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Full text of "Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur"

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BEITRÄGE   ZUR  GESCHICHTE 

DER 

DEÜTSCIEU  SPMCHE  TMD 
LITERATTJE 

HERAUSGEGEBEN 

VON 

HERMANN  PAUL  und  WILHELM  BRAUNE. 


I.  BAin). 


HALLE  A/S.  1874. 

LIPPERT'SCHE   BUCHHANDLUNG 

(MAX   NIEMEYER). 


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INHALT. 


Seite 

Zur  kenntnis  des  fränkischen  und  zur  hochdeutschen  lautverschie- 

bung  von  W.  Braune 1 

Uebersicht    der    neuangelsächsischen     Sprachdenkmäler    von    B. 

Wtilcker 57 

Legenden  und  sagen  von  Pilatus  von  W.  Creizenach     .    .    .    .      89 

lieber  die  letanie  von  F.  Vogt 108 

Zur  lautverschiebung  von  H.  Paul 147 

Kritische  bemerkungen  zu  mittelhochdeutschen  gedichten  von  H. 

Paul 202 

üeber  die  spräche  der  Ancren  Riwle  und  die  der  homilie  Hali  Mei- 

denhad  von  R.  Wtilcker 209 

lieber  die  neuangelsächsischen  Sprüche  des  königs  Aelfred  von  R. 

Wülcker 240 

üeber  die  Margaretenlegenden  von  F.  Vogt 263 

lieber  das  gegenseitige  Verhältnis  der  handschriften  von  Hartmanns 

Iwein  von  H.  Paul 288 

Die    althochdeutsche    Übersetzung   der   Benediktinerregel  von  F. 

Seiler 402 

Kleine  beitrage  zur  deutschen  grammatik  von  £.  Sievers. 

I.  Zur  altangelsächsischen  declination 486 

n.  Die  reduplicierten  präterita 504 

lieber  den  grammatischen  Wechsel  in  der  deutschen  verbalflexion 

von  W.  Braune 513 

Die  altslovenischen  Freisinger  denkmäler  in  ihrem  Verhältnisse  zur 

althochdeutschen  Orthographie  von  W.  Braune 527 

Zum  leben  Hartmanns  von  Aue  von  H.  Paul 535 


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ZUR  KENNTNIS  DES  FRANKISCHEN 

UND 

ZUR  HOCHDEUTSCHEN  LAUTVERSCHIEBUNG. 


Wie  überhaupt  die  mittel-  und  niederdeutschen  dialecte 
einer  grammatischen  darstellung  und  begrenzung  ihres  gebiets 
noch  harren,  so  ist  auch  der  begriff  des  sogenannten  nieder- 
rheinischen im  ganzen  ein  vager,  die  grenzen  und  hauptunter- 
scheidungsmerkmale  des  dialects  sind  noch  von  niemand  ge- 
nauer bestimmt  worden.  Man  sieht  wol  im  allgemeinen  ganz 
richtig  den  dialect  als  einen  solchen  an,  der  den  Übergang  des 
hochdeutschen  in  das  niederländische  vermittele,  wo  und  wie 
aber  der  Übergang  stattfinde,  darüber  begegnet  man  meist 
unklaren  anschauungen.  Und  diess  ist  auch  gar  nicht  zu  ver- 
wundern, da  man  den  dialect  doch  hauptsächlich  nach  den 
literaturdenkmälem,  die  man  ihm  zuzuweisen  pflegt,  beurteilt. 
Nun  weichen  aber  die  gedieh te,  welche  wir  niederrheinische 
nennen;  in  ihrem  lautstande  meist  von  einander  ab,  ihre  ent- 
stehungsorte  sind  nicht  genau  bekannt  und  man  kann  daher 
auf  sie  keine  sichern  Schlüsse  bauen.  So  ist  z.  b.  besonders 
das  Annolied,  welches  man  ohne  weiteres  flir  kölnisch  ausgibt 
(cfr.  Koberstein  i^,  p.  154)  nur  geeignet,  die  Vorstellung  vom  köl- 
nischen dialect  zu  verwirren,  da  es  wenigstens  in  seinem  jetzigen 
zustande  nicht  aus  Köln  hervorgegangen  sein  kann.  Ganz 
ähnlich  verhält  es  sich  mit  den  von  W.  Grimm  unter  dem 
namen  Wemhers  vom  Niederrhein  herausgegebenen  gedichten, 
in  welchen  ebenfalls  der  vom  originale  etwas  abweichende 
dialect  des  Schreibers  deutlich  hervortritt,  während  die  in  der- 
selben hs.  enthaltenen,  von  einem  andern  Schreiber  geschriebe- 
nen Marienlieder  (Haupt  X)  eine  ganz  reine  mundart  darbieten; 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    I.  1 


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2  BRAUNE 

Die  sicherste  quelle  zur  erkenntnis  der  älteren  deutschen 
mundarten  sind  die  nach  ort  und  zeit  ihrer  entstehung ,  fest- 
stehenden Urkunden.  Sie  sind  von  det  mitte  des  13.  Jahrhun- 
derts an  in  immer  zunehmender  fülle  vorhanden  und  mtissen 
die  basis  aller  Untersuchung  bilden,  erst  in  zweiter  linie  kom- 
men die  gedichte  in  betracht.  Auf  grund  dieser  Urkunden 
wollen  wir  denn  versuchen,  die  ausdehnung  und  den  character 
der  niederrheinischen  mundarten  in  der  2.  hälfte  des  13.  und 
im  14.  Jahrhundert  einigermassen  festzustellen. 

Zuvor  aber  möchte  ich  nochmals  (cf.  liter.  centralbl.  1872, 
p.  1227)  gegen  den  landläufigen,  aber  äusserst  unglticklich  ge- 
wählten namen  „niederrheinisch"  protestieren.  Der  name  hätte 
nur  einen  sinn,  wenn  man  damit  die.  spräche  des  Niederrheins 
bis  zu  seiner  mündung  hin  bezeichnete.  Das  tut  man  aber 
nicht,  da  das  unterste  gebiet  des  Bheines  durch  „niederländisch" 
bezeichnet  zu  werden  pflegt  und  man  meint  daher  mit  „nieder- 
rheinisch" gemeiniglich  die  spräche  der  preuss.  Rheinprovinz. 
Diese  aber  wird  durch  eine  deutlich  erkennbare  Sprachgrenze  in 
zwei  teile  getrennt,  so  dass  man  unter  diesem  namen  zwei 
grundverschiedene  mundarten  begriff  und  in  einander  warf. 
Das  unzutreffende  desselben  ftihlte  auch  Pfeiffer  (Germ.  111, 
p.  493)  und  schlug  statt  dessen  „kölnisch"  vor.  Diese  bezeich- 
nung  ist  aber  wiederum  zu  eng,  wie  wir  weiter  unten  sehen 
werden.  Der  passendste  name  ist  wie  mir  scheint  „mittelfrän- 
kisch" (dessen  sich  auch  schon  Heyne,  kleinere  denkm.  p.  III, 
bedient)  und  zur  begrttndung  desselben  werden  wir  die  Stellung 
dieses  dialects  zum  gesammten  fränkischen  stamme,  so  wie  die 
sprachliche  gliederung  des  letzteren  überhaupt  kurz  zu  erör- 
tern haben. 

Der  fränkische  stamm  zieht  sich  bekanntlich  vom  nörd- 
lichen Oberdeutschland  an  den  Rhein  entlang  bis  hinunter  in 
die  Niederlande  und  enthält  sonach,  wie  kein  zweiter  der 
alten  stamme,  einen  hochdeutschen  und  einen  niederdeutschen 
hauptteiL  Diese  Spaltung  ist  natürlich  eine  verhältnismässig 
sehr  späte.  Sie  ist  entstanden,  als  der  südliche  teil  Deutsch- 
lands von  der  hochdeutschen  lautverschiebung  betroffen  wurde. 
Deren  ausdehnung  ist  eine  rein  geographische :  von  den  bergen 
Oberdeutschlands  nahm  sie  in  historisch  erreichbarer  zeit  ihren 
ausgan^  und  beweg^te  sich  ohne  auf  die  Zusammengehörigkeit 


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ZUR  KENNTNIS  DES  FRÄNKISCHEN.  '3 

der  Stämme  rücksicht  zu  Behmen  nordwärts,  bis  sie  endlich 
zwischen  dem  61.  und  52.  breitegrade  in  ihrer  kraft  erlahmte. 
Ganz  von  derselben  betroffen  sind  die  Alamannen  und  Baiem^ 
wol  nur  in  ihren  südlichsten  grenzgebieten  die  Sachsen,  aber 
vollständig  geteilt  sind  durch  sie  die  sich  von  sttden  nach 
norden  lang  hinziehenden  Franken.  Die  sprachliche  einteilung 
des  Stammes  ergäbe  sich  darnach  von  selbst,  nämlich  fränkisch 
ohne  und  mit  hochdeutscher  lautverschiebung,  oder  nieder- 
und  oberfränkisch.  Hier  müste  aber  das  sogenannte  nieder- 
rheinische entschieden  unter  das  oberfränkische  gesetzt  werden, 
da  es  die  hervorragendsten  teile  der  lautverschiebung  mit  erlit- 
ten hat  Doch  wegen  seiner  sonstigen  mehr  zum  niederdeut- 
schen stimmenden  lauterscheinungen  empfiehlt  sich  die  drei- 
teilung  in  ober-,  mittel-  und  niederfränkisch.  Einteilungsgrund 
ist  der  stand  der  consonanten,  vornehmlich  der  dentalen 
welche  ja  von  der  hochdeutschen  lautverschiebung  am  stärksten 
afficieft  sind. 

Der  oberfränkische  dialect  ist  von  MttUenhoff  in  der 
reichhaltigen  und  in  vielen  beziehungen  vortrefflichen  einleitung 
zu  den  denkmälern  eingehend  behandelt  worden.  Er  zerlegt 
das  fränkische  (den  von  uns  „oberfränkisch"  genannten  teU) 
an  der  band  der  ältesten  Urkunden  und  denkmäler  nach  der 
seala  der  dentalen  in  hochfränkisch,  rheinfränkisch  und  süd- 
fränkisch. Hochfränkisch  nennt  er  die  mundart  des  späteren 
Ostfranken,  wo  nach  seinen  urkundlichen  belegen  die  dental- 
tenuis  zu  z,  die  dentalmedia  zu  t  verschoben  war,  desgleichen 
war  auch  th  schon  in  d  übergegangen,  mit  ausnähme  des  an- 
lauts,  wo  es  sich  im  9.  jahrh.  noch  hielt  Als  beispiel  dient 
der  Tatian,  welcher  als  in  Fulda  entstanden  nachgewiesen 
wird.  —  Im  rheinfränkischen  ist  ebenfalls  die  tenuis  t  vollständig 
verschoben,  die  media  verharrt  meistens  als  solche,  auch  das 
th  ist  noch  vorhanden.  Das  hauptsächlichste  hierher  gehörige 
denkmal  ist  der  Isidor.  Eigentlich  nur  eine  Unterabteilung 
dieses  ist  das  von  MüUenhoff  sogenannte  südfränkisch  des 
Otfrid.  Dieses  hat  das  alte  d  nur  im  anlaute,  im  inlaute  ist 
es  zu  t  verschoben,  was  aber  auch  im  rheinfränkischen  nicht 
selten  vorkommt  Das  im  rheinfränkischen  unversehrte  ih  be- 
steht bei  Otfrid  nur  im  anlaut 

Das  sind,  wenigstens  betreffs  der  consonanten,  die  haupt- 


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4  BRAUNE 

gesichtspünkte,  üaeh  denen  M.  diese  oberfränkischen  mundarten 
teilt.  Doch  sind  dieselben  nicht  ganz  feststehend^  da  er  die  mund- 
arten des  9.  Jahrhunderts  betrachtet  und  demgemäss  die  spirans 
th  zur  dialectsonderung  mit  zu  hilfe  nimmt  Diese  aber  geht 
später  in  allen  dialecten  in  die  media  über,  kann  also  für  die 
spätem  mundarten  keinen  sonderungsgrund  mehr  abgeben.  Wir 
betrachten  hier  den  consonantenstand  des  oberfränkischen,  wie 
er  sich  aus  den  Urkunden  des  13.  und  14.  Jahrhunderts  ergibt 
Dasselbe  lässt  sich  darnach  nur  in  zwei  Unterabteilungen  zer- 
legen, nämlich  1)  das  ost fränkische  (MtiUenhoflFs  hochfrän- 
kisch). Da  bei  diesem  nun  auch  das  anlautende  th  verschwun- 
den ist,  so  steht  es  betreffs  des  consonantismus  auf  allgemein 
hochdeutschem  Standpunkte  und  bedarf  keiner  weiteren  be- 
sprechung.  2)  Das  süd fränkische.  Diess  unterscheidet  sich 
vom  ostfränkischen  durch  das  Vorhandensein  der  alten  media 
d.  Seine  grenze  gegen  das  ostfränkische  ist,  ebenso  wie  M. 
für  das  9.  Jahrhundert  anführt,  ungefähr  Spessart  und  Vogels- 
berg. Zeugnisse  dafür,  dass  die  Wetterau  noch  zum  Südfrän- 
kischen gehört,  sind  der  friedberger  Christ  aus  Friedberg  in 
der  Wetterau,  und  Urkunden,  wie  die  von  Rieger  (leben  der 
heil.  Elisabeth  p.  47  ff.)  abgedruckten,  desgL  die  Urkunde  der 
neun  geschwomen  des  landfriedens  in  der  Wetterau  von  1359 
(L.  ni,  593).*)  Gegen  Norden  erstreckt  sich  das  Südfrän- 
kische auf  dem  linken  Rheinufer  ungefähr  bis  zur  Mosel,  auf 
dem  rechten  bildet  etwa  der  unterlauf  der  Lahn  die  grenze, 
dann  aber  müssen  wir  dieselbe  noch  weiter  nördlich  führen, 
indem  das  hessische  in  seinen  consonantischen  eigentümlich- 
keiten  im  grossen  und  ganzen  zum  Südfränkischen  stimmt 
Doch  wird  vielleicht  noch  eine  genauere  sonderung  möglich 
sein.  Im  Süden  geht  das  fränkische  dann  ins  alaman- 
nische  über. 

Die  unverschobene  media  ä  ist  also  einmerkmal  des  süd- 
fränkischen. Doch  finden  wir  sie  nicht  immer  gleichmässig 
durchgeführt,  indem  in  vielen  Urkunden  des  dialects  sich  unter- 
schiedslos daneben  t  findet  —  In  Riegers  Urkunden  ist  t  nicht 
sehr  häufig,   aber  in   der  Wetterauer  Urkunde  bei  L.  stehen 

*)  L.  =  Lacomblet,  urkundenbuch  für  den  Niederrhein.    4  bände. 
H.  =»  Höfers  auswahl  deutscher  Urkunden. 
Q.  »  Günther,  codex  diplomaticus  Rheno-Mosellanus.    5  teile. 


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ZUE  KENNTNIS  DES  FRANKISCHEN.  5 

14  dj  18  tj  also  luden,  gebode,  siede,  dun  neben  tede,  teil,  tun, 
syten,  in  der  Urkunde  des  Mainzers  v.  1339  (Lac.  HL  343) 
27  d  zu  24  t:  dun,  aber  getan,  in  gode  vadem  und  gleich  dar- 
auf von  desem  hutigen  tage,  deikn  und  vier  zeilen  weiter 
teilen  etc.  —  In  der  Urkunde  aus  Bingen  v.  1329  (6.  IIL  162) 
giebt  es  nur  wenige  t,  im  subst  site,  warte,  sonst  aber  stets 
d  in  dun,  hudigen  dag,  luden  etc.~  ebenso  überwiegt  weit  das  d 
in  der  Frankfurter  Urkunde  v.  1332  (H.  p.  262.  Der  kaiser 
Ludwig  der  Baier  stellt  hier  eine  südiränkische  Urkunde  aus!). 
—  Das  t  überwiegt  in  der  Mainzer  Urkunde  v.  1325  (H.  p.  183), 
doch  finden  sich  auch  zahlreiche  d,  z.  b.  beraden,  vader  etc. — 
Es  mögen  beispielsweise  noch  eine  anzahl  südfränkischer  Ur- 
kunden hier  angeführt  werden,  in  denen  das  Verhältnis  überall 
das  gleiche  ist:  Sponheim,  H.  p.  49.  128.  129.  148.  L.  HL 
290.  624.  G.  m.  84.  109.  167.  236.  275.  319.  456  u.  a.  (in  aU 
diesen  Urkunden  gehört  i  zu  den  Seltenheiten).  —  Dann-  (b^i 
Sponheim)  G.  III.  281.  490.  H.  p.  36.  Saarbrücken  H.  p.  188. 
Kirchberg  G.  IIL  186.  221.  Brunshom  (bei  Castellaun)  G.  HL 
474.  Mainz  G.  III.  251.  260.  26L  361.  451.  L.  IIL  941. 
Katzenellenbogen  G.  IIL  631.  IV.  28.  Bingen  G.  HL  633. 
Amsburg  a.  d.  Wetter  H.  p.  60.    Creuznach  H.  p.  161. 

Eine  weitere  scharf  ausgeprägte  eigentümlichkeit  ist  femer 
das  im  anlaute  stets  unverschobene  p,  also  z.  b.  plagen,  {plegit 
Katzenellenbogen  L.  IIL  970,  plach  Sponheim  G.  IIL  624), 
parrer  (Sponheim  G.  IIL  236),  paffen  (Mainz  L.  III.  343),  punde 
(Sponheim  H.  p.  49),  punt  (Leiningen  H.  p.  290,  Mainz  H.  p. 
183),  Pawe  (ib.  p.  186),  pdnt  (Sponheim  G.  IIL  275),  penning 
— pert — Pingesten  etc.,  wovon  man  die  beispiele  auch  in  den 
oben  angeführten  Urkunden  zahlreich  findet  So  war  es  zu 
Otfrids  zeit  und  so  ist  es  noch  heute  in  der  «Palz",  Frankfurt, 
Mainz,  wtr  man  stets  im  anlaut  p  spricht,  aber  aspiriert 
Dieses  nachstürzende  h  wird  auch  damals  schon  dagewesen 
sein,  da  es,  wenngleich  nur  selten,  doch  zuweilen  bezeichnet 
wird,  z.  b.  phleger  (Leiningen  H.  p.  266),  phert  (Katzenellen- 
bogen G.  IIL  631),  ohne  dass  man  dabei  an  die  afiricata  pf 
zu  denken  braucht  Ausserdem  steht  noch  unverschobenes  p 
in  den  inlautenden  Verschärfungen,  denen  hd.  pf  entspricht: 
appelhaum  (Bingen  G.  IIL  633)  kop  (G.  III.  314)  —  Amsteiner 
Marienleich:  gescheppen  170,  scheppaere  200. —  Beispiele  dieses 


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6  BRAUNE 

letzteren  falles  sind  in  den  Urkunden  nicht  häufig  und  ich 
glaube  nicht,  dass  in  diesem  falle  das  p  bis  in  die  südlichsten 
teile  Südfrankens  reicht,  da  Otfrid  aphul,  scepheri,  kuphar  etc. 
hat,  also  gevsris  bei  ihm  schon  ein  starker  nachstürzender  hauch 
Yorhanden  war.  —  In  allen  übrigen  fällen  ist  das  p  im  süd- 
fränkischen regelrecht  luerschoben  {helfen,  dorf  etc.). 

Nördlich  nun  schliesst  sich  an  das  südfränkische  das 
mittelfränkische  an,  ungefähr  von  der  Mosel  und  Lahn  bis 
gegen  Düsseldorf  und  gegen  westen  bis  nahe  zur  Maas.  Den 
consönantenstand  der  mundart  habe  ich  in  meinen  Unter- 
suchungen über  Veldeke  (zeitschr.  f.  d.  phil.  IV)  in  seinen 
grundzügen  angegeben;  Trier,  Koblenz,  Köln,  Jülich,  Aachen 
sind  die  bedeutendsten  orte,  welche  ihr  angehören.  Diejenige 
durchgehende  eigentümlichkeit  nun,  welche  uns  bestimmt,  den 
dialect  dieses  ganzen  gebietes  als  einen  im  wesentlichen  ein- 
heitlichen zu  bezeichnen,  ist,  dass  im  ganzen  durchweg  die 
tenuis  t  zu  z  verschoben  ist,  mit  ausnähme  des  neutralen  t 
in  dat,  wat,  it,  allet,  dit  Ausserdem  blieb  unverschoben  das  t, 
welches  im  perf.  und  part.  perf.  der  1.  schwachen  conjugation 
entstand,  wenn  ein  t  des  stammauslauts  mit  dem  d  der  schwa- 
chen flexion  zusammentraf,  und  dadurch  eine  schärfung  des 
dauts  entstand,  also  vom  praes.  setzen  satte  und  gesät  (diese  in 
den  Urkunden  sehr  häufig);  gruzen,  groessen  ]}^xt  groete  gegroet 
(z.  b.  Karlmein.  2,43,  13,38);  buzen,  boezen,  boessen,  perf. 
boete,  geboet  (z.  b.  Karlm.  13,i6.  261,17.  314,65,  gut:gebut  Marld. 
53,38.  56,5);  letzen  perf.  latte  (Karlm.  311,25)  gelat  (Karlm.  87,55. 
119,45.  121,13),  schetzen,  geschat  (L.  III.  163.  363  etc.).  — 
Ausserdem  findet  sich  unverschobenes  t  noch  in  einigen  ein- 
zelfäUen,  als  toi  (telonium,  zoll)  z.  b.  L.  11.  542  und  seinen 
ableitungen  tolUnge  (L.  II.  537)  etc.  besonders  aber  noch  in 
ft(ÄCÄen  (zwischen),  welches  wort  aber  merkwürdiger  weise  nicht 
bloss  im  mittelfränk.,  sondern  auch  im  südfränk.  (z.  b.  Mainz 
L.  ni.  343,  Saarbrücken  H.  p.  321)  regelmässig  in  dieser  form 
auftritt,  ja  Weinhold  flihrt  twischen  sogar  als  alemannisch  an  (al. 
gr.  §  169).  Vereinzelt  und  nicht  durchgängig  finden  sich  un- 
yerschobene  t  in  einigen  worten.  So  kommt  in  kölnischen 
Urkunden  einige  male  moit,  muthe,  moythe  vor  (L.  IL  1064 
p.  625  u.  626,  IL  1065),  ja  sogar  in  einer  südfränk.  Urkunde 
(H.  p.  37)  habe  ich  ein  muten  gefunden,  was  man  an  dieser 


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ZUR  KENNTNIS  DES  FRÄNKISCHEN. 


stelle  allerdings  vielleicht  als  mohten  fassen  könnte.  Ganz 
allgemein  aber  ist  sonst  mittelfränk.  moiss,  muss,  moste  u.  s.  w. 
—  drussete,  droissit  (truchsess)  scheint  besonders  den  Jtilicher 
Urkunden  eigen  (z.  b.  L.  III.  120.  352.  384.  545  u.  s.  w.), 
während  in  Köln  druszeszin  (L.  IL  542)  droississm  (H.  p.  274) 
üblicli  ist.  —  Das  seit  mitte  des  14.  Jahrhunderts  in  Köln 
und  Mittelfranken  nicht  seltene  tgegen,  igegn,  tgain,  tgenwordig 
ist  nicht,  wie  es  auf  den  ersten  blick  scheinen  sollte,  aus  te 
gegen,  sondern  aus  inigegen  entstanden.  Im  13.  und  der  1. 
hälfte  des  14.  Jahrhunderts  heisst  es  immer  diesen  intgegenwor- 
digen  brief  (z.  b.  L.  IL  534.  537.  744),  wofür  dann  tgegenwordig 
eintritt  (L.  III.  532.  540.  556).  Das  erste  tgegen  (statt  intgegen, 
untgen  etc.)  habe  ich  in  einer  kölner  Urkunde  von  1349  gefun- 
den (L.  III.  474),  von  wo  ab  es  dann  herscht,  doch  findet  sich 
auch  später  sporadisch  untgen  (L.  III.  498),  intganwordicheit 
(L.  m.  670)  etc.*) 

Doch  es  ist  hier  nicht  der  ort,  noch  weitere  einzelheiten 


•)  In  diesem  vorgange  haben  wir  eine  bemerkenswerte  analogie  zur 
entstehung  des  anlautenden  t  in  den  westfries.  zahlen  tachtich,  iniogen- 
tich  aus  der  silbe  ant-,  die  im  altsächs.  vorliegt.  —  Ich  will  nur  noch 
hinzufügen,  dass  jene  formen ,  die  man  gewöhnlich  nur  als  friesisch  an- 
führt, noch  viel  häufiger  im  östlichen  Niederfranken,  vornehmlich  Gel- 
dem-Kleve  sich  finden.  Und  zwar  nicht  nur  tnegdntich  (L.  III.  952.  966. 
1018.  1068  etc.)  und  tachtentig  (L.  III.  864.  882.  913.  920.  945),  sondern 
auch  tseventich  (L.  III.  716.  739.  828.  834.  IV.  370  etc.)  und  tsesHch^ 
tseistich  (L.  III.  635.  666.  674,75.  682  etc.)  Nie  aber  habe  ich  50  oder 
40  mit  diesem  t  gefunden.  Für  Kleve-Geldem  sind  diese  formen  regel; 
in  Mittelfranken  dagegen  ist  das  t  nicht  vorhanden,  nur  ein  mal  ist  mir 
in  Köln  tsestzich  begegnet  (L.  UI.  627).  Ebenso  fehlt  das  t  im  west- 
lich-niederfränkischen, dem  sog.  mlttelndl.  Sonach  steht  in  einer  Brüsseler 
Urkunde  bei  L.  III.  652  sestich.  Wenn  wir  daher  in  einer  ebenfalls 
Brüsseler  Urkunde  (L.  III.  696)  tsestich  lesen,  so  erklärt  sich  das  daraus, 
dass  ohne  zweifei  der  graf  von  Kleve  durch  seinen  Schreiber  diese 
Urkunde  hat  aufsetzen  lassen,  da  er  sich  darin  vom  herzog  von  Brabant 
einen  zoll  verschreiben  lässt.  —  In  den  nördlichen  Niederlanden  aber 
tritt  das  i  wider  regelmässig  auf:  codex  dipl.  neerlandicus  2.  ser.  1 
p.  83  (Haerlem)  tsestich,  p.  84  (Wondrichem)  tseuentichj  p.  92  (Isselstein) 
tachtigy  p.  165  tachtentich  etc.  —  Dass  übrigens  die  silbe  ant-  mit  dem 
ags.  hund-  sich  decke,  glaube  ich  nicht,  da  in  diesem  zahlwort  durchaus 
in  allen  german.  sprachen  —  und  ja  auch  im  altsächs.  selbst  —  das  alte 
a  in  0,  u  geschwächt  ist.  Ein  hand  neben  hund  wird  ebensowenig  nach- 
zuweisen sein,  wie  z.  b.  ein  handum  statt  hundum. 


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8  BRAUNE 

anzuführen,  da  sonst  im  allgemeinen  überall  t  die  hochdeutsche 
Verschiebung  erlitten  hat.  Dieses  hochdeutsche  z,  resp.  s  (denn 
schon  seit  ende  des  13.  Jahrhunderts  wird  ^  regelmässig  durch 
s,  SS  vertreten)  scheidet  den  dialect  scharf  von  dem  nördlich 
und  westlich  sich  anschliessenden  niederfränkischen,  das 
ganz  niederdeutschen  consonantenstand  hat,  so  wie  das  auf- 
treten von  dat,  it  u.  s.  w.  richtschnur  sein  muss  zur  grenzbe- 
stimmung  gegen  das  stidfränkische.  Diese  grenzen  wollen 
wir  jetzt  nach  den  vorliegenden  Urkunden  näher  festzustellen 
suchen. 

Zuvor  aber  bedarf  es  noch  einiger  bemefkungen  ttber  die 
benutzung  der  Urkunden  zu  derartigen  zwecken.  Es  wäre 
nämlich  ganz  verfehlt,  wenn  man  aus  dem  ausstellungsorte 
der  Urkunde  ohne  weiteres  Schlüsse  betreffs  des  dialects  dieses 
orts  ziehen  wollte,  ohne  vorher  auch  die  dabei  beteiligten  per- 
sonen  ins  äuge  zu  fassen.  So  ist  z.  b.  die  mehrfach  erwähnte 
Urkunde  des  Mainzers  (L.  III.  343)  zu  Koblenz  ausgestellt  und 
doch  im  Mainzer  dialect,  da  jedesfalls  der  erzbischof  seinen 
Schreiber  bei  sich  gehabt  hat.  —  Oder  es  stellt  (L.  III.  737) 
der  graf  von  Cleve  eine  Urkunde  aus,  ein  ausstellungsort  steht 
nicht  dabei,  aber  flir  clevisch  wird  sie  niemand  halten,  der 
die  clevisehen  Urkunden  kennt.  Die  Urkunde  ist  eine  quittung 
an  den  erzbischof  von  Köln  und  ist  ohne  zweifei  von  dessen 
Schreiber  verfasst  —  Die  Urkunde  L.  III.  567  ist  zu  Mastricht, 
also  auf  rein  niederfränkischem  gebiet  ausgestellt,  sie  betrifft 
einen  vertrag  zwischen  dem  grafen  von  Loon,  also  einem  Nie- 
derfranken, und  dem  herzog  von  Jülich,  Die  Urkunde  ist  aber 
mittelfränkisch  und  es  ergibt  sich  daraus,  dass  der  herzog 
seinen  Schreiber  bei  sich  hätte.  Die  Urkunden  L.'IIL  689.  827. 
889.  sind  unter  beteiligung  des  kölner  erzbischofs  in  Arnsberg 
in  Westfalen  ausgestellt;  sie  sind  kölnisch.  Weitere  beispiele 
für  diess  Verhältnis  anzufahren  ist  unnötig,  sie  sind  ganz  un- 
gemein häufig  und  lassen  es  fast  als  regel  erscheinen,  dass 
Urkunden,  in  denen  bischöfe,  herzöge  und  flirsten  mit  städten 
oder  einzelpersonen  pactieren,  in  dem  dialect  der  ersteren  ver- 
fasst sind;  weiter  aber  lässt  sich  der  allgemeine  satz  aufstellen, 
dass,  bei  vertragen  zwischen  flirsten  unter  einander,  meist  der 
das  doeument  verfassen  lässt,  zu  dessen  vorteil  der  betreffende 
vertrag  gereicht.    So  macht  der  könig  Johann  v.  Böhmen  ftfcr 


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ZÜE  KENNTNIS  DES  FRÄNKISCHEN.         9 

die  wähl  seines  sohnes  Karl  IV.  dem  Kölner  grosse  Verspre- 
chungen und  diese  Urkunden  (L.  III.  432.  33)  sind  sonach  im 
kölnischen  dialect  geschrieben.  Ein  anderes  beispiel  besprachen 
wir  oben  schon,  wo  die  Brüsseler  Urkunde  in  klevischer  spräche 
ausgestellt  war. 

Unter  diesen  umständen  haben  wir  eine  fülle  von  Urkun- 
den, aus  welchen  wir  über  den  dialect  von  Trier,  Jülich,  Berg, 
Köln,  Geldern,  Cleve  unterrichtet  werden,  aber  für  die  andern 
orte  müssen  wir  uns  mit  viel  weniger  zahlreichem  material 
begnügen,  da  wir  sicher  für  ihren  dialect  nur  städtische  docu- 
mente  und  solche,  bei  denen  nur  kleinere  herren  beteiligt  sind 
in  anspruch  nehmen  können. 

Der  südlichste  hauptpunkt  des  mittelfränkischen  dialects  ist 
Trier.  Die  alten  Urkunden  des  Trierer  erzbischofs  bieten  durch- 
gängig dat  H.  p.  3,  p.  129,  p.  164,  p.  167  f.,  (p.  168  steht 
einmal  das),  p.  173,  G.  III.  112.  114.  117.  126.  131  (einmal 
das)  156,  in  Übereinstimmung  mit  dem  Trierer  capitulare  (das 
aber  auch  einmal  thaz  hat)  und  der  heutigen  volksmundart. 
Die  nähe  der  grenze  wird  durch  das  sporadisch  auftretende 
das  bekundet.  Ueber  eine  in  den  Trierer  Urkunden  später 
eingetretene  Wandlung  wird  weiter  unten  zu  reden  sein. 

Ebenso  wie  in  Trier  herscht  dat  in  den  flussabwärts  auf 
beiden  selten  der  Mosel  gelegenen  orten,  ich  fllhre  an  auf  dem 
linken  Moselufer:  Witlich  (G.  III.  352),  ßeil  (H.  p.  154), 
Alf  (H.  p.  251),  Clotten  bei  Cochem  (Weisth.  IL  441—45), 
Elz,  (burgfrieden  des  Schlosses  Elz  G.  IV.  143),  Münster- 
mayfeld  (H.  p.  186,  p.  216),  Trimbs  (Weisth.  2,  476),  Lön- 
nig-Kerben  (G.  III.  612),  Ochtendung  (G.  III.  150  oder  H. 
p.  .213),  Cobern  (G.  III.  301.  662);  —  auf  dem  rechten  Mo- 
selufer: Zell  (G.  m.  254),  Beilstein  (G.  IV.  162,  auch  einige 
das),  Treis  (H.  p.  235,  G.  IH.  315),  Ehrenberg  (G.  III.  431. 
496),  H.  p.  243 — 47  bündnis  einer  grossen  zahl  meist  auf  dem 
rechten  ufer  der  Mosel  ansässiger  herren;  Alken,  gegenüber 
Boppard  (G.  III.  219),  Koblenz  (H.  p.  151,  p.  199.  L.  III. 
622.    G.  III.  148). 

Wir  sehen  also,  dass  der  lauf  der  Mosel  von  Trier  bis  zu 
ihrer  mündung  zu  Mittelfranken  gehört,  aber  auch  noch  weiter 
rheinaufwärts  über  die  Moselmündung  hinaus  erstreckt  sich 
die  mittelfränkische  mundart  auf  der  linken  seite  des  Rheins, 


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10  BRAUNE 

SO  herscht  dat  in  Boppard  (G.  III.  346,  H.  p.  214).  Der 
südlichste  punkt,  an  welchem  auf  dem  linken  Rheinufer  dat 
vorhanden  ist,  ist  Oberwesel.  H.  p.  65 — 67  haben  wir  eine 
städtische  Urkunde  von  Wesel  aus  dem  jähre  1301.  Darin 
steht  ein  dit,  ein  alllt,  4  it,  aber  neben  23  dat  auch  3  daz, 
z.  b.  dat  er  daz  ahe  lege.  —  Doch  auch  in  Bacharach  (schöf- 
fenweistum  des  14.  Jahrhunderts  Weisth.  IL  219 — 22)  findet 
sich  ein  paarmal  rvat  und  dat  neben  dem  weit  vorwiegen- 
den daz. 

Alles  was  nördlich  von  dieser  Mosellinie  liegt,  hat  nun 
durchweg  dat.  Ich  fiihre  beispielsweise  einige  orte  an:  An- 
dernach (L.  III.  632.  G.  III.  6),  Mayen  (H.  p.  256),  Kem- 
penich bei  Laach  (G.  III.  272.  513.  619),  Saffenberg  an  der 
Ahr  (G.  III.  405.  473.  480.  650),  Virnenburg  (G.  IV.  119. 
135.  226.  249),  Prüm  (L.  680.  G.  IV.  286.  Weisthümer  IL 
515—21),  Sinzig  (H.  p.  202.  203),  Brol  oberhalb  Sinzig  (G. 
IV.  272),  Remagen  (G.  IIL  503),  Ahrweiler  (Weieth.  IL 
643—47). 

Von  Wesel  an  geht  die  grenze  nordwärts,  wir  werden  sie 
wol  am  richtigsten  nach  der  stadt  Nassau  hin  ziehen.  Katzen- 
ellenbogen (cf.  oben)  ist  schon  slidfränkisch ,  doch  in  einer 
Urkunde  des  grafen  Diether  (L.  III.  970)  kommt  auch  ein  dat 
neben  dem  sonst  regelmässigen  daz  vor.  Nassau  wird  so 
ziemlich  einen  grenzpunkt  bilden,  denn  in  den  dahin  gehörigen 
Urkunden  wird  neben  daz  auch  nicht  selten  dat  gebraucht  So 
L.  IIL  637  (4  daz,  3  dat\  756  (12  daz,  1  iz,  2  it),  911  (brief 
des  grafen  von  Nassau:  1  daz  und  1  dai).  Nur  daz  steht  in 
der  Nassauer  Urkunde  L.  III.  379.  Ziemlich  denselben  dialect, 
wie  diese  Nassauer  Urkunden  bietet  der  Amsteiner  Marienieich 
(denkm.  XXXVIII),  der  aus  dem  weiter  nach  osten  a.  d.  Lahn 
gelegenen  kloster  Amstein  stammt.  Nur  hat  er  schon  durch- 
gehend neutrales  z,  mit  ausnähme  eines  einzigen  dad  (v.  151), 
das  in  den  denkmälern  nicht  hätte  entfernt  werden  sollen. 

Nördlich  von  Nassau  gehören  dann  zum  mittelfränkischen 
die  herschaften  Sayn  und  Isenburg.  Durchaus  dat  steht  in 
den  Urkunden  der  gräfin  Mechthild  von  Sayn  aus  dem  13.  Jahr- 
hundert L.  IL  744.  786.  H.  p.  29.  G.  IL  247,  ebenso  L.  IIL 
308  (diese  Urkunde,  einen  vertrag  zwischen  Gottfried  von  Sayn 
und  dem  markgrafen  von  Jülich  enthaltend,  ist  dem  dialect 


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ZUR  KENNTNIS  DES  FRÄNKISCHEN.  11 

des  ersteren  zuzuweisen,  da  uf  statt  des  jülichsehen  up  ge- 
braucht ist),  —  femer  in  den  Isenburger  urk. :  L III.  316.  335.  339. 
622.  628.  6.  HI.  179.  203.  468.  571.  Schwankend  ist  H.  p. 
261.  L.m.906  (Sayn)  und  H.p.l76  (Isenburg).  Hierzukommt 
noch  Westerburg  im  nördl  Nassau  G.  UI.  171. 

In  den  westlich  von  diesen  orten  gelegenen  gegenden  ist 
neutrales  t  die  regel,  z.  b.  Wied  (H.  p.  196),  ßennenberg  bei 
Wied  (G.  IT.  241.  H.  p.  97).  Helfenstein  bei  Arzheim  gegen- 
über Coblenz  auf  dem  rechten  ßheinufer  (H.  p.  106.  G.  III. 
259),  ßomersdorf  bei  Engers  (G.  IL  336.  IH.  369.  IV.  231). 
Engers  (G.  IV.  194),  Hammerstein  oberhalb  Linz  auf  dem 
rechten  Bheinufer  (H.  p.  59.  224.  326.  G.  IIL  4.  375.  484.  538. 
578.  G.  IV.  IL  12),  Battenberg  (G.  HI.  614),  Linz  (H.  p. 
11.  18.  G.  IIL  502).  Weiter  nördlich  ist  Blankenberg  an  der 
Sieg  als  mittelfränkisch  belegt  durch  ein  weistum  (Weisth.  III. 
17  ffg.)  Das  herzogtum  Berg  auf  der  rechten  ßheinseite  war 
seinem  grundstocke  nach  mittelfränkisch,  weshalb  auch  die 
Bergischen  Urkunden  in  diesem  dialect  verfasst  sind,  z.  b.  L. 
in.  407.  486.  513.  582.  629.  708  etc.  —  Es  würde  nun  unge- 
fähr die  linie  zu  bestimmen  sein,  in  welcher  das  rechtsrhei- 
nische mittelfränkisch  in  das  östlich  darangrenzende  hessische, 
welches  bloss  öit,  sonst  aber  daz,  ez  hat,  übergeht.  Dazu  feh- 
len mir  jedoch  zur  zeit  sichere  locale  Urkunden,  da  für  Kur- 
hessen und  Nassau  noch  kein  codex  diplomaticus  existiert  Wir 
werden  aber  weiter  unten  diesem  mangel  durch  vergleichung 
der  neuem  mundarten  einigermassen  abhelfen  können. 

Es  ist  nunmehr  die  grenze  des  mittelfränkischen  gegen 
die  rein  niederdeutschen  sprachen,  das  niederfränkische  und 
sächsische,  zu  bestimmen.  Doch  zuvor  einige  worte  über  die 
grenze  zwischen  diesen  letztem  selbst  Diese  in  ihrem  ganzen 
verlaufe  zu  verfolgen,  bin  ich  jetzt  nicht  im  stände,  ich  will 
bloss  einige  endpunkte  des  sächsischen  besprechen,  nämlich 
Essen,  Werden  und  Elberfeld.  Betreffs  des  zweiten  befinde 
ich  mich  im  Widerspruch  mit  Heyne,  welcher  es  (cf  kleine 
altnd.  denkmäler,  vorr.  und  zeitsch.  f  d.  philoL  L  p.  288)  dem 
niederfränkischen  zuteilt  Sein  grand  ist  vornehmlich  der  frän- 
kische vocalismus  {uo  =  germ.  6,  ie  aus  i  in  thie,  hie)  in  den 
Werdener  denkmälem,  -denen  er  den  Cottonianus  und  das 
bmchstück  eines  psalmencommentars  (kl.  denkm.  III)  wol  mit 


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12  BRAUNE 

recht  zuweist.  Aber  es  fragt  sich,  ob  wir  diess  als  entscheidendes 
kriterium  des  altniederfränkischen  anerkennen  wollen;  und  darin 
glaube  ich  eben  widersprechen  zu  müssen.  Bekanntlich  ist  ja  die 
Spaltung  des  dm  uo  erst  im  8.  Jahrhundert  vor  sich  gegangen,  und 
hat  ausser  dem  hochdeutschen  auch  das  mittelfränkische  und,  wenn 
es  auch  für  das  ganze  nicht  ohne  weiteres  behauptet  werden  kann, 
so  doch  sicher  einen  teil  des  niederfränkischen  mit  ergriffen. 
Dass  nun  diese  äflfection  auch  das  den  betreffenden  fränkischen 
gegenden  angrenzende  Werdener  land  mit  betroffen  hat,  wird 
nicht  auffällig  erscheinen.  Aber  fränkisch  darf  man  allein  wegen 
dieses  so  spät  eingetretenen  lautwandels  Werden  noch  nicht 
nennen.  Denn  wir  sehen  ja,  dass  Werden  in  einem  andern 
hauptpunkte  des  fränkischen  vocalismus  wieder  abweicht.  In 
den  altniederfränkischen  psalmen  ist  durchgängig  der  alte 
diphthong  ei  bewahrt,  wie  er  ja  auch  im  mittelfränkischen  des 
13.  Jahrhunderts  noch  besteht,  und  im  niederfränkischen  des 
13.  Jahrhunderts  (mittelniederländischen)  ganz  gewöhnlich  neben 
der  da  allerdings  häufigeren  Verengung  zu  e  auftritt.  Der 
Cottonianus  aber  sowol  als  der  psalmencommentar  haben  dafür  e. 
Ein  hauptmerkmal  des  fränkischen  aber  ist  folgendes. 
Sowol  im  altsächsischen,  als  im  angelsächsischen  und  friesi- 
schen sind  in  der  conjugation  die  plurale.  in  den  drei  personen 
gleichgemacht,  indem  das  übergewicht  der  am  häufigsten  vor- 
kommenden dritten  person  die  beiden  andern  unterdrückte. 
Im  praesens  ind.  könnte  man  sich  den  Vorgang  auch  so  den- 
ken, dass,  indem  in  der  endung  der  3.  person  -anth  das  n  laut- 
gesetzlich vor  th  geschwunden  war,  dieselbe  der  2.  person  auf 
-ath  gleich  wurde  und  diese  gemeinschaftlich  dann  die  1.  per- 
son verdrängten.  Dann  würde  der  Vorgang  in  den  temporibus 
mit  secundären  endungen  ein  anderer  sein,  indem  die  gleichen 
endungen  der  1.  und  3.  person  die  der  2.  verdrängten.  Jeden- 
falls aber  müssen  wir  diesen  Vorgang,  als  den  räumlich  ge- 
trennten Angelsachsen  mit  dem  contineüt  gemeinsam,  flir  ziem- 
lich alt  halten.  Hieran  nun  hatte  das  fränkische  keinen  an- 
teil.  In  den  niederfränkischen  psalmen  sind  im  praesens  sogar 
alle  drei  personen  noch  geschieden,  indem  die  3.  person  auf 
-ant,  'int,  -^nt  endet.  Im  darauf  folgenden  mndl.  ist  allerdings 
durch  abfall  des  t  die  3.  person  mit  der  ersten  zusammenge- 
fallen,  aber   die  2.  person  fahrt   bis   ins  neundl.   hinein  ihr 


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ZUR  KENNTNIS  DES  FRÄNKISCHEN.  13 

selbständiges  leben.  Genau  dasselbe  Verhältnis  findet  statt  in 
den  zum  mndL  gehörigen  Urkunden  von  Cleve,  Geldern,  Mors, 
nur  kommt  in  den  älteren  dorthin  gehörigen  stücken  noch 
zuweilen  die  im  verschwinden  begriflene  volle  form  der  3. 
p.  pl.  vor,  also  z.  b.  sient,  horent  etc.  (L.  III.  173.  184)  Eine 
1.  und  3.  pers.  pl.  auf  -et  findet  sich  aber  links  des  Rheines 
nicht.*)  Wenn  nun  in  dem  Werdener  psalmencommentar 
(z.  75.  76)  die  3.  pers.  pL  ?iebbed  steht,  und  wenn  der  Wer- 
dener Schreiber  des  Cottonianus  das  -ad  seiner  vorläge  stehen 
liess,  so  verbindet  die  teilname  an  dieser  alten  sächsischen 
eigentttmlichkeit  den  Werdener  dialect  viel  enger  mit  Sachsen, 
als  ihn  die  verhältnissmässig  junge  Spaltung  .des  ö  in  uo  mit 
Franken  verbindet.  —  Ebenso  beginnt  das  Essener  bruch- 
stück  (kl.  d.  V)  mit  wi  lesed  und  die  Essener  Urkunde  L.  III. 
771  aus  dem  jähre  1375  mit  wy  doyt  kundich.  —  Elberfel- 
der  Urkunden  bieten  ebenfalls  diese  formen  cf.  L.  III.  669  wy 
hebt  und  rvy  doit  —  Am  weitesten  westlich  habe  ich  die  form 
in  Duisburg  gefunden  (Duisb.  weistum  bei  Lacomblet,  archiv 
fUr  d.  gesch.  des  Niederrheins  IIL  p.  260):  se  hebt  unn 
gevet.  **) 

*)  In  einer  einzigen  Urkunde^  die  die  namen  der  grafen  von  Cleve 
und  Geldern  an  der  spitze  trägt,  habe  ich  die  form  wy  hebt  gefunden 
(L.  III.  229).  Mag  man  nun  annehmen,  dass  diese  Urkunde,  in  welcher 
sich  verschiedene  gutsbesitzer  auf  der  rechten  seite  des  Rheins  in  der 
Lymersch  Zusicherungen  machen  lassen,  von  diesen  verfasst  und  dem 
grafen  zur  Unterschrift  vorgelegt  worden  sei,  oder  mag  man  diese  ver- 
muthung  ablehnen,  jedenfalls  wird  dieses  eine  beispiel  keine  plurale  auf 
et  für  das  fränkische  beweisen;  es  könnte  ja  auch  aus  dem  benachbarten 
friesischen  eine  solche  form  zu  erklären  sein.  —  Zur  leichteren  controlle 
dessen,  was  ich  hier  und  im  folgenden  über  die  geldem-clevesche  spräche 
bemerke,  füge  ich  ein  verzeichniss  der  ältesten  bei  Lacomblet  befind- 
lichen hierher  gehörigen  Urkunden  bei: 

Cleve  IL  1011.  1049.  IIL  15.  34.  66.  117.  173.  184.  207.  229.  242. 
254.  272.  297.  298.  302.  314.  317.  322—25.  341.  345.  366.  368.  387.  401. 
415.  442.  444.  457.  458.  482.  495.  497.  511.  521.  555.  560.  590.  606.  616. 
619.  620.  625.  638.  640.  (646  ist  ein  wunderliches  weder  klevesches  noch 
kölnisches  mischproduct)  650.  662.  664.  666.  674.  675  etc. 

Geldern  III.  217.  223.  229.  232.  250.  256.  257.  270.  271.  338.  346. 
434.  477.  512.  520.  531.  541.  543.  544.  552.  604.  635.  655.  658.  665  etc. 

Mors  m.  429.  721.  975. 

*•)  Es  ist  ja  bekannt,  dass  im  14.  jahrh.  auch  die  1.  pers.  pl.  praes.  auf  -en 
statt  -et  im  sächs.  vorkommt  (cf.  Nerger,  mekl.  gr.  §  86,  3),  wahrscheinlich 


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14  BRAUNE 

Ferner  hat  das  niederfränkische  zur  zeit,  wo  wir  es  aus 
reichlichen  quellen  kennen,  im  dativ  sing.  masc.  neutr.  des 
starken  adjectivs  die  endung  -m,  nicht  -eme,  wie  das  mittel- 
fränkische noch  im  14.  Jahrhundert  regelmässig  bietet  Dass 
diess  nicht  bloss  im  sog.  mndl.,  sondern  auch  an  der  ostgrenze 
des  niederfränkischen  statt  hat,  sehen  wir  aus  den  Urkunden 
von  Cleve,  Geldern,  Mors,  z.  b.  Cleve  bei  L.  IL  1011:  smen 
tvittelikm  rvive  (v.  1298),  ein  -eme,  -em  kennt  das  niederfrän- 
kische zu  der  zeit  nicht  Diese  eigenheit  wird  aber  widerum 
als  alt  erwiesen  durch  die  psalmen,  wo  dieser  starke  dativ 
auf  'in,  'on,  endigt,  z.  b.  skalke  thimn  (ps.  18, 13),  farvurpanon 
61,4  etc.;  —  ein  dativ  -emo  kommt  in  diesem  sonst  die  vollen 
endungen  bietenden  denkmale  nicht  vor.  Der  Werdener  psal- 
mencommentar  hat  aber  thinemo  (z.  63),  eine  Werdener  Urkunde 
von  1320  (Weisth.  HL  p.  32)  zweimal  eynem,  die  Essener 
Urkunde  L.  III.  1058  unseme,  die  oben  erwähnte  Elberfelder 
eyme,  unsem,  disem  (vgl  auch  die  Elberfelder  Urkunde  L.  IIL 
686),  wie  überhaupt  gleich  dem  mittelfränkischen  das  sächsische 
die  volle  dativendung  -eme  noch  lange  ßewahrt.  Doch  kommt 
im  sächsischen  die  form  auf  -en  neben  der  älteren  nicht  selten 
vor  (cf.  Nerger,  meklenburg.  gramm,  §  138).  Der  Cottonianus 
allerdings  setzt  gewöhnlich  f&r  die  sächsische  dativendung 
-mnu,  -um  die  niederfränkische  -ön. 

Eine  weitere  eigentlimlichkeit  des  niederfränkischen,  welche 
es  mit  dem  mittelfränkischen  gemein  hat,  ist  dass  in  der  schwa- 
chen adjectivdeclinatlon  der  genet  u.  dat  sing,  femin.,  sowie 
der  genet  plur.  aller  drei  geschlechter  ausser  gebrauch  gekom- 
men ist  und  daftlr  stets  die  starke  form  gebraucht  wird. 
Grimms  paradigma  (gr.  I,  p.  761)  des  mndL  schwachen  adj. 


durch  eindringen  der  analogie  der  secundären  fonnen.  Dieses  -en  findet 
sich  in  wesfäL  Urkunden  ebenfalls,  z.  b.  eine  märkische  Urkunde  von 
1362  (L.  UL  631)  beginnt:  Wy  —  maken  kundich  allen  luden  und  tuget 
opehbar.  In  den  an  das  fränkische  stossenden  sächsischen  districten 
herscht  das  -en  vor  und  nur  seltner  findet  sich  das  -et,  wozu  allerdings 
fränkischer  einfluss  mitgewirkt  haben  mag.  Es  ist  daher  nicht  zu  ver- 
wundem, wenn  man  eine  Werdener  Urkunde  ohne  -et  findet,  wie  auch 
z.  b.  die  lange  Essener  Urkunde  L.  III.  1058  neben  14  -en  nur  2  -et  hat 
Es  genügt  eben  die  fOr  die  älteste  zeit  hinlänglich  bezeugte  endung 
'indf  um  den  Werdener  dialect  dem  fränkischen  abzusprechen. 


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ZUR  KENNTNIS  DES  FRÄNKISCHEN.  15 

gibt  —  was  schon  von  anderer  seite  bemerkt  worden  ist  —  *) 
für  diese  casus  die  schwache  form  blinden,  welche  aber  im 
mndL  durchaus  nicht  zu  belegen  ist.  —  Dasselbe  gilt  vom 
mittelfränkischen.  Z.  b.  eine  Urkunde  von  1267  (L.  IL  572) 
ausgestellt  ze  Breitpach  U  der  Nutvirburch  (unweit  Bonn)  bietet: 
van  dersehcer  vorgenamder  edilre  vrouwen  u.  ä.;  —  gen.  plur. 
aller  dieser  vurgescrievener  dinge  (L.  IL  537);  die  beispiele  sind 
natürlich  auf  jeder  seite  mittelfränkischen  textes  zu  finden: 
wir  —  der  heiliger  kirchen  zu  Colne  ertzlmsschof  ist  der  gewöhn- 
liche anfang  der  kölner  erzbischofsurkunden.  Doch  ganz  un- 
belegt ist  die  schwache  form  im  mittelfränkischen  nicht,  die 
fälle  sind  aber  äusserst  selten.  Für  den  dat.  fem.  habe  ich 
nur  L.  IIL  576:  mit  eynre  gantzen  ind  getrurver  helpen,  für  den 
gen.  plur.  L.  IIL  586:  der  gewapenden  lüde.  • —  Für  Geldem- 
Cleve  gilt,  wie  man  sich  leicht  aus  jeder  Urkunde  überzeugen 
kann,  dasselbe  wie  für  das  übrige  niederfränkische.  Wie  alt 
dieser  gebrauch  sei,  lässt  sich  nicht  sagen,  da  auf  die  altnieder- 
fränkischen  psalmen  als  interlinearversion  hierin  kein  verlass 
ist,  indem  schwache  formen  des  adj.  daselbst  fast  gar  nicht 
vorkommen.  —  An  dieser  fränkischen  eigentümlichkeit  hat  nun 
aber  Sachsen  keinen  teil,  wie  die  westfälischen  Urkunden  zur 
genüge  beweisen,  z.  b.  L.  III.  699:  to  einer  meren  bekantnisse; 
L.  in.  353:  unser  echten  vrawen;  L.  III.  456:  siner  swomen 
sathlude.  So  auch  in  Essen  (L.  III.  1058):  mit  der  edeln  unser 
ghenedigen  vrouwen,  unser  ghemeynen  medeburghere,  op  der  graten 
waghen.  Wenn  nun  in  dieser  selben  Urkunde  noch  ausserdem 
9  ina  niederfränkischen  ungebräuchliche  schwache  formen  vor- 
kommen, so  kann  der  umstand,  dass  auch  zweimal  in  fränki- 
scher weise  die  starke  form  gebraucht  ist  (derselver  und  to  der 
ghemeyner  stad),  weiter  nichts  beweisen,  als  die  nähe  des  frän- 
kischen Sprachgebietes. 

So  steht  denn  auch  in  der  erwähnten  Werdener  Urkunde 
von  1320  (Weisth.  III.  32):  up  der  heiigen  onschuldigen  kynder 
dach  MnA  am  ende  nochmals  der  hilligen  kinder;  was  widerum 
erheblich  für  die  Zugehörigkeit  zu  Sachsen  sprechen  dürfte. 
Die  oben  angeführte  Urkunde  von  Elberfeld  (L.  III.  669),  wel- 


•)  Verwijs,  bloemlezing  uit  middeln.  dichters  IV.  206. 


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16  BRAUNE 

ches  dem  mittelfränkischen  gebiete  hart  angrenzt,  behandelt 
von  5  fällen  4  naoh  fränkischer  regel 

Ich  glaube  durch  diese  erörterungen  dargelegt  zu  haben, 
dass  niederfränkisch  und  sächsisch  auf  dem  rechten  Rheinufer 
an  einander  stossen,  und  wenn  es  gefordert  wird,  die  grenze 
etwas  näher  zu  bestimmen,  so  scheint  es  mir.  geratener  die 
drei  städte  Essen,  Werden,  Elberfeld,  welche  so  ziemlich  in 
einer  linie  liegen,  zum  sächsischen  zu  rechnen,  als  zum  nie- 
derfränkischen, an  dessen  eigenttimlichkeiten  sie  nur  in  sehr 
geringem  masse  teilnehmen.  Sonach  kann  ich  auch  nicht  mit 
Heyne  den  Cottonianus  flir  eine  „Übersetzung"  ins  niederfrän- 
kische halten,  die  in  Werden  vorgenonmien  sei,  um  das  ge- 
dieht auch  flir  die  niederfr.  Umgebung  nutzbar  zu  machen. 
Das  sächsisch  des  Monacensis  wäre  in  Werden,  ja  bei  den 
geringen  abweichungen  wol  sogar  in  Niederfranken,  unzweifel- 
haft ebenso  verständlich  gewesen,  als  in  Münster. 

Doch  wir  kehren  nun  zurück  zur  bestimmung  der  grenze 
des  mittelfränkischen  gegen  die  rein  niederdeutschen  dialecte. 
Hier  muss  ich  zuvor  bemerken,  dass  die  sich  aus  den  Urkun- 
den ergebende  grenze  ziemlich  stimmt  zu  der  (nach  den  neueren 
dialecten  gezogenen),  welche  auf  Bemhardis  und  Kieperts*) 
sprachkarten  angegeben  ist  Ich  lasse  nun  die  urkundlichen 
belege  folgen.  Der  am  weitesten  östlich  nach  der  sächsischen 
grenze  hin  gelegene  mittelfränkische  ort  ist  Höh  scheid.  Die 
Urkunde  L.  IIL  507,  einen  vertrag  zwischen  Johann  v.  Elber- 
feld und  Johann  v.  Höhscheid  enthaltend,  kann  als  durchaus 
mfr.  nicht  nach  Elberfeld  gehören,  und  muss  deshalb  in  des 
letzteren  dialect  geschrieben  sein,  dessen  grenzender  läge  es 
entspricht,  dass  zwei  niederd.  formen:  heyrschap  und  vurspro- 
kinre  darin  vorkommen.  —  Ebenso  gehören  noch  zu  Mittel- 
franken die  Ortschaften  Hilden  und  Haan,  wie  aus  einer 
dortigen'  schöflfenurkunde  hervorgeht  (L.  III.  903).  Sächsisch 
ist  aber  die  Stadt  Lennep,  die,  wenn  sie  mittelfränkisch  wäre, 
Lennef  heissen  müste,  wie  Honnef  und  Hennef  bei  Bonn.  Dass 


•)  Hierunter  ist  aber  bloss  die  1.  ausgäbe  von  Kieperts  sprachkarte 
(Weimar,  1848)  zu  verstehen,  denn  auf  den  neuen  ausgaben  (Berlin,  bei 
Reimer)  ist  —  trotz  des  älteren  richtigeren  —  die  Verkehrtheit  began- 
gen worden,  die  niederdeutsche  grenze  in  grade  fortlaufender  linie  ober- 
balb  Bonn  zu  ziehen,  so  dass  also  Köln  niederdeutsch  wäre! 


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ZUR  KENNTNIS  DES  FBÄNKISCHEN.  17 

Elberfeld  nicht  mehr  zu  Mittelfranken  gehört,  haben  wir  oben 
scht»n  gesehen.  Der  nördlichste  punkt  des  mittelfränkischen 
ist,  wie  schon  erwähnt,  Düsseldorf.  Von  dort  habe  ich  nur 
zwei  wirklich  rein  locale  Urkunden  gefunden  (L.  IIL  1029  u. 
1049).  Das  characteristicum  des  Düsseldorfer  dialects  ist,  dass 
er  mittelfränkisch  seiner  grundlage  nach,  doch  auch  oft  unver- 
schobene  niederfränkische  formen  einmischt  und  so  seine  läge 
hart  an  der  grenze  klar  vor  äugen  stellt 

In  der  ersten  dieser  Urkunden,  welche,  obwol  der  herzog 
von  Berg  beteiligt  ist,  doch  von  einem  Düsseldorfer  Schreiber 
geschrieben  sein  wird,  findet  sich  neben  sloss^  laessen,  zu  etc. 
auch  hertougen  und  uytgescheidm.  Die  zweite  ist  ein  vertrag 
zweier  Düsseldorfer  bürger  untereinander  und  hat  zahlreiche 
unverschobene  t  nämlich;  tem,  to,  ter,  schetende  (2  mal)  strate, 
twyntich,  betalungen,  getuich,  aber  auch  zo  (4  mal)  Putze,  zyt, 
scheffen  (2  mal),  sich,  die  adjectiva  auf  -liehe,  femer  die  mfr. 
form  wyr  (gegenüber  ndfr.  tvy).  Wir  sehen,  dass  in  Düsseldorf 
ein  schwanken  zwischen  mittelfränkischer  und  niederfränkischer 
ausspräche  der  laute  bestand,  welches  gewis  auch  bei  den  ein- 
zelnen individuen  verschieden  war.  Aehnlich  stand  es  auch  in 
dem  etwas  südlicher  auf  der  andern  seite  des  Rheines  gelege- 
nen Neuss.  Von  hier  haben  wir  eine  authentische  locale  Ur- 
kunde .(klageschrift  der  Stadt  Neuss  L.  IIL  738),  in  welcher 
uytgericht  und  moeten  für  moessen  sich  findet.  Ausserdem  haben 
wir  für  Neuss  noch  eine  sichere  quelle,  nämlich  die  chronik 
dßs  dortigen  Stadtschreibers  Wierstraat  (ed.  Groote  1855), 
welche  sprachlich  höchst  interessant,  aber  bis  jetzt  viel  zu 
wenig  beachtet  ist.  Die  durchgehend  weit  überwiegende  regel 
ist  hier  die  mittelfränkische  lautbezeichnung,  doch  kann  man 
wol  auf  jeder  seite  eine  oder  mehrere  ab  weichungen  davon 
notieren,  z.  b.  p.  39  verteilen,  viyt,  fallre.  Es  könnte  nun 
jemand  vermuten,  dass  ursprünglich  das  gedieht  ganz  in  nie- 
derdeutscher lautbezeichnung  niedergeschrieben  und  nur  durch 
den  Kölner  drucker  von  1497  in  kölnischen  lautstand  umgesetzt 
sei,  wobei  dann  diese  formen  zurückgeblieben  seien.  Das  wird 
aber  anzunehmen  verboten  durch  den  reim,  in  welchem  genau 
dasselbe  schwanken  statt  hat.  Es  reimt  z.  b.  auf  bussen 
(büchsen)  sehr  oft  schussen  (=  ndfr.  sehnten)  z.  b.  491,  1097, 
1543  etc.,  aber  auch  scfhoittnoit  475  —  üs:laudamus  2835  und 

Beiträge  zur  geschichte  der  de«tschen  spräche.   I.  2 


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18  BRAUNE 

üt:Mti  1027  —  vns:fvis  (sapiens)  516  und  vRt:zit  2997  — 
ocUwasihas  2829,  was  :gehas  1401  und  stat:hat  (hass):  dat754:. 
Ja  noch  ein  anderer  höchst  merkwürdiger  umstand  spricht 
deuüich  sowol  für  die  identität  der  spräche  des  gedichts  mit 
dw  gesprochenen  Neusser  spräche,  als  auch  für  die  Sorgfalt 
des  dnickers  und  endlich  nicht  zum  wenigsten  für  die  bildung 
und  objeetivität  Wierstraats  selbst.  Es  kommen  nämlich  in 
dem  gedichte  zwei  stellen  vor,  wo  einer  aus  dem  burgundischen 
belagerungsheere  in  die  stadt  hinein  ruft  und  von  dort  aus 
Antwort  erhält  Der  belagerer  spricht  niederfränkisch,  die 
Neusser  antworten  in  ihrem  Neussischen  mittelfränkisch.  Ich 
lasse  diese  interessanten  stellen,  mit  Unterscheidung  des  nieder- 
fränkischen  durch  cursivschrift,  hier  folgen: 
V.  379  Entlieh  sy  dayr  begrouen 

eyn  vaste  wagenborch 

ind  wes  sy  soulden  hoeuen 

verfueghden  sy,  dat  dorch 

dye  groysse  swaere  schiffen 

bracht  wart  seer  zytelich, 
385  sy  sprengen  ind  sy  pyflfen 

ind  ryeffen  spytelich: 

„Syet  nader  ghy  moyt  blyuen 

nu  moeghdy  nyrgmt  vyt! 

rvy  wyllen  naerre  drifuen 
390  ind  cloppen  v  dye  huyt! 

naber,  gy  moyt  oick  hangen 

V  fv\iff  hehdlden  wy 
gheen  nemen  tvy  gefangen 
ghy  syt  eyn  vuyll  parthijl 

395  In  dye  steed  wyllen  wy  wesen, 

dat  moegMif  keren  nyet, 

up  den  dyrden  dach  van  desen 

sydy  int  groyt  verdryet! 

wyldy  dye  steed  nyet  gheuen 
4ld0  segt  naber,  vuyll  kat^ff 

kosten  sah  v  dat  leuen 

V  guedt  ind  oick  v  lifff-" 
„Myt  dreuwen  ind  worden 
enwynstu  vnser  nietl 


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ZUR  KENNTNIS  DES  FRANKISCHEN. 


19 


405  wyr  willen  dich  begorden 

as  man  die  vyand  plyet!" 

BUS  rieflfen  vyssz  die  Nuysser, 

„wyr  syn  noch  vnerveert! 

nu  syet  doch  her  yr  tuysscher 
410  wie  noch  dyessz  goit  stat  beri" 

Man  beachte  das  niederfr.  wy,  gy,  incliniert  -y,  während 
die  Neusser  als  Mittelfranken  wyr,  yr  (v.  409)  brauchen,  femer 
segi  (400),  während  der  Neusser  sagen  setzt  (z.  b.  v.  636,  cf. 
zeitschr.  f.  d.  philol.  IV.  p.  260  ff.).  —  Die  zweite  stelle  v.  1615  ff: 

1615  Ast  zom  auent  ther  seiner  stunt 
sich  aldoe  zo  neecken  begunt 
gynck  eyn  yeder  nae  gesettze 
zor  hueden  ind  vp  syn  lettze. 
Do  riefl*  dair  eyn  gudt  engelsch  man: 
1620  „Watouw  segt  naber!  hoyrt  my  an, 
ick  hyd  tvyli  my  doch  bedyeden 
dat  geruckt  vnder  v  lyeden. 
Vns  heefft  all,  got  weet,  besonder 
van  dem  geruckt  seer  groyi  woTider!" 
1625  Tzor  stunt  wart  yeni  dair  vyssz  der  »tat 
gudertijrlich  geantwordt  dat: 
„Die  jonckheren  van  her  bynnen 
haut  gestechen  vmb  zo  wynnen 
lotf  ind  prijssz  vur  unsem  heren. 
1630  den  bürgeren  ind  zeuldeneren. 
Sy  moyssen  sieb  wat  ergetzen 
j^     rbeyts  swayr  vp  den  lettzen 

•hen  dem  fürst  freuwden  schyn^ 
ich  alltziit  niet  droeuieh  syn!'' 

wat  ick  heb  gehoirt* 
[aldoe  der  engelnch  man  rort, 
dayr  nock  bist  zo  steicken, 
da  belegh  nief.  hreicken 
oell  mä  freuwde  to  maycken, 
nhfie  saycken! 
\  niet  meer 
groeten  keer, 


P. 


%' 


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20  BRAUNE 

benedi/st  wat  soll  ick  seggen, 
gady  dair  noch  steckspoell  leggen!'' 
1645  Mit  hoeflfscheit  wart  geantwort  dar  *• 

vys  der  stat  in  dat  oflfenbair: 
„Naeber,  oflft  noch  zwey  jair  suld  duren, 
nochtant  moyst  men  sorgh  ind  truren 
dair  mit  freuwden  vnderstechen 
1650  ind  also  den  sweermoyt  brechen! 
Mit  truren  ind  euch  myt  sorgen 
enthielten  wyr  niet  bys  morgen 
dyessz  gude  stat  ind  schonen  playn 
dat  eyn  moys  by  dem  andren  stayn!" 
„Addeuw  naeber,  ghy  duet  yem  recht' 
sprach  der  getruwer  engelsch  knecht, 
dair  mit  was  dair  die  spraech  gelacht. 
V.  1620  der  acc  my,  mittelfränkisch  michj   dich   (oben  v. 
405).   Die  Neusser  sagen  stechen^  machen,  der  belagerer  steicken, 
maycken,  ick  etc.    Ich  finde  überhaupt  in  Wierstraats  nieder- 
fränkisch nur  eine  uncorrectheit,  nämlich  v.  1624,  wo  er  ftir 
das  ndfr.  den  sein  mfr.  dem  gesetzt  hat.*) 

Ueber  die  spräche  von  Neuss  kann  sonach  kein  zweifei 
mehr  sein.  —  Westlich  von  da  liegt  der  ort  Büttgen,  von 
welchem  wir  eine  interessante  schöflfenurkunde  haben  (L.  III, 
687).  Auch  diese  gehört  zu  der  übergangsmundart,  welche 
immer  am  genauesten  die  grenze  bezeichnet.  Es  herscht  da- 
selbst t  vor,  dagegen  sind  p  und  k  gegenüber  dem  mittelfrän- 
kischen f  und  ch  in  der  minderheit  z.  b.  unilepe,  roypen,  in 
ustorupen  ist  ein  cons.  auf  mittelfr.,  zwei  auf  niederfr.  stände. 
Meist  heisst  es  trva,  twene,  aber  zwelff.  Mittelfr.  ist  femer  noch 
wir  sain  statt  niederfr.  tvy  seggen.  Schon  ziemlich  rein  ndfr. 
dem  consonantenstande  nach  ist  eine  schöffenurkunde  aus  dem 
etwas  nördlicher  gelegenen  Willich  (L.  III.  991).  Hier  steht 
stets  t,  mit  einer  ausnähme  {gebessert)^  rvy  und  rvir  kommt  ne- 
beneinander vor,  auch  gilt  hier   schon  das  ndfr.  seggeru    Eine 


*)  Ansser  dem  dat.  des  pron.  der  3.  p.  kerne,  kern,  oem  gibt  es  im 
niederfrSnkischen  keine  pronominale  dativendung  auf  m  mehr.  Nor  in 
den  ostniederfräukischen  gegenden  findet  sich  in  den  älteren  Urkunden 
(Kleve-Geldem)  ausser  jenem  heme,  oeme  auch  noch  vereinzelt  deme, 
dem  neben  den.    Doch  verschwindet  es  auch  hier  bald  gänzlich. 


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ZUR  KENNTNIS  DES  FRANKISCHEN.  21 

ältere  lateinische  Urkunde  aus  fPilike  (L.  IL  631.)  zeigt  die 
Worte  Lutelbule,  aber  ce  dinge  in  ce ,  ringe  (vgl  das  spätere 
weistum  aus  Wilich  Weisth.  IL  761).  —  Ein  weistum  aus  Gey- 
seren  bei  Kempen  (Weisth.  IL  764)  hat  ganz  unverschobenen 
consonantenstand,  mit  ausnähme  einiger  ch:  kirchen,  tvelUch  neben 
gelyck.  Fälle  des  ch  kommen  sogar  noch  in  Morser  Urkunden 
Yor,  besonders  im  auslaut,  z,  b.  ganz  gewöhnlich  ich  und  adject 
auf  'lieh.  (L.  IIL  721.) 

Bei  Gladbach  liegt  der  ort  Holt,  bei  Erkelenz  Holtum{^i. 
Holzheim),  auf  mittelfränkischer  seite  liegt  aber  Holzweikr, 
welches  schon  L.  IL  806  in  einer  lateinischen  Urkunde  des 
grafen  von  Kessel  a.Maas  Holzwilre  heissi  Niederfränkisch, 
oder  wahrscheinlicher  der  Übergangsmundart  angehörig  ist  die 
herschaft  Heinsberg.  Hierf&r  habe  ich  nur  aus  lateinischen 
Urkunden  L.  IL  90.  Schaphusen  und  Holtheym  (das  eben  erwähnte 
Holtum);  IL  HO  ligna  que  dicuntur  doufholt  —  kukentmsch  IL 
694.  887.  984.  —Auch  Randenrath  (L.  IIL  603.)  gehört  zum 
Übergänge.  Der  lautstand  ist  niederfränkisch,  doch  heisst  es 
wir,  kirgen  und  zweimal  z  (uszgescheyden  u.  seiszich).  Ungefähr 
derselben  gegend  wird  L.  lü.  190.  angehören  {dar zu,  grosin 
neben  sonstigem  t).  Noch  reiner  niederfränkisch  ist  eine  Ur- 
kunde von  Valkenburg  (L.  HI.  440.) 

Ganz  mittelfränkisch  ist  Aachen,  allerdings  sehr  nahe 
an  der  grenze  gelegen,  weshalb  hier  und  da  schon  niederfrän- 
kische formen  sich  einmischen.  So  L.  IH.  690  uitgenommen, 
IIL  858  uytgeset,  rvrake.  Alles  was  östlich  von  Aachen  liegt, 
ist  natürlich  rein  mittelfränkisch  z.  b.  Cornelimünster  (Weisth 
IL  781— 89),  Düren  (Weisth  IL  791).  Aber  gleich  wenig  west- 
lich von  Aachen  beginnt  das  niederfränkische.  Wir  haben  ein 
weistum  von  Einrode  (Weisth  IV.  804  flf.),  welches  eine  schon 
ziemlich  niederfränkische  Übergangsmundart  repräsentiert.  Ganz 
niederfränkisch  ist  Limburg  (L.  IH.  284),  doch  findet  sich  da- 
selbst auch  noch  das  bei  Veldeke  (cf.  Zeitschrift  f.  d.  philol.  IV.  282) 
ebenfalls  gebräuchliche  als  ch  auslautende  k  (Buedkenbach,  doch 
auch  ghelyc).  Noch  genauer  ist  diese  regel  befolgt  in  einer  sonst 
ebenfalls  rein  niederfränkischen  Urkunde  von  Sittart  (cod. 
dipl.  neerlandicus  11,  3,  1.  p.  294),  wo  stets  ich,  oich,  -lieh 
steht,  aber  inlautend  -liken  etc.  —  JBei  Eupen  stösst  dann  das 


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42  BRAUNE 

»ittelfrÄnkisclie  auf  französisches  Sprachgebiet,  das  von  da  ab 
«ehae  westgrenze  bildet 

Innerhalb  dieser  nun  gezogenen  grenze  haben  wir  also  eine, 
unbeschadet  weiterer  dialectischer  Unterabteilungen,  doch  ein- 
heitliche mundart,  welche  eben  dadurch  zusammengehalten  wird, 
dass  sie  bei  sonstiger  hochdeutscher  Verschiebung  der  tenues 
das  neutrale  t  unberührt  bestehen  lasst.  Indem  man  gewöhn- 
lich diess  bisher  verkannte  und  besonders  unter  nichtbeachtung 
4eT.deuflichen  Sprachgrenze,  durch  welche  die  preussische  Rhein- 
provin»  geschieden  wird,  die  mundarten  dieser  provinz  unter 
demnamen  „niederrheinisch^^  zusammenfasste,  sind  oft;  die  grösten 
Biisverständnisse  entstanden.  Ich  will  hier  nur  ein  beispiel  aus 
der  neuesten  zeit  anfahren.  In  der  Germania  XVII.  p.  77  teilt 
Birlinger  aus  einem  kölnischen  druck  einige  stellen  mit.  Er 
bemerkt,  dass  Kaufmann  Germ  XI.  411  mitteilungen  aus  einer 
k«.  derselben  erzählung  gemacht  habe  und  äussert  sich  dann 
über  die  spräche  seines  druckes  folgendermassen:  „Die  spräche 
igt  mundartlich  niederrheinisch,  doch  bei  weitem  nicht  so 
mundartlich  gefärbt  als  Kaufmanns  hs."  Das  heisst  also: 
beide  recensionen  können  demselben  orte  angehören,  nur  hat 
der  Verfasser  der  Birlingerschen  recension  besser  hochdeutsch 
verstanden  und  ist  daher  nicht  so  sehr  in  den  groben  dialect 
jerfallen  als  der  Schreiber  der  hs.  Ganz  frei  von  den  einwir- 
kungen  der  volksmundart  war  aber  auch  er  nicht,  darum  ist 
seine  spräche  immer  noch  mundartlich  gefärbt  Sieht  man  aber 
näher  zu,  so  ergibt  sich  ohne  weiteres,  dass  Kaufmanns  hs. 
jenseits  der  Sprachgrenze  entstanden  ist  (der  darin  beschriebene 
Vorfall  spielt  auch  im  Kleveschen),  und  reines  niederfränkisch 
bietet,  während  natürlich  die  kölner  recension  Birlingers  mittel- 
fränkisch ist  Es  dürfte  also  nicht  ferner  rätlich  sein,  zwei  ver- 
schiedene mundarten  durch  denselben  namen  zu  vermengen. 

Wir  wollen  nun  noch  die  übrigen  consonantischen  eigen- 
tümlichkeiten  des  mittelfränkischen  dialects  kurz  besprechen. 
Wir  hatten  gesehen,  dass  schon  in  dem  einen  teile  des  ober- 
fränkischen, der  von  uns  südfränkisch  genannt  worden  war, 
<lie  alte  media  d  unverschoben  vorlag,  wenn  auch  öfter  durch 
die  tenuis  verdrängt.  Im  ganzen  gebiete  des' mittelfränkischen 
ist  sie  durchaus  unverschoben. 


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ZUR  KENNTNIS  DES  FRÄNKISEHEN.  99 

Betreffs  der  labialtenuis  hatten  wir  gefunden,  dasft  imsttiA*' 
fränkischen  dieselbe  im  anlaut,  so  wie  pei  rerschärfung^n  w 
inlaut  unverschoben  war  (inlautend  nach  m  t.  b.  gelimperp  kann 
ich  augenblicklich  nicht  belegen^  doch  darf  man  dieses  den  neu^ 
em  mundarten  entsprechend  ohne  weiteres  hinzufügen).  Alte» 
dieses  hat  natürlich  im  mittelfränkischen  auch  statt;  nur  komm^ 
noch  hinzu,  dass  p  auch  nach  /  und  r  unverschoben  verharrt, 
also  helpen,  dorp,  werpen.  Einige  belege  ans  kölnischen  urkun- 
den:  pendin  L.  IL  530,  ploege  L.  IIL  378,  pc^in  L,  11.  572, 
uzTverpin  L.  11.  376,  helpen  L.  11. 434,  kampe  L.  III.  348,  hestuppeß 
L.  ni.  422.  ete.  Hierzu  kommt  noch  das  wort  n?apen  z.  b.  L. 
IL  532  und  up,  op  z.  b.  L.  IL  434,  auch  in  älteren  Urkunden 
noch  uppe  L.  IL  376.  537.  —  Doch  erstrecken  sich  die  speciell 
mittelfränkischen  fälle  des  p  (nach  l,  r  und  up)  nicht  über  das 
ganze  gebiet  dieses  dialects,  sondern  nur  über  die  grössere 
nördliche  hälfte,  der  schmalere  südlichere  strich  hat  helfen,  dorf^ 
ufxmA  stimmt  also  hierin  zum  südfränkischen.  So  heisst  es  in 
Trier  gelimpUch  (G.  IIL  365),  femer  H.  p.  3  pdlzgrcvOy  pleier, 
aber  helfer,  H.  p.  168  punt,  penningy  behelfen,  uf;  Münstermay- 
feld  H.  p.  187  dorf,  dorfrecht,  ebenso  Trys,  Coblenz,  Andernach 
—  Das  mittelfränkische  p  ist  aber  vorhanden  in  Linz ,  Bonn, 
Mayen,  Prüm  etc.  und  ist  in  Köln  durchaus  das  herscheiide. 
Ausnahmsweise  findet  sich  aber  auch  da,  und  zwar  schon  in 
Urkundendes  12.  Jahrhunderts  deransatz  zu  einer  Verschiebung. 
Neben  dem  ganz  gewöhnlichen  -dorp^  -torp  treffen  wir  näm- 
lich zuweilen  die  Schreibung  -dorph,  -torph  L.  L  281.  314. 
381.  Und  auch  in  spätem  deutschen  Urkunden  tritt  dieser  fall 
ein.  z.b.  L.  IL  744  steht  dorp  und  dorph,  ebenso  in  der  Breit- 
pacher  Urkunde  L.  IL  572  helphen  neben  helpen,  ja  in  dw 
kölner  Urkunde  L.  IIL  187  neben  helpm  auch  einmal  helfen^ 
doch  sind,  wie  gesagt,  in  den  Urkunden  des  13.  und  14.  jakt' 
hunderts  in  Köln  die  fälle  selten.  Im  ganzen  kann  man  beo^ 
backten,  was  weiter  zu  verfolgen  der  grammatik  überlassen 
bleiben  muss,  dass  die  verschobenen  formen  von  Süden  nach 
norden  vordringen,  bis  sie  endlich  in  der  2.  hälfte  de»  15u  Jahr- 
hunderts in  Köln  die  herschenden  sind.  Und  dass  diess  nicht 
bloss  einwirkungen  der  damals  schon  existierenden,  auch  im 
.  kölner  Schriftdeutsch  jener  zeit  schon  spurenweise  auftretenden 
hochdeutschen  kanzleisprache  sind,  wird  dadurch  bewiesen,  d»öö 


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24  BRAUNE 

der  heutige  kölner  volksdialect  ebenfalls  helfen  und  dorf  sagt, 
während  in  Jülich  und  Aachen  noch  heute  helpen  gebräuchlich 
ist  (cf.  Firmenich).  Dieses  fortschreiten  der  lautverschiebung 
(denn  so  ist  der  Vorgang  ohne  zweifei  aufzufassen)  findet  aber 
nur  bei  p  nach  /  und  r  statt,  nicht  z.  b.  bei  inlautender  Ver- 
schärfung. Die  praeposition  up  wird  auch  in  den  kölner  Ur- 
kunden- vom  ausgang  des  15.  Jahrhunderts  gemeiniglich  uff 
geschrieben,  aber  die  kölnische  Volkssprache  bewahrt  noch 
heutzutage  ihr  op,  zu  dem  auch  im  mittelalter  die  nebenform 
uph  in  Köln  mir  wenigstens  nicht  vorgekommen  ist. 

In  den  übrigen  fällen  hat  bekanntlich  das  mittelfränkische 
die  Verschiebung  des  p  zu  f  durchgeführt  und  abweichungen 
von  dieser  regel  sind  selten.  Aus  Köln  flihre  ich  an  vruntschap 
H.  p.  271.  graschap  (zweimal)  L.  III.  460. 

In  der  behandlung  der  german.  gutturaltenuis  stimmt  das 
mittelfränkische  durchaus  mit  dem  oberfränkischen,  also  machen^ 
kirche  etc.  —  Beispiele  von  im  inlaut  nach  vocalen  unverscho- 
benem  k  sind  selten,  nur  in  einigen  werten  tritt  k  häufiger  auf: 
suken,  soeken  (suchen)  L.  11.  537.  IIL  p.  392,  400,  420,  524, 
650.  H.  p.  203.  Karlm.  114,14.  121,30.  140,22.  148,49  etc.,  doch 
auch  oft  suchen  z.b.  L.  II,  434,  III,  754,  Karlm.  60,40 ;  roeken 
Karlm.  159,51.  188,2.  219,55;  reiken  L.  III,  459,  548,  608,  p.  306, 
p.  327.  etc.,  reichen  L.  III,  p.  327,  544.  — Dagegen  finden  sich 
vereinzelt  im  mittel- und  südfränkischen  auch  Schreibungen 
mit  chy  wo  gemeinhochdeutsch  k  steht,  z.  b.  Mainz  L.  III.  343 
chost,  chuchenspisCy  Jülich  L.  IIL  220  chunnen  (daneben  kuni) 
und  so  öfters,  ohne  dass  man  diess  auf  hochdeutschen  ein- 
fluss  zurückfahren  darf.  Ja  in  einigen  werten  scheint  wirklich 
etwas  mehr  als  blosse  Schreibung  vorzuliegen,  wenn  z.  b.  in 
den  in  jeder  hinsieht  rein  mittelfränkischen  Marienliedern 
(Haupt  X)  immer  nachet  (nudus)  geschrieben  wird  und  reimt 
auf  machet  (22,21.  23,25),  wachet  (22,3l).*) 

Geben  alle  diese  an  den  tenues  vollzogenen  verschiebungs- 
ptocesse  dem  mittelfränkischen  ein  hochdeutsches  gepräge,  so 
wird  es  dem  niederdeutschen  wider  näher  gerückt  —  einesteils 

*)  Wenn  Rückert,  Rother  p.  LXXVII.  aus  einzelnen  Schreibungen 
im  Rother:  eckone,  nackity  blicke,  roch  u.  a.  beweisen  will,  dass  der 
Rother  einmal  durch  die  hand  eines  bairischen  Schreibers  gegangen  sein 
müsse,  80  steht  dieser  beweis  sonach  auf  sehr  schwachen  flissen. 


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ZUR  KENNTNIS  DES  FRÄNKISCHEN.  26 

durch  den  nicht  vollständigen  Vollzug  dieser  Verschiebung,  an- 
deresteils  aber  hauptsächlich  dadurch,  dass  in  niederdeutscher 
weise  in-  und  auslautendes  v,  f  einem  hochdeutschen  h  ent- 
spricht. Dieses  v  erstreckt  sich  bis  zur  südgrenze  des  mittel- 
fränkischen, wo  dann  mit  dem  sfLdfränkischen  das  h  beginnt 
Doch  wechselt  oft  in  Urkunden  desselben  ortes  an  der  südgrenze 
das  V  mit  dem  &.  So  steht  z.  b.  in  der  Saynschen  Urkunde 
L.  IIL  308  gehen  etc.  neben  dai  und  auch  noch  weiter  nördlich 
findet  sich  zuweilen  &  geschrieben.  Das  erklärt  sich  ganz  ein- 
fach dadurch,  dass  h  im  südfränkischen  nicht  den  explosivlaut, 
sondern  die  labiale  (labio -labiale)  spirans  m  bezeichnet  und 
also  dem  mittelfränkischen  und  niederdeutschen  v,  welches  la- 
biodentale spirans  ist,  sehr  nahe  kommt.  Wir  Mitteldeutsche 
sprechen  noch  jetzt  ich  gewe,  schreiwe,  also  die  rein  labiale 
spirans,  und  diese  ausspräche  zieht  sich  über  den  ganzen  mittel- 
deutschen gürtel  hin  und  bildet  eine  naturgemässe  Zwischen- 
stufe zwischen  dem  niederdeutschen  labio-dental  v,  der  im  aus- 
laut  in  das  tonlose  labiodentale  /"übergeht,  und  dem  strenghoch- 
deutschen explosivlaut.  So  ist  es  ohne  zweifei  auch  schon  im 
mittelalter  gewesen.  In  der  südfränkischen  Schreibung  geben 
ist  nichts  anderes  als  gerven  zu  erblicken,  was  auch  durch  die 
sowol  in  Südfranken  als  in  allen  mitteldeutschen  denkmälem 
häufigen  Schreibungen  grehe,  nebe,  hriebe,  hohe  =  grave,  neve, 
bheve,  kove  bestätigt  wird.  In  diesen  mundarten  ist  also  nicht 
bloss  der  niederdeutsche,  sondern  auch  der  hochdeutsche  labio- 
dental intv  übergegangen.  Auslautend  wird  das  mitteldeutsche 
rv  seinem  rein  labialen  character  gemäss  zu  p,  wir  sagen  also 
gap,  schreipy  wie  sich  ähnliches  auch  schon  früher  nachweisen 
lässt  z.  b.  hop  {=^hof  Nassau.  Urkunde  H.  p.  82)  hrip  (R  p. 
68)  u.  a.  —  Auf  die  frage,  weshalb  man  im  älteren  mittel- 
deutsch die  spirans  rv  in  diesen  fällen  durchs  und  nicht  durch 
w  bezeichnet  habe,  ist  die  antwort  die,  dass,  wie  ja  wol  von 
allen  anerkannt  wird,  der  durch  w  bezeichnete  laut  zur  mittel- 
hochdeutschen zeit  dem  u  noch  viel  näher,  ähnlich  dem  heu- 
tigen englischen  m,  gesprochen  worden  ist. 

Um  zu  erfahren,  wie  die  aus  den  Urkunden  gewonnenen 
ergebnisse  über  ausdehnung  und  character  des  mittelfränkischen 
sieh  zu  den  neueren  mundarten  verhalten,  habe  ich  die  reich- 
haltigen Sammlungen  von  dialectproben  dieser  gegenden,  welche 


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26  BRAUNE 

bei  Firmenich,  vorzüglich  bi  L,  stehen,  verglichen.  Wenn  auch 
das  werk  von  Firmenich  wegen  seiner  dilettantischen  art  der 
aufzeichnung  den  anforderungen  der  phonetik  nicht  entspricht 
und  für  feinere  detailarbeiten  daher  nur  ungenügende  grund- 
lagen  liefert,  so  reicht  es  doch  vollständig  aus,  um  sich  im  all- 
gemeinen über  die  physiognomie  eines  dialects  zu  orientieren. 
Daraus  ersieht  man  denn,  dass  der  lautstand  des  mittelfränki- 
schen von  neueren  besonderen  Veränderungen  abgesehen  noch 
genau  auf  der  grundlage  des  älteren  Standes  ruht.  Kein  ein- 
ziger von  den  orten,  wo  wir  daskriterium  des  mittelfränkischen, 
neutrales  t  neben  sonst  verschobenem,  fanden,  hat  diese  eigen- 
tümlichkeit  aufgegeben,  insonderheit  stimmt  die  nordgrenze  noch 
genau  zu  der  älteren,  so  dass  das  niederdeutsche  seitdem  da- 
selbst weder  boden  gewonnen,  noch  verloren  hat.  Fassen  wir 
zunächst  das  Verhältnis  der  neueren  kölner  mundart  (Firm.  I. 
448—77,  III  196—210.  518)  zur  altem  betreffs  der  von  uns 
besprochenen  punkte  ins  äuge.  Wir  finden,  dass  ausser  dat  et 
wat  alles  in  der  alten  weise  verschoben  ist.  Allerdings  gibt  es 
einige  ausnahmen.  Das  perf.  von  mohsz  (mhd  nmoz)  scheint  jetzt 
durchweg  moot,  conj.  mööt  zu  sein,  während  altköln.  diese  form 
gewöhnlich  moste  hiess,  doch  führten  wir  auch  schon  oben  die 
alten  nebenformen  moythe  u.  a.  an.  Die  erklärung  dieser  form 
ist  schwierig,  da  ihr  ja  auch  im  mittel-  und  neuniederländ  moeste, 
moest  entspricht.  Wenn  das  praesens  nicht  mohsz  sondern  mot 
hiesse,  so  könnte  man  es  aus  der  analogie  des  praesens  er- 
klären, so  aber  möchte  man  fast  diess  t  flir  dem  stamme  nicht 
angehörig  halten,  sondern  für  das  ^der  schwachen  flexion,  vor 
dem  das  s,  nach  art  vieler  consonanten  vor  t  im  neukölnischen, 
ausgefallen  wäre.  Eine  andere  form,  welche  Schwierigkeiten 
macht,  ist  vom  praesens  lösze  {läzen)  das  pf.  leet,  welches  durch- 
aus regel  zu  sein  scheint.  Im  altkölnischen  hiess  es  Uez,  leys. 
Auch  in  Düsseldorf  heisst  es  lees  (Firm  1. 436).  —  Im  allgemeinen 
steht  aber  alles  auf  altem  stände,  also  z.  b.  zand{Aen&)j  essen,  droppe 
(gutta),  lehf  (niederfränkisch  Uep  cucurrit),  pinksfuss  (pfingst- 
fuchs),  maache  (niederfränkisch  mäken)  etc.,  jedoch  helfe  werfe 
gegen  älteres  helpen,  werpen,  aber  doch  daneben  äörp  (F.  III. 
200)  ==  älterem  dorp]  töschen,  tagen  =  altem  tuschen,  tgegen. 
Regel  ist  jetzt  aber  kooz  gegenüber  altem  kurt,  neben  dem  kurz 
nur  seltener  auftritt.    Die  pforte  heisst  noch  jetzt  de  pooz  (F. 


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ZUR  KENNTNIS  DES  FRÄNKISCHEN.  27 

IIL197)  entsprechend  dem  alten  ausnahmslos  gebrauchten  porze 
(schon  1224  für  Köln  belegbar:  Marporzm  L.  IL  121.  —  Graoen 
parzen  1238.  L.  U.  229,  porzenere  H.  p.  13.  etc.) 

Haben  wir  also  gesehen,  dass  in  Köln  der  alte  lautstand 
bewahrt  ist,  so  werden  wir  nun  dasselbe  auch  an  der  nord- 
grenze des  mittelfränkischen,  in  Düsseldorf,  finden.  Düsseldorf- 
Neusswar  wie  wir  gesehen  haben  mittelfränkisch,  doch  fanden 
sich  daselbst  auch  unverschobene  niederfränkische  formen.  Ebenso 
heute  (Firm.  L  431«— 38).  Daselbst  treffen  wir  formen  wie 
Leckertüch  (leckerzeug)  432,  stäte  432  (plur.  von  hochdeutsch 
sierz)  daneben  aber  auch  (438)  der  sing,  stäts,  hop  (häufe)  depe 
(tiefe).  Dem  kölnischen  lösze  entspricht  hier  Idte  (perf.  lees)j 
stets  grot  (kölnisch  gros)-^  fast  immer  maake  (kölnisch  maache) 
z.b.  on  makte  grote  sacke  (433).  Sonst  aber  ist  der  lautstand 
des  mittelfränkischen  durchaus  herschend,  auch  ist  helpe  hier 
nicht  wie  in  Köln  in  helfe  tibergegangen.  Wenn  nun  auch  hier 
das  alte  Verhältnis  in  dem  masse  geblieben  ist,  dass  nieder- 
deutsche formen  noch  jetzt  in  das  Düsseldorfer  mittelfränkisch 
hineinspielen,  so  werden  wir  wol  im  allgemeinen  auf  den  con- 
servatismus  der  mundart  vertrauen  dürfen  und  annehmen,  dass 
eine  grenzbestimmung,  wie  wir  sie  aus  den  heutigen  mundarten 
finden,  im  grossen  und  ganzen  auch  auf  das  mittelalter  ange- 
wandt werden  könne.  Ich  will  also  jetzt  nach  dem  material 
Firmenichs  die  grenze  ziehen,  innerhalb  welcher  das  heutige 
mittelfränkisch,  d.  L  eine  mundart  mit  dat,  wat,  it  bei  sonst 
verschobenem  t,  lebt.  Wir  beginnen  mit  Düsseldorf.  Dass 
dieses  wirklich  die  nordgrenze  bildet,  sehen  wir  an  der  mund- 
art des  wenig  nördlich  gelegenen  Eatingen  (F.  1.431),  welche 
niederdeutschen  lautstand  hat.  —  Niederdeutsch  ist  auch  Hom- 
berg  bei  Eatingen  (I.  415),  Wülfrath  (I.  423),  Elberfeld 
(I.  424—30),  Schöller  westlich  von  Elberfeld  (I.  438),  Lütt- 
ringhausen (IIL194),  Kemscheid  (1.442),  Solingen  (1.439 
m.  195),  Attendorn  (I.  354),  Olpe  (I.  357).  Mittelfränkisch 
ist  Opladen-Neukirchen  (1.443),  Burscheid  (1. 443),  Oden- 
thal  südlich  von  Burscheid  (1. 444),  Marienberghausen  (1. 518), 
Nümbrecht  (I.  517),  Waldbroel  (I.  517),  Freusburg  (III. 
521),  Siegen  (I.  518 — 20).  Man  wird  also  die  niederdeutsche 
grenze  von  Düsseldorf  aus  zwischen  diesen  orten  ziehen,  im 
ganzen  so  wie  Kiepert  auf  seiner  Weimarer  sprachkarte,  nur 


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28  BRAUNE 

hat  er  Burscheid  fälschlich  schon  zum  niederdeutschen  geschlagen. 
BeiBemhardi  geht  die  grenze  zu  hart  am  Rheine  entlang,  aber 
auch  von  Kieperts  grenze  müste,  wie  Marienberghausen  er- 
fordert, die  südwestecke  abgeschnitten  werden.  Das  Siegener 
land  bezeichnet  zugleich  die  östlichste  ausdehnung  des  mittel- 
fränkischen, südöstlich  davon  in  Dillenburg  und  Herborn 
(11.89 — 93)  überwiegt  schon  das  neutrale  s,  daneben  jedoch  auch 
t,  südlich  von  da  in  Biskirchen  (IL  93)  und  Weilburg  (IL 
82)  ist  das  allein  herschend.  Man  würde  nun  die  ostgrenze 
von  Herbom  geradlinig  nach  Limburg  SbfL.  zu  ziehen  haben, 
woselbst  (11.  84)  auch  beide  formen  gemischt  sind;  Hadamar 
(IL  86)  hat  noch  überwiegend  t  Von  Limburg  an  wird  man 
die  grenze  wol  die  Lahn  entlang  nach  dem  Rheine  ziehen 
müssen,  genauere  belege  für  diese  gegend  fehlen  bei  Firmenich. 
Am  Rheine  zeigt  Oberwesel  (III.  660 — 62),  wo  wir  früher 
daz  und  dat  schwanken  sahen,  jetzt  nur  das,  fttr  Boppand  und 
St.  Goar  fehlen  belege.  Solche  sind  fttr  das  Rheinufer  nur  da 
aus  Vallendar  (111.524)  und  Coblenz  (L523),  die  natürlich 
mittelfränkisch  sind.  —  Die  übrigen  belege  für  das  mittelfrän- 
kische des  rechten  Rheinufers  sind:  Neuwied  und  Meisbach 
(L  622),  Dierdorf  (L  520)  Hachenburg  (E.  87),  Buchholz 
(I.  616),  Geistingen  bei  Siegburg  (L  616). 

Wir  gehen  nun  auf  das  linke  Rheinufer  zur  Moselgrenze 
über.  Hier  werden  wir  dielinie  ziehen  (vielleicht  vonBoppard 
aus)  über  Simmern  (L  528.  IIL  527),  Kirchberg  (L  533) 
Birkenfeld  (IIL  548-r-50),  St  Wendel  (L  643)  —  Cusel  wenig 
östlich  davon  (III.  244)  hat  das  —  Ottweiler  (I.  644)  nach 
Saarlouis  (11.555).  Blieskastel  (11.  23)  und  Saarbrücken 
(IL  557)  gehören  niftht  mehr  hierher.  Von  Saarlouis  ziehen 
wir  die  grenze  westwärts  bis  zum  französischen  Sprachgebiete, 
ob  nördlich  oder  südlich  von  Dietenhofen,  weiss  ich  nicht,  je- 
desfalls  aber  so,  dass  Grevenmachern  (L536)  und  Luxem- 
burg (I.  537 — 43)  noch  zum  mittelfränkischen  kommen.  Die 
westgrenze  bildet  dann  bis  gegen  Montjoie  das  französische 
Sprachgebiet,  von  wo  an  das  niederfränkische  zu  grenzen  be- 
ginnt. —  Zuvor  mögen  hier  noch  die  übrigen  mittelfränkischen 
orte  verzeichnet  werden,  aus  denen  Firmenich  dialectproben 
gibt:  Trier  (I.  634—36,  IIL  528—48),  Bernkastei  (L  583) 
Bonn  (L  509—11),  Euskirchen  (L  508),  Eifelgegend  (L 


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ZUE  KENNTNIS  DES  FRANKISCHEN.  29 

500—8  IIL  239—44),  Aachen  (I.  487  — 95,  IH.  219  —  34), 
Jülich  (I.  484—85),  Düren  (I.  478—84^  m.  517). 

Die  grenze  gegen  das  niederfränkische  konnten  wir  schon 
oben  nach  den  Urkunden  ziemlich  genau  ziehen,  dieselbe  wird 
durch  die  neueren  mundarten  durchaus  bestätigt  Eupen  (I. 
495 — 600,  IIL  235 — 39)  ist  schon  niederfränkisch,  die  grenze 
geht  dann  westlich  um  Aachen  und  in  der  oben'Jangegebenen 
weise  nach  Düsseldorf.  Dass  Heinsberg  und  umgegend  im 
ganzen  schon  niederfränkisch  sind,  ergibt  sich  auch  hier  (I. 
487),  desgl.  Wanlo  (I.  486).  Ebenso  ist  Gladbach  nicht 
mehr  mittelfränkisch  (III.  510 — 17).  Niederfränkisch  ist  dann 
natürlich  Kempen  (L  408),  Krefeld  (L  408),  Mors  (I.  394). 
—  Die  grenze  der  sprachkarten  bedarf  hier  also  insofern  der 
berichtigung,  als  sie  Eupen,  Heinsberg,  Gladbach  noch  zum 
mittelfränkischen  schlagen. 

Durch  die  vergleichung  der  neueren  mundarten  ergibt  sich, 
dass  auf  dem  rechten  Moselufer  noch  ein  ziemlich  breiter 
streifen  dem  mittelfränkischen  angehört  und  wir  haben  gar 
keinen  grund  anzunehmen,  dass  diess  früher  anders  gewesen 
sei,  wenngleich  wir  nur  aus  orten  dicht  am  rechten  Moselufer 
gelegen  dai-nrkimden  nachweisen  konnten.  Nachholen  will 
ich  zuerst  zwei  oben  übergangene  Urkunden  mit  e?a^  aus  Schmid- 
burg  bei  Kirchberg  (H.  p.  HO  u.  111),  welche  also  zur  neuem 
mundart  stimmen.  Dann  aber  haben  wir  noch  einige  alte  Ur- 
kunden des  grafen  von  Veldenz,  nahe  der  Mosel  (H.  p.  38. 
39.  109.  114),  welche  von  anfang  an  daz  aufweisen  und  also 
Büdfränkisch  sind. 

Wenn  auch  die  eine  dieser  Urkunden  (p.  109)  wahrschein- 
lich in  Speier  verfasst  ist,  so  gilt  diess  doch  nicht  auch  von 
den  drei  andern  und  wir  haben  hier  in  der  tat  ein  abweichen 
der  Schrift  von  der  gesprochenen  spräche  vor  uns.  Vielleicht 
wird  man  ein  einwirken  des  Mainzer  canzleischreibgebrauchs 
annehmen  können,  doch  entscheiden  wird  sich  diess  schwer 
lassen.  Greifbarer  tritt  dasselbe  Verhältnis  in  Trier  ein.  Wenn 
man  die  oben  aufgeführten  Trierer  Urkunden  mit  dat  ansieht, 
so  wird  man  finden,  dass  diese  sämmtlich  vor  das  jähr  1320 
fallen.  Von  da  ab  tritt  in  allen  aus  der  Trierer  canzlei  her- 
vorgegangenen Schriftstücken  daz  ein,  so  dass  die  Urkunden 
nun  ganz  ein  südfränkisches  gepräge  erhalten.    Eine  ähnliche 


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30  BRAUNE 

Wandlung  in  der  spräche  ißt  nicht  eingetreten,  ;v^ie  uns  noch 
der  heutige  dialect  belehrt,  es  ist  also  nur  ein  canzleischreib- 
gebrauch.  Und  hier  können  wir  auch  den  anlass  dieser  Wand- 
lung mit  wahrscbeinlichkeit  vermuten;  von  1329  — 1335  war 
der  erzbischof  Balduin  v.  Trier  zugleich  Verwalter  („beschir- 
mere"  H.  p.  223,  „erzbischof"  G.  lU.  162,  „ein  Pleger  und 
ein  Beschirmer"  G.  III.  177,  „provisor"  6.  III.  206)  des  erz- 
bistums  von  Mainz.  Fortan  schreibt  seine  canzlei  daz.  Man 
kann  den  Wechsel  deutlich  erkennen,  wenn  man  die  beiden 
Urkunden  G.  III.  156  u.  160  vergleicht.  In  der  ersteren,  einem 
vertrage  mit  der  gräfin  von  Sponheim  aus  d.  j.  1328,  steht 
noch  äat,  in  der  letzteren  von  1329,  wo  Balduin  zum  ersten 
male  den  titel  beschirmer  des  stiftes  zu  Mainz  trägt,  tritt  daz 
ein,  wenn  auch  sonst  die  spräche  von  dem,  was  wir  als 
Trierisch  annehmen  müssen,  nicht  gerade  abweicht.  Es  ging 
also  wol  aus  der  Mainzer  canzlei  der  gebrauch  daz  zu  schrei- 
ben in  die  nun  mit  ihr  vereinigte  Trierer  über.  Dass  wirklich 
nun  die  Umgebung  des  erzbischofs  in  Trier  auch  daz  gespro- 
chen habe,  ist  nicht  ohne  weiteres  anzunehmen,  da  sich  ge- 
meinsamkeiten  viel  eher  in  der  schrift  festsetzen,  als  in  der 
spräche.  Ein  beweis  dafür  ist  der  umstand,  dass  in  späteren 
Trierer  Urkunden,  welche  also  ausnahmslos  daz,  das  etc.  haben, 
sich  dennoch  hin  und  wider  ein  vereinzeltes  dat,  it  findet 
(z.  b.  G.  m.  289.  345.  428.  464.  465.  466.  545,  IV.  273),  woraus 
hervorgeht,  dass  der  Schreiber  dat  sprach,  welches  ihm  denn 
auch,  der  orthographischen  regel  zuwider,  einmal  in  der  schrift 
entschlüpfte.  —  Diese  Trierer  canzleisprache  ist  nun  immer 
im  äuge  zu  behalten,  wo  es  sich  um  Urkunden  handelt,  welche 
von  nördlicher  in  Mittelfranken  wohnenden  personen  ausgestellt 
werden.  Z.  b.  der  graf  von  Vimenburg  stellt  eine  auf  seine 
herschaft  bezügliche  Urkunde  in  seinem  mittelfränkisch  aus 
(G,  IV.  249  V.  j.  1454),  während  er  bald  darauf  (G.  IV.  251 
V.  j.  1455)  einen  revers  über  seine  trierischen  lehen  in  der 
Trierer  canzleisprache  ausstellt.  Aehnliche  fälle  sind  natürlich 
so  häufig,  dass  es  kaum  nötig  wäre,  weitere  beispiele  anzu- 
führen. Doch  vgl  die  Urkunde  des  Herren  von  Elz  v.  1337 
mit  das  (G.  III.  227)  und  den  burgfrieden  von  Elz  v.  1430;^ 
mit  dat  (G.  IV.  143),  desgl  die  Urkunden  der  herren  von  Isen- ' 
bürg  G,  III.  369.  373.  468.  571.  587. 


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ZUR  KENNTNIS  DES  FRÄNKISCHEN.  31 

Es  konnte  aber  auch  nicht  auBbleiben,  dass  die  canzlei* 
spräche  von  Trier  nicht  auch  noch  weiter  im  gebiete  des  erz- 
bistums  um  sich  gegriffen  hätte.  So  haben  wir  schon  aus  dem 
jähre  1353  in  derselben  verfasst  eine  städtische  Urkunde  von 
Coblenz  (G.  HL.  409),  und  ebenso  in  späteren  daher  rührenden 
documenten  (cf.  G.  lY.  207.  280).  Dass  aber  auch  daselbst 
nie  daz  gesprochen  wurde,  ersehen  wir  —  ausser  aus  dem 
heutigen  dialecte  —  aus  Urkunden,  wie  die  G.  III.  501  vom 
jähre  1365,  in  welcher  daz  und  dat  bunt  wechselt  Aehnliche 
Verhältnisse  begegnen  uns  in  vielen  zur  Trierer  diöcese  gehö- 
rigen orten. 

Femer  ist  aber  in  erwägung  zu  ziehen,  dass  schon  von 
der  zweiten  hälfte  des  14.  Jahrhunderts  an  die  ausätze  der 
entwickelung  einer  allgemein  hochdeutschen  canzlei- Schrift- 
sprache zu  beobachten  sind,  was  ja  auch  nicht  ausbleiben 
konnte,  nachdem  die  kaiserlichen  canzleien  ihre  documente 
deutsch  ausfertigten.  Und  diese  beginnt  sich  allmählich  auch 
bis  gegen  Trier  hin  auszudehnen,  nicht  zwar  so,  dass  daselbst 
wirklich  oberdeutsche  Urkunden  geschrieben  würden,  sondern 
indem  einzelne  specifisch  oberdeutsche  eigentümlichheiten  dahin 
zu  dringen  beginnen,  so  besonders  die  Schreibung  pf  im  anlaut 
statt  p.  Der  pfalzgraf  z.  b.  schrieb  sich  noch  1362  (G.  III. 
482)  seiner  heimischen  mundart  angemessen  Pallentzgreff,  aber 
schon  1367  (G.  III.  512)  und  von  da  an  wöl  ohne  ausnähme 
Pfältzgraue.  In  Trier  wird  diess  natürlich  noch  später  her- 
schend,  noch  im  15.  Jahrhundert  ist  daselbst  der  anlaut  p  bei 
weitem  das  überwiegende;  ja  es  steht  selbst  in  einer  Urkunde 
des  Trierers  von  1492  (G.  IV.  387)  neben  dreimal  Parkirchen 
nur  ein  Pfarkirchen.  Schon  bedeutend  eher  aber  ist  statt  des 
früheren  unverschobenen  d  das  hochdeutsche  t  überwiegend  in 
die  Schrift  eingedrungen.  —  Es  ist  hier  nicht  meine  absieht, 
die  entwicklung  der  hochdeutschen  canzleisprache  zu  verfolgen, 
da  es  mir  hauptsächlich  auf  die  wirklich  gesprochene  spräche 
dieser  gegonden  ankommt.  Nur  das  will  ich  noch  hinzufügen, 
dass  auf  das  nördlichere,  kölnische  mittelfränkisch  die  einwir- 
kung  solcher  einflüsse  nicht  vor  der  zweiten  hälfte  des  16. 
'phrhunderts  in  irgendwie  erheblicherer  weise  bemerkbar  ist  Sie 
sistehen  hauptsächlich  darin,  dass  die  substantiva  auf -^cÄa/ 
jetzt  häufiger  -schaß  geschrieben  werden,  dass  neben  up  auch 


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32  BRAUNE 

die  Schreibung  uff  eintritt,  dass  statt  eines  alten  d  zuweilen 
t  geschrieben  wird,  ja  sogar  Schreibungen  thun  etc.  auftreten, 
wie  man  sich  leicht  aus  den  einschlägigen  Urkunden  bei  La- 
comblet  IV.  tiberzeugen  kann.  Nur  selten  tritt  neben  dat  ein 
das  ein  (das  erste,  was  ich  mir  aus  einer  Kölner  Urkunde  no- 
tiert habe,  ist  von  1464.  L.  IV.  328).  Erst  an  der  grenzscheide 
des  15.  und  16.  Jahrhunderts  wird  dann  das  etwas  häufiger. — 
Dasselbe  gepräge  tragen  denn  auch  die  zu  dieser  zeit  in  Köln 
geschriebenen  literaturdenkmäler.  Als  beispiel  ftlhre  ich  den 
Karlmeinet  an,  in  welchem  sich  vereinzelt  hochdeutsche  Schrei- 
bungen finden:  das  292,34,  was  96,17,  alles  47,38,  tages  46,51. 
124,19,  teil  17,57,  sytenistryten  24,37,  subst.  auf  -schafft  z.  b.  bot- 
schafft 16,13,  das  aber  auf  gaff  reimt,  geben  (statt  geven)  62,27. 
133,9,  nicht  (statt  niet)  119,1,  122,2  u.  s.  w.*) 


Wir  sind  durch  die  obigen  Untersuchungen  zu  dem  resul- 
tate  gekommen,  dass  das  mittelfränkische  vom  13.  Jahrhundert 
an  bis  auf  die  neueste  zeit,  in  seinen  grundzügen  unverändert, 
eine  mundart  ist,  welche  von  dem  hochdeutschen  lautstande 
nur  die  verschobenen  tenuefe,  und  auch  diese  nur  mit  bestimmten 
ausnahmen,  besitzt  Die  frage  nun  nach  der  zeit  und  art  der 
bildung  dieser  mundart  beantworte  ich  dahin,  dass  dieselbe  in 
ihren  consonanten- Verhältnissen  so  alt  ist  wie  der  eintritt  der 
hochdeutschen  lautverschiebung,  welche  nur  in  einem  teile, 
nämlich  nur  an  den  tenues,  bis  über  dieses  gebiet  sich  ver- 
breitet hat.  —  Anders  fasst  Mtlllenhoflf  (in  der  einleitung  der 
denkmäler)  die  entstehung  sowol  dieser,  als  auch  sämmtlicher 
mitteldeutschen  mundarten.  auf  Er  meint,  dass  die  mittel- 
deutschen gegenden,  unberührt  von  der  hochdeutschen  lautver- 
schiebung, zuerst  noch  rein  niederdeutsch  geblieben  seien;  dann 
sei  schon  im  9.  Jahrhundert  vermöge  des  Übergewichts,  welches 


*)  Erst  als  das  manuscript  dieses  aufsatzes  schon  in  der  druckerei 
war,  konnte  ich  das  schöne  programm  von  Wahlenberg  „die  niederrhei- 
nische (nord-rheinfränkische)  mundart  und  ihre  läutverschiebungsstufe*^ 
(Köln  187tJ  benutzen.  Daselbst  finden  sich  reiche  Zusammenstellungen 
aus  den  neueren  mundarten  und  besonders  über  die  nördlichen  über- 
gangsstufen  des  mittelfränkischen  ins  niederfränkische  gibt  W.  genauere 
auskunft,  als  ich  es  nach  den  wenigen  bei  Firmenich  abgedruckten  pro- 
ben tun  konnte. 


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ZUR  KENNTNIS  DES  FRÄNKISCHEN.  SS 

das  oberdeutsch-firänkisclie  durch  die  Karolinger  erhielt,  eine 
eiBwirkung  des  letzteren  auf  die  spräche  jener  gegenden  ein- 
getreten und  zwar  zuerst  in  den  höheren  und  literarisch  gebil- 
deten kreisen,  in  deren  spräche  sonach  eine  mischung  von  hooh- 
und  niederdeutsch  eingetreten  wäre,  während  in  der  Volkssprache 
das  niederdeutsche  weit  länger  gelebt  hätte.  Als  ein  Zeug- 
nis solcher  mischmundart  wird  das  Hildebrandslied  angeführt, 
welches  die  hessische  spräche  vom  ende  des  achten  Jahrhun- 
derts darstellen  soll.  Die  letztere  ansieht  dürfte  wol  Müllenhoff 
jetzt  selbst  nicht  mehr  aufrecht  erhalten,  nachdem  nachgewiesen 
ist,  dass  wir  im  Hildebrandslied  nicht  eine  aufzeichnung  aus 
dem  gedächtnisse  zu  sehen  haben.  — 

MüUenhoffs  auseinandersetzung  beginnt  damit,  dass  er  sagt 
(p.  Vni),  Wilhelm  Grimm  habe  gezeigt  (Athis  u.  Prophil.  s.  9.), 
„dass  ein  zurückweichen  der  plattdeutschen  bestandteile  in  der 
hessischen  mundart  in  dem  masse  stattgefunden  hat,  als  der 
gebrauch  derschrift  vordrang."  Mir  hatdiess  Wilhelm  Grimms 
beweisftihrung  nicht  wahrscheinlich  gemacht  Er  vermutet, 
dass  zu  Herborts  zeit  die  rede  des  gemeinen  mannes  eine  stär- 
kere färbung  des  niederdeutschen  trug.  Den  beweis  dafür  bildet 
Cassel,  „wo  die  plattdeutschen  bestandteile  erst  im  ausgangdes 
vorigen  Jahrhunderts  zu  weichen  begannen."  Man  fragt  welche? 
Herschte  da  wirklich  noch  t  f^r  z,  p  für  f,  k  für  ch,  oder  sind 
bloss  mitteldeutsche  ausdrücke  gemeint,  die  das  niederdeutsche 
auch  hat  und  die  darum  für  niederdeutsch  angesehen  werden?  — 
„Wenigstens  zeigt  ein  in  der  mundart  des  volkes  bei  der  an- 
kauft des  landgrafen  und  schwedischen  königs  Friedrichs  L  in 
Cassel  etwa  im  jähre  1740  abgefasstes  gedieht  noch  ziemlich 
starke,  dagegen  eine  im  jähr  1376  zu  Cassel  ausgestellte  Ur- 
kunde nur  geringe  einmischung  plattdeutscher  Wörter  und  for- 
men:, in  den  briefen  des  landgrafen  Philipp  des  grossmütigen 
aus  dem  sechzehnten  Jahrhundert  sind  sie  verschwunden."  Dass 
Philipps  briefe  nicht  mehr  echt  hessisch  sind  ist  natürlich, 
denn  im  sechzehnten  Jahrhundert  schrieb  man  in  Hessen,  wie 
auch  aus  Urkunden  vielfach  hervorgeht,  nicht  mehr  hessisch, 
sondern  die  neuhochdeutsche  Schriftsprache  mit  den  neuen  diph- 
thongen.  —  Die  1376  zu  Cassel  ausgestellte  Urkunde  soll  geringe 
einmischung  des  niederdeutschen  zeigen,  ich  habe  aber  weder 
ui  ihr  eine  spur  des  niederdeutschen  entdecken  können,  nodi 

Beitrag  znr  gesohichte  der  deutsehen  spräche.    J.  3 


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34  BRAUNE 

in  den  übrigen  Casseler  Urkunden  des  14  Jahrhunderts,  welche 
ich  gesehen  habe.  (Deren  zahl  ist  allerdings  leider  nicht  sehr 
gross,  da  es  uns  an  einem  codex  diplomaticus  fehlt)  Die  casse- 
ler Urkunden  sind  eben  mitteldeutsch.  Wenn  z.  b.  in  einer  Ur- 
kunde des  capitels  zu  St.  Martin  in  Cassel  vom  jähre  1368 
(Kuchenbecker,  analecta  hass.  V.  p.  40.  flFg.)  die  formen  heennd 
her  =  mhd.  er  und  der  nominativ  des  artikels  dy,  de  neben 
der  vorkommen,  so  haltfe  ich  das  fftr  durchaus  nichts  nieder- 
deutsches, welches  etwa  bewiese,  dass  das  volk  damals  noch 
niederdeutsch  gesprochen  habe  und  in  folge  dessen  sich  diese 
formen  in  die  höher  gebildete  schritt  eingemischt  hätten.  Ebenso 
sind  zu  beurteilen  die  daselbst  vorkommenden  formen  wasses 
{=  Wachses),  kunschaf,  sthichte,  dochter,  godes,  gude.  Das  schi- 
boleth  des  niederdeutschen,  die  unversehrten  alten  tenues,  fehlt 
gänzlich.*)    Ebenso  wenig  wtlrde  ich  es  fllr  einen  beweis  des 


*)  Dass  in  Niederhessen,  der  niederdeutschen  grenze  so  nahe,  sich 
auch  einige  wirklich  niederdeutsche  formen  finden,  ist  nicht  sehr  wun- 
derbar und  berechtigt  keineswegs  zu  einem  Schlüsse  auf  ursprünglich 
niederdeutschen  Charakter  des  dialects. 

Das  wenige  derartige,  was  Vilmars  idiotikon  aufweist,  könnte  wol 
recht  gut  durch  einschleppung  zu  erklären  sein,  wie  ja  auch  in  die  neu- 
hochdeutsche Schriftsprache  niederdeutsche  worte  aufgenommen  sind. 
Vieles  was  Yilmar  niederdeutsch  nennt,  fallt  nach  dem  obengesagten 
weg,  wie  z.  b.  das  wort  karmen  (p.  193);  desgleichen  worte  wie  krappe 
(p.  223)  petter  (296),  von  denen  V.  sagt,  es  seien  niederdeutsche  formen 
gegenüber  einem  hochdeutschen  krapfCy  p fetter.  Denn  diese  sind  nicht 
bloss  niederdeutsche ,  sondern  auch  hessische  formen ,  woselbst  ja  p  im 
anlaute  und  inlautend  bei  Verschärfungen,  wie  im  südfränkischen,  nicht 
verschoben  wird.  Hier  kann  es  sich  bloss  um  einige  worte  handeln: 
schnüte  (p.  365,  welches  wol  ohne  zweifei  eingeschleppt  ist)  strotte  (p. 
404)  lüttich  (p.  256)  fett  (p.  101),  bei  welchen  letzteren  wol  die  conso- 
nantenverschärfung  zu  beachten  ist ,  wie  ja  auch  das  pronomen  da  aus 
diesem  gründe  in  ganz  Mitteldeutschland  der  Verschiebung  entgangen 
ist.  Mit  p  und  k  ist  mir  laupe  (p.  239)  und  bdken  (p.  46)  aufgestossen, 
welche  vielleicht  auch  für  niederdeutsche  eindringlinge  zu  halten  sind. 
—  Betreffs  der  einwirkung  der  Schriftsprache  sei  hier  noch  bemerkt, 
dass  mit  der  besonders  im  letzten  Jahrhundert  immer  intensiver  werden- 
den macht  derselben  ein  untergehen  volkstümlicher  worte  und  formen 
sicher  statt  hat  und  gewis  in  immer  grösserem  masse  statt  haben  wird, 
doch  ist  es  nicht  richtig,  wenn  man  das  in  Hessen  ein  zurückweichen 
des  niederdeutschen  nennt  Wenn  z.  b.  bei  Cassel  seit  1830  der  ausdruck 
das  suffen  dem  schriftdeutschen  suppe  gewichen  ist  (p.  338),  so  weicht 


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ZUR  KENNTNIS  DES  FRÄNKISCHEN.  ^5 

niederdeutschen  halten,  wenn  man  Schreibungen  wie  geven,  leven 
aus  Hessen  beibrächte,  denn  auch  flir  das  gewöhnlich  geschrie- 
bene b  nehme  ich  die  ausspräche  =  win  ansprach;  als  beweis 
dienen  die  in  der  eben^rwähnten  Urkunde  vorkommenden  for- 
men höbe  (=  mhd.  hove)  bribe.  Alles  das  sind  durchaus  mittel- 
deutsche formen,  welche  das  mitteldeutsche  seiner  zwischen- 
stellung  nach  mit  dem  niederdeutschen  gemein  hat,  ebenso  wie 
es  mit  dem  hochdeutschen  die  tenuesverschiebung  teilt  Es 
widerholt  sich  hier  also  dasselbe  Verhältnis,  welches  Johannes 
Schmidt  in  seiner  neuesten  kleinen  schrift*)  ftlrdas  slawolitau- 
ische  nachgewiesen  hat,  das  in  ähnlicher  weise  zwischen  dem 
arischen  und  germanischen  steht,  indem  es  mit  dem  erste- 
ren  vor  allem  die  Verwandlung  der  gutturalen  explosivlaute 
in  Spiranten,  mit  dem  letztern  viele  andere  eigentümlichkeiten 
teilt,  ohne  dass  man  deshalb  das  slawolitauische  eine  germano- 
arische  mischsprache  nennen  darf. 

Man  möchte  daher  wol  gern  wissen,  was  es  mit  dem  cassel- 
schen  gedichte  von  1740  für  eine  bewantnis  habe,  auf  die  blosse 
anführang  Grimms  hin  werden  wir  keinen  schluss  ziehen  dürfen. 
Vorläufig  glaube  ich  die  ansieht  noch  halten  zu  können,  dass 
schon  im  14.  Jahrhundert  auch  das  volk  mitteldeutsch  sprach^ 
oder  mit  andern  werten,  dass  flir  Hessen  die  niederdeutsche 
grenze  damals  schon  ganz  dieselbe  war  wie  heute.  Diese  grenze 
liegt  jetzt  zwischen  den  beiden  städten  Hofgeismar  und  Cassel. 
Urkunden  von  Hofgeismar  liegen  uns  in  ziemlicher  anzahl  vor 
(ürkundenbuch  von  Hofgeismar  in:  Falckenheiner,  hessische 
Städte  und  Stifter,  band  IL).    Diese  sind  sämmtlich  niederdeutsch 


ja  etwas  echthochdeutsches  zurück,  da  hier  die  Schriftsprache  das  nieder- 
deutsche wort  hat.  Es  tritt  eben  ein  schwinden  der  landeseingeborenen 
ausdrücke  ein  und  dass  dieses  Schicksal  bei  dem  hochdeutschen  Charakter 
der  Schriftsprache  meist  solche  formen  treffen  wird,  welche  Hessen  mit 
Niederdeutschland  gemein  hat  (vgl.  z.  b.  süster  p.  408) ,  berechtigt  noch 
nicht,  diesen  Vorgang  ein  zurückweichen  des  niederdeutschen  zu.  nennen. 
—  Und  nun  gar,  wie  es  W.  Grimm  tat,  dem  allgemeineren  gebrauch  der 
Schrift  im  mittelalter  schon  eine  ähnliche  einwirkung  auf  die  spräche  zu- 
zuschreiben, wie  sie  die  erstarkte  neuhochdeutsche  Schriftsprache  jetzt 
zu  üben  begonnen  hat,  will  denn  doch  wenig  glaublich  scheinen. 

*)  Die    verwantschaftsverhältnisse   der  indogermanischen   sprachen. 
Weimar  1872. 

3* 


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36  BRAUNE 

und  zwar  nicht  Wobb  die  des  14.,  sondern  auch  des  15,  Jahr- 
hunderts z.b.  46  a.  1470,  49  a.  1473,  50  a.  1488.,  desgleichen 
die  Urkunden  des  noch  etwas  nördlicher  gelegenen  Stiftes  von 
Heimarshausen  20  a.  1337,  22  a.  1338,  24  a.  1364  Heimars- 
hausen und  Hofgeismar  gehörten  aber  zur  erzdiöcese  Mainz  und 
standen  mit  dem  erzbischofe  in  Schriftwechsel,  desgleichen  mit  dem 
landgrafen  in  Cassel,  wie  die  dazwischen  stehenden  Mainzer  und 
Casseler  Urkunden  beweisen,  n.  27  a.  1360  z.  b.  ist  ein  bünd- 
nis  des  stiftes  von  Heimarshausen  mit  dem  erzbischofe,  welches 
natürlich  in  Mainzer  kanzleisprache  geschrieben  ist.  —  An  hoch- 
deutschen einwirkungen  fehlte  es  also  nicht  und  diese  waren 
denn  doch  wol  sicher  intensiver  als.  die  des  fränkischen  zur 
zeit  der  Karolinger,  wo  man  noch  keine  deutschen  Urkunden 
hatte.  Nichtsdestoweniger  bleiben  die  Urkunden  dieser  orte 
nach  wie  vor  niederdeutsch,  während  die  von  Cassel  von  an- 
fang  an  mitteldeutsch  sind.  Das  wäre  denn  doch  wol  kaum 
zu  erklären,  wenn  nicht  schon  damals  die  niederdeutsche  grenze 
zwischen  Hofgeismar  und  Cassel  in  der  mitte  gelegen  hätte: 
das  Volk  sprach  in  Hofgeismar  niederdeutsch,  in  Cassel  mittel- 
deutsch, deshalb  auch  die  Verschiedenheit  in  der  spräche  der 
Urkunden.  Dabei  will  ich  durchaus  nicht  in  abrede  stellen, 
dass  nicht  die  cassler  landgrafenurkunden  des  15.  Jahrhunderts 
schon  von  der  Volkssprache  abgewichen  wären,  im  gegenteil 
lassen  sich  die  einflüsse  der  Mainzer  kanzlei  und  der  sich  bil- 
denden hochdeutschen  kanzleisprache  durchaus  nicht  verkennen, 
nur  muste  die  mundart  eine  schon  im  ganzen  conforme,  hoch- 
deutsche sein,  um  solche,  doch  wol  nur  orthographische,  einflüsse 
leicht  einfttgen  zu  können.  Die  beachtung  dieses  letztem  mo- 
ments  vermisst  man  auch  in  MüUenhoffs  sonst  sehr  dankens- 
werten nachweisungen  über  die  entstehung  des  eigentlichen 
neuhochdeutschen,  der  spräche  mit  den  neuen  diphthongen 
(denkmäler  p.  XXV.  flf.).  Er  weist  die  neuen  diphthonge  in 
schlesischen  und  obersächsischen  Schriftstücken  vom  anfang  des 
16.  Jahrhunderts  schon  als  zahlreich  nach,  während  sie  in  den 
westlichen  gegenden  Deutschlands  noch  nicht  vorhanden  sind. 
Er  kommt  zu  dem  Schlüsse :  „es  scheint,  dass  die  Umbildung  des 
dialects  östlich  an  der  Elbe  sich  schon  früher  vorbereitet  als 
in  den  übrigen  mitteldeutschen  landschaften,  wo  in  Thüringen 
bei  Johann  Rothe,  in  der  Frankfurter  reichscorrespondenz,  in 


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ZUR  KENNTNIS  DES  FRÄNKISCHEN.  37 

den  akten  könig  Ruprechts  von  der  Pfalz,  der  erzbischöfe  von 
Mainz  und  Trier  u.  s.  w.  noch  der  alte  landübliche  vocalismu« 
herscht."  (p.  XXVI.)  Dass  ihm,  der  das  auftreten  von  ei  und  au 
in  Obersachsen  nur  durch  einfluss  der  böhmischen  hof-  und 
kanzleisprache  erklärt,  dieses  rätsei  ungelöst  bleiben  muste, 
da  ja  die  kanzlei  auf  die  ttbrigen  gegenden  Deutschlands  eben 
so  grossen  einfluss  übte,  ist  leicht  begreiflich.  Die  erkläning 
ist  vielmehr  nur  aus  der  Volkssprache  zu  geben.  Die  Verbrei- 
terung der  alten  längen  zu  äiphthongen  ist  nichts  anderes  als 
ein  naturereignis  im  gebiete  der  deutschen  spräche,  welches 
unbekümmert  um  äussere  förderungen  oder  hemnisse  anfängt, 
fortschreitet  und  endet.  Begonnen  hat  dieser  process,  wie  wir 
wissen,  im  anfang  des  13.  Jahrhunderts  in  der  südosteoke 
Deutschlands,  verbreitete  sich  von  da  aus  über  Baiem,  Oesterreich 
und  Böhmen  und  nahm  auf  der  grenzscheide  des  14.  und  15. 
Jahrhunderts  auch  Schlesien  und  dann  Obersachsen  ein,  ohne  etwa 
durch  eine,  im  vergleich  zu  solchem  walten  des  sprachgeistes 
ohnmächtige,  kanzleisprache  aufgehalten  oder  gefordert  zu  werden. 
Weil  nun  in  der  ersten  hälfte  des  15.  Jahrhunderts  die  spräche 
des  gemeinen  mannes  in  Obersachsen  die  neuen  diphthonge 
schon  hatte,  darum  begannen  sie  sich  nun  auch  in  den  dort 
entstandenen  Schriftstücken  zu  zeigen,  denn  die  spräche  der 
Schrift  war  damals,  wie  auch  hierdurch  wider  bewiesen  wird^ 
von  der  spräche  des  volks  durchaus  nicht  abgelöst;  weil  in 
den  westlichen  gegenden  die  neuen  diphthonge  noch  nicht  waren, 
kommen  sie,  trotz  böhmischer  kanzlei,  auch  in  der  schrift  nicht 
zum  allgemeinen  ausdruck,  während  einzelriö  auf  solche  nach- 
ahmung  zurückzufahrende  beispiele  allerdings  schon  früh  vor- 
kommen, so  z.  b.  schon  1360  in  einer  Urkunde  des  Pfalzgrafen 
6.  III,  472.  zelten  und  dreyzehenhundert ;  1456  in  Sayn  (G.  IV. 
254)  gehrauchen,  zeit,  Seyierij  baussent;  1470  Wied.  G.  IV.  317 
harusen,  verschreiben,  neun.  Doch  sind  das  eben  nur  ganz  ver- 
einzelt'auftauchende  ausnahmen.  Wir  können  wol  nicht  eher 
die  lautbewegung  für  die  gegenden  am  Untermain  und  Mittel- 
rhein für  vollzogen  erachten  als  in  der  ersten  hälfte  des  16. 
Jahrhunderts.  Ja  der  umsatz  der  alten  längen  in  diphthonge 
ist  bis  auf  den  heutigen  tag  in  Hessen  (Fulda  —  Cassel),  Thü- 
ringen (Erfurt,  Gotha,  Weimar,  Rudolstadt,  Eisenach),  im  nörd- 
lichen teile  Mittelfrankens,  sowie  in  einem  grossen  teile  Ale- 


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38  BRAUNE 

manniens  nicht  durchgedrungen;  daselbst  sind  die  alten  tundü 
noch  in  voller  Kraflk  trotz  der  nun  schon  seit  drei  Jahrhunderten 
auch  über  diese  gegenden  waltenden  neuhochdeutschen  Schrift- 
sprache, die  denn  doch  noch  eine  andere  macht  repräsentiert 
als  die  böhmische  canzleisprache.  Die  lautbewegung  der  diph- 
thongisierung  ist  eben  erlahmt,  bevor  sie  bis  zu  jenen  gegenden 
vorgedrungen  war.  Johannes  ßothe,  der  in  Eisenach,  also  in 
einem  lande  lebte,  wo  bis  heute  noch  die  alten  vocale  herschen, 
hatte  keine  Ursache  die  diphthonge  zu  brauchen,  ebenso  findet 
sich  in  einer  Urkunde  des  landgrafen  von  Hessen  von  1498 
(G.  IV.  405)  noch  kein  einziger  neuer  diphthong.  Im  16.  Jahr- 
hundert aber,  zu  der  zeit,  wo  diejenigen  deutschen  länder,  bei 
denen  die  diphthongisierung  überhaupt  zum  durchbruch  kommen 
sollte,  dieselbe  hatten  und  die  Schriftsprache  sich  zu  festigen 
anfing,  da  muste  auch  in  den  davon  verschonten  gegenden 
Mitteldeutschlands  der  schreibgebrauch  der  majorität  weichen 
und  die  neuen  diphthonge  annehmen,  welche  die  spräche  nicht 
hatte.  Wir  sehen  also,  dass  das  eintreten  der  neuen  diphthonge 
in  obersächsischen  Schriften  mit  der  canzleisprache  durchaus 
nicht  zusammengebracht  werden  darf.*) 

Ich  würde  Grimms  ausflihrungen  über  die  hessische  mund- 
art  nicht  so  eingehend  besprochen  haben,  da  man  von  der  ansieht 
deir  mischsprache  wol  schon  ziemlich  allgemein  abgelassen  hat, 
wenn  nicht  MüUenhoflf  seine  argumentation  dadurch  stützte. 
Ein  zurückweichen  der  eingemischten  niederdeutschen  bestand- 
teile  behauptet  er,  wie  Grimm  fttr  Hessen,  so  fftr  das  mittel- 
fränkische gebiet.  Er  sagt  (p.  XV.):  „eine  vergleichung  der 
heutigen  kölnischen  mundart  mit  dem  kölnischen  Schriftdeutsch 
des  zwölften  und  dreizehnten  Jahrhunderts  wird  auch  hier  das 
allmähliche  zurückweichen  des  niederdeutschen  bestätigen  und 
fttr  das  achte  und  neunte  ist  am  Niederrhein  wie  in  Hessen 
und  Thüringen  noch  ein  übergewicht  des  niederdeutschen  in 
der  Volkssprache  anzunehmen."     Gerade  diese  vergleichung  hat 


•)  Wenn  nach  umfassender  beobachtung,  namentlich  der  Urkunden, 
die  geschichte  dieser  diphthongisierung  monographisch  behandelt  würde, 
so  wären  unzweifelhaft  noch  manche  genauere  resultate  zu  erwarten. 
Wertvolle  beitrage  aus  alten  deutschen  drucken  hat  in  gi-osser  reich- 
haltigkeit  Zamcke,  Narrenschiff  p.  273.  ff.  geliefert. 


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ZUR  KENNTNIS  DES  FRÄNKISCHEN.  39 

uns  nun  aber  ergeben,  dass  die  heutige  mittelfränkische  Volks- 
sprache in  allen  wesentlichen  punkten  zum  älteren  Schriftdeutsch 
stimmt,  sogar  genau  mit  derselben  nordgrenze  Düsseldorf-Neuss. 
Und  wie  wenig  das  niederdeutsche  hier  „allmählich  zurückge- 
wichen" ist,  zeigt  eben  grade  Dtisseldorf,  wo  noch  jetzt  wie 
damals  unverschobene  tenues  neben  den  gewöhnlich  verschobenen 
vorkommen.  Wir  werden  also  auch  bedenken  tragen  müssen 
den  schluss  ftir  das  achte  und  neunte  Jahrhundert  anzunehmen, 
dass  da  das  niederdeutsche  in  der  „Volkssprache"  überwogen 
haben  werde.  In  der  spräche  der  höheren  stände  soll  es  also 
auch  schon  damals  anders  gewesen  sein,  indem  dieselbe  durch 
einwirkung  der  fränkischen  hofsprache  eine  hochdeutschere 
ßlrbung  gehabt  hat.  Nehmen  wir  nun  auch  eine  solche  frän- 
kische hofsprache  in  der  von  MüUenhoflf  vorausgesetzten  form 
an,  also  eine  spräche,  welcher  sich  alle  am  kaiserlichen  hofe 
verkehrenden  fügen  musten,  so  fragt  es  sich  nur,  wie  konnte 
diese  hofsprache  auf  das  niederdeutsche  Thüringen  so  wirken, 
dass  dieses  allmählich  mitteldeutsch  wurde?  Eine  deutsche 
reichs-  und  Urkundensprache  gab  es  ja  nicht,  da  hier  das  la- 
teinische dominierte.  Karl  selbst  sammt  seinen  karolingischen 
nachfolgen!  hielt  nicht  in  Thüringen  hof,  es  könnten 'also  höch- 
stens einige  forsten  am  karolingischen  hofe  sich  die  hofsprache 
angewöhnt  und  bei  ihrer  rückkehr  verbreitet  haben.  Man  weiss 
in  der  tat  nicht  wie  man  sich  den  Vorgang  denken  soll.  Eine 
erklärung  gibt  MüUenhoff  auch  nicht,  er  behauptet  bloss  (p.  IX.): 
„Sobald  die  verschiedenen  deutschen  stamme  im  reich  Karls 
des  Grossen  zu  einer  politischen  und  religiösen  einheit  verbun- 
den wurden,  konnte  auch  für  die  spräche  die  entwickelung 
2U  grösserer  einheitlichkeit  nicht  ausbleiben.  Darauf  führte 
schon  das  bedürftiis  des  reiches."  Was  das  für  ein  bedürf- 
nis  war,  erfahren  wir  nicht,  meinen  aber,  dass  fttr  die  gesetz- 
gebung  und  den  sonstigen  regierungsverkehr  durch  die  latei- 
nische spräche  ausreichend  gesorgt  war,  welche  auch  insofern 
die  einzig  mögliche  war,  als  das  reich  nicht  zum  kleinsten  teile 
aus  Romanen  bestand  und  von  einem  einheitlichen  deutschen 
reiche  unter  Karl  dem  grossen  insofern  doch  nicht  die  rede 
sein  kann.  Eine  „spräche  des  höheren  lebens"  (p.  IX.)  ftir 
jene  zeit  anzunehmen  scheint  mir  ebenfalls  sehr  mislich.  Denn 
abgesehen  von    den  wenigen    wirklich  (lateinisch)  gebildeten, 


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40  BRAUNE 

werden  wel  die  vorneh^ieii  und  fürsten  der  einzelnen  stamme, 
denn  um  sie  mttste  sich  doch  für  diese  das  höhere  leben  grup- 
pieren, auch  nicht  viel  mehr  höhere  geistige  Interessen  zu  be- 
sprechen  gehabt  haben  als  das  niedere  volk,  wozu  ihnen  dann 
eine  besonders  eultivierte  spräche  nötig  gewesen  wäre;  ich  halte 
sonach  den  unterschied  zwischen  spräche  des  höheren  lebens 
und  der  des  gemeinen  mannes  zu  jener  zeit  für  nicht  existierend. 
Wenn  ich  nun  durchaus  nicht  zugeben  kann,  dass  eine 
fränkische  hofsprache  solche  den  Organismus  der  betreffenden 
dialecte  erschütternde  Umwälzungen  habe  hervorbringen  können, 
so  muss  ich  gestehen  auch  über  die  natur  dieser  hofsprache 
selbst  nicht  recht  ins  reine  kommen  zu  können.  Dass  Karl 
der  grosse  und  sein  hof  irgend  einen  fränkischen  dialect  ge- 
sprochen haben  müssen,  ist  ja  sicher,  dass  es  der  rheinfrän- 
kisehe  (unser  südfränkisch)  gewesen  sei,  hält  MüUenhoff  durch 
die  strassburger  eide  und  das  Ludwigslied  fiir  erwiesen  (p.  XX). 
Schon  Einhard  aber  stimmt  nicht  recht  dazu.  Er,  im  Maingau 
geboren,  hielt  sich  in  der  letzten  zeit  seines  lebens  (815 — 44) 
in  Seligenstadt  auf,  und  dem  entsprechend  schrieb  er  auch  die 
monatsnamen  Karls  ;,mit  einer  starken  annäherung  ans  hoch- 
fränkische^  (p.  XXI.)  nieder.  Wie  nun,  wenn  aber  Karl  mittel- 
fränkisch gesprochen  hätte,  was  bei  seinem  häufigen  aufenthälte 
in  jenen  gegenden  doch  von  vornherein  nicht  fttr  unwahrschein- 
lich erklärt  werden  kann?  Dagegen  sagt  MüUenhoff  (p.  XXL): 
„dass  die  hofsprache  das  niederdeutsche  ^auch  nur  in  derein- 
sohränkung  wie  der  trierische  dialect  zuliess,  dafür  finde  ich 
kein  beispiel,  auch  nicht  in  den  Urkunden.  Dagegen  fehlt  es  in 
den  andern  consonantreihen  allerdings  nicht  an  spuren  tiefer  lie- 
gender mundartlicher  einflüsse.^  M.  hält  nämlich  für  „das  erste 
entscheidende  zeichen  dieser  Übergangsmundarten  das  im  aus- 
laut  noch  nicht  zu  z  verschobene  r,"  wie  es  in  der  trierischen 
Übersetzung  des  capitulare  wahrgenommen  werde  (p.  XV.)  Wie 
wir  wissen,  ist  das  aber  zu  allgemein  gefasst,  da,  wie  es  auch 
im  capitulare  der  fall,  nur  das  neutrale  /  im  mittelfränkischen 
anverschoben  bleibt  Ein  that,  it,  tvat  aber  kann  in  einer  la- 
teinischen Urkunde  nicht  vorkommen  und  die  übrigen  Verschie- 
bungen sind  im  mittelfränkischen  ungefähr  in  demselben  masse 
vorhanden,  als  im  südfränkischen.  Die  Urkunden  beweisen 
also  gar  nichts  gegen  die  annähme,  dass  Karl  that,  it  gesagt 


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ZUR  KENNTNIS  DES  FRÄNKISCHEN.  41 

habe.  Ja  ich  wüste  nicht,  was  sich  dagegen  einwenden  Hesse, 
wenn  man  vermuten  wollte,  jenes  capitulare  Ludwigs  des  from- 
men sei  auf  dessen  befehl  und  an  seinem  hofe*  übersetzt  worden.  — 
Wenn  der  annalist  (p.  XXI.)  SUesthorp  schreibt,  desgleichen  den 
bairischen  grafen  Huelp  nennt,  nicht  wie  Thegan  Huelf^  so  ist 
das  sehr  leicht  dadurch  zu  erklären,  dass  der  annalist  aus  dem 
nördlicheren  Mittelfranken  war,  während  Thegan  als  Trierer 
zu  dem  südlicheren  streifen  Mittelfrankens  gehörte,  wo  p  nach 
/  und  r  wie  in  Südfranken  verschoben  war.  —  Hierzu  stimmen 
denn  auch  die  (p.  XXI.  unten)  angefahrten  belege  von  p  nach 
/  und  r  aus  Prümer  und  Trierer  Urkunden,  doch  ist  dazu  zu 
bemerken,  dass  sie  sämmtlich  aus  Prüm  stammen,  mit  ausnähme 
der  drei  letzten  für  den  namen  Helpricus,  und  in  einem  solchen 
eigennamen  bewahrt  sich  ja  öfter  die  ältere  Schreibung  länger, 
niemals  aber  stehen  in  Trierer  Urkunden  Ortsnamen  auf  -dorp, 
sondern  alle  beispiele  haben  Verschiebung  von  anfang  an  z.  b. 
n.  65  a.  838  Uudrestohrf^  80  a.  847—868  Rmgeresdorf,  139  a.  895, 
339,  400  etc.,  daneben  auch  -dorph  z.b.  83,  a.  853,  233,  245 
etc.  'dorp  aber  findet  sich  nur  im  nördlicher  gelegenen  Prüm, 
woselbst  es  ja  noch  im  14.  Jahrhundert  so  lautet  (L.  IIL  680). 
Daneben  kommt  daselbst  allerdings  auch  -äorph  vor,  ja  sogar 
(in  einem  ausführlichen  güterverzeiehnis  von  Prüm  aus  dem 
jähre  893.  Beyer  I.  135.)  in  einer  grossen  anzahl  von  beispie- 
len  beständig  die  Schreibung  -dorpht.  -dorp  findet  sich  auch 
regelmässig  in  Laacher  Urkunden  Beyer  II.  127  a.  1192  etc. 

Wie  man  femer  die  aufzeichnung  des  Muspilli  mit  der  hof- 
sprache  vereinen  soll,  weiss  ich  nicht  Man  hat  ja  in  Ludwig 
dem  deutschen  selbst  den  Schreiber  desselben  vermutet.  Wenn 
es  nun  auch  denkbar  wäre,  dass  der  frjlnkische  Ludwig,  der 
von  früher  zeit  an  in  Regensburg  hof  hielt,  sich  mit  der  zeit 
dem  bairischen  idiom  soweit  anbequemt  hätte,  dass  er  das  Mus^ 
pilli  niedergeschrieben  haben  könnte,  so  will  ich  das  doch  nicht 
grade  urgieren.  Aber  so  viel  lässt  sich  doch  mit  Sicherheit  be- 
haupten, dass  nur  einer  aus  der  allernächsten  Umgebung  des 
königs  in  das  diesem  gehörige  buch  das  gedieht  eingetragen 
haben  kann.  Was  ist  das  aber  für  eine  hof  spräche,  die  in 
Mitteldeutschland  solche  wunder  tut,  die  aber  ohne  alle  Wirkung 
ist,  wenn  ein  Karolinger  einige  zeit  in  Baiern  hof  hält?  In  den 
denkmälem  ist  dieses  Widerspruchs  mit  keinem  werte  gedacht. 


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42  BRAUNE 

So  beweisen  mir  auch  die  Strassburger  eidß  Nithards 
weiter  nichts,  als  dass  eben  diese  fränkische  mundart  dem 
Nithard  geläufig  war;  er  selbst  lebte  am  hofe  Karls  des  kahlen 
wo  jedenfalls  französisch  gesprochen  wurde;  wer  also  eine  ro- 
manische hofsprache  aufstellen  wollte,  würde  dazu  die  roma- 
nische form  der  eide  als  beleg  aufführen.  Auf  diesen  gedanken 
ist  aber  bekanntlich  noch  niemand  gekommen.  —  Auch  flir  das 
Ludwigslied,  glaube  ich,  hat  man  keine  hofsprache  nötig.  Kann 
denn  nicht  ein  etwa  aus  Mainz  stammender  geistlicher  das  lied 
verfasst  haben?  An  Ludwigs  hofe  dürfte  wol  ebenfalls  das 
französische  überwiegend  gesprochen  worden  sein. 

Mögen  nun  aber  auch  schliesslich  die  Karolinger  gespro- 
chen haben,  wie  sie  wollen,  ftir  die  geschichte  der  spräche  im 
ganzen  und  grossen  kann  die  spräche  einzelner  Individuen  nicht 
wol  in  betracht  kommen. 

Aus  dem  liede  de  Heinrico  wird  dann  (p.  XXIIL)  ge- 
schlossen, „dass  schon  im  X.  Jährhundert  am  hofe  der  sächsi- 
schen kaiser  das  hochdeutsche  seine  herschaft  in  Niederdeutsch- 
land begann."  Das  lied  ist  einfach  mitteldeutsch  von  einem 
Mitteldeutschen  geschrieben;  alle  teiiues  haben  darin  die  Ver- 
schiebung erlitten. 

Auf  diese  und  die  folgenden  hofsprachen  will  ich  hier  nicht 
näher  eingehen,  zwingende  gründe  sie  anzunehmen  sind  nir- 
gends vorhanden.  lieber  die  hohenstaufische  hofsprache  hat 
schon  Pfeiffer  und  nach  ihm  Paul*)  ausftlhrlich  gehandelt.  — 
Ich  gehe  jetzt  über  zur  begründung  der  an  die  spitze  dieser 
letzteren  betrachtungen  gestellten  ansieht,  dass  das  mittelfrän- 
kische, wie  auch  das  mitteldeutsche  in  der  gestalt  seines  con- 
sonantismus  so  alt,  wie  die  hochdeutsche  lautverschiebung,  und 
von  dieser  wesentlich  hervorgebracht  sei.  —  Dass  die  kölnischen 
Urkunden  des  13.  und  14.  Jahrhunderts,  so  weit  diess  einer 
nicht  nach  phonetischen  principien  geordneten  Orthographie 
möglich,  in  laut-  und  formenlehre  genau  die  spräche  des  köl- 
nischen  volkes  widergeben,  scheint  mir,  schon  wegen  der  Über- 
einstimmung des  heutigen  kölnischen  dialects,  nicht  im  minde- 
sten zweifelhaft.  Dass  die  alten  Kölner  freilich  nicht  in  dem  stile 
und  der  immer  widerkehrenden  phraseologie  der  Urkunden  gespro- 
chen haben  werden,  kommt  dabei  natürlich  nicht  in  betracht.  — 

*)  Gab  es  eine  mhd.  Schriftsprache?  Halle  1873. 


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ZUE  KENNTNIS  DES  FRÄNKISCHEN.  43 

Ebenso  dürfen  wir  als  sicher  voraussetzen,  dass  die  kölnischen 
Urkundenschreiber  des  9.  und  10.  Jahrhunderts  in  den  lautver- 
hältnissen  sich  streng  an  ihre  mundart  gehalten  haben. 

Die  älteste  kölnische  Urkunde  bei  L.  I.  ist  vom  jähre  874 
n.  66.  Diese  bietet  aber  auch  schon  ürcechon,  (heute  Ürzig), 
88  a.  927  Bozilesthorpe,  102  a.  948  via  quae  dicitur  hurcMraza, 
103  a.  948  Wizonstein,  231  a.  1081  bischouishohe,  253.  a.  1096 
Hundeszdgel  etc. 

Und  so  steht  in  allen  älteren  kölner  Urkunden  z  statt  des 
alten  u  War  aber  schon  im  südlicheren  trierer  capitulare  das 
Verhältnis  so,  dass  neben  stets  verschobenem  ^nur  das  neutrale 
t  unverschoben  war,  so  dürfen  wir  flir  das  nördlichere  Köln 
selbstverständlich  schliessen,  dass  auch  dort  that,  ii,  rvat,  die 
in  lateinischen  Urkunden  eben  nicht  vorkommen  können,  zu 
jener  zeit  geherscht  haben. 

Dass  auch  das  k  Schon  874  verschoben  war,  sehen  wir 
an  eben  jenem  ürcechon,  dem  niederfränkisch  Urtekon  ent- 
sprechen würde,  n.  103.  a.  948  Blanconhiechi j  104  a.  958  in 
Branbechen,  123  a.  989  Rodmkyrichon,  —  Für  -thorp  sind 
die  belege  sehr  häufig:  88  a.  927,  93  a.941,  105  a.962,  111.  a. 
970  etc. 

Schon  Scherer  (zur  geschichte  der  deutschen  spräche  p.  79) 
hat  nachdrücklich  betont,  dass  die  Verwandlung  von  th  {dh)  zu 
d  nicht  den  anstoss  zur  hochdeutschen  lautverschiebung  gegeben 
haben  könne,  was  dadurch  als  das  einzig  haltbare  erwiesen 
wird,  dass  th  erst  schwindet,  nachdem  alle  andern  Verschiebungen 
vor  sich  gegangen  sind.  Er  behauptet  ferner,  und  wie  ich 
glaube  mit  vollem  recht,  dass  die  verschiedenen  erscheinungen 
durchaus  keinen  Zusammenhang  unter  einander  haben,  noch  sich 
gegenseitig  bedingen.  Ferner  hat  er  aus  dem  grösten  Verbrei- 
tungsgebiete der  tenues  sehr  richtig  geschlossen,  dass  mit  diesen 
die  Verschiebung  begonnen  habe,  darauf  die  der  mediae  gefolgt 
und  zuletzt  der  Übergang  der  tönenden  spirans  th  in  d  einge- 
treten sei.  Ich  glaube  nun,  so  richtig  Scherers  bemerkungen 
im  ganzen  und  grossen  sind,  dass  sich,  und  besonders  mithilfe 
des  mittelfränkischen,  vieles  noch  genauer  bestimmen  und  son- 
dern lässt.  Ordnen  wir  zunächst  einmal  die  erscheinungen  der 
lautverschiebung  nach  den  Verbreitungsgebieten,  indem  wir  vor- 


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44  BRAUNE 

läufig  von  der  noch  besonders  zu  besprechenden  spirans  th  ab- 
sehen, so  ergeben  sich  folgende  gruppen: 

A.  Tenues. 

1.  Die  Verschiebung  des  ^  zu  z  überall,  einfaches  p  und  k 
im  in-  und  auslaut  nach  vocalen  zu  /und  eh.  Diese  Ver- 
schiebung verbreitet  sich  über  ganz  Ober-  und  Mitteldeutschland 
mit  einschluss  Mittelfrankens,  und  zwar  ist  sie  in  Mittelfranken 
überhaupt  die  einzige  durchgedrungene  lautverschiebung  (mit 
abzug  natürlich  des  neutralen  t).  Nicht  verschoben  sind  in 
Mittelfranken  p  und  k  im  anlaute  und  im  inlaute  nach  conso- 
nanten,  so  wie  nach  vocalen  bei  Verschärfungen. 

2.  t  ist  durchweg  zu  z  verschoben,  einfaches  p  zu  /*  im 
in-  und  auslaute  nach  vocalen  und  nach  /  und  r,  einfaches  k 
im  in-  und  auslaute  nach  vocalen  zu  ch.  Diese  Verschiebung 
erstreckt  sich  auf  ganz  Ober-  und  Mitteldeutschland  mit  aus- 
schluss  der  grossem  nördlichen  hälfte  von  Mittelfranken.  Sie 
ist  die  einzige  im  südlichen  teile  von  Mittelfranken  und  in  Süd- 
franken, wozu  auch  Nassau  und  Hessen  gehört.  Nicht  ver- 
schoben ist  daselbst/?  im  anlaut,  pbei  Verschärfungen  und  nach 
m  im  inlaut,  so  wie  k  im  anlaut,  im  inlaut  nach  consonan- 
ten  und  bei  Verschärfungen. 

3.  t  ist  ganz  verschoben,  k  wie  bei  den  vorigen  beiden 
gruppen,  p  im  anlaute,  im  inlaute  nach  vocalen  und  nach  /,  r. 
Diesfe  art  der  Verschiebung  dehnt  sich  aus  über  Oberdeutschland, 
Ostfranken,  Thüringen,  Obersachsen,  ausschliesslich  herscht  sie 
in  Nordthüringen  und  Obersachsen,  woselbst  p  nach  m  und  bei 
Verschärfungen  nicht  wie  in  den  übrigen  norddeutschen  gegenden 
zu  pf  verschoben  wird,  man  sagt  daselbst  noch  heute  äampy 
strumpy  kop,  kappe. 

4.  t  und  p  sind  ganz  verschoben,  k  wie  bei  den  vorigen, 
Diese  Verschiebung  erstreckt  sich  auf  Oberdeutschland,  Ost- 
franken und  dengrösten  (südlichen)  teil  von  Thüringen.  Nicht  ver- 
schoben ist  in  Ostfranken  und  Thüringen  von  den  tenues  nur 
das  k  in  den  schon  mehrfach  angegebenen  fallen. 

5.  Die  tenues  sind  allesammt  verschoben.  Das  ist  der  fall 
nur  in  Oberdeutschlend. 

B.  Mediae. 

Medialverschiebungen  drangen  gar  nicht  vor  nach  Mittel- 
franken, und  fast  gar  nicht  nach  Südfranken,  nur  kommen  da- 


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ZUR  KENNTNIS  DES  FRÄNKISCHEN.  45 

selbst  neben  dem  gewöhnlicheren  d  Wie  von  t  vor.  Bloss  die 
Verschiebung  von  dzn  t  trat  ein  in  Ostfranken  und  Thüringen, 
an  allen  medien  gingen  verschiebungsprocesse  nur  in  Ober- 
deutschland vor  sich. 

Daraus  nun,  dass  die  Verschiebung  des  i,  sowie  des  p  und 
k  nach  vocalen  sich  am  intensivsten  verbreitet  hat,  glaube  ich 
mit  Scherer  schliessen  zu  dürfen,  dass  damit  der  process  begann, 
Doch  noch  eine  andere  chronologische  bestimmung,  meine  ich, 
wird  man  erschliessen  können.  Sämmtliche  erscheinungen  der 
lautverschiebung  gehen  von  Oberdeutschland  aus  und  verbreiten 
sich  von  da  an  nordwärts,  die  erste  und  kräftigste  schiebt  am 
weitesten.  Eine  solche  lautwandlung  pflegt  aber  nicht  auf  dem 
ganzen  gebiete,  auf  welchem  sie  später  herscht,  zu  gleicher  zeit 
aufzutreten,  sondern  von  einem  punkte  ausgehend  braucht  sie 
eine  geraume  zeit,  bis  sie  an  den,  endpunkt  kommt  und  dort 
erschlafft.  Diess  sehen  wir  recht  deutlich  an  einer  andern  laut- 
verschiebung, deren  verlauf  wir  beobachten  können,  ich  meine 
die  diphthongisierung  der  alten  i  und  ü,  welche  vom  Südosten 
ausgehend  über  300  jähre  gebrauchte,  bis  sie  ihr  Verbreitungs- 
gebiet ganz  durchlaufen  hatte.  So  wird  es  auch  mit  den  er- 
scheinungen der  uns  jetzt  beschäftigenden  lautverschiebung  be- 
want  sein.  Bezeugt  wird  diess  aber  durch  urkundliche  belege, 
welche  MüUenhoflf,  denkm.  p.  VIII.  beibringt.  Es  sind  namen 
aus  thüringischen  Urkunden  vom  anfange  des  8.  Jahrhunderts, 
in  welchen  t  noch  nicht  zu  z  verschoben  ist:  Virteburh,  Ada- 
goto  und  Cato,  Während  wir  wissen,  dass  diese  Verschiebung 
in  Oberdeutschland  schon  im  7.  jahrlmndert  eingetreten  sein 
muss,  kann  sie  sonach  an  ihren  endpunkten  erst  vielleicht  in 
der  mitte  des  8.  Jahrhunderts  angekommen  sein. 

In  der  Verschiebung  des  t  zu  z,  sowie  des  p  und  k  nach 
vocalen  zu  /und  ch  sehe  ich  also  die  erste  schiebt  der  laut- 
verschiebung. Sie  ist  in  allen  unseren  literaturdenkmälern, 
welche  auf  ihr  gebiet  fallen,  durchgeftthrt,  nur  im  Isidor  bemer- 
ken wir  noch  in  zwei  vereinzelten  fallen  nachzügler,  nlmlich 
scap  (91,  9)  und  uharhUmpnissi  (61,  3),  während  sonst  durchaus 
das  p  ZM  f  (ff)  vollständig  verschoben  ist.  Doch  beweisen  wol 
diese  nachzügler,  dass  noch  nicht  zu  lange  vor  Isidor,  der  wahr- 
seheinlidi  nicht  nach  750  zu  setzen  ist^  in  Südfranken  der  pr^. 


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46  BRAUNE 

ceBB  eingetreten  war.  —  Unterdes  war  aber  in  Oberdeutschland 
die  bewegung  schon  weiter  gegangen. 

Zur  zweiten  schiebt  rechne  ich  die  Verschiebungen,  welche 
die  Verbreitungsgebiete  2 — 4  characterisieren,  also  die  bewegung 
welche  zum  ziele  hat,  die  noch  nicht  verschobenen  p  (im  anlaut^^ 
inlaut  nach  consonanten  und  bei  Verschärfungen)  zu  afficieren. 
Diese  bewegung  können  wir  nun  schon  bequemer  beobachten, 
als  jene  erste.  Zwar  nicht  in  Oberdeutschland,  denn  da  ist  sie 
immerhin  schon  so  früh  eingetreten,  dass  sie  zur  zeit  unserer 
ältesten  glossen,  die  mit  dem  Isidor  etwa  gleichzeitig  sind, 
schon  durchgefllhrt  erscheint,  in  Franken  aber  geht  sie  noch 
vor  sich  zur  zeit,  da  unsere  denkmäler  einsetzen.  Der  Isidor 
vornehmlich  fällt  in  eine  zeit,  wo  diese  bewegung  noch  gar 
nicht  nach  Südfranken  gedrungen  war,  ein  neues  bedeutsa- 
mes zeichen  seines  alters.  In  der  heimat  des  Isidor,  ja  noch 
weiter  nördlich  im  südlichen  teile  Mittelfrankens  wurde  später 
p  nach  /  und  r  verschoben  und  zwar  zuerst  aflfriciert  und  dann 
meist  in  /verwandelt.  Im  Isidor  aber  ist  hier  dsi&p  noch  un- 
versehrt in  hilpit  und  aruuorpanan.  Darauf  folgt  zunächst  die 
affiricierung  und  in  diesem  zustande  ist  das  p  in  unsem  meisten 
denkmälem.  Tatian  schreibt  überwiegend  werphan  {werpfan) 
helphan  (cf.  Sievers,  Tatian  p.  15.).  Femer  heisst  es  bei  ihm 
clophon,  tropfo  gilimpfan  etc.  Auch  bei  Otfrid  findet  sich  noch 
helphan,  werphan,  werpfan  u.  a.  häufig.  Für  Otfrids  dialect 
hätte  ich  eigentlich  oben  unter  2.  noch  eine  Unterabteilung 
machen  sollen,  da  trp  nur  im  anlaute  bewahrt,  im  inlaute  aber 
dem  übrigen  Südfranken  entgegen  und  seinem  benachbarten 
alamannisch  entsprechend  auch  nach  m  und  bei  Verschärfung 
affirication  eintreten  lässt  (Imphan,  aphul),  wiewol  auch  noch 
limpit,  gihjmpUch,  intslupta,  scapiin  ausnahmsweise  sich  findet 
(cf.  Kelle,  Otfrid  11.478).  —  Diese  gesammte  bewegung  hat  das 
gemeinsame,  dass  sie  im  ganzen  sich  nicht  über  die  affi-ication 
erhebt  Nur  gehen  später  in  Franken  (in  Oberdeutschland  war 
auch  das  schon  früher  eingetreten)  die  aflfricaten  in  einigen 
häufig  gebrauchten  wörteiTi  nach  r  und  /in  /"  über,  also  werfen^ 
helfen,  dorf,  weif,  in  andern  hielt  sich  aber  dieaflFricatai^cÄarjp/i 
gelpf;  der  name  Helpfrich  im  Nibelungenliede  bezeugt  aber  auch 
noch  deutlich  das  alte  helpfen.  Ich  habe  deshalb  keine  weitem 
Unterabteilungen  gemacht,  wiewol  dieses  durch  die  Variation 


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ZUR  KENNTNIS  DES  FRÄNKISCHEN.  47 

der  Verbreitungsgebiete  allerdings  geboten  gewesen  wäre.  Und 
es  scheint  in  der  tat,  dass  der  process  mit  dem  p  nach  /  und  r 
begonnen  hat,  einesteils  wegen  desgrösten  Verbreitungsgebietes, 
anderesteils  weil  z.  b.  die  beiOtfrid  eben  erwähnten  nachzügler 
nach  m  und  bei  Verschärfung  sich  nicht  nach  /  und  r  finden. 
Man  kann  die  ankunft  der  bewegung  nach  Franken  wol  in  die 
2.  hälfte  des  8.  Jahrhunderts  setzen  und  in  ihren  letzten  Stadien 
ist 'sie  vielleicht  erst  in  der  ersten  zeit  des  9.  Jahrhunderts 
vollendet,  zu  welchen  insonderheit  die  aflfricierung  des  p  im  an- 
laut  zu  rechnen  ist.  Diese  hat  ja  auch  Ostfranken  eingenommen 
und  Tatian  hat  sie  bereits  vollständig,  aber  in  dem  entschieden 
ostfränkischen  bruchstück  der  lex  salica  (MttUenhoff  setzt  es  ins 
jähr  802.  d.  p.  477)  steht  noch  pentinga. 

Ein  moment,  welches  noch  dafür  spricht,  dass  die  unter 
der  ersten  schiebt  zusammengefassten  tenuesverschiebungen  weit 
früher  eingetreten  sind,  als  die  eben  behandelten,  ist  auch  das^ 
dass  im  inlaut  nach  vocalen  die  Zwischenstufe  ph,  pf  sich  nicht 
mehr  findet,  während  sie  in  den  fällen,  wo  p  nach  consonanten 
in  f  übergeht  (in  helfen  etc.)  ums  jähr  800  noch  die  gewöhn- 
liche Schreibung  ist.  Im  oberdeutschen,  wo  die  Verschiebung 
lange  vor  unsem  denkmälem  liegt,  können  wir  das  gar  nicht 
erwarten,  aber  im  fränkischen  des  Isidor  könnte  man  es  wol 
mit  recht.  Und  ich  weiss  nicht,  ob  nicht  vielleicht  jenes  scäp 
und  ubarhlaupnissi  als  eine  unvollkommene  Schreibung  für  ein 
stark  aspiriertes  p  angesehen  werden  dürfte.  Kommt  doch  in 
einer  Urkunde  Karls  des  grossen  von  777  (Sickel,  acta  Karol. 
L  p.  33)  Thyupßach  vor,  Freilich  will  ein  zeugnis  nicht  viel 
besagen. 

Scherer  aber  hat  (zuletzt  in  seiner  recension  vonRumpelts 
System  der  sprachlaute,  Zeitschrift  fttr  östr.  gymn.  1870  p.  656  f.) 
geläugnet,  dass  bei  der  hochdeutschen  lautverschiebung  im  inlaut 
nach  vocalen  überhaupt  eine  Zwischenstufe  der  affi-ication  an- 
zunehmen sei  und  behauptet,  der  übergairg  der  tonlosen  explo- 
sivae  t,  p,  k  in  die  tonlosen  Spiranten  §,  /;  cÄ  sei  ein  unmittel- 
barer gewesen.  Wenn  ich  nun  auch  nicht  daran  denke  die 
möglichkeit  eines  solchen  Übergangs  in  abrede  zu  stellen  ^  so 
sind  es  doch  hauptsächlich  zwei  gründe,  welche  mich  an  der 
alten  ansieht  festzuhalten  bewegen. 


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48  BRAUNE 

Erstens  haben  wir  auch  nach  /  und  r  einen  Übergang  des 
p  in /in  helfen^  werfen  und  von  diesem  wissen  wir  sicher,  dass 
er  durch  affrication  hindurch  gegangen  ist.  Begännen  unsere 
denkmäler  erst  am  ende  des  9.  oder  anfang  des  10.  Jahrhun- 
derts, so  würden  wir  die  aflfiricata  in  helpfen  auch  nicht  mehr 
belegen  können  und  es  könnte  dann  mit  demselben  rechte  un- 
mittelbarer Übergang  des  jp  in  /  behauptet  werden.  Wenn  wir 
also  einen  Vorgang  in  seiner  folge  sicher  belegt  haben,  so  werden 
wir  wol  am  richtigsten  einen  naheliegenden  analogen  Vorgang, 
der  aber  wegen  seines  grösseren  alters  nicht  so  belegt  ist,  auf 
dieselbe  weise  zu  beurteilen  haben. 

Zweitens  aber,  und  das  ist  fftr  mich  hauptsächlich  bewei- 
send, haben  wir  im  hochdeutschen  nach  vocalen  an  stelle  der 
alten  tenues  nicht  einfache  tonlose  spirans,  sondern  doppelte. 
Das  hat  auch  Scherer  beachtet  (ebendas.  p.  658).  Zur  erklärung 
aber  nimmt  er  im  inlaut  nach  vocalen  eine  andere  art  von  zu 
gründe  liegender  tenuis  an,  als  im  anlaut  und  nach  consonanten. 
Er  meint,  dass  ii^  anlaut  und  nach  consonanten  die  wirkliche 
tenuis  gestanden  habe,  nach  vocalen  aber  die  physiologische 
aspirata,  d.h.  die  tenuis,  wie  wir  sie- im  neuhochdeutschen 
sprechen,  welcher  in  der  tat  ein  hauch  unmittelbar  nachstürzt. 
Die  erste  gei  dann  zur  aflfricata  verschoben  worden,  die  zweite 
ih,  ph,  kh,  zu  §Ä,  /%,  xh,  woraus  dann  ^,  ff,  xL  entstanden  sei. 
Dieser  ansieht  kann  ich  mich  nicht  anschliessen.  Es  scheint 
mir  zu  gezwungen  zwei  verschiedene  arten  von  tenues  zu  gründe 
zu  legen,  besonders  da  die  auf  germanischer  lautstufe  verhar- 
renden sprachen  keinen  solchen  unterschied  aufweisen;  ein  an- 
derer grund  wird  sich  weiter  unten  ergeben;  zunächst  will  ich 
darlegen,  wie  mir  die  sache  zu  erklären  scheint. 

Die  tatsache  steht  also  fest,  dass  wir  im  althochdeutschen 
in  diesen  fällen  doppelte  spirans  haben.  Im  mittelhochdeutschen 
beweist  die  metrik  auf  das  klarste,  dass  nach  kurzen  vocalen 
die  doppelung  vorhanden  ist,  während  sie  nach  langen  in  der 
regel  nicht  mehr  geschrieben  wird.  Aber  im  althochdeutschen 
wird  sie  auch  nach  langen  vocalen  sehr  oft  geschrieben,  nur 
schwanken  daselbst  die  bezeichnungsweisen  bedeutend.*)    Wo 

*>  Meist  hat  man  allerdings  die  doppelte  Schreibung  nach  langen 
vocalen  im  althocfadeiitschen  för  orthographischen  misbranch  gehalten  (so 
noch  Holtzmann  in  seiner  altd.  gr.).    Das  ist  gegenüber  der  menge  von 


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ZUR  KENNTNIS  DES  PRANKISCHEN.        .49 

wir  aber  im  altdeutschen  doppelconsonanten  finden^  da  sind  sie 
etymologisch  begründet  und  gewöhnlich  durch  assimilation  ent- 
standet. Sie  sind  demgemäss  auch  als  zwei  consonanten  ge- 
sprochen worden,  so  dass  der  eine  zur  vorhergehenden  silbe, 
der  zweite  zur  folgenden  gehört,  mit  deutlicher  pause  zwischen 
den  beiden  silben.  So  sprechen  bekanntlich  die  Italiener  ihre 
doppelconsonanten,  die  ebenfalls  etymologisch  begründet  sind: 
fat-to  aus  facto.  Diess  wird  nur  zu  häufig  von  uns  ausser 
acht  gelassen,  .die  wir  stets  nach  kurzem  vocal  zwei  consonanten 
schreiben  und  gewöhnlich  auch  altdeutsche  doppelconsonanten 
nach  unserer  weise  aussprechen.  Es  ist  aber  althochdeutsch 
fuoZf^i  ==  fuo^'^i,  eZf^n  =  e^-^ariy  släffan  =  släf-fan,  $ahha  = 
sach'cha  (in  mittelfränkischen  Urkunden  gewöhnlich  geschrieben 
sachge,  hrechgen  etc.)  Und  diese  sind  entstanden  durch  assi- 
milation aus  fUot'^ij  et'^an,  släp-fan,  sak-cha,  gerade  mestim- 
ma  s»\i&  Stirn -na,  guol'Uchain&  guot-lich  etc.  Ich  denke  mir  den 
Vorgang  also  so:  die  tenues  werden  zuerst  aspiriert  und  daraus 
aflfriciert.  Auf  diese  weise  wird  aus  dem  einfachen  ein  doppel- 
laut,  dessen  erster  teil  an  das  ende  der  ersten,  dessen  zweiter 
an  den  anfang  der  zweiten  silbe  tritt.  Die  tenuis  assimiliert 
sich  dann  der  folgenden  spirans  und  wir  haben  so  einen  ety- 
mologisch begründeten  wahren  doppelconsonanten.  — Auf  Sche- 
rers weise  aber  kann  man  nicht  zu  solcher  doppelconsonanz 
gelangen.  Denn  die  aspirierten  tenues,  wie  er  sie  zu  gründe 
legt,  sind  noch  durchaus  keine  doppellaute,  welche  sich  derge- 
stalt auf  zwei  silben  spalten  könnten.  Denn  der  hauch  stürzt 
dem  explosivlaut  ganz  unmittelbar  nach,  und  würde  die  so  be- 
haftete tenuis  auf  einmal  spirans,  so  dürfte  wol  der  hauch  ganz 
in  der  spirans  aufgehen,  nicht  aber  sich  als  selbständiger  con- 
ßonant,  wie  Scherer  will,  der  vor  ihm  stehenden  spirans  assi- 
milieren können. 


beispielen  natürlich  unstatthaft^  wie  es  auch  andererseits  leicht  begreiflich 
ist,  dass  nach  langen  vocalen  bald  die  doppelung  schwand  und  deshalb 
neben  der  doppelten  auch  schon  früh  die  einfache  Schreibung  sich  findet; 
der  gleiche  fall  liegt  vor  bei  der  doppelung  in  werten  wie  hörrauj  tüan 
etc.,  die  ja  eben  so  berechtigt  ist.  Dass  an  eine  bloss  orthographische 
doppelung  nicht  zu  denken  ist,  zeigt  am  deutlichsten  Isidor,  welcher  iminlaut 
die  spirans  z  stets  durch  zss  ßeizssan),  im  auslaut  durch  zs  bezeichnet 

Beitrl^  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    I.  4 


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50  BRÄUNE 

Noch  einen  grund  flihrt  Scherer  gege»  den  durchgang  durch 
die  affrioata  an  (ebend.  p.  657),  Er  sagt:  ^Wenn  niederdeut- 
schem pp  althochdeutsches  pf^  niederdeutschem  p  althochdeut- 
sches ff  entspricht,  so  kann  das  nicht  hinterher  wider  so  ein- 
gerichtet worden  sein  und  anfänglich  durchweg  pf  gestanden 
haben.*'  Ganz  gewis,  wenn  die  Verschiebung  des  niederdeutschen 
pp  mit  der  des  p  gleichzeitig  entstanden  wäre,  so  wären  beide 
gleichmässig  zu/?/ geworden  und  wären  fortan  gleichem  schick- 
saleunterlegen. Aber  wir  haben  ja  gesehen,  dass  die  Verschie- 
bung des  pp  erst  in  der  zweiten  schiebt  eintrat,  als  die  p  der 
ersten  schon  durch  pf  hindurch  nach  ff  übergegangen  waren, 
von  Vermischung  kann  also  hier  keine  rede  sein.  Ebenso  wenig 
kann  das  verschärfte  k,  dessen  Verschiebung  erst  in  dritter 
Schicht  eintritt,  mit  der  in  erster  schiebt  entstandenen  aflPri- 
cata  von  k,  die  dann  in  ch  überging,  zusammenfallen.  Bei 
t  würde  aber,  wenn  die  Verschiebung  des  anlautenden  und  ver- 
schärften t  zu  gleicher  zeit  mit  der  des  t  nach  vocalen  vor  sich 
gegangen  wäre,  in  der  tat  ein  zusammentreffen  des  geschärften 
t  mit  dem  einfachen  in  der  affricata  tz  eingetreten  sein.  Wir 
werden  hierdurch  belehrt,  dass  der  Vorgang  in  der  1.  schiebt 
noch  etwas  genauer  zu  fassen  ist,  wodurch  denn  auch  die  Sym- 
metrie des  ganzen  wesentlich  gewinnt:  die  Verschiebung  der 
tenues  begann  damit,  dass  dieselben  nach  vocalen  durch  die 
aflfricata  hindurch  in  die  (doppelte)  spirans  übergingen.  Zurück 
blieben  also  die  tenues  im  anlaut  und  im  inlaut  nach  conso- 
nanten  und  bei  Verschärfungen ;  diese  zurückgebliebenen  brachten 
es  dann  bloss  bis  zur  affrication.  Zuerst  und  Jener  Verschie- 
bung auf  demfusse  folgte  nach  das  t  in  den  angegebenen  fällen 
und  erlangte  noch  dasselbe  Verbreitungsgebiet,  weshalb  es  denn 
auch  der  ersten  schiebt  füglich  beigerechnet  werden  kann.  Erst 
in  zweiter  linie  folgte  die  affricierung  des  p,  welches  danji  se- 
cundär  in  wenigen  werten  sogar  noch  eine  spirans  hervorbrachte. 
Zuletzt  unterlag  dann  das  k  der  affiricierung. 

Doch  wir  waren  bei  der  besprechung  der  zweiten  schiebt 
stehen  geblieben.  Zu  dieser  ist  noch  die  Verschiebung  der  den- 
tahttedia  zu  rechnen,  deren  Verbreitungsgebiet  auch  jener  affri- 
rierung  d««  p  ziemlich  gleichkommt.  Dasselbe  ist  ausser  Ober- 
deutschland hauptsächlich  Ostfranken-Thüringen,  nach  dem  süd- 
fränkischen teile  Oberfranken^  ist  sie  nur  in  ausläufern  gekom- 


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ZUR  KENNTNIS  DES  FRÄNKISCHEN.  51 

men.  Bei  Tatian,  der  bedeutendsten  älteren  ostfränkischen 
quelle,  ist  i  schon  ganz  durcligedrungen,  doch  gibt  es  immer 
noch  eine  anzahl  fälle,  wo  noch  d  steht,  die  vollständige  auf- 
zählung  derselben  bei  Sievers  p.  10.  Auch  aus  andern  ostfrän- 
kischen denkmälem  führt  Müllenhoff  (p.  XI.)  einzelne  alte  d 
an  z.  b.  aus  der  Würzburger  beichte  (d.  75.  cf,  p.  490,  7.)  Später 
aber  ist  in  Ostfranken  das  t  allein  herschend,  es  können  dem* 
nach  diese  d  nur  nachzttgler  der  kurz  vorher  vollzogenen  ver^ 
Schiebung  sein.  Von  der  Verschiebung  der  früheren  ersten  sfchicht 
treffen  wir  keine  solche  nachztigler. 

Anders  steht  es  nun  in  Südfranken.  Wir  haben  gesfeheü, 
dasä  duselbst  die  Verschiebung  des  dtat  auch  im  14  Jahrhun- 
dert nicht  durchgedrungen  war,  wiewol  neben  dem  d  sich 
Schreibungen  mit  t  fanden.  So  ist  es  auch  schon  in  den  älte- 
sten denkmälem,  die  wir  dieser  gegend  zuweisen  müssen.  Zu- 
erst im  Isidor.  Daselbst  herscht  unverschobenes  d  allerding» 
weit  vor,  es  heisst  aber  stets  fatery  rnuoter^  zweimal  dhrato  neben 
einem  drado,  got  hat  in  der  flexion  meist  ^,  daneben  aber  auch 
nicht  selten  rf,  die  genetive  gotes  und  godes  kommen  beide  vor, 
auf  derselben  seite  (25)  steht  der  dat.  gote  und  der  instr.  godu 
dicht  bei  einander,  muotes  und  uharmuodic,  deta  und  chiteda, 
(p.  41),  ausserdem  chideda.  —  Im  Ludwigsliede  gode,  dugidi, 
gideilder,  giduot  etc.,  aber  auch  ritariy  liutin.  —  In  denaufteich- 
nungen  der  heutigen  dialecte  bei  Firmenich  aber  wird  für  die- 
sen laut  d  geschrieben.  Wenn  man  durch  Firmeniohs  Schrei- 
bung auch  nicht  über  die  natur  des  lautes  belehrt  wird,  so  geht 
das  doch  daraus  hervor,  dass  es  ein  einheitlicher  laut  ist;  dass 
er  aber  ein  anderer  laut  war  als  die  wirklich  tönende  media 
lehrt  das  schwanken  in  der  Schreibung  zwischen  tenuis  und 
media,  das  bei  dem  später  aus  ih  entstandenen  d  nicht  statt 
hat,  welches  also  wenigstens  im  14.  Jahrhundert  noch  tönend 
gewesen  sein  muss.  Es  bleibt  keine  andere  annähme  übrig, 
als  dass  im  südfränkischen  das  ursprüngliche  d  zur  sogen,  geflü- 
sterten media  geworden  sei,  welche  mit  der  media  die  articulation, 
mit  der  tenuis  die  tonlosigkeit  gemein  hat.  Daher  das  schwan- 
ken in  der  bezeichnung.  —  Ein  solches  schwanken  findet  sich 
nicht  im  südfränkischen  des  Otfrid,  welcher  im  anlaut  d^  im 
inlaut  t  schreibt.  Es  ist  nun  an  und  für  sich  nicht  wahrschein- 
lich, dass  sein  schon  ans  alemannische  grenzender  dialect  einen 

4* 


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52  BRAUNE 

unterschied  in  der  behandlung  desselben  lautes  im  an-  und  in- 
laut  gemacht  habe,  ein  unterschied,  den  weder  das  nördlichere 
südfränkisch,  noch  das  im  Süden  grenzende  alemannisch  kannte. 
Hier  gibt  uns  das  älteste  Weissenburger  denkmal,  der  kate- 
chismus  (d.  56)  aufschluss.  Derselbe  zeigt  dasselbe  schwanken 
zwischen  d  und  t,  nur  mit  entschiedener  neigung  zum  t^  ich 
habe  25  alte  d,  dagegen  88  t  gezählt.  Von  einem  unterschiede 
zwischen  an-  und  inlaut  aber  ist  keine  spur.  Daselbst  steht 
ardeilmne  (48),  citdlmte  (56)  —  tootem  (47),  doodem  (49)  — 
guodes  (22),  mmtü  (31)  —  MdU  (24),  bitit  (33)  —  gidago  (19), 
giterian  (30)  u.  s.  w.  Ich  schliesse  daraus,  dass  auch  der  Weissen- 
burger dialekt  die  geflüsterte  media  hatte,  nur  schon  mit  etwas 
mehr  annäherung  an  die  wirkliche  tenuis.  Es  ist  also  auch 
ganz  unglaublich,  dass  der  spätere  Otfrid  auf  einmal  wider  im 
anlaut  so  sauber  die  media  gehabt  habe,  im  inlaut  aber  überall 
die  tenuis.  Ich  stimme  daher  Paul  bei  (mdh.  Schriftsprache  p. 
26),  wenn  er  diess  für  eine  willkürliche  regel  Otfrids  hält  Und 
es  ist  in  der  tat  leicht  zu  denken,  dass  Otfrid,  zu  dessen  zeit 
die  tönende  Spirans  th  nur  noch  im  anlaute  vorhanden  war,  mit 
dieser  correspondierend  immer  die  media  schrieb.  Dagegen  im 
inlaut,  wo  er  durch  den  Übergang  des  th  eine  wirklich  tönende 
media  bekommen  hatte,  setzte  er  für  jenen  zwischenlaut  das 
zeichen  t  Noch  zur  zeit  des  Weissenburger  katechismus  hätte 
eine  solche  correspondenz  des  anlautenden  d  und  th  nicht  her- 
gestellt werden  können,  da  damals  das  th  auch  noch  im  Inlaute 
überwiegend  gebraucht  wurde.  Endlich  zeigen  auch  noch  die 
von  Otfrid  vorder  evangelienharmonie  geschriebenen  Urkunden, 
aus  denen  MüUenhoflF  p.  XV.  namen  wie  hiltibodo,  uodo  anführt, 
dass  sich  Otfrid  seine  orthographische  regel  erst  gemacht  hat, 
als  er  sein  gedieht  begann. 

In  die  dritte  schiebt  der  lautverschiebung  gehören  nun 
die  affricierungen  des  k  und  die  Verschiebungen,  welche  die 
beiden  andern  medien  erleiden.  Diese  Verschiebung  als  die  letzte 
hatte  nicht  die  kraft,  weiter  als  über  Oberdeutschland  sich  aus- 
zubreiten. 

In  Oberdeutschland  liegt  die  lautverschiebung  in  allen  drei 
schichten  vor  unsern  denkmälern,  in  Franken  die  erste  auch 
ganz,  die  zweite  aber  können  wir  daselbst  wenigstens  teilweise 
in  unsern  ältesten  denkmälern  als  eben  in  der  Vollendung  be- 


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ZUR  KENNTNIS  DES  FRÄNKISCHEN.  53 

griffen  sehen,  die  dritte  würden  wir,  wenn  sie  bis  dahin  ge- 
drungen wäre,  wahrscheinlich  in  ihrem  verlaufe  beobachten 
können,  —  Mit  diesen  erscheinungen  ist  die  speciell  hochdeut- 
sche lautverschiebung  abgeschlossen. 

Der  Vorgang,  den  wir  nun  zu  besprechen  haben,  nämlich 
der  Übergang  der  medialen  spirans  th  in  die  media  d  kann 
keine  specifisch  hochdeutsche  genannt  werden.  Allerdings  nimmt 
auch  diese  lautbewegung  von  Oberdeutschland  ihren  anfang, 
rückt  aber  von  da  vorwärts  bis  über  die  hochdeutschen  grenzen 
hinaus  und  verbreitet  sich  auch  über  ganz  Niedersachsen  und 
Niederfranken.  Und  diese  bewegung  als  die  letzte  hat  so  spät 
begonnen,  dass  wir  selbst  in  Oberdeutschland  noch  ihre  letzten 
Stadien,  in  Franken  aber  ihren  ganzen  verlauf  beobachten  können. 
Denn  wir  haben  in  den  ältesten  oberdeutschen  denkmälem, 
weniger  in  bairischen,  aber  desto  mehr  in  alemannischen  zahl- 
reiche beispieie  des  alten  unverschobenen  th.  In  den  keroni- 
schen  glossen  sind  sie  noch  sehr  häufig,  desgleichen  in  den 
hymnen  und  den  glossen  des  Junius.  Daneben  stehen  aber  auch 
schon  die  neuen  d,  bis  sie  denn  mit  dem  ende  des  achten  Jahr- 
hunderts so  ziemlich  ganz  geschwunden  und  durch  d  verdrängt 
sind.  Merkwürdig  ist  nur  die  diesen  oberdeutschen  unverscho- 
benen th  gewöhnlich  zu  teil  gewordene  verkennung,  die  doch 
wol  nur  darin  ihren  grund  findet,  dass  man  die  Verschiebung 
des  th  um  jeden  preis  als  den  anstoss  zur  hochdeutschen  laut- 
verschiebung ansehen  wollte.  Scherer  als  der  erste,  welcher 
das  spätere  eintreten  der  Verschiebung  des  th  betont  hat,  wird 
wahrscheinlich  auch  die  oberdeutschen  th  richtiger  beurteilt  haben, 
aber  ausgesprochen  finde  ich  es  bei  ihm  auch  nicht.  —  Wein- 
hold führt  zahlreiche  beispieie  für  „/ä,  dh  statt  d^  an,  hält  sie 
aber  für  willkürlichkeit  der  Schreiber  und  stellt  sie  mit  dem  th 
aus  t  in  eine  reihe,  welches  seit  dem  14.  Jahrhundert  häufig 
auftritt  (in  thun  etc.).  Aber  auch  dieses  wird  man  nicht  für 
Willkür,  sondern  flir  genauigkeit  der  Schreiber  halten  müssen, 
welche  die,  wie  wir  daraus  sehen,  schon  zu  jener  zeit  aspirierte 
tenuis  dadurch  wider  zu  geben  suchten.  (Alemann.  gr.  §  170. 
173.  179.  181,  bair.  gr,  §  144).  Man  wird  aber  zu  diesem 
„falschlich  statt  d  geschriebenen  th^  bei  Weinhold  stets  die  be- 
merkung  finden:  „nur  in  alten  —  den  ältesten  —  quellen." 
Dadurch  tritt  denn  gleich  die  sache  in  das  rechte  licht,  —  Holtz- 


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64  BRAUNE 

mann  (altd.  gr.  p.  281.  flf.)  hilft  Bich  anders  Über  die  mislics- 
bigen  th  hinweg,  indem  er  für  sämmtliche  sie  enthaltende  alte 
denkmäler  fränkische  vorläge  annimmt.  So  müssen  denn  die 
keronischen  glossen,  ßa,  Pa,  die  hymnen  („sonst  ein  streng 
oberdeutsches  denkmal"),  die  exhortatio  (hs.  B.),  Gloss.  Jun.,  St. 
Galler  patemoster  und  credo  alle  aus  fränkischer  vorläge  ge- 
flossen sein.  Nur  bei  den  „rein  alamannischen  glossen  Eb** 
wird  auch  Holtzmann  bedenklich.  „In  diesem  denkmal  kann 
man  nicht  wol  an  fränkische  vorläge  denken,  eher  ist  ein 
schwacher  einfluss  der  fränkischen  hofsprache  anzunehmen." 
Wie  nichtig  es  um  diese  fränkischen  vorlagen  bestellt  ist  sehen 
wir,  wenn  wir  eins  jener  stücke  genauer  betrachten,  z. b.  das 
St.  Galler  patemoster  und  credo  (d.  67),  das  wol  schon  aus  der 
späteren  zeit  des  8.  Jahrhunderts  stammt.  Wir  finden  daselbst 
bereits  9  neue  d,  aber  auch  3  alte  th:  ihu,  dhana,  kemeinitha. 
Nun  hat  dieses  denkmal  durchweg  die  Verschiebungen  der  drit- 
ten Schicht;  man  mtiste  aber  erwarten,  dass  der  Schreiber,  der 
von  12  fränkischen  th  3  aus  versehen  stehen  liess,  von  den  23 
fränkischen  g  etwa  6  habe  stehen  lassen,  aber  nein,  wir  haben 
ausnahmslos  alle  23  k  und  das  genügt  wol  um  die  fiction 
einer  fränkischen  vorläge  zurückzuweisen. 

Geht  also  in  Oberdeutschland  das  th  in  der  zweiten  hälfte 
des  8.  Jahrhunderts  in  d  über,  so  werden  wir  es  hur  der  con- 
tinuität  der  bewegung  angemessen  finden,  wenn  in  Ostfranken 
dieser  Vorgang  ins  9.  Jahrhundert  fällt.  Imanfang  des  9.  Jahr- 
hunderts war  in  Ostfranken  das  th  noch  an-  und  inlautend  vor- 
handen, wie  wir  aus  der  ostfr.  lex.  salica  (d.  nr.  65)  ersehen; 
der  ca.  um  ein  halbes  Jahrhundert  spätere  Tatian  hat  es  noch 
im  anlaut,  doch  finden  sich  auch  wenige  (5)  nachzügler  im  In- 
laut (cf.  Sievers  p.  11),  in  der  Würzburger  beichte  aber  (d.  75), 
welche  ungefähr  aus  dem  ende  des  9.  Jahrhunderts  herrührt, 
*st  auch  das  th  im  anlaut  ganz  verschwunden,  desgleichen  in 
den  späteren  bamberger  stücken  (d.  30.  81.  91).  —  Es  ist  also 
nicht  zutreffend,  wenn  man  das  th  im  anlaut  als  merkmal  des 
ostfränkischen  dialects  ansieht,  da  man  nur  sagen  darf,  dass 
zur  zeit  des  Tatian  in  Ostfranken  das  th  bloss  noch  im  anlaut 
bestand. 

Etwas  später  erst  verschwindet  das  th  in  Südfranken. 
Dass  es  bei  Isidor  noch  vorhanden  ist,   ist  ganz  natürlich,  da 


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ZUR  KENNTNIS  DES  FRÄNKISCHEN.  55 

e&  zur  sdben  zeit  in  Oberdeutsciüand  erst  im  schwinden  war« 
Im  neunten  Jahrhundert  beginnt  aber  auch  hier  der  tibergang 
in  dL  Im  Weissenburger  catechismus  z.  b.  ist  das  th  noch  in 
kraft^  desgleichen  in  d^  Strassburger  eiden,  im  Ludwigsliede 
ist  es  im  inlaute  schon  im  schwinden  (pruoder  8^  Haan  11  o*a.)^ 
in  der  Mainzer  beichte  (aus  dem  10.  Jahrhundert  d.  74)  ist  der 
bestand  ungefähr  derselbe,  wie  in  Alamannien  2ur  zeit  des  St 
Galler  pateriL  Daselbst  finden  sich  nur  noch  9  alte  th  z.b< 
thaz,  tMabu,  thir,  aber  das  regelmässige  ist  schon  di  daz,  dir 
etc.  —  Im  laufe  des  10.  Jahrhunderts  wird  dann  das  th  auch 
in  Südfranken  vollständig  yerschwunden  sein. 

Etwas  eher  schon  als  in  der  Mainzer  gegend  ist  das  ih  im 
Weissenburger  dialect  geschwunden.  Im  catechismus  ist  es,  wie 
schon  bemerkt,  auch  noch  im  inlaute  regel,  wiewol  schon  da 
verschiedene  d  vorkommen,  bei  Otfrid  aber  ist  th  bekanntlich 
im  anlaute  immer,  im  inlaute  nur  in  seltenen  ausnahmen  vor- 
handen, während  es  in  den  weiter  nach  norden  zu  gelegene)) 
sädfränjkischen  gegenden  zur  selben  zeit  auch  noch  inlautend 
bestand.  —  Es  hat  demnach  den  anschein,  als  sei  die  tönende 
Spirans  th  in  der  regel  zuerst  im  inlaut  in  d  übergegangen."^) 
Man  könnte  nun  zwar  bei  Otfrid  auch  hier  orthographische 
regelung  annehmen  wollen,  doch  wird  diess  durch  die  ana-^ 
logie  desTatian,  der  von  so  verschiedenen  Schreibern  herrührt^ 
verboten. 

Widerum  später  als  in  Oberfranken  ist  die  wandelung  des 
Üi  in  d  in  Mittelfranken  und  im  nördlichsten  teile  Mitteldeutsch* 
lands  eingetreten.  —  Für  Mittelfranken  haben  wir  für  da»  A 
Jahrhundert  th  durch  das  capitulare  bezeugt,  für  die  folgenden 
Jahrhunderte,  auf  die  es  uns  in  diesem  punkte  besonders  an* 
kommt  ^  sind  wir  leider  ohne  denkmäler  und  lediglich  auf  die 
nameu  in  den  Urkunden  angewiesen.    Diese  machen  aber  eine 


*)  XhuTB  das  ^^  für  dias  }a  auch  oft  dh  gesehrieben  wird,  i^tets  einen 
tönenlen  \m.t  bezeicbne,  wird  wol  niemand  in  abrede  stellen  wollen.  Isidor 
hat  bekanntlich  übersUI  dh  und  schon  das  beweist  genugsam,  dass  die 
spätem  th  nur  eine  andere  Schreibung  desselben  lautes  repräsentieren. — 
Dass  aber  das  th,  gleich  dein  heutigen  engl,  th,  spirans  (reibelaut)  und 
nicht  etwa  tenufs  aspirata  war,  beweist  hinlänglich  schon  der  umstand, 
dass  im  altsächs.  (ags.  altfries.  altn.)  vor  den  Spiranten  s^  f,  th  O?)  aus- 
fall  des  »  eintritt. 


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56  BKÄÜNE 

genauere  einsieht  insofern  schwieriger,  als  gerade  in  solchen 
eigennamen  oft  die  alte  Schreibung  conserviert  wird.  -^  Die 
Schreibung  -thorp  ist  in  den  Urkunden  des  10.  Jahrhunderts 
noch  sehr  häufig  z.  b.  Walathorp  L.  I.  88  a.  927  Iminethorp  102 
a.  948,  —  111.  a.  970,  daneben  aber  Rumundorp  105  a.  962 
Zudmdorp  146  a.  1009.  —  102  a.  948  steht  Thiedenhovin,  aber 
221  a.  1075  Diodericho  —  164  a.  1028  findet  sich  copeleweide 
und  im  11.  Jahrhundert  kann  d  als  durchgedrungen  gelten,  wenn- 
gleich noch  vereinzelte  -thorp  daneben  vorkommen,  z.  b.  211  a. 
1068  etc.  Ja  sogar  noch  1117  (nr.  284)  lesen  wir  Nithirindorp. — 
Im  allgemeinen  kann  man  danach  wol  annehmen,  dass  im  10. 
Jahrhundert  auch  in  Köln  der  umsatz  des  th  in  J  erfolgt  sei. 

In  den  nördlichen  gegenden  Mitteldeutschlands  scheint  sich 
die  alte  spirans  noch  länger  als  in  Köln  gehalten  zu  haben: 
in  dem  liede  de  Heinrico,  also  in  der  mitte  des  10.  Jahrhun- 
derts, ist  sie  noch  vorhanden;  ja  sogar  auch  noch  in  der  mitte 
des  11.,  aus  welcher  zeit  die  Leidener  hs.  des  Williram  rührt, 
welche  sowol  an-  als  inlautend  th  schreibt.  Wann  nun  die 
Wandlung  hier,  in  Niedersachsen  und  in  Niederfranken  stattge- 
funden habe,  weiss  ich  im  einzelnen  nicht  genauer  anzugeben, 
doch  wird  wol  im  allgemeinen  das  12.  Jahrhundert  als  grenz- 
punkt  anzunehmen  sein.  In  Bremen  freilich  erscheint  noch  1303 
dh  (statuta  Bremensia  nach  den  citaten  immnd.  wb.  z  b.p.  179. 
188.217.221.231  etc.),  während  es  zur  selben  zeit  in  den  meisten 
niederdeutschen  gegenden  schon  geschwunden  war.  Auch  in 
den  ältesten  mndl.  denkmälern  herscht  schon  d  statt  der  frü- 
heren Spirans. 

Jedenfalls  aber  ist  die  continuität  dieser  bewegung  anzu- 
erkennen, welche  von  Oberdeutschland  im  8.  Jahrhundert  aus- 
gehend in  allmählichem  weiterschreiten  mehi^ere  Jahrhunderte 
brauchte,  bis  sie  das  ganze  ihr  zustehende  gebiet  durchlief. 
Insbesondere  jedoch  muss  die  ansieht  ganz  unhaltbar  erscheinen, 
welche  die  Verschiebung  des  th  zu  d  zum  anlasse  der  hoch- 
deutschen lautverschiebung  macht,  da  wie  wir  gesehen,  die  er- 
stere  überall  später  als  die  letztere  erfolgt. 

LEIPZIG.  WILHELM  BRAUNE. 


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ÜBEESICHT  DER  NEUANGELSÄCHSISCHEN 
SPRACHDENKMÄLER. 


Jtlickes  ist  der  erste  gelehrte  gewesen,  welcher  es  versuchte 
eine  historische  grammatik  des  englischen  bis  etwa  zum  jähre 
1200  zu  schreiben.  1)  Er  teilt  die  spräche  vom  einfalle  der 
Angelsachsen  bis  zur  genannten  zeit  in  drei  perioden:^) 

1.  Die  erste  nennt  er  britannisch -sächsische  periode,  die 
spräche  lingua  Britanno-Saxonica  oder  auch  purior  Saxonica. 

Von  denkmälem  führt  er  daraus  nur  die  bei  Alfred  er- 
haltnen  zeilen  Cädmons  an.  3) 

2.  Mit  den  am  ende  des  8.  Jahrhunderts  häufiger  wer- 
denden einfallen  der  Dänen  beginnt  dann  die  zweite  periode, 
die  dänisch-sächsische  und  dauert  bis  zur  eroberung  durch 
die  Normannen. 

In  diese  zeit  fallen  also  alle  damals  bekannten  angelsäch- 
sischen denkmäler. 

3.  Der  dritte  Zeitabschnitt  ist  dann  der  normanno-dano- 
sächsische. 

In  dieser  periode  gehen  nach  Hickes^)  zwei  dialecte  neben 
einander,  die  lingua  Semi- Saxonica,  welche  dem  anglo-säch- 


*)  Vgl.  Hickesii  thesaurus  linguanun  ßeptentrionalimn.     Oxford  1705. 
3bde. 

2)  a.  a.  o.  I.  pag,  87.  cap.  19. 

3)  Es  sind  natürlich  die  bei  Alfred  in  seiner  Übersetzung  des  Beda  IV, 
24  angeführten  zeilen  gemeint,  die  beginnen: 

Nu  ve  sceolon  h§rjan  heofonrices  veard, 
metodes  mihte  and  his  mödgeponc 
nicht  die  notdhombrisch  abgefassten: 

Nu  scylun  hergan  hefaenricsBS  vard 
metndsBS  maecti  end  his  modgidanc. 
*)  Vgl.  Hickes  cap.  22  p.  134  u.  146. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    J,  0 


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58  WÜLCKER 

ßisch  des  zweiten  abschnittes  und  die  lingua  Anglo-Normannica 
vel  Normanno-Saxonica,  welche  dem  anglo-dänisch  entspricht. 

Wie  Hickes  den  ausdruck  Semi-Saxon  verstanden  wissen 
will,  sagt  er  selbst  deutlich:  Quemadmodum  enim  vinum  ace- 
scens,  nondum  tarnen  in  acetum  conversum,  semivinum  vel  semi- 
acetum  dici  usu  adprobante  possit;  sie  australium  nostrorum 
Saxonum  medium  illum  vel  ad  medium  aecedentem  sermonem 
Semi-Saxonicum  et,  siusus  vellet,  Semi-Anglicum  haud  absurde 
nuncupandum  esse  judicamus.  Auf  diese  periode  folgt  bei  Hickes 
dann  die  englische  spräche. 

Warton  behält  die  selbe  einteilung  bei  und  erklärt  vom 
Semi-Saxon  oder  Norman-Saxon:^)  it  formed  a  language  extre- 
mely  barbarous,  irregulär  and  intractable;  and  consequently  pro- 
mises  no  very  striking  specimens  inany  species  of  composition. 
Its  substance  was  the  Danish  Saxon,  adulterated  with  french.  ^) 

Grimm  erkannte  mit  scharfem  blicke,  dass  die  einteilung 
von  Hickes  unhaltbar,  doch  da  er  einsah,  dass  nur  jemand, 
der  die  ags.  mss.  vor  äugen  hätte,  eine  wirklich  haltbare  auf- 
Stellung  geben  könne,  gab  er  die  angelsächsische  laut-  und  for- 
menlehre  und  schloss  daran  das  mittel-  und  neuenglische,'') 
ohne  eine  genauere  Scheidung  zu  versuchen. 

Wright  teilt  in  Anglo-Saxon  and  Anglo-Norman  period  ein®). 
Bei  letzterer  finden  sich  ausser  Schriftstellern,    welche   latein 


*)  Warten,  history  of  Englißh  poetry  from  the  cloise  of  the  1  !***»•  cen- 
twty  to  th€  oomowHcenentof  l^e  18<^  eentnry.  London  1840.  I.bd.  p.  1  o.  ff. 
Die  erste  ausgäbe  davon  erschien  1774. 

ö)  W.  scWiesst  diese  periode  nrit  dem  tode  Heinrichs  11.  (1189).  Er 
setzt  hinein  ausser  den  werken,  welche  man  gewöhnlich  in  die  zeit  von 
ItÖO-^ii^  öetist,  (siehe  unten)  die  jüngere  Marherete,  heiligenleben,  die 
weit  später  anzusetzen  sind,  the  land  of  Cokaygne,  dann  Volkslieder, 
i0rie  6aiD^r  f s  ieamen  in,  Blow  northeme  wind  u.  a.^  ebeAlnBs  Hom  «hild. 
Vom  wirklichen  alter  dieser  lieder  hat  er  gar  kein  Verständnis.  Maddea 
hat  ihm  in  anmerkungen  seine  fehler  nachgewiesen  und  so  liest  j^tzt  der 
le^er  gaUae  seiten  bei  Warton,  um  dann  in  den  anmerkuigieii  «i  erfah- 
ren, dass  aUes  gelesene  durchaus  mnrichtig  ist.  Warum  setzen  so  treff- 
liche gelehrte,  wie  Madden,  niefat  eine  unzeitige  piei£t  gegen  Warton  bei 
Seite  und  arbeiten  den  text  des  buohes  einiial  gründlich  um,  statt  die 
berichtigungen  in  anmerkungen,  oft  in  anmerkungen  an  anmerkiiA^pen 
zu  bringen! 

7)  Grimm  gramm.  I,  222  und  506.  Das  mitt^ngligche  gibt  Grimm 
leider  nur  nach  Tristrem,  Alisaundre  und  Chaucer,  es  üeas  «ich  natürlich 


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NEüANGELSACHSISCHE  SPRACHDENKMÄLER.  59 

Bchrieben^  sowol  diejenigen,  welche  Bich  des  normannisch-fran- 
zösischen, als  die,  welche  sich  des  (neu-) angelsächsischen 
bedienten. ») 

Latham  hat  zuerst  darauf  aufmerksam  gemacht,  wie  wenig 
doch  eigentlich  das  normannisch-französische  auf  die  angelsäch- 
sische spräche  eingewirkt  hat.  i®)  Er  führt  aus,  wie  das  angel- 
sächsische nach  natürlichem  gesetze  sinken  muste,  auch  ohne 
die  normannische  eroberung  und  tritt  so  gegen  die  auf,  welche 
behaupten  wollen,  das  abschleifen  der  endungen,  das  abschwä- 
chen der  vollen  vocale  und  ähnliches  sei  durch  die  fremden  ge- 
konmien«  Madden  in  seiner  trefflichen  einleitung  zu  La^amon 
folgt  Latham  und  stellt  seit  der  normannischen  eroberung  fol- 
gende Perioden  aufr^^) 

1100  —  1230  Semi-Saxon. 
1230  —  1330  Early  English. 
1330  —  1600  Middle  English. 
1500  —  1600  Later  English 

Im  allgemeinen  ist  diese  art  der  einteilung  jetzt  überall 
angenommen.  Zweifel  herscht  über  die  letzte  periode,  die  meist 
schon  zum  neuenglisch  gerechnet  wird.  Ebenso  kann  man  über 
1100  als  beginn  des  Semi-Saxon  streiten,  allein  diese  aufstel- 
lungen  sind  ja  alle  nur  ungefähr  und  überall  gibt  es  hier 
tibei^änge,  die  man  zur  früheren  oder  späteren  periode  zäh- 
len kann. 

Koch  hat  ebenfalls  diese  einteilung,  welche  Madden  machte, 
angenommen,  doch  weist  er  mit  recht  den  eigentümlich  gewählten 
namen  halbsächsisch  (den  Mätzner  beibehalten  hat  i^)  zurück.  *^) 


nadh  diesen  quellen^   welche  zeitlich  und  örtlich  so  sehr  auseinander 
liegen,  keine  einheitliche  darstellung  der  spräche  erzielen. 

*)  Vgl.  Wright  Biographia  Britannica  Literaria.  L  the  Anglo-Saxon 
period.    II.  the  Anglo-Norman  period. 

»)  Ebend.  II»  bd.  Hier  findet  sich  neben  Wace,  Turold  (d.  h.  also 
dem  dichter  des  Rolandliedes),  Philipp  de  Thaun,  Wilhelm  yon  Malmes- 
bnry,  Geryasius  von  Tilbury,  als  endlieh  Lajamon,  Gnu  uud  Nicholas  de 
Guildford  (als  dichter  der  „  enle  und  nachtigal  *"  s.  unten). 

^)  Latham,  the  English  Language.    London  184t.  pag.  61.  ff. 

^^>  Madden  in  der  ausgäbe  des  Lagamon  (vgl.  unten)  pag.  VI. 

*')  Matzner  in  seiner  englischen  grammatik  p.  6. 

''j  Eooh  in  seiner  historischen  grammatik  der  englischen  spräche 
p^g.  8. 

5* 


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60  WÜLCKER 

Nacli  wie  vor  ist  die  flexion  der  verba  und  nomina  durchaus 
angelsächsisch,  die  romanischen  bestandteile.  des  Wortschatzes 
sind  vollkommen  germanisiert,  Semi-Saxon  aber  könnte  leicht 
vermuten  lassen,  die  spräche  von  1100 — 1230  sei  eigentlich  kein 
angelsächsisch  mehr.  Koch  führt  die  bezeichnung  neu- an  gel- 
sächsisch ein  und  ihm  ist  aus  obigen  gründen  entschieden 
beizustimmen. 

In  der  nun  folgenden  zeit  wird  der  verlust  der  Normandie 
unter  Johann  für  die  entwicklung  der  englischen  spräche  wichtig, 
fast  noch  wichtiger  aber  das  von  Heinrich  IIL  und  Ludwig  IX. 
gegebne  gesetz,  dass  kein  edler  zugleich  in  England  und  in  der 
Normandie  land  besitzen  dürfe.  Hierdurch  hörte  der  zuzug  nor- 
mannisch sprechender  barone  auf.  Die  folgen  dieser  ereignisse 
zeigten  sich  natürlich  nicht  sofort.  Zum  glücke  für  das  ger- 
manische Clement  brach  bald  grosse  Unzufriedenheit  unter  den 
normannischen  grossen  mit  der  regierung  Heinrichs  aus.  Es 
musten  sich  nun  die  Normannen,  um  mit  erfolg  den  kämpf 
mit  dem  könige  auftiehmen  zu  können,  auf  das  angelsächsisch 
redende  volk  stützen.  Der  hass  zwischen  Norjnannen  und 
Angelsachsen  wurde  aufgehoben  und  das  germanische  und  ro- 
manische Sprachelement  im  englischen  i^)  ausgeglichen. 


")  Über  den  namen  „englisch"  sei  hier  eine  bemerkung  vergönnt. 
Mätzner  sagt  a.a.O.  pag.  6:  „Der  bildung  der  englischen  spräche  geht 
eine  Übergangsepoche,  die  des  halbsächsischen  Toran  —  die  spräche 
nennt  sich  allerdings  schon  englisch."  Zum  belege  wird  dann  angeführt: 
Orm  Ded.  V.322. 

Jcc  ]7att  tis  Ennglissh  hafe  sett 

Ennglisshe  menn  to  lare. 
Es  Hessen  sich  aus  Orm  noch  viele  stellen  dafür  anfuhren  Ded.  v.  109, 
113,  147,  157,  306,  317,'  331  u.  a.    Bei  La^.  heisst  es  v.  31: 
He  nom  pst,  Englisca  boc,  }7a  makede  Seint  Beda. 
Weiter  findet  sich  in  Juliane ,   dass  der  Verfasser  sein  werk  „of  Latin 
itumd  to  Englische  leode"  nennt  (vgl.  unten).    Ebenso  S.  Marh.  pag.  23: 
iJ7e  mone?$  J^et  on  ure  iledene  is  ald  englisch  efterlit5  inempnet.     Doch 
schon   altags.  haben  wir   belege:     in    der    Übersetzung    des    ev.  Nie. 
(Thwaites  gab  es  heraus)  wird  z.  b.  cap.  XXI  gesagt:  ToUite  portas  prin- 
cipes  vestras  etc.  tJät  biÖ  on  Englisc.     Dies  werk  stammt  wol  a^s   der 
1.  hälfte  des   11.  jh.    Älfric   in  seiner  Übersetzung  der  Genesis  (Grein, 
ags.  prosa  I,  22):    \fn  baede  me,  }?ät  ic  sceolde  ävendan  of  Lödene  on 
Englisc  psk  böc  Genesis.     Auch  sonst  nennt  er  seine  spräche  Englisc 
p.  6,  7,  15  ebend.    Doch  schon  früher  überträgt  Alfred  in  Beda  stets 


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NEüANGELSÄCHSISCHE  SPRACHDENKMÄLER.  61 

Die  haupteinwirkungen  des  romanischen  auf  das  angel- 
sächsische sind: 

In  der  declination  des  plurals  bewirkt  das  normanische, 
dass  man  beim  mascul.  die  starke  endung  auf  es  beibehielt, 
die  ursprünglich  sw.  masc,  aber  mit  dieser  endung  versah,  ebenso 
den  femininen  und  neutren,  mit  wenigen  ausnahmen,  diese  plu- 
ralendung  gab.  Im  sing,  blieb  hingegen  das  deutsche  genitiv-* 
und  drang  auch  in  das  femininum  vor.  Die  beugung  der  ad- 
jective  ist  noch  heutigen  tages  deutsch.  Nur  ist  vielleicht  das 
verstummen  des  flexivischen  e  romanischem  einflusse  zuzu- 
schreiben. 

Durchaus  deutsch  blieben  femer  Zeitwert,  ftirwort  und  Zahl- 
wort.   Ebenso  der  grösteteil  der  adverbien  und  praepositionen. 

Der  haupteinfluss  des  französischen  zeigt  sich  in  den  lauten, 
vor  allem  in  den  gutturalen,  und  besonders  in  dem  wortvorrate. 

Die  zeit  nun,  wo  sich  das  germanische  mit  dem  romani- 
schen auszugleichen  sucht,  also  die  periode  von  c.  1240 — 1517, 
teilt  man  gewöhnlich  in  zwei  abteilungen,  in  die  altenglische 
(-1330  nach  Madden)  und  in  die  mittelenglische  (-1500).  Der 
unterschied  zwischen  beiden  ist  nicht  so  leicht  festzustellen. 
Doch  setzen  wir  1350,  nicht  1330,  als  anfang  der  mittelenglischen 
zeit,  so  zeigt  sich  doch  eine  grosse  Verschiedenheit.  Die  dichter 
der  altenglischen  zeit  schreiben  ihre  heimischen  dialeete,  Robert 
von  Glocester  im  südwestdialect,  Robert  Mannyng  im  Lincoln- 
dialect,  Wilhelm  von  Shoreham,  Dan  Michel  im  Kentdialect, 
Richard  Rolle  de  Hampole  und  Lorenz  Minot  in  nordenglischer 
spräche. 

Hingegen  in  der  mittelenglischen  periode  suchen  die  Schrift- 
steller, wenigstens  die  bedeutendsten,  durch  aufgeben  eines  teiles 
ihrer  dialectischen  eigentümlichkeiten  sich  allen  Engländern  ver- 
ständlich zu  machen.  Allerdings  ist  auch  nicht  aus  dem  äuge 
zulassen,  dass  Langley,  i^)  der  Verfasser  der  visions  conceming 
Piers  the  Plowman,  in  Shrop,  Chaucer,  Gower,  Lidgate,  in  Kent 
lebten,  Wycliflfe  hingegen,  obgleich  in  Yorkshire  geboren,  Trevisa, 


Saxonica  lingna:    on  oder  in  Englisc,   ebenso   praef.  znr  Übersetzung 
des  Beda. 

*5)  Dass  der  Verfasser  dieser  schrift  Langley,  nicht  Langland  hiess, 
hat  Pearson  bewiesen.  North  British  Review  1871  p.  241—245  und  Early 
Engl.  Text  Soc.  7.  Report  of  the  Committee  (February  1871)  p.  8. 


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62  WÜLCKER 

dier  ühersetzer  des  Higdenschen  werkes,  der  aus  Cornwales 
stammt,  wenigstens  sich  längere  zeit  in  London  und  Oxford 
aufhielten  und  so  alle  mehr  oder  weniger  in  der  spräche  von 
Kent  und  von  Mittelengland  schrieben. 

Die  spräche  ist  allerdings  auch  in  der  mittelenglisehen 
Periode  noch  weit  entfernt  zu  einer  voHkommnen  einheit  ge- 
langt zu  sein  und  erst  den  geisteshelden  des  16.  und  17.  Jahr- 
hunderts gelang  es,  hier  durchgreifend  einzuschreiten  und  so  die 
zeit,  welche  wir  die  neuenglische  nennen,  heranzuführen. 

Koßh  und  Mätzner  haben  in  ihren  grammatiken  das  neu- 
angelsächsische nach  seinem  bedeutendsten  poetischen  denkmale, 
dein  Brut  des  Lägamon,  dargestellt  Ihm  gegenüber  wird  dann, 
als  Vertreter  des  nordhumbrischen,  die  homiliensammlung  Orms 
gesetzt.  1^) 

Doch  seit  erscheinen  dieser  grammatiken  haben  englische 
gelehrte  eifrig  durch  herausgäbe  von  texten  und  auch  von  gram- 
matischen arbeiten  die  kenntnis  des  neu -angelsächsischen  ge- 
fördert. Es  sind  hier  drei  namen  zu  nennen:  James  Morton, 
Oswald  Cockayne  und  Eichard  Morris.  Durch  ihre  veröflFent- 
lichungen  hat  sich  die  kenntnis  des  nags.  sehr  erweitert  und 
die  angaben,  welche  Koch  macht,  bedürfen  öfters  sehr  der  er- 
gänzung. ") 

Selbstverständlich  soll  daraus  Koch  durchaus  kein  Vorwurf 
gemacht  werden.    Er  hat  mit  den  mittein,  welche  ihm  geboten 


")  hg.  sind  die  homilien :  The  Onnulum,  now  first  ed.  from  the  Bod- 
leian  ms.  by  Robert  Meadows  White.  2  bde.  Oxford  1852.  Schon  Hickes 
(oder  besser  Wanley)  hat  nachricht  darüber  gegeben. 

")  Um  hier  nur  eins  anzuführen,  ist  über*den  gebrauch  des  dual» 
der  pronomina  im  nags.,  also  zu  Koch  pag.  467  §  161,  viel  nachzutragen. 
Orm  verbindet  den  dual  des  pron.  häufig  mit  twa  oder  ba  z.  b.  Ded.  6: 
Witt  ba,  8655  witt  bal7e,  x^inac  baj7e  4495,  jitt  baj^e  6206,  6247  etc.  Doch 
ohne  weitere  zufUgung  steht  der  dual  der  pron.  pers.  Ded.  73,  Hom.  201, 
202,  4498,  12362,  12363,  13012,  13014,  13020,  6242,  8663  u.  a.  Einzelne 
dualformen  finden  sich  noch  während  der  ganzen  nags.  zeit  z.  b.  H* 
Meidenh.  ine  p.  11;  inker  31.  0.  a.  N.  unker  552,  151,  993 ,  1689,  1780, 
1782,  1783.  hunke  (=  junnc  bei  Orm)  1733.  Diese  letzte  form 
zeigt  sowol  Calig.  A.  IX  als  ms.  Jes.  Coli.  Arch.  I,  29.  Stratmann  ändert 
ganz  falsch  und  willkürlich  in  unk,  er  miskennt  form  und  sinn.  Mätzner 
hat  sie  richtig  erklärt,  sprachpr.  I,  1  pag.  48.  Unk  ist  ganz  sinnlos, 
denn  den  vers  1733  spricht  der  zaunkönig  ((^e  wrenne)  und  unter:  hunke 
ist  natürlich  eule  und  nachtigal  zu  verstehen. 


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NEÜANGELSÄCHSISCHE  SPRACHDENKMÄLER.  63 

waren^  so  bedeutendes  geleistet,  dass  jeder,  der  fernerhin  fiber 
englische  spräche  arbeiten  wird^  sich  an  Eoch  anschliessen 
muss. 

Lagamons  chronik  ist  nach  wie  vor  das  bedeutendste  werk 
aus  der  nags.  zeit  geblieben,  doch  ihm  an  dieseite  ist  ein  pro- 
saisches werk  getreten,  ]?e  Ancren  Riwle,  das  sprachliolx  nicht 
weniger  interessant  ist,  als  Lagamon.  Sachlich  allerdings  haben 
viele  der  anzuführenden  Schriften  wenig  bedeutung. 

Es  scheint,  dass  nach  der  eroberung  Englands  durch  die 
Normannen  die  angelsächsische  nation  längere  zeit  keinen 
schriftsteiler  hervorgebracht  hat.  Will  man  nicht  die  fortsetzung 
der  Sachsenchronik  oder  vielleicht  einige  homilien  hierher  setzeu 
so  finden  wir,  abgesehen  von  Urkunden,  in  den  ersten  siebzig 
Jahren  des  12.  Jahrhunderts  keinen  rest  der  ags.  spräche.  Am 
hofe  blühte  französische  poesie,  die  angelsächsischen  grossen, 
welche  vorher  die  dichtung  begünstigt  hatten,  waren  unterdrückt 
oder  irrten  als  verbannte  in  Nordengland  umher,  selbst  in  den 
klöstem  wurde  das  angelsächsische  element  in  jeder  weise  un- 
terdrückt, das  Volk  aber  mag  sich,  wie  dies  immer  bei  unter- 
drückten Völkern  geht,  lieber  am  rühme  der  vorzeit  erfreut  und 
den  alten  heldenliedem  gelauscht,  als  neues  gedichtet  haben. 

Erst  am  ausgange  des  12.  Jahrhunderts  lassen  sich  wieder 
literarische  produkte  feststellen. 

Vor  Lajamon  ist  vielleicht  noch  zu  setzen: 

I.  Seinte  Marherete  J>e  meiden  ant  martyr^®) 
Das  leben  der  Margarete  zu  bearbeiten  scheint  im  M.  A.  sehr  beliebt 
gewesen  zu  sein.  Ausser  den  verschiednen  deutschen  und  fran- 
zösischen Übertragungen  besitzen  wir  auch  eine  alt- angelsäch- 
sische, i^)  Das  nun  hier  anzuführende  leben  der  Marg.  ist  in 
alliteration  geseihrieben  und  darf  noch  in  das  zwölfte  Jahrhun- 
dert gesetzt  werden;  Cockayne  aber  nimmt  sicher  eine  zu  frühe 
zeit  an.  ^o)    Erhalten  ist  es  uns  in  zwei  hss.    Die  eine  aus  dem 


**)  Hg.  von  Oswald  Cockayne:  Seinte  Marherete  the  meiden  ant 
martyr.    London  1866.    Early  Engl.  Text  Society  No.  13. 

**)  Hg.  von  0.  Cockayne  in  Narratinnoulae  Anglice  conscriptae. 

^)  Cockayne  sagt  in  der  ausgäbe  der  Marherete;  pag.  VI;  Sir  F. 
Madden  (Lagamon  III  p.  350  —  dies  30II  heissen  i  359)  has  stated  that 
the  piece  (viz.  the  life  of  Margaret)  was  probably  composed  about  1200 
a.  d.,  and  as  it  seems  in  some  respects  a  few  years  older  than  the  priü" 


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64  WÜLCKER 

anfange  des  13.  Jahrhundert  ist  Oxf.  BodL  No.  34.,  die  andre 
Brit.  Mus.  Reg.  Ms.  17  A  27  (foL  37—56  enthalten  das  leben). 
Diese  hs.  ist  etwa  1230  entstanden.  21) 

IL    The  proverbs  of  King  Alfred. 22) 

Gleichzeitig  oder  etwas  früher  als  Lagamon  ist  eine  Samm- 
lung von  denksprüchen  und  sprüchwörtem,  welche  sämmtlich 


ted  earlier  text  of  Layamon,  itwill  be  as  well  to  acquiesce  in  that  opinion. 
Sir|  Frederic  is  well  able  to  maintain  any  opinion  he  forms,  but  if  com- 
pared  with  the  text  of  the  last  entries  in  the  Chronicle  written  soon  after 
1154  and  before  1177,  the  language  of  St.  Marherete  might  be  put  thirty 
or  forty  years  earlier.  —  Cockayne  nimmt  also  etwa  1165  an.  Besser 
ist  es  wol  mit  Madden  das  ende  des  12.  jh.  für  die  entstehung  an- 
zusetzen. 

^0  Vgl.  Morris:  Old  English  homilies  and  homiletic  treatises  of  the 
12th.  and  13*^.  centuries  ed.  by  Rieh.  Morris.  First  series.  part.  I  Earl. 
Engl.  T.  Sog.  No.  29.  London  1869  pag.  IX. 

22)  Zwei  hss.  sind  uns  davon  erhalten;  Ms.  Trin.  Coli.  Camb.  B.  14,  30 
aus  dem  anfange  des  13.  jh.  und  Ms.  Coli.  Jes.  Oxf.  I,  29,  abgedruckt 
in  den  Keliquiae  Antiquae  ed.  by  Wright  and  Halliwelll,  171  ff.  Eine 
dritte  hs.  Galba  A,  XTX  ging  bei  dem  brande  der  Cottoniana  verlören. 
Wanley  bei  Hickes  gibt  die  ersten  z eilen  I,  pag.  231.  Diese  hs.  gehörte 
zu  einer  gruppe  mit  dem  Jes.  Coli.  ms.    Man  vergleiche 

At  Sifforde 

seten  )?eines  manie 

feie  biscopes 

feie  boclered 

erles  prüde 

cnihtes  egieche 

J7er  was  erl  Alfrich 

of  the  läge  swuj^e  wis 

ec  Alfrede 

Engle  hirde 

Engle  derling 

on  Engelonde  he  was  king 

hem  he  gan  laren 

swo  hi  heren  mihten 

hu  hi  here  lif 

leden  scolden 

Alfred  he  was  on  Engelond 

a  king  wel  swit5e  strong 

he  was  king  and  clerc 

wel  he  luvede  godes  werc  u.  s.  w. 
Der  schluss  der  hs.  ist  leider  nicht  angegeben. 


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NEUANGELSÄCHSISCHE  SPEACHDENKMÄLEE.  65 

beginnen;   „]?us  que]?  Alfred. *"  und  am  anfange  wird  ausdrück- 
lich der  könig  Alfred  genannt. 

In  welchem  zusammenhange  diese  Sprichwörter  mit  La jamon 
stehen,  ist  noch  zu  untersuchen. 

So  finden  sich  (p.  185.)  die  zeilen: 

And  hweder  so  J>u  hwendes, 
sei  J>u  aten  ende: 
wrj>e  J>at  iwurj>e 
iwurj?e  Godes  wille 
und  Lagamon  schliesst  seinen  Brut 

iwuröe  J>et  iwurÖe 
iwuröe  Godes  wille. 2») 
Ebenso  beruft  sich  im  gedichte  „eule  und  nachtigal"  sowol 
die  letztere  als  .die  eule  häufig  auf  Alfreds  Sprüche.  ^4)    Aller- 
dings können  darunter  auch  alt-angelsächsische  gemeint  sein. 
IIL    La^amons  Brut. 25) 

Erhalten  ist  uns  das  werk  in  zwei  bearbeitungen,  die  ältere 
bearbeitung  im  Ms.  Brit.  Mus.  Cott.  Caligula  A  IX,  hs.  aus 
dem  anfange  des  13.  Jahrhunderts  (nach  Madden).  fol.  1 — 192 
enthalten  die  dichtung.  Die  andre  bearbeitung  ist  aus  dem 
ende  des  13.  Jahrhunderts  und  bedeutend  verkürzt.  Sie  ist 
Cott.  Otho  C  XIII.  Durch  den  brand,  Oktober  1731,  hat  sie 
bedeutend  gelitten. 

Wir  wissen  über  La^amons  leben  nur  das,  was  er  uns 
selbst  darüber  angibt  v.  1 — 8. 

An  preost  wes  on  leoden 
Lagamon  wes  ihoten, 
he  wes  LeovenaÖes  sone: 


^)  Vgl.  Lag.  ed.  Madden  III,  297.  Oder  bezieht  sich  die  anm.  zu 
V.  32235:  „added  by  a  later  band  in  the  margin"  auf  den  ganzen  schluss 
und  wären  dann  die  schlusszeilen  später  zugefügt?  Dies  ist  unglaublich 
nach  dem,  wie  Wanley  bei  Hickes  III,  228  den  schluss  gibt: 

And  I?as  (leode)  )?at  nevere  geoÖtSen  maere  kinges  neoren  here  t5a  jet 
ne  com  )7et  ilke  daei  beo  hednne  vorÖ  alse  hit  mei.  JwurtJe  godes  wille. 
Amen.  —  Wanley  hat  hier  nur  „leode"  eingeklammert,  doch  gibt  er 
allerdings  gerade  unsre  stelle  anders. 

2*)  Vgl.  0.  a.  N.  V.  235,  294,  299,  349  u.  a.  a.  o. 

^)  Lajamons  Brut  or  chronicle  of  Britain,  a  poetical  Semi-Saxon 
Paraphrase  of  the  Brut  of  Wace.  3  bde.  London  1847.  —  Hier  sind  beide 
hss.  abgedruckt. 


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68  WOlCKER 

liÖe  him  beo  drillten. 

he  wonede  at  Endeje 

at  sßt^elen  are  chirechen 

uppen  Sevarne  8taJ>e, 

sei  pSLT  Um  puhbd. 

on  fest  Badestone^ 

peT  he  bock  radde. 
Madden  hat  gezeigt,  dass  dieses  Ernley  dasjenige  sei,  wel- 
ches in  Worcester,  nicht  das,  welches  in  Staflford,  liegt.  2«)  Lag. 
führt  Beda,  Albinus  und  Augustinus,  endlich  Wace  als  quellen 
an.  Letzteren  hat  er  zu  gründe  gelegt,  Beda  hat  er  nur  ein- 
mal nachweislich  benutzt,  2'')  wie  Madden  schon  ausgeführt  hat, 
die  anderen  gar  nicht.  Doch  Wace  ist  nichts  weniger,  als  wört- 
lich übersetzt,  Lagamon  hat  sehr  erweitert,  vjor  allem  hat  er 
viele  ortssagen  und  legenden  aufgenommen  und  besonders  die 
Artussage  mit  vielen  zügen  bereichert,  die  sich  auch  nicht  bei 
Gotfried  von  Monmouth  finden.  28) 

Über  die  zeit  der  abfassung  hat  Madden  scharfsinnig  aus 
dbn  dürftigen  angaben  festgestellt,  dass  in  den  ersten  jähren 
de»  13.  Jahrhunderts  das  werk  noch  nicht  vollendet  war,  dass 
es  aber  vor  1206  abgeschlossen  wurde.  Da  aber  ein  so  grosses 
gedieht  jahrelangen  fleisses  bedurfte,  gewinnen  wir  das  ende 


26)  Madden,  preface  X. 

27)  Lag.  sagt  V.  31  ff.  von  sich: 

He  nom  pa,  Englisca  boc, 

]7a  makede  seint  Beda. 

an  o]7er  he  nom  on  Latin, 

pe  makede  seinte  Albin 

and  ]7e  feire  Austin, 

pe  fnlluht  broute  hider  in. 

boc  he  nom  }?e  }?ridde, 

leide  }?er  amidden, 

]7a  makede  a  Frenchis  clerc, 

Wace  wes  ihoten. 
Über  Austin  u.  Albin  vgl.  Madden  XII.     Dass  Wace  seine  hauptquelle 
war,  deutet  Lagamon  selbst  durch  das  „amidden"  an. 

28)  Es  ist  dies  ein  beweis,  dass  noch  andre  quellen  für  die  gesehichte 
Arturs  in  England  existierten,  als  Grotfried  von  Monmouth.  Sonst  wäre 
auch  schwer  das  plötzliche  emportauchen  der  vielen  Artussagen  im  1 2.  jh. 
zu  erklären. 


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NEÜANGELSÄCHSISCHE  SPRACHDENKMÄLER.  67 

des  12.  und  den  anfang  des  13.  Jahrhunderts  f&r  die  zeit  der 
abfassung.  2») 

Die  alliteration  waltet  vor,  doch  finden  sich  auch  assonan* 
zen  und  selbst  reime. 

lY.  Etwas  später  als  das  leben  der  heiligen  Margarethe 
sind  zwei  andre  heiligenleben  anzusetzen,  die  wol  am  anfange 
des  13.  Jahrhunderts  abgefasst  wurden. 

