This is a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before it was carefully scanned by Google as part of a project
to make the world's books discoverable online.
It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject
to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books
are our gateways to the past, representing a wealth of history, culture and knowledge that 's often difficult to discover.
Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book's long journey from the
publisher to a library and finally to you.
Usage guidelines
Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to
prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying.
We also ask that you:
+ Make non-commercial use of the file s We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for
personal, non-commercial purposes.
+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machine
translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text is helpful, please contact us. We encourage the
use of public domain materials for these purposes and may be able to help.
+ Maintain attribution The Google "watermark" you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.
+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other
countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can't off er guidance on whether any specific use of
any specific book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search means it can be used in any manner
any where in the world. Copyright infringement liability can be quite severe.
About Google Book Search
Google's mission is to organize the world's Information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers
discover the world's books white helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the füll text of this book on the web
at|http : //books . google . com/
^rni « ? M
M-^fsr\^m
\rr^fsK^i^f^^^^^^K
i>Ji/»;.'^,npi»Hp?!'
:^e.Ä^,^^'^:'^' .^'^
».^»A^AAAf
.^**^«^w^^??®««^^
K^fcMJJ*
r^AA^'^A
AA/^^'
A(^AA/^r
/Ift/^/
£^ Lihris
Arturi S. Napier.
.AaOh
^f^if(W^f^f>^f\mf^^f!t^
h^f^t^äi^M^^
^ ^ -A^
. ^.^rr^^^^^^mm
^^^^s^^^
vAAAA
/^,rVr-CYr^\p,f^
^^,4A*AA
^^fi^^^m^^f^
^ÄÄ.^^^S
■'^^X'p'o.^
,^.,,,vr'^**%,^;.;;AAA^--:*-N
An4^{it
'■aA,^,aA,
.aäPW^
Digitized by
Google
R 1^7
Qigitized by
Google
Digitized by
Google
BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE
DER
DEÜTSCIEU SPMCHE TMD
LITERATTJE
HERAUSGEGEBEN
VON
HERMANN PAUL und WILHELM BRAUNE.
I. BAin).
HALLE A/S. 1874.
LIPPERT'SCHE BUCHHANDLUNG
(MAX NIEMEYER).
Digitized by
Google
Digitized by
Google
^^.,,,,,.. /.^ .. •„ ,'■ ■ '• ^':" ■ ^<
_/•
INHALT.
Seite
Zur kenntnis des fränkischen und zur hochdeutschen lautverschie-
bung von W. Braune 1
Uebersicht der neuangelsächsischen Sprachdenkmäler von B.
Wtilcker 57
Legenden und sagen von Pilatus von W. Creizenach . . . . 89
lieber die letanie von F. Vogt 108
Zur lautverschiebung von H. Paul 147
Kritische bemerkungen zu mittelhochdeutschen gedichten von H.
Paul 202
üeber die spräche der Ancren Riwle und die der homilie Hali Mei-
denhad von R. Wtilcker 209
lieber die neuangelsächsischen Sprüche des königs Aelfred von R.
Wülcker 240
üeber die Margaretenlegenden von F. Vogt 263
lieber das gegenseitige Verhältnis der handschriften von Hartmanns
Iwein von H. Paul 288
Die althochdeutsche Übersetzung der Benediktinerregel von F.
Seiler 402
Kleine beitrage zur deutschen grammatik von £. Sievers.
I. Zur altangelsächsischen declination 486
n. Die reduplicierten präterita 504
lieber den grammatischen Wechsel in der deutschen verbalflexion
von W. Braune 513
Die altslovenischen Freisinger denkmäler in ihrem Verhältnisse zur
althochdeutschen Orthographie von W. Braune 527
Zum leben Hartmanns von Aue von H. Paul 535
Digitized by
Google
Digitized by VjOOQIC
ZUR KENNTNIS DES FRANKISCHEN
UND
ZUR HOCHDEUTSCHEN LAUTVERSCHIEBUNG.
Wie überhaupt die mittel- und niederdeutschen dialecte
einer grammatischen darstellung und begrenzung ihres gebiets
noch harren, so ist auch der begriff des sogenannten nieder-
rheinischen im ganzen ein vager, die grenzen und hauptunter-
scheidungsmerkmale des dialects sind noch von niemand ge-
nauer bestimmt worden. Man sieht wol im allgemeinen ganz
richtig den dialect als einen solchen an, der den Übergang des
hochdeutschen in das niederländische vermittele, wo und wie
aber der Übergang stattfinde, darüber begegnet man meist
unklaren anschauungen. Und diess ist auch gar nicht zu ver-
wundern, da man den dialect doch hauptsächlich nach den
literaturdenkmälem, die man ihm zuzuweisen pflegt, beurteilt.
Nun weichen aber die gedieh te, welche wir niederrheinische
nennen; in ihrem lautstande meist von einander ab, ihre ent-
stehungsorte sind nicht genau bekannt und man kann daher
auf sie keine sichern Schlüsse bauen. So ist z. b. besonders
das Annolied, welches man ohne weiteres flir kölnisch ausgibt
(cfr. Koberstein i^, p. 154) nur geeignet, die Vorstellung vom köl-
nischen dialect zu verwirren, da es wenigstens in seinem jetzigen
zustande nicht aus Köln hervorgegangen sein kann. Ganz
ähnlich verhält es sich mit den von W. Grimm unter dem
namen Wemhers vom Niederrhein herausgegebenen gedichten,
in welchen ebenfalls der vom originale etwas abweichende
dialect des Schreibers deutlich hervortritt, während die in der-
selben hs. enthaltenen, von einem andern Schreiber geschriebe-
nen Marienlieder (Haupt X) eine ganz reine mundart darbieten;
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. I. 1
Digitized by
Google
2 BRAUNE
Die sicherste quelle zur erkenntnis der älteren deutschen
mundarten sind die nach ort und zeit ihrer entstehung , fest-
stehenden Urkunden. Sie sind von det mitte des 13. Jahrhun-
derts an in immer zunehmender fülle vorhanden und mtissen
die basis aller Untersuchung bilden, erst in zweiter linie kom-
men die gedichte in betracht. Auf grund dieser Urkunden
wollen wir denn versuchen, die ausdehnung und den character
der niederrheinischen mundarten in der 2. hälfte des 13. und
im 14. Jahrhundert einigermassen festzustellen.
Zuvor aber möchte ich nochmals (cf. liter. centralbl. 1872,
p. 1227) gegen den landläufigen, aber äusserst unglticklich ge-
wählten namen „niederrheinisch" protestieren. Der name hätte
nur einen sinn, wenn man damit die. spräche des Niederrheins
bis zu seiner mündung hin bezeichnete. Das tut man aber
nicht, da das unterste gebiet des Bheines durch „niederländisch"
bezeichnet zu werden pflegt und man meint daher mit „nieder-
rheinisch" gemeiniglich die spräche der preuss. Rheinprovinz.
Diese aber wird durch eine deutlich erkennbare Sprachgrenze in
zwei teile getrennt, so dass man unter diesem namen zwei
grundverschiedene mundarten begriff und in einander warf.
Das unzutreffende desselben ftihlte auch Pfeiffer (Germ. 111,
p. 493) und schlug statt dessen „kölnisch" vor. Diese bezeich-
nung ist aber wiederum zu eng, wie wir weiter unten sehen
werden. Der passendste name ist wie mir scheint „mittelfrän-
kisch" (dessen sich auch schon Heyne, kleinere denkm. p. III,
bedient) und zur begrttndung desselben werden wir die Stellung
dieses dialects zum gesammten fränkischen stamme, so wie die
sprachliche gliederung des letzteren überhaupt kurz zu erör-
tern haben.
Der fränkische stamm zieht sich bekanntlich vom nörd-
lichen Oberdeutschland an den Rhein entlang bis hinunter in
die Niederlande und enthält sonach, wie kein zweiter der
alten stamme, einen hochdeutschen und einen niederdeutschen
hauptteiL Diese Spaltung ist natürlich eine verhältnismässig
sehr späte. Sie ist entstanden, als der südliche teil Deutsch-
lands von der hochdeutschen lautverschiebung betroffen wurde.
Deren ausdehnung ist eine rein geographische : von den bergen
Oberdeutschlands nahm sie in historisch erreichbarer zeit ihren
ausgan^ und beweg^te sich ohne auf die Zusammengehörigkeit
Digitized by
Google
ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. '3
der Stämme rücksicht zu Behmen nordwärts, bis sie endlich
zwischen dem 61. und 52. breitegrade in ihrer kraft erlahmte.
Ganz von derselben betroffen sind die Alamannen und Baiem^
wol nur in ihren südlichsten grenzgebieten die Sachsen, aber
vollständig geteilt sind durch sie die sich von sttden nach
norden lang hinziehenden Franken. Die sprachliche einteilung
des Stammes ergäbe sich darnach von selbst, nämlich fränkisch
ohne und mit hochdeutscher lautverschiebung, oder nieder-
und oberfränkisch. Hier müste aber das sogenannte nieder-
rheinische entschieden unter das oberfränkische gesetzt werden,
da es die hervorragendsten teile der lautverschiebung mit erlit-
ten hat Doch wegen seiner sonstigen mehr zum niederdeut-
schen stimmenden lauterscheinungen empfiehlt sich die drei-
teilung in ober-, mittel- und niederfränkisch. Einteilungsgrund
ist der stand der consonanten, vornehmlich der dentalen
welche ja von der hochdeutschen lautverschiebung am stärksten
afficieft sind.
Der oberfränkische dialect ist von MttUenhoff in der
reichhaltigen und in vielen beziehungen vortrefflichen einleitung
zu den denkmälern eingehend behandelt worden. Er zerlegt
das fränkische (den von uns „oberfränkisch" genannten teU)
an der band der ältesten Urkunden und denkmäler nach der
seala der dentalen in hochfränkisch, rheinfränkisch und süd-
fränkisch. Hochfränkisch nennt er die mundart des späteren
Ostfranken, wo nach seinen urkundlichen belegen die dental-
tenuis zu z, die dentalmedia zu t verschoben war, desgleichen
war auch th schon in d übergegangen, mit ausnähme des an-
lauts, wo es sich im 9. jahrh. noch hielt Als beispiel dient
der Tatian, welcher als in Fulda entstanden nachgewiesen
wird. — Im rheinfränkischen ist ebenfalls die tenuis t vollständig
verschoben, die media verharrt meistens als solche, auch das
th ist noch vorhanden. Das hauptsächlichste hierher gehörige
denkmal ist der Isidor. Eigentlich nur eine Unterabteilung
dieses ist das von MüUenhoff sogenannte südfränkisch des
Otfrid. Dieses hat das alte d nur im anlaute, im inlaute ist
es zu t verschoben, was aber auch im rheinfränkischen nicht
selten vorkommt Das im rheinfränkischen unversehrte ih be-
steht bei Otfrid nur im anlaut
Das sind, wenigstens betreffs der consonanten, die haupt-
Digitized by
Google
4 BRAUNE
gesichtspünkte, üaeh denen M. diese oberfränkischen mundarten
teilt. Doch sind dieselben nicht ganz feststehend^ da er die mund-
arten des 9. Jahrhunderts betrachtet und demgemäss die spirans
th zur dialectsonderung mit zu hilfe nimmt Diese aber geht
später in allen dialecten in die media über, kann also für die
spätem mundarten keinen sonderungsgrund mehr abgeben. Wir
betrachten hier den consonantenstand des oberfränkischen, wie
er sich aus den Urkunden des 13. und 14. Jahrhunderts ergibt
Dasselbe lässt sich darnach nur in zwei Unterabteilungen zer-
legen, nämlich 1) das ost fränkische (MtiUenhoflFs hochfrän-
kisch). Da bei diesem nun auch das anlautende th verschwun-
den ist, so steht es betreffs des consonantismus auf allgemein
hochdeutschem Standpunkte und bedarf keiner weiteren be-
sprechung. 2) Das süd fränkische. Diess unterscheidet sich
vom ostfränkischen durch das Vorhandensein der alten media
d. Seine grenze gegen das ostfränkische ist, ebenso wie M.
für das 9. Jahrhundert anführt, ungefähr Spessart und Vogels-
berg. Zeugnisse dafür, dass die Wetterau noch zum Südfrän-
kischen gehört, sind der friedberger Christ aus Friedberg in
der Wetterau, und Urkunden, wie die von Rieger (leben der
heil. Elisabeth p. 47 ff.) abgedruckten, desgL die Urkunde der
neun geschwomen des landfriedens in der Wetterau von 1359
(L. ni, 593).*) Gegen Norden erstreckt sich das Südfrän-
kische auf dem linken Rheinufer ungefähr bis zur Mosel, auf
dem rechten bildet etwa der unterlauf der Lahn die grenze,
dann aber müssen wir dieselbe noch weiter nördlich führen,
indem das hessische in seinen consonantischen eigentümlich-
keiten im grossen und ganzen zum Südfränkischen stimmt
Doch wird vielleicht noch eine genauere sonderung möglich
sein. Im Süden geht das fränkische dann ins alaman-
nische über.
Die unverschobene media ä ist also einmerkmal des süd-
fränkischen. Doch finden wir sie nicht immer gleichmässig
durchgeführt, indem in vielen Urkunden des dialects sich unter-
schiedslos daneben t findet — In Riegers Urkunden ist t nicht
sehr häufig, aber in der Wetterauer Urkunde bei L. stehen
*) L. = Lacomblet, urkundenbuch für den Niederrhein. 4 bände.
H. =» Höfers auswahl deutscher Urkunden.
Q. » Günther, codex diplomaticus Rheno-Mosellanus. 5 teile.
Digitized by
Google
ZUE KENNTNIS DES FRANKISCHEN. 5
14 dj 18 tj also luden, gebode, siede, dun neben tede, teil, tun,
syten, in der Urkunde des Mainzers v. 1339 (Lac. HL 343)
27 d zu 24 t: dun, aber getan, in gode vadem und gleich dar-
auf von desem hutigen tage, deikn und vier zeilen weiter
teilen etc. — In der Urkunde aus Bingen v. 1329 (6. IIL 162)
giebt es nur wenige t, im subst site, warte, sonst aber stets
d in dun, hudigen dag, luden etc.~ ebenso überwiegt weit das d
in der Frankfurter Urkunde v. 1332 (H. p. 262. Der kaiser
Ludwig der Baier stellt hier eine südiränkische Urkunde aus!).
— Das t überwiegt in der Mainzer Urkunde v. 1325 (H. p. 183),
doch finden sich auch zahlreiche d, z. b. beraden, vader etc. —
Es mögen beispielsweise noch eine anzahl südfränkischer Ur-
kunden hier angeführt werden, in denen das Verhältnis überall
das gleiche ist: Sponheim, H. p. 49. 128. 129. 148. L. HL
290. 624. G. m. 84. 109. 167. 236. 275. 319. 456 u. a. (in aU
diesen Urkunden gehört i zu den Seltenheiten). — Dann- (b^i
Sponheim) G. III. 281. 490. H. p. 36. Saarbrücken H. p. 188.
Kirchberg G. IIL 186. 221. Brunshom (bei Castellaun) G. HL
474. Mainz G. III. 251. 260. 26L 361. 451. L. IIL 941.
Katzenellenbogen G. IIL 631. IV. 28. Bingen G. HL 633.
Amsburg a. d. Wetter H. p. 60. Creuznach H. p. 161.
Eine weitere scharf ausgeprägte eigentümlichkeit ist femer
das im anlaute stets unverschobene p, also z. b. plagen, {plegit
Katzenellenbogen L. IIL 970, plach Sponheim G. IIL 624),
parrer (Sponheim G. IIL 236), paffen (Mainz L. III. 343), punde
(Sponheim H. p. 49), punt (Leiningen H. p. 290, Mainz H. p.
183), Pawe (ib. p. 186), pdnt (Sponheim G. IIL 275), penning
— pert — Pingesten etc., wovon man die beispiele auch in den
oben angeführten Urkunden zahlreich findet So war es zu
Otfrids zeit und so ist es noch heute in der «Palz", Frankfurt,
Mainz, wtr man stets im anlaut p spricht, aber aspiriert
Dieses nachstürzende h wird auch damals schon dagewesen
sein, da es, wenngleich nur selten, doch zuweilen bezeichnet
wird, z. b. phleger (Leiningen H. p. 266), phert (Katzenellen-
bogen G. IIL 631), ohne dass man dabei an die afiricata pf
zu denken braucht Ausserdem steht noch unverschobenes p
in den inlautenden Verschärfungen, denen hd. pf entspricht:
appelhaum (Bingen G. IIL 633) kop (G. III. 314) — Amsteiner
Marienleich: gescheppen 170, scheppaere 200. — Beispiele dieses
Digitized by
Google
6 BRAUNE
letzteren falles sind in den Urkunden nicht häufig und ich
glaube nicht, dass in diesem falle das p bis in die südlichsten
teile Südfrankens reicht, da Otfrid aphul, scepheri, kuphar etc.
hat, also gevsris bei ihm schon ein starker nachstürzender hauch
Yorhanden war. — In allen übrigen fällen ist das p im süd-
fränkischen regelrecht luerschoben {helfen, dorf etc.).
Nördlich nun schliesst sich an das südfränkische das
mittelfränkische an, ungefähr von der Mosel und Lahn bis
gegen Düsseldorf und gegen westen bis nahe zur Maas. Den
consönantenstand der mundart habe ich in meinen Unter-
suchungen über Veldeke (zeitschr. f. d. phil. IV) in seinen
grundzügen angegeben; Trier, Koblenz, Köln, Jülich, Aachen
sind die bedeutendsten orte, welche ihr angehören. Diejenige
durchgehende eigentümlichkeit nun, welche uns bestimmt, den
dialect dieses ganzen gebietes als einen im wesentlichen ein-
heitlichen zu bezeichnen, ist, dass im ganzen durchweg die
tenuis t zu z verschoben ist, mit ausnähme des neutralen t
in dat, wat, it, allet, dit Ausserdem blieb unverschoben das t,
welches im perf. und part. perf. der 1. schwachen conjugation
entstand, wenn ein t des stammauslauts mit dem d der schwa-
chen flexion zusammentraf, und dadurch eine schärfung des
dauts entstand, also vom praes. setzen satte und gesät (diese in
den Urkunden sehr häufig); gruzen, groessen ]}^xt groete gegroet
(z. b. Karlmein. 2,43, 13,38); buzen, boezen, boessen, perf.
boete, geboet (z. b. Karlm. 13,i6. 261,17. 314,65, gut:gebut Marld.
53,38. 56,5); letzen perf. latte (Karlm. 311,25) gelat (Karlm. 87,55.
119,45. 121,13), schetzen, geschat (L. III. 163. 363 etc.). —
Ausserdem findet sich unverschobenes t noch in einigen ein-
zelfäUen, als toi (telonium, zoll) z. b. L. 11. 542 und seinen
ableitungen tolUnge (L. II. 537) etc. besonders aber noch in
ft(ÄCÄen (zwischen), welches wort aber merkwürdiger weise nicht
bloss im mittelfränk., sondern auch im südfränk. (z. b. Mainz
L. ni. 343, Saarbrücken H. p. 321) regelmässig in dieser form
auftritt, ja Weinhold flihrt twischen sogar als alemannisch an (al.
gr. § 169). Vereinzelt und nicht durchgängig finden sich un-
yerschobene t in einigen worten. So kommt in kölnischen
Urkunden einige male moit, muthe, moythe vor (L. IL 1064
p. 625 u. 626, IL 1065), ja sogar in einer südfränk. Urkunde
(H. p. 37) habe ich ein muten gefunden, was man an dieser
Digitized by
Google
ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN.
stelle allerdings vielleicht als mohten fassen könnte. Ganz
allgemein aber ist sonst mittelfränk. moiss, muss, moste u. s. w.
— drussete, droissit (truchsess) scheint besonders den Jtilicher
Urkunden eigen (z. b. L. III. 120. 352. 384. 545 u. s. w.),
während in Köln druszeszin (L. IL 542) droississm (H. p. 274)
üblicli ist. — Das seit mitte des 14. Jahrhunderts in Köln
und Mittelfranken nicht seltene tgegen, igegn, tgain, tgenwordig
ist nicht, wie es auf den ersten blick scheinen sollte, aus te
gegen, sondern aus inigegen entstanden. Im 13. und der 1.
hälfte des 14. Jahrhunderts heisst es immer diesen intgegenwor-
digen brief (z. b. L. IL 534. 537. 744), wofür dann tgegenwordig
eintritt (L. III. 532. 540. 556). Das erste tgegen (statt intgegen,
untgen etc.) habe ich in einer kölner Urkunde von 1349 gefun-
den (L. III. 474), von wo ab es dann herscht, doch findet sich
auch später sporadisch untgen (L. III. 498), intganwordicheit
(L. m. 670) etc.*)
Doch es ist hier nicht der ort, noch weitere einzelheiten
•) In diesem vorgange haben wir eine bemerkenswerte analogie zur
entstehung des anlautenden t in den westfries. zahlen tachtich, iniogen-
tich aus der silbe ant-, die im altsächs. vorliegt. — Ich will nur noch
hinzufügen, dass jene formen , die man gewöhnlich nur als friesisch an-
führt, noch viel häufiger im östlichen Niederfranken, vornehmlich Gel-
dem-Kleve sich finden. Und zwar nicht nur tnegdntich (L. III. 952. 966.
1018. 1068 etc.) und tachtentig (L. III. 864. 882. 913. 920. 945), sondern
auch tseventich (L. III. 716. 739. 828. 834. IV. 370 etc.) und tsesHch^
tseistich (L. III. 635. 666. 674,75. 682 etc.) Nie aber habe ich 50 oder
40 mit diesem t gefunden. Für Kleve-Geldem sind diese formen regel;
in Mittelfranken dagegen ist das t nicht vorhanden, nur ein mal ist mir
in Köln tsestzich begegnet (L. UI. 627). Ebenso fehlt das t im west-
lich-niederfränkischen, dem sog. mlttelndl. Sonach steht in einer Brüsseler
Urkunde bei L. III. 652 sestich. Wenn wir daher in einer ebenfalls
Brüsseler Urkunde (L. III. 696) tsestich lesen, so erklärt sich das daraus,
dass ohne zweifei der graf von Kleve durch seinen Schreiber diese
Urkunde hat aufsetzen lassen, da er sich darin vom herzog von Brabant
einen zoll verschreiben lässt. — In den nördlichen Niederlanden aber
tritt das i wider regelmässig auf: codex dipl. neerlandicus 2. ser. 1
p. 83 (Haerlem) tsestich, p. 84 (Wondrichem) tseuentichj p. 92 (Isselstein)
tachtigy p. 165 tachtentich etc. — Dass übrigens die silbe ant- mit dem
ags. hund- sich decke, glaube ich nicht, da in diesem zahlwort durchaus
in allen german. sprachen — und ja auch im altsächs. selbst — das alte
a in 0, u geschwächt ist. Ein hand neben hund wird ebensowenig nach-
zuweisen sein, wie z. b. ein handum statt hundum.
Digitized by
Google
8 BRAUNE
anzuführen, da sonst im allgemeinen überall t die hochdeutsche
Verschiebung erlitten hat. Dieses hochdeutsche z, resp. s (denn
schon seit ende des 13. Jahrhunderts wird ^ regelmässig durch
s, SS vertreten) scheidet den dialect scharf von dem nördlich
und westlich sich anschliessenden niederfränkischen, das
ganz niederdeutschen consonantenstand hat, so wie das auf-
treten von dat, it u. s. w. richtschnur sein muss zur grenzbe-
stimmung gegen das stidfränkische. Diese grenzen wollen
wir jetzt nach den vorliegenden Urkunden näher festzustellen
suchen.
Zuvor aber bedarf es noch einiger bemefkungen ttber die
benutzung der Urkunden zu derartigen zwecken. Es wäre
nämlich ganz verfehlt, wenn man aus dem ausstellungsorte
der Urkunde ohne weiteres Schlüsse betreffs des dialects dieses
orts ziehen wollte, ohne vorher auch die dabei beteiligten per-
sonen ins äuge zu fassen. So ist z. b. die mehrfach erwähnte
Urkunde des Mainzers (L. III. 343) zu Koblenz ausgestellt und
doch im Mainzer dialect, da jedesfalls der erzbischof seinen
Schreiber bei sich gehabt hat. — Oder es stellt (L. III. 737)
der graf von Cleve eine Urkunde aus, ein ausstellungsort steht
nicht dabei, aber flir clevisch wird sie niemand halten, der
die clevisehen Urkunden kennt. Die Urkunde ist eine quittung
an den erzbischof von Köln und ist ohne zweifei von dessen
Schreiber verfasst — Die Urkunde L. III. 567 ist zu Mastricht,
also auf rein niederfränkischem gebiet ausgestellt, sie betrifft
einen vertrag zwischen dem grafen von Loon, also einem Nie-
derfranken, und dem herzog von Jülich, Die Urkunde ist aber
mittelfränkisch und es ergibt sich daraus, dass der herzog
seinen Schreiber bei sich hätte. Die Urkunden L.'IIL 689. 827.
889. sind unter beteiligung des kölner erzbischofs in Arnsberg
in Westfalen ausgestellt; sie sind kölnisch. Weitere beispiele
für diess Verhältnis anzufahren ist unnötig, sie sind ganz un-
gemein häufig und lassen es fast als regel erscheinen, dass
Urkunden, in denen bischöfe, herzöge und flirsten mit städten
oder einzelpersonen pactieren, in dem dialect der ersteren ver-
fasst sind; weiter aber lässt sich der allgemeine satz aufstellen,
dass, bei vertragen zwischen flirsten unter einander, meist der
das doeument verfassen lässt, zu dessen vorteil der betreffende
vertrag gereicht. So macht der könig Johann v. Böhmen ftfcr
Digitized by
Google
ZÜE KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 9
die wähl seines sohnes Karl IV. dem Kölner grosse Verspre-
chungen und diese Urkunden (L. III. 432. 33) sind sonach im
kölnischen dialect geschrieben. Ein anderes beispiel besprachen
wir oben schon, wo die Brüsseler Urkunde in klevischer spräche
ausgestellt war.
Unter diesen umständen haben wir eine fülle von Urkun-
den, aus welchen wir über den dialect von Trier, Jülich, Berg,
Köln, Geldern, Cleve unterrichtet werden, aber für die andern
orte müssen wir uns mit viel weniger zahlreichem material
begnügen, da wir sicher für ihren dialect nur städtische docu-
mente und solche, bei denen nur kleinere herren beteiligt sind
in anspruch nehmen können.
Der südlichste hauptpunkt des mittelfränkischen dialects ist
Trier. Die alten Urkunden des Trierer erzbischofs bieten durch-
gängig dat H. p. 3, p. 129, p. 164, p. 167 f., (p. 168 steht
einmal das), p. 173, G. III. 112. 114. 117. 126. 131 (einmal
das) 156, in Übereinstimmung mit dem Trierer capitulare (das
aber auch einmal thaz hat) und der heutigen volksmundart.
Die nähe der grenze wird durch das sporadisch auftretende
das bekundet. Ueber eine in den Trierer Urkunden später
eingetretene Wandlung wird weiter unten zu reden sein.
Ebenso wie in Trier herscht dat in den flussabwärts auf
beiden selten der Mosel gelegenen orten, ich fllhre an auf dem
linken Moselufer: Witlich (G. III. 352), ßeil (H. p. 154),
Alf (H. p. 251), Clotten bei Cochem (Weisth. IL 441—45),
Elz, (burgfrieden des Schlosses Elz G. IV. 143), Münster-
mayfeld (H. p. 186, p. 216), Trimbs (Weisth. 2, 476), Lön-
nig-Kerben (G. III. 612), Ochtendung (G. III. 150 oder H.
p. .213), Cobern (G. III. 301. 662); — auf dem rechten Mo-
selufer: Zell (G. m. 254), Beilstein (G. IV. 162, auch einige
das), Treis (H. p. 235, G. IH. 315), Ehrenberg (G. III. 431.
496), H. p. 243 — 47 bündnis einer grossen zahl meist auf dem
rechten ufer der Mosel ansässiger herren; Alken, gegenüber
Boppard (G. III. 219), Koblenz (H. p. 151, p. 199. L. III.
622. G. III. 148).
Wir sehen also, dass der lauf der Mosel von Trier bis zu
ihrer mündung zu Mittelfranken gehört, aber auch noch weiter
rheinaufwärts über die Moselmündung hinaus erstreckt sich
die mittelfränkische mundart auf der linken seite des Rheins,
Digitized by
Google
10 BRAUNE
SO herscht dat in Boppard (G. III. 346, H. p. 214). Der
südlichste punkt, an welchem auf dem linken Rheinufer dat
vorhanden ist, ist Oberwesel. H. p. 65 — 67 haben wir eine
städtische Urkunde von Wesel aus dem jähre 1301. Darin
steht ein dit, ein alllt, 4 it, aber neben 23 dat auch 3 daz,
z. b. dat er daz ahe lege. — Doch auch in Bacharach (schöf-
fenweistum des 14. Jahrhunderts Weisth. IL 219 — 22) findet
sich ein paarmal rvat und dat neben dem weit vorwiegen-
den daz.
Alles was nördlich von dieser Mosellinie liegt, hat nun
durchweg dat. Ich fiihre beispielsweise einige orte an: An-
dernach (L. III. 632. G. III. 6), Mayen (H. p. 256), Kem-
penich bei Laach (G. III. 272. 513. 619), Saffenberg an der
Ahr (G. III. 405. 473. 480. 650), Virnenburg (G. IV. 119.
135. 226. 249), Prüm (L. 680. G. IV. 286. Weisthümer IL
515—21), Sinzig (H. p. 202. 203), Brol oberhalb Sinzig (G.
IV. 272), Remagen (G. IIL 503), Ahrweiler (Weieth. IL
643—47).
Von Wesel an geht die grenze nordwärts, wir werden sie
wol am richtigsten nach der stadt Nassau hin ziehen. Katzen-
ellenbogen (cf. oben) ist schon slidfränkisch , doch in einer
Urkunde des grafen Diether (L. III. 970) kommt auch ein dat
neben dem sonst regelmässigen daz vor. Nassau wird so
ziemlich einen grenzpunkt bilden, denn in den dahin gehörigen
Urkunden wird neben daz auch nicht selten dat gebraucht So
L. IIL 637 (4 daz, 3 dat\ 756 (12 daz, 1 iz, 2 it), 911 (brief
des grafen von Nassau: 1 daz und 1 dai). Nur daz steht in
der Nassauer Urkunde L. III. 379. Ziemlich denselben dialect,
wie diese Nassauer Urkunden bietet der Amsteiner Marienieich
(denkm. XXXVIII), der aus dem weiter nach osten a. d. Lahn
gelegenen kloster Amstein stammt. Nur hat er schon durch-
gehend neutrales z, mit ausnähme eines einzigen dad (v. 151),
das in den denkmälern nicht hätte entfernt werden sollen.
Nördlich von Nassau gehören dann zum mittelfränkischen
die herschaften Sayn und Isenburg. Durchaus dat steht in
den Urkunden der gräfin Mechthild von Sayn aus dem 13. Jahr-
hundert L. IL 744. 786. H. p. 29. G. IL 247, ebenso L. IIL
308 (diese Urkunde, einen vertrag zwischen Gottfried von Sayn
und dem markgrafen von Jülich enthaltend, ist dem dialect
Digitized by
Google
ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 11
des ersteren zuzuweisen, da uf statt des jülichsehen up ge-
braucht ist), — femer in den Isenburger urk. : L III. 316. 335. 339.
622. 628. 6. HI. 179. 203. 468. 571. Schwankend ist H. p.
261. L.m.906 (Sayn) und H.p.l76 (Isenburg). Hierzukommt
noch Westerburg im nördl Nassau G. UI. 171.
In den westlich von diesen orten gelegenen gegenden ist
neutrales t die regel, z. b. Wied (H. p. 196), ßennenberg bei
Wied (G. IT. 241. H. p. 97). Helfenstein bei Arzheim gegen-
über Coblenz auf dem rechten ßheinufer (H. p. 106. G. III.
259), ßomersdorf bei Engers (G. IL 336. IH. 369. IV. 231).
Engers (G. IV. 194), Hammerstein oberhalb Linz auf dem
rechten Bheinufer (H. p. 59. 224. 326. G. IIL 4. 375. 484. 538.
578. G. IV. IL 12), Battenberg (G. HI. 614), Linz (H. p.
11. 18. G. IIL 502). Weiter nördlich ist Blankenberg an der
Sieg als mittelfränkisch belegt durch ein weistum (Weisth. III.
17 ffg.) Das herzogtum Berg auf der rechten ßheinseite war
seinem grundstocke nach mittelfränkisch, weshalb auch die
Bergischen Urkunden in diesem dialect verfasst sind, z. b. L.
in. 407. 486. 513. 582. 629. 708 etc. — Es würde nun unge-
fähr die linie zu bestimmen sein, in welcher das rechtsrhei-
nische mittelfränkisch in das östlich darangrenzende hessische,
welches bloss öit, sonst aber daz, ez hat, übergeht. Dazu feh-
len mir jedoch zur zeit sichere locale Urkunden, da für Kur-
hessen und Nassau noch kein codex diplomaticus existiert Wir
werden aber weiter unten diesem mangel durch vergleichung
der neuem mundarten einigermassen abhelfen können.
Es ist nunmehr die grenze des mittelfränkischen gegen
die rein niederdeutschen sprachen, das niederfränkische und
sächsische, zu bestimmen. Doch zuvor einige worte über die
grenze zwischen diesen letztem selbst Diese in ihrem ganzen
verlaufe zu verfolgen, bin ich jetzt nicht im stände, ich will
bloss einige endpunkte des sächsischen besprechen, nämlich
Essen, Werden und Elberfeld. Betreffs des zweiten befinde
ich mich im Widerspruch mit Heyne, welcher es (cf kleine
altnd. denkmäler, vorr. und zeitsch. f d. philoL L p. 288) dem
niederfränkischen zuteilt Sein grand ist vornehmlich der frän-
kische vocalismus {uo = germ. 6, ie aus i in thie, hie) in den
Werdener denkmälem, -denen er den Cottonianus und das
bmchstück eines psalmencommentars (kl. denkm. III) wol mit
Digitized by
Google
12 BRAUNE
recht zuweist. Aber es fragt sich, ob wir diess als entscheidendes
kriterium des altniederfränkischen anerkennen wollen; und darin
glaube ich eben widersprechen zu müssen. Bekanntlich ist ja die
Spaltung des dm uo erst im 8. Jahrhundert vor sich gegangen, und
hat ausser dem hochdeutschen auch das mittelfränkische und, wenn
es auch für das ganze nicht ohne weiteres behauptet werden kann,
so doch sicher einen teil des niederfränkischen mit ergriffen.
Dass nun diese äflfection auch das den betreffenden fränkischen
gegenden angrenzende Werdener land mit betroffen hat, wird
nicht auffällig erscheinen. Aber fränkisch darf man allein wegen
dieses so spät eingetretenen lautwandels Werden noch nicht
nennen. Denn wir sehen ja, dass Werden in einem andern
hauptpunkte des fränkischen vocalismus wieder abweicht. In
den altniederfränkischen psalmen ist durchgängig der alte
diphthong ei bewahrt, wie er ja auch im mittelfränkischen des
13. Jahrhunderts noch besteht, und im niederfränkischen des
13. Jahrhunderts (mittelniederländischen) ganz gewöhnlich neben
der da allerdings häufigeren Verengung zu e auftritt. Der
Cottonianus aber sowol als der psalmencommentar haben dafür e.
Ein hauptmerkmal des fränkischen aber ist folgendes.
Sowol im altsächsischen, als im angelsächsischen und friesi-
schen sind in der conjugation die plurale. in den drei personen
gleichgemacht, indem das übergewicht der am häufigsten vor-
kommenden dritten person die beiden andern unterdrückte.
Im praesens ind. könnte man sich den Vorgang auch so den-
ken, dass, indem in der endung der 3. person -anth das n laut-
gesetzlich vor th geschwunden war, dieselbe der 2. person auf
-ath gleich wurde und diese gemeinschaftlich dann die 1. per-
son verdrängten. Dann würde der Vorgang in den temporibus
mit secundären endungen ein anderer sein, indem die gleichen
endungen der 1. und 3. person die der 2. verdrängten. Jeden-
falls aber müssen wir diesen Vorgang, als den räumlich ge-
trennten Angelsachsen mit dem contineüt gemeinsam, flir ziem-
lich alt halten. Hieran nun hatte das fränkische keinen an-
teil. In den niederfränkischen psalmen sind im praesens sogar
alle drei personen noch geschieden, indem die 3. person auf
-ant, 'int, -^nt endet. Im darauf folgenden mndl. ist allerdings
durch abfall des t die 3. person mit der ersten zusammenge-
fallen, aber die 2. person fahrt bis ins neundl. hinein ihr
Digitized by
Google
ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 13
selbständiges leben. Genau dasselbe Verhältnis findet statt in
den zum mndL gehörigen Urkunden von Cleve, Geldern, Mors,
nur kommt in den älteren dorthin gehörigen stücken noch
zuweilen die im verschwinden begriflene volle form der 3.
p. pl. vor, also z. b. sient, horent etc. (L. III. 173. 184) Eine
1. und 3. pers. pl. auf -et findet sich aber links des Rheines
nicht.*) Wenn nun in dem Werdener psalmencommentar
(z. 75. 76) die 3. pers. pL ?iebbed steht, und wenn der Wer-
dener Schreiber des Cottonianus das -ad seiner vorläge stehen
liess, so verbindet die teilname an dieser alten sächsischen
eigentttmlichkeit den Werdener dialect viel enger mit Sachsen,
als ihn die verhältnissmässig junge Spaltung .des ö in uo mit
Franken verbindet. — Ebenso beginnt das Essener bruch-
stück (kl. d. V) mit wi lesed und die Essener Urkunde L. III.
771 aus dem jähre 1375 mit wy doyt kundich. — Elberfel-
der Urkunden bieten ebenfalls diese formen cf. L. III. 669 wy
hebt und rvy doit — Am weitesten westlich habe ich die form
in Duisburg gefunden (Duisb. weistum bei Lacomblet, archiv
fUr d. gesch. des Niederrheins IIL p. 260): se hebt unn
gevet. **)
*) In einer einzigen Urkunde^ die die namen der grafen von Cleve
und Geldern an der spitze trägt, habe ich die form wy hebt gefunden
(L. III. 229). Mag man nun annehmen, dass diese Urkunde, in welcher
sich verschiedene gutsbesitzer auf der rechten seite des Rheins in der
Lymersch Zusicherungen machen lassen, von diesen verfasst und dem
grafen zur Unterschrift vorgelegt worden sei, oder mag man diese ver-
muthung ablehnen, jedenfalls wird dieses eine beispiel keine plurale auf
et für das fränkische beweisen; es könnte ja auch aus dem benachbarten
friesischen eine solche form zu erklären sein. — Zur leichteren controlle
dessen, was ich hier und im folgenden über die geldem-clevesche spräche
bemerke, füge ich ein verzeichniss der ältesten bei Lacomblet befind-
lichen hierher gehörigen Urkunden bei:
Cleve IL 1011. 1049. IIL 15. 34. 66. 117. 173. 184. 207. 229. 242.
254. 272. 297. 298. 302. 314. 317. 322—25. 341. 345. 366. 368. 387. 401.
415. 442. 444. 457. 458. 482. 495. 497. 511. 521. 555. 560. 590. 606. 616.
619. 620. 625. 638. 640. (646 ist ein wunderliches weder klevesches noch
kölnisches mischproduct) 650. 662. 664. 666. 674. 675 etc.
Geldern III. 217. 223. 229. 232. 250. 256. 257. 270. 271. 338. 346.
434. 477. 512. 520. 531. 541. 543. 544. 552. 604. 635. 655. 658. 665 etc.
Mors m. 429. 721. 975.
*•) Es ist ja bekannt, dass im 14. jahrh. auch die 1. pers. pl. praes. auf -en
statt -et im sächs. vorkommt (cf. Nerger, mekl. gr. § 86, 3), wahrscheinlich
Digitized by
Google
14 BRAUNE
Ferner hat das niederfränkische zur zeit, wo wir es aus
reichlichen quellen kennen, im dativ sing. masc. neutr. des
starken adjectivs die endung -m, nicht -eme, wie das mittel-
fränkische noch im 14. Jahrhundert regelmässig bietet Dass
diess nicht bloss im sog. mndl., sondern auch an der ostgrenze
des niederfränkischen statt hat, sehen wir aus den Urkunden
von Cleve, Geldern, Mors, z. b. Cleve bei L. IL 1011: smen
tvittelikm rvive (v. 1298), ein -eme, -em kennt das niederfrän-
kische zu der zeit nicht Diese eigenheit wird aber widerum
als alt erwiesen durch die psalmen, wo dieser starke dativ
auf 'in, 'on, endigt, z. b. skalke thimn (ps. 18, 13), farvurpanon
61,4 etc.; — ein dativ -emo kommt in diesem sonst die vollen
endungen bietenden denkmale nicht vor. Der Werdener psal-
mencommentar hat aber thinemo (z. 63), eine Werdener Urkunde
von 1320 (Weisth. HL p. 32) zweimal eynem, die Essener
Urkunde L. III. 1058 unseme, die oben erwähnte Elberfelder
eyme, unsem, disem (vgl auch die Elberfelder Urkunde L. IIL
686), wie überhaupt gleich dem mittelfränkischen das sächsische
die volle dativendung -eme noch lange ßewahrt. Doch kommt
im sächsischen die form auf -en neben der älteren nicht selten
vor (cf. Nerger, meklenburg. gramm, § 138). Der Cottonianus
allerdings setzt gewöhnlich f&r die sächsische dativendung
-mnu, -um die niederfränkische -ön.
Eine weitere eigentlimlichkeit des niederfränkischen, welche
es mit dem mittelfränkischen gemein hat, ist dass in der schwa-
chen adjectivdeclinatlon der genet u. dat sing, femin., sowie
der genet plur. aller drei geschlechter ausser gebrauch gekom-
men ist und daftlr stets die starke form gebraucht wird.
Grimms paradigma (gr. I, p. 761) des mndL schwachen adj.
durch eindringen der analogie der secundären fonnen. Dieses -en findet
sich in wesfäL Urkunden ebenfalls, z. b. eine märkische Urkunde von
1362 (L. UL 631) beginnt: Wy — maken kundich allen luden und tuget
opehbar. In den an das fränkische stossenden sächsischen districten
herscht das -en vor und nur seltner findet sich das -et, wozu allerdings
fränkischer einfluss mitgewirkt haben mag. Es ist daher nicht zu ver-
wundem, wenn man eine Werdener Urkunde ohne -et findet, wie auch
z. b. die lange Essener Urkunde L. III. 1058 neben 14 -en nur 2 -et hat
Es genügt eben die fOr die älteste zeit hinlänglich bezeugte endung
'indf um den Werdener dialect dem fränkischen abzusprechen.
Digitized by
Google
ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 15
gibt — was schon von anderer seite bemerkt worden ist — *)
für diese casus die schwache form blinden, welche aber im
mndL durchaus nicht zu belegen ist. — Dasselbe gilt vom
mittelfränkischen. Z. b. eine Urkunde von 1267 (L. IL 572)
ausgestellt ze Breitpach U der Nutvirburch (unweit Bonn) bietet:
van dersehcer vorgenamder edilre vrouwen u. ä.; — gen. plur.
aller dieser vurgescrievener dinge (L. IL 537); die beispiele sind
natürlich auf jeder seite mittelfränkischen textes zu finden:
wir — der heiliger kirchen zu Colne ertzlmsschof ist der gewöhn-
liche anfang der kölner erzbischofsurkunden. Doch ganz un-
belegt ist die schwache form im mittelfränkischen nicht, die
fälle sind aber äusserst selten. Für den dat. fem. habe ich
nur L. IIL 576: mit eynre gantzen ind getrurver helpen, für den
gen. plur. L. IIL 586: der gewapenden lüde. • — Für Geldem-
Cleve gilt, wie man sich leicht aus jeder Urkunde überzeugen
kann, dasselbe wie für das übrige niederfränkische. Wie alt
dieser gebrauch sei, lässt sich nicht sagen, da auf die altnieder-
fränkischen psalmen als interlinearversion hierin kein verlass
ist, indem schwache formen des adj. daselbst fast gar nicht
vorkommen. — An dieser fränkischen eigentümlichkeit hat nun
aber Sachsen keinen teil, wie die westfälischen Urkunden zur
genüge beweisen, z. b. L. III. 699: to einer meren bekantnisse;
L. in. 353: unser echten vrawen; L. III. 456: siner swomen
sathlude. So auch in Essen (L. III. 1058): mit der edeln unser
ghenedigen vrouwen, unser ghemeynen medeburghere, op der graten
waghen. Wenn nun in dieser selben Urkunde noch ausserdem
9 ina niederfränkischen ungebräuchliche schwache formen vor-
kommen, so kann der umstand, dass auch zweimal in fränki-
scher weise die starke form gebraucht ist (derselver und to der
ghemeyner stad), weiter nichts beweisen, als die nähe des frän-
kischen Sprachgebietes.
So steht denn auch in der erwähnten Werdener Urkunde
von 1320 (Weisth. III. 32): up der heiigen onschuldigen kynder
dach MnA am ende nochmals der hilligen kinder; was widerum
erheblich für die Zugehörigkeit zu Sachsen sprechen dürfte.
Die oben angeführte Urkunde von Elberfeld (L. III. 669), wel-
•) Verwijs, bloemlezing uit middeln. dichters IV. 206.
Digitized by
Google
16 BRAUNE
ches dem mittelfränkischen gebiete hart angrenzt, behandelt
von 5 fällen 4 naoh fränkischer regel
Ich glaube durch diese erörterungen dargelegt zu haben,
dass niederfränkisch und sächsisch auf dem rechten Rheinufer
an einander stossen, und wenn es gefordert wird, die grenze
etwas näher zu bestimmen, so scheint es mir. geratener die
drei städte Essen, Werden, Elberfeld, welche so ziemlich in
einer linie liegen, zum sächsischen zu rechnen, als zum nie-
derfränkischen, an dessen eigenttimlichkeiten sie nur in sehr
geringem masse teilnehmen. Sonach kann ich auch nicht mit
Heyne den Cottonianus flir eine „Übersetzung" ins niederfrän-
kische halten, die in Werden vorgenonmien sei, um das ge-
dieht auch flir die niederfr. Umgebung nutzbar zu machen.
Das sächsisch des Monacensis wäre in Werden, ja bei den
geringen abweichungen wol sogar in Niederfranken, unzweifel-
haft ebenso verständlich gewesen, als in Münster.
Doch wir kehren nun zurück zur bestimmung der grenze
des mittelfränkischen gegen die rein niederdeutschen dialecte.
Hier muss ich zuvor bemerken, dass die sich aus den Urkun-
den ergebende grenze ziemlich stimmt zu der (nach den neueren
dialecten gezogenen), welche auf Bemhardis und Kieperts*)
sprachkarten angegeben ist Ich lasse nun die urkundlichen
belege folgen. Der am weitesten östlich nach der sächsischen
grenze hin gelegene mittelfränkische ort ist Höh scheid. Die
Urkunde L. IIL 507, einen vertrag zwischen Johann v. Elber-
feld und Johann v. Höhscheid enthaltend, kann als durchaus
mfr. nicht nach Elberfeld gehören, und muss deshalb in des
letzteren dialect geschrieben sein, dessen grenzender läge es
entspricht, dass zwei niederd. formen: heyrschap und vurspro-
kinre darin vorkommen. — Ebenso gehören noch zu Mittel-
franken die Ortschaften Hilden und Haan, wie aus einer
dortigen' schöflfenurkunde hervorgeht (L. III. 903). Sächsisch
ist aber die Stadt Lennep, die, wenn sie mittelfränkisch wäre,
Lennef heissen müste, wie Honnef und Hennef bei Bonn. Dass
•) Hierunter ist aber bloss die 1. ausgäbe von Kieperts sprachkarte
(Weimar, 1848) zu verstehen, denn auf den neuen ausgaben (Berlin, bei
Reimer) ist — trotz des älteren richtigeren — die Verkehrtheit began-
gen worden, die niederdeutsche grenze in grade fortlaufender linie ober-
balb Bonn zu ziehen, so dass also Köln niederdeutsch wäre!
Digitized by
Google
ZUR KENNTNIS DES FBÄNKISCHEN. 17
Elberfeld nicht mehr zu Mittelfranken gehört, haben wir oben
scht»n gesehen. Der nördlichste punkt des mittelfränkischen
ist, wie schon erwähnt, Düsseldorf. Von dort habe ich nur
zwei wirklich rein locale Urkunden gefunden (L. IIL 1029 u.
1049). Das characteristicum des Düsseldorfer dialects ist, dass
er mittelfränkisch seiner grundlage nach, doch auch oft unver-
schobene niederfränkische formen einmischt und so seine läge
hart an der grenze klar vor äugen stellt
In der ersten dieser Urkunden, welche, obwol der herzog
von Berg beteiligt ist, doch von einem Düsseldorfer Schreiber
geschrieben sein wird, findet sich neben sloss^ laessen, zu etc.
auch hertougen und uytgescheidm. Die zweite ist ein vertrag
zweier Düsseldorfer bürger untereinander und hat zahlreiche
unverschobene t nämlich; tem, to, ter, schetende (2 mal) strate,
twyntich, betalungen, getuich, aber auch zo (4 mal) Putze, zyt,
scheffen (2 mal), sich, die adjectiva auf -liehe, femer die mfr.
form wyr (gegenüber ndfr. tvy). Wir sehen, dass in Düsseldorf
ein schwanken zwischen mittelfränkischer und niederfränkischer
ausspräche der laute bestand, welches gewis auch bei den ein-
zelnen individuen verschieden war. Aehnlich stand es auch in
dem etwas südlicher auf der andern seite des Rheines gelege-
nen Neuss. Von hier haben wir eine authentische locale Ur-
kunde .(klageschrift der Stadt Neuss L. IIL 738), in welcher
uytgericht und moeten für moessen sich findet. Ausserdem haben
wir für Neuss noch eine sichere quelle, nämlich die chronik
dßs dortigen Stadtschreibers Wierstraat (ed. Groote 1855),
welche sprachlich höchst interessant, aber bis jetzt viel zu
wenig beachtet ist. Die durchgehend weit überwiegende regel
ist hier die mittelfränkische lautbezeichnung, doch kann man
wol auf jeder seite eine oder mehrere ab weichungen davon
notieren, z. b. p. 39 verteilen, viyt, fallre. Es könnte nun
jemand vermuten, dass ursprünglich das gedieht ganz in nie-
derdeutscher lautbezeichnung niedergeschrieben und nur durch
den Kölner drucker von 1497 in kölnischen lautstand umgesetzt
sei, wobei dann diese formen zurückgeblieben seien. Das wird
aber anzunehmen verboten durch den reim, in welchem genau
dasselbe schwanken statt hat. Es reimt z. b. auf bussen
(büchsen) sehr oft schussen (= ndfr. sehnten) z. b. 491, 1097,
1543 etc., aber auch scfhoittnoit 475 — üs:laudamus 2835 und
Beiträge zur geschichte der de«tschen spräche. I. 2
Digitized by
Google
18 BRAUNE
üt:Mti 1027 — vns:fvis (sapiens) 516 und vRt:zit 2997 —
ocUwasihas 2829, was :gehas 1401 und stat:hat (hass): dat754:.
Ja noch ein anderer höchst merkwürdiger umstand spricht
deuüich sowol für die identität der spräche des gedichts mit
dw gesprochenen Neusser spräche, als auch für die Sorgfalt
des dnickers und endlich nicht zum wenigsten für die bildung
und objeetivität Wierstraats selbst. Es kommen nämlich in
dem gedichte zwei stellen vor, wo einer aus dem burgundischen
belagerungsheere in die stadt hinein ruft und von dort aus
Antwort erhält Der belagerer spricht niederfränkisch, die
Neusser antworten in ihrem Neussischen mittelfränkisch. Ich
lasse diese interessanten stellen, mit Unterscheidung des nieder-
fränkischen durch cursivschrift, hier folgen:
V. 379 Entlieh sy dayr begrouen
eyn vaste wagenborch
ind wes sy soulden hoeuen
verfueghden sy, dat dorch
dye groysse swaere schiffen
bracht wart seer zytelich,
385 sy sprengen ind sy pyflfen
ind ryeffen spytelich:
„Syet nader ghy moyt blyuen
nu moeghdy nyrgmt vyt!
rvy wyllen naerre drifuen
390 ind cloppen v dye huyt!
naber, gy moyt oick hangen
V fv\iff hehdlden wy
gheen nemen tvy gefangen
ghy syt eyn vuyll parthijl
395 In dye steed wyllen wy wesen,
dat moegMif keren nyet,
up den dyrden dach van desen
sydy int groyt verdryet!
wyldy dye steed nyet gheuen
4ld0 segt naber, vuyll kat^ff
kosten sah v dat leuen
V guedt ind oick v lifff-"
„Myt dreuwen ind worden
enwynstu vnser nietl
Digitized by
Google
ZUR KENNTNIS DES FRANKISCHEN.
19
405 wyr willen dich begorden
as man die vyand plyet!"
BUS rieflfen vyssz die Nuysser,
„wyr syn noch vnerveert!
nu syet doch her yr tuysscher
410 wie noch dyessz goit stat beri"
Man beachte das niederfr. wy, gy, incliniert -y, während
die Neusser als Mittelfranken wyr, yr (v. 409) brauchen, femer
segi (400), während der Neusser sagen setzt (z. b. v. 636, cf.
zeitschr. f. d. philol. IV. p. 260 ff.). — Die zweite stelle v. 1615 ff:
1615 Ast zom auent ther seiner stunt
sich aldoe zo neecken begunt
gynck eyn yeder nae gesettze
zor hueden ind vp syn lettze.
Do riefl* dair eyn gudt engelsch man:
1620 „Watouw segt naber! hoyrt my an,
ick hyd tvyli my doch bedyeden
dat geruckt vnder v lyeden.
Vns heefft all, got weet, besonder
van dem geruckt seer groyi woTider!"
1625 Tzor stunt wart yeni dair vyssz der »tat
gudertijrlich geantwordt dat:
„Die jonckheren van her bynnen
haut gestechen vmb zo wynnen
lotf ind prijssz vur unsem heren.
1630 den bürgeren ind zeuldeneren.
Sy moyssen sieb wat ergetzen
j^ rbeyts swayr vp den lettzen
•hen dem fürst freuwden schyn^
ich alltziit niet droeuieh syn!''
wat ick heb gehoirt*
[aldoe der engelnch man rort,
dayr nock bist zo steicken,
da belegh nief. hreicken
oell mä freuwde to maycken,
nhfie saycken!
\ niet meer
groeten keer,
P.
%'
Digitized by
Google
20 BRAUNE
benedi/st wat soll ick seggen,
gady dair noch steckspoell leggen!''
1645 Mit hoeflfscheit wart geantwort dar *•
vys der stat in dat oflfenbair:
„Naeber, oflft noch zwey jair suld duren,
nochtant moyst men sorgh ind truren
dair mit freuwden vnderstechen
1650 ind also den sweermoyt brechen!
Mit truren ind euch myt sorgen
enthielten wyr niet bys morgen
dyessz gude stat ind schonen playn
dat eyn moys by dem andren stayn!"
„Addeuw naeber, ghy duet yem recht'
sprach der getruwer engelsch knecht,
dair mit was dair die spraech gelacht.
V. 1620 der acc my, mittelfränkisch michj dich (oben v.
405). Die Neusser sagen stechen^ machen, der belagerer steicken,
maycken, ick etc. Ich finde überhaupt in Wierstraats nieder-
fränkisch nur eine uncorrectheit, nämlich v. 1624, wo er ftir
das ndfr. den sein mfr. dem gesetzt hat.*)
Ueber die spräche von Neuss kann sonach kein zweifei
mehr sein. — Westlich von da liegt der ort Büttgen, von
welchem wir eine interessante schöflfenurkunde haben (L. III,
687). Auch diese gehört zu der übergangsmundart, welche
immer am genauesten die grenze bezeichnet. Es herscht da-
selbst t vor, dagegen sind p und k gegenüber dem mittelfrän-
kischen f und ch in der minderheit z. b. unilepe, roypen, in
ustorupen ist ein cons. auf mittelfr., zwei auf niederfr. stände.
Meist heisst es trva, twene, aber zwelff. Mittelfr. ist femer noch
wir sain statt niederfr. tvy seggen. Schon ziemlich rein ndfr.
dem consonantenstande nach ist eine schöffenurkunde aus dem
etwas nördlicher gelegenen Willich (L. III. 991). Hier steht
stets t, mit einer ausnähme {gebessert)^ rvy und rvir kommt ne-
beneinander vor, auch gilt hier schon das ndfr. seggeru Eine
*) Ansser dem dat. des pron. der 3. p. kerne, kern, oem gibt es im
niederfrSnkischen keine pronominale dativendung auf m mehr. Nor in
den ostniederfräukischen gegenden findet sich in den älteren Urkunden
(Kleve-Geldem) ausser jenem heme, oeme auch noch vereinzelt deme,
dem neben den. Doch verschwindet es auch hier bald gänzlich.
Digitized by
Google
ZUR KENNTNIS DES FRANKISCHEN. 21
ältere lateinische Urkunde aus fPilike (L. IL 631.) zeigt die
Worte Lutelbule, aber ce dinge in ce , ringe (vgl das spätere
weistum aus Wilich Weisth. IL 761). — Ein weistum aus Gey-
seren bei Kempen (Weisth. IL 764) hat ganz unverschobenen
consonantenstand, mit ausnähme einiger ch: kirchen, tvelUch neben
gelyck. Fälle des ch kommen sogar noch in Morser Urkunden
Yor, besonders im auslaut, z, b. ganz gewöhnlich ich und adject
auf 'lieh. (L. IIL 721.)
Bei Gladbach liegt der ort Holt, bei Erkelenz Holtum{^i.
Holzheim), auf mittelfränkischer seite liegt aber Holzweikr,
welches schon L. IL 806 in einer lateinischen Urkunde des
grafen von Kessel a.Maas Holzwilre heissi Niederfränkisch,
oder wahrscheinlicher der Übergangsmundart angehörig ist die
herschaft Heinsberg. Hierf&r habe ich nur aus lateinischen
Urkunden L. IL 90. Schaphusen und Holtheym (das eben erwähnte
Holtum); IL HO ligna que dicuntur doufholt — kukentmsch IL
694. 887. 984. —Auch Randenrath (L. IIL 603.) gehört zum
Übergänge. Der lautstand ist niederfränkisch, doch heisst es
wir, kirgen und zweimal z (uszgescheyden u. seiszich). Ungefähr
derselben gegend wird L. lü. 190. angehören {dar zu, grosin
neben sonstigem t). Noch reiner niederfränkisch ist eine Ur-
kunde von Valkenburg (L. HI. 440.)
Ganz mittelfränkisch ist Aachen, allerdings sehr nahe
an der grenze gelegen, weshalb hier und da schon niederfrän-
kische formen sich einmischen. So L. IH. 690 uitgenommen,
IIL 858 uytgeset, rvrake. Alles was östlich von Aachen liegt,
ist natürlich rein mittelfränkisch z. b. Cornelimünster (Weisth
IL 781— 89), Düren (Weisth IL 791). Aber gleich wenig west-
lich von Aachen beginnt das niederfränkische. Wir haben ein
weistum von Einrode (Weisth IV. 804 flf.), welches eine schon
ziemlich niederfränkische Übergangsmundart repräsentiert. Ganz
niederfränkisch ist Limburg (L. IH. 284), doch findet sich da-
selbst auch noch das bei Veldeke (cf. Zeitschrift f. d. philol. IV. 282)
ebenfalls gebräuchliche als ch auslautende k (Buedkenbach, doch
auch ghelyc). Noch genauer ist diese regel befolgt in einer sonst
ebenfalls rein niederfränkischen Urkunde von Sittart (cod.
dipl. neerlandicus 11, 3, 1. p. 294), wo stets ich, oich, -lieh
steht, aber inlautend -liken etc. — JBei Eupen stösst dann das
Digitized by
Google
42 BRAUNE
»ittelfrÄnkisclie auf französisches Sprachgebiet, das von da ab
«ehae westgrenze bildet
Innerhalb dieser nun gezogenen grenze haben wir also eine,
unbeschadet weiterer dialectischer Unterabteilungen, doch ein-
heitliche mundart, welche eben dadurch zusammengehalten wird,
dass sie bei sonstiger hochdeutscher Verschiebung der tenues
das neutrale t unberührt bestehen lasst. Indem man gewöhn-
lich diess bisher verkannte und besonders unter nichtbeachtung
4eT.deuflichen Sprachgrenze, durch welche die preussische Rhein-
provin» geschieden wird, die mundarten dieser provinz unter
demnamen „niederrheinisch^^ zusammenfasste, sind oft; die grösten
Biisverständnisse entstanden. Ich will hier nur ein beispiel aus
der neuesten zeit anfahren. In der Germania XVII. p. 77 teilt
Birlinger aus einem kölnischen druck einige stellen mit. Er
bemerkt, dass Kaufmann Germ XI. 411 mitteilungen aus einer
k«. derselben erzählung gemacht habe und äussert sich dann
über die spräche seines druckes folgendermassen: „Die spräche
igt mundartlich niederrheinisch, doch bei weitem nicht so
mundartlich gefärbt als Kaufmanns hs." Das heisst also:
beide recensionen können demselben orte angehören, nur hat
der Verfasser der Birlingerschen recension besser hochdeutsch
verstanden und ist daher nicht so sehr in den groben dialect
jerfallen als der Schreiber der hs. Ganz frei von den einwir-
kungen der volksmundart war aber auch er nicht, darum ist
seine spräche immer noch mundartlich gefärbt Sieht man aber
näher zu, so ergibt sich ohne weiteres, dass Kaufmanns hs.
jenseits der Sprachgrenze entstanden ist (der darin beschriebene
Vorfall spielt auch im Kleveschen), und reines niederfränkisch
bietet, während natürlich die kölner recension Birlingers mittel-
fränkisch ist Es dürfte also nicht ferner rätlich sein, zwei ver-
schiedene mundarten durch denselben namen zu vermengen.
Wir wollen nun noch die übrigen consonantischen eigen-
tümlichkeiten des mittelfränkischen dialects kurz besprechen.
Wir hatten gesehen, dass schon in dem einen teile des ober-
fränkischen, der von uns südfränkisch genannt worden war,
<lie alte media d unverschoben vorlag, wenn auch öfter durch
die tenuis verdrängt. Im ganzen gebiete des' mittelfränkischen
ist sie durchaus unverschoben.
Digitized by
Google
ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISEHEN. 99
Betreffs der labialtenuis hatten wir gefunden, dasft imsttiA*'
fränkischen dieselbe im anlaut, so wie pei rerschärfung^n w
inlaut unverschoben war (inlautend nach m t. b. gelimperp kann
ich augenblicklich nicht belegen^ doch darf man dieses den neu^
em mundarten entsprechend ohne weiteres hinzufügen). Alte»
dieses hat natürlich im mittelfränkischen auch statt; nur komm^
noch hinzu, dass p auch nach / und r unverschoben verharrt,
also helpen, dorp, werpen. Einige belege ans kölnischen urkun-
den: pendin L. IL 530, ploege L. IIL 378, pc^in L, 11. 572,
uzTverpin L. 11. 376, helpen L. 11. 434, kampe L. III. 348, hestuppeß
L. ni. 422. ete. Hierzu kommt noch das wort n?apen z. b. L.
IL 532 und up, op z. b. L. IL 434, auch in älteren Urkunden
noch uppe L. IL 376. 537. — Doch erstrecken sich die speciell
mittelfränkischen fälle des p (nach l, r und up) nicht über das
ganze gebiet dieses dialects, sondern nur über die grössere
nördliche hälfte, der schmalere südlichere strich hat helfen, dorf^
ufxmA stimmt also hierin zum südfränkischen. So heisst es in
Trier gelimpUch (G. IIL 365), femer H. p. 3 pdlzgrcvOy pleier,
aber helfer, H. p. 168 punt, penningy behelfen, uf; Münstermay-
feld H. p. 187 dorf, dorfrecht, ebenso Trys, Coblenz, Andernach
— Das mittelfränkische p ist aber vorhanden in Linz , Bonn,
Mayen, Prüm etc. und ist in Köln durchaus das herscheiide.
Ausnahmsweise findet sich aber auch da, und zwar schon in
Urkundendes 12. Jahrhunderts deransatz zu einer Verschiebung.
Neben dem ganz gewöhnlichen -dorp^ -torp treffen wir näm-
lich zuweilen die Schreibung -dorph, -torph L. L 281. 314.
381. Und auch in spätem deutschen Urkunden tritt dieser fall
ein. z.b. L. IL 744 steht dorp und dorph, ebenso in der Breit-
pacher Urkunde L. IL 572 helphen neben helpen, ja in dw
kölner Urkunde L. IIL 187 neben helpm auch einmal helfen^
doch sind, wie gesagt, in den Urkunden des 13. und 14. jakt'
hunderts in Köln die fälle selten. Im ganzen kann man beo^
backten, was weiter zu verfolgen der grammatik überlassen
bleiben muss, dass die verschobenen formen von Süden nach
norden vordringen, bis sie endlich in der 2. hälfte de» 15u Jahr-
hunderts in Köln die herschenden sind. Und dass diess nicht
bloss einwirkungen der damals schon existierenden, auch im
. kölner Schriftdeutsch jener zeit schon spurenweise auftretenden
hochdeutschen kanzleisprache sind, wird dadurch bewiesen, d»öö
Digitized by
Google
24 BRAUNE
der heutige kölner volksdialect ebenfalls helfen und dorf sagt,
während in Jülich und Aachen noch heute helpen gebräuchlich
ist (cf. Firmenich). Dieses fortschreiten der lautverschiebung
(denn so ist der Vorgang ohne zweifei aufzufassen) findet aber
nur bei p nach / und r statt, nicht z. b. bei inlautender Ver-
schärfung. Die praeposition up wird auch in den kölner Ur-
kunden- vom ausgang des 15. Jahrhunderts gemeiniglich uff
geschrieben, aber die kölnische Volkssprache bewahrt noch
heutzutage ihr op, zu dem auch im mittelalter die nebenform
uph in Köln mir wenigstens nicht vorgekommen ist.
In den übrigen fällen hat bekanntlich das mittelfränkische
die Verschiebung des p zu f durchgeführt und abweichungen
von dieser regel sind selten. Aus Köln flihre ich an vruntschap
H. p. 271. graschap (zweimal) L. III. 460.
In der behandlung der german. gutturaltenuis stimmt das
mittelfränkische durchaus mit dem oberfränkischen, also machen^
kirche etc. — Beispiele von im inlaut nach vocalen unverscho-
benem k sind selten, nur in einigen werten tritt k häufiger auf:
suken, soeken (suchen) L. 11. 537. IIL p. 392, 400, 420, 524,
650. H. p. 203. Karlm. 114,14. 121,30. 140,22. 148,49 etc., doch
auch oft suchen z.b. L. II, 434, III, 754, Karlm. 60,40 ; roeken
Karlm. 159,51. 188,2. 219,55; reiken L. III, 459, 548, 608, p. 306,
p. 327. etc., reichen L. III, p. 327, 544. — Dagegen finden sich
vereinzelt im mittel- und südfränkischen auch Schreibungen
mit chy wo gemeinhochdeutsch k steht, z. b. Mainz L. III. 343
chost, chuchenspisCy Jülich L. IIL 220 chunnen (daneben kuni)
und so öfters, ohne dass man diess auf hochdeutschen ein-
fluss zurückfahren darf. Ja in einigen werten scheint wirklich
etwas mehr als blosse Schreibung vorzuliegen, wenn z. b. in
den in jeder hinsieht rein mittelfränkischen Marienliedern
(Haupt X) immer nachet (nudus) geschrieben wird und reimt
auf machet (22,21. 23,25), wachet (22,3l).*)
Geben alle diese an den tenues vollzogenen verschiebungs-
ptocesse dem mittelfränkischen ein hochdeutsches gepräge, so
wird es dem niederdeutschen wider näher gerückt — einesteils
*) Wenn Rückert, Rother p. LXXVII. aus einzelnen Schreibungen
im Rother: eckone, nackity blicke, roch u. a. beweisen will, dass der
Rother einmal durch die hand eines bairischen Schreibers gegangen sein
müsse, 80 steht dieser beweis sonach auf sehr schwachen flissen.
Digitized by
Google
ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 26
durch den nicht vollständigen Vollzug dieser Verschiebung, an-
deresteils aber hauptsächlich dadurch, dass in niederdeutscher
weise in- und auslautendes v, f einem hochdeutschen h ent-
spricht. Dieses v erstreckt sich bis zur südgrenze des mittel-
fränkischen, wo dann mit dem sfLdfränkischen das h beginnt
Doch wechselt oft in Urkunden desselben ortes an der südgrenze
das V mit dem &. So steht z. b. in der Saynschen Urkunde
L. IIL 308 gehen etc. neben dai und auch noch weiter nördlich
findet sich zuweilen & geschrieben. Das erklärt sich ganz ein-
fach dadurch, dass h im südfränkischen nicht den explosivlaut,
sondern die labiale (labio -labiale) spirans m bezeichnet und
also dem mittelfränkischen und niederdeutschen v, welches la-
biodentale spirans ist, sehr nahe kommt. Wir Mitteldeutsche
sprechen noch jetzt ich gewe, schreiwe, also die rein labiale
spirans, und diese ausspräche zieht sich über den ganzen mittel-
deutschen gürtel hin und bildet eine naturgemässe Zwischen-
stufe zwischen dem niederdeutschen labio-dental v, der im aus-
laut in das tonlose labiodentale /"übergeht, und dem strenghoch-
deutschen explosivlaut. So ist es ohne zweifei auch schon im
mittelalter gewesen. In der südfränkischen Schreibung geben
ist nichts anderes als gerven zu erblicken, was auch durch die
sowol in Südfranken als in allen mitteldeutschen denkmälem
häufigen Schreibungen grehe, nebe, hriebe, hohe = grave, neve,
bheve, kove bestätigt wird. In diesen mundarten ist also nicht
bloss der niederdeutsche, sondern auch der hochdeutsche labio-
dental intv übergegangen. Auslautend wird das mitteldeutsche
rv seinem rein labialen character gemäss zu p, wir sagen also
gap, schreipy wie sich ähnliches auch schon früher nachweisen
lässt z. b. hop {=^hof Nassau. Urkunde H. p. 82) hrip (R p.
68) u. a. — Auf die frage, weshalb man im älteren mittel-
deutsch die spirans rv in diesen fällen durchs und nicht durch
w bezeichnet habe, ist die antwort die, dass, wie ja wol von
allen anerkannt wird, der durch w bezeichnete laut zur mittel-
hochdeutschen zeit dem u noch viel näher, ähnlich dem heu-
tigen englischen m, gesprochen worden ist.
Um zu erfahren, wie die aus den Urkunden gewonnenen
ergebnisse über ausdehnung und character des mittelfränkischen
sieh zu den neueren mundarten verhalten, habe ich die reich-
haltigen Sammlungen von dialectproben dieser gegenden, welche
Digitized by
Google
26 BRAUNE
bei Firmenich, vorzüglich bi L, stehen, verglichen. Wenn auch
das werk von Firmenich wegen seiner dilettantischen art der
aufzeichnung den anforderungen der phonetik nicht entspricht
und für feinere detailarbeiten daher nur ungenügende grund-
lagen liefert, so reicht es doch vollständig aus, um sich im all-
gemeinen über die physiognomie eines dialects zu orientieren.
Daraus ersieht man denn, dass der lautstand des mittelfränki-
schen von neueren besonderen Veränderungen abgesehen noch
genau auf der grundlage des älteren Standes ruht. Kein ein-
ziger von den orten, wo wir daskriterium des mittelfränkischen,
neutrales t neben sonst verschobenem, fanden, hat diese eigen-
tümlichkeit aufgegeben, insonderheit stimmt die nordgrenze noch
genau zu der älteren, so dass das niederdeutsche seitdem da-
selbst weder boden gewonnen, noch verloren hat. Fassen wir
zunächst das Verhältnis der neueren kölner mundart (Firm. I.
448—77, III 196—210. 518) zur altem betreffs der von uns
besprochenen punkte ins äuge. Wir finden, dass ausser dat et
wat alles in der alten weise verschoben ist. Allerdings gibt es
einige ausnahmen. Das perf. von mohsz (mhd nmoz) scheint jetzt
durchweg moot, conj. mööt zu sein, während altköln. diese form
gewöhnlich moste hiess, doch führten wir auch schon oben die
alten nebenformen moythe u. a. an. Die erklärung dieser form
ist schwierig, da ihr ja auch im mittel- und neuniederländ moeste,
moest entspricht. Wenn das praesens nicht mohsz sondern mot
hiesse, so könnte man es aus der analogie des praesens er-
klären, so aber möchte man fast diess t flir dem stamme nicht
angehörig halten, sondern für das ^der schwachen flexion, vor
dem das s, nach art vieler consonanten vor t im neukölnischen,
ausgefallen wäre. Eine andere form, welche Schwierigkeiten
macht, ist vom praesens lösze {läzen) das pf. leet, welches durch-
aus regel zu sein scheint. Im altkölnischen hiess es Uez, leys.
Auch in Düsseldorf heisst es lees (Firm 1. 436). — Im allgemeinen
steht aber alles auf altem stände, also z. b. zand{Aen&)j essen, droppe
(gutta), lehf (niederfränkisch Uep cucurrit), pinksfuss (pfingst-
fuchs), maache (niederfränkisch mäken) etc., jedoch helfe werfe
gegen älteres helpen, werpen, aber doch daneben äörp (F. III.
200) == älterem dorp] töschen, tagen = altem tuschen, tgegen.
Regel ist jetzt aber kooz gegenüber altem kurt, neben dem kurz
nur seltener auftritt. Die pforte heisst noch jetzt de pooz (F.
Digitized by
Google
ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 27
IIL197) entsprechend dem alten ausnahmslos gebrauchten porze
(schon 1224 für Köln belegbar: Marporzm L. IL 121. — Graoen
parzen 1238. L. U. 229, porzenere H. p. 13. etc.)
Haben wir also gesehen, dass in Köln der alte lautstand
bewahrt ist, so werden wir nun dasselbe auch an der nord-
grenze des mittelfränkischen, in Düsseldorf, finden. Düsseldorf-
Neusswar wie wir gesehen haben mittelfränkisch, doch fanden
sich daselbst auch unverschobene niederfränkische formen. Ebenso
heute (Firm. L 431«— 38). Daselbst treffen wir formen wie
Leckertüch (leckerzeug) 432, stäte 432 (plur. von hochdeutsch
sierz) daneben aber auch (438) der sing, stäts, hop (häufe) depe
(tiefe). Dem kölnischen lösze entspricht hier Idte (perf. lees)j
stets grot (kölnisch gros)-^ fast immer maake (kölnisch maache)
z.b. on makte grote sacke (433). Sonst aber ist der lautstand
des mittelfränkischen durchaus herschend, auch ist helpe hier
nicht wie in Köln in helfe tibergegangen. Wenn nun auch hier
das alte Verhältnis in dem masse geblieben ist, dass nieder-
deutsche formen noch jetzt in das Düsseldorfer mittelfränkisch
hineinspielen, so werden wir wol im allgemeinen auf den con-
servatismus der mundart vertrauen dürfen und annehmen, dass
eine grenzbestimmung, wie wir sie aus den heutigen mundarten
finden, im grossen und ganzen auch auf das mittelalter ange-
wandt werden könne. Ich will also jetzt nach dem material
Firmenichs die grenze ziehen, innerhalb welcher das heutige
mittelfränkisch, d. L eine mundart mit dat, wat, it bei sonst
verschobenem t, lebt. Wir beginnen mit Düsseldorf. Dass
dieses wirklich die nordgrenze bildet, sehen wir an der mund-
art des wenig nördlich gelegenen Eatingen (F. 1.431), welche
niederdeutschen lautstand hat. — Niederdeutsch ist auch Hom-
berg bei Eatingen (I. 415), Wülfrath (I. 423), Elberfeld
(I. 424—30), Schöller westlich von Elberfeld (I. 438), Lütt-
ringhausen (IIL194), Kemscheid (1.442), Solingen (1.439
m. 195), Attendorn (I. 354), Olpe (I. 357). Mittelfränkisch
ist Opladen-Neukirchen (1.443), Burscheid (1. 443), Oden-
thal südlich von Burscheid (1. 444), Marienberghausen (1. 518),
Nümbrecht (I. 517), Waldbroel (I. 517), Freusburg (III.
521), Siegen (I. 518 — 20). Man wird also die niederdeutsche
grenze von Düsseldorf aus zwischen diesen orten ziehen, im
ganzen so wie Kiepert auf seiner Weimarer sprachkarte, nur
Digitized by
Google
28 BRAUNE
hat er Burscheid fälschlich schon zum niederdeutschen geschlagen.
BeiBemhardi geht die grenze zu hart am Rheine entlang, aber
auch von Kieperts grenze müste, wie Marienberghausen er-
fordert, die südwestecke abgeschnitten werden. Das Siegener
land bezeichnet zugleich die östlichste ausdehnung des mittel-
fränkischen, südöstlich davon in Dillenburg und Herborn
(11.89 — 93) überwiegt schon das neutrale s, daneben jedoch auch
t, südlich von da in Biskirchen (IL 93) und Weilburg (IL
82) ist das allein herschend. Man würde nun die ostgrenze
von Herbom geradlinig nach Limburg SbfL. zu ziehen haben,
woselbst (11. 84) auch beide formen gemischt sind; Hadamar
(IL 86) hat noch überwiegend t Von Limburg an wird man
die grenze wol die Lahn entlang nach dem Rheine ziehen
müssen, genauere belege für diese gegend fehlen bei Firmenich.
Am Rheine zeigt Oberwesel (III. 660 — 62), wo wir früher
daz und dat schwanken sahen, jetzt nur das, fttr Boppand und
St. Goar fehlen belege. Solche sind fttr das Rheinufer nur da
aus Vallendar (111.524) und Coblenz (L523), die natürlich
mittelfränkisch sind. — Die übrigen belege für das mittelfrän-
kische des rechten Rheinufers sind: Neuwied und Meisbach
(L 622), Dierdorf (L 520) Hachenburg (E. 87), Buchholz
(I. 616), Geistingen bei Siegburg (L 616).
Wir gehen nun auf das linke Rheinufer zur Moselgrenze
über. Hier werden wir dielinie ziehen (vielleicht vonBoppard
aus) über Simmern (L 528. IIL 527), Kirchberg (L 533)
Birkenfeld (IIL 548-r-50), St Wendel (L 643) — Cusel wenig
östlich davon (III. 244) hat das — Ottweiler (I. 644) nach
Saarlouis (11.555). Blieskastel (11. 23) und Saarbrücken
(IL 557) gehören niftht mehr hierher. Von Saarlouis ziehen
wir die grenze westwärts bis zum französischen Sprachgebiete,
ob nördlich oder südlich von Dietenhofen, weiss ich nicht, je-
desfalls aber so, dass Grevenmachern (L536) und Luxem-
burg (I. 537 — 43) noch zum mittelfränkischen kommen. Die
westgrenze bildet dann bis gegen Montjoie das französische
Sprachgebiet, von wo an das niederfränkische zu grenzen be-
ginnt. — Zuvor mögen hier noch die übrigen mittelfränkischen
orte verzeichnet werden, aus denen Firmenich dialectproben
gibt: Trier (I. 634—36, IIL 528—48), Bernkastei (L 583)
Bonn (L 509—11), Euskirchen (L 508), Eifelgegend (L
Digitized by
Google
ZUE KENNTNIS DES FRANKISCHEN. 29
500—8 IIL 239—44), Aachen (I. 487 — 95, IH. 219 — 34),
Jülich (I. 484—85), Düren (I. 478—84^ m. 517).
Die grenze gegen das niederfränkische konnten wir schon
oben nach den Urkunden ziemlich genau ziehen, dieselbe wird
durch die neueren mundarten durchaus bestätigt Eupen (I.
495 — 600, IIL 235 — 39) ist schon niederfränkisch, die grenze
geht dann westlich um Aachen und in der oben'Jangegebenen
weise nach Düsseldorf. Dass Heinsberg und umgegend im
ganzen schon niederfränkisch sind, ergibt sich auch hier (I.
487), desgl. Wanlo (I. 486). Ebenso ist Gladbach nicht
mehr mittelfränkisch (III. 510 — 17). Niederfränkisch ist dann
natürlich Kempen (L 408), Krefeld (L 408), Mors (I. 394).
— Die grenze der sprachkarten bedarf hier also insofern der
berichtigung, als sie Eupen, Heinsberg, Gladbach noch zum
mittelfränkischen schlagen.
Durch die vergleichung der neueren mundarten ergibt sich,
dass auf dem rechten Moselufer noch ein ziemlich breiter
streifen dem mittelfränkischen angehört und wir haben gar
keinen grund anzunehmen, dass diess früher anders gewesen
sei, wenngleich wir nur aus orten dicht am rechten Moselufer
gelegen dai-nrkimden nachweisen konnten. Nachholen will
ich zuerst zwei oben übergangene Urkunden mit e?a^ aus Schmid-
burg bei Kirchberg (H. p. HO u. 111), welche also zur neuem
mundart stimmen. Dann aber haben wir noch einige alte Ur-
kunden des grafen von Veldenz, nahe der Mosel (H. p. 38.
39. 109. 114), welche von anfang an daz aufweisen und also
Büdfränkisch sind.
Wenn auch die eine dieser Urkunden (p. 109) wahrschein-
lich in Speier verfasst ist, so gilt diess doch nicht auch von
den drei andern und wir haben hier in der tat ein abweichen
der Schrift von der gesprochenen spräche vor uns. Vielleicht
wird man ein einwirken des Mainzer canzleischreibgebrauchs
annehmen können, doch entscheiden wird sich diess schwer
lassen. Greifbarer tritt dasselbe Verhältnis in Trier ein. Wenn
man die oben aufgeführten Trierer Urkunden mit dat ansieht,
so wird man finden, dass diese sämmtlich vor das jähr 1320
fallen. Von da ab tritt in allen aus der Trierer canzlei her-
vorgegangenen Schriftstücken daz ein, so dass die Urkunden
nun ganz ein südfränkisches gepräge erhalten. Eine ähnliche
Digitized by
Google
30 BRAUNE
Wandlung in der spräche ißt nicht eingetreten, ;v^ie uns noch
der heutige dialect belehrt, es ist also nur ein canzleischreib-
gebrauch. Und hier können wir auch den anlass dieser Wand-
lung mit wahrscbeinlichkeit vermuten; von 1329 — 1335 war
der erzbischof Balduin v. Trier zugleich Verwalter („beschir-
mere" H. p. 223, „erzbischof" G. lU. 162, „ein Pleger und
ein Beschirmer" G. III. 177, „provisor" 6. III. 206) des erz-
bistums von Mainz. Fortan schreibt seine canzlei daz. Man
kann den Wechsel deutlich erkennen, wenn man die beiden
Urkunden G. III. 156 u. 160 vergleicht. In der ersteren, einem
vertrage mit der gräfin von Sponheim aus d. j. 1328, steht
noch äat, in der letzteren von 1329, wo Balduin zum ersten
male den titel beschirmer des stiftes zu Mainz trägt, tritt daz
ein, wenn auch sonst die spräche von dem, was wir als
Trierisch annehmen müssen, nicht gerade abweicht. Es ging
also wol aus der Mainzer canzlei der gebrauch daz zu schrei-
ben in die nun mit ihr vereinigte Trierer über. Dass wirklich
nun die Umgebung des erzbischofs in Trier auch daz gespro-
chen habe, ist nicht ohne weiteres anzunehmen, da sich ge-
meinsamkeiten viel eher in der schrift festsetzen, als in der
spräche. Ein beweis dafür ist der umstand, dass in späteren
Trierer Urkunden, welche also ausnahmslos daz, das etc. haben,
sich dennoch hin und wider ein vereinzeltes dat, it findet
(z. b. G. m. 289. 345. 428. 464. 465. 466. 545, IV. 273), woraus
hervorgeht, dass der Schreiber dat sprach, welches ihm denn
auch, der orthographischen regel zuwider, einmal in der schrift
entschlüpfte. — Diese Trierer canzleisprache ist nun immer
im äuge zu behalten, wo es sich um Urkunden handelt, welche
von nördlicher in Mittelfranken wohnenden personen ausgestellt
werden. Z. b. der graf von Vimenburg stellt eine auf seine
herschaft bezügliche Urkunde in seinem mittelfränkisch aus
(G, IV. 249 V. j. 1454), während er bald darauf (G. IV. 251
V. j. 1455) einen revers über seine trierischen lehen in der
Trierer canzleisprache ausstellt. Aehnliche fälle sind natürlich
so häufig, dass es kaum nötig wäre, weitere beispiele anzu-
führen. Doch vgl die Urkunde des Herren von Elz v. 1337
mit das (G. III. 227) und den burgfrieden von Elz v. 1430;^
mit dat (G. IV. 143), desgl die Urkunden der herren von Isen- '
bürg G, III. 369. 373. 468. 571. 587.
Digitized by
Google
ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 31
Es konnte aber auch nicht auBbleiben, dass die canzlei*
spräche von Trier nicht auch noch weiter im gebiete des erz-
bistums um sich gegriffen hätte. So haben wir schon aus dem
jähre 1353 in derselben verfasst eine städtische Urkunde von
Coblenz (G. HL. 409), und ebenso in späteren daher rührenden
documenten (cf. G. lY. 207. 280). Dass aber auch daselbst
nie daz gesprochen wurde, ersehen wir — ausser aus dem
heutigen dialecte — aus Urkunden, wie die G. III. 501 vom
jähre 1365, in welcher daz und dat bunt wechselt Aehnliche
Verhältnisse begegnen uns in vielen zur Trierer diöcese gehö-
rigen orten.
Femer ist aber in erwägung zu ziehen, dass schon von
der zweiten hälfte des 14. Jahrhunderts an die ausätze der
entwickelung einer allgemein hochdeutschen canzlei- Schrift-
sprache zu beobachten sind, was ja auch nicht ausbleiben
konnte, nachdem die kaiserlichen canzleien ihre documente
deutsch ausfertigten. Und diese beginnt sich allmählich auch
bis gegen Trier hin auszudehnen, nicht zwar so, dass daselbst
wirklich oberdeutsche Urkunden geschrieben würden, sondern
indem einzelne specifisch oberdeutsche eigentümlichheiten dahin
zu dringen beginnen, so besonders die Schreibung pf im anlaut
statt p. Der pfalzgraf z. b. schrieb sich noch 1362 (G. III.
482) seiner heimischen mundart angemessen Pallentzgreff, aber
schon 1367 (G. III. 512) und von da an wöl ohne ausnähme
Pfältzgraue. In Trier wird diess natürlich noch später her-
schend, noch im 15. Jahrhundert ist daselbst der anlaut p bei
weitem das überwiegende; ja es steht selbst in einer Urkunde
des Trierers von 1492 (G. IV. 387) neben dreimal Parkirchen
nur ein Pfarkirchen. Schon bedeutend eher aber ist statt des
früheren unverschobenen d das hochdeutsche t überwiegend in
die Schrift eingedrungen. — Es ist hier nicht meine absieht,
die entwicklung der hochdeutschen canzleisprache zu verfolgen,
da es mir hauptsächlich auf die wirklich gesprochene spräche
dieser gegonden ankommt. Nur das will ich noch hinzufügen,
dass auf das nördlichere, kölnische mittelfränkisch die einwir-
kung solcher einflüsse nicht vor der zweiten hälfte des 16.
'phrhunderts in irgendwie erheblicherer weise bemerkbar ist Sie
sistehen hauptsächlich darin, dass die substantiva auf -^cÄa/
jetzt häufiger -schaß geschrieben werden, dass neben up auch
Digitized by
Google
32 BRAUNE
die Schreibung uff eintritt, dass statt eines alten d zuweilen
t geschrieben wird, ja sogar Schreibungen thun etc. auftreten,
wie man sich leicht aus den einschlägigen Urkunden bei La-
comblet IV. tiberzeugen kann. Nur selten tritt neben dat ein
das ein (das erste, was ich mir aus einer Kölner Urkunde no-
tiert habe, ist von 1464. L. IV. 328). Erst an der grenzscheide
des 15. und 16. Jahrhunderts wird dann das etwas häufiger. —
Dasselbe gepräge tragen denn auch die zu dieser zeit in Köln
geschriebenen literaturdenkmäler. Als beispiel ftlhre ich den
Karlmeinet an, in welchem sich vereinzelt hochdeutsche Schrei-
bungen finden: das 292,34, was 96,17, alles 47,38, tages 46,51.
124,19, teil 17,57, sytenistryten 24,37, subst. auf -schafft z. b. bot-
schafft 16,13, das aber auf gaff reimt, geben (statt geven) 62,27.
133,9, nicht (statt niet) 119,1, 122,2 u. s. w.*)
Wir sind durch die obigen Untersuchungen zu dem resul-
tate gekommen, dass das mittelfränkische vom 13. Jahrhundert
an bis auf die neueste zeit, in seinen grundzügen unverändert,
eine mundart ist, welche von dem hochdeutschen lautstande
nur die verschobenen tenuefe, und auch diese nur mit bestimmten
ausnahmen, besitzt Die frage nun nach der zeit und art der
bildung dieser mundart beantworte ich dahin, dass dieselbe in
ihren consonanten- Verhältnissen so alt ist wie der eintritt der
hochdeutschen lautverschiebung, welche nur in einem teile,
nämlich nur an den tenues, bis über dieses gebiet sich ver-
breitet hat. — Anders fasst Mtlllenhoflf (in der einleitung der
denkmäler) die entstehung sowol dieser, als auch sämmtlicher
mitteldeutschen mundarten. auf Er meint, dass die mittel-
deutschen gegenden, unberührt von der hochdeutschen lautver-
schiebung, zuerst noch rein niederdeutsch geblieben seien; dann
sei schon im 9. Jahrhundert vermöge des Übergewichts, welches
*) Erst als das manuscript dieses aufsatzes schon in der druckerei
war, konnte ich das schöne programm von Wahlenberg „die niederrhei-
nische (nord-rheinfränkische) mundart und ihre läutverschiebungsstufe*^
(Köln 187tJ benutzen. Daselbst finden sich reiche Zusammenstellungen
aus den neueren mundarten und besonders über die nördlichen über-
gangsstufen des mittelfränkischen ins niederfränkische gibt W. genauere
auskunft, als ich es nach den wenigen bei Firmenich abgedruckten pro-
ben tun konnte.
Digitized by
Google
ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. SS
das oberdeutsch-firänkisclie durch die Karolinger erhielt, eine
eiBwirkung des letzteren auf die spräche jener gegenden ein-
getreten und zwar zuerst in den höheren und literarisch gebil-
deten kreisen, in deren spräche sonach eine mischung von hooh-
und niederdeutsch eingetreten wäre, während in der Volkssprache
das niederdeutsche weit länger gelebt hätte. Als ein Zeug-
nis solcher mischmundart wird das Hildebrandslied angeführt,
welches die hessische spräche vom ende des achten Jahrhun-
derts darstellen soll. Die letztere ansieht dürfte wol Müllenhoff
jetzt selbst nicht mehr aufrecht erhalten, nachdem nachgewiesen
ist, dass wir im Hildebrandslied nicht eine aufzeichnung aus
dem gedächtnisse zu sehen haben. —
MüUenhoffs auseinandersetzung beginnt damit, dass er sagt
(p. Vni), Wilhelm Grimm habe gezeigt (Athis u. Prophil. s. 9.),
„dass ein zurückweichen der plattdeutschen bestandteile in der
hessischen mundart in dem masse stattgefunden hat, als der
gebrauch derschrift vordrang." Mir hatdiess Wilhelm Grimms
beweisftihrung nicht wahrscheinlich gemacht Er vermutet,
dass zu Herborts zeit die rede des gemeinen mannes eine stär-
kere färbung des niederdeutschen trug. Den beweis dafür bildet
Cassel, „wo die plattdeutschen bestandteile erst im ausgangdes
vorigen Jahrhunderts zu weichen begannen." Man fragt welche?
Herschte da wirklich noch t f^r z, p für f, k für ch, oder sind
bloss mitteldeutsche ausdrücke gemeint, die das niederdeutsche
auch hat und die darum für niederdeutsch angesehen werden? —
„Wenigstens zeigt ein in der mundart des volkes bei der an-
kauft des landgrafen und schwedischen königs Friedrichs L in
Cassel etwa im jähre 1740 abgefasstes gedieht noch ziemlich
starke, dagegen eine im jähr 1376 zu Cassel ausgestellte Ur-
kunde nur geringe einmischung plattdeutscher Wörter und for-
men:, in den briefen des landgrafen Philipp des grossmütigen
aus dem sechzehnten Jahrhundert sind sie verschwunden." Dass
Philipps briefe nicht mehr echt hessisch sind ist natürlich,
denn im sechzehnten Jahrhundert schrieb man in Hessen, wie
auch aus Urkunden vielfach hervorgeht, nicht mehr hessisch,
sondern die neuhochdeutsche Schriftsprache mit den neuen diph-
thongen. — Die 1376 zu Cassel ausgestellte Urkunde soll geringe
einmischung des niederdeutschen zeigen, ich habe aber weder
ui ihr eine spur des niederdeutschen entdecken können, nodi
Beitrag znr gesohichte der deutsehen spräche. J. 3
Digitized by
Google
34 BRAUNE
in den übrigen Casseler Urkunden des 14 Jahrhunderts, welche
ich gesehen habe. (Deren zahl ist allerdings leider nicht sehr
gross, da es uns an einem codex diplomaticus fehlt) Die casse-
ler Urkunden sind eben mitteldeutsch. Wenn z. b. in einer Ur-
kunde des capitels zu St. Martin in Cassel vom jähre 1368
(Kuchenbecker, analecta hass. V. p. 40. flFg.) die formen heennd
her = mhd. er und der nominativ des artikels dy, de neben
der vorkommen, so haltfe ich das fftr durchaus nichts nieder-
deutsches, welches etwa bewiese, dass das volk damals noch
niederdeutsch gesprochen habe und in folge dessen sich diese
formen in die höher gebildete schritt eingemischt hätten. Ebenso
sind zu beurteilen die daselbst vorkommenden formen wasses
{= Wachses), kunschaf, sthichte, dochter, godes, gude. Das schi-
boleth des niederdeutschen, die unversehrten alten tenues, fehlt
gänzlich.*) Ebenso wenig wtlrde ich es fllr einen beweis des
*) Dass in Niederhessen, der niederdeutschen grenze so nahe, sich
auch einige wirklich niederdeutsche formen finden, ist nicht sehr wun-
derbar und berechtigt keineswegs zu einem Schlüsse auf ursprünglich
niederdeutschen Charakter des dialects.
Das wenige derartige, was Vilmars idiotikon aufweist, könnte wol
recht gut durch einschleppung zu erklären sein, wie ja auch in die neu-
hochdeutsche Schriftsprache niederdeutsche worte aufgenommen sind.
Vieles was Yilmar niederdeutsch nennt, fallt nach dem obengesagten
weg, wie z. b. das wort karmen (p. 193); desgleichen worte wie krappe
(p. 223) petter (296), von denen V. sagt, es seien niederdeutsche formen
gegenüber einem hochdeutschen krapfCy p fetter. Denn diese sind nicht
bloss niederdeutsche , sondern auch hessische formen , woselbst ja p im
anlaute und inlautend bei Verschärfungen, wie im südfränkischen, nicht
verschoben wird. Hier kann es sich bloss um einige worte handeln:
schnüte (p. 365, welches wol ohne zweifei eingeschleppt ist) strotte (p.
404) lüttich (p. 256) fett (p. 101), bei welchen letzteren wol die conso-
nantenverschärfung zu beachten ist , wie ja auch das pronomen da aus
diesem gründe in ganz Mitteldeutschland der Verschiebung entgangen
ist. Mit p und k ist mir laupe (p. 239) und bdken (p. 46) aufgestossen,
welche vielleicht auch für niederdeutsche eindringlinge zu halten sind.
— Betreffs der einwirkung der Schriftsprache sei hier noch bemerkt,
dass mit der besonders im letzten Jahrhundert immer intensiver werden-
den macht derselben ein untergehen volkstümlicher worte und formen
sicher statt hat und gewis in immer grösserem masse statt haben wird,
doch ist es nicht richtig, wenn man das in Hessen ein zurückweichen
des niederdeutschen nennt Wenn z. b. bei Cassel seit 1830 der ausdruck
das suffen dem schriftdeutschen suppe gewichen ist (p. 338), so weicht
Digitized by
Google
ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. ^5
niederdeutschen halten, wenn man Schreibungen wie geven, leven
aus Hessen beibrächte, denn auch flir das gewöhnlich geschrie-
bene b nehme ich die ausspräche = win ansprach; als beweis
dienen die in der eben^rwähnten Urkunde vorkommenden for-
men höbe (= mhd. hove) bribe. Alles das sind durchaus mittel-
deutsche formen, welche das mitteldeutsche seiner zwischen-
stellung nach mit dem niederdeutschen gemein hat, ebenso wie
es mit dem hochdeutschen die tenuesverschiebung teilt Es
widerholt sich hier also dasselbe Verhältnis, welches Johannes
Schmidt in seiner neuesten kleinen schrift*) ftlrdas slawolitau-
ische nachgewiesen hat, das in ähnlicher weise zwischen dem
arischen und germanischen steht, indem es mit dem erste-
ren vor allem die Verwandlung der gutturalen explosivlaute
in Spiranten, mit dem letztern viele andere eigentümlichkeiten
teilt, ohne dass man deshalb das slawolitauische eine germano-
arische mischsprache nennen darf.
Man möchte daher wol gern wissen, was es mit dem cassel-
schen gedichte von 1740 für eine bewantnis habe, auf die blosse
anführang Grimms hin werden wir keinen schluss ziehen dürfen.
Vorläufig glaube ich die ansieht noch halten zu können, dass
schon im 14. Jahrhundert auch das volk mitteldeutsch sprach^
oder mit andern werten, dass flir Hessen die niederdeutsche
grenze damals schon ganz dieselbe war wie heute. Diese grenze
liegt jetzt zwischen den beiden städten Hofgeismar und Cassel.
Urkunden von Hofgeismar liegen uns in ziemlicher anzahl vor
(ürkundenbuch von Hofgeismar in: Falckenheiner, hessische
Städte und Stifter, band IL). Diese sind sämmtlich niederdeutsch
ja etwas echthochdeutsches zurück, da hier die Schriftsprache das nieder-
deutsche wort hat. Es tritt eben ein schwinden der landeseingeborenen
ausdrücke ein und dass dieses Schicksal bei dem hochdeutschen Charakter
der Schriftsprache meist solche formen treffen wird, welche Hessen mit
Niederdeutschland gemein hat (vgl. z. b. süster p. 408) , berechtigt noch
nicht, diesen Vorgang ein zurückweichen des niederdeutschen zu. nennen.
— Und nun gar, wie es W. Grimm tat, dem allgemeineren gebrauch der
Schrift im mittelalter schon eine ähnliche einwirkung auf die spräche zu-
zuschreiben, wie sie die erstarkte neuhochdeutsche Schriftsprache jetzt
zu üben begonnen hat, will denn doch wenig glaublich scheinen.
*) Die verwantschaftsverhältnisse der indogermanischen sprachen.
Weimar 1872.
3*
Digitized by
Google
36 BRAUNE
und zwar nicht Wobb die des 14., sondern auch des 15, Jahr-
hunderts z.b. 46 a. 1470, 49 a. 1473, 50 a. 1488., desgleichen
die Urkunden des noch etwas nördlicher gelegenen Stiftes von
Heimarshausen 20 a. 1337, 22 a. 1338, 24 a. 1364 Heimars-
hausen und Hofgeismar gehörten aber zur erzdiöcese Mainz und
standen mit dem erzbischofe in Schriftwechsel, desgleichen mit dem
landgrafen in Cassel, wie die dazwischen stehenden Mainzer und
Casseler Urkunden beweisen, n. 27 a. 1360 z. b. ist ein bünd-
nis des stiftes von Heimarshausen mit dem erzbischofe, welches
natürlich in Mainzer kanzleisprache geschrieben ist. — An hoch-
deutschen einwirkungen fehlte es also nicht und diese waren
denn doch wol sicher intensiver als. die des fränkischen zur
zeit der Karolinger, wo man noch keine deutschen Urkunden
hatte. Nichtsdestoweniger bleiben die Urkunden dieser orte
nach wie vor niederdeutsch, während die von Cassel von an-
fang an mitteldeutsch sind. Das wäre denn doch wol kaum
zu erklären, wenn nicht schon damals die niederdeutsche grenze
zwischen Hofgeismar und Cassel in der mitte gelegen hätte:
das Volk sprach in Hofgeismar niederdeutsch, in Cassel mittel-
deutsch, deshalb auch die Verschiedenheit in der spräche der
Urkunden. Dabei will ich durchaus nicht in abrede stellen,
dass nicht die cassler landgrafenurkunden des 15. Jahrhunderts
schon von der Volkssprache abgewichen wären, im gegenteil
lassen sich die einflüsse der Mainzer kanzlei und der sich bil-
denden hochdeutschen kanzleisprache durchaus nicht verkennen,
nur muste die mundart eine schon im ganzen conforme, hoch-
deutsche sein, um solche, doch wol nur orthographische, einflüsse
leicht einfttgen zu können. Die beachtung dieses letztem mo-
ments vermisst man auch in MüUenhoffs sonst sehr dankens-
werten nachweisungen über die entstehung des eigentlichen
neuhochdeutschen, der spräche mit den neuen diphthongen
(denkmäler p. XXV. flf.). Er weist die neuen diphthonge in
schlesischen und obersächsischen Schriftstücken vom anfang des
16. Jahrhunderts schon als zahlreich nach, während sie in den
westlichen gegenden Deutschlands noch nicht vorhanden sind.
Er kommt zu dem Schlüsse : „es scheint, dass die Umbildung des
dialects östlich an der Elbe sich schon früher vorbereitet als
in den übrigen mitteldeutschen landschaften, wo in Thüringen
bei Johann Rothe, in der Frankfurter reichscorrespondenz, in
Digitized by
Google
ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 37
den akten könig Ruprechts von der Pfalz, der erzbischöfe von
Mainz und Trier u. s. w. noch der alte landübliche vocalismu«
herscht." (p. XXVI.) Dass ihm, der das auftreten von ei und au
in Obersachsen nur durch einfluss der böhmischen hof- und
kanzleisprache erklärt, dieses rätsei ungelöst bleiben muste,
da ja die kanzlei auf die ttbrigen gegenden Deutschlands eben
so grossen einfluss übte, ist leicht begreiflich. Die erkläning
ist vielmehr nur aus der Volkssprache zu geben. Die Verbrei-
terung der alten längen zu äiphthongen ist nichts anderes als
ein naturereignis im gebiete der deutschen spräche, welches
unbekümmert um äussere förderungen oder hemnisse anfängt,
fortschreitet und endet. Begonnen hat dieser process, wie wir
wissen, im anfang des 13. Jahrhunderts in der südosteoke
Deutschlands, verbreitete sich von da aus über Baiem, Oesterreich
und Böhmen und nahm auf der grenzscheide des 14. und 15.
Jahrhunderts auch Schlesien und dann Obersachsen ein, ohne etwa
durch eine, im vergleich zu solchem walten des sprachgeistes
ohnmächtige, kanzleisprache aufgehalten oder gefordert zu werden.
Weil nun in der ersten hälfte des 15. Jahrhunderts die spräche
des gemeinen mannes in Obersachsen die neuen diphthonge
schon hatte, darum begannen sie sich nun auch in den dort
entstandenen Schriftstücken zu zeigen, denn die spräche der
Schrift war damals, wie auch hierdurch wider bewiesen wird^
von der spräche des volks durchaus nicht abgelöst; weil in
den westlichen gegenden die neuen diphthonge noch nicht waren,
kommen sie, trotz böhmischer kanzlei, auch in der schrift nicht
zum allgemeinen ausdruck, während einzelriö auf solche nach-
ahmung zurückzufahrende beispiele allerdings schon früh vor-
kommen, so z. b. schon 1360 in einer Urkunde des Pfalzgrafen
6. III, 472. zelten und dreyzehenhundert ; 1456 in Sayn (G. IV.
254) gehrauchen, zeit, Seyierij baussent; 1470 Wied. G. IV. 317
harusen, verschreiben, neun. Doch sind das eben nur ganz ver-
einzelt'auftauchende ausnahmen. Wir können wol nicht eher
die lautbewegung für die gegenden am Untermain und Mittel-
rhein für vollzogen erachten als in der ersten hälfte des 16.
Jahrhunderts. Ja der umsatz der alten längen in diphthonge
ist bis auf den heutigen tag in Hessen (Fulda — Cassel), Thü-
ringen (Erfurt, Gotha, Weimar, Rudolstadt, Eisenach), im nörd-
lichen teile Mittelfrankens, sowie in einem grossen teile Ale-
Digitized by
Google
38 BRAUNE
manniens nicht durchgedrungen; daselbst sind die alten tundü
noch in voller Kraflk trotz der nun schon seit drei Jahrhunderten
auch über diese gegenden waltenden neuhochdeutschen Schrift-
sprache, die denn doch noch eine andere macht repräsentiert
als die böhmische canzleisprache. Die lautbewegung der diph-
thongisierung ist eben erlahmt, bevor sie bis zu jenen gegenden
vorgedrungen war. Johannes ßothe, der in Eisenach, also in
einem lande lebte, wo bis heute noch die alten vocale herschen,
hatte keine Ursache die diphthonge zu brauchen, ebenso findet
sich in einer Urkunde des landgrafen von Hessen von 1498
(G. IV. 405) noch kein einziger neuer diphthong. Im 16. Jahr-
hundert aber, zu der zeit, wo diejenigen deutschen länder, bei
denen die diphthongisierung überhaupt zum durchbruch kommen
sollte, dieselbe hatten und die Schriftsprache sich zu festigen
anfing, da muste auch in den davon verschonten gegenden
Mitteldeutschlands der schreibgebrauch der majorität weichen
und die neuen diphthonge annehmen, welche die spräche nicht
hatte. Wir sehen also, dass das eintreten der neuen diphthonge
in obersächsischen Schriften mit der canzleisprache durchaus
nicht zusammengebracht werden darf.*)
Ich würde Grimms ausflihrungen über die hessische mund-
art nicht so eingehend besprochen haben, da man von der ansieht
deir mischsprache wol schon ziemlich allgemein abgelassen hat,
wenn nicht MüUenhoflf seine argumentation dadurch stützte.
Ein zurückweichen der eingemischten niederdeutschen bestand-
teile behauptet er, wie Grimm fttr Hessen, so fftr das mittel-
fränkische gebiet. Er sagt (p. XV.): „eine vergleichung der
heutigen kölnischen mundart mit dem kölnischen Schriftdeutsch
des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts wird auch hier das
allmähliche zurückweichen des niederdeutschen bestätigen und
fttr das achte und neunte ist am Niederrhein wie in Hessen
und Thüringen noch ein übergewicht des niederdeutschen in
der Volkssprache anzunehmen." Gerade diese vergleichung hat
•) Wenn nach umfassender beobachtung, namentlich der Urkunden,
die geschichte dieser diphthongisierung monographisch behandelt würde,
so wären unzweifelhaft noch manche genauere resultate zu erwarten.
Wertvolle beitrage aus alten deutschen drucken hat in gi-osser reich-
haltigkeit Zamcke, Narrenschiff p. 273. ff. geliefert.
Digitized by
Google
ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 39
uns nun aber ergeben, dass die heutige mittelfränkische Volks-
sprache in allen wesentlichen punkten zum älteren Schriftdeutsch
stimmt, sogar genau mit derselben nordgrenze Düsseldorf-Neuss.
Und wie wenig das niederdeutsche hier „allmählich zurückge-
wichen" ist, zeigt eben grade Dtisseldorf, wo noch jetzt wie
damals unverschobene tenues neben den gewöhnlich verschobenen
vorkommen. Wir werden also auch bedenken tragen müssen
den schluss ftir das achte und neunte Jahrhundert anzunehmen,
dass da das niederdeutsche in der „Volkssprache" überwogen
haben werde. In der spräche der höheren stände soll es also
auch schon damals anders gewesen sein, indem dieselbe durch
einwirkung der fränkischen hofsprache eine hochdeutschere
ßlrbung gehabt hat. Nehmen wir nun auch eine solche frän-
kische hofsprache in der von MüUenhoflf vorausgesetzten form
an, also eine spräche, welcher sich alle am kaiserlichen hofe
verkehrenden fügen musten, so fragt es sich nur, wie konnte
diese hofsprache auf das niederdeutsche Thüringen so wirken,
dass dieses allmählich mitteldeutsch wurde? Eine deutsche
reichs- und Urkundensprache gab es ja nicht, da hier das la-
teinische dominierte. Karl selbst sammt seinen karolingischen
nachfolgen! hielt nicht in Thüringen hof, es könnten 'also höch-
stens einige forsten am karolingischen hofe sich die hofsprache
angewöhnt und bei ihrer rückkehr verbreitet haben. Man weiss
in der tat nicht wie man sich den Vorgang denken soll. Eine
erklärung gibt MüUenhoff auch nicht, er behauptet bloss (p. IX.):
„Sobald die verschiedenen deutschen stamme im reich Karls
des Grossen zu einer politischen und religiösen einheit verbun-
den wurden, konnte auch für die spräche die entwickelung
2U grösserer einheitlichkeit nicht ausbleiben. Darauf führte
schon das bedürftiis des reiches." Was das für ein bedürf-
nis war, erfahren wir nicht, meinen aber, dass fttr die gesetz-
gebung und den sonstigen regierungsverkehr durch die latei-
nische spräche ausreichend gesorgt war, welche auch insofern
die einzig mögliche war, als das reich nicht zum kleinsten teile
aus Romanen bestand und von einem einheitlichen deutschen
reiche unter Karl dem grossen insofern doch nicht die rede
sein kann. Eine „spräche des höheren lebens" (p. IX.) ftir
jene zeit anzunehmen scheint mir ebenfalls sehr mislich. Denn
abgesehen von den wenigen wirklich (lateinisch) gebildeten,
Digitized by
Google
40 BRAUNE
werden wel die vorneh^ieii und fürsten der einzelnen stamme,
denn um sie mttste sich doch für diese das höhere leben grup-
pieren, auch nicht viel mehr höhere geistige Interessen zu be-
sprechen gehabt haben als das niedere volk, wozu ihnen dann
eine besonders eultivierte spräche nötig gewesen wäre; ich halte
sonach den unterschied zwischen spräche des höheren lebens
und der des gemeinen mannes zu jener zeit für nicht existierend.
Wenn ich nun durchaus nicht zugeben kann, dass eine
fränkische hofsprache solche den Organismus der betreffenden
dialecte erschütternde Umwälzungen habe hervorbringen können,
so muss ich gestehen auch über die natur dieser hofsprache
selbst nicht recht ins reine kommen zu können. Dass Karl
der grosse und sein hof irgend einen fränkischen dialect ge-
sprochen haben müssen, ist ja sicher, dass es der rheinfrän-
kisehe (unser südfränkisch) gewesen sei, hält MüUenhoff durch
die strassburger eide und das Ludwigslied fiir erwiesen (p. XX).
Schon Einhard aber stimmt nicht recht dazu. Er, im Maingau
geboren, hielt sich in der letzten zeit seines lebens (815 — 44)
in Seligenstadt auf, und dem entsprechend schrieb er auch die
monatsnamen Karls ;,mit einer starken annäherung ans hoch-
fränkische^ (p. XXI.) nieder. Wie nun, wenn aber Karl mittel-
fränkisch gesprochen hätte, was bei seinem häufigen aufenthälte
in jenen gegenden doch von vornherein nicht fttr unwahrschein-
lich erklärt werden kann? Dagegen sagt MüUenhoff (p. XXL):
„dass die hofsprache das niederdeutsche ^auch nur in derein-
sohränkung wie der trierische dialect zuliess, dafür finde ich
kein beispiel, auch nicht in den Urkunden. Dagegen fehlt es in
den andern consonantreihen allerdings nicht an spuren tiefer lie-
gender mundartlicher einflüsse.^ M. hält nämlich für „das erste
entscheidende zeichen dieser Übergangsmundarten das im aus-
laut noch nicht zu z verschobene r," wie es in der trierischen
Übersetzung des capitulare wahrgenommen werde (p. XV.) Wie
wir wissen, ist das aber zu allgemein gefasst, da, wie es auch
im capitulare der fall, nur das neutrale / im mittelfränkischen
anverschoben bleibt Ein that, it, tvat aber kann in einer la-
teinischen Urkunde nicht vorkommen und die übrigen Verschie-
bungen sind im mittelfränkischen ungefähr in demselben masse
vorhanden, als im südfränkischen. Die Urkunden beweisen
also gar nichts gegen die annähme, dass Karl that, it gesagt
Digitized by
Google
ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 41
habe. Ja ich wüste nicht, was sich dagegen einwenden Hesse,
wenn man vermuten wollte, jenes capitulare Ludwigs des from-
men sei auf dessen befehl und an seinem hofe* übersetzt worden. —
Wenn der annalist (p. XXI.) SUesthorp schreibt, desgleichen den
bairischen grafen Huelp nennt, nicht wie Thegan Huelf^ so ist
das sehr leicht dadurch zu erklären, dass der annalist aus dem
nördlicheren Mittelfranken war, während Thegan als Trierer
zu dem südlicheren streifen Mittelfrankens gehörte, wo p nach
/ und r wie in Südfranken verschoben war. — Hierzu stimmen
denn auch die (p. XXI. unten) angefahrten belege von p nach
/ und r aus Prümer und Trierer Urkunden, doch ist dazu zu
bemerken, dass sie sämmtlich aus Prüm stammen, mit ausnähme
der drei letzten für den namen Helpricus, und in einem solchen
eigennamen bewahrt sich ja öfter die ältere Schreibung länger,
niemals aber stehen in Trierer Urkunden Ortsnamen auf -dorp,
sondern alle beispiele haben Verschiebung von anfang an z. b.
n. 65 a. 838 Uudrestohrf^ 80 a. 847—868 Rmgeresdorf, 139 a. 895,
339, 400 etc., daneben auch -dorph z.b. 83, a. 853, 233, 245
etc. 'dorp aber findet sich nur im nördlicher gelegenen Prüm,
woselbst es ja noch im 14. Jahrhundert so lautet (L. IIL 680).
Daneben kommt daselbst allerdings auch -äorph vor, ja sogar
(in einem ausführlichen güterverzeiehnis von Prüm aus dem
jähre 893. Beyer I. 135.) in einer grossen anzahl von beispie-
len beständig die Schreibung -dorpht. -dorp findet sich auch
regelmässig in Laacher Urkunden Beyer II. 127 a. 1192 etc.
Wie man femer die aufzeichnung des Muspilli mit der hof-
sprache vereinen soll, weiss ich nicht Man hat ja in Ludwig
dem deutschen selbst den Schreiber desselben vermutet. Wenn
es nun auch denkbar wäre, dass der frjlnkische Ludwig, der
von früher zeit an in Regensburg hof hielt, sich mit der zeit
dem bairischen idiom soweit anbequemt hätte, dass er das Mus^
pilli niedergeschrieben haben könnte, so will ich das doch nicht
grade urgieren. Aber so viel lässt sich doch mit Sicherheit be-
haupten, dass nur einer aus der allernächsten Umgebung des
königs in das diesem gehörige buch das gedieht eingetragen
haben kann. Was ist das aber für eine hof spräche, die in
Mitteldeutschland solche wunder tut, die aber ohne alle Wirkung
ist, wenn ein Karolinger einige zeit in Baiern hof hält? In den
denkmälem ist dieses Widerspruchs mit keinem werte gedacht.
Digitized by
Google
42 BRAUNE
So beweisen mir auch die Strassburger eidß Nithards
weiter nichts, als dass eben diese fränkische mundart dem
Nithard geläufig war; er selbst lebte am hofe Karls des kahlen
wo jedenfalls französisch gesprochen wurde; wer also eine ro-
manische hofsprache aufstellen wollte, würde dazu die roma-
nische form der eide als beleg aufführen. Auf diesen gedanken
ist aber bekanntlich noch niemand gekommen. — Auch flir das
Ludwigslied, glaube ich, hat man keine hofsprache nötig. Kann
denn nicht ein etwa aus Mainz stammender geistlicher das lied
verfasst haben? An Ludwigs hofe dürfte wol ebenfalls das
französische überwiegend gesprochen worden sein.
Mögen nun aber auch schliesslich die Karolinger gespro-
chen haben, wie sie wollen, ftir die geschichte der spräche im
ganzen und grossen kann die spräche einzelner Individuen nicht
wol in betracht kommen.
Aus dem liede de Heinrico wird dann (p. XXIIL) ge-
schlossen, „dass schon im X. Jährhundert am hofe der sächsi-
schen kaiser das hochdeutsche seine herschaft in Niederdeutsch-
land begann." Das lied ist einfach mitteldeutsch von einem
Mitteldeutschen geschrieben; alle teiiues haben darin die Ver-
schiebung erlitten.
Auf diese und die folgenden hofsprachen will ich hier nicht
näher eingehen, zwingende gründe sie anzunehmen sind nir-
gends vorhanden. lieber die hohenstaufische hofsprache hat
schon Pfeiffer und nach ihm Paul*) ausftlhrlich gehandelt. —
Ich gehe jetzt über zur begründung der an die spitze dieser
letzteren betrachtungen gestellten ansieht, dass das mittelfrän-
kische, wie auch das mitteldeutsche in der gestalt seines con-
sonantismus so alt, wie die hochdeutsche lautverschiebung, und
von dieser wesentlich hervorgebracht sei. — Dass die kölnischen
Urkunden des 13. und 14. Jahrhunderts, so weit diess einer
nicht nach phonetischen principien geordneten Orthographie
möglich, in laut- und formenlehre genau die spräche des köl-
nischen volkes widergeben, scheint mir, schon wegen der Über-
einstimmung des heutigen kölnischen dialects, nicht im minde-
sten zweifelhaft. Dass die alten Kölner freilich nicht in dem stile
und der immer widerkehrenden phraseologie der Urkunden gespro-
chen haben werden, kommt dabei natürlich nicht in betracht. —
*) Gab es eine mhd. Schriftsprache? Halle 1873.
Digitized by
Google
ZUE KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 43
Ebenso dürfen wir als sicher voraussetzen, dass die kölnischen
Urkundenschreiber des 9. und 10. Jahrhunderts in den lautver-
hältnissen sich streng an ihre mundart gehalten haben.
Die älteste kölnische Urkunde bei L. I. ist vom jähre 874
n. 66. Diese bietet aber auch schon ürcechon, (heute Ürzig),
88 a. 927 Bozilesthorpe, 102 a. 948 via quae dicitur hurcMraza,
103 a. 948 Wizonstein, 231 a. 1081 bischouishohe, 253. a. 1096
Hundeszdgel etc.
Und so steht in allen älteren kölner Urkunden z statt des
alten u War aber schon im südlicheren trierer capitulare das
Verhältnis so, dass neben stets verschobenem ^nur das neutrale
t unverschoben war, so dürfen wir flir das nördlichere Köln
selbstverständlich schliessen, dass auch dort that, ii, rvat, die
in lateinischen Urkunden eben nicht vorkommen können, zu
jener zeit geherscht haben.
Dass auch das k Schon 874 verschoben war, sehen wir
an eben jenem ürcechon, dem niederfränkisch Urtekon ent-
sprechen würde, n. 103. a. 948 Blanconhiechi j 104 a. 958 in
Branbechen, 123 a. 989 Rodmkyrichon, — Für -thorp sind
die belege sehr häufig: 88 a. 927, 93 a.941, 105 a.962, 111. a.
970 etc.
Schon Scherer (zur geschichte der deutschen spräche p. 79)
hat nachdrücklich betont, dass die Verwandlung von th {dh) zu
d nicht den anstoss zur hochdeutschen lautverschiebung gegeben
haben könne, was dadurch als das einzig haltbare erwiesen
wird, dass th erst schwindet, nachdem alle andern Verschiebungen
vor sich gegangen sind. Er behauptet ferner, und wie ich
glaube mit vollem recht, dass die verschiedenen erscheinungen
durchaus keinen Zusammenhang unter einander haben, noch sich
gegenseitig bedingen. Ferner hat er aus dem grösten Verbrei-
tungsgebiete der tenues sehr richtig geschlossen, dass mit diesen
die Verschiebung begonnen habe, darauf die der mediae gefolgt
und zuletzt der Übergang der tönenden spirans th in d einge-
treten sei. Ich glaube nun, so richtig Scherers bemerkungen
im ganzen und grossen sind, dass sich, und besonders mithilfe
des mittelfränkischen, vieles noch genauer bestimmen und son-
dern lässt. Ordnen wir zunächst einmal die erscheinungen der
lautverschiebung nach den Verbreitungsgebieten, indem wir vor-
Digitized by
Google
44 BRAUNE
läufig von der noch besonders zu besprechenden spirans th ab-
sehen, so ergeben sich folgende gruppen:
A. Tenues.
1. Die Verschiebung des ^ zu z überall, einfaches p und k
im in- und auslaut nach vocalen zu /und eh. Diese Ver-
schiebung verbreitet sich über ganz Ober- und Mitteldeutschland
mit einschluss Mittelfrankens, und zwar ist sie in Mittelfranken
überhaupt die einzige durchgedrungene lautverschiebung (mit
abzug natürlich des neutralen t). Nicht verschoben sind in
Mittelfranken p und k im anlaute und im inlaute nach conso-
nanten, so wie nach vocalen bei Verschärfungen.
2. t ist durchweg zu z verschoben, einfaches p zu /* im
in- und auslaute nach vocalen und nach / und r, einfaches k
im in- und auslaute nach vocalen zu ch. Diese Verschiebung
erstreckt sich auf ganz Ober- und Mitteldeutschland mit aus-
schluss der grossem nördlichen hälfte von Mittelfranken. Sie
ist die einzige im südlichen teile von Mittelfranken und in Süd-
franken, wozu auch Nassau und Hessen gehört. Nicht ver-
schoben ist daselbst/? im anlaut, pbei Verschärfungen und nach
m im inlaut, so wie k im anlaut, im inlaut nach consonan-
ten und bei Verschärfungen.
3. t ist ganz verschoben, k wie bei den vorigen beiden
gruppen, p im anlaute, im inlaute nach vocalen und nach /, r.
Diesfe art der Verschiebung dehnt sich aus über Oberdeutschland,
Ostfranken, Thüringen, Obersachsen, ausschliesslich herscht sie
in Nordthüringen und Obersachsen, woselbst p nach m und bei
Verschärfungen nicht wie in den übrigen norddeutschen gegenden
zu pf verschoben wird, man sagt daselbst noch heute äampy
strumpy kop, kappe.
4. t und p sind ganz verschoben, k wie bei den vorigen,
Diese Verschiebung erstreckt sich auf Oberdeutschland, Ost-
franken und dengrösten (südlichen) teil von Thüringen. Nicht ver-
schoben ist in Ostfranken und Thüringen von den tenues nur
das k in den schon mehrfach angegebenen fallen.
5. Die tenues sind allesammt verschoben. Das ist der fall
nur in Oberdeutschlend.
B. Mediae.
Medialverschiebungen drangen gar nicht vor nach Mittel-
franken, und fast gar nicht nach Südfranken, nur kommen da-
Digitized by
Google
ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 45
selbst neben dem gewöhnlicheren d Wie von t vor. Bloss die
Verschiebung von dzn t trat ein in Ostfranken und Thüringen,
an allen medien gingen verschiebungsprocesse nur in Ober-
deutschland vor sich.
Daraus nun, dass die Verschiebung des i, sowie des p und
k nach vocalen sich am intensivsten verbreitet hat, glaube ich
mit Scherer schliessen zu dürfen, dass damit der process begann,
Doch noch eine andere chronologische bestimmung, meine ich,
wird man erschliessen können. Sämmtliche erscheinungen der
lautverschiebung gehen von Oberdeutschland aus und verbreiten
sich von da an nordwärts, die erste und kräftigste schiebt am
weitesten. Eine solche lautwandlung pflegt aber nicht auf dem
ganzen gebiete, auf welchem sie später herscht, zu gleicher zeit
aufzutreten, sondern von einem punkte ausgehend braucht sie
eine geraume zeit, bis sie an den, endpunkt kommt und dort
erschlafft. Diess sehen wir recht deutlich an einer andern laut-
verschiebung, deren verlauf wir beobachten können, ich meine
die diphthongisierung der alten i und ü, welche vom Südosten
ausgehend über 300 jähre gebrauchte, bis sie ihr Verbreitungs-
gebiet ganz durchlaufen hatte. So wird es auch mit den er-
scheinungen der uns jetzt beschäftigenden lautverschiebung be-
want sein. Bezeugt wird diess aber durch urkundliche belege,
welche MüUenhoflf, denkm. p. VIII. beibringt. Es sind namen
aus thüringischen Urkunden vom anfange des 8. Jahrhunderts,
in welchen t noch nicht zu z verschoben ist: Virteburh, Ada-
goto und Cato, Während wir wissen, dass diese Verschiebung
in Oberdeutschland schon im 7. jahrlmndert eingetreten sein
muss, kann sie sonach an ihren endpunkten erst vielleicht in
der mitte des 8. Jahrhunderts angekommen sein.
In der Verschiebung des t zu z, sowie des p und k nach
vocalen zu /und ch sehe ich also die erste schiebt der laut-
verschiebung. Sie ist in allen unseren literaturdenkmälern,
welche auf ihr gebiet fallen, durchgeftthrt, nur im Isidor bemer-
ken wir noch in zwei vereinzelten fallen nachzügler, nlmlich
scap (91, 9) und uharhUmpnissi (61, 3), während sonst durchaus
das p ZM f (ff) vollständig verschoben ist. Doch beweisen wol
diese nachzügler, dass noch nicht zu lange vor Isidor, der wahr-
seheinlidi nicht nach 750 zu setzen ist^ in Südfranken der pr^.
Digitized by
Google
46 BRAUNE
ceBB eingetreten war. — Unterdes war aber in Oberdeutschland
die bewegung schon weiter gegangen.
Zur zweiten schiebt rechne ich die Verschiebungen, welche
die Verbreitungsgebiete 2 — 4 characterisieren, also die bewegung
welche zum ziele hat, die noch nicht verschobenen p (im anlaut^^
inlaut nach consonanten und bei Verschärfungen) zu afficieren.
Diese bewegung können wir nun schon bequemer beobachten,
als jene erste. Zwar nicht in Oberdeutschland, denn da ist sie
immerhin schon so früh eingetreten, dass sie zur zeit unserer
ältesten glossen, die mit dem Isidor etwa gleichzeitig sind,
schon durchgefllhrt erscheint, in Franken aber geht sie noch
vor sich zur zeit, da unsere denkmäler einsetzen. Der Isidor
vornehmlich fällt in eine zeit, wo diese bewegung noch gar
nicht nach Südfranken gedrungen war, ein neues bedeutsa-
mes zeichen seines alters. In der heimat des Isidor, ja noch
weiter nördlich im südlichen teile Mittelfrankens wurde später
p nach / und r verschoben und zwar zuerst aflfriciert und dann
meist in /verwandelt. Im Isidor aber ist hier dsi&p noch un-
versehrt in hilpit und aruuorpanan. Darauf folgt zunächst die
affiricierung und in diesem zustande ist das p in unsem meisten
denkmälem. Tatian schreibt überwiegend werphan {werpfan)
helphan (cf. Sievers, Tatian p. 15.). Femer heisst es bei ihm
clophon, tropfo gilimpfan etc. Auch bei Otfrid findet sich noch
helphan, werphan, werpfan u. a. häufig. Für Otfrids dialect
hätte ich eigentlich oben unter 2. noch eine Unterabteilung
machen sollen, da trp nur im anlaute bewahrt, im inlaute aber
dem übrigen Südfranken entgegen und seinem benachbarten
alamannisch entsprechend auch nach m und bei Verschärfung
affirication eintreten lässt (Imphan, aphul), wiewol auch noch
limpit, gihjmpUch, intslupta, scapiin ausnahmsweise sich findet
(cf. Kelle, Otfrid 11.478). — Diese gesammte bewegung hat das
gemeinsame, dass sie im ganzen sich nicht über die affi-ication
erhebt Nur gehen später in Franken (in Oberdeutschland war
auch das schon früher eingetreten) die aflfricaten in einigen
häufig gebrauchten wörteiTi nach r und /in /" über, also werfen^
helfen, dorf, weif, in andern hielt sich aber dieaflFricatai^cÄarjp/i
gelpf; der name Helpfrich im Nibelungenliede bezeugt aber auch
noch deutlich das alte helpfen. Ich habe deshalb keine weitem
Unterabteilungen gemacht, wiewol dieses durch die Variation
Digitized by
Google
ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 47
der Verbreitungsgebiete allerdings geboten gewesen wäre. Und
es scheint in der tat, dass der process mit dem p nach / und r
begonnen hat, einesteils wegen desgrösten Verbreitungsgebietes,
anderesteils weil z. b. die beiOtfrid eben erwähnten nachzügler
nach m und bei Verschärfung sich nicht nach / und r finden.
Man kann die ankunft der bewegung nach Franken wol in die
2. hälfte des 8. Jahrhunderts setzen und in ihren letzten Stadien
ist 'sie vielleicht erst in der ersten zeit des 9. Jahrhunderts
vollendet, zu welchen insonderheit die aflfricierung des p im an-
laut zu rechnen ist. Diese hat ja auch Ostfranken eingenommen
und Tatian hat sie bereits vollständig, aber in dem entschieden
ostfränkischen bruchstück der lex salica (MttUenhoff setzt es ins
jähr 802. d. p. 477) steht noch pentinga.
Ein moment, welches noch dafür spricht, dass die unter
der ersten schiebt zusammengefassten tenuesverschiebungen weit
früher eingetreten sind, als die eben behandelten, ist auch das^
dass im inlaut nach vocalen die Zwischenstufe ph, pf sich nicht
mehr findet, während sie in den fällen, wo p nach consonanten
in f übergeht (in helfen etc.) ums jähr 800 noch die gewöhn-
liche Schreibung ist. Im oberdeutschen, wo die Verschiebung
lange vor unsem denkmälem liegt, können wir das gar nicht
erwarten, aber im fränkischen des Isidor könnte man es wol
mit recht. Und ich weiss nicht, ob nicht vielleicht jenes scäp
und ubarhlaupnissi als eine unvollkommene Schreibung für ein
stark aspiriertes p angesehen werden dürfte. Kommt doch in
einer Urkunde Karls des grossen von 777 (Sickel, acta Karol.
L p. 33) Thyupßach vor, Freilich will ein zeugnis nicht viel
besagen.
Scherer aber hat (zuletzt in seiner recension vonRumpelts
System der sprachlaute, Zeitschrift fttr östr. gymn. 1870 p. 656 f.)
geläugnet, dass bei der hochdeutschen lautverschiebung im inlaut
nach vocalen überhaupt eine Zwischenstufe der affi-ication an-
zunehmen sei und behauptet, der übergairg der tonlosen explo-
sivae t, p, k in die tonlosen Spiranten §, /; cÄ sei ein unmittel-
barer gewesen. Wenn ich nun auch nicht daran denke die
möglichkeit eines solchen Übergangs in abrede zu stellen ^ so
sind es doch hauptsächlich zwei gründe, welche mich an der
alten ansieht festzuhalten bewegen.
Digitized by
Google
48 BRAUNE
Erstens haben wir auch nach / und r einen Übergang des
p in /in helfen^ werfen und von diesem wissen wir sicher, dass
er durch affrication hindurch gegangen ist. Begännen unsere
denkmäler erst am ende des 9. oder anfang des 10. Jahrhun-
derts, so würden wir die aflfiricata in helpfen auch nicht mehr
belegen können und es könnte dann mit demselben rechte un-
mittelbarer Übergang des jp in / behauptet werden. Wenn wir
also einen Vorgang in seiner folge sicher belegt haben, so werden
wir wol am richtigsten einen naheliegenden analogen Vorgang,
der aber wegen seines grösseren alters nicht so belegt ist, auf
dieselbe weise zu beurteilen haben.
Zweitens aber, und das ist fftr mich hauptsächlich bewei-
send, haben wir im hochdeutschen nach vocalen an stelle der
alten tenues nicht einfache tonlose spirans, sondern doppelte.
Das hat auch Scherer beachtet (ebendas. p. 658). Zur erklärung
aber nimmt er im inlaut nach vocalen eine andere art von zu
gründe liegender tenuis an, als im anlaut und nach consonanten.
Er meint, dass ii^ anlaut und nach consonanten die wirkliche
tenuis gestanden habe, nach vocalen aber die physiologische
aspirata, d.h. die tenuis, wie wir sie- im neuhochdeutschen
sprechen, welcher in der tat ein hauch unmittelbar nachstürzt.
Die erste gei dann zur aflfricata verschoben worden, die zweite
ih, ph, kh, zu §Ä, /%, xh, woraus dann ^, ff, xL entstanden sei.
Dieser ansieht kann ich mich nicht anschliessen. Es scheint
mir zu gezwungen zwei verschiedene arten von tenues zu gründe
zu legen, besonders da die auf germanischer lautstufe verhar-
renden sprachen keinen solchen unterschied aufweisen; ein an-
derer grund wird sich weiter unten ergeben; zunächst will ich
darlegen, wie mir die sache zu erklären scheint.
Die tatsache steht also fest, dass wir im althochdeutschen
in diesen fällen doppelte spirans haben. Im mittelhochdeutschen
beweist die metrik auf das klarste, dass nach kurzen vocalen
die doppelung vorhanden ist, während sie nach langen in der
regel nicht mehr geschrieben wird. Aber im althochdeutschen
wird sie auch nach langen vocalen sehr oft geschrieben, nur
schwanken daselbst die bezeichnungsweisen bedeutend.*) Wo
*> Meist hat man allerdings die doppelte Schreibung nach langen
vocalen im althocfadeiitschen för orthographischen misbranch gehalten (so
noch Holtzmann in seiner altd. gr.). Das ist gegenüber der menge von
Digitized by
Google
ZUR KENNTNIS DES PRANKISCHEN. .49
wir aber im altdeutschen doppelconsonanten finden^ da sind sie
etymologisch begründet und gewöhnlich durch assimilation ent-
standet. Sie sind demgemäss auch als zwei consonanten ge-
sprochen worden, so dass der eine zur vorhergehenden silbe,
der zweite zur folgenden gehört, mit deutlicher pause zwischen
den beiden silben. So sprechen bekanntlich die Italiener ihre
doppelconsonanten, die ebenfalls etymologisch begründet sind:
fat-to aus facto. Diess wird nur zu häufig von uns ausser
acht gelassen, .die wir stets nach kurzem vocal zwei consonanten
schreiben und gewöhnlich auch altdeutsche doppelconsonanten
nach unserer weise aussprechen. Es ist aber althochdeutsch
fuoZf^i == fuo^'^i, eZf^n = e^-^ariy släffan = släf-fan, $ahha =
sach'cha (in mittelfränkischen Urkunden gewöhnlich geschrieben
sachge, hrechgen etc.) Und diese sind entstanden durch assi-
milation aus fUot'^ij et'^an, släp-fan, sak-cha, gerade mestim-
ma s»\i& Stirn -na, guol'Uchain& guot-lich etc. Ich denke mir den
Vorgang also so: die tenues werden zuerst aspiriert und daraus
aflfriciert. Auf diese weise wird aus dem einfachen ein doppel-
laut, dessen erster teil an das ende der ersten, dessen zweiter
an den anfang der zweiten silbe tritt. Die tenuis assimiliert
sich dann der folgenden spirans und wir haben so einen ety-
mologisch begründeten wahren doppelconsonanten. — Auf Sche-
rers weise aber kann man nicht zu solcher doppelconsonanz
gelangen. Denn die aspirierten tenues, wie er sie zu gründe
legt, sind noch durchaus keine doppellaute, welche sich derge-
stalt auf zwei silben spalten könnten. Denn der hauch stürzt
dem explosivlaut ganz unmittelbar nach, und würde die so be-
haftete tenuis auf einmal spirans, so dürfte wol der hauch ganz
in der spirans aufgehen, nicht aber sich als selbständiger con-
ßonant, wie Scherer will, der vor ihm stehenden spirans assi-
milieren können.
beispielen natürlich unstatthaft^ wie es auch andererseits leicht begreiflich
ist, dass nach langen vocalen bald die doppelung schwand und deshalb
neben der doppelten auch schon früh die einfache Schreibung sich findet;
der gleiche fall liegt vor bei der doppelung in werten wie hörrauj tüan
etc., die ja eben so berechtigt ist. Dass an eine bloss orthographische
doppelung nicht zu denken ist, zeigt am deutlichsten Isidor, welcher iminlaut
die spirans z stets durch zss ßeizssan), im auslaut durch zs bezeichnet
Beitrl^ zur geschichte der deutschen spräche. I. 4
Digitized by
Google
50 BRÄUNE
Noch einen grund flihrt Scherer gege» den durchgang durch
die affrioata an (ebend. p. 657), Er sagt: ^Wenn niederdeut-
schem pp althochdeutsches pf^ niederdeutschem p althochdeut-
sches ff entspricht, so kann das nicht hinterher wider so ein-
gerichtet worden sein und anfänglich durchweg pf gestanden
haben.*' Ganz gewis, wenn die Verschiebung des niederdeutschen
pp mit der des p gleichzeitig entstanden wäre, so wären beide
gleichmässig zu/?/ geworden und wären fortan gleichem schick-
saleunterlegen. Aber wir haben ja gesehen, dass die Verschie-
bung des pp erst in der zweiten schiebt eintrat, als die p der
ersten schon durch pf hindurch nach ff übergegangen waren,
von Vermischung kann also hier keine rede sein. Ebenso wenig
kann das verschärfte k, dessen Verschiebung erst in dritter
Schicht eintritt, mit der in erster schiebt entstandenen aflPri-
cata von k, die dann in ch überging, zusammenfallen. Bei
t würde aber, wenn die Verschiebung des anlautenden und ver-
schärften t zu gleicher zeit mit der des t nach vocalen vor sich
gegangen wäre, in der tat ein zusammentreffen des geschärften
t mit dem einfachen in der affricata tz eingetreten sein. Wir
werden hierdurch belehrt, dass der Vorgang in der 1. schiebt
noch etwas genauer zu fassen ist, wodurch denn auch die Sym-
metrie des ganzen wesentlich gewinnt: die Verschiebung der
tenues begann damit, dass dieselben nach vocalen durch die
aflfricata hindurch in die (doppelte) spirans übergingen. Zurück
blieben also die tenues im anlaut und im inlaut nach conso-
nanten und bei Verschärfungen ; diese zurückgebliebenen brachten
es dann bloss bis zur affrication. Zuerst und Jener Verschie-
bung auf demfusse folgte nach das t in den angegebenen fällen
und erlangte noch dasselbe Verbreitungsgebiet, weshalb es denn
auch der ersten schiebt füglich beigerechnet werden kann. Erst
in zweiter linie folgte die affricierung des p, welches danji se-
cundär in wenigen werten sogar noch eine spirans hervorbrachte.
Zuletzt unterlag dann das k der affiricierung.
Doch wir waren bei der besprechung der zweiten schiebt
stehen geblieben. Zu dieser ist noch die Verschiebung der den-
tahttedia zu rechnen, deren Verbreitungsgebiet auch jener affri-
rierung d«« p ziemlich gleichkommt. Dasselbe ist ausser Ober-
deutschland hauptsächlich Ostfranken-Thüringen, nach dem süd-
fränkischen teile Oberfranken^ ist sie nur in ausläufern gekom-
Digitized by
Google
ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 51
men. Bei Tatian, der bedeutendsten älteren ostfränkischen
quelle, ist i schon ganz durcligedrungen, doch gibt es immer
noch eine anzahl fälle, wo noch d steht, die vollständige auf-
zählung derselben bei Sievers p. 10. Auch aus andern ostfrän-
kischen denkmälem führt Müllenhoff (p. XI.) einzelne alte d
an z. b. aus der Würzburger beichte (d. 75. cf, p. 490, 7.) Später
aber ist in Ostfranken das t allein herschend, es können dem*
nach diese d nur nachzttgler der kurz vorher vollzogenen ver^
Schiebung sein. Von der Verschiebung der früheren ersten sfchicht
treffen wir keine solche nachztigler.
Anders steht es nun in Südfranken. Wir haben gesfeheü,
dasä duselbst die Verschiebung des dtat auch im 14 Jahrhun-
dert nicht durchgedrungen war, wiewol neben dem d sich
Schreibungen mit t fanden. So ist es auch schon in den älte-
sten denkmälem, die wir dieser gegend zuweisen müssen. Zu-
erst im Isidor. Daselbst herscht unverschobenes d allerding»
weit vor, es heisst aber stets fatery rnuoter^ zweimal dhrato neben
einem drado, got hat in der flexion meist ^, daneben aber auch
nicht selten rf, die genetive gotes und godes kommen beide vor,
auf derselben seite (25) steht der dat. gote und der instr. godu
dicht bei einander, muotes und uharmuodic, deta und chiteda,
(p. 41), ausserdem chideda. — Im Ludwigsliede gode, dugidi,
gideilder, giduot etc., aber auch ritariy liutin. — In denaufteich-
nungen der heutigen dialecte bei Firmenich aber wird für die-
sen laut d geschrieben. Wenn man durch Firmeniohs Schrei-
bung auch nicht über die natur des lautes belehrt wird, so geht
das doch daraus hervor, dass es ein einheitlicher laut ist; dass
er aber ein anderer laut war als die wirklich tönende media
lehrt das schwanken in der Schreibung zwischen tenuis und
media, das bei dem später aus ih entstandenen d nicht statt
hat, welches also wenigstens im 14. Jahrhundert noch tönend
gewesen sein muss. Es bleibt keine andere annähme übrig,
als dass im südfränkischen das ursprüngliche d zur sogen, geflü-
sterten media geworden sei, welche mit der media die articulation,
mit der tenuis die tonlosigkeit gemein hat. Daher das schwan-
ken in der bezeichnung. — Ein solches schwanken findet sich
nicht im südfränkischen des Otfrid, welcher im anlaut d^ im
inlaut t schreibt. Es ist nun an und für sich nicht wahrschein-
lich, dass sein schon ans alemannische grenzender dialect einen
4*
Digitized by
Google
52 BRAUNE
unterschied in der behandlung desselben lautes im an- und in-
laut gemacht habe, ein unterschied, den weder das nördlichere
südfränkisch, noch das im Süden grenzende alemannisch kannte.
Hier gibt uns das älteste Weissenburger denkmal, der kate-
chismus (d. 56) aufschluss. Derselbe zeigt dasselbe schwanken
zwischen d und t, nur mit entschiedener neigung zum t^ ich
habe 25 alte d, dagegen 88 t gezählt. Von einem unterschiede
zwischen an- und inlaut aber ist keine spur. Daselbst steht
ardeilmne (48), citdlmte (56) — tootem (47), doodem (49) —
guodes (22), mmtü (31) — MdU (24), bitit (33) — gidago (19),
giterian (30) u. s. w. Ich schliesse daraus, dass auch der Weissen-
burger dialekt die geflüsterte media hatte, nur schon mit etwas
mehr annäherung an die wirkliche tenuis. Es ist also auch
ganz unglaublich, dass der spätere Otfrid auf einmal wider im
anlaut so sauber die media gehabt habe, im inlaut aber überall
die tenuis. Ich stimme daher Paul bei (mdh. Schriftsprache p.
26), wenn er diess für eine willkürliche regel Otfrids hält Und
es ist in der tat leicht zu denken, dass Otfrid, zu dessen zeit
die tönende Spirans th nur noch im anlaute vorhanden war, mit
dieser correspondierend immer die media schrieb. Dagegen im
inlaut, wo er durch den Übergang des th eine wirklich tönende
media bekommen hatte, setzte er für jenen zwischenlaut das
zeichen t Noch zur zeit des Weissenburger katechismus hätte
eine solche correspondenz des anlautenden d und th nicht her-
gestellt werden können, da damals das th auch noch im Inlaute
überwiegend gebraucht wurde. Endlich zeigen auch noch die
von Otfrid vorder evangelienharmonie geschriebenen Urkunden,
aus denen MüUenhoflF p. XV. namen wie hiltibodo, uodo anführt,
dass sich Otfrid seine orthographische regel erst gemacht hat,
als er sein gedieht begann.
In die dritte schiebt der lautverschiebung gehören nun
die affricierungen des k und die Verschiebungen, welche die
beiden andern medien erleiden. Diese Verschiebung als die letzte
hatte nicht die kraft, weiter als über Oberdeutschland sich aus-
zubreiten.
In Oberdeutschland liegt die lautverschiebung in allen drei
schichten vor unsern denkmälern, in Franken die erste auch
ganz, die zweite aber können wir daselbst wenigstens teilweise
in unsern ältesten denkmälern als eben in der Vollendung be-
Digitized by
Google
ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 53
griffen sehen, die dritte würden wir, wenn sie bis dahin ge-
drungen wäre, wahrscheinlich in ihrem verlaufe beobachten
können, — Mit diesen erscheinungen ist die speciell hochdeut-
sche lautverschiebung abgeschlossen.
Der Vorgang, den wir nun zu besprechen haben, nämlich
der Übergang der medialen spirans th in die media d kann
keine specifisch hochdeutsche genannt werden. Allerdings nimmt
auch diese lautbewegung von Oberdeutschland ihren anfang,
rückt aber von da vorwärts bis über die hochdeutschen grenzen
hinaus und verbreitet sich auch über ganz Niedersachsen und
Niederfranken. Und diese bewegung als die letzte hat so spät
begonnen, dass wir selbst in Oberdeutschland noch ihre letzten
Stadien, in Franken aber ihren ganzen verlauf beobachten können.
Denn wir haben in den ältesten oberdeutschen denkmälem,
weniger in bairischen, aber desto mehr in alemannischen zahl-
reiche beispieie des alten unverschobenen th. In den keroni-
schen glossen sind sie noch sehr häufig, desgleichen in den
hymnen und den glossen des Junius. Daneben stehen aber auch
schon die neuen d, bis sie denn mit dem ende des achten Jahr-
hunderts so ziemlich ganz geschwunden und durch d verdrängt
sind. Merkwürdig ist nur die diesen oberdeutschen unverscho-
benen th gewöhnlich zu teil gewordene verkennung, die doch
wol nur darin ihren grund findet, dass man die Verschiebung
des th um jeden preis als den anstoss zur hochdeutschen laut-
verschiebung ansehen wollte. Scherer als der erste, welcher
das spätere eintreten der Verschiebung des th betont hat, wird
wahrscheinlich auch die oberdeutschen th richtiger beurteilt haben,
aber ausgesprochen finde ich es bei ihm auch nicht. — Wein-
hold führt zahlreiche beispieie für „/ä, dh statt d^ an, hält sie
aber für willkürlichkeit der Schreiber und stellt sie mit dem th
aus t in eine reihe, welches seit dem 14. Jahrhundert häufig
auftritt (in thun etc.). Aber auch dieses wird man nicht für
Willkür, sondern flir genauigkeit der Schreiber halten müssen,
welche die, wie wir daraus sehen, schon zu jener zeit aspirierte
tenuis dadurch wider zu geben suchten. (Alemann. gr. § 170.
173. 179. 181, bair. gr, § 144). Man wird aber zu diesem
„falschlich statt d geschriebenen th^ bei Weinhold stets die be-
merkung finden: „nur in alten — den ältesten — quellen."
Dadurch tritt denn gleich die sache in das rechte licht, — Holtz-
Digitized by
Google
64 BRAUNE
mann (altd. gr. p. 281. flf.) hilft Bich anders Über die mislics-
bigen th hinweg, indem er für sämmtliche sie enthaltende alte
denkmäler fränkische vorläge annimmt. So müssen denn die
keronischen glossen, ßa, Pa, die hymnen („sonst ein streng
oberdeutsches denkmal"), die exhortatio (hs. B.), Gloss. Jun., St.
Galler patemoster und credo alle aus fränkischer vorläge ge-
flossen sein. Nur bei den „rein alamannischen glossen Eb**
wird auch Holtzmann bedenklich. „In diesem denkmal kann
man nicht wol an fränkische vorläge denken, eher ist ein
schwacher einfluss der fränkischen hofsprache anzunehmen."
Wie nichtig es um diese fränkischen vorlagen bestellt ist sehen
wir, wenn wir eins jener stücke genauer betrachten, z. b. das
St. Galler patemoster und credo (d. 67), das wol schon aus der
späteren zeit des 8. Jahrhunderts stammt. Wir finden daselbst
bereits 9 neue d, aber auch 3 alte th: ihu, dhana, kemeinitha.
Nun hat dieses denkmal durchweg die Verschiebungen der drit-
ten Schicht; man mtiste aber erwarten, dass der Schreiber, der
von 12 fränkischen th 3 aus versehen stehen liess, von den 23
fränkischen g etwa 6 habe stehen lassen, aber nein, wir haben
ausnahmslos alle 23 k und das genügt wol um die fiction
einer fränkischen vorläge zurückzuweisen.
Geht also in Oberdeutschland das th in der zweiten hälfte
des 8. Jahrhunderts in d über, so werden wir es hur der con-
tinuität der bewegung angemessen finden, wenn in Ostfranken
dieser Vorgang ins 9. Jahrhundert fällt. Imanfang des 9. Jahr-
hunderts war in Ostfranken das th noch an- und inlautend vor-
handen, wie wir aus der ostfr. lex. salica (d. nr. 65) ersehen;
der ca. um ein halbes Jahrhundert spätere Tatian hat es noch
im anlaut, doch finden sich auch wenige (5) nachzügler im In-
laut (cf. Sievers p. 11), in der Würzburger beichte aber (d. 75),
welche ungefähr aus dem ende des 9. Jahrhunderts herrührt,
*st auch das th im anlaut ganz verschwunden, desgleichen in
den späteren bamberger stücken (d. 30. 81. 91). — Es ist also
nicht zutreffend, wenn man das th im anlaut als merkmal des
ostfränkischen dialects ansieht, da man nur sagen darf, dass
zur zeit des Tatian in Ostfranken das th bloss noch im anlaut
bestand.
Etwas später erst verschwindet das th in Südfranken.
Dass es bei Isidor noch vorhanden ist, ist ganz natürlich, da
Digitized by
Google
ZUR KENNTNIS DES FRÄNKISCHEN. 55
e& zur sdben zeit in Oberdeutsciüand erst im schwinden war«
Im neunten Jahrhundert beginnt aber auch hier der tibergang
in dL Im Weissenburger catechismus z. b. ist das th noch in
kraft^ desgleichen in d^ Strassburger eiden, im Ludwigsliede
ist es im inlaute schon im schwinden (pruoder 8^ Haan 11 o*a.)^
in der Mainzer beichte (aus dem 10. Jahrhundert d. 74) ist der
bestand ungefähr derselbe, wie in Alamannien 2ur zeit des St
Galler pateriL Daselbst finden sich nur noch 9 alte th z.b<
thaz, tMabu, thir, aber das regelmässige ist schon di daz, dir
etc. — Im laufe des 10. Jahrhunderts wird dann das th auch
in Südfranken vollständig yerschwunden sein.
Etwas eher schon als in der Mainzer gegend ist das ih im
Weissenburger dialect geschwunden. Im catechismus ist es, wie
schon bemerkt, auch noch im inlaute regel, wiewol schon da
verschiedene d vorkommen, bei Otfrid aber ist th bekanntlich
im anlaute immer, im inlaute nur in seltenen ausnahmen vor-
handen, während es in den weiter nach norden zu gelegene))
sädfränjkischen gegenden zur selben zeit auch noch inlautend
bestand. — Es hat demnach den anschein, als sei die tönende
Spirans th in der regel zuerst im inlaut in d übergegangen."^)
Man könnte nun zwar bei Otfrid auch hier orthographische
regelung annehmen wollen, doch wird diess durch die ana-^
logie desTatian, der von so verschiedenen Schreibern herrührt^
verboten.