Seinte  Katherine.»«) 

Es  ist  uns  in  drei  hss.  erhalten.  1.  Bodl.  No.  34  (früher 
NE.  3,  XL)  aus  der  zeit  Johanns  oder  Heinrichs  III.  ^i)  be- 
ginnt: Constantin  ant  Maxence  were  on  a  time  as  i  keiseres 
stude  hebest  i  Bome,  ah  Constantin  ferde  ]7urh  pe  burhmenne 
into  Franclonde  ant  wunede  sumne  while  )?ear  for  J>e  burhes 
neode  ant  Maxence  steorede  pe  refschipe  i  Rome.  Weox  umbe 
hwile  wreaÖÖe  ham  bitweonne  ant  comen  to  fehte.  Wes  Maxence 
overcumen  and  fleah  into  Alexandre.  .  .  Schluss:  pn»  wende  pe 
eadie  meiden  Katerine  icrunet  to  Criste  from  eoröliche  pinen  i 
Novembre  moneÖ  pe  fif  and  twentesöe  dei  and  fridei  on  outte 
under  i  pe  dei  i  pe  tune  p  hire  deore  leofmon  Ihs  ure  layerd 
leafd  lif  o  rode  for  hire  and  for  us  alle.  Beo  he  a  se  halend 
iheret  and  iheiet  in  alre  worlde  worlt  a  on  ecnesse.  Amen. — 
2.  Ms.  Reg.  17  A  XXVII  fol.  11—37.  (c.  11i30  entstanden.)  hier- 
nach hat  Morton  seinen  text  gegeben.  32)  3.  Eine  dritte  hs.  Titus 
D  XYIIL,  die  auch  sonst  sehr  wichtig  fftr  nags.  ist,  schliesst 
fiidi,  abgesehen  von  lautlichen  abweichungen,  dem  Bodl.  ms.  an.^^) 

29)  Vgl.  Madden  pag.  XVII— XXL 

**)  Zweimal  ist  das  leben  der  Katharina  herausgegeben  worden: 
James  Morton  veröffentlichte  es  London  1841  für  den  Abbotsford  Club 
(nur  für  mitglieder  zu  bekommen!).  Dann:  An  historial  inquiry  touching 
St.  Catharine  of  Alexandria,  to  which  is  added  a  Semi-Saxon  legend  by 
Charles  Hardwick.    Cambridge  1849  für  die  Antiquarian  Society.  No.XV. 

31)  Wanley  bei  Hickes  III  p.  79. 

^)  Vgl.  Cockayne  S.  Marh.  pag.  VL 

*3)  Hickes  III,  247.    Der  Inhalt  der  hs.  ist: 

1.  Liber  Alphabetarius. 

2.  Ancren  Riwle. 

3.  Homilie :  Si  sciret  paterfamilias. 

4.  Audi  filia  et  vide  et  inclina  etc.  (vgl.  unten.     Es  ist  dies  also  die 
homilie  Hali  meidenhad> 

5.  )?e  wohunge  of  ure  laverd. 

6.  passio  St.  Catherinae. 


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68  WÜLCKER 

Y.    Seinte  Juliene,34) 

Bodl,  ms.  No.  34.  enthält  auch  dieses  heiligenleben.  foL 
36b— 56,a    Es  beginnt: 

I  pe  feaderes  ant  i  J>e  sunes  and  i  pe  hali  gastes  nome 
her  beginneÖ  pe  Made  ant  te  passiun  of  Seinte  Juliene.  In 
ure  laverdes  lufe  pe  feader  is  of  frumscheft  ant  i  ]?e  deore 
wurömunt  of  bis  deorewuröe  sune  ant  i  pe  heiunge  of  pe  hali 
gast  pe  of  ham  ba  glideÖ  an  Godd  una^in  euch  godes  ful.  Alle 
leawede  men  pe  understonden  ne  mähen  Latines  ledene  liÖeÖ 
ant  lusteÖ  pe  liflade  of  a  maiden  p2dt  is  of  Latin  itumd  to 
Englische  leode.  —  Es  schliesst: 

Hwen  drihtin  o  domes  dei  windweÖ  bis  hweate 
And  weorpÖ  pset  dusti  chef  to  hellene  heate, 
He  mote  beon  a  corn  i  godes  güldene  edene, 
pe  turde  )?is  of  Latin  to  Englische  ledene 
Ant  he  p2et  her  least  onwrat  swa  as  he  cuÖ. 
Eine  andre  hs.  soll  sich  in  der  Cottoniana  finden,  welche 
Brock  mit  Cockayne  herausgeben  wird,  ^ß)    Auch  im  schon  ge- 
nannten ms.  Reg.   17    ist  fol.   56 — 70  h  dies  heiligenleben  zu 
finden.  37) 

VI.    pe  ule  and  pe  nihtegale.^^) 

Zwei  hss.  sind  Uns  davon  bekannt  Eine  Brit  Ms.  Cott 
Calig,  A  IX.  39),  die  andre  Oxf.  Jes.  Coli.  Arch.  I,  29. 

Wann  dieses  gedieht  entstanden  sei,  ist  sehr  verschieden 
beantwortet  worden.    Stevenson  setzte  es  an  das  ende  des  12. 


^)  Hiervon  gibt  es  noch  keine  ausgäbe.  Doch  soll  demnächst  eine 
von  Cockayne  erscheinen,  vgl.  Eighth  report  of  the  Earl.  Eng.  T.  S. 
1872  pag.  5. 

35)  Vgl.  Hickes  ni,  p.  79. 

36)  Vgl.  den  oben  ang.  report  of  the  E.  E.  T.  S.  pag.  5. 
^)  Cock.  S.  Marh.  pag.  VI. 

3*)  Zwei  drucke  haben  wir  nach;  der  Cott.  hs.  The  Owl  and  the 
Nightingale.  Ed.  by  Jos.  Stevenson.  London  1838.  4o.  Printed  f.  th. 
Roxburghe  Club  (einige  lesarten  des  Jes.  ColL  finden  sich  hier).  The 
0.  a.  t.  N.  on  early  poem  attributed  to  Nicholas  de  Guildford  ed.  by 
Thom.  Wright.  London  1843.  8®.  Pr.  f.  t.  Percy  Society.  Beide  hss. 
hat  abgedruckt  mit  wenig  Verbesserungen  und  manchen  willkürlich- 
keiten :  J.  H.  Stratman :  an  old  English  poem  of  the  Owl  and  the  Nigh- 
tingale.    Krafeld  1868. 

39)  Schon  Wanley  gibt  nachricht  darüber  HI,  229. 


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NEUANGELSÄCHSISCHE  SPEACHDENKMÄLEE.  69 

Jahrhunderts.  Dies  ist  den  reimen  nach  zu  früh,  denn  die  reime 
sind  gröstenteils  recht  rein,  wenn  auch  öfters  sich  noch  asso- 
nanz  einschleicht.  ^^)  Wright  glaubt,  dass  es  unter  Johann  ohne 
land  entstanden  sei.^^)  Madden  nimmt  an,  es  sei  erst  unter 
Eduard  L  gedichtet  worden.  ^2)  j)ies  wäre  jedenfalls  zu  spät 
und  gradezu  unhaltbar,  weijn  es  sich  erweist,  dass  das  Cott 
ms.  aus  der  1.  hälfte  des  13.  Jahrhunderts  stammt.  Marsh  lässt  es 
ziemlich  unbestimmt,  wann  er  das  werk  abgefasst  glaubt.  Er  gibt 
nur  das  13.  Jahrhundert  an,  stellt  es  aber  zwischen  King  Ali- 
saundre  und  Hörn  child.'*^) 

Einige  gelehrte  schreiben  das  gedieht  Niclas  de  Guildford 
zu.  Hickes  hat  diesen  fehler  nicht  begangen,  4^)  jedoch  War- 
ton *^)  teilt  es  auf  ganz  falsche  Schlüsse  hin  einem  Johannes  de 
Guldevorde  zu.  Madden  wies  schon  in  der  ausgäbe  Ws  von 
1840  nach,  wie  unberechtigt  dies  sei.  Wright  meint,  Nicolas 
de  Guildford  sei  der  Verfasser.  4*)    Nicholas  wird  aber  stets  in 


*«)  Es  ist  daher  auch  jedenfalls  von  Stratmann  unberechtigt,  dass  er 
öfters  gegen  die  hss.  ändert,  um  einen  reim  herzustellen.  Wo  reime 
vorkommen,  wie  eunde:  sehende  273;  fugele:  uvele  277;  gidie:  geonie 
291 ;  worse :  mersche  303  u.  ähnl.  braucht  man  wahrlich  nicht  dem  reime 
zu  lieb  zu  ändern. 

**)  V.  1091  (ich  eitlere  nach  Stratmann)  steht: 
]7at  underwat  ]fe  King  Henri 
Jesus  his  soule  do  merci. 
Dies  bezieht  Madden  anf  Heinrich  III,  und  es  wäre  nach  dessen  tode 
unter  Eduard  L  abgefasst.    Stevenson  und  Wright  sehen  in  diesem  Hein- 
rich Heinrich  H.  (t  1189),    Wright  setzt  das  gedieht  aber  erst  unter 
Johann  an,  vgl.  Wright  Biographia  Britannica  literaria.     Anglo-Norman 
period.    London  1846.    pag.438. 

*2)  Madden  in  den  anm.  zu  Warton  pag.  26. 

^)  Marsh,  the  origin  and  history  of  the  English  language  and  of  the 
early  literature  it  embodies.  New- York  1862.  p.  205—211.  DaAlisaundre 
und  Hörn  erst  ende  des  13.  jh.  gedichtet  wurden,  folgt  er  wahrscheinlich 
Madden. 

**)  Wanley  sagt  p.  229  HI:  über  unser  gedieht;  Poema  Normanno- 
Saxonicum  de  contentione  facta  inter  noctuam  et  philomelam  pro  suavis- 
Bimae  cantionis  gloria,  quam  demum  submiserunt  arbitrio  magistri 
^Nicolai  de  Guideford. 

«)  Vgl.  W.  hist.  of  poetry  I,  25  ff. 

**)  Wright  a.  a.  o.  sagt:  The  name  of  Nicholas  de  Guildford  occurs 
in  a  poem  ...  in  a  way  which  would  lead  any  one  acquainted  with  the 


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70  WÜLCKER 

einer  weise  genannt,  daes  er  unmöglich  der  Verfasser  sein  kann, 
oder  er  müsto  einer  der  eitelsten  menBchen  gewesen  sein.  4^) 
Aüisserdem  sagt  der  dichter  am  anfange: 
Ich  was  in  one  sumere  dale: 
In  one  »wipQ  di^ele  hale 
Iherde  ich  holde  grete  tale 
An  nie  and  one  nihtegale 
Von  Nicholas  wird  stets  als  von  einem  abwesenden  gesprochen^ 
der  zuPortesham  in  Dorset  wohnt  und  zum  Schlüsse  heisst  es* 
1789.    Mid  J^isse  worde  forJ>  hi  forden 
AI  bute  here  and  bute  forde 
To  Fortesham  )>at  heo  bicome 
Ac  hu  heo  spedde  of  heore  dorne 
Ne  can  ich  eu  na  more  teile 
Her  nis  na  more  of  ]>isse  spelle. 
Warum  liesse  der  dichter,  wenn  er  mit  Nicholas  eine  person 
wäre,  die  vögel  wegziehen,  statt  aus  seinem  verstecke  hervor- 
zutreten oder   warum  könnte  er  uns  nicht  den  Urteilsspruch 
berichten? 

Jedenfalls  ist  das  richtige  einen  unbekannten  dichter  anzu- 
nehmen, der  dieses  werk  Nicolaus  von  GuUdford  zu  ehren 
schrieb,  in  bezug  auf  die  zeit  der  entstehimg  hat  Wright  wol 
das  richtige  getroffen* 

Vn.  Es  sei  hier  noch  ein  andres  gedieht  angeschlossen, 
welches  in  alliteration  geschrieben  ist  Doch  uns  ist  nur  ein 
bnichsttlck  davon  erhalten.    Conybeare  nennt  es; 

Poem  on  Death,  oder  the  Grave,  wie  es  Thorpe  nennt.*«) 
Dies  gedieht  ist  auf  den  rand  eines  homiliencodex  (Nags.  ho- 
milien)  geschrieben.  4»)    BodL  NE.  F.  4,  12. 


sunmer  in  which  writers  of  the  middle  ages  name  tliemselvee,  to  believe 
kim  to  be  tlie  »nthor.  In  den  Chronological  series  of  the  literary  oha- 
racters  finden  sich  (pag.[481)  zwischen  1174—1228:  Orm,  Nicholafl  de 
GwMford,  La^amon» 

*^  Man  vergleiche  die  Btelkn,  wo  von  Niohalas  die  rede  ist, 
V*  191,  1755. 

**)  Conybeare  Illustrations  of  Anglo-Saxon  poetry.  London  1826. 
pag.  270  flf.  —  Thorpe,  Analecta  Anglo-ßasfoniea.  L(»idfon  1834. 

^  Abg«dr.  findet  es  sieh  auch  hei  M.  Bieger,  alt-  und  angelsäch- 
^«ebes  lesebttoh.    Güeesen  1861.  p.  124. 


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NEüANGELSÄCHSISCHE  ßPRACHDENKMÄLER.  71 

Es  beginnt:  ]?e  w«g  bald  gebyld^  er  pn  iboren  were, 

pe  wes  melde  imynt  er  )ni  of  moder  come. 
Conybeare  läßst  die  letzten  drei  langzeilen  hinweg.    Sie 
iaaten  nach  Thorpe: 

for  ßone  biÖ  pin  haefet  faxes  bireyed 
al  biÖ  J>es  faxes  feirnes  forsceden, 
nsele  hit  nan  mit  fingres  feing  stracien.  ... 
VIIL    pe  Ancren  riwle.^^) 

Dieses  bedeutendste  prosadenkmal  der  nags.  literatnr  ist 
uns  in  vier  mss.  erhalten,  welche  zwei  gruppen  bilden. 
Zur  ersten  gruppe  gehören  die  drei  Cottoniana. 

Nero  A  XIV  aus  dem  XIH.  jL  pg.  8.  131  bL^O-  ßiesö 
hs.  hat  Morton  seiner  ausgäbe  zu  gründe  gelegt.  —  Titus  D  XVIIL 
pg.  8.  147  bL^^)  Am  anfange  fehlen  einige  blätter.Ms.schliesst: 
Ase  ofte  as  ge  haven  red  ^ht  o  piB  boc  gretes  ure  lavedi  wiÖ 
an  ave  for  him  (viz.  pet  maked  ]7eos  riwle)  and  swanc  her 
abuteu,53).—  Cleopatra  CVI,  4020ibL5*)  Beginnt:  Recti  diligunt  te. 
Laurd  seiS  godes  «puse  to  hire  deorewurt^e  spuse  .  .  .  Schluss: 
As  ofte  as  je  habbeÖ  capet  (oder  cawet  »oll  wol  owet  heissen) 
J^eron  greteÖ  J?e  lafdi  wiÖ  an  Ave  for  him,  pe  swong  her  ahn- 
ten.   Inoh  met^ful  ic  am,  pe  bidde  pe  Intel.) 

Die  zweite  gruf^pe  ist  nur  durch  eine  hs.  vertreten: 

Cambridge,  Coq>.  Christi  colL  No.  402,  4^  pg.^^)    Diese 

hs.  weicht  sprachlich  bedeutender  ab  und  es  ist  daher  schade^ 

dass  Morton  in  seiner  fleissigen  ausgäbe  sie  nicht  mehr  beachbet 

hat    Sie  kägt  einen  etwas  mehr  weetmitteländischen  Stempel 


^)  The  Ancren  riwle,  a  treatise  on  the  mies  an  duties  of  monastic 
nie  ed.  by  James  Morton.    London  1852.    pr.  t  the  Camden  Sodety. 

")  Vgl.  Hickes  III,  p.  228,  Planta,  Oatal.  der  Cotton.  London  1802. 
psg.  ^5.    Mb.  enthält: 

Ancren  Riwle,  Marienlied  (Christes  milde  moder  seinte  marie,  mines 
Hves  leome,  mi  leove  lefdi),  120^;  Orationes  iid  Christum  et  Mariam 
fengüsch)  128^;  symbeiium  apostolicnm  130  bis  BcMnss. 

«)  Hickes  HI,  pag.  247,  vgl.  anm.  33. 

")  VgL  damit  pag.  430  bei  Morton. 

M)  Hickes  SLI,  248.  Planta  pag.  681 ;  bL  3—198  entiiält  Ancren  riwle. 
Es  folgt  hymnAA  in  solemaitate  S.  Ethelredae. 

^)  Hickes  HI,  149.    Das  werk  nennt  sich  Ancren  wisse. 


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72  WÜLCKEß 

(damit  stimmt  auch  die  notiz  die  sie  trägt,  ^^)  überein),  während 
die  andern  südlicher  entstanden  sind. 

Endlich  besitzen  wir, noch  einen  druck  BibL  BodL  Laud. 
D.  85.5''),  welcher gebete  aus  der  Ancren  riwle  enthält  Siege- 
hören zur  zweiten  gruppe,  vielleicht  sind  sie  geradezu  aus  obi- 
gem Cambridge  codex  entnommen* 

1.  Ealmihtig  god  faeder  suna  and  hsBlig  gast  as  je  beoÖ 
an  god  ealra  etc.  (=  pag.  26  bei  Morton). 

2.  La  ihu,  }?in  are  for  myne  synnas  ahongen  o  rode. 
(=  pag.  26). 

3.  For  }?a  seovengyftas  )?8es  haljan  gastes.  (=  pag.  28). 

4.  For  }?a  tyn  heastas  pe  ic  gebroccen  haebbe.  (=  pag.  28). 

5.  For  J>a  wuröegunge  ihu  crist  of  }?ine  tweolfen  apo- 
stolas  (=  pag.  28). 

6.  For  ealle  pe  sawlen  pe  beoÖ  forÖ  faren  i  pe  bileave 
of  J>a  feower  godspelles.  (=  pag.  30). 

Leicht  überzeugt  man  sich  aus  diesen  anfangen,  dass  hier 
eine  ältere  spräche  vorliegt,  als  in  den  Cotton  mss.  Um  so 
verdienstvoller  wäre  es,  den  text  der  Cambr.  hs.,  der  hier  wahr- 
scheinlich zu  gründe  liegt,  herauszugeben. 

Viel  ist  darüber  gestritten  worden,  ob  unser  werk  ursprüng- 
lich nags.  abgefasst  wurde,  oder  ob  es  nur  eine  Übersetzung 
aus  dem  lateinischen.  Thomas  Smith  ^s)  hält  den  nags.  text 
nur  für  eine  Übersetzung  aus  dem  lateinischen  und  dieses  la- 
teinische original  will  er  gefunden  haben  in  der  hs.  Cotton. 
Vitellius  EVIL  Zu  dieser  ansieht  brachte  ihn  wol  nur  die 
aufschrift  des  codex.  ^^)  H.  Wanley  ^^)  bekräftigt  diese  behaup- 
tung    auf  grund  einer  vergleichung,  welche  er  zwischen  Vit 


^)  Sie  lautet:  Liber  ecclesie  ßancti  Jacobi  de  Wigmore  quem  Johan- 
nes Purcel  dedit  eidem  ecclesie  ad  instantiam  fratris  Walteri  de  Lo- 
delle  senioris  tune  percentoris  etc.  Wigmore  liegt  in  der  Grafschaft 
Hereforde.  ' 

")  Hickes  III,  100  f.  Bas  buch  hat  die  uotiz:  Imprimatur:  Henry- 
Butts,  Procanc.  Cantabrig.  3.  dez.  1630.  Es  enthält:  the  Anglo-Saxon 
psalter,  dann  Certaine  prayers  of  the  Saxon  times  taken  out  ot  the 
Nunes  rules  of  St.  James  Order  in  Bennet  College  library. 

^)  Smith  catalogus  bibliothecae  Cottonianae.    Londini  1696. 

*®)  Regulae  vitae  Anachoretarum  utriusqne  sexus  scriptae  per  Simo- 
nem  de  Gandavo,  Episcopum  Sarum  in  usum  suarum  sororum. 

«>)  Hickes  bd.  III,  p.  228. 


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NEüANGELSÄCHSiSCfiE  SPRACHDENKMÄLER.  7ä 

EVn.  und  den  Cotton  ms.  angestellt  haben  will.  Ihm  folgt 
Planta.  61) 

Was«  zuerst  den  angeblichen  Verfasser  des  Originals,  Simon 
von  Gent,  bischof  von  Salisbury  betrifft,  so  lässt  sich  nur  einer 
nachweisen,  welcher  1284  archidiacon  zu  Oxford,  1297  bischof 
von  Salisbury  wurde  und  1315  starb.  Der  vater  desselben  kam 
aus  Gent,  daher  wol  der  name.^^) 

Die  spräche  der  Ancren  riwle  aber  ist  nicht  alt- 
englisch, sondern  neuangelsächsisch.  Simon  von  Gent 
kann  also  nicht  der  Verfasser  des  Originals  sein. 

Allerdings  könnte  nun,  wenn  auch  Simon  nicht  den  latei- 
nischen text  verfasst  hat,  doch  das  original  lateinisch  gewesen 
sein.  Leider  ist  der  Cod.  Vit.  EVII.  bei  dem  brande,  Oktober 
1731,  zu  gründe  gegangen.  Doch  eine  andre  hs.,  welche  Smith 
und  Wanley  kennen,  ist  uns  erhalten:  ms.  Magdalene  College 
zu  Oxford.  63)    Sie  führt  die  aufschrift: 

Hie  incipit  prohemium  venerabilis  patris  magistri  Simonis 
de  Gandavo,  Episcopi  Sarum,  in  librum  de  vita  solitaria,  quem 
scripsit  sororibus  suis  anachoretis  apud  Tarente. 

Es  ist  ein  verdienst  Mortons  mit  schlagenden  gründen  nach- 
gewiesen zu  haben,  dass  diese  lateinische  hs.  nur  eine  Über- 
setzung und  zwar  eine  recht  schlechte  des  nags.  textes  ist,  die 
von  groben  fehlem  und  misverständnissen  wimmelt.  Ausser- 
dem ist  das  erste  buch  stark  gekürzt,  das  achte  fehlt  gänzlich.  **) 

Schliesslich  könnte  man  noch  ein  französisches  original  an- 
nehmen und  wirklich  gab  es  auch  das  werk  in  französischer 
spräche.  65)  Mätzner  führt  gegen  das  franz.  original  die  stelle 
p.  44  an:  66) 

AI  Jjet  je  ever  siggeÖ  of  swuch  oÖer  bonen,  ase  of  Pater- 
nostres  and  of  Avez,  on  ower  owene  wise,  psalmes  and  ureis- 
uns:  al  ich  am  wel  ipaied  everichon  sigge  pet  hire  best  bereb 
on  heorte:  verslunge  of  hire  sautere:  redinge  of  Englichs  oÖer 
of  Freinchs,  holi  medidaciouns. 


«0  Vgl.  a.  a.  0.  p.  205. 

«2)  Vgl.  Morton  preface  XIV. 

«3)  Ebend.  VII.     ' 

«*)  Ebend.  pag.  VÜI  ff. 

«5)  Vitellius  F  VII  bei  Smith  a.  a.  o.    Sie  ist  1731  verbrannt. 

^)  Mätzner,  altenglische  sprachproben  I,  2.  abt.  Berlin  1869.  pag.  6, 

Beiträge  sar  geschichte  der  deutschen  spräche.    I^  6 


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^4  WÜLCKER 

M^ätzner  meint,  noniieB,  welche  sowol  englisch  als  franKö- 
sisch  verstanden  hätten,  wäre  es  nicht  nötig  gewesen,  etwas 
4»rtts  dem  französischen  zu  tibertragen.  Doch,  wenn  das  werk 
auch  zunächst  an  drei  Schwestern  gerichtet  ist,  welche  wol  beide 
sprachen  verstanden,  geht  doch  aus  andern  stellen  hervor,  dass 
der  Verfasser  auch  auf  Verbreitung  seiner  schrift  in  grösseren 
kreisen  rechnete,  ß^)  Und  ob  alle  drei  Schwestern  französisch 
lesen  konnten,  ist  nirgends  gesagt.  Jedenfalls  hätte  man  immer 
in  hinblick  auf  grösseren  zuhörerkreis  das  werk  in  das  eng- 
lische tibertragen  können. 

Allein  der  ton  des  ganzen  Werkes  ist  durchaus  englisch. 
Die  romanischen  worter  sind  allerdings  zahlreich,  allein  bei 
einer  geistlichen  schritt  darf  dies  nicht  auffallen.  Einige  andre 
stellen,  w-elche  schon  Mätzner  angefahrt  hat^  beweisfen,  dass  der 
ver&ßÄer  ein  Engländer  war,  ebenso  dass  die  schwestem  eng- 
lisch als  ihre  mutterspradie  betrachteten,  ß^)  ^ 

Wie  jetzt  die  frage  stehl;,  dürfen:  wir  also  die  Ancren  riwle 
als  ein  neuangelsachsiscke»  originalwerk  ansehen. 

Bei  bestimmung  des  ortes,  wo  das  werk  entstanden  sei, 
hält  Morton  sieh  an  die  angäbe  des  Oxford  codex,  dass  die 
Schwestern,  für  welche  es  geschrieben,  in  Tarente  gelebt  hätten. 
Dies  Würde  also  auf  Dorset  weisen.  Die  spräche  der  Cotton 
mss.  "Stimmt  damit  völlig  überein.  Doch  ist  dabei  nicht  aus 
^em  äuge  zu  lassen,  dass  sich  die  angäbe  von  Tarente  neben 
der  sicher  falschen  findet,  Simon  von  Gent  sei  der  Verfasser 
der  lateinischen  Urschrift.  Grosses  gewicht  dürfen  wir  also  auch 
irichl;  auf  den  namen  Tarente  legen. 

Morton  knüpft  nun  weiter  an  den  namen  eine  geistreiche 
Vermutung:  Zu  Tarente  am  S teure  in  Nord -Dorset  errichtete 
Jßalph  de  Kahaines,  dessen  vater  mit  Wilhelm  dem  erobrer  ge- 
kommen war,  ein  kloster  für  nennen,  welches  Maria  und  allen 


®')  So  pag.  50.  Ich  write  muchel  vor  otJre  and  noÖing  ne  etrinetS 
QU,  mine  leove  sustren,  pag.  192.  "^e,  mine  leove  sustren.  beoS  |?eo 
ancren  ]fet  ich  iknowe,  )7et  habbeÖ  lest  neode  to  uroure  ^jean  }?eos 
temptaciuns :  bute  one  sicnesse.  Vor  midmore  eise,  Qfimid  more  menke, 
not  ich  non  ancre  J>et  habbe  al  pet  hire  neod  ds  |7ene  ge  freo  habbetJ  : 
ure  loverd  beo  lik  idoucked.  ' 

^^)  V;gl*  Mätzner  a.  a.  o.    Es  sind  dies  vor  allen  pag.  172  u.  pag.  244. 


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NEüANGELSACHSISCHi:  SPÄACHDENKMALEE.  76 

heiligen  gewidmet  war.^^)  Dies  kloster  zerfiel,  doch  Richard 
Poor  richtete  es  von  neuem  ein.  Poor  war  «u  Tarente  geboren, 
wurde  decan  zu  Chichester  in  Sussex,  dann  bischof  zu  Salis- 
bury  und  Durham.  Zuletzt  ging  er  wider  nach  Tarente  und 
starb  daselbst  1237.70)  Wie  sehr  er  das  dortige  kloster  liebte, 
beweist,  dass  er  dort  sein  herz  beisetzen  liess.  Diesem  Poor 
schreibt  nun  Morton  die  Ancren  riwle  zu.  Wäre  der  name 
Tarente  besser  beglaubigt,  so  dtlrften  wir  unbedingt  dieser 
schönen  Vermutung  beistimmen,  allein  ihn  nennt  unter  den  sie- 
ben hss.  der  nonnenregel  nur  eine  einzige  und  zwar  eine,  die, 
wie  Morton  selbst  gezeigt  hat,  durch  und  durch  schlecht  ist 
IK.    Poema  morale.'*) 

So  nennen  die  englischen  herausgeber  ein  in  langen  reim- 
paaren  geschriebnes  gedieht,  welches  über  Vergänglichkeit  des 
lebensj  über  tod  und  jüngstes  gericht  handelt.  Es  umfagst  J98 
reimpaare.    Es  beginnt: 

Ich  em  nu  alder  )?ene  ich  wes  a  wintre  and  a  lare 
Ich  weide  mare  pene  ich  dede  mi  wit  ahte  bon  mare. 
Well  longo  ich  habbe  child  ibon  a  werde  and  a  dede 
|?ah  ich  boa  wintre  ald,  togung  ichem  on  rede.  Hss.  davon  gibt 
es  folgende:  1.  Egerton  ms.  613.  Hiemach  gab.es  Furnivall  heraus. 
2.  Lambeth  487  fol.  59b— 65b.    Wanley  sagt,72)  der  schluss  sei 
in  prosa  (Morris  bemerkt  hierüber  gar  nichts),  doch  sieht  man 
genauer  zu,  so  ist  das   angebliche  prosastück  vers  262 — 271. 
Hiermit  bricht  Lambeth  cod.  ab,  Morris  druckte  das  ende  nach 
dem  Egerton  ms.  '^^)   3.   Digby  ms.  No.  4.  ''*)   Hiemach  druckte 
Hickes  es  ab  I,  222.    4.   ms.  Trinity  Coli.  Cambridge.    Abge- 
sehen von  kleinen  abweichungen  stimmt  es  mit  dem  Egerton  ms.  '^) 


«^)  Schon  Morton  zeigt,  wie  Wanleys  angäbe  bei  Hickes  bd.  III,  149 
n.  a.  o.,  die  Schwestern  hätten  dem  St.  Jakobsorden  angehört,  auf  mis- 
verständnis  einer  stelle  (pag.  8  bei  Morton)  beruhe.      Morton  pag.  X.  ff. 

70)  Morton  pag.  XH— XV. 

V}  Abgedruckt  ist  das  gedieht  bei  Furnivall:  Early  English  poems 
and  lives  of  Suints.  Berlin  u.  London  1862.  —  Morris  a.  a.  o.  nach 
Lambeth,  ergänzt  durch  Egerton  ms.  ~  Hickes  hat  es  ebenfalls. 

«)  Hickes  III,  bd.  268. 

'3)  Vgl.  Morris  a.  a.  o.  VI  oben. 

'*)  Hickes  III,  p.  83. 

'S)  Ebend.  p.  169. 


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76  WÜLCKER 

Wir  gehen  nun  zu  den  homilien,  den  paternoster,  glaubens* 
bekenntnissen,  gebeten  und  ähnl.  über,  welche  in  nags.  spräche 
geschrieben  sind.  Oft  ist  es  allerdings  recht  schwer  zu  ent- 
scheiden, ob  ein  denkmal  nags.  oder  altags.  sei.  Abgegeben  davon, 
dass  überhaupt  beides  sich  berührt,  gibt  es  viele  hss.,  welche 
altags.  abgefasst  waren,  aber  von  nags.  Schreibern  abgeschrie- 
ben wurden.  Diese  änderten  manche  alte  formen,  andre  Hessen 
sie  stehen.  Ein  beispiel  dafür  ist  Bodl.  cod.  F  4, 12.  ^ß)  Neben 
gewende,  gersed,  gelaede  findet  sich  ihaten,  isceop,  ilomlice, 
istreona.  Sonst  wird  schon  vielfach  gekürzt  und  geschwächt, 
neben  godspel  findet  sich  gospel,  mseden  (virgo),  cnihtes  neben 
cnihtas,  brucen,  habben,  libben  (vivere),  buten  statt  butan,  wundre 
für  wundra,  auch  schon  Übergang  der  starken  declination  zur 
schwachen:  mid  eadmodre  stefnen;  rixeÖ  mid  alle  bis  halgan. 
Auch  schon  die  acht  nags.  Schreibweise  dsei^e  neben  daßge  ist 
hier  anzutrefien.  Ebenso  zeigt  diese  mischung  ein  cod.  der  bibl. 
S.James,  Westminster.  ^7)  Hier  steht  neben  dagas  ein  bispelles, 
weorces,  neben  gen.  suna  auch  sune,  die  infin.  beclyppen,  un- 
terstanden neben  solchen  auf  -an.  mid  feilenden  tacnen,  on 
boken  u.  ähnl.  So  mag  es  sich  auch  mit  cod.  Hatten.  65  der 
Bodl.  verhalten,  welcher  angeblich  die  vier  evangelien  in  nags. 
spräche  umfassen  soll. '^^)  Die  proben  bei  Wanley  sind  zu  kurz, 
um  darnach  etwas  entscheiden  zu  können. 

In  der  übersieht  der  nags.  homilien  sind  hier  die  bereits 
gedruckten  vorangestellt. 

X.    Hali  Meidenhad.^0) 

Es  ist  dies  eine  homilie  über  Ps.  XIV,  11:  Audi  filia  et 
inclina  aurem  tuam  etc.  Die  hss.,  welche  uns  erhalten,  sind: 
Titus  D.  XVIII,  80)  und  Bodl.  No.  34.  «i) 

XL  De  octo  viciis  et  de  duodecim  abusivis  hujus 
seculi.82)  —  Diese  abhandlung  ist  nach  einer  altags.  verfasst, 


'«)  Hickes  bd.  HI,  15—26. 
")  Ebend.  181. 
'«)  Vgl.  ebend.  p.  76. 

'*>)  Hg.  von  Coekayne,  Hali  Maidenhad  nach  der  Titus  hs.    Den  titel 
hat  Coekayne  erfunden. 
«>)  Hickes  III,  247. 
«0  Ebend.  p.  80. 
82)  Morris  a.  a.  o.  pag.  101— 119. 


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;  NEUANGELSÄCHSISCHE  SPRACHDENKMÄLER.  77 

i         welche  sich  bei  Morris  auch  abgedruckt  findet.  ®3)    Erhalten  ist 

i         die  nags.  schritt  in  Lambeth  ms.  487.^4) 

!  XII.    Sawles  war  de  ^^)  oder,  wieCockayne  es  nach  den 

anfangsworten  nennt;  Si  sciret  paterfamilias.  Drei  hss.  sind 
davon  bekannt:  Bodl.  ms.  No.  34.86)  Es  beginnt:  fol.  76^:  I  pe 
feaderes  and  i  }>e  sones  and  i  j^e  hali  gastes  nome:  her  be- 
ginneb  sawles  ward.    Si  sciret  paterfamilias  qua  hora  für  ven- 

I  turus  esset  vigilaret  utique  et  non  sineret  perfodi  domum 
suam.  Der  schluss  dieser  hs.  fehlt  von  fol.  84  ab.  Diese  hs.  hat 
Morris  seinem  drucke  zu  gründe  gelegt.  —  Den  schluss  gibt  er 

i         nach   der  hs.  Heg.  ms.  17  A  XXVII.  s')  _  Eine   dritte  hs.  ist 

I  Cotton.  Titus  D  18.  s^)  Diese  hs.  stimmt  abgesehen  von  mund- 
artlichen abweichungen  mit  den  andern  überein.     Sie  ist  voll- 

I         ständig,  nur  fehlt  natürlich  der  schreibervers  am  Schlüsse. 

XIII.    pe  wohunge  of  ure  laverd.^^)     Davon  ist  nur 

■         die  hs.  Titus  D  XVIII  bekannt.     Hickes  gibt  schon  nachricht 

[        darüber.  90) 

I  XIV.    Gebete  an  Jesus. 

Unter  XIX  und  XXI  hat  Morris  zwei  gebete^i)  an  Christus 
abgedruckt.  XIX  nach  Lambeth  487;  «2)  XXI  nach  Nero  A 
XIV.  9^)  Abgesehen  vom  anfange  ist  in  beiden  hss.  dasselbe 
gebet.     Doch  ist  XXI  vollständiger,  als  XIX.    Pag.  203  z.  10 

;  des  druckes  bricht  Lambeth  ms.  ab.  Doch  "Nero  ms.  ist  auch 
nicht  vollständig.  Der  schluss  fehlt.  —  Unter  XXIII  finden 
wir  bei  Morris  ein  andres  gebet  an  Christus  nach  Nero  A  XIV  fol, 

I         128»— 131a  abgedruckt.  »4) 


»3)  Ebend.  pag.  296—305. 
8*)  Hickes  bd.  III,  267. 
8*)  Morris  p.  245—267. 
8«)  Hickes  III,  80. 
8^  Vgl.  Morris  265  z.  23. 
«8)  Hickes  ffl,  247. 

89)  Morris  269—288. 

90)  Hickes  UI,  247. 

9')  Pag.  183  u.  pag.  200. 

92)  Vgl.  Hickes  III,  268. 

93)  Ebend.  228.  —  Planta  a.  a.  o.  205. 

9*)  Ebend.  Wanley  teilt  dieses  gebet  nochmals  in  zwei,  indem  er 
bei  der  stelle:  Swete  softe  iesu  iseli  beot5  petpe  luvieÖ  (Morris  215  z.  21) 
ein  neues  gebet  annimmt. 


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78  WÜLCKER, 

XV.  Marieiilied.95) 

Es  ist  in  alliteration  und  mit  reimen  oder  assonanzen  ge- 
schrieben.   So  der  anfang: 

Cristes  milde  moder  seynte  marie, 
Mines  lives  leome  mi  leove  lefdi, 
To  pe  ich  buwe  and  mine  kneon  ich  bege 
And  al  min  heorte  blöd  to  ]?e  ich  oflfrie 
pn  ert  mire  soule  liht  and  mine  heorte  blisse 
Mi  lif  and  mi  tohope  min  heale  mid  iwisse. 
Die. einzig  bekannte  hs.  dieses  liedes  istCotton.  Nero  A  XI V.^*^) 

XVI.  Gebet  an  Maria. ^7) 

Zwei  hss.  sind  uns  erhalten.  Eine  ist  die  schon  oft  er- 
wähnte Royal  Ms.  17  A27.  Doch  ist  hier  nur  ein  bruchsttick? 
welches  schliesst:  ant  te  unwuröe  wohes  )?at  he  for  us  sunfule 
willeliche,  ^s)     Vollständig  findet   sich   das   Gebet   Cott.  Nero 

A  xiv:«9) 

XVn.    Pater  noster  in  reimen. i<^ö)     , 
Es  steht  im  erwähnten  Lambeth  ms.  fol  21^ — 25*.     Der 
anfang  lautet  :^<^i) 

Pater  noster  qui  es  in  celis  etc. 

Ure  feder  ]?et  in  heovene  is, 

pet  is  al  soÖ  ful  iwis. 

XVIII.  Pater  noster  ^<>2)  ^nd  andere  glaubensfor- 
meln. 

Es  ist  von  Wright  nach  einer  hs.  Caius  College  zu  Cam- 
bridge gedruckt. 

XIX.  Credo. 

Eines  führt  Wanley  an,  welches  wol  in  diese  zeit  zu  setzen 
ist.^<^3)  Es  beginnt:  Credo  in  deum  ic  bileve  on  God  patrem 
omnipotentem  ]?ene    almihti    fader  und  schliesst:    }?o  gode  on 

9*)  Morris  a.  a.  o.  pag.  191—200. 
06)  Hickes  III,  p.  228. 
^  Morris  pag.  205—208  nach  Nero. 

^)  Abgedruckt  ist  das  bruchstück  Morr.  pag.  ao5.     Verglichen  mit 
der  Cott.  hs.  bricht  es  pag.  207  z.  2  bei  Morr.  ab. 
09)  Hickes  III,  228. 
««>)  Morris  pag.  55—72. 
»0»)  Hickes  m,  267. 

^^^)  Reliquiae  antiquae  ed.  by  Wright  and  Halliwell  I,  282. 
^^)  Hickes  III,  169.    Vgl.  jedoch  auch  das  anm.  122  gesagte. 


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NEüANGELSÄCHSISCHE  SPRACHDENKMÄLER.  79 

eche  blisse  and  wele  on  ure  loverd  Jhu  Criste  on  hevene.  pe 
uvele  on  eche  wope  and  pine  roid  pe  devel  on  eile  sowie  and 
licam  abuten  ende.  Ein  anderes  glaubensbekenntnis  enthält 
Cotton.  ms.  Nero  A  XIV.  ^^*)  Damach  hat  es  Morris  abge- 
druckt. i<^^)  Das  Credo  und  paternoster,  welches  in  den  reli- 
quiae  antiquae  mitgeteilt  wird,i<^<^)  ist  schon  dem  altengliscHen 
zuzuteilen. 

XX.    De  initio  creature.^^'') 

So  nennt  Morris  sehr  wenig  passend  eine  predigt  über 
den  stlndenfall  der  engel  und  menschen  und  die  erlösung  der 
kinder  Adams  durch  Christi  tod,  höllenfahrt  und  auferstehung, 
Erhalten  ist.  uns  dies  denkmal  in  mss.  Cott.  Vesp.  A  22**'«) 
fol.  54— 56b. 

XXL    Parabel  vom  reichen  könige.  ^^*) 

Morris  gibt  dieser  predigt  den  titel:  an  bispel.  Sie  findet 
sich  im  selben  cod.  wie  die  vorige,  fol.  56** — 58^. 

XXII.    Indulte  vos  armatura  dei.^^*^) 

Die  homilie  beginnt:  Ur  hlaford  sanctes  paulu»  pe  is  ]?eo- 
den  lareaw  us  maneÖ  and  menejeÖ  of  sume  wepne  to  nemene 
Jws  cweÖende:  Indulte  vos  armatura  dei.  —  Auch  dieses  werk 
steht  im  angefahrten  Cott.  ms.  58^.  —  Diese  homilie  ist  jeden- 
falls unvollständig.  Wanley  hat  dies  richtig  eingesehen,  Morris 
hält  sie  flir  vollständig,  ^i*)  Jedenfalls  hat  Wanley  recht,  denn 
die  homilie  endet:  pn  ahst  to  habben  ehte  wepnecin,  J>a  beoÖ 
sceold,  heim  and  brenie,  swrd  and  spere,  stede  and  twei 
Sporen  and  ane  smearte  gerd.  Hwic  scule  beon  ure  sceld? 
sanctus  paulus  hus  seiÖ:  In  omnibus  sumentes  seutum  fidei, 
in  quo  possitis  omnia  teia  nequissimi  (ignea)  extinguere.  — 
Hiermit  kann  die  homilie  nicht  geschlossen  haben. 


1«)  Hickes  bd.m  228. 

»05)  Morris  pag.  217. 

»06)  Rel.  antiquae  I  pag.  57  nach  Brit.  Mus.  Hari.  3724. 

»07)  Morris  217 — 231.  Es  ist  diese  homilie  wahrscheinlich  nach  einer 
homilie  Aelfrics  angefertigt,  die  betitelt  wird:  Sermo  de  initio  creaturae 
ad  populum.  In  so  fern  ist  der  gegebne  name  einigennaösen  gerecht- 
fertigt 

»08)  Hickes  III,  242. 

»09)  Morris  pag.  231—241. 

»»0)  Monis  pag.  241—243.    Der  text  findet  sich  Eph.  VI,  11. 

»»»)  Hickes  III,  242. 


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80  WÜLCKER 

XXIII.  Erant  appropinquantes-i^^) 

Es  ist  diese  homilie  wahrscheinlich  nach  einer  von  Älfric 
gearbeitet  „Dominica  IV  post  pentecosten ".  Die  nags.  ho- 
milie findet  sich  ebenfalls  Vespasian  A  22.  Wanley  erwähnt 
sie  nicht 

XXIV.  Quum  appropinquasset  ihesus  iereso- 
limam. 

Von  dieser  homilie  besitzen  wir  zwei  bearbeitungen. 
Sie  ist  für  den  palmsonntag  geschrieben.  Die  eine  version 
findet  sich  Lambeth  ms.  487.  i^^)  Hiernach  hat  sie  Morris 
gedruckt.  114)  Eine  andre  homilie  steht  Otho  A  13.  i^^)  Sie 
beginnt:  Ure  drihten  nechlende  his  passiun  isohte  )?reo  stedes 
J?ider  ward  and  }?et  was  ]?e  feorde.  Schluss:  J>et  he  lede  ey 
on  domes  dsei  into  hewenriche  ]?e  o  «chal  ileste.  Quae  nobis 
prestet  qui  seda  per  omnia  regnat. 

XXV.  Ecce  nunc  tempus  acceptabile,  ecce  nunc 
dies  salutis.iiß) 

Auch  hierüber  sind  uns  zwei  nags.  homilien  erhalten. 
Pie  eine  findet  sich  Trin.  Coli.  Cambr.ii^)  und  fängt  an:  pe 
hevenliche  leche  seinte  Poul  nimeÖ  geme  of  ure  sawle  sic- 
nesse  ]?et  ben  ure  'sinnes  ]?onged  wurse  him  and  minejeÖ 
US  bi  his  holie  write.  Schluss:  and  overcumen  at  ende  hem 
and  alle  J>e  }?ing  pset  us  to  sunne  teÖ.  Quod  ipse  prestare 
dignetur  q,  v.  etc.  Die  andre  bearbeitung  ist  im  Lamb.  ms., 
wonach  Morris  sie  veröflfentlicht  hat. 

-XXVI.   In  leinten  time  uwilc  mon  gaÖ  to  scrifte.ii^) 

Nur  im  Lambeth  ms.  uns  erhalten. 

XXVIL    In  diebus  dominicis.ii») 

Diese  betrachtung  über  die  heiligkeit  des  Sonntages  hat  uns 
auch  nur  das  Lambeth  ms.  überliefert. 


"-)  Morris  a.  a.  o.  pag.  243—245.  Wir  haben  hier,  wie  bei  der  vori- 
gen, nur  ein  bruchstück  vor  uns. 

»3)  Hickes  ÜI,  266. 

»J*)  Morris  1—11. 

"*)  Hickes  HI,  233. 

**^')  Morris  11—25  trägt  die  Überschrift:  Hie  dicendum  est  de  qua- 
dragesima. 

1")  Hickes  m,  170. 

"8)  Morris  25—41. 

"8)  Ebend.  41—47. 


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NEüANGELSÄCHSISCHE  SPRACHDENKMÄLER.  81 

XXVIIL    Missus  est  Jeremias  in  puteum  etcJ'^^) 
Ebenfalls  nur  in  der  Lambeth  hs. 

XXIX.  Tria  sunt  hominum  saluti  necessariä,  fides, 
baptismus,  mundicia  vite.  Diese  erklärung  des  glaubensbe- 
kenntnisses  ist  im  Lambeth  ms.  unvollständig.  ^2^)  Morris  be- 
merkt zwar  nichts  darüber,  doch  ist  es  ganz  klar.  Eine  zweite 
hs.  Trinit.  ColL  geht  viel  weiter  und  bietet  wahrscheinlich 
einen  vollständigen  text.  ^22) 

Endlich  gibt  es  noch  eine  hs.  Otho  A  13,  welche  vielleicht 
dieselbe  abhandlung,  wenn  auch  etwas  abweichend,  enthält,  ^^s) 
Leider  ist  aus  Wanleys  dürftigen  angaben  nichts  zu  sehen. 
Sie  beginnt;  Unicuique  hominum  etc.  Biforc  alle  ]?ing  J^reo 
)?ing  beoÖ  efric  man  helwur}>>e  and  erest  bihoveÖ  to  habbe.  — 
Diese  homilie  ist  jedenfalls  vollständig,  denn  sie  schliesst:  }>et 
we  mote  eche  riebe  habbe  0  0  bute  eiide.  Qui  vivit  etc.  — 
Leicht  können  gelehrte  in  England  feststellen,  wie  sich  diese 
homilie  zu  den  zwei  andern  verhält. 

XXX,  Vom  barmherzigen  Samariter. ^24) 

Dies  stück  beginnt:  Homo  quidam  descendebat  ab  ierusa- 
lem  in  ierico  etc.   Nur  im  Lambeth  cod.  ist  es  uns  erhalten.  ^25) 

^^)  Ebend.  47 — 54,  Überschrift:  Hie  dicendum  est  de  propheta. 

121)  Morris  nach  Lambeth,  also  jedenfalls  nach  der  unvollkommensten 
hs.,  pag.  73—78.  —  Hickes  III,  169. 

1^)  Vollständig  ist  der  text,  wenn  wir  die  drei  von  Wanley  unter 
V — VII  incl.  gegebenen  stücke  zu  einer  homilie  verbinden.  No.  VIdas 
credo  gehört  jedenfalls  zu  V  und  entspricht  Morris  p.  75  z.  25  ff.  Es 
schliesst:  )7e  gode  on  eche  blisse  and  wele  mid  ure  loverd  JhuCriste  on 
hevene.  ^e  uvele  on  eche  wope  and  pine  mid  )7e  devel,  on  eche  (so  ist 
wol  statt  Wanleys  „eile"  zu  lesen)  sowie  and  licam  abuten  ende.  Hier- 
mit ist  jedenfalls  die  erklärung  des  credo  beendet,  doch  hat  sich  sehr 
wahrscheinlich  die  von  Wanley  unter  VII  gegebene  erklärung  des  pater- 
noster  daran  geschlossen.  Anfang;  Pater  noster  etc.  }7u  singest  ]>e  salm 
pe  me  clepetJ  crede  |7U  seist  }?aet  on  gode  bilevest  and  dost  cnovnesse  )?aet 
he  is  laverd,  ac  Joanne  ]>u  singest  ^e  salm  )7aet  is  cleped  pater  noster. 
Schluss:  Ac  lese  us  loferd  of  his  egginge  and  of  alle  uvele.  Amen. 
Swo  hit  wurtJe.  —  Hiermit  scheint  diese  homilie  geschlossen  zu  haben. 
Diese  meinung  bestätigt  auch  der  umstand,  dass  nun  sowol  im  Lambeth 
cod.  als  im  Trin.  Coli,  codex  „in  die  natalis  Domini"  folgt. 

123)  Ebend.  233. 

*2*)  Morris  hat  es  unter  der  wenig  bezeichnenden  benennung:  „De 
natale  domini"  pag.  79—86  abgedruckt. 

125)  Hickes  IE,  267. 


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82  WÜLCKER 

XXXL    Pfiiigstpredigt.126) 

Nur  im  Lambeth  cod.  12?)  Sie  fängt  an:  fram  )?an  halie 
bester  dei  bob  italde  fifti  daja  to  )>isse  deie  and  )?es  dei  is 
ihaten  pentecostes. 

XXXIL  Faetus  est  filius  dei  omnibus  sibi  ob- 
temperantibus  causa  salutis  eterne.^^s) 

Diese  homilie  ist  nach  Älfric  gearbeitet.  ^29)  gj^  gteht  im 
Lambeth  cod. 

XXXIII.  Christus  passus  est  pro  nobis,  relinquens^ 
exemplum.130) 

Auch  diese  betrachtung  ist  nur  im  Lambeth. 

XXXIV.  Qui  parce  seminat  parce  et  metet.^^^) 
Diese  homilie  findet  sich  unter  der  bezeichnung:  deSancto 

Laurentio  im  ms.  Trin.  Coli.  Cambr.^^i)  Eine  andere  hs.  ist 
der  Lambeth  cod.,  wonach  Morris  die  schrift  veröffentlicht  hat.  ^^^) 
Der  anfang  beider  hss.  stimmt  ziemlich  überein,  das  ende  hin- 
gegen geht  auseinander. 

XXXV.  ßeverenda  est  nobis  hec  dies  sancta  que 
dicitur  dominica-*^^) 

Ausser  dem  gegenstände  hat  diese  homilie  nichts  mit 
XXVII  gemein.  Zwei  hss.  sind  uns  erhalten:  1.  Lambeth  ms. 
2.  Cott.  Otho  A  13.135)  Die  anfange  stimmen  fast  wörtlich, 
der  schluss  der  Cott.  hs.  lautet:  )?ider  mote  we  cume  |?ar  is 
wane  of  alle  ifel  and  fiUe  of  iche  gode.  Lambeth  hat  hier 
noch  latein  eingemischt. 

XXXVI.  Qui  vult  venire  post  me  abneget  semet 
ipsum  etc.  13^) 

Diese  abhandlung  wird  bewahrt  im  Lambeth  ms.  und  im 

*26)  Morris  gibt  sie  unter:  in  die  pentecosten  pag.  87— -101. 

^27)  Hickes  III,  267. 

^28)  Morris  119—125  als:  dominica  V  quadragesimae. 

^29)  Morris  XI. 

*^)  Ebend.  pag.  125—131  als:  dominica  II  post  pascha. 

^30  Morris  pag.  131—139. 

»32)  Hickes  171. 

>33)  Hickes  268. 

»»0  Morris  p.  139—145. 

135)  Hickes  233. 

13«)  Morris  p.  145—150.  —  Hickes  172. 


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NEUANGELSÄCHSISCHE  SPRACHDENKMÄLER.  83 

oben  erwähnten  ms.  Trin.  ColL  Cambr.     Beide  mss.  stimmen 
ziemlich  mit  einander.    Endlich  im  Otho  A  IS.i^') 

XXXVII.  Estote  fortes  in  belle  et  pugnate  cum 
antiquo  serpentc^^^) 

Drei  hss.  dieser  homilie  sind  bekannt:  1.  Trin.  Coli. 
Cambr.  139)  2.  Lambeth  ms.  3.  Cott.  Otho  A  13.  i^o)  Die  letzte 
hs.  hat  den  schluss  etwas  verändert:  Mid  j^is  wepne  was 
David  iscryd  po  ]>o  he  Goliam  his  unwine  ofer  com,  two  wile 
God  ]?at  we  ure  mohte. 

XXXVIII.  Euntes  ibant  et  flebanti^O 

Im  Otho  A  13  ms.  fuhrt  diese  homilie  den  titel:  „Sermo 
de  jacobo  apostolo".!*^^  Ebenfalls  ist  diese  schritt  auch  im 
Lambeth  ms.  erhalten.  Beide  hss.  stimmen  ziemlich  mit  ein- 
ander. Eine  dritte  hs,  ist  die  des  Trin.  Coli.,  die  dem  Cott. 
zunächst  steht. 

XXXIX.  Maria  virgo  assumpta  est  ad  ethereum 
thalamum.  1^3) 

Diese  homilie  ist  uns  nur  in  dem  schon  Ott  erwähnten 
Cambr.  cod..  Trin.  Coli.  B,  14,  52  erhalten.  1^4) 

XL.  Nox  precessit,  dies  autem  appropinquabit.**^) 
Der  Trin.  cod.  bringt  diese  abhandlung.  ^*^) 
Hiermit  ist  die  zahl  der  in  zugänglichen  drucken  veröffent- 
lichten nags.  denkmäler  gesclilossen.  Es  folgen  nun  die  un- 
edierten.  Für  die  homilien  sind  zwei  hss.  wichtig.  Die  erste 
ist  Cambr.  cod.  B.  14.  Diese  will  Morris  flir  dieEarly  T.Soc. 
herausgeben.  1*^)    Die  andreist  eine Cöttoniana,  OthoA,  13. i*^) 

"^)  Als  sermo  de  martiribus  bezeichnet  Otho  diese  homilie  (vgl. 
Hickes  233).    Cambr.  ms.  stimmt  genau  mit  Lambeth. 

"8)  Morris  151—157. 

139)  Hickes  172.  *«>)  Ebend.  233. 

1*0  Ebend.  pag.  155—159. 

1«)  Hickes  233. 

1«)  Rel.  antiqu.  bd.  I  pag.  128. 

»«)  Hickes  III,  171. 

"0  Röl-  siiit'  ebend.  pag.  130  betitelt:  Dominica  tertia. 

1«)  Hickes  Uli  169. 

»*7)  Vgl.  Morris  XV.  Es  sollen  die  homilien  der  Cambr.  hs.  den 
zweiten  teil  der  „OldEnglish  homilies"  bilden.  Nach  dem  „Eigth  report 
of  the  Committee,  January  1872-*  pag.  6  ist  das  werk,  welches  durchaus 
notwendig  für  die  kenntnis  des  nags.  ist,  fast  fertig  gedruckt. 

1«)  Hickes  HI,  233. 


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84  WÜLCKER 

Das  Cambridge  ms.  enthält  ausser  den  schon  ange- 
fahrten i49): 

XLL  Apparuerunt  apostolis  dispartite  lingue  tan- 
quam  iguis.  ^^o)    d^,.  anfang  lautet: 

)?o)>e  ure  loverd  Jhu  Crist  fundede  lichamliche  fro  eorÖe 
(Wanley:  eceSe)  tohevene  heforbedhis  ap.  andhireholi  ferre- 
den  podi  hie  neren  noht  sorie. 

XLIL    Ambulans  Jhc  juxta  mare  Galilee. i^^) 

Anfang:  pe  holi  godspel  of  )>is  dei  specÖ  of  ure  helend 
and  of  two  broÖren,  J^aet  on  is  S.  P.  and  psdt  oÖer  S.  Andrew 
and  seiÖ  psdi  ure  helende  giede  bi  ]>e  se. 

XLIII.    Convertimini  ad  mein  toto  corde  vestro.*^^) 

Anfang:  Non  eorÖliche  fader  ne  moder  haveÖ  sva  milde- 
lieorte  to  hire  life  child  swo  ure  he  venliche  fadr  haveÖ  to  us. 
J?onkeÖ  wuröe  him. 

XLIV.  Cum  inimundus  [spiritus  ab  homine  exierit, 
vadit  per  loca  arida.  i^^) 

])G  loverd  Seint  Matten  specÖ  on  his  holi  godspel  of  pe 
grimliche  wordes  pe  ure  haelend  at  sume  time  gaf  to  andswere  . 
pQ  unbilefde  ludeuische  men. 

XLV,  Dominus  de  celo  prospexit  super  filios 
hominum.  i'^4) 

pe  holi  prophet  DaviÖ  seiÖ  on  ane  stede  on  pe  salmboc 
pe  wordes  pe  ich  her  nu  seide.  J>er  he  specÖ  of  pe  mildhert- 
nesse  pe  ure  loverd  Jhu*  Crist  doÖ  men. 

XLVL  Ecce  venit  rex,  occuramus  obviam  salva- 
tori  nostro.  1^^) 

To  dai  is  cumen  pe  holie  tid  ]?8et  me  clepe)?  advent,  )>an- 
ked  be  ure  loverd  Ihn  Crist  )?it  haveÖ  isend  and  hit  lasteÖ  )?re 
wuke  fülle  and  sum  del  more. 


1«)  Ebend.  pag.  169—172. 

150)  Ebend.  171  mit  der  bezeichnung:  in  die  pentecostes: 

151)  Ebend.  überschrieben:  de  sancto  andrea. 

152)  Ebend.  170  bezeichnet:  in  capite  ieiunii. 

153)  Ebend.  betitelt:  in  media  Xea. 
15*)  Hickes  III,  171. 

155)  Ebend.  169.    Es  ist  dort  bezeichnet:  „de  adventu". 


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NEUANGELSÄCHSISCHE  SPRACHDENKMÄLER.  85 

XLVII.  Ego  vox  clamantis  in  deserto,  parate  viam 
dominiJ^^) 

)>e  loverd  Seint  lucas  guittinneÖ  (?)  on  .his  ]>e  wunderliche 
hiderkume  and  pe  eorölich  herbiwist  and  ]?e  wunderHche  heÖen 
siS  of  ure  loverd  Seint  Johan  Baptiste. 

XLVIIL    Egredietur  virga  de  radice  Jesse.^^^) 

An  ^erd  sal  spruten  of  Josse  more  and  an  blosme  stien  of 
J>are  more  and  uppe  ]?are  blosme  resten  pe  holie  gost. 

EKL.    Elevatus  est  sol  in  celum.^^^) 

pe  holi  prophete  Abacuc  pe  wunede  (W.  wundede)  on  ]?is 
weorlde  and  eft  )?er  of  wot  feie  hundred  wintre  er  pe  time  pe 
ure  drihten  unterstod  manisshe. 

L.    Estote  prudentes  et  vigilate  in  orationibus. i^^) 

pe  hevenliche  keyhirde  Seinte  peter  iseih  padt  ure  eldren 
hadden  feie  fon^and  we  habbeÖ  alswo  pe  ben  al  to  snelle 
(W.  smiele)  on  swikedom. 

LI.  Ha3C  est  dies  quam  fecit  dominus,  exultemus 
et  letemur  in  ea.  ^^o) 

J?is  dei  haveÖ  ure  drihten  makeÖ  to  gladien  and  to  Wissen 
US.  )?onked  wuröe  him. 

LII.    Hora  est  jam  nos  de  sompno  surgere.*®^) 

pe  laverd  seinte  Powel  pe  is  heved-lor)?eov  (W.  LorÖeau) 
of  alle  holie  chirechen  bihield  )?is  wrech  woreld  and  sajh  p3dt 
mast  mannen  ladden  hire  lif  on  sinnen  and  j^aet  hem  likede 
here  lodliche  sinnes. 

LIII.  Inter  natos  mulierum'non  surrexit  major 
Johanne  Bapti8ta.i62) 

An  li^er  man  ofte  ligeÖ  and  a  soÖsage  man  seiÖ  ofte  soÖ. 
)>e  nevre  ne  lihgh  ne  lige  ne  wite  ne  ne  mai  ]?at  is  ure  haelende. 

LIV.    Libera  nos  domine  de  morte  eterna.^®^) 

pe  lifholi  man  Job  pe  pe  boc  of  specÖ  and  seiÖ:  erat  vir 
ille  Simplex  et  justus  etc. 

***)  Ebend.  171,  betitelt:  de  Sco  Johanne  Baptista. 

«')  Ebend.  172,  ohne  titel. 

^^)  p.  171,  benannt:  In  ascensione  domini. 

«»)  p.  172.  titel  f«hlt. 

***)  p.  170  bezeichnet:  In  die  pasche. 

*®0  P- 169  als  Dominica  11  in  adventu. 

*®^)  p.  171  ohne  bezeichnnng. 

*«^)  Hickes  III,  171  ist  tiberschrieben:  de  defunctis. 


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86  WÜLCKER 

LV,    Natus   est  nobis  salvator  qui  est  Christus. ^^) 
Gode  tiöinge  and  murie  to  heren  us  telleÖ  J?e  loverd  seinte 
lucas  on  }>e  holie  godspelle. 

LVI.  Mulier  que  erat  in  civitate  ijomine  Marie 
jam  penitens.^®^) 

pe  laverd  S.  L,  pe  irenned  psdt  holi  godspel  pe  men  raed 
in  holie  chiriche  seiÖ  )>ar  on. 

LVIL  Obtulerunt  pro  eo  domino  par  turturarum."®) 

To  dai  man  mai  iheren  he  )?e  wile  wich  J>eaw  wes  on]?e 
olde  la je  mid  wimmen  on  J?re  )?inges,  )?8et  on  is  childbed,  and 
]?set  oÖer  chirchganj  and  pe  )?ridde  pe  offrinj. 

LVIIL  Omne  datum  Optimum  et  omne  donum  per- 
fectum  desursum  est.^®'^) 

Seint  Jacob  pe  holie  apostel  pe  ure  drihten  sette  to  lor- 
]?eove  pe  folc  of  Irslm.  he  nam  jeme  of  pe  wune  pe  weren  ]?o. 
LIX.    Posuerant  peccatores  laqueum  mihi.^^^) 

pe  sinfuUe  haveÖ  leid  game  me  to  beuten  and  ich  ne 
forlet  )?ine  bode.  Ure  fo  fareÖ  and  hunteÖ  and  leid  game 
in  a  wildemesse  to  heuten  pe  deor  pe  wunieÖ  )?er  inne. 

LX.  Preoccupemus  faciem  domint  et  in  psalmis 
jubilemus  ei.^^^) 

pe  holie  prophete  DaviÖ  munegeÖ  us  on  pe  sealmboc  to 
berewen  )?isse  (W,  berejentis  pe)  wile  pe  we  mugen. 

LXL  Quömodo  cantabimus  canticum  domini  in 
terra  aliena.^^^) 

pe  holie  prophete  David  spec]?  on  pe  sealmboc  and  on  a 
stede  ]>eron  muneje)?  sume  of  pe  wordes  pe  weren  spoken 
bitwinne  two  folkes. 

LXIL  Reges  Tharsis  et  insule  munera  Offerent, 
reges  Arabum  et  Sabae  dona  adducent^"^*) 


^**)  Ebend.  170  als:  in  die  natali  domini. 

»65)  Führt  den  titel:  Maria  Magdalena.    Hickes  171. 

*^)  Ebend.  170  ist  sie  benannt:  purificatio  Mariae. 

16^)  Ebend.  171. 

»««)  Ebend.  172. 

*6»)  Hickes  III,  170  ohne  titel. 

"0)  Ebend. 

*^')  Ebend.  als  „de  epiphania**  bezeichnet. 


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NEUANGELSÄCHSISCHE  SPRACHDENKMÄLER.  67 

Mid  mede  man  mai  over  water  faren  and  mid  weldede 
ofgive  frend  wuertlie. 

LXIII.     Stetit  Jesus    in   medio    discipulorum    su- 

We  reden  on  pe  holi  godspel-boc  p9dt  ure  holende  }?rovede 
on  )^e  holi  rode  and  deaöe  ]>olede  and  mid  his  eheliche  dea5e 
lesde  US  of  deaöe. 

LXIV.  Turbe  que  precedebant  Dominum  et  que 
seqücbantur  clamabant  dieentes:  Osanna.^"^^) 

It  is  eustume  psdi  ech  chirchsocne  goÖ  J^is  dei  a  procession 
and   J>i8   wune  haveÖ   pe   bejinnigge   of  pe  holie   processiun 
l^e  ure  helende  makede  toward  te  stede  J>er  he  wolde  deÖ  J^olen. 
Otho  A  13  enthält  folgende  homilien: 
LXV.    A^paruit  beni'gnitas  et  humanitas.^'''*) 
Iwrn  US  was  gesvuteled  ]?urh  vitegie  and  erendrache  J>at 
god  wolde  man  bimmeal  for  ure  sache. 

LXVI,     Cum  natus   esset  Jesus  in   Beethlehem 

Jude.  175) 

God  almihti  pe  his  fader  and  sune  and  holi  gost  on  ]>reo 
wise  to  dai  his  michele  mihte  swatelede. 

LXVIL    Ego  sum  panis  vivus.^'^^) 

Ure  drihten  spech  on  one  stede  on  paa  holie  godspelle. 

LXVIIL    Intravit  Jesus  in  quoddam  castellum.^^'^) 

Lucas  pe  godspellere  pe  trehnede  pe  holie  godspel  of 
)>i8se  dei. 

LXIX.    Mulierem  fornicantem  recepi.'^^) 

Ure  drihte  pe  ^ef  boöe  pe  olde  laje  and  pe  newe.  — 
Das  Verhältnis  dieser  homilie  zu  LVI  ist  noeh  zu  untwsttohen. 

LXX.    Qu>e  est  ista  que  ascendit.^''*) 

pe  hevenliche  cwen  ure  lefedi  Seinte  marie  heveÖ  fif  feste 
inne  twelf  monaÖ. 

Mit  der  ersten   bei  Wright  .und  Halliwell    abgedruckten 

"2)  Diese  homilie  führt  weiter  keinen  titel. 

^")  Hickes  170,  bezeichnet:  Dominica  Palmarum. 

"*)  Ebend.  233,  „in  die  nataili  domini"  tiberschriebön. 

"*)  Hickes  III,  233-    Als  „sermo  in  epiphania  domini"  aufgeführt. 

"ß)  Ebend.  ohne  titel.    —    »")  Ebenfalls  ohne  titel. 

^^)  ßiEffmo  de  Idarla  Magdalena  benannt. 

"*)  Als  sermo  beate  virginis  von  Wanley  angegeben. 


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88  WÜLCKER 

homilie  (vgl.  oben  XXXIX)  hat  hier  diese  nichts  zu  tun,  wenn 
auch  sie  sich  im  inhalte  nahe  berühren. 

Hiermit  schliessen  wir  die  Übersicht  der  nags.  denkmäler. 
Wanley  führt  jioch  einige  mehr  an.  Doch  wie  es  sich  mit 
der  nags.  evangelienübersetzung  verhält,  haben  wir  oben  pag. 
76  gesehen.  Ein  angeblich  lateinisch-neuags.  glossar  ist  erst 
noch  zu  untersuchen,  in  welche  zeit  es  gehört.  Wanley  sagt 
nm»^i8o)  es  sei  „ante  quingentos  annos"  geschrieben. 

Schliesslich  führt  Wanley  i^O  noch  aus' Cott.  Calig.  A  IX, 
also  aus  derselben  hs.,  welche  die  hs,  A  des  Lagamon  und 
eine  hs.  der  eule  und  nachtigal  enthält,   ein  gedieht  an:   „de 
morte,  judicio  et  de  poenis  infernis"  als  nags.    Es  beginnt: 
Non  mai  longe  lives  wene 
Ac  ofte  him  lieÖ  pe  wrench, 
Feir  weÖer  turneÖ  oft  into  reine 
And  wunderliche  hit  makeÖ  his  blench  etc. 
Madden  setzt  dieses  mss.  bekanntlich  in  die  erste  hälfte 
des  13.  jh.     Doch  dürfen  wirj  es  dann  gewis  nicht  viel  vor 
1250  entstanden  denken.     Denn  das   gedieht  zeigt  keine  ent- 
schieden alte  formen,  ausserdem  ist  die  reimstellung: 

ababbaab 
doch  schon  eine  sehr  künstliche,  während  sonst  nags.  nur  paar- 
weise gereimt  wird.     Besser  wird  es  also  in  spätere  zeit  zu 
setzen  sein. 

Die  neue  ausgäbe  von  Warton's  literaturgeschichte  (ed.  by  Hazlitt, 
London  1871,  4  voll.)  wurde  bei  unsrer  darstellung  noch  nicht  benutzt. 
Doch  gibt  dieselbe  auch  nichts  neues.  Nur  ist  das  in  anm.  6  gesagte 
teilweise  zurückzunehmen,  indem  viel  Verbesserungen  jetzt  in  den  text 
aufgenommen  sind.  —  Die  denkmäler,  welche  Craik  (a  compendious  hi- 
story  of  English  literature  from  the  Norman  conquest,  2  voll.)  anführt 
pag.l93flf.,  aus  Ritsons  anc.  songs,  also  das  lied  von  Canut,  die  worte 
Aldreds  u.  a.  sind  hier  absichtlich  übergangen,  weil  sie  sehr  zweifelhafter 
natur  sind.  Nur  die  Godric  zugeschriebenen  zeilen  dürften  noch  hierher 
gehören. 

Nachdem  ferner  die  neue  ausgäbe  von  Mätzners  Englischer  gram- 
matik  erschienen,  ist  das  in  anm.  14  gesagte  etwas  zu  modificiren,  vgl. 
Mätzner  2.  aufl.  I.  teil,  1.  abt.  pag.  7  oben. 


iw)  Hickes  ÜI,  84,  ms.  der  Bodleiana.    —    »si)  Hickes  III,  229. 
LEIPZIG.  RICHARD  WÜLCKER. 


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'7/, 


LEGENDEN  UND  SAGEN  VON  PILATUS. 


Wenn  auch  die  legende  von  Pilatus  keine  eigentlich  volks- 
tümliche sagenbildung  ist,  so  hat  sie  doch  so  viele  merkwür- 
dige, für  die  ganze  anschauungsweise  des  mittelalters  interes- 
sante Züge  in  sich  aufgenommen,  dass  eine  eingehendere  Unter- 
suchung ihrer  entstehung  um  so  lohnender  erscheint,  als  eine 
solche  bis  jetzt  noch  nicht  geführt  worden  ist.  Massmann  hat 
zwar  bereits  in  den  anmerkungen  zur  kaiserchronik  ^)  viele  ein- 
zelne notizen  über  die  sage  gesammelt,  jedoch  ist  diese  Samm- 
lung bei  weitem  noch  nicht  erschöpfend  und  in  manchen  ein- 
zelnen punkten  nicht  ganz  genau;  auch  hat  Massmann  es  wol 
an  dieser  stelle  gar  nicht  darauf  abgesehen,  die  art  und  weise, 
wie  die  sage  allmählich  entstanden  ist,  darzustellen.  Ebenso- 
wenig ist  in  Du  M^rils  aufsatz  über  Judas  Ischarioth  und  Pi- 
latus 2)  eine  eingehendere  darstellung  der  sage  enthalten,  auch 
hier  sind  im  wesentlichen  bloss  einzelne  notizen,  namentlich 
aus  altfranzöBischen  quellen,  beigebracht. 

Bei  der  ausserordentlichen  Verbreitung  unserer  legende  und 
bei  den  mannigfaltigen  lokalen  traditionen,  welche  sich  an 
dieselbe  knüpfen,  darf  es  uns  nicht  wundem,  dass  kaum  eine 
darsteUung  unserer  sage  erhalten  ist,  die  nicht  irgend  welchiö, 
mehr  oder  weniger  erhebliche  abweichungen  von  den  übrigen 
darstellungen  enthielte.  Die  allgemeinste  Verbreitung  hat  die 
sage  jedoch  ungefähr  in  der  folgenden  gestaltung  gefunden: 

In  Mainz  lebte  einst  der  könig  Atus,  der  in  der  stemdeu- 
tung  sehr  erfahren  war.  Als  derselbe  sich  einst  auf  der  jagd 
befand,  las  er  in  den  stemen,  dass,  wenn  eine  frau  in  dieser 


*)  Massmann,  kaiserchronik  III.  594.. ff.  Pilatus  Schicksal.  —  cf.  573. 
ff.  Veronika. 

*)  Du  M^ril.    Poesies  populaires  latines  du  moyen  äge.  315.  ff. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutachen  spräche.    I.  7 


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90  CRElZENACH 

stunde  von  ihm  empfange,  sie  ein  kind  zur  weit  bringen  werde, 
welches  einst  über  viele  länder  und  menschen  mächtig  sein 
werde.  Da  er  gerade  weit  von  hause  entfernt  war,  gab  er 
seinen  jagdgenossen  den  auftrag,  ihm  ein  mädchen  aus  der 
gegend  zuzuführen,  in  welcher  sie  sich  gerade  befanden.  So 
wurde  ihm  Pila,  die  tochter  eines  in  der  gegend  wohnenden 
müUers  zugeführt.  Nach  einiger  zeit  gebar  diese  einen  knaben 
und  nannte  ihn  nach  ihrem  und  des  königsAtus  namen  Pilatus; 
in  einigen  Versionen  der  sage  wird  auch  erzählt,  dass  der  könig 
Tyrus"^)  geheissen  habe  und  dass  Pilatus  die  zweite  hälfte  seines 
namens  dem  vater  der  Pila  verdanke.  Nach  verlauf  einiger 
jähre  schickt  Pila  den  Pilatus  an  den  hof  seines  vaters.  Dort 
entzweit  er  sich  mit  einem  andern  söhne  des  königs  und  tötet 
ihn.  In  folge  dessen  entfernt  ihn  der  könig  von  seinem  hofe 
und  schickt  ihn  als  geisel  nach  Rom.  Dort  gerät  er  widerum 
nach  einiger  zeit  mit  einem  fürstensohne  *)  in  streit  und  er- 
schlägt denselben,  wofür  ihn  die  Römer  zur  strafe  in  das  land 
Pontus  schicken,  dessen  einwohner  sich  den  Römern  nicht  unter- 
werfen wollten;  Pilatus  jedoch  bezwingt  das  land  und  erhält 
daher  den  namen  Pontius  Pilatus.  Nachdem  er  das  unterjochte 
land  eine  Zeitlang  beherscht  hatte,  hört  Herodes  in  Palaestina 
von  seinen  herschertalenten  und  ernennt  ihn  zu  seinem  mitre- 
genten.  Pilatus  verdrängt  in  dieser  Stellung  sehr  bald  den 
Herodes.  Hierauf  schildert  die  legende  das  auftreten  Christi 
und  das  Verhältnis  des  Pilatus  zu  demselben. 

Um  diese  zeit  leidet  zu  Rom  derkaiser  an  einer  schweren 
krankheit,^)  kein  arzt  weiss  ihm  zu  helfen.  Da  hört  er  von 
Christo,  der  alle  krankheiten  auf  wunderbare  weise  heile  und 
schickt  einen  boten,  Volusianus,  an  Pilatus,  damit  dieser  ihm 

^)  In  einer  handschrift  der  lat.  prosaerzählung  heisst  er  Cyrus  (Du 
M^ril  359.  anm.) 

*)  Nach  dem  lat.  gedichte  (cf.  Du  M6ril  pag.  343  ff.  Mone,  anzeiger 
1835.  425.  ff.)  ein  englischer,  sonst  meist  ein  französischer  königssohn. 
Das  deutsche  gedieht  nennt  ihn  Paynus  (Massmann,  deutsche  gedichte 
des  12.  jhdt.  pag  165  ff.),  die  französische  prosa  (Du  M^ril.  pag.  359.  ff.) 
nennt  ihn  Paginus,  fils  Pagini. 

5)  An  dieser  stelle  gehn  die  Überlieferungen  sehr  auseinander.  Am 
häufigsten  werden  Tiberius,  Vespasian  und  Titus  genannt,  selten  Nero 
oder  Caligula.  Auf  diese  Variationen  werde  ich  weiter  unten  zurück- 
kommen. 


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LEGENDEN  UND  SAGEN  VON  PILATUS.  Öl 

Christum  sende.  Der  böte  triflft;  Veronika,  die  ihm  erzählt, 
dass  Christus  nicht  mehr  lebe,  sich  aber  erbietet,  mit  ihrem 
wundertätigen  schweisstuche  den  kaiser  zu  heilen.  So  reist 
der  böte  mit  Veronika  nach  Rom  und  führt  Pilatus  als  den 
hauptschuldigen  am  tode  Christi  gefangen  mit  sich.  Der  kaiser 
wird  geheilt,  ist  sehr  erzürnt  über  Pilatus,  wird  aber  jedesmal, 
sobald  derselbe  vor  ihm  erscheint,  wider  günstig  gestimmt  Da 
stellt  sich  heraus,  dass  Pilatus  mit  dem  wundertätigen  rocke 
Christi  bekleidet  ist.  Sobald  er  diesen  rock  ausgezogen  hat, 
verurteilt  ihn  der  kaiser  zum  tode,  Pilatus  aber  bringt  sich 
vor  der  Verurteilung  selbst  um.  Sein  leichnam  wird  in  den 
Tiber  geworfen,  da  er  aber  dort  stürm  und  ungewitter  veran- 
lasst, schafft  man  ihn  zuerst  nachVienne  und  von  da  in  einen 
see  hoch  in  den  Alpen. 

In  den  ersten  zeiten  des  Christentums  wird  Pilatus  durch- 
aus nicht  so  ungünstig  dargestellt,  wie  in  der  legende.  Man 
legte,  wie  Du  M6ril  bemerkt,  grosses  gewicht  darauf,  die  mei- 
nung  des  richters  Christi,^)  der  über  alle  umstände  genaue 
kenntnis  haben  muste,  als  dem  Christentum  günstig  darzustellen. 
Unter  dem  einflusse  dieser  bestrebung  entstand  die  erzählung 
von  einem  berichte  des  Pilatus  an  den  kaiser,')  in  welchem 
derselbe  die  Verurteilung  Jesu  ganz  in  christlichem  sinne  dar- 
stellt Ebenso  soll  der  Vorgänger  des  Pilatus,  Lentulus  —  in 
Wirklichkeit  hiess  derselbe  Valerius  Gratus  —  einen  brief  nach 
Rom  geschickt  haben,  in  welchem  er  Christum  sehr  lobt  und 
namentlich  seine  äusserliche  erscheinung  sehr  ausführlich  be- 
schreibt *)  In  derselben  weise  wird  auch  Tiberius  bereits  sehr 
früh,  schon  von  TertuUian,  ^)  als  anhänger  des  Christentums  ge- 
schildert. Später  bildete  sich  sogar  die  sage  aus,  er  habe  das 
volk  zum  Christentum  gezwungen  und  habe  alle  heidnischen 
tempel  niederreissen  lassen,  sei  aber  von  der  aufgeregten  menge 
getötet  und  in  den  fluss  geworfen  worden,  der  vorher  Albanus 


•)  Du  M6ril  pag.  340. 

^  cf.  evangelia  apocrypha  ed.  Tischendorf.  —  Lipsius,  die  Pilatusacten 
kritisch  nnterBucht.  Kiel.  1871.  —  Calmet,  dictionnaire  de  la  bible  ed.  Migne 
m.  1155.  ff. 

*)  Herzog,  realencyclopädie,  art.  Lentulus. 

•)  Lipsius.  pag.  19. 

7* 


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92  CREIZENACH 

hiess,  dann  aber  nach  ihm  Tiber  genannt  wurde.  ^^)  Die  kop- 
tischen Christen  halten  den  Pilatus  sogar  fttr  einen  heiligen, 
der  den  märiyrertod  erlitten  habe.  In  ähnlichem  sinne  wird 
der  tod  des  Pilatus  und  seiner  frau  in  der  jtaQaöocig  HUdrov 
erzählt") 

Nach  dem  siege  des  Christentums  hatte  man  nicht  mehr 
nötig,  sich  um  so  problematische  zeugen  der  christlichen  kirche 
zu  bemühen.  Man  erkannte  mit  unbefangenerem  blick,  wie 
wenig  veranlassung  die  heilige  schrift  zu  einer  so  günstigen 
beurteilung  des  Pilatus  bietet  und  von  diesem  gesichtspunkte 
aus  entstand  dann  die  legende  von  der  Verurteilung  und  dem 
tode  des  Pilatus.  Die  bildung  der  legende  wurde  erstens,  wie 
die. aller  christlichen  legenden,  dadurch  unterstützt,  dass  das 
neue  testament  im  gegensatz  zum  alten  testamente  so  wenig 
eigentlichen  erzählungsstoff  enthält;  dann  aber  auch  dadurch, 
dass,  während  sonst  in  der  bibel  und  namentlich  im  alten 
testamente  kaum  eine  einzige  sünde  oder  ein  einziges  vergehen 
erwähnt  wird,  dem  nicht  auch  eine  bestimmte  zeitliche  strafe 
auf  dem  fusse  folgt,  in  unserm  falle  von  einer  solchen  strafe 
in  der  bibel  nicht  die  rede  ist. 

Jedoch  auch  abgesehen  von  diesen  allgemeineren  rücksichten 
ist  in  der  bibel  ein  bestimmtes  motiv  enthalten,  welches  in  die 
geschichte  des  Pilatus  einen  geheimnisvollen,  zu  weiterer  aus- 
öchmückung  verlockenden  zug  hineinbringt.  Es  ist  diess  der 
träum  der  frau  des  Pilatus,  durch  welchen  dieselbe  aufgefordert 
wurde,  ihren  gemahl  vor  der  Verurteilung  Christi  zu  warnen. 
Dieser  zug  ist  zwar  weniger  in  der  legende  selbst,  als  nament- 
lich in  den  meisten  dramatischen  bearbeitungen  der  passion 
sehr  ausführlich  behandelt.  Schon  sehr  früh  kommt  für  sie  der 
name  Claudia  Procula  vor,  sie  wird  mit  der  im  zweiten  brief 
an  Timotheus  erwähnten  Claudia  identificiert  und  es  wird  von 
ihr  erzählt,  dass  sie  eine  proselytin  des  tors  gewesen  sei  ^2) 


«0)  Diese  version  findet  sich  in  einer  Görlitzer  handscbrift  des  von 
Pfeiffer  evangelium  Nicodemi  genannten  gedichtes. 

")  Tischendorf,  pag  426  ff.,  über  Pilatus  als  Christen  cf.  Fabricius 
cod.  apocryph.  IIL  505. 

«)  IL  Timoth.  4,21.—  cf.  Cahnet,  art.  Claudia.  —  Herzog,  art.  Pila- 
tus. —  Thilo,  evang.  apocr3rph.  522.  ff. 


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LEGENDEN  UND  SAGEN  VON  PILATUS.  93 

Die  griechisclie  kirche  hält  sie  für  eine  heilige.  Man  erinnerte 
sich  hierbei  jedenfalls  an  die  vornehmen  Römerinnen,  die  sich 
selbst  in  den  zeiten  der  härtesten  Verfolgungen  vielfach  dem 
christentume  und  judentume  geneigt  zeigten.  Fabricius  erwähnt 
eine  in  seiner  zeit  verfasste  historia  anecdota,  welche  die  ge- 
schichte  der  Claudia  in  sehr  phantastischer  und  willkttrlicher 
weise  weiter  ausspinnt  ^3)  Auch  Abraham  a  santa  Clara  in 
seinem  „Judas  der  erzschelm"  verherlicht  sie  in  seiner  weise 
wegen  ihrer  fttrbitte  fllr  Christum.  Der  träum  wird  von  den 
meisten  abendländischen  kirchenvätem  fär  eine  eiugebung  des 
teufeis  gehalten,  um  den  opfertod  Christi  zu  verhindern.  Dieser 
auffassung  schliessen  sich  auch  der  heliand  und  die  meisten 
dramatischen  darstellungen  der  passion  an;,  am  drastischsten 
ist  die  scene  behandelt  in  den  Coventry  mysteries  und  in  dem 
comisdien  passionsdrama*^).  Das  von  Jubinal  mitgeteilte  my- 
störe  de  la  passion  erwähnt  ein  derartiges  traumgesicht  gar 
nicht,  sondern  schildert  in  einer  wahrhaft  poetischen  scene,  wie 
die  frau  des  Pilatus  mit  ihrem  söhne  und  ihrer  tochter  bei 
ihrem  manne  um  Schonung  Christi  bittet**)  Diese  kinder  des 
Pilatus  kommen  sonst  sehr  selten  vor:  in  den  rechnungsbtlchem 
über  die  englischen  mysterienauflftihrungen  wird  einmal  scepter 
und  Streitaxt  fUr  den  söhn  des  Pilatus  erwähnt*')  und  in  dem 
St  Galler  passionspiel  wird  dargestellt,  wie  die  frau  des  Pilatus 
ihrer  tochter  den  träum  erzählt*')  Elopstock  stellt  im  Messias 
das  traumgesicht  so  dar,  als  ob  der  geist  des  Socrates  der  frau 
des  Pilatus  erschienen  sei 

Pilatus  selbst  wird  in  den  mittelalterlichen  darstellungen 
der  passion  und  der  auferstehung  meist  noch  ungünstiger  als 
in  der  bibel  dargestellt  Einige  mysterien,  namentlich  die  passion 
des  Jehan  Michel  malen  zwar  die  bemühungen  des  Pilatus  um 
die  rettung  Christi  sehr  ausführlich  aus,i8)  in  den  darstellungen 
der  auferstehung  jedoch  tritt  er  fast  durchgängig  als  ein  ent- 

*3)  cod.  apoeryph.  III.  398.  Historia  anecdota.  noch  eine  publicierte 
Geschichtßerzählung  von  der  Frau  Pilatusin  etc. 

*^)  Lndus  Coventriae,  a  coUection  of  mysteries  formerly  represented 
at  Coventry.  London  1841  p.  310.  Norris,  the  ancient  comish  drama.  L  373  flf. 

*»)  Jubinal  myst^res  in^dits  vol.  II. 

»«)  cf.  Ebert,  Jahrbuch  L  44.  flf. 

*^  Mone,  deutsche  Schauspiele  des  mittelalters  L  114. 

")  cf.  Du  M6ril  pag.  340. 


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94  CREIZENACH 

schiedener  feind  Christi  auf.  Während  er  in  der  bibel  die  be- 
wachung  des  heiligen  grabes  ganz  den  Juden  überlässt,  erscheint 
er  in  den  mysterien  nach  dem  begräbnis  meist  in  beratungmit 
Annas  und  Kaiphas,  um  die  auferstehung  durch  eine  besetzung 
des  grabes  zu  verhtlten.  In  den  betreflfenden  scenen  treten  fast 
überall  vier  Soldaten  als  Wächter  des  grabes  auf,  wiewol  die 
bibel  hierzu  keine  veranlassung  bietet;  in  derselben  weise  wie 
diess  mit  der  dreizahl  der  weisen  oder  könige  aus  dem  mor- 
genlande der  fall  ist.  In  dem  oben  erwähnten  myst6re  de  la 
passion  und  in  den  Chester-plays  i^)  erscheinen  drei  ritter,  in 
der  westsächsischen  Übersetzung  des  evangeliums  Nicodemi  wird 
von  44  rittem  gesprochen.  20)  Die  acta  S.  Longini  Centurionis 
erzählen,  dass  Longinus  einer  dieser  ritter  gewesen  sei;  von 
Pilatus  sagen  diese  acta,  er  sei  „adversus  Christi  innocentianä 
mercede  conductus"  gewesen.  21)  Die  englischen  mysterien  schil- 
dern hier  den  Pilatus  ganz  besonders  ungünstig.  In  den  Towne- 
ley  mysteries  hält  er  eine  lange  rede,  in  welcher  er  sich 
selbst  alles  mögliche  schlechte  nachsagt;  er  schwört  wie  alle 
beiden  und  Juden  in  den  englischen  und  keltischen  mysterien 
tun,  bei  Mahomet;  bei  der  grossen  Sonnenfinsternis,  welche 
nach  Christi  tode  eintritt,  tröstet  er  sich  sehr  leicht  damit,  dass 
er  sagt,  es  sei  diess  dasjenige,  was  die  gelehrten  eine  eclipsis 
nennen. 22)  Ebenso  wird  häufig  erwähnt,  dass  er  den  Joseph 
von  Arimathia  und  den  Nicodemus  in  das  gefangnis  habe 
werfen  lassen. 

In  dieser  weise  wurde  der  Charakter  des  Pilatus  auch  in- 
nerhalb des  in  der  bibel  gegebenen  rahmens  immer  ungünstiger 
dargestellt  und  das  bedürfnis  nach  einer  erzählung  von  einer 
bestrafung  wachgerufen.  Den  nächsten  anlass  zu  einer  solchen 
erzählung  gabwol  die  notiz  desJosephus,  dass  Pilatus  im  jähre 
36  wegen  niedermetzelung  der  Samaritaner  auf  dem  berge 
Garizim  verklagt,  abgesetzt  und  zur  Verantwortung  nach  Rom 


»)  The  ehester  plays.  ed.  Thomas  Wright  1843.  IL  87. 

20)  Wülcker,  das  evangelium  Nicodemi  in  der  abendländischen  lite- 
ratnr.    Paderborn  1872.  p.  18. 

2»)  acta  SS.  15.  mz.  tom.  IL  386  ff. 

^)  Der  abdruck  der  Towneley  mysteries  (London  1836  für  die  Surtee 
Society)  war  mir  nicht  zugänglich,  ich  konnte  nur  den  auszug  bei  Ebert 
(Jahrbuch  L  44  ff.)  benützen. 


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LEGENDEN  UND  SAGEN  VON  PILATUS.  96 

geschickt  worden  sei.  23)  Daran  knüpfte  sich  später  die  erzäh- 
lung;  er  sei  von  Rom  aus  nach  einer  Stadt  im  südlichen  Gallien 
geschickt  worden,  wo  er  sich  dann  selbst  das  leben  genommen 
habe;  die  angaben  schwanken  zwischen  Yienne  und  Lyon. 
Diese  erzählung  erinnert  daran,  dass  mehrere  jüdische  fürsten 
in  der  tat  nach  Gallien  in  das  exil  geschickt  wurden;  Arche- 
laus wurde  nach  Vienne  und  Herodes  Antipas  nach  Lyon  ver- 
bannt. Eusebius  erwähnt  zuerst  diese  version^  ihm  schliessen 
sich  mehrere  Chronisten  an,^*)  bis  die  sage  später,  wie  unten 
gezeigt  werden  wird,  durch  die  Vermischung  mit  der  Veronika- 
sage  eine  andere  gestalt  erhielt.  Ausserdem  wird  erzählt,  dass 
Pilatus  in  Gallien  geboren  sei,  Chörier  erwähnt,  dass  die  städte 
Vienne  und  Lyon  sich  darum  stritten,  welche  von"  ihnen  das 
meiste  recht  habe,  sich  den  geburtsort  des  Pilatus  zu  nennen.  2*) 
Übrigens  wurde  diese  frühere  gestaltung  der  sage  durch  die 
spätere  keineswegs  vollständig  verdrängt,  sie  taucht  vereinzelt 
auch  noch  im  späteren  mittelalter  auf  und  hat  auf  dem  schau- 
platze, auf  welchem  sie  spielt,  mannigfache  kleinere  Umgestal- 
tungen erfahren.  In  dem  gedichte  d^struction  de  Jerusalem 
ist  die  frühere  tradition  mit  der  späteren  combiniert.  20)  Dort 
wird  erzählt,  Vespasian  habe  nach  seiner  heilung  durch  Veronika 
einen  kriegszug  gegen  Jerusalem  unternommen;  Pilatus  sei  als- 
dann in  Jerusalem  gefangen  genommen,  nach  Vienne  in  das 
exil  geschickt  und  dort  in  einen  türm  eingesperrt  worden; 
nach  zwjöi  jähren  sei  alsdann  der  türm  init  ihm  in  einen  ab- 
grund  versunken.  Nach  der  erzählung  des  dichters  wurde  der 
platz,  auf  dem  diess  geschah,  noch  zu  seiner  zeit  in  Vienne  ge- 
zeigt. Noch  lange  konnte  man  in  Vienne  ein  pretoire  de  Pilate, 
tour  de  Pilate,  maison  de  Pilate  sehen;  die  mannigfachen  er- 
zählungen,  welche  sich  an  diese  gebäude  knüpfen,  weichen  alle 
nur  in  ganz  unwesentlichen  punkten  von  der  alten  tradition 
vom  tode  des  Pilatus  ab.  Chorief-  meint,  der  name  dieser  ge- 
bäiide  habe  mit  unserm  Pilatus  gar  nichts  zu  tun,  sondern  be- 

23)  Josephus.  Antt.  4.  1. 

2*)  Eusebius.  IL  7.  Orosius  7.  5.  Frekulf  IL  1.  12. 

**)  Chorier.  histoire  du  Dauphin^.    Grenoble  166L  vol.  I.  pag.  331. 

26)  Histoire  litt^raire  de  la  France.  XXII.  412—16.  Auch  die  von 
Thilo  (prolegg.  CXXXVI.  ff.)  aus  einem  hallen  ser  codex  mitgeteilte  Ver- 
sion hat  noch  spuren  der  alten  Überlieferung. 


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Ö6  CKEIZENACH 

ziehe  sich  auf  einen  Italiener  Humbert  Pilati.  2^)  In  Schlözers 
briefwechsel  wird  einmal  erwähnt,  dass  auch  ein  schloss  in  der 
nähe  von  St.  Vallier  als  der  Wohnort  des  Pilatus  bezeichnet 
wird.  28) 

Die  gewöhnliche  version  der  Pilatussage  steht  im  engsten 
zusammenhange  mit  der  legende  von  der  Übertragung  d^s 
schweisstuches  der  heiligen  Veronika  nach  Rom.  Das  älteste 
Zeugnis  für  die  anwesenheit  jdieser  reliquie  in  Rom  fällt  in  das 
jähr  705,  in  welchem  jähre  papst  Johann  VII.  in  der  Peters- 
kirche vor  derkapelle  der  Maria  ein  tabemakel  zur  bewahrung 
des  schweisstuches  errichtete.  2»)  In  demselben  Jahrhunderte 
bildete  sich  dann  die  legende  aus,  welche  offenbar  die  tendenz 
hat,  die  bedeutung  der  reliquie  dadurch  zu  erhöhen,  dass  die 
bekehrung  des  kaisers  und  die  bestrafung  der  feinde  Christi 
als  durch  sie  herbeigeführt  dargestellt  wird;  nur  in  ganz  späten 
Versionen  der  legende  hat  sich  dieser  Zusammenhang  verwischt. 
-Bei  der  erzählung  der  art  und  weise,  wie  die  heilung  des  kaisers 
vom  aussatze  durch, das  schweisstuch  herbeigeführt  wurde,  hat 
offenbar  die  zur  zeit  der  entstehung  unserer  sage  schon  voll- 
ständig entwickelte,  ältere  und  historisch  begründetere  legende 
von  der  bekehrung  des  ersten  christlichen  kaisers  mit  einen 
einfluss  ausgeübt.  Constantin  nämlich  soll  am  aussatze  gelitten 
haben;  um  sich  nun  von  dieser  krankheit  zu  befreien,  will  er 
im  blute  von  kindem  baden,  er  lässt  sich  aber  durch  die  trä- 
nen dermütter  dieser  kinder  dazu  bestimmen,  auf  dieses  blutbad 
zu  verzichten,  und  wendet  sich,  durch  eine  himmlische  erschei- 
nung  belehrt,  an  den  papst  Sylvester,  der  ihn  durch  die  taufe 
von  der  krankheit  befreit.  Eine  erwähnung  dieser  legende  findet 
sich -schon  im  5.  Jahrhundert.  3<^)  Es  ist  offenbar,  dass  sie  die 
bildung  unserer  legende  beeinflusst  hat,  am  deutlichsten  zeigt 
sieh   diess  darin,  dass  in   einer  version  der   sage  Constantin 


2')  cf.  Calmet.  art.  Püatus. 

28)  Schlözer.  Briefwechsel  IV.  49.  antiquarische  reise  in  das  südliche 
Frankreich  im  Monat  Mai  1776  von  Hrn.  adjunkt  Oberlin  in  Strassburg. 

2«)  cf.  W.  Grimm.  Die  sage  vom  Ursprung  der  Christusbilder,  pag. 
144.  Abhandlungen  der  Beriiner  akädemie.    1842. 

3«)  Döllinger.  Papstfabeln  pag.  54. 


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LEGENDEN  UND  SAGEN  VON  PILATUS.  97 

auch  als    derjenige  kaiser  auftritt,    welcher  den  Pilatus   zur 
rechenschaft  zieht  und  bestraft.  3*) 

Nach  vielen  Versionen  der  sage  litt  der  kaiser  aber  nicht 
am  aussatze,  sondern  daran,  dass  er  Ungeziefer,  Würmer  oder 
wespen  in  seinem  körper  hatte.  Nach  dem  lateinischen  ge- 
dichte  von  Pilatus  herschten  Titus  und  Vespasian  damals  zu- 
sammen; Titus  litt  am  aussatz,  Vespasian  daran,  dass  sein 
körper  mit  wespen  angefüllt  war.  Mehrmals  wird  sogar  er- 
wähnt, dass  Vespasian  von  diesen  wespen  seinen  namen  er- 
halten habe.  ^^)  Diese  erzählung  erinnert  an  eine  alte  jüdische 
sage.  Titus,  erzählt  dieselbe,  litt  auf  dem  meere  mit  den  in 
Jerusalem  geraubten  tempelschätzen  stürm.  Er  verspottete 
den  gott  der  Juden,  dass  derselbe  seinen  feinden  nur  zu  wasser 
schaden  könne;  so  habe  er  das  beer  des  Pharao  im  roten  meere 
und  das  beer  des  Sissera  im  bache  Kison  vernichtet.  Da  rief 
ihm  eine  stimme  vom  himmel  zu:  „wenn  du  an  das  land  steigst, 
werde  ich  dir  einen  gegner  schicken  den  du  nicht  überwinden 
kannst"  Und  sowie  Titus  ans  land  stieg,  flog  eine  mücke 
herbei,  setzte  sich  ihm  in  das  haupt  und  peinigte  ihn  sein  ganzes 
übriges  leben.  3^)  Dass  das  volk  einem  verhassten  herscher 
eine  derartige  krankheit  andichtet,  kommtauch  sonst  vor;  von 
Sulla,  von  Herodes,  ja  sogar  noch  von  Philipp  II.  wird  be- 
kanntlich ähnliches  erzählt.  Diese  sage  ist  übrigens  schon  sehr 
alt,  Eabbi  Elieser  ben  Hyrkan,  der  zur  zeit  der  Zerstörung  des 
zweiten  tempels  lebte,  kennt  sie  bereits.'^*) 

Dass  Titus  und  Vespasian  so  häufig  anstatt  des  in  den 
ältesten  Versionen  erwähnten  Tiberius  als  diejenigen  dargestellt 
werden,  an  welchen  die  wunderbare  heilung  und  ])ekehrung 
durch  das  schweisstuch  vollzogen  wurde,  dazu  trug  jedenfalls 
der  umstand  bei,  dass  man  bei  ihnen  wegen  ihres  feldzugs 
gegen  die  Juden  auf  eine  christliche  gesinnung  schliessen  zu 
können  glaubte.  Vielleicht  erinnerte  man  sich  aber  auch  bei 
dem  namen  der  Veronika  oder  Berenike,  an  das  bekannte  lie- 


3*)  Gildemeister  und  v.  Sybel,  der  heilige  rock  zu  Trier  und  die  20 
andern  ungenähten  heiligen  rocke.  3  aufl.  pag.  54. 
^)  So  berichtet  u.  a.  die  legendaaurea. 

33)  cf.  Tendlau.   Buch  der  sagen  und  legenden  jüdischer  vorzeit.  312. 
^)  Pirke  R.  Elieser.  49. 


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98  CREIZENACH 

besverhältnis  des  Titus  mit  der  Jüdin  Berenike;  jedoch  möchte 
ich  diess  nicht  bestimmt  behaupten. 

Ein  verhältnismässig  sehr  spät  zu  der  legende  hinzugetre- 
tener zug  ist  die  erzählung  von  der  wundertätigen  Wirkung 
des  rockes  Christi.  In  der  gegend  von  Trier  hat  sich  eine 
tradition  erhalten,  in  welcher  ganz  dieselbe  begebenheit  unter 
anderen  Verhältnissen  nach  Trier  verlegt  wird.  3*)  Da  die  le- 
gende nirgends  erzählt^  wie  Pilatus  zu  dem  rock  Christi  ge- 
kommen ist,  so  wurde  in  späterer  zeit  def  versuch  gemacht, 
diesen  umstand  zu  erklären.  Im  Donaueschinger  passionsspiel 
wird  dargestellt,  wie  Israhel,  dem  bei  der  Verlosung  nach  der 
kreuzigung  der  rock  zugefallen  war,  denselben  dem  Pilatus  zum 
geschenk  macht ^ß)  Die  Towneley  Mysteriös,  deren  Verfasser 
auch  sonst  die  legende  zu  kennen  scheint  —  er  erwähnt,  dass 
Pilatus  von  Pila  und  Atus  seinen  namen  erhalten  habe  —  be- 
richten, die  henker  hätten  sich  um  den  rock  gestritten  und 
Pilatus  habe  ihn,  zum  Schiedsrichter  aufgerufen,  sich  selbst  an- 
geeignet. Dass  ein  habsüchtiger  richter  sich  eines  von  zwei 
Parteien  in  ansprach  genommenen  gegenständes  selbst  bemäch- 
tigt, ist  ein  zug,  der  auch  sonst  mannigfach  in  fabeln  und  anec- 
doten  vorkommt  Sehr  ausführlich  ist  die  wundertätige  Wir- 
kung des  heiligen  rocks  in  dem  cornischen  dr§-ma  dargestellt^ 
WO  Pilatus  mit  dem  kaiser  über  das  anbehalten  oder  ausziehen 
des  rockes  eine  sehr  unästhetische  debatte  führt. 

Wie  wir  oben  gesehen  haben,  schliesst  sich  nunmehr  die 
erzählung  von  der  bestrafung  des  Pilatus  sehr  natürlich  an  und 
hier  brachte  die  sage  einen  zug  an,  der  den  Pilatus  in  den 
äugen  der  mittelalterlichen  leser  oder  zuhörer  ganz  besonders 
verächtlich  erscheinen  lassen  neuste.  Es  ist  diess  der  Selbst- 
mord, der  gewis  im  mittelalter  als  ein  ganz  besonders  unna- 
türliches verbrechen  erschien.  Die  uns  aus  dem  mittelalter  über- 
lieferten fälle  von  Selbstmorden  sind  sehr  selten;  Dante,  der  die 
höUenqualen  der  Selbstmörder  als  ganz  besonders  peinvoll  schil- 
dert, erwähnt  bei  dieser  gelegenheit  nur  eine  einzige  historische 
persönlichkeit,  den  Peter  von  Vinea.^^) 

3*)  Gildemeister  und  v.  Sybel  a.  a.  o. 
^)  Mone,  Schauspiele  IL  320. 

•^')  Inferao  XIII.  Lano,  von  welchem  Dante  erzählt,  dass  er  nach 
einem  zügellosen  leben  in  der  schlacht  den  tod  aufgesucht  habe,   kann 


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LEGENDEN  UND  SAGEN  VON  PILATUS.  99 

Dieser  Selbstmord  des  Pilatus  ist  auch  eine  tat,  die  ihn 
mit  dem  grösten  Verbrecher  des  neuen  testaments,  mit  Judas 
Ischarioth  auf  eine  stufe  stellt  und  bei  beiden  wird  auch  sehr 
häufig  das  unnatürliche  dieses  Verbrechens  hervorgehoben.  In 
dem  St  Galler  passionsspiel  sagt  Augustinus,  der  in  diesem 
drama  ungefähr  die  rolle  des  antiken  chors  vertritt,  beim  tode 
des  Judas,  dass  demselben,  wenn  er  sich  nicht  erhängt  hätte, 
gewis  seine  Sünden  vergeben  worden  seien.  ^®)  Ebenso  werden 
dem  kaiser  in  sehr  vielen  Versionen  der  legende  werte  des  ab- 
scheus  und  der  entrüstung  über  den  Selbstmord  des  Pilatus  in 
den  mund  gelegt 

Die  Versenkung  des  leichnams  in  den  Tiber  steht  mit  dem 
Selbstmord  in  engster  Verbindung.  Es  ist  ein  mehrfach  nach- 
gewiesener gebrauch,  dass  Selbstmörder  nach  ihrem  tode  in  einen 
fluss  geworfen  wurden;  gewöhnlich  wurden  sie  zuerst  in  ein 
fass  gesteckt  und  dann  dem  ströme  überlassen.^*)  Es  knüpf- 
ten sich  nunmehr  an  den  platz,  an  welchem  die  Überreste  des 
Pilatus  sich  befanden,  allerlei  unheimliche  geschichten  an,  wie 
sie  sich  leicht  an  der  grabstätte  eines  Verbrechers  bilden.  Wahr- 
scheinlich waren  zu  der  zeit,  wo  die  erzählung  von  den  Wir- 
kungen des  bösen  geistes  in  dem  Tiber  sich  bildete,  schon  ähn- 
liche traditionen  inVienne  vorhanden;  in  der  wendung,  welche 
die  legende  dadurch  nimmt,  dass  sie  den  leichnam  von  Born 
nach  Vienne  gebracht  werden  lässt,  liegt  gewissermassen  eine 
concession  an  die  ältere  Überlieferung  vom  tode  des  Pilatus. 
Einige  Versionen  kennen  jedoch  diese  Übertragung  des  leichnams 
nach  Vienne  nicht  In  einer  version  wird  erzählt,  dass  die  leiche 
zuerst,  nachdem  man  sie  aus  dem  Tiber  herausgeholt  hatte, 
ins  meer  geworfen  sei;  dann  aber  weil  dort  alle  fische  umge- 
kommen seien,  habe  man  sie  in  die  wüste  gebracht*®)    Im 


nach  unseren  begriffen  gar  nicht  für  einen  eigentlichen  Selbstmörder 
gelten. 

3*)  Mone,  Schauspiele.  I.  59. 

^)  cf .  Bourquelot.  Becherches  sur  les  opinions  et  la  legislation  en  ma- 
ti^re  de  mort  volontaire  pendant  le  moyen  äge.  bibliotheque  de  l'ecole 
des  chartes.  tom  IV.  pag.  456.  flf.  Paris  1842—43.  —  Föringer,  über  den 
gebrauch,  Selbstmörder  in  schwimmenden  tassern  zu  bestatten.  Oberbay- 
risches archiv  für  vaterländische  geschichte.  IL  407  ff. 

*^)  Massmann,  kaiserchronik  III.  606. 


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100  CREIZENACH 

kornischen  drama  ist  sogar  schon  die  blosse  berührung  mit 
dem  Wasser  unheilbringend;  es  wird  dort  dargestellt,  wie  ein 
Wanderer,  der  sich  in  dem  wasser  des  Tiber  wäscht,  sofort 
tot  niedersinkt. 

In  Vienne  hatte  Pilatus  noch  keine  ruhe.  Der  leichnam 
wurde  wider  hervorgeholt  und  in  einen  gebirgsee  der  Alpen 
versenkt  Hier  vermischten  sich  einheimische,  volkstümliche 
demente  mit  der  sage.  Einsame  gebirgseen  waren  in  der 
heidnischen  zeit  vielfach  göttersitze  und  diese  wurden  dann 
häufig  in  christlicher  zeit  zum  sitze  böser  geister.  In  den 
meisten  fällen  wird  der  see  oder  brunnen,  in  welchen  Pilatus 
versenkt  wurde,  gar  nicht  ausdrücklich  genannt,  gewöhnhlich 
whrd  aber  hinzugefligt,  dass  auch  dort  noch  manchmal  der 
geist  ungewitter  veranlasse.  In  dem  lai  gedichte  von  Pilatus 
wird  erzählt,  dass  der  leichnam  in  einen  feuerspeienden 
berg  geworfen  worden  seL*^) 

Der  berg,  den  wir  jetzt  Pilatusberg  nennen,  kommt  nach 
Massmann  mit  diesem  namen  zuerst  bei  Conradus  de  Mure  vor 
(1273),  an  ihm  hat  sich  die  sage  localisiert.  Hierzu  trug  bei, 
dass  auch  sonst  vom  Pilatusberg  mancherlei  wunderbares  er- 
zählt wird.  So  wird  die  fabel,  dass  auf  dem  Pilatusberge 
drachen  vorkommen  sollen,  noch  von  Scheuchzer  in  seinem 
ovQsai^olrrjg  helveticus,  dem  ersten  wissenschaftlichen  werke 
über  die  Alpen,  erwähnt.  ^^^  Es  ist  schon  häufiger  darauf  hin- 
gewiesen worden,  dass  diese  lokalisierung  wahrscheinlich  einer 
zufälligen  namensähnlichkeit  ihren  Ursprung  verdankt.  Der 
Pilatusberg  dient  nämlich  in  der  gegend  als  Wetterprophet; 
wenn  sich  die  wölken  in  der  gestalt  eines  hutes  um  ihn  sam- 
meln, so  bedeutet  dieses  gutes  wetter,  daher  die  Wetterregel: 
Wenn  der  Pilatus  hat  einen  hut 
So  ist  das  wetter  fein  und  gut. 


♦0  Aehnlich  erzählt  eine  Nürnberger  chronik  (Btißching  wöchentliche 
Nachrichten  Breslau  1816.  pag.  301.)  dass  Hatte  von  Mainz  vom  teufelin 
den  Ätna  geworfen  worden  sei.  Vom  herzog  Amolph  von  Bayern  wird 
hänfig  erzählt,  dass  der  teufel  seine  leiche  in  einen  see  bei  dem  kloster 
Scheym  geworfen  habe  (Aventinus,  ann.  boj.  üb.  IV.  22,  24.) 

**)  Scheuchzer,  ovQ€ai(pokijg  helveticus.  Lugd.  Bat.  1723.  11.  390  flf. 
Die  Wetterregel  wird  I.  23  erwähnt.  Über  die  sage  vom  erdmännchen 
auf  dem  Pilatusberg  cf.  Kochholz.  Schweizersagen  aus  dem  Aargau.  1. 325. 


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LEGENDEN  UND  SAGEN  VON  PILATUS.  101 

Von  dieser  eigentümliehkeit  wurde  der  berg,  dessen  deutscher 
name  eigentlich  Fragment  43)  (monsfractus,  in  der  franz.  prosaer- 
zählung  Mont  Tranchiö)  ist,  wahrscheinlich  in  lat  spräche 
mons  pileatus  genannt.  Nun  existierte  von  dem  see  auf  dem 
Pilatusberg  wie  von  vielen  andern  bergseen  die  erzählung,  dass 
ein  in  denselben  geworfener  stein  stürm  und  unwetter  erzeuge. 
Ganz  das  nämliche  berichten  von  vielen  andern  seen  Earcher 
im  mundus  subterraneus  und  Liebrecht  in  den  anmerkungen 
zum  Gervasius  von  Tilbury.'*^)  Kircher  erzählt  zwar,  dass  die 
Jesuiten  dieser  gegend  häufiger  ohne  erfolg  sich  von  der  be- 
rechtigung  dieser  erzählung  zu  überzeugen  suchten;  aber  trotz- 
dem war  die  fiircht  vor  diesen  ungewittern  so  gross,  dass  der 
rat  von  Luzem  die  besteigung  des  berges  verbot.  Der  natur- 
forscher  Gesner  muste  sich  eine  besondere  erlaubnis  zur 
besteigung  des  berges  erbitten.  ^5)  Diess  alles  den  Wirkungen 
eines  bösen  geistes  zuzuschreiben,  lag  sehr  nahe  und  so  konnte 
es  wol  einem  geistlichen  der  gegend,  der  diesen  mons  pileatus 
kannte  und  der  auch  von  der  legende  wüste,  nach  welcher 
der  ins  wasser  geworfene  leichnam  des  Pilatus  Überschwem- 
mungen und  stürme  erzeugte,  sehr  leicht  einfallen,  den  mons 
pileatus  mit  Pilatus  in  Zusammenhang  zu  bringen,  was  um  so 
wahrscheinlicher  wird,  wenn  man  bedenkt,  wie  viele  sagen 
einer  derartigen  zufälligen  Übereinstimmung  ihren  Ursprung 
verdanken,  selbst  wenn  ausserdem  nicht  so  viele  bedeutende 
momente  wie  bei  unserer  sage  mitwirken.  Der  name 
des  Pilatus  selbst  ist  ja  auch  wahrscheinlich  auf  Pileatus, 
ein  mit  dem  filzhut  versehener,  freigelassener,  zurückzu- 
fahren, ^ß)  Die  grosse  Verbreitung,  welche  die  sage  durch 
diese  lokalisierung  in  der  ganzen  gegend  fand,  hatte  zur 
folge,     dass    auch   sonst     in    der   Schweiz    mancherlei    von 


«)  Rochholz  n.  309. 

**)  Kircher,  mundus  subterraneus  1.311.  b.  —  Liebrecht,  die  otiaim- 
perialia  des  Gervasius  von  Tilbury  (zu  der  stelle  Leibnitz  pag.  1()04> 
ähnliche  erzählungen  bei  Wolf,  deutsche  sagen.  Nr.  263.  268. 

*5)  cf.  Nork.  Mythologie  der  deutschen  volkssagen  und  Volksmärchen, 
kloster  IX.  980. 

*ö)  cf.  Herzog,    art.  Pilatus. 


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1Ö2  CÄElZENACfl 

Pilatus  erzählt  wird.  In  vielen  dieser  erzählungen  hat  Pi- 
latus Züge  angenommen,  die  an  die  sage  vom  ewigen  Juden 
erinnern.*') 


In  ihren  grundzügen  ganz  unabhängig  von  dem  bisher 
dargestellten  ist  die  sage  von  der  geburt  und  Jugend  des  Pilatus 
bis  zum  auftreten  Christi.  Sie  ist  offenbar  in  verhältnismässig 
später  zeit  entstanden  und  zwar  mit  der  bestimmten  tendenz, 
die  Schicksale  des  Pilatus  i^u  einer  vollständigen  biographie 
zu  ergänzen  und  abzurunden,  wiewol  eigentlich  an  Pilatus  bloss 
sein  Verhältnis  zu  Christo  und  seine  bestrafung  interessierte. 
In  mehreren  einzelnen  punkten  tritt  die  tendenz  ganz  offen  zu 
tage,  später  geschehenes  im  voraus  zu  motivieren.  So  ist  bei 
der  erzählüng,  dass  Herodes  den  Pilatus  aus  Pontus  berufen 
habe,  dann  aber  von  diesem  aus  seiner  Stellung  verdrängt 
worden  sei,  jedenfalls  im  voraus  daran  gedacht,  die  im  neuen 
testamente  (Lucas  23,  12)  erwähnte  feindschaft  zwischen  Herodes 
und  Pilatus  zu  erklären.  Der  brudermord  des  Pilatus  ist^  — 
abgesehen  von  der  allgemeinen  tendenz,  den  Charakter  des  Pi- 
latus möglichst  ungünstig  darzustellen  —  vielleicht  auch  des- 
halb hinzugefügt,  weil  der  Verfasser  der  erzählüng  wissen 
mochte,  dass  die  Versenkung  in  einen  fluss  die  alte  römische 
strafe  des  parricidiums  war  und  auf  diese  weise  dem  Pilatus 
auch  ein  parricidium  aufgebürdet  wurde;  wenn  auch  für  die 
Versenkung  des  leichnams  in  den  Tiber,  wie  wir  oben  gesehen 
haben,  schon  durch  den  Selbstmord  ein  genügender  grund  gege- 
ben war.  Dass  der  autor  auch  sonst  mit  dem  römischen  alter- 
tum  nicht  ganz  unbekannt  war,  beweist  unter  andern  der 
umstand,  dass  er  erzählt,  Pilatus  habe  den  namen  Pontius  von 
der  Unterjochung  des  landes  Pontus  erhalten,  woraus  hervor- 
geht, dass  er  die  alte  römische  sitte  kannte,  feldherm  und 
Staatsmännern  nach  gewonnenen  schlachten  und  unterworfenen 
landstrichen  beinamen  zu  erteilen.  Alle  diese  züge  machen  es 
deutlich,  dass  wir  es  hier  im  wesentlichen  mit  einem  gelehrten 
sagengebilde  zu  tun  haben,  einem  sagengebilde,  das  es  sich 
zur  aufgäbe  macht,  dem  vorhandenen  Stoffe  bis  zu  seinen 
äussersten  anfangen  nachzuspüren. 


*')  ßochholz  II.  306  ff. 


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LEGENDEN  UND  SAGEN  VON  PILATUS.  103 

Schon  gleich  zu  anfang  die  erzählung  von  d^r  geburt  des 
Pilatus  macht  den  eindruck  einer  durchau»  willkürlichen  er-  ' 
dichtung.    Der  name  des  königs,  Atus,  Tyru»,  oder  Cyrug,  der 
umstand,  dass  der  könig  zugleich  auch  ein  astrolog  war,  die 
art,  wie  er  seine  diener  nach  der  Pila  ausschickt:   diess  alles 
sind  Züge,  die  mehr  an  ein  orientalisches  märchen,  als  an  eine 
deutsche  volkssage  erinnern;   auch  ist  es  dgentümlich,   dass 
Yon  Pilatus  weiter  nichts  prophezeit  werden  soll,  als  dass  er 
dereinst  ein  mächtiger  herscher  sein  werde.    Überhaupt  passt 
eine  derartige  ausführliche  erzählung  yon  der  geburt  und  Jugend 
wol  in  die  biographie  eines  gewaltigen  herschers  oder  grossen 
eroberers,  nicht  aber  in  die  eines  an  und  für  sich  so  unbedeu- 
teoäßa  menschen  wie  Pilatus.    Und  wirklich  stellt  sich  heraus, 
ddffi  hier  eine  sage  von  der  geburt  und  Jugend  Karls  des 
Grossen  ganz  willkürlich  auf  Pilatus  übertragen  ist,  wenn  auch 
die  uns  erhaltenen  schriftlichen  aufzeichnungen  dieser  sage  in 
eine  spätere  zeit  fallen,  als  die  ersten  aufzeichnungen  der  sage 
von  der  geburt  des  Pilatus.    Von  den  beiden  für  unsem  zweck 
hauptsächlich  in  betracht  kommenden  darstellungen  der  geburt 
Karls,    nämlich  ^er  Wolterschen    chronik  und   der  Weihen- 
stephaner  Chronik,  enthält  auch  die  später  c.  1460  abgefs^sste 
W^oltersche  chronik  ofienbar   eine   ältere  darstellung  als   die 
W^eihenstephaner,  die  wahrscheinlich  aus  dem  13.  Jahrhundert 
stammt.*»)    Die  Woltersche  chronik  erzählt: 

König  Pipin  wollte  Bertha,  die  tochter  des  königs  Theo- 
dorich heiraten;  er  schickte  deshalb  boten  zu  könig  Theodorich, 
um  für  ihn  um  sie  zu  werben  und  sie  alsdann  In  sein  land  zu 
geleiten.  Theodorich  nimmt  den  antrag  an  und  gibt  seine 
tochter  sogleich  den  von  Pipin  abgesanten  drei  rittem  mit. 
Unterwegs  beschliessen  die  ritter  aber,  Bertha  auszusetzen  und 
dafür  dem  könig  die  tochter  des  einen  von  ihnen  als  gemahlin 
zuzuführen.  So  geschieht  es  und  Pipin  vermählt  sich  mit  der 
falschen  Bertha;  die  echte  Bertha  aber  findet  nach  langem  um- 
herirre» im  walde  bei  einem  müUer  Zuflucht.  Bei  diesem  ver- 
weilt sie  mehrere  jähre.     Pipin  kommt  nun  einmal  auf  einer 


♦»)  Chron.  Henrici  Wolteri.  20—21.  Meibomius.  scriptt.  rer.  Germ.  II. 
ef.  Wolf,  neuste  leistungen  der  Franzosen  flir  die  herausgäbe  ihrer  natio- 
nalheldengedichte.    Wien  1833. 


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104  CREIZENACH 

jagd  in  die  mühle,  in  welcher  sieh  Bertha  aufhält;  diese  wird 
ihm  zu  willen  und  verabredet  mit  ihm,  dass,  wenn  sie  einen 
söhn  zur  weit  bringen  werde,  sie  denselben  mit  einem  bogen 
bewaiSaet  zu  ihm  schicken  wolle.  So  kommt  Karl  an  den  hof 
Pipins,  hat  aber  immerwährend  mit  den  kindem  der  falschen 
Bertha  Streitigkeiten  und  wird  in  folge  dessen  auf  den  rat  der 
falschen  Bertha  an  einen  auswärtigen  hof  verbannt.  Soweit  die 
erzählung  der  Wolterschen  chronik,  insofern  sie  für  unsern  zweck 
von  bedeutung  ist;  die  Weihenstephaner  chl-onik,  welche  die 
geburt  Karls  in  der  Reissmühle  bei  Weihenstephan  vor  sich 
gehen  lässt,  fügt  hinzu,  dass  der  könig  von  einem  astrologen 
begleitet  gewesen  sei^  welcher  die  zukünftige  grosse  des  in  der 
betreffenden  stunde  gezeugten  kindes  aus  den  stemen  geweis- 
sagt habe. 

Die  Übereinstimmung  dieser  sage  mit  der  unsrigen  ist  offen- 
bar. Züge,  die  in  eine  sage  vom  leben  Karls  sehr  gut  passen, 
sind  hier  ganz  willkürlich  auf  Pilatus  übertragen.  Die  mühle, 
welche  in  allen  Versionen  der  Pilatussage  gleichmässig  vor- 
kommt, der  merkwürdige  umstand,  dass  in  beiden  fällen  nicht 
etwa  aus  der  constellation  der  geburtsstunde,  sondern  aus  der 
constellation  bei  der  zeugung  gewahrsagt  wird,^^)  der  streit 
mit  den  andern  königskindern,  die  Verbannung  an  einen  aus- 
wärtigen hof:  das  alles  sind  züge,  die  beiden  sagen  gemeinsam 
sind.  Die  einfach  volkstümliche  erzählung  von  der  geburt 
Karls  hat,  wie  oben  bereits  angedeutet,  ihr  ursprüngliches 
colorit  durch  den  ausländischen  namen  des  königs,  durch  die 
etymologische  Spielerei  etc.  eingebüsst.  Die  auf  Pilatus  durchaus 
nicht  passende  Prophezeiung  blieb  bestehen;  die  absieht,  diesen 
auffallenden  zug  zu  mildern,  trug  jedenfalls  dazu  bei,  dass  Pi- 
latus im  weitern  verlauf  der  sage  als  unterjocher  von  Pontus 
dargestellt  wurde. 

Jedenfalls  erklärt  sich  durch  diese  Zusammenstellung  die 
sage  von  der  geburt  des  Pilatus  auf  eine  klarere  und  einfachere 
weise,  als  wenn  man  mit  Mone  und  Massmann  annimmt,  die 
entstehung  dieses  teils  der  sage  hänge  damit  zusammen,  dass 
die  22.  römische  legion,  die  zur  zeit  der  Zerstörung  des  zweiten 


«)  cf.    Simrock.    Handbuch   der  deutschen   mythologie.     3.  aufläge 
pag.  162. 


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LEGENDEN  UND  SAGEN  VON  PILATUS.  106 

tempels  in  Jerusalem  lag,  bald  darauf  an  den  Bhein  gekommen 
sei;  diese  reminiscenz  ist  offenbar  zu  weit  hergeholt;  ich  wüste 
auch  keine  andere  sage,  in  welcher  diese  22.  legion  eine  rolle 
spielt.  Allerdings  gibt  es  eine  tradition,  nach  welcher  der 
Stammvater  des  hauses  Dalberg  die  22.  legion  und  mit  ihr  die 
ersten  Juden  nach  Worms  geführt  hat,^»)  jedoch  ist  diess  offen- 
bar eine  der  vielen  spät  entstandenen  sagen,  die  in  der  ahnen- 
sucht vieler  adeliger  herren  ihren  Ursprung  haben  und  ist  offen- 
bar mit  anlehnung  an  die  alten  sagen  vom  hohen  alter  der 
Judengemeinde  in  Worms  entstanden,  welche  sich  unter  anderm 
auch  rühmt,  einen  boten  nach  Jerusalem  geschickt  zu  haben, 
um  vor  der  kreuzigung  Christi  zu  warnen.  Menzel  glaubt  auch, 
dass  der  söldnerdienst  der  Germanen  in  den  römischen  legionen 
zu  dieser  Wendung  der  sage  veranlassung  gegeben  habe.  Er 
führt  auch  an,  es  existierten  „mancherlei  spottreden  über  die 
Westfalen,  die  angeblich  Christum  sollen  gekreuzigt  haben" 
ohne  hierüber  bestimmte  nachweise  zu  geben.  ^^) 

Einen  entschieden  volkstümlichen  zug  aber  hat  dieser  teil 
der  sage  in  sich  aufgenommen,  wenn  Pilatus  als  Mainzer  dar- 
gestellt wird.  Sehr  viele  bösewichter  und  Verräter,  namentlich 
unter  den  feinden  Karls  des  Grossen,  werden  als  Mainzer  dar- 
gestellt. Auch  in  der  geschichte  des  mittelalters  gibt  es  hierflir 
mehrere  beispiele,  die  Massmann  in  den  anmerkungen  zur 
kaiserchronik  (pag.  280 — 81)  zusammengestellt  hat  Das  be- 
kannteste beispiel  dieser  art  ist  wol  der  erzbischof  Hatte. 
Döllinger  will  auch  die  fabel  von  der  päpstin  Johanna  mit  die- 
ser tradition  in  Zusammenhang  bringen,  da  diese  auch  eine  ge- 
borene Mainzerin  gewesen  sein  soll.  ^^)  Auch  in  einigen  Versio- 
nen der  sage  von  der  geburt  Karls  spielen  die  Mainzer  eine 
sehr  unrühmliche  rolle;  von  der  falschen  Bertha  wird  häufiger 
erwähnt,  dass  sie  eine  Mainzerin  gewesen  sei.  ^^)  Sonst  ist  aus 
dem  Karlssagenkreise  Ganelon  das  bekannteste  beispiel  und 
merkwürdiger  weise  gibt  es  eine  tradition,  nach  welcher  auch 
Juda*s  Ischarioth,  dessen  rolle  unter  den  zwölf  Jüngern  Christi 
auch  sonst  an  die  rolle  erinnert,  die  Ganelon  unter  den  zwölf 

^)  Bechstein,  Mythe,  sage,  märe  und  fabel  etc.  vol.  III.  pag.  43. 

")  W.  Menzel.^    Geschichte  deutscher  dichtung  I.  238. 

*2)  Papstfabeln,  pag.  40. 

^)  cf.  Wolf,  neuste  leistungen  etc.  48.  ff. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.   I.  $ 


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106  CREIZENACH 

genossen  Karls  spielt,  aus  Mainz  stamme.^*)  Also  widerum 
ein  zug,  der  den  Pilatus  mit  Judas  Isßharioth  in  Verbindung 
bringt,  eine  Verbindung,  welche  auch  in  der  Judaslegende  vor- 
kommt, indem  dort  Judaß  als  diener  und  vertrauter  des  Pilatus 
auftritt.  55) 

Jedoch  gibt  es  auch  noch  versahiedene  andre  traditionen 
über  den  geburtsort  des  Pilfttus,  Dass  derselbe  nach  einigen 
in  Frankreich  geboren  mv^  soll,  ist  bereits  oben  erwähnt  und 
^aljen  diese  traditiopen  mit  der  uns  vorliegenden  sage  wol 
nichts  ^u  tup.  Sehr  hwfig  wird  ein  ort  in  Bayern  als  ge- 
burtsort erwähpt>  oflF<ßnbar  mit  anschluss  an  die  tradition  von 
der  göburt  Karls  des  Gross^u.  Die  lateinische  und  die  franzö- 
k\m^^  prosa  l^s^e^i  ih»  m  ßiuew  ort  in  der  nähe  von  Bamberg 
geboren  werdQ»^  d^r  m  lateinischen  Berleich,  im  französischen 
J^^ich  genannt  wird-  N^^oh  einer  vielvQrbreiteten  tradition  ist 
Pila,tM¥^  in  Fprchheim  geboren;  es  ist  hierüber  ein  alter  leoni- 
nischer  vers  erhaltfJi;^, 

FQrc^hßDaii  Wtm  est  Pontius  ille  Pilatus, 
Teutppic^ß  g^ntis  crucifi^or  omnipotentis. 

Pa,flzer  beriol^tßt,  dftßs  in  Forchbeim  früher  die  roten  hösen 
d^ftPilo-tup  gezßigt  vyord^n  seiön  und  erwähnt  auch  sonst  meh- 
rfirß  tr*ditionßn,  die  sich  in  Forchheim  und  in  dem  benachbar- 
t^ipi  dQrfeHa-vsen  a-nPilatiip  kflüpfßn.^^)  Auch  in  dieser  gegend 
exi^tiqrßn  sagen  ym  der  abstj^mmung  vornehmer  geschlechter 
auß  dem  qrient,  di^alben  ab^r  mit  der  Pilatussage  in  zusam- 
menhing zu  bringen,  wie  djess  in  den  Jahresberichten  des  histo- 
rischen verzins  fUr  Mittelfranfeen  ^^)  geschieht,  ist  doch  wol  ver- 
fehlt, Dies^  geneajogii^chen  sagen  bestehn  in  einem  von  Aur- 
b^cher  im  volksbtlchlein  mitgeteilten  schwanke.  Dort  wird  er- 
zählt, die  herren  von  ßiedesel,  Gebsattel,  Aufsess  und  talm 
hätten  sich  gegen  einander  mit  dem  alter  ihres  geschlechts  ge- 
rühmt, wobei  Riedesel  erzählt,  seine  vorfahren  hätten  Christo 
bei  seinem  einzuge  in  Jerusalem  den  esel  geliefert;  Gebs^ttel, 


5*)  Kaiserphronik  III.  598. 

*5)  cf.  Du  Meril  a.  a.  o.  —  Abraham  a  santa  Clara  ergeht  sich  im  „Judas" 
über  diess  verbHltnis  in  einer  seh^  aui^fmirlichen  betr^chtog- 

^)  Panzer.  B^yr,  sag§^  u.  brauche.  JJ§itr.  ?.,  A^iitficheft  wytiiplpgie^II.  23. 

")  Neunter  Jahresbericht.  1839.  pag.  53.  —  (Awbft^^U^r)  VQlki|büch- 
lein.  2.  teil.  pag.  23.  „die  adfjspifol^.'-  M,tl9i9h^i^  1835, 


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LEGENDEN  UND  SAGEN  VON  PILATUS.  107 

seine  vorfahren  hätten  ihm  einen  sattel  geschenkt,  Aufsess,  die 
seinigen  hätten  ihn  auf  den  esel  hinaufgehoben  und  Palm  end- 
lich erzählt,  seine  vorfahren  hätten  unter  das  volk  die  palmen 
verteilt,  die  Christo  bei  seinem  einzuge  auf  den  weg  gestreut 
wurden.  Diese  erzählung  ist  jedenfalls  ein  schwank  in  welchem 
die  ahnensucht  einiger  adligen  verspottet  wird  und  herr  v. 
Aufsess  selbst  sieht  in  der  von  ihm  verfassten  geschichte  seines 
geschlechts  die  erzählung  für  nichts  anderes  an.^^) 

In  Siebenkees  materiWien  zur  geschichte  der  Stadt  Nürn- 
berg ist  ein  reisebericht  des  russischen  metropoliten  Isidor  mit- 
geteilt, welcher  im  jähre  1436  von  Moskau  zum  concile  nach 
Florenz  reiste  und  auch  drurch  diese  gegendenkanL^»)  Dort  wird 
von  einer  stadt  Pont  in  der  nähe  von  Bamberg  gei^jprocheBi, 
welche  an  einem  flusse  Tisk  liege;  diess  sei  der  geburtsort 
des  Pilatus,  welcher  daher  auch  der  Pontiskische  Pilatus  heissß. 
Siebenkees  vermutete  schon,  d^ss  hier  eine  Verwechselung  mit 
Forehheim  vorliegt  und  diess  ist  um  so  wahrscheinlicher  als 
auch  sonst  in  diesem  reiseberichte  die  Ortsnamen  auf  d$k9  wun- 
derlichste verdreht  werden. 

In  Herzogs  realencyclopädie  wird  einer  tradition  gedacht, 
nach  welcher  Pilatus  ein  Spanier  gewesen  und  auf  der  Univer- 
sität Huesca  studiert  haben  soll,  ohne  dass  weitere  belege  oder 
motivierungen  zu  dieser  version  angegeben  sind. 

Simrock  teilt  in  seinem  kinderbuche  ein  kinderlied  mit,  in 
welchem  Petrus  und  Pilatus  als  auf  einer  gemeinsohaftUchw 
Wanderung  begrilBen  geschildert  werden/^)  Simrock  zählt  das 
gedieht  unter  die  verse,  welche  von  den  kindern  beim  spiel  »um 
abzählen  verwendet  werden.  Es  wäre  möglich,  dasft  in  diesem 
liede  auf  einen  der  vielen  volkstt^mlichen  schwanke  angespielt 
ist,  welche  \on  Wanderungen  des  Petrusi  erzählen,  wiewol  in 
dioeen  schwanken  Petrus  meist  in  gesellschaft  Chrißfti  auftritt 

'*)  H.  V.  Aufsess  in  den  berichten  des  historischen  Vereins  für  Ober- 
tranken, heft  I. 

^)  Siebenkees.    Materialien  zur  geschichte  Nürnbergs  I.  29S.  ff. 
«>)  Simrock.    Kinderbuch  2.  aufläge.  197.       ^ 


LEIPZIG,  WILHELM  CEEIZENACH. 


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ÜBER  DIE  LETANIE. 

Die  deutsche  litanei  des  12.  Jahrhunderts  —  „Heinrichs 
litanei  aller  heiligen",  wie  man  sie  gewöhnlich  bezeichnet  — 
ist  bisher  noch  keiner  8pecialuntersucl\ung  unterzogen  worden. 
Die  literatur  darüber  beschränkt  sich  auf  die  kurze  aufführung 
in  den  literaturgeschichten  und  auf  die  wenigen  worte,  welche 
W.  Grimm  gesch.  d.  reims  S.  41 — 42  und  Diemer  in  der  ein- 
leitung  zu  den  deutschen  gedichten  ihr  widmen.  Und  doch 
lässt  der  inhalt  dieses  gedichtes  nicht  minder  wie  die  eigen- 
tümliche art  seiner  Überlieferung  noch  so  manche  wichtige  frage 
zu  erledigen.  Vor  allem  ist  es  weder  wissenschaftlich  festge- 
stellt, in  welcher  der  beiden  überlieferten  formen  wir  die  ur- 
sprüngliche „letanle"  zu  suchen  haben,  noch  wie  sich  diess 
deutsche  gedieht  zu  der  kirchlichen  lateinischen  litanei  verhalte 
und  welcher  platz  ihm  überhaupt  in  der  literaturgeschichte  des 
12.  Jahrhunderts  anzuweisen  sei. 

Die  folgende  abhandlung  soll  ein  versuch  sein,  zur  aus- 
fÜUung  dieser  lücke  beizutragen. 

Die  eine  der  beiden  recensionen  unseres  gedichtes  ist  in 
einer  hs.  des  12.  Jahrhunderts  erhalten,  die  sich  in  der  öffent- 
lichen bibliothek  zu  Graz  befindet  und  nach  Diemer  (d.  ged. 
XVII)  aus  dem  stifte  Lambrecht  in  Steiermark  stammt.  Sie 
besteht  aus  134  pergamentblättern  und  enthält  zuerst  lateinische 
gebete  einer  frau,  dann  „sehr  schön  und  zierlich  geschrieben" 
die  letantjB  in  950  versen,  worauf  dann  deutsche  und  bis  ans 
ende  lateinische  „gebete  einer  frau"  folgen.  Sie  ist  abgedruckt 
in  Hoffmanns  fundgruben  IL  s.  216  ff. 

In  anderer,  weit  umfänglicherer  gestalt  war  das  gedieht 
in  einer  strassburger  hs.  überliefert,  die  früher  dem  coli,  societat 
Jesu  Molshemy  im  Nieder -Elsass  angehörte  und  beim  brande 


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ÜBER  DIE  LETANIE.  109 

der  bibliothek  i.  j.  1870  mit  veniichtet  wurde.  Die  hs.  enthielt 
Hartmanns  „rede  vom  glouben",  die  letante  mit  1468  versen 
(also  518  V.  mehr,  als  die  Gräzer),  das  Alexanderlied  und  das 
gedieht  von  Pilatus,  welches  nach  einer  randbemerkung  i.  j. 
1187  niedergeschrieben  wurde.  Mit  besonderer  Sorgfalt  scheint 
der  Schreiber  bei  ihrer  abfassung  nicht  zu  werke  gegangen  zu 
sein,  denn  es  kommen  ziemlich  viele  fehler  und  nachlässigkeiten 
Yor,  wie  wir  sie  bei  unserm  gedieht  noch  finden  werden.  Der  j 
vollständige  abdruck  der  hs.  befindet  sich  in  Massmanns  deut- 
schen gedichten  des  12.  Jahrhunderts  I  s.  43  fil 

Die  beiden  recensionen  weichen  erheblich  von  einander  ab 
und  es  ist  daher  unsere  nächste  aufgäbe,  durch  eine  eingehende 
vergleichung  derselben  die  ursprünglichere  gestalt  unseres  ge- 
dichtes  zu  bestimmen.  Da  beide  hss.  schon  in  ganz  verschie- 
denen dialekten  geschrieben  sind,  so  kommt  es  zuerst  darauf 
an,  festzustellen,  ob  die  sprachlichen  eigenttimlichkeiten  der 
Strassburger  oder  der  Gräzer  hs.  mehr  anspruch  auf  Originalität 
haben:  dann  erst  werden  wir  zu  der  frage  nach  den  kritischen 
Vorzügen  des  einen  oder  des  andern  textes  schreiten. 

Wir  geben  daher  zunächst  eine  kurze  Übersicht  über  den 
dialekt  jeder  hs.  ^ 

Die  Strassburger  hs.  (S)  trägt  durchaus  das  gepräge  des  / 
mitteldeutschen,  was  wir  aus  folgenden  lautlichen  Verhältnissen 
entnehmen. 

I.  Vocale. 

a  kommt  statt  seines  umlautes  e  vor,  wenn  auch  nur  ver- 
einzelt, so:  du  samftis  v.  83,  tageUh  250,  widerwärtigen  761.  — 
a  für  ö  in  sdl  (ich  soll)  461  und  oft,  und  in  sal,  (der  pfuhl)  462 
(dagegen  findet  sich  durchgängig  wol,  während  in  andern  teilen 
der  hs.,  z.  b.  dem  Alexander,  oft  wal  geschrieben  wird). 

a  für  e  in  larte  237  karte  238  (daneben  aber  auch  588  u. 
89  lerte:  bekerte).  ä  nicht  umgelautet  in  maninne  278,  harin 
1062,  Saide  1306,  vereinzelt  in  der  endung  -äre:  sundäre  520 
(gleich  darauf  sundere\  bigihtare, 

e  für  i  findet  sich  stets  in  der  allgemein  md,  form  bren- 
gen  (903,  953,  319  u.  ö.)  auch  in  irwenden  (intransitiv)  v.  917 
—  Die  Schreibung  e  für  ce  ist  ganz  durchgängig.  (Das 
zeichen  ce  nur  v.  273  in  gescegent  für  e)  —  ö  für  ei  nur  in  ani- 
redis  43. 


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110  VOGT 

i  für  6  in  wir  (wer)  492,  irlidige  1294,  irkfnnis  85,  swiligen 
544.  —  dagegen  für  den  umlaut  von  a  in  dlrres  149,  Usches 
(transitiv)  157,  verbrinnen  (träne.)  1011.  —  In  bildungs-  und 
flexionssuffixen  steht  in  der  regel  i  statt  des  mhd.  e  (muiir, 
iohiir,  tu/vil,  vbir  u.  a  w.);  ausnahmen  sind  verhältnismässig 
selten.  —  Bei  den  untrennbaren  partikeln  wird  durchgängig 
he-,  ge-  geschrieben;  ent-,  ver-  wechseln  mit  int-,  vir-;  /r-  steht 
ohne  ausnähme.  —  i  für  ie  nur  in  virstiz  127,  behilt  209,  ini- 
phinge  1367. 

6  für  uo  in  vozscamele  388,  vozen  236,  armote  322,  tvochir 
596,  mose  781  u.  s,  w.  Gewöhnlich  aber  wird  uo  durch  u  ver- 
treten; w  kommt  ganz  vereinzelt  vor  und  auch  da  nicht  aus- 
schliesslich für  uo  z.  b.  in  scuhes  153  für  ü  (hd.  sciuhes). 

M  für  ö  in  uzgermmene  543,  vemumen  814,  auch  suUch 
V.  558  können  wir  annehmen  (der  Schreiber  machte  fuUch 
daraus).  —  ü,  üe,  oe  existieren  nicht.  •—  Ä  für  iu  häufig  z.  b. 
/wr.626  u.  628,  irsures  66,  duzit  179,  fluzit  180,  Äw/e  485, 
^g/w^^  494,  aber  auch  iu  ist  nicht  ganz  selten  (fliuhis,  /iure). 

II.  Consonanten. 

d&LY  t  durchgängig  nach  l  (einvaldic,  woldis,  gelden  u.  s.  w.), 
nach  r  in  vjerden  1170.  Zwischen  vokalen  hie  u.  da;  z.  b. 
antredis  43,  zuleidis  4A,  arzidein  768,  leiden  (ducere)  956.  — 
t  fällt  manchmal  nach  f  ab  z.  b.  vientscaf  431,  hotscaf  1363, 
gesceffe  175,  .v(?^/7?n  367  {:hefte\  t  unverschoben  nur  in  ttve- 
lif  570. 

jp  regelmässig  unverschoben  im  anlaut;  pife  730,  phic  851, 
p%if  824  u.  oft,  palenze  199.  Inlautend  in  cloppen,  troppin 
1397  u.  1398;  dagegen  verschoben  in  vorcemffe  568. 

h  fällt  hie  und  da  nach  l  ab:  bevelen  1335,  bevolen  1283, 
verswolen  1284  (daneben  z.  b.  bevalch  644  fe«;a/Ä  1202). —  Vor 
^  wird  Ä  assimiliert  in  asselin  702,  bei  vorausgehendem  langen 
vokal  fällt  es  aus  in  wvs  263;  ausfall  vor  t  kommt  vor  in  it 
756  u.  954,  nit  oder  niei  wird  fast  durchgängig  geschrieben.  — 
Ausfall  zwischen  vokalen  in  hoes  49,  gemale  200,  entphan  425, 
*/an  968,  zare  1164;  aber  nicht  überall  findet  er  statt.  —  ch 
und  h  im  auslaut  für  g  (resp.  /r)  z.  b.  in  slach  1070,  ^rwcÄ  1061, 
burch  1122,  /aÄ  1183;  daneben  aber  z.  b.  ^^/ac  1184 


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ÜBER  DIE  LETANIE.  111 

71  fallt  im  Infinitiv  ziemlich  häufig  ab  z.  b.  verüUge  949, 
sehe  976,  Ulihe  1^1^  vergehe  590. 

Wir  fügen  noch  einiges  über  charakteristische  wortformen 
hinzu.  Das  md.  sichein  kommt  v^  774  vor;  die  nd.  form  fttr 
Mnnm  finden  wir  einmal  622  in  burninde  (627  ist  wol  brin- 
ninde  zu  lesen,  denn  auch  diese  form  kommt  vor  z.  b.  1011); 
787  u.  1319  weist  die  hs.  die  form  nirgen  auf,  die  dem  hd. 
fremd  ist;  echt  md.  ist  auch  die  form  zu-  der  untrenn- 
baren Partikel  mhd.  zer.  Die  bildungssilbe  -ine  an  stelle  des 
hd.  -ic  kommt  in  kuninc  öfter,  v.  1019  auch  in  der  form  leben- 
diiigen  vor.  Die  für  den  nom.  masc.  des  bestimmten  artikels 
fast  ausschliesslich  gebrauchte  form  ist  di  (worin  übrigens 
unser  gedieht  vom  Pilatus,  der  immer  der  hat,  abweicht, 
während  der  Gloube  auch  häufig,  aber  nicht  imtiier  und  der 
Alexander  sehr  selten  diese  form  zeigt).  Der  nom.  f.  lautet  äi 
(einmal  de  1059),  ebenso  der  nom.  plur.  neutr.;  denn  die  endong 
m  ist,  wie  überhaupt  im  md.  so  auch  in  der  hs.  unsrea 
gedichtes  überall  verstümmelt;  am  vollsten  hat  sie  sich  noch 
im  Instrumentalis  erhalten,  ftlr  den  »ich  durchgängig  die  form 
^  findet.  Die  allgemein  md.  form  des  pron.  poss.  unse,  un- 
m  u.  s.  w.  ist  überall  durchgeffthrt. 

Das  mag  zur  Charakterisierung  des  dialektes  der  hs.  S  ge- 
nfigen; es  kann  danach  kein  zweifei  sein,  dass  sie  von  einem 
Mitteldeutschen  niedergeschrieben  wurde  und  zwar,  wie  W, 
Grimm  vermutet,  wahrscheinlich  am  Mittelrhein,  vielleicht  in 
Mainz,  wo  der  dichter  des  Pilatus  seine  quelle  fand. 

Dahingegen  zeigt  uns  nun  die  Gräzer  Hs.  (G)  unser  gedieht 
in  rein  oberdeutscher  gestalt  ohne  jede  md.  einmischung;  viel- 
mehr trägt  ihre  Orthographie  die  kennzeichen  des  österreichi- 
schen dialektes. 

Besonders  charakteristisch  ist  dafür  das  Überaus  häufige 
vorkommen  des  a  fttr  o  vor  r.  So  finden  wir  mit  einer  auß- 
nähme  (Fdgr.  II,  227,  33)  immer  tvari  statt  rvort  geschrieben, 
60  ferner  war  den  part.  praet.  (217,22),  vertvarht  (226, 16)  u.  s.w. 

(ß  bezeichnet,  wie  in  andern  guten  hss.  des  bairisch-öster- 
reichischen  dialektes  (cf.  Weinhold  bair.  gramm.  §42),  so  auch 
in  6  immer  den  umlaut  des  a.  Auch  den  unechten  umlaut, 
der  in  jenen  hss.  nicht  selten  ist,  zeigt  G.  z.  b.  in  gervoeffente 
220,  36.    Daneben  dient  oe  auch  ganz  vereinzelt  zur  bezeich- 


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112  VOGT 

nung  des  umgelauteten  a  so  in  vcmer  217,  32.  Die  form 
rvoehse  220,  8  zeigt  unechten  umlaut  des  a. 

ie  wird  überall  bezeichnet  (zeichen:  ie  oder  %e). 

Dialektisch  tritt  es  ein  in  liehart  217,  36  für  lihart  oder 
leohart  und  in  dem  öfter  vorkommenden  hiete  (in  G  einmal  im 
reim  auf  diete  229,  29). 

m  wechselt  manchmal  mit  ü;  auch  die  Verbreiterung  zu 
eu,  welche  um  diese  zeit  zuerst  in  Osterreich  sich  ausbildet, 
tritt  schon  auf  in  Worten  wie  erleuge  225,  33,  irleuhte  218,  37, 
teuflich  234,  39,  den,  warm  217,  29  u.  s.  w.  (sie  findet  sieh 
übrigens  auch  schon  in  der  Vorauer  hs.*) 

u  wird  ziemlich  konsequent  als  zeichen  für  uo  gebraucht. 
Vereinzelt  wird  es  auch  für  u  angewant,  z.  B.  chünden  217, 16 
furste  217,  30  gegenrvurte  222,  14.  Vielleicht  ist  hier  wirklich 
die  österreichische  diphthongisierung  zu  uo  eingetreten,  die  be- 
sonders vor  liquiden  beliebt  ist  {gegmtvurt  z.  b.  kommt  in  Tür- 
lins kröne  4002  im  reime  auf  fuori  vor)  vergl.  Weinhold  bair, 
gramm.  §  114,  ü  für  uo  finden  wir  in  wühs  und,  wol  vermittelt 
durch  ü,  auch  fftr  iu  in  schuhist  218,  26. 

ßücksichtlich  des  consonantismus  der  hs.  wollen  wir  als 
ein  Charakteristikum  die  durchgängige  Schreibung  des  strenghd. 
ch  für  gemeinhd.  k  hervorheben.  Vereinzelt  tritt  auch  die 
strenghd.  Verschiebung  der  labiahnedia  ein  z.  b.  pin,  pezzer, 
picherte,  prustigizy  winisprüt,  zwelfpoten  u.  s.  w. 

Wenn  uns  nun  die.dialekte  unsrer  beiden  recensionen  in 
so  weit  auseinander  liegende  gegenden  weisen,  so  müssen  wir 
untersuchen,  ob  etwa  einige  der  geschilderten  dialektischen 
eigentümlichkeiten  mit  notwendigkeit  dem  ursprünglichen  text 
angehörten  und  diesen  so  mit  Sicherheit  einem  der  beiden 
dialekte  zuweisen.  Das  sicherste  kriterium  sind  natürlich  die 
reime,  aber  bei  unserm  unrein  reimenden  gedieht  sind  wir  auch 
da  gezwungen,  nur  mit  vorsieht  vorzugehn.  Die  reim  Verhält- 
nisse sind  nämlich  etwa  folgende;**) 

*)  Die  in  andern,  namentlich  spätem,  österreichischen  hss.  häufige, 
aber  auch  schon  in  der  Milstäter  durchgedrungene  wandelung  des  ^  und 
iu  zu  QU  kommt  in  unsrer  hs.  nie  vor.  (vgl.  jedoch  hierzu;  Paul,  mhd. 
Schriftsprache,  p.  29.  —  Br.) 

**)  Wir  schliessen  die-  in  G  nicht  enthaltenen  stücke  vorläufig  aus, 
da  das  Verhältnis  derselben  zu  dem  in  beiden  hss.  enthaltenen  texte  noch 
besonders  zu  untersuchen  sein  wird. 


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ÜBER  DIE  LETANIE.  113 

G  hat  in  seinen  950  versen  133  unreine  reime,  also  etwas 
weniger  als  V?  der  gesammtzahl.  Darunter  sind  nur  14  voka- 
lisch unreine  reime  (unter  diesen  nur  3  stumpfe);  die  übrigen 
haben  gleiche  vokale  bei  ungleichen  consonanten  und  zwar 
meist  so,  dass  muta  auf  muta,  spirans  auf  spirans,  liquida  auf 
liquida  reimt.  Seltner  sind  —  auch  unter  den  klingenden  —  reime 
wie  224^  2  emphahen:  gnaden,  einzig  in  seiner  art  der  226,  10 
anders:  Johannes,  Es  handelt  sich  nun  darum,  ob  einige  dieser 
reime  aus  md.  oder  österreichischen  lautverhältnissen  zu  er- 
klären sind. 

Aus  dem  reim  dinge:  begierige  (S  309  G  221,  20)  darf  nicht 
auf  md.  i  iMie  geschlossen  werden;  in  klingenden  reimen  sind 
solche  Unreinheiten  gestattet  und  ausserdem  könnte  mit  gleichem 
rechte  auf  österreichische  diphthongisierung  von  i  zu  ie  in  der 
ausspräche  geschlossen  werden;  so  reimt  Heinrich  v.  Melk, 
Erinnerung  441  sogar  stumpf  viench:  dinch. 

Ganz  ebenso  verhält  es  sich  mit  den  reimen  u:  uo  z.  b. 
chunde:  stuonde  G  222,  28  (wo  S  363  künde:  hegende  hat) 
frumeie:  stunde  G  219,  25,  S  221  meum:  iuon  G  233,43,  S  1313. 
Auch  hier  ist  kein  md.  u  flir  uo  anzunehmen,  wenn  man  um- 
gekehrt die  so  sehr  beliebte  österreichische  diphthongisierung 
von  u  zu  uo  vor  liquiden  berücksichtigt,  wie  sie  zahlreiche  reime 
der  österreichischen  dichter  der  besten  zeit  belegen.  Für  unsere 
zeit  vergl.  z;  b.  Heinrich  v.  Melk  Erg.  373  chunt:  iuont.  Auf- 
fallend stimmt  übrigens  unser  dichter  mit  H.  v.  Melk  überein 
in  den  mannigfaltigen  reimen  des  wertes  sun.  So  reimt  er  sun: 
tuon  221,  16  und  entsprechend  :wistuom2l7,  12  :magituom  219, 
11;  ganz  so  Heinrich  sun:  tuon  sehr  oft  (z.  b.  Erg.  743),  :richtuom 
749.  Daneben  aber  reimt  unser  dichter  217, 41  suns:  w/wganz 
wie  Heinrich  v.  Melk,  Priesterleben  384. 

Wenn  man  in  reimen  wie  G  232,  23  iusent:  beriuset  (so 
ist  zu  lesen  statt  des  handschriftlichen  beriusmt)  wirklichen 
Übergang  von  iu  in  u  annehmen  will,  so  Hesse  sich  das  ebenso  gut 
aus  dem  österreichischen,  wie  aus  dem  md.  vokalismus  ableiten 
(vergl.  Priesterleben  225  unsür  f-ourj:  untiur  (-tourj,  Helm- 
brecht 1783  ungehmr:  bür). 

Rücksichtlich  der  konsonantisch  ungenauen  reime  könnte 
man  G  231,  19,  S  1070  slach:  ungimach  zu  gunsten  des  md. 


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114  VOGT 

so  gut  wie  des  österreichischen  dialektes  des  dichters  beibrin- 
gen. (Abgesehen  von  zahlreichen  reimen  österreichischer  dichter 
des  13.  Jahrhunderts  vergl.  für  unsre  zeit  Erinnerung  906  ge- 
mach: macfi), —  Der  ausfall  desÄ  vor  t,  der  in  niet  durch  den 
reim  diet:  niet  S  1249  G  232,  11  belegt  ist,  findet  sich  im  md. 
zv^ar  häufig,  nicht  minder  aber  auch  in  österreichischen  ge- 
dichten  dieser,  wie  auch  der  späteren  zeit,  wenn  auch  G  hier 
niht  schreibt.  Vergl.  z.b.  H.  v.  Melk,  Erg.  447  niet:  Uet,  759: 
schiet.  Echt  md.  scheint  die  v.  263  in  S  tiberlieferte  form  rvus: 
buz.  6  schreibt  (220,  20)  rvüJis^  aber  sollte  die  form  ohne  h 
flir  einen  Österreicher  unmöglich  sein?  Weinhold  bair.  gramm. 
§  194  fahrt  mehrere  beispiele  an,  wo  im  bairisch- österreichi- 
schen dialekt  in  schritt  und  reim  h  vor  s  ausfällt.  Und  wollte 
man  wirklich  einen  völligen  ausfall  in  dieser  form  nicht  an- 
nehmen, so  mag  der  hauch  doch  ein  so  leiser  gewesen  sein^ 
dass  dieser  reim  nichts  bedenkliches  flir  den  Österreicher  hatte 
und  man  hat  es  wol  nicht  nötig,  hier  auf  die  analogie  des  in 
jedem  falle  weit  härteren  Johannes:  anders  hinzuweisen. 

Eine  wirklich  nur  md.  form,  als  solche  durch  den  reim  ge- 
stützt, lässt  sich  in  unserm  ganzen  gedichte  nicht  nachweisen. 
Vielmehr  entstellt  sogar  S  oft  durch  dialektische  Schreibung 
die  reime.  Meist  mag  das  nur  nachlässigkeit  des  Schreibers 
sein,  wo  auch  richtiges  reimen  nicht  gerade  gegen  seinen  dialekt 
Verstössen  würde,  aber  oft  scheinen  doch  wirklich  die  reime 
seiner  vorläge  zu  seinem  dialekt  nicht  gestimmt  zuhaben.  Wenn 
er  z.  b  426  entphan  (:gnaden)  schrieb,  so  gebrauchte  er  die  ihm 
geläufige  md.  form  mit  ausfall  desÄ,  verwischte  aber  den  reim; 
ebenso  verschlechterte  er  wenigstens  den  reim,  wenn  er  die 
von  ihm  konsequent  so  geschriebene  und  allgemein  mitteldeutsche 
form  hr engen  v.  320  auf  gedinge^  566  auf  tegedinge,  903  auf 
dinge  reimt.  Auch  der  umlaut  in  Merte  (G  229,  33)  mag  ihm 
ungewohnt  gewesen  sein  und  er  schrieb  (S  717)  Martin  trotz 
des  reimes  auf  geverte. 

Die  zusammenziehung  von  -ege-  zu  ei  kommt  zwar  im 
Alexander  der  Strassburger  hs.  und  im  Pilatus  vor,  aber  Hart- 
mann im  glauben  (mit  dem  die  dialektischen  eigentftmlichkeiten 
der  letante  auch  sonst  gegenüber  dem  Pilatus  übereinstimmen) 
kennt  sie  noch  nicht  und  es  kann  daher  doch  vielleicht  gegen 


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ÜBER  DIE  LETANIE.  1 1 6 

die  Priorität  des  dialektes  der  letante  in  8  geltend  gemacht 
werden,  wenn  S  diese  zusammenziehung,  wie  überhaupt,  80 
auch  da  unterlägst,  wo  der  reim  sie  erfordert.  8  schreibt  228 
magit  im  reim  auf  mennischeit,  338  gesagit:  mennischeit,  1094 
beide:  megede, 

Auffallend  ist  es  auch,  dass  8  immer  statt  gite  A\^  form 
gire  setzt,  selbst  im  reime  auf  ^te  127  und  auf  margerite  267: 
das  allgemeiner  verbreitete  wort  ist  gire,  gite  wird  seltener  ge- 
braucht (das  adjeetivum  giiec  kennt  8  allerdings:  418  gitege 
cuwe). 

Infinitivformen  mit  bewahrung  des  ursprünglichen  j  (meist 
zu  g  verändert),  wie  sie  6  235,  34  in  irwergen  aufweist,  kommen 
in  bairisch-österreichischen  denkmälern  jener  zeit  mehrfach  vor 
(vergl.  die  beispiele  bei  Weinhold  bair.  gramm.  §  311);  der 
reim  auf  enterben  erfordert  hier  diese  form,  trotzdem  setzt  G 
die  seinem  dialekte  allein  geläufige  form  irwerin  (1389)  und 
zerstört  den  reim. 

Derartige entstellungen  der  reime  zugunsten  des  dialektes 
kommen  in  G  nie  vor.  Nur  für  das  äuge  bestehn  natürlich 
reimverschlechterungen  —  wenn  man  sie  überhaupt  so  nennen 
darf  —  wie  z.  b.  G226,  42  lebetest:  phleiiest,  wo  G  eben  so  gut 
phlegetest  hätte  schreiben  können,  wie  schon  das  mageä^  227,  5 
beweist.  Weitere  derartige  beispiele  aufzuführen  wäre  über- 
flüssig: eine  wirkliche  differenz  zwischen  dialekt  und  reim  zeigt 
sich  eben  in  G  nirgend,  und  ich  glaube  wir  sind  daher  schon 
jetzt  berechtigt,  den  schluss  aus  der  vorangegangenen  Untersu- 
chung zu  ziehen,  dass  der  ursprüngliche  dialekt  der  letanie 
nicht  der  md.  der  hs.  8,  sondern  der  in  G  repräsentierte  öster- 
reichische war. 


Wir  kommen  somit  zum  zweitenteile  unserer  Untersuchung: 
zur  kritischen  vergleichung  beider  texte.  Auch  hier  werden 
wir  zunächst  nur  den  in  beiden  hss.  enthaltenen  text  berück- 
sichtigen, um  die  in  G  nicht  enthaltenen  abschnitte  und  ihr 
Verhältnis  zum  übrigen  steile  des  gedieh  tes  im  zusammenhange 
für  sich  untersuchen  zu  können. 

Die  Überschriften  des  ganzen  gedieh  tes  und  der  einzelnen 
abschnitte  in  G  finden  sich  in  8  nicht.    Erst  eine  spätere  band 


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116  VOGT 

fügte  die  Überschrift  „/7ig  get  ane  daz  hoch  von  der  heiigen 
latenien^  und  die  Unterschrift  „Jlie  ist  vz  daz  boch  von  der  laienien^ 
hinzu.    (Massmann  vorwort  VII.  3). 

Der  erste  teil  (G  216,  1—218,  44;  S  1—172)  enthält  eine 
anrufung  der  dreieinigkeit.  —  Schon  v.  3  zeigt  eine  kleine  Ver- 
schiedenheit: 6  siniu  tougen  niene  mach  versperren  ist  einfach  und 
klar.  S  si7iir  tougen  njeman  nemah  besperren  gibt,  wenn  man 
auch  hier  ^a^/rßre  als  Subjekt  fasst,  keinen  sinn.  Die  einzige  art, 
es  zu  deuten,  wäre  vielleicht:  „vor  dem  niemand  des  herzens 
heiligtum  in  bezug  auf  dessen  geheimnisse  verschliessen  kann" 
immerhin  eine  mindestens  schwerfällige  und  dunkle  construction. 
G  hat  hier  sicher  das  richtige. 

V.  8  und  9.  S:  der  Üb  ist  zu  geistlichen  Sachen 

weih  vnde  ungehaldich  (in  bezug  auf  geist- 
liche Sachen  schlaff  und  ohne  ausdauer) 
G:  —  ce  fleischlichen  sachen 
weich  unde  ohaltich. 

Diess  0  kann  hier  weder,  wie  sonst,  ou,  noch  den  von 
MüUenhoflf  (denkm.  zu  LXX.  2)  angenommenen  zwischenlaut 
zwischen  o  und  w  bedeuten.  Es  ist  jedenfalls  Schreibfehler  und 
zwar  wol  entweder  fflr  ähaltich,  was  sonst  nicht  vorkommt,  oder 
für  unhaltich  (uhaltich)  was  im  mhd.  wb.  bei  Osw.  v.  Wolken- 
stein belegt  ist  für  einen  der  nichts  verschweigen  kann.  Hier 
würde  das  wort  dasselbe  wie  das  ungehaldich  in  S  bedeuten, 
also  etwa:  in  bezug  auf  fleischliche  dinge  (gelüste)  schlaff  und 
ohne  Widerstandskraft.  Beide  lesarten  geben  sinn.  —  Kleinere 
abweich ungen,  wie  sie  fast  in  jedem  verse  vorkommen,  zu 
erörtern,  würde  zu  weit  flihren;  wir  wollen  nur  die  berücksich- 
tigen, aus  denen  man  auf  den  wert  und  die  Stellung  der  beiden 
recensionen  zu  einander  Schlüsse  ziehn  kann. 

Eine  erhebliche  Verschiedenheit  zeigen  die  texte  in  G  26 — 
35,  S  26—39.  Während  in  G  der  dichter  gott  bittet,  in  dem 
kämpfe,  den  die  tugenden  mit  den  Sünden  in  ihm  erhoben 
haben,  ihm  seinen  söhn  als  beistand  zu  senden,  bringt  S  zwei 
bibelstellen  bei,  die  sich  auch  auf  jenen  kämpf  und  besonders 
auf  den  lohn  für  den  sieg  in  demselben  beziehen.  Vielleicht 
wurde  in  S  der  ursprüngliche  text  geändert,  um  die  citate  an- 
zubringen: jedenfalls  sehe  ich  keinen  grund,  in  G  eine  ände- 
rung  anzunehmen. 


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ÜBER  DIE  LETANIE.  117 

V.  44  ist  in  S  jedenfalls  nach  G  (40)  faogis  st.  ougis 
zu  lesen. 

In  der  Schilderung  der  alimacht  gottes  (in  6  von  216,  37 
in  S  von  41  ab)  durch  gegenüberstellung  einer  reihe  von  ge- 
gensätzen,  die  alle  in  seiner  gewalt  liegen,  stimmen  beide  hss. 
überein  bis  G  217,  3  (abgesehen  davon,  dass  S  jene  eigen- 
schaften  in  zweiter  person  direkt  gott  zuschreibt,  während  sie 
6  vom  „gervalf  gottes  aussagt).  Statt  der  beiden  letzten  dieser 
versa  aber,  die  jetzt  in  S  v.  53  u.  54  bilden,  sind  in  S,  nach 
Massmanns  mitteilung,  am  rande  v.  47 — 90  von  der  band  des 
correktors  eingeflochten.  Die  ersten  6  von  diesen  nachgetragenen 
yersen  sind  die  in  G  217,  4 — 9  in  abweichender  reihenfolge 
enthaltenen;  nämlich  S  47.  48  ==  G  217,  4.  5;  S  49.  50  = 
G  217,  9.  8;  S  51.  52  =  G  217,  7.  6.  Die  übrigen  gegen- . 
Sätze,  welche  noch  in  den  versen  55 — 90  enthalten  und  zum 
teil  etwas  abgeschmackter  art  sind,  sehen  ganz  wie  erfindung 
des  verbessevers  aus,  der  diese  verse  zugleich  mit  den  6  vom 
Schreiber  ausgelassenen  versen  nachtrug.*) 

Dem  gebete  an  gott  folgte  in  S  ursprünglich  die  in  G 
nicht  enthaltene  anrufung  an  die  trinitas  (jetzt  17S — 196),  dann 
die  an  den  heiligen  geist  und  darauf  die  an  Christus.  Die 
richtige  reihenfolge,  wie  sie  der  correktor  angab,  entspricht 
der  m  G. 

6  217,  26.  Er  helzzit  din  wart  unt  dln  (d.  i.  gottes)  ge- 
bot (also  Xoyog)  ist  jedenfalls  richtiger  als  S  107  din  (d.  i. 
Christi)  name  vnde  din  gebot  heizzit  u.  s.  w.,  das  gebot  passt 
hier  gar  nicht  in  S.  —  Dagegen  ist  G  217,  36  das  ein  brunne 
zwischen  leu  und  liebart  eine  offenbare  entstellung  aus  dem  in 
S 114  tiberlieferten  einhorne.  —  Ob  217,  33 — 34  in  G  zugesetzt 
oder  in  S  fortgelassen  sind,  lässt  sich  wol  kaum  entscheiden. 
—  G  217,  43  ist  statt  geist  mit  S  121  crist  zu  lesen.  —  S  145 
u.  146  sind  inG  nicht  enthalten:  sie  passen  gut  in  den  Zusam- 
menhang, ohne  dass  jedoch  derselbe  in  G  durch  ihr  fehlen 
unterbrochen  würde.  S  147  weicht  dem  entsprechend  von  G 
218,  21  ab.  —  G.  218,  22  (vergl.  S  148)  entspricht  wörtlich 
dem  eingeschobenen  verse  S  68.  —  S  153  lockis  ist  besser  als 
6  218,  26  sterchist  im  gegensatz   zu  scuhis  (d.  i.  sciuhis).   — 


•)  V.  74  in  S  ist  übrigens  kan  st.  han  zu  lesen. 


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118  VOOT 

Sbfioaso  ist  S  153  dar  gegeneatz  mthullis  vnde  deckes  jedenfalls 
besser ;  als  das  in  6  218 ,  30  entsprechende  du  vertilist  tmt  in- 
tecchist. 

Von  S  150,  6  218,  24  ab  ist  die  reihenfolge  der  varse  in 
beiden  hss.  wider  ganz  verschieden.  In  S  würden  die  vv,  nach 
G  so  zu  ordnen  sein:  154.  153.  15$,  155.  151.  152.  S  157— 
162  fehlen  in  G.  Es  ist  nicht  möglich,  weh  hier  bestimmt 
für  eine  der  beiden  hss.  zu  entscheiden,  ebenso  wenig  wie  bei 
den  in  S  nicht  enthaltenen  G  218,  37 — 40.  Das  hier  in  G 
angewante  bild  kehrt  übrigens  nachher  in  ß  631 — 32  im 
gebet  an  den  apostel  Johannes  wider,  welches  in  G  fehlt 

Mit  dem  mUerere  nobis  schlies^t  das  gebet  an  den  beil.  geist 
und  der  gemeinsame  te^^t  geht  in  S  197  mit  dem  hymnus  an 
Maria  weiter. 

S  205  ist  im  anechluss  an  G  ^u  lesen  unsin  Herren  ^ 
ein  fri  vart.  Das  um  sin,  wie  Ms^ssmann  will,  müßte  sich 
auf  den  engel  oder  den  wissag^  beziehen  und  gäbe  gar 
keinen  sinn. 

G  219,  12  der  den  ervichlichin  magitum  —  bihielt,  S  208 
di  dir  4^  ewicHchen  magitum  —  behilt  Also  nach  G  hat  Jesus 
sich  die  keuschheit  bewahrt,  nach  S  hat  er  sie  der  Maria  be- 
wahrt (nnicht  einmal  dadurch,  dass  sie  ihn  gebar,  ging  sie  ihrer 
Jungfräulichkeit  verlustig").  Ich  glaube,  dass  hier,  wo  Maria 
angeredet  wird,  mehr  am  platte  ist  was  S  gibt.  Dazu  kommt, 
da^s  S  999  in  dem  (in  G  nicht  enthaltenen)  gebet  „Jhem  Co- 
rona virginum^'  ganz  dieselbe  wendung  widerkehrt,  wie  hier  in 
S,  —  G  219,  17  der  waz  i$t  passender  von  der  blume  ausge- 
sagt, als  S  213  *  frowede,  —  S  219  ff.  ist  der  text  sicher  ent- 
stellt Das  wde  v.  320  ist  ganz  unsinnig  und  bewirkt,  ds^ss 
gerade  da*  gegenteil  von  dem  gesagt  wird,  was  gesagt  werden 
soll  Es  ist  jedenfalls  das  beste,  sich  hier  einfach  der  lesart 
von  G  219,  23  ff  amiuschliessen,  so  dass  dann  in  S  auf  stunde 
222  gleich  v.  287  folgt  {di  anf  missehellunge  bezüglich);  das 
noch  daz  st  ienoch  siy  sowie  die  in  S  folgenden  verse  unter- 
brechen unnötig  die  conBtruktion  und  dfts  wene  d^rh  dinen 
trost  223  ist  nur  aus  v.  228  (G  219,  28)  entnommen.  Die 
ganze  Änderung  in  S  ist  hier  wol  nur  dem  aohreiber  zuzu- 
schieben. —  G  220,  27  ist  in  G  st.  röre  mit  S  270  trore  zu 
lesen.  —  S  276  st  uffUmgine  zu  lesen  ufUmginde^  (mhd.  wb). 


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ÜBER  DIE  LETANIE.  119 

Mit  y.  311  u.  12  hebt  S  einen  neuen  absatz  an^  indem 
sich  der  dichter  dagegen  verwahrt,  dass  er  der  Maria  zu  nahe 
trete,  wenn  er  ihr  so  eindringlich  zu  spreche,  da  ja  auch  sie 
nur  ein  geschöpf  gottes  gewesen  sei.  Ahnliche  Verwahrungen 
des  dichters  kommen  vor  S  1115,  S  516  ff,,  G  226,  12;  aber 
der  V.  314  passt  hier  doch  bei  weitem  nicht  so  in  den  Zusam- 
menhang, wie  der  entsprechende  in  G  221,  23.  —  V,  319  setzt 
S  sipnreicher  magit  dem  wibe  317  gegenüber  als  G  221,  26  u. 
88,  welches  an  beiden  stellen  tvip  gibt  („ein  weib  brachte  der 
weit  den  tod,  eine  Jungfrau  das  leben"),  —  G  221,  40  fehlen 
hinter  wan  daz  die  in  S  331   überlieferten  worte  si  uns  daz. 

—  G  222,  12  u.  13  sind  in  S  nicht  enthalten.  Der  Zusam- 
menhang wird  durch  ihr  fehlen  nicht  unterbrochen.  —  G  222, 
45  f.  gibt  einen  ganz  andern  gedanken,  als  S  380  f.  Die  lesart 
in  S  passt  nicht  recht  in  den  Zusammenhang:  das  er  380 
könnte  sich  doch  nur  auf  den  engel  beziehen,  welcher  der 
Maria  die  jungfräuliche  geburt  verkündete,  aber  dieser  ist  vor- 
her nicht  genannt.  —  Nach  S  400  ist  Maria  nur  fürbitterin, 
nach  G  223,  19  ist  sie  selbst  die  beschützerin. 

Es  folgt  das  gebet  an  die  engel.  S  v.  418  ist  abzuteilen: 
gitege  cuwe.  —  G  224,  9  ist  st.  habe  mit  S  au  lesen  werde.  — 
443  hatS  das  seltnere  wort  underdige,  Q  (324,20)  wie  überall 
an  den  entsprechenden  stellen  nur  digen^  —  G  224,  23 — 25 
sind  in  @  nicht  enthalten:  notwendig  sind  sie  jedenfalls  nicht 

Gebet  an  Johannes  Baptista  G  224^  28—227, 17,  S  447—569. 
450  unterbricht  S  durch  ih  meine  dih  die  construktion  ebenso 
wie  454  vergl.  G  224,  31  u.  35.  Derartige  auflösungQu  der 
Perioden  sind  überhaupt  in  S  nicht  selten,  vergl.  oben  v.  219  ff. 

—  G  33  dütte,  S  452  bebute,  was  doch  wol  heissen  soll:  wie 
gern  hätte  ich  deinen  uamen  inne,  trüge  ihn,  ddUie  in  G  passt 
besser  zu  dar  folgenden  deutung  des  namens,  bebuwen  ist  sonst 
Q}<)Jbit  belegt.  S  liebt  überhaupt  sehr  die  Zusammensetzungen 
mit  be^;  so  hat  S  457  und  überhaupt  durchgängig  bekam  wo 
G  erkant  hat,  so  oben  v.  3  S  be$perren;  G  versperren^  465  hat 
S  behart;  koren  kojnmt  son^  mit  be-  nicht  vor,  es  ist  über- 
ka^upt  iii  jan€^  zeit,  schon  ein  seltenes  wort,  darum  änderte  G 
386  in  berpurt.  —  S  471  u,  72  in  G  in  umgekehrter  reihen- 
folge;  dßr  i73  ist  mit  G  in  daz  zu  ändern.  —  S  477  ist  st. 
ich    fliege    in    der    välvisch    zu    lesen     ich    flieginder    valwisch 


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120  VOGT 

G  225,  16  flohzunder.  —  S  481  windishru  die  md.  form  für 
jvintsprüt  wie  G  hat  —  S  496  durch  den  Schreiber  ent- 
stellt. Man  lese  mit  6:  der  suntm  madewelligen  eizze  („der 
Sünden  wurmzerfressene  geschwüre").  —  G  225,  39  üf  sülU  S 
500  ufscuUU  sülen:  durch  eine  säule,  starke  stütze  aufrecht 
halten,  ist  sonst  weder  im  nahd.  noch  im  ahd.  belegt.  Doch 
passt  es  hier  recht  gut.  Im  got.  kommt  übrigens  auch  das 
wort  gasuljan  vor:  „fest  auf  erbauen,  fest  gründen"  (Matth.  7, 
25,  Luc.  6,  48,  Eph.  3,  18),  ufscuUt  würde  hier  etwa  =  vristet 
sein,  doch  passt  es  nach  ausdruck  und  reim  weniger  als  üf 
sülit  G  225,  42.  43  fehlen  in  S;  sie  sind  entbehrlich,  der 
Übergang  von  der  3.  in  die  2.  person  ist  etwas  schroff.  —  S 
537  ist  st  nur  mit  G  zu  lesen  mir.  —  Die  verschiedenen  attri- 
bute  des  Johannes  (G  226,  33—36  S  538—41)  weichen,  be- 
sonders in  der  reihenfolge,  in  beiden  hss.  etwas  von  einander 
ab,  ohne  dass  der  sinn  dadurch  geändert  würde. 

Gebet  an  die  apostel  G  227,  18—228,  25.  S  570- -61 7.  — 
G  227, 23  gibt  die  bibelstelle  (Matth.l  6, 18)  treuer  als  S  575.  —  G 
(228, 4—7)  führt  in  4  vv.  aus,  was  S  (578—79)  in  2  vv.  sagt  V.  6  in 
G  widerholt  nur  das  v.  2  gesagte.  Das  wir  in  S  600  weist  bestimmt 
auf  eine  seelsorgerische  tätigkeit  des  Verfassers  hin.  —  S  613 — 14; 
(daz  gerichie)  daz  ane  irbarmunge 
nit  irget  vnde  doh  nah  rehie 
entspricht  dem  zusammenhange  mehr  als  G  228,  21.  22: 

diu  äne  barmunge 

irget  niht  wan  (denn  so  muss  man  doch  st  war  lesen) 
ruich  rechte.  Der  bittende  hofft  hier  ja  gerade  auf  die  erbar- 
mung und  den  schütz  der  apostel.  Doch  macht  die  lesart  in 
S  den  eindruck  einer  Verbesserung. 

Der  gemeinsame  text  geht  in  S  662  (G  228,  26)  mit  dem 
gebet  an  die  märtyrer  weiter.  S  672  entstellt  durch  das  Übe 
den  sinn.  G  228,  36  hat  richtig;  swer  an  der  sele  verscheiden 
si:  „wie  du  einst  7  tote  erwecktest,  so  erwecke  auch  die, 
deren  seele  (in  Sünden)  erstorben  ist"  Derselbe  gedanke  kehrt 
wider  in  G  229,  34—39  S  718—720;  vergl.  auchG  222,  17  flf. 
S  352  flf.  —  S  684  ist  durch  den  Schreiber  entstellt:  vor 
uns  ist  aus  683  herübergekommen,  das  tu  {tun)  gibt  keinen 
genügenden  sinn.  Es  ist  einfach  nach  G  229,  6  tragen  zu 
lesen. 


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ÜBER  DIE  LfiTANlÜ.  121 

Gebet  an  die  confessores  G  229,  14—21;  S  692—746. 
6  229,  25  ist  st.  wime  sten  zu  lesen  wir  ernten  (in  derselben 
weise  ist  zu  ändern  G  221,  33).  —  S  706—11  sind  inG  nicht 
enthalten.  Die  vv.  fügen  dem  lobe  des  Gregor  gleichsam  als 
beleg  noch  das  verdienst  hinzu,  welches  er  sich  durch  die 
erklärung  des  Hieb  erworben  habe.  Sie  sind  als  späterer  nach- 
trag  leicht  zu  erkennen.  —  Dagegen  hat  G  229,  35 — 38  eine 
in  S  nicht  enthaltene  und  wol  nicht  ursprüngliche  erweiterung; 
indem  G  ausser  den  totenerweckungen  auch  noch  der  krank- 
heitsheilungen  des  heil.  Martin  gedenkt,  während  doch  nur  die 
ersteren  als  bild  für  der  erchuche  den  tot  unser  sele  hier  zu  er- 
wähnen waren.  —  722  S  löst  S  wider  die  in  G  229, 40  ff.  richtig 
überlieferte  periode  auf  und  entstellt  dadurch  den  sinn  ganz. 
Dieser  ist  nachG:  „denn  obgleich  euer  hingang  in  den  christ- 
lichen frieden  aufgeschoben  wurde"  (d.  h.  obwol  ihr  den  mär- 
tyrertod  nicht  erlittet)  „so  seid  ihr  doch  zum  teil  vom  siege 
der  märtyrer  „ungeschieden",  habt  so  gut  wie  sie  anteil  an 
demselben."  (Es  ist  in  S  722  doh  nach  rvan  einzusetzen  und 
725  noh  in  doh  und  site  in  sige  zu  ändern).  —  G  230,  7  muss  zu 
gunsten  des  reimes  mit  S  meistis  (von  swaz  abhängig)  gelesen 
werden.  —  S  732  ist  das  gescriben  eine  interessante  abweichung 
von  dem  gehorte  in  G  230,  8.  Wäre  jenes  richtig,  so  würde 
es  noch  auf  eine  anderweitige  schriftstellerische  tätigkeit  des 
dichters  schliessen  lassen.  —  Die  verworrenen  verse  S  733  u. 
55  sind  nach  G  230,  10 — 11  zu  berichtigen. 

An  die  confessores  schliesst  sich  im  gemeinsamen  text  das 
gebet  an  die  Jungfrauen  anS  1036  ff.  —  Das  gebet  an  die  heil. 
Agnes  schliesst  in  S  1052  ff.  mit  der  bitte  um  beistand  im 
kämpf  gegen  unkeusche  gelüste,  die  sich  an  die  erzählung  ihres 
Sieges  über  derartige  Versucher  gut  anschliesst.  G  230,  38  ff. 
erwähnt  dagegen  noch  zuvor  ihren  märtyrertod  und  schob  diesen 
passus  wol  nur  der  Vollständigkeit  halber  ein.  Das  sich  an- 
schliessende gebet  weicht  nun  auch  dem  entsprechend  von 
S  ab;  in  demselben  stimmen  die  vv.  231,  1  u.  2  auffallend 
mit  den  gleichfalls  in  S  nicht  enthaltenen  235,  14.  15  überein. 
—  S  1082  st.  hume  zu  lesen  U  ime,  1083  beiden  st.  beL  —  G 
231,  36  u.  37  und  232,  1  u.  2  hat  S  nicht. 

Im  gebet  an  alle  heiligen  (S  1243)  geht  der  gemeinsame 
text  weiter.  —  S  1256  st.  heiligen  mit  G  232,  18  ßingir  zu 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    I.  9 


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122  VOGT 

lesen  vgl.  S  1257  zu  661,  wo  das  gleiche  prädieat  von  den 
aposteln  ausgesagt  wird.  —  G  232,  22  muss  statt  Uriusent 
gelesen  werden  birmset,  wodurch  der  reim  allerdings  sehr  un- 
rein vrird. 

S  1271  tmde  elicJien  hirai 

hin  ze  gote  hant  braht 

G  232,  33  olde  die  diu  Sache  hirat 

hin  ce  got  braht  hat, 

G  hat  hier,  wo  von  seKg  gewordenen  die  rede  ist,  das 
richtige.  DasB  eine  treue  ehe  zur  Seligkeit  verhelfe,  war  eine 
weit  verbreitete  ajasicht  jener  zeit:  jußgfrauen,  wittwen,  ehe- 
leute  haben  auspruoh  auf  den  himmel;  vergl.  Heinzel  zu  H.  v. 
Melk  Priesterleben  485.  S  will  wol  sagen:  „die  ihre  ehe  gott 
dargebracht,  auf  gott  hingelenkt  haben"  und  modificierte  damit 
vielleicht  absichtlich  das  in  G  gesagte,  denn  jene  ansieht 
von  der  ehe  hatte  auch  ihre  gegner  (vergL  Hartm.  v.  Gloub. 
2490  flf.). 

S  1274  ubele  ist  entstellt  aus  dem  in  G  überlieferten  abele. 

—  G  233,  7  nach  sant  pauls  rede  ist  falsch,  da  das  citat 
1.  Petri  5,  8  steht.  S  1289  bietet  also  hier  das  richtige.  Mit 
den  vv.  1291  u.  92  hebt  S  einen  neuen  absatz  in  dem 
gebet  an  die  heiligen  an,  in  G  fehlen  sie.  Dagegen  sind  die 
vv.  G  233,  13—22,  27—30  in  S  nicht  enthalten  und  möglicher- 
weise in  G  interpoliert:  eine  erweiterung  bei  solchen  aufzäh- 
lungen  liegt  nahe.  —  G  233,  42  zu  lesen  sine  st.  siner,  —  S 
1314  ffi  G  234,  1  ff.  wird  die  minne  als  haupttugend  gepriesen; 
während  G  in  den  in  S  nicht  enthaltenen  vv.  11  u.  12  noch 
tugenden  nennt,  welche  die  minne  im  gefolge  habe,  ftlhrt  S 
1325 — 30  noch  ganz  anmutig  die  Vorzüge  der  minne  aus; 
aber  das  folgende  mit  disen  tugentlichen  scaren  schliesst  sich  in 
G  besser  an  die  eben  aufgeführten  tugenden,  als  in  S  nach 
einem  Zwischensatze  von  6  versen  an.  —  S  1347  G  234^  32  flf. 
sind  wider  in  abweichender  reihenfolge  überliefert:  G  234,  32. 
33  =  S  1351.  52;  G  234,  34,  35  =  S  1349.  50.  —  G  234,  39 
ist  das  sunten  eine  änderung  des  als  Substantiv  nur  hier  vor- 
kommenden schunden  in  S  1356  (Verlockungen),  welches  dem 
ab  insidiis  diaboli  der  lateinischen  litanei  auch  mehr  entspricht 

—  1362  S  ist  st.  herre  vater  zu  lesen:  herre  cristy  wie  G  234, 
45  hat  —  Die  w.  S  1365   u.  66  fehlen  in  G,  während  die 


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ÜBER  DIE  LETANIE.  123 

TT.  G  235,  8 — 11  in  S  fehlen,  Sowol  die  in  S,  wie  die  in  ß 
enthaltenen  lassen  sieh  aus  lateinischen  litaneien  belegen. 
(Darüber  unten). 

Die  bitte  um  gnade  beim  jüngsten  gericht  in  S»  1373  ff. 
liegt  in  G  235,  12  ff  in  etwas  erweiterter  gestalt  vor:  vv.  14 
u.  15  fehlen  in  S,  ebenso  20 — 23,  die  einen  wesentlich  neuen 
gedanken  hineinbringen.  „Denn  wenn  es  auch  geschehn  könnte, 
dass  tag  für  tag  deine  mutter  und  alle  heiligen  des  verworfenen 
(im  gebete)  gedächten:  wolltest  du  ihn  nicht  verschonen,  so  ist 
er  gerichtet'*'  S  gibt  einen  andern,  aber  auch  einen  guten 
sinn.  —  Hinter  S  1394  sind  die  in  G  235,  40.  41  erhaltenen 
w.  jedenfalls  nur  durch  flüchtigkeit  des  Schreibers  ausgefallen. 
—  Die  vv.  G  236,  18—19.  22—23  fehlen  in  S.  —  S  1324  ist 
wider  eine  auflösung  der  periode  in  G  236,  31 — 33,  hier  ohne 
den  sinn  zu  entstellen.  Dagegen  leidet  derselbe  wesentlich  in 
S  1426 — 27  gegenüber  G:  die  bitte  hunger  und  dürftigkeit  in 
der  luft  zu  vertreiben  ist  doch  gar  zu  unsinnig.  Aber  auch 
wenn  man  anders  als  Massmann  interpungiert  und  1427  mit 
1428  verbindet,  genügt  der  sinn  nicht.  1426  setzte  S  notdurft 
für  das  seltnere  bisez  (misswachs)  —  in  G  236,  35  —  ein.  —  G 
236,  42 — 43  ist  der  text  offenbar  verderbt,  der  reim  auf  lone 
42  fehlt;  S  1432—35  hat  hier  das  richtige.  Es  ist  also  in  G 
lone  (was  wahrscheinlich  aus  v.  41  herübergekommen)  zu 
streichen,  gelte  substantivisch  zu  nehmen  und  zu  v.  42  zu  ziehn 
und  V.  43  hinter  uns  einzusetzen:  in  tUrre  weite.  —  236,-45  u. 
46  in  S  1437  u.  38  in  umgekehrter  reihenfolge,  wodurch  der 
sinn  geändert,  aber  nicht  entstellt  wird.  —  1442  ist  in  S  statt 
wec  sicher  trost,  was  G^hat  und  der  bibelstelle  (ps.23,  4)  ent- 
spricht, einzusetzen.  —  S  1443  ist  bekleiden  aus  dem  in  G  über- 
lieferten bechleiben  entstellt,  was  allerdings  in  dieser  übertragenen 
bedeutung  (begaben)  ungewöhnlich  ist. — G237, 8  ermeinit  be- 
fremdet, da  nichts  vorangeht,  worauf  sich  das  er  beziehen 
könnte  est  ist  hier  mit  S  1446  zu  lesen  ih  meine.  —  Ebenso 
hat  S  1450  er  ne  si  des  himelriches  entfreidit  den  ursprüng- 
licheren text,  schon  wegen  des  reimes  auf  scheidit.  G  237,  12 
setzte  dafür  die  gewöhnlichere  wendung:  im  ne  si  vor  dir 
verteilet. 

Am  Schlüsse  des  gedichtes  zeigt  sich  eine  wichtige  ab- 
weichung  zwischen  beiden  recensionen:  während  in  S  nur  der 


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124  VOGT 

Urheber  des  gedichtes  um  die  ewige  Seligkeit  bitt^^  nennt  sich 
in  G  ein  Heinrich.  Wir  können  hier  über  die  priorität  der 
lesart  in  G  oder  S  nicht  entscheiden,  bevor  wir  die  resultate 
aus  unseren  vorangegangenen  Untersuchungen  gezogen  haben 
und  über  das  Verhältnis  beider  hss.  im  klaren  sind. 

Wir  haben  gesehen,  dass  in  den  meisten  fällen  dieGräzer 
hs.  der  Strassburger  gegenüber  den  richtigen  text  hat.  Ent- 
stellungen und  flüchtigkeiten,  wie  sie  in  S  häufig  vorkommen 
(wir  konnten  natürlich  nicht  alle  kleinigkeiten  anführen),  sind  inG 
selten.  Trotzdem  blieben  doch  immer  einige  fälle  übrig,  wo  kein 
zweifei  sein  konnte,  dass  S  den  ursprünglicheren  text  reprä- 
sentierte und  mehrere,  wo  G  im  verdacht  steht,  zusätze  gemacht 
zu  haben.  Es  ist  demnach  weder  möglich,  dass  G  aus  S,  noch 
dass  S  aus  G  geflossen  sei.  Dass  beide  auf  einer  grundlage 
entstanden  seien,  ist  dagegen  ganz  gut  denkbar.  —  Doch  hier 
können  wir  nicht  weiter  gehn,  bevor  wir  das  Verhältnis 
der  nur  in  S  erhaltenen  partieen  zu  dem  beiden  recensionen 
gemeinsamen  texte  untersucht  haben.  Gehörten  sie  dem  Origi- 
naltext an  und  wurden  in  G  ausgelassen,  oder  wurden  sie  in 
S  interpoliert? 

Dass  sie  dem  gedichte  in  seiner  ursprünglichen  gestalt 
nicht  angehört  haben  können,  ist  leicht  zu  erkennen. 

Das  gebet  an  den  apostel  Johannes  618  flf.  folgt,  nachdem 
das  gebet  an  die  apostel  eben  mit  dem  (auch  in  den  kirchli- 
chen litaneien  gebräuchlichen)  schlussverse  omnes  sancti  apostoli 
beendet  ist.  Blasius  und  Coloman  (s.  u.),  die  746 — 897  hinter 
den  in  G  und  S  genannten  bekennem  stehn,  gehören  zu  den 
märtyrem  und  der  verbesserer  gibt  daher  auch  richtig  die  er- 
forderliche Umstellung  am  rande  an.  Aber  die  anrufung  der 
märtyrer  war  schon  691  geschlossen  und  noch  deutlicher 
zeigen  v.  676  und  77  (mit  der  helfe  andir  vrver  gesellen  di  wir 
nit  gereite  ne  migin  gezellen),  dass  ursprünglich  keine  mehr  ge- 
nannt werden  sollten.  Ebenso  geht  bei  den  bekennem  aus  den 
vv.  737  und  38  sowie  aus  dem  schlussverse  (745)  hervor,  dass 
Nicolaus  und  Aegidius  (898 — 977)  erst  nachträglich  hinzugefügt 
sind.  Und  wenn  nun  auch  noch  durch  den  schlussvers  (1095) 
im  gebet  an  die  Jungfrauen  das  an  Maria  Magdalena  (1096 — 
1242)  als  nicht  dem  ursprünglichen  texte  angehörig  verdächtigt 
wird  9  so  können  wir  schon  nach  dieser  analoge  mutmassen, 


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ÜBER  DIE  LETANIE.  125 

dass  auch  die  übrigen  in  6  nicht  enthaltenen  stücke,  nämlich 
die  anrufung  der  trinitas  173 — 96,  sowie  die  Übergang  bilden- 
den vv.  978 — 1035,  späterer  zusatz  seien. 

Dazu  kommen  nun  noch  einige  direkte  angaben  im  gedichte 
selber,  aus  denen  wir  auch  zugleich  ersehn  von  wem  jene  nach- 
trage herrühren.  V.  907 — 9  sagt  der  dichter  in  der  nachgetra- 
genen anrufung  des  Nicolaus  und  Aegidius:  wi  torst  ih  vwer 
namen  hie  verswige  under  vwer  genozscefte  daz  dag  ih  mit  rehte. 
Das  kann  nur  heissen;  „wie  durfte  ich  mich  erdreisten,  eure 
namen  hier  unter  eurer  genossenschaft  (den  andern  heiligen)  zu 
verschweigen!  Dasmuss  ich  jetzt  mit  vollem  gründe  beklagen." 
Der  Verfasser  macht  sich  also  vorwürfe,  weil  er  anfänglich  diese 
heiligen  in  seinem  gebete  übergangen  hatte  und  trägt  sie  da- 
rum jetzt  nach.  Dasselbe  sagen  die  vv.  769 — 71  im  gebete  an 
Blasius: 

ih  clage  daz  ih  ie  verwarf 

dine  helfe  heiliger  man 

des  wir  ruwigervor  dih  stan.  Auch  hier  klagt 
er  sich  an  und  bereut,  dass  er  den  Blasius  zuvor  nicht  um 
hülfe  angerufen  habe,  da  doch  gerade  seine  fttrbitte,  wie  772 — 
75  ausgeführt  wird,  besonders  kräftig  sei. 

Was  den  dichter  zu  diesen  nachtragen  noch  besonders  ver- 
anlasste, sehn  wir  aus  den  vv.  888  im  gebet  an  Coloman 
(über  den  namen  s.  unt): 

hevil  uns  gote  mit  deme  gebete 

unde  gedenke  des  zu  vorderis 

durh  des  gebot  du  hie  genant  bis 

des  dbbit  Engelbrechtis  u.s.  w. 

Also  auf  geheiss  des  abtes  Engelbrecht  trug  er  noch  das 
gebet  an  Coloman  nach  und  fügte  dann  zugleich  noch  die  an- 
deren heiligen  ein,  die  er  fürchtete  zurückgesetzt  zu  haben, 
sowie  das  abschliessende  gebet  owi  einvaldige  trinitas  und  den 
Übergang  von  den  heiligen  auf  die  Jungfrauen  (Jesu  corona 
virginum) ,  die  im  urtext  unvermittelt  neben  einander  standen. 
Eine  Überarbeitung  des  gedichtes  verknüpfte  er  nicht  damit, 
sondern  er  wollte  eben  nur  nachtrage  liefern;  allenfalls  könnte 
er  et  wa  noch  S  v.  26—39  statt  des  früheren  in  G  überlieferten 
textes  nachgetragen  haben. 


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126  VOGT 

Ihre  weitere  begrtindung  findet  jene  ansieht,  dass  die 
nachtrage  vom  ursprünglichen  dichter  selbst  herrtlhren,  in  der 
Übereinstimmung  von  spräche,  reimen,  Wendungen  und  inhalt 
der  eingeschobenen  stücke  mit  dem  grundtext.  Auch  in  diesen 
stücken  können  wir  den  dialekt  von  S  nicht  als  den  ursprüng- 
lichen erkennen.  Nirgend  steht  eine  md.  form  an  beweisender  stelle. 
Der  md.  abfall  des  t  ist  natürlich  durch  du  rvil:  vile  184  nicht 
belegt;  vergl.  du  rvil:  vil  bei  H.  v.  Melk  erg.  669.  Dass  die 
genetivendung  -is  888  und  90  im  reime  auf  bis  (eine  form  die 
in  Osterreich  bis  ende  des  13.  Jahrhunderts  belegt  ist)  vorkommt 
befremdet  ebenso  wenig,  da  jene  volleren  endungon  auch  in 
Österreich  zu  jener  zeit  sehr  häufig  sind.  Weiteres  aufzufuhren 
wäre  überflüssig.  Dagegen  ist  dem  Schreiber  von  S  sogar  eine 
echt  österreichische  form  durchgeschlüpft,  wenn  wir  1108  wart 
(wort)  lesen,  was  in  dieser  form  durch  den  reim  auf  hehart 
gestützt  wird. 

Das  Verhältnis  der  unreinen  zu  den  reinen  reimen  ist  in 
den  nachgetragenen  teilen  ganz  genau  dasselbe,  wie  in  den 
ursprünglichen  (auf  7 — 8  reine  reime  ein  unreiner)  die  rühren- 
den reime,  die  in  unserm  gedichte  überhaupt  im  gegensatz  zu 
manchen  andern  jener  zeit  (z.  b.  dem  loblied  auf  Maria  bei 
Diemer,  welches  gar  keine  enthält)  sehr  beliebt,  sind,  kommen 
auch  in  diesen  partieen  häufig  vor.  So  -heit:  -heit  in  S  722 
gnedicheit:  armicheit,  wie  in  G  und  S  381  magitheit:  warheit  und 
1323  warheit:  frumicheit;  -tuom:  -tuom  in  S  860  wistum:  rlch- 
iurrij  in  GS  327  und  1429  richtum:  fritum:  irretum;  -lieh:  -lieh 
in  S  870  redelih:  bewegelih,  in  GS  684  tagelich:  urwertregelich, 
1393  brudirlih:  gemeinlih  u.  s.  w. 

Es  kehren  oft  ganz  dieselben  reime  in  den  nachgetragenen 
teilen  wie  in  den  ursprünglichen  wider,  so  gnade:  läge  S.  656 
und  GS  339,  irledige:  giwegede  S  658  und  GS  1293,  dabide: 
Übe  S  812  davides:  libes  GS  1441  u.  s.  w. 

Sprachgebrauch  und  Wendungen  sind  ganz  dieselben.  Oft 
kehren  wörtlich  dieselben  verse  wider.  So  erscheint  im  ein- 
geschobenen lied  an  Maria  Magdalena  1204  ganz  derselbe  vers 
dem  mac  ih  wole  gelih  sin  wie  472  im  ursprünglichen  text,  an 
beiden  stellen  im  reime  auf  swin;  so  ferner  in  demselben  ab- 
schnitte 1217  so  ne  mohte  min  niemer  werden  rat  wörtlich  =  v. 
6;  ebenda  1250  ne  virsagit  uns  uwer  gewegide  niet  =  1293  nit 


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•    ÜBER  DIE  LETANIE.  127 

716  versagit  um  uwer  gewegede.  Im  gebet  an  Coloman  stimmt 
V.  857  die  rverlt  er  uf  solle  aldi  ere  der  wunne  fast  wörtlich  mit 
1043  f.  daz  du  dt  rverlt  uf  seltes  aldi  ere  di  si  nohhat  Im  gebet 
an  Blasius  797  zu  unsir  jungistin  hineverte  =  562  zu  der  jun- 
gistin  hineverte  an  beiden  stellen  im  reime  auf  gerte, 

Gleichheiten  einzelnen  bildern  und  ausdrücken  findet  sich 
sehr  oft.  Wir  führen  nur  einiges  an:  v.  642  in  der  anrufung 
des  apostels  Johannes  wird  das  gelutterte  galt  als  bild  benutzt 
wie  248  im  gebet  an  Maria.  Das  bild  vom  verbrennen  der 
Sünden,  welches  sich  in  der  anrufung  des  heil,  geistes  (S  136 
G  218,  12  und  G  allein  noch  218,  38  f.)  schon  vorfand,  kehrt 
im  gebet  an  den  apostel  Johannes  631  und  32  und  in  dem 
passus  Jhesu  corona  virginvm  1011  f.  wider. 

Die  Wendung  rvol  irchenn  ih  arm  menische  mine  brode  im 
gebet  an  Blasius  757  kehrt  ganz  ähnlich  v.  1245  wandir  unse 
brode  rvol  irkennit  wider.  Einen  offin  sundere  nennt  sich  der 
Verfasser  v.  808  dem  Coloman  gegenüber,  wie  er  es  schon  520 
(hier  nur  in  S)  gegen  Johannes  tat.  Die  beispiele  Hessen 
sich  noch  vermehren,  doch  die  gegebenen  genügen  wol.  Nur 
über  Inhalt  und  gedankengang  der  eingeschobenen  stücke  ist 
noch  zu  bemerken,  dass  auch  sie  den  übrigen  teilen  des  ge- 
dichtes  durchaus  entsprechen.  Bei  den  gebeten  an  die  heiligen 
schliesst  sich  an  den  namen  des  betreffenden  gewöhnlich  erst 
eine  kurze  allgemeine  bitte  um  beistand,  oder  es  folgen  auch 
gleich  einige  nur  andeutende  züge  aus  der  legende  des  heiligen, 
die  dann  allegorisch  verwertet  werden  für  die  Schilderung 
des  Sündenkampfes  des  dichters  und  des  beistandes,  dessen  er 
in  demselben  bedarf.  Gegen  ende  wird  dann  immer  um  für- 
bitte  besonders  beim  jüngsten  gericht  gebeten  und  den  äussern 
abschluss  bildet  fast  durchgängig  ein  lateinischer  vers.  Diese 
form  kehrt  überall  in  den  nachgetragenen,  wie  in  den  ursprüng- 
lichen teilen  wider.  Ein  längeres  Sündenbekenntnis  kommt 
noch  im  gebet  an  Maria  Magdalena  vor  (1192  ff),  welches  mit 
dem  vor  Johannes  demtäufer  abgelegten  grosse  ähnlichkeit  hat. ; 

Ich  glaube,  das  alles  genügt  um  die  indentität  des  Ver- 
fassers für  sämmtliche  teile  der  letanie  auch  in  ihrer  erweiter- 
ten gestalt  zu  beweisen.  Das  Verhältnis  der  recensionen  ge- 
staltet sich  danach  folgendermassen: 


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128  VOGT 

Das  original  wurde  im  österreichischen  dialekt,  wahrschein- 
lich in  Osterreich  selbst  (wie  wir  nachher  sehn  werden)  verfasst. 
In  G  besitzen  wir  eine  abschritt  desselben,  die,  im  ganzen  ziem- 
lich sorgfältig  gearbeitet,  sich  vielleicht  manche  änderungen 
und  kleine  zusätze,  seltener  auslassungen  und  noch  seltener 
misverständnisse  oder  flüchtigkeiten  zu  schulden  kommen  Hess. — 
Auf  veranlassung  des  abtes  Engelbrecht  trug  indes  der  dichter 
in  seine  hs.  die  weiteren  in  G  nicht  enthaltenen  stücke  nach 
und  diese  erweiterte  hs.  wurde  in  einem  kloster  des  westlichen 
Mitteldeutschlands  im  dortigen  dialekte  abgeschrieben.  Dabei 
wurde  nun  mit  weit  grösserer  Sorglosigkeit  zu  wege  gegangen, 
als  bei  der  abfassung  von  G:  misverständnisse  und  entstellun- 
gen  des  textes  kamen  oft  genug  vor,  noch  häufiger  leichtere 
flüchtigkeiten  und  Schreibfehler.  Seltener  sind  überlegtere  än- 
derungen und  Zusätze.  Die  nachträglichen  zusätze  des  dichters 
waren  in  der  vorläge  wol  nur  am  rande  nachgetragen,  was  der 
grund  war,  dass  die  stücke  mehrfach  an  falscher  stelle  in  den 
text  aufgenommen  wurden:  so  173 — 196  und  746 — 897;  auch 
das  gebet  an  Maria  Magdalena  stand  nach  des  verbesserers 
ansieht  an  falscher  stelle  und  er  wollte  es  noch  vor  den  passus 
Jhesu  Corona  virginum  gerückt  haben.  In  dieser  gestalt  liegt  uns 
die  letante  in  der  hs.  S  vor. 

Nachdem  so  im  übrigen  das  Verhältnis  beider  hss.  festgestellt 
ist,  bleibt  uns  nur  noch  die  frage  nach  den  schlussversen  zu 
erledigen,  welche  sich  auf  den  Verfasser  beziehen.  G  237, 18 — 24 
S  1456—60. 

Wir  sahen,  dass  S  absichtlichen  änderungen  im  allgemeinen 
abgeneigt  sei.  Die  bitte  flir  den  abt  Engelbrecht  888  ff.  behielt 
S  treu  mitsammt  dem  namen  bei;  es  müste  irgend  ein  grund 
vorliegen  wenn  S  hier  anders  verfahren  wäre.  Ein  solcher 
würde  vorhanden  sein,  wenn  etwa  der  Verfasser  von  S  sich 
selbst  hier  hätte  nennen  wollen,  aber  das  ist  ja  nicht  der  fall. 
Der  orthabe  dirre  getlhte  kann  nur  der  uAeber  des  gedichtes 
selbst,  der  dichter  sein.  Wenn  also  der  Verfasser  von  S  doch 
das  gebet  flir  diesen  aufaahm;  warum  entfernte  er  den  namen 
und  änderte  die  ganze  stelle?  Leicht  erklärlich  ist  es  dagegen, 
wenn  man  annimmt,  dass  der  Verfasser  von  G  seinen  namen 
anbrachte,  da  er  ja  nicht  einmal  einen  andern  namen  zu  ent- 
fernen brauchte.    Überdiess  nennt  er  sich  ja  gar  nicht  direkt 


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ÜBER  DIE  LETANIE.  129 

den  Verfasser  des  gedichtes,  er  sagt  nur,  dass  er  sich  grosse 
mühe  darum  gegeben  habe,  der  gnade  teilhaftig  zu  werden 
die  sich  jeder  erwirbt,  der  diess  gebet  mit  wirklichem  Verständ- 
nis liest.  Das  kann  doch  recht  wol  auf  seine  schöne  und  sorg- 
fältige abschrift  gehn,  mit  der  er  sich  gewis  viel  mtlhe  gegeben 
hat,  sowie  auf  die  eigenen  kleinen  zutaten,  mit  denen  er  dem 
gedieht  gedient  zu  haben  meinte.  Nicht  so  sehr  kann  ich  aller- 
dings mit  W.  Grimm  (gesch.  d.  reims  S41)  in  sprachlicher  be- 
ziehung  den  text  in  G  hier,  bedenklich  finden.  Die  Wendung 
derselben  gnaden  la  niht  besten  ist  durchaus  nicht  unerhört  und 
zu  Grimms  änderung  derselben  gnaden  lä  niht  entsten  dinem .  .  . 
liegt  kein  grund  vor;  eines  dinges  bestdn  heisst  „von  etwas  zu- 
rückbleiben" vergl.  die  im  mhd.  wb.  unter  bestän  angeflihrte 
stelle  Tundal.  50, 17  du  enmaht  des  niht  besten  du  kannst  davon 
nicht  zurück,  nicht  abkommen  du  muozest  dise  brücke  gen  und 
die  noch  treffendere  parallele  Nib.  Z.  273,  2*  deheiner  hovereise 
hin  ih  vil  selten  ie  bestän,  auf  die  mich  herr  prof.  Zarncke  ver- 
weist Der  sinn  ist  also  einfach:  „von  diesen  gnaden  lass  nicht 
zurückbleiben,  dieser  gnade  lass  teilhaftig  werden." 

Weit  auffälliger  ist  das  einlichen  in  G,  welches  in  dieser 
form  durch  den  reim  auf  Heinrichen  sicher  gestellt  ist.  Aus 
dem  mhd.  Sprachgebrauch  weiss  ich  das  wort  hier  nicht  zu  er- 
klären (im  mhd.  wb.  ist  es  nur  als  einheitlich,  in  eins  geflochten 
von  der  trinität  belegt),  nur  aus  den  für  das  ahd.  von  Graff 
sprachsch.  I,  318  unter  eirUich  entwickelten  bedeutungen  liesse 
sich  hier  ein  sinn  gewinnen.  Aus  den  glossen  zu  Gregor,  dialog. 
(welcher  von  den  5  hierher  gehörigen  codd.  hier  gemeint  ist 
lässtGraffs  bezeichnung  Gd.  unklar)  ist  einlicho  artius  constric- 
tius,  anxie  beigebracht  und  daraus  leitet  sich  dann  leicht  die 
aus  den  Gl.  in  cod.  frising  C.  F.  10  Mtlnchen  aus  dem  9.  Jahr- 
hundert belegte  bedeutung  ab  enlicho  studiose.  Nur  diesen  sinn 
kann  einlichen  auch  an  unsrer  stelle  haben  und  ich  trage  kein 
bedenken,  es  hier  in  der  bedeutung  „eifrig"  aufzufassen,  wenn- 
gleich es  immerhin  wtlnschenswert  bleibt,  auch  aus  späterer 
zeit  belege  für  diese  bedeutung  beizubringen.  —  Obwol  ich  also 
in  dieser  hinsieht  die  lesart  in  G  hier  nicht  anfechten  möchte, 
so  halte  ich  doch  die  oben  angeführten  gründe  für  völlig  hin- 
reichend, jenen  Heinrich  nicht  als  den  Verfasser  der  letanle, 
sondern  nur  als  den  Schreiber  der  hs.  G  zu  betrachten.    Auf 


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130  VOGT 

den  namen  unseres  dichters  müsten  wir  also  verzichten:  ob 
wir  sonst  etwas  über  ihn  bestimmen  können,  werden  wir  nach 
Untersuchung  der  quellen  unseres  gedichtes  sehen. 


Die  quellen  der  letante. 

Bei  der  frage  nach  den  quellen  der  letante  handelt  es  sich 
vor  allem  darum,  das  Verhältnis  derselben  zur  kirchlichen  la- 
teinischen litanei  klar  zu  legen  und  wir  haben  daher  zunächst 
auf  wesen  und  inhalt  der  letzteren  und  auf  die  entwickelung 
derselben  zu  einer  gattung  der  geistlichen  dichtung  einzugehn. 

Die  litanei  wurde  zuerst  durch  Mamercus  bischof  von  Vienne 
452  eingeführt  als  eine  feierliche  mit  fasten  und  processionen 
verbundene  buss- und  bittandacht  (Herzog  realencycl.  II,  239).*) 
Als  solche  verbreitete  sie  sich  allmählich  durch  die  ganze  abend- 
ländische kirche,  besonders  seit  Gregor  I.  sie  bei  einer  grossen 
pest  in  Eom  mit  wunderbarem  erfolge  angewant  haben  woUte. 
Von  den  7  Massen,  in  welche  die  von  7  verschiedenen  kirehen 
ausgehenden  teilnehmer  der  procession  gesondert  wurden,  ward 
diese  ganze  bittandacht  die  litania  septiformis  genannt.  Be- 
sonders wurde  nun  die  litanei  immer  noch  bei  ausserordent- 
lichen ungltlcksfällen  angewant,  aber  daneben  wurde  sie  immer 
mehr  ein  regelmässiger  bestandteil  des  gottesdienstes  an  be- 
stimmten festen,  anfangs  immer  noch  notwendig  mit  procession 
der  beteiligten  geistlichen  in  der  kirche  verbunden,  dann  auch 
als  blosses  responsorium,  ja  auch  als  einfaches  gebet  bei  heiligen 
handlungen  (so  z.  b.  bei  der  letzten  Ölung).  Man  unterschied 
die  litania  septena,  bei  der  aus  jedem  der  9  himmlischen  chöre 
7  heilige  genannt  wurden  und  die  von  7  subdiakonen  wechsel- 
weis recitiert  wurden  und  entsprechend  die  quina  und  tema. 
(Nach  andern  soll  der  name  jedes  heiligen  7,  5  oder  3  mal  ge- 
rufen sein.  Vergl.  über  die  arten  der  litanei  Martine  de  anti- 
quis  ecclesiae  ritibus  lib.  I.  pars  i.  209.  Trombelli,  dissert, 
epistolaris  in   quasdam  veteres  litanias,  Krez  Exerc.  acad.  de 


*)  Vergl.  jedoch  PfannenBchmidt  „flurprocessioii  und  hagelfeier"  bei 
Schenkel  allg.  kirchl.  zeitschr.  XIII.  10.  p.  520,  der  den  Ursprung  der 
litaneien  auf  heidnische  feldumzüge  zurückführt  und  allerdings  fehlen 
die  bitten  um  gute  Witterung  und  fruchtbarkeit  des  feldes  in  keiner 
grösseren  litanei. 


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ÜBER  DIE  LETANIE.  181 

litaniis  ecclesiae  Romanae  Tubing.  1742).  Mit  der  zeit  wurden 
die  litaneien  immer  mannigfaltiger,  die  zahl  der  heiligen,  unter 
denen  die  wunderlichsten  und  willkürlichsten  namen  begegnen 
(z.  b.  St.  Beelzebul!),  wuchs  ins  unglaubliche,  denn  fast  jedes 
kloster  brachte  seine  besonderen  heiligen  hinein  und  die  ver- 
schiedenen anrufungen  und  gebete  wurden  je  nach  den  verschie- 
denen Verhältnissen  und  gelegenheiten,  bei  denen  die  litanei 
angewant  ward,  vielfach  modificiert.  Dennoch  lassen  sich  als 
die  gemeinsamen  grundzüge  der  vollständigen  kirchlichen  lita- 
neien etwa  folgende*)  angeben: 

Die  litanei  beginnt: 

Kyrie  eleison,  Chrisie  eleison,  Christe  audi  nos 
Sta  Maria  ora  pro  nohis 

Dann  folgen  die  namen  der  engel,  denen  sich  (der  in  man- 
chen litaneien  auch  übergangene)  Johannes  Baptista  anschliesst, 
dann  die  apostel,  darauf  die  märtyrer,  die  bekenner  (worauf 
bei  einigen  noch  die  heiligen  mönche  folgen)  endlich  die  heiligen 
Jungfrauen.  Bei  einigen  folgen  die  blossen  namen  in  der  ange- 
gebenen reihenfolge,  jeder  mit  ora  pro  nohis,  auf  einander;  bei 
den  meisten  aber  folgt  als  abschluss  hinter  jedem  chor  noch 
eine  zusammenfassende  anrufung:  hinter  den  engein  omnes  sti 
angeli  orate  pro  nohis  (bei  einigen  noch  weiter  omnes  sti  archan- 
geli  0.  p,  n.,  omnes  sti  Fatriarchae,  omnes  sti  Prophetae  o,  p,  n.) 
und  so  weiter  omnes  sti  apostoli  orate  pro  nohis  ^  martyres,  con- 
/essores,  fmonachij,  virgines. 

Dann  folgt  durchgängig  omnes  sti  orate  (intercedite)  pro 
nohis  und  hieran  schliessen  sich  nun  die  mannigfaltigen  bitten 
um  befreiung  von  verschiedenen  Übeln,  alle  mit  den  Worten 
libera  nos  ^wme  schliessend.  Dann  per  crucem  tuam  lihera  nos 
domine  und  hierauf  wider  eine  bald  grössere  bald  geringere 
anzahl  positiver  bitten  (meist  um  frieden,  gute  Witterung,  be- 
ßchützung  von  kirche,  papst,  könig  u.  s.  w.),  die  alle  mit  den 
Worten  te  rogamus  audi  nos  enden.    Dann  folgt  fast  durchgängig 


*)  Wir  entnehmen  dieselben  aus  den  litaneien  bei  Mabillon  vet.  anal. 
p.  168  ff.  anglikanische  lit.  u.  litan.  unter  Karl  d.  gr.  —  Leibnitius  scriptt. 
rer.  Brunsvic.  I.  no.  XVII.  2  corvej^er  litt,  aus  der  zeit  Ludw.  d.  frommen. 
—  Martene  de  ant.  eccl.  disciplina  p.  520  u.  629;  ders.  de  ant.  eccl.  ritib. 
I,  1.  551. 


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132  VOGT 

agrms  dei  qui  tollis  etc.  und  den  schluss  bildet  Christe  atidi  nos 
Kyrie  eleison^ 

Es  handelt  sich  für  uns  nun  vor  allem  darum,  von  diesem 
kirchlichen  gebet,  welches  zum  grossen  teil  nur  in  der  ausru- 
fung  vieler  heiligennamen  besteht,  die  brücke  zu  einer  poetischen 
bearbeitung  zu  finden,  die  den  liturgischen  Charakter  fast  ganz 
abgelegt  hat  und  keinen  jener  namen  nennt,  ohne  zugleich  eine 
kurze  skizze  der  taten  des  betreffenden  heiligen  und  ein  oft 
recht  geschickt  in  beziehung  dazu  gebrachtes  gebet  an  denselben 
hinzu  zu  fügen.  Ansätze  zu  einer  derartigen  erweiterung  finden 
sich  schon  in  einzelnen  alten  kirchlichen  litaneien.  So  werden 
bei  anrufung  der  trinität  und  der  Maria  den  blossen  nainen 
auch  schon  weitere  prädikate  hinzugefftgt;  in  der  1.  corveyer 
lit.  Spiritus  sancius  deus  qui  es  trinus  et  unus  miserere  nobis  ipse 
idemque  henigrms  mis,  nob.  Scta  Dei  genitrix  ora  pro  nobis  scta 
virgo  virginum  o,  p.  n.  Bei  Martine  rit.  I,  1.  551  lautet  die 
anrufung:  Sta  Maria  o,p.  n,  Sta  Dei  Genitrix,  Sta  mater  Domini 
Sta  Virgo  virginum,  Regina  caelorum,  Mater  misericoräiae.  Wei- 
tere bitten  sind  schon  eingeschoben  Mart.  Disc.  629  hinter 
Christe  aud  nos:  Christe  miserere  nobis  Praesta  mihi  primum  ut 
te  bene  rogem,  deinde  ut  me  dignum  facias  exaudiri,  deinde  ut 
exaudias.  Und  hinter  .9^0  Maria  o.p.n.:  Sta  Mar.  intercedepro 
me  peccatore,  Sta  Maria  adjuva  me  in  die  exitus  mä.  Aber  das 
alles  steht  dochunsrer  letanie  noch  ziemlich  fern.  Etwas  eini- 
germassen  entsprechendes  finden  wir  nur  in  -den  lateinischen 
metrischen  und  rhythmischen  umdichtungen  der  litanei,  die  uns 
schon  aus  dem  ende  des  9.  und  anfang  des  10.  Jahrhunderts 
tiberliefert  sind.  Das  damals  so  rege  geistige  leben  in  St  Gallen 
betätigte  sich  bekanntlich  auch  besonders  auf  dem  gebiet  der 
geistlichen  dichtung  und  des  kirchengesanges  und  so  wurde 
dann  auch  die  litanei  für  diese  zwecke  verwertet.  Verschie- 
dene solche  litaneien  sind  uns  überliefert,  zum  teil  unter  den 
rühmlichst  bekannten  namen  eines  Notker  Balbulus,  Ratpert, 
Hartmann.  Freilich  schliessen  sich  ihre  dichtungen  der  oben 
gegebenen  gestalt  der  kirchlichen  litanei  noch  recht  genau  an: 
die  poetische  ausführung  beschränkt  sich  auf  hinzufügung  we- 
niger prädikate  zu  den  namen  der  angerufenen  und  stellenweise 
einschaltung  kurzer  bitten.  In  gewisser  reihenfolge  kehren  die 
anfangsverse  als  refrain  wider,   denn   diese  litaneien  waren, 


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ÜBER  DIE  LETANIE.  133 

wie  ausdrücklich  überliefert  wird,  für  den  processions-gesang 
bestimmt 

Notkers  rhythmische  litanei  beginnt  mit  einem  distichon, 
welches  nachher  den  refrain  bildet  (bei  Canisius  lectiones  anti- 
quae  ed.  Basnage  III,  3.  202). 

Votis  supplicäms  voces  super  astra  feramus 

Trimis  ut  et  Simplex  nos  regat  omnipotens.  Ky  (-rleleison) 

Scie  Pater  a4juva  nos,    Scte  Fiii  adjuva  nos, 

Compar  his  et  Spiritus  ungue  nos  intrinsecus,   Fo.*) 

Scta  virgo  virginum  Stella  Maris  Maria 

Tu  pro  nobis  Dnminum  Ora  Christum  ftlium.     Trinus**) 

Es  folgen  nun  in  der  weise  der  kirchlichen  litanei  die  ein- 
zelnen chöre  und  dann  das  gewöhnliche  schlussgebet; 
Omnes  Sancti  Domihi  Angeli  et  homines 
Vos  ad  aures  divinas  ferte  preces  sedulas,     Trirvus 
Ut  nobis  remissio  peccatorum  donetur 
Aeris  temperies  terraeque  fertilitas  Ky,  etc. 

Aus  dem  folgenden: 

Ut  rex  noster  Chuonradus  Eßts  et  exercitics 

Hinc  et  inde  servetur  Oramus  Christe  audi  nos  etc. 

Das  ganze  schliesst:  Kyrie  eleison  canimm 

Christe  eleison  psallimus. 
Ich  gebe  noch  kurze  proben  aus  Ratperts  und  Hartmanns 
litaneien.    Litania  Ratperti  ad  processionem  diebus  Dominicis 
Can.  III,  3. 199  (Basnage  bemerkt  dazu:  Ratpertus . . .  dictaverat 
Letanias  plurimasquae  canebantur  diebus  Rogationum  etc.) 
Ardua  spes  mundi      solidator  et  inclyte  coeli 
Christe  exaudi  nos     propitius  famulos, 
Virgo  Lei  genitrix     rutilans  in  honore  perennis 
Ora  pro  famulis        scta  Maria  tuis,  Christe 

Das  gedieht  geht  dann  in  der  gewöhnlichen  weise  weiter 
mit  anrufung  der  einzelnen  chöre,  hinter  jedem  distichon  kehren 
abwechselnd  v.  1  und  2  als  refrain  wider.  Dann  kommt  das 
gebet  an  alle  heiligen,  wobei  das  gedieht  in  hexameter  über- 


*)  Das  ist  vers  1  als  refrain. 
**)  Das  ist  vers  2  als  refrain. 


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te  Chre  rogamus 


134  VOGT 

geht    Beim  schlussgebet  finden  wir  die  herkömmlichen  bitten, 
alle  mit  ie  Chrlste  rogamus  schliessend.     So 

Ut  pacem  nohis  dones 

Crimen  ut  omne  tuis  solvas 

aurae  ut  temperiem  dones 

Ut  fruges  Terrae  dones 
u.  s.  w.  Schluss;    Agne  Dei  patris  nobis  miserere  pusillis 

Christe  exaudi  nos  o  Kyrieleyson  EXevöov. 

Auch  Hartmanns  litanei  war  für  den  processionsgesang  be- 
stimmt, er  selbst  hatte  die  melodie  dazu  gemacht.    (Can.  IL  3. 
192).     Sie  ist  gleichfalls  indistichen  abgefasstund  schon  etwas 
ausführlicher  als  die  vorige.    Die  gebete  an  die  einzelnen  chöre 
sind  nicht  blosse  ausrufungen  und  es  treten  zu  den  namender 
heiligen  weitere  prädikate  hinzu.    So  z.  b.  bei  den  märtyrem : 
0  vos  Martyrio  decorati  in  nomine  Christi 
Conspicui  festes  purpurei  proceres 
Qui  hello  invicti  superastis  daemonis  iras 
Conspirata  manus  vlncere  morte  minas  etc. 

Übrigens  stimmt  sie  wesentlich  mit  den  obigen  litaneien 
tiberein. 

Sogar  in  odenform  brachte  man  die  litanei,  wie  das  bei 
Canis.  194  mitgeteilte  Carmen  sapphicum,  cujusdam  monachi 
S.  Galli  anonymi  beweist,  welches  die  litanei  in  der  gewöhn- 
lichen form  enthält  und  in  jeder  Strophe  einen  chor  be- 
handelt 

Wir  flihren  schliesslich  noch  eine  k^irze  rhythmische  litanei 
von  23  vv.  an,  die  bei  Martine  de  anf.  eccl.  disc.  541  abge- 
druckt ist  Sie  beginnt  mit  dem  nachher  als  refrain  benutzten 
verse:  JRex  sanctorum  angelorum  totum  mundum  a4fuva. 

Nicht  unwichtig  fttr  die  geschichte  unsrer  dichtungsart 
würden  die  bei  Leibnitz  a.  a.  o.  angeführten  „Litaniae  Ehyth- 
micae  vitam  S.  Ludgeri  continentes"  sein,  da  sie  eben  wirk- 
liche Züge  aus  der  legende  des  betreffenden  heiligen  enthalten 
—  wenn  das  gedieht,  dem  die  dort  beigebrachten  stellen  ent- 
nommen sind,  wirklich  den  namen  litanei  verdiente.  Aber  es 
ist  nur  eine  rhythmische  lebensbeschreibung  des  h.  Liudger  (v. 
jähr  1140)  und  liegt  somit  ausserhalb  unsres  gesichtskreises 
(vergl.  Pertz  mon.  scriptt  IL  404  u.  424); 


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ÜBER  DIE  LETANIE.  136 

So  hatte  sich  also  schon  die  litanei  zu  einer  besonderen 
gattung  der  lateinischen  geistlichen  poesie  entwickelt,  als  sie 
um  die  mitte  des  12.  Jahrhunderts  durch  die  vorliegende  bear- 
beitung  auch  in  den  bereich  der  deutschen  dichtung  trat, 
überall  regte  sich  damals  ein  eifriges  bestreben  unter  der 
deutschen  geistlichkeit,  den  inhalt  der  bibel,  der  symbole,  des 
ritus  und  selbst  kirchenpolitische  fragen  im  gewande  deutscher 
dichtung  dem  laien  zugänglich  und  vertraut  zu  machen.  Diesem 
streben  verdankte  wol  auch  unser  gedieht  ursprünglich  seine 
entstehung.  Der  gedanke,  die  litanei  poetisch  zu  verwerten, 
ist  auch  für  unsem  dichter  jedenfalls  nichts  neues  mehr  ge- 
wesen, aber  die  art  und  weise  wie  er  das  durchführte,  war 
doch  w  esentlich  anders,  als  es  bisher  in  den  lateinischen  dich- 
tungen  geschehen  war.  Er  wollte  nicht  nur  wie  diese  eine 
Paraphrase  der  kirchlichen  litanei  geben,  sondern  er  benutzte 
dieselbe  im  gründe  nur  als  rahmen,  in  den  er  seine  gebete, 
stindenbekenntnisse,  loblieder  und  legendarischen  skizzen  ein-; 
fügte.  Aber  allerdings  schloss  er  sich  dabei  der  Ordnung  und 
dem  Inhalte  der  lateinischen  kirchlichen  litanei  sehr  genau  an. 
Die  anrufungen  und  schlussformeln  derselben  ziehen  sich  wie 
der  rote  faden  durch  unser  ganzes  gedieht  hindurch,  ganz 
in  der  herkömmlichen  reihenfolge  und  zum  teil  noch  in  latei- 
nischer form.  Der  folgende  vergleich  des  deutschen  gedichtes 
mit  der  kirchlichen  litanei  wird  das  veranschaulichen:*) 

Die  lateinischen  Schlussworte  der  4  ersten  absätze  unseres 
gedichtes  geben  fast  wörtlich  den  gewöhnlichen  anfang  der 
lat  litanei: 

V.    40  Kyrie  eleison 

V.  106  Pater    de  caelis   [sc.  miserere   nobis]  nicht   in   allen 
litaneien 

V.  130  Chrisie  audi  nos 

(v.  131  =  Spiritus  sancte)  miserere  nobis  v.  172. 
Dem  nur  in  S  enthaltenen  abschnitte  173 — 196  entspricht 
die  gleichfalls  nicht  in  allen  litaneien  enthaltene  bitte 

sancta  trinitas  unus  deus  (vgl.  v.  173  u.  74)  miserere  nobis 


*)  Wir  beziehn  uns  hier  auf  die  bei  Martine  disc.  520  u.  629  und 
rit.  I.  1.  551  mitgeteiiteu  litaneien;  unser  gedieht  eitleren  wir  hier  der 
bequemlichkeit  wegen,  nach  S. 


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136  VOGT 

V.  402  =  Sancta  Maria  ora  pro  nobis 

V.  404  St  Michael  (in  der  kirchl.  litanei  folgen  meist   noch 
mehr  engelnamen). 
V.  446  Omnes  sancü  angelt  /sc.  orate  pro  nob.J 
V.  569  St  Johannes  Baptista 
V.  570  =  St  Petre 

V.  592  =  St  Paule  (diese  beiden  allein  auch  z.  b.  bei  Rat- 
pert  und  Notker,  sonst  auch  noch  der  nur  in  S  folgende  Jo- 
hannes.) 

V.  617  omnes  sancti  apostoU  /sc.  orate  pro  nob.J 
Unter   den   in  jeder    litanei    wechselnden    heiligennamen 
begegnet   Laurentius    (673)    meist;    Stephan    wie    hier    (670) 
immer  an  der  spitze  der  märtyrer.     Zu   dem   in  der  litanei 
folgenden  omnes  sancti  martyres  o.  p.  n.  vgl.  691. 

Unter  den  bekennern  kommen  Gregor  (692),  Martin  (717), 
Hieronymus  (728)  fast  überall  vor.  (Omnes  sti  confessores  vgl. 
738)  orate  pro  nobis  745. 

Von  den  Jungfrauen  nennt  unser  gedieht  die  auch  in  den 
meisten  litaneien  enthaltenen  Margarete  (nur  S  1007),  Agnes 
(1036),  Cäcüie  (1059),  Maria  Magdalena  (nur  S  1096).  1095 
alle  gotes  megede  =  omnes  stae  virgines  (o.  p.  uj  Ftlr  den  in 
S  nachgetragenen  tibergang  Jesu  corona  virginum  habe  ich  in 
den  kirchlichen  litaneien  nichts  analoges  gefunden.*) 

1243 — 44  alle  gotis  heiligen  ) omnes  sancti 

helfet  uns  mit  uwer  underdiginen     )      intercedite  pro  nobis 
Diese  bitte  der  litanei  ist  in  den  vv.  1243 — 1334  ausge- 
führt.   Den  in  der  kirchlichen  litanei  sich  daran  schliessenden 


•)  Die  lateinischen  anfangsworte  bilden  den  eingang  eines  ambro- 
sianischen  hymnus,  der  Jesus  als  den  anführ  er  der  himmlischen  Jung- 
frauen preist  (bei  Daniel  Thesaurus  Hymnologicus  I,  112);  er  schwebte 
hier  jedenfalls  dem  dichter  vor,  jedoch  ohne  dass  dieser  sich  genau  an 
den  Inhalt  desselben  hielt.  Zu  den  anfangsversen  dieses  passus  978 — 
79,  983 — 84  vergleiche  man  die  erste  Strophe  des  hymnus: 

Jesu  Corona  virginum 

Quem  mater  illa  concepit 

Quae  sola  virgo  parturit 

Haec  Vota  clemens  accipe. 
Dem  Inhalte  nach  hat  der  nachtrag  nichts  auffälliges,  da  es  auch  sonst 
vorkommt,   dass  bei  anrufung  irgend  eines  heiligenchores  Jesus  als  der 
anfiihrer  desselben  vorangestellt  wird  vgl.  Daniel  a.  a.  o. 


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ÜBER  DIE  LETANIE.  137 

bitten  mit  libera  nos  domine  (s.  ob.)  entspricht  der  abschnitt 
1335 — 59  (zum  teil  auch  schon  1294 — 1300),  in  dem  sich  die 
einzelnen  bitten  grossenteils  aus  der  kirchlichen  litanei  nach- 
weisen lassen: 

1348  von  allin  unrehte  =  cU>  omni  iniguitate 

1349  von  din  selbis  zorne  =  a  Ventura  ira 

1350  von  dem  ewigen  virlome  =  a  morte  perpetua 
1353  von  unreinen  gedanken     =  ab  omni  cogitaHone  mala 

zu  1354  u.  55  vergl.:  ab  immunditia  cordis  et  corporis 
ab  omni  concupiscentia  mala 

1356  von  tuvillichen  schunden   =  ab  insidlis  diaboli 

1357  von  grozir  becorunge        =  ab  omni  tentatione 
1359  von  allirsldhte  leide  =  ab  omni  malo 
1347  ledige  herre  dine  knehie    =  libera  nos  domine 

Die  flf.  w.  entsprechen  genau  dem  in  der  lat.  litanei  sich 
daran  schliessenden  (vgl.  hiezu  die  lit.  bei  Mab.  anal.  168) 
1365  (nur  in  S)  durh  willen  der  geburte  =  per  nativitatem  tuam 
1367  durh  den  touf  dm  da  intphinge  =  per  baptismum  tuum 
1370  durh  dine  crucisere  =  per  crucem  tuam 

G  235,   8  durch  din  urstende  =  per  resurreciionem  tuam 

„    10  durch  diner  üfferte  signumft  =  per  ascensionem  tuam 
„    11  durchdesheiligengeistis chumft=  per  decensionem  sti  Spi- 
ritus*) 

Dieser  abschnitt  ist  in  unserm  gedichte  nicht  wie  die  mei- 
sten andern  durch  einen  lateinischen  vers  abgeschlossen  (etwa 
libera  nos  domine):  er  fliesst  im  folgenden  mit  den  in  derkirchl. 
litanei  als  besondere  gruppe  sich  anschliessenden  positiven 
bitten  zusammen.  Der  gemeinsame  schlussrefrain  aller  dieser 
bitten:  te  rogamus  audi  nos  ist  wörtlich  schon  1392  vorwegge- 
nommen, während  der  eigentliche  Inhalt  jener  bitten  erst  in 
dem  in  6  Communis  tiberschriebenen  schlussgebete  folgt  Auch 
hier  wird  die  latein.  litanei  ziemlich  treu  widergegeben;  wir 
vergleichen  aus  derselben:  ut  pacem  nobis  dones  zu  1399. 
ut  pontificem  nostrum  conservare  digneris  zu  1406 
ut  universos  gradus  ecclesiae     „         „       zu  1408 


•)  Diese  nur  in  G.  enthaltenen  sätze  fehlen  z.  b.  auch  in  den  litt 
bei  Martine. 