Widerum später als in Oberfranken ist die wandelung des
Üi in d in Mittelfranken und im nördlichsten teile Mitteldeutsch*
lands eingetreten. — Für Mittelfranken haben wir für da» A
Jahrhundert th durch das capitulare bezeugt, für die folgenden
Jahrhunderte, auf die es uns in diesem punkte besonders an*
kommt ^ sind wir leider ohne denkmäler und lediglich auf die
nameu in den Urkunden angewiesen. Diese machen aber eine
*) XhuTB das ^^ für dias }a auch oft dh gesehrieben wird, i^tets einen
tönenlen \m.t bezeicbne, wird wol niemand in abrede stellen wollen. Isidor
hat bekanntlich übersUI dh und schon das beweist genugsam, dass die
spätem th nur eine andere Schreibung desselben lautes repräsentieren. —
Dass aber das th, gleich dein heutigen engl, th, spirans (reibelaut) und
nicht etwa tenufs aspirata war, beweist hinlänglich schon der umstand,
dass im altsächs. (ags. altfries. altn.) vor den Spiranten s^ f, th O?) aus-
fall des » eintritt.
Digitized by
Google
56 BKÄÜNE
genauere einsieht insofern schwieriger, als gerade in solchen
eigennamen oft die alte Schreibung conserviert wird. -^ Die
Schreibung -thorp ist in den Urkunden des 10. Jahrhunderts
noch sehr häufig z. b. Walathorp L. I. 88 a. 927 Iminethorp 102
a. 948, — 111. a. 970, daneben aber Rumundorp 105 a. 962
Zudmdorp 146 a. 1009. — 102 a. 948 steht Thiedenhovin, aber
221 a. 1075 Diodericho — 164 a. 1028 findet sich copeleweide
und im 11. Jahrhundert kann d als durchgedrungen gelten, wenn-
gleich noch vereinzelte -thorp daneben vorkommen, z. b. 211 a.
1068 etc. Ja sogar noch 1117 (nr. 284) lesen wir Nithirindorp. —
Im allgemeinen kann man danach wol annehmen, dass im 10.
Jahrhundert auch in Köln der umsatz des th in J erfolgt sei.
In den nördlichen gegenden Mitteldeutschlands scheint sich
die alte spirans noch länger als in Köln gehalten zu haben:
in dem liede de Heinrico, also in der mitte des 10. Jahrhun-
derts, ist sie noch vorhanden; ja sogar auch noch in der mitte
des 11., aus welcher zeit die Leidener hs. des Williram rührt,
welche sowol an- als inlautend th schreibt. Wann nun die
Wandlung hier, in Niedersachsen und in Niederfranken stattge-
funden habe, weiss ich im einzelnen nicht genauer anzugeben,
doch wird wol im allgemeinen das 12. Jahrhundert als grenz-
punkt anzunehmen sein. In Bremen freilich erscheint noch 1303
dh (statuta Bremensia nach den citaten immnd. wb. z b.p. 179.
188.217.221.231 etc.), während es zur selben zeit in den meisten
niederdeutschen gegenden schon geschwunden war. Auch in
den ältesten mndl. denkmälern herscht schon d statt der frü-
heren Spirans.
Jedenfalls aber ist die continuität dieser bewegung anzu-
erkennen, welche von Oberdeutschland im 8. Jahrhundert aus-
gehend in allmählichem weiterschreiten mehi^ere Jahrhunderte
brauchte, bis sie das ganze ihr zustehende gebiet durchlief.
Insbesondere jedoch muss die ansieht ganz unhaltbar erscheinen,
welche die Verschiebung des th zu d zum anlasse der hoch-
deutschen lautverschiebung macht, da wie wir gesehen, die er-
stere überall später als die letztere erfolgt.
LEIPZIG. WILHELM BRAUNE.
Digitized by
Google
ÜBEESICHT DER NEUANGELSÄCHSISCHEN
SPRACHDENKMÄLER.
Jtlickes ist der erste gelehrte gewesen, welcher es versuchte
eine historische grammatik des englischen bis etwa zum jähre
1200 zu schreiben. 1) Er teilt die spräche vom einfalle der
Angelsachsen bis zur genannten zeit in drei perioden:^)
1. Die erste nennt er britannisch -sächsische periode, die
spräche lingua Britanno-Saxonica oder auch purior Saxonica.
Von denkmälem führt er daraus nur die bei Alfred er-
haltnen zeilen Cädmons an. 3)
2. Mit den am ende des 8. Jahrhunderts häufiger wer-
denden einfallen der Dänen beginnt dann die zweite periode,
die dänisch-sächsische und dauert bis zur eroberung durch
die Normannen.
In diese zeit fallen also alle damals bekannten angelsäch-
sischen denkmäler.
3. Der dritte Zeitabschnitt ist dann der normanno-dano-
sächsische.
In dieser periode gehen nach Hickes^) zwei dialecte neben
einander, die lingua Semi- Saxonica, welche dem anglo-säch-
*) Vgl. Hickesii thesaurus linguanun ßeptentrionalimn. Oxford 1705.
3bde.
2) a. a. o. I. pag, 87. cap. 19.
3) Es sind natürlich die bei Alfred in seiner Übersetzung des Beda IV,
24 angeführten zeilen gemeint, die beginnen:
Nu ve sceolon h§rjan heofonrices veard,
metodes mihte and his mödgeponc
nicht die notdhombrisch abgefassten:
Nu scylun hergan hefaenricsBS vard
metndsBS maecti end his modgidanc.
*) Vgl. Hickes cap. 22 p. 134 u. 146.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. J, 0
Digitized by
Google
58 WÜLCKER
ßisch des zweiten abschnittes und die lingua Anglo-Normannica
vel Normanno-Saxonica, welche dem anglo-dänisch entspricht.
Wie Hickes den ausdruck Semi-Saxon verstanden wissen
will, sagt er selbst deutlich: Quemadmodum enim vinum ace-
scens, nondum tarnen in acetum conversum, semivinum vel semi-
acetum dici usu adprobante possit; sie australium nostrorum
Saxonum medium illum vel ad medium aecedentem sermonem
Semi-Saxonicum et, siusus vellet, Semi-Anglicum haud absurde
nuncupandum esse judicamus. Auf diese periode folgt bei Hickes
dann die englische spräche.
Warton behält die selbe einteilung bei und erklärt vom
Semi-Saxon oder Norman-Saxon:^) it formed a language extre-
mely barbarous, irregulär and intractable; and consequently pro-
mises no very striking specimens inany species of composition.
Its substance was the Danish Saxon, adulterated with french. ^)
Grimm erkannte mit scharfem blicke, dass die einteilung
von Hickes unhaltbar, doch da er einsah, dass nur jemand,
der die ags. mss. vor äugen hätte, eine wirklich haltbare auf-
Stellung geben könne, gab er die angelsächsische laut- und for-
menlehre und schloss daran das mittel- und neuenglische,'')
ohne eine genauere Scheidung zu versuchen.
Wright teilt in Anglo-Saxon and Anglo-Norman period ein®).
Bei letzterer finden sich ausser Schriftstellern, welche latein
*) Warten, history of Englißh poetry from the cloise of the 1 !***»• cen-
twty to th€ oomowHcenentof l^e 18<^ eentnry. London 1840. I.bd. p. 1 o. ff.
Die erste ausgäbe davon erschien 1774.
ö) W. scWiesst diese periode nrit dem tode Heinrichs 11. (1189). Er
setzt hinein ausser den werken, welche man gewöhnlich in die zeit von
ItÖO-^ii^ öetist, (siehe unten) die jüngere Marherete, heiligenleben, die
weit später anzusetzen sind, the land of Cokaygne, dann Volkslieder,
i0rie 6aiD^r f s ieamen in, Blow northeme wind u. a.^ ebeAlnBs Hom «hild.
Vom wirklichen alter dieser lieder hat er gar kein Verständnis. Maddea
hat ihm in anmerkungen seine fehler nachgewiesen und so liest j^tzt der
le^er gaUae seiten bei Warton, um dann in den anmerkuigieii «i erfah-
ren, dass aUes gelesene durchaus mnrichtig ist. Warum setzen so treff-
liche gelehrte, wie Madden, niefat eine unzeitige piei£t gegen Warton bei
Seite und arbeiten den text des buohes einiial gründlich um, statt die
berichtigungen in anmerkungen, oft in anmerkungen an anmerkiiA^pen
zu bringen!
7) Grimm gramm. I, 222 und 506. Das mitt^ngligche gibt Grimm
leider nur nach Tristrem, Alisaundre und Chaucer, es üeas «ich natürlich
Digitized by
Google
NEüANGELSACHSISCHE SPRACHDENKMÄLER. 59
Bchrieben^ sowol diejenigen, welche Bich des normannisch-fran-
zösischen, als die, welche sich des (neu-) angelsächsischen
bedienten. »)
Latham hat zuerst darauf aufmerksam gemacht, wie wenig
doch eigentlich das normannisch-französische auf die angelsäch-
sische spräche eingewirkt hat. i®) Er führt aus, wie das angel-
sächsische nach natürlichem gesetze sinken muste, auch ohne
die normannische eroberung und tritt so gegen die auf, welche
behaupten wollen, das abschleifen der endungen, das abschwä-
chen der vollen vocale und ähnliches sei durch die fremden ge-
konmien« Madden in seiner trefflichen einleitung zu La^amon
folgt Latham und stellt seit der normannischen eroberung fol-
gende Perioden aufr^^)
1100 — 1230 Semi-Saxon.
1230 — 1330 Early English.
1330 — 1600 Middle English.
1500 — 1600 Later English
Im allgemeinen ist diese art der einteilung jetzt überall
angenommen. Zweifel herscht über die letzte periode, die meist
schon zum neuenglisch gerechnet wird. Ebenso kann man über
1100 als beginn des Semi-Saxon streiten, allein diese aufstel-
lungen sind ja alle nur ungefähr und überall gibt es hier
tibei^änge, die man zur früheren oder späteren periode zäh-
len kann.
Koch hat ebenfalls diese einteilung, welche Madden machte,
angenommen, doch weist er mit recht den eigentümlich gewählten
namen halbsächsisch (den Mätzner beibehalten hat i^) zurück. *^)
nadh diesen quellen^ welche zeitlich und örtlich so sehr auseinander
liegen, keine einheitliche darstellung der spräche erzielen.
*) Vgl. Wright Biographia Britannica Literaria. L the Anglo-Saxon
period. II. the Anglo-Norman period.
») Ebend. II» bd. Hier findet sich neben Wace, Turold (d. h. also
dem dichter des Rolandliedes), Philipp de Thaun, Wilhelm yon Malmes-
bnry, Geryasius von Tilbury, als endlieh Lajamon, Gnu uud Nicholas de
Guildford (als dichter der „ enle und nachtigal *" s. unten).
^) Latham, the English Language. London 184t. pag. 61. ff.
^^> Madden in der ausgäbe des Lagamon (vgl. unten) pag. VI.
*') Matzner in seiner englischen grammatik p. 6.
''j Eooh in seiner historischen grammatik der englischen spräche
p^g. 8.
5*
Digitized by
Google
60 WÜLCKER
Nacli wie vor ist die flexion der verba und nomina durchaus
angelsächsisch, die romanischen bestandteile. des Wortschatzes
sind vollkommen germanisiert, Semi-Saxon aber könnte leicht
vermuten lassen, die spräche von 1100 — 1230 sei eigentlich kein
angelsächsisch mehr. Koch führt die bezeichnung neu- an gel-
sächsisch ein und ihm ist aus obigen gründen entschieden
beizustimmen.
In der nun folgenden zeit wird der verlust der Normandie
unter Johann für die entwicklung der englischen spräche wichtig,
fast noch wichtiger aber das von Heinrich IIL und Ludwig IX.
gegebne gesetz, dass kein edler zugleich in England und in der
Normandie land besitzen dürfe. Hierdurch hörte der zuzug nor-
mannisch sprechender barone auf. Die folgen dieser ereignisse
zeigten sich natürlich nicht sofort. Zum glücke für das ger-
manische Clement brach bald grosse Unzufriedenheit unter den
normannischen grossen mit der regierung Heinrichs aus. Es
musten sich nun die Normannen, um mit erfolg den kämpf
mit dem könige auftiehmen zu können, auf das angelsächsisch
redende volk stützen. Der hass zwischen Norjnannen und
Angelsachsen wurde aufgehoben und das germanische und ro-
manische Sprachelement im englischen i^) ausgeglichen.
") Über den namen „englisch" sei hier eine bemerkung vergönnt.
Mätzner sagt a.a.O. pag. 6: „Der bildung der englischen spräche geht
eine Übergangsepoche, die des halbsächsischen Toran — die spräche
nennt sich allerdings schon englisch." Zum belege wird dann angeführt:
Orm Ded. V.322.
Jcc ]7att tis Ennglissh hafe sett
Ennglisshe menn to lare.
Es Hessen sich aus Orm noch viele stellen dafür anfuhren Ded. v. 109,
113, 147, 157, 306, 317,' 331 u. a. Bei La^. heisst es v. 31:
He nom pst, Englisca boc, }7a makede Seint Beda.
Weiter findet sich in Juliane , dass der Verfasser sein werk „of Latin
itumd to Englische leode" nennt (vgl. unten). Ebenso S. Marh. pag. 23:
iJ7e mone?$ J^et on ure iledene is ald englisch efterlit5 inempnet. Doch
schon altags. haben wir belege: in der Übersetzung des ev. Nie.
(Thwaites gab es heraus) wird z. b. cap. XXI gesagt: ToUite portas prin-
cipes vestras etc. tJät biÖ on Englisc. Dies werk stammt wol a^s der
1. hälfte des 11. jh. Älfric in seiner Übersetzung der Genesis (Grein,
ags. prosa I, 22): \fn baede me, }?ät ic sceolde ävendan of Lödene on
Englisc psk böc Genesis. Auch sonst nennt er seine spräche Englisc
p. 6, 7, 15 ebend. Doch schon früher überträgt Alfred in Beda stets
Digitized by
Google
NEüANGELSÄCHSISCHE SPRACHDENKMÄLER. 61
Die haupteinwirkungen des romanischen auf das angel-
sächsische sind:
In der declination des plurals bewirkt das normanische,
dass man beim mascul. die starke endung auf es beibehielt,
die ursprünglich sw. masc, aber mit dieser endung versah, ebenso
den femininen und neutren, mit wenigen ausnahmen, diese plu-
ralendung gab. Im sing, blieb hingegen das deutsche genitiv-*
und drang auch in das femininum vor. Die beugung der ad-
jective ist noch heutigen tages deutsch. Nur ist vielleicht das
verstummen des flexivischen e romanischem einflusse zuzu-
schreiben.
Durchaus deutsch blieben femer Zeitwert, ftirwort und Zahl-
wort. Ebenso der grösteteil der adverbien und praepositionen.
Der haupteinfluss des französischen zeigt sich in den lauten,
vor allem in den gutturalen, und besonders in dem wortvorrate.
Die zeit nun, wo sich das germanische mit dem romani-
schen auszugleichen sucht, also die periode von c. 1240 — 1517,
teilt man gewöhnlich in zwei abteilungen, in die altenglische
(-1330 nach Madden) und in die mittelenglische (-1500). Der
unterschied zwischen beiden ist nicht so leicht festzustellen.
Doch setzen wir 1350, nicht 1330, als anfang der mittelenglischen
zeit, so zeigt sich doch eine grosse Verschiedenheit. Die dichter
der altenglischen zeit schreiben ihre heimischen dialeete, Robert
von Glocester im südwestdialect, Robert Mannyng im Lincoln-
dialect, Wilhelm von Shoreham, Dan Michel im Kentdialect,
Richard Rolle de Hampole und Lorenz Minot in nordenglischer
spräche.
Hingegen in der mittelenglischen periode suchen die Schrift-
steller, wenigstens die bedeutendsten, durch aufgeben eines teiles
ihrer dialectischen eigentümlichkeiten sich allen Engländern ver-
ständlich zu machen. Allerdings ist auch nicht aus dem äuge
zulassen, dass Langley, i^) der Verfasser der visions conceming
Piers the Plowman, in Shrop, Chaucer, Gower, Lidgate, in Kent
lebten, Wycliflfe hingegen, obgleich in Yorkshire geboren, Trevisa,
Saxonica lingna: on oder in Englisc, ebenso praef. znr Übersetzung
des Beda.
*5) Dass der Verfasser dieser schrift Langley, nicht Langland hiess,
hat Pearson bewiesen. North British Review 1871 p. 241—245 und Early
Engl. Text Soc. 7. Report of the Committee (February 1871) p. 8.
Digitized by
Google
62 WÜLCKER
dier ühersetzer des Higdenschen werkes, der aus Cornwales
stammt, wenigstens sich längere zeit in London und Oxford
aufhielten und so alle mehr oder weniger in der spräche von
Kent und von Mittelengland schrieben.
Die spräche ist allerdings auch in der mittelenglisehen
Periode noch weit entfernt zu einer voHkommnen einheit ge-
langt zu sein und erst den geisteshelden des 16. und 17. Jahr-
hunderts gelang es, hier durchgreifend einzuschreiten und so die
zeit, welche wir die neuenglische nennen, heranzuführen.
Koßh und Mätzner haben in ihren grammatiken das neu-
angelsächsische nach seinem bedeutendsten poetischen denkmale,
dein Brut des Lägamon, dargestellt Ihm gegenüber wird dann,
als Vertreter des nordhumbrischen, die homiliensammlung Orms
gesetzt. 1^)
Doch seit erscheinen dieser grammatiken haben englische
gelehrte eifrig durch herausgäbe von texten und auch von gram-
matischen arbeiten die kenntnis des neu -angelsächsischen ge-
fördert. Es sind hier drei namen zu nennen: James Morton,
Oswald Cockayne und Eichard Morris. Durch ihre veröflFent-
lichungen hat sich die kenntnis des nags. sehr erweitert und
die angaben, welche Koch macht, bedürfen öfters sehr der er-
gänzung. ")
Selbstverständlich soll daraus Koch durchaus kein Vorwurf
gemacht werden. Er hat mit den mittein, welche ihm geboten
") hg. sind die homilien : The Onnulum, now first ed. from the Bod-
leian ms. by Robert Meadows White. 2 bde. Oxford 1852. Schon Hickes
(oder besser Wanley) hat nachricht darüber gegeben.
") Um hier nur eins anzuführen, ist über*den gebrauch des dual»
der pronomina im nags., also zu Koch pag. 467 § 161, viel nachzutragen.
Orm verbindet den dual des pron. häufig mit twa oder ba z. b. Ded. 6:
Witt ba, 8655 witt bal7e, x^inac baj7e 4495, jitt baj^e 6206, 6247 etc. Doch
ohne weitere zufUgung steht der dual der pron. pers. Ded. 73, Hom. 201,
202, 4498, 12362, 12363, 13012, 13014, 13020, 6242, 8663 u. a. Einzelne
dualformen finden sich noch während der ganzen nags. zeit z. b. H*
Meidenh. ine p. 11; inker 31. 0. a. N. unker 552, 151, 993 , 1689, 1780,
1782, 1783. hunke (= junnc bei Orm) 1733. Diese letzte form
zeigt sowol Calig. A. IX als ms. Jes. Coli. Arch. I, 29. Stratmann ändert
ganz falsch und willkürlich in unk, er miskennt form und sinn. Mätzner
hat sie richtig erklärt, sprachpr. I, 1 pag. 48. Unk ist ganz sinnlos,
denn den vers 1733 spricht der zaunkönig ((^e wrenne) und unter: hunke
ist natürlich eule und nachtigal zu verstehen.
Digitized by
Google
NEÜANGELSÄCHSISCHE SPRACHDENKMÄLER. 63
waren^ so bedeutendes geleistet, dass jeder, der fernerhin fiber
englische spräche arbeiten wird^ sich an Eoch anschliessen
muss.
Lagamons chronik ist nach wie vor das bedeutendste werk
aus der nags. zeit geblieben, doch ihm an dieseite ist ein pro-
saisches werk getreten, ]?e Ancren Riwle, das sprachliolx nicht
weniger interessant ist, als Lagamon. Sachlich allerdings haben
viele der anzuführenden Schriften wenig bedeutung.
Es scheint, dass nach der eroberung Englands durch die
Normannen die angelsächsische nation längere zeit keinen
schriftsteiler hervorgebracht hat. Will man nicht die fortsetzung
der Sachsenchronik oder vielleicht einige homilien hierher setzeu
so finden wir, abgesehen von Urkunden, in den ersten siebzig
Jahren des 12. Jahrhunderts keinen rest der ags. spräche. Am
hofe blühte französische poesie, die angelsächsischen grossen,
welche vorher die dichtung begünstigt hatten, waren unterdrückt
oder irrten als verbannte in Nordengland umher, selbst in den
klöstem wurde das angelsächsische element in jeder weise un-
terdrückt, das Volk aber mag sich, wie dies immer bei unter-
drückten Völkern geht, lieber am rühme der vorzeit erfreut und
den alten heldenliedem gelauscht, als neues gedichtet haben.
Erst am ausgange des 12. Jahrhunderts lassen sich wieder
literarische produkte feststellen.
Vor Lajamon ist vielleicht noch zu setzen:
I. Seinte Marherete J>e meiden ant martyr^®)
Das leben der Margarete zu bearbeiten scheint im M. A. sehr beliebt
gewesen zu sein. Ausser den verschiednen deutschen und fran-
zösischen Übertragungen besitzen wir auch eine alt- angelsäch-
sische, i^) Das nun hier anzuführende leben der Marg. ist in
alliteration geseihrieben und darf noch in das zwölfte Jahrhun-
dert gesetzt werden; Cockayne aber nimmt sicher eine zu frühe
zeit an. ^o) Erhalten ist es uns in zwei hss. Die eine aus dem
**) Hg. von Oswald Cockayne: Seinte Marherete the meiden ant
martyr. London 1866. Early Engl. Text Society No. 13.
**) Hg. von 0. Cockayne in Narratinnoulae Anglice conscriptae.
^) Cockayne sagt in der ausgäbe der Marherete; pag. VI; Sir F.
Madden (Lagamon III p. 350 — dies 30II heissen i 359) has stated that
the piece (viz. the life of Margaret) was probably composed about 1200
a. d., and as it seems in some respects a few years older than the priü"
Digitized by
Google
64 WÜLCKER
anfange des 13. Jahrhundert ist Oxf. BodL No. 34., die andre
Brit. Mus. Reg. Ms. 17 A 27 (foL 37—56 enthalten das leben).
Diese hs. ist etwa 1230 entstanden. 21)
IL The proverbs of King Alfred. 22)
Gleichzeitig oder etwas früher als Lagamon ist eine Samm-
lung von denksprüchen und sprüchwörtem, welche sämmtlich
ted earlier text of Layamon, itwill be as well to acquiesce in that opinion.
Sir| Frederic is well able to maintain any opinion he forms, but if com-
pared with the text of the last entries in the Chronicle written soon after
1154 and before 1177, the language of St. Marherete might be put thirty
or forty years earlier. — Cockayne nimmt also etwa 1165 an. Besser
ist es wol mit Madden das ende des 12. jh. für die entstehung an-
zusetzen.
^0 Vgl. Morris: Old English homilies and homiletic treatises of the
12th. and 13*^. centuries ed. by Rieh. Morris. First series. part. I Earl.
Engl. T. Sog. No. 29. London 1869 pag. IX.
22) Zwei hss. sind uns davon erhalten; Ms. Trin. Coli. Camb. B. 14, 30
aus dem anfange des 13. jh. und Ms. Coli. Jes. Oxf. I, 29, abgedruckt
in den Keliquiae Antiquae ed. by Wright and Halliwelll, 171 ff. Eine
dritte hs. Galba A, XTX ging bei dem brande der Cottoniana verlören.
Wanley bei Hickes gibt die ersten z eilen I, pag. 231. Diese hs. gehörte
zu einer gruppe mit dem Jes. Coli. ms. Man vergleiche
At Sifforde
seten )?eines manie
feie biscopes
feie boclered
erles prüde
cnihtes egieche
J7er was erl Alfrich
of the läge swuj^e wis
ec Alfrede
Engle hirde
Engle derling
on Engelonde he was king
hem he gan laren
swo hi heren mihten
hu hi here lif
leden scolden
Alfred he was on Engelond
a king wel swit5e strong
he was king and clerc
wel he luvede godes werc u. s. w.
Der schluss der hs. ist leider nicht angegeben.
Digitized by
Google
NEUANGELSÄCHSISCHE SPEACHDENKMÄLEE. 65
beginnen; „]?us que]? Alfred. *" und am anfange wird ausdrück-
lich der könig Alfred genannt.
In welchem zusammenhange diese Sprichwörter mit La jamon
stehen, ist noch zu untersuchen.
So finden sich (p. 185.) die zeilen:
And hweder so J>u hwendes,
sei J>u aten ende:
wrj>e J>at iwurj>e
iwurj?e Godes wille
und Lagamon schliesst seinen Brut
iwuröe J>et iwurÖe
iwuröe Godes wille. 2»)
Ebenso beruft sich im gedichte „eule und nachtigal" sowol
die letztere als .die eule häufig auf Alfreds Sprüche. ^4) Aller-
dings können darunter auch alt-angelsächsische gemeint sein.
IIL La^amons Brut. 25)
Erhalten ist uns das werk in zwei bearbeitungen, die ältere
bearbeitung im Ms. Brit. Mus. Cott. Caligula A IX, hs. aus
dem anfange des 13. Jahrhunderts (nach Madden). fol. 1 — 192
enthalten die dichtung. Die andre bearbeitung ist aus dem
ende des 13. Jahrhunderts und bedeutend verkürzt. Sie ist
Cott. Otho C XIII. Durch den brand, Oktober 1731, hat sie
bedeutend gelitten.
Wir wissen über La^amons leben nur das, was er uns
selbst darüber angibt v. 1 — 8.
An preost wes on leoden
Lagamon wes ihoten,
he wes LeovenaÖes sone:
^) Vgl. Lag. ed. Madden III, 297. Oder bezieht sich die anm. zu
V. 32235: „added by a later band in the margin" auf den ganzen schluss
und wären dann die schlusszeilen später zugefügt? Dies ist unglaublich
nach dem, wie Wanley bei Hickes III, 228 den schluss gibt:
And I?as (leode) )?at nevere geoÖtSen maere kinges neoren here t5a jet
ne com )7et ilke daei beo hednne vorÖ alse hit mei. JwurtJe godes wille.
Amen. — Wanley hat hier nur „leode" eingeklammert, doch gibt er
allerdings gerade unsre stelle anders.
2*) Vgl. 0. a. N. V. 235, 294, 299, 349 u. a. a. o.
^) Lajamons Brut or chronicle of Britain, a poetical Semi-Saxon
Paraphrase of the Brut of Wace. 3 bde. London 1847. — Hier sind beide
hss. abgedruckt.
Digitized by
Google
68 WOlCKER
liÖe him beo drillten.
he wonede at Endeje
at sßt^elen are chirechen
uppen Sevarne 8taJ>e,
sei pSLT Um puhbd.
on fest Badestone^
peT he bock radde.
Madden hat gezeigt, dass dieses Ernley dasjenige sei, wel-
ches in Worcester, nicht das, welches in Staflford, liegt. 2«) Lag.
führt Beda, Albinus und Augustinus, endlich Wace als quellen
an. Letzteren hat er zu gründe gelegt, Beda hat er nur ein-
mal nachweislich benutzt, 2'') wie Madden schon ausgeführt hat,
die anderen gar nicht. Doch Wace ist nichts weniger, als wört-
lich übersetzt, Lagamon hat sehr erweitert, vjor allem hat er
viele ortssagen und legenden aufgenommen und besonders die
Artussage mit vielen zügen bereichert, die sich auch nicht bei
Gotfried von Monmouth finden. 28)
Über die zeit der abfassung hat Madden scharfsinnig aus
dbn dürftigen angaben festgestellt, dass in den ersten jähren
de» 13. Jahrhunderts das werk noch nicht vollendet war, dass
es aber vor 1206 abgeschlossen wurde. Da aber ein so grosses
gedieht jahrelangen fleisses bedurfte, gewinnen wir das ende
26) Madden, preface X.
27) Lag. sagt V. 31 ff. von sich:
He nom pa, Englisca boc,
]7a makede seint Beda.
an o]7er he nom on Latin,
pe makede seinte Albin
and ]7e feire Austin,
pe fnlluht broute hider in.
boc he nom }?e }?ridde,
leide }?er amidden,
]7a makede a Frenchis clerc,
Wace wes ihoten.
Über Austin u. Albin vgl. Madden XII. Dass Wace seine hauptquelle
war, deutet Lagamon selbst durch das „amidden" an.
28) Es ist dies ein beweis, dass noch andre quellen für die gesehichte
Arturs in England existierten, als Grotfried von Monmouth. Sonst wäre
auch schwer das plötzliche emportauchen der vielen Artussagen im 1 2. jh.
zu erklären.
Digitized by
Google
NEÜANGELSÄCHSISCHE SPRACHDENKMÄLER. 67
des 12. und den anfang des 13. Jahrhunderts f&r die zeit der
abfassung. 2»)
Die alliteration waltet vor, doch finden sich auch assonan*
zen und selbst reime.
lY. Etwas später als das leben der heiligen Margarethe
sind zwei andre heiligenleben anzusetzen, die wol am anfange
des 13. Jahrhunderts abgefasst wurden.
Seinte Katherine.»«)
Es ist uns in drei hss. erhalten. 1. Bodl. No. 34 (früher
NE. 3, XL) aus der zeit Johanns oder Heinrichs III. ^i) be-
ginnt: Constantin ant Maxence were on a time as i keiseres
stude hebest i Bome, ah Constantin ferde ]7urh pe burhmenne
into Franclonde ant wunede sumne while )?ear for J>e burhes
neode ant Maxence steorede pe refschipe i Rome. Weox umbe
hwile wreaÖÖe ham bitweonne ant comen to fehte. Wes Maxence
overcumen and fleah into Alexandre. . . Schluss: pn» wende pe
eadie meiden Katerine icrunet to Criste from eoröliche pinen i
Novembre moneÖ pe fif and twentesöe dei and fridei on outte
under i pe dei i pe tune p hire deore leofmon Ihs ure layerd
leafd lif o rode for hire and for us alle. Beo he a se halend
iheret and iheiet in alre worlde worlt a on ecnesse. Amen. —
2. Ms. Reg. 17 A XXVII fol. 11—37. (c. 11i30 entstanden.) hier-
nach hat Morton seinen text gegeben. 32) 3. Eine dritte hs. Titus
D XYIIL, die auch sonst sehr wichtig fftr nags. ist, schliesst
fiidi, abgesehen von lautlichen abweichungen, dem Bodl. ms. an.^^)
29) Vgl. Madden pag. XVII— XXL
**) Zweimal ist das leben der Katharina herausgegeben worden:
James Morton veröffentlichte es London 1841 für den Abbotsford Club
(nur für mitglieder zu bekommen!). Dann: An historial inquiry touching
St. Catharine of Alexandria, to which is added a Semi-Saxon legend by
Charles Hardwick. Cambridge 1849 für die Antiquarian Society. No.XV.
31) Wanley bei Hickes III p. 79.
^) Vgl. Cockayne S. Marh. pag. VL
*3) Hickes III, 247. Der Inhalt der hs. ist:
1. Liber Alphabetarius.
2. Ancren Riwle.
3. Homilie : Si sciret paterfamilias.
4. Audi filia et vide et inclina etc. (vgl. unten. Es ist dies also die
homilie Hali meidenhad>
5. )?e wohunge of ure laverd.
6. passio St. Catherinae.
Digitized by
Google
68 WÜLCKER
Y. Seinte Juliene,34)
Bodl, ms. No. 34. enthält auch dieses heiligenleben. foL
36b— 56,a Es beginnt:
I pe feaderes ant i J>e sunes and i pe hali gastes nome
her beginneÖ pe Made ant te passiun of Seinte Juliene. In
ure laverdes lufe pe feader is of frumscheft ant i ]?e deore
wurömunt of bis deorewuröe sune ant i pe heiunge of pe hali
gast pe of ham ba glideÖ an Godd una^in euch godes ful. Alle
leawede men pe understonden ne mähen Latines ledene liÖeÖ
ant lusteÖ pe liflade of a maiden p2dt is of Latin itumd to
Englische leode. — Es schliesst:
Hwen drihtin o domes dei windweÖ bis hweate
And weorpÖ pset dusti chef to hellene heate,
He mote beon a corn i godes güldene edene,
pe turde )?is of Latin to Englische ledene
Ant he p2et her least onwrat swa as he cuÖ.
Eine andre hs. soll sich in der Cottoniana finden, welche
Brock mit Cockayne herausgeben wird, ^ß) Auch im schon ge-
nannten ms. Reg. 17 ist fol. 56 — 70 h dies heiligenleben zu
finden. 37)
VI. pe ule and pe nihtegale.^^)
Zwei hss. sind Uns davon bekannt Eine Brit Ms. Cott
Calig, A IX. 39), die andre Oxf. Jes. Coli. Arch. I, 29.
Wann dieses gedieht entstanden sei, ist sehr verschieden
beantwortet worden. Stevenson setzte es an das ende des 12.
^) Hiervon gibt es noch keine ausgäbe. Doch soll demnächst eine
von Cockayne erscheinen, vgl. Eighth report of the Earl. Eng. T. S.
1872 pag. 5.
35) Vgl. Hickes ni, p. 79.
36) Vgl. den oben ang. report of the E. E. T. S. pag. 5.
^) Cock. S. Marh. pag. VI.
3*) Zwei drucke haben wir nach; der Cott. hs. The Owl and the
Nightingale. Ed. by Jos. Stevenson. London 1838. 4o. Printed f. th.
Roxburghe Club (einige lesarten des Jes. ColL finden sich hier). The
0. a. t. N. on early poem attributed to Nicholas de Guildford ed. by
Thom. Wright. London 1843. 8®. Pr. f. t. Percy Society. Beide hss.
hat abgedruckt mit wenig Verbesserungen und manchen willkürlich-
keiten : J. H. Stratman : an old English poem of the Owl and the Nigh-
tingale. Krafeld 1868.
39) Schon Wanley gibt nachricht darüber HI, 229.
Digitized by
Google
NEUANGELSÄCHSISCHE SPEACHDENKMÄLEE. 69
Jahrhunderts. Dies ist den reimen nach zu früh, denn die reime
sind gröstenteils recht rein, wenn auch öfters sich noch asso-
nanz einschleicht. ^^) Wright glaubt, dass es unter Johann ohne
land entstanden sei.^^) Madden nimmt an, es sei erst unter
Eduard L gedichtet worden. ^2) j)ies wäre jedenfalls zu spät
und gradezu unhaltbar, weijn es sich erweist, dass das Cott
ms. aus der 1. hälfte des 13. Jahrhunderts stammt. Marsh lässt es
ziemlich unbestimmt, wann er das werk abgefasst glaubt. Er gibt
nur das 13. Jahrhundert an, stellt es aber zwischen King Ali-
saundre und Hörn child.'*^)
Einige gelehrte schreiben das gedieht Niclas de Guildford
zu. Hickes hat diesen fehler nicht begangen, 4^) jedoch War-
ton *^) teilt es auf ganz falsche Schlüsse hin einem Johannes de
Guldevorde zu. Madden wies schon in der ausgäbe Ws von
1840 nach, wie unberechtigt dies sei. Wright meint, Nicolas
de Guildford sei der Verfasser. 4*) Nicholas wird aber stets in
*«) Es ist daher auch jedenfalls von Stratmann unberechtigt, dass er
öfters gegen die hss. ändert, um einen reim herzustellen. Wo reime
vorkommen, wie eunde: sehende 273; fugele: uvele 277; gidie: geonie
291 ; worse : mersche 303 u. ähnl. braucht man wahrlich nicht dem reime
zu lieb zu ändern.
**) V. 1091 (ich eitlere nach Stratmann) steht:
]7at underwat ]fe King Henri
Jesus his soule do merci.
Dies bezieht Madden anf Heinrich III, und es wäre nach dessen tode
unter Eduard L abgefasst. Stevenson und Wright sehen in diesem Hein-
rich Heinrich H. (t 1189), Wright setzt das gedieht aber erst unter
Johann an, vgl. Wright Biographia Britannica literaria. Anglo-Norman
period. London 1846. pag.438.
*2) Madden in den anm. zu Warton pag. 26.
^) Marsh, the origin and history of the English language and of the
early literature it embodies. New- York 1862. p. 205—211. DaAlisaundre
und Hörn erst ende des 13. jh. gedichtet wurden, folgt er wahrscheinlich
Madden.
**) Wanley sagt p. 229 HI: über unser gedieht; Poema Normanno-
Saxonicum de contentione facta inter noctuam et philomelam pro suavis-
Bimae cantionis gloria, quam demum submiserunt arbitrio magistri
^Nicolai de Guideford.
«) Vgl. W. hist. of poetry I, 25 ff.
**) Wright a. a. o. sagt: The name of Nicholas de Guildford occurs
in a poem ... in a way which would lead any one acquainted with the
Digitized by
Google
70 WÜLCKER
einer weise genannt, daes er unmöglich der Verfasser sein kann,
oder er müsto einer der eitelsten menBchen gewesen sein. 4^)
Aüisserdem sagt der dichter am anfange:
Ich was in one sumere dale:
In one »wipQ di^ele hale
Iherde ich holde grete tale
An nie and one nihtegale
Von Nicholas wird stets als von einem abwesenden gesprochen^
der zuPortesham in Dorset wohnt und zum Schlüsse heisst es*
1789. Mid J^isse worde forJ> hi forden
AI bute here and bute forde
To Fortesham )>at heo bicome
Ac hu heo spedde of heore dorne
Ne can ich eu na more teile
Her nis na more of ]>isse spelle.
Warum liesse der dichter, wenn er mit Nicholas eine person
wäre, die vögel wegziehen, statt aus seinem verstecke hervor-
zutreten oder warum könnte er uns nicht den Urteilsspruch
berichten?
Jedenfalls ist das richtige einen unbekannten dichter anzu-
nehmen, der dieses werk Nicolaus von GuUdford zu ehren
schrieb, in bezug auf die zeit der entstehimg hat Wright wol
das richtige getroffen*
Vn. Es sei hier noch ein andres gedieht angeschlossen,
welches in alliteration geschrieben ist Doch uns ist nur ein
bnichsttlck davon erhalten. Conybeare nennt es;
Poem on Death, oder the Grave, wie es Thorpe nennt.*«)
Dies gedieht ist auf den rand eines homiliencodex (Nags. ho-
milien) geschrieben. 4») BodL NE. F. 4, 12.
sunmer in which writers of the middle ages name tliemselvee, to believe
kim to be tlie »nthor. In den Chronological series of the literary oha-
racters finden sich (pag.[481) zwischen 1174—1228: Orm, Nicholafl de
GwMford, La^amon»
*^ Man vergleiche die Btelkn, wo von Niohalas die rede ist,
V* 191, 1755.
**) Conybeare Illustrations of Anglo-Saxon poetry. London 1826.
pag. 270 flf. — Thorpe, Analecta Anglo-ßasfoniea. L(»idfon 1834.
^ Abg«dr. findet es sieh auch hei M. Bieger, alt- und angelsäch-
^«ebes lesebttoh. Güeesen 1861. p. 124.
Digitized by
Google
NEüANGELSÄCHSISCHE ßPRACHDENKMÄLER. 71
Es beginnt: ]?e w«g bald gebyld^ er pn iboren were,
pe wes melde imynt er )ni of moder come.
Conybeare läßst die letzten drei langzeilen hinweg. Sie
iaaten nach Thorpe:
for ßone biÖ pin haefet faxes bireyed
al biÖ J>es faxes feirnes forsceden,
nsele hit nan mit fingres feing stracien. ...
VIIL pe Ancren riwle.^^)
Dieses bedeutendste prosadenkmal der nags. literatnr ist
uns in vier mss. erhalten, welche zwei gruppen bilden.
Zur ersten gruppe gehören die drei Cottoniana.
Nero A XIV aus dem XIH. jL pg. 8. 131 bL^O- ßiesö
hs. hat Morton seiner ausgäbe zu gründe gelegt. — Titus D XVIIL
pg. 8. 147 bL^^) Am anfange fehlen einige blätter.Ms.schliesst:
Ase ofte as ge haven red ^ht o piB boc gretes ure lavedi wiÖ
an ave for him (viz. pet maked ]7eos riwle) and swanc her
abuteu,53).— Cleopatra CVI, 4020ibL5*) Beginnt: Recti diligunt te.
Laurd seiS godes «puse to hire deorewurt^e spuse . . . Schluss:
As ofte as je habbeÖ capet (oder cawet »oll wol owet heissen)
J^eron greteÖ J?e lafdi wiÖ an Ave for him, pe swong her ahn-
ten. Inoh met^ful ic am, pe bidde pe Intel.)
Die zweite gruf^pe ist nur durch eine hs. vertreten:
Cambridge, Coq>. Christi colL No. 402, 4^ pg.^^) Diese
hs. weicht sprachlich bedeutender ab und es ist daher schade^
dass Morton in seiner fleissigen ausgäbe sie nicht mehr beachbet
hat Sie kägt einen etwas mehr weetmitteländischen Stempel
^) The Ancren riwle, a treatise on the mies an duties of monastic
nie ed. by James Morton. London 1852. pr. t the Camden Sodety.
") Vgl. Hickes III, p. 228, Planta, Oatal. der Cotton. London 1802.
psg. ^5. Mb. enthält:
Ancren Riwle, Marienlied (Christes milde moder seinte marie, mines
Hves leome, mi leove lefdi), 120^; Orationes iid Christum et Mariam
fengüsch) 128^; symbeiium apostolicnm 130 bis BcMnss.
«) Hickes HI, pag. 247, vgl. anm. 33.
") VgL damit pag. 430 bei Morton.
M) Hickes SLI, 248. Planta pag. 681 ; bL 3—198 entiiält Ancren riwle.
Es folgt hymnAA in solemaitate S. Ethelredae.
^) Hickes HI, 149. Das werk nennt sich Ancren wisse.
Digitized by
Google
72 WÜLCKEß
(damit stimmt auch die notiz die sie trägt, ^^) überein), während
die andern südlicher entstanden sind.
Endlich besitzen wir, noch einen druck BibL BodL Laud.
D. 85.5''), welcher gebete aus der Ancren riwle enthält Siege-
hören zur zweiten gruppe, vielleicht sind sie geradezu aus obi-
gem Cambridge codex entnommen*
1. Ealmihtig god faeder suna and hsBlig gast as je beoÖ
an god ealra etc. (= pag. 26 bei Morton).
2. La ihu, }?in are for myne synnas ahongen o rode.
(= pag. 26).
3. For }?a seovengyftas )?8es haljan gastes. (= pag. 28).
4. For }?a tyn heastas pe ic gebroccen haebbe. (= pag. 28).
5. For J>a wuröegunge ihu crist of }?ine tweolfen apo-
stolas (= pag. 28).
6. For ealle pe sawlen pe beoÖ forÖ faren i pe bileave
of J>a feower godspelles. (= pag. 30).
Leicht überzeugt man sich aus diesen anfangen, dass hier
eine ältere spräche vorliegt, als in den Cotton mss. Um so
verdienstvoller wäre es, den text der Cambr. hs., der hier wahr-
scheinlich zu gründe liegt, herauszugeben.
Viel ist darüber gestritten worden, ob unser werk ursprüng-
lich nags. abgefasst wurde, oder ob es nur eine Übersetzung
aus dem lateinischen. Thomas Smith ^s) hält den nags. text
nur für eine Übersetzung aus dem lateinischen und dieses la-
teinische original will er gefunden haben in der hs. Cotton.
Vitellius EVIL Zu dieser ansieht brachte ihn wol nur die
aufschrift des codex. ^^) H. Wanley ^^) bekräftigt diese behaup-
tung auf grund einer vergleichung, welche er zwischen Vit
^) Sie lautet: Liber ecclesie ßancti Jacobi de Wigmore quem Johan-
nes Purcel dedit eidem ecclesie ad instantiam fratris Walteri de Lo-
delle senioris tune percentoris etc. Wigmore liegt in der Grafschaft
Hereforde. '
") Hickes III, 100 f. Bas buch hat die uotiz: Imprimatur: Henry-
Butts, Procanc. Cantabrig. 3. dez. 1630. Es enthält: the Anglo-Saxon
psalter, dann Certaine prayers of the Saxon times taken out ot the
Nunes rules of St. James Order in Bennet College library.
^) Smith catalogus bibliothecae Cottonianae. Londini 1696.
*®) Regulae vitae Anachoretarum utriusqne sexus scriptae per Simo-
nem de Gandavo, Episcopum Sarum in usum suarum sororum.
«>) Hickes bd. III, p. 228.
Digitized by
Google
NEüANGELSÄCHSiSCfiE SPRACHDENKMÄLER. 7ä
EVn. und den Cotton ms. angestellt haben will. Ihm folgt
Planta. 61)
Was« zuerst den angeblichen Verfasser des Originals, Simon
von Gent, bischof von Salisbury betrifft, so lässt sich nur einer
nachweisen, welcher 1284 archidiacon zu Oxford, 1297 bischof
von Salisbury wurde und 1315 starb. Der vater desselben kam
aus Gent, daher wol der name.^^)
Die spräche der Ancren riwle aber ist nicht alt-
englisch, sondern neuangelsächsisch. Simon von Gent
kann also nicht der Verfasser des Originals sein.
Allerdings könnte nun, wenn auch Simon nicht den latei-
nischen text verfasst hat, doch das original lateinisch gewesen
sein. Leider ist der Cod. Vit. EVII. bei dem brande, Oktober
1731, zu gründe gegangen. Doch eine andre hs., welche Smith
und Wanley kennen, ist uns erhalten: ms. Magdalene College
zu Oxford. 63) Sie führt die aufschrift:
Hie incipit prohemium venerabilis patris magistri Simonis
de Gandavo, Episcopi Sarum, in librum de vita solitaria, quem
scripsit sororibus suis anachoretis apud Tarente.
Es ist ein verdienst Mortons mit schlagenden gründen nach-
gewiesen zu haben, dass diese lateinische hs. nur eine Über-
setzung und zwar eine recht schlechte des nags. textes ist, die
von groben fehlem und misverständnissen wimmelt. Ausser-
dem ist das erste buch stark gekürzt, das achte fehlt gänzlich. **)
Schliesslich könnte man noch ein französisches original an-
nehmen und wirklich gab es auch das werk in französischer
spräche. 65) Mätzner führt gegen das franz. original die stelle
p. 44 an: 66)
AI Jjet je ever siggeÖ of swuch oÖer bonen, ase of Pater-
nostres and of Avez, on ower owene wise, psalmes and ureis-
uns: al ich am wel ipaied everichon sigge pet hire best bereb
on heorte: verslunge of hire sautere: redinge of Englichs oÖer
of Freinchs, holi medidaciouns.
«0 Vgl. a. a. 0. p. 205.
«2) Vgl. Morton preface XIV.
«3) Ebend. VII. '
«*) Ebend. pag. VÜI ff.
«5) Vitellius F VII bei Smith a. a. o. Sie ist 1731 verbrannt.
^) Mätzner, altenglische sprachproben I, 2. abt. Berlin 1869. pag. 6,
Beiträge sar geschichte der deutschen spräche. I^ 6
Digitized by
Google
^4 WÜLCKER
M^ätzner meint, noniieB, welche sowol englisch als franKö-
sisch verstanden hätten, wäre es nicht nötig gewesen, etwas
4»rtts dem französischen zu tibertragen. Doch, wenn das werk
auch zunächst an drei Schwestern gerichtet ist, welche wol beide
sprachen verstanden, geht doch aus andern stellen hervor, dass
der Verfasser auch auf Verbreitung seiner schrift in grösseren
kreisen rechnete, ß^) Und ob alle drei Schwestern französisch
lesen konnten, ist nirgends gesagt. Jedenfalls hätte man immer
in hinblick auf grösseren zuhörerkreis das werk in das eng-
lische tibertragen können.
Allein der ton des ganzen Werkes ist durchaus englisch.
Die romanischen worter sind allerdings zahlreich, allein bei
einer geistlichen schritt darf dies nicht auffallen. Einige andre
stellen, w-elche schon Mätzner angefahrt hat^ beweisfen, dass der
ver&ßÄer ein Engländer war, ebenso dass die schwestem eng-
lisch als ihre mutterspradie betrachteten, ß^) ^
Wie jetzt die frage stehl;, dürfen: wir also die Ancren riwle
als ein neuangelsachsiscke» originalwerk ansehen.
Bei bestimmung des ortes, wo das werk entstanden sei,
hält Morton sieh an die angäbe des Oxford codex, dass die
Schwestern, für welche es geschrieben, in Tarente gelebt hätten.
Dies Würde also auf Dorset weisen. Die spräche der Cotton
mss. "Stimmt damit völlig überein. Doch ist dabei nicht aus
^em äuge zu lassen, dass sich die angäbe von Tarente neben
der sicher falschen findet, Simon von Gent sei der Verfasser
der lateinischen Urschrift. Grosses gewicht dürfen wir also auch
irichl; auf den namen Tarente legen.
Morton knüpft nun weiter an den namen eine geistreiche
Vermutung: Zu Tarente am S teure in Nord -Dorset errichtete
Jßalph de Kahaines, dessen vater mit Wilhelm dem erobrer ge-
kommen war, ein kloster für nennen, welches Maria und allen
®') So pag. 50. Ich write muchel vor otJre and noÖing ne etrinetS
QU, mine leove sustren, pag. 192. "^e, mine leove sustren. beoS |?eo
ancren ]fet ich iknowe, )7et habbeÖ lest neode to uroure ^jean }?eos
temptaciuns : bute one sicnesse. Vor midmore eise, Qfimid more menke,
not ich non ancre J>et habbe al pet hire neod ds |7ene ge freo habbetJ :
ure loverd beo lik idoucked. '
^^) V;gl* Mätzner a. a. o. Es sind dies vor allen pag. 172 u. pag. 244.
Digitized by
Google
NEüANGELSACHSISCHi: SPÄACHDENKMALEE. 76
heiligen gewidmet war.^^) Dies kloster zerfiel, doch Richard
Poor richtete es von neuem ein. Poor war «u Tarente geboren,
wurde decan zu Chichester in Sussex, dann bischof zu Salis-
bury und Durham. Zuletzt ging er wider nach Tarente und
starb daselbst 1237.70) Wie sehr er das dortige kloster liebte,
beweist, dass er dort sein herz beisetzen liess. Diesem Poor
schreibt nun Morton die Ancren riwle zu. Wäre der name
Tarente besser beglaubigt, so dtlrften wir unbedingt dieser
schönen Vermutung beistimmen, allein ihn nennt unter den sie-
ben hss. der nonnenregel nur eine einzige und zwar eine, die,
wie Morton selbst gezeigt hat, durch und durch schlecht ist
IK. Poema morale.'*)
So nennen die englischen herausgeber ein in langen reim-
paaren geschriebnes gedieht, welches über Vergänglichkeit des
lebensj über tod und jüngstes gericht handelt. Es umfagst J98
reimpaare. Es beginnt:
Ich em nu alder )?ene ich wes a wintre and a lare
Ich weide mare pene ich dede mi wit ahte bon mare.
Well longo ich habbe child ibon a werde and a dede
|?ah ich boa wintre ald, togung ichem on rede. Hss. davon gibt
es folgende: 1. Egerton ms. 613. Hiemach gab.es Furnivall heraus.
2. Lambeth 487 fol. 59b— 65b. Wanley sagt,72) der schluss sei
in prosa (Morris bemerkt hierüber gar nichts), doch sieht man
genauer zu, so ist das angebliche prosastück vers 262 — 271.
Hiermit bricht Lambeth cod. ab, Morris druckte das ende nach
dem Egerton ms. '^^) 3. Digby ms. No. 4. ''*) Hiemach druckte
Hickes es ab I, 222. 4. ms. Trinity Coli. Cambridge. Abge-
sehen von kleinen abweichungen stimmt es mit dem Egerton ms. '^)
«^) Schon Morton zeigt, wie Wanleys angäbe bei Hickes bd. III, 149
n. a. o., die Schwestern hätten dem St. Jakobsorden angehört, auf mis-
verständnis einer stelle (pag. 8 bei Morton) beruhe. Morton pag. X. ff.
70) Morton pag. XH— XV.
V} Abgedruckt ist das gedieht bei Furnivall: Early English poems
and lives of Suints. Berlin u. London 1862. — Morris a. a. o. nach
Lambeth, ergänzt durch Egerton ms. ~ Hickes hat es ebenfalls.
«) Hickes III, bd. 268.
'3) Vgl. Morris a. a. o. VI oben.
'*) Hickes III, p. 83.
'S) Ebend. p. 169.
Digitized by
Google
76 WÜLCKER
Wir gehen nun zu den homilien, den paternoster, glaubens*
bekenntnissen, gebeten und ähnl. über, welche in nags. spräche
geschrieben sind. Oft ist es allerdings recht schwer zu ent-
scheiden, ob ein denkmal nags. oder altags. sei. Abgegeben davon,
dass überhaupt beides sich berührt, gibt es viele hss., welche
altags. abgefasst waren, aber von nags. Schreibern abgeschrie-
ben wurden. Diese änderten manche alte formen, andre Hessen
sie stehen. Ein beispiel dafür ist Bodl. cod. F 4, 12. ^ß) Neben
gewende, gersed, gelaede findet sich ihaten, isceop, ilomlice,
istreona. Sonst wird schon vielfach gekürzt und geschwächt,
neben godspel findet sich gospel, mseden (virgo), cnihtes neben
cnihtas, brucen, habben, libben (vivere), buten statt butan, wundre
für wundra, auch schon Übergang der starken declination zur
schwachen: mid eadmodre stefnen; rixeÖ mid alle bis halgan.
Auch schon die acht nags. Schreibweise dsei^e neben daßge ist
hier anzutrefien. Ebenso zeigt diese mischung ein cod. der bibl.
S.James, Westminster. ^7) Hier steht neben dagas ein bispelles,
weorces, neben gen. suna auch sune, die infin. beclyppen, un-
terstanden neben solchen auf -an. mid feilenden tacnen, on
boken u. ähnl. So mag es sich auch mit cod. Hatten. 65 der
Bodl. verhalten, welcher angeblich die vier evangelien in nags.
spräche umfassen soll. '^^) Die proben bei Wanley sind zu kurz,
um darnach etwas entscheiden zu können.
In der übersieht der nags. homilien sind hier die bereits
gedruckten vorangestellt.
X. Hali Meidenhad.^0)
Es ist dies eine homilie über Ps. XIV, 11: Audi filia et
inclina aurem tuam etc. Die hss., welche uns erhalten, sind:
Titus D. XVIII, 80) und Bodl. No. 34. «i)
XL De octo viciis et de duodecim abusivis hujus
seculi.82) — Diese abhandlung ist nach einer altags. verfasst,
'«) Hickes bd. HI, 15—26.
") Ebend. 181.
'«) Vgl. ebend. p. 76.
'*>) Hg. von Coekayne, Hali Maidenhad nach der Titus hs. Den titel
hat Coekayne erfunden.
«>) Hickes III, 247.
«0 Ebend. p. 80.
82) Morris a. a. o. pag. 101— 119.
Digitized by
Google
; NEUANGELSÄCHSISCHE SPRACHDENKMÄLER. 77
i welche sich bei Morris auch abgedruckt findet. ®3) Erhalten ist
i die nags. schritt in Lambeth ms. 487.^4)
! XII. Sawles war de ^^) oder, wieCockayne es nach den
anfangsworten nennt; Si sciret paterfamilias. Drei hss. sind
davon bekannt: Bodl. ms. No. 34.86) Es beginnt: fol. 76^: I pe
feaderes and i }>e sones and i j^e hali gastes nome: her be-
ginneb sawles ward. Si sciret paterfamilias qua hora für ven-
I turus esset vigilaret utique et non sineret perfodi domum
suam. Der schluss dieser hs. fehlt von fol. 84 ab. Diese hs. hat
Morris seinem drucke zu gründe gelegt. — Den schluss gibt er
i nach der hs. Heg. ms. 17 A XXVII. s') _ Eine dritte hs. ist
I Cotton. Titus D 18. s^) Diese hs. stimmt abgesehen von mund-
artlichen abweichungen mit den andern überein. Sie ist voll-
I ständig, nur fehlt natürlich der schreibervers am Schlüsse.
XIII. pe wohunge of ure laverd.^^) Davon ist nur
■ die hs. Titus D XVIII bekannt. Hickes gibt schon nachricht
[ darüber. 90)
I XIV. Gebete an Jesus.
Unter XIX und XXI hat Morris zwei gebete^i) an Christus
abgedruckt. XIX nach Lambeth 487; «2) XXI nach Nero A
XIV. 9^) Abgesehen vom anfange ist in beiden hss. dasselbe
gebet. Doch ist XXI vollständiger, als XIX. Pag. 203 z. 10
; des druckes bricht Lambeth ms. ab. Doch "Nero ms. ist auch
nicht vollständig. Der schluss fehlt. — Unter XXIII finden
wir bei Morris ein andres gebet an Christus nach Nero A XIV fol,
I 128»— 131a abgedruckt. »4)
»3) Ebend. pag. 296—305.
8*) Hickes bd. III, 267.
8*) Morris p. 245—267.
8«) Hickes III, 80.
8^ Vgl. Morris 265 z. 23.
«8) Hickes ffl, 247.
89) Morris 269—288.
90) Hickes UI, 247.
9') Pag. 183 u. pag. 200.
92) Vgl. Hickes III, 268.
93) Ebend. 228. — Planta a. a. o. 205.
9*) Ebend. Wanley teilt dieses gebet nochmals in zwei, indem er
bei der stelle: Swete softe iesu iseli beot5 petpe luvieÖ (Morris 215 z. 21)
ein neues gebet annimmt.
Digitized by
Google
78 WÜLCKER,
XV. Marieiilied.95)
Es ist in alliteration und mit reimen oder assonanzen ge-
schrieben. So der anfang:
Cristes milde moder seynte marie,
Mines lives leome mi leove lefdi,
To pe ich buwe and mine kneon ich bege
And al min heorte blöd to ]?e ich oflfrie
pn ert mire soule liht and mine heorte blisse
Mi lif and mi tohope min heale mid iwisse.
Die. einzig bekannte hs. dieses liedes istCotton. Nero A XI V.^*^)
XVI. Gebet an Maria. ^7)
Zwei hss. sind uns erhalten. Eine ist die schon oft er-
wähnte Royal Ms. 17 A27. Doch ist hier nur ein bruchsttick?
welches schliesst: ant te unwuröe wohes )?at he for us sunfule
willeliche, ^s) Vollständig findet sich das Gebet Cott. Nero
A xiv:«9)
XVn. Pater noster in reimen. i<^ö) ,
Es steht im erwähnten Lambeth ms. fol 21^ — 25*. Der
anfang lautet :^<^i)
Pater noster qui es in celis etc.
Ure feder ]?et in heovene is,
pet is al soÖ ful iwis.
XVIII. Pater noster ^<>2) ^nd andere glaubensfor-
meln.
Es ist von Wright nach einer hs. Caius College zu Cam-
bridge gedruckt.
XIX. Credo.
Eines führt Wanley an, welches wol in diese zeit zu setzen
ist.^<^3) Es beginnt: Credo in deum ic bileve on God patrem
omnipotentem ]?ene almihti fader und schliesst: }?o gode on
9*) Morris a. a. o. pag. 191—200.
06) Hickes III, p. 228.
^ Morris pag. 205—208 nach Nero.
^) Abgedruckt ist das bruchstück Morr. pag. ao5. Verglichen mit
der Cott. hs. bricht es pag. 207 z. 2 bei Morr. ab.
09) Hickes III, 228.
««>) Morris pag. 55—72.
»0») Hickes m, 267.
^^^) Reliquiae antiquae ed. by Wright and Halliwell I, 282.
^^) Hickes III, 169. Vgl. jedoch auch das anm. 122 gesagte.
Digitized by
Google
NEüANGELSÄCHSISCHE SPRACHDENKMÄLER. 79
eche blisse and wele on ure loverd Jhu Criste on hevene. pe
uvele on eche wope and pine roid pe devel on eile sowie and
licam abuten ende. Ein anderes glaubensbekenntnis enthält
Cotton. ms. Nero A XIV. ^^*) Damach hat es Morris abge-
druckt. i<^^) Das Credo und paternoster, welches in den reli-
quiae antiquae mitgeteilt wird,i<^<^) ist schon dem altengliscHen
zuzuteilen.
XX. De initio creature.^^'')
So nennt Morris sehr wenig passend eine predigt über
den stlndenfall der engel und menschen und die erlösung der
kinder Adams durch Christi tod, höllenfahrt und auferstehung,
Erhalten ist. uns dies denkmal in mss. Cott. Vesp. A 22**'«)
fol. 54— 56b.
XXL Parabel vom reichen könige. ^^*)
Morris gibt dieser predigt den titel: an bispel. Sie findet
sich im selben cod. wie die vorige, fol. 56** — 58^.
XXII. Indulte vos armatura dei.^^*^)
Die homilie beginnt: Ur hlaford sanctes paulu» pe is ]?eo-
den lareaw us maneÖ and menejeÖ of sume wepne to nemene
Jws cweÖende: Indulte vos armatura dei. — Auch dieses werk
steht im angefahrten Cott. ms. 58^. — Diese homilie ist jeden-
falls unvollständig. Wanley hat dies richtig eingesehen, Morris
hält sie flir vollständig, ^i*) Jedenfalls hat Wanley recht, denn
die homilie endet: pn ahst to habben ehte wepnecin, J>a beoÖ
sceold, heim and brenie, swrd and spere, stede and twei
Sporen and ane smearte gerd. Hwic scule beon ure sceld?
sanctus paulus hus seiÖ: In omnibus sumentes seutum fidei,
in quo possitis omnia teia nequissimi (ignea) extinguere. —
Hiermit kann die homilie nicht geschlossen haben.
1«) Hickes bd.m 228.
»05) Morris pag. 217.
»06) Rel. antiquae I pag. 57 nach Brit. Mus. Hari. 3724.
»07) Morris 217 — 231. Es ist diese homilie wahrscheinlich nach einer
homilie Aelfrics angefertigt, die betitelt wird: Sermo de initio creaturae
ad populum. In so fern ist der gegebne name einigennaösen gerecht-
fertigt
»08) Hickes III, 242.
»09) Morris pag. 231—241.
»»0) Monis pag. 241—243. Der text findet sich Eph. VI, 11.
»»») Hickes III, 242.
Digitized by
Google
80 WÜLCKER
XXIII. Erant appropinquantes-i^^)
Es ist diese homilie wahrscheinlich nach einer von Älfric
gearbeitet „Dominica IV post pentecosten ". Die nags. ho-
milie findet sich ebenfalls Vespasian A 22. Wanley erwähnt
sie nicht
XXIV. Quum appropinquasset ihesus iereso-
limam.
Von dieser homilie besitzen wir zwei bearbeitungen.
Sie ist für den palmsonntag geschrieben. Die eine version
findet sich Lambeth ms. 487. i^^) Hiernach hat sie Morris
gedruckt. 114) Eine andre homilie steht Otho A 13. i^^) Sie
beginnt: Ure drihten nechlende his passiun isohte )?reo stedes
J?ider ward and }?et was ]?e feorde. Schluss: J>et he lede ey
on domes dsei into hewenriche ]?e o «chal ileste. Quae nobis
prestet qui seda per omnia regnat.
XXV. Ecce nunc tempus acceptabile, ecce nunc
dies salutis.iiß)
Auch hierüber sind uns zwei nags. homilien erhalten.
Pie eine findet sich Trin. Coli. Cambr.ii^) und fängt an: pe
hevenliche leche seinte Poul nimeÖ geme of ure sawle sic-
nesse ]?et ben ure 'sinnes ]?onged wurse him and minejeÖ
US bi his holie write. Schluss: and overcumen at ende hem
and alle J>e }?ing pset us to sunne teÖ. Quod ipse prestare
dignetur q, v. etc. Die andre bearbeitung ist im Lamb. ms.,
wonach Morris sie veröflfentlicht hat.
-XXVI. In leinten time uwilc mon gaÖ to scrifte.ii^)
Nur im Lambeth ms. uns erhalten.
XXVIL In diebus dominicis.ii»)
Diese betrachtung über die heiligkeit des Sonntages hat uns
auch nur das Lambeth ms. überliefert.
"-) Morris a. a. o. pag. 243—245. Wir haben hier, wie bei der vori-
gen, nur ein bruchstück vor uns.
»3) Hickes ÜI, 266.
»J*) Morris 1—11.
"*) Hickes HI, 233.
**^') Morris 11—25 trägt die Überschrift: Hie dicendum est de qua-
dragesima.
1") Hickes m, 170.
"8) Morris 25—41.
"8) Ebend. 41—47.
Digitized by
Google
NEüANGELSÄCHSISCHE SPRACHDENKMÄLER. 81
XXVIIL Missus est Jeremias in puteum etcJ'^^)
Ebenfalls nur in der Lambeth hs.
XXIX. Tria sunt hominum saluti necessariä, fides,
baptismus, mundicia vite. Diese erklärung des glaubensbe-
kenntnisses ist im Lambeth ms. unvollständig. ^2^) Morris be-
merkt zwar nichts darüber, doch ist es ganz klar. Eine zweite
hs. Trinit. ColL geht viel weiter und bietet wahrscheinlich
einen vollständigen text. ^22)
Endlich gibt es noch eine hs. Otho A 13, welche vielleicht
dieselbe abhandlung, wenn auch etwas abweichend, enthält, ^^s)
Leider ist aus Wanleys dürftigen angaben nichts zu sehen.
Sie beginnt; Unicuique hominum etc. Biforc alle ]?ing J^reo
)?ing beoÖ efric man helwur}>>e and erest bihoveÖ to habbe. —
Diese homilie ist jedenfalls vollständig, denn sie schliesst: }>et
we mote eche riebe habbe 0 0 bute eiide. Qui vivit etc. —
Leicht können gelehrte in England feststellen, wie sich diese
homilie zu den zwei andern verhält.
XXX, Vom barmherzigen Samariter. ^24)
Dies stück beginnt: Homo quidam descendebat ab ierusa-
lem in ierico etc. Nur im Lambeth cod. ist es uns erhalten. ^25)
^^) Ebend. 47 — 54, Überschrift: Hie dicendum est de propheta.
121) Morris nach Lambeth, also jedenfalls nach der unvollkommensten
hs., pag. 73—78. — Hickes III, 169.
1^) Vollständig ist der text, wenn wir die drei von Wanley unter
V — VII incl. gegebenen stücke zu einer homilie verbinden. No. VIdas
credo gehört jedenfalls zu V und entspricht Morris p. 75 z. 25 ff. Es
schliesst: )7e gode on eche blisse and wele mid ure loverd JhuCriste on
hevene. ^e uvele on eche wope and pine mid )7e devel, on eche (so ist
wol statt Wanleys „eile" zu lesen) sowie and licam abuten ende. Hier-
mit ist jedenfalls die erklärung des credo beendet, doch hat sich sehr
wahrscheinlich die von Wanley unter VII gegebene erklärung des pater-
noster daran geschlossen. Anfang; Pater noster etc. }7u singest ]>e salm
pe me clepetJ crede |7U seist }?aet on gode bilevest and dost cnovnesse )?aet
he is laverd, ac Joanne ]>u singest ^e salm )7aet is cleped pater noster.
Schluss: Ac lese us loferd of his egginge and of alle uvele. Amen.
Swo hit wurtJe. — Hiermit scheint diese homilie geschlossen zu haben.
Diese meinung bestätigt auch der umstand, dass nun sowol im Lambeth
cod. als im Trin. Coli, codex „in die natalis Domini" folgt.
123) Ebend. 233.
*2*) Morris hat es unter der wenig bezeichnenden benennung: „De
natale domini" pag. 79—86 abgedruckt.
125) Hickes IE, 267.
Digitized by
Google
82 WÜLCKER
XXXL Pfiiigstpredigt.126)
Nur im Lambeth cod. 12?) Sie fängt an: fram )?an halie
bester dei bob italde fifti daja to )>isse deie and )?es dei is
ihaten pentecostes.
XXXIL Faetus est filius dei omnibus sibi ob-
temperantibus causa salutis eterne.^^s)
Diese homilie ist nach Älfric gearbeitet. ^29) gj^ gteht im
Lambeth cod.
XXXIII. Christus passus est pro nobis, relinquens^
exemplum.130)
Auch diese betrachtung ist nur im Lambeth.
XXXIV. Qui parce seminat parce et metet.^^^)
Diese homilie findet sich unter der bezeichnung: deSancto
Laurentio im ms. Trin. Coli. Cambr.^^i) Eine andere hs. ist
der Lambeth cod., wonach Morris die schrift veröffentlicht hat. ^^^)
Der anfang beider hss. stimmt ziemlich überein, das ende hin-
gegen geht auseinander.
XXXV. ßeverenda est nobis hec dies sancta que
dicitur dominica-*^^)
Ausser dem gegenstände hat diese homilie nichts mit
XXVII gemein. Zwei hss. sind uns erhalten: 1. Lambeth ms.
2. Cott. Otho A 13.135) Die anfange stimmen fast wörtlich,
der schluss der Cott. hs. lautet: )?ider mote we cume |?ar is
wane of alle ifel and fiUe of iche gode. Lambeth hat hier
noch latein eingemischt.
XXXVI. Qui vult venire post me abneget semet
ipsum etc. 13^)
Diese abhandlung wird bewahrt im Lambeth ms. und im
*26) Morris gibt sie unter: in die pentecosten pag. 87— -101.
^27) Hickes III, 267.
^28) Morris 119—125 als: dominica V quadragesimae.
^29) Morris XI.
*^) Ebend. pag. 125—131 als: dominica II post pascha.
^30 Morris pag. 131—139.
»32) Hickes 171.
>33) Hickes 268.
»»0 Morris p. 139—145.
135) Hickes 233.
13«) Morris p. 145—150. — Hickes 172.
Digitized by
Google
NEUANGELSÄCHSISCHE SPRACHDENKMÄLER. 83
oben erwähnten ms. Trin. ColL Cambr. Beide mss. stimmen
ziemlich mit einander. Endlich im Otho A IS.i^')
XXXVII. Estote fortes in belle et pugnate cum
antiquo serpentc^^^)
Drei hss. dieser homilie sind bekannt: 1. Trin. Coli.
Cambr. 139) 2. Lambeth ms. 3. Cott. Otho A 13. i^o) Die letzte
hs. hat den schluss etwas verändert: Mid j^is wepne was
David iscryd po ]>o he Goliam his unwine ofer com, two wile
God ]?at we ure mohte.
XXXVIII. Euntes ibant et flebanti^O
Im Otho A 13 ms. fuhrt diese homilie den titel: „Sermo
de jacobo apostolo".!*^^ Ebenfalls ist diese schritt auch im
Lambeth ms. erhalten. Beide hss. stimmen ziemlich mit ein-
ander. Eine dritte hs, ist die des Trin. Coli., die dem Cott.
zunächst steht.
XXXIX. Maria virgo assumpta est ad ethereum
thalamum. 1^3)
Diese homilie ist uns nur in dem schon Ott erwähnten
Cambr. cod.. Trin. Coli. B, 14, 52 erhalten. 1^4)
XL. Nox precessit, dies autem appropinquabit.**^)
Der Trin. cod. bringt diese abhandlung. ^*^)
Hiermit ist die zahl der in zugänglichen drucken veröffent-
lichten nags. denkmäler gesclilossen. Es folgen nun die un-
edierten. Für die homilien sind zwei hss. wichtig. Die erste
ist Cambr. cod. B. 14. Diese will Morris flir dieEarly T.Soc.
herausgeben. 1*^) Die andreist eine Cöttoniana, OthoA, 13. i*^)
"^) Als sermo de martiribus bezeichnet Otho diese homilie (vgl.
Hickes 233). Cambr. ms. stimmt genau mit Lambeth.
"8) Morris 151—157.
139) Hickes 172. *«>) Ebend. 233.
1*0 Ebend. pag. 155—159.
1«) Hickes 233.
1«) Rel. antiqu. bd. I pag. 128.
»«) Hickes III, 171.
"0 Röl- siiit' ebend. pag. 130 betitelt: Dominica tertia.
1«) Hickes Uli 169.
»*7) Vgl. Morris XV. Es sollen die homilien der Cambr. hs. den
zweiten teil der „OldEnglish homilies" bilden. Nach dem „Eigth report
of the Committee, January 1872-* pag. 6 ist das werk, welches durchaus
notwendig für die kenntnis des nags. ist, fast fertig gedruckt.
1«) Hickes HI, 233.
Digitized by
Google
84 WÜLCKER
Das Cambridge ms. enthält ausser den schon ange-
fahrten i49):
XLL Apparuerunt apostolis dispartite lingue tan-
quam iguis. ^^o) d^,. anfang lautet:
)?o)>e ure loverd Jhu Crist fundede lichamliche fro eorÖe
(Wanley: eceSe) tohevene heforbedhis ap. andhireholi ferre-
den podi hie neren noht sorie.
XLIL Ambulans Jhc juxta mare Galilee. i^^)
Anfang: pe holi godspel of )>is dei specÖ of ure helend
and of two broÖren, J^aet on is S. P. and psdt oÖer S. Andrew
and seiÖ psdi ure helende giede bi ]>e se.
XLIII. Convertimini ad mein toto corde vestro.*^^)
Anfang: Non eorÖliche fader ne moder haveÖ sva milde-
lieorte to hire life child swo ure he venliche fadr haveÖ to us.
J?onkeÖ wuröe him.
XLIV. Cum inimundus [spiritus ab homine exierit,
vadit per loca arida. i^^)
])G loverd Seint Matten specÖ on his holi godspel of pe
grimliche wordes pe ure haelend at sume time gaf to andswere .
pQ unbilefde ludeuische men.
XLV, Dominus de celo prospexit super filios
hominum. i'^4)
pe holi prophet DaviÖ seiÖ on ane stede on pe salmboc
pe wordes pe ich her nu seide. J>er he specÖ of pe mildhert-
nesse pe ure loverd Jhu* Crist doÖ men.
XLVL Ecce venit rex, occuramus obviam salva-
tori nostro. 1^^)
To dai is cumen pe holie tid ]?8et me clepe)? advent, )>an-
ked be ure loverd Ihn Crist )?it haveÖ isend and hit lasteÖ )?re
wuke fülle and sum del more.
1«) Ebend. pag. 169—172.
150) Ebend. 171 mit der bezeichnung: in die pentecostes:
151) Ebend. überschrieben: de sancto andrea.
152) Ebend. 170 bezeichnet: in capite ieiunii.
153) Ebend. betitelt: in media Xea.
15*) Hickes III, 171.
155) Ebend. 169. Es ist dort bezeichnet: „de adventu".
Digitized by
Google
NEUANGELSÄCHSISCHE SPRACHDENKMÄLER. 85
XLVII. Ego vox clamantis in deserto, parate viam
dominiJ^^)
)>e loverd Seint lucas guittinneÖ (?) on .his ]>e wunderliche
hiderkume and pe eorölich herbiwist and ]?e wunderHche heÖen
siS of ure loverd Seint Johan Baptiste.
XLVIIL Egredietur virga de radice Jesse.^^^)
An ^erd sal spruten of Josse more and an blosme stien of
J>are more and uppe ]?are blosme resten pe holie gost.
EKL. Elevatus est sol in celum.^^^)
pe holi prophete Abacuc pe wunede (W. wundede) on ]?is
weorlde and eft )?er of wot feie hundred wintre er pe time pe
ure drihten unterstod manisshe.
L. Estote prudentes et vigilate in orationibus. i^^)
pe hevenliche keyhirde Seinte peter iseih padt ure eldren
hadden feie fon^and we habbeÖ alswo pe ben al to snelle
(W. smiele) on swikedom.
LI. Ha3C est dies quam fecit dominus, exultemus
et letemur in ea. ^^o)
J?is dei haveÖ ure drihten makeÖ to gladien and to Wissen
US. )?onked wuröe him.
LII. Hora est jam nos de sompno surgere.*®^)
pe laverd seinte Powel pe is heved-lor)?eov (W. LorÖeau)
of alle holie chirechen bihield )?is wrech woreld and sajh p3dt
mast mannen ladden hire lif on sinnen and j^aet hem likede
here lodliche sinnes.
LIII. Inter natos mulierum'non surrexit major
Johanne Bapti8ta.i62)
An li^er man ofte ligeÖ and a soÖsage man seiÖ ofte soÖ.
)>e nevre ne lihgh ne lige ne wite ne ne mai ]?at is ure haelende.
LIV. Libera nos domine de morte eterna.^®^)
pe lifholi man Job pe pe boc of specÖ and seiÖ: erat vir
ille Simplex et justus etc.
***) Ebend. 171, betitelt: de Sco Johanne Baptista.
«') Ebend. 172, ohne titel.
^^) p. 171, benannt: In ascensione domini.
«») p. 172. titel f«hlt.
***) p. 170 bezeichnet: In die pasche.
*®0 P- 169 als Dominica 11 in adventu.
*®^) p. 171 ohne bezeichnnng.
*«^) Hickes III, 171 ist tiberschrieben: de defunctis.
Digitized by
Google
86 WÜLCKER
LV, Natus est nobis salvator qui est Christus. ^^)
Gode tiöinge and murie to heren us telleÖ J?e loverd seinte
lucas on }>e holie godspelle.
LVI. Mulier que erat in civitate ijomine Marie
jam penitens.^®^)
pe laverd S. L, pe irenned psdt holi godspel pe men raed
in holie chiriche seiÖ )>ar on.
LVIL Obtulerunt pro eo domino par turturarum."®)
To dai man mai iheren he )?e wile wich J>eaw wes on]?e
olde la je mid wimmen on J?re )?inges, )?8et on is childbed, and
]?set oÖer chirchganj and pe )?ridde pe offrinj.
LVIIL Omne datum Optimum et omne donum per-
fectum desursum est.^®'^)
Seint Jacob pe holie apostel pe ure drihten sette to lor-
]?eove pe folc of Irslm. he nam jeme of pe wune pe weren ]?o.
LIX. Posuerant peccatores laqueum mihi.^^^)
pe sinfuUe haveÖ leid game me to beuten and ich ne
forlet )?ine bode. Ure fo fareÖ and hunteÖ and leid game
in a wildemesse to heuten pe deor pe wunieÖ )?er inne.
LX. Preoccupemus faciem domint et in psalmis
jubilemus ei.^^^)
pe holie prophete DaviÖ munegeÖ us on pe sealmboc to
berewen )?isse (W, berejentis pe) wile pe we mugen.
LXL Quömodo cantabimus canticum domini in
terra aliena.^^^)
pe holie prophete David spec]? on pe sealmboc and on a
stede ]>eron muneje)? sume of pe wordes pe weren spoken
bitwinne two folkes.
LXIL Reges Tharsis et insule munera Offerent,
reges Arabum et Sabae dona adducent^"^*)
^**) Ebend. 170 als: in die natali domini.
»65) Führt den titel: Maria Magdalena. Hickes 171.
*^) Ebend. 170 ist sie benannt: purificatio Mariae.
16^) Ebend. 171.
»««) Ebend. 172.
*6») Hickes III, 170 ohne titel.
"0) Ebend.
*^') Ebend. als „de epiphania** bezeichnet.
Digitized by
Google
NEUANGELSÄCHSISCHE SPRACHDENKMÄLER. 67
Mid mede man mai over water faren and mid weldede
ofgive frend wuertlie.
LXIII. Stetit Jesus in medio discipulorum su-
We reden on pe holi godspel-boc p9dt ure holende }?rovede
on )^e holi rode and deaöe ]>olede and mid his eheliche dea5e
lesde US of deaöe.
LXIV. Turbe que precedebant Dominum et que
seqücbantur clamabant dieentes: Osanna.^"^^)
It is eustume psdi ech chirchsocne goÖ J^is dei a procession
and J>i8 wune haveÖ pe bejinnigge of pe holie processiun
l^e ure helende makede toward te stede J>er he wolde deÖ J^olen.
Otho A 13 enthält folgende homilien:
LXV. A^paruit beni'gnitas et humanitas.^'''*)
Iwrn US was gesvuteled ]?urh vitegie and erendrache J>at
god wolde man bimmeal for ure sache.
LXVI, Cum natus esset Jesus in Beethlehem
Jude. 175)
God almihti pe his fader and sune and holi gost on ]>reo
wise to dai his michele mihte swatelede.
LXVIL Ego sum panis vivus.^'^^)
Ure drihten spech on one stede on paa holie godspelle.
LXVIIL Intravit Jesus in quoddam castellum.^^'^)
Lucas pe godspellere pe trehnede pe holie godspel of
)>i8se dei.
LXIX. Mulierem fornicantem recepi.'^^)
Ure drihte pe ^ef boöe pe olde laje and pe newe. —
Das Verhältnis dieser homilie zu LVI ist noeh zu untwsttohen.
LXX. Qu>e est ista que ascendit.^''*)
pe hevenliche cwen ure lefedi Seinte marie heveÖ fif feste
inne twelf monaÖ.
Mit der ersten bei Wright .und Halliwell abgedruckten
"2) Diese homilie führt weiter keinen titel.
^") Hickes 170, bezeichnet: Dominica Palmarum.
"*) Ebend. 233, „in die nataili domini" tiberschriebön.
"*) Hickes III, 233- Als „sermo in epiphania domini" aufgeführt.
"ß) Ebend. ohne titel. — »") Ebenfalls ohne titel.
^^) ßiEffmo de Idarla Magdalena benannt.
"*) Als sermo beate virginis von Wanley angegeben.
Digitized by
Google
88 WÜLCKER
homilie (vgl. oben XXXIX) hat hier diese nichts zu tun, wenn
auch sie sich im inhalte nahe berühren.
Hiermit schliessen wir die Übersicht der nags. denkmäler.
Wanley führt jioch einige mehr an. Doch wie es sich mit
der nags. evangelienübersetzung verhält, haben wir oben pag.
76 gesehen. Ein angeblich lateinisch-neuags. glossar ist erst
noch zu untersuchen, in welche zeit es gehört. Wanley sagt
nm»^i8o) es sei „ante quingentos annos" geschrieben.
Schliesslich führt Wanley i^O noch aus' Cott. Calig. A IX,
also aus derselben hs., welche die hs, A des Lagamon und
eine hs. der eule und nachtigal enthält, ein gedieht an: „de
morte, judicio et de poenis infernis" als nags. Es beginnt:
Non mai longe lives wene
Ac ofte him lieÖ pe wrench,
Feir weÖer turneÖ oft into reine
And wunderliche hit makeÖ his blench etc.
Madden setzt dieses mss. bekanntlich in die erste hälfte
des 13. jh. Doch dürfen wirj es dann gewis nicht viel vor
1250 entstanden denken. Denn das gedieht zeigt keine ent-
schieden alte formen, ausserdem ist die reimstellung:
ababbaab
doch schon eine sehr künstliche, während sonst nags. nur paar-
weise gereimt wird. Besser wird es also in spätere zeit zu
setzen sein.
Die neue ausgäbe von Warton's literaturgeschichte (ed. by Hazlitt,
London 1871, 4 voll.) wurde bei unsrer darstellung noch nicht benutzt.
Doch gibt dieselbe auch nichts neues. Nur ist das in anm. 6 gesagte
teilweise zurückzunehmen, indem viel Verbesserungen jetzt in den text
aufgenommen sind. — Die denkmäler, welche Craik (a compendious hi-
story of English literature from the Norman conquest, 2 voll.) anführt
pag.l93flf., aus Ritsons anc. songs, also das lied von Canut, die worte
Aldreds u. a. sind hier absichtlich übergangen, weil sie sehr zweifelhafter
natur sind. Nur die Godric zugeschriebenen zeilen dürften noch hierher
gehören.
Nachdem ferner die neue ausgäbe von Mätzners Englischer gram-
matik erschienen, ist das in anm. 14 gesagte etwas zu modificiren, vgl.
Mätzner 2. aufl. I. teil, 1. abt. pag. 7 oben.
iw) Hickes ÜI, 84, ms. der Bodleiana. — »si) Hickes III, 229.
LEIPZIG. RICHARD WÜLCKER.
Digitized by
Google
'7/,
LEGENDEN UND SAGEN VON PILATUS.
Wenn auch die legende von Pilatus keine eigentlich volks-
tümliche sagenbildung ist, so hat sie doch so viele merkwür-
dige, für die ganze anschauungsweise des mittelalters interes-
sante Züge in sich aufgenommen, dass eine eingehendere Unter-
suchung ihrer entstehung um so lohnender erscheint, als eine
solche bis jetzt noch nicht geführt worden ist. Massmann hat
zwar bereits in den anmerkungen zur kaiserchronik ^) viele ein-
zelne notizen über die sage gesammelt, jedoch ist diese Samm-
lung bei weitem noch nicht erschöpfend und in manchen ein-
zelnen punkten nicht ganz genau; auch hat Massmann es wol
an dieser stelle gar nicht darauf abgesehen, die art und weise,
wie die sage allmählich entstanden ist, darzustellen. Ebenso-
wenig ist in Du M^rils aufsatz über Judas Ischarioth und Pi-
latus 2) eine eingehendere darstellung der sage enthalten, auch
hier sind im wesentlichen bloss einzelne notizen, namentlich
aus altfranzöBischen quellen, beigebracht.
Bei der ausserordentlichen Verbreitung unserer legende und
bei den mannigfaltigen lokalen traditionen, welche sich an
dieselbe knüpfen, darf es uns nicht wundem, dass kaum eine
darsteUung unserer sage erhalten ist, die nicht irgend welchiö,
mehr oder weniger erhebliche abweichungen von den übrigen
darstellungen enthielte. Die allgemeinste Verbreitung hat die
sage jedoch ungefähr in der folgenden gestaltung gefunden:
In Mainz lebte einst der könig Atus, der in der stemdeu-
tung sehr erfahren war. Als derselbe sich einst auf der jagd
befand, las er in den stemen, dass, wenn eine frau in dieser
*) Massmann, kaiserchronik III. 594.. ff. Pilatus Schicksal. — cf. 573.
ff. Veronika.
*) Du M^ril. Poesies populaires latines du moyen äge. 315. ff.
Beiträge zur geschichte der deutachen spräche. I. 7
Digitized by
Google
90 CRElZENACH
stunde von ihm empfange, sie ein kind zur weit bringen werde,
welches einst über viele länder und menschen mächtig sein
werde. Da er gerade weit von hause entfernt war, gab er
seinen jagdgenossen den auftrag, ihm ein mädchen aus der
gegend zuzuführen, in welcher sie sich gerade befanden. So
wurde ihm Pila, die tochter eines in der gegend wohnenden
müUers zugeführt. Nach einiger zeit gebar diese einen knaben
und nannte ihn nach ihrem und des königsAtus namen Pilatus;
in einigen Versionen der sage wird auch erzählt, dass der könig
Tyrus"^) geheissen habe und dass Pilatus die zweite hälfte seines
namens dem vater der Pila verdanke. Nach verlauf einiger
jähre schickt Pila den Pilatus an den hof seines vaters. Dort
entzweit er sich mit einem andern söhne des königs und tötet
ihn. In folge dessen entfernt ihn der könig von seinem hofe
und schickt ihn als geisel nach Rom. Dort gerät er widerum
nach einiger zeit mit einem fürstensohne *) in streit und er-
schlägt denselben, wofür ihn die Römer zur strafe in das land
Pontus schicken, dessen einwohner sich den Römern nicht unter-
werfen wollten; Pilatus jedoch bezwingt das land und erhält
daher den namen Pontius Pilatus. Nachdem er das unterjochte
land eine Zeitlang beherscht hatte, hört Herodes in Palaestina
von seinen herschertalenten und ernennt ihn zu seinem mitre-
genten. Pilatus verdrängt in dieser Stellung sehr bald den
Herodes. Hierauf schildert die legende das auftreten Christi
und das Verhältnis des Pilatus zu demselben.
Um diese zeit leidet zu Rom derkaiser an einer schweren
krankheit,^) kein arzt weiss ihm zu helfen. Da hört er von
Christo, der alle krankheiten auf wunderbare weise heile und
schickt einen boten, Volusianus, an Pilatus, damit dieser ihm
^) In einer handschrift der lat. prosaerzählung heisst er Cyrus (Du
M^ril 359. anm.)
*) Nach dem lat. gedichte (cf. Du M6ril pag. 343 ff. Mone, anzeiger
1835. 425. ff.) ein englischer, sonst meist ein französischer königssohn.
Das deutsche gedieht nennt ihn Paynus (Massmann, deutsche gedichte
des 12. jhdt. pag 165 ff.), die französische prosa (Du M^ril. pag. 359. ff.)
nennt ihn Paginus, fils Pagini.
5) An dieser stelle gehn die Überlieferungen sehr auseinander. Am
häufigsten werden Tiberius, Vespasian und Titus genannt, selten Nero
oder Caligula. Auf diese Variationen werde ich weiter unten zurück-
kommen.
Digitized by
Google
LEGENDEN UND SAGEN VON PILATUS. Öl
Christum sende. Der böte triflft; Veronika, die ihm erzählt,
dass Christus nicht mehr lebe, sich aber erbietet, mit ihrem
wundertätigen schweisstuche den kaiser zu heilen. So reist
der böte mit Veronika nach Rom und führt Pilatus als den
hauptschuldigen am tode Christi gefangen mit sich. Der kaiser
wird geheilt, ist sehr erzürnt über Pilatus, wird aber jedesmal,
sobald derselbe vor ihm erscheint, wider günstig gestimmt Da
stellt sich heraus, dass Pilatus mit dem wundertätigen rocke
Christi bekleidet ist. Sobald er diesen rock ausgezogen hat,
verurteilt ihn der kaiser zum tode, Pilatus aber bringt sich
vor der Verurteilung selbst um. Sein leichnam wird in den
Tiber geworfen, da er aber dort stürm und ungewitter veran-
lasst, schafft man ihn zuerst nachVienne und von da in einen
see hoch in den Alpen.
In den ersten zeiten des Christentums wird Pilatus durch-
aus nicht so ungünstig dargestellt, wie in der legende. Man
legte, wie Du M6ril bemerkt, grosses gewicht darauf, die mei-
nung des richters Christi,^) der über alle umstände genaue
kenntnis haben muste, als dem Christentum günstig darzustellen.
Unter dem einflusse dieser bestrebung entstand die erzählung
von einem berichte des Pilatus an den kaiser,') in welchem
derselbe die Verurteilung Jesu ganz in christlichem sinne dar-
stellt Ebenso soll der Vorgänger des Pilatus, Lentulus — in
Wirklichkeit hiess derselbe Valerius Gratus — einen brief nach
Rom geschickt haben, in welchem er Christum sehr lobt und
namentlich seine äusserliche erscheinung sehr ausführlich be-
schreibt *) In derselben weise wird auch Tiberius bereits sehr
früh, schon von TertuUian, ^) als anhänger des Christentums ge-
schildert. Später bildete sich sogar die sage aus, er habe das
volk zum Christentum gezwungen und habe alle heidnischen
tempel niederreissen lassen, sei aber von der aufgeregten menge
getötet und in den fluss geworfen worden, der vorher Albanus
•) Du M6ril pag. 340.
^ cf. evangelia apocrypha ed. Tischendorf. — Lipsius, die Pilatusacten
kritisch nnterBucht. Kiel. 1871. — Calmet, dictionnaire de la bible ed. Migne
m. 1155. ff.
*) Herzog, realencyclopädie, art. Lentulus.
•) Lipsius. pag. 19.
7*
Digitized by
Google
92 CREIZENACH
hiess, dann aber nach ihm Tiber genannt wurde. ^^) Die kop-
tischen Christen halten den Pilatus sogar fttr einen heiligen,
der den märiyrertod erlitten habe. In ähnlichem sinne wird
der tod des Pilatus und seiner frau in der jtaQaöocig HUdrov
erzählt")
Nach dem siege des Christentums hatte man nicht mehr
nötig, sich um so problematische zeugen der christlichen kirche
zu bemühen. Man erkannte mit unbefangenerem blick, wie
wenig veranlassung die heilige schrift zu einer so günstigen
beurteilung des Pilatus bietet und von diesem gesichtspunkte
aus entstand dann die legende von der Verurteilung und dem
tode des Pilatus. Die bildung der legende wurde erstens, wie
die. aller christlichen legenden, dadurch unterstützt, dass das
neue testament im gegensatz zum alten testamente so wenig
eigentlichen erzählungsstoff enthält; dann aber auch dadurch,
dass, während sonst in der bibel und namentlich im alten
testamente kaum eine einzige sünde oder ein einziges vergehen
erwähnt wird, dem nicht auch eine bestimmte zeitliche strafe
auf dem fusse folgt, in unserm falle von einer solchen strafe
in der bibel nicht die rede ist.
Jedoch auch abgesehen von diesen allgemeineren rücksichten
ist in der bibel ein bestimmtes motiv enthalten, welches in die
geschichte des Pilatus einen geheimnisvollen, zu weiterer aus-
öchmückung verlockenden zug hineinbringt. Es ist diess der
träum der frau des Pilatus, durch welchen dieselbe aufgefordert
wurde, ihren gemahl vor der Verurteilung Christi zu warnen.
Dieser zug ist zwar weniger in der legende selbst, als nament-
lich in den meisten dramatischen bearbeitungen der passion
sehr ausführlich behandelt. Schon sehr früh kommt für sie der
name Claudia Procula vor, sie wird mit der im zweiten brief
an Timotheus erwähnten Claudia identificiert und es wird von
ihr erzählt, dass sie eine proselytin des tors gewesen sei ^2)
«0) Diese version findet sich in einer Görlitzer handscbrift des von
Pfeiffer evangelium Nicodemi genannten gedichtes.
") Tischendorf, pag 426 ff., über Pilatus als Christen cf. Fabricius
cod. apocryph. IIL 505.
«) IL Timoth. 4,21.— cf. Cahnet, art. Claudia. — Herzog, art. Pila-
tus. — Thilo, evang. apocr3rph. 522. ff.
Digitized by
Google
LEGENDEN UND SAGEN VON PILATUS. 93
Die griechisclie kirche hält sie für eine heilige. Man erinnerte
sich hierbei jedenfalls an die vornehmen Römerinnen, die sich
selbst in den zeiten der härtesten Verfolgungen vielfach dem
christentume und judentume geneigt zeigten. Fabricius erwähnt
eine in seiner zeit verfasste historia anecdota, welche die ge-
schichte der Claudia in sehr phantastischer und willkttrlicher
weise weiter ausspinnt ^3) Auch Abraham a santa Clara in
seinem „Judas der erzschelm" verherlicht sie in seiner weise
wegen ihrer fttrbitte fllr Christum. Der träum wird von den
meisten abendländischen kirchenvätem fär eine eiugebung des
teufeis gehalten, um den opfertod Christi zu verhindern. Dieser
auffassung schliessen sich auch der heliand und die meisten
dramatischen darstellungen der passion an;, am drastischsten
ist die scene behandelt in den Coventry mysteries und in dem
comisdien passionsdrama*^). Das von Jubinal mitgeteilte my-
störe de la passion erwähnt ein derartiges traumgesicht gar
nicht, sondern schildert in einer wahrhaft poetischen scene, wie
die frau des Pilatus mit ihrem söhne und ihrer tochter bei
ihrem manne um Schonung Christi bittet**) Diese kinder des
Pilatus kommen sonst sehr selten vor: in den rechnungsbtlchem
über die englischen mysterienauflftihrungen wird einmal scepter
und Streitaxt fUr den söhn des Pilatus erwähnt*') und in dem
St Galler passionspiel wird dargestellt, wie die frau des Pilatus
ihrer tochter den träum erzählt*') Elopstock stellt im Messias
das traumgesicht so dar, als ob der geist des Socrates der frau
des Pilatus erschienen sei
Pilatus selbst wird in den mittelalterlichen darstellungen
der passion und der auferstehung meist noch ungünstiger als
in der bibel dargestellt Einige mysterien, namentlich die passion
des Jehan Michel malen zwar die bemühungen des Pilatus um
die rettung Christi sehr ausführlich aus,i8) in den darstellungen
der auferstehung jedoch tritt er fast durchgängig als ein ent-
*3) cod. apoeryph. III. 398. Historia anecdota. noch eine publicierte
Geschichtßerzählung von der Frau Pilatusin etc.
*^) Lndus Coventriae, a coUection of mysteries formerly represented
at Coventry. London 1841 p. 310. Norris, the ancient comish drama. L 373 flf.
*») Jubinal myst^res in^dits vol. II.
»«) cf. Ebert, Jahrbuch L 44. flf.
*^ Mone, deutsche Schauspiele des mittelalters L 114.
") cf. Du M6ril pag. 340.
Digitized by
Google
94 CREIZENACH
schiedener feind Christi auf. Während er in der bibel die be-
wachung des heiligen grabes ganz den Juden überlässt, erscheint
er in den mysterien nach dem begräbnis meist in beratungmit
Annas und Kaiphas, um die auferstehung durch eine besetzung
des grabes zu verhtlten. In den betreflfenden scenen treten fast
überall vier Soldaten als Wächter des grabes auf, wiewol die
bibel hierzu keine veranlassung bietet; in derselben weise wie
diess mit der dreizahl der weisen oder könige aus dem mor-
genlande der fall ist. In dem oben erwähnten myst6re de la
passion und in den Chester-plays i^) erscheinen drei ritter, in
der westsächsischen Übersetzung des evangeliums Nicodemi wird
von 44 rittem gesprochen. 20) Die acta S. Longini Centurionis
erzählen, dass Longinus einer dieser ritter gewesen sei; von
Pilatus sagen diese acta, er sei „adversus Christi innocentianä
mercede conductus" gewesen. 21) Die englischen mysterien schil-
dern hier den Pilatus ganz besonders ungünstig. In den Towne-
ley mysteries hält er eine lange rede, in welcher er sich
selbst alles mögliche schlechte nachsagt; er schwört wie alle
beiden und Juden in den englischen und keltischen mysterien
tun, bei Mahomet; bei der grossen Sonnenfinsternis, welche
nach Christi tode eintritt, tröstet er sich sehr leicht damit, dass
er sagt, es sei diess dasjenige, was die gelehrten eine eclipsis
nennen. 22) Ebenso wird häufig erwähnt, dass er den Joseph
von Arimathia und den Nicodemus in das gefangnis habe
werfen lassen.
In dieser weise wurde der Charakter des Pilatus auch in-
nerhalb des in der bibel gegebenen rahmens immer ungünstiger
dargestellt und das bedürfnis nach einer erzählung von einer
bestrafung wachgerufen. Den nächsten anlass zu einer solchen
erzählung gabwol die notiz desJosephus, dass Pilatus im jähre
36 wegen niedermetzelung der Samaritaner auf dem berge
Garizim verklagt, abgesetzt und zur Verantwortung nach Rom
») The ehester plays. ed. Thomas Wright 1843. IL 87.
20) Wülcker, das evangelium Nicodemi in der abendländischen lite-
ratnr. Paderborn 1872. p. 18.
2») acta SS. 15. mz. tom. IL 386 ff.
^) Der abdruck der Towneley mysteries (London 1836 für die Surtee
Society) war mir nicht zugänglich, ich konnte nur den auszug bei Ebert
(Jahrbuch L 44 ff.) benützen.
Digitized by
Google
LEGENDEN UND SAGEN VON PILATUS. 96
geschickt worden sei. 23) Daran knüpfte sich später die erzäh-
lung; er sei von Rom aus nach einer Stadt im südlichen Gallien
geschickt worden, wo er sich dann selbst das leben genommen
habe; die angaben schwanken zwischen Yienne und Lyon.
Diese erzählung erinnert daran, dass mehrere jüdische fürsten
in der tat nach Gallien in das exil geschickt wurden; Arche-
laus wurde nach Vienne und Herodes Antipas nach Lyon ver-
bannt. Eusebius erwähnt zuerst diese version^ ihm schliessen
sich mehrere Chronisten an,^*) bis die sage später, wie unten
gezeigt werden wird, durch die Vermischung mit der Veronika-
sage eine andere gestalt erhielt. Ausserdem wird erzählt, dass
Pilatus in Gallien geboren sei, Chörier erwähnt, dass die städte
Vienne und Lyon sich darum stritten, welche von" ihnen das
meiste recht habe, sich den geburtsort des Pilatus zu nennen. 2*)
Übrigens wurde diese frühere gestaltung der sage durch die
spätere keineswegs vollständig verdrängt, sie taucht vereinzelt
auch noch im späteren mittelalter auf und hat auf dem schau-
platze, auf welchem sie spielt, mannigfache kleinere Umgestal-
tungen erfahren. In dem gedichte d^struction de Jerusalem
ist die frühere tradition mit der späteren combiniert. 20) Dort
wird erzählt, Vespasian habe nach seiner heilung durch Veronika
einen kriegszug gegen Jerusalem unternommen; Pilatus sei als-
dann in Jerusalem gefangen genommen, nach Vienne in das
exil geschickt und dort in einen türm eingesperrt worden;
nach zwjöi jähren sei alsdann der türm init ihm in einen ab-
grund versunken. Nach der erzählung des dichters wurde der
platz, auf dem diess geschah, noch zu seiner zeit in Vienne ge-
zeigt. Noch lange konnte man in Vienne ein pretoire de Pilate,
tour de Pilate, maison de Pilate sehen; die mannigfachen er-
zählungen, welche sich an diese gebäude knüpfen, weichen alle
nur in ganz unwesentlichen punkten von der alten tradition
vom tode des Pilatus ab. Chorief- meint, der name dieser ge-
bäiide habe mit unserm Pilatus gar nichts zu tun, sondern be-
23) Josephus. Antt. 4. 1.
2*) Eusebius. IL 7. Orosius 7. 5. Frekulf IL 1. 12.
**) Chorier. histoire du Dauphin^. Grenoble 166L vol. I. pag. 331.
26) Histoire litt^raire de la France. XXII. 412—16. Auch die von
Thilo (prolegg. CXXXVI. ff.) aus einem hallen ser codex mitgeteilte Ver-
sion hat noch spuren der alten Überlieferung.
Digitized by
Google
Ö6 CKEIZENACH
ziehe sich auf einen Italiener Humbert Pilati. 2^) In Schlözers
briefwechsel wird einmal erwähnt, dass auch ein schloss in der
nähe von St. Vallier als der Wohnort des Pilatus bezeichnet
wird. 28)
Die gewöhnliche version der Pilatussage steht im engsten
zusammenhange mit der legende von der Übertragung d^s
schweisstuches der heiligen Veronika nach Rom. Das älteste
Zeugnis für die anwesenheit jdieser reliquie in Rom fällt in das
jähr 705, in welchem jähre papst Johann VII. in der Peters-
kirche vor derkapelle der Maria ein tabemakel zur bewahrung
des schweisstuches errichtete. 2») In demselben Jahrhunderte
bildete sich dann die legende aus, welche offenbar die tendenz
hat, die bedeutung der reliquie dadurch zu erhöhen, dass die
bekehrung des kaisers und die bestrafung der feinde Christi
als durch sie herbeigeführt dargestellt wird; nur in ganz späten
Versionen der legende hat sich dieser Zusammenhang verwischt.
-Bei der erzählung der art und weise, wie die heilung des kaisers
vom aussatze durch, das schweisstuch herbeigeführt wurde, hat
offenbar die zur zeit der entstehung unserer sage schon voll-
ständig entwickelte, ältere und historisch begründetere legende
von der bekehrung des ersten christlichen kaisers mit einen
einfluss ausgeübt. Constantin nämlich soll am aussatze gelitten
haben; um sich nun von dieser krankheit zu befreien, will er
im blute von kindem baden, er lässt sich aber durch die trä-
nen dermütter dieser kinder dazu bestimmen, auf dieses blutbad
zu verzichten, und wendet sich, durch eine himmlische erschei-
nung belehrt, an den papst Sylvester, der ihn durch die taufe
von der krankheit befreit. Eine erwähnung dieser legende findet
sich -schon im 5. Jahrhundert. 3<^) Es ist offenbar, dass sie die
bildung unserer legende beeinflusst hat, am deutlichsten zeigt
sieh diess darin, dass in einer version der sage Constantin
2') cf. Calmet. art. Püatus.
28) Schlözer. Briefwechsel IV. 49. antiquarische reise in das südliche
Frankreich im Monat Mai 1776 von Hrn. adjunkt Oberlin in Strassburg.
2«) cf. W. Grimm. Die sage vom Ursprung der Christusbilder, pag.
144. Abhandlungen der Beriiner akädemie. 1842.
3«) Döllinger. Papstfabeln pag. 54.
Digitized by
Google
LEGENDEN UND SAGEN VON PILATUS. 97
auch als derjenige kaiser auftritt, welcher den Pilatus zur
rechenschaft zieht und bestraft. 3*)
Nach vielen Versionen der sage litt der kaiser aber nicht
am aussatze, sondern daran, dass er Ungeziefer, Würmer oder
wespen in seinem körper hatte. Nach dem lateinischen ge-
dichte von Pilatus herschten Titus und Vespasian damals zu-
sammen; Titus litt am aussatz, Vespasian daran, dass sein
körper mit wespen angefüllt war. Mehrmals wird sogar er-
wähnt, dass Vespasian von diesen wespen seinen namen er-
halten habe. ^^) Diese erzählung erinnert an eine alte jüdische
sage. Titus, erzählt dieselbe, litt auf dem meere mit den in
Jerusalem geraubten tempelschätzen stürm. Er verspottete
den gott der Juden, dass derselbe seinen feinden nur zu wasser
schaden könne; so habe er das beer des Pharao im roten meere
und das beer des Sissera im bache Kison vernichtet. Da rief
ihm eine stimme vom himmel zu: „wenn du an das land steigst,
werde ich dir einen gegner schicken den du nicht überwinden
kannst" Und sowie Titus ans land stieg, flog eine mücke
herbei, setzte sich ihm in das haupt und peinigte ihn sein ganzes
übriges leben. 3^) Dass das volk einem verhassten herscher
eine derartige krankheit andichtet, kommtauch sonst vor; von
Sulla, von Herodes, ja sogar noch von Philipp II. wird be-
kanntlich ähnliches erzählt. Diese sage ist übrigens schon sehr
alt, Eabbi Elieser ben Hyrkan, der zur zeit der Zerstörung des
zweiten tempels lebte, kennt sie bereits.'^*)
Dass Titus und Vespasian so häufig anstatt des in den
ältesten Versionen erwähnten Tiberius als diejenigen dargestellt
werden, an welchen die wunderbare heilung und ])ekehrung
durch das schweisstuch vollzogen wurde, dazu trug jedenfalls
der umstand bei, dass man bei ihnen wegen ihres feldzugs
gegen die Juden auf eine christliche gesinnung schliessen zu
können glaubte. Vielleicht erinnerte man sich aber auch bei
dem namen der Veronika oder Berenike, an das bekannte lie-
3*) Gildemeister und v. Sybel, der heilige rock zu Trier und die 20
andern ungenähten heiligen rocke. 3 aufl. pag. 54.
^) So berichtet u. a. die legendaaurea.
33) cf. Tendlau. Buch der sagen und legenden jüdischer vorzeit. 312.
^) Pirke R. Elieser. 49.
Digitized by
Google
98 CREIZENACH
besverhältnis des Titus mit der Jüdin Berenike; jedoch möchte
ich diess nicht bestimmt behaupten.
Ein verhältnismässig sehr spät zu der legende hinzugetre-
tener zug ist die erzählung von der wundertätigen Wirkung
des rockes Christi. In der gegend von Trier hat sich eine
tradition erhalten, in welcher ganz dieselbe begebenheit unter
anderen Verhältnissen nach Trier verlegt wird. 3*) Da die le-
gende nirgends erzählt^ wie Pilatus zu dem rock Christi ge-
kommen ist, so wurde in späterer zeit def versuch gemacht,
diesen umstand zu erklären. Im Donaueschinger passionsspiel
wird dargestellt, wie Israhel, dem bei der Verlosung nach der
kreuzigung der rock zugefallen war, denselben dem Pilatus zum
geschenk macht ^ß) Die Towneley Mysteriös, deren Verfasser
auch sonst die legende zu kennen scheint — er erwähnt, dass
Pilatus von Pila und Atus seinen namen erhalten habe — be-
richten, die henker hätten sich um den rock gestritten und
Pilatus habe ihn, zum Schiedsrichter aufgerufen, sich selbst an-
geeignet. Dass ein habsüchtiger richter sich eines von zwei
Parteien in ansprach genommenen gegenständes selbst bemäch-
tigt, ist ein zug, der auch sonst mannigfach in fabeln und anec-
doten vorkommt Sehr ausführlich ist die wundertätige Wir-
kung des heiligen rocks in dem cornischen dr§-ma dargestellt^
WO Pilatus mit dem kaiser über das anbehalten oder ausziehen
des rockes eine sehr unästhetische debatte führt.
Wie wir oben gesehen haben, schliesst sich nunmehr die
erzählung von der bestrafung des Pilatus sehr natürlich an und
hier brachte die sage einen zug an, der den Pilatus in den
äugen der mittelalterlichen leser oder zuhörer ganz besonders
verächtlich erscheinen lassen neuste. Es ist diess der Selbst-
mord, der gewis im mittelalter als ein ganz besonders unna-
türliches verbrechen erschien. Die uns aus dem mittelalter über-
lieferten fälle von Selbstmorden sind sehr selten; Dante, der die
höUenqualen der Selbstmörder als ganz besonders peinvoll schil-
dert, erwähnt bei dieser gelegenheit nur eine einzige historische
persönlichkeit, den Peter von Vinea.^^)
3*) Gildemeister und v. Sybel a. a. o.
^) Mone, Schauspiele IL 320.
•^') Inferao XIII. Lano, von welchem Dante erzählt, dass er nach
einem zügellosen leben in der schlacht den tod aufgesucht habe, kann
Digitized by
Google
LEGENDEN UND SAGEN VON PILATUS. 99
Dieser Selbstmord des Pilatus ist auch eine tat, die ihn
mit dem grösten Verbrecher des neuen testaments, mit Judas
Ischarioth auf eine stufe stellt und bei beiden wird auch sehr
häufig das unnatürliche dieses Verbrechens hervorgehoben. In
dem St Galler passionsspiel sagt Augustinus, der in diesem
drama ungefähr die rolle des antiken chors vertritt, beim tode
des Judas, dass demselben, wenn er sich nicht erhängt hätte,
gewis seine Sünden vergeben worden seien. ^®) Ebenso werden
dem kaiser in sehr vielen Versionen der legende werte des ab-
scheus und der entrüstung über den Selbstmord des Pilatus in
den mund gelegt
Die Versenkung des leichnams in den Tiber steht mit dem
Selbstmord in engster Verbindung. Es ist ein mehrfach nach-
gewiesener gebrauch, dass Selbstmörder nach ihrem tode in einen
fluss geworfen wurden; gewöhnlich wurden sie zuerst in ein
fass gesteckt und dann dem ströme überlassen.^*) Es knüpf-
ten sich nunmehr an den platz, an welchem die Überreste des
Pilatus sich befanden, allerlei unheimliche geschichten an, wie
sie sich leicht an der grabstätte eines Verbrechers bilden. Wahr-
scheinlich waren zu der zeit, wo die erzählung von den Wir-
kungen des bösen geistes in dem Tiber sich bildete, schon ähn-
liche traditionen inVienne vorhanden; in der wendung, welche
die legende dadurch nimmt, dass sie den leichnam von Born
nach Vienne gebracht werden lässt, liegt gewissermassen eine
concession an die ältere Überlieferung vom tode des Pilatus.
Einige Versionen kennen jedoch diese Übertragung des leichnams
nach Vienne nicht In einer version wird erzählt, dass die leiche
zuerst, nachdem man sie aus dem Tiber herausgeholt hatte,
ins meer geworfen sei; dann aber weil dort alle fische umge-
kommen seien, habe man sie in die wüste gebracht*®) Im
nach unseren begriffen gar nicht für einen eigentlichen Selbstmörder
gelten.
3*) Mone, Schauspiele. I. 59.
^) cf . Bourquelot. Becherches sur les opinions et la legislation en ma-
ti^re de mort volontaire pendant le moyen äge. bibliotheque de l'ecole
des chartes. tom IV. pag. 456. flf. Paris 1842—43. — Föringer, über den
gebrauch, Selbstmörder in schwimmenden tassern zu bestatten. Oberbay-
risches archiv für vaterländische geschichte. IL 407 ff.
*^) Massmann, kaiserchronik III. 606.
Digitized by
Google
100 CREIZENACH
kornischen drama ist sogar schon die blosse berührung mit
dem Wasser unheilbringend; es wird dort dargestellt, wie ein
Wanderer, der sich in dem wasser des Tiber wäscht, sofort
tot niedersinkt.
In Vienne hatte Pilatus noch keine ruhe. Der leichnam
wurde wider hervorgeholt und in einen gebirgsee der Alpen
versenkt Hier vermischten sich einheimische, volkstümliche
demente mit der sage. Einsame gebirgseen waren in der
heidnischen zeit vielfach göttersitze und diese wurden dann
häufig in christlicher zeit zum sitze böser geister. In den
meisten fällen wird der see oder brunnen, in welchen Pilatus
versenkt wurde, gar nicht ausdrücklich genannt, gewöhnhlich
whrd aber hinzugefligt, dass auch dort noch manchmal der
geist ungewitter veranlasse. In dem lai gedichte von Pilatus
wird erzählt, dass der leichnam in einen feuerspeienden
berg geworfen worden seL*^)
Der berg, den wir jetzt Pilatusberg nennen, kommt nach
Massmann mit diesem namen zuerst bei Conradus de Mure vor
(1273), an ihm hat sich die sage localisiert. Hierzu trug bei,
dass auch sonst vom Pilatusberg mancherlei wunderbares er-
zählt wird. So wird die fabel, dass auf dem Pilatusberge
drachen vorkommen sollen, noch von Scheuchzer in seinem
ovQsai^olrrjg helveticus, dem ersten wissenschaftlichen werke
über die Alpen, erwähnt. ^^^ Es ist schon häufiger darauf hin-
gewiesen worden, dass diese lokalisierung wahrscheinlich einer
zufälligen namensähnlichkeit ihren Ursprung verdankt. Der
Pilatusberg dient nämlich in der gegend als Wetterprophet;
wenn sich die wölken in der gestalt eines hutes um ihn sam-
meln, so bedeutet dieses gutes wetter, daher die Wetterregel:
Wenn der Pilatus hat einen hut
So ist das wetter fein und gut.
♦0 Aehnlich erzählt eine Nürnberger chronik (Btißching wöchentliche
Nachrichten Breslau 1816. pag. 301.) dass Hatte von Mainz vom teufelin
den Ätna geworfen worden sei. Vom herzog Amolph von Bayern wird
hänfig erzählt, dass der teufel seine leiche in einen see bei dem kloster
Scheym geworfen habe (Aventinus, ann. boj. üb. IV. 22, 24.)
**) Scheuchzer, ovQ€ai(pokijg helveticus. Lugd. Bat. 1723. 11. 390 flf.
Die Wetterregel wird I. 23 erwähnt. Über die sage vom erdmännchen
auf dem Pilatusberg cf. Kochholz. Schweizersagen aus dem Aargau. 1. 325.
Digitized by
Google
LEGENDEN UND SAGEN VON PILATUS. 101
Von dieser eigentümliehkeit wurde der berg, dessen deutscher
name eigentlich Fragment 43) (monsfractus, in der franz. prosaer-
zählung Mont Tranchiö) ist, wahrscheinlich in lat spräche
mons pileatus genannt. Nun existierte von dem see auf dem
Pilatusberg wie von vielen andern bergseen die erzählung, dass
ein in denselben geworfener stein stürm und unwetter erzeuge.
Ganz das nämliche berichten von vielen andern seen Earcher
im mundus subterraneus und Liebrecht in den anmerkungen
zum Gervasius von Tilbury.'*^) Kircher erzählt zwar, dass die
Jesuiten dieser gegend häufiger ohne erfolg sich von der be-
rechtigung dieser erzählung zu überzeugen suchten; aber trotz-
dem war die fiircht vor diesen ungewittern so gross, dass der
rat von Luzem die besteigung des berges verbot. Der natur-
forscher Gesner muste sich eine besondere erlaubnis zur
besteigung des berges erbitten. ^5) Diess alles den Wirkungen
eines bösen geistes zuzuschreiben, lag sehr nahe und so konnte
es wol einem geistlichen der gegend, der diesen mons pileatus
kannte und der auch von der legende wüste, nach welcher
der ins wasser geworfene leichnam des Pilatus Überschwem-
mungen und stürme erzeugte, sehr leicht einfallen, den mons
pileatus mit Pilatus in Zusammenhang zu bringen, was um so
wahrscheinlicher wird, wenn man bedenkt, wie viele sagen
einer derartigen zufälligen Übereinstimmung ihren Ursprung
verdanken, selbst wenn ausserdem nicht so viele bedeutende
momente wie bei unserer sage mitwirken. Der name
des Pilatus selbst ist ja auch wahrscheinlich auf Pileatus,
ein mit dem filzhut versehener, freigelassener, zurückzu-
fahren, ^ß) Die grosse Verbreitung, welche die sage durch
diese lokalisierung in der ganzen gegend fand, hatte zur
folge, dass auch sonst in der Schweiz mancherlei von
«) Rochholz n. 309.
**) Kircher, mundus subterraneus 1.311. b. — Liebrecht, die otiaim-
perialia des Gervasius von Tilbury (zu der stelle Leibnitz pag. 1()04>
ähnliche erzählungen bei Wolf, deutsche sagen. Nr. 263. 268.
*5) cf. Nork. Mythologie der deutschen volkssagen und Volksmärchen,
kloster IX. 980.
*ö) cf. Herzog, art. Pilatus.
Digitized
dby Google
1Ö2 CÄElZENACfl
Pilatus erzählt wird. In vielen dieser erzählungen hat Pi-
latus Züge angenommen, die an die sage vom ewigen Juden
erinnern.*')
In ihren grundzügen ganz unabhängig von dem bisher
dargestellten ist die sage von der geburt und Jugend des Pilatus
bis zum auftreten Christi. Sie ist offenbar in verhältnismässig
später zeit entstanden und zwar mit der bestimmten tendenz,
die Schicksale des Pilatus i^u einer vollständigen biographie
zu ergänzen und abzurunden, wiewol eigentlich an Pilatus bloss
sein Verhältnis zu Christo und seine bestrafung interessierte.
In mehreren einzelnen punkten tritt die tendenz ganz offen zu
tage, später geschehenes im voraus zu motivieren. So ist bei
der erzählüng, dass Herodes den Pilatus aus Pontus berufen
habe, dann aber von diesem aus seiner Stellung verdrängt
worden sei, jedenfalls im voraus daran gedacht, die im neuen
testamente (Lucas 23, 12) erwähnte feindschaft zwischen Herodes
und Pilatus zu erklären. Der brudermord des Pilatus ist^ —
abgesehen von der allgemeinen tendenz, den Charakter des Pi-
latus möglichst ungünstig darzustellen — vielleicht auch des-
halb hinzugefügt, weil der Verfasser der erzählüng wissen
mochte, dass die Versenkung in einen fluss die alte römische
strafe des parricidiums war und auf diese weise dem Pilatus
auch ein parricidium aufgebürdet wurde; wenn auch für die
Versenkung des leichnams in den Tiber, wie wir oben gesehen
haben, schon durch den Selbstmord ein genügender grund gege-
ben war. Dass der autor auch sonst mit dem römischen alter-
tum nicht ganz unbekannt war, beweist unter andern der
umstand, dass er erzählt, Pilatus habe den namen Pontius von
der Unterjochung des landes Pontus erhalten, woraus hervor-
geht, dass er die alte römische sitte kannte, feldherm und
Staatsmännern nach gewonnenen schlachten und unterworfenen
landstrichen beinamen zu erteilen. Alle diese züge machen es
deutlich, dass wir es hier im wesentlichen mit einem gelehrten
sagengebilde zu tun haben, einem sagengebilde, das es sich
zur aufgäbe macht, dem vorhandenen Stoffe bis zu seinen
äussersten anfangen nachzuspüren.
*') ßochholz II. 306 ff.
Digitized by
Google
LEGENDEN UND SAGEN VON PILATUS. 103
Schon gleich zu anfang die erzählung von d^r geburt des
Pilatus macht den eindruck einer durchau» willkürlichen er- '
dichtung. Der name des königs, Atus, Tyru», oder Cyrug, der
umstand, dass der könig zugleich auch ein astrolog war, die
art, wie er seine diener nach der Pila ausschickt: diess alles
sind Züge, die mehr an ein orientalisches märchen, als an eine
deutsche volkssage erinnern; auch ist es dgentümlich, dass
Yon Pilatus weiter nichts prophezeit werden soll, als dass er
dereinst ein mächtiger herscher sein werde. Überhaupt passt
eine derartige ausführliche erzählung yon der geburt und Jugend
wol in die biographie eines gewaltigen herschers oder grossen
eroberers, nicht aber in die eines an und für sich so unbedeu-
teoäßa menschen wie Pilatus. Und wirklich stellt sich heraus,
ddffi hier eine sage von der geburt und Jugend Karls des
Grossen ganz willkürlich auf Pilatus übertragen ist, wenn auch
die uns erhaltenen schriftlichen aufzeichnungen dieser sage in
eine spätere zeit fallen, als die ersten aufzeichnungen der sage
von der geburt des Pilatus. Von den beiden für unsem zweck
hauptsächlich in betracht kommenden darstellungen der geburt
Karls, nämlich ^er Wolterschen chronik und der Weihen-
stephaner Chronik, enthält auch die später c. 1460 abgefs^sste
W^oltersche chronik ofienbar eine ältere darstellung als die
W^eihenstephaner, die wahrscheinlich aus dem 13. Jahrhundert
stammt.*») Die Woltersche chronik erzählt:
König Pipin wollte Bertha, die tochter des königs Theo-
dorich heiraten; er schickte deshalb boten zu könig Theodorich,
um für ihn um sie zu werben und sie alsdann In sein land zu
geleiten. Theodorich nimmt den antrag an und gibt seine
tochter sogleich den von Pipin abgesanten drei rittem mit.
Unterwegs beschliessen die ritter aber, Bertha auszusetzen und
dafür dem könig die tochter des einen von ihnen als gemahlin
zuzuführen. So geschieht es und Pipin vermählt sich mit der
falschen Bertha; die echte Bertha aber findet nach langem um-
herirre» im walde bei einem müUer Zuflucht. Bei diesem ver-
weilt sie mehrere jähre. Pipin kommt nun einmal auf einer
♦») Chron. Henrici Wolteri. 20—21. Meibomius. scriptt. rer. Germ. II.
ef. Wolf, neuste leistungen der Franzosen flir die herausgäbe ihrer natio-
nalheldengedichte. Wien 1833.
Digitized by
Google
104 CREIZENACH
jagd in die mühle, in welcher sieh Bertha aufhält; diese wird
ihm zu willen und verabredet mit ihm, dass, wenn sie einen
söhn zur weit bringen werde, sie denselben mit einem bogen
bewaiSaet zu ihm schicken wolle. So kommt Karl an den hof
Pipins, hat aber immerwährend mit den kindem der falschen
Bertha Streitigkeiten und wird in folge dessen auf den rat der
falschen Bertha an einen auswärtigen hof verbannt. Soweit die
erzählung der Wolterschen chronik, insofern sie für unsern zweck
von bedeutung ist; die Weihenstephaner chl-onik, welche die
geburt Karls in der Reissmühle bei Weihenstephan vor sich
gehen lässt, fügt hinzu, dass der könig von einem astrologen
begleitet gewesen sei^ welcher die zukünftige grosse des in der
betreffenden stunde gezeugten kindes aus den stemen geweis-
sagt habe.
Die Übereinstimmung dieser sage mit der unsrigen ist offen-
bar. Züge, die in eine sage vom leben Karls sehr gut passen,
sind hier ganz willkürlich auf Pilatus übertragen. Die mühle,
welche in allen Versionen der Pilatussage gleichmässig vor-
kommt, der merkwürdige umstand, dass in beiden fällen nicht
etwa aus der constellation der geburtsstunde, sondern aus der
constellation bei der zeugung gewahrsagt wird,^^) der streit
mit den andern königskindern, die Verbannung an einen aus-
wärtigen hof: das alles sind züge, die beiden sagen gemeinsam
sind. Die einfach volkstümliche erzählung von der geburt
Karls hat, wie oben bereits angedeutet, ihr ursprüngliches
colorit durch den ausländischen namen des königs, durch die
etymologische Spielerei etc. eingebüsst. Die auf Pilatus durchaus
nicht passende Prophezeiung blieb bestehen; die absieht, diesen
auffallenden zug zu mildern, trug jedenfalls dazu bei, dass Pi-
latus im weitern verlauf der sage als unterjocher von Pontus
dargestellt wurde.
Jedenfalls erklärt sich durch diese Zusammenstellung die
sage von der geburt des Pilatus auf eine klarere und einfachere
weise, als wenn man mit Mone und Massmann annimmt, die
entstehung dieses teils der sage hänge damit zusammen, dass
die 22. römische legion, die zur zeit der Zerstörung des zweiten
«) cf. Simrock. Handbuch der deutschen mythologie. 3. aufläge
pag. 162.
Digitized by
Google
LEGENDEN UND SAGEN VON PILATUS. 106
tempels in Jerusalem lag, bald darauf an den Bhein gekommen
sei; diese reminiscenz ist offenbar zu weit hergeholt; ich wüste
auch keine andere sage, in welcher diese 22. legion eine rolle
spielt. Allerdings gibt es eine tradition, nach welcher der
Stammvater des hauses Dalberg die 22. legion und mit ihr die
ersten Juden nach Worms geführt hat,^») jedoch ist diess offen-
bar eine der vielen spät entstandenen sagen, die in der ahnen-
sucht vieler adeliger herren ihren Ursprung haben und ist offen-
bar mit anlehnung an die alten sagen vom hohen alter der
Judengemeinde in Worms entstanden, welche sich unter anderm
auch rühmt, einen boten nach Jerusalem geschickt zu haben,
um vor der kreuzigung Christi zu warnen. Menzel glaubt auch,
dass der söldnerdienst der Germanen in den römischen legionen
zu dieser Wendung der sage veranlassung gegeben habe. Er
führt auch an, es existierten „mancherlei spottreden über die
Westfalen, die angeblich Christum sollen gekreuzigt haben"
ohne hierüber bestimmte nachweise zu geben. ^^)
Einen entschieden volkstümlichen zug aber hat dieser teil
der sage in sich aufgenommen, wenn Pilatus als Mainzer dar-
gestellt wird. Sehr viele bösewichter und Verräter, namentlich
unter den feinden Karls des Grossen, werden als Mainzer dar-
gestellt. Auch in der geschichte des mittelalters gibt es hierflir
mehrere beispiele, die Massmann in den anmerkungen zur
kaiserchronik (pag. 280 — 81) zusammengestellt hat Das be-
kannteste beispiel dieser art ist wol der erzbischof Hatte.
Döllinger will auch die fabel von der päpstin Johanna mit die-
ser tradition in Zusammenhang bringen, da diese auch eine ge-
borene Mainzerin gewesen sein soll. ^^) Auch in einigen Versio-
nen der sage von der geburt Karls spielen die Mainzer eine
sehr unrühmliche rolle; von der falschen Bertha wird häufiger
erwähnt, dass sie eine Mainzerin gewesen sei. ^^) Sonst ist aus
dem Karlssagenkreise Ganelon das bekannteste beispiel und
merkwürdiger weise gibt es eine tradition, nach welcher auch
Juda*s Ischarioth, dessen rolle unter den zwölf Jüngern Christi
auch sonst an die rolle erinnert, die Ganelon unter den zwölf
^) Bechstein, Mythe, sage, märe und fabel etc. vol. III. pag. 43.
") W. Menzel.^ Geschichte deutscher dichtung I. 238.
*2) Papstfabeln, pag. 40.
^) cf. Wolf, neuste leistungen etc. 48. ff.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. I. $
Digitized by
Google
106 CREIZENACH
genossen Karls spielt, aus Mainz stamme.^*) Also widerum
ein zug, der den Pilatus mit Judas Isßharioth in Verbindung
bringt, eine Verbindung, welche auch in der Judaslegende vor-
kommt, indem dort Judaß als diener und vertrauter des Pilatus
auftritt. 55)
Jedoch gibt es auch noch versahiedene andre traditionen
über den geburtsort des Pilfttus, Dass derselbe nach einigen
in Frankreich geboren mv^ soll, ist bereits oben erwähnt und
^aljen diese traditiopen mit der uns vorliegenden sage wol
nichts ^u tup. Sehr hwfig wird ein ort in Bayern als ge-
burtsort erwähpt> oflF<ßnbar mit anschluss an die tradition von
der göburt Karls des Gross^u. Die lateinische und die franzö-
k\m^^ prosa l^s^e^i ih» m ßiuew ort in der nähe von Bamberg
geboren werdQ»^ d^r m lateinischen Berleich, im französischen
J^^ich genannt wird- N^^oh einer vielvQrbreiteten tradition ist
Pila,tM¥^ in Fprchheim geboren; es ist hierüber ein alter leoni-
nischer vers erhaltfJi;^,
FQrc^hßDaii Wtm est Pontius ille Pilatus,
Teutppic^ß g^ntis crucifi^or omnipotentis.
Pa,flzer beriol^tßt, dftßs in Forchbeim früher die roten hösen
d^ftPilo-tup gezßigt vyord^n seiön und erwähnt auch sonst meh-
rfirß tr*ditionßn, die sich in Forchheim und in dem benachbar-
t^ipi dQrfeHa-vsen a-nPilatiip kflüpfßn.^^) Auch in dieser gegend
exi^tiqrßn sagen ym der abstj^mmung vornehmer geschlechter
auß dem qrient, di^alben ab^r mit der Pilatussage in zusam-
menhing zu bringen, wie djess in den Jahresberichten des histo-
rischen verzins fUr Mittelfranfeen ^^) geschieht, ist doch wol ver-
fehlt, Dies^ geneajogii^chen sagen bestehn in einem von Aur-
b^cher im volksbtlchlein mitgeteilten schwanke. Dort wird er-
zählt, die herren von ßiedesel, Gebsattel, Aufsess und talm
hätten sich gegen einander mit dem alter ihres geschlechts ge-
rühmt, wobei Riedesel erzählt, seine vorfahren hätten Christo
bei seinem einzuge in Jerusalem den esel geliefert; Gebs^ttel,
5*) Kaiserphronik III. 598.
*5) cf. Du Meril a. a. o. — Abraham a santa Clara ergeht sich im „Judas"
über diess verbHltnis in einer seh^ aui^fmirlichen betr^chtog-
^) Panzer. B^yr, sag§^ u. brauche. JJ§itr. ?., A^iitficheft wytiiplpgie^II. 23.
") Neunter Jahresbericht. 1839. pag. 53. — (Awbft^^U^r) VQlki|büch-
lein. 2. teil. pag. 23. „die adfjspifol^.'- M,tl9i9h^i^ 1835,
Digitized by
Google
LEGENDEN UND SAGEN VON PILATUS. 107
seine vorfahren hätten ihm einen sattel geschenkt, Aufsess, die
seinigen hätten ihn auf den esel hinaufgehoben und Palm end-
lich erzählt, seine vorfahren hätten unter das volk die palmen
verteilt, die Christo bei seinem einzuge auf den weg gestreut
wurden. Diese erzählung ist jedenfalls ein schwank in welchem
die ahnensucht einiger adligen verspottet wird und herr v.
Aufsess selbst sieht in der von ihm verfassten geschichte seines
geschlechts die erzählung für nichts anderes an.^^)
In Siebenkees materiWien zur geschichte der Stadt Nürn-
berg ist ein reisebericht des russischen metropoliten Isidor mit-
geteilt, welcher im jähre 1436 von Moskau zum concile nach
Florenz reiste und auch drurch diese gegendenkanL^») Dort wird
von einer stadt Pont in der nähe von Bamberg gei^jprocheBi,
welche an einem flusse Tisk liege; diess sei der geburtsort
des Pilatus, welcher daher auch der Pontiskische Pilatus heissß.
Siebenkees vermutete schon, d^ss hier eine Verwechselung mit
Forehheim vorliegt und diess ist um so wahrscheinlicher als
auch sonst in diesem reiseberichte die Ortsnamen auf d$k9 wun-
derlichste verdreht werden.
In Herzogs realencyclopädie wird einer tradition gedacht,
nach welcher Pilatus ein Spanier gewesen und auf der Univer-
sität Huesca studiert haben soll, ohne dass weitere belege oder
motivierungen zu dieser version angegeben sind.
Simrock teilt in seinem kinderbuche ein kinderlied mit, in
welchem Petrus und Pilatus als auf einer gemeinsohaftUchw
Wanderung begrilBen geschildert werden/^) Simrock zählt das
gedieht unter die verse, welche von den kindern beim spiel »um
abzählen verwendet werden. Es wäre möglich, dasft in diesem
liede auf einen der vielen volkstt^mlichen schwanke angespielt
ist, welche \on Wanderungen des Petrusi erzählen, wiewol in
dioeen schwanken Petrus meist in gesellschaft Chrißfti auftritt
'*) H. V. Aufsess in den berichten des historischen Vereins für Ober-
tranken, heft I.
^) Siebenkees. Materialien zur geschichte Nürnbergs I. 29S. ff.
«>) Simrock. Kinderbuch 2. aufläge. 197. ^
LEIPZIG, WILHELM CEEIZENACH.
Digitized by
Google
ÜBER DIE LETANIE.
Die deutsche litanei des 12. Jahrhunderts — „Heinrichs
litanei aller heiligen", wie man sie gewöhnlich bezeichnet —
ist bisher noch keiner 8pecialuntersucl\ung unterzogen worden.
Die literatur darüber beschränkt sich auf die kurze aufführung
in den literaturgeschichten und auf die wenigen worte, welche
W. Grimm gesch. d. reims S. 41 — 42 und Diemer in der ein-
leitung zu den deutschen gedichten ihr widmen. Und doch
lässt der inhalt dieses gedichtes nicht minder wie die eigen-
tümliche art seiner Überlieferung noch so manche wichtige frage
zu erledigen. Vor allem ist es weder wissenschaftlich festge-
stellt, in welcher der beiden überlieferten formen wir die ur-
sprüngliche „letanle" zu suchen haben, noch wie sich diess
deutsche gedieht zu der kirchlichen lateinischen litanei verhalte
und welcher platz ihm überhaupt in der literaturgeschichte des
12. Jahrhunderts anzuweisen sei.
Die folgende abhandlung soll ein versuch sein, zur aus-
fÜUung dieser lücke beizutragen.
Die eine der beiden recensionen unseres gedichtes ist in
einer hs. des 12. Jahrhunderts erhalten, die sich in der öffent-
lichen bibliothek zu Graz befindet und nach Diemer (d. ged.
XVII) aus dem stifte Lambrecht in Steiermark stammt. Sie
besteht aus 134 pergamentblättern und enthält zuerst lateinische
gebete einer frau, dann „sehr schön und zierlich geschrieben"
die letantjB in 950 versen, worauf dann deutsche und bis ans
ende lateinische „gebete einer frau" folgen. Sie ist abgedruckt
in Hoffmanns fundgruben IL s. 216 ff.
In anderer, weit umfänglicherer gestalt war das gedieht
in einer strassburger hs. überliefert, die früher dem coli, societat
Jesu Molshemy im Nieder -Elsass angehörte und beim brande
Digitized by
Google
ÜBER DIE LETANIE. 109
der bibliothek i. j. 1870 mit veniichtet wurde. Die hs. enthielt
Hartmanns „rede vom glouben", die letante mit 1468 versen
(also 518 V. mehr, als die Gräzer), das Alexanderlied und das
gedieht von Pilatus, welches nach einer randbemerkung i. j.
1187 niedergeschrieben wurde. Mit besonderer Sorgfalt scheint
der Schreiber bei ihrer abfassung nicht zu werke gegangen zu
sein, denn es kommen ziemlich viele fehler und nachlässigkeiten
Yor, wie wir sie bei unserm gedieht noch finden werden. Der j
vollständige abdruck der hs. befindet sich in Massmanns deut-
schen gedichten des 12. Jahrhunderts I s. 43 fil
Die beiden recensionen weichen erheblich von einander ab
und es ist daher unsere nächste aufgäbe, durch eine eingehende
vergleichung derselben die ursprünglichere gestalt unseres ge-
dichtes zu bestimmen. Da beide hss. schon in ganz verschie-
denen dialekten geschrieben sind, so kommt es zuerst darauf
an, festzustellen, ob die sprachlichen eigenttimlichkeiten der
Strassburger oder der Gräzer hs. mehr anspruch auf Originalität
haben: dann erst werden wir zu der frage nach den kritischen
Vorzügen des einen oder des andern textes schreiten.
Wir geben daher zunächst eine kurze Übersicht über den
dialekt jeder hs. ^
Die Strassburger hs. (S) trägt durchaus das gepräge des /
mitteldeutschen, was wir aus folgenden lautlichen Verhältnissen
entnehmen.
I. Vocale.
a kommt statt seines umlautes e vor, wenn auch nur ver-
einzelt, so: du samftis v. 83, tageUh 250, widerwärtigen 761. —
a für ö in sdl (ich soll) 461 und oft, und in sal, (der pfuhl) 462
(dagegen findet sich durchgängig wol, während in andern teilen
der hs., z. b. dem Alexander, oft wal geschrieben wird).
a für e in larte 237 karte 238 (daneben aber auch 588 u.
89 lerte: bekerte). ä nicht umgelautet in maninne 278, harin
1062, Saide 1306, vereinzelt in der endung -äre: sundäre 520
(gleich darauf sundere\ bigihtare,
e für i findet sich stets in der allgemein md, form bren-
gen (903, 953, 319 u. ö.) auch in irwenden (intransitiv) v. 917
— Die Schreibung e für ce ist ganz durchgängig. (Das
zeichen ce nur v. 273 in gescegent für e) — ö für ei nur in ani-
redis 43.
Digitized by
Google
110 VOGT
i für 6 in wir (wer) 492, irlidige 1294, irkfnnis 85, swiligen
544. — dagegen für den umlaut von a in dlrres 149, Usches
(transitiv) 157, verbrinnen (träne.) 1011. — In bildungs- und
flexionssuffixen steht in der regel i statt des mhd. e (muiir,
iohiir, tu/vil, vbir u. a w.); ausnahmen sind verhältnismässig
selten. — Bei den untrennbaren partikeln wird durchgängig
he-, ge- geschrieben; ent-, ver- wechseln mit int-, vir-; /r- steht
ohne ausnähme. — i für ie nur in virstiz 127, behilt 209, ini-
phinge 1367.
6 für uo in vozscamele 388, vozen 236, armote 322, tvochir
596, mose 781 u. s, w. Gewöhnlich aber wird uo durch u ver-
treten; w kommt ganz vereinzelt vor und auch da nicht aus-
schliesslich für uo z. b. in scuhes 153 für ü (hd. sciuhes).
M für ö in uzgermmene 543, vemumen 814, auch suUch
V. 558 können wir annehmen (der Schreiber machte fuUch
daraus). — ü, üe, oe existieren nicht. •— Ä für iu häufig z. b.
/wr.626 u. 628, irsures 66, duzit 179, fluzit 180, Äw/e 485,
^g/w^^ 494, aber auch iu ist nicht ganz selten (fliuhis, /iure).
II. Consonanten.
d&LY t durchgängig nach l (einvaldic, woldis, gelden u. s. w.),
nach r in vjerden 1170. Zwischen vokalen hie u. da; z. b.
antredis 43, zuleidis 4A, arzidein 768, leiden (ducere) 956. —
t fällt manchmal nach f ab z. b. vientscaf 431, hotscaf 1363,
gesceffe 175, .v(?^/7?n 367 {:hefte\ t unverschoben nur in ttve-
lif 570.
jp regelmässig unverschoben im anlaut; pife 730, phic 851,
p%if 824 u. oft, palenze 199. Inlautend in cloppen, troppin
1397 u. 1398; dagegen verschoben in vorcemffe 568.
h fällt hie und da nach l ab: bevelen 1335, bevolen 1283,
verswolen 1284 (daneben z. b. bevalch 644 fe«;a/Ä 1202). — Vor
^ wird Ä assimiliert in asselin 702, bei vorausgehendem langen
vokal fällt es aus in wvs 263; ausfall vor t kommt vor in it
756 u. 954, nit oder niei wird fast durchgängig geschrieben. —
Ausfall zwischen vokalen in hoes 49, gemale 200, entphan 425,
*/an 968, zare 1164; aber nicht überall findet er statt. — ch
und h im auslaut für g (resp. /r) z. b. in slach 1070, ^rwcÄ 1061,
burch 1122, /aÄ 1183; daneben aber z. b. ^^/ac 1184
Digitized by
Google
ÜBER DIE LETANIE. 111
71 fallt im Infinitiv ziemlich häufig ab z. b. verüUge 949,
sehe 976, Ulihe 1^1^ vergehe 590.
Wir fügen noch einiges über charakteristische wortformen
hinzu. Das md. sichein kommt v^ 774 vor; die nd. form fttr
Mnnm finden wir einmal 622 in burninde (627 ist wol brin-
ninde zu lesen, denn auch diese form kommt vor z. b. 1011);
787 u. 1319 weist die hs. die form nirgen auf, die dem hd.
fremd ist; echt md. ist auch die form zu- der untrenn-
baren Partikel mhd. zer. Die bildungssilbe -ine an stelle des
hd. -ic kommt in kuninc öfter, v. 1019 auch in der form leben-
diiigen vor. Die für den nom. masc. des bestimmten artikels
fast ausschliesslich gebrauchte form ist di (worin übrigens
unser gedieht vom Pilatus, der immer der hat, abweicht,
während der Gloube auch häufig, aber nicht imtiier und der
Alexander sehr selten diese form zeigt). Der nom. f. lautet äi
(einmal de 1059), ebenso der nom. plur. neutr.; denn die endong
m ist, wie überhaupt im md. so auch in der hs. unsrea
gedichtes überall verstümmelt; am vollsten hat sie sich noch
im Instrumentalis erhalten, ftlr den »ich durchgängig die form
^ findet. Die allgemein md. form des pron. poss. unse, un-
m u. s. w. ist überall durchgeffthrt.
Das mag zur Charakterisierung des dialektes der hs. S ge-
nfigen; es kann danach kein zweifei sein, dass sie von einem
Mitteldeutschen niedergeschrieben wurde und zwar, wie W,
Grimm vermutet, wahrscheinlich am Mittelrhein, vielleicht in
Mainz, wo der dichter des Pilatus seine quelle fand.
Dahingegen zeigt uns nun die Gräzer Hs. (G) unser gedieht
in rein oberdeutscher gestalt ohne jede md. einmischung; viel-
mehr trägt ihre Orthographie die kennzeichen des österreichi-
schen dialektes.
Besonders charakteristisch ist dafür das Überaus häufige
vorkommen des a fttr o vor r. So finden wir mit einer auß-
nähme (Fdgr. II, 227, 33) immer tvari statt rvort geschrieben,
60 ferner war den part. praet. (217,22), vertvarht (226, 16) u. s.w.
(ß bezeichnet, wie in andern guten hss. des bairisch-öster-
reichischen dialektes (cf. Weinhold bair. gramm. §42), so auch
in 6 immer den umlaut des a. Auch den unechten umlaut,
der in jenen hss. nicht selten ist, zeigt G. z. b. in gervoeffente
220, 36. Daneben dient oe auch ganz vereinzelt zur bezeich-
Digitized by
Google
112 VOGT
nung des umgelauteten a so in vcmer 217, 32. Die form
rvoehse 220, 8 zeigt unechten umlaut des a.
ie wird überall bezeichnet (zeichen: ie oder %e).
Dialektisch tritt es ein in liehart 217, 36 für lihart oder
leohart und in dem öfter vorkommenden hiete (in G einmal im
reim auf diete 229, 29).
m wechselt manchmal mit ü; auch die Verbreiterung zu
eu, welche um diese zeit zuerst in Osterreich sich ausbildet,
tritt schon auf in Worten wie erleuge 225, 33, irleuhte 218, 37,
teuflich 234, 39, den, warm 217, 29 u. s. w. (sie findet sieh
übrigens auch schon in der Vorauer hs.*)
u wird ziemlich konsequent als zeichen für uo gebraucht.
Vereinzelt wird es auch für u angewant, z. B. chünden 217, 16
furste 217, 30 gegenrvurte 222, 14. Vielleicht ist hier wirklich
die österreichische diphthongisierung zu uo eingetreten, die be-
sonders vor liquiden beliebt ist {gegmtvurt z. b. kommt in Tür-
lins kröne 4002 im reime auf fuori vor) vergl. Weinhold bair,
gramm. § 114, ü für uo finden wir in wühs und, wol vermittelt
durch ü, auch fftr iu in schuhist 218, 26.
ßücksichtlich des consonantismus der hs. wollen wir als
ein Charakteristikum die durchgängige Schreibung des strenghd.
ch für gemeinhd. k hervorheben. Vereinzelt tritt auch die
strenghd. Verschiebung der labiahnedia ein z. b. pin, pezzer,
picherte, prustigizy winisprüt, zwelfpoten u. s. w.
Wenn uns nun die.dialekte unsrer beiden recensionen in
so weit auseinander liegende gegenden weisen, so müssen wir
untersuchen, ob etwa einige der geschilderten dialektischen
eigentümlichkeiten mit notwendigkeit dem ursprünglichen text
angehörten und diesen so mit Sicherheit einem der beiden
dialekte zuweisen. Das sicherste kriterium sind natürlich die
reime, aber bei unserm unrein reimenden gedieht sind wir auch
da gezwungen, nur mit vorsieht vorzugehn. Die reim Verhält-
nisse sind nämlich etwa folgende;**)
*) Die in andern, namentlich spätem, österreichischen hss. häufige,
aber auch schon in der Milstäter durchgedrungene wandelung des ^ und
iu zu QU kommt in unsrer hs. nie vor. (vgl. jedoch hierzu; Paul, mhd.
Schriftsprache, p. 29. — Br.)
**) Wir schliessen die- in G nicht enthaltenen stücke vorläufig aus,
da das Verhältnis derselben zu dem in beiden hss. enthaltenen texte noch
besonders zu untersuchen sein wird.
Digitized by
Google
ÜBER DIE LETANIE. 113
G hat in seinen 950 versen 133 unreine reime, also etwas
weniger als V? der gesammtzahl. Darunter sind nur 14 voka-
lisch unreine reime (unter diesen nur 3 stumpfe); die übrigen
haben gleiche vokale bei ungleichen consonanten und zwar
meist so, dass muta auf muta, spirans auf spirans, liquida auf
liquida reimt. Seltner sind — auch unter den klingenden — reime
wie 224^ 2 emphahen: gnaden, einzig in seiner art der 226, 10
anders: Johannes, Es handelt sich nun darum, ob einige dieser
reime aus md. oder österreichischen lautverhältnissen zu er-
klären sind.
Aus dem reim dinge: begierige (S 309 G 221, 20) darf nicht
auf md. i iMie geschlossen werden; in klingenden reimen sind
solche Unreinheiten gestattet und ausserdem könnte mit gleichem
rechte auf österreichische diphthongisierung von i zu ie in der
ausspräche geschlossen werden; so reimt Heinrich v. Melk,
Erinnerung 441 sogar stumpf viench: dinch.
Ganz ebenso verhält es sich mit den reimen u: uo z. b.
chunde: stuonde G 222, 28 (wo S 363 künde: hegende hat)
frumeie: stunde G 219, 25, S 221 meum: iuon G 233,43, S 1313.
Auch hier ist kein md. u flir uo anzunehmen, wenn man um-
gekehrt die so sehr beliebte österreichische diphthongisierung
von u zu uo vor liquiden berücksichtigt, wie sie zahlreiche reime
der österreichischen dichter der besten zeit belegen. Für unsere
zeit vergl. z; b. Heinrich v. Melk Erg. 373 chunt: iuont. Auf-
fallend stimmt übrigens unser dichter mit H. v. Melk überein
in den mannigfaltigen reimen des wertes sun. So reimt er sun:
tuon 221, 16 und entsprechend :wistuom2l7, 12 :magituom 219,
11; ganz so Heinrich sun: tuon sehr oft (z. b. Erg. 743), :richtuom
749. Daneben aber reimt unser dichter 217, 41 suns: w/wganz
wie Heinrich v. Melk, Priesterleben 384.
Wenn man in reimen wie G 232, 23 iusent: beriuset (so
ist zu lesen statt des handschriftlichen beriusmt) wirklichen
Übergang von iu in u annehmen will, so Hesse sich das ebenso gut
aus dem österreichischen, wie aus dem md. vokalismus ableiten
(vergl. Priesterleben 225 unsür f-ourj: untiur (-tourj, Helm-
brecht 1783 ungehmr: bür).
Rücksichtlich der konsonantisch ungenauen reime könnte
man G 231, 19, S 1070 slach: ungimach zu gunsten des md.
Digitized by
Google
114 VOGT
so gut wie des österreichischen dialektes des dichters beibrin-
gen. (Abgesehen von zahlreichen reimen österreichischer dichter
des 13. Jahrhunderts vergl. für unsre zeit Erinnerung 906 ge-
mach: macfi), — Der ausfall desÄ vor t, der in niet durch den
reim diet: niet S 1249 G 232, 11 belegt ist, findet sich im md.
zv^ar häufig, nicht minder aber auch in österreichischen ge-
dichten dieser, wie auch der späteren zeit, wenn auch G hier
niht schreibt. Vergl. z.b. H. v. Melk, Erg. 447 niet: Uet, 759:
schiet. Echt md. scheint die v. 263 in S tiberlieferte form rvus:
buz. 6 schreibt (220, 20) rvüJis^ aber sollte die form ohne h
flir einen Österreicher unmöglich sein? Weinhold bair. gramm.
§ 194 fahrt mehrere beispiele an, wo im bairisch- österreichi-
schen dialekt in schritt und reim h vor s ausfällt. Und wollte
man wirklich einen völligen ausfall in dieser form nicht an-
nehmen, so mag der hauch doch ein so leiser gewesen sein^
dass dieser reim nichts bedenkliches flir den Österreicher hatte
und man hat es wol nicht nötig, hier auf die analogie des in
jedem falle weit härteren Johannes: anders hinzuweisen.
Eine wirklich nur md. form, als solche durch den reim ge-
stützt, lässt sich in unserm ganzen gedichte nicht nachweisen.
Vielmehr entstellt sogar S oft durch dialektische Schreibung
die reime. Meist mag das nur nachlässigkeit des Schreibers
sein, wo auch richtiges reimen nicht gerade gegen seinen dialekt
Verstössen würde, aber oft scheinen doch wirklich die reime
seiner vorläge zu seinem dialekt nicht gestimmt zuhaben. Wenn
er z. b 426 entphan (:gnaden) schrieb, so gebrauchte er die ihm
geläufige md. form mit ausfall desÄ, verwischte aber den reim;
ebenso verschlechterte er wenigstens den reim, wenn er die
von ihm konsequent so geschriebene und allgemein mitteldeutsche
form hr engen v. 320 auf gedinge^ 566 auf tegedinge, 903 auf
dinge reimt. Auch der umlaut in Merte (G 229, 33) mag ihm
ungewohnt gewesen sein und er schrieb (S 717) Martin trotz
des reimes auf geverte.
Die zusammenziehung von -ege- zu ei kommt zwar im
Alexander der Strassburger hs. und im Pilatus vor, aber Hart-
mann im glauben (mit dem die dialektischen eigentftmlichkeiten
der letante auch sonst gegenüber dem Pilatus übereinstimmen)
kennt sie noch nicht und es kann daher doch vielleicht gegen
Digitized by
Google
ÜBER DIE LETANIE. 1 1 6
die Priorität des dialektes der letante in 8 geltend gemacht
werden, wenn S diese zusammenziehung, wie überhaupt, 80
auch da unterlägst, wo der reim sie erfordert. 8 schreibt 228
magit im reim auf mennischeit, 338 gesagit: mennischeit, 1094
beide: megede,
Auffallend ist es auch, dass 8 immer statt gite A\^ form
gire setzt, selbst im reime auf ^te 127 und auf margerite 267:
das allgemeiner verbreitete wort ist gire, gite wird seltener ge-
braucht (das adjeetivum giiec kennt 8 allerdings: 418 gitege
cuwe).
Infinitivformen mit bewahrung des ursprünglichen j (meist
zu g verändert), wie sie 6 235, 34 in irwergen aufweist, kommen
in bairisch-österreichischen denkmälern jener zeit mehrfach vor
(vergl. die beispiele bei Weinhold bair. gramm. § 311); der
reim auf enterben erfordert hier diese form, trotzdem setzt G
die seinem dialekte allein geläufige form irwerin (1389) und
zerstört den reim.