Beiträge  zur  geschlohte  der  deatsclxen  spräche.    I.  10 


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138  VOGT 

ut  regem  nostrum  conservare  digneris  zu  1417 

(doch  siehe  unten.) 
ut  inimicos  stae  ecclesiae  comprimere  digneris  zu  1420 
ut  aeris  temperiem  nobis  dones  zu  G  236,  36.  37 

Vgl.  auch  Hartmanns  lit.:  Temperiem  coeli  tribuens  (m.  Christe) 
ut  copia  frugum  omrühus  exundet  ubere  laeticia. 

Zu  den  versen  über  das  abendmal  1443  flf.  könnte  man 
vergleichen  (Mart.  Kit  551);  ut  istud  ineffäbile  sacramentum  puris 
munibus  tractemuSj     „         j,    puris  mentibus  sumamus. 

Der  gewöhnliche  schluss  der  litanei,  das  Agnus  dei  und 
Kyrie  eleison  (an  dessen  stelle  auch  das  Gloria  patri  treten  kann) 
hat  hier  dem  gebet  für  den  dichter  platz  machen  müssen,  doch 
schliesst  wenigstens  wider  ein  lateinischer  vers  das  ganze. 

So  bildet  also  die  kirchliche  litanei  gleichsam  das  gerippe 
des  deutschen  gedichtes,  welches  der  Verfasser  nun  noch  mit 
seinen  eigenen  zutaten  umkleidete,  wodurch  dann  eine  reihe 
ziemlich  umßlnglicher  und  gewissermassen  selbständiger  gebete 
entstand. 

Für  die  an  die  dreieinigkeit ,  an  Maria,  die  engel  und 
apostel  gerichteten  darf  man  nach  einer  bestimmten  quelle 
nicht  suchen:  sie  enthalten  die  herkömmlichen  züge,  welche  in 
den  geistlichen  gedichten  sowie  in  den  lateinischen  und  deut- 
schen gebeten  jener  zeit  aller  orten  widerkehren.  Wo  bibel- 
stellen angegeben  werden,  sind  sie  meist  ziemlich  frei  benutzt. 

Bei  den  heiligen  aber  werden  auch  immer  einige  kurze 
Züge  aus  ihrer  legende  beigebracht,  an  die  sich  dann  das  gebet 
anschliesst.  Bei  Gregor  wird  ausdrücklich  auf  seine  vita  hin- 
gewiesen (698)  und  mit  den  Schriften  desselben  scheint  der  Ver- 
fasser überhaupt  veiiraut  zu  sein;  wenn  auch  7Q7  flf.,  wo  seine 
erklärung  des  Hieb  erwähnt  wird,  zusatz  in  S  ist,  so  wird  er 
doch  auch  1315  wider  angeführt.  (Auch  mit  dem  Hieronymus 
ist  er  bekannt  732  ff.)  Eine  bestimmte  quelle  wird  noch  bei 
der  Maria  Magdalena  erwähnt  1176  f.:  daz  habe  wir  ouh  von 
der  (1.  dir)  gelesen  als  uns  ein  herre  hat  gezalt  sagt  der  dichter 
als  er  die  eigentümliche  erweiterung  der  legende  berichtet,  wo- 
nach Maria  Magdalena  nach  der  himmeifahrt  Christi  der  weit 
überdrüssig  geworden  und  in  eine  wüste  gegangen  sein  soll, 
wo  sie  in  einer  höhle,  durch  engel  mit  speise  versorgt,  bis  zu 
ihrem  ende  lebte;  kurz  vor  ihrem  tode  erschien  ihr  dann  durch 


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ÜBER  DIE  LETANIE.  139 

göttliche  gnade  noch  plötzlich  ein  priester,  dem  sie  beichtete.  — 
Die  ähnlichkeit  dieser  züge  mit  der  legende  von  der  ägyptischen 
Maria  fällt  sofort  in  die  äugen.  (Diese  lebte  nach  einer  laster- 
haften Vergangenheit  alsbüsserin  in  einer  wtlste,  kurz  vor  ihrem 
tode  kam  der  priester  Zosimas  zu  ihr,  um  ihre' beichte. zu  ver- 
nehmen; vgl.  Grloube_2264 jff.).  Gewis  beruht  jene  erweiterung 
der  legende  auf  einer  Vermischung  beider  Marien.  Als  die  la- 
teinische quelle  derselben  weist  Heinzel  (zu  Erg.  26)  desHono- 
rius  speculum  ecclesiae  nach  und  es  stimmt  recht  gut  zu  un- 
sem  obigen  resultaten  tlber  den  dialekt  d^s  dichters,  dass  Ho- 
norius  gerade  in  Osterreich  damals  viel  gelesen  und  durch 
handschriften  verbreitet  war.  Auch  Heinrich  v.  Melk  bezieht 
sich  Erg.  26—34  auf  diese  gestalt  der  sage  mit  erwähnung 
desselben  charakteristischen  zuges,  wie  ihn  die  letanle  über- 
liefert, dass  Maria  Magdalena  nach  Christi  hingang  ekel  an 
der  weit  empfunden  habe: 

—  Maria  diu  süzze 

diu  nach  Christes  ou/verie 

dt  uni  stat  hischerte 

in  einer  äisHchen  wüste 

da  si  inne  rvonen  müste 

äne  der  Hute  mitwisi 

die  si  nach  unserm  herren  Christ 

nimmer  mir  heschourven  tvolde 

Sit  si  in  nicht  lenger  sehen  soide. 
Möglicherweise  trugen  auch  die  bei  Heinzel  a.  a.  o.  ange- 
führten französischen  lokalsagen  zur  weiteren  ausbildung  dieser 
legende  bei.    Später  verbreitete  sich  dieselbe  in  dieser  gestalt 
allgemein  (wir  erinnern  an  die  Magdalenenbilder). 

Bei  den  übrigen  heiligen  werden  nur  die  allgemeinsten  züge 
aus  ihren  legenden  gegeben,  die  nichts  besonders  bemerkens- 
wertes enthalten.  Nur  das  gebet  an  den  heiligen,  welchen  der 
dichter  „Columban"  nennt,  ist  auffällig.  Die  legendarische  skizze 
passt  hier  auf  den  namen  durchaus  nicht.  Es  wird  nämlich 
V.  829  ff.  von  jenem  „Columban"  erzählt,  er  habe  seine  reich- 
ttimer  und  den  glänz  dieser  weit  aufgegeben,  habe  sein  geschlecht 
und  sein  Vaterland  verlassen  und  sei  kühnen  mutes  in  das 
stväre  eilende  hinausgezogen,  seinen  tod  habe  er  gefunden,  indem 
er  wie  Christus  zwischen  zwei  räubern  aufgehängt  sei.    Nach 

10* 


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140  VOGT 

seinem  tode  habe  er  grosse  zeichen  getan.  —  Dass  diese  züge 
nicht  auf  den  Columban  passen,  der  im  kloster  aufgewachsen 
war  und  eines  friedlichen  todes  im  kloster  starb,  liegt  auf  der 
hand.  Schon  Diemer  (d.  ged.  XXVI.)  nennt  daher  den  betreifen- 
den heiligen  Koloman  und  Scherer  bemerkt  bei  Gervinus  g. 
d.  I.  I.  (5.  aufl.)  S.  197,  dass  auf  den  Coloman  allein  die  le- 
gendarischen Züge  passen.  Und  das  ist  unzweifelhaft  der  fall. 
Dieser  Coloman  war  ein  reicher,  vornehmer  Schotte,  der  als 
pilger  nach  Jerusalem  zog  und  im  jähr  1017  auf  seiner  durch- 
reise durch  Osterreich  vom  pöbel,  der  ihn  fär  einen  böhmischen 
Spion  hielt,  ergriffen,  gefoltert  und  zwischen  zwei  räubern  auf- 
gehängt ward.  Sein  leichnam  blieb  unverwest  und  tat  die 
herkömmlichen  wunder.  Markgraf  Heinrich  liess  ihn  dann  als 
heiligen  nach  Melk  bringen,  wo  er  als  landespatron  Österreichs 
verehrt  wurde. 

Die  älteste  form  dieser  legende  überliefert  ganz  kurz  Thiet- 
mar  v.  Merseb.  VII.  54.  Bei  ihm  fehlen  noch  mehrere  der  oben 
erwähnten  züge.  Diese  finden  sich  erst  vollständig  in  der  etwas 
ausführlicheren  vita  Colomanni  bei  Pertz  mon.  scrptt.  IV,  675  ff., 
welche  dort  für  ziemlich  gleichzeitig  gehalten  wird.  Ausserdem 
verfasste  noch  der  bekannte  Erchanfried  v.  Melk  nach  einer 
angäbe  des  Melker  nekrologs  eine  vita  Colomanni.  Ob  diese 
uns  wirklich  in  den  bei  Pertz  a.  a.  o.  mitgeteilten  „Miracula 
Colomanni"  erhalten  ist,  welche  nur  eine  ausführlichere  beschrei- 
bung  der  wunder  enthält,  die  Coloman  nach  seinem  tode  ge- 
tan, lassen  wir  dahin  gestellt;  für  uns  würde  sie  in  dem  falle 
nicht  in  betracht  kommen.  Die  legendarischen  züge,  welche 
die  letanle  überliefert,  sind  in  der  hauptsache  in  jener  vita  ent- 
halten; dass  dieselbe  wirklich  unserm  dichter  vorgelegen,  könnte 
vielleicht  der  anfang  der  praefatio  zu  derselben  beweisen: 

(Princeps  apostolorum  Petrus  audiens)  a  domino  mundi 
contemptores  centuplo  remunerandos  hie  emolumento  et  in  futuro 
vitam  aetemam  possessuros  etc.  Vgl.  836  flf.:  „Wer  die  weit 
aufgibt"  — 

841  flf.  dem  rvil  ihs  Ion  zeigen  (so  zu  lesen) 
da  mite  ih  ime  geldin  rvil 
ih  gehe  ime  zeinzichstunt  also  vil 
zu  deme  ervigeme  libe. 


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ÜBER  DIE  LETANIE.  141 

Aber  wenn  dem  auch  wirklich  so  ist,  so  müste  der  dichter 
doch  noch  eine  andere  quelle  gehabt  haben.  Die  865  ff.  über- 
lieferten Züge  von  seiner  geistlichen  tätigkeit,  vom  beschirmen 
der  armen,  dem  tadeln  der  Sünder,  seiner  weisen  lehre  u.  s.  w. 
sind  in  keiner  der  aufgeführten  quellen  enthalten.  Vielleicht 
hat  dem  dichter  doch  noch  eine  andere  vita  von  Erchanfrid 
vorgelegen  —  möglicherweise  schöpfte  er  auch  aus  mündlicher 
tradition.  Dann  würden  wir  uns  jedenfalls  den  dichter  in  der 
nähe  des  Schauplatzes  der  legende  zu  denken  haben. 

Wir  kommen  damit  auf  die  frage  nach 
heimat,  zeit  und  persönlichkeit  des  dichters. 

Dass  wirklich'  nur  jene  gegend  die  heimat  (resp.  der  aufent- 
haitsort)  des  dichters  gewesen  sein  kann,  geht  schon  klar  ge- 
nug daraus  hervor,  dass  er  überhaupt  jenen  österreichischen 
lokalheiligen  auf  besonderes  geheiss  seines  abtes  nachtragen 
muste  und  noch  dazu  in  so  ausführlicher  weise.  (Wie  wenig 
Coloman  ausserhalb  Österreichs  bekannt  war  zeigt  schon  die 
änderung  seines  namens  in  S.)  Dazu  kommen  dann  noch  die 
resultate  unserer  dialektischen  Untersuchungen. 

Also  in  Osterreich,  lebte  unser  dichter  und  zwar  als  mönch 
unter  dem'  abte  Engelbrecht,  wie  die  vv.  S  890  ff  beweisen  : 
(gedenke — )  des  abblt  Engelhrechtis 

unde  andirs  diner  knehte 

(mit  der  ware[n]  goiis  crefte)  (zu  gedenke  zu  ziehen) 

[di]  undir  siner  melsterscefte 

in  der  er  istinen  Joh  sint  gerveten  (so  st.  gewetet). 

Den  geschichtlichen  nachweis  eines  abtes  Engelbrecht  ver- 
suchte Diemer  d.  ged.  XXVI.  Er  sieht  in  ihm  den  prälaten 
Engelbrecht,  der  vom  bischof  Altmann  im  stifte  von  St.  Polten 
in  Osterreich  unter  der  Enns  eingesetzt  wurde  und  der  zuerst 
in  einer  Urkunde  des  klosters  Gleink  vom  jähre  1088  und  dann 
in  einer  Urkunde  Ottokars  VI.  v.  Steiermark  erscheint,  die 
zwischen  1092  und  1121  anzusetzen  ist.  Die  läge  von  Polten 
würde  sehr  gut  zu  unsern  obigen  resultaten  stimmen,  aber  die 
Zeitbestimmung,  wonach  unser  gedieht  spätestens  ca  1120 — 25 
verfasst  sein  müste,  passt  absolut  nicht.  Unser  gedieht  müste 
dann  in  dieselbe  zeit  wie  die  gedichte  der  Ava  fallen  (was 
Biemer  auch  gerade  bezweckt);  dass  daran  nicht  zu  denken 
ist,  zeigt,  von  allem  andern  abgesehn,  schon  eine  ganz  flüchtige 


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142  VOGT 

vergleichung  der  reime  beider  gedichte.  Von  den  bei  Ava  so 
häufigen  volleren,  noch  nicht  zu  e  geschwächten  eridungen  zeigt 
sich  in  den  reimen  der  letante  keine  spur  mehr.  Vielmehr  ver- 
weisen die  spräche  und  die  verhältnismässig  reinen  reime  unser 
gedieht  wol  noch  in  die  zeit  nach  1150.  Heinrich  v.  Melk  hat 
in  seinem  Priesterleben  ganz  dasselbe  Verhältnis  reiner  und  un- 
reiner reime  wie  unser  gedieht,  in  der  Erinnerung  hat  er  noch 
etwas  mehr  unreine.  Auch  der  spräche  nach  kann  man  Hein- 
rich keinesfalls  später  ansetzen,  als  den  Verfasser  der  letanie. 
Heinrichs  gedichte  nun  werden  mit  Sicherheit  zwischen  1148 
und  1163  angesetzt:  früher  ist  auch  die  letanie  jedenfalls  nicht 
entstanden.  Die  äusserste  grenze  nach  der  andern  seite  hin 
gibt  die  hs.  S,  die  1187  vollendet  wurde. 

Möglicherweise  könnte  noch  ein  andrer  umstand  zu  einer 
näheren  Zeitbestimmung  beitragen.  Die  lateinischen  litaueien, 
welche  im  schlussgebet  den  papst  aufführen,  beten  auch  in  ganz 
bestimmter  formel  fttr  den  oft  sogar  mit  namen  genannten  könig. 
So  hat  die  2.  Corveyer  lit.  Exaudi  Christe  Hludovico  Imperatori 
(Ludwig  d.  fromme)  viia!  die  bei  Leibnitz  no.  XVII.  erwähnte 
lit.  enthält  „preces  pro  Arnulfo  rege",  die  des  Notker  (s.  ob.) 
bittet  für  könig  Konrad  I.  Die  litaneien  bei  Martine  haben  ut 
regem  nostrum  conservare  dignerU  te  rogamus  audi  noSj  ui  ei  vitam 
et  vicioriam  dones  etc. 

Es  befremdet  daher,  dass  unser  dichter  zwar  fttr  den  papst 
ausdrücklich  bittet  (G  236, 11  und  beschirmest  unsem  Herren  den 
pabes)y  aber  flir  den  könig  keine  bitte  hat,  sondern  nur  ganz 
allgemein  und  vieldeutig  sagt: 

236,  26  daz  du  chunige  unde  rihtaere 
unt  ander  ir  volgaere 
muzist  gevesten  an  dem  rehten. 

Leicht  genug  Hesse  sich  das  erklären,  wenn  wir  annehmen, 
dass  unser  dichter  in  dem  furchtbaren  streite,  der  (schon  seit 
1157  vorbereitet)  1161  zwischen  papst  undkaiser  ausbrach,  auf 
päpstlicher  seite  stand  und  daher  flir  „seinen  herren"  den  papst 
bittet,  während  er  des  gebannten  kaisers  nicht  gedenkt  1177 
wurde  der  bann  gelöst  und  in  diesen  Zeitraum  (1161  —  77) 
liesse  sich  dann  die  abfassungszeit  unseres  gedichtes  noch  näher 
einschränken. 


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ÜBER  DIE  LETANIE.  143 

In  Übereinstimmung  mit  diesen  resultaten  über  ort  und  zeit 
der  abfassung  der  letanie  dürfte  wol  auf  die  identität  mit  dem 
in  unserm  gedichte  erwähnten  abt  Engelbrecht  ein  Engelbertus 
ansprueh  haben,  der  in  den  jähren  1172 — 1203  dem  zwischen 
Enns  und  Linz  gelegenen  kloster  St.  Florian  als  pri^epositus 
vorstand,  (cf.  Stülz,  geschichte  des  regulierten  chorhermstiftes 
St.  Florian  s.  191).  Sein  name  erscheint  mehrfach  in  urkuß-r 
den,  nach  dem  mir  vorliegenden  material  (ausser  dem  angef, 
monum.  Boica  XXIX,  urkundenbuch  des  landesob  der  Enns  IL) 
zuerst  in  einer  Passauer  Urkunde  vom  21.  7.  1183  (urkunden- 
buch des  landes  ob  der  Enns  CCLXI),  in  welcher  bischof  Diet- 
polt  V.  Passau  die  rechte  des  klosters  St.  Florian  auf  das 
hospital  zu  Vechelahebruck  und  die  pfarrkirche  Scuoendorf  be-' 
statigt  Daselbst heisst es:  „statuimus  ...  quatenus domnus  En- 
gelbertus venerabilis  prepositus  S.  Floriani  Martyris  Christi  cujus 
diligentia  et  instanti  industria  hoc  Privilegium  conquisitum  est 
eiusque  successores  prefatum  hospitale  in  sua  dispositione  .  .  . 
habeant"  Die  weiteren  Urkunden,  in  denen  Engelbert  begegnet, 
sind  vom  24.  1.  1188  (a.  a.  o.  IL  S.  407),  „ca.  1200"  (a.  a.  o. 
II,  470)  und  vom  28.  7.  1202  (a.  a.  o.  II,  485).  Schon  1203 
tritt  in  einer  Urkunde  aus  Mautern  (a.  a.  o.  493)  ein  Otto  als 
praepositus  von  Florian  auf.  —  Ich  wüste  nichts,  was  un» 
hindern  könnte,  diesen  Engelbert  für  den  in  unserm  gedichte 
erwähnten  zu  halten.  Die  läge  von  St.  Florian  entspricht  ganz 
unsem  obigen  ermittelungen  über  die  heimat  des  dichters. 
Dass  es  im  lande  ob  der  Enns  liegt  und  daher  erst  seit  1156 
zu  Österreich  gehörte,  macht  es  vielleicht  noch  erklärlicher,  dass 
der  österreichische  landesheilige  von  dem  dichter,  der  sich  wol 
noch  nicht  ganz  in  die  österreichischen  traditionen  eingelebt 
hatte,  nicht  gleich  anfangs  aufgenommen  wurde^  während  an- 
drerseits die  läge  des  klosters  unweit  der  grenze  doch  anfeinen 
regen  verkehr  desselben  mit  dem  lande  unter  der  Enns  und 
dessen  klöstem  schliessen  lässt,  was  auch  durch  Urkunden  be- 
ßtätigt  wird  (z.b.  die  a.  a.  o.  407  mitgeteilte,  in  der  Engel- 
bert erwähnt  wird,  ist  aus  Polten,  die  a.  a.  o.  493  beigebrachte, 
in  welcher  Otto  v.  St.  Florian  auftritt,  aus  Mautem  u.  s.  w.)  und 
dadurch  wird  dann  widerum  auch  die  nachträgliche  aufnähme 
des  Coloman  genügend  erklärt.  Vielleicht  kann  ein  weiterer 
umstand  die  identität  des  abtes  von  St.  Florian  mit  dem  Engel- 


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144  VOGT 

brecht  unsres  gedichtes  noch  wahrscheinlicher  machen.  In  jener 
Urkunde  vom  j.  1183  nämlich,  in  der  die  rechte  St.  Florians 
auf  das  hospital  zu  Vöchlabruck  und  die  kirche  Schöndorf  be- 
stätigt werden,  wird  bestimmt,  dass  die  erhaltung  des  hospitals 
der  Pfarrkirche  Schöndorf  zur  last  fallen  solle  und  es  heisst: 
„que  prefata  parrochia  dinoscitur  posse  persolvere  ob  amorem 
sancti  Egidii  confessoris  Christi  in  cujus  honore  capella  ibidem 
a  prefato  Pilgrimo  constructa  est"  und  am  schluss  wider  „qui- 
cunque  vero  largitate  munerum  suorum  .  .  .  eidem  xenodochio 
pro  amore  Christi  et  honore  S.  Egidii  confessoris  subvenerit" 
etc.:  es  stimmt  dazu  trefflich,  dass  auch  der  Egidius  unter  den 
heiligen  sich  befindet,  die  der  abt  Engelbrecht  in  die  letanie 
(S  948  ff.)  nachtragen  Hess.  —  Die  zeit,  in  welcher  der  abt 
von  St.  Florian  auftritt,  widerspricht  unsem  obigen  Vermutungen 
über  die  abfassungszeit  des  gedichtes  nicht.  Ungefähr  um  die 
zeit  des  amtsantrittes  des  Engelbert  wird  der  dichter  der  letante 
seine  nachtrage  gemacht  haben,  denn  der  abt  wird  ihn  doch 
dazu  veranlasst  haben,  gleich  nachdem  er  mit  dem  gedichte 
bekannt  geworden.  Die  erste  abfassung  aber  müssen  wir  noch 
mehrere  jähre  früher  ansetzen,  da  sich  das  gedieht  schon  in 
seiner  ersten,  kürzeren  gestalt  weiter  verbreitet  hatte,  wie  die 
Gräzer  hs.  beweist.  Wir  werden  also  wider  ganz  in  den  oben 
vermuteten  Zeitraum  verwiesen  und  werden  nach  alledem  die 
entstehung  der  letanie  gegen  1170  und  die  abfassung  der  nach- 
trage flir  das  jähr  1172  ansetzen  müssen. 

Soviel  über  zeit  und  heimat  des  dichters.  Für  seine  per- 
sönliche Charakteristik  dürfen  wir  nicht  erwarten,  aus  art  und 
geist  seiner  dichtung  vielmerkmale  entnehmen  zu  können:  Die 
geistlichen  dichter  jener  zeit  beherschen  ihren  stoff  zu  wenig, 
als  dass  sie  ihm  den  bestimmten  Stempel  ihrer  persönlichkeit 
aufzuprägen  vermöchten,  es  ist  ihnen  im  gründe  auch  nur  um 
den  stoflf  zu  tun,  die  gestaltung  ist  völlig  nebensache;  daher 
auch  die  formlosigkeit  ihrer  gedichte.  In  dieser  beziehung  ist 
unser  gedieht  ganz  ein  product  seiner  zeit;  freilich  gestaltet 
hier  der  dichter  seinen  stoff,  jedoch  nach  einer  fertigen  Schab- 
lone. Innerhalb  jener  werke  seiner  gattung  aber  möchte  ich 
dem  gedichte  doch  keinen  untergeordneten  platz  anweisen:  das 
ganze  spricht  von  lebendiger  empfindung  und  einzelnen  stellen, 
namentlich  z.  b.    dem  hymnus    an  Maria,    der    den    besseren 


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ÜBER  DIE  LETANIE.  145 

Marienliedern  nichts  nachgibt,  ist  wirkliche  poesie  nicht  abzu- 
sprechen. 

Die  anschauungsweise  des  dichters,  wo  sie  wirklich  selb- 
ständig unter  dem  gegebenen  Stoffe  durchblickt,  verrät  überall 
den  mönch,  aber  sie  trägt  einen  milderen  Charakter  als  die 
seiner  meisten  genossen,  wie  z.  b.  Hartmann,  der  Verfasser  des 
Grloube,  oder  auch  Heinrich  v.  Melk,  mit  dem  Diemer  unsem 
dichter  sogar  identificieren  wollte.  Aber  die  ganze  art  des  Ver- 
fassers der  letanie  steht  der  bitterkeit  und  finstem  askese  Hein- 
richs ebenso  fem,  wie  sein  ruhiger  und  gleichmässiger  stil  dem 
hastig  forteilenden,  sich  selbst  überstürzenden,  bald  höhnenden 
bald  polternden  des  Heinrich. 

Asket  ist  unser  dichter  zwar  auch,  seine  Sündhaftigkeit 
schildert  er  grell  genug  und  manchmal  in  nicht  sehr  delikaten 
Zügen.  Aber  weltverachtung  spricht  er  nirgend  aus.  Er  bittet 
um  maezzigen  richtum  (236,  39)  und  um  ein  fruchtbares  jähr. 
Seinen  sündigen  mitmenschen  verheisst  er  nicht  höhnisch  die 
höUenstrafe  wie  Heinrich,  sondern  er  bittet  für  sie  um  Verge- 
bung, selbst  für  seine  feinde  (236,  44).  —  Über  den  innern  zu- 
stand des  dichters  dürfen  wir  aus  dem  Inhalt  seines  werkes 
keine  voreiligen  Schlüsse  ziehn.  Es  wäre  durchaus  falsch  wenn 
wir  von  vornherein  annehmen  wollten,  dass  die  Sündenbe- 
kenntnisse, die  er  namentlich  im  gebet  an  Johannes  den  täufer 
und  Maria  Magdalena  ablegt,  der  Wirklichkeit  entsprechen 
müsten.  Ihrena  wesentlichen  Inhalt  nach  stimmen  diese  bekennt- 
nisse  ziemlich  mit  den  gewöhnlichen  beichtformeln  überein  und 
dass  der  Verfasser  diese  herkömmlichen  züge  ohne  weiteres  auf 
sich  überträgt,  darf  uns  nicht  befremden.  Ähnliches  kommt  oft 
genug  vor,  man  vergleiche  z.  b.  das  ganz  allgemein  für  jeden 
leser  berechnete  Sündenbekenntnis  im  Gloube  1768  ff.  (wo  mord, 
raub,  kirchendiebstahl  u.  s.  w.  vorkommen)  und  das  im  lobl.  auf 
Maria  bei  Diemer  d.  g.  —  Und  doch  möchte  ich  andrerseits 
gerade  hier  jeden  wirklichen  hintergrund  nicht  ablehnen.  Dass 
der  dichter  sich  seinen  besondern  Schutzheiligen,  den  Johannes, 
aussucht  (225,  44  f.  226,  13  ff.),  vor  dem  er  jenes  Sündenbe- 
kenntnis ablegt,  deutet  doch  darauf,  dass  er  hier  keine  allge- 
meine gebetsformel  geben  will,  sondern  dass  er  wirklich  von 
seinen  persönlichen  Verhältnissen  ausgeht;  ebenso  weist  wol  da- 
rauf  hin  die  mehrfach  widerkehrende  bemerkung  über  den  kämpf; 


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146  VOGT 

gegen  die  Sünden,  den  er  angefangen  habe  und  der  noch  immer 
kein  ende  nehmen  wolle.  Wenn  er  sich  daher  mit  dem  verlor- 
nen söhne  vergleicht,  der  sein  gut  verprasst  und  ein  unkeusches 
leben  geführt  habe  (S  1195  ff),  so  kann  man  das  immerhin  im 
eigentlichen  sinne  nehmen.  Er  mag  wirklich  ehedem  ein  leicht- 
lebiger weltlicher  gewesen  sein,  bis  ihn  jener  asketische  zug 
erfasste,  der  gerade  jene  zeit  durchwehte,  so  dass  er  sich,  wie 
so  mancher  andere  seines  gleichen,  in  die  einsamkeit  des  klo- 
sters  zurückzog.  Als  ein  zeugnis  seiner  bekehrung  und  seiner 
innern  kämpfe  und  zugleich  als  ein  zeugnis  seines  ehrenwer- 
ten strebens,  den  laien  seiner  zeit  dem  leben  und  den  brauchen 
der  kirche  näher  zu  bringen,  schrieb  er  dann  die  letanle. 

LEIPZIG.  FRIEDRICH  VOGT. 


Nachtrag  zu  einlichen.  Ein  späterer  beleg  für  einlich  in 
der  bedeutung  eifrig  findet  sich  Priesterleben  v.  251:  ich  rvirde 
sin  auch  nimmer  einlich;  daz  ich  siu  mit  solhen  dingen  cihe  d.  h. 
ich  beeifere  mich  nicht,  bin  nicht  darauf  bedacht,  sie  solcher 
dinge  zu  beschuldigen. 

F.  V. 


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^v 


ZUR  LAUTVERSCHIEBUNa. 


JJer  hauptzweck  der  nachfolgenden  Untersuchung  ist  die 
bestimmung  des  ganges,  welchen  die  Verschiebung  der  indoger- 
manischen aspiraten  im  germanischen  genommen  hat.  Dazu 
sind  drei  fragen  zu  beantworten;  erstens:  welches  war  die  ur- 
sprüngliche gestalt  der  aspiraten  in  der  indogermanischen  Ur- 
sprache; zVeitens:  welches  die  in  der  germanischen  Ursprache: 
drittens:  durch  welche  etwaige  Zwischenglieder  war  der  Über- 
gang von  der  einen  in  die  andere  vermittelt.  Ohne  die  richtige 
beantwortung  der  beiden  ersten  fragen  fehlt  natürlich  allen  spe- 
culationen  über  die  dritte  der  boden.  Die  erste  ist  der  gegen- 
ständ vielfältiger  erörterungen  gewesen.  Noch  immer  stehen 
sieh  sehr  abweichende  ansichten  gegenüber.  Aber  doch  halte 
ich  daflir,  worauf  ich  später  zurückkomme,  dass  wir  zu  einem 
bestimmten  von  den  meisten  hervorragenden  sprachforschem 
anerkannten  resultate  gelangt  sind.  Die  zweite  frage  aber  ist 
eigentlich  noch  gar  nicht  aufgeworfen.  Man  hat  sich  stets  be- 
gnügt vom  gotischen  auszugehen,  und  hat  dabei  meist  ohne 
weiteres  diegotischen  laute  denjenigen  gleichgesetzt,  welche  die 
lateinischen  buchstaben  ausdrücken,  durch  welche  sie  in  der 
gewöhnlichen  Umschreibung  bezeichnet  werden.  Bei  Scherer 
erscheint  zwar  zum  teil  eine  andere  auflfassung;  aber  sie  ist 
nur  schwankend  ausgesprochen  und  nicht  consequent  durchge- 
ftihrt.  Nun  ist  aber  ein  unbedingtes  erfordernis  zur  bestimmung 
der  urgermanisclien  ausspräche  dieser  laute  eine  vergleichende 
betrachtung  der  gestaltungen  derselben  in  sämmtlichen  germa- 
nischen sprachen,  und  zwar  eine  solche,  welche  sich  nicht  bloss 
an  den  buchstaben  hält,  sondern,  soweit  dazu  mittel  vorhanden 
sind,  den  lautwert  festzustellen  sucht.  Erst  mit  hülfe  dieser 
feststellung  kann  sowol  die  Weiterverschiebung  in  den  einzelnen 
mundarten,  als  das  Verhältnis  zu  den  verwanten  sprachfamilien 


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148  PAUL 

in  das  rechte  licht  gesetzt  werden.  Ich  will  also  zunächst  einen 
versuch  dazu  machen.  Die  frage  nach  ausspräche  und  geschichte 
der  den  indogermanischen  aspiraten  entsprechenden  sogenannten 
deutschen  medien  b,  g,  d  hängt  überall  aufs  engste  zusammen 
mit  der  Untersuchung  über  die  indogermanischer  tenuis  entspre- 
chenden laute  /;  h,  p,  die  wir  daher  in  unsere  betrachtung  ein- 
schliessen  müssen. 

Ueber  die  ausspräche  des  gotischen  besitzen  wir  zwei  mo- 
nographien,  von  Weingärtner,  Leipzig  1858  und  von  Dietrich, 
Marburg  1862.  Die  ansichten  dieser  beiden  gelehrten  gehen 
wie  über  die  auspraclie  der  vokale,  so  auch  über  die  der  hier 
in  betracht  kommenden  consonanten  ziemlich  weit  auseinander. 
Eine  neue  prüfung  ist  daher  nötig.  Die  kriterien,  welche  uns 
zu  geböte  stehen,  sind  einerseits  das  Verhältnis  der  gotischen 
zu  den  griechischen  und  lateinischen  lautzeichen,  anderseits  ge- 
wisse lautgesetzliche  Veränderungen.  Was  die  ausprache  des 
griechischen  zur  zeit  des  Ulfilas  angeht,  so  steht  es  fest,  dass 
die  medien  ft  7,  6  bereits  als  tönende,  die  aspiraten  %  ^  als 
tonlose  Spiranten  gesprochen  wurden;  weniger  sicher  ist  das 
letztere  für  x^  was  wir  übrigens  für  unsern  zweck  ganz  bei 
Seite  lassen  können.  Zu  beachten  ist  noch,  dass  ß  und  9  als 
rein  labiale,  nicht  labiodentale  Spiranten  aufzufassen  sind.  Nun 
sind  die  gotischen  zeichen  für  b,  g,  d  entstanden  aus  den  grie- 
chischen ßj  7,  rf;  es  ist  also  das  nächstliegende  ihren  lautwert 
denselben  gleich  zu  setzen,  so  lange  nichts  anderes  dagegen 
spricht.  Hinwider  wird  gotisches  /  und  p  nicht  durch  90  und 
^  bezeichnet,  sondern  durch  einheimische  ruhenzeichen;  das 
erweckt  den  verdacht,  dass  die  ausspräche  etwas  verschieden 
gewesen  sei^  ohne  dass  indessen  darauf  ein  bestimmter  beweis 
gegründet  werden  könnte,  da  die  beibehaltung  der  runen  auch 
auf  anderen  gründen  beruhen  kann.  Entscheidender  ist  die 
widergabe  der  griechischen  und  lateinischen  Wörter  im  gotischen, 
und  umgekehrt  die  der  gotischen  namen  bei  griechischen  und 
lateinischen  Schriftstellern.  Es  werden  nun  nicht  bloss  die  grie- 
chischen medien  durch  die  entsprechenden  gotischen  widerge- 
geben, sondern  auch  (p  durch  f,  {h  durch  p;  h  entspricht  dem 
Spiritus  asper;  über  seine  natur  ist  überhaupt  kein  streit  mehr. 
Für  die  ausspräche  der  medien  als  Spiranten  spricht  noch,  dass 
in  einem  falle  d  =  ^  ist,  baidsaiidan  Luc.  9,  10,  und  mehrmals 


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ZUK  LAUTVEESCHIEBUNG.  149 

b  =  q)  in  Asabis  Esdr.  2,  41  und  Joseba.  Dagegen  kann  es 
nicht  sehr  ins  gewicht  fallen,  dass  zweimal  in  Lod  d  einem  r 
und  einmal  in  falaig  g  einem  tc  entspricht,  so  wenig  wie  man 
aus  dem  einmaligen  peimaupaius  flil-  Ttfiod-sog  auf  eine  von 
der  des  d-  verschiedene  ausspräche  des  p  schliessen  wird.  Es 
können  hier  abweichungen  des  griechischen  textes  oder  fltichi- 
tigkeiten  des  Übersetzers  vorliegen.  Die  Vertretung  des  lateinischen 
V  durch  b  in  Silbanus,  naubaimbair  beweist  noch  bestimmter  die 
spirantische  ausspräche  des  letzteren  wenigstens  im  inlaut. 
Lateinischem  b  entspricht  es  nur  in  anakumbjan  und  naubaimbair 
wol  zu  beachten  nach  m,  in  welcher  Stellung,  wie  wir  sehen 
werden,  auch  in  den  übrigen  dialekten  die  ausspräche  abweicht; 
doch  ist  diess  an  und  für  sich  kein  zwingender  beweis  für  die 
völlige  gleichheit  des  lateinisclien  und  gotischen  b,  da  eben  kein 
anderes  zeichen  zum  ausdruck  des  ersteren  zu  geböte  stand 
und  da  das  wort  bereits  eingebürgert  zu  sein  scheint.  Die 
widergabe  der  gotischen  eigennamen  bei  den  griechischen  und 
lateinisclien  Schriftstellern  ist  besonders  ausführlich  von  Dietrich 
besprochen.  Ich  kann  aber  den  Schlüssen,  die  derselbe  daraus 
auf  die  ausspräche  zieht,  nicht  durchgängig  beistimmen.  Man 
darf  übrigens  bei  der  betrachtung  derselben  nicht  aus  dem  äuge 
verlieren,  dass  die  gotischen  laute  wie  die  anderer  dialekte  in 
einem  stäten  fortschreiten  ))egriffen  gewesen  sind,  so  dass  die 
spräche  ohne  ihr  frühes  aussterben  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
bis  zu  derselben  stufe  wie  das  ätrengalthochdeutsche  gelangt 
sein  würde.  Wir  dürfen  daher  die  lautgestaltungen  in  späteren 
quellen  nicht  ohne  weiteres  auf  die  zeit  des  Ulfilas  übertragen. 
Am  meisten  klären  uns  die  lateinischen  namensformen  über  die 
ausspräche  des  b  auf.  Diess  wird  im  inlaut  zwischen  vokalen 
regelmässig  durch  v  widergegeben  (Dietr.  s.  71),  auch  nach  l 
kommt  V  vor.  Wenn  sonst  im  inlaut  in  consonantenverbin- 
dungen  und  im  anlaut  b  daflir  steht,  so  beweist  diess  noch  nicht 
sicher,  dass  das  gotische  b  hier  als  explosivlaut  gesprochen 
wurde.  War  es  wie  /?  ein  rein  labialer  spirant,  so  entsprach 
ihm  weder  das  lateinische  labiodentale  v  noch  das  b  vollkom- 
men, sondern  der  laut  hatte  etwas  mittleres  zwischen  beiden, 
wodurch  ein  schwanken  in  der  Schreibung  veranlasst  werden 
konnte,  b  wird  ja  auch  mit  vorgesetztem  u  flir  deutsches  w 
gebraucht  (Dietr.  s.  79)  z.  b.  Ubadila,  wo  es  nur  den  rein  labi- 


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150  PAUL 

alen  Spiranten  bezeichnen  kann.  Doch  die  consequente  setzung 
von  b  im  anlaut  neben  v  im  inlaut  scheint  eine  Verschiedenheit 
der  ausspräche  anzudeuten.  Nur  im  zweiten  teile  eines  com- 
positums,  dessen  anlaut  sonstwie  der  eines  selbständigen  Wortes 
betrachtet  wird,  findet  sich  v  in  Reciverga.  Wenn  gotischem  g 
und  d  lateinisches  g  und  d  entspricht,  so  werden  wir  widerum 
daraus  nicht  mit  notwendigkeit  schliessen,  dass  die  ausspräche 
gleich  war.  Man  könnte  sonst  mit  demselben  rechte  schliessen, 
dass  auch  y  und  6  in  der  späteren  zeit  als  verschlusslaute  ge- 
sprochen wären.  Die  gotischen  laute  konnten  nur  durch  die 
zeichen  ausgedrückt  werden,  deren  lautwert  ihnen  am  nächsten 
kam.  Die  spirantische  natur  des  g  im  inlaut  ist  auch  von 
Dietrich  zugegeben  und  durch  zahlreiche  beispiele  des  verklin- 
gens  von  g  im  inlaut  und  auch  im  anlaut  des  zweiten  teils  der 
composita  wahrscheinlich  gemacht.  Wenn  aber  die  widergabe 
durch  lateinisches  g  nicht  als  ein  beweis  gegen  die  ausspräche 
des  gotischen  g  als  spirant  angesehen  wird,  so  darf  uns  auch 
lateinisches  für  gotisches  d  nicht  stören.  Im  anlaut  wird  go- 
tisches g  öfter  durch  c  widergegeben,  schon  bei  Ammianus. 
Wir  müssen  hierin  gewis  einen  beweis  dafür  finden,  dass  hier 
kurz  nach  Ulfilas  ein  verschlusslaut  gesprochen  wurde.  Gotisches 
p  wird  durch  ih  vertreten,  also  durch  dasselbe  zeichen  wie  lö-, 
dem  wir  demnach  die  gleiche  bedeutung  zuzuschreiben  berech- 
tigt sind.  Wenn  dafür  häufig  einfaches  t  steht,  so  ist  diess 
wol  blosse  schreibemachlässigkeit,  der  wir  ebenso  später  bei 
der  Schreibung  deutscher  eigennamen  in  lateinischen  büchem 
und  Urkunden  begegnen,  d'  flir/>  im  inlaut  beruht  auf  weiterer 
fortbewegung  des  lautes.  Gotisches  f  wird  seltener  durch  f 
widergegeben  als  durch  ph.  Daraus  folgt  nicht,  dass  es  einen 
sehr  harten  klang  gehabt  hat,  wie  Dietrich  sagt,  sondern  nur, 
dass  es  rein  labial  war  wie  9),  weshalb  es  im  lateinischen 
durch  dasselbe  zeichen  wie  dieses  umschrieben  werden  muste. 
p  für  gotisches  f  ist  jedenfalls  aufzufassen  wie  t  für  />.  Es 
mag  auch  sein,  dass  beide  nicht  bloss  auf  nachlässiger  Schrei- 
bung beruhen,  sondern  auch  auf  ungenauer  auffassung  mit 
dem  obre.  Bei  hastiger  ausspräche  kann  die  spirans  wenig- 
stens ebenso  gut  als  tenuis  aufgefasst  werden,  wie  die  aspi- 
rata  oder  afifricata,  von  welchen  letzteren  es  übrigens  gar 
nicht  sicher  ist,   ob    sie    wirklich  die    raittelstufen    zwischen 


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ZUR  LAUTVERSCHIEBUNG.  151 

indogermanischer    tenuis    und    germanischer    spirans   gebildet, 
haben. 

Fassen  wir  zusammen,  was  sich  von  dieser  seite  für  die 
ausspräche  der  medien  ergibt,  so  lässt  sich  allerdings  nicht  in 
abrede  stellen,  dass  immer  einige  Schwierigkeiten  und  Wider- 
sprüche bleiben,  die  nicht  bis  zur  zweifellosigkeit  gelöst  werden 
können.  Indessen  wenn  man  die  unausführbarkeit  einer  voll- 
kommen genauen  Umschreibung  in  ein  fremdes  aiphabet  erwägt, 
so  werden  einzelne  kleine  bedenken  in  rticksicht  hierauf  schwin- 
den müssen,  und  man  muss  das  resultat  anerkennen,  dass  sehr 
gewichtige  stünde  vorhanden  sind  die  medien  im  inlaut  nach 
vokalen  als  Spiranten  aufzufassen,  während  anderseits  die  aus- 
spräche im  anlaut  und  im  inlaut  nach  liquida  und  vor  allem 
nach  nasal  davon  verschieden  gewesen  sein  muss,  sodass  hier 
entweder  verschlusslaute  gesprochen  wurden  oder,  wofür  die 
gleiche  Schreibung  und  das  Verhältnis  zum  griechischen  spricht, 
übergangslaute  zwischen  verschluss-  und  reibelauten. 

Entscheidender  als  alles  bisher  vorgebrachte  ist  die  beo- 
bachtung  des  lautwandels  im  gotischen.  Es  ist  bekannt,  dass 
in  denselben  Wörtern,  welche  im  inlaut  h  und  d  zeigen,  im 
auslaut  und  vor  dem  nominativzeichen  s  statt  dessen  meistens 
f  und  Jj  erscheint,  ausgenommen  nach  consonanten  m,  n,  l,  r,  z. 
Wo  wir  sonst  einen  solchen  Wechsel  zwischen  in-  und  auslaut 
in  den  germanischen  sprachen  finden,  beruht  derselbe  darauf, 
dass  im  inlaut  ein  tönender,  im  auslaut  der  entsprechende 
tonlose  laut  gesprochen  wird.  So  spricht  man  in  Oberdeutsch- 
land tak  und  liep  für  tag  und  lieh,  in  Niederdeut«chland  dach 
und  leif,  weil  hier  im  inlaut  tönende  Spiranten  gesprochen 
werden:  daghe,  leiwe.  Dasselbe  Verhältnis  sind  wir  berechtigt 
ftir  das  gotische  anzunehmen.  Da  f  anerkanntermassen  reine 
ßpirans  ist,  so  muss  h  die  ihm  entsprechende  tönende  spirans 
gewesen  sein.  Wäre  ferner  />  aspirata,  d  tönender  verschluss - 
laut  gewesen,  so  wäre  gar  nicht  abzusehen,  wie  sie  dazukämen 
mit  einander  zu  wechseln.  Sie  können  sieh  vielmehr  nur  durch 
Vorhandensein  oder  fehten  des  stimmtones  unterschieden  haben, 
und  wir  müssen  ihren  lautwert  gleichfalls  als  tönende  und  ton- 
lose spirans  bestimmen.  Auf  diess  Verhältnis  hat  schon  Wein- 
gärtner bedeutendes  gewicht  gelegt.  Wenn  im  auslaut  f  und 
p  nicht  ganz  consequent  geschrieben  werden,  sondern  daneben 


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162  PAUL 

b  und  ^,  so  rührt  diess  nur  daher,  dass  nicht  tiberall  streng 
phonetisch  geschrieben  wurde,  wie  diess  im  neuhochdeutschen 
in  diesem  falle  gar  nicht  geschieht.  Dass  nach  consonanten 
die  media  bleibt,  beweist  wider  eine  abweichende  ausspräche. 
Da  aber  in  diesen  fällen  auch  nicht  die  tenuis  geschrieben 
wird,  so  ist  es  doch  nicht  sicher,  ob  hier  wirklicher  verschluss- 
laut gesprochen  wurde.  Wenn  zwischen  g  und  h  nicht  derselbe 
regelmässige  Wechsel  besteht,  so  kann  daraus  nicht  gefolgert 
werden,  dass  g  nicht  spirant  gewesen  wäre,  sondern  da  h  be- 
reits zum  blossen  hauche  abgeschwächt  war,  so  war  es  nicht 
geschickt  den  dem  g  entsprechenden  harten  Spiranten  =  mhd. 
ch  auszudrücken,  und  es  konnte  passender  inermanglung  eines 
bessern  das  zeichen  flir  den  weichen  Spiranten  beibehalten 
werden.*)  Es  wäre  allenfalls  noch  denkbar,  dass  fnnäp  als 
harte  aflfricaten  aufzufassen  wären  y  und  dann  b  und  d  als  die 
entsprechenden  weichen,  wie  es  Scherer  flir  möglich  hält.  Aber 
das  widerspricht  durchaus  dem,  was  wir  vorher  über  die  natur 
der  laute  erschlossen  haben.  Wie  hätte  z.  b.  bv  durch  einfaches 
lateinisches  i;  widergegeben  werden  sollen?  Man  hat  überhaupt 
keine  andere  veranlassung  medienaffricaten  im  gotischen  an- 
zunehmen, als  die,  wie  wir  sehen  werden,  unbegründete  Voraus- 
setzung, dass  wol  aus  einer  solchen,  aber  nicht  aus  einer  ein- 
fachen Spirans  sich  eine  mit  verschluss  gebildete  media  ent- 
wickeln könnte.  Dem  p  eine  andere  natur  zuzuschreiben  als 
dem  /*  berechtigt  nichts;  ihr  beiderseitiges  Verhältnis  ist  völlig 
analog. 

Wir  haben  bisher  diesen  lautwechsel  nur  vom  Standpunkte 
des  gotischen  aus  betrachtet.  Von  diesem  aus  gesehen,  scheint 
es,  dass  überall  der  weiche  laut  der  ältere  ist,  der  nur  im  aus- 
laut  fast  mit  natumotwendigkeit  in  den  harten  übergeht  Die 
vergleichung  der  verwanten  sprachen  aber  ergibt,  dass  in  den 
meisten  fällen  der  harte  laut  der  ältere  ist,  keineswegs  aber 
durchgängig.  Fälle,  in  denen  die  gotische  media  einer  indo- 
germanischen aspirata  entspricht,  also  zunächst  weich  sein  muss, 
sind  baup  (praet  von  biudan\ßiggalaupSy  rairop  (praet.  von  redan)\ 
von  liubs^  galaubs,  stabs,  rauds  kommen  zufällig  nur  formen  vor. 


*)  BeiJordanes  findet  sich^mcÄ  neben  Berig  (Diefcrjch  s.  75),   was 
also  dem  Übergang  von  h  m  f  und  rf  in  )?  analog  sein  würde. 


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ZUR  LAUTVERSCHIEBUNG.  153 

in  denen  h  und  d  inlautend  zwischen  vokalen  steht;  es  könnte 
daher  eben  so  gut  üufs,  raups  etc.  angesetzt  werden.  Eine  Ver- 
härtung im  auslaut  findet  also  sicher  statt.  In  den  meisten 
Wörtern,  in  denen  der  Wechsel  zwischen  b  und  f,  d  und  />  sich 
zeigt,  entsprechen  diese  laute  indogermanischer  tenuis.  Auch 
sonst  sind  die  medien  h,  d  und  auch  g  aus  ursprünglicher  te- 
nuis hervorgegangen.  Die  hierher  gehörigen  Wörter  sind  am 
vollständigsten  zusammengestellt  in  Lettners  abhandlung  „tlber 
die  ausnahmen  der  ersten  lautverschiebung"  Kuhns  zeitschr. 
XI,  161  ff.  auf  Seite  187  ff.  Es  ist  wol  kaum  noch  nötig  die 
früher  verbreitete  ansieht  zu  widerlegen,  dass  diese  medien  un- 
mittelbar aus  der-  tenuis  erweicht  seien.  Scherer  hat  eine  Wider- 
legung derselben  gegeben  in  der  zeitschr.  f.  d.  östr.  gymn.  XII, 
648.  49.  Er  stellt  drei  möglichkeiten  auf:  entweder  die  erwei- 
chung  hat  stattgefunden  vor  der  laut  Verschiebung,  oder  nach 
der  Verschiebung,  oder  sie  fällt  zwischen  die  einzelnen  akte 
der  Verschiebung.  Fiele  sie  vor  die  Verschiebung,  so  hätte  die 
aus  der  tenuis  erweichte  media  durch  dieselbe  wider  zurtenui« 
werden  müssen.  Zwischen  die  Verschiebung  könnte  sie  nach 
Scherer  fallen,  wenn  man  dieselbe  reihenfolge  wie  Curtius  an- 
nimmt, nämlich  zwischen  dessen  zweiten  und  dritten  akt,  der 
Verschiebung  der  media  zur  tenuis  und  der  der  media  zur 
aspirata.  Ich  möchte  auch  diese  möglichkeit  bestreiten.  Denn 
dann  wäre  es  wenigstens  ein  sehr  wunderbarer  zufall,  dass 
nicht  auch  eine  anzahl  aus  der  media  entstandener  tenues  er- 
weicht sind.  Und  überhaupt  wäre  es  unwahrscheinlich,  dass 
unmittelbar  nach  der  eben  vollzogenen  durchgängigen  Verhär- 
tung gleich  wider  eine  ausgedehnte  erweichung  gefolgt  wäre. 
Die  erweichung  muss  also  nach  der  Verschiebung  der  indoger- 
manischen media  und  der  der  tenuis  stattgefunden  haben.  Der 
von  der  erweichung  betroffene  laut  war  also  nicht  mehr  die 
tenuis,  sondern  eine  durch  die  Verschiebung  bewirkte  mt)difica- 
tion  derselben.  Es  fragt  sich  nur,  bis  zu  welcher  stufe  die  Ver- 
schiebung gediehen  war.  Um  diese  frage  zu  entscheiden,  wäre 
zunächst  zu  bestimmen,  auf  welche  weise  die  germanische  Ver- 
schiebung der  tenuis  vor  sich  gegangen  sein  kann.  Entweder 
wurde,  wie  die  gewöhnliche  annähme  ist,  aus  der  tenuis  zu- 
nächst die  aspirata,  aus  dieser  dann  ein  doppellaut  bestehend 
aus  tenuis  und  homorganer  spirans,  den  man  affricata  zu  nennen 

Belträ|;e  zur  ^eschichte  der  deutschen  spräche.    I.  \\ 


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154  PAUL 

gewohnt  ist,  und  daraus  endlich  einfache  spirans,  oder  es  wurde 
aus  der  tenuis  unmittelbar  die  aflfricata,  wie  der  Vorgang  vielleicht 
im  hochdeutschen  war,  und  daraus  wider  die  spirans,  oder 
endlich  drittens,  eine  ansieht,  die  von  Scherer  vertreten  wird, 
(z.  gesch.  82,  z.  f.  d.  östr.  gymn.  XII,  65^)  es  wurde  unmittel- 
bar aus  der  tenuis  die  spirans.  Alles  dreies  ist  physiologisch 
vollkommen  möglich.  Die  letzte  annähme  setzt,  wie  Scherer 
richtig  bemerkt,  keinen  sprung  voraus.  Der  Vorgang  ist  ein- 
fach der,  dass  bei  sonst  gleicher  mundstellung  der  verschluBs 
gelockert  wird.  Unmittelbaren  Übergang  von  tonlosem  ver- 
sohlusslaut  in  einen  reibelaut  weiss  ich  allerdings  sonst  nicht 
mit  Sicherheit  nachzuweisen,  sehr  häufig  ist  aber  der  vollkommen 
analoge  von  tönendem  verschlusslaut  in  reibelaut,  z.  b.  im  grie- 
chischen und  in  den  romanischen  sprachen.  Scherer  beruft  sich 
für  seine  ansieht  besonders  darauf,  dass  das  resultat  der  ger- 
manischen Verschiebung  einfache  Spiranten  sind,  während  im 
hochdeutschen  im  anlaut  affricata  erscheint^)  Es  ist  richtig, 
dass  durch  diesen  umstand  seine  annähme  überhaupt  möglich 
wird,  aber  erwiesen  ist  sie  damit  nicht.  Die  wandelung  durch 
die  aspirata  hindurch  brauchte  nicht  bis  zur  einfachen  spirans 
fortzuschreiten,  wie  das  althochdeutsche  beweist,  konnte  es  aber 
sehr  wol,  wofür  das  griechische  und  lateinische  die  sichern 
belege  gibt.  Wir  müssen  also  die  frage  einstweilen  unentschie- 
den lassen.  Wurde  die  tenuis  unmittelbar  in  die  spirans  ver- 
wandelt, seist  ohne  weiteres  klar,  dass  in  den  fraglichen  fällen 
g,  dj  b  durch  erweichung  aus  der  harten  spirans  entstanden 
sein  müssen.  Liegen  dagegen  die  erwähnten  Übergangsstufen 
dazwischen,  so  kann  es  in  frage  kommen,  ob  nicht  bereitsauf 
einer  von  diesen  die  erweichung  eingetreten  ist;  ob  also  viel- 
leicht aspirata  oder  affiicata  davon  betroffen  wurde.  Zunächst 
scheint  mir  die  Verwandlung  von  wirklicher  harter  aspirata  =«= 
tenuis  -|-  h  in  die  weiche  =  media  +  h  eine  physiologische 
Unmöglichkeit.  Es  ist  bekannt,  wie  sehr  sich  unser  bedeutend- 
ster Sprachphysiologe,  Brücke,  gegen  die  anerkennung  der  sprech- 


*)  Auch  für  das  hochdeutsche  hat  Scherer  im  Inlaut  nach  vokalen 
untuittelbaren  Übergang  in  die  spirans  angenommen.  Diese  ansieht  ist 
widerlegt  und  der  durchgang  durch  die  affricata  nachgewiesen  von  Braune 
in  diesem  heft  s.  48  ff. 


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Züß  LÄUTVEKSCHlEßÜNG.  156 

barkeit  der  medialaspirateu  gesträubt  hat  Wenn  nun  auch 
durch  die  bemerkungen  von  Arendt  in  den  beitragen  z.  vergL 
spracht  II,  283  flf.  die  existenz  derselben  ausser  zweifei  gesetzt 
ist,  so  sind  sie  doch  immer  sehr  schwierige  lautverbindungen 
deren  sich  deshalb  die  meisten  sprachen  entledigt  haben,  und 
es  ist  gar  nicht  denkbar,  dass  sie  aus  der  gar  keine  Schwie- 
rigkeit bietenden  Verbindung  tenuis  +  h  sollten  entstanden 
sein.  Die  Verwandlung  von  tenuisaflfricata  in  medienalBfiricata 
wäre  mindestens  unwahrscheinlich.  Nirgends  findet  sich  ein 
analogen  dazu,  wie  denn  überhaupt  die  medienaffi-icaten  nir- 
gends in  einer  spräche  nachgewiesen,  sondern  nur  erschlossen 
sind.  So  schwere  consonanten Verbindungen  sind  nicht  leicht 
dergleichen  Veränderungen  ausgesetzt  Ueberdiess  würde  die 
erweichung  derselben  eine  erweichung  der  tenuis  in  sich  schliessen, 
die  sonst  auf  germanischem  boden  vom  neunordischen  abge- 
sehen unerhört  ist.  Dagegen  hat  die  erweichung  der  Spirans 
nichts  auffallendes,  und  wir  werden  im  weiteren  verlaufe  un- 
serer Untersuchung  gelegenheit  haben  reichliche  belege  dafür 
beizubringen.  Der  hauptgrund  aber  dafür,  dass  die  indogerma* 
nische  tenuis  bereits  zur  spirans  geworden  war,  als  die  erwei- 
chung eintrat,  ist  der,  dass  dieselbe  sich  im  gotischen  als  eine 
ganz  junge  lautveränderung  erweist,  die  noch  im  werden  be- 
griffen ist,  und  der  deshalb  nur  diejenige  lautstufe  zu  gründe  lie^ 
gen  kann,  auf  welcher  das  gotische  zur  zeit  der  entstehung  deJ: 
uns  überlieferten  denkmäler  stand.  Der  beweis  dafür  liegt  in 
folgendem.  Schon  der  ganz  lebendige  Wechsel  zwischen  aus' 
und  inlaut  weist  darauf  hin,  dass  dazwischen  keine  andern 
unterschiede  bestanden  als  das  Vorhandensein  oder  fehlen  des 
Stimmtons*,  Auch  in  den  hierher  gehörigen  Wörtern  wird  nicht 
selten  im  auslaut  die  media  geschrieben,  was,  da  an  dieser 
stelle  wol  an  eine  erweichung  nicht  zu  denken  ist,  nur  aus  der 
spirantischen  natur  derselben  zu  erklären  ist  Hier  findet  sich 
auch  h  im  auslaut  neben  g  im  inlaut  in  aih — aigvm  und  /'neben 
b  nach  r  in  parf — paurhum.  Ferner  findet  sich  ein  schwanken 
in  ganz  nahe  verwanten  Wörtern,  wie  ßiggs — ßchiza,  fmggrjan 

—  hührus,  vigam — velhan,  filhan — fulgins  und  fiUgrij  fagrs — ga* 
fahrjan,  faginon — faheps,  tigus  —  taihun,  alds — alpeis,  stap,  staäis 

—  im  composituln  lukamarstada,  naupjari' — naudibandi  und  an- 
deren (vgl.  Holtzm.  altd.  gr.  22.  29);  ja  in  einem  und  demselben 

11* 


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156  PAUL 

Worte:  aihan — aigan,  gupa — guda;  und  in  einem  und  demselben 
Suffix:  brothar  —  fadar,  missadedins  —  gabaurpai,  gabaurjopus  — 
auhjodm,  diupipa — junda,  fijapva—pivadv,  uribamähs — viclpags 
(vgl  Lettner  a.  a.  o.  s.  194.  ff.).  Am  deutlichsten  sehen  wir 
noch  die  entstehung  des  b  aus  /  in  den  schon  oben  angeführten 
fremdWörtem  asabis  und  ioseba  und  in  den  praepositionen  a/ 
und  w/;  die  bei  antritt  des  Suffixes  uh  sofort  zu  abuh,  ubuh  werden. 
Die  weitere  betrachtung  wird  zeigen,  dass  die  erweichung  in 
den  übrigen  germanischen  sprachen,  von  denen  wir  erst  aus 
späterer  zeit  denkmale  besitzen,  noch  weitere  fortschritte  ge- 
macht hat  Auch  im  gotischen  selbst  können  wir  an  den  von 
lateinischen  schriftsteilem  tiberlieferten  eigennamen  den  immer 
weiter  greifenden  tibergang  von  inlautendem  th  zu  <?  beobachten. 
Ich  denke,  alles  diess  tut  zur  geniige  dar,  dass  sich  im  ganzen 
inlautendes  g,  d,  b  von  h,  p,  f  nur  durch  den  stimmton  unter- 
schieden haben.  Schwierigkeiten  macht  allerdings  d^s  h,  für 
dessen  ausspräche  als  blosser  hauch,  wie  schon  bemerkt,  ent- 
scheidende grtlnde  vorliegen.  Doch  ist  dieselbe  hauptsächlich 
nur  für  den  anlaut  gesichert.  Im  inlaut  muss  es  wenigstens 
vor  consonanten,  wenn  es  überhaupt  hörbar  werden  sollte,  noch 
reibelaut  gewesen  sein  und  es  bleibt  die  möglichkeit,  dass  es 
auch  zwischen  vokalen  noch  stärker  gesprochen  wurde.  Für 
unseren  zweck  genügt  es,  dass  wenigstens  die  ausspräche  des 
h  als  reibelaut  die  allernächste  Vorstufe  war  und  dass  gar 
nicht  daran  zu  denken  ist,  dass  es  aspirata  oder  affricata  ge- 
wesen sei.  Ebenso  wird  wol  von  niemand  bezweifelt,  dass  / 
reine  spirans  war.  Nur  p  ficht  man  immer  an.  Aber  wir 
haben  widenim  gesehen,  dass  es  sich  in  jeder  beziehung  dem 
f  vollkommen  analog  verhält.  Scherer  nimmt  auch  an,  dass  g, 
d,  b  aus  Spiranten  erweicht  seien,  meint  aber,  dass  sie  dann 
durch  denselben  akt  wie  die  indogermanischen  medienaflricaten, 
die  er  statt  der  aspiraten  annimmt,  zu  medien  verschoben  seien, 
und  setzt  diesen  akt  an  den  schluss  der  germanischen  lautver- 
sehiebung,  so  dass  die  erweichung  zwischen  dieselbe  fallen 
würde.  Das  geht  aber  eben  deshalb  nicht  an,  weil  wir  die 
erweichung  in  den  ältesten  auf  uns  gekommenen  denkmälem 
noch  im  werden  begriffen  sehen  und  sie  nicht  eine  geraume 
zeit  zurückschieben  können.  Auch  haben  wir  kein  recht  tö- 
nende spirans  und  medienaffiHicata  ohne  weiteres  zu  identificie- 


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ZUR  LAUTVERSCHIEBUNG.  157 

ren  und  durch  denselben  process  aus  ihnen  die  media  entstehen 
zu  lassen.  Vielmehr  fällt  die  erweichung  wirklich  nach  allen 
den  Veränderungen,  die  wir  unter  dem  namen  „germanische 
Verschiebung"  zusammenfassen  können,  nur  dass  das  resultat 
derselben,  sei  es  aus  den  medienaspiraten  oder  aus  medienaff< 
ricaten,  im  inlaut  nicht  medien,  sondern  tönende  Spiranten  sind, 
und  die  aus  der  erweichung  entstandenen  laute  waren  wirklich 
noch  zu  Ulfilas  zeit  tönende  Spiranten,  was  Scherer  läugnet,. 
und  fielen  deshalb  mit  den  schon  frtlher  vorhandenen  zusammen. 
Vor  der  Verschiebung  derselben  zu  medien  trat  die  erweichung 
allerdings  ein.  Aber  diese  erfolgte,  wie  wir  sehen  werden,  erst 
viel  später  und  durchgängig  nur  im  hochdeutschen.  Soweit 
können  wir  schon  durch  die  betrachtung  des  gotischen  allein 
kommen;  die  der  tlbrigen  dialekte  wird  uns  diess  resultat  be- 
stätigen. 

Ich  führe  noch  ein  paar  weniger  bedeutende  tatsachenän, 
die  fllr  die  spirantische  natur  von  g,  d,  b  sprechen  können.  In 
den  eigennamen  aus  späterer  zeit  wird  agi  in  ai,  igi  in  i  zu- 
sammengezogen (Dietrich  s.  73.  74).  Die  Zwischenstufen  müssen 
aß  und  (;'^  sein,  und  darin  kann  das  j  am  leichtesten  aus  dem 
gutturalen  Spiranten  entstanden  sein.  Möglich  bleibt  es  aller- 
dings, dass  der  einfluss  des  i  auch  den  gutturalen  verschluss- 
laut zum  palatalen  Spiranten  umgewandelt  hätte,  jedenfalls  aber 
ist  es  minder  wahrscheinlich. —  In  einem  falle  ist  dmz  über- 
gegangen, nämlich  in  izvar.  Das  beweist  an.  ytSar,  welches,  wie 
schon  das  y  zeigt,  aus  ytSvar  =  it5var  hervorgegangen  ist. 
Nicht  z,  sondern  Ö  ist  das  ältere.  Die  vergleichung  des  ahd., 
as.,  ags.  ergibt  als  grundform  ivar;  Ö  ist  eingeschoben  wie  in 
batimr  und  wie  sonst  dd  oder  gg.  Nach  unserer  auffassung 
hätten  wir  dann  in  izvar  aus  idvar  nur  den  Übergang  von  den- 
talem s  in  alveolares,  resp.  dorsales  s.  Für  h  endlich  ist  noch  an- 
zuführen, dass  es  in  fragihtim  Luc.  1,  27  die  stelle  von  f  vertritt 
und  in  dem  suflix  ubni*)  mit  /*  wechselt  (Holtzm.  altd.  gr.  33). 


*)  Dasselbe  ist  überhaupt  rätselhaft.  Da  es  im  indogermanischen 
keine  suffixe  mit  lippenverschlusslauten  gibt,  so  muss  b  oder  /*wol  aus 
einem  andern  laute  entstanden  sein.  Nun  findet  sich  sonderbarer  weise 
im  altn.  na/h  und  sa/ha  neben  den  sicher  älteren  namn  und  samna, 
während  sonst  umgekehrt  mn  neben  älterem  fn  steht.  Ist  diess  nicht 
für  etwas   rein  orthographisches  zu  nehmen,  so  könnte  man  vermuten, 


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16§  PAUL 

Wit  wenden  uns  nun  zu  den  übrigen  dialekten.  Es  wird 
sich  empfehlen  die  betrachtung  der  labialen  voranzustellen,  da 
bei  diesen  das  Verhältnis  am  klarsten  zu  tage  liegt.  Im  alt- 
Aordischen  entspricht  gotischem  f  tiberall  f  {mf  ist  zu  mm  ge- 
worden in  /?mm),  gotischem  h  anlautend  ft,  inlautend  /;  nur  nach 
m  steht  auch  h  und  ausserdem  findet  sich  hh  im  inlaut  in  Wör- 
tern, die  im  gotischen  keine  entsprechungen  haben.  Man  findet 
in  sprachwissenschaftlichen  werken  gewöhnlich  angegeben,  altn* 
f  sei  nur  lautgesetzlicher  Vertreter  für  h  und  hält  sich  mit  die- 
ser redensart  aller  weiteren  Untersuchung  des  Verhältnisses  für 
überhoben.  Nun  ist  aber  klar^  dass  der  Wechsel  von  h  und  f 
der  für  das  gotische  nachgewiesenen  Verschiedenheit  in  der 
ausspräche  des  h  entspricht.  Der  unterschied  ist  hier  nur  noch 
klärer  und  auch  durch  graphische  Verschiedenheit  bezeichnet. 
Dass  f  nur  eine  spirans  ausdrücken  kann ,  ist  selbstverständ- 
lich und  aus  der  sichern  Unterscheidung  von  h  und  f  im  anlaut 
geht  anderseits  hervor,  dass  ersteres  immer  den  verscjilusslaut 
bezeichnet  Eine  abweichung  vom  gotischen  besteht  darin/ dass 
auch  nach  /  und  r,  nach  denen  sich  im  gotischen  das  l  analog 
dem  nach  m  zu  verhalten  scheint,  f  herscht,  wofür  nur  verein- 
zelt ft  eintritt  (vgl.  Holtzm.  altd.  gr.  117).  Es  fragt  sich  nun: 
Jiaben  wir  /"in  diesen  fällen  als  tonlos  zu  fassen,  worauf  der 
buchstabe  zunächst  hinweist.  An  und  für  sich  ist  es  im  höch- 
sten grade  unwahrscheinlich,  dass  ein  verlust  des  tones  im  in- 
laut zwischen  vokalen  stattgefunden  haben  sollte.  Anderseits 
begreift  sich  die  anwendung  des  eigentlich  für  den  tonlosen 
laut  bestimmten  Zeichens  auch  für  den  tönenden  sehr  wol  aus 
dem  mangel  eines  eigenen  verfügbaren  Zeichens  fftr  den  letz- 
teren. Denn  v  (u)  war  für  den  dem  got.  v,  ahd.  rv  entspre- 
chenden laut  in  anspruch  genommen,  der  sicher  im  älteren  alt- 
nordisch noch  die  von  Brücke  s.  70  beschriebene  halbvokalische 
natur  hatte.*)    Um, so  weniger  konnte  dasselbe   für  die  rein 


dass  auch  im  got.  mn  zu  fn  oder  hn,  d.  h.  zu  labialer  spirans  +  n  gewor- 
den wäre,  so  dass  dann  z.  b.  vittd>ni  abgesehen  vom  genus  ganz  gleich 
dem  lat.  calumnia  gebildet  wäre. 

*)  Dass  diese  ausspräche  des  v,  sowie  die  entsprechende  des  j  die 
ursprüngliche  indogermanische  gewesen  ist,  erheUt  aus  einer  reihe  von 
erscheinungen  in  den  verschiedenen  sprachen  und  wird  wol  von  niemand 
b^zw^felt.    Dass  diese  ausspräche  auch  noch  im  germanischen  lange  fort- 


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ZUR  LAUTVERSCHIEBUNG.  ISO 

confeonantische  spirans  gebraucht  werden ,  wenn  dieselbe  etwa, 
worüber  sich  etwas  sicheres  kaum  wird  ermitteln  lassen,  bereit» 
wie  in  den  neueren  nordischen  sprachen  labiodental  geworden 
war.    Für  die  nichtunterscheidung  von  tonender  und  tonloser 


gedankt  hat,  dafür  sprechen  namentlich  folgende  gründe:  1)  Im  engli- 
schen besteht  sie  noch  heute  im  anlant,  während  im  in-  und  aaslant  das 
TV  vollständig  vokalisiert  oder  ausgefallen  ist.  2)  Im  gotischen  ist  noch 
das  indogermanische  gesetz  des  wechseis  von  u  und  v,  je  nachdem  con- 
sonant  oder  vokal  folgt,  vollständig  lebendig,  was  für  die  grosse  leiehdg- 
keit  des  Überganges  spricht.  3)  In  gotischen  eigennamen  wird  von  la- 
teinischen Schriftstellern  das  anlautende  v  durch  uu,  vv,  uv^  üb  wider- 
gegeben, eine  Schreibung,  wie  sie  für  den  aus  mit  einander  verschmolze- 
nem vokal  und  consonant  bestehenden  laut  sehr  geeignet  ist;  vgl.  darüber 
Dietrich  auspr.  78.  79.  Wenn  solche  Schreibungen  nicht  auch  im  inlaute 
vorkommen,  so  ist  dadurch  noch  nicht  bewiesen,  dass  hier  rein  goubo- 
nantische  ausspräche  galt  wie  Dietrich  behauptet;  dagegen  spricht  das 
unter  2.  angeführte  gesetz  und  der  umstand,  dass  in  anderen  dialekten 
gerade  im  anlaut,  nicht  im  inlaut  der  vokalklang  verloren  geht;  4)  Go- 
tisches v  erscheint  in  den  eigennamen  vor  folgendem  u  oder  i  mit  diesen 
zu  u  verschmolzen  vgl.  Dietr.  79. 80.  5)  In  allen  germanischen  sprachen 
finden  sich  Verschmelzungen  des  v  (w)  nach  k  oder  s  mit  dem  folgenden 
vokal  zu  u  oder  ü.  6)  Die  im  ahd.,  as.  und  zum  teil  im  ags.  gebräoch- 
liehe  Schreibung  uu,  woraus  sich  dann  rv  entwickelt,  ist  ebenso  durch 
die  ausspräche  berechtigt,  wie  in  den  gotischen  eigennamen;  7)  Wenn 
im  ahd.,  as.,  afr.,  ags.  ein  kurzer  vokal  vor  w  zum  diphthongen  wird  so 
folgt  das  fast  notwendig  aus  dessen  vokalischer  natur;  das  u  des  diph- 
thonges  ist  der  vokalische  bestandteil  des  w,  der  auch  schon  im  gotischen 
vorhanden  war  und  nur  allmählich  etwas  stärker  hervorgetreten  zu  sein 
und  sich  enger  mit  dem  vorhergehenden  vokal  verbunden  zu  haben  scheint 

8)  Auslautend  wird  rv  im  ahd.  und  as.  zu  u  oder  o,  d.  h.  es  bleibt  nur 
das  vokaHsche  element,  das  consonantische  ist  zu  schwach  sich  zu  halten. 

9)  Die  schwäche  des  consonantischen  Clements  zeigt  sich  dann  weiter 
darin,  dass  es  später  im  inlaut  zwischen  vokalen  ganz  ausfallt,  während 
das  vokalische  nach  kurzem  vokal  und  auch  nach  langem  a  in  der  mit 
diesem  eingegangenen  diphthongischen  Verbindung  erhalten  bleibt.  Der 
Schwund  des  consonanten  ist  im  mhd.  wahrscheinlich  in  der  ausspräche 
früher  eingetreten  als  in  der  schrift.  Denn  im  1 5.  jahrh.  wird  ganz  ge- 
wöhnlich so  gut  wie  frarve  auch  haws,  arvsz  u.  dergl.  geschrieben.  Spe- 
ciell  für  die  ausspräche  des  altn.  ist  von  bedeutung:  1.  dass  es  überall 
vor  dunkeln  vokalen  ausfällt;  2.  dass  es  im  anslaut  und  vor  dem  noml- 
natiys  r  nach  langem  6?  und  i  zum  vokal  wird,  sonst  aber  abfallt;  3.  dass 
Thorodd  in  seinem  traktat  über  die  isländischen  buchstaben  noch  gar 
keinen  consonanten  u  oder  v  kennt.  Das  u  ist  ihm  wie  das  i  nur  in 
soweit  consonant,  als  es  ihm  auch  sonst  ein  mit  einem  andern  zum  diph- 
thongen verbundener  vokal  ist. 


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160  PAUL 

Spirans  werden  wir  alsbald  weitere  belege  finden.  Es  ist  ja 
auch  nichts  anderes,  wenn  wir  im  nhd.  kein  besonderes  zeichen 
für  das  weiche  s  haben.  Für  tönende  ausspräche  des  dem  go- 
tischen b  entsprechenden  f  spricht  erstens,  dass  es  vokalisiert 
wird  in  fumkr,  Giukr^  femer  der  Wechsel  von  /und  w,  wobei 
bald  das  eine,  bald  das  andere  ursprünglich  ist.  Derselbe  ist 
gewöhnlich  vor  n,  kommt  aber  auch  in  einigen  andern  fällen 
vor  wie  in  hifinn^  helfingr  vgl.  Holtzm.  118.  Da  m  tönend  ist, 
muss  auch  der  mit  ihm  wechselnde  consonant  tönend  sein.  Ein 
beweis  für  tönende  ausspräche  des  f  ist  femer  das  eintreten 
desselben  für  v  besonders  nach  langem  vokale.  Darin  hat  man 
nicht  einen  vertust  des  stimmtons  zu  sehen,  wogegen  schon  die 
moderne  ausspräche  spricht,  sondern  die  ersten  spuren  der  Ver- 
wandlung des  halbvokals  in  einen  reinconsonantischen,  vielleicht 
labiodentalen  laut.  Weiter  flihrt  uns  die  betrachtung  der  neu- 
nordischen sprachen.  Im  isländischen  bleibt  in  der  schrift  über- 
all /,  wird  aber  im  in-  und  auslaut  ausser  vor  tonlosen  conso- 
nanten,  gleichviel  ob  es  gotischem  /oder  h  entspricht,  tönend 
wie  deutsches  rv  gesprochen,  nur  vor  /,  n,  &  wie  h.  Im  schwe- 
dischen tritt  inlautend  /r,  auslautend  f  ein,  im  dänischen  (auch 
im  faeroeischen)  in-  und  auslautend  v.  Die  ausspräche  ist  in 
beiden  in-  und  auslautend  =  deutschem  tv.  Diese  Überein- 
stimmung der  verschiedenen  zweige  des  nordischen  ist  ein  hin- 
länglicher grund  die  durchgängig  tönende  ausspräche  des  f  im 
in-  und  auslaute  für  alt  zuhalten,  wie  auch  Wimmer  tut  Dass 
die  abweichende  ausspräche  des  isländischen  vor  /,  n,  Ö  erst 
eine  jüngere  verändemng  ist,  beweist  schon  die  schrift  und 
anderseits  die  nichtübereinstimmung  des  schwedischen  und 
dänischen.  Ziemlich  alt  mag  sie  aber  doch  sein,  wie  die  von 
Holtzmann  auf  s.  117  angeführte  Schreibung  Fdbnir  beweist. 
Wir  haben  also  folgendes  resultat  gewonnen:  urgermanisches/* 
ist  im  nordischen  in-  und  auslautend  ausser  vor  tonlosen  con- 
sonanten  tönend  geworden  und  dadurch  mit  der  schon  früher 
bestehenden  tönenden  spirans  zusammengefallen.  Nun  erklärt 
sich  um  so.  mehr  die  an  Wendung  des  Zeichens  f  für  beide. 

Analog  ist  das  Verhältnis  im  angelsächsischen.  Hier 
vertritt  ebenso  /*got.  f  überall  und  got.  &  im  in-  und  auslaute, 
ausgenommen  nach  m  und  in  der  gemination,  wo  wie  im  an- 
laute h  steht    Auch  hier  kann  die  tönende  ausspräche  des  f 


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ZUR  LAUTVERSCHIEBUNG.  161 

flir  den  inlaut  nicht  zweifelhaft  sein.  Erstlich  wechselt  es  an 
dieser  stelle  mitunter  mitr,  welches  besonders  in  denNorthum- 
brischen  evangelien  häufig  ist;  v  bezeichnet  aber  im  ags.  und 
engl,  stets  den  weichen  laut  =  lat.  und  franz.  v.  Es  findet 
sich  femer  ein  paar  mal  b  (Holtzm. 217),  gewisein  zeugnisfür 
tönende  ausspräche.  Kaum  wahrscheinlich  aber  ist  es,  dass 
damit  ein  explosivlaut  hat  bezeichnet  werden  sollen;  jedenfalls 
würde  dieser  nicht  etwa  altertümlich  sein,  da  sich  auch  einmal 
ßrbu  statt  faretvu  findet  Weiter  ist  beweisend  der  tibergang 
von  f  vor  n  zu  m,  wie  im  altn.  Dass  auch  das  got  f  entspre- 
chende /*  tönend  war,  geht  daraus  hervor,  dass  es  bei  eintre- 
tender gemination  zu  lib  wird  in  hehhan  =  got  hafjan.  Das 
entscheidendste  aber  ist  wider  das  lautverhältnis  in  den  jtlngern 
Sprachperioden.  Im  neuangelsächsischen,  alt-  und  mittelengli- 
ßchen  wird  allmählich  das  f  im  inlaut  vom  v  gänzlich  ver- 
drängt, was  gewis  mit  der  massenhaften  einführung  romanischer 
Wörter  zusammenhängt,  wodurch  v  ein  geläufiger  buchstabe 
wurde;  im  neuengl.  steht  es  tiberall,  wo  ursptlnglich  /  inlautend 
war,  mit  dem  laute  der  labiodentalen  spirans.  Dagegen  wo  f 
im  ags.  auslautend  war,  da  steht  abweichend  vom  nordischen 
im  neuengl.  tonloses  f,  scheinbar  nun  auch  im  inlaut  in  Wörtern 
wie  Ufe,  rvife,  in  denen  aber  das  stumme  e  nur  angehängt  ist 
zum  zeichen,  dass  i  diphthongisch  zu  sprechen  ist  Diese  ab- 
weichung  wird,  da  nichts  dagegen  spricht,  ebenfalls  alt  sein. 
Für  das  angelsächsische  ist  daher  die  regel  so  zu  fassen;  ger- 
manisches f  wird  im  inlaut  erweicht  und  fällt  dadurch  mit  der 
tönenden  spirans  =  got  h  zusammen,  während  umgekehrt  im 
auslaut  letztere  den  stimmton  verliert  und  so  gleichfalls  mit  dem 
alten  f  zusammenfallt 

Im  altsächsischen  sind  gleichfalls  got  b  und  /*  in-  und 
auslautend  zusammengefallen.  Im  Heliand  steht;  im  auslaut  fftr 
beide  in  der  regel  f,  daneben  b  und  h,  inlautend  f  natürlich 
immer  vor  tonlosen  consonanten,  in  der  regel  auch  vor  n  und 
l,  sonst  aber  ist  das  eigentlich  regelmässige  b,  daneben  findet 
sich  h,  namentlich  im  Monacensis,  und  v  (u),  sehr  selten  /,  ver- 
einzelt uu  in  hiouuandl  =  ahd.  Mufanti  5516  Cott;  in  der  ge- 
mination  steht  ausnahmslos  hh,  welches  dann  im  auslaut  ver- 
einfacht wird.  Verschieden  entwickelt  sind  nur  gerade  wie  im 
ags.  die  gotischen  lautverbindungen  mh  und  mf.    Ersteres  ist 


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162  PAUL 

auch  im  alts.  consequent  mb,  in  letzterem  schwindet  der  nasal 
und  das  /  wird  dann  auch  im  inlaut  zu  ft.  In  den  übrigen  alt- 
sächsischen denkmälern  findet  sich  kein  b,  sondern  statt  dessen 
durchgängig  v,  ebenso  im  altfriesischen  und  im  altniederfrän- 
kischen,  auch  im  altmittelfränkischen,  welches  durch  das  Trierer 
capitulare  vertreten  wird,*)  während  die  ältesten  denkmäler 
des  stld-  und  ostfränkischen  wie  das  oberdeutsche  &  und /streng 
scheiden.  Es  ist  nicht  denkbar,  dass  die  verschiedenen  zeichen 
im  HeL  wirklich  verschiedene  laute  bedeuten;  denn  sie  wech- 
seln ganz  beliebig  mit  einander.  Wir  können  vielmehr  darin 
nur  verschiedene  versuche  zur  bezeichnung  desselben  lautes  se- 
hen und  müssen  für  den  inlaut  sowol  als  für  den  auslaut  je 
eine  gleichmässige  ausspräche  annehmen,  die  sich  auch  mit 
ziemlicher  Sicherheit  wird  feststellen  lassen.  Dass  f  und  v  nur 
eine  spirans  bezeichnen  können,  ist  klar,  und  zwar  wird  man 
von  letzterem,  solange  nichts  anderes  dagegen  spricht,  anneh- 
men, dass  die  tönende  damit  widergegeben  werden  soll,  wiewol 
es  allerdings  später  auch  für  die  tonlose  verwendet  wird.  An- 
derseits weisen  ebenso  sicher  b  und  b  auf  einen  tönenden  laut 
hin.  b  ist  jedenfalls  vollkommen  analog  dem  Ö  zu  beurteilen; 
die  bestimmung  des  lautwertes  des  einen  nrnss  massgebend  fftr 
den  des  andern  sein.  Die  spätere  betrachtung  des  Ö  wird  un- 
sere auffassung  des  b  als  tönende  spirans  nur  stützen.  Die 
erfindung  dieses  Zeichens  wurde  wol  dadurch  veranlasst,  dass 
V  im  lateinischen  labiodentale  spirans  ist  und  deshalb  das  zei- 
chen für  den  deutschen  ursprünglich  sicher  rein  labialen  laut 
nicht  genügend  erschien.  Wenn  dafür  auch  b  geschrieben  wird, 
so  könnte  man  darin  vielleicht  mit  Holtzmann  hochdeutschen 
einfluss  sehen,  wahrscheinlich  aber  ist  es  nur  nachlässige  Schrei- 
bung wie  d  für  b.  In  keinem  falle  aber  haben  wir  darin  einen 
älteren  lautstand  zu  erkennen;  denn  es  steht  ebenso  gut  für 
got.  /,  als  für  b.  Dass  im  auslaut  f  bei  weitem  überwiegt, 
zeigt  uns,  dass  hier  Verhärtung  der  weichen  spirans  eingetreten 
ist.    Wenn  daneben  b  und  b  sich  findet,  so  haben  wir  diess  wol 


*)  Auch  in  dem  in  das  nördliche  Thüringen  oder  Hessen  gehörigen 
gedichte  de  Heinrico  findet  sich  v  und  f  =  got.  b ;  für  die  entsprechung 
des  got.  /"findet  sich  kein  beispiel  ausser  ovar,  in  welchem  worte  auch 
ahd.  erweichung  eingetreten  ist. 


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ZUR  LAÜTVERSCfflEBÜNG.  163 

nicht  anders  aufzufassen,  als  wenn«  im  gotischen  b  und  d  im 
auslaat  bleibt.  Die  Verhärtung  verstand  sich  so  von  selbst, 
dass  sie  durch  die  schrift  nicht  angedeutet  zu  werden  brauchte, 
gerade  wie  sie  im  nhd.  niemals  bezeichnet  wird.  Demnach 
hätten  wir  im  altniederdeutschen  genau  dasselbe  Verhältnis  wie 
im  ags.        ^ 

Auch  in  der  folgenden  zeit  bleibt  diess  unverrtickt  dasselbe. 
Im  mittelniederdeutschen  und  niederländischen  wird  im  inlaut 
ausser  nach  m  und  in  der  gemination,  wo  ft,  und  vor  harten 
consonanten  wo  /  steht,  consequent  v,  im  auslaut  /  geschrieben 
sowol  für  got.  /  als  h,  und  beide  arten  von  /  und  v  reimen  un- 
bedenklich auf  einander.  In  der  heutigen  ausspräche  klingen 
sie  wie  neuhochdeutsches  w  und  /,  als  tönender  und  tonloser 
labiodentaler  reibelaut.  Wenigstens  ist  mir  nicht  bekannt,  dass 
labiolabialer  laut  irgendwo  vorkäme.  Mit  der  endsylbeew  ver- 
schmilzt dies  w  (ich  weiss  nicht,  ob  in  ganz  Niederdeutschland) 
zu  einem  sylbenbildenden  iw,  z.  b.  ge-m  für  gervm.  Da  dieses 
m  auch  von  den  hochdeutsch  redenden  niederdeutschen  gespro- 
chen wird  und  diese  sich  dessen  nicht  bewust  sind,  vielmehr 
nach  der  schrift  hm  zu  sprechen  glauben,  so  entsteht  der  irrtum, 
als  spräche  man  in  diesem  falle  auch  plattdeutsch  ein  h,  was 
man  sogar  in  mundartlichen  grammatiken  angegeben  findet^ 
z.b.  in  Nergers  grammatik  des  Meklenburger  dialekts  S  189. 
191.  Ueber  das  holländische  v  werden  die  allerverschiedensten 
angaben  gemacht,  vgl.  darüber  Rumpelt,  System  der  sprachlaute 
s.  60.  61  und  Scherer,  zeitschr.  f.  i  östr.  gymn.  XII,  635.  Es 
wird  doch  wol  zwischen  an-  und  inlautendem  zu  unterscheiden 
sein,  und  vielleicht  beruhen  die  Widersprüche  in  der  angäbe 
der  ausspräche  auf  der  ausserachtlassung  dieses  Unterschiedes. 
Das  mittelfränkische  schliesst  sich  in  diesem  punkte  ganz  dem 
niederdeutschen  an.  Aber  noch  viel  weiter  südlich  geht  sowol 
der  gebrauch  der  spirans  für  got.  by  als  die  erweichung  des 
got  f  im  inlaute.  Die  dinge  liegen  hier  nicht  so  einfach  wie 
im  niederdeutschen,  und  verschiedene  Schwierigkeiten  sind  in 
erwägung  zu  bringen.  Es  wird  sich  empfehlen  vom  lautstande 
der  heutigen  spräche  auszugehen,  wenn  man  zu  einem  urteil 
über  die  Verhältnisse  in  der  älteren  zeit  gelangen  will.  Leider 
fehlt  es  so  sehr  an  einer  zuverlässigen  beschreibung  der  laute  der 
einzelnen  mundarten,  dass  einstweilen  manches  unsicher  bleiben 


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164  PAUL 

miiss  und  ganz  sichere  grenzbestimmungen  sich  nicht  angeben 
lassen.  Soviel  ich  darüber  ermitteln  konnte,  wird  tönende  Spi- 
rans für  got.  b  im  inlaut  gesprochen  in  Sttdfranken,  Hessen, 
Thüringen,  Obersachsen,  auch  noch  weit  nach  Oberdeutschland 
hinein  im  Elsass  in  Schwaben  und  Baiern.  In  Schlesien  findet 
sich  nach  Weinhold  (laut-  und  Wortbildung  und  di^  formen  der 
schlesischen  mundart  p.  72.)  w  nur  in  der  gegend  von  Mittel- 
walde, anderswo  aber  tiberall  b.  Dagegen  behauptet  Eückert, 
(Entwurf  einer  darstellung  der  schlesischen  mundart  im  mittel- 
alter,  zeitschr.  des  Vereins  f.  gesch.  u.  altert  Schlesiens  IX.  p. 
36),  das's  allgemein  w  gesprochen  würde,  ein  recht  schlagender 
beweis  dafür,  wie  unzuverlässig  alle  angaben  über  ausspräche 
sind.  Nicht  so  weit  erstreckt  sich  die  erweichung  des  f.  Sie 
ist  durchgeführt  in  Südfranken,  Hessen,  Schlesien,  nicht  in  Ober- 
sachsen abgesehen  vom  nördlichen  teile,  ich  glaube  auch  nicht 
in  Thüringen,  so  dass  in  Südfranken  und  Hessen  und  in  Schle- 
sien ,  soweit  w  f\XY  b  gesprochen  wird,  got.  b  und  f  im  inlaut 
wie  im  niederdeutschen  in  einen  laut  zusammengefallen  sind. 
Es  handelt  sich  nun  darum,  wie  weit  dieser  lautstand  alt  ist. 
Ich  habe  schon  bemerkt,  dass  im  altsüdfränkischen  z.  b.  bei 
Otfrid  b  und  /  noch  scharf  geschieden  sind.  Die  erweichung 
des  letzteren  muss  hier  erst  später  eingetreten  sein,  ist  es  aber 
sicher  im  XII.  jahrh.  Noch  später  scheint  sie  in  Schlesien  er- 
folgt zu  sein.  Denn  in  den  dahin  gehörigen  denkmälern  wird 
das  ganze  mittelalter  hindurch  fast  consequent  im  inlaut  /  ge- 
schrieben (vgl.  Rückert  a.  a.  o.  34),  gerade  wie  in  den  ober- 
sächsischen. 

Was  das  rv  betrifft,  so  ist  an  und  für  sich  natürlich  überall 
die  möglichkeit,  dass  es  erst  aus  dem  verschlusslaut  entstanden 
ist.  Und  dafür  scheint  zu  sprechen,  dass  in  diesen  gegenden 
überwiegend  b,  seltener  v  geschrieben  wird,  und  dass  nament- 
lich Otfried  nur  b  kennt.  Anderseits  aber  steht  &  da,  wo  er- 
weichung des  /  eingetreten  ist,  ebenso  gut  auch  für  dieses, 
namentlich  in  den  südfränkischen  Urkunden,  aber  auch  in  hand- 
schriften  von  gedichten,  z.  b.  im  Alexander,  in  Hartmanns 
Credo,  bei  Herbort  von  Fritzlar,  in  der  Elisabeth  (vgl.  Reissen- 
berger  über  Hartmanns  rede  vom  glauben  29),  auch  bei  Nico- 
laus von  Jeroschin  (Pfeiflf.  LXIV.).  Beide  arten  von  b  reimen 
unbedenklich  auf  einander.     Man  würde  also  zu  der  unwahr- 


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ZUR  LAUTVERSCHIEBUNG.  165 

schemlichen  annähme  getrieben,  dass  die  aus  /erweichte  Spi- 
rans erst  zum  verschlusslaut  und  dann  wider  zur  spirans  ge- 
worden wäre.  Weiter  tritt  das  b  auch  für  w  ein  vgl.  Pfeiffer  zu 
Jeroschin  LXIV,  Rtickert  a.  a.  o.  31,  während  es  heute  we- 
nigstens nur  in  einzelnen  landschaften  gesprochen  wird.  Bei 
Jeroschin  und  in  Hartmanns  Credo  reimen  b  und  rv  auf  ein- 
ander. Da  nun  anderseits  auch  v  für  b  nicht  selten  ist  und 
auch  TV  daftlr  geschrieben  wird,  so  scheint  es  mir  das  wahr- 
scheinlichste, dass  inlautendes  b  im  mitteldeutschen  die  spirans 
bedeutet.  Diese  lautbezeichnung  begreift  sich,  wenn  man  be- 
denkt, dass  rein  labiale  spirans  gesprochen  wurde,  welche 
dem  verschlusslaut  b  eben  so  nahe  steht,  als  dem  labiodentalen 
lateinischen  v,  welches  noch  dazu,  wie  wir  später  sehen  wer- 
den, flir  die  tonlose  spirans  verwendet  zu  werden  anfing.  Und 
w  konnte  dafftr  erst  eintreten,  nachdem  es  sein  vokalisches 
element  verloren  hatte.  Noch  heute  wird  in  Mitteldeutschland, 
wenigstens  in  Obersachsen,  Thüringen,  Hessen,  Frankfurt  nur 
labiolabiales  rv  sowol  für  altes  rv,  als  für  got.  /*  und  b  ge- 
sprochen, im  anlaut  wol  meistens  mit  flüsterstimme.*)  In 
Süddeutschland  muss  das  rv  erst  vor  kurzem  labiodental  ge- 
worden sein,  da,  worauf  Scherer  aufmerksam  gemacht  hat, 
noch  im  ausgange  des  vorigen  Jahrhunderts  der  physiologe 
Kempelen  in  Wien  nur  labiolabiales  w  kennt.  Dagegen  geht 
in  Norddeutschland,  soviel  ich  weiss,  das  labiodentale  tv 
durch.  Ist  dieser  unterschied  alt,  so  liegt  es  nahe  zu 
vermuten,  dass  die  in  Mitteldeutschland  überwiegende.  Schrei- 
bung mit  b  gegenüber  dem  niederdeutschen  und  mittelfrän- 
kischen V  eben  darauf  beruht.  Allerdings  ist  ein  bedenken 
gegen  das  hinaufrückender  labiodentalen  ausspräche  in  ein  so 
hohes  alter,  nämlich  der  Übergang  a  on  ven  in  m,  welcher  doch 
fast  die  labiolabiale  ausspräche  des  v  vorauszusetzen  scheint. 
Wer  nun  diese  argumentation  nicht  flir  Überzeugend  hält  und 
meint,  das  b  überall,  wo  es  geschrieben  wird,  einen  verschluss- 
laut bezeichne,  der  muss  zugeben,  dass  b,  wo  es  got.  /  oder  v 

*)  Ich  behalte  diesen  ausdruck  bei,  weil  er  jetzt  ziemlich  eingeführt 
ißt,  wiewol  die  natur  dieser  laute  vielleicht  noch  anders  zu  bestimmen 
sein  wird.  Auch  in  Niederdeutschland  wird  das  w  zum  teil  mit  flüster- 
stimme gesprochen,  gleichviel  welchen  Ursprunges  es  sei,  wahrscheinlich 
in  denselben  gegenden,  in  denen  man  auch  geflüsterte  medien  spricht. 


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166  PAUL 

entspricht,  aus  einem  reibelaut  entstanden  sein  muss,  und  eö 
deshalb  auch  da,  wo  es  got.  b  entspricht,  sein  kann.  Wird 
in  Schlesien  wirklich  b  gesprochen,  so  wird  diess  eben  so  gut 
erst  aus  der  spiraüs  geworden  sein,  wie  es  sehr  häufig  aus 
altem  rv  entsteht,  z.  b.  in  ebich,  lobe  vgl.  Weinhold,  sohles. 
mundart  75.  Auch  andere  mitteldeutsche  dialekte  kennen  die 
Verwandlung  des  n;  in  b,  auch  im  anlaute.  Jedenfalls  beweist 
also  das  vorkommen  von  b  im  inlaut  =  got.  b  nichts  gegen 
die  ursprtlnglichkeit  des  reibelautes. 

Im  auslaut  wird  im  mitteldeutschen,  abgesehen  vom  mit^ 
telfränkischen,  wo  f  die  regel  ist,  entweder  b  =  got  b  beibe- 
halten oder  p  geschrieben.  Heutzutage  wird  p  gesprochen. 
Nur  in  Schlesien  wird,  wie  Weinhold  und  ßtickert  behaupten, 
nach  langem  vokal  die  media  (auch  d  und  g)  gesprochen. 
Nach  den  unbestimmten  angaben  von  ßückert,  a.  a.  o.  s.  334 
scheint  es  aber,  als  ob  das  vielmehr  die  unaspirierte  tenuis  ist 
Sicher  ist  also  von  alters  her  verschlusslaut  gesprochen  worden. 
Diess  scheint  in  Widerspruch  zu  stehen  mit  unserer  auffassung 
des  inlautenden  *,  da  wir  nach  dem  allgemeinen  gesetze  ent- 
sprechung  des  in-  und  auslautes  erwarten  mtisten.  Da  aber 
in  den  neuern  mundarten  keine  genaue  entsprechung  stattfin- 
det, so  haben  wir  ein  recht,  diess  auch  für  die  ältere  zeit  an- 
zunehmen. Und  dieses  misverhältnis  lässt  sich  sehr  wol  be- 
greifen. Der  labiolabialen  tönenden  spirans  im  inlaute  sollte 
die  labiolabiale  tonlose  im  auslaute  entsprechen.  Dieser  schwie- 
rige laut  ging  im  niederdeutschen  in  den  labiodentalen  laut 
über,  indem  vielleicht  der  inlaut  gleichzeitig  dieselbe  Wandlung 
durchmachte,  im  mitteldeutschen  in  den  ihm  eben  so  nahe 
stehenden  verschlusslaut  Diese  auffassung  wird  dadurch  be- 
stätigt, dass  auch  statt  des  got  /  in  Stidfranken  und  Hessen 
sehr  gewöhnlich  p  resp.  b  geschrieben  wird.  Es  reimen  in 
Hartmanns  Credo  brie/':  lieb  1980,  bei  Herbort  vrloub:  hob  2375, 
hob:  lob  3033  u.a.,  während  anderseits  auch  brief:  lie/l  so  dass 
man  wol  annehmen  muss,  dass  er  noch  spirans  sprach.  Noch 
heute  wird  in  Hessen  briep,  hop  gesprochen.  Das  berechtigt 
uns  das  p  auch  da,  wo  es  got  auslautendem  f  flir  inlautendes 
b  entspricht,  als  aus  der  spirans  entstanden  anzunehmen. 

In  Oberdeutschland  und  einem  teile  von  Mitteldeutschland 
tritt  also,  wie  schon  bemerkt,  die  er  weichung  des  /  im  allge- 


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ZUR  LAUTVERSCHIEBUNG.  167 

meinen  nicht  ein,  aber  doch  in  einer  beßtimmten  anzahl  von 
Wörtern.  Diese  haben  in  den  ältesten  ahd.  denkmälern  v,  und 
zwar  auch  schon  in  solchen,  welche  im  anlaut  und  auch  in- 
lautend in  anderen  Wörtern  niemals  v  haben,  so  dass  hier  /J 
V,  b  deutlich  geschieden  sind.  Dieses  v  geht  dann  allmählich 
in  b  und  sogar  im  strengalthochdeutschen  in  p  über.  Solche 
Wörter  sind  z.  b.  avar  avur,  später  al?ur,  heven  —  heben,  inse- 
ven  —  eniseben,  hrverfan  —  werben,  eiver  (amarus)  N.  —  eibar 
eipar,  diuva  (furtum)  —  diuba,  zouver  —  zouber.  Hie  und  da 
findet  sich  in  ältester  zeit  auch  in  diesen  Wörtern  noch  /,  so- 
gar geminiert  in  heff'an  K.  0.  Der  Übergang  in  p  oder  b  ist 
bereits  vollzogen,  als  unsere  Überlieferung  beginnt,  in  ubar  = 
got.  u/ar,  wahrscheinlich  weil  in  diesem  die  Ciweichung  früher 
eingetreten  war,  in  den  übrigen  Wörtern  beginnt  er  auch  schon 
wenigstens  in  der  mitte  des  neunten  Jahrhunderts,  tritt  aber 
nicht  überall  gleichmässig  ein,  sondern  v  erhält  sich  daneben 
auch  im  mhd.  Auch  scheinen  dialektische  abweichungen  vor- 
zukommen in  bezug  auf  die  Wörter,  in  denen  die  erweichung 
eintritt. 

Eine  grosse  Verwirrung  entsteht  nun  dadurch,  dass  bereits 
im  neunten  jahrh.  auch  in  allen  übrigen  Wörtern  v  für  got.  f 
im  inlaut  sich  einzudrängen  beginnt,  und  sich  allmählich 
ausser  vor  t  und  ^  so  festsetzt,  dass  daneben /nur  noch  selten 
erscheint.*)  Es  ist  eine  ziemlich  allgemeine  annähme,  die 
auch  Scherer  teilt,  dass  auch  dieses  v  überall  die  tönende  Spi- 
rans bezeichnen  solle.  Indessen  wie  erklärt  man  sich  dann 
das  nhd.  f?  Ist  es  denkbar,  wenn  im  mhd.  das  v  in  hove, 
brieve,  iavel  etc.  allgemein  tönend  gesprochen  wäre,  dass  dann 
im  nhd.  die  ursprüngliche  tonlosigkeit  wider"  hergestellt  wäre?**) 
Und  was  für  einen  zwingenden  grund  hat  man  dem  v  hier  den 
stimmton  zuzuschreiben?     Es  tritt  ja  von  derselben  zeit  an 


*)  Doch  in  handschriften  bedeutend  häufiger  als  in  nnsern  kritischen 
ausgaben  mittelhochdeutscher  texte. 

**)  Das  nhd.  f  in  diesen  Wörtern  ist  keineswegs  bloss  graphisch  zur 
herstellung  der  Übereinstimmung  mit  dem  auslaut  eingetreten,  wie  Rumpelt 
(Das  natürliche  System  der  sprachlaute  59)  durch  seinen  schlesischen 
dialekt  verführt  meint,  und  die  tonlose  ausspräche  ist  nicht  bloss  dialek- 
tisch und  individuell,  sondern  allgemein  als  mustergültig  angenommen« 


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1 


168  PAüL 

auch  im  anlaut  für  f  ein  und  wird  bis  auf  den  heutigen  tag 
geschrieben.  Der  unterschied  ist  nur,  dass  es  im  inlaut  noch 
etwas  mehr  als  im  anlaut  vor  dem  f  tiberwiegt.  Man  müste 
also  behaupten,  dass  auch  im  anlaut  das  f  erst  erweicht  und 
dann  wider  verhärtet  wäre.  Gibt  man  die  tonlose  ausspräche 
des  V  aber  für  den  anlaut  zu,  so  kann  man  es  auch  flir  den 
inlaut.  Die  Mher  angeführten  Wörter  sondern  sich  eben  da- 
durch von  den  tlbrigen  ab,  dass  in  ihnen  v  schon  in  denkmä- 
lem  erscheint,  die  niemals  t;  für  /*  im  anlaute  haben,  und  dass 
es  mit  h  und  y  wechselt  und  dass  das  erstere  in  der  neuhoch- 
deutschen Schriftsprache  zur  herschaft  gelangt  ist.  Vereinzelt 
mag  die  erweichung  weiter  gegangen  sein  und  ist  es  in  neuern 
oberdeutschen  mundarten  entscliieden.  Aber  allgemein  ist  sie 
niemals  geworden.  Man  darf  sich  nicht  darauf  berufen,  dass 
die  Unterscheidung  zwischen  altem  /  und  dem  erst  durch  die 
hochdeutsche  lautverschiebung  entstandenen  darauf  beruhen 
müsse,  dass  ersteres  tönend  geworden,  letzteres  tonlos  geblieben 
sei.  Es  sind  vielmehr  andere  unterschiede  vorhanden.  Das 
neue  /  ist  geminiert,  da  es  durch  assimilation  aus  pf  entstanden 
ist,  ursprünglich  auch  nach  langen  vokalen,  nach  welchen  sich 
die  gemination  nur  nach  einem  allgemeinen  gesetze  allmählich 
vereinfachte.*)  Wahrscheinlich  aber  bestand  noch  eine  andere 
Verschiedenheit,  die  auch  zur  Unterscheidung  der  einfachen  laute 
genügte.  Das  alte  /  wurde  wol  früher  labiodental  als  das  neue 
eben  aus  pf  entstandene  und  zum  teil  wie  m scharf,  ^^// u.a.m. 
noch  vor  unsem  äugen  entstehende.  Uebrigens  findet  keines- 
wegs eine  ganz  reinliche  sonderung  statt.  Es  findet  sich  rfür 
neues  f  (Weinh.  bair.  gr.  132.)  und  ph  fttr  altes  (ib.  129).  In 
dürfen  wird,  so  viel  ich  weiss  niemals  v  geschrieben  und  es 
reimt  durfm:  würfen  Martina  144,  79.  Es  scheint  also  das 
alte  /  in  diesem  werte  mit  dem  neuen  zusammengefallen  zu 
sein.**)    Die  anwendung  des  v  für  den  tonlosen  Spiranten  er- 

*)  Vgl.  d.  beitr.  p.  48  ff. 

**)  Ganz  analog  ist  das  Verhältnis  zwischen  s  und  z,  soweit  das 
letztere  einen  einfachen  Spiranten,  nicht  t  -{-  s  bezeichnet.  Scherer  (zur 
geschichte  101  ff.,  zeitschr.  f.  d.  östr.  gymn.  1870.  756.  f.)  hat  behauptet, 
dass  s  im  ahd.  und  älteren  mhd.  tönend  sei  und  dass  es  sich  dadurch  yon 
dem  z  unterscheide,  welches  die  entsprechende  tonlose  spirans  bedeute. 
Piese  annähme  steht  im  entschiedensten  Widerspruch  mit  der  heutigen 


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ZUR  LAUTVERSCHIEBUNG.  169 

klärt  sieh  daraus,  dass  es  in  Deutschland  üblich  war  dasselbe 
auch  im  lateinischen  so  zu  sprechen,  eine  gewohnheit,  die  zum 
teil  bis  auf  den  heutigen  tag  fortdauert  Nur  aus  dieser  aus- 
spräche begreift  es  sich,  dass  in  den  aus  dem  lateinischen 
(später  auch  in  den  aus  dem  französischen)  entlehnten  Wörtern 
mit  V  oder  nach  romanischer  weise  spirantisch  ausgesprochenem 
b  (z.  b.  tmfal,  evangelio)  die  tonlose  spirans  eintritt,  /  oder  v  ge- 
schrieben, während  das  deutsche  doch  gar  keine  neigung 
zur  Verhärtung  der  inlautenden  Spiranten,  sondern  im  gegenteü 


ausspräche.  In  Oberdentschland  (ich  weiss  nicht  ob  allgemein)  wird  noch 
heute  an  jeder  stelle  des  wertes  scharfes  s  gesprochen  wie  sicher  im 
indogermanischen.  In  der  gemination  ist,  so  viel  ich  weiss,  in  keiner 
germanischen  mundart  erweichnng  eingetreten.  Ist  man  hier  wunderbarer 
weise  wider  zur  ursprünglichen  härte  zurückgekehrt?  Dasselbe  müste 
auch  im  auslaut  geschehen  sein,  wo  ja  auch  s  und  z  in  älterer  zeit  streng 
geschieden  werden.  Hier  ist  überhaupt  die  erweichung  vollends  undenk- 
bar. Nirgends  in  Deutschland  werden,  glaube  ich,  und  wurden  schon 
von  alter  zeit  her  tönende  verschluss  -  oder  reibelaute  im  auslaut  gespro- 
chen. Vielmehr  geht  an  dieser  stelle  immer  der  stimmton,  auch  wenn  er 
ursprünglich  vorhanden  war,  verloren.  Ein  sonstiger  grund  für  die  an- 
nähme von  tönendem  s  liegt  nicht  vor.  Wir  müssen  nach  einem  andern 
unterschiede  von  s  und  z  suchen.  Gegen  Bumpelts  annähme,  dass  die 
ausspräche  von  z  =»  nhd.  sz  nicht  viel  verschieden  von  ts  gewesen  sei, 
spricht  die  analogie  von  f  und  ch  (hh),  wonach  wir  auch  in  der  dental- 
reihe hinter  vokalen  reine  spirans  erwarten  müssen.  Der  unterschied 
von  s  und  z  kann  daher  nur  auf  der  Verschiedenheit  der  artikulations- 
Btelle  beruhen,  und  darüber  lässt  sich,  glaube  ich,  eine  ziemlich  wahr- 
scheinliche Vermutung  aufstellen.  Es  ist  bekannt,  dass  im  judendeutsch 
auch  sonst  in  manchen  mundarten  und  vielfach  in  individueller  ausspräche 
der  doppellaut  z  zu  einem  gelispelten  s  wird.  Dasselbe  ist  nach  Brückes 
System  als  dentales  s  zu  bezeichnen;  doch  wird  bei  bildung  desselben 
die  Zungenspitze  nicht  so  weit  vorgeschoben,  als  bei  der  des  englischen 
thy  sondern  kommt  höchstens  bis  an  den  rand  der  obem  zahnreihe.  Die- 
ser laut,  welcher  physiologisch  dem  ts  zunächst  liegt,  und  den  wir  noch 
heute  daraus  entstehen  sehen,  muste  fast  notwendig  die  Übergangsstufe 
zu  dem  heute  gesprochenen  alveolaren  oder  dorsalen  s  sein.  Mit  dem  ik 
des  ältesten  ahd.  brauchte  derselbe  nicht  zusammenzufallen.  Denn  erst- 
lich konnte  die  artikulationssteile  noch  etwas  verschieden  sein,  ferner 
war  z  stets,  th  nie  geminiert,  endlich  ist  th  schon  in  den  ältesten  quellen 
als  tönender  laut  zu  fassen  und  im  Übergang  zum  verschlusslaut  begrif- 
fen. Das  zusammenfallen  des  s  und  z  tritt  dann  um  die  mitte  des  drei- 
zehnten Jahrhunderts  ein ,  indem  letzteres  in  die  artikulationsstelle  dea 
ersteren  übertritt 

Beitritte  snr  getchicbte  der  deutschen  spräche.    I.  12 


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170  I>AüL 

ÄUt  erweiohung  hatte.  Die  veranlassung  zu  dieser  ausspräche 
war  wol,  das»  die  deutschen  ohren  und  zungen  an  tönende  la- 
biodentale »piran«  nicht  gewöhnt  waren.  Denn  rv  war  rein 
labial  und  halbvokalisch  und  unterschied  sich  ganz  scharf  von 
lateinischem  v.  Das  aus  f  erweichte  v  war  zwar  rein  conso- 
nantisch,  aber  gewis  labiolabial^  da  es  bald  in  h  überging. 
Dagegen  war  f  wöl  schon,  wie  frtther  erwähnt,  labiodental  und 
konnte  als  der  dem  lateinischen  v  zunächstliegende  laut  ange- 
Mhen  werden  und  für  dasselbe  eintreten.  Möglicherweise  ist 
auch  die  tradition  der  irischen  mönche,  welche  ihrer  mutter- 
sprache  gemäss  das  lateinische  t;^  verhärteten,  von  einfluss  ge- 
wesen. Wir  werden  also  daran  festhalten,  dass  die  erweichung 
des  /  im  inlaute,  welche  im  altnordischen,  angelsächsischen,  nie- 
derdeutschen und  einem  teile  des  mitteldeutschen  durchgedrun- 
gen ist,  in  Oberdeutschland  und  einem  teile  von  Mitteldeutsch- 
land nur  einzelne  Wörter  ergriffen  hat,  während  die  anderen 
davon  verschont  geblieben  sind. 

Wir  kommen  jetat  zu  der  wichtigen  frage:  kann  der  hoch- 
deutsche versohlusslaut  im  inlaut  ft,  wie  die  herschende  ansieht 
darüber  ist,  im  vergleich  zu  der  von  uns  in  den  übrigen  dia- 
lekten  nachgewiesenen  spirans  als  altertümlich  betrachtet  werden, 
oder  ist  er  aus  dieser  hervorgegangen?  Die  Übereinstimmung 
«ämmtlioher  übrigen  mundarten,  von  denen  noch  dazu  allgemein 
anerkannt  ist,  dass  sie  sonst  in  bezug  auf  die  consonanten  einen 
älteren  lautstand  repräsentieren,  spricht  auf  das  stärkste  für 
die  letztere  annähme.  Sie  würde  ein  unumstösslicher  beweis 
sein,  wenn  man  an  der  theorie  vom  Stammbaume  festhält,  also 
anlximmt,  dass  n^h  der  trennung  des  nord-  und  südgermaniBchen 
i^eide,  «ich  selbständig  entwickelt  hätten  und  nicht  teile  des 
einen  in  gemelnschaft  mit  dem  andern  lautveränderungen  hätten 
durchmachen  können.  Ich  bin  von  der  unhaltbarkeit  dieser 
äidorie  überzeugt  und  halte  es  an  und  fUr  sich  wol  für  mjög* 
lioh,  dasfieiae  zusammenhängende  lautbewegung  &  in  den  übri- 
gen dialekten  wir  Spirans  wandehi  konnte  ohne  das  hochdeut- 
sche zu  berühren.  Aber  die  grössere  Wahrscheinlichkeit  ist 
natüriich  für  die  entgegengesetzte  ansieht,  so  lange  nichts  an- 
deres dagegen  spricht  Entscheidender  ist  folgendes.  Wir  haben 
gKds^en,  dass  im  gol  ein  teil  der  inlautenden  h  durch  erwei- 
chung aus  f  entstanden  ist.    Dieselben  Wörter  zeigen  nun  auch 


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ZUR  LAüTVERSCHIEBUNa.  171 

im  ahd.  von  anfang  an  b  oder/?,  woraus  hervorgeht,  dasß 
diese  erweichung  nicht  bloss  gotisch,  sondern  überhaupt  germa- 
nisch war.  Abweichend  vom  ahd.  sind  im  got.  erweicht  nur 
paurban,  amlibim,  ivalib,  hoairban  (in  letzterem  ist  im  ahd.  die 
erweichung  später  eingetreten),  abweichend  vom  got.  im  ahd. 
vbar;  ebar  xmAiniswebm  (sopire)  fehlen  im  got.  Diese  erweich- 
ten  laute  waren  also  im  ahd.  wie  im  gotischen  sicher  einmal 
Spiranten.  Wir  müssen  also  dieser  wegen  annehmen,  dassvor 
der  zeit,  aus  der  uns  die  ältesten  denkmäler  erhalten  sind, 
eine  allgemeine  Verschiebung  von  tönender  labialer  spirans  in 
tönenden  verschlusslaut,  der  dann  zum  teil  weiter  zu  tonlosen 
verschoben  ist,  stattgefunden  hat.  Wir  können  diese  Verschie- 
bung wenigstens  an  einem  werte  aus  dem  hochdeutschen  selbst 
erweisen,  nämlich  in  dem  volksnamen  Stievi,  Swäöe,  Swäpe, 
Leider  ist  die  etymologie  des  wertes  dunkel,  so  dass  wir  nicht 
wissen  können,  ob  das  v  indogermanischem  bh  oder  p  entspricht 
Es  scheint  aber  fast  bedenklich  die  erweichung  des  f  in  eine 
so  frühe  zeit  hinaufzurücken.  Jedenfalls  so  viel  ist  klar;  der* 
selbe  akt,  welcher  die  aus  /  erweichte  spirans  verschob,  konnte 
auch  den  indogermanischem  bh  entsprechenden  laut  verschieben, 
wenn  derselbe  wie  in  den  übrigen  dialekten  tönende  spirans 
war.  Diese  lautbeweguug  dauert  nun  noch  fort  in  der  periode, 
deren  geschieht©  wir  beobachten  können.  Nachdem  von  neuem 
eine  anzahl  f  erweicht  waren,  machten  auch  sie,  wie  wir  sahen, 
die  entwickelung  zu  tönendem  und  tonlosem  verschlusslaut 
iurch.  Endlich  nachdem  das  w  seine  vokalische  natur  verloren 
hatte,  ward  auch  diess  zum  teil  zu  b.  In  bairischen  hand- 
sehriften  wird  im  14.  und  15.  Jahrhundert  unendlich  häufig  b 
fftr  rv  geschrieben,  viel  seltener  im  alemanischen.  Ich  kann 
mich  aber  nicht  entschliessen  zu  glauben,  dass  damit  wirklich 
der  Übergang  in  den  explosivlaut  bezeichnet  werden  soll,  da 
sich  in  der  heutigen  mundart  nur  wenige  spuren  davon  finden. 
Wahrscheinlicher  scheint  es  mir,  dass  diese  Schreibung  nur  den 
Verlust  des  vokalischen  dementes  andeutet,  und  dass  b  als  rein 
labiale  spirans  zu  fassen  ist  wie  im  mitteldeutschen.  Lautlich 
mit  b  zuisammengefallen  muss  allerdings  diess  rv  im  inlaute  sein; 
dass  beweisen  die  von  Weinhold  bair.  gr.  125  angeführten 
reime.  Aber  ich  möchte  eher  glauben,  dass  b  im  inlaut  zur 
spirans  geworden  war,  wie  es  in  den  neuem  bairischen  mund- 

12* 


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arten  vielfach  der  fall  ist^  oder  vielleicht,  dass  auch  hier  die 
Spirans  von  alters  her  bewahrt  ist,  worüber  ich  noch  keine  ent- 
schiedene meinung  zu  äussern  wage.  Diese  erscheinung  möchte 
ich  also  nicht  zur  stütze  meiner  ansieht  gebrauchen.  Sicher 
aber  wird  tv  nach  r  und  /,  nach  denen  es  ebenso  wie  j  schon 
früh  seine  vokalische  natur  verloren  zu  haben  scheint,  zu  b, 
und  diess  hat  sich  auch  in  der  nhd.  Schriftsprache  festgesetzt. 
Vereinzelt  kommt  b  ßlv  w  auch  sonst  in  neuem  mundarten  vor 
(vgl  alem.  gr.  155.  bair.  gr.  124.  125),  allgemein  auch  im 
anlaute  ist  es  bei  den  Vicentiner  und  Veroneser  Deutschen.  Ich 
denke,  das  wird  genügen,  um  jedes  bedenken,  das  etwa  jemand 
wegen  des  Übergangs  der  spirans  in  den  verschlusslaut  haben 
könnte,  zu  beseitigen.  Vielleicht  lässt  sich  auch  die  in  den 
übrigen  dialekten  bestehende  Verschiedenheit  zwischen  an-  und 
inlaut  noch  im  hochdeutschen  nachweisen.  Im  ahd.  wird  im 
inlaut  viel  seltener  p  geschrieben  als  im  anlaut.  Es  gibt  quellen, 
die  es  im  anlaut  häufig  und  im  inlaut  gar  nicht  haben.  Im 
mhd.  wird  es  ausser  vor  s  und  t  im  inlaut  fast  gar  nicht  mehr 
geschrieben.  Es  ist  indessen  schwierig  daraus  einen  ganz  be- 
stimmten schluss  zu  ziehen,  da  im  allgemeinen  zwischen  an- 
und  inlaut  in  ältester  zeit  nur  ein  gradueller  unterschied  be- 
steht, und  da  das  schwanken  der  Schreibung  verschiedener  deu- 
tung  unterliegt  Scherer  glaubt,  dass  dadurch  die  geflüsterte 
media  angedeutet  würde.  Ich  habe  (Gab  es  eine  mhd.  Schrift- 
sprache 24  ff.)  auszuftlhren  versucht,  dass  auch  b  im  anlaut 
cÜe  bedeutung  einer  tenuis  hat  Ihr  dieselbe  danach  auch  durch- 
weg ftir  den  inlaut  zuzuweisen  würde  an  und  ftlr  sich  nicht 
vollkommen  ungerechtfertigt  erscheinen.  Doch  scheinen  die 
neuem  mundarten  dagegen  zu  sprechen,  deren  laute  wir  frei- 
lich noch  viel  zu  ungenügend  kennen.  Erst  eine  genaue  pho- 
netische beschreibung  der  oberdeutschen  mundarten  mit  sorg- 
fältiger grenzbestimmung  wird  es  uns  vielleicht  möglich  machen 
den  Wirrwarr  der  alt-  und  mittelhochdeutschen  Schreibung  auf- 
zulösen und  auch  über  diesen  punkt  sicherer  zu  urteilen.  Nach 
Weinhold  steht  p  in  den  heutigen  mundarten  nur  in  einigen 
Wörtern,  im  bairischen,  was  sehr  zu  beachten  ist,  namentlich 
auch  nach  »i,  wo  es  auch  mhd.  geschrieben  wird,  während  sonst 
im  bairischen  und  elsässischen  sogar  spirans  gesprochen  wird. 
Daraus  wird  es  doch  sehr  wahrscheinlich,  dass  wirklich  ein 


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ZUR  LAüTVEESCHIEBÜNG.  173 

phonetischer  unterschied  zwischen  an-  und  inlaut  im  ahd.  be- 
stand, welcher  auf  dem  schon  vor  der  Verschiebung  vorhandenen 
beruhte.  Die  media  wurde  zur  tenuis,  die  spirans  zur  media 
verschoben.  Wenn  auch  in  den  inlaut  p  eindrang,  so  wider- 
spricht das,  wie  man  auch  darüber  urteilen  mag,  unserer  auf- 
fassung  nicht;  denn  auch  fllr  das  aus  f  erweichte  v  tritt  p  ein. 

In  der  gutturalen  reihe,  zu  der  wir  uns  nunmehr  wen- 
den, sind  die  gotischem  g  entsprechenden  laute  mit  wenigen 
ausnahmen  nicht  im  an-  und  inlaut  durch  die  schrift  unter- 
schieden,.  wie  diess  bei  den  labialen  im  nordischen,  angelsäch- 
sischen und  niederdeutschen  der  fall  war,  vielmehr  ist  fast  überall 
ein  und  dasselbe  zeichen  g  in  gebrauch.  Aber  schon  die  ana- 
logie  macht  es  wahrscheinlich,  dass  auch  hier  unterschiede  in 
der  ausspräche  bestanden  haben  werden,  welche  so  weit  als 
möglich  festzustellen  unsere  aufgäbe  ist  Wir  werden,  wenn 
wir  im  ausgedehnten  masse  die  spirantische  ausspräche  im 
inlaut  vertreten  finden,  ein  recht  haben,  diese  unmittelbar  an 
die  von  uns  als  wahrscheinlich  ermittelte  ausspräche  des  goti- 
schen anzuknüpfen.  Finden  wir  daneben  den  verschlusslaut, 
so  lässt  sich  zum  mindesten  die  möglichkeit,  ja  sogar  die  Wahr- 
scheinlichkeit, dass  derselbe  erst  aus  dem  reibelaut  entwickelt 
ist,  in  derselben  weise  dartun  wie  beim  h.  Unser  hauptargu- 
ment  fftr  das  gotische  war,  dass  g  vielfach  erst  aus  h  erweicht 
ist.  Diese  erweichung  hat  aber  im  allgemeinen  gleichmässig 
auch  in  den  übrigen  dialekten  stattgefunden.  Allein  im  got 
ist  das  h  erweicht  nur  in  tagr.  Dagegen  ist  sonst  in  den  übri- 
gen dialekten  die  erweichung  weiter  gegangen,  z.  b.  in  hahan 
prähan,  fahan,  juhiza,  ahana,  /raihnan,  ganohs,  pahan,  vrohs,  die 
überall  ausser  im  got.  g  zeigen.  Bei  andern  erweichungen  finden 
sich  dialektische  abweichungen.  Im  allgemeinen  übereinstim- 
mend ist  noch  der  sogenannte  grammatische  Wechsel,  der  bei 
den  verben  der  VIL,  VIII.  und  IX.  classe  stattfindet  (z.  b.  ahd. 
zmhu,  zugumes)  und  den  ableitungen  aus  denselben.  Nur  geht 
darin  das  nordische  manchmal  weiter  z.b.  in  fleygfa  ==  mhd. 
vloeherij  ebenso  teygja,  tiugari,  leiga^  Idgja.  Nur  im  nordischen 
erweicht  ist  elgr.  ==  ahd.  elaho,  ags.  eich.  Speciell  faeröisch 
sind  faß  (capio),  ivafi  (lavo).  Nebeneinander  stehen  ags.  alt- 
niederd.  (psalmen)  alth.  svelgan  nhA  schwelgen,  und  ahd.  swelhan, 


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174  PAUL 

Bihd.  swelhen.  Manche  erweichungan  finden  sieh  nur  im  agB. 
nd.  und  zum  teil  im  md.;  eo  ags.  heagan  aoc.  von  heah,  mnd.  und 
md.  hoffen,  mnl.  hoghen;  ags.  hegan  (exaltare),  mnd.  und  md. 
irhogen;  ags.  scegon  (viderunt),  and.  (psalmen)  gesdgon,  mnd.  und 
md.  sägen,  mnl.  saghen,  mnd.  und  md.  geschägen]  alts.  nigen\ 
altß.  (Freckenh.)  tegotho  (decimus),  friee.  tegoiha,  ags.  preotegeoöa, 
seofonteogoba  (Benson),  noch  heute  nd.  tegede;  md.  negln,  genegin  = 
mhd.  nmhenen  vgl.  Rückert  a,  a.  o.  57,  noch  jetzt  im  nd.  noeger 
compar,  Speciell  ags.  sind/%an  (varium),  ßgian  (variare),  fulgon 
praet  von  felfian  (aber  auch  got.  fvlgins,  an.  fi(ügr\  sveger  (doch 
daneben  sveor  und  anderseits  in  den  dazu  gehörigen  Wörtern 
auch  im  hochdeutschen  g).  Dass  die  Verwandlung  des  ä  in  ^ 
nicht  noch  allgemeiner  wurde,  ebenso  wie  die  des  /  in  t;  oder 
T)y  lag  jedenfalls  daran,  dass  es  sich  zum  blossen  hauche  ver- 
flüchtigte, und  daher  nur  einfach  ausfallen  konnte.  Jedenfalls 
müssen  alle  so  entstandenen  g  einmal  reibelaute  gewesen  sein. 
Finden  wir  diese  zu  verschlusslauten  verschoben,  so  steht  nichts 
im  wege,  dase  durch  dieselbe  lautbewegung  auch  die  übrigen 
erst  aus  Spiranten  zu  verschlusslauten  geworden  sind. 

Es  wird  uns  nun,  denke  ich,  auch  gelingen  nachzuweisen 
dass  die  spirantische  ausspräche  des  g  im  inlaut  bei  den  ver- 
schiedenen germanischen  stammen  entschieden  überwiegt  und 
bis  in  die  älteste  zeit  zurückreicht.  Dass  der  buehstabe  g  zur 
bezeichnung  derselben  gebraucht  wurde,  darf  uns  deshalb  nicht 
wunder  nehmen,  weil  im  lateinischen  aiphabet  kein  anderes 
verwendbares  zeichen  vorhanden  war.  e  wurde  zur  bezeichnung 
des  vokales  und  der  halbvokalischen  palatalen  spirans  gebraucht 
welche  in  ältester  zeit  wol  viel  mehr  als  vokal  wie  als  con- 
sonant  empfunden  wurde  (vgl.  oben  s.  158  anm»)  Dem  gutturalen 
Spiranten  lag  denn  doch  wol  der  homorgane  verschlusslaut 
näher.  Auch  wurde  ja  das^  bereits  im  romanischen  vor  hellen 
vokalen  als  spirans  ausgesprochen.  Nichtsdestoweniger  wech- 
selt vielfach  g  mit/.  Seltener  ist  der  fall,  dassy  fftr  g  ge- 
braucht wird,  sehr  häufig  aber  im  hoch-  und  niederdeutschen 
und  im  ags.  das  umgekehrte,  so  dass  es  keines  beleges  bedarf 
was  vielleicht  als  ein  zeugnis  daflir  anzusehen  ist ,  dass  das  j 
sein  vokalisches  element  zu  verlieren  beginnt*)   Dieser  Wechsel 

*)  In  der  häufigen  Schreibung  ig  erscheinen  beide  demente  deutlich 
gesondert,  gerade  wie  in  der  Schreibung  uu,  üb.    Doch  wird  auch  in  der 


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ZUR  LAüTVBBSCHIEBUNG.  17B 

s^igt,  dass  da&  g  wenigstenf^  an  bestimmten  stellen  ^ne  dem 
j  nicht  zu  fern  liegende  außspraehe  gehabt  haben  musa. 

Aus  dem  altnordischen  laawn  sich  mehrere  momente 
anfahren y  die  dafür  sprechen,  dass  ^  im  in-  und  audant  wpi* 
rant  war.  Ueberall,  wo  es  ursprünglich  im  auslaute  stand,  ist 
es  geschwunden  mit  Verlängerung  des  voraufgehenden  vokai», 
wenn  er  kurz  war.  Es  ist  also  ganz  analog  behandelt  wie  *, 
wozu  ee  wahrscheinlich  vorher  nach  Verlust  de»  stimmtones  ge* 
worden  war.  Die  ausnahmen  von  dieser  regel  im  iaip.  und 
im  nom.  der  neutra  erklären  sich  vielleicht  daraus,  daes  dM 
vokalische  auslaul^esetz  hier  später  in  kraft  getreten  ist  ai« 
in  den  übrigen  germanischen  sprachen,  wofür  ja  anch  die  ält©'^ 
sten  runeninschriften  und  die  gestult  der  aus  dem  nordifohen 
entlehnten  Wörter  im  finnischen  sprechen.  In  der  Verbindung 
gj  nach  langem  vokal  fällt  g  öfter  aus  z.  b.  in  %?ö  ftir  t€ygja^ 
and  daher  wird  dann  umgekehrt  oft  gj  statt  des  richtigen  j 
geschrieben  vgl  Holtzm.  108.  Wir  haben  darin  offenbar  einen 
beweis  fftr  die  bereits  eingetretene  palataüsierung  zu  seh^jif 
Die  gutturale  spirans  ist  durch  das  folgende  j  in  die  palatale 
verwandelt  In  süa  und  dash  ist  das  g  zwischen  den  yokalen 
ausgeMlen  gerade  wie  sonst  h.  Zu  beachten  ist  aueh  die  in 
dem  Gutalagh  und  auch  sonst  vorkommende  Schreibung  gh. 
Die  ausspräche  des  neuisländischen  und  dänischen  spricht  über- 
einstimmend für  versohlusslaut  im  anlaut  und  reibelaut  im  in- 
und  auslaut.  Im  isländischen  wird  anlautend  vor  harten  voka- 
len g,  vor  weichen  0  gesprochen,  in-  und  auslautend  vQr  h9,rten 
gutturaler  reibelaut,  vor  weichen  p^lataler  '^  j\  Im  dänischen 
ist  g  im  anlaut  immer  verschlusslaut.  Im  in-  und  auslaut  ist 
es  entweder  gutturaler  oder  palataler  reibelaut,  oder  wird  zu 
i  vokalisiert,  oder  verklingt  ganz,  oder  endlich  wird  zu  v,  wel* 
ches  dann  wider  teilweise  zu  u  vokalisiert  wird.  Dem  lefert* 
genannten  übergange  werden  wir  auch  in  andern  dialekten, 
namentlich  im  englischen  begegnen,  eben  so  Yde  dem  umgiekehr^ 
ten  von  t;  in  g.  Wir  sind  gewis  überall  berechtigt  diesen 
Wechsel  als  ein  zeugnis  für  die  ausspräche  des  g  als  #piranf 


aussprach«  eine  solche  zerteilung  stattgefanden  haben,  gerade  wie  man 
in  heutigen  mundarten  deutlieh  nazijon  »  frz.  nation  <oder  spijon  »* 
Spion  h&rt. 


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176  PAUL 

anzusehen.  Er  vergleicht  sich  zunächst  mit  dem  Wechsel  von 
j  und  w.  Ueberhaupt  sind  die  Spiranten,  tönende  wie  tonlose, 
vielmehr  dem  Wechsel  unter  einander  ausgesetzt  als  die  ver- 
schlusslaute. Aus  der  dänischen  ausspräche  lässt  sich  aller- 
dings kein  sicherer  schluss  auf  die  älteste  zeit  machen,  da  auch 
das  aus  k  erweichte  g  zur  spirans  wird.  Wir  müssen  uns  also 
namentlich  auf  die  neuisländische  ausspräche  und  die  aus  dem 
an.  selbst  beigebrachten  anzeichen  stützen  und  können  nur  con- 
statieren,  dass  das  dänische  dazu  stimmt  Doch  lässt  sich  we- 
nigstens eine  spur  von  dem  übergange  des  ^  in  t;  schon  in 
alter  zeit  nachweisen  in  dem  von  Grimm  aus  Saxo  citier- 
ten  Svipdavtis*  In  bestimmten  fällen  steht  der  explosivlaut. 
Wenn  im  neuisländischen  g  vor  n,  l,  b,  g  mit  verschluss  gespro- 
chen wird,  so  ist  diess  vollkommen  analog  der  ausspräche 
des /vor  denselben  consonanten  als  &  und  erweist  sich  dadurch 
als  eine  jüngere  Veränderung.  Dazu  kommt,  dass  auch  hier^^ 
geschrieben  wird,  und  dass  in  der  skaldenpoesie  dieses  ^  auf  ^ 
zwischen  vokalen  reimt  (vgl  Gislason  oldnordisk  formlaBre§8i). 
Ebenso  ist  die  heutige  ausspräche  nach  consonanten  erst  jung. 
Auch  hier  wird  in  älterer  m\\,gh  geschrieben  (vgl.  ebendas.)  und 
im  dänischen  spirant  gesprochen,  wenn  das  g  nicht  ganz  ver- 
stummt Sicher  ist  g  schon  im  an.  wie  in  den  neuern  sprachen 
verschlusslaut  nach  n  und  in  der  gemination.  Für  den  ersten 
fall  folgt  diess  daraus,  dass  ng  im  auslaut  wie  nk  iü  kk  über- 
geht Für  geminiertes  g  findet  sich  kk  geschrieben  (HoltznL 
106).  Wenn  in  der  dänischen  ausspräche  g  vor  s  und  t  txl  k 
wird,  so  ist  anzunehmen,  dass  diess  aus  dem  zunächst  tonlos 
gewordenen  Spiranten  entstanden  ist,  da  auch  altes  h  vor  den 
selben  consonanten  zu  k  wird,  vor  i  nur  in  Wörtern  die  aus 
dem  deutschen  entlehnt  sind,  da  es  in  echt  altnordischen  ge- 
schwunden war,  z.  b.  mögt,  sprich  makt.  Spuren  dieses  Über- 
ganges finden  sich  schon  im  an.,  indem  zuweilen  ks  fftr  gs  ge- 
schrieben wird.  Das  neutrum  -likt  von  den  adjectiven  auf  ligr 
kommt  nicht  in  betracht,  da  bei  diesen  g  erst  aus  k  erweicht 
ist  Der  Übergang  von  h  vor  s\nk  ist  wol  überhaupt  in  sämmt- 
lichen  neuern  germanischen  dialekten  eingetreten.  Ihm  ver- 
gleicht sich  auch  das  im  an.  zuweilen  vorkommende  /?*  für  fs 
(Holtzm.  116).  Auch  fllr  den  von  ht  in  ki  werden  wir  in  deut- 
schen mundarten  analogien  finden.    Und  vielleicht  ist  auch  das 


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ZUR  LAUTVERSCHIEBUNG.  177 

an  pt  für  fl,  welches  auch  in  gotischen  eigennamen  und  in  den 
merseburger  sprächen  vorkommt  so  aufzufassen,  dass  wirklich 
p  erst  aus  f  entstanden  ist.  Ein  anderer  fall,  in  dem  ^  zu  i 
wird,  ist  hinter  t  und  s.  Zum  teil  ist  dabei  g  der  anlaut  des 
zweiten  teiles  eines  compositums;  aber  es  wird  auch  z.b.  ämatki 
aus  ämättigi.  Wir  werden  auch  hier  keinen  anstoss  daran  neh- 
men, dass  das  k  aus  einem  Spiranten  entstanden  ist.  Wir 
werden  demselben  übergange  bei  dem  p  wider  begegnen.  So 
entsteht  auch  hüspreufa  aus  Msfreyja,  Inlautender  verschluss- 
laut steht  im  altn.  auch  vory,  wo  gg  geschrieben  wird,  wel- 
ches aber  hier  wie  Holtzmann  108  ausgeführt  hat,  nicht  gemi- 
nation  bezeichnen  kann.  Dass  gg  zur  bezeichnung  des  ver- 
chlusslautes  angewendet  wird,  beweist  einerseits,  dass  derselbe 
in  der  gemination  gesprochen  wurde,  anderseits,  dass  diess 
sonst  nicht  der  fall  war  und  daher  zur  Unterscheidung  von  der 
gewöhnlichen  ausspräche  in  ermangelung  eines  besseren  die 
Verdoppelung  zu  hülfe  genommen  werden  muste.  Wenn  so 
das  nordische,  neuisländische  und  dänische  für  die  ursprüng- 
lichkeit der  Spirans  im  inlaut  spricht,  so  haben  wir  wol  ein 
recht  den  verschlusslaut  im  schwedischen  für  unursprünglich  zu 
halten,  welcher  hier  nach  den  angaben  der  grammatiken  überall 
steht  ausser  noch  r  und  /,  wo  j  gesprochen  wird. 

Für  das  ags.  lässt  sich  die  spirantische  natur  des  inlau- 
tenden g  noch  mit  grösserer  Sicherheit  dartun.  Schon  dass 
hier  die  Verwendung  des  g  fftr  /  besonders  häufig  ist,  weist  da- 
rauf hin,  dass  es  wenigstens  zum  teil  nicht  bedeutend  verschie- 
den davon  geklungen  haben  kann.  Im  neuags.  und  altengl. 
wird  es  im  inlaut  ganz  verdrängt  von  dem  neuerfundenen  zei- 
chen ^  (gh).  Da  dieses  sonst  auch  für  altes  j  und  für  h  im 
auslaut  und  vor  t  gebraucht  wird,  so  kann  man  daraus  den 
schluss  ziehen,  dass  es  eine  spirans,  und  zwar  gutturale'  wie 
palatale,  tönende  wie  tonlose  bezeichnet.  Ueberblicken  wir  nun 
die  Wandlungen  des  in-  und  auslautenden  g  im  ags.  und  engl. 
Im  auslaut  geht  g  im  ags.  und  auch  im  neuags.  nach  langem  vokal 
und  nach  consonanten  gewöhnlich,  seltener  nach  kurzem  vokal 
in  h  über  (Holtzm.  210.  Koch  §  177),  wofttr  vom  neuags.  an 
wie  sonst  für  auslautendes  h  auch  gh  eintritt.  Da  wir  darin 
jedenfalls  wider  den  bekannten  vertust  des  stimmtones  zu  se- 
hen haben,  so  muss  auch  im  inlaut  spirans  bestanden  haben. 


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178  PAUL 

Dieselbe  Verwandlung  tritt  ein  vor  s  und  Ö  bei  syncope  des 
vokals  z.  b.  byhst,  byht^  aus  bügan.  In  schwachen  verben  wird  g 
verwechselt  mit  dem  /  des  Suffixes.  Es  tritt  daher  einerseits  für 
dieses  ein  z.  b.  in  freogan  (amare  Holtzm.  212),  anderseits  geht, 
wenn  die  wur^el  ursprünglich  g  hat,  nicht  bloss  das  y,  sondern 
auch  das  damit  verschmolzene  g  verloren  z.  b.  eavan  yvan  aus 
augjan  (Holtzm.  210).  Häufig  ist  der  Wechsel  zwischen  ^  unde;, 
der  ebenso  zu  beurteilen  ist  wie  im  dänischen.  Auf  der  einen 
Seite  entsteht  im  ags.  häufig  g  aus  v  (Holtzm.  211)  z.  b.  grceg, 
engl,  gray.  Auf  der  anderen  geht  im  neuags.  nicht  selten  g  in 
w  über,  welches  dann  später  vokalisiert  wird  (Koch  §  178). 
Ganz  analog  tritt  im  auslaute  statt  des  gh  in  der  ausspräche 
ein  /"ein.  Die  gewöhnlichste  Verwandlung  des  g  ist,  dass  es 
zu  i  vokalisiert  wird.  Die  erste  stufe  dazu  findet  sich  wol  an- 
gedeutet in  der  in  den  northumbrischen  evangelien  vorkommen- 
den Schreibung  weig  für  weg  u.  a.  m.,  bei  La^amon  rveige,  fcei^er 
etc.  Das  vorgesetzte  i  bezeichent  wol  den  Übergang  in  die  pa- 
latale,  auch  wol  schon  halbvokalische  spirans,  gerade  wie  im 
altn.  die  Schreibung  seigja,  von  wo  aus  dann  der  Übergang  in 
den  blossen  vokal  leicht  ist.  Es  findet  sich  auch  in  den  evan- 
gelien und  ist  bei  La^amon  das  gewöhnliche,  bei  dem  man  statt 
altem  age  oder  ag  findet  ai,  m,  ei,  e.  Merkwürdiger  weise  findet 
sich  gerade  die  letzte  Schreibung,  nach  der  das  g  einfach  ver- 
loren zu  sein  scheint,  häufig  schon  im  altags.  (Holtzm.  209).  ig 
und  ig  werden  natürlich  zu  i  zusammengezogen  z.  b.  stiräpy 
älmihti.  Verschlusslaut  wurde  im  ags.  gesprochen  wie  im  altn. 
nach  71  und  in  der  gemination.  Niemals  geht  nach  dem  wdas 
g  auslautend  in  h  über.  Im  neuengl.  bleibt  der  verschlusslaut 
oder  es  tritt' in  der  ausspräche  dsch  ein,  welches  in  deutschen 
Worten  immer  aus  einem  verschlusslaute  hervorgeht.  Für  die 
gemination  ist  schon  die  Schreibung  cg  beweisend,  welche  zu^ 
gleich  ein  zeugnis  für  das  bedürfnis  nach  Scheidung  von  dem 
gewöhnlichen  g  ist.  Im  neuengl.  bleibt  wider  entweder  g  oder 
wird  dg  (dsch).  Nur  in  den  verben  Ucgan,  lecgan,  secgan,  bycgan 
tritt  vokalisation  ein,  aber  später  als  bei  dem  einfachen  ^;noch 
im  mittelengl.  ist  sie  nicht  allgemein  durchgedrungen.  Daher 
ist  sie  auch  nicht  mit  der  des  einfachen  lautes  auf  eine  stufe  zu 
stellen.  Bei  den  drei  ersten  verben  kann  übrigens  die  analogie 
des  praeteritums  mitgewirkt  haben.    Der   ursprüngliche  unter- 


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ZUR  LAUTVERSCHIEBUNG.  179 

Bcbied  der  auÄsprache  des  einfachen  und  des  verdoppelten  g 
igt  also  klar.  Ebenso  wird  auch  in  den  romanischen  Wörtern 
das  g  nicht  vokalisiert  oder  ausgestossen,  sondern  es  bleibt  vor 
consonanten  und  harten  vokalen  als  g  z.  b.  legal,  tigre,  vor  wei- 
chen vokalen  als  dsch,  wie  es  schon  im  franz.  gesprochen  wurde. 
Wenn  Koch  §  179  ausfall  des  romanischen  g  im  engl,  behauptet 
so  verlegt  er  lanttibergänge  in  diese  spräche,  welche  die  ange- 
fiilirten  Wörter  schon  vor  ihrer  aufnähme  in  dieselbe  durchge- 
macht haben.  Wir  sehen  also  auch  hieraus,  dass  nicht  der 
yerschlusslaut  von  der  vokalisation  betroffen  wird.  In  einigen 
wenigen  Wörtern  hat  sich  im  neuengl.  einfaches  g  im  auslaut 
nach  vokalen  erhalten  und  wird  mit  verschluss  gesprochen: 
Whig  (daneben  whey),  trvig,  egg,  drag,  hag,  crag,  heg,  nag  (Koch 
§  178).  Wir  werden  keinen  anstand  nehmen  in  diesen  verein- 
zelten fällen  die  entstehung  des  g  aus  der  spirans  flir  wahr- 
scheinlich zu  halten,  zumal  da  das  g  von  ags.  twig  und  äg  erst 
aus  j  hervorgegangen  ist.  Uebergänge  der  auslautenden  Spi- 
rans in  den  verschlusslaut  lassen  sich  auch  sonst  im  neuengl. 
nachweisen.  Aus  ags.  eolh  wird  elc]  gh,  welches  aus  ags.  h 
hervorgegangen  ist  und  im  altengl.  sicher  die  harte  gutturale 
Spirans  bezeichente,  wird  k  gesprochen  in  lough  (see),  shough 
(pudel)  und  hough  (kniekehle);  in  letzterem  werte  schwankt 
die  ausspräche,  indem  daneben  mit  dem  bekannten  Wechsel  des 
Organs  f  gesprochen  wird.  In  hiccough  (schucken)  hat  dieser 
Wechsel  durchaus  stattgefunden  und  ist  dann  das  f  meistens 
in  der  ausspräche  in  p  übergegangen,  so  dass  nun  auch  dane- 
ben hiccup  geschrieben  wird.  Alles  diess  sind  vollkommen  un- 
anfechtbare lautübergänge ,  nach  deren  analogie  wir  auch  die 
auslautenden  g  zu  beurteilen  berechtigt  sind. 

Auch  im  anlaut  muss  g  im  ags.  zum  teil  als  spirant  ge- 
sprochen sein.  Dafür  spricht  schon  die  gerade  hier  häufige 
Yerwendung  des  Zeichens  g  flir  j  vor  hellen  vokalen,  welche  in 
manchen  Wörtern  ausnahmslos  statt  hat.  Vor  harten  wird  ge 
flir  y  geschrieben.  Das  e  dient  also  dazu  anzudeuten,  dass  g 
als  Spirans  zu  sprechen  ist.  Wir  werden  ihm  daher  dieselbe 
bedeutung  zuschreiben,  wenn  es  vor  a  hinter  altem  g  geschrieben 
wird  auch  in  fällen,  wo  nach  den  sonstigen  lautgesetzen  kein 
ea  eintritt  z.  b.  geat,  geäton.  Auch  dient  ja  vollkommen  analog 
die  Schreibung  sce  zur  bezeichnung  des  reibelautes.    Im  neuags. 


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180  PAUL 

werden  viele  worter  im  anlaut  mit  g  geschrieben.  Die  partikel 
ge  vokalisiert  sich  sogar  zu  i,  welches  im  neuengl.  mit  wenigen 
ausnahmen  ganz  abfallt.  Aber  im  neuengl  haben  nur  ein  paar 
Wörter  y,  alle  übrigen  mit  verschluss  gebildetes  g.  Diese  tat- 
sachen  nötigen  uns  anzunehmen ,  dass  diess  g  mindestens  zum 
teil  erst  aus  dem  reibelaut  entstanden  ist,  den  wir,  soweit  un- 
sere quellen  zurückreichen,  als  das  älteste  ansetzen  müssen« 

Im  niederdeutschen  und  einem  teile  des  mitteldeutschen 
wird  heute  ausser  nach  n  im  inlaut  tönender,  im  auslaut  ton- 
loser Spirant  gesprochen.  Für  das  alter  dieser  ausspräche 
lassen  sich  schon  aus  den  ältesten  quellen  beweise  beibringen. 
Im  Heliand  findet  sich  auslautend  öfter  h  geschrieben  wie  im 
ags.  (Holtzm.  150),  woneben  das  einmalige  ödoc  im  Mon.  nicht 
sehr  in  betracht  kommen  kann.  In  der  Essener  rolle  findet 
sich  ahtodoch,  vi/tech.  Sonst  bleibt  allerdings  g  in  den  ältesten 
denkmalen,  wol  aus  demselben  gründe  wie  im  gotischen.  Umge- 
kehrt findet  sich  g  für  auslautendes  ä  imHcL  in  nah  wie  häufig 
in  späteren  nieder-  und  mitteldeutschen  quellen,  nur  erklärlich 
dadurch,  dass  g  als  spirans,  und  zwar  im  auslaut  als  tonlose 
Spirans  gesprochen  wurde.  Femer  fällt  g  in  dem  suiBx  ig  im 
Cott  öfter  ab  wie  das  h  und  tritt  umgekehrt  an  auslautendes 
I  an  wie  gtbithig.  Schreibungen  wie  tom  statt  togiu  im  Mon. 
und  hol  statt  hogi  in  gl  Arg.  sind  gewis  eben  so  aufzufassen 
wie  die  von  uns  besprochenen  analogen  fälle  im  an.  und  ags. 
{teyja  für  teygja  etc.).  Verwandlung  des  w;  in  ^  findet  sich  we- 
nigstens in  niguYiL  Vollkommen  klar  ist  das  Verhältnis  in  jün- 
gerer zeit.  In  den  altfriesischen  rechtsquellen  ist  der  Übergang 
von  auslautendem  g  in  ch  durch  die  schrift  fast  durchgängig 
bezeichnet.  Im  inlaut  spricht  die  häufige  vokalisierung  für  die 
spirantische  ausspräche.  Dagegen  tritt  in  der  gemination  und 
nach  n  palatalisierung  resp.  dentalisierung  ein  wie  im  anlaute, 
welche  den  verschlusslaut  voraussetzt.  Im  mnd.  mnl.  und 
mittelfränkischen  ist  ebenfalls  ch  im  auslaut  und  im  inlaut  vor 
harten  consonanten  die  gewöhnliche  Schreibung  und  die  reime 
beweisen  das  zusammenfallen  lait  got.  h  und  in  dem  letztge- 
nannten dialekte  auch  mit  got  k  nach  vokalen.  Oft  wird  g 
geschrieben,  aber  eben  so  gut  auch  für  got  ä.  Auch  in  das 
südfränkische  und  hessische  hinein  reicht  die  verwandelung  des 
auslautenden  g  in  ch  z.  b.  bei  Herbort  und  in  Hartmanns  Credo, 


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zun  LAÜTVEBSCHIEBÜNG.  181 

während  z.  b.  in  der  Elisabeth  häu%  c  im  auslaute  geschrie- 
ben wird  und  keine  reime  auf  ch  sich  finden.  Für  das  mnd, 
ist  noch  die  Schreibung  gh  zu  beachten,  die  auch  sonst  vor- 
kommt und  doch  wol  analog  dem  ch  die  spirans  bezeichnen 
soll.  Allerdings  wird  auch  ngh  und  ggh  geschrieben,  während 
in  diesen  Verbindungen  nachanalogie  der  übrigen  dialekte  der 
verschlusslaut  erwartet  wird  und  auch  im  auslaut  nc,  nicht  ncÄ 
eintritt  Auch  in  der  heutigen  ausspräche  des  niederdeutschen 
bleibt  ng,  resp.  gutturaler  nasal  und  im  auslaut  nk;  gg  ist  zu 
kk  verschoben,  nur  in  schwachen  verben,  wo  die  Verdoppelung 
durch  ein  j  bewirkt  war,  ist  wider  die  spirans  eingetreten: 
lejjenj  sejfen. 

Auch  im  anlaut  lassen  sich  von  alter  zeit  her  spuren  spi- 
rantischer ausspräche  erkennen.  Aus  dem  Heliand  lässt  sich 
allerdings  nichts  weiter  dafür  anführen,  ausser  dass  g  vor  hellen 
und  gi  vor  dunkeln  vokalen  fllr  j  gebraucht  wird.  Aber  in  der 
Übersetzung  der  predigt  des  Beda  findet  sich  jegivan,  in  den 
Merseb.  gl.  jemihed.  Im  afries.  ist  j  für  g  vor  e  nicht  selten; 
ja  die  vorsilbe  ge  wird  zu  e  oder  i  zusammengezogen,  wofftr 
sieh  auch  ein  beispiel  in  den  Mers.  gl.  findet.  Noch  in  ein 
paar  andern  Wörtern  fällt  g  im  afries.  ab  (unge,  ungath,  iuthj. 
Heute  ist  im  niederdeutschen  überall  die  partikel  ge  zu  einem 
schwachen  e  geworden  oder  ganz  abgefallen.  Im  mnl.  wird 
auch  im  anlaut  vor  hellen  vokalen  gh  geschrieben.  Eine  spur, 
dass  vor  ursprünglich  harten  vokalen  reibelaut  gesprochen  wäre 
wie  im  ags.  finde  ich  nicht,  doch  lässt  sich  auch  das  gegenteil 
nicht  erweisen.  Heute  unterscheiden  sich  die  niederdeutschen 
mundarten  in  der  ausspräche  des  anlautenden  g.  Es  stehen 
neben  einander  verschlusslaut,  gutturaler  und  palataler  spirant, 
so  dass  wol  der  erste  das  häufigste,  der  zweite  das  seltenste 
ist  Von  dem  palatalen  Spiranten  ist  es  klar,  dass  er  erst  aus 
dem  gutturalen  entstanden  sein  muss;  aber  ob  dieser  oder  der 
verschlusslaut  altertümlicher  ist,  wird  schwer  zu  entscheiden 
sein. 

Für.  das  hochdeutsche  gilt  dasselbe,  was  bei  den  labi- 
alen bemerkt  ist  Wo  wir  im  in-  und  auslaut  den  verschluss- 
laut finden,  kann  er  nach  einem  gesetze,  das  notwendig  einmal 
wirksam  gewesen  sein  muss,  aus  der  spirans  entstanden  sein. 
Aber  auch  in  Oberdeutschland  stossen  wir  auf  den  Spiranten. 


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182  PAUL 

Allerdings  findet  sich  besonders  in  den  ältesten  quellen  Ar.  Aber 
im  ganzen  tiberwiegt  g  bedeutend  im  inlaute  auch  in  denkmä- 
lern,  die  im  anlaut  in  der  regel  k  haben.  Im  auslaut  erscheint 
schon  von  frühester  zeit  ch  neben  g  und  c  oder  k.  In  vielen 
mhd.  handschriften  erscheint  es  fast  regelmässig.  Reime  auf 
ch  ==  got.  h  oder  k  sind  nicht  gerade  häufig,  kommen  aber 
auch  bei  guten  dichtem  wie  Hartmann  von  Aue  vor.  Ich  habe 
(mhd.  schriftspr,  p.  26.)  die  ansieht  ausgesprochen,  dass  diess 
oberdeutsche  ch  ganz  anders  aufzufassen  sei,  als  das  nieder- 
deutsche und  durch  eine  doppelte  Verschiebung  zu  erklären. 
Ich  trage  jetzt  bedenken  daran  festzuhalten,  da  auch  andere 
gründe  dafür  sprechen,  dass  inlautendes  g  mindestens  in  be- 
stimmten teilen  von  Oberdeutschland  als  spirans  gesprochen 
wurde,  so  dass  ihm  also  ch  dem  auslautgesetze  gemäss  unmit- 
telbar entsprach.  Allerdings  sind  zwei  bedenken  dabei  einmal 
dass  oft  auch  nch  geschrieben  wird,  während  g  nach  n  sicher 
explosivlaut  war,  und  dann,  dass  dies  ch  gerade  in  gegenden 
zu  herschen  scheint,  welche  in  der  Verschiebung  am  weitesten 
gehen,  während  in  einem  grossen  teile  von  Mitteldeutschland 
c  neben  g  in  der  Schreibung  überwiegt  und  in  den  reimen 
keine  Vermischung  mit  ch,  wol  aber  mit  k  =»  got.  k  vorkommt 
Für  inlautenden  Spiranten  spricht  sonst  noch  folgendes:  Häufig 
wird  g  für  j  geschrieben  und  dieses  g  reimt  nicht  selten  auf 
echtes  g  (Weinh.  aL  gram.  215.  bair.  gram.  178).  Es  bleibt 
uns  nur  die  wähl  zwischen  zwei  möglichen  annahmen.  Entweder 
wurde  das  g  wie  j  gesprochen,  oder  j  ist  in  g  tibergegangen. 
Ist  letzteres  der  fall,  so  haben  wir  wider  einen  beweis  für  den 
Übergang  der  spirans  in  den  verschlusslaut.  Wir  sind  hier  in 
einer  ähnlichen  ungewisheit  wie  bei  h  und  w»  Im  allgemeinen 
scheint  mir  die  erstere  annähme  das  wahrscheinlichere.  Aber 
zum  teil  mag  auch  Übergang  des  j  in  g  erfolgt  sein,  namentlich 
nach  r,  wo  das  g  auch  in  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache 
sich  findet  Auch  im  anlaut  findet  sich  in  neueren  mundarten 
g  für  j,  z.  b.  in  der  Oberpfalz  und  im  Voigtlande.  Vokalißie- 
rung  des  g  ist  auch  in  Oberdeutschlaud  häufig,  besonders  vor  t 
(gramm.  1*^426).  Wenn  age,  ege  zu  ei  werden,  so  kann  das 
wol  nicht  80  aufgefasst  werden,  dass  das  g  ausgestossen  und 
dann  a-e  oder  ^-e  zu  ei  zusammengezogen  wäre.  Wir  müßten 
dann  wenigstens  überall  i  statt  des  stummen  e  haben.    Nun 


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ZUR  LAUTVERSCHIEBUNG.  188 

aber  ißt  das  e  nur  in  der  kleineren  anzahl  der  ßlUe  aus  i  ge- 
schwächt und  die  zusammenziehung  ist  auch  erst  eingetreten 
nachdem  die  Schwächung  erfolgt  ist.  Das  i  des  diphthongs  ist 
yielmehr  aus  dem  zunächst  zu  j  gewordenen  g  entstanden.  Viel 
weiter  in  diesen  zusammenziehungen,  ähnlich  wie  das  englische 
und  friesische  gehen  die  östlichen  mitteldeutschen  mundarten 
ygl.  Weinh.  schles.  mundarten  47.  64.  Im  schlesischen  findet 
sich  z.  b.  auch  moi  für  mag,  wo  an  eine  zusammenziehung  aus 
a-e  gar  nicht  zu  denken  ist.  Uebergang  von  tv  in  g,  zum  teil 
durch  den  reim  bestätigt,  findet  sich  besonders  im  elsässischen 
(alem.  gr.  216).  lieber  das  vorkommen  desselben  in  Mittel- 
deutschland vgl.  Rückert  a.  a.  o.  57.  und  Pfeiffer,  Jerosch. 
L.  XVII. 

Heute  wird  die  spirans  gesprochen  im  Elsass,  in  Nieder- 
schwaben, der  Oberpfalz,  Niederöstreich  und  teilen  von  Tyrol. 
Es  scheint  also,  dass  sie  im  Verhältnis  zum  mhd.,  wo  sie  im 
auslaut  so  tlberaus  häufig  durch  ch  bezeichnet  wird,  an  umfang 
eingebüsst  hat.  In  Mitteldeutschland  tiberwiegt  sie.  Es  ist  mir 
unmöglich  ihre  Verbreitung  genau  anzugeben.  In  Schlesien  und 
und  dem  grösseren  östlichen  und  sfidlichen  teile  von  Obersach- 
sen wird  verschlusslaut  gesprochen,  im  inlaut  tönender,  im  aus- 
laut nach  den  mir  etwas  zweifelhaft  erscheinenden  angaben 
von  Weinhold  und  Rückert  in  Schlesien  wenigstens  nach  lan- 
gem vokal  gleichfalls  tönender,  in  Sachsen  tonloser.  Ausgenom- 
men ist  davon  die  endung  -igh  und  sontigh,  montlgh ,  .herbrigh. 
Dass  "auch  hier  der  verschlusslaut  jünger  ist,  wird  dadurch 
wahrscheinlich,  dass  derselbe  im  schlesischen  auch  aus  altem^Ä 
entsteht,  ,z.  b.  flog  (fugit),  sag  (vidit),  sickt,  erwackt,  versmacktet, 
formen  die  schon  bei  Opitz  und  Gryphius  vorkommen  (Weinh. 
schles.  mundarten  84.  86).  Aus  dem  angrenzenden  obersächsi- 
schen gebiete  kenne  ich  sak.  Auch  weist  der  dem  abfall  des 
h  analoge  abfall  des  g  in  anderen  Wörtern  (Weinh.  84.)  und 
die  gerade  hier  häufige  vokalisierung  des  g  auf  ältere  spirantische 
ausspräche  hin. 

Mit  der  betrachtung  der  dentalen  betreten  wir  das  am 
meisten  streitige  gebiet.  Ich  führe  zunächst  zwei  punkte  an, 
welche  entscheidend  dafür  sind,  dass  p  in  der  ältesten  zeit, 
bis  zu  der  wir  zurückgehen  können,  die  gewöhnlich  geläugnete 
geltung  einer  spirans  hatte.    Erstens  entsteht  in  einigen  wör- 


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184  PAUL 

tern  aus  älterem  p  eine  andere  spirans.  So  h  in  got  mapl, 
mapljan,  ags.  mätiel,  mätSelian,  ahd.  madiU  in  eigennamen  =  ahd. 
mahal,  mahaljan,  as.  mahal,  mahlian,  an.  mit  regelrechtem  ausfall 
des  h  und  contraktion  ma/,  »löp/a.  Mehr  beispiele  gibt  es  fllr 
den  Übergang  in  f:  got  pliuhan  =  ahd.  as.  ßohan,  ags.  fleorij 
an.  ^ö;  got.  plaihan=  ahd.  flehan,  flehön,  as.  gißhian  {giß- 
hid  Hei.  1460);  ahd.  dinstar,  md.  dinster,  as.  thiustri  (mit 
vokalisierung  des  nasalklanges),  ags.  peosiri,  pystre  =  ahd. 
finstar;  got.  aippau,  ahd.  c^o,  oefö,  ags.  oÖÖe  =  as.  e/Üa,  a/Öo, 
fries.  ieftha;*)  an.  pengill,  ags.  pengel  ='ags.  fengel;  im  an. 
gehen  neben  einander  />//i  und  /Jd7.  Wie  Hesse  sich  das  erklären, 
wenn  />  aspirata  oder  auch  affricata  gewesen  wäre?  Wir  haben 
vielmehr  in  diesen  Übergängen  wider  beispiele  des  Wechsels 
der  Spiranten  unter  einander.  Zu  vergleichen  ist  damit  der 
Übergang  des  h  in  f,  der  gleichfalls  in  alter  zeit  stattgefunden 
hat  (vgl.  J.  Schmidt,  z.  indogerm.  vokalismus  s.  53.)  und  im 
englischen  (Koch  182),  und  der  im  niederdeutschen  häufige  um- 
gekehrte des  /  vor  i  in  ch,  Ueber  den  Wechsel  der  tönenden 
Spiranten  ist  oben  s.  175  £  gesprochen.  Die  wandelung  von  den- 
talem ^  (s^  nach  Brücke),  als  welches  wir  p  auffassen,  ist  be- 
kanntlich einer  der  leichtesten  lautübergänge,  den  man  sich 
denken  kann.  Man  braucht  nur  die  zunge  und  die  beim  s^ 
vorgeschobene  Unterlippe  etwas  zurückzuziehen,  so  dass  die 
letztere  der  obem  zahnreihe  genähert  wird.  Bekannt  ist  ja 
auch  das  vorkommen  dieses  Überganges  im  lateinischen  und 
russischen.  Wenn  auch  im  äolischen  ^  in  9p  übergeht,  so  muss 
man  wol  daraus  schliessen,  dass  in  diesem  dialekt  die  aspira- 
ten  bereits  zu  Spiranten  geworden  waren. 

Der  zweite  punkt,  den  ich  meine,  ist  folgendes:  Im  alts. 
und  ags.,  auch  im  an.  zum  teil,  schwindet  vor  />,  das  dann  auch 
zu  Ö  erweicht  erscheint,  der  nasal  z.  b.  alts.  ööar  aus  got  an/>ar. 
Dieser  schwund  des  nasales  tritt  sonst  noch  ein  vor  s  und  f; 
vor  h  ist  er  bereits  in  einer  früheren  periode  in  allen  germa- 
nischen dialekten  eingetreten.  Nirgends  zeigt  er  sich  vor  ver- 
schlusslauten. Wir  werden  daher  auch/>  nicht  zu  den  letzteren 
rechnen,  und  es  ergibt  sich  dann  die  einfache  regel:  der  nasal 
schwindet  vor  den  harten  Spiranten. 


•)  Oder  ist  vielleicht  letzteres  die  ältere  form? 


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ZUR  LAUTVERSCHIEBüNa  185 

Diese  beiden  argumente,  das  Verhältnis  im  gotischen,  die 
analogie  der  beiden  andern  consonantenreihen  müssen  ilns  für 
die  beurteilung  der  entwickelung  de»  p  massgebend  sein.  Im 
.  an.  sind  im  anlaut  d  und  p  in  gleicher  weise  geschieden  wie 
im  got.  Inlautend  sind  sie  nur  nach  /  und  n  geschieden:  got 
Ip,  np  =  an  U,  nn;  got  Id,  7id  =  an.  tb,  nö  oder  Id,  nd.  In 
jeder  andern  Stellung  sind  sie  zusammengefallen:  in  der  gemi- 
nation  steht  dd;  sonst  steht  in  den  ältesten  handschriften  />, 
wofür  später  Ö  eintritt,  welches  selten  auch  im  anlaut  geschrie- 
ben wird.  Wir  sehen,  das  ursprtlngliche  Verhältnis  ist  ganz  so 
wie  bei  den  labialen  und  die  gröste  Wahrscheinlichkeit  spricht 
daher  dafür,  dass  es  gerade  so  aufgefasst  werden  muss.  Der 
hauptgrund,  weswegen  man  sich  dagegen  sträubt,  ist,  dass  im 
schwedischen,  dänischen  und  faeroeischen  anlautend  für  p  der 
explosivlaut  steht,  im  schwedischen  und  bei  vielen  consonanten- 
verbindungen  in  allen  neunordischen  sprachen,  ja  selbst  im  jün- 
geren an.  auch  inlautend.  Dazu  kommt  der  im  inlaut  sehr 
seltene,  im  auslaut  häufigere  Wechsel  von  &  und  i  (Gislason 
118, 4.  5).  Man  nimmt  daher  an,  dass  ursprünglich  noch  aspi- 
rata  gesprochen  sei,  die  anlautend  nur  im  isländischen  zur  Spi- 
rans geworden,  während  in  den  andern  sprachen  der  hauch 
abgefallen  sei.  Ich  will  einstweilen  davon  absehen,  ob  wirklich 
bei  dieser  auflfassung  die  entstehung  der  neunordischen  t  mxdd 
aus  p  vom  physiologischen  Standpunkte  aus  begreiflicher  wird. 
Aber  wie  erklärt  man  sich  das  zusammenfallen  mit  got  d? 
Wir  können  doch  nicht  dem  in  ältester  zeit  gleichmässig  ge- 
schriebenen p  eine  so  ganz  verschiedene  geltung  zuschreiben, 
dass  es  bald  einen  doppellaut,  die  aspirata,  bald  einfache  Spi- 
rans oder  etwa  tonenden  verschlusslaut  bezeichent  hätte?  Und 
wie  hätte  aus  der  got.  media,  mag  man  sie  nun  als  spirans 
oder  als  verschlusslaut  auffassen,  im  in-  und  auslaut  aspirata 
werden  sollen,  um  später  wider  zu  tönendem  reibe-  oder  ver- 
schlusslaut zu  werden?  Die  auslautenden  t  für  &,  woneben  um- 
gekehrt Ö  für  t  vorkommt,  beruhen  wol  darauf,  dass  das  aus- 
lautende t  schon  wie  im  neuisländischen  zur  spirans  geworden 
war.  Die  paar  fälle  im  inlaut  können  verschreibungen  sein; 
wenn  sie  einen  lautlichen  grund  haben,  so  können  sie  nur  ein 
anzeichen  sein,  dass  die  ursprüngliche  spirans  sich  bisweilen 
dem  explosivlaute  näherte.    Auf  der  andern  seite  findet  sich 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    I,  13 


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186  PAUL 

auch  z  fttr  Ö.  Ferner  geht  in  einigen  seltenen  fällen  Ö  wie  s 
in  r  ttber,  z.  b.  bar  (orabat)  und  namentlich  in  der  2.  pers.  pl. 
(Gislason  118,  6),  weshalb  Gislason  mit  grosser  Wahrschein- 
lichkeit vermutet,  dass  auch  in  der  3.  pers.  sing,  das  r  auf 
dieselbe  weise  zu  erklären  sei.  Spuren  dieses  Überganges  fin- 
den sich  auch  im  neuisländischen  (ib.  anm.).  Wie  femer  f  aus 
p  entsteht,  so  umgekehrt  />  (^)  aus  f  in  0riläi  aus  fifriltSi 
und  pjosir  für  älteres  fjosir.  Ebenso  haben  wir  den  bekannten 
Spirantenwechsel  darin  zu  sehen,  wenn  zuweilen  ^  zu  Ö  oder 
ft  zu  ^  wird  (Gislason  118,  2).  Die  erweichung  im  in-  und 
auslaut  war  bei  aspiraten  nicht  möglich;  sie  beruht  vielmehr 
auf  der  allgemeinen  neigung  der  Spiranten  dazu  wie  die  des 
/und  h.  Die  erweichung  ist  schon  vor  der  zeit,  aus  der  wir 
Überlieferungen  haben,  vor  sich  gegangen,  wiewol  sie  durch  die 
Schrift  nicht  bezeichnet  wird  Das  geht  daraus  hervor,  dass/>/> 
zu  dd  geworden  ist  und  dass  in  consonantenverbindungen  früh- 
zeitig J  für  />  eintritt  Daher  ist  es  auch  so  wenig  wie  bei 
den  labialen  nötig  eine  Verhärtung  der  gotisclien  media  anzu- 
nehmen. Diese  Verhältnisse  sind  meiner  ansieht  nach  so  klar, 
dass  wir  uns  entschliessen  müssen  da,  wo  der  verschlusslaut 
erscheint,  anzunehmen,  dass  er  aus  der  spirans  entstanden  ist 
Diese  entstehung  können  wir  im  inlaut  in  den  an.  denkmälem 
verfolgen.  In  den  ältesten  quellen  kommt  nach  n  und  /  noch  Ö 
(p)  vor,  nach  m  ist  es  die  regel;  bald  wird  d  herschend; 
ebenso  nach  mb,  If,  lg,  ng.  Nach  p,  k,  s  steht  t,  aber  in  den 
älteren  denkmälem  nach  p  und  k  gewöhnlich ,  nach  s  wenig- 
stens noch  in  runeninschriften  Ö  (p).  Es  ist  hier  zugleich  Ver- 
härtung eingetreten  durch  assimilation  an  den  vorhergehenden 
consonanten  nach  ausstossung  des  ursprünglich  dazwischen  ste- 
henden vokales.  Ebenso  wie  inlautendes  p  oder  Ö  wird  das 
des  enklitischen  pu  behandelt.  Auch  vor  i  wird  Ö  zu  t,  was 
um  so  weniger  gegen  ursprünglich  spirantische  ausspräche  be- 
weisen kann,  weil  tt  auch  aus  st  entsteht  und  ebenso  dd  aus 
zd.  Wenn  nun  in  den  neueren  sprachen  auch  im  anlaut  die 
Spirans  in  den  explosivlaut  übertritt,  so  ist  das  dem  inlaut  voll- 
kommen analog.  Wir  können  auch  in  anderen  fällen  bemerken, 
.dass  anlautende  consonanten  gerade  so  behandelt  werden  wie 
inlautende  nach  anderen  consonanten.  Im  fseroeischen  tritt  über- 
4tll  t  ein,  im  schwedischen  und  dänischen  im  pron.  der  2.  pers. 


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ZUR  LAUTVERSCHIEBUNG.  187 

und  im  artikel  nebst  den  ableitungen  davon,  d,  sonst  t  Da 
auch  gerade  in  diesen  Wörtern  im  an.  am  öftesten  ft  geschrie- 
ben wird  und  das  englische  dazu  stimmt,  so  wird  die  er- 
weichung  in  den  dem  dän.  und  schwed,  zu  gründe  liegenden 
dialekten  alt  sein,  während  sie  im  fseroeischen  und  isl.  nicht 
eintrat. 

Während  im  nordischen  got.  p  und  J  im  in-  und  auslaute 
zusammengefallen  sind,  sind  sie  in  den  ältesten  quellen  der 
südgermanischen  dialekte  geschieden,  indem  ersterem  p  oder  Ö, 
letzterem  d,  hochdeutsch  zu  t  verschoben,  entspricht.  Wir 
müssen  nach  der  analogie  der  beiden  anderen  consonantenrei- 
hen  und  gemäss  dem  von  uns  erkannten  lautwert  des  gotischen 
annehmen,  dass  dieses  ohne  zweifei  mit  verschluss  gesprochene 
d  erst  aus  der  spirans  verschoben  ist.  Der  unterschied  von  der 
entwickelung  der  labialen  und  gutturalen  besteht  nur  darin, 
dass  bei  diesen  die  Verschiebung  zum  verschlusslaut  auf  ein 
kleineres  gebiet  eingeschränkt  ist.  Ein  teil  der  d  war  schon 
im  got.  aus  p  entstanden,  im  südgermanischen  hat  sich  die 
anzahl  derselben  bedeutend  vermehrt.  In  diesen  fällen  muss 
erweichung  des  p  eingetreten  sein,  bevor  die  Verschiebung  zum 
verschlusslaute  erfolgte.  Trat  sie  später  ein,  so  blieb  zunächst 
der  reibelaut.  Wie  bei  den  labialen  und  gutturalen  finden  sich 
einzelne  abweichungen  der  dialekte  unter  einander,  gramma- 
tischer Wechsel,  Schwankungen  in  einem  und  demselben  dialekt 
Nur  im  got.  ist  erweichung  eingetreten  in  skaidan  as.  sceihan, 
ahd.  sceidan.  Ob  im  an.  einzelne  p  früher  tönend  geworden 
sind,  ehe  die  allgemeine  erweichung  eintrat,  lässt  sich  nicht 
entscheiden  ausser  bei  den  Verbindungen  np  und  //>.  Letzteres 
ist  im  südgermanischen  durchweg  zu  Id  geworden,  während  es 
im  an.  als  //  von  Id  geschieden  ist.  Nur  aldr,  öld  ist  abwei- 
chend von  got.  cUpeiSj  daneben  aber  steht  noch  elli,  np  und  nd 
bleiben  auch  im  südgermanischen  geschieden,  indem  von  ersterem 
im  as.  und  ags.  der  nasal  schwindet;  doch  schwankt  es  nach  n^ 
und  ein  solches  schwanken  findet  auch  im  an.  statt  in  firma 
und  finda,  pp,  welches  im  an.  allgemein  zu  Jefwird,  bleibt  im 
agg^  abweichend  auch  von  der  analogie  der  labialen  und  guttu- 
ralen, pp  oder  ÖÖ;  ebenso  im  as.  in  ettha;  Verdoppelung  durch 
folgendes  j  tritt  im  as.  nicht  ein;  in  queddan  ist  wol  schon  vor 
der  Verdoppelung  d  eingetreten  wie  in  qmdu 

13* 


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188  PAUL 

Betrachten  wir  nun  die  entwickelung  der  zunächst  nicht 
zum  verschlusslaut  verschobenen  p  und  &.  Im  ags.  werden 
beide  zeichen  unterschiedslos  gebraucht,  im  nags.  kommt  Ö  all- 
mählich ausser  gebrauch,  im  mengl.  tritt  allgemein  th  ein.  Der 
gebrauch  des  Zeichens  Ö  weist  auf  das  Vorhandensein  tönender 
ausspräche  hin,  wenn  auch  die  Schreiber  den  unterschied  nicht 
richtig  durchzufahren  vermochten  Dass  dieselbe  im  inlaut  im 
ags.  wie  im  neuengl.  allgemein  war,  zeigt  besonders  der  häufige 
Wechsel  mit  d,  das  sowol  für  Ö  eintritt,  als  umgekehrt  dieses 
für  d.  In  letzterem  falle  könnte  man  die  Ö  «zum  teil  als  un- 
verschobene  reste  der  alten  spirans  ansehen;  aber  sie  treten 
auch  in  lateinischen  Wörtern  für  d  ein  und  in  einigen  Wörtern 
entsteht  erst  im  neuengl.  th  aus  dj  so  dass  das  vorkommen  der 
Verwandlung  des  verschlusslautes  in  die  spirans  keinem  zweifei 
unterliegt.  Als  beweis  dafür,  dass  die  erweichung  schon  in 
alter  zeit  stattgefunden  haben  muss,  lässt  sich  auch  noch  an- 
führen, dass  dieselbe  in  den  lehnwörtern  aus  dem  griechischen 
nicht  eintritt,  weil  die  neigung  dazu  vorüber  war.  Im  anlaut 
kennt  die  heutige  Schriftsprache  die  erweichung  nur  in  denpro- 
nominalstämmen.  Da  aber  in  vielen  mundarten  th  in  d  tiber- 
geht, so  ist  es  nicht  unwahrscheinlich,  dass  schon  in  alter  zeit 
auch  in  anderen  Wörtern  das  />  zum  teil  tönend  geworden  war. 

In  der  heutigen  ausspräche  auch  der  gebildeten  klingt  th 
sehr  oft  nicht  mehr  als  reine  spirans.  Wir  dürfen  darin  nicht 
mit  R.  V.  Raumer  etwas  altertümliches  sehen,  als  ob  das  th  jetzt 
erst  im  begriflf  wäre  vollständig  zur  spirans  zu  werden,  sondern 
die  Sache  ist  gerade  umgekehrt:  die  spirans  ist  im  begriflf  in 
den  verschlusslaut  überzugehen.  Ich  glaube  hinlänglich  gezeigt 
zu  haben,  dass  jene  das  ursprüngliche  war,  und  es  ist  kaum 
noch  nötig  auf  einige  lautübergänge  der  altern  spräche  auf- 
merksam zu  machen,  die  für  sie  sprechen.  Im  nags.  geht  h 
vor  t  öfter  in  />  über  (Koch  181),  wofiir  sich  auch  z  geschrie- 
ben findet  z.  b.  dozter  (Koch  171),  also  wider  der  Wechsel  der 
Spiranten.  Femer  geht  />  in  der  2.  pers.  sing.,  mitunter  auch 
im  pL  praes.  in  s  über;  der  anfang  dazu  findet  sich  bereits  in 
den  northumbrischen  evangelien  (Koch,  flexionslehre  57).  Das 
wichtigste  argument  aber  ist  wider  der  eintritt  der  erweichung. 
Jetzt  gibt  es  wol  in  dem  grösseren  teile  von  England  kein  an- 
lautendes th  mehr.    Sowol  in  Schottland  als  in  den  südlichen 


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ZUR  LAUTVERSCHIEBUNG.  189 

dialekten  wird  dentales  d  gesprochen,  durch  die  artikulations- 
stelle  von  dem  alten  cacuminalen  d  geschieden.  Dass  diess 
erst  in  neuerer  zeit  entstanden  ist,  beweist  die  ältere  schrift. 
Die  ausspräche  der  gebildeten  Engländer  ist  die  Übergangsstufe 
dazu.  Wie  haben  wir  nun  diese  zu  definieren?  Nach  R.  v. 
Raumer  und  Scherer  schwankte  die  ausspräche  zwischen  Spi- 
rans, verschlusslaut  und  afiricata.  Ich  muss  mich  gegen  die- 
selben auf  das  zeugnis  meines  freundes  Eduard  Sievers  berufen, 
der  bei  einem  mehrmaligen  längeren  aufenthalt  in  England  der 
ausspräche  die  sorgfältigste  aufmerksamkeit  geschenkt  hat,  und 
dessen  scharfe  beobachtungsgabe  in  lautphysiologischen  dingen 
ich  reichlich  bewährt  gefunden  habe.  Nach  ihm  kann  von  einem 
doppellaute  nicht  die  rede  sein.  Vielmehr  besteht  die  Zwischen- 
stufe darin,  dass  die  organe  einander  fast  bis  zu  völligem  ver- 
schluss genähert  werden,  und  dass  der  laut  möglichst  kurz  ge- 
sprochen wird,  was  in  direktem  widersprach  mit  der  natur 
eines  doppellautes  steht,  der  gerade  eine  verlängerang  sein 
würde.  Das  ist  gewissermassen  eine  mitte  zwischen  verschluss- 
laut und  Spirans,  die  leicht  nach  der  einen,  wie  nach  der  an- 
dern hinüberschwankt,  aber  keine  Verbindung  von  beiden. 

In  derselben  weise  wie  im  englischen,  haben  wir  auch  im 
hoch-  und  niederdeutschen  den  Übergang  des  th  in  J  aufzufas- 
sen, nur  dass  die  entwickelung  hier  rascher  vor  sich  gegangen 
und  weiter  vorgedrangen  ist.  Dass  schon  im  Heliand  im  inlaut 
erweichung  eingetreten  ist,  erkennen  wir  daraus,  dass  über- 
wiegend Ö  gesehrieben  wird,  was  dann  auch  mit  d  wechselt 
gerade  wie  im  ags.,  so  dass  auch  hier  bald  das  eine,  bald  das 
andere  als  älter  aufzufassen  ist.  Für  das  alter  der  erweichung 
im  fries.,  wo  Ö  unbekannt  ist  und  nur  th  geschrieben  wird, 
sprechen  die  d  für  ih  in  der  lex  Frisionum,  die  wol  wie  die 
gotischen  aufzufassen  sind.  Im  oberdeutschen  und  fränkischen 
zeigen  schon  die  ältesten  denkmäler  die  erweichung  auch  im 
anlaut.  Isidor  hat  dh.  Die  ältesten  alemannischen  quellen 
haben  zwar  th;  da  aber  daneben  d  schon  überwiegt,  so  können 
wir  darin  nur  eine  unvollkommene  lautbezeichnung  sehen,  ebenso 
indem  ^ä  der  jüngeren  fränkischen  quellen,  das  nicht  erst  wider 
verhärtet  sein  kann  und  das  auch  unmittelbar  in  d  übergeht, 
ohne  dass  eine  andere  lautbezeichnung  dazwischen  läge.  Für 
den  Heliand  ist  es  wahrscheinlich,  wenn  auch  nicht  zweifellos, 


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190  PAUL 

dass  der  anlaut  noch  nicht  von  der  erweichung  ergriffen  ist, 
da  hier  th  durchsteht,  während  doch  das  zeichen  Ö  bekannt 
ist.  Zweifelhaft  kann  es  auch  sein,  ob  der  auslaut  mit  stimm- 
ton gesprochen  wurde  oder  nicht.  Doch  spricht  die  sonstige 
analogie  für  das  letztere,  und  die  Ö  können  hier  eben  so  wenig 
tönende  qualität  beweisen  wie  die  b.  Als  entscheidend  fttran- 
und  auslaut  zu  gunsten  der  tonlosigkeit  können  wir  es  vielleicht 
betrachten,  dass  bei  dem  zusammenstoss  eines  auslautenden  und 
eines  anlautenden  dejitals  ^Äzuweilfen  in  t  tibergeht,  mquatthat, 
quaitiu,  anttat  aus  qvxtth  that,  guath  ihiu,  and  that,  wider  ein 
beispiel  von  der  abneigung  gegen  Spiranten  in  consonantenver- 
bindungen.  Ueber  die  zeit,  in  welcher  der  Übergang  zum  ver- 
schlusslaute erfolgte  vgl.  Braune  in  diesem  hefte  s.  53  flf.  In- 
lautend besteht  auch  heute  die  spirans,  vielleicht  von  ältester 
zeit  erhalten,  in  Holstein. 

Ich  habe  mit  möglichster  Vollständigkeit  zusammenzustellen 
gesucht,  was  für  natur  und  entwickelung  der  fraglichen  laute 
in  den  verschiedenen  dialekten  von  Wichtigkeit  ist.  Vielleicht 
bin  ich  zu  ausführlich  darin  gewesen,  da  die  meisten  der  von 
mir  vorgebrachten  tatsaehen  auch  schon  sonst  allgemein  bekannt 
sind.  Da  ich  aber  weiss,  wie  sehr  man  sich  vielfach  gegen 
die  anerkennung  gewisser  lautübergänge  sträubt,  so  schien  es 
mir  nötig  dieselben  so  sicher  als  möglich  zu  begrtinden.  Vor 
allem  kam  es  mir  darauf  an  durch  eine  zusammenhängende 
darstellung  aller  in  betracht  kommenden  einzelheiten  die  tiber- 
einstimmung  in  denselben  klar  hervortreten  zu  lassen.  Diese 
zusammenfassende  und  vergleichende  betrachtung  muss  unser 
urteil  bestimmen,  wo  die  bei  den  einzelheiten  stehenbleibende 
Untersuchung  hie  und  da  noch  zweifei  zurücklässt.  Ueberblicken 
wir  die  gewonnenen  resultate,  so  ergibt  sich  als  urgermani- 
scher lautstand  folgendes:  Die  indogermanischen  tenues  sind 
zu  tonlosen  Spiranten  geworden  h,  p^  f.  Die  indogermanischen 
aspiraten  sind  inlautend  zu  tönenden  Spiranten  geworden;  nur 
nach  nasalen  erscheinen  sie,  soweit  wir  sie  zurückverfolgen 
können,  als  tönende  verschlusslaute.  Diese  ausnähme  begreift 
sich  leicht;  denn  da  die  nasale  durch  verschluss  des  mundca- 
nals  gebildet  werden,  so  schliesst  sich  daran  ein  explosivlaut 
leichter  an,  als  ein  reibelaut,  zu  dem  erst,  bevor  er  gebildet 
werden  kann,  der  verschluss  gelockert  werden  muss.    Ebenso 


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ZUR  LAUTVERSCHIEBUNG.  191 

zeigt  sich  im  anlaut  von  alter  zeit  an  tönender  verschlusdaüti 
Jedoch  muss  im  ältesten  niederdeutschen  und  angelsächsischen 
wenigstens  zum  teil  gutturale  spirans  bestanden  haben.  Es  ist 
ferner  nicht  ganz  sicher,  ob  schon  zur  zeit  des  Ulfilas  h,  g,  d 
im  anlaut  wirkliche  verschlusslaute  waren  oder  zwischen  ver- 
schlusslaut und  spirans  schwankten.  Das  idt  der  boden,  auf 
dem  die  weitere  entwicklung  ruht. 

Es  zeigt  sich  nun,  dass  eine  zwiefache  bewegung  der  ur- 
sprünglichen indogermanischen  verschlusslaute  zum  teil  zwischen 
die  erste,  die  gemeingermanische  und  die  zweite,  die  specifisch 
hochdeutsche  Verschiebung,*)  zum  teil  in  die  letztere  hinein  und 
nach  ihr  fällt,  die  erweichung  der  aus  indogermanischer  tenuis 
entstandenen  Spiranten,  besonders  im  inlaut,  und  der  Übergang 
der  tönenden,  in  einem  falle  auch  der  tonlosen  Spiranten  in 
verschlusslaute.  Was  die  erstere  betriflft,  so  beginnt  sie  vor 
der  auf  uns  gekommenen  Überlieferung  und  tritt  zunächst  spo- 
radisch auf,  zum  grösseren  teil  übereinstimmend  in  den  ver- 
schiedenen dialekten,  was  aber  eine  reihe  von  einzelnen  abwei- 
chungen  nicht  ausschliesst.  Das  Verhältnis  ist  sehr  ähnlich  wie 
bei  dem  Übergange  von  a  zu  ^  in  den  verschiedenen  europä- 
ischen sprachen.  Bei  dem  weiterumsichgreifen  der  erweichung 
scheiden  sich  die  dialekte  etwas  mehr,  so  dass  aber  doch  die 
entwickelung  in  den  einzelnen  sehr  analog  ist.  f  wird  inlau- 
tend allgemein  tönend  ausser  im  hochdeutschen  und  einem  teile 
des  mitteldeutschen,  wo  sich  einige  tonlose  f  erhalten,  im  nor- 
dischen auch  auslautend.  Der  Übergang  des  h  zw  g  bleibt  spo- 
radisch, jedenfalls  nur  deshalb,  weil  das  h  sehr  früh  zum  blossen 
hauch  wurde,  welcher  durch  den  stimmton  nur  zum  Spiritus 
lenis  werden  konnte.  Wir  haben  daher  das  schwinden  des  h 
im  inlaut  zwischen  vokalen,  welches  ausser  im  oberdeutschen 


*)  Die  namen  „erste  und  zweite  Verschiebung"  wären  vielleicht  bes- 
ser ganz  zu  vermeiden;  sie  haben  wenigstens  nur  einen  praktischen  wert. 
In  Wirklichkeit  sind  nicht  die  sogenannten  beiden  Verschiebungen  je  ein 
aus  dem  kreise  aller  übrigen  .  lautveränderungen  heraustretendes  ganze, 
sondern  sie  bilden  mit  den  von  uns  besprochenen  Vorgängen,  von  denen 
man  einen  teil  zur  zweiten  Verschiebung  zu  rechnen  pflegt,  und  mit  an- 
dern erst  später  eintretenden  Veränderungen  eine  reihe  von  vielen  ein- 
zelnen lautwandelungen,  die  sich  von  der  ältesten  zeit  bis  auf  die  neueste 
nach  einander  und  meist  ohne  beziehung  zu  einander  vollziehen. 


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192  PAUL 

allgemein  erfolgt,  wol  als  eine  analoge  erscheinung  anzusehen. 
Die  erweichung .  des  p  ist  inlautend  allgemein  (im  nordischen 
und  englischen  findet  sie  auch  auslautend  statt),  erstreckt  sich 
aber  in  Deutschland  durchgängig,  in  England  und  Skandinavien 
partiell  auch  über  den  anlaut.  Die  neigung  zur  etweichung  ist 
also  bei  den  dentalen  am  stärksten,  aber  die  behandlung  ist 
keine  grundverschiedene.  Unsere  auffassung  erhält  dadurch 
noch  eine  schlagende  bestätigung,  dass  sich  in  völlig  analoger 
weise  wie  die  erst  auf  germanischem  boden  entstandenen  Spi- 
ranten, auch  die  einzige  indogermanische^ tonlose  spirans  ^ent- 
wickelt. Auch  hier  ist  die  erweichung  zuerst  sporadisch,  im 
got.  durch  z  bezeichent,  und  die  in  ältester  zeit  erweichten  s 
gehen  in  r  über,  ebenfalls  im  ganzen  tibereinstimmend,  aber 
doch  mit  mannigfachen  abweichungen  in  den  einzelnen  dialekten. 
Nach  der  periode  des  rotacismus  geht  dann  die  erweichung 
weiter  j  wird  im  anlaut  ausser  in  Oberdeutschland  allgemein, 
ausgenommen  in  der  gemination  und  in  Verbindung  mit  ton- 
losen consonanten,  und  ergreift  im  niederdeutschen  und  einem 
teile  des  mitteldeutschen,  auch  in  englischen  dialekten  selbst 
den  anlaut.  Der  letztere  umstand  ist  besonders  wichtig  inrück- 
sicht  auf  die  erweichung  des  />.  Englische  dialekte  kennen 
auch  die  erweichung  des  f  im  anlaut.  Bei  allen  harten  Spiran- 
ten zeigt  sich  also  dieselbe  tendenz.  Die  vollkommenste  ana- 
logie  dazu  findet  sich  im  lateinischen.  Ascoli  (Vergleichende 
lautlehre  171.  ff.)  hat  meiner  ansieht  nach  tiberzeugend  nach- 
gewiesen, dass  die  lateinischen  inlautenden  medien  =  indoger- 
manischen aspiraten  aus  den  ursprünglich  wie  im  griechischen 
verhärteten  und  dann  zu  tönlosen  Spiranten  gewordenen  aspi- 
raten erweicht  sind.  Unsere  auffassung  der  deutschen  und 
Ascolis  der  lateinischen  lautwandelungen  stützen  sich  gegenseitig. 
Ebenso  werden  im  altirischen  die  aus  indogermanischer  tenuis 
entstandenen  sogenanten  aspiraten,  die  aber  sicher  als  Spiran- 
ten aufzufassen  sind,  inlautend  erweicht;  daher  das  schwan- 
ken in  der  Schreibung  zwischen  aspirata  und  media.  Wir 
haben  hier  also  noch  eine  genauere  Übereinstimmung  mit  dem 
deutschen. 

Die  zweite  bewegung,  der  tibergang  in  den  verschlusslaut, 
hat  statt  so  wol  bei  den  aus  den  medienaspiraten  entstandenen, 
von  anfang  an  tönenden  Spiranten,   als  bei  den  aus  den  ton- 


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ZUR  LAUTVERSCHIEBUNG.  193 

losen  erweichten  und  den  ursprünglichen  indogermanischen  wei- 
chen Spiranten  (/und  w),  nur  in  verschiedener  ausdehnung.  Am 
regelmässigsten  und  fast  durchgängig  tritt  sie  ein  nach  nasalen 
und  und  in  der  gemination,  dann  unter  dem  einflusse  anderer 
vorhergehender,  zum  teil  auch  unter  dem  folgender  consonanten. 
Aber  auch  ohne  einen  solchen  einfluss  erfolgt  sie  zwischen 
vokalen,  ziemlich  allgemein  im  oberdeutschen,  bei  den  dentalen 
auch  im  niederdeutschen  und  (wenigstens  bei  den  ursprünglich 
tönenden  oder  in  ältester  zeit  tönend  gewordenen)  angelsäch- 
sischen, bei  den  gutturalen  auch  im  schwedischen,  vereinzelt 
noch  sonst.  Bei  den  dentalen  geht  also  auch  diese  bewegung 
am  weitesten  und  ergreift  selbst  den  anlaut,  da  auch  dieser  von 
der  erweichung  betroflFen  wird.  Darin  liegt  indessen  kein  we- 
sentlicher unterschied.  Eine  grössere  abweichung  besteht  darin, 
dass  im  dänischen  und  schwedischen  der  hart  gebliebene  Spi- 
rant p  gleichfalls  zum  verschlusslaut  wird,  was  bei  dem  guttu- 
ralen und  labialen  Spiranten  nicht  möglich  war,  weil  h  zum 
blossen  hauch,  /"  labiodental  geworden  war.  Wol  findet  hie 
und  da  auch  eine  entgegengesetzte  bewegung  statt.  So  geht 
im  dänischen  die  aus  dertenuis  erweichte  media  in  die  spirans 
über.  Im  ags.  und  engl.,  sowie  im  alts.  finden  sich  Schwan- 
kungen 'des  d  nach  Ö  und  th.  Aber  der  allgemeine  zug  ist 
vom  reibelaut  zum  verschlusslaut,  und  ersterer  wird,  so  lange 
nicht  das  gegenteil  erwiesen  ist,  immer  zunächst  fftr  älter  gel- 
ten müssen,  Widerum  ist  die  entwickelung  im  lateinischen 
analog:  die  inlautend  erweichten  Spiranten  werden  zu  tönenden 
verschli^sslauten. 

Ganz  sichere  beispiele  vom  Übergang  des  dentalen  Spiranten 
in  den  verschlusslaut  haben  wir  im  persischen,  wo  z  -=  skr. 
h  IM  d  wird.  Wenn  in  neugriechischen  dialekten  ^  zu  t,  x  zu  x 
wird  (vgl.  MuUach,  Grammatik  der  griechischen  vulgärsprache 
s.  28.  89.  94.  Curtius,  Grundz.  3.  s.  386.  Ascoli,  Vergleichende 
lautlehre  s.  161  flf.),  so  ist  es  im  höchsten  grade  unwahrschein- 
lich, dass  in  diesen  fällen  die  aspirata  ganz  abweichend  von 
der  sonstigen  entwickelung  niemals  zur  spirans  geworden  sein, 
sondern  nur  den  hauch  eingebtisst  haben  sollte.  Vielmehr  wer- 
den wir  uns  den  Vorgang  zu  denken  haben  wie  im  schwedi- 
schen und  dänischen.  Den  Übergang  in  den  verschlusslaut 
haben  wir  uns  wol  überall  so  vorzustellen,  wie  ihn  uns  die  heutige 


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194  PAUL 

ausspräche  des  englischen  th  lehrt  und  wie  er  bei  besprechung 
desselben  erörtert  ist.  Auch  im  neugriechischen  soll  die  aus- 
spräche des  d-  zwischen  reibe-  und  verschlusslaut  schwanken. 
Auch  hier  wird  es  falsch  sein,  wenn  man  es  für  einen  doppel- 
laut  erklärt,  oder  wenn  man  meint,  dass  diese  ausspräche 
altertümlich  sei  und  der  laut  erst  im  begriff  in  die  blosse  spi- 
^rans  überzugehen.  Vielmehr  ist  er  im  übergange  aus  der  Spi- 
rans in  den  verschlusslaut  begriffen  und  teilweise  ist  dieser 
Übergang  schon  vollzogen. 

Im  anlaut  haben,  soweit  unsere  Zeugnisse  zurückgehen,  die 
den  indogermanischen  medienaspiraten  entsprechenden  laute 
eine  andere  gestalt  als  im  inlaut.  Doch  bleibt  es  immer  un- 
sicher, ob  schon  im  gotischen  wirkliche  explosivlaute  bestanden, 
und  im  altniederdeutschen  und  angelsächsischen  ist  sicher  zum 
teil  gutturaler  spirant  das  älteste.  Es  fragt  sich  nun.,  in  wel- 
cher weise  diese  zweiheit  auf  die  unzweifelhaft  früher  beste- 
hende einheit  zurückzuflihren  ist.  Ist  diespirans  aus  dem  ver- 
schlusslaute oder  der  verschlusslaut  aus  der  spirans  oder  beide 
unabhängig  aus  einem  dritten  laute  entstanden?  Erstereswar 
bisher  die  allgemeine  annähme,  indem  man  den  verschlusslaut 
vielfach  da  ansetzte,  wo  wir  die  spirans  erkannt  haben,  und 
indem  man  die  mit  recht  oder  mit  unrecht  im  inlaut  angesetz- 
ten verschlusslaute  für  ursprünglich  hielt,  während  wir  ihre 
entstehung  aus  den  reibelauten  nachgewiesen  haben.  Somit  ist 
dieser  ansieht  der  boden  entzogen.  Es  ist  gar  keine  veran- 
lassung anzunehmen,  dass  die  spirans  erst  aus  dem  verschluss- 
laute entstanden  sei,  um  dann  wider  teilweise  in  denselben 
überzugehen.  Viel  grössere  Wahrscheinlichkeit  hat  die  zweite 
möglichkeit,  die  entstehung  des  verschlusslautes  aus  der  spirans. 
Sie  stimmt  durchaus  zu  dem  grundzuge  der  dargestellten  ent- 
wickelung.  Was  ist  wahrscheinlicher,  als  dass  derselbe  zug, 
welcher  einen  langen  Zeitraum  hindurch  die  tönende  spirans 
im  inlaut  und,  soweit  gelegenheit  dazu  war,  auch  im  anlaut 
zum  verschlusslaut  hindrängte,  auch  schon  eine  kurze  zeit  vor 
der  periode  wirksam  gewesen  ist,  aus  der  unsere  ältesten  denk- 
mäler  stammen?  Ja  er  muss  es  sogar,  da  er  bereits  im  goti- 
schen inlautend  nach  n,  r,  l,  z  unzweifelhaft  gewirkt  hat.  Gleich- 
zeitig mit  dem  gemeingermanischen  übergange  nach  nasalen 
kann  auch  der  im  anlaut  stattgefunden  haben.    Wir  sehen  auch 


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ZUR  LAUTVERSCHIEBUNG.  195 

sonst  in  der  deutschen  lautgeschichte  den  inlaut  nach  conso- 
nanten  in  gleicher  weise  behandelt  wie  den  anlaut.  Dass  der 
anlaut  den  verschlusslaut  mehr  liebt,  als  der  inlaut,  besonders 
zwischen  yokalen,  zeigen  das  englische,  schwedische  und  dä- 
nische. Die  dritte  möglichkeit  ist  noch  ins  äuge  zu  fassen,  ob 
etwa  die  entwickelung  der  indogermanischen  laute  von  anfang 
an  oder  von  einer  bestimmten  noch  vor  der  einfachen  spirans 
und  dem  einfachen  verschlusslaute  liegenden  Übergangsstufe  an 
für  den  an-  und  inlaut  verschiedene  wege  eingeschlagen  hat. 
Diess  führt  uns  aber  auf  die  frage  nach  der  ursprünglichen  be- 
schaffenheit  der  zu  gründe  liegenden  laute  in  der  indogerma- 
nischen Ursprache. 

Hierüber  sind  nun  drei*)  verschiedene  ansichten  aufgestellt. 
Die  eine  behauptet  wirkliche  aspiraten,  die  zweite  aflfricaten, 
die  dritte  einfache  Spiranten,  Die  letzte  ist  jetzt  wol  allgemein 
aufgegeben.  Der  streit  dreht  sich  nocli  um  die  erste  überwie* 
gend  anerkannte  und  die  zweite  von  ß.  v.  Raumer  und  Scherer 
vertretene.  Es  würde  uns  zu  weit  ftthren  alles,  was  zu  gunsten 
der  einen  oder  andern  ansieht  vorgebracht  ist,  hier  noch  ein- 
mal zu  widerholen.  Ich  halte  dafttr,  dass  der  beweis  für  die 
ursprünglichkeit  der  aspiraten  im  sanskrit  und  griechischen  ge- 
liefert ist  durch  Curtius,  Grundzüge  ^  383  ff.  und  Ascoli,  Ver- 
gleichende lautlehre  149  ff.,  wenn  ich  auch  einige  der  von  ihnen 
vorgebrachten  argumente  nicht  gelten  lassen  kann.  Die  auf- 
fassung  der  laute  als  Spiranten  ist  auch  von  ß.  v.  Raumer  sehr 
gründlich  widerlegt,  Sprachwissenschaftliclie  scliriften  96  ff.  383  ff. 
Gegen  die  affricaten  entscheidet  meiner  Überzeugung  nach  die 
metrik  des  griechischen  und  des  sanskrit.  Wenigstens  kann 
ich  mir  noch  keine  Vorstellung  von  den  ßaumerschen  affricaten 
machen,  die  kein©  positionmachende  doppellaute  sein  sollen. 
Scherer  (zeitschr.  f.  d.  östr.  gymn.  XII,  641)  hält  durch  den 
Übergang  von  tva  in  ifa,  den  er  als  assimilation  des  organes 
auffasst  (ta  =  isa),  die  affricaten  im  sanskrit  für  bewiesen. 
Aber  um  eines  solchen  einzelnen  lauttiberganges  willen,  für  den 
eine  andere  auffassung  sehr  wol  denkbar  ist,  kann  man  nicht 


*)  Von  dem  streite  über  die  ursprüngliche  tonbegabtheit  oder  tonlo- 
ßigkeit  dieser  laute,  welche  letztere  noch  in  neuerer  zeit  durch  Rud.  v. 
Ramner  vertreten  wird,  kann  ich  für  unsern  zweck  absehen. 


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196  PAUL 

alle  entgegenstehenden  argumente  ignorieren.  Die  verwande- 
lung  einer  Verbindung  von  zwei  homorganen  tönenden  lauten 
in  eine  von  zwei  durch  das  organ  wie  durch  den  stimmton  ver- 
schiedenen lauten  bleibt  eine  unlösbare  physiologische  Schwie- 
rigkeit, während  der  entgegengesetzte  Vorgang  leicht  begreiflich 
und  durch  reichliche  analogieen  gestützt  ist.  Wir  wollen  trotz- 
dem auf  alle  drei  aufgestellten  ansichten  rücksicht  nehmen  und 
sehen,  wie  sich  nach  einer  jeden  unsere  frage  stellt.  Wären 
die  indogermanischen  laute  Spiranten  gewesen,  so  wäre  die 
frage  einfach  entschieden.  Es  wäre  dann  selbstverständlich  nur 
die  zweite  von  uns  angesetzte  möglichkeit  anzunehmen.  Die 
Spiranten  wären  im  germanischen  inlautend  zunächst  geblieben, 
anlautend  in  verschlusslaute  tibergegangen.  Schwieriger  ist  es, 
wenn,  was  unzweifelhaft  der  fall  ist,  eine  von  den  beiden  an- 
dern ansichten  richtig  ist,  über  den  gang  der  entwickelung  zu 
entscheiden.  Die  Vertreter  beider  nehmen  übereinstimmend  an, 
dass  das  hinter  dem  verschlusslaut  stehende  dement  abgefallen 
sei,  der  hauch  oder  die  homorgane  spirans,  und  so  die  media 
entstanden.  Man  beruft  sich  dabei ,  Scherer  allerdings  nicht, 
auf  die  Übereinstimmung  der  iranischen,  slavischen,  litauischen 
und  keltischen  sprachen,  ftir  die  man  die  gleiche  entwickelung 
annimmt.  Namentlich  wird  der  Übergang  im  slavischen  und 
litauischen  mit  dem  im  germanischen  in  historischen  zusammen- 
hanggesetzt, und  man  sieht  darin  den  beginn  der  lautverschie- 
bung,  der  noch  in  die  periode  der  slavodeutschen  Spracheinheit 
fallen  soU.  Ich  stimme  mit  Scherer  darin  überein,  dass  dann 
notwendig  die  alte  und  die  neue  media  im  germanischen,  wie 
im  slavischen,  zusammengefallen  sein  müsten.  Es  lässt  sich 
hierbei  auch  nicht  wol  eine  Zwischenstufe  denken,  bis  zu  wel- 
cher etwa  nur  das  deutsche  gemeinsam  mit  dem  slavischen  ge- 
gangen wäre.  Der  hauch  war  entweder  weg  oder  noch  da. 
Eine  andere  art  von  Zwischenstufe  ist  noch  angenommen,  näm- 
lich, dass  zwar  der  hauch  im  slavodeutschen  verschwunden, 
zunächst  aber  geflüsterte  media  entstanden  sei,  die  dann  unab- 
hängig im  slavischen  und  deutschen,  im  letzteren  erst  nach  der 
Verschiebung  der  media  zur  tenuis,  tönend  geworden  sei.  Aber 
der  weg,  den  die  media  zur  tenuis  nahm,  ging  notwendig  durch 
die  geflüsterte  media  hindurch,  und  es  muste  so  zusammen- 
fall eintreten.    Wurde  die  medien-aspirata  oder  aflfricata  zur 


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ZUR  LAUTVERSCHIEBUNG.  197 

media  durch  abfall  des  zweiten  elements,  so  kann  diess  erst  nach 
der  Verschiebung  der  media  zurtenuis,  also  auch  erst  nach  der 
Verschiebung  der  ursprünglichen  tenuis*)  auf  speciell  germani- 
schem boden  geschehen  sein,  wie  auch  Scherer  annimmt;  man 
darf  sich  also  nicht  zur  stütze  dieser  ansieht  auf  die  übrigen 
sprachen  berufen.**)  Wir  werden  also  ein  recht  haben  ledig- 
lich die  älteste  lautgestaltung  des  germanischen  mit  der  des 
indogermanischen  zu  a  ergleichen  und  zusehen,  auf  welche  weise 
sich  dieselben  am  einfachsten  vermitteln.  Wir  haben  gesehen, 
dass  wir  im  germanischen  für  den  inlaut  auf  die  spirans  als 
das  älteste  kommen,  und  dass  es  unwahrscheinlich  ist,  dass 
dieselbe  aus  der  media  entstanden  ist.  Ein  sehr  häufiger  laut- 
übergang  ist  die  enistehung  tonloser  spirans  aus  tonloser  aflfri- 
cata  oder  aspirata  durch  die  affricata  hindurch.  Danach  ist 
es  auch  die  nächstliegende  annähme,  dass  die  germanischen 
tönenden  Spiranten  aus  den  medienaspiraten  durch  die  medien- 
affjicaten  hindurch,  oder,  wenn  man  doch  letztere  für  ursprüng- 
lich halten' wollte,  noch  einfacher  aus  diesen  entstanden  sind. 
Für  den  anlaut  könnte  man  nun  bei  der  alten  theorie  von  dem 
abfall  des  hauches  oder  Spiranten  stehen  bleiben.  Dann  hätten 
wir  also  von  vornherein  oder  von  der  Zwischenstufe  der  medi- 
enaflfricaten  an  verschiedene  entwickelung  des  an-  und  Inlautes. 
In  dieser  fassung  ist  die  lehre  von  der  Verschiebung  der  aspi- 
raten  von  E.  Sievers  bereits  in  seiner  im  Wintersemester  71/72 
gehaltenen    Vorlesung    über  deutsche    grammatik  vorgetragen. 


*)  Für  die  priorität  der  Verschiebung  der  tenuis  vor  der  der  media 
liesse  sich  vielleicht  ausser  dem  von  Scherer  gegebenen  beweis,  gegen 
den  meiner  Überzeugung  nach  kein  widersprach  möglich  ist,  die  gotische 
namensform  Kreks  =  Grcecus  anführen,  die  auch  dem  althochdeutscllen 
Kriach  zu  gründe  liegt.  Sie  würde  sich  vielleicht  so  erklären,  dass  das 
wort  in  einer  zeit  entlehnt  wurde,  als  die  Verschiebung  der  tenuis  bereits 
vollzogen  war,  die  der  media  noch  nicht,  so  dass  es  nur  noch  von  der 
letzteren  betroflfen  wurde. 

**)  Man  müste  dann  etwa  annehmen,  dass  die  lautverschiebung  in 
eine  zeit  zurückreicht,  in  welcher  das  deutsche  noch  ein  dialekt  der  indo- 
germanischen Ursprache  war,  der  mit  den  übrigen  dialekten  in  ununter- 
brochenem zusammenhange  stand.  Ich  glaube  nicht,  dass  jemand  diess 
wahrscheinlich  finden  wird.  Dass  das  in  der  vorigen  anmerkung  ange- 
führte argument  dagegen  streitet,  wage  ich  nicht  geltend  zu  machen,  da 
es  doch  nur  eine  unsichere  Vermutung  bleibt. 


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198  PAUL 

Es  lässt  sich  indessen  zunächst  kein  gnind  einsehen,  warum 
in-  und  anlaut  ganz  verschiedene  wege  eingeschlagen  haben 
sollten.  Dann  aber  scheint  mir  der  gewöhnlich  als  etwas  so 
leichtes  angesehene  abfall  des  hauches  oder  der  homorganen  Spi- 
rans von  physiologischer  seite  höchst  bedenklich.  Es  ist  häufig, 
dass  hauchlose  tenuis  aspiriert  wird,  aber  einmal  vorhandene 
aspiration  pflegt  nicht  spurlos  zu  verschwinden.  Die  aus  dem 
nordischen  und  dem  neugriechischen  beigebrachten  beispiele 
vom  Verlust  des  hauches  in  harten  aspiraten  sind,  wie  wir  ge- 
sehen haben,  anders  zu  fassen.  Verändern  sich  die  aspiraten 
so  gehen  sie  in  affricata  und  dann  in  spirans  über.  Noch  we- 
niger hat  der  abfall  der  spirans  in  der  aflfricata  irgend  welche 
Wahrscheinlichkeit.  Wir  haben  gesehen,  dass  die  dafür  nament- 
lich aus  dem  englischen  angefahrten  beweise  nicht  zutreffen. 
Ein  solcher  abfall  mtiste  wie  jeder  ausfall  eines  consonanten 
in  einer  consonantenverbindung  auf  assimilation  beruhen.  Es 
ist  aber  ein  allgemeines  gesetz,  dass  in  der  regel  der  zweite 
laut,  über  den  ersten  den  sieg  davonträgt ,  und  ein  hoch  allge- 
meineres, dass  die  dauerlaute  ein  entschiedenes  übergewicht  über 
die  momentanen  behaupten.  Daher  die  Verwandlung  der  affri- 
cata zur  spirans.  Nehmen  wir  also  an,  dass  sich  die  aspiraten 
im  anlaut  zunächst  in  gleicher  weise  wie  im  inlaut  zu  Spiran- 
ten entwickelten  und  daraus  erst  zu  tönenden  verschlusslauten. 
Das  stimmt  völlig  zu  dem,  was  wir  bloss  vom  Standpunkte  des 
germanischen  aus  als  wahrscheinlich  erkannt  haben. 

Ist  diess  die  richtige  auffassung  der  entwickelung,  so  wird 
die  von  Scherer  aufgestellte  reihenfolge  der  Verschiebung  (tenuis 
media,  aspirata  oder  affricata)  wider  zweifelhaft.  Die  Verschie- 
bung der  aspirata  zur  spirans  konnte  hinter,  zwischen  und  vor 
die  beiden  andern  Verschiebungen  fallen,  ohne  dass  eine  Ver- 
mischung eintrat.  Nur  muss  der  Übergang  der  spirans  in  die 
media  nach  der  Verschiebung  der  alten  media  erfolgt  sein.  Es 
wäre  also  ins  äuge  zu  fassen,  ob  nicht  doch  gründe  vorhanden 
sind,  die  uns  bestimmen  die  Verschiebung  mit  den  aspiraten  be- 
ginnen zu  lassen  und  ob  dann  nicht  doch  ein  historischer  Zu- 
sammenhang mit  den  verwanten  sprachen  besteht.  Wir  betre- 
ten hier  allerdings  ein  gebiet,  auf  dem  sich  kaum  etwas  ande- 
res aufstellen  lässt,  als  mehr  oder  minder  wahrscheinliche  hypo- 
thesen.    Folgendes,  worauf  ich  vonherrn  professor  Leskien  auf- 


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ZUR  LAUTVERSCHIEBUNG.  199 

merksam  gemacht  worden  bin,  Hesse  sich  vielleicht  für  die  Pri- 
orität der  Verschiebung  der  aspiraten  geltend  machen.  Das  t 
in  den  praeteritis  mahta,  ohta  und  dem  im  got.  nicht  überlie- 
ferten, aber  vorauszusetzenden  dauhta  kann  nicht  wie  in  thahta, 
(iihta,  mosia  etc.  durch  assimilation  an  den  voraufgehenden  con- 
sonanten  entstanden  sein.  Man  könnte  sich  nun  den  Vorgang 
so  denken:  durch  die  Verschiebung  der  aspiraten  zur  Spirans 
entstanden  zunächst  may^a,  oybaj  duyba  (mit  /  bezeichne  ich 
die  gutturule  tönende  spirans);  da  aber  einespirans  hinter  einer 
anderen  die  neigung  hatte  in  den  verschlusslaut  überzugehen, 
wie  wir  auch  an  den  praeteritis  thahta  etc.  sehen  können,  und 
wie  es  sich  auch  in  den  späteren  germanischen  dialekten,  na- 
mentlich im  altn.  zeigt,  so  erfolgte  hier  dieser  Übergang  viel- 
leicht alsbald  vor  der  Verschiebung  der  alten  media  und  das 
neue  d  wurde  dann  durch  denselben  akt  wie  diese  zur  tenuis 
verschoben.  Für  vollkommen  sicher  will  ich  diese  erklärung 
nicht  ausgeben,  da  sich  in  den  praeteritis  noch  andere  Unregel- 
mässigkeiten zeigen  z.  b.  ku7ipa. 

Ein  Zusammenhang  mit  den  verwanten  sprachen,  welche 
die  aspirata  zur  media  entwickelt  haben,  der  allerdings  von 
vornherein  sehr  wahrscheinlich  ist,  war  bei  der  bisherigen  auf- 
fassung  der  Verschiebung  unmöglich.  Durch  unsere  aufstellung 
gewinnen  wir  zunächst  die  möglichkeit  die  verwandelung  der 
aspiraten  vor  die  andern  Verschiebungsakte  zu  stellen.  Wenn 
aber  ein  Zusammenhang  mit  den  übrigen  sprachen  bestehen 
sollte,  so  müste  auch  der  gang  der  Verschiebung  in  diesen  der- 
selbe wie  im  germanischen  gewesen  sein.  Es  fragt  sich,  ob 
dies  möglich  oder  vielleicht  wahrscheinlich  ist.  Wir  haben  ge- 
sehen wie  mislich  es  mit  der  erklärung  der  media  aus  abfall 
des  hauches  oder  des  homorganen  Spiranten  bestellt  ist.  Die 
vielfach  angezweifelte  möglichkeit  des  Überganges  aus  der  spi- 
rans in  den  verschlusslaut  glaube  ich  durch  meine  Untersuchung 
festgestellt  zu  haben.  Der  einzige  weg  einen  historischen  Zu- 
sammenhang oder  auch  nur  eine  analogie  des  Überganges  zwi- 
schen dem  germanischen  und  den  übrigen  sprachen  herzustel- 
len, bleibt  die  annähme,  dass  in  ihnen  allen  die  aspirata  zu- 
nächst zur  Spirans  und  dann  zur  media  geworden  sei. 

Es  wäre  nun  zu  untersuchen,  ob  sich  für  diese  annähme 
noch  aus  den  einzelnen  sprachen  gründe  beibringen  Hessen.  Inj 


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200  PAUL 

Zend  stehen  anlautend  h,  g,  d,  inlautend  bh,  gh,  dh,  welche 
letzteren  gewöhnlich  als  Spiranten  aufgefasst  werden.  Aller- 
dings hatAscoli  in  denStudj  Irani,  articolo  primo  (vgl.  Kuhns 
zeitschr.  17,  135  ffi)  den  nach  weis  zu  führen  gesucht,  dass  man 
im  Zend  wirkliche  tonlose  und  tönende  aspiraten  anzunehmen 
habe.  Soweit  ich  darüber  urteilen  kann,  halte  ich  durch  As- 
colis  ausflihrungen  die  ältere  ansieht  noch  nicht  für  widerlegt. 
Namentlich  wird  die  entstehung  von  tönender  aspirata  aus 
alter  media,  wie  sie  Ascoli  annehmen  muss,  da  auch  diese  im 
inlaut  durch  hh,  gh,  dh  vertreten  wird,  eine  physiologische  Un- 
möglichkeit bleiben.  Sind  hh,  gh,  dh  Spiranten,  so  haben  wir 
ein  ganz  ähnliches  Verhältnis  wie  im  deutschen.  Nur  freilich 
lässt  sich  die  ursprtlnglichkeit  dieser  Spiranten  nicht  erweisen 
weil  sie  auch  für  die  alte  media  stehen,  also  auch,  wo  sie  die 
aspirata  vertreten,  erst  aus  der  media  entstanden  sein  können. 
Doch  kann  man  auch  nicht  mit  Sicherheit  behaupten,  dass  letz- 
teres der  fall  ist.  Es  ist  leicht  möglich,  dass  durch  dieselben 
Ursachen  die  spirans  im  inlaut  erhalten  blieb,  durch  welche  die 
media  in  sie  verwandelt  wurde,  ja  sogar,  dass  der  Wechsel 
zwischen  verschluss-  und  reibelaut,  der  bei  der  alten  aspirata 
bestand,  auch  auf  die  alte  media  einwirkte,  und  so  eine  aus- 
gleichung  eintrat.  Dasselbe  Verhältnis  haben  wir  im  dänischen, 
wo  im  inlaut  die  aus  der  tenuis  erweichten  medien  zu  Spiran- 
ten werden.  Aehnlich  ist  auch  der  Wechsel  von  o  und  u  im 
germanischen,  die  sich  in  ganz  analoger  weise  verhalten,  mag 
a  oder  u  der  grundvokal  und  demnach  o  oder  u  das  ältere 
sein.  Wir  können  also  aus  dem  Zend  nichts  mit  Sicherheit  für 
noch  gegen  unsere  hypothese  beibringen. 

Ebenso  lässt  uns  das  keltische  in  ungewisheit.  Auch  im 
altirischen  stehen  im  inlaut  tönende  Spiranten,  gewöhnlich  als 
aspiraten  bezeichnet.  Es  unterliegt  aber  wol  keinem  zweifei 
dass  die  irischen  aspiraten  als  Spiranten  zu  fassen  sind.  Inder 
ältesten  zeit  wird  allerdings  noch  die  einfache  media  geschrie- 
ben; aber  ihr  Wechsel  mit  den  harten  aspiraten  (spiranten) 
macht  es  wahrscheinlich,  dass  wir  darin  nur  eine  mangelhafte 
Orthographie  zu  sehen  haben.  Aber  ebenso  wie  im  Zend  ist 
die  alte  media  gleichfalls  zur  spirans  geworden  und  ganz  mit 
der  alten  aspirata  zusammengefallen. 

Im  slavischen  und  litauischen  steht  tiberall  die  media,  nir- 


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ZUR  LAUTVERSCHIEBUNG.  201 

gends  zeigt  sich  die  spirans.  Ihr  einstiges  Vorhandensein  aber 
glaube  ich  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  aus  einem  sonst  kaum 
begreiflichen  lautübergange  schliessen  zu  können.  Es  ist  be- 
kannt, dass  in  dem  zur  casusbildung  verwanten  suffixe  bhi  das 
hh  übereinstimmend  im  slavischen,  litauischen  und  deutschen, 
soweit  die  betreffenden  casus  erhalten  sind,  in  m  übergangen 
ist.  Der  tibergang  ist  von  so  besonderer  art,  dass  er  notwen- 
dig in  die  periode  des  ungetrennten  Zusammenlebens  der  drei 
Sprachfamilien  fallen  muss.  Ebenso  ist  es  klar,  dass  die  zunächst 
vorhergehende  lautgestaltung  in  allen  dreien  dieselbe  gewesen 
ist  Ein  unmittelbarer  Übergang  von  bh  in  m  ist  undenkbar^ 
der  von  b  in  m  nicht  wahrscheinlich,  ausserdem  kann  aber  ein 
b,  wie  wir  gesehen  haben,  in  der  slavodeutschen  periode  nicht 
bestanden  haben.  Nicht  selten  dagegen  in  den  verschiedensten 
sprachen  ist  der  Wechsel  von  reinlabialer  spirans  mit  m.  Diese 
werden  wir  als  die  notwendige  Zwischenstufe  zwischen  bh  und 
m  betrachten.  Nun  ist  es  aber  durchaus  nicht  wahrscheinlich, 
dass  bh  nur  in  diesem  falle  in  die  spirans  tibergegangen  sein 
sollte,  während  es  sich  sonst  ganz  anders  entwickelt  hätte* 
Alles  stimmt  vortrefflich,  wenn  unsere  hypothese  richtig  ist 

Eine  hypothese  kann  allerdings  unsere  ansieht  nur  ge- 
nannt werden;  aber  man  wird  ihr  mindestens  die  selbe  Wahr- 
scheinlichkeit zugestehen  müssen,  als  der  hypothese  vom  abfall 
des  hauches,  die  flir  etwas  unbestreitbar  feststehendes  ausge- 
geben wird.  Wir  würden  also  nach  unserer  auffassung  für 
das  iranische ,  slavische,  litauische ,  germanische  und  keltische 
als  das  zunächst  zu  gründe  liegende  gemeinsame  die  tönende 
spirans  anzusehen  haben.  Vom  Standpunkte  dieser  sprachen 
aus  könnten  wir  nicht  weiter  gelangen,  und  es  stände  nichts 
im  wege  darin  das  ursprüngliche  zu  sehen.  Aus  ihnen  lässt 
sich  auch  kein  argument  gegen  die  ursprünglichkeit  der  me- 
dienafifricaten  beibringen,  wenn  sie  auch  eben  so  wenig  durch 
sie  gefordert  wird.  Die  entscheidung  ist  aus  dem  sanskrit  und 
griechischen  herzuholen  und,  insofern  die  Verhärtung  der  itali- 
schen Spiranten  mit  der  der  griechischen  aspiraten  in  zusammen- 
hange steht  und  richtig  aus  assimilation  an  das  tonlose  h  er- 
klärt wird,  indirekt  auch  aus  den  italischen  sprachen. 

LEIPZIG.  HEßMANN  PAUL. 


Beiträge  zur  geschichte  der  deatschen  spräche.    I.  *4 

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KRITISCHE  BEMERKUNGEN  ZU  MITTELHOCH- 
DEUTSCHEN GEDICHTEN. 


1.    Zu  Wolframs  liedern. 

Im  ersten  liede  3,1 — 4,7  ist  nicht  einzusehen,  worauf  sich 
die  versabteilung  bei  3,8.  19.  4,4  gründet.  Die  betreffenden 
Zeilen  sind  mit  der  jedesmal  folgenden  in  eine  zeile  zusammen- 
zuziehen. Deshalb  sowol,  als  weil  der  sinn  dadurch  gewinnt, 
wird  18 — 20  zu  interpungieren  sein: 

zrvd  herze  und  einen  ftp  hän  wir: 
gar  ungescheiden  unser  triuwe  mit  einander  vert. 
3, 25. 26  hat  die  handschrift:  sus  der  iac  erschein  rveindm  ougen. 
Eine  änderung  ist  nötig.  Lachmann  vermutete  beschän.  Aber 
in  26  wird  nach  analogie  des  ersten  stellen  und  der  andern 
Strophen  ein  auftakt  verlangt  Ich  schlage  daher  vor  erschein 
beizubehalten  und  üf  vor  weindiu  einzuschieben,  vgl.  5,2.  — 
Nach  3,  23  ist  ein  kolon  zu  setzen;  alsus  bezieht  sich  auf 
die  im  folgenden  gegebene  beschreibung  des  Urlaubs  vgl.  5, 
14.  7, 10. 

5,18.  19:  ich  ger  (mir  wart  auch  nie  diu  gir 
verhabet)  min  ougen  swingen  dar. 

Ich  zweifle,  ob  sich  zu  einer  solchen  klammer  zwischen 
dem  verb.  fin.  und  dem  dazu  gehörigen  inf.  ein  beispiel  finden 
wird.  Schön  ist  sie  jedenfalls  nicht.  Transitives  swingen  mit 
diu  ougen  als  object  kommt  meines  wissens  sonst  nicht  vor;  da- 
gegen wird  das  intransitive  swingen  sehr  oft  von  den  äugen  ge- 
braucht. Ich  ger  ist  hier  offenbar  der  zunächst  vom  falken  ge- 
brauchte terminus  technicus  und  kann  demnach  nicht  einen  inf. 
bei  sich  haben.  Es  wird  daher  die  klammer  zu  streichen  und 
kommata  dafür  zu  setzen,  swingen  vielleicht  in  swüngen  zu  än- 
dern sein:  Mir  wurde  niemals  die  gir  gehemmt,  dass  meine 
äugen  sich    nicht  dahin  geschwungen  hätten.    Auch   swingent 


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KRITISCHE  BEMERKUNGEN.  203 

würde  gut  sein.  Der  eonj.  praes.  würde  sichwol  nicht  vertei- 
digen lassen. 

Ueber  das  folgende  lied  hat  ausführlich  gehandelt  Lucae 
„De  nonnuUis  locis  Wolframianis."  Ich  will  mich  nicht  auf 
eine  Widerlegung  der  ansichten  desselben  einlassen,  die,  glaube 
ich,  von  ihm  selbst  nicht  mehr  aufrecht  erhalten  werden.  Ich 
schlage  vor  nach  5,  36  und  38  ein  komma,  nach  39  ein  kolon 
zu  setzen.  Ich  würde  dann  etwa  so  übersetzen:  Du  sangst 
immer  die  klage  der  heimlichen  liebe  (d.  h.  dein  sang  war  ihr 
immer  veranlassung  zur  klage),  das  bittere  nach  dem  süssen 
(als  apposition),  so  dass  die  sich  scheiden  musten,  welche 
minne  und  weiblichen  gruss  auf  solche  weise  (zurückzubeziehen 
auf  helnde,  also  heimlich)  empfingen.  —  alsd  5,  38  ist  um  den 
Zeilen  5,41.  6,58  richtig  zu  entsprechen  msd  zu  verwandeln. — 
gerne  in  5, 42  fehlt  in  B  und  steht  in  C  nach  sing.  Es  scheint 
demnach  nur  ein  Schreiberzusatz  zu  sein  und  es  wird  uns  frei 
stehen  die  lücke  des  verses  durch  ein  passenderes  wort  zu  er- 
gänzen. Ich  schlage  vor  da  von  niht  mere  sine.  Es  wird  da- 
durch ein  passender  gegensatz  geschaffen  zu  dem  d^  in  z.  40. 

Das  letzte  lied  %  3 — 10,  22  ist  zuerst  von  Wackemagel, 
dann  auch  von  Lachmann  für  unecht  erklärt,  weil  es  „nichts 
als  ein  armseliges  gemisch  zusammengewürfelter  gedanken  und 
Worte  eines  nachahmers"  sei.  Ich  glaube  dieser  ansieht  mit 
gnind  widersprechen  zu  können.  Einer  aufmerksamen  betrach- 
tung  kann  es  kaum  entgehen,  dass  zwischen  den  drei  ersten 
und  den  drei  letzten  Strophen  ein  merklicher  abstand  ist.  Jene 
enthalten  eine  bitte  um  minne,  die  mit  wenig  aussieht  auf  er- 
hörung vorgetragen  wird,  und  sehr  schön  mit  dem  schmerzli- 
chen ausruf  abbricht,  dass  ein  donnerkeil  schwerer  zu  erwei- 
chen sein  würde.  Wären  sie  uns  allein  überliefert,  so  würden 
wir  sie  für  ein  vollständig  abgeschlossenes  gedieht  halten.  In 
den  letzten  Strophen  dagegen  gibt  der  dichter  eine  beschreibung 
seiner  geliebten  und  ist  glücklich  eine  so  herliche  wähl  ge- 
troffen zu  haben,  die  ihm  hohen  mut  und  freude  bereitet  Er 
spricht  nur  in  der  dritten  person  von  ihr,  während  im  ersten 
teile  die  geliebte  angeredet  wird.  Allerdings  heisst  es  auch 
9,  28  got  müeze  ir  herze  erweichen.  Doch  Hesse  es  sich  hier 
wol  rechtfertigen,  dass  der  dichter  im  gefühl  der  erfolglosig- 
keit  seiner  bitte  von  dieser  zu  einem  für  sich  gesprochenen 

14* 


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204  PAUL 

wünsche  übergeht,  üebrigens  wäre  eine  änderung  von  ir  in  dm 
der  einzigen  handschrift  gegenüber  keine  zu  grosse  kühnheit. 
Im  zweiten  teile  aber  ist  gar  keine  spur  von  dem  sehmerze  in 
dem  ersten,  gar  keine  beziehung  zu  der  bitte  oder  irgendeinem 
anderen  gedanken.  Man  könnte  ihn  auch  für  ein  selbständiges 
gedieht  halten,  wenn  nicht  der  anfang  mit  ir  ohne  alle  nähere 
bezeichnung  doch  etwas  auffallend  wäre.  Mit  grösserer  Wahr- 
scheinlichkeit können  wir  in  ihm  eine  spätere  fortsetzung  des 
liedes  von  einem  andern  Verfasser  vermuten.  Vergleichen  wir 
nun  den  stil  in  beiden  teilen,  so  springt  die  Verschiedenheit  in 
die  äugen.  Die  Ironie  gleich  im  anfange,  die  kühnen  bilder 
z.  9.  17,  die  etwas  geschraubten  Wendungen  z.  14.  20.  27  sind 
so  ganz  der  eigentümlichkeit  Wolframs  angemessen,  dass  man 
mindestens  einen  sehr  geschickten  nachahmer  annehmen  müste. 
Dagegen  enthalten  die  drei  letzten  Strophen  auch  nicht  eine 
spur  von  der  weise  Wolframs,  sie  bewegen  sich  vielmehr  ganz 
in  den  gewöhnlichen  bildem  und  phrasen  der  minnepoesie,  so 
dass  man,  auch  wenn  man  die  ersten  drei  einem  nachahmer 
zuschreiben  wollte,  sie  doch  davon  trennen  müste,  weil  die 
darstellung  im  Widerspruch  steht  zu  dem  ausgeprägten  stü  der- 
selben. Die  beobachtung  der  reime  kann  diess  resultat  nur  be- 
stätigen. Wir  finden  9,  9.  13  Her: mir,  9,  26.  29  hoch: noch, 
reime,  wie  sie  bei  Wolfram  sich  auf  jeder  seite  finden,  nichts 
der  art  im  zweiten  teile.  9,  20  reimt  gestalt  auf  gewalt,  9,  36 
gestellet  snxfgevellet;  keins  von  beiden  findet  sich  sonst  bei  Wolf- 
ram im  reim,  so  dass  ihm  dadurch  mit  Sicherheit  die  eine  oder 
die  andere  form  zu-  oder  abgesprochen  werden  könnte;  aber 
es  ist  nicht  wahrscheinlich,  dass  er  oder  ein  anderer  sie  beide 
unmittelbar  hinter  einander  sollte  gebraucht  haben.  Vielleicht 
lässt  sich  auch  behaupten,  dass  der  fortsetzer  das  metrum  des 
ursprünglichen  liedes  nicht  ganz  richtig  aufgefasst  hat.  Es 
scheint,  dass  je  die  erste  und  zweite  zeile  der  stellen  in  eine 
zeile  zusammenzufassen  sind  und  innerer  reim  anzunehmen  ist, 
'da  die  zweiten  zeilen  nur  dann  einen  auftakt  haben,  wenn  das 
tonlose  e  des  vorhergehenden  reim  wertes  davor  elidiert  werden 
kann,  9,  4.  15,  dagegen  nicht  9,  7.  18.  26.  29.  Im  zweiten 
teile  ist  das  nicht  durchzuführen.  Zwar  9, 40  könnte  sist  leicht 
gestrichen  werden;  aber  40,  2.  5  ist  eine  änderung  nicht  mög- 
lich, und  die  einzige  aushülfe  wäre  höchstens,  dass  etwa  die 


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KRITISCHE  BEMERKUNGEN.  205 

kärzungen  lacht,  macht  im  innern  reime  fttr  erlaubt  gelten 
könnten.  Doch  davon  abgesehen  glaube  ich,  dass  die  andern 
kriterien  schwer  genug  wiegen,  um  zwei  Verfasser  zu  consta- 
tieren,  als  deren  einen  Wolfram  anzuerkennen  wir  durch  nichts 
behindert  sind. 