Derartige entstellungen der reime zugunsten des dialektes
kommen in G nie vor. Nur für das äuge bestehn natürlich
reimverschlechterungen — wenn man sie überhaupt so nennen
darf — wie z. b. G226, 42 lebetest: phleiiest, wo G eben so gut
phlegetest hätte schreiben können, wie schon das mageä^ 227, 5
beweist. Weitere derartige beispiele aufzuführen wäre über-
flüssig: eine wirkliche differenz zwischen dialekt und reim zeigt
sich eben in G nirgend, und ich glaube wir sind daher schon
jetzt berechtigt, den schluss aus der vorangegangenen Untersu-
chung zu ziehen, dass der ursprüngliche dialekt der letanie
nicht der md. der hs. 8, sondern der in G repräsentierte öster-
reichische war.
Wir kommen somit zum zweitenteile unserer Untersuchung:
zur kritischen vergleichung beider texte. Auch hier werden
wir zunächst nur den in beiden hss. enthaltenen text berück-
sichtigen, um die in G nicht enthaltenen abschnitte und ihr
Verhältnis zum übrigen steile des gedieh tes im zusammenhange
für sich untersuchen zu können.
Die Überschriften des ganzen gedieh tes und der einzelnen
abschnitte in G finden sich in 8 nicht. Erst eine spätere band
Digitized by
Google
116 VOGT
fügte die Überschrift „/7ig get ane daz hoch von der heiigen
latenien^ und die Unterschrift „Jlie ist vz daz boch von der laienien^
hinzu. (Massmann vorwort VII. 3).
Der erste teil (G 216, 1—218, 44; S 1—172) enthält eine
anrufung der dreieinigkeit. — Schon v. 3 zeigt eine kleine Ver-
schiedenheit: 6 siniu tougen niene mach versperren ist einfach und
klar. S si7iir tougen njeman nemah besperren gibt, wenn man
auch hier ^a^/rßre als Subjekt fasst, keinen sinn. Die einzige art,
es zu deuten, wäre vielleicht: „vor dem niemand des herzens
heiligtum in bezug auf dessen geheimnisse verschliessen kann"
immerhin eine mindestens schwerfällige und dunkle construction.
G hat hier sicher das richtige.
V. 8 und 9. S: der Üb ist zu geistlichen Sachen
weih vnde ungehaldich (in bezug auf geist-
liche Sachen schlaff und ohne ausdauer)
G: — ce fleischlichen sachen
weich unde ohaltich.
Diess 0 kann hier weder, wie sonst, ou, noch den von
MüUenhoflf (denkm. zu LXX. 2) angenommenen zwischenlaut
zwischen o und w bedeuten. Es ist jedenfalls Schreibfehler und
zwar wol entweder fflr ähaltich, was sonst nicht vorkommt, oder
für unhaltich (uhaltich) was im mhd. wb. bei Osw. v. Wolken-
stein belegt ist für einen der nichts verschweigen kann. Hier
würde das wort dasselbe wie das ungehaldich in S bedeuten,
also etwa: in bezug auf fleischliche dinge (gelüste) schlaff und
ohne Widerstandskraft. Beide lesarten geben sinn. — Kleinere
abweich ungen, wie sie fast in jedem verse vorkommen, zu
erörtern, würde zu weit flihren; wir wollen nur die berücksich-
tigen, aus denen man auf den wert und die Stellung der beiden
recensionen zu einander Schlüsse ziehn kann.
Eine erhebliche Verschiedenheit zeigen die texte in G 26 —
35, S 26—39. Während in G der dichter gott bittet, in dem
kämpfe, den die tugenden mit den Sünden in ihm erhoben
haben, ihm seinen söhn als beistand zu senden, bringt S zwei
bibelstellen bei, die sich auch auf jenen kämpf und besonders
auf den lohn für den sieg in demselben beziehen. Vielleicht
wurde in S der ursprüngliche text geändert, um die citate an-
zubringen: jedenfalls sehe ich keinen grund, in G eine ände-
rung anzunehmen.
Digitized by
Google
ÜBER DIE LETANIE. 117
V. 44 ist in S jedenfalls nach G (40) faogis st. ougis
zu lesen.
In der Schilderung der alimacht gottes (in 6 von 216, 37
in S von 41 ab) durch gegenüberstellung einer reihe von ge-
gensätzen, die alle in seiner gewalt liegen, stimmen beide hss.
überein bis G 217, 3 (abgesehen davon, dass S jene eigen-
schaften in zweiter person direkt gott zuschreibt, während sie
6 vom „gervalf gottes aussagt). Statt der beiden letzten dieser
versa aber, die jetzt in S v. 53 u. 54 bilden, sind in S, nach
Massmanns mitteilung, am rande v. 47 — 90 von der band des
correktors eingeflochten. Die ersten 6 von diesen nachgetragenen
yersen sind die in G 217, 4 — 9 in abweichender reihenfolge
enthaltenen; nämlich S 47. 48 == G 217, 4. 5; S 49. 50 =
G 217, 9. 8; S 51. 52 = G 217, 7. 6. Die übrigen gegen- .
Sätze, welche noch in den versen 55 — 90 enthalten und zum
teil etwas abgeschmackter art sind, sehen ganz wie erfindung
des verbessevers aus, der diese verse zugleich mit den 6 vom
Schreiber ausgelassenen versen nachtrug.*)
Dem gebete an gott folgte in S ursprünglich die in G
nicht enthaltene anrufung an die trinitas (jetzt 17S — 196), dann
die an den heiligen geist und darauf die an Christus. Die
richtige reihenfolge, wie sie der correktor angab, entspricht
der m G.
6 217, 26. Er helzzit din wart unt dln (d. i. gottes) ge-
bot (also Xoyog) ist jedenfalls richtiger als S 107 din (d. i.
Christi) name vnde din gebot heizzit u. s. w., das gebot passt
hier gar nicht in S. — Dagegen ist G 217, 36 das ein brunne
zwischen leu und liebart eine offenbare entstellung aus dem in
S 114 tiberlieferten einhorne. — Ob 217, 33 — 34 in G zugesetzt
oder in S fortgelassen sind, lässt sich wol kaum entscheiden.
— G 217, 43 ist statt geist mit S 121 crist zu lesen. — S 145
u. 146 sind inG nicht enthalten: sie passen gut in den Zusam-
menhang, ohne dass jedoch derselbe in G durch ihr fehlen
unterbrochen würde. S 147 weicht dem entsprechend von G
218, 21 ab. — G. 218, 22 (vergl. S 148) entspricht wörtlich
dem eingeschobenen verse S 68. — S 153 lockis ist besser als
6 218, 26 sterchist im gegensatz zu scuhis (d. i. sciuhis). —
•) V. 74 in S ist übrigens kan st. han zu lesen.
Digitized by
Google
118 VOOT
Sbfioaso ist S 153 dar gegeneatz mthullis vnde deckes jedenfalls
besser ; als das in 6 218 , 30 entsprechende du vertilist tmt in-
tecchist.
Von S 150, 6 218, 24 ab ist die reihenfolge der varse in
beiden hss. wider ganz verschieden. In S würden die vv, nach
G so zu ordnen sein: 154. 153. 15$, 155. 151. 152. S 157—
162 fehlen in G. Es ist nicht möglich, weh hier bestimmt
für eine der beiden hss. zu entscheiden, ebenso wenig wie bei
den in S nicht enthaltenen G 218, 37 — 40. Das hier in G
angewante bild kehrt übrigens nachher in ß 631 — 32 im
gebet an den apostel Johannes wider, welches in G fehlt
Mit dem mUerere nobis schlies^t das gebet an den beil. geist
und der gemeinsame te^^t geht in S 197 mit dem hymnus an
Maria weiter.
S 205 ist im anechluss an G ^u lesen unsin Herren ^
ein fri vart. Das um sin, wie Ms^ssmann will, müßte sich
auf den engel oder den wissag^ beziehen und gäbe gar
keinen sinn.
G 219, 12 der den ervichlichin magitum — bihielt, S 208
di dir 4^ ewicHchen magitum — behilt Also nach G hat Jesus
sich die keuschheit bewahrt, nach S hat er sie der Maria be-
wahrt (nnicht einmal dadurch, dass sie ihn gebar, ging sie ihrer
Jungfräulichkeit verlustig"). Ich glaube, dass hier, wo Maria
angeredet wird, mehr am platte ist was S gibt. Dazu kommt,
da^s S 999 in dem (in G nicht enthaltenen) gebet „Jhem Co-
rona virginum^' ganz dieselbe wendung widerkehrt, wie hier in
S, — G 219, 17 der waz i$t passender von der blume ausge-
sagt, als S 213 * frowede, — S 219 ff. ist der text sicher ent-
stellt Das wde v. 320 ist ganz unsinnig und bewirkt, ds^ss
gerade da* gegenteil von dem gesagt wird, was gesagt werden
soll Es ist jedenfalls das beste, sich hier einfach der lesart
von G 219, 23 ff amiuschliessen, so dass dann in S auf stunde
222 gleich v. 287 folgt {di anf missehellunge bezüglich); das
noch daz st ienoch siy sowie die in S folgenden verse unter-
brechen unnötig die conBtruktion und dfts wene d^rh dinen
trost 223 ist nur aus v. 228 (G 219, 28) entnommen. Die
ganze Änderung in S ist hier wol nur dem aohreiber zuzu-
schieben. — G 220, 27 ist in G st. röre mit S 270 trore zu
lesen. — S 276 st uffUmgine zu lesen ufUmginde^ (mhd. wb).
Digitized by
Google
ÜBER DIE LETANIE. 119
Mit y. 311 u. 12 hebt S einen neuen absatz an^ indem
sich der dichter dagegen verwahrt, dass er der Maria zu nahe
trete, wenn er ihr so eindringlich zu spreche, da ja auch sie
nur ein geschöpf gottes gewesen sei. Ahnliche Verwahrungen
des dichters kommen vor S 1115, S 516 ff,, G 226, 12; aber
der V. 314 passt hier doch bei weitem nicht so in den Zusam-
menhang, wie der entsprechende in G 221, 23. — V, 319 setzt
S sipnreicher magit dem wibe 317 gegenüber als G 221, 26 u.
88, welches an beiden stellen tvip gibt („ein weib brachte der
weit den tod, eine Jungfrau das leben"), — G 221, 40 fehlen
hinter wan daz die in S 331 überlieferten worte si uns daz.
— G 222, 12 u. 13 sind in S nicht enthalten. Der Zusam-
menhang wird durch ihr fehlen nicht unterbrochen. — G 222,
45 f. gibt einen ganz andern gedanken, als S 380 f. Die lesart
in S passt nicht recht in den Zusammenhang: das er 380
könnte sich doch nur auf den engel beziehen, welcher der
Maria die jungfräuliche geburt verkündete, aber dieser ist vor-
her nicht genannt. — Nach S 400 ist Maria nur fürbitterin,
nach G 223, 19 ist sie selbst die beschützerin.
Es folgt das gebet an die engel. S v. 418 ist abzuteilen:
gitege cuwe. — G 224, 9 ist st. habe mit S au lesen werde. —
443 hatS das seltnere wort underdige, Q (324,20) wie überall
an den entsprechenden stellen nur digen^ — G 224, 23 — 25
sind in @ nicht enthalten: notwendig sind sie jedenfalls nicht
Gebet an Johannes Baptista G 224^ 28—227, 17, S 447—569.
450 unterbricht S durch ih meine dih die construktion ebenso
wie 454 vergl. G 224, 31 u. 35. Derartige auflösungQu der
Perioden sind überhaupt in S nicht selten, vergl. oben v. 219 ff.
— G 33 dütte, S 452 bebute, was doch wol heissen soll: wie
gern hätte ich deinen uamen inne, trüge ihn, ddUie in G passt
besser zu dar folgenden deutung des namens, bebuwen ist sonst
Q}<)Jbit belegt. S liebt überhaupt sehr die Zusammensetzungen
mit be^; so hat S 457 und überhaupt durchgängig bekam wo
G erkant hat, so oben v. 3 S be$perren; G versperren^ 465 hat
S behart; koren kojnmt son^ mit be- nicht vor, es ist über-
ka^upt iii jan€^ zeit, schon ein seltenes wort, darum änderte G
386 in berpurt. — S 471 u, 72 in G in umgekehrter reihen-
folge; dßr i73 ist mit G in daz zu ändern. — S 477 ist st.
ich fliege in der välvisch zu lesen ich flieginder valwisch
Digitized by
Google
120 VOGT
G 225, 16 flohzunder. — S 481 windishru die md. form für
jvintsprüt wie G hat — S 496 durch den Schreiber ent-
stellt. Man lese mit 6: der suntm madewelligen eizze („der
Sünden wurmzerfressene geschwüre"). — G 225, 39 üf sülU S
500 ufscuUU sülen: durch eine säule, starke stütze aufrecht
halten, ist sonst weder im nahd. noch im ahd. belegt. Doch
passt es hier recht gut. Im got. kommt übrigens auch das
wort gasuljan vor: „fest auf erbauen, fest gründen" (Matth. 7,
25, Luc. 6, 48, Eph. 3, 18), ufscuUt würde hier etwa = vristet
sein, doch passt es nach ausdruck und reim weniger als üf
sülit G 225, 42. 43 fehlen in S; sie sind entbehrlich, der
Übergang von der 3. in die 2. person ist etwas schroff. — S
537 ist st nur mit G zu lesen mir. — Die verschiedenen attri-
bute des Johannes (G 226, 33—36 S 538—41) weichen, be-
sonders in der reihenfolge, in beiden hss. etwas von einander
ab, ohne dass der sinn dadurch geändert würde.
Gebet an die apostel G 227, 18—228, 25. S 570- -61 7. —
G 227, 23 gibt die bibelstelle (Matth.l 6, 18) treuer als S 575. — G
(228, 4—7) führt in 4 vv. aus, was S (578—79) in 2 vv. sagt V. 6 in
G widerholt nur das v. 2 gesagte. Das wir in S 600 weist bestimmt
auf eine seelsorgerische tätigkeit des Verfassers hin. — S 613 — 14;
(daz gerichie) daz ane irbarmunge
nit irget vnde doh nah rehie
entspricht dem zusammenhange mehr als G 228, 21. 22:
diu äne barmunge
irget niht wan (denn so muss man doch st war lesen)
ruich rechte. Der bittende hofft hier ja gerade auf die erbar-
mung und den schütz der apostel. Doch macht die lesart in
S den eindruck einer Verbesserung.
Der gemeinsame text geht in S 662 (G 228, 26) mit dem
gebet an die märtyrer weiter. S 672 entstellt durch das Übe
den sinn. G 228, 36 hat richtig; swer an der sele verscheiden
si: „wie du einst 7 tote erwecktest, so erwecke auch die,
deren seele (in Sünden) erstorben ist" Derselbe gedanke kehrt
wider in G 229, 34—39 S 718—720; vergl. auchG 222, 17 flf.
S 352 flf. — S 684 ist durch den Schreiber entstellt: vor
uns ist aus 683 herübergekommen, das tu {tun) gibt keinen
genügenden sinn. Es ist einfach nach G 229, 6 tragen zu
lesen.
Digitized by
Google
ÜBER DIE LfiTANlÜ. 121
Gebet an die confessores G 229, 14—21; S 692—746.
6 229, 25 ist st. wime sten zu lesen wir ernten (in derselben
weise ist zu ändern G 221, 33). — S 706—11 sind inG nicht
enthalten. Die vv. fügen dem lobe des Gregor gleichsam als
beleg noch das verdienst hinzu, welches er sich durch die
erklärung des Hieb erworben habe. Sie sind als späterer nach-
trag leicht zu erkennen. — Dagegen hat G 229, 35 — 38 eine
in S nicht enthaltene und wol nicht ursprüngliche erweiterung;
indem G ausser den totenerweckungen auch noch der krank-
heitsheilungen des heil. Martin gedenkt, während doch nur die
ersteren als bild für der erchuche den tot unser sele hier zu er-
wähnen waren. — 722 S löst S wider die in G 229, 40 ff. richtig
überlieferte periode auf und entstellt dadurch den sinn ganz.
Dieser ist nachG: „denn obgleich euer hingang in den christ-
lichen frieden aufgeschoben wurde" (d. h. obwol ihr den mär-
tyrertod nicht erlittet) „so seid ihr doch zum teil vom siege
der märtyrer „ungeschieden", habt so gut wie sie anteil an
demselben." (Es ist in S 722 doh nach rvan einzusetzen und
725 noh in doh und site in sige zu ändern). — G 230, 7 muss zu
gunsten des reimes mit S meistis (von swaz abhängig) gelesen
werden. — S 732 ist das gescriben eine interessante abweichung
von dem gehorte in G 230, 8. Wäre jenes richtig, so würde
es noch auf eine anderweitige schriftstellerische tätigkeit des
dichters schliessen lassen. — Die verworrenen verse S 733 u.
55 sind nach G 230, 10 — 11 zu berichtigen.
An die confessores schliesst sich im gemeinsamen text das
gebet an die Jungfrauen anS 1036 ff. — Das gebet an die heil.
Agnes schliesst in S 1052 ff. mit der bitte um beistand im
kämpf gegen unkeusche gelüste, die sich an die erzählung ihres
Sieges über derartige Versucher gut anschliesst. G 230, 38 ff.
erwähnt dagegen noch zuvor ihren märtyrertod und schob diesen
passus wol nur der Vollständigkeit halber ein. Das sich an-
schliessende gebet weicht nun auch dem entsprechend von
S ab; in demselben stimmen die vv. 231, 1 u. 2 auffallend
mit den gleichfalls in S nicht enthaltenen 235, 14. 15 überein.
— S 1082 st. hume zu lesen U ime, 1083 beiden st. beL — G
231, 36 u. 37 und 232, 1 u. 2 hat S nicht.
Im gebet an alle heiligen (S 1243) geht der gemeinsame
text weiter. — S 1256 st. heiligen mit G 232, 18 ßingir zu
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. I. 9
Digitized by
Google
122 VOGT
lesen vgl. S 1257 zu 661, wo das gleiche prädieat von den
aposteln ausgesagt wird. — G 232, 22 muss statt Uriusent
gelesen werden birmset, wodurch der reim allerdings sehr un-
rein vrird.
S 1271 tmde elicJien hirai
hin ze gote hant braht
G 232, 33 olde die diu Sache hirat
hin ce got braht hat,
G hat hier, wo von seKg gewordenen die rede ist, das
richtige. DasB eine treue ehe zur Seligkeit verhelfe, war eine
weit verbreitete ajasicht jener zeit: jußgfrauen, wittwen, ehe-
leute haben auspruoh auf den himmel; vergl. Heinzel zu H. v.
Melk Priesterleben 485. S will wol sagen: „die ihre ehe gott
dargebracht, auf gott hingelenkt haben" und modificierte damit
vielleicht absichtlich das in G gesagte, denn jene ansieht
von der ehe hatte auch ihre gegner (vergL Hartm. v. Gloub.
2490 flf.).
S 1274 ubele ist entstellt aus dem in G überlieferten abele.
— G 233, 7 nach sant pauls rede ist falsch, da das citat
1. Petri 5, 8 steht. S 1289 bietet also hier das richtige. Mit
den vv. 1291 u. 92 hebt S einen neuen absatz in dem
gebet an die heiligen an, in G fehlen sie. Dagegen sind die
vv. G 233, 13—22, 27—30 in S nicht enthalten und möglicher-
weise in G interpoliert: eine erweiterung bei solchen aufzäh-
lungen liegt nahe. — G 233, 42 zu lesen sine st. siner, — S
1314 ffi G 234, 1 ff. wird die minne als haupttugend gepriesen;
während G in den in S nicht enthaltenen vv. 11 u. 12 noch
tugenden nennt, welche die minne im gefolge habe, ftlhrt S
1325 — 30 noch ganz anmutig die Vorzüge der minne aus;
aber das folgende mit disen tugentlichen scaren schliesst sich in
G besser an die eben aufgeführten tugenden, als in S nach
einem Zwischensatze von 6 versen an. — S 1347 G 234^ 32 flf.
sind wider in abweichender reihenfolge überliefert: G 234, 32.
33 = S 1351. 52; G 234, 34, 35 = S 1349. 50. — G 234, 39
ist das sunten eine änderung des als Substantiv nur hier vor-
kommenden schunden in S 1356 (Verlockungen), welches dem
ab insidiis diaboli der lateinischen litanei auch mehr entspricht
— 1362 S ist st. herre vater zu lesen: herre cristy wie G 234,
45 hat — Die w. S 1365 u. 66 fehlen in G, während die
Digitized by
Google
ÜBER DIE LETANIE. 123
TT. G 235, 8 — 11 in S fehlen, Sowol die in S, wie die in ß
enthaltenen lassen sieh aus lateinischen litaneien belegen.
(Darüber unten).
Die bitte um gnade beim jüngsten gericht in S» 1373 ff.
liegt in G 235, 12 ff in etwas erweiterter gestalt vor: vv. 14
u. 15 fehlen in S, ebenso 20 — 23, die einen wesentlich neuen
gedanken hineinbringen. „Denn wenn es auch geschehn könnte,
dass tag für tag deine mutter und alle heiligen des verworfenen
(im gebete) gedächten: wolltest du ihn nicht verschonen, so ist
er gerichtet'*' S gibt einen andern, aber auch einen guten
sinn. — Hinter S 1394 sind die in G 235, 40. 41 erhaltenen
w. jedenfalls nur durch flüchtigkeit des Schreibers ausgefallen.
— Die vv. G 236, 18—19. 22—23 fehlen in S. — S 1324 ist
wider eine auflösung der periode in G 236, 31 — 33, hier ohne
den sinn zu entstellen. Dagegen leidet derselbe wesentlich in
S 1426 — 27 gegenüber G: die bitte hunger und dürftigkeit in
der luft zu vertreiben ist doch gar zu unsinnig. Aber auch
wenn man anders als Massmann interpungiert und 1427 mit
1428 verbindet, genügt der sinn nicht. 1426 setzte S notdurft
für das seltnere bisez (misswachs) — in G 236, 35 — ein. — G
236, 42 — 43 ist der text offenbar verderbt, der reim auf lone
42 fehlt; S 1432—35 hat hier das richtige. Es ist also in G
lone (was wahrscheinlich aus v. 41 herübergekommen) zu
streichen, gelte substantivisch zu nehmen und zu v. 42 zu ziehn
und V. 43 hinter uns einzusetzen: in tUrre weite. — 236,-45 u.
46 in S 1437 u. 38 in umgekehrter reihenfolge, wodurch der
sinn geändert, aber nicht entstellt wird. — 1442 ist in S statt
wec sicher trost, was G^hat und der bibelstelle (ps.23, 4) ent-
spricht, einzusetzen. — S 1443 ist bekleiden aus dem in G über-
lieferten bechleiben entstellt, was allerdings in dieser übertragenen
bedeutung (begaben) ungewöhnlich ist. — G237, 8 ermeinit be-
fremdet, da nichts vorangeht, worauf sich das er beziehen
könnte est ist hier mit S 1446 zu lesen ih meine. — Ebenso
hat S 1450 er ne si des himelriches entfreidit den ursprüng-
licheren text, schon wegen des reimes auf scheidit. G 237, 12
setzte dafür die gewöhnlichere wendung: im ne si vor dir
verteilet.
Am Schlüsse des gedichtes zeigt sich eine wichtige ab-
weichung zwischen beiden recensionen: während in S nur der
Digitized by
Google
124 VOGT
Urheber des gedichtes um die ewige Seligkeit bitt^^ nennt sich
in G ein Heinrich. Wir können hier über die priorität der
lesart in G oder S nicht entscheiden, bevor wir die resultate
aus unseren vorangegangenen Untersuchungen gezogen haben
und über das Verhältnis beider hss. im klaren sind.
Wir haben gesehen, dass in den meisten fällen dieGräzer
hs. der Strassburger gegenüber den richtigen text hat. Ent-
stellungen und flüchtigkeiten, wie sie in S häufig vorkommen
(wir konnten natürlich nicht alle kleinigkeiten anführen), sind inG
selten. Trotzdem blieben doch immer einige fälle übrig, wo kein
zweifei sein konnte, dass S den ursprünglicheren text reprä-
sentierte und mehrere, wo G im verdacht steht, zusätze gemacht
zu haben. Es ist demnach weder möglich, dass G aus S, noch
dass S aus G geflossen sei. Dass beide auf einer grundlage
entstanden seien, ist dagegen ganz gut denkbar. — Doch hier
können wir nicht weiter gehn, bevor wir das Verhältnis
der nur in S erhaltenen partieen zu dem beiden recensionen
gemeinsamen texte untersucht haben. Gehörten sie dem Origi-
naltext an und wurden in G ausgelassen, oder wurden sie in
S interpoliert?
Dass sie dem gedichte in seiner ursprünglichen gestalt
nicht angehört haben können, ist leicht zu erkennen.
Das gebet an den apostel Johannes 618 flf. folgt, nachdem
das gebet an die apostel eben mit dem (auch in den kirchli-
chen litaneien gebräuchlichen) schlussverse omnes sancti apostoli
beendet ist. Blasius und Coloman (s. u.), die 746 — 897 hinter
den in G und S genannten bekennem stehn, gehören zu den
märtyrem und der verbesserer gibt daher auch richtig die er-
forderliche Umstellung am rande an. Aber die anrufung der
märtyrer war schon 691 geschlossen und noch deutlicher
zeigen v. 676 und 77 (mit der helfe andir vrver gesellen di wir
nit gereite ne migin gezellen), dass ursprünglich keine mehr ge-
nannt werden sollten. Ebenso geht bei den bekennem aus den
vv. 737 und 38 sowie aus dem schlussverse (745) hervor, dass
Nicolaus und Aegidius (898 — 977) erst nachträglich hinzugefügt
sind. Und wenn nun auch noch durch den schlussvers (1095)
im gebet an die Jungfrauen das an Maria Magdalena (1096 —
1242) als nicht dem ursprünglichen texte angehörig verdächtigt
wird 9 so können wir schon nach dieser analoge mutmassen,
Digitized by
Google
ÜBER DIE LETANIE. 125
dass auch die übrigen in 6 nicht enthaltenen stücke, nämlich
die anrufung der trinitas 173 — 96, sowie die Übergang bilden-
den vv. 978 — 1035, späterer zusatz seien.
Dazu kommen nun noch einige direkte angaben im gedichte
selber, aus denen wir auch zugleich ersehn von wem jene nach-
trage herrühren. V. 907 — 9 sagt der dichter in der nachgetra-
genen anrufung des Nicolaus und Aegidius: wi torst ih vwer
namen hie verswige under vwer genozscefte daz dag ih mit rehte.
Das kann nur heissen; „wie durfte ich mich erdreisten, eure
namen hier unter eurer genossenschaft (den andern heiligen) zu
verschweigen! Dasmuss ich jetzt mit vollem gründe beklagen."
Der Verfasser macht sich also vorwürfe, weil er anfänglich diese
heiligen in seinem gebete übergangen hatte und trägt sie da-
rum jetzt nach. Dasselbe sagen die vv. 769 — 71 im gebete an
Blasius:
ih clage daz ih ie verwarf
dine helfe heiliger man
des wir ruwigervor dih stan. Auch hier klagt
er sich an und bereut, dass er den Blasius zuvor nicht um
hülfe angerufen habe, da doch gerade seine fttrbitte, wie 772 —
75 ausgeführt wird, besonders kräftig sei.
Was den dichter zu diesen nachtragen noch besonders ver-
anlasste, sehn wir aus den vv. 888 im gebet an Coloman
(über den namen s. unt):
hevil uns gote mit deme gebete
unde gedenke des zu vorderis
durh des gebot du hie genant bis
des dbbit Engelbrechtis u.s. w.
Also auf geheiss des abtes Engelbrecht trug er noch das
gebet an Coloman nach und fügte dann zugleich noch die an-
deren heiligen ein, die er fürchtete zurückgesetzt zu haben,
sowie das abschliessende gebet owi einvaldige trinitas und den
Übergang von den heiligen auf die Jungfrauen (Jesu corona
virginum) , die im urtext unvermittelt neben einander standen.
Eine Überarbeitung des gedichtes verknüpfte er nicht damit,
sondern er wollte eben nur nachtrage liefern; allenfalls könnte
er et wa noch S v. 26—39 statt des früheren in G überlieferten
textes nachgetragen haben.
Digitized by
Google
126 VOGT
Ihre weitere begrtindung findet jene ansieht, dass die
nachtrage vom ursprünglichen dichter selbst herrtlhren, in der
Übereinstimmung von spräche, reimen, Wendungen und inhalt
der eingeschobenen stücke mit dem grundtext. Auch in diesen
stücken können wir den dialekt von S nicht als den ursprüng-
lichen erkennen. Nirgend steht eine md. form an beweisender stelle.
Der md. abfall des t ist natürlich durch du rvil: vile 184 nicht
belegt; vergl. du rvil: vil bei H. v. Melk erg. 669. Dass die
genetivendung -is 888 und 90 im reime auf bis (eine form die
in Osterreich bis ende des 13. Jahrhunderts belegt ist) vorkommt
befremdet ebenso wenig, da jene volleren endungon auch in
Österreich zu jener zeit sehr häufig sind. Weiteres aufzufuhren
wäre überflüssig. Dagegen ist dem Schreiber von S sogar eine
echt österreichische form durchgeschlüpft, wenn wir 1108 wart
(wort) lesen, was in dieser form durch den reim auf hehart
gestützt wird.
Das Verhältnis der unreinen zu den reinen reimen ist in
den nachgetragenen teilen ganz genau dasselbe, wie in den
ursprünglichen (auf 7 — 8 reine reime ein unreiner) die rühren-
den reime, die in unserm gedichte überhaupt im gegensatz zu
manchen andern jener zeit (z. b. dem loblied auf Maria bei
Diemer, welches gar keine enthält) sehr beliebt, sind, kommen
auch in diesen partieen häufig vor. So -heit: -heit in S 722
gnedicheit: armicheit, wie in G und S 381 magitheit: warheit und
1323 warheit: frumicheit; -tuom: -tuom in S 860 wistum: rlch-
iurrij in GS 327 und 1429 richtum: fritum: irretum; -lieh: -lieh
in S 870 redelih: bewegelih, in GS 684 tagelich: urwertregelich,
1393 brudirlih: gemeinlih u. s. w.
Es kehren oft ganz dieselben reime in den nachgetragenen
teilen wie in den ursprünglichen wider, so gnade: läge S. 656
und GS 339, irledige: giwegede S 658 und GS 1293, dabide:
Übe S 812 davides: libes GS 1441 u. s. w.
Sprachgebrauch und Wendungen sind ganz dieselben. Oft
kehren wörtlich dieselben verse wider. So erscheint im ein-
geschobenen lied an Maria Magdalena 1204 ganz derselbe vers
dem mac ih wole gelih sin wie 472 im ursprünglichen text, an
beiden stellen im reime auf swin; so ferner in demselben ab-
schnitte 1217 so ne mohte min niemer werden rat wörtlich = v.
6; ebenda 1250 ne virsagit uns uwer gewegide niet = 1293 nit
Digitized by
Google
• ÜBER DIE LETANIE. 127
716 versagit um uwer gewegede. Im gebet an Coloman stimmt
V. 857 die rverlt er uf solle aldi ere der wunne fast wörtlich mit
1043 f. daz du dt rverlt uf seltes aldi ere di si nohhat Im gebet
an Blasius 797 zu unsir jungistin hineverte = 562 zu der jun-
gistin hineverte an beiden stellen im reime auf gerte,
Gleichheiten einzelnen bildern und ausdrücken findet sich
sehr oft. Wir führen nur einiges an: v. 642 in der anrufung
des apostels Johannes wird das gelutterte galt als bild benutzt
wie 248 im gebet an Maria. Das bild vom verbrennen der
Sünden, welches sich in der anrufung des heil, geistes (S 136
G 218, 12 und G allein noch 218, 38 f.) schon vorfand, kehrt
im gebet an den apostel Johannes 631 und 32 und in dem
passus Jhesu corona virginvm 1011 f. wider.
Die Wendung rvol irchenn ih arm menische mine brode im
gebet an Blasius 757 kehrt ganz ähnlich v. 1245 wandir unse
brode rvol irkennit wider. Einen offin sundere nennt sich der
Verfasser v. 808 dem Coloman gegenüber, wie er es schon 520
(hier nur in S) gegen Johannes tat. Die beispiele Hessen
sich noch vermehren, doch die gegebenen genügen wol. Nur
über Inhalt und gedankengang der eingeschobenen stücke ist
noch zu bemerken, dass auch sie den übrigen teilen des ge-
dichtes durchaus entsprechen. Bei den gebeten an die heiligen
schliesst sich an den namen des betreffenden gewöhnlich erst
eine kurze allgemeine bitte um beistand, oder es folgen auch
gleich einige nur andeutende züge aus der legende des heiligen,
die dann allegorisch verwertet werden für die Schilderung
des Sündenkampfes des dichters und des beistandes, dessen er
in demselben bedarf. Gegen ende wird dann immer um für-
bitte besonders beim jüngsten gericht gebeten und den äussern
abschluss bildet fast durchgängig ein lateinischer vers. Diese
form kehrt überall in den nachgetragenen, wie in den ursprüng-
lichen teilen wider. Ein längeres Sündenbekenntnis kommt
noch im gebet an Maria Magdalena vor (1192 ff), welches mit
dem vor Johannes demtäufer abgelegten grosse ähnlichkeit hat. ;
Ich glaube, das alles genügt um die indentität des Ver-
fassers für sämmtliche teile der letanie auch in ihrer erweiter-
ten gestalt zu beweisen. Das Verhältnis der recensionen ge-
staltet sich danach folgendermassen:
Digitized by
Google
128 VOGT
Das original wurde im österreichischen dialekt, wahrschein-
lich in Osterreich selbst (wie wir nachher sehn werden) verfasst.
In G besitzen wir eine abschritt desselben, die, im ganzen ziem-
lich sorgfältig gearbeitet, sich vielleicht manche änderungen
und kleine zusätze, seltener auslassungen und noch seltener
misverständnisse oder flüchtigkeiten zu schulden kommen Hess. —
Auf veranlassung des abtes Engelbrecht trug indes der dichter
in seine hs. die weiteren in G nicht enthaltenen stücke nach
und diese erweiterte hs. wurde in einem kloster des westlichen
Mitteldeutschlands im dortigen dialekte abgeschrieben. Dabei
wurde nun mit weit grösserer Sorglosigkeit zu wege gegangen,
als bei der abfassung von G: misverständnisse und entstellun-
gen des textes kamen oft genug vor, noch häufiger leichtere
flüchtigkeiten und Schreibfehler. Seltener sind überlegtere än-
derungen und Zusätze. Die nachträglichen zusätze des dichters
waren in der vorläge wol nur am rande nachgetragen, was der
grund war, dass die stücke mehrfach an falscher stelle in den
text aufgenommen wurden: so 173 — 196 und 746 — 897; auch
das gebet an Maria Magdalena stand nach des verbesserers
ansieht an falscher stelle und er wollte es noch vor den passus
Jhesu Corona virginum gerückt haben. In dieser gestalt liegt uns
die letante in der hs. S vor.
Nachdem so im übrigen das Verhältnis beider hss. festgestellt
ist, bleibt uns nur noch die frage nach den schlussversen zu
erledigen, welche sich auf den Verfasser beziehen. G 237, 18 — 24
S 1456—60.
Wir sahen, dass S absichtlichen änderungen im allgemeinen
abgeneigt sei. Die bitte flir den abt Engelbrecht 888 ff. behielt
S treu mitsammt dem namen bei; es müste irgend ein grund
vorliegen wenn S hier anders verfahren wäre. Ein solcher
würde vorhanden sein, wenn etwa der Verfasser von S sich
selbst hier hätte nennen wollen, aber das ist ja nicht der fall.
Der orthabe dirre getlhte kann nur der uAeber des gedichtes
selbst, der dichter sein. Wenn also der Verfasser von S doch
das gebet flir diesen aufaahm; warum entfernte er den namen
und änderte die ganze stelle? Leicht erklärlich ist es dagegen,
wenn man annimmt, dass der Verfasser von G seinen namen
anbrachte, da er ja nicht einmal einen andern namen zu ent-
fernen brauchte. Überdiess nennt er sich ja gar nicht direkt
Digitized by
Google
ÜBER DIE LETANIE. 129
den Verfasser des gedichtes, er sagt nur, dass er sich grosse
mühe darum gegeben habe, der gnade teilhaftig zu werden
die sich jeder erwirbt, der diess gebet mit wirklichem Verständ-
nis liest. Das kann doch recht wol auf seine schöne und sorg-
fältige abschrift gehn, mit der er sich gewis viel mtlhe gegeben
hat, sowie auf die eigenen kleinen zutaten, mit denen er dem
gedieht gedient zu haben meinte. Nicht so sehr kann ich aller-
dings mit W. Grimm (gesch. d. reims S41) in sprachlicher be-
ziehung den text in G hier, bedenklich finden. Die Wendung
derselben gnaden la niht besten ist durchaus nicht unerhört und
zu Grimms änderung derselben gnaden lä niht entsten dinem . . .
liegt kein grund vor; eines dinges bestdn heisst „von etwas zu-
rückbleiben" vergl. die im mhd. wb. unter bestän angeflihrte
stelle Tundal. 50, 17 du enmaht des niht besten du kannst davon
nicht zurück, nicht abkommen du muozest dise brücke gen und
die noch treffendere parallele Nib. Z. 273, 2* deheiner hovereise
hin ih vil selten ie bestän, auf die mich herr prof. Zarncke ver-
weist Der sinn ist also einfach: „von diesen gnaden lass nicht
zurückbleiben, dieser gnade lass teilhaftig werden."
Weit auffälliger ist das einlichen in G, welches in dieser
form durch den reim auf Heinrichen sicher gestellt ist. Aus
dem mhd. Sprachgebrauch weiss ich das wort hier nicht zu er-
klären (im mhd. wb. ist es nur als einheitlich, in eins geflochten
von der trinität belegt), nur aus den für das ahd. von Graff
sprachsch. I, 318 unter eirUich entwickelten bedeutungen liesse
sich hier ein sinn gewinnen. Aus den glossen zu Gregor, dialog.
(welcher von den 5 hierher gehörigen codd. hier gemeint ist
lässtGraffs bezeichnung Gd. unklar) ist einlicho artius constric-
tius, anxie beigebracht und daraus leitet sich dann leicht die
aus den Gl. in cod. frising C. F. 10 Mtlnchen aus dem 9. Jahr-
hundert belegte bedeutung ab enlicho studiose. Nur diesen sinn
kann einlichen auch an unsrer stelle haben und ich trage kein
bedenken, es hier in der bedeutung „eifrig" aufzufassen, wenn-
gleich es immerhin wtlnschenswert bleibt, auch aus späterer
zeit belege für diese bedeutung beizubringen. — Obwol ich also
in dieser hinsieht die lesart in G hier nicht anfechten möchte,
so halte ich doch die oben angeführten gründe für völlig hin-
reichend, jenen Heinrich nicht als den Verfasser der letanle,
sondern nur als den Schreiber der hs. G zu betrachten. Auf
Digitized by
Google
130 VOGT
den namen unseres dichters müsten wir also verzichten: ob
wir sonst etwas über ihn bestimmen können, werden wir nach
Untersuchung der quellen unseres gedichtes sehen.
Die quellen der letante.
Bei der frage nach den quellen der letante handelt es sich
vor allem darum, das Verhältnis derselben zur kirchlichen la-
teinischen litanei klar zu legen und wir haben daher zunächst
auf wesen und inhalt der letzteren und auf die entwickelung
derselben zu einer gattung der geistlichen dichtung einzugehn.
Die litanei wurde zuerst durch Mamercus bischof von Vienne
452 eingeführt als eine feierliche mit fasten und processionen
verbundene buss- und bittandacht (Herzog realencycl. II, 239).*)
Als solche verbreitete sie sich allmählich durch die ganze abend-
ländische kirche, besonders seit Gregor I. sie bei einer grossen
pest in Eom mit wunderbarem erfolge angewant haben woUte.
Von den 7 Massen, in welche die von 7 verschiedenen kirehen
ausgehenden teilnehmer der procession gesondert wurden, ward
diese ganze bittandacht die litania septiformis genannt. Be-
sonders wurde nun die litanei immer noch bei ausserordent-
lichen ungltlcksfällen angewant, aber daneben wurde sie immer
mehr ein regelmässiger bestandteil des gottesdienstes an be-
stimmten festen, anfangs immer noch notwendig mit procession
der beteiligten geistlichen in der kirche verbunden, dann auch
als blosses responsorium, ja auch als einfaches gebet bei heiligen
handlungen (so z. b. bei der letzten Ölung). Man unterschied
die litania septena, bei der aus jedem der 9 himmlischen chöre
7 heilige genannt wurden und die von 7 subdiakonen wechsel-
weis recitiert wurden und entsprechend die quina und tema.
(Nach andern soll der name jedes heiligen 7, 5 oder 3 mal ge-
rufen sein. Vergl. über die arten der litanei Martine de anti-
quis ecclesiae ritibus lib. I. pars i. 209. Trombelli, dissert,
epistolaris in quasdam veteres litanias, Krez Exerc. acad. de
*) Vergl. jedoch PfannenBchmidt „flurprocessioii und hagelfeier" bei
Schenkel allg. kirchl. zeitschr. XIII. 10. p. 520, der den Ursprung der
litaneien auf heidnische feldumzüge zurückführt und allerdings fehlen
die bitten um gute Witterung und fruchtbarkeit des feldes in keiner
grösseren litanei.
Digitized by
Google
ÜBER DIE LETANIE. 181
litaniis ecclesiae Romanae Tubing. 1742). Mit der zeit wurden
die litaneien immer mannigfaltiger, die zahl der heiligen, unter
denen die wunderlichsten und willkürlichsten namen begegnen
(z. b. St. Beelzebul!), wuchs ins unglaubliche, denn fast jedes
kloster brachte seine besonderen heiligen hinein und die ver-
schiedenen anrufungen und gebete wurden je nach den verschie-
denen Verhältnissen und gelegenheiten, bei denen die litanei
angewant ward, vielfach modificiert. Dennoch lassen sich als
die gemeinsamen grundzüge der vollständigen kirchlichen lita-
neien etwa folgende*) angeben:
Die litanei beginnt:
Kyrie eleison, Chrisie eleison, Christe audi nos
Sta Maria ora pro nohis
Dann folgen die namen der engel, denen sich (der in man-
chen litaneien auch übergangene) Johannes Baptista anschliesst,
dann die apostel, darauf die märtyrer, die bekenner (worauf
bei einigen noch die heiligen mönche folgen) endlich die heiligen
Jungfrauen. Bei einigen folgen die blossen namen in der ange-
gebenen reihenfolge, jeder mit ora pro nohis, auf einander; bei
den meisten aber folgt als abschluss hinter jedem chor noch
eine zusammenfassende anrufung: hinter den engein omnes sti
angeli orate pro nohis (bei einigen noch weiter omnes sti archan-
geli 0. p, n., omnes sti Fatriarchae, omnes sti Prophetae o, p, n.)
und so weiter omnes sti apostoli orate pro nohis ^ martyres, con-
/essores, fmonachij, virgines.
Dann folgt durchgängig omnes sti orate (intercedite) pro
nohis und hieran schliessen sich nun die mannigfaltigen bitten
um befreiung von verschiedenen Übeln, alle mit den Worten
libera nos ^wme schliessend. Dann per crucem tuam lihera nos
domine und hierauf wider eine bald grössere bald geringere
anzahl positiver bitten (meist um frieden, gute Witterung, be-
ßchützung von kirche, papst, könig u. s. w.), die alle mit den
Worten te rogamus audi nos enden. Dann folgt fast durchgängig
*) Wir entnehmen dieselben aus den litaneien bei Mabillon vet. anal.
p. 168 ff. anglikanische lit. u. litan. unter Karl d. gr. — Leibnitius scriptt.
rer. Brunsvic. I. no. XVII. 2 corvej^er litt, aus der zeit Ludw. d. frommen.
— Martene de ant. eccl. disciplina p. 520 u. 629; ders. de ant. eccl. ritib.
I, 1. 551.
Digitized by
Google
132 VOGT
agrms dei qui tollis etc. und den schluss bildet Christe atidi nos
Kyrie eleison^
Es handelt sich für uns nun vor allem darum, von diesem
kirchlichen gebet, welches zum grossen teil nur in der ausru-
fung vieler heiligennamen besteht, die brücke zu einer poetischen
bearbeitung zu finden, die den liturgischen Charakter fast ganz
abgelegt hat und keinen jener namen nennt, ohne zugleich eine
kurze skizze der taten des betreffenden heiligen und ein oft
recht geschickt in beziehung dazu gebrachtes gebet an denselben
hinzu zu fügen. Ansätze zu einer derartigen erweiterung finden
sich schon in einzelnen alten kirchlichen litaneien. So werden
bei anrufung der trinität und der Maria den blossen nainen
auch schon weitere prädikate hinzugefftgt; in der 1. corveyer
lit. Spiritus sancius deus qui es trinus et unus miserere nobis ipse
idemque henigrms mis, nob. Scta Dei genitrix ora pro nobis scta
virgo virginum o, p. n. Bei Martine rit. I, 1. 551 lautet die
anrufung: Sta Maria o,p. n, Sta Dei Genitrix, Sta mater Domini
Sta Virgo virginum, Regina caelorum, Mater misericoräiae. Wei-
tere bitten sind schon eingeschoben Mart. Disc. 629 hinter
Christe aud nos: Christe miserere nobis Praesta mihi primum ut
te bene rogem, deinde ut me dignum facias exaudiri, deinde ut
exaudias. Und hinter .9^0 Maria o.p.n.: Sta Mar. intercedepro
me peccatore, Sta Maria adjuva me in die exitus mä. Aber das
alles steht dochunsrer letanie noch ziemlich fern. Etwas eini-
germassen entsprechendes finden wir nur in -den lateinischen
metrischen und rhythmischen umdichtungen der litanei, die uns
schon aus dem ende des 9. und anfang des 10. Jahrhunderts
tiberliefert sind. Das damals so rege geistige leben in St Gallen
betätigte sich bekanntlich auch besonders auf dem gebiet der
geistlichen dichtung und des kirchengesanges und so wurde
dann auch die litanei für diese zwecke verwertet. Verschie-
dene solche litaneien sind uns überliefert, zum teil unter den
rühmlichst bekannten namen eines Notker Balbulus, Ratpert,
Hartmann. Freilich schliessen sich ihre dichtungen der oben
gegebenen gestalt der kirchlichen litanei noch recht genau an:
die poetische ausführung beschränkt sich auf hinzufügung we-
niger prädikate zu den namen der angerufenen und stellenweise
einschaltung kurzer bitten. In gewisser reihenfolge kehren die
anfangsverse als refrain wider, denn diese litaneien waren,
Digitized by
Google
ÜBER DIE LETANIE. 133
wie ausdrücklich überliefert wird, für den processions-gesang
bestimmt
Notkers rhythmische litanei beginnt mit einem distichon,
welches nachher den refrain bildet (bei Canisius lectiones anti-
quae ed. Basnage III, 3. 202).
Votis supplicäms voces super astra feramus
Trimis ut et Simplex nos regat omnipotens. Ky (-rleleison)
Scie Pater a4juva nos, Scte Fiii adjuva nos,
Compar his et Spiritus ungue nos intrinsecus, Fo.*)
Scta virgo virginum Stella Maris Maria
Tu pro nobis Dnminum Ora Christum ftlium. Trinus**)
Es folgen nun in der weise der kirchlichen litanei die ein-
zelnen chöre und dann das gewöhnliche schlussgebet;
Omnes Sancti Domihi Angeli et homines
Vos ad aures divinas ferte preces sedulas, Trirvus
Ut nobis remissio peccatorum donetur
Aeris temperies terraeque fertilitas Ky, etc.
Aus dem folgenden:
Ut rex noster Chuonradus Eßts et exercitics
Hinc et inde servetur Oramus Christe audi nos etc.
Das ganze schliesst: Kyrie eleison canimm
Christe eleison psallimus.
Ich gebe noch kurze proben aus Ratperts und Hartmanns
litaneien. Litania Ratperti ad processionem diebus Dominicis
Can. III, 3. 199 (Basnage bemerkt dazu: Ratpertus . . . dictaverat
Letanias plurimasquae canebantur diebus Rogationum etc.)
Ardua spes mundi solidator et inclyte coeli
Christe exaudi nos propitius famulos,
Virgo Lei genitrix rutilans in honore perennis
Ora pro famulis scta Maria tuis, Christe
Das gedieht geht dann in der gewöhnlichen weise weiter
mit anrufung der einzelnen chöre, hinter jedem distichon kehren
abwechselnd v. 1 und 2 als refrain wider. Dann kommt das
gebet an alle heiligen, wobei das gedieht in hexameter über-
*) Das ist vers 1 als refrain.
**) Das ist vers 2 als refrain.
Digitized by
Google
te Chre rogamus
134 VOGT
geht Beim schlussgebet finden wir die herkömmlichen bitten,
alle mit ie Chrlste rogamus schliessend. So
Ut pacem nohis dones
Crimen ut omne tuis solvas
aurae ut temperiem dones
Ut fruges Terrae dones
u. s. w. Schluss; Agne Dei patris nobis miserere pusillis
Christe exaudi nos o Kyrieleyson EXevöov.
Auch Hartmanns litanei war für den processionsgesang be-
stimmt, er selbst hatte die melodie dazu gemacht. (Can. IL 3.
192). Sie ist gleichfalls indistichen abgefasstund schon etwas
ausführlicher als die vorige. Die gebete an die einzelnen chöre
sind nicht blosse ausrufungen und es treten zu den namender
heiligen weitere prädikate hinzu. So z. b. bei den märtyrem :
0 vos Martyrio decorati in nomine Christi
Conspicui festes purpurei proceres
Qui hello invicti superastis daemonis iras
Conspirata manus vlncere morte minas etc.
Übrigens stimmt sie wesentlich mit den obigen litaneien
tiberein.
Sogar in odenform brachte man die litanei, wie das bei
Canis. 194 mitgeteilte Carmen sapphicum, cujusdam monachi
S. Galli anonymi beweist, welches die litanei in der gewöhn-
lichen form enthält und in jeder Strophe einen chor be-
handelt
Wir flihren schliesslich noch eine k^irze rhythmische litanei
von 23 vv. an, die bei Martine de anf. eccl. disc. 541 abge-
druckt ist Sie beginnt mit dem nachher als refrain benutzten
verse: JRex sanctorum angelorum totum mundum a4fuva.
Nicht unwichtig fttr die geschichte unsrer dichtungsart
würden die bei Leibnitz a. a. o. angeführten „Litaniae Ehyth-
micae vitam S. Ludgeri continentes" sein, da sie eben wirk-
liche Züge aus der legende des betreffenden heiligen enthalten
— wenn das gedieht, dem die dort beigebrachten stellen ent-
nommen sind, wirklich den namen litanei verdiente. Aber es
ist nur eine rhythmische lebensbeschreibung des h. Liudger (v.
jähr 1140) und liegt somit ausserhalb unsres gesichtskreises
(vergl. Pertz mon. scriptt IL 404 u. 424);
Digitized by
Google
ÜBER DIE LETANIE. 136
So hatte sich also schon die litanei zu einer besonderen
gattung der lateinischen geistlichen poesie entwickelt, als sie
um die mitte des 12. Jahrhunderts durch die vorliegende bear-
beitung auch in den bereich der deutschen dichtung trat,
überall regte sich damals ein eifriges bestreben unter der
deutschen geistlichkeit, den inhalt der bibel, der symbole, des
ritus und selbst kirchenpolitische fragen im gewande deutscher
dichtung dem laien zugänglich und vertraut zu machen. Diesem
streben verdankte wol auch unser gedieht ursprünglich seine
entstehung. Der gedanke, die litanei poetisch zu verwerten,
ist auch für unsem dichter jedenfalls nichts neues mehr ge-
wesen, aber die art und weise wie er das durchführte, war
doch w esentlich anders, als es bisher in den lateinischen dich-
tungen geschehen war. Er wollte nicht nur wie diese eine
Paraphrase der kirchlichen litanei geben, sondern er benutzte
dieselbe im gründe nur als rahmen, in den er seine gebete,
stindenbekenntnisse, loblieder und legendarischen skizzen ein-;
fügte. Aber allerdings schloss er sich dabei der Ordnung und
dem Inhalte der lateinischen kirchlichen litanei sehr genau an.
Die anrufungen und schlussformeln derselben ziehen sich wie
der rote faden durch unser ganzes gedieht hindurch, ganz
in der herkömmlichen reihenfolge und zum teil noch in latei-
nischer form. Der folgende vergleich des deutschen gedichtes
mit der kirchlichen litanei wird das veranschaulichen:*)
Die lateinischen Schlussworte der 4 ersten absätze unseres
gedichtes geben fast wörtlich den gewöhnlichen anfang der
lat litanei:
V. 40 Kyrie eleison
V. 106 Pater de caelis [sc. miserere nobis] nicht in allen
litaneien
V. 130 Chrisie audi nos
(v. 131 = Spiritus sancte) miserere nobis v. 172.
Dem nur in S enthaltenen abschnitte 173 — 196 entspricht
die gleichfalls nicht in allen litaneien enthaltene bitte
sancta trinitas unus deus (vgl. v. 173 u. 74) miserere nobis
*) Wir beziehn uns hier auf die bei Martine disc. 520 u. 629 und
rit. I. 1. 551 mitgeteiiteu litaneien; unser gedieht eitleren wir hier der
bequemlichkeit wegen, nach S.
Digitized by
Google
136 VOGT
V. 402 = Sancta Maria ora pro nobis
V. 404 St Michael (in der kirchl. litanei folgen meist noch
mehr engelnamen).
V. 446 Omnes sancü angelt /sc. orate pro nob.J
V. 569 St Johannes Baptista
V. 570 = St Petre
V. 592 = St Paule (diese beiden allein auch z. b. bei Rat-
pert und Notker, sonst auch noch der nur in S folgende Jo-
hannes.)
V. 617 omnes sancti apostoU /sc. orate pro nob.J
Unter den in jeder litanei wechselnden heiligennamen
begegnet Laurentius (673) meist; Stephan wie hier (670)
immer an der spitze der märtyrer. Zu dem in der litanei
folgenden omnes sancti martyres o. p. n. vgl. 691.
Unter den bekennern kommen Gregor (692), Martin (717),
Hieronymus (728) fast überall vor. (Omnes sti confessores vgl.
738) orate pro nobis 745.
Von den Jungfrauen nennt unser gedieht die auch in den
meisten litaneien enthaltenen Margarete (nur S 1007), Agnes
(1036), Cäcüie (1059), Maria Magdalena (nur S 1096). 1095
alle gotes megede = omnes stae virgines (o. p. uj Ftlr den in
S nachgetragenen tibergang Jesu corona virginum habe ich in
den kirchlichen litaneien nichts analoges gefunden.*)
1243 — 44 alle gotis heiligen ) omnes sancti
helfet uns mit uwer underdiginen ) intercedite pro nobis
Diese bitte der litanei ist in den vv. 1243 — 1334 ausge-
führt. Den in der kirchlichen litanei sich daran schliessenden
•) Die lateinischen anfangsworte bilden den eingang eines ambro-
sianischen hymnus, der Jesus als den anführ er der himmlischen Jung-
frauen preist (bei Daniel Thesaurus Hymnologicus I, 112); er schwebte
hier jedenfalls dem dichter vor, jedoch ohne dass dieser sich genau an
den Inhalt desselben hielt. Zu den anfangsversen dieses passus 978 —
79, 983 — 84 vergleiche man die erste Strophe des hymnus:
Jesu Corona virginum
Quem mater illa concepit
Quae sola virgo parturit
Haec Vota clemens accipe.
Dem Inhalte nach hat der nachtrag nichts auffälliges, da es auch sonst
vorkommt, dass bei anrufung irgend eines heiligenchores Jesus als der
anfiihrer desselben vorangestellt wird vgl. Daniel a. a. o.
Digitized by
Google
ÜBER DIE LETANIE. 137
bitten mit libera nos domine (s. ob.) entspricht der abschnitt
1335 — 59 (zum teil auch schon 1294 — 1300), in dem sich die
einzelnen bitten grossenteils aus der kirchlichen litanei nach-
weisen lassen:
1348 von allin unrehte = cU> omni iniguitate
1349 von din selbis zorne = a Ventura ira
1350 von dem ewigen virlome = a morte perpetua
1353 von unreinen gedanken = ab omni cogitaHone mala
zu 1354 u. 55 vergl.: ab immunditia cordis et corporis
ab omni concupiscentia mala
1356 von tuvillichen schunden = ab insidlis diaboli
1357 von grozir becorunge = ab omni tentatione
1359 von allirsldhte leide = ab omni malo
1347 ledige herre dine knehie = libera nos domine
Die flf. w. entsprechen genau dem in der lat. litanei sich
daran schliessenden (vgl. hiezu die lit. bei Mab. anal. 168)
1365 (nur in S) durh willen der geburte = per nativitatem tuam
1367 durh den touf dm da intphinge = per baptismum tuum
1370 durh dine crucisere = per crucem tuam
G 235, 8 durch din urstende = per resurreciionem tuam
„ 10 durch diner üfferte signumft = per ascensionem tuam
„ 11 durchdesheiligengeistis chumft= per decensionem sti Spi-
ritus*)
Dieser abschnitt ist in unserm gedichte nicht wie die mei-
sten andern durch einen lateinischen vers abgeschlossen (etwa
libera nos domine): er fliesst im folgenden mit den in derkirchl.
litanei als besondere gruppe sich anschliessenden positiven
bitten zusammen. Der gemeinsame schlussrefrain aller dieser
bitten: te rogamus audi nos ist wörtlich schon 1392 vorwegge-
nommen, während der eigentliche Inhalt jener bitten erst in
dem in 6 Communis tiberschriebenen schlussgebete folgt Auch
hier wird die latein. litanei ziemlich treu widergegeben; wir
vergleichen aus derselben: ut pacem nobis dones zu 1399.
ut pontificem nostrum conservare digneris zu 1406
ut universos gradus ecclesiae „ „ zu 1408
•) Diese nur in G. enthaltenen sätze fehlen z. b. auch in den litt
bei Martine.
Beiträge zur geschlohte der deatsclxen spräche. I. 10
Digitized by
(Google
138 VOGT
ut regem nostrum conservare digneris zu 1417
(doch siehe unten.)
ut inimicos stae ecclesiae comprimere digneris zu 1420
ut aeris temperiem nobis dones zu G 236, 36. 37
Vgl. auch Hartmanns lit.: Temperiem coeli tribuens (m. Christe)
ut copia frugum omrühus exundet ubere laeticia.
Zu den versen über das abendmal 1443 flf. könnte man
vergleichen (Mart. Kit 551); ut istud ineffäbile sacramentum puris
munibus tractemuSj „ j, puris mentibus sumamus.
Der gewöhnliche schluss der litanei, das Agnus dei und
Kyrie eleison (an dessen stelle auch das Gloria patri treten kann)
hat hier dem gebet für den dichter platz machen müssen, doch
schliesst wenigstens wider ein lateinischer vers das ganze.
So bildet also die kirchliche litanei gleichsam das gerippe
des deutschen gedichtes, welches der Verfasser nun noch mit
seinen eigenen zutaten umkleidete, wodurch dann eine reihe
ziemlich umßlnglicher und gewissermassen selbständiger gebete
entstand.
Für die an die dreieinigkeit , an Maria, die engel und
apostel gerichteten darf man nach einer bestimmten quelle
nicht suchen: sie enthalten die herkömmlichen züge, welche in
den geistlichen gedichten sowie in den lateinischen und deut-
schen gebeten jener zeit aller orten widerkehren. Wo bibel-
stellen angegeben werden, sind sie meist ziemlich frei benutzt.
Bei den heiligen aber werden auch immer einige kurze
Züge aus ihrer legende beigebracht, an die sich dann das gebet
anschliesst. Bei Gregor wird ausdrücklich auf seine vita hin-
gewiesen (698) und mit den Schriften desselben scheint der Ver-
fasser überhaupt veiiraut zu sein; wenn auch 7Q7 flf., wo seine
erklärung des Hieb erwähnt wird, zusatz in S ist, so wird er
doch auch 1315 wider angeführt. (Auch mit dem Hieronymus
ist er bekannt 732 ff.) Eine bestimmte quelle wird noch bei
der Maria Magdalena erwähnt 1176 f.: daz habe wir ouh von
der (1. dir) gelesen als uns ein herre hat gezalt sagt der dichter
als er die eigentümliche erweiterung der legende berichtet, wo-
nach Maria Magdalena nach der himmeifahrt Christi der weit
überdrüssig geworden und in eine wüste gegangen sein soll,
wo sie in einer höhle, durch engel mit speise versorgt, bis zu
ihrem ende lebte; kurz vor ihrem tode erschien ihr dann durch
Digitized by
Google
ÜBER DIE LETANIE. 139
göttliche gnade noch plötzlich ein priester, dem sie beichtete. —
Die ähnlichkeit dieser züge mit der legende von der ägyptischen
Maria fällt sofort in die äugen. (Diese lebte nach einer laster-
haften Vergangenheit alsbüsserin in einer wtlste, kurz vor ihrem
tode kam der priester Zosimas zu ihr, um ihre' beichte. zu ver-
nehmen; vgl. Grloube_2264 jff.). Gewis beruht jene erweiterung
der legende auf einer Vermischung beider Marien. Als die la-
teinische quelle derselben weist Heinzel (zu Erg. 26) desHono-
rius speculum ecclesiae nach und es stimmt recht gut zu un-
sem obigen resultaten tlber den dialekt d^s dichters, dass Ho-
norius gerade in Osterreich damals viel gelesen und durch
handschriften verbreitet war. Auch Heinrich v. Melk bezieht
sich Erg. 26—34 auf diese gestalt der sage mit erwähnung
desselben charakteristischen zuges, wie ihn die letanle über-
liefert, dass Maria Magdalena nach Christi hingang ekel an
der weit empfunden habe:
— Maria diu süzze
diu nach Christes ou/verie
dt uni stat hischerte
in einer äisHchen wüste
da si inne rvonen müste
äne der Hute mitwisi
die si nach unserm herren Christ
nimmer mir heschourven tvolde
Sit si in nicht lenger sehen soide.
Möglicherweise trugen auch die bei Heinzel a. a. o. ange-
führten französischen lokalsagen zur weiteren ausbildung dieser
legende bei. Später verbreitete sich dieselbe in dieser gestalt
allgemein (wir erinnern an die Magdalenenbilder).
Bei den übrigen heiligen werden nur die allgemeinsten züge
aus ihren legenden gegeben, die nichts besonders bemerkens-
wertes enthalten. Nur das gebet an den heiligen, welchen der
dichter „Columban" nennt, ist auffällig. Die legendarische skizze
passt hier auf den namen durchaus nicht. Es wird nämlich
V. 829 ff. von jenem „Columban" erzählt, er habe seine reich-
ttimer und den glänz dieser weit aufgegeben, habe sein geschlecht
und sein Vaterland verlassen und sei kühnen mutes in das
stväre eilende hinausgezogen, seinen tod habe er gefunden, indem
er wie Christus zwischen zwei räubern aufgehängt sei. Nach
10*
Digitized by
Google
140 VOGT
seinem tode habe er grosse zeichen getan. — Dass diese züge
nicht auf den Columban passen, der im kloster aufgewachsen
war und eines friedlichen todes im kloster starb, liegt auf der
hand. Schon Diemer (d. ged. XXVI.) nennt daher den betreifen-
den heiligen Koloman und Scherer bemerkt bei Gervinus g.
d. I. I. (5. aufl.) S. 197, dass auf den Coloman allein die le-
gendarischen Züge passen. Und das ist unzweifelhaft der fall.
Dieser Coloman war ein reicher, vornehmer Schotte, der als
pilger nach Jerusalem zog und im jähr 1017 auf seiner durch-
reise durch Osterreich vom pöbel, der ihn fär einen böhmischen
Spion hielt, ergriffen, gefoltert und zwischen zwei räubern auf-
gehängt ward. Sein leichnam blieb unverwest und tat die
herkömmlichen wunder. Markgraf Heinrich liess ihn dann als
heiligen nach Melk bringen, wo er als landespatron Österreichs
verehrt wurde.
Die älteste form dieser legende überliefert ganz kurz Thiet-
mar v. Merseb. VII. 54. Bei ihm fehlen noch mehrere der oben
erwähnten züge. Diese finden sich erst vollständig in der etwas
ausführlicheren vita Colomanni bei Pertz mon. scrptt. IV, 675 ff.,
welche dort für ziemlich gleichzeitig gehalten wird. Ausserdem
verfasste noch der bekannte Erchanfried v. Melk nach einer
angäbe des Melker nekrologs eine vita Colomanni. Ob diese
uns wirklich in den bei Pertz a. a. o. mitgeteilten „Miracula
Colomanni" erhalten ist, welche nur eine ausführlichere beschrei-
bung der wunder enthält, die Coloman nach seinem tode ge-
tan, lassen wir dahin gestellt; für uns würde sie in dem falle
nicht in betracht kommen. Die legendarischen züge, welche
die letanle überliefert, sind in der hauptsache in jener vita ent-
halten; dass dieselbe wirklich unserm dichter vorgelegen, könnte
vielleicht der anfang der praefatio zu derselben beweisen:
(Princeps apostolorum Petrus audiens) a domino mundi
contemptores centuplo remunerandos hie emolumento et in futuro
vitam aetemam possessuros etc. Vgl. 836 flf.: „Wer die weit
aufgibt" —
841 flf. dem rvil ihs Ion zeigen (so zu lesen)
da mite ih ime geldin rvil
ih gehe ime zeinzichstunt also vil
zu deme ervigeme libe.
Digitized by
Google
ÜBER DIE LETANIE. 141
Aber wenn dem auch wirklich so ist, so müste der dichter
doch noch eine andere quelle gehabt haben. Die 865 ff. über-
lieferten Züge von seiner geistlichen tätigkeit, vom beschirmen
der armen, dem tadeln der Sünder, seiner weisen lehre u. s. w.
sind in keiner der aufgeführten quellen enthalten. Vielleicht
hat dem dichter doch noch eine andere vita von Erchanfrid
vorgelegen — möglicherweise schöpfte er auch aus mündlicher
tradition. Dann würden wir uns jedenfalls den dichter in der
nähe des Schauplatzes der legende zu denken haben.
Wir kommen damit auf die frage nach
heimat, zeit und persönlichkeit des dichters.
Dass wirklich' nur jene gegend die heimat (resp. der aufent-
haitsort) des dichters gewesen sein kann, geht schon klar ge-
nug daraus hervor, dass er überhaupt jenen österreichischen
lokalheiligen auf besonderes geheiss seines abtes nachtragen
muste und noch dazu in so ausführlicher weise. (Wie wenig
Coloman ausserhalb Österreichs bekannt war zeigt schon die
änderung seines namens in S.) Dazu kommen dann noch die
resultate unserer dialektischen Untersuchungen.
Also in Osterreich, lebte unser dichter und zwar als mönch
unter dem' abte Engelbrecht, wie die vv. S 890 ff beweisen :
(gedenke — ) des abblt Engelhrechtis
unde andirs diner knehte
(mit der ware[n] goiis crefte) (zu gedenke zu ziehen)
[di] undir siner melsterscefte
in der er istinen Joh sint gerveten (so st. gewetet).
Den geschichtlichen nachweis eines abtes Engelbrecht ver-
suchte Diemer d. ged. XXVI. Er sieht in ihm den prälaten
Engelbrecht, der vom bischof Altmann im stifte von St. Polten
in Osterreich unter der Enns eingesetzt wurde und der zuerst
in einer Urkunde des klosters Gleink vom jähre 1088 und dann
in einer Urkunde Ottokars VI. v. Steiermark erscheint, die
zwischen 1092 und 1121 anzusetzen ist. Die läge von Polten
würde sehr gut zu unsern obigen resultaten stimmen, aber die
Zeitbestimmung, wonach unser gedieht spätestens ca 1120 — 25
verfasst sein müste, passt absolut nicht. Unser gedieht müste
dann in dieselbe zeit wie die gedichte der Ava fallen (was
Biemer auch gerade bezweckt); dass daran nicht zu denken
ist, zeigt, von allem andern abgesehn, schon eine ganz flüchtige
Digitized by
Google
142 VOGT
vergleichung der reime beider gedichte. Von den bei Ava so
häufigen volleren, noch nicht zu e geschwächten eridungen zeigt
sich in den reimen der letante keine spur mehr. Vielmehr ver-
weisen die spräche und die verhältnismässig reinen reime unser
gedieht wol noch in die zeit nach 1150. Heinrich v. Melk hat
in seinem Priesterleben ganz dasselbe Verhältnis reiner und un-
reiner reime wie unser gedieht, in der Erinnerung hat er noch
etwas mehr unreine. Auch der spräche nach kann man Hein-
rich keinesfalls später ansetzen, als den Verfasser der letanie.
Heinrichs gedichte nun werden mit Sicherheit zwischen 1148
und 1163 angesetzt: früher ist auch die letanie jedenfalls nicht
entstanden. Die äusserste grenze nach der andern seite hin
gibt die hs. S, die 1187 vollendet wurde.
Möglicherweise könnte noch ein andrer umstand zu einer
näheren Zeitbestimmung beitragen. Die lateinischen litaueien,
welche im schlussgebet den papst aufführen, beten auch in ganz
bestimmter formel fttr den oft sogar mit namen genannten könig.
So hat die 2. Corveyer lit. Exaudi Christe Hludovico Imperatori
(Ludwig d. fromme) viia! die bei Leibnitz no. XVII. erwähnte
lit. enthält „preces pro Arnulfo rege", die des Notker (s. ob.)
bittet für könig Konrad I. Die litaneien bei Martine haben ut
regem nostrum conservare dignerU te rogamus audi noSj ui ei vitam
et vicioriam dones etc.
Es befremdet daher, dass unser dichter zwar fttr den papst
ausdrücklich bittet (G 236, 11 und beschirmest unsem Herren den
pabes)y aber flir den könig keine bitte hat, sondern nur ganz
allgemein und vieldeutig sagt:
236, 26 daz du chunige unde rihtaere
unt ander ir volgaere
muzist gevesten an dem rehten.
Leicht genug Hesse sich das erklären, wenn wir annehmen,
dass unser dichter in dem furchtbaren streite, der (schon seit
1157 vorbereitet) 1161 zwischen papst undkaiser ausbrach, auf
päpstlicher seite stand und daher flir „seinen herren" den papst
bittet, während er des gebannten kaisers nicht gedenkt 1177
wurde der bann gelöst und in diesen Zeitraum (1161 — 77)
liesse sich dann die abfassungszeit unseres gedichtes noch näher
einschränken.
Digitized by
Google
ÜBER DIE LETANIE. 143
In Übereinstimmung mit diesen resultaten über ort und zeit
der abfassung der letanie dürfte wol auf die identität mit dem
in unserm gedichte erwähnten abt Engelbrecht ein Engelbertus
ansprueh haben, der in den jähren 1172 — 1203 dem zwischen
Enns und Linz gelegenen kloster St. Florian als pri^epositus
vorstand, (cf. Stülz, geschichte des regulierten chorhermstiftes
St. Florian s. 191). Sein name erscheint mehrfach in urkuß-r
den, nach dem mir vorliegenden material (ausser dem angef,
monum. Boica XXIX, urkundenbuch des landesob der Enns IL)
zuerst in einer Passauer Urkunde vom 21. 7. 1183 (urkunden-
buch des landes ob der Enns CCLXI), in welcher bischof Diet-
polt V. Passau die rechte des klosters St. Florian auf das
hospital zu Vechelahebruck und die pfarrkirche Scuoendorf be-'
statigt Daselbst heisst es: „statuimus ... quatenus domnus En-
gelbertus venerabilis prepositus S. Floriani Martyris Christi cujus
diligentia et instanti industria hoc Privilegium conquisitum est
eiusque successores prefatum hospitale in sua dispositione . . .
habeant" Die weiteren Urkunden, in denen Engelbert begegnet,
sind vom 24. 1. 1188 (a. a. o. IL S. 407), „ca. 1200" (a. a. o.
II, 470) und vom 28. 7. 1202 (a. a. o. II, 485). Schon 1203
tritt in einer Urkunde aus Mautern (a. a. o. 493) ein Otto als
praepositus von Florian auf. — Ich wüste nichts, was un»
hindern könnte, diesen Engelbert für den in unserm gedichte
erwähnten zu halten. Die läge von St. Florian entspricht ganz
unsem obigen ermittelungen über die heimat des dichters.
Dass es im lande ob der Enns liegt und daher erst seit 1156
zu Österreich gehörte, macht es vielleicht noch erklärlicher, dass
der österreichische landesheilige von dem dichter, der sich wol
noch nicht ganz in die österreichischen traditionen eingelebt
hatte, nicht gleich anfangs aufgenommen wurde^ während an-
drerseits die läge des klosters unweit der grenze doch anfeinen
regen verkehr desselben mit dem lande unter der Enns und
dessen klöstem schliessen lässt, was auch durch Urkunden be-
ßtätigt wird (z.b. die a. a. o. 407 mitgeteilte, in der Engel-
bert erwähnt wird, ist aus Polten, die a. a. o. 493 beigebrachte,
in welcher Otto v. St. Florian auftritt, aus Mautem u. s. w.) und
dadurch wird dann widerum auch die nachträgliche aufnähme
des Coloman genügend erklärt. Vielleicht kann ein weiterer
umstand die identität des abtes von St. Florian mit dem Engel-
Digitized by
Google
144 VOGT
brecht unsres gedichtes noch wahrscheinlicher machen. In jener
Urkunde vom j. 1183 nämlich, in der die rechte St. Florians
auf das hospital zu Vöchlabruck und die kirche Schöndorf be-
stätigt werden, wird bestimmt, dass die erhaltung des hospitals
der Pfarrkirche Schöndorf zur last fallen solle und es heisst:
„que prefata parrochia dinoscitur posse persolvere ob amorem
sancti Egidii confessoris Christi in cujus honore capella ibidem
a prefato Pilgrimo constructa est" und am schluss wider „qui-
cunque vero largitate munerum suorum . . . eidem xenodochio
pro amore Christi et honore S. Egidii confessoris subvenerit"
etc.: es stimmt dazu trefflich, dass auch der Egidius unter den
heiligen sich befindet, die der abt Engelbrecht in die letanie
(S 948 ff.) nachtragen Hess. — Die zeit, in welcher der abt
von St. Florian auftritt, widerspricht unsem obigen Vermutungen
über die abfassungszeit des gedichtes nicht. Ungefähr um die
zeit des amtsantrittes des Engelbert wird der dichter der letante
seine nachtrage gemacht haben, denn der abt wird ihn doch
dazu veranlasst haben, gleich nachdem er mit dem gedichte
bekannt geworden. Die erste abfassung aber müssen wir noch
mehrere jähre früher ansetzen, da sich das gedieht schon in
seiner ersten, kürzeren gestalt weiter verbreitet hatte, wie die
Gräzer hs. beweist. Wir werden also wider ganz in den oben
vermuteten Zeitraum verwiesen und werden nach alledem die
entstehung der letanie gegen 1170 und die abfassung der nach-
trage flir das jähr 1172 ansetzen müssen.
Soviel über zeit und heimat des dichters. Für seine per-
sönliche Charakteristik dürfen wir nicht erwarten, aus art und
geist seiner dichtung vielmerkmale entnehmen zu können: Die
geistlichen dichter jener zeit beherschen ihren stoff zu wenig,
als dass sie ihm den bestimmten Stempel ihrer persönlichkeit
aufzuprägen vermöchten, es ist ihnen im gründe auch nur um
den stoflf zu tun, die gestaltung ist völlig nebensache; daher
auch die formlosigkeit ihrer gedichte. In dieser beziehung ist
unser gedieht ganz ein product seiner zeit; freilich gestaltet
hier der dichter seinen stoff, jedoch nach einer fertigen Schab-
lone. Innerhalb jener werke seiner gattung aber möchte ich
dem gedichte doch keinen untergeordneten platz anweisen: das
ganze spricht von lebendiger empfindung und einzelnen stellen,
namentlich z. b. dem hymnus an Maria, der den besseren
Digitized by
Google
ÜBER DIE LETANIE. 145
Marienliedern nichts nachgibt, ist wirkliche poesie nicht abzu-
sprechen.
Die anschauungsweise des dichters, wo sie wirklich selb-
ständig unter dem gegebenen Stoffe durchblickt, verrät überall
den mönch, aber sie trägt einen milderen Charakter als die
seiner meisten genossen, wie z. b. Hartmann, der Verfasser des
Grloube, oder auch Heinrich v. Melk, mit dem Diemer unsem
dichter sogar identificieren wollte. Aber die ganze art des Ver-
fassers der letanie steht der bitterkeit und finstem askese Hein-
richs ebenso fem, wie sein ruhiger und gleichmässiger stil dem
hastig forteilenden, sich selbst überstürzenden, bald höhnenden
bald polternden des Heinrich.
Asket ist unser dichter zwar auch, seine Sündhaftigkeit
schildert er grell genug und manchmal in nicht sehr delikaten
Zügen. Aber weltverachtung spricht er nirgend aus. Er bittet
um maezzigen richtum (236, 39) und um ein fruchtbares jähr.
Seinen sündigen mitmenschen verheisst er nicht höhnisch die
höUenstrafe wie Heinrich, sondern er bittet für sie um Verge-
bung, selbst für seine feinde (236, 44). — Über den innern zu-
stand des dichters dürfen wir aus dem Inhalt seines werkes
keine voreiligen Schlüsse ziehn. Es wäre durchaus falsch wenn
wir von vornherein annehmen wollten, dass die Sündenbe-
kenntnisse, die er namentlich im gebet an Johannes den täufer
und Maria Magdalena ablegt, der Wirklichkeit entsprechen
müsten. Ihrena wesentlichen Inhalt nach stimmen diese bekennt-
nisse ziemlich mit den gewöhnlichen beichtformeln überein und
dass der Verfasser diese herkömmlichen züge ohne weiteres auf
sich überträgt, darf uns nicht befremden. Ähnliches kommt oft
genug vor, man vergleiche z. b. das ganz allgemein für jeden
leser berechnete Sündenbekenntnis im Gloube 1768 ff. (wo mord,
raub, kirchendiebstahl u. s. w. vorkommen) und das im lobl. auf
Maria bei Diemer d. g. — Und doch möchte ich andrerseits
gerade hier jeden wirklichen hintergrund nicht ablehnen. Dass
der dichter sich seinen besondern Schutzheiligen, den Johannes,
aussucht (225, 44 f. 226, 13 ff.), vor dem er jenes Sündenbe-
kenntnis ablegt, deutet doch darauf, dass er hier keine allge-
meine gebetsformel geben will, sondern dass er wirklich von
seinen persönlichen Verhältnissen ausgeht; ebenso weist wol da-
rauf hin die mehrfach widerkehrende bemerkung über den kämpf;
Digitized by
Google
146 VOGT
gegen die Sünden, den er angefangen habe und der noch immer
kein ende nehmen wolle. Wenn er sich daher mit dem verlor-
nen söhne vergleicht, der sein gut verprasst und ein unkeusches
leben geführt habe (S 1195 ff), so kann man das immerhin im
eigentlichen sinne nehmen. Er mag wirklich ehedem ein leicht-
lebiger weltlicher gewesen sein, bis ihn jener asketische zug
erfasste, der gerade jene zeit durchwehte, so dass er sich, wie
so mancher andere seines gleichen, in die einsamkeit des klo-
sters zurückzog. Als ein zeugnis seiner bekehrung und seiner
innern kämpfe und zugleich als ein zeugnis seines ehrenwer-
ten strebens, den laien seiner zeit dem leben und den brauchen
der kirche näher zu bringen, schrieb er dann die letanle.
LEIPZIG. FRIEDRICH VOGT.
Nachtrag zu einlichen. Ein späterer beleg für einlich in
der bedeutung eifrig findet sich Priesterleben v. 251: ich rvirde
sin auch nimmer einlich; daz ich siu mit solhen dingen cihe d. h.
ich beeifere mich nicht, bin nicht darauf bedacht, sie solcher
dinge zu beschuldigen.
F. V.
Digitized by
Google
^v
ZUR LAUTVERSCHIEBUNa.
JJer hauptzweck der nachfolgenden Untersuchung ist die
bestimmung des ganges, welchen die Verschiebung der indoger-
manischen aspiraten im germanischen genommen hat. Dazu
sind drei fragen zu beantworten; erstens: welches war die ur-
sprüngliche gestalt der aspiraten in der indogermanischen Ur-
sprache; zVeitens: welches die in der germanischen Ursprache:
drittens: durch welche etwaige Zwischenglieder war der Über-
gang von der einen in die andere vermittelt. Ohne die richtige
beantwortung der beiden ersten fragen fehlt natürlich allen spe-
culationen über die dritte der boden. Die erste ist der gegen-
ständ vielfältiger erörterungen gewesen. Noch immer stehen
sieh sehr abweichende ansichten gegenüber. Aber doch halte
ich daflir, worauf ich später zurückkomme, dass wir zu einem
bestimmten von den meisten hervorragenden sprachforschem
anerkannten resultate gelangt sind. Die zweite frage aber ist
eigentlich noch gar nicht aufgeworfen. Man hat sich stets be-
gnügt vom gotischen auszugehen, und hat dabei meist ohne
weiteres diegotischen laute denjenigen gleichgesetzt, welche die
lateinischen buchstaben ausdrücken, durch welche sie in der
gewöhnlichen Umschreibung bezeichnet werden. Bei Scherer
erscheint zwar zum teil eine andere auflfassung; aber sie ist
nur schwankend ausgesprochen und nicht consequent durchge-
ftihrt. Nun ist aber ein unbedingtes erfordernis zur bestimmung
der urgermanisclien ausspräche dieser laute eine vergleichende
betrachtung der gestaltungen derselben in sämmtlichen germa-
nischen sprachen, und zwar eine solche, welche sich nicht bloss
an den buchstaben hält, sondern, soweit dazu mittel vorhanden
sind, den lautwert festzustellen sucht. Erst mit hülfe dieser
feststellung kann sowol die Weiterverschiebung in den einzelnen
mundarten, als das Verhältnis zu den verwanten sprachfamilien
Digitized by
Google
148 PAUL
in das rechte licht gesetzt werden. Ich will also zunächst einen
versuch dazu machen. Die frage nach ausspräche und geschichte
der den indogermanischen aspiraten entsprechenden sogenannten
deutschen medien b, g, d hängt überall aufs engste zusammen
mit der Untersuchung über die indogermanischer tenuis entspre-
chenden laute /; h, p, die wir daher in unsere betrachtung ein-
schliessen müssen.
Ueber die ausspräche des gotischen besitzen wir zwei mo-
nographien, von Weingärtner, Leipzig 1858 und von Dietrich,
Marburg 1862. Die ansichten dieser beiden gelehrten gehen
wie über die auspraclie der vokale, so auch über die der hier
in betracht kommenden consonanten ziemlich weit auseinander.
Eine neue prüfung ist daher nötig. Die kriterien, welche uns
zu geböte stehen, sind einerseits das Verhältnis der gotischen
zu den griechischen und lateinischen lautzeichen, anderseits ge-
wisse lautgesetzliche Veränderungen. Was die ausprache des
griechischen zur zeit des Ulfilas angeht, so steht es fest, dass
die medien ft 7, 6 bereits als tönende, die aspiraten % ^ als
tonlose Spiranten gesprochen wurden; weniger sicher ist das
letztere für x^ was wir übrigens für unsern zweck ganz bei
Seite lassen können. Zu beachten ist noch, dass ß und 9 als
rein labiale, nicht labiodentale Spiranten aufzufassen sind. Nun
sind die gotischen zeichen für b, g, d entstanden aus den grie-
chischen ßj 7, rf; es ist also das nächstliegende ihren lautwert
denselben gleich zu setzen, so lange nichts anderes dagegen
spricht. Hinwider wird gotisches / und p nicht durch 90 und
^ bezeichnet, sondern durch einheimische ruhenzeichen; das
erweckt den verdacht, dass die ausspräche etwas verschieden
gewesen sei^ ohne dass indessen darauf ein bestimmter beweis
gegründet werden könnte, da die beibehaltung der runen auch
auf anderen gründen beruhen kann. Entscheidender ist die
widergabe der griechischen und lateinischen Wörter im gotischen,
und umgekehrt die der gotischen namen bei griechischen und
lateinischen Schriftstellern. Es werden nun nicht bloss die grie-
chischen medien durch die entsprechenden gotischen widerge-
geben, sondern auch (p durch f, {h durch p; h entspricht dem
Spiritus asper; über seine natur ist überhaupt kein streit mehr.
Für die ausspräche der medien als Spiranten spricht noch, dass
in einem falle d = ^ ist, baidsaiidan Luc. 9, 10, und mehrmals
Digitized by
Google
ZUK LAUTVEESCHIEBUNG. 149
b = q) in Asabis Esdr. 2, 41 und Joseba. Dagegen kann es
nicht sehr ins gewicht fallen, dass zweimal in Lod d einem r
und einmal in falaig g einem tc entspricht, so wenig wie man
aus dem einmaligen peimaupaius flil- Ttfiod-sog auf eine von
der des d- verschiedene ausspräche des p schliessen wird. Es
können hier abweichungen des griechischen textes oder fltichi-
tigkeiten des Übersetzers vorliegen. Die Vertretung des lateinischen
V durch b in Silbanus, naubaimbair beweist noch bestimmter die
spirantische ausspräche des letzteren wenigstens im inlaut.
Lateinischem b entspricht es nur in anakumbjan und naubaimbair
wol zu beachten nach m, in welcher Stellung, wie wir sehen
werden, auch in den übrigen dialekten die ausspräche abweicht;
doch ist diess an und für sich kein zwingender beweis für die
völlige gleichheit des lateinisclien und gotischen b, da eben kein
anderes zeichen zum ausdruck des ersteren zu geböte stand
und da das wort bereits eingebürgert zu sein scheint. Die
widergabe der gotischen eigennamen bei den griechischen und
lateinisclien Schriftstellern ist besonders ausführlich von Dietrich
besprochen. Ich kann aber den Schlüssen, die derselbe daraus
auf die ausspräche zieht, nicht durchgängig beistimmen. Man
darf übrigens bei der betrachtung derselben nicht aus dem äuge
verlieren, dass die gotischen laute wie die anderer dialekte in
einem stäten fortschreiten ))egriffen gewesen sind, so dass die
spräche ohne ihr frühes aussterben aller Wahrscheinlichkeit nach
bis zu derselben stufe wie das ätrengalthochdeutsche gelangt
sein würde. Wir dürfen daher die lautgestaltungen in späteren
quellen nicht ohne weiteres auf die zeit des Ulfilas übertragen.
Am meisten klären uns die lateinischen namensformen über die
ausspräche des b auf. Diess wird im inlaut zwischen vokalen
regelmässig durch v widergegeben (Dietr. s. 71), auch nach l
kommt V vor. Wenn sonst im inlaut in consonantenverbin-
dungen und im anlaut b daflir steht, so beweist diess noch nicht
sicher, dass das gotische b hier als explosivlaut gesprochen
wurde. War es wie /? ein rein labialer spirant, so entsprach
ihm weder das lateinische labiodentale v noch das b vollkom-
men, sondern der laut hatte etwas mittleres zwischen beiden,
wodurch ein schwanken in der Schreibung veranlasst werden
konnte, b wird ja auch mit vorgesetztem u flir deutsches w
gebraucht (Dietr. s. 79) z. b. Ubadila, wo es nur den rein labi-
Digitized by
Google
150 PAUL
alen Spiranten bezeichnen kann. Doch die consequente setzung
von b im anlaut neben v im inlaut scheint eine Verschiedenheit
der ausspräche anzudeuten. Nur im zweiten teile eines com-
positums, dessen anlaut sonstwie der eines selbständigen Wortes
betrachtet wird, findet sich v in Reciverga. Wenn gotischem g
und d lateinisches g und d entspricht, so werden wir widerum
daraus nicht mit notwendigkeit schliessen, dass die ausspräche
gleich war. Man könnte sonst mit demselben rechte schliessen,
dass auch y und 6 in der späteren zeit als verschlusslaute ge-
sprochen wären. Die gotischen laute konnten nur durch die
zeichen ausgedrückt werden, deren lautwert ihnen am nächsten
kam. Die spirantische natur des g im inlaut ist auch von
Dietrich zugegeben und durch zahlreiche beispiele des verklin-
gens von g im inlaut und auch im anlaut des zweiten teils der
composita wahrscheinlich gemacht. Wenn aber die widergabe
durch lateinisches g nicht als ein beweis gegen die ausspräche
des gotischen g als spirant angesehen wird, so darf uns auch
lateinisches für gotisches d nicht stören. Im anlaut wird go-
tisches g öfter durch c widergegeben, schon bei Ammianus.
Wir müssen hierin gewis einen beweis dafür finden, dass hier
kurz nach Ulfilas ein verschlusslaut gesprochen wurde. Gotisches
p wird durch ih vertreten, also durch dasselbe zeichen wie lö-,
dem wir demnach die gleiche bedeutung zuzuschreiben berech-
tigt sind. Wenn dafür häufig einfaches t steht, so ist diess
wol blosse schreibemachlässigkeit, der wir ebenso später bei
der Schreibung deutscher eigennamen in lateinischen büchem
und Urkunden begegnen, d' flir/> im inlaut beruht auf weiterer
fortbewegung des lautes. Gotisches f wird seltener durch f
widergegeben als durch ph. Daraus folgt nicht, dass es einen
sehr harten klang gehabt hat, wie Dietrich sagt, sondern nur,
dass es rein labial war wie 9), weshalb es im lateinischen
durch dasselbe zeichen wie dieses umschrieben werden muste.
p für gotisches f ist jedenfalls aufzufassen wie t für />. Es
mag auch sein, dass beide nicht bloss auf nachlässiger Schrei-
bung beruhen, sondern auch auf ungenauer auffassung mit
dem obre. Bei hastiger ausspräche kann die spirans wenig-
stens ebenso gut als tenuis aufgefasst werden, wie die aspi-
rata oder afifricata, von welchen letzteren es übrigens gar
nicht sicher ist, ob sie wirklich die raittelstufen zwischen
Digitized by
Google
ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 151
indogermanischer tenuis und germanischer spirans gebildet,
haben.
Fassen wir zusammen, was sich von dieser seite für die
ausspräche der medien ergibt, so lässt sich allerdings nicht in
abrede stellen, dass immer einige Schwierigkeiten und Wider-
sprüche bleiben, die nicht bis zur zweifellosigkeit gelöst werden
können. Indessen wenn man die unausführbarkeit einer voll-
kommen genauen Umschreibung in ein fremdes aiphabet erwägt,
so werden einzelne kleine bedenken in rticksicht hierauf schwin-
den müssen, und man muss das resultat anerkennen, dass sehr
gewichtige stünde vorhanden sind die medien im inlaut nach
vokalen als Spiranten aufzufassen, während anderseits die aus-
spräche im anlaut und im inlaut nach liquida und vor allem
nach nasal davon verschieden gewesen sein muss, sodass hier
entweder verschlusslaute gesprochen wurden oder, wofür die
gleiche Schreibung und das Verhältnis zum griechischen spricht,
übergangslaute zwischen verschluss- und reibelauten.
Entscheidender als alles bisher vorgebrachte ist die beo-
bachtung des lautwandels im gotischen. Es ist bekannt, dass
in denselben Wörtern, welche im inlaut h und d zeigen, im
auslaut und vor dem nominativzeichen s statt dessen meistens
f und Jj erscheint, ausgenommen nach consonanten m, n, l, r, z.
Wo wir sonst einen solchen Wechsel zwischen in- und auslaut
in den germanischen sprachen finden, beruht derselbe darauf,
dass im inlaut ein tönender, im auslaut der entsprechende
tonlose laut gesprochen wird. So spricht man in Oberdeutsch-
land tak und liep für tag und lieh, in Niederdeut«chland dach
und leif, weil hier im inlaut tönende Spiranten gesprochen
werden: daghe, leiwe. Dasselbe Verhältnis sind wir berechtigt
ftir das gotische anzunehmen. Da f anerkanntermassen reine
ßpirans ist, so muss h die ihm entsprechende tönende spirans
gewesen sein. Wäre ferner /> aspirata, d tönender verschluss -
laut gewesen, so wäre gar nicht abzusehen, wie sie dazukämen
mit einander zu wechseln. Sie können sieh vielmehr nur durch
Vorhandensein oder fehten des stimmtones unterschieden haben,
und wir müssen ihren lautwert gleichfalls als tönende und ton-
lose spirans bestimmen. Auf diess Verhältnis hat schon Wein-
gärtner bedeutendes gewicht gelegt. Wenn im auslaut f und
p nicht ganz consequent geschrieben werden, sondern daneben
Digitized by
Google
162 PAUL
b und ^, so rührt diess nur daher, dass nicht tiberall streng
phonetisch geschrieben wurde, wie diess im neuhochdeutschen
in diesem falle gar nicht geschieht. Dass nach consonanten
die media bleibt, beweist wider eine abweichende ausspräche.
Da aber in diesen fällen auch nicht die tenuis geschrieben
wird, so ist es doch nicht sicher, ob hier wirklicher verschluss-
laut gesprochen wurde. Wenn zwischen g und h nicht derselbe
regelmässige Wechsel besteht, so kann daraus nicht gefolgert
werden, dass g nicht spirant gewesen wäre, sondern da h be-
reits zum blossen hauche abgeschwächt war, so war es nicht
geschickt den dem g entsprechenden harten Spiranten = mhd.
ch auszudrücken, und es konnte passender inermanglung eines
bessern das zeichen flir den weichen Spiranten beibehalten
werden.*) Es wäre allenfalls noch denkbar, dass fnnäp als
harte aflfricaten aufzufassen wären y und dann b und d als die
entsprechenden weichen, wie es Scherer flir möglich hält. Aber
das widerspricht durchaus dem, was wir vorher über die natur
der laute erschlossen haben. Wie hätte z. b. bv durch einfaches
lateinisches i; widergegeben werden sollen? Man hat überhaupt
keine andere veranlassung medienaffricaten im gotischen an-
zunehmen, als die, wie wir sehen werden, unbegründete Voraus-
setzung, dass wol aus einer solchen, aber nicht aus einer ein-
fachen Spirans sich eine mit verschluss gebildete media ent-
wickeln könnte. Dem p eine andere natur zuzuschreiben als
dem /* berechtigt nichts; ihr beiderseitiges Verhältnis ist völlig
analog.
Wir haben bisher diesen lautwechsel nur vom Standpunkte
des gotischen aus betrachtet. Von diesem aus gesehen, scheint
es, dass überall der weiche laut der ältere ist, der nur im aus-
laut fast mit natumotwendigkeit in den harten übergeht Die
vergleichung der verwanten sprachen aber ergibt, dass in den
meisten fällen der harte laut der ältere ist, keineswegs aber
durchgängig. Fälle, in denen die gotische media einer indo-
germanischen aspirata entspricht, also zunächst weich sein muss,
sind baup (praet von biudan\ßiggalaupSy rairop (praet. von redan)\
von liubs^ galaubs, stabs, rauds kommen zufällig nur formen vor.
*) BeiJordanes findet sich^mcÄ neben Berig (Diefcrjch s. 75), was
also dem Übergang von h m f und rf in )? analog sein würde.
Digitized by
Google
ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 153
in denen h und d inlautend zwischen vokalen steht; es könnte
daher eben so gut üufs, raups etc. angesetzt werden. Eine Ver-
härtung im auslaut findet also sicher statt. In den meisten
Wörtern, in denen der Wechsel zwischen b und f, d und /> sich
zeigt, entsprechen diese laute indogermanischer tenuis. Auch
sonst sind die medien h, d und auch g aus ursprünglicher te-
nuis hervorgegangen. Die hierher gehörigen Wörter sind am
vollständigsten zusammengestellt in Lettners abhandlung „tlber
die ausnahmen der ersten lautverschiebung" Kuhns zeitschr.
XI, 161 ff. auf Seite 187 ff. Es ist wol kaum noch nötig die
früher verbreitete ansieht zu widerlegen, dass diese medien un-
mittelbar aus der- tenuis erweicht seien. Scherer hat eine Wider-
legung derselben gegeben in der zeitschr. f. d. östr. gymn. XII,
648. 49. Er stellt drei möglichkeiten auf: entweder die erwei-
chung hat stattgefunden vor der laut Verschiebung, oder nach
der Verschiebung, oder sie fällt zwischen die einzelnen akte
der Verschiebung. Fiele sie vor die Verschiebung, so hätte die
aus der tenuis erweichte media durch dieselbe wider zurtenui«
werden müssen. Zwischen die Verschiebung könnte sie nach
Scherer fallen, wenn man dieselbe reihenfolge wie Curtius an-
nimmt, nämlich zwischen dessen zweiten und dritten akt, der
Verschiebung der media zur tenuis und der der media zur
aspirata. Ich möchte auch diese möglichkeit bestreiten. Denn
dann wäre es wenigstens ein sehr wunderbarer zufall, dass
nicht auch eine anzahl aus der media entstandener tenues er-
weicht sind. Und überhaupt wäre es unwahrscheinlich, dass
unmittelbar nach der eben vollzogenen durchgängigen Verhär-
tung gleich wider eine ausgedehnte erweichung gefolgt wäre.
Die erweichung muss also nach der Verschiebung der indoger-
manischen media und der der tenuis stattgefunden haben. Der
von der erweichung betroffene laut war also nicht mehr die
tenuis, sondern eine durch die Verschiebung bewirkte mt)difica-
tion derselben. Es fragt sich nur, bis zu welcher stufe die Ver-
schiebung gediehen war. Um diese frage zu entscheiden, wäre
zunächst zu bestimmen, auf welche weise die germanische Ver-
schiebung der tenuis vor sich gegangen sein kann. Entweder
wurde, wie die gewöhnliche annähme ist, aus der tenuis zu-
nächst die aspirata, aus dieser dann ein doppellaut bestehend
aus tenuis und homorganer spirans, den man affricata zu nennen
Belträ|;e zur ^eschichte der deutschen spräche. I. \\
Digitized by
Google
154 PAUL
gewohnt ist, und daraus endlich einfache spirans, oder es wurde
aus der tenuis unmittelbar die aflfricata, wie der Vorgang vielleicht
im hochdeutschen war, und daraus wider die spirans, oder
endlich drittens, eine ansieht, die von Scherer vertreten wird,
(z. gesch. 82, z. f. d. östr. gymn. XII, 65^) es wurde unmittel-
bar aus der tenuis die spirans. Alles dreies ist physiologisch
vollkommen möglich. Die letzte annähme setzt, wie Scherer
richtig bemerkt, keinen sprung voraus. Der Vorgang ist ein-
fach der, dass bei sonst gleicher mundstellung der verschluBs
gelockert wird. Unmittelbaren Übergang von tonlosem ver-
sohlusslaut in einen reibelaut weiss ich allerdings sonst nicht
mit Sicherheit nachzuweisen, sehr häufig ist aber der vollkommen
analoge von tönendem verschlusslaut in reibelaut, z. b. im grie-
chischen und in den romanischen sprachen. Scherer beruft sich
für seine ansieht besonders darauf, dass das resultat der ger-
manischen Verschiebung einfache Spiranten sind, während im
hochdeutschen im anlaut affricata erscheint^) Es ist richtig,
dass durch diesen umstand seine annähme überhaupt möglich
wird, aber erwiesen ist sie damit nicht. Die wandelung durch
die aspirata hindurch brauchte nicht bis zur einfachen spirans
fortzuschreiten, wie das althochdeutsche beweist, konnte es aber
sehr wol, wofür das griechische und lateinische die sichern
belege gibt. Wir müssen also die frage einstweilen unentschie-
den lassen. Wurde die tenuis unmittelbar in die spirans ver-
wandelt, seist ohne weiteres klar, dass in den fraglichen fällen
g, dj b durch erweichung aus der harten spirans entstanden
sein müssen. Liegen dagegen die erwähnten Übergangsstufen
dazwischen, so kann es in frage kommen, ob nicht bereitsauf
einer von diesen die erweichung eingetreten ist; ob also viel-
leicht aspirata oder affiicata davon betroffen wurde. Zunächst
scheint mir die Verwandlung von wirklicher harter aspirata =«=
tenuis -|- h in die weiche = media + h eine physiologische
Unmöglichkeit. Es ist bekannt, wie sehr sich unser bedeutend-
ster Sprachphysiologe, Brücke, gegen die anerkennung der sprech-
*) Auch für das hochdeutsche hat Scherer im Inlaut nach vokalen
untuittelbaren Übergang in die spirans angenommen. Diese ansieht ist
widerlegt und der durchgang durch die affricata nachgewiesen von Braune
in diesem heft s. 48 ff.
Digitized by
Google
Züß LÄUTVEKSCHlEßÜNG. 156
barkeit der medialaspirateu gesträubt hat Wenn nun auch
durch die bemerkungen von Arendt in den beitragen z. vergL
spracht II, 283 flf. die existenz derselben ausser zweifei gesetzt
ist, so sind sie doch immer sehr schwierige lautverbindungen
deren sich deshalb die meisten sprachen entledigt haben, und
es ist gar nicht denkbar, dass sie aus der gar keine Schwie-
rigkeit bietenden Verbindung tenuis + h sollten entstanden
sein. Die Verwandlung von tenuisaflfricata in medienalBfiricata
wäre mindestens unwahrscheinlich. Nirgends findet sich ein
analogen dazu, wie denn überhaupt die medienaffi-icaten nir-
gends in einer spräche nachgewiesen, sondern nur erschlossen
sind. So schwere consonanten Verbindungen sind nicht leicht
dergleichen Veränderungen ausgesetzt Ueberdiess würde die
erweichung derselben eine erweichung der tenuis in sich schliessen,
die sonst auf germanischem boden vom neunordischen abge-
sehen unerhört ist. Dagegen hat die erweichung der Spirans
nichts auffallendes, und wir werden im weiteren verlaufe un-
serer Untersuchung gelegenheit haben reichliche belege dafür
beizubringen. Der hauptgrund aber dafür, dass die indogerma*
nische tenuis bereits zur spirans geworden war, als die erwei-
chung eintrat, ist der, dass dieselbe sich im gotischen als eine
ganz junge lautveränderung erweist, die noch im werden be-
griffen ist, und der deshalb nur diejenige lautstufe zu gründe lie^
gen kann, auf welcher das gotische zur zeit der entstehung deJ:
uns überlieferten denkmäler stand. Der beweis dafür liegt in
folgendem. Schon der ganz lebendige Wechsel zwischen aus'
und inlaut weist darauf hin, dass dazwischen keine andern
unterschiede bestanden als das Vorhandensein oder fehlen des
Stimmtons*, Auch in den hierher gehörigen Wörtern wird nicht
selten im auslaut die media geschrieben, was, da an dieser
stelle wol an eine erweichung nicht zu denken ist, nur aus der
spirantischen natur derselben zu erklären ist Hier findet sich
auch h im auslaut neben g im inlaut in aih — aigvm und /'neben
b nach r in parf — paurhum. Ferner findet sich ein schwanken
in ganz nahe verwanten Wörtern, wie ßiggs — ßchiza, fmggrjan
— hührus, vigam — velhan, filhan — fulgins und fiUgrij fagrs — ga*
fahrjan, faginon — faheps, tigus — taihun, alds — alpeis, stap, staäis
— im composituln lukamarstada, naupjari' — naudibandi und an-
deren (vgl. Holtzm. altd. gr. 22. 29); ja in einem und demselben
11*
Digitized by
Google
156 PAUL
Worte: aihan — aigan, gupa — guda; und in einem und demselben
Suffix: brothar — fadar, missadedins — gabaurpai, gabaurjopus —
auhjodm, diupipa — junda, fijapva—pivadv, uribamähs — viclpags
(vgl Lettner a. a. o. s. 194. ff.). Am deutlichsten sehen wir
noch die entstehung des b aus / in den schon oben angeführten
fremdWörtem asabis und ioseba und in den praepositionen a/
und w/; die bei antritt des Suffixes uh sofort zu abuh, ubuh werden.
Die weitere betrachtung wird zeigen, dass die erweichung in
den übrigen germanischen sprachen, von denen wir erst aus
späterer zeit denkmale besitzen, noch weitere fortschritte ge-
macht hat Auch im gotischen selbst können wir an den von
lateinischen schriftsteilem tiberlieferten eigennamen den immer
weiter greifenden tibergang von inlautendem th zu <? beobachten.
Ich denke, alles diess tut zur geniige dar, dass sich im ganzen
inlautendes g, d, b von h, p, f nur durch den stimmton unter-
schieden haben. Schwierigkeiten macht allerdings d^s h, für
dessen ausspräche als blosser hauch, wie schon bemerkt, ent-
scheidende grtlnde vorliegen. Doch ist dieselbe hauptsächlich
nur für den anlaut gesichert. Im inlaut muss es wenigstens
vor consonanten, wenn es überhaupt hörbar werden sollte, noch
reibelaut gewesen sein und es bleibt die möglichkeit, dass es
auch zwischen vokalen noch stärker gesprochen wurde. Für
unseren zweck genügt es, dass wenigstens die ausspräche des
h als reibelaut die allernächste Vorstufe war und dass gar
nicht daran zu denken ist, dass es aspirata oder affricata ge-
wesen sei. Ebenso wird wol von niemand bezweifelt, dass /
reine spirans war. Nur p ficht man immer an. Aber wir
haben widenim gesehen, dass es sich in jeder beziehung dem
f vollkommen analog verhält. Scherer nimmt auch an, dass g,
d, b aus Spiranten erweicht seien, meint aber, dass sie dann
durch denselben akt wie die indogermanischen medienaflricaten,
die er statt der aspiraten annimmt, zu medien verschoben seien,
und setzt diesen akt an den schluss der germanischen lautver-
sehiebung, so dass die erweichung zwischen dieselbe fallen
würde. Das geht aber eben deshalb nicht an, weil wir die
erweichung in den ältesten auf uns gekommenen denkmälem
noch im werden begriffen sehen und sie nicht eine geraume
zeit zurückschieben können. Auch haben wir kein recht tö-
nende spirans und medienaffiHicata ohne weiteres zu identificie-
Digitized by
Google
ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 157
ren und durch denselben process aus ihnen die media entstehen
zu lassen. Vielmehr fällt die erweichung wirklich nach allen
den Veränderungen, die wir unter dem namen „germanische
Verschiebung" zusammenfassen können, nur dass das resultat
derselben, sei es aus den medienaspiraten oder aus medienaff<
ricaten, im inlaut nicht medien, sondern tönende Spiranten sind,
und die aus der erweichung entstandenen laute waren wirklich
noch zu Ulfilas zeit tönende Spiranten, was Scherer läugnet,.
und fielen deshalb mit den schon frtlher vorhandenen zusammen.
Vor der Verschiebung derselben zu medien trat die erweichung
allerdings ein. Aber diese erfolgte, wie wir sehen werden, erst
viel später und durchgängig nur im hochdeutschen. Soweit
können wir schon durch die betrachtung des gotischen allein
kommen; die der tlbrigen dialekte wird uns diess resultat be-
stätigen.
Ich führe noch ein paar weniger bedeutende tatsachenän,
die fllr die spirantische natur von g, d, b sprechen können. In
den eigennamen aus späterer zeit wird agi in ai, igi in i zu-
sammengezogen (Dietrich s. 73. 74). Die Zwischenstufen müssen
aß und (;'^ sein, und darin kann das j am leichtesten aus dem
gutturalen Spiranten entstanden sein. Möglich bleibt es aller-
dings, dass der einfluss des i auch den gutturalen verschluss-
laut zum palatalen Spiranten umgewandelt hätte, jedenfalls aber
ist es minder wahrscheinlich. — In einem falle ist dmz über-
gegangen, nämlich in izvar. Das beweist an. ytSar, welches, wie
schon das y zeigt, aus ytSvar = it5var hervorgegangen ist.
Nicht z, sondern Ö ist das ältere. Die vergleichung des ahd.,
as., ags. ergibt als grundform ivar; Ö ist eingeschoben wie in
batimr und wie sonst dd oder gg. Nach unserer auffassung
hätten wir dann in izvar aus idvar nur den Übergang von den-
talem s in alveolares, resp. dorsales s. Für h endlich ist noch an-
zuführen, dass es in fragihtim Luc. 1, 27 die stelle von f vertritt
und in dem suflix ubni*) mit /* wechselt (Holtzm. altd. gr. 33).
*) Dasselbe ist überhaupt rätselhaft. Da es im indogermanischen
keine suffixe mit lippenverschlusslauten gibt, so muss b oder /*wol aus
einem andern laute entstanden sein. Nun findet sich sonderbarer weise
im altn. na/h und sa/ha neben den sicher älteren namn und samna,
während sonst umgekehrt mn neben älterem fn steht. Ist diess nicht
für etwas rein orthographisches zu nehmen, so könnte man vermuten,
Digitized by
Google
16§ PAUL
Wit wenden uns nun zu den übrigen dialekten. Es wird
sich empfehlen die betrachtung der labialen voranzustellen, da
bei diesen das Verhältnis am klarsten zu tage liegt. Im alt-
Aordischen entspricht gotischem f tiberall f {mf ist zu mm ge-
worden in /?mm), gotischem h anlautend ft, inlautend /; nur nach
m steht auch h und ausserdem findet sich hh im inlaut in Wör-
tern, die im gotischen keine entsprechungen haben. Man findet
in sprachwissenschaftlichen werken gewöhnlich angegeben, altn*
f sei nur lautgesetzlicher Vertreter für h und hält sich mit die-
ser redensart aller weiteren Untersuchung des Verhältnisses für
überhoben. Nun ist aber klar^ dass der Wechsel von h und f
der für das gotische nachgewiesenen Verschiedenheit in der
ausspräche des h entspricht. Der unterschied ist hier nur noch
klärer und auch durch graphische Verschiedenheit bezeichnet.
Dass f nur eine spirans ausdrücken kann , ist selbstverständ-
lich und aus der sichern Unterscheidung von h und f im anlaut
geht anderseits hervor, dass ersteres immer den verscjilusslaut
bezeichnet Eine abweichung vom gotischen besteht darin/ dass
auch nach / und r, nach denen sich im gotischen das l analog
dem nach m zu verhalten scheint, f herscht, wofür nur verein-
zelt ft eintritt (vgl. Holtzm. altd. gr. 117). Es fragt sich nun:
Jiaben wir /"in diesen fällen als tonlos zu fassen, worauf der
buchstabe zunächst hinweist. An und für sich ist es im höch-
sten grade unwahrscheinlich, dass ein verlust des tones im in-
laut zwischen vokalen stattgefunden haben sollte. Anderseits
begreift sich die anwendung des eigentlich für den tonlosen
laut bestimmten Zeichens auch für den tönenden sehr wol aus
dem mangel eines eigenen verfügbaren Zeichens fftr den letz-
teren. Denn v (u) war für den dem got. v, ahd. rv entspre-
chenden laut in anspruch genommen, der sicher im älteren alt-
nordisch noch die von Brücke s. 70 beschriebene halbvokalische
natur hatte.*) Um, so weniger konnte dasselbe für die rein
dass auch im got. mn zu fn oder hn, d. h. zu labialer spirans + n gewor-
den wäre, so dass dann z. b. vittd>ni abgesehen vom genus ganz gleich
dem lat. calumnia gebildet wäre.
*) Dass diese ausspräche des v, sowie die entsprechende des j die
ursprüngliche indogermanische gewesen ist, erheUt aus einer reihe von
erscheinungen in den verschiedenen sprachen und wird wol von niemand
b^zw^felt. Dass diese ausspräche auch noch im germanischen lange fort-
Digitized by
Google
ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. ISO
confeonantische spirans gebraucht werden , wenn dieselbe etwa,
worüber sich etwas sicheres kaum wird ermitteln lassen, bereit»
wie in den neueren nordischen sprachen labiodental geworden
war. Für die nichtunterscheidung von tonender und tonloser
gedankt hat, dafür sprechen namentlich folgende gründe: 1) Im engli-
schen besteht sie noch heute im anlant, während im in- und aaslant das
TV vollständig vokalisiert oder ausgefallen ist. 2) Im gotischen ist noch
das indogermanische gesetz des wechseis von u und v, je nachdem con-
sonant oder vokal folgt, vollständig lebendig, was für die grosse leiehdg-
keit des Überganges spricht. 3) In gotischen eigennamen wird von la-
teinischen Schriftstellern das anlautende v durch uu, vv, uv^ üb wider-
gegeben, eine Schreibung, wie sie für den aus mit einander verschmolze-
nem vokal und consonant bestehenden laut sehr geeignet ist; vgl. darüber
Dietrich auspr. 78. 79. Wenn solche Schreibungen nicht auch im inlaute
vorkommen, so ist dadurch noch nicht bewiesen, dass hier rein goubo-
nantische ausspräche galt wie Dietrich behauptet; dagegen spricht das
unter 2. angeführte gesetz und der umstand, dass in anderen dialekten
gerade im anlaut, nicht im inlaut der vokalklang verloren geht; 4) Go-
tisches v erscheint in den eigennamen vor folgendem u oder i mit diesen
zu u verschmolzen vgl. Dietr. 79. 80. 5) In allen germanischen sprachen
finden sich Verschmelzungen des v (w) nach k oder s mit dem folgenden
vokal zu u oder ü. 6) Die im ahd., as. und zum teil im ags. gebräoch-
liehe Schreibung uu, woraus sich dann rv entwickelt, ist ebenso durch
die ausspräche berechtigt, wie in den gotischen eigennamen; 7) Wenn
im ahd., as., afr., ags. ein kurzer vokal vor w zum diphthongen wird so
folgt das fast notwendig aus dessen vokalischer natur; das u des diph-
thonges ist der vokalische bestandteil des w, der auch schon im gotischen
vorhanden war und nur allmählich etwas stärker hervorgetreten zu sein
und sich enger mit dem vorhergehenden vokal verbunden zu haben scheint
8) Auslautend wird rv im ahd. und as. zu u oder o, d. h. es bleibt nur
das vokaHsche element, das consonantische ist zu schwach sich zu halten.
9) Die schwäche des consonantischen Clements zeigt sich dann weiter
darin, dass es später im inlaut zwischen vokalen ganz ausfallt, während
das vokalische nach kurzem vokal und auch nach langem a in der mit
diesem eingegangenen diphthongischen Verbindung erhalten bleibt. Der
Schwund des consonanten ist im mhd. wahrscheinlich in der ausspräche
früher eingetreten als in der schrift. Denn im 1 5. jahrh. wird ganz ge-
wöhnlich so gut wie frarve auch haws, arvsz u. dergl. geschrieben. Spe-
ciell für die ausspräche des altn. ist von bedeutung: 1. dass es überall
vor dunkeln vokalen ausfällt; 2. dass es im anslaut und vor dem noml-
natiys r nach langem 6? und i zum vokal wird, sonst aber abfallt; 3. dass
Thorodd in seinem traktat über die isländischen buchstaben noch gar
keinen consonanten u oder v kennt. Das u ist ihm wie das i nur in
soweit consonant, als es ihm auch sonst ein mit einem andern zum diph-
thongen verbundener vokal ist.
Digitized by
Google
160 PAUL
Spirans werden wir alsbald weitere belege finden. Es ist ja
auch nichts anderes, wenn wir im nhd. kein besonderes zeichen
für das weiche s haben. Für tönende ausspräche des dem go-
tischen b entsprechenden f spricht erstens, dass es vokalisiert
wird in fumkr, Giukr^ femer der Wechsel von /und w, wobei
bald das eine, bald das andere ursprünglich ist. Derselbe ist
gewöhnlich vor n, kommt aber auch in einigen andern fällen
vor wie in hifinn^ helfingr vgl. Holtzm. 118. Da m tönend ist,
muss auch der mit ihm wechselnde consonant tönend sein. Ein
beweis für tönende ausspräche des f ist femer das eintreten
desselben für v besonders nach langem vokale. Darin hat man
nicht einen vertust des stimmtons zu sehen, wogegen schon die
moderne ausspräche spricht, sondern die ersten spuren der Ver-
wandlung des halbvokals in einen reinconsonantischen, vielleicht
labiodentalen laut. Weiter flihrt uns die betrachtung der neu-
nordischen sprachen. Im isländischen bleibt in der schrift über-
all /, wird aber im in- und auslaut ausser vor tonlosen conso-
nanten, gleichviel ob es gotischem /oder h entspricht, tönend
wie deutsches rv gesprochen, nur vor /, n, & wie h. Im schwe-
dischen tritt inlautend /r, auslautend f ein, im dänischen (auch
im faeroeischen) in- und auslautend v. Die ausspräche ist in
beiden in- und auslautend = deutschem tv. Diese Überein-
stimmung der verschiedenen zweige des nordischen ist ein hin-
länglicher grund die durchgängig tönende ausspräche des f im
in- und auslaute für alt zuhalten, wie auch Wimmer tut Dass
die abweichende ausspräche des isländischen vor /, n, Ö erst
eine jüngere verändemng ist, beweist schon die schrift und
anderseits die nichtübereinstimmung des schwedischen und
dänischen. Ziemlich alt mag sie aber doch sein, wie die von
Holtzmann auf s. 117 angeführte Schreibung Fdbnir beweist.
Wir haben also folgendes resultat gewonnen: urgermanisches/*
ist im nordischen in- und auslautend ausser vor tonlosen con-
sonanten tönend geworden und dadurch mit der schon früher
bestehenden tönenden spirans zusammengefallen. Nun erklärt
sich um so. mehr die an Wendung des Zeichens f für beide.
Analog ist das Verhältnis im angelsächsischen. Hier
vertritt ebenso /*got. f überall und got. & im in- und auslaute,
ausgenommen nach m und in der gemination, wo wie im an-
laute h steht Auch hier kann die tönende ausspräche des f
Digitized by
Google
ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 161
flir den inlaut nicht zweifelhaft sein. Erstlich wechselt es an
dieser stelle mitunter mitr, welches besonders in denNorthum-
brischen evangelien häufig ist; v bezeichnet aber im ags. und
engl, stets den weichen laut = lat. und franz. v. Es findet
sich femer ein paar mal b (Holtzm. 217), gewisein zeugnisfür
tönende ausspräche. Kaum wahrscheinlich aber ist es, dass
damit ein explosivlaut hat bezeichnet werden sollen; jedenfalls
würde dieser nicht etwa altertümlich sein, da sich auch einmal
ßrbu statt faretvu findet Weiter ist beweisend der tibergang
von f vor n zu m, wie im altn. Dass auch das got f entspre-
chende /* tönend war, geht daraus hervor, dass es bei eintre-
tender gemination zu lib wird in hehhan = got hafjan. Das
entscheidendste aber ist wider das lautverhältnis in den jtlngern
Sprachperioden. Im neuangelsächsischen, alt- und mittelengli-
ßchen wird allmählich das f im inlaut vom v gänzlich ver-
drängt, was gewis mit der massenhaften einführung romanischer
Wörter zusammenhängt, wodurch v ein geläufiger buchstabe
wurde; im neuengl. steht es tiberall, wo ursptlnglich / inlautend
war, mit dem laute der labiodentalen spirans. Dagegen wo f
im ags. auslautend war, da steht abweichend vom nordischen
im neuengl. tonloses f, scheinbar nun auch im inlaut in Wörtern
wie Ufe, rvife, in denen aber das stumme e nur angehängt ist
zum zeichen, dass i diphthongisch zu sprechen ist Diese ab-
weichung wird, da nichts dagegen spricht, ebenfalls alt sein.
Für das angelsächsische ist daher die regel so zu fassen; ger-
manisches f wird im inlaut erweicht und fällt dadurch mit der
tönenden spirans = got h zusammen, während umgekehrt im
auslaut letztere den stimmton verliert und so gleichfalls mit dem
alten f zusammenfallt
Im altsächsischen sind gleichfalls got b und /* in- und
auslautend zusammengefallen. Im Heliand steht; im auslaut fftr
beide in der regel f, daneben b und h, inlautend f natürlich
immer vor tonlosen consonanten, in der regel auch vor n und
l, sonst aber ist das eigentlich regelmässige b, daneben findet
sich h, namentlich im Monacensis, und v (u), sehr selten /, ver-
einzelt uu in hiouuandl = ahd. Mufanti 5516 Cott; in der ge-
mination steht ausnahmslos hh, welches dann im auslaut ver-
einfacht wird. Verschieden entwickelt sind nur gerade wie im
ags. die gotischen lautverbindungen mh und mf. Ersteres ist
Digitized by
Google
162 PAUL
auch im alts. consequent mb, in letzterem schwindet der nasal
und das / wird dann auch im inlaut zu ft. In den übrigen alt-
sächsischen denkmälern findet sich kein b, sondern statt dessen
durchgängig v, ebenso im altfriesischen und im altniederfrän-
kischen, auch im altmittelfränkischen, welches durch das Trierer
capitulare vertreten wird,*) während die ältesten denkmäler
des stld- und ostfränkischen wie das oberdeutsche & und /streng
scheiden. Es ist nicht denkbar, dass die verschiedenen zeichen
im HeL wirklich verschiedene laute bedeuten; denn sie wech-
seln ganz beliebig mit einander. Wir können vielmehr darin
nur verschiedene versuche zur bezeichnung desselben lautes se-
hen und müssen für den inlaut sowol als für den auslaut je
eine gleichmässige ausspräche annehmen, die sich auch mit
ziemlicher Sicherheit wird feststellen lassen. Dass f und v nur
eine spirans bezeichnen können, ist klar, und zwar wird man
von letzterem, solange nichts anderes dagegen spricht, anneh-
men, dass die tönende damit widergegeben werden soll, wiewol
es allerdings später auch für die tonlose verwendet wird. An-
derseits weisen ebenso sicher b und b auf einen tönenden laut
hin. b ist jedenfalls vollkommen analog dem Ö zu beurteilen;
die bestimmung des lautwertes des einen nrnss massgebend fftr
den des andern sein. Die spätere betrachtung des Ö wird un-
sere auffassung des b als tönende spirans nur stützen. Die
erfindung dieses Zeichens wurde wol dadurch veranlasst, dass
V im lateinischen labiodentale spirans ist und deshalb das zei-
chen für den deutschen ursprünglich sicher rein labialen laut
nicht genügend erschien. Wenn dafür auch b geschrieben wird,
so könnte man darin vielleicht mit Holtzmann hochdeutschen
einfluss sehen, wahrscheinlich aber ist es nur nachlässige Schrei-
bung wie d für b. In keinem falle aber haben wir darin einen
älteren lautstand zu erkennen; denn es steht ebenso gut für
got. /, als für b. Dass im auslaut f bei weitem überwiegt,
zeigt uns, dass hier Verhärtung der weichen spirans eingetreten
ist. Wenn daneben b und b sich findet, so haben wir diess wol
*) Auch in dem in das nördliche Thüringen oder Hessen gehörigen
gedichte de Heinrico findet sich v und f = got. b ; für die entsprechung
des got. /"findet sich kein beispiel ausser ovar, in welchem worte auch
ahd. erweichung eingetreten ist.
Digitized by
Google
ZUR LAÜTVERSCfflEBÜNG. 163
nicht anders aufzufassen, als wenn« im gotischen b und d im
auslaat bleibt. Die Verhärtung verstand sich so von selbst,
dass sie durch die schrift nicht angedeutet zu werden brauchte,
gerade wie sie im nhd. niemals bezeichnet wird. Demnach
hätten wir im altniederdeutschen genau dasselbe Verhältnis wie
im ags. ^
Auch in der folgenden zeit bleibt diess unverrtickt dasselbe.
Im mittelniederdeutschen und niederländischen wird im inlaut
ausser nach m und in der gemination, wo ft, und vor harten
consonanten wo / steht, consequent v, im auslaut / geschrieben
sowol für got. / als h, und beide arten von / und v reimen un-
bedenklich auf einander. In der heutigen ausspräche klingen
sie wie neuhochdeutsches w und /, als tönender und tonloser
labiodentaler reibelaut. Wenigstens ist mir nicht bekannt, dass
labiolabialer laut irgendwo vorkäme. Mit der endsylbeew ver-
schmilzt dies w (ich weiss nicht, ob in ganz Niederdeutschland)
zu einem sylbenbildenden iw, z. b. ge-m für gervm. Da dieses
m auch von den hochdeutsch redenden niederdeutschen gespro-
chen wird und diese sich dessen nicht bewust sind, vielmehr
nach der schrift hm zu sprechen glauben, so entsteht der irrtum,
als spräche man in diesem falle auch plattdeutsch ein h, was
man sogar in mundartlichen grammatiken angegeben findet^
z.b. in Nergers grammatik des Meklenburger dialekts S 189.
191. Ueber das holländische v werden die allerverschiedensten
angaben gemacht, vgl. darüber Rumpelt, System der sprachlaute
s. 60. 61 und Scherer, zeitschr. f. i östr. gymn. XII, 635. Es
wird doch wol zwischen an- und inlautendem zu unterscheiden
sein, und vielleicht beruhen die Widersprüche in der angäbe
der ausspräche auf der ausserachtlassung dieses Unterschiedes.
Das mittelfränkische schliesst sich in diesem punkte ganz dem
niederdeutschen an. Aber noch viel weiter südlich geht sowol
der gebrauch der spirans für got. by als die erweichung des
got f im inlaute. Die dinge liegen hier nicht so einfach wie
im niederdeutschen, und verschiedene Schwierigkeiten sind in
erwägung zu bringen. Es wird sich empfehlen vom lautstande
der heutigen spräche auszugehen, wenn man zu einem urteil
über die Verhältnisse in der älteren zeit gelangen will. Leider
fehlt es so sehr an einer zuverlässigen beschreibung der laute der
einzelnen mundarten, dass einstweilen manches unsicher bleiben
Digitized by
Google
164 PAUL
miiss und ganz sichere grenzbestimmungen sich nicht angeben
lassen. Soviel ich darüber ermitteln konnte, wird tönende Spi-
rans für got. b im inlaut gesprochen in Sttdfranken, Hessen,
Thüringen, Obersachsen, auch noch weit nach Oberdeutschland
hinein im Elsass in Schwaben und Baiern. In Schlesien findet
sich nach Weinhold (laut- und Wortbildung und di^ formen der
schlesischen mundart p. 72.) w nur in der gegend von Mittel-
walde, anderswo aber tiberall b. Dagegen behauptet Eückert,
(Entwurf einer darstellung der schlesischen mundart im mittel-
alter, zeitschr. des Vereins f. gesch. u. altert Schlesiens IX. p.
36), das's allgemein w gesprochen würde, ein recht schlagender
beweis dafür, wie unzuverlässig alle angaben über ausspräche
sind. Nicht so weit erstreckt sich die erweichung des f. Sie
ist durchgeführt in Südfranken, Hessen, Schlesien, nicht in Ober-
sachsen abgesehen vom nördlichen teile, ich glaube auch nicht
in Thüringen, so dass in Südfranken und Hessen und in Schle-
sien , soweit w f\XY b gesprochen wird, got. b und f im inlaut
wie im niederdeutschen in einen laut zusammengefallen sind.
Es handelt sich nun darum, wie weit dieser lautstand alt ist.
Ich habe schon bemerkt, dass im altsüdfränkischen z. b. bei
Otfrid b und / noch scharf geschieden sind. Die erweichung
des letzteren muss hier erst später eingetreten sein, ist es aber
sicher im XII. jahrh. Noch später scheint sie in Schlesien er-
folgt zu sein. Denn in den dahin gehörigen denkmälern wird
das ganze mittelalter hindurch fast consequent im inlaut / ge-
schrieben (vgl. Rückert a. a. o. 34), gerade wie in den ober-
sächsischen.
Was das rv betrifft, so ist an und für sich natürlich überall
die möglichkeit, dass es erst aus dem verschlusslaut entstanden
ist. Und dafür scheint zu sprechen, dass in diesen gegenden
überwiegend b, seltener v geschrieben wird, und dass nament-
lich Otfried nur b kennt. Anderseits aber steht & da, wo er-
weichung des / eingetreten ist, ebenso gut auch für dieses,
namentlich in den südfränkischen Urkunden, aber auch in hand-
schriften von gedichten, z. b. im Alexander, in Hartmanns
Credo, bei Herbort von Fritzlar, in der Elisabeth (vgl. Reissen-
berger über Hartmanns rede vom glauben 29), auch bei Nico-
laus von Jeroschin (Pfeiflf. LXIV.). Beide arten von b reimen
unbedenklich auf einander. Man würde also zu der unwahr-
Digitized by
Google
ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 165
schemlichen annähme getrieben, dass die aus /erweichte Spi-
rans erst zum verschlusslaut und dann wider zur spirans ge-
worden wäre. Weiter tritt das b auch für w ein vgl. Pfeiffer zu
Jeroschin LXIV, Rtickert a. a. o. 31, während es heute we-
nigstens nur in einzelnen landschaften gesprochen wird. Bei
Jeroschin und in Hartmanns Credo reimen b und rv auf ein-
ander. Da nun anderseits auch v für b nicht selten ist und
auch TV daftlr geschrieben wird, so scheint es mir das wahr-
scheinlichste, dass inlautendes b im mitteldeutschen die spirans
bedeutet. Diese lautbezeichnung begreift sich, wenn man be-
denkt, dass rein labiale spirans gesprochen wurde, welche
dem verschlusslaut b eben so nahe steht, als dem labiodentalen
lateinischen v, welches noch dazu, wie wir später sehen wer-
den, flir die tonlose spirans verwendet zu werden anfing. Und
w konnte dafftr erst eintreten, nachdem es sein vokalisches
element verloren hatte. Noch heute wird in Mitteldeutschland,
wenigstens in Obersachsen, Thüringen, Hessen, Frankfurt nur
labiolabiales rv sowol für altes rv, als für got. /* und b ge-
sprochen, im anlaut wol meistens mit flüsterstimme.*) In
Süddeutschland muss das rv erst vor kurzem labiodental ge-
worden sein, da, worauf Scherer aufmerksam gemacht hat,
noch im ausgange des vorigen Jahrhunderts der physiologe
Kempelen in Wien nur labiolabiales w kennt. Dagegen geht
in Norddeutschland, soviel ich weiss, das labiodentale tv
durch. Ist dieser unterschied alt, so liegt es nahe zu
vermuten, dass die in Mitteldeutschland überwiegende. Schrei-
bung mit b gegenüber dem niederdeutschen und mittelfrän-
kischen V eben darauf beruht. Allerdings ist ein bedenken
gegen das hinaufrückender labiodentalen ausspräche in ein so
hohes alter, nämlich der Übergang a on ven in m, welcher doch
fast die labiolabiale ausspräche des v vorauszusetzen scheint.
Wer nun diese argumentation nicht flir Überzeugend hält und
meint, das b überall, wo es geschrieben wird, einen verschluss-
laut bezeichne, der muss zugeben, dass b, wo es got. / oder v
*) Ich behalte diesen ausdruck bei, weil er jetzt ziemlich eingeführt
ißt, wiewol die natur dieser laute vielleicht noch anders zu bestimmen
sein wird. Auch in Niederdeutschland wird das w zum teil mit flüster-
stimme gesprochen, gleichviel welchen Ursprunges es sei, wahrscheinlich
in denselben gegenden, in denen man auch geflüsterte medien spricht.
Digitized by
Google
166 PAUL
entspricht, aus einem reibelaut entstanden sein muss, und eö
deshalb auch da, wo es got. b entspricht, sein kann. Wird
in Schlesien wirklich b gesprochen, so wird diess eben so gut
erst aus der spiraüs geworden sein, wie es sehr häufig aus
altem rv entsteht, z. b. in ebich, lobe vgl. Weinhold, sohles.
mundart 75. Auch andere mitteldeutsche dialekte kennen die
Verwandlung des n; in b, auch im anlaute. Jedenfalls beweist
also das vorkommen von b im inlaut = got. b nichts gegen
die ursprtlnglichkeit des reibelautes.
Im auslaut wird im mitteldeutschen, abgesehen vom mit^
telfränkischen, wo f die regel ist, entweder b = got b beibe-
halten oder p geschrieben. Heutzutage wird p gesprochen.
Nur in Schlesien wird, wie Weinhold und ßtickert behaupten,
nach langem vokal die media (auch d und g) gesprochen.
Nach den unbestimmten angaben von ßückert, a. a. o. s. 334
scheint es aber, als ob das vielmehr die unaspirierte tenuis ist
Sicher ist also von alters her verschlusslaut gesprochen worden.
Diess scheint in Widerspruch zu stehen mit unserer auffassung
des inlautenden *, da wir nach dem allgemeinen gesetze ent-
sprechung des in- und auslautes erwarten mtisten. Da aber
in den neuern mundarten keine genaue entsprechung stattfin-
det, so haben wir ein recht, diess auch für die ältere zeit an-
zunehmen. Und dieses misverhältnis lässt sich sehr wol be-
greifen. Der labiolabialen tönenden spirans im inlaute sollte
die labiolabiale tonlose im auslaute entsprechen. Dieser schwie-
rige laut ging im niederdeutschen in den labiodentalen laut
über, indem vielleicht der inlaut gleichzeitig dieselbe Wandlung
durchmachte, im mitteldeutschen in den ihm eben so nahe
stehenden verschlusslaut Diese auffassung wird dadurch be-
stätigt, dass auch statt des got / in Stidfranken und Hessen
sehr gewöhnlich p resp. b geschrieben wird. Es reimen in
Hartmanns Credo brie/': lieb 1980, bei Herbort vrloub: hob 2375,
hob: lob 3033 u.a., während anderseits auch brief: lie/l so dass
man wol annehmen muss, dass er noch spirans sprach. Noch
heute wird in Hessen briep, hop gesprochen. Das berechtigt
uns das p auch da, wo es got auslautendem f flir inlautendes
b entspricht, als aus der spirans entstanden anzunehmen.
In Oberdeutschland und einem teile von Mitteldeutschland
tritt also, wie schon bemerkt, die er weichung des / im allge-
Digitized by
Google
ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 167
meinen nicht ein, aber doch in einer beßtimmten anzahl von
Wörtern. Diese haben in den ältesten ahd. denkmälern v, und
zwar auch schon in solchen, welche im anlaut und auch in-
lautend in anderen Wörtern niemals v haben, so dass hier /J
V, b deutlich geschieden sind. Dieses v geht dann allmählich
in b und sogar im strengalthochdeutschen in p über. Solche
Wörter sind z. b. avar avur, später al?ur, heven — heben, inse-
ven — eniseben, hrverfan — werben, eiver (amarus) N. — eibar
eipar, diuva (furtum) — diuba, zouver — zouber. Hie und da
findet sich in ältester zeit auch in diesen Wörtern noch /, so-
gar geminiert in heff'an K. 0. Der Übergang in p oder b ist
bereits vollzogen, als unsere Überlieferung beginnt, in ubar =
got. u/ar, wahrscheinlich weil in diesem die Ciweichung früher
eingetreten war, in den übrigen Wörtern beginnt er auch schon
wenigstens in der mitte des neunten Jahrhunderts, tritt aber
nicht überall gleichmässig ein, sondern v erhält sich daneben
auch im mhd. Auch scheinen dialektische abweichungen vor-
zukommen in bezug auf die Wörter, in denen die erweichung
eintritt.
Eine grosse Verwirrung entsteht nun dadurch, dass bereits
im neunten jahrh. auch in allen übrigen Wörtern v für got. f
im inlaut sich einzudrängen beginnt, und sich allmählich
ausser vor t und ^ so festsetzt, dass daneben /nur noch selten
erscheint.*) Es ist eine ziemlich allgemeine annähme, die
auch Scherer teilt, dass auch dieses v überall die tönende Spi-
rans bezeichnen solle. Indessen wie erklärt man sich dann
das nhd. f? Ist es denkbar, wenn im mhd. das v in hove,
brieve, iavel etc. allgemein tönend gesprochen wäre, dass dann
im nhd. die ursprüngliche tonlosigkeit wider" hergestellt wäre?**)
Und was für einen zwingenden grund hat man dem v hier den
stimmton zuzuschreiben? Es tritt ja von derselben zeit an
*) Doch in handschriften bedeutend häufiger als in nnsern kritischen
ausgaben mittelhochdeutscher texte.
**) Das nhd. f in diesen Wörtern ist keineswegs bloss graphisch zur
herstellung der Übereinstimmung mit dem auslaut eingetreten, wie Rumpelt
(Das natürliche System der sprachlaute 59) durch seinen schlesischen
dialekt verführt meint, und die tonlose ausspräche ist nicht bloss dialek-
tisch und individuell, sondern allgemein als mustergültig angenommen«
Digitized by
Google
1
168 PAüL
auch im anlaut für f ein und wird bis auf den heutigen tag
geschrieben. Der unterschied ist nur, dass es im inlaut noch
etwas mehr als im anlaut vor dem f tiberwiegt. Man müste
also behaupten, dass auch im anlaut das f erst erweicht und
dann wider verhärtet wäre. Gibt man die tonlose ausspräche
des V aber für den anlaut zu, so kann man es auch flir den
inlaut. Die Mher angeführten Wörter sondern sich eben da-
durch von den tlbrigen ab, dass in ihnen v schon in denkmä-
lem erscheint, die niemals t; für /* im anlaute haben, und dass
es mit h und y wechselt und dass das erstere in der neuhoch-
deutschen Schriftsprache zur herschaft gelangt ist. Vereinzelt
mag die erweichung weiter gegangen sein und ist es in neuern
oberdeutschen mundarten entscliieden. Aber allgemein ist sie
niemals geworden. Man darf sich nicht darauf berufen, dass
die Unterscheidung zwischen altem / und dem erst durch die
hochdeutsche lautverschiebung entstandenen darauf beruhen
müsse, dass ersteres tönend geworden, letzteres tonlos geblieben
sei. Es sind vielmehr andere unterschiede vorhanden. Das
neue / ist geminiert, da es durch assimilation aus pf entstanden
ist, ursprünglich auch nach langen vokalen, nach welchen sich
die gemination nur nach einem allgemeinen gesetze allmählich
vereinfachte.*) Wahrscheinlich aber bestand noch eine andere
Verschiedenheit, die auch zur Unterscheidung der einfachen laute
genügte. Das alte / wurde wol früher labiodental als das neue
eben aus pf entstandene und zum teil wie m scharf, ^^// u.a.m.
noch vor unsem äugen entstehende. Uebrigens findet keines-
wegs eine ganz reinliche sonderung statt. Es findet sich rfür
neues f (Weinh. bair. gr. 132.) und ph fttr altes (ib. 129). In
dürfen wird, so viel ich weiss niemals v geschrieben und es
reimt durfm: würfen Martina 144, 79. Es scheint also das
alte / in diesem werte mit dem neuen zusammengefallen zu
sein.**) Die anwendung des v für den tonlosen Spiranten er-
*) Vgl. d. beitr. p. 48 ff.
**) Ganz analog ist das Verhältnis zwischen s und z, soweit das
letztere einen einfachen Spiranten, nicht t -{- s bezeichnet. Scherer (zur
geschichte 101 ff., zeitschr. f. d. östr. gymn. 1870. 756. f.) hat behauptet,
dass s im ahd. und älteren mhd. tönend sei und dass es sich dadurch yon
dem z unterscheide, welches die entsprechende tonlose spirans bedeute.
Piese annähme steht im entschiedensten Widerspruch mit der heutigen
Digitized by
Google
ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 169
klärt sieh daraus, dass es in Deutschland üblich war dasselbe
auch im lateinischen so zu sprechen, eine gewohnheit, die zum
teil bis auf den heutigen tag fortdauert Nur aus dieser aus-
spräche begreift es sich, dass in den aus dem lateinischen
(später auch in den aus dem französischen) entlehnten Wörtern
mit V oder nach romanischer weise spirantisch ausgesprochenem
b (z. b. tmfal, evangelio) die tonlose spirans eintritt, / oder v ge-
schrieben, während das deutsche doch gar keine neigung
zur Verhärtung der inlautenden Spiranten, sondern im gegenteü
ausspräche. In Oberdentschland (ich weiss nicht ob allgemein) wird noch
heute an jeder stelle des wertes scharfes s gesprochen wie sicher im
indogermanischen. In der gemination ist, so viel ich weiss, in keiner
germanischen mundart erweichnng eingetreten. Ist man hier wunderbarer
weise wider zur ursprünglichen härte zurückgekehrt? Dasselbe müste
auch im auslaut geschehen sein, wo ja auch s und z in älterer zeit streng
geschieden werden. Hier ist überhaupt die erweichung vollends undenk-
bar. Nirgends in Deutschland werden, glaube ich, und wurden schon
von alter zeit her tönende verschluss - oder reibelaute im auslaut gespro-
chen. Vielmehr geht an dieser stelle immer der stimmton, auch wenn er
ursprünglich vorhanden war, verloren. Ein sonstiger grund für die an-
nähme von tönendem s liegt nicht vor. Wir müssen nach einem andern
unterschiede von s und z suchen. Gegen Bumpelts annähme, dass die
ausspräche von z =» nhd. sz nicht viel verschieden von ts gewesen sei,
spricht die analogie von f und ch (hh), wonach wir auch in der dental-
reihe hinter vokalen reine spirans erwarten müssen. Der unterschied
von s und z kann daher nur auf der Verschiedenheit der artikulations-
Btelle beruhen, und darüber lässt sich, glaube ich, eine ziemlich wahr-
scheinliche Vermutung aufstellen. Es ist bekannt, dass im judendeutsch
auch sonst in manchen mundarten und vielfach in individueller ausspräche
der doppellaut z zu einem gelispelten s wird. Dasselbe ist nach Brückes
System als dentales s zu bezeichnen; doch wird bei bildung desselben
die Zungenspitze nicht so weit vorgeschoben, als bei der des englischen
thy sondern kommt höchstens bis an den rand der obem zahnreihe. Die-
ser laut, welcher physiologisch dem ts zunächst liegt, und den wir noch
heute daraus entstehen sehen, muste fast notwendig die Übergangsstufe
zu dem heute gesprochenen alveolaren oder dorsalen s sein. Mit dem ik
des ältesten ahd. brauchte derselbe nicht zusammenzufallen. Denn erst-
lich konnte die artikulationssteile noch etwas verschieden sein, ferner
war z stets, th nie geminiert, endlich ist th schon in den ältesten quellen
als tönender laut zu fassen und im Übergang zum verschlusslaut begrif-
fen. Das zusammenfallen des s und z tritt dann um die mitte des drei-
zehnten Jahrhunderts ein , indem letzteres in die artikulationsstelle dea
ersteren übertritt
Beitritte snr getchicbte der deutschen spräche. I. 12
Digitized by
Google
170 I>AüL
ÄUt erweiohung hatte. Die veranlassung zu dieser ausspräche
war wol, das» die deutschen ohren und zungen an tönende la-
biodentale »piran« nicht gewöhnt waren. Denn rv war rein
labial und halbvokalisch und unterschied sich ganz scharf von
lateinischem v. Das aus f erweichte v war zwar rein conso-
nantisch, aber gewis labiolabial^ da es bald in h überging.
Dagegen war f wöl schon, wie frtther erwähnt, labiodental und
konnte als der dem lateinischen v zunächstliegende laut ange-
Mhen werden und für dasselbe eintreten. Möglicherweise ist
auch die tradition der irischen mönche, welche ihrer mutter-
sprache gemäss das lateinische t;^ verhärteten, von einfluss ge-
wesen. Wir werden also daran festhalten, dass die erweichung
des / im inlaute, welche im altnordischen, angelsächsischen, nie-
derdeutschen und einem teile des mitteldeutschen durchgedrun-
gen ist, in Oberdeutschland und einem teile von Mitteldeutsch-
land nur einzelne Wörter ergriffen hat, während die anderen
davon verschont geblieben sind.
Wir kommen jetat zu der wichtigen frage: kann der hoch-
deutsche versohlusslaut im inlaut ft, wie die herschende ansieht
darüber ist, im vergleich zu der von uns in den übrigen dia-
lekten nachgewiesenen spirans als altertümlich betrachtet werden,
oder ist er aus dieser hervorgegangen? Die Übereinstimmung
«ämmtlioher übrigen mundarten, von denen noch dazu allgemein
anerkannt ist, dass sie sonst in bezug auf die consonanten einen
älteren lautstand repräsentieren, spricht auf das stärkste für
die letztere annähme. Sie würde ein unumstösslicher beweis
sein, wenn man an der theorie vom Stammbaume festhält, also
anlximmt, dass n^h der trennung des nord- und südgermaniBchen
i^eide, «ich selbständig entwickelt hätten und nicht teile des
einen in gemelnschaft mit dem andern lautveränderungen hätten
durchmachen können. Ich bin von der unhaltbarkeit dieser
äidorie überzeugt und halte es an und fUr sich wol für mjög*
lioh, dasfieiae zusammenhängende lautbewegung & in den übri-
gen dialekten wir Spirans wandehi konnte ohne das hochdeut-
sche zu berühren. Aber die grössere Wahrscheinlichkeit ist
natüriich für die entgegengesetzte ansieht, so lange nichts an-
deres dagegen spricht Entscheidender ist folgendes. Wir haben
gKds^en, dass im gol ein teil der inlautenden h durch erwei-
chung aus f entstanden ist. Dieselben Wörter zeigen nun auch
Digitized by
Google
ZUR LAüTVERSCHIEBUNa. 171
im ahd. von anfang an b oder/?, woraus hervorgeht, dasß
diese erweichung nicht bloss gotisch, sondern überhaupt germa-
nisch war. Abweichend vom ahd. sind im got. erweicht nur
paurban, amlibim, ivalib, hoairban (in letzterem ist im ahd. die
erweichung später eingetreten), abweichend vom got. im ahd.
vbar; ebar xmAiniswebm (sopire) fehlen im got. Diese erweich-
ten laute waren also im ahd. wie im gotischen sicher einmal
Spiranten. Wir müssen also dieser wegen annehmen, dassvor
der zeit, aus der uns die ältesten denkmäler erhalten sind,
eine allgemeine Verschiebung von tönender labialer spirans in
tönenden verschlusslaut, der dann zum teil weiter zu tonlosen
verschoben ist, stattgefunden hat. Wir können diese Verschie-
bung wenigstens an einem werte aus dem hochdeutschen selbst
erweisen, nämlich in dem volksnamen Stievi, Swäöe, Swäpe,
Leider ist die etymologie des wertes dunkel, so dass wir nicht
wissen können, ob das v indogermanischem bh oder p entspricht
Es scheint aber fast bedenklich die erweichung des f in eine
so frühe zeit hinaufzurücken. Jedenfalls so viel ist klar; der*
selbe akt, welcher die aus / erweichte spirans verschob, konnte
auch den indogermanischem bh entsprechenden laut verschieben,
wenn derselbe wie in den übrigen dialekten tönende spirans
war. Diese lautbeweguug dauert nun noch fort in der periode,
deren geschieht© wir beobachten können. Nachdem von neuem
eine anzahl f erweicht waren, machten auch sie, wie wir sahen,
die entwickelung zu tönendem und tonlosem verschlusslaut
iurch. Endlich nachdem das w seine vokalische natur verloren
hatte, ward auch diess zum teil zu b. In bairischen hand-
sehriften wird im 14. und 15. Jahrhundert unendlich häufig b
fftr rv geschrieben, viel seltener im alemanischen. Ich kann
mich aber nicht entschliessen zu glauben, dass damit wirklich
der Übergang in den explosivlaut bezeichnet werden soll, da
sich in der heutigen mundart nur wenige spuren davon finden.
Wahrscheinlicher scheint es mir, dass diese Schreibung nur den
Verlust des vokalischen dementes andeutet, und dass b als rein
labiale spirans zu fassen ist wie im mitteldeutschen. Lautlich
mit b zuisammengefallen muss allerdings diess rv im inlaute sein;
dass beweisen die von Weinhold bair. gr. 125 angeführten
reime. Aber ich möchte eher glauben, dass b im inlaut zur
spirans geworden war, wie es in den neuem bairischen mund-
12*
Digitized by
Google
arten vielfach der fall ist^ oder vielleicht, dass auch hier die
Spirans von alters her bewahrt ist, worüber ich noch keine ent-
schiedene meinung zu äussern wage. Diese erscheinung möchte
ich also nicht zur stütze meiner ansieht gebrauchen. Sicher
aber wird tv nach r und /, nach denen es ebenso wie j schon
früh seine vokalische natur verloren zu haben scheint, zu b,
und diess hat sich auch in der nhd. Schriftsprache festgesetzt.
Vereinzelt kommt b ßlv w auch sonst in neuem mundarten vor
(vgl alem. gr. 155. bair. gr. 124. 125), allgemein auch im
anlaute ist es bei den Vicentiner und Veroneser Deutschen. Ich
denke, das wird genügen, um jedes bedenken, das etwa jemand
wegen des Übergangs der spirans in den verschlusslaut haben
könnte, zu beseitigen. Vielleicht lässt sich auch die in den
übrigen dialekten bestehende Verschiedenheit zwischen an- und
inlaut noch im hochdeutschen nachweisen. Im ahd. wird im
inlaut viel seltener p geschrieben als im anlaut. Es gibt quellen,
die es im anlaut häufig und im inlaut gar nicht haben. Im
mhd. wird es ausser vor s und t im inlaut fast gar nicht mehr
geschrieben. Es ist indessen schwierig daraus einen ganz be-
stimmten schluss zu ziehen, da im allgemeinen zwischen an-
und inlaut in ältester zeit nur ein gradueller unterschied be-
steht, und da das schwanken der Schreibung verschiedener deu-
tung unterliegt Scherer glaubt, dass dadurch die geflüsterte
media angedeutet würde. Ich habe (Gab es eine mhd. Schrift-
sprache 24 ff.) auszuftlhren versucht, dass auch b im anlaut
cÜe bedeutung einer tenuis hat Ihr dieselbe danach auch durch-
weg ftir den inlaut zuzuweisen würde an und ftlr sich nicht
vollkommen ungerechtfertigt erscheinen. Doch scheinen die
neuem mundarten dagegen zu sprechen, deren laute wir frei-
lich noch viel zu ungenügend kennen. Erst eine genaue pho-
netische beschreibung der oberdeutschen mundarten mit sorg-
fältiger grenzbestimmung wird es uns vielleicht möglich machen
den Wirrwarr der alt- und mittelhochdeutschen Schreibung auf-
zulösen und auch über diesen punkt sicherer zu urteilen. Nach
Weinhold steht p in den heutigen mundarten nur in einigen
Wörtern, im bairischen, was sehr zu beachten ist, namentlich
auch nach »i, wo es auch mhd. geschrieben wird, während sonst
im bairischen und elsässischen sogar spirans gesprochen wird.
Daraus wird es doch sehr wahrscheinlich, dass wirklich ein
Digitized by
Google
ZUR LAüTVEESCHIEBÜNG. 173
phonetischer unterschied zwischen an- und inlaut im ahd. be-
stand, welcher auf dem schon vor der Verschiebung vorhandenen
beruhte. Die media wurde zur tenuis, die spirans zur media
verschoben. Wenn auch in den inlaut p eindrang, so wider-
spricht das, wie man auch darüber urteilen mag, unserer auf-
fassung nicht; denn auch fllr das aus f erweichte v tritt p ein.
In der gutturalen reihe, zu der wir uns nunmehr wen-
den, sind die gotischem g entsprechenden laute mit wenigen
ausnahmen nicht im an- und inlaut durch die schrift unter-
schieden,. wie diess bei den labialen im nordischen, angelsäch-
sischen und niederdeutschen der fall war, vielmehr ist fast überall
ein und dasselbe zeichen g in gebrauch. Aber schon die ana-
logie macht es wahrscheinlich, dass auch hier unterschiede in
der ausspräche bestanden haben werden, welche so weit als
möglich festzustellen unsere aufgäbe ist Wir werden, wenn
wir im ausgedehnten masse die spirantische ausspräche im
inlaut vertreten finden, ein recht haben, diese unmittelbar an
die von uns als wahrscheinlich ermittelte ausspräche des goti-
schen anzuknüpfen. Finden wir daneben den verschlusslaut,
so lässt sich zum mindesten die möglichkeit, ja sogar die Wahr-
scheinlichkeit, dass derselbe erst aus dem reibelaut entwickelt
ist, in derselben weise dartun wie beim h. Unser hauptargu-
ment fftr das gotische war, dass g vielfach erst aus h erweicht
ist. Diese erweichung hat aber im allgemeinen gleichmässig
auch in den übrigen dialekten stattgefunden. Allein im got
ist das h erweicht nur in tagr. Dagegen ist sonst in den übri-
gen dialekten die erweichung weiter gegangen, z. b. in hahan
prähan, fahan, juhiza, ahana, /raihnan, ganohs, pahan, vrohs, die
überall ausser im got. g zeigen. Bei andern erweichungen finden
sich dialektische abweichungen. Im allgemeinen übereinstim-
mend ist noch der sogenannte grammatische Wechsel, der bei
den verben der VIL, VIII. und IX. classe stattfindet (z. b. ahd.
zmhu, zugumes) und den ableitungen aus denselben. Nur geht
darin das nordische manchmal weiter z.b. in fleygfa == mhd.
vloeherij ebenso teygja, tiugari, leiga^ Idgja. Nur im nordischen
erweicht ist elgr. == ahd. elaho, ags. eich. Speciell faeröisch
sind faß (capio), ivafi (lavo). Nebeneinander stehen ags. alt-
niederd. (psalmen) alth. svelgan nhA schwelgen, und ahd. swelhan,
Digitized by
Google
174 PAUL
Bihd. swelhen. Manche erweichungan finden sieh nur im agB.
nd. und zum teil im md.; eo ags. heagan aoc. von heah, mnd. und
md. hoffen, mnl. hoghen; ags. hegan (exaltare), mnd. und md.
irhogen; ags. scegon (viderunt), and. (psalmen) gesdgon, mnd. und
md. sägen, mnl. saghen, mnd. und md. geschägen] alts. nigen\
altß. (Freckenh.) tegotho (decimus), friee. tegoiha, ags. preotegeoöa,
seofonteogoba (Benson), noch heute nd. tegede; md. negln, genegin =
mhd. nmhenen vgl. Rückert a, a. o. 57, noch jetzt im nd. noeger
compar, Speciell ags. sind/%an (varium), ßgian (variare), fulgon
praet von felfian (aber auch got. fvlgins, an. fi(ügr\ sveger (doch
daneben sveor und anderseits in den dazu gehörigen Wörtern
auch im hochdeutschen g). Dass die Verwandlung des ä in ^
nicht noch allgemeiner wurde, ebenso wie die des / in t; oder
T)y lag jedenfalls daran, dass es sich zum blossen hauche ver-
flüchtigte, und daher nur einfach ausfallen konnte. Jedenfalls
müssen alle so entstandenen g einmal reibelaute gewesen sein.
Finden wir diese zu verschlusslauten verschoben, so steht nichts
im wege, dase durch dieselbe lautbewegung auch die übrigen
erst aus Spiranten zu verschlusslauten geworden sind.
Es wird uns nun, denke ich, auch gelingen nachzuweisen
dass die spirantische ausspräche des g im inlaut bei den ver-
schiedenen germanischen stammen entschieden überwiegt und
bis in die älteste zeit zurückreicht. Dass der buehstabe g zur
bezeichnung derselben gebraucht wurde, darf uns deshalb nicht
wunder nehmen, weil im lateinischen aiphabet kein anderes
verwendbares zeichen vorhanden war. e wurde zur bezeichnung
des vokales und der halbvokalischen palatalen spirans gebraucht
welche in ältester zeit wol viel mehr als vokal wie als con-
sonant empfunden wurde (vgl. oben s. 158 anm») Dem gutturalen
Spiranten lag denn doch wol der homorgane verschlusslaut
näher. Auch wurde ja das^ bereits im romanischen vor hellen
vokalen als spirans ausgesprochen. Nichtsdestoweniger wech-
selt vielfach g mit/. Seltener ist der fall, dassy fftr g ge-
braucht wird, sehr häufig aber im hoch- und niederdeutschen
und im ags. das umgekehrte, so dass es keines beleges bedarf
was vielleicht als ein zeugnis daflir anzusehen ist , dass das j
sein vokalisches element zu verlieren beginnt*) Dieser Wechsel
*) In der häufigen Schreibung ig erscheinen beide demente deutlich
gesondert, gerade wie in der Schreibung uu, üb. Doch wird auch in der
Digitized by
Google
ZUR LAüTVBBSCHIEBUNG. 17B
s^igt, dass da& g wenigstenf^ an bestimmten stellen ^ne dem
j nicht zu fern liegende außspraehe gehabt haben musa.
Aus dem altnordischen laawn sich mehrere momente
anfahren y die dafür sprechen, dass ^ im in- und audant wpi*
rant war. Ueberall, wo es ursprünglich im auslaute stand, ist
es geschwunden mit Verlängerung des voraufgehenden vokai»,
wenn er kurz war. Es ist also ganz analog behandelt wie *,
wozu ee wahrscheinlich vorher nach Verlust de» stimmtones ge*
worden war. Die ausnahmen von dieser regel im iaip. und
im nom. der neutra erklären sich vielleicht daraus, daes dM
vokalische auslaul^esetz hier später in kraft getreten ist ai«
in den übrigen germanischen sprachen, wofür ja anch die ält©'^
sten runeninschriften und die gestult der aus dem nordifohen
entlehnten Wörter im finnischen sprechen. In der Verbindung
gj nach langem vokal fällt g öfter aus z. b. in %?ö ftir t€ygja^
and daher wird dann umgekehrt oft gj statt des richtigen j
geschrieben vgl Holtzm. 108. Wir haben darin offenbar einen
beweis fftr die bereits eingetretene palataüsierung zu seh^jif
Die gutturale spirans ist durch das folgende j in die palatale
verwandelt In süa und dash ist das g zwischen den yokalen
ausgeMlen gerade wie sonst h. Zu beachten ist aueh die in
dem Gutalagh und auch sonst vorkommende Schreibung gh.
Die ausspräche des neuisländischen und dänischen spricht über-
einstimmend für versohlusslaut im anlaut und reibelaut im in-
und auslaut. Im isländischen wird anlautend vor harten voka-
len g, vor weichen 0 gesprochen, in- und auslautend vQr h9,rten
gutturaler reibelaut, vor weichen p^lataler '^ j\ Im dänischen
ist g im anlaut immer verschlusslaut. Im in- und auslaut ist
es entweder gutturaler oder palataler reibelaut, oder wird zu
i vokalisiert, oder verklingt ganz, oder endlich wird zu v, wel*
ches dann wider teilweise zu u vokalisiert wird. Dem lefert*
genannten übergange werden wir auch in andern dialekten,
namentlich im englischen begegnen, eben so Yde dem umgiekehr^
ten von t; in g. Wir sind gewis überall berechtigt diesen
Wechsel als ein zeugnis für die ausspräche des g als #piranf
aussprach« eine solche zerteilung stattgefanden haben, gerade wie man
in heutigen mundarten deutlieh nazijon » frz. nation <oder spijon »*
Spion h&rt.
Digitized by
Google
176 PAUL
anzusehen. Er vergleicht sich zunächst mit dem Wechsel von
j und w. Ueberhaupt sind die Spiranten, tönende wie tonlose,
vielmehr dem Wechsel unter einander ausgesetzt als die ver-
schlusslaute. Aus der dänischen ausspräche lässt sich aller-
dings kein sicherer schluss auf die älteste zeit machen, da auch
das aus k erweichte g zur spirans wird. Wir müssen uns also
namentlich auf die neuisländische ausspräche und die aus dem
an. selbst beigebrachten anzeichen stützen und können nur con-
statieren, dass das dänische dazu stimmt Doch lässt sich we-
nigstens eine spur von dem übergange des ^ in t; schon in
alter zeit nachweisen in dem von Grimm aus Saxo citier-
ten Svipdavtis* In bestimmten fällen steht der explosivlaut.
Wenn im neuisländischen g vor n, l, b, g mit verschluss gespro-
chen wird, so ist diess vollkommen analog der ausspräche
des /vor denselben consonanten als & und erweist sich dadurch
als eine jüngere Veränderung. Dazu kommt, dass auch hier^^
geschrieben wird, und dass in der skaldenpoesie dieses ^ auf ^
zwischen vokalen reimt (vgl Gislason oldnordisk formlaBre§8i).
Ebenso ist die heutige ausspräche nach consonanten erst jung.
Auch hier wird in älterer m\\,gh geschrieben (vgl. ebendas.) und
im dänischen spirant gesprochen, wenn das g nicht ganz ver-
stummt Sicher ist g schon im an. wie in den neuern sprachen
verschlusslaut nach n und in der gemination. Für den ersten
fall folgt diess daraus, dass ng im auslaut wie nk iü kk über-
geht Für geminiertes g findet sich kk geschrieben (HoltznL
106). Wenn in der dänischen ausspräche g vor s und t txl k
wird, so ist anzunehmen, dass diess aus dem zunächst tonlos
gewordenen Spiranten entstanden ist, da auch altes h vor den
selben consonanten zu k wird, vor i nur in Wörtern die aus
dem deutschen entlehnt sind, da es in echt altnordischen ge-
schwunden war, z. b. mögt, sprich makt. Spuren dieses Über-
ganges finden sich schon im an., indem zuweilen ks fftr gs ge-
schrieben wird. Das neutrum -likt von den adjectiven auf ligr
kommt nicht in betracht, da bei diesen g erst aus k erweicht
ist Der Übergang von h vor s\nk ist wol überhaupt in sämmt-
lichen neuern germanischen dialekten eingetreten. Ihm ver-
gleicht sich auch das im an. zuweilen vorkommende /?* für fs
(Holtzm. 116). Auch fllr den von ht in ki werden wir in deut-
schen mundarten analogien finden. Und vielleicht ist auch das
Digitized by
Google
ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 177
an pt für fl, welches auch in gotischen eigennamen und in den
merseburger sprächen vorkommt so aufzufassen, dass wirklich
p erst aus f entstanden ist. Ein anderer fall, in dem ^ zu i
wird, ist hinter t und s. Zum teil ist dabei g der anlaut des
zweiten teiles eines compositums; aber es wird auch z.b. ämatki
aus ämättigi. Wir werden auch hier keinen anstoss daran neh-
men, dass das k aus einem Spiranten entstanden ist. Wir
werden demselben übergange bei dem p wider begegnen. So
entsteht auch hüspreufa aus Msfreyja, Inlautender verschluss-
laut steht im altn. auch vory, wo gg geschrieben wird, wel-
ches aber hier wie Holtzmann 108 ausgeführt hat, nicht gemi-
nation bezeichnen kann. Dass gg zur bezeichnung des ver-
chlusslautes angewendet wird, beweist einerseits, dass derselbe
in der gemination gesprochen wurde, anderseits, dass diess
sonst nicht der fall war und daher zur Unterscheidung von der
gewöhnlichen ausspräche in ermangelung eines besseren die
Verdoppelung zu hülfe genommen werden muste. Wenn so
das nordische, neuisländische und dänische für die ursprüng-
lichkeit der Spirans im inlaut spricht, so haben wir wol ein
recht den verschlusslaut im schwedischen für unursprünglich zu
halten, welcher hier nach den angaben der grammatiken überall
steht ausser noch r und /, wo j gesprochen wird.
Für das ags. lässt sich die spirantische natur des inlau-
tenden g noch mit grösserer Sicherheit dartun. Schon dass
hier die Verwendung des g fftr / besonders häufig ist, weist da-
rauf hin, dass es wenigstens zum teil nicht bedeutend verschie-
den davon geklungen haben kann. Im neuags. und altengl.
wird es im inlaut ganz verdrängt von dem neuerfundenen zei-
chen ^ (gh). Da dieses sonst auch für altes j und für h im
auslaut und vor t gebraucht wird, so kann man daraus den
schluss ziehen, dass es eine spirans, und zwar gutturale' wie
palatale, tönende wie tonlose bezeichnet. Ueberblicken wir nun
die Wandlungen des in- und auslautenden g im ags. und engl.
Im auslaut geht g im ags. und auch im neuags. nach langem vokal
und nach consonanten gewöhnlich, seltener nach kurzem vokal
in h über (Holtzm. 210. Koch § 177), wofttr vom neuags. an
wie sonst für auslautendes h auch gh eintritt. Da wir darin
jedenfalls wider den bekannten vertust des stimmtones zu se-
hen haben, so muss auch im inlaut spirans bestanden haben.
Digitized by
Google
178 PAUL
Dieselbe Verwandlung tritt ein vor s und Ö bei syncope des
vokals z. b. byhst, byht^ aus bügan. In schwachen verben wird g
verwechselt mit dem / des Suffixes. Es tritt daher einerseits für
dieses ein z. b. in freogan (amare Holtzm. 212), anderseits geht,
wenn die wur^el ursprünglich g hat, nicht bloss das y, sondern
auch das damit verschmolzene g verloren z. b. eavan yvan aus
augjan (Holtzm. 210). Häufig ist der Wechsel zwischen ^ unde;,
der ebenso zu beurteilen ist wie im dänischen. Auf der einen
Seite entsteht im ags. häufig g aus v (Holtzm. 211) z. b. grceg,
engl, gray. Auf der anderen geht im neuags. nicht selten g in
w über, welches dann später vokalisiert wird (Koch § 178).
Ganz analog tritt im auslaute statt des gh in der ausspräche
ein /"ein. Die gewöhnlichste Verwandlung des g ist, dass es
zu i vokalisiert wird. Die erste stufe dazu findet sich wol an-
gedeutet in der in den northumbrischen evangelien vorkommen-
den Schreibung weig für weg u. a. m., bei La^amon rveige, fcei^er
etc. Das vorgesetzte i bezeichent wol den Übergang in die pa-
latale, auch wol schon halbvokalische spirans, gerade wie im
altn. die Schreibung seigja, von wo aus dann der Übergang in
den blossen vokal leicht ist. Es findet sich auch in den evan-
gelien und ist bei La^amon das gewöhnliche, bei dem man statt
altem age oder ag findet ai, m, ei, e. Merkwürdiger weise findet
sich gerade die letzte Schreibung, nach der das g einfach ver-
loren zu sein scheint, häufig schon im altags. (Holtzm. 209). ig
und ig werden natürlich zu i zusammengezogen z. b. stiräpy
älmihti. Verschlusslaut wurde im ags. gesprochen wie im altn.
nach 71 und in der gemination. Niemals geht nach dem wdas
g auslautend in h über. Im neuengl. bleibt der verschlusslaut
oder es tritt' in der ausspräche dsch ein, welches in deutschen
Worten immer aus einem verschlusslaute hervorgeht. Für die
gemination ist schon die Schreibung cg beweisend, welche zu^
gleich ein zeugnis für das bedürfnis nach Scheidung von dem
gewöhnlichen g ist. Im neuengl. bleibt wider entweder g oder
wird dg (dsch). Nur in den verben Ucgan, lecgan, secgan, bycgan
tritt vokalisation ein, aber später als bei dem einfachen ^;noch
im mittelengl. ist sie nicht allgemein durchgedrungen. Daher
ist sie auch nicht mit der des einfachen lautes auf eine stufe zu
stellen. Bei den drei ersten verben kann übrigens die analogie
des praeteritums mitgewirkt haben. Der ursprüngliche unter-
Digitized by
Google
ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 179
Bcbied der auÄsprache des einfachen und des verdoppelten g
igt also klar. Ebenso wird auch in den romanischen Wörtern
das g nicht vokalisiert oder ausgestossen, sondern es bleibt vor
consonanten und harten vokalen als g z. b. legal, tigre, vor wei-
chen vokalen als dsch, wie es schon im franz. gesprochen wurde.
Wenn Koch § 179 ausfall des romanischen g im engl, behauptet
so verlegt er lanttibergänge in diese spräche, welche die ange-
fiilirten Wörter schon vor ihrer aufnähme in dieselbe durchge-
macht haben. Wir sehen also auch hieraus, dass nicht der
yerschlusslaut von der vokalisation betroffen wird. In einigen
wenigen Wörtern hat sich im neuengl. einfaches g im auslaut
nach vokalen erhalten und wird mit verschluss gesprochen:
Whig (daneben whey), trvig, egg, drag, hag, crag, heg, nag (Koch
§ 178). Wir werden keinen anstand nehmen in diesen verein-
zelten fällen die entstehung des g aus der spirans flir wahr-
scheinlich zu halten, zumal da das g von ags. twig und äg erst
aus j hervorgegangen ist. Uebergänge der auslautenden Spi-
rans in den verschlusslaut lassen sich auch sonst im neuengl.
nachweisen. Aus ags. eolh wird elc] gh, welches aus ags. h
hervorgegangen ist und im altengl. sicher die harte gutturale
Spirans bezeichente, wird k gesprochen in lough (see), shough
(pudel) und hough (kniekehle); in letzterem werte schwankt
die ausspräche, indem daneben mit dem bekannten Wechsel des
Organs f gesprochen wird. In hiccough (schucken) hat dieser
Wechsel durchaus stattgefunden und ist dann das f meistens
in der ausspräche in p übergegangen, so dass nun auch dane-
ben hiccup geschrieben wird. Alles diess sind vollkommen un-
anfechtbare lautübergänge , nach deren analogie wir auch die
auslautenden g zu beurteilen berechtigt sind.
Auch im anlaut muss g im ags. zum teil als spirant ge-
sprochen sein. Dafür spricht schon die gerade hier häufige
Yerwendung des Zeichens g flir j vor hellen vokalen, welche in
manchen Wörtern ausnahmslos statt hat. Vor harten wird ge
flir y geschrieben. Das e dient also dazu anzudeuten, dass g
als Spirans zu sprechen ist. Wir werden ihm daher dieselbe
bedeutung zuschreiben, wenn es vor a hinter altem g geschrieben
wird auch in fällen, wo nach den sonstigen lautgesetzen kein
ea eintritt z. b. geat, geäton. Auch dient ja vollkommen analog
die Schreibung sce zur bezeichnung des reibelautes. Im neuags.
Digitized by
Google
180 PAUL
werden viele worter im anlaut mit g geschrieben. Die partikel
ge vokalisiert sich sogar zu i, welches im neuengl. mit wenigen
ausnahmen ganz abfallt. Aber im neuengl haben nur ein paar
Wörter y, alle übrigen mit verschluss gebildetes g. Diese tat-
sachen nötigen uns anzunehmen , dass diess g mindestens zum
teil erst aus dem reibelaut entstanden ist, den wir, soweit un-
sere quellen zurückreichen, als das älteste ansetzen müssen«
Im niederdeutschen und einem teile des mitteldeutschen
wird heute ausser nach n im inlaut tönender, im auslaut ton-
loser Spirant gesprochen. Für das alter dieser ausspräche
lassen sich schon aus den ältesten quellen beweise beibringen.
Im Heliand findet sich auslautend öfter h geschrieben wie im
ags. (Holtzm. 150), woneben das einmalige ödoc im Mon. nicht
sehr in betracht kommen kann. In der Essener rolle findet
sich ahtodoch, vi/tech. Sonst bleibt allerdings g in den ältesten
denkmalen, wol aus demselben gründe wie im gotischen. Umge-
kehrt findet sich g für auslautendes ä imHcL in nah wie häufig
in späteren nieder- und mitteldeutschen quellen, nur erklärlich
dadurch, dass g als spirans, und zwar im auslaut als tonlose
Spirans gesprochen wurde. Femer fällt g in dem suiBx ig im
Cott öfter ab wie das h und tritt umgekehrt an auslautendes
I an wie gtbithig. Schreibungen wie tom statt togiu im Mon.
und hol statt hogi in gl Arg. sind gewis eben so aufzufassen
wie die von uns besprochenen analogen fälle im an. und ags.
{teyja für teygja etc.). Verwandlung des w; in ^ findet sich we-
nigstens in niguYiL Vollkommen klar ist das Verhältnis in jün-
gerer zeit. In den altfriesischen rechtsquellen ist der Übergang
von auslautendem g in ch durch die schrift fast durchgängig
bezeichnet. Im inlaut spricht die häufige vokalisierung für die
spirantische ausspräche. Dagegen tritt in der gemination und
nach n palatalisierung resp. dentalisierung ein wie im anlaute,
welche den verschlusslaut voraussetzt. Im mnd. mnl. und
mittelfränkischen ist ebenfalls ch im auslaut und im inlaut vor
harten consonanten die gewöhnliche Schreibung und die reime
beweisen das zusammenfallen lait got. h und in dem letztge-
nannten dialekte auch mit got k nach vokalen. Oft wird g
geschrieben, aber eben so gut auch für got ä. Auch in das
südfränkische und hessische hinein reicht die verwandelung des
auslautenden g in ch z. b. bei Herbort und in Hartmanns Credo,
Digitized by
Google
zun LAÜTVEBSCHIEBÜNG. 181
während z. b. in der Elisabeth häu% c im auslaute geschrie-
ben wird und keine reime auf ch sich finden. Für das mnd,
ist noch die Schreibung gh zu beachten, die auch sonst vor-
kommt und doch wol analog dem ch die spirans bezeichnen
soll. Allerdings wird auch ngh und ggh geschrieben, während
in diesen Verbindungen nachanalogie der übrigen dialekte der
verschlusslaut erwartet wird und auch im auslaut nc, nicht ncÄ
eintritt Auch in der heutigen ausspräche des niederdeutschen
bleibt ng, resp. gutturaler nasal und im auslaut nk; gg ist zu
kk verschoben, nur in schwachen verben, wo die Verdoppelung
durch ein j bewirkt war, ist wider die spirans eingetreten:
lejjenj sejfen.
Auch im anlaut lassen sich von alter zeit her spuren spi-
rantischer ausspräche erkennen. Aus dem Heliand lässt sich
allerdings nichts weiter dafür anführen, ausser dass g vor hellen
und gi vor dunkeln vokalen fllr j gebraucht wird. Aber in der
Übersetzung der predigt des Beda findet sich jegivan, in den
Merseb. gl. jemihed. Im afries. ist j für g vor e nicht selten;
ja die vorsilbe ge wird zu e oder i zusammengezogen, wofftr
sieh auch ein beispiel in den Mers. gl. findet. Noch in ein
paar andern Wörtern fällt g im afries. ab (unge, ungath, iuthj.
Heute ist im niederdeutschen überall die partikel ge zu einem
schwachen e geworden oder ganz abgefallen. Im mnl. wird
auch im anlaut vor hellen vokalen gh geschrieben. Eine spur,
dass vor ursprünglich harten vokalen reibelaut gesprochen wäre
wie im ags. finde ich nicht, doch lässt sich auch das gegenteil
nicht erweisen. Heute unterscheiden sich die niederdeutschen
mundarten in der ausspräche des anlautenden g. Es stehen
neben einander verschlusslaut, gutturaler und palataler spirant,
so dass wol der erste das häufigste, der zweite das seltenste
ist Von dem palatalen Spiranten ist es klar, dass er erst aus
dem gutturalen entstanden sein muss; aber ob dieser oder der
verschlusslaut altertümlicher ist, wird schwer zu entscheiden
sein.
Für. das hochdeutsche gilt dasselbe, was bei den labi-
alen bemerkt ist Wo wir im in- und auslaut den verschluss-
laut finden, kann er nach einem gesetze, das notwendig einmal
wirksam gewesen sein muss, aus der spirans entstanden sein.
Aber auch in Oberdeutschland stossen wir auf den Spiranten.
Digitized by
Google
182 PAUL
Allerdings findet sich besonders in den ältesten quellen Ar. Aber
im ganzen tiberwiegt g bedeutend im inlaute auch in denkmä-
lern, die im anlaut in der regel k haben. Im auslaut erscheint
schon von frühester zeit ch neben g und c oder k. In vielen
mhd. handschriften erscheint es fast regelmässig. Reime auf
ch == got. h oder k sind nicht gerade häufig, kommen aber
auch bei guten dichtem wie Hartmann von Aue vor. Ich habe
(mhd. schriftspr, p. 26.) die ansieht ausgesprochen, dass diess
oberdeutsche ch ganz anders aufzufassen sei, als das nieder-
deutsche und durch eine doppelte Verschiebung zu erklären.
Ich trage jetzt bedenken daran festzuhalten, da auch andere
gründe dafür sprechen, dass inlautendes g mindestens in be-
stimmten teilen von Oberdeutschland als spirans gesprochen
wurde, so dass ihm also ch dem auslautgesetze gemäss unmit-
telbar entsprach. Allerdings sind zwei bedenken dabei einmal
dass oft auch nch geschrieben wird, während g nach n sicher
explosivlaut war, und dann, dass dies ch gerade in gegenden
zu herschen scheint, welche in der Verschiebung am weitesten
gehen, während in einem grossen teile von Mitteldeutschland
c neben g in der Schreibung überwiegt und in den reimen
keine Vermischung mit ch, wol aber mit k =» got. k vorkommt
Für inlautenden Spiranten spricht sonst noch folgendes: Häufig
wird g für j geschrieben und dieses g reimt nicht selten auf
echtes g (Weinh. aL gram. 215. bair. gram. 178). Es bleibt
uns nur die wähl zwischen zwei möglichen annahmen. Entweder
wurde das g wie j gesprochen, oder j ist in g tibergegangen.
Ist letzteres der fall, so haben wir wider einen beweis für den
Übergang der spirans in den verschlusslaut. Wir sind hier in
einer ähnlichen ungewisheit wie bei h und w» Im allgemeinen
scheint mir die erstere annähme das wahrscheinlichere. Aber
zum teil mag auch Übergang des j in g erfolgt sein, namentlich
nach r, wo das g auch in der neuhochdeutschen Schriftsprache
sich findet Auch im anlaut findet sich in neueren mundarten
g für j, z. b. in der Oberpfalz und im Voigtlande. Vokalißie-
rung des g ist auch in Oberdeutschlaud häufig, besonders vor t
(gramm. 1*^426). Wenn age, ege zu ei werden, so kann das
wol nicht 80 aufgefasst werden, dass das g ausgestossen und
dann a-e oder ^-e zu ei zusammengezogen wäre. Wir müßten
dann wenigstens überall i statt des stummen e haben. Nun
Digitized by
Google
ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 188
aber ißt das e nur in der kleineren anzahl der ßlUe aus i ge-
schwächt und die zusammenziehung ist auch erst eingetreten
nachdem die Schwächung erfolgt ist. Das i des diphthongs ist
yielmehr aus dem zunächst zu j gewordenen g entstanden. Viel
weiter in diesen zusammenziehungen, ähnlich wie das englische
und friesische gehen die östlichen mitteldeutschen mundarten
ygl. Weinh. schles. mundarten 47. 64. Im schlesischen findet
sich z. b. auch moi für mag, wo an eine zusammenziehung aus
a-e gar nicht zu denken ist. Uebergang von tv in g, zum teil
durch den reim bestätigt, findet sich besonders im elsässischen
(alem. gr. 216). lieber das vorkommen desselben in Mittel-
deutschland vgl. Rückert a. a. o. 57. und Pfeiffer, Jerosch.
L. XVII.
Heute wird die spirans gesprochen im Elsass, in Nieder-
schwaben, der Oberpfalz, Niederöstreich und teilen von Tyrol.
Es scheint also, dass sie im Verhältnis zum mhd., wo sie im
auslaut so tlberaus häufig durch ch bezeichnet wird, an umfang
eingebüsst hat. In Mitteldeutschland tiberwiegt sie. Es ist mir
unmöglich ihre Verbreitung genau anzugeben. In Schlesien und
und dem grösseren östlichen und sfidlichen teile von Obersach-
sen wird verschlusslaut gesprochen, im inlaut tönender, im aus-
laut nach den mir etwas zweifelhaft erscheinenden angaben
von Weinhold und Rückert in Schlesien wenigstens nach lan-
gem vokal gleichfalls tönender, in Sachsen tonloser. Ausgenom-
men ist davon die endung -igh und sontigh, montlgh , .herbrigh.
Dass "auch hier der verschlusslaut jünger ist, wird dadurch
wahrscheinlich, dass derselbe im schlesischen auch aus altem^Ä
entsteht, ,z. b. flog (fugit), sag (vidit), sickt, erwackt, versmacktet,
formen die schon bei Opitz und Gryphius vorkommen (Weinh.
schles. mundarten 84. 86). Aus dem angrenzenden obersächsi-
schen gebiete kenne ich sak. Auch weist der dem abfall des
h analoge abfall des g in anderen Wörtern (Weinh. 84.) und
die gerade hier häufige vokalisierung des g auf ältere spirantische
ausspräche hin.
Mit der betrachtung der dentalen betreten wir das am
meisten streitige gebiet. Ich führe zunächst zwei punkte an,
welche entscheidend dafür sind, dass p in der ältesten zeit,
bis zu der wir zurückgehen können, die gewöhnlich geläugnete
geltung einer spirans hatte. Erstens entsteht in einigen wör-
Digitized by
Google
184 PAUL
tern aus älterem p eine andere spirans. So h in got mapl,
mapljan, ags. mätiel, mätSelian, ahd. madiU in eigennamen = ahd.
mahal, mahaljan, as. mahal, mahlian, an. mit regelrechtem ausfall
des h und contraktion ma/, »löp/a. Mehr beispiele gibt es fllr
den Übergang in f: got pliuhan = ahd. as. ßohan, ags. fleorij
an. ^ö; got. plaihan= ahd. flehan, flehön, as. gißhian {giß-
hid Hei. 1460); ahd. dinstar, md. dinster, as. thiustri (mit
vokalisierung des nasalklanges), ags. peosiri, pystre = ahd.
finstar; got. aippau, ahd. c^o, oefö, ags. oÖÖe = as. e/Üa, a/Öo,
fries. ieftha;*) an. pengill, ags. pengel ='ags. fengel; im an.
gehen neben einander />//i und /Jd7. Wie Hesse sich das erklären,
wenn /> aspirata oder auch affricata gewesen wäre? Wir haben
vielmehr in diesen Übergängen wider beispiele des Wechsels
der Spiranten unter einander. Zu vergleichen ist damit der
Übergang des h in f, der gleichfalls in alter zeit stattgefunden
hat (vgl. J. Schmidt, z. indogerm. vokalismus s. 53.) und im
englischen (Koch 182), und der im niederdeutschen häufige um-
gekehrte des / vor i in ch, Ueber den Wechsel der tönenden
Spiranten ist oben s. 175 £ gesprochen. Die wandelung von den-
talem ^ (s^ nach Brücke), als welches wir p auffassen, ist be-
kanntlich einer der leichtesten lautübergänge, den man sich
denken kann. Man braucht nur die zunge und die beim s^
vorgeschobene Unterlippe etwas zurückzuziehen, so dass die
letztere der obem zahnreihe genähert wird. Bekannt ist ja
auch das vorkommen dieses Überganges im lateinischen und
russischen. Wenn auch im äolischen ^ in 9p übergeht, so muss
man wol daraus schliessen, dass in diesem dialekt die aspira-
ten bereits zu Spiranten geworden waren.
Der zweite punkt, den ich meine, ist folgendes: Im alts.
und ags., auch im an. zum teil, schwindet vor />, das dann auch
zu Ö erweicht erscheint, der nasal z. b. alts. ööar aus got an/>ar.
Dieser schwund des nasales tritt sonst noch ein vor s und f;
vor h ist er bereits in einer früheren periode in allen germa-
nischen dialekten eingetreten. Nirgends zeigt er sich vor ver-
schlusslauten. Wir werden daher auch/> nicht zu den letzteren
rechnen, und es ergibt sich dann die einfache regel: der nasal
schwindet vor den harten Spiranten.
•) Oder ist vielleicht letzteres die ältere form?
Digitized by
Google
ZUR LAUTVERSCHIEBüNa 185
Diese beiden argumente, das Verhältnis im gotischen, die
analogie der beiden andern consonantenreihen müssen ilns für
die beurteilung der entwickelung de» p massgebend sein. Im
. an. sind im anlaut d und p in gleicher weise geschieden wie
im got. Inlautend sind sie nur nach / und n geschieden: got
Ip, np = an U, nn; got Id, 7id = an. tb, nö oder Id, nd. In
jeder andern Stellung sind sie zusammengefallen: in der gemi-
nation steht dd; sonst steht in den ältesten handschriften />,
wofür später Ö eintritt, welches selten auch im anlaut geschrie-
ben wird. Wir sehen, das ursprtlngliche Verhältnis ist ganz so
wie bei den labialen und die gröste Wahrscheinlichkeit spricht
daher dafür, dass es gerade so aufgefasst werden muss. Der
hauptgrund, weswegen man sich dagegen sträubt, ist, dass im
schwedischen, dänischen und faeroeischen anlautend für p der
explosivlaut steht, im schwedischen und bei vielen consonanten-
verbindungen in allen neunordischen sprachen, ja selbst im jün-
geren an. auch inlautend. Dazu kommt der im inlaut sehr
seltene, im auslaut häufigere Wechsel von & und i (Gislason
118, 4. 5). Man nimmt daher an, dass ursprünglich noch aspi-
rata gesprochen sei, die anlautend nur im isländischen zur Spi-
rans geworden, während in den andern sprachen der hauch
abgefallen sei. Ich will einstweilen davon absehen, ob wirklich
bei dieser auflfassung die entstehung der neunordischen t mxdd
aus p vom physiologischen Standpunkte aus begreiflicher wird.
Aber wie erklärt man sich das zusammenfallen mit got d?
Wir können doch nicht dem in ältester zeit gleichmässig ge-
schriebenen p eine so ganz verschiedene geltung zuschreiben,
dass es bald einen doppellaut, die aspirata, bald einfache Spi-
rans oder etwa tonenden verschlusslaut bezeichent hätte? Und
wie hätte aus der got. media, mag man sie nun als spirans
oder als verschlusslaut auffassen, im in- und auslaut aspirata
werden sollen, um später wider zu tönendem reibe- oder ver-
schlusslaut zu werden? Die auslautenden t für &, woneben um-
gekehrt Ö für t vorkommt, beruhen wol darauf, dass das aus-
lautende t schon wie im neuisländischen zur spirans geworden
war. Die paar fälle im inlaut können verschreibungen sein;
wenn sie einen lautlichen grund haben, so können sie nur ein
anzeichen sein, dass die ursprüngliche spirans sich bisweilen
dem explosivlaute näherte. Auf der andern seite findet sich
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. I, 13
Digitized by
Google
186 PAUL
auch z fttr Ö. Ferner geht in einigen seltenen fällen Ö wie s
in r ttber, z. b. bar (orabat) und namentlich in der 2. pers. pl.
(Gislason 118, 6), weshalb Gislason mit grosser Wahrschein-
lichkeit vermutet, dass auch in der 3. pers. sing, das r auf
dieselbe weise zu erklären sei. Spuren dieses Überganges fin-
den sich auch im neuisländischen (ib. anm.). Wie femer f aus
p entsteht, so umgekehrt /> (^) aus f in 0riläi aus fifriltSi
und pjosir für älteres fjosir. Ebenso haben wir den bekannten
Spirantenwechsel darin zu sehen, wenn zuweilen ^ zu Ö oder
ft zu ^ wird (Gislason 118, 2). Die erweichung im in- und
auslaut war bei aspiraten nicht möglich; sie beruht vielmehr
auf der allgemeinen neigung der Spiranten dazu wie die des
/und h. Die erweichung ist schon vor der zeit, aus der wir
Überlieferungen haben, vor sich gegangen, wiewol sie durch die
Schrift nicht bezeichnet wird Das geht daraus hervor, dass/>/>
zu dd geworden ist und dass in consonantenverbindungen früh-
zeitig J für /> eintritt Daher ist es auch so wenig wie bei
den labialen nötig eine Verhärtung der gotisclien media anzu-
nehmen. Diese Verhältnisse sind meiner ansieht nach so klar,
dass wir uns entschliessen müssen da, wo der verschlusslaut
erscheint, anzunehmen, dass er aus der spirans entstanden ist
Diese entstehung können wir im inlaut in den an. denkmälem
verfolgen. In den ältesten quellen kommt nach n und / noch Ö
(p) vor, nach m ist es die regel; bald wird d herschend;
ebenso nach mb, If, lg, ng. Nach p, k, s steht t, aber in den
älteren denkmälem nach p und k gewöhnlich , nach s wenig-
stens noch in runeninschriften Ö (p). Es ist hier zugleich Ver-
härtung eingetreten durch assimilation an den vorhergehenden
consonanten nach ausstossung des ursprünglich dazwischen ste-
henden vokales. Ebenso wie inlautendes p oder Ö wird das
des enklitischen pu behandelt. Auch vor i wird Ö zu t, was
um so weniger gegen ursprünglich spirantische ausspräche be-
weisen kann, weil tt auch aus st entsteht und ebenso dd aus
zd. Wenn nun in den neueren sprachen auch im anlaut die
Spirans in den explosivlaut übertritt, so ist das dem inlaut voll-
kommen analog. Wir können auch in anderen fällen bemerken,
.dass anlautende consonanten gerade so behandelt werden wie
inlautende nach anderen consonanten. Im fseroeischen tritt über-
4tll t ein, im schwedischen und dänischen im pron. der 2. pers.
Digitized by
Google
ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 187
und im artikel nebst den ableitungen davon, d, sonst t Da
auch gerade in diesen Wörtern im an. am öftesten ft geschrie-
ben wird und das englische dazu stimmt, so wird die er-
weichung in den dem dän. und schwed, zu gründe liegenden
dialekten alt sein, während sie im fseroeischen und isl. nicht
eintrat.
Während im nordischen got. p und J im in- und auslaute
zusammengefallen sind, sind sie in den ältesten quellen der
südgermanischen dialekte geschieden, indem ersterem p oder Ö,
letzterem d, hochdeutsch zu t verschoben, entspricht. Wir
müssen nach der analogie der beiden anderen consonantenrei-
hen und gemäss dem von uns erkannten lautwert des gotischen
annehmen, dass dieses ohne zweifei mit verschluss gesprochene
d erst aus der spirans verschoben ist. Der unterschied von der
entwickelung der labialen und gutturalen besteht nur darin,
dass bei diesen die Verschiebung zum verschlusslaut auf ein
kleineres gebiet eingeschränkt ist. Ein teil der d war schon
im got. aus p entstanden, im südgermanischen hat sich die
anzahl derselben bedeutend vermehrt. In diesen fällen muss
erweichung des p eingetreten sein, bevor die Verschiebung zum
verschlusslaute erfolgte. Trat sie später ein, so blieb zunächst
der reibelaut. Wie bei den labialen und gutturalen finden sich
einzelne abweichungen der dialekte unter einander, gramma-
tischer Wechsel, Schwankungen in einem und demselben dialekt
Nur im got. ist erweichung eingetreten in skaidan as. sceihan,
ahd. sceidan. Ob im an. einzelne p früher tönend geworden
sind, ehe die allgemeine erweichung eintrat, lässt sich nicht
entscheiden ausser bei den Verbindungen np und //>. Letzteres
ist im südgermanischen durchweg zu Id geworden, während es
im an. als // von Id geschieden ist. Nur aldr, öld ist abwei-
chend von got. cUpeiSj daneben aber steht noch elli, np und nd
bleiben auch im südgermanischen geschieden, indem von ersterem
im as. und ags. der nasal schwindet; doch schwankt es nach n^
und ein solches schwanken findet auch im an. statt in firma
und finda, pp, welches im an. allgemein zu Jefwird, bleibt im
agg^ abweichend auch von der analogie der labialen und guttu-
ralen, pp oder ÖÖ; ebenso im as. in ettha; Verdoppelung durch
folgendes j tritt im as. nicht ein; in queddan ist wol schon vor
der Verdoppelung d eingetreten wie in qmdu
13*
Digitized by
Google
188 PAUL
Betrachten wir nun die entwickelung der zunächst nicht
zum verschlusslaut verschobenen p und &. Im ags. werden
beide zeichen unterschiedslos gebraucht, im nags. kommt Ö all-
mählich ausser gebrauch, im mengl. tritt allgemein th ein. Der
gebrauch des Zeichens Ö weist auf das Vorhandensein tönender
ausspräche hin, wenn auch die Schreiber den unterschied nicht
richtig durchzufahren vermochten Dass dieselbe im inlaut im
ags. wie im neuengl. allgemein war, zeigt besonders der häufige
Wechsel mit d, das sowol für Ö eintritt, als umgekehrt dieses
für d. In letzterem falle könnte man die Ö «zum teil als un-
verschobene reste der alten spirans ansehen; aber sie treten
auch in lateinischen Wörtern für d ein und in einigen Wörtern
entsteht erst im neuengl. th aus dj so dass das vorkommen der
Verwandlung des verschlusslautes in die spirans keinem zweifei
unterliegt. Als beweis dafür, dass die erweichung schon in
alter zeit stattgefunden haben muss, lässt sich auch noch an-
führen, dass dieselbe in den lehnwörtern aus dem griechischen
nicht eintritt, weil die neigung dazu vorüber war. Im anlaut
kennt die heutige Schriftsprache die erweichung nur in denpro-
nominalstämmen. Da aber in vielen mundarten th in d tiber-
geht, so ist es nicht unwahrscheinlich, dass schon in alter zeit
auch in anderen Wörtern das /> zum teil tönend geworden war.
In der heutigen ausspräche auch der gebildeten klingt th
sehr oft nicht mehr als reine spirans. Wir dürfen darin nicht
mit R. V. Raumer etwas altertümliches sehen, als ob das th jetzt
erst im begriflf wäre vollständig zur spirans zu werden, sondern
die Sache ist gerade umgekehrt: die spirans ist im begriflf in
den verschlusslaut überzugehen. Ich glaube hinlänglich gezeigt
zu haben, dass jene das ursprüngliche war, und es ist kaum
noch nötig auf einige lautübergänge der altern spräche auf-
merksam zu machen, die für sie sprechen. Im nags. geht h
vor t öfter in /> über (Koch 181), wofiir sich auch z geschrie-
ben findet z. b. dozter (Koch 171), also wider der Wechsel der
Spiranten. Femer geht /> in der 2. pers. sing., mitunter auch
im pL praes. in s über; der anfang dazu findet sich bereits in
den northumbrischen evangelien (Koch, flexionslehre 57). Das
wichtigste argument aber ist wider der eintritt der erweichung.
Jetzt gibt es wol in dem grösseren teile von England kein an-
lautendes th mehr. Sowol in Schottland als in den südlichen
Digitized by
Google
ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 189
dialekten wird dentales d gesprochen, durch die artikulations-
stelle von dem alten cacuminalen d geschieden. Dass diess
erst in neuerer zeit entstanden ist, beweist die ältere schrift.
Die ausspräche der gebildeten Engländer ist die Übergangsstufe
dazu. Wie haben wir nun diese zu definieren? Nach R. v.
Raumer und Scherer schwankte die ausspräche zwischen Spi-
rans, verschlusslaut und afiricata. Ich muss mich gegen die-
selben auf das zeugnis meines freundes Eduard Sievers berufen,
der bei einem mehrmaligen längeren aufenthalt in England der
ausspräche die sorgfältigste aufmerksamkeit geschenkt hat, und
dessen scharfe beobachtungsgabe in lautphysiologischen dingen
ich reichlich bewährt gefunden habe. Nach ihm kann von einem
doppellaute nicht die rede sein. Vielmehr besteht die Zwischen-
stufe darin, dass die organe einander fast bis zu völligem ver-
schluss genähert werden, und dass der laut möglichst kurz ge-
sprochen wird, was in direktem widersprach mit der natur
eines doppellautes steht, der gerade eine verlängerang sein
würde. Das ist gewissermassen eine mitte zwischen verschluss-
laut und Spirans, die leicht nach der einen, wie nach der an-
dern hinüberschwankt, aber keine Verbindung von beiden.
In derselben weise wie im englischen, haben wir auch im
hoch- und niederdeutschen den Übergang des th in J aufzufas-
sen, nur dass die entwickelung hier rascher vor sich gegangen
und weiter vorgedrangen ist. Dass schon im Heliand im inlaut
erweichung eingetreten ist, erkennen wir daraus, dass über-
wiegend Ö gesehrieben wird, was dann auch mit d wechselt
gerade wie im ags., so dass auch hier bald das eine, bald das
andere als älter aufzufassen ist. Für das alter der erweichung
im fries., wo Ö unbekannt ist und nur th geschrieben wird,
sprechen die d für ih in der lex Frisionum, die wol wie die
gotischen aufzufassen sind. Im oberdeutschen und fränkischen
zeigen schon die ältesten denkmäler die erweichung auch im
anlaut. Isidor hat dh. Die ältesten alemannischen quellen
haben zwar th; da aber daneben d schon überwiegt, so können
wir darin nur eine unvollkommene lautbezeichnung sehen, ebenso
indem ^ä der jüngeren fränkischen quellen, das nicht erst wider
verhärtet sein kann und das auch unmittelbar in d übergeht,
ohne dass eine andere lautbezeichnung dazwischen läge. Für
den Heliand ist es wahrscheinlich, wenn auch nicht zweifellos,
Digitized by
Google
190 PAUL
dass der anlaut noch nicht von der erweichung ergriffen ist,
da hier th durchsteht, während doch das zeichen Ö bekannt
ist. Zweifelhaft kann es auch sein, ob der auslaut mit stimm-
ton gesprochen wurde oder nicht. Doch spricht die sonstige
analogie für das letztere, und die Ö können hier eben so wenig
tönende qualität beweisen wie die b. Als entscheidend fttran-
und auslaut zu gunsten der tonlosigkeit können wir es vielleicht
betrachten, dass bei dem zusammenstoss eines auslautenden und
eines anlautenden dejitals ^Äzuweilfen in t tibergeht, mquatthat,
quaitiu, anttat aus qvxtth that, guath ihiu, and that, wider ein
beispiel von der abneigung gegen Spiranten in consonantenver-
bindungen. Ueber die zeit, in welcher der Übergang zum ver-
schlusslaute erfolgte vgl. Braune in diesem hefte s. 53 flf. In-
lautend besteht auch heute die spirans, vielleicht von ältester
zeit erhalten, in Holstein.
Ich habe mit möglichster Vollständigkeit zusammenzustellen
gesucht, was für natur und entwickelung der fraglichen laute
in den verschiedenen dialekten von Wichtigkeit ist. Vielleicht
bin ich zu ausführlich darin gewesen, da die meisten der von
mir vorgebrachten tatsaehen auch schon sonst allgemein bekannt
sind. Da ich aber weiss, wie sehr man sich vielfach gegen
die anerkennung gewisser lautübergänge sträubt, so schien es
mir nötig dieselben so sicher als möglich zu begrtinden. Vor
allem kam es mir darauf an durch eine zusammenhängende
darstellung aller in betracht kommenden einzelheiten die tiber-
einstimmung in denselben klar hervortreten zu lassen. Diese
zusammenfassende und vergleichende betrachtung muss unser
urteil bestimmen, wo die bei den einzelheiten stehenbleibende
Untersuchung hie und da noch zweifei zurücklässt. Ueberblicken
wir die gewonnenen resultate, so ergibt sich als urgermani-
scher lautstand folgendes: Die indogermanischen tenues sind
zu tonlosen Spiranten geworden h, p^ f. Die indogermanischen
aspiraten sind inlautend zu tönenden Spiranten geworden; nur
nach nasalen erscheinen sie, soweit wir sie zurückverfolgen
können, als tönende verschlusslaute. Diese ausnähme begreift
sich leicht; denn da die nasale durch verschluss des mundca-
nals gebildet werden, so schliesst sich daran ein explosivlaut
leichter an, als ein reibelaut, zu dem erst, bevor er gebildet
werden kann, der verschluss gelockert werden muss. Ebenso
Digitized by
Google
ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 191
zeigt sich im anlaut von alter zeit an tönender verschlusdaüti
Jedoch muss im ältesten niederdeutschen und angelsächsischen
wenigstens zum teil gutturale spirans bestanden haben. Es ist
ferner nicht ganz sicher, ob schon zur zeit des Ulfilas h, g, d
im anlaut wirkliche verschlusslaute waren oder zwischen ver-
schlusslaut und spirans schwankten. Das idt der boden, auf
dem die weitere entwicklung ruht.
Es zeigt sich nun, dass eine zwiefache bewegung der ur-
sprünglichen indogermanischen verschlusslaute zum teil zwischen
die erste, die gemeingermanische und die zweite, die specifisch
hochdeutsche Verschiebung,*) zum teil in die letztere hinein und
nach ihr fällt, die erweichung der aus indogermanischer tenuis
entstandenen Spiranten, besonders im inlaut, und der Übergang
der tönenden, in einem falle auch der tonlosen Spiranten in
verschlusslaute. Was die erstere betriflft, so beginnt sie vor
der auf uns gekommenen Überlieferung und tritt zunächst spo-
radisch auf, zum grösseren teil übereinstimmend in den ver-
schiedenen dialekten, was aber eine reihe von einzelnen abwei-
chungen nicht ausschliesst. Das Verhältnis ist sehr ähnlich wie
bei dem Übergange von a zu ^ in den verschiedenen europä-
ischen sprachen. Bei dem weiterumsichgreifen der erweichung
scheiden sich die dialekte etwas mehr, so dass aber doch die
entwickelung in den einzelnen sehr analog ist. f wird inlau-
tend allgemein tönend ausser im hochdeutschen und einem teile
des mitteldeutschen, wo sich einige tonlose f erhalten, im nor-
dischen auch auslautend. Der Übergang des h zw g bleibt spo-
radisch, jedenfalls nur deshalb, weil das h sehr früh zum blossen
hauch wurde, welcher durch den stimmton nur zum Spiritus
lenis werden konnte. Wir haben daher das schwinden des h
im inlaut zwischen vokalen, welches ausser im oberdeutschen
*) Die namen „erste und zweite Verschiebung" wären vielleicht bes-
ser ganz zu vermeiden; sie haben wenigstens nur einen praktischen wert.
In Wirklichkeit sind nicht die sogenannten beiden Verschiebungen je ein
aus dem kreise aller übrigen . lautveränderungen heraustretendes ganze,
sondern sie bilden mit den von uns besprochenen Vorgängen, von denen
man einen teil zur zweiten Verschiebung zu rechnen pflegt, und mit an-
dern erst später eintretenden Veränderungen eine reihe von vielen ein-
zelnen lautwandelungen, die sich von der ältesten zeit bis auf die neueste
nach einander und meist ohne beziehung zu einander vollziehen.
Digitized by
Google
192 PAUL
allgemein erfolgt, wol als eine analoge erscheinung anzusehen.
Die erweichung . des p ist inlautend allgemein (im nordischen
und englischen findet sie auch auslautend statt), erstreckt sich
aber in Deutschland durchgängig, in England und Skandinavien
partiell auch über den anlaut. Die neigung zur etweichung ist
also bei den dentalen am stärksten, aber die behandlung ist
keine grundverschiedene. Unsere auffassung erhält dadurch
noch eine schlagende bestätigung, dass sich in völlig analoger
weise wie die erst auf germanischem boden entstandenen Spi-
ranten, auch die einzige indogermanische^ tonlose spirans ^ent-
wickelt. Auch hier ist die erweichung zuerst sporadisch, im
got. durch z bezeichent, und die in ältester zeit erweichten s
gehen in r über, ebenfalls im ganzen tibereinstimmend, aber
doch mit mannigfachen abweichungen in den einzelnen dialekten.
Nach der periode des rotacismus geht dann die erweichung
weiter j wird im anlaut ausser in Oberdeutschland allgemein,
ausgenommen in der gemination und in Verbindung mit ton-
losen consonanten, und ergreift im niederdeutschen und einem
teile des mitteldeutschen, auch in englischen dialekten selbst
den anlaut. Der letztere umstand ist besonders wichtig inrück-
sicht auf die erweichung des />. Englische dialekte kennen
auch die erweichung des f im anlaut. Bei allen harten Spiran-
ten zeigt sich also dieselbe tendenz. Die vollkommenste ana-
logie dazu findet sich im lateinischen. Ascoli (Vergleichende
lautlehre 171. ff.) hat meiner ansieht nach tiberzeugend nach-
gewiesen, dass die lateinischen inlautenden medien = indoger-
manischen aspiraten aus den ursprünglich wie im griechischen
verhärteten und dann zu tönlosen Spiranten gewordenen aspi-
raten erweicht sind. Unsere auffassung der deutschen und
Ascolis der lateinischen lautwandelungen stützen sich gegenseitig.
Ebenso werden im altirischen die aus indogermanischer tenuis
entstandenen sogenanten aspiraten, die aber sicher als Spiran-
ten aufzufassen sind, inlautend erweicht; daher das schwan-
ken in der Schreibung zwischen aspirata und media. Wir
haben hier also noch eine genauere Übereinstimmung mit dem
deutschen.
Die zweite bewegung, der tibergang in den verschlusslaut,
hat statt so wol bei den aus den medienaspiraten entstandenen,
von anfang an tönenden Spiranten, als bei den aus den ton-
Digitized by
Google
ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 193
losen erweichten und den ursprünglichen indogermanischen wei-
chen Spiranten (/und w), nur in verschiedener ausdehnung. Am
regelmässigsten und fast durchgängig tritt sie ein nach nasalen
und und in der gemination, dann unter dem einflusse anderer
vorhergehender, zum teil auch unter dem folgender consonanten.
Aber auch ohne einen solchen einfluss erfolgt sie zwischen
vokalen, ziemlich allgemein im oberdeutschen, bei den dentalen
auch im niederdeutschen und (wenigstens bei den ursprünglich
tönenden oder in ältester zeit tönend gewordenen) angelsäch-
sischen, bei den gutturalen auch im schwedischen, vereinzelt
noch sonst. Bei den dentalen geht also auch diese bewegung
am weitesten und ergreift selbst den anlaut, da auch dieser von
der erweichung betroflFen wird. Darin liegt indessen kein we-
sentlicher unterschied. Eine grössere abweichung besteht darin,
dass im dänischen und schwedischen der hart gebliebene Spi-
rant p gleichfalls zum verschlusslaut wird, was bei dem guttu-
ralen und labialen Spiranten nicht möglich war, weil h zum
blossen hauch, /" labiodental geworden war. Wol findet hie
und da auch eine entgegengesetzte bewegung statt. So geht
im dänischen die aus dertenuis erweichte media in die spirans
über. Im ags. und engl., sowie im alts. finden sich Schwan-
kungen 'des d nach Ö und th. Aber der allgemeine zug ist
vom reibelaut zum verschlusslaut, und ersterer wird, so lange
nicht das gegenteil erwiesen ist, immer zunächst fftr älter gel-
ten müssen, Widerum ist die entwickelung im lateinischen
analog: die inlautend erweichten Spiranten werden zu tönenden
verschli^sslauten.
Ganz sichere beispiele vom Übergang des dentalen Spiranten
in den verschlusslaut haben wir im persischen, wo z -= skr.
h IM d wird. Wenn in neugriechischen dialekten ^ zu t, x zu x
wird (vgl. MuUach, Grammatik der griechischen vulgärsprache
s. 28. 89. 94. Curtius, Grundz. 3. s. 386. Ascoli, Vergleichende
lautlehre s. 161 flf.), so ist es im höchsten grade unwahrschein-
lich, dass in diesen fällen die aspirata ganz abweichend von
der sonstigen entwickelung niemals zur spirans geworden sein,
sondern nur den hauch eingebtisst haben sollte. Vielmehr wer-
den wir uns den Vorgang zu denken haben wie im schwedi-
schen und dänischen. Den Übergang in den verschlusslaut
haben wir uns wol überall so vorzustellen, wie ihn uns die heutige
Digitized by
Google
194 PAUL
ausspräche des englischen th lehrt und wie er bei besprechung
desselben erörtert ist. Auch im neugriechischen soll die aus-
spräche des d- zwischen reibe- und verschlusslaut schwanken.
Auch hier wird es falsch sein, wenn man es für einen doppel-
laut erklärt, oder wenn man meint, dass diese ausspräche
altertümlich sei und der laut erst im begriff in die blosse spi-
^rans überzugehen. Vielmehr ist er im übergange aus der Spi-
rans in den verschlusslaut begriffen und teilweise ist dieser
Übergang schon vollzogen.
Im anlaut haben, soweit unsere Zeugnisse zurückgehen, die
den indogermanischen medienaspiraten entsprechenden laute
eine andere gestalt als im inlaut. Doch bleibt es immer un-
sicher, ob schon im gotischen wirkliche explosivlaute bestanden,
und im altniederdeutschen und angelsächsischen ist sicher zum
teil gutturaler spirant das älteste. Es fragt sich nun., in wel-
cher weise diese zweiheit auf die unzweifelhaft früher beste-
hende einheit zurückzuflihren ist. Ist diespirans aus dem ver-
schlusslaute oder der verschlusslaut aus der spirans oder beide
unabhängig aus einem dritten laute entstanden? Erstereswar
bisher die allgemeine annähme, indem man den verschlusslaut
vielfach da ansetzte, wo wir die spirans erkannt haben, und
indem man die mit recht oder mit unrecht im inlaut angesetz-
ten verschlusslaute für ursprünglich hielt, während wir ihre
entstehung aus den reibelauten nachgewiesen haben. Somit ist
dieser ansieht der boden entzogen. Es ist gar keine veran-
lassung anzunehmen, dass die spirans erst aus dem verschluss-
laute entstanden sei, um dann wider teilweise in denselben
überzugehen. Viel grössere Wahrscheinlichkeit hat die zweite
möglichkeit, die entstehung des verschlusslautes aus der spirans.
Sie stimmt durchaus zu dem grundzuge der dargestellten ent-
wickelung. Was ist wahrscheinlicher, als dass derselbe zug,
welcher einen langen Zeitraum hindurch die tönende spirans
im inlaut und, soweit gelegenheit dazu war, auch im anlaut
zum verschlusslaut hindrängte, auch schon eine kurze zeit vor
der periode wirksam gewesen ist, aus der unsere ältesten denk-
mäler stammen? Ja er muss es sogar, da er bereits im goti-
schen inlautend nach n, r, l, z unzweifelhaft gewirkt hat. Gleich-
zeitig mit dem gemeingermanischen übergange nach nasalen
kann auch der im anlaut stattgefunden haben. Wir sehen auch
Digitized by
Google
ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 195
sonst in der deutschen lautgeschichte den inlaut nach conso-
nanten in gleicher weise behandelt wie den anlaut. Dass der
anlaut den verschlusslaut mehr liebt, als der inlaut, besonders
zwischen yokalen, zeigen das englische, schwedische und dä-
nische. Die dritte möglichkeit ist noch ins äuge zu fassen, ob
etwa die entwickelung der indogermanischen laute von anfang
an oder von einer bestimmten noch vor der einfachen spirans
und dem einfachen verschlusslaute liegenden Übergangsstufe an
für den an- und inlaut verschiedene wege eingeschlagen hat.
Diess führt uns aber auf die frage nach der ursprünglichen be-
schaffenheit der zu gründe liegenden laute in der indogerma-
nischen Ursprache.
Hierüber sind nun drei*) verschiedene ansichten aufgestellt.
Die eine behauptet wirkliche aspiraten, die zweite aflfricaten,
die dritte einfache Spiranten, Die letzte ist jetzt wol allgemein
aufgegeben. Der streit dreht sich nocli um die erste überwie*
gend anerkannte und die zweite von ß. v. Raumer und Scherer
vertretene. Es würde uns zu weit ftthren alles, was zu gunsten
der einen oder andern ansieht vorgebracht ist, hier noch ein-
mal zu widerholen. Ich halte dafttr, dass der beweis für die
ursprünglichkeit der aspiraten im sanskrit und griechischen ge-
liefert ist durch Curtius, Grundzüge ^ 383 ff. und Ascoli, Ver-
gleichende lautlehre 149 ff., wenn ich auch einige der von ihnen
vorgebrachten argumente nicht gelten lassen kann. Die auf-
fassung der laute als Spiranten ist auch von ß. v. Raumer sehr
gründlich widerlegt, Sprachwissenschaftliclie scliriften 96 ff. 383 ff.
Gegen die affricaten entscheidet meiner Überzeugung nach die
metrik des griechischen und des sanskrit. Wenigstens kann
ich mir noch keine Vorstellung von den ßaumerschen affricaten
machen, die kein© positionmachende doppellaute sein sollen.
Scherer (zeitschr. f. d. östr. gymn. XII, 641) hält durch den
Übergang von tva in ifa, den er als assimilation des organes
auffasst (ta = isa), die affricaten im sanskrit für bewiesen.
Aber um eines solchen einzelnen lauttiberganges willen, für den
eine andere auffassung sehr wol denkbar ist, kann man nicht
*) Von dem streite über die ursprüngliche tonbegabtheit oder tonlo-
ßigkeit dieser laute, welche letztere noch in neuerer zeit durch Rud. v.
Ramner vertreten wird, kann ich für unsern zweck absehen.
Digitized by
Google
196 PAUL
alle entgegenstehenden argumente ignorieren. Die verwande-
lung einer Verbindung von zwei homorganen tönenden lauten
in eine von zwei durch das organ wie durch den stimmton ver-
schiedenen lauten bleibt eine unlösbare physiologische Schwie-
rigkeit, während der entgegengesetzte Vorgang leicht begreiflich
und durch reichliche analogieen gestützt ist. Wir wollen trotz-
dem auf alle drei aufgestellten ansichten rücksicht nehmen und
sehen, wie sich nach einer jeden unsere frage stellt. Wären
die indogermanischen laute Spiranten gewesen, so wäre die
frage einfach entschieden. Es wäre dann selbstverständlich nur
die zweite von uns angesetzte möglichkeit anzunehmen. Die
Spiranten wären im germanischen inlautend zunächst geblieben,
anlautend in verschlusslaute tibergegangen. Schwieriger ist es,
wenn, was unzweifelhaft der fall ist, eine von den beiden an-
dern ansichten richtig ist, über den gang der entwickelung zu
entscheiden. Die Vertreter beider nehmen übereinstimmend an,
dass das hinter dem verschlusslaut stehende dement abgefallen
sei, der hauch oder die homorgane spirans, und so die media
entstanden. Man beruft sich dabei , Scherer allerdings nicht,
auf die Übereinstimmung der iranischen, slavischen, litauischen
und keltischen sprachen, ftir die man die gleiche entwickelung
annimmt. Namentlich wird der Übergang im slavischen und
litauischen mit dem im germanischen in historischen zusammen-
hanggesetzt, und man sieht darin den beginn der lautverschie-
bung, der noch in die periode der slavodeutschen Spracheinheit
fallen soU. Ich stimme mit Scherer darin überein, dass dann
notwendig die alte und die neue media im germanischen, wie
im slavischen, zusammengefallen sein müsten. Es lässt sich
hierbei auch nicht wol eine Zwischenstufe denken, bis zu wel-
cher etwa nur das deutsche gemeinsam mit dem slavischen ge-
gangen wäre. Der hauch war entweder weg oder noch da.
Eine andere art von Zwischenstufe ist noch angenommen, näm-
lich, dass zwar der hauch im slavodeutschen verschwunden,
zunächst aber geflüsterte media entstanden sei, die dann unab-
hängig im slavischen und deutschen, im letzteren erst nach der
Verschiebung der media zur tenuis, tönend geworden sei. Aber
der weg, den die media zur tenuis nahm, ging notwendig durch
die geflüsterte media hindurch, und es muste so zusammen-
fall eintreten. Wurde die medien-aspirata oder aflfricata zur
Digitized by
Google
ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 197
media durch abfall des zweiten elements, so kann diess erst nach
der Verschiebung der media zurtenuis, also auch erst nach der
Verschiebung der ursprünglichen tenuis*) auf speciell germani-
schem boden geschehen sein, wie auch Scherer annimmt; man
darf sich also nicht zur stütze dieser ansieht auf die übrigen
sprachen berufen.**) Wir werden also ein recht haben ledig-
lich die älteste lautgestaltung des germanischen mit der des
indogermanischen zu a ergleichen und zusehen, auf welche weise
sich dieselben am einfachsten vermitteln. Wir haben gesehen,
dass wir im germanischen für den inlaut auf die spirans als
das älteste kommen, und dass es unwahrscheinlich ist, dass
dieselbe aus der media entstanden ist. Ein sehr häufiger laut-
übergang ist die enistehung tonloser spirans aus tonloser aflfri-
cata oder aspirata durch die affricata hindurch. Danach ist
es auch die nächstliegende annähme, dass die germanischen
tönenden Spiranten aus den medienaspiraten durch die medien-
affjicaten hindurch, oder, wenn man doch letztere für ursprüng-
lich halten' wollte, noch einfacher aus diesen entstanden sind.
Für den anlaut könnte man nun bei der alten theorie von dem
abfall des hauches oder Spiranten stehen bleiben. Dann hätten
wir also von vornherein oder von der Zwischenstufe der medi-
enaflfricaten an verschiedene entwickelung des an- und Inlautes.
In dieser fassung ist die lehre von der Verschiebung der aspi-
raten von E. Sievers bereits in seiner im Wintersemester 71/72
gehaltenen Vorlesung über deutsche grammatik vorgetragen.
*) Für die priorität der Verschiebung der tenuis vor der der media
liesse sich vielleicht ausser dem von Scherer gegebenen beweis, gegen
den meiner Überzeugung nach kein widersprach möglich ist, die gotische
namensform Kreks = Grcecus anführen, die auch dem althochdeutscllen
Kriach zu gründe liegt. Sie würde sich vielleicht so erklären, dass das
wort in einer zeit entlehnt wurde, als die Verschiebung der tenuis bereits
vollzogen war, die der media noch nicht, so dass es nur noch von der
letzteren betroflfen wurde.
**) Man müste dann etwa annehmen, dass die lautverschiebung in
eine zeit zurückreicht, in welcher das deutsche noch ein dialekt der indo-
germanischen Ursprache war, der mit den übrigen dialekten in ununter-
brochenem zusammenhange stand. Ich glaube nicht, dass jemand diess
wahrscheinlich finden wird. Dass das in der vorigen anmerkung ange-
führte argument dagegen streitet, wage ich nicht geltend zu machen, da
es doch nur eine unsichere Vermutung bleibt.
Digitized by
Google
198 PAUL
Es lässt sich indessen zunächst kein gnind einsehen, warum
in- und anlaut ganz verschiedene wege eingeschlagen haben
sollten. Dann aber scheint mir der gewöhnlich als etwas so
leichtes angesehene abfall des hauches oder der homorganen Spi-
rans von physiologischer seite höchst bedenklich. Es ist häufig,
dass hauchlose tenuis aspiriert wird, aber einmal vorhandene
aspiration pflegt nicht spurlos zu verschwinden. Die aus dem
nordischen und dem neugriechischen beigebrachten beispiele
vom Verlust des hauches in harten aspiraten sind, wie wir ge-
sehen haben, anders zu fassen. Verändern sich die aspiraten
so gehen sie in affricata und dann in spirans über. Noch we-
niger hat der abfall der spirans in der aflfricata irgend welche
Wahrscheinlichkeit. Wir haben gesehen, dass die dafür nament-
lich aus dem englischen angefahrten beweise nicht zutreffen.
Ein solcher abfall mtiste wie jeder ausfall eines consonanten
in einer consonantenverbindung auf assimilation beruhen. Es
ist aber ein allgemeines gesetz, dass in der regel der zweite
laut, über den ersten den sieg davonträgt , und ein hoch allge-
meineres, dass die dauerlaute ein entschiedenes übergewicht über
die momentanen behaupten. Daher die Verwandlung der affri-
cata zur spirans. Nehmen wir also an, dass sich die aspiraten
im anlaut zunächst in gleicher weise wie im inlaut zu Spiran-
ten entwickelten und daraus erst zu tönenden verschlusslauten.
Das stimmt völlig zu dem, was wir bloss vom Standpunkte des
germanischen aus als wahrscheinlich erkannt haben.
Ist diess die richtige auffassung der entwickelung, so wird
die von Scherer aufgestellte reihenfolge der Verschiebung (tenuis
media, aspirata oder affricata) wider zweifelhaft. Die Verschie-
bung der aspirata zur spirans konnte hinter, zwischen und vor
die beiden andern Verschiebungen fallen, ohne dass eine Ver-
mischung eintrat. Nur muss der Übergang der spirans in die
media nach der Verschiebung der alten media erfolgt sein. Es
wäre also ins äuge zu fassen, ob nicht doch gründe vorhanden
sind, die uns bestimmen die Verschiebung mit den aspiraten be-
ginnen zu lassen und ob dann nicht doch ein historischer Zu-
sammenhang mit den verwanten sprachen besteht. Wir betre-
ten hier allerdings ein gebiet, auf dem sich kaum etwas ande-
res aufstellen lässt, als mehr oder minder wahrscheinliche hypo-
thesen. Folgendes, worauf ich vonherrn professor Leskien auf-
Digitized by
Google
ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 199
merksam gemacht worden bin, Hesse sich vielleicht für die Pri-
orität der Verschiebung der aspiraten geltend machen. Das t
in den praeteritis mahta, ohta und dem im got. nicht überlie-
ferten, aber vorauszusetzenden dauhta kann nicht wie in thahta,
(iihta, mosia etc. durch assimilation an den voraufgehenden con-
sonanten entstanden sein. Man könnte sich nun den Vorgang
so denken: durch die Verschiebung der aspiraten zur Spirans
entstanden zunächst may^a, oybaj duyba (mit / bezeichne ich
die gutturule tönende spirans); da aber einespirans hinter einer
anderen die neigung hatte in den verschlusslaut überzugehen,
wie wir auch an den praeteritis thahta etc. sehen können, und
wie es sich auch in den späteren germanischen dialekten, na-
mentlich im altn. zeigt, so erfolgte hier dieser Übergang viel-
leicht alsbald vor der Verschiebung der alten media und das
neue d wurde dann durch denselben akt wie diese zur tenuis
verschoben. Für vollkommen sicher will ich diese erklärung
nicht ausgeben, da sich in den praeteritis noch andere Unregel-
mässigkeiten zeigen z. b. ku7ipa.
Ein Zusammenhang mit den verwanten sprachen, welche
die aspirata zur media entwickelt haben, der allerdings von
vornherein sehr wahrscheinlich ist, war bei der bisherigen auf-
fassung der Verschiebung unmöglich. Durch unsere aufstellung
gewinnen wir zunächst die möglichkeit die verwandelung der
aspiraten vor die andern Verschiebungsakte zu stellen. Wenn
aber ein Zusammenhang mit den übrigen sprachen bestehen
sollte, so müste auch der gang der Verschiebung in diesen der-
selbe wie im germanischen gewesen sein. Es fragt sich, ob
dies möglich oder vielleicht wahrscheinlich ist. Wir haben ge-
sehen wie mislich es mit der erklärung der media aus abfall
des hauches oder des homorganen Spiranten bestellt ist. Die
vielfach angezweifelte möglichkeit des Überganges aus der spi-
rans in den verschlusslaut glaube ich durch meine Untersuchung
festgestellt zu haben. Der einzige weg einen historischen Zu-
sammenhang oder auch nur eine analogie des Überganges zwi-
schen dem germanischen und den übrigen sprachen herzustel-
len, bleibt die annähme, dass in ihnen allen die aspirata zu-
nächst zur Spirans und dann zur media geworden sei.
Es wäre nun zu untersuchen, ob sich für diese annähme
noch aus den einzelnen sprachen gründe beibringen Hessen. Inj
Digitized by
Google
200 PAUL
Zend stehen anlautend h, g, d, inlautend bh, gh, dh, welche
letzteren gewöhnlich als Spiranten aufgefasst werden. Aller-
dings hatAscoli in denStudj Irani, articolo primo (vgl. Kuhns
zeitschr. 17, 135 ffi) den nach weis zu führen gesucht, dass man
im Zend wirkliche tonlose und tönende aspiraten anzunehmen
habe. Soweit ich darüber urteilen kann, halte ich durch As-
colis ausflihrungen die ältere ansieht noch nicht für widerlegt.
Namentlich wird die entstehung von tönender aspirata aus
alter media, wie sie Ascoli annehmen muss, da auch diese im
inlaut durch hh, gh, dh vertreten wird, eine physiologische Un-
möglichkeit bleiben. Sind hh, gh, dh Spiranten, so haben wir
ein ganz ähnliches Verhältnis wie im deutschen. Nur freilich
lässt sich die ursprtlnglichkeit dieser Spiranten nicht erweisen
weil sie auch für die alte media stehen, also auch, wo sie die
aspirata vertreten, erst aus der media entstanden sein können.
Doch kann man auch nicht mit Sicherheit behaupten, dass letz-
teres der fall ist. Es ist leicht möglich, dass durch dieselben
Ursachen die spirans im inlaut erhalten blieb, durch welche die
media in sie verwandelt wurde, ja sogar, dass der Wechsel
zwischen verschluss- und reibelaut, der bei der alten aspirata
bestand, auch auf die alte media einwirkte, und so eine aus-
gleichung eintrat. Dasselbe Verhältnis haben wir im dänischen,
wo im inlaut die aus der tenuis erweichten medien zu Spiran-
ten werden. Aehnlich ist auch der Wechsel von o und u im
germanischen, die sich in ganz analoger weise verhalten, mag
a oder u der grundvokal und demnach o oder u das ältere
sein. Wir können also aus dem Zend nichts mit Sicherheit für
noch gegen unsere hypothese beibringen.
Ebenso lässt uns das keltische in ungewisheit. Auch im
altirischen stehen im inlaut tönende Spiranten, gewöhnlich als
aspiraten bezeichnet. Es unterliegt aber wol keinem zweifei
dass die irischen aspiraten als Spiranten zu fassen sind. Inder
ältesten zeit wird allerdings noch die einfache media geschrie-
ben; aber ihr Wechsel mit den harten aspiraten (spiranten)
macht es wahrscheinlich, dass wir darin nur eine mangelhafte
Orthographie zu sehen haben. Aber ebenso wie im Zend ist
die alte media gleichfalls zur spirans geworden und ganz mit
der alten aspirata zusammengefallen.
Im slavischen und litauischen steht tiberall die media, nir-
Digitized by
Google
ZUR LAUTVERSCHIEBUNG. 201
gends zeigt sich die spirans. Ihr einstiges Vorhandensein aber
glaube ich mit einiger Wahrscheinlichkeit aus einem sonst kaum
begreiflichen lautübergange schliessen zu können. Es ist be-
kannt, dass in dem zur casusbildung verwanten suffixe bhi das
hh übereinstimmend im slavischen, litauischen und deutschen,
soweit die betreffenden casus erhalten sind, in m übergangen
ist. Der tibergang ist von so besonderer art, dass er notwen-
dig in die periode des ungetrennten Zusammenlebens der drei
Sprachfamilien fallen muss. Ebenso ist es klar, dass die zunächst
vorhergehende lautgestaltung in allen dreien dieselbe gewesen
ist Ein unmittelbarer Übergang von bh in m ist undenkbar^
der von b in m nicht wahrscheinlich, ausserdem kann aber ein
b, wie wir gesehen haben, in der slavodeutschen periode nicht
bestanden haben. Nicht selten dagegen in den verschiedensten
sprachen ist der Wechsel von reinlabialer spirans mit m. Diese
werden wir als die notwendige Zwischenstufe zwischen bh und
m betrachten. Nun ist es aber durchaus nicht wahrscheinlich,
dass bh nur in diesem falle in die spirans tibergegangen sein
sollte, während es sich sonst ganz anders entwickelt hätte*
Alles stimmt vortrefflich, wenn unsere hypothese richtig ist
Eine hypothese kann allerdings unsere ansieht nur ge-
nannt werden; aber man wird ihr mindestens die selbe Wahr-
scheinlichkeit zugestehen müssen, als der hypothese vom abfall
des hauches, die flir etwas unbestreitbar feststehendes ausge-
geben wird. Wir würden also nach unserer auffassung für
das iranische , slavische, litauische , germanische und keltische
als das zunächst zu gründe liegende gemeinsame die tönende
spirans anzusehen haben. Vom Standpunkte dieser sprachen
aus könnten wir nicht weiter gelangen, und es stände nichts
im wege darin das ursprüngliche zu sehen. Aus ihnen lässt
sich auch kein argument gegen die ursprünglichkeit der me-
dienafifricaten beibringen, wenn sie auch eben so wenig durch
sie gefordert wird. Die entscheidung ist aus dem sanskrit und
griechischen herzuholen und, insofern die Verhärtung der itali-
schen Spiranten mit der der griechischen aspiraten in zusammen-
hange steht und richtig aus assimilation an das tonlose h er-
klärt wird, indirekt auch aus den italischen sprachen.
LEIPZIG. HEßMANN PAUL.
Beiträge zur geschichte der deatschen spräche. I. *4
Digitized by VjOOQIC
KRITISCHE BEMERKUNGEN ZU MITTELHOCH-
DEUTSCHEN GEDICHTEN.
1. Zu Wolframs liedern.
Im ersten liede 3,1 — 4,7 ist nicht einzusehen, worauf sich
die versabteilung bei 3,8. 19. 4,4 gründet. Die betreffenden
Zeilen sind mit der jedesmal folgenden in eine zeile zusammen-
zuziehen. Deshalb sowol, als weil der sinn dadurch gewinnt,
wird 18 — 20 zu interpungieren sein:
zrvd herze und einen ftp hän wir:
gar ungescheiden unser triuwe mit einander vert.
3, 25. 26 hat die handschrift: sus der iac erschein rveindm ougen.
Eine änderung ist nötig. Lachmann vermutete beschän. Aber
in 26 wird nach analogie des ersten stellen und der andern
Strophen ein auftakt verlangt Ich schlage daher vor erschein
beizubehalten und üf vor weindiu einzuschieben, vgl. 5,2. —
Nach 3, 23 ist ein kolon zu setzen; alsus bezieht sich auf
die im folgenden gegebene beschreibung des Urlaubs vgl. 5,
14. 7, 10.
5,18. 19: ich ger (mir wart auch nie diu gir
verhabet) min ougen swingen dar.
Ich zweifle, ob sich zu einer solchen klammer zwischen
dem verb. fin. und dem dazu gehörigen inf. ein beispiel finden
wird. Schön ist sie jedenfalls nicht. Transitives swingen mit
diu ougen als object kommt meines wissens sonst nicht vor; da-
gegen wird das intransitive swingen sehr oft von den äugen ge-
braucht. Ich ger ist hier offenbar der zunächst vom falken ge-
brauchte terminus technicus und kann demnach nicht einen inf.
bei sich haben. Es wird daher die klammer zu streichen und
kommata dafür zu setzen, swingen vielleicht in swüngen zu än-
dern sein: Mir wurde niemals die gir gehemmt, dass meine
äugen sich nicht dahin geschwungen hätten. Auch swingent
Digitized by
Google
KRITISCHE BEMERKUNGEN. 203
würde gut sein. Der eonj. praes. würde sichwol nicht vertei-
digen lassen.
Ueber das folgende lied hat ausführlich gehandelt Lucae
„De nonnuUis locis Wolframianis." Ich will mich nicht auf
eine Widerlegung der ansichten desselben einlassen, die, glaube
ich, von ihm selbst nicht mehr aufrecht erhalten werden. Ich
schlage vor nach 5, 36 und 38 ein komma, nach 39 ein kolon
zu setzen. Ich würde dann etwa so übersetzen: Du sangst
immer die klage der heimlichen liebe (d. h. dein sang war ihr
immer veranlassung zur klage), das bittere nach dem süssen
(als apposition), so dass die sich scheiden musten, welche
minne und weiblichen gruss auf solche weise (zurückzubeziehen
auf helnde, also heimlich) empfingen. — alsd 5, 38 ist um den
Zeilen 5,41. 6,58 richtig zu entsprechen msd zu verwandeln. —
gerne in 5, 42 fehlt in B und steht in C nach sing. Es scheint
demnach nur ein Schreiberzusatz zu sein und es wird uns frei
stehen die lücke des verses durch ein passenderes wort zu er-
gänzen. Ich schlage vor da von niht mere sine. Es wird da-
durch ein passender gegensatz geschaffen zu dem d^ in z. 40.
Das letzte lied % 3 — 10, 22 ist zuerst von Wackemagel,
dann auch von Lachmann für unecht erklärt, weil es „nichts
als ein armseliges gemisch zusammengewürfelter gedanken und
Worte eines nachahmers" sei. Ich glaube dieser ansieht mit
gnind widersprechen zu können. Einer aufmerksamen betrach-
tung kann es kaum entgehen, dass zwischen den drei ersten
und den drei letzten Strophen ein merklicher abstand ist. Jene
enthalten eine bitte um minne, die mit wenig aussieht auf er-
hörung vorgetragen wird, und sehr schön mit dem schmerzli-
chen ausruf abbricht, dass ein donnerkeil schwerer zu erwei-
chen sein würde. Wären sie uns allein überliefert, so würden
wir sie für ein vollständig abgeschlossenes gedieht halten. In
den letzten Strophen dagegen gibt der dichter eine beschreibung
seiner geliebten und ist glücklich eine so herliche wähl ge-
troffen zu haben, die ihm hohen mut und freude bereitet Er
spricht nur in der dritten person von ihr, während im ersten
teile die geliebte angeredet wird. Allerdings heisst es auch
9, 28 got müeze ir herze erweichen. Doch Hesse es sich hier
wol rechtfertigen, dass der dichter im gefühl der erfolglosig-
keit seiner bitte von dieser zu einem für sich gesprochenen
14*
Digitized by
Google
204 PAUL
wünsche übergeht, üebrigens wäre eine änderung von ir in dm
der einzigen handschrift gegenüber keine zu grosse kühnheit.
Im zweiten teile aber ist gar keine spur von dem sehmerze in
dem ersten, gar keine beziehung zu der bitte oder irgendeinem
anderen gedanken. Man könnte ihn auch für ein selbständiges
gedieht halten, wenn nicht der anfang mit ir ohne alle nähere
bezeichnung doch etwas auffallend wäre. Mit grösserer Wahr-
scheinlichkeit können wir in ihm eine spätere fortsetzung des
liedes von einem andern Verfasser vermuten. Vergleichen wir
nun den stil in beiden teilen, so springt die Verschiedenheit in
die äugen. Die Ironie gleich im anfange, die kühnen bilder
z. 9. 17, die etwas geschraubten Wendungen z. 14. 20. 27 sind
so ganz der eigentümlichkeit Wolframs angemessen, dass man
mindestens einen sehr geschickten nachahmer annehmen müste.
Dagegen enthalten die drei letzten Strophen auch nicht eine
spur von der weise Wolframs, sie bewegen sich vielmehr ganz
in den gewöhnlichen bildem und phrasen der minnepoesie, so
dass man, auch wenn man die ersten drei einem nachahmer
zuschreiben wollte, sie doch davon trennen müste, weil die
darstellung im Widerspruch steht zu dem ausgeprägten stü der-
selben. Die beobachtung der reime kann diess resultat nur be-
stätigen. Wir finden 9, 9. 13 Her: mir, 9, 26. 29 hoch: noch,
reime, wie sie bei Wolfram sich auf jeder seite finden, nichts
der art im zweiten teile. 9, 20 reimt gestalt auf gewalt, 9, 36
gestellet snxfgevellet; keins von beiden findet sich sonst bei Wolf-
ram im reim, so dass ihm dadurch mit Sicherheit die eine oder
die andere form zu- oder abgesprochen werden könnte; aber
es ist nicht wahrscheinlich, dass er oder ein anderer sie beide
unmittelbar hinter einander sollte gebraucht haben. Vielleicht
lässt sich auch behaupten, dass der fortsetzer das metrum des
ursprünglichen liedes nicht ganz richtig aufgefasst hat. Es
scheint, dass je die erste und zweite zeile der stellen in eine
zeile zusammenzufassen sind und innerer reim anzunehmen ist,
'da die zweiten zeilen nur dann einen auftakt haben, wenn das
tonlose e des vorhergehenden reim wertes davor elidiert werden
kann, 9, 4. 15, dagegen nicht 9, 7. 18. 26. 29. Im zweiten
teile ist das nicht durchzuführen. Zwar 9, 40 könnte sist leicht
gestrichen werden; aber 40, 2. 5 ist eine änderung nicht mög-
lich, und die einzige aushülfe wäre höchstens, dass etwa die
Digitized by
Google
KRITISCHE BEMERKUNGEN. 205
kärzungen lacht, macht im innern reime fttr erlaubt gelten
könnten. Doch davon abgesehen glaube ich, dass die andern
kriterien schwer genug wiegen, um zwei Verfasser zu consta-
tieren, als deren einen Wolfram anzuerkennen wir durch nichts
behindert sind.
2. Zu Hartmanns erstem büchlein.
Trotz der vielen glücklichen nachbesserungen Bechs bleiben
in dem ersten büchlein immer noch viele verdiörbnisse, von de-
nen wenigstens einen kleinen teil die nachfolgenden bemer-
kungen zu beseitigen suchen. 20. dar umbe wolt em immer (er
nymmer die hs.^ (ragen gibt so keinen angemessenen sinn. Er
Würdeden kämpf doch auch getragen haben, wenn er ihn einem
andern gesagt hätte. Für immer wird eine zu lesen sein, vgl.
310. daz herze hiez michz eine tragen, — 100. ^^m ir gruo zeich
dicke neic würde einmal die Sonderbarkeit enthalten, dass die
dame zuerst gegrüsst hätte. Ferner ist nicht anzunehmen, dass
der dichter, nachdem er ihr seinen sinn geoffenbart hat, sich
nicht mehr vor ihr verneigt hätte. ' Anzunehmen aber, dass er
damit nur hätte sagen wollen, dass er sich zwar noch verneigt
hätte, aber nur nicht auf ihren gruss hin, würde der einfachen
redeweise Hartmanns widersprechen. Auch schliesst sich das
folgende nicht gut an. Es ist zu lesen gein minem gruoze se
dicke neic, — 115.6. hcete ^ mich doch als e, so gerte ich allez
(so Lachmann, aller die hs.) gnaden me. Der Zusammenhang
verlangt notwendig den sinn: behandelte sie mich doch wenig-
stens wie früher, ehe ich ihr meine liebe erklärt hatte, so wäre
ich schon zufrieden. Ich weiss nichts besseres vorzuschlagen
für aller als keiner, welches dem sinne vollständig genügt, aller-
dings von der hs. sich etwas stark entfernt. — 238. dd dühte
si ez verloren baz ist sinnlos, baz könnte nicht noch bei verloren
stehen. Lies verboren, — 257.8. daz er sine knehte hoene rvol
nach rehte, hoene ist conjectur Lachmanns, die hs, hat lone.
Der Zusammenhang verlangt, dass diess beibehalten werde.
Das ist von Bech geschehen. Aber lönen regiert niemals den
acc. Ich schlage daher vor : daz er sinen knehien Idne wol nach
dem rehten. Das substantivierte sw. n. daz rehte ist im mhd.
wb. n. 1 613 genügend belegt, wenn auch zufällig nicht mit der
Digitized by
Google
206 PAUL
praep. nach. Vielleicht gehören hierher auch noch mehrere
stellen^ welche ebenda 612 b unter das sw. m. gestellt werden,
sicher z.b. Vrld 158, 1. — Hinter 293 ist ein komma zu setzen
und 294 'waz in swaz^ freude, wie schon von Bech geschehen
ist, in freu4m zu verwandeba. Die construction ist: wenn ich
daran (d. h. an das vorher erwähnte) denke, so erlöschen alle
freuden, die ich je hatte. — 309 ist hinter getar einzuschieben
ez und die anftthrungsstriche in 310 zu streichen: ich wage es
niemand zusagen, denn das herz gebot mir es allein zutragen,
vgl 18 ff, — 386 ist wol die änderung von mir in dir geboten.
— 451 konnte statt diu das sb der hs. beibehalten werden. —
474 daz het ich Heller vemomen. Dass lieber von dem Schreiber
für das ältere gemer eingesetzt ist, ist klar, und Bech hatte
grund diess wider herzustellen. Aber der comparativ ist nicht
zu rechtfertigen und weiter in gerne zu ändern, vgl. 436: und
rvolt ez gerne vememen; gerner fttr gerne hat die hs. auch 1028.
— Nach 568 ist besser ein kolon, nach 569 ein konoana zu
setzen. — Nach 720 ist ein komma zu setzen, 721. 2 die klam-
mer zu streichen, 723 hörte fttr hoeret zu schreiben. Die con-
struction ist: wie gross mein schade auch ist, so würde mich
doch niemand klagen hören, wäre es nicht (rvan)^ dass du mir
das nicht erlässt. — 761 ist wol besser umzustellen: dem got
daz hal enteil getan, als relativsatz zu fassen. — 807. got also guot,
ich bin hie ist durchaus unverständlich. Die von Haupt und
Bech verglichene redensart bei Konrad v. Haslau 155: dem glich
Jch bin ot auch hie" dient zur Charakteristik eines prahlers, der
sich überall bemerklich zu machen sucht, und passt nicht im
geringsten hierher. Dagegen ist gewis mit recht von Bech ver-
glichen Er. 8855. 6, wo mit der hs. zu lesen ist: ouch ist mir
daz für war geseit, got st noch als guot als er ie was. Danach
wird zu lesen sein: got ist also guot als er was ie. — 849 fF.
ist die lesart der hs. fast unverändert beizubehalten: Sost min
gnäde kleine die ich hän : wa7i du last mich deheinen wän ze liebe
gewinnen. — 895. Vor din ist wol die einzuschieben. — 1028.
ouch mäht du dichs gemäzen beruht auf conjektur. Die hs. hat
dich sein gerner erlassen, und danach ist von Bech wider her-
gestellt ouch mäht da dich stn gerne erlän, was er erklärt „du
hast auch grund dich willig des scheltens zu entschlagen."
sich erläzen in der bedeutung sich eines dinges enthalten ist
Digitized by
Google
KRITISCHE BEMERKUNGEN. 207
von Lexer nur an zwei stellen aus späten quellen nachgewie-
sen. Es wird dich in mich zu ändern sein. — 1132. swd ersieh
selben {seJbs die hs.) verstau Es ist wol des selben zu lesen:
sobald er dasselbe merkt, nämlich dass er missetut. — Nach
1144 wird besser ein punkt, 1146 ein komma gesetzt — 1209.
mich ist von Lachmann mit unrecht eingesetzt Das herz soll
dem leibe desto eher glauben, wie grosses leid er trägt, weil
jenes dasselbe hat
3. Zur guten frau (Haupt 11, 385 flp.)
65. getriufvem friunde ist nütze U. Die hs. hat Ain getreilrvn
fründ. Ein subst nütze ist mhd. nicht nachzuweisen. Es wird
zu lesen sein ein getriuwer friunt ist nütze M] dieselbe construc-
tion MS F. 128, 37. der (der getriuwe man) ist leider srvoere U;
Freid. 22, 2. 3. swie liep daz mensche lebende si, ez ist doch nach
tode unmeere bt
80 flf. diu juncvrouwe und der kndbe
wären sament zollen stunden,
daz si gedenken künden,
wie holt se einander wceren^
an spräche und an gehoeren
minien si sich su7ider,
dazm z. 82 kann nicht heissen „seit derzeit dass.'' Sie waren
nicht erst von der zeit an zusammen, wo sie ihre gegenseitige
liebe erkannt hatten. Was heisst einen an der spräche minnen?
ich schlage vor: stunden, sit daz si gedenken künden an spräche
und an gebceren, wie holt etc. — 351. hat, lies hete. — 358. ald
ich geloese {glas hs.) mich mi, lies ald ich geloicbe mich sin, —
568. ez, 1. es, — Nach 694 ist ein punkt, nach 695 ein komma
zu setzen.
834 flf. 1. swer mich da her zuo iu Jaget,
han wir detn {dem hant wir Sommer) wol geRchen sirtt,
als ichz erhebe, so kumei enzit.
Den gegensatz zu 835 bildet dann 837 wirt aber der jegere
ze vil — 864 ff. 1. do sin begunden nähen, zuo zin er da {zuo
zim der da Sommer) ha:bte (er ritt auf die feinde los), gezogen-
Hohe er drabte, — 878. 9. dd warf der wol gebome sin ros hin wider
diu ougen, wol zu lesen ir ougen (er wante sich gegen die front
Digitized by
Google
208 PAUL
der feinde). — 1355. grüsm unde vehen. es wird an dieser stelle
eine reihe von gegensätzen aufgestellt, deshalb ist zu lesen
gräezen. — 1365. tvazy 1. daz. — 1378. als Metze alse {also hs.)
friere. 1. aide Triere,
1385 ff. diu Mmie d zesamme twanc:
diu kundes tvol gevellen
ensamt ze einem wellen (One sani ze sine wollen \s%.)
Lies gewillen etisamt se einem willen. Ueber willen willig machen
vgl. mhd. wb. III, 664 1). — 1412. sint wir 1. sin wir. — 1570.
vor, 1. V071. — 1872. durch bäc, 1. durch den bäc. — 2006. srves,
1. wes. — 2486. lieben, 1. gelieben.
4. Zum Pantaleon (Haupt VI, 193 ff.)
693. (rüten, wol trüte. — 1342. Für er ist wol ez zu
lesen, auf daz bli z. 1336 zu beziehen. Das blei wird passen-
der als Pantaleon mit dem maientau verglichen. Hinter 1885
fehlt ein punkt, wol nur durch druckfehler. — Nach 2023 steht
besser ein komma. — 2035 konnte die lesart der hs. gencedec
unde milte beibehalten werden.
5. Zu Pyramus und Thisbe (Haupt VI, 504 ff.)
68. daz du uns so sere keifest nu. 1. kellest = quellest — 133.
vor der hanen kräi. 1. hanekrät. — 139. ie, 1. ir oder ir ie, auf
Venus 137 zu beziehen. — 175. und männiclich slafen was. 1.
entsläfen. — 185. 6. an die stat do si im daz zeichen geben
hat. 1. da.
LEIPZIG. HEEMANN PAUL.
Digitized by
Google
ÜBER DIE SPRACHE DER ANCREN RIWLE
UND DIE DER HOMIUE: HALI MEIDENHAD.
Wie wir in der Übersicht der neuags. Sprachdenkmäler
(pag, 57 — 88 dieses bandes) gesehen haben, ist der Brut des
Lagamon das einzige nags. denkmal, von welchem wir den
namen des Verfassers kennen. Natürlich haben sich die engli-
schen gelehrten viel gemüht, auch für andre nägs. Schriften die
Urheber festzustellen. Wie weit dies Morton fttr die Anci-en
Riwle gelungen ist, haben wir oben gesehen.
Ueber den Verfasser der Bali Meidenhad nun sagt Cockayne;^)
I assume, from the tone of the tract (viz. B. Meid.), its eager
advocacy of nunneries and profession, its mixture of advice and
authority, that the. writer was of no less than the episcopal order.
A probability is visible that he was also the author of the Anc-
ren Riwle, of the life and passion of St Margaret, St. Juliana,
StKatharine, of thepiece Si sciret paterfamilias, ofthe oreisun
of St Mary and ofother tr^pts now lost These are all in the
same homely, terse, eloquent English of the former half ofthe
thirteenth Century, and are all of a devotional character, and
almost all addressed to meidens, professed and veiled. The
Story of St Margaret is distinctly named in the Ancren Riwle as
known to the ladies to whom the latter piece is addressed, and
in the tract now printed, the examples of St Katharine, St
Margaret, St Agnes, St Juliana, St Lucy, St Cecilia are re-
commended.
Ausser auf den ton der ganzen schrift stützt er sich auf
eine stelle in A. R p. 244:
Nabhe ge pis also of Ruffin pe deovel^ Beliales broffer, in cur
Englische'^) hoc of Seinte Margarete?
und auf B. M. pag. 45;
») vgl. H. M. foreword VI.
*) Unter Englisch kann sowol altags. als nags. verstanden sein vgl.
pag. 60, anm. 14.
Beiträge zur geschichte der deatschen spräche. I. 15
Digitized by
Google
210 WÜLCKER
pench 0 st kaierine, o st margarete, st enneis, st ßiUene,
st hicie, st cecille and ope otfre hau meidnes in hevene.
Aus diesen stellen nun den schluss zu ziehen, der Verfasser
derA. R. und H. M. habe alle diese heiligenleben nags. nieder-
geschrieben, ist zum mindesten sehr kühn. Denn, wenn wir
auch die leben der Margarete, Juliane und Katharine in nag&
spi'ache besitzen, gibt es auch verschiedne altags. Margareten-
leben, 3) deren eines Cockayne selbst herausgegeben hat, 4)
ausserdem haben wir das alliterierende altags. gedieht auf Ju-
liane,*) dann altags. homilien ftber Agnes «), Lucie''), Cecilie»),
also, ausgenommen Katharine, besitzen wir von allen ange-
Alhrten heiligen altags. homilien. Es können sich also die bei-
den angefläirten stellen ebenso gut auf altags. wie auf nags.
Schriften beziehen.
Ausserdem befindet sich Cockayne mit sich selbst in bezug
auf Margarete im Widerspruche. Er setzt c. 1165 für die ent-
stehungBzeit dieses h^ligenlebens an und will, dass A. R. vom
selben Verfasser sei^). Für diesen Verfasser abersieht er „sehr
wahrscheinlich** Richard Poor an ^®). Nehmen wir also an, dass
Poor, etwa 20 jähre alt, 1165 das leben derMarg. geschrieben
bat, so mtigfte er 84 jähre alt bischof zu Durham geworden
(1229) und im 92. jähre gestorben sein. Jedenfalls sind dies
bedenkliche annahmen. #
Doch gehen wir nun zur eigentlichen aufgäbe über. Cockayne
glaubt, A. R. und H. M. seien vom selben verfassen Kein
englisdier forscher hat dies bis jetzt zu widerlegen gesucht,
wenn auch Morris sich sehr vorsichtig äussert i^. Mätzner und
») Einen Cambridger Corp. Christ cod. bespricht Wanley (Hickes
m. 134), dann über Cott Otho B 10 vgl. Hickes III. 190* und 196 da-
ii6lb0t wird Tib. A. 3. besprochen.
*) vgl. meinen aufsatz über die nags. sprachdenkmlUer ps^. 63
anm. 19.
*) vgl. Grein Bibl. der ags. poesie. 11. bd. 52— 7L ffickes III. 281.
•) Hickes 187, 191, 208.
7) ebehd. 187, 208.
8) ebend. 190, 207.
•) S. Marg. pag. 6.
^) ▼gl* P^' '^^ u- ff* dieses bandes.
*^) Morris, 0. E. H. pag. IX. Soules Warde . . . has been ascribed to
the aniiior of the Ancren Biwle, Hali Meidenhad and the smaller treatises
already noticed.
Digitized by
Google
ANCREN RIWLE UND HALI MEIDENHAD. ?11
Goldbeck halten Cockaynes annähme für unwahrscheinlich,
gehen aber nicht näher auf eine Widerlegung ein 12).
Hier soll nun gezeigt werden, dass sowol aus sprachlichen,
alfi auch aus Innern gründen, nicht derselbe mann beide werke
geschrieben haben kann.
Wir beginnen mit dem sprachlichen:
a.
Altangelsächsisch hat kurzes a, ausser durch d^n umlaut^
vielfach Wandlungen erfahren. Vor m und n schwankt es be-
deutend nach Oj vor den gutturalen r, l und h wurde es zu eck
gebrochen, vor andern consonanten wurde es, wenn nicht durch
a, u oder 0 in nächster silbe geschützt, zu ä geschwächt.
Hau Meidenhad nun hat meii^t vor m und n das a in 0
verdumpft, doch stets findet sich fram pag. 5, 7, 17, 27, 41 u,
a. w. auch framim 29, frameb 31; und hwam 9, 13, 41 etc.
Sonst steht 0, — a vor n hat sich nur erhalten in: man pag,
17 z. 23 in der bedeutung =frz. on, sonst immer mm 5, 7, 9, 11,
15, 23 u. a. w; femer in and (et), kmcrn 11, aaum 35, 41.
Ancren Riwle hat ganz selten a vor mi in hrvam und
hwamo blieb a durchweg. Sonst findet sich nur hier ui^d da
einmal ein o. So schamel (nur Titus) 1^6^^), liccme 378, aber
sonst $cheomel^^) (scabeUum), Hcome 4,y 106, 112, 152, 172, 258.
Immer steht from 54, 62, 216, 356, vrommard 92, 248 etc.,
frormard 112, 134, 294, 376, 426. vor n wurde ausser in
mt z. b. 112, 232 etc. ^^) mit ganz gerii^en ausnahmen a zu
0; hanä^nfule p, 146, aber auf derselben seite hond und sonst
hondhnmle 94, 114, 290, anan 346 aber anon 370 und arwnriht
18, 226, 248, 2S2, 326. Durchgeführt ist htvo% während H. M.
stets hwan zeigt, i®)
<'^) Mätzner Altengl. sprachpr. I. bd. 2. abt. pag. 6.
") Cleopatra bat scheomel, Nero aber stol
") Das e hier ist natürlich das zu dem seh gehörige, wie durchweg
sonst A. K. sich findet scheome (pudor) 60, 108, 356, scheomen ^\1, sehe-
omeleas 170, scheoniefuf 302, scheomeUche 366.
^^) Dass in ani a blieb, kann so wenig auffallen, als oben die form
^iwam. Beide formen, finden sich in altags. Schriften, welche sonst o
durchgeführt haben. '
**) Morton stellt in seinem glossare neben subst wone wie es z. b.
pag. 68. vorkommt (das ganz richtig altags. wana, tvona defectus ent-
15*
Digitized by
Google
212 WÜLCKER
Hali Meidenhad: Vor r ist« teils geblieben, teils in ea ge-
brochen^'') worden. towardS, 5, 15, 17, 25, 29, 33u.ö. Ebenso
aflerward, framward \l sl. compos; art (es) 11, 25, 29 etc., hard
(dui-us), barm (sinus), armes (brachia) 45; arm (pauper) 7; 37
aber mrw; bearn (infans) 35, 37; hingegen bamteam 31; wear-
nen (monere) 37; Garden (habitare) 43.
Vor / ist a selten gebrochen worden: ?ialden 5, 11, 13, 17,
19, 21 etc. pral (ancilla) 5, 7, 13, daneben prel 31. prittißld,
sixüfald, kundred/ald2d] bale, cwalm^ 7ial/y ca//; /ä/ewi (flavescere),
al (omne) stets mit a. Aber wealden 39, wealdent 35; ald 15,
37 hingegen 41 z. 28 ealdeste dohter und ealdren (parentes) 27,
35. Eine brechung des a vor h kommt nicht vor. mcJite (conj.
praet.) a. v. o., nie meahte, pu mäht, mähten; tvaxen 3, 35 = altags.
fveaxan ^®).
Ancren Riwle: Vor r ist a teils geblieben, teils zu ea ge-
brochen worden, teils schon zu e übergegangen, armliche 328 1^);
ageanfvard 274; foreward 126, 310, 360; onward 126; bearn 82,
272; eam (aquila) 134, 196; earm (brachium) 1 12, 394^ daneben
erm 258, 402. herd (durus) 134 u. a. w; Ä^rm/en altags. hearm-
tan, hermen 196, 256, dann immer pu ert; weamen 408 neben
wamie 53, 64; geteward 272, 274.
Vor/ sehr selten ea^ wie healden 142 2»), manchmal eo: feolle
(infin.) 140, feolleb 272. Ueberhaupt schwankt a vor / in A. ß.
stark nach o. unvolden (explicare) 100; monifold 176, 298; feale-
fold 180; monivoldm A02] preovold 82, 88, 110; kold 6; old 272]
holde (inf.) 142; a hat sich erhalten al, schal, half, halp, halse
(implorare), cwalm, vollen u. a.
a vor h: eihte 12, eihtube 14, eihteobe 236; monsleiht 56,
spricht), eine form rvean distress, pain, der altags. auch wana entspre-
chen soll. Es beruht dies auf irrtum. Altags. findet sich weä gen. wedn^
hiervon stammen die foi-men mit ea. Die bedentung iniquitas, miseria,
malum passt bei allen von M. angeführten stellen, nicht aber defectus.
Man vergleiche 80, 108, 114, 156, 220.
1^) Ich behalte diesen landläufigen ansdruck bei.
**) feahe (to vary) geht auf altags. fäh zurück, gehört also nicht
hierher (H. M. 457. 20), ebenso feahunge 43, 15.
*^) Diese form haben nur Titus u. Cleopatra, Nero hat ervedliche,
2ö) Nur Titus hat healden. Ferner hat Cleop. pag. 162. beoidd^
(confirmat), wo Tit. u. Ner. heldeti schreiben, sonst steht baldeUcke
62, 292, 354, 364,
Digitized by
Google
ANCREN RIWLE UND HALI MEIDENHAD. 213
210; meiht (2. pers.) 294. meih 230. Vor* x = hs ist a geblie-
ben, mag es nun es oder x geschrieben sein, also wacseb 64,
waxeti 98^ 288. In den meisten fällen ist also a hier in e ge-
schwächt worden 21), während es H. M. a blieb.
Hali Meidenhad: Vor andern consonanten, als m, n, r, l,
h ist a meist geblieben: pat, htvat, fader, aske, after; maken,
makien; was; lat (tardus); gladschippe; glad; rabe (cito); ein-
mal auch eatelvJcest {eatol = atol) 41; zu ^ ist es geschwächt
in: gres (gramen) 35; gef {geaf) 21; wes 11, 15, 27; hrveter
29, togedere 17.
Ancren Riwle: pet, feder, gled, efter, et, sterp (mortuus
est), gles, hingegen hac, habhen^ blac, water, was (54, 92), immer
hrvai und hrvatse,
e.
H. M. hat e als umlaut von a, und von i in den stellen,
wo er auch schon altags. eingetreten ist, ebenso verhält es sich
in der Ancren ßiwle. Mithin ist hierüber nichts weiter zu be-
merken, e steht auch vor r, l, h öfters z. b. h'erte (cor) 29 da-
neben heorte 3, 5, 7, 9, 11, 15, 17, 31, 43, 47 u. s. ßle 35 ne-
ben feole 7, 23 in H. M. — A. R. hat feh 224 oder auch feih
326, feie 132 neben feole 320, feolevold 180. — Auch das e
als indifferenten laut an stelle eines altem volleren lautes zei-
gen H. M. und A. R. in ziemlich gleicher ausdehnung.
Eine eigentümlichkeit der H. M,, welche A. ß. nicht teilt,
ist die häufige ausstossung des e in compos. von per: prinne
11; prin 7, 9, 23, 31, 33; perin 5 z. 20; prof 11, 13, 19, 25,
31, 33, 43; perof 2% 31; pron 23, 25; pruppe 27, 29, 31, 39
und peruppe 39.
i.
In H. M. und A. ß. entspricht i altags. L Die brechung
eo findet H. M. nur vor r und /, nie vor ä, statt: Jieorte 3, 5,
7, 9, 11, 15, 17, 31, 43, 45, 47 daneben härte 29; eorbe 5, 13,
15, 19, 21, 25, 27. 43; daneben ^arö^ 39 z. 35; eor(5liche 11,23,
27, 41, 45, 47; georne 3, 21; tveorreb 5, 15, 17, 35, 47; steorre
11; 5eör^(ferat) 15 undinf. äbeore 17; eorl 45; cheorl 39, weor-
^0 Das I in eikte-f monsleikt soll, wie unten feih, den dem tiefen
kehllaute vorangehenden vokalähnlichen ansatz bezeichnen, den altags.
mit a oder o in ea und eo ausdrückte.
Digitized by
Google
5J14 WÜLCKER
Ides 21 y 31 neben worlde 29 u. sonst. — Vor / ist nur zu be-
legen: ßole 7, 23; ßle aber 35.
A. R. hat: heorte, eorbe und eorbene, eortieülien; tveorre
rbellum) und vörb. weorren. femer 348 hat Titus: weore^^) (H.
M. stets wer). Aber rverc, steme u. a. Neben sterne (strenuus,
severus) kommt noch die ächt^ südenglische form sturne vor,
femer steorvetf (moritur)^») u. a. Vor /: feole neben fele^^
seolk 420, seolfor 152, z^oluh (flavus) 88. — Eine ganz südeng-
lische form ist sulf statt seolp"^). Vor h ist i zu e umgelautet
worden (vgl. oben).
Vor andem consonanten zeigen beide denkmäler öfters
formen mit eo neben solchen mit e, doch nur an solchen stel-
len, wo auch schon altags. eo vorkommt. H. M. heofon 5, 13
neben hefen 13, 15. 19 u. a. cleopeb (nominat) 9, neben clepeti
3, 11, 33; undemeomen 19] geoven 33; eomeb=^rimb 39 u. s.w.
A. R heoven, heovenrlche 94, 142, 150, 242, 358, cleopeö 58,
102, 132, 306; clepeb 98; seove (septem), 236, 324; seoueÖedS%
geofe (donum) 203, 368.
H. M. entspricht i häufig altags y: kineriche ^= cynerice 19;
kinedom 39; king 5, 23, 27 u, a. w. rvimie {vynn) 19; bisne
^=== bysen 4cb. Häufig steht auchw; dunt (ictus) 17; rüg (dorsum)
17; fielst XL a. (vgLu.) rvunne 27.*^6) A. R. hat hier u viel stren-
^) Die andre stelle pag. 352, wo Nero weri, Tit. wart hat, ist wol
überhaupt zu ändern.
^) World, was sowol H. M. als A. R. haben, ist das einzige wort,
wo H. M. ursprüngl. i in o hat tibergehen lassen. Doch hat hier jeden-
falls w verdumpfend eingewirkt und es ist darum nicht massgebend.
2*) feie 132 hat nur Cleopatra.
28) Wie diese formen aus einander entstehen, zeigt Lag. deutlich
im Worte: seolver. Er hat seolver I, 75, II, 139. Dies kann in zwei
weisen contrahiert werden , je nachdem e oder o vorherseht: selver I,
187 A; solver II, 20& A. Für süver wird dann auch sylver gesehrieben
und davon wider ein sulver A. I, 152, wie dude aus dyde = dide. So
hat Laj. auch sulkene I, 94. vgl. die nächste anm.
^) Die «-formen sind natürlich umgelautete w-formen und i an stelle
von y getreten. Wie nahe y und i in der ausspräche sich standen , be-
weisen, ausser den vielen Übergängen von i zu y und umgekehrt, reime,
wie Reiml. 49: gemynde: gecynde: ungrynde: winde und 73: nime'ti:
becymeti. Allerdings sind die reime des Rl. nicht ganz rein, immerhin
muss die anspräche des y und i doch sehr sich genähert haben. Vgl.
auch u.
Digitized by
Google
ANCREN RIWLE UND HALI MEIDENHAD. 818
ger dürchgeflihrt nad wahrt so seinen südlieben Charakter:
cunde »= cynd 120, 126, 140; ounne (genus) 368; wutme 198,
196, 200, 354, 398 u. a. w: wurp ö>^feä^"i)j ^^^ ^ ^
0 entspricht in den beiden stäcken dem altags. q» Bemer-
kenswert ist nur A. E. o vor gutt h. Hier verdiaapft 'sieh o %n
m, wie es ja altengliseh gewöhnlich wird, Aijoh Laj» neigt
dazu. AR. hat bouhien 376, iboukt 398; brouhim 114, ibrcnM
144; bouh (ramus) 150 u. a. H. M. sehreibt brohte 45;
adoht 27.26«)
U.
In beiden denkmälern steht u an stelle Yon altem u: ksßy
Just, wunder^ stm, sunderHche u. a. Es wechselt u mit i H. M.
ittr altags. y, wie winne 19, mame 27; Htel 29 neben kit 19,
37. A. B. hat hier u festgehalten. (An stelle von «Item i steht
es H. M. in: muche, muchel, äude 15 neben dide 43.) Hier ver-
mitteln die iormeifismycel und äyde, die beide sich altags. finden.
Für u ==s altags. y liefern beide schriftstüeke sehr zahlreiche bei-
spiele, u anstatt altem wi s. «mter w.
Gehen wir nun am den langen vokalen und diphthon-
gen über.
ft.
Hier zeigt sich ein hauptunterschied zwischen der spräche
der H. M. und A. R. In H. M. entspricht altags. ä ^ijx a: lare
3; wedlac 13; meidenhad 5, 11, 15; betakneb 5; Hftade 5, 9, 19;
hau 5, 21; halinesse 13; dal 9^?), 25; lam (lutum). 5, 13, 23;
wac 7, 11, 15; wacliche 9; sar 7, sari 13; sariliche 5; mare 7?
9, 11, 13, 15, 19; hal (sanus) 13, 15; lad 15; a {aa geschrie-
ben) 15; an 5, 7, 11, 13, 19 u, a. w. behate 19; kalfves (sancti)
19; nan (nullus); laverd 23 u. viele andre.
A. R. ist ä meist schon in o übergegangen. Bisweilen
schwankt man noch zwischen a und o, hierauf deutet die
Schreibweise oa. Neben lore 18, 80, 198, 428 steht loare 254,
26a) Orm zeigt durch die fonnen: brohhte, brohht und bohhie^ bohht,
dass hier nicht etwa schon ein d anzusetzen ist.
27) für dal H. M. und dol A. R. ist eine form däl altags. anzusetzen,
obgleich nur dcel .zu belegen ist.
Digitized by
Google
216 WÜLCKEß
ebenso neben more 206^ 428 findet sich moare 64, 426; ^8) loave
= altags. läf 168; sonst laverd 2, 28, 30, 32, 430 u. a. w;
on; forgm 8, 10; Uhoten 8; hoU 10, 28, 48, 160, 360, 426.,
428, 430; hoHnesseS] meidenhod 164, 392 u. a. w; bitocneti Vi.
andre formen des verbums: 170, 300, 326, 374. liflode 350,
352, 362, 380. woc 4, 178; tvocnesse 66, 232, 280; sor 354,
376; hol (sanus) 112, 430; gost (spiritus) 426, 428, 430. or
(honor) 26, 32, 80,' 136, 316, 406, 430; lodliche 50, 118, 256,
418, lodlukest 66; dol (pars) u.a. — Selten blieb a: hcUewen
(sancti) 30, 124, 166, 232; wedlac 206.
Das altags. ob (oder wie Koch schreibt oeY^) wird H. K
und A. K. teils durch ea^ teils durch e ==^ e widergegeben.
EL M; learenSy 6, 9: read (consilium) und readen 3, 9, 19,
21] ear (prius) 6; earre 7, earest 16. eaver 5, 7, 9, 11, 13, 19
u. a. w; netwer 11, 16, 17; meane (altags. nur gemosne)] leaden
(ducere) 3, 6, 13; ckane 11, 13; healen 16; leaf 11; leave 15
(relinquere); eanes 11 {cene)\ - formealen 13; ä^cw^ 7; Uheaste 19
u. a. Durch e ist es widergegeben: w^ver 37; flesch 5, 13, 15,
21, 26, 43, 47; seli% 11, 17, 39; unseli 26; dede 9, 17, 21, 25;
bere {ßebceni) 31; ii;^r^ (esset) 3, 46 u. a. w; eni 21, 29, 39,
43; mest 9.
A. R. hat ebenfalls teils ea, teilst: eaver ^ leafdi4i\ cleane
4, 8; read (consilium) 6, 198, (consulere) 224; reades mon224:]
read 224; tear (von der form teer) 64; leareb 64; leavei^ = lw/an\
leaten 394; leate; ileaned 208, 314 u. a. — e steht dann oft im
selben werte: deden 4, techeti 4, j/ejt?m 4; clennesse 164; /^^
64, 108, 114; ilered 64; redf (consilium) 66; lefdiA, 66^0); evere'
4; hestes 6; ^ecÄ^ 6, vleschs 164; fe^m 6, 8, 12, 103, 268; erest
64; u. a.
Altags. e ist in beiden denkmälern e geblieben und bietet
weiter nichts auffälliges.
^) Doch ein paar zeilen vorher steht wieder more,
29) vgl. Koch, grammatik I pag. VII.
^) lefdi ist eine richtige nags. form, welche altags. hlmfäige entspricht.
Ebenso findet sich dann Uafdi daneben, wie (ß sowol mit e als mit ea
wider gegeben wird. H. M. Uivedi 5, 9, 15-, lafdischipe 7 ist wol durch
laverd = Mäford veranlasst.
Digitized by
Google
ANCREN RIWLE UND HALI MEIDENHAD. 217
R M. ebeHche 9, 11; cwen 7, 9; cwemen 3, 11; herest ==
herian 7; her 39 (von heran altags. nebenform von hyran)\
alesen 15 {alSsan altags. neben alysan)] ebenso das umlauts -e
in dehtren 19; sechet5 17; scherte, schenre 23; /re/ö (cilan) 25;
fordemen 41; grenen 35 u. a. A. R. zeigt ebenso urspr. e und
den ö-umlaut als e: cwene SS^ 170, 296, 336; ctvemen 138, 192,
238. *cÄm^ 98, schenre 100, 324, 352. sechen 164, 274, 318,
350 u. a. w.
1.
Im allgemeinen bietet i in beiden denkmälern nichts bemer-
kenswertes. Nur beachtenswert ist Hc mit seinem comparativ
und Superlativ. Dass hier i noch lang war, beweist Orm ^^). Der
positiv hat i festgehalten, der guttural ist in ch übergegangen:
E,M,hevenliche,b, 21; eort5Uche41\ HcomUcheZ,^, 17; bitterliche
25]fleschiiche26-^ sikerliche 11; hokerliche 35. üeberallhat sich
vor dem Zischlaute i erhalten ausser in glaäluche 29 z. 7 »2)^
swoteluche 41 z. 1. A. R. hat überall den gutt. des positivs
in den zischlaut verwandelt: misliche 6; luveliche 104; vlesliche
'104, 240; sikerliche 352, 364; 'sunderliche 90, 302; puldeliche
106, 158; ungledliche 338. Im compar. und superL haben aber
beide /r festgehalten und i zu w verdumpft: H. M. hlitieluker
3; hokerluker 15; strongluker 15; wodeluker 15; etiluker 25;
labluker 25; la&lukest 41; lovelukest 11; bitter lukest 35 u. s. w. —
A. R. openluker 8; vestluker 234, 238; rvisluker 234, 318; wwcw-
melukest 414^3); stronglukest 218; loblukest 66 u. a.
ö.
0 im altags. entspricht in beiden Schriftstücken o, nur ver-
dumpft A. R. auch hier, wie daz kurze o, langes o zu öw vor
gutt. Ä. Während H. M. dohter 3, 5, 7, 15, 39, 41 u. s. hat,
zeigt A. R. douhter 258; slouh 118, 136, 298, 336; drouh 102
u. s. w. Die form nouwhare 160 neben nohwar 134 ist zu er-
") Orm hat z.b. hlipeli^, UipeUke D 92, 131; 307; H. I. 30, 44, 83,
107 u. s. w., nicht hUpeli^^. fuUikell, 213, 286; 334; gastliCy gastUke TL.
140, 141, 142, 146, 177 u. a. w.
^) Vielleicht ist diese form nur auf rechnung des Schreibers zu
setzen, denn in derselben zeile mit glaäluche findet sich lihtliche und
lärgeliche. Neben swoteluche steht in der selben reihe blitfeliche.
^) Nur Titus u. Cleopatra haben diese form. Nero : unkuindelukest.
Digitized by
Google
218 WÜLCKER
klären, dafis hier auch einmal ein nieht ursprttngL o sieh vor
dem gutt verdumpfl; hat. Eine einwirkong des w hier anzu-
nehmen, ist schwer glaublich, denn, wenn auch graphisch das
n> an das u ini% in der ausspräche stand der kefaUaut dazwi-
schen. Einen fall, wo wirklich langes o durch folgendes w ver-
dunkelt worden ist, zeigt A.Ktouward 92, 96, 256, 430u.a.w.
H. M. kennt diese Verdunkelung nicht
ü.
An stelle des altags. ü steht in beiden denkmälem auch
u. H. M. hus 3, 7, 9, 11, 29,39; buh (imper. von bugm) 3, 17;
btUe 11, 14, 21; wit^ute 13, 35, 39; luteb (se inclinare) 43; sukeb
39; bilukeÖ 37; ßU 25; fuUtoheschip 31; dun 21; duneward 21,
23; ferner iwwö 3, 25, 35, 37; ßrcub (pravus) 33. — A.B. äw^
104; huselefdi 414; husewif 4^1^'^ bute und buten 98, 114^ 150,
210; ful 118, 216, 236, 276; pusmt 100, 336, pusmt 202; mwÖ
102, 106; cub 204, 342, selcu^ 8; Imsel 208.
Wie häufig nags. kurzes, u für altags. y steht, so auch lan-
ges u an stelle von langem y, mag es umlaut von ü, eo oder
ed sein, brud 5, 7; brudlac 3, 9; /w/Ö (altags. ^y/Ö L.) 3, 11,
13, 27, 31 u. s; /ur (ignis) 39 u. a. — A. R. brude 164; /ust
(pugnus) 82, 106; /ur 124, 150, 206, 228 u. s.
eö.
Altags. ed entspricht in H. M. und A. R. teils eo teils e,
welches natürlich lang anzusetzen ist. H. M. deore (carus) 11,
13, 21, 27, 29; deoretvurbe 3, 5, 29; deortvurtiUche 11; /eo/5,
11; leofmon 6, 11; leovest 19, 21; leodB, 21; deope 23; deopUche
3j peof (für) 17, 29; dreori (moestus) 17; breost 8, 23, 43;
ferner peowdom 5, 11, 25; feond 5, 15; freondl, 13, 11, {friend
19); /eoröe (quartus) 17; blreorve 9; bireowsinge 15, 21; ifreon^e
5, 13, 19, 29 daneben dere 27; /e/ 15, 29; fend 37; vor allem
aber hat e im praeteritum der ursprünglich reduplicierenden
verben um sich gegriffen ^4). — A. R. deore 190, 329, 408; deore-
würbe 98, 102, 106, 112; daneben 98 derervurti; deorUng 336;
leoflh2, 204, 230, 232, 238; deop 232; deopUche 154; dßor
(bestia) 196; dreori 106, 274; ör^o^r 200; peov 150; forleoseii
^) Ein teil dieser verba ist allerdings schon nags. zu den schwachen
übergegangen. So La^. leite, Iceite^ leatte. A. R. /d«^ 112, 366; slepte
238, 270.
Digitized by
Google
ANCREN RIWLE UND BALI MEIDENHAD. 219
150; veond 190, JIO, 264, 256. Im allgemeinen liebt A. R. die
Schreibung e statt' «> nicht So findet sich heold lOS, 148, 172;
veol 226, 260, 336 und nicht held und vel
eä.
Altags. ed wird H. M. teils mit e teils mit a widergegeben.
Der gröste teil aber bleibt ea: ear 3; eadi 5, 13, 15, 21, 23,
39 u. a; eadinesse 11; heavedSj 25, 35; bread 31; dreatn\% 21;
leave 29; bileave 5, 19, 33; scheatven u. andre formen: 3, 9, 23,
27, 2%VL.%.Tveab, 7, 25, 31, 37, 39 daneben rva^l, 3534»); deatS
17, 27, 31, 33, 45; deadlich 13, 21; undeadUch 13, 39; reaver
29; reavets 31; bireaveii 29; team (soboles) 41; bamteam 31;
teame u. a. f. 33, 39, 43; fernes aber 43 z. 22; >ean? (mos) 3, 43
daneben pawful 45; unpeaw 9, 25, 41. Nirgends findet sich
H.M. eine e-form, wo nicht auch altags. e neben ^d vorkommt,
80 tbrnn Geh, 196; ec 35, 39 kommt vor Ex. 194, Dan. 305,
Sat.326; ehne^^) (oculi) führt auf altags. ätöw zurück, das sich
Sat. 728 findet, heh 5, 11, 15, 17, 21, 23 hege 13, hehschipe
5, 19 u. s. w. weisen auf die altags. schon gewöhnliche form
heh hin. Auch in den praet. der VI. abl. klasse steht ea:
forleas 15, cheas 15, 47. — A. R. ear 90, 100, 104; eadi 28,
142, 146, 154; eadiIicheS2Sf eadinesse 28; eadmodfiesse 8; heaved
10, 130 daneben hefden 188; dreäm 210, 214 dreamen (sonare)
430; leave 230; biteave 280; unbileave 8; scheawen 90, 98, 154,
292; deab 6; dead 112; o^mrfen 112; reaven 68, 96, 286, 300,
396; team 216, 288, 336, aber stets temen 220, 288, 308; rvea
80, 108, 114, 156; federleas 10 daneben scheakeles 94, /öö/ecw
188; ec 168, 236, 240. Wie oben meihi, eiht u. a, so wifd heh
zu heihy heihschipe u. s. w., durch einwirkung des folgenden kehl-
lautes, ebenso, während leas (von leosan) 54, bead 230, 390
von beodan rein ea behält, wird fledh zu fleih.
el
wird unter ^, g besprochen, da es für äg meistens steht.
Uebersehen wir noch einmal die vokale, so zeigt sich schon
eine so grosse Verschiedenheit in beiden denkmälem, dass sie
nicht einem Schreiber zugeschoben werden kann. Vor allem
**») OflFenbar ist hier schon für das subst. eine form rvä (wovon alt-
engl. wo) neben wed anzusetzen.
^) Cockayne setzt ohne grnnd ehnefiy während die hs. ehne hat.
Digitized by
Google
220 WÜLCKEß
liebt A. R. dumpfere laute, als H. M. und ist so jedenfalls in
einer südlicheren gegend, als H. M. entstanden.
Gehen wir nun zu den consonanten über, so stimmen hier
beide denkmäler mehr überein, als in den vokalen.
Wir beginnen mit den Spiranten:
w.
Einfaches w im anlaute entspricht dem rv verwanter spra-
chen, wie: was, rvorld, rvidetve, tvilni, wunder und bietet nichts
erwähnenswertes. Nicht ganz gleich sind Verbindungen des ro
mit andern conson. im anlaute verlaufen.
hw. Lag. 36) hat teils hw, teils schon wh. Der laut ist na-
türlich derselbe. Im norden Englands wird der gutt. stets vor
dem w geschrieben. Eine ausnähme macht Orm^"). Genesis
und Exodus 38) hat quamie, quaiso, quiles; Barbour^^) qvhm,
quhethir, quhär, quhat u. s. w. Minot^^) hat allerdings wh. H.
M. hat, wenn überall, wo Cockayne hw setzt, auch wirklich in
hs. hw steht, nur hw ^^). hwaty hwer, hwi, hwen, hwuch, hwile u. s.
Ebenso verhält es sich bei A. R. hwatse, hwederes, hwarto, hwar-
burh, hweolj hweolp (catulus) u. a.
cw schwankt schon bei Lag. nach qu. H. M. hat mit einer
ausnähme av: cwen 9, 11, 21, 27, 45; cwemen 3, 5, 11; cwike
13; acwikeb 17; cwikede^!^'^ cwalnt2%\ cweöeö 41 z. 23. daneben
3«) Oft findet sich das h bei Laj. an ganz falsche stelle gesetzt
So neben whar (ubi) ein wahr, neben what steht waht Es zeigt dies
eben, dass schon damals im isüdwesten h nicht mehr gehört wurde.
^) Dieser ist jedenfalls doch dem Nordosten Englands zuzuteilen,
wenn er auch nicht, wie Koch (§ 6) sagt, ein Noidhumbrier ist.
3*) Genesis und Exodus neigt in andern formen nach der spräche
des Südens hin, doch hierin schliesst es sich dem nordenglischen an.
Hg. in Earl. Text Soc. Nr. 7. vsn R. Morris. London 1865.
39) Herausg. in den Extra Series der Earl. Engl. T. S. Nr. XI. von
Skeat.
*«) Minots werke finden sich von Wright herausgegeben: Political
poems and songs relating to the English history II. In Berum Britann.
medii aevi scriptores.
**) Es ist allerdings zu bezweifeln, dass die hss. tiberall hw haben.
Denn in Lag; prov. of Alfr., 0. a. N. u. a. nags. denkmälern steht hrv
und wh unter einander gemischt. Es ist also anzunehmen, dass Morton
und Cockayne öfters, um einheit in der Schreibweise herzustellen, wh in
hw geändert haben, ohne weiter eine bemerkung zu machen.
Digitized by
Google
ANCREN RIWLE UND HALI MEIDENHAD. 221
quoh 19 oder quod 45 *2). — A. R mischt cw mit gii, allerdings
ist cw das häufigere: crvm 88, 170, 296, 336; cwemen 138,192
338; daneben queme2^\ ctvic 112, 170, 310, 332; cwicliche 24ß\
qmc 122 (nur Titus u. Cleop.); cwälm 160, 140; cweb 122, 234,
338; cweatf(altags. nicht belegt*3) = malus) 72, 336; cweadschipe
310, 422; qaicshipe 150.
Andre consonanten Verbindungen, wo tv an zweiter stelle
steht, wie dw, ptv und das häufigere ttv können hier übergangen
werden, da sie unverändert bleiben. Auch sw bietet nichts ver-
schiedenes in beiden denkmälem.
tvl ist schon altags. eine seltene Verbindung. Im nags. ist
wl*^) schon im verschwinden. H. M. hat noch; wlite 11, 19,
35; wlonk 31; tvlecchunge 45; A.B. wlaiien altags. tvlatiariy wlä-
äan (Bosworth) 86, 400; tvlaiunge 80; wliie 200, 398; 98 (nur
Tit u. Cleop.); rvlech 202, 400^5). Zu Wallis zeit wurde w
vor r noch gehört. Wäre w schon früher verklungen, so hätte
man es auch sicher nicht in der Schreibweise beibehalten.
Es ist für unsren zweck nicht ^weiter zu beachten, da es in
beiden denkmälem gleichmässig stehen geblieben ist
Einwirkung des w auf folgende vokale:
Häufig verdunkelt rv den folgenden vokaL Schon altags.
ist dies häufig: nmdu, nmduwe, rvuton (eamus). H. M. hat kurzes
i zu u verwandelt in: wule 29, rvullen 31 daneben rvil 25, wult
17, 27; fvummon 31, 35;*®) daneben wil (voluntas) 17; willneb
(desiderare) 29; in einsilbigen Wörtern ist i stets geblieben:
ausser ml, wiht 47; rvit (intellectus) 25; ausnähme macht hwi
woneben sich hu findet (vgl. unten) und die pronomia, ewcÄ *'),
hwuch, sfvtu:h. Statt tve steht wo in swolleb 15; statt tve in
^) Dies wort ist allerdings nicht von grossem gewichte, da es immer
nur abgekürzt qtS oder qd vorkommt.
") Neuags. aber Lag. A. 5061; qued 0. a. N. 1137.
**) Koch sagt 1 p. 104, Orm habe kein wl mehr, doch es findet sich
noch pag. 20 v. 666: pe wUte off enngUkinde.
^) A. R. rvlech H. M. tvlecchunge beweisen das dasein eines altags.
vläc, dessen existenz Grein (glossar U, 727) leugnet. Die bedeutnng
haben Ettmüller und Lye richtig aufgestellt: tepidus.
^) Tvimmen findet sich pag. 15.
*^) AxLeuch lässt sich der verlauf dieser pronomina auf Uc verfolgen:
Altags. cehfvilc fUr (ßghtvilc Hom. I pag. 13 z. 20 elc Kat. ervc nnd euch
wie hier.
Digitized by
Google
?83 WÜLCKER
mote 13, 19, 29, daneben aber mete 9, 29, swoteltiche 39; quob
fftr cwaö oder cweö eetat Coekayne (vgl. oben) an. Oft fallt
n^ auch gauz aus; am 3, 15 u. a. suster 17; euch (oder ist hier
dn ewcA =^ ^?w<^Ä wie in Kat anzunehmen?); ichulie 19, 27;
tmle II, 27; y>a^ wuüenha millen^\\ wutteha nulle Äa==^neuengL
wi7/ tliey nill they. Ohne Veränderung des folgenden lautes fällt
w aus in nat =^ nevät und in naldes u. andern formen des
praeteritums, A. ß. zeigt auch hier, wie wir schon früher ge-
sehen haben, verliebe zu dumpfen lauten: wule 212, 238^ 254
u. a. w.; Tve nncUeb 168. von witen findet sich tvot 54, wost 96;
g^ wM^en 236; wüte 174, 190, 204; daneben finden sich auch
praesentisch gebildete formen; ge wütete 68 und nmteti in(iper.
98, 248; 4^) wummon 68. Ausser in den pronoffl^en ist i in de?;i
einsilbigen meist geblieben z. b. cwic nie ctvuc oder cwc; die
pronomina sind: swuch 68, 242 u. a> w.; ä«;wc 112, 196, sonst
hwuch; htm 212, 256 = neugl. how, hnm 148, 398 = why.
Auch auf langes i hat w neben dem schon angefahrten wmi'
mon eingewirkt in hnmle 68, 238, 254 und swutie 92, 244 aber
STvit5e 236. Auch in hwo ist a verdunkelt, während H. M. stets
hwa hat. Ein hwot findet sich aber nicht in der A. E.
Schliesslich ist vom anlautenden w noch zu bemerken, dass
h. R. vor d ihm häufig, wie dem ^c ^. g ein e anfllgt Schon
alt^s. haben wir z. b. weox. A.ß. sind es: tveox 258; weosch
66; weop^ 274, 312; ausserdem findet %\Qk weolcne 246, 306
neben wölken 174, H. M. kennt diese einschiebung nicht.
Femer ist eine eigentümlichkeit der A. R., dass sie ich
chulfe = ich wuUe, H. M. ichulie (vgl. oben) schreibt, ebenso ich
chudde 186^»).
w im Inlaute entspricht oft altags. g, welches man sehe.
it' im in* und auslaute. H. M. schreibt im in- und aus-
laute w: peawes 45, unpeawes 41; treoweliche 47, ewt (aliquid)
43; ^eow/icÄ^ H. M. 39, 47; bireowseb 43; reow/ulnesse 4\\pem'
dorn 37; schaweb 37, scheawen 39, ischeawet u. a. A. R. liebt
w im auslaute u zu schreiben, treou 254, 402; (arbor) treou-
Uche, treounesse (fides), peoudom 32, 218, >eaw 88, 278, 300
*8) Hiernach ist das von Koch I pag. 336 $ 71. unter 1) gesagte zu
berichtigen.
^) Selten findet sich ichulie 72, 126, 222, aber auch ic chuäe 76, 78.
Digitized by
Google
ANCREN RIWLE UND HALI MEIDENHAD. 228
}>eaxifaie 422, hingegen im inlaute treawesehüpe ^ treowe (fideliß); pl
peams 200, 240; mpeau 162, 200 aber mpeawes 132, 176, 252.
rmfianesse^^\ reounesse (Cleop. p. 144). Aus ursprünglichem,
wie aas na^. m^^) entwk^kelt sich öftersein u und verdunkelt
den Yorhergehenden vokal. So hat wol seheauware 90 z. 20
und scheaufvinges 268 2« 14, da kaum anzunehmen ist, dass
drei vokale gesprochen wurden, wie schedware gelautet.
j-
Ursprüngliche y im anlaute sind, wie viele alte ^, in g
übergegangen, den tonlosen palatalen Spiranten. Ursprünglichem
y entspricht g: H. M. ge 11, 13, 17, 31 u. s.; gif 11, 13, 17,31,
37, 39 U.S.; gea 27; gef 31, 37, 41, 43; geomerunge 35. — A.E.
Ze; gif^S, 70, 116, 146, 170, 200; get 66, 92, 170; gut 356;
ger 190, 218, 412; goc 156; gun^ 70, 424; guwebe 156, 192,
206; gurvebehode 342.
Alte g die zu g wurden vergleiche man unter g.
J im inlaute: in den kurzvokalischen stammen der sw. verba
steht häufig noch das /: H. M. carien^l\ clepien 45; hopien 43;
hatieti 33; lufim 31, lüftete 21 ; hivieb 43; luvte 31; makim 31, 33, 37;
polten 33; wakien 37. Doch haben wir auch daneben foimen,
worin / schon ausgestossen worden. — A. ß. hopien 78, hopie
230; hivien 206; lufietS 350; makien 6, 192, makie 224; daneben
makeb 224; ialie 356; poüen 6, 134, 220; wakim 4, 144, 278,
wakieb 144 daneben waketi; wilnie 66; nmnien 134, 158, 340;
nmnieb 142, tvuneö 126.
S.
s im anlaute bietet nichts bemerkenswertes. Esentsprioht
m beiden denkmälem altags. s.
Auch anlautendes sl, sm, sn, sp, st entsprechen denselben
altags. lauten. Ebenso sw, so weit nicht nach Verdunkelung
des folgenden vokales das rv ausgestossen worden ist, wie z. b.
in sustren (vgl. oben).
sc. Vor e, i und y (mag es umlaut von u sein oder für
i stehen) und ihren längen wurde sc wol schon altags. sc als
scharfer Zischlaut, wie seh ausgesprochen. Vor den andern
vokalen fügte inan altags. ein e ein, um diesen laut anzudeu-
^) Das heisst das ans altags. g entwickelte w. Vgl. darüber unten,
Digitized by VjOOQIC
224 WÜLCKER
ten, also sceamiU Ps. 89*; sceädan (dividere) Ruine 39; sceolde;
scedp (vates) Metr. 30*; scedhc (schola) EL 1301; sceuccaV».
105 2'; Lag. hat oft im anlaute ein s, besonders B. ^^), sal neben
scal, sceld und scäld, sort neben sceort Im in- und auslaute
findet sich auch $s. neben fisch, fisccere und fisscere. Stets sc
steht bei Lag. vor r. Orm hat vor r sh: shrifmn.
H. M. hat anlautend tiberall seh: schal 5, 16, 27, 29 u. s.,
schome 7, 17; schomliche 27; lafdischipe 7; falschipe 5, 7, «'wrft-
schipe 5; hehschipe 5; cleanschipe 21; halschipe, 5 u.v.a. Neben
so vielen ^cä ist hehscipe 19, 21 nur als verschreibung zu be-
trachten. 5cMtf 15; schulde 25, schuldest 25; schulen 21; ^cäö/?
(creavit) 9; ischeawet 9, 27;. scheawen 27; schinende 23; ^cÄ^^
23, ^cÄe/ire 23.
A. R. liebt es, trotz der Schreibung .9cä noch das e einzu-
schieben: scheadewe 242, 364, 366. scheome^O, 108, 312; ^cÄeö-
me/ul 302, scheomeliche 266; scheon (calcei) 362; daneben aber
schone 420» Ebenso schamel, schonken, schucke. Es ist also die
einfligung des e nicht durchgeführt.
In der Verbindung scr ist ^c auch zu sehr geworden H. M.
Schrift 15, 21, 25; hingegen iscrept 23z. 34 von screpm (rä-
dere) *2). — A. R. hat stets sehr. So schrapien 116, 344; schrepeiS
186, 344; ischrapede 82^^^)] schrift4t, 6, 298, 300u.a.w;; sckri-
ven 266, 340, 344, 426; schruden 214, 216, 302, 412 u. s.;
schrude 300.
sc im inlaute und auslaute: H. M. flesches 5, 9, 13, 16, 17
u. s.; flesch 5, 13, 15, 33, 35; fleschliche 3, 9, 15, 17 u. s., eag-
lische 5, daneben 37 z. 19 on englich. Hingegen stets aske. A. R.
hat aski 4t u. s., askin (favillae) 214; auch metathese aeseS 8;
wacschunge 332, daneben wassunke 332; waschet 324, 424 (imper.),
waschest ^24c\ weosch^O()\ vlescJte ISO, 234, dsnxehen vlesliche 10^
240, 244; und vlessis 140, auch vlesshwise; Englische 244; &i-
schope 6.
Die eine stelle, wo jcä statt ch steht, nämlich 418, hat nur
Titus: schirches = chirches, doch dies gibt gar keinen sinn und
ist verschrieben fllr schriftes.
*») Aehnlich schreibt Robert von Gloucester ssip,- ssame u. a. — Die
ausspräche ist natürlich in beiden fällen die eines harten zischlantes.
*2) screpan ist auch altags. zu belegen: Älfrics hom. II, 452. ed Thorpe
**a) Das particip hat nur Cleopatra.
Digitized by
Google
ANCREN EIWLE UND BALI MEIDENHAD. 226
r.
Die einwirkung des r auf vorhergehendes a haben wir
oben besprochen. Metathese, die schon altags. häufig yorkommt,
hat H. M. in eomeb 39; heameti 43; A. R. eomen 74, 86; cor-
ne6 42, 80, 332, 360; pari umen 188. bernm 306, berrdnde 122,
310. r, welches schon altags. an die stelle von altem s trat, ist
natürlich r geblieben.
1.
Die Wandelung des a und i durch / veranlasst, wurde
oben besprochen.
Der ausfall des l in euch, hnmch, such ist in beiden denk-
mälern gleichmässig eingetreten.
m.
m im auslaute wird öfters abgeworfen in H. ÄL fra^ 5, 23,
daneben fram 7 u. s; ebenso ha statt ham (eis) 7; A. B. behält
m bei: from 54, 62, 216, -366.
n.
n im auslaute fällt H. M. oft aus, so in den praepositionen
i, 0, upo = in, on, upon: ipe häufig; ipi 47; imi 19; ipat 13;
ipis 13; ibodi 23; ibreoste 23; iflesches futöe 27; ibedde (jnlecto)
31; ihnmch, 37; ^ö^e^ /ut;e43; itvidewene ring 21] imoni care. —
ope 15, opi 17, ogrome 15; o/»m 35; olatines Jedem 23; opulliche
Tvise 33; /»m wirft vor consonanten das w ab: pi wil 31; />i
Word 45; ebenso wpe 21, 35, 39, 47. — Auch sonst ist n öfters
abgeworfen: hevelich 7 neben hevenlich 5. Endlich fällt im In-
finitiv und im conj. plural häufig n aus, ohne bestimmte regel
sowol vor. consonanten als vor vokalen ^3), Vor vokalen ist es
allerdings seltener, i finde 29; beo 29, 31; iwurtien pe 33; seggen
for 33; daneben aber makie to 27, 29; carie for 29; carien and
27; wakien in 29; schearven hit 27; drahen his 33; aber ende in
27; bireave ham 29; teame ha 33 u. ß. Neben dem partic. ibore
35 steht 37 iboren u. 55 ibom; icnute 33 und untohe 31.
^^) Cockayne hat hier oft ganz willkürlich n eingefügt. Li^. A. hat
zwar fast überaU noch das n, allein B lässt es meist weg. Altengl. ist
der ausfall des n sehr gewöhnlich und so mag in H. M. auch das n schon
oft verschwunden sein. Keinenfalls sind wir berechtigt, im nags. gegen
die hs. ein n einzufügen.
Beitrage zur gesohiohte der deutschen spräche. L 16
Digitized by
Google
226 WÜLCKER
A. R. i parais 54; f&ew eien 64; für in oder i schreibt A. R.
oft, abweichend von H. M., die vollere form ine^^). Aehnlieh
0. a. N. So: ine luve 202 \ ine hope and ine trust 202; ine unkut^e
peode 250; ine Dauides siht5e 56; ine mine earen 98; ine Mi
rvrite 112; ine his iborenesse 158; — ö leie (in flamma) 202, o
wummone 224; o fluhte 248; o vif halve 112; oöe 112 u. s. oft;
ot5e spitel 250; vor vokalen aber: on eihie distinciuns 12.
Im Infinitive und im part. liebt A.ß. das w beizubehalten: 5^)
witen (tueri) 4, 10, 14; wilnen 60, 148; weamen 408; daneben
warnte 54, 64; makien 6, 176, 192; wählen 4, 144; reaven 396,
rotiert 116, 274; techen 176; holden 176; biholden 54; bileauen
340; 5/wnml30, 268, 306; />encÄm204; ^>^o/i 416. pari: iknowea
224; «Z><?rm 158; iholden 250; u. s. w.
Im conjunctive lässt A. ß. das n ausfallen, wenn daspro-
nomen nachsteht: ileve ^e 224; give ^e 98; teile ge 224. In die-
sem falle fehlt es oft schon im altags.^^)
Wir gehen nun zu den muten über, zuerst sollen die labi-
alen abgehandelt werden.
P-
p im anlaute ist altags. wie gotisch selten. Der gröste
teil der so anlautenden Wörter sind fremde. Im nags. kommen
durch das rom. viele stamme dazu. Altags. plegan (alacriter
se movere) pleien 41 H. M.; A. R. 94, 212, 230, 3l8, 424 Sonst
finden sich pinunge 35; pinet5 39; passet^ 39, 43; pes (pax) 41;
paraisc 45 u. a. — A. R. parais 54, 66, 356; parlur 68; pinutige
368, 372; pimmt 404 (pigmentum); preost 3l8, 340 u. a.
Wie im altags. ö') ist auch/ in unsren Schriften die anlau-
tende consonantenverbindung ps nicht gern gehört H. M. salm-
wrihte, sauter 3; A. R. psalmwuruhte 78, 134, 400, aber sahn
290; salmwurhte 256.
") Morton erklärt 451 ine fttr inpe. Dies ist falsch, für in pe steht
A. R. wie H. M. ^e. Auch für in a kann ine nicht stehen, vgl. die
beispiele.
*5) Vorausgesetzt dass Morton nicht willkürlich ohne weitere bemer-
knng n eingesetzt hat,
**) So altags. fare we Mrc. 1, 38 ; hwät ete we, hwät drince we Mtth.
6, 31 n. Dnrh. b. hwät waUa we eatta,
*0 So neben psalterium Fä. 91 3, 107 2, 143»», 149'; wynpsaUerium?B.
56*«. finden wir seakn Ps. 568,», 67«^ 94 2 65*; 107*; sealmfät Ps. 70»;
saUetan 104^.
Digitized by
Google
ANCREN RIWLE UND BALI MEIDENHAD. 227
Bisweilen wird ein/? zwischen m undn eingeschoben, H. M.
nempnedebj aber somnunge 31, somnlnge 31; Aß. isompned 186
(coUectum); nempnie 200, daneben nem7ie MO] inempned IBS, 200.
nempnen 84 (nur Titus).
b.
lieber b ist nichts zu bemerken. Es steht in beiden denk-
mälern an-, in- und auslautend, wie im altags.
f.
Altags. findet sich ein schwanken zwischen f und v nur
ganz selten, wie neben ce/re ein cevre, und ee/lm daneben ceven.
In unsem denkmälem ist nun tibergang von / zu v^^) sehr
häufig. H. M. hält im anlaute noch altes f fest im unterschiede
zu A R wo /* und v neben einander gebraucht werden. H. M.
/öfc3; fader 3; /brget 35, 39, /ram; for, flesch 5, 13, 15. etc. Hier
tritt nie v ein. A. R. hat vorervard 98, 72; foreward 172; vor-
bisne 52, 68, 76, 140; vore, vorleosen 166, 236, 310, 424; vreo-
mede 106, 183, 392; vreomien 234; vonden 102, 162, 194; vlige
8, 10; vorgiten 200, 272; veld 102; vederen 132 und viele andre,
daneben falleb 34:8, /eö/280; /^^^m (jejunare) 6, 240, 308; praet.
veste 126, feste 160; fit^eron 132 (Cleopatra), vederen die andern
hss. fondeb 162, 182; fondunge 232, 234; for^iten 320; fargivet^
96; for kosen 208, 246; /we/ 126, 388 u. a.
Im inlaute wechseln in beiden dcnkmälern / und v und
zwar so, dass zwischen vokalen stets v, vor consonanten stets
f steht. Ebenso steht / im auslaut. Diese regel ist streng be-
obachtet. Es findet sich alsoH.M. hevene 19, 21, 23; hevenlich
5, 19, 21; over 5, 21; leafdi 25, lafdi 9, 24, doch sobald f zwi-
schen vokale tritt l(wedi 5; laverd 5, 23, 29, nie laferd\ haveb
5, 7, 19 aber hefden 21, hefdest 29, n6/l?ew 25; lif 5, 29; /iVe^
23, liven 25; ^öa;er 19, 23, 29; neaver 21, 25; heaved 25; /wweÖ
29, 27wi;^^ 25; leaven 25, 29; /^r« (carus) 29; leovest 19, 21.
Sonst ofte 29, soßeliche 21; ^cÄn/]f 21, 25; a/lfer 25.
/• im auslaute: gi/* 21, 25, 29; ^e// 5, 21, 29; o/ 5, 19, 21,
25, 29; leofmon 25, 29; /i/7arf^ 19, 25; peof 17 aber peoves 29;
^ero/ 25, 29; derf 29 und andre.
^) Geschrieben wird A. R. im Inlaute m, im anlaute bald u bald v*
Ich habe überall v gesetzt
10*
Digitized by
Google
228 WüLCKEß
A.E. ebenso luvien 206, 222, luvest 282, 292, 350; luveliche
428; over an vielen orten; overdon 286; overgon 238, 380, 394;
loverd 2, 8, 30, 32 u. s; leafdi 4, lefdi 62, 176, 108 lefdischipe;
gw€n222] navet^ 222, 228, 308; Ä6/a^ 124, 196, 224, 234; hefdest,
aber hevedest 38; Gonj. he/de pairt, iheved; kuslefdi 350; o/?e 220,
softe 222; e/Ter 22, 24, 126, 222. peof 174; peoves 174^ 292: ö/*
220, 222 u. s.; ^i/* 222; cÄa// 106; derf SO, 106, 180; /o/(laus)
104; husewif 222, 416; rfri/" imper. von driven.
Man sieht, dass /"und t; nach bestimmten regeln gesetzt
werden und nicht ist der Wechsel zwischen / und v, wie man
sich bisher oft auszudrücken beliebt hat, der Willkür des Schrei-
bers überlassen. Sehen wir das heutige englisch an, so ist
zwischen vokalen das v auch in der anspräche: eleven, evü,
over, vor consonanten blieb /: after, often, soft. Im auslaute
wird der harte firicativlaut gesprochen, wenn auch häufig noch
V (als früherer inlaut) geschrieben wird, z. b. live, give, drive^%
Stand ursprünglich f im auslaute, so blieb es z. b. thief, of, seif
life, tvife. Betrachten wir nun /im anlaute, so ist es EL M.
stets /geblieben, A. R. wechselt mit v. Dies beweist wider,
wie manches andre, dass A. R. südlicher entstanden ist, alsH.K
In den heutigen südwestdialekten findet sich kaum ein anlau-
tendes f: Devon *^): vlnds (reperio) vast, vur, vule, vrim = from,
vine = fine, Vrench = Fr euch — Dorset «i): vor, vew, vrom, visher,
veet, vriend, vorver, veäry = fair, vrozen, var = for. — Wilt*^);
vet = feet, vriz = frozen, vuddled = /uddled (drunk), vor, vather,
Somerset ^3): volly = to follorv, vooäth = forth; voun = found;
**•*) io live, to give, to drive = nags. Uven, given, driven, fife (pfeife)
mag bewirkt haben, dass man in five (fünf) ans dem nags. noch vorkom-
menden plural das v beibehielt. Die Schreibart wife, Ufe = ags. Uf, toif
kommt durch die mittelenglische art, eine lange silbe durch ein ange-
schobenes e zu bezeichnen.
^) Die Worte aus dem Devon-dialekt gebe ich nach: Nathan Hogg,
poetical letters tu es brither Jan and tha old humman way tha urd cloke
London. 1865.
^^) Dorsetdialect nach: Wüliam Barnes, poems of rural life in the
Dorset dialect.
«*) vgl.: John Y. Ackermann, A glossary of provincial words and
phrases in use in Wiltshire.
^) vgl.: James Knight Jennings, the dialect of the West of England
particularly Somersetshire.
Digitized by
Google
ANCREN RIWLE UND HALI MEIDENHAD. 229
vur = far; vust == first; vang (fang); vier = fire, — Gloc.®*):
avoore, vood, vollow. — Haut: vit (fit), vlick, vore = forth, Dass
dies V der labiodentale tönende fricativlaut ist, braucht nicht
erwähnt zu werden.
Ob wir auch schon für H. M. und A. R. annehmen dürfen,
dass V tönender labiodentaler laut war, fragt sich. Jedenfalls
spricht daflir, dass nie vor consonanten und nie im auslaute v
steht. Wäre es, wie bisher angenommen worden ist, nur gra-
phisch verschieden von ^ warum steht dann niemals ein leov
oder ein hevden? Etwa einzuwenden wäre noch, dass dann
Verbindungen, wie vly vr eingetreten wären, während doch das
englische bemüht war, die verwanten tvl und wr zu tilgen.
Doch erstlich ist das labiodentale v doch verschieden vom la-
bialen rvj ein vi ist leicht, ein ml schwer auszusprechen, endlich
haben aber die heutigen südwestdialekte oft genug vi und vr,
vrassly = to wrestle; io vrlde (to expand); vring {2l press);
vrumple (a rumple), ebenso Devon: vright. Hier wurde also
der ursprüngliche labiale laut w in die labiodentale verändert
und dann beibehalten. Für vi, vr = altem fl, fr finden sich
oben schon beispiele, ausserdem: vlare (to flare); vleer (flea);
vlannin (fiannel); vlingd{^SiYt. flung), vlother (nonsense); vroästn. a.^^)
Für meine ansieht über die ausspräche des v im nags.
spricht auch, dass die romanischen Wörter das romanische v
beibehalten haben. /" im auslaute fällt in beiden denkmätem
«war incompositis nicht aus, wie dies nengl. vielfach geschehen ;
vor /waber assimiliert es sich: rvifmon, das wummon wirdH. M.