2.  Zu  Hartmanns  erstem  büchlein. 
Trotz  der  vielen  glücklichen  nachbesserungen  Bechs  bleiben 
in  dem  ersten  büchlein  immer  noch  viele  verdiörbnisse,  von  de- 
nen wenigstens  einen  kleinen  teil  die  nachfolgenden  bemer- 
kungen  zu  beseitigen  suchen.  20.  dar  umbe  wolt  em  immer  (er 
nymmer  die  hs.^  (ragen  gibt  so  keinen  angemessenen  sinn.  Er 
Würdeden  kämpf  doch  auch  getragen  haben,  wenn  er  ihn  einem 
andern  gesagt  hätte.  Für  immer  wird  eine  zu  lesen  sein,  vgl. 
310.  daz  herze  hiez  michz  eine  tragen,  —  100.  ^^m  ir  gruo  zeich 
dicke  neic  würde  einmal  die  Sonderbarkeit  enthalten,  dass  die 
dame  zuerst  gegrüsst  hätte.  Ferner  ist  nicht  anzunehmen,  dass 
der  dichter,  nachdem  er  ihr  seinen  sinn  geoffenbart  hat,  sich 
nicht  mehr  vor  ihr  verneigt  hätte. '  Anzunehmen  aber,  dass  er 
damit  nur  hätte  sagen  wollen,  dass  er  sich  zwar  noch  verneigt 
hätte,  aber  nur  nicht  auf  ihren  gruss  hin,  würde  der  einfachen 
redeweise  Hartmanns  widersprechen.  Auch  schliesst  sich  das 
folgende  nicht  gut  an.  Es  ist  zu  lesen  gein  minem  gruoze  se 
dicke  neic,  —  115.6.  hcete  ^  mich  doch  als  e,  so  gerte  ich  allez 
(so  Lachmann,  aller  die  hs.)  gnaden  me.  Der  Zusammenhang 
verlangt  notwendig  den  sinn:  behandelte  sie  mich  doch  wenig- 
stens wie  früher,  ehe  ich  ihr  meine  liebe  erklärt  hatte,  so  wäre 
ich  schon  zufrieden.  Ich  weiss  nichts  besseres  vorzuschlagen 
für  aller  als  keiner,  welches  dem  sinne  vollständig  genügt,  aller- 
dings von  der  hs.  sich  etwas  stark  entfernt.  —  238.  dd  dühte 
si  ez  verloren  baz  ist  sinnlos,  baz  könnte  nicht  noch  bei  verloren 
stehen.  Lies  verboren,  —  257.8.  daz  er  sine  knehte  hoene  rvol 
nach  rehte,  hoene  ist  conjectur  Lachmanns,  die  hs,  hat  lone. 
Der  Zusammenhang  verlangt,  dass  diess  beibehalten  werde. 
Das  ist  von  Bech  geschehen.  Aber  lönen  regiert  niemals  den 
acc.  Ich  schlage  daher  vor :  daz  er  sinen  knehien  Idne  wol  nach 
dem  rehten.  Das  substantivierte  sw.  n.  daz  rehte  ist  im  mhd. 
wb.  n.  1  613  genügend  belegt,  wenn  auch  zufällig  nicht  mit  der 


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206  PAUL 

praep.  nach.  Vielleicht  gehören  hierher  auch  noch  mehrere 
stellen^  welche  ebenda  612  b  unter  das  sw.  m.  gestellt  werden, 
sicher  z.b.  Vrld  158, 1.  —  Hinter  293  ist  ein  komma  zu  setzen 
und  294  'waz  in  swaz^  freude,  wie  schon  von  Bech  geschehen 
ist,  in  freu4m  zu  verwandeba.  Die  construction  ist:  wenn  ich 
daran  (d.  h.  an  das  vorher  erwähnte)  denke,  so  erlöschen  alle 
freuden,  die  ich  je  hatte.  —  309  ist  hinter  getar  einzuschieben 
ez  und  die  anftthrungsstriche  in  310  zu  streichen:  ich  wage  es 
niemand  zusagen,  denn  das  herz  gebot  mir  es  allein  zutragen, 
vgl  18  ff,  —  386  ist  wol  die  änderung  von  mir  in  dir  geboten. 

—  451  konnte  statt  diu  das  sb  der  hs.  beibehalten  werden.  — 
474  daz  het  ich  Heller  vemomen.  Dass  lieber  von  dem  Schreiber 
für  das  ältere  gemer  eingesetzt  ist,  ist  klar,  und  Bech  hatte 
grund  diess  wider  herzustellen.  Aber  der  comparativ  ist  nicht 
zu  rechtfertigen  und  weiter  in  gerne  zu  ändern,  vgl.  436:  und 
rvolt  ez  gerne  vememen;  gerner  fttr  gerne  hat  die  hs.  auch  1028. 

—  Nach  568  ist  besser  ein  kolon,  nach  569  ein  konoana  zu 
setzen.  —  Nach  720  ist  ein  komma  zu  setzen,  721. 2  die  klam- 
mer zu  streichen,  723  hörte  fttr  hoeret  zu  schreiben.  Die  con- 
struction ist:  wie  gross  mein  schade  auch  ist,  so  würde  mich 
doch  niemand  klagen  hören,  wäre  es  nicht  (rvan)^  dass  du  mir 
das  nicht  erlässt.  —  761  ist  wol  besser  umzustellen:  dem  got 
daz  hal  enteil  getan,  als  relativsatz  zu  fassen.  —  807.  got  also  guot, 
ich  bin  hie  ist  durchaus  unverständlich.  Die  von  Haupt  und 
Bech  verglichene  redensart  bei  Konrad  v.  Haslau  155:  dem  glich 
Jch  bin  ot  auch  hie"  dient  zur  Charakteristik  eines  prahlers,  der 
sich  überall  bemerklich  zu  machen  sucht,  und  passt  nicht  im 
geringsten  hierher.  Dagegen  ist  gewis  mit  recht  von  Bech  ver- 
glichen Er.  8855.  6,  wo  mit  der  hs.  zu  lesen  ist:  ouch  ist  mir 
daz  für  war  geseit,  got  st  noch  als  guot  als  er  ie  was.  Danach 
wird  zu  lesen  sein:  got  ist  also  guot  als  er  was  ie.  —  849  fF. 
ist  die  lesart  der  hs.  fast  unverändert  beizubehalten:  Sost  min 
gnäde  kleine  die  ich  hän :  wa7i  du  last  mich  deheinen  wän  ze  liebe 
gewinnen.  —  895.  Vor  din  ist  wol  die  einzuschieben.  —  1028. 
ouch  mäht  du  dichs  gemäzen  beruht  auf  conjektur.  Die  hs.  hat 
dich  sein  gerner  erlassen,  und  danach  ist  von  Bech  wider  her- 
gestellt ouch  mäht  da  dich  stn  gerne  erlän,  was  er  erklärt  „du 
hast  auch  grund  dich  willig  des  scheltens  zu  entschlagen." 
sich  erläzen  in  der  bedeutung  sich  eines  dinges  enthalten  ist 


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KRITISCHE  BEMERKUNGEN.  207 

von  Lexer  nur  an  zwei  stellen  aus  späten  quellen  nachgewie- 
sen. Es  wird  dich  in  mich  zu  ändern  sein.  —  1132.  swd  ersieh 
selben  {seJbs  die  hs.)  verstau  Es  ist  wol  des  selben  zu  lesen: 
sobald  er  dasselbe  merkt,  nämlich  dass  er  missetut.  —  Nach 
1144  wird  besser  ein  punkt,  1146  ein  komma  gesetzt —  1209. 
mich  ist  von  Lachmann  mit  unrecht  eingesetzt  Das  herz  soll 
dem  leibe  desto  eher  glauben,  wie  grosses  leid  er  trägt,  weil 
jenes  dasselbe  hat 


3.  Zur  guten  frau  (Haupt  11,  385  flp.) 
65.  getriufvem  friunde  ist  nütze  U.  Die  hs.  hat  Ain  getreilrvn 
fründ.  Ein  subst  nütze  ist  mhd.  nicht  nachzuweisen.  Es  wird 
zu  lesen  sein  ein  getriuwer  friunt  ist  nütze  M]  dieselbe  construc- 
tion  MS  F.  128,  37.  der  (der  getriuwe  man)  ist  leider  srvoere  U; 
Freid.  22,  2.  3.  swie  liep  daz  mensche  lebende  si,  ez  ist  doch  nach 
tode  unmeere  bt 

80  flf.  diu  juncvrouwe  und  der  kndbe 
wären  sament  zollen  stunden, 
daz  si  gedenken  künden, 
wie  holt  se  einander  wceren^ 
an  spräche  und  an  gehoeren 
minien  si  sich  su7ider, 
dazm  z. 82  kann  nicht  heissen  „seit  derzeit  dass.''   Sie  waren 
nicht  erst  von  der  zeit  an  zusammen,  wo  sie  ihre  gegenseitige 
liebe  erkannt  hatten.    Was  heisst  einen  an  der  spräche  minnen? 
ich  schlage  vor:  stunden,  sit  daz  si  gedenken  künden  an  spräche 
und  an  gebceren,  wie  holt  etc.  —  351.  hat,  lies  hete.  —  358.  ald 
ich  geloese  {glas  hs.)  mich  mi,  lies  ald  ich  geloicbe  mich  sin,  — 
568.  ez,  1.  es,  —  Nach  694  ist  ein  punkt,  nach  695  ein  komma 
zu  setzen. 

834  flf.  1.  swer  mich  da  her  zuo  iu  Jaget, 
han  wir  detn  {dem  hant  wir  Sommer)  wol  geRchen  sirtt, 
als  ichz  erhebe,  so  kumei  enzit. 
Den  gegensatz   zu  835  bildet  dann  837   wirt  aber  der  jegere 
ze  vil  —  864  ff.  1.  do  sin  begunden  nähen,  zuo  zin  er  da  {zuo 
zim  der  da  Sommer)  ha:bte  (er  ritt  auf  die  feinde  los),  gezogen- 
Hohe  er  drabte,  —  878. 9.  dd  warf  der  wol  gebome  sin  ros  hin  wider 
diu  ougen,  wol  zu  lesen  ir  ougen  (er  wante  sich  gegen  die  front 


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208  PAUL 

der  feinde).  —  1355.  grüsm  unde  vehen.  es  wird  an  dieser  stelle 
eine  reihe  von  gegensätzen  aufgestellt,   deshalb  ist  zu  lesen 
gräezen.  —  1365.  tvazy  1.  daz.  —  1378.  als  Metze  alse  {also  hs.) 
friere.  1.  aide  Triere, 
1385  ff.  diu  Mmie  d  zesamme  twanc: 

diu  kundes  tvol  gevellen 

ensamt  ze  einem  wellen  (One  sani  ze  sine  wollen  \s%.) 
Lies  gewillen  etisamt  se  einem  willen.    Ueber  willen  willig  machen 
vgl.  mhd.  wb.  III,  664 1).  —  1412.  sint  wir  1.  sin  wir.  —  1570. 
vor,  1.  V071.  —  1872.  durch  bäc,  1.  durch  den  bäc.  —  2006.  srves, 
1.  wes.  —  2486.  lieben,  1.  gelieben. 

4.  Zum  Pantaleon  (Haupt  VI,  193  ff.) 
693.  (rüten,  wol  trüte.  —  1342.  Für  er  ist  wol  ez  zu 
lesen,  auf  daz  bli  z.  1336  zu  beziehen.  Das  blei  wird  passen- 
der als  Pantaleon  mit  dem  maientau  verglichen.  Hinter  1885 
fehlt  ein  punkt,  wol  nur  durch  druckfehler.  —  Nach  2023  steht 
besser  ein  komma.  —  2035  konnte  die  lesart  der  hs.  gencedec 
unde  milte  beibehalten  werden. 


5.    Zu  Pyramus  und  Thisbe  (Haupt  VI,  504  ff.) 
68.  daz  du  uns  so  sere  keifest  nu.  1.  kellest  =  quellest  — 133. 

vor  der  hanen  kräi.  1.  hanekrät.  —  139.  ie,  1.  ir  oder  ir  ie,  auf 

Venus  137   zu  beziehen.  —  175.  und  männiclich  slafen  was.  1. 

entsläfen.  —  185.   6.  an   die    stat  do  si    im  daz    zeichen  geben 

hat.  1.  da. 

LEIPZIG.  HEEMANN  PAUL. 


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ÜBER  DIE  SPRACHE  DER  ANCREN  RIWLE 
UND   DIE  DER  HOMIUE:    HALI  MEIDENHAD. 


Wie  wir  in  der  Übersicht  der  neuags.  Sprachdenkmäler 
(pag,  57 — 88  dieses  bandes)  gesehen  haben,  ist  der  Brut  des 
Lagamon  das  einzige  nags.  denkmal,  von  welchem  wir  den 
namen  des  Verfassers  kennen.  Natürlich  haben  sich  die  engli- 
schen gelehrten  viel  gemüht,  auch  für  andre  nägs.  Schriften  die 
Urheber  festzustellen.  Wie  weit  dies  Morton  fttr  die  Anci-en 
Riwle  gelungen  ist,  haben  wir  oben  gesehen. 

Ueber  den  Verfasser  der  Bali  Meidenhad  nun  sagt  Cockayne;^) 
I  assume,  from  the  tone  of  the  tract  (viz.  B.  Meid.),  its  eager 
advocacy  of  nunneries  and  profession,  its  mixture  of  advice  and 
authority,  that  the.  writer  was  of  no  less  than  the  episcopal  order. 
A  probability  is  visible  that  he  was  also  the  author  of  the  Anc- 
ren  Riwle,  of  the  life  and  passion  of  St  Margaret,  St.  Juliana, 
StKatharine,  of  thepiece  Si  sciret  paterfamilias,  ofthe  oreisun 
of  St  Mary  and  ofother  tr^pts  now  lost  These  are  all  in  the 
same  homely,  terse,  eloquent  English  of  the  former  half  ofthe 
thirteenth  Century,  and  are  all  of  a  devotional  character,  and 
almost  all  addressed  to  meidens,  professed  and  veiled.  The 
Story  of  St  Margaret  is  distinctly  named  in  the  Ancren  Riwle  as 
known  to  the  ladies  to  whom  the  latter  piece  is  addressed,  and 
in  the  tract  now  printed,  the  examples  of  St  Katharine,  St 
Margaret,  St  Agnes,  St  Juliana,  St  Lucy,  St  Cecilia  are  re- 
commended. 

Ausser  auf  den  ton  der  ganzen  schrift  stützt  er  sich  auf 
eine  stelle  in  A.  R  p.  244: 

Nabhe  ge  pis  also  of  Ruffin  pe  deovel^  Beliales  broffer,  in  cur 
Englische'^)  hoc  of  Seinte  Margarete? 
und  auf  B.  M.  pag.  45; 

»)  vgl.  H.  M.  foreword  VI. 

*)  Unter  Englisch  kann  sowol  altags.  als  nags.  verstanden  sein  vgl. 
pag.  60,  anm.  14. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deatschen  spräche.  I.  15 


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210  WÜLCKER 

pench  0  st  kaierine,  o  st  margarete,  st  enneis,  st  ßiUene, 
st  hicie,  st  cecille  and  ope  otfre  hau  meidnes  in  hevene. 

Aus  diesen  stellen  nun  den  schluss  zu  ziehen,  der  Verfasser 
derA.  R.  und  H.  M.  habe  alle  diese  heiligenleben  nags.  nieder- 
geschrieben, ist  zum  mindesten  sehr  kühn.  Denn,  wenn  wir 
auch  die  leben  der  Margarete,  Juliane  und  Katharine  in  nag& 
spi'ache  besitzen,  gibt  es  auch  verschiedne  altags.  Margareten- 
leben, 3)  deren  eines  Cockayne  selbst  herausgegeben  hat,  4) 
ausserdem  haben  wir  das  alliterierende  altags.  gedieht  auf  Ju- 
liane,*) dann  altags.  homilien  ftber  Agnes «),  Lucie''),  Cecilie»), 
also,  ausgenommen  Katharine,  besitzen  wir  von  allen  ange- 
Alhrten  heiligen  altags.  homilien.  Es  können  sich  also  die  bei- 
den angefläirten  stellen  ebenso  gut  auf  altags.  wie  auf  nags. 
Schriften  beziehen. 

Ausserdem  befindet  sich  Cockayne  mit  sich  selbst  in  bezug 
auf  Margarete  im  Widerspruche.  Er  setzt  c.  1165  für  die  ent- 
stehungBzeit  dieses  h^ligenlebens  an  und  will,  dass  A.  R.  vom 
selben  Verfasser  sei^).  Für  diesen  Verfasser  abersieht  er  „sehr 
wahrscheinlich**  Richard  Poor  an  ^®).  Nehmen  wir  also  an,  dass 
Poor,  etwa  20  jähre  alt,  1165  das  leben  derMarg.  geschrieben 
bat,  so  mtigfte  er  84  jähre  alt  bischof  zu  Durham  geworden 
(1229)  und  im  92.  jähre  gestorben  sein.  Jedenfalls  sind  dies 
bedenkliche  annahmen.  # 

Doch  gehen  wir  nun  zur  eigentlichen  aufgäbe  über.  Cockayne 
glaubt,  A.  R.  und  H.  M.  seien  vom  selben  verfassen  Kein 
englisdier  forscher  hat  dies  bis  jetzt  zu  widerlegen  gesucht, 
wenn  auch  Morris  sich  sehr  vorsichtig  äussert  i^.    Mätzner  und 

»)  Einen  Cambridger  Corp.  Christ  cod.  bespricht  Wanley  (Hickes 
m.  134),  dann  über  Cott  Otho  B  10  vgl.  Hickes  III.  190*  und  196  da- 
ii6lb0t  wird  Tib.  A.  3.  besprochen. 

*)  vgl.  meinen  aufsatz  über  die  nags.  sprachdenkmlUer  ps^.  63 
anm.  19. 

*)  vgl.  Grein  Bibl.  der  ags.  poesie.  11.  bd.  52— 7L    ffickes  III.  281. 

•)  Hickes  187,  191,  208. 

7)  ebehd.  187,  208. 

8)  ebend.  190,  207. 
•)  S.  Marg.  pag.  6. 

^)  ▼gl*  P^'  '^^  u-  ff*  dieses  bandes. 

*^)  Morris,  0.  E.  H.  pag.  IX.  Soules  Warde  .  .  .  has  been  ascribed  to 
the  aniiior  of  the  Ancren  Biwle,  Hali  Meidenhad  and  the  smaller  treatises 
already  noticed. 


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ANCREN  RIWLE  UND  HALI  MEIDENHAD.  ?11 

Goldbeck   halten  Cockaynes    annähme   für    unwahrscheinlich, 
gehen  aber  nicht  näher  auf  eine  Widerlegung  ein  12). 

Hier  soll  nun  gezeigt  werden,  dass  sowol  aus  sprachlichen, 
alfi  auch  aus  Innern  gründen,  nicht  derselbe  mann  beide  werke 
geschrieben  haben  kann. 

Wir  beginnen  mit  dem  sprachlichen: 

a. 

Altangelsächsisch  hat  kurzes  a,  ausser  durch  d^n  umlaut^ 
vielfach  Wandlungen  erfahren.  Vor  m  und  n  schwankt  es  be- 
deutend nach  Oj  vor  den  gutturalen  r,  l  und  h  wurde  es  zu  eck 
gebrochen,  vor  andern  consonanten  wurde  es,  wenn  nicht  durch 
a,  u  oder  0  in  nächster  silbe  geschützt,  zu  ä  geschwächt. 

Hau  Meidenhad  nun  hat  meii^t  vor  m  und  n  das  a  in  0 
verdumpft,  doch  stets  findet  sich  fram  pag.  5,  7,  17,  27,  41  u, 
a.  w.  auch  framim  29,  frameb  31;  und  hwam  9,  13,  41  etc. 
Sonst  steht  0,  —  a  vor  n  hat  sich  nur  erhalten  in:  man  pag, 
17  z.  23  in  der  bedeutung  =frz.  on,  sonst  immer  mm  5,  7,  9, 11, 
15,  23  u.  a.  w;  femer  in  and  (et),  kmcrn  11,  aaum  35,  41. 

Ancren  Riwle  hat  ganz  selten  a  vor  mi  in  hrvam  und 
hwamo  blieb  a  durchweg.  Sonst  findet  sich  nur  hier  ui^d  da 
einmal  ein  o.  So  schamel  (nur  Titus)  1^6^^),  liccme  378,  aber 
sonst  $cheomel^^)  (scabeUum),  Hcome  4,y  106,  112,  152,  172,  258. 
Immer  steht  from  54,  62,  216,  356,  vrommard  92,  248  etc., 
frormard  112,  134,  294,  376,  426.  vor  n  wurde  ausser  in 
mt  z.  b.  112,  232  etc.  ^^)  mit  ganz  gerii^en  ausnahmen  a  zu 
0;  hanä^nfule  p,  146,  aber  auf  derselben  seite  hond  und  sonst 
hondhnmle  94,  114,  290,  anan  346  aber  anon  370  und  arwnriht 
18,  226,  248,  2S2,  326.  Durchgeführt  ist  htvo%  während  H.  M. 
stets  hwan  zeigt,  i®) 


<'^)  Mätzner  Altengl.  sprachpr.  I.  bd.  2.  abt.  pag.  6. 

")  Cleopatra  bat  scheomel,  Nero  aber  stol 

")  Das  e  hier  ist  natürlich  das  zu  dem  seh  gehörige,  wie  durchweg 
sonst  A.  K.  sich  findet  scheome  (pudor)  60,  108,  356,  scheomen  ^\1,  sehe- 
omeleas  170,  scheoniefuf  302,  scheomeUche  366. 

^^)  Dass  in  ani  a  blieb,  kann  so  wenig  auffallen,  als  oben  die  form 
^iwam.  Beide  formen,  finden  sich  in  altags.  Schriften,  welche  sonst  o 
durchgeführt  haben.  ' 

**)  Morton  stellt  in  seinem  glossare  neben  subst  wone  wie  es  z.  b. 
pag.  68.  vorkommt  (das  ganz  richtig  altags.  wana,  tvona  defectus  ent- 

15* 


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212  WÜLCKER 

Hali  Meidenhad:  Vor  r ist«  teils  geblieben,  teils  in  ea  ge- 
brochen^'') worden.  towardS,  5,  15,  17,  25,  29,  33u.ö.  Ebenso 
aflerward,  framward  \l  sl.  compos;  art  (es)  11,  25,  29  etc.,  hard 
(dui-us),  barm  (sinus),  armes  (brachia)  45;  arm  (pauper)  7;  37 
aber  mrw;  bearn  (infans)  35,  37;  hingegen  bamteam  31;  wear- 
nen  (monere)  37;  Garden  (habitare)  43. 

Vor  /  ist  a  selten  gebrochen  worden:  ?ialden  5,  11,  13,  17, 
19,  21  etc.  pral  (ancilla)  5,  7,  13,  daneben  prel  31.  prittißld, 
sixüfald,  kundred/ald2d]  bale,  cwalm^  7ial/y  ca//; /ä/ewi  (flavescere), 
al  (omne)  stets  mit  a.  Aber  wealden  39,  wealdent  35;  ald  15, 
37  hingegen  41  z.  28  ealdeste  dohter  und  ealdren  (parentes)  27, 
35.  Eine  brechung  des  a  vor  h  kommt  nicht  vor.  mcJite  (conj. 
praet.)  a.  v.  o.,  nie  meahte,  pu  mäht,  mähten;  tvaxen  3,  35  =  altags. 
fveaxan  ^®). 

Ancren  Riwle:  Vor  r  ist  a  teils  geblieben,  teils  zu  ea  ge- 
brochen worden,  teils  schon  zu  e  übergegangen,  armliche  328 1^); 
ageanfvard  274;  foreward  126,  310,  360;  onward  126;  bearn  82, 
272;  eam  (aquila)  134,  196;  earm  (brachium)  1 12,  394^  daneben 
erm  258,  402.  herd  (durus)  134  u.  a.  w;  Ä^rm/en  altags.  hearm- 
tan,  hermen  196,  256,  dann  immer  pu  ert;  weamen  408  neben 
wamie  53,  64;  geteward  272,  274. 

Vor/  sehr  selten  ea^  wie  healden  142 2»),  manchmal  eo:  feolle 
(infin.)  140,  feolleb  272.  Ueberhaupt  schwankt  a  vor  /  in  A.  ß. 
stark  nach  o.  unvolden  (explicare)  100;  monifold  176,  298;  feale- 
fold  180;  monivoldm  A02]  preovold  82,  88,  110;  kold  6;  old  272] 
holde  (inf.)  142;  a  hat  sich  erhalten  al,  schal,  half,  halp,  halse 
(implorare),  cwalm,  vollen  u.  a. 

a  vor  h:  eihte  12,  eihtube  14,  eihteobe  236;  monsleiht  56, 


spricht),  eine  form  rvean  distress,  pain,  der  altags.  auch  wana  entspre- 
chen soll.  Es  beruht  dies  auf  irrtum.  Altags.  findet  sich  weä  gen.  wedn^ 
hiervon  stammen  die  foi-men  mit  ea.  Die  bedentung  iniquitas,  miseria, 
malum  passt  bei  allen  von  M.  angeführten  stellen,  nicht  aber  defectus. 
Man  vergleiche  80,  108,  114,  156,  220. 

1^)  Ich  behalte  diesen  landläufigen  ansdruck  bei. 

**)  feahe  (to  vary)  geht  auf  altags.  fäh  zurück,  gehört  also  nicht 
hierher  (H.  M.  457.  20),  ebenso  feahunge  43,  15. 

*^)  Diese  form  haben  nur  Titus  u.  Cleopatra,  Nero  hat  ervedliche, 

2ö)  Nur  Titus  hat  healden.  Ferner  hat  Cleop.  pag.  162.  beoidd^ 
(confirmat),  wo  Tit.  u.  Ner.  heldeti  schreiben,  sonst  steht  baldeUcke 
62,  292,  354,  364, 


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ANCREN  RIWLE  UND  HALI  MEIDENHAD.  213 

210;  meiht  (2.  pers.)  294.  meih  230.  Vor*  x  =  hs  ist  a  geblie- 
ben, mag  es  nun  es  oder  x  geschrieben  sein,  also  wacseb  64, 
waxeti  98^  288.  In  den  meisten  fällen  ist  also  a  hier  in  e  ge- 
schwächt worden  21),  während  es  H.  M.  a  blieb. 

Hali  Meidenhad:  Vor  andern  consonanten,  als  m,  n,  r,  l, 
h  ist  a  meist  geblieben:  pat,  htvat,  fader,  aske,  after;  maken, 
makien;  was;  lat  (tardus);  gladschippe;  glad;  rabe  (cito);  ein- 
mal auch  eatelvJcest  {eatol  =  atol)  41;  zu  ^  ist  es  geschwächt 
in:  gres  (gramen)  35;  gef  {geaf)  21;  wes  11,  15,  27;  hrveter 
29,  togedere  17. 

Ancren  Riwle:  pet,  feder,  gled,  efter,  et,  sterp  (mortuus 
est),  gles,  hingegen  hac,  habhen^  blac,  water,  was  (54, 92),  immer 
hrvai  und  hrvatse, 

e. 

H.  M.  hat  e  als  umlaut  von  a,  und  von  i  in  den  stellen, 
wo  er  auch  schon  altags.  eingetreten  ist,  ebenso  verhält  es  sich 
in  der  Ancren  ßiwle.  Mithin  ist  hierüber  nichts  weiter  zu  be- 
merken, e  steht  auch  vor  r,  l,  h  öfters  z.  b.  h'erte  (cor)  29  da- 
neben heorte  3,  5,  7,  9,  11,  15,  17,  31,  43,  47  u.  s.  ßle  35  ne- 
ben feole  7,  23  in  H.  M.  —  A.  R.  hat  feh  224  oder  auch  feih 
326,  feie  132  neben  feole  320,  feolevold  180.  —  Auch  das  e 
als  indifferenten  laut  an  stelle  eines  altem  volleren  lautes  zei- 
gen H.  M.  und  A.  R.  in  ziemlich  gleicher  ausdehnung. 

Eine  eigentümlichkeit  der  H.  M,,  welche  A.  ß.  nicht  teilt, 
ist  die  häufige  ausstossung  des  e  in  compos.  von  per:  prinne 
11;  prin  7,  9,  23,  31,  33;  perin  5  z.  20;  prof  11,  13,  19,  25, 
31,  33,  43;  perof  2%  31;  pron  23,  25;  pruppe  27,  29,  31,  39 
und  peruppe  39. 

i. 

In  H.  M.  und  A.  ß.  entspricht  i  altags.  L  Die  brechung 
eo  findet  H.  M.  nur  vor  r  und  /,  nie  vor  ä,  statt:  Jieorte  3,  5, 
7,  9,  11,  15,  17,  31,  43,  45,  47  daneben  härte  29;  eorbe  5,  13, 
15,  19,  21,  25,  27.  43;  daneben  ^arö^  39  z.  35;  eor(5liche  11,23, 
27,  41,  45,  47;  georne  3,  21;  tveorreb  5,  15,  17,  35,  47;  steorre 
11;  5eör^(ferat)  15  undinf.  äbeore  17;  eorl  45;  cheorl  39,  weor- 

^0  Das  I  in  eikte-f  monsleikt  soll,  wie  unten  feih,  den  dem  tiefen 
kehllaute  vorangehenden  vokalähnlichen  ansatz  bezeichnen,  den  altags. 
mit  a  oder  o  in  ea  und  eo  ausdrückte. 


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5J14  WÜLCKER 

Ides  21  y  31  neben  worlde  29  u.  sonst.  —  Vor  /  ist  nur  zu  be- 
legen: ßole  7,  23;  ßle  aber  35. 

A.  R.  hat:  heorte,  eorbe  und  eorbene,  eortieülien;  tveorre 
rbellum)  und  vörb.  weorren.  femer  348  hat  Titus:  weore^^)  (H. 
M.  stets  wer).  Aber  rverc,  steme  u.  a.  Neben  sterne  (strenuus, 
severus)  kommt  noch  die  ächt^  südenglische  form  sturne  vor, 
femer  steorvetf  (moritur)^»)  u.  a.  Vor  /:  feole  neben  fele^^ 
seolk  420,  seolfor  152,  z^oluh  (flavus)  88.  —  Eine  ganz  südeng- 
lische form  ist  sulf  statt  seolp"^).  Vor  h  ist  i  zu  e  umgelautet 
worden  (vgl.  oben). 

Vor  andem  consonanten  zeigen  beide  denkmäler  öfters 
formen  mit  eo  neben  solchen  mit  e,  doch  nur  an  solchen  stel- 
len, wo  auch  schon  altags.  eo  vorkommt.  H.  M.  heofon  5,  13 
neben  hefen  13,  15.  19  u.  a.  cleopeb  (nominat)  9,  neben  clepeti 
3,  11,  33;  undemeomen  19]  geoven  33;  eomeb=^rimb  39  u.  s.w. 
A.  R  heoven,  heovenrlche  94,  142,  150,  242,  358,  cleopeö  58, 
102,  132,  306;  clepeb  98;  seove  (septem),  236,  324;  seoueÖedS% 
geofe  (donum)  203,  368. 

H.  M.  entspricht  i  häufig  altags  y:  kineriche  ^=  cynerice  19; 
kinedom  39;  king  5,  23,  27  u,  a.  w.  rvimie  {vynn)  19;  bisne 
^===  bysen  4cb.  Häufig  steht  auchw;  dunt  (ictus)  17;  rüg  (dorsum) 
17;  fielst  XL  a.  (vgLu.)  rvunne  27.*^6)    A.  R.  hat  hier  u  viel  stren- 


^)  Die  andre  stelle  pag.  352,  wo  Nero  weri,  Tit.  wart  hat,  ist  wol 
überhaupt  zu  ändern. 

^)  World,  was  sowol  H.  M.  als  A.  R.  haben,  ist  das  einzige  wort, 
wo  H.  M.  ursprüngl.  i  in  o  hat  tibergehen  lassen.  Doch  hat  hier  jeden- 
falls w  verdumpfend  eingewirkt  und  es  ist  darum  nicht  massgebend. 

2*)  feie  132  hat  nur  Cleopatra. 

28)  Wie  diese  formen  aus  einander  entstehen,  zeigt  Lag.  deutlich 
im  Worte:  seolver.  Er  hat  seolver  I,  75,  II,  139.  Dies  kann  in  zwei 
weisen  contrahiert  werden ,  je  nachdem  e  oder  o  vorherseht:  selver  I, 
187  A;  solver  II,  20&  A.  Für  süver  wird  dann  auch  sylver  gesehrieben 
und  davon  wider  ein  sulver  A.  I,  152,  wie  dude  aus  dyde  =  dide.  So 
hat  Laj.  auch  sulkene  I,  94.  vgl.  die  nächste  anm. 

^)  Die  «-formen  sind  natürlich  umgelautete  w-formen  und  i  an  stelle 
von  y  getreten.  Wie  nahe  y  und  i  in  der  ausspräche  sich  standen ,  be- 
weisen, ausser  den  vielen  Übergängen  von  i  zu  y  und  umgekehrt,  reime, 
wie  Reiml.  49:  gemynde:  gecynde:  ungrynde:  winde  und  73:  nime'ti: 
becymeti.  Allerdings  sind  die  reime  des  Rl.  nicht  ganz  rein,  immerhin 
muss  die  anspräche  des  y  und  i  doch  sehr  sich  genähert  haben.  Vgl. 
auch  u. 


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ANCREN  RIWLE  UND  HALI  MEIDENHAD.  818 

ger  dürchgeflihrt  nad  wahrt  so  seinen  südlieben  Charakter: 
cunde  »=  cynd  120,  126,  140;  ounne  (genus)  368;  wutme  198, 
196,  200,  354,  398  u.  a.  w:  wurp  ö>^feä^"i)j  ^^^  ^  ^ 

0  entspricht  in  den  beiden  stäcken  dem  altags.  q»  Bemer- 
kenswert ist  nur  A.  E.  o  vor  gutt  h.  Hier  verdiaapft  'sieh  o  %n 
m,  wie  es  ja  altengliseh  gewöhnlich  wird,  Aijoh  Laj»  neigt 
dazu.  AR.  hat  bouhien  376,  iboukt  398;  brouhim  114,  ibrcnM 
144;  bouh  (ramus)  150  u.  a.  H.  M.  sehreibt  brohte  45; 
adoht  27.26«) 

U. 

In  beiden  denkmälern  steht  u  an  stelle  Yon  altem  u:  ksßy 
Just,  wunder^  stm,  sunderHche  u.  a.  Es  wechselt  u  mit  i  H.  M. 
ittr  altags.  y,  wie  winne  19,  mame  27;  Htel  29  neben  kit  19, 
37.  A.  B.  hat  hier  u  festgehalten.  (An  stelle  von  «Item  i  steht 
es  H.  M.  in:  muche,  muchel,  äude  15  neben  dide  43.)  Hier  ver- 
mitteln die  iormeifismycel  und  äyde,  die  beide  sich  altags.  finden. 
Für  u  ==s  altags.  y  liefern  beide  schriftstüeke  sehr  zahlreiche  bei- 
spiele,    u  anstatt  altem  wi  s.  «mter  w. 

Gehen  wir  nun  am  den  langen  vokalen  und  diphthon- 
gen  über. 

ft. 

Hier  zeigt  sich  ein  hauptunterschied  zwischen  der  spräche 
der  H.  M.  und  A.  R.  In  H.  M.  entspricht  altags.  ä  ^ijx  a:  lare 
3;  wedlac  13;  meidenhad  5,  11,  15;  betakneb  5;  Hftade  5,  9,  19; 
hau  5,  21;  halinesse  13;  dal  9^?),  25;  lam  (lutum).  5,  13,  23; 
wac  7,  11,  15;  wacliche  9;  sar  7,  sari  13;  sariliche  5;  mare  7? 
9,  11,  13,  15,  19;  hal  (sanus)  13,  15;  lad  15;  a  {aa  geschrie- 
ben) 15;  an  5,  7,  11,  13,  19  u,  a.  w.  behate  19;  kalfves  (sancti) 
19;  nan  (nullus);  laverd  23  u.  viele  andre. 

A.  R.  ist  ä  meist  schon  in  o  übergegangen.  Bisweilen 
schwankt  man  noch  zwischen  a  und  o,  hierauf  deutet  die 
Schreibweise  oa.    Neben  lore  18,  80,  198,  428  steht  loare  254, 


26a)  Orm  zeigt  durch  die  fonnen:  brohhte,  brohht  und  bohhie^  bohht, 
dass  hier  nicht  etwa  schon  ein  d  anzusetzen  ist. 

27)  für  dal  H.  M.  und  dol  A.  R.  ist  eine  form  däl  altags.  anzusetzen, 
obgleich  nur  dcel  .zu  belegen  ist. 


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216  WÜLCKEß 

ebenso  neben  more  206^  428  findet  sich  moare  64,  426;  ^8)  loave 
=  altags.  läf  168;  sonst  laverd  2,  28,  30,  32,  430  u.  a.  w; 
on;  forgm  8,  10;  Uhoten  8;  hoU  10,  28,  48,  160,  360,  426., 
428,  430;  hoHnesseS]  meidenhod  164,  392  u.  a.  w;  bitocneti  Vi. 
andre  formen  des  verbums:  170,  300,  326,  374.  liflode  350, 
352,  362,  380.  woc  4,  178;  tvocnesse  66,  232,  280;  sor  354, 
376;  hol  (sanus)  112,  430;  gost  (spiritus)  426,  428,  430.  or 
(honor)  26,  32,  80,'  136,  316,  406,  430;  lodliche  50,  118,  256, 
418,  lodlukest  66;  dol  (pars)  u.a.  —  Selten  blieb  a:  hcUewen 
(sancti)  30,  124,  166,  232;  wedlac  206. 

Das  altags.  ob  (oder  wie  Koch  schreibt  oeY^)  wird  H.  K 
und  A.  K.  teils  durch  ea^  teils  durch  e  ==^  e  widergegeben. 

EL  M;  learenSy  6,  9:  read  (consilium)  und  readen  3,  9,  19, 
21]  ear  (prius)  6;  earre  7,  earest  16.  eaver  5,  7,  9,  11,  13,  19 
u.  a.  w;  netwer  11,  16,  17;  meane  (altags.  nur  gemosne)]  leaden 
(ducere)  3,  6,  13;  ckane  11,  13;  healen  16;  leaf  11;  leave  15 
(relinquere);  eanes  11  {cene)\  -  formealen  13;  ä^cw^  7;  Uheaste  19 
u.  a.  Durch  e  ist  es  widergegeben:  w^ver  37;  flesch  5,  13,  15, 
21,  26,  43,  47;  seli%  11,  17,  39;  unseli  26;  dede  9,  17,  21,  25; 
bere  {ßebceni)  31;  ii;^r^  (esset)  3,  46  u.  a.  w;  eni  21,  29,  39, 
43;  mest  9. 

A.  R.  hat  ebenfalls  teils  ea,  teilst:  eaver ^  leafdi4i\  cleane 
4,  8;  read  (consilium)  6,  198,  (consulere)  224;  reades  mon224:] 
read  224;  tear  (von  der  form  teer)  64;  leareb  64;  leavei^  =  lw/an\ 
leaten  394;  leate;  ileaned  208,  314  u.  a.  —  e  steht  dann  oft  im 
selben  werte:  deden  4,  techeti  4,  j/ejt?m  4;  clennesse  164;  /^^ 
64,  108,  114;  ilered  64;  redf  (consilium)  66;  lefdiA,  66^0);  evere' 
4;  hestes  6;  ^ecÄ^  6,  vleschs  164;  fe^m  6,  8,  12,  103,  268;  erest 
64;  u.  a. 

Altags.  e  ist  in  beiden  denkmälern  e  geblieben  und  bietet 
weiter  nichts  auffälliges. 

^)  Doch  ein  paar  zeilen  vorher  steht  wieder  more, 

29)  vgl.  Koch,  grammatik  I  pag.  VII. 

^)  lefdi  ist  eine  richtige  nags.  form,  welche  altags.  hlmfäige  entspricht. 
Ebenso  findet  sich  dann  Uafdi  daneben,  wie  (ß  sowol  mit  e  als  mit  ea 
wider  gegeben  wird.  H.  M.  Uivedi  5,  9,  15-,  lafdischipe  7  ist  wol  durch 
laverd  =  Mäford  veranlasst. 


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ANCREN  RIWLE  UND  HALI  MEIDENHAD.  217 

R  M.  ebeHche  9,  11;  cwen  7,  9;  cwemen  3,  11;  herest  == 
herian  7;  her  39  (von  heran  altags.  nebenform  von  hyran)\ 
alesen  15  {alSsan  altags.  neben  alysan)]  ebenso  das  umlauts  -e 
in  dehtren  19;  sechet5  17;  scherte,  schenre  23;  /re/ö  (cilan)  25; 
fordemen  41;  grenen  35  u.  a.  A.  R.  zeigt  ebenso  urspr.  e  und 
den  ö-umlaut  als  e:  cwene  SS^  170,  296,  336;  ctvemen  138,  192, 
238.  *cÄm^  98,  schenre  100,  324,  352.  sechen  164,  274,  318, 
350  u.  a.  w. 

1. 

Im  allgemeinen  bietet  i  in  beiden  denkmälern  nichts  bemer- 
kenswertes. Nur  beachtenswert  ist  Hc  mit  seinem  comparativ 
und  Superlativ.  Dass  hier  i  noch  lang  war,  beweist  Orm  ^^).  Der 
positiv  hat  i  festgehalten,  der  guttural  ist  in  ch  übergegangen: 
E,M,hevenliche,b,  21;  eort5Uche41\  HcomUcheZ,^,  17;  bitterliche 
25]fleschiiche26-^  sikerliche  11;  hokerliche  35.  üeberallhat  sich 
vor  dem  Zischlaute  i  erhalten  ausser  in  glaäluche  29  z.  7  »2)^ 
swoteluche  41  z.  1.  A.  R.  hat  überall  den  gutt.  des  positivs 
in  den  zischlaut  verwandelt:  misliche  6;  luveliche  104;  vlesliche 
'104,  240;  sikerliche  352,  364;  'sunderliche  90,  302;  puldeliche 
106,  158;  ungledliche  338.  Im  compar.  und  superL  haben  aber 
beide  /r  festgehalten  und  i  zu  w  verdumpft:  H.  M.  hlitieluker 
3;  hokerluker  15;  strongluker  15;  wodeluker  15;  etiluker  25; 
labluker  25;  la&lukest  41;  lovelukest  11;  bitter lukest  35  u.  s.  w. — 
A.  R.  openluker  8;  vestluker  234,  238;  rvisluker  234,  318;  wwcw- 
melukest  414^3);  stronglukest  218;  loblukest  66  u.  a. 

ö. 

0  im  altags.  entspricht  in  beiden  Schriftstücken  o,  nur  ver- 
dumpft A.  R.  auch  hier,  wie  daz  kurze  o,  langes  o  zu  öw  vor 
gutt.  Ä.  Während  H.  M.  dohter  3,  5,  7,  15,  39,  41  u.  s.  hat, 
zeigt  A.  R.  douhter  258;  slouh  118,  136,  298,  336;  drouh  102 
u.  s.  w.    Die  form  nouwhare  160  neben  nohwar  134  ist  zu  er- 


")  Orm  hat  z.b.  hlipeli^,  UipeUke  D  92,  131;  307;  H.  I.  30,  44,  83, 
107  u.  s.  w.,  nicht  hUpeli^^.  fuUikell,  213,  286;  334;  gastliCy  gastUke  TL. 
140,  141,  142,  146,  177  u.  a.  w. 

^)  Vielleicht  ist  diese  form  nur  auf  rechnung  des  Schreibers  zu 
setzen,  denn  in  derselben  zeile  mit  glaäluche  findet  sich  lihtliche  und 
lärgeliche.    Neben  swoteluche  steht  in  der  selben  reihe  blitfeliche. 

^)  Nur  Titus  u.  Cleopatra  haben  diese  form.    Nero :  unkuindelukest. 


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218  WÜLCKER 

klären,  dafis  hier  auch  einmal  ein  nieht  ursprttngL  o  sieh  vor 
dem  gutt  verdumpfl;  hat.  Eine  einwirkong  des  w  hier  anzu- 
nehmen, ist  schwer  glaublich,  denn,  wenn  auch  graphisch  das 
n>  an  das  u  ini%  in  der  ausspräche  stand  der  kefaUaut  dazwi- 
schen. Einen  fall,  wo  wirklich  langes  o  durch  folgendes  w  ver- 
dunkelt worden  ist,  zeigt  A.Ktouward  92,  96,  256,  430u.a.w. 
H.  M.  kennt  diese  Verdunkelung  nicht 

ü. 

An  stelle  des  altags.  ü  steht  in  beiden  denkmälem  auch 
u.  H.  M.  hus  3,  7,  9,  11,  29,39;  buh  (imper.  von  bugm)  3,  17; 
btUe  11,  14,  21;  wit^ute  13,  35,  39;  luteb  (se  inclinare)  43;  sukeb 
39;  bilukeÖ  37;  ßU  25;  fuUtoheschip  31;  dun  21;  duneward  21, 
23;  ferner  iwwö  3,  25,  35,  37;  ßrcub  (pravus)  33.  —  A.B.  äw^ 
104;  huselefdi  414;  husewif  4^1^'^  bute  und  buten  98,  114^  150, 
210;  ful  118,  216,  236,  276;  pusmt  100,  336,  pusmt  202;  mwÖ 
102,  106;  cub  204,  342,  selcu^  8;  Imsel  208. 

Wie  häufig  nags.  kurzes,  u  für  altags.  y  steht,  so  auch  lan- 
ges u  an  stelle  von  langem  y,  mag  es  umlaut  von  ü,  eo  oder 
ed  sein,  brud  5,  7;  brudlac  3,  9;  /w/Ö  (altags.  ^y/Ö  L.)  3,  11, 
13,  27,  31  u.  s;  /ur  (ignis)  39  u.  a.  —  A.  R.  brude  164;  /ust 
(pugnus)  82,  106;  /ur  124,  150,  206,  228  u.  s. 

eö. 

Altags.  ed  entspricht  in  H.  M.  und  A.  R.  teils  eo  teils  e, 
welches  natürlich  lang  anzusetzen  ist.  H.  M.  deore  (carus)  11, 
13,  21,  27,  29;  deoretvurbe  3,  5,  29;  deortvurtiUche  11;  /eo/5, 
11;  leofmon  6,  11;  leovest  19,  21;  leodB,  21;  deope  23;  deopUche 
3j  peof  (für)  17,  29;  dreori  (moestus)  17;  breost  8,  23,  43; 
ferner  peowdom  5,  11,  25;  feond  5,  15;  freondl,  13,  11,  {friend 
19);  /eoröe  (quartus)  17;  blreorve  9;  bireowsinge  15,  21;  ifreon^e 
5,  13,  19,  29  daneben  dere  27;  /e/  15,  29;  fend  37;  vor  allem 
aber  hat  e  im  praeteritum  der  ursprünglich  reduplicierenden 
verben  um  sich  gegriffen  ^4).  —  A.  R.  deore  190,  329,  408;  deore- 
würbe  98,  102,  106,  112;  daneben  98  derervurti;  deorUng  336; 
leoflh2,  204,  230,  232,  238;  deop  232;  deopUche  154;  dßor 
(bestia)  196;  dreori  106,   274;  ör^o^r  200;  peov  150;  forleoseii 

^)  Ein  teil  dieser  verba  ist  allerdings  schon  nags.  zu  den  schwachen 
übergegangen.  So  La^.  leite,  Iceite^  leatte.  A.  R.  /d«^  112,  366;  slepte 
238,  270. 


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ANCREN  RIWLE  UND  BALI  MEIDENHAD.  219 

150;  veond  190,  JIO,  264,  256.  Im  allgemeinen  liebt  A.  R.  die 
Schreibung  e  statt' «>  nicht  So  findet  sich  heold  lOS,  148,  172; 
veol  226,  260,  336  und  nicht  held  und  vel 

eä. 

Altags.  ed  wird  H.  M.  teils  mit  e  teils  mit  a  widergegeben. 
Der  gröste  teil  aber  bleibt  ea:  ear  3;  eadi  5,  13,  15,  21,  23, 
39  u.  a;  eadinesse  11;  heavedSj  25,  35;  bread  31;  dreatn\%  21; 
leave  29;  bileave  5,  19,  33;  scheatven  u.  andre  formen:  3,  9,  23, 
27,  2%VL.%.Tveab,  7,  25,  31,  37,  39  daneben  rva^l,  3534»);  deatS 
17,  27,  31,  33,  45;  deadlich  13,  21;  undeadUch  13,  39;  reaver 
29;  reavets  31;  bireaveii  29;  team  (soboles)  41;  bamteam  31; 
teame  u.  a.  f.  33,  39,  43;  fernes  aber  43  z.  22;  >ean?  (mos)  3,  43 
daneben  pawful  45;  unpeaw  9,  25,  41.  Nirgends  findet  sich 
H.M.  eine  e-form,  wo  nicht  auch  altags.  e  neben  ^d  vorkommt, 
80  tbrnn  Geh,  196;  ec  35,  39  kommt  vor  Ex.  194,  Dan.  305, 
Sat.326;  ehne^^)  (oculi)  führt  auf  altags.  ätöw  zurück,  das  sich 
Sat.  728  findet,  heh  5,  11,  15,  17,  21,  23  hege  13,  hehschipe 
5,  19  u.  s.  w.  weisen  auf  die  altags.  schon  gewöhnliche  form 
heh  hin.  Auch  in  den  praet.  der  VI.  abl.  klasse  steht  ea: 
forleas  15,  cheas  15,  47.  —  A.  R.  ear  90,  100,  104;  eadi  28, 
142,  146,  154;  eadiIicheS2Sf  eadinesse  28;  eadmodfiesse  8;  heaved 
10,  130  daneben  hefden  188;  dreäm  210,  214  dreamen  (sonare) 
430;  leave  230;  biteave  280;  unbileave  8;  scheawen  90,  98,  154, 
292;  deab  6;  dead  112;  o^mrfen  112;  reaven  68,  96,  286,  300, 
396;  team  216,  288,  336,  aber  stets  temen  220,  288,  308;  rvea 
80,  108,  114,  156;  federleas  10  daneben  scheakeles  94,  /öö/ecw 
188;  ec  168,  236,  240.  Wie  oben  meihi,  eiht  u.  a,  so  wifd  heh 
zu  heihy  heihschipe  u.  s.  w.,  durch  einwirkung  des  folgenden  kehl- 
lautes,  ebenso,  während  leas  (von  leosan)  54,  bead  230,  390 
von  beodan  rein  ea  behält,  wird  fledh  zu  fleih. 

el 

wird  unter  ^,  g  besprochen,  da  es  für  äg  meistens  steht. 

Uebersehen  wir  noch  einmal  die  vokale,  so  zeigt  sich  schon 
eine  so  grosse  Verschiedenheit  in  beiden  denkmälem,  dass  sie 
nicht  einem  Schreiber  zugeschoben  werden  kann.    Vor  allem 

**»)  OflFenbar  ist  hier  schon  für  das  subst.  eine  form  rvä  (wovon  alt- 
engl.  wo)  neben  wed  anzusetzen. 

^)  Cockayne  setzt  ohne  grnnd  ehnefiy  während  die  hs.  ehne  hat. 


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220  WÜLCKEß 

liebt  A.  R.  dumpfere  laute,  als  H.  M.  und  ist  so  jedenfalls  in 
einer  südlicheren  gegend,  als  H.  M.  entstanden. 

Gehen  wir  nun  zu  den  consonanten  über,  so  stimmen  hier 
beide  denkmäler  mehr  überein,  als  in  den  vokalen. 

Wir  beginnen  mit  den  Spiranten: 

w. 

Einfaches  w  im  anlaute  entspricht  dem  rv  verwanter  spra- 
chen, wie:  was,  rvorld,  rvidetve,  tvilni,  wunder  und  bietet  nichts 
erwähnenswertes.  Nicht  ganz  gleich  sind  Verbindungen  des  ro 
mit  andern  conson.  im  anlaute  verlaufen. 

hw.  Lag.  36)  hat  teils  hw,  teils  schon  wh.  Der  laut  ist  na- 
türlich derselbe.  Im  norden  Englands  wird  der  gutt.  stets  vor 
dem  w  geschrieben.  Eine  ausnähme  macht  Orm^").  Genesis 
und  Exodus  38)  hat  quamie,  quaiso,  quiles;  Barbour^^)  qvhm, 
quhethir,  quhär,  quhat  u.  s.  w.  Minot^^)  hat  allerdings  wh.  H. 
M.  hat,  wenn  überall,  wo  Cockayne  hw  setzt,  auch  wirklich  in 
hs.  hw  steht,  nur  hw  ^^).  hwaty  hwer,  hwi,  hwen,  hwuch,  hwile  u.  s. 
Ebenso  verhält  es  sich  bei  A.  R.  hwatse,  hwederes,  hwarto,  hwar- 
burh,  hweolj  hweolp  (catulus)  u.  a. 

cw  schwankt  schon  bei  Lag.  nach  qu.  H.  M.  hat  mit  einer 
ausnähme  av:  cwen  9,  11,  21,  27,  45;  cwemen  3,  5,  11;  cwike 
13;  acwikeb  17;  cwikede^!^'^  cwalnt2%\  cweöeö  41  z.  23.  daneben 


3«)  Oft  findet  sich  das  h  bei  Laj.  an  ganz  falsche  stelle  gesetzt 
So  neben  whar  (ubi)  ein  wahr,  neben  what  steht  waht  Es  zeigt  dies 
eben,  dass  schon  damals  im  isüdwesten  h  nicht  mehr  gehört  wurde. 

^)  Dieser  ist  jedenfalls  doch  dem  Nordosten  Englands  zuzuteilen, 
wenn  er  auch  nicht,  wie  Koch  (§  6)  sagt,  ein  Noidhumbrier  ist. 

3*)  Genesis  und  Exodus  neigt  in  andern  formen  nach  der  spräche 
des  Südens  hin,  doch  hierin  schliesst  es  sich  dem  nordenglischen  an. 
Hg.  in  Earl.  Text  Soc.  Nr.  7.  vsn  R.  Morris.  London  1865. 

39)  Herausg.  in  den  Extra  Series  der  Earl.  Engl.  T.  S.  Nr.  XI.  von 
Skeat. 

*«)  Minots  werke  finden  sich  von  Wright  herausgegeben:  Political 
poems  and  songs  relating  to  the  English  history  II.  In  Berum  Britann. 
medii  aevi  scriptores. 

**)  Es  ist  allerdings  zu  bezweifeln,  dass  die  hss.  tiberall  hw  haben. 
Denn  in  Lag;  prov.  of  Alfr.,  0.  a.  N.  u.  a.  nags.  denkmälern  steht  hrv 
und  wh  unter  einander  gemischt.  Es  ist  also  anzunehmen,  dass  Morton 
und  Cockayne  öfters,  um  einheit  in  der  Schreibweise  herzustellen,  wh  in 
hw  geändert  haben,  ohne  weiter  eine  bemerkung  zu  machen. 


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ANCREN  RIWLE  UND  HALI  MEIDENHAD.  221 

quoh  19  oder  quod  45  *2).  —  A.  R  mischt  cw  mit  gii,  allerdings 
ist  cw  das  häufigere:  crvm  88,  170,  296,  336;  cwemen  138,192 
338;  daneben  queme2^\  ctvic  112,  170,  310,  332;  cwicliche  24ß\ 
qmc  122  (nur  Titus  u.  Cleop.);  cwälm  160,  140;  cweb  122,  234, 
338;  cweatf(altags.  nicht  belegt*3)  =  malus)  72,  336;  cweadschipe 
310,  422;  qaicshipe  150. 

Andre  consonanten Verbindungen,  wo  tv  an  zweiter  stelle 
steht,  wie  dw,  ptv  und  das  häufigere  ttv  können  hier  übergangen 
werden,  da  sie  unverändert  bleiben.  Auch  sw  bietet  nichts  ver- 
schiedenes in  beiden  denkmälem. 

tvl  ist  schon  altags.  eine  seltene  Verbindung.  Im  nags.  ist 
wl*^)  schon  im  verschwinden.  H.  M.  hat  noch;  wlite  11,  19, 
35;  wlonk  31;  tvlecchunge  45;  A.B.  wlaiien  altags.  tvlatiariy  wlä- 
äan  (Bosworth)  86,  400;  tvlaiunge  80;  wliie  200,  398;  98  (nur 
Tit  u.  Cleop.);  rvlech  202,  400^5).  Zu  Wallis  zeit  wurde  w 
vor  r  noch  gehört.  Wäre  w  schon  früher  verklungen,  so  hätte 
man  es  auch  sicher  nicht  in  der  Schreibweise  beibehalten. 
Es  ist  für  unsren  zweck  nicht  ^weiter  zu  beachten,  da  es  in 
beiden  denkmälem  gleichmässig  stehen  geblieben  ist 

Einwirkung  des  w  auf  folgende  vokale: 

Häufig  verdunkelt  rv  den  folgenden  vokaL  Schon  altags. 
ist  dies  häufig:  nmdu,  nmduwe,  rvuton  (eamus).  H.  M.  hat  kurzes 
i  zu  u  verwandelt  in:  wule  29,  rvullen  31  daneben  rvil  25,  wult 
17,  27;  fvummon  31,  35;*®)  daneben  wil  (voluntas)  17;  willneb 
(desiderare)  29;  in  einsilbigen  Wörtern  ist  i  stets  geblieben: 
ausser  ml,  wiht  47;  rvit  (intellectus)  25;  ausnähme  macht  hwi 
woneben  sich  hu  findet  (vgl.  unten)  und  die  pronomia,  ewcÄ  *'), 
hwuch,  sfvtu:h.    Statt  tve  steht  wo  in  swolleb  15;  statt  tve  in 


^)  Dies  wort  ist  allerdings  nicht  von  grossem  gewichte,  da  es  immer 
nur  abgekürzt  qtS  oder  qd  vorkommt. 

")  Neuags.  aber  Lag.  A.  5061;  qued  0.  a.  N.  1137. 

**)  Koch  sagt  1  p.  104,  Orm  habe  kein  wl  mehr,  doch  es  findet  sich 
noch  pag.  20  v.  666:  pe  wUte  off  enngUkinde. 

^)  A.  R.  rvlech  H.  M.  tvlecchunge  beweisen  das  dasein  eines  altags. 
vläc,  dessen  existenz  Grein  (glossar  U,  727)  leugnet.  Die  bedeutnng 
haben  Ettmüller  und  Lye  richtig  aufgestellt:  tepidus. 

^)  Tvimmen  findet  sich  pag.  15. 

*^)  AxLeuch  lässt  sich  der  verlauf  dieser  pronomina  auf  Uc  verfolgen: 
Altags.  cehfvilc  fUr  (ßghtvilc  Hom.  I  pag.  13  z.  20  elc  Kat.  ervc  nnd  euch 
wie  hier. 


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?83  WÜLCKER 

mote  13,  19,  29,  daneben  aber  mete  9,  29,  swoteltiche  39;  quob 
fftr  cwaö  oder  cweö  eetat  Coekayne  (vgl.  oben)  an.  Oft  fallt 
n^  auch  gauz  aus;  am  3,  15  u.  a.  suster  17;  euch  (oder  ist  hier 
dn  ewcA  =^  ^?w<^Ä  wie  in  Kat  anzunehmen?);  ichulie  19,  27; 
tmle  II,  27;  y>a^  wuüenha  millen^\\  wutteha  nulle  Äa==^neuengL 
wi7/  tliey  nill  they.  Ohne  Veränderung  des  folgenden  lautes  fällt 
w  aus  in  nat  =^  nevät  und  in  naldes  u.  andern  formen  des 
praeteritums,  A.  ß.  zeigt  auch  hier,  wie  wir  schon  früher  ge- 
sehen haben,  verliebe  zu  dumpfen  lauten:  wule  212,  238^  254 
u.  a.  w.;  Tve  nncUeb  168.  von  witen  findet  sich  tvot  54,  wost  96; 
g^  wM^en  236;  wüte  174,  190,  204;  daneben  finden  sich  auch 
praesentisch  gebildete  formen;  ge  wütete  68  und  nmteti  in(iper. 
98,  248;  4^)  wummon  68.  Ausser  in  den  pronoffl^en  ist  i  in  de?;i 
einsilbigen  meist  geblieben  z.  b.  cwic  nie  ctvuc  oder  cwc;  die 
pronomina  sind:  swuch  68,  242  u.  a>  w.;  ä«;wc  112,  196,  sonst 
hwuch;  htm  212,  256  =  neugl.  how,  hnm  148,  398  =  why. 
Auch  auf  langes  i  hat  w  neben  dem  schon  angefahrten  wmi' 
mon  eingewirkt  in  hnmle  68,  238,  254  und  swutie  92,  244  aber 
STvit5e  236.  Auch  in  hwo  ist  a  verdunkelt,  während  H.  M.  stets 
hwa  hat.    Ein  hwot  findet  sich  aber  nicht  in  der  A.  E. 

Schliesslich  ist  vom  anlautenden  w  noch  zu  bemerken,  dass 
h.  R.  vor  d  ihm  häufig,  wie  dem  ^c  ^.  g  ein  e  anfllgt  Schon 
alt^s.  haben  wir  z.  b.  weox.  A.ß.  sind  es:  tveox  258;  weosch 
66;  weop^  274,  312;  ausserdem  findet  %\Qk  weolcne  246,  306 
neben  wölken  174,  H.  M.  kennt  diese  einschiebung  nicht. 

Femer  ist  eine  eigentümlichkeit  der  A.  R.,  dass  sie  ich 
chulfe  =  ich  wuUe,  H.  M.  ichulie  (vgl.  oben)  schreibt,  ebenso  ich 
chudde  186^»). 

w  im  Inlaute  entspricht  oft  altags.  g,  welches  man  sehe. 

it'  im  in*  und  auslaute.  H.  M.  schreibt  im  in-  und  aus- 
laute w:  peawes  45,  unpeawes  41;  treoweliche  47,  ewt  (aliquid) 
43;  ^eow/icÄ^  H.  M.  39,  47;  bireowseb  43;  reow/ulnesse  4\\pem' 
dorn  37;  schaweb  37,  scheawen  39,  ischeawet  u.  a.  A.  R.  liebt 
w  im  auslaute  u  zu  schreiben,  treou  254,  402;  (arbor)  treou- 
Uche,  treounesse  (fides),  peoudom  32,  218,  >eaw  88,   278,  300 


*8)  Hiernach  ist  das  von  Koch  I  pag.  336  $  71.  unter  1)  gesagte  zu 
berichtigen. 

^)  Selten  findet  sich  ichulie  72,  126,  222,  aber  auch  ic  chuäe  76,  78. 


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ANCREN  RIWLE  UND  HALI  MEIDENHAD.  228 

}>eaxifaie  422,  hingegen  im  inlaute  treawesehüpe  ^  treowe  (fideliß);  pl 
peams  200,  240;  mpeau  162,  200  aber  mpeawes  132,  176,  252. 
rmfianesse^^\  reounesse  (Cleop.  p.  144).  Aus  ursprünglichem, 
wie  aas  na^.  m^^)  entwk^kelt  sich  öftersein  u  und  verdunkelt 
den  Yorhergehenden  vokal.  So  hat  wol  seheauware  90  z.  20 
und  scheaufvinges  268  2«  14,  da  kaum  anzunehmen  ist,  dass 
drei  vokale  gesprochen  wurden,  wie  schedware  gelautet. 

j- 

Ursprüngliche  y  im  anlaute  sind,  wie  viele  alte  ^,  in  g 
übergegangen,  den  tonlosen  palatalen  Spiranten.  Ursprünglichem 
y  entspricht  g:  H.  M.  ge  11,  13,  17,  31  u.  s.;  gif  11,  13,  17,31, 
37,  39  U.S.;  gea  27;  gef  31,  37,  41,  43;  geomerunge  35.  — A.E. 
Ze;  gif^S,  70,  116,  146,  170,  200;  get  66,  92,  170;  gut  356; 
ger  190,  218,  412;  goc  156;  gun^  70,  424;  guwebe  156,  192, 
206;  gurvebehode  342. 

Alte  g  die  zu  g  wurden  vergleiche  man  unter  g. 

J  im  inlaute:  in  den  kurzvokalischen  stammen  der  sw.  verba 
steht  häufig  noch  das  /:  H.  M.  carien^l\  clepien  45;  hopien  43; 
hatieti  33;  lufim  31,  lüftete  21 ;  hivieb  43;  luvte  31;  makim  31,  33,  37; 
polten  33;  wakien  37.  Doch  haben  wir  auch  daneben  foimen, 
worin  /  schon  ausgestossen  worden.  —  A.  ß.  hopien  78,  hopie 
230;  hivien  206;  lufietS  350;  makien  6,  192,  makie  224;  daneben 
makeb  224;  ialie  356;  poüen  6,  134,  220;  wakim  4,  144,  278, 
wakieb  144  daneben  waketi;  wilnie  66;  nmnien  134,  158,  340; 
nmnieb  142,  tvuneö  126. 

S. 

s  im  anlaute  bietet  nichts  bemerkenswertes.  Esentsprioht 
m  beiden  denkmälem  altags.  s. 

Auch  anlautendes  sl,  sm,  sn,  sp,  st  entsprechen  denselben 
altags.  lauten.  Ebenso  sw,  so  weit  nicht  nach  Verdunkelung 
des  folgenden  vokales  das  rv  ausgestossen  worden  ist,  wie  z.  b. 
in  sustren  (vgl.  oben). 

sc.  Vor  e,  i  und  y  (mag  es  umlaut  von  u  sein  oder  für 
i  stehen)  und  ihren  längen  wurde  sc  wol  schon  altags.  sc  als 
scharfer  Zischlaut,  wie  seh  ausgesprochen.  Vor  den  andern 
vokalen  fügte  inan  altags.  ein  e  ein,  um  diesen  laut  anzudeu- 

^)  Das  heisst  das  ans  altags.  g  entwickelte  w.  Vgl.  darüber  unten, 

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224  WÜLCKER 

ten,  also  sceamiU  Ps.  89*;  sceädan  (dividere)  Ruine  39;  sceolde; 
scedp  (vates)  Metr.  30*;  scedhc  (schola)  EL  1301;  sceuccaV». 
105  2';  Lag.  hat  oft  im  anlaute  ein  s,  besonders  B.  ^^),  sal  neben 
scal,  sceld  und  scäld,  sort  neben  sceort  Im  in-  und  auslaute 
findet  sich  auch  $s.  neben  fisch,  fisccere  und  fisscere.  Stets  sc 
steht  bei  Lag.  vor  r.    Orm  hat  vor  r  sh:  shrifmn. 

H.  M.  hat  anlautend  tiberall  seh:  schal  5,  16,  27,  29  u.  s., 
schome  7,  17;  schomliche  27;  lafdischipe  7;  falschipe  5,  7,  «'wrft- 
schipe  5;  hehschipe  5;  cleanschipe  21;  halschipe,  5 u.v.a.  Neben 
so  vielen  ^cä  ist  hehscipe  19,  21  nur  als  verschreibung  zu  be- 
trachten. 5cMtf  15;  schulde  25,  schuldest  25;  schulen  21;  ^cäö/? 
(creavit)  9;  ischeawet  9,  27;.  scheawen  27;  schinende  23;  ^cÄ^^ 
23,  ^cÄe/ire  23. 

A.  R.  liebt  es,  trotz  der  Schreibung  .9cä  noch  das  e  einzu- 
schieben: scheadewe  242,  364,  366.  scheome^O,  108,  312;  ^cÄeö- 
me/ul  302,  scheomeliche  266;  scheon  (calcei)  362;  daneben  aber 
schone  420»  Ebenso  schamel,  schonken,  schucke.  Es  ist  also  die 
einfligung  des  e  nicht  durchgeführt. 

In  der  Verbindung  scr  ist  ^c  auch  zu  sehr  geworden  H.  M. 
Schrift  15,  21,  25;  hingegen  iscrept  23z.  34  von  screpm  (rä- 
dere) *2).  —  A.  R.  hat  stets  sehr.  So  schrapien  116,  344;  schrepeiS 
186,  344;  ischrapede  82^^^)]  schrift4t,  6,  298,  300u.a.w;;  sckri- 
ven  266,  340,  344,  426;  schruden  214,  216,  302,  412  u.  s.; 
schrude  300. 

sc  im  inlaute  und  auslaute:  H.  M.  flesches  5,  9,  13,  16,  17 
u.  s.;  flesch  5,  13,  15,  33,  35;  fleschliche  3,  9,  15,  17  u.  s.,  eag- 
lische  5,  daneben  37  z.  19  on  englich.  Hingegen  stets  aske.  A.  R. 
hat  aski  4t  u.  s.,  askin  (favillae)  214;  auch  metathese  aeseS  8; 
wacschunge  332,  daneben  wassunke  332;  waschet  324,  424  (imper.), 
waschest ^24c\  weosch^O()\  vlescJte ISO,  234,  dsnxehen  vlesliche  10^ 
240,  244;  und  vlessis  140,  auch  vlesshwise;  Englische  244;  &i- 
schope  6. 

Die  eine  stelle,  wo  jcä  statt  ch  steht,  nämlich  418,  hat  nur 
Titus:  schirches  =  chirches,  doch  dies  gibt  gar  keinen  sinn  und 
ist  verschrieben  fllr  schriftes. 


*»)  Aehnlich  schreibt  Robert  von  Gloucester  ssip,-  ssame  u.  a.  —  Die 
ausspräche  ist  natürlich  in  beiden  fällen  die  eines  harten  zischlantes. 
*2)  screpan  ist  auch  altags.  zu  belegen:  Älfrics  hom.  II,  452.  ed  Thorpe 
**a)  Das  particip  hat  nur  Cleopatra. 


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ANCREN  EIWLE  UND  BALI  MEIDENHAD.  226 

r. 

Die  einwirkung  des  r  auf  vorhergehendes  a  haben  wir 
oben  besprochen.  Metathese,  die  schon  altags.  häufig  yorkommt, 
hat  H.  M.  in  eomeb  39;  heameti  43;  A.  R.  eomen  74,  86;  cor- 
ne6  42,  80,  332,  360;  pari  umen  188.  bernm  306,  berrdnde  122, 
310.  r,  welches  schon  altags.  an  die  stelle  von  altem  s  trat,  ist 
natürlich  r  geblieben. 

1. 

Die  Wandelung  des  a  und  i  durch  /  veranlasst,  wurde 
oben  besprochen. 

Der  ausfall  des  l  in  euch,  hnmch,  such  ist  in  beiden  denk- 
mälern  gleichmässig  eingetreten. 

m. 

m  im  auslaute  wird  öfters  abgeworfen  in  H.  ÄL  fra^  5,  23, 
daneben  fram  7  u.  s;  ebenso  ha  statt  ham  (eis)  7;  A.  B.  behält 
m  bei:  from  54,  62,  216,  -366. 

n. 

n  im  auslaute  fällt  H.  M.  oft  aus,  so  in  den  praepositionen 
i,  0,  upo  =  in,  on,  upon:  ipe  häufig;  ipi  47;  imi  19;  ipat  13; 
ipis  13;  ibodi  23;  ibreoste  23;  iflesches  futöe  27;  ibedde  (jnlecto) 
31;  ihnmch,  37;  ^ö^e^  /ut;e43;  itvidewene  ring  21]  imoni  care.  — 
ope  15,  opi  17,  ogrome  15;  o/»m  35;  olatines  Jedem  23;  opulliche 
Tvise  33;  /»m  wirft  vor  consonanten  das  w  ab:  pi  wil  31;  />i 
Word  45;  ebenso  wpe  21,  35,  39,  47.  —  Auch  sonst  ist  n  öfters 
abgeworfen:  hevelich  7  neben  hevenlich  5.  Endlich  fällt  im  In- 
finitiv und  im  conj.  plural  häufig  n  aus,  ohne  bestimmte  regel 
sowol  vor. consonanten  als  vor  vokalen ^3),  Vor  vokalen  ist  es 
allerdings  seltener,  i finde  29;  beo  29,  31;  iwurtien  pe  33;  seggen 
for  33;  daneben  aber  makie  to  27,  29;  carie  for  29;  carien  and 
27;  wakien  in  29;  schearven  hit  27;  drahen  his  33;  aber  ende  in 
27;  bireave  ham  29;  teame  ha  33  u.  ß.  Neben  dem  partic.  ibore 
35  steht  37  iboren  u.  55  ibom;  icnute  33  und  untohe  31. 


^^)  Cockayne  hat  hier  oft  ganz  willkürlich  n  eingefügt.  Li^.  A.  hat 
zwar  fast  überaU  noch  das  n,  allein  B  lässt  es  meist  weg.  Altengl.  ist 
der  ausfall  des  n  sehr  gewöhnlich  und  so  mag  in  H.  M.  auch  das  n  schon 
oft  verschwunden  sein.  Keinenfalls  sind  wir  berechtigt,  im  nags.  gegen 
die  hs.  ein  n  einzufügen. 

Beitrage  zur  gesohiohte  der  deutschen  spräche.  L  16 


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226  WÜLCKER 

A.  R.  i  parais  54;  f&ew  eien  64;  für  in  oder  i  schreibt  A.  R. 
oft,  abweichend  von  H.  M.,  die  vollere  form  ine^^).  Aehnlieh 
0.  a.  N.  So:  ine  luve  202 \  ine  hope  and  ine  trust  202;  ine  unkut^e 
peode  250;  ine  Dauides  siht5e  56;  ine  mine  earen  98;  ine  Mi 
rvrite  112;  ine  his  iborenesse  158;  —  ö  leie  (in  flamma)  202,  o 
wummone  224;  o  fluhte  248;  o  vif  halve  112;  oöe  112  u.  s.  oft; 
ot5e  spitel  250;  vor  vokalen  aber:  on  eihie  distinciuns  12. 

Im  Infinitive  und  im  part.  liebt  A.ß.  das  w  beizubehalten:  5^) 
witen  (tueri)  4,  10,  14;  wilnen  60,  148;  weamen  408;  daneben 
warnte  54,  64;  makien  6,  176,  192;  wählen  4,  144;  reaven  396, 
rotiert  116,  274;  techen  176;  holden  176;  biholden  54;  bileauen 
340;  5/wnml30,  268,  306;  />encÄm204;  ^>^o/i  416.  pari:  iknowea 
224;  «Z><?rm  158;  iholden  250;  u.  s.  w. 

Im  conjunctive  lässt  A.  ß.  das  n  ausfallen,  wenn  daspro- 
nomen  nachsteht:  ileve  ^e  224;  give  ^e  98;  teile  ge  224.  In  die- 
sem falle  fehlt  es  oft  schon  im  altags.^^) 

Wir  gehen  nun  zu  den  muten  über,  zuerst  sollen  die  labi- 
alen abgehandelt  werden. 

P- 

p  im  anlaute  ist  altags.  wie  gotisch  selten.  Der  gröste 
teil  der  so  anlautenden  Wörter  sind  fremde.  Im  nags.  kommen 
durch  das  rom.  viele  stamme  dazu.  Altags.  plegan  (alacriter 
se  movere)  pleien  41  H.  M.;  A.  R.  94,  212,  230,  3l8,  424  Sonst 
finden  sich  pinunge  35;  pinet5  39;  passet^  39,  43;  pes  (pax)  41; 
paraisc  45  u.  a.  —  A.  R.  parais  54,  66,  356;  parlur  68;  pinutige 
368,  372;  pimmt  404  (pigmentum);  preost  3l8,  340  u.  a. 

Wie  im  altags.  ö')  ist  auch/  in  unsren  Schriften  die  anlau- 
tende consonantenverbindung  ps  nicht  gern  gehört  H.  M.  salm- 
wrihte,  sauter  3;  A.  R.  psalmwuruhte  78,  134,  400,  aber  sahn 
290;  salmwurhte  256. 

")  Morton  erklärt  451  ine  fttr  inpe.  Dies  ist  falsch,  für  in  pe  steht 
A.  R.  wie  H.  M.  ^e.  Auch  für  in  a  kann  ine  nicht  stehen,  vgl.  die 
beispiele. 

*5)  Vorausgesetzt  dass  Morton  nicht  willkürlich  ohne  weitere  bemer- 
knng  n  eingesetzt  hat, 

**)  So  altags.  fare  we  Mrc.  1,  38 ;  hwät  ete  we,  hwät  drince  we  Mtth. 
6,  31  n.  Dnrh.  b.  hwät  waUa  we  eatta, 

*0  So  neben  psalterium  Fä.  91 3,  107  2,  143»»,  149';  wynpsaUerium?B. 
56*«.  finden  wir  seakn  Ps.  568,»,  67«^  94 2  65*;  107*;  sealmfät  Ps.  70»; 
saUetan  104^. 


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ANCREN  RIWLE  UND  BALI  MEIDENHAD.  227 

Bisweilen  wird  ein/?  zwischen  m  undn  eingeschoben,  H.  M. 
nempnedebj  aber  somnunge  31,  somnlnge  31;  Aß.  isompned  186 
(coUectum);  nempnie  200,  daneben  nem7ie  MO]  inempned  IBS,  200. 
nempnen  84  (nur  Titus). 

b. 

lieber  b  ist  nichts  zu  bemerken.  Es  steht  in  beiden  denk- 
mälern  an-,  in-  und  auslautend,  wie  im  altags. 

f. 

Altags.  findet  sich  ein  schwanken  zwischen  f  und  v  nur 
ganz  selten,  wie  neben  ce/re  ein  cevre,  und  ee/lm  daneben  ceven. 
In  unsem  denkmälem  ist  nun  tibergang  von  /  zu  v^^)  sehr 
häufig.  H.  M.  hält  im  anlaute  noch  altes  f  fest  im  unterschiede 
zu  A  R  wo  /*  und  v  neben  einander  gebraucht  werden.  H.  M. 
/öfc3;  fader  3;  /brget  35,  39,  /ram;  for,  flesch  5,  13,  15.  etc.  Hier 
tritt  nie  v  ein.  A.  R.  hat  vorervard  98,  72;  foreward  172;  vor- 
bisne  52,  68,  76,  140;  vore,  vorleosen  166,  236,  310,  424;  vreo- 
mede  106,  183,  392;  vreomien  234;  vonden  102,  162,  194;  vlige 
8,  10;  vorgiten  200,  272;  veld  102;  vederen  132  und  viele  andre, 
daneben  falleb  34:8,  /eö/280;  /^^^m  (jejunare)  6,  240,  308;  praet. 
veste  126,  feste  160;  fit^eron  132  (Cleopatra),  vederen  die  andern 
hss.  fondeb  162,  182;  fondunge  232,  234;  for^iten  320;  fargivet^ 
96;  for kosen  208,  246;  /we/  126,  388  u.  a. 

Im  inlaute  wechseln  in  beiden  dcnkmälern  /  und  v  und 
zwar  so,  dass  zwischen  vokalen  stets  v,  vor  consonanten  stets 
f  steht.  Ebenso  steht  /  im  auslaut.  Diese  regel  ist  streng  be- 
obachtet. Es  findet  sich  alsoH.M.  hevene  19,  21,  23;  hevenlich 
5,  19,  21;  over  5,  21;  leafdi  25,  lafdi  9,  24,  doch  sobald  f  zwi- 
schen vokale  tritt  l(wedi  5;  laverd  5,  23,  29,  nie  laferd\  haveb 
5,  7,  19  aber  hefden  21,  hefdest  29,  n6/l?ew  25;  lif  5,  29;  /iVe^ 
23,  liven  25;  ^öa;er  19,  23,  29;  neaver  21,  25;  heaved  25;  /wweÖ 
29,  27wi;^^  25;  leaven  25,  29;  /^r«  (carus)  29;  leovest  19,  21. 
Sonst  ofte  29,  soßeliche  21;  ^cÄn/]f  21,  25;  a/lfer  25. 

/•  im  auslaute:  gi/*  21,  25,  29;  ^e// 5,  21,  29;  o/ 5,  19,  21, 
25,  29;  leofmon  25,  29;  /i/7arf^  19,  25;  peof  17  aber  peoves  29; 
^ero/  25,  29;  derf  29  und  andre. 


^)  Geschrieben  wird  A.  R.  im  Inlaute  m,  im  anlaute  bald  u  bald  v* 
Ich  habe  überall  v  gesetzt 

10* 


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228  WüLCKEß 

A.E.  ebenso  luvien  206,  222,  luvest  282,  292,  350;  luveliche 
428;  over  an  vielen  orten;  overdon  286;  overgon  238,  380,  394; 
loverd  2,  8,  30,  32  u.  s;  leafdi  4,  lefdi  62,  176,  108  lefdischipe; 
gw€n222]  navet^ 222,  228,  308;  Ä6/a^  124, 196,  224,  234;  hefdest, 
aber  hevedest  38;  Gonj.  he/de  pairt,  iheved;  kuslefdi  350;  o/?e  220, 
softe  222;  e/Ter  22,  24,  126,  222.  peof  174;  peoves  174^  292:  ö/* 
220,  222  u.  s.;  ^i/*  222;  cÄa//  106;  derf  SO,  106,  180;  /o/(laus) 
104;  husewif  222,  416;  rfri/"  imper.  von  driven. 

Man  sieht,  dass  /"und  t;  nach  bestimmten  regeln  gesetzt 
werden  und  nicht  ist  der  Wechsel  zwischen  /  und  v,  wie  man 
sich  bisher  oft  auszudrücken  beliebt  hat,  der  Willkür  des  Schrei- 
bers überlassen.  Sehen  wir  das  heutige  englisch  an,  so  ist 
zwischen  vokalen  das  v  auch  in  der  anspräche:  eleven,  evü, 
over,  vor  consonanten  blieb  /:  after,  often,  soft.  Im  auslaute 
wird  der  harte  firicativlaut  gesprochen,  wenn  auch  häufig  noch 
V  (als  früherer  inlaut)  geschrieben  wird,  z.  b.  live,  give,  drive^% 
Stand  ursprünglich  f  im  auslaute,  so  blieb  es  z.  b.  thief,  of,  seif 
life,  tvife.  Betrachten  wir  nun  /im  anlaute,  so  ist  es  EL  M. 
stets /geblieben,  A.  R.  wechselt  mit  v.  Dies  beweist  wider, 
wie  manches  andre,  dass  A.  R.  südlicher  entstanden  ist,  alsH.K 
In  den  heutigen  südwestdialekten  findet  sich  kaum  ein  anlau- 
tendes f:  Devon  *^):  vlnds  (reperio)  vast,  vur,  vule,  vrim  =  from, 
vine  =  fine,  Vrench  =  Fr  euch  —  Dorset  «i):  vor,  vew,  vrom,  visher, 
veet,  vriend,  vorver,  veäry  =  fair,  vrozen,  var  =  for.  —  Wilt*^); 
vet  =  feet,  vriz  =  frozen,  vuddled  = /uddled  (drunk),  vor,  vather, 
Somerset  ^3):  volly  =  to  follorv,  vooäth  =  forth;   voun  =  found; 


**•*)  io  live,  to  give,  to  drive  =  nags.  Uven,  given,  driven,  fife  (pfeife) 
mag  bewirkt  haben,  dass  man  in  five  (fünf)  ans  dem  nags.  noch  vorkom- 
menden plural  das  v  beibehielt.  Die  Schreibart  wife,  Ufe  =  ags.  Uf,  toif 
kommt  durch  die  mittelenglische  art,  eine  lange  silbe  durch  ein  ange- 
schobenes e  zu  bezeichnen. 

^)  Die  Worte  aus  dem  Devon-dialekt  gebe  ich  nach:  Nathan  Hogg, 
poetical  letters  tu  es  brither  Jan  and  tha  old  humman  way  tha  urd  cloke 
London.  1865. 

^^)  Dorsetdialect  nach:  Wüliam  Barnes,  poems  of  rural  life  in  the 
Dorset  dialect. 

«*)  vgl.:  John  Y.  Ackermann,  A  glossary  of  provincial  words  and 
phrases  in  use  in  Wiltshire. 

^)  vgl.:  James  Knight  Jennings,  the  dialect  of  the  West  of  England 
particularly  Somersetshire. 


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ANCREN  RIWLE  UND  HALI  MEIDENHAD.  229 

vur  =  far;  vust  ==  first;  vang  (fang);  vier  =  fire,  —  Gloc.®*): 
avoore,  vood,  vollow.  —  Haut:  vit  (fit),  vlick,  vore  =  forth,  Dass 
dies  V  der  labiodentale  tönende  fricativlaut  ist,  braucht  nicht 
erwähnt  zu  werden. 

Ob  wir  auch  schon  für  H.  M.  und  A.  R.  annehmen  dürfen, 
dass  V  tönender  labiodentaler  laut  war,  fragt  sich.  Jedenfalls 
spricht  daflir,  dass  nie  vor  consonanten  und  nie  im  auslaute  v 
steht.  Wäre  es,  wie  bisher  angenommen  worden  ist,  nur  gra- 
phisch verschieden  von  ^  warum  steht  dann  niemals  ein  leov 
oder  ein  hevden?  Etwa  einzuwenden  wäre  noch,  dass  dann 
Verbindungen,  wie  vly  vr  eingetreten  wären,  während  doch  das 
englische  bemüht  war,  die  verwanten  tvl  und  wr  zu  tilgen. 
Doch  erstlich  ist  das  labiodentale  v  doch  verschieden  vom  la- 
bialen rvj  ein  vi  ist  leicht,  ein  ml  schwer  auszusprechen,  endlich 
haben  aber  die  heutigen  südwestdialekte  oft  genug  vi  und  vr, 
vrassly  =  to  wrestle;  io  vrlde  (to  expand);  vring  {2l  press); 
vrumple  (a  rumple),  ebenso  Devon:  vright.  Hier  wurde  also 
der  ursprüngliche  labiale  laut  w  in  die  labiodentale  verändert 
und  dann  beibehalten.  Für  vi,  vr  =  altem  fl,  fr  finden  sich 
oben  schon  beispiele,  ausserdem:  vlare  (to  flare);  vleer  (flea); 
vlannin  (fiannel);  vlingd{^SiYt.  flung),  vlother  (nonsense);  vroästn.  a.^^) 

Für  meine  ansieht  über  die  ausspräche  des  v  im  nags. 
spricht  auch,  dass  die  romanischen  Wörter  das  romanische  v 
beibehalten  haben.  /"  im  auslaute  fällt  in  beiden  denkmätem 
«war  incompositis  nicht  aus,  wie  dies  nengl.  vielfach  geschehen ; 
vor  /waber  assimiliert  es  sich:  rvifmon,  das  wummon  wirdH.  M. 
15,  31,  35:  hingegen  leofmon,  des  später  lemman  lautet  (vgl. 
Havel.  1283,  Michel  agenb.  230,  Hom  550,  Will.  of.  Pal.  u.  a.  o.), 
behält  sein  /.    Ebenso  verfährt  A.  R. 

t 

steht,  wo  es  altags.  schon  anzutreflfen.  Die  einzige  änderung 
ist,  dass  es  öfters  für  />  steht  vgl.  bei  />. 

d. 
Eine  eigentümlichkeit  ist,  dass  H.  M.  statt  David,  Davits  ^^) 

®*)  Die  übrigen  dialekte  sind  dargestellt  nach  den  proben,  welche  ge- 
geben sind  in:  James  Orchard  Halliwell:  a  dictionary  of  archaic  and  pro- 
vincial  words  etc.  I  bd;  XI— XXXVI. 

^^)  vgl.  Jennings  a.  a.  o. 

^  Sonst  findet  sich  diese  eigentümlichkeit  nnr  im  nordhumbrischen. 


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230  WÜLCKER 

schreibt  So  9,  11,  35.  Einfluss  des  folgenden  consonanten 
kann  es  nicht  sein.  An  den  zwei  stellen  aber,  wo  die  hs.  David 
hat,  ist  wol  Davit5  zu  setzen,  vgl,  unten. 

J.,  8. 

An  stelle  von  altags.  Ö  lässt  H.  M.  d  auslautend  eintreten 
in  qiLod  ha  45.  z.  Doch  ist  dies  wol  nur  ein  Schreibfehler, 
da  19  z.  27  und  z.  29  quot5  he  steht.  A.  ß.  hat  cweb  sowol  für 
praes.  (p.  56),  wie  für  praet.  232,  234,  236  u.  s.^^) 

Es  ist  nun  das  verhalten  des  />  im  anlaute  zu  besprechen, 
wenn  das  vorhergehende  wort  mit  einem  dentalen  schliesst 

Orm  hat  nach  t  und  d  folgendes  fj  verhärtet.  Vorausge- 
hendes s  macht  auch  öfters  p  zur  tenuis.  Doch  ist  die  erste 
regel  nicht  ohne  ausnähme.  In  H.  M.  wird  nun  />,  wenn  eine 
tenuis  vorausgeht,  zur  tenuis.  pat  tu  3,  7,  9,  13,  23;  fordet  ü 
folc  3,  9;  ai  im  ende  7;  Uhet  te  9;  omni  ü  17;  pat  tis  19;  atie 
27;  itricchei  te  9.  Scheinbar  dagegen  spricht  feat  pat  13,  sest 
pat  9;  hit  pat  25,  allein  hier  steht  in  der  hs.  feot  p ,  sest  p, 
hit  p.  (Bei  p  ist  nur  die  schleife  verlängert).  Man  behielt  hier 
das  übliche  zeichen  p  fiir  pat  bei,  auch  wenn  der  anlaut  nicht 
mehr  p  war.   Eine  der  wenigen  ausnahmen  ist  pag.  19:  get  per. 

A.  ß.  hat  auch  meist  p  nach  vorangehender  dentaler  te- 
nuis zu  t  verhärtet  pet  te  6;  pet  iet  312,  156;  pet  iu  238,  406; 
pet  ins  238;  pet  ter  238;  weitere  beispiele  liefert  jede  seite. 
Daneben  aber  steht  nout  pet  8;  luvedest  pene  406;  graunt  perof 
328;  pouht  perof  238;  nowiht  perof  u.  a. 

Nach  d  wird,  wenn  eine  pronominalform  oder  eine  vom 
pronomen  gebildete  partikel  folgt  p  verhärtet,  in  andern  Wör- 
tern nicht  Also:  iseid  tus  27;  tomard  tis  5;  and  tat  5,  9;  and 
tu  5;  and  iah  7;  and  tine  33;  and  tene  23;  and  te  23  u.  a.^^) 
Andre  Wörter  werden  nicht  verändert:  and  puncheb  27;  and 
ponken  21;  allerdings  auch:  torvard  pulli  9. 

A.  ß.  schwankt  p  nach  d  sehr:  and  ter  104;  fed  tu  104; 
and  tine  104;  loverd  tauh  104;  and  teos  238;  and  te;  and  <w238; 
fed  tu  104;  and  te  148,  238;  and  tauh  238;  aber  offered  pet  8; 


**')  Hiemach  ist  auch  das  von  Koch  I.  §  167  gesagte  zu  berichtigen. 

**)  Deshalb  ist  auch  an  den  zwei  stellen,  wo  die  hs.  der  H.  M.  David 
pe  schreibt  pag.  3  z.  3  und  z.  19  Davits  (in  folge  der  oben  bemerkten 
eigenttimiichkeit)  zu  setzen. 


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ANCREN  RIWLE  UND  HALI  MEIDENHAD.  231 

tvord  perof  148;  (mä  puhte  148;  osad  pet,  and  peanne  156;  blöd 
pauh  312;  and  peonne  238;  ofserved  pet  238;  and  pauh  8,  406; 
and  pe  312;  istäeled  pm  8. 

Nach  Ö  bleibt/».  A.  ß.  intvib  pavh  104;  heob pe  104;  ka/oed 
>i238;  witisiggeb  /»c238;  vorö  />w,  cweti  pe  312;  ^e/^Ö  /»e  430, 
wiäS  />e^  6;  nimeb  ping  6;  wiäÖ  />^n^  8;  sigg^  pe  8;  stvolewetf 
pe  8;  i^  />me  148;  bitocneb  pet  138;  *^/Ö  /»e^  156;  seib  pe  156; 
^;?c/:eft  per  156;  —  Ebenso  H.  M.  singet^  penne  21;  ^eiö  pat  21; 
öeo&  />eo^  21 ;  /biheb  pat  25;  ermeft  pe,  mak^  pe  25;  ^«'Ö  pat  27; 
5/aÖ  /»a^  29;  puncheb  pe,  husteb  pe  31;  beateb  pe  31.  u.  a. 

Nach  s  hat  H.  M.  die  pronominalstämme  verhärtet,  andre 
Worte  behalten  p:  nis  tis  9,  13;  dides  te  9;  is  tat  he  19;  is  te 
lust  11;  forschuppes  te  27;  as  ti  9;  w  ^e  blosme  11;  t^  ^  9;  ij 
/a^  11;  as  tat  13;  /^  tenne  21;  i;  /»a^  9  ist  nicht  als  ausnähme 
zu  betrachten,  denn  hier  ist  wider,  wie  oben,  nur  ein  J>  ge- 
schrieben. Sonst  findet  sich  is  pullich  25;  peos  pre  23;  as  pe 
er  19;  in  pat  leades  pah  5,  reades  pa  19  ist  zu  schreiben  lea- 
deb  pah  und  readeb  pa  ^^).  A.  R,  lässt  nach  s  das  p  stehen : 
heardschipes  pet  6;  pinges  pet  6;  peos  pet  148;  his  preatunge 
156;  ^örfßj  preatunge  156;  /»^o^  />r^o  238;  w  pet  238;  sünges  pet 
430;  />2/^  />w  406;  i^  >e  104. 

Vor  vokalen  und  den  übrigen  consonanten  bleibt  p  in  bei- 
den denkmälern. 

c^  k. 

Es  soll  hier  versucht  werden  über  den  Wechsel  von  c  und 
k  und  c,  k  und  ch  regeln  aufzustellen. 

Altags.  cl  hat  sich  H.  M.  erhalten  und  wechselt  nie  mit 
k:  chtppinge  3;  cleane  11,  13,  24;  cleanschipe  21;  cleannesse 
11;  bicluppen  19;  iclepet  5,  33;  icleopet  13;  cleopet  5;  cleopeb  9, 
33;  c/^rpeft  11,  33;  cleopet  5. 

cn  bleibt  ebenfalls:  icnatve  23;  icnawen  23;  cnawlecheb  9; 
cno^,  icww^^e  33; 

er  in  germanischen  Wörtern  selten,  wie  schon  altags.  Nur 
crß/]f  37.  Hingegen  von  romanischen  finden  sich;  crune  19,  21, 
23;  icruned  23;  icrunet  7;  cre*^  33;  crlstendom  33. 


»»)  *  in  der  3.  pers.  Bing,  ist  wol  überall  zu  tilgen.  —  Es  findet  sich 
manchmal,  wo  wir  durchaus  keinen  grund  dafür  angeben  können,  z.  b. 
pag.  27.  pat  lades  loving  man. 


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232 


WULCKER 


Cfv  hat  nur  einbusse  erlitten  durch  qu  nicht  durch  kw :  crvike 
13,  cwalm  29;  ctven  7,  9,  11,  21,  27;  cwemen  6j  ctvemest  11; 
icweme  39;  cwebeif  41.  Im  anlaute  blieb  also  c  vor  consonan- 
ten.    Anders  ist  es  vor  vokalen. 

c  vor  a  bleibt  H.  M.  in  den  ags.  Wörtern:  carien  5,  27, 
29,  37;  car^  27,  29,  33,  35;  hingegen  behalten  Wörter,  die  dem 
nordischen  entnommen  sind,  ihr  k:  akastB,  kosten  6-^  p.  41  aller- 
dings cast.  Ebenso  bleibt  c  vor  o  und  u:  /brcorven  11,  icorven 
17;  forcudest  33;  cumelich,  uncumellch  37;  cumeÖ  17;  cun  33; 
cunde  9,  25,  27,  35,  45;  hingegen  vor  i  {=y  dem  umlaute  von 
u)  wird  k  gesetzt:  king  11,  45;  kinedom  39;  kineriche  19;  vor 
altem  /  ist  c  in  cÄ  übergegangen :  chüdren  27,  ebenso  in  cheorl^ 
erner  in  cheowest  35,  cheosetS  39,  während  c  vor  e  /r  wurde: 
kempene  23,  ikepunge  23;  e/r^jp^e  19.  Romanische  c  blieben  un- 
verändert: cuniasses  9,  cuncrveari  33,  confort  7,  27. 

Im  auslaute  bleibt  stets  c.  ^c  9  w^rc  9,  19,  37;  spec  19; 
«?^rf/ac  9,  13,  21,  23,  33,  37;  brudlac  3,  47;  tac  =  imper.  von 
•iakm  7,  39;  fearlac  35;  2>/ac  43;  w?i/>önc  47  ,u.  s.  w. 

Ausnahme  machen  ^cä  3,  43,  45;  hwuch  31,  33,  35,  37 
u.  s.;  swuch  5,  7,  9  u.  s.  w.  und  üich  5,  45,  2cä  9,  39.  Sonst 
findet  sich  noch:  hisech  45,  pmch  45. 

In  licome  muss  noch  die  Zusammensetzung  gefohlt  worden 
sein,  denn  nie  steht  Ukome.  Ebenso  Ilcrvurbe  11;  rvracfulliche 
41 ;  wacliche  9.  Im  inlaute  steht  zwischen  vokalen  kein  c  mehr. 
An  dessen  stelle  ist  k  (undcÄ)  getreten:  spekeb  3;  maken  3,  ma- 
kirn  31,  33,  37;  imakei  9;  swlkes  3;  27a/re?z  5;  sekerliche  7;  /JM 
7;  forsaken  7,  33;  likinge  7;  a/r^Ö  31:  rvakien  37;  ^//r^r^  43; 
/oXtö  33;  lokinge  31;  irekened  33;  6rwÄ:ß  33;  brudlakes  9,  ^w//:e- 
//cÄ«  39;  speken  37;  m^ö/r^  43;  meokelec  43;  srvikeUche  39  u.  a. 

cc  wird  cÄ:  Altags.  licdan  (L.)  zu  //cÄ^Ö  9  z.  13.  Dass 
ewcÄ,  snmch,  hwuch  im  auslaute  cä  haben  ,  ist  schon  oben  be- 
merkt worden.  Im  inlaute  bleibt  dies  natürlich.  Manchmal 
steht  auch  cch  dafür:  hrvucche  33;  swucches  39. 

Besondere  beachtung  verdient  lic  in  adjektiven  und  adver- 
bien.  Im  positive  dieser  Wörter  steht  stets  ch,  mag  er  nun 
liehe  oder  luche  lauten.  Im  comparative  und  Superlative  dage- 
gen bleibt  die  gutturale  tenuis  und  zwar  wird  sie,  als  zwischen 
vokalen  stehend,  durch  k  ausgedrückt.  Regelmässig  steht  sons 
noch  der  zischlaut  zwischen  vokalen  in  miLche  und  muchel,  sons* 


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ANCREN  RIWLE  UND  HALI  MEIDENHAD.  233 

hevenriche  39;  sticke,  daneben  aber  stikinde  p.  35  z.  35:  wrecche 
=  altags.  vräcca  13  und  tvlecche'^^)  43, 

Steht  die  gutturale  tenuis  im  inlaute  mit  einem  andren 
eonsonanten  verbunden,  so  wird  sie  durch  c  ausgedrückt,  wenn 
der  andre  consonant  folgt,  durch  k  oder  ch,  wenn  derselbe 
vorhergeht:  bitacneb  5;  hercne  39;  aber  swinkeb  39,  rvlonke  31; 
inker  31;  ilke  9;  nmrchen  35,  37;  hipencheb  9;  pencheb  5,  37; 
Pmchet5  7,  31,  37;  punckeb  3^^). 

In  der  spräche  der  A.  R.  ist  k  weiter  vorgedrungen  im 
anlaute. 

Vor  /  ist  c  geblieben:  clea/res  102;  clenesse  164;  clenliche 
412;  cleopien  58,  98,  102,  208,  216.  u.s.;  cUmhm  140,  162,244; 
cluppen  230,  288;  cluppunge  324,  396; 

Neben  cn  ist  schon  stark  kn  eingedrungen;  cneolen  18,  122; 
cnowettj  icnowen  204,  232,  250;  cnowunge  280;  kniht  86;  Ärnav^ 
(puer)  380;  Am/ 212,  284;  Ärno^^^  1  u.a.;  kneoUnde  18;  iknorven 
232.  Auch  neben  er  findet  sich  /rr.  creopan  292;  crocke  214 
=  altags  crocca;  croppebSß;  crefi  268;  crw^i«94  daneben /rrw- 
WßÖ  392;  ArrocAre  346. 

cw  meist  geblieben,  selten  ist  es  zu  qu  übergegangen  (vgl. 
unter  w).     cwemm  138,  192,  338;  cwme  88,  170,  296  u.a. 

Auch  im  anlaute  vor  vokalen  wird  der  guttural  häufiger 
durch  kj  als  durch  c  ausgedrückt:  kat  416;  /rar e/eo^  246;  kake- 
Im  66,  8Ö  daneben  cakelet5  88,  icaceled  66,  casiel  62  —  cos  (os- 
culum)  102,  194,  256;  cöm  (venit)  62;  con  18,  24,  66,  206;  icorm 
28;  daneben  ikorven  362,  424,  Ukorven  62,  Aro/^  6  —  cunneSQ, 
122,  358;  Awww^  14,  60,  120,  200;  ikunned  398;  cww^ö  120,126, 
140,  künde  14,  66,  84,  120;  cwnw^64,  114,  28;  kunnen  72,  108; 
/rwöm  66,  222,  284;  cut^  (imper.)  302,  selkuö  8;  kumen  60,  66, 
cumen  62,  66;  icufnen  62,  64.  Auch  in  romanischen  Wörtern, 
wo  H.  M.  c  behält,  hat  A.  R.  vielfach  k:  kunfori  8;  kuvent,  ku- 
verlur,  kunsenten  =  cumentir  w,  di,  —  kepen  96;  kesten,  daneben 
auch  cherre  (versio,  vices)  36,  84,  314,408;  kimeb  92  "^2);  kinedome 


''^)  Dies  ist  wider  ein  beweis,  dass  vMc  (tepidus)  sehr  gut  im  altags. 
Vorkommen  kann  und  es  nicht  nötig  ist  die  stelle  Ps.  148*  mit  Thorpe 
zu  ändern. 

^*)  puncketi  wird  wol  nur  verschrieben  sein  für  punchetf. 

''^)  Nur  Cleopatra  hat  die  /-form. 


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234  WÜLCKER 

322,  aber  chirche  68,  268  und  churche  2273);  childrm  10,  416 
U.8.  cheapen  190 j  290,  418;  cheping  88,  206;  cheast  200  (altags. 
ceds)\  Chef  270,  272;  cheokm  {cedca  L.)  70  106,  156;  cheotw^ 
80,  84;  cheosen  370,  406. 

Im  auslaute  bleibt  c  in  der  A.  R.  mit  den  seljbön  ausnah- 
men, wie  H.  M.  Also:  blac  10;  boc  8,  64;  spec  68;  woc  4,  12; 
dnmc  14  aber  drunch  8;  hingegen  ^cÄ  4,  6,  12;  efrichAi,  6 
everich  12,  18,  20;  ä«?wcä  8,  12,  266  daneben  hwuc  64;  5wn<cÄ 
10,  64;  ich  26,  62,  96,  266;  alswuch  12. 

Auch  in  der  A.  R,  wurde  in  licome  nie  k  gesetzt,  ebenso 
Hcwurbe  u.a.  composita. 

Zwischen  vokalen  steht  inlautend  kein  c  mehr,  gerade  wie 
H.  M.  fikele,  swikele  268;  moke  268;  maket5  412,  loketi  \\%  siker 
60,  166  u.  a. 

cc  wird  cÄ;  stucchenes  14,  412. 

cÄ  tritt  öfters  zwischen  vokalen  ein.  Stets  bei  euche  u. 
den  andern  obengenannten  Worten:  swucheS,  64;  ferner  muchel 
10,  62,  66;  muche  12,  62,  18;  wreche  66;  spreche  66,  68  u.  a. 

Mit  Hc  verhält  es  sich  gerade  so,  wie  in  H.  M. 

Die  gutturale  tenuis  mit  einem  andren  consonanten  im  in- 
laute  verbunden  verhält  sich  in  A.  R.  gerade  so,  wie  in  H.  M. 
.d.  h.  steht  der  guttur.  voran,  so  wird  c,  geht  der  andre  conso- 
nant  voran,  so  wird  k  oder  ch  gesetzt  z  b.  hercnen  12,  64,  82,  86 
u.  s.  lecnen  (mederi)  330,  368;  iocne  (signum)  106,  316,  ancreriy  bitoc- 
me  12;  aber  ilke,  dolke,  tverkes^  werkedei,  stinkind  und  wrenchfvX 
268;  puncheb  268,  8,  38,  rvurcheby  30;  kmchm  62;  penchet5  16, 
32 ;  penche  96  u.  s.  w.  drincken  4  wird,  wie  H.  M.  punck^,  ver- 
schrieben sein. 

g- 

Im  anlauteist  g  vielfach  in  g  übergegangen,  daneben  blieb 
<;75).  H.M.  giveb  7,  17,  21,  39  geoveb  9;  geove  (inf.)  11  xx.  geo- 
ven  33;  igeoven  9;  geove  (donum)  11;  marhegive  39;  give  45; 
f orgelt  7,  for^lden  13;  gulten  47,  guUeti  35;  forget  3,  5,  9,  11, 
39;  gerne  =  altags,  gemen  3,  25,  45;  georne  3,  21;  again  15,  31; 


^3)  In  H.  M.  ist  vor  %  =  umlaut  von  u  kein  ch  nachzuweisen. 
■'*)  Hier  ist  ein  i  angehängt,  wie  in  hesi  =  altags.  h(BS  jussum. 
'**)  Darnach  ist  auch  das  von  Koch  §  176  gesagte,  der  g  im  anlaute 
erst  für  das  altengl.  annimmt,  zu  berichtigen. 


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ANCREN  RIWLE  UND  HALI  MEIDENHAD.  235 

garketi  47  (zu  gearc  paratus)  u.  v.  a.  Aber  gold,  god,  goää  (deus), 
gederunge,  bigunnen,  gastliche^  togedere  u.  a.  Nie  wird  g  erweicht, 
wenn  noch  ein  consonant  im  anlaute. 

Ebenso  verfährt  A.  R.  given  u.  andre  formen:  68,  80,  82, 
92,  294,  330;  morgiven  94;  geove  202,  368;  geld  78,  376;  ßr- 
gelde  428;  forgitm  124,  186,  320;  gerne  32,  78,  344;  germi  98, 
344;  gelpm  148,  222,  330;  gimston  134,  360;  geome  108,  124, 
158,  234.  georneluker  234;  geteward  270;  daneben  güldene,  geat, 
gateherden  (capra),  gederen  u.  a. 

Das  praefix  ge  ist  in  beiden  denkmälern  stets  zu  einfachem 
/  geworden.  Wie  altags.  wird  es  nicht  nur  dem  part.,  sondern 
auch  öfters  dem  Infinitive  beigefügt.  H.  M.  iseid  1,  3;  iburhen 
19;  ilahet  21;  ibroht  15;  igan  11;  icleped  5,  itaken  5;  irvriten  13; 
Inf.  iftjiden  7,  9,  29;  iheren  9;  imper.  iher  3;  ferner  inoh  7,  29, 
33,  35;  ifvis  33;  Home  33;  imeane  21,  23,  25. 

g  im  auslaute:  wo  altags.  im  auslaute  h  an  die  stelle  von 
g  trat,  blieb  es  auch  in  unsem  denkmälern,  so  sorh,  buh,  /br- 
buh  u.  a.  Wo  hingegen  g  altags.  blieb,  wurde  es  in  H.  M. 
u.  A.  R.  zu  i  oder  es  fiel  ab. 

Zu  i  wurde  es:  H.  M.  awei  9,  11,  15,  27;  awai  43;  mei 
11,  31,  33  (daneben  me  mit  abfall  des  i  19);  wei  43,  47; 
neben  mei  steht  auch  mai  7,  17;  dei  9,  dai  15;  grei  43;  &d  3; 
eihwer  39. 

A.  R.  mei  74,  78,  266,  268;  mai  34  u.  s.,  /d  (jacuit)  266; 
dei  266,  412;  sunedei,  pursdei  412,  domesdei  188;  awei  62;  wi«?- 
w  41  i 

Abgefallen  ist  g  im  suffix  ig:  H.  M.  an^  7,  17,  29;  eni  17, 
25,  27,  29;  eadi  5,  13,  15,  21,  39;  hau  5,  21;  sali  5,  7,  9,  U, 
33;  sari  13;  sariliche  5;  mom  7,  11,  25,  27^  almihti  19;  ^tom 
17;  modi^\  bodi\%  23,  35,  41;  lavediS,  5;  /a/ii/  15,  23.  Ebenso 
A  R.  m/,  Äö/e,  &/öfife,  bodi  u.  a. 

Ein  ^  steht  H.  M.  niemals  im  wortinnern.  Nur  eine  ein- 
zige ausnähme  bildet  witege  p.  5.  Geht  im  Inlaute  ä,  e,  ce,  e 
voraus,  so  wird  g  zu  i  und  bildet  mit  dem  vorgehenden  vokale 
den  diphtongen  ei,  seltener  ai.  H.  M.  meiden  33,  37,  39,  43, 
45;  säen  3;  seit^  3,  5,  7;  iseid  1,  3,  31;  breide  9;  eie  31,  43; 
feire  (pulchritudo)  33;  ßir  19,  27,  33,  39;  eiber  TJ,  31;  meidm- 
hadb,  11,  13,  15,  17;  agaifi  15,  31;  weis  9,  21,  27,  39;  — AR. 
meiden26S'^  seide266]  deieslA]  deie4l2]  betet  266,  /eir  206 u.a. 


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236  WÜLCKER 

Sonst  verläuft  das  inlautende  g  im  nags.  auf  zweierlei  art, 
es  wird  entweder  ^  oder  tv.  La^.  hat  beide  formen  nebenein- 
ander: dra^e  u.  drawCy  Ulanen  u.  islawen,  bugen  vl  hutven. 

H,  M.  hat  im  inlaute  ^  zu  ^  werden  lassen,  da  aber  im 
inlaute  keine  ^  geschrieben  werden,  bezeichnete  H.  M.  diesen 
laut  durch  Ä;'^)  mähe  25,  29;  mähen  19,  31,  muhen  43;  drohen 
3,  5,  11;  drehen  7,  17,  37;  wdhes  (muri)  31;  utlahe  11,  43;  un- 
laheliche  25;  laheliche  13;  ahne  27;  huhet5  5;  untohe  31;  untoke- 
liehe  17;  welitohe  25;  femer  sorhen  27,  29;  marhegive  39;  /ö/to 
15,  19,  23;  tiwrÄm  11,  19;  ^örÄe  27,  .33,  39;  sorhfulliche  17. 
Eine  ausnähme  macht  halrves  19  statt  Äa/Äe^  oder  Äa/ie^. 

A.  R.  dagegen  lässt  g  im  inlaute,  wenn  nicht  ä,  e,  m,  e 
davor  steht,  zu  w  tibergehen  und  w  entwickelt  alsdann  öfters 
ein  Uy  es  ist  das  halbvokalische  labiale  w:  hairve  268,  halewen 
18,  124,  166,  362;  halervune  412;  helidawes  24,  helidawene  302; 
he  muwe  96;  ecÄ  mw«;6?  26;  ge  muwen  20,  22,  66,  412;  darvunge 
20,  munedawes  22;  Ulowen  68;  öww^  ^^  68;  swoluweb  8;  vorsrvo- 
lurvetS  66;  ^^  buweÖ  18  u.  a. 

h. 

Ä  als  hauchlaut  bietet  nichts  bemerkenswertes.  —  Ä  als  gutt. 
fricativlaut.  Die  anlautsverbindungen  hw  u.  s.  w.  sind  oben 
besprochen.  Wo  gutturales  h  erst  nags.  eingetreten  ist,  wurde 
bereits  oben  besprochen. 

Aus  dieser  Zusammenstellung  geht  hervor,  dass  die  laut- 
lichen ab  weichungen  doch  zu  bedeutend  sind,  um  nur  einem  Schrei- 
ber zugeteilt  werden  zu  können. 

Die  formenlehre  bietel;  wenig  unterschied.  In  der  flexion 
stimmen  beide  nags.  denkmäler  ttberein. 

Der  Wortvorrat  bietet  Verschiedenheit.  Doch  nur  dann 
können  wir  eine  solche  im  wortgebrauche  feststellen,  wenn  ein 
wort,  welches  H.  M.  oft  gebraucht,  in  A.  R.  fast  gar  nicht  vor- 
kommt.   Ist   das  Verhältnis  umgekehrt,   so  dtirfen   wir  nicht 

■^ö)  Dass  Ä  keinen  andren  laut  als  ^  bezeichnen  soll,  dafür  spricht  die 
form  unwurtSehetS  35  z.  14.  So  schreibt  auch  z.  b.  S.  Maih.  den  namen 
der  heiligen  stets  Marherete^  statt  Margereie.  Lag.  gebraucht  ohne  be- 
denken g  im  inlaute:  läge,  fugel,  fleoge,  drage  u.a.  Orm  geht  hier  oft 
einen  mittel  weg  zwischen  der  Schreibweise  Lag.  u.  H.  M.  Er  schreibt 
nämlich  flighenuy  eghe,  laghe,  aghenn  u,  a. 


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ANCREN  RIWLE  UND  HALI  MEIDENHAD.  237 

yergessen,  dass  H.  M.  nur  23  druckseiten  einnimmt,  während 
A,  R.  beinahe  das  zehnfache. 

Ein  wort,  was  RM.  fast  auf  jeder  seite  gebraucht,  ist  wer, 
daneben  mon.  A.  R.  setzt  mon,  auch  weopmon  10,  68,  68,  316. 
Nero  hat  einmal  p.  352  wert  Tit.  wan,  was  Morton  auf  wer 
zurückffthrt,  doch  die  stelle  ist  wol  überhaupt  zu  ändern.  Dann 
schreibt  Titus  noch  398  weore,  wo  Nero  u.  Cleopatra  ganz  an- 
ders lesen. 

Beweise  der  zweiten  art  sind,  dass  A.  R.  viel  häufiger 
wrmmon  braucht,  während  H.  M.  meist  wif  setzt,  auch  child  neben 
heam  wendet  A.  R.  verhältnismässig  häufiger  an,  als  H.  M. 
weopmon  fllr  man  kennt  H.  M.  gar  nicht  Auch  das  H.  M.  so 
beüebte  care,  carien  tritt  A.  R.  vor  dem,  allerdings  auch  H.M. 
wolbekannten5orww^m(H.  M.  ^orÄ^)  zurück.  So  Hesse  sich  noch 
mancherlei  feststellen,  wären  beide  denkmäler  von  gleicherem 
umfange. 

Doch  auch  im  stile  des  ganzen  Werkes  zeigt  sieh  A.  R. 
sehr  verschieden  von  H.  M. 

Der  ton  in  A.  R.  ist  ein  weit  liebevollerer,  als  der  in  EL  M. 
Der  Verfasser  der  ersteren  sagt  ausdrücklich,  dass  die  regeln, 
welche  er  fiir  das  äussere  leben  aufstellt,  geändert  werden  könn- 
ten je  nach  bedarf:  p.  6,  Vor  pi  mot  peos  fviz.  nitre J  riwle 
cJumngen  hire  misUche  efter  euch  ones  manere  and  e/ter  hire  efne. 
Vor  mm  is  strong,  sum  is  unstrong  and  mei  ful  wel  beo  cwiie  and 
paie  god  mid  lesse.  u,  s,  w.  —  Als  unveränderlich  stellt  er  nur 
das  halten  dreier  dinge  auf:  obedience,  chastete  and  studestaj^el- 
vestnesse.  Doch  hier  selbst  gibt  er  zu,  dass  durch  not  eines 
dieser  drei  gelübde  über  seite  gesetzt  werden  könne.  Er  warnt 
geradezu,  mehr  als  diese  drei  zu  versprechen,  da  es  ein  ver- 
brechen gegen  gott  sei,  ein  eingegangnes  gelübde  zu  brechen. 

Anders  verfährt  der  Verfasser  der  H.  M.  Er  gibt  (anleh- 
nend an  den  14  psalm)  seine  geböte,  wer  sie  nicht  hält,  dem 
droht  er  mit  tod,  höUe  und  teufel. 

Der  ton  ist  in  H.  M.  überhaupt  ein  viel  roherer,  als  in  A.  R. 
Man  vergleiche  nur  z.  b.  p.  9.  Obgleich  A.  R.  oft  auch  recht 
weit  geht,  so  wird  sie  doch  von  H.  M.  in  derbheit  übertroflFen. 
Manchmal  allerdings  ist  die  Schilderung  in  H.  M.  nicht  ohne 
humor  ''^),  den  A.  R.  nie  zeigt,  doch  dieser  humor  ist  stets  derb. 

")  vgl.  pag.  37  unten  u.  38  oben. 

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238  WÜLCKER 

Diese  paar  andeutungen  mögen  gentigen,  um  zu  zeigen, 
dassauch  andre  gründe,  als  sprachliche  es  unglaublich  machen, 
A.  R.  und  H,  M.  seien  demselben  verfosser  zuzuschreiben.  Allein 
Cockayne  hält  es  nicht  nur  flir  wahrscheinlich,  dass  beide 
Schriften  vom  selben  Verfasser,  sondern  sogar  für  nicht  unwahr- 
scheinlich, dass  auch  H.  M.  an  dieselben  drei  Schwestern  ge- 
richtet ist.  Beweise  daflir  führt  er  keine  an.  Es  dürfte  auch 
wol  schwer  halten,  solche  aufzubringen. 

Es  Hesse  sich  allerdings  behaupten,  da  der  Verfasser  in 
H.  M.  sich  an  die  werte  Davids:  Audi  filia  et  vide  etinclina 
aurem  tuam  etc.  anlehne,  dass  er  stets  nur  die  rede  an  eine 
Jungfrau  richte.    Allein  ähnlich  sagt  A.  R.  p.  2: 

Loverd!  selb  godes  spuse  to  hire  deorenmrbe  spm,  peo  J>e 
riht  luviet5  pe^  peo  pet  heot5  riht:  peo  pet  libbeb  efter  riwle, 
—  Dann  aber  lautet  es  weiter:  And  ge,  mine  leove  smtren,  hah- 
bet5  moni  dai  iremd  on  me  efter  riwle  etc. 

H.  M.  bleibt  aber  stets  an  eine  Jungfrau  gerichtet,  selbst 
da,  wo  sie  ganz  selbständig  vorgeht.  Z.  6.  pag.  45. 

Have  eaver  ipin  herte  pe  eadieste  of  meidnes  and  meidehades 
moder  and  bisech  ai  hire  pat  ha  pe  Uhte  and  give  luve  and  strengte 
for  to  foThe  i  meidenhad  hire  pearves  pench  o  st.  katerine  etc. 

Wir  haben  also  gar  keinen  anhaltspunkt,  dass  H.  M.  an 
drei  nennen  gerichtet  sei. 

Das  ergebnis  unsrer  Untersuchung  ist  also: 

Ancren  Riwle  und  Hali  Meidenhad  ist  nicht  vom  selben  Ver- 
fasser, nicht  einmal  in  der  selben  gegend  geschrieben.  Der  Ver- 
fasser der  A.  R.  war  ein  durchaus  gebildeter  mann,  während 
der  der  H.  M.  wol  niederen  kreisen  angehört,  H.  M.  endlich 
ist  nicht,  wie  A.  R.,  an  drei  Schwestern  gerichtet. 


Nachwort.  Seitdem  ich  meine  Übersicht  der  neuangelsäch- 
sischen denkmäler  und  vorstehenden  aufsatz,  nov.  1872,  niederge- 
schrieben habe,  hat  der  unermüdliche  fleiss  des  Rev.  Oswald 
Cockayne  und  Dr.  Richard  Morris  wider  einiges  veröffentlicht,  was 
für  die  neuangelsächsische  zeit  sehr  wichtig  ist.  Erschienen  sind 
unterdes:  an  Old  English  Miscellany,  St.  Juliana  und  der 
zweite  teil  der  Old  English  Homilies.  Hauptsächlich  ersteres 
werk  vermehrt  nicht  nur,  sondern  ändert  auch  manches  in  meiner 


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ANCREN  RIWLE  UND  HAU  MEIDENHAD.  239 

Übersicht  gesagte.  Es  stehen  jedoch  auch  noch  Veröffentlichun- 
gen andrer  neuangelsächsischer  denkmäler  in  aussieht,  vor  allem 
solcher,  welche  den  Übergang  vom  altangelsächsischen  zum  neu- 
angelsächsischen bilden  (Vgl.  Atheneum,  No.  2391;  Aug.  23, 
1873).  Dazu  konmit,  dass  ich  in  der  Zwischenzeit  gelegenheit 
hatte,  die  Übersetzung  des  evangeliums  Matthaei  aus. dem  Hatton 
ms.  hg.  von  Eemble  in  die  hände  zu  bekommen.  Alles  dies 
ändert  und  wird  manches  von  dem  pag.  76  gesagten  ändern, 
wie  ich  überhaupt  über  diese  periode  jetzt  zu  etwas  andrer 
ansieht  gekommen  bin. 

Anstatt  aber  jetzt  gleich  nachzutragen  und  zu  bessern,  um 
bald  wider  nachtragen  zu  müssen,  verspare  ich  es  mir  auf  die 
zeit  auf,  wo  obige  Schriften  erschienen  sind,  um  dann  einen 
möglichst  erschöpfenden  nachtrag  zu  geben. 

lieber  meine  anordnung  der  denkmäler  bemerke  ich,  dass 
ich  versucht  habe  dieselben  chronologisch  zu  ordnen,  obwol  es 
nur  ein  versuch  ist,  da  uns  bei  vielen  derselben  alle  anhalts- 
punkte  mangeln.  Aus  einem  versehen  ist  das  poem  on  Death 
vor  die  Ancren  Riwle  geraten.  Es  sollte  nach  derselben  stehen 
und  als  No.  VIII.  die  reihe  der  stücke  eröfflien,  über  deren  ent- 
stehungszeit  ich  nicht  zu  entscheiden  wage,  dies  gilt  für  das 
poema  morale  und  vor  allem  für  die  homilien,  die  unter  ein- 
ander im  alter  recht  verschieden.  Vorstehender  teil  wird  vom 
neuerschienenen  nicht  berührt. 

LEIPZIG.  RICHARD  WÜLCKER. 


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ÜBER  DIE  NEU-ANGELSÄCHSISCHEN  SPRÜCHE 
DES  KÖNIGS  AELFRED. 


Wenn  irgend  ein  fürst  ansprach  auf  ein  dankbares  an- 
denken bei  seinem  volke  machen  darf,  so  ist  es  Aelfred  der 
grosse,  der  könig  der  Westsachsen  (871  —  901).  Nicht  nur 
schützte  er  als  heerflihrer  die  gaue  seines  Vaterlandes  mit  dem 
Schwerte,  indem  er  die  Dänen  in  mehreren  schlachten  besiegte 
und  weit  nach  norden  trieb,  sondern  er  erkannte  auch,  dass 
ein  volk,  welches  sich  durch  die  waflFen  rühm  und  macht  er- 
kämpft hat,  nur  durch  fortschreitende  bildung  sich  dieser  er- 
rungnen  guter  wtlrdig  zeigen  und  die  unter  den  andern  nationen 
gewonnene  ehrenvolle  Stellung  behaupten  könne. 

Kaum  hatte  daher  Aelfred  durch  Unterwerfung  der  nordi- 
schen schaaren  die  drohendste  gefahr  von  seinem  vaterlande 
abgewendet,  so  war  all  sein  sorgen  auf  hebung  der  bildung 
unter  seinen  landsleuten  gerichtet  Welchen  weg  er,  um  zu 
diesem  ziele  zu  gelangen  fUr  den  besten  hielt  und  daher  auch 
einschlug,  spricht  er  deutlich  in  der  vorrede  zu  seiner  Über- 
setzung derCura  pastoralis^  des  Gregor  aus^).  „Er  habe,  heisst 
es  darin,  oft  darüber  nachgedacht,  welch  weise  männer,  sowol 
geistliche  als  laien,  dereinst  unter  den  Angeln  gelebt  hätten. 
Durch  die  könige,  welche  damals  gehersctt,  sei  innerhalb  der 
grenzen  frieden  und  gute  sitte  aufrecht  erhalten  worden,  nach 
aussen  aber  hätten  sie,  durch  kämpf  und  durch  kluges  beneh- 
men, ihre  macht  und  ihr  ansehen  ausgedehnt  Die  diener 
gottes  Wären  damals  nicht  nur  eifrig  im  lehren,  sondern  auch 
im  lernen  gewesen  und  von  überall  her  sei  man  nach  England 
gekommen,  um  Weisheit  zu  lernen.    Glückliche  tage  habe  da- 

0  Neuerdings  wurde  die  Cura  pastoralis  herausgegeben  von  Heniy 
Sweet  als  Publicalionen  No.  45  u.  No.  50  der  Early  English  Text  Socie- 
ty.   London,  1871  u.  72. 


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ÜBER  DIE  NAGS.  SPRÜCHE  ALFREDS.       241 

mals  das  volk  der  Angeln  gesehen.  Seitdem,  fährt  Aelfred  fort, 
hat  es  sich  gewaltig  geändert.  Die  bildung  der  Angelsachsen 
ist  so  sehr  gesunken,  dass  ich  mich  keines  einzigen  erinnern 
kann,  der  zur  zeit  meines  regierungsantrittes  südlich  von  der 
Themse  wohnend  etwas  lateinisches  ins  angelsächsische  über- 
tragen konnte.  Jetzt  ist  es  allerdings  besser  geworden,  allein 
noch  lange  nicht  genug  ist  für  die  Volksbildung  geschehen.  Da- 
her habe  ich  selbst  begonnen,  wie  einst  die  Lateiner  die  wich- 
tigsten werke  der  Griechen  in  ihre  spräche  übertragen  haben, 
die  bedeutendsten  lateinischen  Schriften  ins  angelsächsische 
zu  übersetzen.  Denn  viele  können  angelsächsisch  lesen,  welche 
doch  kein  latein  verstehen.  Es  sollen  daher  in  Zukunft  die 
söhne  der  freien  zuerst  angelsächsisch  lesen  lernen,  dann  kön- 
nen sie,  wenn  sie  sich  weiter  bilden  wollen,  immerhin  noch 
latein  lernen." 

Diesem  grossartigen  streben  Aelfreds  verdanken  wir  denn 
auch  eine  ganze  reihe  Übersetzungen  lateinischer  werke. 

Vor  allem  ist  hier  zu  neiinen  die  Übertragung  der  schrift, 
welche  ja  in  keiner  literatur,  die  während  des  M.  A.  zu  irgend 
welcher  bedeutung  gelangte,  fehlt,  die  Übertragung  der  conso- 
latio  philosophiae  des  Boethius.  Doch  besitzen  wir  in  der  ar- 
beit des  königs  keine  wortgetreue  Übersetzung,  sondern  eine 
freie  bearbeitung  in  prosa.  Von  einschaltungen  Aelfreds  ist 
hauptsächlich  eine  im  2.  buche  erwähnenswert,  wo  er  die  grund- 
sätze  seiner  regierung  darlegt.  Gerade  die  schrift  des  Boethius 
muste  bei  der  Vorliebe  der  Angelsachsen  für  didaktik  sich  rasch 
verbreiten.  Beweis  dafür  ist  auch  eine  etwa  ein  Jahrhundert 
später  entstandne  bearbeitung  in  alliterierenden  versen,  welche 
wesentlich  auf  Aelfreds  arbeit  beruht  2). 

Eine  andre  Übersetzung  ist  die  des  geschichtswerkes  von 
Orosius,  welches  gerade  seiner  tendenz  wegen  im  M.  A.  sehr 
beliebt  war.  Auch  hier  ist  viel  eingeschaltet  z.  b.  die  geogra- 
phie  von  Germanien. 


^)  Schon  Thomas  Wright  hat,  in  der  Biographia  Britannica  Literaria 
I  hd.  Anglo-Saxon  period.  London  1842  pag.  400 — 403 ,  hinlänglich  nach- 
gewiesen, dass  die  metrische  bearbeitung  der  metra  nicht  von  Aelfred 
sein  kann.  Grein  hat  ausserdem  auch  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass 
der  Verfasser  des  gedichtes  sich  gerade  neben  Aelfred  stellt  nnd  ihn  als 
seine  quelle  angibt  (Vgl,  BibL  der  ags.  poesie.  bd.  II  pag.  412  ff.) 

Beiträge  znr  geschichte  der  deutschen  spräche.  I.  17 


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242  WÜLCKER 

In  gleicher  weise  verfährt  der  könig  bei  der  bearbeituiig 
der  kirchengeschichte  des  Beda,  in  der  er  uns  vieles  aus  sei- 
nen eignen  kenntnissen  über  Säd-  und  West-England  bringt. 

Ausserdem  besitzen  wir  von  ihm  an  rein  -  theologischen 
werken  eine  Übersetzung  der  Cura  pastoralis  mit  der  schon  er- 
wähnten trefflichen  einleitung.  Auch  eine  Übersetzung  derSoli- 
loquien  des  Augustinus  wird,  wol  mit  recht,  dem  könige  zu- 
geschrieben 3). 

Ganz  selbständig  scheint  Aelfred  in  einem  uns  leider  rer- 
loraen  werke  verfahren  zu  sein.  Er  selbst  nennt  die  schrift 
Enchiridion:  aus  anführungcn  bei  William  of  Malmesbury  u.  a. 
geht  hervor,  dass  darin  die  geschichte  des  angelsächsischen  Vol- 
kes und  des  westsächsischen  königshauses  behandelt  war. 

Stellen  wir  zu  so  hohen  Verdiensten,  welche  Aelfred  sich 
um  die  bildung  seines  Volkes  erwarb,  noch,  dass  er  sein  land 
mit  einer  neufengesets^bung  beschenkte,  und  diese  gesetze  auch 
mit  kräftiger  band  durchftlhrte,  so  konnte  es  nicht  ausbleiben, 
dass  die  Angelsachsen  diesen  flirsten  als  volkslehrer  unä  ge- 
setzgeber,  von  dem  alle  bildung  ausgegangen  wäre^  liebten. 
Noch  höher  aber  stieg  diese  liebe  und  würde  zur  innigsten  Ver- 
ehrung, als  zwei  Jahrhunderte  später  das  land  unter  dem  drucke 
der  fremdherschaft  seufzte  und  mit  wehmütigem  verlangen  nach 
jenen  zeiten  zurücksah,  wo  es  im  innern  des  friedens,  mächti- 
gen Schutzes  aber  nach  aussen  hin  sich  freuen  durfte,  nach  den 
Zeiten  Aelfreds. 

Das  eine  gut,  wofür  Aelfred  sein  leben  eingesetzt  hatte, 
die  Selbständigkeit-  des  landes,  ging  zwar  durch  die  norman- 
nische erobrung  verloren,  doch  am  andern,  an  der  einheimischen 
bildung,  hielten  die  Angelsachsen  desto  hartnäckiger  fest  und 
bald  schrieb  man  alle  volkstümliche  bildung  diesem  flirsten  zu. 

So  sagt  schon  der  chronist  Ethelwerd,  der  wahrscheinlich 
am  anfange  des  11.  jh.  lebte'*),  von  Aelfreds  werken &): 


3)  Wir  besitzen  von  diesem  werke  nur  ein  bruchstück  in  einer  hs. 
der  Cottoniana)  Vitellius,  A  XV.  Schluss  lautet:  beer  endiatü  pa  cwidas 
pe  Aelfred  kining  altes  of  pcere  hec  pe  we  hatati  on  .  .  .  Eine  Über- 
setzung des  ganzen  bruchstückes  findet  sich  Vol.  III.  pag.  83 — 118  der 
Whole  Works  of  King  Aelfred  the  Great.  London  1858.Jubilee  Edition. 

*)  Thomas  Wright  a.  a.  o.  pag.  522  ff.  gibt  an,  dass  Ethelwerd  noch 
im  jähre  1090  gelebt  habe.   Richtiger  ist  wol  in  dem  chronikenschreiher 


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ÜBER  DIE  NAGS/SPRÜCHE  ALFREDS.        243 

Nam  ex  Latino  rhetorico  fasmate  inpropriam  verterat  lin- 
guam  Volumina,  numero  ignoto,  ita  varie,  ita  praeopime,  ut 
nou  tantum  experti^-ibus,  sed  et  audientibus  über  Boetii  la- 
chrymosus  quodammodo  suscitaretur  motus. 

Wir  sehen  also,  dass  gewis  damals  schon  viele  bttcher, 
welche  nicht  vom  könige  stammten,  ihm  zugeschrieben  wurden. 
Es  darf  uns  daher  nicht  wundem,  wenn  im  zwölften  Jahrhun- 
dert Sammlungen  weiser  lehren  und  sprttche,  die  Aelfred  als 
ihren  Verfasser  angaben,  umliefen.  Hat  doch  Aelfred  seinen 
Übersetzungen  viele  weise  aussprdche  eingemischt  und  ganz  be- 
sonders bot  die  Übertragung  des  Boethius  anhaltspunkte  eine 
solche  Spruchsammlung  diesem  fürsten  zuzuschreiben. 

Für  das  Vorhandensein  solcher  Sammlungen  haben  wir  fttr 
das  12.  jh.  das  zeugnis  zweier  Chronisten: 

Ailred  von  Riveaux,  welcher  in  der  grafschaft  York  von 
1109—1166  lebte,  sagt«)  von  Aelfred: 

In  diebus  autem  pacis  non  ocio  torpuit  aut  vanis  specta- 
eulis  ociosisve  discursibus  tempus  perdidit,  sed  legere  et  scri- 
bere  et  sacros  apices  in  linguam  AngUcam  vertere  laborabat 
Extant  parabolae  ejus  plurimum  habentes  aediflcationis,  sed  et 
venustatis  et  jocunditatis.  Leges  Christianissimas  et  scripsit 
et  promulgavit,  in  quibus  fides  ejus  et  devotio  in  Deum,  solli- 
citudo  in  subditos,  misericordia  in  pauperes,  justitia  circa  om- 
nes  eunctis  legentibus  patet. 

In  den  Annales  Ecclesiae  Wintoniensis,  die  bis  1186  gehen 
und  also  wol  um  diese  zeit  abgefasst  sind,  wird  von  unserm 
könige  gesagt*^): 

einen  Zeitgenossen  Aeltrics  zu  erblicken,  wie  es  Thomas  Duffus  Hardy 
tut  (Tgl.  Descriptive  Catalogue  of  Manuscripts  relating  to  the  history  of 
Great  Britain  aud  Ireland.  Vol.  I  part.  2.  pag.  571  No.  1160).  Nach  Hardy 
hat  Ethelwerd  am  anfange  des  11.  jh.  geschrieben.  Damit  stimmt  auch, 
dass  die  chronik  mit  975  dem  todesjahre  Edgars  schliesst.  Im  allgemeinen 
ist  dieses  werk  ein  magrer  auszug  aus  der  angelsächsischen  chronik.  Allein 
gerade  die  oben  erwähnte  stelle  ist  von  Ethelwerd  hinzugesetzt,  in  der 
angels.  ehr.  findet  sich  nichts  ähnliches. 

*)  vgl.  Ethelwerdi  chronic,  libri  IV  im  I.  bde.  der  Scriptores  Rerum 
Britannicarum  Medii  Aevi  pag.  519  A. 
*    ^)  vgl.  Historiae  Anglicanae  scriptores  X  ex  vetustis  mss.  ed.  a  Bogero 
Twysden.  Londini  1652.  Vol.  I  pag.  357.  —  Ein  exemplar  dieses  seltenen 
huches  ist  auf  der  Stadtbibliothek  zu  Frankfurt  am  Main. 

^)  vgl.  Anglia  Sacra  sive  collectio  historiarum  de  archiepiscopis  et 

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244  WÜLCKER 

Iste  regum  Anglorum  ante  dies  suos  rüde  et  incompositum 
totuin  erudivit  et  informavit  ad  regulam.  In  proverbiis  ita 
enituit,  ut  nemo  post  illum  amplius. 

Während  wir  also  aus  Nordengland  und  Schottland  nach- 
richten  haben,  dass  Spruchsammlungen  unter  Aelfreds  namen 
im  Volke  bekannt  waren,  sind  wir  so  glücklich  aus  dem  süd- 
licheren England  noch  ein  solches  werk  zu  besitzen. 

In  der  uns  erhaltnen  gestalt  ist  es  wol  nicht  vor  ende  des 
zwölften  jahrh.  abgefasst  werden,  obgleich  sich  darin,  wie  ich 
unten  zeigen  werde,  ältere  teile  absondern  lassen  8). 

Wir  haben  von  vier  hss.  dieser  Sprüche  nachrichten.  In 
betracht  kommen  jedoch  nur  drei,  da  die  angäbe  über  eine 
vierte  wol  auf  Irrtum  beruht.  Kemble  berichtet  nämlich  von 
einer  hs.  dieses  werkes,  welche  sich  zu  Oxford  im  Lincoln  College 
befinden  solP),  allein  alle  nachforschungen,  die  ich  bisher  an- 
stellte und  anstellen  Hess,  blieben  erfolglos. 

Die  drei  hss.,  die  zu  betrachten  sind,  zerfallen  in  zwei 
gruppen. 

•  Die  erste  gruppe  enthält  einen  umfangreicheren  text  und 
ist  vertreten  durch  zwei  hss: 

I.  hs.  zu  Cambridge,  Trinity  College,  B.  14,  30. 

Hiernach  wurde  der  text  gedmckt  in  den  Reliquiae 
Antiquae  ed.  by  Wright  and  Hälliwell,  London  1841 
— 1843.  Vol.  I  pag.  170  ff.  —  ferner  von  Kemble  in: 
the  dialogue  of  Salomon  and  Saturnus.  Printed  for 
the  Aelfric  Society  London  1848.  pag.  226  ff.  —  neu- 
erdings wurde  der  text  nach  Wright  und  Kemble  ge- 
druckt in  Old  English  Miscellany  ed.  by  Rev.  Richard 
Morris:  London  1872.  Early  English  Text  Society 
.  No.  49  pag.  103  ff.  Leider  konnte  Moms  das  Original 
nicht  mehr  vergleichen,  denn  es  ist  gestohlen  ^^j^ 
IL  hs.  zu  London,  British  Mus.  Cotton.  Galba,  A  XIX ^i). 


episcopis  Angliae.    Londini  1691.  Vol.  I  pag.  289. 

8)  Die  uns  erhaltnen  hss.  sind  nach  Sir  Frederic  Madden  aus  dem 
13.  jh.  Vgl.  Warton,  History  of  English  Poetry  ed.  Hazlitt.  London  J871. 
Vol.  I  pag.  176  anm.  2. 

3)  vgl.  Kemble,  dialogue  of  Salomon  and  Saturnus  pag.  225. 

*®)  vgl.  Morris  a.  a.  o.  Preface  pag.  IX. 

")  Hierdurch  nehme  ich  das  in  diesen  beitragen  pag.  64,  anm.  22  ge- 


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ÜBER  DIE  NAGS.  SPRÜCHE  ALFREDS.  245 

darüber  weiteres  unten.    Die  hs.  ging  bei  dem  grossen 
brande  der  Cottoniana^  Oktober  1731,  zu  gründe. 
Aus  der  zweiten  gruppe  ist  eine  hs.  erhalten: 
III.  hs.  zu  Oxford,  Jes.  Coli.  I,  29. 

Diesen  text  veröffentlichte  zuerst,  nach  Maddens  ab- 
schrift,  Wright  in  den  Rel.  Ant.  a.  a.  o.  —  Neuerdings 
wurde  diese  lis.  abgednickt  von  Morris  a.  a.  o.  pag.  102  ff. 
In  betreff  der  Cotton  hs.  hat  man   sich  bisher  damit  be- 
gnügt, zu  beklagen,  dass  sie  verbrannt  sei  und  dass  Wanley 
bei  Hickes  so  spärliche  angaben  gemacht  habe.    Wanley  gibt 
nur  die  ersten  30  zeilen^^).    Doch  wir  entdecken  an  anderer 
stelle  hinlängliche  auskunft,  um  vollständig  diese  hs.  unterbrin- 
gen zu  können.    Es  findet   sich   diese  im  leben  Aelfreds  von 
Spelman^^).    Eigentümlicher   weise  hat  man  niemals,  den  von 
Spelman  nach  einer  abschrift  des  Thomas  Cotton  gegebnen  text 
zur  herstellung    streitiger  stellen   benutzt,    auch  Dr.   Richard 
Morris  hat  dies  unterlassen.    Es   scheint  also,   dass   auch  in 
England  selbst  dies  buch  in  Vergessenheit  geraten  ist,  ein  grund 
mehr  hier  genauer  darauf  einzugehen. 

So  weit  wir   den  von  Wanley  gegebenen  text  vergleichen 
können,  stimmt  er  bis  auf  kleine  Irrtümer,  welche  Cotton  oder 
Spelman  zur  schuld   fallen.    Man  vergleiche   beitrage  pag.  64 
anm.  22.    Bei  Spelman  lautet  der  text: 
1.  At  Siiford 

seten  j^aynes  many 
feie  biscopes 
and  feie  boclered, 
5.  earlcs  prüde, 
knilits  egloche. 
]7er  was  erle  Alfiich 

sagte  zurück,  dass  das  Cotton  ms.  mit  Jes.  Coli.  ms.  eine  gruppe  bildete. 
Damals  stand  mir  für  erste  hs.  nur  die  dürftige  probe  bei  Wanley  zu 
geböte.  Durch  Spelman  bin  ich  eines  bessrern  belehrt  worden  und  glaube, 
dass  nach  den  unten  folgenden  ausführungen  jeder  beistimmen  muss,  dass 
Cotton  ms.  zur  I.  gruppe  gehörte.  Meine  damalige  behauptung  gründet 
sich  auf  Übereinstimmungen  von  Cotton  und  Oxf.  ms.  in  zeile  7  (Alvrich) 
und  15—19. 

'2)  Wanley  bei  Hickes,  thesaurus  linguarum  Septentrionalium.  Oxford 
1705.  pag.  231. 

^^)  Aelfredi  Magni  Anglorum  Regis  Invictissimi  vita  tribus  libris 
comprehensa  a  Dr.  Johanne  Spelmnn.    Oxonii,  1678  pag.  93 — 97. 


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246  WÜLCKER 

of  pe  läge  swu}?  wise 
and  ec  Alfred, 
10.  Engle  hirde, 
Engle  derling, 
on  Englond  he  was  king. 
Hern  he  gan  leren, 
swo  him  heren  mihten, 
15.  hu  hi  here  lif 
•  leden  scolden. 

Alfred  he  was  on  Engelond 
a  king  wel  swij^e  sträng, 
he  was  king  and  clerk, 
20.  wel  he  loved  Gods  werk, 
he  was  wise  on  his  word 
and  war  on  his  spech, 
he  was  pe  wiseste  man, 
]7at  was  on  Engelond. 
25.  )?us  qua)?  Alvered, 
Engle  frofre: 
Wolde  )?e  nu  Üben 
and  lusten  yure  loverd 
and  he  you  wolde  wisen 
30.  wiseliche  winges. 
Ich  habe  den  text  Spelmans  buchstäblich  hergesetzt.     Mit 
dem  von  Wanley  verglichen,  zeigt  er  manche  Verlesungen.     So 
z.   27   pe  fllr  ye.    Üben  fllr  lipen,    winges   für  pinges^   fehler, 
welche  bei  den  betreifenden  buchstaben  leicht  möglich  sind. 

Auch  der  weitere  text  soll  hier  buchstäblich  abgedruckt 
werden.  Mit  hülfe  der  Cambridge  hs.  (C)  und  der  Oxford  hs. 
(0)  lassen  sich  die  fehler  leicht  bessern.  . 

Hu  ye  mihten  werlds 

wurj>e  cipe  weiden 

and  ec  yure  soule 

samne  to  eriste. 
35.  Wise  weren  |7e  cwej^en 

)?e  Saide  l?e  king  Alfred: 

Mildeliche  imune  yu, 

mine  dere  frend, 

arme  and  edi  lede 
10.  luviende  )?at  ye  all  dred 

yure  drihten  Christ 

luviend  him  and  licen. 

For  he  is  louerd  of  lif, 

he  is  one  God 
45.  over  all  Godnesse, 


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ÜBER  DIE  NAGS,  SPRÜCHE  ALFREDS.       247 

he  is  one  blisse 

over  all  blessedness, 

he  is  one  manne 

milde  master, 
50.  he  one  folce  fader 

and  frofre, 

he  Ib  one  rihtwise 

and  riche  king, 

]7at  him  ne  scal  be  pane 
55.  noht  of  his  will, 

hwo  him  here  on  werld 

wur|?end  and  e{>. 

)?us  ewa)?  Alvred 

Engle  frofre; 
60,  He  mai  no  riht  cing 

ben  under  erist  seife, 

but  he  be  boclered 

and  wise  o  loage 

and  he  hise  writes 
65.  wel  icweme, 

and  he  cunne  letres 

locen  him  seife, 

hu  he  sceal  his  lond 

lageliche  beiden. 
70.  J?us  cwa}?  Alvred, 

Engle  frofre: 

)7e  earl  and  J^e  aj^eling, 

\>o  ben  under  )7e  cing, 

pe  lond  to  leden 
75.  mid  lagelich  deden. 

Bo)?e  )?e  clerc  and  pe  cniht 

demen  evenliche  riht 

For  after  ]7at  ]>g  man  sowe)?, 

\>ev  after  he  scal  mowen 
SO.  and  efr  ilces  mannes  dom 

to  his  ogen  dure  charige]?. 

|ms  cwaj?  Alvred: 

pe  cniht  behove)? 

ceneliche  to  mowen 
85.  nor  to  werce  ]>e  lond 

hunger  and  of  heregong, 

]7at  pe  chureche  have  gri]? 

and  )?e  cherle  be  in  fri)> 

his  sedes  to  sowen, 
90.  his  medes  to  mowen, 

his  plowes  to  driven 

to  ure  alre  bilif. 


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248  WÜLCKER 

piß  es  pe  cDihtes  läge 
94.  to  locen,  ]7at  it  well  fare. 

In  Cottons  abschrift  ist  mancherlei  offenbar  modernisiert, 
hauptsächlich  hat  er  ofte,  die  später  verstummten,  weggelassen, 
doch  auch  sonst  finden  sich  willkürliche  änderungen  z.  b.  well 
statt  fvel  u.  a. 

So  weit  gibt  Spelman  den  angelsächsischen  text.  Ver- 
gleichen wir  ihn  mit  C  und  0,  so  kann  es  noch  zweifelhaft 
sein,  welcher  gruppe  er  angehört.  Für  nähere  verwantschaft 
mit  C  spricht  z.  1.  Sifford,  z.  39,  auch  64  u.  folgende  schliessen 
sich  näher  an  C,  fenier  hat  zwischen  77  u.  78  0  zwei  verse, 
welche  den  beiden  andern  hss.  fehlen.  Uebereinstimmungen 
der  Londoner  hs.  (L)  mit  0.  sind:  z.  2.  L.  paynes  (nach  Spel- 
man), Peines  (nach  Wanley)  ebenso  0,  hingegen  C.  kinhis.  z.  7 
L.  u.  0:  Alurich,  C  Alfred'^  auch  zeile  17,  18  in  L  stimmen  mit 
0,  nicht  mit  C,  ebenso  hat  L  vers  37  u.  38,  welche  C  fehlen. 
Allein  trotzdem  beweisen  die  weitern  verse  in  hs.  L.,  dass  sie 
zur  ersten  gruppe  gehört. 

Spelman  gibt  von  den  folgenden  versen  nur  einzelne  und 
diese  leider  nicht  angelsächsich,  sondern  nur  lateinisch. 

Gleich  der  nächste  spruch  ist  wichtig  für  unsre  Untersu- 
chung. 0  schiebt  hier  einen  spruch  ein,  bei  Morris  No.  6^*} 
Er  stört  die  ganze  anordnung.    Speimann  gibt  als  fünften  sprach: 

Sic  inquit  Aelfredus:  Parvi  sunt  divitiae  sine  sapientia; 
nempe  si  cui  contin gereut  centum  septuaginta  jugera  auro  con- 
sita,  si  segetis  instar  late  flavesceret  metallum,  tamen  opes  illae 
ingentes,  nihil  nobis  conducerent,  nisi  prius  ex  inimicis  amicae 
fierent.  Quid  enim  lapidi  interest  aurum,  quo  non  prudenter 
utaris?  —  Einblick  genügt  sicli  zu  überzeugen,  dass  Spelmans 
spruch  5  dem  spruch  6  in  C,  7  in  0  entspricht.  Dass  5  bei 
Spelman  6  in  C  gleich  ist,  kommt  dadurch,  dass  Sp.  die  ein- 
leitende Strophe  nicht  mit  zählt  und  erst  bei  z.  25  die  Zählung 
beginnt.  Dadurch  bleiben  seine  nummern  stets  um  eins  bei 
Morris  zurück.  L  hat  also,  so  wenig  als  C,  den  eingeschobnen 
spruch  gekannt. 

Es  folgt  nun  bei  Spelman  spr.  6  =  7  in  C,  8  in  0. 


**)  Morris  a.  a.  o.  pag.  108.  —  Die  nummern  der  Sprüche  von  C  und 
0  sind  nach  Morris  angegeben,  die  von  L  nach  Spelmans  Zählung. 


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ÜBER  DIE  NAGS;  SPRÜCHE  ALFREDS.       249 

Sic  inquit  Aelfredus:  Juvenis  ad  malum  ne  unquam  de- 
clinet,  etiamsi  bonum  illinon  eyeniat  exanimi  sententia;  neque 
Omnibus,  quae  velit,  fruatur.  Potest  enim,  ubi  volet  Christus, 
post  malum  conferre  bonum  ejt  divitias  post  gratiam.  0  vere 
beatum  qui  ad  id  conformatus  est. 

Aus  dem  lateinischen  geht  hervor,  dass  Cotton  „gunge 
mon"  las,  nicht  wie  Kemble  „gise  mon^^)". 

Nun  überspringt  Spelman  viele  verse  und  übersetzt  erst 
wider  No.  13,  also  =  14  in  C.  Aber  gerade  dieser  spruch 
ist  wichtig  für  uns.  Denn  0  hat  ihn  ganz  ans  ende  als  23 
gestellt*^).  Wir  sehen,  dass  L  ihn  genau  an  derselben  stelle 
hatte,  wie  C  und  ebenso  wenig,  als  diese,  das  anhängsei  kannte, 
welches  0  ihm  gibt    Er  lautet: 

Sic  inquit  Aelfredus:  Filius  sapiens  est  benedictio  patris. 
Si  tibi  puer  coritigerit,  dum  adhuc  parvus  est,  praeceptis  eum' 
imbue,  quae  ad  virum  spectant;  et  ubi  adoleverit,  iis  adhae- 
rebit ;  ita  demum  evadet,  qui  tibi  gratiam  rependat.  Sin  ipsum 
propriae  libidini  permiseris,  adultum  jam  serotui  pigebit;  suo- 
que  tutori  male  precabitur.  Tunc  tibi  monenti  filius  obtempe- 
rare  recusabit,  tibique  optabilior  fuisset  orbitas.  Praestat  enim 
puero  nunquam  nasci,  quam  non  castigari. 

Es  folgt  darauf  der  spruch  27  und  28  =  28  u.  29  in  C  i^). 
Beide  sind  sehr  wichtig  für  uns.  Denn  der  erste  der  beiden 
fehlt  in  0  gänzlich,  der  zweite  steht  dort  an  ganz  anderer  stelle, 
nämlich  als  No.  21.  Ein  neuer  beweis  für  die  Übereinstimmung 
von  L  und  C. 

Sic  inquit  Aelfredus:  Si  natu  grandior  factus  opibus  qui- 
dem  abundes,  quibus  Interim  frui  non  possis,  insuper  viribus 
ad  tui  regimen  destituaris,  tum  quae  dominus  tibi  commoda- 
verit,  gratus  recole;  vitam  tuam  et  lucis  usuram,  caeteram  etiam 
delectationem ,  quam  hominibus  paravit.  Et  quicquid  demum 
de  te  fiat,  addas:  Velit  Dens  quod  volet;  Dei  voluntas  mihi 
erit  gratissima. 

Sic  inquit  Aelfredus:  Affluentia  secularis  demum  ad  ver- 
mes  redit,  ejusque  gloria  versa  in  pulverem  et  vita  cito  transit. 


^^)  vgl.  Morris  pag.  111. 

*«)  vgl.  ebend.  pag.  128  ff. 

")  vgl.  ebend.  pag.  124  u.  134. 


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250  WÜLCKER 

Et  si  cui  contingßret  etiam  totius  terrarum  orbis  imperium 
opumque  quae  iij^.illo  sunt  omnium,  tarnen  vitam  ad  breve 
modo  tempus  retinere  poterit  Tota  mundi  hujus  felicitas  ad 
miseriam  tuam  solummodo  jaleret,  nisi  Christum  tibi  aoquireres. 
Cum  igitur  vitam  ad  coelestem  doctrinam  componamus,  tum 
commodis  nostris  vel  m^me  inservimus.  Tunc  enim  is  nos 
certo  sustentabit.  Ita  oiamque  Salomon  ille  sapiens  nos  edo- 
cuit;  bene  est  ei  qui  bewefacit  in  hoa  seculo,  nam  ad  extremum 
eo  pervenit,  ubi  bonum  reperiet. 

Als  letzte  probe  gibt  Spelman  spruch  29  =  30  in  C.  Hier- 
mit ist  bewiesen,  dass  L,  wie  C,  2^'  ende  noch  mehr  Sprüche 
hatte,  als  0. 

Sic  inquit  Aelfredus;  Mi  chare  fili,  propter  me  nunc  con- 
sideas  et  veros  monitus  tibi  tradam.  Mi  fili  sentio  supremam 
horam  mihi  instare.  Genae  mihi  pallescunt.  Dies  mei  prope 
decursi  sunt.  Digrediendum  est  nobis.  Ego  quidem  in  alium 
orbem  eo:  tu  vero  solus  relinqueris  omnium  mearum  opum 
haeres.  Obsecro  te,  sicut  es  filiusmihi  praecharus,  da  operam 
ut  populo  tuo  patrem  ac  dominum  te  praebeas.  Esto  pupillo- 
rum  parens  et  quantum  in  te  fuerit,  corrige  quod  pravum  est. 
Te  vero  ipsum,  fili;  ad  normam  legum  dirigas;  ita  dominum 
habebis  propitium  et  Dens  super  omnia  erit  tibi  merces.  Hunc 
invoca  tibi  consiliarium ,  quoties  consilio  opus  fuerit,  ita  tibi 
erit  adjumento,  quo  id  consequaris,  quod  eflfectum  velis. 

Obgleich  dieser  spruch  der  letzte  ist,  welchen  Spelman 
übersetzt,  war  er  nicht  der  letzte  in  L.  Er  trägt  No.  29,  Spel- 
man aber  sa^  ^^):  ^, 

Quare  cuhi  si^J^papit^la  dictorum  regis  triginta  unum,  quo- 
rum  singula/^b -Wf-jocibus  qrdiuntur:  Sic  inquit  Aelfredus,  nee 
omnia  nee  iategrj^^scribam. 

Wir  habes^g9sehei%  daas  Wsher  alle  Sprüche  bei  Spelman 
der  hs.  C  entepTochea,iabeö,  is?enn  wir  das  erwähnte  Verhält- 
nis mit  der  nuiiimer  beachten,  und  so  dürfen  wir  gewis  auck 
annehmen,  dass  der  letzte,  der  einunddreissigste  sprueh  in  h 
mit  dem  32.  in  C  tibereinstimmte  i^)  und  ^r  schluss  in  L  %lfio 
lautete: 


*8)  a.  a.  o.  pag.  94. 

»9)  vgl.  Moiris  pag.  137. 


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ÜBER  DIE  NAGS.  SPRÜCHE  ALFREDS.       251 

Y&ix  he  be  wi^uten  stille, 

he  bit  wi]7inen  hille, 

and  al  he  bifulit  his  frend, 

]>en  he  him  nnfoldit. 
Auf  grund  vorausgehender  Untersuchung  darf  man  also  für 
die  Zukunft  behaupten:  die  hs.  Galba  A  XIX  gehörte  mit  der 
Cambridge  hs.  zu  einer  gruppe,  jedoch,  wie  die  abweichungen 
von  C  am  anfange  beweisen,  floss  nicht  etwa  eine  der  beiden 
hss.  aus  der  andern,  sondern  beide  beruhen  nur  auf  einer  ge- 
meinsamen quelle.  Am  ende  hat  C  noch  zwei  sprüche  mehr. 
Nun  zum  Schlüsse  unsrer  handschriftenuntersuchung  noch 
eine  Vermutung,  welche  ich  hauptsächlich  den  englischen  ge- 
lehrten zur  erwägung  und  nachforschung  empfehlen  möchte. 
Spelman  hat  eine  copie  der  Londoner  hs.,  von  Thom.  Cotton 
angefertigt,  besessen,  nach  welcher  er  seinen  text  gab 20).  Er 
stand  in  enger  Verbindung  mit  Oxford,  als  lehrer  daselbst. 
Sollte  sich  daher  nicht  vielleicht  diese  abschrift  Cottons  irgend 
wo  in  Oxford  finden,  sollte  dieselbe  nicht  vielleicht  die  hs.  sein, 
welche  Kemble  im  Lincoln  College  gesehen  haben  will? 


Man  war  bisher  gewohnt,  die  uns  vorliegende  spruchsamm- 
lung  als  ein  ganzes  zu  betrachten,  wovon  C  (und  L)  den  voll- 
ständigeren text  liefere 21).  Es  soll  nun  gezeigt  werden,  dass 
wir  es  hier  mit  einigen  Sammlungen  zu  tun  haben,  welche  nur 
lose  zu  einem  ganzen  vereinigt  sind.  Vorher  jedoch  sei  eine 
Übersicht  gegeben,  wie  sich  die  sprüche  der  einzelnen  Samm- 
lungen zu  einander  verhalten.  Die  Zählung  ist  nach  Morris 
gegeben: 

Oxford.  Cambridge.         London. 

1  1  122) 

2  2  1 

**)  Der  Vollständigkeit  halber  sei  hier  angeführt,  dass  sich  eine  neu- 
englische Übersetzung  der  von  Spelman  gegebnen  sprüche  findet  in  der 
oben  erwähnten  jubelausgabe  der  werke  Aelfreds.  Vol.  III.  pag.  83—118. 

2*)  Wright  in  der  Biogr.  lit.  I  395  ff.  erwähnt,  dass  die  sprüche  an 
das  Volk  und  seinen  söhn  gerichtet  seien;  ohne  es  aber  weiter  auszu- 
führen. 

**)  So  bezeichne  ich  die  von  Spelman  nicht  mitgezählte  einleitung. 
Nochmals  sei  erwähnt,  dass  durch  diese  art  der  Zählung  stets  die  sprüche 
in  L  um  eine  nummer  gegen  C  zurückbleiben, 


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252 


WULCKER 

Oxford. 

Cambridge. 

London 

3 

3 

2 

4 

4 

3 

5 

5 

4 

6 

, 

, 

7 

6 

5 

8 

7 

6 

9 

8 

10 

10 

11 

9 

1-2 

11 

13 

12 

14 

13 

15 

16 

16 

17 

17 

(21 
(20 

18 

26 

19 

19 

20 

23 

21 

29 

28 

22 

26 

, 

23 

14 

i: 

j 

Die  Sprüche  15,  18,  22,  24,  27  und  28  (=  27  in  L)  von 
der  Cambridge  hs.  haben  also  keine  entsprechenden  in  0. 

In  der  einleitenden  Strophe  wird  beschrieben,  wie  könig 
Aelfred  eine  grosse  Volksversammlung  hielt  und  dabei  die  lehren 
erteilte.  Die  nun  folgenden  sprtlche  beginnen  sämmtlich:  pus 
quad  (quep)  Alfred,  Englme  frouere  oder  nur:  pus  quad  Alfred, 

Der  30.  vers  in  C  {=  29  in  L)  ist  der  erste,  welchen  0 
nicht  mehr  hat,  wenn  wir  von  den  in  0  dazwischen  fehlenden 
vorerst  absehen.    Der  anfang  lautet: 

Sone  min  swo  leue, 
Site  me  nu  bisides 
and  hieb  J^e  wile  sagen 
soJ?e  |?ewes. 
Sone  min,  ich  feie 
l?at  min  hew  talewid)? 
and  min  wlite  is  wan 
and  min  herte  woc, 


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ÜBER  DIE  NAGS.  SPRÜCHE  ÄLEREDS.       253 

mine  dagis  arren  nei  done; 
and  we  sulen  unc  todelen, 
'  wenden  ich  me  sal 

to  )?is  o)?ir  werlde 
and  ]>n  salt  blleuen 
in  alle  mine  wel}?e. 

Hier  haben  wir  es  offenbar  mit  einer  neuen  Sammlung  zu 
tun.  Vorher  sprach  Aelfred  zum  versammelten  volke,  jetzt  zu 
seinem  söhne.  Man  beachte  auch  den  dual  unc  in  s^ßile  10, 
vorher  stand  stets  pluraL  In  den  frühem  Sprüchen  lesen  wir 
nichts,  was  darauf  deutet,  Aelfred  habe  die  lehren  in  hohem 
alter  gegeben,  hier  im  30.  verse  führt  ihn  der  dichter  als  lebens- 
müden greis  uns  vor.  Nach  den  oben  gegebnen  stellen  aus 
Chronisten  Nordenglands  und  Schottlands  sind  wir  berechtigt, 
anzunehmen,  dass  mehrere  Spruchsammlungen  unter  Aelfreds 
namen  umliefen,  in  unseren  hss.  C  und  L  konnten  mehrere 
derselben  vereinigt  sein,  während  0  sich  mit  einer  begnügte. 
Es  handelt  sich  also  nur  darum:  bilden  die  29  ersten  Sprüche 
ein  abgeschlossnes  ganze  und  zeigt  der  letzte  vers  einen  wirk- 
lichen abschluss? 

Das  ende,  welches  0  hat,  ist  kein  schluss.  Die  letzten 
Worte  in  0  sind: 

]fe  mon  j^e  sparej^  yeorde 

and  yonge  childe 

and  let  hit  arixlye, 

]7at  he  hit  areche  ne  may, 

Y&t  him  schal  on  ealde 

sore  reowe.    Amen. 

Expliciunt  dieta  regia  Aluredi. 
Stünde  hier  nicht:  Amen,  so  glaubte  kein  mensch,  dass  die 
Sammlung  zu  ende  sei.  Wie  in  0  kann  der  schluss  ursprüng- 
lich nicht  gelautet  haben.  Allein  in  C  und  L  findet  sich  auch 
unser  vers  an  ganz  andrer  stelle,  als  No.  14.  C  undL  haben 
vor  dem  oben  angeführten  spruche  zwei,  wovon  der  eine  0 
gänzlich  mangelt,  der  andere  dort  an  einen  sehr  unpassenden 
platz  gestellt  ist  Der  Inhalt  der  zwei  erwähnten  verse  ist 
kurz  folgender:  V.  28.  Bist  Du  im  alter  arm  und  krank,  so 
danke  doch  gott  flir  alles,  was  er  dir  in  deinem  leben  gutes 
erwiesen  hat  und  noch  tagtäglich  erweist 

And  hweder  so  Jju  hwendes, 
sei  |?u  aten  ende: 


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254  WULCKER 

wr{>e  ]7ad  iwui*)?e 
iwur)?e  Godes  wille! 
V.  29:  Irdische  guter  zerstört   der   wurm  und  durch  £ein 
kleinod  vermag  der  menscli   auch  nur  eine  kurze   weile  sein 
leben  zu  verlängern.    Zur  bestimmten  stunde  muss  jeder  von 
hinnen  und  alle   seine  lust  kehrt  sich  in  leid,   wenn  er  nicht 
auf  erden  nach  Christi  gebot  gelebt  hat: 
For  swo  Saide  Salomon, 
'  ]>e  wise  Salomon: 

wie  is  }7ad  wel  do)?, 
hwile  he  is  in  J^is  werld; 
euere  at  pen  ende, 
he  eomid  per  he  hit  findit. 
Einen  bessern   abschluss  für  diese  Sammlung  könnten  wir 
gar  nicht  finden.    Zugleich  zeigt  aber  auch   diese  bemerkung 
wider,  dass  wir  in  der  gruppe  I  einen  bessern  ursprünglicheren 
text  haben,  trotz  mancher  fehlerhaften  lesarten,  als  in  0. 

Betrachten  wir  nun  diese  29  an  dasvolk  gerichteten  Sprü- 
che näher,  so  zerfallen  diese  widerum  in  zwei  teile,  welche 
ursprünglich  wol  als  selbständige  Sammlungen  undiefen.  Ich 
gebe  den  Inhalt  derselben  nach  C. 

Der  1.  abschnitt  enthält,  wie  wir  gesehen  haben,  die  he- 
schreibung,  unter  welchen  umständen  Aelfred  die  folgenden  leh- 
ren gegeben  habe. 

2.  Gott  sollen  wir  über  alles  lieben.  Er  ist  herr  aller 
herren,  in  ihm  allein  ist  glück  und  Seligkeit  Selig  darum,  wer 
gottes  willen  tut. 

3.  Ein  könig  soll  gelehrt  sein,  damit  er  lesen  und  durch- 
forschen kann  die  gesetze,  nach  welchen  er  zu  regieren  hat 

4.  Ritter  und  geistliche  sollen  richten,  aber  gerecht,  denn 
wie  jemand  säet,  so  wird  er  ärnten. 

5.  Der  ritter  soU  das  land  gegeif  feinde  schützen,  damit 
die  kirche23)  friede  habe  und  der  bauer  in  ruhe  sein  feld  be- 
stellen kann. 

6.  Ohne  Weisheit  aber  nützt  es  nichts  ein  reicher,  vorneh- 
mer mann  zu  sein.  Denn  gold  ist  nur  stein,  wenn  der  besitzer 
nicht  auch  ein  weiser  mann  ist. 

7.  Nicht  gebe  sich  ein  junger  mann  demunmute  hin,  wenn 

^3)  So  ist  die  lesart  in  L  undO.   Chat  verderbt:  />at  pe  riche  habbe 
gryt  vgl.  Morris  109. 


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ÜBER  DIE  NAGS.  SPRÜCHE  ALFREDS.  255 

nicht  alle  seine  wünsche  sich  erflilleu.    Oft  gibt  gott  last  nach 
leid,  nach  weh  wonne. 

8.  Schwer  ist  es  gegen  die  Strömung  zu  rudern,  so  auch 
gegen  das  unglück  anzukämpfen  ist  schwer.  Gltiklich  wer  in 
der  Jugend  spart,  auf  dass  er  im  alter  genug  habe. 

9.  Wer  aber  reich  ist,  der  sei  nicht  stolz.  Denn  gott  hat 
die  guter  uns  gegeben,  er  kann  sie  auch  wider  nehmen.  Sicher- 
lich müssen  wir  beim  tode  alle  reichtümer  zurücklassen. 

10.  Mancher  hofft  auf  langes  leben.  Allein  unvermutet  er- 
scheint der  tod  und  gegen  ihn  ist  kein  kräutlein  gewachsen. 
Niemand  weiss  seine  todesstunde,  ausser  gott  allein. 

11.  Darum  vertraue  nicht  auf  schätze  und  reichtum,  son- 
dern auf  gott.  Alles  irdische  vergeht,  gott  aber  bleibt  ewig. 
Mancher  hat  durch  reichtum  schon  seine  seele  verloren. 

Hier  fühlt  man  einen  abschluss  und  wirklich  haben  wir  in 
12  eine  neue  einleitung.  Wir  dürfen  also  v.  1 — 11  ind.  als 
eine  besondre  Sammlung  betrachten  und  zwar  wol  als  die  äl- 
teste. Für  letzteres  spricht,  dass  alle  Sprüche,  ausser  No.  4, 
in  alliteration  geschrieben  sind  2*).  Der  Inhalt  der  lehren  aber 
lässt'sich  wirklich  in  den  verschiednen  werken  Aelfreds,  be- 
sonders in  der  Übersetzung  des  Boethius,  nachweisen.  Halten 
wir  sie  aber  mit  v.  12 — 29  incl.  zusammen,  so  enthalten  sie 
allgemeine  leliren,  v.  12 — 29  mehr  klugheitsregeln  flir  bestimmte 
fälle  des  lebens.  v.  2 — 11  können  daher  recht  gut  wirklich 
Aelfreds  werken  entnommen  sein  und  daher  ihren  namen  „pro- 
verbia  Alfredi"  mit  recht  verdienen.  Spruch  4  stammt  aus 
späterer  zeit,  wahrscheinlich  von  dem  geistlichen,  der  den  Sprü- 
chen die  gestalt  gab,  in  welcher  sie  uns  überliefert  sind.  Für 
spätere  entstehung  spricht  äussere  form  und  Inhalt.  Man  sieht 
er  ist  von  einem  pfaffen  nur  geschrieben,  um  die  gleichberech- 
tigung  des  geistlichen  richteramtes  neben  dem  weltlichen  her- 
vorzuheben und  als  von  könig  Aelfred  gebilligt  zu  zeigen: 

J7e  herl  and  )?e  hej^eling 

\fo  ben  under  l?e  king 

]?e  lond  to  leden 

**)  Dabei  ist  natürlich  nicht  ausgeschlossen,  dass  öfters  sich  zufällige 
reime  finden.  Aehnliches  kommt  schon  m  viel  früherer  zeit  vor.  Vgl. 
z.  b.  Phoeftix  V.  16:  ne  forstes  fncest,  ne  fyres  hleesiy  ne  hägles  hryre,  ne 
hrmes  dryre;  ebenso  v.  52  u.  anderswo. 


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256  WÜLCKER 

mid  lauelichi  dedin 

boj7e  J?e  clerc  and  \fe  cnict 

demen  euenliche  riet. 
Aeusserlich  ist  der  reim  durchgeführt.  Die  ftirsten  und 
edeln  sollen  das  land  nach  den  gesetzen  beherschen.  Nun 
kommt  auf  einmal:  Geistliche  und  ritter  sollen  nebeneinander 
die  gerichtspflege  ausführen.  Die  absieht  jenes  einschiebsels 
liegt  klar  vor  äugen.  Eine  logische  Verbindung  zwischen  z.  5 
u.  6  mit  dem  vorhergehenden  ist  nicht  da.  Ausserdem  wider- 
spricht der  vers  den  regierungsgrundsätzen  Aelfreds,  welcher, 
trotz  all  seiner  frömmigkeit,  den  geistlichen  eine  solche  macht 
nicht  einräumte.  Endlich  kennt  Aelfred  nur  drei  stände: 
ritter,  geistliche  und  bauem  25)^  nicht  noch  einen  der  fiirsten  und 
adelinge.  Dieser  letzte  unterschied  schmeckt  sehr  nach  der 
normannischen  Verfassung.  Offenbar  also  ist  gedachter  sprach 
nicht  mit  den  andern  gleichzeitig  entstanden. 
Der  eingang  in  12  lautet: 

}?U8  quad  Alfred; 

Lustlice  luBtuie 

.  .  .  lef  dere 

and  ich  her  .gu  wille  leren 

wenes  mine 

wit  and  wisdome, 

)?e  alle  welj^e  ouure  god^«) 
Er  ähnelt  also  sehr  dem  anfange  in  v.  2. 

13.  Hast  Du  sorgen,  so  behalte  sie  für  dich  und  teile  die- 
selben niemanden  an,  dc^nn  selten  findet  man  einen  teilnehmen- 
den freund. 

14.  Ein  weises  kind  ist  die  freude  des  vaters,  lehre  darum 
dein  kind  Weisheit,  damit  es  dir  ehre  niache;  denn  besser  ist 
kein  kind,  als  ein  ungeratnes. 

15.  Halte  mass  im  trinken,  sonst  wird  es  dich  reuen. 

16.  Wähle  kein  weib  seiner  Schönheit  wegen,  oft  trtlgt  der 
schein.    Wehe  dem,  der  ein  übles  weib  hat. 


25)  Diese  einteilung  galt  auch  noch  in  späterer  ags.  üeit.  Man  ver- 
gleiche die  abhandlnng,  welche  Aelfric  zugeschrieben  wird:  Ms.  Cotton. 
Nero,  A  I.  Abgedruckt  bei  Wright,  Political  songs  of  England.  London, 
1839.  Camden  Society  p.  363  ff. 

2*)  So  ist  zu  lesen  statt  des  sinnlosen  />e  aüe  rvelpe  on  ure  god 
der  hs. 


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ÜBER  DIE  NAGS.  SPRÜCHE  ALFREDS.       25t 

17.  Niemals  teile  geheimnisse  deinem  weibe  mit;  dasselbe 
wird  sie  sonst  leicht  verraten. 

18.  Auch  gegen  deinen  freund  sei  vorsichtig.  Oft  schon 
wurden  die  besten  freunde  die  grösten  feinde. 

19.  Häufig  traut  man  einem  falschen  freunde.  Aber  trau, 
schau  wem? 

20.  Mancher  apfel  ist  aussen  schön  und  innen  bitter.  So 
ist  manche  als  mädchen  liebenswürdig,  als  frau  ränkevoll. 

21.  Eitelkeit  lehrt  die  frau  oft  schlimme  dinge,  darum  soll 
sie  nicht  die  herschaft  im  hause  führen. 

22.  Hast  du  einen  treuen  freund,  so  bewahre  ihn  dir,  denn 
ein  treuer  freund  ist  ein  grosser  schätz. 

23.  Durch  gespräch  wird  der  mensch  weise,  durch  alter 
klug.  Fliehe  daher  sünde  und  trug,  sei  weise  und  du  wirst 
von  allen  geschätzt  werden. 

24  Bist  du  reich  und  mächtig,  so  behandle  deine  unter- 
gebnen nicht  hart,  denn  bald  wird  ein  andrer  nach  dir  her- 
sehen  und  nur  dein  andenken  wird  fortleben.  Sorge  darum, 
dass  du  dir  einen  guten  ruf  erwirkst. 

25.  Traue  dem  rate  deiner  frau  nicht  zu  sehr.  Weiberrat 
ist  kalter  rat. 

26.  Hadre  nicht  mit  toren,  ein  mann  vermag  viel  durch 
weise  rede. 

27.  Das  alterbringt  viele  leiden.  Hast  du  im  alter  grosse 
reichtümer,  so  verteile  dieselben.  Doch  wenn  du  auch  noch 
so  viele  beschenkst,  bald  wirst  du  vergessen  sein. 

28.  Wenn  du  im  alter  arm  bist,  so  danke  doch  gott  ftlr 
alles  gute,  was  er  dir.  erwiesen  hat.  Und  was  auch  geschehe, 
ergib  dich  in  gottes  willen. 

29.  Wahre  Weisheit  ist,  gott  zu  lieben  und  seine  geböte  zu 
halten.    Dereinst  wird  er  uns  dafür  lohnen. 

Man  sieht,  die  gedankenverbindung  zwischen  den  einzelnen 
Sprüchen  ist  hier  eine  weit  lockerere,  als  im  ersten  teile.  Im 
allgemeinen  ist  auch  hier  die  alliteration  angewant,  eine  aus- 
nähme machen  No.  25  u.  26,  welche  gereimt  sind.  Doch  sie 
unterbrechen  auch  sehr  ungeschickt  den  ganzen  gedankengang 
und  mögen  vom  spätem  tlberarbeiter  erst  hinzugesetzt  sein. 
Dass  dieser  ein  geistlicher  war,  scheint  mir  ausser  dem  oben 
angeführten  gründe  auch  sein    stark  ausgesprochener  weiber- 

Beiträge  zur  geschichte  der  deatschen  spräche.  I.  IS 


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258  WÜLCKER 

liass,  der  sonst  durchaus  nicht  im  wesen  der  Angelsachsen  lag, 
zu  beweisen. 

Mit  sprach  30  beginnt  nun   die  neue  Sammlung,  welche 
Unterweisungen  eines  vaters  an  seinen  söhn  enthält  27).    Das 
Verhältnis  zwischen  C  und  L  ist  hier: 
C. 30  L.  29 

31  30 

32  31 

33  — 

34  — 

Spruch  30  und  31  sind  in  alliteration  geschrieben  und 
geben  allgemeine  lehren.  32,  33,  34  sind  gereimt  2»)  und  be- 
ginnen alle:  Sorte  min  so  dere  oder  leue  sone  dere,  ne  ches  pu 
neuere  io  fere  pen  .  .  .  mon.  Auch  diese  entstammen  gewis 
erst  deml2.jh.  L  hat  sich  mit  einem  derselben  begnügt,  Chat 
deren  drei.    Der  letzte  schliesst: 

]>e  rede  mon  he  is  a  qnede 

for  he  wole  ]>e  J?m  iwil  rede 

he  is  cocker,  pef  and  horeling 

scolde,  of  wrechedome  he  is  king 

Hie  ne  sige  nout  bi  }?an, 

p&t  moni  ne  ben  gentile  man, 

t^aru  y\s  lore  and  genteleri 

he  amendit  huge  companie. 
Ein  abschluss  ist  hier  nicht,  der  dichter  oder  Schreiber  hat 
an  dieser  stelle  abgebrochen.    Nicht  einmal  das  übliche  Amen 
findet  sich. 

Das  ergebnis  gegenwärtiger  Untersuchung  ist  also:  Es 
waren  im  12.  jh.  mehrere  Spruchsammlungen  unter  Aelfreds 
namen  in  England  im  umlaufe.  In  unsera  hss.  sind  einige  der- 
selben vereinigt.  Die  erste  Sammlung  ging  von  v.  1 — 11  incl. 
Bei  V.  12  beginnt  eine  neue  mit  neuer  einleitung  und  geht  bis 
V.  29  incl.  V.  11  u.  v.  29  zeigen  einen  vollkommen  zufrieden 
stellenden  abschluss.  0  hat  sieh  mit  diesen  zwei  teilen  begnügt 
C  und  L  hatte  noch  eine  neue  reihe  hinzugefügt,  welche  mit 
V.  30  in  C  ihren  anfang  nimmt  und  einen  prolog  vorausschickt 
Die  Sprüche  sind  ursprünglich  in  alliteration  geschrieben,  doch 


'^)  vgl.  Morris  pag.  134—139. 

23)  In  V.  32  herscht  der  reim  vor  uÄd  lässt  sich  sogar  mit  geringen 
Änderungen  durchführen. 


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ÜBER  DIE  NAGS.  SPRÜCHE  ALFREDS.  259 

sind  in  jeden  teil  von  einem  späteren  Verfasser  gereimte  lehren 
eingeschoben.  Von  diesem  Überarbeiter  stammen  auch  v.  32, 
33  und  34  und  er  gab  den  Sprüchen,  wol  in  der  2.  hälfte  des 
12.  Jh.,  die  uns  erhaltne  gestalt.  Dieser  dichter  gehörte  sehr 
wahrscheinlich  dem  geistlichen  stände  an. 

Für  die  ansieht,  in  den  Strophen  1 — 11  incl.  den  ältesten 
teil  zu  sehen,  spricht  auch  der  umstand,  dass  alle  drei  hss.  sie 
fast  in  derselben  Ordnung  geben,  während  in  v.  12 — 29  incl.  0 
sehr  von  C,  L  abweicht. 


Sehen  wir  uns  nun  nach  den  Schicksalen  der  sprüche  Ael- 
freds  im  13.  jh.  und  in  der  spätem  zeit  um. 

Lajamon,  der  seinen  Brut  am  ende  des  12.  und  am  an- 
fange des  13.  jh.  verfasst  hat^»)^  scheint  unsre  sprüche,  wenig- 
stens V.  1 — 29,  gekannt  zu  haben.    Er  sagt  3«): 
V.  6312.  SeotJÖen  }?er  «fter 

monie  hundred  wlntre 

com  Alfred  pe  king, 

Englelondes  deorling 

and  wrat  ]>3l  lagen  on  Englis^ 

ase  heo  wes  ser  on  Bruttisc. 
Er  nennt  also  hier  Aelfred  lEnglelondes  deorling  gerade  wie 
er  in  spruch  1  bezeichnet  wird.  Doch  könnte  dies  auch  ein 
weitverbreiteter  beiname  dieses  geliebten  fürsten  gewesen  sein. 
Ein  stärkerer  beweis  aber,  worauf  auch  schon  beitrage  pag. 
65  aufmerksam  gemacht  wurde,  ist,  dass  La^amon  sein  grosses 
werk,  statt  mit  den  sonst  immer  üblichen  gebeten  und  bitten 
an  den  leser,  für  die  seele  des  dichters  zu  beten,  einfach  mit 
den  Worten  schliesst^i): 

V.  32232.  Aenglisce  kinges 

walden  |?as  londes 

and  Bruttes  hit  loseden 

]7is  lond  and  )7as  leoden, 

|?at  naeuere  seot5t5en  maere 

kinges  neoren  here. 

]7a  jet  ne  com  j^aes  ilke  dsei 

beo  heonne  uorÖ  alse  hit  maei, 

29)  vgl.  beitrage,  pag.  66  fF. 

*)  vgl.  Lagamons  Brut  or  chronicle  of  Britain  ed.  by  Frederic  Madden, 
3  bde.  London  1847.  Vol.  I,  269  ff. 
3»)  ebend.  Vol.  III,  pag.  296  ff. 

18* 


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560  WÜLCKEß 

iwurÖe  J^et  iwuröe, 

iwnrÖe  Godes  wille.    Amen. 
Sicher    schwebten  dem    dichter  dabei    die    werte    unsrer 
Sprüche  vor: 

sei  ]fu  aten  ende: 

wr|?e  }?ad  iwur)?e, 

iwur}?e  Godes  wille. 
Ebenfalls  am  anfange  des  13.  jh.  bezieht  sich  ein  andres 
gedieht  häufig  auf  die  aussprtiche  Aelfreds:  das  gedieht  vom 
streite  zwischen  Eule  und  Nachtigall  vgl  oben  pag  68  ff.  An 
nicht  weniger  als  16  stellen  werden  alte  Weisheitslehren  und 
zwar  12  darunter  mit  ausdrücklicher  nennung  von  Aelfred  an- 
geführt »2).  Diese  finden  sich  Owl  a.  Night,  v.  235,  294,  299, 
349,  569,  685,  697,  761,  942,  1074  (derselbe  ausspruch,  wie  176), 
1223  und  1269.  Die  vier  orte,  wo  Aelfred  nicht  ausdrücklich 
genannt,  sind  v.  176,  290,  637  u.  1037.  Zwar  findet  sich  nur 
einer  dieser  aussprüche,  v.  293,  in  unsrer  Sammlung  in  v.  No. 
26  wider  33):  Er  lautet  0.  a.  N. 

Hu  Alfred  seide  on  his  spelle: 

Loke  ]7at  \fu  ne  beo  l^are, 

}?ar  charling  beo}?  and  eheste  gare, 

Lat  sottes  chidde  and  for]?  pu  go. 
Aber  es  heisst  v.  235:  Alfred  hing  hit  seide  and  tvroi;  349: 
Alfred  hit  seide  and  me  hit  mai  in  hohe  rede;  u.  oben  v.  293: 
seide  on  his  spelle:  und  dies  beweist  zur  genüge,  dass  sich  der 
dichter  bei  seinen  Sprüchen  auf  schriftliche,  nicht  mündliche 
Überlieferung  stützte.  Es  geht  daraus  aufs  neue  hervor,  dass 
in  ziemlicher  anzahl  Spruchsammlungen  Aelfreds  umliefen,  von 
welchen  aber  uns  nur  einige  erhalten  sind. 

Ein  andres  gedieht,  welches  uns  aus  der  ersten  hälfte  des 
13.  jh.  erhalten  ist,  scheint  direkt  an  eine  stelle  unserer  Sprüche 
anzuknüpfen  und  den  dort  enthaltenen  gedanken  weiter  auszu- 
führen.   V.  10  heisst  es: 

Monimon  wenit, 

|?at  he  wenen  ne  J^arf, 

longer  liuis, 

ac  him  scal  legen  |?at  wrench. 

3^)  die  citatesind  nach  der  ausgäbe  von  H.  Stratmann:  an  old  English 
poem  of  the  Owl  and  the  Nightingale.    Krefeld,  1868. 

^)  Mätzner  hat  die  andern  auch  meist  in  englischen  werken  nach- 
gewiesen (Altengl.  sprachproben  I  p.  304),  jedoch  haben  wir  keine  gleich- 
zeitigen sprnchsammlangen,  sondern  nur  die  viel  jüngere  des  Hending. 


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ÜBER  DIE  NAGS.  SPRÜCHE  ALFREDS.  261 

Besagtes  lied  fängt  an  3*)  nach  der  Jesus  Coli.  hs.  29: 
Mon^*)  may  longe  lyues  wene 
Ac  ofte  hirn  lyet5  }?e  wrench 

Aus  dem  ende  des  13.  jh.  haben  wir  noch  ein  zeugnis  fttr 
das  fortleben  der  Sprüche  Aelfreds  in  der  chronik  des  Johannes 
de  Oxenedes.  Ueber  das  leben  dieses  Schriftstellers  wissen  wir 
nichts.  Da  jedoch  seine  chronik  mit  dem  jähre  1292  abschliesst, 
dürfen  wir  annehmen,  dass  er  ende  des  13.  jh.  schrieb.  Er 
sagt  von  Aelfred^e):  Leges  christianissimas  et  scripsit  et 
pervulgavit,  in  quibus  fides  ejus  et  devotio  in  Deum,  solicitu- 
do  in  subditos,  misericordia  in  pauperes,  justitia  circa  om- 
nes  cunctis  legentibus  patet  Extant  parabolae  etiam  ejus 
plurimum  habentes  aedificationis,  venustatis,  jocunditatis  et 
nobilitatis. 

Viel  darf  man  allerdings  nicht  auf  dieses  zeugnis  geben, 
da  diese  stelle  wörtlich  aus  Ailred  von  Riveaux  (vgl.  oben)  ab- 
geschrieben ist. 

Im  14.  jh.  finden  sich  keine  spuren  mehr,  welche  auf  ein 
fortleben  der  Sprüche  Aelfreds  hindeuteten.  Der  grund  dieser 
erscheinung  liegt  nahe. 

Aelfred  war  ein  acht  ags.  held.  Durch  die  erinnerungan 
ihn,  durch  die  verherlichung  seiner  person,  erfreute  und  tröstete 
sich  das  ags.  volk  während  der  normannischen  fremdherschaft. 
Im  laufe  des  13.  jh.  nun  vollzog  sich  die  Versöhnung  und  Ver- 
einigung von  Angelsachsen  und  Normannen;  am  ende  des  jh. 
war  dies  werk  vollendet:  der  alte  hass  verschwand  und  beide 
nationen  waren  jetzt  stolz  darauf,  Engländer  zu  sein.  Und  als 
unter  den  Eduards  nun  die  kämpfe  gegen  die  alten  feinde,  die 
Schotten  und  Franzosen  begannen,  feierte  man  die  beiden  des 
tages,  Eduard  I.  und  Eduard  III.  Zu  gleicher  zeit  drang  fran- 
zösische bildung  auch  mächtig  auf  die  Angelsachen  ein,  die 
sich  vorher  dagegen  unwillig  abgeschlossen  hatten.  Unter  sol- 
chen umständen  musten  die  bilder  der  alten  beiden  erbleichen 


**)  Morris  hat  es  abgedruckt  a.  a.  o.  {nach  der  Cotton.  hs.  und  Jes. 
Coli,  hs.)  pag.  157  ff. 

35)  Die  lesarten  von  Jesus  hs.  behielt  ich  bei,  da  mon  einen  bessern 
sinn  gibt,  als  non. 

^  vgl.  Chronica  Johannis  de  Oxenedes  ed.  by  Henry  EUis.  London 
1859.  Rerum  Brittannicarum  medii  aevi  scriptores.  pag.  5, 


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262  WÜLCKER 

und  selbst  Aelfreds  andenken    allmälich  aus    der  erinnerung 
schwinden. 

Ein  deutliches  zeichen  dieser  veränderten  denkart  der 
Ags.  ist,  dass  im  ersten  viertel  des  14.  jh.  eine  neue  Sammlung 
von  Sprüchen  (oder  besser  von  glossierten  Sprichwörtern)  in 
Umlauf  kam,  welche  nicht  mehr  Aelfreds  namen  trug,  son- 
dern den  des  Hending^^),  Eine  hs.  derselben,  Harl.  2263,  gibt 
den  anfang38)j 

Mon  that  wol  of  wysdam  heren, 
At  wyse  Hendyng  he  may  lernen, 
That  weeL  Marcolves  sone 
und  bringt  dadurch  die   Sprüche   in  Verbindung  mit  Salomon 
und  Morolf,  den  zwei  männem,  welchen  die  andern  Völker  des 
abendlandes  all  ihre  «pruchweisheit  zuschrieben.    Hiermit  haben 
die  Angelsachsen  ihre  eigentümlichkeit  in  bezug  auf  spruchli- 
teratur  aufgegeben  und  treten  mit  den  andern  occidentalischen 
nationen  in  eine  reihe. 


3')  Der  name  Hending  hängt  wol  zusammen  mit  hendi  =  got.  handugs 
38)  Vgl.  Wright  and  Halliwell;  Reliquiae  Antiquae.  vol.  I.  p.  109.  — 
Die  hs.  ist  nach  Halliwell  aus  den  zeiten  Edwards  II. 

LEIPZIG.  RICHARD  WÜLCKER. 


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ÜBER  DIE  MARGARETENLEGENDEN. 


Die  Margareteillegende  verbreitete  sich  schon  früh  vom 
Orient,  ihrem  schauplatze  und  entstehungsorte,  auf  dem  wege 
durch  Griechenland  über  das  ganze  abendland.  In  Deutsch- 
land tritt  sie  zuerst  bei  Hrabanus  auf,  der  in  seinem  martyro- 
logium*)  schon  die  hauptztige  derselben  berichtet.  Einer  wie 
allgemeinen  beliebtheit  sie  sich  erfreute,  zeigen  besonders  die 
mannigfachen  poetischen  bearbeitui^gen ,  die  sie  seit  dem  12. 
Jahrhundert  in  Deutschland,  England,  Frankreich  in  den  natio- 
nalsprachen  erfuhr.  Nicht  als  ob  man  den  Inhalt  der  legende 
als  besonders  dazu  geeignet  hätte  ansehn  müssen  —  so  anzie- 
hend auch  wenigstens  dem  verdorbenen  geschmacke  der  spä- 
teren zeit  das  auftreten  des  teufeis  in  derselben  gewesen  sein 
mag  —  vielmehr  der  besonderen  geltung  der  heiligen  ist  das 
zuzuschreiben.  Margarete  war  die  christliche  Lucina,  wie  sie 
Hieronymus  Vida**)  auch  geradezu  anredet:  das  gebet  zu  ihr, 
das  lesen  und  verbreiten  ihrer  passion  verhalf  den  frauen  zu 
glücklicher  niederkunft;  das  wird  ausdrücklich  in  der  legende 
erwähnt  und  sogen  fftr  kreissende  folgen  unmittelbar  auf  die- 
selbe in  mehreren  handschriften. 

Deutsche  poetische  Margaretenlegenden  sind  schon  in  mannig- 
faltiger gestalt  und  nicht  geringer  anzahl  bekannt  gemacht. 
Die  älteste  unter  ihnen  ist  wol  die  in  Haupts  zeitschr.  1, 152  ff. 
veröffentlichte:  mehrere  nur  noch  im  12.  jh.  mögliche  reime, 
welche  das  gedieht  aufzuweisen  hat***),  beweisen,  dass  dieje- 


•)  Opera  VI.  190.  F.  G. 

•*)  opera  Antverpiae  1578.  s.  176.  v.  49. 

***)  edele:  Eugene  113,  ubele:  himele  247,  himele:  nidene  .633,  Mar- 
garite:  guote  14;-  das  letztere  in  der  hs.  nur  hier,  aber  sonst  oft  mit 
Haupt  herzustellen,  am  sichersten  v.  149,  443,  449,  461,  827,  689,  743,  715. 


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264  VOGT 

nigen,  welche  das  gepräge  einer  jüngeren  zeit  tragen*),  dem 
originale  nicht  angehört  haben  können.  Uebrigens  scheint  die 
hand  des  Überarbeiters  auch  sonst  erkennbar:  so  v.  83  u.  84, 
wo  der  dichter  aus  der  schaar  der  heiligen  Jungfrauen  allein 
die  „frouwe  Elspet"  namentlich  hervorhebt.  Damit  kann  die 
mutter  Johannes  des  täufers  nicht  gemeint  sein,  die  sehr  wenig 
als  heilige  verehrt  wurde,  wenigstens  enthalten  weder  die  vitae 
sanctorum  des  Surius  noch  die  legenda  aurea  in  ihrer  ursprüng- 
lichen gestalt  die  geschichte  derselben  (die  Acta  SS.  sind  noch 
nicht  bis  zu  ihrem  heiligentage  gekommen).  Eine  solche  Ver- 
ehrung, um  vor  allen  andern  heiligen  genannt  zu  werden,  ge- 
noss  nur  die  heil.  Elisabeth  v.  Thüringen  (1235  canonisiert);  die 
versesind  also  späterer  zusatz.  —  Noch  in  dasselbe  Jahrhundert 
setzt  Bartsch  die  nach  einer  Prager  hs.  des  15.  jh.  Germania 
4,  440  von  ihm  herausgegebene  „Margareten  marter"  (Varian- 
ten einer  Klostemeuburger  hs.  Germ.  6,  376  von  J.  M.  Wagner). 
Auch  hier  finden  sich  reime,  die  doch  jener  zeit  schwerlich  zu- 
zutrauen sind.  Beispiele  für  apokope  des  e  nach  langer  Stamm- 
silbe und  flir  unorganische  dehnung  des  kurzen  Stammvokals 
eines  zweisilbigen  Wortes  kommen  freilich  schon  in  reimender 
gedichte  des  12.jhs.  vor,  aber  doch  nur  ganz  vereinzelt.  Wein- 
hold bair.  gramm.  §  338  flihrt  als  beispiel  flir  apokope  erbetail 
dat.  {isipiail  n.)  und  bluot  dat.  (ituot)  denkm.  XL  VI,  40  u.  80 
und  einige  belege  für  denselben  fall  aus  Wernhers  Maria  und 
Dietmar  v.  Aist  an;  weniges  lässt  sich  aus  älteren  gedichten 
hinzufligen:  eine  härtere  apokope  erheischt  der  reim  sacheiun- 
gemach*"^)  Diem.  d.  ged;  48,  17  (bücher  Mose),  gleichfalls  die 
des  e  des  dat.  m.  der  reim  sinne  :chini  a.  a.  o.  87,  22  (in  dem 
gedichte  diu  wärheit).  Verletzung  der  Quantität  findet  sich 
ebenfalls  schon  in  den  bb.  Mos.  24,  24  im  reime  6le:wole  und 
in  der  Jüngern  Judith  Diem.  160,  14  im  reime  fragen : sagen. 
Aber  was  haben  solche  Seltenheiten  zu  bedeuten  gegenüber 
einem  gedichte,  in  dem  jeder  zehnte  vers  eine  solche  apokope 
des  e  nach  langer  Stammsilbe  erfordert  und  noch  dazu  darun- 
ter die  des  e  des  plur.  (v.  342)  und  des  dat.  fem.  (307)?  Das 

•)  so  109  land.'santy  167  chrisi:frist  (conj.),  324  sin:minne,  526  Aaw 
(dat.):  vass,  561  wild  (willst):  püd;  703  slahen:  gähen,  555.  697  u.  a. 

**)  Wenn  man  nicht  lieber  in  ungemach  anfügung  eines  unechten  e 
annehmen  will  vgl.  Weinhold  b.  gr,  §  342. 


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ÜEBER  DIE  MARGARETENLEGENDEN.  265 

darf  man  einem  österreichischen  dichter  des  14.  jhs.  ohne  be- 
denken, möglicherweise  auch  einem  des  13.,  keinesfalls  aber 
einem  früheren  zutrauen.  Wenn  sich  nun  aber  doch  daneben 
altertümliche  reime  wie  heiligon  (d.  pl.):  Idn  (v.  3),  guote:  Mar- 
garete (v.  11)  finden  —  es  kommen  noch  einige  weniger  sichere 
hinzu  —  und  wenn  der  ganze  frische,  knappe  und  einfache  stil 
für  das  12.  jh.  zu  sprechen  scheint,  so  werden  wir  auch  hier 
eine  grundlage  aus  dieser  zeit  veraussetzen  müssen,  wie  das 
gedieht  uns  aber  vorliegt,  ist  es  eine  spätere  Überarbeitung.  Die' 
annähme  einer  altem  grundlage  könnte  auch  dadurch  noch  ge- 
stützt werden,  dass  gerade  an  mehreren  bedenklichen  stellen 
die  beiden  hss.  nicht  übereinstimmen  so  v.  259  u.  60,  307  u.  8, 
419  u.  20  ^^  in  andern  fällen  zeigen  sich  abweichungen  von  der 
lateinischen  quelle,  so  v.  339,  wo  der  reim  chragm : lägen 
zwar  auch  in  der  Prager  hs.  beibehalten  werden  muss  wegen 
der  lesart  der  Klostemeuburger  oben  üf  sinem  chragen  zwei 
prlnnmide  swert  lägen;  aber  die  quelle  hat:  super  coUum  ejus 
erat  serpens,  gladius  candens  in  manu  ejus  videbatur;  es  scheint 
also  hier  schon  die  vorläge  beider  hss.  entstellt  gewesen  zu  sein. 
Auch  im  13.  jh.  wurde  die  Margaretenlegende  poetisch  bc: 
arbeitet.  Ein  freund  des  Rudolf  v.  Ems,  Wetzel,  hat  nach  des 
ersteren  bekannter  angäbe  im  Alexander  M.  S.  4,  867^  „vil  ge- 
fuoge"  ein  Margaretenlebcn  verfasst.  Die  Identität  desselben 
mit  einer  nur  teilweise  in  einer  hs.  des  15.  jh«.  erhaltenen 
Margaretenlegende,  die  der  herzogin  Clemende  von  Zähringen 
gewidmet  ist,  hat  Bartsch,  germanistische  Studien  I,  1  fif,  nach- 
zuweisen gesucht.  Wenn  sich  auch  darüber  eine  absolute  ge- 
wisheit  aus  den  gegebenen  anhaltspunkten  nicht  gewinnen  lässt, 
so  macht  es  die  von  Bartsch  gegebene  Zeitbestimmung  doch 
immerhin  wahrscheinlich  und  jedenfalls  ist  dies  durchaus  im 
höfischen  stile  des  13.  jhs.  gehaltene  gedieht  das  einzige  unter 
den  zahlreichen  bekannten  Margaretenlegenden,  welches  auf 
Wetzeis  autorschaft  anspruch  machen  kann  *).  Höchstens  könnte 
vielleicht  noch  die  von  HoiFmann  Wiener  hss.  n.  35,  45  ange- 
führte bearbeitung  in  betracht  kommen,  die  möglicherweise 
noch  im  13.  jh.  von  einem  Oberdeutschen  verfasst  wurde,  doch 

•)  Ich  führe   daher  im   folgenden  auch    das  gedieht  unter  Wetzeis 
namen  an. 


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266  VOGT 

gestatten  natürlich  die  beiden  dort  mitgeteilten  anfangsverse*) 
nicht  einmal  darüber  einen  schluss.  Die  hs.  ist  aus  dem  14 
jL  —  Sonst  gehört  ins  13.  jh.  nur  noch  die  im  Passional  ent- 
haltene Margaretenlegende  (beiKöpke  s.  326  flF.)  und  wolauch 
das  mitteldeutsche  gedieht  von  einer  menlichen  iuncvrowen,  dessen 
eingang  von  Lappenberg  im  anzeiger  f.  künde  der  d.  vorz.  III,  39, 
aus  einer  Hamburger  hs.  des  „  13.  oder  14."  jhs.  mitgeteilt  ist  **). 

Dem  14.  jh»  gehört  die  Margareta  an,  welche  Docen  dem 
•Hartwig  vom  Hage,  dem  dichter  der  7  tagzeiten  (Hagens  mu- 
seum  II,  266;  hs.  v.  j.  1348),  zugewiesen  hat  und  wovon  er 
altd.  Wälder  III,  149  flF.  proben  mitteilte. 

Hierher,  schwerlich  in  frühere  zeit,  ist  auch  Margareten 
passie  in  Schades  geistl.  gedd.  des  14.  und  15.  jhs.  vom  Nieder- 
rhein zu  setzen.  Schade  vermutete  zwar,  dass  diesem  gedichte 
ein  früheres  des  12.  jhs.  zu  gründe  gelegen  habe.  Das  hat 
sich  auch  insofern  bestätigt,  als  der  niederrheinische  dichter  die 
oben  t)esprochene  Margareten  marter  des  12.  jhs.  benutzt  hat 
Aber  er  entnahm  ihr  wenig  mehr  als  den  anfang  der  eigent- 
lichen erzählung  (cf.  Bartsch  Germ.  7,  268  f.)  und  arbeitete  im 
übrigen  selbständig  nach  einer  vielfach  abweichenden  lateini- 
schen quelle.  Das  geschah  aber  schwerlich  eher,  als  im  14  jh. 
denn  während  von  den  unreinen  reimen  keiner  notwendig  auf 
das  12.  jh,  zurückzufahren  ist,  können  die  reime  mer  (mare): 
wer  (esset)  v.  223,  gedeuft  (part.).*^  geleuß  (praet)  v.  304,  dede 
(conj.):  gebede  336  nur  von  einem  späteren  dichter  herrühren. 

Noch  nicht  bekannt  war  bisher  meines  wissens  eine  nieder- 
deutsche bearbeitung  der  legende,  welche  in  einer  der  Göttinger 
univ.  bibl.  angehörigen  papierhs.  des  15.  Jahrhunderts  (Cod. 
M.  S.  theoL  199.  8»)  enthalten  ist.  Die  hs.  (25,  bll.  in  kl.  8) 
enthält  auf  bl.  1 — 23*  die  Margaretenlegende  ohne  Überschrift; 
daran  schliessen  sich  unmittelbar  bl.  23* — 24*   „Vota  ad  par- 

*)     Die  edel  magt  hoch  gepom 

mit  allen  tvgenden  auzerchom 
*•)      Ez  was  ein  iuncvrowe  gut 
An  guten  werten  wol  behut 
Di  hette  riebe  mage 
Si  was  in  schöner  plage 
Wol  gewaszen  als  de  kint 
De  schone  vnde  lep  sint 


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UEBER  DIE  MAßGARETENLEGENDEN.  267 

tum  mulieris,  ut  pariat  absque  gravi  dolore*)",  worauf  bis  zum 
schluss  eine  niederdeutsche  Übertragung  der  ersten  14  w.  des 
ev.  Job.  folgt. 

Den  von  hochdeutscher  einmischung  nicht  ganz  freien  dialekt 
wird  folgende  Übersicht  des  lautbestandes  kennzeichnen. 

Vocale: 
hA  a  =  e  in  nesze  (nase),  der  (audeo).  vor  /  ==  o  in  olt,  holdes. 
^   d  =  0  vor.  c?i  :  brachte,  noch. 

„   schwaches  e  =  i  :  martir,  andirs,  godis:  ==  o  in  vor-. 
„   e  =  w  in  sulveriy  huipe. 
„   e  =  i  in  irsten  (primum),  sile; 

=  0  in  or  (ehe). 
„    i  =  u  in  sulverin,  ummer; 

=  e  :  hen,  hemfnel,  em,'  er,  met,  beth,  weten,  w edder; 
=  0  :  or  (ihr,  neben  er). 
„   0  =  a  :  van,  oder,  sali,  laue,  gade  (selten). 
j,   u=  0  :  koningk.  Joden,  dorch,  or-,  borde,  worde. 
„   ce=  e  :  gebere,  siede  (siehe  unten  über  den  umlaut). 
„   ei=  ei(ey):  eyn,  bereydet,  geheiten; 

=«  e  :  menden,  sehen,  bleck,  weck,  wesze  (waise); 
==  i  :  hiliger,  hilgen. 
n   ie=  i  :  lith,  hit,  gingk,  hingk,  rypen,  kyszen; 

=  e  :  (selten)  densL 
n   iu=  u  :  lade,  du  fei 
n  öM=  0  :  dope,  lope,  houet,  rock;  =  ouyoY  rv:  frouwen,  schou- 

wen  und  in  ougen. 
„  uo=  0  :  kope,  moder,  mot,  tho;  bokelin,  vote; 
=  u  :  vluck,  gefuch,  gute,  huff,  suchten. 
Der  umlaut  von  a  ist  mit  wenigen  ausnahmen  (z.  b.  irfa- 
restu)  überall  durchgedrungen,  selbst  der  von  ä  wird  meist  durch 
e  bezeichnet,  daneben  aber  z.  b.  salich.    Alle  andern  vokale 
kennen  den  umlaut  nicht  und  ich  habe  deshalb  der  einfachheit 
halber  im  vorstehenden  die  umgelauteten  mhd.  vocale  hier  un- 
ter die  unumgelauteten  mit  einbegriflFen. 

Consonanten: 
hd.  b  inlautend  =  v  (u):  vordryven,  lauen,  suhien, 

*)  Wie  aus  diesem  an  sich  wertlosen  lateinischen  gebete  hervorgeht, 
wurde  die  hs.  für  eine  trau  namens  Anna  verfasst. 


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268  VOGT 

hd.  p  auslautend  =  /;  huff,  wiff,  Uff, 

„   pf  anlautend  =  p:  plegen;  inlautend  =  pp:  appeL 

„    verschobenes  /in-  und  auslautend  =  p :  hulpe,  hope;  warp,  up. 

„    t  =  d:  öufel,  dede,  godis;  daneben,  wenn  auch  selten,  =  t: 
gute,  gote,  trost,  teil;  apokopiert  in  is.. 

„    z  =  t,  ausser  in  czart,  czeier,  zcirheit,  crucze,  kercze  und 
einmal:  hercze  (:  kercze). 

„    g  =  ch  vor  t  in  licht  (Hget) 

„    c  im  auslaut  =  ch:  mach,  ge/uch, 

„    verschobenes  ch  =  k:  hokelin,  siken,  vluck,  welk;  daneben 
selten  =  ch:  suchten  (neb.  sokeden),  sprach. 

„  h  fällt  hie  und  da  zwischen  vocalen  aus:  sie  (video),  vlie. 
Verdoppelung  des  consonanten  nach  kurzem  vocal  findet 
sich  in  meniiigher,  hemmel,  numme,  ummer,  wedder,  leddich  u.a. 
In  betreflf  der  flexion  ist  zu  bemerken:  flir  die  verbalen- 
dungen  das  n  des  pl  praes.  ind.  (gy  geven);  flir  den  ablaut 
das  e  des  plur.  und  der  2.  sing,  im  ind.  praet.  der  2.  ablauts- 
reihe  fgevest,  brekenj.  Die  formen  der  personal-pronomina  sind 
die  gewöhnlichen  niederdeutschen.  Der  artikel  schwankt  im 
nom.  sing.  (u.  plur.)m.  u.  f.  zwischen  die  dy  de*);  entsprechend 
lautet  das  interrogativum  rvy,  wie.  Dem  mhd.  nehein  ent- 
spricht neyn. 

Zu  den  eigenttimlichkeiten  der  niederdeutschen  Schreibweise 
gehört  die  anwendung  des  z  und  sz  für  s  und  die  bezeichnung 
eines  gedehnten  vocals  durch  nachgesetztes  e,  die  jedoch  nur 
selten  angewant  wird  (fuer  feuer,  gruet  gruss,  bluei),  einmal 
wird  auch  /  dafiir  geschrieben  (vorgoit  vergoss).  Oefter  kommt 
das  e  über  dem  vokal  vor,  in  welchem  einige  das  zeichen  für 
den  Umlaut  gesehn  haben.  In  unsrer  hs.  sind  die  beispiele 
dafür  folgende:**)  not,  geböth  (praet.),  döth  (tut),  dot  (tod),  vöt^ 
mdt  (muss),  göt  (goss),  vöp  (wuof),  bock,  röst,  dr  (ehe),  or  (ihr, 
dat.  f.),  göt  (gott);  behüt,  müt  (muss),  ?nüih  (animus);.  wit,  nyt 
(hasste),  ///ä  (licss),  r/j?  (rief),  t;«/ (cecidit),  }iy  (nie);  schäp;mayt. 
Dass  also  wenigstens  hier  dies  zeichen  keinen  umlaut  anzeigen 
kann,  liegt  auf  der  band:  man  müste  denn  annehmen,  dass 


*)  einmal  auch  der  n.  ag.  m. 

*•)  Hier,  wie  im  folgenden  immer,  wird  vocal  mit  übergeschriebenem 
e  durch  vokal  mit  strich  widergegeben. 


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UEBER  DIE  MAKGARETENLEGENDEN.  269 

das  nd.  für  o  und  u  nur  falschen  umlaut  gekannt  habe.  Des- 
halb braucht  man  aber  dies  e  keineswegs  für  bedeutungslos 
anzusehn:  der  Schreiber  scheint  mir  einfach  dasselbe  damit  zu 
bezeichnen  wie  mit  dem  seltener  nachgesetzten  e^  nämlich  die 
länge  des  betr.  vocals.  In  allen  beispielen  sind  wir  berechtigt 
langen  vocal  anzunehmen  ausser  in  dem  einzigen  gdt  (gott),  was 
sonst  immer  got  geschrieben  wird,  und  dass  hier  der  Schreiber 
sich  versehn  habe,  der  noch  weit  schlimmere  dinge  machte 
(z.b.  morder  für wiöt/^r  schrieb),  ist  wolkeine  zu  kühne  annähme. 
Bemerkenswert  ist  noch,  dass  das  zeichen  nur  da  angewant 
wurde,  wo  die  Quantität  zweifelhaft  sein  konnte,  also  nur  vor 
auslautendem,  nicht  vor  inlautendem  einfachen  consonanten,  denn 
im  letzteren  falle  war  die  länge  des  vorausgehenden  vocals 
selbstverständlich*);  also:  müt^  möt,  aber  conj.  mute,  mote;hdck 
aber  hokelin.  In  mayi  und  ny  —  auch  fnayet  und  nye  —  ge- 
schrieben —  wurde  wol  das  e  gesprochen. 

Ich  lasse  den  anfang  des  gedichtes  folgen.  Die  abbrevia- 
turen  habe  ich  aufgelöst  und  interpunction  hinzugefügt,  sonst 
nichts  geändert 

ET  schulen  alle  frouwen  1» 

Die  martir  gerne  schouwen, 

Hören  vnde  lezen 

Vnde  stede  dar  nha  weszen, 
5    Alze  margarete  dy  reyne  mayt, 

Dar  von  vns  dit  bokelin  sagit. 

Sie  kan  wol  vordryven  dy  not, 

Die  göt  suluen  geböth, 

Dar  van  id  eüen  miszgegingk: 
10    Don  sie  den  appel  vmme  vingk, 

Tho  hant  wart  dy  vluck  gedan, 

Dy  noch  den  frouwen  henget  an. 

Die  vluck  tweyerley  wart; 

Got  des  irsten  nye  vorgath: 
15    He  sprack  du  salt  weszenn 

Under  dynes  mannes  bezem.  Ib 

Szo  isz  dat  dy  ander  vluck 

(Nutte  isz  ock  syn  gefuch), 

Dat  sie  des  mannes  borde 


*)  Die  gemination  des  folgenden  consonanten,  welche  hier  bei  voraus- 
gehendem kurzen  vokal  eintrat,  wird  freilich  ebensowenig  consequent 
vom  Schreiber  bezeichnet  wie  im  erstem  falle  die  länge  des  vocals  vor 
auslautendem  consonanten. 


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270  VOGT 

5    Nummer  leddich  worde 

Ane  pyne  vnde  ane  noth. 

Dar  van  lidet  mannich  den  doth. 

Isz  dat  sie  geneszeun 

Vnde  tho  hulpe  kyszen 
10    Margareten  die  reyne  mayet, 

Dar  van  vns  dit  bokelin  saget. 

Or  vader  was  eyn  heyden, 

Van  gode  was  he  gescheiden. 

Don  sie  van  em  gebom  wart, 
15    He  szande  sie  dorch  syn  hatb 

Auer  vefteyn  milen  in  eyne  stath, 

Dar  ynne  he  eyne  amme  bath,  2» 

Dat  sie  des  kindes  scholde  plegen 

Vnd  were  em  wol  gewegen. 

Mit  diesem  eingang  stimmt  vom  dialekt  abgesehn,  f^st 
wörtlich  der  anfang  einer  Margaretenlegende  tiberein,  welchen 
Hagen  im  grundriss  s.  279  mitteilt  bis  auf  die  w.  s.  2,  1—8 
bei  Hagen.  Zwischen  beiden  steht  hier  ein  Leipziger  druck 
vom  j.  1517*),  welcher  in  den  vv.  Hagen  s.  2,  1 — 8  und  teil- 
weise auch  in  dem  von  der  nd.  bearbeitung  abweichenden 
Schlüsse  mit  Hagens  Margarete  übereinstimmt;  da  dieser  druck 
im  übrigen  teile  des  gedichtes  mit  wenigen  abweichungen  den 
text  der  Göttinger  hs.  —  nur  hochdeutsch  —  repräsentiert,  so 
können  wir  den  schluss  ziehen,  dass  diese  3  bearbeitungen  zu- 
letzt auf  eine  grundlage  zurückgehen.  Dazu  kommt  dann  noch 
die  von  Docen  Altd.  Wälder  III,  156  erwähnte  legende,  welche 
im  wesentlichen  mit  der  Hagenschen  übereinstimmt,  femer,  wenn 
man  nach  den  beiden  ersten  vv.  schliessen  darf,  auch  die  in 
einer  Olmützer  hs.  des  15.  jhs.  enthaltene,  welche  Bartsch,  an- 
zeiger  flir  künde  der  d.  vorz.  1861.  s.  331 ,  anführt  und  die 
Margareta  einer  Wiener  hs.  (Hoffmann  Wiener  hss.  n.  90,  2), 
deren  anfangsworte  mit  denen  der  letzterwähnten  völlig  tiber- 
einstimmen. 

Endlich   aber  erweist    sich  nun  auch  noch   das  von  W. 

.  Schum  in  der  Germania  18,  98  fil  veröffentlichte  Erfurter  bruch- 

stück  einer  gereimten  Margaretenlegende  als  hierher  gehörig. 


*)  *Sant  Margaretha  legend.*  Auf  dem  titel  ist  die  heilige  mit  einem 
buche  und  einem  kreuze  in  der  band  abgebildet  den  drachen  am  bände 
haltend. 


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UEBER  DIE  MARGARETENLEGENDEN.  271 

Man  vergleiche: 

G.  {Göttinger  hß.)  19»,  5.  E.  (Schums  bruchßt.) 

Beelczebuck  bin  ick  genant  1  Belczebngk  byn  ich  genant 

M3men  gesellen  bin  ick  wol  bekant    Mynen  geseliin  ben  ich  wol  bekant 
Dy  lüde  ick  ouer  wynne  Dy  lute  ich  ubirwinde 

Er  gebet  ick  gar  vorslinge  Or  gebete  ich  gar  vorslynge 

Ick  mit  allen  rechte  5  Ich  mit  on  allin  vechte 

Vnde  alle  myn  gesiechte  ünde  alle  myn  gesiechte 

Nymant  my  ouer  wynnen  mach         Keyner  dich  ubirwindin  mag 
Du  bist  my  eyn  grot  wedder  slach    Wannen  du  bist  mir  eyn  wedirslag 
0  we  myn  geselle  Ou  we  mynes  geseliin 

Bosze  is  vnsze  geuelle.  10  Gut  ist  dure  gefeile. 

Hier  und  v.  7  bietet  G  offenbar  das  richtige. 

Es  mögen  noch  einige  abweichende  lesarten  von  G  folgen. 
24  Id  is  my  nrv  gevallen.  26.  nicht  szer  guth,  27,  28.  —  desse 
rede  dy  ick  em  gerne  dede.  29.  —  van  em  to  hande.  31.  32.  Älzo 
is  my  von  dy  gesehen  Hir  vmme  möt  ick  van  dy  tihen.  34.  Ick 
volgede  gerne  dynen  rat  na,  44  —  sprack  hen  wedder  sam.  47. 
Ick  was  wisz  dat  segge  ick  dy.  51.  vordragen.  52.  dar  dy  nicht 
nummer  sagen.  Nach  54:  Do  hüff  dy  dufel  wedder  an  Dessze 
rede  he  began  He  sprack  vnsze  koningk.  —  66.  was,  63.  mer 
64  stan  by  dy,  70.  glas,  72.  in  dat  mer  nat.  73.  Babylon. 
74.  gülden  Ion.  78.  dat  isz  der  werlde  vntrost.  86.  hingk,  87. 
nicht  andirs.  88.  Opper  vnsze  gode  Loueszam.  89.  He  spragk 
du  sah  erkennen.  90.  Got  wil  ick  dy  nennen,  91.  alle  dingk. 
94.  an  gode  gar  vordorffen.  97.  Tyen  aue  die  cleydere  bloth. 
98.  wit  vnd  roth.  99.  szere  von  tomen,  104.  alzo  eyne  kercze» 
105.  van  pyne  werde  erloszt.  106.  vnd  van  der  hellen  röst.  109. 
fehlt.  Nach  110.  Juwe  radt  der  is  eyn  wicht,  115.  eyne  kope 
grot.  Nach  116:  He  lith  sie  dar  yn  szencken  Nicht  ergers  konde 
he  erdenken.  121.  Llosze  my  here  von  der  sunder  banU  Nach  124: 
üp  sette  my  dat  heil  Dat  van  my  der  sunder  teil  (?  Die  vorläge 
hatte  vielleicht:  Dwach  von  mir  der  sunden  meit). 

Keine  von  beiden  hss,  kann,  nach  diesen  abweichungen 
zu  schliessen,  den  ansprach  machen,  den  Originaltext  zu  liefern: 
bald  gibt  die  Göttinger,  bald  die  Erfurter  das  richtige.  Es  ist 
oflfenbar  noch  eine  ältere  gemeinsame  gi-undlage  vorauszusetzen. 
Es  fragt  sich,  welchem  dialect  und  weiterhin,  welcher  zeit  die- 
selbe angehörte. 

6  weist  einige  nd.  formen  im  reime  auf:  nd.  t  im  reime 
hlot  (bloss):  roth  (aber  hier  bietet  Emit  der  lesart  wisz  als  eyn 


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272  Vogt 

slosz  sicher  das  richtige)  und  in  vorgat  (vergass):  hat  (hatte), 
groi:  gehot  Nd.  d  in  moder:  broder,  rede:  dede  (täte)*);  femer 
die  reime //cÄ^  (liegt) :  frist,  tornen:  vorhomen,  lave  {[^mAi):  klage) 
älzo:  to,  her  (huc):  er  (ihr),  my  (dat.  sing.):  sie:  syn:  votelin. 

Dem  gegenüber  steht  aber  eine  nicht  unbedeutende  anzahl 
rein  hochdeutscher  reime:  vor  gas  (vergass)  wird  einmal  sogar 
so  geschrieben  im  reime;  was;  herzustellen  ist  es  im  eingang 
V.  14  ebenfalls  im  reime ;  was  (wie  st.  wart  mit  den  andern  hss. 
zu  lesen  ist);  ebenso  ist  haz  v.  30  in  demselben  reime  herzu- 
stellen; geschrieben  wird  noch  einmal  das:  was  {=daz:  was). 
Der  nd.  form  tho  (zu)  widersprechen  die  reime  derselben:  hlstu, 
meinestu,  nu  (2  mal).  Statt  der  formen  my  dy  für  dat.  u.  acc 
wird  mir  durch  den  reim:  dir  (tier),  mich  und  dich  durch  den 
auf  louelich,  ewichlich  gesichert. 

Nd.  k  wird  widerlegt  durch  »^aX:^;  lachen,  waken:  trachten; 
nd.  t  durch  hercze:  kercze. 

Nd.  kann  also  das  original  nicht  gewesen  sein,  aber  auch 
nicht  hd.,  da  der  reim  tornen:  vorbomen,  wie  die  Übereinstim- 
mung von  G  und  E  beweist,  schon  dem  'urtexte  angehört  hat 
Der  dialect  desselben  war  ohne  zweifei  md.;  darauf  weisen 
auch  reime  wie  sere:gebere  und:  swere;  bringen  (d.i.  br engen): 
lengen  (in  G  und  E);  ferner  das  md.^  wort  vullemunt  ( :  rmnt), 
woraus  selbst  der  Leipziger  druck  ein  sinnloses  wolmuth  machte. 
Md.  können  auch  reime  sein,  in  denen  d  statt  hd.  t  auftritt,  so- 
wie die  formen  licht  (liegt)**)  und  labe  (lobe).***) 

Auch  apokopierung  des  infinitiv  n  kommt  im  reime  vor, 
so:  5ye?z  (sehen,  1.  se):ge  (conj.)  senden:  ende;  vielleicht  gehörten 
auch  die  in  G  nicht  enthaltenen  reime  E.  28,  34,  64  dem  ori- 
ginale an.  (Dass  Schum  a.  a.  o.  s.  100  auch  vorslinde  als  inf. 
aufführt,  ist  ein  versehn.)  Die  wenigen  speciell  niederdeutschen 
reime  dürfen  wir  gewis  dem  Schreiber  von  G  zusprechen,  der 
auch  sonst  ziemlich  willkürlich  verfuhr,  wie  zahlreiche  entstel- 
lungen  des  sinnes  beweisen.  Das  er  nicht  einmal  den  dialect 
seinem  vorläge  genügend  verstand,   beweist  z.  b.  die  lesart  zu 

*)  Auch  hier  ist  die  lesart  von  E  mit  dem  reime  Ure :  bekire  anzu- 
nehmen. 

•*)  cf.  z.  b.  Marien  rosengarten  (bei  Bartsch  erlösung  anhg.  XIX.)  v. 
31  Pflicht  (^=pfliget) :  gericht 

***)  cf.  das  leben  der  heil.  Elisabeth  ed.  Rieger  v.  33.  1182  ü.  ö. 


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UEßER  DIE  MARGARETENLEGENDEN.  273 

V.  47  genugsam  (die  vorläge  hatte:  rvaz  ich  rveiz  daz  sage  ich 
dir  oder  wie  E.,  der  Schreiber  fasste  weiz  als  wise  und  waz  als 
was  auf);  auf  ein  ähnliches  misverständnis  scheint  die  textes- 
entstellung  bl  1^  8  zurückzugehn.  Das  original  hatte  wol  iz 
end  daz.  Merkwürdigerweise  sind  auch  die  beiden  andern  Über- 
lieferungen hier  entstellt  und  v.  d.  Hagen  gibt  daher  auch  schon 
diese  Verbesserung  an. 

Was  die  zeit  der  abfassung  betrifft,  so  verweisen  spräche 
und  reime  mit  gröster  Wahrscheinlichkeit  auf  das  14.  jh.  — 
wie  auch  Schum  vermutet  —  und  wol  noch  auf  die  erste 
hälfte  desselben.  Unreine  reime  sind  nicht  gerade  selten  j 
dravedm  (trabeten):  sageden,  worden  :  vordorffeUj  hengen  :  hen-* 
den;  kraft :  macht,  vöp  :  bdck,  visch  :  is  (ist);  wart :  wort,  an  :  hän 
:  gedän,  not :  got,  wort :  gehört  Selten  ist  noch  apokope  des  e 
nach  langer  Stammsilbe  {geist :  leist  praestabat)  und  unorga- 
nische dehnung  im  reim  fnoden  :  goden  göttem,  samen  zu- 
sammen; amen,  geneszen :  kyszen).  Diess  sowie  das  gewicht, 
welches  jioch  der  tiefton  im  reim  behauptet,  spricht  gegen  spä-* 
tere  zeit.  Beispiele  sind  tornich  :  wenich,  sachm^dich  :  dich,  ja 
selbst  forchten  (dat.  plur.):  ynnichlichen*)  wird  gereimt  Auch 
reime  wie  mlverin  :  guldin,  iszerin  :  kopperin  dürften  in  späteren 
gedichten  nicht  vorkommen.  Besonders  häufig  erscheint  noch 
die  endung  md.  -  ere  im  reim ;  so  swere  :  sunder e  :  vogeler e : 
korkenere,  mere  (mhd.  maere):  merterere  :  bichtigere;  eine  eigen- 
tümlichkeit,  die  sich  besonders  im  Thüringischen  dialect  lange 
behauptete. 

Wie  unter  den  deutschen  umdichtungen  der  Margareten- 
legende die  letztbesprochene,  der  zahl  der  hss.  nach  zu  urteilen, 
die  verbreitetste  war,  so  war  unter  den  lateinischen  Versionen 
die  in  des  Mombritius  sanctuarium**)  II,  104  flF.  überlieferte 
oflfenbar  die  bekannteste  und  am  meisten  benutzte.  FürBartschs 
Margareten  marter  und  für  das  Erftirter  bruchstück  hat  Schum 
a.  a.  0.  dieselbe  bereits  als  quelle  nachgewiesen.  Die  dem  letz- 
teren zu  gründe  liegende  bearbeitung  folgte  derselben  auch  in 


*)  Dass  aber  deshalb  nicht  auch  hier  an  ein  original  des  12.  jhs.  ge- 
dacht werden  darf,  beweist  ausser  den  äusseren  kennzeichen  auch  der 
Stil  des  gedichtes,  der  in  seiner  unbehülflichen  breite,  reich  an  Platt- 
heiten und  herkömmlichen  flickwortern  für  den  reim,  das  gepräge  der 
angegebenen  zeit  trägt. 

**)  2  bde.  fol.  Mediolani  s.  a.  (vor  1480). 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.    I.  1*^ 


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274  VOGT 

den  übrigen  nur  in  G  erhaltenen  teilen  in  derselben  weise. 
Meist  sebloss  sich  der  dichter  ziemlich  sclavisch  dem  lateinischen 
texte  an,  aber  natürlich  bringt  schon  das  reimbedürfhis  einzelne 
abweichungen  mit  sich  und  man  braucht  deshalb  noch  nicht 
mit  Schum  die  benutzung  einer  deutschen  quelle  neben  der  la- 
teinischen anzunehmen.  Die  geringen  ähulichkeiten  dieser  ab- 
weichungeiji  mit  stellen. in  der  Margareten  marter  scheinen  nur 
darauf  zu  deuten,  dass  der  lateinische  text,  welcher  den  deut- 
schen dichtem  vorlag,  nicht  ganz  identisch  war  mit  dem  so 
viel  später  bei  Mombritius  abgedruckten,  was  sich  auch  sonst 
nachweisen  lässt.  Einzelnes  gewinnt  übrigens  auch  ein  anderes 
licht  durch  die  mitgeteilten  lesarten  von  G,  vgl.  die  zu  v.  7 
und  V.  10,  welche  zeigen,  dass  der  dichter  das  lateinische  nicht 
falsch  verstanden  habe. 

Eigene  zutat  des  dichters  ist  die  einleitung.  Der  anfang 
der  legende  selbst  wird  getreu,  zum  teil  wörtlich  nach  Mombri- 
tius berichtet,  nur  wird  der  bei  Mombr.  und  in  Hagens  und 
Bartschs  Margareta  angegebene  name  des  vaters  der  Margareta 
nicht  erwähnt  und  ihr  wird  das  alter  von  12  statt  von  16 Jahren 
beigelegt.  Margareta  wird  von  ihrem  vater,  der  sie  hasst  weil 
sie  dem  Christentum  zugetan  ist*),  einer  amme  übergeben,  deren 
Bchafe  sie  hüten^  muss.  Dabei  erblickt  sie  der  christenfeindliche 
praefect  (in  G  greve)  Olybrius;  er  lässt  von  liebe  zu  ihr  ent- 
flammt, die  widerstrebende  ergreifen.  In  dem  nun  folgenden 
gespräche  zwischen  ihm  und  Margareta,  welches  in  G  (weniger 
in  der  Margareten  marter)  im  einzelnen  von  Mombritius  etwas 
abweicht,  bekennt  sich  Margareta  als  Christin.,  und  da  alleüber- 
redungsversuche  des  Olybrius  scheitern,  lässt  dieser  sie  ins  ge- 
fängnis  werfen.  Nochmalige  gütliche  versuche  des  praefecten 
am  nächsten  morgen  haben  keinen  bessern  erfolg;  die  heilige 
wird  aufgehängt  und  gepeitscht,  ohne  dass  es  gelingt  ihren 


*)  An  dieser  stelle  hat  der  Schreiber  einen  recht  gedankenlosen  fehler 
gemacht^  indem  er  bl.  2^  v.  13  mitten  im  satze  abbricht  and  uns  mit 
einem  male  in  das  gespräch  hinein  versetzt,  welches  Margareta  im  kerker 
mit  dem  teufel  liat;  es  geht  dann  im  zusanunenhang  weiter  bis  8«  13,  wo 
die  erzählung  der  Jugendgeschichte  fortgesetzt  wird;  dann  unterbricht 
20 b  V.  9  wider  den  zusammenbang,  schliesst  sich  aber  ganz  genau  an 
8a  12  an.  £s  ist  also  einfach  der  passns  8«  13  bis  20^  8  zwischen  bl. 
2»  y.  13  und  v.  14  einzuschieben. 


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ÜEBER  DIE  MARGARETENLEGENDEN.  275 

glauben  zu  erschüttern.  Eine  darauf  folgende  noch  grausamere 
zerfleischung,  von  der  Mombritius,  Margareten  marter  und  der 
Leipziger  druck  berichten,  wird  in  G  —  abgesehn  von  einer 
geringen  andeutung  —  übergangen.  Margareta  wird  abermals 
in  den  kerker  geworfen  und  betet,  dass  ihr  gott  ihren  feind 
zeigen  möge.  Die  angäbe  bei  Mombritius,  dass  Contimus  —  der 
gewährsmann  der  legende  —  das  nun  [folgende  durchs  fenster 
mit  angesehn  habe,  wovon  ohne  nennung  des  namens  auch  die 
Marg.  marter  berichtet,  fehlt  wider  in  G.  Es  erscheint  nun  der 
teufel  als  drache*),  der  in  folgender  wunderlichen  weise  nach 
Mombr.,  abweichend  von  den  übrigen  deutschen  bearbeitungen 
in  G  beschrieben  wird. 

G.  fol.  14b  z.  3  ff.  Mombr.  105* 

Do  sach  sie  hen  vnd  her.  Et  ecce  subito  de  angulo  carceris 

Do  sach  sie  in  den  kercke^er  exiult  draco  horribilis: 

5  Den  dufel  sach  sie  vor  sick  sten  b 
Vth  eynen  vinstem  winkel  gen.  a 
He  was  gruwelich  gar 

Vnde  mennigher  varffe  har:  totus  variis  coloribus  deauratuB. 