15, 31, 35: hingegen leofmon, des später lemman lautet (vgl.
Havel. 1283, Michel agenb. 230, Hom 550, Will. of. Pal. u. a. o.),
behält sein /. Ebenso verfährt A. R.
t
steht, wo es altags. schon anzutreflfen. Die einzige änderung
ist, dass es öfters für /> steht vgl. bei />.
d.
Eine eigentümlichkeit ist, dass H. M. statt David, Davits ^^)
®*) Die übrigen dialekte sind dargestellt nach den proben, welche ge-
geben sind in: James Orchard Halliwell: a dictionary of archaic and pro-
vincial words etc. I bd; XI— XXXVI.
^^) vgl. Jennings a. a. o.
^ Sonst findet sich diese eigentümlichkeit nnr im nordhumbrischen.
Digitized by
Google
230 WÜLCKER
schreibt So 9, 11, 35. Einfluss des folgenden consonanten
kann es nicht sein. An den zwei stellen aber, wo die hs. David
hat, ist wol Davit5 zu setzen, vgl, unten.
J., 8.
An stelle von altags. Ö lässt H. M. d auslautend eintreten
in qiLod ha 45. z. Doch ist dies wol nur ein Schreibfehler,
da 19 z. 27 und z. 29 quot5 he steht. A. ß. hat cweb sowol für
praes. (p. 56), wie für praet. 232, 234, 236 u. s.^^)
Es ist nun das verhalten des /> im anlaute zu besprechen,
wenn das vorhergehende wort mit einem dentalen schliesst
Orm hat nach t und d folgendes fj verhärtet. Vorausge-
hendes s macht auch öfters p zur tenuis. Doch ist die erste
regel nicht ohne ausnähme. In H. M. wird nun />, wenn eine
tenuis vorausgeht, zur tenuis. pat tu 3, 7, 9, 13, 23; fordet ü
folc 3, 9; ai im ende 7; Uhet te 9; omni ü 17; pat tis 19; atie
27; itricchei te 9. Scheinbar dagegen spricht feat pat 13, sest
pat 9; hit pat 25, allein hier steht in der hs. feot p , sest p,
hit p. (Bei p ist nur die schleife verlängert). Man behielt hier
das übliche zeichen p fiir pat bei, auch wenn der anlaut nicht
mehr p war. Eine der wenigen ausnahmen ist pag. 19: get per.
A. ß. hat auch meist p nach vorangehender dentaler te-
nuis zu t verhärtet pet te 6; pet iet 312, 156; pet iu 238, 406;
pet ins 238; pet ter 238; weitere beispiele liefert jede seite.
Daneben aber steht nout pet 8; luvedest pene 406; graunt perof
328; pouht perof 238; nowiht perof u. a.
Nach d wird, wenn eine pronominalform oder eine vom
pronomen gebildete partikel folgt p verhärtet, in andern Wör-
tern nicht Also: iseid tus 27; tomard tis 5; and tat 5, 9; and
tu 5; and iah 7; and tine 33; and tene 23; and te 23 u. a.^^)
Andre Wörter werden nicht verändert: and puncheb 27; and
ponken 21; allerdings auch: torvard pulli 9.
A. ß. schwankt p nach d sehr: and ter 104; fed tu 104;
and tine 104; loverd tauh 104; and teos 238; and te; and <w238;
fed tu 104; and te 148, 238; and tauh 238; aber offered pet 8;
**') Hiemach ist auch das von Koch I. § 167 gesagte zu berichtigen.
**) Deshalb ist auch an den zwei stellen, wo die hs. der H. M. David
pe schreibt pag. 3 z. 3 und z. 19 Davits (in folge der oben bemerkten
eigenttimiichkeit) zu setzen.
Digitized by
Google
ANCREN RIWLE UND HALI MEIDENHAD. 231
tvord perof 148; (mä puhte 148; osad pet, and peanne 156; blöd
pauh 312; and peonne 238; ofserved pet 238; and pauh 8, 406;
and pe 312; istäeled pm 8.
Nach Ö bleibt/». A. ß. intvib pavh 104; heob pe 104; ka/oed
>i238; witisiggeb /»c238; vorö />w, cweti pe 312; ^e/^Ö /»e 430,
wiäS />e^ 6; nimeb ping 6; wiäÖ />^n^ 8; sigg^ pe 8; stvolewetf
pe 8; i^ />me 148; bitocneb pet 138; *^/Ö /»e^ 156; seib pe 156;
^;?c/:eft per 156; — Ebenso H. M. singet^ penne 21; ^eiö pat 21;
öeo& />eo^ 21 ; /biheb pat 25; ermeft pe, mak^ pe 25; ^«'Ö pat 27;
5/aÖ /»a^ 29; puncheb pe, husteb pe 31; beateb pe 31. u. a.
Nach s hat H. M. die pronominalstämme verhärtet, andre
Worte behalten p: nis tis 9, 13; dides te 9; is tat he 19; is te
lust 11; forschuppes te 27; as ti 9; w ^e blosme 11; t^ ^ 9; ij
/a^ 11; as tat 13; /^ tenne 21; i; /»a^ 9 ist nicht als ausnähme
zu betrachten, denn hier ist wider, wie oben, nur ein J> ge-
schrieben. Sonst findet sich is pullich 25; peos pre 23; as pe
er 19; in pat leades pah 5, reades pa 19 ist zu schreiben lea-
deb pah und readeb pa ^^). A. R, lässt nach s das p stehen :
heardschipes pet 6; pinges pet 6; peos pet 148; his preatunge
156; ^örfßj preatunge 156; /»^o^ />r^o 238; w pet 238; sünges pet
430; />2/^ />w 406; i^ >e 104.
Vor vokalen und den übrigen consonanten bleibt p in bei-
den denkmälern.
c^ k.
Es soll hier versucht werden über den Wechsel von c und
k und c, k und ch regeln aufzustellen.
Altags. cl hat sich H. M. erhalten und wechselt nie mit
k: chtppinge 3; cleane 11, 13, 24; cleanschipe 21; cleannesse
11; bicluppen 19; iclepet 5, 33; icleopet 13; cleopet 5; cleopeb 9,
33; c/^rpeft 11, 33; cleopet 5.
cn bleibt ebenfalls: icnatve 23; icnawen 23; cnawlecheb 9;
cno^, icww^^e 33;
er in germanischen Wörtern selten, wie schon altags. Nur
crß/]f 37. Hingegen von romanischen finden sich; crune 19, 21,
23; icruned 23; icrunet 7; cre*^ 33; crlstendom 33.
»») * in der 3. pers. Bing, ist wol überall zu tilgen. — Es findet sich
manchmal, wo wir durchaus keinen grund dafür angeben können, z. b.
pag. 27. pat lades loving man.
Digitized by
Google
232
WULCKER
Cfv hat nur einbusse erlitten durch qu nicht durch kw : crvike
13, cwalm 29; ctven 7, 9, 11, 21, 27; cwemen 6j ctvemest 11;
icweme 39; cwebeif 41. Im anlaute blieb also c vor consonan-
ten. Anders ist es vor vokalen.
c vor a bleibt H. M. in den ags. Wörtern: carien 5, 27,
29, 37; car^ 27, 29, 33, 35; hingegen behalten Wörter, die dem
nordischen entnommen sind, ihr k: akastB, kosten 6-^ p. 41 aller-
dings cast. Ebenso bleibt c vor o und u: /brcorven 11, icorven
17; forcudest 33; cumelich, uncumellch 37; cumeÖ 17; cun 33;
cunde 9, 25, 27, 35, 45; hingegen vor i {=y dem umlaute von
u) wird k gesetzt: king 11, 45; kinedom 39; kineriche 19; vor
altem / ist c in cÄ übergegangen : chüdren 27, ebenso in cheorl^
erner in cheowest 35, cheosetS 39, während c vor e /r wurde:
kempene 23, ikepunge 23; e/r^jp^e 19. Romanische c blieben un-
verändert: cuniasses 9, cuncrveari 33, confort 7, 27.
Im auslaute bleibt stets c. ^c 9 w^rc 9, 19, 37; spec 19;
«?^rf/ac 9, 13, 21, 23, 33, 37; brudlac 3, 47; tac = imper. von
•iakm 7, 39; fearlac 35; 2>/ac 43; w?i/>önc 47 ,u. s. w.
Ausnahme machen ^cä 3, 43, 45; hwuch 31, 33, 35, 37
u. s.; swuch 5, 7, 9 u. s. w. und üich 5, 45, 2cä 9, 39. Sonst
findet sich noch: hisech 45, pmch 45.
In licome muss noch die Zusammensetzung gefohlt worden
sein, denn nie steht Ukome. Ebenso Ilcrvurbe 11; rvracfulliche
41 ; wacliche 9. Im inlaute steht zwischen vokalen kein c mehr.
An dessen stelle ist k (undcÄ) getreten: spekeb 3; maken 3, ma-
kirn 31, 33, 37; imakei 9; swlkes 3; 27a/re?z 5; sekerliche 7; /JM
7; forsaken 7, 33; likinge 7; a/r^Ö 31: rvakien 37; ^//r^r^ 43;
/oXtö 33; lokinge 31; irekened 33; 6rwÄ:ß 33; brudlakes 9, ^w//:e-
//cÄ« 39; speken 37; m^ö/r^ 43; meokelec 43; srvikeUche 39 u. a.
cc wird cÄ: Altags. licdan (L.) zu //cÄ^Ö 9 z. 13. Dass
ewcÄ, snmch, hwuch im auslaute cä haben , ist schon oben be-
merkt worden. Im inlaute bleibt dies natürlich. Manchmal
steht auch cch dafür: hrvucche 33; swucches 39.
Besondere beachtung verdient lic in adjektiven und adver-
bien. Im positive dieser Wörter steht stets ch, mag er nun
liehe oder luche lauten. Im comparative und Superlative dage-
gen bleibt die gutturale tenuis und zwar wird sie, als zwischen
vokalen stehend, durch k ausgedrückt. Regelmässig steht sons
noch der zischlaut zwischen vokalen in miLche und muchel, sons*
Digitized by
Google
ANCREN RIWLE UND HALI MEIDENHAD. 233
hevenriche 39; sticke, daneben aber stikinde p. 35 z. 35: wrecche
= altags. vräcca 13 und tvlecche'^^) 43,
Steht die gutturale tenuis im inlaute mit einem andren
eonsonanten verbunden, so wird sie durch c ausgedrückt, wenn
der andre consonant folgt, durch k oder ch, wenn derselbe
vorhergeht: bitacneb 5; hercne 39; aber swinkeb 39, rvlonke 31;
inker 31; ilke 9; nmrchen 35, 37; hipencheb 9; pencheb 5, 37;
Pmchet5 7, 31, 37; punckeb 3^^).
In der spräche der A. R. ist k weiter vorgedrungen im
anlaute.
Vor / ist c geblieben: clea/res 102; clenesse 164; clenliche
412; cleopien 58, 98, 102, 208, 216. u.s.; cUmhm 140, 162,244;
cluppen 230, 288; cluppunge 324, 396;
Neben cn ist schon stark kn eingedrungen; cneolen 18, 122;
cnowettj icnowen 204, 232, 250; cnowunge 280; kniht 86; Ärnav^
(puer) 380; Am/ 212, 284; Ärno^^^ 1 u.a.; kneoUnde 18; iknorven
232. Auch neben er findet sich /rr. creopan 292; crocke 214
= altags crocca; croppebSß; crefi 268; crw^i«94 daneben /rrw-
WßÖ 392; ArrocAre 346.
cw meist geblieben, selten ist es zu qu übergegangen (vgl.
unter w). cwemm 138, 192, 338; cwme 88, 170, 296 u.a.
Auch im anlaute vor vokalen wird der guttural häufiger
durch kj als durch c ausgedrückt: kat 416; /rar e/eo^ 246; kake-
Im 66, 8Ö daneben cakelet5 88, icaceled 66, casiel 62 — cos (os-
culum) 102, 194, 256; cöm (venit) 62; con 18, 24, 66, 206; icorm
28; daneben ikorven 362, 424, Ukorven 62, Aro/^ 6 — cunneSQ,
122, 358; Awww^ 14, 60, 120, 200; ikunned 398; cww^ö 120,126,
140, künde 14, 66, 84, 120; cwnw^64, 114, 28; kunnen 72, 108;
/rwöm 66, 222, 284; cut^ (imper.) 302, selkuö 8; kumen 60, 66,
cumen 62, 66; icufnen 62, 64. Auch in romanischen Wörtern,
wo H. M. c behält, hat A. R. vielfach k: kunfori 8; kuvent, ku-
verlur, kunsenten = cumentir w, di, — kepen 96; kesten, daneben
auch cherre (versio, vices) 36, 84, 314,408; kimeb 92 "^2); kinedome
''^) Dies ist wider ein beweis, dass vMc (tepidus) sehr gut im altags.
Vorkommen kann und es nicht nötig ist die stelle Ps. 148* mit Thorpe
zu ändern.
^*) puncketi wird wol nur verschrieben sein für punchetf.
''^) Nur Cleopatra hat die /-form.
Digitized by
Google
234 WÜLCKER
322, aber chirche 68, 268 und churche 2273); childrm 10, 416
U.8. cheapen 190 j 290, 418; cheping 88, 206; cheast 200 (altags.
ceds)\ Chef 270, 272; cheokm {cedca L.) 70 106, 156; cheotw^
80, 84; cheosen 370, 406.
Im auslaute bleibt c in der A. R. mit den seljbön ausnah-
men, wie H. M. Also: blac 10; boc 8, 64; spec 68; woc 4, 12;
dnmc 14 aber drunch 8; hingegen ^cÄ 4, 6, 12; efrichAi, 6
everich 12, 18, 20; ä«?wcä 8, 12, 266 daneben hwuc 64; 5wn<cÄ
10, 64; ich 26, 62, 96, 266; alswuch 12.
Auch in der A. R, wurde in licome nie k gesetzt, ebenso
Hcwurbe u.a. composita.
Zwischen vokalen steht inlautend kein c mehr, gerade wie
H. M. fikele, swikele 268; moke 268; maket5 412, loketi \\% siker
60, 166 u. a.
cc wird cÄ; stucchenes 14, 412.
cÄ tritt öfters zwischen vokalen ein. Stets bei euche u.
den andern obengenannten Worten: swucheS, 64; ferner muchel
10, 62, 66; muche 12, 62, 18; wreche 66; spreche 66, 68 u. a.
Mit Hc verhält es sich gerade so, wie in H. M.
Die gutturale tenuis mit einem andren consonanten im in-
laute verbunden verhält sich in A. R. gerade so, wie in H. M.
.d. h. steht der guttur. voran, so wird c, geht der andre conso-
nant voran, so wird k oder ch gesetzt z b. hercnen 12, 64, 82, 86
u. s. lecnen (mederi) 330, 368; iocne (signum) 106, 316, ancreriy bitoc-
me 12; aber ilke, dolke, tverkes^ werkedei, stinkind und wrenchfvX
268; puncheb 268, 8, 38, rvurcheby 30; kmchm 62; penchet5 16,
32 ; penche 96 u. s. w. drincken 4 wird, wie H. M. punck^, ver-
schrieben sein.
g-
Im anlauteist g vielfach in g übergegangen, daneben blieb
<;75). H.M. giveb 7, 17, 21, 39 geoveb 9; geove (inf.) 11 xx. geo-
ven 33; igeoven 9; geove (donum) 11; marhegive 39; give 45;
f orgelt 7, for^lden 13; gulten 47, guUeti 35; forget 3, 5, 9, 11,
39; gerne = altags, gemen 3, 25, 45; georne 3, 21; again 15, 31;
^3) In H. M. ist vor % = umlaut von u kein ch nachzuweisen.
■'*) Hier ist ein i angehängt, wie in hesi = altags. h(BS jussum.
'**) Darnach ist auch das von Koch § 176 gesagte, der g im anlaute
erst für das altengl. annimmt, zu berichtigen.
Digitized by
Google
ANCREN RIWLE UND HALI MEIDENHAD. 235
garketi 47 (zu gearc paratus) u. v. a. Aber gold, god, goää (deus),
gederunge, bigunnen, gastliche^ togedere u. a. Nie wird g erweicht,
wenn noch ein consonant im anlaute.
Ebenso verfährt A. R. given u. andre formen: 68, 80, 82,
92, 294, 330; morgiven 94; geove 202, 368; geld 78, 376; ßr-
gelde 428; forgitm 124, 186, 320; gerne 32, 78, 344; germi 98,
344; gelpm 148, 222, 330; gimston 134, 360; geome 108, 124,
158, 234. georneluker 234; geteward 270; daneben güldene, geat,
gateherden (capra), gederen u. a.
Das praefix ge ist in beiden denkmälern stets zu einfachem
/ geworden. Wie altags. wird es nicht nur dem part., sondern
auch öfters dem Infinitive beigefügt. H. M. iseid 1, 3; iburhen
19; ilahet 21; ibroht 15; igan 11; icleped 5, itaken 5; irvriten 13;
Inf. iftjiden 7, 9, 29; iheren 9; imper. iher 3; ferner inoh 7, 29,
33, 35; ifvis 33; Home 33; imeane 21, 23, 25.
g im auslaute: wo altags. im auslaute h an die stelle von
g trat, blieb es auch in unsem denkmälern, so sorh, buh, /br-
buh u. a. Wo hingegen g altags. blieb, wurde es in H. M.
u. A. R. zu i oder es fiel ab.
Zu i wurde es: H. M. awei 9, 11, 15, 27; awai 43; mei
11, 31, 33 (daneben me mit abfall des i 19); wei 43, 47;
neben mei steht auch mai 7, 17; dei 9, dai 15; grei 43; &d 3;
eihwer 39.
A. R. mei 74, 78, 266, 268; mai 34 u. s., /d (jacuit) 266;
dei 266, 412; sunedei, pursdei 412, domesdei 188; awei 62; wi«?-
w 41 i
Abgefallen ist g im suffix ig: H. M. an^ 7, 17, 29; eni 17,
25, 27, 29; eadi 5, 13, 15, 21, 39; hau 5, 21; sali 5, 7, 9, U,
33; sari 13; sariliche 5; mom 7, 11, 25, 27^ almihti 19; ^tom
17; modi^\ bodi\% 23, 35, 41; lavediS, 5; /a/ii/ 15, 23. Ebenso
A R. m/, Äö/e, &/öfife, bodi u. a.
Ein ^ steht H. M. niemals im wortinnern. Nur eine ein-
zige ausnähme bildet witege p. 5. Geht im Inlaute ä, e, ce, e
voraus, so wird g zu i und bildet mit dem vorgehenden vokale
den diphtongen ei, seltener ai. H. M. meiden 33, 37, 39, 43,
45; säen 3; seit^ 3, 5, 7; iseid 1, 3, 31; breide 9; eie 31, 43;
feire (pulchritudo) 33; ßir 19, 27, 33, 39; eiber TJ, 31; meidm-
hadb, 11, 13, 15, 17; agaifi 15, 31; weis 9, 21, 27, 39; — AR.
meiden26S'^ seide266] deieslA] deie4l2] betet 266, /eir 206 u.a.
Digitized by
Google
236 WÜLCKER
Sonst verläuft das inlautende g im nags. auf zweierlei art,
es wird entweder ^ oder tv. La^. hat beide formen nebenein-
ander: dra^e u. drawCy Ulanen u. islawen, bugen vl hutven.
H, M. hat im inlaute ^ zu ^ werden lassen, da aber im
inlaute keine ^ geschrieben werden, bezeichnete H. M. diesen
laut durch Ä;'^) mähe 25, 29; mähen 19, 31, muhen 43; drohen
3, 5, 11; drehen 7, 17, 37; wdhes (muri) 31; utlahe 11, 43; un-
laheliche 25; laheliche 13; ahne 27; huhet5 5; untohe 31; untoke-
liehe 17; welitohe 25; femer sorhen 27, 29; marhegive 39; /ö/to
15, 19, 23; tiwrÄm 11, 19; ^örÄe 27, .33, 39; sorhfulliche 17.
Eine ausnähme macht halrves 19 statt Äa/Äe^ oder Äa/ie^.
A. R. dagegen lässt g im inlaute, wenn nicht ä, e, m, e
davor steht, zu w tibergehen und w entwickelt alsdann öfters
ein Uy es ist das halbvokalische labiale w: hairve 268, halewen
18, 124, 166, 362; halervune 412; helidawes 24, helidawene 302;
he muwe 96; ecÄ mw«;6? 26; ge muwen 20, 22, 66, 412; darvunge
20, munedawes 22; Ulowen 68; öww^ ^^ 68; swoluweb 8; vorsrvo-
lurvetS 66; ^^ buweÖ 18 u. a.
h.
Ä als hauchlaut bietet nichts bemerkenswertes. — Ä als gutt.
fricativlaut. Die anlautsverbindungen hw u. s. w. sind oben
besprochen. Wo gutturales h erst nags. eingetreten ist, wurde
bereits oben besprochen.
Aus dieser Zusammenstellung geht hervor, dass die laut-
lichen ab weichungen doch zu bedeutend sind, um nur einem Schrei-
ber zugeteilt werden zu können.
Die formenlehre bietel; wenig unterschied. In der flexion
stimmen beide nags. denkmäler ttberein.
Der Wortvorrat bietet Verschiedenheit. Doch nur dann
können wir eine solche im wortgebrauche feststellen, wenn ein
wort, welches H. M. oft gebraucht, in A. R. fast gar nicht vor-
kommt. Ist das Verhältnis umgekehrt, so dtirfen wir nicht
■^ö) Dass Ä keinen andren laut als ^ bezeichnen soll, dafür spricht die
form unwurtSehetS 35 z. 14. So schreibt auch z. b. S. Maih. den namen
der heiligen stets Marherete^ statt Margereie. Lag. gebraucht ohne be-
denken g im inlaute: läge, fugel, fleoge, drage u.a. Orm geht hier oft
einen mittel weg zwischen der Schreibweise Lag. u. H. M. Er schreibt
nämlich flighenuy eghe, laghe, aghenn u, a.
Digitized by
Google
ANCREN RIWLE UND HALI MEIDENHAD. 237
yergessen, dass H. M. nur 23 druckseiten einnimmt, während
A, R. beinahe das zehnfache.
Ein wort, was RM. fast auf jeder seite gebraucht, ist wer,
daneben mon. A. R. setzt mon, auch weopmon 10, 68, 68, 316.
Nero hat einmal p. 352 wert Tit. wan, was Morton auf wer
zurückffthrt, doch die stelle ist wol überhaupt zu ändern. Dann
schreibt Titus noch 398 weore, wo Nero u. Cleopatra ganz an-
ders lesen.
Beweise der zweiten art sind, dass A. R. viel häufiger
wrmmon braucht, während H. M. meist wif setzt, auch child neben
heam wendet A. R. verhältnismässig häufiger an, als H. M.
weopmon fllr man kennt H. M. gar nicht Auch das H. M. so
beüebte care, carien tritt A. R. vor dem, allerdings auch H.M.
wolbekannten5orww^m(H. M. ^orÄ^) zurück. So Hesse sich noch
mancherlei feststellen, wären beide denkmäler von gleicherem
umfange.
Doch auch im stile des ganzen Werkes zeigt sieh A. R.
sehr verschieden von H. M.
Der ton in A. R. ist ein weit liebevollerer, als der in EL M.
Der Verfasser der ersteren sagt ausdrücklich, dass die regeln,
welche er fiir das äussere leben aufstellt, geändert werden könn-
ten je nach bedarf: p. 6, Vor pi mot peos fviz. nitre J riwle
cJumngen hire misUche efter euch ones manere and e/ter hire efne.
Vor mm is strong, sum is unstrong and mei ful wel beo cwiie and
paie god mid lesse. u, s, w. — Als unveränderlich stellt er nur
das halten dreier dinge auf: obedience, chastete and studestaj^el-
vestnesse. Doch hier selbst gibt er zu, dass durch not eines
dieser drei gelübde über seite gesetzt werden könne. Er warnt
geradezu, mehr als diese drei zu versprechen, da es ein ver-
brechen gegen gott sei, ein eingegangnes gelübde zu brechen.
Anders verfährt der Verfasser der H. M. Er gibt (anleh-
nend an den 14 psalm) seine geböte, wer sie nicht hält, dem
droht er mit tod, höUe und teufel.
Der ton ist in H. M. überhaupt ein viel roherer, als in A. R.
Man vergleiche nur z. b. p. 9. Obgleich A. R. oft auch recht
weit geht, so wird sie doch von H. M. in derbheit übertroflFen.
Manchmal allerdings ist die Schilderung in H. M. nicht ohne
humor ''^), den A. R. nie zeigt, doch dieser humor ist stets derb.
") vgl. pag. 37 unten u. 38 oben.
Digitized by VjOOQIC
238 WÜLCKER
Diese paar andeutungen mögen gentigen, um zu zeigen,
dassauch andre gründe, als sprachliche es unglaublich machen,
A. R. und H, M. seien demselben verfosser zuzuschreiben. Allein
Cockayne hält es nicht nur flir wahrscheinlich, dass beide
Schriften vom selben Verfasser, sondern sogar für nicht unwahr-
scheinlich, dass auch H. M. an dieselben drei Schwestern ge-
richtet ist. Beweise daflir führt er keine an. Es dürfte auch
wol schwer halten, solche aufzubringen.
Es Hesse sich allerdings behaupten, da der Verfasser in
H. M. sich an die werte Davids: Audi filia et vide etinclina
aurem tuam etc. anlehne, dass er stets nur die rede an eine
Jungfrau richte. Allein ähnlich sagt A. R. p. 2:
Loverd! selb godes spuse to hire deorenmrbe spm, peo J>e
riht luviet5 pe^ peo pet heot5 riht: peo pet libbeb efter riwle,
— Dann aber lautet es weiter: And ge, mine leove smtren, hah-
bet5 moni dai iremd on me efter riwle etc.
H. M. bleibt aber stets an eine Jungfrau gerichtet, selbst
da, wo sie ganz selbständig vorgeht. Z. 6. pag. 45.
Have eaver ipin herte pe eadieste of meidnes and meidehades
moder and bisech ai hire pat ha pe Uhte and give luve and strengte
for to foThe i meidenhad hire pearves pench o st. katerine etc.
Wir haben also gar keinen anhaltspunkt, dass H. M. an
drei nennen gerichtet sei.
Das ergebnis unsrer Untersuchung ist also:
Ancren Riwle und Hali Meidenhad ist nicht vom selben Ver-
fasser, nicht einmal in der selben gegend geschrieben. Der Ver-
fasser der A. R. war ein durchaus gebildeter mann, während
der der H. M. wol niederen kreisen angehört, H. M. endlich
ist nicht, wie A. R., an drei Schwestern gerichtet.
Nachwort. Seitdem ich meine Übersicht der neuangelsäch-
sischen denkmäler und vorstehenden aufsatz, nov. 1872, niederge-
schrieben habe, hat der unermüdliche fleiss des Rev. Oswald
Cockayne und Dr. Richard Morris wider einiges veröffentlicht, was
für die neuangelsächsische zeit sehr wichtig ist. Erschienen sind
unterdes: an Old English Miscellany, St. Juliana und der
zweite teil der Old English Homilies. Hauptsächlich ersteres
werk vermehrt nicht nur, sondern ändert auch manches in meiner
Digitized by
Google
ANCREN RIWLE UND HAU MEIDENHAD. 239
Übersicht gesagte. Es stehen jedoch auch noch Veröffentlichun-
gen andrer neuangelsächsischer denkmäler in aussieht, vor allem
solcher, welche den Übergang vom altangelsächsischen zum neu-
angelsächsischen bilden (Vgl. Atheneum, No. 2391; Aug. 23,
1873). Dazu konmit, dass ich in der Zwischenzeit gelegenheit
hatte, die Übersetzung des evangeliums Matthaei aus. dem Hatton
ms. hg. von Eemble in die hände zu bekommen. Alles dies
ändert und wird manches von dem pag. 76 gesagten ändern,
wie ich überhaupt über diese periode jetzt zu etwas andrer
ansieht gekommen bin.
Anstatt aber jetzt gleich nachzutragen und zu bessern, um
bald wider nachtragen zu müssen, verspare ich es mir auf die
zeit auf, wo obige Schriften erschienen sind, um dann einen
möglichst erschöpfenden nachtrag zu geben.
lieber meine anordnung der denkmäler bemerke ich, dass
ich versucht habe dieselben chronologisch zu ordnen, obwol es
nur ein versuch ist, da uns bei vielen derselben alle anhalts-
punkte mangeln. Aus einem versehen ist das poem on Death
vor die Ancren Riwle geraten. Es sollte nach derselben stehen
und als No. VIII. die reihe der stücke eröfflien, über deren ent-
stehungszeit ich nicht zu entscheiden wage, dies gilt für das
poema morale und vor allem für die homilien, die unter ein-
ander im alter recht verschieden. Vorstehender teil wird vom
neuerschienenen nicht berührt.
LEIPZIG. RICHARD WÜLCKER.
Digitized by
Google
ÜBER DIE NEU-ANGELSÄCHSISCHEN SPRÜCHE
DES KÖNIGS AELFRED.
Wenn irgend ein fürst ansprach auf ein dankbares an-
denken bei seinem volke machen darf, so ist es Aelfred der
grosse, der könig der Westsachsen (871 — 901). Nicht nur
schützte er als heerflihrer die gaue seines Vaterlandes mit dem
Schwerte, indem er die Dänen in mehreren schlachten besiegte
und weit nach norden trieb, sondern er erkannte auch, dass
ein volk, welches sich durch die waflFen rühm und macht er-
kämpft hat, nur durch fortschreitende bildung sich dieser er-
rungnen guter wtlrdig zeigen und die unter den andern nationen
gewonnene ehrenvolle Stellung behaupten könne.
Kaum hatte daher Aelfred durch Unterwerfung der nordi-
schen schaaren die drohendste gefahr von seinem vaterlande
abgewendet, so war all sein sorgen auf hebung der bildung
unter seinen landsleuten gerichtet Welchen weg er, um zu
diesem ziele zu gelangen fUr den besten hielt und daher auch
einschlug, spricht er deutlich in der vorrede zu seiner Über-
setzung derCura pastoralis^ des Gregor aus^). „Er habe, heisst
es darin, oft darüber nachgedacht, welch weise männer, sowol
geistliche als laien, dereinst unter den Angeln gelebt hätten.
Durch die könige, welche damals gehersctt, sei innerhalb der
grenzen frieden und gute sitte aufrecht erhalten worden, nach
aussen aber hätten sie, durch kämpf und durch kluges beneh-
men, ihre macht und ihr ansehen ausgedehnt Die diener
gottes Wären damals nicht nur eifrig im lehren, sondern auch
im lernen gewesen und von überall her sei man nach England
gekommen, um Weisheit zu lernen. Glückliche tage habe da-
0 Neuerdings wurde die Cura pastoralis herausgegeben von Heniy
Sweet als Publicalionen No. 45 u. No. 50 der Early English Text Socie-
ty. London, 1871 u. 72.
Digitized by
Google
ÜBER DIE NAGS. SPRÜCHE ALFREDS. 241
mals das volk der Angeln gesehen. Seitdem, fährt Aelfred fort,
hat es sich gewaltig geändert. Die bildung der Angelsachsen
ist so sehr gesunken, dass ich mich keines einzigen erinnern
kann, der zur zeit meines regierungsantrittes südlich von der
Themse wohnend etwas lateinisches ins angelsächsische über-
tragen konnte. Jetzt ist es allerdings besser geworden, allein
noch lange nicht genug ist für die Volksbildung geschehen. Da-
her habe ich selbst begonnen, wie einst die Lateiner die wich-
tigsten werke der Griechen in ihre spräche übertragen haben,
die bedeutendsten lateinischen Schriften ins angelsächsische
zu übersetzen. Denn viele können angelsächsisch lesen, welche
doch kein latein verstehen. Es sollen daher in Zukunft die
söhne der freien zuerst angelsächsisch lesen lernen, dann kön-
nen sie, wenn sie sich weiter bilden wollen, immerhin noch
latein lernen."
Diesem grossartigen streben Aelfreds verdanken wir denn
auch eine ganze reihe Übersetzungen lateinischer werke.
Vor allem ist hier zu neiinen die Übertragung der schrift,
welche ja in keiner literatur, die während des M. A. zu irgend
welcher bedeutung gelangte, fehlt, die Übertragung der conso-
latio philosophiae des Boethius. Doch besitzen wir in der ar-
beit des königs keine wortgetreue Übersetzung, sondern eine
freie bearbeitung in prosa. Von einschaltungen Aelfreds ist
hauptsächlich eine im 2. buche erwähnenswert, wo er die grund-
sätze seiner regierung darlegt. Gerade die schrift des Boethius
muste bei der Vorliebe der Angelsachsen für didaktik sich rasch
verbreiten. Beweis dafür ist auch eine etwa ein Jahrhundert
später entstandne bearbeitung in alliterierenden versen, welche
wesentlich auf Aelfreds arbeit beruht 2).
Eine andre Übersetzung ist die des geschichtswerkes von
Orosius, welches gerade seiner tendenz wegen im M. A. sehr
beliebt war. Auch hier ist viel eingeschaltet z. b. die geogra-
phie von Germanien.
^) Schon Thomas Wright hat, in der Biographia Britannica Literaria
I hd. Anglo-Saxon period. London 1842 pag. 400 — 403 , hinlänglich nach-
gewiesen, dass die metrische bearbeitung der metra nicht von Aelfred
sein kann. Grein hat ausserdem auch darauf aufmerksam gemacht, dass
der Verfasser des gedichtes sich gerade neben Aelfred stellt nnd ihn als
seine quelle angibt (Vgl, BibL der ags. poesie. bd. II pag. 412 ff.)
Beiträge znr geschichte der deutschen spräche. I. 17
Digitized by
Google
242 WÜLCKER
In gleicher weise verfährt der könig bei der bearbeituiig
der kirchengeschichte des Beda, in der er uns vieles aus sei-
nen eignen kenntnissen über Säd- und West-England bringt.
Ausserdem besitzen wir von ihm an rein - theologischen
werken eine Übersetzung der Cura pastoralis mit der schon er-
wähnten trefflichen einleitung. Auch eine Übersetzung derSoli-
loquien des Augustinus wird, wol mit recht, dem könige zu-
geschrieben 3).
Ganz selbständig scheint Aelfred in einem uns leider rer-
loraen werke verfahren zu sein. Er selbst nennt die schrift
Enchiridion: aus anführungcn bei William of Malmesbury u. a.
geht hervor, dass darin die geschichte des angelsächsischen Vol-
kes und des westsächsischen königshauses behandelt war.
Stellen wir zu so hohen Verdiensten, welche Aelfred sich
um die bildung seines Volkes erwarb, noch, dass er sein land
mit einer neufengesets^bung beschenkte, und diese gesetze auch
mit kräftiger band durchftlhrte, so konnte es nicht ausbleiben,
dass die Angelsachsen diesen flirsten als volkslehrer unä ge-
setzgeber, von dem alle bildung ausgegangen wäre^ liebten.
Noch höher aber stieg diese liebe und würde zur innigsten Ver-
ehrung, als zwei Jahrhunderte später das land unter dem drucke
der fremdherschaft seufzte und mit wehmütigem verlangen nach
jenen zeiten zurücksah, wo es im innern des friedens, mächti-
gen Schutzes aber nach aussen hin sich freuen durfte, nach den
Zeiten Aelfreds.
Das eine gut, wofür Aelfred sein leben eingesetzt hatte,
die Selbständigkeit- des landes, ging zwar durch die norman-
nische erobrung verloren, doch am andern, an der einheimischen
bildung, hielten die Angelsachsen desto hartnäckiger fest und
bald schrieb man alle volkstümliche bildung diesem flirsten zu.
So sagt schon der chronist Ethelwerd, der wahrscheinlich
am anfange des 11. jh. lebte'*), von Aelfreds werken &):
3) Wir besitzen von diesem werke nur ein bruchstück in einer hs.
der Cottoniana) Vitellius, A XV. Schluss lautet: beer endiatü pa cwidas
pe Aelfred kining altes of pcere hec pe we hatati on . . . Eine Über-
setzung des ganzen bruchstückes findet sich Vol. III. pag. 83 — 118 der
Whole Works of King Aelfred the Great. London 1858.Jubilee Edition.
*) Thomas Wright a. a. o. pag. 522 ff. gibt an, dass Ethelwerd noch
im jähre 1090 gelebt habe. Richtiger ist wol in dem chronikenschreiher
Digitized by
Google
ÜBER DIE NAGS/SPRÜCHE ALFREDS. 243
Nam ex Latino rhetorico fasmate inpropriam verterat lin-
guam Volumina, numero ignoto, ita varie, ita praeopime, ut
nou tantum experti^-ibus, sed et audientibus über Boetii la-
chrymosus quodammodo suscitaretur motus.
Wir sehen also, dass gewis damals schon viele bttcher,
welche nicht vom könige stammten, ihm zugeschrieben wurden.
Es darf uns daher nicht wundem, wenn im zwölften Jahrhun-
dert Sammlungen weiser lehren und sprttche, die Aelfred als
ihren Verfasser angaben, umliefen. Hat doch Aelfred seinen
Übersetzungen viele weise aussprdche eingemischt und ganz be-
sonders bot die Übertragung des Boethius anhaltspunkte eine
solche Spruchsammlung diesem fürsten zuzuschreiben.
Für das Vorhandensein solcher Sammlungen haben wir fttr
das 12. jh. das zeugnis zweier Chronisten:
Ailred von Riveaux, welcher in der grafschaft York von
1109—1166 lebte, sagt«) von Aelfred:
In diebus autem pacis non ocio torpuit aut vanis specta-
eulis ociosisve discursibus tempus perdidit, sed legere et scri-
bere et sacros apices in linguam AngUcam vertere laborabat
Extant parabolae ejus plurimum habentes aediflcationis, sed et
venustatis et jocunditatis. Leges Christianissimas et scripsit
et promulgavit, in quibus fides ejus et devotio in Deum, solli-
citudo in subditos, misericordia in pauperes, justitia circa om-
nes eunctis legentibus patet.
In den Annales Ecclesiae Wintoniensis, die bis 1186 gehen
und also wol um diese zeit abgefasst sind, wird von unserm
könige gesagt*^):
einen Zeitgenossen Aeltrics zu erblicken, wie es Thomas Duffus Hardy
tut (Tgl. Descriptive Catalogue of Manuscripts relating to the history of
Great Britain aud Ireland. Vol. I part. 2. pag. 571 No. 1160). Nach Hardy
hat Ethelwerd am anfange des 11. jh. geschrieben. Damit stimmt auch,
dass die chronik mit 975 dem todesjahre Edgars schliesst. Im allgemeinen
ist dieses werk ein magrer auszug aus der angelsächsischen chronik. Allein
gerade die oben erwähnte stelle ist von Ethelwerd hinzugesetzt, in der
angels. ehr. findet sich nichts ähnliches.
*) vgl. Ethelwerdi chronic, libri IV im I. bde. der Scriptores Rerum
Britannicarum Medii Aevi pag. 519 A.
* ^) vgl. Historiae Anglicanae scriptores X ex vetustis mss. ed. a Bogero
Twysden. Londini 1652. Vol. I pag. 357. — Ein exemplar dieses seltenen
huches ist auf der Stadtbibliothek zu Frankfurt am Main.
^) vgl. Anglia Sacra sive collectio historiarum de archiepiscopis et
17*
Digitized by
Google
244 WÜLCKER
Iste regum Anglorum ante dies suos rüde et incompositum
totuin erudivit et informavit ad regulam. In proverbiis ita
enituit, ut nemo post illum amplius.
Während wir also aus Nordengland und Schottland nach-
richten haben, dass Spruchsammlungen unter Aelfreds namen
im Volke bekannt waren, sind wir so glücklich aus dem süd-
licheren England noch ein solches werk zu besitzen.
In der uns erhaltnen gestalt ist es wol nicht vor ende des
zwölften jahrh. abgefasst werden, obgleich sich darin, wie ich
unten zeigen werde, ältere teile absondern lassen 8).
Wir haben von vier hss. dieser Sprüche nachrichten. In
betracht kommen jedoch nur drei, da die angäbe über eine
vierte wol auf Irrtum beruht. Kemble berichtet nämlich von
einer hs. dieses werkes, welche sich zu Oxford im Lincoln College
befinden solP), allein alle nachforschungen, die ich bisher an-
stellte und anstellen Hess, blieben erfolglos.
Die drei hss., die zu betrachten sind, zerfallen in zwei
gruppen.
• Die erste gruppe enthält einen umfangreicheren text und
ist vertreten durch zwei hss:
I. hs. zu Cambridge, Trinity College, B. 14, 30.
Hiernach wurde der text gedmckt in den Reliquiae
Antiquae ed. by Wright and Hälliwell, London 1841
— 1843. Vol. I pag. 170 ff. — ferner von Kemble in:
the dialogue of Salomon and Saturnus. Printed for
the Aelfric Society London 1848. pag. 226 ff. — neu-
erdings wurde der text nach Wright und Kemble ge-
druckt in Old English Miscellany ed. by Rev. Richard
Morris: London 1872. Early English Text Society
. No. 49 pag. 103 ff. Leider konnte Moms das Original
nicht mehr vergleichen, denn es ist gestohlen ^^j^
IL hs. zu London, British Mus. Cotton. Galba, A XIX ^i).
episcopis Angliae. Londini 1691. Vol. I pag. 289.
8) Die uns erhaltnen hss. sind nach Sir Frederic Madden aus dem
13. jh. Vgl. Warton, History of English Poetry ed. Hazlitt. London J871.
Vol. I pag. 176 anm. 2.
3) vgl. Kemble, dialogue of Salomon and Saturnus pag. 225.
*®) vgl. Morris a. a. o. Preface pag. IX.
") Hierdurch nehme ich das in diesen beitragen pag. 64, anm. 22 ge-
Digitized by
Google
ÜBER DIE NAGS. SPRÜCHE ALFREDS. 245
darüber weiteres unten. Die hs. ging bei dem grossen
brande der Cottoniana^ Oktober 1731, zu gründe.
Aus der zweiten gruppe ist eine hs. erhalten:
III. hs. zu Oxford, Jes. Coli. I, 29.
Diesen text veröffentlichte zuerst, nach Maddens ab-
schrift, Wright in den Rel. Ant. a. a. o. — Neuerdings
wurde diese lis. abgednickt von Morris a. a. o. pag. 102 ff.
In betreff der Cotton hs. hat man sich bisher damit be-
gnügt, zu beklagen, dass sie verbrannt sei und dass Wanley
bei Hickes so spärliche angaben gemacht habe. Wanley gibt
nur die ersten 30 zeilen^^). Doch wir entdecken an anderer
stelle hinlängliche auskunft, um vollständig diese hs. unterbrin-
gen zu können. Es findet sich diese im leben Aelfreds von
Spelman^^). Eigentümlicher weise hat man niemals, den von
Spelman nach einer abschrift des Thomas Cotton gegebnen text
zur herstellung streitiger stellen benutzt, auch Dr. Richard
Morris hat dies unterlassen. Es scheint also, dass auch in
England selbst dies buch in Vergessenheit geraten ist, ein grund
mehr hier genauer darauf einzugehen.
So weit wir den von Wanley gegebenen text vergleichen
können, stimmt er bis auf kleine Irrtümer, welche Cotton oder
Spelman zur schuld fallen. Man vergleiche beitrage pag. 64
anm. 22. Bei Spelman lautet der text:
1. At Siiford
seten j^aynes many
feie biscopes
and feie boclered,
5. earlcs prüde,
knilits egloche.
]7er was erle Alfiich
sagte zurück, dass das Cotton ms. mit Jes. Coli. ms. eine gruppe bildete.
Damals stand mir für erste hs. nur die dürftige probe bei Wanley zu
geböte. Durch Spelman bin ich eines bessrern belehrt worden und glaube,
dass nach den unten folgenden ausführungen jeder beistimmen muss, dass
Cotton ms. zur I. gruppe gehörte. Meine damalige behauptung gründet
sich auf Übereinstimmungen von Cotton und Oxf. ms. in zeile 7 (Alvrich)
und 15—19.
'2) Wanley bei Hickes, thesaurus linguarum Septentrionalium. Oxford
1705. pag. 231.
^^) Aelfredi Magni Anglorum Regis Invictissimi vita tribus libris
comprehensa a Dr. Johanne Spelmnn. Oxonii, 1678 pag. 93 — 97.
Digitized by
Google
246 WÜLCKER
of pe läge swu}? wise
and ec Alfred,
10. Engle hirde,
Engle derling,
on Englond he was king.
Hern he gan leren,
swo him heren mihten,
15. hu hi here lif
• leden scolden.
Alfred he was on Engelond
a king wel swij^e sträng,
he was king and clerk,
20. wel he loved Gods werk,
he was wise on his word
and war on his spech,
he was pe wiseste man,
]7at was on Engelond.
25. )?us qua)? Alvered,
Engle frofre:
Wolde )?e nu Üben
and lusten yure loverd
and he you wolde wisen
30. wiseliche winges.
Ich habe den text Spelmans buchstäblich hergesetzt. Mit
dem von Wanley verglichen, zeigt er manche Verlesungen. So
z. 27 pe fllr ye. Üben fllr lipen, winges für pinges^ fehler,
welche bei den betreifenden buchstaben leicht möglich sind.
Auch der weitere text soll hier buchstäblich abgedruckt
werden. Mit hülfe der Cambridge hs. (C) und der Oxford hs.
(0) lassen sich die fehler leicht bessern. .
Hu ye mihten werlds
wurj>e cipe weiden
and ec yure soule
samne to eriste.
35. Wise weren |7e cwej^en
)?e Saide l?e king Alfred:
Mildeliche imune yu,
mine dere frend,
arme and edi lede
10. luviende )?at ye all dred
yure drihten Christ
luviend him and licen.
For he is louerd of lif,
he is one God
45. over all Godnesse,
Digitized by
Google
ÜBER DIE NAGS, SPRÜCHE ALFREDS. 247
he is one blisse
over all blessedness,
he is one manne
milde master,
50. he one folce fader
and frofre,
he Ib one rihtwise
and riche king,
]7at him ne scal be pane
55. noht of his will,
hwo him here on werld
wur|?end and e{>.
)?us ewa)? Alvred
Engle frofre;
60, He mai no riht cing
ben under erist seife,
but he be boclered
and wise o loage
and he hise writes
65. wel icweme,
and he cunne letres
locen him seife,
hu he sceal his lond
lageliche beiden.
70. J?us cwa}? Alvred,
Engle frofre:
)7e earl and J^e aj^eling,
\>o ben under )7e cing,
pe lond to leden
75. mid lagelich deden.
Bo)?e )?e clerc and pe cniht
demen evenliche riht
For after ]7at ]>g man sowe)?,
\>ev after he scal mowen
SO. and efr ilces mannes dom
to his ogen dure charige]?.
|ms cwaj? Alvred:
pe cniht behove)?
ceneliche to mowen
85. nor to werce ]>e lond
hunger and of heregong,
]7at pe chureche have gri]?
and )?e cherle be in fri)>
his sedes to sowen,
90. his medes to mowen,
his plowes to driven
to ure alre bilif.
Digitized by
Google
248 WÜLCKER
piß es pe cDihtes läge
94. to locen, ]7at it well fare.
In Cottons abschrift ist mancherlei offenbar modernisiert,
hauptsächlich hat er ofte, die später verstummten, weggelassen,
doch auch sonst finden sich willkürliche änderungen z. b. well
statt fvel u. a.
So weit gibt Spelman den angelsächsischen text. Ver-
gleichen wir ihn mit C und 0, so kann es noch zweifelhaft
sein, welcher gruppe er angehört. Für nähere verwantschaft
mit C spricht z. 1. Sifford, z. 39, auch 64 u. folgende schliessen
sich näher an C, fenier hat zwischen 77 u. 78 0 zwei verse,
welche den beiden andern hss. fehlen. Uebereinstimmungen
der Londoner hs. (L) mit 0. sind: z. 2. L. paynes (nach Spel-
man), Peines (nach Wanley) ebenso 0, hingegen C. kinhis. z. 7
L. u. 0: Alurich, C Alfred'^ auch zeile 17, 18 in L stimmen mit
0, nicht mit C, ebenso hat L vers 37 u. 38, welche C fehlen.
Allein trotzdem beweisen die weitern verse in hs. L., dass sie
zur ersten gruppe gehört.
Spelman gibt von den folgenden versen nur einzelne und
diese leider nicht angelsächsich, sondern nur lateinisch.
Gleich der nächste spruch ist wichtig für unsre Untersu-
chung. 0 schiebt hier einen spruch ein, bei Morris No. 6^*}
Er stört die ganze anordnung. Speimann gibt als fünften sprach:
Sic inquit Aelfredus: Parvi sunt divitiae sine sapientia;
nempe si cui contin gereut centum septuaginta jugera auro con-
sita, si segetis instar late flavesceret metallum, tamen opes illae
ingentes, nihil nobis conducerent, nisi prius ex inimicis amicae
fierent. Quid enim lapidi interest aurum, quo non prudenter
utaris? — Einblick genügt sicli zu überzeugen, dass Spelmans
spruch 5 dem spruch 6 in C, 7 in 0 entspricht. Dass 5 bei
Spelman 6 in C gleich ist, kommt dadurch, dass Sp. die ein-
leitende Strophe nicht mit zählt und erst bei z. 25 die Zählung
beginnt. Dadurch bleiben seine nummern stets um eins bei
Morris zurück. L hat also, so wenig als C, den eingeschobnen
spruch gekannt.
Es folgt nun bei Spelman spr. 6 = 7 in C, 8 in 0.
**) Morris a. a. o. pag. 108. — Die nummern der Sprüche von C und
0 sind nach Morris angegeben, die von L nach Spelmans Zählung.
Digitized by
Google
ÜBER DIE NAGS; SPRÜCHE ALFREDS. 249
Sic inquit Aelfredus: Juvenis ad malum ne unquam de-
clinet, etiamsi bonum illinon eyeniat exanimi sententia; neque
Omnibus, quae velit, fruatur. Potest enim, ubi volet Christus,
post malum conferre bonum ejt divitias post gratiam. 0 vere
beatum qui ad id conformatus est.
Aus dem lateinischen geht hervor, dass Cotton „gunge
mon" las, nicht wie Kemble „gise mon^^)".
Nun überspringt Spelman viele verse und übersetzt erst
wider No. 13, also = 14 in C. Aber gerade dieser spruch
ist wichtig für uns. Denn 0 hat ihn ganz ans ende als 23
gestellt*^). Wir sehen, dass L ihn genau an derselben stelle
hatte, wie C und ebenso wenig, als diese, das anhängsei kannte,
welches 0 ihm gibt Er lautet:
Sic inquit Aelfredus: Filius sapiens est benedictio patris.
Si tibi puer coritigerit, dum adhuc parvus est, praeceptis eum'
imbue, quae ad virum spectant; et ubi adoleverit, iis adhae-
rebit ; ita demum evadet, qui tibi gratiam rependat. Sin ipsum
propriae libidini permiseris, adultum jam serotui pigebit; suo-
que tutori male precabitur. Tunc tibi monenti filius obtempe-
rare recusabit, tibique optabilior fuisset orbitas. Praestat enim
puero nunquam nasci, quam non castigari.
Es folgt darauf der spruch 27 und 28 = 28 u. 29 in C i^).
Beide sind sehr wichtig für uns. Denn der erste der beiden
fehlt in 0 gänzlich, der zweite steht dort an ganz anderer stelle,
nämlich als No. 21. Ein neuer beweis für die Übereinstimmung
von L und C.
Sic inquit Aelfredus: Si natu grandior factus opibus qui-
dem abundes, quibus Interim frui non possis, insuper viribus
ad tui regimen destituaris, tum quae dominus tibi commoda-
verit, gratus recole; vitam tuam et lucis usuram, caeteram etiam
delectationem , quam hominibus paravit. Et quicquid demum
de te fiat, addas: Velit Dens quod volet; Dei voluntas mihi
erit gratissima.
Sic inquit Aelfredus: Affluentia secularis demum ad ver-
mes redit, ejusque gloria versa in pulverem et vita cito transit.
^^) vgl. Morris pag. 111.
*«) vgl. ebend. pag. 128 ff.
") vgl. ebend. pag. 124 u. 134.
Digitized by
Google
250 WÜLCKER
Et si cui contingßret etiam totius terrarum orbis imperium
opumque quae iij^.illo sunt omnium, tarnen vitam ad breve
modo tempus retinere poterit Tota mundi hujus felicitas ad
miseriam tuam solummodo jaleret, nisi Christum tibi aoquireres.
Cum igitur vitam ad coelestem doctrinam componamus, tum
commodis nostris vel m^me inservimus. Tunc enim is nos
certo sustentabit. Ita oiamque Salomon ille sapiens nos edo-
cuit; bene est ei qui bewefacit in hoa seculo, nam ad extremum
eo pervenit, ubi bonum reperiet.
Als letzte probe gibt Spelman spruch 29 = 30 in C. Hier-
mit ist bewiesen, dass L, wie C, 2^' ende noch mehr Sprüche
hatte, als 0.
Sic inquit Aelfredus; Mi chare fili, propter me nunc con-
sideas et veros monitus tibi tradam. Mi fili sentio supremam
horam mihi instare. Genae mihi pallescunt. Dies mei prope
decursi sunt. Digrediendum est nobis. Ego quidem in alium
orbem eo: tu vero solus relinqueris omnium mearum opum
haeres. Obsecro te, sicut es filiusmihi praecharus, da operam
ut populo tuo patrem ac dominum te praebeas. Esto pupillo-
rum parens et quantum in te fuerit, corrige quod pravum est.
Te vero ipsum, fili; ad normam legum dirigas; ita dominum
habebis propitium et Dens super omnia erit tibi merces. Hunc
invoca tibi consiliarium , quoties consilio opus fuerit, ita tibi
erit adjumento, quo id consequaris, quod eflfectum velis.
Obgleich dieser spruch der letzte ist, welchen Spelman
übersetzt, war er nicht der letzte in L. Er trägt No. 29, Spel-
man aber sa^ ^^): ^,
Quare cuhi si^J^papit^la dictorum regis triginta unum, quo-
rum singula/^b -Wf-jocibus qrdiuntur: Sic inquit Aelfredus, nee
omnia nee iategrj^^scribam.
Wir habes^g9sehei% daas Wsher alle Sprüche bei Spelman
der hs. C entepTochea,iabeö, is?enn wir das erwähnte Verhält-
nis mit der nuiiimer beachten, und so dürfen wir gewis auck
annehmen, dass der letzte, der einunddreissigste sprueh in h
mit dem 32. in C tibereinstimmte i^) und ^r schluss in L %lfio
lautete:
*8) a. a. o. pag. 94.
»9) vgl. Moiris pag. 137.
Digitized by
Google
ÜBER DIE NAGS. SPRÜCHE ALFREDS. 251
Y&ix he be wi^uten stille,
he bit wi]7inen hille,
and al he bifulit his frend,
]>en he him nnfoldit.
Auf grund vorausgehender Untersuchung darf man also für
die Zukunft behaupten: die hs. Galba A XIX gehörte mit der
Cambridge hs. zu einer gruppe, jedoch, wie die abweichungen
von C am anfange beweisen, floss nicht etwa eine der beiden
hss. aus der andern, sondern beide beruhen nur auf einer ge-
meinsamen quelle. Am ende hat C noch zwei sprüche mehr.
Nun zum Schlüsse unsrer handschriftenuntersuchung noch
eine Vermutung, welche ich hauptsächlich den englischen ge-
lehrten zur erwägung und nachforschung empfehlen möchte.
Spelman hat eine copie der Londoner hs., von Thom. Cotton
angefertigt, besessen, nach welcher er seinen text gab 20). Er
stand in enger Verbindung mit Oxford, als lehrer daselbst.
Sollte sich daher nicht vielleicht diese abschrift Cottons irgend
wo in Oxford finden, sollte dieselbe nicht vielleicht die hs. sein,
welche Kemble im Lincoln College gesehen haben will?
Man war bisher gewohnt, die uns vorliegende spruchsamm-
lung als ein ganzes zu betrachten, wovon C (und L) den voll-
ständigeren text liefere 21). Es soll nun gezeigt werden, dass
wir es hier mit einigen Sammlungen zu tun haben, welche nur
lose zu einem ganzen vereinigt sind. Vorher jedoch sei eine
Übersicht gegeben, wie sich die sprüche der einzelnen Samm-
lungen zu einander verhalten. Die Zählung ist nach Morris
gegeben:
Oxford. Cambridge. London.
1 1 122)
2 2 1
**) Der Vollständigkeit halber sei hier angeführt, dass sich eine neu-
englische Übersetzung der von Spelman gegebnen sprüche findet in der
oben erwähnten jubelausgabe der werke Aelfreds. Vol. III. pag. 83—118.
2*) Wright in der Biogr. lit. I 395 ff. erwähnt, dass die sprüche an
das Volk und seinen söhn gerichtet seien; ohne es aber weiter auszu-
führen.
**) So bezeichne ich die von Spelman nicht mitgezählte einleitung.
Nochmals sei erwähnt, dass durch diese art der Zählung stets die sprüche
in L um eine nummer gegen C zurückbleiben,
Digitized by
Google
252
WULCKER
Oxford.
Cambridge.
London
3
3
2
4
4
3
5
5
4
6
,
,
7
6
5
8
7
6
9
8
10
10
11
9
1-2
11
13
12
14
13
15
16
16
17
17
(21
(20
18
26
19
19
20
23
21
29
28
22
26
,
23
14
i:
j
Die Sprüche 15, 18, 22, 24, 27 und 28 (= 27 in L) von
der Cambridge hs. haben also keine entsprechenden in 0.
In der einleitenden Strophe wird beschrieben, wie könig
Aelfred eine grosse Volksversammlung hielt und dabei die lehren
erteilte. Die nun folgenden sprtlche beginnen sämmtlich: pus
quad (quep) Alfred, Englme frouere oder nur: pus quad Alfred,
Der 30. vers in C {= 29 in L) ist der erste, welchen 0
nicht mehr hat, wenn wir von den in 0 dazwischen fehlenden
vorerst absehen. Der anfang lautet:
Sone min swo leue,
Site me nu bisides
and hieb J^e wile sagen
soJ?e |?ewes.
Sone min, ich feie
l?at min hew talewid)?
and min wlite is wan
and min herte woc,
Digitized by
Google
ÜBER DIE NAGS. SPRÜCHE ÄLEREDS. 253
mine dagis arren nei done;
and we sulen unc todelen,
' wenden ich me sal
to )?is o)?ir werlde
and ]>n salt blleuen
in alle mine wel}?e.
Hier haben wir es offenbar mit einer neuen Sammlung zu
tun. Vorher sprach Aelfred zum versammelten volke, jetzt zu
seinem söhne. Man beachte auch den dual unc in s^ßile 10,
vorher stand stets pluraL In den frühem Sprüchen lesen wir
nichts, was darauf deutet, Aelfred habe die lehren in hohem
alter gegeben, hier im 30. verse führt ihn der dichter als lebens-
müden greis uns vor. Nach den oben gegebnen stellen aus
Chronisten Nordenglands und Schottlands sind wir berechtigt,
anzunehmen, dass mehrere Spruchsammlungen unter Aelfreds
namen umliefen, in unseren hss. C und L konnten mehrere
derselben vereinigt sein, während 0 sich mit einer begnügte.
Es handelt sich also nur darum: bilden die 29 ersten Sprüche
ein abgeschlossnes ganze und zeigt der letzte vers einen wirk-
lichen abschluss?
Das ende, welches 0 hat, ist kein schluss. Die letzten
Worte in 0 sind:
]fe mon j^e sparej^ yeorde
and yonge childe
and let hit arixlye,
]7at he hit areche ne may,
Y&t him schal on ealde
sore reowe. Amen.
Expliciunt dieta regia Aluredi.
Stünde hier nicht: Amen, so glaubte kein mensch, dass die
Sammlung zu ende sei. Wie in 0 kann der schluss ursprüng-
lich nicht gelautet haben. Allein in C und L findet sich auch
unser vers an ganz andrer stelle, als No. 14. C undL haben
vor dem oben angeführten spruche zwei, wovon der eine 0
gänzlich mangelt, der andere dort an einen sehr unpassenden
platz gestellt ist Der Inhalt der zwei erwähnten verse ist
kurz folgender: V. 28. Bist Du im alter arm und krank, so
danke doch gott flir alles, was er dir in deinem leben gutes
erwiesen hat und noch tagtäglich erweist
And hweder so Jju hwendes,
sei |?u aten ende:
Digitized by
Google
254 WULCKER
wr{>e ]7ad iwui*)?e
iwur)?e Godes wille!
V. 29: Irdische guter zerstört der wurm und durch £ein
kleinod vermag der menscli auch nur eine kurze weile sein
leben zu verlängern. Zur bestimmten stunde muss jeder von
hinnen und alle seine lust kehrt sich in leid, wenn er nicht
auf erden nach Christi gebot gelebt hat:
For swo Saide Salomon,
' ]>e wise Salomon:
wie is }7ad wel do)?,
hwile he is in J^is werld;
euere at pen ende,
he eomid per he hit findit.
Einen bessern abschluss für diese Sammlung könnten wir
gar nicht finden. Zugleich zeigt aber auch diese bemerkung
wider, dass wir in der gruppe I einen bessern ursprünglicheren
text haben, trotz mancher fehlerhaften lesarten, als in 0.
Betrachten wir nun diese 29 an dasvolk gerichteten Sprü-
che näher, so zerfallen diese widerum in zwei teile, welche
ursprünglich wol als selbständige Sammlungen undiefen. Ich
gebe den Inhalt derselben nach C.
Der 1. abschnitt enthält, wie wir gesehen haben, die he-
schreibung, unter welchen umständen Aelfred die folgenden leh-
ren gegeben habe.
2. Gott sollen wir über alles lieben. Er ist herr aller
herren, in ihm allein ist glück und Seligkeit Selig darum, wer
gottes willen tut.
3. Ein könig soll gelehrt sein, damit er lesen und durch-
forschen kann die gesetze, nach welchen er zu regieren hat
4. Ritter und geistliche sollen richten, aber gerecht, denn
wie jemand säet, so wird er ärnten.
5. Der ritter soU das land gegeif feinde schützen, damit
die kirche23) friede habe und der bauer in ruhe sein feld be-
stellen kann.
6. Ohne Weisheit aber nützt es nichts ein reicher, vorneh-
mer mann zu sein. Denn gold ist nur stein, wenn der besitzer
nicht auch ein weiser mann ist.
7. Nicht gebe sich ein junger mann demunmute hin, wenn
^3) So ist die lesart in L undO. Chat verderbt: />at pe riche habbe
gryt vgl. Morris 109.
Digitized by
Google
ÜBER DIE NAGS. SPRÜCHE ALFREDS. 255
nicht alle seine wünsche sich erflilleu. Oft gibt gott last nach
leid, nach weh wonne.
8. Schwer ist es gegen die Strömung zu rudern, so auch
gegen das unglück anzukämpfen ist schwer. Gltiklich wer in
der Jugend spart, auf dass er im alter genug habe.
9. Wer aber reich ist, der sei nicht stolz. Denn gott hat
die guter uns gegeben, er kann sie auch wider nehmen. Sicher-
lich müssen wir beim tode alle reichtümer zurücklassen.
10. Mancher hofft auf langes leben. Allein unvermutet er-
scheint der tod und gegen ihn ist kein kräutlein gewachsen.
Niemand weiss seine todesstunde, ausser gott allein.
11. Darum vertraue nicht auf schätze und reichtum, son-
dern auf gott. Alles irdische vergeht, gott aber bleibt ewig.
Mancher hat durch reichtum schon seine seele verloren.
Hier fühlt man einen abschluss und wirklich haben wir in
12 eine neue einleitung. Wir dürfen also v. 1 — 11 ind. als
eine besondre Sammlung betrachten und zwar wol als die äl-
teste. Für letzteres spricht, dass alle Sprüche, ausser No. 4,
in alliteration geschrieben sind 2*). Der Inhalt der lehren aber
lässt'sich wirklich in den verschiednen werken Aelfreds, be-
sonders in der Übersetzung des Boethius, nachweisen. Halten
wir sie aber mit v. 12 — 29 incl. zusammen, so enthalten sie
allgemeine leliren, v. 12 — 29 mehr klugheitsregeln flir bestimmte
fälle des lebens. v. 2 — 11 können daher recht gut wirklich
Aelfreds werken entnommen sein und daher ihren namen „pro-
verbia Alfredi" mit recht verdienen. Spruch 4 stammt aus
späterer zeit, wahrscheinlich von dem geistlichen, der den Sprü-
chen die gestalt gab, in welcher sie uns überliefert sind. Für
spätere entstehung spricht äussere form und Inhalt. Man sieht
er ist von einem pfaffen nur geschrieben, um die gleichberech-
tigung des geistlichen richteramtes neben dem weltlichen her-
vorzuheben und als von könig Aelfred gebilligt zu zeigen:
J7e herl and )?e hej^eling
\fo ben under l?e king
]?e lond to leden
**) Dabei ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass öfters sich zufällige
reime finden. Aehnliches kommt schon m viel früherer zeit vor. Vgl.
z. b. Phoeftix V. 16: ne forstes fncest, ne fyres hleesiy ne hägles hryre, ne
hrmes dryre; ebenso v. 52 u. anderswo.
Digitized by
Google
256 WÜLCKER
mid lauelichi dedin
boj7e J?e clerc and \fe cnict
demen euenliche riet.
Aeusserlich ist der reim durchgeführt. Die ftirsten und
edeln sollen das land nach den gesetzen beherschen. Nun
kommt auf einmal: Geistliche und ritter sollen nebeneinander
die gerichtspflege ausführen. Die absieht jenes einschiebsels
liegt klar vor äugen. Eine logische Verbindung zwischen z. 5
u. 6 mit dem vorhergehenden ist nicht da. Ausserdem wider-
spricht der vers den regierungsgrundsätzen Aelfreds, welcher,
trotz all seiner frömmigkeit, den geistlichen eine solche macht
nicht einräumte. Endlich kennt Aelfred nur drei stände:
ritter, geistliche und bauem 25)^ nicht noch einen der fiirsten und
adelinge. Dieser letzte unterschied schmeckt sehr nach der
normannischen Verfassung. Offenbar also ist gedachter sprach
nicht mit den andern gleichzeitig entstanden.
Der eingang in 12 lautet:
}?U8 quad Alfred;
Lustlice luBtuie
. . . lef dere
and ich her .gu wille leren
wenes mine
wit and wisdome,
)?e alle welj^e ouure god^«)
Er ähnelt also sehr dem anfange in v. 2.
13. Hast Du sorgen, so behalte sie für dich und teile die-
selben niemanden an, dc^nn selten findet man einen teilnehmen-
den freund.
14. Ein weises kind ist die freude des vaters, lehre darum
dein kind Weisheit, damit es dir ehre niache; denn besser ist
kein kind, als ein ungeratnes.
15. Halte mass im trinken, sonst wird es dich reuen.
16. Wähle kein weib seiner Schönheit wegen, oft trtlgt der
schein. Wehe dem, der ein übles weib hat.
25) Diese einteilung galt auch noch in späterer ags. üeit. Man ver-
gleiche die abhandlnng, welche Aelfric zugeschrieben wird: Ms. Cotton.
Nero, A I. Abgedruckt bei Wright, Political songs of England. London,
1839. Camden Society p. 363 ff.
2*) So ist zu lesen statt des sinnlosen />e aüe rvelpe on ure god
der hs.
Digitized by
Google
ÜBER DIE NAGS. SPRÜCHE ALFREDS. 25t
17. Niemals teile geheimnisse deinem weibe mit; dasselbe
wird sie sonst leicht verraten.
18. Auch gegen deinen freund sei vorsichtig. Oft schon
wurden die besten freunde die grösten feinde.
19. Häufig traut man einem falschen freunde. Aber trau,
schau wem?
20. Mancher apfel ist aussen schön und innen bitter. So
ist manche als mädchen liebenswürdig, als frau ränkevoll.
21. Eitelkeit lehrt die frau oft schlimme dinge, darum soll
sie nicht die herschaft im hause führen.
22. Hast du einen treuen freund, so bewahre ihn dir, denn
ein treuer freund ist ein grosser schätz.
23. Durch gespräch wird der mensch weise, durch alter
klug. Fliehe daher sünde und trug, sei weise und du wirst
von allen geschätzt werden.
24 Bist du reich und mächtig, so behandle deine unter-
gebnen nicht hart, denn bald wird ein andrer nach dir her-
sehen und nur dein andenken wird fortleben. Sorge darum,
dass du dir einen guten ruf erwirkst.
25. Traue dem rate deiner frau nicht zu sehr. Weiberrat
ist kalter rat.
26. Hadre nicht mit toren, ein mann vermag viel durch
weise rede.
27. Das alterbringt viele leiden. Hast du im alter grosse
reichtümer, so verteile dieselben. Doch wenn du auch noch
so viele beschenkst, bald wirst du vergessen sein.
28. Wenn du im alter arm bist, so danke doch gott ftlr
alles gute, was er dir. erwiesen hat. Und was auch geschehe,
ergib dich in gottes willen.
29. Wahre Weisheit ist, gott zu lieben und seine geböte zu
halten. Dereinst wird er uns dafür lohnen.
Man sieht, die gedankenverbindung zwischen den einzelnen
Sprüchen ist hier eine weit lockerere, als im ersten teile. Im
allgemeinen ist auch hier die alliteration angewant, eine aus-
nähme machen No. 25 u. 26, welche gereimt sind. Doch sie
unterbrechen auch sehr ungeschickt den ganzen gedankengang
und mögen vom spätem tlberarbeiter erst hinzugesetzt sein.
Dass dieser ein geistlicher war, scheint mir ausser dem oben
angeführten gründe auch sein stark ausgesprochener weiber-
Beiträge zur geschichte der deatschen spräche. I. IS
Digitized by
Google
258 WÜLCKER
liass, der sonst durchaus nicht im wesen der Angelsachsen lag,
zu beweisen.
Mit sprach 30 beginnt nun die neue Sammlung, welche
Unterweisungen eines vaters an seinen söhn enthält 27). Das
Verhältnis zwischen C und L ist hier:
C. 30 L. 29
31 30
32 31
33 —
34 —
Spruch 30 und 31 sind in alliteration geschrieben und
geben allgemeine lehren. 32, 33, 34 sind gereimt 2») und be-
ginnen alle: Sorte min so dere oder leue sone dere, ne ches pu
neuere io fere pen . . . mon. Auch diese entstammen gewis
erst deml2.jh. L hat sich mit einem derselben begnügt, Chat
deren drei. Der letzte schliesst:
]>e rede mon he is a qnede
for he wole ]>e J?m iwil rede
he is cocker, pef and horeling
scolde, of wrechedome he is king
Hie ne sige nout bi }?an,
p&t moni ne ben gentile man,
t^aru y\s lore and genteleri
he amendit huge companie.
Ein abschluss ist hier nicht, der dichter oder Schreiber hat
an dieser stelle abgebrochen. Nicht einmal das übliche Amen
findet sich.
Das ergebnis gegenwärtiger Untersuchung ist also: Es
waren im 12. jh. mehrere Spruchsammlungen unter Aelfreds
namen in England im umlaufe. In unsera hss. sind einige der-
selben vereinigt. Die erste Sammlung ging von v. 1 — 11 incl.
Bei V. 12 beginnt eine neue mit neuer einleitung und geht bis
V. 29 incl. V. 11 u. v. 29 zeigen einen vollkommen zufrieden
stellenden abschluss. 0 hat sieh mit diesen zwei teilen begnügt
C und L hatte noch eine neue reihe hinzugefügt, welche mit
V. 30 in C ihren anfang nimmt und einen prolog vorausschickt
Die Sprüche sind ursprünglich in alliteration geschrieben, doch
'^) vgl. Morris pag. 134—139.
23) In V. 32 herscht der reim vor uÄd lässt sich sogar mit geringen
Änderungen durchführen.
Digitized by
Google
ÜBER DIE NAGS. SPRÜCHE ALFREDS. 259
sind in jeden teil von einem späteren Verfasser gereimte lehren
eingeschoben. Von diesem Überarbeiter stammen auch v. 32,
33 und 34 und er gab den Sprüchen, wol in der 2. hälfte des
12. Jh., die uns erhaltne gestalt. Dieser dichter gehörte sehr
wahrscheinlich dem geistlichen stände an.
Für die ansieht, in den Strophen 1 — 11 incl. den ältesten
teil zu sehen, spricht auch der umstand, dass alle drei hss. sie
fast in derselben Ordnung geben, während in v. 12 — 29 incl. 0
sehr von C, L abweicht.
Sehen wir uns nun nach den Schicksalen der sprüche Ael-
freds im 13. jh. und in der spätem zeit um.
Lajamon, der seinen Brut am ende des 12. und am an-
fange des 13. jh. verfasst hat^»)^ scheint unsre sprüche, wenig-
stens V. 1 — 29, gekannt zu haben. Er sagt 3«):
V. 6312. SeotJÖen }?er «fter
monie hundred wlntre
com Alfred pe king,
Englelondes deorling
and wrat ]>3l lagen on Englis^
ase heo wes ser on Bruttisc.
Er nennt also hier Aelfred lEnglelondes deorling gerade wie
er in spruch 1 bezeichnet wird. Doch könnte dies auch ein
weitverbreiteter beiname dieses geliebten fürsten gewesen sein.
Ein stärkerer beweis aber, worauf auch schon beitrage pag.
65 aufmerksam gemacht wurde, ist, dass La^amon sein grosses
werk, statt mit den sonst immer üblichen gebeten und bitten
an den leser, für die seele des dichters zu beten, einfach mit
den Worten schliesst^i):
V. 32232. Aenglisce kinges
walden |?as londes
and Bruttes hit loseden
]7is lond and )7as leoden,
|?at naeuere seot5t5en maere
kinges neoren here.
]7a jet ne com j^aes ilke dsei
beo heonne uorÖ alse hit maei,
29) vgl. beitrage, pag. 66 fF.
*) vgl. Lagamons Brut or chronicle of Britain ed. by Frederic Madden,
3 bde. London 1847. Vol. I, 269 ff.
3») ebend. Vol. III, pag. 296 ff.
18*
Digitized by
Google
560 WÜLCKEß
iwurÖe J^et iwuröe,
iwnrÖe Godes wille. Amen.
Sicher schwebten dem dichter dabei die werte unsrer
Sprüche vor:
sei ]fu aten ende:
wr|?e }?ad iwur)?e,
iwur}?e Godes wille.
Ebenfalls am anfange des 13. jh. bezieht sich ein andres
gedieht häufig auf die aussprtiche Aelfreds: das gedieht vom
streite zwischen Eule und Nachtigall vgl oben pag 68 ff. An
nicht weniger als 16 stellen werden alte Weisheitslehren und
zwar 12 darunter mit ausdrücklicher nennung von Aelfred an-
geführt »2). Diese finden sich Owl a. Night, v. 235, 294, 299,
349, 569, 685, 697, 761, 942, 1074 (derselbe ausspruch, wie 176),
1223 und 1269. Die vier orte, wo Aelfred nicht ausdrücklich
genannt, sind v. 176, 290, 637 u. 1037. Zwar findet sich nur
einer dieser aussprüche, v. 293, in unsrer Sammlung in v. No.
26 wider 33): Er lautet 0. a. N.
Hu Alfred seide on his spelle:
Loke ]7at \fu ne beo l^are,
}?ar charling beo}? and eheste gare,
Lat sottes chidde and for]? pu go.
Aber es heisst v. 235: Alfred hing hit seide and tvroi; 349:
Alfred hit seide and me hit mai in hohe rede; u. oben v. 293:
seide on his spelle: und dies beweist zur genüge, dass sich der
dichter bei seinen Sprüchen auf schriftliche, nicht mündliche
Überlieferung stützte. Es geht daraus aufs neue hervor, dass
in ziemlicher anzahl Spruchsammlungen Aelfreds umliefen, von
welchen aber uns nur einige erhalten sind.
Ein andres gedieht, welches uns aus der ersten hälfte des
13. jh. erhalten ist, scheint direkt an eine stelle unserer Sprüche
anzuknüpfen und den dort enthaltenen gedanken weiter auszu-
führen. V. 10 heisst es:
Monimon wenit,
|?at he wenen ne J^arf,
longer liuis,
ac him scal legen |?at wrench.
3^) die citatesind nach der ausgäbe von H. Stratmann: an old English
poem of the Owl and the Nightingale. Krefeld, 1868.
^) Mätzner hat die andern auch meist in englischen werken nach-
gewiesen (Altengl. sprachproben I p. 304), jedoch haben wir keine gleich-
zeitigen sprnchsammlangen, sondern nur die viel jüngere des Hending.
Digitized by
Google
ÜBER DIE NAGS. SPRÜCHE ALFREDS. 261
Besagtes lied fängt an 3*) nach der Jesus Coli. hs. 29:
Mon^*) may longe lyues wene
Ac ofte hirn lyet5 }?e wrench
Aus dem ende des 13. jh. haben wir noch ein zeugnis fttr
das fortleben der Sprüche Aelfreds in der chronik des Johannes
de Oxenedes. Ueber das leben dieses Schriftstellers wissen wir
nichts. Da jedoch seine chronik mit dem jähre 1292 abschliesst,
dürfen wir annehmen, dass er ende des 13. jh. schrieb. Er
sagt von Aelfred^e): Leges christianissimas et scripsit et
pervulgavit, in quibus fides ejus et devotio in Deum, solicitu-
do in subditos, misericordia in pauperes, justitia circa om-
nes cunctis legentibus patet Extant parabolae etiam ejus
plurimum habentes aedificationis, venustatis, jocunditatis et
nobilitatis.
Viel darf man allerdings nicht auf dieses zeugnis geben,
da diese stelle wörtlich aus Ailred von Riveaux (vgl. oben) ab-
geschrieben ist.
Im 14. jh. finden sich keine spuren mehr, welche auf ein
fortleben der Sprüche Aelfreds hindeuteten. Der grund dieser
erscheinung liegt nahe.
Aelfred war ein acht ags. held. Durch die erinnerungan
ihn, durch die verherlichung seiner person, erfreute und tröstete
sich das ags. volk während der normannischen fremdherschaft.
Im laufe des 13. jh. nun vollzog sich die Versöhnung und Ver-
einigung von Angelsachsen und Normannen; am ende des jh.
war dies werk vollendet: der alte hass verschwand und beide
nationen waren jetzt stolz darauf, Engländer zu sein. Und als
unter den Eduards nun die kämpfe gegen die alten feinde, die
Schotten und Franzosen begannen, feierte man die beiden des
tages, Eduard I. und Eduard III. Zu gleicher zeit drang fran-
zösische bildung auch mächtig auf die Angelsachen ein, die
sich vorher dagegen unwillig abgeschlossen hatten. Unter sol-
chen umständen musten die bilder der alten beiden erbleichen
**) Morris hat es abgedruckt a. a. o. {nach der Cotton. hs. und Jes.
Coli, hs.) pag. 157 ff.
35) Die lesarten von Jesus hs. behielt ich bei, da mon einen bessern
sinn gibt, als non.
^ vgl. Chronica Johannis de Oxenedes ed. by Henry EUis. London
1859. Rerum Brittannicarum medii aevi scriptores. pag. 5,
Digitized by
Google
262 WÜLCKER
und selbst Aelfreds andenken allmälich aus der erinnerung
schwinden.
Ein deutliches zeichen dieser veränderten denkart der
Ags. ist, dass im ersten viertel des 14. jh. eine neue Sammlung
von Sprüchen (oder besser von glossierten Sprichwörtern) in
Umlauf kam, welche nicht mehr Aelfreds namen trug, son-
dern den des Hending^^), Eine hs. derselben, Harl. 2263, gibt
den anfang38)j
Mon that wol of wysdam heren,
At wyse Hendyng he may lernen,
That weeL Marcolves sone
und bringt dadurch die Sprüche in Verbindung mit Salomon
und Morolf, den zwei männem, welchen die andern Völker des
abendlandes all ihre «pruchweisheit zuschrieben. Hiermit haben
die Angelsachsen ihre eigentümlichkeit in bezug auf spruchli-
teratur aufgegeben und treten mit den andern occidentalischen
nationen in eine reihe.
3') Der name Hending hängt wol zusammen mit hendi = got. handugs
38) Vgl. Wright and Halliwell; Reliquiae Antiquae. vol. I. p. 109. —
Die hs. ist nach Halliwell aus den zeiten Edwards II.
LEIPZIG. RICHARD WÜLCKER.
Digitized by
Google
ÜBER DIE MARGARETENLEGENDEN.
Die Margareteillegende verbreitete sich schon früh vom
Orient, ihrem schauplatze und entstehungsorte, auf dem wege
durch Griechenland über das ganze abendland. In Deutsch-
land tritt sie zuerst bei Hrabanus auf, der in seinem martyro-
logium*) schon die hauptztige derselben berichtet. Einer wie
allgemeinen beliebtheit sie sich erfreute, zeigen besonders die
mannigfachen poetischen bearbeitui^gen , die sie seit dem 12.
Jahrhundert in Deutschland, England, Frankreich in den natio-
nalsprachen erfuhr. Nicht als ob man den Inhalt der legende
als besonders dazu geeignet hätte ansehn müssen — so anzie-
hend auch wenigstens dem verdorbenen geschmacke der spä-
teren zeit das auftreten des teufeis in derselben gewesen sein
mag — vielmehr der besonderen geltung der heiligen ist das
zuzuschreiben. Margarete war die christliche Lucina, wie sie
Hieronymus Vida**) auch geradezu anredet: das gebet zu ihr,
das lesen und verbreiten ihrer passion verhalf den frauen zu
glücklicher niederkunft; das wird ausdrücklich in der legende
erwähnt und sogen fftr kreissende folgen unmittelbar auf die-
selbe in mehreren handschriften.
Deutsche poetische Margaretenlegenden sind schon in mannig-
faltiger gestalt und nicht geringer anzahl bekannt gemacht.
Die älteste unter ihnen ist wol die in Haupts zeitschr. 1, 152 ff.
veröffentlichte: mehrere nur noch im 12. jh. mögliche reime,
welche das gedieht aufzuweisen hat***), beweisen, dass dieje-
•) Opera VI. 190. F. G.
•*) opera Antverpiae 1578. s. 176. v. 49.
***) edele: Eugene 113, ubele: himele 247, himele: nidene .633, Mar-
garite: guote 14;- das letztere in der hs. nur hier, aber sonst oft mit
Haupt herzustellen, am sichersten v. 149, 443, 449, 461, 827, 689, 743, 715.
Digitized by
Google
264 VOGT
nigen, welche das gepräge einer jüngeren zeit tragen*), dem
originale nicht angehört haben können. Uebrigens scheint die
hand des Überarbeiters auch sonst erkennbar: so v. 83 u. 84,
wo der dichter aus der schaar der heiligen Jungfrauen allein
die „frouwe Elspet" namentlich hervorhebt. Damit kann die
mutter Johannes des täufers nicht gemeint sein, die sehr wenig
als heilige verehrt wurde, wenigstens enthalten weder die vitae
sanctorum des Surius noch die legenda aurea in ihrer ursprüng-
lichen gestalt die geschichte derselben (die Acta SS. sind noch
nicht bis zu ihrem heiligentage gekommen). Eine solche Ver-
ehrung, um vor allen andern heiligen genannt zu werden, ge-
noss nur die heil. Elisabeth v. Thüringen (1235 canonisiert); die
versesind also späterer zusatz. — Noch in dasselbe Jahrhundert
setzt Bartsch die nach einer Prager hs. des 15. jh. Germania
4, 440 von ihm herausgegebene „Margareten marter" (Varian-
ten einer Klostemeuburger hs. Germ. 6, 376 von J. M. Wagner).
Auch hier finden sich reime, die doch jener zeit schwerlich zu-
zutrauen sind. Beispiele für apokope des e nach langer Stamm-
silbe und flir unorganische dehnung des kurzen Stammvokals
eines zweisilbigen Wortes kommen freilich schon in reimender
gedichte des 12.jhs. vor, aber doch nur ganz vereinzelt. Wein-
hold bair. gramm. § 338 flihrt als beispiel flir apokope erbetail
dat. {isipiail n.) und bluot dat. (ituot) denkm. XL VI, 40 u. 80
und einige belege für denselben fall aus Wernhers Maria und
Dietmar v. Aist an; weniges lässt sich aus älteren gedichten
hinzufligen: eine härtere apokope erheischt der reim sacheiun-
gemach*"^) Diem. d. ged; 48, 17 (bücher Mose), gleichfalls die
des e des dat. m. der reim sinne :chini a. a. o. 87, 22 (in dem
gedichte diu wärheit). Verletzung der Quantität findet sich
ebenfalls schon in den bb. Mos. 24, 24 im reime 6le:wole und
in der Jüngern Judith Diem. 160, 14 im reime fragen : sagen.
Aber was haben solche Seltenheiten zu bedeuten gegenüber
einem gedichte, in dem jeder zehnte vers eine solche apokope
des e nach langer Stammsilbe erfordert und noch dazu darun-
ter die des e des plur. (v. 342) und des dat. fem. (307)? Das
•) so 109 land.'santy 167 chrisi:frist (conj.), 324 sin:minne, 526 Aaw
(dat.): vass, 561 wild (willst): püd; 703 slahen: gähen, 555. 697 u. a.
**) Wenn man nicht lieber in ungemach anfügung eines unechten e
annehmen will vgl. Weinhold b. gr, § 342.
Digitized by
Google
ÜEBER DIE MARGARETENLEGENDEN. 265
darf man einem österreichischen dichter des 14. jhs. ohne be-
denken, möglicherweise auch einem des 13., keinesfalls aber
einem früheren zutrauen. Wenn sich nun aber doch daneben
altertümliche reime wie heiligon (d. pl.): Idn (v. 3), guote: Mar-
garete (v. 11) finden — es kommen noch einige weniger sichere
hinzu — und wenn der ganze frische, knappe und einfache stil
für das 12. jh. zu sprechen scheint, so werden wir auch hier
eine grundlage aus dieser zeit veraussetzen müssen, wie das
gedieht uns aber vorliegt, ist es eine spätere Überarbeitung. Die'
annähme einer altem grundlage könnte auch dadurch noch ge-
stützt werden, dass gerade an mehreren bedenklichen stellen
die beiden hss. nicht übereinstimmen so v. 259 u. 60, 307 u. 8,
419 u. 20 ^^ in andern fällen zeigen sich abweichungen von der
lateinischen quelle, so v. 339, wo der reim chragm : lägen
zwar auch in der Prager hs. beibehalten werden muss wegen
der lesart der Klostemeuburger oben üf sinem chragen zwei
prlnnmide swert lägen; aber die quelle hat: super coUum ejus
erat serpens, gladius candens in manu ejus videbatur; es scheint
also hier schon die vorläge beider hss. entstellt gewesen zu sein.
Auch im 13. jh. wurde die Margaretenlegende poetisch bc:
arbeitet. Ein freund des Rudolf v. Ems, Wetzel, hat nach des
ersteren bekannter angäbe im Alexander M. S. 4, 867^ „vil ge-
fuoge" ein Margaretenlebcn verfasst. Die Identität desselben
mit einer nur teilweise in einer hs. des 15. jh«. erhaltenen
Margaretenlegende, die der herzogin Clemende von Zähringen
gewidmet ist, hat Bartsch, germanistische Studien I, 1 fif, nach-
zuweisen gesucht. Wenn sich auch darüber eine absolute ge-
wisheit aus den gegebenen anhaltspunkten nicht gewinnen lässt,
so macht es die von Bartsch gegebene Zeitbestimmung doch
immerhin wahrscheinlich und jedenfalls ist dies durchaus im
höfischen stile des 13. jhs. gehaltene gedieht das einzige unter
den zahlreichen bekannten Margaretenlegenden, welches auf
Wetzeis autorschaft anspruch machen kann *). Höchstens könnte
vielleicht noch die von HoiFmann Wiener hss. n. 35, 45 ange-
führte bearbeitung in betracht kommen, die möglicherweise
noch im 13. jh. von einem Oberdeutschen verfasst wurde, doch
•) Ich führe daher im folgenden auch das gedieht unter Wetzeis
namen an.
Digitized by
Google
266 VOGT
gestatten natürlich die beiden dort mitgeteilten anfangsverse*)
nicht einmal darüber einen schluss. Die hs. ist aus dem 14
jL — Sonst gehört ins 13. jh. nur noch die im Passional ent-
haltene Margaretenlegende (beiKöpke s. 326 flF.) und wolauch
das mitteldeutsche gedieht von einer menlichen iuncvrowen, dessen
eingang von Lappenberg im anzeiger f. künde der d. vorz. III, 39,
aus einer Hamburger hs. des „ 13. oder 14." jhs. mitgeteilt ist **).
Dem 14. jh» gehört die Margareta an, welche Docen dem
•Hartwig vom Hage, dem dichter der 7 tagzeiten (Hagens mu-
seum II, 266; hs. v. j. 1348), zugewiesen hat und wovon er
altd. Wälder III, 149 flF. proben mitteilte.
Hierher, schwerlich in frühere zeit, ist auch Margareten
passie in Schades geistl. gedd. des 14. und 15. jhs. vom Nieder-
rhein zu setzen. Schade vermutete zwar, dass diesem gedichte
ein früheres des 12. jhs. zu gründe gelegen habe. Das hat
sich auch insofern bestätigt, als der niederrheinische dichter die
oben t)esprochene Margareten marter des 12. jhs. benutzt hat
Aber er entnahm ihr wenig mehr als den anfang der eigent-
lichen erzählung (cf. Bartsch Germ. 7, 268 f.) und arbeitete im
übrigen selbständig nach einer vielfach abweichenden lateini-
schen quelle. Das geschah aber schwerlich eher, als im 14 jh.
denn während von den unreinen reimen keiner notwendig auf
das 12. jh, zurückzufahren ist, können die reime mer (mare):
wer (esset) v. 223, gedeuft (part.).*^ geleuß (praet) v. 304, dede
(conj.): gebede 336 nur von einem späteren dichter herrühren.
Noch nicht bekannt war bisher meines wissens eine nieder-
deutsche bearbeitung der legende, welche in einer der Göttinger
univ. bibl. angehörigen papierhs. des 15. Jahrhunderts (Cod.
M. S. theoL 199. 8») enthalten ist. Die hs. (25, bll. in kl. 8)
enthält auf bl. 1 — 23* die Margaretenlegende ohne Überschrift;
daran schliessen sich unmittelbar bl. 23* — 24* „Vota ad par-
*) Die edel magt hoch gepom
mit allen tvgenden auzerchom
*•) Ez was ein iuncvrowe gut
An guten werten wol behut
Di hette riebe mage
Si was in schöner plage
Wol gewaszen als de kint
De schone vnde lep sint
Digitized by
Google
UEBER DIE MAßGARETENLEGENDEN. 267
tum mulieris, ut pariat absque gravi dolore*)", worauf bis zum
schluss eine niederdeutsche Übertragung der ersten 14 w. des
ev. Job. folgt.
Den von hochdeutscher einmischung nicht ganz freien dialekt
wird folgende Übersicht des lautbestandes kennzeichnen.
Vocale:
hA a = e in nesze (nase), der (audeo). vor / == o in olt, holdes.
^ d = 0 vor. c?i : brachte, noch.
„ schwaches e = i : martir, andirs, godis: == o in vor-.
„ e = w in sulveriy huipe.
„ e = i in irsten (primum), sile;
= 0 in or (ehe).
„ i = u in sulverin, ummer;
= e : hen, hemfnel, em,' er, met, beth, weten, w edder;
= 0 : or (ihr, neben er).
„ 0 = a : van, oder, sali, laue, gade (selten).
j, u= 0 : koningk. Joden, dorch, or-, borde, worde.
„ ce= e : gebere, siede (siehe unten über den umlaut).
„ ei= ei(ey): eyn, bereydet, geheiten;
=« e : menden, sehen, bleck, weck, wesze (waise);
== i : hiliger, hilgen.
n ie= i : lith, hit, gingk, hingk, rypen, kyszen;
= e : (selten) densL
n iu= u : lade, du fei
n öM= 0 : dope, lope, houet, rock; = ouyoY rv: frouwen, schou-
wen und in ougen.
„ uo= 0 : kope, moder, mot, tho; bokelin, vote;
= u : vluck, gefuch, gute, huff, suchten.
Der umlaut von a ist mit wenigen ausnahmen (z. b. irfa-
restu) überall durchgedrungen, selbst der von ä wird meist durch
e bezeichnet, daneben aber z. b. salich. Alle andern vokale
kennen den umlaut nicht und ich habe deshalb der einfachheit
halber im vorstehenden die umgelauteten mhd. vocale hier un-
ter die unumgelauteten mit einbegriflFen.
Consonanten:
hd. b inlautend = v (u): vordryven, lauen, suhien,
*) Wie aus diesem an sich wertlosen lateinischen gebete hervorgeht,
wurde die hs. für eine trau namens Anna verfasst.
Digitized by
Google
268 VOGT
hd. p auslautend = /; huff, wiff, Uff,
„ pf anlautend = p: plegen; inlautend = pp: appeL
„ verschobenes /in- und auslautend = p : hulpe, hope; warp, up.
„ t = d: öufel, dede, godis; daneben, wenn auch selten, = t:
gute, gote, trost, teil; apokopiert in is..
„ z = t, ausser in czart, czeier, zcirheit, crucze, kercze und
einmal: hercze (: kercze).
„ g = ch vor t in licht (Hget)
„ c im auslaut = ch: mach, ge/uch,
„ verschobenes ch = k: hokelin, siken, vluck, welk; daneben
selten = ch: suchten (neb. sokeden), sprach.
„ h fällt hie und da zwischen vocalen aus: sie (video), vlie.
Verdoppelung des consonanten nach kurzem vocal findet
sich in meniiigher, hemmel, numme, ummer, wedder, leddich u.a.
In betreflf der flexion ist zu bemerken: flir die verbalen-
dungen das n des pl praes. ind. (gy geven); flir den ablaut
das e des plur. und der 2. sing, im ind. praet. der 2. ablauts-
reihe fgevest, brekenj. Die formen der personal-pronomina sind
die gewöhnlichen niederdeutschen. Der artikel schwankt im
nom. sing. (u. plur.)m. u. f. zwischen die dy de*); entsprechend
lautet das interrogativum rvy, wie. Dem mhd. nehein ent-
spricht neyn.
Zu den eigenttimlichkeiten der niederdeutschen Schreibweise
gehört die anwendung des z und sz für s und die bezeichnung
eines gedehnten vocals durch nachgesetztes e, die jedoch nur
selten angewant wird (fuer feuer, gruet gruss, bluei), einmal
wird auch / dafiir geschrieben (vorgoit vergoss). Oefter kommt
das e über dem vokal vor, in welchem einige das zeichen für
den Umlaut gesehn haben. In unsrer hs. sind die beispiele
dafür folgende:**) not, geböth (praet.), döth (tut), dot (tod), vöt^
mdt (muss), göt (goss), vöp (wuof), bock, röst, dr (ehe), or (ihr,
dat. f.), göt (gott); behüt, müt (muss), ?nüih (animus);. wit, nyt
(hasste), ///ä (licss), r/j? (rief), t;«/ (cecidit), }iy (nie); schäp;mayt.
Dass also wenigstens hier dies zeichen keinen umlaut anzeigen
kann, liegt auf der band: man müste denn annehmen, dass
*) einmal auch der n. ag. m.
*•) Hier, wie im folgenden immer, wird vocal mit übergeschriebenem
e durch vokal mit strich widergegeben.
Digitized by
Google
UEBER DIE MAKGARETENLEGENDEN. 269
das nd. für o und u nur falschen umlaut gekannt habe. Des-
halb braucht man aber dies e keineswegs für bedeutungslos
anzusehn: der Schreiber scheint mir einfach dasselbe damit zu
bezeichnen wie mit dem seltener nachgesetzten e^ nämlich die
länge des betr. vocals. In allen beispielen sind wir berechtigt
langen vocal anzunehmen ausser in dem einzigen gdt (gott), was
sonst immer got geschrieben wird, und dass hier der Schreiber
sich versehn habe, der noch weit schlimmere dinge machte
(z.b. morder für wiöt/^r schrieb), ist wolkeine zu kühne annähme.
Bemerkenswert ist noch, dass das zeichen nur da angewant
wurde, wo die Quantität zweifelhaft sein konnte, also nur vor
auslautendem, nicht vor inlautendem einfachen consonanten, denn
im letzteren falle war die länge des vorausgehenden vocals
selbstverständlich*); also: müt^ möt, aber conj. mute, mote;hdck
aber hokelin. In mayi und ny — auch fnayet und nye — ge-
schrieben — wurde wol das e gesprochen.
Ich lasse den anfang des gedichtes folgen. Die abbrevia-
turen habe ich aufgelöst und interpunction hinzugefügt, sonst
nichts geändert
ET schulen alle frouwen 1»
Die martir gerne schouwen,
Hören vnde lezen
Vnde stede dar nha weszen,
5 Alze margarete dy reyne mayt,
Dar von vns dit bokelin sagit.
Sie kan wol vordryven dy not,
Die göt suluen geböth,
Dar van id eüen miszgegingk:
10 Don sie den appel vmme vingk,
Tho hant wart dy vluck gedan,
Dy noch den frouwen henget an.
Die vluck tweyerley wart;
Got des irsten nye vorgath:
15 He sprack du salt weszenn
Under dynes mannes bezem. Ib
Szo isz dat dy ander vluck
(Nutte isz ock syn gefuch),
Dat sie des mannes borde
*) Die gemination des folgenden consonanten, welche hier bei voraus-
gehendem kurzen vokal eintrat, wird freilich ebensowenig consequent
vom Schreiber bezeichnet wie im erstem falle die länge des vocals vor
auslautendem consonanten.
DigJtized by
Google
270 VOGT
5 Nummer leddich worde
Ane pyne vnde ane noth.
Dar van lidet mannich den doth.
Isz dat sie geneszeun
Vnde tho hulpe kyszen
10 Margareten die reyne mayet,
Dar van vns dit bokelin saget.
Or vader was eyn heyden,
Van gode was he gescheiden.
Don sie van em gebom wart,
15 He szande sie dorch syn hatb
Auer vefteyn milen in eyne stath,
Dar ynne he eyne amme bath, 2»
Dat sie des kindes scholde plegen
Vnd were em wol gewegen.
Mit diesem eingang stimmt vom dialekt abgesehn, f^st
wörtlich der anfang einer Margaretenlegende tiberein, welchen
Hagen im grundriss s. 279 mitteilt bis auf die w. s. 2, 1—8
bei Hagen. Zwischen beiden steht hier ein Leipziger druck
vom j. 1517*), welcher in den vv. Hagen s. 2, 1 — 8 und teil-
weise auch in dem von der nd. bearbeitung abweichenden
Schlüsse mit Hagens Margarete übereinstimmt; da dieser druck
im übrigen teile des gedichtes mit wenigen abweichungen den
text der Göttinger hs. — nur hochdeutsch — repräsentiert, so
können wir den schluss ziehen, dass diese 3 bearbeitungen zu-
letzt auf eine grundlage zurückgehen. Dazu kommt dann noch
die von Docen Altd. Wälder III, 156 erwähnte legende, welche
im wesentlichen mit der Hagenschen übereinstimmt, femer, wenn
man nach den beiden ersten vv. schliessen darf, auch die in
einer Olmützer hs. des 15. jhs. enthaltene, welche Bartsch, an-
zeiger flir künde der d. vorz. 1861. s. 331 , anführt und die
Margareta einer Wiener hs. (Hoffmann Wiener hss. n. 90, 2),
deren anfangsworte mit denen der letzterwähnten völlig tiber-
einstimmen.
Endlich aber erweist sich nun auch noch das von W.
. Schum in der Germania 18, 98 fil veröffentlichte Erfurter bruch-
stück einer gereimten Margaretenlegende als hierher gehörig.
*) *Sant Margaretha legend.* Auf dem titel ist die heilige mit einem
buche und einem kreuze in der band abgebildet den drachen am bände
haltend.
Digitized by
Google
UEBER DIE MARGARETENLEGENDEN. 271
Man vergleiche:
G. {Göttinger hß.) 19», 5. E. (Schums bruchßt.)
Beelczebuck bin ick genant 1 Belczebngk byn ich genant
M3men gesellen bin ick wol bekant Mynen geseliin ben ich wol bekant
Dy lüde ick ouer wynne Dy lute ich ubirwinde
Er gebet ick gar vorslinge Or gebete ich gar vorslynge
Ick mit allen rechte 5 Ich mit on allin vechte
Vnde alle myn gesiechte ünde alle myn gesiechte
Nymant my ouer wynnen mach Keyner dich ubirwindin mag
Du bist my eyn grot wedder slach Wannen du bist mir eyn wedirslag
0 we myn geselle Ou we mynes geseliin
Bosze is vnsze geuelle. 10 Gut ist dure gefeile.
Hier und v. 7 bietet G offenbar das richtige.
Es mögen noch einige abweichende lesarten von G folgen.
24 Id is my nrv gevallen. 26. nicht szer guth, 27, 28. — desse
rede dy ick em gerne dede. 29. — van em to hande. 31. 32. Älzo
is my von dy gesehen Hir vmme möt ick van dy tihen. 34. Ick
volgede gerne dynen rat na, 44 — sprack hen wedder sam. 47.
Ick was wisz dat segge ick dy. 51. vordragen. 52. dar dy nicht
nummer sagen. Nach 54: Do hüff dy dufel wedder an Dessze
rede he began He sprack vnsze koningk. — 66. was, 63. mer
64 stan by dy, 70. glas, 72. in dat mer nat. 73. Babylon.
74. gülden Ion. 78. dat isz der werlde vntrost. 86. hingk, 87.
nicht andirs. 88. Opper vnsze gode Loueszam. 89. He spragk
du sah erkennen. 90. Got wil ick dy nennen, 91. alle dingk.
94. an gode gar vordorffen. 97. Tyen aue die cleydere bloth.
98. wit vnd roth. 99. szere von tomen, 104. alzo eyne kercze»
105. van pyne werde erloszt. 106. vnd van der hellen röst. 109.
fehlt. Nach 110. Juwe radt der is eyn wicht, 115. eyne kope
grot. Nach 116: He lith sie dar yn szencken Nicht ergers konde
he erdenken. 121. Llosze my here von der sunder banU Nach 124:
üp sette my dat heil Dat van my der sunder teil (? Die vorläge
hatte vielleicht: Dwach von mir der sunden meit).
Keine von beiden hss, kann, nach diesen abweichungen
zu schliessen, den ansprach machen, den Originaltext zu liefern:
bald gibt die Göttinger, bald die Erfurter das richtige. Es ist
oflfenbar noch eine ältere gemeinsame gi-undlage vorauszusetzen.
Es fragt sich, welchem dialect und weiterhin, welcher zeit die-
selbe angehörte.
6 weist einige nd. formen im reime auf: nd. t im reime
hlot (bloss): roth (aber hier bietet Emit der lesart wisz als eyn
Digitized by
Google
272 Vogt
slosz sicher das richtige) und in vorgat (vergass): hat (hatte),
groi: gehot Nd. d in moder: broder, rede: dede (täte)*); femer
die reime //cÄ^ (liegt) : frist, tornen: vorhomen, lave {[^mAi): klage)
älzo: to, her (huc): er (ihr), my (dat. sing.): sie: syn: votelin.
Dem gegenüber steht aber eine nicht unbedeutende anzahl
rein hochdeutscher reime: vor gas (vergass) wird einmal sogar
so geschrieben im reime; was; herzustellen ist es im eingang
V. 14 ebenfalls im reime ; was (wie st. wart mit den andern hss.
zu lesen ist); ebenso ist haz v. 30 in demselben reime herzu-
stellen; geschrieben wird noch einmal das: was {=daz: was).
Der nd. form tho (zu) widersprechen die reime derselben: hlstu,
meinestu, nu (2 mal). Statt der formen my dy für dat. u. acc
wird mir durch den reim: dir (tier), mich und dich durch den
auf louelich, ewichlich gesichert.
Nd. k wird widerlegt durch »^aX:^; lachen, waken: trachten;
nd. t durch hercze: kercze.
Nd. kann also das original nicht gewesen sein, aber auch
nicht hd., da der reim tornen: vorbomen, wie die Übereinstim-
mung von G und E beweist, schon dem 'urtexte angehört hat
Der dialect desselben war ohne zweifei md.; darauf weisen
auch reime wie sere:gebere und: swere; bringen (d.i. br engen):
lengen (in G und E); ferner das md.^ wort vullemunt ( : rmnt),
woraus selbst der Leipziger druck ein sinnloses wolmuth machte.
Md. können auch reime sein, in denen d statt hd. t auftritt, so-
wie die formen licht (liegt)**) und labe (lobe).***)
Auch apokopierung des infinitiv n kommt im reime vor,
so: 5ye?z (sehen, 1. se):ge (conj.) senden: ende; vielleicht gehörten
auch die in G nicht enthaltenen reime E. 28, 34, 64 dem ori-
ginale an. (Dass Schum a. a. o. s. 100 auch vorslinde als inf.
aufführt, ist ein versehn.) Die wenigen speciell niederdeutschen
reime dürfen wir gewis dem Schreiber von G zusprechen, der
auch sonst ziemlich willkürlich verfuhr, wie zahlreiche entstel-
lungen des sinnes beweisen. Das er nicht einmal den dialect
seinem vorläge genügend verstand, beweist z. b. die lesart zu
*) Auch hier ist die lesart von E mit dem reime Ure : bekire anzu-
nehmen.
•*) cf. z. b. Marien rosengarten (bei Bartsch erlösung anhg. XIX.) v.
31 Pflicht (^=pfliget) : gericht
***) cf. das leben der heil. Elisabeth ed. Rieger v. 33. 1182 ü. ö.
Digitized by
Google
UEßER DIE MARGARETENLEGENDEN. 273
V. 47 genugsam (die vorläge hatte: rvaz ich rveiz daz sage ich
dir oder wie E., der Schreiber fasste weiz als wise und waz als
was auf); auf ein ähnliches misverständnis scheint die textes-
entstellung bl 1^ 8 zurückzugehn. Das original hatte wol iz
end daz. Merkwürdigerweise sind auch die beiden andern Über-
lieferungen hier entstellt und v. d. Hagen gibt daher auch schon
diese Verbesserung an.
Was die zeit der abfassung betrifft, so verweisen spräche
und reime mit gröster Wahrscheinlichkeit auf das 14. jh. —
wie auch Schum vermutet — und wol noch auf die erste
hälfte desselben. Unreine reime sind nicht gerade selten j
dravedm (trabeten): sageden, worden : vordorffeUj hengen : hen-*
den; kraft : macht, vöp : bdck, visch : is (ist); wart : wort, an : hän
: gedän, not : got, wort : gehört Selten ist noch apokope des e
nach langer Stammsilbe {geist : leist praestabat) und unorga-
nische dehnung im reim fnoden : goden göttem, samen zu-
sammen; amen, geneszen : kyszen). Diess sowie das gewicht,
welches jioch der tiefton im reim behauptet, spricht gegen spä-*
tere zeit. Beispiele sind tornich : wenich, sachm^dich : dich, ja
selbst forchten (dat. plur.): ynnichlichen*) wird gereimt Auch
reime wie mlverin : guldin, iszerin : kopperin dürften in späteren
gedichten nicht vorkommen. Besonders häufig erscheint noch
die endung md. - ere im reim ; so swere : sunder e : vogeler e :
korkenere, mere (mhd. maere): merterere : bichtigere; eine eigen-
tümlichkeit, die sich besonders im Thüringischen dialect lange
behauptete.
Wie unter den deutschen umdichtungen der Margareten-
legende die letztbesprochene, der zahl der hss. nach zu urteilen,
die verbreitetste war, so war unter den lateinischen Versionen
die in des Mombritius sanctuarium**) II, 104 flF. überlieferte
oflfenbar die bekannteste und am meisten benutzte. FürBartschs
Margareten marter und für das Erftirter bruchstück hat Schum
a. a. 0. dieselbe bereits als quelle nachgewiesen. Die dem letz-
teren zu gründe liegende bearbeitung folgte derselben auch in
*) Dass aber deshalb nicht auch hier an ein original des 12. jhs. ge-
dacht werden darf, beweist ausser den äusseren kennzeichen auch der
Stil des gedichtes, der in seiner unbehülflichen breite, reich an Platt-
heiten und herkömmlichen flickwortern für den reim, das gepräge der
angegebenen zeit trägt.
**) 2 bde. fol. Mediolani s. a. (vor 1480).
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. I. 1*^
Digitized by
Google
274 VOGT
den übrigen nur in G erhaltenen teilen in derselben weise.
Meist sebloss sich der dichter ziemlich sclavisch dem lateinischen
texte an, aber natürlich bringt schon das reimbedürfhis einzelne
abweichungen mit sich und man braucht deshalb noch nicht
mit Schum die benutzung einer deutschen quelle neben der la-
teinischen anzunehmen. Die geringen ähulichkeiten dieser ab-
weichungeiji mit stellen. in der Margareten marter scheinen nur
darauf zu deuten, dass der lateinische text, welcher den deut-
schen dichtem vorlag, nicht ganz identisch war mit dem so
viel später bei Mombritius abgedruckten, was sich auch sonst
nachweisen lässt. Einzelnes gewinnt übrigens auch ein anderes
licht durch die mitgeteilten lesarten von G, vgl. die zu v. 7
und V. 10, welche zeigen, dass der dichter das lateinische nicht
falsch verstanden habe.
Eigene zutat des dichters ist die einleitung. Der anfang
der legende selbst wird getreu, zum teil wörtlich nach Mombri-
tius berichtet, nur wird der bei Mombr. und in Hagens und
Bartschs Margareta angegebene name des vaters der Margareta
nicht erwähnt und ihr wird das alter von 12 statt von 16 Jahren
beigelegt. Margareta wird von ihrem vater, der sie hasst weil
sie dem Christentum zugetan ist*), einer amme übergeben, deren
Bchafe sie hüten^ muss. Dabei erblickt sie der christenfeindliche
praefect (in G greve) Olybrius; er lässt von liebe zu ihr ent-
flammt, die widerstrebende ergreifen. In dem nun folgenden
gespräche zwischen ihm und Margareta, welches in G (weniger
in der Margareten marter) im einzelnen von Mombritius etwas
abweicht, bekennt sich Margareta als Christin., und da alleüber-
redungsversuche des Olybrius scheitern, lässt dieser sie ins ge-
fängnis werfen. Nochmalige gütliche versuche des praefecten
am nächsten morgen haben keinen bessern erfolg; die heilige
wird aufgehängt und gepeitscht, ohne dass es gelingt ihren
*) An dieser stelle hat der Schreiber einen recht gedankenlosen fehler
gemacht^ indem er bl. 2^ v. 13 mitten im satze abbricht and uns mit
einem male in das gespräch hinein versetzt, welches Margareta im kerker
mit dem teufel liat; es geht dann im zusanunenhang weiter bis 8« 13, wo
die erzählung der Jugendgeschichte fortgesetzt wird; dann unterbricht
20 b V. 9 wider den zusammenbang, schliesst sich aber ganz genau an
8a 12 an. £s ist also einfach der passns 8« 13 bis 20^ 8 zwischen bl.
2» y. 13 und v. 14 einzuschieben.
Digitized by
Google
ÜEBER DIE MARGARETENLEGENDEN. 275
glauben zu erschüttern. Eine darauf folgende noch grausamere
zerfleischung, von der Mombritius, Margareten marter und der
Leipziger druck berichten, wird in G — abgesehn von einer
geringen andeutung — übergangen. Margareta wird abermals
in den kerker geworfen und betet, dass ihr gott ihren feind
zeigen möge. Die angäbe bei Mombritius, dass Contimus — der
gewährsmann der legende — das nun [folgende durchs fenster
mit angesehn habe, wovon ohne nennung des namens auch die
Marg. marter berichtet, fehlt wider in G. Es erscheint nun der
teufel als drache*), der in folgender wunderlichen weise nach
Mombr., abweichend von den übrigen deutschen bearbeitungen
in G beschrieben wird.
G. fol. 14b z. 3 ff. Mombr. 105*
Do sach sie hen vnd her. Et ecce subito de angulo carceris
Do sach sie in den kercke^er exiult draco horribilis:
5 Den dufel sach sie vor sick sten b
Vth eynen vinstem winkel gen. a
He was gruwelich gar
Vnde mennigher varffe har: totus variis coloribus deauratuB.
Dy har w^ren suluerin, Capilli eins et barba aurea:
10 De bart was em guldin.
Dy tene weren iszeren. et videbantur dentes eins ferrei
Syne ougen weren kopperin. Ocoli eins nelut Margaritae spien-
debant
Vth syner neszen gingk eyn rock et de naribus eins ignis et fnmus
Vnde eyn mechtich fuer ock, exibat [Lingua illius anheliabat. su-
15 Dar van eyn grot licht sehen. per Collum eins erat serpens. gla-
dius candens in manu eins vide-
batur et fsßtorem faciebat in car-
cere. traxit se in medium carceris:
et sibilabat fortiter]. et factum est
lumen in carcere ab igne : qui exi-
bat de ore draconis.
Er verschlingt die heilige, welche das zeichen des kreuzes
macht und ihn dadurch in zwei stücke spaltet. Es folgt ein
dankgebet der Margareta, darauf die erscheinung des zweiten
teufeis in gestalt eines moren. Sie wirft ihn nieder und setzt
ihm den fuss auf den nacken; eine taube erscheint vom himmel
und bestärkt .sie. Dann folgt die Unterredung mit dem teufel,
*) Dasa dies ungetüm ein drache gewesen, wird in G nicht ausdrück-
lich berichtet, möglicherweise absichtlich, da der bearbeiter sich einen
dracben wol anders vorstellte.
ir
Digitized by
Google
076 VOGT
die ebenso wie das weiter sich anschliessende (Überwindung
des teufeis, nochmalige Überredungsversuche des Olybrius, feuer-
und wassermarter) auch im Erfurter bruchst. enthalten ist. Als
Margareta, ins wasser geworfen, gebetet hat, dass ihr dasselbe
zur taufe und zur Sündenreinigung dienen möge, erfolgt ein
erdbeben, welches ihre fesseln löst; eine taube bringt ihr vom
himmel eine kröne und, wie G selbständig hinzusetzt,
dy werster hüffe (l westerh.)
Vnde dat ander westercleit.
Nach diesem wunder bekehren sich 5000 ohne weiber und
kinder zum Christentum. Olybrius befiehlt, die Margareta zu
enthaupten; der henker, Malchus in den deutschen Versionen,
bei Mombr. Malens*) genannt, gibt ihr frist zum beten und sie
bittet, charakteristisch genug, fär alle die ihre leidensgeschichte
lesen und abschreiben, ihr lichte stiften, kirchen bauen u. s.w.;
besonders soll in dem hause, wo man ihre passion hat, kein fehler-
haftes kind geboren werden. Es erscheint nun wider eine
taube vom himmel und sagt ihr die gewährung zu. Der henker,
der sich anfänglich geweigert und sie um Verzeihung gebeten,
enthauptet sie und fällt tot neben ihr nieder. Ein donnerschlag
wirft ^alle umstehenden zu boden. Die engel kommen und füh-
ren ihre seele in den himmel, die teufel wehklagen, kranke
werden an ihrem leichnam geheilt Mit dem nach Mombr.
widergegebenen gesang der engel schliesst G, abweichend von
Hagens Margareta und dem wesentlich damit übereinstimmen-
den Leipziger druck:
Dy engein sangen eyn sangk, G fol. 22^ z. 6 ff.
Die in den wölken sere klangk.
Sie snngen alle hoch,
Dy sangk Inde alzo:
10 „Du bist aller gnte grot;
Die werlt steit an dynem gebot."
Vnd snngen denne noch mere
•) Mallens ist ein christlicher name des teufeis cf. mythol. 559 wie
das deutsche hämmerlein und hämmerling; die häufigere anwendung des
deutschen Wortes zur bezeichnung des henkers (cf. D. W.) legt die Ver-
mutung nahe, dass auch das lat. mallens dafür gebraucht sei; auch der
Wortlaut der stelle bei Mombr. II, lOtf^ macht es wahrscheinlich, dass
das wort hier als appellativum zu fassen sef: Questionarii comprehende-
runt eam: et duxernnt foris ciuitatem. Dixit Malens ad eam: Extende
ceruicem tuam. (Vorher ist das wort noch nicht vorgekommen.)
Digitized by
Google
ÜEBER DIE MARGÄRETENLEGENDEN. 277
Dorch dy godes ere:
„Here hiliger got,
15 Du bist geheiten sabaoth. ,
Vor ynllet ist dat ertrick 23«
Myt dyner zcirheit vnd dat hemelrick".
Hir het dat bokelin eyn ende.
Got mote vns syne hnlpe senden '
5 Vnde gene vns allen samen
Dat ewyge hemmelricke. Amen.
Bei Mombritius folgt noch die bestattung der heiligen durch
Tectinus, der in der Margareten marter, die auch davon be-
richtet, Theodosius heisst. — In allen den angeführten haupt-
ztigen der legende stimmen sonst diese beiden deutschen bear-
beitungen mit dem Mombritius genau, teilweise wörtlich über-
ein, ohne unter sich in einem abhängigkeitsverhältnis zu stehn.
Soweit man aus den von Docen a. a. o. mitgeteilten proben
aus der Margareta Hartwigs vom Hage einen schluss ziehen
kann, entnahm auch dieser seinen stoff der bei Mombritius er-
haltenen tradition. Man vergleiche den dort gegebenen eingang
des gedichtes mit dem bei Mombritius:
Nach der zit daz warer got Post resurrectionem domini
Crist väterliches willen bot nostri Jesu Christi et gloriosae
Gecrüzet an der menschait starb tempus ascensionis eins in
Ze helle do den rawp erwarb caelnm ad patrem omnipotentem
n. s. w. etc.
femer einzelne aus dem gedichte mitgeteilte sätze:
dl mir die kirchen machen qui basilicam in nomine meo fecerit
oder ir licht mir brennen * et quisqois Inmen fecerit in basilica
mea de sno labore.
wer sie (die legende) schreibe lese et scripserit passionem meam uel qui
oder ze schriben frnme de suo labore comparauerit codi-
cem passionis meae
endlich die s. 159 mitgeteilte stelle, wo das zauberbuch Mam-
bre erwähnt wird mit Mombr.: In libris tamen ianuae et mam-
brae inuenies genus nostrum. scrutare et uide Nam uiae
nostrae non sunt super terram sed cum uentis ambulamus. Die
geschichte von der einsperrung der teufel durch Salomo wird
fast wörtlich nach Mombr. erzählt. Der name des gewährsman-
nes aber wird, wie bei den andern deutschen bearbeitern, die
denselben erwähnen, Theotimus, nicht wie bei Mombr, Tectinus
oder Contimus und der teufel Belial, nicht Bezeleel, genannt.
Auch Wetzel benutzte fÄr sein gedieht offenbar den text
Digitized by
Google
278
VOGT
des Mombritius und nicht den der Acta SS. Freilich verfuhr
er mit seinem Stoffe ganz anders als die übrigen bearbeiter.
Er suchte denselben nicht einfach in reime zu bringen, sondern
er wollte ihn wirklich poetisch umformen. Daher liess er es
nicht an redegewanten und redseligen ausschmückungen fehlen,
wie in der Schilderung der zeit der Christenverfolgung v. 73 ff.
und in der im Hartmannschen stile ausgeführten rede des Oli-
brius V. 459 ff, wie in der ganz entsprechend gehaltenen ant-
wort der Margareta v. 508 ff; aber im ganzen gange der er-
zählung folgt er doch treu seiner vorläge und wie er auch die
einzelnen charakteristischen züge der lateinischen Überlieferung
verwertete, mag beispielsweise die vergleichung des gebetes
der von den knechten des Olibrius bedrohten Margareta zeigen:
V. 258 sie rief ze gote nnde sprach beata Margarita innocare coepit Chri-
stam ac dicere
«herre got, erbanae dich
260 genaedecltch über mich,
verlias m!ne s81e niet
mit nngdoubiger diet
herre got, getroeste mich
daz ich mit freuden lobe dich,
265 so daz dtn reine güete
vor flecken mich behüete.
herre got, behalt an mir
daz ich geloube von dir.
Miserere mei domine. miserere meL
ne perdas cum impiis
animam meam [aut cum uiris san-
gninum nitam meam]
fac me laetari semper in te domine
J. Chr. et te semper coUaudare.
Ne permittas animam meam con-
taminari et ne poUuatur fldes mea.
der blaome und der reine nam
mtner megetltchen schäm,
275 den ich dir einen wlhte
in mtnes herzen blhte,
dö ich von 6rst den sin gewan
daz ich verkös alle man,
und den ich reine her hän bräht,
280 lä mir niht werfen in daz bäht
keinen irdischen man,
wan stn min herze nieman gan.
den engel du mir sende
verlieh mir dine wisheit
daz min zunge si bereit
ze antwürten dem rihtaere,
290 des tiufels wizenaere.
mir ist gelich an dirre frist
Non inquinetur corpus menm: Non
proiiciatur Margarita mea in lutum:
non immutetur sensus mens a tur-
pitudine unquam. et ab insipientia
diaboli
Sed transmitte angelnm gubemato-
rem ad aperiendos sensus meos:
et ad respondendum cum fiducia
impio et iniquo praefecto sangui-
nario.
Video enim me ut ovem in medio
Digitized by
Google
UEBER DIE MARGARETENLEGENDEN. 279
daz schäf daz andern wolven ist. luporom ecce facta sam sicut passer
der vogel sich mir gelfchet, in raetibus comprehensa.
den der vogelaere ersuchet
auch waen sich mir geliche et sicut piscis in hämo,
der vischswenne erkumtgevara
da in bestricket daz gam.
n. s. w.
Es Hessen sich noch viele weitere einzelheiten beibringen,
doch ich glaube, die gegebene probe beweist genügend, dass
und wie Wetzel die bei Mombritius widergegebene quelle
benutzte*).
Andere quellen haben Haupts und Schades Margareta^ so-
wie die im Passional enthaltene. Der dichter des letzteren, be-
nutzte auch hier die legenda aurea, welche in manchen punkten
wesentlich vom Mombritius abweicht. Es scheint als sei hier
etwas kritik geübt: die erscheinungen der taube fehlen, die
engel und teufel treten bei Margaretas tode nicht auf. Auob
die scene mit dem henker wird ausgelassen. Die erscheinung
des drachen wird nicht näher beschrieben; er verschlingt zwar
die heilige und wird durch das kreuz getötet, aber der dichter
fügt hinzu 330, 52
sumeliche haben verhowen
an den meren disen strich
und sprechen, ez si mislich
swaz deme wurme ist geseit.
was auf die worte seiner quelle hinweist (bei Grässe s. 401)
„Istud autemquod dicitur de draconis devoratione etipsius cre-
patione, apocryphum et frivolum reputatur."
Doch scheint ihm auch hier wie in andern teilen des
Werkes noch eine andere version neben dem Jacobus a Vora-
gine bekannt gewesen zu sein. Die zahl derer, welche sich
nach Margaretens wunderbarer errettung vom ertrinken bekeh-
ren, wird im Passional nur auf 8, in den andern deutschen
und lateinischen Versionen, — auch in der leg. aur. — auf
5000 angegeben.
Die quellen der legende bei Haupt und Schade weiss ich
nicht nachzuweisen, Dass dem dichter der letztgenannten die
*) Auch an den meisten der von Bartsch mit dem texte der Acta
SS. verglichenen stellen ist die Übereinstimmung mit Mombritius grösser.
Digitized by
Google
280 VOGT
„Margareten marter" vorlag, ist bereits erwähnt; seine haupt-
quelle blieb aber eine version , welche mit denen bei Mombri-
tius, Petrus de Natalibus, Jacobus a Vor., Surius, Acta SS.
nicht übereinstimmt. Dagegen trifft sein gedieht in mehreren
punkten mit dem Hauptschen „Margareten püechlin" zusammen.
So darin, dassMargareta insfeuer geworfen, nicht mit fackeln
verbrannt wird *) und der versuch, sie zu ertränken, in kochen-
dem Wasser gemacht wird. Im gegensatz zu Mombr. findet in
beiden gedichten auch die erste marter schon statt ehe Marg.
in den kerker geworfen wird, während allein im „püechlin"
auch die beiden folgenden martern schon vordem berichtet
werden. Bemerkenswert ist noch, dass das letztere auch den
namen von Margaretens mutter — Eugenne — mitteilt, der
sonst in keiner deutschen oder lat. version genannt wird. Der
name des vaters ist, wie in den andern deutschen bearbeitun-
gen, Theodosius, in Übereinstimmung mit Mombr. , der leg. aur.
und Petrus de Nat.; bei Surius, und in den Acta SS. heisst
er Aedesius.
Soviel über die gereimten bearbeitungen der Margareten-
legende. — In der älteren zeit war die poetische form für die
behandlung legendarischer Stoffe offenbar die beliebtere, erst
seit dem 15. jh. kam auch auf diesem gebiete die prosa mehr
zur geltung und besonders die Übertragungen der legenda aurea,
die natürlich auch unsere legende enthalten, hatten sich einer
grossen ausbreitung zu erfreuen, wie die zahlreichen alten
drucke der „passionale" beweisen. Aus früherer zeit sind von
der Margaretenlegende nur zwei prosabearbeitungen bekannt
Die eine ist in der Gräzer hs. des 14. jhs. überliefert, welche
auch die himmelfahrt Marien von Konrad v. Heimesfurt ent-
hält. Herausgeg. von Diemer in den kleineren beitragen (Wie-
ner Sitzungsber. 1851. 2, s. 316). Der eingang ist gereimt
(30 V. V.) und das verleitete Pfeiffer zu der unrichtigen angäbe
bei Hpt. 8, 157 „gereimte Margaretenlegende," was auch in
Wackernagels lit. gesch. überging. Die eigentliche legende ist
nur eine latinisierende prosaübersetzung des' Mombritiusschen
*) Schade v. 285 ff. Hpt. v. 377 ff. Schum hat das letztere übersehn
indem er Germ. 18, 106 angibt, die Hauptsche version kenne keine ge-
trennte feuer- und wassermarter.
Digitized by
Google
ÜEBER DIE MARGARETENLEGENDEN. 281
textes; einige auslassungen und geringe abweichungen werden
auch hier der lateinischen vorläge zuzuschieben sein.
Die zweite prosabearbeitung ist die, welche Hermann y.
Fritslar seinen heiligenleben einverleibte (bei Pfeiffer mystiker
1, 155 flf). Sie schliesst sich im wesentlichen der legende aurea
an. Eine abweichende angäbe von der Zeitfolge der martern,
welche hier alle unmittelbar hintereinander zwischen der ersten
und zweiten einkerkerung berichtet werden, und ein in der le-
genda nicht enthaltener zusatz am Schlüsse bestätigen jedoch
die angäbe Hermanns (s. 4, 15), dass er nach mehreren quellen
arbeitete. Von dem „20 mtle von Rome in Tuscanjen" bele-
genen „kasteile zu sente Margareten" berichtet er nach eigener
anschauung.
Eine verkürzende bearbeitung der legenda aurea ist die
von Holland (die legende der heil. Margareta altfranzösisch u.
deutsch. Hamiover 1863) mitgeteilte „Sand Margareta" eines
passionals v. j. 1463. Auffällig ist hier nur bei der sonsti-
gen genauen Übereinstimmung mit der quelle, dass die wasser-
marter, abweichend von derselben, wie in Haupts undSchades
Margareta berichtet wird.
Ausserhalb Deutschlands scheint die Margaretenlegende
als Stoff poetischer wie prosaischer behandlung nicht weniger
willkommen gewesen zu sein. Die älteste bearbeitung, welche
sie in einer vulgärsprache erfahren hat, ist die ags. prosaische
Passio Scae Margaretae virginis, welche der herausgeber,
Cockayne (narratiunculae anglice conscriptae 1861), ca 1000
ansetzt. Noch dem ausgange des 12. jhs. gehört das alliterie-
rende gedieht Seinte Marherete pe meiden ant martyr an, von
Cockayne zusammen mit zwei mittelenglischen gereimten Mar-
garetenleben („Seinte Margarete )>at holi maide" und „meidan
Margarete") herausgegeben in der 13. publication der early
english text-society. Von einem späteren gedichte gleiches In-
halts (die abfassung wird 1463 angesetzt) werden nur die
Schlussverse — a. a. o. s. VIII. — mitgeteilt.
Die beiden ersten dieser bearbeitungen gehen nun unzwei-
felhaft auch auf die so viel benutzte lat. version des Mombri-
tius zurück. Die ags. prosalegende ist nur eine fast wörtliche
Übersetzung derselben.
Man vergleiche zu dem bereits mitgeteilten eingang bei
Digitized by
Google
282 VOGT
Mombritius denaügelsächsischen: Efter J^äre )>rovunge and J^äre
seriste and )?äre vuldorfästan upastlgnesse fires drihtnes hselen-
des cristes to god (so) fäder ealmihtigum. — Nur selten kom-
men kleine auslassungen vor: die bemerkenswerteste ist die
der erzählung des teufeis von seiner einschliessung durch Salomo.
Andere geringe abweichungen werden meist der mit dem drucke
des Mombritius nicht ganz congruenten vorläge zuzuschieben
sein, wie denn auch -diese abweichungen zum teil mit denen
der deutschen bearbeitungen übereinstimmen*). — Auch die
„Seinte Marherete" schliesst sich im ganzen sehr genau an
Mombritius an; nur machte sich auch hier der in alliterierenden
gedichten so oft hervortretende und teilweise durch die form
selbst begründete hang zu breiteren ausftthrungen geltend. Die
gebete und reden — namentlich die rede des teufeis, in welche
der dichter auch eigene gedanken hineintrug**) — gehn noch
bedeutend über die schon recht ausführliche quelle hinaus, so
dass diess gedieht das umfangreichste unter allen bekannten
Margaretenlegenden ist. Dass das gedieht übrigens nicht etwa
auf die ags. prosaübersetzung, sondern direct auf die lat. quelle
zurückgeht, wird unter vielem andern auch durch die erzählung .
von Salomo und den teufein bewiesen.
Schwerer ist zu entscheiden, auf welche grundlage die bei-
den gereimten legenden zurückgehn. S. Margareta J?at holi
maide stimmt in der hauptsache mit der legenda aurea tiber-
ein. Ihr sind z, b. auch die werte des Olybrius entnommen,
welche er an die von seinen knechten ergriffene Margareta richtet:
V. 75 J?is tue J?inges ]?at J?u nemnedest erst ' bicome]?
J>e faire and suete
J?at J>u beo icome of heje blöde and )?at J>u hote
margarete •
J?use tuo bicomej? J?e wel ynoug suche maide
noble and free
Ac J>e J?ridde becomej? J?e no^ as J?u mijt iseo***)
*) So hat z. b. gleich zu anfang die Gräzer prosalegende überein-
stimmend mit der ags.: nach der marier und nach der urstende gegen-
über dem lateinischen post resurrectionem. '
••) besonders fol. 48 a, 7 flF.
***) Duo prima tibi recte conveniunt, quod nobilis haberis et pul-
cherrima margaritha comprobaris-, sed tercium tibi non convenit
Digitized by
Google
ÜEBER DIE MAEGÄRETENLEGENDEN, 283
und der zweifei an der drachenersclieiiiuiig v. 165 Ac. J?is ne
teile ic nojt forßoJ>e u. s. w.
Dagegen stimmt die scene vor Margaretas hinrichtung wider
ganz mit Mombritius, der bericht der feuer- und der einen
Wassermarter aber mit der Hauptschen und Schadeschen Mar-
gareta überein, während sich die angäbe, dass die leidensge-
schichte sich 285 jähre nach Christi geburt unter Diocletian
u. Maximian zugetragen habe, sonst nur in dem texte der Acta
SS.*) findet; der bericht von 2 wassermartern ist dem dichter
ganz eigentümlich. Derselbe wird wol schon als quelle eine
Zusammenstellung aus den verschiedenen Versionen benutzt
haben, schwerlich hat er sich seinen stoflf aus denselben selbst
zusammengesucht. — Wider andere besondere züge hat Meidan
Margarete aufzuweisen, wie z. b., dass Margarete mit 7 andern
kindem bei der amme aufgezogen wird u.a.; sonst ist hier
Mombritius benutzt, aber in ziemlich freier weise und vielfach
verkürzt
Von französischen bearbeitungen sind handschriftlich meh-
rere in versen und in prosa vorhanden. Eine bruchstückweise
in einer hs. aus dem anfang des 13. jhs. auf der bibl. zu Tours
erhaltene Margaretenlegende ist nach du Möril (ötudes sur quel-
ques points d'archöologie et d'histoire littöraire Paris 1862, s.
228 u. 29.) von einem „sehr gewanten dichter des 12. jhs."
verfasst. In den schlussversen, die du M6ril (a. a. o.) mitteilt,
nennt sich der Verfasser Grace, worin dann du M6ril ebenso
wie Luzarche — Adam drame anglonormand s. XXXVIIL —
den Guace sieht**). Da der Verfasser sich ebendort auf den
lateinischen text des „Theodimus" beruft, so mager auch nach
Mombritius gearbeitet haben ( ce dit Grace qui de latin
en romans mist ce que Thöodimus escrit).
Vollständig veröffentlicht ist meines Wissens nur das gleich-
falls gereimte Margaretenleben einer Neuenburger hs. von Holland
(die legende der heil. Margarete altfranzösisch u. deutsch).
Diess hat viele, hie und da selbst wörtliche Übereinstimmungen
mit Mombritius. So im anfang:
I. 8. 12.
*) hier jedoch mit abweichender Zeitbestimmung.
••) vgl. du M6ril la vie et les ouvrages de Wace in Eberts jahrb«
Digitized by
Google
284 VOGT
Apres la sainte passion
Jhesucrist, a Tescension
Quant en son ciel fast monte etc.
Vgl. den eingang bei Mombr. Daneben aber übergeht 'das ge-
dieht nicht allein bedeutende in dieser version enthaltene stücke
— 80 die ganze feuer- und wassermarter — sondern es hat
auch einzelne ab weichungen aufzuweisen, die sich nicht wol
erklären lassen ohne die annähme, dass nebenher noch eine
andre bearbeitung oder, was wahrscheinlicher ist, dass eine
verkürzte Umarbeitung des Mombritiusschen textes benutzt sei.
Nach Bartsch, germ. stud. I, 8 anm., wird Übrigens „dieser
altfranzösische text noch heute als volksbuch gedruckt und
verkauft".
Die hss. der übrigen französischen bearbeitungen der le-
gende sind aufgefahrt bei du Meril und Holland a.a, o. VLVIL
Auch eine niederländische Margaretenlegende in versen ist
uns erhalten in dem bruchstücke der hs. eines passionals, wel-
ches vom ungenannten herausgeber des Stückes im Belgisch
museum voor de nederduitsche taal- en letterkunde I, 227 ff.
ungefähr in die mitte des 13. jhs. gesetzt wird. Das gedieht,
nur 178 vv.*), ist eine verkürzende Umarbeitung des in der
legenda aurea widergegebenen textes; neben einigen auslas-
sungen beschränken sich die abweichungen im wesentlichen da-
rauf, dass statt der feuermarter eine 3. zerfleischung, anders als
in allen übrigen bearbeitungen, berichtet wird. Daflir kommen
aber auch oft genug wörtliche Übereinstimmungen mit der quelle
vor. Unmittelbar auf die Margaretenlegende folgt in der hs.
die legende von der heil. Regina, welche hier sowol wie in der
lat. quelle mit der ersteren eine so grosse ähnlichkeit zeigt,
dass sie nur eine nachbildung derselben zu sein scheint.
Ich fasse noch einmal das resultat obiger Untersuchung zu-
sammen, soweit sich diese auf das Verhältnis der verschiedenen
bearbeitungen der legende bezog. Die in Hagens grundr. 229 und
in den altd. wäld. III, 156 angeführten hss., das Erfurter bruch-
stück, der Leipziger druck und die Göttinger hs., aller Wahr-
scheinlichkeit nach auch die im anzeiger v. j. 1861, s. 391 und
*) anfang: Passie ende sware verdriete
Doghede die rene Margariete
Ende al omme ons heren minne
Digitized by
Google
ÜEBER DIE MAEaARETENLEGENDEN. 286
bei Hofifman Wiener hss. 90, 2 bemerkten hss., sind insgesammt
auf eine md. gereimte Margaretenlegende des 14. jhs, zurück-
zuführen. Diese sowie die in der Prager und der Klosterneu-
burger hs. erhaltene Margareten marter, die dichtungen Wetzeis
und Hartwigs, die Gräzer prosalegende und die beiden ags.
bearbeitungen gehn direkt auf die bei Mombritius mit geringen
abweiehungen widergegebene lateinische legende zurück. Eben-
falls benutzten dieselbe, aber mit beimischung aus verschiede-
nen fremden quellen, Hollands altfranzösische Margareta und
die altenglische meidan Margarete. Eine selbständige Stellung
nimmt Haupts Margareten püechltn ein; etwa zwischen ihm
und der Mombritiusschen gruppe steht die niederrh. Margare-
ten passie.
Das Passional, Herman von Fritslar, die bei Holland mit-
geteilte deutsche prosalegende, - Margareta J?at holi maide und
die niederländische Margareta schöpfen aus der legenda au*
rea; alle jedoch mit entlehnung einzelner züge aus andern
Versionen.
Ich glaubte dem schon so reichlich angehäuften Stoffe über
die Margaretenlegende nicht noch neuen hinzufügen zu dürfen
ohne einen versuch, das vorhandene einigermassen zu sichten.
So unbedeutend auch an sich die bearbeitungen der legende
teilweise sein mögen: für die literaturgeschichte sind sie doch
gerade in ihrer grossen anzahl von wert als ein sprechendes
Zeugnis für die geistes- und geschmacksrichtung ihrer zeit.
Jenes wolgefallen des mittelalters am wunderbaren, ja unna-
türlichen vereinigte sich mit dem glauben an den sehr realen
nutzen des heiligencultus, um demselben an sich so unbedeu-
tenden Stoffe fünf Jahrhunderte hindurch flir das ganze abend-
land immer neue anziehungskraft zu verleihen. Und in so ver-
schiedener gestaltdie lateinische legende überliefert war: über-
all ist es doch gerade die wunderreicheste und unglaublichste
Version — die bei Mombritius — , auf welche vollkommen un-
abhängig von einander der geschmack der dichter verfällt
Erst später macht ihr die nüchternere legenda aurea den rang
streitig, als man bei der behandlung des grossen legendencyclus
der ktlrzeren fassung den vorzug gab.
Aber auch der Inhalt der legende an sich ist in gewisser
beziehung nicht ohne interesse: er zeigt, wie sich schon in frü-
Digitized by
Google
286 VOGT
her zeit*) auch im christlichsten gewande orientalische mythen
ins abendland einschlichen, wo sie dann gewis nicht wenig
zur ausbreitung des verhängnisvollen Zauberei- und hexen-
glaubens beitrugen. Mohammedanischen Ursprunges ist die ge-
schichte von der einschliessung^der teufel durch Salomo. Ganz
ähnlich wie in unserer legende wird im Suleimanname nach
V. Hammer rosenöl I, 221 dieser mythus erzählt: Salomo, dem
die gewalt über alle dämonen gegeben ist, zwang die einen
zum tempelbau indem er ihnen sein Siegel auf den hals drückte,
die andern aber, die sich ihm nicht unterwerfen wollten, be-
zwang er mit gewalt und sperrte sie in weinschläuche, flaschen
und eherne topfe, die er mit eigner band versiegelte und auf
den grund des meeres warf. Wie dann einer wider frei ge-
worden ist darüber sollen „die wahrhaften geschichten der 1001
nacht" aufschluss geben. Vielleicht ist damit die erzählung
W)m fischer gemeint, der einen solchen von Salomo in ein ge-
fäss eingeschlossenen geist befreit. Hier sind die Babylonier
die unvorsichtigen befreier der teufel**): Babylonien ist das
heimatland der „schwarzen kunst" und die teufel selbst spre-
chen chaldäisch. (vgl. Roth über den zauberer Virgilius Germ.
IV, 278). Wie diese geschichte von den eingesperrten teufeh
in die Virgiliussage eingang fand (Roth a. a. o. 277 u. 78), so
vermutete Öocen noch einen anderen, directeren bezug unsrer
legende auf jene sage. In den büchern Jamne und Mambre,
auf welche nach der version des Mombritius der teufel die
Margareta verweist, um näheren aufschluss über die höUenbe-
wohner zu erhalten, sieht Docen (altd. wäld. HI, X59) „eine
beziehung auf den zauberer Virgilius und auf jene so dunkelen
verse im Wartburgkriege, die so trefflich durch den herzog
*) Die ags. prosalegende calOOO; hss. derlat legende — wahrscbein-
lich in der Mombritiusschen version — aus dem ll.jh. vgl. Diem. a.a.o,
s. 315, text Society 13 s. VIE.
••) Etwas abweichend wird dieselbe geschichte im Reinfrid ed. Bartsch
V. 21042 flf. erzählt:
künc Salamön hat oach für war daz glas höh gehenket was
mit stner künste meisterschaft üf in des tempels kröne
verwürket aller tiuvel kraft unz die von Babilöne
die faoren in den lüften. sich an den Juden rächen,
ir tiuveUtchez güften daz glas si dö zerbrachen
was ouch verwürket in ein glas. und wänden dinne vinden golt.
Digitized by
Google
UEBER DIE MARGARETENLEÖENDEN. 287
Reinfrit aufgeklärt werden". Er kann damit nur die erzäh-
lung vom zauberbuch des Zabulon oder Savilon meinen (Wart-
burgkrieg Simrock 156 S, Reinfrid v. 21034 flf), welches Christi
geburt hintertreiben sollte, dann aber vom magnetberge, wo es
auf wunderbare weise bewacht war, durch den Virgilius ent-
führt wurde. Aber, das steht mit dem in der Margaretenle-
gende erwähnten in gar keinem Zusammenhang. Jannes und
Mambres sind nach 2. Timoth. 3, 8 die zauberer, welche des
Moses zeichen vor Pharao nachmachten. Eine alte lateinische
aufzeichnung die auch ins ags. übersetzt wurde — mitgeteilt
bei Cockayne narratiunculae s. 50 u. 67 — berichtet weiter,
dass Mambre dafür in die höUe gekommen ist. Mit hülfe sei-
nes zauberbuches wird er dann durch seinen bruder Jannes
auf die oberweit heraufbeschworen, um diesem von den schrecken
der höUe zu berichten und ihn vor der strafe nach dem tode
zu warnen*). Das gemeinsame dieser erzählung mit dem be-
richte der legende ist also die tatsache, dass man glaubte,
durch das buchMambre**) aufschluss über die geheimnisse der
höUe erhalten zu können.
Auf fremdem einflusse beruht auch ohne zweifei die be-
schreibung des als drache erscheinenden teufeis. Diess Unge-
tüm mit silbernem haar, goldenem hart, eisernen zahnen und
perlen- oder kupferaugen hat nicht die geringste ähnlichkeit
mit dem äusseren, welches sonst das mittelalter dem teufel
oder einem drachen beilegt. Wenn man die heimat der legende
berücksichtigt, so wird man sich kaum der Vermutung erweh-
ren können, dass diese züge, einem orientalischen götzenbilde
entnommen seien***), wie denn ja bekanntlich die kirche so
manchen heidnischen gott als teufel fortleben liess.
*) Zu den Sammlungen Liebrechts im Gervasius s. 87 und Germ. IV,
374 „das grab und seine länge" liefern einen beitrag die nur in der ags.
Übersetzung vollständig erhaltenen Schlussworte des Mambres: and äfter
)?am)7e ]7udeäd bist )7onnecymst )7ut6 helle and betvixdeddum mannnm
bit$ ^tn eardingstdv nit$er on eort$an and ]7tn seäd bit$ tvegea cubita vtd
and feövra lang.
••) vgl. auch Fabricius cod. pseudepigr. vet. test. I, 813 ff. u. bes. s. 818.
•••) üeber den einfluss bildlicher darstellungen heidnischer gottheiten
anf die mittelalterliche Vorstellung vom aussehn des teufeis vgl. Mentzel
chrifltl. symbolili unter teufel.
GÖTTINGEN. FRIEDRICH VOGT.
Digitized by
Google
UEBER DAS GEGENSEITIGE VERHÄLTNIS
DER HANDSCHRIFTEN VON HARTMANNS
IWEIN.
-Lachmamis ausgäbe des Iwein hat in der geschickte der
deutschen philologie eine bedeutung gehabt wie kaum die
irgend eines anderen mittelhochdeutschen Werkes. Sie war
der erste versuch die anforderungen, welche man in der clas-
sischen philologie an die textkritik zu stellen gewohnt war,
auch auf dieses gebiet zu übertragen. Dazu hat Lachmann
in den anmerkungen die meisten seiner grundsätze über mit-
telhochdeutsche rechtschreibung und metrik niedergelegt. Die
erläuternden anmerkungen und das Wörterbuch von Benecke
machten das buch sehr tauglich zur ersten Qinführung ins
mittelhochdeutsche. Unter solchen umständen ist es nicht sehr
zu verwundern, dass man sich gewöhnte die ausgäbe für ein
unübertreffliches, ewig gültiges muster anzusehen, dem jeder ,
herausgeber eines mittelhochdeutschen gedichtes unbedingt nach-
zueifern habe. Pfeiffer wagte es zuerst diese mustergültigkeit
zu bestreiten. Aber er ist dahin geschieden, bevor er seine
mehrmals versprochene revision des textes ausgeführt hatte.
Bech, der in den übrigen werken Hartmanns sich bedeutende
abweichungen von den kritischen ausgaben gestattet hat, hat
im Iwein nur wenige schüchterne versuche gemacht an dem
texte zu rütteln. Je höher das ansehen des Lachmannschen
Iwein ist, und je mehr die darin angewanten und ausgesproche-
nen grundsätze für die mittelhochdeutsche textkritik und me-
trik noch heute als richtschnur betrachtet werden, um so ge-
botener ist eingehende prüfung von Lachmanns verfahren. So
fruchtbar und woltätig auch die ausgäbe zunächst gewirkt hat
und so viel sie dazu beigetragen hat die deutsche philologie
aus einer liebhaberei zur strengen Wissenschaft zu machen, so
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 289
würde doch, wollten wir die prüfung versäumen und allen
ihren aufstellungen auf immerdar blindlings folgen, der anfangs
heilsame einfluss sich in das gegenteil verkehren, viel mehr
durch unsere, als durch Lachmanns schuld. Und das ist leider
bereits geschehen, so dass jetzt viel weniger die belebende an-
regung zu empfinden ist als die lästige fessel, die der freien
entwickelung unserer Wissenschaft auferlegt wird.
Ich stimme mit Pfeiffer darin überein, dass Lachmann
'in keiner seiner ausgaben der Willkür und gewalttätigkeit so
sehr hat die zügel schiessen lassen, als gerade i^ Iwein'. Frei-
Hch muss man dabei noch einen unterschied machen zwischen
der ersten und zweiten ausgäbe, welche letztere von einzel-
heiten abgesehen mir eine entschiedene Verschlechterung der
ersten scheint, indem hier auf einem allerdings schon in der
ersten angebahnten wege weiter gegangen wurde. Die gründe
zu dieser verirrung des grossen kritikers sind mehrfacher art
Einmal hatte sich Lachmann ein bestimmtes System von me-
trischen regeln gebildet, wonach er alles eonstruierte mit hint-
ansetzung jeder anderen rücksicht. Das bestehen solcher regeln
wäre aber zuvor zu erweisen gewesen, ehe man nach ihnen
die texte gestaltete. Es bedurfte dazu einer allseitigen be-
nutzung des vorhandenen materials, während Lachmann eine
verhältnismässig kleine anzahl von gedichten nach willkjir-
,licher auswahl zu gründe legte. Es musten ferner erst die
texte der werke, von denen eine gute und reichliche Über-
lieferung vorlag, nach den sonst für die textkritik gtütigen
grundsätzen hergestellt sein, ehe man aus ihnen metrische
regeln abstrahieren konnte. Erst auf solcher grundlage ge-
stützte regeln konnten zu änderungen in mangelhaft, etwa nur in
einer hs. überlieferten texten berechtigen und zur entscheidung
über den wert verschiedener hss. beitragen, wenn darüber
sonst noch nicht entschieden war. Statt dessen werden die
noch nicht auf solche weise gesicherten regeln höher gestellt
als die ersten und notwendigsten gesetze jeder philologischen
methode, mit deren auflösung überhaupt eine methodische
kritik unmöglich wird. Es hilft nichts, dass eine regel in den
meisten fällen anwendbar ist. Widerspricht ihr auch nur an einer
stelle die wol beglaubigte und kritisch gesichtete Überlieferung,
so haben wir daraus nichts anderes zu schliessen, als dass die
Beiträge zur geschichte der deatschen spräche. I. 20
Digitized by
Google
290 PAUL
vorausgesetzte regel keine geltung hat. Es wird mir zunächst
frei stehen unbekümmert um alle metrischen regeln tiberall
aufzusuchen, was der Überlieferung und dem sinne nach das
echteste ist. Eine prüfung der zum teil ja schon vielfach an-
gefochtenen Lachmannschen regeln, welche im zusammenhange»
nicht bloss in rücksicht auf den Iwein erfolgen muFS, behalte
ich mir für später vor. Doch bemerke ich im voraus, dass
ich im Stande bin alle Verstösse zu rechtfertigen, die ich im
folgenden gegen die regeln machen werde. Ein zweiter grund,
weshalb Lachmann fehlgriflf, war die ihm anhaftende verliebe
für alles schwierige und abstruse, welche ihn geneigt machte
hinter jedem unsinn einen versteckten oder verderbten sinn zu
suchen, ein verfahren, worin auch heutzutage leider von man-
cher Seite die einzig richtige methode gesehen wird. Dieser
hang und das bestreben nach durchführung seiner regeln übten
auf Lachmann den wesentlichsten einfluss bei der beurteilung
des wertes der verschiedenen hss.. Endlich aber hat er es ver-
säumt eine eingehende Untersuchung über das gegenseitige
Verhältnis der hss. anzustellen, was als notwendige Vorbedingung
für die herausgäbe eines in zahlreichen hss. erhaltenen Werkes
angesehen werden muss. Vielmehr entscheidet er sich von
vornherein für den vorzug einer einzelnen hss., deren autorität
er fast so hoch und öfter höher schätzt als die aller übrigen zu-
sammengenommen. Es war dies verfahren überhaupt seine art ^
Am deutlichsten zeigt sich das in seiner ausgäbe der Nibe-
lungen. Aber auch im Parzival und Willehalm folgt er oft
einseitig den hss. D und K. Das beispiel Lachmanns hat
einen starken einfluss ' auf unsere gesammte textkritik geübt
Noch heute kann man den grundsatz predigen hören, dass bei
einer ausgäbe die beste hs. zu gründe zu legen sei, von der
man nicht abweichen dürfe, wo es nicht durchaus notwendig
sei. Und doch kann nichts klarer sein, als dass dieser grund-
satz falsch ist, sobald mehr als zwei hss. vorliegen. Es kann
unter drei oder mehr hss. recht wol die eine besser sein als
jede der andern für sich, und trotzdem kann und wird in der
regel die Übereinstimmung der andern einen höhern kritischen
wert haben als die eine beste. Selbst wenn alle übrigen ausser
ihr aus einer gemeinsamen vorläge stammen sollten, von der
sie unabhängig wäre, so könnte sie doch an wert von dieser
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 291
vorläge tibertroffen worden sein, so schlecht die einzelnen da-
raus abgeleiteten hss. sein mögen, piese vorläge wird aber
an vielen stellen durch die Übereinstimmung aller oder der
mehrzahl der abgeleiteten hss. zu reconstruieren sein. Und
wenn nun gar, was doch meistens der fall sein wird, keine
vermittelnde quelle zwischen der urhandschrift und allen
übrigen hss. ausser der besten liegt, wenn vielleicht gar eine
von jenen zu dieser in einem näheren Verhältnis st^ht, so lässt
sieh aus der Übereinstimmung jener, die um so weniger zufallig
sein kann, je zahlreicher sie sind, der text der urhandschrift
reconstruieren, wogegen die abweichungen auch der besten hs.
gar nicht in betracht kommen. Ich glaube, dass man sich im
allgemeinen bei der herausgäbe mittelhochdeutscher texte viel
zu sehr auf die berücksichtigung einiger wenigen ausgezeich-
neten hss. beschränkt. Man kann niemals von vornherein
sagen auch von der schlechtesten hs., dass sie nichts zur auf-
findung des echten textes beitragen könne, wofern nicht ihre
vorläge erhalten ist oder andere mit ihr aufs engste verwante
hss. Diese andeutungen werden genügen um die Veröffent-
lichung dieser arbeit zu rechtfertigen. Ich habe dazu nur
weniges ausser Lachmanns Variantenverzeichnis und den ge-
druckten hss. benutzen können. Herr professor Bartsch hatte die
gute mir seine vetgleichung der ersten 1000 verse der Rostocker
, hs. mitzuteilen , welche ich mit r bezeichne. Ich selbst habe
an einer reihe wichtiger stellen die zweite, von Lachmann
lücnt benutzte Dresdner hs. verglichen, für die ich das zeichen
f brauche. Diese beiden hss. trugen nicht wenig dazu bei mir
meine schon früher' gefassten ansichten über das handschriften-
verhältnis zu sichern.
Als grundregel seines kritischen Verfahrens stellt Lach-
mann auf (I. ausgäbe s. 4, III. ausg. s. 362), dass der hs. A
überall zu folgen sei, wo sie nicht allein stehe. Begründet
wird diese Vorschrift dadurch, dass A mit keiner der andern
näher verwant sei und Veränderungen, die erkennbar absicht-
lich wären, niemals mit einer andern gemein habe. Abzu-
weichen davon ist nach Lachmann, wenn A nur durch zufall
mit einer andern hs. stimmt, oder wenn sich die echte lesart
in keiner andern erhalten hat. Und so sind denn a ch ca.
170 nur durch A bezeugte lesarten gegen die übereinstim-
20*
Digitized by
Google
2d2 PAüL
mung aller oder doch der mehrzahl der übrigen in den text
aufgenommen. Dieses verfahren setzt erstens voraus, dass A
mit einer besonderen treue und Sorgfalt geschrieben ist, und
zweitens, dass nicht bloss A mit keiner der ilbrigen hss. näher
verwant ist, sondern dass auch diese alle zusammen aus einer
gemeinsamen quelle geflossen sind, von welcher ^unabhängig
ist. Es wird also darauf ankommen diese beiden Voraus-
setzungen einer prttfung zu unterziehen.
Zur begründung der ersteren ist von Lachmann nichts bei-
gebracht worden. Man tiberzeugt sich leicht aus den Varian-
ten, dass A von einem sehr unsorgfältigen und nachlässigen
Schreiber herrührt. Das zeigen vor allem zahlreiche auslas-
sungen. Ich fahre davon die in den ersten 600 versen vor-
kommenden auch von Lachmann als solche anerkannten voll-
ständig auf: 58 fehlt diu; 69. 70 fehlen; 156 fehlt bitters; 265
fehlt der; 301 fehlt an, 422 fehlt ich; 471 fehlt im; 472 fehlt
niht; 476 fehlt ör?^; 511 fehlt in; 521 fehlt waz; 525—31
sind in drei werte zusammengezogen; 606 fehlt vogel; 628 fehlt
in. Ich bemerke weiterhin nur die grösseren auslassungen.
Es fehlen entweder ganze verse, so 768. 1263—4. 1644—7.
2004. 2118. 2178=80. 2398. 3611—2. 3619—20. 3639. 3818.
4665. 6922—4 8021—2, oder, was noch häufiger ist, es wer-
den meist durch überspringen von einem werte auf ein anderes
bald darauf folgendes gleiches oder ähnliches mehrere zeilen
in eine zusammengezogen, so 754—6. 1044 — 7. 1204 — 6. 1275
— 77. 1528—34. 2170— L 2711—5. 3255—6. 3539—41. 3840
—1. 3933—6. 4021—3. 4024—5. 4388—9. 4695—7. 4793—5.
5227 — 31. 5864—6. 5993—4. 6683—4 6674—8. 7194—5.
7993—4. Eine grosse lücke ist 6925 — 7075; dass diese schon
in der vorläge von A vorhanden war, wie Lachmann zu 6925
behauptet, ist nicht erwiesen und die übrigen auslassungen
machen es wahrscheinlich genug, dass auch diese der nachläs-
sigkeit des Schreibers zuzurechnen ist. Häufig ist das fehlen
von einzelnen Wörtern. Ebenso zaldreich sind Umstellungen,
vertauschungen von partikeln und andere kleine ändei-ungen,
die eine nachlässige abschrifk charakterisieren. Es wird zur
darlegung des Verhältnisses genügen anzufahren, was der-
gleichen bis zu z. 500 von Lachmann als falsch in die Vari-
anten gesetzt ist: 58 doh für da; 95 ist nach 96, 99 nach 100
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHÄELTNIS DES IWEIN. 293
gestellt; 115 ne was für wcere; 143 un tnoch; 147 dich f. (Urz;
150 haz niewen zouden frumen f. niuwan haz ze den frumen;
156 des eueres so vol f. hiiters eiters vol; 244 irs mih ruht wil
f. ir michs niht weit; 267 un vil f. und; 279 gesach f. ersach;
282 da so f. r?4; 299 dou f. nw; 300 in f. an; 303 war^ f. was;
361 mr^ew f. nie Bd (mÄ^ Dacf.); 379 da hinen f. dÄ «;t'd^;
382 un ih f. ww^; 384 die f. wJwe; 386 noh oh f. nocÄ; 387 da f.
Jo, riterlicher f. riterRchen; 403 mfÄ f. W2r; 409 etor f. tfd; 459
unde breit f. ferg/<; 464 hoverde f. hoveroht; 470 Ja Z>« ^me fr^^ew f.
t/a bi im; 478 ^er^/f f. bereit; 489 ^^^a^^ f. ^ö^tf. Dies sind nur
die lesarten, mit denen A allein steht; dazu kommen noch meh-
rere, in denen sie zu einer andern hs. stimmt und bei denen Lach-
mann diese Übereinstimmung flir zufallig hält. Und in dieser
weise geht es das ganze gedieht hindurch fort. Ganz sinnlose
entstellungen sind nicht selten, z. b. 613 den esien scim f. der
este schin; 2133 imne tete niht ze we, ein tah t im endet ze
vuoz ein tac; 2624 nu lan der herre her key dort f. noch lac
der herre Keii dort; 4001 nu git mih doh des blibe f. nü git mir
doch des bilde] 5946 so moz ruwe. un ungenade ban = sd muoz
ich gnäde und ruowe län ; 7388. 9 so sie der tah oubet, un man-
heit. un wafen f. so der tac Hebet manheit unde wä/en.
Wenn demnach A noch eine hervorragende geltung haben
soll, so kann das nur darin seinen grund haben, dass sie aus
einer vorzüglichen quelle abgeschrieben ist. Dies angenommen
und vorausgesetzt, dass der Schreiber von A immer nur aus
flüchtigkeit fehlte, so würden wir auf A ein grosses gewicht
zu legen berechtigt sein überall da, wo sie bedeutende ab-
weichungen zeigt, die nicht leicht ohne Überlegung aus den
lesarten der übrigen hss. entstanden sein könnten; dagegen
würde sie geringe beachtung verdienen bei allen geringfügigen
abweichungen, die den sinn nicht wesentlich ändern oder
sich leicht aus eilfertigkeit erklären lassen. Lesarten der letz-
teren art sind nun aber von Lachmann nicht wenige in den
text aufgenommen, teils solche, die in A allein überliefert sind,
teils solche, die sie mit einer andern hs. teilt. Auf die letz-
teren komme ich später zurück, zunächst sehen wir uns die
ersteren etwas an. Vor allem, wenn in A ein wort fehlt,
welches in den übrigen hss. steht, müste es doch erst ganz
bestimmt erwiesen sein, dass es an der betreffenden stelle un-
Digitized by
Google
294 PAUL
gehörig ist, wenn wir dieselbe nicht nach der analogie der
zahlreichen übrigen fälle beurteilen sollen, in denen die aus-
lassung in A evident ist. Dazu sprechen auch gar keine in-
neren stichhaltigen gründe für die auslassungen, wol aber
meistens dagegen. So scheint mir 657 die auslassung von
weter gegen BDabdrf dem sprachgebrauche wenig angemessen;
es ist störend daz als pronomen auf das vorhergehende des we-
ter es zu beziehen, weil mit 657 ein neuer abschnitt des sinnes
beginnt; die berufung auf Er. 669 kann wenig beweisen, da
wir nur die Überlieferung einer einzigen späten hs. vor uns
haben. 1557 kann der artikel bei minne wol nicht gut ent-
behrt werden; eine vollständige personification liegt nicht vor,
da sonst nicht gesagt werden könnte, dass die minne sich zer-
teilt hatte. 1792 muss es heissen ir diu noehest und diu beste]
wenn das erste diu mit A weggelassen wird, würde man ir
für den gen. nehmen müssen, der bei nceheste doch nur stehen
kann, wenn es als subst. im biblischen sinne gebraucht wird.
2939 ist uns kaum zu entbehren. 4536 wird durch das in A
fehlende für in die Situation viel klarer, indem man nun weiss,
dass der ritter, sobald er abgesessen ist, vor Artus steht, und
es begreift, dass er sofort ihn anredet. 7145 fehlt in äne bürgen
und äne phant daz zweite äne in A gegen den mittelhochdeut-
schen Sprachgebrauch, der es liebt die präposition zu wider-
holen. 7761 steht iemer in allen hss. ausser A; die rede wird
dadurch nachdrücklicher, und der vers stimmt so mit 3636,
wo auch A immer hat, was freilich für Lachmann ein grund
ist es hier nicht zu setzen, worüber weiter unten. An andern
stellen ist der Vorzug weniger entschieden auf seiten der übrigen
hss. 2412 des ritters gehurt und sin frümekheit; sin fehlt in A
und ist von Lachmann aus unhaltbaren metrischen gründen
weggelassen. 3413 kommt nicht viel darauf an, ob von wis
fehlt; aber die form wirdet welche Lachmann wegen der aus-
lassung in den text zu setzen genötigt ist, ist für Hartmann
mit lücksicht auf die sonst von ihm gebrauchten kürzungen
nicht wahrscheinlich. 4316 ist al nur deshalb von Lachmann
mit A weggelassen, weil er stüendez aus Aa gegen stüende in
BDbd au^fgenommen hatte; übrigens sind auch bei der ersteren
lesart die metrischen bedenken gegen al ze nicht berechtigt.
5133 fehlt daz, 6723 im, ohne dass sich das geringste gegen
Digitized by
Google
HANDSCHEIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 295
die einsetzung dieser wörtchen einwenden lässt. Ebenso wenig
kann A flir die Wortstellung irgend massgebend sein, und es
ist nicht abzusehen, warum ihr Lachmann z. b. an folgenden
stellen folgt: 3513 wan mir min troum hat gegeben gegen wan
(fehlt BabD) mir hat min troum gegeben BDabcd; 4334 sluogen
ouch danne mich gegen danne (dannoch) sluogen si ouch mich;
7455. 6 daz ich iu durch iurver frümekheit al der eren wol
gm gegen daz ich durch i, f, iu al etc; und so noch an mehre-
ren stellen. Können wir hier nicht ebenso gut Umstellungen
in A vor uns haben wie z. b. 6756. 7 sine vll scarpen da.
begonder in sinen ruke heften gegen er begunde sine scharfen cid
in sinen rücke heften? Und welches recht haben wir aus der
menge der sonstigen kleinen abweichungen einige herauszu-
suchen und für ursprünglich zu erklären, wie z. b. 281 und
öfter engegen= gegen, 2695 daz ne = da ne, 1365 gesach = er-
such j während hier doch eben so gut wie 279 gesach aus er-
sach vom Schreiber geändeii; sein kann, etc. Dass die lesarten
von A möglich und vielleicht eben so gut als die der übrigen
hss. sind, kann noch nicht als ein zwingender grund angesehen
werden sie in den text zu setzen. Vollends nicht zu rechtfer-
tigen ist es, wenn auf die nachlässige Schreibung von A zu-
weilen ein solches gewicht' gelegt wird, als hätte der Schreiber
die absieht gehabt mit diplomatischer treue seine vorläge
widerzugeben. So schreibt Lachmann 92 dez, weil A des hat,
gegen daz De, der Badrf; 2698 niht tes wegen nihtes in A
gegen 7iiht des Bbd, des niht E, niht D; 2962 bedähter mit A
für bedähte her und 4865 tmder für un her; 6633 üzer mäze
für üz der mäze; 5032 hat A im deme, BDbf im in dem, Ea in
dem: Lachmann macht daraus ime, während es klar ist, dass
A einfach in ausgelassen hat, wie Ea im. 7871 haben daz er
BDEabf, der A; dies benutzt Lachmann zu herstellung des
Oberhaupt sehr problematischen der.
Besondere beachtung verdient es, dass A von einem nie-
derdeutschen Schreiber hen-ührt, und dass Lachmann sich hat
verleiten lassen aus ihr formen in den text zu setzen, die ent-
weder nur niederdeutsch (resp. auch mitteldeutsch) sind, oder
zwar im hochdeutschen neben andern vorkommen, im nieder-
deutschen aber ausschliesslich gelten, so dass in bezug auf
dieselben die autorität eines niederdeutschen Schreibers gar
Digitized by
Google
296 PAUL
nicht in betracht kommt. So ist vor allem niuwet für niht
eine niederdeutsche form, die auch bis in das mittel- und süd-
fränkische und in das hessische hineinreicht, und die nun auf die
autorität einer von einem niederdeutschen geschriebenen hs.
ohne weiteres auch für das hochdeutsche in anspruch genommen
und durch die Wörterbücher fortgeschleppt wird. Niederdeutsch
ist natürlich die weglassung der partikel ge- in burt 2089 und
seilen 3033; aber auf die beiden durch eine so nichtige autori-
tät gewährten formen stützt sich wesentlich mit die später von
Haupt z. Er. 1969 weitergeführte ansieht Lachmanns, dass ge
in nominibus auch im oberdeutschen abgeworfen werden
könnte.*) Auch die bevorzugung von denken gegen gedenken
haben wir wol als etwas niederdeutsches anzusehen, nicht mit
Lachmann für das richtige. Ferner bemerkt Lachmann selbst,
dass nach der negation die partikel ge vor dem verbum in A
immer weggelassen würde; warum er trotzdem ihrer autorität
in dieser dialektischen eigentümlichkeit an mehreren stellen
z. b. 2375. 3219. 4325. 5977 folgt, ist nicht abzusehen. Viel-
leicht nicht dialektische eigenheit, sondern blosse nachlässig-
keit ist es, wenn A 6604 segete an für gesigete an der übrigen
schreibt. So häufig an gesigen ist, an sigen ist unerhört. Aber
der offenbare fehler in A genügt für Lachmann, um im Er.
8795 gegen die hs. zu vermuten der disem ritter sigte an. Man
müste ebeü so im Tristan 1129 gegen alle hss. schreiben er
vaht mit im und siget im an. Femer stützt sich die Setzung
des auslautenden e im dat. sing, der pronomina und adjectiva
nur auf die niederdeutsche hs. A und die mitteldeutsche a,
also formen wie demej ime, weme, mineme, eime, sime, jenemej
michelmey michelre, kurzerme, mitteme. In der ersten ausgäbe
sind fast sämmtliche formen der art, die in A vorkommen, in
den text gesetzt. In der zweiten ausgäbe sind viele e ge-
strichen, zum teil weil es die regel von der einsilbigkeit der
Senkungen erforderte, oft aber so, dass man kein festes prin-
cip in der Streichung erkennen kann. Es ist eine jetzt allge-
mein bekannte tatsache, dass dieses e in Nieder deutschland
und auch in Mitteldeutschland, namentlich Kheinfranken bis in
das fünfzehnte Jahrhundert erhalten ist. Es ist daher nicht
*) Vgl. meine anm. zum Gregor v. 254.
Digitized by
Google
HANDSCHBIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 297
zu verwundern, wenn Schreiber, die aus diesen gegenden
stammen, dasselbe in ihre abschriften einsetzen. Dass der
Schreiber von A das e nicht durchgeflihrt hat, ist eigentlich
schon ein hinlänglicher beweis dafür, dass es in seiner vor-
läge nicht stand. Denn er hatte nach seiner mundart wol
grund es hinzuzusetzen, aber durchaus gar keinen es wegzu-
lassen. Ich behaupte nicht, dass die erhaltung des e in Ober-
deutschland um 1200 überhaupt nicht mehr vorgekommen sei
(einige beisp. bei Weinh. al. gr. s. 461 u. 471). Die sache be-
darf noch einer umfassenden auf die rein oberdeutschen hss. ge-
stützten Untersuchung. Aber jedenfalls berechtigt uns die au-
torität einer nieder- oder mitteldeutschen hs. nicht dazu aus
ihr das e in den text eines oberdeutschen dichters einzusetzen,
und danach auch, wo es nirgends überliefert, hineinzuconji-
cieren, wie dies Lachmann und andere nach seinem muster
getan haben. Auch die sonstigen kürzungen Hartmanns
machen die erhaltung des e bei ihm unwahrscheinlich. Ich
bedaure, dass ich mich von Bartsch habe verleiten lassen im
Gregor 1509 manegeme zu schreiben. Wir kommen doch ein-
mal nicht über die annähme hinweg, dass Hartmann sich ge-
stattet hat einsilbige Wörter von geringem tongewichte wie
praepositionen und artikel zur ausfüUung von hebung und Sen-
kung zu verwenden. Dies zugegeben hat Hartmann kaum
einen vers, der die setzung des e verlangte, welches bei
Lachmann meist auch ohne das unnötig ist, zumal wenn man
die ausdehnung anerkennt, welche Bartsch dem sogenannten
logischen betonungsgesetze eingeräumt hat. Man darf auch
nicht den reim deme: neme Iw. 5207 zum beweise der erhal-
tung des e bei Hartmann in anspruch nehmen. Es ist hier viel-
mehr die kürzung nem anzusetzen, welche durch das vollstän-
dig analoge nam (nomen): zam Er. 8912 gesichert ist. Die
formen ^me und eime erfreuen sich einer besonderen beliebt-
heit und werden ohne anstand überall in jeden text gegen die
hss. eingesetzt auf die autorität von Lachmann hin, der sie
hauptsächlich aus den hss. A und a des Iwein genommen hat.
Es dürfte doch geraten sein etwas vorsichtiger in dieser be-
ziehung bei oberdeutschen dichtem zu sein. Dass Lachmanns
regeln über die letzte Senkung und die unzulässigkeit einer
l^etonung wie mlchilem die formen eime, michelme u. s. £
Digitized by
Google
298 1>AUL
verlangen, kann uns nicht irre machen. Aehnlich verhält es
sich mit iuclinierten formen wie anme, vonme, etc., die sich
zwar zuweilen in oberdeutschen hss. finden, aber jedenfalls
nicht bloss nach nieder- und mitteldeutschen hss. einem ober-
deutschen dichter zugeschrieben werden können. So ist amne
6059, vonme 2496 und 3707, hime 1438 nur von A gewährt,
ante 1162 gegen alle hss. gesetzt, ime 5032 durch eine son-
derbare combination der verschiedenen lesarten conjiciert cf.
8. 295. Eine weitere eigentümlichkeit des niederdeutschen,
die Lachmanns kritik beeinflusst hat, ist die substantivische
flexion oder, wie man gewöhnlich sagt, flexionslosigkeit der
adjectiva im nom. sing, aller geschlechter. Es kommen dabei
weniger die eigentlichen adj., als die halbprominalen in be-
tracht. Lachmann hat sich gestattet die formen al, ein, de-
kein, manec bloss aus A statt einer, einiu, einez etc. in den text
zu setzen und dann weiter darauf gestützt an andern stellen
auch gegen alle hss. hineinzuconjicieren, zum teil allerdings
an stellen wo dieselben auch oberdeutsch möglich sind, öfters
aber auch gegen allen oberdeutschen Sprachgebrauch. Lach-
mann hat zu 105 das substantivische ein und dehein im reime
nachgewiesen. Aber an allen diesen stellen ist davon ein gen.
abhängig; ohne denselben aber ist für den absoluten gebrauch
von ein und dehein bei oberdeutschen dichtem kein sicheres
material beigebi^acht. Sehen wir uns die stellen im Iwein an.
6664 daz ein dem andern schadbn wil; hier haben mer BDabd,
ein nur A. 4327 daz ein kempfe dri man; hier haben einer
BEabdf, ein AD; vermutlich hat der Schreiber von D aus ge-
dankenlosigkeit kempfe für ein subst. genommen. 2394 und
in geviele dehein haz; A hat ne hdn, dagegen hat E dehein man,
a ny keyn mmi, i nie man, cnie nymante, BDd nie dehein dinch;
es ist für jeden unbefangenen klar, dass wir hier eine der
häufigen auslassungen des Schreibers von A vor uns haben,
und es kann nur zweifelhaft sein, ob nie dehein man oder nie de-
hein dinc das richtige ist. 102 und 7488 ist kein (dehein)
zwar zulässig, aber weil es nur von A gewährt wird, doch
nicht in den text zu setzen. Noch weniger gewähr hat das
unflektierte manec, welches an drei stellen auf das zeugnis
von A hin, einmal gegen alle hss. aufgenommen ist Und
doch werden diese unflektierten formen und andere wie ieglich
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 299
(cf. Haupt zu Er. 1965) jetzt fast überall ohne jedes bedenken
gegen die liss. geschrieben aus scheu vor kürzungen, von de-
nen man doch erst nachweisen müste, dass sie die dichter
vermieden haben. Und schliesslich trägt niemand anders die
schuld daran als der niederdeutsche Schreiber der Iweinhs. A,
welchem hierin zu folgen Lachmann gefallen hat. Endlich
werden wir noch hierher zu rechnen haben die bevorzugung
von dicke gegen ofte und die regelmässige Setzung der halben
negation ew, worin Lachmann A fast überall folgt ausser wo
ihn metrische gründe davon abhalten.
Wir haben also festgestellt; dass A polier flüchtigkeitsfehler
ist und deshalb in kleinigkeiten durchaus kein vertrauen ver-
dient. Aber auch an grösseren nicht unabsichtlichen fehlem
fehlt CS nicht, bei denen es meist nicht zu entscheiden ist, ob
sie erst dem Schreiber von A oder schon seiner vorläge ange'
hören; für die bestimmung des kritischen wertes der hs. ist
das gleichgültig. Es ist nicht leicht die gränze zwischen ab-
sichtlichen und unabsichtlichen änderungen zu ziehen. Ganz
unabsichtlich können wir vielleicht nur die wirklichen Schreib-
fehler und Verlesungen nennen. Diese sind im allgemeinen in
mittelhochdeutschen hss. selten. Eine zweite art von fehlem
entstanden, indem die Schreiber ein stück ihrer vorläge über-
lasen, vielleicht ein zu grosses für die fassungskraft ihres ge-
dächtnisses, und dann, wenn ihnen etwas davon in der erin-
nerung unklar geworden war,' statt noch einmal einen blick
auf die vorläge zu werfen es bequemer fanden etwas beliebiges
ähnliches oder ungefilhr passendes hinzuschreiben. Dieser art
sind, wie überhaupt in den mittelhochdeutschen hss., so auch
in A bei weitem die meisten fehler. Es können auf diese
weise schon ziemlich bedeutende abweichungen entstehen, und
wir haben grund solche auch in A vorauszusetzen. Endlich
aber enthält sie auch unzweifelhafte mit bewuster absieht ge-
machte änderungen, die auch Lachmann als solche anerkennen
muss. Ich führe zuerst eine anzahl minder bedeutende auf,
bei denen es zum teil zweifelhaft bleibt, ob sie nicht vielleicht
der zweiten classe zuzuzählen sind. 548 gewogen (niederdeut-
sche und mittelfränkische form für gervahen) = gesagen\ 769
U7i7vert = niugerne\ 820 er aß = rede] 946 unde warb iz aisein
hiderhe man == und warp rehte als ein man] 958 nunc la niwet
Digitized by
Google
300 PAUL
sin ze ga = er sprach nu lä dir wesen gäch\ 992 zwivel^=^ twelen]
1686 got hat an siu geleit = goi der hat geleit; 1752 na also =
niender sd] 1766 hinehte = noch; 1780 grot gemah = dUen den
gemach; 2139 iemir = lange; 2206 sie sprah waz meres = waz
mcere; 2396 mit sparen slat=^mit sporn hestät; 2443 vollem
michel; 2631 nam = schicof; 2558 in dort = Jenen; 2602 san =
dan; 2738 da zuget slh oh ein ander U = der ziuhet sich ouch
lihte derU; 2960 der der vrowen== iete ir herzen; 3204 was ein
slah=^der slac; 3253 des Ubes, un der sinne = an Rbe unde
an sinne; 3432 daz sie riten drate = und riten alsd dräte; 3470
also=^beidiu; 3603 siu ne sah umbe = weder si ensach dar;
3901 nu namer =^ nu schant erz; 4090 .^«2 sie = die 52CÄ;4892
nih missevar = rehte gevar; 6316. 7 mosie sih hewaren. her
ywein als ein wiser man=muoser sich bewarn dar nach als ein
wtser man; 6221 da sie sin wrden gewar = ouch wurden si «in
gewar; 6261 du besluzes «= wan besliuzzestu; 6376 bejagen = be-
haben; 7254 vreisliche = frische ; 7323 drumbe = alle; 7493
rweten = richseten; 7496 zeichenten =^zeicten; 8087 geminne-
ten = gemuoten ; 8147 besizen = gewinnent Tiefer greifende
Veränderungen, zu denen sich zum teil noch die motive erken-
nen lassen, sind folgende 703 — 5 Iz was mir vorthlich un un-
gemah. Älsih aber in elnin sah, dou getrost ih mih i doh^^ah
ab ich in einen sach, min vorhte und min ungemach wart gesenf-
tet iedoch; 1460 den hat mir der dot benuomen== ouwe wie bist
du mir benomen; 2430 der hat alliz daz er gert=^dm niuwan
sines willen gert; 3238 ze walde un war wilde =^ nacket nach der
wilde; 3566 also bin ih=^als ich; 4293 diz was gescen in den
tagen = und was daz in de7i selben tagen; 5355. 6 u^nder den
satel stach er in. rehte vligende hin = rehte vllegent stach er in
enbor über den satel hin ; 5426 iedoh ne dorfte ine nieman clagen
= dochn hörte in da niemen clagen; 6871. 2 so begreib siu die
vart. dar ir der weh gezeiget wart = da ir der wec gezeiget wart,
und was ouch üf der rehten vart; 6128 daz höbet sie uz dem vinster
hienc = als er den burcwec gevienc (Lachmann in der anmerkung
zu dieser stelle erklärt diese und die folgende änderung aus
einer beschädigung der vorläge) ; 6183. 4 do her necheine vreise
ne sah* un im nechein leit ne geschah ^^em ruochte waz er im
sprach] dd er deheine vreise sach ; 7420 got ne sender sine gnade
zuo=^got 4 der sine gnäde tuo. Insbesondere hebe ich hervor
Digitized by
Google
HANDSCHKiFTEKVEßHAELTNiS DES IWEIN. 301
solche fälle, wo der Schreiber geändert hat, um ein ihm unge-
wöhnliches wort oder eine ungewöhnliche form zu entfernen;
1333. 4 un daz was ir lib. undir har. gelih deme rvnsce gar =
und da was ir här ur\ß ir Hch s6 gar dem wünsche getich (Reh
sollte vermieden, werden; so wird auch 1669 ohne änderung
des darauf reimenden Wortes Itb flir Hch geschrieben); 2026:
7 ih mohte mih wol gemazen. miner zornigen site = ich möhte
wol verwäzen mne zornige site; 2332 waz mah ih nu reden me
==ichn nceiUche tu niht me; 4927. 8 ungescut mit hemeden von
sactuche hehut=ungeschuoch: ir hemde was ein sactuoch (ver-
mäzen, nosiHche, ungeschuoch warfen anstössig); 4823. 4 aisein
kemfe solte der vol varen wolte = als er kemp/en wolde den der
da komen sölde (die construktion von kempfen mit dem acc.
sollte beseitigt werden; aus dem selben gründe ist 4327 wider
hinzugefttgt vgl. dazu Lachmanns anmerkung); an vier stellen
wurde der reim von Uchen auf kurzes i zu vermeiden gesucht
(vgl Lachm. z. 2479): 2779 nu mouzer uns untwichen^'^nü ist
er uns entwichen ( : lästerlichen); 4199 nu wil her uns beswichen
= nü hat er uns beswichen ( : schedelichen); 4295 dou begounde
her gawein nastrichen = her Gäwein (was) nach gestrichen ( : wcer-
lichen) ; 4723 so moi^er na strichen = so ist er nach gestrichen
fnämelichen). Dass diese änderungen erst dem letzten Schreiber
angehören, möchte man aus den reimen sän;dan, ungeschut;
behut schliessen. Aber anderseits mliste man voraussetzen,
dass ein niederdeutscher Schreiber, wenn er etwas ganz an-
deres als seine vorläge setzte, dies auch in rein niederdeutschen
formen getan haben würde, was, wie aus dem angeführten
leicht zu ersehen ist, nicht der fall ist. Demnach würde man
genötigt sein mindestens den grösten teil der änderungen
seiner vorläge zuzuweisen. Die angeftthrten reime können
auch einem mitteldeutschen angehören. Für uns genügt es,
dass der text von A durch eine band, wenn nicht durch meh-
rere, hindurch gegangen ist, die leichtsinnig genug damit ge-
wirtschaftet hat, und nicht bloss jeder treue im kleinen entbehrt,
sondern mitunter auch gewaltsamere änderungen nicht gescheut
hat um etwas, was ihr nicht passte, zu beseitigen. In jedem
falle ist es daher bedenklich einer solchen autorität allein
gegen alle übrigen hss. zu vertrauen.
Wir wenden uns noch zur besprechung einiger stellen, an
Digitized by
Google
302 PAUL
welchen auch aus innern gründen Lachmanns bevorzuguiig
von Azu verwerfen ist. 3412 haben wir gewis eine änderung
von A anzunehmen, die den zweck hatte das anakoluth zu be-
seitigen, welches nicht mehr seltsam ujid gegen Hartmanns
weise ist, wenn wir nicht 3408 mit AD gegen alle übrigen ir
einsetzen; die form ir hat kommt auch gerade A zu und ist
aus ihr von Lachmann mehrfach in den text gesetzt. 4239
schreibt Lachmann mit A tvizzen gegen wizze BDEbdf und
demgemäss 4240 ersürhe mit Ba gegen ersterbe Dbdf (A ent-
scheidet nichts); d wizzen müste dann auf alle Zuschauer des
kampfes gehen , denn die drei kämpfer werden davon deutlich
unterschieden; dem Iwein handelt es sich aber in seiner ganzen
rede nur um das verhalten seiner frau; ihr wissen wird 4242 flf.
dem nichtwissen an unserer stelle gegenübergesetzt, wir brauchen
sie daher auch hier als subject; der conj. ist vollkommen be-
gründet durch die abhängigkeit des regierenden verbums von
sol 5099 setzt Lachmann beide aus A in den text gegen vil
gar in BDabdf, während beidiu schon in der vorhergehenden
zeile steht; er spricht sich nicht darüber aus, ob er sowol bei-
diu als beide auf das objekt oder nur ersteres auf das obj.,
letzteres auf das subj. beziehen will; an der hierzu vergliche-
nen stelle a. Heiür. 566 van dirre rede wurden do trüric beidiu
unde unfrö beide muoter unde vater steht das doppelte beide nur
in A und ist auch von Haupt und Bech nicht in den text auf-
genommen; wenn es nicht eine, einfache entstellung ist, so ist
das erste wol auf irüric unde unfrö ^ das zweite auf muoter
unde vater zu beziehen; an unserer stelle geht es wegen der
Wortstellung nicht an das zweite beide auf er und sin mp zu
beziehen; eine Verdoppelung von bade aber wäre sehr seltsam
und müste erst durch bessere Zeugnisse gesichert sein. 6792.
3 schreibt Lachmann der muose sich in iedoch gar in ir genäde
gebn; für das erste in A haben df im, es fehlt DEabe; für ir
in A haben sin DEadef, ien b; was der plural hier soll, ist
schwer zu begreifen; dem löwen ergibt er sich doch nicht mit,
sondern nur dem Iwein; auch folgt darauf do liez er in durch
got leben.
Auch durch die vergleichung mit Chrestiens werden meh-
rere von Lachmann aus A aufgenommene lesarten zurück-
gewiesen. 4025 — 7 schreibt Lachmann daz von deheiner sache
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTFNVERHAELTNIS DES IWEIN. 303
vmi manegerm ungemache dehelniu armer rnöhte leben; Beneckes
erklärung Ww deheiner sacke in keiner hinsichf müste erst
durch parallelstellen gestützt werden, was schwerlich gelingen
wird; die zeile ist so allein in A überliefert und hier nicht
anders verstanden, als sie überhaupt verstanden werden kann
^aus keiner Ursache*, denn in der folgenden zeile schreibt A
wh von so; D und e weichen jede in selbständiger weise stark
ab, ebenso f, das A noch am nächsten kommt, wahrscheinlich
auch E und a, deren ab weichungen hier nicht angegeben sind;
Bbd stimmen überein, und diese Übereinstimmung genügt schon
ihnen den vorzug vor den übrigen zu geben, welcher durch das
französische bestätigt wird; den drei Zeilen entspricht Chres-
tiens 3566 la plus dolanie riens qui vive ; danach ist mit Bbd,
denen nun auch 4027 zu folgen ist, zu lesen daz deheln sacke
von manegem {manigerm hat nur b) ungemacke also armiu möhte
leben; der durch das französische veranlasste auffallende ge-
brauch von sacke veranlasste die verschiedenen änderungen.
5187 und mackten im den wec dar; den hat A, einen Dbd^
es fehlt BEa; den ist schon an und für sich unpassend, die
beiden andern lesarten gleich richtig; Chrestiens sagt 4335 si
U fönt voie; demnach haben wir BEa zu folgen; dnen und
den konnten leicht durch die Schreiber eingeschoben werden.
8083. 4 ist nach A geschrieben mim tete daz weter nie sd we
ichnwoltes kän gellten e; dagegen lautet 8084 in Dcdf ecÄn wold
es liden immerme {nimmerme D), in Bb dazn woldick iemer liden
e, in a daz rvolde ick lidin e; die lesart von A ergibt sich schon
aus dem zusammenhange als falsch, da von der zukunft, nicht
von der Vergangenheit die rede sein muss; vollends zurückge-
wiesen wird sie durch Chrest. 6754 mialz volsisse tote ma vie
vanz et orages endurer ; unter den verschiedenen lesarten stimmt
die von Bb am nächsten dazu: iemer entspricht tote ma vie, e
dem mialz; dennoch würde es unmethodisch sein etwa diese
mit der notwendigen beseitigung der halben negation in den
text aufzunehmen, da sie nur durch zwei nahe verwante hss.
gestützt ist, die viele willkürliche änderungen gemein haben;
die Übereinstimmung von Dcdf wiegt dagegen schwer, und wir
würden ihnen ohne das französische vielleicht unbedenklich
folgen; nun aber ist das auch durch A und a überlieferte e
in den text zu bringen und daher zu schreiben ickn rvolde ez
Digitized by
Google
304 tAUL
lidenjmmer e; die Verwandlung in immerme lag so nahe, dass
darin leicht mehrere hss. zufällig zusammentreffen konnten.
An mehreren stellen hat Lachmann der offenbar verderb-
ten lesart von A durch conjektur nachzuhelfen gesucht, statt
dem klar verständlichen der übrigen hss. zu folgen. Es beruht
dies verfahren auf der durch unsere bisherige Untersuchung
wol hinlänglich widerlegten Voraussetzung, dass A sich aller
eigenen zutat enthalten habe und nur aus versehen oder in
folge einer beschädigung der vorläge fehle. Ein beispiel dieser
art von conjekturen in z. 5032 haben wir schon oben besprochen.
191 macht Lachmann aus dem unsinnigen ^2; zo^ in A dazz
iu gegea das richtige daz iu daz Badrf {das tu D, das an uch
c). 1814 haben BDEabcdf, so viele hss. wie möglich, überein-
stimmend den tdi sol mir got senden, wogegen nichts zu erin-
nern ist; aber A hat got sal mir ^^dot '^den senden; das ausge-
lassene den ist sofort nachgeholt und durch ein Umstellungs-
zeichen die Wortfolge in Ordnung gebracht, wie so häufig in
hss., wir haben dann weiter eine der in A häufigen Umstel-
lungen; so muss jeder unbefangene die sache ansehen, aber
iiach Lachmann darf man dem Schreiber so etwas nicht zu-
trauen, er muss sorgsam seine vorläge abgeschrieben haben,
und deshalb muss er dot in der vorläge übergeschrieben gefun-
den haben, es muss ein späterer zusatz, die Wortstellung in A
das ursprüngliche sein; wahrhaftig, es gehört ein starker glaube
dazu um dergleichen wahrscheinlich zu finden! die widerho-
lung von iöi könnte höchstens dem neuhochdeutschen geschul-
ten Sprachgefühle anstössig sein, nicht dem mittelhochdeutschen?
das dergleichen nicht im geringsten scheut. 2131 haben alle
hss. (auch f) s6 volge minem rate, nur A volget, worin man wei-
ter nichts zu sehen hat als den höflichen plural; Lachmann
macht daraus volg et; ebenso ist 7378 wir haben et hergestellt
aus wir haben er (doch wol vom Schreiber gefasst = e); auch
die übrigen hss. sollen ei genugsam andeuten, welche andeu-
tung doch bloss darin bestehen kann, dass die von gemein-
samen willkürlichen änderungen vollen hss. Bb rvu einschieben.
Dass bloss die Schreiber das et im Iwein so wenig gelassen
haben, ist doch nur eine Voraussetzung; warum soll es Hart-
mann so oft gebraucht haben, auch an stellen, wie diesen, wo
es gar keinen zweck hat? es ist Überhaupt an allen stellen
Digitized by
Google
flÄNDSCHßlFTENVERHÄELTNIS DES IWEIN. 306
zweifelhaft, ob et mit recht in den text gesetzt igt, da es ent-
weder in B allein oder nur noch einer andern hs. über-
liefert ist; der ausfalL war natürlich leicht, aber es war doch
zur zeit der entstehung der hss. noch nicht ganz ungebräuch-
lich geworden, dass es so allgemein hätte ausfallen sollen;
eben so gut konnte es zur ausflillung der Senkung eingeschoben
sein; 1396 haben AEacd owcÄ, nur B et] dies wurde in der
ersten aufläge aufgenommen, in der zweiten aber dafllr auch
gesetzt, unzweifelhaft mit recht; man sieht also daraus, dass
B eine verliebe für et hat und es auch an den übrigen stellen
eingesetzt haben kann, weshalb es um so mislicher ist, wo es
in B fehlt, es durch conjektur hineinzubringen. 3715 sehreibt
Lachmann nach e nach nager A, nach BDb, nach gar d, nach
alle Ea; inwiefern sollen die lesarten deutlich daraufführen?
weil einige hss. einen beliebigen zusatz machen, der mit e gar
nichts zu tun hat? 4194 ist aus ih lohtin gemacht ich liepl in\
was das richtige ist, können wir erst an einer späteren stelle
entscheiden. 4429 daz iu daz niemen kan gesogen (BDEacdf)
'so dass euch das niemand beschreiben kann' ist unanstössig;
es ist dazu nicht nötig, dass s6 in der vorhergehenden zeile
steht,- welches im mhd. viel leichter als im nhd. ergänzt wer-
den kann; nun fehlt in A das zweite daz] diese auslassung
soll das richtigere sein, und nachdem so erst künstlich
eine gar nicht vorhandene Schwierigkeit geschaffen ist, wird
ein alter fehler vermutet und statt daz u geschrieben danne iu
und kurzer in der vorhergehenden zeile als comparativ ge-
fasst; ich verstehe übrigens nicht, wie bei dieser conjektur das
fehlen von daz vorgezogen wird; wenn es da steht, so wäre
der sinn, ^die Verwandlung ging schneller vor sich als es je-
mand schildern kann', und das wäre sehr hübsch; ohne daz
kann es nur heissen In kürzerer zeit als irgend jemand an-
geben kann' d. h. 4n so kurzer zeit, dass es zur bezeichnung
der kürze an einem sprachlichen ausdruck fehlt'. 6611 geben
wider BDadf etwas klar verständliches und passendes unz
{die Tvile af) ^ niht ubernmnden sint; eine leichte ebenso
verständliche änderung hat b, unübernmnden für niht ijib.\ A
hat unvirwnden, sicher weiter nichts als die änderung eines
mittel- oder niederdeutschen Schreibers, welcher das in Ober-
deutschland übliche compositum mit dem ihm gewöhnlichen
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche 1. 21
Digitized by
Google
306 PAUL
gleichbedeutenden vertauschte; verwinden'^ überwinden ist im
mhd, wb. III 681^ 20 ff. reichlich aus mitteldeutschen quellen
belegt, das part. unvertvunden aus dem Passional; dagegen
Lachmann machte daraus - unernmnden (vgl. Ben. z. dieser
stelle), was wenig passend ist, da von einem freiwilligen zu-
rücktreten der riesen überhaupt nicht die rede sein kann, und
da diese zeile der früheren 6604 entge'gengesetzt wird der in
beiden gsigie an; das mag Lachmann selbst gefühlt haben und
versucht in der anmerkung mit zuhülfenahme einer stelle aus
Nithart eine neue conjektur underwunnen, alles überflüssige
Verschwendung von Scharfsinn, wozu er doch wol nur dadurch
getrieben ist, dass er nach seinem principe durchaus das in
Aa überlieferte die mie gegen das unz der übrigen retten
wollte und in folge davon in niht überwunden metrische Schwie-
rigkeiten fand. 6880 ist aus nie weder A enweder gemacht
gegen weder DEabdf {deweder B), ebenso 7081 aus nie wider.
7787 haben BDb niht enloste, adf niht erloste, A ine ne loste;
ine ist pron., welches hier eingeschoben werden muste, weil in
der vorhergehenden zeile das pron. in als praeposition ver-
standen wurde; aber Lachmann conjiciert aus ine ne niene,
welches überhaupt zu häufig aus A aufgenommen ist^ deren
dialakt eine verliebe dafür hat.
Wir haben bis jetzt nur die beschaffenheit der hs. A flir
sich geprüft ohne rücksicht auf das Verhältnis zu den übrigen.
Unser resultat war, dass sie eine menge Verderbnisse enthält,
welche wahrscheinlich zum grösten teil erst dem letzten Schreiber
angehören. -Die vorläge kann sehr gut gewesen sein; sie ent-
hielt jedenfalls nicht so viele überlegte besserungs versuche wie
B und D. Aber eine andere frage ist es, ob ihr eine solche
bedeutung beizumessen sei, wie sie ihr Lachmann selbst noch
in ihrer auf uns gekommenen entstellung zuerkennen will. Es
wäre dazu ein notwendiges erfordemis, dass sämmtliche übri-
gen hss. aus einer gemeinsamen quelle stammten, von der A
unabhängig wäre; denn sonst könnte höchstens, wenn sie von
einander abweichen, der vorläge von A ein vorzug gebühren,
nicht aber, wenn sie übereinstimmen. Diese gemeinsame ab-
stammung kann nur durch allen gemeinsame fehler erwiesen
werden, die von A nicht geteilt werden. Dass solche nicht
vorhanden sind, muss als erwiesen betrachtet werden, sobald
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 307
man die richtigkeit unserer bisherigen einwürfe gegen Lach-
manns kritik zugibt. Aber selbst diese unerwiesene gemein-
same grundlage vorausgesetzt lässt sich keine ratio finden,
durch welche das princip Lachmanns gerechtfertigt würde A
immer da zu folgen, wo irgend eine andere hs. mit ihr über-
einstimmt, gegen die Übereinstimmung der übrigen. Nennen
wir die urhandschrift x, aus der auf der einen seite vielleicht
durch mehrere Zwischenglieder hindurch A, auf der andern die
gemeinsame quelle der übrigen fliesst, die wir y nennen wollen,
nehmen wir dann z. b. an, dass, wenn A mit a übereinstimmt,
diese Übereinstimmung die ursprünglichkeit der lesart beweist,
so kann dieser beweis nur darauf beruhen, dass wir die
erhaltung der lesart von y in a voraussetzen; dann müssen
die übrigen geändert haben; stimmen sie in der änderung
überein, so bleibt uns die wähl zwischen zwei ansichten: ent-
weder die, Übereinstimmung ist zufällig, das ist bei der anzahl
der hss. in hohem grade unwahrscheinlich; oder es liegt
zwischen den übereinstimmenden hss. und y eine dritte gemein-
same, quelle z. Halten wir nun weiter auch die Übereinstim-
mung von A und b für einen beweis der ursprünglichkeit, so
kommen wir auf ein gleiches dilemma u. s. f. Natürlich kann
die Zweiteilung von y in z und eine der erhaltenen hss. höch-
stens in einer einzigen weise stattgefunden haben, y kann
nicht gleichzeitig in z und a und in z und b, z und c etc. geteilt
sein. Daher bleibt nichts anderes übrig, als mindestens bei
weitem die meisten, wo nicht alle Übereinstimmungen der
übrigen hss., die der Übereinstimmung von A und einer
andern gegenüberstehen, für zufällig zu erklären, und das sind
mehrere hundert. Es ist einleuchtend, dass wir auf diese weise
eine viel grössere unwahrscheinlichkeit ansetzen, als wenn wir
annehmen, dass eine unter den vielen hss. in einer änderung
zufällig mit A zusammengetroffen ist. Wenn aber das zusam-
mentreffen zufällig ist, so beweist es gar nichts. Es hat daher
das zusammenstimmen von A mit einer beliebigen andern hs.
gegen die Übereinstimmung aller übrigen keinen grösseren
wert als A für sich.
Die unhaltbarkeit von Lachmanns princip wird noch viel
sicherer festgestellt werden, wenn wir, aus dem bisherigen rein
negativen abweisen heraustretend, eine positive feststellung des
21*
Digitized by
Google
308 PAUL.
handschriftenverhältnisses versuchen. Mit einigem zagen gehe
ich daran. Denn das material, das mir dazu zu geböte stand,
ist für die endgültige entscheidung aller einzelheiten durchaus
ungenügend. Lachmanns auswahl der Varianten setzt die rich-
tigkeit seines principes voraus und ist unter dieser Voraus-
setzung sicher genügend, aber nicht überall zur sicheren her-
stellung des textes, wenn nicht mehr der vorrang einer einzel-
nen hs., sondern das zusammenstimmen nicht verwanter mass-
gebend ist, noch weniger zu einer allseitigen bestimmung der
verwantschaftlichen beziehungen unter den einzelnen hss., zumal
da dieselben so sehr verwickelt sind. Die noch gar nicht benutz-
ten hss. können leicht darüber noch interessante aufschlüsse
geben und an manchen «teilen zur feststellung des ursprünglichen
textes beitragen. Zu einer vollkommenen neuen ausgäbe würde
eine neue vergleichung aller hss. erfordert. Da aber eine
solche wahrscheinlich noch lange auf sich warten lassen wird,
so mag diese vorläufige Untersuchung wenigstens dazu dienen
die, wie es scheint, ziemlich allgemeine ansieht von der Voll-
kommenheit des schon geleisteten zu erschüttern, die bedeu-
tendsten und schädlichsten Irrtümer zu beseitigen, das ver-
wantschaftsverhältnis in den gröbsten zügen zu entwerfen
und dadurch das jetzt noch wenig geftthlte verlangen nach
etwas vollkommenerem zu erwecken.
Eine reinliche sonderung in scharf von einander getrennte
gruppen lässt sich selten unter den hss. eines mittelhochdeut-
schen gedichtes vollkommen durchführen. Selbst wo dieselbe
verhältnismässig leicht ist, z. b. im Tristan und noch mehr
im Parzival kommt übergreifen aus der einen gruppe in die
andere häufig genug vor. Im Iwein bieten sich besondere
Schwierigkeiten dar. Dennoch würde es nicht gerechtfertigt
sein, wollte man von vornherein an der ei reichung irgend wel-
ches resultates verzweifeln. Es handelt sich vor allem darum
zu entscheiden zwischen bloss zufälligen Übereinstimmungen
und solchen, die aus einer gemeinsamen quelle geflossen sind,
wobei man in sehr vielen fällen nicht bis zur zweifellosigkeit
gelangen wird. Eine menge leichter auslassungen, zusätze,
Umstellungen, vertauschungen ähnlicher Wörter lagen den Schrei-
bern so nahe, dass es nichts auffallendes hat, wenn unter
zehnen zwei oder drei oder selbst mehrere auf die selbe än-
Digitized by
Google
HANDSCHKIt'TENVERHAELTNIS DES IWEIN. 309
derung gerieten. Dass es unerlässlieh ist eine menge solcher
zufälligen Übereinstimmungen zuzugeben, wird alsbald klar,
wenn wir versuchen uns die verschiedenen möglichkeiten von
verwantschaft und nichtverwantschaft der einzelnen hss. vorzu-
führen. Ein beispiel davon haben wir oben gesehen. Es er-
gibt sich daraus die regel, dass alle Übereinstimmungen, die
leicht zufallig sein können, für sich nicht die Zusammenge-
hörigkeit entscheiden, sondern nur, wenn daneben bedeutendere
und eigentümlichere ab weichungen gemein sind, zur Verstär-
kung des beweises dienen können, wenn sie sich in verhält-
nismässig grosser anzahl finden. Ferner kann es natürlich
immer zufall sein, wenn das richtige in verschiedenen hss. er-
halten ist: nur die gemeinsamen fehler entscheiden. Diese aus
inneren gründen mit Sicherheit zu erkennen ist nun freilich
an den meisten stellen unmöglich, man muss sich an die we-
nigen ganz klaren fälle halten. Aber auch mit berücksich-
tigung aller dieser momente wird man nicht immer zum ziele
kommen. Man wird nicht ganz selten hie und da Überein-
stimmungen auch in sehr charakteristischen abweichungen fin-
den zwischen hss., die im übrigen sich bestimmt von einan-
der scheiden und zu anderen stellen. Es ftlhrt uns das zu der
Überzeugung, die ja auch an und für sich nichts unwahrschein-
liches hat, dass mitunter von einem Schreiber mehrere hss. be-
nutzt sind. Dies kann etwa so geschehen sein, dass der erste
teil aus der einen, der zweite teil aus einer andern hs. abge-
schrieben ist; dafür gibt es beispiele genug. Oder es kann
abwechselnd bald aus der einen, bald aus der andern abge-
schrieben sein, wofür ein sehr charakteristisches beispiel die
Blankenheim-Grootesche hs. des Tristan (B) gibt. Endlich
aber können auch zwei hss. gleichzeitig nebeneinander benutzt
und mit einer gewissen kritik eine mischung daraus herge-
stellt sein. Im letzteren falle, zumal wxnn die Überlieferung
erst wider durch viele Zwischenglieder hindurchgegangen ist,
wird es leicht unmöglich werden, etwas über das Verhältnis
einer hs. zu ermitteln und kritische grundsätze für ihre be-
nutzung aufzustellen. Eine durchgängige gleichmässige be-
nutzung zweier hss. wird indessen kaum vorgekommen seiny
da sie eine mühsame Sorgfalt voraussetzt, wie sie den Schrei-
bern im allgemeinen nicht zuzutrauen ist Eine hs. wird
Digitized by
Google
310 PAUL
doch wol immer die hauptquelle gebildet haben, und nur an
einzelnen stelleji eine hs. dazu verglichen sein. Am ehesten
wird sich vielleicht, wo flir den anfang und schluss zwei ver-
schiedene quellen zu gründe gelegt sind, ein Übergang heraus-
stellen, in welchem ein hin- und herschwanken zwischen beiden
stattfindet. Diese Überlegungen werden bei der handschriften-
frage deslwein ihre anwendung finden.
Wir werden am sichersten zu werke gehen, wenn wir den
ersten kleineren teil des gedichtes vorläufig ausser acht lassen,
um irgend einen bestimmten grenzpunkt anzugeben, bis zu z.
3200. Etwa von da an ist das Verhältnis ziemlich durchsich-
tig, nur dass es zum schluss wider etwas getrübt wird. Zu-
nächst wollen wir das, was Lachmann über nähere verwant-
schaft von hss. sagt, einer prüfung unterziehen. Nach ihm
setzen B und b eine gemeinschaftliche quelle voraus, in der
das gedieht schon stark verändert war, und sind E und a
nah unter sich verwant. Von diesen beiden Sätzen ist der
erstere flir den zweiten teil des gedichtes etwa von dem be-
zeichneten punkte an vollkommen richtig mit ausnähme etwa
der letzten tausend zeilen, flir die er etwas zu beschränken
sein wird. Zu der gruppe Bb gehören auch die in der Germ.
III veröffentlichten fragmente F und G. Ihre gemeinsamen
abweichungen tragen zum grösten teil den Charakter überleg-
ter änderungen, die in der absieht zu bessern gemacht sind.
Die anzahl derselben ist so gross, dass es überflüssig wäre
dieselben einzeln aufzuzählen. Ich will aber zur übersieht
über das Verhältnis je von hundert zu hundert die anzahl der
grösseren und kleinen gemeinsamen abweichungen angeben,
welche Bb mit keiner andern hs. oder nur mit F oder G teilen.
Es sind 6 von 3200—3300, 11 von da bis 3400, 8 bis 3500,
11 bis 3600, 9 bis 3700, 11 bis 3800, 10 bis 3900, 8 bis 4O00,
7 bis 4100, 12 bis 4200, 12 bis 4300, 16 bis 4400, 4 bis 4500
6 bis 4600, 2 bis 4632 (4633—4790 fehlen in B), 8 von 4791
—5900, 2 bis 5000, 7 bis 5100, 9 bis 5200, 11 bis 5300, 5
bis 5400, 6 bis 5500, 7 bis 5600, 5 bis 5700, 3 bis 5800, 10
bis 5900, 4 bis 6000, 6 bis 6100, 1 bis 6200, 5 bis 6300, 4
bis 6400, 5 bis 6500, 4 bis 6600, 1 bis 6700, 3 bis 6766 (6767
—6818 fehlen in B), 2 von 6819 bis 6900, 4 bis 7000, 3 bis
7100, 2 bis 7200, 2 bis 7300, 4 bis 7400, 2 bis 7500, 2 bis
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 311
7600, 2 bis 7700, 1 bis 7800, 1 (ganz unbedeutende) bis 7900,
1 bis 8000, 2 (kaum in ansehlag zu bringende) bis 8100, keine
^ bis 8166.
Eine auswahl der bedeutendsten Varianten hebe ich beson-
ders hervor, aus denen hervorgeht, dass es sich hier nicht um
blossen zufall handelt: 3292 darinne wander sicher sin BbG =
datie wänder doch ruht sicher sin; 3294 un stuont innen da für
BbG = da siwmi im der iöre ßr; (bei 3298 stimmt auch f zu
BbG, eben so schon 3275. 6) 3299 emer ich mich BbG — ge-
rne ich; 3311 schiebt B hangende, bG da hangen ein; 3320 iet
der tore im daz erchant BbG = erzeicte der tore zehant; 3338
chezzel BbG =pfeff'er; 3345 wonfe BbG = (weite; (bei 3362
endet G) 3377 von einer schult = daz was des schult; 3419 der
rede =^ des trostes; 3479. 80 sind daz und ww;2 vertauscht; 3486
ist vor 3485 gestellt und dann hinzugefügt si het si (esb) an
in gestrichen, daz diu suhl wcere entwichen; 3522 het mit manheit
pris=han vil manegen herten pris; 3536 -missesagich niht so ist
ez war = dazn ist allez niht war; 3546 er oeffet sich ^= er hat
mich geffet; 3557 swarz^^ruch; 3570 sier = binich; 3577 wie
stet ez sus imbe min lehn = ist mir ge träumet min lehn; 3578
mir =^ mich her und danach 3579 einen (den h) lip sus unge-
tanen =sd rehte ungetanen; 3645 alsu^ fuorte si in dan = nü
vuorte si in mit ir dan; 3709 der edel her (riter Bj^=unde
mm her ; 3863. 4 sluoch in harte schiere un half dem edeln tiere
= s. i. h, s, tot u. h. dem lewen üz der ndt; 3872 ane aller-
slahte grimme = hie liez er sine g, ; 3894 er lüte = do gruozter
in ADA, er (und Q>) gruzt in Eac; 3924 daz ers enweste (recht
West bj niht = wandern versach sichs niht; 3970 nach eren mut
B, mut und ere b = dehein (fehlt Ea) ere; 4144 vbersprach =
tet; 4235 wil ich hie Ugen = durch ir willen lige; 4325. 6 daz
ichs getorste hiten. so wcere daz = so getorste ich sin Uten: ditz
ist; 4347 ist weiz got eingeschoben; 4350 ir laster un ir schade
= ir ere unde ir vrume; 4352 ob daz also mohte wesn = und
(fehlt DEaf) möht ez also sin gewesen; 4570 sus hin = alsus;
4900 harte = da wider; 5002. 3 als er ouch hat getan, er hat
sich=swaz ir im leides habt getan, und hat sich ouch; 5340 ^m^
was der trost=der trdst was; 5848 mir sande in unser herre
got=dd sante mir in got; 5878 hiezzen sie fragen =^ rietin ir
adf {rite sie A Lachm.) ; 5905 desn chan ich iu niht gesagen =
Digitized by
Google
312 PAUL
des enwolter mr nihi sagen] 6369. 70 rvere aber keine (wcere
dehein so scelech B) man der in gesigie beiden an = unde geslgte
ab dehein man iemer disen beiden an; 6466 gewizzen = r%cheit;
6476. aJs mmi lieben gast sol^^als ein wirt den gast sol; 6819
als ich tu wil=da^z tvil ich iu; 7058 sunden = gesehenden {ge-
sunden EH) (mgen.
Man ersieht aus diesen Zusammenstellungen, dass die an-
zahl der gemeinsamen abweichungen nicht durchgängig gleich-
massig verteilt ist. Es kann natürlich blosser zufall sein, wenn
deren gerade in einem einzelnen hundert sehr wenige, in ei-
nem andern sehr viele sich finden. Aber doch kann es nicht
zufällig sein, dass sowol ihre anzahl, als ihre bedeutsamkeit
im anfange des bezeichneten abschnittes (oder genauer von
3275 an) am grösten sind und allmählig gegen das ende hin
so. zusammenschrumpfen, dass^ man kaum einen abstand von
den zerstreuten bertihrungen zwischen zwei beliebigen anderen
hss. merkt und sich fragen muss, ob die wenigen unbedeuten-
den Übereinstimmungen nicht auf zufall beruhen, so wie dies
nach den sonstigen analogieen auch von einem teile der vor-
hergehenden zu vermuten ist. Es wäre also danach möglich,
dass eine von den beiden hss., wo nicht alle beide am Schlüsse
einer andern quelle gefolgt wären, oder wenigstens eine solche
daneben benutzt hätten. Anderseits aber kann es sein, dass
das abnehmen der gemeinsamen abweichungen seinen grund
nur darin hat, dass die änderungslust des Überarbeiters all-
mählich erlahmte. Neben den fällen, in welchen die beiden
hss. flir sieh stehen, sind nun aber auch diejenigen in betracht
zu ziehen, in welchen sie mit einer (oder wenigen) andern zu-
sammenstimmen, und deren sind nicht wenige. Wo die ab-
weichungen leicht sind und nicht andere entscheidende gründe
für einen genealogischen Zusammenhang mit der betreffenden
hs. zeugen, spricht alle Wahrscheinlichkeit daflir, dass die Über-
einstimmung von B mit b, vielleicht wenige fälle ausgenommen,
aus der gemeinschaftlichen quelle herrührt, ihre Übereinstim-
mung mit der andern zufällig ist. Die sache ist dann um
kein haar anders, als wenn nur zwei nicht verwante hss. zu-
fällig zusammentreffen. Da die verwantschaft von B mit b
schon hinlänglich gesichert ist, können wir es uns ersparen
die fälle des zufälligen Zusammentreffens mit anderen hss.,
Digitized by
Google
HANDSCHEIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 313
die doch nicht volle Beweiskraft haben, hier aufzuzählen.
Auf solche fälle, bei denen es in. frage kommt, ob eine weitere
verwantschaft von Bb mit der übereinstimmenden hs. anzu-
nehmen ist, kommen wir später zurück. Ausser den Überein-
stimmungen von Bb sind aber auch die abweichungen in er-
wägung zu ziehen. Gegen die Zusammengehörigkeit können
letztere natürlich nur dann sprechen, wenn die lesart einer
jeden von beiden zu der anderer hss. stimmt. Dies kommt
ziemlich häufig vor, aber fast durchgängig nur bei gering-
fligigen differenzen, die gegen die schlagenden Übereinstim-
mungen nicht in anschlag gebracht werden können und uns
nur lehren, welchen Spielraum wir in diesen dingen dem Zu-
fall einräumen müssen. Nur gegen das ende, wo die Überein-
stimmungen abnehmen, gewinnen auch die abweichungen an
Wichtigkeit. Darüber später. Das Verhältnis von G wird aus
den angeführten stellen deutlich. Es kommen dazu noch
einige kleinere Übereinstimmungen. — Sämmtliche bedeuten-
dere abweichungen teilt G mit Bb, nur in geringfügigen stehen
letztere für sich. Gemeinsame lesarten von BbF sind folgende:
5204 und ^ st; 5217 dm^sinen; 5223 balde = dräte\ 5227
gehörte = gesach vil Ea, ersach vil Dd. Dazu kommen die
weiteren Übereinstimmungen von BbFD. F scheint sogar in
einem näheren Verhältnis zu B, als b ^u stehen; vgl. die ge-
meinsamen lesarten 4965 geschamen = scharrten; 4995 als = sd;
5197 herzeliebe = herzenliebe ; 5212 geturre umbe uns = umbuns
getUrre; 5228 trat auch {trat &)=gestunt DEd, stünde auch b.
Bei weitem nicht so zahlreich noch so bedeutend sind die
Übereinstimmungen zwischen E und a, und ihr gegenseitiges
Verhältnis ist viel weniger durchsichtig. Es erschwert die Unter-
suchung, dass oft nur von einer von beiden die Varianten ange-
geben sind. Zuvörderst müssen wir constatieren, dass, wie
schon Pfeiffer bemerkt hat, in einem viel engeren Verhältnis
als a das fragment H zu E steht, welches z. 6934 — 7198 und
7455 — 7702 enthalt. Das beweisen namentlich gemeinsame
lücken: 6967. 8 und 7025. 6 fehlen nur EH, 7019—22 fehlt E,
allerdings auch c, 7019 — 21 fehlt H, 7012—20 auch a. Man
füge dazu die Varianten, die sie mit keiner andern hs., auch
nicht mit a teilen: 6952 auch si = si auch; 7002 e niht = niht;
7040 vrou==diu; 74 und fehlt in EH; 75 er ist zesllfen = ir
Digitized by
Google
3,14 PAUL
ros diu Ue/en; '7260 ein loup=^an lobe ;'727d auch sich = sich
auch; 7602 niene^=niht ne, niht, ihU Die Übereinstimmungen
würden sich wahrscheinlich vermehren lassen, wenn überall die
abweichungen von E angegeben wären. Dazu kommen denn
die Übereinstimmungen mit andern zusammen. Dagegen können
di« paar Varianten nicht in anschlag kommen die H mit Bb
teilt, 6944 manheit = vrümekheit und 7112 da hin = hin, um so
weniger/ da an beiden stellen nicht ersichtlich ist, wie Bliest.
Ich gebe nun ein Verzeichnis der gemeinsamen abwei-
chungen von Ea (H), die sie mit keiner anderen hs. teilen,
welches natürlich wegen mangelnder angäbe der Varianten nicht
vollständig sein kann.' Die etwas bedeutendem sind durch ge-
sperrten druck hervorgehoben: 3292 fehlt doch; 3306 des = diu]
3372^1 gedaht ditz istl^ij sy gedachte ez istsi,=^nu duhter
*/Dcdf, nujach efe^ ABbLachm.; 3407 ich =^ und ich; 3408 fehlt
daz; 3432 also = als BDb; 3436 bei der = der selben (zersel-
ben BD;; 3523 mit=^ze ABd, an BD-, 9667 ze = in; 3583 fehlt
der; 3611 er = unde; 3612 5/ tet=dd tete si; 3619 Ä^r nffera,
ritter E = herre BDd; 3644 er saz = sm saz er; 3645 sl vurt
in = nü vuorie Sl in; 3650 fehlt daz; 3715 ist alle eingeschoben;
3768 fehlt da (doch); 3804 mit = von; 3835 fehlt rvan; 3881
er = und; 3894 er gruzt in = do {nu Dd) gruozter in ADd, und
gruzt in c, er lute Bb; 3895 do volget er [ym sl] ==und volgt
im; 3901 er schant ez = nu schant erz; 3923 nu = do; 3970
ere = dehein ere Dcdf; 3985 daz laster = daz;- 4011 chlage
hie = groze clage (chlage alsus Bb>; 4015 in der werldr=ie;
4027 niht armer = neheine armer ne A, also (so D) armu
BDbd; 4042 mich des = mich (mlchs B); 4052 fehlt und; 4062
mich wundert = ouch wundert mich; 4067 ez ist niht = ouch ist
ez niht; 4095 ich weiz = und weiz daz; 4117 min vrowe = d
nü; 4125 niwan schüfe =^scufe niewan {niewan fehlt Bb); 4126
fehlt 5WÄ (so, also); 4154 ein teil = gewesen; 41^Z lenger = lan-
ger; 4202 ich swur (gesw^r E^ des = des swüer ich; 4227 er le-
dig et = er l(eset; 4336 fehlt ob Ad, als BDbf; 4338 fehlt wan;
4344 schade = dehein schade (zeschaden Bh); 4350 vrum uT% ir
ere = ere unde ir vrume; 4374 do sach er = und sach; 4413
truobe vreude= trügevreude; 4419 listig tu vreude == listvreiide;
4445 ich sage iu (wir sagen uch hj = sd sage ich tu; 4483 der
= er; 4575 gescheidel = scheidet; 4581 fehlt des {mit Bh)] 4664
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 315
gereit === bereit 4703 enet^^henet; 4909 iht^=niht; 4968 swaz
ouch si im = swaz si im auch {auch Dd, Joh Ab, fehlt BF); 4986
mir ouch = auch mir Ad, mir BDFb; 5227 gesach (das richtige
und darum nicht beweisend) = ^^acÄ Dd, gehorte BFb; 5231
fehlt vil; 5348 den = ir b Lachm., in Ad, fehlt BDf ; 6396 be-
stunt nu a, nu besinnt E = bestunden [da d, nie DJ, bestuont ein
(ny h) Bb; 5405 nu = ^ (ms B, do D); 5773 do als = als;
5902 nu=^vrowe nu Ab Lachm., frouwe BCDd; (von 5951 —
6147 ist keine Variante aus E angemerkt) 6168 vil wol = wol;
6194 m» was iedoch E, und es was doch ir a = ir [ne] was iedoch;
6297 mit = in Ab, bi Dd, fehlt f; 6375 ein = dehein; 6460 wol
= lihte; 6493 bei ein = zuo ein; 6549 Wirtschaft un=^alsd
groze; 6602 ym doch a, im ouch E = idoh Ab, doch B, ouchD;
6702 in ouch ^ in; 6727 die ringe = den heim; 6750 fehlt
harte; 6760 er^i^ ouch = gie; 6769 m e er/o^/e (das richtige)
= in erloste df Lachm., ine irloste A, in e loste Db; 6793 vil gar
= gar; 6833 immer gar (das richtige) = «/»wer D, ymmer mer
d, harte gar B, t;// gar b, Äar/e ^^ne A Lachm.; 6914 benamen
= alle; 6954. 5 wolde umgestellt in EHa; 6960 nu=^ir nu df,
nu hie BDb; 7070 wirt EHsi = wart; 7161—70 fehlen EHa;
7238 immer sit = harte (also Bdj lange ztt (7413—7522 feh-
len a); 7729 da versperret = da in versperret Acf L., versperret
Db, in geslozzen B.
Wegen der geringfügigkeit der abweichungen , mit denen
Ea allein stehen, wird es sich empfehlen, auch diejenigen hin-
zuzufügen, die sie noch mit einer andern hs. teilen. Diese Über-
einstimmungen verlangen die selbe auflfassung, die wir für die
Übereinstimmung von Bb mit einer andern hs. aufgestellt haben.
Wenn aber ihnen gegenüber die übrigen hss. nicht zusammen-
stimmen, sondern von einander abweichen, so ist es möglich
orter selbst wahrscheinlich, dass die Übereinstimmungen von Ea
oder Bb mit einer andern hs. sich aus erhaltung des ursprüng-
lichen erklären, weshalb sie dann zum nachweise einer gemein-
samen quelle von Ea (Bb)wenig beitragen können.
Ziemlich häufig sind die Übereinstimmungen von Eab gegen
B trotz der engen verwantschaft letzterer mit b: 3674 fehlt
kein; 3694 ergan (aber auch A virgan) ^= vertan BDcdf; 3848
er = wntf ADcd, tfocÄ B; 3911 leit=legt(e); 3931 fehlt ^do; 3952
fehlt und; 4030 chlagen = clage ; 4081 ouch = Joch ABd^ fehlt
Digitized by
Google
316 PAUL
D; 4317 ein also werden Ea; ürvren werden b, = einen alsd vor-
dem; 5355. 6 fehlen; 5461 doch = noch; 64b6 niht = niemm;
6468 g ew innen =^ haben (gehaben B^; 5488 fehlt dan; 6172
stuont er vi! fstunt er Dj = sumder in B, sumier A, saumpt er
sich cdf; 6425 er begund=sus (nu, da) begunder; 6569 mit]
vrouden^^vol D, wol B, vil wol A, da d, enuolln f; 6768 het 1
imz^^hetes im; 6928 gar ^^ schiere B, bi namenD, fehlt d; 6942 ,
disiu EHab = diu; 6978 fehlt rfaz; 7242 wan in het diu muede
Cd. m. h, hj = diu müede het iwBdf. — Umgekehrt stimmt B mit
Ea gegen b; 3602 zoch^=vuorte ADbd; 3871 gebcerden = ge-
boerde; 3880 swar==^swa ADbdf; 3899 er = und; 4884 xme =
innen cd, in Db, ane A; 4511 suochet = suochtet; 4523 fehlt wnJ
Acd; 4813 allen = alle; 4821 ^ horte = wn<? Äorf^ Adf, nu (do
h) horte er Db; 5112 in triuwen = entriuwen; 5309 un = sx;
5350 «;arm (auch f) = sin Adb, ^/n^ D; 7066 der = s/in; 7240
rföz rfö = rf^z ADb, daz die d, ^az doch f ; 7245 fehlt ^/e ADbd.
Mit A stimmt Ea: 3915 alle Lachm. = zaller; 3945 — 7 daz
swert em dur den halsberh brah = daz swert im üz der \
scheide schöz; des güete was also groz deiz im durch den häts-
perc brach (eine offenbare auslassung, wahrscheinlich durch I
überspringen einer zeile in einer ohne absetzung der verse ge-
schriebenen vorläge entstanden, und von der art, wie sie inA
häufig ist; die Übereinstimmung ist wol nur zufall, wie dennb
an derselben stelle eine notwendig davon unabhängige auslas-
sung von etwas anderm umfange hat: das schwert yme vsz der
scheiden brach; dennoch hält es Lachm. in seiner verliebe för
A noch für möglich, diese lesart zu verteidigen); 3948 groze L.
= starke; 3992 des bin ich alles {aller a) worden gast L. = dem
b, i. allem w, g,; 4012 gehorte L, = erhörte D, höret d, horte
wol Bb; 4218 sit L. = sit daz BDbdf; 4432 als L, = do Bdb,
und d; 4948 daz L. (richtig) = ^//z df; den BDb; 5455, 7173,
7842 haben AEa L. en (ne), welches den übrigen fehlt; 5642
genieten h.^ nieten BDbd; 5688 fehlt her; 6405 so L., fehlt
BDbdf; 6504 ^i> L. (richtig) = fw; 6711 vcehten fvuhtenj L.=
gevcehten BDdf; 6749 ein vil L. = eine BDbd; 6844 bi im L.
(richtig) = &/ mBb, fehlt Dd; 7311 rf^r ^/ L. (richtig) = ^i rft r D,
das {nu c) sy dir bc; 7339 note A? L., not a, not niht E = ungeme
BDdf; nit gerne b; 7576 uns AEHa L. = ^m^ beiden BDd, wis
zwaienc, uns hieb] 8069 hRltetL, = behalte et J Db/', behabt d.
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 317
Mit d stimmen Ea: 3951 sm= der; 4012 gesach = sack
4177 den (wol richtig) = m ADL., disen Bb; 4202 fehlt tvol;
b\2^brmne==brunnen; 5297 ruften (vielleicht richtig) = m/iwi
ABL., sprachen Db; 5676 irz = ez; 6291 dabei in (wahrschein-
lich richtig) = bi in ADcfL., under in da Bb; 6297 fehlt wem; 6815
fehlt ir; 6886 fehlt hete sich; 7699 schaden == schänden. — Mit
c: 7019—22 fehlen Ec, 7019—31 auch H, 7019—20 auch a;
7146 und enwart nach gelte niht gesant EKsiG ==^ und wart
vergolten da ze hant; 7661 des wol L. (richtig) = des Db, wol
A. — Mit f: 3978 stcete L. (richtig) = owcä steete BDb, steter
ed, fehlt A, 5500 lebens = lebendes A, libes BDbd; 6304 un
M=ne A, fehlt BDbd.
lieber die combinationen DEa, AdEa, BbEa haben wir
später zu handeln; sie gehören nur zum teil in eine reihe mit
den übrigen. Ein näheres Verhältnis einer einzelnen hs. zu Ea
lässt sich schwerlich aus den angeführten Übereinstimmungen
ableiten; b^ mit der die Übereinstimmungen am bedeutendsten
sind, gehört auf das entschiedenste zu B, und man könnte da-
her höchstens vermuten, dass der Schreiber hie und da eine
andere quelle daneben benutzt hätte. Ueberblicken wir die
ganze masse der Übereinstimmungen zwischen E und a, so ge-
nügen sie wol um zur ansetzung einer gemeinsamen vorläge
zu berechtigen. In derselben kann aber das gedieht noch nicht
ßo überarbeitet gewesen sein wie in der von Bb, vielmehr tra-
gen ihre ab weichungen fast^sämmtlich den Charakter der zwei-
ten unter den drei oben von mir unterschiedenen arten von
fehlem. Gegen den schluss nehmen die Übereinstimmungen auf-
fallend ab; auch im anfange unseres abschnittes sind sie äusserst
geringfügig, was sehr zu beachten ist.
Die differenzen zwischen E und a sind allerdings auch
zahlreich^ zahlreicher als die fälle, in denen sie zusammen den
übrigen bss. gegenüber stehen; aber das beweist nur, dass die
grössere masse der textveränderungen in beiden erst durch die
letzten Schreiber und die etwa zwischen ihnen und der gemein-
samen quelle liegenden mittelglieder entstanden ist Nur die-
jenigen falle können gegen die Zusammengehörigkeit in an-
schlag gebracht werden, in denen E und a abweichend von
einandei* zu verschiedenen andern hss. stimmen. Auch diese
sind häufig genug, aber fast sämmtlich sehr leichter art, so
Digitized by
Google
318 PAUL
dass sie auf zufall beruhen können. Am häufigsten sind die
combinationen AdE, worüber später, und Bab, letztere immer
mit sehr unwesentlichen abweichungen: 3283.3481. 3751.4194.
4397. 5293. 5566. 5654. 5691. 5716. 5723. 5796. 5902. 5985.
6378. 6434. — ab steht allein: 3408. 3428. 3528. 3540. 5052.
5621. 5714. 5967. 6226. Das Verhältnis von a zu A wird uns
später beschäftigen.
Ungefähr derselbe grad der verwantschaft wie zwischen
£ und a besteht nun auch zwischen A und d. Ich beguine
wider mit der aufzählung der gemeinsamen lesarten, mit wel-
chen die letzteren allen tlbrigen gegentlberstehen: 3497 angel
'^angen; 3498 un L, = sd; 3472 nie ne A, nie d niene L. =
nihtj- 3479 sie daz L. = siz; 3591 nu L. = fehlt; 3610 so L. =
als; 3684 beider nu tvol L.=^fvol beider; 3731 die L. = fehlt
BDb (da die Varianten von E und a fehlen, so lässt sich die
stelle nicht zum beweise verwenden) ; 3740 maniges L. = mani-
gem BDc, mannes Ea; 3772 da L. = do Df, nu BEab; 3812 un
L. = fehlt; 3906 diz L. = daz; 3924 sih = sis D, sich ez Ea,^
des c; 3952 was im L. == im was; 4034 sam L. = als; 4071 auch
L. = fehlt; 4101 ne truw A, entra/w df^.^=getru; 4126 sus L.
==5oBDf, alsohCj fehlt Ea; 4163 suochendeL. = suochen; 4187
alze L. = ze; 4202 wan L. = fehlt; 4213 fehlt ez; 4282 un =
fehlt; 4336 ob L. = daz BDbf, fehlt Ea; 4352 unde L. =
fehlt; 4362 w« L. = und in cf, m BDab; 4433 her (und dj vra-
gete L. == do fragter; 4439 waren L. = wäret; 4604 wizze L.
= wizzet; 4625 un rief h.=un; 4643 sin = den; 4653 tatge-
vouger h. == ungevuge ; 4659 daz = fehlt] 4677 werer L.===w{er
er da; 4910 ste L. = geste; 4948 em (im) L. =- fehlt; 4986 oh
mir L, = mir ouch Ea, mir BDFb; 4987 w" sweder L. = swederz
BDFb; welchiz a; 5048 da gar = gar Eb, fehlt BDa; 5180 hie
uf sie AL., hie über sy d = uber si hie Bb, über ^i Da; 5188
sie L.=^sich; 5264 moget L, = mugt ir; 5304 lan h. = gela9i
bf, Verlan BDEa; 5328 sine L. = die; 5347 einer AL., airdger
d = eines; 5348 in = den Ea, ir bL., fehlt BDf; 5350 sin immer
h.=^sint D, man sin b, waren %e BEf, warn a; 5385 vor L. =
von; 5407 rfm = fehlt; 5467 me AL., m^e d = fehlt; 5510 do
L. «= fehlt; 5555 sie L. = ^e *i7 BDb, si ouch E, ^i daz f ; 5556
5?> L. = si im] 5578 da = dar; 5674 a/^ew L. = altem B, e/Z^m
Pb, elter f, ^w^^^^ a; 5826 habih L. = Äan /cÄ BDbf; 5903 da
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 319
dL., dar A = fehlt; 5926 strazen = straze; 6960 oh L.^hie
B, fehlt CDa; 5979 ih L. = ich danne; 6005 ir daz wol mi L.
ir tvol daz (fehlt f) an af, wol an ir BDb; 6035 gewiset L. ==
hewisel; 6051 daz L. = fehlt; 6074 gar L. = ml gar; 6102 nu
L. == fehlt; 6108 diz = daz; 6114 wn</ icä dL., ih K^un BDbf;
6133 niene L. = /im ^; 6139 m ne redent siez L. = si ne re-
dent ez BDbf, ich enreddiz a; 6165 sah L. = ersach; 6166 der
= er; 6168 zware = [vil Ea/ n^o/ BDEab; 6182 was = wart;
6218 «"^ mosten L. = musten si D, ^i mt^^e BE, ^/e must gar
(oft Q,) bc, miiste sy gar a; 6255 daz L. == rfo; 6321 die = fehlt;
6378 han=^ haben BDbf, lidensi'^ 6507 mute {{sihch) ^= gemüete ;
6686 heten = heten ouch; 6696 ian^ AL., ia d = iocÄ a, fehlt
BDbf; 6723 wart L. = was; 6870. 1 da = dar; 7183 decheiner
(falsch) = tfeÄ^in^; 7207 volle = vol; 7265 heter L.^^het erz
BDb; 7561 gewert = erwert ; 7761 v/r dienez h. ^==^ gedien ez;
7858 ingesinde h.=^gesinde; 7996 swenniz L.=^swenne.
Ich lasse zunächst die ziemlich zahlreichen Übereinstim-
mungen von Ad mit f folgen, bei denen ich jedoch nicht dafür
stehen kann, dass sie vollständig beigebracht sind: 3808 beduhte
L. = duhte; 3850 doh L. = da D, do E, auch a, ww Bb; 3056
lebefnjde L. = lebendich; 4095 iz oh L., awcÄ df=rf<iz; 4312
zware L. = deiswar BEab; 4334 w" L. = «;aw Bb, fehlt DEa;
4359 sah L. = ersach; 4377 von L.==an; 4459 w« L. = fehlt;
4581 des = mit Bb, fehlt Ea; 4674 hienc L. = gehiench DEb,
hehinck ace; 4821 w* Äör^a L. = er Äor^e BEa, nu (do h) horte
er Db; 5259 fehlt L. ir a, ir wol Bb, ir doch DE; 5637 e/em
L. = ir; 5925 w« L. = fehlt; 5981 gar L. = alle Bb, fehlt Da;
6512 vil L. = verre DEb, fehlt a; 6769 fehlt L. e; 6792 m AL.,
im df= fehlt; 7338 in duhte = un duhte in BEa(Db); 7424
forchte h. = geforht BDb; 7864 habe L. = han; 7990 vir die-
net = gedient.
Mit E stimmt Ad gegen a: 3640 ouch L. = fehlt BDab;
3737 brah = zebrach; 3822 im L. = m BDa, fehlt b; 4055 des
lj. = dis Dab, disses B; 4090 starke L. = groze; 4124 sie ne
L. = si; 4146 fehlt wand; 4232 «r L. = fehlt; 4334 danne L. =
dannoch; 4563 ie = fehlt; 4675 un L.== fehlt; 5050 sah = er-
sach; 5121 swes L. = swaz BDf, des b, da* a; 5452 also lihte
von = a/*ö von Ba, «/* imchtmder D; 5927 ane *aÄ L. = ersach.
Von den Übereinstimmungen mit a fttbre ich hier nur die
Digitized by
Google
320 PAUL
an, bei denen aus den Varianten zu ersehen ist, dass £ anders
hat: 4070 min (falsch) = mir; 5379 fehlt L. im gegen BDbEfc
Wigal. — Mit B stimmen Ad 3225 weder L. = weder uffeLj uf
DEGbf; 3676 starker AL., so storch d, so starche nie ^ = also
sere DEabf; 6615 nu ist u L. = m ist DEab; — mit b 3523
ze L. = önBD, mf/Ea; 4376 gezemen = zoemeti; 6088 rföL.=
nu BDaf; 6922 fehlt in (im BLJ; 7661 seihe L. = seihen; —
mit e 3292 doh L. = noch D, fehlt EaBGb; 5660 oh L. = rf«i
Bb, einen a, wol D, fehlt f ; — mit H 7637 von L. = vor BDabf ; —
mit cf 4878 an dem L. = daran BDEab. Eine grössere Sicher-
heit wird die annähme der verwantschaft von Ad durch die
bald zu besprechende combination AdD erhalten.
Wenn auf diese weise Bb, Ea, Ad je in ein näheres ver-
wantschaftsverhältnis gerückt sind, das andere hss. ausschliesst,
80 bleibt schon flir D keine von den durchgängig von Lach-
mann benutzten hss. übrig, die zu ihr näher als zu allen übri-
gen stehen könnte. D ist also für so selbständig anzusehen
wie eine von den drei combinationen. Die Varianten von c
sind sehr unvollständig angegeben, doch lässt sich daraus wol
so viel schliessen, dass sie zu keiner einzelnen unter den übrigen
in einem durchgängigen verwantschaftsverhältnis steht, was ihr
bei schwanken der hss. einen eigentümlichen wert gibt Das-
selbe gilt von f , soweit ich nach den verglichenen stellen ur-
teilen kann. Einzelne, mitunter auch etwas auffallendere be-
rührungen hat sie mit verschiedenen hss., die meisten mit c
und d; die mit Ad sind oben aufgezählt Mit A allein hat sie
nicht mehr Übereinstimmungen als alle übrigen. Es kann nicht
als eine bestätigung der richtigkeit von Lachmanns verfahren
angesehen werden, wQ»n hie und da eine aus A aufgenommene
lesart von f geteilt wird, um so weniger, da dies mitunter auch
mit solchen lesarten der fall ist, die von Lachmann zurückge-
stellt sind. Bei weitem in den meisten fällen, wo Lachmann
irgend welche einseitige bevorzugung geübt hat, legt f seine
stimme dagegen in die wagschale.
Zur vergleichung des grades der verwantschaft von Bb,
Ea und Ad können folgende Zahlenverhältnisse dienen. Die an-
zahl der von keiner andern hs. geteilten gemeinsamen lesarten von
Bb beträgt 267, der von Ea 87, wozu allerdings bei vollstän-
diger vergleichung von E nocli einige hinzukommen würden, der
Digitized by
Google
HÄNDSCHßlFTENVEEHAELTNiS DES IWEIN. 321
von Ad 87. Dies Verhältnis zeigt ebenso wie die grössere be.
deutsamkeit der ab weichungen in Bb, wie viel stärkere Ver-
änderungen die vorläge von Bb erlitten hatte als die von Ea
oder Ad. Dass aber die fast durchgängig auf sehr geringfü-
gige abweichungen sich erstreckenden Übereinstimmungen von
E mit a und A mit d doch über diejenigen hinausragen, die
wir sicher blossem zufalle zuschreiben müssen, lehrt die ver-
gleichung der fälle, in denen A mit einer andern einzelnen hs.
zusammentrifft. Am öftesten zu A stimmt b, die sich doch
sonst so entschieden zu B stellt, an 46 stellen 3245. 3754. 3837.
4176. 4205. 6.4207.4333. 4365. 6.4391. 4441. 4477. 4490. 4512.
4535. 4564. 4641. 4760. 4824. 6103. 5142. 5328. 5632. 5682.
5811. 5902. 6297. 6396. 6468. 6516. 6519. 6602. 6606. 6666.
6718. 6742, 6778. 6849. 6910. 7155. 7318. 7392. 7682. 7722.
7954. 8137; die stärkste abweichung darunter ist wol 6396
sprechet =^ seht , dass aber auch diese sehr leicht zufällig sein
kann, ersieht man aus der anmerkung Lachmanns. — Mit D
stimmt A an 42 stellen 3215. 3257. 3408. 3557. 3675. 3697.
3760. 3870. 4177. 4244. 4327 (in zwei abweichungen). 4365.
4413. 4645. 4652. 4749. 4907. 5119. 5632. 5670. 5737. 5747.
5762. 5769. 6291. 6347. 6431. 6450. .6655. 6739. 6747. 6785.
6826. 7181. 7290. 7326. 7457. 7469. 7579. 7663. 8106. — Mit
E stimmt A an 30 stellen 3669. 3769. 3937. 4279. 4444. 4662.
4753. 5299. 5592. 5621. 5762. 5824. 6239. 6376. 6403. 6474.
6650. 6720. 6725. 6851. 6902. 7225. 7546. 7553. 7707. 7874.
7910. 8081. 8090. 8105, darunter an 11 stellen nur in der setzung
von ne fenj, — Seltener sind die Übereinstimmungen mit B
3484. 3614. 5920. 6319. 6499. 6560. 6754. 6766. 6820. 7194.
7308. 8039. 8164, im ganzen 13 stellen. — Uebereinstimmungen
mit c habe ich 8 gezählt (3422. 3536. 3683. 4688. 6352. 7267.
7449. 7889.), — mit d 5 (3710. 5288. 5374. 6608. 7806). Dass
gerade b und D in so vielen kleinigkeiten mit A stimmen, wäh-
rend sie doch in keinem verwantschaftsverhältnis dazu stehen
können, hatte seinen grund wol darin, dass sie überhaupt be-
sonders viel ändern. Es ist klar, je mehr abweichungen vom
ursprünglichen, je mehr zufällige Übereinstimmungen in abwei-
chungen sind möglich, und die beweiskraft, welche der anzahl
der übereinstimmenden änderungen zweier hss. beigelegt wird,
ist nach dem Verhältnis zu der anzahl ihrer änderungen über-
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche, l, 22
Digitized by
Google
322 PAUL
haupt zu bemessen. Freilich ist wider daran zu erinnern, dass
diese Zusammenstellungen sich auf ein unvollständiges material
stutzen, und dass durch jede bereieherung desselben die sache
sich etwas anders stellt Aber im grossen und ganzen werden
sich doch die Verhältnisse nicht sehr anders herausstellen. Wir
können danach auch Über den kritischen wert urteilen, welchen
die drei gruppen Ad, Ea und Bb für sich abgesehen von der
Verbindung mit andern in anspruch nehmen können. Es erhellt^
dass darin Ad und Ea weit über ßb stehen. Ad vielleicht noch
etwas üb,er Ea. Bb steht wider über D, welche noch mehr
willkürliche änderungen enthält. Trotzdem wird D wegen seiner
selbständigjs^eit in einer combination, zumal bei stärkeren ab-
weichungen, mehr geltung haben als ßine einzelne unter den
andern sechs.
Es ist nun weiter zu untersuchen, ob die vier uns mit eini-
ger Vollständigkeit bekannten handschriftengruppen (respect
einzelhandschrift) Ad, Ea, Bb, D alle unabhängig von einander
auf jäie urhandschrift zurückzuführen sind, oder ob wider zwi-
schen einzelnen unter ihnen ein näheres durch gemeinsame
fehler zu begründendes verwantschaftsverhältnis besteht Ein
solches wäre einmal so möglich, dass drei aus einer gemein-
samen vorläge stammten und die vierte ihnen gegenüber selb-
ständig wäre. Wir haben alle fälle, in welchen Ad, Ea, Bbje
allein den andern gegenüberstehen, aufgezählt und nirgends
veranlassung gefunden die lesart der einzelnen der der uiehr-
zahl vorzuziehen. Die andere möglichkeit wäre, dass zw^
eine gemeinsame quelle hätten; dabei könnten dann, die andern
beiden unabhängig von einander sein, so dass von c und fand
den sonstigen hss. abgesehen eine ursprüngliche dreiteilnng
stattgefunden hätte, oder sie könnten gleichfalls mit einander
verwant sein, und wäre dann eine anfängliche Zweiteilung an-
zunehmen. Es könnten sich auf solche weise gegenüberstehen
AdEa und BbD, AdBb und EaD, AdD und EaBb. Diese drei
denkbaren fälle kommen alle wirklich vor. Daraus geht die
notwendigkeit hervor mindestens einen teil davon auf rechnung
des Zufalles zu bringen. Diesem aber nicht alles zuzuschreiben
berechtigt uns wider die Verschiedenheit in der anzahl und der
"stärke der abwejchungen der sich gegenüberstehenden hss.
Bei weiten am seltensten stehen Adßb gegen EaD, häufiger
Digitized by
Google
HANDSCHßlFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 323
AdD gegen EaBb, noeh viel häufiger AdEa gegen BbD, und
lets^teres mehrfach der art, dass an zufall nicht zu denken ist.
Eine Zusammenstellung der einzelnen fälle wird darüber keinen
zweifei lassen, dass wir wenigstens die meisten Übereinstimmun-
gen von BbD gegen AdEa auf ein verwantschaftsverhältnis zu-
rückzuführen haben. Dabei wird es]| vor allem darauf ankom-
men, wo möglich, zu ermitteln, ob wir BDb oder AdEa oder
beide je aus einer quelle abzuleiten haben. Es lassen sich nun
AdEa und BbD nicht immer so einfach einander gegenüber-
stellen. Einmal hindert der mangelhafte kritische apparat da-
ran, indem oft von E, mitunter auch von anderen hss. die Va-
rianten nicht angegeben sind, oder, indem man, wenn nur die
abweichungen von BbD im Variantenverzeichnis angegeben ist^
nicht weiss, ob E an dieser stelle benutzt ist und also mit dem
texte stimmt. Femer aber ist öfter eine lücke in einer hs. oder
es weichen auch AdEa oder .BbD von einander ab. Im letz-
teren falle lassen sich häufig die verschiedenen lesarten durch
gegenseitige vergleichung auf zwei zurückführen; wo dies nicht
möglich ist, da bleibt es zweifelhaft, ob eine ursprüngliche
Zweiteilung bestand oder nicht Ausserdem ist noch das Ver-
hältnis von c und f zu berücksichtigen. In den meisten fällen,
in denen mir ihre lesart bekannt ist, stimmen sie zu AdEa,
seltener zu BbD.
Der text von AdEa steht deutlich dem von BbD (FG) ge-
genüber: 3303 hie AEad = wM BbDG;. 3578 mich her = mich
D, mir Bb; 3651 harte = ml; 3700 sch(enest = heste\ 4897
rvan == fehlt; 4904 ouch = hie; 4986 ouch mir Ad, mir auch Ea
==mir BbFD; 5056 michel=ungefuege; 5178 rief (rufle
Ead; ww<? = fehlt; 6185 «r^e/er = fehlt; 6616 liget = geligt. Auch
6 stimmt zu AdEa: 3284 er lie/'= do (nu h) lief er, — c
oder f stimmen zu AdEa: 3407 undih Acd, ich Ea = ww BbD;
3848 hedähte sich Adac, verdahte sich E = dacht D, gedachte b,
gedähter B; 4015 ie Adel, in der werld Ea = «e getcete; 4070
heiient AdEaf=W^en/ (4172 haben beitende AbE, bitende BDd;
4292 alle AdEac = fehlt; 4334 ouch AdEaf= fehlt; 4508 ge-
sach AdEtSit = ersach ; 4602 ne sol Aj ^o/ Eaf, fvild==enlazze
ich B, laz ich Db; 4818 dar nach AdEac = fehlt; 4998 daz
AEa, ditz Ai=den; 5427 neheinnen der A, deheiner der E,
keyne daz a, die ere die d, der srväre chain dew f (diese ver-
22*
Digitized by
Google
324 PAUL
schiedenheiten führen deutlich zurück auf deheinen der, was
Laehmanu in den text gesetzt hat) = deheinen (den D) schaden
der BbD; 5445 die iuncvrowe = frou BbDfL.*) 5927 die hure
AdECc, daz htcss, = die selben burchBD, dasselbe 'hm h ; 6150
sult käEidd=welt; 6162 nach Adef, nach allen Si = here nach
b, herre mit BD] 6165 unz AdEaf=a/Ä; 6170 ezn hilf et iuch
aber niht AiEi2L{= ez chuomt aber tu zestatenniht; 6258
ir muget AdEaf=^w mäht. — Dagegen stimmt c oder f zu
BbD: 3776 da vienc er in vor^=un gevienc (vie DJ in davor
BbD, un ving in ritflh dauor f; 4101 den zwein==in zfvein
BbDc; beidiu = beidiu wol BbDf; f>^Z^lebendic = lebendeWüDi]
6094 si == un BbDf; 6194 ir ne (ir d, un E^ was iedoch dehei-
niu AdE, und ez was doch yr deheines. = ir deheiniu was doch
BbDf. Dazu füge ich diejenigen stellen, an denen aus den Va-
rianten nicht zu ersehen ist, ob E benutzt ist und zu Ada
stimmt; in der regel ist wol anzunehmen, dass es der fall ist:
3276 äne = un ane BbGD; 3359 lief nu = louffet nuBGh,lufet
D; 3575 mme = dem; 3648 man = si; 3974 ere = eren; 3974
alsö = als; ^0?^ß unde= beidiu; iOM ein=wol ein; A2bAdoch
= fehlt; 4310 also = als; 4584 daz = fehlt; 5867 ertaget = getagt;
5978 disen=^den.
Hierzu kommen zahlreiche stellen, an denen E nicht benutzt
ist, weshalb man in einer sehr mislichen Unsicherheit bleibt; die
sonstigen analogieen machen es natürlich immer wahrscheinlich,
dassE zu a stimmt, wozu noch der umstand kommt, dass c und
f in der regel zu Ada stimmen. Die lesarten von c und f sind mir
nicht bekannt oder ganz abweichend an folgenden stellen: 4571
ouch Aad = noch BbD ; 4970 sold er Ad, sol erssi = muoz er BFbD;
5123 fraget er ad, vraget A = frager BbDL.; 5741 teilte = geteilt;
6035 ^^^=fehlt; 61 10 touc=diut B, bedutD, beduteth] 6441 alter
herre = altherre L. — f oder c stimmen zu Ada: 3869 an Adaf =
uf; 4060 zware MsÄ=deiswar; ebenso 4339; 4265 si Adf, to
^t/ a = si do; 4502 verdienet Adaf = gedient; 5083 si im Adac == si
Bb, si alle D; 5288 hoher haissen d (L.), uf hör heizen Af, hinbaz
heissin sl = heizzen hoher ; 5954 künde Adsif = mohte BGj mohten
Db; 5967 unz daz si in Adac = wwz si den riter; 5977 ihne
*) Wo es nicht besonders bemerkt ist, folgt Lachmann der lesart
von A.
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 325
dahte e A, ich gedacht ee df, ich gedachte a = ^ gedaht ich;
6005 ir daz (fehlt f) wol an Adf, ir rvol daz an Si = wol an ir;
6007 der verte Adacf=c?em wege; 6017 diu bete nist (ist
itjniht Adf j dise redde ist nyt B, = ia ne ist diu bet niht;&Obb
so käs,, sus f== fehlt; &OSb stuont Adsi,{= lac; 6103 ir wceret
anderswa baz Adaf=ir moht wol (fehlt B) riten furbaz;
6130 st Adaf=wn; 6248 muoz Adaf=^ö/; 6693 der Adaf=
dirre; 7956 vrorve AAb,c{ = /routve Lunet BD, Lünet fraürv b. —
Dagegen stimmt f gegen Ada zu BbD : 3348 wart geflch = ge-
Tich wart BGbDf ; 4949 von = vor BFbDf; ebenso 6209; 5487
mA, nach d, nohe sl = nahen BhDf; 5519 verdien ich = gedien
ich BbDf ; 5610 und = nu BbDf ; 6696 iane vehtet u A, ia vich-
tet d, ioch enfichtet auch SL = iu ne vihtet BbDf. — An einer
stelle stehen sich e und f gegenüber: 3642 ich Adaf=Mn BbDc.
An den bisher angeführten stellen lässt sich nicht bestimmt
entscheiden, ob AdEa oder BbD der vorzug gebühre, wenn
sich auch öfter manches zu gunsten der ersteren anführen
lässt. Aber bestimmt falsch ist die lesart BbD in folgenden
fällen. 5983 alrerst get mir angest zuo, wie er wider mich ge-
tuo ; hier haben BbD sinnlos min fttr mir in Aad (b bei Lach-
mann ist druckfehler für d). 6087 da körnen si in geriten
ki2i=dar in si bei diu (beyde samethj riten BhD] cf. Chre-
stiens 5204 ce chastel vienent aprismant, 5522 danne ich an
tu gesehen hän AdEai{= danne iu noch hie (fehlt D) schinet an
BbD; hier ist offenbar geändert mit benutzung von 5476 (als
iu noch hie schinet an) um den reim hdn: man zu vermeiden;
hän im reime auf kurzes a ist im Erec, im 1. btichl. und in
den liedem nachgewiesen; es an einigen stellen durch conjek-
tur entfernen zu wollen, während man es doch nicht ganz, be-
seitigen kann, ist ein nicht zu rechtfertigendes, verfahren; wie
mislich es ist so vieles dem Iwein abzusprechen, was man in
den übrigen werken zugibt, ergibt sich auch an anderen stellen.
7672 üf iuwer fiwerm H^ gebot AdEHa = m Aiwerm gebot;
der reim des dat. gebot auf den acc. got würde bei Hartmann
nicht zulässig sein. Hierher werden wir auch 4194 zu stellen,
haben. Hier haben Eadf ich geloubet im, A ih lobtin, BbD er
hepte {behagete D, wol sicher erst aus liepte verändert); die
Übereinstimmung von Eadf zeigt zur genüge, dass ih lobtin nur
©ine willkürliche Veränderung eines unverstandenen ausdruckes
Digitized by'
Google
326 PAUL
ist (es soll doch wol bedeuten 'ich verlobte mich mit ihm');
dasselbe wird von der lesart von BbD gelten, wiewol sie
einen leidlichen sinn gibt; ich gelouhte im hat hier offenbar
eine seltenere, bisher in den Wörterbüchern nicht nachgewiesene
bedeutmig 'sich nachgiebig, freundlich gegen jemand beweisen';
man vergleiche dazu Parz 10, 22 ist got (m siner helfe blint,
oder ist er dran hetoübet, daz er mir niht gelouhet (dass er
mein gebet nicht erhört); Trist. 4528 Rüal der tugende erkande
der geloubete Tristande und sach die jugent an im an : so ent-
weich aber Tristan den fügenden an Rüale {gelouben und ent-
wichen sind hier offenbar synonyma); Iwein 4395 der wirf het
selbe vil gestriten und ofte üf den Hp geriten, und geloupte dem
gaste deste baz; wand er allez M im saz unz daz er entwäpent
wart. — Dagegen scheint an einer stelle das französische für
BbD zu sprechen. 5950 schreibt Lachmann und wart mir an-
ders niht genant, wan daz ein lewe mit im ist nach AGEadf;
BbD haben ist mir anders niht erchant {ist hat auch C); man
vergleiche dazu Chrest. 4892 je quier ce que je ne vi onqiies,
mien esciant, ne ne quenui, mes un lyon a avoec lui. Es ist
indessen nicht zu läugnen, dass an und fttr sich die lesart von
AdEa gewählter scheint und auch den sinn des französischen
vollkommen widergibt, und da hier gerade C und f dazu stim-
men, möchte man fast glauben, dass die wörtlichere Überein-
stimmung von BbD auf zufall beruhe. Einen solchen zufall
anzunehmen können wir auch kaum umhin an mehreren an-
deren stellen. 35 ein also schoene hdchzit haben Bbcd, nur
D hat riche; vgl. Chrest. 4 tint cort si riche come rois; das
riche scheint indessen von Hartmann durch die vorher-
gehende zeile ausgedrückt zu sein: nach richer gewonheit
(so Bd, deren lesart dadurch bestätigt wird). 95 von deheiner
(kleiner afLj siner vrümekheit ABDdraf; dagegen niht von s.
V. bc; vgl. Chrest. 60 non de s*annor, me^ de sa honte. 1765
haben alle hss. ausser A (auch Lachmann) noch oder vriio;
A schreibt hinehte fftr noch; das scheint geändert, weil dem
Schreiber noch in der bedeutung 'noch heute' nicht geläufig war;
aber Chrest. 1571 enuit ou demain stimmt näher zu A. 1152
haben Dacdf da sach er zuo im (zu ym ein h) gän; dagegen
A zou eme uz, B uz un in; vgl. Chrest. 971 s*an issi une da-
meiselle. 6476 haben statt als ein wirt den gast sol Bb als man
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 327
lieben gqist sol, welches Chrest. 5405 näher steht: com an doit
faire a son boen aste.
Unser resultat ist also, dass Bb und D sieher aus einer
gemeinsamen vorläge abgeschrieben sind, welche schon manche
nicht unwesentliche absichtliche änderungen enthielt Dass
dasselbe für Ad nnd Ea anzunehmen sei, dafür spricht
nur die eine zweifelhafte stelle 4950. Doch hindert uns diese
es mit entschiedenheit zu läugnen, und die frage wird einst-
weilen noch oflFen bleiben. Wenn wir dieser stelle beweiskraft
beilegen, so müssen wir auch f dieser gruppe zuzählen. So-
viel können wir als ausgemacht ansehen, dass der combination
AdEa ein höherer wert zukommt als der BbD, und dass es
sicherer ist in allen zweifelhaften fällen ersterer zu folgen.
Hiermit haben wir wol gefunden, was der bevorzugung von A
durch Lachmann richtiges zu gründe liegt. Seine ansieht da-
rüber hat sich wesentlich gebildet durch die vergleichung mit
B und demnächst mit D, indem er den wert der übrigen hss.
unterschätzt hat. Uebereinstimmung von BbD mit f oder c
würde für den fall, dass Ad und Ea nicht aus einer gemein-
samen vorläge geflossen sind, kaum in betracht kommen, da
dieselbe viel leichter auf zufall beruhen kann, als die Überein-
stimmung der noch wenig vom ursprünglichen abweichenden
Ad und Ea. Auch wenn Ad, Ea und cf gleichmässig aus
einer quelle abgeleitet wären, würde die grössere Wahrschein-
lichkeit dafür sprechen, dass Übereinstimmungen von Bb D mit
f oder c auf zufall beruhten. Anders wäre es, wenn c und f
von der gemeinsamen quelle von AdEa unabhängig wären,
wofür wir aber bis jetzt keinen anhält haben. Es erhellt aus
diesen erwägungen, dass eine vollständige vergleichung von
c und f, sowie der übrigen von Lachmann noch gar nicht be-
nutzten hss. möglicherweise noch manches zur entscheidung
der frage beitragen kann.
Mit den bisherigen aufzählungen sind nun die fälle noch
nicht erschöpft, in denen sich einmal die vorlagen von AdEa
und von BbD einander gegenüberstanden. Es kommt dazu
noch eine ganze reihe solcher stellen, bei denen dies nicht ganz
sicher, zum teil aber sehr wahrscheinlich ist. So zunächst
diejenigen, an denen in einer hs. eine lücke ist, oder die Va-
rianten von einer oder mehreren hss. nicht angegeben werden :
Digitized by
Google
328 PAUL
3312 an AE2iQ = bi BbD; 3925 an AdE = m BbDcf; 4392
deheine not AäEe =^dehein c Hummer D, chuomber Bb; 5555
d Ad, si auch E, si daz {=si sit BbD; 6148 hie AdE = rfa
BbDf; 6229 gesehen kA¥X=- ersehn BbD; 4022 aber Eadf
(lüeke in A) = fehlt BbD; 6960 nö Eadf=nw Ä/e BbD (lücke
in A); 7068 so Ead (lücke in k) = srvenne BbD (L.); 7025
und ad (falsch) = nocÄ BbDf (L.); 6076 wV Adcf= fehlt; 3731
rfi^ Ad = fehlt BbD; 5871 dar k, da d (71. 72 fehlen a) = afo
BbDc; 6114 und ich d (L.), ih k==un BbDf; 7265 het er Ad
= het erz BbD; 7269 also M = als BbD; 7424 vorhte Adf=
geforht B\iD\ 6375 2>m^r Aa = m>mör BbD; 7277 heten si
AE (75—78 fehlen d, 59—90 fehlen ^)^w(ßreda BbD, war
gerne da f; 3436 ^^r selben cd (L.), rf^ ^^/«;^ A, bei der Ea
= zerselben BD; 3740 maneges Ad^ mannes Ea = manigen BDc;
5931 nö Ada = 51^ BDC; 6019 gesendet käsi = gesant BD;
4686 m AdE = 5m Dbf; 4686 ez Adf=wwrf Db; 4704 dem =
dem selben Db; die drei letzten stellen fallen in die erste grosse
Itteke von B. — Dazu füge ich die stellen, an denen BbD so
unter einander abweichen, dass es nicht ganz sicher ist, ob
die abweichungen auf eine gemeinsame lesart zurückzufahren
sind: 3444 wan Ed, wen k^ = niuwan BD, nur b; 3608 s6 wol .
AdEa = 5ö D, niht ^o B, niht b; 5374 ginc AdEacf=Äw/? sich
Db, nefB\ 6200 aber AdE, erber d==ouch Bb, fehlt D; 6348
geschehen kiB,f= gesehn BD, begangen b; 8098 gesachkAQ>==
ersach Db, sach B. — Anderwärts stehen BbD übereinstim-
mend verschiedenen nicht unmittelbar auf eine zurückzuführen-
den lesarten der übrigen gegenüber. Wo nur eine von den
andern so abweicht, ist es wahrscheinlich, dass diese das ur-
sprünglichere erhalten haben, so 3410 lang d, läge A, also lange
a, fehlt Ef=ww lange BD, nu b; 3936 so AEaf, fehlt d = w7
BbD; 3978 stcete Eaf (L.), steter cd, fehlt k = auch stcete BbD;
4432 als AEa, und A = do BbDf; 4954 vil AdE, gar a = fehlt
BFbD; 7338 also Ead, fehlt A = als BbD. An mehreren stellen
erweist sich die lesart von BbD durch die vergleichung mit
den verschiedenen abweichungen als das ursprüngliche; diese
können für unsem zweck wenig in betracht kommen; so 3327
im daz BbD {JL) = daz ad, iz im A; 3715 nach l&\iD = nager
k (nach i LJ, nach gar d, nach alle Ea; 4023 si sprach 'herre,
daz hie clagf BbD (L.) = sy sprach dy hy clagit a, daz da hie
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 329
so sere chlagt E, die sich so ser hat verklaget d (Ittcke in A);
5032 im in dem BbDf = im deme A, in dem Ea fime LJ; 5379
im daz BbD = m^ ahe das c Wigal. 5112, von im daz Ef, daz
Ada (L.); 6139 si ne (fehlt f) redent ez BbDf=ia ne redent
siez Ad (L.), ich enreddiz a; 6374 so BbD = also af, ze A (L.),
alzeE] 7872 mBbD {L.) = ufven ougen A, auch a, fehlt c. An
andern stellen stehen mehrere lesarten neben einander, die glei-
ches anrecht auf berücksichtigung haben wie die von BbD : 3706
do BbD = oÄAf (L.), doch d, nw a; 3768 doch mD = tou A
(L.), da d, vil c, fehlt Ea; 5674 altem B, eitern Db, elter f =
alten Ad, swester a; 7968 iu BbD = öÄ A (L.), fehlt acd. An
einer stelle erweist sich eine der BbD gegenüberstehenden les-
arten durch vergleichung des französischen textes als das rich-
tige: 3752 haben ho f seh fhiderve ho f seh in der zweiten ausgäbe
ist ein versehen) BbD, hiderve hovisc AE (L. 2 ausgäbe), hübsch
biderb cd (L. 1 ausg.); das letzte ist richtig cf. Chrest 3186
h cortois, li preuz, li buens.
Es bleiben noch diejenigen falle zu berücksichtigen, in
denen von den hss. AdEa eine mit BbD übereinkommt, gegen
die Übereinstimmung der drei andern. Dabei muss notwendig
der Zufall im spiele sein, und es sind dann zwei möglichkeiten.
Entweder trifft, wenn z. b. d mit BbD stimmt, A zufällig mit
einer änderung in Ea zusammen und d hat die lesart der vor-
läge von Ad erhalten, welche dann wider wegen der Überein-
stimmung mit BbD ursprünglich sein muss, oder die Überein-
stimmung von A mit Ea geht schon auf ihre vorlagen zurück,
und d hat zufällig ebenso geändert wie Bb D. Die fälle dieser
art sind früher aufgezählt. Die letztere erklärung der Über-
einstimmung gewinnt an Wahrscheinlichkeit, sobald c oder f
mit gegen BbD zeugen, so 3285 niwe rate AdE, newreute f
fniuweriute Lj = niuwez geriute BGbDa; 3615 ^ AdE, si nu i
= sich BGbf; 4523 geUchet sich AdEcf = gelichet BbDa; 4589
vil AdEf= fehlt BbDa; 4887 si beide AäEd= ir beider BhDsi',
5018 Sterke AäEf= kraft BbDa; 5049 vor Ed (L.), vorn
Af== fehlt BbDa; b2SA gevieng ich AdEf^^^ gewunne (gewinne
B) ich BbDa; 5538 ungemüete AdEc = gemuete BDa; 6244
n«^^/ AdEf=rf^^/BbDa; 6725 im AE, in df= fehlt BbDa;
7593 daz AEHdf= fehlt BbDa; 5954 nie des AC, des nye df
= des niht BbDa; 3721 nü Adaf = fehlt BbDE; 4209 tete AEaf
.Digitized by
Google
330 PAUL
= getet BbDd; 4299 vorhten AEn^f = vorhten des BbDd; 5500
lebendes A, lebens Eaf (L.) = libes BbDd ; 6685 bestan = gestan
BbDd; 8073 gewan AEaf = m> gewan BbDd; 6484 harte Eadc
= fehlt BbDA (L.).
Viel unwahrscheinlicher ist es, dass eine lesart, die D mit
B oder mit b gemein hat, während b oder B zu den übrigen
stimmen, aus der gemeinsamen vorläge von Bb D erhalten und
die dritte hs. nur durch zufällige änderung mit den übrigen
zusammengetroffen sein sollte. Man müste dann in den meisten,
wenn nicht in allen fällen eine rückkehr zum ursprünglichen
annehmen. Auch ist anderseits ein zuffilliges zusammentreffen
von D mit B oder b um so weniger auffallend, je mehr än-
derungen sich alle drei erlauben. Ich mache noch darauf auf-
merksam, dass D und b mehrere ziemlich starke abweichungen
teilen, während B zu den übrigen stimmt, die man fast be-
denken tragen muss auf rechnung des zufalls zu setzen. Da-
hin gehören 3477 also gar b, gar D =^ allenthalben ; 4812 «;ere
== dühte d; 5162 nu kam der sie do trost b, do chom der si da
loste D = daz si nü niemen löste; 5288 sprachen = riefen ; 5317 mit
listen b, mit guten listen D = darnach; 5582 wan der (er D)
was bDf=^k herre was; 6069 — 70 fehlen (auch c); 6095—8
fehlen; %\2^ enbern-=- geraten; 6177— 82 fehlen; %\^Z iamerlich
= armecliche; 4289 mit solhen siten = mit unsiten; leichtere
gemeinsame abweichungen finden sich noch 3286. 3293. 3576.
3859. 3951. 4293. 4364. 4508. 4821. 5030. 5034. 5040. 5156.
5374. 5497. 6210. 6232. 7334. 7767. — Geringer an zahl und
bedeutung sind die Übereinstimmungen von BD gegen AdEab;
die gewichtigsten darunter sind 3584 niuwen^=vrische7i; 6066
willen = frumen ; 6200 lobesam = äne schäm; leichtere sind
3523. 3531. 3574. 3584. 3586. 3649. 3818. 4255. 5233. 5962.
6162. 6720. 6718. 7902.
Zur richtigen Würdigung der beweiskraft der fälle, in denen
Ad£a mit BbD streiten, sind diejenigen zu vergleichen, in
denen sich AdD und EaBb oder AdBb und EaD gegenüber-
stehen. Fänden sich dieselben ungefähr in gleichem masse,
so würde unsere ansieht von einem verwantschaftsverhältnisse
zwischen Bb und D hinfällig. Zeigt sich aber, dass sie an
zahl geringer und die abweichungen alle naheliegend sind, so
sind wir berechtigt die Übereinstimmungen dem zufall zuzu
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 331
schreiben und können nur vermuten, dass auch ein teil der
Übereinstimmungen in geringfftgigen dingen zwischen Bb und D
auf rechnung desselben zu bringen ist, ohne dass darum das
zusammentreffen in wesentlicheren punkten, welches häufig
genug ist, seine beweiskraft verlöre. In allen diesen fällen
macht die wähl der richtigen lesart besondere Schwierigkeit.
Wenn einmal dabei die annähme des zufälligen Zusammen-
treffens in einer änderung nicht zu umgehen ist, so kann das-
selbe ebenso auf der seite von AdD oder AdBb, wie auf der von
BbEa oder EaD sein, und es gibt kein entscheidendes äusseres
kriterium für den Vorzug der einen oder der andern, wo nicht
etwa das zeugnis von c oder f hinzutritt^ welches aber auch, wie
sich herausstellen wird, nicht absolut massgebend sein kann.
Ziemlich häufig stehen sich AdD und BbEa einander
gegenüber, aber nirgends so, dass die zurückftihrung der Über-
einstimmungen auf Zufall besondere Schwierigkeiten darböte.
Lachmann folgt fast durchgängig AdD. Aber einen stichhal-
tigen grund fttr diese bevorzugung gibt es nicht. Wenn Ea
an wert ein wenig hinter Ad zurücksteht, so steht D noch
mehr hinter Bb zurück. Ich führe zunächst diejenigen stellen
auf, an denen sich mit einiger bestimmtheit eine entscheidung
aus inneren gründen treffen lässt. Zu gunsten von AdD ßlllt
dieselbe aus: 3770 dö kerte si AdDc = si chert dar E, dy
hart wider a, diu cherte rehte Bb (auslassung einer partikel,
worauf dann Umstellung von verbum und subjekt notwendig
wird, ist besonders häufig Ea allein eigen; ausserdem kommt
hier das zeugnis von c in betracht und der umstand, dass
Bb und Ea doch wider etwas von einander abweichen); —
3894 do (nu Dd) gruozter in AdD = er (und cj gruzt in Eac
er lute Bb und darauf 3895 und volgetim kAD = do volget er
[ym a] Ea, er cherte B, svs lieff er b (auch hier erwecken schon
die diflferenzen zwischen Ea und Bb namentlich in 3895 den
verdacht, dass sie es sind, die geändert haben, während ander-
seits für sie die Übereinstimmung mit c spricht; man sieht, die
abweichungen beruhen auf dem zweifei, wer der grüezende ist,
Iwein oder der löwe; die entscheidung gibt das französische;
bei Holland 3432 lesen wir lors le semont et si Vescrie, ami
com um brachez feist; das scheint für EacBb zu sprechen; aber
es liegt hier ein offenbarer fehler in der hs. vor: schon der
Digitized by
Google
332 PAUL
ausdruck semondre würde nicht gut auf ein tier passen; ferner
könnte nicht fortgefahren werden et II lyons maintenant mist,
wenn der löwe schon vorher Subjekt gewesen wäre, vielmehr
geht daraus hervor, dass ein Wechsel des Subjektes statt hat;
endlich sind auch im vorhergehenden bei Chrestiens und Hart-
mann deutlich die mittel angegeben, wodurch der löwe seinem
herm die Witterung des wildes anzeigt, wozu Hartmann aus-
drücklich bemerkt dazu kunderm anders niht gesagen, so dass
also ein geschrei noch dazu ausdrücklich ausgeschlossen ist;
demnach ist zu lesen ausi com un brächet feist; dadurch wird
die lesart von AdD und Beneckes erklärung bestätigt, während
Sechs conjektur do gruozte er als ein suochhunt zurückgewiesen
wird); — 4101 oh ne truwih A, doch entrarv ich es d, mch
getru ichs D = ich (ichn Ea) getru es BEab (vgl. das zu 3770
bemerkte); — 5056 unz A (L.), und Ddf= fehlt Bb Ea (eine
einseitige bevorzugung von A widerspricht unsem kritischen
grundsätzen; die Übereinstimmung von Ddf macht es sicher,
dass auch unz auf ein und der vorläge zurückzufahren ist;
und kann natürlich sehr gut fehlen, aber dafür, dass es richtig
ist, spricht zunächst das zeugnis von f; femer entstehen Über-
einstimmungen in auslassungen ja überhaupt viel leichter als
in Zusätzen, hier aber scheint und weggelassen weil man seine
beziehung nicht recht verstand; es ist zu verbinden als lanc so.»,
und (so) daz] diese etwas ungewöhnliche fügung hat dann
auch die änderung in A veranlasst. — 5597 kumber unde sine
not AdD == sinen kumber u, BEa {alle b) s. n. (es war nach
der bei Hartmann nicht seltenen weise das pron. nur zum
zweiten subst. gesetzt; das streben nach ausgleichung veran-
lasste die änderung); — 4305 er sprach ^nü müz in got bewam
AdDcf ; fttr in haben iuch BbEa (in ist auf gesellen zu beziehen
(es ist die auf den speciellen fall passende Wendung mit der
gewöhnlichen abschiedsphrase vertauscht).
Hingegen scheinen BbEa den vorzug zu verdienen : 3279
hungers not BbEa = hunger not AdDGr (vgl. 3306 diu {des Ea)
hungers not BDE6abd = ^/e hunger not A). —3771. 2 schreibt
Lachmann da er zuo dem hülse vloch, da was der burcberc so
hdch; 3772 haben Ad da, Df dOy BEab nu; da gibt einen leid-
lichen sinn, aber doch, so begreiflich es wäre, dass der berg
nur an ©iner stelle so steil gewesen wäre, so sonderbar ist es,
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTFNVEEHAELTNIS DES IWEIN. 333
dass er nur an einer stelle so hoch gewesen wäre, da doch
die bürg auf einer einigermassen gleichmässigen höhe liegen
muste; ferner kann da nur stehen wenn es auch in der vor-
hergehenden zeile steht, wo es nur A hat gegen do BD (Ä hat
auch 3794 da für do) ; mit dem zweiten do ist nattlrlich nichts
anzufangen; nü wird das richtige sein, das auch 1302 und
3468 im nachsatze auf do im Vordersätze folgt; do ist dafür
in begreiflicher gedankenlosigkeit geschrieben. — 4342 flf.
schreibeja Bb Eaf so tveiz min vrouwe danne wol, so si bevindet
wer ich bin, daz ich den lip und deti sin vor leide verlorn hän;
AdD verwandeln den nebensatz so si bevindet in einen haupt-
satz: A schreibt so bevindet sie, d so bevindet sy dann wol, D
macht aus 4242. 3 mit ändernder Umstellung so bevindet ez
min frouwe wol. und weiz denne wer ich bin, wodurch die sinn-
lose Verderbnis in Ad wider verständlich gemacht wird; Lach-
mann an der Überlieferung in Ad als der ächtesien festhaltend,
sucht ihr durch conjektur nachzuhelfen, indem er bevindet siz
schreibt; aber abgesehen davon, dass sich auf diese weise gar
nicht erklärt, wie das von allen hss. einstimmig tiberlieferte
s6 in den text kommt, so entsteht durch diese änderung nur
eine lächerliche tautologie: meine frau weiss, wer ich bin, wenn
sie es erfährt, die andere in der anmerkung vorgeschlagene
änderung so weiz ez rdn vrouwe danne wol: so bevindet d
schliesst sich wenigstens eng an die Überlieferung an, aber
wie soll man es fUr möglich halten, dass ein zweiter nachsatz
sich an den ersten, der schon ganz dasselbe besagt, anschliesst
in einer weise, als ob dieser gar nicht dastände? wenn man
übrigens durchaus den sinn haben wollte, welchen Lachmanns
text bietet, so könnte man zu demselben viel leichter von Bb
Ea aus gelangen, wenn man, wie auch in der anmerkung in
klammer beigefügt wird, sd siz bevindet schriebe, was sich auch
von Ad eigentlich nicht so weit entfernt als bevindet siz^ so
dass also, selbst wenn man eine solche änderung für erlaubt
und notwendig hielte, damit die autorität von AdD gegen Bb
Ea nicht gerettet würde;- aber wozu alles das? die lesart von
BbEa soll deshalb zu verwerfen sein, weil dabei die haupt-
sache, dass Laudine ihn nach seinem tode erkennen soll, in
den Zwischensatz komme; ist das die hauptsache, oder viel-
mehr, dass sie wissen soll, dass er leben und verstand um
Digitized by
Google
334 PAUL
ihretwillen verloren hat, woneben der umstand, dass sie ihn
nicht bei seinem leben, sondern nach seinem tode erkennen
soll, nur mittel zum zweck ist? wir haben in s6 bevindet d
nur die Umstellung halbaufmerksamer Schreiber, die die vorher-
gehende zeile nicht berücksichtigten; es kommt noch dazu, dass
und in 4244, welches diese Umstellung und die conjekturen
Lachmanns fordern, nur in AD, nicht in d steht — 6490 nein
ez AdD = ia BEab, ia es f; Chrestiens hat 4598 oil,
voir, dame; wenn Lachmann trotzdem nein verteidigen will,
so liegt dies doch nur daran, dass er den zu spät aus Chre-
stiens erkannten irrtum seiner kritik sich nicht eingestehen
will, weil er mit seiner auflfassung des kritischen wertes der
hss. in Widerspruch steht; denn ob Chrestiens von tacoison et
le forfetj Hartmann von dem kumber spricht, das kommt flir
den Zusammenhang auf eins heraus, und da im übrigen beide
an dieser stelle, namentlich in der frage der Lunete so genau
stimmen, so darf man nicht annehmen, wozu man auch gar
keine veranlassung hat, dass Hartmann hier den sinn gerade-
zu umgekehrt hat. — 5560 so getriuwe und so getvcere AdD;
das erste so fehlt BbEac wol mit reht; es scheint in der ab-
sieht gleich mässigkeit herzustellen hinzugesetzt. — 6218. 9
schreibt Lachmann si muosen verwischen Wirtschaft und ere;
die hss. haben sie mosten Ad, musten si D = si muose BE, sie
must gar {oft c) bc, muste sy gar a; der sing, scheint angemes-
sener, weil Wirtschaft und ere doch einen begriff bilden; bei
dem plural aber entsteht der verdacht, dass er aus mis-
yerständnis eingesetzt ist, in dem man d flir das Subjekt nahm.
— 6895 nü saz der künic Artus AdD; BbEa haben da hinter
saz, welches kaum zu entbehren ist — Wir sehen also bestätigt,
was wir von vornherein vorauszusetzen uns flir berechtigt
hielten, dass sich änderungen so wol auf der seite von AdD,
als auf der von BbEa finden. Wenn dieselben so auf beide
combinationen verteilt werden, so hat die annähme eines zu-
fälligen Zusammentreffens um so weniger unwahrscheinliches,
weil dann auf jede einzelne durchschnittlich nur die hälfte der
fälle kommt, in denen sie sich gegenüber stehen.
An den folgenden stellen lässt sich nichts entscheidendes
zu gunsten der einen oder der andern partei sagen: 3290 der
Pdf (L.), dor A^un BGbEa; 3496 und AdD = fehlt BbEa,
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN- 335
ebenso 3520; 3666; 3572 der =^ min (gegen die widerholung
rdn troum ist nichts einzuwenden); 3626 als ez^=als; 3664
ez ist (was ALJ wunder AdDf = ein fun EJ wunder ist
(was a^; 3733 erkoverten KAY^q =^ hechoverten (letzteres konnte
als weniger gebräuchlich dem gewöhnlichen gewichen sein; es
ist nur noch belegt bei Herbort 8869);*3798 dä=da wol E, wol a,
da vil wol Bb; 3830 clägelich und doch grimme ^^ doch fehlt
BbEa Wigal. 2042; 3925 i;i7 = fehlt; 4011 gröze clage = clage
alsus Bb, chlage hie Ea; 4051 so ^=^ also; 4116 und AdDf=
fehlt; 4146 ich=^wandich; 4183 urien=frien BE, freyen c, farien
a (ähnlich 1200. 2111); 4230 sol = muoz; 4268 dt daz = sit;
4487 die wil er = un wil si; 5247 der^swer (fehlt b); 5326
wanc^^ wider wanc (letzteres wol richtiger, da wanc mehr ein
ausweichen nach der seite als direkte umkehr bezeichnet);
5498 gnäde = hulde; 6582 dem = im E, ir Bba. — Hierzu
fiige ich einige stellen^ an denen eine hs. fehlt oder ihre Variante
nicht angegeben ist: 4754 dannoch hin komen mac AdD == ir
(der h) ze helfe k. m, Eb (wie 4798; B fehlt, a nicht angegeben),
darauf 4755 dar AdD == der Eab; 5272 missercete Ad, valsche
rete D == missetmte BEc; 6460 wir leben AdDf = leben wir BbE;
4138 do = des B, daz ab; 5899 er AdDf=^r ÄeeBbaC; hier-
her werden auch noch einige andere stellen gehören, an denen
die Variante von Bab angegeben ist und man ni6ht sicher weiss,
ob E benutzt ist. In den fällen, in welchen der Übereinstim-
mung von AdD zwei oder mehr verschiedene lesarten in Bb
und Ea gegenüberstehen, wird es kaum zweifelhaft sein, dass
AdD das richtige erhalten haben, so 3838 wä AdD (sicher das
richtige) = daz Bb, da ac; 3923 dd = nu Ea, eines tages Bb;
4125 schüefe niwan=>niwan schüfe Ea, schuoffe B, geschuff b;
4154 gewesen ioiiM B, mit der rede b, ein teil Ea; 4483 er hat
ir noch = noch hat er ir b, un hat ir noch B, der hat er [noch E/
Ea. Umgekehrt wird man BbEa zu folgen haben, wenn Ad
und D auseinandergehen, so 3556 als ich BbEa {L,)=also bin ih
A, als mich Dcd; 3684 wol beider BbEaf = beider nu wol Ad (L.),
n^ol D; 3951 er (der a, un EbJ wände er BhEiB, = wände er
Dd (b ist druckfehler) (L.), dazer A (D und d ändern in ver-
schiedener weise die vorhergehende zeile so, dass der lewe
nicht mehr Subjekt bleibt, die auslassung von er muste die
notwendige folge davon sein; das asyndeton steht hier auf eben
Digitized by
Google
336
PAUL
so schwachen fUssen wie an der einzigen parallelstelle bei Hart-
mann 3620 si reit dar, gehabt tm bi nach d, während BDEacdf
imd nach dar haben).
Viel seltener ist es, dass AdBb und EaD sich einander
gegenüberstehen. Hier ist von vonherein, da Ea etwas mehr
als Ad, und D noch mehr als Bb ändern die grössere Wahr-
scheinlichkeit dafür, dass AdBb das richtige bewahrt haben,
ohne dass man indessen eine garantie dafür hätte. 4111 der
eine ist B, der eine A, der ist d, der ist einer h{=ez (daz
D) ist der DEa; 4228 sol = 7vil; 4568 mit einem munde Ad
Bbf WigaL = »i. gemeinem m, DEac; 6965. ^ jugent : tugent
^^tugentijugent; 6850 den so bd (L.), den B, so A = vil; an zwei
stellen fehlt A: 6955 mit (an B) dem andern an dem tage Bbd
(L.) = an dem selben tage DEHa; 6981 was Bbd= i^^ DEa (L);
ß fehlt: 6297. 8 wan da rvonte in armuot bescheiden wille unde guot
AiM = armi^te : guete DEa (letzteres wol vorzuziehen). Ver-
schiedene lesarten stehen der tlbereinstimmung von DEa gegeih
über: 4334 un Adf (L.) wan Bb = fehlt; 5847 et B (L.) oh A,
doch d = fehlt DEaf; 6774 daz A (L.) do bd (lücke in B) =
un. Bei einer vollständigen kenntnis des handschriftlichen
materials werden sich diese stellen wol noch etwas vermehren
lassen. Für eine sichere her&tellung> des textes in allen den
fällen, in welchen AdD und BbEa oder AdBb und DEa einan-
der gegenüberstehen, können wider die noch nicht benutzten
hss. gute dienste leisten. Schliesslich mache ich noch einmal
darauf aufmerksam, dass diese combinationen als nicht un-
wesentliche Zeugnisse für die nähere verwantschaft von A mit
d und E mit a benutzt werden können.
Ich denke also, dass es gelungen ist ftlr den von uns be-
zeichneten abschnitt mit leidlicher bestimmtheit das abstam-
mungsverhältnis der hss. zu ermitteln, welches sich etwa in
folgender figur darstellen würde, in der die griechischen buch-
staben die nur erschlossenen mittelglieder bezeichnen:
I
A
I I
d E
f J>.
B
Digitized by
Google
HANBSCflßll^TENVERHAELTNlS DES IWEIN. ^ 337
Dazu ist zu bemerken, dass das mittelglied ß zweifelhaft ist,
dass ferner zwischen c und f einerseits und ß anderseits mög-
licherweise ein gemeinsames Zwischenglied anzusetzen ist Nur
gegen ende beginnen die Verhältnisse unklar zu werden; auch
Übereinstimmungen von BbD finden sich hier nur wenige.
Wir wenden uns jetzt zu dem ersten teile des Iwein und
sehen zunächst zu, ob und wie weit es möglich ist auf diesen
die ftlr den zweiten teil gefundenen resultate zu übertragen.
Zunächst statt der späterhin so zahlreichen und charakteri-
stischen Übereinstimmungen zwischen B und b haben wir hier
eine ganz winzige anzahl, die uns nicht veranlassen würde an
etwas anderes als zufall zu denken, wenn wir auch berück-
sichtigen, dass in den ersten 606 versen die Variante aus b
öfters fehlt. Die lesarten, welche Bb allein gemein haben,
smd folgende: 203 dSist B, dest h = daz ist; 596 dSisfvar =
zwäre; 700 rfa = fehlt; 968 michel^grdz; 1061 fehlt ri/; 1149
cUsen = solchen ; 1343 niht en=^niht Eacd, iht D, ne ne A]
1794 gevolget (L.) = voigete A, der volgete Dacdf; 1860 fehlt
der wcere AdD, dar wieder c, des a; 1980 fehlt dehein\ 2050
in = im; 2135 des manen schin==der man sein A, der nume
schin Eäd, daz monschein D; 2167 fehlt vil; 2222 sach (L.) =
gesah Aa, ansach AdEf; ^2420 un^^si; 2659 et (L.) = ez a,
er d, fehlt AdE; 2672 fehlt wol; 2691 zimt^gezimet; 2717
iunchfrouwe = maget; 2967 em = dr ; 2980 &uch mir == mir otwh
Ead, mir AD (L.); 3069 un lagen da = dä lägen si; 3131 gar
= fvoL An mehreren stellen fehlen so viele hss. oder die an-
gäbe ihrer Varianten, oder die andern hss. weichen so sehr
Von einander ab, dass Bb recht wol allein das richtige erhalten
haben können und zum teil sicher erhalten haben: 701 w/=
an Ad (L.), mder a (an mich fehlt D); 1304 da vor '^ vor des
Acd (L.), allez vor a; 1678 giengen^=^gienge ADc (L»), die
gierigen Ead; 2919 gerou = rou AE (L.); 3121 vm erst Bbf=
von ersten AD(L.), von den ersten D, alreste Eal Aus diesen
Zusammenstellungen ergibt sich klar, dass das Verhältnis hier
ein ganz anderes ist als im zweiten teile. Die erste charak-
teristische gemeinsame abweichung von Bb ist 3169 un-
lohlich = unbillich, Soll man sich den unterschied da-
durch erklären, dass der Schreiber der vorläge von Bb sich
Beitrüge asnr geschiohte der deatsohen spräche. I. 23
Digitized by
Google
338 PAUL
im anfang genau an sein original gehalten und erst von 3169
an begonnen hätte willkürliche änderungen zu machen? Das
wäre wenig glaublich. Eher schon liesse sich denken, dass
die vorläge von Bb von zwei verschiedenen Schreibern ge-
schrieben wäre, von denen der zweite kurz vor 3169 einge-
setzt hätte. Aber immerhin wären dann die Übereinstimmungen
doch auffallend gering, wie schon der vergleich mit Ad und
Ea lehrt*), deren vorlagen wir gewis im vergleich zu andern
auch alten mittelhochdeutschen hss. vorzüglich nennen müssen,
und überhaupt gehen sie kaum über das durchschnittliche mass
der Übereinstimmungen zwischen zwei beliebigen andern nicht
verwanten hss. hinaus. Auch mit einer oder zwei andern hss. zu-
sammen teilen Bb nicht viele ab weichungen; nur mit E haben
sie einige aufifiallendere gemein, worüber, so wie über die ihnen
mit D gemeinsamen alsbald weiter unten zu handeln sein wird.
Man wird sich kaum der Vermutung erwehiiön können, dass
eiAe von beiden oder beide hier einer andern quelle folgen.
Aehnlich steht es mit Ea. E beginnt erst mit 1331. Mit
folgenden ab weichungen stehen Ea allein, die sich kaum ver-
mehren lassen werden, da E in dieser partie sehr vollständig
benutzt scheint: 1599 an gesah E, gesach a = aber sah A, me
ersach Bcdf, ersach Db; 1770 hinne^^ hinnen; 1828 fehlt itm«;
2223 m:^ fehlt; 2617 fehlt nu Ab, her BDdf; 2704 unsippigm
^^unsippiu. Die einzige beachtenswerte ist 1879 mags ouz
ubelem E(L.), mag sy von ubelime a = mah sus ubil ABcdf,
wo aber auch die Verderbnis nahe lag. Fast in demselben
Verhältnis gering ist die zahl der Varianten, welche Ea mit
einer andern hs. teilen, so 5 mit A 1626. 1974. 2254. 2818.
2880; 3 mit B 1768. 2510 (richtig). 2877; 3 mit D 1678. 2550.
2933; 5 mit b 1332. 1721. 2860. 2988. 3162. Auf der andern
Seite sind die fälle, in denen in zwei verschiedenen combi-
*) Ich bemerke dazu, dass zur bestimmung des grades der Wahr-
scheinlichkeit, welche die annähme der verwantschaft zweier hss. hat,
oder zur vergleichung der stärke der verwantschaft innerhalb verschie-
dene handschriftengruppen , nicht unmittelbar die zahlen der gemain-
samen abweichungen zu vergleichen sind, sondern dass davon zuvor die
durchschnittliche zahl der zufälligen sich zwischen nicht verwanten hss.
findenden Übereinstimmungen abgezogen werden muss, wodurch das geo-
metriJSTCke Verhältnis sich unter umständen bedeutend verändert.
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 339
nationen E und a sich gegenüberstehen, sehr häufig. Nach
3200 ist die erste gemeinsame abweichung, mit der Ea allein
stehen 3292, die zweite 3372; erst von 3407 werden die fälle
häufiger und sind in der nächstfolgenden partie überhaupt am
häufigsten. Alle diese Verhältnisse sprechen stark dagegen^
dass auch von anfang an E und a aus derselben quelle geflos-
sen sind. Besonders zu bemerken ist noch, dass E ein paar
auflfallende berührungen mit Bb hat, die viel erheblicher sind
als die mit a: 1367 benamen = zwäre ADad; 1602 si weste in
aber (aber in E^ so stcete BE, were aber ist so stete b = swes
sin aber s6 (also acd^ stät Aacd, swer aber solhen sin hat D;
1584 allez ubel=^wol (fehlt A) allez bar (das Aj ADd, alliz
rvol a (in b eine lücke). Die beiden ersten stellen könnten
eher eine verwantschaft von B und b begründen, als die ab-
weichungen, mit denen sie allein stehen. Kleinere abweichungen
haben BbE noch gemein: 1398 hie ^ oh A(L.), fehlt Dadf;
1542 fehlt zuo; 1681 da = daz; 1712 ledech dazuo (dar uoz Ej
= dar zuo ledic; 1839 un ABEh = oder Dacdf; 1839 t;// fehlt;
1955 nu Adaf, und d= fehlt BbE; 2180 geriet = riet Dadf;
2205 der BbEc= fehlt; 2512 erzeiget = zeiget; 2558 ienen{L,
richtig) = me?t d, in dort A, yngegin ym a. Wir sehen die
Übereinstimmungen von E mit Bb sind sogar noch etwas häu-
figer als die mit a. Eine bemerkenswerte Übereinstimmung
von E mit Bb ist noch in dem zweiten teile 3989 erbe (L.) =
ere ADadf. Eine bestimmte erklärung der Übereinstimmungen
von BbE zu geben kann man kaum wagen.
Dagegen gehen die Übereinstimmungen zwischen A und d
ziemlich gleichmässig durch. A und d stehen allein: 135 mohter
auch (h.) = moht ouch ir BDfr, da soldestu auch a; \1^ zo (L.)
=^gar Sij fehlt Bcfr; 266 ih {L.) = ich da; 267 wart (L.) =
was; 271 groz {L,) «= grozze ; 347 ne duot (A), tut A^^getuot;
360 so (L.) = fehlt; 393 ^az = fehlt; 508 habent = hant BDc-
508 mirs d(L.), mirz A = mir si; 535 ih aber {L.)==aber ich;
538 na A(L.), nahend A. = verre; 604 höret {L.)=gehosret;
640 sTvart A(L.), schwarzes d==sw(eres BbfD, stürm a; 643
von (L.) in BDb, an a; 670 wan = wan daz; 736 wandih (L.)
= ob ich; 792 fehlt mir; 854 ew habet es {L.)=habt ez iu;
921 irbitet {h,)^Utet (arbeitet \)); 932 alsd (L.) = als; 1004
fehlt sich; 1087 daz {L,)==daz er BD, der b; 1188 doh (L.)
2;r
Digitized by
Google
340 PAUL
= fehlt; 1300 ir neret ene {h,)=nert in ein; 1337 ^ar = fehlt;
1386 oh (L.) = fehlt; 1509 ir aber {L,)==aber ir BDcf; 1548
fehlt (L.) umbe; 1611 fehlt (L.) mir; 1680 fehlt (L.) deiz und
tcete; 1703 dou muosterz doh Ad (L,)==doch muoste erzD, daz
muose er doch (fehlt ac) Bacf; 1771 daz^=diz; 1811 salih =
sol sich (L.); 1839 kürzerem d(L.), kurzer k = kurzem; 2208
öÄ = fehlt; 2217. 8 also (als sy A) vroliche fbilliche dj dou
bar de (geparet d) sie geliche = do gebarte sigeUche. durch
ir {So gar a, harte DJ gemHche (gcemeliche E, gemellich bc, ge-
meynecliche a, zornichleiche D) BDEabc, do gepart $i dem ge-
leich mit trübtm gepärde ernstleich f. (Wie es klar ist, dass
in Daf geändert ist, weil man an gemelüche anstoss nahm,
ebenso klar ist es, dass wir in Ad eine änderung aus gleichem
gründe vor uns haben; die Umstellung war notwendig um
überhaupt einigen verstand hineinzubringen; die verderbung
des Sinnes liegt dennoch auf der band); 2300 niene L. = niht
(nu gJ; 2430 mane A, man d = mannes Bbd (L.) di man D
die manne E] 2341 w^e min A, wie nun d=^owe min (L.); 2431
t^w = fehlt (L.); 2510 un = nu BEa(L.); 2554 enget (L.) =
engeis; 2816 ö^^r (L.) = wn;. 2857 riterscaft {L,)=^riterschefte;
2868 da ne {L.)=da; 2880 kohinginne == kunegin BDc(L.);
2898 gebringen (Ij,) = bringen; 2983 entruwen = {Qh\t\ 3050
treip =r vertreip (L.); 3079 iz = im (L.) (in); 3121 von ersten
{L) = von erst Bbf, von den ersten Dj alresteHtSi] 3166 do (L.)
= fehlt; 3187 w« (L.) = ouch BD, fehlt abc. Die zahl und be-
deutung der gemeinsamen abweichungen ist der ansieht, dass
A und d aus einer quelle geflossen sind, noch etwas gtlnstiger
als im zweiten teile.
Während also A und d ihr gegenseitiges Verhältnis durch
das ganze gedieht hindurch gleichmässig bewahren und dem-
nach von vom bis hinten aus einer gemeinsamen vorläge ab-
geschrieben zu sein scheinen, sind wir genötigt bei BbEa,
respect. deren nächsten vorlagen einen Wechsel in dieser be-
ziehung anzunehmen. Dabei lassen sich verschiedene möglieh-
keiten denken. Es können entweder sowohl B als b ihre vor-
lagen gewechselt haben, oder nur je die eine von beiden, so
dass die andere in dem vorderen teile dieselbe vorläge reprä-
sentierte, wie beide zusammen in dem hinteren. Welche von
den verschiedenen möglichkeiten wirklich vorliegt, das zu ent-
Digitized by
Google
- HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 341
scheiden wäre nun die wichtigste aufgäbe, an deren endgül-
tiger lösung wir allerdings werden verzweifeln müssen.
Die beziehungen von E zu Bb scheinen dafür zu sprechen,
dass E im anfang einer andern quelle folgt, während dann a
dieselbe wie späterhin benutzt haben könnte. Aber es fehlt
doch viel daran, dass wir das mit Sicherheit daraus folgern
könnten. Die übereinstmmungen sind nicht durchgreifend ge-
nug, und vor allem steht entgegen, dass eine verwantschaft
von B und b in diesem teile so unwahrscheinlich ist, die doch
vorausgesetzt würde, wenn die Übereinstimmungen von BbE
durch die ableitung aus einer gemeinsamen vorläge erklärt
werden sollten. Die frage ist von Wichtigkeit zur bestimmung
des wertes der combination Ada. Fälle in denen AdEa sich
BDb gegenüberstellten finden sich, soweit das aus den Varian-
ten zu ersehen ist, nicht vor 3303, dagegen mehrere solche,
in denen Ada den übrigen nebst E gegenüberstehen: 1451
bescorven = schoiiwen BDEbc; 1453 michele = grozze BDEbcf;
1468 unsalichiz = unscelech BDEbc; 1935 5/^ = fehlt BDEbf
(richtig; des enisi niht 'das ist nicht der falF; flir die andere
Wendung ist mir kein analoges beispiel bekannt; um den sinn,
den dieselbe haben soll, auszudrücken,' würde doch wol ein-
fach gesagt sein si enist)\ 2330 e des niht ensüle (nicht
sol d, ntch solde 2iJ = desn (des DE, daz h) sol (mach D)
niht geschehen BDEb (hier ist wol sicher mit recht die lesart
von A in den text gesetzt; bei Chrestiens ist Iwein sofort be-
reit zu gehen, aber freilich nachdem ihm Lunete gleich ohne
weiteres das leben von selten ihrer herrin zugesichert hat);
2305 guot==muot BDEbcf (es ist leichter begreiflich, dass
letzteres aus erstcrem geändert wäre, als umgekehrt; auch
scheint der gegensatz 2312 ich mac Verliesen wol min laut auf
guot hinzuweisen, so dass dann das vorhergehende ahte läge,
Verhältnis' bedeutet); 2352 aber Aadf= fehlt BDEbc; 2363 hahe
= han BDEb; 2429 guoten Aadc = fehlt BDEb. Nach diesen
stellen und danach, wie sonst in dieser partie a zu E steht,
ist es nicht wahrscheinlich, dass E, wo keine Variante davon
angegeben ist, zu a stimmt. Die lesarten in 2230 und 2305
sind der ansieht günstige dass a derselben quelle wie später folgt
und E einer anderen mit BDb näher verwanten, wodurch na-
türlich nicht ausgeschlossen würde, dass a mitunter auch durch
Digitized by
Google
342 PAUL
Zufall in einer falschen lesart zu Ad stimmen könnte. Was
aber diese ansieht wider zweifelhaft macht, ist, dass 2305
auch cf, die im zweiten teile so überwiegend sich zu AdEa
stellen, hier zu BDb stimmen, und das ist auch an den meisten
übrigen stellen der fall, wo die Variante von E fehlt, und in
dem teile, der in E nicht vorliegt, so 99 undsy d(L.),- un Asi = si
BDcr; 119 von = vor Bbcf, vur D; 135 mohter oh Ad, soldestu
auch ai> = moht ouch ir BDrf; Mb un = noch BDbc; 413 gerou
-— rowBDc(L.); 9Slienemd(L)j ienenA, gern a= ^m^mBDbf, demQ]
cund f teilen sich 3166 /r^ Aac, ir es d = ir sin BDbf. c oder f
stimmen zu Aad: 860 ungevuoge Asidc = un/uoge BbDr; 1232
zewette = enrvette BDb; 2128 daz Acd, daz er ^==der BDb.
Die lesarten von c und f sind mir unbekannt: 269 den = einen
BDb (d ist druckfehler flir D) (bei Chrest. tot le jor)] 898
ime = dem] 658 der^ez den; 2424 diu hurt unt tiu jugent =
gehurt un iugent. An mehreren stellen stehen der Übereinstim-
mung von BbD verschiedene lesarten der andern gegenüber:
1172 ner {L.) = ffenere A, ernere cd, dernere a; 2299 harte
(L.) = vast d, vil A, gar a; 2733 mans dem =^ man is em A (L.),
m^n ims f, man i?n des ad.
Nach allem lässt sich wol behaupten, dass die combination
Aad im ersten teile nicht ganz den wert beanspruchen kann
wie AdEa im zweiten. Ihre geltung wird noch mehr erschüt-
tert, wenn wir die Übereinstimmungen zwischen A und a gegen
d ins äuge fassen. Deren sind nicht wenige und darunter
mehrere der art, dass man sie schwerlich aus blossem zufall
erklären kann. Lachniann ist ihnen meistens gefolgt, wiewol
kein entscheidender grund dafür, wol aber öfter dagegen spricht. Ab-
zuziehen haben wir davon zunächst rein dialektische, die darauf
beruhen, dass a von einem mitteldeutschen Schreiber geschrieben
ist. Dahin gehören formen wie eime (L.) = einem ; morne (L.)
= morgen 2123. 2150 (und danach 6346 von Lachmann gegen
alle hss. geschrieben ; im reime gebraucht Hartmann nur morgeji)]
manlich (L.) 63 = mwnecUch BdD (steht überwiegend in mittel-
deutschen werken); hecken ^2^ = hecke; owest (L.) 3058 =
ougest (sonst nur aus mitteldeutschen quellen belegt); mos 5570
= mies; wirken 6191. 6d81 = würken; ferner vertausclmngen
des genus: so werden gewalt und Ust immer als feminina ge-
braucht, Ion und harnasch als neutra, auch mcere 2327 als fe-
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 343
mininum; verdagen wird 861 und gnüegen 4792 mit dem dat
coDstruieii; gegen den acc. der übrigen, spotten 1066 mit dem
acc statt des gen. Sehr häufig haben Aa allein dicke gegen
ofte der andern worin ihnen Lachmann mit unrecht folgt.