Dy  har  w^ren  suluerin,  Capilli  eins  et  barba  aurea: 

10  De  bart  was  em  guldin. 
Dy  tene  weren  iszeren.  et  videbantur  dentes  eins  ferrei 

Syne  ougen  weren  kopperin.  Ocoli  eins  nelut  Margaritae  spien- 

debant 
Vth  syner  neszen  gingk  eyn  rock    et  de  naribus  eins  ignis  et  fnmus 
Vnde  eyn  mechtich  fuer  ock,  exibat  [Lingua  illius  anheliabat.  su- 

15  Dar  van  eyn  grot  licht  sehen.  per  Collum  eins  erat  serpens.  gla- 

dius  candens  in  manu  eins  vide- 
batur  et  fsßtorem  faciebat  in  car- 
cere.  traxit  se  in  medium  carceris: 
et  sibilabat  fortiter].  et  factum  est 
lumen  in  carcere  ab  igne :  qui  exi- 
bat de  ore  draconis. 
Er  verschlingt  die  heilige,  welche  das  zeichen  des  kreuzes 
macht  und  ihn  dadurch  in  zwei  stücke  spaltet.    Es  folgt  ein 
dankgebet  der  Margareta,  darauf  die  erscheinung  des  zweiten 
teufeis  in  gestalt  eines  moren.    Sie  wirft  ihn  nieder  und  setzt 
ihm  den  fuss  auf  den  nacken;  eine  taube  erscheint  vom  himmel 
und  bestärkt  .sie.    Dann  folgt  die  Unterredung  mit  dem  teufel, 


*)  Dasa  dies  ungetüm  ein  drache  gewesen,  wird  in  G  nicht  ausdrück- 
lich berichtet,  möglicherweise  absichtlich,  da  der  bearbeiter  sich  einen 
dracben  wol  anders  vorstellte. 

ir 


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076  VOGT 

die  ebenso  wie  das  weiter  sich  anschliessende  (Überwindung 
des  teufeis,  nochmalige  Überredungsversuche  des  Olybrius,  feuer- 
und  wassermarter)  auch  im  Erfurter  bruchst.  enthalten  ist.  Als 
Margareta,  ins  wasser  geworfen,  gebetet  hat,  dass  ihr  dasselbe 
zur  taufe  und  zur  Sündenreinigung  dienen  möge,  erfolgt  ein 
erdbeben,  welches  ihre  fesseln  löst;  eine  taube  bringt  ihr  vom 
himmel  eine  kröne  und,  wie  G  selbständig  hinzusetzt, 

dy  werster  hüffe  (l  westerh.) 
Vnde  dat  ander  westercleit. 
Nach  diesem  wunder  bekehren  sich  5000  ohne  weiber  und 
kinder  zum  Christentum.  Olybrius  befiehlt,  die  Margareta  zu 
enthaupten;  der  henker,  Malchus  in  den  deutschen  Versionen, 
bei  Mombr.  Malens*)  genannt,  gibt  ihr  frist  zum  beten  und  sie 
bittet,  charakteristisch  genug,  fär  alle  die  ihre  leidensgeschichte 
lesen  und  abschreiben,  ihr  lichte  stiften,  kirchen  bauen  u.  s.w.; 
besonders  soll  in  dem  hause,  wo  man  ihre  passion  hat,  kein  fehler- 
haftes kind  geboren  werden.  Es  erscheint  nun  wider  eine 
taube  vom  himmel  und  sagt  ihr  die  gewährung  zu.  Der  henker, 
der  sich  anfänglich  geweigert  und  sie  um  Verzeihung  gebeten, 
enthauptet  sie  und  fällt  tot  neben  ihr  nieder.  Ein  donnerschlag 
wirft  ^alle  umstehenden  zu  boden.  Die  engel  kommen  und  füh- 
ren ihre  seele  in  den  himmel,  die  teufel  wehklagen,  kranke 
werden  an  ihrem  leichnam  geheilt  Mit  dem  nach  Mombr. 
widergegebenen  gesang  der  engel  schliesst  G,  abweichend  von 
Hagens  Margareta  und  dem  wesentlich  damit  übereinstimmen- 
den Leipziger  druck: 

Dy  engein  sangen  eyn  sangk,    G  fol.  22^  z.  6  ff. 

Die  in  den  wölken  sere  klangk. 

Sie  snngen  alle  hoch, 

Dy  sangk  Inde  alzo: 
10  „Du  bist  aller  gnte  grot; 

Die  werlt  steit  an  dynem  gebot." 

Vnd  snngen  denne  noch  mere 


•)  Mallens  ist  ein  christlicher  name  des  teufeis  cf.  mythol.  559  wie 
das  deutsche  hämmerlein  und  hämmerling;  die  häufigere  anwendung  des 
deutschen  Wortes  zur  bezeichnung  des  henkers  (cf.  D.  W.)  legt  die  Ver- 
mutung nahe,  dass  auch  das  lat.  mallens  dafür  gebraucht  sei;  auch  der 
Wortlaut  der  stelle  bei  Mombr.  II,  lOtf^  macht  es  wahrscheinlich,  dass 
das  wort  hier  als  appellativum  zu  fassen  sef:  Questionarii  comprehende- 
runt  eam:  et  duxernnt  foris  ciuitatem.  Dixit  Malens  ad  eam:  Extende 
ceruicem  tuam.    (Vorher  ist  das  wort  noch  nicht  vorgekommen.) 


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ÜEBER  DIE  MARGÄRETENLEGENDEN.  277 

Dorch  dy  godes  ere: 
„Here  hiliger  got, 
15  Du  bist  geheiten  sabaoth.  , 

Vor  ynllet  ist  dat  ertrick  23« 

Myt  dyner  zcirheit  vnd  dat  hemelrick". 
Hir  het  dat  bokelin  eyn  ende. 

Got  mote  vns  syne  hnlpe  senden  ' 

5  Vnde  gene  vns  allen  samen 
Dat  ewyge  hemmelricke.    Amen. 

Bei  Mombritius  folgt  noch  die  bestattung  der  heiligen  durch 
Tectinus,  der  in  der  Margareten  marter,  die  auch  davon  be- 
richtet, Theodosius  heisst.  —  In  allen  den  angeführten  haupt- 
ztigen  der  legende  stimmen  sonst  diese  beiden  deutschen  bear- 
beitungen  mit  dem  Mombritius  genau,  teilweise  wörtlich  über- 
ein, ohne  unter  sich  in  einem  abhängigkeitsverhältnis  zu  stehn. 

Soweit  man  aus  den  von  Docen  a.  a.  o.  mitgeteilten  proben 
aus  der  Margareta  Hartwigs  vom  Hage  einen  schluss  ziehen 
kann,  entnahm  auch  dieser  seinen  stoff  der  bei  Mombritius  er- 
haltenen tradition.  Man  vergleiche  den  dort  gegebenen  eingang 
des  gedichtes  mit  dem  bei  Mombritius: 
Nach  der  zit  daz  warer  got  Post  resurrectionem  domini 

Crist  väterliches  willen  bot  nostri  Jesu  Christi  et  gloriosae 

Gecrüzet  an  der  menschait  starb       tempus  ascensionis  eins  in 
Ze  helle  do  den  rawp  erwarb  caelnm  ad  patrem  omnipotentem 

n.  s.  w.  etc. 

femer  einzelne  aus  dem  gedichte  mitgeteilte  sätze: 
dl  mir  die  kirchen  machen  qui  basilicam  in  nomine  meo  fecerit 

oder  ir  licht  mir  brennen     *  et  quisqois  Inmen  fecerit  in  basilica 

mea  de  sno  labore. 
wer  sie  (die  legende)  schreibe  lese  et  scripserit  passionem  meam  uel  qui 
oder  ze  schriben  frnme  de  suo  labore  comparauerit  codi- 

cem  passionis  meae 
endlich  die  s.  159  mitgeteilte  stelle,  wo  das  zauberbuch  Mam- 
bre  erwähnt  wird  mit  Mombr.:  In  libris  tamen  ianuae  et  mam- 

brae  inuenies  genus  nostrum.  scrutare  et  uide Nam  uiae 

nostrae  non  sunt  super  terram  sed  cum  uentis  ambulamus.  Die 
geschichte  von  der  einsperrung  der  teufel  durch  Salomo  wird 
fast  wörtlich  nach  Mombr.  erzählt.  Der  name  des  gewährsman- 
nes  aber  wird,  wie  bei  den  andern  deutschen  bearbeitern,  die 
denselben  erwähnen,  Theotimus,  nicht  wie  bei  Mombr,  Tectinus 
oder  Contimus  und  der  teufel  Belial,  nicht  Bezeleel,  genannt. 

Auch  Wetzel  benutzte  fÄr  sein  gedieht  offenbar  den  text 


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278 


VOGT 


des  Mombritius  und  nicht  den  der  Acta  SS.  Freilich  verfuhr 
er  mit  seinem  Stoffe  ganz  anders  als  die  übrigen  bearbeiter. 
Er  suchte  denselben  nicht  einfach  in  reime  zu  bringen,  sondern 
er  wollte  ihn  wirklich  poetisch  umformen.  Daher  liess  er  es 
nicht  an  redegewanten  und  redseligen  ausschmückungen  fehlen, 
wie  in  der  Schilderung  der  zeit  der  Christenverfolgung  v.  73  ff. 
und  in  der  im  Hartmannschen  stile  ausgeführten  rede  des  Oli- 
brius  V.  459  ff,  wie  in  der  ganz  entsprechend  gehaltenen  ant- 
wort  der  Margareta  v.  508  ff;  aber  im  ganzen  gange  der  er- 
zählung  folgt  er  doch  treu  seiner  vorläge  und  wie  er  auch  die 
einzelnen  charakteristischen  züge  der  lateinischen  Überlieferung 
verwertete,  mag  beispielsweise  die  vergleichung  des  gebetes 
der  von  den  knechten  des  Olibrius  bedrohten  Margareta  zeigen: 

V.  258  sie  rief  ze  gote  nnde  sprach    beata  Margarita  innocare  coepit  Chri- 

stam  ac  dicere 


«herre  got,  erbanae  dich 
260  genaedecltch  über  mich, 
verlias  m!ne  s81e  niet 
mit  nngdoubiger  diet 

herre  got,  getroeste  mich 
daz  ich  mit  freuden  lobe  dich, 
265  so  daz  dtn  reine  güete 
vor  flecken  mich  behüete. 
herre  got,  behalt  an  mir 
daz  ich  geloube  von  dir. 


Miserere  mei  domine.  miserere  meL 

ne  perdas  cum  impiis 

animam  meam  [aut  cum  uiris  san- 

gninum  nitam  meam] 
fac  me  laetari  semper  in  te  domine 

J.  Chr.  et  te  semper  coUaudare. 

Ne  permittas  animam  meam  con- 

taminari  et  ne  poUuatur  fldes  mea. 


der  blaome  und  der  reine  nam 
mtner  megetltchen  schäm, 

275  den  ich  dir  einen  wlhte 
in  mtnes  herzen  blhte, 
dö  ich  von  6rst  den  sin  gewan 
daz  ich  verkös  alle  man, 
und  den  ich  reine  her  hän  bräht, 

280  lä  mir  niht  werfen  in  daz  bäht 
keinen  irdischen  man, 
wan  stn  min  herze  nieman  gan. 
den  engel  du  mir  sende 

verlieh  mir  dine  wisheit 
daz  min  zunge  si  bereit 
ze  antwürten  dem  rihtaere, 
290  des  tiufels  wizenaere. 

mir  ist  gelich  an  dirre  frist 


Non  inquinetur  corpus  menm:  Non 
proiiciatur  Margarita  mea  in  lutum: 
non  immutetur  sensus  mens  a  tur- 
pitudine  unquam.  et  ab  insipientia 
diaboli 


Sed  transmitte  angelnm  gubemato- 
rem  ad  aperiendos  sensus  meos: 
et  ad  respondendum  cum  fiducia 
impio  et  iniquo  praefecto  sangui- 
nario. 

Video  enim  me  ut  ovem  in  medio 


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UEBER  DIE  MARGARETENLEGENDEN.  279 

daz  schäf  daz  andern  wolven  ist.     luporom  ecce  facta  sam  sicut  passer 
der  vogel  sich  mir  gelfchet,        in  raetibus  comprehensa. 
den  der  vogelaere  ersuchet 

auch  waen  sich  mir  geliche      et  sicut  piscis  in  hämo, 
der  vischswenne  erkumtgevara 
da  in  bestricket  daz  gam. 

n.  s.  w. 
Es  Hessen  sich  noch  viele  weitere  einzelheiten  beibringen, 
doch  ich  glaube,  die  gegebene  probe  beweist  genügend,  dass 
und   wie  Wetzel    die   bei    Mombritius   widergegebene    quelle 
benutzte*). 

Andere  quellen  haben  Haupts  und  Schades  Margareta^  so- 
wie die  im  Passional  enthaltene.  Der  dichter  des  letzteren,  be- 
nutzte auch  hier  die  legenda  aurea,  welche  in  manchen  punkten 
wesentlich  vom  Mombritius  abweicht.  Es  scheint  als  sei  hier 
etwas  kritik  geübt:  die  erscheinungen  der  taube  fehlen,  die 
engel  und  teufel  treten  bei  Margaretas  tode  nicht  auf.  Auob 
die  scene  mit  dem  henker  wird  ausgelassen.  Die  erscheinung 
des  drachen  wird  nicht  näher  beschrieben;  er  verschlingt  zwar 
die  heilige  und  wird  durch  das  kreuz  getötet,  aber  der  dichter 
fügt  hinzu  330,  52 

sumeliche  haben  verhowen 
an  den  meren  disen  strich 
und  sprechen,  ez  si  mislich 
swaz  deme  wurme  ist  geseit. 
was  auf  die  worte  seiner  quelle  hinweist  (bei  Grässe  s.  401) 
„Istud  autemquod  dicitur  de  draconis  devoratione  etipsius  cre- 
patione,  apocryphum  et  frivolum  reputatur." 

Doch  scheint  ihm  auch  hier  wie  in  andern  teilen  des 
Werkes  noch  eine  andere  version  neben  dem  Jacobus  a  Vora- 
gine  bekannt  gewesen  zu  sein.  Die  zahl  derer,  welche  sich 
nach  Margaretens  wunderbarer  errettung  vom  ertrinken  bekeh- 
ren, wird  im  Passional  nur  auf  8,  in  den  andern  deutschen 
und  lateinischen  Versionen,  —  auch  in  der  leg.  aur.  —  auf 
5000  angegeben. 

Die  quellen  der  legende  bei  Haupt  und  Schade  weiss  ich 
nicht  nachzuweisen,    Dass  dem  dichter  der  letztgenannten  die 


*)  Auch  an  den  meisten  der  von  Bartsch  mit  dem  texte  der  Acta 
SS.  verglichenen  stellen  ist  die  Übereinstimmung  mit  Mombritius  grösser. 


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280  VOGT 

„Margareten  marter"  vorlag,  ist  bereits  erwähnt;  seine  haupt- 
quelle blieb  aber  eine  version ,  welche  mit  denen  bei  Mombri- 
tius,  Petrus  de  Natalibus,  Jacobus  a  Vor.,  Surius,  Acta  SS. 
nicht  übereinstimmt.  Dagegen  trifft  sein  gedieht  in  mehreren 
punkten  mit  dem  Hauptschen  „Margareten  püechlin"  zusammen. 
So  darin,  dassMargareta  insfeuer  geworfen,  nicht  mit  fackeln 
verbrannt  wird  *)  und  der  versuch,  sie  zu  ertränken,  in  kochen- 
dem Wasser  gemacht  wird.  Im  gegensatz  zu  Mombr.  findet  in 
beiden  gedichten  auch  die  erste  marter  schon  statt  ehe  Marg. 
in  den  kerker  geworfen  wird,  während  allein  im  „püechlin" 
auch  die  beiden  folgenden  martern  schon  vordem  berichtet 
werden.  Bemerkenswert  ist  noch,  dass  das  letztere  auch  den 
namen  von  Margaretens  mutter  —  Eugenne  —  mitteilt,  der 
sonst  in  keiner  deutschen  oder  lat.  version  genannt  wird.  Der 
name  des  vaters  ist,  wie  in  den  andern  deutschen  bearbeitun- 
gen,  Theodosius,  in  Übereinstimmung  mit  Mombr. ,  der  leg.  aur. 
und  Petrus  de  Nat.;  bei  Surius,  und  in  den  Acta  SS.  heisst 
er  Aedesius. 

Soviel  über  die  gereimten  bearbeitungen  der  Margareten- 
legende. —  In  der  älteren  zeit  war  die  poetische  form  für  die 
behandlung  legendarischer  Stoffe  offenbar  die  beliebtere,  erst 
seit  dem  15.  jh.  kam  auch  auf  diesem  gebiete  die  prosa  mehr 
zur  geltung  und  besonders  die  Übertragungen  der  legenda  aurea, 
die  natürlich  auch  unsere  legende  enthalten,  hatten  sich  einer 
grossen  ausbreitung  zu  erfreuen,  wie  die  zahlreichen  alten 
drucke  der  „passionale"  beweisen.  Aus  früherer  zeit  sind  von 
der  Margaretenlegende  nur  zwei  prosabearbeitungen  bekannt 
Die  eine  ist  in  der  Gräzer  hs.  des  14.  jhs.  überliefert,  welche 
auch  die  himmelfahrt  Marien  von  Konrad  v.  Heimesfurt  ent- 
hält. Herausgeg.  von  Diemer  in  den  kleineren  beitragen  (Wie- 
ner Sitzungsber.  1851.  2,  s.  316).  Der  eingang  ist  gereimt 
(30  V.  V.)  und  das  verleitete  Pfeiffer  zu  der  unrichtigen  angäbe 
bei  Hpt.  8,  157  „gereimte  Margaretenlegende,"  was  auch  in 
Wackernagels  lit.  gesch.  überging.  Die  eigentliche  legende  ist 
nur  eine  latinisierende  prosaübersetzung  des'  Mombritiusschen 


*)  Schade  v.  285  ff.  Hpt.  v.  377  ff.  Schum  hat  das  letztere  übersehn 
indem  er  Germ.  18,  106  angibt,  die  Hauptsche  version  kenne  keine  ge- 
trennte feuer-  und  wassermarter. 


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ÜEBER  DIE  MARGARETENLEGENDEN.  281 

textes;  einige  auslassungen  und  geringe  abweichungen  werden 
auch  hier  der  lateinischen  vorläge  zuzuschieben  sein. 

Die  zweite  prosabearbeitung  ist  die,  welche  Hermann  y. 
Fritslar  seinen  heiligenleben  einverleibte  (bei  Pfeiffer  mystiker 
1, 155  flf).  Sie  schliesst  sich  im  wesentlichen  der  legende  aurea 
an.  Eine  abweichende  angäbe  von  der  Zeitfolge  der  martern, 
welche  hier  alle  unmittelbar  hintereinander  zwischen  der  ersten 
und  zweiten  einkerkerung  berichtet  werden,  und  ein  in  der  le- 
genda  nicht  enthaltener  zusatz  am  Schlüsse  bestätigen  jedoch 
die  angäbe  Hermanns  (s.  4, 15),  dass  er  nach  mehreren  quellen 
arbeitete.  Von  dem  „20  mtle  von  Rome  in  Tuscanjen"  bele- 
genen „kasteile  zu  sente  Margareten"  berichtet  er  nach  eigener 
anschauung. 

Eine  verkürzende  bearbeitung  der  legenda  aurea  ist  die 
von  Holland  (die  legende  der  heil.  Margareta  altfranzösisch  u. 
deutsch.  Hamiover  1863)  mitgeteilte  „Sand  Margareta"  eines 
passionals  v.  j.  1463.  Auffällig  ist  hier  nur  bei  der  sonsti- 
gen genauen  Übereinstimmung  mit  der  quelle,  dass  die  wasser- 
marter,  abweichend  von  derselben,  wie  in  Haupts  undSchades 
Margareta  berichtet  wird. 

Ausserhalb  Deutschlands  scheint  die  Margaretenlegende 
als  Stoff  poetischer  wie  prosaischer  behandlung  nicht  weniger 
willkommen  gewesen  zu  sein.  Die  älteste  bearbeitung,  welche 
sie  in  einer  vulgärsprache  erfahren  hat,  ist  die  ags.  prosaische 
Passio  Scae  Margaretae  virginis,  welche  der  herausgeber, 
Cockayne  (narratiunculae  anglice  conscriptae  1861),  ca  1000 
ansetzt.  Noch  dem  ausgange  des  12.  jhs.  gehört  das  alliterie- 
rende gedieht  Seinte  Marherete  pe  meiden  ant  martyr  an,  von 
Cockayne  zusammen  mit  zwei  mittelenglischen  gereimten  Mar- 
garetenleben („Seinte  Margarete  )>at  holi  maide"  und  „meidan 
Margarete")  herausgegeben  in  der  13.  publication  der  early 
english  text-society.  Von  einem  späteren  gedichte  gleiches  In- 
halts (die  abfassung  wird  1463  angesetzt)  werden  nur  die 
Schlussverse  —  a.  a.  o.  s.  VIII.  —  mitgeteilt. 

Die  beiden  ersten  dieser  bearbeitungen  gehen  nun  unzwei- 
felhaft auch  auf  die  so  viel  benutzte  lat.  version  des  Mombri- 
tius  zurück.  Die  ags.  prosalegende  ist  nur  eine  fast  wörtliche 
Übersetzung  derselben. 

Man  vergleiche  zu  dem  bereits  mitgeteilten  eingang  bei 


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282  VOGT 

Mombritius  denaügelsächsischen:  Efter  J^äre  )>rovunge  and  J^äre 
seriste  and  )?äre  vuldorfästan  upastlgnesse  fires  drihtnes  hselen- 
des  cristes  to  god  (so)  fäder  ealmihtigum.  —  Nur  selten  kom- 
men kleine  auslassungen  vor:  die  bemerkenswerteste  ist  die 
der  erzählung  des  teufeis  von  seiner  einschliessung  durch  Salomo. 
Andere  geringe  abweichungen  werden  meist  der  mit  dem  drucke 
des  Mombritius  nicht  ganz  congruenten  vorläge  zuzuschieben 
sein,  wie  denn  auch  -diese  abweichungen  zum  teil  mit  denen 
der  deutschen  bearbeitungen  übereinstimmen*).  —  Auch  die 
„Seinte  Marherete"  schliesst  sich  im  ganzen  sehr  genau  an 
Mombritius  an;  nur  machte  sich  auch  hier  der  in  alliterierenden 
gedichten  so  oft  hervortretende  und  teilweise  durch  die  form 
selbst  begründete  hang  zu  breiteren  ausftthrungen  geltend.  Die 
gebete  und  reden  —  namentlich  die  rede  des  teufeis,  in  welche 
der  dichter  auch  eigene  gedanken  hineintrug**)  —  gehn  noch 
bedeutend  über  die  schon  recht  ausführliche  quelle  hinaus,  so 
dass  diess  gedieht  das  umfangreichste  unter  allen  bekannten 
Margaretenlegenden  ist.  Dass  das  gedieht  übrigens  nicht  etwa 
auf  die  ags.  prosaübersetzung,  sondern  direct  auf  die  lat.  quelle 
zurückgeht,  wird  unter  vielem  andern  auch  durch  die  erzählung  . 
von  Salomo  und  den  teufein  bewiesen. 

Schwerer  ist  zu  entscheiden,  auf  welche  grundlage  die  bei- 
den gereimten  legenden  zurückgehn.  S.  Margareta  J?at  holi 
maide  stimmt  in  der  hauptsache  mit  der  legenda  aurea  tiber- 
ein. Ihr  sind  z,  b.  auch  die  werte  des  Olybrius  entnommen, 
welche  er  an  die  von  seinen  knechten  ergriffene  Margareta  richtet: 
V.  75  J?is  tue  J?inges  ]?at  J?u  nemnedest  erst  '  bicome]? 
J>e  faire  and  suete 

J?at  J>u  beo  icome  of  heje  blöde        and  )?at  J>u  hote 
margarete  • 

J?use   tuo   bicomej?    J?e  wel  ynoug        suche  maide 
noble  and  free 
Ac  J>e  J?ridde  becomej?  J?e  no^        as  J?u  mijt  iseo***) 

*)  So  hat  z.  b.  gleich  zu  anfang  die  Gräzer  prosalegende  überein- 
stimmend mit  der  ags.:  nach  der  marier  und  nach  der  urstende  gegen- 
über dem  lateinischen  post  resurrectionem. ' 

••)  besonders  fol.  48 a,  7  flF. 

***)  Duo  prima  tibi  recte  conveniunt,  quod  nobilis  haberis  et  pul- 
cherrima  margaritha  comprobaris-,  sed  tercium  tibi  non  convenit 


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ÜEBER  DIE  MAEGÄRETENLEGENDEN,  283 

und  der  zweifei  an  der  drachenersclieiiiuiig  v.  165  Ac.  J?is  ne 
teile  ic  nojt  forßoJ>e  u.  s.  w. 

Dagegen  stimmt  die  scene  vor  Margaretas  hinrichtung  wider 
ganz  mit  Mombritius,  der  bericht  der  feuer-  und  der  einen 
Wassermarter  aber  mit  der  Hauptschen  und  Schadeschen  Mar- 
gareta  überein,  während  sich  die  angäbe,  dass  die  leidensge- 
schichte  sich  285  jähre  nach  Christi  geburt  unter  Diocletian 
u.  Maximian  zugetragen  habe,  sonst  nur  in  dem  texte  der  Acta 
SS.*)  findet;  der  bericht  von  2  wassermartern  ist  dem  dichter 
ganz  eigentümlich.  Derselbe  wird  wol  schon  als  quelle  eine 
Zusammenstellung  aus  den  verschiedenen  Versionen  benutzt 
haben,  schwerlich  hat  er  sich  seinen  stoflf  aus  denselben  selbst 
zusammengesucht.  —  Wider  andere  besondere  züge  hat  Meidan 
Margarete  aufzuweisen,  wie  z.  b.,  dass  Margarete  mit  7  andern 
kindem  bei  der  amme  aufgezogen  wird  u.a.;  sonst  ist  hier 
Mombritius  benutzt,  aber  in  ziemlich  freier  weise  und  vielfach 
verkürzt 

Von  französischen  bearbeitungen  sind  handschriftlich  meh- 
rere in  versen  und  in  prosa  vorhanden.  Eine  bruchstückweise 
in  einer  hs.  aus  dem  anfang  des  13.  jhs.  auf  der  bibl.  zu  Tours 
erhaltene  Margaretenlegende  ist  nach  du  Möril  (ötudes  sur  quel- 
ques points  d'archöologie  et  d'histoire  littöraire  Paris  1862,  s. 
228  u.  29.)  von  einem  „sehr  gewanten  dichter  des  12.  jhs." 
verfasst.  In  den  schlussversen,  die  du  M6ril  (a.  a.  o.)  mitteilt, 
nennt  sich  der  Verfasser  Grace,  worin  dann  du  M6ril  ebenso 
wie  Luzarche  —  Adam  drame  anglonormand  s.  XXXVIIL  — 
den  Guace  sieht**).  Da  der  Verfasser  sich  ebendort  auf  den 
lateinischen  text  des  „Theodimus"  beruft,  so  mager  auch  nach 

Mombritius  gearbeitet  haben  ( ce  dit  Grace    qui  de  latin 

en  romans  mist    ce  que  Thöodimus  escrit). 

Vollständig  veröffentlicht  ist  meines  Wissens  nur  das  gleich- 
falls gereimte  Margaretenleben  einer  Neuenburger  hs.  von  Holland 
(die  legende  der  heil.  Margarete  altfranzösisch  u.  deutsch). 
Diess  hat  viele,  hie  und  da  selbst  wörtliche  Übereinstimmungen 
mit  Mombritius.    So  im  anfang: 


I.  8.   12. 


*)  hier  jedoch  mit  abweichender  Zeitbestimmung. 

••)  vgl.  du  M6ril  la  vie  et  les  ouvrages  de  Wace  in  Eberts  jahrb« 


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284  VOGT 

Apres  la  sainte  passion 
Jhesucrist,  a  Tescension 
Quant  en  son  ciel  fast  monte  etc. 
Vgl.  den  eingang  bei  Mombr.    Daneben  aber  übergeht 'das  ge- 
dieht nicht  allein  bedeutende  in  dieser  version  enthaltene  stücke 
—  80  die  ganze  feuer-  und  wassermarter  —  sondern  es  hat 
auch  einzelne  ab  weichungen  aufzuweisen,   die  sich  nicht  wol 
erklären  lassen   ohne  die  annähme,  dass  nebenher  noch  eine 
andre  bearbeitung  oder,  was  wahrscheinlicher   ist,  dass  eine 
verkürzte  Umarbeitung  des  Mombritiusschen  textes  benutzt  sei. 

Nach  Bartsch,  germ.  stud.  I,  8  anm.,  wird  Übrigens  „dieser 
altfranzösische  text  noch  heute  als  volksbuch  gedruckt  und 
verkauft". 

Die  hss.  der  übrigen  französischen  bearbeitungen  der  le- 
gende sind  aufgefahrt  bei  du  Meril  und  Holland  a.a,  o.  VLVIL 

Auch  eine  niederländische  Margaretenlegende  in  versen  ist 
uns  erhalten  in  dem  bruchstücke  der  hs.  eines  passionals,  wel- 
ches vom  ungenannten  herausgeber  des  Stückes  im  Belgisch 
museum  voor  de  nederduitsche  taal-  en  letterkunde  I,  227  ff. 
ungefähr  in  die  mitte  des  13.  jhs.  gesetzt  wird.  Das  gedieht, 
nur  178  vv.*),  ist  eine  verkürzende  Umarbeitung  des  in  der 
legenda  aurea  widergegebenen  textes;  neben  einigen  auslas- 
sungen  beschränken  sich  die  abweichungen  im  wesentlichen  da- 
rauf, dass  statt  der  feuermarter  eine  3.  zerfleischung,  anders  als 
in  allen  übrigen  bearbeitungen,  berichtet  wird.  Daflir  kommen 
aber  auch  oft  genug  wörtliche  Übereinstimmungen  mit  der  quelle 
vor.  Unmittelbar  auf  die  Margaretenlegende  folgt  in  der  hs. 
die  legende  von  der  heil.  Regina,  welche  hier  sowol  wie  in  der 
lat.  quelle  mit  der  ersteren  eine  so  grosse  ähnlichkeit  zeigt, 
dass  sie  nur  eine  nachbildung  derselben  zu  sein  scheint. 

Ich  fasse  noch  einmal  das  resultat  obiger  Untersuchung  zu- 
sammen, soweit  sich  diese  auf  das  Verhältnis  der  verschiedenen 
bearbeitungen  der  legende  bezog.  Die  in  Hagens  grundr.  229  und 
in  den  altd.  wäld.  III,  156  angeführten  hss.,  das  Erfurter  bruch- 
stück,  der  Leipziger  druck  und  die  Göttinger  hs.,  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  auch  die  im  anzeiger  v.  j.  1861,  s.  391  und 


*)  anfang:  Passie  ende  sware  verdriete 

Doghede  die  rene  Margariete 
Ende  al  omme  ons  heren  minne 


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ÜEBER  DIE  MAEaARETENLEGENDEN.  286 

bei  Hofifman  Wiener  hss.  90,  2  bemerkten  hss.,  sind  insgesammt 
auf  eine  md.  gereimte  Margaretenlegende  des  14.  jhs,  zurück- 
zuführen. Diese  sowie  die  in  der  Prager  und  der  Klosterneu- 
burger  hs.  erhaltene  Margareten  marter,  die  dichtungen  Wetzeis 
und  Hartwigs,  die  Gräzer  prosalegende  und  die  beiden  ags. 
bearbeitungen  gehn  direkt  auf  die  bei  Mombritius  mit  geringen 
abweiehungen  widergegebene  lateinische  legende  zurück.  Eben- 
falls benutzten  dieselbe,  aber  mit  beimischung  aus  verschiede- 
nen fremden  quellen,  Hollands  altfranzösische  Margareta  und 
die  altenglische  meidan  Margarete.  Eine  selbständige  Stellung 
nimmt  Haupts  Margareten  püechltn  ein;  etwa  zwischen  ihm 
und  der  Mombritiusschen  gruppe  steht  die  niederrh.  Margare- 
ten passie. 

Das  Passional,  Herman  von  Fritslar,  die  bei  Holland  mit- 
geteilte deutsche  prosalegende, -  Margareta  J?at  holi  maide  und 
die  niederländische  Margareta  schöpfen  aus  der  legenda  au* 
rea;  alle  jedoch  mit  entlehnung  einzelner  züge  aus  andern 
Versionen. 

Ich  glaubte  dem  schon  so  reichlich  angehäuften  Stoffe  über 
die  Margaretenlegende  nicht  noch  neuen  hinzufügen  zu  dürfen 
ohne  einen  versuch,  das  vorhandene  einigermassen  zu  sichten. 
So  unbedeutend  auch  an  sich  die  bearbeitungen  der  legende 
teilweise  sein  mögen:  für  die  literaturgeschichte  sind  sie  doch 
gerade  in  ihrer  grossen  anzahl  von  wert  als  ein  sprechendes 
Zeugnis  für  die  geistes-  und  geschmacksrichtung  ihrer  zeit. 
Jenes  wolgefallen  des  mittelalters  am  wunderbaren,  ja  unna- 
türlichen vereinigte  sich  mit  dem  glauben  an  den  sehr  realen 
nutzen  des  heiligencultus,  um  demselben  an  sich  so  unbedeu- 
tenden Stoffe  fünf  Jahrhunderte  hindurch  flir  das  ganze  abend- 
land  immer  neue  anziehungskraft  zu  verleihen.  Und  in  so  ver- 
schiedener gestaltdie  lateinische  legende  überliefert  war:  über- 
all ist  es  doch  gerade  die  wunderreicheste  und  unglaublichste 
Version  —  die  bei  Mombritius  — ,  auf  welche  vollkommen  un- 
abhängig von  einander  der  geschmack  der  dichter  verfällt 
Erst  später  macht  ihr  die  nüchternere  legenda  aurea  den  rang 
streitig,  als  man  bei  der  behandlung  des  grossen  legendencyclus 
der  ktlrzeren  fassung  den  vorzug  gab. 

Aber  auch  der  Inhalt  der  legende  an  sich  ist  in  gewisser 
beziehung  nicht  ohne  interesse:  er  zeigt,  wie  sich  schon  in  frü- 


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286  VOGT 

her  zeit*)  auch  im  christlichsten  gewande  orientalische  mythen 
ins  abendland  einschlichen,  wo  sie  dann  gewis  nicht  wenig 
zur  ausbreitung  des  verhängnisvollen  Zauberei-  und  hexen- 
glaubens  beitrugen.  Mohammedanischen  Ursprunges  ist  die  ge- 
schichte  von  der  einschliessung^der  teufel  durch  Salomo.  Ganz 
ähnlich  wie  in  unserer  legende  wird  im  Suleimanname  nach 
V.  Hammer  rosenöl  I,  221  dieser  mythus  erzählt:  Salomo,  dem 
die  gewalt  über  alle  dämonen  gegeben  ist,  zwang  die  einen 
zum  tempelbau  indem  er  ihnen  sein  Siegel  auf  den  hals  drückte, 
die  andern  aber,  die  sich  ihm  nicht  unterwerfen  wollten,  be- 
zwang er  mit  gewalt  und  sperrte  sie  in  weinschläuche,  flaschen 
und  eherne  topfe,  die  er  mit  eigner  band  versiegelte  und  auf 
den  grund  des  meeres  warf.  Wie  dann  einer  wider  frei  ge- 
worden ist  darüber  sollen  „die  wahrhaften  geschichten  der  1001 
nacht"  aufschluss  geben.  Vielleicht  ist  damit  die  erzählung 
W)m  fischer  gemeint,  der  einen  solchen  von  Salomo  in  ein  ge- 
fäss  eingeschlossenen  geist  befreit.  Hier  sind  die  Babylonier 
die  unvorsichtigen  befreier  der  teufel**):  Babylonien  ist  das 
heimatland  der  „schwarzen  kunst"  und  die  teufel  selbst  spre- 
chen chaldäisch.  (vgl.  Roth  über  den  zauberer  Virgilius  Germ. 

IV,  278).  Wie  diese  geschichte  von  den  eingesperrten  teufeh 
in  die  Virgiliussage  eingang  fand  (Roth  a.  a.  o.  277  u.  78),  so 
vermutete  Öocen  noch  einen  anderen,  directeren  bezug  unsrer 
legende  auf  jene  sage.  In  den  büchern  Jamne  und  Mambre, 
auf  welche  nach  der  version  des  Mombritius  der  teufel  die 
Margareta  verweist,  um  näheren  aufschluss  über  die  höUenbe- 
wohner  zu  erhalten,  sieht  Docen  (altd.  wäld.  HI,  X59)  „eine 
beziehung  auf  den  zauberer  Virgilius  und  auf  jene  so  dunkelen 
verse  im  Wartburgkriege,   die  so   trefflich  durch  den  herzog 

*)  Die  ags.  prosalegende  calOOO;  hss.  derlat  legende  —  wahrscbein- 
lich  in  der  Mombritiusschen  version  — aus  dem  ll.jh.  vgl.  Diem.  a.a.o, 
s.  315,  text  Society  13  s.  VIE. 

••)  Etwas  abweichend  wird  dieselbe  geschichte  im  Reinfrid  ed.  Bartsch 

V.  21042  flf.  erzählt: 

künc  Salamön  hat  oach  für  war  daz  glas  höh  gehenket  was 

mit  stner  künste  meisterschaft  üf  in  des  tempels  kröne 

verwürket  aller  tiuvel  kraft  unz  die  von  Babilöne 

die  faoren  in  den  lüften.  sich  an  den  Juden  rächen, 

ir  tiuveUtchez  güften  daz  glas  si  dö  zerbrachen 

was  ouch  verwürket  in  ein  glas.  und  wänden  dinne  vinden  golt. 


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UEBER  DIE  MARGARETENLEÖENDEN.  287 

Reinfrit  aufgeklärt  werden".  Er  kann  damit  nur  die  erzäh- 
lung  vom  zauberbuch  des  Zabulon  oder  Savilon  meinen  (Wart- 
burgkrieg Simrock  156  S,  Reinfrid  v.  21034  flf),  welches  Christi 
geburt  hintertreiben  sollte,  dann  aber  vom  magnetberge,  wo  es 
auf  wunderbare  weise  bewacht  war,  durch  den  Virgilius  ent- 
führt wurde.  Aber,  das  steht  mit  dem  in  der  Margaretenle- 
gende erwähnten  in  gar  keinem  Zusammenhang.  Jannes  und 
Mambres  sind  nach  2.  Timoth.  3,  8  die  zauberer,  welche  des 
Moses  zeichen  vor  Pharao  nachmachten.  Eine  alte  lateinische 
aufzeichnung  die  auch  ins  ags.  übersetzt  wurde  —  mitgeteilt 
bei  Cockayne  narratiunculae  s.  50  u.  67  —  berichtet  weiter, 
dass  Mambre  dafür  in  die  höUe  gekommen  ist.  Mit  hülfe  sei- 
nes zauberbuches  wird  er  dann  durch  seinen  bruder  Jannes 
auf  die  oberweit  heraufbeschworen,  um  diesem  von  den  schrecken 
der  höUe  zu  berichten  und  ihn  vor  der  strafe  nach  dem  tode 
zu  warnen*).  Das  gemeinsame  dieser  erzählung  mit  dem  be- 
richte der  legende  ist  also  die  tatsache,  dass  man  glaubte, 
durch  das  buchMambre**)  aufschluss  über  die  geheimnisse  der 
höUe  erhalten  zu  können. 

Auf  fremdem  einflusse  beruht  auch  ohne  zweifei  die  be- 
schreibung  des  als  drache  erscheinenden  teufeis.  Diess  Unge- 
tüm mit  silbernem  haar,  goldenem  hart,  eisernen  zahnen  und 
perlen-  oder  kupferaugen  hat  nicht  die  geringste  ähnlichkeit 
mit  dem  äusseren,  welches  sonst  das  mittelalter  dem  teufel 
oder  einem  drachen  beilegt.  Wenn  man  die  heimat  der  legende 
berücksichtigt,  so  wird  man  sich  kaum  der  Vermutung  erweh- 
ren können,  dass  diese  züge,  einem  orientalischen  götzenbilde 
entnommen  seien***),  wie  denn  ja  bekanntlich  die  kirche  so 
manchen  heidnischen  gott  als  teufel  fortleben  liess. 

*)  Zu  den  Sammlungen  Liebrechts  im  Gervasius  s.  87  und  Germ.  IV, 
374  „das  grab  und  seine  länge"  liefern  einen  beitrag  die  nur  in  der  ags. 
Übersetzung  vollständig  erhaltenen  Schlussworte  des  Mambres:  and  äfter 
)?am)7e  ]7udeäd  bist  )7onnecymst  )7ut6  helle  and  betvixdeddum  mannnm 
bit$  ^tn  eardingstdv  nit$er  on  eort$an  and  ]7tn  seäd  bit$  tvegea  cubita  vtd 
and  feövra  lang. 

••)  vgl.  auch  Fabricius  cod.  pseudepigr.  vet.  test.  I,  813  ff.  u.  bes.  s.  818. 

•••)  üeber  den  einfluss  bildlicher  darstellungen  heidnischer  gottheiten 
anf  die  mittelalterliche  Vorstellung  vom  aussehn  des  teufeis  vgl.  Mentzel 
chrifltl.  symbolili  unter  teufel. 

GÖTTINGEN.  FRIEDRICH  VOGT. 


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UEBER  DAS  GEGENSEITIGE  VERHÄLTNIS 

DER  HANDSCHRIFTEN  VON  HARTMANNS 

IWEIN. 

-Lachmamis  ausgäbe  des  Iwein  hat  in  der  geschickte  der 
deutschen  philologie  eine  bedeutung  gehabt  wie  kaum  die 
irgend  eines  anderen  mittelhochdeutschen  Werkes.  Sie  war 
der  erste  versuch  die  anforderungen,  welche  man  in  der  clas- 
sischen  philologie  an  die  textkritik  zu  stellen  gewohnt  war, 
auch  auf  dieses  gebiet  zu  übertragen.  Dazu  hat  Lachmann 
in  den  anmerkungen  die  meisten  seiner  grundsätze  über  mit- 
telhochdeutsche rechtschreibung  und  metrik  niedergelegt.  Die 
erläuternden  anmerkungen  und  das  Wörterbuch  von  Benecke 
machten  das  buch  sehr  tauglich  zur  ersten  Qinführung  ins 
mittelhochdeutsche.  Unter  solchen  umständen  ist  es  nicht  sehr 
zu  verwundern,  dass  man  sich  gewöhnte  die  ausgäbe  für  ein 
unübertreffliches,  ewig  gültiges  muster  anzusehen,  dem  jeder  , 
herausgeber  eines  mittelhochdeutschen  gedichtes  unbedingt  nach- 
zueifern habe.  Pfeiffer  wagte  es  zuerst  diese  mustergültigkeit 
zu  bestreiten.  Aber  er  ist  dahin  geschieden,  bevor  er  seine 
mehrmals  versprochene  revision  des  textes  ausgeführt  hatte. 
Bech,  der  in  den  übrigen  werken  Hartmanns  sich  bedeutende 
abweichungen  von  den  kritischen  ausgaben  gestattet  hat,  hat 
im  Iwein  nur  wenige  schüchterne  versuche  gemacht  an  dem 
texte  zu  rütteln.  Je  höher  das  ansehen  des  Lachmannschen 
Iwein  ist,  und  je  mehr  die  darin  angewanten  und  ausgesproche- 
nen grundsätze  für  die  mittelhochdeutsche  textkritik  und  me- 
trik noch  heute  als  richtschnur  betrachtet  werden,  um  so  ge- 
botener ist  eingehende  prüfung  von  Lachmanns  verfahren.  So 
fruchtbar  und  woltätig  auch  die  ausgäbe  zunächst  gewirkt  hat 
und  so  viel  sie  dazu  beigetragen  hat  die  deutsche  philologie 
aus  einer  liebhaberei  zur  strengen  Wissenschaft  zu  machen,  so 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  289 

würde  doch,  wollten  wir  die  prüfung  versäumen  und  allen 
ihren  aufstellungen  auf  immerdar  blindlings  folgen,  der  anfangs 
heilsame  einfluss  sich  in  das  gegenteil  verkehren,  viel  mehr 
durch  unsere,  als  durch  Lachmanns  schuld.  Und  das  ist  leider 
bereits  geschehen,  so  dass  jetzt  viel  weniger  die  belebende  an- 
regung  zu  empfinden  ist  als  die  lästige  fessel,  die  der  freien 
entwickelung  unserer  Wissenschaft  auferlegt  wird. 

Ich  stimme  mit  Pfeiffer  darin  überein,  dass  Lachmann 
'in  keiner  seiner  ausgaben  der  Willkür  und  gewalttätigkeit  so 
sehr  hat  die  zügel  schiessen  lassen,  als  gerade  i^  Iwein'.  Frei- 
Hch  muss  man  dabei  noch  einen  unterschied  machen  zwischen 
der  ersten  und  zweiten  ausgäbe,  welche  letztere  von  einzel- 
heiten  abgesehen  mir  eine  entschiedene  Verschlechterung  der 
ersten  scheint,  indem  hier  auf  einem  allerdings  schon  in  der 
ersten  angebahnten  wege  weiter  gegangen  wurde.  Die  gründe 
zu  dieser  verirrung  des  grossen  kritikers  sind  mehrfacher  art 
Einmal  hatte  sich  Lachmann  ein  bestimmtes  System  von  me- 
trischen regeln  gebildet,  wonach  er  alles  eonstruierte  mit  hint- 
ansetzung  jeder  anderen  rücksicht.  Das  bestehen  solcher  regeln 
wäre  aber  zuvor  zu  erweisen  gewesen,  ehe  man  nach  ihnen 
die  texte  gestaltete.  Es  bedurfte  dazu  einer  allseitigen  be- 
nutzung  des  vorhandenen  materials,  während  Lachmann  eine 
verhältnismässig  kleine  anzahl  von  gedichten  nach  willkjir- 
,licher  auswahl  zu  gründe  legte.  Es  musten  ferner  erst  die 
texte  der  werke,  von  denen  eine  gute  und  reichliche  Über- 
lieferung vorlag,  nach  den  sonst  für  die  textkritik  gtütigen 
grundsätzen  hergestellt  sein,  ehe  man  aus  ihnen  metrische 
regeln  abstrahieren  konnte.  Erst  auf  solcher  grundlage  ge- 
stützte regeln  konnten  zu  änderungen  in  mangelhaft,  etwa  nur  in 
einer  hs.  überlieferten  texten  berechtigen  und  zur  entscheidung 
über  den  wert  verschiedener  hss.  beitragen,  wenn  darüber 
sonst  noch  nicht  entschieden  war.  Statt  dessen  werden  die 
noch  nicht  auf  solche  weise  gesicherten  regeln  höher  gestellt 
als  die  ersten  und  notwendigsten  gesetze  jeder  philologischen 
methode,  mit  deren  auflösung  überhaupt  eine  methodische 
kritik  unmöglich  wird.  Es  hilft  nichts,  dass  eine  regel  in  den 
meisten  fällen  anwendbar  ist.  Widerspricht  ihr  auch  nur  an  einer 
stelle  die  wol  beglaubigte  und  kritisch  gesichtete  Überlieferung, 
so  haben  wir  daraus  nichts  anderes  zu  schliessen,  als  dass  die 

Beiträge  zur  geschichte  der  deatschen  spräche.  I.  20 


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290  PAUL 

vorausgesetzte  regel  keine  geltung  hat.  Es  wird  mir  zunächst 
frei  stehen  unbekümmert  um  alle  metrischen  regeln  tiberall 
aufzusuchen,  was  der  Überlieferung  und  dem  sinne  nach  das 
echteste  ist.  Eine  prüfung  der  zum  teil  ja  schon  vielfach  an- 
gefochtenen Lachmannschen  regeln,  welche  im  zusammenhange» 
nicht  bloss  in  rücksicht  auf  den  Iwein  erfolgen  muFS,  behalte 
ich  mir  für  später  vor.  Doch  bemerke  ich  im  voraus,  dass 
ich  im  Stande  bin  alle  Verstösse  zu  rechtfertigen,  die  ich  im 
folgenden  gegen  die  regeln  machen  werde.  Ein  zweiter  grund, 
weshalb  Lachmann  fehlgriflf,  war  die  ihm  anhaftende  verliebe 
für  alles  schwierige  und  abstruse,  welche  ihn  geneigt  machte 
hinter  jedem  unsinn  einen  versteckten  oder  verderbten  sinn  zu 
suchen,  ein  verfahren,  worin  auch  heutzutage  leider  von  man- 
cher Seite  die  einzig  richtige  methode  gesehen  wird.  Dieser 
hang  und  das  bestreben  nach  durchführung  seiner  regeln  übten 
auf  Lachmann  den  wesentlichsten  einfluss  bei  der  beurteilung 
des  wertes  der  verschiedenen  hss..  Endlich  aber  hat  er  es  ver- 
säumt eine  eingehende  Untersuchung  über  das  gegenseitige 
Verhältnis  der  hss.  anzustellen,  was  als  notwendige  Vorbedingung 
für  die  herausgäbe  eines  in  zahlreichen  hss.  erhaltenen  Werkes 
angesehen  werden  muss.  Vielmehr  entscheidet  er  sich  von 
vornherein  für  den  vorzug  einer  einzelnen  hss.,  deren  autorität 
er  fast  so  hoch  und  öfter  höher  schätzt  als  die  aller  übrigen  zu- 
sammengenommen. Es  war  dies  verfahren  überhaupt  seine  art  ^ 
Am  deutlichsten  zeigt  sich  das  in  seiner  ausgäbe  der  Nibe- 
lungen. Aber  auch  im  Parzival  und  Willehalm  folgt  er  oft 
einseitig  den  hss.  D  und  K.  Das  beispiel  Lachmanns  hat 
einen  starken  einfluss '  auf  unsere  gesammte  textkritik  geübt 
Noch  heute  kann  man  den  grundsatz  predigen  hören,  dass  bei 
einer  ausgäbe  die  beste  hs.  zu  gründe  zu  legen  sei,  von  der 
man  nicht  abweichen  dürfe,  wo  es  nicht  durchaus  notwendig 
sei.  Und  doch  kann  nichts  klarer  sein,  als  dass  dieser  grund- 
satz falsch  ist,  sobald  mehr  als  zwei  hss.  vorliegen.  Es  kann 
unter  drei  oder  mehr  hss.  recht  wol  die  eine  besser  sein  als 
jede  der  andern  für  sich,  und  trotzdem  kann  und  wird  in  der 
regel  die  Übereinstimmung  der  andern  einen  höhern  kritischen 
wert  haben  als  die  eine  beste.  Selbst  wenn  alle  übrigen  ausser 
ihr  aus  einer  gemeinsamen  vorläge  stammen  sollten,  von  der 
sie  unabhängig  wäre,   so  könnte  sie  doch  an  wert  von  dieser 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  291 

vorläge  tibertroffen  worden  sein,  so  schlecht  die  einzelnen  da- 
raus abgeleiteten  hss.  sein  mögen,  piese  vorläge  wird  aber 
an  vielen  stellen  durch  die  Übereinstimmung  aller  oder  der 
mehrzahl  der  abgeleiteten  hss.  zu  reconstruieren  sein.  Und 
wenn  nun  gar,  was  doch  meistens  der  fall  sein  wird,  keine 
vermittelnde  quelle  zwischen  der  urhandschrift  und  allen 
übrigen  hss.  ausser  der  besten  liegt,  wenn  vielleicht  gar  eine 
von  jenen  zu  dieser  in  einem  näheren  Verhältnis  st^ht,  so  lässt 
sieh  aus  der  Übereinstimmung  jener,  die  um  so  weniger  zufallig 
sein  kann,  je  zahlreicher  sie  sind,  der  text  der  urhandschrift 
reconstruieren,  wogegen  die  abweichungen  auch  der  besten  hs. 
gar  nicht  in  betracht  kommen.  Ich  glaube,  dass  man  sich  im 
allgemeinen  bei  der  herausgäbe  mittelhochdeutscher  texte  viel 
zu  sehr  auf  die  berücksichtigung  einiger  wenigen  ausgezeich- 
neten hss.  beschränkt.  Man  kann  niemals  von  vornherein 
sagen  auch  von  der  schlechtesten  hs.,  dass  sie  nichts  zur  auf- 
findung  des  echten  textes  beitragen  könne,  wofern  nicht  ihre 
vorläge  erhalten  ist  oder  andere  mit  ihr  aufs  engste  verwante 
hss.  Diese  andeutungen  werden  genügen  um  die  Veröffent- 
lichung dieser  arbeit  zu  rechtfertigen.  Ich  habe  dazu  nur 
weniges  ausser  Lachmanns  Variantenverzeichnis  und  den  ge- 
druckten hss.  benutzen  können.  Herr  professor  Bartsch  hatte  die 
gute  mir  seine  vetgleichung  der  ersten  1000  verse  der  Rostocker 
,  hs.  mitzuteilen ,  welche  ich  mit  r  bezeichne.  Ich  selbst  habe 
an  einer  reihe  wichtiger  stellen  die  zweite,  von  Lachmann 
lücnt  benutzte  Dresdner  hs.  verglichen,  für  die  ich  das  zeichen 
f  brauche.  Diese  beiden  hss.  trugen  nicht  wenig  dazu  bei  mir 
meine  schon  früher'  gefassten  ansichten  über  das  handschriften- 
verhältnis  zu  sichern. 

Als  grundregel  seines  kritischen  Verfahrens  stellt  Lach- 
mann auf  (I.  ausgäbe  s.  4,  III.  ausg.  s.  362),  dass  der  hs.  A 
überall  zu  folgen  sei,  wo  sie  nicht  allein  stehe.  Begründet 
wird  diese  Vorschrift  dadurch,  dass  A  mit  keiner  der  andern 
näher  verwant  sei  und  Veränderungen,  die  erkennbar  absicht- 
lich wären,  niemals  mit  einer  andern  gemein  habe.  Abzu- 
weichen davon  ist  nach  Lachmann,  wenn  A  nur  durch  zufall 
mit  einer  andern  hs.  stimmt,  oder  wenn  sich  die  echte  lesart 
in  keiner  andern  erhalten  hat.  Und  so  sind  denn  a  ch  ca. 
170  nur  durch  A  bezeugte   lesarten  gegen    die   übereinstim- 

20* 


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2d2  PAüL 

mung  aller  oder  doch  der  mehrzahl  der  übrigen  in  den  text 
aufgenommen.  Dieses  verfahren  setzt  erstens  voraus,  dass  A 
mit  einer  besonderen  treue  und  Sorgfalt  geschrieben  ist,  und 
zweitens,  dass  nicht  bloss  A  mit  keiner  der  ilbrigen  hss.  näher 
verwant  ist,  sondern  dass  auch  diese  alle  zusammen  aus  einer 
gemeinsamen  quelle  geflossen  sind,  von  welcher  ^unabhängig 
ist.  Es  wird  also  darauf  ankommen  diese  beiden  Voraus- 
setzungen einer  prttfung  zu  unterziehen. 

Zur  begründung  der  ersteren  ist  von  Lachmann  nichts  bei- 
gebracht worden.  Man  tiberzeugt  sich  leicht  aus  den  Varian- 
ten, dass  A  von  einem  sehr  unsorgfältigen  und  nachlässigen 
Schreiber  herrührt.  Das  zeigen  vor  allem  zahlreiche  auslas- 
sungen.  Ich  fahre  davon  die  in  den  ersten  600  versen  vor- 
kommenden auch  von  Lachmann  als  solche  anerkannten  voll- 
ständig auf:  58  fehlt  diu;  69.  70  fehlen;  156  fehlt  bitters;  265 
fehlt  der;  301  fehlt  an,  422  fehlt  ich;  471  fehlt  im;  472  fehlt 
niht;  476  fehlt  ör?^;  511  fehlt  in;  521  fehlt  waz;  525—31 
sind  in  drei  werte  zusammengezogen;  606  fehlt  vogel;  628  fehlt 
in.  Ich  bemerke  weiterhin  nur  die  grösseren  auslassungen. 
Es  fehlen  entweder  ganze  verse,  so  768.  1263—4.  1644—7. 
2004.  2118.  2178=80.  2398.  3611—2.  3619—20.  3639.  3818. 
4665.  6922—4  8021—2,  oder,  was  noch  häufiger  ist,  es  wer- 
den meist  durch  überspringen  von  einem  werte  auf  ein  anderes 
bald  darauf  folgendes  gleiches  oder  ähnliches  mehrere  zeilen 
in  eine  zusammengezogen,  so  754—6.  1044 — 7.  1204 — 6.  1275 
—  77.  1528—34.  2170— L  2711—5.  3255—6.  3539—41.  3840 
—1.  3933—6.  4021—3.  4024—5.  4388—9.  4695—7.  4793—5. 
5227  —  31.  5864—6.  5993—4.  6683—4  6674—8.  7194—5. 
7993—4.  Eine  grosse  lücke  ist  6925 — 7075;  dass  diese  schon 
in  der  vorläge  von  A  vorhanden  war,  wie  Lachmann  zu  6925 
behauptet,  ist  nicht  erwiesen  und  die  übrigen  auslassungen 
machen  es  wahrscheinlich  genug,  dass  auch  diese  der  nachläs- 
sigkeit  des  Schreibers  zuzurechnen  ist.  Häufig  ist  das  fehlen 
von  einzelnen  Wörtern.  Ebenso  zaldreich  sind  Umstellungen, 
vertauschungen  von  partikeln  und  andere  kleine  ändei-ungen, 
die  eine  nachlässige  abschrifk  charakterisieren.  Es  wird  zur 
darlegung  des  Verhältnisses  genügen  anzufahren,  was  der- 
gleichen bis  zu  z.  500  von  Lachmann  als  falsch  in  die  Vari- 
anten gesetzt  ist:  58  doh  für  da;  95  ist  nach  96,  99  nach  100 


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HANDSCHRIFTENVERHÄELTNIS  DES  IWEIN.  293 

gestellt;  115  ne  was  für  wcere;  143  un  tnoch;  147  dich  f.  (Urz; 
150  haz  niewen  zouden  frumen  f.  niuwan  haz  ze  den  frumen; 
156  des  eueres  so  vol  f.  hiiters  eiters  vol;  244  irs  mih  ruht  wil 
f.  ir  michs  niht  weit;  267  un  vil  f.  und;  279  gesach  f.  ersach; 
282  da  so  f.  r?4;  299  dou  f.  nw;  300  in  f.  an;  303  war^  f.  was; 
361  mr^ew  f.  nie  Bd  (mÄ^  Dacf.);  379  da  hinen  f.  dÄ  «;t'd^; 
382  un  ih  f.  ww^;  384  die  f.  wJwe;  386  noh  oh  f.  nocÄ;  387  da  f. 
Jo,  riterlicher  f.  riterRchen;  403  mfÄ  f.  W2r;  409  etor  f.  tfd;  459 
unde  breit  f.  ferg/<;  464  hoverde  f.  hoveroht;  470  Ja  Z>«  ^me  fr^^ew  f. 
t/a  bi  im;  478  ^er^/f  f.  bereit;  489  ^^^a^^  f.  ^ö^tf.  Dies  sind  nur 
die  lesarten,  mit  denen  A  allein  steht;  dazu  kommen  noch  meh- 
rere, in  denen  sie  zu  einer  andern  hs.  stimmt  und  bei  denen  Lach- 
mann diese  Übereinstimmung  flir  zufallig  hält.  Und  in  dieser 
weise  geht  es  das  ganze  gedieht  hindurch  fort.  Ganz  sinnlose 
entstellungen  sind  nicht  selten,  z.  b.  613  den  esien  scim  f.  der 
este  schin;  2133  imne  tete  niht  ze  we,  ein  tah  t  im  endet  ze 
vuoz  ein  tac;  2624  nu  lan  der  herre  her  key  dort  f.  noch  lac 
der  herre  Keii  dort;  4001  nu  git  mih  doh  des  blibe  f.  nü  git  mir 
doch  des  bilde]  5946  so  moz  ruwe.  un  ungenade  ban  =  sd  muoz 
ich  gnäde  und  ruowe  län ;  7388.  9  so  sie  der  tah  oubet,  un  man- 
heit.  un  wafen  f.  so  der  tac  Hebet  manheit  unde  wä/en. 

Wenn  demnach  A  noch  eine  hervorragende  geltung  haben 
soll,  so  kann  das  nur  darin  seinen  grund  haben,  dass  sie  aus 
einer  vorzüglichen  quelle  abgeschrieben  ist.  Dies  angenommen 
und  vorausgesetzt,  dass  der  Schreiber  von  A  immer  nur  aus 
flüchtigkeit  fehlte,  so  würden  wir  auf  A  ein  grosses  gewicht 
zu  legen  berechtigt  sein  überall  da,  wo  sie  bedeutende  ab- 
weichungen  zeigt,  die  nicht  leicht  ohne  Überlegung  aus  den 
lesarten  der  übrigen  hss.  entstanden  sein  könnten;  dagegen 
würde  sie  geringe  beachtung  verdienen  bei  allen  geringfügigen 
abweichungen,  die  den  sinn  nicht  wesentlich  ändern  oder 
sich  leicht  aus  eilfertigkeit  erklären  lassen.  Lesarten  der  letz- 
teren art  sind  nun  aber  von  Lachmann  nicht  wenige  in  den 
text  aufgenommen,  teils  solche,  die  in  A  allein  überliefert  sind, 
teils  solche,  die  sie  mit  einer  andern  hs.  teilt.  Auf  die  letz- 
teren komme  ich  später  zurück,  zunächst  sehen  wir  uns  die 
ersteren  etwas  an.  Vor  allem,  wenn  in  A  ein  wort  fehlt, 
welches  in  den  übrigen  hss.  steht,  müste  es  doch  erst  ganz 
bestimmt  erwiesen  sein,  dass  es  an  der  betreffenden  stelle  un- 


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294  PAUL 

gehörig  ist,  wenn  wir  dieselbe  nicht  nach  der  analogie  der 
zahlreichen  übrigen  fälle  beurteilen  sollen,  in  denen  die  aus- 
lassung  in  A  evident  ist.  Dazu  sprechen  auch  gar  keine  in- 
neren stichhaltigen  gründe  für  die  auslassungen,  wol  aber 
meistens  dagegen.  So  scheint  mir  657  die  auslassung  von 
weter  gegen  BDabdrf  dem  sprachgebrauche  wenig  angemessen; 
es  ist  störend  daz  als  pronomen  auf  das  vorhergehende  des  we- 
ter es  zu  beziehen,  weil  mit  657  ein  neuer  abschnitt  des  sinnes 
beginnt;  die  berufung  auf  Er.  669  kann  wenig  beweisen,  da 
wir  nur  die  Überlieferung  einer  einzigen  späten  hs.  vor  uns 
haben.  1557  kann  der  artikel  bei  minne  wol  nicht  gut  ent- 
behrt werden;  eine  vollständige  personification  liegt  nicht  vor, 
da  sonst  nicht  gesagt  werden  könnte,  dass  die  minne  sich  zer- 
teilt hatte.  1792  muss  es  heissen  ir  diu  noehest  und  diu  beste] 
wenn  das  erste  diu  mit  A  weggelassen  wird,  würde  man  ir 
für  den  gen.  nehmen  müssen,  der  bei  nceheste  doch  nur  stehen 
kann,  wenn  es  als  subst.  im  biblischen  sinne  gebraucht  wird. 
2939  ist  uns  kaum  zu  entbehren.  4536  wird  durch  das  in  A 
fehlende  für  in  die  Situation  viel  klarer,  indem  man  nun  weiss, 
dass  der  ritter,  sobald  er  abgesessen  ist,  vor  Artus  steht,  und 
es  begreift,  dass  er  sofort  ihn  anredet.  7145  fehlt  in  äne  bürgen 
und  äne  phant  daz  zweite  äne  in  A  gegen  den  mittelhochdeut- 
schen Sprachgebrauch,  der  es  liebt  die  präposition  zu  wider- 
holen. 7761  steht  iemer  in  allen  hss.  ausser  A;  die  rede  wird 
dadurch  nachdrücklicher,  und  der  vers  stimmt  so  mit  3636, 
wo  auch  A  immer  hat,  was  freilich  für  Lachmann  ein  grund 
ist  es  hier  nicht  zu  setzen,  worüber  weiter  unten.  An  andern 
stellen  ist  der  Vorzug  weniger  entschieden  auf  seiten  der  übrigen 
hss.  2412  des  ritters  gehurt  und  sin  frümekheit;  sin  fehlt  in  A 
und  ist  von  Lachmann  aus  unhaltbaren  metrischen  gründen 
weggelassen.  3413  kommt  nicht  viel  darauf  an,  ob  von  wis 
fehlt;  aber  die  form  wirdet  welche  Lachmann  wegen  der  aus- 
lassung in  den  text  zu  setzen  genötigt  ist,  ist  für  Hartmann 
mit  lücksicht  auf  die  sonst  von  ihm  gebrauchten  kürzungen 
nicht  wahrscheinlich.  4316  ist  al  nur  deshalb  von  Lachmann 
mit  A  weggelassen,  weil  er  stüendez  aus  Aa  gegen  stüende  in 
BDbd  au^fgenommen  hatte;  übrigens  sind  auch  bei  der  ersteren 
lesart  die  metrischen  bedenken  gegen  al  ze  nicht  berechtigt. 
5133  fehlt  daz,   6723  im,   ohne  dass  sich  das  geringste  gegen 


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HANDSCHEIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  295 

die  einsetzung  dieser  wörtchen  einwenden  lässt.  Ebenso  wenig 
kann  A  flir  die  Wortstellung  irgend  massgebend  sein,  und  es 
ist  nicht  abzusehen,  warum  ihr  Lachmann  z.  b.  an  folgenden 
stellen  folgt:  3513  wan  mir  min  troum  hat  gegeben  gegen  wan 
(fehlt  BabD)  mir  hat  min  troum  gegeben  BDabcd;  4334  sluogen 
ouch  danne  mich  gegen  danne  (dannoch)  sluogen  si  ouch  mich; 
7455.  6  daz  ich  iu  durch  iurver  frümekheit  al  der  eren  wol 
gm  gegen  daz  ich  durch  i,  f,  iu  al  etc;  und  so  noch  an  mehre- 
ren stellen.  Können  wir  hier  nicht  ebenso  gut  Umstellungen 
in  A  vor  uns  haben  wie  z.  b.  6756.  7  sine  vll  scarpen  da. 
begonder  in  sinen  ruke  heften  gegen  er  begunde  sine  scharfen  cid 
in  sinen  rücke  heften?  Und  welches  recht  haben  wir  aus  der 
menge  der  sonstigen  kleinen  abweichungen  einige  herauszu- 
suchen und  für  ursprünglich  zu  erklären,  wie  z.  b.  281  und 
öfter  engegen= gegen,  2695  daz  ne  =  da  ne,  1365  gesach  =  er- 
such j  während  hier  doch  eben  so  gut  wie  279  gesach  aus  er- 
sach  vom  Schreiber  geändeii;  sein  kann,  etc.  Dass  die  lesarten 
von  A  möglich  und  vielleicht  eben  so  gut  als  die  der  übrigen 
hss.  sind,  kann  noch  nicht  als  ein  zwingender  grund  angesehen 
werden  sie  in  den  text  zu  setzen.  Vollends  nicht  zu  rechtfer- 
tigen ist  es,  wenn  auf  die  nachlässige  Schreibung  von  A  zu- 
weilen ein  solches  gewicht'  gelegt  wird,  als  hätte  der  Schreiber 
die  absieht  gehabt  mit  diplomatischer  treue  seine  vorläge 
widerzugeben.  So  schreibt  Lachmann  92  dez,  weil  A  des  hat, 
gegen  daz  De,  der  Badrf;  2698  niht  tes  wegen  nihtes  in  A 
gegen  7iiht  des  Bbd,  des  niht  E,  niht  D;  2962  bedähter  mit  A 
für  bedähte  her  und  4865  tmder  für  un  her;  6633  üzer  mäze 
für  üz  der  mäze;  5032  hat  A  im  deme,  BDbf  im  in  dem,  Ea  in 
dem:  Lachmann  macht  daraus  ime,  während  es  klar  ist,  dass 
A  einfach  in  ausgelassen  hat,  wie  Ea  im.  7871  haben  daz  er 
BDEabf,  der  A;  dies  benutzt  Lachmann  zu  herstellung  des 
Oberhaupt  sehr  problematischen  der. 

Besondere  beachtung  verdient  es,  dass  A  von  einem  nie- 
derdeutschen Schreiber  hen-ührt,  und  dass  Lachmann  sich  hat 
verleiten  lassen  aus  ihr  formen  in  den  text  zu  setzen,  die  ent- 
weder nur  niederdeutsch  (resp.  auch  mitteldeutsch)  sind,  oder 
zwar  im  hochdeutschen  neben  andern  vorkommen,  im  nieder- 
deutschen aber  ausschliesslich  gelten,  so  dass  in  bezug  auf 
dieselben   die   autorität  eines   niederdeutschen  Schreibers  gar 


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296  PAUL 

nicht  in  betracht  kommt.  So  ist  vor  allem  niuwet  für  niht 
eine  niederdeutsche  form,  die  auch  bis  in  das  mittel-  und  süd- 
fränkische und  in  das  hessische  hineinreicht,  und  die  nun  auf  die 
autorität  einer  von  einem  niederdeutschen  geschriebenen  hs. 
ohne  weiteres  auch  für  das  hochdeutsche  in  anspruch  genommen 
und  durch  die  Wörterbücher  fortgeschleppt  wird.  Niederdeutsch 
ist  natürlich  die  weglassung  der  partikel  ge-  in  burt  2089  und 
seilen  3033;  aber  auf  die  beiden  durch  eine  so  nichtige  autori- 
tät gewährten  formen  stützt  sich  wesentlich  mit  die  später  von 
Haupt  z.  Er.  1969  weitergeführte  ansieht  Lachmanns,  dass  ge 
in  nominibus  auch  im  oberdeutschen  abgeworfen  werden 
könnte.*)  Auch  die  bevorzugung  von  denken  gegen  gedenken 
haben  wir  wol  als  etwas  niederdeutsches  anzusehen,  nicht  mit 
Lachmann  für  das  richtige.  Ferner  bemerkt  Lachmann  selbst, 
dass  nach  der  negation  die  partikel  ge  vor  dem  verbum  in  A 
immer  weggelassen  würde;  warum  er  trotzdem  ihrer  autorität 
in  dieser  dialektischen  eigentümlichkeit  an  mehreren  stellen 
z.  b.  2375.  3219.  4325.  5977  folgt,  ist  nicht  abzusehen.  Viel- 
leicht nicht  dialektische  eigenheit,  sondern  blosse  nachlässig- 
keit  ist  es,  wenn  A  6604  segete  an  für  gesigete  an  der  übrigen 
schreibt.  So  häufig  an  gesigen  ist,  an  sigen  ist  unerhört.  Aber 
der  offenbare  fehler  in  A  genügt  für  Lachmann,  um  im  Er. 
8795  gegen  die  hs.  zu  vermuten  der  disem  ritter  sigte  an.  Man 
müste  ebeü  so  im  Tristan  1129  gegen  alle  hss.  schreiben  er 
vaht  mit  im  und  siget  im  an.  Femer  stützt  sich  die  Setzung 
des  auslautenden  e  im  dat.  sing,  der  pronomina  und  adjectiva 
nur  auf  die  niederdeutsche  hs.  A  und  die  mitteldeutsche  a, 
also  formen  wie  demej  ime,  weme,  mineme,  eime,  sime,  jenemej 
michelmey  michelre,  kurzerme,  mitteme.  In  der  ersten  ausgäbe 
sind  fast  sämmtliche  formen  der  art,  die  in  A  vorkommen,  in 
den  text  gesetzt.  In  der  zweiten  ausgäbe  sind  viele  e  ge- 
strichen, zum  teil  weil  es  die  regel  von  der  einsilbigkeit  der 
Senkungen  erforderte,  oft  aber  so,  dass  man  kein  festes  prin- 
cip  in  der  Streichung  erkennen  kann.  Es  ist  eine  jetzt  allge- 
mein bekannte  tatsache,  dass  dieses  e  in  Nieder deutschland 
und  auch  in  Mitteldeutschland,  namentlich  Kheinfranken  bis  in 
das  fünfzehnte  Jahrhundert  erhalten  ist.     Es  ist  daher  nicht 


*)  Vgl.  meine  anm.  zum  Gregor  v.  254. 


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HANDSCHBIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  297 

zu  verwundern,  wenn  Schreiber,  die  aus  diesen  gegenden 
stammen,  dasselbe  in  ihre  abschriften  einsetzen.  Dass  der 
Schreiber  von  A  das  e  nicht  durchgeflihrt  hat,  ist  eigentlich 
schon  ein  hinlänglicher  beweis  dafür,  dass  es  in  seiner  vor- 
läge nicht  stand.  Denn  er  hatte  nach  seiner  mundart  wol 
grund  es  hinzuzusetzen,  aber  durchaus  gar  keinen  es  wegzu- 
lassen. Ich  behaupte  nicht,  dass  die  erhaltung  des  e  in  Ober- 
deutschland um  1200  überhaupt  nicht  mehr  vorgekommen  sei 
(einige  beisp.  bei  Weinh.  al.  gr.  s.  461  u.  471).  Die  sache  be- 
darf noch  einer  umfassenden  auf  die  rein  oberdeutschen  hss.  ge- 
stützten Untersuchung.  Aber  jedenfalls  berechtigt  uns  die  au- 
torität  einer  nieder-  oder  mitteldeutschen  hs.  nicht  dazu  aus 
ihr  das  e  in  den  text  eines  oberdeutschen  dichters  einzusetzen, 
und  danach  auch,  wo  es  nirgends  überliefert,  hineinzuconji- 
cieren,  wie  dies  Lachmann  und  andere  nach  seinem  muster 
getan  haben.  Auch  die  sonstigen  kürzungen  Hartmanns 
machen  die  erhaltung  des  e  bei  ihm  unwahrscheinlich.  Ich 
bedaure,  dass  ich  mich  von  Bartsch  habe  verleiten  lassen  im 
Gregor  1509  manegeme  zu  schreiben.  Wir  kommen  doch  ein- 
mal nicht  über  die  annähme  hinweg,  dass  Hartmann  sich  ge- 
stattet hat  einsilbige  Wörter  von  geringem  tongewichte  wie 
praepositionen  und  artikel  zur  ausfüUung  von  hebung  und  Sen- 
kung zu  verwenden.  Dies  zugegeben  hat  Hartmann  kaum 
einen  vers,  der  die  setzung  des  e  verlangte,  welches  bei 
Lachmann  meist  auch  ohne  das  unnötig  ist,  zumal  wenn  man 
die  ausdehnung  anerkennt,  welche  Bartsch  dem  sogenannten 
logischen  betonungsgesetze  eingeräumt  hat.  Man  darf  auch 
nicht  den  reim  deme:  neme  Iw.  5207  zum  beweise  der  erhal- 
tung des  e  bei  Hartmann  in  anspruch  nehmen.  Es  ist  hier  viel- 
mehr die  kürzung  nem  anzusetzen,  welche  durch  das  vollstän- 
dig analoge  nam  (nomen):  zam  Er.  8912  gesichert  ist.  Die 
formen  ^me  und  eime  erfreuen  sich  einer  besonderen  beliebt- 
heit  und  werden  ohne  anstand  überall  in  jeden  text  gegen  die 
hss.  eingesetzt  auf  die  autorität  von  Lachmann  hin,  der  sie 
hauptsächlich  aus  den  hss.  A  und  a  des  Iwein  genommen  hat. 
Es  dürfte  doch  geraten  sein  etwas  vorsichtiger  in  dieser  be- 
ziehung  bei  oberdeutschen  dichtem  zu  sein.  Dass  Lachmanns 
regeln  über  die  letzte  Senkung  und  die  unzulässigkeit  einer 
l^etonung    wie    mlchilem   die   formen   eime,    michelme  u.   s.   £ 


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298  1>AUL 

verlangen,  kann  uns  nicht  irre  machen.  Aehnlich  verhält  es 
sich  mit  iuclinierten  formen  wie  anme,  vonme,  etc.,  die  sich 
zwar  zuweilen  in  oberdeutschen  hss.  finden,  aber  jedenfalls 
nicht  bloss  nach  nieder-  und  mitteldeutschen  hss.  einem  ober- 
deutschen dichter  zugeschrieben  werden  können.  So  ist  amne 
6059,  vonme  2496  und  3707,  hime  1438  nur  von  A  gewährt, 
ante  1162  gegen  alle  hss.  gesetzt,  ime  5032  durch  eine  son- 
derbare combination  der  verschiedenen  lesarten  conjiciert  cf. 
8.  295.  Eine  weitere  eigentümlichkeit  des  niederdeutschen, 
die  Lachmanns  kritik  beeinflusst  hat,  ist  die  substantivische 
flexion  oder,  wie  man  gewöhnlich  sagt,  flexionslosigkeit  der 
adjectiva  im  nom.  sing,  aller  geschlechter.  Es  kommen  dabei 
weniger  die  eigentlichen  adj.,  als  die  halbprominalen  in  be- 
tracht.  Lachmann  hat  sich  gestattet  die  formen  al,  ein,  de- 
kein,  manec  bloss  aus  A  statt  einer,  einiu,  einez  etc.  in  den  text 
zu  setzen  und  dann  weiter  darauf  gestützt  an  andern  stellen 
auch  gegen  alle  hss.  hineinzuconjicieren,  zum  teil  allerdings 
an  stellen  wo  dieselben  auch  oberdeutsch  möglich  sind,  öfters 
aber  auch  gegen  allen  oberdeutschen  Sprachgebrauch.  Lach- 
mann hat  zu  105  das  substantivische  ein  und  dehein  im  reime 
nachgewiesen.  Aber  an  allen  diesen  stellen  ist  davon  ein  gen. 
abhängig;  ohne  denselben  aber  ist  für  den  absoluten  gebrauch 
von  ein  und  dehein  bei  oberdeutschen  dichtem  kein  sicheres 
material  beigebi^acht.  Sehen  wir  uns  die  stellen  im  Iwein  an. 
6664  daz  ein  dem  andern  schadbn  wil;  hier  haben  mer  BDabd, 
ein  nur  A.  4327  daz  ein  kempfe  dri  man;  hier  haben  einer 
BEabdf,  ein  AD;  vermutlich  hat  der  Schreiber  von  D  aus  ge- 
dankenlosigkeit  kempfe  für  ein  subst.  genommen.  2394  und 
in  geviele  dehein  haz;  A  hat  ne  hdn,  dagegen  hat  E  dehein  man, 
a  ny  keyn  mmi,  i  nie  man,  cnie  nymante,  BDd  nie  dehein  dinch; 
es  ist  für  jeden  unbefangenen  klar,  dass  wir  hier  eine  der 
häufigen  auslassungen  des  Schreibers  von  A  vor  uns  haben, 
und  es  kann  nur  zweifelhaft  sein,  ob  nie  dehein  man  oder  nie  de- 
hein dinc  das  richtige  ist.  102  und  7488  ist  kein  (dehein) 
zwar  zulässig,  aber  weil  es  nur  von  A  gewährt  wird,  doch 
nicht  in  den  text  zu  setzen.  Noch  weniger  gewähr  hat  das 
unflektierte  manec,  welches  an  drei  stellen  auf  das  zeugnis 
von  A  hin,  einmal  gegen  alle  hss.  aufgenommen  ist  Und 
doch  werden  diese  unflektierten  formen  und  andere  wie  ieglich 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  299 

(cf.  Haupt  zu  Er.  1965)  jetzt  fast  überall  ohne  jedes  bedenken 
gegen  die  liss.  geschrieben  aus  scheu  vor  kürzungen,  von  de- 
nen man  doch  erst  nachweisen  müste,  dass  sie  die  dichter 
vermieden  haben.  Und  schliesslich  trägt  niemand  anders  die 
schuld  daran  als  der  niederdeutsche  Schreiber  der  Iweinhs.  A, 
welchem  hierin  zu  folgen  Lachmann  gefallen  hat.  Endlich 
werden  wir  noch  hierher  zu  rechnen  haben  die  bevorzugung 
von  dicke  gegen  ofte  und  die  regelmässige  Setzung  der  halben 
negation  ew,  worin  Lachmann  A  fast  überall  folgt  ausser  wo 
ihn  metrische  gründe  davon  abhalten. 

Wir  haben  also  festgestellt;  dass  A  polier  flüchtigkeitsfehler 
ist  und  deshalb  in  kleinigkeiten  durchaus  kein  vertrauen  ver- 
dient. Aber  auch  an  grösseren  nicht  unabsichtlichen  fehlem 
fehlt  CS  nicht,  bei  denen  es  meist  nicht  zu  entscheiden  ist,  ob 
sie  erst  dem  Schreiber  von  A  oder  schon  seiner  vorläge  ange' 
hören;  für  die  bestimmung  des  kritischen  wertes  der  hs.  ist 
das  gleichgültig.  Es  ist  nicht  leicht  die  gränze  zwischen  ab- 
sichtlichen und  unabsichtlichen  änderungen  zu  ziehen.  Ganz 
unabsichtlich  können  wir  vielleicht  nur  die  wirklichen  Schreib- 
fehler und  Verlesungen  nennen.  Diese  sind  im  allgemeinen  in 
mittelhochdeutschen  hss.  selten.  Eine  zweite  art  von  fehlem 
entstanden,  indem  die  Schreiber  ein  stück  ihrer  vorläge  über- 
lasen, vielleicht  ein  zu  grosses  für  die  fassungskraft  ihres  ge- 
dächtnisses,  und  dann,  wenn  ihnen  etwas  davon  in  der  erin- 
nerung  unklar  geworden  war,'  statt  noch  einmal  einen  blick 
auf  die  vorläge  zu  werfen  es  bequemer  fanden  etwas  beliebiges 
ähnliches  oder  ungefilhr  passendes  hinzuschreiben.  Dieser  art 
sind,  wie  überhaupt  in  den  mittelhochdeutschen  hss.,  so  auch 
in  A  bei  weitem  die  meisten  fehler.  Es  können  auf  diese 
weise  schon  ziemlich  bedeutende  abweichungen  entstehen,  und 
wir  haben  grund  solche  auch  in  A  vorauszusetzen.  Endlich 
aber  enthält  sie  auch  unzweifelhafte  mit  bewuster  absieht  ge- 
machte änderungen,  die  auch  Lachmann  als  solche  anerkennen 
muss.  Ich  führe  zuerst  eine  anzahl  minder  bedeutende  auf, 
bei  denen  es  zum  teil  zweifelhaft  bleibt,  ob  sie  nicht  vielleicht 
der  zweiten  classe  zuzuzählen  sind.  548  gewogen  (niederdeut- 
sche und  mittelfränkische  form  für  gervahen)  =  gesagen\  769 
U7i7vert  =  niugerne\  820  er  aß  =  rede]  946  unde  warb  iz  aisein 
hiderhe  man  ==  und  warp  rehte  als  ein  man]   958  nunc  la  niwet 


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300  PAUL 

sin  ze  ga  =  er  sprach  nu  lä  dir  wesen  gäch\  992  zwivel^=^  twelen] 
1686  got  hat  an  siu  geleit  =  goi  der  hat  geleit;  1752  na  also  = 
niender  sd]  1766  hinehte  =  noch;  1780  grot  gemah  =  dUen  den 
gemach;  2139  iemir  =  lange;  2206  sie  sprah  waz  meres  =  waz 
mcere;  2396  mit  sparen  slat=^mit  sporn  hestät;  2443  vollem 
michel;  2631  nam  =  schicof;  2558  in  dort  =  Jenen;  2602  san  = 
dan;  2738  da  zuget  slh  oh  ein  ander  U  =  der  ziuhet  sich  ouch 
lihte  derU;  2960  der  der  vrowen==  iete  ir  herzen;  3204  was  ein 
slah=^der  slac;  3253  des  Ubes,  un  der  sinne  =  an  Rbe  unde 
an  sinne;  3432  daz  sie  riten  drate  =  und  riten  alsd  dräte;  3470 
also=^beidiu;  3603  siu  ne  sah  umbe  =  weder  si  ensach  dar; 
3901  nu  namer  =^  nu  schant  erz;  4090  .^«2  sie  =  die  52CÄ;4892 
nih  missevar  =  rehte  gevar;  6316.  7  mosie  sih  hewaren.  her 
ywein  als  ein  wiser  man=muoser  sich  bewarn  dar  nach  als  ein 
wtser  man;  6221  da  sie  sin  wrden  gewar  =  ouch  wurden  si  «in 
gewar;  6261  du  besluzes  «=  wan  besliuzzestu;  6376  bejagen  =  be- 
haben;  7254  vreisliche  =  frische ;  7323  drumbe  =  alle;  7493 
rweten  =  richseten;  7496  zeichenten  =^zeicten;  8087  geminne- 
ten  =  gemuoten ;  8147  besizen  =  gewinnent  Tiefer  greifende 
Veränderungen,  zu  denen  sich  zum  teil  noch  die  motive  erken- 
nen lassen,  sind  folgende  703 — 5  Iz  was  mir  vorthlich  un  un- 
gemah.  Älsih  aber  in  elnin  sah,  dou  getrost  ih  mih  i  doh^^ah 
ab  ich  in  einen  sach,  min  vorhte  und  min  ungemach  wart  gesenf- 
tet  iedoch;  1460  den  hat  mir  der  dot  benuomen==  ouwe  wie  bist 
du  mir  benomen;  2430  der  hat  alliz  daz  er  gert=^dm  niuwan 
sines  willen  gert;  3238  ze  walde  un  war  wilde  =^  nacket  nach  der 
wilde;  3566  also  bin  ih=^als  ich;  4293  diz  was  gescen  in  den 
tagen  =  und  was  daz  in  de7i  selben  tagen;  5355.  6  u^nder  den 
satel  stach  er  in.  rehte  vligende  hin  =  rehte  vllegent  stach  er  in 
enbor  über  den  satel  hin ;  5426  iedoh  ne  dorfte  ine  nieman  clagen 
=  dochn  hörte  in  da  niemen  clagen;  6871.  2  so  begreib  siu  die 
vart.  dar  ir  der  weh  gezeiget  wart  =  da  ir  der  wec  gezeiget  wart, 
und  was  ouch  üf  der  rehten  vart;  6128  daz  höbet  sie  uz  dem  vinster 
hienc  =  als  er  den  burcwec  gevienc  (Lachmann  in  der  anmerkung 
zu  dieser  stelle  erklärt  diese  und  die  folgende  änderung  aus 
einer  beschädigung  der  vorläge) ;  6183.  4  do  her  necheine  vreise 
ne  sah*  un  im  nechein  leit  ne  geschah  ^^em  ruochte  waz  er  im 
sprach]  dd  er  deheine  vreise  sach ;  7420  got  ne  sender  sine  gnade 
zuo=^got  4  der  sine  gnäde  tuo.    Insbesondere  hebe  ich  hervor 


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HANDSCHKiFTEKVEßHAELTNiS  DES  IWEIN.  301 

solche  fälle,  wo  der  Schreiber  geändert  hat,  um  ein  ihm  unge- 
wöhnliches wort  oder  eine  ungewöhnliche  form  zu  entfernen; 
1333.  4  un  daz  was  ir  lib.  undir  har.  gelih  deme  rvnsce  gar  = 
und  da  was  ir  här  ur\ß  ir  Hch  s6  gar  dem  wünsche  getich  (Reh 
sollte  vermieden,  werden;  so  wird  auch  1669  ohne  änderung 
des  darauf  reimenden  Wortes  Itb  flir  Hch  geschrieben);  2026: 
7  ih  mohte  mih  wol  gemazen.  miner  zornigen  site  =  ich  möhte 
wol  verwäzen  mne  zornige  site;  2332  waz  mah  ih  nu  reden  me 
==ichn  nceiUche  tu  niht  me;  4927.  8  ungescut  mit  hemeden  von 
sactuche  hehut=ungeschuoch:  ir  hemde  was  ein  sactuoch  (ver- 
mäzen,  nosiHche,  ungeschuoch  warfen  anstössig);  4823.  4  aisein 
kemfe  solte  der  vol  varen  wolte  =  als  er  kemp/en  wolde  den  der 
da  komen  sölde  (die  construktion  von  kempfen  mit  dem  acc. 
sollte  beseitigt  werden;  aus  dem  selben  gründe  ist  4327  wider 
hinzugefttgt  vgl.  dazu  Lachmanns  anmerkung);  an  vier  stellen 
wurde  der  reim  von  Uchen  auf  kurzes  i  zu  vermeiden  gesucht 
(vgl  Lachm.  z.  2479):  2779  nu  mouzer  uns  untwichen^'^nü  ist 
er  uns  entwichen  ( :  lästerlichen);  4199  nu  wil  her  uns  beswichen 
=  nü  hat  er  uns  beswichen  ( :  schedelichen);  4295  dou  begounde 
her  gawein  nastrichen  =  her  Gäwein  (was)  nach  gestrichen  ( :  wcer- 
lichen) ;  4723  so  moi^er  na  strichen  =  so  ist  er  nach  gestrichen 
fnämelichen).  Dass  diese  änderungen  erst  dem  letzten  Schreiber 
angehören,  möchte  man  aus  den  reimen  sän;dan,  ungeschut; 
behut  schliessen.  Aber  anderseits  mliste  man  voraussetzen, 
dass  ein  niederdeutscher  Schreiber,  wenn  er  etwas  ganz  an- 
deres als  seine  vorläge  setzte,  dies  auch  in  rein  niederdeutschen 
formen  getan  haben  würde,  was,  wie  aus  dem  angeführten 
leicht  zu  ersehen  ist,  nicht  der  fall  ist.  Demnach  würde  man 
genötigt  sein  mindestens  den  grösten  teil  der  änderungen 
seiner  vorläge  zuzuweisen.  Die  angeftthrten  reime  können 
auch  einem  mitteldeutschen  angehören.  Für  uns  genügt  es, 
dass  der  text  von  A  durch  eine  band,  wenn  nicht  durch  meh- 
rere, hindurch  gegangen  ist,  die  leichtsinnig  genug  damit  ge- 
wirtschaftet hat,  und  nicht  bloss  jeder  treue  im  kleinen  entbehrt, 
sondern  mitunter  auch  gewaltsamere  änderungen  nicht  gescheut 
hat  um  etwas,  was  ihr  nicht  passte,  zu  beseitigen.  In  jedem 
falle  ist  es  daher  bedenklich  einer  solchen  autorität  allein 
gegen  alle  übrigen  hss.  zu  vertrauen. 

Wir  wenden  uns  noch  zur  besprechung  einiger  stellen,  an 


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302  PAUL 

welchen  auch  aus  innern  gründen  Lachmanns  bevorzuguiig 
von  Azu  verwerfen  ist.  3412  haben  wir  gewis  eine  änderung 
von  A  anzunehmen,  die  den  zweck  hatte  das  anakoluth  zu  be- 
seitigen, welches  nicht  mehr  seltsam  ujid  gegen  Hartmanns 
weise  ist,  wenn  wir  nicht  3408  mit  AD  gegen  alle  übrigen  ir 
einsetzen;  die  form  ir  hat  kommt  auch  gerade  A  zu  und  ist 
aus  ihr  von  Lachmann  mehrfach  in  den  text  gesetzt.  4239 
schreibt  Lachmann  mit  A  tvizzen  gegen  wizze  BDEbdf  und 
demgemäss  4240  ersürhe  mit  Ba  gegen  ersterbe  Dbdf  (A  ent- 
scheidet nichts);  d  wizzen  müste  dann  auf  alle  Zuschauer  des 
kampfes  gehen ,  denn  die  drei  kämpfer  werden  davon  deutlich 
unterschieden;  dem  Iwein  handelt  es  sich  aber  in  seiner  ganzen 
rede  nur  um  das  verhalten  seiner  frau;  ihr  wissen  wird  4242  flf. 
dem  nichtwissen  an  unserer  stelle  gegenübergesetzt,  wir  brauchen 
sie  daher  auch  hier  als  subject;  der  conj.  ist  vollkommen  be- 
gründet durch  die  abhängigkeit  des  regierenden  verbums  von 
sol  5099  setzt  Lachmann  beide  aus  A  in  den  text  gegen  vil 
gar  in  BDabdf,  während  beidiu  schon  in  der  vorhergehenden 
zeile  steht;  er  spricht  sich  nicht  darüber  aus,  ob  er  sowol  bei- 
diu als  beide  auf  das  objekt  oder  nur  ersteres  auf  das  obj., 
letzteres  auf  das  subj.  beziehen  will;  an  der  hierzu  vergliche- 
nen stelle  a.  Heiür.  566  van  dirre  rede  wurden  do  trüric  beidiu 
unde  unfrö  beide  muoter  unde  vater  steht  das  doppelte  beide  nur 
in  A  und  ist  auch  von  Haupt  und  Bech  nicht  in  den  text  auf- 
genommen; wenn  es  nicht  eine,  einfache  entstellung  ist,  so  ist 
das  erste  wol  auf  irüric  unde  unfrö  ^  das  zweite  auf  muoter 
unde  vater  zu  beziehen;  an  unserer  stelle  geht  es  wegen  der 
Wortstellung  nicht  an  das  zweite  beide  auf  er  und  sin  mp  zu 
beziehen;  eine  Verdoppelung  von  bade  aber  wäre  sehr  seltsam 
und  müste  erst  durch  bessere  Zeugnisse  gesichert  sein.  6792. 
3  schreibt  Lachmann  der  muose  sich  in  iedoch  gar  in  ir  genäde 
gebn;  für  das  erste  in  A  haben  df  im,  es  fehlt  DEabe;  für  ir 
in  A  haben  sin  DEadef,  ien  b;  was  der  plural  hier  soll,  ist 
schwer  zu  begreifen;  dem  löwen  ergibt  er  sich  doch  nicht  mit, 
sondern  nur  dem  Iwein;  auch  folgt  darauf  do  liez  er  in  durch 
got  leben. 

Auch  durch  die  vergleichung  mit  Chrestiens  werden  meh- 
rere von  Lachmann  aus  A  aufgenommene  lesarten  zurück- 
gewiesen.   4025  —  7  schreibt  Lachmann  daz  von  deheiner  sache 


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HANDSCHRIFTFNVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  303 

vmi  manegerm  ungemache  dehelniu  armer  rnöhte  leben;  Beneckes 
erklärung  Ww  deheiner  sacke  in  keiner  hinsichf  müste  erst 
durch  parallelstellen  gestützt  werden,  was  schwerlich  gelingen 
wird;  die  zeile  ist  so  allein  in  A  überliefert  und  hier  nicht 
anders  verstanden,  als  sie  überhaupt  verstanden  werden  kann 
^aus  keiner  Ursache*,  denn  in  der  folgenden  zeile  schreibt  A 
wh  von  so;  D  und  e  weichen  jede  in  selbständiger  weise  stark 
ab,  ebenso  f,  das  A  noch  am  nächsten  kommt,  wahrscheinlich 
auch  E  und  a,  deren  ab  weichungen  hier  nicht  angegeben  sind; 
Bbd  stimmen  überein,  und  diese  Übereinstimmung  genügt  schon 
ihnen  den  vorzug  vor  den  übrigen  zu  geben,  welcher  durch  das 
französische  bestätigt  wird;  den  drei  Zeilen  entspricht  Chres- 
tiens  3566  la  plus  dolanie  riens  qui  vive ;  danach  ist  mit  Bbd, 
denen  nun  auch  4027  zu  folgen  ist,  zu  lesen  daz  deheln  sacke 
von  manegem  {manigerm  hat  nur  b)  ungemacke  also  armiu  möhte 
leben;  der  durch  das  französische  veranlasste  auffallende  ge- 
brauch von  sacke  veranlasste  die  verschiedenen  änderungen. 
5187  und  mackten  im  den  wec  dar;  den  hat  A,  einen  Dbd^ 
es  fehlt  BEa;  den  ist  schon  an  und  für  sich  unpassend,  die 
beiden  andern  lesarten  gleich  richtig;  Chrestiens  sagt  4335  si 
U  fönt  voie;  demnach  haben  wir  BEa  zu  folgen;  dnen  und 
den  konnten  leicht  durch  die  Schreiber  eingeschoben  werden. 
8083.  4  ist  nach  A  geschrieben  mim  tete  daz  weter  nie  sd  we 
ichnwoltes  kän  gellten  e;  dagegen  lautet  8084  in  Dcdf  ecÄn  wold 
es  liden  immerme  {nimmerme  D),  in  Bb  dazn  woldick  iemer  liden 
e,  in  a  daz  rvolde  ick  lidin  e;  die  lesart  von  A  ergibt  sich  schon 
aus  dem  zusammenhange  als  falsch,  da  von  der  zukunft,  nicht 
von  der  Vergangenheit  die  rede  sein  muss;  vollends  zurückge- 
wiesen wird  sie  durch  Chrest.  6754  mialz  volsisse  tote  ma  vie 
vanz  et  orages  endurer ;  unter  den  verschiedenen  lesarten  stimmt 
die  von  Bb  am  nächsten  dazu:  iemer  entspricht  tote  ma  vie,  e 
dem  mialz;  dennoch  würde  es  unmethodisch  sein  etwa  diese 
mit  der  notwendigen  beseitigung  der  halben  negation  in  den 
text  aufzunehmen,  da  sie  nur  durch  zwei  nahe  verwante  hss. 
gestützt  ist,  die  viele  willkürliche  änderungen  gemein  haben; 
die  Übereinstimmung  von  Dcdf  wiegt  dagegen  schwer,  und  wir 
würden  ihnen  ohne  das  französische  vielleicht  unbedenklich 
folgen;  nun  aber  ist  das  auch  durch  A  und  a  überlieferte  e 
in  den  text  zu  bringen  und  daher  zu  schreiben  ickn  rvolde  ez 


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304  tAUL 

lidenjmmer  e;  die  Verwandlung  in  immerme  lag  so  nahe,  dass 
darin  leicht  mehrere  hss.  zufällig  zusammentreffen  konnten. 

An  mehreren  stellen  hat  Lachmann  der  offenbar  verderb- 
ten lesart  von  A  durch  conjektur  nachzuhelfen  gesucht,  statt 
dem  klar  verständlichen  der  übrigen  hss.  zu  folgen.  Es  beruht 
dies  verfahren  auf  der  durch  unsere  bisherige  Untersuchung 
wol  hinlänglich  widerlegten  Voraussetzung,  dass  A  sich  aller 
eigenen  zutat  enthalten  habe  und  nur  aus  versehen  oder  in 
folge  einer  beschädigung  der  vorläge  fehle.  Ein  beispiel  dieser 
art  von  conjekturen  in  z.  5032  haben  wir  schon  oben  besprochen. 
191  macht  Lachmann  aus  dem  unsinnigen  ^2;  zo^  in  A  dazz 
iu  gegea  das  richtige  daz  iu  daz  Badrf  {das  tu  D,  das  an  uch 
c).  1814  haben  BDEabcdf,  so  viele  hss.  wie  möglich,  überein- 
stimmend den  tdi  sol  mir  got  senden,  wogegen  nichts  zu  erin- 
nern ist;  aber  A  hat  got  sal  mir  ^^dot  '^den  senden;  das  ausge- 
lassene den  ist  sofort  nachgeholt  und  durch  ein  Umstellungs- 
zeichen die  Wortfolge  in  Ordnung  gebracht,  wie  so  häufig  in 
hss.,  wir  haben  dann  weiter  eine  der  in  A  häufigen  Umstel- 
lungen; so  muss  jeder  unbefangene  die  sache  ansehen,  aber 
iiach  Lachmann  darf  man  dem  Schreiber  so  etwas  nicht  zu- 
trauen, er  muss  sorgsam  seine  vorläge  abgeschrieben  haben, 
und  deshalb  muss  er  dot  in  der  vorläge  übergeschrieben  gefun- 
den haben,  es  muss  ein  späterer  zusatz,  die  Wortstellung  in  A 
das  ursprüngliche  sein;  wahrhaftig,  es  gehört  ein  starker  glaube 
dazu  um  dergleichen  wahrscheinlich  zu  finden!  die  widerho- 
lung  von  iöi  könnte  höchstens  dem  neuhochdeutschen  geschul- 
ten Sprachgefühle  anstössig  sein,  nicht  dem  mittelhochdeutschen? 
das  dergleichen  nicht  im  geringsten  scheut.  2131  haben  alle 
hss.  (auch  f)  s6  volge  minem  rate,  nur  A  volget,  worin  man  wei- 
ter nichts  zu  sehen  hat  als  den  höflichen  plural;  Lachmann 
macht  daraus  volg  et;  ebenso  ist  7378  wir  haben  et  hergestellt 
aus  wir  haben  er  (doch  wol  vom  Schreiber  gefasst  =  e);  auch 
die  übrigen  hss.  sollen  ei  genugsam  andeuten,  welche  andeu- 
tung  doch  bloss  darin  bestehen  kann,  dass  die  von  gemein- 
samen willkürlichen  änderungen  vollen  hss.  Bb  rvu  einschieben. 
Dass  bloss  die  Schreiber  das  et  im  Iwein  so  wenig  gelassen 
haben,  ist  doch  nur  eine  Voraussetzung;  warum  soll  es  Hart- 
mann so  oft  gebraucht  haben,  auch  an  stellen,  wie  diesen,  wo 
es  gar  keinen  zweck  hat?   es  ist  Überhaupt  an  allen  stellen 


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flÄNDSCHßlFTENVERHÄELTNIS  DES  IWEIN.  306 

zweifelhaft,  ob  et  mit  recht  in  den  text  gesetzt  igt,  da  es  ent- 
weder in  B  allein  oder  nur  noch  einer  andern  hs.  über- 
liefert ist;  der  ausfalL  war  natürlich  leicht,  aber  es  war  doch 
zur  zeit  der  entstehung  der  hss.  noch  nicht  ganz  ungebräuch- 
lich geworden,  dass  es  so  allgemein  hätte  ausfallen  sollen; 
eben  so  gut  konnte  es  zur  ausflillung  der  Senkung  eingeschoben 
sein;  1396  haben  AEacd  owcÄ,  nur  B  et]  dies  wurde  in  der 
ersten  aufläge  aufgenommen,  in  der  zweiten  aber  dafllr  auch 
gesetzt,  unzweifelhaft  mit  recht;  man  sieht  also  daraus,  dass 
B  eine  verliebe  für  et  hat  und  es  auch  an  den  übrigen  stellen 
eingesetzt  haben  kann,  weshalb  es  um  so  mislicher  ist,  wo  es 
in  B  fehlt,  es  durch  conjektur  hineinzubringen.  3715  sehreibt 
Lachmann  nach  e  nach  nager  A,  nach  BDb,  nach  gar  d,  nach 
alle  Ea;  inwiefern  sollen  die  lesarten  deutlich  daraufführen? 
weil  einige  hss.  einen  beliebigen  zusatz  machen,  der  mit  e  gar 
nichts  zu  tun  hat?  4194  ist  aus  ih  lohtin  gemacht  ich  liepl  in\ 
was  das  richtige  ist,  können  wir  erst  an  einer  späteren  stelle 
entscheiden.  4429  daz  iu  daz  niemen  kan  gesogen  (BDEacdf) 
'so  dass  euch  das  niemand  beschreiben  kann'  ist  unanstössig; 
es  ist  dazu  nicht  nötig,  dass  s6  in  der  vorhergehenden  zeile 
steht,-  welches  im  mhd.  viel  leichter  als  im  nhd.  ergänzt  wer- 
den kann;  nun  fehlt  in  A  das  zweite  daz]  diese  auslassung 
soll  das  richtigere  sein,  und  nachdem  so  erst  künstlich 
eine  gar  nicht  vorhandene  Schwierigkeit  geschaffen  ist,  wird 
ein  alter  fehler  vermutet  und  statt  daz  u  geschrieben  danne  iu 
und  kurzer  in  der  vorhergehenden  zeile  als  comparativ  ge- 
fasst;  ich  verstehe  übrigens  nicht,  wie  bei  dieser  conjektur  das 
fehlen  von  daz  vorgezogen  wird;  wenn  es  da  steht,  so  wäre 
der  sinn,  ^die  Verwandlung  ging  schneller  vor  sich  als  es  je- 
mand schildern  kann',  und  das  wäre  sehr  hübsch;  ohne  daz 
kann  es  nur  heissen  In  kürzerer  zeit  als  irgend  jemand  an- 
geben kann'  d.  h.  4n  so  kurzer  zeit,  dass  es  zur  bezeichnung 
der  kürze  an  einem  sprachlichen  ausdruck  fehlt'.  6611  geben 
wider  BDadf  etwas  klar  verständliches  und  passendes  unz 
{die  Tvile  af)  ^  niht  ubernmnden  sint;  eine  leichte  ebenso 
verständliche  änderung  hat  b,  unübernmnden  für  niht  ijib.\  A 
hat  unvirwnden,  sicher  weiter  nichts  als  die  änderung  eines 
mittel-  oder  niederdeutschen  Schreibers,  welcher  das  in  Ober- 
deutschland  übliche  compositum  mit   dem    ihm  gewöhnlichen 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche  1.  21 


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306  PAUL 

gleichbedeutenden  vertauschte;  verwinden'^  überwinden  ist  im 
mhd,  wb.  III  681^  20  ff.  reichlich  aus  mitteldeutschen  quellen 
belegt,  das  part.  unvertvunden  aus  dem  Passional;  dagegen 
Lachmann  machte  daraus  -  unernmnden  (vgl.  Ben.  z.  dieser 
stelle),  was  wenig  passend  ist,  da  von  einem  freiwilligen  zu- 
rücktreten der  riesen  überhaupt  nicht  die  rede  sein  kann,  und 
da  diese  zeile  der  früheren  6604  entge'gengesetzt  wird  der  in 
beiden  gsigie  an;  das  mag  Lachmann  selbst  gefühlt  haben  und 
versucht  in  der  anmerkung  mit  zuhülfenahme  einer  stelle  aus 
Nithart  eine  neue  conjektur  underwunnen,  alles  überflüssige 
Verschwendung  von  Scharfsinn,  wozu  er  doch  wol  nur  dadurch 
getrieben  ist,  dass  er  nach  seinem  principe  durchaus  das  in 
Aa  überlieferte  die  mie  gegen  das  unz  der  übrigen  retten 
wollte  und  in  folge  davon  in  niht  überwunden  metrische  Schwie- 
rigkeiten fand.  6880  ist  aus  nie  weder  A  enweder  gemacht 
gegen  weder  DEabdf  {deweder  B),  ebenso  7081  aus  nie  wider. 
7787  haben  BDb  niht  enloste,  adf  niht  erloste,  A  ine  ne  loste; 
ine  ist  pron.,  welches  hier  eingeschoben  werden  muste,  weil  in 
der  vorhergehenden  zeile  das  pron.  in  als  praeposition  ver- 
standen wurde;  aber  Lachmann  conjiciert  aus  ine  ne  niene, 
welches  überhaupt  zu  häufig  aus  A  aufgenommen  ist^  deren 
dialakt  eine  verliebe  dafür  hat. 

Wir  haben  bis  jetzt  nur  die  beschaffenheit  der  hs.  A  flir 
sich  geprüft  ohne  rücksicht  auf  das  Verhältnis  zu  den  übrigen. 
Unser  resultat  war,  dass  sie  eine  menge  Verderbnisse  enthält, 
welche  wahrscheinlich  zum  grösten  teil  erst  dem  letzten  Schreiber 
angehören.  -Die  vorläge  kann  sehr  gut  gewesen  sein;  sie  ent- 
hielt jedenfalls  nicht  so  viele  überlegte  besserungs versuche  wie 
B  und  D.  Aber  eine  andere  frage  ist  es,  ob  ihr  eine  solche 
bedeutung  beizumessen  sei,  wie  sie  ihr  Lachmann  selbst  noch 
in  ihrer  auf  uns  gekommenen  entstellung  zuerkennen  will.  Es 
wäre  dazu  ein  notwendiges  erfordemis,  dass  sämmtliche  übri- 
gen hss.  aus  einer  gemeinsamen  quelle  stammten,  von  der  A 
unabhängig  wäre;  denn  sonst  könnte  höchstens,  wenn  sie  von 
einander  abweichen,  der  vorläge  von  A  ein  vorzug  gebühren, 
nicht  aber,  wenn  sie  übereinstimmen.  Diese  gemeinsame  ab- 
stammung  kann  nur  durch  allen  gemeinsame  fehler  erwiesen 
werden,  die  von  A  nicht  geteilt  werden.  Dass  solche  nicht 
vorhanden  sind,  muss  als  erwiesen  betrachtet  werden,   sobald 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  307 

man  die  richtigkeit  unserer  bisherigen  einwürfe  gegen  Lach- 
manns kritik  zugibt.  Aber  selbst  diese  unerwiesene  gemein- 
same grundlage  vorausgesetzt  lässt  sich  keine  ratio  finden, 
durch  welche  das  princip  Lachmanns  gerechtfertigt  würde  A 
immer  da  zu  folgen,  wo  irgend  eine  andere  hs.  mit  ihr  über- 
einstimmt, gegen  die  Übereinstimmung  der  übrigen.  Nennen 
wir  die  urhandschrift  x,  aus  der  auf  der  einen  seite  vielleicht 
durch  mehrere  Zwischenglieder  hindurch  A,  auf  der  andern  die 
gemeinsame  quelle  der  übrigen  fliesst,  die  wir  y  nennen  wollen, 
nehmen  wir  dann  z.  b.  an,  dass,  wenn  A  mit  a  übereinstimmt, 
diese  Übereinstimmung  die  ursprünglichkeit  der  lesart  beweist, 
so  kann  dieser  beweis  nur  darauf  beruhen,  dass  wir  die 
erhaltung  der  lesart  von  y  in  a  voraussetzen;  dann  müssen 
die  übrigen  geändert  haben;  stimmen  sie  in  der  änderung 
überein,  so  bleibt  uns  die  wähl  zwischen  zwei  ansichten:  ent- 
weder die,  Übereinstimmung  ist  zufällig,  das  ist  bei  der  anzahl 
der  hss.  in  hohem  grade  unwahrscheinlich;  oder  es  liegt 
zwischen  den  übereinstimmenden  hss.  und  y  eine  dritte  gemein- 
same, quelle  z.  Halten  wir  nun  weiter  auch  die  Übereinstim- 
mung von  A  und  b  für  einen  beweis  der  ursprünglichkeit,  so 
kommen  wir  auf  ein  gleiches  dilemma  u.  s.  f.  Natürlich  kann 
die  Zweiteilung  von  y  in  z  und  eine  der  erhaltenen  hss.  höch- 
stens in  einer  einzigen  weise  stattgefunden  haben,  y  kann 
nicht  gleichzeitig  in  z  und  a  und  in  z  und  b,  z  und  c  etc.  geteilt 
sein.  Daher  bleibt  nichts  anderes  übrig,  als  mindestens  bei 
weitem  die  meisten,  wo  nicht  alle  Übereinstimmungen  der 
übrigen  hss.,  die  der  Übereinstimmung  von  A  und  einer 
andern  gegenüberstehen,  für  zufällig  zu  erklären,  und  das  sind 
mehrere  hundert.  Es  ist  einleuchtend,  dass  wir  auf  diese  weise 
eine  viel  grössere  unwahrscheinlichkeit  ansetzen,  als  wenn  wir 
annehmen,  dass  eine  unter  den  vielen  hss.  in  einer  änderung 
zufällig  mit  A  zusammengetroffen  ist.  Wenn  aber  das  zusam- 
mentreffen zufällig  ist,  so  beweist  es  gar  nichts.  Es  hat  daher 
das  zusammenstimmen  von  A  mit  einer  beliebigen  andern  hs. 
gegen  die  Übereinstimmung  aller  übrigen  keinen  grösseren 
wert  als  A  für  sich. 

Die  unhaltbarkeit  von  Lachmanns  princip  wird  noch  viel 
sicherer  festgestellt  werden,  wenn  wir,  aus  dem  bisherigen  rein 
negativen  abweisen  heraustretend,  eine  positive  feststellung  des 

21* 


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308  PAUL. 

handschriftenverhältnisses  versuchen.  Mit  einigem  zagen  gehe 
ich  daran.  Denn  das  material,  das  mir  dazu  zu  geböte  stand, 
ist  für  die  endgültige  entscheidung  aller  einzelheiten  durchaus 
ungenügend.  Lachmanns  auswahl  der  Varianten  setzt  die  rich- 
tigkeit  seines  principes  voraus  und  ist  unter  dieser  Voraus- 
setzung sicher  genügend,  aber  nicht  überall  zur  sicheren  her- 
stellung  des  textes,  wenn  nicht  mehr  der  vorrang  einer  einzel- 
nen hs.,  sondern  das  zusammenstimmen  nicht  verwanter  mass- 
gebend ist,  noch  weniger  zu  einer  allseitigen  bestimmung  der 
verwantschaftlichen  beziehungen  unter  den  einzelnen  hss.,  zumal 
da  dieselben  so  sehr  verwickelt  sind.  Die  noch  gar  nicht  benutz- 
ten hss.  können  leicht  darüber  noch  interessante  aufschlüsse 
geben  und  an  manchen  «teilen  zur  feststellung  des  ursprünglichen 
textes  beitragen.  Zu  einer  vollkommenen  neuen  ausgäbe  würde 
eine  neue  vergleichung  aller  hss.  erfordert.  Da  aber  eine 
solche  wahrscheinlich  noch  lange  auf  sich  warten  lassen  wird, 
so  mag  diese  vorläufige  Untersuchung  wenigstens  dazu  dienen 
die,  wie  es  scheint,  ziemlich  allgemeine  ansieht  von  der  Voll- 
kommenheit des  schon  geleisteten  zu  erschüttern,  die  bedeu- 
tendsten und  schädlichsten  Irrtümer  zu  beseitigen,  das  ver- 
wantschaftsverhältnis  in  den  gröbsten  zügen  zu  entwerfen 
und  dadurch  das  jetzt  noch  wenig  geftthlte  verlangen  nach 
etwas  vollkommenerem  zu  erwecken. 

Eine  reinliche  sonderung  in  scharf  von  einander  getrennte 
gruppen  lässt  sich  selten  unter  den  hss.  eines  mittelhochdeut- 
schen gedichtes  vollkommen  durchführen.  Selbst  wo  dieselbe 
verhältnismässig  leicht  ist,  z.  b.  im  Tristan  und  noch  mehr 
im  Parzival  kommt  übergreifen  aus  der  einen  gruppe  in  die 
andere  häufig  genug  vor.  Im  Iwein  bieten  sich  besondere 
Schwierigkeiten  dar.  Dennoch  würde  es  nicht  gerechtfertigt 
sein,  wollte  man  von  vornherein  an  der  ei  reichung  irgend  wel- 
ches resultates  verzweifeln.  Es  handelt  sich  vor  allem  darum 
zu  entscheiden  zwischen  bloss  zufälligen  Übereinstimmungen 
und  solchen,  die  aus  einer  gemeinsamen  quelle  geflossen  sind, 
wobei  man  in  sehr  vielen  fällen  nicht  bis  zur  zweifellosigkeit 
gelangen  wird.  Eine  menge  leichter  auslassungen,  zusätze, 
Umstellungen,  vertauschungen  ähnlicher  Wörter  lagen  den  Schrei- 
bern so  nahe,  dass  es  nichts  auffallendes  hat,  wenn  unter 
zehnen  zwei  oder  drei  oder  selbst  mehrere  auf  die  selbe  än- 


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HANDSCHKIt'TENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  309 

derung  gerieten.    Dass  es  unerlässlieh  ist  eine  menge  solcher 
zufälligen  Übereinstimmungen   zuzugeben,    wird    alsbald  klar, 
wenn  wir  versuchen  uns  die  verschiedenen  möglichkeiten  von 
verwantschaft  und  nichtverwantschaft  der  einzelnen  hss.  vorzu- 
führen.   Ein  beispiel  davon  haben  wir  oben  gesehen.    Es  er- 
gibt sich  daraus  die  regel,  dass  alle  Übereinstimmungen,  die 
leicht  zufallig   sein  können,   für  sich  nicht  die  Zusammenge- 
hörigkeit entscheiden,  sondern  nur,  wenn  daneben  bedeutendere 
und  eigentümlichere  ab  weichungen  gemein  sind,   zur  Verstär- 
kung  des  beweises  dienen  können,   wenn  sie  sich  in  verhält- 
nismässig grosser  anzahl  finden.     Ferner   kann   es   natürlich 
immer  zufall  sein,  wenn  das  richtige  in  verschiedenen  hss.  er- 
halten ist:  nur  die  gemeinsamen  fehler  entscheiden.    Diese  aus 
inneren  gründen  mit  Sicherheit   zu   erkennen  ist  nun  freilich 
an  den  meisten  stellen  unmöglich,  man  muss  sich  an  die  we- 
nigen ganz  klaren  fälle  halten.     Aber  auch  mit  berücksich- 
tigung  aller  dieser  momente  wird  man  nicht  immer  zum  ziele 
kommen.     Man  wird  nicht  ganz  selten  hie  und   da  Überein- 
stimmungen auch  in  sehr  charakteristischen  abweichungen  fin- 
den zwischen  hss.,  die  im  übrigen  sich  bestimmt  von  einan- 
der scheiden  und  zu  anderen  stellen.    Es  ftlhrt  uns  das  zu  der 
Überzeugung,  die  ja  auch  an  und  für  sich  nichts  unwahrschein- 
liches hat,  dass  mitunter  von  einem  Schreiber  mehrere  hss.  be- 
nutzt sind.    Dies  kann  etwa  so  geschehen  sein,  dass  der  erste 
teil  aus  der  einen,  der  zweite  teil  aus  einer  andern  hs.  abge- 
schrieben ist;  dafür  gibt  es  beispiele  genug.    Oder  es  kann 
abwechselnd  bald  aus  der  einen,   bald  aus  der  andern  abge- 
schrieben sein,  wofür  ein  sehr  charakteristisches  beispiel  die 
Blankenheim-Grootesche  hs.   des   Tristan    (B)    gibt.     Endlich 
aber  können  auch  zwei  hss.  gleichzeitig  nebeneinander  benutzt 
und  mit  einer  gewissen  kritik  eine   mischung   daraus  herge- 
stellt sein.    Im  letzteren  falle,   zumal  wxnn  die  Überlieferung 
erst  wider  durch  viele  Zwischenglieder  hindurchgegangen  ist, 
wird  es  leicht  unmöglich  werden,  etwas  über  das  Verhältnis 
einer   hs.  zu  ermitteln  und  kritische   grundsätze  für  ihre  be- 
nutzung    aufzustellen.     Eine    durchgängige    gleichmässige   be- 
nutzung  zweier  hss.  wird  indessen  kaum  vorgekommen  seiny 
da  sie  eine  mühsame  Sorgfalt  voraussetzt,  wie  sie  den  Schrei- 
bern  im    allgemeinen    nicht   zuzutrauen   ist    Eine   hs.   wird 


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310  PAUL 

doch  wol  immer  die  hauptquelle  gebildet  haben,  und  nur  an 
einzelnen  stelleji  eine  hs.  dazu  verglichen  sein.  Am  ehesten 
wird  sich  vielleicht,  wo  flir  den  anfang  und  schluss  zwei  ver- 
schiedene quellen  zu  gründe  gelegt  sind,  ein  Übergang  heraus- 
stellen, in  welchem  ein  hin-  und  herschwanken  zwischen  beiden 
stattfindet.  Diese  Überlegungen  werden  bei  der  handschriften- 
frage  deslwein  ihre  anwendung  finden. 

Wir  werden  am  sichersten  zu  werke  gehen,  wenn  wir  den 
ersten  kleineren  teil  des  gedichtes  vorläufig  ausser  acht  lassen, 
um  irgend  einen  bestimmten  grenzpunkt  anzugeben,  bis  zu  z. 
3200.  Etwa  von  da  an  ist  das  Verhältnis  ziemlich  durchsich- 
tig, nur  dass  es  zum  schluss  wider  etwas  getrübt  wird.  Zu- 
nächst wollen  wir  das,  was  Lachmann  über  nähere  verwant- 
schaft  von  hss.  sagt,  einer  prüfung  unterziehen.  Nach  ihm 
setzen  B  und  b  eine  gemeinschaftliche  quelle  voraus,  in  der 
das  gedieht  schon  stark  verändert  war,  und  sind  E  und  a 
nah  unter  sich  verwant.  Von  diesen  beiden  Sätzen  ist  der 
erstere  flir  den  zweiten  teil  des  gedichtes  etwa  von  dem  be- 
zeichneten punkte  an  vollkommen  richtig  mit  ausnähme  etwa 
der  letzten  tausend  zeilen,  flir  die  er  etwas  zu  beschränken 
sein  wird.  Zu  der  gruppe  Bb  gehören  auch  die  in  der  Germ. 
III  veröffentlichten  fragmente  F  und  G.  Ihre  gemeinsamen 
abweichungen  tragen  zum  grösten  teil  den  Charakter  überleg- 
ter änderungen,  die  in  der  absieht  zu  bessern  gemacht  sind. 
Die  anzahl  derselben  ist  so  gross,  dass  es  überflüssig  wäre 
dieselben  einzeln  aufzuzählen.  Ich  will  aber  zur  übersieht 
über  das  Verhältnis  je  von  hundert  zu  hundert  die  anzahl  der 
grösseren  und  kleinen  gemeinsamen  abweichungen  angeben, 
welche  Bb  mit  keiner  andern  hs.  oder  nur  mit  F  oder  G  teilen. 
Es  sind  6  von  3200—3300,  11  von  da  bis  3400,  8  bis  3500, 
11  bis  3600,  9  bis  3700,  11  bis  3800,  10  bis  3900,  8  bis  4O00, 
7  bis  4100,  12  bis  4200,  12  bis  4300,  16  bis  4400,  4  bis  4500 
6  bis  4600,  2  bis  4632  (4633—4790  fehlen  in  B),  8  von  4791 
—5900,  2  bis  5000,  7  bis  5100,  9  bis  5200,  11  bis  5300,  5 
bis  5400,  6  bis  5500,  7  bis  5600,  5  bis  5700,  3  bis  5800,  10 
bis  5900,  4  bis  6000,  6  bis  6100,  1  bis  6200,  5  bis  6300,  4 
bis  6400,  5  bis  6500,  4  bis  6600,  1  bis  6700,  3  bis  6766  (6767 
—6818  fehlen  in  B),  2  von  6819  bis  6900,  4  bis  7000,  3  bis 
7100,  2  bis  7200,  2  bis  7300,  4  bis  7400,  2  bis  7500,   2  bis 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  311 

7600,  2  bis  7700,  1  bis  7800,  1  (ganz  unbedeutende)  bis  7900, 
1  bis  8000,  2  (kaum  in  ansehlag  zu  bringende)  bis  8100,  keine 
^  bis  8166. 

Eine  auswahl  der  bedeutendsten  Varianten  hebe  ich  beson- 
ders hervor,  aus  denen  hervorgeht,  dass  es  sich  hier  nicht  um 
blossen  zufall  handelt:  3292  darinne  wander  sicher  sin  BbG  = 
datie  wänder  doch  ruht  sicher  sin;  3294  un  stuont  innen  da  für 
BbG  =  da  siwmi  im  der  iöre  ßr;  (bei  3298  stimmt  auch  f  zu 
BbG,  eben  so  schon  3275.  6)  3299  emer  ich  mich  BbG — ge- 
rne ich;  3311  schiebt  B  hangende,  bG  da  hangen  ein;  3320  iet 
der  tore  im  daz  erchant  BbG  =  erzeicte  der  tore  zehant;  3338 
chezzel  BbG =pfeff'er;  3345  wonfe  BbG  =  (weite;  (bei  3362 
endet  G)  3377  von  einer  schult  =  daz  was  des  schult;  3419  der 
rede  =^  des  trostes;  3479.  80  sind  daz  und  ww;2  vertauscht;  3486 
ist  vor  3485  gestellt  und  dann  hinzugefügt  si  het  si  (esb)  an 
in  gestrichen,  daz  diu  suhl  wcere  entwichen;  3522  het  mit  manheit 
pris=han  vil  manegen  herten  pris;  3536 -missesagich  niht  so  ist 
ez  war  =  dazn  ist  allez  niht  war;  3546  er  oeffet  sich  ^=  er  hat 
mich  geffet;  3557  swarz^^ruch;  3570  sier  =  binich;  3577  wie 
stet  ez  sus  imbe  min  lehn  =  ist  mir  ge träumet  min  lehn;  3578 
mir  =^  mich  her  und  danach  3579  einen  (den  h)  lip  sus  unge- 
tanen =sd  rehte  ungetanen;  3645  alsu^  fuorte  si  in  dan  =  nü 
vuorte  si  in  mit  ir  dan;  3709  der  edel  her  (riter  Bj^=unde 
mm  her ;  3863.  4  sluoch  in  harte  schiere  un  half  dem  edeln  tiere 
=  s.  i.  h,  s,  tot  u.  h.  dem  lewen  üz  der  ndt;  3872  ane  aller- 
slahte  grimme  =  hie  liez  er  sine  g, ;  3894  er  lüte  =  do  gruozter 
in  ADA,  er  (und  Q>)  gruzt  in  Eac;  3924  daz  ers  enweste  (recht 
West  bj  niht  =  wandern  versach  sichs  niht;  3970  nach  eren  mut 
B,  mut  und  ere  b  =  dehein  (fehlt  Ea)  ere;  4144  vbersprach  = 
tet;  4235  wil  ich  hie  Ugen  =  durch  ir  willen  lige;  4325.  6  daz 
ichs  getorste  hiten.  so  wcere  daz  =  so  getorste  ich  sin  Uten:  ditz 
ist;  4347  ist  weiz  got  eingeschoben;  4350  ir  laster  un  ir  schade 
=  ir  ere  unde  ir  vrume;  4352  ob  daz  also  mohte  wesn  =  und 
(fehlt  DEaf)  möht  ez  also  sin  gewesen;  4570  sus  hin  =  alsus; 
4900  harte  =  da  wider;  5002.  3  als  er  ouch  hat  getan,  er  hat 
sich=swaz  ir  im  leides  habt  getan,  und  hat  sich  ouch;  5340  ^m^ 
was  der  trost=der  trdst  was;  5848  mir  sande  in  unser  herre 
got=dd  sante  mir  in  got;  5878  hiezzen  sie  fragen  =^  rietin  ir 
adf  {rite  sie  A  Lachm.) ;  5905  desn  chan  ich  iu  niht  gesagen  = 


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312  PAUL 

des  enwolter  mr  nihi  sagen]  6369.  70  rvere  aber  keine  (wcere 
dehein  so  scelech  B)  man  der  in  gesigie  beiden  an  =  unde  geslgte 
ab  dehein  man  iemer  disen  beiden  an;  6466  gewizzen  =  r%cheit; 
6476.  aJs  mmi  lieben  gast  sol^^als  ein  wirt  den  gast  sol;  6819 
als  ich  tu  wil=da^z  tvil  ich  iu;  7058  sunden  =  gesehenden  {ge- 
sunden EH)  (mgen. 

Man  ersieht  aus  diesen  Zusammenstellungen,  dass  die  an- 
zahl  der  gemeinsamen  abweichungen  nicht  durchgängig  gleich- 
massig verteilt  ist.  Es  kann  natürlich  blosser  zufall  sein,  wenn 
deren  gerade  in  einem  einzelnen  hundert  sehr  wenige,  in  ei- 
nem andern  sehr  viele  sich  finden.  Aber  doch  kann  es  nicht 
zufällig  sein,  dass  sowol  ihre  anzahl,  als  ihre  bedeutsamkeit 
im  anfange  des  bezeichneten  abschnittes  (oder  genauer  von 
3275  an)  am  grösten  sind  und  allmählig  gegen  das  ende  hin 
so.  zusammenschrumpfen,  dass^  man  kaum  einen  abstand  von 
den  zerstreuten  bertihrungen  zwischen  zwei  beliebigen  anderen 
hss.  merkt  und  sich  fragen  muss,  ob  die  wenigen  unbedeuten- 
den Übereinstimmungen  nicht  auf  zufall  beruhen,  so  wie  dies 
nach  den  sonstigen  analogieen  auch  von  einem  teile  der  vor- 
hergehenden zu  vermuten  ist.  Es  wäre  also  danach  möglich, 
dass  eine  von  den  beiden  hss.,  wo  nicht  alle  beide  am  Schlüsse 
einer  andern  quelle  gefolgt  wären,  oder  wenigstens  eine  solche 
daneben  benutzt  hätten.  Anderseits  aber  kann  es  sein,  dass 
das  abnehmen  der  gemeinsamen  abweichungen  seinen  grund 
nur  darin  hat,  dass  die  änderungslust  des  Überarbeiters  all- 
mählich erlahmte.  Neben  den  fällen,  in  welchen  die  beiden 
hss.  flir  sieh  stehen,  sind  nun  aber  auch  diejenigen  in  betracht 
zu  ziehen,  in  welchen  sie  mit  einer  (oder  wenigen)  andern  zu- 
sammenstimmen, und  deren  sind  nicht  wenige.  Wo  die  ab- 
weichungen leicht  sind  und  nicht  andere  entscheidende  gründe 
für  einen  genealogischen  Zusammenhang  mit  der  betreffenden 
hs.  zeugen,  spricht  alle  Wahrscheinlichkeit  daflir,  dass  die  Über- 
einstimmung von  B  mit  b,  vielleicht  wenige  fälle  ausgenommen, 
aus  der  gemeinschaftlichen  quelle  herrührt,  ihre  Übereinstim- 
mung mit  der  andern  zufällig  ist.  Die  sache  ist  dann  um 
kein  haar  anders,  als  wenn  nur  zwei  nicht  verwante  hss.  zu- 
fällig zusammentreffen.  Da  die  verwantschaft  von  B  mit  b 
schon  hinlänglich  gesichert  ist,  können  wir  es  uns  ersparen 
die    fälle    des    zufälligen  Zusammentreffens  mit  anderen  hss., 


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HANDSCHEIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  313 

die  doch  nicht  volle  Beweiskraft  haben,  hier  aufzuzählen. 
Auf  solche  fälle,  bei  denen  es  in. frage  kommt,  ob  eine  weitere 
verwantschaft  von  Bb  mit  der  übereinstimmenden  hs.  anzu- 
nehmen ist,  kommen  wir  später  zurück.  Ausser  den  Überein- 
stimmungen von  Bb  sind  aber  auch  die  abweichungen  in  er- 
wägung  zu  ziehen.  Gegen  die  Zusammengehörigkeit  können 
letztere  natürlich  nur  dann  sprechen,  wenn  die  lesart  einer 
jeden  von  beiden  zu  der  anderer  hss.  stimmt.  Dies  kommt 
ziemlich  häufig  vor,  aber  fast  durchgängig  nur  bei  gering- 
fligigen  differenzen,  die  gegen  die  schlagenden  Übereinstim- 
mungen nicht  in  anschlag  gebracht  werden  können  und  uns 
nur  lehren,  welchen  Spielraum  wir  in  diesen  dingen  dem  Zu- 
fall einräumen  müssen.  Nur  gegen  das  ende,  wo  die  Überein- 
stimmungen abnehmen,  gewinnen  auch  die  abweichungen  an 
Wichtigkeit.  Darüber  später.  Das  Verhältnis  von  G  wird  aus 
den  angeführten  stellen  deutlich.  Es  kommen  dazu  noch 
einige  kleinere  Übereinstimmungen.  —  Sämmtliche  bedeuten- 
dere abweichungen  teilt  G  mit  Bb,  nur  in  geringfügigen  stehen 
letztere  für  sich.  Gemeinsame  lesarten  von  BbF  sind  folgende: 
5204  und ^ st;  5217  dm^sinen;  5223  balde  =  dräte\  5227 
gehörte  =  gesach  vil  Ea,  ersach  vil  Dd.  Dazu  kommen  die 
weiteren  Übereinstimmungen  von  BbFD.  F  scheint  sogar  in 
einem  näheren  Verhältnis  zu  B,  als  b  ^u  stehen;  vgl.  die  ge- 
meinsamen lesarten  4965  geschamen  =  scharrten;  4995  als  =  sd; 
5197  herzeliebe  =  herzenliebe ;  5212  geturre  umbe  uns  =  umbuns 
getUrre;  5228  trat  auch  {trat  &)=gestunt  DEd,  stünde  auch  b. 
Bei  weitem  nicht  so  zahlreich  noch  so  bedeutend  sind  die 
Übereinstimmungen  zwischen  E  und  a,  und  ihr  gegenseitiges 
Verhältnis  ist  viel  weniger  durchsichtig.  Es  erschwert  die  Unter- 
suchung, dass  oft  nur  von  einer  von  beiden  die  Varianten  ange- 
geben sind.  Zuvörderst  müssen  wir  constatieren,  dass,  wie 
schon  Pfeiffer  bemerkt  hat,  in  einem  viel  engeren  Verhältnis 
als  a  das  fragment  H  zu  E  steht,  welches  z.  6934 — 7198  und 
7455 — 7702  enthalt.  Das  beweisen  namentlich  gemeinsame 
lücken:  6967.  8  und  7025.  6  fehlen  nur  EH,  7019—22  fehlt  E, 
allerdings  auch  c,  7019 — 21  fehlt  H,  7012—20  auch  a.  Man 
füge  dazu  die  Varianten,  die  sie  mit  keiner  andern  hs.,  auch 
nicht  mit  a  teilen:  6952  auch  si  =  si  auch;  7002  e  niht  =  niht; 
7040  vrou==diu;  74  und  fehlt  in  EH;   75  er  ist  zesllfen  =  ir 


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3,14  PAUL 

ros  diu  Ue/en; '7260  ein  loup=^an  lobe  ;'727d  auch  sich  =  sich 
auch;  7602  niene^=niht  ne,  niht,  ihU  Die  Übereinstimmungen 
würden  sich  wahrscheinlich  vermehren  lassen,  wenn  überall  die 
abweichungen  von  E  angegeben  wären.  Dazu  kommen  denn 
die  Übereinstimmungen  mit  andern  zusammen.  Dagegen  können 
di«  paar  Varianten  nicht  in  anschlag  kommen  die  H  mit  Bb 
teilt,  6944  manheit  =  vrümekheit  und  7112  da  hin  =  hin,  um  so 
weniger/ da  an  beiden  stellen  nicht  ersichtlich  ist,  wie  Bliest. 
Ich  gebe  nun  ein  Verzeichnis  der  gemeinsamen  abwei- 
chungen von  Ea  (H),  die  sie  mit  keiner  anderen  hs.  teilen, 
welches  natürlich  wegen  mangelnder  angäbe  der  Varianten  nicht 
vollständig  sein  kann.'  Die  etwas  bedeutendem  sind  durch  ge- 
sperrten druck  hervorgehoben:  3292  fehlt  doch;  3306  des  =  diu] 
3372^1  gedaht  ditz  istl^ij  sy  gedachte  ez  istsi,=^nu  duhter 
*/Dcdf,  nujach  efe^  ABbLachm.;  3407  ich  =^  und  ich;  3408  fehlt 
daz;  3432  also  =  als  BDb;  3436  bei  der  =  der  selben  (zersel- 
ben  BD;;  3523  mit=^ze  ABd,  an  BD-,  9667  ze  =  in;  3583  fehlt 
der;  3611  er  =  unde;  3612  5/  tet=dd  tete  si;  3619  Ä^r  nffera, 
ritter  E  =  herre  BDd;  3644  er  saz  =  sm  saz  er;  3645  sl  vurt 
in  =  nü  vuorie  Sl  in;  3650  fehlt  daz;  3715  ist  alle  eingeschoben; 
3768  fehlt  da  (doch);  3804  mit  =  von;  3835  fehlt  rvan;  3881 
er  =  und;  3894  er  gruzt  in  =  do  {nu  Dd)  gruozter  in  ADd,  und 
gruzt  in  c,  er  lute  Bb;  3895  do  volget  er  [ym  sl]  ==und  volgt 
im;  3901  er  schant  ez  =  nu  schant  erz;  3923  nu  =  do;  3970 
ere  =  dehein  ere  Dcdf;  3985  daz  laster  =  daz;-  4011  chlage 
hie  =  groze  clage  (chlage  alsus  Bb>;  4015  in  der  werldr=ie; 
4027  niht  armer  =  neheine  armer  ne  A,  also  (so  D)  armu 
BDbd;  4042  mich  des  =  mich  (mlchs  B);  4052  fehlt  und;  4062 
mich  wundert  =  ouch  wundert  mich;  4067  ez  ist  niht  =  ouch  ist 
ez  niht;  4095  ich  weiz  =  und  weiz  daz;  4117  min  vrowe  =  d 
nü;  4125  niwan  schüfe  =^scufe  niewan  {niewan  fehlt  Bb);  4126 
fehlt 5WÄ  (so,  also);  4154  ein  teil  =  gewesen;  41^Z  lenger  =  lan- 
ger; 4202  ich  swur  (gesw^r  E^  des  =  des  swüer  ich;  4227  er  le- 
dig et  =  er  l(eset;  4336  fehlt  ob  Ad,  als  BDbf;  4338  fehlt  wan; 
4344  schade  =  dehein  schade  (zeschaden  Bh);  4350  vrum  uT%  ir 
ere  =  ere  unde  ir  vrume;  4374  do  sach  er  =  und  sach;  4413 
truobe  vreude=  trügevreude;  4419  listig  tu  vreude  ==  listvreiide; 
4445  ich  sage  iu  (wir  sagen  uch  hj  =  sd  sage  ich  tu;  4483  der 
=  er;  4575  gescheidel  =  scheidet;  4581  fehlt  des  {mit  Bh)]  4664 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  315 

gereit  ===  bereit  4703  enet^^henet;  4909  iht^=niht;  4968  swaz 
ouch  si  im  =  swaz  si  im  auch  {auch  Dd,  Joh  Ab,  fehlt  BF);  4986 
mir  ouch  =  auch  mir  Ad,  mir  BDFb;  5227  gesach  (das  richtige 
und  darum  nicht  beweisend)  =  ^^acÄ  Dd,  gehorte  BFb;  5231 
fehlt  vil;  5348  den  =  ir  b  Lachm.,  in  Ad,  fehlt  BDf ;  6396  be- 
stunt  nu  a,  nu  besinnt  E  =  bestunden  [da  d,  nie  DJ,  bestuont  ein 
(ny  h)  Bb;  5405  nu  =  ^  (ms  B,  do  D);  5773  do  als  =  als; 
5902  nu=^vrowe  nu  Ab  Lachm.,  frouwe  BCDd;  (von  5951 — 
6147  ist  keine  Variante  aus  E  angemerkt)  6168  vil  wol  =  wol; 
6194  m»  was  iedoch  E,  und  es  was  doch  ir  a  =  ir  [ne]  was  iedoch; 
6297  mit  =  in  Ab,  bi  Dd,  fehlt  f;  6375  ein  =  dehein;  6460  wol 
=  lihte;  6493  bei  ein  =  zuo  ein;  6549  Wirtschaft  un=^alsd 
groze;  6602  ym  doch  a,  im  ouch  E  =  idoh  Ab,  doch  B,  ouchD; 
6702  in  ouch  ^  in;  6727  die  ringe  =  den  heim;  6750  fehlt 
harte;  6760  er^i^  ouch  =  gie;  6769  m  e  er/o^/e  (das  richtige) 
=  in  erloste  df  Lachm.,  ine  irloste  A,  in  e  loste  Db;  6793  vil  gar 
=  gar;  6833  immer  gar  (das  richtige)  =  «/»wer  D,  ymmer  mer 
d,  harte  gar  B,  t;//  gar  b,  Äar/e  ^^ne  A  Lachm.;  6914  benamen 
=  alle;  6954.  5  wolde  umgestellt  in  EHa;  6960  nu=^ir  nu  df, 
nu  hie  BDb;  7070  wirt  EHsi  =  wart;  7161—70  fehlen  EHa; 
7238  immer  sit  =  harte  (also  Bdj  lange  ztt  (7413—7522  feh- 
len a);  7729  da  versperret  =  da  in  versperret  Acf  L.,  versperret 
Db,  in  geslozzen  B. 

Wegen  der  geringfügigkeit  der  abweichungen ,  mit  denen 
Ea  allein  stehen,  wird  es  sich  empfehlen,  auch  diejenigen  hin- 
zuzufügen, die  sie  noch  mit  einer  andern  hs.  teilen.  Diese  Über- 
einstimmungen verlangen  die  selbe  auflfassung,  die  wir  für  die 
Übereinstimmung  von  Bb  mit  einer  andern  hs.  aufgestellt  haben. 
Wenn  aber  ihnen  gegenüber  die  übrigen  hss.  nicht  zusammen- 
stimmen, sondern  von  einander  abweichen,  so  ist  es  möglich 
orter  selbst  wahrscheinlich,  dass  die  Übereinstimmungen  von  Ea 
oder  Bb  mit  einer  andern  hs.  sich  aus  erhaltung  des  ursprüng- 
lichen erklären,  weshalb  sie  dann  zum  nachweise  einer  gemein- 
samen quelle  von  Ea  (Bb)wenig  beitragen  können. 

Ziemlich  häufig  sind  die  Übereinstimmungen  von  Eab  gegen 
B  trotz  der  engen  verwantschaft  letzterer  mit  b:  3674  fehlt 
kein;  3694  ergan  (aber  auch  A  virgan)  ^=  vertan  BDcdf;  3848 
er  =  wntf  ADcd,  tfocÄ  B;  3911  leit=legt(e);  3931  fehlt  ^do;  3952 
fehlt  und;  4030  chlagen  =  clage ;  4081  ouch  =  Joch  ABd^  fehlt 


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316  PAUL 

D;  4317  ein  also  werden  Ea;  ürvren  werden  b,  =  einen  alsd  vor- 
dem; 5355.  6  fehlen;  5461  doch  =  noch;  64b6  niht  =  niemm; 
6468  g ew innen  =^  haben  (gehaben  B^;  5488  fehlt  dan;  6172 
stuont  er  vi!  fstunt  er  Dj  =  sumder  in  B,  sumier  A,  saumpt  er 
sich  cdf;  6425  er  begund=sus  (nu,  da)  begunder;  6569  mit] 
vrouden^^vol  D,  wol  B,  vil  wol  A,  da  d,  enuolln  f;  6768  het  1 
imz^^hetes  im;  6928  gar  ^^  schiere  B,  bi  namenD,  fehlt  d;  6942  , 
disiu  EHab  =  diu;  6978  fehlt  rfaz;  7242  wan  in  het  diu  muede 
Cd.  m.  h,  hj  =  diu  müede  het  iwBdf.  —  Umgekehrt  stimmt  B  mit 
Ea  gegen  b;  3602  zoch^=vuorte  ADbd;  3871  gebcerden  =  ge- 
boerde;  3880  swar==^swa  ADbdf;  3899  er  =  und;  4884  xme  = 
innen  cd,  in  Db,  ane  A;  4511  suochet  =  suochtet;  4523  fehlt  wnJ 
Acd;  4813  allen  =  alle;  4821  ^  horte  =  wn<?  Äorf^  Adf,  nu  (do 
h)  horte  er  Db;  5112  in  triuwen  =  entriuwen;  5309  un  =  sx; 
5350  «;arm  (auch  f)  =  sin  Adb,  ^/n^  D;  7066  der  =  s/in;  7240 
rföz  rfö  =  rf^z  ADb,  daz  die  d,  ^az  doch  f ;  7245  fehlt  ^/e  ADbd. 
Mit  A  stimmt  Ea:  3915  alle  Lachm.  =  zaller;  3945 — 7  daz 
swert  em  dur  den  halsberh  brah  =  daz  swert  im  üz  der  \ 
scheide  schöz;  des  güete  was  also  groz  deiz  im  durch  den  häts- 
perc  brach  (eine  offenbare  auslassung,  wahrscheinlich  durch  I 
überspringen  einer  zeile  in  einer  ohne  absetzung  der  verse  ge- 
schriebenen vorläge  entstanden,  und  von  der  art,  wie  sie  inA 
häufig  ist;  die  Übereinstimmung  ist  wol  nur  zufall,  wie  dennb 
an  derselben  stelle  eine  notwendig  davon  unabhängige  auslas- 
sung  von  etwas  anderm  umfange  hat:  das  schwert  yme  vsz  der 
scheiden  brach;  dennoch  hält  es  Lachm.  in  seiner  verliebe  för 
A  noch  für  möglich,  diese  lesart  zu  verteidigen);  3948  groze  L. 
=  starke;  3992  des  bin  ich  alles  {aller  a)  worden  gast  L.  =  dem 
b,  i.  allem  w,  g,;  4012  gehorte  L,  =  erhörte  D,  höret  d,  horte 
wol  Bb;  4218  sit  L.  =  sit  daz  BDbdf;  4432  als  L,  =  do  Bdb, 
und  d;  4948  daz  L.  (richtig)  =  ^//z  df;  den  BDb;  5455,  7173, 
7842  haben  AEa  L.  en  (ne),  welches  den  übrigen  fehlt;  5642 
genieten  h.^  nieten  BDbd;  5688  fehlt  her;  6405  so  L.,  fehlt 
BDbdf;  6504  ^i>  L.  (richtig)  =  fw;  6711  vcehten  fvuhtenj  L.= 
gevcehten  BDdf;  6749  ein  vil  L.  =  eine  BDbd;  6844  bi  im  L. 
(richtig)  =  &/  mBb,  fehlt  Dd;  7311  rf^r  ^/ L.  (richtig)  =  ^i  rft r  D, 
das  {nu  c)  sy  dir  bc;  7339  note  A?  L.,  not  a,  not  niht  E  =  ungeme 
BDdf;  nit  gerne  b;  7576  uns  AEHa  L.  =  ^m^  beiden  BDd,  wis 
zwaienc,  uns  hieb]  8069  hRltetL,  =  behalte  et J  Db/',  behabt  d. 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  317 

Mit  d  stimmen  Ea:  3951  sm=  der;  4012  gesach  =  sack 
4177  den  (wol  richtig)  =  m  ADL.,  disen  Bb;  4202  fehlt  tvol; 
b\2^brmne==brunnen;  5297  ruften  (vielleicht  richtig)  =  m/iwi 
ABL.,  sprachen  Db;  5676  irz  =  ez;  6291  dabei  in  (wahrschein- 
lich richtig)  =  bi  in  ADcfL.,  under  in  da  Bb;  6297  fehlt  wem;  6815 
fehlt  ir;  6886  fehlt  hete  sich;  7699  schaden  ==  schänden. —  Mit 
c:  7019—22  fehlen  Ec,  7019—31  auch  H,  7019—20  auch  a; 
7146  und  enwart  nach  gelte  niht  gesant  EKsiG  ==^  und  wart 
vergolten  da  ze  hant;  7661  des  wol  L.  (richtig)  =  des  Db,  wol 
A.  — Mit  f:  3978  stcete  L.  (richtig)  =  owcä  steete  BDb,  steter 
ed,  fehlt  A,  5500  lebens  =  lebendes  A,  libes  BDbd;  6304  un 
M=ne  A,  fehlt  BDbd. 

lieber  die  combinationen  DEa,  AdEa,  BbEa  haben  wir 
später  zu  handeln;  sie  gehören  nur  zum  teil  in  eine  reihe  mit 
den  übrigen.  Ein  näheres  Verhältnis  einer  einzelnen  hs.  zu  Ea 
lässt  sich  schwerlich  aus  den  angeführten  Übereinstimmungen 
ableiten;  b^  mit  der  die  Übereinstimmungen  am  bedeutendsten 
sind,  gehört  auf  das  entschiedenste  zu  B,  und  man  könnte  da- 
her höchstens  vermuten,  dass  der  Schreiber  hie  und  da  eine 
andere  quelle  daneben  benutzt  hätte.  Ueberblicken  wir  die 
ganze  masse  der  Übereinstimmungen  zwischen  E  und  a,  so  ge- 
nügen sie  wol  um  zur  ansetzung  einer  gemeinsamen  vorläge 
zu  berechtigen.  In  derselben  kann  aber  das  gedieht  noch  nicht 
ßo  überarbeitet  gewesen  sein  wie  in  der  von  Bb,  vielmehr  tra- 
gen ihre  ab  weichungen  fast^sämmtlich  den  Charakter  der  zwei- 
ten unter  den  drei  oben  von  mir  unterschiedenen  arten  von 
fehlem.  Gegen  den  schluss  nehmen  die  Übereinstimmungen  auf- 
fallend ab;  auch  im  anfange  unseres  abschnittes  sind  sie  äusserst 
geringfügig,  was  sehr  zu  beachten  ist. 

Die  differenzen  zwischen  E  und  a  sind  allerdings  auch 
zahlreich^  zahlreicher  als  die  fälle,  in  denen  sie  zusammen  den 
übrigen  bss.  gegenüber  stehen;  aber  das  beweist  nur,  dass  die 
grössere  masse  der  textveränderungen  in  beiden  erst  durch  die 
letzten  Schreiber  und  die  etwa  zwischen  ihnen  und  der  gemein- 
samen quelle  liegenden  mittelglieder  entstanden  ist  Nur  die- 
jenigen falle  können  gegen  die  Zusammengehörigkeit  in  an- 
schlag  gebracht  werden,  in  denen  E  und  a  abweichend  von 
einandei*  zu  verschiedenen  andern  hss.  stimmen.  Auch  diese 
sind  häufig  genug,  aber  fast  sämmtlich  sehr  leichter  art,  so 


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318  PAUL 

dass  sie  auf  zufall  beruhen  können.  Am  häufigsten  sind  die 
combinationen  AdE,  worüber  später,  und  Bab,  letztere  immer 
mit  sehr  unwesentlichen  abweichungen:  3283.3481.  3751.4194. 
4397.  5293.  5566.  5654.  5691.  5716.  5723.  5796.  5902.  5985. 
6378.  6434.  —  ab  steht  allein:  3408.  3428.  3528.  3540.  5052. 
5621.  5714.  5967.  6226.  Das  Verhältnis  von  a  zu  A  wird  uns 
später  beschäftigen. 

Ungefähr  derselbe  grad  der  verwantschaft  wie  zwischen 
£  und  a  besteht  nun  auch  zwischen  A  und  d.  Ich  beguine 
wider  mit  der  aufzählung  der  gemeinsamen  lesarten,  mit  wel- 
chen die  letzteren  allen  tlbrigen  gegentlberstehen:  3497  angel 
'^angen;  3498  un  L,  =  sd;  3472  nie  ne  A,  nie  d  niene  L.  = 
nihtj-  3479  sie  daz  L.  =  siz;  3591  nu  L.  =  fehlt;  3610  so  L.  = 
als;  3684  beider  nu  tvol  L.=^fvol  beider;  3731  die  L.  =  fehlt 
BDb  (da  die  Varianten  von  E  und  a  fehlen,  so  lässt  sich  die 
stelle  nicht  zum  beweise  verwenden) ;  3740  maniges  L.  =  mani- 
gem  BDc,  mannes  Ea;  3772  da  L.  =  do  Df,  nu  BEab;  3812  un 
L.  =  fehlt;  3906  diz  L.  =  daz;  3924  sih  =  sis  D,  sich  ez  Ea,^ 
des  c;  3952  was  im  L.  ==  im  was;  4034  sam  L.  =  als;  4071  auch 
L.  =  fehlt;  4101  ne  truw  A,  entra/w  df^.^=getru;  4126  sus  L. 
==5oBDf,  alsohCj  fehlt  Ea;  4163  suochendeL.  =  suochen;  4187 
alze  L.  =  ze;  4202  wan  L.  =  fehlt;  4213  fehlt  ez;  4282  un  = 
fehlt;  4336  ob  L.  =  daz  BDbf,  fehlt  Ea;  4352  unde  L.  = 
fehlt;  4362  w«  L.  =  und  in  cf,  m  BDab;  4433  her  (und  dj  vra- 
gete  L.  ==  do  fragter;  4439  waren  L.  =  wäret;  4604  wizze  L. 
=  wizzet;  4625  un  rief  h.=un;  4643  sin  =  den;  4653  tatge- 
vouger  h.  ==  ungevuge ;  4659  daz  =  fehlt]  4677  werer  L.===w{er 
er  da;  4910  ste  L.  =  geste;  4948  em  (im)  L.  =-  fehlt;  4986  oh 
mir  L,  =  mir  ouch  Ea,  mir  BDFb;  4987  w"  sweder  L.  =  swederz 
BDFb;  welchiz  a;  5048  da  gar  =  gar  Eb,  fehlt  BDa;  5180  hie 
uf  sie  AL.,  hie  über  sy  d  =  uber  si  hie  Bb,  über  ^i  Da;  5188 
sie  L.=^sich;  5264  moget  L,  =  mugt  ir;  5304  lan  h.  =  gela9i 
bf,  Verlan  BDEa;  5328  sine  L.  =  die;  5347  einer  AL.,  airdger 
d  =  eines;  5348  in  =  den  Ea,  ir  bL.,  fehlt  BDf;  5350  sin  immer 
h.=^sint  D,  man  sin  b,  waren  %e  BEf,  warn  a;  5385  vor  L.  = 
von;  5407  rfm  =  fehlt;  5467  me  AL.,  m^e  d  =  fehlt;  5510  do 
L.  «=  fehlt;  5555  sie  L.  =  ^e  *i7  BDb,  si  ouch  E,  ^i  daz  f ;  5556 
5?>  L.  =  si  im]  5578  da  =  dar;  5674  a/^ew  L.  =  altem  B,  e/Z^m 
Pb,  elter  f,  ^w^^^^  a;  5826  habih  L.  =  Äan  /cÄ  BDbf;  5903  da 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  319 

dL.,  dar  A  =  fehlt;  5926  strazen  =  straze;  6960  oh  L.^hie 
B,  fehlt  CDa;  5979  ih  L.  =  ich  danne;  6005  ir  daz  wol  mi  L. 
ir  tvol  daz  (fehlt  f)  an  af,  wol  an  ir  BDb;  6035  gewiset  L.  == 
hewisel;  6051  daz  L.  =  fehlt;  6074  gar  L.  =  ml  gar;  6102  nu 
L.  ==  fehlt;  6108  diz  =  daz;  6114  wn</  icä  dL.,  ih  K^un  BDbf; 
6133  niene  L.  =  /im  ^;  6139  m  ne  redent  siez  L.  =  si  ne  re- 
dent  ez  BDbf,  ich  enreddiz  a;  6165  sah  L.  =  ersach;  6166  der 
=  er;  6168  zware  =  [vil  Ea/  n^o/  BDEab;  6182  was  =  wart; 
6218  «"^  mosten  L.  =  musten  si  D,  ^i  mt^^e  BE,  ^/e  must  gar 
(oft  Q,)  bc,  miiste  sy  gar  a;  6255  daz  L.  ==  rfo;  6321  die  =  fehlt; 
6378  han=^  haben  BDbf,  lidensi'^  6507  mute  {{sihch)  ^=  gemüete ; 
6686  heten  =  heten  ouch;  6696  ian^  AL.,  ia  d  =  iocÄ  a,  fehlt 
BDbf;  6723  wart  L.  =  was;  6870.  1  da  =  dar;  7183  decheiner 
(falsch)  =  tfeÄ^in^;  7207  volle  =  vol;  7265  heter  L.^^het  erz 
BDb;  7561  gewert  =  erwert ;  7761  v/r  dienez  h.  ^==^ gedien  ez; 
7858  ingesinde  h.=^gesinde;  7996  swenniz  L.=^swenne. 

Ich  lasse  zunächst  die  ziemlich  zahlreichen  Übereinstim- 
mungen von  Ad  mit  f  folgen,  bei  denen  ich  jedoch  nicht  dafür 
stehen  kann,  dass  sie  vollständig  beigebracht  sind:  3808  beduhte 
L.  =  duhte;  3850  doh  L.  =  da  D,  do  E,  auch  a,  ww  Bb;  3056 
lebefnjde  L.  =  lebendich;  4095  iz  oh  L.,  awcÄ  df=rf<iz;  4312 
zware  L.  =  deiswar  BEab;  4334  w"  L.  =  «;aw  Bb,  fehlt  DEa; 
4359  sah  L.  =  ersach;  4377  von  L.==an;  4459  w«  L.  =  fehlt; 
4581  des  =  mit  Bb,  fehlt  Ea;  4674  hienc  L.  =  gehiench  DEb, 
hehinck  ace;  4821  w*  Äör^a  L.  =  er  Äor^e  BEa,  nu  (do  h)  horte 
er  Db;  5259  fehlt  L.  ir  a,  ir  wol  Bb,  ir  doch  DE;  5637  e/em 
L.  =  ir;  5925  w«  L.  =  fehlt;  5981  gar  L.  =  alle  Bb,  fehlt  Da; 
6512  vil  L.  =  verre  DEb,  fehlt  a;  6769  fehlt  L.  e;  6792  m  AL., 
im  df=  fehlt;  7338  in  duhte  =  un  duhte  in  BEa(Db);  7424 
forchte  h.  =  geforht  BDb;  7864  habe  L.  =  han;  7990  vir  die- 
net =  gedient. 

Mit  E  stimmt  Ad  gegen  a:  3640  ouch  L.  =  fehlt  BDab; 
3737  brah  =  zebrach;  3822  im  L.  =  m  BDa,  fehlt  b;  4055  des 
lj.  =  dis  Dab,  disses  B;  4090  starke  L.  =  groze;  4124  sie  ne 
L.  =  si;  4146  fehlt  wand;  4232  «r  L.  =  fehlt;  4334  danne  L.  = 
dannoch;  4563  ie  =  fehlt;  4675  un  L.==  fehlt;  5050  sah  =  er- 
sach;  5121  swes  L.  =  swaz  BDf,  des  b,  da*  a;  5452  also  lihte 
von  =  a/*ö  von  Ba,  «/*  imchtmder  D;  5927  ane  *aÄ  L.  =  ersach. 
Von  den  Übereinstimmungen  mit  a  fttbre  ich  hier  nur  die 


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320  PAUL 

an,  bei  denen  aus  den  Varianten  zu  ersehen  ist,  dass  £  anders 
hat:  4070  min  (falsch)  =  mir;  5379  fehlt  L.  im  gegen  BDbEfc 
Wigal.  —  Mit  B  stimmen  Ad  3225  weder  L.  =  weder  uffeLj  uf 
DEGbf;  3676  starker  AL.,  so  storch  d,  so  starche  nie  ^  =  also 
sere  DEabf;  6615  nu  ist  u  L.  =  m  ist  DEab;  —  mit  b  3523 
ze  L.  =  önBD,  mf/Ea;  4376  gezemen  =  zoemeti;  6088  rföL.= 
nu  BDaf;  6922  fehlt  in  (im  BLJ;  7661  seihe  L.  =  seihen;  — 
mit  e  3292  doh  L.  =  noch  D,  fehlt  EaBGb;  5660  oh  L.  =  rf«i 
Bb,  einen  a,  wol  D,  fehlt  f ;  —  mit  H  7637  von  L.  =  vor  BDabf ;  — 
mit  cf  4878  an  dem  L.  =  daran  BDEab.  Eine  grössere  Sicher- 
heit wird  die  annähme  der  verwantschaft  von  Ad  durch  die 
bald  zu  besprechende  combination  AdD  erhalten. 

Wenn  auf  diese  weise  Bb,  Ea,  Ad  je  in  ein  näheres  ver- 
wantschaftsverhältnis  gerückt  sind,  das  andere  hss.  ausschliesst, 
80  bleibt  schon  flir  D  keine  von  den  durchgängig  von  Lach- 
mann benutzten  hss.  übrig,  die  zu  ihr  näher  als  zu  allen  übri- 
gen stehen  könnte.  D  ist  also  für  so  selbständig  anzusehen 
wie  eine  von  den  drei  combinationen.  Die  Varianten  von  c 
sind  sehr  unvollständig  angegeben,  doch  lässt  sich  daraus  wol 
so  viel  schliessen,  dass  sie  zu  keiner  einzelnen  unter  den  übrigen 
in  einem  durchgängigen  verwantschaftsverhältnis  steht,  was  ihr 
bei  schwanken  der  hss.  einen  eigentümlichen  wert  gibt  Das- 
selbe gilt  von  f ,  soweit  ich  nach  den  verglichenen  stellen  ur- 
teilen kann.  Einzelne,  mitunter  auch  etwas  auffallendere  be- 
rührungen  hat  sie  mit  verschiedenen  hss.,  die  meisten  mit  c 
und  d;  die  mit  Ad  sind  oben  aufgezählt  Mit  A  allein  hat  sie 
nicht  mehr  Übereinstimmungen  als  alle  übrigen.  Es  kann  nicht 
als  eine  bestätigung  der  richtigkeit  von  Lachmanns  verfahren 
angesehen  werden,  wQ»n  hie  und  da  eine  aus  A  aufgenommene 
lesart  von  f  geteilt  wird,  um  so  weniger,  da  dies  mitunter  auch 
mit  solchen  lesarten  der  fall  ist,  die  von  Lachmann  zurückge- 
stellt sind.  Bei  weitem  in  den  meisten  fällen,  wo  Lachmann 
irgend  welche  einseitige  bevorzugung  geübt  hat,  legt  f  seine 
stimme  dagegen  in  die  wagschale. 

Zur  vergleichung  des  grades  der  verwantschaft  von  Bb, 
Ea  und  Ad  können  folgende  Zahlenverhältnisse  dienen.  Die  an- 
zahl  der  von  keiner  andern  hs.  geteilten  gemeinsamen  lesarten  von 
Bb  beträgt  267,  der  von  Ea  87,  wozu  allerdings  bei  vollstän- 
diger vergleichung  von  E  nocli  einige  hinzukommen  würden,  der 


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HÄNDSCHßlFTENVEEHAELTNiS  DES  IWEIN.  321 

von  Ad  87.  Dies  Verhältnis  zeigt  ebenso  wie  die  grössere  be. 
deutsamkeit  der  ab  weichungen  in  Bb,  wie  viel  stärkere  Ver- 
änderungen die  vorläge  von  Bb  erlitten  hatte  als  die  von  Ea 
oder  Ad.  Dass  aber  die  fast  durchgängig  auf  sehr  geringfü- 
gige abweichungen  sich  erstreckenden  Übereinstimmungen  von 
E  mit  a  und  A  mit  d  doch  über  diejenigen  hinausragen,  die 
wir  sicher  blossem  zufalle  zuschreiben  müssen,  lehrt  die  ver- 
gleichung  der  fälle,  in  denen  A  mit  einer  andern  einzelnen  hs. 
zusammentrifft.  Am  öftesten  zu  A  stimmt  b,  die  sich  doch 
sonst  so  entschieden  zu  B  stellt,  an  46  stellen  3245.  3754.  3837. 
4176.  4205.  6.4207.4333.  4365.  6.4391.  4441.  4477.  4490.  4512. 
4535.  4564.  4641.  4760.  4824.  6103.  5142.  5328.  5632.  5682. 
5811.  5902.  6297.  6396.  6468.  6516.  6519.  6602.  6606.  6666. 
6718.  6742,  6778.  6849.  6910.  7155.  7318.  7392.  7682.  7722. 
7954.  8137;  die  stärkste  abweichung  darunter  ist  wol  6396 
sprechet  =^  seht ,  dass  aber  auch  diese  sehr  leicht  zufällig  sein 
kann,  ersieht  man  aus  der  anmerkung  Lachmanns.  —  Mit  D 
stimmt  A  an  42  stellen  3215.  3257.  3408.  3557.  3675.  3697. 
3760.  3870.  4177.  4244.  4327  (in  zwei  abweichungen).  4365. 
4413.  4645.  4652.  4749.  4907.  5119.  5632.  5670.  5737.  5747. 
5762.  5769.  6291.  6347.  6431.  6450.  .6655.  6739.  6747.  6785. 
6826.  7181.  7290.  7326.  7457.  7469.  7579.  7663.  8106.  —  Mit 
E  stimmt  A  an  30  stellen  3669.  3769.  3937.  4279.  4444.  4662. 
4753.  5299.  5592.  5621.  5762.  5824.  6239.  6376.  6403.  6474. 
6650.  6720.  6725.  6851.  6902.  7225.  7546.  7553.  7707.  7874. 
7910.  8081.  8090.  8105,  darunter  an  11  stellen  nur  in  der  setzung 
von  ne  fenj,  —  Seltener  sind  die  Übereinstimmungen  mit  B 
3484.  3614.  5920.  6319.  6499.  6560.  6754.  6766.  6820.  7194. 
7308.  8039.  8164,  im  ganzen  13  stellen.  —  Uebereinstimmungen 
mit  c  habe  ich  8  gezählt  (3422.  3536.  3683.  4688.  6352.  7267. 
7449.  7889.),  —  mit  d  5  (3710.  5288.  5374.  6608.  7806).  Dass 
gerade  b  und  D  in  so  vielen  kleinigkeiten  mit  A  stimmen,  wäh- 
rend sie  doch  in  keinem  verwantschaftsverhältnis  dazu  stehen 
können,  hatte  seinen  grund  wol  darin,  dass  sie  überhaupt  be- 
sonders viel  ändern.  Es  ist  klar,  je  mehr  abweichungen  vom 
ursprünglichen,  je  mehr  zufällige  Übereinstimmungen  in  abwei- 
chungen sind  möglich,  und  die  beweiskraft,  welche  der  anzahl 
der  übereinstimmenden  änderungen  zweier  hss.  beigelegt  wird, 
ist  nach  dem  Verhältnis  zu  der  anzahl  ihrer  änderungen  über- 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche,  l,  22 


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322  PAUL 

haupt  zu  bemessen.  Freilich  ist  wider  daran  zu  erinnern,  dass 
diese  Zusammenstellungen  sich  auf  ein  unvollständiges  material 
stutzen,  und  dass  durch  jede  bereieherung  desselben  die  sache 
sich  etwas  anders  stellt  Aber  im  grossen  und  ganzen  werden 
sich  doch  die  Verhältnisse  nicht  sehr  anders  herausstellen.  Wir 
können  danach  auch  Über  den  kritischen  wert  urteilen,  welchen 
die  drei  gruppen  Ad,  Ea  und  Bb  für  sich  abgesehen  von  der 
Verbindung  mit  andern  in  anspruch  nehmen  können.  Es  erhellt^ 
dass  darin  Ad  und  Ea  weit  über  ßb  stehen.  Ad  vielleicht  noch 
etwas  üb,er  Ea.  Bb  steht  wider  über  D,  welche  noch  mehr 
willkürliche  änderungen  enthält.  Trotzdem  wird  D  wegen  seiner 
selbständigjs^eit  in  einer  combination,  zumal  bei  stärkeren  ab- 
weichungen,  mehr  geltung  haben  als  ßine  einzelne  unter  den 
andern  sechs. 

Es  ist  nun  weiter  zu  untersuchen,  ob  die  vier  uns  mit  eini- 
ger Vollständigkeit  bekannten  handschriftengruppen  (respect 
einzelhandschrift)  Ad,  Ea,  Bb,  D  alle  unabhängig  von  einander 
auf  jäie  urhandschrift  zurückzuführen  sind,  oder  ob  wider  zwi- 
schen einzelnen  unter  ihnen  ein  näheres  durch  gemeinsame 
fehler  zu  begründendes  verwantschaftsverhältnis  besteht  Ein 
solches  wäre  einmal  so  möglich,  dass  drei  aus  einer  gemein- 
samen vorläge  stammten  und  die  vierte  ihnen  gegenüber  selb- 
ständig wäre.  Wir  haben  alle  fälle,  in  welchen  Ad,  Ea,  Bbje 
allein  den  andern  gegenüberstehen,  aufgezählt  und  nirgends 
veranlassung  gefunden  die  lesart  der  einzelnen  der  der  uiehr- 
zahl  vorzuziehen.  Die  andere  möglichkeit  wäre,  dass  zw^ 
eine  gemeinsame  quelle  hätten;  dabei  könnten  dann,  die  andern 
beiden  unabhängig  von  einander  sein,  so  dass  von  c  und  fand 
den  sonstigen  hss.  abgesehen  eine  ursprüngliche  dreiteilnng 
stattgefunden  hätte,  oder  sie  könnten  gleichfalls  mit  einander 
verwant  sein,  und  wäre  dann  eine  anfängliche  Zweiteilung  an- 
zunehmen. Es  könnten  sich  auf  solche  weise  gegenüberstehen 
AdEa  und  BbD,  AdBb  und  EaD,  AdD  und  EaBb.  Diese  drei 
denkbaren  fälle  kommen  alle  wirklich  vor.  Daraus  geht  die 
notwendigkeit  hervor  mindestens  einen  teil  davon  auf  rechnung 
des  Zufalles  zu  bringen.  Diesem  aber  nicht  alles  zuzuschreiben 
berechtigt  uns  wider  die  Verschiedenheit  in  der  anzahl  und  der 
"stärke  der  abwejchungen  der  sich  gegenüberstehenden  hss. 
Bei  weiten  am  seltensten  stehen  Adßb  gegen  EaD,  häufiger 


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HANDSCHßlFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  323 

AdD  gegen  EaBb,  noeh  viel  häufiger  AdEa  gegen  BbD,  und 
lets^teres  mehrfach  der  art,  dass  an  zufall  nicht  zu  denken  ist. 
Eine  Zusammenstellung  der  einzelnen  fälle  wird  darüber  keinen 
zweifei  lassen,  dass  wir  wenigstens  die  meisten  Übereinstimmun- 
gen von  BbD  gegen  AdEa  auf  ein  verwantschaftsverhältnis  zu- 
rückzuführen haben.  Dabei  wird  es]|  vor  allem  darauf  ankom- 
men, wo  möglich,  zu  ermitteln,  ob  wir  BDb  oder  AdEa  oder 
beide  je  aus  einer  quelle  abzuleiten  haben.  Es  lassen  sich  nun 
AdEa  und  BbD  nicht  immer  so  einfach  einander  gegenüber- 
stellen. Einmal  hindert  der  mangelhafte  kritische  apparat  da- 
ran, indem  oft  von  E,  mitunter  auch  von  anderen  hss.  die  Va- 
rianten nicht  angegeben  sind,  oder,  indem  man,  wenn  nur  die 
abweichungen  von  BbD  im  Variantenverzeichnis  angegeben  ist^ 
nicht  weiss,  ob  E  an  dieser  stelle  benutzt  ist  und  also  mit  dem 
texte  stimmt.  Femer  aber  ist  öfter  eine  lücke  in  einer  hs.  oder 
es  weichen  auch  AdEa  oder  .BbD  von  einander  ab.  Im  letz- 
teren falle  lassen  sich  häufig  die  verschiedenen  lesarten  durch 
gegenseitige  vergleichung  auf  zwei  zurückführen;  wo  dies  nicht 
möglich  ist,  da  bleibt  es  zweifelhaft,  ob  eine  ursprüngliche 
Zweiteilung  bestand  oder  nicht  Ausserdem  ist  noch  das  Ver- 
hältnis von  c  und  f  zu  berücksichtigen.  In  den  meisten  fällen, 
in  denen  mir  ihre  lesart  bekannt  ist,  stimmen  sie  zu  AdEa, 
seltener  zu  BbD. 

Der  text  von  AdEa  steht  deutlich  dem  von  BbD  (FG)  ge- 
genüber: 3303  hie  AEad  =  wM  BbDG;.  3578  mich  her  =  mich 
D,  mir  Bb;  3651  harte  =  ml;  3700  sch(enest  =  heste\  4897 
rvan  ==  fehlt;  4904  ouch  =  hie;  4986  ouch  mir  Ad,  mir  auch  Ea 
==mir  BbFD;  5056  michel=ungefuege;  5178  rief  (rufle 
Ead;  ww<?  =  fehlt;  6185  «r^e/er  =  fehlt;  6616  liget  =  geligt.  Auch 
6  stimmt  zu  AdEa:  3284  er  lie/'=  do  (nu  h)  lief  er,  —  c 
oder  f  stimmen  zu  AdEa:  3407  undih  Acd,  ich  Ea  =  ww  BbD; 
3848  hedähte  sich  Adac,  verdahte  sich  E  =  dacht  D,  gedachte  b, 
gedähter  B;  4015  ie  Adel,  in  der  werld  Ea  =  «e  getcete;  4070 
heiient  AdEaf=W^en/  (4172  haben  beitende  AbE,  bitende  BDd; 
4292  alle  AdEac  =  fehlt;  4334  ouch  AdEaf=  fehlt;  4508  ge- 
sach  AdEtSit  =  ersach ;  4602  ne  sol  Aj  ^o/ Eaf,  fvild==enlazze 
ich  B,  laz  ich  Db;  4818  dar  nach  AdEac  =  fehlt;  4998  daz 
AEa,  ditz  Ai=den;  5427  neheinnen  der  A,  deheiner  der  E, 
keyne  daz  a,  die  ere  die  d,  der  srväre  chain  dew  f  (diese  ver- 

22* 


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324  PAUL 

schiedenheiten  führen  deutlich  zurück  auf  deheinen  der,  was 
Laehmanu  in  den  text  gesetzt  hat)  =  deheinen  (den  D)  schaden 
der  BbD;  5445  die  iuncvrowe  =  frou  BbDfL.*)  5927  die  hure 
AdECc,  daz  htcss,  =  die  selben  burchBD,  dasselbe 'hm  h ;  6150 
sult  käEidd=welt;  6162  nach  Adef,  nach  allen  Si  =  here  nach 
b,  herre  mit  BD]  6165  unz  AdEaf=a/Ä;  6170  ezn  hilf  et  iuch 
aber  niht  AiEi2L{=  ez  chuomt  aber  tu  zestatenniht;  6258 
ir  muget  AdEaf=^w  mäht.  —  Dagegen  stimmt  c  oder  f  zu 
BbD:  3776  da  vienc  er  in  vor^=un  gevienc  (vie  DJ  in  davor 
BbD,  un  ving  in  ritflh  dauor  f;  4101  den  zwein==in  zfvein 
BbDc;  beidiu  =  beidiu  wol  BbDf;  f>^Z^lebendic  =  lebendeWüDi] 
6094  si  ==  un  BbDf;  6194  ir  ne  (ir  d,  un  E^  was  iedoch  dehei- 
niu  AdE,  und  ez  was  doch  yr  deheines.  =  ir  deheiniu  was  doch 
BbDf.  Dazu  füge  ich  diejenigen  stellen,  an  denen  aus  den  Va- 
rianten nicht  zu  ersehen  ist,  ob  E  benutzt  ist  und  zu  Ada 
stimmt;  in  der  regel  ist  wol  anzunehmen,  dass  es  der  fall  ist: 
3276  äne  =  un  ane  BbGD;  3359  lief  nu  =  louffet  nuBGh,lufet 
D;  3575  mme  =  dem;  3648  man  =  si;  3974  ere  =  eren;  3974 
alsö  =  als;  ^0?^ß  unde=  beidiu;  iOM  ein=wol  ein;  A2bAdoch 
=  fehlt;  4310  also  =  als;  4584  daz  =  fehlt;  5867  ertaget  =  getagt; 
5978  disen=^den. 

Hierzu  kommen  zahlreiche  stellen,  an  denen  E  nicht  benutzt 
ist,  weshalb  man  in  einer  sehr  mislichen  Unsicherheit  bleibt;  die 
sonstigen  analogieen  machen  es  natürlich  immer  wahrscheinlich, 
dassE  zu  a  stimmt,  wozu  noch  der  umstand  kommt,  dass  c  und 
f  in  der  regel  zu  Ada  stimmen.  Die  lesarten  von  c  und  f  sind  mir 
nicht  bekannt  oder  ganz  abweichend  an  folgenden  stellen:  4571 
ouch  Aad  =  noch  BbD ;  4970  sold  er  Ad,  sol  erssi  =  muoz  er  BFbD; 
5123  fraget  er  ad,  vraget  A  =  frager  BbDL.;  5741  teilte = geteilt; 
6035  ^^^=fehlt;  61 10  touc=diut  B,  bedutD,  beduteth]  6441  alter 
herre  =  altherre  L.  —  f  oder  c  stimmen  zu  Ada:  3869  an  Adaf = 
uf;  4060  zware  MsÄ=deiswar;  ebenso  4339;  4265  si  Adf,  to 
^t/  a  =  si  do;  4502  verdienet  Adaf  =  gedient;  5083  si  im  Adac  ==  si 
Bb,  si  alle  D;  5288  hoher  haissen  d  (L.),  uf  hör  heizen  Af,  hinbaz 
heissin  sl  =  heizzen  hoher ;  5954  künde  Adsif  =  mohte  BGj  mohten 
Db;  5967  unz  daz  si  in  Adac  =  wwz  si  den  riter;  5977  ihne 


*)  Wo  es  nicht  besonders  bemerkt  ist,  folgt  Lachmann  der  lesart 
von  A. 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  325 

dahte  e  A,  ich  gedacht  ee  df,  ich  gedachte  a  =  ^  gedaht  ich; 
6005  ir  daz  (fehlt  f)  wol  an  Adf,  ir  rvol  daz  an  Si  =  wol  an  ir; 
6007  der  verte  Adacf=c?em  wege;  6017  diu  bete  nist  (ist 
itjniht  Adf j  dise  redde  ist  nyt  B,  =  ia  ne  ist  diu  bet  niht;&Obb 
so  käs,,  sus  f==  fehlt;  &OSb  stuont  Adsi,{=  lac;  6103  ir  wceret 
anderswa  baz  Adaf=ir  moht  wol  (fehlt  B)  riten  furbaz; 
6130  st  Adaf=wn;  6248  muoz  Adaf=^ö/;  6693  der  Adaf= 
dirre;  7956  vrorve  AAb,c{ = /routve  Lunet  BD,  Lünet  fraürv  b.  — 
Dagegen  stimmt  f  gegen  Ada  zu  BbD :  3348  wart  geflch  =  ge- 
Tich  wart  BGbDf ;  4949  von  =  vor  BFbDf;  ebenso  6209;  5487 
mA,  nach  d,  nohe  sl  =  nahen  BhDf;  5519  verdien  ich  =  gedien 
ich  BbDf ;  5610  und  =  nu  BbDf ;  6696  iane  vehtet  u  A,  ia  vich- 
tet  d,  ioch  enfichtet  auch  SL  =  iu  ne  vihtet  BbDf.  —  An  einer 
stelle  stehen  sich  e  und  f  gegenüber:  3642  ich  Adaf=Mn  BbDc. 
An  den  bisher  angeführten  stellen  lässt  sich  nicht  bestimmt 
entscheiden,  ob  AdEa  oder  BbD  der  vorzug  gebühre,  wenn 
sich  auch  öfter  manches  zu  gunsten  der  ersteren  anführen 
lässt.  Aber  bestimmt  falsch  ist  die  lesart  BbD  in  folgenden 
fällen.  5983  alrerst  get  mir  angest  zuo,  wie  er  wider  mich  ge- 
tuo ;  hier  haben  BbD  sinnlos  min  fttr  mir  in  Aad  (b  bei  Lach- 
mann ist  druckfehler  für  d).  6087  da  körnen  si  in  geriten 
ki2i=dar  in  si  bei  diu  (beyde  samethj  riten  BhD]  cf.  Chre- 
stiens  5204  ce  chastel  vienent  aprismant,  5522  danne  ich  an 
tu  gesehen  hän  AdEai{=  danne  iu  noch  hie  (fehlt  D)  schinet  an 
BbD;  hier  ist  offenbar  geändert  mit  benutzung  von  5476  (als 
iu  noch  hie  schinet  an)  um  den  reim  hdn:  man  zu  vermeiden; 
hän  im  reime  auf  kurzes  a  ist  im  Erec,  im  1.  btichl.  und  in 
den  liedem  nachgewiesen;  es  an  einigen  stellen  durch  conjek- 
tur  entfernen  zu  wollen,  während  man  es  doch  nicht  ganz,  be- 
seitigen kann,  ist  ein  nicht  zu  rechtfertigendes, verfahren;  wie 
mislich  es  ist  so  vieles  dem  Iwein  abzusprechen,  was  man  in 
den  übrigen  werken  zugibt,  ergibt  sich  auch  an  anderen  stellen. 
7672  üf  iuwer  fiwerm  H^  gebot  AdEHa  =  m  Aiwerm  gebot; 
der  reim  des  dat.  gebot  auf  den  acc.  got  würde  bei  Hartmann 
nicht  zulässig  sein.  Hierher  werden  wir  auch  4194  zu  stellen, 
haben.  Hier  haben  Eadf  ich  geloubet  im,  A  ih  lobtin,  BbD  er 
hepte  {behagete  D,  wol  sicher  erst  aus  liepte  verändert);  die 
Übereinstimmung  von  Eadf  zeigt  zur  genüge,  dass  ih  lobtin  nur 
©ine  willkürliche  Veränderung  eines  unverstandenen  ausdruckes 


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326  PAUL 

ist  (es  soll  doch  wol  bedeuten  'ich  verlobte  mich  mit  ihm'); 
dasselbe  wird  von  der  lesart  von  BbD  gelten,  wiewol  sie 
einen  leidlichen  sinn  gibt;  ich  gelouhte  im  hat  hier  offenbar 
eine  seltenere,  bisher  in  den  Wörterbüchern  nicht  nachgewiesene 
bedeutmig  'sich  nachgiebig,  freundlich  gegen  jemand  beweisen'; 
man  vergleiche  dazu  Parz  10,  22  ist  got  (m  siner  helfe  blint, 
oder  ist  er  dran  hetoübet,  daz  er  mir  niht  gelouhet  (dass  er 
mein  gebet  nicht  erhört);  Trist.  4528  Rüal  der  tugende  erkande 
der  geloubete  Tristande  und  sach  die  jugent  an  im  an :  so  ent- 
weich aber  Tristan  den  fügenden  an  Rüale  {gelouben  und  ent- 
wichen  sind  hier  offenbar  synonyma);  Iwein  4395  der  wirf  het 
selbe  vil  gestriten  und  ofte  üf  den  Hp  geriten,  und  geloupte  dem 
gaste  deste  baz;  wand  er  allez  M  im  saz  unz  daz  er  entwäpent 
wart.  —  Dagegen  scheint  an  einer  stelle  das  französische  für 
BbD  zu  sprechen.  5950  schreibt  Lachmann  und  wart  mir  an- 
ders niht  genant,  wan  daz  ein  lewe  mit  im  ist  nach  AGEadf; 
BbD  haben  ist  mir  anders  niht  erchant  {ist  hat  auch  C);  man 
vergleiche  dazu  Chrest.  4892  je  quier  ce  que  je  ne  vi  onqiies, 
mien  esciant,  ne  ne  quenui,  mes  un  lyon  a  avoec  lui.  Es  ist 
indessen  nicht  zu  läugnen,  dass  an  und  fttr  sich  die  lesart  von 
AdEa  gewählter  scheint  und  auch  den  sinn  des  französischen 
vollkommen  widergibt,  und  da  hier  gerade  C  und  f  dazu  stim- 
men, möchte  man  fast  glauben,  dass  die  wörtlichere  Überein- 
stimmung von  BbD  auf  zufall  beruhe.  Einen  solchen  zufall 
anzunehmen  können  wir  auch  kaum  umhin  an  mehreren  an- 
deren stellen.  35  ein  also  schoene  hdchzit  haben  Bbcd,  nur 
D  hat  riche;  vgl.  Chrest.  4  tint  cort  si  riche  come  rois;  das 
riche  scheint  indessen  von  Hartmann  durch  die  vorher- 
gehende zeile  ausgedrückt  zu  sein:  nach  richer  gewonheit 
(so  Bd,  deren  lesart  dadurch  bestätigt  wird).  95  von  deheiner 
(kleiner  afLj  siner  vrümekheit  ABDdraf;  dagegen  niht  von  s. 
V.  bc;  vgl.  Chrest.  60  non  de  s*annor,  me^  de  sa  honte.  1765 
haben  alle  hss.  ausser  A  (auch  Lachmann)  noch  oder  vriio; 
A  schreibt  hinehte  fftr  noch;  das  scheint  geändert,  weil  dem 
Schreiber  noch  in  der  bedeutung  'noch  heute'  nicht  geläufig  war; 
aber  Chrest.  1571  enuit  ou  demain  stimmt  näher  zu  A.  1152 
haben  Dacdf  da  sach  er  zuo  im  (zu  ym  ein  h)  gän;  dagegen 
A  zou  eme  uz,  B  uz  un  in;  vgl.  Chrest.  971  s*an  issi  une  da- 
meiselle.    6476  haben  statt  als  ein  wirt  den  gast  sol  Bb  als  man 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  327 

lieben  gqist  sol,  welches  Chrest.  5405  näher  steht:  com  an  doit 
faire  a  son  boen  aste. 

Unser  resultat  ist  also,  dass  Bb  und  D  sieher  aus  einer 
gemeinsamen  vorläge  abgeschrieben  sind,  welche  schon  manche 
nicht  unwesentliche  absichtliche  änderungen  enthielt  Dass 
dasselbe  für  Ad  nnd  Ea  anzunehmen  sei,  dafür  spricht 
nur  die  eine  zweifelhafte  stelle  4950.  Doch  hindert  uns  diese 
es  mit  entschiedenheit  zu  läugnen,  und  die  frage  wird  einst- 
weilen noch  oflFen  bleiben.  Wenn  wir  dieser  stelle  beweiskraft 
beilegen,  so  müssen  wir  auch  f  dieser  gruppe  zuzählen.  So- 
viel können  wir  als  ausgemacht  ansehen,  dass  der  combination 
AdEa  ein  höherer  wert  zukommt  als  der  BbD,  und  dass  es 
sicherer  ist  in  allen  zweifelhaften  fällen  ersterer  zu  folgen. 
Hiermit  haben  wir  wol  gefunden,  was  der  bevorzugung  von  A 
durch  Lachmann  richtiges  zu  gründe  liegt.  Seine  ansieht  da- 
rüber hat  sich  wesentlich  gebildet  durch  die  vergleichung  mit 
B  und  demnächst  mit  D,  indem  er  den  wert  der  übrigen  hss. 
unterschätzt  hat.  Uebereinstimmung  von  BbD  mit  f  oder  c 
würde  für  den  fall,  dass  Ad  und  Ea  nicht  aus  einer  gemein- 
samen vorläge  geflossen  sind,  kaum  in  betracht  kommen,  da 
dieselbe  viel  leichter  auf  zufall  beruhen  kann,  als  die  Überein- 
stimmung der  noch  wenig  vom  ursprünglichen  abweichenden 
Ad  und  Ea.  Auch  wenn  Ad,  Ea  und  cf  gleichmässig  aus 
einer  quelle  abgeleitet  wären,  würde  die  grössere  Wahrschein- 
lichkeit dafür  sprechen,  dass  Übereinstimmungen  von  Bb  D  mit 
f  oder  c  auf  zufall  beruhten.  Anders  wäre  es,  wenn  c  und  f 
von  der  gemeinsamen  quelle  von  AdEa  unabhängig  wären, 
wofür  wir  aber  bis  jetzt  keinen  anhält  haben.  Es  erhellt  aus 
diesen  erwägungen,  dass  eine  vollständige  vergleichung  von 
c  und  f,  sowie  der  übrigen  von  Lachmann  noch  gar  nicht  be- 
nutzten hss.  möglicherweise  noch  manches  zur  entscheidung 
der  frage  beitragen  kann. 

Mit  den  bisherigen  aufzählungen  sind  nun  die  fälle  noch 
nicht  erschöpft,  in  denen  sich  einmal  die  vorlagen  von  AdEa 
und  von  BbD  einander  gegenüberstanden.  Es  kommt  dazu 
noch  eine  ganze  reihe  solcher  stellen,  bei  denen  dies  nicht  ganz 
sicher,  zum  teil  aber  sehr  wahrscheinlich  ist.  So  zunächst 
diejenigen,  an  denen  in  einer  hs.  eine  lücke  ist,  oder  die  Va- 
rianten von  einer  oder  mehreren  hss.  nicht  angegeben  werden : 


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328  PAUL 

3312  an  AE2iQ  =  bi  BbD;  3925  an  AdE  =  m  BbDcf;  4392 
deheine  not  AäEe  =^dehein  c Hummer  D,  chuomber  Bb;  5555 
d  Ad,  si  auch  E,  si  daz  {=si  sit  BbD;  6148  hie  AdE  =  rfa 
BbDf;  6229  gesehen  kA¥X=- ersehn  BbD;  4022  aber  Eadf 
(lüeke  in  A)  =  fehlt  BbD;  6960  nö  Eadf=nw  Ä/e  BbD  (lücke 
in  A);  7068  so  Ead  (lücke  in  k)  =  srvenne  BbD  (L.);  7025 
und  ad  (falsch)  =  nocÄ  BbDf  (L.);  6076  wV  Adcf=  fehlt;  3731 
rfi^  Ad  =  fehlt  BbD;  5871  dar  k,  da  d  (71.  72  fehlen  a)  =  afo 
BbDc;  6114  und  ich  d  (L.),  ih  k==un  BbDf;  7265  het  er  Ad 
=  het  erz  BbD;  7269  also  M  =  als  BbD;  7424  vorhte  Adf= 
geforht  B\iD\  6375  2>m^r  Aa  =  m>mör  BbD;  7277  heten  si 
AE  (75—78  fehlen  d,  59—90  fehlen  ^)^w(ßreda  BbD,  war 
gerne  da  f;  3436  ^^r  selben  cd  (L.),  rf^  ^^/«;^  A,  bei  der  Ea 
=  zerselben  BD;  3740  maneges  Ad^  mannes  Ea  =  manigen  BDc; 
5931  nö  Ada  =  51^  BDC;  6019  gesendet  käsi  =  gesant  BD; 
4686  m  AdE  =  5m  Dbf;  4686  ez  Adf=wwrf  Db;  4704  dem  = 
dem  selben  Db;  die  drei  letzten  stellen  fallen  in  die  erste  grosse 
Itteke  von  B.  —  Dazu  füge  ich  die  stellen,  an  denen  BbD  so 
unter  einander  abweichen,  dass  es  nicht  ganz  sicher  ist,  ob 
die  abweichungen  auf  eine  gemeinsame  lesart  zurückzufahren 
sind:  3444  wan  Ed,  wen  k^  =  niuwan  BD,  nur  b;  3608  s6  wol . 
AdEa  =  5ö  D,  niht  ^o  B,  niht  b;  5374  ginc  AdEacf=Äw/?  sich 
Db,  nefB\  6200  aber  AdE,  erber  d==ouch  Bb,  fehlt  D;  6348 
geschehen  kiB,f=  gesehn  BD,  begangen  b;  8098  gesachkAQ>== 
ersach  Db,  sach  B.  —  Anderwärts  stehen  BbD  übereinstim- 
mend verschiedenen  nicht  unmittelbar  auf  eine  zurückzuführen- 
den lesarten  der  übrigen  gegenüber.  Wo  nur  eine  von  den 
andern  so  abweicht,  ist  es  wahrscheinlich,  dass  diese  das  ur- 
sprünglichere erhalten  haben,  so  3410  lang  d,  läge  A,  also  lange 
a,  fehlt  Ef=ww  lange  BD,  nu  b;  3936  so  AEaf,  fehlt  d  =  w7 
BbD;  3978  stcete  Eaf  (L.),  steter  cd,  fehlt  k  =  auch  stcete  BbD; 
4432  als  AEa,  und  A  =  do  BbDf;  4954  vil  AdE,  gar  a  =  fehlt 
BFbD;  7338  also  Ead,  fehlt  A  =  als  BbD.  An  mehreren  stellen 
erweist  sich  die  lesart  von  BbD  durch  die  vergleichung  mit 
den  verschiedenen  abweichungen  als  das  ursprüngliche;  diese 
können  für  unsem  zweck  wenig  in  betracht  kommen;  so  3327 
im  daz  BbD  {JL)  =  daz  ad,  iz  im  A;  3715  nach  l&\iD  =  nager 
k  (nach  i  LJ,  nach  gar  d,  nach  alle  Ea;  4023  si  sprach  'herre, 
daz  hie  clagf  BbD  (L.)  =  sy  sprach  dy  hy  clagit  a,  daz  da  hie 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  329 

so  sere  chlagt  E,  die  sich  so  ser  hat  verklaget  d  (Ittcke  in  A); 
5032  im  in  dem  BbDf  =  im  deme  A,  in  dem  Ea  fime  LJ;  5379 
im  daz  BbD  =  m^  ahe  das  c  Wigal.  5112,  von  im  daz  Ef,  daz 
Ada  (L.);  6139  si  ne  (fehlt  f)  redent  ez  BbDf=ia  ne  redent 
siez  Ad  (L.),  ich  enreddiz  a;  6374  so  BbD  =  also  af,  ze  A  (L.), 
alzeE]  7872  mBbD  {L.)  =  ufven  ougen  A,  auch  a,  fehlt  c.  An 
andern  stellen  stehen  mehrere  lesarten  neben  einander,  die  glei- 
ches anrecht  auf  berücksichtigung  haben  wie  die  von  BbD :  3706 
do  BbD  =  oÄAf  (L.),  doch  d,  nw  a;  3768  doch  mD  =  tou  A 
(L.),  da  d,  vil  c,  fehlt  Ea;  5674  altem  B,  eitern  Db,  elter  f = 
alten  Ad,  swester  a;  7968  iu  BbD  =  öÄ  A  (L.),  fehlt  acd.  An 
einer  stelle  erweist  sich  eine  der  BbD  gegenüberstehenden  les- 
arten durch  vergleichung  des  französischen  textes  als  das  rich- 
tige: 3752  haben  ho f seh  fhiderve  ho f seh  in  der  zweiten  ausgäbe 
ist  ein  versehen)  BbD,  hiderve  hovisc  AE  (L.  2  ausgäbe),  hübsch 
biderb  cd  (L.  1  ausg.);  das  letzte  ist  richtig  cf.  Chrest  3186 
h  cortois,  li  preuz,  li  buens. 

Es  bleiben  noch  diejenigen  falle  zu  berücksichtigen,  in 
denen  von  den  hss.  AdEa  eine  mit  BbD  übereinkommt,  gegen 
die  Übereinstimmung  der  drei  andern.  Dabei  muss  notwendig 
der  Zufall  im  spiele  sein,  und  es  sind  dann  zwei  möglichkeiten. 
Entweder  trifft,  wenn  z.  b.  d  mit  BbD  stimmt,  A  zufällig  mit 
einer  änderung  in  Ea  zusammen  und  d  hat  die  lesart  der  vor- 
läge von  Ad  erhalten,  welche  dann  wider  wegen  der  Überein- 
stimmung mit  BbD  ursprünglich  sein  muss,  oder  die  Überein- 
stimmung von  A  mit  Ea  geht  schon  auf  ihre  vorlagen  zurück, 
und  d  hat  zufällig  ebenso  geändert  wie  Bb  D.  Die  fälle  dieser 
art  sind  früher  aufgezählt.  Die  letztere  erklärung  der  Über- 
einstimmung gewinnt  an  Wahrscheinlichkeit,  sobald  c  oder  f 
mit  gegen  BbD  zeugen,  so  3285  niwe  rate  AdE,  newreute  f 
fniuweriute  Lj  =  niuwez  geriute  BGbDa;  3615  ^  AdE,  si  nu  i 
=  sich  BGbf;  4523  geUchet  sich  AdEcf  =  gelichet  BbDa;  4589 
vil  AdEf=  fehlt  BbDa;  4887  si  beide  AäEd=  ir  beider  BhDsi', 
5018  Sterke  AäEf=  kraft  BbDa;  5049  vor  Ed  (L.),  vorn 
Af==  fehlt  BbDa;  b2SA  gevieng  ich  AdEf^^^  gewunne  (gewinne 
B)  ich  BbDa;  5538  ungemüete  AdEc  =  gemuete  BDa;  6244 
n«^^/ AdEf=rf^^/BbDa;  6725  im  AE,  in  df=  fehlt  BbDa; 
7593  daz  AEHdf=  fehlt  BbDa;  5954  nie  des  AC,  des  nye  df 
=  des  niht  BbDa;  3721  nü  Adaf  =  fehlt  BbDE;  4209  tete  AEaf 


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330  PAUL 

=  getet  BbDd;  4299  vorhten  AEn^f  =  vorhten  des  BbDd;  5500 
lebendes  A,  lebens  Eaf  (L.)  =  libes  BbDd ;  6685  bestan  =  gestan 
BbDd;  8073  gewan  AEaf  =  m>  gewan  BbDd;  6484  harte  Eadc 
=  fehlt  BbDA  (L.). 

Viel  unwahrscheinlicher  ist  es,  dass  eine  lesart,  die  D  mit 
B  oder  mit  b  gemein  hat,  während  b  oder  B  zu  den  übrigen 
stimmen,  aus  der  gemeinsamen  vorläge  von  Bb  D  erhalten  und 
die  dritte  hs.  nur  durch  zufällige  änderung  mit  den  übrigen 
zusammengetroffen  sein  sollte.  Man  müste  dann  in  den  meisten, 
wenn  nicht  in  allen  fällen  eine  rückkehr  zum  ursprünglichen 
annehmen.  Auch  ist  anderseits  ein  zuffilliges  zusammentreffen 
von  D  mit  B  oder  b  um  so  weniger  auffallend,  je  mehr  än- 
derungen  sich  alle  drei  erlauben.  Ich  mache  noch  darauf  auf- 
merksam, dass  D  und  b  mehrere  ziemlich  starke  abweichungen 
teilen,  während  B  zu  den  übrigen  stimmt,  die  man  fast  be- 
denken tragen  muss  auf  rechnung  des  zufalls  zu  setzen.  Da- 
hin gehören  3477  also  gar  b,  gar  D  =^  allenthalben ;  4812  «;ere 
==  dühte  d;  5162  nu  kam  der  sie  do  trost  b,  do  chom  der  si  da 
loste  D  =  daz  si nü  niemen  löste;  5288  sprachen  =  riefen ;  5317  mit 
listen  b,  mit  guten  listen  D  =  darnach;  5582  wan  der  (er  D) 
was  bDf=^k  herre  was;  6069  —  70  fehlen  (auch  c);  6095—8 
fehlen;  %\2^  enbern-=- geraten;  6177— 82  fehlen;  %\^Z  iamerlich 
=  armecliche;  4289  mit  solhen  siten  =  mit  unsiten;  leichtere 
gemeinsame  abweichungen  finden  sich  noch  3286.  3293.  3576. 
3859.  3951.  4293.  4364.  4508.  4821.  5030.  5034.  5040.  5156. 
5374.  5497.  6210.  6232.  7334.  7767.  —  Geringer  an  zahl  und 
bedeutung  sind  die  Übereinstimmungen  von  BD  gegen  AdEab; 
die  gewichtigsten  darunter  sind  3584  niuwen^=vrische7i;  6066 
willen  =  frumen ;  6200  lobesam  =  äne  schäm;  leichtere  sind 
3523.  3531.  3574.  3584.  3586.  3649.  3818.  4255.  5233.  5962. 
6162.  6720.  6718.  7902. 

Zur  richtigen  Würdigung  der  beweiskraft  der  fälle,  in  denen 
Ad£a  mit  BbD  streiten,  sind  diejenigen  zu  vergleichen,  in 
denen  sich  AdD  und  EaBb  oder  AdBb  und  EaD  gegenüber- 
stehen. Fänden  sich  dieselben  ungefähr  in  gleichem  masse, 
so  würde  unsere  ansieht  von  einem  verwantschaftsverhältnisse 
zwischen  Bb  und  D  hinfällig.  Zeigt  sich  aber,  dass  sie  an 
zahl  geringer  und  die  abweichungen  alle  naheliegend  sind,  so 
sind  wir  berechtigt    die  Übereinstimmungen    dem  zufall  zuzu 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  331 

schreiben  und  können  nur  vermuten,  dass  auch  ein  teil  der 
Übereinstimmungen  in  geringfftgigen  dingen  zwischen  Bb  und  D 
auf  rechnung  desselben  zu  bringen  ist,  ohne  dass  darum  das 
zusammentreffen  in  wesentlicheren  punkten,  welches  häufig 
genug  ist,  seine  beweiskraft  verlöre.  In  allen  diesen  fällen 
macht  die  wähl  der  richtigen  lesart  besondere  Schwierigkeit. 
Wenn  einmal  dabei  die  annähme  des  zufälligen  Zusammen- 
treffens in  einer  änderung  nicht  zu  umgehen  ist,  so  kann  das- 
selbe ebenso  auf  der  seite  von  AdD  oder  AdBb,  wie  auf  der  von 
BbEa  oder  EaD  sein,  und  es  gibt  kein  entscheidendes  äusseres 
kriterium  für  den  Vorzug  der  einen  oder  der  andern,  wo  nicht 
etwa  das  zeugnis  von  c  oder  f  hinzutritt^  welches  aber  auch,  wie 
sich  herausstellen  wird,  nicht  absolut  massgebend  sein  kann. 
Ziemlich  häufig  stehen  sich  AdD  und  BbEa  einander 
gegenüber,  aber  nirgends  so,  dass  die  zurückftihrung  der  Über- 
einstimmungen auf  Zufall  besondere  Schwierigkeiten  darböte. 
Lachmann  folgt  fast  durchgängig  AdD.  Aber  einen  stichhal- 
tigen grund  fttr  diese  bevorzugung  gibt  es  nicht.  Wenn  Ea 
an  wert  ein  wenig  hinter  Ad  zurücksteht,  so  steht  D  noch 
mehr  hinter  Bb  zurück.  Ich  führe  zunächst  diejenigen  stellen 
auf,  an  denen  sich  mit  einiger  bestimmtheit  eine  entscheidung 
aus  inneren  gründen  treffen  lässt.  Zu  gunsten  von  AdD  ßlllt 
dieselbe  aus:  3770  dö  kerte  si  AdDc  =  si  chert  dar  E,  dy 
hart  wider  a,  diu  cherte  rehte  Bb  (auslassung  einer  partikel, 
worauf  dann  Umstellung  von  verbum  und  subjekt  notwendig 
wird,  ist  besonders  häufig  Ea  allein  eigen;  ausserdem  kommt 
hier  das  zeugnis  von  c  in  betracht  und  der  umstand,  dass 
Bb  und  Ea  doch  wider  etwas  von  einander  abweichen);  — 
3894  do  (nu  Dd)  gruozter  in  AdD  =  er  (und  cj  gruzt  in  Eac 
er  lute  Bb  und  darauf  3895  und  volgetim  kAD  =  do  volget  er 
[ym  a]  Ea,  er  cherte  B,  svs  lieff  er  b  (auch  hier  erwecken  schon 
die  diflferenzen  zwischen  Ea  und  Bb  namentlich  in  3895  den 
verdacht,  dass  sie  es  sind,  die  geändert  haben,  während  ander- 
seits für  sie  die  Übereinstimmung  mit  c  spricht;  man  sieht,  die 
abweichungen  beruhen  auf  dem  zweifei,  wer  der  grüezende  ist, 
Iwein  oder  der  löwe;  die  entscheidung  gibt  das  französische; 
bei  Holland  3432  lesen  wir  lors  le  semont  et  si  Vescrie,  ami 
com  um  brachez  feist;  das  scheint  für  EacBb  zu  sprechen;  aber 
es  liegt  hier  ein  offenbarer  fehler  in  der  hs.  vor:   schon  der 


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332  PAUL 

ausdruck  semondre  würde  nicht  gut  auf  ein  tier  passen;  ferner 
könnte  nicht  fortgefahren  werden  et  II  lyons  maintenant  mist, 
wenn  der  löwe  schon  vorher  Subjekt  gewesen  wäre,  vielmehr 
geht  daraus  hervor,  dass  ein  Wechsel  des  Subjektes  statt  hat; 
endlich  sind  auch  im  vorhergehenden  bei  Chrestiens  und  Hart- 
mann deutlich  die  mittel  angegeben,  wodurch  der  löwe  seinem 
herm  die  Witterung  des  wildes  anzeigt,  wozu  Hartmann  aus- 
drücklich bemerkt  dazu  kunderm  anders  niht  gesagen,  so  dass 
also  ein  geschrei  noch  dazu  ausdrücklich  ausgeschlossen  ist; 
demnach  ist  zu  lesen  ausi  com  un  brächet  feist;  dadurch  wird 
die  lesart  von  AdD  und  Beneckes  erklärung  bestätigt,  während 
Sechs  conjektur  do  gruozte  er  als  ein  suochhunt  zurückgewiesen 
wird);  —  4101  oh  ne  truwih  A,  doch  entrarv  ich  es  d,  mch 
getru  ichs  D  =  ich  (ichn  Ea)  getru  es  BEab  (vgl.  das  zu  3770 
bemerkte);  —  5056  unz  A  (L.),  und  Ddf=  fehlt  Bb  Ea  (eine 
einseitige  bevorzugung  von  A  widerspricht  unsem  kritischen 
grundsätzen;  die  Übereinstimmung  von  Ddf  macht  es  sicher, 
dass  auch  unz  auf  ein  und  der  vorläge  zurückzufahren  ist; 
und  kann  natürlich  sehr  gut  fehlen,  aber  dafür,  dass  es  richtig 
ist,  spricht  zunächst  das  zeugnis  von  f;  femer  entstehen  Über- 
einstimmungen in  auslassungen  ja  überhaupt  viel  leichter  als 
in  Zusätzen,  hier  aber  scheint  und  weggelassen  weil  man  seine 
beziehung  nicht  recht  verstand;  es  ist  zu  verbinden  als  lanc  so.», 
und  (so)  daz]  diese  etwas  ungewöhnliche  fügung  hat  dann 
auch  die  änderung  in  A  veranlasst.  —  5597  kumber  unde  sine 
not  AdD  ==  sinen  kumber  u,  BEa  {alle  b)  s.  n.  (es  war  nach 
der  bei  Hartmann  nicht  seltenen  weise  das  pron.  nur  zum 
zweiten  subst.  gesetzt;  das  streben  nach  ausgleichung  veran- 
lasste die  änderung);  —  4305  er  sprach  ^nü  müz  in  got  bewam 
AdDcf ;  fttr  in  haben  iuch  BbEa  (in  ist  auf  gesellen  zu  beziehen 
(es  ist  die  auf  den  speciellen  fall  passende  Wendung  mit  der 
gewöhnlichen  abschiedsphrase  vertauscht). 

Hingegen  scheinen  BbEa  den  vorzug  zu  verdienen :  3279 
hungers  not  BbEa  =  hunger  not  AdDGr  (vgl.  3306  diu  {des  Ea) 
hungers  not  BDE6abd  =  ^/e  hunger  not  A).  —3771.  2  schreibt 
Lachmann  da  er  zuo  dem  hülse  vloch,  da  was  der  burcberc  so 
hdch;  3772  haben  Ad  da,  Df  dOy  BEab  nu;  da  gibt  einen  leid- 
lichen sinn,  aber  doch,  so  begreiflich  es  wäre,  dass  der  berg 
nur  an  ©iner  stelle  so  steil  gewesen  wäre,  so  sonderbar  ist  es, 


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HANDSCHRIFTFNVEEHAELTNIS  DES  IWEIN.  333 

dass  er  nur  an  einer  stelle  so  hoch  gewesen  wäre,  da  doch 
die  bürg  auf  einer  einigermassen  gleichmässigen  höhe  liegen 
muste;  ferner  kann  da  nur  stehen  wenn  es  auch  in  der  vor- 
hergehenden zeile  steht,  wo  es  nur  A  hat  gegen  do  BD  (Ä  hat 
auch  3794  da  für  do) ;  mit  dem  zweiten  do  ist  nattlrlich  nichts 
anzufangen;  nü  wird  das  richtige  sein,  das  auch  1302  und 
3468  im  nachsatze  auf  do  im  Vordersätze  folgt;  do  ist  dafür 
in  begreiflicher  gedankenlosigkeit  geschrieben.  —  4342  flf. 
schreibeja  Bb  Eaf  so  tveiz  min  vrouwe  danne  wol,  so  si  bevindet 
wer  ich  bin,  daz  ich  den  lip  und  deti  sin  vor  leide  verlorn  hän; 
AdD  verwandeln  den  nebensatz  so  si  bevindet  in  einen  haupt- 
satz:  A  schreibt  so  bevindet  sie,  d  so  bevindet  sy  dann  wol,  D 
macht  aus  4242.  3  mit  ändernder  Umstellung  so  bevindet  ez 
min  frouwe  wol.  und  weiz  denne  wer  ich  bin,  wodurch  die  sinn- 
lose Verderbnis  in  Ad  wider  verständlich  gemacht  wird;  Lach- 
mann an  der  Überlieferung  in  Ad  als  der  ächtesien  festhaltend, 
sucht  ihr  durch  conjektur  nachzuhelfen,  indem  er  bevindet  siz 
schreibt;  aber  abgesehen  davon,  dass  sich  auf  diese  weise  gar 
nicht  erklärt,  wie  das  von  allen  hss.  einstimmig  tiberlieferte 
s6  in  den  text  kommt,  so  entsteht  durch  diese  änderung  nur 
eine  lächerliche  tautologie:  meine  frau  weiss,  wer  ich  bin,  wenn 
sie  es  erfährt,  die  andere  in  der  anmerkung  vorgeschlagene 
änderung  so  weiz  ez  rdn  vrouwe  danne  wol:  so  bevindet  d 
schliesst  sich  wenigstens  eng  an  die  Überlieferung  an,  aber 
wie  soll  man  es  fUr  möglich  halten,  dass  ein  zweiter  nachsatz 
sich  an  den  ersten,  der  schon  ganz  dasselbe  besagt,  anschliesst 
in  einer  weise,  als  ob  dieser  gar  nicht  dastände?  wenn  man 
übrigens  durchaus  den  sinn  haben  wollte,  welchen  Lachmanns 
text  bietet,  so  könnte  man  zu  demselben  viel  leichter  von  Bb 
Ea  aus  gelangen,  wenn  man,  wie  auch  in  der  anmerkung  in 
klammer  beigefügt  wird,  sd  siz  bevindet  schriebe,  was  sich  auch 
von  Ad  eigentlich  nicht  so  weit  entfernt  als  bevindet  siz^  so 
dass  also,  selbst  wenn  man  eine  solche  änderung  für  erlaubt 
und  notwendig  hielte,  damit  die  autorität  von  AdD  gegen  Bb 
Ea  nicht  gerettet  würde;- aber  wozu  alles  das?  die  lesart  von 
BbEa  soll  deshalb  zu  verwerfen  sein,  weil  dabei  die  haupt- 
sache,  dass  Laudine  ihn  nach  seinem  tode  erkennen  soll,  in 
den  Zwischensatz  komme;  ist  das  die  hauptsache,  oder  viel- 
mehr, dass  sie  wissen  soll,  dass  er  leben  und  verstand  um 


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334  PAUL 

ihretwillen  verloren  hat,  woneben  der  umstand,  dass  sie  ihn 
nicht  bei  seinem  leben,  sondern  nach  seinem  tode  erkennen 
soll,  nur  mittel  zum  zweck  ist?  wir  haben  in  s6  bevindet  d 
nur  die  Umstellung  halbaufmerksamer  Schreiber,  die  die  vorher- 
gehende zeile  nicht  berücksichtigten;  es  kommt  noch  dazu,  dass 
und  in  4244,  welches  diese  Umstellung  und  die  conjekturen 
Lachmanns  fordern,  nur  in  AD,  nicht  in  d  steht  —  6490  nein 
ez  AdD  =  ia  BEab,  ia  es  f;  Chrestiens  hat  4598  oil, 
voir,  dame;  wenn  Lachmann  trotzdem  nein  verteidigen  will, 
so  liegt  dies  doch  nur  daran,  dass  er  den  zu  spät  aus  Chre- 
stiens erkannten  irrtum  seiner  kritik  sich  nicht  eingestehen 
will,  weil  er  mit  seiner  auflfassung  des  kritischen  wertes  der 
hss.  in  Widerspruch  steht;  denn  ob  Chrestiens  von  tacoison  et 
le  forfetj  Hartmann  von  dem  kumber  spricht,  das  kommt  flir 
den  Zusammenhang  auf  eins  heraus,  und  da  im  übrigen  beide 
an  dieser  stelle,  namentlich  in  der  frage  der  Lunete  so  genau 
stimmen,  so  darf  man  nicht  annehmen,  wozu  man  auch  gar 
keine  veranlassung  hat,  dass  Hartmann  hier  den  sinn  gerade- 
zu umgekehrt  hat.  —  5560  so  getriuwe  und  so  getvcere  AdD; 
das  erste  so  fehlt  BbEac  wol  mit  reht;  es  scheint  in  der  ab- 
sieht gleich mässigkeit  herzustellen  hinzugesetzt.  —  6218.  9 
schreibt  Lachmann  si  muosen  verwischen  Wirtschaft  und  ere; 
die  hss.  haben  sie  mosten  Ad,  musten  si  D  =  si  muose  BE,  sie 
must  gar  {oft  c)  bc,  muste  sy  gar  a;  der  sing,  scheint  angemes- 
sener, weil  Wirtschaft  und  ere  doch  einen  begriff  bilden;  bei 
dem  plural  aber  entsteht  der  verdacht,  dass  er  aus  mis- 
yerständnis  eingesetzt  ist,  in  dem  man  d  flir  das  Subjekt  nahm. 
—  6895  nü  saz  der  künic  Artus  AdD;  BbEa  haben  da  hinter 
saz,  welches  kaum  zu  entbehren  ist  —  Wir  sehen  also  bestätigt, 
was  wir  von  vornherein  vorauszusetzen  uns  flir  berechtigt 
hielten,  dass  sich  änderungen  so  wol  auf  der  seite  von  AdD, 
als  auf  der  von  BbEa  finden.  Wenn  dieselben  so  auf  beide 
combinationen  verteilt  werden,  so  hat  die  annähme  eines  zu- 
fälligen Zusammentreffens  um  so  weniger  unwahrscheinliches, 
weil  dann  auf  jede  einzelne  durchschnittlich  nur  die  hälfte  der 
fälle  kommt,  in  denen  sie  sich  gegenüber  stehen. 

An  den  folgenden  stellen  lässt  sich  nichts  entscheidendes 
zu  gunsten  der  einen  oder  der  andern  partei  sagen:  3290  der 
Pdf  (L.),    dor  A^un  BGbEa;    3496  und  AdD  =  fehlt  BbEa, 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN-  335 

ebenso  3520;  3666;  3572  der  =^  min  (gegen  die  widerholung 
rdn  troum  ist  nichts  einzuwenden);  3626  als  ez^=als;  3664 
ez  ist  (was  ALJ  wunder  AdDf  =  ein  fun  EJ  wunder  ist 
(was  a^;  3733  erkoverten  KAY^q  =^  hechoverten  (letzteres  konnte 
als  weniger  gebräuchlich  dem  gewöhnlichen  gewichen  sein;  es 
ist  nur  noch  belegt  bei  Herbort  8869);*3798  dä=da  wol  E,  wol  a, 
da  vil  wol  Bb;  3830  clägelich  und  doch  grimme  ^^  doch  fehlt 
BbEa  Wigal.  2042;  3925  i;i7  =  fehlt;  4011  gröze  clage  =  clage 
alsus  Bb,  chlage  hie  Ea;  4051  so ^=^ also;  4116  und  AdDf= 
fehlt;  4146  ich=^wandich;  4183  urien=frien  BE,  freyen  c,  farien 
a  (ähnlich  1200.  2111);  4230  sol  =  muoz;  4268  dt  daz  =  sit; 
4487  die  wil  er  =  un  wil  si;  5247  der^swer  (fehlt  b);  5326 
wanc^^  wider  wanc  (letzteres  wol  richtiger,  da  wanc  mehr  ein 
ausweichen  nach  der  seite  als  direkte  umkehr  bezeichnet); 
5498  gnäde  =  hulde;  6582  dem  =  im  E,  ir  Bba.  —  Hierzu 
fiige  ich  einige  stellen^  an  denen  eine  hs.  fehlt  oder  ihre  Variante 
nicht  angegeben  ist:  4754  dannoch  hin  komen  mac  AdD  ==  ir 
(der  h)  ze  helfe  k.  m,  Eb  (wie  4798;  B  fehlt,  a  nicht  angegeben), 
darauf  4755  dar  AdD  ==  der  Eab;  5272  missercete  Ad,  valsche 
rete  D  ==  missetmte  BEc;  6460  wir  leben  AdDf  =  leben  wir  BbE; 
4138  do  =  des  B,  daz  ab;  5899  er  AdDf=^r  ÄeeBbaC;  hier- 
her werden  auch  noch  einige  andere  stellen  gehören,  an  denen 
die  Variante  von  Bab  angegeben  ist  und  man  ni6ht  sicher  weiss, 
ob  E  benutzt  ist.  In  den  fällen,  in  welchen  der  Übereinstim- 
mung von  AdD  zwei  oder  mehr  verschiedene  lesarten  in  Bb 
und  Ea  gegenüberstehen,  wird  es  kaum  zweifelhaft  sein,  dass 
AdD  das  richtige  erhalten  haben,  so  3838  wä  AdD  (sicher  das 
richtige)  =  daz  Bb,  da  ac;  3923  dd  =  nu  Ea,  eines  tages  Bb; 
4125  schüefe  niwan=>niwan  schüfe  Ea,  schuoffe  B,  geschuff  b; 
4154  gewesen  ioiiM  B,  mit  der  rede  b,  ein  teil  Ea;  4483  er  hat 
ir  noch  =  noch  hat  er  ir  b,  un  hat  ir  noch  B,  der  hat  er  [noch  E/ 
Ea.  Umgekehrt  wird  man  BbEa  zu  folgen  haben,  wenn  Ad 
und  D  auseinandergehen,  so  3556  als  ich  BbEa  {L,)=also  bin  ih 
A,  als  mich  Dcd;  3684  wol  beider  BbEaf  =  beider  nu  wol  Ad  (L.), 
n^ol  D;  3951  er  (der  a,  un  EbJ  wände  er  BhEiB,  =  wände  er 
Dd  (b  ist  druckfehler)  (L.),  dazer  A  (D  und  d  ändern  in  ver- 
schiedener weise  die  vorhergehende  zeile  so,  dass  der  lewe 
nicht  mehr  Subjekt  bleibt,  die  auslassung  von  er  muste  die 
notwendige  folge  davon  sein;  das  asyndeton  steht  hier  auf  eben 


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336 


PAUL 


so  schwachen  fUssen  wie  an  der  einzigen  parallelstelle  bei  Hart- 
mann 3620  si  reit  dar,  gehabt  tm  bi  nach  d,  während  BDEacdf 
imd  nach  dar  haben). 

Viel  seltener  ist  es,  dass  AdBb  und  EaD  sich  einander 
gegenüberstehen.  Hier  ist  von  vonherein,  da  Ea  etwas  mehr 
als  Ad,  und  D  noch  mehr  als  Bb  ändern  die  grössere  Wahr- 
scheinlichkeit dafür,  dass  AdBb  das  richtige  bewahrt  haben, 
ohne  dass  man  indessen  eine  garantie  dafür  hätte.  4111  der 
eine  ist  B,  der  eine  A,  der  ist  d,  der  ist  einer  h{=ez  (daz 
D)  ist  der  DEa;  4228  sol  =  7vil;  4568  mit  einem  munde  Ad 
Bbf  WigaL  =  »i.  gemeinem  m,  DEac;  6965.  ^  jugent :  tugent 
^^tugentijugent;  6850  den  so  bd  (L.),  den  B,  so  A  =  vil;  an  zwei 
stellen  fehlt  A:  6955  mit  (an  B)  dem  andern  an  dem  tage  Bbd 
(L.)  =  an  dem  selben  tage  DEHa;  6981  was  Bbd=  i^^  DEa  (L); 
ß  fehlt:  6297.  8  wan  da  rvonte  in  armuot  bescheiden  wille  unde  guot 
AiM  =  armi^te  :  guete  DEa  (letzteres  wol  vorzuziehen).  Ver- 
schiedene lesarten  stehen  der  tlbereinstimmung  von  DEa  gegeih 
über:  4334  un  Adf  (L.)  wan  Bb  =  fehlt;  5847  et  B  (L.)  oh  A, 
doch  d  =  fehlt  DEaf;  6774  daz  A  (L.)  do  bd  (lücke  in  B)  = 
un.  Bei  einer  vollständigen  kenntnis  des  handschriftlichen 
materials  werden  sich  diese  stellen  wol  noch  etwas  vermehren 
lassen.  Für  eine  sichere  her&tellung>  des  textes  in  allen  den 
fällen,  in  welchen  AdD  und  BbEa  oder  AdBb  und  DEa  einan- 
der gegenüberstehen,  können  wider  die  noch  nicht  benutzten 
hss.  gute  dienste  leisten.  Schliesslich  mache  ich  noch  einmal 
darauf  aufmerksam,  dass  diese  combinationen  als  nicht  un- 
wesentliche Zeugnisse  für  die  nähere  verwantschaft  von  A  mit 
d  und  E  mit  a  benutzt  werden  können. 

Ich  denke  also,  dass  es  gelungen  ist  ftlr  den  von  uns  be- 
zeichneten abschnitt  mit  leidlicher  bestimmtheit  das  abstam- 
mungsverhältnis  der  hss.  zu  ermitteln,  welches  sich  etwa  in 
folgender  figur  darstellen  würde,  in  der  die  griechischen  buch- 
staben  die  nur  erschlossenen  mittelglieder  bezeichnen: 


I 
A 


I    I 
d  E 


f   J>. 


B 


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HANBSCflßll^TENVERHAELTNlS  DES  IWEIN.        ^    337 

Dazu  ist  zu  bemerken,  dass  das  mittelglied  ß  zweifelhaft  ist, 
dass  ferner  zwischen  c  und  f  einerseits  und  ß  anderseits  mög- 
licherweise ein  gemeinsames  Zwischenglied  anzusetzen  ist  Nur 
gegen  ende  beginnen  die  Verhältnisse  unklar  zu  werden;  auch 
Übereinstimmungen  von  BbD  finden  sich  hier  nur  wenige. 


Wir  wenden  uns  jetzt  zu  dem  ersten  teile  des  Iwein  und 
sehen  zunächst  zu,  ob  und  wie  weit  es  möglich  ist  auf  diesen 
die  ftlr  den  zweiten  teil  gefundenen  resultate  zu  übertragen. 
Zunächst  statt  der  späterhin  so  zahlreichen  und  charakteri- 
stischen Übereinstimmungen  zwischen  B  und  b  haben  wir  hier 
eine  ganz  winzige  anzahl,  die  uns  nicht  veranlassen  würde  an 
etwas  anderes  als  zufall  zu  denken,  wenn  wir  auch  berück- 
sichtigen, dass  in  den  ersten  606  versen  die  Variante  aus  b 
öfters  fehlt.  Die  lesarten,  welche  Bb  allein  gemein  haben, 
smd  folgende:  203  dSist  B,  dest  h  =  daz  ist;  596  dSisfvar  = 
zwäre;  700  rfa  =  fehlt;  968  michel^grdz;  1061  fehlt  ri/;  1149 
cUsen  =  solchen ;  1343  niht  en=^niht  Eacd,  iht  D,  ne  ne  A] 
1794  gevolget  (L.)  =  voigete  A,  der  volgete  Dacdf;  1860  fehlt 
der  wcere  AdD,  dar  wieder  c,  des  a;  1980  fehlt  dehein\  2050 
in  =  im;  2135  des  manen  schin==der  man  sein  A,  der  nume 
schin  Eäd,  daz  monschein  D;  2167  fehlt  vil;  2222  sach  (L.)  = 
gesah  Aa,  ansach  AdEf;  ^2420  un^^si;  2659  et  (L.)  =  ez  a, 
er  d,  fehlt  AdE;  2672  fehlt  wol;  2691  zimt^gezimet;  2717 
iunchfrouwe  =  maget;  2967  em  =  dr ;  2980  &uch  mir  ==  mir  otwh 
Ead,  mir  AD  (L.);  3069  un  lagen  da  =  dä  lägen  si;  3131  gar 
=  fvoL  An  mehreren  stellen  fehlen  so  viele  hss.  oder  die  an- 
gäbe ihrer  Varianten,  oder  die  andern  hss.  weichen  so  sehr 
Von  einander  ab,  dass  Bb  recht  wol  allein  das  richtige  erhalten 
haben  können  und  zum  teil  sicher  erhalten  haben:  701  w/= 
an  Ad  (L.),  mder  a  (an  mich  fehlt  D);  1304  da  vor '^  vor  des 
Acd  (L.),  allez  vor  a;  1678  giengen^=^gienge  ADc  (L»),  die 
gierigen  Ead;  2919  gerou  =  rou  AE  (L.);  3121  vm  erst  Bbf= 
von  ersten  AD(L.),  von  den  ersten  D,  alreste  Eal  Aus  diesen 
Zusammenstellungen  ergibt  sich  klar,  dass  das  Verhältnis  hier 
ein  ganz  anderes  ist  als  im  zweiten  teile.  Die  erste  charak- 
teristische gemeinsame  abweichung  von  Bb  ist  3169  un- 
lohlich  =  unbillich,  Soll  man  sich  den  unterschied  da- 
durch erklären,   dass  der  Schreiber  der  vorläge  von  Bb  sich 

Beitrüge  asnr  geschiohte  der  deatsohen  spräche.  I.  23 


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338  PAUL 

im  anfang  genau  an  sein  original  gehalten  und  erst  von  3169 
an  begonnen  hätte  willkürliche  änderungen  zu  machen?  Das 
wäre  wenig  glaublich.  Eher  schon  liesse  sich  denken,  dass 
die  vorläge  von  Bb  von  zwei  verschiedenen  Schreibern  ge- 
schrieben wäre,  von  denen  der  zweite  kurz  vor  3169  einge- 
setzt hätte.  Aber  immerhin  wären  dann  die  Übereinstimmungen 
doch  auffallend  gering,  wie  schon  der  vergleich  mit  Ad  und 
Ea  lehrt*),  deren  vorlagen  wir  gewis  im  vergleich  zu  andern 
auch  alten  mittelhochdeutschen  hss.  vorzüglich  nennen  müssen, 
und  überhaupt  gehen  sie  kaum  über  das  durchschnittliche  mass 
der  Übereinstimmungen  zwischen  zwei  beliebigen  andern  nicht 
verwanten  hss.  hinaus.  Auch  mit  einer  oder  zwei  andern  hss.  zu- 
sammen teilen  Bb  nicht  viele  ab  weichungen;  nur  mit  E  haben 
sie  einige  aufifiallendere  gemein,  worüber,  so  wie  über  die  ihnen 
mit  D  gemeinsamen  alsbald  weiter  unten  zu  handeln  sein  wird. 
Man  wird  sich  kaum  der  Vermutung  erwehiiön  können,  dass 
eiAe  von  beiden  oder  beide  hier  einer  andern  quelle  folgen. 

Aehnlich  steht  es  mit  Ea.  E  beginnt  erst  mit  1331.  Mit 
folgenden  ab  weichungen  stehen  Ea  allein,  die  sich  kaum  ver- 
mehren lassen  werden,  da  E  in  dieser  partie  sehr  vollständig 
benutzt  scheint:  1599  an  gesah  E,  gesach  a  =  aber  sah  A,  me 
ersach  Bcdf,  ersach  Db;  1770  hinne^^  hinnen;  1828  fehlt  itm«; 
2223  m:^ fehlt;  2617  fehlt  nu  Ab,  her  BDdf;  2704  unsippigm 
^^unsippiu.  Die  einzige  beachtenswerte  ist  1879  mags  ouz 
ubelem  E(L.),  mag  sy  von  ubelime  a  =  mah  sus  ubil  ABcdf, 
wo  aber  auch  die  Verderbnis  nahe  lag.  Fast  in  demselben 
Verhältnis  gering  ist  die  zahl  der  Varianten,  welche  Ea  mit 
einer  andern  hs.  teilen,  so  5  mit  A  1626.  1974.  2254.  2818. 
2880;  3  mit  B  1768.  2510  (richtig).  2877;  3  mit  D  1678.  2550. 
2933;  5  mit  b  1332.  1721.  2860.  2988.  3162.  Auf  der  andern 
Seite  sind  die  fälle,   in  denen  in  zwei  verschiedenen  combi- 


*)  Ich  bemerke  dazu,  dass  zur  bestimmung  des  grades  der  Wahr- 
scheinlichkeit, welche  die  annähme  der  verwantschaft  zweier  hss.  hat, 
oder  zur  vergleichung  der  stärke  der  verwantschaft  innerhalb  verschie- 
dene handschriftengruppen ,  nicht  unmittelbar  die  zahlen  der  gemain- 
samen  abweichungen  zu  vergleichen  sind,  sondern  dass  davon  zuvor  die 
durchschnittliche  zahl  der  zufälligen  sich  zwischen  nicht  verwanten  hss. 
findenden  Übereinstimmungen  abgezogen  werden  muss,  wodurch  das  geo- 
metriJSTCke  Verhältnis  sich  unter  umständen  bedeutend  verändert. 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  339 

nationen  E  und  a  sich  gegenüberstehen,  sehr  häufig.  Nach 
3200  ist  die  erste  gemeinsame  abweichung,  mit  der  Ea  allein 
stehen  3292,  die  zweite  3372;  erst  von  3407  werden  die  fälle 
häufiger  und  sind  in  der  nächstfolgenden  partie  überhaupt  am 
häufigsten.  Alle  diese  Verhältnisse  sprechen  stark  dagegen^ 
dass  auch  von  anfang  an  E  und  a  aus  derselben  quelle  geflos- 
sen sind.  Besonders  zu  bemerken  ist  noch,  dass  E  ein  paar 
auflfallende  berührungen  mit  Bb  hat,  die  viel  erheblicher  sind 
als  die  mit  a:  1367  benamen  =  zwäre  ADad;  1602  si  weste  in 
aber  (aber  in  E^  so  stcete  BE,  were  aber  ist  so  stete  b  =  swes 
sin  aber  s6  (also  acd^  stät  Aacd,  swer  aber  solhen  sin  hat  D; 
1584  allez  ubel=^wol  (fehlt  A)  allez  bar  (das  Aj  ADd,  alliz 
rvol  a  (in  b  eine  lücke).  Die  beiden  ersten  stellen  könnten 
eher  eine  verwantschaft  von  B  und  b  begründen,  als  die  ab- 
weichungen,  mit  denen  sie  allein  stehen.  Kleinere  abweichungen 
haben  BbE  noch  gemein:  1398  hie ^ oh  A(L.),  fehlt  Dadf; 
1542  fehlt  zuo;  1681  da  =  daz;  1712  ledech  dazuo  (dar  uoz  Ej 
=  dar  zuo  ledic;  1839  un  ABEh  =  oder  Dacdf;  1839  t;// fehlt; 
1955  nu  Adaf,  und  d=  fehlt  BbE;  2180  geriet  =  riet  Dadf; 
2205  der  BbEc=  fehlt;  2512  erzeiget  =  zeiget;  2558  ienen{L, 
richtig)  =  me?t  d,  in  dort  A,  yngegin  ym  a.  Wir  sehen  die 
Übereinstimmungen  von  E  mit  Bb  sind  sogar  noch  etwas  häu- 
figer als  die  mit  a.  Eine  bemerkenswerte  Übereinstimmung 
von  E  mit  Bb  ist  noch  in  dem  zweiten  teile  3989  erbe  (L.)  = 
ere  ADadf.  Eine  bestimmte  erklärung  der  Übereinstimmungen 
von  BbE  zu  geben  kann  man  kaum  wagen. 

Dagegen  gehen  die  Übereinstimmungen  zwischen  A  und  d 
ziemlich  gleichmässig  durch.  A  und  d  stehen  allein:  135  mohter 
auch  (h.)  =  moht  ouch  ir  BDfr,  da  soldestu  auch  a;  \1^  zo  (L.) 
=^gar  Sij  fehlt  Bcfr;  266  ih  {L.)  =  ich  da;  267  wart  (L.)  = 
was;  271  groz  {L,)  «=  grozze ;  347  ne  duot  (A),  tut  A^^getuot; 
360  so  (L.)  =  fehlt;  393  ^az  =  fehlt;  508  habent  =  hant  BDc- 
508  mirs  d(L.),  mirz  A  =  mir  si;  535  ih  aber  {L.)==aber  ich; 
538  na  A(L.),  nahend  A.  =  verre;  604  höret  {L.)=gehosret; 
640  sTvart  A(L.),  schwarzes  d==sw(eres  BbfD,  stürm  a;  643 
von  (L.)  in  BDb,  an  a;  670  wan  =  wan  daz;  736  wandih  (L.) 
=  ob  ich;  792  fehlt  mir;  854  ew  habet  es  {L.)=habt  ez  iu; 
921  irbitet  {h,)^Utet  (arbeitet  \));  932  alsd  (L.)  =  als;  1004 
fehlt  sich;    1087  daz  {L,)==daz  er  BD,   der  b;    1188  doh  (L.) 

2;r 


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340  PAUL 

=  fehlt;  1300  ir  neret  ene  {h,)=nert  in  ein;  1337  ^ar  =  fehlt; 
1386  oh  (L.)  =  fehlt;  1509  ir  aber  {L,)==aber  ir  BDcf;  1548 
fehlt  (L.)  umbe;  1611  fehlt  (L.)  mir;  1680  fehlt  (L.)  deiz  und 
tcete;  1703  dou  muosterz  doh  Ad  (L,)==doch  muoste  erzD,  daz 
muose  er  doch  (fehlt  ac)  Bacf;  1771  daz^=diz;  1811  salih  = 
sol  sich  (L.);  1839  kürzerem  d(L.),  kurzer  k  =  kurzem;  2208 
öÄ  =  fehlt;  2217.  8  also  (als  sy  A)  vroliche  fbilliche  dj  dou 
bar  de  (geparet  d)  sie  geliche  =  do  gebarte  sigeUche.  durch 
ir  {So  gar  a,  harte  DJ  gemHche  (gcemeliche  E,  gemellich  bc,  ge- 
meynecliche  a,  zornichleiche  D)  BDEabc,  do  gepart  $i  dem  ge- 
leich mit  trübtm  gepärde  ernstleich  f.  (Wie  es  klar  ist,  dass 
in  Daf  geändert  ist,  weil  man  an  gemelüche  anstoss  nahm, 
ebenso  klar  ist  es,  dass  wir  in  Ad  eine  änderung  aus  gleichem 
gründe  vor  uns  haben;  die  Umstellung  war  notwendig  um 
überhaupt  einigen  verstand  hineinzubringen;  die  verderbung 
des  Sinnes  liegt  dennoch  auf  der  band);  2300  niene  L.  =  niht 
(nu  gJ;  2430  mane  A,  man  d  =  mannes  Bbd  (L.)  di  man  D 
die  manne  E]  2341  w^e  min  A,  wie  nun  d=^owe  min  (L.);  2431 
t^w  =  fehlt  (L.);  2510  un  =  nu  BEa(L.);  2554  enget  (L.)  = 
engeis;  2816  ö^^r  (L.)  =  wn;.  2857  riterscaft  {L,)=^riterschefte; 
2868  da  ne  {L.)=da;  2880  kohinginne  ==  kunegin  BDc(L.); 
2898  gebringen  (Ij,)  =  bringen;  2983  entruwen  =  {Qh\t\  3050 
treip  =r vertreip  (L.);  3079  iz  =  im  (L.)  (in);  3121  von  ersten 
{L)  =  von  erst  Bbf,  von  den  ersten  Dj  alresteHtSi]  3166  do  (L.) 
=  fehlt;  3187  w«  (L.)  =  ouch  BD,  fehlt  abc.  Die  zahl  und  be- 
deutung  der  gemeinsamen  abweichungen  ist  der  ansieht,  dass 
A  und  d  aus  einer  quelle  geflossen  sind,  noch  etwas  gtlnstiger 
als  im  zweiten  teile. 

Während  also  A  und  d  ihr  gegenseitiges  Verhältnis  durch 
das  ganze  gedieht  hindurch  gleichmässig  bewahren  und  dem- 
nach von  vom  bis  hinten  aus  einer  gemeinsamen  vorläge  ab- 
geschrieben zu  sein  scheinen,  sind  wir  genötigt  bei  BbEa, 
respect.  deren  nächsten  vorlagen  einen  Wechsel  in  dieser  be- 
ziehung  anzunehmen.  Dabei  lassen  sich  verschiedene  möglieh- 
keiten  denken.  Es  können  entweder  sowohl  B  als  b  ihre  vor- 
lagen gewechselt  haben,  oder  nur  je  die  eine  von  beiden,  so 
dass  die  andere  in  dem  vorderen  teile  dieselbe  vorläge  reprä- 
sentierte, wie  beide  zusammen  in  dem  hinteren.  Welche  von 
den  verschiedenen  möglichkeiten  wirklich  vorliegt,  das  zu  ent- 


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-  HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  341 

scheiden  wäre  nun  die  wichtigste  aufgäbe,   an   deren  endgül- 
tiger lösung  wir  allerdings  werden  verzweifeln  müssen. 

Die  beziehungen  von  E  zu  Bb  scheinen  dafür  zu  sprechen, 
dass  E  im  anfang  einer  andern  quelle  folgt,  während  dann  a 
dieselbe  wie  späterhin  benutzt  haben  könnte.  Aber  es  fehlt 
doch  viel  daran,  dass  wir  das  mit  Sicherheit  daraus  folgern 
könnten.  Die  übereinstmmungen  sind  nicht  durchgreifend  ge- 
nug, und  vor  allem  steht  entgegen,  dass  eine  verwantschaft 
von  B  und  b  in  diesem  teile  so  unwahrscheinlich  ist,  die  doch 
vorausgesetzt  würde,  wenn  die  Übereinstimmungen  von  BbE 
durch  die  ableitung  aus  einer  gemeinsamen  vorläge  erklärt 
werden  sollten.  Die  frage  ist  von  Wichtigkeit  zur  bestimmung 
des  wertes  der  combination  Ada.  Fälle  in  denen  AdEa  sich 
BDb  gegenüberstellten  finden  sich,  soweit  das  aus  den  Varian- 
ten zu  ersehen  ist,  nicht  vor  3303,  dagegen  mehrere  solche, 
in  denen  Ada  den  übrigen  nebst  E  gegenüberstehen:  1451 
bescorven  =  schoiiwen  BDEbc;  1453  michele  =  grozze  BDEbcf; 
1468  unsalichiz  =  unscelech  BDEbc;  1935  5/^  =  fehlt  BDEbf 
(richtig;  des  enisi  niht  'das  ist  nicht  der  falF;  flir  die  andere 
Wendung  ist  mir  kein  analoges  beispiel  bekannt;  um  den  sinn, 
den  dieselbe  haben  soll,  auszudrücken,'  würde  doch  wol  ein- 
fach gesagt  sein  si  enist)\  2330  e  des  niht  ensüle  (nicht 
sol  d,  ntch  solde  2iJ  =  desn  (des  DE,  daz  h)  sol  (mach  D) 
niht  geschehen  BDEb  (hier  ist  wol  sicher  mit  recht  die  lesart 
von  A  in  den  text  gesetzt;  bei  Chrestiens  ist  Iwein  sofort  be- 
reit zu  gehen,  aber  freilich  nachdem  ihm  Lunete  gleich  ohne 
weiteres  das  leben  von  selten  ihrer  herrin  zugesichert  hat); 
2305  guot==muot  BDEbcf  (es  ist  leichter  begreiflich,  dass 
letzteres  aus  erstcrem  geändert  wäre,  als  umgekehrt;  auch 
scheint  der  gegensatz  2312  ich  mac  Verliesen  wol  min  laut  auf 
guot  hinzuweisen,  so  dass  dann  das  vorhergehende  ahte  läge, 
Verhältnis'  bedeutet);  2352  aber  Aadf=  fehlt  BDEbc;  2363  hahe 
=  han  BDEb;  2429  guoten  Aadc  =  fehlt  BDEb.  Nach  diesen 
stellen  und  danach,  wie  sonst  in  dieser  partie  a  zu  E  steht, 
ist  es  nicht  wahrscheinlich,  dass  E,  wo  keine  Variante  davon 
angegeben  ist,  zu  a  stimmt.  Die  lesarten  in  2230  und  2305 
sind  der  ansieht  günstige  dass  a  derselben  quelle  wie  später  folgt 
und  E  einer  anderen  mit  BDb  näher  verwanten,  wodurch  na- 
türlich nicht  ausgeschlossen  würde,  dass  a  mitunter  auch  durch 


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342  PAUL 

Zufall  in  einer  falschen  lesart  zu  Ad  stimmen  könnte.  Was 
aber  diese  ansieht  wider  zweifelhaft  macht,  ist,  dass  2305 
auch  cf,  die  im  zweiten  teile  so  überwiegend  sich  zu  AdEa 
stellen,  hier  zu  BDb  stimmen,  und  das  ist  auch  an  den  meisten 
übrigen  stellen  der  fall,  wo  die  Variante  von  E  fehlt,  und  in 
dem  teile,  der  in  E  nicht  vorliegt,  so  99  undsy  d(L.),-  un  Asi  =  si 
BDcr;  119  von  =  vor  Bbcf,  vur  D;  135  mohter  oh  Ad,  soldestu 
auch  ai>  =  moht  ouch  ir  BDrf;  Mb  un  =  noch  BDbc;  413  gerou 
-— rowBDc(L.);  9Slienemd(L)j  ienenA,  gern  a=  ^m^mBDbf,  demQ] 
cund  f  teilen  sich  3166  /r^  Aac,  ir  es  d  =  ir  sin  BDbf.  c  oder  f 
stimmen  zu  Aad:  860  ungevuoge  Asidc  =  un/uoge  BbDr;  1232 
zewette  =  enrvette  BDb;  2128  daz  Acd,  daz  er  ^==der  BDb. 
Die  lesarten  von  c  und  f  sind  mir  unbekannt:  269  den  =  einen 
BDb  (d  ist  druckfehler  flir  D)  (bei  Chrest.  tot  le  jor)]  898 
ime  =  dem]  658  der^ez  den;  2424  diu  hurt  unt  tiu  jugent  = 
gehurt  un  iugent.  An  mehreren  stellen  stehen  der  Übereinstim- 
mung von  BbD  verschiedene  lesarten  der  andern  gegenüber: 
1172  ner  {L.)  =  ffenere  A,  ernere  cd,  dernere  a;  2299  harte 
(L.)  =  vast  d,  vil  A,  gar  a;  2733  mans  dem  =^  man  is  em  A  (L.), 
m^n  ims  f,  man  i?n  des  ad. 

Nach  allem  lässt  sich  wol  behaupten,  dass  die  combination 
Aad  im  ersten  teile  nicht  ganz  den  wert  beanspruchen  kann 
wie  AdEa  im  zweiten.  Ihre  geltung  wird  noch  mehr  erschüt- 
tert, wenn  wir  die  Übereinstimmungen  zwischen  A  und  a  gegen 
d  ins  äuge  fassen.  Deren  sind  nicht  wenige  und  darunter 
mehrere  der  art,  dass  man  sie  schwerlich  aus  blossem  zufall 
erklären  kann.  Lachniann  ist  ihnen  meistens  gefolgt,  wiewol 
kein  entscheidender  grund  dafür,  wol  aber  öfter  dagegen  spricht.  Ab- 
zuziehen haben  wir  davon  zunächst  rein  dialektische,  die  darauf 
beruhen,  dass  a  von  einem  mitteldeutschen  Schreiber  geschrieben 
ist.  Dahin  gehören  formen  wie  eime  (L.)  =  einem ;  morne  (L.) 
=  morgen  2123.  2150  (und  danach  6346  von  Lachmann  gegen 
alle  hss.  geschrieben ;  im  reime  gebraucht  Hartmann  nur  morgeji)] 
manlich  (L.)  63  =  mwnecUch  BdD  (steht  überwiegend  in  mittel- 
deutschen werken);  hecken  ^2^  =  hecke;  owest  (L.)  3058  = 
ougest  (sonst  nur  aus  mitteldeutschen  quellen  belegt);  mos  5570 
=  mies;  wirken  6191.  6d81  =  würken;  ferner  vertausclmngen 
des  genus:  so  werden  gewalt  und  Ust  immer  als  feminina  ge- 
braucht, Ion  und  harnasch  als  neutra,  auch  mcere  2327  als  fe- 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  343 

mininum;  verdagen  wird  861  und  gnüegen  4792  mit  dem  dat 
coDstruieii;  gegen  den  acc.  der  übrigen,  spotten  1066  mit  dem 
acc  statt  des  gen.  Sehr  häufig  haben  Aa  allein  dicke  gegen 
ofte  der  andern  worin  ihnen  Lachmann  mit  unrecht  folgt. 

Hiervon  abgesehen  stimmt  A  mit  a:  73  uffa  (L.),  uffe  A 
=  umbe  BDbcd;  95  von  =  un  von  Bf,  und  doch  von  D,  und  bc; 
99  un  =  und  sy  d,  ^/BDcr;  105  ein  ^=  eine  B,  a//m  bcdr,  fehlt 
Db;  121  fehlt  des  Bdc,  es  r;  155.  6  un  wir  daz  wizen  vil 
woL  daz  A,  und  das  wissin  wir  alle  wol  daz  a=ww  wcere  daz 
weiz  got  (henamen  x)  vil  wol.  wan  BDdr,  das  auch  weiss  got 
war  wol  wan  b,  das  waiss  auch  got  zwar  wol  wan  c  (153  —  8 
fehlen  f)  (die  lesart  von  BDdr  braucht  uns  nicht  ganz  dunkel 
zu  sein;  sie  bedeutet  Wd  das  würde  sich  so  gehören,  das  wäre 
ganz  in  der  Ordnung';  vgl.  z.  b.  Freid.  95,  11  hwrt  iht  dinges 
me  dar  zuo,  daz  ist  wol  daz  man  daz  tuo  und  andere  im  mhd, 
wb.  citierte  stellen;  die  von  A,  aus  der  die  von  a  abgeleitet 
ist,  kann  nichts  anderes  sein,  als  eine  flache  änderung  eines 
Schreibers,  der  an  dem  ausdrucke  anstoss  nahm;  Laehmann 
muss  erst  un  in  wan  ändern  um  sie  verständig  zu  machen); 
162  und  het  irs  ein  teil  nider  geleit  =  u,  h.  i.  e.  t,  verdagt 
BDbcdfr  (der  reim  ist  geseit,  gesagt;  die  änderung  scheint  da- 
durch veranlasst  zu  sein,  dass  einem  Schreiber  nur  die  form 
geseit  geläufig  war  und  auf  der  andern  seite  nur  verdagt,  nicht 
das  seltene  verdeit)]  163  gezame^=z(eme  BDcd  (L.);  424  ais 
a(L.),  also  A  =  sam  BDcdrf;  435  vor  wassen  =  verwalken 
BDcdf(L.);  493.4  ifehlen;  606  also=sd  (L.);  615  da  =  derneB, 
der  Dd  (besser),  es  b;  660  stount=bestuont  BDc,  gestunt  bd;  665 
was=wasdaBQdLi]  696^0=  fehlt BDbdr  (ist  zur  herstellung  der 
gleichmässigkeit  hinzugesetzt);  722  oder  mir  den  lip  lan  a 
(L.),  undenlifdarumbelanA  =  ode  (fehlt  b)  ez  muoz  mir  (euch 
b,  uns  r)  an  den  lip  gan  BDbdfr  (empfängt  der  henr  des  brun- 
nens  keine  busse  vom  Kalogreant,  wenn  dieser  sein  leben  lässt? 
einen  sinn  könnte  die  lesart  von  a  nur  so  haben,  dass  Kalo- 
greant aufgefordert  würde  entweder  freiwillig  ersatz  zu 
leisten,  oder  im  Weigerungsfälle  des  todes  gewärtig  zu  sein; 
dem  widerspricht  aber  die  ganze  Situation,  wonach  es  als 
selbstverständlich  vorausgesetzt  wird,  dass  beide  zusammen 
kämpfen;  die  andere  lesart  ist  klar:  'es  sei  denn,  dass  es  mir 
an  das  leben  geht,  so  müsst  ihr  mir  btissen*;  etwas  ähnliches 


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344  PAUL 

ist  auch  im  franz.  angedeutet  495  mes  se  je  puis,  sire  vasaxj 
sor  vos  retomera  eist  max)]  797  künde  =chan  BDbdfr;  836 
fehlt  auch  BDbdf;  1008  gereift  bereit  BDcdf;  '1024  die  =  den 
BDcdf  (es  lag  viel  näher  den  sing,  in  den  pl.  zu  verwandeln 
als  umgekehrt);  1119  lach  =  gelach  BDbdf;  1124  slachdor= 
slegetor  (L.);  1168  kurzir=dirre  BDdf,  der  d;  WM  des = 
daz]  1207  gevinden  =  vinden  BDd,  befinden  bc]  1251  an=in 
BDbd  (L.);  1359  were  gewnt  A,  wer  vur  rvunt  a  {wcere  rvunth) 
^^wuorde  rvunt  BEd,  si  rvunt  Db;  1369  5im^=  fehlt  BDEbcdf; 
1500  dumbe  (tobende  B.J  gedanken=  tumben  gedanch  BDEcdf; 
1610  eia^ia  BDEbcd,  ach  f;  1632  also  =  als  BDbdc;  1660 
soIde  =  rvoldeBI)EGäy  rvil  f;  1663  gezeme  =  z€emeB'E\^cdi\  1735 
anders  rva^=  anders  Bbd,  niht  anders  E,  fehlt  cf;  1763  etlichen 
dingen  ==  etlichem  dinge  (L.);  1778  nahe  =^  nahen  da  BDd  (L), 
da  wöÄ^Ebc;  1946  der  fehlt  BDEbcd;  2091  zen  eren  A(L.), 
rvol  czu  eren  2i  =  ze  herrenBDbd]  2222  gesah=sach  Bb  (L), 
ansach  DEdf;  2292  is  niht  ^  niht  E,  nihtes  BDbdf;  2357  her 
^=ez  (L.);  2386  dur  =  al  durch  Ebcd,  enmitten  durch  BD] 
2426  fehlt  owe  BDEbcdf;  2462  und  rvy  er  a  (L.),  rvi  her  A  = 
un  BDEbcdf;  2524.  5  a/^ö  =  a/^  BDEbd;  2798  also  =  so  Bbd; 
2852  srver  ^  der  BDbdf;  2900  rvandels=rvandel  BDbcdf  (letz- 
teres ist  richtig;  vgl.  Parz.  56,  27  des  engerte  se  keinen  rvandel 
niht)]  2995  vrou=-  min  frou  Bbd,  ze  frourven  D;  3035  fehlt  e 
BDbd;  3109  also  =  als  (L.);  3157  unze  A  (L.),  biz  2L  =  unz 
daz  Bcdf;  daz  Db;  3182.  3190  von  dirre=^/ur  dise  BDbdf.— 
Auch  weiterhin  folgen  noch  gemeinsame  abweichungen,  wenn 
auch  an  zahl  und  bedeutung  geringer:  3286m*^  =  mÄ^  BDGbd; 
3528  ^contf  =  fehlt  BDbcd;  3539  des  =  der  DEbdf,  die  B  (L); 
3804  fehlt  =  ^w^r  BDEcdf  (L.);  3813  iz  doh  =  es  nu  c,  ez 
DEdf,  selten  (lutzel  h)  ez  Bb;  4006  mih  (L.  falsch,  worüber 
später)  =  m/r;  4197  daz  sich  min  vrourve  min  (sin  SiJ  unäer- 
rvant  =  daz  sichs  (sich  h)  min  v.  u.  (L.);  4265  von  =  vor  BDbdf, 
4316  stundiz  =  stuende  BDbd;  4325  u  rvol  A  (L.),  u^h  sin  a= 
sin  DEdf;  4340  uh  =  ouch  BDEbd  (L.);  4394  uf  den  lip  vil 
(sere  ^)=^ofte  uf  den  lip;  4518  ir  het=^ir  BDcdf,  da  het  ir 
E;  4561  vromecheit  =  milticheit  BDbcdf  (letzteres  dem  Zu- 
sammenhang angemessener);  4730  mir  (fehlt  a)  ^o  umb  m  = 
im  {nu  d,  fehlt  De)  so  umb  mich  (uns  DJ  DEbdcf;  4907  die  = 
si  Bf,  sich  DEbd  (ich  kann  nicht  finden,  dass  in  Lachmanns 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  ,         345 

herstellung  'alles  geschickt  und  ebenmässig  geordnet  ist';  es 
wäre  doch  sonderbar,  dass  bei  der  aufzählung  derer,  die  der 
hülfe  Iweins  wert  sind,  Gaweins  schwerer  tibergangen,  und 
dann  ganz  im  gegensatze  dazu  gesagt  würde,  dass  ihre  kinder 
ihm  um  ihretwillen  leid  getan  hätten,  von  denen  ihfa  doch 
wenigstens  die  tochter  ebenso  bekannt  ist  und  mindestens  den- 
selben anspruch  auf  mitleid  hat;  und  warum  sollten  anderseits 
nur  die  kinder,  nicht  die  mutter  ihm  um  Gaweins  willen  leid 
getan  haben?  Und  zu  seinem  keineswegs  befriedigenden  texte 
gelangt  Lachmann  erst  durch  eine  unberechtigte  bevorzugung  von 
a,  indem  er  mit  ihr  4905  schreibt  kern  Gaweins  smester  kint,  wäh- 
rend ABDEbdf  w^  ir  kint  haben;  als  grund  dieses  den  regeln  einer 
methodischen  benutzung  der  hss.  widerstreitenden  Verfahrens 
gibt  er  an,  dass,  Venu  der  relative  satz  nur  auf  die  kinder 
geht,  bei  drei  gliedern  gar  nicht  gut  von  Gaweins  Schwester 
nichts  besonderes  gesagt  wird';  dieser  grund  ist  einleuchtend, 
aber  die  Schlussfolge  ist  umzukehren:  weil  nach  den  hss.  eine 
dreifache  gliederung  vorliegt,  ist  es  unpassend,  dass  nur  das 
mittlere  ohne  einen  relativen  zusatz  steht;  deshalb  ist  der  re- 
lativsatz  auf  die  beiden  letzten  glieder  zu  beziehen;  daraus 
folgt  dann  weiter,  dass  die  selben  unmöglich  und  sich  seihen 
richtig  ist;  Lachmanns  einwand  gegen  diese  durch  die  autorität 
der  hss.  wol  begründete  lesart  ist  nicht  stichhaltig;  dass  4932 
gesagt  wird,  dass  die  söhne  des  wirtes,  als  sie  in  ihrem  kläg- 
lichen zustande  von  den  riesen  herbeigeführt  werden,  Iweins 
mitleid  erregen,  macht  es  wol  noch  nicht  unmöglich,  dass  auch 
hier  schon  gesagt  wird,  dass  sie  ihm  um  ihrer  selbst  willen  zu 
herzen  gehen;  aber  was  hindert  denn  kint  für  den  sing,  auf 
die  tochter  allein  bezogen  zu  nehmen  oder  wenigstens  voraus- 
zusetzen, dass  an  sie  in  dem  relativsatze  vorzugsweise  unter 
den  kindern  gedacht  ist?);  5019  wafen^=  gew(]efenWDhA\  5089 
hehalim  =  heherten  D,  hestoeten  BEbcd  (bestceten  hat  hier  nicht 
die  bedeutung  'versichern',  sondern  ^stcete  sein  lassen'  =  be- 
halten; diese  bedeutung  finde  ich  im  mhd.  wb.  nicht  angemerkt 
aber  an  drei  darin  angeführten  stellen  scheint  sie  sicher  anzu- 
nehmen: behalten  und  bestceten  Münch.  str.  287;  femer  Reinh. 
s.  393  und  Heinr.  und  Kun.  1084;  der  etwas  ungewöhnliche 
gebrauch  scheint  bei  den  Schreibern  von  AaD  anstoss  erregt  zu 
haben);   5288  gan=^stm  BDbdf;   5357  er-=got  BDbdf;   5537 


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346  PAUL 

w  =  fehlt  BDbdf;  5686  er  =  fehlt  BDbdf;  5885  ^«>  =  fehlt 
BCDEbd  (L.);  5937  in=^si  BDbdf  und  5938  im  =  in  BDbdf; 
6069  si  =  ir  Bd;  6095  hat  =  hetBedt;  6095  wol  =  hie  wo/Bcdf; 
6268  in  =  den  BDbdfj  6311  undih^un  BDbcdf;  6330  dur  sine 
=  von  €iner  BDbdf;  6346  gesehin  =  sehn  BDbdf;  6375  iemir 
=  niemer  BDb;  6491  er  =  si  BDbdf  (nur  sie,  nicht  er  kann 
das  schönste  gras  aussuchen,  da  sie  in  führt);  6647  diz  =  daz 
BDbf;  des  d;  6673  da  solte  =  solde  da  Bf,  scholde  DEb;  6728 
anders  =  ander  (schon  in  Beneckes  anmerkung  ist  der  Vorzug 
des  letzteren  ausgesprochen);  6730  dem -==^  den  BDbdf  (das  er- 
stere  ist  von  Lachmann  in  der  zweiten  ausgäbe  in  den  text 
gesetzt;  danach  wäre  das  objekt  zu  vristen  der  abhängige  satz 
6732.  3;  der  sinn  könnte  dann  nur  sein  nach  allem,  was  wir 
bis  jetzt  über  den  gebrauch  von  vristen  wissen,  ^dem  ritter 
schob  es  seine  manheit  und  sein  verstand  auf,  dass  er  so  lange 
vor  ihnen  unerschlagen  ausdauerte',  was  natürlich  sinnlos  wäre; 
man  darf  sich  nicht  berufen  auf  1165  daz  st  iuch  nü  niht  hänt 
erslagen,  daz  vristet  niuwan  daz  clagen;  denn  hier  ist  die  ne- 
gation  nur  nach  dem  allgemeinen  mittelhochdeutschen  gebrauche 
pleonastisch  hinzugefügt);  7108  ieweder  =  ieslicher  BHf,  iglicher 
Dbd;  7372  rvanders  (rvan  deiz  Lj  =  wand  er  zu  D,  wand  er  E, 
wander  Bb,  daz  da  d,  daz  doch  f;  7649  disen  =  den  BDHbf, 
die  d;  7690  fehlt  =  her  BDHbcdf;  7709  un  =  von  der  BDbd 
(von  LJ;  7836  fehlt  nu  BDbdf;  7839  fehlt  =  m  BDbdf;  7856 
siet  =  gesiht  BDb,  ersiht  f;  7898  begundet  =  woldet  BDbdf; 
7907  «;//= fehlt  BDbd;  7936  fehlt  =  da  BDbd;  7956  iunevrom 
=  ia  frauwe  c,  ach  fraw  f,  fraw  d,  frouwe  Lunet  BD,  UiMt 
fraüw  b;  8010  Uehe  =  fehlt  BDEbd,  trawt  f;  8096  hat  =  habe; 
8116  ih=-ichs  BDbdf 

Dass  die  Übereinstimmungen  zwischen  A  und  a  gegen  alle 
übrigen  hss.  nicht  auf  erhaltung  des  ursprünglichen  zurückzu- 
führen sind,  ist  an  denjenigen  fallen,  in  denen  sich  eine  be- 
stimmte entscheidung  treiFen  liess,  zu  zeigen  versucht.  Ein 
übelstand  ist,  dass  so  oft  die  Variante  von  E  fehlt,  deren  ver- 
halten in  allen  diesen  fällen  sicher  zu  wissen  wünschenswert 
wäre.  Es  fragt  sich  nun,  wie  wir  die  vielen  Übereinstimmungen 
von  a  und  A  mit  dem  näheren  Verhältnis  von  d  zu  A  verei- 
nigen sollen.  Sie  aus  blossem  zufalle  zu  erklären  möchte  für 
den  zweiten  teil  angehen,  wiewol  sie  auch  hier  etwas  sehr  zahl- 


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HANDSCHRIFTFNVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  347 

reich  sind,  nicht  aber  durchgängig  für  den  ersten.  Es  wird 
kaum  eine  andere  annähme  übrig  bleiben,  als  dass  a  (oder  ihre 
vorläge)  zwei  verschiedene  quellen  benutzt  hat,  von  denen  die 
eihe  besonders  in  dem  vorderen  teile  zugezogene  mit  A  noch 
näher  verwant  war  als  d,  während  die  andere,  welche  ihre 
eigentliche  grundlage  gebildet  hat,  auch  von  anfang  an  dieselbe 
gewesen  sein  mag  wie  die,  aus  der  E  geflossen  ist.  Ist  diese 
hypothese  richtig,  so  verliert  dadurch  die  combination  Ada  an 
wert,  und  es  wird  ein  um  so  dringenderes  bedürfnis  tiberall 
die  lesarten  von  Ecf  so  wie  der  übrigen  gar  nicht  benutzten 
hss.  zu  kennen. 

In  ähnlicher  weise  zeigen  B  und  b  im  anfange  nähere  be- 
ziehungen  zu  zwei  andern  hss.  Wenn  diese  nicht  auf  zufall 
beruhen,  so  wird  es  von  vornherein  wahrscheinlicher  sein,  dass 
B  und  b  hier  nicht  der  selben  quelle  wie  im  zweiten  teile  fol- 
gen, als  dass  die  hier  mit  ihnen  verwanten  hss.  eine  andere 
vorläge  als  späterhin  repräsentieren.  Denn  wir  sahen  uns 
schon  früher  zu  der  annähme  genötigt,  dass  wenigstens  eine 
von  beiden,  B  oder  b,  einen  Wechsel  in  dieser  beziehung  hat 
eintreten  lassen.  Betrachten  wir  die  Varianten  in  den  ersten 
40  Zeilen,  welche  inA  (auch  in  a  und  f)  fehlen,  so  finden  wir 
eine  ganz  deutliche  gruppierung  der  hss.,  welche  von  den  Ver- 
hältnissen, wie^wir  sie  im  zweiten  teile  erkannt  haben,  gänzlich  ^ 
abweichen.  Die  fünf  benutzten  hss.  teilen  sich  in  drei  gruppen, 
Bd,  bc  und  D.  r  schwankt  zwischen  Bd  und  D.  Ich  stelle  die- 
jenigen stellen  zusammen,  in  denen  sich  Bd  den  beiden  andern 
gruppen  gegenüberstellt,  die  dann  zum  teil  wider  untereinander 
abweichen,  so  aber,  dass  mit  einer  ausnähme  jede  der  andern 
näher  steht  als  Bd  (Lachmann  folgt  immer  Bd) ;  6  der  Bdr  = 
der  ie  Dbc;  12  des  haberit  die  Bd  =  des  iehent  ime  der  bc, 
des  selben  gehellt  die  D,  des  gichet  jm  die  r;  14  sie  iehent  Bd 
=  und  wenne  b,  und  wen  c,  sprechen  Dr;  15  den  Bd  =  e/a5Dr, 
diss  bc;  21  der  BAx  =  so  Dbc;  22  un  ez  B  (L.),  und  der  es  d 
=  daz  er  Dbcr;  28  er  was  genant  Bdr,  er  ist  genant  Wiener  hs. 
=  er  was  geheizenJ),  gehaissen  was  er  bc;  34  richer  Bd  =  rittere 
\)G  =  siner  D;  38  boeser  Bd ^==swacher  Dbc;  39  vil  swachem  B 
(L.),  viel  schwachm^^^^  d  =  harte  bösem  bc,  liehtem  D.  bc  stehen 
noch  flir  sich:  19  verhert=  erwert  BdD,  eyitwert  r;  26  noch=i 
fehlt  BdD.    D  steht  mit  vielen  abweichungen  allein, 


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348  PAUL 

Die  verwantsehaft  von  b  und  c  setzt  sich  nun  auch  weiter 
fort.  Wir  können  aus  den  Varianten  wahrscheinlich  nur  einen 
teil  der  Übereinstimmungen  erkennen,  da  oft  nur  eine  von  beiden 
benutzt  ist  und  ihre  lesarten  überhaupt  unvollständig  angegeben 
sind:  45  fehlt  =  den  (das  zweite)  ABD,  der  dr;  69.  70  haben 
bc  (L.)  in  umgekehrter  reihenfolge  wie  BDadfr  (sie  fehlen 
in  A);  74  leiten  ^=  legte  (legt,  leit)  ABDad;  80  au€k  =  ensamt 
B,  zusamen  d,  sament  r,  mit  einander  a,  fehlt  AD  (L.);  95  und 
=  un  von  Bf,  und  doch  von  D,  vo7i  Aa  (L.);  95  nicht  von  =  de- 
heiner  BDdrA,  kleiner  af  (L.);  150  nuwen  hass  zu  den  frimen 
abc  (L.);  =  nw^  zu  den  frummen  hass  d,  haz  niewen  zou  dm 
vroumen  A,  daz  du  haz  ze  den  fruomen  B;  208  ummer  smecke 
bc  =  w&^/  si  swecher  D,  stinke  ABD,  stincket  a;  318  clagen  ich 
=  chlage  ich  DAaf,  clagt  ich  Bd ;  453  der  Abc  =  di  Dadr,  den 
B;  455  in  vier  =  starke  ABDd,  sterig  a;  640  wan  =  als  ABDadf; 
1207  befinden  =  ge  vinden  Aa,  vinden  BdDf  5  1400  nu  c,  aber  nu 
h  =  oh  A  (L.),  fehlt  BDEad;  die  letzte  bedeutsame  gemein- 
schaftliche abweich ung  ist,  dass  1557  —  92  fehlen.  Daneben 
finden  sich  auch  schon  vorher  einige  bedeutendere  abweichun- 
gen,  die  sie  mit  andern  hss.  teilen,  so  458  sein  zen  c,  di  cende 
D  ==  ^  ABabdr;  790  als  ich  in  dem  (fehlt  b)  laster  wart  gesehen 
(ersehen  hj  ab  =  also  indeme  lästere  da  hi  ane  wart  gesien  A, 
in  dem  laster  un  (als  dfj  ich  wart  (was  Dcd^  gesehn  BDcdf; 
800  das  hette  ich  uch  nü  veriehen  b,  ich  het  ez  uch  auch  allez 
vergehen  a  =  des  hörte^it  ir  mich  ouch  nü  jehen.  Weiterhin  finden 
sich  nur  vereinzelte  kleine  Übereinstimmungen  zwischen  b  und 
c,  im  zweiten  teil  gehören  sie,  wie  wir  gesehen  haben  ganz 
verschiedenen  gruppen  an.  Folgt  b  im  anfang  der  selben 
quelle,  welcher  c  durchgängig  folgt,  so  sind  wir  berechtigt  auf 
die  Übereinstimmung  dieser  beiden  mit  D  grosses  gewicht  zu 
legen,  was  nicht  der  fall  sein  würde,  wenn  hier  umgekehrt  c 
derselben  quelle  wie  b  im  zweiten  teile  folgte. 

Auch  Bd,  denen  sich  öfter  auch  r  anschliesst,  stehen  in 
den  ersten  1000  versen  nicht  selten  allein  selbst  gegen  A:  56 
da  {L.)==daz  A,  syt  abcf,  swie  D;  235.  395  ofte  Bdr  =  dicke 
ADac;  259  da  von  ist  ez  war  =  daz  ist  war  ADslC]  284  siner 
=  der  318  clagt  ich  =  clage  ich  Aabcd;  361  nie  (L,)  =  nirgen 
a,  niht  Dacf;  380  niene  (Jj,)  =  niht  ne  A,  m'Ä^Dac;  421  im  aber 
=  aber  im  AD  (L,)]  616  gesanch  =  sanc ;  639  daz  =  der  ADb.])] 


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HANDSCHßlFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  349 

646  hie  Bdr=e?a  ADab;  674  un==und  ez  Aab,  und  wider  D* 
701  sam  (L,)  =  alsam  D,  so  A,  als  abr;  708  wider  druf=dä 
wider  üf;  740  ouch  =  fehlt  ADab ;  783  riet  Bdr  =  geriet  Aabc, 
do  riete  D;  786  nie  =  niht;  842  hier  an  Bdr  =  rfaran  Abc,  fehlt 
ü;  873.  916  «;ä5w  =  fehlt  ADabc;  972  da  ^  den  ADb;  991  rfaz 
=  tf^;e  Aab,  der  De.  Weiterhin  werden  die  tlbereinstimmungen 
seltener:  ihre  zahl  ist  im  durchschnitt  nicht  halb  so  gross,  und 
sie  beschränken  sich  auf  kleinigkeiten.  Nur  gegen  das  ende 
werden  sie  wider  häufiger,  was  damit  im  einklange  steht,  dass 
die  Übereinstimmungen  zwischen  B  undb  sich  vermindern,  und 
es  wird  sich  daher  verlohnen  sie  von  7000  an  aufzufahren: 
7023  doch  {L.)  =  ez  DEHab  (lücke  in  A);  7097  mw  =  fehlt 
ADEHab;  7169  gulten  =  vergulten;  7176  vaste  =  starke  ADEHb; 
7223  wan  =  nie  wan  ADb;  7229  so  =  vil  ADEb;  1230  meilen 
=  meliert  kj  malen  g,  male  Eb,  mal  D;  7238  also  =  harte;  7253 
fehlt  =  öfe^r;  7287  ir  swester  =  der  jungem;  7478  da  ne  zwifel 
ich  niht  an.=  ichn  zwwel  niht  daran  ADEHb;  7512  si  =  si  si 
ADEH,  sie  vil  c,  7559  fehlt  =  wand  ADEHb;  7579  im  =- aber 
AEHab,  fehlt  D;  7661  also  =  alsus;  7709  sus  =  nü  ADEa,  do 
b;  7801  ouch  =  doch  ADab;  8107  schulde  =  sünde ;  8121—32 
sind  nur  in  Bda  erhalten;  eine  auffallende  Übereinstimmung 
zwischen  BdD  ist  noch  7232.  3  wände  (und  A)  si  in  kurzen 
stunden,  vil  wunden  enpftengen  ]iDd  =  wände  si  vil  wunden  in 
kurzer  stunt  enpfiengen  AEb. 

Unter  den  Übereinstimmungen,  welche  Bd  in  den  ersten 
1000  versen  mit  einer  anderen  hs.  teilen,  sind  uns  die  mit  A 
von  besonderem  Interesse.  Lachmann  folgt  mit  einer  ausnähme 
Überall  unbedenklich  ABd.  Aber  es  wird  nicht  zu  erweisen 
sein,  dass  die  übrigen  hss.,  zumal  a  eingeschlossen,  aus  einer 
gemeinsamen  vorläge  stammen,  während  schon  die  berührungen 
von  A  mit  d  einerseits  und  B  mit  d  anderseits  dafür  sprechen^ 
dass  auch  die  zwischen  ABd  ihren  grund  in  der  benutzungder 
selben  quelle  haben.  Folgende  stellen  kommen  in  betracht: 
43  da  ABd  =  fehlt  Dbc;  45  den  AB,  der  dr  =  fehlt  (das  erste) 
Dbc  (das  richtige  hat  hier  wol  D  erhalten:  in  liebte  hof  und 
den  Hp,  während  die  andern  auszugleichen  suchten,  ABdr,  in- 
dem sie  den  artikel  auch  zum  ersten  subst.  hinzusetzen,  bc,  in- 
dem sie  ihn  auch  beim  zweiten  fortliessen);  56  da  Bd  (L.), 
daz  A  =  syt  abcf,  swie  D  {daz  ist  wol  auf  da  zurückzuftthren 


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350  PAUL 

oder  umgekehrt;  mit  ersterem  ist  gar  nichts  anzufangen,  aber 
schwerlich  ist  das  letztere  richtig;  eine  räumliche  beziehung 
passt  hier  gar  nicht  her,  es  handelt  sich  nur  um  die  zeit;  stt, 
welches  eine  genügende  handschriftliche  gewähr  hat  und  aus 
dem  auch  swie  mit  grösserer  wahr89heinlichkeit  abgeleitet  wird 
als  aus  da,  gibt  den  vom  zusammenhange  geforderten  sinn;  es 
ist  dann  aber  auch  58  dor  statt  da  zu  schreiben,  denn  es  muss 
der  gegensatz  zu  nü  in  55  sein;  von  denhss.  unterscheidet  wol 
nur  B  zwischen  dd  und  da;  D  hat  do,  A  doh,  fso);  111  un  ABd= 
er  Daher;  111  heruoft  mBd(L.),  berief  enk  =  strafte  in  Dabe; 
260  is  sin  A,  ez  sint  B,  es  sind  d  =  des  sint  Der,  daz  ist  a; 
296  als  Bd  (L.),  also  A  =  daz  Dac  (das  erstere  vorzuziehen)  j 
415  anders  niht  Bd,  niht  anders  k=niht  Dabc  (L.);  428  als 
Bd(L.),  aUo  A  =  fehlt  Dabcrf;  575  also  Ad,  als  B  =  fehlt  Dac; 
678  rvan  Bd,  wand  A  =  fehlt  Dacr  (es  ist  nicht  bloss  entbehr- 
lich, sondern  lästig)  99.8  niemer  k&dL  =  nyrgin  a,  niht  Dbcf  Wi- 
gal.  (Lachmann  schreibt  nime;  aber  ein  einfaches  ^nicht'  ist 
dem  'nicht  länger'  hier  vorzuziehen).  Weiterhin  kommen  Über- 
einstimmungen zwischen  ABd  nur  ganz  vereinzelt  vor.  Ich  hebe 
noch  eine  hervor,  die  wir  aber  auch  wol  dem  zufalle  zuschrei- 
ben mtlssen:  2868  si  ABd  (L.)  =  wÄ  DEbcf.  Lachmann  erklärt 
däne  gezieh  rf  niemer  zuo  durch  *dabei  berufe  er  sich  nicht  auf 
sie',  ohne  dass  er  diese  bedeutung  von  einfachem  ziehen  nach- 
weisen könnte.  Aber  dieser  sinn  passt  auch  gar  nicht  her. 
Weshalb  soll  er  sie  nicht  zum  zeugen  gegen  seine  ankläger  an- 
rufen? weil  ihr  zeugnis  nichts  wert  ist,  oder  weil  sie  nicht 
das  erwünschte  zeugnis  ablegen  wird?  letzteres  wäre  nach  dem 
folgenden  ivan  ir  ist  von  herzen  leit  sin  unwirdeetQ,  zu  erwarten. 
Sie  wtlrde  demnach  nicht  bezeugen,  dass  er  es  in  der  absieht 
täte  sich  ihr  gefällig  zu  erweisen^  und  man  würde  daraus 
schliessen,  dass  er  es  aus  trägheit  täte.  Auf  solche  weise  wäre 
da  gezieh  rf  niemer  zuo  zu  begründen.  Aber  der  grund,  der 
hier  angegeben  wird,  lässt  auf  einen  ganz  andern  sinn  schliessen: 
ihr  geschieht  kein  gefalle  damit;  in  welcher  absieht  er  es  tut, 
bleibt  dabei  unberücksichtigt.  Man  muss  daher  vorher  den 
fiinn  erwarten:  das  denke  er  nicht.  Diesen  kann  haben  däge- 
zieh  sich  niemer  zuo.  Sich  ziehen  ze  bedeutet  in  der  rechts- 
sprache  ^anspruch  worauf  machen*  vgl.  mhd.  wb.  III,  925^  46. 
Aehnlich  ist  wol  auch  zu  fassen  Iw.  7309  ziux^h  dich  mit  guotm 


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HANDSCHRIFTENVEBHAELTNIS  DES  IWEIN.  351 

heile  ze  rdnem  erbeteile  'nimm  mein  erbteil  in  besitz',  nicht 
räumlich  'begib  dich  zu  ihm  hin'.  Danach  werden  wir  hier 
übersetzen  können:  dass  er  ihr  damit  einen  gefallen  tue,  da- 
rauf mache  er  keinen  anspruch,  das  lasse  er  sich  nicht  ein- 
fallen. Die  Schreiber  scheinen  si  als  Subjekt  verstanden  zu 
haben,  wie  denn  auch  D  und  b  um  ein  Subjekt  zu  bekommen 
niemer  in  niemen  ändern. 

Wir  können  also  wol  mit  Sicherheit  behaupten,  dass  Über- 
einstimmungen zwischen  ABd,  wenn  die  übrigen  hss.  dagegen 
zusammenstimmen,  nicht  auf  erhaltung  des  ursprünglichen,  son- 
dern auf  änderung  einer  gemeinsamen  vorläge  zurückzuführen 
sind.    Ja  an  einer  stelle  scheinen  sogar,  wenn  wir  die  Über- 
einstimmung des  französischen  für  massgebend  halten,  bc  (D?) 
allein  gegen  ABdaf  das  richtige  erhalten  zu  haben:  208  stinke 
ABdf,  stincket  SL  =  ummer  smecke  bc,  übel  si  swecher  D  (letz- 
teres ist  wol  eine  entstellung  aus  der  lesart  von  bc);  man  ver- 
gleiche dazu  ehrest.  116  toz  jorz  doit  puir  li  furnier s.    Da  B 
zu  d  in  einem  näheren  Verhältnisse  steht  als  zu  A,  mit  der  sie 
überhaupt  im   ganzen  Iwein  verhältnismässig   wenige  beiden 
allein '"eigentümliche  lesarten  teilt,  so  müssen  wir  auch  die  Ver- 
bindung ABd  aus  der  verwantschaft  von  B  mit  d  erklären, 
wozu  dann  A  erst  in  einem  entfernteren  Verhältnisse  steht.  Die 
Schwierigkeit  ist  wider,  damit  den  umstand  zu  vereinigen,  dass 
auf  der  andern  seite  so-  häu^g  A  mit  d  gegen  die  übrigen  mit 
einschluss  von  B  stimmt    Wir  sind  genötigt  für  B  wie  für  a 
eine  doppelte  quelle  anzunehmen.    Die  eine,  welche  zugleich 
quelle  für  d  gewesen  und  ihrerseits  wider  aus  der  selben  quelle 
wie  A  geflossen  ist,  scheint  flir  den  anfang  ausschliesslich  be- 
nutzt zu  sein  (135  findet  sich  die  erste  Übereinstimmung  von 
Ad  gegen  B);  dann  scheint  eine  andere  quelle  zu  hülfe  genom- 
men zu  sein,  gegen  welche  die  erstere  etwa  von  1000  an  ganz 
fallen  gelassen  ist.    Ich  wage  es  nicht  zu  entscheiden,  ob  dies 
schon  die  selbe  ist,  die  dem  zweiten  teile  zu  gründe  liegt,  eben  so 
wenig,  ob  am  schluss  wider  die  erste  quelle  hinzugezogen  ist 
das  Verhältnis  von  a  und  B  zu  den  neben   ihren  hauptvor- 
lagen benutzten  quellen  würde  folgende  figur  veranschaulichen: 


'SI— 
I 

d 


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352  PAUL 

Wir  fassen  nun  noch  einmal  die  falle  ins  äuge,  in  denen 
innerhalb  der  ersten  40  zeilen  sich  Bd  und  Dbc  einander  ge- 
genüberstellen. Wir  haben  gesehen,  dass  die  Voraussetzung, 
auf  welcher  die  bevorzugung  der  ersteren  durch  Lachmann  be- 
ruht, dass  A  immer  zu  ihnen  gestimmt  haben  würde,  nicht  zu- 
trifft, da  späterhin  A  mehr  als  doppelt  so  oft  abweicht,  als 
übereinstimmt.  Wir  haben  femer  gesehen,  dass  auch  ABd  nicht 
der  Vorzug  gebührt,  den  ihnen  Lachmann  zu  teil  werden  lässt; 
weiter,  dass  die  Übereinstimmung  von  r  mit  Bd  nichts  für  die 
richtigkeit  beweist.  Auf  der  andern  seite  kann  man  allerdings 
auch  von  Dbc  nicht  ganz  sicher  sein,  dass  sie  keine  gemein- 
samen fehler  enthalten.  In  14  und  39  lassen  die  abweichungen 
von  bc  und  D  keine  sichere  entscheidung  zu  und  machen  es 
etwas  zweifelhaft,  ob  sie  in  12  und  38  gegen  Bd  recht  haben. 
Aber  mit  gutem  gründe  können  wir  die  lesarten  vonBd*)  in  21 
und  22  und  die  darauf  gebaute  künstliche  Interpunktion  Lach- 
manns im  folgenden  verwerfen.  Ich  kann  in  seiner  auf  Bd  ge- 
stützten herstellung  durchaus  nicht  die  Geisterhafte  gewandt- 
heit*  des  dichters  erkennen.  Die  einschachtelung  geht  über 
das  mass  des  natürlichen  und  erträglichen  hinaus.  Anderes 
aber  ist  noch  schlimmer.  Es  scheint  mir  unmöglich  ez  in  22 
auf  mcere  in  30  zu  beziehen.  Das  bedenken  gegen  den  plural 
cm  den  buochen  wird  durch  Lachmanns  bemerkung  nicht  geho- 
ben; dass  Hartmann  die  erzählun^  vom  raube  det  königin  an- 
ders woher  als  aus  dem  Chev.  au  lion  genommen  habe,  ist 
doch  nur  eine  Voraussetzung;  sie  kann  auch  auf  eigener  erfin- 
dung  beruhen,  und  das  stück  ist  so  unbedeutend,,  dass  er  da- 
rum nicht  von  mehreren  quellen  würde  gesprochen  haben;  des- 
halb ist  auch  dem  Schreiber  von  d  der  plural  anstössig  gewesen. 
Ferner  aber,  dass  er  die  quelle  oder  die  quellen  zu  seinem 
jetzt  beabsichtigten  werke  las,  davon  kann  doch  nicht  erst  die 
folge  gewesen  sein,  dass  er  sich  überhaupt  mit  dichten  abge- 
geben hat;  denn  anders  als  allgemein  kann  man  doch  z.  25 
unmöglich  fassen.  Ebenso  allgemein  sind  dann  die  beiden  fol- 
genden Zeilen.  Die  specielle  beziehung  auf  den  Iwein  kommt 
erst  in  30.    Einigermassen  erträglich  wäre  noch  die  lesartvon 

*)  Allerdings  stimmen  mit  Bd  auch  die  wenigen  zeilen  aus  dem  Iwein, 
die  am  Schlüsse  in  die  Kölner  hs.  des  Wigalois  eingetragen  sind  cf. 
Pfeiffers  ausgäbe  IX. 


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HADNSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  353 

r  ein  ritter^  der  geler  et  was  daz  er;  sie  gäbe  den  selben  sinn 
wie  Dbc,  nur  dass  die  klammer  bliebe.  Da  aber  die  Überein- 
stimmung von  r  mit  Dbc  nichts  besagt,  so  werden  wir  bei  Dbc 
bleiben,  wonach  alles  einfach  und  klar  ist:  ein  ritter  war  so 
gelehrt,  dass  er  in  den  büchem  lesen  konnte,  so  dass  er,  wenn 
er  gerade  nichts  besseres  zu  tun  hatte,  sich  auch  mit  dem 
dichten  beschäftigte;  26.  27  und  28.  29  sind  dann  selbständige 
hauptsätze. 

Als  grund  weshalb  Lachmann  die  lesart  von  Dbc  ver- 
wirft, gibt  er  an,  dass  dann  21.  22  wörtlich  zu  den  anfangs- 
zeilen  des  armen  Heinrich  stimmen  wtlrden.  Auch  an  andern 
stellen  hat  er  es  ausgesprochen,  dass  Hartmann,  wo  er  eine 
zeile  widerhole,  dies,  und  zwar  absichtlich,  mit  einiger  Verän- 
derung zu  tun  pflege,  und  aus  dieser  behauptung  hat  er  einen 
grundsatz  ftir  die  textkritik  abgeleitet,  welcher  nicht  selten  bei 
ihm  zur  anwendung  kommt  Es  wird  sich  daher  lohnen  die- 
selbe einer  genaueren  prtifung  zu  unterziehen.  Meiner  Über- 
zeugung nacü  lässt  sich  die  bevorzugung  der  abweichenden  lesarten 
weder  aus  einem  vernünftigen  gi-unde  noch  aus  den  vorliegen- 
den tatsachen  rechtfertigen.  Es  ist  doch  wol  klar,  dass  diese 
widerholungen  von  einzelnen  Mlen  abgesehen  vom  dichter  nicht 
mit  bewuster  absieht  gemacht  sind.  Es  stellten  sich  vielmehr 
zum  ausdruck  derselben  gedanken,  wie  in  der  natürlichen  rede 
eines  jeden  menschen  und  wie  bei  allen,  namentlich  den  mittel- 
hochdeutschen dichtem,  unwillkürlich  dieselben  werte  ein,  und 
wenn  sich  Hartmann  auch  bewust  gewesen  ist,  dass  er  das- 
selbe schon  einmal  gesagt  hatte,  so  wird  er  nicht  erst  ängst- 
lich nachgesehen  haben,  ob  er  ja  ein  wort  verändert  hat.  Aus 
rücksicht  auf  seine  zuhörer  oder  leser  brauchte  er  das  nicht 
zu  tun;  die  werden  widerholungen  an  weit  auseinanderliegen- 
den stellen  oder  in  verschiedenen  werken  selten  gemerkt 
haben.  Es  hing  einerseits  vom  zufalle  ab,  ob  ihm  genau  die- 
selben oder  etwas  veränderte  werte  in  3ie  feder  kamen,  an- 
derseits bedingte  die  gleiche  oder  verschiedene  Situation  die 
gleichheit  oder  Verschiedenheit  in  den  werten.  Demgemäss 
werden  wir  unbekümmert  um  die  widerholung  an  jeder  ein- 
zelnen stelle  nach  den  sonst  für  die  textkritik  gültigen  grund- 
sätzen  zu  verfahren  haben. 

Eine  Zusammenstellung  der  widerholten  zeilen  wird  unsere 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche  I.  24 


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»64  PAUL 

ansieht  bestätigen.  Ich  führe  zunächst  auch  diejenigen  auf,  in 
denen  die  Verschiedenheiten  sicher  oder  wahrscheinlich  vom 
dichter  berühren.  Dieselben  sind  wichtig  für  unsem  zweck, 
indem  sich  daraus  ergibt,  dass  in  den  seltensten  fällen  die  ab- 
weichungen  derart  sind,  dass  sie  vom  dichter  nur  zur  Vermei- 
dung wörtlicher  widerholung  gemacht  sein  könnten,  dass  sie 
vielmehr  wegen  der  Verschiedenheit  der  Situation  oder  auch 
um  des  verses  willen  notwendig  sind.  Iw.  42  s6  manec  guot 
riter  aisd  (Ä,  als  BDcd)  dä  =  lw.  2453  also  (AEd,  als  BDab) 
^  dö]  Iw.  141  dem  dehein  ere  geschiht  =  lw.  2489  sweme  =  lyf. 
2777  deme  doch;  Iw.  528  daz  tvil  ich  dir  bescheiden  &ö2:  =  Er. 
9563  iu;  Iw.  677  ichn  begüzze  in  nimer  mi  =  lll  mSre;  Iw. 
1013  sus  was  in  zuo  einander  ger  =  Greg.  1947  nü  wart  in  zm 
einander  ger  A,  ziw  einander  wart  in  ger  E6;  Iw.  1216  er  ist 
benamen  Ämw^  =  Iw.  1367  zwäre  (ADad,  benamen  BEb);  Iw. 
1543  diu  im  ze  (Aab,  zem  BDEdf,  richtig)  tdde  was  gehaz= 
Iw.  1613  diu  mir  zem  (zu  hj  tdde  ist  gehaz;  Iw.  1990  daz  hän 
ich  gar  durch  guot  getän=>l.  büchl.  583  ohne  gar,  welches 
übrigens  leicht  in  der  hs.  ausgefallen  sein  kann;  Iw.  2330  stvie 
Gelten  mp  mannes  bite  ==  Er.  5889  daz  ich  wip  =  Greg.  708  daz 
dehein  mp;  Iw.  3460  und  zdch  ein  pfert  an  der  Äaw^  =  3602 
vuorte  ADbd,  zbch  BEa  (wegen  der  besseren  handschriftlichen 
gewähr  ist  miorte  voföuziehen,  aber  keineswegs  erfordert  der 
sinn,  wie  Lachmann  behauptet,  den  conj.);  3493  daz  sü  insach 
und  er  d  mÄ^  =  Er.  166  er  si  und  d  in;  Iw.  3636  und  gedieaez 
(ich  virdieniz  A,  gedierUe  ichs  d,  und  diene  ez  DJ  immer  als 
ich  sol=71Ql  ich  verdienez  (Ad,  gedien  ez  BDab)  [iemer  alle 
ausser  A]  als  ich  sol  (eine  Verschiedenheit  besteht  in  und  und 
ich;  aber  diese  genügte  Lachmann  nicht;  deshalb  muste  iem&r 
ohne  sonstigen  grund  bloss  nach  A  entfernt  werden  und  mit 
Ad  ver  geschrieben  werden);  Iw.  3643  geruot  nach  iuwer  arbeit 
=  Er.  3528  und  geruot;  Iw.  3769  gein  einer  dner  veste^Ei. 
7118  üf  eine  sine;  IW.  4329  daz  zwene  (ADb,  zwene  möwBad) 
sint  eines  her  =  Iw.  5350  daz  (wan  k)  zwen  sint  immer  (Ad, 
sint  D,  man  sin  &,  warn  ie  BEf,  warn  a)  eines  her  =  6636  wan 
zwene  sint  (DE,  sint  iemir  A,  man  sint  b,  waren  ie  Ba)  eines 
her;  Iw.  4877.  8  ich  weiz  wol,  swederz  ich  kiuse  {kiese  ADad), 
daz  ich  an  dem  (Acdf,  daran  BDEab)  verliuse  (Verliese  ADadj 
=  Er.  3158.  9  wan  swederz  ich  mir  kiese,  daz  ich  doch  Verliese; 


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HANDSCHßlPTENVERHAELTNiS  DES  IWEIN.  365 

Iw.  4501.  2  hob  ich  den  (dism  D^  lästerlichen  spät  verdienet 
(Aad^  gedient  BDb)  iender  umbe  got=2i.  H.  383  Ich  hän  disen 
schemeHchen  spät  vil  wol  gedienet  umbe  got;  4508  heidiu  ge- 
hörte  (erhörte  Db^  unde  gesach  (ersach  BDb^  =  4739  heidiu 
gehörte  (AD,  erhörte  Babdf)  un4e  gesach  (Ab,  ersach  BDad) 
(an  der  zweiten  stelle  ist  er  zu  schreiben;  Lachmann  geht  hier 
zu  gunsten  der  hs.  A  von  seinem  principe  ab,  indem  er  be- 
merkt, in  der  praep.  ge  oder  er  könne  kein  fühlbarer  unter- 
schied liegen;  dass  sieht  doch  gerade  aus,  als  hätte  Hartmann 
die  absieht  gehabt  mit  seinen  etwas  abweichenden  wider- 
holungen  eine  bestimmte  ästhetische  Wirkung  zu  erzielen); 
6919.  20  daz  er  die  altem  bcete  daz  siz  durch  got  tcete  ArDEc, 
daz  erz  durch  got  tcete.  un  (daz  er  d)  die  altem  bcete  Babd  =  7325. 
26  daz  erz  durch  got  tcete  unde  ir  swester  (D,  ir  suester  drumbe 
A,  die  altem  Babdf)  bcete,  daz  er  die  altem  bcete.  daz  si  durch  got 
tcete  E  (die  Verschiedenheit  ist  hier  wol  ursprünglich  und  erst 
von  den  Schreibern,  wie  dies  noch  mehrmals  sicher  der  fall 
ist,  völlige  gleichheit  mit  der  ähnlichen  stelle  hergestellt;  aber 
bloss  nach  AD  ir  swester  gegen  Babdf  einzusetzen  haben  wir 
keine  Ursache);  Iw.  7070  der  wart  mit  sige  sigelös^^%  büchl. 
111  ich;  Iw.  7546  dm  ich  wol  [iemer  BD  abdf,  fehlt  AEH. 
Lach.]  heizen  mac  =  lw.  8119  daz  ich  wol  iemer  heizen  mac; 
der  zweite  unterschied  der  verse,  den  Lachmann  ansetzt,  ist 
gegen  die  autorität  der  hss.;  Er.  16  er  was  ze  hamasche  wo} 
=  Greg.  1553  ich  bin;  Er.  754  sprach  ein  gemeiner  munt^^SL. 
R  1466  nü  (do  Bj  sprach;  Er.  857  und  gab  ze  beiden  henden 
=  Er.  9233  handen;  Er.  1766  wand  ich  sage  iu  rehte  wie  9=^ 
Er.  2363  unde  sage;  Er.  1829  daz  was  allez  getan  =  ^x.  4004 
w.  schiere  g.;  Er.  3763  wie  nä  ez  (nahend  sy  hs.^  mmem  her- 
zen /ram=6reg..  3330  nähenz  sinem;  Greg.  335 — 7  daz  e  ir 
trüren  wcere,  dö  si  was  äne  swcere,  daz  was  ir  bestiu  vröude  hie 
=  2.  büchl.  117  —  7  daz  e  min  trüren  wcere,  dö  ich  was  äne 
swcere,  daz  wcer  min  bestiu  froude  nä;  Greg.  623  nA  bin 
ich  gescheiden  da  zwischen  (enzwischen  E^  von  in  beiden '^ 
2.  büchL  221  also  b,  i.  g.  enzwischen;  Greg.  1147.  8  man  duli 
ez  vil  .unlange  vrist  Jane  weiz  nieman  wer  er  ist  =  ih.  1159.  60 
dultet  ez  unL — weiz  hie;  Greg,  3400 — 2  wir  haben  daz  von 
Sme  geböte  y  swer  umb  den  andern  bite,  da  lasse  er  sich  selben 
mite  =  a*  H.  26 — 28  man  seit,  er  si  sin  selbes  böte  und  erlasse 

24* 


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356  PAUL 

sich  da  mite,  stver  für  des  andern  schulde  hite;  Er.  8291  mit 
ir  wcetliche  =  a.  H.  314  an  ir  (mit  schöner  B^;  Er.  9530  da 
missetcete  ich  an  mir  michels  harter  danne  an  ir  =  2.  büchl.  269 
sd  m,  i,  a,  m.  vil  mere,  1.  büchl.  712  ßr  sorgen  hän  ich  keinen 
/i5^  =  Iied.  11,  18  /wr  trüren  hän  ich  einen  list;  2  büchl.  360 
des  vreude  an  guoten  mben  stät  =  \ied.  (Bech)  I,  3,  1  swes. 

Oefters,  wo  einige  zeilen  hintereinander  widerholt  sind,  isteine 
oder  mehrere  abweichend,  die  andere  oder  mehrere  andere  wört- 
lich widerholt ;  Iw.  364 — 6  ouch  enwart  da  niht  vergezzen  tvirn  he- 
ten  alles  des  die  kraft  daz  man  da  heizet  Wirtschaft  =  Er.  8361 — 3 
nü  wart —  si  heten  {die  fehlt  in  der  hs.,  ist  aber  unentbehrlich) ;  Iw. 
369.  70  dd  wir  mit  vreuden  gäzen  und  da  (Bb,  dar  Aacd)  nach  ge- 
säzen  =  EY.  4614.  5  als  sie  des  äbents  gäzen;  Iw.  686.  7  alsus  het 
ich  besezzen  daz  ander  pardüse  =  Er.  9541.  2  wir  haben  hiehj  Iw. 
4753  —  6  daz  ich  umbe  den  (Ac,  fehlt  DEabd)  mitten  tac  dan- 
noch  hin  (ADd,  ir  ze  helfe  Eb)  komen  mac  dar  (ADdf,  der  Eab) 
ich  mich  (AEdf,  mich  e  Da,  es  ee  b)  gelobet  hän,  sd  wil  ich  in 
(DEabde,  fehlt  A)  durch  iuch  bestän  =lw.  4797—4800  daz  ich 
urribe  mitten  tac  ir  ze  helfe  (Abcd,  ze  helfe  Ea,  dannoch  dar  D, 
dahin  wol  b)  der  (dar  DJ  etc.  (den  ist  4753  gegen  die  bessere 
autorität  eingesetzt;  in  4756  mit  A  wegzulassen  wagt  Lach- 
mann nicht;  dagegen  müht  er  sich  wider  ab  eine  andere  mög- 
lichkeit  fftr  die  Verschiedenheit  dieser  zeile  von  4800  zu  finden); 
Er.  3638.  9  iuwern  gnaden  si  genigen  und  des  (ditz  hs.^  mit  hui- 
den  fhulde  hs.>  verzigen  =  Greg.  1557.  8  herre  iuwern;  Er. 
1430.  1  mit  ganzem  gebeine  ^e  grdz  noch  ze  kleine  =  Er.  7355. 
6  mit  dürrem;  Greg.  2327.  8  ir  vröuden  sunne  wart  bedaht  mit 
tötvinsterre  naht  ==  2.  büchl.  17 — 19  miner  freuden  sunne  diu  ist 
leider  bedaht  etc.;  ein  lied  ist  zum  grösten  teile  im  2.  büchl. 
widerholt,  respect.  umgekehrt:  die  erste  Strophe  lied.  16,  3 — 13 
ist  gleich  2.  büchl.  123—136,  in  der  zweiten  ist  lied.  16,  18— 
24  =  2.  büchl.  147 — 152;  schon  die  Veränderung  des  versmasses 
macht  abweichungen  notwendig,  auch  die  einfligung  in  den  ge- 
dankenzusammenhang;  doch  haben  z.  123.  132.  133.  136  noch 
ganz  genaue  entsprechungen  in  dem  liede. 

Diese  letzten  stellen  leiten  uns  nun  hinüber  zu  deigenigen 
fällen,  in  denen  eine  zeile  auch  ohne  die  Verbindung  mit  einer 
andern  etwas  abweichenden  unläugbar  genau  widerholt  wird. 
Es  sind  eine  ziemliche  anzahl,  in  denen  entweder  gar  keine 


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HANDSCHKIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  357 

Varianten  vorhanden  oder  die  vorhandenen  auch  von  Laeh- 
mann  richtig  zurückgestellt  sind:  Iw.  Slb  ez  schinet  rvol,  wizze 
krist  =^lw,  3127  (an  diser  fr  ist  a,  welches  Lachmann  nach 
seiner  anmerkung  nicht  übel  lust  hat  für  richtig  zn  halten); 
Iw.  1154  hete  (ne  hete  A,  und  het  a,  het  By  hette  bd)  .rf  sich 
niht  verclagt  =  Iw,  4764;  hier  schreibt  Lachmann  enhete  (en  E, 
ne  A,  und  ae,  fehlt  bd),  aber  wir  sehen,  dass  die  hss.  sich 
ganz  eben  so  verhalten  wie  1154,  nur  dass  hier  E  hinzuge- 
kommen und  e  statt  B  eingetreten  ist;  es  hat  also  jedenfalls 
keinen  sinn  an  beiden  stellen  verschieden  zu  schreiben  und 
diese  art  von  Verschiedenheit  kann  überhaupt  gar  nicht  in  be- 
tracht  kommen.  Iw.  11 82  z^^nYa«;'«  in  daz  lant=EY.  5680,  etwas 
abweichend  Er.  2228 :  in  ir  laut  (Irlant  hs.,  daz  lant  Müller) ;  Iw. 
1326  der  lichte  tac  wart  ir  ein  naÄ^  =  Er.  8827;  Iw.  2418  da 
wären  'gf offen  gyiuoge  =  9i,  H.  1512;  Iw.  2732  swer  gerne  vrü- 
mecRchen  tuot  =  lw.  3077  (frumkeit  a.  *kann  wol  richtig  sein; 
sonst  wird  der  2732«  vers  hier  ganz  wiederholt'  Lachm.);  Iw. 
3315  und  vleget  {hat  BbG)  got  vil  sere  =  ET.  8638;  4007  miner 
vrouwen  äw/^^=  4217  =  5469  (da  gegen  das  völlige  gleich- 
lauten dieser  zeilen  nichts  einzuwenden  ist,  so  sucht  Lachmann 
für  4007  eine  Verschiedenheit  des  sinnes;  diese  wird  dadurch 
erreicht,  dass  er  in  die  vorhergehende  zeile  mich  aus  Aa  gegen 
mir  BDbdf  und  dann  eine  sehr  gezwungene  erklärung  annimmt, 
von  der  er  selbst  fühlt,  dass  sie  unnatürlich  ist;  mich  ist  eine 
einfache  Verderbnis,  die  in  A  'vielleicht  aus  dem  niederdeut- 
schen zu  erklären  ist);  Iw.  4251  ichn  läze  iuch  niht  under  wegen 
=  Er.  3272  (ich  für  ichn  begründet  keinen  unterschied);  Iw. 
4323  iwer  leben  ist  nützer  danne  dez  (daz  hss.^  min  =  a.  H. 
926  (dan  daz  Haupt,  dme  daz  B^,  deane  BV;  Iw.  6263  db 
sprach  der  ritter  mit  dem  leun=^\h,  6257^6109;  Iw.  7126 
d6  ^  zesamne  träten  = 'Er,  9138;  Iw.  7887  siner  vrouwen  minne 
=  7932  (7784  von  siner)]  Er.  709  der  llp  ze  ihte  ma^re  =  EY. 
6679;  Er.  766  zesamne  liezens  strichen  =  Ey.  2608;  Er.  1005 
tvol  ze  huoze  gesät  ==  Er,  1246;  Er.  1537  diu  frovwe  mit  der 
kröne  =  Er,  5707;  Er.  3004  und  gedähte  (dähte  Haupt)  m  ma- 
negeji  enden  =  Er,  8400;  Er.  4745  mit  lachendem  muote  =  Er. 
9367  =  Greg.  2774.  3617  =  ib.  2643  (und  mit)]  Er.  5045  ir 
habt  niht  wol  an  mir  getan  =  Er,  5067;  Greg.  1442  üf  ein  lan- 
gez  ptmeiz  =  ih.  1946;  a.  H..  225  diu  vollen  erbcere  =  ih.  447. 


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358  PAUL 

Aus  diesen  Zusammenstellungen  ergibt  sich,  wie  grundlos 
die  behauptung  ist,  dass  Hartmann  die  wörtliche  widerholung 
einer  ganzen  zeile  grundsätzlich  gemieden  habe.  Wie  können 
wir  dieser  theorie  zu  liebe  alle  sonstigen  kritischen  grundsätze 
ignorieren?  Das  ist  aber  von  Lachmann  an  folgenden  stellen 
geschehen:  Iw.  3066  ze  Karidöl  in  sime  hüs=lw.  32;  hier 
haben  Dbcd  dnem,  B  dn;  Lachmann  setzt  letzteres  in  den  text, 
indem  er  bemerkt,  dass  der  dat.  zu  geleit  nicht  gut  zu  passen 
schiene;  allein  es  braucht  nicht  der  ort  angegeben  zu  werden, 
in  welchen  das  fest  gelegt  wurde,  wir  können  übersetzen: 
'Artus  hatte  in  seinem  hause  ein  fest  auf  pfingsten  angesetzt.' 
1297  in  winkeln  und  under  benken=lSlb]  da  hier  keine  hand- 
schriftliche Variante  vorliegt,  die  sich  aufnehmen  Hesse,  so  wird 
ein  unterschied  hineinconjiciert  und  an  der  zweiten  stelle  und 
gegen  alle  hss.  gestrichen;  der  dabei  angeführte  metrische  grund 
beruht  wider  auf  einer  unhaltbaren  theorie.  Greg.  2991  mit  al- 
tmiosn  und  mit  gehete;  ebenso  lautet  der  vers  Iw.  1410  in  BD 
Eab  (auch  Gute  frau  2593);  dagegen  schieben  hinter  mit  ein 
vollem  cd,  vollen  A,  welches  erstere  Lachmann  aufnimmt  und  gegen 
alle  hss.  das  zweite  mit  streicht.  Iw..l613  diu  im  zem  (zu  h)  töde 
was  gehaz  ==ih.  1543  ze  (Aab,  zem  BDEdf).  Iw  2449  zuo  dem 
bfunnen  mit  her  =  Iw.  1841  zem  (ze  dem  E,  zuo  dem  BDA^ 
brunnen  komen  (Ab,  in  der  vorhergehenden  zeile  BDEacdf) 
mit  her;  wenn  komen  in  der  vorhergehenden  zeile  steht,  wird 
der  rythmus  nur  gebessert,  da  man  sonst  hebung  und  Senkung 
auf  den  artikel  legen  muss:  der  künic  Artus  wiL  Iw  2095  der 
mxnen  herren  hat  erslagen  =  20SS  nach  BDEabdf;  nur  A  hat 
dazer  fttr  der;  danach  schreibt  Lachmann,  wie  in  ähnlichen 
fällen  mit  unrecht  der,  eine  form,  deren  existenz  überhaupt  sehr 
zweifelhaft  ist.*)   Greg.  2004  von  stner  gehülfigen  (A,  hei  fliehen 

*)  Wo  in  den  hss.  überliefertes  der  von  Lachmann  oder  andern  als 
daz  er  gefasst  ist,  ist  überall  das  relativpronomen  anzunehmen;  es  be- 
ruht die  annähme  von  dir  hauptsächlich  auf  der  verkennung  des  dem 
mhd.  mit  dem  afranz.  gemeinsamen  eigentümlichen  gebrauches  des  re- 
lativpronomens  in  fällen,  in  denen  wir  im  nhd.  allerdings  ^dass  er,  dass 
sie*  etc.  zu  setzen  pflegen.  Dass  für  daz  er  vom  verse  eine  einsilbige 
form  verlangt  wird,  beweist  noch  nicht,  dass  diese  dSr  gelautet  hat; 
wir  werden  einfach,  wenn  wir  die  kürzung  durch  die  schriffc  bezeichnen 
wollen,  dazr  zu  schreiben  haben.  Die  unerwiesene  form  dir  dürfte  da- 
her aus  unsem  ausgaben  und  Wörterbüchern  zu  entfernen  sein. 


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HANDSCHEIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  359 

E)  hmt^  Iw.  3804  von  [dner  BDEcdf,  fehlt  Aa  Lachm.]  gehüh 
figer  (A,  hulfiger  Da,  gehulfigen  Bd,  Mßchen  E,  helffigen  c) 
hant;  nach  der  besten  autorität  ist  an  beiden  stellen  von  Aner 
gehulfigen  hant  zu  schreiben,  Iw.  5294  lehn  vüere  in  durch 
deheinen  strit  =ß70&  üf  (d,  durch  ABDabf).  Iw.  6258  ir  mugt 
mir  harte  vil  gedreun  =  Iw.  5264  ir  mugei  (A,  mugt  mir  BDEah) 
harte  v.  g.  Iw.  5298  em  teste  dnen  lewen  Äm  =  Iw.  6712  in, 
conjektur  gegen  alle  hss.,  die  hin  haben;  die  richtigkeit  der 
Überlieferung  bestätigt  Chrest.  5554  vostre  lyeon  oster  de  ci, 
während  es  5533  heisst  le  vos  covient  en  tel  leu  metre  =  lyr. 
6697  der  leu  enwerde  in  getan,  Iw.  5406  hie  der  lewe,  dort  der 
»ia'/i  =  Iw.  6786  beide  (A,  hie  Dacdf)  der  lewe  untter  (dort  der 
Dacf,  und  da  der  A.)  man.  Greg.  1673  niervan  ir  houhetstat=^ 
ib.  745  diu  (E,  ir  A,  ein  F).  Greg.  3090  mit  vreuden  äne 
sn;€ere=2ßA2  ditz  schelten  (A,  mit  vreuden  EG).  Hier  ist  über- 
all die  autorität  der  Überlieferung  wider  in  ihr  recht  einzusetzen. 
Demnach  darf  uns  dieser  grundsatz  Lachmanns  auch  bei  der 
beurteilung  von  z.  21.  2  des  Iwein  nicht  im  geringsten  beein- 
flussen. Ich  mache  noch  darauf  aufmerksam,  dass  mit  der  an- 
nähme der  von  mir  vorgeschlagenen  lesart  der  grund  wegfallt, 
welcher  von  Lachmann  als  entscheidend  für  die  abfassung  des 
Iwein  nach  dem  armen  Heinrich  beigebracht  wird. 

Wenn  es  uns  so  auch  nicht  gelungen  ist  und  selbst  mit 
einem  reicheren  materiale  kaum  je  vollständig  gelingen  wird, 
alle  einzelnen  fragen  über  das  handschriftenverhältnis  bis  zur 
zweifellosigkeit  zu  lösen,  so  halte  ich  mich  doch  nach  der 
oben  geführten  Untersuchung  für  berechtigt,  eine  anzahl  regeln  für 
das  kritische  verfahren  aufzustellen,  welche  bei  weitem  in  den 
meisten  fällen  eine  bestimmte  entscheidung  geben,  und  wonach 
Lachmanns  text  wesentlich  zu  modificieren  sein  wird.  Jede 
einseitige  bevorzugung  einer  einzelnen  hs.  ist  zu  verwerfen. 
Auch  die  Übereinstimmung  von  zweien  gegen  die  der  übrigen 
hat  keinen  wert;  denn  entweder  beruht  sie  auf  einem  ver- 
wantschaftsverhältnis  der  beiden  oder  auf  zufälligem  zusammen- 
treffen in  einer  änderung,  welches  für  zwei  anzunehmen  eine 
viel  geringere  Schwierigkeit  ist  als  fllr  alle  übrigen.  Erst, 
wenn  auf  beiden  selten  mehr  als  zwei  zeugen  stehen  (abge- 
sehen von  den  stellen,  an  denen  mehrere  hss.  lückenhaft  oder 
ihre  abweichungen  nicht  angegeben  sind),  oder  wenn  sich  die 


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360  PAUL 

hss.  in  mehr  als  zwei  hauptparteien  teilen,  fängt  eigentlich  die 
Schwierigkeit  der  entscheidung  an.  Hier  kommt  es  darauf  an 
die  verwantschaftsverhältnisse  der  hss.  zu  berücksichtigen  und 
nach  ihrer  grösseren  oder  geringeren  Selbständigkeit  den  wert 
ihres  Zeugnisses  zu  bemessen.  Nach  unserer  obigen  darlegung 
des  handschriftenverhältnisses  ergeben  sich  die  grundsätze,  nach 
denen  zu  verfahren  ist,  von  selbst.  Eine  frage  bleibt  uns  nocl 
übrig :  sind  vielleicht  alle  uns  erhaltenen  hss.  aus  einer  gemein- 
samen quelle  geflossen,  welche  bereits  eine  anzahl  Verderbnisse 
enthielt,  wie  dies  Lachmann  voraussetzt?  Eine  solche  annähme 
ist  immer  mislich,  wo  eine  grosse  menge  zum  teil  alter  hss. 
vorliegt,  und  muss  auf  das  strengste  bewiesen  werden.  Den 
nachweis  aber  ist  Lachmann  schuldig  geblieben.  Wo  er  eine 
alte  Verderbnis  ansetzt,  geschieht  dies  seinen  metrischen  hy- 
pothesen  zu  liebe,  oder  um  den  vorzug  von  A  zu  retten,  oder 
aus  Vorliebe  für  eine  lesart,  ohne  dass  die  Unrichtigkeit  der 
entgegenstehenden  erwiesen  würde.  Ich  komme  unten  auf  alle 
diese  stellen  zu  sprechen. 


Es  wird  zweckmässig  sein,  wenn  ich  nach  der  reihenfolge 
des  gedichtes  eine  Übersicht  gebe  über  alle  die  Veränderungen, 
welche  mit  Sicherheit  oder  gröster  Wahrscheinlichkeit  in  dem 
texte  des  Iwein  anzubringen  sind.  Ich  füge  dazu  begründungen, 
soweit  es  noch  nötig  ist.  Wo  dies  schon  früher  geschehen  ist, 
wird  auf  die  betreffende  seite  verwiesen.  Ist  nichts  bemerkt, 
so  liegt  die  begründung  in  der  handschriftlichen  autorität.  Icli 
gehe  dabei  von  Lachmanns  zweiter  ausgäbe  aus.  Ihr  text  steht 
jedesmal  vor  dem  gleichheitsstrich ,  hinter  demselben  meme 
lesart.  L^  bezeichnet  die  erste  aufläge.  Wo  nichts  dj|.rtiber 
bemerkt  ist,  stimmt  diese  und  Bech  zur  zweiten  ausgäbe. ' 

6  der  Bdr  =  ^^  ie  Dbc.  21  der  =  so  und  22  unde  ez^ 
daz  er  cf  s.  352;  hinter  25  ist  dann  ein  punkt  zu  setzen,  die 
klammer  von  26 — 29  zu  streichen.  32  sin  =  sinem  cf.  s.  358. 
45  den  hof=  hof  cf.  s.  349.  56  dä=sU  cf.  s.  349.  58  ^a== 
dd  cf.  s.  350.  63  mänlich  A2i  =  männeclichBDdL^  cf.  s.  342- 
69.  70  stehen  in  dieser  reihenfolge  nur  in  den  beiden  verwan- 
ten  hss.  bc;  sie  sind  wider  mit  der  ersten  ausgäbe  in  umge- 
kehrter reihenfolge  zu  stellen  nach  BDadrf  (A  fehlt).  71  dise 
A  =  dise  retten  BDabcdrfL^;  wir  haben  hier  nur  eine  der  häu- 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  361 

figen  auslassungen  in  A,  die  nur  durch  die  unrechtmässige  auf- 
nähme der  Umstellung  von  bc  einen  sinn  erhält;  Lachmanns 
behauptung,  dass  reiten  ein  zusatz  sei,  welcher  notwendig  ge- 
wesen, nachdem  die  von  ihm  hergestellte  natürliche  anordnung 
zerstört  gewesen  wäre,  widerlegt  sich  schon  dadurch,  dass  es 
auch  in  bc  steht,  die  doch  seine  anordnung  haben.  72  van 
grdzer  Aaf  =  von  Bbd  (sagten  von  crj :  grozer  und  sagten  scheinen 
zur  Verlängerung  des  verses  hinzugefligt.  73  üf  Aa  =  v»ifc 
BDbcd.  92  dez  (des  A,  daz  I)cL^)  =  der  Badfr.  95  von  Aa 
=^und  von  Bf  (und  doch  von  D,  und  nicht  von  bc^.  95  kleiner 
Sii=deheiner  BDdrA  (nicht  hcj  cf.  s.  326;  wenn  auch  nicht 
fttr  die  lesart  von  bc,  so  doch  gewis  für  die  negation  über- 
haupt dürfen  wir  das  Zeugnis  des  französischen  in  anspruch 
nehmen. 

102  kein  =  keiner  cf.  s.  298.  05  ein  ^  alein  cf.  s.  298. 
06  engegen  ir  Aac  =  engegen  ir  ü/  Bdr  Bech  (üf  sä  DfJ ;  hier 
lässt  schon  die  handschriftliche  autorität  keinen  zweifei:  üf 
ist  in  Aac  ausgelassen  wie  engegen  in  Df ;  wie  man  aber,  nach- 
dem man  auch  den  französischen  text  kennt,  an  der  richtigkeit 
von  üf  zweifeln  kann,  verstehe  ich  nicht.  11  und  ABd  =  er 
Daher  (gewis  besser).  11  beruoft  ABA  =  strafte  Dabc.  14 
bekant  ADsL==erkant  Bbcdfr.  19  von  Aad  =  t;or  Bbcf  (vur  D). 
21  bedankt  A  (duncket  b.J  =  danket  des  (es  r)  Bcr  (beduncket 
des  d).  nach  23  wird  besser  ein  punkt  und  nach  25  ein  kolon 
gesetzt;  so  in  24.  5  bezieht  sich  auf  das  folgende.  28  kein  = 
keiner.  34  säzen  ADf=gesäzen  Bacdr.  35  ir  ouch  Ad  (tu 
auch  SiJ  =  ouch  ir  Bdfr.  36  da  AD  =  des  Bacdr.  39  selbem 
B  =  selben  Abf  (selber  acd^.  43  ingesinde  A  =  gesinde  BDabcdf 
L\  nach  46  ist  ein  kolon,  nach  47  statt  des  punktes  ein  komma 
zu  setzen;  denn  Kalogreant  will  doch  dem  Keii  nicht  die  be- 
ruhigende Versicherung  geben,  dass  ihm  nichts  zu  leide  ge- 
schehen wird,  vielmehr  will  er  ihm  in  recht  beleidigender 
weise  die  Verachtung  seiner  Schmähungen  zu  erkennen  geben. 
155.  6  wand  wir  daz  wizzen  vil  wol  daz  =  und  wcere  daz  weiz 
got  vil  wol:  wan  cf.  s.  343.  58  dinen  (den  slJ  eren  Aa  =  ^ne 
ere  BDcr  (dlne  erenhäj.  61  Joch  A  =  zu  streichen  mit  drf 
(dafür  dach  B,  al  Dac).  61  geseii  Asi  =  gesagt  BDcdf.  62  m- 
der  geleit  ==  verdagt  cf.  s.  343.  79  ze  Ad  =  zu  streichen  mit 
Bcfr  (dafür  gar  a),     91  dazz  =  daz  iu  daz  cf.  S.  304. 


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962  PAUL 

203  verlorn  Aa  =  verlorniu  BDbdf.  08  stinke  =  immer 
smecke?  cf.  s.  351.  11  und  Acd  =  noch  BDar.  14  schelten 
AD '^^  gescheiten  Bacd.  34  sin  bcese  Af=sin  bceser  Dac  (sine 
boBsen  BdJ.  51  manec  A  =  maneger  Babcdr  (manich  man  B) 
cf.  S.298.  ß6  ich  Ad  =  ich  da  BDacf.  67  der  wart  Aä  =  der 
was  Bacfr  (fehlt  D)  cf,  Chrest.  180  molt  i  ot  voie  /elenesse. 
81  engegen  A  =  gegen  BDadcr.  Die  zeilen  97.  8  sind,  trotzdem 
widerholt  darauf  aufmerksam  gemacht  ist,  dass  sie  durch  das 
französische  gesichert  sind,  in  die  neueste  ausgäbe  und  auch 
von  Bech  nicht  wider  aufgenommen  und  nicht  einmal  eine  be- 
merkung  dar-über  gemacht;  sie  stehen  auch  in  f  wan  mir  leicht 
vntz  an  mein  tod  ward  chain'  herberg  so  not;  sie  sind  zu  lesen 
wan  mir  wirt  Hht  unz  an  minen  tot  der  herberg  nimmer  me  sS 
not;  den  artikel  mit  Pfeiffer  (Germ.  4,  195)  zu  streichen  sind 
wir  nicht  berechtigt. 

309  diu  hiez  =  die  hiezen  alle  hss.  (ABDabcdr,  paten  f) 
L^;  der  Übergang  in  den  plural  hat  nichts  anstössiges;  dieän- 
derung  ist  nur  einer  metrischen  Voraussetzung  zu  liebe  gemacht; 
aber  auch  die  zu  Gregor  230  gemachte  conjektur  ist  unhalt- 
bar cf.  meine  ausgäbe.  47  entuot  A  (tut  Aj  =  getiiot  BDacr. 
60  s6  Ad  =  zu  streichen  mit  BDacfr.  68  willigen  Asif==den 
willigen  BDcd.     93  daz  Ad  =  zu  streichen  mit  BDacfr. 

424  als  a  (also  A)  =  sam  BDcdfr,  28  als  Bd  (also  A)  = 
zu  streichen  mit  Dabcfr.  37  wol  aL  =  was  wol  ABDbcdfL*;  es 
ist  durchaus  unpassend  dasselbe  aus  dem  vorhergehenden  tu 
ergänzen.  49  vlach  =  und  vlach  alle  hss.  (ABDacdfr)  L^  Bech. 
54  der  Ahe  =  diu  Dadr  Bech  (den  Bj]  man  kann  bedenthalp 
nicht  als  objekt  zu  bevangen  fassen;  der  gen.  erklärt  sich  ein- 
fach aus  einer  gedankenlosigkeit  der  Schreiber,  die  wangen  von 
bedenthalp  abhängig  machten  ohne  sich  um  den  weitern  Zu- 
sammenhang zu  kümmern. 

504  der  =  der  cf.  zu  2128.  38  nähen  Ad  =  verre  BDabc. 
48  nie  selhes  niht  A  =  selhes  nie  niht  Bc  (nie  niht  solhes  D,  sol- 
ches nye  mer  ad^.     65  noch  A  =  ouch  Dacdf  (doh  AJ. 

615  da  A3i  =  der  BDd.  29  hangen  Ai=  hangend  BDad. 
40.  swarz  Ad  =  swmrez  BDbf  (stmm  slJ.  -  43  von  Ad  =  in  BDb 
(an  slJ,  48  in  (an  A,  fehlt  D)  allenthalben  AD  =  in  (an  aj 
allen  enden  Babdr.  57  daz  ^=^  daz  weter  cf.  s.  294.  60  daz 
^r  ADc  =  der    da    Babdf.      60    stuont    Aa  =  bestuont  BDc 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  363 

(gestunt  bd/  65  was  Aa  =  was  da  Bcdf.  69  wcere  Acf  = 
mcer  doch  Dabd  (wcere  ouch  Bj.  70  wan  Ad  =  wart  daz  BDabr. 
78  wart  ist  zu  streichen  cf.  s.  350.  85  al  A  =gar  Dbcd  (fehlt 
B,  mt/r  a).    96  sd  Aa  =  zu  streichen  mit  BDbdr. 

721  mir  Aab==zu  streichen  mit  BDcdfr;  ob  im  folgenden 
ze  buoze  stän  oder  huoze  bestän  zu  schreiben  ist,  lässt  sich 
schwer  entscheiden.  22  ode  mir  den  Hp  län  =  odr  ez  muoz  mir 
an  den  Up  gän  cf.  s.  343.  36  wand  Ad  =  ob  BDabf ;  es  ist 
dann  ein  komma  nach  werte  und  ein  punkt  nach  nerte  zu 
setzen:  er  erwiderte  mir  weiter  nichts,  als  dass  ich  mich  weh- 
ren sollte,  wenn  ich  mein  leben  erhalten  wollte.  44  an  Aac 
=  Ä/' BDbdr.  49  dd  ADa  =  doch  Bbdf.  51  wolde  ane  Ab  (ane 
rvolde  Dj  =  het  an  Badr.    67  gesaz  K  =  saz  BDbf  (ging  sltJ, 

77  ichz  Aa  =  ichn  Bcdfr.  77  niht  gende  A  =  gende  niht  Bfr 
(nicht  a.  geende  cd>.     78  nü  ABd  (?)  =  zu  streichen  mit  Dabrf. 

78  ich  Aac*==2cÄ  iu  BDbd.  Die  interpunktion  in  z.  76 — 8  ist 
nicht  zu  ertragen:  76.  7  kann  nicht  nachsatz  sein;  dieser  be- 
ginnt vielmehr  erst  mit  78,  und  76.  7  bilden  einen  erläutern- 
den Zwischensatz,  der  also  in  klammern  zu  schliessen  ist.  79 
schuttez  ^=  schütte  in  Dbcdr  (B).  87  da  A  =  zu  streichen  mit 
Dabdf  (von  im  Bj,  90  als  in  dem  lastr  ich  wart  gesehen  con- 
jektur  (also  indeme  laster  da  hi  ane  wart  gesien  A,  als  ich  in 
dem  laHer  wart  gesehen  ab^  =  m  dem  laster  ^nd  (als  df)  ich  wart 
(was  T>cäjgesehe7i  BDcdf;  die  letztere  lesart  ist  zu  fest  be- 
glaubigt, als  dass  man  eine  andere  zu  gründe  legen  könnte; 
man  könnte  höchstens  zweifelhaft  sein,  ob  als  oder  und  das 
ursprünglichere  ist;  dass  wid  sonst  nicht  bei  Hartmann  als 
Stellvertreter  des  relativpronomens  vorkommt,  beweist  noch 
nicht,  dass  er  es  nicht  an  dieser  einzigen  stelle  gebraucht 
haben  könnte,  da  es  bei  andeien  gleichzeitigen  dichtem  voll- 
kommen gesichert,  aber  immer  nicht  häufig  ist;  wie  bedenklich 
diese  von  Lachmann  so  oft  angewendete  art  des  beweises  ist, 
hat  schon  Pfeiflfer  bemerkt.  92  minen  Ad  =  mir  den  Dabr 
(mir  minen  BtJ.  97  niene  A  =  niht  BDabdf.  97  künde  Aa  = 
kan  BDbdfr. 

802  er  =  der  alle  liss.  L^;  es  ist  ;2;^//(?  zu  kürzen.  02  sage 
Aci=sage  ouch  BDbfr.  04  ze  A  =  die  BDabcdf  L^.  12  ers 
Ab  =  er  Badr.  36  7?2ir  Aa  =  mir  ouch  Bbdf  (ouch  mir  DJ. 
40  bceste  A\)i=^  aller  hceste  Dbd  cf,  Chrest  616   tot  le  pis  que 


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364  PAUL 

ele  set  45  vil  =  ze  vil  alle  hss.,  auch  f  L*.  47  ichn  mac 
Af  (ich  enkan  }>)  =  nun  magich  BDacd  L  K  62  erz  mir  Aa  = 
er  mirz  BDbdc.  73  und  in  conjektur  (un  aisin  A,  und  es  cj 
=  unz  ez  Dab  fwan  unz  ez  Bd,  wan  in  klammer  LV;  darauf 
ist  dann  wider  mit  L  ^ "  ein  punkt  nach  72,  ein  komma  nach 
73  zu  setzen;  nach  der  lesart  der  zweiten  ausgäbe  wäre  not- 
wendig als  gegensatz  zu  ergänzen,  'aber  der  fängt  den  streit 
an,  welchem  der  andere  den  ersten  schlag  nicht  verträgt',  wäh- 
rend es  doch  sonnenklar  ist,  dass  der  dichter  meint  'der  be- 
ginnt den  streit,  welcher  den  ersten  schlag  sich  nicht  gefallen 
lässt\  81  was  erwachet  A  =  erwachte  BDabd.  89zt^Ab  = 
mit  Bacdfr  fbi  DJ]  sie  waren  aufgestanden  cf,  85. 

905  riterHchen  a  =  ritterlich  und  ABDdf  L^  Bech.  (rit- 
terlichen und  hj,  11  sprach  Ab  =  gedähte  BDacdfr.  13  mir 
Wirt  A  =  mim  werde  BDabd  L^  Bech.  17  des  =  des  strites 
alle  hss.  (ABDabcdfr)  L^  Bech;  letzteres  erträgt  der  vers  sehr 
wohl,  denn  an  einem  doppelten  auftakte  wie  alsd  kann  nie- 
mand begründeten  anstoss  nehmen;  die  widerholuhg  ist  durch- 
aus dem  sprachgebrauche  angemessener  als  die  ergänzimg. 
21  erbttet  Ad  (arbeitet  ßj  =  bitet  BDacf  Bech.  22  enstrttet  A2^c 
=  stritet  BDbd.  48  künde  D  (schone  kan  hj  =  künde  gewin- 
nen und  Badf  L  ^  Bech  {gewinnen  und  c,  kan  in  der  vorher- 
gehenden zeile);  der  auftakt  künde  ist  nicht  zu  schwer,  da  in 
den  praeteritis  die  abwerfung  des  e  häufig  ist.  57  ^n  AD  = 
den  Bbcd  (daz  a^.  64  nä  Aac  =  hin  na  BDbdf.  81  Jeneme 
Ad  (gern  SiJ  =  einem  BDbf  (dem  gJ?  82  vor  Abf  =  von  BDad 
84  vil  ab  (vol  k)  =  zu  streichen  mit  BDd.  98  nime  (nimer 
LU  =  nicht  cf.  s.  350. 

1004  verstuont  Ad  =  verstuont  sich  BDab  Bech.  Nach 
12  wird  besser  ein  punkt  und  das  kolon  nach  13  gesetzt:  so 
sehr  verlangten  sie  nach  dem  zusammenstoss,  dass  etc.  18 
beide  Aa  =  zu  streichen  mit  BDbd.  22  solt  AD  =  und  solde 
Babcd.  24  die  Aa  =  den  BDcdf.  29  harte  AD  (vaste  äj  == 
zu  streichen  mit  Babcf.  37  wart  Ab  =  wart  da  BDdf.  4S 
und  AiQ=unzBDfL^  (biz  SibJ:  dann  ist  mitL^  hinter  46  ein 
punkt  zu  setzen  und  in  47  die  klammer  zu  streichen;  stünde  und, 
so  würde  Hartmann  nicht  6in  ding,  sondern  zwei  dinge  sagen. 

1100   enmeit  Adf  =    vermeit  BDabc.      13  ez  Ac  ==  md 


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h:ä.ndschriftenverhaeltnis  des  IWEIN.         365 

BDacdf.  19  lac  Aa  =  gelac  BDbdf.  39  da  vor  AB  —  vor 
des  Dbdf  (vor  aj.  50  niht  über  lanc  A  fuber  unlancke  h)  = 
des  {daz  B)  was  niht  lanc  BDd  (nicht  lanck  slJ.  51  zuo  im 
üz  A  (uz  un  in  1&)  =  zuo  im  Dacdf  (zu  ym  ein  b^;  vergleiche 
indessen  s.  326.  68  kürzer  Aa  =  dirre  BDbf  (der  A).  83  do 
Ab=  da  Baed  (einzig  richtig).  83  sprach  Ab  =  gesprach 
BDd  (besprach  slcJ.  88  doch  Ad  =  zu  streichen  mit  BDabf. 
91  ich  wcere  ir  grüeze  westlich  wert  conjektur  =  ichn  wcere  ir 
gruozes  (gruoze  A  Bech)  niht  s8  wol  (nicht  wol  a,  do  nicht  b, 
niht  De,  vw-f,  niht  s6  BechJ  wert  ABDabcd  L^  Bech.  Durch 
eine  ganz  gewaltsame  änderung  schafft  Lachmann  einen  sinn, 
der  sich  weder  mit  dem  voraufgehenden  noch  mit  dem  folgen- 
den verträgt;  besteht  die  unhövescheit  der  Lunete  bloss  darin, 
dass  sie  erwartet  gegrüsst  zu  werden,  und  kann  ihr  diese  er- 
wartung  bei  den  rittern,  die  ihr  dieselbe  ich  weiss  nicht  woran 
ansehen,  schaden?  Die  richtige  erklärung  von  91.  2  hat  Be- 
necke gegeben  und  dieselbe  wird  zum  überfluss  noch  bestätigt 
durch  ehrest  1004  flf.  espoir  si  ne  ful  pas  si  sage,  si  cortoise, 
ne  de  tel  estre,  come  pucele  deust  estre.  Wie  man  an  einem 
so  einfachen  gedanken  anstoss  nehmen  kann,  würde  unbegreif- 
lich sein.  Aber  der  gedanke  ist  es  eben  nicht,  an  dem  Lach- 
mann zuerst  angestossen  hat,  sondern  das  metrum.  Um  seine 
metrischen  principien  zu  retten  hat  er  hier  wie  an  andern 
stellen  durch  alle  möglichen  Spitzfindigkeiten  sich  und  andere 
zu  überreden  gesucht,  dass  auch  der  sinn  eine  änderung  ver- 
lange. Am  metrum  hat  auch  Bech  anstoss  genommen  und 
deshalb  wol  gestrichen,  welches  aber  durch  die  autorität  von 
ABad  gesichert  ist  und  eher  ausfallen  als  zugesetzt  werden 
konnte.  Weniger  durch  die  Überlieferung  gesichert  ist  so,  aber 
nicht  gut  zu  entbehren.  Bechs  Vermutung  borwert  hat  gar  kei- 
nen anhält,  und  ich  weiss  nicht,  was  damit  genützt  ist.  Eine 
Schwierigkeit  ist  allerdings  vorhanden  in  z.  90.  Nämlich  üf 
geleit  bedeutet  in  den  sonst  bekannten  stellen  immer  'ausge- 
dacht, ersonnen',  nicht  'vermutet',  wie  es  hier  der  fall  sein 
müste.  Diese  Schwierigkeit  aber  wird  durch  Lachmanns  ände- 
rung nicht  beseitigt.  Wir  werden  doch  wol  die  letztere  bedeu- 
tung  zugeben  müssen,  da  Beneckes  erklärung  sich  durch  nichts 
stützen  lässt.  Sie  scheint  auch  durch  das  französische  bestä- 
tigt zu  werden.    Zwar  espoir  könnte  schon  durch  ich  weiz  88 


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366  PAUL . 

übersetzt  sein;  aber  gerade  das  alsd  het  ich  üf  geleit  ent- 
spricht doch  zu  genau  dem  espoir  si, 

1206  und  conjektur  =  die  ml  Dadc  funz  Bf  L^,  bisz  b>; 
dergleichen  Schwankungen  sind  so  gewöhnlich  und  so  erklär- 
lich, dass  man  sie  nicht  aus  einer  ungewöhnlichen  verlorenen 
lesart  abzuleiten  braucht.  07  gevinden  Aa  ==  vinden  BDd  (be- 
finden bc^.  35  an  Ad  =  in  Babdf  cf.  Chrest.  1028  mes  ii  co- 
vient  que  Ven  Vanpoint  si  qu'el  point  soit  la  pierre  enclose.  37 
leides  Acdf  =  arges  BDab  cf.  1405.  38  iuch  AD  =  iuch  für- 
namens  (hynamen  ab,  fürwar  cd,  sicher  i)  Babcdf.  38  ensihi 
A  =  siht  BDabcdf.  51  ende  B  =  enden  Dabd  Bech  ('wohl 
vorzuziehen'  L.).  77  sehenden  conjektur  =  gesehenden  BDbd 
(semge  a>. 

1300  enteret  in  Ad  =  nert  (gener et  slJ  in  ein  BDabcf. 
03  diu  AD  =  diu  guote  Bacd  und  demnach  wird,  was  nach 
der  handschriftlichen  autorität  nicht  zu  entscheiden  ist,  vorher 
statt  vriundin  ADd  zu  setzen  sein  vriunt  Bac;  über  vriunt  von 
frauen  gebraucht  cf.  mhd.  wb.  III,  412*.  10  öz  A  =  vürder 
Dbdf  (von  ir  a,  fehlt  B^  L^.  12  ezn  Db  ==  wan  ezn  ABacd 
hK  33  tmd  AEd  =  zu  streichen  mit  Babc.  43  riene  (ne  ne 
AJ  =  niht  Eacd  (niht  en  Bb,  iht  D  Bech.  54  rf  BE  =  ir 
ADabdf.  60  andersiunt  A  ==  aw  der  stunt  die  übrigen,  auch  f. 
.  65  gesach  A  (ersach  DJ  ==  rehte  ersach  BEabcdf.  66  rief 
Abc  =  ruofte  BEa  (roufte  sich  D,  seu/fte  f).  76  under  ,=  und 
under  cf.  s.  358.  86  ouch  Ad  =  zu  streichen  mit  BDEabcf. 
88  niene  A  (nie  B;  =  niht  DEabd.    97  ^/az  AD=  JizBEabdf. 

1400  ouch  A  =  zu  streichen  mit  BDEad  (nu  c,  aber  nu 
hj.  10  vollem  almuosn  unde  =  almuosn  und  mit  cf.  s.  358. 
18  der  herre  A  =  her  (der  herrc  Bcd>  Iwein  BDEabcd  Pfei- 
ffer Germ.  4,  194.  20  manegem  ADbf  ==  vil  manegem  BEaed. 
25  dähte  A  =  gedähte  BDEabcdf  Bech.  46  diu  not  enwas  A 
(des  not  die  was  ej  ouch  enwas  diu  not  BDEabd  Bech.  47  tUene 
AE  =  niht  en  BDab  (nit  gJ.  51  beschouwen  Aad  =  schouwen  (?) 
BDEbc.  53  michel  Aad  =  gröze  BDEbcf.  68  unsceligez  Aad 
=  unscelec  (?)  BDEbc.  75  ie  ADcf  =  hie  (?)  BEabd.  78  ge- 
sach AE  =  ersach  BDacdf  (sach  hj.  84  wider  Ab  =  nider 
BDEadf.    87  geriet  Abd  =  riet  BDEac. 

1500  tumbe  gedanke  (gedanken  AsiJ  =  tumben  gedatic 
BDEcdf.     09  ir  ab  Ad  ==  aber  ir  BDcf  (ir  hj.    22  däht  er  = 


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I  HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  367 

i  geddht  er  alle.  24  ze  hove  A  :=»  zu  streichen  mit  allen  ttbri- 
I  gen  (auch  f)  L^  27  niht  AD  =  ze  hove  Bad  (ze  hove  niht 
Ecf  scheint  fast  nach  der  autorität  der  hss.  das  richtige  zu 
sein,  und  man  mttste  sich  dann  mit  dem  metrum  abfinden). 
42  siner  BEb  =  ze  siner  ADacdf.  43  ze  ==«=  zem  cf.  s.  358. 
48  der  A  fir  dj  =  umbe  ir  BEacf  fum  die  DJ,  48  wunde 
(nnmd  dj  =  wunden  ABDEacf.  50  dan  ADb  =  dan  diu 
BEacdf  (das  pronomen  ist  unentbehrlich).  57  Minne  A  »=  diu 
mme  BEadf  (frou  mnne  Dj  cf.  s.  294.  59  stai  AD  =  arme 
stat  Bad;  es  muss  nach  dem  folgenden  vorausgesetzt  werden, 
dass  ein  herabsetzendes  epitheton  auch  schon  hier  gestanden 
hat  cf.  ehrest  1383  que  preuz  faitj  quant  de  malves  leusere- 
trcUL  &0  da  es  d  (dar  es  si  A,  dar  si  DJ  ^=  da  ir  BEad;  man 
würde  die  minne  nicht  bitten  sich  zu  zerteilen,  sondern  an 
einen  ort  hinzukommen;  diesem  sinne  entspricht  die  lesart  von 
B  wie  die  von  D,  während  A  eine  unmögliche  mischung  zweier 
eonstruktionen  enthält.  78  diche  Aa  =  ofte  BDEdf.  84  alswä 
conjektur  =  wol  attez  Dd  fallez  wol  a,  allez  ABE^.  86  gene- 
sen AE  =  geniezen  BDadf  (vielleicht  des  geniezen  nach  Da,  d 
hat  sys  nu  gj\  darauf  ist  ein  kolon  statt  des  punktes  hinter 
län  zu  setzen,  denn  es  folgt,  wovon  die  minne  vorteil  haben 
soll.  87  si  em^elte  hie  nü  A  =  si  hat  erweit  nü  (fehlt  DEaf) 
DEadf  (dazs  ir  nu  weit  Bj.  99  ab  ersach  faber  sach  A  Bech) 
=  eine  ersach  Bcdf  L^  f  ersach  Db,  an  gesah  E,  gesach  a^;  der 
sinn  der  stelle  ist:  als  Iwein  sah,  dass  die  frau,  trotzdem  sie 
allein  war,  doch  ebenso  klagte  wie  vor  den  leuten  und  da- 
durch ihre  treue  und  die  aufrichtigkeit  ihres  Schmerzes  er- 
kannte. 

1606  alsd  Ab  =  sd  BDEacd  10  eiä  Aa  =  ja  BDEbcd 
(ach  i).  11  ^^  Ad  =  ffit  mir  BDEabc.  25  wirt  AEa  =  und 
Wirt  BDbcdf.  28  rf  ADabf  =  si  ir  BEcd  (?)  34  ich  AEf  = 
ich  nä  BDabd.  39  triut  conjektur  =  trüwe  ABEc  L^  Bech 
(getruwe  aDd,  kan  bf).  45  ze  wandet  BE  =  ir  ze  wandet 
Dadf  (zu  wandet  ir  h).  57  Minne  conjektur  =  diu  minne 
BDEcdfL^  (fraw  mynne  a.  myn  frauwe  m,  b^;  inwiefern  hier 
die  Varianten  deutlich  Miwae  als  das  echte  zeigen  sollen,  ver- 
mag ich  nicht  einzusehen;  können  nicht  zwei  junge  hss.  diu  in 
frouwe  geändert  haben  ?  55  dazn  ist  A  =  daz  ist  BEb  (diss  ist  a, 
die  ist  d^  ez  chumt  D).    59  unbescheiden  conjektur  =  unbeschei- 


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368  PAUL 

denHchen  BDEcf  (unbesceindenliche  A,  unheschaidenlich  d,  wnhe- 
scheidenliche  L\  iemerlichin  a^;  auf  die  frage  Lachmanns  ^wie 
unverständig  ist  denn  die  minne  bisher  verfahren?'  hat  schon 
Benecke  die  vollständig  befriedigende  antwort  gegeben,  näm- 
lich so,  dass  sie  nur  den  Iwein  mit  liebe  entzündet  anstatt 
das  auch  der  Laudine  oder  keinem  von  beiden  zu  tun;  es 
könnte  sich  höchstens  vielleicht  fragen,  ob  man  hier  nicht  ge- 
gen die  überwiegende  autorität  der  hss.  das  schliessende  n  weg- 
zulassen berechtigt  wäre.  60  solde  Aa  =  tvolde  BDEcd  (wü 
f;.  78  gienge  ADc  =  gierigen  BEabd  81  Für  daz  Acdf  wird 
da  BEb  (Sit  D,  so  slJ  und  darauf  ein  komma  nach  83  zu  setzen 
sein;  jedenfalls  ist  daz  nicht  erträglich;  outve  wird  zwar  nicht 
bloss  als  klageruf^  sondern  auch  zum  ausdruck  der  Sehnsucht 
und  bewunderung  gebraucht,  aber  outve  daz  heisst  niemals 
etwas  anderes  als  'wehe  darüber  dass',  und  Iwein  kann  es 
doch  nicht  bejammern,  dass  die  frau  in  ihrer  betrübnis  noch 
so  wonniglich  ist ;  man  vergl.  nun  Chrest  .1490  Bon  ne  fast 
ce  mervoille  fine  a  esgarder,  s'ele  fust  liee,  quant  ele  est  or  si 
bele  iriee;  diesem  sinne  entspricht  genau  sit,  welches  aber  nur 
von  D  gewährt  wird;  es  scheint,  dass  wir  dem  da  bereits  die 
neuhochdeutsche  bedeutung  =  mhd  sit  zuerkennen  müssen: 
kaum  anders  lässt  sich  befriedigend  erklären  Trist  21.  22  er 
unde  lop  diu  schephent  list,  da  list  ze  lobe  geschaffen  ist  'ehre 
und  lob  bringen  kunst  hervor,  da  die  kunst  dazu  geschaffen 
ist  gelobt  zu  werden';  vielleicht  lässt  sich  so  auch  Iw.  56  da 
verteidigen;  möglich  dass  bei  genauem  aufmerken  sich  noch 
mehr  dergleichen  stellen  finden. 

1720  Iierze  =  herze  sticont  und  darauf  ist  stuont  in  21  zu 
streichen;  so  haben  alle  hss.  und  L^  i\  dd  an  A  (da  an  () 
=  an  BEab  (das  an  c,  des  an  dj.  35  alsrvä  conjektur  (an- 
ders Tvä  Ab.J  ==  anders  Bbd  (niht  anders  E,  fehlt  cf.).  44  lie- 
bren  conjektur  =  Hebern  tac  ADEdL^  (sy  sprach  af,  fehlt  Bbc); 
weshalb  soll  hier  tac  'elend  widerholt'  sein?  es  ist  vielmehr 
unnatürlich  bloss  liebem  zu  widerholen;  dass  in  mehreren  hss. 
die  widerholung  ganz  fehlt,  gibt  uns  doch  nicht  die  geringste 
veranlassung  die  halbe  widerholung  fftr  richtig  zu  halten;  den 
wahren  grund  zur  änderung  hat  Lachmann  verschwiegen:  es 
soll  sagt  nicht  in  der  Senkung  stehen,  und  er  schreibt  deshalb, 
was  erst  nach  auslassung  von  tac  möglich  wird,  sagent,    71 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  360 

daz  AA  =  diz  BDEab.  92  ir  A  =  ir  diu  BDcdL^.  cf.  s.  294. 
94  gevolget  W^  =  der  (daz  slJ   volgeie    DacdfL^    {volgete   A). 

1814  got  sol  mir  den  =  dentdt  sol  mir  got  L^  cf.  &  304. 
24  wellet  D  (willet  k)  =  weit  BEdf.  24  brunnen  D  =  den  brunnen 
Eabf  oder  iuwern  brunnen  ABd(?).  39  kurzerme  (kürzerem  d, 
kurzer  Aj  =  kurzem  Dac  (vil  churzem  BEb).  40  wil  Ab  *= 
kamen  wil  BDEacdf  Bech.  41  ze  E  =  zuo  BDAL^  41  kamen 
Ab  =  zu  streichen  hier  mit  BDEacdf  Bech  cf.  s.  358.  46  ir 
Ad==ir  gar  BEabcdf.  48  an  einen  man  AE  (an  nyemen  dj  = 
an  ir  einen  BDabf.  52  tar  Af  =  getar  BDabd.  55  erkam 
ADf=öz  erkam  BEabcd.  1871  manec  A  =  maneger  BDabdf 
LI  Bech.  72  dach  Aaf  =  5Ö  BDEbd.  76  dicke  Aab  =  o/Ve 
BDEDf.  79  macs  üz  übelem  E  (mag  sy  van  ubelime  slJ'^  mac 
sus  übel  ABcdf L^  (m<ich  die  übel  DJ.  79  muote  (mueie  Ej  = 
gemuete  ABDacd  cf.  2007.  2051.  80  bekgren  wal  h^wal  be- 
keren  ABacdfL^  (wal  bringen  E,  lihte  nimmer  bringen  DE). 
80.  81  guote  A=giiete  BL^  (die  Schreibung  von  A  beweist 
natürlich  nichts).    82  muate  d  =  gemüete  ABEacL^. 

1920  weere  A  =  wcere  danne  DEabdf.  35  si  Aad  =  zu 
streichen  mit  BDEbf.  38  schilte  h  =  ze  schilte  ABDEacdfL* 
Bech.  38  sper  A  =  ze  sper  BDEabcdfL*  Bech.  40  sage  Acf 
=  hän  BDEad  Bech.  43  iun  conjektur  (m  iu  BEd)  =  in 
Dabf  ALI  Bech.  46  der  Aa  =  zu  streichen  BDEbcd.  67  geztu- 
ges  A  (habe  gezuges  ab,  hab  getzeugn  i)  =  erziuges  BDE  (be- 
zeug es  dj.  67  iu  A  =  nw  BDad  (wal  E,  fehlt  bc).  74  zir 
AEa  =  ir  zua  BDcdf    80  doch  Ab  =  aber  Baedf  (ab  ir  Ej. 

2005  versuachten  AD  ==  verstwchte  BEabcd;  letzteres  ist 
besser  und  wird  notwendig,  wenn  im  folgenden  sich  geschrie- 
ben wird.  06  si  Acd=^  sich  BDEbd.  08  muote  ADdf^=  ge- 
muete BEabc  (?);  demgemäss  würde  natürlich  07  güete  zu 
setzen  sein.  23  erkenne  Da  =  erkenne  nü  ABEbdfL^  Bech. 
43  rehte  Aab  =  ze  rehte  BDcdf.  51  muate  ADa  ^=gemilete 
BEbcdf  und  danach  52  gilete  cf.  1879.  53  machte  im  unschult 
conjektur  =  machte  in  (oder  machtnj  unschuldec  nach  allen  hss. 
L^  Bech.  Hinter  85  ist  das  fragezeichen  zu  streichen/ 86.  87 
in  klammem  zu  schliessen  und  88  der  statt  der  zu  setzen  cf. 
zu  2128.  89  burt  k=^geburt  die  übrigen  L^  Bech.  90  ander 
Aad  =  ander  die  BDE  (ander  disz  c,  so  reich  h),  96  daz  AEb 
=  daz  von  im  BDcdf  (da  von  ichi  &J. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche.  I,  25 


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370  PAUL 

2107  er  heizet,  vrouwe  A  (vrowe  er  heizet  DE,  sy  sprach 
er  h.  aj  =  er  heizet  her  Bbcf  cf.  Chrest.  1815  'comant  a  nmiV 
'mes  sire  Fvains*.  09  jä  AE  (so  slJ  =  deiswär  y^B  oder  bloss 
deiswär  Db  (zwar  cd),  11  künec  =  küneges  alle  hss.  L^.  15 
weisiü  aber  AD  =  weist  aber  du  BEbf  (weist  aber  du  aber  d, 
weist  du  a).  23  hiute  Adf  =  zu  streichen  mit  BDEab.  23 
morne  Aa  =  morgen  Bt)Ebdf  cf.  s.  342.  23  geseJie  AD  =  sehe 
BEabdf.  28  dazz  conjektur  =  daz  Acd  (der  BDb,  der  L^,  d^z 
er  a);  das  schwanken  zwischen  daz  und  der  beruht  darauf, 
dass  die  Schreiber  das  relativum  entweder  auf  niht  oder  auf 
man  bezogen;  irgend  ein  zwingender  grund  in  dazz  zu  ändern 
besteht  nicht;  daz  steht  eben  wie  so  häufig  nach  einem  so  im 
regierenden  satze,  wo  wir  jetzt  ^dass  es'  gebrauchen,  welchen 
ziemlich  gewöhnlichen,  auch  dem  altfranzösischen  eigenen  ge- 
brauch des  relativums  Lachmann  ganz  verkannt  zu  haben 
scheint,  da  er  immer  an  solchen  stellen  dazz  oder  der  setzt 
Es  hängt  dies  mit  seiner  allgemeinen  neigung  zusammen  aus 
zwei  verschiedenen  lesarten  durch  combination  eine  dritte  zu 
construieren,  auch  wenn  die  eine  nur  von  einer  einzigen  schlech- 
ten hs.  gewährt  wird  und  wenn  sie  sich  sehr  leicht  aus  der 
andern  erklären  lässt.  Mir  scheint  dies  eine  unberechtigte 
Übertragung  der  metho^e  der  elassischen  philologie  auf  die 
mittelhochdeutsche  textkritik.  Denn  dies  verfahren  setzt  vor- 
aus^ dass  eine  hauptveranlassung  zu  ändörungen  der  Schreiber 
das  misverständnis  der  Schreibung  ihrer  vorläge  gewesen  sei. 
Diese  Voraussetzung  ist  für  die  lateinischen  und  griechischen 
hsß.  begründet,  weil  diese  mit  mangelhafter  kenntnis  der 
spräche  aus  originalen  voller  abkürzungen  abgeschrieben  sind. 
Dagegen  in  den  mittelhochdeutschen  hss.  kommen  fast  gar 
keine  abkürzungen  vor;  die  spräche  war  den  Schreibern  als 
ihre  muttersprache  vollkommen  geläufig  und  änderte  sich  nicht 
in  dem  grade,  dass  nicht  etwa  oberdeutsche  Schreiber  aus  dem 
ende  des  dreizehnten  jahrh.  einen  oberdeutschen  dichter  aus 
dem  anfang  desselben  vollkommen  verstanden  haben  sollten 
ausser  bei  wirklichen  Schwierigkeiten  des  gedankens.  Die  än- 
derungen  entsprangen  daher  zum  bei  weiten  kleinsten  teil  aus 
misverständnis,  sondern  weit  überwiegend  aus  willkür  der 
Schreiber,  denen  es  keine  Schwierigkeit  machte  sich  in  ihrer 
muttersprache   frei  zu  bewegen   cf.  s.  299.     3.1  volg  et  (volget 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  371 

A)  =  volge  die  übrigen,  auch  f  cf.  s.  304.  38  häts  (hat  dn 
ABd)  =  habe  sin  DEcf  (hdbez  ab).  50  morne  Aa  =  morgen 
BDEbcd.  56  enwirt  Ac  =  und  enrvirt  die  übrigen.  60  vürht 
ez  ADb  =  ßrhte  deiz  Bacdf.  66  uz  Ac  =  üf  BDEbd;  diu 
rede  ist  üf  ir  rvege  gar  bedeutet;  die  rede  (dass  ihr  einen 
mann  zur  Verteidigung  des  brunnens  wählen  woUt)  liegt  ganz 
auf  ihrem  wege,  kommt  ihnen  sehr  gelegen.  80  geriet  BEb 
=  riet  Dadf.  86  da  niender  AEd  =  doch  da  Tuender  (doch 
niender  BD,  doch  da  nicht  ac).     99  in  BE  =  im  ADbd. 

2208  ouch  Ad  =  zu  streichen  mit  BDEab.  9  sd  AD  = 
also  Eabdf.  (als  Bj.  15  genc  Ab  =  nü  (und  dj  genc  BDEacdf. 
17. 18  also  gemeRche  (vroelic/ieh^),  do  gebär ie  si  geHche  =  dd  ge- 
barte si  geHche  durch  ir  gemeHche  Bech  cf.  s.  340.  61  schos- 
nez  Aaf  =  schosne  BDEbd.  63  danc  Acf  «=  sinen  danc  BDad. 
92  's  niht  Aa  (niht  EJ  =  nihtes  BDbdf. 

2300  niene  Ad  (nu  cj  =  niht  BDEab.  05  guot  Aad  = 
muot  BDEbcf  (?).  07  niht  Aaf  (nirgent  cj  =  zu  streichen  mit 
BDEbd.  14  ich  ADb  =  ich  e  Bcdf  (ich  ye  SiJ;  e  ist  nicht 
gut  zu  entbehren :  das  land  muss  ich  lieber  mit  einem  manne, 
der  es  beschützt,  versehen,  ehe  ich  es  verliere.  15  eim  (eime 
Aa)  =  einem  BDbd.  21  ff.  ist  die  Interpunktion  der  ersten 
aufläge  wider  herzustellen;  Bech  hat  mit  recht  die  grosse 
klammer  von  22 — 32  gestrichen;  aber  sein  komma  nach  21 
und  kolon  nach  23  sind  gewis  keine  Verbesserungen.  26  vrem- 
den  AEb  =  vremder  BDad  (geste  f).  69  diu  ^=^  deUe  alle  hss. 
L^  Bech.  73  gesähen  Abc  =  sähen  BDEad.  75  s€ehen  A  = 
gescehen  BDabdf.  94  dehein  (nie  kein  L^  =  nie  dehein  dinc 
cf.  s.  298. 

2406  inner  zehen  =  in  vierzehen  alle  hss.  nur  E  in  Z7velf\ 
Chrestiens  hat  nacli  Holland  2085  einpois  que  la  quinzaine,past, 
12  burt*=  geburt  alle  hss.  L^  Bech.  12  und  A  =  und  sin 
BDabd;  der  vers  ist  zu  lesen  des  Httrs  gburt  und  sin  vrümek- 
heit,  24  burt  A  =  geburt  die  übrigen  L^  Bech.  40  vollecH- 
eher  b  (volUcher  k)  =  s6  vollecHchiu  BDEd  (so  sulche  SiJ.  62 
wie  er  sluoc  und  wie  er  stach  Aa  =  ouwe  wie  er  sluoc  und 
stach.  66  zwäre  Ad{=^deiswär  BDEa  (fehlt  b).  71  da  ABb 
=  daz  DEadf 

2501  der  =  der  alle  hss.  IJ  cf.  zu  2128.  17  nü  Ab  = 
her  BDdf  (fehlt  Ea).    26  sit  AEc  =  sit  daz  BDabdf.    30  Äo»- 

25* 


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372  PAUL 

gm  Aab  =  hangend  BDEdf.  31  vol  des  Aac  =  vollez  BDEbd 
38  daz  es  (sin  i)  alle  die  verdröz  Aaf  =  daz  alle  die  da  v. 
BDEbd,  72  niht  conjektur  =  anders  niht  ABEbfL^  Bech  (nicht 
anders  d,  anders  und  dann  keynen  Da).  78  unire  a  =  ere 
ABDEbcdL^;  gedenken  üf  wird  gerade  wie  raten  üf  im  schlim- 
men sinne  gebraucht  werden  kjonnen:  etwas  gegen  jemand 
oder  gegen  etwas  im  schilde  flikren;  der  eigentliche  bestim- 
mungsgrund  für  Lachmann  die  änderung  von  a  aufzunehmen 
war  wol  die  absieht  4  hebungen  herzustellen.  79  was  ADa  = 
wart  Bbcdf. 

2604  heizet  ADa  =  herre  heizet  Bbcdf.  08  gewinne  ius  = 
gewinnes  tu  alle  hss.  L^.  48  und  sins  AEd  ==  und  des  BDah. 
55  dazn  A  =  dane  BDcdL^  67 — 69  ist  mit  den  hss.,  L^  und 
Bech  zu  schreiben:  unsers  werden  gastes,  zwäre  du  hästes 
iemer  Ion  wider  mich.  Um  einer  willkürlich  angenommenen  reim- 
regel  willen,  die  auch  2112  gebrochen  ist  (denn  die  dort  an- 
gebrachte entschuldigung  ist  doch  höchst  sonderbarer  art),  wird 
zunächst  eine  conjektur  gemacht,  welche  besteht  in  der  ein- 
schiebung  eines  mtissigen  flickwortes  und  der  annähme  eines 
unerhörten  enjambements,  für  welches  eine  analogie  nirgends 
anders  hergeholt  werden  konnte  als  aus  einem  Ulrich  von 
Türheim,  und  zwar  eine  analogie,  die  wegen  der  ganz  andern 
6lT  ie  angenommenen  bedeutung  nicht  einmal  passt.  Dann, 
weil  das  so  conjicierte  wider  einer  willkürlich  angesetzten 
versregel  widerspricht,  wird  darin  eine  neue  conjektur  ge- 
macht. Und  schliesslich  wird  dann  behauptet,  dass  der  sinn 
die  änderungen  gefordert  habe.  Aber  dieser  angeblich  ver- 
langte sinn  ist  doch  nur  dem  dichter  willkürlich  untergescho- 
ben. Es  ist  auch  nicht  einmal  der  versuch  gemacht  nachzu- 
weisen, dass  das  überlieferte  nicht  dem  zusammenhange  ange- 
messen sei,  ein  versuch,  der  freilich  nicht  gelingen •  konnte. 
Ausserdem,  dass  du  hast  Ion  wider  mich  heissen  könnte  *du 
hast  lohn  für  mich'  möchte  doch  wol  erst  durch  parallelstellen 
zu  belegen  sein. 

2704  selleschaß  ==  geselleschaß  alle  hss.  L^  Bech.  19  von 
ADa  =  ÄÖ  Bbd  (in  so  cf);  die  praepositionen  sind  wol  späte- 
rer Zusatz;  ich  weiss  allerdings  kein  beispiel  von  nem  mit 
dem  gen.,  aber  emem  ist  im  mhd.  wb.  nachgewiesen.  39  niht 
Aabdf  =  iht  BDE;  letzteres  ist  wie  gewöhnlich  in  den  jünge- 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  373 

ren  hss.  durch  ersteres  ersetzt.  93  also  Aa  =  s6  Bbd  (fehlt  D). 
98  et  =  zu  streichen  mit  den  hss.  L^  Bech. 

2807  vil  AEd  =  zu  streichen  mit  BDabf.  07  manec  =  ma- 
neger  die  hss.  L^.  16  ode  Ad  =  und  BDEabf.  18  rf  AEa  = 
sin  BDcd.  52  swer  Aa  =  der  BDbdf.  52  ^z  D  =  ere  ABEabdfLi 
Bech.  53  cUu  =  deste  die  hss.  L^  Bech.  53  dicker  Aa  =  öfter 
BDbdfLi.  57  riterschaft  Ad  =  ritterschefte  BDab  Bech.  68 
däne  Ad  =  da  BDEbcf.  68  ^  =  sich  cf.  s.  350.  72  dicke  Ab 
=  ofte  BDadf.  73  manec  A  =  manegiu  BDEcd.  76  ^  a^  des 
A  (er  des  SiJ  =  abferj  ers  BDcdfL^.  80  ein  ADE  =  ein  richez 
Bacdf.  95  diu  kint  Aac  ==  kint  BDd.  98  gebringen  Ad  ==  brin- 
gen BDacf. 

2900  ich  Aab  =  ic?is  BDd  fich  sein  cf).  dann  wandeis  Aa 
=  wandet  BDbcdf  cf.  s.  344.  06  michel  AEb  =  michets  BDacd. 
17  ^r  ADf  =  er  st  BEabcd.  20  er  ADb  =  er  si  Bacdf.  38 
enkumt  ir  [uns  h]  wider  niht  Ab  =  ir  enkumt  uns  (denne  SiJ 
wider  BDEacd.  39  ^z  A  ==  ez  uns  DbcdL^  funs  daz  B,  uns 
D).  41  nach  BE  =  nach  den  Dbcf  (na  der  Aad).  79  sagt  ez 
Aaf  =  mgt  irz  Bb  (seitez  ir  Dd.  80  wand  ez  Adf  =  ez  BDEab. 
80  mir  AD  ==  mir  ouch  Ead,  auch  mir  Bb.  83  entriuwen  Ad 
(E  hat  es  vorher)  =  zu  streichen  mit  BDabf. 

3015  ruorte  Af  =  geruorte  BDbd  (berurie  slJ.  17  dicke 
Aa  =  o/te  BDbdf.  20  torst  Aaf  =  getorste  BDbcd.  23  ^/az 
gesach  AB  =  gesach  Dabcdf.  33  ^^//m  A  =  gesellen  die  tibri- 
gen  LI  Bech.  56  ^z  Abc  =  sm  BDadf.  57  ez  ein  A  =  daz 
BDabd  =  ^<?az  daz  E,  ^fcÄ  rfaz  f);  dann  gevienc  Adf  =  an 
gevienc  ab  (an  vienc  BD);  es  war  wol  an  in  der  vorläge  von 
Ad  ausgefallen,  und  A  suchte  dann  wider  einen  sinn  herzu- 
stellen. 58  ouwest  =  ougest  cf.  s.  342.  71  die  besten  ADf  = 
dne  besten  Bbd  (dy  synen  a).  76  dicke  Aa  =  ofte  BDbd  (fehlt 
E).  84  er  dähte  A  =  er  gedähte  Badf  (in  duht  DEb).  96  «<^ä^ 
Aa  (nahnte  D)  =  nähten  Bbdf  (?)  und  dann  bossiu  mit  BD. 
98  dicke  Aa  =  ofte  BDcdf. 

3129  6?«z  rf  sich  =  wm?  flfaz  y?  sich  BDEbcdL^  (und  sich 
af,  die  sih  A);  es  ist  kein  grund  von  der  tlberlieferung  abzu- 
weichen; man  lese  des  verses  wegen  grechen.  38  schome  A 
(geburt  Db)  ==  ir  schome  Bacdf.  38  richeit  ADb  =  ir  richeit 
Bacdf.  50  schult  AD  =  schulde  Babd.  54  daz  Aab  =  der 
BDdf;  das  relativum,  wenn  es  sich  auf  mehrere  substantiva 


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374  PAUL 

bezieht,  pflegt  nach  dem  letzten  construiert  zu  werden,  und 
Ungemach  gebraucht  Hartmann  als  masc.  57  unz  A  (Uz  a) 
=  unz  daz  Bcdf  (daz  Db).  62  wol  Eab  (vol  A)  =  ze  wol 
BDcdf.  66  dö  Ad  =  zu  streichen  mit  BDabcf,  79  ein  vol  con- 
jektur  =  ein  wol  ABdL^  (wol  ein  Ef,  ein  so  a,  ein  b,  dehein 
D)  cf.  meine  anm.  zu  Greg.  895.  82  von  dirre  Aa  =  /ur  dise 
BDbdf ;  ebenso  90. 

3215  beide  AD=vil  (so  a)  gar  die  (all  f)  BGabdf.  19 
hörte  A  =  gehörte  BBGabcdfL*  Bech.  25.  26  über  diese  stelle 
handelt  Pfeiffer  Germ.  3,  338  flf. ;  er  rtlgt  mit  recht  die  Ver- 
mischung zweier  ganz  verschiedenen  lesarten  durch  Lachmann; 
nach  der  beobachtung  der  handschriftlichen  autorität  wtirde 
man  hier  auf  nichts  anderes  kommen  als  er  ahte  üf  man  noch 
üf  wip,  niuwan  üf  sin  selbes  Hp  (so  hat  auch  f ) ;  aber  Pfeiffer 
hat  schlagend  dargetan,  dass  der  Zusammenhang  verlangt  er 
hazte  weder  man  noch  wip,  niuwan  sin  selbes  Hp;  unbekannt 
war  ihm,  dass  diese  lesart  durch  das  französische  bestätigt 
wird,  cf.  ehrest.  2790  ne  het  tant  rien  com  lui  meisme;  wir 
sehen  uns  demnach  geujotigt  hier  ein  ganz  eignes  spiel  des 
Zufalls  anzunehmen,  wodurch  fast  alle  hss.  in  gleicher  weise 
verderbt  wurden;  zu  beachten  ist  übrigens,  dass  nicht  bloss 
hazte  (hate)  in  Ba  bewahrt  ist,  sondern  auch  in  dem  hatt  ez 
von  a  eine  spur  davon  und  in  d  trotz  der  änderung  in  ahte 
die  ursprüngliche  construktion.  29  dö  Aac  =  nü  BDGbd. 
79  hungemöt  =  hungers  not  cf.  s.  332.  86  nie  Aa  ==»  niht 
BGdDb.  87  wan  A  =  niuwan  BDEL^  Bech  (nuwert  a,  nur  bf, 
nu  d).  eineriy einigen  Asibf  =  einigen  BDEdL^  Bech;  cf.  dessen 
anm.    98  und  Ad  =  so  BDGabf. 

3300  verdähter  AEh  =bedähter  BDGacdf.  21  der  töre 
AGa  =  die  tören  BDEbd  (toren  f ).  33  ditz  ie  A  (es  ie  b)  = 
ie  ditz  DEdL^  (ie  daz  BGa),  47  unz  A  (biz  a)  =  unz  daz 
BDGbdf.  61  unz  Aaf  =  unz  daz  BDGbd  Bech.  65  nä  a  (nach 
B)  =  nähen  ADEbcdfL^  Bech.  72  kann  die  aus  ABb  aufge- 
nommene lesart  nicht  richtig  sein;  man  müste  erst  nachweisen, 
dass  jehen  einfach  'erzählen,  berichten'  bedeuten  und  einen 
indirekten  fragesatz  nach  sich  haben  könnte.  Ohne  anstoss 
dagegen  und  besser  beglaubigt  ist  die  lesart  von  Dcdf:  nu 
duht  er  si  ein  gevellich  (sittig  f,  siecher  c,  scMckerlich  d)  man, 
welcher  sich  auch  die  von  E  näher  anschliesst:  si  gedaht  ditz 


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HANDSCHEIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  375 

ist  ein  schihUch  man  und  die  von  a :  sy  gedachte  ez  ist  der  man. 
Es  ist  dann  der  fragesatz  abhängig  zu  machen  von  daz  was 
ein  gengez  mcere.  Fraglich  bleibt,  wie  das  epitheton  zu  man 
ursprünglich  gelautet  hat.  Am  nächsten  stimmen  E  und  d  zu- 
sammen, an  die  sich  auch  c  und  f  näher  anschliessen  als  an 
D.  Diese  hss.  scheinen  fast  auf  schickelich  zu  führen,  welches 
ich  aber  im  mhd.  nicht  nachzuweisen  vermag. 

3408  daz  Abf  =  vrouwe  daz  BDd  Bech  (vrowe  Ea).  08  ir 
AD  =  zu  streichen  mit  BEadf  Bech.  10  ob  wä  vor  lange  mit 
BDbL^  Bech  einzusetzen  ist,  bleibt  sehr  zweifelhaft.  12  schiere 
überwunden  hat  ==  der  wirt  iu  buoz  unde  rät  L^  Bech  cf.  s.  302. 
13  ober  wirdet  (ober  wirt  A,  wirt  er  dez  liebes  D)  =  ob  er  von 
uns  (iu  B)  wirt  BEcdfL^  (wirt  er  von  uns  ab);  inwiefern  der 
Zusatz  von  uns  'den  einfachen  ausdruck  des  gefühls'  stört  ist 
nair  nicht  fassbar  cf.  s.  294.  22  tuon  ABb(c?)  =  getuon  DEad. 
22  vil  guoten  Ac  =  wol  DEad  (vil  schiere  Bb,  snelle.  f).  72 
rdene  A  (nie  d)  =  niht  BDEab.  73.  74  sind  wider  in  den  text 
einzusetzen:  unz  si  in  allenthalben  bestreich;  da  zuo  ^  vil  stille 
sweich;  über  die  zahlentheorie ,  welche  flir  Lachmann  bei  der 
ausstossung  gegen  alle  hss.  massgebend  war,  brauche  ich  wol 
kein  wort  mehr  zu  verlieren;  der  zweite  hauptgrund,  -der  ihn 
bestimmte  und  der  hier  gar  nicht  erwähnt  wird  (cf  Benecke 
zu  4431),  die  anstössigkeit  des  reimes  sweich:  bestreich  ist 
ebenfalls  hinfällig,  cf  meine  abhandlung  'Gab  es  eine  mittel- 
hochdeutsche Schriftsprache?'  s.  26  fi.  und  diese  beitrage  s.  182. 
Die  kurze  vorausnähme  dessen,  was  im  folgenden  ausführlich 
beschrieben  wird,  darf  uns  keinen  anstoss  erregen;  sie  findet 
sich  ebenso  im  franz.  Es  heisst  2985  et  prant  Voignement,  sil 
en  oint,  tant  com  en  la  boiste  an  ot  point;  et  tant  sa  garison 
covoite,  que  de  foindre  par  tot  esploite.  Darauf  fährt  Ohrestiens 
mit  tautologieen  fort:  si  le  met  trestot  en  despanse;  que  ne  li 
chant  de  la  desfance  sa  dame,  ne  ne  l'en  sovient;  plus  en  i  met, 
qu^il  ne  covient,  molt  bien,  ce  li  est  vis,  femploie.  Hieraus  konn- 
ten bei  Hartmann  75.  76  entsteheff:  statt  der  erwähnung  des 
Verbotes,  welche  erst  82  kommt,  dient  hier  das  epitheton  edel. 
Die  form  der  widerholung  bei  Hartmann  ist  offenbar  eine  ab- 
sichtliche, rhetorische,  fast  in  Gottfrieds  weise.  Der  zeile  2988  bei 
Chr.  entspricht  deutlich  Hartmanns  unz  si  in  allenthalben  be- 
streich.    Es  wird  dann  erst  wie  bei  Hartmann  das  bestreichen 


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376  PAUL 

der  einzelnen  glieder  geschildert.  Dass  die  Jungfrau  dazu  ge- 
schwiegen hat,  wird  bei  Chrestiens  nicht  erwähnt;  aber  schon 
vorher  71.  72  hat  Hartmann  selbständig  hinzugefügt,  dass  sie 
leise  hinzugeschlichen  sei,  damit  Iwein  ihrer  nicht  gewahr 
würde.  —  84  esn  dühtes  (esn  duhte  si  BL^,  des  ne  duhte  si  A) 
==  sine  dühtes  DEacdf. 

3512  imme  =  immer  alle  hss.  (auch  f)  L^  Bech;  der  satz 
wird  von  Bech  mit  recht  als  ein  selbständiger  Wunschsatz  ge- 
fasst;  Lachmanns  bemerkung,  dass  das  klagende  rväfen  nicht 
zu  dem  Wunschsätze  passe,  kann  uns  nicht  beirren;  denn  wer 
zwingt  uns  wäfen  unmittelbar  damit  zu  verbinden,  wobei  der 
wünsch  ja  wider  zur  bedingung  gemacht  würde;  Iwein  stösst 
einen  klageruf  über  seinen  zustand  ^aus  und  lässt  darauf  einen 
wünsch  folgen;  was  ist  daran  unangemessenes?  übrigens  ist 
es  im  gründe  doch  auch  nichts  anderes,  wenn  ouwe  vor  einen 
Wunschsatz  tritt;  dasselbe  hat  dann  nicht  eine  ganz  andere 
bedeutung  als  sonst,  sondern  es  ist  ein  klageruf  über  den  ge- 
genwärtigen zustand,  in  welchem  der  wünsch  noch  nicht  er- 
füllt ist  13  man  Acd  =  zu  streichen  mit  BDab.  13  mir  mn 
troum  hat  A  {min  troum  hat  mir  D)  =  mir  hat  min  troum  BEabcdf. 
14  rtchez  A  {richliches  D)  =  ritterltchez  Bcdf  {ringes  b,  nmn- 
nechlichez  Ea).  28  schoene  Aa  =  zu  streichen  mit  BDhcd 
{w^de  f).  28  hat  L^  unde  in  eckiger  klammer  nach  vrowea 
ohne  Variante;  danach  müste  man  annehmen,  dass  dies  in 
allen  hss.  steht  (D  hat  es);  aber  in  den  folgenden  auflagen 
fehlt  es,  ohne  dass  eine  Variante  angegeben  wird;  wenn  es, 
wie  wahrscheinlich,  in  den  hss.  steht,  ist  es  beizubehalten. 
39  die  B  =  der  DEbdf  {des  Aa).  57  ich  ein  gebäre  AD== 
ein  gebüre  ich  BEbd.  58  fv{er  ABb  =  und  rvcere  DEadf.  68  als 
{als  A,  nis  sy  a)  =  als  ez  BDEbdfL^  Bech;  wir  haben  hier 
natürlich  in  A  weiter  nichts  als  wider  eine  einfache  auslas- 
sung,  aber  nicht  die  erhaltung  des  ursprünglichen.  76  i»in 
herze  Adf  =  daz  herze  BDEab.  90  nu  sints  auch  A  {sy  sint 
ab)  =  nü  sin  {sins  Ec)  ouch  min  BDEcdfL^  Bech.  91  nü  tvaz 
Ad  =  waz  BDEb. 

3610  sd  Ad  =  als  BDEabcf.  11  rie/'=ruofte  DEabcdf 
(A  fehlt).  13  ist  vor  kunt  nait  allen  hss.  weere  einzusetzen. 
14  rief  AB  =  ruofte  DEabcdf,  20  gehabt  d  =  unde  habt  {ge- 
habt D)  BDEacdf  Bech ;  das  asyndeton  ist  nicht  zu  ertragen, 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  377 

37  ist  mit  allen  hss.  und  L^  vorn  ^  sprach  einzusetzen;  dar- 
aus dass  er  (rf)  sprach  fehlen  kann  und  oft  fehlt,  folgt  noch 
nicht,  dass  man  es  überall  entfernen  muss,  auch  wenn  es  wie 
hier  und  sehr  häufig  durch  die  beste  autorität  gesichert  ist; 
es  ist  allerdings  ein  billiges  vergnügen,  welches  man  sich  jetzt 
gern  nach  Lachmanns  Vorgang  zu  machen  pflegt,  es  überall 
zu  streichen,  wo  es  das  metrum  irgend  erlaubt  49  spise  unde 
bade  conjektur  =  von  spise  und  von  bade  ABDbdfL^  (spise  und 
von  bade  Bech,  ganz  willkürlich  und  gewis  ohne  alle  analogie); 
woher  weiss  Lachmann,  dass  die  Schreiber  in  der  widerauf- 
nahme  der  praeposition  strenger  sind  als  die  dichter?  er  kann 
keinen  andern  anhaltspunkt  dafür  haben  als  die  beobachtung, 
dass  durch  die  widerauftiahme  seine  metrischen  regeln  verletzt 
werden;  aber  daraus  kann  nur  eben  gefolgert  werden,  dass 
diese  regeln  für  die  dichter  nicht  existieren;  denn  die  wider- 
holung  der  präposition  ist  geradezu  gesetz,  cf.  Benecke  zu  6861. 
59  bereite  Ab  =  beredete  DEcd  {dy  gut  b).  64  was  Aa  ==  ist 
BDEbdf.  66  m  =  da  ADbdf.  69  an  AE  {uf  D)=unz  (biz 
a)  an  Babdf.  75  starker  A  (so  starche  BdL^  Bech)  =  also  sere 
DEabf  (Bech  stellt  nie  mit  B  um;  das  scheint  mir  nicht  nur 
unnötig,  sondern  auch  unangemessen;  daz  mich  nie  dehein 
val  sd  starke  gemuote  bedeutet  'es  kam  niemals  ein  fall  vor, 
der  mich  so  schmerzte';  dagegen  daz  mich  dehein  val  sd  starke 
nie  g.  würde  bedeuten  'kein  fall  quälte  mich  während  der 
zeit,  dass  er  mich  betraf,  jemals  so  sehr\  was  natürlich  ver- 
kehrt sein  würde.  75  enmuote  A  (mute  D)  =  gemuote  Babdf 
84  beider  nH  rvol  Ad  =  wol  beider  BEabf  (wol  D).  97  rvart 
AD  =  wart  also  BEabd  (wart  als  f).   99  daz  Aa  =  den  BDbdf 

3700  ors  A  =  ros  Babd.  04  sach  man  A  =  dd  sähen  st 
BDbdfL^  (sahen  si  E?,  sehin  a).  05  Aliern  B  (aliere  A)  =  Aliers 
Dabdf  10  der  Af  =  zu  streichen  mit  BDEbd;  dann  muss  na- 
türlich das  komma  vorher  wegfallen.  15  nach  e  =  nach  (nach 
gar  dU)  cf  s.  305.  25  dicke  Aa  =  ofte  BDbdf  37  brach 
AEd  =  zebrach  BDabd.  41  unstatlichen  A  =  unsteteHchen  BE 
Bech  (unstetL  a,  unstatichl,  D,  unstetigL  bd).  52  biderbe  ho- 
vesch  =  hövesch  biderbe  L^  cf.  s.  329.  60  ungencedeclichen  con- 
jektur  =  genendeßtichen  Bb  Bech  (gencedechlichen  Ed,  endelich 
a,  behendiglichen  c,  wnder liehe  AL*);  genendeclichen  scheint 
nicht  allgemein  üblich  gewesen  zu  sein,  die  enstellung  von  ge- 


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378  PAUL 

nendic  in  gencedic  haben  auch  im  Gregor  1079  C  und  E;  a  und 
c  weisen  hier  mehr  auf  genendeclichen  als  auf  gemedeclichen 
hin;  für  un-  ist  gar  kein  anhält.  71  dä=^  dd  L^  und  72  da 
=  nü  cf.  s.  332-3.  96  dicke  und  A  =  ofte  und  BEbdfLi;  die 
parallelstelle  aus  dem  Rolandslied  beweist  nichts  für  einen 
oberdeutschen  dichter. 

3801  ander  Aa  =  andern  DEcd  (fehlt  B)  cf.  s.  342.  04 
von  =  von  stner  Bech  cf.  s.  359.  08  bedühie  Adf  =  dAhte  BDEac. 
09  in  ir  AEa  =  ir  BDbcd.  12  und  Ad  =  zu  streichen  mit 
BDEabf.  13  doch  Aa  =  zu  streichen  mit  BDEbodf.  15.  16 
würben  -  verdürben  AEb  =  würbe -verdürbe  BacdL^  Bech  (werve- 
verderbe!))]  17  hezen  AE  (Jant  h)  =  Heze  BacdL^  Bech  Qaze 
D);  18  müezen  E  (müszen  }:))  =  müese  Bech  (müste  2icAy  muoz 
BDLi);  der  Übergang  der  Schreiber  aus  dem  singular  in  den 
plural  begreift  sich  leichter  als  der  umgekehrte.  32  von  AEb 
=  under  BDadf.  37  sach  Ab  =  ersach  DEacdf  {gesach  B). 
45  al  A  =  also  Ead  {als  D,  vil  B,  hart  b,  vnmassn  f).  57  hüe- 
ter  AE  =  hüete  BDbdL^  Bech  (hüte  man  sl).  61  dahter  A  = 
wägte  erz  DEadf  (tet  er  BbL^  Bech;  dies  ist  natürlich  nur 
eine  der  vielen  änderungen  der  vorläge  von  Bb).  71  mit  der 
A  =  W2rBDEabdf.  80  swar  =  swä  cf.  Greg.  3042.  94  do 
A  =  nü  DdL^;  im  übrigen  ist  Lachmanns  text  beizubehalten 
cf.  s.  331. 

3906  dlz  Ad  =  daz  BDEabf.  08  wceher  AD  (weger  b)  = 
bezzer  BEacd  (vielleicht  wceger);  wceher  kann  nicht  richtig 
sein,  denn  wcehe  bedeutet  'von  stattlichem  äussern',  daher  aller- 
dings 'kunstvoir,  aber  nicht  'künstlich  zubereitet'  im  gegen- 
satz  zum  rohen  zustande.  Es  hat  nun  auch  wenigstens  der 
Schreiber  von  A  nichts  anderes  gemeint  als  wceger  y  welches 
hier  einen  vollkommen  passenden  sinn  geben  würde  und  mög- 
licherweise als  nicht  sehr  geläufiger  ausdruck  durch  die  Schrei- 
ber mit  dem  synonymen  bezzer  vertauscht  ist.  wehe  ist  eine 
mittel-,  auch  wol  niederdeutsche  nebenform  von  wcege,  Sie 
findet  sich  unzweifelhaft  an  9  stellen  bei  Herbort  von  Fritz- 
lar, die  in^  mhd.  wb.  III  459^  unter  wcehe  gestellt  sind.  Man 
vergleiche  nur  zu  einer  stelle  wie  Tristan  5391  mit  alse  un- 
stützen  mceren,  daz  si  als  wcege  wceren  verswigen  alse  vür  bräht 
die  stellen  bei  Herbort  11821  So  ist  ez  also  wehe  Hie  in  grozzer 
nehe  Als  langer'  gespert;  5916   Daz   ist   also   wehe   Daz  ich  es 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  379 

vch  bereite  Als  ich  langer  heite;  12129  So  ist  ez  also  wehe  Daz 
ich  dir  sage  minS  mvt  Als  vrunt  frunte  tvt  Als  ich  ez  dir  lenger 
hele]  13417  Ez  ist  also  we  in  zit  Als  lafiger  gebit  (für  gebeitet); 
14599  Doch  was  ez  also  wehe  Daz  man  balde  sehe  Waz  man 
tvn  mochte  Als  man  ez  vor  zochte;  18050  Des  duhte  mich  also 
wehe  Daz  ich  sie  sehe  Uie  die  häde  liefen  Als  wir  beide  sliefen ; 
vgl.  noch  2100.  3649.  9486  im  mhd.  wb.  Hierher  gehört  fer- 
ner Jerosch.  139.d  si  santin,  als  si  dühte  wehe,  zurucke  widir 
heim  ir  pfert  und  wol  auch  ib.  96.  b  eine  wehe  stat  si  da  ir- 
weltin  und  127.c  doch  was  er  vor  den  andern  wehst  und  dem 
kunge  nehst,  denn  an  andern  stellen  37.b  lU.b  steht  wegst 
in  demselben  sinne  und  ist  überhaupt  auch  sonst  gebräuchlich 
cf.  mhd.  wb.  III  648^  35.  Ferner  zwei  stellen  aus  Köpkes 
passional,  die  im  mhd.  wb.  mit  fragezeichen  unter  woehe  ge- 
stellt sind:  581,3  die  ir  leben  heten  ir  reinekeit  ergeben  und 
bliben  dem  vil  wehe  (geneigt,  ergeben)  und  513,  16  müste  von 
in  ditz  enpfän  als  wehe  als  betwungen  (eben  so  gut  geneigt, 
freiwillig,  als  gezwungen).  Hiemach  erklärt  sich  vielleicht 
auch  Frauenlop  Ettm.  61,  10  swem  diu  manheit  wwhet ,  der 
schämt  sich  zegeHcher  tat ;  wcehet  könnte  =  wceget  sein  von 
einem  sonst  nicht  nachgewiesenen,  aber  sehr  wol  denkbaren 
verbum  wcegen,  welches  wie  das  starke  wegen  bedeuten  würde 
'  sich  günstig  beweisen '.  Was  die  lautliche  erklärung  der  form 
wehe  betrifft,  so  scheint  es  mir  am  wahrscheinlichsten,  dass  in 
der  ausspräche  g  gar  nicht  in  h  übergegangen  ist ;  denn  dafür 
fehlen  alle  analogieen.  Ich  möchte  vielmehr  das  h  nur  als 
eine  Schreibung  für  den  weichen  gutturalen  reibelaut  auffassen, 
die  sich  daraus  erklärt,  dass  im  mitteldeutschen  in  vielen 
fällen  das  alte  h  nach  langem  vokal  in  denselben  übergieng, 
welches  dann  entweder  g  {sägen,  geschägen)  oder  nach  dem 
hochdeutschen  lautwerte  h  geschrieben  wurde;  so  mag  man 
sieh  gewöhnt  haben  das  h  als  tönenden  reibelaut  auszusprechen 
und  es  daher  auch  zur  bezeichnung  desselben  angewendet  ha- 
ben, wo  er  nicht  aus  h  entstanden  ist,  gerade  wie  umgekehrt 
häufig  g  im  auslaute  für  altes  h  geschrieben  wird.  15  alle  zit 
AEa  ==  zaller  zit  BDbdf.  27  im  e  conjektur  =  im  ADEafL^ 
(im  da  Bbd);  notwendig  ist  e  weder  für  vers  noch  gedanken; 
dass  CS  in  der  folgenden  zeile  in  einigen  hss,  steht,  gibt  uns 
nicht   die  geringste  berechtigung  es  in  diese  zu  einem  ganss 


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380  PAUL. 

andern  verbum  zu  setzen.  37  *o  AE  =  also  abcdf  L^  {als  BD). 
44  vür  conjektur  =  vo/^/e^  BDEdL^  Bech  (wol  A);  cf.  Bechs 
anmerkung.  48  und  A  =  und  im  BDEacdf.  48  groze  AEa  = 
starke  Bbdf  (fehlt  D).  50  wände  Db  =  er  (der  a,  un  Eb)  wände 
BEab  (dazer  A)  cf.  s.  335.  52  was  im  Ad  =  im  was  BDEa 
(ime  ward  b).  56  lebende  Adf  =  lehendic  DEab  (lebendiger  ß). 
3970  deheine  A  =  d'^Ä^m  er^  DcdfL^  Bech  ^^re  Ea,  nach  eren 
muot  B).  Nach  84  ist  wol  ein  komma;  nach  88  ein  punkt  zu 
setzen:  die  betrübiiis  dartiber,  dass.  89  erbe  =  ere  cf.  s.  339. 
92  des  AEa  =  dem  BDbd  {den  f )  und  alles  AE  {aller  a)  = 
allem  BD  (a/m  f,  leyder  h,  fehlt  D). 

4006  mich  =  /»«>  Bech  cf.  s.  357.  Nach  23  ist  ein  komma 
zu  setzen  mit  L^  Bech.  25 — 7  lies  daz  dehein  sache  von  ma- 
negem  ungemache  also  armiu  möhte  leben  cf.  s.  302.  3.  34  sam 
Ad  =  als  DEabf  {also  B).  55  des  AEd  {daz  f )  =  dis  Dab 
{disses  B,  diss'Bech);  dises  ist  entschieden  angemessener.  ß2ie 
mere  conjektur  =  iemer  mere  AEcfL^  oder  vielleicht  iemer  sere  d 
{sSre  BD,  vil  sere  b,  also  sere  a).  66  lebende  ABb  (?)  =  lebenr 
dig  Dacd  {lebendigen  E).  67  öwcä  me^^  ^z  conjektur  =  ouch 
istz  {ist  ez  BDdfL^,  nist  iz  k,  ist  b)  niht  ABDbdfL^  {ez[en  a/ 
ist  niht  Ea).  71  wir  ouch  Ad  =  wjr  BDEabf.  84  em  dulte 
ABf •  (rf^r  gedulte  A  =  er  (oder  ^rn)  wäi?^^  dulten  DEab.  84  ^rre 
conjektur  =  zu  streichen  mit  Ea  {die  ADL^,  ir  b,  von  in  B, 
dannoch  df);  die  verschiedenartigkeit  der  einschiebungen  be- 
weist, dass  im  originale  nichts  stand,  und ^ es  ist  auch  nichts 
nötig.  90  starke  AEd  =  groze  BDabf.  95  ez  ouch  A  '{auch 
df )  =  daz  BDEab. 

4101  entrüw  Ad  =  getrüwe  BDEabc.  07  der  Adf  =  daz  ir 
Dab  Bech  {daz  B).  15  iht  k  =  des  BDdf  L^  (fehlt  a).  26  daz 
ez  Aac  =  daz  BDbd,  63  suochende  Ad  =  suochen  BDEabf. 
76  von  Ad  =  üz  BDEadf,  87  und  alze  Ad  =  und  ze  BDEab. 
97  das  es  in  sichs  ist  gewis  nicht  persönlich  zu  fassen,  son- 
dern auf  den  folgenden  satz  und  gap  im  zu  beziehen. 

4202  wan  des  Ad  =  des  BDEabf.  05  bestcetet  {bestceten  B, 
besteten  kan  b)  =  bestatet  DEacdf  {bestanden  ne  mohte  A;  also 
nicht  bloss  in  einigen  hss.  steht  bestatet,  wie  Bech  angibt;  ein 
zweifei,  was  hier  richtig  ist,  kann  gar  nicht  bestehen,  da  be- 
stceten nur  von  den  beiden  engverwanten  und,  wie  man  sieht, 
nach   ihrer  gewohnheit  auch  hier  willktlrlich  ändernden  hss. 


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HANDSCHRIFTEN  VERHAELTNIS  DES  IWEIN.  381 

ßb  gewährt  wird.  06  hoh&en  {holdem  A)  =  höherem  {hoherniBDEbf^ 
hoherme  aL^  Bech,  solchem  hohen  d).  13  bin  Ad  =  bi7iz  BDEab. 
18  Sit  AEa(?)  =  Sit  daz  BDbdf.  29  doch  dm  kämpf  gesehen 
A  =  den  kämpf  [doch  E,  auch  AJ  sehen  BDEabd.  39  wizzen 
=  Tüizze  L^  cf.  s.  302.  40  erstirbe  Ba  =  ersterbe  ADb4f.  40 
bevindet  siz  {[so]  bevindet  si  L*)  =  äö  si  bevindet  und  dann  41 
und  daz  ich  =  daz  ich  den  cf.  s.  333.  47  e  ist  conjektur  =  ez 
ist  DEadfL^  {daz  ist  A,  ouch  ist  B  Bech,  und  ist  auch  b).  52 
et  E  {oh  A,  ye  f)  =  zu  streichen  mit  BDabd.  52  unbewant  A 
fungewant  E)  =  übele  bewant  BDabdL^  62  nü  A  {un  Bb)  = 
do  DEadf.  62  wartz  im  ouch  (wart  is  im  oh  A,  wart  im  ouch 
Bech)  =  wart  ez  {es  iL\  des  D)  im  DadfL*  {wart  im  E,  wart 
im  wol  Bb).  63  er  Abd  =  erz  BEf  {ez  Da).  65  von  Aa  = 
vor  BDbdf.  78  dn  AD  =  sinen  Babd.  79  herre  AE  =  vriunt 
her  BabdL*  Bech.  93  was  d  {was  denn  E,  was  germmmen  a) 
=  was  daz  B  {daz  was  f,  geschach  daz,  diz  was  gescen  A). 
95  Gäwein  =  Gäwein  was  BDabf. 

4304  seilen  =  gesellen  alle  L^  Bech.  06  hinnen  Ab  =  von 
hinnen  BDEadf.  12  zwäre  Adf  =  deiswär  BEab.  15  stüendez 
Aa  =  s tuende  BDbd.  16  zg  A  =  a/z^  BDabdf.  25  ^ör^^^  A 
=  getorste  BDEabdL^  Bech.  25  iuch  wol  A  {uch  sin  aL^)  = 
dn  DEad.  27  m  AD  =  einer  BEabdf  cf.  s.  298.  33  sd  Ab 
=  als  BDad  (a&o  E).  34  slüegen  ouch  danne  A  =  dannoch 
{danne  Ed)  ^/ü^^m  */  ouch  (fehlt  BDb)  BDEabdf.  46  bewcerm 
{bewerin  a)  =  bewam  ABDEbdfL^;  es  ist  absolut  unnötig  eine 
einzige  späte  hs.  allen  übrigen  vorzuziehen,  da  bewarn  einen 
guten  sinn  gibt :  ich  werde  es  verhüten,  nämlich  dass  wir  beide 
sterben.  52  und  Ad  =  zu  streichen  mit  BDEabf.  59  sach 
Adf  =  ersach  BDEab.  62  und  Ad  =  in  BDab  oder  und  in  cf.- 
74  engegen  AE  =  gegen  BDabdf.  77  von  Adf  =  an  BDEab. 
79  wol  ADf  =  BEabd.  94  üf  dm  Hp  vil  {sere  a)  Aa  =  ofte 
{diche  BbLi)  üf  den  Hp  BDEbdL^  {auff  den  leib  f).  95  vil  diu 
A  =  deste  BDEabf  {der  d). 

4413  ein  niht  AD  =  enwiht  BEabdf.  21  ist  niht  vor  des 
mit  allen  hss.  ABDEabdf  und  L*  Bech  wider  herzustellen; 
sollte  hier  ein  gegensatz  zu  listvreude  bezeichent  werden,  so 
hätte  auch  vorher  ein  fragesatz  stehen  müssen  (etwa  welhiu 
listvreude  ist),  so  dass  eine  doppelfrage  entstanden  wäre.  25 
heten  Aac  =  hele  BDEd.     26  sigten  ==  g  es  igten  alle  hss.  L* 


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382  PAUL 

Bech  cf.  8*  296.  29  danne  tu  iemeii  conjektur  =  daz  tu  daz 
niemen  L^  Bech  cf.  s.  305.  30  ein  D  =  in  ein  ABacd  cf.  s.  377. 
31  der  man  e  Joch  conjektur  =  der  man  phlach  DdL^^  vielleicht 
der  W4X71  da  phlach  {der  mmi  dou  plah  A,  der  man  e  da  pflac  B, 
diu  da^  geschah  Ebc,  die  ganze  zeile:  Do  daz  selbe  geschah  a); 
es  ist  unnötig  noch  etwas  gegen  Lachmanns  conjektur  zu  be- 
merken, da  er  selber  nur  sehr  schwaches  zutrauen  zu  dersel- 
ben hat  und  sie  überhaupt  jedes  haltes  entbehrt;  es  ist  klar 
dass  pflach  das  tlrsprüngliche  war,  welches  von  den  Schreibern 
geändert  wurde,  weil  sie  anstoss  an  dem  reime  nahmen;  cf. 
zu  3473.  33  er  vrägte  Ad  =  do  vrägter  BDEabcf.  39  wären 
Ad  =  wäret  BDEaf.  45  sag  ich  iu  conjektur  =  sd  sag  ich  in 
ABDcdfL^  Bech  {ich  sage  iu  Ea,  wir  sagen  uch  b;  die  conjek- 
tur Lachmanns  wird  zum  überfluss  durch  den.  französischen 
text  widerlegt;  der  wirt  erwidert  auf  die  frage  Iweins,  ob  er 
nicht  die  gute  haben  wollte,  ihm  ihr  seltsames  benehmen  zu 
erklären,  3831  oil  sHl  vos  vient  a  pleisir.  59  und  mir  Adf  = 
mir  BDEab.  62  gerechen  niene  AB  =  niht  gerechen  DEabdf. 
78  sint  ABb  =  worden  sint  DEacdf;  warum  soll  letztere  lesart 
in  der  voraufgehenden  zeile  hat  ich  erfordern?  wenn  hat  ich 
da  stünde,  würde  worden  nicht  wol  zu  entbehren  sein;  dass 
Mn  ich  da  steht,  macht  das  blosse  sint  möglich,  aber  darum 
nicht  worden  sint  unmöglich;  warum  soll  nicht  gesagt  werden 
können:  ich  habe  sechs  kinder,  die  alle  ritter  geworden  sind, 
den  ritterschlag  empfangen  haben?  dass  man  überhaupt  nach 
strenger  logik  das  praeteritum  erwarten  sollte,  ist  eine  andere 
Sache.  90  got  welle  {enwelle  Bech)  daz  ichz  nicht  gelebe  {ih  ruht 
ne  lebe  A,  ich  es  icht  gelebe  b  Bech)  Ab  =  got  enwelle  {tvelle 
Dd)  niht  daz  ichz  gelebe  {lebe  DE)  BDEacd  {got  enwelle  daz  ick 
daz  g,  f).  93  ist  das  komma  zu  streichen  und  hinter  94  zu 
setzen  wie  in  der  ersten  ^uflage  (bei  Bech  ist  es  wol  nur 
aus  versehen  auch  hinter  93  stehen  geblieben)  und  dann  vor 
95  sd  mit  den  hss.  ABDabdf  (nur  E  hat  Er  welle  ir)  und  L^ 
Bech  wider  herzustellen;  es  ist  schwer  zu  begreifen,  wie  mit 
sclhem  ungeverte  mit  dem  folgenden  sollte  verknüpift  werden; 
kann  man  überhaupt  sagen:  er  will  mit  übelem  benehmen  die 
Verheiratung  mit  ihr  unterlassen?  und  worauf  sollte  sich  dann 
selhem  beziehen,  wenn  nicht  auf  das  vorher  geschilderte?  bei 
der  anknüpfung  an   beherten  ist  alles  einfach  und  natürlich; 


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HANDSCHRIFTEKVERHAELTNIS  DES  IWEIN-  383 

einen  grund  dagegen  gibt  Lachmann  nicht  an,  natürlich  ist  es 
bloss  metrisches  bedenken;  dasselbe  bestimmt  auch  Bech  ze 
wibe  mit  D  wegzulassen,  welches  doch  unentbehrlich  fftr  die 
klarheit  des  gedankens  ist.  97  hat  Bech  ze  tvibe  aus  Dab  ge- 
gen ABdf  eingesetzt;  das  französische  spricht  dagegen:  3864 
OS  plus  vix  garcons  , . .  la  Uverra  por  lor  deporz. 

4512  si  Ah  =  er  BDd  {ez  a);  ein  auf  mehrere  Substantive 
sich  beziehendes  pron.  pflegt  nach  dem  letzten  construiert  zu 
werden.  18  ir  het  Aa  =  het  ir  BDEcdf.  36  unde  =  vür  in 
unde  cf.  s.  294.  44  swaz  Aacf  =  srves  BDEbd.  46  beteRches 
A  =  beteUchen  BDabdf ;  beides  kommt  für  den  sinn  auf  eins 
heraus;  deshalb  muss  nicht  beteliches  stehen.  61  vrümekheit 
Aa  =  miltekeii  BDbcdf.  64  ^n  Ab  =  si  BDEadf.  77  sprichet 
A  =  gesprichei  BEabf.     ^\  des  Adf  =  zu  streichen  mit  BEab. 

4600  in  allen  A  {den  allen  D)  =  allen  den  BEacdf  14 
rvizze  Ad  =  wizzet  BDEabf.  20  vor  A  {da  vor  Ba)  =  vor  des 
DEbdfL^  25  und  rief  Ad  =  unde  BDabcf.  38  ezn  müez  im 
{iz  ne  muzeme  A  [wie  es  statt  B  sicher  heissen  muss],  ez  milesse 
im  d)  =  ez  nmoz  im  DEabf.  40  und  ez  Ade  =  ez  DEabf.  41 
wol  Abf  =  harte  wöl  DEac  {gar  wol  e).  45  sunder  Ad  =  un- 
der  Ebcdf  {über  b).  52  daz  Ad  =  ditz  Eabdef.  53  ungevüe- 
ger  Ad  =  ungevüege  DEabef.  59  daz  siht  Ad  =  siht  DEabdf. 
62  ichz  mich  AE  =  ich  michz  Dabdf.  64  gereit  Ea  =  bereit 
Dbdef  (fehlt  A).  74  hienc  Adf  =  gehienc  DEb  {behinck  ace). 
75  und  wan  AEd  =  wan  Dabef.  77  er  Ad  =  er  da  DEabf. 
92  daz  AEf=/r  Dabd.  94  daz  da  A.^  daz  DEabdf.  94 
mäntich  Ad  =  männeclich  DEabf.  95  üfme  conjektur  =  üf  ei- 
nem EbdfL^  {eime)  Bech  {üf  dem  Da). 

4729  in  Ae  =  sin  DEabdf.  30  mir  A  =  im  Ebf  {nu  d, 
fehlt  Dae).  30  in  Aa  =  mich  Ebdef  {uns  D).  36  hin  A  {in  d) 
=  da  hin  DEabf.  40  erbarmt  ez  =  erbarmt  ditz  DEab.  49 
kume  vruo  AD  =  kumt  so  vruo  Eabdf ;  sd  ist  kaum  zu  entbeh- 
ren und  wird  durch  das  französische  bestätigt,  cf.  3938  se  li 
jaians  et  vostre  fil  venoient  demain  a  tele  ore;  vgl.  übrigens  auch 
Iw.  4795.  73  geruochets  b  =  geruochet  sin  ADEade.  75.  76 
sind  wider  aus  den  hss.  DEabcdef  in  den  text  einzusetzen: 
dd  ich  im  mine  klage  iete,  do  gelobt  er  äne  bete;  dass  sie  in  A 
fehlen,  beweist  natürlich  gar  nichts;  dass  sie  in  B  nicht  ge- 
standen haben,  ist  nur  Vermutung,  da  eben  so  gut  zwei  belie- 


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384  PAUL 

bige  andere  zeilen  ausgefallen  sein  können,  wenn  über- 
haupt keine  abweichung  von  der  Zeilenzahl  26  vorkam;  der 
Wechsel  im  tempus  wird  nicht  unerlaubt  sein.  95  vruo  ac  = 
uns  vruo  Ef  oder  bloss  uns  BDbd. 

4830  enkumet  A  =  kumt  BDEabcd.  45  im  do  AE  =  imz 
dö  d  {ez  im  do  DL^,  im  daz  Bb  Bech,  ez  acf).  64  dicke  Aa 
=  ofte  BDEbd.  65  under  A  =  und  her  die  übrigen  und  Bech. 
70  dahie  A  =  gedähie  die  übrigen  und  L^  Bech.  70  darf  f  = 
bedarf  die  übrigen  und  L^,  76  darf=  bedarf  alle  hss.  (auch 
f)  L^  Bech.  79 — 81  als  bedingungssatz  zu  fassen  berechtigt 
uns  die  von  Lachmann  angefahrte  parallelstelle  ez  wcere  warm 
oder  kalt  nicht;  dergleichen  stellen  lassen  sich  in  menge  an- 
fahren, jedoch  der  sinn  ist  dann  immer  ^gleich  viel,  ob  das 
eine  oder  das  andere  der  fall  ist*,  aber  nicht  ^wenn  eine  von 
den  bedingungen  einträte*,  wie  es  hier  verlangt  würde.  Bech 
stellt  mit  D  um:  möht  ich;  aber  das  heisst  den  knoten  zer- 
hauen statt  ihn  zu  lösen.  Mit  Benecke  die  zeilen  als  einen 
selbständigen  hauptsatz  zu  fassen  geht  nicht  an;  dazu  müste 
der  von  ihm  ergänzte  Vordersatz  wirklich  dastehen.  Es  bleibt 
also  doch  vielleicht  nichts  anderes  übrig,  als  sie  mit  Bb  vom 
vorhergehenden  satze  abhängig  zu  machen;  mit  diesen  hss. 
darum  ichn  zu  schreiben  ist  nicht  notwendig.  Allerdings, 
wäre  es  möglich  nach  wirklich  zutreffenden  analogieen  sie  als 
bedingungssatz  mit  dem  folgenden  zu  verbinden,  so  würde  das 
vorzuziehen  sein. 

4905  kmt  =  unde  ir  kini  Bech  und  07  die  =  sich  d  Bech 
cf.  s.  344.  5.  09  nihtes  A  =  niht  des  BD  {des  nicht  d,  des  iht 
E,  daz  nicht  f,  daz  icht  a,  nicht  b).  10  ste  Ad  =  geste  BDEabf. 
24  tvarc  (werch  d)  =  getwerc  BDEaf  {twerh  A,  zwerg  b,  twerc 
Bech)  und  der  Ad  =  daz  BDabf  Bech;  dass  wäre  durch  das 
der  in  Ad  genug  bezeichnet  wird,  ist  nicht  richtig,  denn  twerc 
ist  im  mittel-  und  niederdeutschen  masc;  es  kann  daher  höch- 
stens das  Zeugnis  von  d  dafür  in  anspruch  genommen  wer- 
den. 48  im  Ad  =  zu  streichen  mit  BDEabf.  59  seilen  =  ge- 
sellen alle  hsB.  L^  Bech.  66  burt  b  =  geburt  ABFL^  Bech. 
70  solder  Ad  =  sol  er  {sol  ers  a)  oder  muoz  er  BDFb.  87  und 
sweder  Ad  =  swederz  BDFb  {welchiz  a). 

5006  enweder  Ab  (deweder  B)  =  weder  DEad.  19  wäfen 
Aa  {zu  waffn  f )  =  gewcefen  BDbd.     22  ist  es   vielleicht  nicht 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIK.  385 

nötig  das  siangm  aller  liss.  in  stmige  zu  ändern,  da  der  dich- 
ter sich  der  schwachen  neben  der  starlcen  form  bedieut  haben 
könnte-  24  er  AE  =  er  also  Dabdf,  {er  als  B  L^  Bech).  32 
hne  =  im  in  dem  L^  {in  dem  Bech)  cf.  s,  295.  37  ab  {aber  A) 
=  7ioch  BdL^  {nach,  dann  dem  slage  f,  fehlt  Eb).  50  sach  AEd 
=  ersach  BDabf.  56  unz  =  und  cf.  s.  332.  58  tvancte  diu  Bb 
=  wante  die  AcdL^  {ivantgegn  dem  lewen  diD^  errvante  dieT^j 
daz  dg  grosse  a);  die  autorität  von  Bb  hat  natürlich  gar  kei- 
nen wert;  und  wie  wenig  passt  der  sinn,  der  doch  kein  ande- 
rer sein  könnte,  als  ^in  folge  der  erschiitterung  durch  den  an- 
griff des  löwen  schwankte  die  rute  hin  und  her';  das  folgende 
und  do  er  nach  dem  lewen  sluoc  setzt  aber  voraus,  dass  vor- 
her geschildert  ist,  dass  er  anstalten  zum  schlage  gemacht 
hat;  es  ist  klar:  entweder  hat  Hartmann  ruote  zugleich  stark 
und  schwach  gebraucht  wie  stange  cf.  zu  5022  und  poiHe  cf. 
1267.  1704,  oder  wenn  man  dies  nicht  für  möglich  hält  und 
sich  berechtigt  glaubt  bei  den  beiden  letzteren  gegen,  alle  oder 
gegen  alle  aus?scr  einer  die  schwache  form  in  die  starke  zu 
ändern,  warum  nicht  auch  bei  ruote?  69  gerochen  Aa=  er- 
rochen  DEbdf.  71  da  vor  E  ist  schwerlich  richtig;  abgesehen 
davon,  dass  es  nicht  besser  beglaubigt  ist  als  die  verschiede- 
nen lesarten  der  übrigen  hss.  {da  engegen  b,  die  wnde  ginc  A, 
rehte  B,  an  dg  stat  a,  durch  in  f,  da  viel  er  vor  d;  letzteres 
kommt  allerdings  E  einigermassen  nahe,  ist  aber  doch  zu  ab- 
weichend, als  dass  mit  einiger  Sicherheit  behauptet  werden 
könnte,  dass  beide  auf  eine  gemeinsame  lesart  zurückzuführen 
seien),  so  passt  es  nicht  zu  durch  in  gestochen;  ebenso  will- 
kürlich ist  es  mit  L^  die  lesart  von  A,  mit  Bech  die  von  B 
aufzunehmen,  wiewol  letztere  von  selten  des  sinnes  untadel- 
haft  ist;  die  abweich ungen  der  hss.  zeigen  uns  wol,  dass  in 
ihrer  quelle  nichts  anderes  stand  als  da  daz  herze  lit.  89  be- 
halten Aa  =  bestatten  BEbcd  cf.  s.  345.  99  beide  =  vil  gar  cf. 
s.  302. 

5103  mich  Ah  =  ?nich  des  BDEadf  Bech.  07  hern  D  {min 
hern  A)  =  den  herren  BabdfL^  Bech.  07  Gäweinen=  Gäwein 
BDabdf  Bech  {gaweine  A).  15  iuriu  {iuweriu  B,  iweriu  Bech) 
=  in7ver  ADabdf.  19  herre  da  hAi=herre  BEa  (heren  der 
ADLi).  21  iu  ADb  =  in  hie  BEadf.  33  ist  Aa  =  daz  ist 
BDbdf.     37  striten  AE  =  ersMten  BDabcdf.     60  und  hete  sichs 

Beiträge  ztir  geschichte  der  deutschen  spräche  1.  26 


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386  PAUL 

Itbes  conjektur  =  wan  si  hete  sich  des  libes  ADEadL^  {wan  des 
llhes  hei  si  sich  Bb  Bech);  die  einwände  Lachmanns  gegen 
das  überlieferte  sind  unbegründet-,  an  den  conjunktiv  wirdwol 
kein,leser  denken;  der  gegensatz  tritt  schärfer  hervor,  wenn 
des  llhes  vorangestellt  wird,  aber  notwendig  ist  diese  Stellung 
durchaus  nicht  und  wir  haben  daher  in  Bb  eine  willkürliche 
besserung  anzunehmen;  weshalb  übrigens,  w^enn  man  hete  als 
conjunktiv  fasst,  etwas  anderes  über  die  Stellung  gelten  soll, 
da  doch  der  gegensatz  ganz  derselbe  bleibt,  vermag  ich  nicht 
einzusehen;  und  eben  so  wenig  wird  der  gegensatz  aufgeho- 
ben, wenn  man  wan  in  und  ändert;  denn  sobald  der  gegensatz 
nicht  mehr  empfunden  wird,  ist  der  ganze  gedankenzusammen- 
hang  zerstört.  80  hie  üf  s%  k  =  hie  über  st  dL^  Bech  {über 
si  hie  Bb,  über  si  Da.  87  den  wec  =  wec  cf.  s.  303.  88  si 
Ad  =  sich  BDEabf. 

5208  sßilen  DE  =  gespilen  ABFbd  {gespil  a).  12  tum 
AE  =  getürre  Dbdf.  16  spile  E  =  gespile  ABDFabd.  59  seht 
Adf  =  seht  ir  a  {s.  ir  rvol  Bb,  s,  ir  doch  DE) ;  der  indicativ 
ist  angemessener.  64  muget  Ad  =  ?migt  mir  BDEab  Bech. 
88  gänk2i  =  stän  BDbdf. 

5304  lan  AD  {gelan  bf)  =  verlän  BDEa.  27  das  kolon 
hinter  sper  ist  wol  nur  druckfehler.  28  sine  Ad  =  die  BDEbf. 
31  muot  in  d  {müet  in  B,  gemoet  in  Ec)  =  muote  im  A  Bech 
{gegent  im  Db,  vdszt  in  a);  ich  weiss  nicht,  warum  Lachmann 
trotz  der  richtigen  erklärung  in  schreibt,  welches  doch  nur 
durch  misverständnis  veranlasst  ist.  47.  48  scheint  Lachmanns 
herstellung  allerdings  durch  den  französischen  text  bestätigt 
zu  werden  cf.  4493  que  de  ses  cos  valt  li  uns  seus  des  lor  ioz 
a  messure  deus,  wenn  wir  den  fall  nicht  etwa  unter  die  a  326. 
angeführten  zu  rechnen  haben;  doch  ist  auch  der  sinn  an  und 
für  sich  so  am  besten,  und  die  Verderbnis  ist  sehr  begreiflich; 
wir  wären  hier  also  einmal  genötigt  von  der  bessern  hand- 
schriftlichen autorität  abzugehen;  aber,  wenn  uns  das  auch 
lehrt,  dass  der  zufall  öfter  gegen  alle  berechnung  sein  spiel 
treibt,  so  ist  das  noch  kein  grund  darum  die  berechnung  über- 
haupt bei  Seite  zu  setzen,  die  uns  jedenfalls  einen  hohen  grad 
von  Wahrscheinlichkeit  gewährt,  und  uns  ohne  zwingenden 
grund  der  Willkür  zu  überlassen.  51  vrouwen  =  juncfrotm  dXlt 
hss.  (auch  f )  L^  Haupt  (zum  Erec  s.  413)  Bech.    52  dazz  con- 


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HÄNDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  387 

jektur  {daz  AafL*  Becli)  =  daz  er  BDbd.  57  nu  ist  er  A  (er 
ist  a)  =  nu  ist  got  BDbdf.  74  shien  Af  =  den  BDEabd.  79 
dez  {daz  Aad  Becli)  =  im  daz  BDb  {von  im  daz  Ef,  ime  abe 
das  e  und  Wigal.).  S5  vor  Ad  =  von  BDEa.  96  bestuonden 
Ad  {bestunden  nie  D)  =  bestuont  nü  a  {nu  bestunt  E,  bestunt 
ein  B,  bestunt  ny  b). 

5401  sin  =  slner  helfe  alle  liss.  (auch  f)  L»  Becli.  27  ist 
von  Beeil  mit  unrecht  sehaden  aus  den  auf  gemeinsamer  quelle 
beruhenden  hss.  BbD  aufgenommen.  52  al  conjektur  =  also 
ABEad  {als  D);  also  bedeutet  ^demgemäss,  weil  ihn  niemand 
erkante';  Lachmann  wendet  ein,  dass  dadurch  der  gedanke 
nicht  sonderlich  gehoben  würde;  wird  er  es  vielleicht  mehr 
durch  eine  mtissigc  Verstärkung  von  ilhte'^  nur  das  versmass 
ist  doch  der  wirkliche  grund  zur  änderung;  dasselbe  hat  L*  und 
Bech  veranlasst  von  nur  mit  D  zu  streichen.  67  ?iiemer  me  Ad  = 
niemer  BDEabf.  80  niemer  =  er  spraeh  hiiemer  alle  hss.  L^ 
cf.  8.  377.  89  an  A  {äne  L'  Bech  =  wan  B  {wenfi  i)  niwan  E, 
newr  a,  dan  Dabd).  90  7iein  ez  =  Ja  cf.  s.  334.  90  vrouwe 
AB  =  zu  streichen  mit  DEabd. 

5510  do  sprach  Ad  =  sprach  BDab.  21  im  =  si  sprach 
'im  alle  hss.  L«  cf.  s.  377.  22  kan  =  hän  L^  {han  Bech)  cf. 
s.  325.  37  ruochc  tu  Aa  =  tnioche  BDbdf.  51  Lünete  A  = 
vrou  Lünete  BDabdf  Becli.  56  si  Ad  =  si  im  BDEabf.  60  so 
getriuwe  =  getriuwe  cf.  s.  334.  82  sin  herze  =  sin  herre  was 
ABEadL^  Bech  {wan  er  was  Db).  92  engegen  AE  =  gegen 
BabdfLi  Bech  {zu  D). 

5621  do  AE  =  hie  BDdL^  {sus  ab).  32  beide  D  {beide 
sin  AL^)  =  stnen  BEabdf.  32  sin  Ab  =  daz  BDEadf.  33  der 
=  der  ABDEbdf  Bech.  33  lebendige  =  lebendic  AEadL*  {le- 
bende BDbf  Bech).  37  dem  Adf  =  ir  BDEab.  40  diz  A  {daz 
a)  =  disen  BDbdf.  41  daz  Aa  =  den  Bdf  (fehlt  Db).  52 
zwäre  Ad  =  deiswär  BEaf  (fehlt  Db).  63  gemarhte  AB  = 
marhte  Dabd.  70  greif  AD  =  begreif  Eadf  {ergreif  Bb).  86 
genädet  er  Ad  =  genädet  BDbdf. 

5703  harte  AEd  =  vil  BDabf.  23  niemen  AEf  =  niemer 
dL*  oder  niht  Bab  (fehlt  D);  niemen  ist  unpassend,  denn  es 
handelt  sieh  hier  nur  um  die  Schwester;  es  scheint  siu»  niemer 
verderbt  zu  sein.  33  mnes  A  =  mtnen  BDEabdf.  37  wan  AD 
=  wan  do  f  {und  da  d)   oder  bloss  do  BEa  {do  aber  b).    44 

26* 


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388  PAUL 

vierzec  ABaf  =  vierzehen  DEbd  cf.  Clirest.  4795  au  moins  jus- 
qu*a  XII II  jorz,  ,  47  er  AD  =  der  Babf.  48  sis  A=st 
BEad  (si  ir  Db).  54  joch  c  =  ir  noch  BDadL '  {dan  noh  A). 
62  ^i  AD  =  si  der  BEadf  {sie  ir  b).  62  mi;a^^  AE  =  vant 
BDabdf.  69  geverte  AD  =  gewerp  BEabc  {gervs  f,  arbeit  b). 
5805  vil  Ab  =  ö/äö  adf  {als  BD).  11  ^«  öwtrÄ  Ab  ^  öwcä 
5*  Badf  {si  D).  47  ^/  B  =  zu  streichen  mit  DEaf  {oh  A,  doch 
d);  die  zusätze  in  A  und  d  setzen  nicht  voraus*,  das  et  in 
ihrer  vorläge  stand,  machen  es  vielmehr  wahrscheinlich,  dass 
nichts  da  stand.  71  ^^  d  {dar  k^  welche  aber  ganz  abweicht) 
=  als  BDbc;  da  könnte  es  nur  heissen,  wenn  nach  der  tnäze 
gar  nicht  da  stünde;  es  ist  aus  misverständnis  der  richtigeu 
beziehung  entstanden.  78  rite  si.A  ==  rieten  ir  adf  {wisten  si 
D,  hiezzen  si  fragen  Bb);  nach  dem  Vordersätze  von  A  U7ide 
rite  st  vürbazy  würde  man  als  naclisatz  erwarten:  so  würde 
sie  Lunete  treffen,  die  ihr  auskunft  geben  könnte ;  dieser  nach- 
satz  kommt  aber  nicht,  sondern  statt  dessen  folgt  zunächst 
rvolt  st  tvizzen  mcerej  was  bei  einer  vernünftigen  gedankenord- 
nung  notwendig  vor  rite  st  vürbaz  hätte  stehen  müssen,  und 
dann  wird  gesagt,  dass  ihr  Lunete  auskunft  geben  könnte,  aber 
nicht,  dass  sie  dieselbe,  wenn  sie  auf  ihrem  wege  vorwärts 
ritte,  treffen  würde;  das  wird  weder  ausdrücklich  gesagt,  noch 
so  verstanden;  denn  erst  im  folgenden  geben  die  leute  an, 
wo  Lunete  zu  finden  sei  in  der  kappein  hie  bt  und  fordern  die 
Jungfrau  anf  dahin  zu  reiten;  es  wird  nicht  gesagt,  dass  die 
kapelle  auf  ihrem  wege  liege;  dagegen  bei  der  lesart  von 
adf,  die  bei  den  abweichungen  der  übrigen  die  beste  beglau- 
bigung  hat,  ist  alles  klar;  der  sinn  von  77.  78  ist  ^die  sagten 
ihr  das  (nämlich .  dass  er  den  truchsessen  und  seine  brüder 
besiegt  hätte  73.  74)  und  gaben  ihr  dann  ferner  rat*;  darauf 
sollte  nach  strenger  logik  folgen  *wie  sie  erfahren  könnte, 
wohin  er  sich  gewendet  hätte';  statt  dessen  wird  mit  dnem 
leichten,  durchaus  tadellosen  anakoluth  fortgefahren.  Diese  er- 
klärung  wird  auch  durch  das  französische  bestätigt,  wenn 
dasselbe  hier  auch  nicht  sehr  wörtlich  stimmt;  es  heisst  4936 
et  eil  dienty  qu^il  tor  avoieixt  veuz  JII.  Chevaliers  conquerre: 
Hartmann  sagt  bloss  die  sagten  ir  dazy  weil  er  den  Inhalt 
ihrer  erzählung  schon  vorher  in  einem  nebensatze  angegeben 
hat;  darauf  fragt  die  Jungfrau  die  leute  um  weitere  auskunft, 


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HANDSCHßlFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  389 

und  sie  antworten,  dass  niemand  ausser  Lunete  ihr  dieselbe 
zu  erteilen  im  stände  sei,  welche  in  das  münster  gegangen 
sei;  während  deni  kommt  Lunete  schon  aus  dem  münster 
heraus,  das  also  in  unmittelbarer  nähe  gedacht  wird,  etwas 
abweichend  von  Hartmann. 

5903  d(t  d  {dar  A)  =  zu  streichen  mit  BCDEaf  {so  b). 
20  alsus  BA  =  also  CDbdf.  21  «/  A  =  alUu  BCDabdf.  25 
und  diu  Adf  =  diu  BCDab.  37  in  Aa  =  si  BDbdf  und  38  im 
Aa  =  in  BDbdf;  dem  in  z.  36  bezieht  sich  nicht  auf  rvirt^  son- 
dern auf  gesinde,  worauf  dann  nach  gewöhnlicher  mittelhoch- 
deutscher weise  der  plural  des  pron.  bezogen  wird;  der  wirt 
geht  der  Jungfrau  erst  später  entgegen  und  empfängt  sie,  sie 
kann  ihn  nicht  schon  vorher  gefragt  haben.  50  vielleicht  und 
ist  mir  anders  niht  erkant  cf.  s.  326.  54  nie  des  AC  ==  des  niht 
BDab  {des  nye  df).  57  e  =  hie  alle  hss.  L^  Bech.  60  ouch 
Ad  =  zu  streichen  mit  CD^  {hie  B).  77  dähte  A=gedähte 
BDabdf.  79  ich  Ad  =  ich  danne  BDabf.  96  eneben  A  =  neben 
BDabd. 

6008  ouch  er  B  {er  ouch  d)  =  er  Dab.  35  gennset  Ad  =' 
bennset  BDab.  46  mit  A  =  zuo  ab  {ze  BD,  hey  df ) ;  zuo  {ze) 
hat  die  beste  autorität  für  sich ;  für  den  gebrauch  von  ze  =  bi 
lässt  sich  am  nächsten  vergleichen  Trist.  6421  so  nemel  ir  un- 
ser da  ziu  war.  51  sit  daz  =  sit  BDabf.  74  gar  Ad  =  vilgar 
Bab  {vil  wol  D).  88  do  Abd  =  nu  BDaf.  89  al  =  alle  alle 
hss.  L  K    95  hat  Aa  =  het  Bcd  {hiet  f ).    95  wol  Aa = hie  wol  Bcdf. 

6102  nü  wer  Ad  =  wer  BDabf.  04  gotes  AD\)  =  der  {des 
a)  gotes  Badf.  08  diz  Ad  =-=  daz  Babf  {z  D).  14  und  ich  d 
{ih  A)  =  unde  BDbf.  33  niene  zürnt  Aä  =  nu  enzümet  niht 
BDab  Bech.  39  Jane  redent  siz  Ad  ==  sine  redent  ez  BDbf  {ich 
enreddiz  a).  65  sach  Ad  =  ersach  BDabf.  66  der  Ad  =  er 
BDabf.  68  zware  Ad  =  wol  BDb  {vil  wol  Ea).  72  sintern  B 
=  sümt  er  sich  cdf  {sumter  AL^,  siunt  er  DEab);  B  steht  mit 
der  transitiven  wendung  ganz  allein  und  verdient  schon  des- 
halb keine  berücksichtigung;  das  intransitivum  oder  reflexi- 
vum  wird  gesichert  durch  Chrest.  5178  haste  de  venir 
amont;  es  würden  sich  die  Verschiedenheiten  der  Überliefe- 
rung am  besten  erklären,  wenn  ursprünglich  sich  nicht  da  ge- 
standen hätte,  aber  allerdings  scheint  das  intransitive  sümen 
nur  mitteldeutsch.    82  was  Ad  =  wart  BEacf. 


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390  PAUL 

6215  wären  AEh  =  was  BDadf.  17  vleisch  mitten  Ab  = 
daz  vleisch  zuo  den  BDad  18  tnuosen  =  muose  cf.  s.  234.  50 
e  D  =  hie  BabdfL^.  52  e  Ad  =  hie  Bab  (fehlt  D).  55  daz 
Ad  =  do  BDabf.  55  her  ADf=dä  her  ßbd  (hy  her  a).  59 
graezer  Aa  =  ein  grwzer  BDbd.  60  so  lige  ich  {ih  ne  lige  A) 
=  so  gelige  ich  BDabdfL^ ;  eine  sonderbare  benutzung  der  hs. 
A:  während  zugestanden  wird,  dass  sie  hier  willkürlich  än- 
dert, soll  sie  doch  in  der  weglapsung  der  präposition  gegen 
alle  andern,  welche  das  ächte  sonst  richtig  bewahren,  recht 
haben,  während  doch  von  Laclimann  ausdrücklich  bemerkt  ist, 
dass  A  stets  nach  der  negation  die  vorsilbe  ge  weglässt.  67 
armwip  {arm  wip  E)  =  armiu  {arme  ADa,  armen  bdf,  fehlt  B) 
wtp  L^;  eine  noch  schlechtere  gewälir  als  hier  hat  armwip 
7317,  vfo  keinarm^  wip,  alle  übrigen  ei7i  armez  my;  haben;  eben 
so  wenig  kommt  in  betracht,  was  Bech  anführt,  dass  im  Gregor 
268  die  vaticanisclie  hs.  arm  wibe  hat;  das  ist  nur  eine  ab- 
ktirzung  für  armen,  wie  sie  auch  sonst  in  dieser  hs.  vorkommt; 
armwip  ist  also  nirgends  belegt,  und  wenn  es  vorkäme,  so 
würde  es  nach  analogie  von  armman  (welches  freilich  auch  hie 
und  da  ohne  berechtigung  eingeschmuggelt  wird)  nur  bedeuten 
können  *ein  weib  aus  niedrigem  stände',  aber  nicht  ^elendes, 
unglückliches  weib',  welclie  bedeutung  an  den  betreifenden 
stellen  erfordert  wird.  68  in  Asi==den  BDbdf.  89  wart  Aaf 
=^en?vilrde  B  {wurde  Dbd)  und  demgemäss  ein  komma  nach 
unervo'ret  Bech.  91  daz  AD  =  zu  streichen  mit  BEabdf  {und 
c).     91  U  in  ADcf  =  da  U  in  Ead  {under  in  da  Bb). 

6307  diu  {die  f)  =  disiu  BDEabdL^  {diz  A);  dass  hier  ein- 
mal eine » conjektur  Lachmanns  sich  in  f  findet,  bestätigt  die- 
selbe natürlicn  noch  nicht ;  wenn  man  eine  elision  in  disiu  nicht 
zugeben  will,  so  braucht  man  nur  doppelten  auftakt  anzuneh- 
men. 11  und  ich  Aa  =  und  BDbcf.  14  hie  an  iu  Af  {wol  an  erv 
d)  =  an  iu  hie  Bb  {uch  ane  a,  uch  hie  in  schäme  D).  20  Imri 
=  gehurt  alle  hss.  L^  Bech.  30  durch  dne  Aa  =  von  slner 
BDbdf.  37  morne  a  =  morgen  ABDdf.  46  rnorne  =  fnorgen 
ABDbdfLi  {leider  ä).  46  gesehen  Aa  =  sehen  BDbdf.  47  den 
jamer  A  {der  jamer  D)  =  swaz  jämers  Eabdf  {daz  iamers  B); 
die  auslassung  des  relativpronomens  bei  Hartmann  bedarf  bes- 
sere gewähr.  52  der  was  Ac  =  was  BDabdf.  74  ze  A  {alze 
E)  r=  so   BDbL'   {also  af).     75  iemer  Aa  =  niemer  BDb.     76 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  391 

müge  AE  =  wac  Bacf  {macht  b);  ,man  kann  hier  allerdings 
noch  etwas  zweifelhaft  sein,  weil  d  fehlt  und  die  Veränderung 
der  lesart  von  AE  sich  leichter  begreift  als  die  umgekehrte, 
und  weil  endlich  auch  das  iemer  in  a  noch  auf  die  lesart  von 
AE  hinzuweisen  scheint.    96  sprechet  Ab  =  sehet  BDad. 

6403  vil  AE  =  zu  streichen  mit  Bbcdf  (so  a).  16  iun  ist 
mindestens  sehr  zweifelhaft:  Aa  haben  ti,  B  m  m,  D  m  ouch, 
b  sy  uch;  wir  haben  also  für  die  Stellung  iu  in  gar  keine  ge- 
währ und  in  kann  auch  in  Aa  eben  so  gut  vor  iu  ausgefallen 
sein.  38  e  A  =  vor  des  BDabf  Bech  {darvor  d).  68  diiz  Ab 
^daz  Bad  {dez  D).  91  er  Aa=*J  BDbdf  Bech  cf.  s.  346. 
97  ich  wcene  statt  des  tiberlieferten  er  sprach  aus  der  nach- 
ahmung  Ottokars  einzusetzen  berechtigt  uns  nichts,  da  dieser 
natürlich  seinem  zusammenhange  gemäss  ändern  muste;  es 
kann  daher  nur  als  eine  conjektur  ohne  jeden  anhält  ange- 
sehen werden;  si  sprach  kann,  da  es  nur  in  D  überliefert  ist, 
keinen  anspnich  auf  autorität  machen;  daher  schwebt  auch 
der  von  Bech  aufgenommene  verschlag  Lachmanns  sl  sprach 
daz  tiian  an  kinde  niemer  rvwne  vinde  ganz  in  der  luft,  so  an- 
sprechend er  sein  mag;  doch  weist  wol  rehter  site  darauf  hin, 
dass  hier  nicht  bloss  auf  ihr  sprechen  bezug  genommen  sein 
kann;  es  fragt  sich  erst  noch,  ob  man  nicht  hei  der  Überliefe- 
rung bleiben  kann;  er  sprach  kann  wol  gefasst  werden;  'er 
sprach  bei  sich*;  für  die  anomalie  in  der  consecutio  temporum 
lassen  sich  vielleicht  noch  parallelen  beibringen, 

6504  siner  A  =  stn  selbes  BDEbdfL^  {yn  selber  a);  sin  sei- 
hes  ist  zu  gut  bezeugt,  als  dass  es  zurückgesetzt  werden  konnte, 
und  hilft  dazu  er  sprach  in  z.  3597  zu  bestätigen ;  wir  können 
nicht  umgekehrt  eine  vorher  gemachte  conjektur  dazu  benutzen 
um  hier  über  eine  lesart  gegen  die  bessere  autorität  zu  ent- 
scheiden; wir  würden  übrigens  rein  nach  der  autorität  der 
hss.  in  dieser  zeile  statt  st  AEa  im  nach  BDbdf  zu  setzen  ha- 
ben; da  aber  der  Zusammenhang  unbedingt  das  erstere  ver- 
langt, so  haben  wir  anzunehmen,  dass  hier  durch  einen  zufall 
df  auf  die  selbe  änderung  gekommen  sind  wie  die  vorläge  von 
BDb.  12  vil  Adh  ==verre  DEb  (fehlt  a).  20  wol  gliche  (vil 
wol  B;  ausserdem  haben  AbL^  wol  in  der  vorhergehenden  zeile 
hinter  si)  =  gelichd  ADEabd.  43  im  A  =  in  BEabdf.  44  mi 
Ad  =  daz  BEabf  {ir  d).    55  dähter  =  gedähter  alle  hss.  (auch 


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392  PAUL 

f )  LI  Bech.  60  ze  AB  =  so  Dabdf.  69  vol  D  (enuolln  f)  = 
wol  BL/  (vil  wol  A,  da  d,  w^Y  frouden  Eab.  75  /<?;wer  ist  durch 
coBJektur  eingesetzt  und  ist  ein  lästiges  flickwort;  der  A^rs 
scheint  allerdings  zu  kurz  für  4  heb un gen,  aber  nicht  wegen 
Lachmanns  metrischer,  regel,  sondern  weil  die  form  selheme 
für  Hartmann  unwahrscheinlich  ist;  dieselbe  ist  übrigens  nur 
in  A  überliefert^  BDf  haben  die  schwache  form  selheriy  b  selhe^ 
.  a  seiher;  es  gäbe  verschiedene  leichte  mittel  4  hebungen  her- 
zustellen, aber  ich  wage  es  weder  von  der  echten  Überliefe- 
rung abzugehen,  noch  ein  bestimmtes  urteil  über  die  natur 
dieses  verses  zu  fällen.  S3  diu  ginc  A  =  gienc  DEadf.  96  daz 
in  AE  =  daz  in  nach  (noch  Dab)  Dabdf  L^  (den  ez  nach  B). 
97  dickest  Aa  =  oftest  BDbdf. 

6604  sigte  k  =  gesigte  BDabdfL^  Bech  cf.  s.  296;  Beclis 
Umstellung  gesigte  beiden  stützt  sich  nur  auf  Bb  und  ist  darum 
unzulässig.  06  tmd  Ab  =  zu  streichen  mit  BDadf.  08  habe 
M=hän  die  übrigen  L^  Bech.  11  die  wH  st  unenvunden  sint 
=  um  si  niht  übernnmden  sint  cf.  s.  305.  19  dicke  Aa  =  ofte 
BDEbdf.  ^?^  üzer  k=üz  der  BDabf  (ilber  d).  45  ist  wer 
nach  diu  mit  den  hss.  (nur  bf  haben  dafür  got)  L*  Becli  wi- 
der in  den  text  einzusetzen;  der  vers  ist  mit  doppeltem  auf- 
takt  sehr  wol  zu  lesen;  die  auslassung  scheint  ganz  unmög- 
lich; in  der  von  Lachmann  angezogenen  stelle  aus  dem  a. 
Heinrich  ist  detn  entweder  auf  ein  frier  human  IIb  oder  auf 
sin  hof  780  zu  beziehen.  47  diiz  Aa  =  daz  BDbf  (des  d).  64 
ein  A  =  einer  BDabdL^.  70  nieman  =  itn  (ims  Ebdf )  jiiemer 
ABDEabdfL^  Bech;  wider  ein  fall,  in  dem  Lachmann,  nach- 
dem ihm  ein  metrisches  bedenken  gekommen  ist,  auch  nach 
einem  inneren  gründe  gegen  die  Überlieferung  gesucht  hat,  der 
aber  durchaus  nicht  stichhaltig  ist ;  denn  so  gut  wie  er  bis  5S 
zurück  auf  im.  (Iwein)  bezogen  werden  kann,  gerade  so  gut 
kann  im  bis  60  zurück  auf  im  bezogen  w^erden ;  man  darf  frei- 
lich dem  leser  das  auffinden  der  beziehung  nicht  dadurch  er- 
schweren, dass  man  einen  absatz  bei  63  macht.  72  ez  imXh 
=  ez  BDadf.  86  hete^z  Ad  =  heten  auch  BDab.  98  ir  tms 
mit  im  (ew  d)  Ad  =  er  uns  mit  iu  BDbL^  Becli  (oder  uns  mit 
im  f ) ;  man  müste  zu  völliger  Sicherheit  allerdings  die  lesarteii 
von  Ea  kennen. 

6705   üf  A  =  durch   ABDabf  cf.  s.  359.     11  vwhtai  AEa 


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HANDSCHRIFTFNVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  393 

=  gevwhten  BDdf.  12  in  =  hin  alle  hss.  L^  cf.  s.  359.  20  der 
stnt  AE  =  wan  der  sfrtl  BDabdf L^  20  der  was  A  =  was 
Eabdf LI  (ist  BD).  23  der  wart  A  (der  ward  im  dL^)  =  der 
was  im  DEab  (den  Helen  si  B).  28  anders  Aa  =  ander  BDbdf 
Beclu  30  dem  Aa  =  den  BDbdf L^  Bech  cf.  s.  346.  39  ge- 
hörte AD  =  erhörte  Babdf.  39  gesach  Ab  =  ersach  BDadL^. 
42  daz  Ab  =  da  Badf.  47  6?^r  AD  {er  a)  =  zu  streichen  mit 
Bbdf.  54  geleit  AB  =  leit  Dadf  (er/^^Y  Eb).  60  der  ABb  = 
sin  DEad.  64  seile  =  geselle  alle  hss.  L^  Bech;  Bech  lässt 
hier  7iiht  weg,  welches  schon  L^  in  klammer  setzt;  diese  weg- 
lassung bedürfte  denn  doch  wol  erst  der  rechtfertigung.  66 
dräte  den  lewen  A  {den  Ihm  drate  B)  =  den  lewen  Dabdf.  67 
haben  Ade  =  hän  DEab.  69  in  df  =  in  e  DEabL^  Bech  (ine 
A) ;  e  ist  wegen  des  gegensatzcs  nü  in  der  folgenden  zeile  not- 
wendig. 72  so  A  (als  f)  =  zu  streichen  mit  Dab  (iin  Ed). 
78  da  Ab  =  swä  DEadef.  85  in  dö  A  =  in  cdf  (heidenthalben 
Da).  86  beide  der  lewe  untter  =  hie  der  lewe,  do?^t  der  cf.  s. 
359.     92  in  =  zu  streichen  und  93  sin  =  ir  cf.  s.  302. 

6802  dö  sprach  er  A  =  er  sprach  DEabdfL*.  20  nu  in 
AB  =  in  DEabcdf;  ob  dann  bloss  dise^i  mit  AB,  oder  eine 
zahl  dahinter,  und  welche  (doch  mehr  als  sieben  müssen  es 
sein  cf.  6845)  ursprünglich  dagestanden  hat,  lässt  sich  schwer 
entscheiden;  man  wird  aus  den  Zeitbestimmungen  Hartmanns 
überhaupt  nicht  klug:  der  kämpf  wird  über  sechs  wachen  an- 
gesetzt 5756;  die  jüngere  Schwester  reitet  verre  durch  diu  lant 
(5761),  bis  sie  von  der  irrevart  krank  wird  (5766),  worüber 
doch  jedenfalls  nicht  bloss  ein  paar  tage  verstrichen  sein  kön- 
nen; darauf  wird  die  tochter  ihres  wirtes  ausgesendet,  welche 
allen  einen  iac  (blll)  reitet,  bis  sie  des  abends  zu  der  bürg 
kommt,  wo  Iwein  den  riesen  besiegt  hat;  am  andern  tage  er- 
reicht sie  Iwein  (5967),  und  nun  sollen  es  noch  sehstehalbe 
Wochen  bis  zum  kämpfe  sein  (6027),  ein  unläugbarer  Wider- 
spruch, da  danach  die  irrevart  nur  ein  oder  zwei  tage  ge- 
dauert haben  könnte;  und  jetzt  ist  seitdem  erst  wider  ein  tag 
verflossen;  es  scheint,  dass  Hartmann  für  die  heilung  Iweins 
nach  dem  kämpfe  mit  den  beiden  riesen  zeit  gewinnen  wollte, 
wozu  7  tage  verbraucht  werden  (6845),  während  Chrestiens 
ihn  sofort  aufbrechen  lässt  (5763  tantost  mes  sire  Yvains  s'an 
tarne  qui  el  chastel  plus  ne  sejorne),  femer  für  das  geleit,  das 


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394  PAUL 

er  den  befreiten  frauen  gibt  (6857),  welches  gleichfalls  bei 
Chrestiens  fehlt,  wo  vielmehr  die  frauen  ihn  mit  dem  stadt- 
volke  ein  stiick  begleiten;  daher  hat  er  durch  die  sehstehalbe 
Wochen  den  anschein  zu  erregen  gesucht,  als  sei  der  bei' wei- 
tem grössere  teil  der  gestellten  frist  noch  übrig,  während  er 
doch  nach  der  vorangehenden  darstellung  schon  verflossen  sein 
muss.  26  ich  AD  =ich  danne  adf  {denn  da  hy  da  B).  27 
wurde  Asib=wcere  BDdf.  31  ie  iuch  h  (e  u  A)  =  iuch  ie 
BDadf.  32.  33  Ir,  welches  nur  in  A  vor  harte  steht,  ist  vor 
iuch  zu  setzen  mit  BDbdL^  (nach  üch  a).  33  harte  AB  (herre 
f,  vil  b)  =  immer  DEad).  33  gerne  A  =  gar  BEabfL*  Bech 
{mer  d,  fohlt  D).  49  daz  Ab  =  diu  BDEadf;  sie  reiten  doch 
nicht  beide  auf  einem  pferde.  51  ir  AE  =  den  BDbdL^  78 
lange  BD  =  langer  {lenger)  Eabdf  (in  A  fehlt  die  zeile).  80 
enweder  (nie  weder  A,  deweder  BL^)  =  weder  DEabdf.  90  al- 
sus  AEf  =  also  BDad.     95  saz  =  saz  da  cf.  s.  334. 

6905  niemen  da  hekant  =  da  (fehlt  E,  doch  a)  nieman  er- 
kant  BDEabdLi  Bech.  30  dazz  {daz  ^zAEb)  =  daz  DadfLi 
Bech ;  daz  ez  verstehe  ich  nicht.  39  ditz  Db  {dich  H)  =  nü 
ditz  BEaf  Bech  {euch  das  d;  Hb  haben  nu  in  z.  41).  56  immer 
Dd  =  tiure  BDHb  {wil  a).  82  d'ors  {diu  ors  DEH  Bech)  = 
diu  ros  BabdfL*. 

7023  doch  Bd  =  ez  DEHab.  44  ist  Hb  =  was  BEdL». 
53  ou^h  D  =  doch  BHb  {hie  d;  fehlt  a).  7058  dies  wäre  viel-' 
leicht  die  einzige  stelle,  an  welcher  man  eine  von  Lachmaun 
gegen  alle  hss.  gemachte  conjektur  notwendig  finden  könnte; 
indessen  gevriunt  von  herzen  und  mit  gesehenden  ougen  Mint 
sind  doch  keine  gegensätze,  wie  sie  nach  Lachmanns  herstel- 
lung  sein  müsten;  der  gegensatz  zu  Mint  liegt  vielmehr  in  -ge- 
sehenden,  der  gedanke  ist  in  sich  abgeschlossen  und  kann  kei- 
nen vorhergehenden  gegensatz  gebrauchen;  ein  voraufgehendes 
^dass  sie  zwar  herzensfreunde  sind'  verlangt  als  gegensatz 
^aber  sich  doch  fltr  feinde  ansehen,  als  feinde  behandeln';  be- 
steht aber  nicht  ein  gegensatz  in  der  art,  dass  mit  gesehenden 
ougen  blint  der  eigentliche  hauptgedanke  ist,  dagegen  gevritmt 
von  herzen  nach  strenger  logik  die  form  des  nebensatzes  tra- 
gen sollte,  so  ist  durch  Lachmanns  weglassung  von  machet  si 
die  wirkliche  Schwierigkeit,  welche  das  tiberlieferte  bietet,  nicht 
weggeräumt;  diese  besteht  darin,  dass  anscheinend  ihre  freund- 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  395 

Schaft  als  eine  folge  des  unterbindens  ihrer  herzen  dargestellt 
wird;  sollte  man  den  gedanken  vielleicht  so  fassen  können: 
die  unkünde  verhinderte  durch  das  underbinden,  dass  ihre 
freundschaft  zur  geltung  kam  ?  66  der  BEa  =  sin  Dbdf ;  dar-  • 
auf  ist  wünsch  mit  der  minuskel  zu  schreiben  wie  L^;  Bech 
erklärt  'das  höchste  und  beste  flucht  ihm,  d.  h.  wendet  ihm 
den  rücken,  wird  ihm  nicht  zu  teil';  das  wäre  ein  ganz  vager 
allgemeiner  gedanke;  etwas  viel  bestimmteres  in  den  Zusam- 
menhang vortrefflich  passendes  gibt  Beneckes  erklärung,  an 
der  er  mit  recht  gegen  J.  Grimm  und,  wie  es  nach  der  ma- 
juskel  im  text  scheint,  auch  gegen  Lachmann  festgehalten  hat: 
'das  was  er  wlinscht,  wird  ihm  zum  fluche';  dann  aber  ist 
sin  statt  der,  wo  nicht  notwendig,  so  doch  gewis  viel  deutli- 
cher; der  kann  erst  von  den  Schreibern  eingesetzt  sein,  denen 
die  im  mittelhochdeutschen  so  gebräuchliche  personification  von 
rvmisch  geläufig  sein  muste;  gerade  wie  hier,  ist  auch  im  2. 
btichl.  113  7nir  hat  der  wumch  gefluochet  mit  Benecke  zu  er- 
klären gegen  Haupt  und  Bech;  denn  der  satz  bildet  mit  den 
acht  vorhergehenden  Sätzen  nur  Variationen  desselben  grund- 
gedankens:  ich  hm  von  liehe  michel  leit:  mich  ermct  mtnrichcit: 
daz  mir  ze  scelden  ist  geschehest,  des  miioz  ich  ze  unscclden  jehen 
etc.;  es  wird  niclit  zu  kühn  sein  hier  gegen  die  eine  späte  hs. 
min  zu  vermuten.  66  so  Ba  =  also  DEHbdf.  68  swenne  BDb 
=  so  Ead.  69  stveder  ir  cd  =  srveder  BDEHabf ;  ir  ist  nicht 
notwendig.  81  enweder  {nie  wider  A,  deweder  BL^)  =  weder 
DEHabd. 

7103  in  hundert  stücke  Aab  =  ze  hundert  stücken  BDHd 
{ze  chlain  stukchn  f).  04  mänlich  AE  =  manneclich  BDHabfL^ 
04  da  A,  nach  mamieclich  D  ==  zu  streichen  mit  BEHabf.  08 
ietweder  Aa  =  iesllcher  BHf  oder  ieglicher  Dbd ;  es  ist  nicht 
nachweisbar ,  dass  schon  zu  Hartmanns  zeit  ietweder  =  nhd. 
jeder  gebraucht  worden  ist;  wenn  Lachmann  auf  die  anmer- 
kung  zu  4936  verweist,  so  ist  dort  eben  von  Benecke  gezeigt, 
dass  an  den  beiden  andern  stellen,  in  denen  ietweder  sich  schein- 
bar auf  mehr  als  zwei  bezieht,  es  doch  auf  ein  paarverhält- 
nis  geht;  vielleicht  nahm  ieweder  im  nieder-  und  mitteldeut- 
schen früher  als  im  hochdeutschen  die  neuhochdeutsche  bedeu- 
tuDg  an.  20  von  diu  A  =  da  von  Df  oder  vielleicht  da  von  so 
BEHa  {durch  das  b).     45  unde  A  =  und  äne  BDEHabdf.     55 


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396  PAUL 

's  Ab  =  sin  BDad.  55  dicke  Aaf  =  o/lte  BDbdL*.  74  verlege- 
ner AEH  =  verlegen  BDabdL  ^  Bech.  81  alsus  Ad  =  also 
BHbdf. 

7212  der  Hbe  conjektur  =  mit  dem  Übe  ABDbcL^  {mit  ir 
übe  Edf,  mit  libe  Bech);  das  emjambement,  wie  es  Lachmann 
annimmt,  ist  unerträglich;  die  praecision  des  gegensatzes  lei- 
det darunter,  wenn  zu  arbeit  ein  genetiv  hinzutritt,  dem  kein 
entsprechender  zu  ere  gegenübersteht;  übrigens,  wenn  mit  dem 
Übe  ein  müssiger  zusatz  sein. soll,  warum  ist  es  der  libe  weni- 
ger? die  weglassung  des  artikels  ist  sprachwidrig.  39  vol  X 
=  rvol  DEbf  (fehlt  Bad)  cf.  meine  anm.  zu  Gregor  805.  63  ir 
A  (der  B)  =  zu  streichen  mit  DEbd.  67  ir  Ac  =  ez  BDEh 
(fehlt  d)  cf.  7169.  71  nie  A  =  zu  streichen  mit  BEDb  Bech 
und  dann  möhte  in  z.  70;  mit  Bech  hau  gejehen  nach  BE  zu 
schreiben,  sind  wir  wol  nicht  berechtigt,  da  die  übrigen  hss. 
häti  nicht  haben.  89  ^ö  A  =  zu  streichen  mit  BDbcd.  90  sis 
D  {s  sie  A)  =  si  BEbdf.    90  me  Ab  =  mere  E  (wr  BDdf). 

7308  wmren  AB  =  7V(Bre  DEabd.  17  arm  rvip  {arm^  tvip 
A)  ==  armez  rvip  BDEabfL^  cf.  zu  6267.  26  ir  swester  AD  = 
die  altern  Babdf  cf.  s.  355.  70  verkünde  =  verkufite  BaL^  {nint- 
kwidete  A,  erkante  cd,  bekant  b,  behande  D ;  Lachmanns  Schrei- 
bung und  erkläi-ung  ist  gegen  alle  hss.,  der  daraus  gewonnene 
gedanke,  von  dem  man  nicht  recht  weiss,  was  er  an  dieser 
stelle  soll,  wird  erst  überhaupt  einigermassen  möglich  durch 
eine  zweite  conjektur  in  z.  72;  es  ist  an  dem  in  Ba  überlie- 
ferten festzuhalten,  worauf  auch  die  lesarten  der  übrigen  hss. 
hinweisen,  verkunte  aber  niclit  in  dem  sinne  'gab  sich  nicht 
kund'  zu  nehmen,  denn  das  würde  mit  dem  folgenden  in  di- 
rektem Widerspruche  stehen,-  sondern  'gab  sich  kund';  die 
stelle  scheint  zu  beruhen  auf  Chrest.  6216  mes  eincois  que  del 
champ  s'an  voisenty  se  seront  bien  antracointie,  72  tvan  deiz 
=  wand  ez  Bb  (wander z  AaL^,  wand  er  zu  D,  wand  er  E,  daz 
da  d,  daz  doch  f ;  die  Überlieferung  würde  am  meisten  für 
wand  erz  sprechen;  aber  ich  wüste  nichts  damit  anzufangen; 
es  wird  wol  erlaubt  sein  hier  von  dem  der  autorität  nach 
wahrscheinlicheren  zu  gunsten  des  sinnes  abzuweichen;  das 
er  kam  den  Schreibern  wol  in  die  feder,  weil  ihnen  die  bei- 
behaltung  des  selben  Subjektes  das  natürliche  war. 

7411  ein  df  (mir  ein  c,  der  A)  =  aber  ein  BDEa.     12  den 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  397 

A  =  danne  BEcdL^  (fehlt  a).  24  ir  e  {ir  B  Bech,  e  AU)  = 
mir  Dbd  (man  nach  nye  f).  49  /{ü?ne  Ac  =  vil  käme  BDdf.  56. 
57  iu  ist  gegen  A  mit  BDEHbdf  vor  aller  zu  stellen.  57  al 
=  a//^r  alle  hss.  57  wol  gan  AD  ==  gan  BEHbdf.  69  einan- 
der =  under  einander  BEHb  Bech  (tvidereinander  df,  zo  einan- 
der ADL*);  dass  Hartmann  sonst  tragen  in  ähnlichen  Verbin- 
dungen mit  dem  dat.  construiert,  spricht  gegen  zuo  in  AD, 
aber  nicht  gegen  under;  denn  letzteres  konnte  natürlich  nur 
bei  einem  Wechselverhältnisse  angewendet  werden,  welches 
an  den  andern  stellen  nicht  vorliegt.  76  gegangen  AHb  =  er- 
gangen BDEdf.  88  dehein  A  ==  dewedere  DHd  {iwedW  f,  letrve- 
der  BbL^  Bech);  das  positive  ,/^/«^^^^r ,  welches  nur  das  sehr 
zweifelhafte  zeugnis  von  Bb  für  sich  hat,  verträgt  sich  nicht 
mit  dem  folgenden  dehein.  95  zeicten  EH  (zeichenten  H)  =  er- 
zeicten  BDbdf. 

7500  ouch  Bh=  Joch  AEH  (fehlt  D).  21  wahren  (weren 
A)  =  wären  BDEHbd  (waz  f);  die  Übereinstimmung  der  hss. 
zwingt  uns  den  indic.  als  richtig  anzuerkennen;  der  bedin- 
gungssatz  ist  gewissermassen  nachträglich  hinzugefügt,  nach- 
dem der  regierende  satz  schon  als  unbedingt  hingestellt  war; 
vergleichen  lässt  sich  hiermit  z.  1153  eine  ritterliche  magt,  hete 
st  sich  niht  verciagt  und  4762  nu  gesach  er  nie  kindes  Itp  schö- 
ner dan  diu  selbe  magt,  hete  st  sich  niht  verciagt.  23  ist  ei  con- 
jektur  Lachmanns,  die  hss.  haben:  er  Edf,  her  A,  es  b,  do 
BDa;  letzteres  ist  von  Bech  aufgenommen;  indessen  die  bes- 
sere autorität  führt  uns  auf  er,  woraus  sich  auch  die  änderung 
in  do  viel  leichter  erklärt,  als  die  umgekehrte  von  dd  in  er, 
da  an  dd  kein  Schreiber  anstoss  genommen  haben  würde;  ob 
aber  dies  er  schon  verderbt  ist,  würde  doch  noch  zu  erwägen 
sein;  es  bleiben  allerdings  wol  nur  zwei  möglichkeiten  des 
Verständnisses:  entweder  nimmt  er  das  Subjekt  min  her  Twein 
voraus,  oder  der  sprechende  ist  Gawein  und  mtn  her  Jwein 
gehört  zur  rede;  indessen  ist  letztere  annähme  etwas  bedenk- 
lich, weil  nach  der  langen  erzählung,  welche  auf  die  letzte 
rede  Iweins  folgt  (7484 — 7522),  unter  er  nicht  gut  gleich  Ga- 
wein verstanden  werden  kann,  und  weil  dann  der  Wechsel  in 
der  rede,  welcher  7527  eintreten  würde,  nicht  angedeutet  wäre, 
was  doch  in  der  regel  nur  bei  raschem  Wechsel  der  sprechen- 
den unterbleibt ;  ob  die  erstere  annähme  möglich  ist,  wage  ich 


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398  PAUL 

nicht  zu  entscheiden.  46  wol  =  iemer  tvol  L^  cf.  s.  355.  53  äo 
KE,  =  ouch  BDbdfLi  {imd  a).  61  seihe  k\)A  =  selbm  BDHf. 
61  gewert  Ad  =  erwert  BDHabf:  ^sio  hat  sich  so  verteidigt'; 
mit  dieser  lesart  wird  völlig  reiner  reim  hergestellt;  dieselbe 
erfordert  selhe^i,  während  die  andere  lesart  seihe  verlangt.  67 
seile  =  geselle  ABEHabdL^  Bech.  67  haben  für  nein  BE  die 
übrigen  AHabd  min\  danach  scheint  nein  ein  besserungsversuch 
und  min  das  ursprtingliclie ;  das  wird  noch  bestätigt  durch 
8122;  diese  nur  in  Bad  erhaltene  zeile  lautet  in  B  her  Iwein 
lieber  herre  mtn,  dagegen  in  ad  lyher  man  (traut  mein  d)  her 
ymjn\  die  Übereinstimmung  von  ad  hat  siclier  einen  höliern 
kritischen  w^ert  als  B;  wir  w^erjlen  natürlich  nicht  annehmen, 
dass  der  Schwabe  Hartmann  das  l  als  diphthong  sprach,  son- 
dern es  scheint  eine  auf  die  wälschen  eigennamen  beschränkte 
reimfreiheit  zu  sein.  70  werden  wir  statt  des  kommas  ein 
ausrufungszeichen  zu  setzen  haben ;  denn  es  ist  ungehörig,  dass 
des  prlses  einmal  durch  den  voraufgehenden  satz  erläutert  wer- 
den soll  und  dann  auch  durch  den  folgenden,  während  bei  der 
von  mir  vorgeschlagenen  interpunktion  erst  die  antithese  von 
71 — 72  scharf  hervortritt,  welche  genau  der  von  69  und  70 
entspricht.  79  sprach  Ad  =  antwurt  BEHabdf  94  vrägteti 
AEd  =  vrägte  BDHbf  Bech;  schwerlich  kann  im  praedieat 
plur.  -  und  sing,  neben  einander  stehen ;  der  plur.  ist  als  eine 
ändeiiing  der  Schreiber  anzusehen,  welche  des  reimes  halber 
auf  riet  nicht  ausgedehnt  wurde. 

7600  der  A  =  zu  streichen  niit  BDEHb  {do  adf).  02 
niene  EH  {niht  ne  A)  =  niht  bdL^  oder  wahrscheinlicher  iU 
BDa  Bech  (xjemad  f ).  37  von  AHd  =  vor  BDabf.  52  ez  auch 
mir  wol  A  =  sich  ouch  mir  EHf  {sich  mir  buch  B,  sich  wol  D, 
sich  rechte  a,  mir  zu  eren  b);  intransitives  vüegen  ist  vorwie- 
gend mitteldeutsch.  63  der  kilnic  Artus  AD  =  Artus  der  künic 
BHbdf  {der  kwiig  a).  82  unde  Ab  =  und  doch  BEHa  (fehlt 
D);  die  Symmetrie  mit  der  folgenden  zeile  verlangt  doch.  96 
ze  Aa  =  her  ze  BDHdf(bc).  92  einvaltem  {einvalten  A)  ==  ein- 
valtigem  DEHbdf  {eynen  willigen  a). 

7702  irr  {ir  ir  AL^)  =  ir  BDHab;  es  ist  nicht  nötig  einen 
nebensatz  zu  haben,  auf  welchen  sus  in  z.  7700  zu  beziehen 
ist ;  dies  bedeutet  einfach  '  sonst,  andernfalls,  wenn  ihr  es  nicht 
zu  einer   rechtlichen  entscheidung   kommen   lasst*;   folgte  ein 


] 


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HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS  DES  IWEIN.  399 

bedingungssatZ;  so  würde  sus  nur  störend  sein.  09  von  =  von 
der  BDbdf  (im  AaL^  Bech);  wiewol  Laclimann  zugibt,  dass 
und  falsch  ist,  so  sollen  dennoch  Aa  die  vorläge  getreu  be- 
wahrt haben;  und  soll  eine  alte  Verderbnis  der  alten  gemein- 
samen quelle  sein  und  vo7i  der  nur  eine  geschickte  besserung; 
wenn  man  zu  solchen  mittein  häufig  seine  Zuflucht  nimmt,  so 
kann  man  von  jeder  beliebigen  hs.  1>eweisen,  dass  sie  den  ur- 
text  am  getreuesten  bewahre ;  tlbrigens  ist  der  notwendig,  denn 
es  handelt  sich  um  die  eine  bestimmte  drohung  des  Artus. 
61  verdfenez  Ad  =  gediene  ez  BDab.  61  ez  A  =  ez  iemer  alte 
übrigen,  auch  f.  85  hat  f  urche  übereinstimmend  mit  verhe 
Bc;  es  ist  schwer  zu  entscheiden,  ob  dieses  oder  verre  ADbd 
richtig  ist.  87  niene  {ine  ne  A)  =  niht  en  BDb  oder  niht  er- 
adf  cf.  s.  306. 

7802  ir  getete  A  {im  iete  D,  im  iet  denn  a)  =  im  {ir  d) 
getuo  Bd  Bech  (ir  ihn  c,  ir  getrurv  b),  und  dann  Ol  ein  komma 
statt  des  punktes  mit  L^  Bech;  dass  der  satz  negativ  sein 
muss,  folgt  von  allem  übrigen  abgesehen,  schon  aus  der  setzung 
der  Vorsilbe  ge,  die  in  einem  positiven  liauptsatze  nicht  stehen 
könnte.  06  des.  Af  =  es  abd  {sin  BD).  36  swenner  Aa  = 
swenner  7i&  BDbdf.  39  geschiht  Aa  =  geschihi  iu  BDbdf.  50 
in  rvol  A  {wol  B)  =  iu  Dabdf.  54  unt  f  andern  =  mit  andern 
AEaL^  Bech  {mit  den  aridem  B,  mit  in  D,  mit  den  bdf),  rich- 
tiger vielleicht  noch  mit  den  andern,  wobei  mit  den  in  eine 
silbe  zusammengezogen  werden  müste.  57  wer  iu  A  {der  uch 
den  D)  =  wen  iuwer  Bbdf ;  letzteres  soll  nach  Lachmann  eine 
besserung  sein,  die  auf  dem  misverständnis  von  rät  in  z.  7849 
beruht;  das  kann  ich  nur  so  verstehen,  dass  die  Schreiber  rät 
dort  nicht  coUektiv,  sondern  fälschlich  abstrakt  verstanden  und 
daher  auch  hier  sich  eine  änderung  erlaubt  hätten,  in  welcher 
rät  eben  so  abstrakt  als  Überlegung  der  Laudine  gefasst  wäre; 
aber  was  hindert  uns  denn  rät  in  der  lesart  von  Bbdf  coUek- 
tiv zu  fassen?  ich  tibersetze  *wen  euer  versammelter  rat  unter 
euren  untergebenen  finden  mag,  der  diese  bürde  (die  Verteidi- 
gung des  brunnens)  übernehmen  kann';  so  ist  alles  klar,  aber 
nicht  bei  der  lesart  von  A;  denn  es  handelt  sich  nicht  darum 
einen  plan  über  die  art  und  weise  der  abhülfe  zu  machen; 
darüber  ist  man  im  klaren:  es  handelt  sich  nur  darum  eine 
person  ausfindig  zu  machen,  welche  nicht  zu  raten  hat,  wie 


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400  PAUL 

in  der  lesart  von  A  vorausgesetzt  wird,  sondern  nnr  zu  han- 
deln, den  kämpf  gegen  den  gewittermacher  zu  bestehen.  58 
Ingesinde  Ad  =  geslnde  BDabf. '  00  der  A  =  daz  er  UEab 
(fehlt  Dcd,  der  L^  auch  59);  der  Wechsel  in  der  construktlou, 
welcher  recht  wol  möglich  ist,  scheint  zur  änderung  in  A  und 
zur  auslassung  in  Dcd  anlass  gegeben  zu  haben.  04  habe  Adf  = 
hän  BDab.  71  der  {der  A)  =  daz  er  BDEabf  cf.  zu  2128. 
74  rnochte  AE  =  geruochie  BDabdf..  94  enpfäh  et  (unifahei  A) 
=  enpfäch  BDabdf  cf.  s.  304.  98  hegimdet  Aa  =  mJdet 
BDbdf. 

7930  niht  Aa  =  da  niht  BDbd.  54  also  bi  Ab  {also  hy  a, 
hie  bi  D)  =  so  {also  E)  7iähen  bi  cf.  Chrest.  0067  sipres;  dann 
ist  daz  ich  zu  verschleifen.  50  juncvrouwe  Aa  =  vrouwe  d  {ia 
fraurve  c,  ach  frarv  f,  frouwe  Lunet  BD,  Lünet  fraürv  '  b).  56 
daz  ist  A  {ez  ist  Da,  es  ist  nicht  c)  =  ist  ez  {diz  B,  daz  b)  {ist  es 
nicht  d,  ich  furcht  ez  sey  f);  letzteres  ist  entschieden  ange- 
messener: wollt  ihr  euch  bloss  über  mich  lustig  machen,  oder 
habt  ihr  mich  wirklich  gesucht?  00  brechen  ir  ==  brechen 
danne  {den  b)  ir  Bb  {brechen  den  Db,  dan  breken  ern  AafL^); 
Bech  schreibt  den  ir,  den  als  artikel  gefasst;  aber  der  artikel 
mit  dem  gen.  des  persönlichen  prou.  müste  bei  Hartniann  erst 
sicher  belegt  sein,  ehe  er  wie  hier  und  auf  noch  unsicherer 
grundlage  an  andern  stellen  conjiciert  würde.  74  döne  A  {do 
d)  =  dochn  BD  {doch  abf ).  90  verdienet  Adf  =  gedienet  BDab. 
90  ist  und  mit  allen  hss.  und  L*  wider  einzusetzen  cf.  Chrest 
6094  com  celi  qui  autrui  avoir  anprumte  et  puis  si  le  repaie. 

8010  liebe  vrou  Aa  =  vrouwe  BDEbd  {trawt  fraw  t).  51 
bervise  et  {bewiset  A)  =  bervise  BDabdf L^  cf.  s.  304.  66  eriein 
==  in  ein  alle  hss.  Bech.  69  haltet  AEa  =  behaltet  BDbf  (he- 
habt  d).  69  gewärheit  A  =  wärheit  alle  übrigen,  auch  fL'. 
84  hän  gellten  e  =  Hden  iemer  e  cf.  s.  303.  96  er  mich  A  = 
er  die  übrigen.     96  hat  Aa  =  habe  BDbd. 

8105  ständigen  AE  =  schuldigen  BDabdf L^.  06  stväre 
{groz  D)  er  schulde  AD  =  stvare  schulde  er  BEabdf ;  Becks 
conjektur  ist  unnötig.  16  ich  Aa  =  ichs  BDbdf.  16  miner  A 
=  mit  BDEabdf;  es  ist  dann  gewärheit  zu  schreiben  cf.  Bechs 
anmerkung;  gewärheit  gibt  es  nicht,  es  ist  überhaupt  eine  un- 
mögliche bildung  cf.  zu  8069.  22  her  Iwein^  lieber  herre  mn 
B  =  lieber  man  {traut  fnein  d)  her  Iwein  ad  (?)   cf.  zu  7567. 


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hAndschriftfnverhaeltnis  des  IWEm.         401 

37  gesach  Ab  «=»  sach  BDEa  {hesach  d).  65  m  gesogen  DadL^ 
(m  niht  gesogen  Bb  Bech;  iu  in  dieser  zeile  ist  durch  Bb 
schlecht  bezeugt;  da  man  es  aber  doch  nicht  gern  entbehren 
wird,  so  werden  wir  berechtigt  sein,  statt  des  ouch  ich  aus 
AB  in  zeile  64  das  eben  so  gut  bezeugte  ich  iuch  aus  Dd  {ich 
oüch  b,  ich  a)  aufzunehmen,  welches  durch  das  iu  von  Bb  in 
z.  65  eine  weitere  stütze  erhält. 

Ich  füge  eine  aufzählung  derjenigen  stellen  bei,  an  wel- 
chen Lachmann  von  der  ttberlieferung  sämmtlicher  hss.  abge- 
wichen ist,  damit  man  sich  leicht  durch  vergleichung  derselben 
überzeugen  kann,  ob  und  wieweit  solche  abweichungen  über- 
haupt berechtigt  sind:  155.  309.  449.  802.  845.  872.  1206. 
1376.  1410.  1522.  1639.  1720.  1735.  1744.  2053.  2608.  2667. 
2798.  2853.  3613.  3760.  3927.  3944.  4062.  4067.  4084.  4247. 
4413.  4431.  4445.  4495.  5022.  5160.  5351.  5401.  5427.  5480. 
5521.  5582.  5957.  6307.  6497.  6519.  6575.  6645.  6645.  6670. 
6712.  7058.  7212.  7370.  7469.  7996. 

LEIPZIG.  H.  PAUL. 


Beitr^e  zur  geschichte  der  deutschen  spräche,  t.  27 

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DIE  ALTHOCHDEUTSCHE  UEBERSETZÜNG 
DER  BENEDIKTINERREGEL. 

Das  Studium  der  althochdeutschen  spräche  und  literatur 
bedarf  im  einzelnen  noch  sehr  der  ausftthrung  und  Vollendung. 

Was  zunächst  die  grammatik  betrifft,  so  gründet  sich  das 
grosse  Grimmsche  Sammelwerk  vielfach  auf  schlechte  texte  und 
auch  die  überaus  schätzenswerten  arbeiten  Weinholds  sind  — 
wie  es  ja  bei  einem  so  umfassenden  stoflf  nicht  anders  mög- 
lich ist  —  von  mannigfachen  Irrtümern  im  einzelnen  nicht  frei; 
wir  werden  dies  im  folgenden  zu  bemerken  öfters  gelegenheit 
haben.  Die  irrtümer  sind  dann  zum  teil  in  die  kleineren  schul- 
und  lehrbücher  der  ahd.  grammatik  übergegangen.  Sie  zu  be- 
seitigen gibt  es  nur  ein  mittel,  nämlich  das,  jedes  ahd.  denk- 
mal  auf  seinen  dialekt  und  seine  Orthographie  hin  genau  durch- 
zuarbeiten. Wenn  dies  geschehen  sein  wird,  so  wird  manches 
falsche  berichtigt,  manches  unklare  aufgehellt,  manches  neue 
gefunden  sein.  Was  uns  daher  zum  weiteren  ausbau  der  ahd. 
grammatijt  vor  allem  not  tut,  ist  eine  anzal  monographien,  die 
den  dialekt  jedes  einzelnen  Schriftwerkes,  zunächst  natürlich 
der  grösseren  und  wichtigeren,  bis  ins  kleitie  genau  darstellen. 