Hiervon abgesehen stimmt A mit a: 73 uffa (L.), uffe A
= umbe BDbcd; 95 von = un von Bf, und doch von D, und bc;
99 un = und sy d, ^/BDcr; 105 ein ^= eine B, a//m bcdr, fehlt
Db; 121 fehlt des Bdc, es r; 155. 6 un wir daz wizen vil
woL daz A, und das wissin wir alle wol daz a=ww wcere daz
weiz got (henamen x) vil wol. wan BDdr, das auch weiss got
war wol wan b, das waiss auch got zwar wol wan c (153 — 8
fehlen f) (die lesart von BDdr braucht uns nicht ganz dunkel
zu sein; sie bedeutet Wd das würde sich so gehören, das wäre
ganz in der Ordnung'; vgl. z. b. Freid. 95, 11 hwrt iht dinges
me dar zuo, daz ist wol daz man daz tuo und andere im mhd,
wb. citierte stellen; die von A, aus der die von a abgeleitet
ist, kann nichts anderes sein, als eine flache änderung eines
Schreibers, der an dem ausdrucke anstoss nahm; Laehmann
muss erst un in wan ändern um sie verständig zu machen);
162 und het irs ein teil nider geleit = u, h. i. e. t, verdagt
BDbcdfr (der reim ist geseit, gesagt; die änderung scheint da-
durch veranlasst zu sein, dass einem Schreiber nur die form
geseit geläufig war und auf der andern seite nur verdagt, nicht
das seltene verdeit)] 163 gezame^=z(eme BDcd (L.); 424 ais
a(L.), also A = sam BDcdrf; 435 vor wassen = verwalken
BDcdf(L.); 493.4 ifehlen; 606 also=sd (L.); 615 da = derneB,
der Dd (besser), es b; 660 stount=bestuont BDc, gestunt bd; 665
was=wasdaBQdLi] 696^0= fehlt BDbdr (ist zur herstellung der
gleichmässigkeit hinzugesetzt); 722 oder mir den lip lan a
(L.), undenlifdarumbelanA = ode (fehlt b) ez muoz mir (euch
b, uns r) an den lip gan BDbdfr (empfängt der henr des brun-
nens keine busse vom Kalogreant, wenn dieser sein leben lässt?
einen sinn könnte die lesart von a nur so haben, dass Kalo-
greant aufgefordert würde entweder freiwillig ersatz zu
leisten, oder im Weigerungsfälle des todes gewärtig zu sein;
dem widerspricht aber die ganze Situation, wonach es als
selbstverständlich vorausgesetzt wird, dass beide zusammen
kämpfen; die andere lesart ist klar: 'es sei denn, dass es mir
an das leben geht, so müsst ihr mir btissen*; etwas ähnliches
Digitized by
Google
344 PAUL
ist auch im franz. angedeutet 495 mes se je puis, sire vasaxj
sor vos retomera eist max)] 797 künde =chan BDbdfr; 836
fehlt auch BDbdf; 1008 gereift bereit BDcdf; '1024 die = den
BDcdf (es lag viel näher den sing, in den pl. zu verwandeln
als umgekehrt); 1119 lach = gelach BDbdf; 1124 slachdor=
slegetor (L.); 1168 kurzir=dirre BDdf, der d; WM des =
daz] 1207 gevinden = vinden BDd, befinden bc] 1251 an=in
BDbd (L.); 1359 were gewnt A, wer vur rvunt a {wcere rvunth)
^^wuorde rvunt BEd, si rvunt Db; 1369 5im^= fehlt BDEbcdf;
1500 dumbe (tobende B.J gedanken= tumben gedanch BDEcdf;
1610 eia^ia BDEbcd, ach f; 1632 also = als BDbdc; 1660
soIde = rvoldeBI)EGäy rvil f; 1663 gezeme = z€emeB'E\^cdi\ 1735
anders rva^= anders Bbd, niht anders E, fehlt cf; 1763 etlichen
dingen == etlichem dinge (L.); 1778 nahe =^ nahen da BDd (L),
da wöÄ^Ebc; 1946 der fehlt BDEbcd; 2091 zen eren A(L.),
rvol czu eren 2i = ze herrenBDbd] 2222 gesah=sach Bb (L),
ansach DEdf; 2292 is niht ^ niht E, nihtes BDbdf; 2357 her
^=ez (L.); 2386 dur = al durch Ebcd, enmitten durch BD]
2426 fehlt owe BDEbcdf; 2462 und rvy er a (L.), rvi her A =
un BDEbcdf; 2524. 5 a/^ö = a/^ BDEbd; 2798 also = so Bbd;
2852 srver ^ der BDbdf; 2900 rvandels=rvandel BDbcdf (letz-
teres ist richtig; vgl. Parz. 56, 27 des engerte se keinen rvandel
niht)] 2995 vrou=- min frou Bbd, ze frourven D; 3035 fehlt e
BDbd; 3109 also = als (L.); 3157 unze A (L.), biz 2L = unz
daz Bcdf; daz Db; 3182. 3190 von dirre=^/ur dise BDbdf.—
Auch weiterhin folgen noch gemeinsame abweichungen, wenn
auch an zahl und bedeutung geringer: 3286m*^ = mÄ^ BDGbd;
3528 ^contf = fehlt BDbcd; 3539 des = der DEbdf, die B (L);
3804 fehlt = ^w^r BDEcdf (L.); 3813 iz doh = es nu c, ez
DEdf, selten (lutzel h) ez Bb; 4006 mih (L. falsch, worüber
später) = m/r; 4197 daz sich min vrourve min (sin SiJ unäer-
rvant = daz sichs (sich h) min v. u. (L.); 4265 von = vor BDbdf,
4316 stundiz = stuende BDbd; 4325 u rvol A (L.), u^h sin a=
sin DEdf; 4340 uh = ouch BDEbd (L.); 4394 uf den lip vil
(sere ^)=^ofte uf den lip; 4518 ir het=^ir BDcdf, da het ir
E; 4561 vromecheit = milticheit BDbcdf (letzteres dem Zu-
sammenhang angemessener); 4730 mir (fehlt a) ^o umb m =
im {nu d, fehlt De) so umb mich (uns DJ DEbdcf; 4907 die =
si Bf, sich DEbd (ich kann nicht finden, dass in Lachmanns
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. , 345
herstellung 'alles geschickt und ebenmässig geordnet ist'; es
wäre doch sonderbar, dass bei der aufzählung derer, die der
hülfe Iweins wert sind, Gaweins schwerer tibergangen, und
dann ganz im gegensatze dazu gesagt würde, dass ihre kinder
ihm um ihretwillen leid getan hätten, von denen ihfa doch
wenigstens die tochter ebenso bekannt ist und mindestens den-
selben anspruch auf mitleid hat; und warum sollten anderseits
nur die kinder, nicht die mutter ihm um Gaweins willen leid
getan haben? Und zu seinem keineswegs befriedigenden texte
gelangt Lachmann erst durch eine unberechtigte bevorzugung von
a, indem er mit ihr 4905 schreibt kern Gaweins smester kint, wäh-
rend ABDEbdf w^ ir kint haben; als grund dieses den regeln einer
methodischen benutzung der hss. widerstreitenden Verfahrens
gibt er an, dass, Venu der relative satz nur auf die kinder
geht, bei drei gliedern gar nicht gut von Gaweins Schwester
nichts besonderes gesagt wird'; dieser grund ist einleuchtend,
aber die Schlussfolge ist umzukehren: weil nach den hss. eine
dreifache gliederung vorliegt, ist es unpassend, dass nur das
mittlere ohne einen relativen zusatz steht; deshalb ist der re-
lativsatz auf die beiden letzten glieder zu beziehen; daraus
folgt dann weiter, dass die selben unmöglich und sich seihen
richtig ist; Lachmanns einwand gegen diese durch die autorität
der hss. wol begründete lesart ist nicht stichhaltig; dass 4932
gesagt wird, dass die söhne des wirtes, als sie in ihrem kläg-
lichen zustande von den riesen herbeigeführt werden, Iweins
mitleid erregen, macht es wol noch nicht unmöglich, dass auch
hier schon gesagt wird, dass sie ihm um ihrer selbst willen zu
herzen gehen; aber was hindert denn kint für den sing, auf
die tochter allein bezogen zu nehmen oder wenigstens voraus-
zusetzen, dass an sie in dem relativsatze vorzugsweise unter
den kindern gedacht ist?); 5019 wafen^= gew(]efenWDhA\ 5089
hehalim = heherten D, hestoeten BEbcd (bestceten hat hier nicht
die bedeutung 'versichern', sondern ^stcete sein lassen' = be-
halten; diese bedeutung finde ich im mhd. wb. nicht angemerkt
aber an drei darin angeführten stellen scheint sie sicher anzu-
nehmen: behalten und bestceten Münch. str. 287; femer Reinh.
s. 393 und Heinr. und Kun. 1084; der etwas ungewöhnliche
gebrauch scheint bei den Schreibern von AaD anstoss erregt zu
haben); 5288 gan=^stm BDbdf; 5357 er-=got BDbdf; 5537
Digitized by
Google
346 PAUL
w = fehlt BDbdf; 5686 er = fehlt BDbdf; 5885 ^«> = fehlt
BCDEbd (L.); 5937 in=^si BDbdf und 5938 im = in BDbdf;
6069 si = ir Bd; 6095 hat = hetBedt; 6095 wol = hie wo/Bcdf;
6268 in = den BDbdfj 6311 undih^un BDbcdf; 6330 dur sine
= von €iner BDbdf; 6346 gesehin = sehn BDbdf; 6375 iemir
= niemer BDb; 6491 er = si BDbdf (nur sie, nicht er kann
das schönste gras aussuchen, da sie in führt); 6647 diz = daz
BDbf; des d; 6673 da solte = solde da Bf, scholde DEb; 6728
anders = ander (schon in Beneckes anmerkung ist der Vorzug
des letzteren ausgesprochen); 6730 dem -==^ den BDbdf (das er-
stere ist von Lachmann in der zweiten ausgäbe in den text
gesetzt; danach wäre das objekt zu vristen der abhängige satz
6732. 3; der sinn könnte dann nur sein nach allem, was wir
bis jetzt über den gebrauch von vristen wissen, ^dem ritter
schob es seine manheit und sein verstand auf, dass er so lange
vor ihnen unerschlagen ausdauerte', was natürlich sinnlos wäre;
man darf sich nicht berufen auf 1165 daz st iuch nü niht hänt
erslagen, daz vristet niuwan daz clagen; denn hier ist die ne-
gation nur nach dem allgemeinen mittelhochdeutschen gebrauche
pleonastisch hinzugefügt); 7108 ieweder = ieslicher BHf, iglicher
Dbd; 7372 rvanders (rvan deiz Lj = wand er zu D, wand er E,
wander Bb, daz da d, daz doch f; 7649 disen = den BDHbf,
die d; 7690 fehlt = her BDHbcdf; 7709 un = von der BDbd
(von LJ; 7836 fehlt nu BDbdf; 7839 fehlt = m BDbdf; 7856
siet = gesiht BDb, ersiht f; 7898 begundet = woldet BDbdf;
7907 «;//= fehlt BDbd; 7936 fehlt = da BDbd; 7956 iunevrom
= ia frauwe c, ach fraw f, fraw d, frouwe Lunet BD, UiMt
fraüw b; 8010 Uehe = fehlt BDEbd, trawt f; 8096 hat = habe;
8116 ih=-ichs BDbdf
Dass die Übereinstimmungen zwischen A und a gegen alle
übrigen hss. nicht auf erhaltung des ursprünglichen zurückzu-
führen sind, ist an denjenigen fallen, in denen sich eine be-
stimmte entscheidung treiFen liess, zu zeigen versucht. Ein
übelstand ist, dass so oft die Variante von E fehlt, deren ver-
halten in allen diesen fällen sicher zu wissen wünschenswert
wäre. Es fragt sich nun, wie wir die vielen Übereinstimmungen
von a und A mit dem näheren Verhältnis von d zu A verei-
nigen sollen. Sie aus blossem zufalle zu erklären möchte für
den zweiten teil angehen, wiewol sie auch hier etwas sehr zahl-
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTFNVERHAELTNIS DES IWEIN. 347
reich sind, nicht aber durchgängig für den ersten. Es wird
kaum eine andere annähme übrig bleiben, als dass a (oder ihre
vorläge) zwei verschiedene quellen benutzt hat, von denen die
eihe besonders in dem vorderen teile zugezogene mit A noch
näher verwant war als d, während die andere, welche ihre
eigentliche grundlage gebildet hat, auch von anfang an dieselbe
gewesen sein mag wie die, aus der E geflossen ist. Ist diese
hypothese richtig, so verliert dadurch die combination Ada an
wert, und es wird ein um so dringenderes bedürfnis tiberall
die lesarten von Ecf so wie der übrigen gar nicht benutzten
hss. zu kennen.
In ähnlicher weise zeigen B und b im anfange nähere be-
ziehungen zu zwei andern hss. Wenn diese nicht auf zufall
beruhen, so wird es von vornherein wahrscheinlicher sein, dass
B und b hier nicht der selben quelle wie im zweiten teile fol-
gen, als dass die hier mit ihnen verwanten hss. eine andere
vorläge als späterhin repräsentieren. Denn wir sahen uns
schon früher zu der annähme genötigt, dass wenigstens eine
von beiden, B oder b, einen Wechsel in dieser beziehung hat
eintreten lassen. Betrachten wir die Varianten in den ersten
40 Zeilen, welche inA (auch in a und f) fehlen, so finden wir
eine ganz deutliche gruppierung der hss., welche von den Ver-
hältnissen, wie^wir sie im zweiten teile erkannt haben, gänzlich ^
abweichen. Die fünf benutzten hss. teilen sich in drei gruppen,
Bd, bc und D. r schwankt zwischen Bd und D. Ich stelle die-
jenigen stellen zusammen, in denen sich Bd den beiden andern
gruppen gegenüberstellt, die dann zum teil wider untereinander
abweichen, so aber, dass mit einer ausnähme jede der andern
näher steht als Bd (Lachmann folgt immer Bd) ; 6 der Bdr =
der ie Dbc; 12 des haberit die Bd = des iehent ime der bc,
des selben gehellt die D, des gichet jm die r; 14 sie iehent Bd
= und wenne b, und wen c, sprechen Dr; 15 den Bd = e/a5Dr,
diss bc; 21 der BAx = so Dbc; 22 un ez B (L.), und der es d
= daz er Dbcr; 28 er was genant Bdr, er ist genant Wiener hs.
= er was geheizenJ), gehaissen was er bc; 34 richer Bd = rittere
\)G = siner D; 38 boeser Bd ^==swacher Dbc; 39 vil swachem B
(L.), viel schwachm^^^^ d = harte bösem bc, liehtem D. bc stehen
noch flir sich: 19 verhert= erwert BdD, eyitwert r; 26 noch=i
fehlt BdD. D steht mit vielen abweichungen allein,
Digitized by
Google
348 PAUL
Die verwantsehaft von b und c setzt sich nun auch weiter
fort. Wir können aus den Varianten wahrscheinlich nur einen
teil der Übereinstimmungen erkennen, da oft nur eine von beiden
benutzt ist und ihre lesarten überhaupt unvollständig angegeben
sind: 45 fehlt = den (das zweite) ABD, der dr; 69. 70 haben
bc (L.) in umgekehrter reihenfolge wie BDadfr (sie fehlen
in A); 74 leiten ^= legte (legt, leit) ABDad; 80 au€k = ensamt
B, zusamen d, sament r, mit einander a, fehlt AD (L.); 95 und
= un von Bf, und doch von D, vo7i Aa (L.); 95 nicht von = de-
heiner BDdrA, kleiner af (L.); 150 nuwen hass zu den frimen
abc (L.); = nw^ zu den frummen hass d, haz niewen zou dm
vroumen A, daz du haz ze den fruomen B; 208 ummer smecke
bc = w&^/ si swecher D, stinke ABD, stincket a; 318 clagen ich
= chlage ich DAaf, clagt ich Bd ; 453 der Abc = di Dadr, den
B; 455 in vier = starke ABDd, sterig a; 640 wan = als ABDadf;
1207 befinden = ge vinden Aa, vinden BdDf 5 1400 nu c, aber nu
h = oh A (L.), fehlt BDEad; die letzte bedeutsame gemein-
schaftliche abweich ung ist, dass 1557 — 92 fehlen. Daneben
finden sich auch schon vorher einige bedeutendere abweichun-
gen, die sie mit andern hss. teilen, so 458 sein zen c, di cende
D == ^ ABabdr; 790 als ich in dem (fehlt b) laster wart gesehen
(ersehen hj ab = also indeme lästere da hi ane wart gesien A,
in dem laster un (als dfj ich wart (was Dcd^ gesehn BDcdf;
800 das hette ich uch nü veriehen b, ich het ez uch auch allez
vergehen a = des hörte^it ir mich ouch nü jehen. Weiterhin finden
sich nur vereinzelte kleine Übereinstimmungen zwischen b und
c, im zweiten teil gehören sie, wie wir gesehen haben ganz
verschiedenen gruppen an. Folgt b im anfang der selben
quelle, welcher c durchgängig folgt, so sind wir berechtigt auf
die Übereinstimmung dieser beiden mit D grosses gewicht zu
legen, was nicht der fall sein würde, wenn hier umgekehrt c
derselben quelle wie b im zweiten teile folgte.
Auch Bd, denen sich öfter auch r anschliesst, stehen in
den ersten 1000 versen nicht selten allein selbst gegen A: 56
da {L.)==daz A, syt abcf, swie D; 235. 395 ofte Bdr = dicke
ADac; 259 da von ist ez war = daz ist war ADslC] 284 siner
= der 318 clagt ich = clage ich Aabcd; 361 nie (L,) = nirgen
a, niht Dacf; 380 niene (Jj,) = niht ne A, m'Ä^Dac; 421 im aber
= aber im AD (L,)] 616 gesanch = sanc ; 639 daz = der ADb.])]
Digitized by
Google
HANDSCHßlFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 349
646 hie Bdr=e?a ADab; 674 un==und ez Aab, und wider D*
701 sam (L,) = alsam D, so A, als abr; 708 wider druf=dä
wider üf; 740 ouch = fehlt ADab ; 783 riet Bdr = geriet Aabc,
do riete D; 786 nie = niht; 842 hier an Bdr = rfaran Abc, fehlt
ü; 873. 916 «;ä5w = fehlt ADabc; 972 da ^ den ADb; 991 rfaz
= tf^;e Aab, der De. Weiterhin werden die tlbereinstimmungen
seltener: ihre zahl ist im durchschnitt nicht halb so gross, und
sie beschränken sich auf kleinigkeiten. Nur gegen das ende
werden sie wider häufiger, was damit im einklange steht, dass
die Übereinstimmungen zwischen B undb sich vermindern, und
es wird sich daher verlohnen sie von 7000 an aufzufahren:
7023 doch {L.) = ez DEHab (lücke in A); 7097 mw = fehlt
ADEHab; 7169 gulten = vergulten; 7176 vaste = starke ADEHb;
7223 wan = nie wan ADb; 7229 so = vil ADEb; 1230 meilen
= meliert kj malen g, male Eb, mal D; 7238 also = harte; 7253
fehlt = öfe^r; 7287 ir swester = der jungem; 7478 da ne zwifel
ich niht an.= ichn zwwel niht daran ADEHb; 7512 si = si si
ADEH, sie vil c, 7559 fehlt = wand ADEHb; 7579 im =- aber
AEHab, fehlt D; 7661 also = alsus; 7709 sus = nü ADEa, do
b; 7801 ouch = doch ADab; 8107 schulde = sünde ; 8121—32
sind nur in Bda erhalten; eine auffallende Übereinstimmung
zwischen BdD ist noch 7232. 3 wände (und A) si in kurzen
stunden, vil wunden enpftengen ]iDd = wände si vil wunden in
kurzer stunt enpfiengen AEb.
Unter den Übereinstimmungen, welche Bd in den ersten
1000 versen mit einer anderen hs. teilen, sind uns die mit A
von besonderem Interesse. Lachmann folgt mit einer ausnähme
Überall unbedenklich ABd. Aber es wird nicht zu erweisen
sein, dass die übrigen hss., zumal a eingeschlossen, aus einer
gemeinsamen vorläge stammen, während schon die berührungen
von A mit d einerseits und B mit d anderseits dafür sprechen^
dass auch die zwischen ABd ihren grund in der benutzungder
selben quelle haben. Folgende stellen kommen in betracht:
43 da ABd = fehlt Dbc; 45 den AB, der dr = fehlt (das erste)
Dbc (das richtige hat hier wol D erhalten: in liebte hof und
den Hp, während die andern auszugleichen suchten, ABdr, in-
dem sie den artikel auch zum ersten subst. hinzusetzen, bc, in-
dem sie ihn auch beim zweiten fortliessen); 56 da Bd (L.),
daz A = syt abcf, swie D {daz ist wol auf da zurückzuftthren
Digitized by
Google
350 PAUL
oder umgekehrt; mit ersterem ist gar nichts anzufangen, aber
schwerlich ist das letztere richtig; eine räumliche beziehung
passt hier gar nicht her, es handelt sich nur um die zeit; stt,
welches eine genügende handschriftliche gewähr hat und aus
dem auch swie mit grösserer wahr89heinlichkeit abgeleitet wird
als aus da, gibt den vom zusammenhange geforderten sinn; es
ist dann aber auch 58 dor statt da zu schreiben, denn es muss
der gegensatz zu nü in 55 sein; von denhss. unterscheidet wol
nur B zwischen dd und da; D hat do, A doh, fso); 111 un ABd=
er Daher; 111 heruoft mBd(L.), berief enk = strafte in Dabe;
260 is sin A, ez sint B, es sind d = des sint Der, daz ist a;
296 als Bd (L.), also A = daz Dac (das erstere vorzuziehen) j
415 anders niht Bd, niht anders k=niht Dabc (L.); 428 als
Bd(L.), aUo A = fehlt Dabcrf; 575 also Ad, als B = fehlt Dac;
678 rvan Bd, wand A = fehlt Dacr (es ist nicht bloss entbehr-
lich, sondern lästig) 99.8 niemer k&dL = nyrgin a, niht Dbcf Wi-
gal. (Lachmann schreibt nime; aber ein einfaches ^nicht' ist
dem 'nicht länger' hier vorzuziehen). Weiterhin kommen Über-
einstimmungen zwischen ABd nur ganz vereinzelt vor. Ich hebe
noch eine hervor, die wir aber auch wol dem zufalle zuschrei-
ben mtlssen: 2868 si ABd (L.) = wÄ DEbcf. Lachmann erklärt
däne gezieh rf niemer zuo durch *dabei berufe er sich nicht auf
sie', ohne dass er diese bedeutung von einfachem ziehen nach-
weisen könnte. Aber dieser sinn passt auch gar nicht her.
Weshalb soll er sie nicht zum zeugen gegen seine ankläger an-
rufen? weil ihr zeugnis nichts wert ist, oder weil sie nicht
das erwünschte zeugnis ablegen wird? letzteres wäre nach dem
folgenden ivan ir ist von herzen leit sin unwirdeetQ, zu erwarten.
Sie wtlrde demnach nicht bezeugen, dass er es in der absieht
täte sich ihr gefällig zu erweisen^ und man würde daraus
schliessen, dass er es aus trägheit täte. Auf solche weise wäre
da gezieh rf niemer zuo zu begründen. Aber der grund, der
hier angegeben wird, lässt auf einen ganz andern sinn schliessen:
ihr geschieht kein gefalle damit; in welcher absieht er es tut,
bleibt dabei unberücksichtigt. Man muss daher vorher den
fiinn erwarten: das denke er nicht. Diesen kann haben däge-
zieh sich niemer zuo. Sich ziehen ze bedeutet in der rechts-
sprache ^anspruch worauf machen* vgl. mhd. wb. III, 925^ 46.
Aehnlich ist wol auch zu fassen Iw. 7309 ziux^h dich mit guotm
Digitized by
3y Google
HANDSCHRIFTENVEBHAELTNIS DES IWEIN. 351
heile ze rdnem erbeteile 'nimm mein erbteil in besitz', nicht
räumlich 'begib dich zu ihm hin'. Danach werden wir hier
übersetzen können: dass er ihr damit einen gefallen tue, da-
rauf mache er keinen anspruch, das lasse er sich nicht ein-
fallen. Die Schreiber scheinen si als Subjekt verstanden zu
haben, wie denn auch D und b um ein Subjekt zu bekommen
niemer in niemen ändern.
Wir können also wol mit Sicherheit behaupten, dass Über-
einstimmungen zwischen ABd, wenn die übrigen hss. dagegen
zusammenstimmen, nicht auf erhaltung des ursprünglichen, son-
dern auf änderung einer gemeinsamen vorläge zurückzuführen
sind. Ja an einer stelle scheinen sogar, wenn wir die Über-
einstimmung des französischen für massgebend halten, bc (D?)
allein gegen ABdaf das richtige erhalten zu haben: 208 stinke
ABdf, stincket SL = ummer smecke bc, übel si swecher D (letz-
teres ist wol eine entstellung aus der lesart von bc); man ver-
gleiche dazu ehrest. 116 toz jorz doit puir li furnier s. Da B
zu d in einem näheren Verhältnisse steht als zu A, mit der sie
überhaupt im ganzen Iwein verhältnismässig wenige beiden
allein '"eigentümliche lesarten teilt, so müssen wir auch die Ver-
bindung ABd aus der verwantschaft von B mit d erklären,
wozu dann A erst in einem entfernteren Verhältnisse steht. Die
Schwierigkeit ist wider, damit den umstand zu vereinigen, dass
auf der andern seite so- häu^g A mit d gegen die übrigen mit
einschluss von B stimmt Wir sind genötigt für B wie für a
eine doppelte quelle anzunehmen. Die eine, welche zugleich
quelle für d gewesen und ihrerseits wider aus der selben quelle
wie A geflossen ist, scheint flir den anfang ausschliesslich be-
nutzt zu sein (135 findet sich die erste Übereinstimmung von
Ad gegen B); dann scheint eine andere quelle zu hülfe genom-
men zu sein, gegen welche die erstere etwa von 1000 an ganz
fallen gelassen ist. Ich wage es nicht zu entscheiden, ob dies
schon die selbe ist, die dem zweiten teile zu gründe liegt, eben so
wenig, ob am schluss wider die erste quelle hinzugezogen ist
das Verhältnis von a und B zu den neben ihren hauptvor-
lagen benutzten quellen würde folgende figur veranschaulichen:
'SI—
I
d
Digitized by
Google
352 PAUL
Wir fassen nun noch einmal die falle ins äuge, in denen
innerhalb der ersten 40 zeilen sich Bd und Dbc einander ge-
genüberstellen. Wir haben gesehen, dass die Voraussetzung,
auf welcher die bevorzugung der ersteren durch Lachmann be-
ruht, dass A immer zu ihnen gestimmt haben würde, nicht zu-
trifft, da späterhin A mehr als doppelt so oft abweicht, als
übereinstimmt. Wir haben femer gesehen, dass auch ABd nicht
der Vorzug gebührt, den ihnen Lachmann zu teil werden lässt;
weiter, dass die Übereinstimmung von r mit Bd nichts für die
richtigkeit beweist. Auf der andern seite kann man allerdings
auch von Dbc nicht ganz sicher sein, dass sie keine gemein-
samen fehler enthalten. In 14 und 39 lassen die abweichungen
von bc und D keine sichere entscheidung zu und machen es
etwas zweifelhaft, ob sie in 12 und 38 gegen Bd recht haben.
Aber mit gutem gründe können wir die lesarten vonBd*) in 21
und 22 und die darauf gebaute künstliche Interpunktion Lach-
manns im folgenden verwerfen. Ich kann in seiner auf Bd ge-
stützten herstellung durchaus nicht die Geisterhafte gewandt-
heit* des dichters erkennen. Die einschachtelung geht über
das mass des natürlichen und erträglichen hinaus. Anderes
aber ist noch schlimmer. Es scheint mir unmöglich ez in 22
auf mcere in 30 zu beziehen. Das bedenken gegen den plural
cm den buochen wird durch Lachmanns bemerkung nicht geho-
ben; dass Hartmann die erzählun^ vom raube det königin an-
ders woher als aus dem Chev. au lion genommen habe, ist
doch nur eine Voraussetzung; sie kann auch auf eigener erfin-
dung beruhen, und das stück ist so unbedeutend,, dass er da-
rum nicht von mehreren quellen würde gesprochen haben; des-
halb ist auch dem Schreiber von d der plural anstössig gewesen.
Ferner aber, dass er die quelle oder die quellen zu seinem
jetzt beabsichtigten werke las, davon kann doch nicht erst die
folge gewesen sein, dass er sich überhaupt mit dichten abge-
geben hat; denn anders als allgemein kann man doch z. 25
unmöglich fassen. Ebenso allgemein sind dann die beiden fol-
genden Zeilen. Die specielle beziehung auf den Iwein kommt
erst in 30. Einigermassen erträglich wäre noch die lesartvon
*) Allerdings stimmen mit Bd auch die wenigen zeilen aus dem Iwein,
die am Schlüsse in die Kölner hs. des Wigalois eingetragen sind cf.
Pfeiffers ausgäbe IX.
Digitized by
Google
HADNSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 353
r ein ritter^ der geler et was daz er; sie gäbe den selben sinn
wie Dbc, nur dass die klammer bliebe. Da aber die Überein-
stimmung von r mit Dbc nichts besagt, so werden wir bei Dbc
bleiben, wonach alles einfach und klar ist: ein ritter war so
gelehrt, dass er in den büchem lesen konnte, so dass er, wenn
er gerade nichts besseres zu tun hatte, sich auch mit dem
dichten beschäftigte; 26. 27 und 28. 29 sind dann selbständige
hauptsätze.
Als grund weshalb Lachmann die lesart von Dbc ver-
wirft, gibt er an, dass dann 21. 22 wörtlich zu den anfangs-
zeilen des armen Heinrich stimmen wtlrden. Auch an andern
stellen hat er es ausgesprochen, dass Hartmann, wo er eine
zeile widerhole, dies, und zwar absichtlich, mit einiger Verän-
derung zu tun pflege, und aus dieser behauptung hat er einen
grundsatz ftir die textkritik abgeleitet, welcher nicht selten bei
ihm zur anwendung kommt Es wird sich daher lohnen die-
selbe einer genaueren prtifung zu unterziehen. Meiner Über-
zeugung nacü lässt sich die bevorzugung der abweichenden lesarten
weder aus einem vernünftigen gi-unde noch aus den vorliegen-
den tatsachen rechtfertigen. Es ist doch wol klar, dass diese
widerholungen von einzelnen Mlen abgesehen vom dichter nicht
mit bewuster absieht gemacht sind. Es stellten sich vielmehr
zum ausdruck derselben gedanken, wie in der natürlichen rede
eines jeden menschen und wie bei allen, namentlich den mittel-
hochdeutschen dichtem, unwillkürlich dieselben werte ein, und
wenn sich Hartmann auch bewust gewesen ist, dass er das-
selbe schon einmal gesagt hatte, so wird er nicht erst ängst-
lich nachgesehen haben, ob er ja ein wort verändert hat. Aus
rücksicht auf seine zuhörer oder leser brauchte er das nicht
zu tun; die werden widerholungen an weit auseinanderliegen-
den stellen oder in verschiedenen werken selten gemerkt
haben. Es hing einerseits vom zufalle ab, ob ihm genau die-
selben oder etwas veränderte werte in 3ie feder kamen, an-
derseits bedingte die gleiche oder verschiedene Situation die
gleichheit oder Verschiedenheit in den werten. Demgemäss
werden wir unbekümmert um die widerholung an jeder ein-
zelnen stelle nach den sonst für die textkritik gültigen grund-
sätzen zu verfahren haben.
Eine Zusammenstellung der widerholten zeilen wird unsere
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche I. 24
Digitized by
Google
»64 PAUL
ansieht bestätigen. Ich führe zunächst auch diejenigen auf, in
denen die Verschiedenheiten sicher oder wahrscheinlich vom
dichter berühren. Dieselben sind wichtig für unsem zweck,
indem sich daraus ergibt, dass in den seltensten fällen die ab-
weichungen derart sind, dass sie vom dichter nur zur Vermei-
dung wörtlicher widerholung gemacht sein könnten, dass sie
vielmehr wegen der Verschiedenheit der Situation oder auch
um des verses willen notwendig sind. Iw. 42 s6 manec guot
riter aisd (Ä, als BDcd) dä = lw. 2453 also (AEd, als BDab)
^ dö] Iw. 141 dem dehein ere geschiht = lw. 2489 sweme = lyf.
2777 deme doch; Iw. 528 daz tvil ich dir bescheiden &ö2: = Er.
9563 iu; Iw. 677 ichn begüzze in nimer mi = lll mSre; Iw.
1013 sus was in zuo einander ger = Greg. 1947 nü wart in zm
einander ger A, ziw einander wart in ger E6; Iw. 1216 er ist
benamen Ämw^ = Iw. 1367 zwäre (ADad, benamen BEb); Iw.
1543 diu im ze (Aab, zem BDEdf, richtig) tdde was gehaz=
Iw. 1613 diu mir zem (zu hj tdde ist gehaz; Iw. 1990 daz hän
ich gar durch guot getän=>l. büchl. 583 ohne gar, welches
übrigens leicht in der hs. ausgefallen sein kann; Iw. 2330 stvie
Gelten mp mannes bite == Er. 5889 daz ich wip = Greg. 708 daz
dehein mp; Iw. 3460 und zdch ein pfert an der Äaw^ = 3602
vuorte ADbd, zbch BEa (wegen der besseren handschriftlichen
gewähr ist miorte voföuziehen, aber keineswegs erfordert der
sinn, wie Lachmann behauptet, den conj.); 3493 daz sü insach
und er d mÄ^ = Er. 166 er si und d in; Iw. 3636 und gedieaez
(ich virdieniz A, gedierUe ichs d, und diene ez DJ immer als
ich sol=71Ql ich verdienez (Ad, gedien ez BDab) [iemer alle
ausser A] als ich sol (eine Verschiedenheit besteht in und und
ich; aber diese genügte Lachmann nicht; deshalb muste iem&r
ohne sonstigen grund bloss nach A entfernt werden und mit
Ad ver geschrieben werden); Iw. 3643 geruot nach iuwer arbeit
= Er. 3528 und geruot; Iw. 3769 gein einer dner veste^Ei.
7118 üf eine sine; IW. 4329 daz zwene (ADb, zwene möwBad)
sint eines her = Iw. 5350 daz (wan k) zwen sint immer (Ad,
sint D, man sin &, warn ie BEf, warn a) eines her = 6636 wan
zwene sint (DE, sint iemir A, man sint b, waren ie Ba) eines
her; Iw. 4877. 8 ich weiz wol, swederz ich kiuse {kiese ADad),
daz ich an dem (Acdf, daran BDEab) verliuse (Verliese ADadj
= Er. 3158. 9 wan swederz ich mir kiese, daz ich doch Verliese;
Digitized by
Google
HANDSCHßlPTENVERHAELTNiS DES IWEIN. 365
Iw. 4501. 2 hob ich den (dism D^ lästerlichen spät verdienet
(Aad^ gedient BDb) iender umbe got=2i. H. 383 Ich hän disen
schemeHchen spät vil wol gedienet umbe got; 4508 heidiu ge-
hörte (erhörte Db^ unde gesach (ersach BDb^ = 4739 heidiu
gehörte (AD, erhörte Babdf) un4e gesach (Ab, ersach BDad)
(an der zweiten stelle ist er zu schreiben; Lachmann geht hier
zu gunsten der hs. A von seinem principe ab, indem er be-
merkt, in der praep. ge oder er könne kein fühlbarer unter-
schied liegen; dass sieht doch gerade aus, als hätte Hartmann
die absieht gehabt mit seinen etwas abweichenden wider-
holungen eine bestimmte ästhetische Wirkung zu erzielen);
6919. 20 daz er die altem bcete daz siz durch got tcete ArDEc,
daz erz durch got tcete. un (daz er d) die altem bcete Babd = 7325.
26 daz erz durch got tcete unde ir swester (D, ir suester drumbe
A, die altem Babdf) bcete, daz er die altem bcete. daz si durch got
tcete E (die Verschiedenheit ist hier wol ursprünglich und erst
von den Schreibern, wie dies noch mehrmals sicher der fall
ist, völlige gleichheit mit der ähnlichen stelle hergestellt; aber
bloss nach AD ir swester gegen Babdf einzusetzen haben wir
keine Ursache); Iw. 7070 der wart mit sige sigelös^^% büchl.
111 ich; Iw. 7546 dm ich wol [iemer BD abdf, fehlt AEH.
Lach.] heizen mac = lw. 8119 daz ich wol iemer heizen mac;
der zweite unterschied der verse, den Lachmann ansetzt, ist
gegen die autorität der hss.; Er. 16 er was ze hamasche wo}
= Greg. 1553 ich bin; Er. 754 sprach ein gemeiner munt^^SL.
R 1466 nü (do Bj sprach; Er. 857 und gab ze beiden henden
= Er. 9233 handen; Er. 1766 wand ich sage iu rehte wie 9=^
Er. 2363 unde sage; Er. 1829 daz was allez getan = ^x. 4004
w. schiere g.; Er. 3763 wie nä ez (nahend sy hs.^ mmem her-
zen /ram=6reg.. 3330 nähenz sinem; Greg. 335 — 7 daz e ir
trüren wcere, dö si was äne swcere, daz was ir bestiu vröude hie
= 2. büchl. 117 — 7 daz e min trüren wcere, dö ich was äne
swcere, daz wcer min bestiu froude nä; Greg. 623 nA bin
ich gescheiden da zwischen (enzwischen E^ von in beiden '^
2. büchL 221 also b, i. g. enzwischen; Greg. 1147. 8 man duli
ez vil .unlange vrist Jane weiz nieman wer er ist = ih. 1159. 60
dultet ez unL — weiz hie; Greg, 3400 — 2 wir haben daz von
Sme geböte y swer umb den andern bite, da lasse er sich selben
mite = a* H. 26 — 28 man seit, er si sin selbes böte und erlasse
24*
Digitized by
Google
356 PAUL
sich da mite, stver für des andern schulde hite; Er. 8291 mit
ir wcetliche = a. H. 314 an ir (mit schöner B^; Er. 9530 da
missetcete ich an mir michels harter danne an ir = 2. büchl. 269
sd m, i, a, m. vil mere, 1. büchl. 712 ßr sorgen hän ich keinen
/i5^ = Iied. 11, 18 /wr trüren hän ich einen list; 2 büchl. 360
des vreude an guoten mben stät = \ied. (Bech) I, 3, 1 swes.
Oefters, wo einige zeilen hintereinander widerholt sind, isteine
oder mehrere abweichend, die andere oder mehrere andere wört-
lich widerholt ; Iw. 364 — 6 ouch enwart da niht vergezzen tvirn he-
ten alles des die kraft daz man da heizet Wirtschaft = Er. 8361 — 3
nü wart — si heten {die fehlt in der hs., ist aber unentbehrlich) ; Iw.
369. 70 dd wir mit vreuden gäzen und da (Bb, dar Aacd) nach ge-
säzen = EY. 4614. 5 als sie des äbents gäzen; Iw. 686. 7 alsus het
ich besezzen daz ander pardüse = Er. 9541. 2 wir haben hiehj Iw.
4753 — 6 daz ich umbe den (Ac, fehlt DEabd) mitten tac dan-
noch hin (ADd, ir ze helfe Eb) komen mac dar (ADdf, der Eab)
ich mich (AEdf, mich e Da, es ee b) gelobet hän, sd wil ich in
(DEabde, fehlt A) durch iuch bestän =lw. 4797—4800 daz ich
urribe mitten tac ir ze helfe (Abcd, ze helfe Ea, dannoch dar D,
dahin wol b) der (dar DJ etc. (den ist 4753 gegen die bessere
autorität eingesetzt; in 4756 mit A wegzulassen wagt Lach-
mann nicht; dagegen müht er sich wider ab eine andere mög-
lichkeit fftr die Verschiedenheit dieser zeile von 4800 zu finden);
Er. 3638. 9 iuwern gnaden si genigen und des (ditz hs.^ mit hui-
den fhulde hs.> verzigen = Greg. 1557. 8 herre iuwern; Er.
1430. 1 mit ganzem gebeine ^e grdz noch ze kleine = Er. 7355.
6 mit dürrem; Greg. 2327. 8 ir vröuden sunne wart bedaht mit
tötvinsterre naht == 2. büchl. 17 — 19 miner freuden sunne diu ist
leider bedaht etc.; ein lied ist zum grösten teile im 2. büchl.
widerholt, respect. umgekehrt: die erste Strophe lied. 16, 3 — 13
ist gleich 2. büchl. 123—136, in der zweiten ist lied. 16, 18—
24 = 2. büchl. 147 — 152; schon die Veränderung des versmasses
macht abweichungen notwendig, auch die einfligung in den ge-
dankenzusammenhang; doch haben z. 123. 132. 133. 136 noch
ganz genaue entsprechungen in dem liede.
Diese letzten stellen leiten uns nun hinüber zu deigenigen
fällen, in denen eine zeile auch ohne die Verbindung mit einer
andern etwas abweichenden unläugbar genau widerholt wird.
Es sind eine ziemliche anzahl, in denen entweder gar keine
Digitized by
Google
HANDSCHKIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 357
Varianten vorhanden oder die vorhandenen auch von Laeh-
mann richtig zurückgestellt sind: Iw. Slb ez schinet rvol, wizze
krist =^lw, 3127 (an diser fr ist a, welches Lachmann nach
seiner anmerkung nicht übel lust hat für richtig zn halten);
Iw. 1154 hete (ne hete A, und het a, het By hette bd) .rf sich
niht verclagt = Iw, 4764; hier schreibt Lachmann enhete (en E,
ne A, und ae, fehlt bd), aber wir sehen, dass die hss. sich
ganz eben so verhalten wie 1154, nur dass hier E hinzuge-
kommen und e statt B eingetreten ist; es hat also jedenfalls
keinen sinn an beiden stellen verschieden zu schreiben und
diese art von Verschiedenheit kann überhaupt gar nicht in be-
tracht kommen. Iw. 11 82 z^^nYa«;'« in daz lant=EY. 5680, etwas
abweichend Er. 2228 : in ir laut (Irlant hs., daz lant Müller) ; Iw.
1326 der lichte tac wart ir ein naÄ^ = Er. 8827; Iw. 2418 da
wären 'gf offen gyiuoge = 9i, H. 1512; Iw. 2732 swer gerne vrü-
mecRchen tuot = lw. 3077 (frumkeit a. *kann wol richtig sein;
sonst wird der 2732« vers hier ganz wiederholt' Lachm.); Iw.
3315 und vleget {hat BbG) got vil sere = ET. 8638; 4007 miner
vrouwen äw/^^= 4217 = 5469 (da gegen das völlige gleich-
lauten dieser zeilen nichts einzuwenden ist, so sucht Lachmann
für 4007 eine Verschiedenheit des sinnes; diese wird dadurch
erreicht, dass er in die vorhergehende zeile mich aus Aa gegen
mir BDbdf und dann eine sehr gezwungene erklärung annimmt,
von der er selbst fühlt, dass sie unnatürlich ist; mich ist eine
einfache Verderbnis, die in A 'vielleicht aus dem niederdeut-
schen zu erklären ist); Iw. 4251 ichn läze iuch niht under wegen
= Er. 3272 (ich für ichn begründet keinen unterschied); Iw.
4323 iwer leben ist nützer danne dez (daz hss.^ min = a. H.
926 (dan daz Haupt, dme daz B^, deane BV; Iw. 6263 db
sprach der ritter mit dem leun=^\h, 6257^6109; Iw. 7126
d6 ^ zesamne träten = 'Er, 9138; Iw. 7887 siner vrouwen minne
= 7932 (7784 von siner)] Er. 709 der llp ze ihte ma^re = EY.
6679; Er. 766 zesamne liezens strichen = Ey. 2608; Er. 1005
tvol ze huoze gesät == Er, 1246; Er. 1537 diu frovwe mit der
kröne = Er, 5707; Er. 3004 und gedähte (dähte Haupt) m ma-
negeji enden = Er, 8400; Er. 4745 mit lachendem muote = Er.
9367 = Greg. 2774. 3617 = ib. 2643 (und mit)] Er. 5045 ir
habt niht wol an mir getan = Er, 5067; Greg. 1442 üf ein lan-
gez ptmeiz = ih. 1946; a. H.. 225 diu vollen erbcere = ih. 447.
Digitized by
Google
358 PAUL
Aus diesen Zusammenstellungen ergibt sich, wie grundlos
die behauptung ist, dass Hartmann die wörtliche widerholung
einer ganzen zeile grundsätzlich gemieden habe. Wie können
wir dieser theorie zu liebe alle sonstigen kritischen grundsätze
ignorieren? Das ist aber von Lachmann an folgenden stellen
geschehen: Iw. 3066 ze Karidöl in sime hüs=lw. 32; hier
haben Dbcd dnem, B dn; Lachmann setzt letzteres in den text,
indem er bemerkt, dass der dat. zu geleit nicht gut zu passen
schiene; allein es braucht nicht der ort angegeben zu werden,
in welchen das fest gelegt wurde, wir können übersetzen:
'Artus hatte in seinem hause ein fest auf pfingsten angesetzt.'
1297 in winkeln und under benken=lSlb] da hier keine hand-
schriftliche Variante vorliegt, die sich aufnehmen Hesse, so wird
ein unterschied hineinconjiciert und an der zweiten stelle und
gegen alle hss. gestrichen; der dabei angeführte metrische grund
beruht wider auf einer unhaltbaren theorie. Greg. 2991 mit al-
tmiosn und mit gehete; ebenso lautet der vers Iw. 1410 in BD
Eab (auch Gute frau 2593); dagegen schieben hinter mit ein
vollem cd, vollen A, welches erstere Lachmann aufnimmt und gegen
alle hss. das zweite mit streicht. Iw..l613 diu im zem (zu h) töde
was gehaz ==ih. 1543 ze (Aab, zem BDEdf). Iw 2449 zuo dem
bfunnen mit her = Iw. 1841 zem (ze dem E, zuo dem BDA^
brunnen komen (Ab, in der vorhergehenden zeile BDEacdf)
mit her; wenn komen in der vorhergehenden zeile steht, wird
der rythmus nur gebessert, da man sonst hebung und Senkung
auf den artikel legen muss: der künic Artus wiL Iw 2095 der
mxnen herren hat erslagen = 20SS nach BDEabdf; nur A hat
dazer fttr der; danach schreibt Lachmann, wie in ähnlichen
fällen mit unrecht der, eine form, deren existenz überhaupt sehr
zweifelhaft ist.*) Greg. 2004 von stner gehülfigen (A, hei fliehen
*) Wo in den hss. überliefertes der von Lachmann oder andern als
daz er gefasst ist, ist überall das relativpronomen anzunehmen; es be-
ruht die annähme von dir hauptsächlich auf der verkennung des dem
mhd. mit dem afranz. gemeinsamen eigentümlichen gebrauches des re-
lativpronomens in fällen, in denen wir im nhd. allerdings ^dass er, dass
sie* etc. zu setzen pflegen. Dass für daz er vom verse eine einsilbige
form verlangt wird, beweist noch nicht, dass diese dSr gelautet hat;
wir werden einfach, wenn wir die kürzung durch die schriffc bezeichnen
wollen, dazr zu schreiben haben. Die unerwiesene form dir dürfte da-
her aus unsem ausgaben und Wörterbüchern zu entfernen sein.
Digitized by
Google
HANDSCHEIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 359
E) hmt^ Iw. 3804 von [dner BDEcdf, fehlt Aa Lachm.] gehüh
figer (A, hulfiger Da, gehulfigen Bd, Mßchen E, helffigen c)
hant; nach der besten autorität ist an beiden stellen von Aner
gehulfigen hant zu schreiben, Iw. 5294 lehn vüere in durch
deheinen strit =ß70& üf (d, durch ABDabf). Iw. 6258 ir mugt
mir harte vil gedreun = Iw. 5264 ir mugei (A, mugt mir BDEah)
harte v. g. Iw. 5298 em teste dnen lewen Äm = Iw. 6712 in,
conjektur gegen alle hss., die hin haben; die richtigkeit der
Überlieferung bestätigt Chrest. 5554 vostre lyeon oster de ci,
während es 5533 heisst le vos covient en tel leu metre = lyr.
6697 der leu enwerde in getan, Iw. 5406 hie der lewe, dort der
»ia'/i = Iw. 6786 beide (A, hie Dacdf) der lewe untter (dort der
Dacf, und da der A.) man. Greg. 1673 niervan ir houhetstat=^
ib. 745 diu (E, ir A, ein F). Greg. 3090 mit vreuden äne
sn;€ere=2ßA2 ditz schelten (A, mit vreuden EG). Hier ist über-
all die autorität der Überlieferung wider in ihr recht einzusetzen.
Demnach darf uns dieser grundsatz Lachmanns auch bei der
beurteilung von z. 21. 2 des Iwein nicht im geringsten beein-
flussen. Ich mache noch darauf aufmerksam, dass mit der an-
nähme der von mir vorgeschlagenen lesart der grund wegfallt,
welcher von Lachmann als entscheidend für die abfassung des
Iwein nach dem armen Heinrich beigebracht wird.
Wenn es uns so auch nicht gelungen ist und selbst mit
einem reicheren materiale kaum je vollständig gelingen wird,
alle einzelnen fragen über das handschriftenverhältnis bis zur
zweifellosigkeit zu lösen, so halte ich mich doch nach der
oben geführten Untersuchung für berechtigt, eine anzahl regeln für
das kritische verfahren aufzustellen, welche bei weitem in den
meisten fällen eine bestimmte entscheidung geben, und wonach
Lachmanns text wesentlich zu modificieren sein wird. Jede
einseitige bevorzugung einer einzelnen hs. ist zu verwerfen.
Auch die Übereinstimmung von zweien gegen die der übrigen
hat keinen wert; denn entweder beruht sie auf einem ver-
wantschaftsverhältnis der beiden oder auf zufälligem zusammen-
treffen in einer änderung, welches für zwei anzunehmen eine
viel geringere Schwierigkeit ist als fllr alle übrigen. Erst,
wenn auf beiden selten mehr als zwei zeugen stehen (abge-
sehen von den stellen, an denen mehrere hss. lückenhaft oder
ihre abweichungen nicht angegeben sind), oder wenn sich die
Digitized by
Google
360 PAUL
hss. in mehr als zwei hauptparteien teilen, fängt eigentlich die
Schwierigkeit der entscheidung an. Hier kommt es darauf an
die verwantschaftsverhältnisse der hss. zu berücksichtigen und
nach ihrer grösseren oder geringeren Selbständigkeit den wert
ihres Zeugnisses zu bemessen. Nach unserer obigen darlegung
des handschriftenverhältnisses ergeben sich die grundsätze, nach
denen zu verfahren ist, von selbst. Eine frage bleibt uns nocl
übrig : sind vielleicht alle uns erhaltenen hss. aus einer gemein-
samen quelle geflossen, welche bereits eine anzahl Verderbnisse
enthielt, wie dies Lachmann voraussetzt? Eine solche annähme
ist immer mislich, wo eine grosse menge zum teil alter hss.
vorliegt, und muss auf das strengste bewiesen werden. Den
nachweis aber ist Lachmann schuldig geblieben. Wo er eine
alte Verderbnis ansetzt, geschieht dies seinen metrischen hy-
pothesen zu liebe, oder um den vorzug von A zu retten, oder
aus Vorliebe für eine lesart, ohne dass die Unrichtigkeit der
entgegenstehenden erwiesen würde. Ich komme unten auf alle
diese stellen zu sprechen.
Es wird zweckmässig sein, wenn ich nach der reihenfolge
des gedichtes eine Übersicht gebe über alle die Veränderungen,
welche mit Sicherheit oder gröster Wahrscheinlichkeit in dem
texte des Iwein anzubringen sind. Ich füge dazu begründungen,
soweit es noch nötig ist. Wo dies schon früher geschehen ist,
wird auf die betreffende seite verwiesen. Ist nichts bemerkt,
so liegt die begründung in der handschriftlichen autorität. Icli
gehe dabei von Lachmanns zweiter ausgäbe aus. Ihr text steht
jedesmal vor dem gleichheitsstrich , hinter demselben meme
lesart. L^ bezeichnet die erste aufläge. Wo nichts dj|.rtiber
bemerkt ist, stimmt diese und Bech zur zweiten ausgäbe. '
6 der Bdr = ^^ ie Dbc. 21 der = so und 22 unde ez^
daz er cf s. 352; hinter 25 ist dann ein punkt zu setzen, die
klammer von 26 — 29 zu streichen. 32 sin = sinem cf. s. 358.
45 den hof= hof cf. s. 349. 56 dä=sU cf. s. 349. 58 ^a==
dd cf. s. 350. 63 mänlich A2i = männeclichBDdL^ cf. s. 342-
69. 70 stehen in dieser reihenfolge nur in den beiden verwan-
ten hss. bc; sie sind wider mit der ersten ausgäbe in umge-
kehrter reihenfolge zu stellen nach BDadrf (A fehlt). 71 dise
A = dise retten BDabcdrfL^; wir haben hier nur eine der häu-
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 361
figen auslassungen in A, die nur durch die unrechtmässige auf-
nähme der Umstellung von bc einen sinn erhält; Lachmanns
behauptung, dass reiten ein zusatz sei, welcher notwendig ge-
wesen, nachdem die von ihm hergestellte natürliche anordnung
zerstört gewesen wäre, widerlegt sich schon dadurch, dass es
auch in bc steht, die doch seine anordnung haben. 72 van
grdzer Aaf = von Bbd (sagten von crj : grozer und sagten scheinen
zur Verlängerung des verses hinzugefligt. 73 üf Aa = v»ifc
BDbcd. 92 dez (des A, daz I)cL^) = der Badfr. 95 von Aa
=^und von Bf (und doch von D, und nicht von bc^. 95 kleiner
Sii=deheiner BDdrA (nicht hcj cf. s. 326; wenn auch nicht
fttr die lesart von bc, so doch gewis für die negation über-
haupt dürfen wir das Zeugnis des französischen in anspruch
nehmen.
102 kein = keiner cf. s. 298. 05 ein ^ alein cf. s. 298.
06 engegen ir Aac = engegen ir ü/ Bdr Bech (üf sä DfJ ; hier
lässt schon die handschriftliche autorität keinen zweifei: üf
ist in Aac ausgelassen wie engegen in Df ; wie man aber, nach-
dem man auch den französischen text kennt, an der richtigkeit
von üf zweifeln kann, verstehe ich nicht. 11 und ABd = er
Daher (gewis besser). 11 beruoft ABA = strafte Dabc. 14
bekant ADsL==erkant Bbcdfr. 19 von Aad = t;or Bbcf (vur D).
21 bedankt A (duncket b.J = danket des (es r) Bcr (beduncket
des d). nach 23 wird besser ein punkt und nach 25 ein kolon
gesetzt; so in 24. 5 bezieht sich auf das folgende. 28 kein =
keiner. 34 säzen ADf=gesäzen Bacdr. 35 ir ouch Ad (tu
auch SiJ = ouch ir Bdfr. 36 da AD = des Bacdr. 39 selbem
B = selben Abf (selber acd^. 43 ingesinde A = gesinde BDabcdf
L\ nach 46 ist ein kolon, nach 47 statt des punktes ein komma
zu setzen; denn Kalogreant will doch dem Keii nicht die be-
ruhigende Versicherung geben, dass ihm nichts zu leide ge-
schehen wird, vielmehr will er ihm in recht beleidigender
weise die Verachtung seiner Schmähungen zu erkennen geben.
155. 6 wand wir daz wizzen vil wol daz = und wcere daz weiz
got vil wol: wan cf. s. 343. 58 dinen (den slJ eren Aa = ^ne
ere BDcr (dlne erenhäj. 61 Joch A = zu streichen mit drf
(dafür dach B, al Dac). 61 geseii Asi = gesagt BDcdf. 62 m-
der geleit == verdagt cf. s. 343. 79 ze Ad = zu streichen mit
Bcfr (dafür gar a), 91 dazz = daz iu daz cf. S. 304.
Digitized by
Google
962 PAUL
203 verlorn Aa = verlorniu BDbdf. 08 stinke = immer
smecke? cf. s. 351. 11 und Acd = noch BDar. 14 schelten
AD '^^ gescheiten Bacd. 34 sin bcese Af=sin bceser Dac (sine
boBsen BdJ. 51 manec A = maneger Babcdr (manich man B)
cf. S.298. ß6 ich Ad = ich da BDacf. 67 der wart Aä = der
was Bacfr (fehlt D) cf, Chrest. 180 molt i ot voie /elenesse.
81 engegen A = gegen BDadcr. Die zeilen 97. 8 sind, trotzdem
widerholt darauf aufmerksam gemacht ist, dass sie durch das
französische gesichert sind, in die neueste ausgäbe und auch
von Bech nicht wider aufgenommen und nicht einmal eine be-
merkung dar-über gemacht; sie stehen auch in f wan mir leicht
vntz an mein tod ward chain' herberg so not; sie sind zu lesen
wan mir wirt Hht unz an minen tot der herberg nimmer me sS
not; den artikel mit Pfeiffer (Germ. 4, 195) zu streichen sind
wir nicht berechtigt.
309 diu hiez = die hiezen alle hss. (ABDabcdr, paten f)
L^; der Übergang in den plural hat nichts anstössiges; dieän-
derung ist nur einer metrischen Voraussetzung zu liebe gemacht;
aber auch die zu Gregor 230 gemachte conjektur ist unhalt-
bar cf. meine ausgäbe. 47 entuot A (tut Aj = getiiot BDacr.
60 s6 Ad = zu streichen mit BDacfr. 68 willigen Asif==den
willigen BDcd. 93 daz Ad = zu streichen mit BDacfr.
424 als a (also A) = sam BDcdfr, 28 als Bd (also A) =
zu streichen mit Dabcfr. 37 wol aL = was wol ABDbcdfL*; es
ist durchaus unpassend dasselbe aus dem vorhergehenden tu
ergänzen. 49 vlach = und vlach alle hss. (ABDacdfr) L^ Bech.
54 der Ahe = diu Dadr Bech (den Bj] man kann bedenthalp
nicht als objekt zu bevangen fassen; der gen. erklärt sich ein-
fach aus einer gedankenlosigkeit der Schreiber, die wangen von
bedenthalp abhängig machten ohne sich um den weitern Zu-
sammenhang zu kümmern.
504 der = der cf. zu 2128. 38 nähen Ad = verre BDabc.
48 nie selhes niht A = selhes nie niht Bc (nie niht solhes D, sol-
ches nye mer ad^. 65 noch A = ouch Dacdf (doh AJ.
615 da A3i = der BDd. 29 hangen Ai= hangend BDad.
40. swarz Ad = swmrez BDbf (stmm slJ. - 43 von Ad = in BDb
(an slJ, 48 in (an A, fehlt D) allenthalben AD = in (an aj
allen enden Babdr. 57 daz ^=^ daz weter cf. s. 294. 60 daz
^r ADc = der da Babdf. 60 stuont Aa = bestuont BDc
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 363
(gestunt bd/ 65 was Aa = was da Bcdf. 69 wcere Acf =
mcer doch Dabd (wcere ouch Bj. 70 wan Ad = wart daz BDabr.
78 wart ist zu streichen cf. s. 350. 85 al A =gar Dbcd (fehlt
B, mt/r a). 96 sd Aa = zu streichen mit BDbdr.
721 mir Aab==zu streichen mit BDcdfr; ob im folgenden
ze buoze stän oder huoze bestän zu schreiben ist, lässt sich
schwer entscheiden. 22 ode mir den Hp län = odr ez muoz mir
an den Up gän cf. s. 343. 36 wand Ad = ob BDabf ; es ist
dann ein komma nach werte und ein punkt nach nerte zu
setzen: er erwiderte mir weiter nichts, als dass ich mich weh-
ren sollte, wenn ich mein leben erhalten wollte. 44 an Aac
= Ä/' BDbdr. 49 dd ADa = doch Bbdf. 51 wolde ane Ab (ane
rvolde Dj = het an Badr. 67 gesaz K = saz BDbf (ging sltJ,
77 ichz Aa = ichn Bcdfr. 77 niht gende A = gende niht Bfr
(nicht a. geende cd>. 78 nü ABd (?) = zu streichen mit Dabrf.
78 ich Aac*==2cÄ iu BDbd. Die interpunktion in z. 76 — 8 ist
nicht zu ertragen: 76. 7 kann nicht nachsatz sein; dieser be-
ginnt vielmehr erst mit 78, und 76. 7 bilden einen erläutern-
den Zwischensatz, der also in klammern zu schliessen ist. 79
schuttez ^= schütte in Dbcdr (B). 87 da A = zu streichen mit
Dabdf (von im Bj, 90 als in dem lastr ich wart gesehen con-
jektur (also indeme laster da hi ane wart gesien A, als ich in
dem laHer wart gesehen ab^ = m dem laster ^nd (als df) ich wart
(was T>cäjgesehe7i BDcdf; die letztere lesart ist zu fest be-
glaubigt, als dass man eine andere zu gründe legen könnte;
man könnte höchstens zweifelhaft sein, ob als oder und das
ursprünglichere ist; dass wid sonst nicht bei Hartmann als
Stellvertreter des relativpronomens vorkommt, beweist noch
nicht, dass er es nicht an dieser einzigen stelle gebraucht
haben könnte, da es bei andeien gleichzeitigen dichtem voll-
kommen gesichert, aber immer nicht häufig ist; wie bedenklich
diese von Lachmann so oft angewendete art des beweises ist,
hat schon Pfeiflfer bemerkt. 92 minen Ad = mir den Dabr
(mir minen BtJ. 97 niene A = niht BDabdf. 97 künde Aa =
kan BDbdfr.
802 er = der alle liss. L^; es ist ;2;^//(? zu kürzen. 02 sage
Aci=sage ouch BDbfr. 04 ze A = die BDabcdf L^. 12 ers
Ab = er Badr. 36 7?2ir Aa = mir ouch Bbdf (ouch mir DJ.
40 bceste A\)i=^ aller hceste Dbd cf, Chrest 616 tot le pis que
Digitized by
Google
364 PAUL
ele set 45 vil = ze vil alle hss., auch f L*. 47 ichn mac
Af (ich enkan }>) = nun magich BDacd L K 62 erz mir Aa =
er mirz BDbdc. 73 und in conjektur (un aisin A, und es cj
= unz ez Dab fwan unz ez Bd, wan in klammer LV; darauf
ist dann wider mit L ^ " ein punkt nach 72, ein komma nach
73 zu setzen; nach der lesart der zweiten ausgäbe wäre not-
wendig als gegensatz zu ergänzen, 'aber der fängt den streit
an, welchem der andere den ersten schlag nicht verträgt', wäh-
rend es doch sonnenklar ist, dass der dichter meint 'der be-
ginnt den streit, welcher den ersten schlag sich nicht gefallen
lässt\ 81 was erwachet A = erwachte BDabd. 89zt^Ab =
mit Bacdfr fbi DJ] sie waren aufgestanden cf, 85.
905 riterHchen a = ritterlich und ABDdf L^ Bech. (rit-
terlichen und hj, 11 sprach Ab = gedähte BDacdfr. 13 mir
Wirt A = mim werde BDabd L^ Bech. 17 des = des strites
alle hss. (ABDabcdfr) L^ Bech; letzteres erträgt der vers sehr
wohl, denn an einem doppelten auftakte wie alsd kann nie-
mand begründeten anstoss nehmen; die widerholuhg ist durch-
aus dem sprachgebrauche angemessener als die ergänzimg.
21 erbttet Ad (arbeitet ßj = bitet BDacf Bech. 22 enstrttet A2^c
= stritet BDbd. 48 künde D (schone kan hj = künde gewin-
nen und Badf L ^ Bech {gewinnen und c, kan in der vorher-
gehenden zeile); der auftakt künde ist nicht zu schwer, da in
den praeteritis die abwerfung des e häufig ist. 57 ^n AD =
den Bbcd (daz a^. 64 nä Aac = hin na BDbdf. 81 Jeneme
Ad (gern SiJ = einem BDbf (dem gJ? 82 vor Abf = von BDad
84 vil ab (vol k) = zu streichen mit BDd. 98 nime (nimer
LU = nicht cf. s. 350.
1004 verstuont Ad = verstuont sich BDab Bech. Nach
12 wird besser ein punkt und das kolon nach 13 gesetzt: so
sehr verlangten sie nach dem zusammenstoss, dass etc. 18
beide Aa = zu streichen mit BDbd. 22 solt AD = und solde
Babcd. 24 die Aa = den BDcdf. 29 harte AD (vaste äj ==
zu streichen mit Babcf. 37 wart Ab = wart da BDdf. 4S
und AiQ=unzBDfL^ (biz SibJ: dann ist mitL^ hinter 46 ein
punkt zu setzen und in 47 die klammer zu streichen; stünde und,
so würde Hartmann nicht 6in ding, sondern zwei dinge sagen.
1100 enmeit Adf = vermeit BDabc. 13 ez Ac == md
Digitized by
Google
h:ä.ndschriftenverhaeltnis des IWEIN. 365
BDacdf. 19 lac Aa = gelac BDbdf. 39 da vor AB — vor
des Dbdf (vor aj. 50 niht über lanc A fuber unlancke h) =
des {daz B) was niht lanc BDd (nicht lanck slJ. 51 zuo im
üz A (uz un in 1&) = zuo im Dacdf (zu ym ein b^; vergleiche
indessen s. 326. 68 kürzer Aa = dirre BDbf (der A). 83 do
Ab= da Baed (einzig richtig). 83 sprach Ab = gesprach
BDd (besprach slcJ. 88 doch Ad = zu streichen mit BDabf.
91 ich wcere ir grüeze westlich wert conjektur = ichn wcere ir
gruozes (gruoze A Bech) niht s8 wol (nicht wol a, do nicht b,
niht De, vw-f, niht s6 BechJ wert ABDabcd L^ Bech. Durch
eine ganz gewaltsame änderung schafft Lachmann einen sinn,
der sich weder mit dem voraufgehenden noch mit dem folgen-
den verträgt; besteht die unhövescheit der Lunete bloss darin,
dass sie erwartet gegrüsst zu werden, und kann ihr diese er-
wartung bei den rittern, die ihr dieselbe ich weiss nicht woran
ansehen, schaden? Die richtige erklärung von 91. 2 hat Be-
necke gegeben und dieselbe wird zum überfluss noch bestätigt
durch ehrest 1004 flf. espoir si ne ful pas si sage, si cortoise,
ne de tel estre, come pucele deust estre. Wie man an einem
so einfachen gedanken anstoss nehmen kann, würde unbegreif-
lich sein. Aber der gedanke ist es eben nicht, an dem Lach-
mann zuerst angestossen hat, sondern das metrum. Um seine
metrischen principien zu retten hat er hier wie an andern
stellen durch alle möglichen Spitzfindigkeiten sich und andere
zu überreden gesucht, dass auch der sinn eine änderung ver-
lange. Am metrum hat auch Bech anstoss genommen und
deshalb wol gestrichen, welches aber durch die autorität von
ABad gesichert ist und eher ausfallen als zugesetzt werden
konnte. Weniger durch die Überlieferung gesichert ist so, aber
nicht gut zu entbehren. Bechs Vermutung borwert hat gar kei-
nen anhält, und ich weiss nicht, was damit genützt ist. Eine
Schwierigkeit ist allerdings vorhanden in z. 90. Nämlich üf
geleit bedeutet in den sonst bekannten stellen immer 'ausge-
dacht, ersonnen', nicht 'vermutet', wie es hier der fall sein
müste. Diese Schwierigkeit aber wird durch Lachmanns ände-
rung nicht beseitigt. Wir werden doch wol die letztere bedeu-
tung zugeben müssen, da Beneckes erklärung sich durch nichts
stützen lässt. Sie scheint auch durch das französische bestä-
tigt zu werden. Zwar espoir könnte schon durch ich weiz 88
Digitized by
Google
366 PAUL .
übersetzt sein; aber gerade das alsd het ich üf geleit ent-
spricht doch zu genau dem espoir si,
1206 und conjektur = die ml Dadc funz Bf L^, bisz b>;
dergleichen Schwankungen sind so gewöhnlich und so erklär-
lich, dass man sie nicht aus einer ungewöhnlichen verlorenen
lesart abzuleiten braucht. 07 gevinden Aa == vinden BDd (be-
finden bc^. 35 an Ad = in Babdf cf. Chrest. 1028 mes ii co-
vient que Ven Vanpoint si qu'el point soit la pierre enclose. 37
leides Acdf = arges BDab cf. 1405. 38 iuch AD = iuch für-
namens (hynamen ab, fürwar cd, sicher i) Babcdf. 38 ensihi
A = siht BDabcdf. 51 ende B = enden Dabd Bech ('wohl
vorzuziehen' L.). 77 sehenden conjektur = gesehenden BDbd
(semge a>.
1300 enteret in Ad = nert (gener et slJ in ein BDabcf.
03 diu AD = diu guote Bacd und demnach wird, was nach
der handschriftlichen autorität nicht zu entscheiden ist, vorher
statt vriundin ADd zu setzen sein vriunt Bac; über vriunt von
frauen gebraucht cf. mhd. wb. III, 412*. 10 öz A = vürder
Dbdf (von ir a, fehlt B^ L^. 12 ezn Db == wan ezn ABacd
hK 33 tmd AEd = zu streichen mit Babc. 43 riene (ne ne
AJ = niht Eacd (niht en Bb, iht D Bech. 54 rf BE = ir
ADabdf. 60 andersiunt A == aw der stunt die übrigen, auch f.
. 65 gesach A (ersach DJ == rehte ersach BEabcdf. 66 rief
Abc = ruofte BEa (roufte sich D, seu/fte f). 76 under ,= und
under cf. s. 358. 86 ouch Ad = zu streichen mit BDEabcf.
88 niene A (nie B; = niht DEabd. 97 ^/az AD= JizBEabdf.
1400 ouch A = zu streichen mit BDEad (nu c, aber nu
hj. 10 vollem almuosn unde = almuosn und mit cf. s. 358.
18 der herre A = her (der herrc Bcd> Iwein BDEabcd Pfei-
ffer Germ. 4, 194. 20 manegem ADbf == vil manegem BEaed.
25 dähte A = gedähte BDEabcdf Bech. 46 diu not enwas A
(des not die was ej ouch enwas diu not BDEabd Bech. 47 tUene
AE = niht en BDab (nit gJ. 51 beschouwen Aad = schouwen (?)
BDEbc. 53 michel Aad = gröze BDEbcf. 68 unsceligez Aad
= unscelec (?) BDEbc. 75 ie ADcf = hie (?) BEabd. 78 ge-
sach AE = ersach BDacdf (sach hj. 84 wider Ab = nider
BDEadf. 87 geriet Abd = riet BDEac.
1500 tumbe gedanke (gedanken AsiJ = tumben gedatic
BDEcdf. 09 ir ab Ad == aber ir BDcf (ir hj. 22 däht er =
Digitized by
Google
I HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 367
i geddht er alle. 24 ze hove A :=» zu streichen mit allen ttbri-
I gen (auch f) L^ 27 niht AD = ze hove Bad (ze hove niht
Ecf scheint fast nach der autorität der hss. das richtige zu
sein, und man mttste sich dann mit dem metrum abfinden).
42 siner BEb = ze siner ADacdf. 43 ze ==«= zem cf. s. 358.
48 der A fir dj = umbe ir BEacf fum die DJ, 48 wunde
(nnmd dj = wunden ABDEacf. 50 dan ADb = dan diu
BEacdf (das pronomen ist unentbehrlich). 57 Minne A »= diu
mme BEadf (frou mnne Dj cf. s. 294. 59 stai AD = arme
stat Bad; es muss nach dem folgenden vorausgesetzt werden,
dass ein herabsetzendes epitheton auch schon hier gestanden
hat cf. ehrest 1383 que preuz faitj quant de malves leusere-
trcUL &0 da es d (dar es si A, dar si DJ ^= da ir BEad; man
würde die minne nicht bitten sich zu zerteilen, sondern an
einen ort hinzukommen; diesem sinne entspricht die lesart von
B wie die von D, während A eine unmögliche mischung zweier
eonstruktionen enthält. 78 diche Aa = ofte BDEdf. 84 alswä
conjektur = wol attez Dd fallez wol a, allez ABE^. 86 gene-
sen AE = geniezen BDadf (vielleicht des geniezen nach Da, d
hat sys nu gj\ darauf ist ein kolon statt des punktes hinter
län zu setzen, denn es folgt, wovon die minne vorteil haben
soll. 87 si em^elte hie nü A = si hat erweit nü (fehlt DEaf)
DEadf (dazs ir nu weit Bj. 99 ab ersach faber sach A Bech)
= eine ersach Bcdf L^ f ersach Db, an gesah E, gesach a^; der
sinn der stelle ist: als Iwein sah, dass die frau, trotzdem sie
allein war, doch ebenso klagte wie vor den leuten und da-
durch ihre treue und die aufrichtigkeit ihres Schmerzes er-
kannte.
1606 alsd Ab = sd BDEacd 10 eiä Aa = ja BDEbcd
(ach i). 11 ^^ Ad = ffit mir BDEabc. 25 wirt AEa = und
Wirt BDbcdf. 28 rf ADabf = si ir BEcd (?) 34 ich AEf =
ich nä BDabd. 39 triut conjektur = trüwe ABEc L^ Bech
(getruwe aDd, kan bf). 45 ze wandet BE = ir ze wandet
Dadf (zu wandet ir h). 57 Minne conjektur = diu minne
BDEcdfL^ (fraw mynne a. myn frauwe m, b^; inwiefern hier
die Varianten deutlich Miwae als das echte zeigen sollen, ver-
mag ich nicht einzusehen; können nicht zwei junge hss. diu in
frouwe geändert haben ? 55 dazn ist A = daz ist BEb (diss ist a,
die ist d^ ez chumt D). 59 unbescheiden conjektur = unbeschei-
Digitized by
Google
368 PAUL
denHchen BDEcf (unbesceindenliche A, unheschaidenlich d, wnhe-
scheidenliche L\ iemerlichin a^; auf die frage Lachmanns ^wie
unverständig ist denn die minne bisher verfahren?' hat schon
Benecke die vollständig befriedigende antwort gegeben, näm-
lich so, dass sie nur den Iwein mit liebe entzündet anstatt
das auch der Laudine oder keinem von beiden zu tun; es
könnte sich höchstens vielleicht fragen, ob man hier nicht ge-
gen die überwiegende autorität der hss. das schliessende n weg-
zulassen berechtigt wäre. 60 solde Aa = tvolde BDEcd (wü
f;. 78 gienge ADc = gierigen BEabd 81 Für daz Acdf wird
da BEb (Sit D, so slJ und darauf ein komma nach 83 zu setzen
sein; jedenfalls ist daz nicht erträglich; outve wird zwar nicht
bloss als klageruf^ sondern auch zum ausdruck der Sehnsucht
und bewunderung gebraucht, aber outve daz heisst niemals
etwas anderes als 'wehe darüber dass', und Iwein kann es
doch nicht bejammern, dass die frau in ihrer betrübnis noch
so wonniglich ist ; man vergl. nun Chrest .1490 Bon ne fast
ce mervoille fine a esgarder, s'ele fust liee, quant ele est or si
bele iriee; diesem sinne entspricht genau sit, welches aber nur
von D gewährt wird; es scheint, dass wir dem da bereits die
neuhochdeutsche bedeutung = mhd sit zuerkennen müssen:
kaum anders lässt sich befriedigend erklären Trist 21. 22 er
unde lop diu schephent list, da list ze lobe geschaffen ist 'ehre
und lob bringen kunst hervor, da die kunst dazu geschaffen
ist gelobt zu werden'; vielleicht lässt sich so auch Iw. 56 da
verteidigen; möglich dass bei genauem aufmerken sich noch
mehr dergleichen stellen finden.
1720 Iierze = herze sticont und darauf ist stuont in 21 zu
streichen; so haben alle hss. und L^ i\ dd an A (da an ()
= an BEab (das an c, des an dj. 35 alsrvä conjektur (an-
ders Tvä Ab.J == anders Bbd (niht anders E, fehlt cf.). 44 lie-
bren conjektur = Hebern tac ADEdL^ (sy sprach af, fehlt Bbc);
weshalb soll hier tac 'elend widerholt' sein? es ist vielmehr
unnatürlich bloss liebem zu widerholen; dass in mehreren hss.
die widerholung ganz fehlt, gibt uns doch nicht die geringste
veranlassung die halbe widerholung fftr richtig zu halten; den
wahren grund zur änderung hat Lachmann verschwiegen: es
soll sagt nicht in der Senkung stehen, und er schreibt deshalb,
was erst nach auslassung von tac möglich wird, sagent, 71
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 360
daz AA = diz BDEab. 92 ir A = ir diu BDcdL^. cf. s. 294.
94 gevolget W^ = der (daz slJ volgeie DacdfL^ {volgete A).
1814 got sol mir den = dentdt sol mir got L^ cf. & 304.
24 wellet D (willet k) = weit BEdf. 24 brunnen D = den brunnen
Eabf oder iuwern brunnen ABd(?). 39 kurzerme (kürzerem d,
kurzer Aj = kurzem Dac (vil churzem BEb). 40 wil Ab *=
kamen wil BDEacdf Bech. 41 ze E = zuo BDAL^ 41 kamen
Ab = zu streichen hier mit BDEacdf Bech cf. s. 358. 46 ir
Ad==ir gar BEabcdf. 48 an einen man AE (an nyemen dj =
an ir einen BDabf. 52 tar Af = getar BDabd. 55 erkam
ADf=öz erkam BEabcd. 1871 manec A = maneger BDabdf
LI Bech. 72 dach Aaf = 5Ö BDEbd. 76 dicke Aab = o/Ve
BDEDf. 79 macs üz übelem E (mag sy van ubelime slJ'^ mac
sus übel ABcdf L^ (m<ich die übel DJ. 79 muote (mueie Ej =
gemuete ABDacd cf. 2007. 2051. 80 bekgren wal h^wal be-
keren ABacdfL^ (wal bringen E, lihte nimmer bringen DE).
80. 81 guote A=giiete BL^ (die Schreibung von A beweist
natürlich nichts). 82 muate d = gemüete ABEacL^.
1920 weere A = wcere danne DEabdf. 35 si Aad = zu
streichen mit BDEbf. 38 schilte h = ze schilte ABDEacdfL*
Bech. 38 sper A = ze sper BDEabcdfL* Bech. 40 sage Acf
= hän BDEad Bech. 43 iun conjektur (m iu BEd) = in
Dabf ALI Bech. 46 der Aa = zu streichen BDEbcd. 67 geztu-
ges A (habe gezuges ab, hab getzeugn i) = erziuges BDE (be-
zeug es dj. 67 iu A = nw BDad (wal E, fehlt bc). 74 zir
AEa = ir zua BDcdf 80 doch Ab = aber Baedf (ab ir Ej.
2005 versuachten AD == verstwchte BEabcd; letzteres ist
besser und wird notwendig, wenn im folgenden sich geschrie-
ben wird. 06 si Acd=^ sich BDEbd. 08 muote ADdf^= ge-
muete BEabc (?); demgemäss würde natürlich 07 güete zu
setzen sein. 23 erkenne Da = erkenne nü ABEbdfL^ Bech.
43 rehte Aab = ze rehte BDcdf. 51 muate ADa ^=gemilete
BEbcdf und danach 52 gilete cf. 1879. 53 machte im unschult
conjektur = machte in (oder machtnj unschuldec nach allen hss.
L^ Bech. Hinter 85 ist das fragezeichen zu streichen/ 86. 87
in klammem zu schliessen und 88 der statt der zu setzen cf.
zu 2128. 89 burt k=^geburt die übrigen L^ Bech. 90 ander
Aad = ander die BDE (ander disz c, so reich h), 96 daz AEb
= daz von im BDcdf (da von ichi &J.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche. I, 25
Digitized by
Google
370 PAUL
2107 er heizet, vrouwe A (vrowe er heizet DE, sy sprach
er h. aj = er heizet her Bbcf cf. Chrest. 1815 'comant a nmiV
'mes sire Fvains*. 09 jä AE (so slJ = deiswär y^B oder bloss
deiswär Db (zwar cd), 11 künec = küneges alle hss. L^. 15
weisiü aber AD = weist aber du BEbf (weist aber du aber d,
weist du a). 23 hiute Adf = zu streichen mit BDEab. 23
morne Aa = morgen Bt)Ebdf cf. s. 342. 23 geseJie AD = sehe
BEabdf. 28 dazz conjektur = daz Acd (der BDb, der L^, d^z
er a); das schwanken zwischen daz und der beruht darauf,
dass die Schreiber das relativum entweder auf niht oder auf
man bezogen; irgend ein zwingender grund in dazz zu ändern
besteht nicht; daz steht eben wie so häufig nach einem so im
regierenden satze, wo wir jetzt ^dass es' gebrauchen, welchen
ziemlich gewöhnlichen, auch dem altfranzösischen eigenen ge-
brauch des relativums Lachmann ganz verkannt zu haben
scheint, da er immer an solchen stellen dazz oder der setzt
Es hängt dies mit seiner allgemeinen neigung zusammen aus
zwei verschiedenen lesarten durch combination eine dritte zu
construieren, auch wenn die eine nur von einer einzigen schlech-
ten hs. gewährt wird und wenn sie sich sehr leicht aus der
andern erklären lässt. Mir scheint dies eine unberechtigte
Übertragung der metho^e der elassischen philologie auf die
mittelhochdeutsche textkritik. Denn dies verfahren setzt vor-
aus^ dass eine hauptveranlassung zu ändörungen der Schreiber
das misverständnis der Schreibung ihrer vorläge gewesen sei.
Diese Voraussetzung ist für die lateinischen und griechischen
hsß. begründet, weil diese mit mangelhafter kenntnis der
spräche aus originalen voller abkürzungen abgeschrieben sind.
Dagegen in den mittelhochdeutschen hss. kommen fast gar
keine abkürzungen vor; die spräche war den Schreibern als
ihre muttersprache vollkommen geläufig und änderte sich nicht
in dem grade, dass nicht etwa oberdeutsche Schreiber aus dem
ende des dreizehnten jahrh. einen oberdeutschen dichter aus
dem anfang desselben vollkommen verstanden haben sollten
ausser bei wirklichen Schwierigkeiten des gedankens. Die än-
derungen entsprangen daher zum bei weiten kleinsten teil aus
misverständnis, sondern weit überwiegend aus willkür der
Schreiber, denen es keine Schwierigkeit machte sich in ihrer
muttersprache frei zu bewegen cf. s. 299. 3.1 volg et (volget
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 371
A) = volge die übrigen, auch f cf. s. 304. 38 häts (hat dn
ABd) = habe sin DEcf (hdbez ab). 50 morne Aa = morgen
BDEbcd. 56 enwirt Ac = und enrvirt die übrigen. 60 vürht
ez ADb = ßrhte deiz Bacdf. 66 uz Ac = üf BDEbd; diu
rede ist üf ir rvege gar bedeutet; die rede (dass ihr einen
mann zur Verteidigung des brunnens wählen woUt) liegt ganz
auf ihrem wege, kommt ihnen sehr gelegen. 80 geriet BEb
= riet Dadf. 86 da niender AEd = doch da Tuender (doch
niender BD, doch da nicht ac). 99 in BE = im ADbd.
2208 ouch Ad = zu streichen mit BDEab. 9 sd AD =
also Eabdf. (als Bj. 15 genc Ab = nü (und dj genc BDEacdf.
17. 18 also gemeRche (vroelic/ieh^), do gebär ie si geHche = dd ge-
barte si geHche durch ir gemeHche Bech cf. s. 340. 61 schos-
nez Aaf = schosne BDEbd. 63 danc Acf «= sinen danc BDad.
92 's niht Aa (niht EJ = nihtes BDbdf.
2300 niene Ad (nu cj = niht BDEab. 05 guot Aad =
muot BDEbcf (?). 07 niht Aaf (nirgent cj = zu streichen mit
BDEbd. 14 ich ADb = ich e Bcdf (ich ye SiJ; e ist nicht
gut zu entbehren : das land muss ich lieber mit einem manne,
der es beschützt, versehen, ehe ich es verliere. 15 eim (eime
Aa) = einem BDbd. 21 ff. ist die Interpunktion der ersten
aufläge wider herzustellen; Bech hat mit recht die grosse
klammer von 22 — 32 gestrichen; aber sein komma nach 21
und kolon nach 23 sind gewis keine Verbesserungen. 26 vrem-
den AEb = vremder BDad (geste f). 69 diu ^=^ deUe alle hss.
L^ Bech. 73 gesähen Abc = sähen BDEad. 75 s€ehen A =
gescehen BDabdf. 94 dehein (nie kein L^ = nie dehein dinc
cf. s. 298.
2406 inner zehen = in vierzehen alle hss. nur E in Z7velf\
Chrestiens hat nacli Holland 2085 einpois que la quinzaine,past,
12 burt*= geburt alle hss. L^ Bech. 12 und A = und sin
BDabd; der vers ist zu lesen des Httrs gburt und sin vrümek-
heit, 24 burt A = geburt die übrigen L^ Bech. 40 vollecH-
eher b (volUcher k) = s6 vollecHchiu BDEd (so sulche SiJ. 62
wie er sluoc und wie er stach Aa = ouwe wie er sluoc und
stach. 66 zwäre Ad{=^deiswär BDEa (fehlt b). 71 da ABb
= daz DEadf
2501 der = der alle hss. IJ cf. zu 2128. 17 nü Ab =
her BDdf (fehlt Ea). 26 sit AEc = sit daz BDabdf. 30 Äo»-
25*
Digitized by
Google
372 PAUL
gm Aab = hangend BDEdf. 31 vol des Aac = vollez BDEbd
38 daz es (sin i) alle die verdröz Aaf = daz alle die da v.
BDEbd, 72 niht conjektur = anders niht ABEbfL^ Bech (nicht
anders d, anders und dann keynen Da). 78 unire a = ere
ABDEbcdL^; gedenken üf wird gerade wie raten üf im schlim-
men sinne gebraucht werden kjonnen: etwas gegen jemand
oder gegen etwas im schilde flikren; der eigentliche bestim-
mungsgrund für Lachmann die änderung von a aufzunehmen
war wol die absieht 4 hebungen herzustellen. 79 was ADa =
wart Bbcdf.
2604 heizet ADa = herre heizet Bbcdf. 08 gewinne ius =
gewinnes tu alle hss. L^. 48 und sins AEd == und des BDah.
55 dazn A = dane BDcdL^ 67 — 69 ist mit den hss., L^ und
Bech zu schreiben: unsers werden gastes, zwäre du hästes
iemer Ion wider mich. Um einer willkürlich angenommenen reim-
regel willen, die auch 2112 gebrochen ist (denn die dort an-
gebrachte entschuldigung ist doch höchst sonderbarer art), wird
zunächst eine conjektur gemacht, welche besteht in der ein-
schiebung eines mtissigen flickwortes und der annähme eines
unerhörten enjambements, für welches eine analogie nirgends
anders hergeholt werden konnte als aus einem Ulrich von
Türheim, und zwar eine analogie, die wegen der ganz andern
6lT ie angenommenen bedeutung nicht einmal passt. Dann,
weil das so conjicierte wider einer willkürlich angesetzten
versregel widerspricht, wird darin eine neue conjektur ge-
macht. Und schliesslich wird dann behauptet, dass der sinn
die änderungen gefordert habe. Aber dieser angeblich ver-
langte sinn ist doch nur dem dichter willkürlich untergescho-
ben. Es ist auch nicht einmal der versuch gemacht nachzu-
weisen, dass das überlieferte nicht dem zusammenhange ange-
messen sei, ein versuch, der freilich nicht gelingen • konnte.
Ausserdem, dass du hast Ion wider mich heissen könnte *du
hast lohn für mich' möchte doch wol erst durch parallelstellen
zu belegen sein.
2704 selleschaß == geselleschaß alle hss. L^ Bech. 19 von
ADa = ÄÖ Bbd (in so cf); die praepositionen sind wol späte-
rer Zusatz; ich weiss allerdings kein beispiel von nem mit
dem gen., aber emem ist im mhd. wb. nachgewiesen. 39 niht
Aabdf = iht BDE; letzteres ist wie gewöhnlich in den jünge-
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 373
ren hss. durch ersteres ersetzt. 93 also Aa = s6 Bbd (fehlt D).
98 et = zu streichen mit den hss. L^ Bech.
2807 vil AEd = zu streichen mit BDabf. 07 manec = ma-
neger die hss. L^. 16 ode Ad = und BDEabf. 18 rf AEa =
sin BDcd. 52 swer Aa = der BDbdf. 52 ^z D = ere ABEabdfLi
Bech. 53 cUu = deste die hss. L^ Bech. 53 dicker Aa = öfter
BDbdfLi. 57 riterschaft Ad = ritterschefte BDab Bech. 68
däne Ad = da BDEbcf. 68 ^ = sich cf. s. 350. 72 dicke Ab
= ofte BDadf. 73 manec A = manegiu BDEcd. 76 ^ a^ des
A (er des SiJ = abferj ers BDcdfL^. 80 ein ADE = ein richez
Bacdf. 95 diu kint Aac == kint BDd. 98 gebringen Ad == brin-
gen BDacf.
2900 ich Aab = ic?is BDd fich sein cf). dann wandeis Aa
= wandet BDbcdf cf. s. 344. 06 michel AEb = michets BDacd.
17 ^r ADf = er st BEabcd. 20 er ADb = er si Bacdf. 38
enkumt ir [uns h] wider niht Ab = ir enkumt uns (denne SiJ
wider BDEacd. 39 ^z A == ez uns DbcdL^ funs daz B, uns
D). 41 nach BE = nach den Dbcf (na der Aad). 79 sagt ez
Aaf = mgt irz Bb (seitez ir Dd. 80 wand ez Adf = ez BDEab.
80 mir AD == mir ouch Ead, auch mir Bb. 83 entriuwen Ad
(E hat es vorher) = zu streichen mit BDabf.
3015 ruorte Af = geruorte BDbd (berurie slJ. 17 dicke
Aa = o/te BDbdf. 20 torst Aaf = getorste BDbcd. 23 ^/az
gesach AB = gesach Dabcdf. 33 ^^//m A = gesellen die tibri-
gen LI Bech. 56 ^z Abc = sm BDadf. 57 ez ein A = daz
BDabd = ^<?az daz E, ^fcÄ rfaz f); dann gevienc Adf = an
gevienc ab (an vienc BD); es war wol an in der vorläge von
Ad ausgefallen, und A suchte dann wider einen sinn herzu-
stellen. 58 ouwest = ougest cf. s. 342. 71 die besten ADf =
dne besten Bbd (dy synen a). 76 dicke Aa = ofte BDbd (fehlt
E). 84 er dähte A = er gedähte Badf (in duht DEb). 96 «<^ä^
Aa (nahnte D) = nähten Bbdf (?) und dann bossiu mit BD.
98 dicke Aa = ofte BDcdf.
3129 6?«z rf sich = wm? flfaz y? sich BDEbcdL^ (und sich
af, die sih A); es ist kein grund von der tlberlieferung abzu-
weichen; man lese des verses wegen grechen. 38 schome A
(geburt Db) == ir schome Bacdf. 38 richeit ADb = ir richeit
Bacdf. 50 schult AD = schulde Babd. 54 daz Aab = der
BDdf; das relativum, wenn es sich auf mehrere substantiva
Digitized by
Google
374 PAUL
bezieht, pflegt nach dem letzten construiert zu werden, und
Ungemach gebraucht Hartmann als masc. 57 unz A (Uz a)
= unz daz Bcdf (daz Db). 62 wol Eab (vol A) = ze wol
BDcdf. 66 dö Ad = zu streichen mit BDabcf, 79 ein vol con-
jektur = ein wol ABdL^ (wol ein Ef, ein so a, ein b, dehein
D) cf. meine anm. zu Greg. 895. 82 von dirre Aa = /ur dise
BDbdf ; ebenso 90.
3215 beide AD=vil (so a) gar die (all f) BGabdf. 19
hörte A = gehörte BBGabcdfL* Bech. 25. 26 über diese stelle
handelt Pfeiffer Germ. 3, 338 flf. ; er rtlgt mit recht die Ver-
mischung zweier ganz verschiedenen lesarten durch Lachmann;
nach der beobachtung der handschriftlichen autorität wtirde
man hier auf nichts anderes kommen als er ahte üf man noch
üf wip, niuwan üf sin selbes Hp (so hat auch f ) ; aber Pfeiffer
hat schlagend dargetan, dass der Zusammenhang verlangt er
hazte weder man noch wip, niuwan sin selbes Hp; unbekannt
war ihm, dass diese lesart durch das französische bestätigt
wird, cf. ehrest. 2790 ne het tant rien com lui meisme; wir
sehen uns demnach geujotigt hier ein ganz eignes spiel des
Zufalls anzunehmen, wodurch fast alle hss. in gleicher weise
verderbt wurden; zu beachten ist übrigens, dass nicht bloss
hazte (hate) in Ba bewahrt ist, sondern auch in dem hatt ez
von a eine spur davon und in d trotz der änderung in ahte
die ursprüngliche construktion. 29 dö Aac = nü BDGbd.
79 hungemöt = hungers not cf. s. 332. 86 nie Aa ==» niht
BGdDb. 87 wan A = niuwan BDEL^ Bech (nuwert a, nur bf,
nu d). eineriy einigen Asibf = einigen BDEdL^ Bech; cf. dessen
anm. 98 und Ad = so BDGabf.
3300 verdähter AEh =bedähter BDGacdf. 21 der töre
AGa = die tören BDEbd (toren f ). 33 ditz ie A (es ie b) =
ie ditz DEdL^ (ie daz BGa), 47 unz A (biz a) = unz daz
BDGbdf. 61 unz Aaf = unz daz BDGbd Bech. 65 nä a (nach
B) = nähen ADEbcdfL^ Bech. 72 kann die aus ABb aufge-
nommene lesart nicht richtig sein; man müste erst nachweisen,
dass jehen einfach 'erzählen, berichten' bedeuten und einen
indirekten fragesatz nach sich haben könnte. Ohne anstoss
dagegen und besser beglaubigt ist die lesart von Dcdf: nu
duht er si ein gevellich (sittig f, siecher c, scMckerlich d) man,
welcher sich auch die von E näher anschliesst: si gedaht ditz
Digitized by
Google
HANDSCHEIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 375
ist ein schihUch man und die von a : sy gedachte ez ist der man.
Es ist dann der fragesatz abhängig zu machen von daz was
ein gengez mcere. Fraglich bleibt, wie das epitheton zu man
ursprünglich gelautet hat. Am nächsten stimmen E und d zu-
sammen, an die sich auch c und f näher anschliessen als an
D. Diese hss. scheinen fast auf schickelich zu führen, welches
ich aber im mhd. nicht nachzuweisen vermag.
3408 daz Abf = vrouwe daz BDd Bech (vrowe Ea). 08 ir
AD = zu streichen mit BEadf Bech. 10 ob wä vor lange mit
BDbL^ Bech einzusetzen ist, bleibt sehr zweifelhaft. 12 schiere
überwunden hat == der wirt iu buoz unde rät L^ Bech cf. s. 302.
13 ober wirdet (ober wirt A, wirt er dez liebes D) = ob er von
uns (iu B) wirt BEcdfL^ (wirt er von uns ab); inwiefern der
Zusatz von uns 'den einfachen ausdruck des gefühls' stört ist
nair nicht fassbar cf. s. 294. 22 tuon ABb(c?) = getuon DEad.
22 vil guoten Ac = wol DEad (vil schiere Bb, snelle. f). 72
rdene A (nie d) = niht BDEab. 73. 74 sind wider in den text
einzusetzen: unz si in allenthalben bestreich; da zuo ^ vil stille
sweich; über die zahlentheorie , welche flir Lachmann bei der
ausstossung gegen alle hss. massgebend war, brauche ich wol
kein wort mehr zu verlieren; der zweite hauptgrund, -der ihn
bestimmte und der hier gar nicht erwähnt wird (cf Benecke
zu 4431), die anstössigkeit des reimes sweich: bestreich ist
ebenfalls hinfällig, cf meine abhandlung 'Gab es eine mittel-
hochdeutsche Schriftsprache?' s. 26 fi. und diese beitrage s. 182.
Die kurze vorausnähme dessen, was im folgenden ausführlich
beschrieben wird, darf uns keinen anstoss erregen; sie findet
sich ebenso im franz. Es heisst 2985 et prant Voignement, sil
en oint, tant com en la boiste an ot point; et tant sa garison
covoite, que de foindre par tot esploite. Darauf fährt Ohrestiens
mit tautologieen fort: si le met trestot en despanse; que ne li
chant de la desfance sa dame, ne ne l'en sovient; plus en i met,
qu^il ne covient, molt bien, ce li est vis, femploie. Hieraus konn-
ten bei Hartmann 75. 76 entsteheff: statt der erwähnung des
Verbotes, welche erst 82 kommt, dient hier das epitheton edel.
Die form der widerholung bei Hartmann ist offenbar eine ab-
sichtliche, rhetorische, fast in Gottfrieds weise. Der zeile 2988 bei
Chr. entspricht deutlich Hartmanns unz si in allenthalben be-
streich. Es wird dann erst wie bei Hartmann das bestreichen
Digitized by
Google
376 PAUL
der einzelnen glieder geschildert. Dass die Jungfrau dazu ge-
schwiegen hat, wird bei Chrestiens nicht erwähnt; aber schon
vorher 71. 72 hat Hartmann selbständig hinzugefügt, dass sie
leise hinzugeschlichen sei, damit Iwein ihrer nicht gewahr
würde. — 84 esn dühtes (esn duhte si BL^, des ne duhte si A)
== sine dühtes DEacdf.
3512 imme = immer alle hss. (auch f) L^ Bech; der satz
wird von Bech mit recht als ein selbständiger Wunschsatz ge-
fasst; Lachmanns bemerkung, dass das klagende rväfen nicht
zu dem Wunschsätze passe, kann uns nicht beirren; denn wer
zwingt uns wäfen unmittelbar damit zu verbinden, wobei der
wünsch ja wider zur bedingung gemacht würde; Iwein stösst
einen klageruf über seinen zustand ^aus und lässt darauf einen
wünsch folgen; was ist daran unangemessenes? übrigens ist
es im gründe doch auch nichts anderes, wenn ouwe vor einen
Wunschsatz tritt; dasselbe hat dann nicht eine ganz andere
bedeutung als sonst, sondern es ist ein klageruf über den ge-
genwärtigen zustand, in welchem der wünsch noch nicht er-
füllt ist 13 man Acd = zu streichen mit BDab. 13 mir mn
troum hat A {min troum hat mir D) = mir hat min troum BEabcdf.
14 rtchez A {richliches D) = ritterltchez Bcdf {ringes b, nmn-
nechlichez Ea). 28 schoene Aa = zu streichen mit BDhcd
{w^de f). 28 hat L^ unde in eckiger klammer nach vrowea
ohne Variante; danach müste man annehmen, dass dies in
allen hss. steht (D hat es); aber in den folgenden auflagen
fehlt es, ohne dass eine Variante angegeben wird; wenn es,
wie wahrscheinlich, in den hss. steht, ist es beizubehalten.
39 die B = der DEbdf {des Aa). 57 ich ein gebäre AD==
ein gebüre ich BEbd. 58 fv{er ABb = und rvcere DEadf. 68 als
{als A, nis sy a) = als ez BDEbdfL^ Bech; wir haben hier
natürlich in A weiter nichts als wider eine einfache auslas-
sung, aber nicht die erhaltung des ursprünglichen. 76 i»in
herze Adf = daz herze BDEab. 90 nu sints auch A {sy sint
ab) = nü sin {sins Ec) ouch min BDEcdfL^ Bech. 91 nü tvaz
Ad = waz BDEb.
3610 sd Ad = als BDEabcf. 11 rie/'=ruofte DEabcdf
(A fehlt). 13 ist vor kunt nait allen hss. weere einzusetzen.
14 rief AB = ruofte DEabcdf, 20 gehabt d = unde habt {ge-
habt D) BDEacdf Bech ; das asyndeton ist nicht zu ertragen,
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 377
37 ist mit allen hss. und L^ vorn ^ sprach einzusetzen; dar-
aus dass er (rf) sprach fehlen kann und oft fehlt, folgt noch
nicht, dass man es überall entfernen muss, auch wenn es wie
hier und sehr häufig durch die beste autorität gesichert ist;
es ist allerdings ein billiges vergnügen, welches man sich jetzt
gern nach Lachmanns Vorgang zu machen pflegt, es überall
zu streichen, wo es das metrum irgend erlaubt 49 spise unde
bade conjektur = von spise und von bade ABDbdfL^ (spise und
von bade Bech, ganz willkürlich und gewis ohne alle analogie);
woher weiss Lachmann, dass die Schreiber in der widerauf-
nahme der praeposition strenger sind als die dichter? er kann
keinen andern anhaltspunkt dafür haben als die beobachtung,
dass durch die widerauftiahme seine metrischen regeln verletzt
werden; aber daraus kann nur eben gefolgert werden, dass
diese regeln für die dichter nicht existieren; denn die wider-
holung der präposition ist geradezu gesetz, cf. Benecke zu 6861.
59 bereite Ab = beredete DEcd {dy gut b). 64 was Aa == ist
BDEbdf. 66 m = da ADbdf. 69 an AE {uf D)=unz (biz
a) an Babdf. 75 starker A (so starche BdL^ Bech) = also sere
DEabf (Bech stellt nie mit B um; das scheint mir nicht nur
unnötig, sondern auch unangemessen; daz mich nie dehein
val sd starke gemuote bedeutet 'es kam niemals ein fall vor,
der mich so schmerzte'; dagegen daz mich dehein val sd starke
nie g. würde bedeuten 'kein fall quälte mich während der
zeit, dass er mich betraf, jemals so sehr\ was natürlich ver-
kehrt sein würde. 75 enmuote A (mute D) = gemuote Babdf
84 beider nH rvol Ad = wol beider BEabf (wol D). 97 rvart
AD = wart also BEabd (wart als f). 99 daz Aa = den BDbdf
3700 ors A = ros Babd. 04 sach man A = dd sähen st
BDbdfL^ (sahen si E?, sehin a). 05 Aliern B (aliere A) = Aliers
Dabdf 10 der Af = zu streichen mit BDEbd; dann muss na-
türlich das komma vorher wegfallen. 15 nach e = nach (nach
gar dU) cf s. 305. 25 dicke Aa = ofte BDbdf 37 brach
AEd = zebrach BDabd. 41 unstatlichen A = unsteteHchen BE
Bech (unstetL a, unstatichl, D, unstetigL bd). 52 biderbe ho-
vesch = hövesch biderbe L^ cf. s. 329. 60 ungencedeclichen con-
jektur = genendeßtichen Bb Bech (gencedechlichen Ed, endelich
a, behendiglichen c, wnder liehe AL*); genendeclichen scheint
nicht allgemein üblich gewesen zu sein, die enstellung von ge-
Digitized by
Google
378 PAUL
nendic in gencedic haben auch im Gregor 1079 C und E; a und
c weisen hier mehr auf genendeclichen als auf gemedeclichen
hin; für un- ist gar kein anhält. 71 dä=^ dd L^ und 72 da
= nü cf. s. 332-3. 96 dicke und A = ofte und BEbdfLi; die
parallelstelle aus dem Rolandslied beweist nichts für einen
oberdeutschen dichter.
3801 ander Aa = andern DEcd (fehlt B) cf. s. 342. 04
von = von stner Bech cf. s. 359. 08 bedühie Adf = dAhte BDEac.
09 in ir AEa = ir BDbcd. 12 und Ad = zu streichen mit
BDEabf. 13 doch Aa = zu streichen mit BDEbodf. 15. 16
würben - verdürben AEb = würbe -verdürbe BacdL^ Bech (werve-
verderbe!))] 17 hezen AE (Jant h) = Heze BacdL^ Bech Qaze
D); 18 müezen E (müszen }:)) = müese Bech (müste 2icAy muoz
BDLi); der Übergang der Schreiber aus dem singular in den
plural begreift sich leichter als der umgekehrte. 32 von AEb
= under BDadf. 37 sach Ab = ersach DEacdf {gesach B).
45 al A = also Ead {als D, vil B, hart b, vnmassn f). 57 hüe-
ter AE = hüete BDbdL^ Bech (hüte man sl). 61 dahter A =
wägte erz DEadf (tet er BbL^ Bech; dies ist natürlich nur
eine der vielen änderungen der vorläge von Bb). 71 mit der
A = W2rBDEabdf. 80 swar = swä cf. Greg. 3042. 94 do
A = nü DdL^; im übrigen ist Lachmanns text beizubehalten
cf. s. 331.
3906 dlz Ad = daz BDEabf. 08 wceher AD (weger b) =
bezzer BEacd (vielleicht wceger); wceher kann nicht richtig
sein, denn wcehe bedeutet 'von stattlichem äussern', daher aller-
dings 'kunstvoir, aber nicht 'künstlich zubereitet' im gegen-
satz zum rohen zustande. Es hat nun auch wenigstens der
Schreiber von A nichts anderes gemeint als wceger y welches
hier einen vollkommen passenden sinn geben würde und mög-
licherweise als nicht sehr geläufiger ausdruck durch die Schrei-
ber mit dem synonymen bezzer vertauscht ist. wehe ist eine
mittel-, auch wol niederdeutsche nebenform von wcege, Sie
findet sich unzweifelhaft an 9 stellen bei Herbort von Fritz-
lar, die in^ mhd. wb. III 459^ unter wcehe gestellt sind. Man
vergleiche nur zu einer stelle wie Tristan 5391 mit alse un-
stützen mceren, daz si als wcege wceren verswigen alse vür bräht
die stellen bei Herbort 11821 So ist ez also wehe Hie in grozzer
nehe Als langer' gespert; 5916 Daz ist also wehe Daz ich es
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 379
vch bereite Als ich langer heite; 12129 So ist ez also wehe Daz
ich dir sage minS mvt Als vrunt frunte tvt Als ich ez dir lenger
hele] 13417 Ez ist also we in zit Als lafiger gebit (für gebeitet);
14599 Doch was ez also wehe Daz man balde sehe Waz man
tvn mochte Als man ez vor zochte; 18050 Des duhte mich also
wehe Daz ich sie sehe Uie die häde liefen Als wir beide sliefen ;
vgl. noch 2100. 3649. 9486 im mhd. wb. Hierher gehört fer-
ner Jerosch. 139.d si santin, als si dühte wehe, zurucke widir
heim ir pfert und wol auch ib. 96. b eine wehe stat si da ir-
weltin und 127.c doch was er vor den andern wehst und dem
kunge nehst, denn an andern stellen 37.b lU.b steht wegst
in demselben sinne und ist überhaupt auch sonst gebräuchlich
cf. mhd. wb. III 648^ 35. Ferner zwei stellen aus Köpkes
passional, die im mhd. wb. mit fragezeichen unter woehe ge-
stellt sind: 581,3 die ir leben heten ir reinekeit ergeben und
bliben dem vil wehe (geneigt, ergeben) und 513, 16 müste von
in ditz enpfän als wehe als betwungen (eben so gut geneigt,
freiwillig, als gezwungen). Hiemach erklärt sich vielleicht
auch Frauenlop Ettm. 61, 10 swem diu manheit wwhet , der
schämt sich zegeHcher tat ; wcehet könnte = wceget sein von
einem sonst nicht nachgewiesenen, aber sehr wol denkbaren
verbum wcegen, welches wie das starke wegen bedeuten würde
' sich günstig beweisen '. Was die lautliche erklärung der form
wehe betrifft, so scheint es mir am wahrscheinlichsten, dass in
der ausspräche g gar nicht in h übergegangen ist ; denn dafür
fehlen alle analogieen. Ich möchte vielmehr das h nur als
eine Schreibung für den weichen gutturalen reibelaut auffassen,
die sich daraus erklärt, dass im mitteldeutschen in vielen
fällen das alte h nach langem vokal in denselben übergieng,
welches dann entweder g {sägen, geschägen) oder nach dem
hochdeutschen lautwerte h geschrieben wurde; so mag man
sieh gewöhnt haben das h als tönenden reibelaut auszusprechen
und es daher auch zur bezeichnung desselben angewendet ha-
ben, wo er nicht aus h entstanden ist, gerade wie umgekehrt
häufig g im auslaute für altes h geschrieben wird. 15 alle zit
AEa == zaller zit BDbdf. 27 im e conjektur = im ADEafL^
(im da Bbd); notwendig ist e weder für vers noch gedanken;
dass CS in der folgenden zeile in einigen hss, steht, gibt uns
nicht die geringste berechtigung es in diese zu einem ganss
Digitized by
Google
380 PAUL.
andern verbum zu setzen. 37 *o AE = also abcdf L^ {als BD).
44 vür conjektur = vo/^/e^ BDEdL^ Bech (wol A); cf. Bechs
anmerkung. 48 und A = und im BDEacdf. 48 groze AEa =
starke Bbdf (fehlt D). 50 wände Db = er (der a, un Eb) wände
BEab (dazer A) cf. s. 335. 52 was im Ad = im was BDEa
(ime ward b). 56 lebende Adf = lehendic DEab (lebendiger ß).
3970 deheine A = d'^Ä^m er^ DcdfL^ Bech ^^re Ea, nach eren
muot B). Nach 84 ist wol ein komma; nach 88 ein punkt zu
setzen: die betrübiiis dartiber, dass. 89 erbe = ere cf. s. 339.
92 des AEa = dem BDbd {den f ) und alles AE {aller a) =
allem BD (a/m f, leyder h, fehlt D).
4006 mich = /»«> Bech cf. s. 357. Nach 23 ist ein komma
zu setzen mit L^ Bech. 25 — 7 lies daz dehein sache von ma-
negem ungemache also armiu möhte leben cf. s. 302. 3. 34 sam
Ad = als DEabf {also B). 55 des AEd {daz f ) = dis Dab
{disses B, diss'Bech); dises ist entschieden angemessener. ß2ie
mere conjektur = iemer mere AEcfL^ oder vielleicht iemer sere d
{sSre BD, vil sere b, also sere a). 66 lebende ABb (?) = lebenr
dig Dacd {lebendigen E). 67 öwcä me^^ ^z conjektur = ouch
istz {ist ez BDdfL^, nist iz k, ist b) niht ABDbdfL^ {ez[en a/
ist niht Ea). 71 wir ouch Ad = wjr BDEabf. 84 em dulte
ABf • (rf^r gedulte A = er (oder ^rn) wäi?^^ dulten DEab. 84 ^rre
conjektur = zu streichen mit Ea {die ADL^, ir b, von in B,
dannoch df); die verschiedenartigkeit der einschiebungen be-
weist, dass im originale nichts stand, und ^ es ist auch nichts
nötig. 90 starke AEd = groze BDabf. 95 ez ouch A '{auch
df ) = daz BDEab.
4101 entrüw Ad = getrüwe BDEabc. 07 der Adf = daz ir
Dab Bech {daz B). 15 iht k = des BDdf L^ (fehlt a). 26 daz
ez Aac = daz BDbd, 63 suochende Ad = suochen BDEabf.
76 von Ad = üz BDEadf, 87 und alze Ad = und ze BDEab.
97 das es in sichs ist gewis nicht persönlich zu fassen, son-
dern auf den folgenden satz und gap im zu beziehen.
4202 wan des Ad = des BDEabf. 05 bestcetet {bestceten B,
besteten kan b) = bestatet DEacdf {bestanden ne mohte A; also
nicht bloss in einigen hss. steht bestatet, wie Bech angibt; ein
zweifei, was hier richtig ist, kann gar nicht bestehen, da be-
stceten nur von den beiden engverwanten und, wie man sieht,
nach ihrer gewohnheit auch hier willktlrlich ändernden hss.
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTEN VERHAELTNIS DES IWEIN. 381
ßb gewährt wird. 06 hoh&en {holdem A) = höherem {hoherniBDEbf^
hoherme aL^ Bech, solchem hohen d). 13 bin Ad = bi7iz BDEab.
18 Sit AEa(?) = Sit daz BDbdf. 29 doch dm kämpf gesehen
A = den kämpf [doch E, auch AJ sehen BDEabd. 39 wizzen
= Tüizze L^ cf. s. 302. 40 erstirbe Ba = ersterbe ADb4f. 40
bevindet siz {[so] bevindet si L*) = äö si bevindet und dann 41
und daz ich = daz ich den cf. s. 333. 47 e ist conjektur = ez
ist DEadfL^ {daz ist A, ouch ist B Bech, und ist auch b). 52
et E {oh A, ye f) = zu streichen mit BDabd. 52 unbewant A
fungewant E) = übele bewant BDabdL^ 62 nü A {un Bb) =
do DEadf. 62 wartz im ouch (wart is im oh A, wart im ouch
Bech) = wart ez {es iL\ des D) im DadfL* {wart im E, wart
im wol Bb). 63 er Abd = erz BEf {ez Da). 65 von Aa =
vor BDbdf. 78 dn AD = sinen Babd. 79 herre AE = vriunt
her BabdL* Bech. 93 was d {was denn E, was germmmen a)
= was daz B {daz was f, geschach daz, diz was gescen A).
95 Gäwein = Gäwein was BDabf.
4304 seilen = gesellen alle L^ Bech. 06 hinnen Ab = von
hinnen BDEadf. 12 zwäre Adf = deiswär BEab. 15 stüendez
Aa = s tuende BDbd. 16 zg A = a/z^ BDabdf. 25 ^ör^^^ A
= getorste BDEabdL^ Bech. 25 iuch wol A {uch sin aL^) =
dn DEad. 27 m AD = einer BEabdf cf. s. 298. 33 sd Ab
= als BDad (a&o E). 34 slüegen ouch danne A = dannoch
{danne Ed) ^/ü^^m */ ouch (fehlt BDb) BDEabdf. 46 bewcerm
{bewerin a) = bewam ABDEbdfL^; es ist absolut unnötig eine
einzige späte hs. allen übrigen vorzuziehen, da bewarn einen
guten sinn gibt : ich werde es verhüten, nämlich dass wir beide
sterben. 52 und Ad = zu streichen mit BDEabf. 59 sach
Adf = ersach BDEab. 62 und Ad = in BDab oder und in cf.-
74 engegen AE = gegen BDabdf. 77 von Adf = an BDEab.
79 wol ADf = BEabd. 94 üf dm Hp vil {sere a) Aa = ofte
{diche BbLi) üf den Hp BDEbdL^ {auff den leib f). 95 vil diu
A = deste BDEabf {der d).
4413 ein niht AD = enwiht BEabdf. 21 ist niht vor des
mit allen hss. ABDEabdf und L* Bech wider herzustellen;
sollte hier ein gegensatz zu listvreude bezeichent werden, so
hätte auch vorher ein fragesatz stehen müssen (etwa welhiu
listvreude ist), so dass eine doppelfrage entstanden wäre. 25
heten Aac = hele BDEd. 26 sigten == g es igten alle hss. L*
Digitized by
Google
382 PAUL
Bech cf. 8* 296. 29 danne tu iemeii conjektur = daz tu daz
niemen L^ Bech cf. s. 305. 30 ein D = in ein ABacd cf. s. 377.
31 der man e Joch conjektur = der man phlach DdL^^ vielleicht
der W4X71 da phlach {der mmi dou plah A, der man e da pflac B,
diu da^ geschah Ebc, die ganze zeile: Do daz selbe geschah a);
es ist unnötig noch etwas gegen Lachmanns conjektur zu be-
merken, da er selber nur sehr schwaches zutrauen zu dersel-
ben hat und sie überhaupt jedes haltes entbehrt; es ist klar
dass pflach das tlrsprüngliche war, welches von den Schreibern
geändert wurde, weil sie anstoss an dem reime nahmen; cf.
zu 3473. 33 er vrägte Ad = do vrägter BDEabcf. 39 wären
Ad = wäret BDEaf. 45 sag ich iu conjektur = sd sag ich in
ABDcdfL^ Bech {ich sage iu Ea, wir sagen uch b; die conjek-
tur Lachmanns wird zum überfluss durch den. französischen
text widerlegt; der wirt erwidert auf die frage Iweins, ob er
nicht die gute haben wollte, ihm ihr seltsames benehmen zu
erklären, 3831 oil sHl vos vient a pleisir. 59 und mir Adf =
mir BDEab. 62 gerechen niene AB = niht gerechen DEabdf.
78 sint ABb = worden sint DEacdf; warum soll letztere lesart
in der voraufgehenden zeile hat ich erfordern? wenn hat ich
da stünde, würde worden nicht wol zu entbehren sein; dass
Mn ich da steht, macht das blosse sint möglich, aber darum
nicht worden sint unmöglich; warum soll nicht gesagt werden
können: ich habe sechs kinder, die alle ritter geworden sind,
den ritterschlag empfangen haben? dass man überhaupt nach
strenger logik das praeteritum erwarten sollte, ist eine andere
Sache. 90 got welle {enwelle Bech) daz ichz nicht gelebe {ih ruht
ne lebe A, ich es icht gelebe b Bech) Ab = got enwelle {tvelle
Dd) niht daz ichz gelebe {lebe DE) BDEacd {got enwelle daz ick
daz g, f). 93 ist das komma zu streichen und hinter 94 zu
setzen wie in der ersten ^uflage (bei Bech ist es wol nur
aus versehen auch hinter 93 stehen geblieben) und dann vor
95 sd mit den hss. ABDabdf (nur E hat Er welle ir) und L^
Bech wider herzustellen; es ist schwer zu begreifen, wie mit
sclhem ungeverte mit dem folgenden sollte verknüpift werden;
kann man überhaupt sagen: er will mit übelem benehmen die
Verheiratung mit ihr unterlassen? und worauf sollte sich dann
selhem beziehen, wenn nicht auf das vorher geschilderte? bei
der anknüpfung an beherten ist alles einfach und natürlich;
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTEKVERHAELTNIS DES IWEIN- 383
einen grund dagegen gibt Lachmann nicht an, natürlich ist es
bloss metrisches bedenken; dasselbe bestimmt auch Bech ze
wibe mit D wegzulassen, welches doch unentbehrlich fftr die
klarheit des gedankens ist. 97 hat Bech ze tvibe aus Dab ge-
gen ABdf eingesetzt; das französische spricht dagegen: 3864
OS plus vix garcons , . . la Uverra por lor deporz.
4512 si Ah = er BDd {ez a); ein auf mehrere Substantive
sich beziehendes pron. pflegt nach dem letzten construiert zu
werden. 18 ir het Aa = het ir BDEcdf. 36 unde = vür in
unde cf. s. 294. 44 swaz Aacf = srves BDEbd. 46 beteRches
A = beteUchen BDabdf ; beides kommt für den sinn auf eins
heraus; deshalb muss nicht beteliches stehen. 61 vrümekheit
Aa = miltekeii BDbcdf. 64 ^n Ab = si BDEadf. 77 sprichet
A = gesprichei BEabf. ^\ des Adf = zu streichen mit BEab.
4600 in allen A {den allen D) = allen den BEacdf 14
rvizze Ad = wizzet BDEabf. 20 vor A {da vor Ba) = vor des
DEbdfL^ 25 und rief Ad = unde BDabcf. 38 ezn müez im
{iz ne muzeme A [wie es statt B sicher heissen muss], ez milesse
im d) = ez nmoz im DEabf. 40 und ez Ade = ez DEabf. 41
wol Abf = harte wöl DEac {gar wol e). 45 sunder Ad = un-
der Ebcdf {über b). 52 daz Ad = ditz Eabdef. 53 ungevüe-
ger Ad = ungevüege DEabef. 59 daz siht Ad = siht DEabdf.
62 ichz mich AE = ich michz Dabdf. 64 gereit Ea = bereit
Dbdef (fehlt A). 74 hienc Adf = gehienc DEb {behinck ace).
75 und wan AEd = wan Dabef. 77 er Ad = er da DEabf.
92 daz AEf=/r Dabd. 94 daz da A.^ daz DEabdf. 94
mäntich Ad = männeclich DEabf. 95 üfme conjektur = üf ei-
nem EbdfL^ {eime) Bech {üf dem Da).
4729 in Ae = sin DEabdf. 30 mir A = im Ebf {nu d,
fehlt Dae). 30 in Aa = mich Ebdef {uns D). 36 hin A {in d)
= da hin DEabf. 40 erbarmt ez = erbarmt ditz DEab. 49
kume vruo AD = kumt so vruo Eabdf ; sd ist kaum zu entbeh-
ren und wird durch das französische bestätigt, cf. 3938 se li
jaians et vostre fil venoient demain a tele ore; vgl. übrigens auch
Iw. 4795. 73 geruochets b = geruochet sin ADEade. 75. 76
sind wider aus den hss. DEabcdef in den text einzusetzen:
dd ich im mine klage iete, do gelobt er äne bete; dass sie in A
fehlen, beweist natürlich gar nichts; dass sie in B nicht ge-
standen haben, ist nur Vermutung, da eben so gut zwei belie-
Digitized by
Google
384 PAUL
bige andere zeilen ausgefallen sein können, wenn über-
haupt keine abweichung von der Zeilenzahl 26 vorkam; der
Wechsel im tempus wird nicht unerlaubt sein. 95 vruo ac =
uns vruo Ef oder bloss uns BDbd.
4830 enkumet A = kumt BDEabcd. 45 im do AE = imz
dö d {ez im do DL^, im daz Bb Bech, ez acf). 64 dicke Aa
= ofte BDEbd. 65 under A = und her die übrigen und Bech.
70 dahie A = gedähie die übrigen und L^ Bech. 70 darf f =
bedarf die übrigen und L^, 76 darf= bedarf alle hss. (auch
f) L^ Bech. 79 — 81 als bedingungssatz zu fassen berechtigt
uns die von Lachmann angefahrte parallelstelle ez wcere warm
oder kalt nicht; dergleichen stellen lassen sich in menge an-
fahren, jedoch der sinn ist dann immer ^gleich viel, ob das
eine oder das andere der fall ist*, aber nicht ^wenn eine von
den bedingungen einträte*, wie es hier verlangt würde. Bech
stellt mit D um: möht ich; aber das heisst den knoten zer-
hauen statt ihn zu lösen. Mit Benecke die zeilen als einen
selbständigen hauptsatz zu fassen geht nicht an; dazu müste
der von ihm ergänzte Vordersatz wirklich dastehen. Es bleibt
also doch vielleicht nichts anderes übrig, als sie mit Bb vom
vorhergehenden satze abhängig zu machen; mit diesen hss.
darum ichn zu schreiben ist nicht notwendig. Allerdings,
wäre es möglich nach wirklich zutreffenden analogieen sie als
bedingungssatz mit dem folgenden zu verbinden, so würde das
vorzuziehen sein.
4905 kmt = unde ir kini Bech und 07 die = sich d Bech
cf. s. 344. 5. 09 nihtes A = niht des BD {des nicht d, des iht
E, daz nicht f, daz icht a, nicht b). 10 ste Ad = geste BDEabf.
24 tvarc (werch d) = getwerc BDEaf {twerh A, zwerg b, twerc
Bech) und der Ad = daz BDabf Bech; dass wäre durch das
der in Ad genug bezeichnet wird, ist nicht richtig, denn twerc
ist im mittel- und niederdeutschen masc; es kann daher höch-
stens das Zeugnis von d dafür in anspruch genommen wer-
den. 48 im Ad = zu streichen mit BDEabf. 59 seilen = ge-
sellen alle hsB. L^ Bech. 66 burt b = geburt ABFL^ Bech.
70 solder Ad = sol er {sol ers a) oder muoz er BDFb. 87 und
sweder Ad = swederz BDFb {welchiz a).
5006 enweder Ab (deweder B) = weder DEad. 19 wäfen
Aa {zu waffn f ) = gewcefen BDbd. 22 ist es vielleicht nicht
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIK. 385
nötig das siangm aller liss. in stmige zu ändern, da der dich-
ter sich der schwachen neben der starlcen form bedieut haben
könnte- 24 er AE = er also Dabdf, {er als B L^ Bech). 32
hne = im in dem L^ {in dem Bech) cf. s, 295. 37 ab {aber A)
= 7ioch BdL^ {nach, dann dem slage f, fehlt Eb). 50 sach AEd
= ersach BDabf. 56 unz = und cf. s. 332. 58 tvancte diu Bb
= wante die AcdL^ {ivantgegn dem lewen diD^ errvante dieT^j
daz dg grosse a); die autorität von Bb hat natürlich gar kei-
nen wert; und wie wenig passt der sinn, der doch kein ande-
rer sein könnte, als ^in folge der erschiitterung durch den an-
griff des löwen schwankte die rute hin und her'; das folgende
und do er nach dem lewen sluoc setzt aber voraus, dass vor-
her geschildert ist, dass er anstalten zum schlage gemacht
hat; es ist klar: entweder hat Hartmann ruote zugleich stark
und schwach gebraucht wie stange cf. zu 5022 und poiHe cf.
1267. 1704, oder wenn man dies nicht für möglich hält und
sich berechtigt glaubt bei den beiden letzteren gegen, alle oder
gegen alle aus?scr einer die schwache form in die starke zu
ändern, warum nicht auch bei ruote? 69 gerochen Aa= er-
rochen DEbdf. 71 da vor E ist schwerlich richtig; abgesehen
davon, dass es nicht besser beglaubigt ist als die verschiede-
nen lesarten der übrigen hss. {da engegen b, die wnde ginc A,
rehte B, an dg stat a, durch in f, da viel er vor d; letzteres
kommt allerdings E einigermassen nahe, ist aber doch zu ab-
weichend, als dass mit einiger Sicherheit behauptet werden
könnte, dass beide auf eine gemeinsame lesart zurückzuführen
seien), so passt es nicht zu durch in gestochen; ebenso will-
kürlich ist es mit L^ die lesart von A, mit Bech die von B
aufzunehmen, wiewol letztere von selten des sinnes untadel-
haft ist; die abweich ungen der hss. zeigen uns wol, dass in
ihrer quelle nichts anderes stand als da daz herze lit. 89 be-
halten Aa = bestatten BEbcd cf. s. 345. 99 beide = vil gar cf.
s. 302.
5103 mich Ah = ?nich des BDEadf Bech. 07 hern D {min
hern A) = den herren BabdfL^ Bech. 07 Gäweinen= Gäwein
BDabdf Bech {gaweine A). 15 iuriu {iuweriu B, iweriu Bech)
= in7ver ADabdf. 19 herre da hAi=herre BEa (heren der
ADLi). 21 iu ADb = in hie BEadf. 33 ist Aa = daz ist
BDbdf. 37 striten AE = ersMten BDabcdf. 60 und hete sichs
Beiträge ztir geschichte der deutschen spräche 1. 26
Digitized by
Google
386 PAUL
Itbes conjektur = wan si hete sich des libes ADEadL^ {wan des
llhes hei si sich Bb Bech); die einwände Lachmanns gegen
das überlieferte sind unbegründet-, an den conjunktiv wirdwol
kein,leser denken; der gegensatz tritt schärfer hervor, wenn
des llhes vorangestellt wird, aber notwendig ist diese Stellung
durchaus nicht und wir haben daher in Bb eine willkürliche
besserung anzunehmen; weshalb übrigens, w^enn man hete als
conjunktiv fasst, etwas anderes über die Stellung gelten soll,
da doch der gegensatz ganz derselbe bleibt, vermag ich nicht
einzusehen; und eben so wenig wird der gegensatz aufgeho-
ben, wenn man wan in und ändert; denn sobald der gegensatz
nicht mehr empfunden wird, ist der ganze gedankenzusammen-
hang zerstört. 80 hie üf s% k = hie über st dL^ Bech {über
si hie Bb, über si Da. 87 den wec = wec cf. s. 303. 88 si
Ad = sich BDEabf.
5208 sßilen DE = gespilen ABFbd {gespil a). 12 tum
AE = getürre Dbdf. 16 spile E = gespile ABDFabd. 59 seht
Adf = seht ir a {s. ir rvol Bb, s, ir doch DE) ; der indicativ
ist angemessener. 64 muget Ad = ?migt mir BDEab Bech.
88 gänk2i = stän BDbdf.
5304 lan AD {gelan bf) = verlän BDEa. 27 das kolon
hinter sper ist wol nur druckfehler. 28 sine Ad = die BDEbf.
31 muot in d {müet in B, gemoet in Ec) = muote im A Bech
{gegent im Db, vdszt in a); ich weiss nicht, warum Lachmann
trotz der richtigen erklärung in schreibt, welches doch nur
durch misverständnis veranlasst ist. 47. 48 scheint Lachmanns
herstellung allerdings durch den französischen text bestätigt
zu werden cf. 4493 que de ses cos valt li uns seus des lor ioz
a messure deus, wenn wir den fall nicht etwa unter die a 326.
angeführten zu rechnen haben; doch ist auch der sinn an und
für sich so am besten, und die Verderbnis ist sehr begreiflich;
wir wären hier also einmal genötigt von der bessern hand-
schriftlichen autorität abzugehen; aber, wenn uns das auch
lehrt, dass der zufall öfter gegen alle berechnung sein spiel
treibt, so ist das noch kein grund darum die berechnung über-
haupt bei Seite zu setzen, die uns jedenfalls einen hohen grad
von Wahrscheinlichkeit gewährt, und uns ohne zwingenden
grund der Willkür zu überlassen. 51 vrouwen = juncfrotm dXlt
hss. (auch f ) L^ Haupt (zum Erec s. 413) Bech. 52 dazz con-
Digitized by
Google
HÄNDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 387
jektur {daz AafL* Becli) = daz er BDbd. 57 nu ist er A (er
ist a) = nu ist got BDbdf. 74 shien Af = den BDEabd. 79
dez {daz Aad Becli) = im daz BDb {von im daz Ef, ime abe
das e und Wigal.). S5 vor Ad = von BDEa. 96 bestuonden
Ad {bestunden nie D) = bestuont nü a {nu bestunt E, bestunt
ein B, bestunt ny b).
5401 sin = slner helfe alle liss. (auch f) L» Becli. 27 ist
von Beeil mit unrecht sehaden aus den auf gemeinsamer quelle
beruhenden hss. BbD aufgenommen. 52 al conjektur = also
ABEad {als D); also bedeutet ^demgemäss, weil ihn niemand
erkante'; Lachmann wendet ein, dass dadurch der gedanke
nicht sonderlich gehoben würde; wird er es vielleicht mehr
durch eine mtissigc Verstärkung von ilhte'^ nur das versmass
ist doch der wirkliche grund zur änderung; dasselbe hat L* und
Bech veranlasst von nur mit D zu streichen. 67 ?iiemer me Ad =
niemer BDEabf. 80 niemer = er spraeh hiiemer alle hss. L^
cf. 8. 377. 89 an A {äne L' Bech = wan B {wenfi i) niwan E,
newr a, dan Dabd). 90 7iein ez = Ja cf. s. 334. 90 vrouwe
AB = zu streichen mit DEabd.
5510 do sprach Ad = sprach BDab. 21 im = si sprach
'im alle hss. L« cf. s. 377. 22 kan = hän L^ {han Bech) cf.
s. 325. 37 ruochc tu Aa = tnioche BDbdf. 51 Lünete A =
vrou Lünete BDabdf Becli. 56 si Ad = si im BDEabf. 60 so
getriuwe = getriuwe cf. s. 334. 82 sin herze = sin herre was
ABEadL^ Bech {wan er was Db). 92 engegen AE = gegen
BabdfLi Bech {zu D).
5621 do AE = hie BDdL^ {sus ab). 32 beide D {beide
sin AL^) = stnen BEabdf. 32 sin Ab = daz BDEadf. 33 der
= der ABDEbdf Bech. 33 lebendige = lebendic AEadL* {le-
bende BDbf Bech). 37 dem Adf = ir BDEab. 40 diz A {daz
a) = disen BDbdf. 41 daz Aa = den Bdf (fehlt Db). 52
zwäre Ad = deiswär BEaf (fehlt Db). 63 gemarhte AB =
marhte Dabd. 70 greif AD = begreif Eadf {ergreif Bb). 86
genädet er Ad = genädet BDbdf.
5703 harte AEd = vil BDabf. 23 niemen AEf = niemer
dL* oder niht Bab (fehlt D); niemen ist unpassend, denn es
handelt sieh hier nur um die Schwester; es scheint siu» niemer
verderbt zu sein. 33 mnes A = mtnen BDEabdf. 37 wan AD
= wan do f {und da d) oder bloss do BEa {do aber b). 44
26*
Digitized by
Google
388 PAUL
vierzec ABaf = vierzehen DEbd cf. Clirest. 4795 au moins jus-
qu*a XII II jorz, , 47 er AD = der Babf. 48 sis A=st
BEad (si ir Db). 54 joch c = ir noch BDadL ' {dan noh A).
62 ^i AD = si der BEadf {sie ir b). 62 mi;a^^ AE = vant
BDabdf. 69 geverte AD = gewerp BEabc {gervs f, arbeit b).
5805 vil Ab = ö/äö adf {als BD). 11 ^« öwtrÄ Ab ^ öwcä
5* Badf {si D). 47 ^/ B = zu streichen mit DEaf {oh A, doch
d); die zusätze in A und d setzen nicht voraus*, das et in
ihrer vorläge stand, machen es vielmehr wahrscheinlich, dass
nichts da stand. 71 ^^ d {dar k^ welche aber ganz abweicht)
= als BDbc; da könnte es nur heissen, wenn nach der tnäze
gar nicht da stünde; es ist aus misverständnis der richtigeu
beziehung entstanden. 78 rite si.A == rieten ir adf {wisten si
D, hiezzen si fragen Bb); nach dem Vordersätze von A U7ide
rite st vürbazy würde man als naclisatz erwarten: so würde
sie Lunete treffen, die ihr auskunft geben könnte ; dieser nach-
satz kommt aber nicht, sondern statt dessen folgt zunächst
rvolt st tvizzen mcerej was bei einer vernünftigen gedankenord-
nung notwendig vor rite st vürbaz hätte stehen müssen, und
dann wird gesagt, dass ihr Lunete auskunft geben könnte, aber
nicht, dass sie dieselbe, wenn sie auf ihrem wege vorwärts
ritte, treffen würde; das wird weder ausdrücklich gesagt, noch
so verstanden; denn erst im folgenden geben die leute an,
wo Lunete zu finden sei in der kappein hie bt und fordern die
Jungfrau anf dahin zu reiten; es wird nicht gesagt, dass die
kapelle auf ihrem wege liege; dagegen bei der lesart von
adf, die bei den abweichungen der übrigen die beste beglau-
bigung hat, ist alles klar; der sinn von 77. 78 ist ^die sagten
ihr das (nämlich . dass er den truchsessen und seine brüder
besiegt hätte 73. 74) und gaben ihr dann ferner rat*; darauf
sollte nach strenger logik folgen *wie sie erfahren könnte,
wohin er sich gewendet hätte'; statt dessen wird mit dnem
leichten, durchaus tadellosen anakoluth fortgefahren. Diese er-
klärung wird auch durch das französische bestätigt, wenn
dasselbe hier auch nicht sehr wörtlich stimmt; es heisst 4936
et eil dienty qu^il tor avoieixt veuz JII. Chevaliers conquerre:
Hartmann sagt bloss die sagten ir dazy weil er den Inhalt
ihrer erzählung schon vorher in einem nebensatze angegeben
hat; darauf fragt die Jungfrau die leute um weitere auskunft,
Digitized by
Google
HANDSCHßlFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 389
und sie antworten, dass niemand ausser Lunete ihr dieselbe
zu erteilen im stände sei, welche in das münster gegangen
sei; während deni kommt Lunete schon aus dem münster
heraus, das also in unmittelbarer nähe gedacht wird, etwas
abweichend von Hartmann.
5903 d(t d {dar A) = zu streichen mit BCDEaf {so b).
20 alsus BA = also CDbdf. 21 «/ A = alUu BCDabdf. 25
und diu Adf = diu BCDab. 37 in Aa = si BDbdf und 38 im
Aa = in BDbdf; dem in z. 36 bezieht sich nicht auf rvirt^ son-
dern auf gesinde, worauf dann nach gewöhnlicher mittelhoch-
deutscher weise der plural des pron. bezogen wird; der wirt
geht der Jungfrau erst später entgegen und empfängt sie, sie
kann ihn nicht schon vorher gefragt haben. 50 vielleicht und
ist mir anders niht erkant cf. s. 326. 54 nie des AC == des niht
BDab {des nye df). 57 e = hie alle hss. L^ Bech. 60 ouch
Ad = zu streichen mit CD^ {hie B). 77 dähte A=gedähte
BDabdf. 79 ich Ad = ich danne BDabf. 96 eneben A = neben
BDabd.
6008 ouch er B {er ouch d) = er Dab. 35 gennset Ad ='
bennset BDab. 46 mit A = zuo ab {ze BD, hey df ) ; zuo {ze)
hat die beste autorität für sich ; für den gebrauch von ze = bi
lässt sich am nächsten vergleichen Trist. 6421 so nemel ir un-
ser da ziu war. 51 sit daz = sit BDabf. 74 gar Ad = vilgar
Bab {vil wol D). 88 do Abd = nu BDaf. 89 al = alle alle
hss. L K 95 hat Aa = het Bcd {hiet f ). 95 wol Aa = hie wol Bcdf.
6102 nü wer Ad = wer BDabf. 04 gotes AD\) = der {des
a) gotes Badf. 08 diz Ad =-= daz Babf {z D). 14 und ich d
{ih A) = unde BDbf. 33 niene zürnt Aä = nu enzümet niht
BDab Bech. 39 Jane redent siz Ad == sine redent ez BDbf {ich
enreddiz a). 65 sach Ad = ersach BDabf. 66 der Ad = er
BDabf. 68 zware Ad = wol BDb {vil wol Ea). 72 sintern B
= sümt er sich cdf {sumter AL^, siunt er DEab); B steht mit
der transitiven wendung ganz allein und verdient schon des-
halb keine berücksichtigung; das intransitivum oder reflexi-
vum wird gesichert durch Chrest. 5178 haste de venir
amont; es würden sich die Verschiedenheiten der Überliefe-
rung am besten erklären, wenn ursprünglich sich nicht da ge-
standen hätte, aber allerdings scheint das intransitive sümen
nur mitteldeutsch. 82 was Ad = wart BEacf.
Digitized by
Google
390 PAUL
6215 wären AEh = was BDadf. 17 vleisch mitten Ab =
daz vleisch zuo den BDad 18 tnuosen = muose cf. s. 234. 50
e D = hie BabdfL^. 52 e Ad = hie Bab (fehlt D). 55 daz
Ad = do BDabf. 55 her ADf=dä her ßbd (hy her a). 59
graezer Aa = ein grwzer BDbd. 60 so lige ich {ih ne lige A)
= so gelige ich BDabdfL^ ; eine sonderbare benutzung der hs.
A: während zugestanden wird, dass sie hier willkürlich än-
dert, soll sie doch in der weglapsung der präposition gegen
alle andern, welche das ächte sonst richtig bewahren, recht
haben, während doch von Laclimann ausdrücklich bemerkt ist,
dass A stets nach der negation die vorsilbe ge weglässt. 67
armwip {arm wip E) = armiu {arme ADa, armen bdf, fehlt B)
wtp L^; eine noch schlechtere gewälir als hier hat armwip
7317, vfo keinarm^ wip, alle übrigen ei7i armez my; haben; eben
so wenig kommt in betracht, was Bech anführt, dass im Gregor
268 die vaticanisclie hs. arm wibe hat; das ist nur eine ab-
ktirzung für armen, wie sie auch sonst in dieser hs. vorkommt;
armwip ist also nirgends belegt, und wenn es vorkäme, so
würde es nach analogie von armman (welches freilich auch hie
und da ohne berechtigung eingeschmuggelt wird) nur bedeuten
können *ein weib aus niedrigem stände', aber nicht ^elendes,
unglückliches weib', welclie bedeutung an den betreifenden
stellen erfordert wird. 68 in Asi==den BDbdf. 89 wart Aaf
=^en?vilrde B {wurde Dbd) und demgemäss ein komma nach
unervo'ret Bech. 91 daz AD = zu streichen mit BEabdf {und
c). 91 U in ADcf = da U in Ead {under in da Bb).
6307 diu {die f) = disiu BDEabdL^ {diz A); dass hier ein-
mal eine » conjektur Lachmanns sich in f findet, bestätigt die-
selbe natürlicn noch nicht ; wenn man eine elision in disiu nicht
zugeben will, so braucht man nur doppelten auftakt anzuneh-
men. 11 und ich Aa = und BDbcf. 14 hie an iu Af {wol an erv
d) = an iu hie Bb {uch ane a, uch hie in schäme D). 20 Imri
= gehurt alle hss. L^ Bech. 30 durch dne Aa = von slner
BDbdf. 37 morne a = morgen ABDdf. 46 rnorne = fnorgen
ABDbdfLi {leider ä). 46 gesehen Aa = sehen BDbdf. 47 den
jamer A {der jamer D) = swaz jämers Eabdf {daz iamers B);
die auslassung des relativpronomens bei Hartmann bedarf bes-
sere gewähr. 52 der was Ac = was BDabdf. 74 ze A {alze
E) r= so BDbL' {also af). 75 iemer Aa = niemer BDb. 76
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 391
müge AE = wac Bacf {macht b); ,man kann hier allerdings
noch etwas zweifelhaft sein, weil d fehlt und die Veränderung
der lesart von AE sich leichter begreift als die umgekehrte,
und weil endlich auch das iemer in a noch auf die lesart von
AE hinzuweisen scheint. 96 sprechet Ab = sehet BDad.
6403 vil AE = zu streichen mit Bbcdf (so a). 16 iun ist
mindestens sehr zweifelhaft: Aa haben ti, B m m, D m ouch,
b sy uch; wir haben also für die Stellung iu in gar keine ge-
währ und in kann auch in Aa eben so gut vor iu ausgefallen
sein. 38 e A = vor des BDabf Bech {darvor d). 68 diiz Ab
^daz Bad {dez D). 91 er Aa=*J BDbdf Bech cf. s. 346.
97 ich wcene statt des tiberlieferten er sprach aus der nach-
ahmung Ottokars einzusetzen berechtigt uns nichts, da dieser
natürlich seinem zusammenhange gemäss ändern muste; es
kann daher nur als eine conjektur ohne jeden anhält ange-
sehen werden; si sprach kann, da es nur in D überliefert ist,
keinen anspnich auf autorität machen; daher schwebt auch
der von Bech aufgenommene verschlag Lachmanns sl sprach
daz tiian an kinde niemer rvwne vinde ganz in der luft, so an-
sprechend er sein mag; doch weist wol rehter site darauf hin,
dass hier nicht bloss auf ihr sprechen bezug genommen sein
kann; es fragt sich erst noch, ob man nicht hei der Überliefe-
rung bleiben kann; er sprach kann wol gefasst werden; 'er
sprach bei sich*; für die anomalie in der consecutio temporum
lassen sich vielleicht noch parallelen beibringen,
6504 siner A = stn selbes BDEbdfL^ {yn selber a); sin sei-
hes ist zu gut bezeugt, als dass es zurückgesetzt werden konnte,
und hilft dazu er sprach in z. 3597 zu bestätigen ; wir können
nicht umgekehrt eine vorher gemachte conjektur dazu benutzen
um hier über eine lesart gegen die bessere autorität zu ent-
scheiden; wir würden übrigens rein nach der autorität der
hss. in dieser zeile statt st AEa im nach BDbdf zu setzen ha-
ben; da aber der Zusammenhang unbedingt das erstere ver-
langt, so haben wir anzunehmen, dass hier durch einen zufall
df auf die selbe änderung gekommen sind wie die vorläge von
BDb. 12 vil Adh ==verre DEb (fehlt a). 20 wol gliche (vil
wol B; ausserdem haben AbL^ wol in der vorhergehenden zeile
hinter si) = gelichd ADEabd. 43 im A = in BEabdf. 44 mi
Ad = daz BEabf {ir d). 55 dähter = gedähter alle hss. (auch
Digitized by
Google
392 PAUL
f ) LI Bech. 60 ze AB = so Dabdf. 69 vol D (enuolln f) =
wol BL/ (vil wol A, da d, w^Y frouden Eab. 75 /<?;wer ist durch
coBJektur eingesetzt und ist ein lästiges flickwort; der A^rs
scheint allerdings zu kurz für 4 heb un gen, aber nicht wegen
Lachmanns metrischer, regel, sondern weil die form selheme
für Hartmann unwahrscheinlich ist; dieselbe ist übrigens nur
in A überliefert^ BDf haben die schwache form selheriy b selhe^
. a seiher; es gäbe verschiedene leichte mittel 4 hebungen her-
zustellen, aber ich wage es weder von der echten Überliefe-
rung abzugehen, noch ein bestimmtes urteil über die natur
dieses verses zu fällen. S3 diu ginc A = gienc DEadf. 96 daz
in AE = daz in nach (noch Dab) Dabdf L^ (den ez nach B).
97 dickest Aa = oftest BDbdf.
6604 sigte k = gesigte BDabdfL^ Bech cf. s. 296; Beclis
Umstellung gesigte beiden stützt sich nur auf Bb und ist darum
unzulässig. 06 tmd Ab = zu streichen mit BDadf. 08 habe
M=hän die übrigen L^ Bech. 11 die wH st unenvunden sint
= um si niht übernnmden sint cf. s. 305. 19 dicke Aa = ofte
BDEbdf. ^?^ üzer k=üz der BDabf (ilber d). 45 ist wer
nach diu mit den hss. (nur bf haben dafür got) L* Becli wi-
der in den text einzusetzen; der vers ist mit doppeltem auf-
takt sehr wol zu lesen; die auslassung scheint ganz unmög-
lich; in der von Lachmann angezogenen stelle aus dem a.
Heinrich ist detn entweder auf ein frier human IIb oder auf
sin hof 780 zu beziehen. 47 diiz Aa = daz BDbf (des d). 64
ein A = einer BDabdL^. 70 nieman = itn (ims Ebdf ) jiiemer
ABDEabdfL^ Bech; wider ein fall, in dem Lachmann, nach-
dem ihm ein metrisches bedenken gekommen ist, auch nach
einem inneren gründe gegen die Überlieferung gesucht hat, der
aber durchaus nicht stichhaltig ist ; denn so gut wie er bis 5S
zurück auf im. (Iwein) bezogen werden kann, gerade so gut
kann im bis 60 zurück auf im bezogen w^erden ; man darf frei-
lich dem leser das auffinden der beziehung nicht dadurch er-
schweren, dass man einen absatz bei 63 macht. 72 ez imXh
= ez BDadf. 86 hete^z Ad = heten auch BDab. 98 ir tms
mit im (ew d) Ad = er uns mit iu BDbL^ Becli (oder uns mit
im f ) ; man müste zu völliger Sicherheit allerdings die lesarteii
von Ea kennen.
6705 üf A = durch ABDabf cf. s. 359. 11 vwhtai AEa
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTFNVERHAELTNIS DES IWEIN. 393
= gevwhten BDdf. 12 in = hin alle hss. L^ cf. s. 359. 20 der
stnt AE = wan der sfrtl BDabdf L^ 20 der was A = was
Eabdf LI (ist BD). 23 der wart A (der ward im dL^) = der
was im DEab (den Helen si B). 28 anders Aa = ander BDbdf
Beclu 30 dem Aa = den BDbdf L^ Bech cf. s. 346. 39 ge-
hörte AD = erhörte Babdf. 39 gesach Ab = ersach BDadL^.
42 daz Ab = da Badf. 47 6?^r AD {er a) = zu streichen mit
Bbdf. 54 geleit AB = leit Dadf (er/^^Y Eb). 60 der ABb =
sin DEad. 64 seile = geselle alle hss. L^ Bech; Bech lässt
hier 7iiht weg, welches schon L^ in klammer setzt; diese weg-
lassung bedürfte denn doch wol erst der rechtfertigung. 66
dräte den lewen A {den Ihm drate B) = den lewen Dabdf. 67
haben Ade = hän DEab. 69 in df = in e DEabL^ Bech (ine
A) ; e ist wegen des gegensatzcs nü in der folgenden zeile not-
wendig. 72 so A (als f) = zu streichen mit Dab (iin Ed).
78 da Ab = swä DEadef. 85 in dö A = in cdf (heidenthalben
Da). 86 beide der lewe untter = hie der lewe, do?^t der cf. s.
359. 92 in = zu streichen und 93 sin = ir cf. s. 302.
6802 dö sprach er A = er sprach DEabdfL*. 20 nu in
AB = in DEabcdf; ob dann bloss dise^i mit AB, oder eine
zahl dahinter, und welche (doch mehr als sieben müssen es
sein cf. 6845) ursprünglich dagestanden hat, lässt sich schwer
entscheiden; man wird aus den Zeitbestimmungen Hartmanns
überhaupt nicht klug: der kämpf wird über sechs wachen an-
gesetzt 5756; die jüngere Schwester reitet verre durch diu lant
(5761), bis sie von der irrevart krank wird (5766), worüber
doch jedenfalls nicht bloss ein paar tage verstrichen sein kön-
nen; darauf wird die tochter ihres wirtes ausgesendet, welche
allen einen iac (blll) reitet, bis sie des abends zu der bürg
kommt, wo Iwein den riesen besiegt hat; am andern tage er-
reicht sie Iwein (5967), und nun sollen es noch sehstehalbe
Wochen bis zum kämpfe sein (6027), ein unläugbarer Wider-
spruch, da danach die irrevart nur ein oder zwei tage ge-
dauert haben könnte; und jetzt ist seitdem erst wider ein tag
verflossen; es scheint, dass Hartmann für die heilung Iweins
nach dem kämpfe mit den beiden riesen zeit gewinnen wollte,
wozu 7 tage verbraucht werden (6845), während Chrestiens
ihn sofort aufbrechen lässt (5763 tantost mes sire Yvains s'an
tarne qui el chastel plus ne sejorne), femer für das geleit, das
Digitized by
Google
394 PAUL
er den befreiten frauen gibt (6857), welches gleichfalls bei
Chrestiens fehlt, wo vielmehr die frauen ihn mit dem stadt-
volke ein stiick begleiten; daher hat er durch die sehstehalbe
Wochen den anschein zu erregen gesucht, als sei der bei' wei-
tem grössere teil der gestellten frist noch übrig, während er
doch nach der vorangehenden darstellung schon verflossen sein
muss. 26 ich AD =ich danne adf {denn da hy da B). 27
wurde Asib=wcere BDdf. 31 ie iuch h (e u A) = iuch ie
BDadf. 32. 33 Ir, welches nur in A vor harte steht, ist vor
iuch zu setzen mit BDbdL^ (nach üch a). 33 harte AB (herre
f, vil b) = immer DEad). 33 gerne A = gar BEabfL* Bech
{mer d, fohlt D). 49 daz Ab = diu BDEadf; sie reiten doch
nicht beide auf einem pferde. 51 ir AE = den BDbdL^ 78
lange BD = langer {lenger) Eabdf (in A fehlt die zeile). 80
enweder (nie weder A, deweder BL^) = weder DEabdf. 90 al-
sus AEf = also BDad. 95 saz = saz da cf. s. 334.
6905 niemen da hekant = da (fehlt E, doch a) nieman er-
kant BDEabdLi Bech. 30 dazz {daz ^zAEb) = daz DadfLi
Bech ; daz ez verstehe ich nicht. 39 ditz Db {dich H) = nü
ditz BEaf Bech {euch das d; Hb haben nu in z. 41). 56 immer
Dd = tiure BDHb {wil a). 82 d'ors {diu ors DEH Bech) =
diu ros BabdfL*.
7023 doch Bd = ez DEHab. 44 ist Hb = was BEdL».
53 ou^h D = doch BHb {hie d; fehlt a). 7058 dies wäre viel-'
leicht die einzige stelle, an welcher man eine von Lachmaun
gegen alle hss. gemachte conjektur notwendig finden könnte;
indessen gevriunt von herzen und mit gesehenden ougen Mint
sind doch keine gegensätze, wie sie nach Lachmanns herstel-
lung sein müsten; der gegensatz zu Mint liegt vielmehr in -ge-
sehenden, der gedanke ist in sich abgeschlossen und kann kei-
nen vorhergehenden gegensatz gebrauchen; ein voraufgehendes
^dass sie zwar herzensfreunde sind' verlangt als gegensatz
^aber sich doch fltr feinde ansehen, als feinde behandeln'; be-
steht aber nicht ein gegensatz in der art, dass mit gesehenden
ougen blint der eigentliche hauptgedanke ist, dagegen gevritmt
von herzen nach strenger logik die form des nebensatzes tra-
gen sollte, so ist durch Lachmanns weglassung von machet si
die wirkliche Schwierigkeit, welche das tiberlieferte bietet, nicht
weggeräumt; diese besteht darin, dass anscheinend ihre freund-
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 395
Schaft als eine folge des unterbindens ihrer herzen dargestellt
wird; sollte man den gedanken vielleicht so fassen können:
die unkünde verhinderte durch das underbinden, dass ihre
freundschaft zur geltung kam ? 66 der BEa = sin Dbdf ; dar- •
auf ist wünsch mit der minuskel zu schreiben wie L^; Bech
erklärt 'das höchste und beste flucht ihm, d. h. wendet ihm
den rücken, wird ihm nicht zu teil'; das wäre ein ganz vager
allgemeiner gedanke; etwas viel bestimmteres in den Zusam-
menhang vortrefflich passendes gibt Beneckes erklärung, an
der er mit recht gegen J. Grimm und, wie es nach der ma-
juskel im text scheint, auch gegen Lachmann festgehalten hat:
'das was er wlinscht, wird ihm zum fluche'; dann aber ist
sin statt der, wo nicht notwendig, so doch gewis viel deutli-
cher; der kann erst von den Schreibern eingesetzt sein, denen
die im mittelhochdeutschen so gebräuchliche personification von
rvmisch geläufig sein muste; gerade wie hier, ist auch im 2.
btichl. 113 7nir hat der wumch gefluochet mit Benecke zu er-
klären gegen Haupt und Bech; denn der satz bildet mit den
acht vorhergehenden Sätzen nur Variationen desselben grund-
gedankens: ich hm von liehe michel leit: mich ermct mtnrichcit:
daz mir ze scelden ist geschehest, des miioz ich ze unscclden jehen
etc.; es wird niclit zu kühn sein hier gegen die eine späte hs.
min zu vermuten. 66 so Ba = also DEHbdf. 68 swenne BDb
= so Ead. 69 stveder ir cd = srveder BDEHabf ; ir ist nicht
notwendig. 81 enweder {nie wider A, deweder BL^) = weder
DEHabd.
7103 in hundert stücke Aab = ze hundert stücken BDHd
{ze chlain stukchn f). 04 mänlich AE = manneclich BDHabfL^
04 da A, nach mamieclich D == zu streichen mit BEHabf. 08
ietweder Aa = iesllcher BHf oder ieglicher Dbd ; es ist nicht
nachweisbar , dass schon zu Hartmanns zeit ietweder = nhd.
jeder gebraucht worden ist; wenn Lachmann auf die anmer-
kung zu 4936 verweist, so ist dort eben von Benecke gezeigt,
dass an den beiden andern stellen, in denen ietweder sich schein-
bar auf mehr als zwei bezieht, es doch auf ein paarverhält-
nis geht; vielleicht nahm ieweder im nieder- und mitteldeut-
schen früher als im hochdeutschen die neuhochdeutsche bedeu-
tuDg an. 20 von diu A = da von Df oder vielleicht da von so
BEHa {durch das b). 45 unde A = und äne BDEHabdf. 55
Digitized by
Google
396 PAUL
's Ab = sin BDad. 55 dicke Aaf = o/lte BDbdL*. 74 verlege-
ner AEH = verlegen BDabdL ^ Bech. 81 alsus Ad = also
BHbdf.