Ebenso  herscht  in  literarhistorischer  beziehung  über  viele 
erzeugnisse  der  ahd.  kirchlichen  literatur  noch  mannigfaches 
dunkel;  die  kleineren  homiletischen  und  katechetischen  denk- 
mäler  sind  in  den  ^denkmälem'  von  Scherer  zwar  auch  lite- 
rarhistorisch besprochen;  allein  manches  ist  mit  zu  grosser 
Sicherheit  hingestellt  worden.  Die  glossen  harren  einer  genauen 
bearbeitung  durch  Steinmeyer,  die  hoffentlich  nicht  mehr  allzu- 
lange auf  sich  warten  lässt.  Vieles,  z.  b.  die  schritten  Notkers, 
ruht  noch  ganz. 

Das  denkmal,  mit  welchem  wir  uns  im  folgenden  beschäf- 
tigen wollen,  ist  bisher  weder  grammatisch  noch  literarhisto- 


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BENEpIKTIKERREGEL.  403 

riseli  eingehend  behandelt  worden:  Die  dem  Kero  xugeschrie- 
bene  Übersetzung  der  regula  Set.  Benedicti  im  Set.  Galler  co- 
dex 916,  gedruckt  zuerst  bei  Schilter,  dann  bei  Hattemer. 
Dieses  denkmal  soll  der  nachfolgende  aufsatz  zuerst  gramma- 
tisch, dann  literarhistorisch  untersuchen;  er  zerfällt  demge- 
mäss  in  3  teile: 

1)  dialekt  und  Orthographie  des  denkmals. 

2)  das  Verhältnis  der  deutschen  Übersetzung  zum  lateinischen  text 

3)  entstehung  und  zeit  des  denkmals. 

Der  erste  teil  wird  der  ausführlichste  werden ;  denn  einer- 
seits wird  es  notwendig  sein,  in  ihm  einzelne  grammatische 
fragen  zu  erörtern,  andrerseits  muss  durch  ihn  festgestellt  wer- 
den, ob  zwischen  einzelnen  partien  des  denkmals  orthographisch- 
dialektisdie  unterschiede  stattfinden  oder  nicht.  Dazu  sind  aber 
statistische  aufstellungen  erforderlich.  Ich  habe  mich  bemüht, 
in  diesen  letzteren  eine  gröstmögliche  genauigkeit  zu  errei- 
chen; etwaige  kleine  fehler  im  einzelnen  dürften  bei  der  masse 
des  matierials  entschuldigung  finden.  Die  handschrift  selbst  zu 
kollationieren  war  mir  nicht  vergönnt;  meine  angaben  beruhen 
daher  auf  dem  Hattemerschen  texte,  fftr  dessen  etwaige  fehler 
ich  nicht  verantwortlich  gemacht  werden  kann.  Ich  eitlere  nach 
Seiten  der  Hattemerschen  ausgäbe;  eine  1  hinter  der  zahl  der 
Seite  bezeichnet  die  obere,  eine  2  die  untere  hälfte  derselben; 
also  z.  b.  30,1  bedeutet  s..30  bis  kelitij  30,2  von  ze  dih  an;  die 
grenze  zwischen  1  und  2  ergibt  sich  allerdings  nicht  immer 
auf  den  ersten  blick,  doch  wird  diese  einrichtung  zur  erleich- 
terung  des  nachschlagens  dienlich  sein. 

I.    Dialekt  und  Orthographie. 

1.    Konsonanten. 

A)  Gutturale,    g  —  k. 

Im  anlaute  ist  das  ursprüngliche  g  nur  in  wenig  fällen 
stehen  geblieben,  garatvidu  und  gnada  32,^,  gaugron  100,2.  1^5,2, 
gangar aro  10b,x,  geswason  10 A^grozzii  107,^,  ganuctsamerulb.  Fer- 
ner einigemale  wo  ursprünglich  anlautendes  g  durch  präfixe  oder 
composition  zu  inlautendem  geworden  ist  eo-goweri  57.  pi-gunnan 
68.  ana-gat  1%  i7i''gangantemu  Sb,  in-ganc  \10j2'  fci-gangan  lll,i  in- 
ga-ganganer  115,i.  ke-gangan  116,2.  inke-gankaner  117,2.  un-gi- 
laubig  78.  ki-geban  106,2-   K'^-ga-  45,i  und  122,2  (3  mal).    Hier 

27* 


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404  SEILER  . 

geht  dem ^  überall  vokal  oäer  n  vorher;  doch  ist  auch  in  die- 
sem falle  k  das  gewönliche,  also  in-kangan,  ke-kangan,  pi-km- 
nan  u.  s,  w.  Bis  auf  diese  unbedeutenden  ausnahmen  ist  die 
Verschiebung  von  ^  zu  ^  im  anlaute  durchgedrungen.  Doch 
ist  k  nicht  das  einzige  zeichen,  was  im  anlaute  steht;  es  wech- 
selt mit  c.  Das  Verhältnis  beider  ist  folgendes..  Nur  k  haben 
alle  diejenigen  Wörter,  in  denen  auf  k  e  oder  i  folgt  (mit  ein- 
ziger ausname  \on  cemRhho  30,i)  weil  man  sonst  dieses  c  von 
dem  flir  z  geschriebenen  nicht  hätte  unterscheiden  können. 
Vor  a  findet  sich  c  und  k.  Bei  den  häufig  vorkommenden 
Wörtern  kagan,  kangan  und  karawan  überwiegt  bei  weitem  k 
{cagan  findet  sich  nie,  cangan  nur  in  umbicangen  100,2,  umbi- 
canc  111,1,  caratvan  nur  100,i  und  ke-caratvan  119,2);  auch  das 
präfix  ka-  hat  durchgängig  k^  nur  83,i  steht  cameinsaman  und 
75,1  carmhtsamera.  Bei  den  seltener  vorkommenden  Wörtern 
schwankt  der  gebrauch;  doch  überwiegt  hier  im  allgemeinen 
c.  cauma  mit  ableitüngen  und  Zusammensetzungen  findet  sich 
5  mal  (89,1  zweimal,  91,2  zweimal  und  92,2),  kauma  nur  ein- 
mal 84;  cast  steht  3  mal  (35,2.  115,2.  116,i);  kost  2  mal  (106,i. 
116,i);  cataling  steht  106,2,  kataling  113,2.  Nur  c  haben  carto 
56,2.  oor^  94,2.  oalm  88.  Vor  o  und  u  steht  nur  c.  cold  35,i. 
picurte  und  curtilom  73.  comman  33,2  ^^^  56,i.   rehtcuUchontem 

60.1.  Ebenso  steht  in  den  beiden  unzähligemale  vorkommen- 
den Wörtern  cot  und  cuai  nur  c,  nie  k*),  auch  in  allen  ablei- 
tüngen und  Zusammensetzungen;  endlich  auch  in  dem  45  mal 
vorkommenden  eo-co-rvelih,  sowie  in  eo-co-weri  70  und  eo-co- 
rvemu  108,2.  Es  scheint  demnach,  als  habe  das  k  vor  den 
hellen  vokaleii  eine  andere  ausspräche  gehabt  als  vor  den 
dunkeln ;  das  a  steht  zwischen  beiden  in  der  mitte ;  daher  hier 
das  schwanken.  Es  kann  doch  z.  b.  unmöglich  zufall  sein,  dass 
das  ursprüngliche  präfix  ga-  einerseits  nur  ke  und  Äi,  andrer- 
seits nur  CO'  geschrieben  wird  und  dass  sich  sowol  ka  als  ca 
findet  —  Vor  r  und  /  steht  nur  c:    kecremiter  .31,i.  picrdban 

42.2.  crimmii  38,i.  kecrüffant  46,2  (dafür  einmal  unregelmässig 
ch:  kechriffe  87,2)  ahcrunte  51,2.  clatamuatan  47,2-  claulicho  116,i. 

•)  Von  cot  hat  dies  schon  Jakob  Grimm  bemerkt  gr.  1*180.  Der  dort 
angegebene  grund,  dass  c  älter  sei  und  dass  man  in  dem  heiligen  namen 
die  neuerang  des  k  nicht  sobald  wagte,  ist  dem  oben  angegebenen  ge- 
setze  gegenüber  hinfällig. 


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BENEDIKTINERREGEL. 


405 


—  In  fremdwörtern  steht  c:  canticun  61,2.  ^wr*  67,i  (aus  la- 
teinischem curstis  Graflf  IV,  497)  cucalun  107,i  (aus  cucuUa). 
Doch  findet*  auch  hier  vor  a  schwanken  statt:  kalizmn  107,, 
(aus  caliga  Graflf  IV,  391)  caUziun  108,2. 

Im  in  laut  steht  sowol  g  als  k.  Steinmeyer  hat  in  einem 
aufsatze  in  Haupts  Zeitschrift  16,  s.  131  fL  bemerkt,  dass  die 
Verschiebung  zu  k  im  ersten  teile,  d.  h.  bis  zu  seite  54  (incl.) 
viel  seltener  sei,  als  im  zweiten.  Folgende  beide  tabellen  geben 
das  genaue  Verhältnis: 
a)  Zwischen  vokalen  stellt  sich  die  sache  so: 

(bis  Seite  64  incl.)  (nacli  seite  54.) 


Ableitungssilbe  -ig- 

Ableitnngss.  -ag-  (slafag  manag  etc.) 

wizago 

tag- 

weg-  (via)    .......... 

auga 

liugan 

swtgan  (tacere) 

tragan  (ferre) 

perag-  porag-  (cavere  abscondere) 

zog-  in  den  ordinalz 

egt  (disciplina) 

magan 

kagan      

eigan  (proprins,  habere) 

sag^7i  forasago 

sorag-      

sügan 

dig\ 

piogan  widarnngo  pereg-      .... 

stiagü 

trägt  (piger) 

chlagon 

digit 

kelegit 

kehugit 

keaugit 

kehneigi  -git 


18 
3 
7 

15 

9 
1 
5 
3 
2 

1 
3 
1 
9 
2 
1 
6 
1 
1 
5 
2 
1 


36 
1 
5 

37 


17 
3 

1 

1 

1 
2 
1 


5 

11 

1 

1 
2 


104 


22 


101 


56 


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406 


SEILER 


Diese  tabelle  stimmt  zu  der  Steinmeyerschen  bemerkung  um 
so  mehr,  da  auf  die  101  ^  in  der  zweiten  hälfte  allein  37  auf 
ableitungen  und  flexionen  von  tag  fallen,  wo  überhaupt  nur  2 
mal  k  steht.  Lässt  man  dieses  wort  ganz  weg,  so  erhält  man 
in  der  ersten  hälfte  89  g  und  21  ä,  |n  der  zweiten  64  g 
und  55  k, 
b)  Nach  liquiden  und  nasalen : 

(bis  Seite  64).    (yon  selte  66  an). 


k  "V 


fang  (accipere)  . 
folgin  ..... 

zunga  

antlengan  .  .  . 
langSr  .  .  .  . 
jungSr  .... 
pringan  •  .  . 
singan  .... 
alongir  .... 
ringiro  .... 
morgan  .... 
kangan  .... 
porgen  .... 
dwingan  .... 

engil 

enger  

pergan     .... 

pirkic 

hengit  -gida  .  . 
sprengit  .... 
erholgan  abulki  . 
ableitungssilbe  -ing- 


10 

9 

.2 

2 
2 
3 

8 
2 
1 
3 
16 
1 


34 


3     I 


64 


39 


Nicht  mitgezählt  ist  in  dieser  tabelle  die  femininalablei- 
tungssilbe  -unga,  die  immer  g  hat;  nur  das  wort  scauuunka 
findet  sich  merkwürdigerweise  3  mal  mit  k  und  nur  einmal 
(91,2)  mit  g,  —  Die  zahl  der  g  hat  sich  laut  obiger  tabelle  in 
der  zweiten  hälfte  der  ersten  gegenüber  noch  nicht  verdoppelt, 
die  der  k  verdreizehnfacht.  —  Die  Verschiebung  des  0  zvl  k 
im  inlaut  ist  also  in  der  zweiten  hälfte  des  denkmals  vilmehr 


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BENEDIKTINEKREGEL.  407 

durehgedruDgen  als  in  der  ersten  und  zwar  ist  sie  am  häufig- 
sten in  dem  absehnitt  s.  58 — 79  und  s.  96 — 116. 

Für  k  findet  sich  die  Schreibung  c  im  inlaut  nur  in  zwein- 
zicozstin  68,i,  emezzico  78,^,  heiHcorin  120,i  und  tracan  110,2. 

Im  konsonantenumlaut*)  ist  g  nur  selten  stehen  ge- 
blieben; die  gewönliche  Umwandlung  ist  gj=  ck^  bisweilen  cc. 
licken  steht  6  mal  (/iccan  nur  97,i,  liehe  101,i  ist  Schreibfehler) ; 
leckan  steht  3  mal  {leccän  2%  und  112);  auckan  steht  7  mal 
{augan  ist  stehen  geblieben  32,2.  69,2.  84,i.);  hneickan  steht  1 
mal  (52);  diekan  ftteht  1  mal  (119,2);  rveekan  steht  1  mal 
(48)**);  kemmckan  steht  1  mal  (107,i)  (kenuagmi  108,i);  huckan 
steht  4  mal  (die  kehucke  ==  memor  nicht  mitgerechnet).  Das 
g  ist  also  stehen  geblieben  nur  nach  unmittelbar  voraufgehen- 
dem diphthong  (langer  vokal  kommt  nicht  vor)  und  auch 
hier  ist  ck  vil  gewönlicher. 

Bei  den  schw.  vv.  der  i  klasse  werden  die  endungen  des 
praeter,  und  prtcp.  praeter,  häufig  ohne  das  ableitungs  i  ange- 
hängt; daÄn  ist  zu  bemerken,  dass  sich  g  stets  zu  c  wandelt 
Wir  haben  also  neben  kehukit  (110,i)  pihuctigery  kehuetic,  pi- 
hitctt,  farhoc'ton  (spreverunt)  37,i,  neben  kehneigit  kehneictemu 
56,2;  ausserdem  noch  erflauctpr  perterritus  29,^.  Unmittelbar 
vor  t  findet  sich  in  der  ganzen  benediktinerregel  überhaupt  nur 
c,  nie  k. 

Im  auslaut  ist  ursprüngliches  g  stets  zu  e  (nie  k)  ge- 
worden. Beispiele:  zuakmic  79.  (dat.  dagegen  umbicange  lll,i- 
45,1 )  lerne 'Sam  34,2.  sane  67,i  (dat.  sänge  68,2)  tole  wee  mae 
sorc'haß  arnunc  (118,i.  120,i)  ^cawwwc  (107,i) /rezmc  (122,2)  ^^d 
stets  die  adjektivische  ableitungssilbe  -ic  z.  b.  einic  83,i. 
k  —  eh. 

Im    anlaut    ist    ch    allgemein    durchgedrungen,     emiati 

*)  Der  kürze  wegen  bediene  ich  mich  des  von  Mtillenhoff  und  Sche- 
rer in  anwendung  gebrachten  ausdrucke. 

••)  Es  sind  2  verschiedene  verba  zu  unterscheiden.  Got.  vagjan 
ahd.  weck  an  movere  und  got.  vakjan  ahd.  wecchan  excitare.  In  unse- 
rem denkmal  begegnen  beide,  a)  rveekan  in  rveckentiu  moventia  48,2- 
Diese  form  stellt  Graff  1, 675  ohne  grund  zur  wurzel  got.  vak  ahd.  wach. 
b)  wecchan  in  foraerwechan  promovere  117,2:  Hier  haben  wir  die  be- 
deutung  a)  und  die  form  b).  Der  unterschied  beider  verba  wurde  also 
nicht  streng  festgehalten.  Beides,  form  und  bedeutung  von  b)  haben  wir 
dagegen  in  erwechenUru  excitante  31,i  und  sint  erwehchit  suscitantur  I23,i. 


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408  SEILER 

58  und  clohhot  lOO^i  sind  Bchreibungenauigkeiten^  da  sich  sonst 
stets  chnuat  (4  mal)  und  chlohkon  (2  mal)  findet  —  Die  nicht 
eingebürgerten  fremdwörter  lassen  c  stehen  (vgl.  oben),  die 
eingebürgerten  haben  ch;  chiricha  62,i.  87,2.  96,i.  chliric?w  cle- 
ricorum  115,2,  chamfan  oft,  chuhchina  coquina  88.  fmf-chusttm 
pentecoste  91,2.  Neben  dem  gewönliehen  chrisi  erseheint  2  mal 
(29  und  30)  crist,  —  Die  Schreibung  hc  für  ch  findet  sich  im 
anlaut  nur  einmal:  hcreftio  57.  —  Besonders  betrachtet  wer- 
den müssen  die  mit  qu  anlautenden  werter.  Die  gewönliche 
Schreibart  für  diese  ist  qhu  und  etwas  seltener  qhuu.  Bis  s. 
54  kommen  nur  diese  beiden  formen  vor.  Voi\  s.  55  an  aber 
treten,  wie  schon  Steinmeyer  a.a.O.  bemerkt  hat,  auch  andere 
Schreibweisen  ein..  Gleich  auf  s.  56,2  findet  sich  quad  ohne  h 
und  ebenso  quemanero  110,2.  Sehr  häufig  wird  femer  von  s.  55 
ab  ch  für  qh  geschrieben,  chu  ist  besonders  häufig  von  60 — 62, 
wo  es  10  mal  vorkommt  (hier  steht  nur  2  mal  qhu) ;  femer  er- 
scheint chu  noch  einmal  auf  s.  112.  —  chv  steht  59,2  2  mal, 
106,1  und  112,1*).  —  chuu  87,t.  106,i.  Schreibungen  mit  ch 
finden  sich  also  im  ganzen  IS  mal  und  zwar  erst  von  s.  55 
an.  Doch  erscheinen  auch  von  hier  an  noch  22  qhu,  4  qhuu 
und  2  qu. 

Im  inlaut  ist  die  Verschiebung  ebenfalls  vollständig  durch- 
gedrungen. Es  kommen  vor  die  Schreibarten:  cä,  hh,  hchy 
cch  und  h.  —  ch  steht  durch  das  ganze  denkmal  sehr  häufig 
nach  den  harten  vokalen  a,  o,  w  (37  mal)  und  nach  liquiden 
und  nasalen  (23  mal);  nach  weichen  vokalen  {e  i)  steht  es 
erst  von  s.  55  an  und  zwar  in  michll  (60,2.  117,i)  zeichan  (82,i 
2  mal  84,1.  68.  100,i  2  mal.  100,2.  105,2.  .112,i).  smecharem 
101,2.  kirechida  60,i.  piswichaner  114,i,  und  ausserdem  49  mal 
in  der  ableitungssilbe  -Äcä-,  im  ganzen  also  63  mal  Dieses 
ch  nach  weichen  vokalen  erscheint  nur  in  folgenden  4  alh-'^ 
schnitten:  s.  58—79.  s.  82—84.  s.  88—90.  s.  96—116.  in  die- 
sen ziemlich  häufig;  dann  noch  einmal  s.  57  und  2  mal  s.  117. 
Vor  s.  55  kommt  es  nach  e  oder  i  nicht  ein  einziges  mal  vor. 
—  Vor  konsonanten  steht  ch  nur  3  mal  in  den  cass.  obll.  von 


*)  Lkchmann  (specim.  ling.  franc.)  liest  auch  57  pichveme,  Hattemer 
hat  picheme,  wol  mit  unrecht,  denn  blosses  ch  kommt  nie  für  qhu  vor 
(in  chortar  und  choman  steckt  das  v  im  o). 


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BBN^DIKTINEBREGEL.  409 

achar,  wo  a  ausgefallen  ist,  achre,  achro  und  acknm  (56,2. 
91,2)  nnd  in  pidachta  operui  54,2-  —  hh  ist  die  häufigste 
Schreibweise  und  begegnet  sowol  nach  weichen  als  nach  har- 
ten vokalen  durch  das  ganze  hindurch  wenig  ttber  200  mal; 
es  steht  aber  nie  unmittelbar  vor  oder  nach  konsonanten. 
Hier  ergibt  sich  also  kein  unterschied  zwischen  der  ersten  und 
letzten  hälfte.  —  Dagegen  findet  sich  hch  in  der  ersten  hälfte 
nur  3  mal  und  zwar  nur  in  dem  worte  ruahcha  (36.  37,i. 
39,1);  von  Seite  55  ab  steht  es  83  mal  und  zwar  erscheint  es 
ebenfalls  meistenteils,  aber  nicht  ausschliesslich,  in  jenen  4  eben 
genannten  abschnitten.  Es  hat  seine  stelle  sowol  nach  harten 
als  nach  weichen  vokalen,  aber  nie  unmittelbar  neben  konso- 
nanten. —  Das  blosse  h  ist  die  seltenste  Schreibweise.  Nach 
weichen  vokalen  steht  es  32  mal  durch  das  ganze  denkmal 
hindurch;  davon  fallen  die  meisten,  nämlich  26  auf  die  ablei- 
tungssilbe  -föcA-.  Nach  harten  vokalen  steht  es  nur  3  mal 
und  zwar  nur  in  der  zweiten  hälfte,  nämlich  keprauhoter  55,^. 
mahan  59 ,|.  116,2.  —  Beliebt  ist  h  unmittelbar  vor  t]  denn  man 
war  hier  bereits  diejenigen  h  zu  schreiben  gewohnt,  die  einem 
got  h  entsprechen,  in  Wörtern  wie  naht  farahta]  diese  müssen 
im  ahd.  einen  ähnlichen  klang  gehabt  haben,  wie  die  aus  k 
verschobenen  ch*).  So  schrieb  man  denn  kesuahtos  53  von 
stuichan,  kistraht  96,^  2  mal  von  strechan,  wahta  st.  fem.  von 
fvechan,  trahtan  aus  tractare  41,i.  ch  erscheint  hier  nur  in 
pidachta  von  dechan  54,2  und  für  ch  in  ungenauer  Schreibung 
c  in  kestactem  von  stechan  56,2.  —  cch  findet  sich  nur  in  cloc- 
Chol  124. 

Der  konsonantenumlaut  wird  gewönlich  durch  ch  =  kj 
ausgedrückt:  wechan  31,i.  117,2.  erqhuichan  42,2.  secho  rixae 
nom.  plur.  von  sekja  (GraflF  VI,  76)  123,i.  Einmal  findet  sich 
cch,  nämlich  decchan  98,i.  Tritt  (im  praeter,  und  pari  praet.) 
i  unmittelbar  an  die  wurzel,  so  wird,  wie  eben  erwähnt, 
aus  ch  h. 

Die   fremdwörter  mit  inlautendem  k  gehen   teils  auf  die 

*)  Es  beweist  dies  ohne  zweifei,  dass  der  unterschied  des  hh  vom  h 
(ss  got.  h)  kein  anderer  war,  als  dass  ersteres  als  doppelkonsonant 
eben  auch  doppelt  articuliert  wurde.  Vor  t  mnste  sich  die  doppelkon- 
sonanz  vereinfachen  und  die  beiden  laute  fielen  in  der  ausspräche,  und 
demgemäss  auch  in  der  Schreibung,  zusammen.  —  W.  B. 


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410  SEILER 

Verschiebung  ein,  teils  nicht.  Ersteres  ist  der  fall  bei  dem 
etymologisch  allerdings  noch  nicht  ganz  sicher  geßtellten  chiri- 
cha  62,1,  woftir  auch  chirihha  87,2  und  chirihcha  96,i,  bei  tur 
nihha  aus  tunica  54,i,  bei  chuhchina  88,  chliricho  115,^;  trahtan 
aus  tractare  41,i ;  letzteres  in  cucala  107,i.  cantico  61,2. '  iechir 
59,2  und  in  dem  aus  lectio  entstandenen  lectia  {lecza,  lectza^ 
leczia)y  iferner  in  dicton  aus  dictare  38;i..  —  irähton  ist  also 
schon  ein  völlig  deutsches   wort  geworden,  dicion  noch  nicht. 

Im  auslaut  ist  das  gewönlichste  ä.  werah  55,i.  lOl,^. 
102,2.  i?tt«Ä  30,1 .  59,2-  82,2.  «««ä  47,2.  p^foÄ  48,2.  ruah-licha  lll,i, 
femer  stets  die  ableitungssilbe .  -Rh ;  nach  konsonanten  tranh 
102,2.  umbincirh  70,^  (wol  aus  circulus).  —  ch  steht  in  wer  ach 
30,1.  31,2.  40.  52,1,  iiach  konss.  in  scalch  38,^.  Für  ch  ist 
einfaches  c  geschriben  in  wercLc-man  57  und  kidanc  32,2*),  hc 
in  werahc  101,2. 
h. 

Im  anlaut  Vor  vokalen  wird  es  bis  s.  54  regelmässig 
behandelt  Von  s.  55  ab  treten  einige  Unregelmässigkeiten 
ein.  Es  fehlt  einmal  wo  es  stehen  sollte:  orren  oboedire 
114,1  und  steht  6  mal,  wo  es  fehlen  solte:  huhilan  55,i.  hachu- 
Stirn  kehaucken  57.  heru  61,2.  herist  67,2  heikinin  112,2. 

Wir  kommen  nun  zu  der  wichtigen  frage:  wie  steht  es 
mit  h  vor  den  4  konsonanten  n,  /,  r,  w'i  Wenn  sich  zwischen 
einzelnen  teilen  unseres  denkmals  in  dieser  beziehung  scharf 
abgegrenzte  unterschiede  finden,  so  wird  man  dies  nicht  als 
einen  blossen  zufall  ansehen  können,  sondern  auf  verschiedene 
Verfasser  oder  Schreiber  schliessen  müssen.  Ehe  ich  zur  Un- 
tersuchung selbst  komme,  noch  eine  Vorbemerkung.  In  3  Wör- 
tern scheint  es  nämlich  nicht  ganz  sicher  zu  stehen,  ob  sie  an- 
lautendes h  haben  oder  nicht.  Das  ist  erstens  zualuustrenteem 
attonitis  31,i;  über  dieses  wort  kann  mit  Sicherheit  nichts  ent- 
schieden werden  (vgl.  Graflf  II,  293).  Zweitens  lioian  got  liu- 
dan  as.  liodan\  davon  kommt  in  unserem  denkmal  das  praeter, 
vor:  framerhlot  propagavit  30,i,  also  mit  h.  Graflf  II,  198  führt 
aus  den  glossen  noch  2  mal  die  form  arhlutun  an;  sonst  hat 
das  wort  auch   im  ahd.  kein  h.     Das  dritte  wort  ist  Ifppaai 


•)  Der  annähme,  dass  in  kidanc  am  Schlüsse  wirklich  ten.  gesprochen 
sei,  widerspricht  tranh  102,2  und  die  cass.  obll.,  die  stets  ch  haben  ke- 
dancha  kedanchum. 


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BENEDIKTINEREEGEL.  41 1 

parcere  got.  bleib frni  dvTiXafißdvsö^ai  Luc.  1,  54  an,  hÜflsL  Im 
ahd.  kommt  es  nie  mit  h  vor  (GraflflV,  1110).  Sehen  wir  aber 
die  stellen  an,  in  denen  es  erscheint,  so  ergibt  sich,  dass  es 
hauptsächlich  bei  Otfried  und  Notker  vorkommt,  und  bei  diesen 
ist  k  vor  konsonanten  überhaupt  schon  abgefallen.  Ausserdem 
steht  es  in  den  glossen,  die  GraflF  mit  Ib  und  Rd  bezeichnet 
und  das  sind  genau  dieselben,  die  für  arlutun  arhJutun  setzten ; 
es  scheint  in  ihnen  mithin  zwischen  /  und  hl  überhaupt  Ver- 
wirrung eingetreten  zu  sein.  Endlieh  findet  sieh  das  wort 
noch  einigemale  in  unserem  denkmale,  nämlich  52,2.  ö9>2-  72. 
89.  Die  3  letzten  stellen  fallen  aber  in  abteilungen,  wo,  wie 
wir  gleich  sehen  werden,  das  h  vor  konsonanten  schon  über- 
haupt abgefallen  ist;  die  erste  52,2  steht  allerdings  in  einem 
teile,  wo  h  sonst  stehen  geblieben  ist,  aber  auch  in  diesem  ab- 
schnitte findet  sich  gerade  vor  /  das  h  abgefallen,  lancha  32,i. 
ebanlozzo  consors  29,2-  Also  keine  einzige  von  den  stellen, 
wo  Uppan  vorkommt,  beweist  mit  Sicherheit,  dass  es  im  ahd. 
ursprünglich  ohne  h  war;  das  wort  kann  recht  gut  hlippan  ge- 
lautet haben,  nur  ist  es  uns  zufällig  in  dieser  gestalt  nicht 
mehr  überliefert 

Nun  zur  sache  selbst.  In  beziehung  auf  anlautendes  h 
vor  conss.  sind  in  unserem  denkmal  folgende  Unterabteilungen 
zu  machen: 

1)  vpn  anfang  an  —  s.  57.  Hier  findet  sich  5  mal  hlauffan 
(29,1.  2.  31,2.  32,1.  47,2)  14  mal  hwer  hwaz  {2%,  30,2  2  mal. 
31,1.  2  4  mal.  32,i.  32,2  2  mal.  35,i.  36,2.  47,i)  4  mal  hreini 
(30,1.  42,2.  44,2  u^d  heinan  für  hreinan  57)  hlosen  (30,i)  3  nial 
hneigan  (30,i.  41,2.  ^6,2)  hrvasllhho  (30,i)  7  mal  hwerban  und 
hwaraban  (30,i.  31,2.  34,i.  38,i.  45,i.  51,2-  52,2)  3  mal  anählinm 
(36,2.  44,1.  46,2)  hrirva  (33,2)  2  mal  odhmla  (40.i.  43,i)  2  mal 
hlahtar  (44,i.  56,i)  3  mal  hleitara  (49,2.  50,i  2  mal)  hrucki 
(53,2)  edeshrvelih  (52,2)  hrvialihhi  (39,2)  hrvenne  (37,2)  hwanta 
(37,2)  3  mal  hweo  (39,2.  48,i.  50,2)  hlutreister  (56,i)  hwanan 
(41,1)  5  mal  hrvelih  (42,i.  2.  48,2.  ^%^'  53,i)  2  mal  eocohwelth 
(50,2.  56,2),  also  63  mal  anlautendes  h  vor  conss.  —  Ausnah- 
men :  Die  vom  stamme  hwa  abgeleiteten  pronomina,  wenn  sie 
präfixe  bekommen,  lassen  fast  stets  —  auch  in  den  folgenden 
abteilungen  —  das  h  fallen;  daher  findet  sich  in  ableitung  1 
18  mal  eocowelih,  2  mal  eddeswenne,  2  mal  eddeswelih,   2  mal 


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412  SEILER 

eddeswer,  ferner  eogoweri,  so  war  so,  sowetih.  —  Sonst  fehlt  h 
nur  sehr  selten  und  zwar  nur  vor  /,  nämlich  in  Idhtar  (56,i  2 
mal)  ebanlozzon  29,2*  lonchom  32,|  und  yilleicht  in  HppaniivxA 
zualtmstrenteenL 

In  dieser  abteilung  ist  also  das  stehen  bleiben  von  ä  bei 
v^eitem  das  gewönlichste. 

2)  Seite  58—79.  Hier  ist  das  feien  von  ä  die  regel.  Es 
findet  sich  3  mal  tvila  (58,i,  65,2.  öö>2)  fvecmichili  (60,2)  odowila 
(62,|.  69,2)  eddeswer  (62,i)  lauf  an  (63,i)  werban  (64,i.  79)  rei- 
nan  (64,^)  eocowelih  (69,i  79  2  mal)  welih  (69,2)  wenne  und 
eocoweri  (70)  weo  und  2  mal  lutar  (71)  erlozzan  (76)  sowelih 
(76.  78)  wassira  acrior  (78),  also  25  mal  fehlt  ä.  —  Es  steht 
nur  1  mal;  in  hwassi  sagacitas  77. 

3)  Seite  80 — 87.  Hier  pflegt  h  wider  gesetzt  zu  werden. 
2  mal  odhwila  (80,2.  87,2),  2  mal  hreini  (84,2)  1  mal  hwarban 
(87^)  und  vom  pronominalstamme  hwa  hwelih  (80,2)  so  hwelih 
so  (82,i)  so  hwer  so  (86,2).  —  Doch  ist  zu  bemerken,  dassvon 
pag.  84  der  handschrift  d.  i.  auf  s.  82  bei  Hattemer  bis  zum 
beginne  des  XXXV.  kapitels  auf  s.  84  sich  bloss  eocowelih  u. 
so  welih  findet  und  zwar  jedesmal  ohne  h.  Diesen  abschnitt 
können  wir  also  auch  als  einen  bezeichnen  dem  das  h  fehlt; 
ein  sicheres  kriterium  ist  nicht  vorhanden. 

4)  Im  folgenden  müssen  wir  jede  seite  einzeln  ansehen. 
Es  erscheint  s.  88  enti  weliches  so,  eddeswaz  2  mal,  wanm 
unde;  s.  89  kommt  kein  hierher  gehöriges  wort  vor;  s.  90  er- 
scheint nur  eocowelih  und  das  gibt  kein  kriterium  ab,  da  es 
auch  in  den  partien,  die  sonst  h  haben,  fast  stets  ohne  h  steht 
(es  hat  h  nur  50,2.  56,2.  120,i);  s.  91  weo\  s,  92  nur  eocowelih 
—  S.  88  I^eginnt  also  entschieden  eine  neue  abteilung,  die  das 
h  abwirft;  wie  weit  diese  aber  reicht,  lässt  sich  nicht  mit 
Sicherheit  sagen,  da  im  folgenden  zu  wenige  und  zu  unsichere 
uzegnisse  vorkommen.  —  Mit  Sicherheit  lässt  sich  eine  neue 
abteilung  aufstellen  von 

5)  S.  93—95.  3  mal  hlauffan  (93,i.  2.  94,2);  eddeshwer  93,i. 
hriwdn  94,i.  hwelih  95.  —  Nur  einmal  kakanlaufit  94,i. 

6)  S.  96—116.  Das  h  fehlt  stets.  2  mal  odwila  99,2.  100,2. 
laufan  100,i.  ruam  102,2.  ^tor  102,i.  n>o,rhan  108,i.  wealihnissi 
107,1.     1)^6  pronomina  vom  stamme  hwa  22  mal  ohne  h.  — 


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BENEDIKTINERREGEL.  413 

Ausnahme  allein  hwaz  99^^.  —  Auf  s.  117  komt  kein  hierher 
gehöriges  wort  vor. 

7)  S.  118 — 125.  Das  h  ist  überall  erhalten,  kihworvanissa 
118,1,  3  mal  hrverban  (118,2-  125,2  2  mal),  hlutar  119,i,  hweizzi 
122,  hreini  2  mal  (120,2.  121,i),  hwelih  und  sokwelih  3  mal 
(119,1.  120,2.  123,2),  so  hfvarso  119,2.  hwaz  121,i;  selbst  ein- 
mal eocohfvelih  120,|,  —  Ausnahme  nur  ein  eocoweUh  121,i. 

Im  in-  und  auslaute  entspricht  es  ganz  dem  got.  h. 
In  einem  falle  ist  h  bewahrt,  wo  sonst  im  ahd.  stets  g  einge- 
treten ist,  nämlich  in  dem  verbum  frohen  und  ableitungen. 
frahemees  32,2.  intfraheiomes  34,i.  antfrahida  .%%^  und  55,2.  Von 
diesem  verbum  führt  Graflf  III,  815  nur  noch  ein  beispiel  mit 
h  aus  den  glossen  an;  sonst  hat  es  stets  g.  Das  wort  ist 
allerdings  etymologisch  nicht  durchsichtig;  h  ist  aber  jedesfalls 
ursprünglicher  als  g  (got.  fraih-na).  Im  praeter,  und  partic. 
praet  starker  verba  wird  h  der  wurzel,  wie  im  ahd.  überhaupt 
zu  g:  kislagan  54,i.  Dies  g  ist  weiter  zu  ^  verschoben  in  far- 
cikan  79.  —  Verdoppelt  ist  ursprüngliches  h  in  sehhantem  56,^ 
und  in  dem  öfter  vorkommenden  nohhein^  vorausgesetzt,  dass 
die  ableitung  von  nah  (got  nih)  und  ein  richtig  ist  Diese 
Verdoppelung  lässt  auf  eine  schärfere,  dem  ch  sich  nähernde 
ausspräche  schliessen,  ebenso  wie  die  Schreibung  nachies  98,2 
für  nahies.  —  Ausgefallen  ist  dagegen  h  in  forakisüt  116,2  (2 
mal)  und  in  eowit  83,i.  89,2.  114,2,  wofar  gewönlich  eowiht.  — 
Die  Wurzel  nah  hat  ursprttoglich  h  (got  ganohs  gandhjan)\ 
sie  hat  im  ahd.  aber  schon  früh  ein  g  erhalten  und  dies  ist 
wider  vilfach  zu  k  verschoben,  besonders  im  auslaut  und  kon- 
sonantenunüaut  So  finden  wir  kenuackan  107,i.  kenuakit  96,2. 
107,2*  kanuage  108,i.  Folgt  aber  auf  diese  wurzel  unmittelbar 
t,  so  erhält  sich  das  alte  h:  kinuhtlicho  105,2.  kanuhtsam  47. 
62,1.  75,1.  S&n*  34,1.2.  ^'^7%]  dafür  steht  nun  2  mal  kanuhctsam 
96,1.  2  ^^^  4  mal  kamcctsam  75,i.  77  (2  mal)  96,2;  also  auch 
hier  c  flir  ch  resp.  h. 

Ich  stelle  am  Schlüsse  der  "Übersicht  wegen  alle  die  fälle 
zusammen,  wo  c  tHr  ch  geschrieben  ist:  a)  anlaut  cnucUi  58. 
clohhot  100,1.  —  Umgekehrt  steht  ch  für  c  in  kechriffe  87,2. 
b)  inlaut  kistact  56,2.  kanuctsam  4  mal.  c)  auslaut  werac^man 
57.  kidanc  32,2*    Da  in  allen  diesen  oder  ganz   analogen  wor- 


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414  SEILES      _ 

ten  die  sehreibung  mit  ch  die  gewönliche  ist,  so  wird  man 
nicht  zweifeln,  dass  diese  c  nur  ungenauigkeiten  der  Schreiber 
sind,  nicht  etwa  wirkliche  tenues. 

hc  steht  für  ch:  a)  anlaut:  hcreftio  57.  b)  inlaut:  ke- 
nuhctsam  (2  mal),    c)  auslaut:  rverahc  101,2. 

j 

j  (i  geschrieben)  findet  sich  im  anlaut  nur  vor  den  harten 

vokalen  (a,  o,  u):  jär,  joh,  junc.  Vor  e  und  i  ist  es  in  pala- 
tal  gesprochenes^  verwandelt:  gehan  confiteri,  pigiht  confessio. 
In  dem  werte  giu  jam  ist  dieses  g  dem  vokalisierten  y  vorge- 
schlagen. —  Im  inlaut  erscheint  J  nur  in  ableitungssilben,  bei 
subst.  adj.  und  schw.  v.    Hierüber  bei  jedem  einzeln. 

B)  Dentale. 
d  — t 

Die  Verschiebung  ist  im  anlaut  stets  eingetreten.  Schreib- 
ungenauigkeit  th  fftr  t  ist  thruhtinlihhemu  101,i.  —  Die  fremd- 
wörter  dagegen  sind  nicht  verschoben  worden,  diubil  32,2.  34,2. 
disco  (13  mal)  dicion  2%.  38,i. 

Auch  im  inlaut  ist  die  Verschiebung  nach  vokalen  stets 
durchgedrungen  (mit  einziger  ausnähme  von  {ahto^do  55,2),  z. 
b.  haubite  69,2,  ^ach  liquiden  und  nasalen  meistenteils.  Merk- 
würdig ist,  dass  die  beiden  adverbia  eonaldre  und  necmaldre 
mit  alleiniger  ausnähme  von  121,2  stets  d  zeigen,  während  die 
cass.  obll.  von  altar  immer  t  haben  (ausgenommen  nur  cUdre 
89,2).  Sonst  zeigt  sich  d  noch  1  mal  in  standan  50,i  (sonst 
stets  stantan),  2  mal  im  partic.  praes.  hör  endo  31,i  und  far- 
suvmando  80,2,  in  fiordo  53.  59.i.  60,i  (nach  f,  s,  t  und  n  ist 
die  endung  der  Ordinalzahlen  dagegen  -to :  zwelifto  sehsto  dritte 
niunto).  Abgesehen  von  dieseü  geringen  spuren  findet  sich  bei 
den  dentalen  nichts  von  der  neigung  der  liquiden  und  nasalen, 
folgende  tenuis  zur  media  zu  erweichen.  Wir  haben  also 
wolta  31,1.  wüntrum  49,^.  sunta  pintan  stantan  aUres  kerta  u.  s.  w. 
Auch  das  fremdwort  expendere  ist  zu  spenton  (68,1.  75)  spen- 
tari  (120,2)  verschoben. 

Besonders  betrachtet  werden  muss  die  partikel  indi.  Sie 
erscheint  in  dreifacher  form :  indi,  inti  und  enti^  und  zwar  ver- 
teil^ sich  diese  auf  die  einzelnen  partien  des  denkmals  in 
folgender  weise: 


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BENEDIKTINEEEEGEL. 


415 


inrfj 

inii 

enti 

1)  28—54 

etwa  130  mal 

1  (36,0 

2)  55    57 

1 

6 

3)  58—79 

1 

1 

4)  79—82 

8 

4 

5)  ,82—84 

6)  84—87 

7)  88—90 

1 

8)  90—95 

3 

1 

9)  96—116 

1 

10)  117—125 

2 

2 

leh  habe  in  dieser  tabelle  absichtlich  wider  diejenigen  4 
abschnitte  hervorgehoben,  die  wir  schon  einige  male  kennen 
gelernt  haben;  hier  haben  sie  nichts  eigentümliches;  die  Par- 
tikel kommt  gerade  in  ihnen  selten  vor. 

Im  konsonantenumlaut  wird  dj  immer  zu  tt  pittan 
arabeittan  leittan  ndttan  wättan.  Nur  ein  einziges  mal  100,i 
steht  otrbeiian  (als  3.  pl.  conj.)  mit  einem  t. 

Im  aus  laut  ist  d  stets  zu  t  verschoben,  z.  b.  äöw&Ä  65,i. 
chnuat  28  u.  s.  w.  —  fimt  aus  pondus  89,i. 
t  — z. 

Im  änlaut  ist  die  Verschiebung  allgemein;  in  den  beiden 
fremdwörtem  tunihha  und  tempron  (54,i.  58.  92,i)  ist  dagegen 
t  stehen  geblieben.  —  Für  z  wird  oft  c  geschrieben,  merkwür- 
digerweise in  dem  werte  dt  immer,  obwol  es  50  inal  vor- 
kommt. S^Mftst  noch  in  eilen  92,2  (zilen  44,2  ^^^  l^lji)  ^^'^«^  '^^ 
{zihan  80,^)  und  in  dem  fremdwort  cella  35,2. 

Im  in  laute  wird  :::  zwischen  vokalen  gewönlich  doppelt 
geßohrieben;  dock  finden  sich  auch  genug  beispile,  wo  nur  ein 
z  steht,  »owol  beim  harten  als  auch  beim  weichen.  —  In  der 


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416  SEILES 

ersten  hälfte  des  denkmals  (bis  s.  54)  wird  durchaus  nur  z  oder 
zz  geschriben,  von  s.  55  an  kommen  auch  andere  Schreibwei- 
sen vor.  Für  das  harte  z  oder  zz  findet  sich  zc  in  kasezdda 
68,2.  ^c  ^^  lutcimuate  99,2.  ^^  iii  nutzt  114,i  und  einfaches  c  in 
scurciu  107,2.  —  Weiches  z  wird  durch  sz  ausgedrückt  in  /ri- 
wiszida  72.  wiszun  98,i.  —  Umgekehrt  steht  in  der  letzten  hälfte 
bisweilen  z  oder  z^  für  s:  ztveinzicozsim  68,i.  zu2:^a  108,i.  waz- 
/ran  107,2.  df^z^  114,2*  Noch  auffallender  ist  diese  konfusion 
zwischen  s  und  dem  weichen  z 

im  aus  laut.  Auch  hier  ist  in  der  ersten  hälfte  alles  in 
Ordnung;  in  der  zweiten  steht  oft  s  für  z,  nämlich  in  der  en- 
dung  des  ntr.  sing,  der  starken  adjektiydeklination:  60,2.  ^2- 
71  (2  mal).  77  (2  mal).  89.  90,2.  96,2-  98,2.  Iö0,i.  102,2  (2  mal). 
107,2.  108,2.  109,2.  113,1.  114,1.2.  115,i;  hier  steht  überall  -as 
für  -öz.  Umgekehrt  erscheint  z  für  *  in  kasezamez  61,i.  dez 
75,1.  nmaz  69.    edezlichera  115,i. 

th— d. 

Anlaut.  In  der  eirsten  hälfte  findet  sich  nie  th,  in  der 
zweiten  öfter.  Von  s.  55  an  nämlich  ist  die  wurzel  got  piu 
ahd.  dio  deo,  also  Wörter  wie  deondn,  deornuati,  deoheity  12  mal 
mit  thy  19  mal  mit  d  geschrieben. .  Alle  anderen  ursprünglich 
mit  th  anlautenden  Wörter  zeigen  durch  das  ganze  hindurch 
nur  d. 

Im  inlaut  ist  die  Verschiebung  nicht  nur  völlig  durchge- 
drungen, sondern  auch  bisweilen  eine  stufe  weiter  gegangen, 
indem  das  aus  th  entstandene  d  weiter  zu  t  verschoben  ist 
Dies  ist  nicht  allein  der  fall  bei  denjenigen  -starken  verben, 
die  im  ahd.  gewönlich  im  praeter,  und  prtc.  praeter,  d  in  t 
wandeln  (so  z.  b.  ghtmtumes,  keqhuetan,  keliti  30,i.  kelitan  44,i. 
snitan  108,2),  Bondem  auch  beji  solchen,  wo  dem  d  liquida  oder 
nasal  vorhergeht,  wird  im  praeter,  und  prtc.  praeter,  gern  d 
in  t  gewandelt  Es  findet  sich  im  praes.  nur  findcm.  (got  ftnr 
pan)  und  werdan  (got  vairpan),  im  praeter,  dagegen  4  mal 
/w«/ö»  •  (38,1.  6%i«  108,f  116,i),  daneben  auch  4  mal  fimdan 
(37,1.  93,1.  100,2.  101,1)  ttJid  von  werdan  hat  der  plur.  praet, 
und  das  parte,  nur  t:  wurtun  49,i.  wortan  51,2.  ^%2'  ^3,i.  55,f, 
aber  stets  werdan  wirdit.  —  Das  got  verbum  faipan  heisst 
stets  faldan  (es  kommt  im  ganzen  6  mal  vor);  ebenso  zwifalda 


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BENEDIKTINERREGEL.  417 

37,1;  doch  steht  einmal  t:  sibunfdlta  65,2.  —  Neben  dem  4  mal 
vorkommenden  errvirdi  steht  61,i  eruurti  reverentia. 

Im  auslaute  ist  das  aus  th  verschobene  d  gewönlich 
stehen  geblieben.  Die  im  mhd.  allgemeine  regel,  dass  auslau- 
tende media  zur  tenuis  wird,  zeigt  in  unserem  denkmale  nur 
erst  schwache  anfange.  Das  gewönliche  ist  ward  A%.  mimd 
37,1.  leid-sam  51,2-  cold  35,i.  qhuad  (kommt  7 — 8  mal  vor)  aband 
92,1.  aband-muas  89,i.  91,2-  92,i.  2.  Die  Verhärtung  zu  t  er- 
scheint nur  in  elnfalt-lih  37,i.  115,2.  (ibant-Uh  äbant-loh  69,i. 
63^2*  68,2.  ahant'Cauma  89,i.  iuU  63,i,  tult-Uh  112^2« 
s. 

Der  Wechsel  zwischen  s  und  z  ist  schon  beim  z  besprochen. 

Der  rotacismus  steht  auf  derselben  stufe,  wie  im  ahd. 
überhaupt  z.  b.  was  wärun;  ganesan  kiosan  friosan  etc.  kommen 
nicht  vor;  lesan  hat  im  praes.  stets  s  (70.  90,2.  101,2  etc.),  im 
praeter,  kommt  es  nicht  vor;  im  partic.  praeter,  hat  es  12  mal 
r:  kaleran  und  nur  einmal  s:  kalesan  (59,2).  ^ 

Ueber  den  Wechsel  von  sk  und  sc  gilt  folgende  regel :  vor 
a,  0,  u  und  vor  konss.  steht  sc,  vor  e  und  i  sk]  es  ist  dies 
dieselbe  regel  wie  die  über  k  und  c\  nur  gehört  a  hier  ganz 
entschieden  zu  0  und  u.  —  Beispiele :  scal,  sculun,  scolan  (oft), 
scalch  (31,1.  38,1.),  scaf  scawon  (oft),  scamelum  (61,i).  scuttan 
(44,1.  lll^i)« —  disco,  discono,  discun,  discoom  (oft),  aber  diskin 
(46,2.  48,2).  chuscan  (121,i)  himiliscun  (49.2),  8,ber  rumiskiii  (63,2) 
mannaskiu  (87)  chuskeer  (80)  horski  {11),  scammar  (51,2)  scam- 
licho  (71),  aber  skemlicho  (88)  skemmi  (60,i)  skemmisto  (58).  — 
fleiskes,  fleiske,  hiwiskes  (36,2)  miskeiiti  («^8,2)  skirmeen  (41,2) 
*/r^rw  (48,2)  skinarij  skeidan,  skerran,  zwiske ,  driske,  feoriske, 
rvunske  (36,i).  —  scrihan,  kescrift,  scrannom  (59,2). 

Ausnahmen  von  dieser  regel  kommen  bis  s.  54  gar  nicht 
vor;  von  s.  55  an  habe  ich  folgende  gefunden :  a)  sk  steht  fttr 
sc  6  mal  nach  a,  1  mal  nach  0:  waskan  (102,i.  108,,.  107,2) 
skammer  (60,i)  kinozskaffi  (95)  skawon  (121,2)  fleisko  (86).  b)  sc 
für  sk  nur:  ^c^rw  (102).  sceidan  (118,2).  sceff antin  (66,1).  lantsceffi 
(t07,i).  kinozsceffi  (75,,).  —  Die  Schreibung  seh  findet  sich  nur 
1  mal:  unchuschida  (102,,). 

Ob  in  sarf  (29.  79)  ein  c  ausgefallen  ist,  oder  ob  die  forni 
ohne  c  die  ursprüngliche  ist,  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden 
und  verweise  auf  Grafif  VI,  278. 

Beiträge  znr  geschichte  der  deutschen  spräche.  I.  2S 


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418  SEILER 

C)  Labiale, 
b  —  p. 

Anlaut.  Nur  in  folgenden  fallen  ist  anlautendes  b  un- 
verschoben  geblieben:  1)  bibun  tremore  98,2  s^^ht  einzeln. 
2)  dem  bidarbi  84^t  und  fora  sibifaldan  provolvatur  96,i  (aber 
3  Zeilen  weiter  forapivalde).  Hier  geht  beidemale  dem  b  ein 
auf  vokal  auslautendes  wort  voran,  das  an  sich  nur  schwach 
betont  ist  und  sich  dem  folgenden  eng  anschliesst.  sibifaldan 
ist  sogar  in  [ein  wort  geschrieben.  Die  media  erklärt  sich 
hier  also  daraus,  dass  der  konsonant  als  inlautender  behandelt 
wird.  Noch  deutlicher  zeigt  sich  dies  in  den  fällen,  die  ich 
unter  3)  zusammenfasse,  nämlich  diejenigen,  wo  durch  Zusam- 
mensetzung oder  vorangestellte  präfixe  das  b  aus  einem  an- 
lautenden zum  inlautenden  wird.  Hier  müssen  widerum  zwei 
Unterabteilungen  von  einander  gesondert  werden: 

a)  Wörter,  in  denen  der  ton  noch  auf  der  mit  b  anlau- 
tenden Wurzelsilbe  haftet,  kabit  66,2.  kebetan  87,2  neben  dem 
viel  häufigeren  kapet  und  kepetan.  —  chinnibdhho  54,i.  furi- 
bürti  90,2  (aber  farpöran  90,i),  erbdldee  11 5,^  (aber  gewönlich 
erpalden), 

b)  Wörter,  in  denen  der  ton  auf  dem  präfix  ruht,  üribi- 
derbe  52,2-  umbiderber  100,2.  ünbilinnanlih  45,i.  ünbiwamter  51,2 
(diese  unbi-  stehen  den  oben  angeführten  ungi-  ganz  gleich,  — 
Sehr  häufig  pibot,  nie  pipot,  aber  stets  kepdt.  —  inbiz  oder  im- 
biz  und  inbizzan  9  mal.  —  ämbaht  dmbahti  dmbahtan  (got.  and- 
bahis).  In  diesen  .Wörtern  ist  das  präfix  so  eng  mit  der 
Wurzel  verschmolzen,  dass  man  die  Zusammensetzung  kaum 
noch  fühlte;  in  ambaht  z.  b.  hat  man  es  sicher  damals  nicht 
mehr  empfunden,  dass  das  wort  eigentlich  ein  kompositum  ist  So 
wurde  der  ursprüngliche  wurzelanlaut  zum  inlaut  und  demge- 
mäss  blieb  die  ursprüngliche  media.  Von  der  engen  Verbin- 
dung zwischen  präfix  und  Wurzelsilbe  zeugt  auch  die,  wie  die 
gegebenen  beispiele  beweisen,  hier  so  häufig  (in  ambaht  immer, 
ausgenommen  93,2)  eintretende  angleichung  des  n  an  das  fol- 
gende 6. 

Ueberblicken  wir  alle  diese  fälle  von  anlautendem  b,  so 
sehen  wir,  dass  nr.  1)  2)  und  3*)  nur  in  der  zweiten  hälfte 
des  denkmals  vorkommen  (ausgenommen  nur  chinnibähho  54,i); 


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BENEDIKTINERREGEL.  419 

nr.  3^)  zieht  sich  durch  dag  ganze,  ist  also  ein  allgemeineres 
gesetz. 

Im  in  laut  ist  regel,  dass  die  media  b  gewahrt  wird,  so- 
wol  zwischen  vokalen,  z.  b.  dband,  siburty  haben,  Vibes,  ibu, 
ubil,  truabalj  haubit  u.  s.  w.  als  auch,  wenn  konsonanten  un- 
mittelbar danebenstehen,  z.  b.  salba  IS,  piderban,  sterban^  un- 
subro  82,1  u-  s«  w.  —  Verschiebung  zu  p  ist  sehr  selten.  Ab- 
gesehen vom  konsonantenumlaut  erscheint  sie  nur  7  mal: 
(hau)pit  99,2.  ^^^,2  (sonst  stets  haubit)  erhapener  55,2*)  (sonst 
erhaban)]  oparar 0  116,2  (sonst  stets  oba  obana  ubar)]  upptgi 
99,£.  48,2  upigi  100,2  (1  ^^  ubige  101,2)  gehört  wol  zu  dem- 
selben stamme  wie  oft«**).  —  Da  nun  die  dentalmedia  immer 
und  die  gutturalmedia  wenigstens  120  mal  zur  tenuis  verscho- 
ben ist,  so  ist  das  fast  ausnahmslose  beharren  der  labialmedia 
jedesfalls  eine  aufifallende  erscheinung.  BetreflFs  der  erklärung 
verweise  ich  auf  Weinhold:  ^allemannische  grammatik*  s.  119, 
wonach  got.  b  nicht  reine  media  ist,  sondern  dem  altsäehsi- 
schen  b,  v  und  griechischer  tenuis  entspricht.  Zu  dieser  er- 
klärung stimmt,  dass  einigemale  die  alte  labialspirans  v  er- 
halten ist  und  in  denselben  Wörtern  mit  b  wechselt.  Weinhold 
führt  aus  dem  gesammten  allemannischen  dialekt  s.  126  bei- 
spiele  davon  an.  In  unserem  denkmal  finden  sich  folgende: 
rua;va  30,2.  40,2  neben  ruaba  69,i.  2.  kehwerave  34,^  und  kihwor- 
vanissa  118  neben  hweraban  52,2  ^^^  htverban  79,  125.  Hier- 
her gehört  auch  die  partikel  avur,  die  stets  die  spirans  zeigt. 
Einmal  ist  dieses  v  sogar  zu  f  verschärft  worden,  nämlich 
diufa  42,2  st.  fem.  (got.  piubi  st.  n).  —  Vgl.  übrigens  über  die 
ganze  frage  den  aufsatz  von  Paul  in  diesen  beitr.  p.  147  S, 

Im  konsonantenumlaut  erscheint  einfaches  b  =  bj  in  /i- 
banto  69,1.  libanti  89.  erlauben  83,i.  106,i.  111,2-  116,2}  bb  in 
libbe  72,  bp  in  erlaubpan  35,^,  kelaubpamees  51,2,  truabpe  91,2. 
118,  pp  in  Uppanti  52,2,  erlauppe  119,i,  also  alle  nuancierungen: 


*)  erhapener  verhält  sich  zu  heffan  wie  farcikan  (79)  zu  zthan. 

**)  Hiernach  ist  Steinmeyer  in  Zachers  Zeitschrift  für  deutsche  Phi- 
lologie IV,  s.  88  zu  berichtigen,  —  Die  von  Weinhold  s.  115  aus  K.  an- 
geführten foi-men :  hapuh,  epani,  epur  sind  nicht  aus  Kero,  sondern  aus 
dem  vocabularius  Set,  Galli.  Dieselbe  Verwechslung  begegnet  Wein- 
hold öfter, 

28* 


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420  SEILER 

pp,  bpj  bb,  b*)  —  Blosses  b  tritt  ein,  wenn  die  endung  des 
Präteritums  ohne  ableitungs  i  an  die  verbalwurzel  gehängt  wird, 
z,  b.  erlaupta  111,2. 

Im  auslaut  ist  wie  im  inlaut  b  die  regel,  z.  b.  Hb,  kib^ 
lob,  kescribj  erhuab,  selb-suana  41.  —  p  erscheint  nur  5  mal: 
lip^  102,1.  selp'WilUn  30,i.  selp-suana  123,i.  kap  122,i.  kes- 
crip  92,2. 

p-f. 

Hier  ist  zunächst  zu  bemerken,  dass  weder  im  an-,  noch 
im  in-,  noch  im  auslaute  je  die  Schreibung  ph  oder  pf  vor- 
kommt, sondern  nur  /  oder  (im  inlaut)  ff. 

Im  anlaut  steht  j?  schon  im  got.  selten  und  meist  nur 
in  fremdwörtem,  —  In  unserem  denkmal  kommt  aus  p  ver- 
schobenes /  nur  in  den  beiden  fremdwörtern  funt  aus  pondtis 
89,1  ^i^d  farra  aus  parochia  120,2  vor. 

Im  inlaut  ist  die  Verschiebung  unterlassen  nur  in  dem 
fremdwort  iempron  58.  92,i.  91,2.  102,i.  Sonst  steht  /  oder  ff". 
Drei  fälle  sind  zu  unterscheiden:  1)  Nach  kurzen  vokalen 
findet  sich  nur  ff;  so  häufig  in  den  cass.  oblL  des  zur  bildung 
abstrakter  feminina  verwanten  -scaff:  -scaffiy  -sceffij  -scaf- 
fim  (35,  75.  95.  .107,i.  u.  s.  w.);  ferner  slaffii  desidia  30,i. 
slaffer  acediosus  100,2.  offan  44,^.  74.  94,i.  98,^  zweimal;  im 
konsonantenumlaut  sceffantin  66,i.  —7  2)  Nach  langen  vokalen 
ist  das  Verhältnis  zwischen  f  und  ff  folgendes,  ff  ist  das  ge- 
wönliche.  Es  erscheint  im  dat.  pl.  von  scäf,  scäffum  36,2.  37,i. 
40,2.  wäffanSO,^.  cnffanA&,2.  87,2.  riffer  SO^.  rtffi  124.  Schwan- 
ken zwischen  /  und  ff  findet  statt  in  der  wurzel  suf  (an.  si/p); 
davon  kommt  vor  das  intrans.  j?2>Ä/5^^  ^  demergit  51,2  ^ßd  das 
trans.  pisaufit  si  absorbeatur  77;  ferner  in  wurzel  släf  (got 
slep):  släffe  31,i  und  102,2.  släffagan  43,2.  släffit  94,2,  aber  slä- 
fal  mit  einem  /  73;  endlich  in  dem  verbum  hlauffan.  Hier 
steht  ffi  29,1.  31,2.  32,i.  47,2.  93,i.2.  94,2;  /*  29,2.  63,i.  94,i. 
100,2-  Dabei  ist  zu  bemerken,  dass  wo  ff  steht,  immer  zu- 
gleich das  anlautende  h  erhalten  ist,  während  wo  /  steht,  das 
h  fehlt  Davon  bildet  die  einzige  ausnähme  kehlaufan  29,2, 
wo  zwar  h  aber  nur  ein  /  steht.     Hieraus  geht  hervor,   dass 


*)  Hierher  dürfte  wol  auch  das  oben  angeführte  üppig  zu  ziehen 
Bein.  —  W.  B. 


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BENEDIKTINEREEGEL.  421 

die  Schreibung  mit  ff  die  altertümlichere  ist  —  Das  wort 
chaufan  (got.  kaupon)  ist  das  einzige,  in  dem  sich  nur  /,  nie 
ff  findet:  107,i.  109,2-  —  Alle  die  einfachen  /  nach  langem  vo- 
kal fallen  mithin  in  die  zweite  hälfte  des  denkmfjils,  ausge- 
nommen ist  auch  hier  nur  jenes  kehlaufati,  das  sich  damit 
sicher  als  ein  schreiberversehen  fftr  kehlauffan  erweist,  3)  Nach 
konsonanten  ist  /  das  gewönliche:  helfan,  limfan^  chamfan, 
sarfes  u.  s.  w.  —  ^  steht  nur  2  mal  helffa  105  und  chamffan  34. 

Im  konsonantenumlaut  stehen  nur  die  beiden  verba  scef- 
fan  66,1  ^^d  chamfan  (einmal  chamffan). 

Im  auslaut  steht  immer  einfaches  /*;  es  kommt  aber 
nur  selten  vor,  z,  b.  scaf  53,2.  aweraf  55.  swelf  107,i. 

Zu  bemerken  ist  noch ,  das  aus  p  verschobenes  f  nie  v 
geschrieben  wird. 

f. 

Dagegen  hat  das  nicht  verschobene ,  also  dem  got  /  ent- 
sprechende /die  neigung,  in  v  überzugehen.  Das  geschieht 
zwar  nie  im  eigentlichen  anlaut,  wol  aber  einigemale,  wenn 
das  anlautende  f  durch  präfixe  zum  inlautenden  wird  (vgl.  ft). 
ervullan  29,i.  44,2.  invaldan  50,2-  forapivaldan  96,i.  ervirrit  108,2. 
kivangan  68,i.  Doch  ist  in  fullan,  faldan,  fähan,  auch  wenn 
präfixe  da  vortreten,  /  bei  weitem  das  gewönliohere;  andere 
Wörter  wi^  folgen  faran  haben  nie  v.  —  Im  wirklichen  inlaut 
steht  V  2  md  in  zrvival  40,2.  70  (sonst  zwifal)  und  in  ovan  (=  got 
auhns)\  endlich  3  mal  in  erhevit  49,i.  56,i.  100,2.  heffan  hat  in  allen 
formen,  wo  /  auf  das  /  folgte  ff,  also  inf.  heffan  Qiafjan)  96,2. 
57,1.  38g.  conj.  heffe  {hafjai)  75.  121,^ ;  wo  i  auf  das  f  folgte, 
hat  es  V'  hevit  (haftp);  im  praeter,  endlich  und  prtc.  praeter, 
hat  es  b:  erkmb  49,i.  erhaban  49,i.  2-  83,2.  109,2,  einmal  erhor 
pener  (s.  oben), 

w. 

Für  w  finden  sich  die  Schreibarten  uu,  im  (z.  b.  unkivuo- 
nin  108,i),  uv  (z.  b.  uvilu  58,i.)  und  w,  uu  und  w  sind  die  ge- 
wönlichen  ausdrucksweisen,  die  beiden  anderen  sind  seltener; 
am  allerhäufigstca  ist  uu.  —  3  w  für  w  stehen  in  uuuaskan 
diluere  102,i  und  vielleicht  in  duuuidaro  62,i,  wofür  gewönlich 
duuidaro]  doch  kann  hier  die  ausspräche  auch  duwidaro  ge- 
wesen sein.  —  Die  laut^ruppe  rvu  wird  nicht  anders  bezeich- 


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422  ,  SEILER 

net  als  das  einfache  m,  also  gewönlieh  ebenfalls  durch  uu: 
nur  Chan,  euu  (=  Snm),  uurum,  antuurti  etc.,  vvnilmt  (=  tvunmr 
lust)  35,1,  vurzhaftor  39,i. 

Besonders  zu  besprechen  sind  die  diphthonge  au  und  iu  mit 
folgendem  yokale.  Müssen  wir  fttr  unser  denkmal  die  aus- 
spräche aw,  irv  oder  mit  nochmaligem  vokalvorschlag  auw,  htw 
annehmen?  1)  Für  die  ausspräche  arv  iw  sprechen  3  formen: 
hrivoes  42,i.  imh  47,2  ^^^  scauoen  86,i,  weil  hier  bloss  ein  v 
(resp,  w)  gesetzt  ist  und  dies  unmöglich  fttr  uw  stehen  kann; 
auch  niuun  (gen.  sg.  fem.)  30,i  und  60,^  wird  man  nicht  nm- 
tvttn  sprechen  können,  weil  dann  wenigstens  3  u  stehen  müß- 
ten. 2)  Gar  keinen  anhaltspünkt  geben  formen  wie  dreuui 
38,1,  kidewite  digesti  58.  keunfreuuit  30,i.  99,2.  keunfrauue  80,^. 
bmih  31,1.  euuih  31,2.  nivvi  110,2.  pHvves  35,i  und  das  verbum 
scauudn  51,i.  121,2;  in  diesen  Wörtern  kann  man  uu  sowol  fttr 
w  als  fttr  uw  nehmen,  scauuunka  dagegen  (105,2.  107,i)  lässt 
schon  auf  die  ausspräche  auw  schliessen,  weil  das  blosse  wu 
nur  durch  2  u  bezeichnet  wird.  3)  Entschieden  fttr  Axt  aus- 
spräche auwy  iuw  beweisen  niuvvii  34,2.  itniuuuiu  86,2.  nhiuuiu 
121,1.  nivvviu  107,0  und  das  verbum  scauuuduj  wo  es  mit  3  u 
geschrieben  ist,  nämlich  4  mal:  101,2.  108,2  (zweimal;  das  eine- 
mal hat  Hattemer  die  sinnlose  lesart  piscauunche.  öraff  VI, 
555  und  Schilter  geben  die  richtige  piscauuuohe)  12C,i. 

Aus  diesem  tatbestande  folgt,  dass  sich  die  iussprache 
damals  noch  nicht  bestimmt  entschieden  hatte;  sie  schwankte 
noch  zwischen  aw  und  auw,  zwischen  iw  und  iuw. 

Die  neigung  des  w,  nebenstehenden  vokal  zu  verdumpfen, 
zeigt  sich  in  drowa  77,  aber  drawen  38,2. 

Uebersicht  über  den  stand  der  lautvers3hiebung  bei 
Kero:  dieselbe  erscheint  als  ziemlich  durchgedrungen,  so  dass  sich 
der  dialekt  dieses  denkmals  demjenigen  nähart,  denn  Jac. 
Grimm  strengalthochdeutsch  genannt  hat.  Im  anlaut  sind  nur 
einige  th,  b  und  g  stehen  geblieben.  Im  inlaiit  ist  t,  th,  p,  k 
stets  verschoben,  fast  immer  auch  d\  es  haftet  eine  grössere 
anzahl  g  und  beinahe  ohne  ausnähme  b.  Im  auslaut  ist  alles 
verschoben,  widerum  nur  mit  ausnähme  von  b.  —  Die  Spi- 
ranten f  und  h  bleiben  wie  in  allen  ahd.  denkmälern,  mit  we- 
nigen ausnahmen  in  der  flexion  des  st.  v.,  stehen. 


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BENEDIKTINERREGEL.  423 

lieber  die  I i q u i d e n  und  nasalen  ist  nichts  zu  bemerken. 

X  steht  nur  einigemale  für  das  gewönliche  hs  in  sex  und 
sexto,  wahrscheinlich  durch  das  lateinische  veranlasst 

Consonantische  assimilation.  a)  vorwärts  schrei- 
tende. Der  zweite  konsonant  assimiliert  sich  dem  ersten. 
Ausser  den  häufigen  assimilationen  eines  ableitungsy,  die  bei 
der  flexionslehre  im  einzelnen  zur  besprechung  kommen  wer- 
den, kommt  diese  assimilation  nur  vor  in  stimma,  nemman, 
frammert  (aus  framwert),  b)  rückwärts  schreitende.  Der  erste 
konsonant  assimiliert  sich  dem  zweiten.  Hiervon  kommt  nur 
ein  fall  vor;  nämlich  n  wird  vor  m  und  b  häufig  zu  m;  vor  w 
nur  in  ummahtim  89  und  keummuazon  9%  (sonst  stets  uwmah- 
tic,  unmezzigi  u.  s.  w.).  Vor  b :  imbiz  und  imbizzan  7  mal  (da- 
neben 2  mal  inbiz,  inbizzan),  ansaht  stets  (nur  einmal  93,2  «n- 
bahtes).  Die  negierende  vorsatzsilbe  un  bleibt  vor  b  unverän- 
dert, z.  b.  unbiUnnanlih,  unbiwamter,  unbiderbi;  nur  einmal  steht 
umbiderber  100,2-  In  simblum  ist  die  angleichung  stets  einge- 
treten, mit  ausnähme  von  sinbulum  56,2.     Vgl.  s.  418. 

Die  uneigentliche,  d.  h.  nicht  auf  assimilation  oder  kon- 
traktion  zurückgehende  konsonantenverdoppelung.  — 
Die  ^,  zz,  hh  s.  oben.  —  Es  sei  gleich  von  vornherein  be- 
merkt, dass  in  unserem  denkmal  nicht  nur  nach  kurzen,  son- 
dern auch  nach  langen  vokalen  und  diphthongen  doppelkonso- 
nanz  gesetzt  wird.  Beispiele  davon  werden  wir  in  der  flexions- 
lehre noch  genug  bekommen.  Die  spätere  regel,  dass,  wo  auf 
einen  langen  vokal  durch  assimilation  oder  kontraktion  dop- 
pelkonsonanz  zu  stehen  kommt,  entweder  der  vokal  gekürzt 
oder  nur  einfache  konsonanz  geschrieben  wird,  befolgt  Kero 
noch  nicht. 

Wir  finden  nun  uneigentliche  konsonantenverdoppelung 
1)  nach  vokalen;  nach  kurzen  in  kespannan  122,2  {kespanan 
55,2.  116;2  «•  s.  w.).  zehanning  72  {zehaningari  117,2.  123,2.) 
chuettan  106,^  (sonst  kiqhueian)]  nach  langen  in  zaummum  fu- 
nibus  75  und  Hbbes  73  (sonst  immer  libes,  Übe),  2)  nach  oder 
vor  konss.  Hattemer  spricht  hierüber  in  der  einleit.  s.  22  und 
erklärt  es  als  eine  folge  der  Silbentrennung,  die  häufig  durch 
aufsteigende  buchstaben  des  lat.  textes  veranlasst  wird,  afltroro 
65,1.  kemnissa  71.  fleiscco  90,i.  rvidaretiragan  (Schilter  liest  wi- 
daretragan;  ebenso  Graff  V,  497)  77.  durufttigön  105,^.  107,i.  108,2 


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424  SEILER 

(sonst  durufügbn)  rehttunga  lll,i.  rehtteru  113,2.*)  —  Diese 
beispiele  fallen  nur  in  die  abschnitte  58—79.  88—90.  96—116. 
Im  auslaut  wird  nie  uneigentliche  doppelkonsonanz  ge- 
schrieben, sondern  vielmehr  ursprüngliche  vereinfacht:  scammer 
60,2.  scammas  71,  aber  scam-ficho  71.  skem-licho  88. 

2.  Vokale. 

Ich  gebe  im.  folgenden  eine  vergleichung  der  vokale  un- 
seres denkmals  mit  dem  gewönlichen  ahd.  vokalstande. 

Ueber  a,  o,  u  ist  nichts  zu  sagen. 

Für  e  steht  2  mal  ae,  kachuaetan  61,i.  rverchae  73;  in 
zua-aerfultiu  45,i  ist  die  ^oppelschreibung  des  a  auf  dieselbe 
weise  entstanden,  wie  die  uneigentliche  Verdoppelung  der 
konss. 

Für  i  steht  einigemale  e,  ohne  dass  ursprüngliches  a  der 
folgenden  silbe  diese  Wandlung  bewirkt  hätte,  also  ganz  un- 
organisch.**) Fast  durchgängig  ist  dies  der  fall  in  dei\  bei- 
den Wörtern  eoweht  und  neoweht'^  in  ihnen  steht  25  mal  -wehty 
5  mal  wiht,  4  mal  wit,  letztere  beide  nur  in  den  4  schon  öfter 
hervorgehobenen  abschnitten,  ganz  besonders  aber  in  82 — 84, 
der  5  mal  wiht  oder  witj  weht  dagegen  nie  hat.  Es  fand  in 
diesem  weht  also  ein  schwanken  der  ausspräche  zwischen  e 
und  i  statt.  Einmal  s.  55,]  erscheint  auch  die  Schreibung  neo- 
wiehtiy  wo  man  schwerlich  an  eine  wirkliche  brechung  des  i 
in  /^denken  kann;  der .  Schreiber  setzte  vielmehr,  da  er  nicht 
bestimmt  wüste,  ob  er  i  oder  e  schreiben  sollte,  beide  buch- 
staben  neben  einander.  Näheres  darüber  unten  bei  der  redu- 
plikation.  —  Wirkliche  brechung  des  i  in  ia  haben  wir  dage- 
gegen  in  dem  nicht  seltenen  stiagil  gradus.  —  Zu  dem  unor- 
ganischen e  für  i  könnte  man  auch  seh  für  sih  s.  102,2  rech- 
nen. Da  aber  sonst  durch  das  ganze  denkmal  stets  sih  ge- 
schrieben ist,  so  wird  man  nicht  annehmen,  dass  das  e  in  die- 
ser stelle  auf  wirklicher  ausspräche  beruhe.  Es  bietet  sich 
vielmehr  eine'  andere  viel   wahrscheinlichere  erklärung.     An 


*)  In  lüttriy  lüttras  71  ist  das  tt  durch  das  nachfolgende  r  hervorge- 
rufen wie  in  bittar»  Daneben  findet  sich  aber  auch  mit  einem  t  lutri 
102„.  und  hlutremu  119,t. 

**)  S.  31  steht  euuih,  unmittelbar  hinter  iuuih.  Das  ist  wol  nicht 
e  für  i,  sondern  eu  für  im. 


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BENEDIKTINERBEGEL.  425 

einigen  stellen  ist  nämlich  statt  des  entsprechenden  deutschen 
Wortes  dasselbe  lateinische,  was  schon  im  texte  steht,  als  glos- 
sierung  übergeschrieben,  bisweilen  etwas  modificiert.    So  steht 

8.   96,.    ''^P^     8.   98,  «ff»°/*«7^     B.  31„  ^«••'*"'      8.  32 
'     capite,  '    patefaciant,  ''^  veram, 

dera  gnada  sua,        .  ^    ibu  ni  erlauben, 

pietate  sua,  '*  ibi  non  licere. 

Dasselbe  verfahren  erscheint  nun  auch   an  unserer  stelle. 

Sie  lautet: 

1.x    1.  X    '     De^*  Schreiber  hat    hier  mit    der   richtigen 
subtrahat  se.  ° 

deutschen  glossieruug  angefangen,  ist  aber  schon  bei  der  zwei- 
ten silbe  des  untar  in  das  darunterstehende  lat  tra  gekommen 
und  hat  nun  ruhig  die  lateinischen  buchstaben  noch  einmal 
darüber  geschrieben;  daher  in  seh  das  e  für  i. 

e  erscheint  gebrochen  in  mias  87.  92  (meas  89)  und  Mar 
30.  48;  ferner  in  der  später  zu  besprechenden  reduplication. 

Von  den  diphthongen  zeigen  sich  die  gemeinahd.  ou 
und  uo  ohne  alle  ausnähme  in  den  altertümlicheren  formen 
(m  und  wa;  die  beiden  ia,  die  Weinhold  s.  60  aus  Kero  flir 
ica  anführt  {tridbit  und  priadrd)  beruhen  auf  einem  irrtum; 
sie  kommen  bei  Kero  nicht  vor.  Als  abschwächung  des  wa 
zu  ue  kann  man  die  form  ze  tuenne  betrachten;  indes  wurde 
hier  das  w«  wol  kaum  noch  als  diphthong  angesehen;  man  be- 
trachtete vielmehr  -anne  als  endung  und  schwächte  diese  nach 
analogie  der  übrigen  gerundialen  Infinitive  zu  -enney  vgl.  un- 
ten. In  den  formen  tue  86,i  und  ttceet  31,2  ist  e  nicht  Schwä- 
chung des  diphthongs,  sondern  konjunktivenduflg.  —  Das  alte 
ai  ist  nur  4  mal  geschrieben  {zaickannan  und  aikanemu  s.  82. 
zaichanunga  84.  zaichan  100);  sonst  steht  überall  ei  dafttr.  — 
tu  ist,  abgesehen  von  den  brechungen,  erhalten,  eu  steht  da- 
für vielleicht  in  ^uih  31  (vgl.  oben)  und  in  chneum  genibus 
85.  Letztere  form  erklärt  Weinhold  s.  38  so,  dass  das  e  lang 
sei  und  für  tu  stehe;  das  ist  ganz  unwahrscheinlich,  da  e  fttr 
tu  sich  überhaupt  nur  sehr  selten  nnd  bei  Kero  nie  findet 
Vielmehr  ist  entweder  der  vokal  der  endung  -um  durch  den 
vorangehenden  diphtong  oder  der  zweite  vokal  des  diphtongs 
durch  den  endungsvokal  verschlungen. 

Uneigentliche  diphthonge  sind  wie  in  allen  ahd.  dialekten 


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426  SEILER 

in  fiant^  friunt  durch  zusammenziehung  entstanden,  ebenso  in 
fior  (6  mal;  daflir  9  mal  feor),  —  Für  das  aus  ursprünglicher 
lautgruppe  aiv  hervorgegangene  eo  (z.  b.  hwioy  eo  und  neo  in 
eoweht  Sonaldre)  steht  ea  in  tveamihhiU  60,2-  wealihnissi  107,i, 
ia  in  hwiaUhhi  39,2- 

Vokalische  assimilation. 

A.  Halbe  assimilation,  Sie  wird  durch  a  oder  i  be- 
wirkt, welche  den  vokal  der  vorhergehenden  silbe  halb  zu  sich 
hinüberziehen. 

1)  Halbe  assimilation  durch  a,  seit  J.  Grimm  brechüng 
genannt.*)  —  Ihr  unterliegt  nur  i,  u  und  der  diphthong  tu. 
Im  allgemeinen  folgt  sie  in  unserem  denkmal  denselben  ge- 
setzen  wie  im  gewönliclien  ahd.,  d.  li.  sie  tritt  ein  bei  ur- 
sprünglichem a  der  folgenden  silbe,  wird  aber  verhindert  durch 
folgendes  i  oder  u,  sowie  durch  mm  und  nn.  Von  dieser  regel 
kommen  folgende  abweichungen  vor:  i  ist  nicht  gebrochen  in 
Urnen  (29.  34  55  etc.),  wo  die  doppelkonsonanz  schützte  und 
in  rihtunga  87,i,  wofür  sonst  immer  rehtunga.  Als  zu  weit  ge- 
gangene brechüng  kann  man  eoweht  und  neoweht  bezeichnen. 
—  u  ist  nicht  gebrochen  in  ubana  91,  was  jedoch  wol  nur 
Schreibfehler  ist  flir  das  sonst  allein  vorkommende  obana  (58. 
59.  60.  61  etc.).  timere,  metuere  heisst  gewönlich  forahtan] 
zweimal  kommt  vor  furihtan  (43.  101)  und  zweimal  furahtan 
(31.  40);  das  a  war  hier  nicht  scharf  ausgesprochener  vokal, 
sondern  unbestimmter  zwischenlant,  der  auch  durch  i  gegeben 
werden  konnte  und  die  brechüng  nicht  notwendig  erzeugte.  — 
Zu  weit  gegangene  brechüng  ist  farhocton  spreverunt  37,i 
von  huckan.  —  Einen  merkwürdigen  Wechsel  zwischen  u  und 
0  in  ein  und  demselben  werte  haben  wir  in  ortfroma  st.  f. 
auctoritas  87,i  und  ort/rumu  gen.  sg.  davon  60,i.  Wollten  wir 
hier  die  erhaltung  des  alten  u  annehmen,  so  würden  wir  ein 
vokalspiel  statuieren,  wie  es  zwar  in  an.  Substantiven  sehr 
gewönlich,  in  ahd.  aber  unerhört  ist,  wo  die  brechüng  stets 
entweder  in   allen  kasus  eintritt,   oder  in  allen  fehlt.    Es  ist 


*)  Man  wird  wol  nicht  umhin  können  jetzt  der  zuerst  von  Curtias 
aufgestellten  ansieht  beizupflichten,  dass  die  ahd.  e  und  o  den  got,  t  und 
u  gegenüber  den  älteren  stand  darstellen.  W.  B. 


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BENEDIKTINERREGEL.  427 

wol  eine  sekundäre  assimilation  aus  artfromuj  wenn  nicht  ein 
einfacher  Schreibfehler. 

Die  brechung  cles  diph.  va  ist  gewönlich  eo  (wol  zu  unter- 
scheiden von  dem  aus  aiv  hervorgegangenen  eo)j  seltener  zu 
io.  So  ist  die  got  Wurzel  piu  immer  deo  geworden  (deondn, 
deoheit,  deomuaii  u.  s.  w.),  nur  einmal  dio  in  diomuate  38,2.  Es 
findet  sich  nur  leoht,  fleozariy  farleosan,  4  mal  fleohan  neben 
einmaligem  fliohan  29,,,  zweimal  erscheint  kepeotan  (36.  105) 
und  ebenso  oft  kepiotan  (46.  119).  —  iu  bleibt  dagegen  unge- 
brochen in  formen  wie  fliuhis  48.  farliusit  79.  kepiutit  52.  98. 
tiuri  und  tiuran  (glorificare)  liuti,  miumi  und  in  der  Verbindung 
iuw  (s.  oben  unter  rv)\  sodann  im  fremdwort  diubil  32.  34.  — 
Unregelmässjgerweise  stehen  geblieben  ist  iu  in  liugan  35.  97. 
und  diufa  st.  f.  furtum  42,2. 

Es  folgt  eine  tabellarische  Übersicht  über  die  entstehung 
der  schwierigeren  diphthonge.  Die  der  reduplicationssilbe  sind 
davon  noch  ausgeschlossen:  ^ 

iu  \)  =  got.  iw;  2)  durch  kontraktion  in  firiunt 

io  1)  brechung  von  m;  2)  durch  kontraktion  in  fior. 

ia  1)  aus  eo   in   hwialihhi)    2)  durch   kontraktion    in   fiant. 
3)  brechung  von  i  in  stiagil\  4)  von  e  in  hiar  mias. 

eo  l)  So  aus  got.  aiv.  2)  eo  brechung  von  io.  3)  durch  kon- 
traktion in  feor, 

ea  i)  =  eo  m  weamihhiR.  2)  brechung  von  e  in  meas. 

^  1)  für  iu  in  chneum  und  euuih,  2)  umlaut  von  au  in 
dreuui  keunfreuue. 
2)  Halbe  assimilation  durch  «*,  seit  Jac.  Grimm  umlaut 
genannt.  In  unserem  denkmal  wird  durch  den  umlaut  noch 
kein  anderer  laut  afficiert  als  kurzes  «*),  das  wenn  in  der  folgen- 
den silbe  i  oder  j  steht  oder  ursprünglich  gestanden  hat,  in 
der  BCgel  zu  e  umlautet;  doch  ist  es  auch  in  vielen  fällen  rein 
erhalten.  Beispiele  des  umlautes:  kerta  39.  78.  secha  rixa  123,i. 
ekiso  105,1.  pl^iir  92,2.  ^ri&o  aus  arhjo  34,,.  ervisiun  ovilibus 
35,,.  megi  39,,.  unsemfla  acc.  sg.  fem.  von  unsemfü  39,2.  redia 
r edihaft  u.  s.  w.    Besondere  bemerkungen; 

Der  umlaut  wirkt  fftr  gewönlich  nur  auf  Stammsilben,  sel- 


*)  seUh  für  soVik  97,i  ist  nach  Weinhold  s.  19  nicht  »Is  umlaut  an* 
zusehen. 


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428  SEILER 

ten  auf  ableitungs-  oder  auf  solche  silben,  die  durch  einschub 
eines  hilfsvokals  zwischen  liquida  und  muta  entstanden  sind. 
Derartige  silben  verfallen  vielmehr  der  ganzen  assimilation 
und  schlitzen  sogar  oft  die  vorausgehende  Stammsilbe  vor  dem 
Umlaut.  Diess  tritt  zu  tage  bei  den  auf  4  ausgehenden  femi- 
ninis;  es  heisst  heilanti  37,i.  managt  31,5.  untarworfam  41,2. 
ubarazzali  89.  fartragani  90,2-  faram  107,i.  inthdbani  119,i. 
Ebenso  bei  den  schw.  vv.  der  i  klasse:  serazzan  43,i.  nidarran 
48,2.  leisannan  11.  zeichannan  82,i.  84.  85.  starachan  53,2-  ka- 
gcmnan  106,i.  119,2.  karawan  und  hwaraban  oft.  Es  heisst  fer- 
ner arandi  asper  lll;i,  aber  herti  lll,i.  —  Auch  zusammen- 
gesetzte vrörter,  die  im  zweiten  teile  kurzes  a  haben,  nehmen 
den  umlaut  häufig  nicht  an;  so  namahafti  119,i.  warhafd  43,i. 
weralii  dat.  von  weratt  35,i.  Die  mit  scaf  zusammengesetzten 
feminina  wie  lantscaf  fiantscaf  haben  4  mal  -scaffi  und  -scaf- 
fim  (35,2.  107,1.  115,2.  95)  3  mal  -skeffi  und  -skeffim  (75,i.  107,i. 
123,i).  — '  Ausnahmen  von  dieser  regel  sind  urereban  30,2. 
htverebi  31,2  und  viele  partic.  praes.,  die  auf  -enti  ausgehen; 
doch  sind  in  diesen  letzteren  die  ^vielleicht  als  Schwächung 
anzusehen;  dafür  sprechen  wenigstens  participialadverbia  wie 
horendo  31,2. 

Die  femininale  ableitungssilbe  -erf-  wirkt  keinen  umlaut:  kihdl- 
tida,  kiwaltidaj  /arstantida,  unsamftida,  antfrahida.  Ausnahme  nur 
antfenkida  83,2  neben  dreimaligem  antfankida  (38,i.  75. 105),  aber 
m(Mpirechida  60,i  und  kihenkida  116,2,  weil  diese  von  den  schw. 
vv.  recchdn  und  henkan  abgeleitet  sind.  —  Die  zur  bildung  von  adj. 
verwante  silbe  Hh  wirkt  keinen  umlaut:  htvasRh,  nahtlik,  radalihj 
sparaRh  92,^.  Eine  ausnähme  bildet  nur  skemlkho  88  (scamHcho 
dagegen  71).  —  Adjektiva  auf  -ig-  mit  a  im  stamme  kommen 
nur  3  vor.  Davon  hat  das  eine  den  umlaut,  die  andern  bei- 
den nicht:  unchreftic  84,2.  unchreftigi  87,i.  90,i,  aber  unmahtic 
42,2.  80,2.  101,2  und  antfangic  47,2.  —  Dl©  ß*-  fem.  der  \  dekL 
haben  in  den  cas.  obUq.  gewönlich  den  umlaut,  also  stetig  en- 
sti,  henteo,  lenti  (51,i)  etc.  Ausnahmen:  ausser  den  oben  er- 
wähnten auf  -scaf  noch  kispansteo  78;  ferner  äbansti  123,^.  ün- 
mahti  und  ünmahtim  S%.  101,2;  in  diesen  Wörtern  wurde  der 
umlaut  dadurch  verhindert,  dass  der  hochton  auf  der  ersten 
silbe  liegt;  sie  kommen  dadurch  in  die  gleiche  läge  wie  rve- 
ralti,  warhafti  (vgl.   die  erste  bemerkung).     Die  feminina  auf 


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BENEDIKTINEBREGEL.  429 

4  haben  teils  den  umlaut^  teils  nicht:  mendt,  ekij  seti,  skemnA^ 
aber  slaffi,  hwassi  und  dann  widerum  ünmahti  und  UdarU,  — 
Gleiches  schwanken  herscht  bei  den  komparationsbildungen 
auf  -/r  und  -ist:  lengiro  69,i.  skemmist  58,2,  ^ber  starchiro 
star(a)chisto  30,2.  35,2.  69,i,  wo  allerdings  der  zwischen  r  und 
ch  gehörte,  einmal  auch  geschriebene  zwischenlaut  den  um- 
laut  verhindert  haben  mag,  armiro  114,|.  tvassiro  78.  —  Ab- 
weichend vom  gewönlichen  ahd.  wirken  auch  die  gen.  und 
dat.  der  schw.  msc.  umlaut;  forasegin  nemin  33,i  (zweimal). 
36,,.  2-  112,1.  119,1-  Ausnahmen  nur  antin  für  anadin  124. 
ewai^in  und  erhaftin  erklären  sich  aus  der  ersten  bemerkung. 
—  Die  schw.  vv.  der  i  klasse  lauten,  wenn  sie  a  in  der  Stamm- 
silbe haben,  fast  immer  um:  kesezzan,  zellan,  leckan ,  henkan, 
antlengan^  mendan,  sentan,  nemman,  furihertan,  erwechan  u.  s.  w. 
Einige  ausnahmen  {starachan  etc.)  haben  wir  in  bemerkung 
1  erklärt;  dazu  kommt  noch  keunfrauue  80,2.  drauuen  38,2  (ß®" 
ben  gew.  freuuan^  dreuuan)j  wo  man  vielleicht  schon  au  hörje, 
chamfan  28.  30,2-  34,i  (neben  chemfan  lll,i,  116,2)  und  kihalsit 
42,2.  53,1. 

Weinhold  führt  s.  24  unter  den  alemannischen  beispielen, 
dass  für  den  umlaut  des  a  statt  e  auch  i  eintrete,  als  erstes 
eins  aus  Kero  an,  nämlich  miniscun  s.  42,2.  Von  diesem  worte 
steht  in  der  handschrift  aber  nur  der  endbuchstabe  n  (vgl.  die 
Übersicht  der  abkürzungen  und  zeichen  bei  Hattemer  s.  425); 
alles  übrige  stammt  aus  Hattemers  köpfe.  Statt  dessen  findet 
sich  in  der  handschrift  die  form  mannaskiu  87.  Abgesehen 
von  dem  häufig  gebrauchten  inti  (aus  anii,  enti)  kann  a  nur  in 
ableitungssilben  zu  i  werden;  dann  haben  wir  aber  keine  halbe, 
sondern 

B.  Ganze  assimilation.  Sie  afficiert  nie  hochbetonte 
d.  i.  Stammsilben.  In  Wörtern  wie  erhapener,  pi/olahenem,  eike- 
netn  kann  das  e  der  vorletzten  silbe  sowol  durch  Schwächung 
als  durch  assimilation  entstanden  sein. 

Assimilation  nach  vorwärts  ist  selten.  Wir  haben  sie  in 
obanoontikt  culmen  49,2  aus  obanantiki  (GraflF  I,  80);  hier  er- 
streckt sie  sich  über  2  silben;  ferner  in  missituan  39,i.  48,i  etc. 
missität  54,2.  missilih  5  mal,  daneben  einmal  missaJüh  101,|.  — 
Als  assimilation  nach  vorwärts  wird  man  auch  die  häufige 
Verbindung    eoco-    (in  eocowelih   eocower  etc.)    ansehen   müs- 


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430  SEILER 

8611;   weil  sonst  in  unserem  denkmal  das  präfix  ga-  nie  co 
lautet*) 

Die  assimilation  nach  rückwärts  geht  von  o  und  noch 
häufiger  von  i*  aus  und  wirkt  gewönlich  nur  auf  a,  \%i  aber 
auch  hier  nicht  zu  einem  durchgreifenden  gesetze  geworden, 
wie  etwa  die  brechung;  vielmehr  gehen  nicht  assimilierte  for- 
men neben  assimilierten  her. 

a)  f  assimiliert  vorausgehendes  a.  swigilü  4S;i.  8S.  smgdl^ 
48,1.  55,2.  93,1.  —  keleisimt  46,2.  52,2.  keleisanil  77.  —  uniiri 
53,1.  w*«'^*  m»i-  untari  54,i.  —  pilidi  38,2-  pHadi  55,2.  75,i,  115,i. 
119,1,  —  catilinga  parentes  113,2.  catalinga  106,2.  —  emiztUgon 
fttr  emazzigdn  91,2.  florint  für  farlorant  perditio  123,i.  —  Ein- 
mal ist  auch  die  endung  des  part.  praes.  -anti  zu  -mti  assimi- 
liert: mezzinti  40,|.  —  eikinin  112,2.  eikint  50,2;  doch  findet  sich 
in  diesem  werte  auch  i,  wenn  in  der  flexionssilbe  ein  anderer 
vokal  folgt,  eikinan  44,2.  eikinera  115,i.  Sonst' steht  gewönlich 
eikan-  oder  eiken-, 

b)  0  assimiliert  vorausgehendes  a:  nur  eigono  acc.  pl.  fem. 
38,1.  if'Zordsti  55,i  (aber  innardro  55,i.  opardro  116,2)  ^^^  viel- 
leicht stozzonto  trepide  47,i,  wenn  es  von  siozzan  her  kommt 
(so  Weinhold  s.  11).  Graff  leitet  es  indes  wol  mit  recht  von 
stozzdn  ab  VI,  735.  —  Sonst  ist  immer  a  rein  erhalten,  also 
offandn  98,i.  widardn  95.  ebano  102,i.  leisanonti  53,_  u,  s.  w. 

In  allen  diesen  fällen  ist  der  assimilierte  laut  a.  —  Dass 
auch  andere  vokale  assimiliert  werden,  ist  äusserst  selten.  Ich 
finde  nur  sitilih  94,i  f^r  situlih  111,2.  —  sibun-  ahto-  niunzogösto 
fttr  'zugdsto  62,2.  ^^jv  kann  man  auch  zur  brechung  rechnen. 

Yokaleinschub  zwischen  konsonanten. 
Diese  dem  ahd.  eigentümliche  erscheinung  ist  in  unserem 
denkmal  sehr  stark  ausgebildet.  Von  den  beiden  konss.  ist 
der  eine  stets  liquida  und  zwar  in  den  meisten  fällen  r.  Der 
eingeschobene  vokal  ist  in  der  regel  a,  bisweilen  i  (ßtrihtan 
43,1.  löl?i«  ^^0  34,1).  e  wird  manchmal  durch  vorangehendes 
e  hervorgerufen:  perege  32,2.  nrerebe  30,2.  kihwerebi  51,2;  ^ 
tritt  oft  ein,  wenn  in  der  vorhergehenden  oder  folgenden  silbe 


*)  Vielleicht  gehört  hierher  auch  rosomon  aeruginem  121^i.    Graff 
II,  548. 


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BENEDIKTINERREGEL.  43 1 

ein  u  (oder  auch  tv)  steht:  timruht,  nnirum,  duruft,  duruh,  sinbu- 
hm  56,2,  kecaruwe  119,2.  Was  nun  den  umfang  der  erschei- 
nung  betrifft,  so  sind  2  fälle  zu  unterscheiden. 

1)  Wenn  die  beiden  konsonanten  nur  einer  silbe  angehö- 
ren, also  dieselbe  schliessen,  so  unterbleibt  der  vokaleinschub 
fast  nie.  Es  heisst  also  nur  werah  (46,2.  52.  100,i.  101,2.  102,i) 
und  werahrman  (31,2.  55,i.  57);  dagegen  wechselt  rverache,  tve- 
rachum  mit  wer  che,  werchum]  ferner  steht  aweraf  (55,2),  aber 
stets  werfan;  parac  (37,^)  aber  oft  keporkan\  es  findet  sich  hur 
fordhta,  duruft,  duruh,  wurum,  tvuruhti  (dat.).  —  Von  dieser 
regel  kommen  nur  2  ausnahmen  vor:  sorchaß  121,i  {sorachaft 
43,2)  und  durftigdn  105,^  {duruftigön  sehr  oft),  beide  in  der 
letzten  hälfte,  die  überhaupt,  wie  wir  gleich  sehen  werden, 
dem  vokaleinschub  weniger  günstig  ist, 

2)  Wenn  der  zweite  konsonant  eine  neue  silbe  beginnt, 
so  schwankt  der  gebrauch.  Einige  Wörter  schieben  auch  hier 
durch  das  ganze  denkmal  hindurch  einen  vokal  ein,  nämlich 
pifelahan  39,2.  40,^.2.  43,2.  77.  81,2.  93,i.  118,i.  123,2-  125  und 
karawan  28.  30,2.  40,2.  52,2.  kecaruwe  il9,2*).  — perege  32,2.  so- 
raga  40,^.  faram  107,i.  tvaramem  107,i  kommen  nur  einmal 
vor.  Bei  anderen  fehlt  durch  das  ganze  denkmal  der  vokal- 
einschub, nämlich  bei  wurchan  32^2-  45,2.  ^9,2  und  werchdn  33,i. 
99,1.  100.  —  kimarchot  67,^  und  kiporkan  113,i  kommen  nur 
einmal  vor.  Bemerkenswert  ist,  dass  der  starke  konsonant 
ch,  der  schon  an  und  flir  sich  auch  nach  voraufgehenden  kon- 
sonanten leicht  aussprechbar  ist,  den  vokaleinschub  nicht  be- 
günstigt —  denn  auch  werche  und  starche  ist  gewönlicher  als 
rverache,  starache  —  während  dagegen  die  schwächeren  Spi- 
ranten ä  und  w  {pifelahan^  karawan)  sich  gern  durch  einen 
eingeschobenen  vokal  stützen  lassen.  —  Noch  andere  Wörter 
schwanken  und  zwar  herscht  bei  ihnen  in  der  ersten  hälfte 
des  denkmals  d.  i.  bis  s.  54  der  einschub  vor,  in  der  zweiten 
unterbleibt  er  lieber.  Folgende  wie  ich  hoffe  vollständige  ta- 
belle  wird  dies  beweisen: 


*)  Daher  ist  wol  auch  kekarvvit  112,2  als  kekaruwit  aufzulösen. 


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432 


S£ILER 


Bis  8.  54. 


mit  einsehub 
aräbeit  50,2.  43,i.  53^2.  3 
arame  42,2.  1 

rverache 

hwaraban  30,1.31,2.51,2*  3 
hwerahan  34,i.  52,2.  2 

starache  35,2.53,2-  2 

porakhi  40,2.49,1. 51,2.(2).  4 
keporkan  54,2.  1 


16 


obn^ 


2  35,1.  38,2. 
1  38,1. 

1  30,2. 

2  52,1.2. 


Von  s.  55  an 
mit  einschab  'ohne 


121. 


56,2.  98,2.  2 


457.89,2.101,2.100,,. 
3  80,2.105,1.114,1. 

3  73.  93,2.  94,2. 

4  64,1.87,2.118,1.2. 
379.125.(2). 
269,1.121,2. 

3  62,1.116,2.117,1. 
2113,1.114,1. 


3 


24 


Eine  besondere  art  der  vokaleinschiebung  findet  in  der  im 
ahd.  so  häufigen  nominalendung  -ar  statt.  Doch  gibt  es  auch 
werter  mit  ursprünglichem  -ar,  wie  andar  (got.  anpar)\  der 
vokal  aber  wird  bei  ihnen  ebenso  wie  der  eingeschobene  be- 
handelt, weshalb  ich  beide  arten  im  folgenden  zusammen 
fasse. 

Regel  ist,  dass  wenn  das  r  die  silbe  schliesst,  also  im 
auslaut  oder  in  Zusammensetzungen,  die  volle  endung  -ar  steht: 
unsar,  andar  j  altar,  wuachar ,  polstar,  hlahiar,  silbar ,  chortar, 
lastar-Uh,  winiar-dt,  meistar-tuam.  —  Ausgenommen  hiervon 
sind  nur  after,  fater  30,i.  80,i.  119,i  und  pruader  37,2.  54,1. 
100,1.  {fnuater  und  swester  kommen  nicht  vor). 

Wenn  dagegen  das  r  eine  neue  silbe  beginnt,  wenn  also 
flexions-  oder  ableitungssilben  daran  treten,  so  kann  dreierlei 
eintreten:  1)  das  a  bleibt  auch  hier  unverändert  stehen.  Dies 
geschieht  aber  nur  selten,  andarer  63,i.  99.  choriare  77.  ^w- 
mares  62,^.  90,2.  fvintares  &2,i,  pruadar(um)  109,i*)  endlich  m- 
narorun  55,i  und  oparorun  116,2.  —  2)  a  wird  zu  e  geschwächt 
und  3)  dies  geschwächte  e  fällt  ganz  aus,  wenn  der  voraus- 
gehende konsonant  sich  mit  r  leicht  verbinden  lässt.  Liquida 
und  Spirans  lässt  sich  mit  unmittelbar  folgendem  r  unbequem 
aussprechen;  daher  heisst  es  ohne  ausnähme  unseres,  unsere, 
iuueres,  iuuerem,  sumeres  (91,2.  107,i),  nicht  unsres,  sumres. 
Muta  dagegen  verbindet  sich  mit  r  zu  einer  sehr  bequemen 
konsonantengruppe  und  demgemäss  ist  das  e  zwischen  t,  d,  b. 
ch  und  r  fast  stets  ausgefallen.  Es  heisst  also  regelmässig 
andres y  andre,  andra,   andrum  u.  s.  w.  meistres,  meisirä  (41,2)." 


*)  faiare  70  ist  wol  nur  verschrieben  aus  fatera. 


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BENEDIKTINEßREGEL.  433 

achre  56,2-  Cichro  91,2.  ^vuntrum  A%.  hlahire  44,i.  hlutremu,  lu- 
tras ,  lutri  119;i.  71.  102^i.  chortres  40.i.  finstri  31,2.  unsubro 
82,1.  altrum,  aldre  87,i.  89,2  (ui^d  i^  ^öw-,  neonaldre)  wintre 
107,1.  Doch  ist  das  e  auch  zuweilen  erhalten,  namentlich 
zwischen  dentalis  und  r,  z.  b.  anderes  63,i.  79.  122,i.  lalitere 
56,1  (zweimal)  «//^r^  113,2  ^^d  regelmässig  in  /ö/^r  und  prua- 
der,  z.  b.  fateres  30,,.  38,2.  ^'^^i  ^^c-  pruadero  41,,.  —  Die  fe- 
minina  auf  -ara  synkopieren  in  den  cass.  obl.  das  a  in  der  re- 
gel;  so  heisst  es  stets  dslrün,  ostrom,  hleiira  gen.  sing,  50,i. 
zuntrun  93,2.  I^i  nom.  sing,  ist  das  letzte  a  abgefallen  in 
hleitar  49,,.  50,,,  aber  nicht  in  chamara  105,2.  Von  Zusammen- 
setzungen findet  sich  hleitarpaum  50,,.  Bei  zimhirrono  48,i  ist 
unsicher,  ob  wir  durch  das  ursprünglich  folgende  ableitungsy 
assimiliertes  -ar-  oder,  wie  Weinhold  s.  221  will,  gleich  von 
vornherein  -/r-  als  suffix  anzusetzen  haben. 

Verdoppelung  der  langen  vokale. 

Lango  vokale  sind  in  unserem  denkmal  vielfach  doppelt 
geschrieben,  sowol  in  stamm-  als  auch  in  flexionssilben.  Am 
häufigsten  erscheint  ee,  weil  es  viele  flexionssilben  mit  e  gibt. 
In  Stammsilben  finden  wir  es  in  eerhafl  30,i.  see  ecce  32,i. 
leerran  34,2  ^^c.  mecr  37,i  etc.  seer  31,2  etc.;  in  ableitungs- und 
flexionssilben  ist  es  namentlich  in  der  adjektivischen  deklina- 
tion  häufig,  wo  der  nom.  sing,  sehr  oft,  der  dat.  plur,  in  der 
regel  -eer  und  -eem  geschrieben  wird;  der  nom.  plur.  kommt 
nur  2  mal  mit  doppele  vor:  60,,  und  61,2.  Ferner  haben  die 
schw.  vv.  der  dritten  konjugation  sehr  oft  ee  f^x  e\  auch  die 
endung  -mh  wird  häufig  -mees  geschiieben.  Endlich  hat  der 
conj.  praes.  in  der  2  sing,  und  im  plur.  oft  -ees ,  -eet,  een,  z. 
b.  nikangees  52,,.  kenemmeet  32,,.  hoorreen  41,2.  Dass  die  1 
plur.  nicht  mit  ee  vorkommt,  ist  zufall.  Zu  diesen  konjunkti- 
ven  mit  ee  darf  man  die  von  schw.  vv.  der  dritten  konjug. 
nicht  hinzurechnen,  wie  z.  b.  keameem,  mereamur  29,2.  ^^^^^ 
studeat  44,,.  piporgee  caveat  116,2,  weil  sie  miiM  =  kearnem, 
zile,  piporge,  sondeni  =  keameem,  zilee,  piporgee  sind. 

00  in  Stammsilben:  hoorran  31,i  etc.  oora  31,2  etc.  loon 
45,t  etc.  kipoot  50,2.  nootian  54,i.  oostra  91,2.  erloossan  39,2  u. 
s.  w.  In  flexions-  und  ableitungssilben  steht  oo  oft  bei  den 
schw.  w.  zweiter  klasse,  im  dat.  plur.  der  schw.  deklin.  und 

Beiträge  zur  geschichte  der  dentschcn  spräche.  I.  29 


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434  SEILER 

der.  st  femin.,  zweimal  auch  in  der  2  sing,  praet.  der  schw. 
vv.  'toos  =  'tos  53,2,  einmal  im  compar.  tragoor  86,2. 

ü  erscheint  in  cüt  Z\,^.  liih  31,2-  fliiz  ^^^i.  slin  46,2,  criiffan 
46,2.  iillan  50,2.  P^^  ^%i^  ^rii  59,2.  riif/ii  124.  in  emiic  41,2,  iß 
der  2.  plur.  conj.  praeter,  eigiit  31,2  und  churiit  31,i,  wenn  man 
die  erklärung  als  2  plur.  conj.  praeter,  von  chiosan  gelten  lässt, 
und  oft  in  den  femin.  auf  A,  die  den  got.  auf  -ei  entsprechen. 

aa  in  kaat  32,2.  saar  39,,.  zaala  39,1.  ketaan  41,i.   aabulki 

43.1.  ddhtunga  43,,.  slaafac  43,2.  cu^tumHh  43,2.  Iddzzmi  46.  aawo 

49.2.  danaan  34,2  uzzaan  41,2,  in  ableitungs-  und  flexionssilben 
nicht 

WM  ist  am  seltensten:  pisuufß  51,2.  farsimmmando  80,2. 
zualumtrenteem  31,i  und  4  mal  im  gen.  und  dat  sing,  der 
schw.  fem.  cheluun  35,2.  mnnuun  45,i.  pezzisiuun  81,i.  cotchun- 
duun  81. 

In  allen  diesen  fällen  steht  der  doppelvokal  für  eine  ent- 
schiedene länge.  Man  hat  behauptet,  dass  bei  Kero  auch  kurze 
vokale  doppelt  geschrieben  werden.  Das  kommt  aber  nur  ein 
einziges  mal  vor,  obonoontiki  (Graflf  I,  80.  Wcinhold  s.  12  und 
44);  mit  unrecht  nimmt  Weinhold  dasselbe  von  platoon  33,2 
an,  wie  wir  unten  sehen  werden.  Es  bleiben  nun  bloss  noch 
die  beiden  infin.  hoorreen  oboedire  und  sklrmeen  defendere,  beide 
41,2.  Graflf  führt  VI,  546  skirmeen  ohne  weitere  erklärung  an; 
zu  hoorreen  macht  er  IV,  1003  folgende  bemerkung:  ^jhoorreen 
wäre  als  3  plur.  conj.  anzusehen,  wenn  man  nicht  neben 
horjan  auch  hdren  bei  Kero  annehmen  müste."  Dafür  beruft  er 
sich  auf  die  form  hoorres  s.  31,2.  Allein  —  wir  sehen  ganz 
davon  ab,  dass  schon  das  doppelte  r  in  beiden  formen  der 
annnahmo  eines  verbums  hören  zuwiderläuft  —.  die  letztere 
stelle  beweist  gar  nichts.    Sie  lautet; 

daz      ihn  du  hoorres  aniuurtt         ih       qhuuidit  dir    cot 

Quod  si  tu  audiens  respondeas:  ego,  dicit  tibi  deus. 
Der  Übersetzer  hat  die  etwas  verwickelte  konstruktion  nicht 
verstanden,  audiens  als  ob  es  audias  liiesse  zu  si  gezogen  und 
respondeas  als  auflForderung  gefasst  hoorres  ist  ganz  regel- 
mässiger* conjunct.  von  horran.  Ein  verbum  hören  bei  Kero 
anzunehmen  liegt  also  gar  kein  grund  vor  und  für  die  3  plur. 
conj.  praes.  wird  man  hoorreen  41,2  ^^^h  nicht  halten  können, 
da    gar    nicht    abzusehen  ist,    wie   die  ganz  einfache  stelle: 


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BENEDIKTINEKREGEL.  435 

discoom      kerisit      hoorreen  .  "      ,  .         x..   j  • 

,.    .     ,  .X    1-     j.       zu   einem    solchen    misverstandn« 

discipulos  convenit  oboedire 

hätte  anlass  geben  können,     hoorreen  ist  also  der  inf.    Höchst 

unwahrscheinlich    ist  es  aber,    dass  es  der  geschwächte  inf. 

hoorren  ist,   wie  erfüllen  44,2.  erlauben  106,|   (s.  unten),    dass 

also   ee  flir   das  geschwächte  tonlose  e  steht.    Vielmehr  ist  ee 

entweder  von  dem  Schreiber  der  handschrift.  oder  erst  von  den 

neueren  herausgebern  verlesen  aus  cc  =  a.   Vgl.  das  facsimile 

des  ersten  a  in  zlkarawenne  und  M.  S.  D.^  s.  458;  femer  unten 

über  unseer,   —   hoorreen  und  skirmeen  ist  also  nichts  weiter 

als  hoorran  und  skirman. 

Es  bleibt  nun  noch  übrig  zu  prüfen,  ob  diese  erscheinung 
sich  durch  das  ganze  denkmal  gleichmässig  hindurchzieht 
oder  nur  in  einzeli]ien  teilen  erscheint.  Da  ergibt  sich  denn 
folgendes ; 

Die  erste  abteilung  28 — 54  hat  die  Verdoppelung  unge- 
mein häufig;  allerdings  nicht  durchgehend;  denn  die  formen 
mit  einfachem  vokal  kommen  überall  neben  denen  mit  dop- 
peltem vor. 

S.  55 — 78  dagegen  schreibt  mit  ganz  wenigen  ausnahmen 
einfachen  vokal.  Die  ausnahmen  sind  drii  59,2.  ^f'^^  ^7« 
smahlihhii  55,,.  horskii  78  und  andree  s.  60,i  und  61,2  (sonst 
findet  sich  im  ganzen  denkmal  der  nom.  plur.  eines  adjekti- 
vums  nicht  mit  ee  geschrieben). 

S.  79 — 82  ( —  cap.  XXXIL  schluss)  ist  die  Verdoppelung 
wider  häufig;    sie  findet  sich  22  mal. 

S.  82  (cap.  XXXIÜ)  —84  (cap.  XXXIV  schluss)  fehlt  sie 
durchaus,  obwol  dazu  mannigfache  gclegcnheit  wäre. 

S.  84  (cap.  XXXV)  —86  erscheint  sie  wider  14  mal. 

Von  s.  87  an  tritt  uns  ein  anderes  i)rincip  entgegen.  Von 
da  ab  findet  sich  nämlich  nur  noch  einmal  ee  (88)*)  oo  (91) 
aa  (92)  und  ii  {ruf fit  124);  dagegen  wird  fast  immer  das  %  in 
den  femininis,  die  den  got.  auf  -ei  entsprechen,  jdoppelt  ge- 
schrieben; so  auf  s.  87.  88.  89.  90.  91.  93.  94.  102.  107.  108. 
110.  113.  114.  115.  116.  117.  118.  119.  120.  121.  123.  124; 
sonst  fehlt  die  Verdoppelung  durchgängig;    einen  sprachlichen 


*)  Auch  in  trahtohee  ll6,i,   aber  an  einer  stelle,   wo  es  sonst  nie 
steht. 

29* 


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436  SEILER 

grund  dafür  weiss  ich  nicht  anzugeben,   das  faktum  aber  ist 
wichtig. 

3.    Deklination. 
a-Dcklinatiou. 
I.  Masciilina  und  ncutra. 

Sing.  nom.  wie  gewönlich. 

Gen.  -es. 
'    Dat.  -e.   Die  alte  cndung  -a  ist  erhalten  in  taga  40,2,  wenn 
es   kein  Schreibfehler  ist*).    Zweimal  erscheint  der   dat.  un- 
flektiert;   in    demu    selbin    anakin    in    ipso    initio    39,i.    leoht 
luce  92,1.**) 

Acc.  wie  nom.  Die  endung  -an  in  iruhtinan  und  cot  an  28. 
32,2.  38,1.  44,1  etc.  —  Instrum.  kommt  nur  in  wenigen  worten  vor. 
Endung  -u  (-m):  mezzu  38,2.  69,2.  113,2.  antwurtu  47,,.  muatu 
47,2  (zweimal),  wol  auch  itnmuulu  86,2  {Ja  stamm). 

Plur.  nom.  und  acc.  gewönlich  -a.  Schwächung  zu  e  in 
wehharre  85  (2  mal)  ahme  110,i.  Im  acc.  2  mal  -0  für  -a: 
domo  spinas  64***)  und  zehaningarro  decanos  123,i.  Woher 
in  farstantantUhhe  muatu  intelligibiles  animos  39,i  das  -u 
kommt,  weiss  ich  nicht  ganz  bestimmt  anzugeben.  Ich  bin 
aber  geneigt,  es  für  einen  Schreibfehler  für  muata  zu  halten. 
Das  merovingische  a  ist  dem  ii  ja  sehr  ähnlich.  Vgl.  Watten- 
bach, lateinische  paläographie.  Hattemer  in  Höfers  Zeitschrift 
III,  s.  70  erklärt  einfach,  dass  für  a  öfter  u  stehe;  diese  er- 
klärung  ist  keine.  Frauer  im  lehrbuch  der  ahd.  spräche  und 
literatur^  280  meint,  muatu  sei  entweder  acc.  plur.  ntr.  für 
muat  (geht  nicht  wegen  des  im  masc.  dabei  stehenden  adj.) 
oder  instrum.  „die  verständigen  an  geist" ;  viel  zu  gut  und 
selbständig  für  Kero.  —  Die  ntr.  haben  den  nom.  und  acc. 
plur.  gewönlich  wie  den  sing.  Die  bildungssilbe  -ir  erscheint 
nur  einmal  in  pilohhir  45,2  und  zu  er  geschwächt  in  chinder 
30,2,  aussesdem  noch  einmal  im  dat.  pletirun  92,2. 


•)  ze  antlazza  ad  indutias  33,2  ist  nicht  dat.  sing.,  sondern  acc.  plur. 

**x  T      ^^ht  dictontemu    ,  ,        ,  .      .  .     ^.     , 

^  ^°    justitia  dictante    ^*°^  ^^^  Übersetzer  justitia  für  den  nom. 

gehalten  haben. 

••*)  domo  erklärt  Dietrich  (historia  dccHnationis  theodiscae  primariac 

B.  18)  als  abschwächung  aus  dornu  «=  got;  paurnuns» 


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liKNEDlKTlNERREGEL.  43  7 

Gen.  -0  {piboio,  mu7Ücho,  chindo,  fleisko^  lobo,  mtiaso,  etvario, 
chliricho  etc.);  dafttr  -a  in  kidancha  cogitationum  34,2-  50,2, 
wenn  nicht  ein  tibersetzungs-  oder  Schreibfehler  vorliegt. 

Dat.  -um  (oft  -fi  abgekürzt);  zu  -un  geschwächt  in  ewisiun 

35.1.  pruadrun  59,2.  fairun  60,i.  lohun  62,2.  tagxin  68,3.  catalin- 
gu7i  106,2.  {tverach)u7i  109,2  und  pletirun  92,2. 

Bei  den  ja  ßtämmen  verschwindet  das  j  in  den  cas.  obl. 
in  der  regel  spurlos.    Doch  kann  es  sich  auf  2  arten  erhalten. 

1)  Es  assimiliert  sich  dem  vorangehenden  konsonanten. 
Dies  ist  namentlich  der  fall  bei  den  Substantiven  auf  -an*. 
Die  cas.  obl.  von  diesen  zeigen  in  der  regel  rr  mit  ausnähme 
des  dat.  plur.,  der  merkwürdiger  weise  immer  einfaches  r  hat. 
Ich  zähle  die  vorkommenden  formen  auf  : 

Dat.  sing,  puarre  34^^.  swmarre  42,i. 

Nom.  plur.  wehharre  85  (zweimal)  listarra  109,2. 

Gen.  plur.  lihhisarro  34,2  swihharro  35,2  zehaningarro  123,2. 
—  Aber  listaro  109,2.  gangar aro  105,^. 

Dat.  plur.  wehharum  88.  Uhhisarum  35,2  gangar arum  109,i. 
zehaningarum  117,2.  lerarum  46,i.  60,i. 

Auch  das  fremdwort  altari  aus  lat.  altare  schliesst  sich 
diesen  substantivis  an;  es  hat  im  gen.  altarres  80,2« 

Sonst  findet  sich  die  assimilation  noch  einigemale  bei  vor- 
ausgehendem ^-  so  in  dem  st.  n.  keräti;  hiervon  heisst  der 
dat.  sg.  keralte  41.  120,2,  der  gen.  kerattes  42,2.  (dagegen  mit 
einfaohem  t:  kerate  Alji  und  120,i);  femer  in  petivm  =  badjam. 

2)  Das  ableitungsy  wird  vokalisiert  und  verdrängt  den 
flexionsvokal.  Dies  findet  nur  bei  neutr.  und  zwar  nur  im  dat. 
plur.  statt:  ketvätim  für  kervätum  82,^.  rvidarmuatim  von  st.  n. 
widarmuaü  54,i  (daneben  aber  auch  tvidarmuatum  53,i.  isar- 
nazzasum  82,i). 

II.  Feminina. 

Sing.  nom.  -a:  lira,  ruahcha,  rihhida  eic.  —  Gen.  Die  alte 
endung  -ö  findet  sich  bei  Kero  nicht  mehr.    Die  form  suano 

56.2,  die  Weinhold  s.  418  als  gen.  ansieht,  ist  dat.*)  —  Eine 
verdumpfung  dieses  -d,  nämlich  -u,  kommt  einigemale  vor: 
drinissu  59,2.  ori/rumu  60,i.  rehtungu  42,^  87,i  samanungu  84,2. 
leru  120,1.  —  Ob  auch  kiridu  102,2,  wie  Weinhold  meint,  gen. 
ist,  ist  nicht  ganz  sicher;  es  kann  auch  fälschlich  von  mit  ab- 

*)  Weinhold  führt  es  selbst  gleich  darauf  als  dat.  an. 

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438  SEILER 

hängig  gemachter  dat.  sein.  —  Die  gewönliche  endung  de» 
gen.  ist  -a  wie  im  nom.  z.  B.  helfa  29,i.  kilauba  29,2  etva  30,i. 
sela  40,2.  slahta  53,2.  ^^t/a  123,i. 

Dat.  gewönliche  endung  ist  -u:  lern  29,2,  tiuridu  31, j. 
auhhimgu  40,i.  sprahhu  48,2  etc.,  daneben  aber  nicht  selten  -a 
z.  b.  /r/nWa  43,2.  (inireitida  66,2.  uharfleozida  115,2.  uharfluaüda 
86,1 .  -ö  (wol  abschwächung  aus  -w;  vgl.  Dietrich  bist,  declin. 
s.  25)  nur  3mal:  mano  56,2.  fninno  (aber  in  -t^  konugiert)  57,i. 
^ro  59,2- 

Acc.  gewönliche  endung  -a.  Einmal  geschwächt  zu  -e: 
helfe  125;  zweimal  -w,  wenn  hier  kein  fehler  vorliegt;  rehtungu 
93,1.  eru  105,i. 

Plur.  nom.  gewönlich  -a  öfÄa  33,2.  racÄa  46,2-  sela  91,2-  — 
Zweimal  -0  secho  und  pisprahho  123,i.  —  Weinhold  s.  419 
führt  noch  selo  s.  40  an;  das  ist  aber  acc. 

Gen.  die  alte  endung  -0  lässt  sich  nur  an  einer  stelle  be- 
legen: unsamftido  ditÜGulUiium  110,2  (GraffVI,  227)*);  sonst  ist 
die  endung  der  schw.  deklinati(»n  eingedrungen  -ono  z.  b.  do- 
Iwigono  29,2.  kiridono  35,i  suanono  108,2  etc. 

Dat.  'öm  (oft  'Oom  geschrieben);  dafür  3mal  -on  66,0.  69,2. 
100,3.  einmal  -un:  wahtun  58,i.  —  Man  kann  auch  manimgum 
33,2  hierher  zie*hen.  Das  kommt  aber  wahrscheinlich  nicht 
von  einem  fem.  manunga,  sondeni  von  einem  masc.  manunc 
her;  vgl.  amunc  und  samanunc  120,^.  scatvunc  107,i. 

Acc.  -a:  sunta  39,i.  sela  39,2.  santa  66,2  etc.;  3  mal  -o; 
cello  35,2.  -^^^ö  40,1  2- 

Das  ableitungs-y  hat  sibh  bei  diesen  femininis  nie  er- 
halten; in  der  regel  fällt  es  aus,  ohne  spuren  zu  hinterlassen 
z.  b.  sunta  minna;  es  zeigt  sich  wenn  die  Stammsilbe  a  hat 
noch  im  umlaut  desselben:  secha  rixa  123,i.  kerta  39,2-  ?ieila 
29,1 ;  111  dem  letzten  werte  ist  es  zugleich  assimiliert,  ebenso 
wie  in  dem  fremdworte  milla  54,i. 

/-Deklination. 
Der  sing,  flektiert  bei  den  masc.  wie  in  der  a  deklin.   Von 
instrumentalen    sind    erhalten    das  ebenfalls   in   die  a-deklin. 
übergetretene  kasiu  lOO.j,  dann  aber  die  rein  gebliebenen  fora 


*)  Vgl.  Dietrich  bist.  decl.  s.  7,  anin.  14. 


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BENEDIKTINERKEGEL.  439 

heitio  ex  persona  53^2  (ä^«^  ist  nämlich  bei  Kero  auch  msc 
113^2*  120,2)  und  eddeslihchemu  fristeo  aliqua  scrupulositate  90,i. 
cfr.  Weinhold  s.  426.*) 

Bei  den  feniin.  hat  der  nom.  und  acc.  sing,  keine  endung, 
der  gen.  und  dat.  -i  mit  umlaut  der  Stammsilbe,  wenn  diese 
kurzes  a  enthält:  ensti  28.  steti  44,i  etc.  Zu  e  geschwächt  ist 
dieses  /  in  kitvonaheite  57.  63,i.  In  folgenden  fällen  steht  auch 
der  gen.  und  dat.  ohne  flexionsendung:  deoheit  gen.  41,2.  dat. 
50,1.  98,2.  rveroU  gen.  43,i.  kemonaheit  57.  ieilnumft  dat.  74. 
cht  gen.  80,2,  vielleicht  anst  33,i  und  47,2. 

Instrum.  kommen  nur  2  vor  und  auch  diese  nicht  ganz 
sicher.  Erstens  untar  rehteru  eidswerüu  sub  jurejurando  113,2. 
Graflf  VI,  895  nimmt  zwar  ein  st.  n.  eidswert  an  und  scheint 
davon  eidswerüu  herzuleiten;  das  wort  zeigt  aber  sonst  nur 
femininformen  nach  der  i  dekl.;  also  wird  man  auch  eidswerüu 
als  eine  solche  anzusehen  haben.  Zweitens  mezhafüu.  Dies 
wort  ist  die  Übersetzung  von  modesüä  (abl.)  73.  moderaie  73. 
mensurate  81,i.  99,2-  mensurata  107,2  (Graflf  II,  897).  An  letzter 
stelle  ist  es  oflfenbar  ntr.  plur.  eines  adj.  mezhaft;  die  andern 
scheinen  instrum.  eines  st.  f.  der  i  dekl^mezhaft,  gen.  mezhafti 
zu  sein.**) 

Im  plur.  gehen  msc.  und  fem.  gleich.  Ueber  den  umlaut 
s.  oben. 

Nom.  und  acc.  -i  kesü  winti  33,2.  lantsceffi  steti  etc.  Un- 
flektiert erscheint  der  nom.   und  acc.   plur.  in  kitaat  43,2  ^^^ 


*)  Dietrich  s.  17  nimmt  heiteo  und  fristeo  als  dat.  d.  w-deklination 
msc.  gener.    Eine  dativendung  -eo  gibt  es  aber  ebensowenig  wie  -m. 

**)  Die  erklärung  dieser  beiden  tormen  als  instrum.  von  st.  f.  der 
i-dekl.  hat  zuerst  aufgestellt  Weinhold  s.  428.  Ihr  widerspricht  nur  das, 
dass  von  femininis  der  a-deklin.  kein  instrum.  vorkommt.  Dietrich  s.  19 
erklärt  beide  als  dative  von  starken  femininis  der  w-deklin.  Allein 
erstens  i^t  swart  und  haß  als  starkes  fem.  der  w-deklin.  absolut  nicht 
nachweisbar,  sondern  nur  der  t-deklin.  und  zweitens  ist  eine  dativ- 
endung  -iu  eine  blosse  annähme,  die  sich  nicht  beweisen  lässt.  Da  nun 
auch  übersetzungs-  und  Schreibfehler  mit  im  spiele  sein  können,  so  wird 
sich  über  eidsrvertiu  und  mezhafüu  ebenso  wenig  wie  über  heiteo  und 
fristeo  je  ein  sicheres  urteil  fällen  lassen.  Dietrich  gibt  indes  selbst 
auf  s.  21.  die  möglichkeit  zu,  dass  die  instriunentalendung  -u  einst 
auch  den  femininis  zugekommen  sei. 


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440  SEILEK 

pncah  feinoralia  108,i,  wo  das  danebenstehende  dea  zeigt,  dass 
es  fem.  ist,  nicht  wie  Graflf  III,  277  meint  ntr. 

Gen.  die  ursprüngliche  endung  ist  -io  z.  b.  achmtio*)  2%. 
tatio  32,1.  hcreftio  57.  Gewönlich  steht  dafür  -eo:  Uuteo  31,2. 
kesteo  80,2.  83,2.  heiieo  38,i.  klspansieo  78.  arheit^o  101,2.  ^^^^^o 
107,1.  taieo  108,2. 

Dat.  endung  -im:  zdharim  44,1.  ^^'^«'^  ßlji-  kiwonäheitim  69,2. 
tatim  36,1.  kesihtim  32,2.  ^w/^/^  64,2  u.  s.  w.  • —  Der  dat.  plur. 
citiim  38,2.  66,1.  68,2  kommt  nicht  von  dem  st.  f.,  sondern  von 
dem  st.  n.  dt  her  (vgl.  Graflf  y,  633  ff).  Uebrigens  ist  dtim 
viel  häufiger. 

w-Deklination. 
Sie  ist  für  gewönlich  in  die  beiden  anderen  deklinatio- 
nen  übergegangen  und  zwar  der  sing,  des  msc.  in  die  a-dekl. 
fuazzes  107,i.  fuazze  46,i,  der  plur.  der  msc.  und  das  ganze 
fem.  in  die  /-deklination :  fuazzio  50,2.  feorfuazzeo  90,i.  hmieo 
50,2.  l'^ißeo  107,1.  "^ww^  vocat.  31,2.  siüm  39,2.  ^^n-  ^cnü  dat. 
sing.  31,2.  ßeste  der  wirklichen  z/-dekl.  sind:  acc.  fridu  31,2. 
43,1.  göD«  frldoo  32,1  (=  got.  -aus),  instrum.  in  fridiu  83,2.  ^^ 
fridiu  118,2.  ^ii'^y^  86.     Weinhold  rechnet   auch  fridu  45,i  als 

instrum.      Allein   es   ist  wol  acc:   die   stelle   lautet:    .    ' 

'  m  pace 

,.  Im  lateinischen  text  ist  päce  nur   versclirieben  für 

redire.  ^ 

pacem  (so  Holsten);  es  ist  nach  dem  sinne',  nicht  nach  den 

Worten  tibersetzt,  was  bisweilen,  wenn  auch  nicht  gerade  häufig 

vorkommt,  dat.  plur.  fuazzum  32,i.  96,i.  112,2.  kantum  (femiii.) 

46,1.  48,2.  93,2.  —  Ein  ntr.  kommt  nicht  vor. 

N-stämme  (schwache  deklination). 

Da  hier  in  der  deklination  der  substantiva  und  adjektiva 
kein  unterschied  stattfindet,  so  behandele  ich  beide  gleich  zu- 
sammen. 

Masculina.  Sing.  nom.  -0:  poio,  disco,  hreinisto.  —  erista 
45,2  ist  Schreibfehler. 


*)  Von  diesem  werte  kommt  ächustedn  vitiare  11 6,1  her;   das  %  des 
Stammes  ist  hier,  wie  im  gen.  plur.  gewöhnlich,  ebenfalls  zu  e  gebrochen. 


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BENEDIKTINERREGEL.  441 

Gen.  und  dat.  -m  gewönlich  mit  umlaut  der  Stammsilbe 
(vgl.  oben  s.  429).  —  antwurtan  49,2  ^^^  Schreibfehler. 

Acc.  'un.  Daneben  tritt  im  ersten  teile  ( —  s.  54)  und 
ausserdem  s.  121,1;  also  in  partien,  die  auch  das  anlautende 
h  und  die  Verdoppelung  der  langen  vokale  wahren,  nicht  selten 
die  endung  -on  auf:  43,2.  44,2  (2  mal)   47,2.  51,2  (2  mal)  52,2. 

54.1.  121,1.  Dies  -on  ist  die  mittelstufe  zwischen  ursprüngli- 
chem und  got.  -an  und  dem  späteren  -un,  nicht  etwa  ab- 
schwäcliung  aus  diesem. 

Plur.  nom.  und  acc.  Der  erste  teil  des  denkmals  unter- 
scheidet scharf  zwischen  nom.  und  acc.  Er  bildet  den  acc. 
stets  auf  'on:  31,i.  39,^.  45,^.  den  nom.  auf  -un^)  In  der  zwei- 
ten hälfte  (von  55  an)  kommt  der  acc.  gleichfalls  nur  auf-ö/i 
vor:  82,2.  123,i;  es  ersclieincn  aber  einige  -ort  auch   im  nom.: 

59.2.  61  {fordroron)  64,2-  100,2  neben  dem  gewönlichen  -im. 
Auch  hier  werden  wir  -on  als  verdumpfung  aus  ursprüngli- 
chem -an  (got.  -ans)  anzusehen  haben,  neben  der  sich  die  wei- 
tere verdumpfung  -un  erst  später  einstellte.  Der  Verfasser 
oder  Schreiber  der  ersten  hälfte,  dessen  Orthographie  überhaupt 
korrekter  ist,  befolgte  auch  hier  eine  bestimmte  regel,  die  in 
der  zweiten  hälfte  dadurch  .durchbrochen  wird,  dass  on  auch 
im  nom.  gebraucht  wird.  Wie  diejenigen  partien  der  zweiten 
hälfte,  die,  wie  wir  einigemale  gesehen  haben,  vielfach  zu  1 
stimmen  (79—82.  84—87.  90—95.  117—125)  sich  in  diesem 
punkte  stellen,  kann  aus  mangel  an  beispielen  nicht  gesagt 
werden. 

Gen.  'Ono:  28.  36,2.  42,i.  50,2.  ^^%i  etc. 

Dat.  'dm  (oft  -oom)]  4  mal  07i:  salmon  65,^.  geswason  104. 
selbon  92,i.  UO.i. 

Masculina  mit  dem  ableitungs/  gibt  es  überhaupt  nur 
sehr  wenige  und  das  j  ist  in  der  regel  spurlos  ausgefallen ;  so 
in  allen  parte,  praes.  In  eribo  34,^  hat  es  umlaut  hinterlassen ; 
in  willo  (got.  viljd)  und  urriutto  exstirpator  80,2  ist  es  assimi- 
liert, in  willeono  50,2,  ausserdem  noch  als  e  erhalten. 

IL    Neutra. 

Von  Substantiven  kommen  nur  vor:  aiiga,  herza,  ora. 


*)  ebanlozzon  29,2  ist  kein  gegenbeweis;  es  kann  ebenso  gut  der 
acc.  sein  als  der  nom.  (lat.  consortes). 


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442  SEILER 

Sing.  nom.  und  äcc.  -a.    gen.  und  dat.  wie  msc. 

Plur.  nom.  und  acc.  Zweimal  erscheint  die  altertümliche 
dem  got.  -ona  entsprechende  enduug  -on,  nämlich  ooron  31,2 
und  camemamon  83,i.  Ob  dieses  -on  noch  lang  oder  schon 
kurz  ist,  können  wir  nicht  wissen.  Das  daraus  durch  ver- 
dumpfung  entstandene  -ufi,  was  die  gewönliche  form  ist,  ist 
jedesfalls  kurz,  gen,  -ono.  dat.  -dm;  dafür  -on  in  selbon  (44,i. 
82,t.  110,,.  121,2. 

Ganz  Singular  sind  die  beiden  formen  herza  irveriu  (acc. 
pl.)  31,1  und  auga  oculi  (nom.  pl.)  52,i.  Gr.  I2  629  gibt  nur 
an,  dass  in  ihnen  der  nom.  plur.  und  sing,  gleich  sei.  Wein- 
hold s.  444  erklärt  sie  durch  ausstoss  des  themasuffixes  -an 
oder  'on-j  also  herz{ön)a,  Dass  dies  suffix  ursprünglich  vor- 
handen und  dann  erst  ausgestossen  sei,  möchte  ich  bezweifeln. 
Wahrscheinlich  standen  die  formen  ohne  suflfix  ursprünglich 
neben  denen  mit  suffix,  traten  aber  später  bis  auf  wenige 
reste  ganz  gegen  sie  zurück. 

III.    Feminina. 

Sing.  nom.  -«.  Die  übrigen  cas.  -ün  (auch  -umi  geschrie- 
ben vgl.  oben);  dafür  steht  einigemale  (101,i.  102,i.  2)  der 
Schreibfehler  -umi  Auch  hier  hat  sich  einmal  das  alte  -on  er- 
halten: fona  eriston  citi  99,^. 

Plur.  nom.  und  acc.  -wn.  gen.  -ono.  dat.  -dm,  wofür  ein- 
mal 'On  60,2. 

Die  feminina  mit  ableitungs-y  bewahren  dies  fast  immer; 
so  rediun  und  rorriun  calamum  121,i,  wo  durch  das  j  auch 
noch  Verdoppelung  der  vorangehenden  liqnida  herbeigeführt 
ist,  wie  in  willeono  50,2-  cotchundiun  71,  aber  cotchundufi  60,i. 
—  Von  fremdwörtern  gehören  hierher  calizia  caliga  107,i.  108,2 
und  lectia  (lecziüy  leccia,  leczea,  lectza,  lecza). 

Die  den  got.  auf  -ei  gen.  -eins  entsprechenden  feminina 
haben  bei  Kero  in  allen  cas.  des  sing,  und  im  nom.  und  acc. 
plur.  %  (ii);  im  gen.  plur.  kommen  sie  nicht  vor;  im  dat.  plur. 
haben  sie  -im:  iurim  96,i.  antreitim  118,2.  rvealihnissim  107,i. 
Danach  ist  auch  gebildet  der  dat.  fona  fimfchustim  a  pentecoste 
91,2.  —  -in  steht  in  ano  murmnlodin  ah^qne  murmurationibus 
91,1.  Eine  accusativform,  wie  Graflf  II,  860  meint,  kann  dies 
nicht  sein,  weil  der  acc.  immer  auf  -i  ausgeht. 


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BENEDIKTINERREGEL.  443 

Andere  consonantische  stamme. 

1)  Von  den  verwantschaftsnamen  auf  -tar  kommen  bei 
Kero  nur  folgende  formen  vor: 

nom.  und  voc.  sing,  fater  30,i.  gen.  fateres  102,2-  dat.  /a- 
tere  34,i.  dat.  plur.  {faie)run  60,i.  acc.  plur.  fatare  70,i.  wahr- 
scheinlich verschrieben  für  fatera. 

pruader  10i,i,  gen.  pruader  37,2.  nom.  plur.  {priiade)r  58,2 
und  pruadra  32,i.  gen.  pruadro  40,2  und  pruadero  41.  dat. 
pruadrum  58,i.  81,2  (pruadr)un  59,2-  pruadarum  10%.  acc. 
pruader  54,^. 

2)  fiant.  Hiervon  kommt  nur  der  acc.  plur.  fiant  43,i  und 
fimta  45,1  VOJ*« 

Von  friunt  nur  der  voc.  114,2. 

3)  naht.  gen.  iiaht  60,i.  7iah{t)  58,i*)  dat.  naht  58,i.  91,2. 
acc.  naht  69,i.  plur.  gen.  waÄ/o  60,2  und  waÄ^  69,2  (septi  no- 
ctium  für  Septem  noctium)  dat.  {nah)tum  65,|. 

4)  man  31,2.  gen.  mannes  45,i.  acc.  jnannan  in  ncomannayi 
44,2.  man  in  werachman  31,2.  55,i.  57,2**).  Plur.  gen.  wanno 
51,1.  52,1.  55,2.  dat.  mannum  47,i.  51,i.  2.  88.  acc.  {md)n  54,i. 

Adjektivische  deklination. 
Die  gewönliche  regel,  dass  die  adjektiva,  adjektivischen 
pronomina  und  participia,  wenn  sie  attributiv  stehen,  flektiert, 
wenn  sie  prädikativ  stehen,  nicht  flektiert  werden,  ist  bei  Kero, 
wo  überhaupt  von  deutscher  syntax  noch  keine  rede  sein  kann, 
nur  in  sehr  beschränktem  masse  zur  ausftthrung  gekommen. 
Attributive  und  doch  unflektiei-te  adjektiva  sind  z.  b.:  eocotveUh 
kernii  36,2.  lucki  urchundii  acc.  sing.  42,2.  ewic  ze  tvizze  31,i. 
eocowelih  antrahcha  108,2.  samft  inganc  110,2.  herösto  solih  110,2. 
Prädikative  und  doch  flektierte:  der  wirdiger  ist  36,i.  leidsame 
Tvortane  sint  51,2;  ähnlich  40,2.  43,2.  54,2.  55,i.  57,i.  75,2.  öO,i. 
101,2.  117,2.  123,1  etc.  —  Wenn  adjektivische  pronomina  als 
Subjekt  gebraucht  werden,  so  stehen  sie  oft  unflektiert,  z.  b.: 
eocowelih  49,i,  einic  41,2.  hwelih  52,2.  53,i,  aber  auch  flektiert, 
z.  b.  einer  eocoweliher  90,i.  102,2.  niheiner  41,2. 

*)  Hattcmcr  ergänzt  an  dieser  stelle  fälschlich  nahti.  —  Als  adv. 
steht  tiahtes  noctu  45,i.  52.  98,2* 

*•)  Lachmann  specim.  ling.  franc.  liest  hier  weracmannan  statt  we- 
racman  (si)nan. 


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444  SEILER 

Im  folgenden  behandele  ich  mit  den  adjektiven  zugleich 
diejenigen  pronomina,  die  genau  ebenso  flektiert  werden. 

Sing.  uom.  msc.  -er  {-eer).  —  Von  /H  steht  '38,i  der  re- 
gelmässige nom.  frier  neben  friger^  wo  das  i  ein  palatales  g 
hinter  sich  erzeugt  hat.  —  In  umeer  50,i  ist  -ar-  nicht  weg- 
gefallen, noch  weniger  steht  es  für  unser,  sondern  ee  ist  cc  = 
a  vgl.  s.  435.  —  fem.  -iu.  ntr.  -azinös). 

Gen.  msc.  und  ntr.  -es.  In  neoweht  srvarre  29,i  ist  s  am 
Schlüsse  durch  einen  Schreibfehler  ausgefallen.  —  fem.  6e- 
wönlieh  -era;  -eru  nur  in  sineru  109,2  ui^d  {sine)ru  lll,i. 

Dat.  msc.  und  ntr.  Die  ältere  dem  got.  -amma  näher 
stehende  endung  -amu  findet  sich  noch  in  zwei  beispielen:  wn- 
gaherzamu  45,^.  chundamu  116,2*).  Sonst  steht  stets  -emu,  — 
Im  fem.  kommen  2  endungen  neben  einander  vor:  -era  und 
eru\  letztere  ist  die  gewönlichere,  erstere  findet  sich  aber 
auch  über  30  mal.  Danach  ist  zu  berichtigen  Weinhold  s.  472. 
—  Für  -eru  steht  2  mal  -ero:  kisaztero  69,i.  In  alonger  69,2 
ist  der  endvokal  durch  einen  lapsus  calami  weggefallen. 

Acc.  msc.  -an,  fem.  ■^.  ntr.  -az. 

Vocat.  ist  unflektiert:  faterlih  36,i. 

Instrum.  nur  im  msc.  und  ntr.  endung  -w.  Die  stellen, 
wo  er  vorkommt,  sind  folgende:  einu  mezzu  38,2-  mit  cuatu 
muatu  47,2-  eocowelichu  mezzu  69,2.  ^6»  ^o  tvelichu  mezzu  76. 
113,2.  nohheinu  mezzu  87,^.  106,i.  2-  mihhilu  min  multo  minus 
91,1,  mihhilu  mer  multo  magis  117,i.  mit  sinu  kipete  cum  ejus 
oratiöne  102,2  (hier  also  der  instrum.  des  adj.  mit  dem  dat. 
des  substant.  verbunden),  fora  allu  40,i.  81,i.  100,2  und  er  allu 
ante  omnia  91,^.  —  Zu  -0  geschwächt  ist  die  endung  in  mit 
ubilo  muatu  cum  malo  animo.  Weinhold  s.  472  führt  auch  lu- 
zilo  mer  58,i  als  instrum.  an,  wahrscheinlich  durch*  die  schon 
eben  citierten  stellen  91,i.  117,^  dazu  bewogen;  allein  da  im 
lat.  text  das  adverb.  modice  steht,  so  ist  auch  luzilo  sicherlich 
adverb,  und  nicht  instrum. 

Plur.  nom.  und  acc.  msc.  -e  (2  mal  -ee).  An  3  stellen 
steht  dafür  -a:  lefsa  dina  labia  tua  31,2.  durah  einluzza  per 
singulos  107,1.  und  desa  118,2.  —  Fem.  -0.    Ntr.  -iu.     Unklar 


*)  In  kichvetamu  59,2  und  duruhchuetamu  61,2  ist  dagegen  bloss  die 
Silbe  -ne-  durch  ein  versehen  weggefallen. 


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BENEDIKTINEEREGEL.  445 

sind  die  beiden  stellen:  andro  reliqua  69,i  und  ooriin  hormdo 
aures  audiendi  31,2*,  hier  scheint  für  -m  geradezu  -0  zu  stehen, 
doch  wird  man  wol  misverständnisse  des  lat.  annehmen  müs- 
sen.   Zu  letzter  stelle  s.  unten*). 

Gen.  Durch  alle  3  genera  -ero.  Verdumpfung  zu  -eru  in 
allem  35,2-  mnrmolo7iteru  47,2.  "<^^  i^  cotchundera  78  und  al- 
tera scnum  87,  wo  die  lesart  aber  nicht  ganz  siclicr  steht. 

Dat.  Durcli  alle  3  genera  'em{eem).  -en:  unmahtike^i  101. 
rumen  115,0.  unhorsamen  37,i. 

Das  ablcitungsy  wird  bei  den  adjcct.  ebenso  behandelt 
wie  bei  den  substant.,  d.  h.  es  fällt  in  den  flektierten  kasus 
für  gewönlieh  ganz  weg  oder  hintcrliisst  nur  noch  eine  spur 
im  Umlaut  {herlem  37,i.  unsemfta  39,2);  nur  die  konsonanten  r 
und  t  lieben  es,  das  folgende  j  sich  zu  assimilieren,  swäri  hat, 
wo  es  flektiert  ist,  überall  rr:   swarriu  84,i.  swarrera  85.  29,i. 

93.1.  ^öji-  122,1,  aber  natürlich  swarisUm  108,i ;  ebenso  drätter 

91.2.  121;2;  ^uch  bei  n  kommt  die  assimilation  vor  in  hrein- 
nan  castum  121,i. 

Uebcr  die  bildung  des  adverbs  ist  gar  nichts,  über  die 
komparation  wenig  zu  sagen.  Der  komparativ  wird 
durch  -/Vö  oder  -dro,  der  Superlativ  durch  -isto  oder  -dsto^gc- 
bildct.  .  Die  adverbia  -6r  und  -ist  oder  -ost  (aber  nicht  -//•). 
Wann  -iro,  -isto  oder  -uro  -osto  eintritt,  darüber  lässt  sich 
keine  regel  gel)en;  aucli  findet  zwischen  den  einzelnen  partien 
des  deukmals  hierin  kein  unterschied  statt.  Zwischen  /  und 
o  schwanken  heriro,  meriro  und  imrlro.  -ero  für  -iro  steht  in 
kenuhisfimera  86,1.  jungasiln  63,2  i^t  Schreibfehler  für  jnngisün, 

4.     Pronomina. 

Das  ungeschleclitige  persönliche  pronomen  geht 
im  allgemeinen  ganz  regelmässig.  Ueber  seh  102,2  und  euuih 
31,2  s.  oben.  —  Noch  ist  zu  bemerken,  dass  die  unterschiede 
zwischen  den  dativen  um  iu  und  den  accusativen  unsih  iuuih 
nicht  ganz  streng  festgehalten  werden.  Es  steht  unsih  als  dat. 
33,2.  um  als  acc.  29,i.  31,i.  iu  als  acc.  46,i. 

Vom   geschlechtigen  persönlichen  pronomen  kommen  nur 


*)  Dietrich  s.  6  erklärt  dieses  -o  als  verdumpfung  aus  dem  got  -«. 


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446  SEILER 

folgende  formen  vor :  nom;  er  dat.  imw  (imo  77)  iru.  acc.  inan. 
plur.  nom.  msc.  sie  37,i.  gen.  iro.  dat.  im, 

Demonstrativa.  —  1.  der,  Ueber  dieses  pronomen 
hat  den  tatbestand  scheinbar  genau,  aber  vielfach  unrichtig 
angegeben  Hattemer  in  Höfers  Zeitschrift  fttr  die  Wissen- 
schaft der  spräche  III,  s.  66  —  73.  —  Die  Scheidung,  die  er 
dort  stets  zwischen  demonstrativem,  relativem  und  artikclge- 
brauch  des  pronomens  macht,  ist  ganz  unnütz. 

Sing.  nom.  msc.  der,  ■ —  fem.  nur  diu,  Hattemer  gibt 
daneben  die  form  dea  als  2  mal  vorkommend  an.  Dies  ist 
falsch.  Die  beiden  stellen  sind:  dea  achust  82,2  und  108,2; 
hoc  Vitium  kann  der  form  nach  sowol  nom.  als  acc.  sein. 
Der  Übersetzer  fasste  es  als  acc.  Dass  das  nicht  wunderbar 
ist,  wird  der  IL  hauptteil  zeigen.  —  ntr.  daz,  —  gen.  msc. 
und  ntr.  des  (dez  75,i).  —  fem.  gewönlich  dera.  Dafür  oft  die 
abkürzung  dr;  diese  löst  Hattemer  stets  durch  der  auf  und 
sucht  dies  a.  a.  o.  zu  rechtfertigen;  von  seinen  gründen  ist 
keiner  stichhaltig.  Die  form  der  kommt  nie  vor  und  es  ist 
überall  dera  zu  lesen.  Für  dera  liest  Hattemer  66,2.  84,i.  88. 
dem,  ob  mit  recht,  ist  die  frage ;  vgl.  die  einleitung  Hattemers 
s.  23  über  die  ähnlichkeit  der  buchstaben  a  und  u.  102,2  kann 
dera  von  mit  abhängiger  dat.  sein.  Das  einzige  sichere  bei- 
spiel  von  dem  für  dera  ist  dem  sineru  listi  109,2?  weil  hier 
deru  mit  v  geschrieben  ist.  Einmal  dero  89,|.  —  dat.  msc. 
und  ntr.  demu.  —  fem.  deru  etwa  26  mal,  dera  21  mal;  die 
abkürzung  dr,  die  sowol  de7^a  als  de7'u  bedeuten  kann ,  et>va 
10  mal.  Die  angaben  bei  Hattemer  sind  nicht  richtig.  Zwei- 
mal def^o  41,2.  ö8?2-  —  ^cc.  msc.  den,  —  ntr.  daz  (das),  fem. 
5  mal  dia,  7  mal  dea  und  ausserdem  noch  in  den  beiden  oben 
erwähnten  stellen  82^2-  108,2,  2  mal  die  46,2.  112,i. 

Instrum.  von  Hattemer  gar  nicht  erwähnt.  Er  findet  sich 
nur  im  msc.  und  ntr.  und  zwar  nur  in  folgenden  Verbindungen : 
er  diu  ex  hoc  79,  exinde  84,i.  fora  diu  deinde  59,2.  96?i-  ^fl^^ 
diu  postea  79.  95.  post  quem  62,2  (zweimal),  widar  diue  di- 
verso  120,2  undjy/t?m  ideo  quoniam  oft.    Einmal  dsifVir  pidio  79. 

Plur.  nom.  und  acc.  msc.  dea  22  mal,  die  11  mal,  dio 
118,2,  ^i^  33,1*).  fem.  dea  habe  ich  5  mal  gefunden,  deo  2  mal 

*)   Hattemer   gibt  ausdrücklich  an ,   die  form  dia  komme  im  plur. 
nicht  vor  und  doch  findet  sie  sich  an  jener  stelle. 


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BENEDIKTINERKEGEL. 


447 


(Hattemer  gibt  6  und  3  an).  Die  beiden  dei  s.  108  schreibt 
Hattemer  mit  recht  dem  neutrum  zu.  —  ntr.  Die  form  diu  kommt 
nur  2  mal  vor:  diu  selhun  33,i.  diu  meistun  41,i.  (Hattemer 
hat  die  erste  stelle  Übersehen);  sonst  stets  dei.  Die  form  deo 
s.  60,1,  die  Weinhold  s.  462  als  ntr.  bezeichnet,  ist  fomin.  — 
gen.  in  allen  geschlechtern  dero,  —  dat.  durch  alle  geschlech- 
ter gleich  und  zwar  diem  14  mal,  dem  17  mal  (Hattemer  giebt 
11  und  12  an). 

Da  der  acc.  sing,  fem.,  der  nom.  plur.  msc.  und  der  dat 
plur.  je  2  verschiedene  formen  haben  und  dieselben  durch  das 
ganze  denkmal  ziemlich  häufig  sind,  so  haben  wir  an  ihnen 
möglicherweise  wider  ein  kriterium  für  verschiedene  Schreiber 
und  Verfasser.  Legen  wir  die  abteilungen  zu  gründe,  die  sich 
uns  nun  schon  öfter  herausgestellt  haben,  so  stellt  sich  die 
Sache  so: 


acc. 

sing.  fem. 

nom. 

plur. 

dat.  plur. 

dia 

dea      die 

die 

dea 

diem    dem 

28  —  54 

3 

1 

9 

1 

9 

55  —  57 

1 

58—78 

3 

10 

4         6 

79  —  82 

1 

82  —  84 

84  —  87 

88  —  90 

90  —  95 

96  —  116 

117  —  125 

1 

4         1 

1(94). 
1(108,,) 

1(88) 

8 
2 

2 
1 
6 
2 

2.  deser,  —  Sing.  nom.  msc.  deser  {deseer  53,i).  —  fem. 
4  formen:  1)  deisu  45,2.  ^^%i-  Weinhold  s.  56  meint,  ei  stehe 
hier  schlechtweg  für  e.  Es  ist  wol  vielmehr  eine  deklination 
beider  teile,  aus  denen  das  wort  zusammengesetzt  ist,  anzu- 
nehmen. 2)  desiu  69,2.  '7^?i'  ^)  ^'^^^  l^^i»  4)  disu  105,2- 
107,1.  ntr.  kommt  nicht  vor.  —  gen.  desses  32,2.  —  dat.  msc. 
desemu  29.  38.  59.  83.  fem/ deseru  22.  54.  dr  ru(7)  111,2.  — 
acc.  msc.  desan.  fem.  desa,  ntr.  fehlt.  —  instr.  desu  mezzu  78. 
Wahrscheinlich  ist  auch  after  disu  63,2  i^^ch  analogie  von  «/- 
ter  diu  als  instrum.  zu  fassen,  ob  wol  es  auch  acc,  plur.  ntr. 
sein  kann. 


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448 


'  SEILER 


Plur.  nom.  und  acc.  msc.  dese  llO^j.  desa  118,2.  fe^a.  fehlt, 
ntr.  1)  deisu  31,2.  45,2-  52.  2)  desiu  29,,.  33.2.  36,i.  40,i.  49,i. 
3)  desu  30,1.  —  gen.  desero  35,2-  Scliilter  liest  an  dieser  stelle 
derero.  Danach  Graflf  V,  76  ebenfalls  dererb.  Diese  falsche 
lesart  schleppt  sich  dann  selbst  bis  in  Weinholds  alem.  gr. 
s.  467,  der  sich  hier  begnügt  hat,  aus  GrafiF  zu  cxceqiicreu.  — 
dat.  desem  {deseem  80,2). 

Hier  lässt  sich  kein  kriterium   für  verschiedene   Verfasser 
aufstellen,  da  die  formen  nicht  häufig  genug  sind. 
Das  fragepronomen  hwer. 

Es  kommen  davon  folgende  formen  vor:  nom.  hwer,  hrvaz 
{was  96,2).  dat.  hwemu  31,2.  instr.  wiu  in  za  wiu  ad  quod  114,2. 
Dieses  wiu  ist  niclit  zusammenzubringen  mit  dem  durch  Zu- 
sammensetzung entstandenen  hweo,  hwea  (got.  hvaiva)  vgl.  s.  426. 
Weinhold  s.  294.    Graff  IV,  1193. 


5.  Formen  der  präfixe. 
1)  Am  häufigsten  ist  das  präfix  ga-.  Die  wenigen  fälle, 
wo  dies  präfix  sein  g  bewahrt,  sind  schon  s.  403  aufgezählt. 
Für  die  mit  k  beginnenden  formen:  ke,  ki,  ka,  die  durch  das 
denkmal  hindurch  verschieden  verteilt  sind,  können  wir  die 
tabelle  benutzen,  die  Steinmeyer  im  16.  bände  der  Hauptschen 
Zeitschrift  pag.  131.  aufgestellt  hat.  Derselbe  hat  auch  die 
formen  der  präposition  ze,  zi,  za  in  eine  tabelle  gebracht,  die 
so  ziemlich  zu  jener  stimmt  Wir  setzen  beide  tabellen  neben- 
einander: 


ke 

ki 

ka 

ze 

zi 

za 

28  —  57 

218 

54 

3 

stets 

58  —  79 

11 

71 

43 

6 

6 

27 

79  —  82 

23 

4 

2 

82  —  84 

1 

7 

4 

2 

84  —  87 

23 

1 

1 

1 

88  —  90 

3 

5 

2 

1 

1 

90  —  95 

35 

3 

8 

96  —  116 

34 

76 

43 

11 

3 

6 

117  —  125 

68 

27 

1 

13 

2)  ar  nur  40.  72.  74.   78.  82,2.  109,2.  111,,.  lOS,,.    ur  nie 
bei   verben,  sondern  in  den  subst  urchundi  42,2.   urlauM  48. 


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BENEDIKTINERREGEL.  449 

urchust  109,2.  urriutio  80,2.  urchundo  114,i  und  dem  adject 
urtriwer  121,2.  Sonst  stets  er.  —  S)  pi  gewönlich;  selten  Z>/, 
einmal  pe-  29,i.  —  4)  Das  dem  lat.  dis  entsprechende  präfix 
lautet  ze  40,i  (zweimal)  51,2.  zi  63,i.  68,i.  69,i.  2.  83.  za  69,2. 
—  5)  /ar  gewönlich;  fir  nur  in  firlazanne  109,i.  Blosses  f  in 
florini  123,i.  —  6)  ant  bleibt,  wenn  es  den  hochton  trägt,  d.i. 
vor  nominibus  und  davon  abgeleiteten  verben:  antwurti,  ant" 
läz,  antrdhha,  antfrahida,  antfangida,  antfanclih,  antlengan  und 
einmal  in  anpintan;  obwol  hier  der  ton  auf  der  zweiten  silbo 
ruht  65,2.  Vor  verben  und  davon  abgeleiteten  nominibus  steht 
int  z.  b.  inthaben,  inthabard,  intdecchan,  intwaidn,  intlühhan,  int- 
ßhan,  seltener  ent:  32,2.  36,i.  79.  84,i.  111,2.  113,i.  In  aw^  und 
int  fällt  bisweilen  das  t  weg:  anlengan  33,2.  inpintan  37,^. 

6.    Konjugation. 
Starkes  verbum. 

Die  ablautreihen  unterscheiden  sich  nicht  von  den  gewön- 
lichen  althochdeutschen;  es  ist  daher  unnötig  sie  hier  aufzu- 
fuhren. Auch  die  Veränderungen  der  vokale  und  konsonanten 
sind  regelmässig.  Es  findet  sich  z.  b.  keliti  (2  sing,  praet  von 
Udan)  kasotan,  kaslagan,  kasnitan,  kaleran;  von  pliurvan  heisst 
das  part  praet.  mit  ausfall  des  w  kapluan  97,^.  üeber  farci- 
kan  und  erhapan  siehe  oben  s.  413  und  419. 

Die  formen  der  reduplicierenden  verba  schwanken 
bei  Kero.  Ich  stelle  sämmtliche  präterita,  die  vorkommen,  zu- 
sammen: 

1)  Verba  mit  a  im  stamme:  fial  33,2.  piheialt  57,i.  entftanc 
36,1.  ^^n*  ^%*  2«  keanc  49,i.  farliazzi  54,2.  forleazzi  83,i. 

2)  Verba  mit  ei  im  stamme:  hiaz  45,i. 

Von  verbis  mit  d  im  stamme  kommt  leider  kein  beleg  vor. 

Also  7  mal  ia,  2  mal  ea,  1  mal  eia.  Wie  sind  nun  diese 
formen  und  namentlich  piheialt  zu  erklären?  Die  Weinholdsche 
erklärung  ist  folgende  s.  328  ff.:  piheialt  ist  die  älteste  form*) 
und  entspricht  dem  got  haihald  genau;  nur  dass  der  anlau- 
tende stammconsonant  ausgefallen  ist.  Aus  eia  wird  ea,  ebenso 
aus  aio  io,  aus  aiai  ee  und  demnächst  e.  Die  uneigentlichen 
diphthonge  ea  und  So  seien  dann  als  brechung  von  iu  eu  an- 


*)  Zuerst  hat  sie  als  solche  bezeichnet  Grimm,  gr.  P,  862. 

Beitrüge  snr  geschiobte  der  deatschen  aprache.  I.  30 


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450  SEILER 

gesehen  und  allmählich  ganz  auf  den  weg  dieser  brechung  ge- 
drängt worden*);  so  habe  sich  neben  ea,  eo  erst  ia,  io,  dann 
ie  eingestellt.  Weinhold  nipimt  also  bei  den  verbis  mit  a 
und  0  im  stamme  einen  unmittelbaren  tibergang  von  ea  und 
eo  zu  ia  und  io  an,  bei  denen  mit  ei  im  stamme  erst  eine 
Verdichtung  zu  e  und  dann  eine  brechung  dieses  e  zu  ea  ia, 
—  Die  formen  der  w.  redupl.  mit  stammhaftem  a  zeigen  aber, 
dass  diese  mittelstufe  des  e  auch  bei  ihnen  anzunehmen  ist. 
Früher  als  Malt,  fial,  giang,  sUaf  erscheinen  die  formen :  hili^ 
fei,  geng,  slefun^*).  Hierdurch  wird  die  Weinholdsche  ansieht 
also  dahin  modificiert,  dass  die  reihenfolge  der  formen  nun 
diese  ist: 

1)  aia 

2)  eia 

3)  Kontraktion    e 

4)  Brechung     ea  ia, 

Ist  es  nun  glaublich,  dass  ein  und  dasselbe  denkmal  ne- 
ben den  gewönlichen  aus  dem  e  gebrochenen  foimen  einmal 
die  uralte  dem  e  vorangegangene  form  behalten  habe?  Kaum; 
zwischen  eia  und  ea  muss  ein  zu  bedeutender  Zeitraum  gele- 
gen haben,  als  dass  beide  von  demselben  oder  doch  von  gleich- 
zeitigen Verfassern  gebraucht  sein  könnten.  Dazu  kommt  noch, 
dass  die  mittelstufe  e  in  unserem  denkmal  gänzlich  fehlt.  Es 
ist  zwar  schade,  dass  die  altertümliche  form  piheialt,  die  als 
solche  selbst  in  die  Hejnesche  laut-  und  flexionslehre  gedrun- 
gen ist  (s.  154),  auf  diese  weise  .verloren  gegeben  werden  soll. 
Allein  wenn  man  die  Sachlage  nüchtern  erwägt,  so  wird  man 
zugeben  müssen,  dass  sie  nicht  wol  eine  der  kontraktion  vor- 
angegangene form  sein  kann.  Viel  näher  liegt  die  einfache 
erklärung,  die  schon  Scherer  D.^  458  aufgestellt  hat,  dass  der 
Schreiber  nicht  gewust  hat,  ob  er  e  oder  i  setzen  sollte,  weil 
er  einen  mittellaut  hörte  und  deswegen  beides  neben  ein- 
ander gesetzt  hat.  Dass  dieser  mittellaut  zwischen  ea  und  ia 
bei  den  brechungen  des  e  gehört  wurde,  zeigt  das  nebenein- 
ander vorkommen  der  formen  mit  ea  und  Ia  nicht  nur  tn  den 


*)  Dass  dies  möglich  ist,  zeigt  hvaiva,  hrvia,  hrvia  oben  s.  426. 
**)  Vgl.  Graflf  unter  den  betr.  werten  und  Jacobi,    beitrage  zur 
deutschen  grammatik  s.  61. 


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BENEDIKTINERREGEL.  451 

präteritis  der  vv.  reduplic,  sondern  auch  in  meas  und  mias 
(vgl.  R.  425).  Dass  ferner  2  vokale  neben  einander  gesetzt  wer- 
den, um  einen  zwischen  beiden  schwankenden  laut  zu  bezeich- 
nen, dafür  hatten  "wir  schon  oben  (s.  424)  als  beispiel  neowiehti 
s.  55,1.  ^^^  zwar  steht  dieses  beispiel  in  derselben  abteilung 
des  denkmals  wie  piheialt,  nämlich  s.  55 — 57.  Dazu  kommt 
noch  ein  drittes  beispiel  aus  eben  dieser  abteilung  unmittelbar 
neben  piheialt:  anao.  Das  wort  heisst  gewönlich  ano,  einige- 
male  auch  ana  (46,2.  80,2.  117,2);  der  vokal  der  letzten  silbe 
schwankte  also  offenbar  zwischen  a  und  o.  —  Demnach  hatte 
der  Schreiber  dieser  abteilung  die  eigenheit,  einen  mischvokal 
durch  zwei  nebeneinandergesetzte  vokale  auszudrtlcken.  Drei 
beispiele  davon  finden  sich  auf  2^2  sciten. 

Das  resultat  ist,  dass  piheialt  entweder  als  pihealt  oder 
als  pihiali  zu  lesen  ist,  dass  es  um  nichts  altertümlicher  ist, 
als  keanc  und  fianc  und  endlich,  dass  wir  mit  belegbaren  for- 
men noch  immer  nicht  über  das  lange  kontrahierte  e  hinaus- 
kommen. 

Eine  andere  ansieht  über  die  entstehung  der  zusammen- 
gezogenen reduplicierten  praeterita  im  ahd.  entwickelt  Scherer 
('zur  geschieh te  der  deutschen  spräche'  s.  11  ff.  und  in  der  '  Zeit- 
schrift für  österreichische  gymnasien*  1873^  heft  4,  s.  295  flf.). 
Nach  ihm  ist  nämlich  im  got.  haihald  das  ai  nicht  diphthong, 
sondern  S,  also  haihald  =  hihald  ahd.  hehalt.  Daraus  wird 
dann  hehlt  und  mit  ausfall  des  die  Wurzel  anlautenden  kon- 
sonanten  und  ersatzdehnung  helt  (weiter  dann  healt ,  Mali). 
Ist  diese  theorie,  welche  sich  auf  einige  ags.  formen  Qieht,  leolc, 
reord  u.  s.  w.)  gründet,  richtig,  so  ist  natürlich  eine  form  pi- 
heialt von  selbst  unmöglich.  Ob  sie  richtig  ist  oder  nicht,  dar- 
über wage  ich  hier  nicht  zu  entscheiden.  Keinesfalls  darf  man 
die  form  piheialt  länger  als  beweis  für  die  diphthongische  natur 
des  ai  der  reduplikationssilbe  anführen. 

Flexionsendungen. . 
Die  schwachen  verba  der  ersten  klasse   haben  im  allge- 
meinen dieselben  endungen,  wie  die  starken;  das  wenige,  wo- 
rin sie  abweichen,  ist  weiter  unten  bemerkt  worden. 

Praes.  ind.  1.  -ii.  2.  fehlt.  3.  -it.  Einmal  zu  -et  ge- 
schwächt: kelidet  78,  was  jedoch  vielleicht  durch  das  unmittel- 

3Q* 


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452  SEILER 

bar  folgende  kelide  veranlasst  ist     Plur.  1.  -ames.  2.  -at  nur 
imperativisch  (40,i,  54,2  ©^c.).  3.  -mit. 

Conj.  1.  -e.  2.  -Ss.\  es  ist  wol  nach  analogie  des  plur. 
lang  anzusetzen,  obwol  es  nie  mit  ee  geschrieben  vorkommt 
3.  -e.  Vielleicht  isfr  das  -e  in  der  1.  und  3.  person  lang;  dar- 
auf kann  wenigstens  die  form  trahtohee  tractet  116,i  führen*). 
—  Plur.  1.  -emees,  qhuememees  35,2;  sonst  ist  -es  abgefallen; 
es  bleibt  nur  -em:  teilnemem  29,2.  2.  -et  (eet).  3.  Sn  (een). 
Dreimal  -an:  furichueman  proveniant  87,i.  arbeitan  laborent 
100,1.  lesan  legant  100,2.  D^.  unmittelbar  daneben  sehen,  int- 
fahen,  umbicangen  u.  s.  w.  steht,  so  ist  das  -an  Schreibfehler**). 

Imperat  2.  sing,  ohne  flexion.  —  Plur.  1.  -ames.  Da 
diese  form  in  den  grammatiken  gewönlich  gar  nicht  angeführt 
wird,  so  könnte  man  zweifeln,  ob  sie  existiert.  Ich  zähle  da- 
her alle  fälle  auf:  piitames  rogemus  28.  erstantames  exsurgamue 
31.  hoorrames  audiamus  31.  kangames  pergamus  32.  kesezza- 
mees  35.  tuamees  48,i.  kelaubpamees  51,2-  kasehames  66,2.  kehen- 
kames  90.  MüUennoflf  sprachproben  *  s.  IV.  führt  noch  einige 
andere  beispiele  an;  die  sind  falsch:  der  conj.  ist  in  ihnen 
von  einer  konjunktion  (ut  licet  dum)  abhängig  und  im  deut- 
schen ist  der  ind.  für  den  conj.  gesetzt,  was  nicht  selten  vor- 
kommt.   2.  -at 

Praeter.  2  sing.  -i.  Plur.  1.  -umes  qhatumes  61,,.  64,2. 
94,2.  106,,.  (pirumes  29,^.  34^2  ö^^O'  ^  "^^  entfiangut  36,^.  na- 
mut  11.  3.  'Un  qhamm  33,2-  eigun  1.08,i.  118,2.  —  Conj._nur 
3  sg.  '%.  2  pl.  At  (iit)  31,2.  3.  -m  (wol  in)  eigin  38,i.  91,2.  H  V 

Ueber  inf.  und  parte,  praes.  siehe  unten  bei  den  schw.  w. 
1.  klasse. 

Parte,  praet  -an;  es  wird  stark  und  schwach  flektiert. 
Schwächung  zu  -en  in  erhqpener  55.  pifolahenem  11. 


•)  Wie  Weinhold  s.  369  den  offenbaren  imperat.  erktvarabi  averte 
51,1  für  die  3  sing.  conj.  mit  Wandlung  des  e  zu  i  halten  kann,  ist  mir 
unerklärlich. 

**)  Ich  würde  dieselbe  erklärung  anwenden,  die  wir  schon  oben  bei 
skirmeen  hoorreen  hatten,  nämlich  dass  ursprünglich  ee  stand  und  dass 
dieses  von  dem  Schreiber  als  cc  =  a  gelesen  sei,  wenn  in  diesem  ab- 
schnitt die  Verdoppelung  des  e  überhaupt  vorkäme. 


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BENEDIKTINERREGEL.  453 

Schwaches  verbum. 
I.  klasse,  mit  j  gebildet. 
Zuerst  fragt  es  sich,  wie  sich  dies  ableitungsy  mit  dem 
auslaut  des  Stammes  verbindet. 

1)  Ist  dieser  Stammesauslaut  eine  muta,'so  tritt  in  Ver- 
bindung mit  dem  j  der  sogenannte  konsonantenumlaut,  über 
den  ich  oben  bei  den  einzelnen  muten  gehandelt  habe^  ein, 
also  z.  b.  got  gj  wird  ck,  kj  =  eck  oder  ch,  dj  =  tt,  bj  ==  bp 
oder  bb,  pj  =  ff  etc.  —  2)  Ist  der  stammauslaut  doppelkonso- 
nanz;  so  fällt  das  ableitungsy  spurlos  aus,  abgesehen  von  et- 
waigem umlaut  eines  a  im  stamme,  also  chundan,  fullan,  fu- 
rihertan,  mendan,  ehern fan,  starfajchan,  karfajwan.  —  Ebenso 
nach  schliessendem  w  des  Stammes:  keun/rawen  und  keunfre- 
wen;  drawen  und  dretven,  —  3)  Schliesst  liquida  oder  s  den 
stamm,  so  tritt  in  den  bei  weiten  meisten  fällen  assimilation 
des  j  an  den  schliessenden  konsonanten  ein  und  zwar  ohne 
rücksicht  darauf,  ob  die  vorhergehende  silbe  langen  oder  kur- 
zen vokal  hat  (vgl.  s.  423).  Wenn  aber  in  der  flexionssilbe  i 
folgt,  also  in  der  2.  und  3.  sg.  praes.  und  im  imperat.,  so  wird 
dieses  als  ableitungse  angesehen  und  der  vorhergehende  kon- 
sonant  bleibt  einfach;  also  hörran  aber  höris,  hörit,  pisrverran 
aber  piswert.  Beispiele:  illan  50,2.  kezellan  30,2.  sellan  31,i. 
wellan  35,2.  farsümman  80,2.  chennan  40,2.  63,2.  wännan  45,i. 
29,1  etc.  hreinnan  42,2.  kagannan  106,i.  119,2.  zeichannan  82,|, 
suannan  55,i.  118,2.  hörran  (sehr  oft)  lerran  36,i.  48,2.  nidarran 
48,2.  pisrverran  38,2.  zimberren  (3  pl.  conj.)  88,  skerran  121,,. 
chnmsan  44,^.  wissan  41,,.  —  Ausnahmen  kommen  nur  fol- 
gende vor:  abandnmasen  coenent  91,2.  wänan  53,2.  56,2.  hörendo 
31,2.  reinen  (3  pl.  conj.)  64,i.  leru  31,2.  wxsan  11.  \0%,  —  Eine 
ausnähme  nach  der  anderen  seite  hin  ist  die  wirkliche  erhal- 
tung  des  ableitungs/  Sie  findet  sich  nur  in  einem  verbum, 
aber  an  2  stellen;  piwerie  prohibeat  55,2*)  und  mit  einschub 
eines  palatalen  g  piwerigem  (lies  -gen)  prohibeant  120,2. 


*)  Hattemer  sinnlos  pitverte.  Richtig  Graff  I,  927.  Lachmann  spe- 
cimina  1.  f.  —  Auch  mein  freund,  H.  Dr.  Löschhorn,  der  auf  meine  bit- 
te so  gütig  gewesen  ist,  die  stelle  bei  seiner  durchreise  durch  St.  Gallen 
anzusehen,  versichert,  dass  piwerie  dastünde,  nur  habe  das  t  oben  einen 
kleinen  querstrich. 


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454  SEILER 

Ueber  die  flexionsendungen  des  praes.  ist  wenig  zu  sagen. 
Die  1  plur.  ind.  tritt  nur  2  mal  ungeschwächt  als  -ames  auf: 
kalaubames  99,i.  70,  3  mal  geschwächt  oder  assimiliert  zu  -emes: 
nidarremes  48,2-  rvannemes  29,i.  forakisuannemes  123,i.  —  In 
der  2.  sing,  imperat.  tritt  das  i  der  ableitung  hervor:  dretvi, 
pisweri,  refsi  38,2.  erhrvarabi  51,^ 

Bildung  des  Präteritums  und  part.  prät. 

Das  prät.  wird  in  allen  schw.  vv.  durch  Zusammensetzung 
mit  der  wurzel  dha  gebildet.    Die  flexion  ist  diese: 

Sing.  1.  -ta.  2.  -tds  {-toos)  53,2.  54,i.  55,2-  3.  -ta.  Soweit 
stimmt  die  flexion  mit  dem  gewönlichen  ahd.  Der  plur. 
flektiert  aber  im  gemeinahd.  -tumSs,  -tut,  -tun,  in  unserem 
denkmal  kommen  nur  die  formen  -tomes  und  -ton  vor.  Ich 
führe  sie  zunächst  sämmtlich  an:  intfrahetomes  und  kehortomes 
34,1.  kisaztomes  66,2.  123,2.  lirnetomes  114,i.  platoon  33,2-  /ö^r- 
hocton  37,1.  Urneton  34,2.  fardoleton  100,^.  suanton  118,2.  wolton 
31,1.  Wiö  sind  nun  diese  formen  auf  -tomes  {-tot)  -ton  zu  er- 
klären? Es  stehen  sich  hier  zwei  ansichten  gegenüber.  Die 
eine  ist  die  von  Weinhold  s.  373  vorgetragene:  das  0  sei 
weiter  nichts  als  „Öffnung"  (brechung)  für  u,  also  jünger  als 
das  gemeinahd.  u  in  diesen  formen.  Die  doppelschreibung  des 
0  in  platoon  33,2  beweise  nichts  für  die  länge  desselben ,  wie 
obonoontiki  49,2  zeige,  ebensowenig  die  circumflexe  bei  Notker. 
Die  andere  ansieht  hat  Jak,  Grimm  in  Pfeiffers  Germania  III, 
r47  ff.  aufgestellt.  Sie  ist  kurz  diese :  die  -tomes,  -tot,  -ton  der 
älteren  alemannischen  quellen  sind  lang;  sie  sind  wesentlich 
verBchieden  von  den  -tumes,  -tut,  -tun  des  gemeinahd.  und 
zwar  altertümlicher;  denn  sie  sind  entstanden  durch  zusammen- 
ziehung des  got.  -dedum,  -dedup,  -dedun,  während  das  gemeinahd. 
die  silbe  de  ganz  ausgestossen  habe.  Diese  Grimmische  ansieht 
ist  mit  ausnähme  des  allerletzten  entschieden  richtig  und  zwar 
aus  folgenden  gründen: 

1)  Kero  hat  als  pluralendungen  des  präter.  der  starken 
vv.  immer  -umes,  -ut,  -un  (s.  die  oben  gegebenen  stellen),  der 
schwachen  verba  immer  -omes,  (-ot)  -on.  Es  ist  undenkbar, 
dass  beim  st.  v.  nie,  beim  schw.  v.  stets  die  brechung  des 
u  z\i  0  eingetreten  sei.  —  2)  Notker  hat  im  plur.  prät,  der 
st  vv,  stets  -en,  -e(n)t,  -en,  der  schw.  stets  -on,   -o(n)tj  -on 


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BENEDIKTINERREGEL.  455 

(oft  sogar  mit  circumflex  versehen).  Es  ist  undenkbar,  dass 
die  u  der  starken  vv.  stets,  die  der  schw.  vv.,  die  doch 
schon  lange  zwo  verdtlnnt  waren,  nie  zu  tonlosem  e  ge- 
schwächt seien.  —  3)  Es  sind  Zeugnisse  für  die  länge  des  o 
vorhanden:  plaioon  bei  Kero,  die  circumflexe  bei  Notker.*) 

Das  sind  die  äusseren  gründe,  die,  wie  mir  scheint,  die 
Grimm'sche  ansieht  schon  evident  als  die  richtige  erweisen. 
Dazu  kommen  noch  innere  grtlnde,  die  uns  zugleich  über  die 
entstehung  des  ahd.  schw.  präter.  einige  aufklärung  geben. 

Nehmen  wir  als  beispiel  got  nasjan  ahd.  nerran.  Die  ge- 
wönliche  grammatik  nimmt  an,  oder  —  da  sie  sich  nicht  be- 
stimmt darüber  ausspricht  —  scheint  wenigstens  anzunehmen, 
dass  aus  nasidedumj  nasidedup,  nasidedun  das  ahd.  nerltumesy 
neritut,  neritun  einfach  durch  ausstossung  der  silbe  dS  hervor- 
gegangen seL  Das  ist  an  sich  schon  sehr  unwahrscheinlich; 
denn  die  silbe  de  war  doch  sicher  viel  höhßr  betont  als  die 
flexionssilben  -dum,  -dup,  -dun;  wie  hätte  sie  ihnen  weichen 
sollen?  Man  muss  von  vornherein  annehmen,  dass  de  vielmehr 
die  flexionssilben  verdräAgte.  Es  entspricht  nun  freilich  dem 
got.  S  in  der  regel  ahd.  ä;  aber  es  ist  deswegen  doch  nicht 
unmöglich,  dass  ihm  in  diesem  falle  d  entspricht  —  6  und  e 
sind  beides  doch  nur  trübungen  des  reinen  ä  —  und  dass  in 
der  tat  in  den  präteriten  der  schw.  vv,  ahd.  8  dem  got.  e 
entspricht,  beweist  die  2  sg.;  neritös  ist  auf  keine  andere 
weise  zu  erklären  als  aus  nasides;  es  stimmt  buchstabe  für 
buchstabe  und  6  =  e.  Im  plur.  wurde  nun,  wie  das  ja  bei 
den  reduplicierenden  verben  überall  der  gang  gewesen  sein 
muss,  der  anfangskonsonant  der  zweiten  silbe  ausgestossen 
und  das  d  verschlang  dann  das  folgende  schwachbetonte  u; 
also: 

got.:    nasides,  nasidedum,      nasidedup,  nasidedun, 

ahd.:  neritös,  neritötum-es,  neritötut,      neritotun, 

—      neritd(u)m-es  nerit6(u)t  nerit6{u)n,**) 

Das  war  der  gang  im  alemannischen  dialekte.   Man  kann 


•)  Dasselbe  weist  neuerdings  nach  Begemann,  'das  schwache  praet. 
in  den  german.  sprachen'  BerUn  1873,  s.  177  ff.    W.  B. 

**)  Möglich  auch,  dass  in  diesen  silben  ursprünglich  ä  stand,  was 
sich  erst  nach  ausfall  des  zwischen  stehenden  d  mit  dem  folgenden  u 
zu  d  verschmolz.    Indes  die  zweite  sing,  macht  die  annähme  unnötig. 


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456  SEILER 

nun  nicht  annehmen,  dass  die  übrigen  deutschen  dialekte  die 
silbe  de  ausgestoBsen  haben;  denn  das  wäre  ein  so  tiefer  und 
wesentlicher  unterschied  zwischen  den  dialekten  der  deutschen 
spräche  wie  er  sonst  nirgends  vorkommt  und  ganz  unbegreif- 
lich wäre.  —  Das  gemeinahd.  u  ist  also  nicht  das  u  der 
letzten  flexionssilbe:  dum,  dup,  dun,  sondern  eine  spätere 
Schwächung  und  verdumpfung  des  älteren  d,  wie  z.  b.  auch 
aus  aicsdna  drun  wurde.  Der  alemannische  dialekt  und  spe- 
ciell  unser  denkmal  hat  sich  von  dieser  verdumpfung  frei  er- 
halten und  die  alten  formen  gewahrt. 

Der  conj.  prät  kommt  nicht  vor.  —  Das  partic.  prät.  hat 
die  endung  -tSr  und  wird  adjektivisch  dekliniert. 

Wie  werden  nun  diese  präteritalsuffixe  an  die  stamme 
der  schw.  w.  erster  klasse  angehängt?  Es  handelt  sich  dabei 
lediglich  um  das  verhalten  des  ableitungS;/  und  es  sind  zwei 
Hassen  hier  scharf  von  einander  zu  trennen. 

1)  Die  verba  mit  kurzer  Stammsilbe;  hier  bleibt  das  i 
stehen  z.  b.  kecremiter  31,i.  kidenit  71.  intspenitaz  41,i  kescutitaz 
44,1. 121,1.  kezeliiem  52  und  kizelita  33,i.  kastrewitiu  73.  kidewite 
58,1.  formulita  121.  chnusita  33,i  etc. 

2)  Die  verba  mit  langer  Stammsilbe  oder  mit  zwei- 
silbigem stamm.  Hier  geht  wider  ein  bestimmtes  und  durch- 
gängig beobachtetes  gesetz  durch  das  ganze  denkmal,  nämlich : 
das  ableitungs  i  steht  nur  im  partic.  prät.  und  zwar  nur,  wenn 
dasselbe  unflektiert  ist,  d.h.,  wenn  das  /  des  Suffixes  das  wort 
schliesst  Folgt  dagegen  hinter  dem  t  noch  ein  vokal  —  also 
im  präter.  und  im  partic.  präter.,  wenn  es  flektiert  ist  —  so 
fehlt  jenes  i  ohne  ausnähme.  Ich  mache  dies  zunächst  an 
einigen  beispielen  deutlich.  Fälle  der  ersten  art,  nämlich  un- 
flektierte participia  präter.  sind:  kecasiluamit  35,2.  keflehit  123,i. 
pihdlsit  53,1.  kekaumit  84.  pihefiit  99,2.  kerihtit  39,2.  keresUt  32,2. 
kerefsit  95.  101,i.  kerehhit  81,i.  keswarit  89,2.  Fälle  der  zweiten 
art,  also  präterita  und  flektierte  partic. :  erchertiu  89,2.  erflaucter 
29.  erlaupta  111,2.  kanidartan  112,i.  k^uazter  40,2.  kesciiahte 
32,1.  kervihter  30,i.  65,2.  80,2.  kezeihhanüu ,  -temu,  -ta  45,i.  93,i. 
105,2.  suanton  118,2.  Besonders  auschaulich  sind  nebeneinander- 
stellungen, wie  diese: 

kelerit  51,2.  kilerie  34,i.    kelertan  121,i, 

duruhfulUt  96,2.  kefultemu  94,i.    erßdtiu  45,i. 


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BENEDIKTINERREGEL.  457 

kehorit  wirdiL  100,i.  hdria  45,i.  46,1-  kihörtaz  93,2. 

kenemmit  36,i.  119,i.  kinamtem  60,i. 

piheftit  99,2.  pihafter  46.  84,i. 

kesezzit  sehr  oft.  kesazter,  sazta  sehr  oft. 

kerihtit  39,2.  kerihtaz  106,2. 

Ärera/MY  95.  101,i.  kerafster  78.  97,i. 

ersuahhit  53,2.  kesuahtoos  53,2. 

ziteilit  63,1.  piteilte  45,^. 

kistrehchit  112,2  kestrahter  96,^. 

Aus  diesem  ganz  streng  durchgeführten  gesetz  folgt,  dass 
die  form  kirihüda  direxit  11 6,^  nicht  präter.  von  r/Ä^a«  ist;  das 
mtiste  kirihta  heissen  (ausserdem  wäre  -<to  flir  -ta  unerhört); 
es  ist  vielmehr  irrttimlicherweise   das  substantivum  gesetzt 

Besondere  bemerkungen:  1)  Doppelkonsonanz  wird  vor 
dem  unmittelbar  folgenden  i  vereinfacht:  erfullU  aber  kefultemuy 
kesezzit  aber  kesazter,  kenemmit  aber  kinamtem,  huckan  aber 
farhocton.  —  2)  Wenn  eine  konsonantenverbindung,  deren  letzter 
consonant  t  ist,  den  verbalstamm  schliesst,  so  wird  dieses  t 
vor  dem  t  des  sufßxes  nicht  geschrieben,  picurte  cincti  von 
cur  tan  32,i.  73.  pihafter  von  he f tan  46.  kekakanrvartan  von 
kakanwertan  52,^.  santa  misit  von  sentan  47,i.  —  Wenn  ein- 
faches t  den  stamm  schliesst,  so  bleibt  es  gewönlich  stehen; 
keleitta  32,2.  anäleittos  53,2.  kepreittemu  29,2.  forakipreitter  123,2- 
ausgefallen  ist  es  in  ketheomualemu  von  deomuatan  109,2»  — 
3)  In  den  fällen  zweiter  art,  d.  h.  wo  das  ableitungse  fehlt, 
tritt  der  sogenannte  rückumlaut  ein,  d.  h.  statt  des  umgelauteten  e 
steht  wider  a,  Beispiele:  Jcesazter,  kestacler,  kestrahter,  kinam- 
tem, pidachta,  karafster,  pihafter,  santa,  unbirvamter  von  rvem- 
mmi  51,2.  —  4)  Die  beiden  formen  karata  45,^  und  ,kekarater 
50,2  nitisten  eigentlich  Ararw^a,  /r^/rarw;-/^r  lauten;  Ad^xm  karatvta, 
kekarawter  mit  eingeschobenem  a,  endlich  ist  das  w  ausgefallen. 
Inf.  und  partic.  praes.  Wir  behandeln  hier  die  st.  vv. 
zugleich  mit  den  schw.  I.  kl.  zusammen.  Bei  beiden  endigt 
sich  der  inf.  auf  -an,  Einigemale  ist  dies  zu  -en  geschwächt : 
er/M//^40,2. 70,1. 98,2.  ^r/awi>m  106,1.  oorren  1  lS,i.  qhueden  119,i. — 
Der  inf.  wird  auch  dekliniert.  Der  gen.  kommt  nur  zweimal 
vor:  anaplasannes  inspirationis  71  und  abasnidannes  abscisionis 
78.  Der  dat.  ist  dagegen  ungemein  häufig,  aber  nur  in  Ver- 
bindung mit  der  präposition  ze  (gewönlich  gerundium  genannt). 


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458  SEILER 

Seine  regelmässige  endung  ist  -anne;    doch  sind  hierbei  3  Un- 
regelmässigkeiten zu  beachten: 

1)  statt  -anne  steht  -enne;  beides  erscheint  oft  unmittelbar 
neben  einander  z.  b.  karatvmne  28.  aber  gleich  darauf  zecham- 
fanne;  ze  rihtenne  und  ze  rihtanne  s.  40.  Die  st.  v^^  haben  nur 
-arme,  die  schw.  Smal  -enne,  13mal  -anne.  Von  tuan  steht 
7mal  tuenne,  8mal  iuanne.  —  Scherer  D*  484  erklärt  dieses 
-enne  als  umgelautet  aus  ursprünglichem  -anja ;  ungelöst  bleibt 
dabei  die  frage,  warum  dies  -enne  dann  nicht  ebensogut  bei 
dqn  st.  vv.  eintritt.*) 

2)  Für  nn  steht  einfaches  n.  —  Dies  findet  auch  bei  den 
schw.  vv.  IL  und  IIL  klasse  statt.  —  Es  zeigt  sich  erst  in  der 
2.  hälfte  (von  s.  55  an)  und  zwar  besonders  häufig  auf  den 
selten  58  —  71,  nämlich  9mal  (daneben  ISmal  nn);  nachher 
nur  noch  zweimal:  101,2  und  116,2. 

3)  Nach  dem  n  tritt  ein  d  ein.  Weinhold  s.  348  notiert 
dieses  als  erst  im  14.  Jahrhundert  vorkommend.  Es  steht  aber 
schon  in  unserem  denkmal  ze  chundande  98,2. 

•Das  partic.  praes.  kann  stark  und  schwach  flektiert  wer- 
den; im  unflektierten  zustande  ist  seine  endung  -i,  z.  b.  suah- 
hanti  52,i.  keaückenti  ^Sy^,  Schwächung  zu  -^  in  theononte 
55,j  und  qhuedante  96,i.  Vom  partic.  praes.  wird  auch  ein 
adv.  gebildet  auf  -to :  zeohanto  63,i.  94,i.  lihanto  69,i.  Merk- 
würdigerweise zeigt  das  t  in  diesen  formen  die  -neigung  sich 
zu  d  zu  erweichen  {hör endo  31,2.  farsümmando  80,2);  was  sonst 
nie  beim  pari   praes.    vorkommt.      S.  darüber  unten  s.  470. 

Die  regelmässige  endung  ist  -anti;  sehr  oft  steht  daflir, 
sei  es  durch  umlaut  oder  durch  Schwächung  -enti.  Ein  unter- 
schied zwischen  st.  und  schw.  vv.  findet  hier  nicht  statt,  wol 
aber  zwischen  der  1.  und  2.  hälfte  des  denkmals.  In  der  er- 
sten steht  nämlich  39  mal  -an^i,  33  mal  renti,  in  der  zweiten 
(von  s.  55  an)  etwa  41  mal  -anti  und  nur  5  mal  -enti  (79.  92,2- 
108,1.  118,1.  122).  Von  tuan  heisst  das  parte,  stets  tuanti,  — 
Einmal  kommt  -inti  vor :   mezzinti  40,i  (s.  oben  s.  430).     Vom 


*)  Die  erklärung  dürfte  wol  die  sein,  dass  bei  den  schwachen 
verben  das  vorhergehende  j  das  a  in  e  verwandelt;  in  den  slavi- 
schen  sprachen  gejit  z.  b.  ohne  ausnähme  ursprüngliches  jo  in  je  über. 
W.  B. 


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BENEDIKTINERREGEL.  459 

partic.  praes.  abgeleitete  substantiva  oder  adjektiva  zeigen 
stets  'ant'  z.  b.  heilantt  37,i.  anastantantlih  30,2.  zefarantfih  40,i. 
unerlaubantlih  35,2. 

II.  klasse.    Ableitungsvokal  o  (oo). 

Die  1  sing,  praes.  kommt  nur  einmal  vor  und  zwar  ist 
das  ursprüngliche  m  der  eudung  schon  zu  n  geschwächt:  ke- 
lihhison  33,2.  —  D^r  conj.  hat  die  vollen  endungen:  2  sg.  -oes. 
3.  -oe,  3.  plur.  -oen.  In  der  3  sing,  wird,  um  die  scharfe 
trennung  beider  vokale  zu  bezeichnen,  zwischen  o  und  e  an 
folgenden  stellen  ein  h  eingeschoben :  duruftigohe  88.  trahtohee 
lW,i.  piscauuohe  120,^  (über  die  lesart  s.  oben  s.  422).  —  Die 
1.  plur.  imperat.  liegt  vielleicht  vor  in  auhchömes  augeamus 
102,2,  wenn  dies  nicht  ein  Übersetzungsfehler  und  einfach  der 
ind.  ist. 

III.  klasse.    Ableitungsvokal  e  (ee). 

Hier  ist  nur  sehr  wenig  zu  bemerken.  Die  1  sing,  hat 
das  -m  der  endung  bewahrt:  limem  55,2.  —  Vom  conj.  kommt 
nur  die  3.  sing,  und  die  1.  und  3.  plur.  vor;  sie  sind  stets  mit 
ee  geschrieben:  -ee,  -eem,  -een,  d.  h.  ee,  eem,  een.  Ableitungs- 
und flexionsvokal  sind  also  noch  nicht  zusammengeflossen.  In 
der    1   plur.   conj.    ist    das   -es   schon    abgefallen:    keameem 

Das  verbum  haben  schwankt  zwischen  der  L  und  III.  klasse. 
Es  hat  in  der  3.  sg.  hebit  28.  52,2.  90,,.  112,2,  im  praeter,  ki- 
hebita  33,i. .  In  den  übrigen  formen,  die  vorkommen,  (es  ist 
nur  der  inf.  imperat.  conj.  und  die  beiden  partic.)  zeigt  es  e 
und  auch  die  3  sg.  zeigt  einmal  habet  105,2.  —  Zusammenge- 
zogene formen  existieren  noch  nicht. 

Anomalien   der  conjugation. 

Vom  verbum  „sein"  kommen  folgende  formen  vor:  pist, 
ist,  pirumes,  sint ,  si  (sü  36),  sm  (sün  46).  was,  warum,  wesan. 

tuan,  1  sing,  hat  das  -m  gewahrt:  tuam  121,2.  plur.  tica- 
mes,  tuat,  tuant.  Im  conj.  wird  das  a  des  diphthongs  vom 
flexionsvokal  verdrängt:  3  sg.  tue,  2  plur.  tuet  (-eet).  —  Im- 
per.  tua,  tuat.  inf.  tuan,  prtc.  tuanti,  —  praeter,  teia,  tati,  teta, 
3  pl.  tatun.  prtc.  praet.  kitän  (kitaan).  kituan  40,2  i^^  bloss  ein 
Schreibfehler  für  kitaan  oder    der  herausgeber  Hattemer    hat 


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460  SEILER 

nicht  richtig  gelesen,  da  a  und  u  in  der  handschrift  einander 
ungemein  ähnlich  sehen.    S.  Hattemer  einleitung  s.  23. 

kankan,  üeber  den  Wechsel  von  c,  k  und  g  s.  oben.  — 
Die  nicht  zusammengezogenen  formen  sind  die  regelmässigen: 
ind.  kankanU  con].  .kankes,  kanken,  vai\i&r2iX,  kankames.  Die 
prtc.  kankanter,  kekankan  sehr  häufig.  Von  kontrahierten  for- 
men kommen  vor:  3  sg.  ana-gat  72.  kekat  120,2.  3pl.  anakaant 
82,1.  kant  123,i.  prtc.  praes.  kanti  56,2*).  uzkanti  9%.  Praet. 
keanc  49,i. 

Bei  stantan  {d  und  t  s.  oben)  sind  die  kontrahierten  for- 
men noch  seltener.  Es  kommen  nur  vor:  3  sg.  stat  114,2. 
3  plur.  stant  92,2.  inf.  stan  94,^.  114,2.  ^^  erstane  58,i.  —  Sonst 
geht  das  verbum  gfinz  regelmässig.  —  praeter.  2  sing,  far- 
stuanti  61,i. 

Von  pringan  lautet  das  parte,  praeter,  nicht  kepräht  wie 
im  gemeinahd.,  sondern  stets  keprungan.  Das  praeter,  kommt 
nicht  vor. 

Verba  präteritopräsentia. 
scal,  3,  pl.  sculun,  3.  sg.  conj.  sculi,  inf.  scolan, 
mac,  conj.  3  sg.  megi,  inf.  mag  an,  partic.  makanti, 
3  plur.   eigun  108,i.   118,2.     Das  ist  die  einzige  indikativi- 
sche form,  die  sich  von  diesem  verbum  findet.     Ihr  entspricht 
im  conj.  eigin  38,^.  91,2.  119,2.    Für  die  übrigen  formen  scheint 
der  conj.  den  ind.  verdrängt  zu  haben:  eigi  habet  31,2.  eigüt 
habetis  31,2. 

Tveiz,  2  sg.  weist,  3  pl.  rviszun  98,^.  conj.  sing.  rvizzL  3  pl. 
wizzin  46,,.  praeter,  wissa  55,i.  inf.  wizzan,  partic.  wizzantL 
prtc.  praet.  kervizzan  55,i. 

rvillu  34,1.  2  sg.  will  31,2.  3-  ^^li  31,2.  99,2.  101,i.  1  plur. 
wellemes  29,i.  49,2.  94,i.  wellant  36,i.  3  conj.  welle  42,2.  118,i- 
prtic.  wellenti  47,i.  praeter.  3  pl.  wolton  31,^. 

Ursprünglich  ist  das  verbum  konjunktivisch  gebildet.  Die 
3.  sing,  hat  auch  eine  reine  konjunktivische  form;  die  1.  ist 
indikativisch,  die  2.  sieht  aus  wie  der  ind.  eines  präteriti,  kon- 
junktivisch müste  sie  wiHs  lauten.     Der  plur.  und  der  conj. 


*)  Hattemer  liest  hier   kankanti,  indem   er   die   zweite  silbe  ohne 
grnnd  einschiebt. 


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BENEDIKTINERREGEL.  461 

sind  gebildet  wie  von  einem  st.  v.  Die  1  plur.  kann  aus  wel- 
lames  geschwächt  sein  (s.  oben  s.  454),  aber  es  kann  auch  eine 
konjunktivische  form  sein:  wellemes, 

n.    Yerhältnis  der  dentschen  ttbersetznng 
znm  lateinischen  text. 

Wenn  wir  die  deutsche  Übersetzung  rein  äusserlich  neben 
den  lateinischen  text  halten,  so  gewahren  wir  sogleich,  dass 
nicht  alles  gleichmässig  übersetzt  ist.  Bis  s.  57  ist  beinahe 
jedes  wort  übersetzt  worden;  nur  eigennamen  wie  Eli  oder 
oft  widerkehrende  ausdrücke  wie  abbas,  humilitatis  gradus  est 
etc.  fehlen;  auch  das  folgende  kapitel  lässt  nur  wenige  werte 
aus.  Dann  aber  wird  die  Übersetzung  lückenhafter  und  bald 
so  dürftig,  dass  sie  zu  einer  glossierung  einzelner  werte  her- 
absinkt. Auf  s.  103  steht  gar  kein,  auf  s.  104  nur  6in  deut- 
sches wort.  Nur  2  kapitel,  die  für  die  möncho  von  besonde- 
rer Wichtigkeit  sein  mochten,  sind  fast  vollständig  durchüber- 
setzt, d.i.  das  31.  „von  dem  kellermeister  des  klosters"  und 
das  49.  „von  der  beobachtung  der  fasten".  Die  selten  118 — 
122  zeigen  wider  etwas  mehr  deutsches;  von  s.  123  an  nimmt 
die  zahl  der  deutschen  werte  reissend  ab;  auf  s.  125  hören 
sie  ganz  auf.  —  In  der  letzten  hälfte  wird  es  ferner  beliebter, 
nur  die  endung  des  wertes  zu  schreiben  5  diese  abkürzungsme- 
thode  ist  aber  auch  schon  im  anfang  nicht  selten. 

Es  sind  nun  zwei  fragen  zu  beantworten: 

1)  Wie  weit  hat  der   Übersetzer   seine   lateinische  vorläge 
verstanden  ? 

2)  In  welcher  weise  hat   er  die  deutsche  spräche  gehand- 
habt, wie  gross  ist  seine  Übersetzungskunst? 

1.  Auf  die  erste  frage  lässt  sich  die  bestimmte  antwort 
geben,  dass  der  deutsche  Übersetzer  äusserst  wenig  von  der 
lateinischen  spräche  gewust  und  seinen  text  an  sehr  vielen 
stellen  durchaus  nicht  verstanden  hat. 

Ein  hinlänglicher  beweis  dafür  ist  schon,  dass  der  latei- 
nische text  an  vielen  stellen  völlig  korrupt  und  sinnlos  ist  und 
det  Übersetzer  doch  wort  fllr  wort  getreulich  ins  deutsche  über- 
tragen hat.  Einige  beispiele  mögen  genügen.  —  Gleich  auf 
s.  28  steht  im  texte:  rogemus  dominum,  ut  gratiae  suae  adi- 
beat  nobis  adjutorium  om'  tr'e  völlig  sinnlos  für  jubeat  nobis 


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462  SEILER 

adjutorium  ministrare.  Nichts  destoweniger  wird  ruhig  über- 
setzt: daz  dera  ensti  sinera  zuatue  urVs  helfa  und.  nun  ist  om' 
tr'e  als  omnis  terrae  aufgelöst  und  durch  eocowelihera  erda 
übersetzt.  —  S.  29,2  steht  sinnlos;  ab  ipsius  notitiam  magiste- 
rio  discentes  für  ab  ipsius  nunquam  magisterio  discedentes. 
Der  Übersetzer  schreibt  wörtlich:  fona  sin  selbes  chundidu  mei" 
startuam  lirnejite ;  er  macht  also  ausserdem  noch  notitiam  von  ab 
abhängig,  weiss  mithin  nicht,  dass  die  präposition  a  den  abl.  re- 
giert. —  Aehnlich  steht  48,2  ^  talia  eloquia  os  aperire  fiir  ad,  aber 
übersetzt  wird  die  stelle  durch  fona  soUhheru  sprdhhu,  also  a 
regiert  den  acc!  —  43,i.  perierit  für  perjuret;  deutsch  far- 
tverde.  —  50,i  steht  sinnlos  vita,  quae  humiliat  corde  ut  a  domino 
erigatur  in  caelum  (für  quae  humiliato  corde  a  domino  erigi- 
tur),  deutsch:  Hb  der  deomuatit  herzin  daz  fona  truhtine  si 
errihtlt  ze  himile,  —  58,2:  sie  temperetur  ut  vigiliarum  agenda 

parvissimo  intervallo mox  matutini  subsequantur  (für 

sie  temperetur  hora  vigiliarum  agenda,  ut,  parvissimo  intervallo 

custodito,    mox  matutini   subsequantur)  und  dieser 

unsinnige  text  ist  wort  für  wort  übersetzt  —  65,2:  completurii 
quo  tempore  (für  completuriique) ;  deutsch  aber  folnissi  dem 
citu  —  64,1  per  mit  dem  abl.,  67,i  post.  c.  abl.,  69,i  qui  in 
numero  supra  scriptus  fortiores  inveniuntur  für  scripto.  Hier 
sah  der  Übersetzer  ein,  dass  scriptus  keinen  bezug  hat ;  er  zog 
es  also  frischweg  zu  fortiores  und  übersetzt  kascribani.  —  72 
steht  die  unform  parceat  für  pai-tiatur;  der  Übersetzer  hält 
sie  für  den  conj.  von  parcere  und  schreibt  libbe.  —  76,i  simi- 
lis  vindictae  für  similem  vindictam ;  der  Übersetzer  setzt  natür- 
lich auch  den  gen.  —  90,2.  i^^c  subrepta  sacietas  für  ne  sub- 
repat  satietas;  übersetzt  ist  die  stelle  so,  dass  subrepta  «,1s 
abl.  aufgefasst  ist.  97,2  ^^^  ^8,i  steht  majori  subjaceat  emen- 
datione  aninae  veniam ;  peccati  causi  si  fuerit  latens  u.  s.  w. 
lür  majori  subjaceat  emendationi.  Animae  vero  si  causa 
fuerit  latens  u.  s.  w.  Das  unsinnige  animae  veniam  ist  durch 
ein  ebenso  unsinniges  selom  antlaz  widergegeben.  —  Diese 
beispiele  Hessen  sich  leicht  vermehren;  Hat  der  Verfasser  aber 
eine  so  grosse  anzahl  YöUig  sinnloser  stellen  übersetzt,  so  sieht 
man  daraus^  dass  es  ihm  bei  anfertigung  der  Übersetzung 
überhaupt  einerlei  war,  ob  er  den  text  verstand  oder  nicht 
Er   begnügte  sich   damit,   ihn  mechanisch  wort  für  wort  zu 


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BENEDIKTINEEEEGEL.  463 

ttbertragen.  Ein  zweiter  beweis,  dass  er  den  lateinischen  text 
nicht  verstanden  hat^  sind  die  zahllosen  Übersetzungsfehler. 
Nicht  nur,  dass  ungeheuer  oft  ohne  allen  grund  der  sing,  für 
den  plur.,  der  conj.  für  den  ind.,  das  präs.  für  das  präter.  — 
und  umgekehrt  —  gesetzt  ist;  es  stehen  sehr  oft  falsche  casus, 
ohne  dass  &ich  eine  ursaclie  dafür  finden  lässt.  Z.  b.  simpli- 
cioribus  factis  einfaltlihhero  taiim  37,2.  voluntatem  propriam 
rvilldm  eiganSm  46,2-  nostram  —  voluntatem  ünsereem  —  rvillan 
51,2.  Der  abl.  aeterna  clausura  durch  den  nom.  plur.  ewigiu 
piloh  48,2**)  vigilias  wahtotio  69,2.  Namentlich  wenn  im  lat. 
eine  form  verschiedene  casus  ausdrückt,  hat  der  Übersetzer 
oft  falsche  gewählt,  z.  b.  der  abl.  una  septimana  integra  durch 
eina  (acc.)  rvehcha  alonkiu  (nom.)  70,i.  Ebenso  ist  89,2  der  abl. 
remota  crapula  durch  den  nom.  übersetzt.  Bei  in  causa  gravis 
utilitatis  ist  gravis  als  nom.  zu  causa  gezogen,  hoc-sacrum 
Volumen  den-wiko  puah  30,^ ;  hier  ist  wiho  puah  der  nom.  statt 
des  acc.  lieber  hoc  vitium  dea  dehnst  82,2.  108,2.  vgl.  oben 
s.  446. 

Widerum  an  anderen  stellen  sind  die  lateinischen  worte 
falsch  auf  einander  bezogen.  Am  schlagendsten  ist  hierfür 
34,2:  monachorum  quattuor  esse  genera  manifestum  est  = 
municho  fioreo  rvesan  chunni  chiind  ist ,  wo  quattuor  als  gen. 
plur.  auf  monachorum  bezogen  ist.  —  Ebenso  ist  60,2  a  duo- 
decim  psalmorum  quantitate  =  fona  zwelifin  salmono  weomichili 
das  Zahlwort  duodecim  von  a  abhängig  gemacht.  —  40,2  su8. 
auf  fratrum  bezogen,  als  stünde  suorum  da.  —  55,2  ist  com- 
munis auf  regula  bezogen  und  da  dieses  fälschlich  für  den 
abl.  gehalten  wurde,  ebenfalls  durch  den  dat.  übersetzt.  — 
30,1  wird  admonitionem  in  2  worte  getrennt  und  durch  ze 
manungu  übersetzt  statt  durch  zuamanunga.  —  Ebenso  delibera- 
tione  111,2  durch  fona  frihalse,  als  stünde  de  libcrtate  da.  — 
36,1  Abbas  qui  praeesse  dignus  est  monasterio.  Hier  ist 
monasterio  für  einen  von  digfius  abhängigen  abl.  gehalten  worden 
und  demgemäss  deutsch  der  gen.  gesetzt :  wirdiger  ist  munistres. 
—  59,1  Post  hunc  (cantent)  psalmum  nonagesimum  quartum 
=  after  desemu  salmin  niuzogostin  feordin  als  ob  die  worte 
psalmum  nonages.  qu.  noch,  von  post  abhängig  wären. 

*)  Vielleicht  ist  ewigiu  mit  auf  das  vorhergehende  wort  bezogen. 

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464  SEILER 

Endlich  sind  einzelne  worte  in  ihrer  beedutung  mißver- 
standen und  falsch  übersetzt  worden.  Auch  hier  genüge  eine 
kleine  blumeniese.  —  uterque  ist  durch  joh  pedi  oder  indi  pede 
übersetzt  30,i.  36,2-  Richtig  nur  99,i.  —  Der  pater  Benedictus 
wird  30,1  zu  einem  kewihter  fater,  —  30,2  parendum  est  ist 
verwechselt  mit  parandum  est  und  durch  zekarawenne  über- 
setzt. —  33,2  vö^ti  impigerunt  (für  impegerunt)  in  domum. 
Der  Übersetzer  wüste  nicht  was  impigerunt  heisst;  da  kommt 
ihm  der  gedanke,  dass  es  vielleicht  von  impius  herkommt  nnd 
er  übersetzt  erloso  tatun.  —  40,^  verum  etiam;  v^rum  ist 
flir  das  ntr.  des  adj.  verus  angesehen  und  durch  war  übersetzt. 
—  53,2  quibus  libet  =  diem  lustim,  als  stünde  quibus  libidini- 
bus  da..  —  69,2  ist  parciendo  (von  partiri)  mit  parcendo  ver- 
wechselt und  durch  libanto  übersetzt.  —  86,^  hat  der  Übersetzer 
nicht  gewust,  was  revera  heisst;  er  bringt  es  mit  reverentia 
zusammen  und  übersetzt  forahtun,  —  111,2  l^i*®*  ®r  morosus 
(von  mora  =  diutinus)  von  mos  ab  und  übersetzt  situlih.  Gleich 
darauf  bringt  er  deliberatio  mit  libertas  zusammen. 

Die  komposita  sind  fast  durchgängig  so  übersetzt,  dass 
jeder  teil  einzeln  widergegeben  wird,  wodurch  worte  entstehen, 
die  es  in  der  deutschen  spräche  nie  gegeben  hat.  Man  kann 
es  doch  unmöglich  eine  wirklich  deutsche  Übersetzung  oder 
ein  wirkliches  Verständnis  des  lateinischen  nennen,  wenn  oboe- 
divit  durch  kaganhörta  46,i  subsequuntur  durch  untiri  sin  ke- 
folget  53,2,  perseverantes  durch  duruhrvonente  ausgedrückt  wird. 
Und  derartige  fälle  kommen  nahezu  auf  jeder  seite  vor:  sub- 
trahere  =  uniarzeohan  61,i.  residere  =  (warsizzan  61,,.  persol- 
vere  ==  duruhanpintan  65,2.  adm-inistrare  =  zuaambahtan  105,2. 
adjuvare  =  zuahelfan  35,2.  procurare  =  forakauman  84,i.  pro- 
movere  =  foraerwechan  117,2  u.  s.  w.  Das  hilfsverbum  ist 
sini  etc.  tritt  bei  diesen  Wörtern  fast  immer  zwischen  präpo- 
sition  und  verbum,  also :  Z7m  si  kiwartet  attendatur  69,2.  ö^wö  ist 
kamahchot  injungitur.   in  sint  kekangan  ingrediuntur. 

Damit  nun  niemand  die  lateinischen  kenntnisse  des  deut- 
schen Übersetzers  trotz  alledem  noch  überschätze,  erwähne 
ich  noch  folgendes  faktum:  äie|  deponentia  sind  durch  das 
ganze  denkmal  als  passiva  aufgefasst  und  demgemäss  übersetzt 
worden!  Beispiele  kann  man  auf  jeder  seite  finden;  ich  führe 
nur  einige  wenige  an:    hospitantur  =  sint  kecastluamit  35,2. 


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BENEDIKTINERREGEL.  465 

pätiatur  =  si  kedolet  40,i.  imitantur  =  sint  keläsinit  46,2.  ^oiJ^- 
sequitur  =^ist  kefolgit  47,2.  professi  sunt  ==  kegehane  sint  4(>,i. 
loqui  =  kesprohhan  rvesan  93,i.  sortiatur  =  si  erlozzan  76.  me- 
r^KiMr  =^  si  keamet .%\,i.  causentur  =  ^tn  /r/cÄ/a^o/  106,i.  me- 
morentur  =  ^m  kehukit  110,i.  adulantur  =  «n^  keflShit  123,i. 
tgredi  =  uzkekangan  rvesan  111,2.  tnugi  ^^  kepruhchit  tvesan 
117,1.  obliviscatur  =  si  erkezzm  117.  periclitari  =  kefreisöt  tve- 
san 123,1.  —  Nur  an  wenigen  stellen  sind  die  deponentia  rich- 
tig als  activa  tibersetzt;  ich  zähle  sie  alle  auf:  mereamur  = 
kearneem  29,2.  loquantur  =  sprehhen  31,2.  persequere  (imperat.) 
=  kefolge  31,2.  speculantur  =  scawönt  .52.  operentur  =  wer- 
choen  100,2.  dignatus  est  =«  kerverdonter  ist  30,2;  ebenso  digna- 
bitur  57,2-  utatur  =  si  pruhhanii  78.  consolatus  es  =  ketröstan- 
ter  pist  85  *).  Wenn  aber  ein  Inf.  act.  fiir  den  inf.  eines  de- 
ponens  gesetzt  wird,  wie  31,^.  48,2.  1^1,2?  so  ist  das  kein  be- 
weis, dass  der  Übersetzer  das  deponens  richtig  als  solches 
aufgefasst  habe.  Denn  auch  für  den  inf.  pass.  aktiver  verba 
steht  in  der  deutschen  Übersetzung  nicht  selten  der  inf.  act. 
Der  deutsche  inf.  act.  muss  mithin  neben  der  aktiven  auch 
passive  bedeutung  geliabt  haben.  Beispiele :  vocari  =  wissan 
41,1.  taceri  =  swigen  48,i.  videri  =  sehan  50,2.  renuntiari  =  ke- 
chundan  50,2.  sociari  =  kemahhon  94,2.  amputari  =»  abasnidan 
107,2. 

Summa:  Die  grammatischen  kenntnisse  des  deutschen 
Übersetzers  sind  ganz  schwach;  nicht  einmal  die  formenlehre 
hat  er  inne  und  von  syntax  hat  er  gar  keine  ahnung.  Dem- 
gemäss  ist  auch  das  .Verständnis  des  lateinischen  textes  bei 
ihm,*  wenn  überhaupt  eins  vorhanden  gewesen  ist,  jedesfalls 
äusserst  gering  und  kaum  zu  rechnen. 

2.  In  welcher  weise  ist  die  deutsche  spräche  in  unserem 
denkmal  gehandhabt,  bis  zu  welchem  grade  der  Selbständig- 
keit ist  sie  gelangt? 

Die  Übersetzung  ist  eine  interlinearversion.  üeber  jedes 
lateinische  woi*t  ist  genau  das  entsprechende  deutsche  geschrie- 
ben. Die  der  deutschen  spräche  fehlenden  formen  und  bildun- 
gen  des  lat.  müssen  durch  andere  ersetzt   werden.     Der  abl. 


*)  Falsch  ist  dieses  partic.  praes.  in  tvänenti  pirumis    existimati 
Bumus  53,j. 

Beiträge  zur  geschichte  der  deutschen  spräche  I.  31  . 


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466  SEILER 

wird  stets  durch  den  -dat.  ausgedrückt,  die  beiden  fut.  act. 
durch  den  ind.  praes.,  das  praes.  und  fut  pass.*  durch  Um- 
schreibung mit  dem  hilfsverbum  wesan  (der  inf.  praes.  pass. 
auch  durch  den  inf.  act),  das  impfet,  prfct  und  plsqmpfet. 
pass.  wird  49,2  durch  ward  und  wurtun,  sonst  durch  wesan  ge- 
geben. —  Dass  eine  solche  Übersetzung,  zumal  wenn  so  viele 
fehler  und  Unrichtigkeiten  hinzukommen,  keinen  lesbaren  text 
gibt,  bedarf  keiner  bemerkung. 

Indes  sind  doch  einige  punkte  vorhanden,  in  denen  der 
Übersetzer  von  seiner  lateinischen  vorläge  abweicht.  Diese 
müssen  jetzt  näher  ins  äuge  gefasst  werden. 

1)  Wenn  das  zur  Übersetzung  eines  lat  substantivums 
dienende  deutsche  wort  ein  anderes  genus  hat  als  das  latei- 
nische, so  folgen  die  dabeistehenden  adj.,  partic.  oder  prono- 
mina  in  der  regel  dem  deutschen  Substantiv.  Zunächst  ist 
dies  der  fall,  wenn  das  substant.  und  sein  attribut  unmittelbar 

watt    sifiati 
neben  einander  stehen.     Es   heist  also  z.  b.  43,2. 

spem  suam      ' 

Hb        ewigan        .^         ^^^  ^^    ^a        ubileru    edo    dbaheru 

vitam  aetemam       '^*      via  quae      '^'     malo       vel     pravo 


,       .     44,1 ;  aber  auch,  wenn  beide  durch  dazwischentretende 
eloquio      '^ '                  ' 

.         .         .         j  ,     siniu .  .  .  chinder  «^      libe    .  .  . 

Worte  getrennt  werden,  z.  b.                  £,.          30,2.     .^ 

^                         '  suos  .  .  .  filios          '     vitam .  .  . 

der    .  .  .  keharater      ist  «^      tod     ...  kisazter  ist    -^     chin- 

quae  .  .  .  praeparata  est  ^'^'  mors  .  .  .  posita      est      '^*    ma- 


nibahhon  .  .  .  andran 
xillam      .  .  .  aliam 


54,1. 


Ausnahmen.  Einigemale  ist  aber  so  mechanisch  tibersetzt, 
dass  das  attribut  statt  in  das  genus  des  deutschen  in  das  des 

lat  Substantivs  gesetzt  ist:  45,2-.    ,  ^  •    x 

'       haec  sunt  instrumenta  .  .  . 

dei      denne  sint       .  .  .  zuaaer/ultiu  indi  .  .  .  avarkezeihhaniiu 

quae   cum    fuerint  .  .  .  adimpieta     et     ...  reconsignata. 

39,1 :  X     *  *  *  '  wo  allerdings  zwischen  beiden   wör- 

'     peccata  .  .  .  .  ea,  ° 

tern    ein    bedeutender    Zwischenraum    liegt.    83,i  : 

^         '^     omnia   ne- 


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BENEDIKTINERREGEL.  467 

äurufti      ^o    .   äesemu  ackusti   ^        desa   kescrip^)        ,      , 
cessaria.      '^*  huic      vitio  '^*  hanc  scripturara. 

stelle  29,2:  dictontemu**)  des  rehtes  rediun  =^  dictante  aequi- 
tatis  ratione  entspricht  das  msc.  dictontemu  weder  dem  deut- 
schen noch  dem  lateinischen  genus;  das  msc.  ist  dadurch  ver- 
anlasst, dass  im  lat.  die  form  dictante  ebensogut  msc.  als  fem. 
sein  kann;  die  tibersetzung  ist  ganz  mechanisch. 

.^      forakeqhuüetaniu  des  meisires  kipot       duruhtaniudis- 
'^'  praedicta  magistri       jussio  et    perfecta  dis- 

Icifi        weTCLcfi 

.     ,.  .    Hier  kann  der  Übersetzer  opera  fiir  den  plur. 

cipuli    opera  ^  ^ 

von  opus  gehalten  und  demgemäss  auch  kipoi  als  plur.  behan- 
delt haben;  jedoch  ist  die  annähme  einer  einfachen  mechani- 
schen tibersetzung  auch  hier  das  wahrscheinlichste;  forakeqhuüe- 
taniu ist  fem.,  kipot  ntr. 

2)  Präpositionen,  die  im  deutschen  einen  anderen  cas.  re- 
gieren als  im  lateinischen,  folgen  zumeist  dem  deutschen  ge- 
brauch, aßer  c.  dat.  =  post  secundum  juxta  c.  acc,  ano  c.  ai  c. 
=  sine,  uzzana  c.  dat.  =  extra,  mit  c.  acc.  =  cum,  mit  c.  dat. 
=  apud,  pi  c.  acc.  =  pro,  ze  c.  dat.  =  ad,  er  und  fora  c.  dat. 
oder  instr.  =  ante,  uniar  c.  dat.  =»  inter.  Doch  sind  ausnah- 
men nicht  gerade  selten;  die  präposition  nimmt  dann  dem 
deutschen  gebrauch  entgegen  den  casus  zu  sich,  den  die  la- 
teinische regiert. 

ano  steht  3  mal  mit  dem  dat  statt  mit  dem  acc:      , 

absque 

einikeru  arbeiti  ana  einikemu  Hhhisode  ^.       ano        mur- 

ullo         labore       '^'  sine  aliquo      tyfo  '^'   absque  mur- 

mulodin  q, 

mulationibus      '^* 

ze  c.  acc.  statt  c.  dat.: 

ze  antlazza  ze  furistantantlihhaz  Mltar 

ad  inducias     '*^'  ad  intelligibilem         aetatem         ''^" 

Namentlich   in  der  Verbindung  mit  personalpronominibus 

sind  derartige  falsche  konstruktionen  der  präpositionen  häufig : 
ze  dih  =  ad  te  30,2.  ^^  «'^ö^  ad  eum  30,i.  86,2. 


*)  kescrip  kommt  nur  als  ntr.  vor. 

**)  Im  texte  steht  dafür  verschrieben  dictetemu\  das  richtige  38,i. 

31* 


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468  SEILER 

fora  und  fwui  haben  nur  den  dat;  es  steht  aber  der  acc. 
in  fora  dih  =  ante  te  52,i.  fona  sih  a  se  33,i.  43,2.  54^2« 

in  regiert  zwar  den  dat  und  acc;  es  steht  aber  in  sih  = 
in  se  33,1  (zweimal)  und  43,2,  stellen  wo  notwendig  der  dat. 
stehen  müste. 

after  regiert  sonst  nur  den  dat.;  37,2  steht  aber  dfter  dih 
=  post  te,  allerdings  in  der  bedeutung  „nach  hinten  hin",  die 
sonst  nicht  Yorkommt. 

Diese  Verbindungen:  ze  dih,  fora  dih,  fona  sih,  in  sih 
könnte  man  vielleicht  so  erklären  wollen,  dass  es  völlig  feste 
adverbiale  redensarten  geworden  seien,  in  denen  die  bedeutung 
des  casus  gar  nicht  mehr  gefühlt  wurde.  Allein  wann  sollte 
das  geschehen  sein?  Es  lässt  sich  nicht  nachweisen,  dass  ze 
fora  fona  im  deutschen  je  den  acc.  regiert  haben.  Nimmt  man 
die  vorher  angefahrten  fälle  hinzu,  durch  die  klar  bewiesen 
wird,  dass  auch  bei  den  präpositionen  die  mechanische  Über- 
setzung vorkommt,  so  wird  man  nicht  zweifeln,  dass  diese 
auch  hier  zu  statuieren  ist  Der  Übersetzer  übersetzte  ad  mit 
ze  und  eum  durch  inan,  ante  mit  fora  und  te  mit  dih;  in  'a 
se'  und  In  se'  hielt  er  se  flir  den  acc.  —  die  formen  des  acc. 
und  abL  sind  ja  gleich  —  und  schrieb  demgemäss  sih.  Dass 
sih  der  dat.  sein  solle,  ist  unmöglich. 

An  3  stellen  ist  aus  der  deutschen  konstruktion  plötzlich 

•     j«    i«A  •  •    i.    uu  Afx      ^^  ^^^^  erhabani  dia 

in  die  latemiBche  übergegangen:  49„.   ^^  .^^it^^ionem    iUam 

himiliscun    ^      in  Übe       ewigan         ^^  citi        andrem 

caelestem       '^*  in  vitam  aetemam        '^*  ad  horam  secundam 


^,         .    Die  Präposition  ze  ist  hier  nicht  ausdrücklich  über 

ad  gesetzt,  hat  aber  dem  Übersetzer  vorgeschwebt;  daher  zu- 
erst der  dat,  während  folla  in  den  lat  acc.  übergeht 

3)  Wenn  ein  deutsches  verbum  oder  adject  einen  anderen 
casus  regiert  als  das  entsprechende  lateinische,  so  ist  wider- 
um  eine  wirkliche  und  eine  mechanische  Übersetzung  möglich. 

a)  Der  deutsche  gebrauch  wird  dem  lateinischen  gegen- 
über festgehalten. 

prühhan  regiert  den  gen.,  uti  den  abl.  42,1.^7*^  ^    ^^.,f* 
°     '  '^  tttatur  consiho 


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BENEDIKTINERREGEL.  469 

folgen   regiert    den   dat.,    sequi    den   acc.  41,2. 

dero  meistrun  sin  kefolgei  rehtungu         ,     . ,       niheiner     eikanes 
magistr^m     sequantur     regulam  '^'  nuUus        proprii 

si  kafolget  herzin  willin  .  -     nohheineru  ist  kefolgei  anst 

ßequatur  cordis  voluntatem      '^'  nuUam       consequitur  gratiam. 

teilneman  c.  gen.  =  participare  c.  dat  (GraflF  V,  404)  29,2. 
dolungono      christes  teilnemem 
passionibuB  christi    partieipemuB. 

pitan  c.  gen.  =  exspectare  c.  acc.    (GraflF  III,  62)  102,2. 
dr  tvikun  ostrun    pite 
sanctam    pascha  exspectet. 

kerisit  und  kelimfit  c.  dat.  =  eonvenit  oder  condecet  c.  acc. 
.  -       discom        kerisit       imu       .  .  .  kelimfit      .^      meistre 

'^*  discipulos  eonvenit,  ipsum  .  .  .  condecet      ^^'  magistrum 
kerisit        diskin  kelimfit 

condecet,   discipulum  eonvenit 

piwerran  c.  dat.  =  lat  prohibere  c.  acc.     (So  auch  Tat. 

4A  \  o4      piiveri      zungun    dineru         ^ ,  ,      ,         i  •  i.    j 
14,2)  31,2.        V.*!.     !•  X.  öS  folgt  aber  gleich  der 

^^      '     prohibe   linguam  tuam;  °  ® 

indi  lefsa    dina   ^.      fona  diem      imu  piwerit 

et     labia  tua        '^'    a     quibus  eum  prohibuerit. 

drawan  c.  dat  =  arguere  c.  acc.  38,2. 

.   ,.  ,.  VI    ofi      wirdiger   munistres 

wtrdic    c.  gen.  =  dignuB  c.  abl.  36,i.    ,.     ^^  .    . 

°  ^  '^    dignuB  monaBteno 

.  -  c      rvirdiger  solihhera  era        ,  i.   j      j  .      • 

119,2.   j.  ^  ,.  ,  kann  auch  der  dat  Bern. 

'     dignus     tau  honore 

b)  Die  deutsche  konstruktion  weicht  der  lat  62,i.    ^   ^ 

kerisit  loh  ^.      inqn  folgen    ^  kefolge          den       .^ 

decet    laus  '^'  eum  sequi         '^'  persequere   eam        '^' 

ftuahhonte  sih  nalles  rvidar  fluahan           ^      .         •  -t  ^  A 

maledicentes  se  non     remaledicere.                       ^      /*««/»- 

kon  nur  den  dat    GraflF  III,  759.    Aehnlich  54,i ;         .         , 

'  '*       qui   male- 

sprehhantesihwelaqhuedant  ^^    hulfi  mih         ,  ^. 

dicentes     se    benedicunt   '  *  adjuvabas  me  '^' 

keholfaner 

adjutus. 


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470  SEILER 

Ob  leisannan  c.  acc.  =  imitari  ein  latiniBmus  ist,  lässt  sich 

nicht  entscheiden,  da  das  wort  nur  bei  Kero  vorkommt. 

Ein  Übergang  der  deutschen  in  die  lat.  konstruktion  findet 

X  XX  IT  o      saztos      arbeit  in  hrucki  unser emu  _       , . 

statt  53,0:  .  X»  X  •!_  1  X.  .     j  X        »wo  hrucki 

'     posuisti  tribulatiojies  m  dorso    nostro 

acc,  umeremu  dat.  ist. 

4)  Auch  bei  der  Übersetzung  des  lat.  gerundiums  und  ge- 
rundivums  kommen  bisweilen  freiheiten  vor.  Für  gewönlich 
werden  sämmtliche  casus  des  ger.  und  gerundiv.  durch  ze  mit 
dem  dat.  des  inf.  widergegeben.  Auch  Verbindungen  wie  ad 
loquendum  55,2  ^^  faciendo  46,^  werden  durch  ze  sprehkanne 
ze  tuenne  übersetzt.  Hiervon  kommen  nun  einzelne  abwei- 
chungen  vor.  Als  fehlerhaft  wird  man  es  ansehen  müssen, 
wenn  metuendus  durch  forahtanier  35,2,  habitandi  durch  des 
puentin  34,i  gegeben  wird;  ebenso  ist  die  Übersetzung  des  ge- 
rundiv. durch  das  partic.  praeter,  wie  z.  b.  suscipiendus  int- 
fafikaner,  damnandum  kanidartan  112,i,  farmulitan  conterendum 
121,1  entschieden  falsch.  Richtig  dagegen  ist  tremendus  foraht- 
lih  36,2,  sowie  ascendendos  ufstiganteem  50,^,  eine  freie  Über- 
setzung, die  aber  sehr  schön  in  den  sinn  passt,  wie  man  leicht 
sieht,  wenn  man  die  stelle  aufmerksam  liest;  das  gleiche  gilt 
von  lippanti  parcendo  52,2.  Zur  Übersetzung  des  abl.  ger.  fin- 
det sich  überhaupt  öfter  das  partic.  praes.,  und  namentlich  das 
^dverbium  davon;  libanto  partiendo  69,i.  untarzeohanto  subtra- 
hendo  63,j.  94,i.  farmanento  spernendo  80,  für  den  acc.  ger. 
in  farsümmando  neglegendum  80,2,  für  den  gen.  in  hör  endo 
audiendi  31,2.  Wie  das  adverb  des  prtic.  praes.  zu  dieser  be- 
deutung  kommt,  weiss  ich  nicht  zu  erklären;  wahrscheinlich 
wirkten  die  lateinischen  endungen  mit  ein;  darauf  könnte  auch 
das   d  in    horendo  farsümmando   deuten ;  vgl.  oben  s.  425. 

Auch  abgesehen  von  diesen  vier  punkten  habe  ich  hin 
und  wider  noch  versuche  zu  einer  gewissen  Selbständigkeit 
in  der  Übersetzung  gefunden.  So  wird  z.  b.  nocturnus  durch 
den  gen.  dera  naht  übersetzt  60,i,  diurnus  durch  das  adverbium 
tagaUhhin  67,2,  rara  loquendi  concedatur  licentia  durch  das 
adverb.  seltkaluaffo  (nicht  seltkaluafflu,  wie  es  bei  ganz 
wörtlicher  Übersetzung  heissen  müste)  48,i.  Der  abl.  abs.  ist  auf- 
gelöst worden  32,i:  succinctis  lumbis  et  calciatis  pedibus  per- 
gamus  =  picurte  (also  nom.  plur.  auf  das   subject    bezogen) 


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BENEDIKTINERREGEL.  471 

lanchom  indi  kescuahte  fuazzum  kangames.  —  Oefker  kommt  es 
vor,  dass,  wo  im  lat.ein  neutrales  wort,  das  eine  quantität 
bezeichnet,  mit  dem  neutr.  eines  adjektivums  verbunden  ist, 
dieses  adjektivum  im  deutschen  in  den  gen.  gesetzt  ist    Es 

sind  folgende  steUen:  *"!"       "^^.Z,    28.  "f^lT"*' ^'"'^^  2  V) 
°  minus   possibile         nihil      grave     '   ^ 

so  hfvazso  cuates    ^^      andres  was  ^^        neoweht  .  .  .    tiuro- 

quidquid    bonum        '^*  aliud    quid      '^'     nihil       ...    ca- 

rin      .^ 

45,0. 
rms       '^ 

Hierher  gehören  auch  3  vom  Übersetzer  falsch  verstandene 

,  „        daz     piderborin  ..       edeswaz  eikenes    willin     .    ,^_ 
stellen:         ,  ^  ....  41,i.     ,.     .,  .         ,     .  ^    102,2. 

quod    utilius  '     aliquid    propria  voluntate        ' 

ibu    hwaz  luzziles      hedrvunganor  framkange     «q  .     •      i  x  x 

si    quid  paulolum    restrictius      processerit       '*' 
stelle  ist  paulolum  fälschlich  von  quid  abhängig  gemacht. 

Summa:  Die  deutsche  spräche  ist  in  unserem  denkmal 
noch  durchaus  unselbständig;  sie  kriecht  dem  lateinischen  me- 
chanisch nach;  nur  die  allerersten  und  noch  ganz  dürftigen 
spuren  einer  freieren  bewegung  zeigen  sich. 

III.   Verfasser  und  zeit  des  denkmals. 

Wir  haben  in  dem  ersten  hauptteile  zwischen  verschiedenen 
partien  des  denkmals  in  orthographischer  hinsieht  ziemlich  be- 
deutende unterschiede  festgestellt.  Daher  drängt  sich  natür- 
licherweise die  frage  auf:  stammen  diese  unterschiede  davon 
her,  dass  das  denkmal  von  verschiedenen  Verfassern  verfasst 
oder  nur  davon,  dass  es  von  verschiedenen  Schreibern  ge- 
schrieben ist?  Es  ist  also  zunächst  zu  untersuchen,  ob  unser 
denkmal  original  oder  abschrift  ist. 

1)  Es  kommen  in  der  deutschen  Übersetzung  eine  grosse 
zahl  Schreibfehler  vor,  die  sich  nicht  wol  durch  etwas  anderes 
erklären  lassen  als  durch  die  annähme,  dass  auch  das  deutsche 
aus  einem  anderen  exemplär  in  unsere  handschrift  abgeschrie- 
ben ist.  Wir  haben  schon  im  grammatischen  teile  eine  ganze 
reihe  derselben  teils  konstatiert  teils  vermutet.    Einige  andere 


•)  Auch  das  unmittelbar  folgende  swarre  ist  genetiv;  das  schlie- 
ssende  s  ist  durch  einen  Schreibfehler  ausgefallen. 


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472  SEILER 

führe  ich  hier  noch  als  beispiele  an.  Buchstaben  sind  ausge- 
lassen worden  z.  b.  29,^  muazzo  für  miiazzot^  swarre  für  swarres, 
57,2  heinan  für  hreinan,  65,i  hdbit  für  haubit,  69,3  ecowelichera  für 
eocoTveUchera,  93,2  kehlaffan  für  kehlauffan,  95  teilnufü  für  ^^«7- 
wwm/K«  (GraflFII,  1078),  106,i  kaspohchan  für  kasprohchan,  113,i 
^n7  für  /m^  u.  s.  w.  Buchstäbenverwechselungen  liegen  vor 
z.  b.  36,1  kehunkan  für  kehuckan^  38,^  waw  für  wac,  39,i  p?Arer- 
n^m  für  pikinneen,  35,2  kenemmin  für  kmemmit,  84,2  piheftim 
für  piheftit,  45,^  und  108,2  ^ö<^^  und  /^/o^  für  /oon  und  ^Y/on,  39,2 
wertum  für  wortum  und  kehivinge  für  kedwinge,  107,^  smahlichot. 
für  smahUchor,  113,^  wähhufe  für  watfmse  u.  s.  w.  Noch  andere 
versehen  sind  z.  b.  41,2  selbsauna  für  selhmana,  43,i  tragran  für 
tragan,  55,2  kemeinsanum  für  kemeinsamun ,  lO^i  anolkiu  für 
älonkiu,  47,^  ^^^  e^  für  ^e^  ^^r,  96,^  armeinsamont  für  armein- 
samot,  112,1  kapetataner  für  kapetaner,  114,^  erwarto  für  ewarto, 
123,1  ubarmuateo  für  ubarniuatoe  und  forahtero  für  forähtantero. 
—  Diese  versehen  sind  so  zahlreich  (die  beispiele  Hessen  sich 
leicht  vermehren)  und  zum  teil  von  der  art  —  wie  z.  b.  die 
Verwechselungen  zwischen  n  und  c,  n  und  r,  w  und  <,  ä  und  tf  — , 
dass  man  sie  nicht  fttr  lapsus  calami  des  Verfassers  halten 
kann. 

2)  Auch  das  s.  425  besprochene  überschreiben  des  la- 
teinischen über  das  lateinische  erklärt  sich  nur  daraus,  dass 
ein  abschreiber  beim  lesen  seiner  vorläge  aus  dem  deutschen 
ins  lateinische  kam. 

3)  Ein  ganz  unwiderleglicher  beweis  ist  der,  dass  an 
einigen  stellen  die  Übersetzung  nicht  zu  dem  in  der  hand- 
schrift  vorliegenden  texte  stimmt,  sondern  zu  einem  weniger 
korrumpierten,  wie  ihn  die  ausgaben  (Holsten  und  zuletzt  Bran- 
des) bieten.    Diese  stellen  sind  folgende*): 

«^    chortar  hirtes 

'*  gregi      pastonae  (pastoris), 
^^    pirumes  kisceidan 

'^  discernimus  (discernimur). 

. .     erkehanter  ist 

'^  redditus  (redditurus)  est. 


*)  Den    lateinischen    text   der   handschrift  setze  ich  darunter  und 
daneben  in  klammem  den  vulgärtext  der  ausgaben. 


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Ferner  62„  ""^7     ,    117,^ 


BENEDIKTINERREGEL.  473 

In  diesen  3  stellen  könnte  man  das  abweichen  vom  vor- 
liegenden und  das  übereinstimmen  mit  dem  texte  der  ausgaben 
dadurch  zu  erklären  versuchen,  dass  man  sagt:  der  Übersetzer 
sah  ein,  dass  der  lateinische  text  sinnlos  ist,  machte  sich  gleich 
in  gedanken  —  aber  ohne  den  lateinischen  text  zu  korrigieren 
—  die  richtige  konjektur  und  übersetzte  nach  dieser. 

Diese  annähme  ist  schon  an  sich  höchst  unwahrscheinlich; 
denn  bei  der  ungeheuren  schwäche  des  Übersetzers  im  latei- 
nischen lässt  sich  nicht  glauben,  dass  er  im  stände  war,  rich- 
tige konjekturalkritik  zu  üben.  Sie  lässt  sich  aber  ausserdem 
auf    die    folgenden    stellen   nicht   anwenden   und  verliert   da- 

,      ,      ,,  j,      ..,.     das  andar  .^^      denne 

durch  allen  wert:     115,«     ,.     .-,/,.    ^      123,i        .  ,j      . 
'    aliquid  (alias).  qui  (dum). 

duruh  . .  -     ana 

pro  (per),        '^  propter  (praeter) 
Hier  liegt  der  gang  der  sache  klar  vor  äugen.    In  dem 
unserer  handschrift  vorliegenden  original  stand  per  und  praeter, 
beides  abgekürzt  und  darüber  die  richtige  deutsche  Übersetzung 
duruh  und  ana;  der  abschreiber  des  lateinischen  löste  nun  die 
abkürzungen  falsch  auf  und  schrieb  pro  und  propter,  der  des 
deutschen  setzte  natürlich  sein  duruh  und  ana  darüber.  —  End- 
lich sind  bisweilen  Wörter  übersetzt,  die  im  vulgärtexte  stehen, 
die  aber  in  unserer  handschrift  überhaupt  fehlen. 
^^     daz  in  pezzirä  framkangen 
'^  ut         melius    proficiscant. 
Holsten  (Rom   1661)  und  Martine   (Paris   1690)   lesen  ut  in 
melius  proficiant. 

115,1  ^.      Hier   steht    in    den    ausgaben    pro    vor 

'    reverentia.  ®  ^ 

reverentia. 

...      aoar  si  keleran    ..  ,  i      x,    a\ 

111,1  ,      i.  die  ausgaben  relegatur.*) 

Aus  diesen  drei  gründen  glaube  ich  es  als  ziemlich  sicher 
hinstellen  zu  können,  dass  wir  nicht  die  Originalübersetzung 
selbst,  sondern   nur   eine   abschrift    derselben  vor  uns  haben. 


'     •)  Offenbar  ist  auch  b.  54,i  ^^fi^^^^  tunihhu     ^^^    ^.^^^    ^^^^^ 

auferenti  tunicam 
texte  tibersetzt  worden,  der  ablata  tunica  hatte,    doch  steht  hier  in  den 
ausgaben  ebenfalls  auferenti. 


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474  SEILER 

DaB  verloren  gegangeiie  original  hat  im  lateinischen  texte  die 
grossen  korruptelen  unserer  handschrift  schon  enthalten ,  da 
die  Übersetzung  —  bis  auf  die  wenigen  eben  angefahrten 
stellen  —  danach  gemacht  ist.  Zuerst  wurde  nun  der  latei- 
nische text,  dann  die  deutsche  Übersetzung  in  unsere  hand- 
schrift übertragen;  dann  kamen  im  lateinischen  noch  2  ver- 
schiedene arten  von  nachkorrekturen  hinzu :  1),  solche,  wo  die 
deutsche  Übersetzung  zur  korrektur  stimmt.  So  ist  z.  b.  aus 
umilitate  s.  55  vilitate  korrigiert,  im  deutschen  heisst  es  smah- 
Hhht,  Die  fehler,  die  durch  korrekturen  dieser  art  verbessert 
werden,  sind  durch  dafe  abschreiben  aus  dem  originale  ent- 
standen und  die  korrekturen  können  nach  dem  originale  vor- 
genommen sein.  2)  Solche,  wo  die  Übersetzung  zu  dem  ver- 
derblen  ursprünglichen  texte  stimmt;  so  findet  sich  z.  b.  s.  29 
zu  itinere  die  randglosse  initio;  deutsch  sinde.  Die  fehler,  die 
durcli  randglossen  und  korrekturen  dieser  art  verbessert  werden, 
befanden  sich  schon  im  original,  und  die  Verbesserungen  sind 
nach  einem  anderen  besseren  texte  ujid  später  gemacht  wor- 
den.   Sie  sind  übrigens  selten. 

Ehe  wir  nun  weiter  gehen,  muss  noch  eine  frage  beant- 
wortet sein,  nämlich  die,  wie  viel  Schreiber  sich  an  der  ab- 
schrift  des  originales  beteiligt  haben.  Ich  habe  die  handschrift 
nicht  selbst  gesehen,  muss  mich  also  damit  begnügen,  die  ur- 
teile anderer  darüber  zuöammenzifstellen.  lü  betreff  des  latei- 
nischen textes  ist  nirgends  die  ansieht  ausgesprochen,  dass  er 
von  mehreren  geschrieben  sei;  er  stammt  also  sicher  nur  von 
einer  band.  Aber  in  betrßflf  der  deutschen  Übersetzung  gehen 
die  ansichten  ziemlich  auseinander.  Die  älteren.  Schilter  und 
Graflf,  geben  nichts- von  verschiedenen  bänden  an.  Der  erste, 
der  sie  erwähnt,  ist  Lachmann;  in  den  specimina  linguae 
Francicae  setzt  er  vor  to ,, .  ibu  eocoweliheru  (Hattem.  s.  55 
oben)  die  werte:  „hinc  alia  manus"  und  „über  das  Hildebrands- 
lied" s.  155  sagt  er:  „(Jass  bei  Kero  s.  49^  ruam  steht,  ist 
von  keiner  bedeutung,  weil  die  4.  band,  die  überhaupt  wenig 
genau  ist,  auch  lütn  ohne  h  schreibt."  Hier  statuiert  er  also 
mindestens  4  bände.  Hattemer  schweigt  über  diesen  punkt 
gänzlich.  Sievers  (vgl.  Steinmeyer  in  Haupts  Zeitschrift  16, 
s.  131  ff.)  gibt  an,  die  ganze  handschrift  sei  nur  von  einer 
band  geschrieben.    Ich  habe  meinen  freund,  herm  Dr.  Lösch- 


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BENEDIKTINERßEGEL.  475 

hörn,  der  einige  tage  in  St.  Gallen  verweilen  wollte,  gebeten, 
mir  auch  über  diesen  punkt  auskunft  zu  geben,  und  ihm  dabei 
die  stellen  angegeben,  wo  öteinmeyer  a.  a.  o.  abteilungen 
macht.  Er  schreibt  mir  nun  darüber  folgendes:  „Als  ich  band- 
Schrift  916  verlangte,  fing  pater  bibliothekar  schon  an  zu 
lachen,  fragte,  ob  ich  auch  verschiedene  bände  aufsuchen 
wollte!  er  berichtete,  dass  vor  kurzem  Bartsch  hier  gewesen 
sei  und  die  handschrift  durchgesehen  habe.  Sein  resultat  wäre 
gewesen,  dass  ein  und  dieselbe  band  das  ganze  denkmal 
glossiert  habe.  Später  sei  E.  Steinmeyer  gekommen  und  habe 
—  ich  glaube  —  4  bände  unterschieden,  die  abwechselnd 
widerkehrten.  Doch  sei  er  nicht  im  stände  gewesen,  die 
hypothese  durchzuführen  und  habe  sie  aufgegeben.  —  Die 
Sache  ist  unendlich  schwierig.  Denn  gesetzt,  es  waren  mehrere 
bände  tätig,  so  waren  es  doch  nicht  nur  gleichzeitige,  sondern 
alle  stammten  aus  derselben  schule  und  hatten  ihre  kunst  von 
gleichen  lehrern  gelernt  Selbständige  charakteristische  indi- 
viduelle schriftzüge  gelangten  um  so  weniger  aufs  pergament, 
als  die  herstellung  langsam  und  bedächtig,  gleichsam  zug  für 
zug  nach  der  Schablone  geschah.  Solchen  eindruck  macht  be- 
sonders, die  feste  und  klare  schrift  des  ersten  glossators,  die 
bis  s.  54  unten*)  reicht  und  später  widerkehrt.  Ich  stimme 
Lachmann  bei,  wenn  er  mit  s.  55  eine  neue  band  beginnen 
lässt;  nicht  nur,  dass  von  da  ab  die  dinte  bedeutend  dunkler 
ist,  als  bisher;  auch  die  züge  sind  weniger  fest  und  korrekt, 
sondern  oft  kritzlich.  Mit  gleicher  gewisheit  vermag  ich  das 
eintreten  einer  andern  band  an  keiner  der  anderen  von  dir 
notierten  stellen  zu  behaupten;  möglich  scheint  es  mir  nur  noch 
s.  96,  während  ich  es  für  s.  58.  79  (cap.  XXX).  82.  84.  (cap. 
XXXV).  87  (cap.  XXXVIII).  90  (cap.  XL)  und  117  geradezu 
läugnen  möchte.  Jede  fixierung  des  Sachverhaltes  an  einer 
solchen  stelle  wird,  wie  schon  gesagt,  dadurch  erschwert, 
dass  die  buchstaben  die  Vorschrift  schulmässig  korrekt  nach- 
ahmen." 

Ich  gestehe,  dass  es  mir  nicht  möglich  ist,  bei  einer  sol- 
chen ,  differenz  der  urteile  mir  eine  bestimmte  ansieht  zu  bilden. 


*)  Ich  setze  der  bequemlichkeit  wegen  für  die  selten  der  handschrift 
die  bei  Hattemer  ein. 


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476  SEILER 

Das  scheint  jedoch  aus  allem  hervorzugehen,  dass,  wenn 
irgendwo  eine  andere  hand  beginnt ,  dies  nur  auf  s.  55  ge- 
schieht; ob  es  aber  wirklich  der  fall  ist,  .das  ist  doch  sehr 
zweifelhaft 

Die  frage  also,  von  wie  viel  Schreibern  die  abschrift  an- 
gefertigt sei;  muss  zunächst  unentschieden  bleiben.  Es  handelt 
sich  nun  darum,  von  wie  viel  Verfassern  das  original  stammt 
Dass  es  von  einem  einzigen  verfertigt  ist,  ist  unmöglich;  denn 
wir  haben  in  teil  I  wesentliche  und  zum  teil  regelmässig 
widerkehrende  unterschiede  zwischen  der  Orthographie  der 
einzelnen  abschnitte  kennen  gelernt.  Dieser  sich  von  einander 
abhebender  abschnitte  sind  im  ganzen  10: 

1)  28—54.  2)  55—57.  3)  58—79.  4)  79  (cap.  30)  —82. 
5)  82*)— 84.  6)  84  (cap.  35)  —87.  7)  88—90.  8)  90  (cap.  40) 
—95.   9)  96—116.  10)  117—125. 

Von  diesen  10  abschnitten  stimmen  einige  auffallend  unter 
sich  überein  im  gegensatz  zu  andern. 

1.  2.  4.  6.  8.  10  stimmen 
**)  a)  in  den  formen  des  präfix  ga — . 

b)  sie  bewahren  anlautendes  h  vor  konsonanten. 

3.  5,  7.  9  stimmen 

a)  in  den  formen  des  präfix  ga — . 

b)  sie  lassen  h  vor  konss.  fallen. 

c)  sie  setzen  ch  nach  weichen  vokalen. 

d)  sie  lieben  die  Schreibung  hch, 

e)  sie  stimmen  in  den  formen  des  demonstrativ-pronomens 
der,  diu,  daz  (in  5  kommen  allerdings  keine  vor). 

Ausserdem  haben  diese  stücke  einige  orthographische  frei- 
heiten,  die  in  den  anderen  mangeln: 

a)  sie  vertauschen  z  und  s,   3.  7.  9. 

b)  th  in  3.  7.  9. 

*)  Die  grenze  ist  hier  mit  dem  beginn  der  p.  84  der  handschrift,  d.  h.  mit 
dem  Worte  kizeichanne  zu  ziehen^  nicht  mit  dem  beginn  des  cap.  33 ;  denn 
wir  finden  den  diphth.  ai  and  hch  schon  in  dem  kleinen  stücke  von 
kizeichanne  —  cap.  33.  Allerdings  bekommen  wir  dann  einen  doppelt 
geschriebenen  langen  vokal  (anakaani)  mit  in  abschnitt  5  hinein  T  der 
eigentlich  nicht  hineingehört. 

**)  Ich  verweise  hier  ein  für  allemal  auf  den  I.  teil  des  aufsatzes, 
wo  man  jeden  einzelnen  nachweis  leicht  sno  loco  finden  kann« 


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BENEDIKTINERREGEL.  477 

c)  chu  fttr  qhu  in  3  und  9. 

d)  einfaches  f  nach  vokalen  in  3  und  9. 

e)  unorganisches  h  vor  vokalen  in  3  und  9. 

f)  die  Verdoppelung  von  konss.  neben  anderen  konss. 
nur  in  3.  7.  9. 

g)  die  Verschiebung   von  inlautendem  g  zxx  k  ist  beson- 
ders häufig  in  3  und  9. 

Hieraus  kann  man  nun  den  schluss  ziehen,^)  dass  1.  2. 
4.  6.  8.  10  von  einem,  3.  5.  7.  9  von  einem  anderen  Verfasser 
stammen. 

Nun  weichen  aber  die  stücke  2.  4.  6.  8.  10  in  vielen 
punkten  wider  von  1  ab:  hch  findet  sich  in  2.  6.  10  —  ih  für 
^  in  2.  4  —  chu  fttr  qhu  in  2.  6  —  ch  nach  weichen  vokalen 
in  2.  10  —  z  und  s  vertauscht  in  8  —  h  unorganisch  vor 
vokalen  in  2;  —  in  1  gilt  ferner  über  den  Wechsel  von  sc 
und  sk  eine  feste  regel;  diese  ist  in  6.  8.  10  vielfach  durch- 
brochen. —  Diese  graphischen  unterschiede  kann  man  nun 
dem  umstände  zuschreiben,  dass  2.  4.  6.  8.  10  von  einem  an- 
deren abgeschrieben  seiei]L  als  1**).  Dann  würden  wir  also 
2  Verfasser  des  Originals  haben,  von  denen  der  eine  1.  2,  4.  6. 
8.  10,  der  andere  3.  5.  7.  9  verfasst  hätte,  und  2  Schreiber 
unserer  handschrift,  von  denen  der  eine  nur  1,  der  andere 
2 — 10  geschrieben  hätte. 

Gegen  diese  aufia.ssung  streitet  aber  anderes;  es  finden 
sich  nämlich  zwischen  stücken,  die  nach  ihr  demselben  Ver- 
fasser angehören,  diflferenzen,  die  zu  wesentlich  sind,  als  dass 
man  sie  bloss  auf  rechnung  verschiedener  abschreiber  schieben 
könnte.    Diese  diflferenzen  sind  folgende: 

a)  Die  doppelschreibung  der  langen  vokale  herscht  in  1. 
4.  6,  in  2  fehlt  sie  und  8  und  10  haben  hierin  ein  ganz  eigen- 
tümliches princip  mit  7  und  9  gemeinsam. 

b)  In  der  form  der  partikel  indi  unterscheiden  sich  2  und 
10  wesentlich  von  1    (1  hat  indi,  2  enii,   10  enii  und  inü). 

c)  Die  formen  des  demonstrativpronomens  der ,  diu,  daz 


*)  Steninieyer  hat  diess  a.  a.  o.  auf  grund  der  wichtigsten  von  den 
angegebenen  kriterien  gethan. 

•*)  Auch  diesen  schluss  hat  Steinmeyer  a.  a.  o.  gezogen. 


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478  SEILER 

sind  in  10  (zum  teil  auch  in  8)  anders  als  die  in  1 ;  10  stimmt 
auch  hierin  zu  3.  7.  9. 

d)  In  2  ist  es  üblich,  zur  bezeichnung  eines  misehvokäls 
zweie  neben  einander  zu  setzen;  in  allen  übrigen  stücken 
kommt  das  nicht  vor. 

e)  1  liebt  den  vokaleinschub  zwischen  muta  und  liquida, 
8  und  10  entschieden  nicht  —  8  und  10  stimmen  hierin  zu 
3.  5.  7.  9. 

f)  Als  endnng  des  part.  wechselt  in  1  -anü  und  -enti 
ziemlich  gleichmässig;  in  2.  4.  6.  8.  10  herrscht  -anü  auf  das 
allerentschiedenste.    Das  stimmt  zu  3.  5.  7.  9. 

g)  Die  Übersetzung  ist  in  1.  2  und  4  ziemlich  vollständig, 
in  6.  8.  10  sehr  lückenhaft,  wie  auch  in  3.  5.  7.  9. 

Nun  kann  man  allerdings  ein  machtwort  sprechen  und 
auch  alle  diese  differenzen  nur  für  eigentümlichkeiten  der  ab- 
schreiber  erklären,  aber  bei  den  unter  a,  b,  f,  g  aufgeführten 
wird  wol  jeder  anstand  nehmen,  dies  zu  tun.  Dann  kann 
man  mit  gleichem  rechte  auch  die  unterschiede  im  gebrauche 
des  h  vor  konss.  und  der  formen  k€,  ki,  ka  niir  auf  die  Schrei- 
ber schieben  und  für  die  entstehung  des  Originals  hört  jedes 
kriterium  auf.  —  Demnach  glaube  ich  entschieden  aussprechen 
zu  können,  dass  2.  6.  8.  10  von  anderen  Verfassern  stammen 
als  1 ;  4  kann  möglicherweise  mit  1  von  demselben  herrühren, 
es  finden  sich  wenigstens  keine  aufiTallenden  differenzen;  aber 
das  ist  auch  nur  eine  möglichkeit,  durchaus  keine  gewisheit 
—  Wenn  nun  aber  —  was  mir,  wie  gesagt,  sicher  erscheint  — 
2  von  einem  anderen  Verfasser  ist  als  1,  so  würden  wir,  wenn 
wir  mit  s.  55  eine  neue  band  beginnen  lassen,  den  höchst 
seltenen  zufall  haben,  dass  genau  an  derselben  stelle,  wo  im 
original  ein  neuer  Verfasser  begonnen  hat,  in  der  abschrift  ein 
neuer  Schreiber  angefangen  habe.  Möglich  allerdings,  aber  doch 
unwahrscheinlich !  Ich  glaube  daher,  dass  mit  s.  55  keine  neue 
band  beginnt,  und  die  urteile  derer,  die  die  handschrift  gesehen 
haben,  sind  hierin  so  geteilt,  die  ganze  sache  ist  so  unsicher, 
dass  die  eben  angestellte  erwägung  hierin  wol  den  ausschlag 
geben  kann. 

Die  übrigen  stücke  3.  5.  7.  9  haben  nicht  so  positive  Über- 
einstimmungen, dass  man  sie  deswegen  notwendig  einem  und 
demselben  Verfasser  beilegen  müste;    die   Orthographie  ist  in 


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BENEDIETINERREGEL.  479 

ihnen  willkürlicher  und  regelloser  als  in  abschnitt  1.  Ausser- 
dem finden  sich  auch  zwischen  ihnen  folgende  gewichtige 
diflferenzen : 

a)  Der  diphthong.ai  steht  nur  in  5  und  einmal  in  9,  in 
3  und  7  fehlt  er  ganz. 

b)  In  5  steht  nur  eowiht  und  eowit;  in  3.  7.  9  überwiegt 
eorveht, 

c)  Die  formen  des  prafixes  ga-  stimmen  zwar  in  allen  4 
abschnitten,  aber  die  der  präposition  za  ist  in  9  entschieden 
anders  als  in  3,  wie  es  scheint  auch  in  5  und  7;  doch  sind 
hier  der  belege  zu  wenig. 

d)  3  hat  ziemlich  oft  im  dat.  des  inf.  nur  ein  n,  9  nur  ein 
enziges  mal;    in  5  und  7  kommt  die  form  gar  nicht  vor. 

Uebersehen  wir  das  ganze  noch  einmal,  so  ergibt  sich, 
dass  jene  10  teile  in  unserem  denkmal  entschieden  von  ein- 
ander zu  sondern  sind;  jeder  hat  eine  mehr  oder  weniger 
eigentümliche  Orthographie.  Möglich  ist,  dass  dieser  oder 
jener  von  demselben  Verfasser  herrührt  wie  ein  andrer;  im 
allgemeinen  aber  sind  die  Verfasser  verschiedene  leute.*)  Alle 
aber  sind  gleichzeitig,  gehören  derselben  schule  an  und  be- 
sassen  den  gleichen  bildungsgrad.  Denn  die  art  der  Über- 
setzung ist  durch  das  ganze  denkmal  dieselbe;  in  allen  teilen 
verrät  sich  eine  gleichgrosse  Unkenntnis  des  lateinischen.  Da- 
raus folgt,  dass  das  denkmal  ein  produkt  der  St.  Gallischen 
klosterschule  ist.  Im  ersten  teil  ist  die  Orthographie  am  ge- 
regeltsten und  die  Übersetzung  am  vollständigsten.  Daher  ist 
der  Verfasser  desselben  wol  der  Vorsteher  der  schule,  während 
die  übrigen  abschnitte  von  den  am  meisten  gereiften,  wol  scho» 
erwachsenen  ,  schülern  angefertigt  wurden.  Einige  derselben 
waren  fleissiger,  andere  machten  sich  die  sache  stellenweise 
bequemer;  sie  Hessen  vieles  unübersetzt  und  kürzten  vieles  ab. 
Ein  ähnliches  zusammenarbeiten  der  ganzen  schule  unter  lei- 
tung  des  lehrers  haben  wir  ja  auch  aus  späterer  zeit,  nämlich 
in  den  werken  Notkers.    Wackernagel  literaturgeschichte  s.  81 : 


♦)  Vielleicht  zerfällt  dieser  und  jener  von  den  10  abschnitten  wider 
in  mehrere  die  von  verschiedenen  Verfassern  stammen.  So  kann  man 
z.  b.  teil  9  wegen  der  grossen  lüeke  in  der  mitte  in  zwei  zerteilen  und 
von  teil  3  s.  60—62  wegen  des  auf  diesen  selten  so  auffallend  häufigen 
chu  für  qhu  aussondern. 


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480  SEILER 

„Man  wird  demnach  die  zweierlei  berichte  dahin  vereinigen 
müssen,  dass  Notker  den  fleiss  der  anderen  geweckt  und  ge- 
leitet, und  dass  er  als  haupt  an  der  spitze  dieser  übersetzer- 
schule gestanden  habe.^ 

In  welche  zeit  haben  wir  nun  unser  denkmal  zu  setzen? 
Scherer  (M.  S.  D^  s.  459)  setzt  die  entstehung  unserer  Über- 
setzung nach  dem  jähre  802  an.  Aber  die  gründe,  die  er  da- 
für anfahrt,  scheinen  mir  keineswegs  zwingend.  Er  führt  die 
althochdeutschen  interlinearversionen  und  glossen  wo'  möglieh 
stets  auf  ein  von  Karl  d.  Grossen  gegebenes  kapitulare  zurück. 
Nun  sei  im  jähre  802  den  mönchen  eingeschärft  worden,  die 
regel  verstehen  zu  lernen  und  danach  zu  leben;  folglich 
könne  die  Übersetzung  der  regel  nicht  vor  dem  jähre  802  ab- 
gefasst  sein.  Aber  wo  bekam  denn  Karl  der  Grosse  die  an- 
regung,  derartige  kapitulare  zu  erlassen,  her,  wenn  nicht  von 
der  geistlichkeit?  Erst  muste  sich  doch  in  den  grösseren  und 
besseren  klöstern  das  bedürfnis  fühlbar  machen,  die  regel  bes- 
ser zu  verstehen,  ehe  dies  bedürfnis  zu  Karls  obren  kam  und 
das  kapitulare  hervorrief.  —  Ferner  behauptet  Scherer  a.  a. 
0.,  die  beiden  katechetischen  stücke,  die  D.^  no.  57  gedruckt 
sind  und  die  er  aus  ähnlichen  gründen  ins  jähr  789  oder  kurz 
nachher  setzt,  seien  in  der  spräche  altertümlicher  als  die  be- 
nediktinerregel;  den  näheren  nach  weis  gibt  er  nicht;  er  kann 
sich  dabei  aber  nur  auf  6  flir  tm  stützen,  das  sich  in  erstoont 
und  sonen  findet  Allein  die  St.  Gallischen  Urkunden  um  das 
jähr  789*)  haben  ohne  ausnähme  schon  lui:  Uadalmar  Btutd- 
heri  Btiadolt  Puazo  (Wai-tmann  s.  110  flf.),  bisweilen  auch  wo; 
^oto  (s.  115)  Ruocchero  (s.  117).  Ja,  wenn  wir  höher  hinauf- 
gehen, so  finden  wir  schon  in  der  Urkunde  s.  2,  die  um  das 
jähr  700  fällt,  Huadoni  und  Boadberlo,  imd  in  den  folgenden, 
die  etwa  von  720 — 750  reichen,  Ruodolf  (s.  5)  Muatdanc  (s.  8) 
Hroatger  (s.  13)  Tuoto  (s.  20)  Puopo  (s.  22)  Fruochmolfi  (s.  23); 
d  ist  daneben  ganz  vereinzelt  Daraus  folgt,  dass  oa  ua  und 
uo  schon  in  der  ersten  hälfte  des  8.  Jahrhunderts  in  St  Gallen 
fast  allgemein  herschend  war.  Lang  o  für  %ui  ist  also  kein 
kriterium  ftlr  Verschiedenheit  des  alters,  sondern  des  dialekts. 

*)  Die  beste  und  vollständigste  Sammlung  der  St.  Gallischen  urkon- 
den,  nach  der  ich  stets  citiert  habe,  ist  H.  Wartmann:  Urkundenbuch  der 
abtei  St.  Gallen.    I.  band.    Zürich  1863.    U.  band  1866. 


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BENEDIKTINERßEGEL.  48l 

Wenn  der  Schreiber  jener  beiden  katechetischen  denkmäler  6 
für  ua  schrieb,  so  ist  das  wol  ein  einmischen  seines  heimischen 
dialekts;  die  mönche  kamen  ja  aus  den  verftchiedensten  ge- 
genden  zusammen.  Umgekehrt  finden  sich  in  jenem  pater- 
noster  und  credo  entschieden  jüngere  formen;  sonen  würde  in 
der  spräche  der  benediktinerregel  siumnan  lauten;  inphangan 
lautet  in  ihr  intfangan.  .  ^ 

Es  lässt  sich  also  weder  erweisen^  dass  die  benediktiner- 
regel erst  nach  802,  noch  dass  das  vaterunser  und  glaubens- 
bekenntnis  erst  nach  789  verfasst  ist,  noch  auch,  dass  letztere 
beide  älter  sind  als  jene. 

Wenn  wir  nach  einem  kriterium  für  die  abfassungszeit 
suchen,  so  werden  wir  uns  zunächst  an  die  eigennamen  in  den 
Urkunden  wenden.  Hieraus  lassen  sich  aber  keine  sicheren 
resultate  gewinnen.  Der  lautstand  der  eigennamen  stimmt 
etwa  vom  jähre  745  an  im  allgemeinen  mit  demjenigen  der 
benediktinerregel.  (Bis  zum  jähre  741 ,  Urkunde  s.  7  und  8, 
ist  der  diphthong  eu^  der  in  der  bened.  nicht  vorkommt,  für 
eo  iu  noch  gewönlich).  Aber  auch  bis  tief  in  das  9.  jahrhun- 
dei*t  zeigen  die  eigennamen  der  Urkunden  im  wesentlichen 
noch  keine  jüngeren  formen.  Sie  sind  überhaupt  ein  unsiche- 
res kriterium.  Denn  erstens  pflegen  sich  in  ihnen  alte  laut- 
ständ^  länger  zu  erhalten;  Hugo  und  Otto  sind  ja  noch  heut- 
zutage althochdeutsch;  und  zweitens  erscheinen  sie  vielfach  latini- 
siert; so  Audomarus  in  einer  Urkunde  vom  jähre  754,  während 
schon  im  jähre  744  Otmarus  vorkommt;  Rodolfus  für  Hruadolf 
u.  s.  w.  —  Auch  das  latein  der  Urkunden  ist  von  745  an  bis 
in  das  9.  jahrh.  hinein  ziemlich  dasselbe.  Bestimmte  formu- 
lare  lagen  überall  zu  gründe,  die  in  allen  Urkunden,  mehr 
oder  weniger  variiert,  angewant  wurden  und  sich  forterbten.  Ver- 
stösse gegen  die  regeln  des  klassischen  lateins  sind  dabei  nicht 
selten.  Auch  hieraus  lässt  sich  keine  Zeitbestimmung  entneh- 
men. —  Dagegen  finden  wir  am  ende  des  8.  Jahrhunderts  in 
St.  Gallen  schon  ein  grösseres  geschichtswerk  zusammenhän- 
gend lateinisch  geschrieben,  die  sogenannte  vita  Set.  Galli  (ge- 
druckt Mon.  Germ.  II);  diese  ist  sicher  später  als  das  jähr 
771  verfasst*).    Das  latein  ist  nun  zwar  in  dieser  schritt  sehr 


*)  Wattenbach,  geschichtsquellen  des  mittelalters.     3.  aufläge,  s.  94. 

Beiträge  zur  geschiohte  der  dentschen  spräche.  L  32 


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482  SEILER 

barbarisch;  es  wimmelt  von  groben  fehlem  und  teutonismen; 
es  zeugt  aber  doch  jedesfalls  von  weit  mehr  Verständnis  der 
lateinischen  spräche,  als  in  der  Übersetzung  der  benediktiner- 
regel  zu  tage  tritt.  Diese  ist  daher  höchst  wahrscheinlich  noch 
früher  anzusetzen. 

Weiter  können  wir  durch  die  kritik  nicht  kommen.  Nun 
ist  uns  aber  über  Verfasser  und  zeit  des  denkmals  noch  eini- 
ges überliefert*).  Es  wird  nämlich  von  schriftsteilem  des  17. 
Jahrhunderts  ein  mönch,  namens  Kero,  als  der  Verfasser  unse- 
rer Übersetzung  genannt  und  seine  zeit  um  das  jähr  760  an- 
gegeben. So  von  Stipplin:  ,,scripsit  circa  annum  760.^'  Gold- 
ast rerum  alamannicarum  scriptores  II,  10:  „florait  sub  Pipino 
et  S.  Othmaro  abbate'^**).  Ebenso  Jodokus  Metzler.  Das 
Zeugnis  Goldasts  ist  deswegen  von  Wichtigkeit,  weil  er  nach- 
weislich eine  ganze  zahl  von  Urkunden  und  handschriften  aus 
St.  Gallen  besessen  hat,  die  jetzt  verloren  sind.  Vgl.  Wart- 
mann :  ürkundenbuch  s.  VII  und  XIV.  Noch  wichtiger  ist  das 
Zeugnis  des  Pater  Pius  Kolb.  Dieser  lebte  von  1712  — 1762, 
war  bibliothekar  des  klosters  St.  Gallen  und  verfasste  als  sol- 
cher ein  genaues  Verzeichnis  sämmtlicher  im  kloster  befindli- 
chen handschriften,  woran  er  historische  und  kritische  bemer- 
kungen  über  jede  einzelne  knüpfte.  Dies  werk  wurde  1755 
fertig;  es  umfasst  2  foliöbände  und  ist  zur  zeit  noch  unge- 
druckt***) Teil  I,  s. 367  berichtet  er:  'Kero  monachus  Set 
Galli  tempore  St.  Othmari  flomit  circa  annum  dom.  760,  ut 
antiquissimus  quidam  catalogus  testatur'.  Dieser  Kero  sei  zu 
jener  zeit  einer  der  gelehrtesten  im  kloster  gewesen  und  habe 
es  daher  unternommen,  die  regel  des  heil.  Benedikt  und  eini- 
ges andere  ins  deutsche  zu  übersetzen,  *ut  rudioribus  et  linguae 
latinae  minus  peritis  monasticam  vitam  professuris  succurre- 


*)  Hattemer  stellt  alles  in  der  einleitung  zusammen, 
**)  Was  Hattemer  s.  19  über  Goldast  sagt,  ist  mir  nnverständlich 
geblieben.  —  Die  sache  ist  ganz  einfach.  Goldast  hat  die  Übersetzung 
der  benediktinerregel  abgedrukt,  aber  so,  dass  er  die  lateinischen  worte 
alphabetisch  geordnet  und  die  betreffenden  deutschen  immer  daneben 
gesetzt  hat  Sonst  ist  es  genau  dieselbe  Übersetzung,  wie  die,  die  ¥rir 
noch  haben. 

*•*)  Weidmann:    Geschichte   der  bibliothek  von  St  Gallen  (1841) 
s.  229.  230.  233. 


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BENEDIKTINERREGEL.  483 

ret,  quo  facilius  legem  nossent,  secundum  quam  militarent'. 
In  welchem  jähr  er  gestorben  sei,  habe  er  nicht  entdecken 
können.  —  Die  quelle  aller  dieser  angaben  war  also  ein  alter 
katalog,  der  aber  schon  zu  Ild.  von  Arx  zeit  verloren  war*). 
Welche  glaubwürdigkeit  dieser  quelle  beizumessen  ist,  können 
wir  daher  natürlicherweise  jetzt  nicht  mehr  wissen.  Wir  ha- 
ben aber  gar  keinen  grund,  diese  angaben  so  ohne  weiteres 
über  bord  zu  werfen;  man  pflegt  vielmehr  einem  bestimmten, 
sich  ajif  alte  quellen  berufenden  zeugnis  so  lange  zu  glauben, 
bis  es  erwiesen  ist,  dass  es  falsch  ist  Das  ist  aber  hier 
durchaus  nicht  der  fall.  Als  zeit  des  Kero  wird  etwa  das 
jähr  760  bezeichnet.  Das  kann  sehr  wol  die  abfassungszeit 
unseres  denkmals  gewesen  sein.  Die  eigennamen,  die  in  den 
Urkunden  jener  zeit  vorkamen,  zeigen  keinen  älteren  lautstand 
und  die  kenntnis  des  lateinischen  ist  —  wie  wir  sattsam  ge- 
zeigt haben  —  für  jene  zeit  keineswegs  zu  gross.  Will  man 
mit  Scherer  die  Übersetzung  absolut  auf  ein  praktisches  be- 
dürfnis,  d.  i.  auf  einen  äusseren  anlass  zurückführen,  so  haben 
wir  um  760  einen  noch  viel  dringenderen  als  im  jähre  802. 
Denn  abt  Otmar,  der  von  720  —  759  oder,  nach  Perz  mon. 
Germ.  II,  s.  35,  —  760  dem  kloster  vorstand,  führte  statt  der 
regel  des  heil.  Columban  die  des  heil.  Benedikt  im  kloster 
Set.  Gallen  ein**).  Da  war  ein  wirklicher  anlass  vorhanden, 
diese  nun  eingeführte  regel  dem  allgemeinen  Verständnis  zu- 
gänglicher zu  machen.  Der  einzige  grund  (vgl.  MSD.*  s.  459), 
den  man  hatte,  die  überlieferten  angaben  einfach  als  nicht 
vorhanden  zu  betrachten,  war  der,  dass  man  erkannte,  die 
Übersetzung  stamme  von  verschiedenen  Verfassern  und  es 
wurde  doch  nur  der  eine  Kero  als  solcher  bezeichnet.  Allein 
auch  Notker  bezeichnet    sogar  sich   selbst  als  den   alleinigen 


*)  Arx  vermuthet,  es  sei  eine  von  denjenigen  handschriften  gewesen, 
die  im  jähre  1768  beim  brande  des  klosters  des  heil.  Blasius  unter- 
gegangen sind. 

**)  Vgl.  I.  von  Arx;  Geschichte  des  kantons  St  Gallen  I,  s.  176.  — 
Der  text  der  regel,.  den  er  sich  schicken  liess,  war  doch  wol  weniger 
korrumpiert  als  der  in  unserer  handschrift.  Er  nahm  aber  jenen  als 
cimelium  des  klosters  in  besonderes  gewahrsam  und  Hess  davon  zum 
allgemeineü  gebrauche  eine  abschrift  nehmen.  Diese  wurde  deutsch 
glossiert  und  eine  abschrift  von  dieser  ist  unsere  handschrift.  So  scheint 
mir  der  gang  der  sache  gewesen  zu  sein. 

32* 


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484  SEILEB 

Verfasser  aller  unter  seinem  namen  gehender  Übersetzungen, 
und  doch  hat  Wackernagel  am  oben  angegebenen  orte  über-' 
zeugend  nachgewiesen,  dass  er  nur  der  leiter  und  das  haupt 
einer  übersetzerschule  gewesen  ist  und  dass  sein  eigenes  wort 
Uranstuli*  als  transferri  feci  zu  nehmen  ist.  Wir  können  also 
auch  für  jene  ältere  zeit  eine  solche  tibersetzerschule  anneh- 
men, an  deren  spitze  einer  namens  Kero  gestanden  hat.  Die 
arbeiten,  die  unter  seiner  leitung  und  durch  seine  schüler  ent- 
standen waren,  übertrug  man  dann  später  auf  ihn  selbst. 

Diesem  Kero  werden  von  Stipplin  und  Kolb  noch  ver- 
schiedene andere  Übersetzungen  und  glossarien  zugeschrieben; 
von  erhaltenen  werken  noch  die  sogenannten  keronischen  glos- 
sen  und  das  schon  oben  erwähnte  paternoster  und  credo 
(MSD  num.  57).  Das  heisst  weiter  nichts  als  dass  diese 
stücke  aus  derselben  schule  hervorgegangen  sind.  Sie  zeigen 
vielfach  eine  andere  Orthographie  als  die  benediktinerregel  und 
sind  wider  unter  sich  verschieden,  sind  aber  den  sprachformen 
nach  der  benediktinerregel  entschieden  gleichartig.  Eine  rege- 
lung  der  Orthographie  wurde  damals  also  noch  nicht  —  wie 
zu  Notkers  zeit  • —  erstrebt  und  das  kann  man  auch  gar  nicht 
erwarten,  da  die  mönche  damals  noch  übergenug  mit  dem 
Verständnis  des  lateinischen  zu  tun  hatten.  Dazu  kommt, 
dass  auch  die  glossae  Keronis  (Hattemer  s.  134)  und  wahr- 
scheinlich auch  die  beiden  katechetischen  stücke  (vgl.  Scherer 
anm.  zu  no.  57  zeile  1  unsar)  uns  nur  in  abschriften  und  als 
solche  natürlich  mannigfach  verändert  vorliegen. 

Das  ist  jedenfalls  sicher,  dass  man  in  späterer  zeit  im 
kloster  St.  Gallen  wüste  oder  glaubte,  dass  jene  älteren  ar- 
beiten in  deutscher  spräche  um  760  entstanden  seien.  Es  ist 
gar  kein  grund  vorhanden,  diese  zeit  für  zu  früh  zu  halten 
und  ebenso  wenig,  den  Kero  für  eine  rein  mythische  pexson 
zu  erklären,  wenn  wir  auch  durchaus  nicht  wissen,  wie  viel 
er  an  jedem  einzelnen  und  ob  er  an  allen  der  ihm  zugeschrie- 
benen werke  anteil  gehabt  hat. 

üebrigens  sei  noch  das  erwähnt,  dass  der  bibliotheks- 
katalog  aus  der  zweiten  hälfte  des  9.  Jahrhunderts  (gedruckt 
von  Weidmann  im  anhang  der  „geschichte  der  bibl.  von  St 
Gallen")  von  all  diesen  deutschen  Übersetzungen  und  glossarien 
aus  jener  zeit  nichts  weiss.    Die  handschriften,   in  denen  sie 


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BENEDIKTraERREGEL.  485 

enthalten  sind,  werden  nicht  mit  aufgeführt  Man  achtete  also 
im  9.  Jahrhundert  bei  fortgeschrittener  bildung  jene  ersten  ge- 
ringen anfange  flir  nichts  und  hatte  sie  entweder  schon  ganz 
vergessen  oder  hielt  sie  doch  wenigstens  nicht  fftr  wert,  mit 
im  katalog  verzeichnet  zu  werden.  Man  kann  dadurch  auf 
die  Vermutung  kommen,  dass  jener  antiquissimus  catalogus, 
auf  den  sich  Stipplin,  Kolb,  Goldast  stützen,  älter  sei  als  der 
des  9.  Jahrhunderts;  um  so  mehr  würde  seine  glaub  Würdigkeit 
gewinnen ! 

HALLE,  im  october  1873.  F.  SEILER. 


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KLEINE  BEITRAGE  ZUR  DEUTSCHEN 
GRAMMATIK. 


I.  Znr  altangelsächsischen  declination. 

Seit  Jacob  Grimm  vor  mehr  als  fünfzig  jähren  seine 
paradigmen  für  die  angelsächsische  declination  aufgestellt  hat, 
ist  es  bei'  den  grammatikern  üblich  gewesen  die  eigentlichen 
declinationsformen  der  weiblichen  ä-  und  ^-stämme  bis  auf 
wenige  reste  für  ausgestorben  zu  halten.  Die  hauptmasse  der 
zu  beiden  classen  gehörigen  Wörter  habe  eine  aus  elementen 
beider  declinationen  gemischte  declinationsweise  erhalten,  die, 
obschon  der  hauptsache  nach  sich  an  die  flexion  der  a-stämme 
anschliessend,  doch  gewöhnlich  bei  der  f-declination  besprochen 
zu  werden  pflegt.  Auch  M.  Heyne  ist  noch  in  der  zweiten 
ausgäbe  seiner  kurzen  laut-  und  flexionslehre  von  dieser  anord- 
nung  nicht  abgegangen.  Trotzdem  ist  dieselbe  wenigstens  für 
die  altern  angelsächsischen  Sprachdenkmäler  durchaus  als 
fehlerhaft  zu  verwerfen,  wie  die  unten  dargelegten  resultate 
einer  Untersuchung  zeigen  werden,  die  ich  behufs  sicherstellung 
der  ags.  declinationsformen  für  meine  demnächst  erscheinenden 
paradigmen  zur  deutschen  grammatik  anzustellen  gezwungen 
war.  Dass  diese  Untersuchung  aus  verschiedenen  gründen  sieh 
auf  das  in  den  4  bänden  von  Grein s  ags.  bibliothek  gebotene 
material  beschränken  muste,  bedarf  besonderer  nachsieht. 
Doch,  hoflfe  ich,  wird  dieser  mangel  nicht  so  schwer  empfunden 
werden,  da  ja  doch  die  poetische  spräche  den  weitaus  grösten 
teil  der  einfachen  feminina  uns  erhalten  hat,  und  die  hier  ge- 
gebenen nachweise  vollauf  genügen  werden  um  neu  hinzu- 
tretendes material  leicht  und  sicher  an  gehöriger  stelle  einzu- 
ordnen.   Wer  nachsammeln  will  kann  namentlich  für  die  hier 


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ZUR  ALTAGS.  DECLINATION.  487 

unbelegt  gebliebenen  nominatiyformcn  mancherlei  belege  aus 
der  prosa  leicht  ergänzen;  mir  kam  es  nur  auf  sicherstellung 
der  regel  an  und  daftir  werden  die  belege  aus  der  poesie  ge- 
nügend erscheinen. 

Es  sei  mir  gestattet  der  besseren  Übersicht  halber  die  re- 
Bultate  meiner  Untersuchung  einfach  dogmatisch  darzulegen. 
Eine  ausführlichere  beweisführung  wird  niemand  verlangen  der 
gewohnt  ist  grammatisches  material  offenen  auges  und  unbe- 
fangenen blickes  zu  würdigen. 

Es  ist  der  zweck  dieser  Untersuchung  eine  Scheidung  der 
ä'  und  i-declination  der  feminina  zu  geben,  und  diese  wird 
geboten  durch  den  aecusativ  des  Singulars,  der  bei 
allen  ä-stämmen  auf  -e  ausgeht,  bei  allen  f-stäm- 
men  keine  endung  hat;  in  zweiter  linie  kommen  auch 
der  nominativ  singularis  und  der  genetiv  pluralis  in  betracht. 

I.   a-stämme. 

1.  Alle  kurzsilbigen  a-stämme  flectieren  folgendermassen : 
gifu,  (-0)  gife,  -a 

gife  gifa,  -ena 

gife  gifum 

gife  gife,  -a. 

Diese  stamme  haben  also  das  got.  -a  in  nom.  sing,  ebenso 
in  -tt  gewandelt  wie  die  kurzsilbigen  neutra  (z.  b.  fatUj  im  gegen- 
satz  zu  langsilbigen  wie  ward).  Selten  nur  findet  sich  die 
nebenform  -0  belegt.  Ein  solcher  nominativ  entscheidet  im 
allgemeinen  (doch  mit  berücksichtigung  des  unten  s.  500  ff.  ge- 
sagten) die  frage,  welcher  declination  das  betreffende  wort  zu- 
zuweisen ist 

Hierher  gehören  folgende  Wörter:*) 
cearu  B.  1303  etc.  —  got  kara,  faru  Ex.  12,  11  =  ahd.  fara. 

llfoearo  Andr,  1430.  wsegfaru  Ex.  298. 

mddcearu  Guthl  166.  wolcenfaru  Dan,  379. 

sorgcearu  Guthl,  939.  *  -fracu. 

cwalu  P$,  Th.  29, 8  =  altn.  kvöl.       fremu  Boeth,  14,  1  etc.? 

gaestcwalu  Guthl  651.  *  frigu? 

♦  daru?  *  gadu?  gäd? 

dena  Imc.  3,  5.  gifu  B.  1884  etc.  =  got.  giba. 


*)  Ich  führe  alle  bei  Grein  wirklich  belegten  nominativformen  an. 
Die  im  nom.  nicht  belegten  Wörter  sind  mit  *  bezeichnet 


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488 


SIEVERS 


hyhtgifu  Reiml.  21. 
Bweordgifu  B,  2884. 
wötJgiefu  Rats.  32,  18. 

*  gleomu? 
gripu  Sal  46. 

hweoöu  Ps.  106,  28,  vgl  altn,  hvitJa 
Grein» 

*  laöu. 
freöndlaöu  B,  1192. 

lagu  gl  Prud,  407. 

*  latu. 

wordlatu  Andr.  1524. 
lufu  Gen.  1906  etc. 
freöndlufu  Gen.  1834. 
sorglufu  Beor  16. 
treöwlufu  Crist  538. 

*  naru  ^  akd.  nara? 

noBU  fFr.  pZ.  43  etc.  :=  «Ärf.  nasa. 

*  wälnotu  :=  lat.  nöta. 
racu  Crist  1460  ^^e?. 

streämracu  Gen.  1355. 
sacu  Ä  1857  etc.  =  ahd.  sahha. 
sceamu  Ps.  70,  12  =  «Ärf.  scama. 

*  Bcearu  =  ahd.  -Bcara. 
hearmscearu  Gen.  432. 

Bcolu  Crist  1535  etc. 
geneätßcolu  Jul  684. 

*  slagu  =  ahd.  -slaga. 
gold8iDit5u,  vgl  ahd.  Bmida. 


wräÖstudu  Beda  Sm.  544,  17  etc. 

*  BwaÖu. 

dolhBwa?5u  Wr.  gl  85. 

swätswat5u  B.  2946. 
andswaru  5.  2860. 
talu  Cod.  dipl  929  =  ahd.  zala. 

*  tragu? 

*  trodu  =  ahd.  trota. 

*  l?egu. 

beör)7egu  ^nrfr.  1535. 
sincj^ego  B.  2884. 

*  l^elu. 

buruh}?elu  Finsb.  30. 

*  rynej>ragu. 
]7racu  JE'a?.  326. 

ädl}?racu  fi^w^ÄZ.  981. 
flän)7racu  fi^wfM  1117. 
holmJ?racu  Andr.  467. 
nihtwaco  5^^^/".  7  =  ahd.  naht- 
uuahha. 

*  waru. 
eoröwaru     j 

helwam       >  Hymn.  7,  95. 

heofonwaruj 
wra?5u  Guthl  1337. 
wracu  G^^w.  1042  =  got.  vraka. 

nydwracu  B.  193. 

särwracu  Ph.  54. 

synwracu  Crist  1540. 


*  stapu? 

Hieraus  ergibt  sich  ohne  weiteres,  dass  die  von  Grein 
angesetzten  nominative  trod  (so  auch  Heyne  im  glossar  zum 
Beowulf)  und  wälnot  in  trodu  und  wälnotu  zu  ändern  sind; 
ebenso  ist  für  nosu  und  scdlu  wie  gewöhnlich  geschrieben  wird, 
nosu  und  scolu  zu  setzen;  ersteres  passt  aufs  beste  zu  ahd. 
nasa;  scola  ist  nicht  lat.  schola,  neuengl.  school,  sondern  ein 
echt  germanisches  wort  =  alts.  scola  \mA  bedeutet  immer  schaar? 
häufe ;  zu  der  einzigen  stelle,  an  der  die  bedeutung  schule  an- 
zunehmen ist,  Boeth.  3,  1  on  minre  scöle  wird  wol  der  nom. 
scdl  anzusetzen  sein.  Dagegen  ist  hrif  Grein  gloss.  II,  104 
nicht  in  hrifu  zu  ändern,  sondern  das  wort  ist  wie  ahd.  href 
in  Übereinstimmung  mit  den  im  ags.  belegten  formen  zeigt 
ein  neutrum.  Ob  die  von  Grein  als  feminina  angesetzten 
gleomu,   leobu,   ricu,   reotu  tlberhaupt  wirklich  feminina  sind, 


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ZUR  ALTAGS.  DECLINATION.  489 

kann  ich  bei  meinen  htilfsmitteln  jetzt  nicht  entscheiden.  — 
Ueber  den  nom.  sing,  ylfeiu  s.  unten  s.  501. 

Im  gen.  und  dat.  sing,  herscht  hierein  bei  allen  femini- 
nis  die  endung  -e;  spätere  quellen  haben  dafür  öfter  im  dativ, 
selten  im  genetiv  -a.  Diese  casus  bedürfen  also  keiner  wei- 
teren erörterung. 

Dagegen  belege  ich  den  accusativ  sing,  wider  voll- 
ständig, da  gerade  er  zur  Scheidung  der  &-  und  e-stämme 
dient:  ceare(care),  hreöst-,  mcel-,  möd-,  üht-ceare,  deäb-,  feorh-, 
hearm-,  swylt-cwale,  äeäbdene,  fare ,  earg-,  gär-,  hägl-,  stredm-, 
wolcen-fare ,  freme,  un/reme,  frige  pl.?,  gade,  gife,  eädgiefe, 
gripe,  wordlabe,  -labe,  eäldor-,  feorh-lcge,  lufe,  aldor-,  feorh- 
nere,  nose,  raoe,  streämräce,  sace  {säce),  sceame  {scame,  scome), 
ärscame,  folc-,  hearm-,  land-sceare,  scole,  slage,  goldsmit5e,  stäpe 
pl.  ?,  swa'be  {swäbe),  andsrvare,  trode,  prace,  ecg-,  flän-,  holm-, 
wäpeii-,  rvigg-präce,  biirh-,  eorb-ware?,  7vrat5e,  rvrace  {wräce), 
gyrn-,  nib-,  nyd-,  syn- ,  torn-rvräce. —  Ganz  vereinzelt  stehn 
hierneben  die  formen  burgwaru  Andr.  1096  und  lufu  Hymn. 
7,  30,  letzteres  mit  dem  ebenfalls  anomalen  acc.  sib  für  sihhe 
verbunden;  vgl.  unten  s.  493  über  den  acc.  der  «?<i-stämme. 

Was  den  genetiv  pluralis  anlangt,  so  finde  ich  für 
diesen  belegt  die  formen  gifa  ß.  1930.  Gen.  890,  eädgiefa  Jul. 
563;  wällnota  Sal.  161,  scoma  Crist  1274,  teala  Reiml.  42, 
zusammen  also  6  mal  die  unerweiterte  form;  daneben  aber 
carena  Crist  962,  fremena  Gen.  439  etc.,  gifena  {giefena,  gyfena, 
geofond)  Gen.  209  etc.,  wuldorgeofona  Graft  24,  zusammen  22 
mal  die  erweiterte  form.  Grein  setzt  zwar  für  gifena,  fre- 
mena die  nominative  gifen,  freme  an.  Da  aber  nur  die  formen 
des  gen.  pluralis  für  diese  nominativform,  alle  andern  casus 
aber  flir  gifu,  freniu  sprechen,  so  werden  wir  mit  mehr  recht 
die  fraglichen  genetive  zu  den  letztgenannten  nominativen 
stellen  müssen.  Dagegen  darf  man  die  genetive  lufena,  sago- 
na  nicht  ohne  weiteres  hierher  stellen,  da  neben  lufu  und  sagu 
wirklich  auch  liife  und  sägen  bestehen.  Dafür  dass  sagona 
Gen.  535  zu  sagu,  nicht  zu  sägen,  gehörte,  spräche  allenfalls 
der  vocal  der  Stammsilbe.  —  Auch  säcca  B.  2029  gehört  nicht 
hierher  (zu  sacu),  vielmehr  zu  den  y^-stämmen. 

Die  übrigen  pluralcasus  bedürfen  für  unsern  zweck  keiner 
besonderen  besprechung. 


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490 


SIEVERS 


2.   Die  langßilbigen  Ä-stämme  flectieren  folgendermassen  : 

är  dre,  -a 

dre  ära,  (-ena) 

dre  drum 

dre  dre,  -a. 

Sie  unterscheiden  sich  also  von  den  kurzsilbigen  nur  im 
nom.  sing.,    der  hier  die  endung  -u  entbehrt,  s.  oben  unter  1. 
Hierher  gehören: 


*  äht  =  ahd,  ahta. 

seht,  oht   B.  2957.  Gen.  84  eic,  = 

ahd.  ähta. 
aet  {Seel  127),  meist  masc,  =  ahd, 

äz,  vgh  altn.  4ta. 
är  rüder  Gn,  ex.  188  :=  aUn,  är. 
är  ehre.  Ph.  663  =  ahd.  6ra. 

*  -bäd  =  mhd.  beite. 
baer  B.  3105  ==  ahd.  bära. 

beere  Run.  18  =  ahd.  birka   (jä- 

*  -beorg,  vgl  ahd.  bein-berga  u. 
s.  w. 

*  bot  =  ahd.  buozza. 
eaeg  Älfr.  gr.  9,  28? 

*  -eist  =  ahd.  kista  (^k-stamm?) 

*  elüs  =  ahd.  klüsa. 
dun  Ps.  C.  132  ^r<;. 

eare  Dan.  752  ^^<;.  =  «Ärf.  arka. 

*  ein  =  got.  aleina. 

*  eortJ? 

*  feoht  =  ahd.  fehta. 

*  feorm. 

*  flän  (auch  masc.  wie  altn.  fleinn, 
und  flä  swf.). 

*  sundflit,  vgl  ahd.  flizza. 
fl6r  Sat  39  etc.,  auch  masc. 

folm  Ps.  79,  15  ntr.  =  ahd.  folma, 

au(7A  masc. 
for  ÄÄ^5.  20,  8  etc.  =  ahd.  fuora. 
freöd  Andr.  1156? 
geöc  ^»rfr.  1587  etc.  =  got.  iiuksk? 
gl6f  ^.  2085  ^^<;. 

*  gräp  =  ahd.  greiflfa. 
eorögräp  Buine  6. 
hildegräp  B.  1446  etc. 

grin  />5.  123,  7. 


gü?5  Ä  1123  ^^^.  =  ahd.  gundia 
O'ä-^^amm,  rfocA  vgl  z.b.  Gunda- 
hari). 

häm  Andr.  531  etc.  =  a/^w.  hrönn 
Grein. 

*  healf  =  ahd.  halba. 

heall  Ä  487  etc.  =  ahd.  halla. 

medoheal  B.  484  e^^. 
help  Crw^  859  etc.  =  ahd.  helfa. 
heorr  Al/r.  gr.  9,  3  etc.,  auch  masc. 
heord  MörtÄ.  8,  32  =  ahd.  herta. 
hlÖtJ  Andr.  42. 

*  hös  =  got.  hansa. 

*  earmhread? 

hre6w  Crist  1675  etc.  =  ahd.  hri- 
una. 

*  hrung  =  got.  hrugga. 

*  hüÖ,  vgl  ahd.  herihunda. 

*  hwealf? 

hwll  B.  146  etc.  =  got.  hveila. 

*  ig  =  ahd.  -auna. 

lad  Andr.  423  etc.  =  ahd.  leita. 

fromläd  Gen.  2098. 
läf  B.  454  ^f<?.  =  got.  läiba. 

endeläf  ^.  2813. 

weäläf  Metr.  1,  22. 

*  lann  =  ahd.  lanna. 

lär  ^ic.  268  etc.  =  ahd.  l^ra. 

*  laest  =  ahd.  leista? 

*  leäf.  * 

lind^.  2341=aÄrf.linta  (js^stamm?) 
maßt)  Byrhtn.  195  etc.  iprstamm?) 
maeg  Gen.  895  e^<?. 

wynmaeg  Guthl  1319. 
meare  C^».  1719  etc.  =  ahd.  marka. 

*  med  =  ahd.  miata. 

*  meld  =  ahd.  melda. 


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ZUR  altags.  declination. 


491 


meor?5  Andr.  275,  vgl  goU  mizdö. 

*  mil  =  ahd,  mtla. 

*  näm  =  ahd,  näma. 

*  nöt5  ==  ahd,  nanda*). 

*  päd  =  got  päida. 
herepäd  B.  2474. 

räd  Run.  5  ==  ahd.  reita. 

brimräd  Ändr.  1589. 

sweglräd  Reimt  29. 
rast,   rest   Crist   1656   etc.  =  got 

rasta  {vgL  ahd,  resti). 

bedrest  Wr.  gt  21. 
reord    Gen.    1635    d/e?.     v^Z.     got 

razda. 
rod  67m/  1065  etc,  =  ahd.  ruota. 
rün  Ex.  525  =  ^o/.  rüna. 
83b1  Gen.  1186,  «m^jä  m«^<;. 

heähsael  Ps.  101,  11. 
scand  Ps.  70,  12  =  aÄ<]?.  scanta. 
sceiit5  Wr.  gl  34  ^/c.  =  ahd.  sceita. 

*  scrind? 

snaed  Sat  401  ^^(7.  =  ahd.  sneita. 

snear  Reimt  25  =:  ahd.  snarha**). 

söl  Ps.  120,  6? 

süm  Leges  Aethelr.  V,  15. 

sorg  Gen.  2179  etc.  =  aī?.  sorga. 

borgsorg  Reimt  63. 

inwitsorh  J5.  1736. 

mödsorg  Gen.  755. 
sprsec  i>öm  8  etc.  =^  «Ä^.  sprähha. 
stefn  Gen.  1494  ^/c.  nz  got  stibna. 

)7Uiiorrädstefn  Ps.  76,  14. 
steör  Giitht  481  =  ahd.  stiura  (jä- 

stamm). 

Femer  fallen  hierher  von 

ädl  Seef.  70. 

serädl  Gn.  ex.  31. 

*  eaxl  =  ahd.  ahsala. 

naedl  Wr.  gt  11  =  ahd.  nädala. 

*  swingel. 

täfel  Wr.  gt  39  etc. 


*  stig  =  ahd.  sttga. 
st6w  B.  1372  etc. 

friöstöw  Metr.  21,  16. 

*  ßtrael  =  ahd.  sträla;  auch  masc. 
und  sti'aele  swf. 

strsBt  B.  320  ^/tf.  =  ahd.  sti'äza. 

*  streön. 

stund  Andr.  1212  etc.  =  ahd,  stunta. 

*  tael  =  ahd.  zäla. 

*  teäg  =  ahd.  taug. 

*  teoh  =  mhd.  zeche  (vgl  teohhian). 
tre6w  Gen.  2118  etc.  =  ahd.  triuua. 
J?earf  Gen.  278  etc.  =  ahd.  darba. 

nydj?earf  Ps.  Th.  9,  20  etc. 
J?e6d  ^.  643  etc.  —  ^o/.  }?iuda. 

*  J?eöd  discipUna? 
}>räg  6;w/Ä/.  1324  etc. 

treöw}?räg  /J^em/.  57. 
wodj^räg  Met  25,  41. 

*  wäÖ  =  ahd.  uueida. 

*  waeg  =  ahd.  uuäga. 

waer  Crist  583  etc.  =  ahd.  uuara***J. 
womb  Ph.  307  etc.  =  ahd.  uuamba. 
weard  Dan.  235  =  ahd.  uuarta. 

*  wearn  =  altn.  vorn. 

*  wis  =  ahd.  uuisa. 
wöt5  Guiht  234. 

wraed,  wraetJ  Cn.  ^a:.  153  ^/c.,  vg\ 
ahd.  fahsreita  licium  G raff  IV,  481. 

*  wraesn? 

wroht  B.  2913  etc,  auch  masc. 

*  wull  r=  ahd.  uuoUa. 

wund  B.  2711  ^/c.  ==  «Ärf.  uunta. 

(eigentlich)  mehrsilbigen: 

*  tigel. 

wädl  Boeth.  26,  2;  wetJel  Ph.  612. 

*  wefel. 

wrixl  Gen.  1990  etc.  {auch  masc.) 
candel  B.  1572  ^rc.  —  lat  candela. 
dägcondel  Rats.  88,  26. 


*)  So  ist  ohne  zweifei  der  nom.  des  nur  einmal  bei  Graff  II,   1093 
im  dat.  sg.  nande  aus  Boeth.  belegten  Wortes  anzusetzen. 
**)  Also  für  *  snearh,  daher  im  nom.  sg.  nicht  *^  snearu. 
**♦)  Vgl.  K.  Müllenhoff,  Zs.  f  d.  a.  XVI,  148  ff. 


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492  SIEVERS 

friöcandel  Gen,  2539.  )?ignen  Wr.  gl  17. 

heofoncandel  ßx.  115  etc*  *  wyrgen. 

merecondel  Metr.  13,  57.  *  sedr  =  ahd.  ädra. 

wedercandel  Andr,  372  etc,  *  feÖer  =  ahd,  fedara. 

woruldcandel  B.  1965.  *  feter. 

wyncondel  Guthl  1186.  *  lifer  =  ahd.  lebara. 

wästiH?  s,  unten.  *  weolor,  auch  masc. 

byden  fFr.  gl  34.  ceaster  Ps.  121,  3. 

firen  B.  915  etc.  =  ahd.  firina.  .  fröfor  Gen.  1475  etc.  =  ahd.  fluo- 

*  lygen  =  ahd.  lugina.  bara,  auch  ntr. 

*  gyren.  wöcor  Gen.  1312. 

*  reoden.  öfost  B.  256  etc. 

bertJen  Sal  321  ^^(;.  geogutJ   El    1265    e^c.  =  «Ärf.  ju- 

sorgbyrtJen  Andr.  1534.  junt  (i-stamm). 

byrgen  />5.  TÄ.  48,  9.  ides   B.    620    ^^<;.  =  ahd.  itis   (i- 
gyden    Metr.    26,  53  =  aÄrf.    gu-         stamm;    vielleicht  ist  ags.    ides 

tinna.  eigentlich  jsk- stamm,  vgl  Idisia- 

*  -ra^den.  visus). 
)?eöwen  ^wef.  74. 

Falsch  angesetzt  sind  danach  bei  Grein  die  nominative 
scrindu,  stgu,  stigu,  tälu,  wäbu  {seolhwabu  Andr.  1716  ist  rich- 
tig in  seolhpabu  geändert)  und  präg  (tälu  und  präg  sind  schon 
bezüglich  der  vokale  unformen). 

Die  langsilbigen  stamme  auf  -vä  vokalisieren  ihr  w  inoi 
nom.  sing,  zu  -u,  vgl.  sinu  Andr.  1244  etc.  =  ahd.  smawa, 
sceadu  Kreuz  54  etc. ;  ausser  diesen  gehören  hierher  noch  die 
im  nom.  nicht  belegten  (zum  teil  sind  es  plur.  tant.)  headu 
=  ahd.  hötij  fratu,  gearu,  geatu,  nearu,  rcesu'ij  searu. 

Endlich  fallen  hierher  die  substantiva  auf  -nis  und  -ung, 
für  die  ich  wegen  ihrer  häufigkeit  keine  beispiele  anführe. 
Ueber  die  den  ahd.  auf  -ida  entsprechenden  Substantive  s. 
unten  s.  500  flf. 

Für  den  accusativ  sing,  finde  ich  folgende  formen  be- 
legt: cete,  äre,  un-,  worold-äre,  nydhäde,  einher ge^  heafodbeorge^ 
böte,  ecege,  mereeieste,  düne,  earee,  eaxle,  eine,  feorme,  sundßte, 
fldre,  folme,  headufolme,  före,  freöde,  geöee,  geogobe,  gräpe, 
grme,  güt5e,  healle ,  gifhealle,  healfe,  nortShealfe,  helpe,  heorde, 
herehlobe,  hreörve,  hübe,  herehübe,  hrvile,  earfobhwile,  lade, 
brim-,  lagu-,  mere-läde,  läfe,  ege-,  rveä-^  yb-,  yrfe-läfe,  läre,  leäfe, 
jinde,  mearce,  leödmearce,  mede,  nobe,  brim-,  hron-,  streäm-, 
srvan-,  wig-räde,  raste,  {reste),  cefen-,  bedd-,  fiel- ,  land-,  niht-. 


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ZUR  ALTAGS.  DECLINATION.  493 

sele-,  wäl-räste  {-reste),  reorde,  rode,  rüne,  headu-,  hete-,  hyge-, 
inwit',  leobu-,  rväl-^ne*),  sceonde,  snere,  sorge ,  bealo-,  cear-, 
gnorn-j  hyge-,  inwld-,  möd-,  nearu-,  pegn-sorge,  sproece,  cefen-, 
cerend-,  edrvit-,  frum-,  heie-sproece,  stefne,  steöre,  stige,  stowe, 
et5el-j  wräC'Stdrve,  streäle,  sircete,  farot5-,  lagu-j  mere-,  rancsirmie, 
Sirene,  stunde,  orleg-,  tvinter-stunde,  tcele,  teohhe,  treöwe,  hedh-, 
wine-treöive,  pearfe,  fyren-,  nearo-pearfe,  rverpedde,  präge,  ear- 
fdiSpräge,  rväbe,  woere,  freoborvcere ,  wamhe,  wearde,  ccg-,  ftod-, 
heafod'wearde,  wearne,  mse,  wöbe,  wrcede,  inwitwräsne?,  wrohte, 
wunde,  feorhwimde  gen.?;  ferner  täfle,  dägcondelle ,  firene,  gy- 
renej  inrvitgyrene,  reodae? ,  mägen',  syn-hyr^enne,  folc-,  freönd-, 
gaful-,  mceg-j  treöw-,  wig-,  7vorold-rcedenne,  pinenne,  grundwyr- 
genne,  ceastre,  frbfre^  hUdefrofre,  wdcre,  idese. 

Neben  dieser  stattlichen  schaar  von  formen  auf  -e  kom- 
men erst  vereinzelte  spuren  einer  verktlrzten  form  ohne  en- 
dung  vor.  Neben  searwe  Ap.  18.  El.  1109  beaduwe  Wald.  1, 
26  stehn  heregeatu  Byrhtn.  48  und  nearo ,  -u  B.  2350.  Andr. 
414;  doch  könnte  nearu  auch  wol  für  nearwu,  d.  h.  ahd.  "^narawx 
stehen,  folm  Rats.  40,  10  kann  wegen  alts.  folmos  auch  masc. 
sein,  desgleichen  ist  weard  von  F.  Dietrich,  Zs.  f.  d.  a.  XI,  415 
auch  als  masc.  nachgewiesen,  help  Dan.  236.  Sat.  582.  Ps. 
68,  17  weist  neben  dem  gen.  helpys  Ps.  101,  2  etwa  auf  ein 
neutrales  help  hin,  ebenso  f?^öfor  B.  698   neben  frbfres  Hymn. 

6,  1.  (doch  vgl.,  auch  unten  s.  500).  Dann  bleiben  nur  noch 
aht  Andr.  410.  608.  El.  473  (das  trotz  ahd.  ahta  vielleicht  ein 
/-stamm  ist  und  langes  ö?  hat;  man  sollte  sonst  vielmehr  *  ^aÄ^ 
erwarten),  ceaster  Gen.  1057,  das  für  ceastre  verschrieben  sein 
k^inn,  hlöt5  Andr.  994  (Andr.  42  ist  ä/öÖ  nominativ,  das  wort 
ist  mir  etymologisch  nicht  klar),  peödmearc  Ex.  158,  fyrstmearc 
Dan.  560,  meld  Dan.  648,  wynrod  Sal.  235,  wearn  Ps.  54,  12, 
unrceden  Gen.  982,  endlich  andetnes  Ps.  121,  4,  beorhtnys  Hymn. 

7,  31.  Wieviel  von  diesen  formen  den  betr.  denkmälern  ur- 
sprünglich zukommt,  wie  viel  der  späten  Überlieferung,  lässt 
sich  natürlich  nicht  entscheiden. 

Im  genetiv  pluralis  herscht  bei  weitem  die  einfache 
enduiig  -a  vor:  cera  (ära),  folma,  geöca,  güba,  healfa,  hreöwa. 


*)  Die  angeführten  formen  der  composita  von  rün  und  überhaupt 
manche  der  hier  angegebenen  abstracten  Substantive  können  auch  acc. 
pl.  sein. 


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494 


SIEVERS 


ÄÄ&a,  däg-,  langung-,  sige-hmla,  lära,  meda,  meorda,  mila,  reorda, 
röda,  sorga,  gnorn-,  hyge-,  torn-sorga,  sprceca,  stiga,  stöwa,  sircela 
masc.  ?,  merestroeta,  stimda,  teohha,  peöda,  gum-,  sige-,  rver- 
pedda,  rvcega,  msa,  woba,  wunda.  Namentlich  bei  den  mehr-, 
silbigen  gilt  nur  diese  endung:  firena,  folc-,  hell-firena,  cedra, 
fröfra,  ceastrcu,  idesa,  frätwa,  fyrdgeatewa,  hildegeattva.  Diesen 
gegenüber  ist  die  endung  -ena  nur  belegt  in  äi^ena,  lärena 
Qärna),  sorgna,  sinsorgtia.  Bei  den  beiden  letzten  setzt  Grein 
ohne  grund  die  nominative  sorgen  und  sinsorgen  an.  Zu  ärena 
findet  sich  zwar  ein  schwaches  äre  Ps.  98,  3.  Ex.  245  belegt, 
aber  die  häufigkeit  der  form  des  gen.  pl.  (16  mal)  zeigt  uns 
dass  sie  erst  den  libergang  des  Wortes  zur  schwachen  decli- 
nation  angebahnt  hat. 

3.  Die  /(ä-stämme  sind  im  ags.  durch  die  assimilation 
des  j  sämmtlich  langsilbig  geworden.  Sie  haben  in  allen  ca- 
sus Umlaut,  und  die  mit  ursprünglich  einfachem  consonanten 
nach  kurzem  Stammvokal  verdoppeln  diesen  consonanten  im 
inlaut.  Im  gen.  pl.  kommt  die  eiidung  -ena  nie  vor.  Sonst 
flectieren  diese  stamme  wie  die  langsilbigen  a- stamme.  Ihr 
paradigma  ist  also: 


hen(n) 

benne,  -a 

benne 

benna 

benne 

benmim 

benne 

benne,  -a. 

Hierher  gehören: 

*  ben  —  got  banja. 

gyrd  Ps.  Th.  22,  5  —  ahd.  gerta. 

*  bend  =  got.  bandi,  auch  masc. 

haeÖ  Ex.  118  =  got.  hai]?!. 

*  bielblys. 

hael  Ps.  Th.  36,  38. 

*  brör. 

hei  Sat.  193  =  ahd.  hella. 

*  bricg  =  ahd,  brucca. 

hen  Rats.  43,  8  etc.  =  ahd.  henna. 

*  crybb  ==  ahd.  crippea. 

hild  B.  452  etc.  =  ahd.  hUtia. 

•  cyll  =  ahd.  kiuUa. 

*  bind  =r  ahd.  hinta. 

•  eax  =  got  aqizi  (könnte   auch 

•  hlim. 

i-stamm  sein  wie  ahd,  accus). 

hfÖ  Metr.  21,  11  etc. 

egl  B.  987. 

♦  nyt  =  ahd.  nuzza  Qra/f  II,  1123. 

*  eng.  . 

rift  Ps.  Stev.  103,  6,  vgl  ahl.  pein- 

*  fit  =  aUs.  fittea  (Zs.  f,  d,  «.  XVI, 

refta. 

141  yf.) 

cneöris  Jud.  324. 

gleng  Run.  7;  i-stamm? 

*  säcc  =r=  ahd.  secca,  vgl.  sacu  und 

*  grtu  (auch  ntr.,   kann   auch    ä- 

got.  sakjö. 

oder  i-stamm  sein). 

scell  Metr.  20,  174. 

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ZUR  ALTAGS.  DECLINATION.  495 

*  Bcen{ii).  brimwylf  B,  1506. 

*  secg.  wyn  Gen,  1862  =  aUs,  uunnia. 
sib,  sibb  Crist  581  etc,  ^=  got  Bihj&,         ßöelwyn  B.  2885. 

fritJusibb  B.  2017.  yt5  Ex,  282  =  alts.  üthia. 

*  Bt^,  vgl  steör.  bliss  Crwf  530  etc,  =  aUs,  blidsea. 
syll  Wr,  gl  61  =  got  sulja.*)  *  liss. 

syn  El,  414  etc,  =  alts,  Bundia.  milts  B,  2921  etc, 

well  fVr,  gl  54  =  ahd,  uuella.  llget  P^.  134,  7,  aw^Ä  n^w/r. 

*  wrät. 

Für  den  acc  sing,  ist  die  endung  -e  belegt  durch  bcel- 
blyse**),  bricge,  cylle,  ecge,  egle,  enge,  fttte,  gr^ne,  gyrde,  hcele, 
helle,  hilde,  hybe,  nytte,  sund-,  sundor-nytte ,  ryfie,  cnedrisse, 
säcce,  sibbe,  brobor-,  cneöw-sibbe ,  stpre,  synne,  wynne,  hord-, 
yft-,  symbel'Wynne ,  blisse,  lisse,  miltse.  Neben  diesen  regel- 
mässigen formen  beginnt  schon  die  gekürzte  form  ohne  -e  in 
nicht  geringem  umfange  einzudringen,  vielleicht  unter  dem 
einfluss  der  /-stamme,  denen  mit  den  y^J-stänmien  der  durch- 
gehende umlaut  gemeinsam  ist.  Ich  finde  bei  Grein  solche 
accusative  belegt  durch  hell  Gen.  331,  sib  Hymn.  7,  30,  sibb 
ß.  2600.  Ps.  127,  7,  wyn  Sat.  43.  Höll.  74  etc.  (8  mal,  also  auf- 
fallend oft),  Sbelfvynn  ß.  2493,  mdrhceb  Ps.  82,  10;  dagegen 
möchte  ich  hcel  El.  1003,  Ps.105,24;  113,2  für  neutral  halten. 

Der  genetiv  plur.  hat,  wie  bemerkt,  ausnahmslos  die 
endung  -a;   benna,  wälbenna,   ecga,  hilda,  circnytta,  cnedrissa, 
säcca,  synna,  fyrnsynna,  wella,  wrätta,  wynna,   hyht-,    ledd-.  Vif- 
rvynna,  ^ba,  är-,  sealt-pba,  blissa,  tvoruldblissa,  lissa. 
IL  Die  «-stamme. 

Alle  i-stämme  haben  durchgehenden  umlaut,  im  acc.  sing, 
wie  im  nom.  sing,  keine  endung,  im  gen.  pl.  nur  -a.  Sonst 
weichen  sie  nicht  mehr  von  den  ä-stämmen  ab.  Ihr  paradigma 
ist  demnach 

bin  bSne,  -a 

bSne  bena 


'  '  *  Waram  Heyne  im  glossar  zum  Ulfilas  nach  dem  allein  belegten 
dat.  pl.  sulßm  schwach  suljd  ansetzt,  weiss  ich  nicht. 

**)  Grein  schreibt  unrichtig  bcelbk/s.  Da  der  umlaut  auf  einen  ja- 
stamm  hinweist  (derselbe  müste  auch  bei  dem  von  Grein  vermutungs- 
weise angesetzten  neutrum  baslblys  angenommen  werden,  da  es  neutrale 
t-stämme  im  germanischen  bekanntlich  nicht  gibt),  so  müste  bei  kur- 
zem stanunvokal  das  s  im  acc.  verdoppelt  werden. 


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496 


SIEVERS 


bene 
ben 

Es  gehören  hierher: 

seht  Rats.  70,  l  eic.  =  ahd.  eht. 
ben  Ps.  118,  170  =  altn.  boen. 
benc  B.  492  =  ahd.  baue, 
medubenc  B.  776. 

*  blsed  =  bled? 
wuldorblsed  Jud.  156. 

*  bled  =  ahd.  bluot. 

*  brygd?  vgl.  ahd.  gabruht  Grajf 
III,  270. 

gebyrd    Crist    38    etc.  =  goi.    ga- 
baür}?s. 

eäggebyrd  Ph.  301. 
mundbyrd  Ar.  130. 

*  byht  =  /?///*.  bygÖ,  nÄrf.  bucht? 
bysen    GutU.   146,    v^/.  ^o/.    ana- 

busns. 
cwen  B.  62  etc.  =  ^ö^.  qens. 
dryhtcwgn  B.  2035. 
folccwßn  i?.  641. 
güÖcw^n  El.  254  ^fc. 
l7eödcwen  El.  1156. 

*  andcwis  ?  (riur  acc.  sing.  Guthl.  999). 
gecynd  Ps.  387  <?^<;.  =  «äö?.  gakunt. 
cyst  B.  673  ^^^.  ;==  rtÄ<]?.  kust,  meist 

masc. 
dsed  G^^i.  594  etc.  =  got.  deds. 
dryht  Rats.  60,  11  =  ahd.  truht. 
gedryht   B.   431    ^f(7.  =  got.  ga- 

draühts. 

hygedriht  Reiml.  21. 

magodriht  ^.  67. 

sibgedriht  Ex.  214  ^^<;. 

wilgedryht  Pä.  342. 

*  duguÖ  =  ahd.  tugunt. 
äÖelduguÖ  Crist  1012. 

*  gedyrst  =  ahd.  gaturst. 

*  eornest  =  ahd.  ernust. 
ggt  =  got,  ansts,  auch  masc. 

*  fylst  =  ahd.  fiilleist. 

fyrd  Ex.  54  etc.  =  ahd.  fart. 

*  fyst  =  ahd.  füst. 

*  gift  =1  ahd.  gift. 


benum 
bene,  -a 


gl6d  B.  2652  =  «Äöf.  gluot. 

*  gnym,  jk-stamm  ? 

gräft  W7\  gl.  47  =  ahd.  graft,  «mcä 

haes  Geti.  124. 

*  haest  =  got.  haifsts. 

hläst  Gen.  \blb=ahd.  blast,  auch 

masc. 
hlyst  Dan.  178  etc.  =  alts.  hlust. 
hretJ  Ex.  316,  ^m.  .^ 
hyd  Wr.  gl.  44  =  ahd.  hüt. 

*  hygd  =  ahd.  huct. 

gehygd  Cr/^^  1039  =  ahd.  gahuct, 

auch  ntr. 
misgehyd  Ändr.  773. 
oferhygd  Gen.  29  etc. 
tohyht  Run.  4  etc.^  nicht  masc. 

*  hyrst  =  ahd.  hrusti  j>Z.  ^aw/. 

*  leöd,  meist  pl.  Ie6de  =  ahd.  liutl. 
list  6^?^.  ex,  189  =  «Ä<]?.  list,  ämcä 

masc. 

*  lynd,  jh-stamm? 
gelynd  JP^.  62,  5. 

lyft  ^o:.  430  etc.  =  «Ärf.  luft,  auch 
masc. 

*  mäst  =  ahd.  mhd.  mast 
meaht,  miht  Crist  1078  ^^^.  =  ^o^. 

mahts. 
meolc  Sal.  57  ^r<7.  =  got.  miluks. 
gemynd  Crist  1038  etc.  =  got.  ga- 

inunds,  nicht  neutr. 

modgemynd  El  840. 
nyd,    nM,    Jud,    Hl   etc.  =  got 

nau)7s. 

)?reänyd  ^/.  704. 
serist  Men.  58,  v^/.  aÄ<]?.  urrist,  auch 

masc. 

*  -sceaft  =  ahd,  -scaft. 
aersceaft  Ruine  16. 
gesceaft  Gen.  131  ^^<7. 
ealdorgesceaft  Rats.  40,  23. 
handgesceaft  £^^n;  455. 


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ralt. 

wraesn,  *  wräsn  =  ahd.  reisan  ntr, 

(inwitwräsne    Andr,  63    ist   acc. 


ZÜE  ALTAGS.  DECLINATION.  497 

landgesceaft  Dan.  390.  *  )?ryÖ  =  altn,  }?rüÖr  {also   nicht 

woruldgesceaft  Gen,  110.  )7ry?5,  l7ryt5u). 

scyld  Crist  97  etc.  =  aUs.  sculd.  ge)7yld  Ps.  70,  4  —  aÄJ.  gadult 

gesihö  Crist  50  =  ahd.  gasiht.  *  waed  =  ahd.    uuai ,  awcÄ   /i^w^r. 

*  -slyht  =  ahd.  -slaht  (aueh  7ieutr.y  wsede. 

vgl  den  gen.  sing,  moröorslehtes  ^en  Gen.  49  etc.  =  got.  vßns. 

^i'  ^^^^-  *  geweald?  =  ahd.  giuualt. 

sped  Gen.  3  etc.  =  alts.  spöd.  ^^^  Ärf/^.  29,  13^^c.  =  e/ö/.  vaihts, 

herespM  B.  64.  ^^,^  ^^^^^; 

sigorsped  Andr.  911  e^^.  ^j^^  ^^^^   21  etc.  =  got.  viBts. 
suht  Gen.  472  ==  ^or.  saühts  (auf-         ^twist  Äwn.  7. 

faOend  ist  der  mangel  des  um^  ^^,^|^  ^^^^    ^^^4  ^^^   ^  ^^^    ^^g_ 

*  ädswyrd. 

*  gyn  =  got.  siuns. 
ansyn  i>^.  82,  12  ^/^.  i   y.     ^      j  ^  a 
wäfersyn  />..  68,  11  etc.,  neutr.l        ^K^J'^'^J^f  '^'  ""'^  ,, 

ttd  Gen.  132  =  alts.  üd.  ^^.^^  ^^^-  ff  ^'^'  =  «^^-  ^^'*- 
benöd  Men.  75.  ^^^^^^^^  if'  285. 

fulwihtttd  ;»/^n.  11.  ^^^y^^  ^^-  ^^^- 

*  beaht  gewyrht  Reiml.  70  =  aZ^js.  giuurht. 
ge}?eaht  i>^.  88,  6  =  alts.  githäht,  wyrt  ^z.  83  etc.  =  got.  vaürts. 

auch  neutr.  ys*  ^w<]?r.  1588  etc.  «=  a/^5.  üst. 

Von  den  entscheidenden  formen  des  acc.  sing,  sind  fol- 
gende belegt:  ceht,  goldceht,  hen,  gehyrd,  ende-,  mund-,  ste/h- 
hyrd,  hysen,  crveyi,  sigecwen,  gecynd,  dced,  rveädced,  gedryht,  folc-, 
sihge-,  willge-dryht ,  est,  fyrd,  handgift,  hces,  hest,  hlyst,  hreb 
adj.?,  sigehreÖ  adj.?,  hyd,  gehygd,  gcest-,  in-gehygd? ,  oferhygd, 
list,  lyft,  uplyfty  mäst,  meaht  {mihi),  meolc,  gemynd,  fyrn-,  möd-, 
up-gemynd,  n^d,  Haft-,  oht-,  peöw-,  pred-nyd,  cerist,  /rum-,  meo- 
lud-,  geö-,  rvon-sceaft,  gesceaft,  fort5',  meotud-gesceaft ,  scyld, 
godscyld,  gesihb,  hondshjht,  sped,  freotSo-,  freönd-,  mägen-,  sige-, 
tuddor-,  wlg-sped,  aiisyn,  üd,  an-,  äßen-,  cefen-,  eästor-,  lerictoi-, 
morgen-,  üht-tid,  peaht,  gepeaht,  rcedgepeaht,  gepyld,  wen,  ge- 
weald, ceht-,  hand-geweald,  wiht,  wist,  and-,  ät-,  mid-,  neä-,  an-, 
som-wist*),  woruld,  cer-,  gewin-,  wundor-woruld,  wyrd,  for-,  wun- 
dor-wyrd,  fymgewyrht. 

Neben  diesen  sicheren  formen  finden  sich  bei  Grein  eine 
reihe  von  accusativen  auf  -e  im  glossar  angeführt;  von  diesen 
sind  zunächst  auszuscheiden  hysene,  mänscilde,  uncyste,  uplyfte, 
wcdde,  wiste,   somwiste,  woruldspede ,  die  Grein  selbst  nur  als 


*)  ptnne  neäwest  Hymn.  4,  49  ist  gewis  verschrieben  für  ßne. 

Beiträge  znr  geschichte  der  dentschen  spräche.  I.  33 


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498  SIEVERS 

'acc'  oder  zum  teil  auch  fragend  als  'acc.  pl/  ansetzt;  alle 
diese  sind,  wie  jeder  sich  beim  nachschlagen  der  stellen  über- 
zeugen kann,  sicher  plurale.  Für  solche  halte  ich  ferner:  fyrde 
Gen.  408.  Ex.  62.  254.  Hymn.  7,  47  (es  sind  die  einzelnen 
sclifiaren  gemeint,  in  der  bedeutung  'fahrt'  heisst  es  stets /|^rJ) 
und  gesihbe  Gen.  617.  Guthl.  788.  Kr.  96  (es  ist  von  Visionen 
die  rede,  für  ^visus'  gilt  nur  gesihb).  Ferner  finden  sich  die 
formen  ceriste  Ph.  495.  572,  edsceafte  Dan.  112,  eomeste  Crist 
1101,  gebyrde  Crist  76,  mundhyrde  Gen.  2709,  higeprybe  Gen. 
2238  {hildeprybe  Rats.  20,  4,  möchte  ich  lieber  als  dat.  fassen), 
gemynde  Ps.  102,  17,  immihte  Ps.*106,  17;  auch  bei  diesem  ist 
immerhin  die  möglichkeit  zu  bedenken,  dass  pluralformen 
vorliegen,  wie  sie  bei  abstractis  im  ahd.  so  häufig  und  auch 
im  ags.  nicht  unbekannt  sind  (vgl.  z.  b.  hwonan  his  cyme  sin- 
don  Guthl.  1196  u.  dgl.),  doch  will  ich  hierauf  kein  gewicht 
legen.  Entschiedener  nehme  ich  dagegen  pluralformen  an  bei 
syne,  ansyne,  da  hier -die  form  auf  -e  massenhaft,  14  mal,  ne- 
ben der  ohne  endung  (7  mal)  auftritt,  während  die  übrigen 
formen  auf  -e  durchaus  vereinzelt  sind.  Endlich  sind  geogut^ 
und  ides,  obwol  ahd.  jugunt  und  itis  entsprechend,  nicht  hier- 
her zu  stellen,  da  sie  durchgängig  zur  flexion  der  a- stamme 
übergetreten  sind,  s.  oben  s.  492.  Dann  bleiben  völlig  sicher 
überlieferte  acc.  sing,  auf  -e  von  i  -  stammen  nur  bryde  Gen. 
2638,  B.  2956,  Metra  9,  30,  cwene  Gn.  ex.  82,  rvihte  Rats.  68, 1. 
Es  beginnt  also  bereits  in  den  poetischen  denkmälern  allmäh- 
licli  eine  ausgleichung  zwischen  ä-  und  i- stammen,  aber  erst 
in  sehr  beschränktem  umfang,  wie  die  vergleichung  der  fol- 
genden verhältniszahlen  lehrt,  bei  denen  rücksichtlich  der  sel- 
teneren formen  alles  mit  eingerechnet  ist,  was  nach  meiner 
meinung  einigermassen  mit  Wahrscheinlichkeit  als  acc.  sing, 
angesehen  werden  kann: 


endung  -e 

ohne  endung 

kurzsilbige.  ...  180 

— 

a- Stämme  <  langsilbige  .  .  .  645 

14 

[yä- Stämme.  .  .  130 

14 

zusammen       955 

28 

/-Stämme                                   14 

625 

Dabei  ist  noch  zu  beachten,  dass  unter  den  28  gekürzten 

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ZUR  ALTAGS.  DECLINATION.  499 

formen  der  <J-decliiiation  12  mal  die  acc.  äht  und  wynn  stehen, 
die  oben  schon  als  auflfallende  anomalien  bezeichnet  sind ;  dann 
bleiben  nur  16  vereinzelte  kürzungen  bei  den  ä-stämmen  be- 
stehen; diese  können  sehr  wol  erst  durch  die  spätere  Überlie- 
ferung in  unsere  texte  hineingebracht  sein,  ebenso  wie  die 
längeren  formen  bei  den  e- stammen,  denn  nirgends  erheben 
metrische  gründe  einspräche  gegen  die  zufügung  oder  Strei- 
chung eines  -e  ausser  bei  gehyrde  Crist  76.  Für  das  ältere 
angelsächsisch  besteht  also  durchaus  noch  eine  genaue  Schei- 
dung der  ä-  und  ^'-stamme  durch  den  acc.  sing.,  und  erst  spät 
ist  dieser  unterschied  allmählich  verwischt  worden. 

Für  den  genetiv  pluralis  liegen  vor  die  formen  cehta, 
mäbmcehta,  brigda,  gearohrygäa ,  crvena,  gecynda,  dceda,  healu-, 
eilen-,  firen-,  god-,  gü-,  mägen-,  mis-,  yfel-dceda,  drihta,  heofon-, 
woruld'duguba ,  fylsta,  fyrda,  gifta,  gleda,  gnyrna,  gehygda^ 
oferhygda,  hyrsta,  leöda,  mihta,  gemynda,  rmda,  frum-,  rvoruld- 
sceafta,  gesceafta,  heäh-,  Üf-,  moel-,  woruld-gesceafta ,  scylda, 
frumscylda,  speda,  mgspeda,  tida,  pryt5a,  rvceda,  cehtgewealda, 
rvena,  wista,  wyrda,  leödrvyrhta,  gewyrhta,  wyrda^  ysta. 

III.  Die  w-stämme. 

Zur  w-declination  gehören  nur  noch  die  Wörter  dura  und 
in  einigen  casus  hand;  eingedrungen  sind  schon  formen  der 
ä'  und  der  consonantischen  declination.  Belegt  sind  in  der 
poesie  ; 

sing.  nom.  duru,  helleduru,  hand, 
gen.  handa, 

dat.  dum,  dura,  hlindura,  handa,  hand. 
acc.  duru,  hlinduru,  hand, 
plur.  nom.  handa. 
gen.  handa. 
dat.  durum,  handum. 
'  acc.  duru,  handa. 

IV.  Consonantische  oder  mischstämme. 

Diese  unterscheiden  sich  von  den  früher  besprochenen  fe- 
mininis  dadurch,  dass  sie  im  ganzen  Singular  und  im  nom. 
acc.  pl.  keine  endung  haben,  aber  im  dat.  sing,  und  nom.  acc. 
pl.  (zum  teil  auch  im  gen.  sing.)  wenn  möglich  umlaut  bekom- 
men.   Nebenbei  aber  drängen  sich  auch  formen  aus  der  ä-de- 

33* 


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500  SIEVERS 

clination  und  sonstige  abweichungen  ein..  Ich  stelle  auch  hier 
wider  nur  zusammen,  was  in  der  poesie  belegt  ist,  um  für 
diese  wenigstens  das  gesammte  maferial  zu  geben,  obschon 
gerade  hier  die  prosa  die  reichlichste  nachlese  geben  wird.  — 
Es  gehören  hierher  die  werter  *  hdc,  burh,  turf,  mägb,  gät,  niht, 
äohtor,  mödor,  sweostor. 

Der  acc.  sing,  ist  wie  bei  den  e- stammen  gleich  dem 
nominativ:  hurh,  ealdor-,  freobo-,  freö-,  gold-,  heäh-,  Med-, 
hord-,  mcßg-,  scüd-,  weder-,  mn-biirh,  turf,  et5elturf,  mägeb,  heals- 
mägeb,  niht,  emniht,  dohtor,  mddor,  sweostor. 

Gen.  sing,  byrig,  winbyrig,  mägb,  mddor,  sweostor. 

Dat.  sing,  bec,  byrig,  heäh-,  leöd-,  meodo-,  sceld-,  wtn-by- 
rig,  tyrf,  efSeltyrf,  mag  eh ,  niht,  eästorniht,  dehter,  meder, 
sweostor. 

Nom.  acc.  pl.  bec,  cerendbec,  byrig,  heä-,  leöd-,  rand-, 
stän-byrig,  gcet,  mägb,  niht,  sweostor. 

Abweichend  hiervon  sind  belegt  für  den  gen.  sing,  bürge, 
mceg-,  wm-burge,  nihie  nebst  nihtes ,  em-,  sin-nihtes  (wonach 
sich  auch  mihtes  Ps.  70,  18  gerichtet  hat,  vgl  auch  helpys  und 
fröfres  oben  s.  493),  flir  den  dat.  Bing.  mcegburge,^nihte,  e/en-, 
ge-,  syn-nihte,  döhtor  Sat.  439,  flir  den  acc.  sing,  nihte  Metr. 
29,  36,  emnihte  Men.  49,  vielleicht  auch  mcegburge  Ex.  360,  das 
ich  aber  lieber  als  acc.  pl.  fassen  möchte,  endlich  für  nom. 
acc.  pl.  döhtra  und  döhtru. 

Diess  sind  die  hauptzüge  der  angelsächsischen  'starken- 
feminindeclination.  Besprechung  erfordern  aber  ausserdem 
noch  einige  bisher  nicht  besprochene  Schwankungen  ganzer 
Wortklassen  und  eine  reihe  einzelner  zweifelhafter  Wörter. 

1.  Bekannt  ist,  dass  im  gotischen  die  verbalsubstantiva 
auf  -ns  im  plural  zwischen  der  ä-  und  2-declination  schwan- 
ken. Im  angelsächsischen  hat  sich  dies  schwanken  auch  auf 
den  Singular  ausgedehnt,  d.  h.  für  den  acc.  sing,  findet  sich 
neben  -en  auch  -ene  als  endung:  brimnesen  El.  1004,  lufen  Dan. 
73  (ß.  2886?)  und  landsöcne  Gen;  1665.  1699,  pigene  Hom.  2, 
280,  pecme  Rats.  46,  2. 

2.  Die  angelsächsischen  feminina  auf  -&,  -t5u  =  got. 
-ipa  haben  sich  mit  den  auf  -u  =  got.  -ei  vermischt.  Letztere 
haben  bekanntlich  im  ganzen  singular  eigentlich  die  endung 
-u,  -o;  wenn  daneben  aber  schon  für  die  casus  obliqui  -e  vor- 


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ZUR  ALTAGS.  DECLINATION.  501 

kommen  (gen.  fylle,  wistfylle,  geögubmyrwe  ^  ylde,  dat.  hyrhte, 
calde,  edwende,  fylle,  wälfylle,  strenge,  pystre,  wlence,  ylde,  acc. 
iengey  wibermede,  menge,  strenge),  so  fiihre  ich  diese  an  zahl 
hinter  den  formen  auf  -w  sehr  zurückstehenden  -e  auf  eine 
ein  Wirkung  eben  der  feminina  auf  -Öu  zurück,  bei  denen  -be 
regelrecht  steht:  gen,  fcehbe,  mcegbe,  mirlhbe,  eormenstrynde,  dat. 
heht5e,  cybbe,  /cehbe,  gedöe,  geohbe,  mcegbe,  mcertSe,  myrgbe, 
stt^be,  gesibt^e,  strengte,  tybe?,  rvergbe,  yrhtie,  meteledsfe,  acc. 
äbyligde?,  cybbe,  oncytitie,  ealdcyöbe,  fashtSe,  heht5e,  hlywt^e, 
mcegbe,  mwrbe,  mirhtie,  myrbe,  strengte,  wergt^e,  yrmbe,  cerleste, 
hy gekäste,  meteleäste.  Ohne  die  annähme  dieser  einwirkung, 
die  man  nur  etwa  durch  die  annähme  einer  vokalschwächung 
ersetzen  könnte,  bliebe  es  unerklärlich,  warum  der  nom.  sing, 
niemals  die  endung  -e  zeigt  (wlence  Sal.  82  in  B  neben  tvelm 
A  kann  nicht  ins  gewicht  fallen).  —  Die  Vermischung  der  bei- 
den klassen  scheint  nur  dadurch  herbeigeflihrt  zu  sein,  dass 
der  nom.  sing,  allein  ursprünglich  wie  bei  den  kurzsilbigen 
so  auch  bei  den  mehrsilbigen  auf  -ipa  das  -u  behielt,  wie  denn 
auch  bei  den  neutris  formen  wie  tunglu,  cealfru  im  nom.  plur. 
denen  wie  fatu,  nicht  wie  rvord  entsprechen;  vgl  dazu  den 
nom.  sing,  elfetu  61.  Aqu.  5.  Später  wäre  dann  nach  ausfall 
des  'i  der  endung  -ipa,  der  die  betreffenden  werte  um  die  be- 
stimmende silbe  verkürzte ,  wie  bei  den  einsilbigen  fe- 
mininis  mit  langer  Stammsilbe,  das  -w  im  nom.  fortgefallen. 
So  haben  wir  cent^u,  syncaldu,  fcehbo,  mcert^o,  strengbu,  heäh- 
strengbu,  wergbu,  wärbo ,  yrmbu,  woruld-yrrnbo  und  daneben 
cybb*),  oncybb,  fcegb,  hleöwb,  hynb,  mcegb,  myrgb,  gescelb,  re- 
celest.  Dem  nominativ  assimilierte  sich  zunächst  der  accusa- 
tiv,  bei  dem  sich  daher  auch  die  formen  auf  -w  verhältnis- 
mässig am  häufigsten  finden :  cybbu,  ealdcybbu,  uncybbu,  fcehbu, 
gehbu,  strengbu,  mägenstrengbu,  wergbu,  ermbu,  yrhbo,  gesynio  **). 
Auch  die  gekürzten  formen  des  nom.  erscheinen  wider  im  acc. 


*)  Auch  wo  bloss  cyti  geschrieben  ist  darf  man  dies  nicht  mit  Grein 
zu  ahd.  cundi  stellen;  es  ist  cundida,  wie  die  casus  ohliqui  beweisen. 
Dasselbe  gilt  von  *lcetitf(u),  das  =  ahd.  leidida  ist,  nicht  wie  Grein  will 
=  leida, 

**)  gesynto  ist  ahd.  gasuntida,  wie  gescenta  gen.  pl.  zu  ahd.  giscen- 
tida  gehört;  t  für  dti  wie  in  fint^  gylt,  Stent  =  findet,  gildeti,  stende^, 
vgl.  M.  Heyne  zum  Beow.  1225. 


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502  SIEVEßS 

in  gedb,  mcegti,  hleotS  f=  hleorvb,  hlywbj,  und  dies  widerholt 
sich  dann  auch  bei  den  femininis  auf  -u  =  got.  -ei,  vgl.  nom. 
yld,  eld,  acc.  äßeryldj  druncen  (=  ahd.  irunkanx).  Schliess- 
lich folgen  genetiv  und  dativ  nach  (gen.  fceh^o,  mänfceht5u, 
hynbo,  rvärgbo,  yrmbu,  gesynto,  dat.  gehbu,  hedhbu,  hynbu, 
strengten).  Eine  chronologische  Untersuchung  mtiste  über  diese 
frage  entscheidenden  aufschluss  geben;  eine  solche  lässt  sich 
aber  gerade  an  der  band  der  poetischen  denkmäler  aus  leicht 
ersichtlichen  gründen  nicht  führen. 

3.  Verschiedene  Unregelmässigkeiten  zeigen  die  auf  einen 
langen  vokal  ausgehenden  feminina.  Zu  diesen  gehören  nicht 
(B  leben  Az.  165  und  freö  frau  Gen.  457;  denn  ce  ist  offenbar 
got.  äivs  almv,  also  masc.  und  nicht  mit  Grein  zu  got.  aha 
oder  gar  zu  cet5m  zu  stellen,  und  freö  ist  neutrunl  wie  alts.  fri. 

Von  den  übrigbleibenden  ^-stammen  ist  zu  bemerken,  dass 
sie  im  ganzen  sing,  durch  contraction  der  endung  mit  dem 
vokal  der  Stammsilbe  indeclinabel  werden ;  gen.  ce,  eä,  heähsce*), 
preä,  dat.  ce,  sce,  preä,  cwealmpreä,  acc.  ce,  eä,  sce,  preä,  so 
auch  nom.  pl.  sce  Ps.  65,  5,  preä,  und  entsprechend  dat.  pl. 
eäm,  preäm,  peödpreäm,  cläm  neben  nom.  pl.  öläwe,  brüfwja, 
dat.  preäum,  brüwum.  Der  nom.  sing,  cläwu  neben  cleö  Ps. 
68,  32  steht  wol  für  "^cläii,  d.h.  *cläw,  obwol  sonst  nach  lan- 
gem vokal  auslautendes  rv  der  vokalisierung  nicht  zu  unter- 
liegen pflegt. 

Zu  den  mischstämmen  gehören  cü,  fbrüj,  sü  (sonderbar 
der  nom.  sügu  Wr.  gl.  22  etc.);  cü  und  brü  bilden  den  gen. 
pl.  cüna,  brüna,  den  nom.  acc.  pl.  eye  Ps.  Stev.  67,  31  neben 
brüa,  oferbrüfwja.  Der  dat.  sing,  cüe  Rats.  16,  4  ist.  erst 
durch  conjectur  Greins  gewonnen. 

4.  Eine  reihe  von  Wörtern  ist  von  Grein  als  weiblich  be- 
zeichnet worden,  die  diesem  geschlechte  entweder  sicher  nicht 
angehören  oder  ihm  doch  mindestens  nicht  durch  entscheidende 
formen  zugewiesen  werden.  Zweifelhaft  sind  mir  hierunter 
bi7in,  blinn,  hals,  hrisil,  Icel,  salig,  scräd,  swyld,  über  deren  ge- 
schlecht ich  nichts  zu  sagen  weiss.  Mit  Sicherheit  dagegen 
sind  meiner  ansieht  nach  als  neutra  zu  betrachten  cevisce  = 
got  äiviski  ntr.,  ceder  nach  pä  heän  ceder  =   cedros  Ps.  Th. 

*)  sce  ist  gewöhnlich  masculinum. 


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ZUR  ALTAGS.  DECLINA TION.  503 

28,  5,  leäf  laub  (wol  nur  druckfehler  wegen  des  vorhergehen- 
den leäf  erlaubnis,  s.  Greins  glossar  zum  Beovv.  s.  v.),  wolcen- 
gehnäst  (desgl.,  bei  gehnäst  selbst  und  den  übrigen  compositis 
ist  bei  Grein  das  geschlecht  richtig  angegeben),  rvel  ==  altn. 
vel  ntr.,  femerliin  ntr.  oder  masc.  nedd,  erwiesen  durch 
den  instr.  neöde  sine  Gen.  854  und  den  öfter  vorkommenden 
acc.  sing,  nedd,  statt  dessen  man,  wenn  das  wort  fem.  wäre, 
entweder  "^  neöde  oder  "^nyd  erwarten  mliste.  Masculina  sind 
frumslcep  (das  einfache  slcep  ist  bei  Grein  richtig  als  masc.  an- 
gesetzt), ellenwod  =  mhd.  wuot,  m.,  altn.  ötSr  (unser  fem.  wut 
ist  z.  t.  aus  ahd.  wuoti,  mhd.  wüete  erwachsen),  mund  schütz 
=  altn.  mundr  (das  ahd.  munt  müste  im  ags.  mynd  ergeben), 
und  auch  wol  durchgängig  wästm,  das  Grein  als  m.  f.  n.  be- 
zeichnet. Auf  ein  ntr.  weist  gar  nichts  hin,  auf  ein  fem.  nur 
die  nomm.  pl.  wästme,  eorb-,  frumrwästme,  die  ebensogut  nomm. 
pl.  eines  männlichen  e-stammes  sein  können  wie  hyre,  rvine, 
ylfe,  Dene  u.  dgl.;  auch  hlöstm  wird  man  hierher  stellen  dür- 
fen, wahrscheinlich  auch  den  acc.  pl.  heäfodgimme  Andr.  31  im 
reime  2i\jS  heorogrimme ;  mn^i  lautet  der  pl.  regelmässig  gim- 
mos,  und  gimme  ist  vielleicht  mit  anklang  an  lat.  gemme  nur 
dem  reime  zu  liebe  gebildet  worden,  /rymö  hat  schon  J. 
Grimm  gr.  III,  241  nach  dem  pl.  frym^as  als  masc.  zu  ahd. 
bildungen  wie  leitid  gestellt;  die  ags.  formen  nötigen  durchaus 
nicht  zur  annähme  eines  femininums.  Dass  sceat5ena  Gen.  549 
zum  masc.  sceat5a,  nicht  zu  einem  sonst  unbelegten  fem.  *scea- 
ben  gehört,  ist  ebenfalls  nur  anzumerken. 

5.  Auch  ein  umgekehrtes  verfahren  zeigt  sich  bei  einigen 
Wörtern;  töhyht,  gemynd,  gewyrht  (vgl  acc.  sg.  änfealde  ge- 
wyrht  Crist  1578),  fracotiu  (vgl.  dat.  sg.  fräcet5o  Matth.  c.  22, 
6)  sind  feminina.  Von  gewyrhl  und  gehygd  nebst  dessen  com- 
positis finden  sich  allerdings  auch  neutrale  nom.  pl.  gewyrhtu, 
gehygdo,  oferhygdo,  auch  ein  neutraler  instr.  sg.  ealle  ingehygde 
Ps.  118,  145.  Neben  dem  durchaus  weiblichen  gemynd  steht 
das  eigentümlich  schwankende  weort^mynd,  das  durch  die  ne- 
benformen  weortimynt5  und  weorbmynt  auf  eine  grundform 
-mundiba  oder  ^-mundibi  ntr.  hinzuweisen  scheint  (s.  s.  501  **). 
gräft  und  preä  sind  nur  masc.  und  fem.,  nicht  auch  ntr. ;  preä 
wird  wol  nur  wegen,  des  nom.  acc.  pl.  preä  als  ntr.  angesetzt 
Sein,  dieser  grund  kommt  aber  nach  der  bemerkung  unter  no. 


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504  SIEVERS 

3  in  Wegfall,  imiab  scheint  nur  in  der  verderbten  stelle  Ps. 
108,  18  fem.  zu  sein,  sonst  ist  es  masc.  Schwankendes  ge- 
schlecht haben  im  übrigen,  wie  schon  oben  einzeln  bemerkt 
ist,  flän,  fldr,  folm,  heorr,  scelj  sircel,  wröht,  frbfor,  hend,  Hgef, 
cyst,  est,  hläst,  list,  lyft,  slyht,  gepeaht,  wiht,  wrcesn(J).  Aehn- 
lich  wechselt  das  fem.  fribo,  freoito  (=ahd.  ^ fridxf)  mit  dem 
masc.  fri^y  und  cefstu  mit  oefest,  dessen  geschlecht  zweifelhaft 
bleibt,  mfman  flectiert  zwar  durchaus  masculinisch,  fängt  aber 
an  weiblich  gebraucht  zu  werden. 

Schliesslich  bemerke  ich  noch,  dass  man  nicht  mit  Grein 
sunnu  f.  als  nebenform  zu  sunne  ansetzen  darf,  es  muss  heissen 
sunna  swm.;  sunnu  Sat.  352  ist  nach  dem  vorausgehenden  hu 
verschrieben  (vgl.  z.  b.  I.  Harczyk  bei  Haupt  XVII,  78);  dass 
Metra  28,  34  siö  sunna  stehe  ist  ein  Irrtum  Greins  im  glossar 
II,  496,  der  text  hat  siö  sunne. 


II.    Die  reduplicierten  präterita. 

Scherer  ist  meines  wissens  unter  den  Deutschen  der  erste 
gewesen,  der  uns  den  Schlüssel  zum  Verständnis  der  redupli- 
cierten präterita  gegeben  hat,  indem  er  nachwies,  dass  die  re- 
duplicationssilbe  der  gotischen  präterita  nicht  den  diphthong 
äi,  sondern  die  ^brechung'  ai  =  e  eüthält  und  dass  formen  wie 
altn.  ags.  alts.  het,  ahd.  hez,  heaz  u.  s.  w.  Sin^haihäit  durch  die 
noch  im  ags.  vorliegende  mittelstufe  heht  hindurch  ebenso  ent- 
standen sind  wie  göt.  gebum  aus  einem  vorauszusetzenden 
*gagbum  für  * gagäbum*). 

Diese  beiden  resultate  halte  ich  flir  so  sicher  bewiesen, 
dass  es  mir  überflüssig  erscheint,  nochmals  gegen  die  auch 
neuerdings  immer  wider  (z.  b.  von  Grein,  Das  goth.  Verbum 
in  sprach vergl.  Hinsicht,  Cassel  1872,  s.  13  f.)  vorgetragene 
ältere  ansieht  ein  wort  zu  verlieren,  deren  Vertreter  sich  nicht 
einmal  die  mühe  geben,  allgemein  gültigen  lautgesetzen  und 


*)  Zuerst  in  der  anmerkung  zu  den  Denkmälern  LVIl,  9,  s.  458  der 
ersten  aufl.,  1864,  dann  GDS  a.  11  ff.  und  namentlich  Zeitschrift  für  die 
Österreich.  Gymnasien  XXIV  (1873),  295—300;  mitletzteremaufsatz  haben 
wir  es  hier  besonders  zu  tun. 


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DIE  REDÜPLICIERTEN  PRAETERITA.  505 

dem  factiseh  vorliegenden  sprachmaterial  gerecht  zu  werden. 
Meine  absieht  ist  es  hier  nur  einige  von  Scherer  nicht  berührte 
punkte  zu  besprechen  und  meine  im  einzelnen  von  Scherer 
hie  und  da  abweichende  auflfassung  darzulegen. 

Es  kann  und  wird  wol  in  keiner  weise  bezweifelt  wer- 
den, dass  der  vokal  der  reduplicierten  präterita  der  auf  6inen 
consonanten  ausgehenden  wurzeln  mit  innerem  ä  oder  al  im 
präsens  im  altn.,  ags.,  alts.  und  ursprünglich  auch  im  ahd.  ein 
langes  e  war  (alts.  släpan  —  slep,  hetan  —  het  u.  s.  w.).  Dass  die- 
selbe quantität  auch  bei  den  wurzeln  vorhanden  gewesen  sei 
die  auf  mehrere  consonanten  ausgehen,  ist  zwar  ebenfalls  eine 
heutzutage,  wie  es  scheint,  noch  allgemein  gültige  annähme, 
doch  ist  sie  eigentlich  nirgends  ausdrücklich  verteidigt,  und 
sie  entbehrt  in  der  tat  meiner  Überzeugung  nach  fast  in  ih- 
rem ganzen  umfange  der  berechtigung. 

Ich  beginne,  um  den  beweis  für  diese  behauptung  zu  er- 
bringen, mit  dem  altnordischen,  da  flir  dieses  das  richtige 
Sachverhältnis  schon  längst  aufgeklärt  ist.  Texte,  Wörterbü- 
cher, grammatiken,  auch  noch  die  von  Wimmer,  bieten  zwar 
überall  nur  langen  vokal,  fekk,  gekk,  fengum,  feil,  Mit  u.  s.  w. 
Aber  schon  im  jähre  1860  hat  Konrad  Gislason  in  den  An- 
naler for  nordisk  Oldkyndighed  og  Historie  s.  327 — 330  durch 
die  vergleichung  der  reime  alter  dichtungen  und  der  modernen 
ausspräche  (die  doch  auch  nicht  zu  gering  angeschlagen  wer- 
den darf)  gezeigt,  dass  allen  diesen  formen  kurzes  e  ge- 
bühre; ich  entlehne  ihm  deshalb  hier  nur  zur  veranschauli- 
chung folgende  beispiele: 

^ekk  ülfr  i  ben  ^rekka  (Sn.  E.  I,  478  AM.) 

sjor  iekk  af  staÖ  ekki  (Sn.  E.  II,  202  AM.) 

A>i^lands  enn  vier  iengMm  (Sighvatr  Skäld.) 

Brjän  iell  ok  helt  v^//i  (Nj.  279.) 
und  die  bemerkung,   dass  vor  ng  dies  kurze  e  bisweilen  zu  i 
wird,  z.  b.  in 

hrm^skyrturfram  gm^u  (HallfreÖr  VandrseÖaskäld,  s.  Forn- 
sögur,  Leipzig  1860,  s.  208).  Auch  dieser  Übergang  beweist 
Ischlagend  für  die  kürze  des  e.*) 

*)  Gislason  hat  übrigens  a.  a.  o.  schon  vor  Scherer  bemerkt,  dass 
der  got.  reduplicationssiibe  ai  gebühre,  ohne  indess  die  weiterentwicke- 
ung  der  prätt  richtig  zu  erkennen. 


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506  SIEVERS 

Ebenso  lässt  sich  die  kürze  des  präteritumvokals  auch 
für  das  altsächsische  leicht  nachweisen,  und  zwar,  da  der 
Monacensis  des  Heliand  natürlich  keine  anhaltspunkte  •  gewäh- 
ren kann,  an  der  hand  des  Cottonianus*),  den  ich  trotz  der 
gegenteiligen  ausflihrungen  M.  Heyne* s,  in  seiner  Kleinen 
altsächs.  und  altniederfränk.  Grammatik,  Paderborn  1873,  fort- 
fahren muss*  flir  ein  echt  altsächsisches,  wenn  auch  einem 
grenzdialekt  entstammendes  denkmal  zu  halten.  Diese  hs.  ver- 
wandelt bekanntlich  die  durch  ersatzdehnung  aus  i,  e  entstandenen 
e  in  ie,  z.  b.  in  hier,  mieda  für  her,  meda.  So  finden  sich  denn 
auch  regelrecht  die  präterita  andried,  andriedun,  andriedej  an- 
driedin;  liet,  lietun,  lietin,  cdieti,  farliet,  farlieti,  farlietun,  far- 
lieti  aonj.,  /arlietin,  teilet;  riedun,  giriedi;  Met,  hietun,  hieti,  hie- 
tin,  gihiety  gihietun,  zusammen  an  153  stellen,  nur  19  mal  un- 
terbleibt die  diphthongierung  in  andre din  3943.  5820;  lei  1986. 
5395,  letun  4440,  letin  3849,  farlet  514;  giredi  2988.  3563; 
hit  579.  595.  728.  729.  2781.  4618.  5954,  heton  4238,  gihet 
3414,  gihetun  568;  das  entspricht  völlig  dem  sonstigen  Ver- 
hältnis zwischen  ie  und  e  in  fällen  wie  hier  und  her..  Aber 
durchaus  das  umgekehrte  ergibt  sich  bei  den  präteritis  der 
wurzeln  auf  zwei  consonanten.  Hier  heisst  es/e//,  ßllun,  ant- 
feil,  bifel,  bifellun;  uuell;  held,  heldmi,  hiheld;  giuueld,  gitiuei- 
dun;  f engin,  antfeng,  antfengun,  bifeng,  bifengi,  farfeng,  farfen- 
gun,  farf engin,  gif  engt,  gifengin;  geng ,  gengun,  fulgengun, 
fulgengi,  im  ganzen  130  mal  neben  24  ie  in  hieldin  130;  giuuiel- 
don  344;  antfleng  288.  446.  477.  1241.  2269,  antfiengun  953. 
3675,  bifieng  40.  393;  gieng  102.  107.  198.  231.  477.  536.  1061. 
1075.  1127.  1150.  3735.  4021,  gimgin  1181.  Von  diesen  letz- 
tern stehen  aber  20  zwischen  v.  1 — 1250,  also  im  anfang,  der 
auch  sonst  mancherlei  auffallendes  bietet,  wie  z.  b.  das  später- 
hin verschwindende  suithuo  für  suitho  u.  dgl.  Auf  die  ea.  4700 
verse  von  da  bis  zum  schluss  kommen  nur  4  ie  auf  113  e. 
Wir  haben  es  darnach  offenbar  hier  mit  dem  beginne  eines 
assimilationsprozesses  zu  tun,  der  im  ahd.  am  weitesten  durch- 
geführt ist.  Ursprünglich  aber  galt  gewiss  in  der  zuletzt  an- 
geführten klasse  von  präteritis  kurzes  e. 


*)  Ich  citiere  nach  Heyne's  erster  ausgäbe ,  bemerke  aber  zugleich 
ausdrücklich,  dass  meine  angaben  auf  emev  neuen  collation  der  hs.  be- 
ruhen. 


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DIE  REDUPLICIERTEN  PRAETERITA.  507 

Im  althochdeutschen  habe  ich  nur  noch  sehr  geringe 
spuren  dieses  Verhältnisses  in  den  ältesten  fränkischen  denk- 
mälern,  dpn  Fragmenta  theotisca  und  dem  Isidor  aufzufinden 
vermocht.    In  den  ersteren  stehen  auf  der  einen  seite  heaz  19, 

21.  22,  28;  /orleaz  22,  25;  forreat  21,  27;  scead  36,  20;  ar- 
scheut  36,  29,  denen  sich  feal  6,  7,  fealun  6,  2  anschliessen ; 
man  vgl.  auch  hear  4,  11.  5,  6.  10.  18,  13.  28,  7.  31,  10.  33, 
1.  4  neben  her  31,  18.  25.  Auf  der  andern  finden  wir  fengin 
19,  23,  antfengun  22,  12,  kafenc  30,  3,  kaferigun  13,  14,  kafmi- 
gin  13,  3,  infenc  31,  9,  uuidarfenc  36,  6;  genc  1,  5.  21.  5,  30. 
6,  8.  21,  5.  23,  10.  33,  2.  6.  7.  36,  10,  kern  21,  20.  22,  3,  gen- 
gun  6,  15.  10,    16.    18,    15,  kmgun  18,    16.  21,  13.  21;   arhem 

22,  3,  allerdings  auch  felun  6,  6,  forlez  10,  8,  slefun  18,  6, 
die  mit  den  angeführten  her  zu  vergleichen  sind;  aber  doch 
kein  einziges  ea  auf  26  ^,  während  in  der  ersten  klasse  nur 
3  e  den  8  ^a  gegenüberstehen.  Zu  beachten  ist  bei  fcUlan  die 
aufgebung  der  gemination  des  /  und  der  damit  verbundene 
übertritt  zur  ersten  klasse. 

Im  Isidor  heisst  es  noch  antfenc  15,  a,  20.  16,  b,  7,  Ufenc 
10,  a,  7,  chifenc  3,  a,  17,  infenc  12,  a,  15  gegenüber  firleazssi 
17,  b,  17  nebst  12maligem  hear  und  16maligem  tf^a  (nom.  acc. 
pl.,  aus  de  diphthongiert,  nicht  von  einem  stamm  tja  abgelei- 
tet); freilich  findet  sich  auch  ein  firleizssi  15,  a,  23.  In  den 
übrigen  ahd.  Sprachdenkmälern  ist,  wofern  nicht  noch  hie  und 
da  in  ältester  zeit  e  und  ea,  ia  überhaupt  promiscuc  schwan- 
ken, der  diphthong  ia,  ie  conscquent  durchgeführt,  und  die  ge- 
mination wurzelauslautender  doppelconsonanten  vereinfacht 
worden. 

Bezüglich  des  angelsächsischen  endlich  hat  Scherer 
in  seinem  neuesten  aufsatz  allerhand  Schwierigkeiten  der  er- 
klärung  zusammengestellt  und  sie  zum  teil  mit  glück  hinweg- 
geräumt. Nur  glaube  ich,  dass  sich  die  sache  noch  einfacher 
klar  machen  lässt,  sobald  man  wie  im  altn.,  alts.  und  ahd. 
kürze  des  vokals  in  den  bereits  contrahierten  formen  annimmt. 

Es  bilden  die  verba  fön,  hon  die  präterita  feng,  heng ; 
spannan  das  prät.  spenn,  speonn;  healdan,  rvealdan,  feallan, 
weallan  die  präterita  heold,  weold,  feoll,  rveoll^  dazu  die  plurale 
spe(o)7inon^  feollon^  weollon  mit  beibehaltung  der  gemination, 
die  entschieden  für  kürze  spricht.     Im  englischen  sind  davon 


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508  SIEVERS 

nur  feil  und  held  tibriggeblieben  mit  kurzem  e  gegenüber  heat 
d.  h.  h%t  =  ags.  heöt  zu  heätan\  es  wäre  kaum  gerechtfertigt 
hier  neuere  kürzungen  vorzunehmen,  da  doch  wenigstens  a 
und  i  vor  Id  verlängert  zu  werden  pflegen.  Jedesfalls  aber 
lässt  sich  aus  dem  ags.  selbst  kein  direkter  beweis  für  die 
länge  des  e  in  feng,  heng,  spenn  finden.  Den  übrigen  präte- 
ritis  pflegt  man  diphthongisches  eö  beizulegen,  heöld,  feöll  u.  s. 
w.,  oder  soll,  wie  man  fast  vermuten  möchte  (s.  Holtzmann, 
Altd.  Gramm.  I,  206)  das  eö  hier  nur  eine  dehnung  des  '  ge- 
brochenen' eo  bezeichnen,  parallel  der  dehnung  in  formen  wie 
heil  Eine  form  Übertragung  nach  dem  muster  der  verba  mit 
dunklem  innerem  vokal  wie  hreöp,  n>eöp  hat  Scherer  mit  recht 
geleugnet;  wir  werden  uns  entschliessen  müssen,  eine  rein 
lautliche  erklärung  zu  finden,  und  auch  dazu  hat  Scherer  den 
weg  gezeigt,  nur  wird  seine  auflfassung  in  einigen  punkten  zu 
modificieren  sein. 

Ich  gehe  davon  aus,  dass  feng,  heng,  spenn  ein  e  enthal- 
ten und  behaupte,  dass  heoldj  feoll  u.  s.  f.  die  durch  das  /  her- 
vorgerufenen 'brechungen'  dieses  e  zeigen.  Diese  behauptung 
steht  freilich  zunächst  im  direktesten  Widerspruch  mit  der  von 
J.  Grimm  gr.  P,  239  f.,  P,  372  f.  nachgewiesenen  tatsache, 
dass  vor  //  und  Id^  überhaupt  vor  der  Verbindung  /+cod8.,  in 
der  regel  die  brechung  unterbleibt.  Diese  Schwierigkeit  mag 
es  hauptsächlich  gewesen  sein,  die  vor  der  annähme  einer 
*  brechung*  eo  in  diesen  präteritis  immer  hat  zurückschrecken 
lassen.  Der  Widerspruch  aber  lässt  sich  bei  genauerer  betrach- 
tung  wol  lösen. 

Mit  Scherer  und  mit  einigen  modificationen  mit  Holtzmann 
(Altd.  Gramm.  I,  189  f.)  bin  ich  darin  einverstanden,  dass  ich 
eo  als  eine  Veränderung  eines  e  betrachte,  hervorgebracht  durch 
einen  dahinter  stehenden  consonanten  mit  dunkelem  timbre, 
in  der  stärksten  potenz  w- timbre  (Holtzmanns  bezeichnung  u- 
umlaut  ist  im  gründe  nichts  anderes),  also  z.  b.  i  nach  slawi- 
scher ausspräche  im  gegensatz  zu  dem  helleren  /.  Ein  jeder 
consonant  aber  bekommt  das  dunkle  timbre  (ebenso  wie  mu- 
tatis  mutandis  das  e-timbre,  die  mouillierung)  dadurch,  dass 
er  silbenanlautend  vor  einen  dunkeln  vokal  tritt;  es  heisst 
also  feo-ia  neben  fe-ia  =  got.  fl-tu,  teo-Han  =  alts.  ti-ion  u. 
s.  w.    Im  Silbenauslaut  aber  pflegen  sich  wenigstens  im  ags. 


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DIE  EEDÜPLICIERTEN  PRAETERITA.  509 

die  coBSonanten  rücksichtlich  ihres  timbres  nach  dem  vorher- 
gehenden vokal  zu  richten;  das  deutlichste  zeugnis  dafür  ist 
dass  auslautendes  k  nach  /  palatal  wird,  vgl.  altengl.  ich  = 
ags.  ic,  altengl.  srvich,  neuengl.  such  =  ags.  swylc  aus  mlüc 
u.  dgl.  So  heisst  es  denn  entsprechend  ags.  rvel  =  got.  vaila, 
nicht  ^wei,  ^weot,  und  ebenso  snell,  spell,  so  gut  wie  snel-les, 
speHes,  swel-lan,  rv'el-lan,  sei-dan,  hel-pan  u.  s.  w.  Formen  wie 
die  dative  sneHum,  spel-lum  können  gegen  das  tlbergewicht 
der  übrigen  casus  keine  Veränderung  des  e  durchsetzen;  wol 
aber  sind  scheinbare  ausnahmen  wie  seoifer,  meoic  durch  got. 
si'ht'hr,  mi'hi'ks  gerechtfertigt. 

In  den  verbis  feallan^  healdan  u.  s.  w.  ist  nun,  wie  Scherer 
a.  a.  0.  s.  300  richtig  erkannt  hat,  das  /  als  i  aufzufassen;  es 
ergeben  sich  darnach  aus  den  formen  ^ß-fai,  ^M-hald  (das 
störende  ea  lasse  ich  der  Übersichtlichkeit  wegen  fallen ;  zudem 
ist  es  zweifelhaft,  ob  es  zur  zeit  des  bestehens  der  uncontra- 
hierten  formen  schon  vorhanden  war)  durch  allmähliche  zu- 
sammenrftckung  */e;-/,  *he-td,  und  diese  musten  dann  regel- 
recht zu  feoi,  heoid  werden.  Uebrigens  muss  ja  doch  auch 
Scherer  den  Übergang  des  e  in  eo  vor/+cons.  in  leolc  zugeben, 
und  das  steht  ja  auch  ganz  unserer  auflfassung  entsprechend 
für  *re'iäc. 

Auch  bezüglich  der  form  speonn  neben  spenn  lässt  sich 
diese  erklärung  aufrecht  erhalten.  Im  allgemeinen  lag  bei 
folgendem  n  keine  nötigung  zur  brechung  vor,  da  das  n  in 
Worten  wie  spannan  oflFenbar  ein  nicht  so  entschiedenes  dunk- 
les timbre  gehabt  hat  wie  das  /  in  healdan  u.  s.  w.  Es  käme 
darauf  an  zu  untersuchen,  ob  etwa  speonn  sich  vorzüglich  in 
solchen  dialekten  findet,  die  mit  verliebe  das  a  vor  nasalen  zu 
o  verdumpfen.  Eigentümlich  und  sehr  auffallend  ist,  wie  be- 
reits Scherer  bemerkte,  die  form  geong  zu  gangan,  welche 
durchaus  die  üblichere  ist.  Scherers  deutung  vermag  ich  in. 
des  nicht  mit  entschiedenheit  zuzustimmen,  ob  wol  ich  bis  jetzt 
keinen  andern  ausweg  sehe. 

Zum  Schlüsse  noch  einige  bemerkungen  über  die  präterita 
der  verba  mit  dunkelem  innerem  vokal.  Diese  haben  bekannt- 
lich einen  anderen  entwickelungsgang  eingeschlagen,  indem 
durch  einbusse  des  wurzelanlautenden  consonanten,  aber  er- 
haltung  des  wurzelvokals  und    Verschmelzung   desselben   mit 


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510  SIEVERS 

dem  vokal  der  reduplicationssilbe  ein  Präteritum  mit  dem 
diphthongen  eo  entstand.  Den  grund  dieser  verschiedenen 
behandlungsweise  hat  widerum  Scherer  richtig  bestimmt,  wenn 
er  s.  298  sagt:  *  Zwischen  dem  reduplicationsvokal  e  und  dem 
ai  oder  ei  der  wurzel  (a  ist  schon  vorher  besprochen)  herscht 
kein  grosser  unterschied  der  klangfarbe:  ei  konnte  wegfallen, 
ohne  dass  der  verlust  eines  charakteristischen  tones  sich  dem 
ohr  stark  bemerklich  machte.  Dagegen  e  und  jene  dumpfe- 
ren klänge  stehen  so  weit  von  einander  ab,  dass  die  Vernach- 
lässigung eines  u  oder  o  der  controle  des  obres  schwerlich 
entgangen  wäre\  Dass  es  sich  in  der  tat  so  verhält,  dafür 
scheint  mir  noch  folgendes  zu  sprechen.  Die  ags.  präterita 
swedfj  sweöp  zu  srväfan,  srväpan^  statt  deren  man  eigentlich 
srvef,  swep  erwarten  sollte  (denn  an  ein  ^gebrochenes*  eo  ist 
natürlich  hier  nicht  zu  denkiön)  erklärt  Scherer  s.  299,  wenn 
auch  zweifelnd,  durch  formübertragung  von  säwan  seöw  =  got. 
säian  saisö,  altn.  sä  (nicht  söa)  sgra*) ;  den  ausgangspunkt  dazu 
habe  wol  das  gleichlautende  ä  des  präsens  geboten.  Aber  für 
einfacher  und  natürlicher  möchte  ich  die  annähme  halten,  dass 
^sTve-sTvaif  oder  ^stve-swäf  durch  die  mittelstufen  "^swe-swef, 
^^w^^-^w/ hindurch  ohne  äussere  beeinflussung  zu  sweöf  wurde. 
Die  vocalisierung  des  rv  tm  u  war  bei  dem  allmählichen 
schwinden  des  wurzelhaften  ai  oder  ä  fast  unausbleiblich. 
Genau  ebenso  ist  der  entwickelungsgang  natürlich  bei  sweöp. 

Eine  ausnähme  von  der  regel,  die  für  das  Präteritum  der 
verba  mit  dunkelem  innerem  vokal  den  diphthongen  eo  for- 
dert, ist  das  altn.  biet  zu  blöta  neben  hjd^  hjö,  jök^  jös,  hljöp 
{spjö?).  Eigentlich  wären  auch  die  präterita  der  sogenannten 
ablautend-reduplicierenden  verba  in  diese  kategorie  einzureihen, 
insofern  man  nach  got.  lailot  u.  s.  f.  im  ags.,  alts.,  altn.  nicht 
let,  sondern  ^leot,  ^Ijöt  erwarten  sollte.  Denn  mit  Scherer 
s.  299  das  6  des  got.  laildt  u.  s.  w.  für  einen  verhältnismässig 
späten  und  specifisch  gotischen  laut  zu  halten,  dafür  ist  mei- 
nes Wissens  kein  zwingender  grund  vorhanden.  Im  gegenteil 
glaube  ich,  dass  man  in  diesem  d  gerade  einen  gemeingerma- 
nischen laut  wird  erkennen  müssen,  sobald  man  das  Verhält- 
nis der  got.  i  und  o  zu  einander  genauer  erwägt    Ich  glaube 


*)  Q  in  Vertretung  des  altn.  durchstrichenen  o. 

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DIE  REDUPLICIERTEN  PRAETERltA.  511 

in  dieser  beziehung  einstweilen  folgende  grundsätze  aussprechen 
zu  dürfen,  deren  beweis  ich  mir  auf  eine  spätere  zteit  vorbe- 
halte. Das  indogerm.  ä  ist  in  gemeingermanischer  periode 
regelmässig  zu  o  geworden,  ausser  wo  es  durch  mouillierung 
des  folgenden  consonanten  vor  der  trübung  bewahrt  wurde, 
d.  h.  also  in  den  stammen ,  die  das  suflfix  i  oder  ja  unmittel- 
bar an  die  Wurzelsilbe  antreten  lassen.  Das  so  geschützte  ä 
wird  im  got.  zu  e;  nur  säiarij  väian,  läian  lassen  das  erhaltene 
ä  mit  dem  ableitenden  i,  j  zu  dem  diphthongen  ai  zusammen- 
fliessen  (vgl.  darüber  Th.  Jacobi,  Beiträge  zur  deutschen  Gram- 
matik s.  IS  ff.  und  meine  bcuierkungen  in  den  Verhandlungen 
der  Leipziger  Philologeiiversammlung  1872,  s.  192).  Alle  übri- 
gen got.  e  sind  durcli  ersatzlehnung  entstanden  (und  zwar 
entsprechen  den  aus  a  entstandenen  in  den  übrigen  germ. 
sprachen  4,  den  aus  i,  e  entstandenen  im  allgemeinen  e,  im 
ahd.  ia  u.  s.  w.).  Zur  letzteren  gruppe  gehören  .  unsere  redu- 
plicierenden  verba.  Got.  Uta,  reda^  fleka^  slepa  u.  s.  w.  lassen 
sich  leicht  auf  die  grundformen  *lanta,  ^^randa,  ^flankOj  *slampa 
zurückführen,  s.  J.  Schmidt,  zur  geschichte  des  indog.  vocalis- 
mus  s.  36.  44  f.  Von  diesen  scheint  aber  nur  slepa  =  skr. 
rämhate,  lämbate  wurzelhaften  nasal  zu  haben;  daher  das  Prä- 
teritum saislep  aus  '^se-slampa.  Die  übrigen  haben  statt  der 
nasalierung  im  Präteritum  ursprünglich  ä,  germ.  ö,  also  lailöt, 
faiflok,  auch  saisö ,  valvb  u.  s.  w.,  analog  wie  in  hbf  zu  hafja 
und  noch  genauer  wie  in  stop  zu  standa. 

Wenn  nun  die  übrigen  germanischen  sprachen  ausser  dem 
got.  in  ihren  reduplicierten  präteritis  hiervon  keine  spuren  mehr 
aufweisen  als  das  ags.  seörv  und  etwa  das  altn.  sgra  =  got. 
salso,  so  verhält  es  sich  damit  nicht  anders  als  wie  wenn  z,  b. 
das  ahd.  dem  präsens  standa  das  prät.  stuont  assimiliert  oder 
das  alts.  ags.  das  präsensbildende  n  von  fregnan  auf  das  prät 
und  part.  prät.  übertragen.*)  Altn.,  alts.,  ags.  let  führe  ich 
also  auf  ein  jüngeres  dem  präsens  angeglichenes  *!e-Iät 
zurück. 

Zu  der  jüngsten  formenschicht  gehören  endlich   präterita 


*)  Man  vergleiche  bezüglich  dieser  allen  germanischen  sprachen  in 
hohem  grade  eigenen  tendenz  der  gleichmachung  früher  verschiedener 
tempusstämme  insbesondere  die  musterhaften  ausführungen  von  J.  Schmidt 
a.  a.  o.  49  ff. 


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512  SIEVERS 

wie  gret,  biet  u.  s.  w.  Das  sind  reine  analogiebildungen,  wie 
die  formation  der  got.  präterita  gaigrbt,  falflok  dartut.  Damit 
erklärt  sich  auch  die  anomalie  des  altn.  biet  Im  altn.  näm- 
lich findet  sich  die  zweite  art  der  präterita,  mit  dem  diphthon- 
gen,  nur  bei  den  verbis,  welche  den  gesammten  wurzelanlaut 
leicht  reduplicieren  und  nachher  im  inlaut  eben  so  leicht  auf- 
geben konnten,  d.  L  nur  da,  wo  eine  von  rein  lautlichen  mo- 
tiven  abhängige  direkte  weiterentwickelung  stattfinden  konnte. 
In  blota  aber,  das  abgesehen  von  rda  rgra,  gröa  grgra  das 
einzige  verbum  mit  innerem  d  im  altn.  ist,  muste,  nachdem 
einmal  das  nach  analogie  der  got.  galgrot,  falflok  vorangehende 
*be-bl6t  sich  nicht  mehr  halten  konnte,  eine  neubildung  ein- 
treten, und  diese  schuf  die  spräche  nach  dem  muster  der  zahl- 
reicheren präterita  mit  e,  e. 

JENA.   ,  E.  SIEVERS. 


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UEBER  DEN  GRAMMATISCHEN  WECHSEL  IN 
DER  DEUTSCHEN  VERBALFLEXION. 


Unter  grammatischem  Wechsel  versteht  man  in  der  deut- 
schen, speciell  ahd.  und  mhd.  grammatik  die  erscheinung,  dass 
im  plur.  und. im  part.  perf.  starker  ablautender  verba  ein  an- 
derer stammauslautender  consonant  erscheint,  als  in  den  übri- 
gen .  formen  des  verbums.  Die  ahd.  grammatik  lehrt  uns,  dass 
stammauslautendes  d  in  jenen  formen  zu  t^  h  zu  g  wird,  also 
midan,  aber  mitum,  mitan ;  Udan  -  Utum,  litan"'^  snidan  -  snitum,  sni- 
tan ;  siodan  -  sutum,  sotan ;  quedan  -  quätum,  quetan ;  werdan  -  wurtum, 
wortan ;  —  ziohan  -  zugum,  zogan;  zihan  -  zigum;  dihan  -  digum ; 
slahan  -  sluogum;  dtvahan  -  dwuogum]  gitvahan  -  giwuogum\  lahan 
-  luogum.  Eine  dritte  Wortklasse  schliesst  sich  diesen  an:  die 
Wörter  auf  s,  welche  dasselbe  in  eben  den  formen  zu  r  wan- 
deln ;  risan  -  rirum,  riran;  kiosan  -  kurum,  kor  an ;  (far)liosan  -  /w- 
rum,loran;  friosan- frurum,  froran,  tvesan-rvärun  (aber  part. 
wesari)  und  lesan  part.  geleran,  Dass  diese  an  der  gleichen 
stelle  eintretenden  lautveränderungen  auch  eine  gemeinschaft- 
liche erklärung  finden  müssen,  ist  selbstverständlich.  Aus  dem 
vorliegenden  hochdeutschen  lautstande  ist  diese  aber  kaum  zu 
geben,  denn  die  laute  tf,  ä,  s  scheinen  gar  keinen  vereinigungs- 
punkt  zu  haben;  man  sieht  nicht  ein,  weshalb  nicht  z.  b.  auch 
das  t  in  ritan  in  den  betr.  formen  eine  andere  gestalt  an- 
nimmt. ,So  hat  man  sich  denn  damit  begnügt,  die  tatsache 
eben  als  solche  aufzuflihren*),  ohne  einen  inneren  Zusammen- 
hang der  einzelnen  erscheinungen  nachzuweisen.  Ein  solcher 
aber  lässt  sich  nur  herstellen,  wenn  man  die  von  Paul  (diese 


*)  Vgl.  Holtzmann,  altdeutsche  gr.  s.  346. 

Beiträge  zur  geschiohte  der  deatsohen  spräche.  I.  34 


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514  BRAUNE 

beitr.  s.  147  ff,)  vorgetragene  theorie  der  lautverschiebung  an- 
nimmt, insbesondere  die  ansieht,  dass  die  mediae  im  germa- 
nischen aus  tönenden  Spiranten  hervorzugehen  pflegen,  dass 
also  das  hochdeutsche  d  aus  der  spirans  (nicht  aspirate)  th 
entstanden  sei*).  Für  die  richtigkeit  dieser  theorie  bilden  die 
erscheinungen  des  grammatischen  wechseis  ein  beweismoment, 
welches  Paul  a.  a.  o.  nicht  genügend  betont  hat. 

Wir  beginnen  mit  den  5- stammen,  welche  uns  am  deut- 
lichsten die  art  der.  lautbewegung  zu  zeigen  vermögen.  Das 
s  ist  ein  harter  oder  tonloser  spirant,  und  zwar  der  einzige, 
welchen  das  germanische  als  solchen  aus  dem  indogermani- 
schen übernommen  hat.  Schon  im  gotischen  war  derselbe  in 
zahlreichen  fällen  erweicht  oder  tönend  geworden.  Das  goti- 
sche tönende  z  aber  geht  im  hochdeutsciien,  wie  in  den  tibri- 


•)  Dass  es  ganz  unnötig  ist  zur  erklärung  dieses  Übergangs  me- 
dienaffricaten  zu  construieren ,  hat  Paul  dargetan.  —  Zu  den  von  ihm 
auf  s.  1 82  aufgeführten  beispielen  des  Übergangs  von  j  in  ^  sei  hier  das 
bemerkenswerte  factum  hinzugefügt,  dass  noch  im  17.  jahrh.  im  Meiss- 
nischen, wo  heutzutage  der  verschlusslaut  regel,  im  anlaute  der  spirant 
herschte.  Es  geht  dies  hervor  aus  der  stelle  des  Caspar  Scioppius, 
welche  Pfeiffer  Germ.  XI,  320  ff.  hat  abdrucken  lassen.  Daselbst  wird 
als  Meissnisch  angeführt:  Jott  jeh  euch  ein  jutes  naues  Gar,  —  Das  von 
Paul  auf  s.  177  betreffs  des  ags.  gesagte  ist  dahin  zu  berichtigen^  dass 
im  altags.  ein  g  überhaupt  nicht,  sondern  nur  ^  existiert.  Deutsche 
herausgeber  setzen  allerdings  stülschweigend  g  dafür  ein.  Deswegen 
durfte  correcterweise  nicht  von  einem  im  nags.  *  neuerfundenen  zeichen 
^'  gesprochen  werden.  Das  zeichen  g  ist  das  älteste,  es  bleibt  im 
nags.,  daneben  beginnen  daselbst  die  g,  besonders  vor  dunkeln  vocalen,  auf- 
zutreten. Die  erklärung  bietet  sich  von  selbst,  dass  im  altags.  auch  im 
anlaut  nur  spirant  herschte  (man  erwäge  die  ganz  regelmässigen  allitera- 
tionen  des  g  und  j  z.  b.  Beow.  2427.  giogode :  gütf  oder  v.  13.  geon^ 
in  geardum,  pone  god  sende -^  die  Schreibung  ge  {gi)  die  sich  vorzugs- 
weise für  urspr.  j,  aber  auch  an  andern  stellen  findet ,  könnte  vielleicht 
palatalen  Spiranten  bezeichnen  im  gegensatz  zum  einfachen  g  vor  dun- 
keln vocalen,  was  dann  gutturaler  spirant  wäre).  Als  nun  im  neuags. 
vor  dunkeln  vocalen  g  in  den  verschlusslaut  überging,  entlehnte  man 
das  zeichen  g,  das  man  vielleicht  aus  dem  romanischen  als  zeichen  für 
gutturalen  tönenden  verschlusslaut  kennen  lernte,  das  alte  g  aber  blieb 
in  seiner  altags.  geltung  (auch  für  urspr.  j)  bestehen.  —  Die  sache  be- 
dürfte wol  noch  einer  eingehenden  philologischen  Untersuchung.  Auch 
Koch  (gr.  I,  s.  106  u.  s.  132)  lässt  sich  durch  die  deutsche  transscrip- 
tion  des  altags.  verleiten  zu  sagen,  im  nags.  trete  statt  g  die  erweichung 
g  ein.    Vgl.  auch  Wülcker  oben  s.  234. 


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ÜEBER  DEN  GRAMMATISCHEN  WECHSEL.  515 

gen  germ.  sprachen  in  r  über  und  umgekehrt:  alle  im  germa- 
nischen aus  s  entstandenen  r  erfordern  als  Zwischenstufe  tö- 
nendes s  (2),  da  r  ein  tönender  laut  ist.  Als  das  wesentliche 
des  in  den  verbis  kiosan,  rtsan  etc.  vorliegenden  lautwechsels 
ist  also  der  Vorgang  anzusehen,  dass  der  tonlose  ßpirant  s  im 
plur.  perf.  und  pari  perf.  tönend  wurde.  Dass  dieses  tönende 
s  dann   in  r  überging,    war  nur  die .  folge    der  erweichung. 

—  Im  gotischen  tritt  an  dieser  stelle  keine  erweichung  ein, 
es  heisst  stets  vesun^  nie  vezun  etc.  Auch  im  altnord.  ist  das 
s  vorhersehend.  Zwar  geht  r  in  vera  ganz  durch,  aber  bei 
den  andern  hierher  gehörigen  Wörtern  sind  die  formen  mit  s 
teils  allein,  teils  überwiegend  im  gebrauch.  Dagegen  ist  in 
den  sogenannten  westgermanischen  sprachen  die  erweichung 
des  s  das  regelmässige,  vgl.  ags.  ceösan,  curon;  freösarij  fru- 
ron,  wesan  wceron  u.  a.  so  wie  die  alts.  wärun,  kurun^  far- 
loran. 

Durch  die  germanische  lautverschiebung  kamen  zu  dem 
alten  tonlosen  Spiranten  s  noch  drei  neue  hinzu:  h  (spr.  == 
hd.  ch)  aus  k,  p  (spr.  =  engl,  th)  aus  t  und  f  (labiolabial 
aus  p.  Diese  neuen  Spiranten  zeigen  nun  im  westgermani- 
schen, eben  so  wie  das  alte  s,  die  neigung  sich  in  den  betref- 
fenden stellen  der  verbalflexion  zu  erweichen,  aus  dem  tonlo- 
sen Spiranten  h  wurde  der  tönende  (7  bei  Brücke),  welcher 
im  allgemeinen  durch  das  zeichen  des  lateinischen  alfabets  g 
widergegeben  wurde.  Wir  haben  demnach  im  alts.  (und  ebenso 
ags.,  jedoch  wird  hier  stets  g  geschrieben)  slögun  {slahan),  ihud- 
gun  {thuahän),  tugun  (tiohan);  hlögun  (hlahhan) ,-"  Sigs,  pigon  (pi- 
hart),  tigon  {ühan)  altfränk.  sägon  (sehan),  ebenso  md.  sägen 
und  geschägen  {geschehen).    In  Niederdeutschland  hat  man  hier 

—  wie  überhaupt  in  allen  fällen  des  inlautenden  g  —  noch 
heute  durchweg  den  weichen  Spiranten  {gezogen  nach  nord- 
deutscher ausspräche  des  hochdeutschen);  in  Oberdeutschland 
dagegen  war  die  weiche  spirans  durch  weitergehende  lautbe- 
wegung  zum  verschlusslaut  g  geworden,  und  wir  haben  hier 
nun  allerdings  in  'slahan  -  sluogun^  giwahan  -  girvuogun,  drvahan  - 
dwuogun  etc.  einen  Wechsel  zwischen  der  spirans  (späterem 
blossen  hauchlaut)  h  und  dem  verschlusslaut  g  (c),  der  sich 
aber  eben  nur  aus  der  vorhergehenden  tönend -spirantischen 
natur  des  g  erklärt,  indem  sich  urdeutsch  slbyun  zu  slahan  = 

34* 


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516  BRAUNE 

tväzun*)  zu  wesan  verhält  und  verschlusslaut  g,  resp.  r,  nur 
weitere  Veränderungen  dieses  erweichten  Spiranten  sind.  — 
Für  das  ahd.  ist  noch  zu  bemerken,  dass  bei  den  verbis  auf 
-ahan  das  g  (c)  auch  in  die  1.  3  pers.  sing.  perf.  gedrungen 
ist,  der  es  •eigentlich  nicht  angehört:  sluog,  dwtcog,  ginmog ; 
aber  regelmässig  zöh  v.  ziuhan^  deh  von  dihan,  seh  von  sihan. 
Wie  beim  s,  findet  sich  auch  beim  ä  im  got.  in  diesem 
falle  keine  spur  der  erweichung,  es  heisst  stets  slöhun,  taühun, 
taihun;  im  nordischen  dagegen  tritt  ebenfalls  in  diesen  per- 
fectformen  der  tönende  spirant  auf,  während  in  den  übrigen 
formen  der  tonlose  spirant  schon  zum  blossen  hauch  geworden 
und  abgefallen  ist,  also  slä  -  slögun,  sleginn ;  hlaeja  -  hldgun;  pvä 

-  pvdgun. 

Das  indog.  t  wurdß  im  germanischen  zur  tonlosen  Spi- 
rans p.  Schon  im  gemeingermanischen  wurde  diese  in  vielen 
fällen  inlautend  zur  tönenden  spirans  Ö  erweicht,  z.  b.  fa^ar, 
mdbar,  adj.  frot^a-  (vgl.  lit  prötas  einsieht)  =  mhd.  friiot 
und  viele  andere.  So  erscheinen  dieselben  noch  im  altnordi- 
schen und  gotischen  (denn  das  inlautende  d  ist  im  letzteren 
höchstwahrscheinlich  Ö  zu  sprechen);  diese  durch  erweichung 
aus  p  entstandenen  inlautenden  ö  fielen  so  mit  den  aus  indog. 
aspirata  dh  entstandenen  vollständig  zusammen.  In  den  west- 
germanischen sprachen  wurden  diese  beiden  Ö  in  einer  frühen 
zeit  zur  media  d  verschoben.  Hierdurch  erklärt  sich  nun  der 
Wechsel  des  d  und  t  im  ahd.  tverdan,  quedan  etc.  Im  urger- 
manischen lauteten  dieselben  werpan  -  worpun,  rvorpans ;  quepari 

-  quäpun,  quepans.  Im  gotischen,  wo  eben  nirgends  die  den  gram- 
matischen Wechsel  bedingenden  erweichungen  eintreten,  haben 
sie  noch  die  unveränderte  german.  tonlose  spirans:  vairpan  -  vaür- 
pun ;  quipan  -  quäpun.  Die  erweichung  tritt  nur  im  westgerma- 
nischen ein**).  Es  wurde  in  vorhistorischer  zeit  werpan-wur- 
Öun,  rvorban;  quepan  -  quätfun,  queöan.  Auch  dieser  Vorgang 
ist  ganz  gleich  dem  in  tvesan  -  rväzun.  Der  neue  spirant  p  wird 
eben  ganz  wie  der  alte  s  behandelt.  So  wie  letzterer  im  got 
schon  vielfach  zu  z  erweicht,  die  zahl  der  got.  z  aber  im  west- 


.   •)  z  hier  im  gotischen  sinne  =  roman.  slav.  z. 
•*)  Abgesehen  natürlich  vom  nordischen,  wo  alle  inlautenden  p  zu 
tf  erweicht  wurden,  weshalb  ein  Wechsel  dort  unmöglich  war. 


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UEBER  DEN  GRAMMATISCHEN  WECHSEL.  517 

germ.  durch  die  z  dieser  perfectformen  vermehrt  worden  war, 
80  traten  auch  noch  zu  den.  gemeingermanisch -gotischen  er- 
weichungen  des  p  im  westgerm.  die  Ö  der  perfecta  hinzu.  Zu 
der  zeit,  als  nun  im  westgerm.  die  inlautenden  Ö  sich  zu  d 
verschoben  und  aus  dem  oben  angeführten  beispielen  schon 
gotischer  erweichung  ags.  fäder,  modor ,  fr  od  wurde,  da  ging 
auch  wurbun,  qudbun  in  wurdun,  quädun  über  und  so  heisst  es 
denn  ags.  weorban  -  wurdon,  cweban  -  cwaedon,  seobari-sudon,  miban  - 
midqn,  Itdan-lidon,  vnban-vridon ;  wobei  noch  zu  bemerken  ist, 
dass  das  tonlose  p  der  präsensformen,  wie  überhaupt  alle 
noch  übrigen  inlautenden  p,  im  ags.  zu  Ö  erweicht  worden 
ist,  natürlich  erst  nach  dem  übergange  der  früheren  &  in  d, 
da  es  andernfalls  zugleich  mit  diesen  in  d  hätte  übergehen 
müssen. 

Auch  in  der  voralthochdeutschen  zeit  (d.  h.  vor  eintritt 
der  speciell  hochdeutschen  lautwandlungen)  muss  es  im  ober- 
deutschen (wie  im  ags.)  werthan-Tvurdnn,wordan\  quethan- quä- 
dun, quedan  geheissen  haben.  Im  oberdeutschen  wurde  nun  d 
zu  t  verschoben  und  es  ergab  sich  werthan  -  wurtun,ivortan\ 
quedhan  -  qudtun,  quetan.  So  ist  das  Verhältnis  in  den  ältesten 
oberdeutschen  quellen.  In  den  gl.  K.  haben  wir  die  präesens- 
formen  qhuidit ,  quethanni,  chuuethandi ,  aber  das  part.  perf. 
kikhuuetan.  Nachdem  dann  auch  die  schon  länger  vorher 
tönend  gewordene  spirans  th  in  d  übergegangen  war,  ergaben 
sich  nunmehr  als  endgültige  hochd.  formen:  quedan- quätun, 
quetan ;  werdan  -  wurtun,  fidan  -  litun,  rmdan  -  mitun,  snidan  -  snitun, 
siodan-sutun, 

Waren  die  erweichungen  des  s  und  h  in  den  betr.  verbal- 
formen allen  westgermanischen  sprachen  gemeinsam,  so  ist 
der  factische  bestand  in  der  dentalreihe  etwas  anders.  Die 
erscheinung  erstreckt  sich  in  derselben  merkwürdigerweise 
bloss  auf  das  althochdeutsche  und  angelsächsische:  im  altnie- 
derfränkischen  der  psalmen,  im  altsächsischen  des  Heliand  und 
im  altfriesischen  finden  wir  sie  nicht.  In  den  psalmen  sind 
belegt  von  werthan:  3.  pl.  p.  uurthun  (4  mal),  Gonj.uurthi  (68, 
21);  von  lithan:  1.  pl.  p.  Uthon  (65,  12),  farlithon  (gl.  Lips. 
280);  von  quelhan\  3.  pl.  p.  qiiäthan  (4  mal).  Nach  analogie 
des  angelsächsischen  und  hochdeutschen  sollte  man  in  diesen 
formen  d  erwarten.    Ebenso  im  Heliand;  daselbst  sind  belegt 


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518  BRAUNE 

formen  des  perf.  bez.  part.  p.  von  tithan,  sntthan,  mithan,  que- 
than,  werthan.  Diese  zeigen  immer  th  oder  &,  wenigstens  im 
Cotton.,  der  Monacensis  bietet  daflir  oft  d,  wie  er  überhaupt 
fiir  alle  inlautenden  &  häufig  schon  das  spätere  d  zeigt.  Es 
kann  also  eine  form  des  Monac.  uurdi  keinen  grammatischen 
Wechsel  beweisen,  indem  eben  so  gut  der  inf.  uuerdan  vor- 
kommt*). Die  übrigen  schon  gemeingermanischen  er  weichun- 
gen des  p  in  fatiar,  mobar,  /roöa-  etc.  sind  regelrecht  im  alts 
und  altndrfr.  zu  d  geworden  und  erleiden  keinerlei  Vermi- 
schung mit  dum  (nunmehr  durchweg  erweichten)  inlautenden 
th,  &.  Diese  letzteren  gingen  im  mittelniederdeutschen  und 
mittelniederländischen  ebenfalls  in  d  über,  wodurch  dann  die 
zwei  laute  zusammenfielen.  Hätte  also  auch  das  altnieder- 
deutsche einen  grammat.  Wechsel  bei  den  dentalen  gekannt, 
so  würde  er  dadurch  vernichtet  worden  sein. 

Im  altfriesischen  ist  belegt  von  snitha  das  part.  esnithin, 
gesnithin;  von  wertha  pl.  p.  wurthoriy  conj.  wurthe ,  part.  wiir- 
ihm.  Daneben  kommen,  sowol  im  praesens  als  in  diesen  per- 
fectformen,  schon  häufig  die  jüngeren  d  statt  th  vor,  ein  gram- 
matischer Wechsel  aber  lässt  sich  nicht  erkennen. 

Mitteldeutschland  scheint  sich  in  dem  nichtvorhandensein 
des  grammatischen  wechseis  bei  den  dentalen  zum  niederd.  zu 
stellen.  Die  Leidener  hs.  des  Williram,  welche  noch  den  alten 
Spiranten  th  in  an-  und  inlaut  bewahrt,  flectiert  tverthan  (20, 
2  etc.),  warth  (24,  13),  3  pl.  p.  wurthan  (24,  17.  36,  16.  43,  11), 
part.  worthan  (11,  27  und  noch  5  mal);  quitho  (65,  26),  quath 
(48,  19),  plur.  quäthan  (72,  8).  Dem  entsprechend  hat  die 
Breslauer  hs.  in  den  betr.  formen  immer  d,  nur  einmal  (36, 
10)  wurien,  —  Der  Tatian,  welcher  ebenfalls  aus  dem  mittle- 
ren Deutschland  stammt,  zeigt  nicht,  wie  nach  seinem  sonsti- 
gen dentalstande  zu  erwarten  wäre,  rvurtun,  quätun,  sondern 
stets  nur  tvurdun,  quädun.  Ja  gerade  bei  diesen  formen  ist 
der  sonst  seltene  inlautende  spirant  belegt:  einmal  wurthun 
und  zweimal  quälhun;  es  geht  daraus  zweifellos  hervor,  dass 
im  dialekt  des  Tatian  an  diesen  stellen  bis  vor  kurzem  die 
Spirans   herschte.     Das  particip   dagegen  folgt  der  hochdeut- 


*)  Holtzmann  schreibt  in   seiner  altd.  gramm.  s.  171  falschlich  auch 
dem  alts.  grammatischen  Wechsel  zwischen  th  und  d  zu. 


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UEBER  DEN  GRAMMATISCHEN  WECHSEL.  519 

sehen  regel,  es  heisst  giquetan,  girvortan.  Dazu  noch  die  zwei 
participia  bimitan,  Usnitan,  zu  denen  wir  sonach  die  perfecta 
midun,  snidun  ansetzen  müssen.  —  Isidor  hingegen,  welcher 
das  d  nicht  zu  t  verschob,  zeigt  dennoch  den  Wechsel  durch- 
aus. Er  schreibt  ausnahmslos  wurdun,  nmrdi,  fchi-Jwordan; 
part.  p.  quhedan  (5  mal).  In  den  praesensformen  und  sing, 
perf.  ist  dh  das  liberwiegende,  doch  tritt  daneben  auch  schon 
häufig  das  spätere  d  auf,  so  z.  b.  haben  wir  3  mal  nebenein- 
anderstehend uuardh  uuordan  und  3  mal  uuard  uuordan.  Nach 
dem  vollständigen  umsatz  des  dh  in  d  muste  also  im  dialekt 
des  Isidor  der  grammat.  Wechsel  der  dentalen  verloren  gehen. 
Auch  Otfrid  zeigt  im  allgemeinen  den  grammatischen  Wechsel 
wie  im  oberdeutschen,  jedoch  mit  einzelnen  abweichungen  der 
verschiedenen  hss.,  sämmtliches  hierhergehörige  findet  sich  bei 
Kelle  Otfr.  II,  s.  27  fi".  Bemerkenswert  ist  nur  noch,  dass  sich 
bei  Otfrid  auch  findan  der  zahl  der  Wörter  zugesellt,  welche 
grammat.  Wechsel  zeigen;  in  Oberdeutschland  ist  dies  nur  spu- 
renweise der  fall. 

Wenn  wir  gesehen  haben,  dass  das  niederdeutsche  den 
grammatischen  Wechsel  bei  den  dentalen  nicht  hat,  so  muss 
dies  gegenüber  der  Übereinstimmung  des  ags.  und  ahd.  be- 
fremden. Es  lässt  sich  allerdings  vermuten,  dass  auch  im  nie- 
derdeutschen die  erweichung  des  />  in  den  betr.  formen  einge- 
treten, aber  im  laufe  der  zeit  durch  die  analogie  der  übrigen 
formen  wider  verwischt  worden  sei,  doch  kann  man  eben  nicht 
über  die  Vermutung  hinauskommen*).  Freilich  spricht  das 
eintreten  der  gleichen  erweichung  bei  s  und  h  sehr  für  die- 
selbe. Ueberhaupt  aber  muss  man  das  wol  beachten,  dass 
dieser  ganze  lautwandel  nicht  auf  einem  streng  durchgeführten 
lautgesetz,  sondern  nur  auf  einer  sehr  ausgeprägten  lautnei- 
gung  beruht.  Zumal  beim  s  zeigen  sich  durchgehende  aus- 
nahmen, besonders  ahd.  farwesan,  welches  nie  r  annimmt,  ne- 
san  und  lesan  entziehen  sich  teilweise  dem  lautwandel,  ebenso 
wesan  im  partic. 


•)  Paul  macht  mich  darauf  aufmerksam,  dass  im  alts.  (Monac.)  wol 
im  praesens  fithan  (finden)  vorkommt,  nie  dagegen  im  perf.  und  partic. 
andere  formen  als  fundun,  fundan.  Das  ist  eine  weitere  stütze  obiger 
Vermutung. 


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520  BRAUNE 

In  enger  beziehung  zum  grammatischen  Wechsel  steht  noch 
eine  andere  erscheinung.  Die  erweichung  der  harten  Spiran- 
ten s,  h,  p  tritt  nÄmlich  im  westgerm.  (abweichend  vom  goti- 
schen) ausser  in  den  perfectformen  der  starken  verba  auch  in 
den  von  diesen  abgeleiteten  verbis  ein.  Vom  gotischen  nismi, 
nesum  lautet  das  causat.  nasjan,  im  hd.  aber  finden  sich  nä- 
rum,  nerjan,  welche  die  erweichung  nezum,  nazjan  voraus- 
setzen. In  gleicher  weise  entsprechen  sich  got.  reisan,  risum, 
raisjan  =  ^hd.  risan,  rirum,  rerjan;  got  lais,  *.lisum,  laisjan 
==  ahd.  lerjan  und  Urnen;  got.  driusan,  drusum,  drausjan^= 
ags.  dreösan,  druron,  dreärjan,  as.  driosan,  causat.  ahd.  fror- 
Jan  (Grflf.  5,  545);  got.  kiusan,  ahd.  kiosan,  abgel.  koron\  ahd. 
friosan  und  frörjan,  jesan  und  jerjan.  Ferner  abgeleitete 
verba,  die  keine  entsprechenden  primitiven  zur  seite  ha- 
ben: got.  vasjan,  hausjan  =  ahd.  werjan,  horjan.  Eine  aus- 
nähme bildet  lausjan  =  ahd.  lösjan,  —  Die  gleiche  erschei- 
nung zeigt  sich  nun  auch  beim  />.  Im  got.  würde  zu  leipan^ 
lipum  das  causat.  *laipjan  gehören.  Daraus  im  westgerm. 
zunächst  lipan,  caus.  laibjan  und  dann  nach  Verschiebung  des 
t5  in  d:  Üpan,  lidum,  laidjan;  dem  entsprechend  im  ags.  Uban, 
lidon  (daneben  libon),  caus.  laedan  und  ahd.  lithan  (daraus  ß- 
dan),  litum,  causat.  leitjany  leittan.  Auch  die  niederdeutschen 
sprachen,  welche  bei  den  starken  verben  auf  p  keinen  gram- 
mat.  Wechsel  zeigen,  stimmen  hier  genau  zum  ags.  und  ahd.  Es 
heisst  alts.  liban,  aber  ledian,  altndfränk.  Üthan,  aber  leidan  afiries. 
leda.  Ebenso  hat  der  Leidener  Williram  Uthan  (pati),  aber 
leidan  (69,  17)  und  der  Breslauer  leiian.  Ein  weiteres  beispiel 
ist  ahd.  quethan  (später  quedan)  und  quetjan;  ags.  cvebmi  und 
cviddjan,  alts.  quedan  und  queddian,*)  —  Aehnliches  findet 
sich  nun  auch  bei  den  stammen  auf  h,  z.  b.  zeigon  zu  zihan, 
got,  würde  das  verbum  wol  *taihdn  lauten;  ahd.  vrägen  vom 
stamme  fr  ah-  in  got.  fraihnan ;  auch  ahd.  ruogjan  =  got.  vroh- 
Jan  lässt  sich  hierher  ziehen,  doch  gebricht  es  an  so  schla- 
genden beispielen  wie  bei   den  s-  und  /»-stammen. 

Ausser  s,  h,  p  haben  wir  aber  im  urgermanischen  noch 
einen  harten  Spiranten:  das   aus  indog.  p  hervorgegangene  /*. 

*)  Dass  die  erweichung  in  den  abgeleiteten  verben  auch  im  nieder- 
deutschen eingetreten  ist,  dürfte  ebenfalls  fdr  das  ehemalige  Vorhanden- 
sein derselben  auch  in  der  verbalflexion  des  niederdeutschen  sprechen. 


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UEBER  DEN  GRAMMATISCHEN  WECHSEL.  621 

Dieses  ist  inlautend  schon  im  gotischen  zahlreich  tönender 
Spirant  (geschr.  b)  geworden.  Als  tonloser  besteht  es  in  ein- 
facher Stellung  nach  vokalen  nur  in  hafjan,  hiufan,  hUfan,  si- 
fan,  ufar,  afar,  Ibfa,  Im  nord.,  ags.  und  niederdeutschen  ist 
das  aus  indogermanischem  p  entstandene  inlautende  /  durch- 
aus tönender  spirant  {v)  geworden  und  mit  dem  schon  beste- 
henden weichen  Spiranten,  welcher  aus  indog.  aspirata  hh  her- 
vorgegangen war,  vollständig*  zusammengefallen.  Denn  die 
Schreibung  f  für  diese  beiden  weichen  Spiranten  im  altags. 
und  altn.  muss  man  mit  Paul  zweifelsohne  fttr  mangelhafte 
lautbezeichnung  halten.  Wir  können  sonach  an  dem  labialen 
Spiranten  in  diesen  sprachen  keine  erscheinungen  des  gram- 
mat.  wechseis  erwarten.. 

Etwas  anders  ist  das  Verhältnis  im  hach deutschen.  Hier 
erhielten  sich  etliche  inlautende  tonlose  /;  bei  weitem  die 
meisten  aber  wurden  (wie  im  niederd.  alle)  zu  v  erweicht 
und  fielen  so  mit  dem  schon  bestehenden  v  (=  indog.  hJi)  zu- 
sammen. Durch  einen  speciell  oberdeutschen  verschiebungs- 
act  wurden  diese  beiden  v  zum  verschlusslaut  {b  oder  p  ge- 
schrieben). Das  oberdeutsche  ist  die  einzige  germanische 
spräche,  in  welcher  indog.  hh  inlautend  zum  verschlusslaut 
wurde:  in  allen  andern  blieb  es  tönender  spirant.  Ferner  gilt 
es  sich  klar  zu  machen,  dass  das  lautverschiebungsschema  des 
/>,  wie  es  seit  Grimm  aufgestellt  wird  (idg.  p  =  got.  f  = 
hochd.  /)  nur  für  den  anlaut  zutreffend  ist.  Für  den  inlaut 
ist  es  nach  der  überzahl  der  fälle  als  /?=/*=  &  anzusetzen.*) 
Es  wird  nicht  überflüssig  sein,  wenn  ich  hier  nach  den  lexi- 
calischen  arbeiten  von  Fick  im  'vergleichenden  Wörterbuch' 
(W.)  und  in  der  'ehemaligen  Spracheinheit  der  Indogermanen 
Europas',  Göttingen  1873  (S.)  diejenigen  indog.  werte  oder 
wurzeln  mit  inlautendem  p  zusammenstelle,  welche  im  ahd. 
eine  entsprechung  haben.  Nicht  mit  aufgezählt  werden  die 
fälle,  in  welchen  indog.  inlautendes  p  im  german.  unverscho- 
ben  bleibt  und  erst  im  hochd.  verschoben  Wird,  was  nicht  ganz 

*)  Richtig  betont  schon  Weinhold  (al.  gr.  §  154)  die  entstehung  der 
hd.  inlautenden  h  aus  niederd.  i?,  er  unterlässt  es  aber  auf  den  zusam- 
menfall des  inlautenden  indog:  p  und  hh  hinzuweisen  und  scheint  sogar 
in  dem  irrtume  befangen  zu  sein,  dass  alle  diese  h  auf  indog.  'p  ('griech. 
tenuis')  zurückgingen. 


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522  BRAUNE 

selten  ist  z.  b.  küpa,  as.  höp,  hochd.  häufe  (W.  46.  512);  kalp 
(W.  39);  Sharp  (W.  205);  arpa  (W.  341).  Ferner  tibergehe 
ich  eine  anzahl  vergleichungen,  die  mir  nicht  richtig  oder  doch 
unsicher  scheinen,  z.  b.  ahd.  kerhan  zu  grap  (W.  358),  wo  mir 
die  trennung  von  yga^co  und  grahan  ungerechtfertigt  erscheint; 
ahd.  kliohan  zu  glup  (W.  358):  hier  muss  doch  wol  indog. 
hh  angesetzt  werden.  Auch  die  zurückführung  von  salhön  auf 
sarp  (W.  196)  halte  ich  nicht  für  unzweifelhaft.  —  Ausgeführte 
vcFgleichungen  zu  geben  wäre  öberflttssig,  ich  entledige  mich 
derselben  durch  den  hin  weis  auf  Fick: 

1)  apa  got.  af,  ahd.  aba,  ab  (W.  9).  —  2)  ap,  germ.  af-  (in  got 
aba,  ags.  äfhan,  afor  validus)  ahd.  uoban  (W.  10).  —  3)  üp  in  scr. 
upara,  got.  ufar,  ahd.  ubar,  obaro  (W.  25).  —  4)  kup  (in  lit.  kup- 
stas  hügel)  mhd.  hübel  (vgl.  W.  45),  —  5)  dap  (teilen)  ahd.  zebar 
(W.  92).  —  6)  lip,  in  ahd.  be-liban  (W.  169.  394.  540).  —  7)  rup 
(brechen)  ags.  reöfan,  an.  rjüfa,  ahd.  roup,  roubön  (W.  173).  — 
8)  vip  (zittern),  an.  veifa,  ahd.  weibön  (W.  190).  —  9)  scr.  saptan, 
ahd.  sibun  (W.  194).  —  10)  skaupa  (bttschel),  ags.  sceaf,  ahd.  scoub 
(W.  208).  —  11)  stap  an.  stafr,  ahd.  stab  (W.212).  —  12)  stup,  ahd. 
stobaron  (W.  214).  —  13)  svap  (schlafen),  an  sofa,  ahd.  ant-sebjan 
(W.  219).  —  14)  apina,  ahd.  eban  (W.  340).  —  15)  apra,  ags.  eofur, 
ahd.  ebur  (W.  340.  509).  —  16)  kapat,  got.  haubi)?,  ahd.  houbet  (W. 
340).  —  17)  karp,  ags.  hearfest,  ahd..  herbest  (W.  348).  —  18)  tarp, 
ahd.  derb  (W.  364).  —  19)  räpä,  ahd.  ruoba  nhd.  rUbe  (W.  388,  S. 
358).  20)  skap,   ahd.  scaban  (W.  405).  —   21)  skalpa  (wölbung) 

ahd.  walbßn  (W.  408).  —  22)  klaipa,  got.  hlaifs,  ahd.  leib  (W.  515). 
—  23)  lapa  (blatt),  ahd.  loub  (W.  539,  S.  363).  —  24)  rip,  an.  rifa, 
ahd.  rtban  (S.  359). 

Von  Wörtern,  die  im  ahd.  unveränderliches  f  haben,  lassen 
sich  indogermanischem  /?= germ./ nur  folgende  sicher  vergleichen: 

25)  kapa,  an.  höfr,  ahd.  huof  (W.  32).  —  26)  karp  (lat.  corpus), 
ags.  hrif,  ahd.  href  (W.  38).  -  27)  napa,  ags.  nefa,  ahd.  nefo  (W. 
109).  —  28)  rap  (bedecken),  ahd.  rafo  (W.  388).  —  29)  apalas  (kraft), 
ahd.  afalön  (S.  297);  vgl.  jedoch  dazu  no.  1.  —  Nhd.  kiefer  und 
steif  zu  gapra  (W.  58)  und  stipra  (W.  410)  sind  im  ahd.  nicht  nach- 
gewiesen.*) 

Neben  erhaltenem  /  findet  sich  auch  b  in  folgenden  ety- 
mologisch klaren  stammen: 

30)  kap  (in  gi\  x^noq),  ahd.  hof  und  huoba  (W.  347).  —  31)  skarp,  got 

*)  Hierher  gehören  auch  strenggenommen  noch  hochd.  wolf  und  -Uf 
(in  elf  zwölf),  welche  indogerman.  tenuis,  aber  nicht  einem  />,  sondern 
k  entsprechen.    Im  got.  ist  f  in  -Uf  bekanntlich  erweicht. 


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ÜEBER  DEN  GRAMMATISCHEN  WECHSEL.  523 

hvairban,  ahd.  hwerfan,  daneben  und  später  werban,  hwarbön,  warba 
(W.  407).  —  32)  aap  ahd.  ensebida,  insuop ,  dazu  angesetztes  prae- 
sens intseffan  (W.  402.  S.  373).  —  33)  kap  (lat  capio),  got.  hafjan, 
ahd.  heffan,  abgeleitet  haben. 

Von  33  fällen  also  nur  in  5  kann  ahd.  inlautendem  /  ein 
germ.  /  =  indog.  j»  verglichen  werden.  Für  andere  fehlen 
sichere  vergleichungen.  Ein  indog.  p  kann  man  z.  b.  voraus- 
setzen flir  das  /.in  ahd.  durfan,  welches  im  got.  abweichend 
vom  hd.  erweicht  ist,  auch  ahd.  findet  sich  die  erweichung  im 
abgeleiteten  darben,  sowie  in  bidarbi,  Aehnlich  ahd.  hiufan, 
hiuban  =  got.  hiufan.  Doch  würden  natürlich  mit  der  zu- 
nähme der  vergleichungen  auch  die  ahd.  b  =  indog.  p  in  glei- 
chem masse  steigen. 

Bei  den  starken  verben  unter  no.  6.  20.  24.  würden  wir 
grammat.  Wechsel  erwarten  können,  wenn  nicht  die  erweichung 
des  f  im  hd.  schon  früh  auch  das  praesens  ergriffen  hätte. 
Auch  bei  hwerfan,  hwerban  ist  ein  grammatischer  Wechsel  nicht 
zu  constatieren,  das  wort  scheint  durch  alle  formen  entweder 
f  oder  b  zu  haben  (z.  b.  chiuurfi,  chiuuoruan  Is.).  Später  trat 
dann  in  den  meisten  oberdeutschen  gegenden  bei  diesem  und 
ähnlichen  werten  durchweg  b  ein,  am  längsten  und  zum  teil 
bis  auf  den  heutigen  tag*)  erhielt  sich  f  in  bairischen  dialec- 
ten;  so  haben  wir  in  der  Vorauer  hs.  regelmässig  wervm,  wer- 
fen u.  a.  —  Grammatischer  Wechsel  zeigt  sich  aber  bei  heffan.. 
Die  durchaus  regelmässige  flexion  im  ahd.  ist  heffayi  {hefan, 
hevan),  huob,  huobum,  gihaban  (erst  bei  Notk.  findet  sich  auch 
das  partic.  mit  v:  erhaven).  Hierzukommt  no^ih: intseffan ;  das 
praesens  ist  zwar  nicht  belegt,  darf  aber  mit  Sicherheit  so  an- 
gesetzt werden.  Davon  perf.  svab,  suabun,  conj.  suabi  bei  Ot- ' 
frid,  in  anderen  ahd.  quellen  kommt  das  wort  nicht  vor.  In 
diesen  beiden  werten  ging  also  die  erweichung  des  /  und  die 
daraus  folgende  hochd.  Wandlung  in  b  nur  im  perf.  vor  sich; 
dass  auch  der  sing,  b  zeigt  statt  des  zu  erwartenden  f,  ver- 
gleicht sich  dem  oben  besprochenen  sluog,  sluoc.  Hefen,  heven 
blieb  in  einzelnen  oberd.  dialekten  noch  lange  bestehen;  in 
den  meisten  aber  war  schon  zur  mhd.  zeit  das  b  —  unzwei- 
felhaft durch  die  analogie  des  perf.  —   auch  in  das  praesens 

•)  Vgl.  hierüber  Weinholi,  bair.  gr.  132c,  133%  134, 


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524  BRAUNE 

gedrungen;  ebenso  ist  in  der  mhd.  periode;  nur  enisehm  als 
praesens  gebräuchlich.  —  Wie  die  andern  erscheinungen  des 
grammatischen  wechseis,  so  teilt  das  got.  auch  diese  nicht,  es 
zeigt  den  harten  Spiranten  im  ganzen  verbüm  hafjan,  hof,  ho- 
fum,  hafans.  Im  abgeleiteteten  verbum  haban  hat  es  dagegen 
schon  erweichung. 

Durch  die  den  westgermanischen  sprachen  gemeinsame 
erweichung  der  harten  Spiranten  s,  h,  p,  f  an  gewissen  stellen 
des  verbums  ist  also  die  schon  von  Paul  betonte  gleiche  be- 
handlung  der  drei  neuen  harten  Spiranten  mit  dem  alten  s  des 
weiteren  sichergestellt*).  Wir  können  daher  ganz  unzweifelhaft 
den  lautwandel  der  indog.  tenues  dahin  bestimmen,  dass  diesel- 
^  ben  im  urgermanischen  zunächst  zu  h,  p,  f  und  daraus  inlau- 
tend in  vielen  fällen  zu  /^  &^  r  wurden,  welche  letzteren  in 
den  altniederdeutschen  sprachen  vorliegen,  nur  dass  das  ä  in 
denselben  bereits  zu  d  weitergegangen  ist.  Dieses  d  geht  nun 
im  hochdeutschen  in  t  tiber,  jene  7  und  v  aber  in  die  ver- 
schlusslaute g  und  h.  Wir  haben  sonach  als  einen  speciell 
hochdeutschen  verschiebungsact  die  Verwandlung  der  inlauten- 
den Spiranten  7,  t;  in  die  verschlusslaute  g,  b  zu  bezeichnen. 
Nun  besteht  aber  die  masse  der  hochd.  inlautenden  g  und  b 
nur  zur  einen  hälfte  aus  solchen,  welche  durch  erweichung 
aus  urgerm.  harten  Spiranten  und  indog.  tenuis  hervorgegangen 
sein  müssen,  die  andere  hälfte  entspricht  der  indog.  aspirata 
gh  und  bh.  Seit  Grimm  hielt  man  dafür,  dass  diese  durchaus 
im  germ.  zu  g  und  b  verschoben  seien.  In  allen  übrigen  germ. 
sprachen  treten  uns  nun  dafür  inlautend  die  tönenden  Spiran- 
ten 7  und  V  entgegen  und  zwar  am  unleugbarsten  durch  die 
Schreibung  bezeichnet  der  labiale  spirant  v.  Nehmen  wir  die- 
sen also  als  beispiel,  so  ist  gewis  die  von  Paul  gegebene  er- 
klärung  die  natürlichere,  dass  indog.  bh  inlautend  in  den  vor- 
liegenden germ.  sprachen  nur  bis  zur  tönenden   spirans  ver- 

•)  Betreffs  der  allen  germ.  sprachen  gemeinsamen  erweichungen 
sei  hier  nur  nochmals  an  die  neigung  erinnert,  der  zufolge  dieselben  in 
wortbildungs  -  und  flexionssuffixeu  einzutreten  pflegen  {s  zu  z  z.  b.  im 
comparativsuffix  iza,  in  blidaizos,  hwazuh  und  dem  entsprechend  in  den 
übrigen  sprachen  .r;  />  zu  got.  d  (phonet.  =  Ö)  ungemein  häufig,  z.  b. 
im  partic.  (nasi-)da-  aus  indog.  tas ;  A  zu  ^  in  dem  adjectivsuffix  -ga- 
=  gr.  -x6-  z.  b.  mahteigs).  ^ 


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UEBER  DEN  GRAMMATISCHEN  WECHSEL.  525 

schoben,  als  solche  mit  der  aus  tonloser  erweichten  (idg.  te- 
nuis  enssprechenden)  tönenden  spirans  v  zusammengefallen 
und  nun  allein  im  hochdeutschen  in  den  verschlusslaut  über- 
gegangen sei,  was  um  so  wahrscheinlicher  ist,  da  für  die  eine 
hälfte  der  hd.  inlautenden  b  eine  andere  erklärung  gar  nicht 
möglich  ist.  Es  ist  daher  anzunehmen,  dass  nicht  bloss  in 
entsprechung  des  indog.  p,  sondern  auch  des  indog.  bh  die 
niederdeutsche  stufe  v  älter  als  die  hochdeutsche  b  ist. 

Wir  können  den  beweis  noch  wesentlich  verstärken  durch 
einen  weiteren  vergleich  mit  dem  niederdeutschen.  Die  ge- 
wöhnliche regel  lautet  bekanntlich,  dass  sich  im  niederdeut- 
schen (ags.)  die  alte  media  b  nur  im  anlaute,  sowie  im  inlaute 
nach  m  und  in  der  gemination  bb  erhalten  habe,  in  allen  übri- 
gen fällen  sei  sie  in  v,  f  übergegangen.  Paul  hat  dies  dahin 
umgekehrt,  dass  nur  im  anlaut,  nach  m  und  in  Verdoppelung 
das  ursprünglichere  v  in  den  niederdeutschen  sprachen  in  b 
übergegangen  sei.  Dasselbe  Verhältnis  finden  wir  nun "  im 
hochdeutschen  reflectiert.  Dass  im  althochdeutschen  anlauten- 
des p  inlautendem  b  gegenüber  bei  weitem  das  überwiegende 
ist,  hat  Weinhold  richtig  durch  die  vergleichung  des  nieder- 
deutschen erklärt,  wo  anlautendes  b  inlautendem  v  gegenüber- 
steht*). Nicht  minder  aber  erklärt  sich  der  umstand,  dass 
auch  in  solchen  denkmälern,  welche  inlautend  nur  b  zeigen, 
dennoch  in  Verdoppelung  pp  zu  stehen  pflegt,  daraus,  dass 
auch  hier  niederdeutsche  gemination  bb  gegenüber  dem  ein- 
fachen V  (b)  weitergeführt  ist.  So  haben  wir  ahd.  luppi  (ve- 
nenum)  =  got.  lubja-,  ags.  unlybbe;  sippi,  sippa  (Is.  sipbea) 
alts.  sV)bia,  fries.  sibbe;  stuppi,  got.  stubjm;  insrveppan,  ags. 
srvebban]  rippi,  altfries.  rib,  gen.  ribbis,  ags.  ribb;  weppi,  alts. 
godU'Tvebbi;  uppi,  uppic,  welches  zu  dem  in  oben  und  über  ver- 
tretenen stamme  üb-  gehört. 

Die  gemination  vor  nachfolgendem  J,  aus  der  die  obigen 
beispiele  hervorgegangen  sind,  ist  eine  eigentümlichkeit  der 
westgerm.  sprachen;  das  gotische  kennt  sie  nicht,  eben  so  we- 
nig das  nordische:  sifjar,  rif,  gut5vefr  etc.  stehen  daselbst  den 
obigen  beispielen  gegenüber.    Zur  erklärung  des  pp  im  hochdeut- 


*)  Vgl.  auch  Paul,  s.  172. 


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526  BRAUNE 

sehen  gibt  es  nur  den  weg,  dass,  wie  im  niederdeutschen,  so 
auch  in  der  voralthochdeutschen  periode  im  oberdeutschen  der 
geminierte  spirant  w  zuerst  in  den  verschlusslaut  bb  überge- 
gangen, dadurch  dem  in  der  einfachen  Stellung  noch  verhar- 
renden V  um  eine  stufe  vorausgekommen  ist  und  diesen  vor- 
sprung  auch  nach  der  Verschiebung  des  einfachen  v  durch 
ebenfalls  weitere  Verschiebung  behauptet  hat  Kurz:  der  laut- 
stand im  oberdeutschen  muss  in  bezug  auf  b  und  v  einmal 
genau  derselbe  gewesen  sein,  wie  er  uns  im  alts.  und  ags. 
vorliegt  Dass  sich  im  althochdeutschen  mb  nicht  wesentlich 
von  den  übrigen  inlautenden  b  abhebt,  hat  seinen  grund  in 
der  doppelconsonanz:  das  tönende  m  konnte  ^  festhalten;  dass 
aber  auch  im  oberdeutschen  nach  m  das  v  früher  verschluss- 
laut wurde,  kann  nicht  zweifelhaft  sein.  Zu  erwähnen  ist 
noch,  dass  nach  langen  vocalen,  wo  in  den  altniederd.  spra- 
chen keine  schärfung  des  v  eintritt  (z.  b.  gilövian  beichte ,  ags. 
gel^fan)  auch  im  hochdeutschen  im  allgemeinen  die  entspre- 
chende erscheinung  fehlt  (vgl.  Holtzmann  s.  303);  ausnahms- 
weise tritt  sie  auf  bei  K.,  der  sonst  inlautend  immer  b  schreibt; 
z.  b.  Hppanti,  libbe,  erlauppe,  erlaubpan,  auch  in  der  Exhort 
A:  galauppenne. 

Die  gleiche  erscheinung  haben  wir  auch  bei  den  guttura- 
len. Die  ahd.  beispiele  findet  man  zusammengestellt  bei  Holtz- 
mann s.  272  unter  gg.  Auch  im  mhd.,  bez.  nhd.  heisst  es  noch 
ämcke  von  weg,  rücke,  brücke,  henken  zu  hangen,  klenken  zu 
klingen  u.  a..  Dadurch  und  durch  die  analogen  Verhältnisse 
der  labialen  wird  wahrscheinlich  gemacht,  dass  ursprünglich 
alle  inlautenden  g  Spiranten  waren,  dass  aber  in  der  gemina- 
tion  der  verschlusslaut  eher  eintrat  (wie  dies  für  das  ags.  durch 
die  Schreibung  c^  sicher  gestellt  wird),  und  dass  auch  nach 
eintritt  der  hochdeutschen  lautwandlungen  die  gemination  des 
urspr.  Spiranten  7  den  so  gewonnenen  vorsprung  behauptete. 

Die  gegenprobe  für  die  richtigkeit  dieser  Schlüsse  bietet 
uns  nun  die  dentalreihe.  Hier  wissen  wir  sicher,  dass  schon 
im  westgermanischen  die  urgermanischen  inlautenden  Ö  zum  ver- 
schlusslaut d  geworden  waren  (z.  b.  in  mödar,  f^aw=nhd.  reiten). 
Die  gemination  durch  y,  welche  die  Spiranten  in  verschluss- 
laute zu  verwandeln  geneigt  war,  konnte  hier  also  diese  Wir- 
kung nicht  ausüben  und  wir  finden  daher  hier  im  hochdeut- 


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ALTSLOV.  FREISINGER  DENKMAELER.  527 

sehen  keinen  vorsprung  der  Verschiebung;  es  heisst  mhd.  bette, 
dritte,  ebenso  wie  muoterj  riten. 

Ich  hoflfe,  durch  die  vorstehenden  bemerkungen  einige  wei- 
tere beweise  für  die  richtigkeit  der  von  Paul  aufgestellten 
lautverschiebungstheorie  beigebracht  zu  haben,  insofern  sich 
unter  annähme  derselben  einzelne  erscheinungen  erklären  Hessen, 
die  nach  der  theorie  Grimms  keine  befriedigende  erklärung 
finden  konnten. 

LEIPZIG,  nov.  1873.  W.  BRAUNE. 


DIE  ALTSLO VENISCHEN  FREISINGER 

DENKMAELER    IN    IHREM    VERHAELTNISSE 

ZUR  ALTHOCHDEUTSCHEN 

ORTHOGRAPHIE. 


Die  Münchner  bibliothek  besitzt  eine  Miscellanhs.  aus  Frei- 
sing (cod.  Fris.  226),  worin  sich  3  kirchliche  formein  in  alt- 
slovenischer  spräche  befinden.  Herausgegeben  sind  dieselben 
mehrmals,  am  besten  von  Kopitar  (Glagolita  Clozianus,  Wien 
1836  p.  XXXIII  flf.):  'Specimen  dialecti  Carantanicae^  sec.  X. ' 
Für  die  slavische  Sprachwissenschaft  sind  diese  denkmäler  von 
hoher  Wichtigkeit,  indem  sie  zeigen,  dass  schon  in  so  früher 
zeit  (2.  hälfte  des  10.  Jahrhunderts)  das  altslovenische  die 
keime  des  heutigen  slovenisch  in  sich  trägt  und  von  der  alt- 
bulgarischen kirchensprache  deutlich  geschieden  war.  Sie  ha- 
ben auch  noch  eine  andere  bedeutung.  Ohne  zweifei  in  Frei- 
sing geschrieben*),  sind  sie  nicht  im  griechisch -cyrillischen, 
sondern  im  lateinischen  aiphabet  abgefasst,  welches  allerdings 
zur  aufzeichnung  slavischer  tejte  äusserst  ungenügend  war. 
Als  ich  zum  ersten  male  unter  Leskiens  anleitung  diese  denk- 
mäler las,  machte  dieser  auf  verschiedene  absonderlichkeiten 
der  Orthographie  aufmerksam  und  vermutete,  dass  dieselben 
aus  dem  deutschen  ihre  erklärung  finden  möchten**).     Die 


*)  Kopitar  vermutet,  die  hs.  sei  geschrieben  vom  bischof  Abraham 
von  Freising  (957 — 994),  der  ein  Slovene  aus  Kämthen  war. 
**)  Aehnlich  auch  schon  Kopitar  p.  XLII. 


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528  BRAUNE 

richtigkeit  dieser  Vermutung  war  mir  sofort  klar;  es  liegt  ja 
auch  so  nahe,  dass  der  oder  die  Verfasser,  mit  der  damals  für 
das  ahd.  üblichen  Orthographie  vertraut,  deutsche  lautj>s>!zeich- 
nungen  auf  das  slavische  anzuwenden  suchten.  Wenn  nun 
auch  durch  diese  denkmäler  gerade  keine  neuen  gesichtspunkte 
fllr  die  ahd,  lautlehre  gewonnen  werden,  so  bestätigen  sie  doch 
bereits  anderweitig  erschlossenes  und  es  schien  mir  deshalb 
wol  der  mühe  wert,  diese  punkte  einmal  in  kürze  zu  bespre- 
chen. Zunächst  veranlasst,  dies  schon  jetzt  zu  tun  wurde  ich 
durch  eine  benutzung  dieser  denkmäler  zu  einer  beweisfüh- 
rung,  die  bloss  durch  die  oberflächlichste  bekanntschaft  mit 
denselben  erklärlich  ist.  Scherer  sagt  nämlich  in  seiner  in 
der  zeitschr.  für  östr.  gymn.  1873  s.  282  ff.  veröffeiitlichten  re- 
cension  von  Hahns  ahd.  grammatik  auf  s.  291:  „Auch  was 
der  unterschied  zwischen  s  und  z  bedeute  und  wie  sich  letz- 
teres zum  s  verhalte,  wird  nicht  gesagt.  Darüber  kann  man 
denn  freilich  auch  bei  andern  leuten  oft  die  wunderlichsten 
Vorstellungen  treffen.  Hat  doch  neulich  jemand*)  behauptet,' 
sb  neben  sp  und  sg  neben  sk  beweise,  dass  b  und  p  tenues 
seien,  denn  das  tonlose  s  werde  niemals  tönend**).  Umge- 
kehrt, das  s  ist  im  ahd.  so  sehr  tönend,  dass  es  selbst  in  den 
alten  gruppen  sp,  sk,  st  (denn  auch  hierfür  kommt  sd***)  vor) 
die  tenuis  sich  assimiliert  und  in  dem  Sprachgefühl  gewisser 


•)  Scherer  scheint  es  für  seine  pflicht  zu  halten,  Lachmann  und 
Müilenhoff  in  der  weise  zu  folgen,  wie  dieselben  einen  unbeque- 
men gegner  gelegentlich  ohne  namensnennung  mit  einer  verächtlichen 
Seitenbemerkung  abfertigen.  Gemeint  ist  hier  Paul,  Gab  es  eine  mhd. 
Schriftsprache  s.  25. 

'**)  Um  dem  misverständnisse ,  dem  Seh.  verfallen  ist,  zu  steuern, 
sei  hier  bemerkt,  dass  an  jener  stelle  die  bemerkung,  s  werde  niemals 
tönend,  dem  zusammenhange  nach  nur  auf  die  Verbindungen  sp,  sk  be- 
zogen werden  kann.  Dass  s  überhaupt  nicht  tönend  werde,  wird  nie- 
mand behaupten,  aber  für  die  Verbindungen  sp,  st,  sk  ist  Scherer  wol 
bis  jetzt  noch  die  beispiele  mit  tönendem  s  (resp.  s)  aus  deutschen  dia- 
lecten  schuldig  geblieben  und  darf  deshalb  niemand  für  wunderlich  hal- 
ten, der  seine  ansieht  darüber  nicht  teilt. 

***)  z.  b.  kidursdlihho  gl.  K.  178.  Danü  ist  aber  gewis  auch  nach 
Scherers  ansieht  in  urisemfdi,  ehdic  gl.  K.  164,  unrehcd  174,  zuhdid  176, 
rehd  und  unrehd  Is.  XIII,  b.  4.  5  das  /  und  h  so  sehr  tönend,  dass  es 
das  t  zur  media  gemacht  hat. 


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ALTSLOV.  FEEISINGER  DENKMAELER.  629 

Schreiber  zur  media  gemacht  hat  Wenn  $  nicht  tönend  war, 
wie  in  aller  weit  konnte  es  denn  von  z  unterschieden  wer- 
den^ Oder  hatte  das  z  vielleicht  noch  eine  spur  des  t  in 
sich,  sprach  man  watssar;  obgleich  nicht  opffan,  obgleich  nicht 
brekchan?  Und  wann  verschwand  ein  solches  t?  Und  woher 
rühi-t  die  gelegentliche  Vermischung  von  z  und  s  im  auslaut? 
Wenn  jemand  d;e  altkarantanischen  Monumenta  Frisingensia 
genauer  darauf  hin  unt.ersuchen  wollte,  in  denen  slavisch  durch 
lateinische  schritt  wiedergegeben  ist,  so  würde  er,  glaube  ich, 
finden,  dass  in  der  regel  z  dem  tonlosen,  s  dem  tönenden  laut 
entspricht." 

Scherer  hat  die  meines  erachtens  unbegründete  ansieht 
aufgestellt,  dass  im  ahd.  s  stets  tönend  sei  und  sich  nur  da- 
durch vom  z  unterscheide;  später  sei  dann  s  tonlos  geworden 
und  mit  z  zusammengefallen.  Den  von  Paul  (diese  beitn  s. 
168  anm.)  dagegen  beigebrachten  gründen  füge  ich  noch  die 
graphische  erwägung  hinzu,  dass  im  spätmhd.  nicht  etwa, 
wie  man  nach  Scherers  annähme  erwarten  müste,  dass  s  durch 
z  verdrängt  wird,  sondern  umgekehrt,  z  geht  zumeist  in  s  über; 
z  war?  also  bei  diesem  vorgange  der  laut,  welcher* seine  ur- 
sprüngliche beschafifenheit  aufgab,  es  wäre  de^ach  in  conse- 
quenz  von  Scherers  auflfässung  tönend  geworden,  was  zu  be- 
haupten wol  niemandem  einfallen  dürfte.  Es  wird  sich  aller- 
dings nicht  leicht  ausmachen  lassen,  ob  nicht  im  ahd.  schon 
einige  inlautende  s  tönend  geworden  seien,  jedenfalls  aber 
machte  man  in  der  Schreibung  —  gerade  wie  noch  heute  — 
keinen  unterschied  zwischen  tönenden  und  tonlosen  dentalen 
Spiranten.  Das  wird  auf  das  schlagendste  durch  die  Freis. 
denkmäler  illustriert.  Das  slavische  hat  vier  Spiranten  der 
dentalreihe,  s  und  z  als  eigentlich  dentale,  s  und  z  als  cacu- 
minale  Spiranten,  die  nach  tönender  oder  nicht  tönender  be- 
schafifenheit streng  geschieden  sind.  Die  Verfasser  der  Freis. 
denkmäler  bezeichnen  —  unter  gänzlicher  nichtachtung 
des  Stimmtons  —  beide  dentale  Spiranten  durch  z,  beide 
cacuminale  durch  s.  Andere  bezeichnungen  sind  nur  ausnähme. 
Das,  tönende  sl.  z  kommt  43  mal  vor,  es  wird  in  40  fällen 
dnrch  z,  einmal  durch  zz  (II,  110),  einmal  durch  sz  (II,  22), 
einmal  durch  s  (III,  70)  widergegeben.  —  Slav.  s  findet  sich 
in  I  72  mal  und  wird  70  mal  durch  z,  2  mal  durch  s  ausge- 

Beiträge  zur  getchichte  der  deatschen  tpraohe  I.  35 


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530  BRAUNE 

drückt.    In  III  ist  die  zahl  der  s  70  (64  mal  z,  6  mal  s).  In 

II  dagegen,  welches  offenbar  von  einem  andern  Verfasser,  als 
I  und  in  herrührt,  sind  von  den  93  s  nur  59  durch  z,  2  durch 
sz,  3  durch  zs,  2  durch  zc ,  3  durch  zz  bezeichnet;  in  den 
übrigen  24  fällen  steht  s,  von  diesen  lassen  sich  nur  5  den 
ausnahmsweisen  s  der  beiden  andern  stücke  vergleichen,  19 
stehen  in  der  Verbindung  st,  in  welcher  dieser  Schreiber  s  meist 
durch  s,  nicht  durch  z  bezeichnet.  Es  kann  demnach  die  re- 
gelmässige lautbezeichnung  keinem  zweifei  unterliegen,  wonach 
also  z.  b.  altbulg.  visemU  zulodeJemU  (1, 28)  vzem  zlodeiemge^GiiYieben 
wird.  —  s  dagegen  bezeichnet  die  beiden  cacuminalen  Spiranten. 
Slav.  s  (unser  seh)  kommt  38  mal  vor  und  wird  31  mal  duich 
einfaches  s,  6  mal  durch  ss  (davon  5  fälle  in  II)  und  einmal 
durch  z  (II  58)  widergegeben.  —  Slav.  i  (franz.  ;)  findet  sich 
101  mal,  und  ist  97  mal  s  geschrieben,   4  mal  z  (II  53.  97. 

III  41.  75).  Es  wird  also  z.  b.  I  23  das  altbulg.  i  mmisiichu 
jeze  jesnvt  sUtvorilU  geschrieben:  i  minsih  ese  iezem  ztvoril. 

Wir  können  aus  diesen  Verhältnissen  mit  Sicherheit  schlie- 
ssen  1)  dass  der  unterschied  zwischen  s  und  z  in  der  ahd. 
zeit  sicher  nicht  auf  tönender  oder  tonloser  beschaflfenheit  be- 
ruhte und  2)  dass  dieser  unterschied  ein  unterschied  der  arti- 
culationsstelle  war.  Dass  dagegen  das  ahd.  s  genau  die  ca- 
cuminale  articulation  unseres  heutigen  seh  gehabt  habe,  darf 
man  nicht  daraus  schliessen  wollen,  sondern  nur,  dass  die  ar- 
ticulationsstelle  des  ahd.  z  mehr  nach  vom  an  den  zahnen, 
die  des  s  etwas  weiter  nach  oben  und  so  den  slav.  cacumi- 
nalen lauten  verhältnismässig  am  nächsten  lag,-  weshalb  aus 
ermangelung  eines  andern  sein  zeichen  zur  bezeichnung  dieser 
laute  verwant  wurde.  Zugleich  wird  hierdurch  bestätigt,  dass 
die  im  10.  jahrh.  und  noch  früher  im  ahd.  schon  auftretende 
Schreibung  seh  eben  nur  den  doppellaut  s+ch  bezeichnet,  da 
andernfalls  der  Freisinger  Schreiber  gewis  diese  Schreibung, 
adoptiert  haben  würde,  wie  dies  auch  die  slav.  sprachen  tun, 
die  in  späterer  zeit  mit  deutscher  Orthographie  schrieben. 

Das  slavische  hat  aber  auch  zwei  hierhergehörige  aflfri- 
caten;  die  cacuminale  c  (tsch)  und  die  dentale  e  {ts  =  nhd. 
z).  Die  dentale  e  kommt  in  unsern  denkmälern  15  mal  vor. 
Hier  standen  zwei  zeichen  zur  Verfügung,  c  vor  e  und  i  und 
z  in  seiner  andern  geltung  im  ahd.    Beide  Schreibweisen  wer- 


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ALTSLO V. ,  FREISINGER  DENKMAELER.  53 1 

den  angewant  und  zwar  4  mal  c  vor  e  und  i  (I,  4.  IL  17.  28. 
35)  während  c  vor  a,  o,  ü  wie  im  ahd.  mit  k  als  bezeichnung 
der  gutturalen  tenuis  wechselt;  11  mal  wird  z  geschrieben, 
vor  dunkeln  vocalen  stets,  aber  auch  vor  hellen.  Gerade  der 
umstand,  dass  der  Schreiber  z  in  seiner  doppelten  ahd.  an- 
Wendung,  als  dentale  aflfricata  und  dentalen  Spiranten  kennt, 
dtirfte  hauptsächlich  mit  einen  beweis  fiir  die  zulässigkeit  der 
vergleichung  dieser  denkmäler  mit  der  ahd.  Schreibung  bilden. 
z  in  beiderlei  geltung  haben  wir  in  werten  wie  zridze  III.  64. 
(=  abulg.  sriä/ice  herz);  zinzi  IL  83.  109  (=  abulg.  syrüici 
filioli),  das  letztere  wort  auch  zinci  geschrieben  IL  28. 

Grosse  Schwierigkeiten  machte  die  afFricata  c^  hierfür  gab 
es  im  deutschen  kein  einigermassen  entsprechendes  zeichen; 
der  laut  kommt  im  ganzen  36  mal  vor.  Am  meisten  schwankt 
II,  wo  sich  die  20  c  so  verteilen:  7  5,  6  z,  2  cc,  2  ts,  1  tz, 
\  CS,  1  mal  nebeneinanderstehendes  cz  durch  zc  (26).  In  I 
und  III  stehen  9  ^,  2  es,  d  c,  1  z,  1  eh.  Man  sieht,  am  häu- 
figsten (16  mal)  wurde  das  zeichen  der  homogenen  spirans  (s) 
angewendet,  daneben  aber  auch  das  zeichen  der  andern  afFri- 
cata z  oder  c  (10  mal)  und  consonantenverbindungen,  in  deren 
wähl  man  aber  sehr  schwankte. 

Wir  wissen  genau,  dass  zur  ahd.  zeit  h  im  anlaut  schon 
den  blossen  hauch  bezeichnete  (es  steht  sogar  oft  fälschlich 
vor  vokalisch  anlautenden  werten);  im  auslaut  aber  war  es 
gutturale  spirans  (z.  b.  sprah),  während  im  inlaute  früher  hh, 
später  (also  zur  zeit  unserer  denkmäler)  ch  gesetzt  wurde. 
Diese  ahd.  geltung  des  h  setzen  die  freis.  denkmäler  voraus. 
Das  slav.  x  ist  an  allen  stellen  des  wortes  tonloser  gutturaler 
Spirant,  es  wird  im  auslaut  fast  stets  durch  h  widergegeben, 
z.  b.  I.  8.  uzeh  nioih  greh  (omnium  meorum  peccatorum);  sel- 
ten kommt  ch  im  auslaut  vor,  welches  im  inlaut  regel  ist.  Im 
anlaut,  wo  eben  ahd.  h  nicht  zu  brauchen  war,  steht  aus- 
nahmslos cÄ  (z.  b.  choku  =  ab.  chostq  volo). 

Ferner  in  fibereinstimmung  mit  der  ahd.  bezeichnung  ist 
die  des  slav.  v.  Bekanntlich  ist  ja  die  indogermanische  aus- 
spräche desselben  halbvokalisch,  d.  h.  es  beginnt  mit  u  und 
geht  in  v  über,  wie  noch  heute  das  engl.  w.  Diesen  laut  be- 
zeichnete man  im  ahd.  passend  durch  doppeltes  m.  In  unsern 
denkmälern  nun  wird  ganz  regelmässig  v  im   anlaut  vor  und 

35* 


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532  BRAUNE 

im  inlaut  zwischen  vocalen  durch  uu,  {uv,  vu)  gegeben,  z.  b. 
I.  31.  vueru  (=  ab.  verq,  fidem)  und  sivuot  (=  ab.  zivotU  vita). 
So  findet  es  sich  in  I  34  mal  und  nur  4  mal  einfaches  u  {v)*). 
In  dieser  Stellung  hatte  das  v  also  sicher  noch  halbvocalische 
geltung.  —  Einfaches  u  steht  jedoch  stets  im  auslaut,  z.  b. 
grechou  (würde  buchstäblich  ins  altbulg.  übertragen  grechovü 
heissen  statt  des  daselbst  gewöhnlichen  grSchU  peccatorum). 
Im  auslaut  kanü  sich  der  halbvocal  nicht  halten,  deshalb  ist 
im  sloven.,  wie  im  ahd.  seu  etc.,  der  spirantische  teil  abge- 
fallen und  einfaches  u  zurückgeblieben;  in  andern  slav.  spra- 
chen, z.  b.  im  russ.  schwand  der  vocalische  teil  und  es  ent- 
stand reiner  spirant,  der  sich  sogar  zu  /  verhärtete.  —  Durch 
den  ausfall  im  ab.  noch  vorhandener  schwacher  vocale  ist  v 
in  den  slaw.  sprachen  zahlreich  vor  consonanten  zu  stehen  ge- 
kommen (die  alte  Verbindung  t;+con8.  ist  im  vergleich  damit 
selten);  in  diesem  falle  steht  stets  einfaches  w  (18  mal  in  I) 
z.  b.  vzovues  I,  32  (=  ab.  vUzovesi  vocabis).  Die  vocal-conso- 
nantische  ausspräche  war  vor  consonanten  weit  mehr  gefähr- 
det, als  vor  vocalen;  in  den  germanischen  sprachen  hat  das 
m  vor  consonanten  im  allgemeinen  die  neigung  zu  schwinden, 
in  den  slav.  sprachen  wird  es  reiner  labialer  spirant  und 
bleibt  daher.  Aus  der  Schreibung  unserer  denkmäler  geht 
also  hervor,  dass  das  w  vor  cons.  im  damaligen  slo venisch 
sich  nach  dieser  seite  hin  von  dem  vor  vocalen  differenziert 
hatte.  —  Endlich  steht  einfaches  u  auch  nach  consonanten 
(17  mal  in  I  und  einmal  uu),  z.  b.  zuetemu  (dat.  von  ab.  sv^tU 
sanctus),  tuoril  (part.  perf.  von  ab.  tvorifi  facere).  Auch  diese 
eigentümlichkeit  finden  wir  im  ahd.  und  altsächs.  wider  (für 
das  ahd.  vgl.  z.  b.  die  mit  stv  tw  anlautenden  werte  bei  GraflF). 
In  der  bezeichnung  'des  andern  vocal-consonanten  j  diflFe- 
riert  II  merkwürdig  von  I  und  III.  In  letzteren  wird  es  im 
anlaut  und  inlautend  zwischen  vocalen  ausnahmslos  durch  i 
dargestellt,  wogegen  in  II  anlautend  16  mal  g,  4  mal  i,  in- 
lautend zwischen  vocalen  9  mal  g,  11  mal  i  steht,  also  z.  b. 
gezm  (66)  ==  ab.  jesmi^  hosige  (10)  =  ab.  hozij^.  Das  beweist 
erstens,   dass   im  slo  venischen  j  damals  schon  anfing  seinen 


*)  Da  in  der  bezeichnung  des  v  alle  3  stücke  übereinstimmen,  gebe 
ich  die  zahlen  nur  aus  I. 


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ALTSLOV.  FREISINGER  DENKMAELER.  533 

vocalischen  teil  aufzugeben  und  zum  blossen  tönenden  palata- 
len  Spiranten  zu  werden  und  zweitens,  dass  im  ahd.  g  ausser 
verschiedenen  anderen  bedeutungen  auch  flir  diesen  Spiranten 
in  gebrauch  war,  was  wir  allerdings  schon  vorher  aus  formen 
wie  herige,  gihu  u.  a.  schliessen  konnten.  ^ 

Nach  consonanten  ist  in  den  slav.  sprachen  bekanntlich 
das  Schicksal  des  j  das,  dass  es  seinen  vokalischen  teil  ganz 
aufgibt  und  als  spirant  sich  eng  an  den  vorhergehenden  con- 
sonanten anschliesst,  ihn  mouilliert,  bez.  mit  ihm  im  verfolg 
in  einen  dritten  laut  übergeht.  Wir  können  hier  nicht  diese 
die  slav.  grammatik  näher  angehenden  fragen  erörtern,  es 
ist  jedoch  wahrscheinlihh,  dass  die  Verbindungen  cons,+y  schon 
in  unseren  denkmälem  derartig  enge  waren;  als  sicher  lässt 
sich  das  von  nj  behaupten,  in  welcher  Verbindung  in  I  allein 
j  durch  g  widergegeben  wird:  pongese  (I,  12)  =  ab.  ponjeze, 
pomngu  (I,  13  zweimal)  =  ab.  pomnjc^  In  III  steht  2  mal 
flir  nj  ein  geschwänztes  n  (29.  35),  gewöhnliches  n  (III,  41); 
ni  (64);  —  in  11  steht  blosses  n  4  mal,  ng  2  mal  (23.  104). 
Auf  die  mouillierung  durch  den  hellen  vocal  e  lässt  schliessen 
die  Schreibung  zcepasgenige  (IL  39)  =^ab.  süpasenije  (salus). 
Es  erhellt,  dass  die  deutschen  Schreiber  bemüht  waren  die 
mouillierung  zu  bezeichnen;  sollten  sie,  wenn  im  ahd.  damals 
consonantenmouillierung  vorhanden  gewesen  wäre,  nicht  auch 
danach  gesti-ebt  haben? 

Noch  ein  punkt  endlich  kommt  fllr  die  ahd.  lautlehre  in 
betracht:  der  Schreiber  von  II  (nicht  auch  der  von  III,  wie 
Kopitar  p.  XLII  irrtümlich  behauptet)  setzt  statt  des  slav.  p 
oft  b;  und  zwar  sind  von  den  54  vorhandenen  fällen  der  la- 
bialtenuis  36  durch  p,  18  durch  b  bezeichnet.  Es  ist  wol  zu 
beachten,  dass  17  von  diesen  im  anlaute  stehen,  z.  b.  na- 
boiachu  46  (imperf.  von  ab.  poiti,  tränken),  während  38  pigem 
(=  ab.  pijemü,  von  derselben  wurzel)  geschrieben  ist.  103  bac 
(=  ab.  pakü),  öfter  in  der  praepos.  po,  z.  b.  botomu  (17.  35), 
während  potomu  109  u.  ö.  Die  form  briplisaze  58  (=ab.j9n- 
blizctsf)  ist  doppelt  merkwürdig,  indem  hier  ausnahmsweise, 
auch  das  anlautende  b  mit  p  vertauscht  ist.  Der  einzige  fall, 
wo  inlautendes  p  durch  b  gegeben  wird,  ist  gozbod  89  (ab. 
gospodi  dominus),  während  sonst,  z.  b.  61  gozpodi  geschrieben 
ist.    Die  slavischen  tenues  sind  bekanntlich  als  solche  scharf 


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534  BRAUNE 

ausgeprägt,  es  hat  demnach  der  Schreiber  von  II  b  im  an- 
laut  und  nach  s  für  tauglich  befunden,  die  tenuis  zu  vertre- 
ten. Genau  dasselbe  finden  wir  im  ahd.,  und  wir  werden  nun, 
wenn  hier  und  da  sbrah  statt  sprah  u.  dgl.  vorkommt,  nicht 
mehr  mit  Scherer  glauben,  dass  das  tönende  laute  seien.  Es 
bestätigt  sich  im  gegenteil  hier  die  von  Paul  an  dem  von 
Scherer  citierten  orte  aufgestellte  ansieht. 

LEIPZIG.  W.  BRAUNE. 


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ZUM  LEBEN  HARTMANNS  VON  AUE. 


Es  ist  bekannt,  wie  das  eine  der  kreuzlieder  Hartmanns 
(MSF.  s.  218.  Bechs  ausgäbe  II,  3)  von  Bech  für  unecht  er- 
klärt ist.  In  seiner  neuen  aufläge  der  werke  Hartmanns  hat 
derselbe  zwar  einen  teil  der  früher  geäusserten  bedenken  zu 
gunsten  einer  andern  erklärung  aufgegeben.  Trotzdem  bleibt 
ihm  das  Lied  sehr  verdächtig  erstens,  weil  darin  Franken  als 
aufenthaltsort  des  dichters  genannt  wird,  und  zweitens,  weil 
die  hier  gegebene  Zeitbestimmung  in  Widerspruch  steht  mit  der 
von  ihm  aufgestellten  ansieht,  dass  Hartmann  den  kreuzzug 
von  1190  mitgemacht  habe.  Bech  hat  es  allerdings  in  hohem 
grade  wahrscheinlich  gemacht,  dass  im  Erec  auf  den  über- 
standenen  kreuzzug  angespielt  wird.  Fällt  aber  der  kreuzzug 
vor  den  Erec,  so  kann  es  nach  den  sonstigen  chronologischen 
Verhältnissen  kein  anderer  gewesen  sein  als  der  von  1190. 
Dazu  kommt,  dass  auch  das  erste  büchlein,  das  seinem  gan- 
zen Charakter  nach  in  die  früheste  zeit  des  dichters  fällt,  we- 
gen der  deutlichen  anspielung  in  v.  358  gleichfalls  später  als 
der  kreuzzug  angesetzt  werden  muss.  Dagegen  hat  Lachmann 
(Iw.-  526.  anm.)  behauptet,  dass  Hartmann  den  kreuzzug  von 
1197  mitgemacht  habe,  und  stützt  sich  dabei  eben  auf  den 
schluss  der  zweiten  zeile  unseres  liedes.  Sehen  wir  uns  die 
stelle  einmal  näher  an.    Es  heisst  da: 

ez  ist  geminnet,  der  sich  durch  die  minne  eilenden  muoz. 

nu  seht  wies  mich  üz  miner  zungen  ziuhet  über  mer. 

und  lebte  min  her  Salatin  und  al  sin  her, 

dienbrsehten  mich  von  Franken  niemer  einen  vuoz. 

In  diesen  zeilen  fällt  zunächst  auf,  dass  Hartmann  dem  Sala- 
din  das  praedicat  mm  her  beilegt,  welches  doch  immer  auf  ein  re- 


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536  PAUL 

spectvolles  persönliches  Verhältnis  hinweist.  Denn  ein  solches 
liegt  auch  vor,  wenn  der  erzählende  dichter  so  seine  helden 
benennt;  es  mischt  sich  dann  die  persönliche  teilname  des 
dichters  in  die  erzählung.  Doch  wollte  man  sich  auch  das 
gefallen  lassen,  wie  kann  der  dichter  sagen  'und  wenn  auch 
Saladins  ganzes  heer  noch  lebte*.  Ist  etwa  das  beer  einmal 
plötzlich  verstorben  zugleich  mit  seinem  führer?  Es  muss 
heissen: 

und  lebt  min  herre,  Salattn  und  al  stn  her 
dienbraehten  mich  von  Franken  niemer  einen  vuoz. 

'Wenn  mein  herr  noch  lebte,  so  würden  mich  Saladin  und 
sein  ganzes  heer  keinen  fuss  von  Franken  bringen.*  Hartmann 
beklagt  in  dem  andern  kreuzliede  MSF.  209,  25  den  tod  sei- 
nes herren,  der  seine  beste  freude  dahin  genommen  hat,  wes- 
halb ihm  der  abschied  leicht  wird ;  er  will  gern  die  hälfte  des 
Verdienstes,  das  er  sich  durch  seine  fahrt  vor  gott  erwirbt, 
der  seele  seines  herren  zu  gute  kommen  lassen  (210,  31).  Es 
ist  daher  wol  nicht  zu  viel  behauptet,  dass  er  wesentlich  durch 
den  tod  seines  herren  bestimmt  ist  das  kreuz  zu  nehmen.  Das 
stimmt  zu  der  gegebenen  erklärung.  Ist  dieselbe  richtig,  so 
ist  das  lied  bei  Saladins  lebzeiten  gedichtet,  und  da  dann  we- 
gen der  ganz  speciellen  anspielung  auf  ein  anderswoher  be- 
kanntes persönliches  Verhältnis  an  der  ächtheit  nicht  mehr  ge- 
zweifelt werden  kann,  so  folgt  gerade  aus  diesem  liede  mit 
evidenz,  dass  Hartmann  an  dem  kreuzzuge  ,von  1190  teil  ge- 
nommen hat,  so  dass  dann  nichts  mehr  hinderif  die  anspie- 
lungen  im  Erec  mit  Bech  anzuerkennen.  Es  ist  ja  schon  an 
und  flir  sich  viel  wahrscheinlicher,  dass  sich  Hartmann  wie 
Friedrich  von  Hausen,  Albrecht  von  Johansdorf  und  Keimar 
dem  grossen,  ganz  Deutschland,  Frankreich  und  England  er- 
regenden zuge  von  1190  angeschlossen  hat,  als  dass  er  dem 
unbedeutenden  von  1197  gefolgt  sein  sollte.  Auf  eine  allge- 
meine begeisterung  deutet  er,  wenn  er  MSF.  210,  5  es  für  die 
pflicht  eines  jeden  ritters  erklärt  die  fahrt  mitzumachen,  was 
für  die  bedeutend  abgekühlte  Stimmung  1197  nicht  mehr  an- 
gebracht scheint. 

Es  kann  nun  allerdings  auffallen,  wie  hier  plötzlich  die 
erwähnung  des  herren  hineinschneit,  ohne  dass  vorher  oder 
nachher  durch  irgendwelche  andeutung  eine  rllcksicht  auf  den- 


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ZUM  LEBEN  HARTMANNS  VON  AUE.        537 

selben  angezeigt  ist.  Dies  führt  uns  auf  die  frage,  wie  die 
minne  in  diesem  liede  zu  verstehen  sei.  Dass  nicht  die 
minne  im  eigentlichen,  gewöhnlichen  sinne  des  wertes  gemeint 
sein  kann,  hat  Wilmanns  in  Haupts  zeitschr.  14,  144  flf.  gezeigt. 
Wenn  man  auch  vielleicht  allen  seinen  einwänden  nicht  bei- 
stimmen kann,  so  ist  doch  die  letzte  Strophe  beweisend.  Der 
dichter  stellt  sich  ausdrücklich  den  minnesingern  überhaupt 
und  seine  minne  ihrer  minne  entgegen.  Es  ist  klar,  dass  er 
eine  eigene  art  von  .minne  meint,  etwas,  was  ^r  nur  durch 
eine  Übertragung  als  minne  bezeichent  Wilmanns  nimmt  da- 
her an  in  Übereinstimmung  mit  Bartsch  (und  dem  hat  sich 
auch  Bech  in  der  neuen  aufläge  angeschlossen),  dass  die  got- 
tesminne  gemeint  sei.  Sehen  wir  zu,  wie  sich  mit  dieser  an- 
nähme die  frühere  erklärung  der  citierten  stelle  vereinigt. 
Hartmann  würde  danach  sagen:  'nur  die  gottesminne,  die  re- 
ligiöse begeisterung  zieht  mich  aus  meiner  nation  fort  über 
das  meer:  wenn  sie  es  nicht  täte,  so  würden  mich  Saladin 
und  sein  ganzes  heer,  falls  sie  noch  lebten,  nicht  aus  Franken 
bringen.  Diese  gegenüberstellung  könnte  nur  so  einen  sinn 
haben,  wenn  der  dichter  gemeint  hätte,  dass  Saladin  und  sein 
heer  auf  ihn  keine  anziehungskraft  üben  würden^  dass  ihn 
etwa  nicht  verlangen  würde  die  herrlichkeit  Saladins  und  die 
seltsamen  gestalten  seines  heeres  zu  sehen.  So  hat  es  auch 
wirklich  Wilmanns  verstanden;  denn  er  sagt  s.  146  oben:  ^sie 
zieht  ihn  über  meer,  nicht  die  pracht  Saladins,  nicht  die  aus- 
sieht auf  rühm  und  abenteuer*;  diese  letztere  aussieht  fügt 
er  aber  selber  hinzu,  sie  lässt  sich  nicht  aus  der  erwähnung 
des  heeres  herausinterpretieren.  Indessen,  wer  im  begriff  war 
einen  kreuzzug  zu  machen,  konnte  doch  bei  Saladin  und  sei- 
nem beere  nicht  an  das  prächtige  und  seltsame  Schauspiel 
denken,  welches  ihm  der  anblick  derselben  etwa  gewähren 
würde  (übrigens  eine  dürftige  belohnung  für  so  viel  mühe  und 
arbeit,  die  wol  niemand  angelockt  haben  würde),  sondern  an  den 
kämpf  mit  denselben.  Meiner  Überzeugung  nach  kann  der  sinn 
nur  der  sein:  möchten  auch  Saladin  und  sein  heer  das  heilige 
land.noch  so  sehr  bedrängen,  das  würde  mich  nicht  bestim- 
men gegen  sie  zu  ziehen.  Dann  aber  besteht  kein  gegensat? 
mehr  zwischen  der  minne  und  dem  Saladin  als  motiv  zum 
kreuzzuge.     Treibt  den  dichter  die  religiöse  begeistemng ,  so 


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538  PAUL 

bestimmt  ihn  auch  die  ^bedrängung  des  heiligen  landes  durch 
Saladin,  und  umgekehrt,  bestimmt  ihn  die  letztere  nicht,  so  ist 
es  auch  nicht  religiöse  begeisterung,  was  ihn  treibt.  Wir  ha- 
ben also  einen  weiteren  beweis  gegen  die  alte  erklärung. 

Nun  freilich  auch  bei  meiner  erklärung  kann  minne  nicht 
als  gottesminne  aufgefasst  werden.  Denn  wenn  Hartmanns 
entschluss  das  kreuz  zu  nehmen  vom  tode  seines  herren  ab- 
hing, so  war  es  nicht  bloss  das  feuer  christlicher  begeisterung, 
was  ihn  erregte.  Uns  wird  nun  aber  die.  möglichkeit  geboten 
zu  einer  noch  andern  auflfassung  der  minne^  Es  ist  die  treue 
hingebung  Hartmanns  an  seinen  herren,  für  dessen  Seelenheil 
er  die  fahrt  unternimmt.  Minne  kann  auch  von  der  freund- 
schaft  zwischen  männem  gebraucht  werden  (cf.  mhd.  wb.  11^ 
119^),  Der  dichter  gebraucht  das  wort  absichtlich  doppelsin- 
nig, um  damit  nach  seiner  art  zu  spielen  in  etwas  spitzfindi- 
gen antithesen.  Es  erklärt  sich  eben  aus  dieser  gesuchten 
Zweideutigkeit,  dass  nicht  deutlich  angegeben  wird,  was  unter 
des  dichters  minne  zu  verstehen  ist.  Die  letzten  zeilen  der 
zweiten  Strophe  geben  uns  allein  den  Schlüssel  dazu. 

Franken  als  aufenthaltsort  müssen  wir  uns,  wenn  die 
ächtheit  deg  liedes  nicht  mehr  bestritten  werden  kann,  gefallen 
lassen.  Aber  daraus  folgt  nicht,  dass  es  sein  geburtsland  war. 
Unter  miner  zungen  versteht  er  jedenfalls  nicht  Franken,  son- 
dern ganz  Deutschland;  denn  es  gibt  eine  allgemeine  Husche 
zunge,  und' es  würde  lächerlich  gewesen  sein,  wenn  jemand 
etwa  bei  einer  Übersiedelung  aus  Franken  nach  Schwaben 
hätte  sagen  Wollen,  dass  er  sich  aus  seiner  spräche,  aus  sei- 
ner nationalität  entfernt  hätte.  Hartmanns  verwante  brauch- 
ten nicht  in  Franken  angesessen  zu  sein,  weil  er  ihnen  in 
Franken  ein  lebewol  zuruft.  Denn  gerade  so  gut  wie  etwa 
heute  jemand,  der  nach  Amerika  auswandert,  sich  seinen 
freunden  und  verwanten  empfiehlt,  wenn  sie  auch  vielleicht 
20,  30  meilen  von  ihm  entfernt  wohnen,  eben  so  gut  konnte 
Hartmann  beim  antritt  einer  so  weiten  reise  von  seinen  freun- 
den absciiied  nehmen,  für  die  er  zwar  schon  abwesend,  aber 
doch  jederzeit  leicht  erreichbar  war.  Die  entgegenstehenden 
gründe  für  die  schwäbische  heimat  Hartmani^,  die  ich  hier 
nicht  zu  widerholen  brauche,  sind  zu  entscheidend,  als  dass 
irgend   ein   einwand   dagegen    aufkommen  könnte.     Ich   will 


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ZUM  LEBEN  HARTMANNS  VON  AUE.        539 

nur  noch,  was  das  sprachliche  betrifft,  darauf  aufmerksam 
machen,  dass  die  reime  im  Iwein  p flach:  geschach,  bestreich: 
sw£ich,  soviel  wir  bis  jetzt  wissen  in  Ostfranken  unmöglich 
sind  (an  Stidfranken  wird  niemand,  wer  den  unterschied  der 
spräche  kennt,  denken) ,  wol  aber  in  Schwaben,  wie  in  Bayern. 
Wir  haben  auch  keinen  grund  daran  zu  zweifeln,  dass  Ober- 
nau  bei  Rotenburg  die  heimat  des  dichters  ist  (cf.  Germ.  16, 
162),  wenn  nicht  noch  ein  anderes  Aue  in  Schwaben  nach- 
weisbar ist,  in  dem  eine  freiherrschaft  bestand.  Das  ist  ein 
notwendiges  erfordernis  für  die  heimat  des  dichters,  nur  muss 
man  ihn  nicht  mit  dem-  freiherrn  von  Ow  a.  a.  o.  dem  frei- 
herrlichen geschlechte,  sondern  den  ministerialen  desselben  zu- 
weisen. Wenn  Hartmann  a.  Heinr.  5 -von  sich  sagt  dieyistman 
was  er  ze  Ourve,  so  kann  das  nicht  heissen  'er  war  ein  mi- 
nisteriale  und  wohnte  in  Aue',  sondern  'er  stand  im  dienst- 
verhältnis  zu  Aue^  zu  den  herren  von  Aue  \  Dazu  kommt  die 
kaum  anzuzweifelnde  hypothese  Haupts  über  den  armen  Hein- 
rich (einleitung  s.  XI).  Kurz  alles  stimmt  zu  Obemau.  Dass 
Hartmann  trotzdem  in  Franken  einen  längeren  aufenthalt  ge- 
habt hat,  kann  nicht  unmöglich  und  nicht  einmal  unwahr- 
scheinlich genannt  werden.  Dass  wir  den  grund  davon  nicht 
wissen  und  sonst  kein  zeugnis  dafür  haben,  kann  nicht  ein 
beweis  dagegen  sein.  Denn  wir  wissen  von  Hartraanns  äusse- 
rem leben  überhaupt .  fast  nichts,  als  was  er  uns  in  seinen 
kreuzliedem  mitteilt.  Unsere  stelle  gentigt  um  diesen  aufent- 
halt authentisch  zu  bezeugen. 

LEIPZIG,  im  december  1873.  H.  PAUL. 


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BERICHTIGUNGEN. 


S.  44  z.  13  V.  u.  lies  hochdeutschen  statt  norddeutschen, 
S.  155  z.  2  V.  u.  lies  lukarnastapa  statt  lukarnarstada. 
S.  208  z.  8  V.  o.  lies  ze  statt  se, 
S.  264  z.  10  V.  u.  ist  der  beleg  bb.  Mos.  24/24  zu  streichen. 


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Bachbjnderei 

von 
Hospitj 


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^iftÄÄt 


.AfiowAr. 


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,^^^^fim 


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