7212 der Hbe conjektur = mit dem Übe ABDbcL^ {mit ir
übe Edf, mit libe Bech); das emjambement, wie es Lachmann
annimmt, ist unerträglich; die praecision des gegensatzes lei-
det darunter, wenn zu arbeit ein genetiv hinzutritt, dem kein
entsprechender zu ere gegenübersteht; übrigens, wenn mit dem
Übe ein müssiger zusatz sein. soll, warum ist es der libe weni-
ger? die weglassung des artikels ist sprachwidrig. 39 vol X
= rvol DEbf (fehlt Bad) cf. meine anm. zu Gregor 805. 63 ir
A (der B) = zu streichen mit DEbd. 67 ir Ac = ez BDEh
(fehlt d) cf. 7169. 71 nie A = zu streichen mit BEDb Bech
und dann möhte in z. 70; mit Bech hau gejehen nach BE zu
schreiben, sind wir wol nicht berechtigt, da die übrigen hss.
häti nicht haben. 89 ^ö A = zu streichen mit BDbcd. 90 sis
D {s sie A) = si BEbdf. 90 me Ab = mere E (wr BDdf).
7308 wmren AB = 7V(Bre DEabd. 17 arm rvip {arm^ tvip
A) == armez rvip BDEabfL^ cf. zu 6267. 26 ir swester AD =
die altern Babdf cf. s. 355. 70 verkünde = verkufite BaL^ {nint-
kwidete A, erkante cd, bekant b, behande D ; Lachmanns Schrei-
bung und erkläi-ung ist gegen alle hss., der daraus gewonnene
gedanke, von dem man nicht recht weiss, was er an dieser
stelle soll, wird erst überhaupt einigermassen möglich durch
eine zweite conjektur in z. 72; es ist an dem in Ba überlie-
ferten festzuhalten, worauf auch die lesarten der übrigen hss.
hinweisen, verkunte aber niclit in dem sinne 'gab sich nicht
kund' zu nehmen, denn das würde mit dem folgenden in di-
rektem Widerspruche stehen,- sondern 'gab sich kund'; die
stelle scheint zu beruhen auf Chrest. 6216 mes eincois que del
champ s'an voisenty se seront bien antracointie, 72 tvan deiz
= wand ez Bb (wander z AaL^, wand er zu D, wand er E, daz
da d, daz doch f ; die Überlieferung würde am meisten für
wand erz sprechen; aber ich wüste nichts damit anzufangen;
es wird wol erlaubt sein hier von dem der autorität nach
wahrscheinlicheren zu gunsten des sinnes abzuweichen; das
er kam den Schreibern wol in die feder, weil ihnen die bei-
behaltung des selben Subjektes das natürliche war.
7411 ein df (mir ein c, der A) = aber ein BDEa. 12 den
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 397
A = danne BEcdL^ (fehlt a). 24 ir e {ir B Bech, e AU) =
mir Dbd (man nach nye f). 49 /{ü?ne Ac = vil käme BDdf. 56.
57 iu ist gegen A mit BDEHbdf vor aller zu stellen. 57 al
= a//^r alle hss. 57 wol gan AD == gan BEHbdf. 69 einan-
der = under einander BEHb Bech (tvidereinander df, zo einan-
der ADL*); dass Hartmann sonst tragen in ähnlichen Verbin-
dungen mit dem dat. construiert, spricht gegen zuo in AD,
aber nicht gegen under; denn letzteres konnte natürlich nur
bei einem Wechselverhältnisse angewendet werden, welches
an den andern stellen nicht vorliegt. 76 gegangen AHb = er-
gangen BDEdf. 88 dehein A == dewedere DHd {iwedW f, letrve-
der BbL^ Bech); das positive ,/^/«^^^^r , welches nur das sehr
zweifelhafte zeugnis von Bb für sich hat, verträgt sich nicht
mit dem folgenden dehein. 95 zeicten EH (zeichenten H) = er-
zeicten BDbdf.
7500 ouch Bh= Joch AEH (fehlt D). 21 wahren (weren
A) = wären BDEHbd (waz f); die Übereinstimmung der hss.
zwingt uns den indic. als richtig anzuerkennen; der bedin-
gungssatz ist gewissermassen nachträglich hinzugefügt, nach-
dem der regierende satz schon als unbedingt hingestellt war;
vergleichen lässt sich hiermit z. 1153 eine ritterliche magt, hete
st sich niht verciagt und 4762 nu gesach er nie kindes Itp schö-
ner dan diu selbe magt, hete st sich niht verciagt. 23 ist ei con-
jektur Lachmanns, die hss. haben: er Edf, her A, es b, do
BDa; letzteres ist von Bech aufgenommen; indessen die bes-
sere autorität führt uns auf er, woraus sich auch die änderung
in do viel leichter erklärt, als die umgekehrte von dd in er,
da an dd kein Schreiber anstoss genommen haben würde; ob
aber dies er schon verderbt ist, würde doch noch zu erwägen
sein; es bleiben allerdings wol nur zwei möglichkeiten des
Verständnisses: entweder nimmt er das Subjekt min her Twein
voraus, oder der sprechende ist Gawein und mtn her Jwein
gehört zur rede; indessen ist letztere annähme etwas bedenk-
lich, weil nach der langen erzählung, welche auf die letzte
rede Iweins folgt (7484 — 7522), unter er nicht gut gleich Ga-
wein verstanden werden kann, und weil dann der Wechsel in
der rede, welcher 7527 eintreten würde, nicht angedeutet wäre,
was doch in der regel nur bei raschem Wechsel der sprechen-
den unterbleibt ; ob die erstere annähme möglich ist, wage ich
Digitized by
Google
398 PAUL
nicht zu entscheiden. 46 wol = iemer tvol L^ cf. s. 355. 53 äo
KE, = ouch BDbdfLi {imd a). 61 seihe k\)A = selbm BDHf.
61 gewert Ad = erwert BDHabf: ^sio hat sich so verteidigt';
mit dieser lesart wird völlig reiner reim hergestellt; dieselbe
erfordert selhe^i, während die andere lesart seihe verlangt. 67
seile = geselle ABEHabdL^ Bech. 67 haben für nein BE die
übrigen AHabd min\ danach scheint nein ein besserungsversuch
und min das ursprtingliclie ; das wird noch bestätigt durch
8122; diese nur in Bad erhaltene zeile lautet in B her Iwein
lieber herre mtn, dagegen in ad lyher man (traut mein d) her
ymjn\ die Übereinstimmung von ad hat siclier einen höliern
kritischen w^ert als B; wir w^erjlen natürlich nicht annehmen,
dass der Schwabe Hartmann das l als diphthong sprach, son-
dern es scheint eine auf die wälschen eigennamen beschränkte
reimfreiheit zu sein. 70 werden wir statt des kommas ein
ausrufungszeichen zu setzen haben ; denn es ist ungehörig, dass
des prlses einmal durch den voraufgehenden satz erläutert wer-
den soll und dann auch durch den folgenden, während bei der
von mir vorgeschlagenen interpunktion erst die antithese von
71 — 72 scharf hervortritt, welche genau der von 69 und 70
entspricht. 79 sprach Ad = antwurt BEHabdf 94 vrägteti
AEd = vrägte BDHbf Bech; schwerlich kann im praedieat
plur. - und sing, neben einander stehen ; der plur. ist als eine
ändeiiing der Schreiber anzusehen, welche des reimes halber
auf riet nicht ausgedehnt wurde.
7600 der A = zu streichen niit BDEHb {do adf). 02
niene EH {niht ne A) = niht bdL^ oder wahrscheinlicher iU
BDa Bech (xjemad f ). 37 von AHd = vor BDabf. 52 ez auch
mir wol A = sich ouch mir EHf {sich mir buch B, sich wol D,
sich rechte a, mir zu eren b); intransitives vüegen ist vorwie-
gend mitteldeutsch. 63 der kilnic Artus AD = Artus der künic
BHbdf {der kwiig a). 82 unde Ab = und doch BEHa (fehlt
D); die Symmetrie mit der folgenden zeile verlangt doch. 96
ze Aa = her ze BDHdf(bc). 92 einvaltem {einvalten A) == ein-
valtigem DEHbdf {eynen willigen a).
7702 irr {ir ir AL^) = ir BDHab; es ist nicht nötig einen
nebensatz zu haben, auf welchen sus in z. 7700 zu beziehen
ist ; dies bedeutet einfach ' sonst, andernfalls, wenn ihr es nicht
zu einer rechtlichen entscheidung kommen lasst*; folgte ein
]
Digitized by
Google
HANDSCHRIFTENVERHAELTNIS DES IWEIN. 399
bedingungssatZ; so würde sus nur störend sein. 09 von = von
der BDbdf (im AaL^ Bech); wiewol Laclimann zugibt, dass
und falsch ist, so sollen dennoch Aa die vorläge getreu be-
wahrt haben; und soll eine alte Verderbnis der alten gemein-
samen quelle sein und vo7i der nur eine geschickte besserung;
wenn man zu solchen mittein häufig seine Zuflucht nimmt, so
kann man von jeder beliebigen hs. 1>eweisen, dass sie den ur-
text am getreuesten bewahre ; tlbrigens ist der notwendig, denn
es handelt sich um die eine bestimmte drohung des Artus.
61 verdfenez Ad = gediene ez BDab. 61 ez A = ez iemer alte
übrigen, auch f. 85 hat f urche übereinstimmend mit verhe
Bc; es ist schwer zu entscheiden, ob dieses oder verre ADbd
richtig ist. 87 niene {ine ne A) = niht en BDb oder niht er-
adf cf. s. 306.
7802 ir getete A {im iete D, im iet denn a) = im {ir d)
getuo Bd Bech (ir ihn c, ir getrurv b), und dann Ol ein komma
statt des punktes mit L^ Bech; dass der satz negativ sein
muss, folgt von allem übrigen abgesehen, schon aus der setzung
der Vorsilbe ge, die in einem positiven liauptsatze nicht stehen
könnte. 06 des. Af = es abd {sin BD). 36 swenner Aa =
swenner 7i& BDbdf. 39 geschiht Aa = geschihi iu BDbdf. 50
in rvol A {wol B) = iu Dabdf. 54 unt f andern = mit andern
AEaL^ Bech {mit den aridem B, mit in D, mit den bdf), rich-
tiger vielleicht noch mit den andern, wobei mit den in eine
silbe zusammengezogen werden müste. 57 wer iu A {der uch
den D) = wen iuwer Bbdf ; letzteres soll nach Lachmann eine
besserung sein, die auf dem misverständnis von rät in z. 7849
beruht; das kann ich nur so verstehen, dass die Schreiber rät
dort nicht coUektiv, sondern fälschlich abstrakt verstanden und
daher auch hier sich eine änderung erlaubt hätten, in welcher
rät eben so abstrakt als Überlegung der Laudine gefasst wäre;
aber was hindert uns denn rät in der lesart von Bbdf coUek-
tiv zu fassen? ich tibersetze *wen euer versammelter rat unter
euren untergebenen finden mag, der diese bürde (die Verteidi-
gung des brunnens) übernehmen kann'; so ist alles klar, aber
nicht bei der lesart von A; denn es handelt sich nicht darum
einen plan über die art und weise der abhülfe zu machen;
darüber ist man im klaren: es handelt sich nur darum eine
person ausfindig zu machen, welche nicht zu raten hat, wie
Digitized by
Google
400 PAUL
in der lesart von A vorausgesetzt wird, sondern nnr zu han-
deln, den kämpf gegen den gewittermacher zu bestehen. 58
Ingesinde Ad = geslnde BDabf. ' 00 der A = daz er UEab
(fehlt Dcd, der L^ auch 59); der Wechsel in der construktlou,
welcher recht wol möglich ist, scheint zur änderung in A und
zur auslassung in Dcd anlass gegeben zu haben. 04 habe Adf =
hän BDab. 71 der {der A) = daz er BDEabf cf. zu 2128.
74 rnochte AE = geruochie BDabdf.. 94 enpfäh et (unifahei A)
= enpfäch BDabdf cf. s. 304. 98 hegimdet Aa = mJdet
BDbdf.
7930 niht Aa = da niht BDbd. 54 also bi Ab {also hy a,
hie bi D) = so {also E) 7iähen bi cf. Chrest. 0067 sipres; dann
ist daz ich zu verschleifen. 50 juncvrouwe Aa = vrouwe d {ia
fraurve c, ach frarv f, frouwe Lunet BD, Lünet fraürv ' b). 56
daz ist A {ez ist Da, es ist nicht c) = ist ez {diz B, daz b) {ist es
nicht d, ich furcht ez sey f); letzteres ist entschieden ange-
messener: wollt ihr euch bloss über mich lustig machen, oder
habt ihr mich wirklich gesucht? 00 brechen ir == brechen
danne {den b) ir Bb {brechen den Db, dan breken ern AafL^);
Bech schreibt den ir, den als artikel gefasst; aber der artikel
mit dem gen. des persönlichen prou. müste bei Hartniann erst
sicher belegt sein, ehe er wie hier und auf noch unsicherer
grundlage an andern stellen conjiciert würde. 74 döne A {do
d) = dochn BD {doch abf ). 90 verdienet Adf = gedienet BDab.
90 ist und mit allen hss. und L* wider einzusetzen cf. Chrest
6094 com celi qui autrui avoir anprumte et puis si le repaie.
8010 liebe vrou Aa = vrouwe BDEbd {trawt fraw t). 51
bervise et {bewiset A) = bervise BDabdf L^ cf. s. 304. 66 eriein
== in ein alle hss. Bech. 69 haltet AEa = behaltet BDbf (he-
habt d). 69 gewärheit A = wärheit alle übrigen, auch fL'.
84 hän gellten e = Hden iemer e cf. s. 303. 96 er mich A =
er die übrigen. 96 hat Aa = habe BDbd.
8105 ständigen AE = schuldigen BDabdf L^. 06 stväre
{groz D) er schulde AD = stvare schulde er BEabdf ; Becks
conjektur ist unnötig. 16 ich Aa = ichs BDbdf. 16 miner A
= mit BDEabdf; es ist dann gewärheit zu schreiben cf. Bechs
anmerkung; gewärheit gibt es nicht, es ist überhaupt eine un-
mögliche bildung cf. zu 8069. 22 her Iwein^ lieber herre mn
B = lieber man {traut fnein d) her Iwein ad (?) cf. zu 7567.
Digitized by
Google
hAndschriftfnverhaeltnis des IWEm. 401
37 gesach Ab «=» sach BDEa {hesach d). 65 m gesogen DadL^
(m niht gesogen Bb Bech; iu in dieser zeile ist durch Bb
schlecht bezeugt; da man es aber doch nicht gern entbehren
wird, so werden wir berechtigt sein, statt des ouch ich aus
AB in zeile 64 das eben so gut bezeugte ich iuch aus Dd {ich
oüch b, ich a) aufzunehmen, welches durch das iu von Bb in
z. 65 eine weitere stütze erhält.
Ich füge eine aufzählung derjenigen stellen bei, an wel-
chen Lachmann von der ttberlieferung sämmtlicher hss. abge-
wichen ist, damit man sich leicht durch vergleichung derselben
überzeugen kann, ob und wieweit solche abweichungen über-
haupt berechtigt sind: 155. 309. 449. 802. 845. 872. 1206.
1376. 1410. 1522. 1639. 1720. 1735. 1744. 2053. 2608. 2667.
2798. 2853. 3613. 3760. 3927. 3944. 4062. 4067. 4084. 4247.
4413. 4431. 4445. 4495. 5022. 5160. 5351. 5401. 5427. 5480.
5521. 5582. 5957. 6307. 6497. 6519. 6575. 6645. 6645. 6670.
6712. 7058. 7212. 7370. 7469. 7996.
LEIPZIG. H. PAUL.
Beitr^e zur geschichte der deutschen spräche, t. 27
Digitized by VjOOQIC
DIE ALTHOCHDEUTSCHE UEBERSETZÜNG
DER BENEDIKTINERREGEL.
Das Studium der althochdeutschen spräche und literatur
bedarf im einzelnen noch sehr der ausftthrung und Vollendung.
Was zunächst die grammatik betrifft, so gründet sich das
grosse Grimmsche Sammelwerk vielfach auf schlechte texte und
auch die überaus schätzenswerten arbeiten Weinholds sind —
wie es ja bei einem so umfassenden stoflf nicht anders mög-
lich ist — von mannigfachen Irrtümern im einzelnen nicht frei;
wir werden dies im folgenden zu bemerken öfters gelegenheit
haben. Die irrtümer sind dann zum teil in die kleineren schul-
und lehrbücher der ahd. grammatik übergegangen. Sie zu be-
seitigen gibt es nur ein mittel, nämlich das, jedes ahd. denk-
mal auf seinen dialekt und seine Orthographie hin genau durch-
zuarbeiten. Wenn dies geschehen sein wird, so wird manches
falsche berichtigt, manches unklare aufgehellt, manches neue
gefunden sein. Was uns daher zum weiteren ausbau der ahd.
grammatijt vor allem not tut, ist eine anzal monographien, die
den dialekt jedes einzelnen Schriftwerkes, zunächst natürlich
der grösseren und wichtigeren, bis ins kleitie genau darstellen.
Ebenso herscht in literarhistorischer beziehung über viele
erzeugnisse der ahd. kirchlichen literatur noch mannigfaches
dunkel; die kleineren homiletischen und katechetischen denk-
mäler sind in den ^denkmälem' von Scherer zwar auch lite-
rarhistorisch besprochen; allein manches ist mit zu grosser
Sicherheit hingestellt worden. Die glossen harren einer genauen
bearbeitung durch Steinmeyer, die hoffentlich nicht mehr allzu-
lange auf sich warten lässt. Vieles, z. b. die schritten Notkers,
ruht noch ganz.
Das denkmal, mit welchem wir uns im folgenden beschäf-
tigen wollen, ist bisher weder grammatisch noch literarhisto-
Digitized by
Google
BENEpIKTIKERREGEL. 403
riseli eingehend behandelt worden: Die dem Kero xugeschrie-
bene Übersetzung der regula Set. Benedicti im Set. Galler co-
dex 916, gedruckt zuerst bei Schilter, dann bei Hattemer.
Dieses denkmal soll der nachfolgende aufsatz zuerst gramma-
tisch, dann literarhistorisch untersuchen; er zerfällt demge-
mäss in 3 teile:
1) dialekt und Orthographie des denkmals.
2) das Verhältnis der deutschen Übersetzung zum lateinischen text
3) entstehung und zeit des denkmals.
Der erste teil wird der ausführlichste werden ; denn einer-
seits wird es notwendig sein, in ihm einzelne grammatische
fragen zu erörtern, andrerseits muss durch ihn festgestellt wer-
den, ob zwischen einzelnen partien des denkmals orthographisch-
dialektisdie unterschiede stattfinden oder nicht. Dazu sind aber
statistische aufstellungen erforderlich. Ich habe mich bemüht,
in diesen letzteren eine gröstmögliche genauigkeit zu errei-
chen; etwaige kleine fehler im einzelnen dürften bei der masse
des matierials entschuldigung finden. Die handschrift selbst zu
kollationieren war mir nicht vergönnt; meine angaben beruhen
daher auf dem Hattemerschen texte, fftr dessen etwaige fehler
ich nicht verantwortlich gemacht werden kann. Ich eitlere nach
Seiten der Hattemerschen ausgäbe; eine 1 hinter der zahl der
Seite bezeichnet die obere, eine 2 die untere hälfte derselben;
also z. b. 30,1 bedeutet s..30 bis kelitij 30,2 von ze dih an; die
grenze zwischen 1 und 2 ergibt sich allerdings nicht immer
auf den ersten blick, doch wird diese einrichtung zur erleich-
terung des nachschlagens dienlich sein.
I. Dialekt und Orthographie.
1. Konsonanten.
A) Gutturale, g — k.
Im anlaute ist das ursprüngliche g nur in wenig fällen
stehen geblieben, garatvidu und gnada 32,^, gaugron 100,2. 1^5,2,
gangar aro 10b,x, geswason 10 A^grozzii 107,^, ganuctsamerulb. Fer-
ner einigemale wo ursprünglich anlautendes g durch präfixe oder
composition zu inlautendem geworden ist eo-goweri 57. pi-gunnan
68. ana-gat 1% i7i''gangantemu Sb, in-ganc \10j2' fci-gangan lll,i in-
ga-ganganer 115,i. ke-gangan 116,2. inke-gankaner 117,2. un-gi-
laubig 78. ki-geban 106,2- K'^-ga- 45,i und 122,2 (3 mal). Hier
27*
Digitized by
Google
404 SEILER .
geht dem ^ überall vokal oäer n vorher; doch ist auch in die-
sem falle k das gewönliche, also in-kangan, ke-kangan, pi-km-
nan u. s, w. Bis auf diese unbedeutenden ausnahmen ist die
Verschiebung von ^ zu ^ im anlaute durchgedrungen. Doch
ist k nicht das einzige zeichen, was im anlaute steht; es wech-
selt mit c. Das Verhältnis beider ist folgendes.. Nur k haben
alle diejenigen Wörter, in denen auf k e oder i folgt (mit ein-
ziger ausname \on cemRhho 30,i) weil man sonst dieses c von
dem flir z geschriebenen nicht hätte unterscheiden können.
Vor a findet sich c und k. Bei den häufig vorkommenden
Wörtern kagan, kangan und karawan überwiegt bei weitem k
{cagan findet sich nie, cangan nur in umbicangen 100,2, umbi-
canc 111,1, caratvan nur 100,i und ke-caratvan 119,2); auch das
präfix ka- hat durchgängig k^ nur 83,i steht cameinsaman und
75,1 carmhtsamera. Bei den seltener vorkommenden Wörtern
schwankt der gebrauch; doch überwiegt hier im allgemeinen
c. cauma mit ableitüngen und Zusammensetzungen findet sich
5 mal (89,1 zweimal, 91,2 zweimal und 92,2), kauma nur ein-
mal 84; cast steht 3 mal (35,2. 115,2. 116,i); kost 2 mal (106,i.
116,i); cataling steht 106,2, kataling 113,2. Nur c haben carto
56,2. oor^ 94,2. oalm 88. Vor o und u steht nur c. cold 35,i.
picurte und curtilom 73. comman 33,2 ^^^ 56,i. rehtcuUchontem
60.1. Ebenso steht in den beiden unzähligemale vorkommen-
den Wörtern cot und cuai nur c, nie k*), auch in allen ablei-
tüngen und Zusammensetzungen; endlich auch in dem 45 mal
vorkommenden eo-co-rvelih, sowie in eo-co-weri 70 und eo-co-
rvemu 108,2. Es scheint demnach, als habe das k vor den
hellen vokaleii eine andere ausspräche gehabt als vor den
dunkeln ; das a steht zwischen beiden in der mitte ; daher hier
das schwanken. Es kann doch z. b. unmöglich zufall sein, dass
das ursprüngliche präfix ga- einerseits nur ke und Äi, andrer-
seits nur CO' geschrieben wird und dass sich sowol ka als ca
findet — Vor r und / steht nur c: kecremiter .31,i. picrdban
42.2. crimmii 38,i. kecrüffant 46,2 (dafür einmal unregelmässig
ch: kechriffe 87,2) ahcrunte 51,2. clatamuatan 47,2- claulicho 116,i.
•) Von cot hat dies schon Jakob Grimm bemerkt gr. 1*180. Der dort
angegebene grund, dass c älter sei und dass man in dem heiligen namen
die neuerang des k nicht sobald wagte, ist dem oben angegebenen ge-
setze gegenüber hinfällig.
Digitized by
Google
BENEDIKTINERREGEL.
405
— In fremdwörtern steht c: canticun 61,2. ^wr* 67,i (aus la-
teinischem curstis Graflf IV, 497) cucalun 107,i (aus cucuUa).
Doch findet* auch hier vor a schwanken statt: kalizmn 107,,
(aus caliga Graflf IV, 391) caUziun 108,2.
Im in laut steht sowol g als k. Steinmeyer hat in einem
aufsatze in Haupts Zeitschrift 16, s. 131 fL bemerkt, dass die
Verschiebung zu k im ersten teile, d. h. bis zu seite 54 (incl.)
viel seltener sei, als im zweiten. Folgende beide tabellen geben
das genaue Verhältnis:
a) Zwischen vokalen stellt sich die sache so:
(bis Seite 64 incl.) (nacli seite 54.)
Ableitungssilbe -ig-
Ableitnngss. -ag- (slafag manag etc.)
wizago
tag-
weg- (via) ..........
auga
liugan
swtgan (tacere)
tragan (ferre)
perag- porag- (cavere abscondere)
zog- in den ordinalz
egt (disciplina)
magan
kagan
eigan (proprins, habere)
sag^7i forasago
sorag-
sügan
dig\
piogan widarnngo pereg- ....
stiagü
trägt (piger)
chlagon
digit
kelegit
kehugit
keaugit
kehneigi -git
18
3
7
15
9
1
5
3
2
1
3
1
9
2
1
6
1
1
5
2
1
36
1
5
37
17
3
1
1
1
2
1
5
11
1
1
2
104
22
101
56
Digitized by
Google
406
SEILER
Diese tabelle stimmt zu der Steinmeyerschen bemerkung um
so mehr, da auf die 101 ^ in der zweiten hälfte allein 37 auf
ableitungen und flexionen von tag fallen, wo überhaupt nur 2
mal k steht. Lässt man dieses wort ganz weg, so erhält man
in der ersten hälfte 89 g und 21 ä, |n der zweiten 64 g
und 55 k,
b) Nach liquiden und nasalen :
(bis Seite 64). (yon selte 66 an).
k "V
fang (accipere) .
folgin .....
zunga
antlengan . . .
langSr . . . .
jungSr ....
pringan • . .
singan ....
alongir ....
ringiro ....
morgan ....
kangan ....
porgen ....
dwingan ....
engil
enger
pergan ....
pirkic
hengit -gida . .
sprengit ....
erholgan abulki .
ableitungssilbe -ing-
10
9
.2
2
2
3
8
2
1
3
16
1
34
3 I
64
39
Nicht mitgezählt ist in dieser tabelle die femininalablei-
tungssilbe -unga, die immer g hat; nur das wort scauuunka
findet sich merkwürdigerweise 3 mal mit k und nur einmal
(91,2) mit g, — Die zahl der g hat sich laut obiger tabelle in
der zweiten hälfte der ersten gegenüber noch nicht verdoppelt,
die der k verdreizehnfacht. — Die Verschiebung des 0 zvl k
im inlaut ist also in der zweiten hälfte des denkmals vilmehr
Digitized by
Google
BENEDIKTINEKREGEL. 407
durehgedruDgen als in der ersten und zwar ist sie am häufig-
sten in dem absehnitt s. 58 — 79 und s. 96 — 116.
Für k findet sich die Schreibung c im inlaut nur in zwein-
zicozstin 68,i, emezzico 78,^, heiHcorin 120,i und tracan 110,2.
Im konsonantenumlaut*) ist g nur selten stehen ge-
blieben; die gewönliche Umwandlung ist gj= ck^ bisweilen cc.
licken steht 6 mal (/iccan nur 97,i, liehe 101,i ist Schreibfehler) ;
leckan steht 3 mal {leccän 2% und 112); auckan steht 7 mal
{augan ist stehen geblieben 32,2. 69,2. 84,i.); hneickan steht 1
mal (52); diekan ftteht 1 mal (119,2); rveekan steht 1 mal
(48)**); kemmckan steht 1 mal (107,i) (kenuagmi 108,i); huckan
steht 4 mal (die kehucke == memor nicht mitgerechnet). Das
g ist also stehen geblieben nur nach unmittelbar voraufgehen-
dem diphthong (langer vokal kommt nicht vor) und auch
hier ist ck vil gewönlicher.
Bei den schw. vv. der i klasse werden die endungen des
praeter, und prtcp. praeter, häufig ohne das ableitungs i ange-
hängt; daÄn ist zu bemerken, dass sich g stets zu c wandelt
Wir haben also neben kehukit (110,i) pihuctigery kehuetic, pi-
hitctt, farhoc'ton (spreverunt) 37,i, neben kehneigit kehneictemu
56,2; ausserdem noch erflauctpr perterritus 29,^. Unmittelbar
vor t findet sich in der ganzen benediktinerregel überhaupt nur
c, nie k.
Im auslaut ist ursprüngliches g stets zu e (nie k) ge-
worden. Beispiele: zuakmic 79. (dat. dagegen umbicange lll,i-
45,1 ) lerne 'Sam 34,2. sane 67,i (dat. sänge 68,2) tole wee mae
sorc'haß arnunc (118,i. 120,i) ^cawwwc (107,i) /rezmc (122,2) ^^d
stets die adjektivische ableitungssilbe -ic z. b. einic 83,i.
k — eh.
Im anlaut ist ch allgemein durchgedrungen, emiati
*) Der kürze wegen bediene ich mich des von Mtillenhoff und Sche-
rer in anwendung gebrachten ausdrucke.
••) Es sind 2 verschiedene verba zu unterscheiden. Got. vagjan
ahd. weck an movere und got. vakjan ahd. wecchan excitare. In unse-
rem denkmal begegnen beide, a) rveekan in rveckentiu moventia 48,2-
Diese form stellt Graff 1, 675 ohne grund zur wurzel got. vak ahd. wach.
b) wecchan in foraerwechan promovere 117,2: Hier haben wir die be-
deutung a) und die form b). Der unterschied beider verba wurde also
nicht streng festgehalten. Beides, form und bedeutung von b) haben wir
dagegen in erwechenUru excitante 31,i und sint erwehchit suscitantur I23,i.
Digitized by
Google
408 SEILER
58 und clohhot lOO^i sind Bchreibungenauigkeiten^ da sich sonst
stets chnuat (4 mal) und chlohkon (2 mal) findet — Die nicht
eingebürgerten fremdwörter lassen c stehen (vgl. oben), die
eingebürgerten haben ch; chiricha 62,i. 87,2. 96,i. chliric?w cle-
ricorum 115,2, chamfan oft, chuhchina coquina 88. fmf-chusttm
pentecoste 91,2. Neben dem gewönliehen chrisi erseheint 2 mal
(29 und 30) crist, — Die Schreibung hc für ch findet sich im
anlaut nur einmal: hcreftio 57. — Besonders betrachtet wer-
den müssen die mit qu anlautenden werter. Die gewönliche
Schreibart für diese ist qhu und etwas seltener qhuu. Bis s.
54 kommen nur diese beiden formen vor. Voi\ s. 55 an aber
treten, wie schon Steinmeyer a.a.O. bemerkt hat, auch andere
Schreibweisen ein.. Gleich auf s. 56,2 findet sich quad ohne h
und ebenso quemanero 110,2. Sehr häufig wird femer von s. 55
ab ch für qh geschrieben, chu ist besonders häufig von 60 — 62,
wo es 10 mal vorkommt (hier steht nur 2 mal qhu) ; femer er-
scheint chu noch einmal auf s. 112. — chv steht 59,2 2 mal,
106,1 und 112,1*). — chuu 87,t. 106,i. Schreibungen mit ch
finden sich also im ganzen IS mal und zwar erst von s. 55
an. Doch erscheinen auch von hier an noch 22 qhu, 4 qhuu
und 2 qu.
Im inlaut ist die Verschiebung ebenfalls vollständig durch-
gedrungen. Es kommen vor die Schreibarten: cä, hh, hchy
cch und h. — ch steht durch das ganze denkmal sehr häufig
nach den harten vokalen a, o, w (37 mal) und nach liquiden
und nasalen (23 mal); nach weichen vokalen {e i) steht es
erst von s. 55 an und zwar in michll (60,2. 117,i) zeichan (82,i
2 mal 84,1. 68. 100,i 2 mal. 100,2. 105,2. .112,i). smecharem
101,2. kirechida 60,i. piswichaner 114,i, und ausserdem 49 mal
in der ableitungssilbe -Äcä-, im ganzen also 63 mal Dieses
ch nach weichen vokalen erscheint nur in folgenden 4 alh-'^
schnitten: s. 58—79. s. 82—84. s. 88—90. s. 96—116. in die-
sen ziemlich häufig; dann noch einmal s. 57 und 2 mal s. 117.
Vor s. 55 kommt es nach e oder i nicht ein einziges mal vor.
— Vor konsonanten steht ch nur 3 mal in den cass. obll. von
*) Lkchmann (specim. ling. franc.) liest auch 57 pichveme, Hattemer
hat picheme, wol mit unrecht, denn blosses ch kommt nie für qhu vor
(in chortar und choman steckt das v im o).
Digitized by
Google
BBN^DIKTINEBREGEL. 409
achar, wo a ausgefallen ist, achre, achro und acknm (56,2.
91,2) nnd in pidachta operui 54,2- — hh ist die häufigste
Schreibweise und begegnet sowol nach weichen als nach har-
ten vokalen durch das ganze hindurch wenig ttber 200 mal;
es steht aber nie unmittelbar vor oder nach konsonanten.
Hier ergibt sich also kein unterschied zwischen der ersten und
letzten hälfte. — Dagegen findet sich hch in der ersten hälfte
nur 3 mal und zwar nur in dem worte ruahcha (36. 37,i.
39,1); von Seite 55 ab steht es 83 mal und zwar erscheint es
ebenfalls meistenteils, aber nicht ausschliesslich, in jenen 4 eben
genannten abschnitten. Es hat seine stelle sowol nach harten
als nach weichen vokalen, aber nie unmittelbar neben konso-
nanten. — Das blosse h ist die seltenste Schreibweise. Nach
weichen vokalen steht es 32 mal durch das ganze denkmal
hindurch; davon fallen die meisten, nämlich 26 auf die ablei-
tungssilbe -föcA-. Nach harten vokalen steht es nur 3 mal
und zwar nur in der zweiten hälfte, nämlich keprauhoter 55,^.
mahan 59 ,|. 116,2. — Beliebt ist h unmittelbar vor t] denn man
war hier bereits diejenigen h zu schreiben gewohnt, die einem
got h entsprechen, in Wörtern wie naht farahta] diese müssen
im ahd. einen ähnlichen klang gehabt haben, wie die aus k
verschobenen ch*). So schrieb man denn kesuahtos 53 von
stuichan, kistraht 96,^ 2 mal von strechan, wahta st. fem. von
fvechan, trahtan aus tractare 41,i. ch erscheint hier nur in
pidachta von dechan 54,2 und für ch in ungenauer Schreibung
c in kestactem von stechan 56,2. — cch findet sich nur in cloc-
Chol 124.
Der konsonantenumlaut wird gewönlich durch ch = kj
ausgedrückt: wechan 31,i. 117,2. erqhuichan 42,2. secho rixae
nom. plur. von sekja (GraflF VI, 76) 123,i. Einmal findet sich
cch, nämlich decchan 98,i. Tritt (im praeter, und pari praet.)
i unmittelbar an die wurzel, so wird, wie eben erwähnt,
aus ch h.
Die fremdwörter mit inlautendem k gehen teils auf die
*) Es beweist dies ohne zweifei, dass der unterschied des hh vom h
(ss got. h) kein anderer war, als dass ersteres als doppelkonsonant
eben auch doppelt articuliert wurde. Vor t mnste sich die doppelkon-
sonanz vereinfachen und die beiden laute fielen in der ausspräche, und
demgemäss auch in der Schreibung, zusammen. — W. B.
Digitized by
Google
410 SEILER
Verschiebung ein, teils nicht. Ersteres ist der fall bei dem
etymologisch allerdings noch nicht ganz sicher geßtellten chiri-
cha 62,1, woftir auch chirihha 87,2 und chirihcha 96,i, bei tur
nihha aus tunica 54,i, bei chuhchina 88, chliricho 115,^; trahtan
aus tractare 41,i ; letzteres in cucala 107,i. cantico 61,2. ' iechir
59,2 und in dem aus lectio entstandenen lectia {lecza, lectza^
leczia)y iferner in dicton aus dictare 38;i.. — irähton ist also
schon ein völlig deutsches wort geworden, dicion noch nicht.
Im auslaut ist das gewönlichste ä. werah 55,i. lOl,^.
102,2. i?tt«Ä 30,1 . 59,2- 82,2. «««ä 47,2. p^foÄ 48,2. ruah-licha lll,i,
femer stets die ableitungssilbe . -Rh ; nach konsonanten tranh
102,2. umbincirh 70,^ (wol aus circulus). — ch steht in wer ach
30,1. 31,2. 40. 52,1, iiach konss. in scalch 38,^. Für ch ist
einfaches c geschriben in wercLc-man 57 und kidanc 32,2*), hc
in werahc 101,2.
h.
Im anlaut Vor vokalen wird es bis s. 54 regelmässig
behandelt Von s. 55 ab treten einige Unregelmässigkeiten
ein. Es fehlt einmal wo es stehen sollte: orren oboedire
114,1 und steht 6 mal, wo es fehlen solte: huhilan 55,i. hachu-
Stirn kehaucken 57. heru 61,2. herist 67,2 heikinin 112,2.
Wir kommen nun zu der wichtigen frage: wie steht es
mit h vor den 4 konsonanten n, /, r, w'i Wenn sich zwischen
einzelnen teilen unseres denkmals in dieser beziehung scharf
abgegrenzte unterschiede finden, so wird man dies nicht als
einen blossen zufall ansehen können, sondern auf verschiedene
Verfasser oder Schreiber schliessen müssen. Ehe ich zur Un-
tersuchung selbst komme, noch eine Vorbemerkung. In 3 Wör-
tern scheint es nämlich nicht ganz sicher zu stehen, ob sie an-
lautendes h haben oder nicht. Das ist erstens zualuustrenteem
attonitis 31,i; über dieses wort kann mit Sicherheit nichts ent-
schieden werden (vgl. Graflf II, 293). Zweitens lioian got liu-
dan as. liodan\ davon kommt in unserem denkmal das praeter,
vor: framerhlot propagavit 30,i, also mit h. Graflf II, 198 führt
aus den glossen noch 2 mal die form arhlutun an; sonst hat
das wort auch im ahd. kein h. Das dritte wort ist Ifppaai
•) Der annähme, dass in kidanc am Schlüsse wirklich ten. gesprochen
sei, widerspricht tranh 102,2 und die cass. obll., die stets ch haben ke-
dancha kedanchum.
Digitized by
Google
BENEDIKTINEREEGEL. 41 1
parcere got. bleib frni dvTiXafißdvsö^ai Luc. 1, 54 an, hÜflsL Im
ahd. kommt es nie mit h vor (GraflflV, 1110). Sehen wir aber
die stellen an, in denen es erscheint, so ergibt sich, dass es
hauptsächlich bei Otfried und Notker vorkommt, und bei diesen
ist k vor konsonanten überhaupt schon abgefallen. Ausserdem
steht es in den glossen, die GraflF mit Ib und Rd bezeichnet
und das sind genau dieselben, die für arlutun arhJutun setzten ;
es scheint in ihnen mithin zwischen / und hl überhaupt Ver-
wirrung eingetreten zu sein. Endlieh findet sieh das wort
noch einigemale in unserem denkmale, nämlich 52,2. ö9>2- 72.
89. Die 3 letzten stellen fallen aber in abteilungen, wo, wie
wir gleich sehen werden, das h vor konsonanten schon über-
haupt abgefallen ist; die erste 52,2 steht allerdings in einem
teile, wo h sonst stehen geblieben ist, aber auch in diesem ab-
schnitte findet sich gerade vor / das h abgefallen, lancha 32,i.
ebanlozzo consors 29,2- Also keine einzige von den stellen,
wo Uppan vorkommt, beweist mit Sicherheit, dass es im ahd.
ursprünglich ohne h war; das wort kann recht gut hlippan ge-
lautet haben, nur ist es uns zufällig in dieser gestalt nicht
mehr überliefert
Nun zur sache selbst. In beziehung auf anlautendes h
vor conss. sind in unserem denkmal folgende Unterabteilungen
zu machen:
1) vpn anfang an — s. 57. Hier findet sich 5 mal hlauffan
(29,1. 2. 31,2. 32,1. 47,2) 14 mal hwer hwaz {2%, 30,2 2 mal.
31,1. 2 4 mal. 32,i. 32,2 2 mal. 35,i. 36,2. 47,i) 4 mal hreini
(30,1. 42,2. 44,2 u^d heinan für hreinan 57) hlosen (30,i) 3 nial
hneigan (30,i. 41,2. ^6,2) hrvasllhho (30,i) 7 mal hwerban und
hwaraban (30,i. 31,2. 34,i. 38,i. 45,i. 51,2- 52,2) 3 mal anählinm
(36,2. 44,1. 46,2) hrirva (33,2) 2 mal odhmla (40.i. 43,i) 2 mal
hlahtar (44,i. 56,i) 3 mal hleitara (49,2. 50,i 2 mal) hrucki
(53,2) edeshrvelih (52,2) hrvialihhi (39,2) hrvenne (37,2) hwanta
(37,2) 3 mal hweo (39,2. 48,i. 50,2) hlutreister (56,i) hwanan
(41,1) 5 mal hrvelih (42,i. 2. 48,2. ^%^' 53,i) 2 mal eocohwelth
(50,2. 56,2), also 63 mal anlautendes h vor conss. — Ausnah-
men : Die vom stamme hwa abgeleiteten pronomina, wenn sie
präfixe bekommen, lassen fast stets — auch in den folgenden
abteilungen — das h fallen; daher findet sich in ableitung 1
18 mal eocowelih, 2 mal eddeswenne, 2 mal eddeswelih, 2 mal
Digitized by
Google
412 SEILER
eddeswer, ferner eogoweri, so war so, sowetih. — Sonst fehlt h
nur sehr selten und zwar nur vor /, nämlich in Idhtar (56,i 2
mal) ebanlozzon 29,2* lonchom 32,| und yilleicht in HppaniivxA
zualtmstrenteenL
In dieser abteilung ist also das stehen bleiben von ä bei
v^eitem das gewönlichste.
2) Seite 58—79. Hier ist das feien von ä die regel. Es
findet sich 3 mal tvila (58,i, 65,2. öö>2) fvecmichili (60,2) odowila
(62,|. 69,2) eddeswer (62,i) lauf an (63,i) werban (64,i. 79) rei-
nan (64,^) eocowelih (69,i 79 2 mal) welih (69,2) wenne und
eocoweri (70) weo und 2 mal lutar (71) erlozzan (76) sowelih
(76. 78) wassira acrior (78), also 25 mal fehlt ä. — Es steht
nur 1 mal; in hwassi sagacitas 77.
3) Seite 80 — 87. Hier pflegt h wider gesetzt zu werden.
2 mal odhwila (80,2. 87,2), 2 mal hreini (84,2) 1 mal hwarban
(87^) und vom pronominalstamme hwa hwelih (80,2) so hwelih
so (82,i) so hwer so (86,2). — Doch ist zu bemerken, dassvon
pag. 84 der handschrift d. i. auf s. 82 bei Hattemer bis zum
beginne des XXXV. kapitels auf s. 84 sich bloss eocowelih u.
so welih findet und zwar jedesmal ohne h. Diesen abschnitt
können wir also auch als einen bezeichnen dem das h fehlt;
ein sicheres kriterium ist nicht vorhanden.
4) Im folgenden müssen wir jede seite einzeln ansehen.
Es erscheint s. 88 enti weliches so, eddeswaz 2 mal, wanm
unde; s. 89 kommt kein hierher gehöriges wort vor; s. 90 er-
scheint nur eocowelih und das gibt kein kriterium ab, da es
auch in den partien, die sonst h haben, fast stets ohne h steht
(es hat h nur 50,2. 56,2. 120,i); s. 91 weo\ s, 92 nur eocowelih
— S. 88 I^eginnt also entschieden eine neue abteilung, die das
h abwirft; wie weit diese aber reicht, lässt sich nicht mit
Sicherheit sagen, da im folgenden zu wenige und zu unsichere
uzegnisse vorkommen. — Mit Sicherheit lässt sich eine neue
abteilung aufstellen von
5) S. 93—95. 3 mal hlauffan (93,i. 2. 94,2); eddeshwer 93,i.
hriwdn 94,i. hwelih 95. — Nur einmal kakanlaufit 94,i.
6) S. 96—116. Das h fehlt stets. 2 mal odwila 99,2. 100,2.
laufan 100,i. ruam 102,2. ^tor 102,i. n>o,rhan 108,i. wealihnissi
107,1. 1)^6 pronomina vom stamme hwa 22 mal ohne h. —
Digitized by
Google
BENEDIKTINERREGEL. 413
Ausnahme allein hwaz 99^^. — Auf s. 117 komt kein hierher
gehöriges wort vor.
7) S. 118 — 125. Das h ist überall erhalten, kihworvanissa
118,1, 3 mal hrverban (118,2- 125,2 2 mal), hlutar 119,i, hweizzi
122, hreini 2 mal (120,2. 121,i), hwelih und sokwelih 3 mal
(119,1. 120,2. 123,2), so hfvarso 119,2. hwaz 121,i; selbst ein-
mal eocohfvelih 120,|, — Ausnahme nur ein eocoweUh 121,i.
Im in- und auslaute entspricht es ganz dem got. h.
In einem falle ist h bewahrt, wo sonst im ahd. stets g einge-
treten ist, nämlich in dem verbum frohen und ableitungen.
frahemees 32,2. intfraheiomes 34,i. antfrahida .%%^ und 55,2. Von
diesem verbum führt Graflf III, 815 nur noch ein beispiel mit
h aus den glossen an; sonst hat es stets g. Das wort ist
allerdings etymologisch nicht durchsichtig; h ist aber jedesfalls
ursprünglicher als g (got. fraih-na). Im praeter, und partic.
praet starker verba wird h der wurzel, wie im ahd. überhaupt
zu g: kislagan 54,i. Dies g ist weiter zu ^ verschoben in far-
cikan 79. — Verdoppelt ist ursprüngliches h in sehhantem 56,^
und in dem öfter vorkommenden nohhein^ vorausgesetzt, dass
die ableitung von nah (got nih) und ein richtig ist Diese
Verdoppelung lässt auf eine schärfere, dem ch sich nähernde
ausspräche schliessen, ebenso wie die Schreibung nachies 98,2
für nahies. — Ausgefallen ist dagegen h in forakisüt 116,2 (2
mal) und in eowit 83,i. 89,2. 114,2, wofar gewönlich eowiht. —
Die Wurzel nah hat ursprttoglich h (got ganohs gandhjan)\
sie hat im ahd. aber schon früh ein g erhalten und dies ist
wider vilfach zu k verschoben, besonders im auslaut und kon-
sonantenunüaut So finden wir kenuackan 107,i. kenuakit 96,2.
107,2* kanuage 108,i. Folgt aber auf diese wurzel unmittelbar
t, so erhält sich das alte h: kinuhtlicho 105,2. kanuhtsam 47.
62,1. 75,1. S&n* 34,1.2. ^'^7%] dafür steht nun 2 mal kanuhctsam
96,1. 2 ^^^ 4 mal kamcctsam 75,i. 77 (2 mal) 96,2; also auch
hier c flir ch resp. h.
Ich stelle am Schlüsse der "Übersicht wegen alle die fälle
zusammen, wo c tHr ch geschrieben ist: a) anlaut cnucUi 58.
clohhot 100,1. — Umgekehrt steht ch für c in kechriffe 87,2.
b) inlaut kistact 56,2. kanuctsam 4 mal. c) auslaut werac^man
57. kidanc 32,2* Da in allen diesen oder ganz analogen wor-
Digitized by
Google
414 SEILES _
ten die sehreibung mit ch die gewönliche ist, so wird man
nicht zweifeln, dass diese c nur ungenauigkeiten der Schreiber
sind, nicht etwa wirkliche tenues.
hc steht für ch: a) anlaut: hcreftio 57. b) inlaut: ke-
nuhctsam (2 mal), c) auslaut: rverahc 101,2.
j
j (i geschrieben) findet sich im anlaut nur vor den harten
vokalen (a, o, u): jär, joh, junc. Vor e und i ist es in pala-
tal gesprochenes^ verwandelt: gehan confiteri, pigiht confessio.
In dem werte giu jam ist dieses g dem vokalisierten y vorge-
schlagen. — Im inlaut erscheint J nur in ableitungssilben, bei
subst. adj. und schw. v. Hierüber bei jedem einzeln.
B) Dentale.
d — t
Die Verschiebung ist im anlaut stets eingetreten. Schreib-
ungenauigkeit th fftr t ist thruhtinlihhemu 101,i. — Die fremd-
wörter dagegen sind nicht verschoben worden, diubil 32,2. 34,2.
disco (13 mal) dicion 2%. 38,i.
Auch im inlaut ist die Verschiebung nach vokalen stets
durchgedrungen (mit einziger ausnähme von {ahto^do 55,2), z.
b. haubite 69,2, ^ach liquiden und nasalen meistenteils. Merk-
würdig ist, dass die beiden adverbia eonaldre und necmaldre
mit alleiniger ausnähme von 121,2 stets d zeigen, während die
cass. obll. von altar immer t haben (ausgenommen nur cUdre
89,2). Sonst zeigt sich d noch 1 mal in standan 50,i (sonst
stets stantan), 2 mal im partic. praes. hör endo 31,i und far-
suvmando 80,2, in fiordo 53. 59.i. 60,i (nach f, s, t und n ist
die endung der Ordinalzahlen dagegen -to : zwelifto sehsto dritte
niunto). Abgesehen von dieseü geringen spuren findet sich bei
den dentalen nichts von der neigung der liquiden und nasalen,
folgende tenuis zur media zu erweichen. Wir haben also
wolta 31,1. wüntrum 49,^. sunta pintan stantan aUres kerta u. s. w.
Auch das fremdwort expendere ist zu spenton (68,1. 75) spen-
tari (120,2) verschoben.
Besonders betrachtet werden muss die partikel indi. Sie
erscheint in dreifacher form : indi, inti und enti^ und zwar ver-
teil^ sich diese auf die einzelnen partien des denkmals in
folgender weise:
Digitized by
Google
BENEDIKTINEEEEGEL.
415
inrfj
inii
enti
1) 28—54
etwa 130 mal
1 (36,0
2) 55 57
1
6
3) 58—79
1
1
4) 79—82
8
4
5) ,82—84
6) 84—87
7) 88—90
1
8) 90—95
3
1
9) 96—116
1
10) 117—125
2
2
leh habe in dieser tabelle absichtlich wider diejenigen 4
abschnitte hervorgehoben, die wir schon einige male kennen
gelernt haben; hier haben sie nichts eigentümliches; die Par-
tikel kommt gerade in ihnen selten vor.
Im konsonantenumlaut wird dj immer zu tt pittan
arabeittan leittan ndttan wättan. Nur ein einziges mal 100,i
steht otrbeiian (als 3. pl. conj.) mit einem t.
Im aus laut ist d stets zu t verschoben, z. b. äöw&Ä 65,i.
chnuat 28 u. s. w. — fimt aus pondus 89,i.
t — z.
Im änlaut ist die Verschiebung allgemein; in den beiden
fremdwörtem tunihha und tempron (54,i. 58. 92,i) ist dagegen
t stehen geblieben. — Für z wird oft c geschrieben, merkwür-
digerweise in dem werte dt immer, obwol es 50 inal vor-
kommt. S^Mftst noch in eilen 92,2 (zilen 44,2 ^^^ l^lji) ^^'^«^ '^^
{zihan 80,^) und in dem fremdwort cella 35,2.
Im in laute wird ::: zwischen vokalen gewönlich doppelt
geßohrieben; dock finden sich auch genug beispile, wo nur ein
z steht, »owol beim harten als auch beim weichen. — In der
Digittzed by
Google
416 SEILES
ersten hälfte des denkmals (bis s. 54) wird durchaus nur z oder
zz geschriben, von s. 55 an kommen auch andere Schreibwei-
sen vor. Für das harte z oder zz findet sich zc in kasezdda
68,2. ^c ^^ lutcimuate 99,2. ^^ iii nutzt 114,i und einfaches c in
scurciu 107,2. — Weiches z wird durch sz ausgedrückt in /ri-
wiszida 72. wiszun 98,i. — Umgekehrt steht in der letzten hälfte
bisweilen z oder z^ für s: ztveinzicozsim 68,i. zu2:^a 108,i. waz-
/ran 107,2. df^z^ 114,2* Noch auffallender ist diese konfusion
zwischen s und dem weichen z
im aus laut. Auch hier ist in der ersten hälfte alles in
Ordnung; in der zweiten steht oft s für z, nämlich in der en-
dung des ntr. sing, der starken adjektiydeklination: 60,2. ^2-
71 (2 mal). 77 (2 mal). 89. 90,2. 96,2- 98,2. Iö0,i. 102,2 (2 mal).
107,2. 108,2. 109,2. 113,1. 114,1.2. 115,i; hier steht überall -as
für -öz. Umgekehrt erscheint z für * in kasezamez 61,i. dez
75,1. nmaz 69. edezlichera 115,i.
th— d.
Anlaut. In der eirsten hälfte findet sich nie th, in der
zweiten öfter. Von s. 55 an nämlich ist die wurzel got piu
ahd. dio deo, also Wörter wie deondn, deornuati, deoheity 12 mal
mit thy 19 mal mit d geschrieben. . Alle anderen ursprünglich
mit th anlautenden Wörter zeigen durch das ganze hindurch
nur d.
Im inlaut ist die Verschiebung nicht nur völlig durchge-
drungen, sondern auch bisweilen eine stufe weiter gegangen,
indem das aus th entstandene d weiter zu t verschoben ist
Dies ist nicht allein der fall bei denjenigen -starken verben,
die im ahd. gewönlich im praeter, und prtc. praeter, d in t
wandeln (so z. b. ghtmtumes, keqhuetan, keliti 30,i. kelitan 44,i.
snitan 108,2), Bondem auch beji solchen, wo dem d liquida oder
nasal vorhergeht, wird im praeter, und prtc. praeter, gern d
in t gewandelt Es findet sich im praes. nur findcm. (got ftnr
pan) und werdan (got vairpan), im praeter, dagegen 4 mal
/w«/ö» • (38,1. 6%i« 108,f 116,i), daneben auch 4 mal fimdan
(37,1. 93,1. 100,2. 101,1) ttJid von werdan hat der plur. praet,
und das parte, nur t: wurtun 49,i. wortan 51,2. ^%2' ^3,i. 55,f,
aber stets werdan wirdit. — Das got verbum faipan heisst
stets faldan (es kommt im ganzen 6 mal vor); ebenso zwifalda
Digitized by
Google
BENEDIKTINERREGEL. 417
37,1; doch steht einmal t: sibunfdlta 65,2. — Neben dem 4 mal
vorkommenden errvirdi steht 61,i eruurti reverentia.
Im auslaute ist das aus th verschobene d gewönlich
stehen geblieben. Die im mhd. allgemeine regel, dass auslau-
tende media zur tenuis wird, zeigt in unserem denkmale nur
erst schwache anfange. Das gewönliche ist ward A%. mimd
37,1. leid-sam 51,2- cold 35,i. qhuad (kommt 7 — 8 mal vor) aband
92,1. aband-muas 89,i. 91,2- 92,i. 2. Die Verhärtung zu t er-
scheint nur in elnfalt-lih 37,i. 115,2. (ibant-Uh äbant-loh 69,i.
63^2* 68,2. ahant'Cauma 89,i. iuU 63,i, tult-Uh 112^2«
s.
Der Wechsel zwischen s und z ist schon beim z besprochen.
Der rotacismus steht auf derselben stufe, wie im ahd.
überhaupt z. b. was wärun; ganesan kiosan friosan etc. kommen
nicht vor; lesan hat im praes. stets s (70. 90,2. 101,2 etc.), im
praeter, kommt es nicht vor; im partic. praeter, hat es 12 mal
r: kaleran und nur einmal s: kalesan (59,2). ^
Ueber den Wechsel von sk und sc gilt folgende regel : vor
a, 0, u und vor konss. steht sc, vor e und i sk] es ist dies
dieselbe regel wie die über k und c\ nur gehört a hier ganz
entschieden zu 0 und u. — Beispiele : scal, sculun, scolan (oft),
scalch (31,1. 38,1.), scaf scawon (oft), scamelum (61,i). scuttan
(44,1. lll^i)« — disco, discono, discun, discoom (oft), aber diskin
(46,2. 48,2). chuscan (121,i) himiliscun (49.2), 8,ber rumiskiii (63,2)
mannaskiu (87) chuskeer (80) horski {11), scammar (51,2) scam-
licho (71), aber skemlicho (88) skemmi (60,i) skemmisto (58). —
fleiskes, fleiske, hiwiskes (36,2) miskeiiti («^8,2) skirmeen (41,2)
*/r^rw (48,2) skinarij skeidan, skerran, zwiske , driske, feoriske,
rvunske (36,i). — scrihan, kescrift, scrannom (59,2).
Ausnahmen von dieser regel kommen bis s. 54 gar nicht
vor; von s. 55 an habe ich folgende gefunden : a) sk steht fttr
sc 6 mal nach a, 1 mal nach 0: waskan (102,i. 108,,. 107,2)
skammer (60,i) kinozskaffi (95) skawon (121,2) fleisko (86). b) sc
für sk nur: ^c^rw (102). sceidan (118,2). sceff antin (66,1). lantsceffi
(t07,i). kinozsceffi (75,,). — Die Schreibung seh findet sich nur
1 mal: unchuschida (102,,).
Ob in sarf (29. 79) ein c ausgefallen ist, oder ob die forni
ohne c die ursprüngliche ist, vermag ich nicht zu entscheiden
und verweise auf Grafif VI, 278.
Beiträge znr geschichte der deutschen spräche. I. 2S
Digitized by
Google
418 SEILER
C) Labiale,
b — p.
Anlaut. Nur in folgenden fallen ist anlautendes b un-
verschoben geblieben: 1) bibun tremore 98,2 s^^ht einzeln.
2) dem bidarbi 84^t und fora sibifaldan provolvatur 96,i (aber
3 Zeilen weiter forapivalde). Hier geht beidemale dem b ein
auf vokal auslautendes wort voran, das an sich nur schwach
betont ist und sich dem folgenden eng anschliesst. sibifaldan
ist sogar in [ein wort geschrieben. Die media erklärt sich
hier also daraus, dass der konsonant als inlautender behandelt
wird. Noch deutlicher zeigt sich dies in den fällen, die ich
unter 3) zusammenfasse, nämlich diejenigen, wo durch Zusam-
mensetzung oder vorangestellte präfixe das b aus einem an-
lautenden zum inlautenden wird. Hier müssen widerum zwei
Unterabteilungen von einander gesondert werden:
a) Wörter, in denen der ton noch auf der mit b anlau-
tenden Wurzelsilbe haftet, kabit 66,2. kebetan 87,2 neben dem
viel häufigeren kapet und kepetan. — chinnibdhho 54,i. furi-
bürti 90,2 (aber farpöran 90,i), erbdldee 11 5,^ (aber gewönlich
erpalden),
b) Wörter, in denen der ton auf dem präfix ruht, üribi-
derbe 52,2- umbiderber 100,2. ünbilinnanlih 45,i. ünbiwamter 51,2
(diese unbi- stehen den oben angeführten ungi- ganz gleich, —
Sehr häufig pibot, nie pipot, aber stets kepdt. — inbiz oder im-
biz und inbizzan 9 mal. — ämbaht dmbahti dmbahtan (got. and-
bahis). In diesen .Wörtern ist das präfix so eng mit der
Wurzel verschmolzen, dass man die Zusammensetzung kaum
noch fühlte; in ambaht z. b. hat man es sicher damals nicht
mehr empfunden, dass das wort eigentlich ein kompositum ist So
wurde der ursprüngliche wurzelanlaut zum inlaut und demge-
mäss blieb die ursprüngliche media. Von der engen Verbin-
dung zwischen präfix und Wurzelsilbe zeugt auch die, wie die
gegebenen beispiele beweisen, hier so häufig (in ambaht immer,
ausgenommen 93,2) eintretende angleichung des n an das fol-
gende 6.
Ueberblicken wir alle diese fälle von anlautendem b, so
sehen wir, dass nr. 1) 2) und 3*) nur in der zweiten hälfte
des denkmals vorkommen (ausgenommen nur chinnibähho 54,i);
Digitized by
Google
BENEDIKTINERREGEL. 419
nr. 3^) zieht sich durch dag ganze, ist also ein allgemeineres
gesetz.
Im in laut ist regel, dass die media b gewahrt wird, so-
wol zwischen vokalen, z. b. dband, siburty haben, Vibes, ibu,
ubil, truabalj haubit u. s. w. als auch, wenn konsonanten un-
mittelbar danebenstehen, z. b. salba IS, piderban, sterban^ un-
subro 82,1 u- s« w. — Verschiebung zu p ist sehr selten. Ab-
gesehen vom konsonantenumlaut erscheint sie nur 7 mal:
(hau)pit 99,2. ^^^,2 (sonst stets haubit) erhapener 55,2*) (sonst
erhaban)] oparar 0 116,2 (sonst stets oba obana ubar)] upptgi
99,£. 48,2 upigi 100,2 (1 ^^ ubige 101,2) gehört wol zu dem-
selben stamme wie oft«**). — Da nun die dentalmedia immer
und die gutturalmedia wenigstens 120 mal zur tenuis verscho-
ben ist, so ist das fast ausnahmslose beharren der labialmedia
jedesfalls eine aufifallende erscheinung. BetreflFs der erklärung
verweise ich auf Weinhold: ^allemannische grammatik* s. 119,
wonach got. b nicht reine media ist, sondern dem altsäehsi-
schen b, v und griechischer tenuis entspricht. Zu dieser er-
klärung stimmt, dass einigemale die alte labialspirans v er-
halten ist und in denselben Wörtern mit b wechselt. Weinhold
führt aus dem gesammten allemannischen dialekt s. 126 bei-
spiele davon an. In unserem denkmal finden sich folgende:
rua;va 30,2. 40,2 neben ruaba 69,i. 2. kehwerave 34,^ und kihwor-
vanissa 118 neben hweraban 52,2 ^^^ htverban 79, 125. Hier-
her gehört auch die partikel avur, die stets die spirans zeigt.
Einmal ist dieses v sogar zu f verschärft worden, nämlich
diufa 42,2 st. fem. (got. piubi st. n). — Vgl. übrigens über die
ganze frage den aufsatz von Paul in diesen beitr. p. 147 S,
Im konsonantenumlaut erscheint einfaches b = bj in /i-
banto 69,1. libanti 89. erlauben 83,i. 106,i. 111,2- 116,2} bb in
libbe 72, bp in erlaubpan 35,^, kelaubpamees 51,2, truabpe 91,2.
118, pp in Uppanti 52,2, erlauppe 119,i, also alle nuancierungen:
*) erhapener verhält sich zu heffan wie farcikan (79) zu zthan.
**) Hiernach ist Steinmeyer in Zachers Zeitschrift für deutsche Phi-
lologie IV, s. 88 zu berichtigen, — Die von Weinhold s. 115 aus K. an-
geführten foi-men : hapuh, epani, epur sind nicht aus Kero, sondern aus
dem vocabularius Set, Galli. Dieselbe Verwechslung begegnet Wein-
hold öfter,
28*
Digitized by
Google
420 SEILER
pp, bpj bb, b*) — Blosses b tritt ein, wenn die endung des
Präteritums ohne ableitungs i an die verbalwurzel gehängt wird,
z, b. erlaupta 111,2.
Im auslaut ist wie im inlaut b die regel, z. b. Hb, kib^
lob, kescribj erhuab, selb-suana 41. — p erscheint nur 5 mal:
lip^ 102,1. selp'WilUn 30,i. selp-suana 123,i. kap 122,i. kes-
crip 92,2.
p-f.
Hier ist zunächst zu bemerken, dass weder im an-, noch
im in-, noch im auslaute je die Schreibung ph oder pf vor-
kommt, sondern nur / oder (im inlaut) ff.
Im anlaut steht j? schon im got. selten und meist nur
in fremdwörtem, — In unserem denkmal kommt aus p ver-
schobenes / nur in den beiden fremdwörtern funt aus pondtis
89,1 ^i^d farra aus parochia 120,2 vor.
Im inlaut ist die Verschiebung unterlassen nur in dem
fremdwort iempron 58. 92,i. 91,2. 102,i. Sonst steht / oder ff".
Drei fälle sind zu unterscheiden: 1) Nach kurzen vokalen
findet sich nur ff; so häufig in den cass. oblL des zur bildung
abstrakter feminina verwanten -scaff: -scaffiy -sceffij -scaf-
fim (35, 75. 95. .107,i. u. s. w.); ferner slaffii desidia 30,i.
slaffer acediosus 100,2. offan 44,^. 74. 94,i. 98,^ zweimal; im
konsonantenumlaut sceffantin 66,i. —7 2) Nach langen vokalen
ist das Verhältnis zwischen f und ff folgendes, ff ist das ge-
wönliche. Es erscheint im dat. pl. von scäf, scäffum 36,2. 37,i.
40,2. wäffanSO,^. cnffanA&,2. 87,2. riffer SO^. rtffi 124. Schwan-
ken zwischen / und ff findet statt in der wurzel suf (an. si/p);
davon kommt vor das intrans. j?2>Ä/5^^ ^ demergit 51,2 ^ßd das
trans. pisaufit si absorbeatur 77; ferner in wurzel släf (got
slep): släffe 31,i und 102,2. släffagan 43,2. släffit 94,2, aber slä-
fal mit einem / 73; endlich in dem verbum hlauffan. Hier
steht ffi 29,1. 31,2. 32,i. 47,2. 93,i.2. 94,2; /* 29,2. 63,i. 94,i.
100,2- Dabei ist zu bemerken, dass wo ff steht, immer zu-
gleich das anlautende h erhalten ist, während wo / steht, das
h fehlt Davon bildet die einzige ausnähme kehlaufan 29,2,
wo zwar h aber nur ein / steht. Hieraus geht hervor, dass
*) Hierher dürfte wol auch das oben angeführte üppig zu ziehen
Bein. — W. B.
Digitized by
Google
BENEDIKTINEREEGEL. 421
die Schreibung mit ff die altertümlichere ist — Das wort
chaufan (got. kaupon) ist das einzige, in dem sich nur /, nie
ff findet: 107,i. 109,2- — Alle die einfachen / nach langem vo-
kal fallen mithin in die zweite hälfte des denkmfjils, ausge-
nommen ist auch hier nur jenes kehlaufati, das sich damit
sicher als ein schreiberversehen fftr kehlauffan erweist, 3) Nach
konsonanten ist / das gewönliche: helfan, limfan^ chamfan,
sarfes u. s. w. — ^ steht nur 2 mal helffa 105 und chamffan 34.
Im konsonantenumlaut stehen nur die beiden verba scef-
fan 66,1 ^^d chamfan (einmal chamffan).
Im auslaut steht immer einfaches /*; es kommt aber
nur selten vor, z, b. scaf 53,2. aweraf 55. swelf 107,i.
Zu bemerken ist noch , das aus p verschobenes f nie v
geschrieben wird.
f.
Dagegen hat das nicht verschobene , also dem got / ent-
sprechende /die neigung, in v überzugehen. Das geschieht
zwar nie im eigentlichen anlaut, wol aber einigemale, wenn
das anlautende f durch präfixe zum inlautenden wird (vgl. ft).
ervullan 29,i. 44,2. invaldan 50,2- forapivaldan 96,i. ervirrit 108,2.
kivangan 68,i. Doch ist in fullan, faldan, fähan, auch wenn
präfixe da vortreten, / bei weitem das gewönliohere; andere
Wörter wi^ folgen faran haben nie v. — Im wirklichen inlaut
steht V 2 md in zrvival 40,2. 70 (sonst zwifal) und in ovan (= got
auhns)\ endlich 3 mal in erhevit 49,i. 56,i. 100,2. heffan hat in allen
formen, wo / auf das / folgte ff, also inf. heffan Qiafjan) 96,2.
57,1. 38g. conj. heffe {hafjai) 75. 121,^ ; wo i auf das f folgte,
hat es V' hevit (haftp); im praeter, endlich und prtc. praeter,
hat es b: erkmb 49,i. erhaban 49,i. 2- 83,2. 109,2, einmal erhor
pener (s. oben),
w.
Für w finden sich die Schreibarten uu, im (z. b. unkivuo-
nin 108,i), uv (z. b. uvilu 58,i.) und w, uu und w sind die ge-
wönlichen ausdrucksweisen, die beiden anderen sind seltener;
am allerhäufigstca ist uu. — 3 w für w stehen in uuuaskan
diluere 102,i und vielleicht in duuuidaro 62,i, wofür gewönlich
duuidaro] doch kann hier die ausspräche auch duwidaro ge-
wesen sein. — Die laut^ruppe rvu wird nicht anders bezeich-
Digitized by
Google
422 , SEILER
net als das einfache m, also gewönlieh ebenfalls durch uu:
nur Chan, euu (= Snm), uurum, antuurti etc., vvnilmt (= tvunmr
lust) 35,1, vurzhaftor 39,i.
Besonders zu besprechen sind die diphthonge au und iu mit
folgendem yokale. Müssen wir fttr unser denkmal die aus-
spräche aw, irv oder mit nochmaligem vokalvorschlag auw, htw
annehmen? 1) Für die ausspräche arv iw sprechen 3 formen:
hrivoes 42,i. imh 47,2 ^^^ scauoen 86,i, weil hier bloss ein v
(resp, w) gesetzt ist und dies unmöglich fttr uw stehen kann;
auch niuun (gen. sg. fem.) 30,i und 60,^ wird man nicht nm-
tvttn sprechen können, weil dann wenigstens 3 u stehen müß-
ten. 2) Gar keinen anhaltspünkt geben formen wie dreuui
38,1, kidewite digesti 58. keunfreuuit 30,i. 99,2. keunfrauue 80,^.
bmih 31,1. euuih 31,2. nivvi 110,2. pHvves 35,i und das verbum
scauudn 51,i. 121,2; in diesen Wörtern kann man uu sowol fttr
w als fttr uw nehmen, scauuunka dagegen (105,2. 107,i) lässt
schon auf die ausspräche auw schliessen, weil das blosse wu
nur durch 2 u bezeichnet wird. 3) Entschieden fttr Axt aus-
spräche auwy iuw beweisen niuvvii 34,2. itniuuuiu 86,2. nhiuuiu
121,1. nivvviu 107,0 und das verbum scauuuduj wo es mit 3 u
geschrieben ist, nämlich 4 mal: 101,2. 108,2 (zweimal; das eine-
mal hat Hattemer die sinnlose lesart piscauunche. öraff VI,
555 und Schilter geben die richtige piscauuuohe) 12C,i.
Aus diesem tatbestande folgt, dass sich die iussprache
damals noch nicht bestimmt entschieden hatte; sie schwankte
noch zwischen aw und auw, zwischen iw und iuw.
Die neigung des w, nebenstehenden vokal zu verdumpfen,
zeigt sich in drowa 77, aber drawen 38,2.
Uebersicht über den stand der lautvers3hiebung bei
Kero: dieselbe erscheint als ziemlich durchgedrungen, so dass sich
der dialekt dieses denkmals demjenigen nähart, denn Jac.
Grimm strengalthochdeutsch genannt hat. Im anlaut sind nur
einige th, b und g stehen geblieben. Im inlaiit ist t, th, p, k
stets verschoben, fast immer auch d\ es haftet eine grössere
anzahl g und beinahe ohne ausnähme b. Im auslaut ist alles
verschoben, widerum nur mit ausnähme von b. — Die Spi-
ranten f und h bleiben wie in allen ahd. denkmälern, mit we-
nigen ausnahmen in der flexion des st. v., stehen.
Digitized by
Google
BENEDIKTINERREGEL. 423
lieber die I i q u i d e n und nasalen ist nichts zu bemerken.
X steht nur einigemale für das gewönliche hs in sex und
sexto, wahrscheinlich durch das lateinische veranlasst
Consonantische assimilation. a) vorwärts schrei-
tende. Der zweite konsonant assimiliert sich dem ersten.
Ausser den häufigen assimilationen eines ableitungsy, die bei
der flexionslehre im einzelnen zur besprechung kommen wer-
den, kommt diese assimilation nur vor in stimma, nemman,
frammert (aus framwert), b) rückwärts schreitende. Der erste
konsonant assimiliert sich dem zweiten. Hiervon kommt nur
ein fall vor; nämlich n wird vor m und b häufig zu m; vor w
nur in ummahtim 89 und keummuazon 9% (sonst stets uwmah-
tic, unmezzigi u. s. w.). Vor b : imbiz und imbizzan 7 mal (da-
neben 2 mal inbiz, inbizzan), ansaht stets (nur einmal 93,2 «n-
bahtes). Die negierende vorsatzsilbe un bleibt vor b unverän-
dert, z. b. unbiUnnanlih, unbiwamter, unbiderbi; nur einmal steht
umbiderber 100,2- In simblum ist die angleichung stets einge-
treten, mit ausnähme von sinbulum 56,2. Vgl. s. 418.
Die uneigentliche, d. h. nicht auf assimilation oder kon-
traktion zurückgehende konsonantenverdoppelung. —
Die ^, zz, hh s. oben. — Es sei gleich von vornherein be-
merkt, dass in unserem denkmal nicht nur nach kurzen, son-
dern auch nach langen vokalen und diphthongen doppelkonso-
nanz gesetzt wird. Beispiele davon werden wir in der flexions-
lehre noch genug bekommen. Die spätere regel, dass, wo auf
einen langen vokal durch assimilation oder kontraktion dop-
pelkonsonanz zu stehen kommt, entweder der vokal gekürzt
oder nur einfache konsonanz geschrieben wird, befolgt Kero
noch nicht.
Wir finden nun uneigentliche konsonantenverdoppelung
1) nach vokalen; nach kurzen in kespannan 122,2 {kespanan
55,2. 116;2 «• s. w.). zehanning 72 {zehaningari 117,2. 123,2.)
chuettan 106,^ (sonst kiqhueian)] nach langen in zaummum fu-
nibus 75 und Hbbes 73 (sonst immer libes, Übe), 2) nach oder
vor konss. Hattemer spricht hierüber in der einleit. s. 22 und
erklärt es als eine folge der Silbentrennung, die häufig durch
aufsteigende buchstaben des lat. textes veranlasst wird, afltroro
65,1. kemnissa 71. fleiscco 90,i. rvidaretiragan (Schilter liest wi-
daretragan; ebenso Graff V, 497) 77. durufttigön 105,^. 107,i. 108,2
Digitized by
Google
424 SEILER
(sonst durufügbn) rehttunga lll,i. rehtteru 113,2.*) — Diese
beispiele fallen nur in die abschnitte 58—79. 88—90. 96—116.
Im auslaut wird nie uneigentliche doppelkonsonanz ge-
schrieben, sondern vielmehr ursprüngliche vereinfacht: scammer
60,2. scammas 71, aber scam-ficho 71. skem-licho 88.
2. Vokale.
Ich gebe im. folgenden eine vergleichung der vokale un-
seres denkmals mit dem gewönlichen ahd. vokalstande.
Ueber a, o, u ist nichts zu sagen.
Für e steht 2 mal ae, kachuaetan 61,i. rverchae 73; in
zua-aerfultiu 45,i ist die ^oppelschreibung des a auf dieselbe
weise entstanden, wie die uneigentliche Verdoppelung der
konss.
Für i steht einigemale e, ohne dass ursprüngliches a der
folgenden silbe diese Wandlung bewirkt hätte, also ganz un-
organisch.**) Fast durchgängig ist dies der fall in dei\ bei-
den Wörtern eoweht und neoweht'^ in ihnen steht 25 mal -wehty
5 mal wiht, 4 mal wit, letztere beide nur in den 4 schon öfter
hervorgehobenen abschnitten, ganz besonders aber in 82 — 84,
der 5 mal wiht oder witj weht dagegen nie hat. Es fand in
diesem weht also ein schwanken der ausspräche zwischen e
und i statt. Einmal s. 55,] erscheint auch die Schreibung neo-
wiehtiy wo man schwerlich an eine wirkliche brechung des i
in /^denken kann; der . Schreiber setzte vielmehr, da er nicht
bestimmt wüste, ob er i oder e schreiben sollte, beide buch-
staben neben einander. Näheres darüber unten bei der redu-
plikation. — Wirkliche brechung des i in ia haben wir dage-
gegen in dem nicht seltenen stiagil gradus. — Zu dem unor-
ganischen e für i könnte man auch seh für sih s. 102,2 rech-
nen. Da aber sonst durch das ganze denkmal stets sih ge-
schrieben ist, so wird man nicht annehmen, dass das e in die-
ser stelle auf wirklicher ausspräche beruhe. Es bietet sich
vielmehr eine' andere viel wahrscheinlichere erklärung. An
*) In lüttriy lüttras 71 ist das tt durch das nachfolgende r hervorge-
rufen wie in bittar» Daneben findet sich aber auch mit einem t lutri
102„. und hlutremu 119,t.
**) S. 31 steht euuih, unmittelbar hinter iuuih. Das ist wol nicht
e für i, sondern eu für im.
Digitized by
Google
BENEDIKTINERBEGEL. 425
einigen stellen ist nämlich statt des entsprechenden deutschen
Wortes dasselbe lateinische, was schon im texte steht, als glos-
sierung übergeschrieben, bisweilen etwas modificiert. So steht
8. 96,. ''^P^ 8. 98, «ff»°/*«7^ B. 31„ ^«••'*"' 8. 32
' capite, ' patefaciant, ''^ veram,
dera gnada sua, . ^ ibu ni erlauben,
pietate sua, '* ibi non licere.
Dasselbe verfahren erscheint nun auch an unserer stelle.
Sie lautet:
1.x 1. X ' De^* Schreiber hat hier mit der richtigen
subtrahat se. °
deutschen glossieruug angefangen, ist aber schon bei der zwei-
ten silbe des untar in das darunterstehende lat tra gekommen
und hat nun ruhig die lateinischen buchstaben noch einmal
darüber geschrieben; daher in seh das e für i.
e erscheint gebrochen in mias 87. 92 (meas 89) und Mar
30. 48; ferner in der später zu besprechenden reduplication.
Von den diphthongen zeigen sich die gemeinahd. ou
und uo ohne alle ausnähme in den altertümlicheren formen
(m und wa; die beiden ia, die Weinhold s. 60 aus Kero flir
ica anführt {tridbit und priadrd) beruhen auf einem irrtum;
sie kommen bei Kero nicht vor. Als abschwächung des wa
zu ue kann man die form ze tuenne betrachten; indes wurde
hier das w« wol kaum noch als diphthong angesehen; man be-
trachtete vielmehr -anne als endung und schwächte diese nach
analogie der übrigen gerundialen Infinitive zu -enney vgl. un-
ten. In den formen tue 86,i und ttceet 31,2 ist e nicht Schwä-
chung des diphthongs, sondern konjunktivenduflg. — Das alte
ai ist nur 4 mal geschrieben {zaickannan und aikanemu s. 82.
zaichanunga 84. zaichan 100); sonst steht überall ei dafttr. —
tu ist, abgesehen von den brechungen, erhalten, eu steht da-
für vielleicht in ^uih 31 (vgl. oben) und in chneum genibus
85. Letztere form erklärt Weinhold s. 38 so, dass das e lang
sei und für tu stehe; das ist ganz unwahrscheinlich, da e fttr
tu sich überhaupt nur sehr selten nnd bei Kero nie findet
Vielmehr ist entweder der vokal der endung -um durch den
vorangehenden diphtong oder der zweite vokal des diphtongs
durch den endungsvokal verschlungen.
Uneigentliche diphthonge sind wie in allen ahd. dialekten
Digitized by
Google
426 SEILER
in fiant^ friunt durch zusammenziehung entstanden, ebenso in
fior (6 mal; daflir 9 mal feor), — Für das aus ursprünglicher
lautgruppe aiv hervorgegangene eo (z. b. hwioy eo und neo in
eoweht Sonaldre) steht ea in tveamihhiU 60,2- wealihnissi 107,i,
ia in hwiaUhhi 39,2-
Vokalische assimilation.
A. Halbe assimilation, Sie wird durch a oder i be-
wirkt, welche den vokal der vorhergehenden silbe halb zu sich
hinüberziehen.
1) Halbe assimilation durch a, seit J. Grimm brechüng
genannt.*) — Ihr unterliegt nur i, u und der diphthong tu.
Im allgemeinen folgt sie in unserem denkmal denselben ge-
setzen wie im gewönliclien ahd., d. li. sie tritt ein bei ur-
sprünglichem a der folgenden silbe, wird aber verhindert durch
folgendes i oder u, sowie durch mm und nn. Von dieser regel
kommen folgende abweichungen vor: i ist nicht gebrochen in
Urnen (29. 34 55 etc.), wo die doppelkonsonanz schützte und
in rihtunga 87,i, wofür sonst immer rehtunga. Als zu weit ge-
gangene brechüng kann man eoweht und neoweht bezeichnen.
— u ist nicht gebrochen in ubana 91, was jedoch wol nur
Schreibfehler ist flir das sonst allein vorkommende obana (58.
59. 60. 61 etc.). timere, metuere heisst gewönlich forahtan]
zweimal kommt vor furihtan (43. 101) und zweimal furahtan
(31. 40); das a war hier nicht scharf ausgesprochener vokal,
sondern unbestimmter zwischenlant, der auch durch i gegeben
werden konnte und die brechüng nicht notwendig erzeugte. —
Zu weit gegangene brechüng ist farhocton spreverunt 37,i
von huckan. — Einen merkwürdigen Wechsel zwischen u und
0 in ein und demselben werte haben wir in ortfroma st. f.
auctoritas 87,i und ort/rumu gen. sg. davon 60,i. Wollten wir
hier die erhaltung des alten u annehmen, so würden wir ein
vokalspiel statuieren, wie es zwar in an. Substantiven sehr
gewönlich, in ahd. aber unerhört ist, wo die brechüng stets
entweder in allen kasus eintritt, oder in allen fehlt. Es ist
*) Man wird wol nicht umhin können jetzt der zuerst von Curtias
aufgestellten ansieht beizupflichten, dass die ahd. e und o den got, t und
u gegenüber den älteren stand darstellen. W. B.
Digitized by
Google
BENEDIKTINERREGEL. 427
wol eine sekundäre assimilation aus artfromuj wenn nicht ein
einfacher Schreibfehler.
Die brechung cles diph. va ist gewönlich eo (wol zu unter-
scheiden von dem aus aiv hervorgegangenen eo)j seltener zu
io. So ist die got Wurzel piu immer deo geworden (deondn,
deoheit, deomuaii u. s. w.), nur einmal dio in diomuate 38,2. Es
findet sich nur leoht, fleozariy farleosan, 4 mal fleohan neben
einmaligem fliohan 29,,, zweimal erscheint kepeotan (36. 105)
und ebenso oft kepiotan (46. 119). — iu bleibt dagegen unge-
brochen in formen wie fliuhis 48. farliusit 79. kepiutit 52. 98.
tiuri und tiuran (glorificare) liuti, miumi und in der Verbindung
iuw (s. oben unter rv)\ sodann im fremdwort diubil 32. 34. —
Unregelmässjgerweise stehen geblieben ist iu in liugan 35. 97.
und diufa st. f. furtum 42,2.
Es folgt eine tabellarische Übersicht über die entstehung
der schwierigeren diphthonge. Die der reduplicationssilbe sind
davon noch ausgeschlossen: ^
iu \) = got. iw; 2) durch kontraktion in firiunt
io 1) brechung von m; 2) durch kontraktion in fior.
ia 1) aus eo in hwialihhi) 2) durch kontraktion in fiant.
3) brechung von i in stiagil\ 4) von e in hiar mias.
eo l) So aus got. aiv. 2) eo brechung von io. 3) durch kon-
traktion in feor,
ea i) = eo m weamihhiR. 2) brechung von e in meas.
^ 1) für iu in chneum und euuih, 2) umlaut von au in
dreuui keunfreuue.
2) Halbe assimilation durch «*, seit Jac. Grimm umlaut
genannt. In unserem denkmal wird durch den umlaut noch
kein anderer laut afficiert als kurzes «*), das wenn in der folgen-
den silbe i oder j steht oder ursprünglich gestanden hat, in
der BCgel zu e umlautet; doch ist es auch in vielen fällen rein
erhalten. Beispiele des umlautes: kerta 39. 78. secha rixa 123,i.
ekiso 105,1. pl^iir 92,2. ^ri&o aus arhjo 34,,. ervisiun ovilibus
35,,. megi 39,,. unsemfla acc. sg. fem. von unsemfü 39,2. redia
r edihaft u. s. w. Besondere bemerkungen;
Der umlaut wirkt fftr gewönlich nur auf Stammsilben, sel-
*) seUh für soVik 97,i ist nach Weinhold s. 19 nicht »Is umlaut an*
zusehen.
Digitized by
Google
428 SEILER
ten auf ableitungs- oder auf solche silben, die durch einschub
eines hilfsvokals zwischen liquida und muta entstanden sind.
Derartige silben verfallen vielmehr der ganzen assimilation
und schlitzen sogar oft die vorausgehende Stammsilbe vor dem
Umlaut. Diess tritt zu tage bei den auf 4 ausgehenden femi-
ninis; es heisst heilanti 37,i. managt 31,5. untarworfam 41,2.
ubarazzali 89. fartragani 90,2- faram 107,i. inthdbani 119,i.
Ebenso bei den schw. vv. der i klasse: serazzan 43,i. nidarran
48,2. leisannan 11. zeichannan 82,i. 84. 85. starachan 53,2- ka-
gcmnan 106,i. 119,2. karawan und hwaraban oft. Es heisst fer-
ner arandi asper lll;i, aber herti lll,i. — Auch zusammen-
gesetzte vrörter, die im zweiten teile kurzes a haben, nehmen
den umlaut häufig nicht an; so namahafti 119,i. warhafd 43,i.
weralii dat. von weratt 35,i. Die mit scaf zusammengesetzten
feminina wie lantscaf fiantscaf haben 4 mal -scaffi und -scaf-
fim (35,2. 107,1. 115,2. 95) 3 mal -skeffi und -skeffim (75,i. 107,i.
123,i). — ' Ausnahmen von dieser regel sind urereban 30,2.
htverebi 31,2 und viele partic. praes., die auf -enti ausgehen;
doch sind in diesen letzteren die ^vielleicht als Schwächung
anzusehen; dafür sprechen wenigstens participialadverbia wie
horendo 31,2.
Die femininale ableitungssilbe -erf- wirkt keinen umlaut: kihdl-
tida, kiwaltidaj /arstantida, unsamftida, antfrahida. Ausnahme nur
antfenkida 83,2 neben dreimaligem antfankida (38,i. 75. 105), aber
m(Mpirechida 60,i und kihenkida 116,2, weil diese von den schw.
vv. recchdn und henkan abgeleitet sind. — Die zur bildung von adj.
verwante silbe Hh wirkt keinen umlaut: htvasRh, nahtlik, radalihj
sparaRh 92,^. Eine ausnähme bildet nur skemlkho 88 (scamHcho
dagegen 71). — Adjektiva auf -ig- mit a im stamme kommen
nur 3 vor. Davon hat das eine den umlaut, die andern bei-
den nicht: unchreftic 84,2. unchreftigi 87,i. 90,i, aber unmahtic
42,2. 80,2. 101,2 und antfangic 47,2. — Dl© ß*- fem. der \ dekL
haben in den cas. obUq. gewönlich den umlaut, also stetig en-
sti, henteo, lenti (51,i) etc. Ausnahmen: ausser den oben er-
wähnten auf -scaf noch kispansteo 78; ferner äbansti 123,^. ün-
mahti und ünmahtim S%. 101,2; in diesen Wörtern wurde der
umlaut dadurch verhindert, dass der hochton auf der ersten
silbe liegt; sie kommen dadurch in die gleiche läge wie rve-
ralti, warhafti (vgl. die erste bemerkung). Die feminina auf
Digitized by
Google
BENEDIKTINEBREGEL. 429
4 haben teils den umlaut^ teils nicht: mendt, ekij seti, skemnA^
aber slaffi, hwassi und dann widerum ünmahti und UdarU, —
Gleiches schwanken herscht bei den komparationsbildungen
auf -/r und -ist: lengiro 69,i. skemmist 58,2, ^ber starchiro
star(a)chisto 30,2. 35,2. 69,i, wo allerdings der zwischen r und
ch gehörte, einmal auch geschriebene zwischenlaut den um-
laut verhindert haben mag, armiro 114,|. tvassiro 78. — Ab-
weichend vom gewönlichen ahd. wirken auch die gen. und
dat. der schw. msc. umlaut; forasegin nemin 33,i (zweimal).
36,,. 2- 112,1. 119,1- Ausnahmen nur antin für anadin 124.
ewai^in und erhaftin erklären sich aus der ersten bemerkung.
— Die schw. vv. der i klasse lauten, wenn sie a in der Stamm-
silbe haben, fast immer um: kesezzan, zellan, leckan , henkan,
antlengan^ mendan, sentan, nemman, furihertan, erwechan u. s. w.
Einige ausnahmen {starachan etc.) haben wir in bemerkung
1 erklärt; dazu kommt noch keunfrauue 80,2. drauuen 38,2 (ß®"
ben gew. freuuan^ dreuuan)j wo man vielleicht schon au hörje,
chamfan 28. 30,2- 34,i (neben chemfan lll,i, 116,2) und kihalsit
42,2. 53,1.
Weinhold führt s. 24 unter den alemannischen beispielen,
dass für den umlaut des a statt e auch i eintrete, als erstes
eins aus Kero an, nämlich miniscun s. 42,2. Von diesem worte
steht in der handschrift aber nur der endbuchstabe n (vgl. die
Übersicht der abkürzungen und zeichen bei Hattemer s. 425);
alles übrige stammt aus Hattemers köpfe. Statt dessen findet
sich in der handschrift die form mannaskiu 87. Abgesehen
von dem häufig gebrauchten inti (aus anii, enti) kann a nur in
ableitungssilben zu i werden; dann haben wir aber keine halbe,
sondern
B. Ganze assimilation. Sie afficiert nie hochbetonte
d. i. Stammsilben. In Wörtern wie erhapener, pi/olahenem, eike-
netn kann das e der vorletzten silbe sowol durch Schwächung
als durch assimilation entstanden sein.
Assimilation nach vorwärts ist selten. Wir haben sie in
obanoontikt culmen 49,2 aus obanantiki (GraflF I, 80); hier er-
streckt sie sich über 2 silben; ferner in missituan 39,i. 48,i etc.
missität 54,2. missilih 5 mal, daneben einmal missaJüh 101,|. —
Als assimilation nach vorwärts wird man auch die häufige
Verbindung eoco- (in eocowelih eocower etc.) ansehen müs-
Digitized by
Google
430 SEILER
8611; weil sonst in unserem denkmal das präfix ga- nie co
lautet*)
Die assimilation nach rückwärts geht von o und noch
häufiger von i* aus und wirkt gewönlich nur auf a, \%i aber
auch hier nicht zu einem durchgreifenden gesetze geworden,
wie etwa die brechung; vielmehr gehen nicht assimilierte for-
men neben assimilierten her.
a) f assimiliert vorausgehendes a. swigilü 4S;i. 8S. smgdl^
48,1. 55,2. 93,1. — keleisimt 46,2. 52,2. keleisanil 77. — uniiri
53,1. w*«'^* m»i- untari 54,i. — pilidi 38,2- pHadi 55,2. 75,i, 115,i.
119,1, — catilinga parentes 113,2. catalinga 106,2. — emiztUgon
fttr emazzigdn 91,2. florint für farlorant perditio 123,i. — Ein-
mal ist auch die endung des part. praes. -anti zu -mti assimi-
liert: mezzinti 40,|. — eikinin 112,2. eikint 50,2; doch findet sich
in diesem werte auch i, wenn in der flexionssilbe ein anderer
vokal folgt, eikinan 44,2. eikinera 115,i. Sonst' steht gewönlich
eikan- oder eiken-,
b) 0 assimiliert vorausgehendes a: nur eigono acc. pl. fem.
38,1. if'Zordsti 55,i (aber innardro 55,i. opardro 116,2) ^^^ viel-
leicht stozzonto trepide 47,i, wenn es von siozzan her kommt
(so Weinhold s. 11). Graff leitet es indes wol mit recht von
stozzdn ab VI, 735. — Sonst ist immer a rein erhalten, also
offandn 98,i. widardn 95. ebano 102,i. leisanonti 53,_ u, s. w.
In allen diesen fällen ist der assimilierte laut a. — Dass
auch andere vokale assimiliert werden, ist äusserst selten. Ich
finde nur sitilih 94,i f^r situlih 111,2. — sibun- ahto- niunzogösto
fttr 'zugdsto 62,2. ^^jv kann man auch zur brechung rechnen.
Yokaleinschub zwischen konsonanten.
Diese dem ahd. eigentümliche erscheinung ist in unserem
denkmal sehr stark ausgebildet. Von den beiden konss. ist
der eine stets liquida und zwar in den meisten fällen r. Der
eingeschobene vokal ist in der regel a, bisweilen i (ßtrihtan
43,1. löl?i« ^^0 34,1). e wird manchmal durch vorangehendes
e hervorgerufen: perege 32,2. nrerebe 30,2. kihwerebi 51,2; ^
tritt oft ein, wenn in der vorhergehenden oder folgenden silbe
*) Vielleicht gehört hierher auch rosomon aeruginem 121^i. Graff
II, 548.
Digitized by
Google
BENEDIKTINERREGEL. 43 1
ein u (oder auch tv) steht: timruht, nnirum, duruft, duruh, sinbu-
hm 56,2, kecaruwe 119,2. Was nun den umfang der erschei-
nung betrifft, so sind 2 fälle zu unterscheiden.
1) Wenn die beiden konsonanten nur einer silbe angehö-
ren, also dieselbe schliessen, so unterbleibt der vokaleinschub
fast nie. Es heisst also nur werah (46,2. 52. 100,i. 101,2. 102,i)
und werahrman (31,2. 55,i. 57); dagegen wechselt rverache, tve-
rachum mit wer che, werchum] ferner steht aweraf (55,2), aber
stets werfan; parac (37,^) aber oft keporkan\ es findet sich hur
fordhta, duruft, duruh, wurum, tvuruhti (dat.). — Von dieser
regel kommen nur 2 ausnahmen vor: sorchaß 121,i {sorachaft
43,2) und durftigdn 105,^ {duruftigön sehr oft), beide in der
letzten hälfte, die überhaupt, wie wir gleich sehen werden,
dem vokaleinschub weniger günstig ist,
2) Wenn der zweite konsonant eine neue silbe beginnt,
so schwankt der gebrauch. Einige Wörter schieben auch hier
durch das ganze denkmal hindurch einen vokal ein, nämlich
pifelahan 39,2. 40,^.2. 43,2. 77. 81,2. 93,i. 118,i. 123,2- 125 und
karawan 28. 30,2. 40,2. 52,2. kecaruwe il9,2*). — perege 32,2. so-
raga 40,^. faram 107,i. tvaramem 107,i kommen nur einmal
vor. Bei anderen fehlt durch das ganze denkmal der vokal-
einschub, nämlich bei wurchan 32^2- 45,2. ^9,2 und werchdn 33,i.
99,1. 100. — kimarchot 67,^ und kiporkan 113,i kommen nur
einmal vor. Bemerkenswert ist, dass der starke konsonant
ch, der schon an und flir sich auch nach voraufgehenden kon-
sonanten leicht aussprechbar ist, den vokaleinschub nicht be-
günstigt — denn auch werche und starche ist gewönlicher als
rverache, starache — während dagegen die schwächeren Spi-
ranten ä und w {pifelahan^ karawan) sich gern durch einen
eingeschobenen vokal stützen lassen. — Noch andere Wörter
schwanken und zwar herscht bei ihnen in der ersten hälfte
des denkmals d. i. bis s. 54 der einschub vor, in der zweiten
unterbleibt er lieber. Folgende wie ich hoffe vollständige ta-
belle wird dies beweisen:
*) Daher ist wol auch kekarvvit 112,2 als kekaruwit aufzulösen.
Digitized by
Google
432
S£ILER
Bis 8. 54.
mit einsehub
aräbeit 50,2. 43,i. 53^2. 3
arame 42,2. 1
rverache
hwaraban 30,1.31,2.51,2* 3
hwerahan 34,i. 52,2. 2
starache 35,2.53,2- 2
porakhi 40,2.49,1. 51,2.(2). 4
keporkan 54,2. 1
16
obn^
2 35,1. 38,2.
1 38,1.
1 30,2.
2 52,1.2.
Von s. 55 an
mit einschab 'ohne
121.
56,2. 98,2. 2
457.89,2.101,2.100,,.
3 80,2.105,1.114,1.
3 73. 93,2. 94,2.
4 64,1.87,2.118,1.2.
379.125.(2).
269,1.121,2.
3 62,1.116,2.117,1.
2113,1.114,1.
3
24
Eine besondere art der vokaleinschiebung findet in der im
ahd. so häufigen nominalendung -ar statt. Doch gibt es auch
werter mit ursprünglichem -ar, wie andar (got. anpar)\ der
vokal aber wird bei ihnen ebenso wie der eingeschobene be-
handelt, weshalb ich beide arten im folgenden zusammen
fasse.
Regel ist, dass wenn das r die silbe schliesst, also im
auslaut oder in Zusammensetzungen, die volle endung -ar steht:
unsar, andar j altar, wuachar , polstar, hlahiar, silbar , chortar,
lastar-Uh, winiar-dt, meistar-tuam. — Ausgenommen hiervon
sind nur after, fater 30,i. 80,i. 119,i und pruader 37,2. 54,1.
100,1. {fnuater und swester kommen nicht vor).
Wenn dagegen das r eine neue silbe beginnt, wenn also
flexions- oder ableitungssilben daran treten, so kann dreierlei
eintreten: 1) das a bleibt auch hier unverändert stehen. Dies
geschieht aber nur selten, andarer 63,i. 99. choriare 77. ^w-
mares 62,^. 90,2. fvintares &2,i, pruadar(um) 109,i*) endlich m-
narorun 55,i und oparorun 116,2. — 2) a wird zu e geschwächt
und 3) dies geschwächte e fällt ganz aus, wenn der voraus-
gehende konsonant sich mit r leicht verbinden lässt. Liquida
und Spirans lässt sich mit unmittelbar folgendem r unbequem
aussprechen; daher heisst es ohne ausnähme unseres, unsere,
iuueres, iuuerem, sumeres (91,2. 107,i), nicht unsres, sumres.
Muta dagegen verbindet sich mit r zu einer sehr bequemen
konsonantengruppe und demgemäss ist das e zwischen t, d, b.
ch und r fast stets ausgefallen. Es heisst also regelmässig
andres y andre, andra, andrum u. s. w. meistres, meisirä (41,2)."
*) faiare 70 ist wol nur verschrieben aus fatera.
Digitized by
Google
BENEDIKTINEßREGEL. 433
achre 56,2- Cichro 91,2. ^vuntrum A%. hlahire 44,i. hlutremu, lu-
tras , lutri 119;i. 71. 102^i. chortres 40.i. finstri 31,2. unsubro
82,1. altrum, aldre 87,i. 89,2 (ui^d i^ ^öw-, neonaldre) wintre
107,1. Doch ist das e auch zuweilen erhalten, namentlich
zwischen dentalis und r, z. b. anderes 63,i. 79. 122,i. lalitere
56,1 (zweimal) «//^r^ 113,2 ^^d regelmässig in /ö/^r und prua-
der, z. b. fateres 30,,. 38,2. ^'^^i ^^c- pruadero 41,,. — Die fe-
minina auf -ara synkopieren in den cass. obl. das a in der re-
gel; so heisst es stets dslrün, ostrom, hleiira gen. sing, 50,i.
zuntrun 93,2. I^i nom. sing, ist das letzte a abgefallen in
hleitar 49,,. 50,,, aber nicht in chamara 105,2. Von Zusammen-
setzungen findet sich hleitarpaum 50,,. Bei zimhirrono 48,i ist
unsicher, ob wir durch das ursprünglich folgende ableitungsy
assimiliertes -ar- oder, wie Weinhold s. 221 will, gleich von
vornherein -/r- als suffix anzusetzen haben.
Verdoppelung der langen vokale.
Lango vokale sind in unserem denkmal vielfach doppelt
geschrieben, sowol in stamm- als auch in flexionssilben. Am
häufigsten erscheint ee, weil es viele flexionssilben mit e gibt.
In Stammsilben finden wir es in eerhafl 30,i. see ecce 32,i.
leerran 34,2 ^^c. mecr 37,i etc. seer 31,2 etc.; in ableitungs- und
flexionssilben ist es namentlich in der adjektivischen deklina-
tion häufig, wo der nom. sing, sehr oft, der dat. plur, in der
regel -eer und -eem geschrieben wird; der nom. plur. kommt
nur 2 mal mit doppele vor: 60,, und 61,2. Ferner haben die
schw. vv. der dritten konjugation sehr oft ee f^x e\ auch die
endung -mh wird häufig -mees geschiieben. Endlich hat der
conj. praes. in der 2 sing, und im plur. oft -ees , -eet, een, z.
b. nikangees 52,,. kenemmeet 32,,. hoorreen 41,2. Dass die 1
plur. nicht mit ee vorkommt, ist zufall. Zu diesen konjunkti-
ven mit ee darf man die von schw. vv. der dritten konjug.
nicht hinzurechnen, wie z. b. keameem, mereamur 29,2. ^^^^^
studeat 44,,. piporgee caveat 116,2, weil sie miiM = kearnem,
zile, piporge, sondeni = keameem, zilee, piporgee sind.
00 in Stammsilben: hoorran 31,i etc. oora 31,2 etc. loon
45,t etc. kipoot 50,2. nootian 54,i. oostra 91,2. erloossan 39,2 u.
s. w. In flexions- und ableitungssilben steht oo oft bei den
schw. w. zweiter klasse, im dat. plur. der schw. deklin. und
Beiträge zur geschichte der dentschcn spräche. I. 29
Digitized by
Google
434 SEILER
der. st femin., zweimal auch in der 2 sing, praet. der schw.
vv. 'toos = 'tos 53,2, einmal im compar. tragoor 86,2.
ü erscheint in cüt Z\,^. liih 31,2- fliiz ^^^i. slin 46,2, criiffan
46,2. iillan 50,2. P^^ ^%i^ ^rii 59,2. riif/ii 124. in emiic 41,2, iß
der 2. plur. conj. praeter, eigiit 31,2 und churiit 31,i, wenn man
die erklärung als 2 plur. conj. praeter, von chiosan gelten lässt,
und oft in den femin. auf A, die den got. auf -ei entsprechen.
aa in kaat 32,2. saar 39,,. zaala 39,1. ketaan 41,i. aabulki
43.1. ddhtunga 43,,. slaafac 43,2. cu^tumHh 43,2. Iddzzmi 46. aawo
49.2. danaan 34,2 uzzaan 41,2, in ableitungs- und flexionssilben
nicht
WM ist am seltensten: pisuufß 51,2. farsimmmando 80,2.
zualumtrenteem 31,i und 4 mal im gen. und dat sing, der
schw. fem. cheluun 35,2. mnnuun 45,i. pezzisiuun 81,i. cotchun-
duun 81.
In allen diesen fällen steht der doppelvokal für eine ent-
schiedene länge. Man hat behauptet, dass bei Kero auch kurze
vokale doppelt geschrieben werden. Das kommt aber nur ein
einziges mal vor, obonoontiki (Graflf I, 80. Wcinhold s. 12 und
44); mit unrecht nimmt Weinhold dasselbe von platoon 33,2
an, wie wir unten sehen werden. Es bleiben nun bloss noch
die beiden infin. hoorreen oboedire und sklrmeen defendere, beide
41,2. Graflf führt VI, 546 skirmeen ohne weitere erklärung an;
zu hoorreen macht er IV, 1003 folgende bemerkung: ^jhoorreen
wäre als 3 plur. conj. anzusehen, wenn man nicht neben
horjan auch hdren bei Kero annehmen müste." Dafür beruft er
sich auf die form hoorres s. 31,2. Allein — wir sehen ganz
davon ab, dass schon das doppelte r in beiden formen der
annnahmo eines verbums hören zuwiderläuft —. die letztere
stelle beweist gar nichts. Sie lautet;
daz ihn du hoorres aniuurtt ih qhuuidit dir cot
Quod si tu audiens respondeas: ego, dicit tibi deus.
Der Übersetzer hat die etwas verwickelte konstruktion nicht
verstanden, audiens als ob es audias liiesse zu si gezogen und
respondeas als auflForderung gefasst hoorres ist ganz regel-
mässiger* conjunct. von horran. Ein verbum hören bei Kero
anzunehmen liegt also gar kein grund vor und für die 3 plur.
conj. praes. wird man hoorreen 41,2 ^^^h nicht halten können,
da gar nicht abzusehen ist, wie die ganz einfache stelle:
Digitized by
Google
BENEDIKTINEKREGEL. 435
discoom kerisit hoorreen . " , . x.. j •
,. . , .X 1- j. zu einem solchen misverstandn«
discipulos convenit oboedire
hätte anlass geben können, hoorreen ist also der inf. Höchst
unwahrscheinlich ist es aber, dass es der geschwächte inf.
hoorren ist, wie erfüllen 44,2. erlauben 106,| (s. unten), dass
also ee flir das geschwächte tonlose e steht. Vielmehr ist ee
entweder von dem Schreiber der handschrift. oder erst von den
neueren herausgebern verlesen aus cc = a. Vgl. das facsimile
des ersten a in zlkarawenne und M. S. D.^ s. 458; femer unten
über unseer, — hoorreen und skirmeen ist also nichts weiter
als hoorran und skirman.
Es bleibt nun noch übrig zu prüfen, ob diese erscheinung
sich durch das ganze denkmal gleichmässig hindurchzieht
oder nur in einzeli]ien teilen erscheint. Da ergibt sich denn
folgendes ;
Die erste abteilung 28 — 54 hat die Verdoppelung unge-
mein häufig; allerdings nicht durchgehend; denn die formen
mit einfachem vokal kommen überall neben denen mit dop-
peltem vor.
S. 55 — 78 dagegen schreibt mit ganz wenigen ausnahmen
einfachen vokal. Die ausnahmen sind drii 59,2. ^f'^^ ^7«
smahlihhii 55,,. horskii 78 und andree s. 60,i und 61,2 (sonst
findet sich im ganzen denkmal der nom. plur. eines adjekti-
vums nicht mit ee geschrieben).
S. 79 — 82 ( — cap. XXXIL schluss) ist die Verdoppelung
wider häufig; sie findet sich 22 mal.
S. 82 (cap. XXXIÜ) —84 (cap. XXXIV schluss) fehlt sie
durchaus, obwol dazu mannigfache gclegcnheit wäre.
S. 84 (cap. XXXV) —86 erscheint sie wider 14 mal.
Von s. 87 an tritt uns ein anderes i)rincip entgegen. Von
da ab findet sich nämlich nur noch einmal ee (88)*) oo (91)
aa (92) und ii {ruf fit 124); dagegen wird fast immer das % in
den femininis, die den got. auf -ei entsprechen, jdoppelt ge-
schrieben; so auf s. 87. 88. 89. 90. 91. 93. 94. 102. 107. 108.
110. 113. 114. 115. 116. 117. 118. 119. 120. 121. 123. 124;
sonst fehlt die Verdoppelung durchgängig; einen sprachlichen
*) Auch in trahtohee ll6,i, aber an einer stelle, wo es sonst nie
steht.
29*
Digitized by
Google
436 SEILER
grund dafür weiss ich nicht anzugeben, das faktum aber ist
wichtig.
3. Deklination.
a-Dcklinatiou.
I. Masciilina und ncutra.
Sing. nom. wie gewönlich.
Gen. -es.
' Dat. -e. Die alte cndung -a ist erhalten in taga 40,2, wenn
es kein Schreibfehler ist*). Zweimal erscheint der dat. un-
flektiert; in demu selbin anakin in ipso initio 39,i. leoht
luce 92,1.**)
Acc. wie nom. Die endung -an in iruhtinan und cot an 28.
32,2. 38,1. 44,1 etc. — Instrum. kommt nur in wenigen worten vor.
Endung -u (-m): mezzu 38,2. 69,2. 113,2. antwurtu 47,,. muatu
47,2 (zweimal), wol auch itnmuulu 86,2 {Ja stamm).
Plur. nom. und acc. gewönlich -a. Schwächung zu e in
wehharre 85 (2 mal) ahme 110,i. Im acc. 2 mal -0 für -a:
domo spinas 64***) und zehaningarro decanos 123,i. Woher
in farstantantUhhe muatu intelligibiles animos 39,i das -u
kommt, weiss ich nicht ganz bestimmt anzugeben. Ich bin
aber geneigt, es für einen Schreibfehler für muata zu halten.
Das merovingische a ist dem ii ja sehr ähnlich. Vgl. Watten-
bach, lateinische paläographie. Hattemer in Höfers Zeitschrift
III, s. 70 erklärt einfach, dass für a öfter u stehe; diese er-
klärung ist keine. Frauer im lehrbuch der ahd. spräche und
literatur^ 280 meint, muatu sei entweder acc. plur. ntr. für
muat (geht nicht wegen des im masc. dabei stehenden adj.)
oder instrum. „die verständigen an geist" ; viel zu gut und
selbständig für Kero. — Die ntr. haben den nom. und acc.
plur. gewönlich wie den sing. Die bildungssilbe -ir erscheint
nur einmal in pilohhir 45,2 und zu er geschwächt in chinder
30,2, aussesdem noch einmal im dat. pletirun 92,2.
•) ze antlazza ad indutias 33,2 ist nicht dat. sing., sondern acc. plur.
**x T ^^ht dictontemu , , , . . . ^. ,
^ ^° justitia dictante ^*°^ ^^^ Übersetzer justitia für den nom.
gehalten haben.
••*) domo erklärt Dietrich (historia dccHnationis theodiscae primariac
B. 18) als abschwächung aus dornu «= got; paurnuns»
Digitized by
Google
liKNEDlKTlNERREGEL. 43 7
Gen. -0 {piboio, mu7Ücho, chindo, fleisko^ lobo, mtiaso, etvario,
chliricho etc.); dafttr -a in kidancha cogitationum 34,2- 50,2,
wenn nicht ein tibersetzungs- oder Schreibfehler vorliegt.
Dat. -um (oft -fi abgekürzt); zu -un geschwächt in ewisiun
35.1. pruadrun 59,2. fairun 60,i. lohun 62,2. tagxin 68,3. catalin-
gu7i 106,2. {tverach)u7i 109,2 und pletirun 92,2.
Bei den ja ßtämmen verschwindet das j in den cas. obl.
in der regel spurlos. Doch kann es sich auf 2 arten erhalten.
1) Es assimiliert sich dem vorangehenden konsonanten.
Dies ist namentlich der fall bei den Substantiven auf -an*.
Die cas. obl. von diesen zeigen in der regel rr mit ausnähme
des dat. plur., der merkwürdiger weise immer einfaches r hat.
Ich zähle die vorkommenden formen auf :
Dat. sing, puarre 34^^. swmarre 42,i.
Nom. plur. wehharre 85 (zweimal) listarra 109,2.
Gen. plur. lihhisarro 34,2 swihharro 35,2 zehaningarro 123,2.
— Aber listaro 109,2. gangar aro 105,^.
Dat. plur. wehharum 88. Uhhisarum 35,2 gangar arum 109,i.
zehaningarum 117,2. lerarum 46,i. 60,i.
Auch das fremdwort altari aus lat. altare schliesst sich
diesen substantivis an; es hat im gen. altarres 80,2«
Sonst findet sich die assimilation noch einigemale bei vor-
ausgehendem ^- so in dem st. n. keräti; hiervon heisst der
dat. sg. keralte 41. 120,2, der gen. kerattes 42,2. (dagegen mit
einfaohem t: kerate Alji und 120,i); femer in petivm = badjam.
2) Das ableitungsy wird vokalisiert und verdrängt den
flexionsvokal. Dies findet nur bei neutr. und zwar nur im dat.
plur. statt: ketvätim für kervätum 82,^. rvidarmuatim von st. n.
widarmuaü 54,i (daneben aber auch tvidarmuatum 53,i. isar-
nazzasum 82,i).
II. Feminina.
Sing. nom. -a: lira, ruahcha, rihhida eic. — Gen. Die alte
endung -ö findet sich bei Kero nicht mehr. Die form suano
56.2, die Weinhold s. 418 als gen. ansieht, ist dat.*) — Eine
verdumpfung dieses -d, nämlich -u, kommt einigemale vor:
drinissu 59,2. ori/rumu 60,i. rehtungu 42,^ 87,i samanungu 84,2.
leru 120,1. — Ob auch kiridu 102,2, wie Weinhold meint, gen.
ist, ist nicht ganz sicher; es kann auch fälschlich von mit ab-
*) Weinhold führt es selbst gleich darauf als dat. an.
Digitized by VjOOQIC
438 SEILER
hängig gemachter dat. sein. — Die gewönliche endung de»
gen. ist -a wie im nom. z. B. helfa 29,i. kilauba 29,2 etva 30,i.
sela 40,2. slahta 53,2. ^^t/a 123,i.
Dat. gewönliche endung ist -u: lern 29,2, tiuridu 31, j.
auhhimgu 40,i. sprahhu 48,2 etc., daneben aber nicht selten -a
z. b. /r/nWa 43,2. (inireitida 66,2. uharfleozida 115,2. uharfluaüda
86,1 . -ö (wol abschwächung aus -w; vgl. Dietrich bist, declin.
s. 25) nur 3mal: mano 56,2. fninno (aber in -t^ konugiert) 57,i.
^ro 59,2-
Acc. gewönliche endung -a. Einmal geschwächt zu -e:
helfe 125; zweimal -w, wenn hier kein fehler vorliegt; rehtungu
93,1. eru 105,i.
Plur. nom. gewönlich -a öfÄa 33,2. racÄa 46,2- sela 91,2- —
Zweimal -0 secho und pisprahho 123,i. — Weinhold s. 419
führt noch selo s. 40 an; das ist aber acc.
Gen. die alte endung -0 lässt sich nur an einer stelle be-
legen: unsamftido ditÜGulUiium 110,2 (GraffVI, 227)*); sonst ist
die endung der schw. deklinati(»n eingedrungen -ono z. b. do-
Iwigono 29,2. kiridono 35,i suanono 108,2 etc.
Dat. 'öm (oft 'Oom geschrieben); dafür 3mal -on 66,0. 69,2.
100,3. einmal -un: wahtun 58,i. — Man kann auch manimgum
33,2 hierher zie*hen. Das kommt aber wahrscheinlich nicht
von einem fem. manunga, sondeni von einem masc. manunc
her; vgl. amunc und samanunc 120,^. scatvunc 107,i.
Acc. -a: sunta 39,i. sela 39,2. santa 66,2 etc.; 3 mal -o;
cello 35,2. -^^^ö 40,1 2-
Das ableitungs-y hat sibh bei diesen femininis nie er-
halten; in der regel fällt es aus, ohne spuren zu hinterlassen
z. b. sunta minna; es zeigt sich wenn die Stammsilbe a hat
noch im umlaut desselben: secha rixa 123,i. kerta 39,2- ?ieila
29,1 ; 111 dem letzten werte ist es zugleich assimiliert, ebenso
wie in dem fremdworte milla 54,i.
/-Deklination.
Der sing, flektiert bei den masc. wie in der a deklin. Von
instrumentalen sind erhalten das ebenfalls in die a-deklin.
übergetretene kasiu lOO.j, dann aber die rein gebliebenen fora
*) Vgl. Dietrich bist. decl. s. 7, anin. 14.
Digitized by
Google
BENEDIKTINERKEGEL. 439
heitio ex persona 53^2 (ä^«^ ist nämlich bei Kero auch msc
113^2* 120,2) und eddeslihchemu fristeo aliqua scrupulositate 90,i.
cfr. Weinhold s. 426.*)
Bei den feniin. hat der nom. und acc. sing, keine endung,
der gen. und dat. -i mit umlaut der Stammsilbe, wenn diese
kurzes a enthält: ensti 28. steti 44,i etc. Zu e geschwächt ist
dieses / in kitvonaheite 57. 63,i. In folgenden fällen steht auch
der gen. und dat. ohne flexionsendung: deoheit gen. 41,2. dat.
50,1. 98,2. rveroU gen. 43,i. kemonaheit 57. ieilnumft dat. 74.
cht gen. 80,2, vielleicht anst 33,i und 47,2.
Instrum. kommen nur 2 vor und auch diese nicht ganz
sicher. Erstens untar rehteru eidswerüu sub jurejurando 113,2.
Graflf VI, 895 nimmt zwar ein st. n. eidswert an und scheint
davon eidswerüu herzuleiten; das wort zeigt aber sonst nur
femininformen nach der i dekl.; also wird man auch eidswerüu
als eine solche anzusehen haben. Zweitens mezhafüu. Dies
wort ist die Übersetzung von modesüä (abl.) 73. moderaie 73.
mensurate 81,i. 99,2- mensurata 107,2 (Graflf II, 897). An letzter
stelle ist es oflfenbar ntr. plur. eines adj. mezhaft; die andern
scheinen instrum. eines st. f. der i dekl^mezhaft, gen. mezhafti
zu sein.**)
Im plur. gehen msc. und fem. gleich. Ueber den umlaut
s. oben.
Nom. und acc. -i kesü winti 33,2. lantsceffi steti etc. Un-
flektiert erscheint der nom. und acc. plur. in kitaat 43,2 ^^^
*) Dietrich s. 17 nimmt heiteo und fristeo als dat. d. w-deklination
msc. gener. Eine dativendung -eo gibt es aber ebensowenig wie -m.
**) Die erklärung dieser beiden tormen als instrum. von st. f. der
i-dekl. hat zuerst aufgestellt Weinhold s. 428. Ihr widerspricht nur das,
dass von femininis der a-deklin. kein instrum. vorkommt. Dietrich s. 19
erklärt beide als dative von starken femininis der w-deklin. Allein
erstens i^t swart und haß als starkes fem. der w-deklin. absolut nicht
nachweisbar, sondern nur der t-deklin. und zweitens ist eine dativ-
endung -iu eine blosse annähme, die sich nicht beweisen lässt. Da nun
auch übersetzungs- und Schreibfehler mit im spiele sein können, so wird
sich über eidsrvertiu und mezhafüu ebenso wenig wie über heiteo und
fristeo je ein sicheres urteil fällen lassen. Dietrich gibt indes selbst
auf s. 21. die möglichkeit zu, dass die instriunentalendung -u einst
auch den femininis zugekommen sei.
Digitized by
Google
440 SEILEK
pncah feinoralia 108,i, wo das danebenstehende dea zeigt, dass
es fem. ist, nicht wie Graflf III, 277 meint ntr.
Gen. die ursprüngliche endung ist -io z. b. achmtio*) 2%.
tatio 32,1. hcreftio 57. Gewönlich steht dafür -eo: Uuteo 31,2.
kesteo 80,2. 83,2. heiieo 38,i. klspansieo 78. arheit^o 101,2. ^^^^^o
107,1. taieo 108,2.
Dat. endung -im: zdharim 44,1. ^^'^«'^ ßlji- kiwonäheitim 69,2.
tatim 36,1. kesihtim 32,2. ^w/^/^ 64,2 u. s. w. • — Der dat. plur.
citiim 38,2. 66,1. 68,2 kommt nicht von dem st. f., sondern von
dem st. n. dt her (vgl. Graflf y, 633 ff). Uebrigens ist dtim
viel häufiger.
w-Deklination.
Sie ist für gewönlich in die beiden anderen deklinatio-
nen übergegangen und zwar der sing, des msc. in die a-dekl.
fuazzes 107,i. fuazze 46,i, der plur. der msc. und das ganze
fem. in die /-deklination : fuazzio 50,2. feorfuazzeo 90,i. hmieo
50,2. l'^ißeo 107,1. "^ww^ vocat. 31,2. siüm 39,2. ^^n- ^cnü dat.
sing. 31,2. ßeste der wirklichen z/-dekl. sind: acc. fridu 31,2.
43,1. göD« frldoo 32,1 (= got. -aus), instrum. in fridiu 83,2. ^^
fridiu 118,2. ^ii'^y^ 86. Weinhold rechnet auch fridu 45,i als
instrum. Allein es ist wol acc: die stelle lautet: . '
' m pace
,. Im lateinischen text ist päce nur versclirieben für
redire. ^
pacem (so Holsten); es ist nach dem sinne', nicht nach den
Worten tibersetzt, was bisweilen, wenn auch nicht gerade häufig
vorkommt, dat. plur. fuazzum 32,i. 96,i. 112,2. kantum (femiii.)
46,1. 48,2. 93,2. — Ein ntr. kommt nicht vor.
N-stämme (schwache deklination).
Da hier in der deklination der substantiva und adjektiva
kein unterschied stattfindet, so behandele ich beide gleich zu-
sammen.
Masculina. Sing. nom. -0: poio, disco, hreinisto. — erista
45,2 ist Schreibfehler.
*) Von diesem werte kommt ächustedn vitiare 11 6,1 her; das % des
Stammes ist hier, wie im gen. plur. gewöhnlich, ebenfalls zu e gebrochen.
Digitized by
Google
BENEDIKTINERREGEL. 441
Gen. und dat. -m gewönlich mit umlaut der Stammsilbe
(vgl. oben s. 429). — antwurtan 49,2 ^^^ Schreibfehler.
Acc. 'un. Daneben tritt im ersten teile ( — s. 54) und
ausserdem s. 121,1; also in partien, die auch das anlautende
h und die Verdoppelung der langen vokale wahren, nicht selten
die endung -on auf: 43,2. 44,2 (2 mal) 47,2. 51,2 (2 mal) 52,2.
54.1. 121,1. Dies -on ist die mittelstufe zwischen ursprüngli-
chem und got. -an und dem späteren -un, nicht etwa ab-
schwäcliung aus diesem.
Plur. nom. und acc. Der erste teil des denkmals unter-
scheidet scharf zwischen nom. und acc. Er bildet den acc.
stets auf 'on: 31,i. 39,^. 45,^. den nom. auf -un^) In der zwei-
ten hälfte (von 55 an) kommt der acc. gleichfalls nur auf-ö/i
vor: 82,2. 123,i; es ersclieincn aber einige -ort auch im nom.:
59.2. 61 {fordroron) 64,2- 100,2 neben dem gewönlichen -im.
Auch hier werden wir -on als verdumpfung aus ursprüngli-
chem -an (got. -ans) anzusehen haben, neben der sich die wei-
tere verdumpfung -un erst später einstellte. Der Verfasser
oder Schreiber der ersten hälfte, dessen Orthographie überhaupt
korrekter ist, befolgte auch hier eine bestimmte regel, die in
der zweiten hälfte dadurch .durchbrochen wird, dass on auch
im nom. gebraucht wird. Wie diejenigen partien der zweiten
hälfte, die, wie wir einigemale gesehen haben, vielfach zu 1
stimmen (79—82. 84—87. 90—95. 117—125) sich in diesem
punkte stellen, kann aus mangel an beispielen nicht gesagt
werden.
Gen. 'Ono: 28. 36,2. 42,i. 50,2. ^^%i etc.
Dat. 'dm (oft -oom)] 4 mal 07i: salmon 65,^. geswason 104.
selbon 92,i. UO.i.
Masculina mit dem ableitungs/ gibt es überhaupt nur
sehr wenige und das j ist in der regel spurlos ausgefallen ; so
in allen parte, praes. In eribo 34,^ hat es umlaut hinterlassen ;
in willo (got. viljd) und urriutto exstirpator 80,2 ist es assimi-
liert, in willeono 50,2, ausserdem noch als e erhalten.
IL Neutra.
Von Substantiven kommen nur vor: aiiga, herza, ora.
*) ebanlozzon 29,2 ist kein gegenbeweis; es kann ebenso gut der
acc. sein als der nom. (lat. consortes).
Digitized by
Google
442 SEILER
Sing. nom. und äcc. -a. gen. und dat. wie msc.
Plur. nom. und acc. Zweimal erscheint die altertümliche
dem got. -ona entsprechende enduug -on, nämlich ooron 31,2
und camemamon 83,i. Ob dieses -on noch lang oder schon
kurz ist, können wir nicht wissen. Das daraus durch ver-
dumpfung entstandene -ufi, was die gewönliche form ist, ist
jedesfalls kurz, gen, -ono. dat. -dm; dafür -on in selbon (44,i.
82,t. 110,,. 121,2.
Ganz Singular sind die beiden formen herza irveriu (acc.
pl.) 31,1 und auga oculi (nom. pl.) 52,i. Gr. I2 629 gibt nur
an, dass in ihnen der nom. plur. und sing, gleich sei. Wein-
hold s. 444 erklärt sie durch ausstoss des themasuffixes -an
oder 'on-j also herz{ön)a, Dass dies suffix ursprünglich vor-
handen und dann erst ausgestossen sei, möchte ich bezweifeln.
Wahrscheinlich standen die formen ohne suflfix ursprünglich
neben denen mit suffix, traten aber später bis auf wenige
reste ganz gegen sie zurück.
III. Feminina.
Sing. nom. -«. Die übrigen cas. -ün (auch -umi geschrie-
ben vgl. oben); dafür steht einigemale (101,i. 102,i. 2) der
Schreibfehler -umi Auch hier hat sich einmal das alte -on er-
halten: fona eriston citi 99,^.
Plur. nom. und acc. -wn. gen. -ono. dat. -dm, wofür ein-
mal 'On 60,2.
Die feminina mit ableitungs-y bewahren dies fast immer;
so rediun und rorriun calamum 121,i, wo durch das j auch
noch Verdoppelung der vorangehenden liqnida herbeigeführt
ist, wie in willeono 50,2- cotchundiun 71, aber cotchundufi 60,i.
— Von fremdwörtern gehören hierher calizia caliga 107,i. 108,2
und lectia (lecziüy leccia, leczea, lectza, lecza).
Die den got. auf -ei gen. -eins entsprechenden feminina
haben bei Kero in allen cas. des sing, und im nom. und acc.
plur. % (ii); im gen. plur. kommen sie nicht vor; im dat. plur.
haben sie -im: iurim 96,i. antreitim 118,2. rvealihnissim 107,i.
Danach ist auch gebildet der dat. fona fimfchustim a pentecoste
91,2. — -in steht in ano murmnlodin ah^qne murmurationibus
91,1. Eine accusativform, wie Graflf II, 860 meint, kann dies
nicht sein, weil der acc. immer auf -i ausgeht.
Digitized by
Google
BENEDIKTINERREGEL. 443
Andere consonantische stamme.
1) Von den verwantschaftsnamen auf -tar kommen bei
Kero nur folgende formen vor:
nom. und voc. sing, fater 30,i. gen. fateres 102,2- dat. /a-
tere 34,i. dat. plur. {faie)run 60,i. acc. plur. fatare 70,i. wahr-
scheinlich verschrieben für fatera.
pruader 10i,i, gen. pruader 37,2. nom. plur. {priiade)r 58,2
und pruadra 32,i. gen. pruadro 40,2 und pruadero 41. dat.
pruadrum 58,i. 81,2 (pruadr)un 59,2- pruadarum 10%. acc.
pruader 54,^.
2) fiant. Hiervon kommt nur der acc. plur. fiant 43,i und
fimta 45,1 VOJ*«
Von friunt nur der voc. 114,2.
3) naht. gen. iiaht 60,i. 7iah{t) 58,i*) dat. naht 58,i. 91,2.
acc. naht 69,i. plur. gen. waÄ/o 60,2 und waÄ^ 69,2 (septi no-
ctium für Septem noctium) dat. {nah)tum 65,|.
4) man 31,2. gen. mannes 45,i. acc. jnannan in ncomannayi
44,2. man in werachman 31,2. 55,i. 57,2**). Plur. gen. wanno
51,1. 52,1. 55,2. dat. mannum 47,i. 51,i. 2. 88. acc. {md)n 54,i.
Adjektivische deklination.
Die gewönliche regel, dass die adjektiva, adjektivischen
pronomina und participia, wenn sie attributiv stehen, flektiert,
wenn sie prädikativ stehen, nicht flektiert werden, ist bei Kero,
wo überhaupt von deutscher syntax noch keine rede sein kann,
nur in sehr beschränktem masse zur ausftthrung gekommen.
Attributive und doch unflektiei-te adjektiva sind z. b.: eocotveUh
kernii 36,2. lucki urchundii acc. sing. 42,2. ewic ze tvizze 31,i.
eocowelih antrahcha 108,2. samft inganc 110,2. herösto solih 110,2.
Prädikative und doch flektierte: der wirdiger ist 36,i. leidsame
Tvortane sint 51,2; ähnlich 40,2. 43,2. 54,2. 55,i. 57,i. 75,2. öO,i.
101,2. 117,2. 123,1 etc. — Wenn adjektivische pronomina als
Subjekt gebraucht werden, so stehen sie oft unflektiert, z. b.:
eocowelih 49,i, einic 41,2. hwelih 52,2. 53,i, aber auch flektiert,
z. b. einer eocoweliher 90,i. 102,2. niheiner 41,2.
*) Hattcmcr ergänzt an dieser stelle fälschlich nahti. — Als adv.
steht tiahtes noctu 45,i. 52. 98,2*
*•) Lachmann specim. ling. franc. liest hier weracmannan statt we-
racman (si)nan.
Digitized by
Google
444 SEILER
Im folgenden behandele ich mit den adjektiven zugleich
diejenigen pronomina, die genau ebenso flektiert werden.
Sing. uom. msc. -er {-eer). — Von /H steht '38,i der re-
gelmässige nom. frier neben friger^ wo das i ein palatales g
hinter sich erzeugt hat. — In umeer 50,i ist -ar- nicht weg-
gefallen, noch weniger steht es für unser, sondern ee ist cc =
a vgl. s. 435. — fem. -iu. ntr. -azinös).
Gen. msc. und ntr. -es. In neoweht srvarre 29,i ist s am
Schlüsse durch einen Schreibfehler ausgefallen. — fem. 6e-
wönlieh -era; -eru nur in sineru 109,2 ui^d {sine)ru lll,i.
Dat. msc. und ntr. Die ältere dem got. -amma näher
stehende endung -amu findet sich noch in zwei beispielen: wn-
gaherzamu 45,^. chundamu 116,2*). Sonst steht stets -emu, —
Im fem. kommen 2 endungen neben einander vor: -era und
eru\ letztere ist die gewönlichere, erstere findet sich aber
auch über 30 mal. Danach ist zu berichtigen Weinhold s. 472.
— Für -eru steht 2 mal -ero: kisaztero 69,i. In alonger 69,2
ist der endvokal durch einen lapsus calami weggefallen.
Acc. msc. -an, fem. ■^. ntr. -az.
Vocat. ist unflektiert: faterlih 36,i.
Instrum. nur im msc. und ntr. endung -w. Die stellen,
wo er vorkommt, sind folgende: einu mezzu 38,2- mit cuatu
muatu 47,2- eocowelichu mezzu 69,2. ^6» ^o tvelichu mezzu 76.
113,2. nohheinu mezzu 87,^. 106,i. 2- mihhilu min multo minus
91,1, mihhilu mer multo magis 117,i. mit sinu kipete cum ejus
oratiöne 102,2 (hier also der instrum. des adj. mit dem dat.
des substant. verbunden), fora allu 40,i. 81,i. 100,2 und er allu
ante omnia 91,^. — Zu -0 geschwächt ist die endung in mit
ubilo muatu cum malo animo. Weinhold s. 472 führt auch lu-
zilo mer 58,i als instrum. an, wahrscheinlich durch* die schon
eben citierten stellen 91,i. 117,^ dazu bewogen; allein da im
lat. text das adverb. modice steht, so ist auch luzilo sicherlich
adverb, und nicht instrum.
Plur. nom. und acc. msc. -e (2 mal -ee). An 3 stellen
steht dafür -a: lefsa dina labia tua 31,2. durah einluzza per
singulos 107,1. und desa 118,2. — Fem. -0. Ntr. -iu. Unklar
*) In kichvetamu 59,2 und duruhchuetamu 61,2 ist dagegen bloss die
Silbe -ne- durch ein versehen weggefallen.
Digitized by
Google
BENEDIKTINEEREGEL. 445
sind die beiden stellen: andro reliqua 69,i und ooriin hormdo
aures audiendi 31,2*, hier scheint für -m geradezu -0 zu stehen,
doch wird man wol misverständnisse des lat. annehmen müs-
sen. Zu letzter stelle s. unten*).
Gen. Durch alle 3 genera -ero. Verdumpfung zu -eru in
allem 35,2- mnrmolo7iteru 47,2. "<^^ i^ cotchundera 78 und al-
tera scnum 87, wo die lesart aber nicht ganz siclicr steht.
Dat. Durcli alle 3 genera 'em{eem). -en: unmahtike^i 101.
rumen 115,0. unhorsamen 37,i.
Das ablcitungsy wird bei den adjcct. ebenso behandelt
wie bei den substant., d. h. es fällt in den flektierten kasus
für gewönlieh ganz weg oder hintcrliisst nur noch eine spur
im Umlaut {herlem 37,i. unsemfta 39,2); nur die konsonanten r
und t lieben es, das folgende j sich zu assimilieren, swäri hat,
wo es flektiert ist, überall rr: swarriu 84,i. swarrera 85. 29,i.
93.1. ^öji- 122,1, aber natürlich swarisUm 108,i ; ebenso drätter
91.2. 121;2; ^uch bei n kommt die assimilation vor in hrein-
nan castum 121,i.
Uebcr die bildung des adverbs ist gar nichts, über die
komparation wenig zu sagen. Der komparativ wird
durch -/Vö oder -dro, der Superlativ durch -isto oder -dsto^gc-
bildct. . Die adverbia -6r und -ist oder -ost (aber nicht -//•).
Wann -iro, -isto oder -uro -osto eintritt, darüber lässt sich
keine regel gel)en; aucli findet zwischen den einzelnen partien
des deukmals hierin kein unterschied statt. Zwischen / und
o schwanken heriro, meriro und imrlro. -ero für -iro steht in
kenuhisfimera 86,1. jungasiln 63,2 i^t Schreibfehler für jnngisün,
4. Pronomina.
Das ungeschleclitige persönliche pronomen geht
im allgemeinen ganz regelmässig. Ueber seh 102,2 und euuih
31,2 s. oben. — Noch ist zu bemerken, dass die unterschiede
zwischen den dativen um iu und den accusativen unsih iuuih
nicht ganz streng festgehalten werden. Es steht unsih als dat.
33,2. um als acc. 29,i. 31,i. iu als acc. 46,i.
Vom geschlechtigen persönlichen pronomen kommen nur
*) Dietrich s. 6 erklärt dieses -o als verdumpfung aus dem got -«.
Digitized by
Google
446 SEILER
folgende formen vor : nom; er dat. imw (imo 77) iru. acc. inan.
plur. nom. msc. sie 37,i. gen. iro. dat. im,
Demonstrativa. — 1. der, Ueber dieses pronomen
hat den tatbestand scheinbar genau, aber vielfach unrichtig
angegeben Hattemer in Höfers Zeitschrift fttr die Wissen-
schaft der spräche III, s. 66 — 73. — Die Scheidung, die er
dort stets zwischen demonstrativem, relativem und artikclge-
brauch des pronomens macht, ist ganz unnütz.
Sing. nom. msc. der, ■ — fem. nur diu, Hattemer gibt
daneben die form dea als 2 mal vorkommend an. Dies ist
falsch. Die beiden stellen sind: dea achust 82,2 und 108,2;
hoc Vitium kann der form nach sowol nom. als acc. sein.
Der Übersetzer fasste es als acc. Dass das nicht wunderbar
ist, wird der IL hauptteil zeigen. — ntr. daz, — gen. msc.
und ntr. des (dez 75,i). — fem. gewönlich dera. Dafür oft die
abkürzung dr; diese löst Hattemer stets durch der auf und
sucht dies a. a. o. zu rechtfertigen; von seinen gründen ist
keiner stichhaltig. Die form der kommt nie vor und es ist
überall dera zu lesen. Für dera liest Hattemer 66,2. 84,i. 88.
dem, ob mit recht, ist die frage ; vgl. die einleitung Hattemers
s. 23 über die ähnlichkeit der buchstaben a und u. 102,2 kann
dera von mit abhängiger dat. sein. Das einzige sichere bei-
spiel von dem für dera ist dem sineru listi 109,2? weil hier
deru mit v geschrieben ist. Einmal dero 89,|. — dat. msc.
und ntr. demu. — fem. deru etwa 26 mal, dera 21 mal; die
abkürzung dr, die sowol de7^a als de7'u bedeuten kann , et>va
10 mal. Die angaben bei Hattemer sind nicht richtig. Zwei-
mal def^o 41,2. ö8?2- — ^cc. msc. den, — ntr. daz (das), fem.
5 mal dia, 7 mal dea und ausserdem noch in den beiden oben
erwähnten stellen 82^2- 108,2, 2 mal die 46,2. 112,i.
Instrum. von Hattemer gar nicht erwähnt. Er findet sich
nur im msc. und ntr. und zwar nur in folgenden Verbindungen :
er diu ex hoc 79, exinde 84,i. fora diu deinde 59,2. 96?i- ^fl^^
diu postea 79. 95. post quem 62,2 (zweimal), widar diue di-
verso 120,2 undjy/t?m ideo quoniam oft. Einmal dsifVir pidio 79.
Plur. nom. und acc. msc. dea 22 mal, die 11 mal, dio
118,2, ^i^ 33,1*). fem. dea habe ich 5 mal gefunden, deo 2 mal
*) Hattemer gibt ausdrücklich an , die form dia komme im plur.
nicht vor und doch findet sie sich an jener stelle.
Digitized by
Google
BENEDIKTINERKEGEL.
447
(Hattemer gibt 6 und 3 an). Die beiden dei s. 108 schreibt
Hattemer mit recht dem neutrum zu. — ntr. Die form diu kommt
nur 2 mal vor: diu selhun 33,i. diu meistun 41,i. (Hattemer
hat die erste stelle Übersehen); sonst stets dei. Die form deo
s. 60,1, die Weinhold s. 462 als ntr. bezeichnet, ist fomin. —
gen. in allen geschlechtern dero, — dat. durch alle geschlech-
ter gleich und zwar diem 14 mal, dem 17 mal (Hattemer giebt
11 und 12 an).
Da der acc. sing, fem., der nom. plur. msc. und der dat
plur. je 2 verschiedene formen haben und dieselben durch das
ganze denkmal ziemlich häufig sind, so haben wir an ihnen
möglicherweise wider ein kriterium für verschiedene Schreiber
und Verfasser. Legen wir die abteilungen zu gründe, die sich
uns nun schon öfter herausgestellt haben, so stellt sich die
Sache so:
acc.
sing. fem.
nom.
plur.
dat. plur.
dia
dea die
die
dea
diem dem
28 — 54
3
1
9
1
9
55 — 57
1
58—78
3
10
4 6
79 — 82
1
82 — 84
84 — 87
88 — 90
90 — 95
96 — 116
117 — 125
1
4 1
1(94).
1(108,,)
1(88)
8
2
2
1
6
2
2. deser, — Sing. nom. msc. deser {deseer 53,i). — fem.
4 formen: 1) deisu 45,2. ^^%i- Weinhold s. 56 meint, ei stehe
hier schlechtweg für e. Es ist wol vielmehr eine deklination
beider teile, aus denen das wort zusammengesetzt ist, anzu-
nehmen. 2) desiu 69,2. '7^?i' ^) ^'^^^ l^^i» 4) disu 105,2-
107,1. ntr. kommt nicht vor. — gen. desses 32,2. — dat. msc.
desemu 29. 38. 59. 83. fem/ deseru 22. 54. dr ru(7) 111,2. —
acc. msc. desan. fem. desa, ntr. fehlt. — instr. desu mezzu 78.
Wahrscheinlich ist auch after disu 63,2 i^^ch analogie von «/-
ter diu als instrum. zu fassen, ob wol es auch acc, plur. ntr.
sein kann.
Digitized by
Google
448
' SEILER
Plur. nom. und acc. msc. dese llO^j. desa 118,2. fe^a. fehlt,
ntr. 1) deisu 31,2. 45,2- 52. 2) desiu 29,,. 33.2. 36,i. 40,i. 49,i.
3) desu 30,1. — gen. desero 35,2- Scliilter liest an dieser stelle
derero. Danach Graflf V, 76 ebenfalls dererb. Diese falsche
lesart schleppt sich dann selbst bis in Weinholds alem. gr.
s. 467, der sich hier begnügt hat, aus GrafiF zu cxceqiicreu. —
dat. desem {deseem 80,2).
Hier lässt sich kein kriterium für verschiedene Verfasser
aufstellen, da die formen nicht häufig genug sind.
Das fragepronomen hwer.
Es kommen davon folgende formen vor: nom. hwer, hrvaz
{was 96,2). dat. hwemu 31,2. instr. wiu in za wiu ad quod 114,2.
Dieses wiu ist niclit zusammenzubringen mit dem durch Zu-
sammensetzung entstandenen hweo, hwea (got. hvaiva) vgl. s. 426.
Weinhold s. 294. Graff IV, 1193.
5. Formen der präfixe.
1) Am häufigsten ist das präfix ga-. Die wenigen fälle,
wo dies präfix sein g bewahrt, sind schon s. 403 aufgezählt.
Für die mit k beginnenden formen: ke, ki, ka, die durch das
denkmal hindurch verschieden verteilt sind, können wir die
tabelle benutzen, die Steinmeyer im 16. bände der Hauptschen
Zeitschrift pag. 131. aufgestellt hat. Derselbe hat auch die
formen der präposition ze, zi, za in eine tabelle gebracht, die
so ziemlich zu jener stimmt Wir setzen beide tabellen neben-
einander:
ke
ki
ka
ze
zi
za
28 — 57
218
54
3
stets
58 — 79
11
71
43
6
6
27
79 — 82
23
4
2
82 — 84
1
7
4
2
84 — 87
23
1
1
1
88 — 90
3
5
2
1
1
90 — 95
35
3
8
96 — 116
34
76
43
11
3
6
117 — 125
68
27
1
13
2) ar nur 40. 72. 74. 78. 82,2. 109,2. 111,,. lOS,,. ur nie
bei verben, sondern in den subst urchundi 42,2. urlauM 48.
Digitized by
Google
BENEDIKTINERREGEL. 449
urchust 109,2. urriutio 80,2. urchundo 114,i und dem adject
urtriwer 121,2. Sonst stets er. — S) pi gewönlich; selten Z>/,
einmal pe- 29,i. — 4) Das dem lat. dis entsprechende präfix
lautet ze 40,i (zweimal) 51,2. zi 63,i. 68,i. 69,i. 2. 83. za 69,2.
— 5) /ar gewönlich; fir nur in firlazanne 109,i. Blosses f in
florini 123,i. — 6) ant bleibt, wenn es den hochton trägt, d.i.
vor nominibus und davon abgeleiteten verben: antwurti, ant"
läz, antrdhha, antfrahida, antfangida, antfanclih, antlengan und
einmal in anpintan; obwol hier der ton auf der zweiten silbo
ruht 65,2. Vor verben und davon abgeleiteten nominibus steht
int z. b. inthaben, inthabard, intdecchan, intwaidn, intlühhan, int-
ßhan, seltener ent: 32,2. 36,i. 79. 84,i. 111,2. 113,i. In aw^ und
int fällt bisweilen das t weg: anlengan 33,2. inpintan 37,^.
6. Konjugation.
Starkes verbum.
Die ablautreihen unterscheiden sich nicht von den gewön-
lichen althochdeutschen; es ist daher unnötig sie hier aufzu-
fuhren. Auch die Veränderungen der vokale und konsonanten
sind regelmässig. Es findet sich z. b. keliti (2 sing, praet von
Udan) kasotan, kaslagan, kasnitan, kaleran; von pliurvan heisst
das part praet. mit ausfall des w kapluan 97,^. üeber farci-
kan und erhapan siehe oben s. 413 und 419.
Die formen der reduplicierenden verba schwanken
bei Kero. Ich stelle sämmtliche präterita, die vorkommen, zu-
sammen:
1) Verba mit a im stamme: fial 33,2. piheialt 57,i. entftanc
36,1. ^^n* ^%* 2« keanc 49,i. farliazzi 54,2. forleazzi 83,i.
2) Verba mit ei im stamme: hiaz 45,i.
Von verbis mit d im stamme kommt leider kein beleg vor.
Also 7 mal ia, 2 mal ea, 1 mal eia. Wie sind nun diese
formen und namentlich piheialt zu erklären? Die Weinholdsche
erklärung ist folgende s. 328 ff.: piheialt ist die älteste form*)
und entspricht dem got haihald genau; nur dass der anlau-
tende stammconsonant ausgefallen ist. Aus eia wird ea, ebenso
aus aio io, aus aiai ee und demnächst e. Die uneigentlichen
diphthonge ea und So seien dann als brechung von iu eu an-
*) Zuerst hat sie als solche bezeichnet Grimm, gr. P, 862.
Beitrüge snr geschiobte der deatschen aprache. I. 30
Digitized by
Google
450 SEILER
gesehen und allmählich ganz auf den weg dieser brechung ge-
drängt worden*); so habe sich neben ea, eo erst ia, io, dann
ie eingestellt. Weinhold nipimt also bei den verbis mit a
und 0 im stamme einen unmittelbaren tibergang von ea und
eo zu ia und io an, bei denen mit ei im stamme erst eine
Verdichtung zu e und dann eine brechung dieses e zu ea ia,
— Die formen der w. redupl. mit stammhaftem a zeigen aber,
dass diese mittelstufe des e auch bei ihnen anzunehmen ist.
Früher als Malt, fial, giang, sUaf erscheinen die formen : hili^
fei, geng, slefun^*). Hierdurch wird die Weinholdsche ansieht
also dahin modificiert, dass die reihenfolge der formen nun
diese ist:
1) aia
2) eia
3) Kontraktion e
4) Brechung ea ia,
Ist es nun glaublich, dass ein und dasselbe denkmal ne-
ben den gewönlichen aus dem e gebrochenen foimen einmal
die uralte dem e vorangegangene form behalten habe? Kaum;
zwischen eia und ea muss ein zu bedeutender Zeitraum gele-
gen haben, als dass beide von demselben oder doch von gleich-
zeitigen Verfassern gebraucht sein könnten. Dazu kommt noch,
dass die mittelstufe e in unserem denkmal gänzlich fehlt. Es
ist zwar schade, dass die altertümliche form piheialt, die als
solche selbst in die Hejnesche laut- und flexionslehre gedrun-
gen ist (s. 154), auf diese weise .verloren gegeben werden soll.
Allein wenn man die Sachlage nüchtern erwägt, so wird man
zugeben müssen, dass sie nicht wol eine der kontraktion vor-
angegangene form sein kann. Viel näher liegt die einfache
erklärung, die schon Scherer D.^ 458 aufgestellt hat, dass der
Schreiber nicht gewust hat, ob er e oder i setzen sollte, weil
er einen mittellaut hörte und deswegen beides neben ein-
ander gesetzt hat. Dass dieser mittellaut zwischen ea und ia
bei den brechungen des e gehört wurde, zeigt das nebenein-
ander vorkommen der formen mit ea und Ia nicht nur tn den
*) Dass dies möglich ist, zeigt hvaiva, hrvia, hrvia oben s. 426.
**) Vgl. Graflf unter den betr. werten und Jacobi, beitrage zur
deutschen grammatik s. 61.
Digitized by
Google
BENEDIKTINERREGEL. 451
präteritis der vv. reduplic, sondern auch in meas und mias
(vgl. R. 425). Dass ferner 2 vokale neben einander gesetzt wer-
den, um einen zwischen beiden schwankenden laut zu bezeich-
nen, dafür hatten "wir schon oben (s. 424) als beispiel neowiehti
s. 55,1. ^^^ zwar steht dieses beispiel in derselben abteilung
des denkmals wie piheialt, nämlich s. 55 — 57. Dazu kommt
noch ein drittes beispiel aus eben dieser abteilung unmittelbar
neben piheialt: anao. Das wort heisst gewönlich ano, einige-
male auch ana (46,2. 80,2. 117,2); der vokal der letzten silbe
schwankte also offenbar zwischen a und o. — Demnach hatte
der Schreiber dieser abteilung die eigenheit, einen mischvokal
durch zwei nebeneinandergesetzte vokale auszudrtlcken. Drei
beispiele davon finden sich auf 2^2 sciten.
Das resultat ist, dass piheialt entweder als pihealt oder
als pihiali zu lesen ist, dass es um nichts altertümlicher ist,
als keanc und fianc und endlich, dass wir mit belegbaren for-
men noch immer nicht über das lange kontrahierte e hinaus-
kommen.
Eine andere ansieht über die entstehung der zusammen-
gezogenen reduplicierten praeterita im ahd. entwickelt Scherer
('zur geschieh te der deutschen spräche' s. 11 ff. und in der ' Zeit-
schrift für österreichische gymnasien* 1873^ heft 4, s. 295 flf.).
Nach ihm ist nämlich im got. haihald das ai nicht diphthong,
sondern S, also haihald = hihald ahd. hehalt. Daraus wird
dann hehlt und mit ausfall des die Wurzel anlautenden kon-
sonanten und ersatzdehnung helt (weiter dann healt , Mali).
Ist diese theorie, welche sich auf einige ags. formen Qieht, leolc,
reord u. s. w.) gründet, richtig, so ist natürlich eine form pi-
heialt von selbst unmöglich. Ob sie richtig ist oder nicht, dar-
über wage ich hier nicht zu entscheiden. Keinesfalls darf man
die form piheialt länger als beweis für die diphthongische natur
des ai der reduplikationssilbe anführen.
Flexionsendungen. .
Die schwachen verba der ersten klasse haben im allge-
meinen dieselben endungen, wie die starken; das wenige, wo-
rin sie abweichen, ist weiter unten bemerkt worden.
Praes. ind. 1. -ii. 2. fehlt. 3. -it. Einmal zu -et ge-
schwächt: kelidet 78, was jedoch vielleicht durch das unmittel-
3Q*
Digitized by
Google
452 SEILER
bar folgende kelide veranlasst ist Plur. 1. -ames. 2. -at nur
imperativisch (40,i, 54,2 ©^c.). 3. -mit.
Conj. 1. -e. 2. -Ss.\ es ist wol nach analogie des plur.
lang anzusetzen, obwol es nie mit ee geschrieben vorkommt
3. -e. Vielleicht isfr das -e in der 1. und 3. person lang; dar-
auf kann wenigstens die form trahtohee tractet 116,i führen*).
— Plur. 1. -emees, qhuememees 35,2; sonst ist -es abgefallen;
es bleibt nur -em: teilnemem 29,2. 2. -et (eet). 3. Sn (een).
Dreimal -an: furichueman proveniant 87,i. arbeitan laborent
100,1. lesan legant 100,2. D^. unmittelbar daneben sehen, int-
fahen, umbicangen u. s. w. steht, so ist das -an Schreibfehler**).
Imperat 2. sing, ohne flexion. — Plur. 1. -ames. Da
diese form in den grammatiken gewönlich gar nicht angeführt
wird, so könnte man zweifeln, ob sie existiert. Ich zähle da-
her alle fälle auf: piitames rogemus 28. erstantames exsurgamue
31. hoorrames audiamus 31. kangames pergamus 32. kesezza-
mees 35. tuamees 48,i. kelaubpamees 51,2- kasehames 66,2. kehen-
kames 90. MüUennoflf sprachproben * s. IV. führt noch einige
andere beispiele an; die sind falsch: der conj. ist in ihnen
von einer konjunktion (ut licet dum) abhängig und im deut-
schen ist der ind. für den conj. gesetzt, was nicht selten vor-
kommt. 2. -at
Praeter. 2 sing. -i. Plur. 1. -umes qhatumes 61,,. 64,2.
94,2. 106,,. (pirumes 29,^. 34^2 ö^^O' ^ "^^ entfiangut 36,^. na-
mut 11. 3. 'Un qhamm 33,2- eigun 1.08,i. 118,2. — Conj._nur
3 sg. '%. 2 pl. At (iit) 31,2. 3. -m (wol in) eigin 38,i. 91,2. H V
Ueber inf. und parte, praes. siehe unten bei den schw. w.
1. klasse.
Parte, praet -an; es wird stark und schwach flektiert.
Schwächung zu -en in erhqpener 55. pifolahenem 11.
•) Wie Weinhold s. 369 den offenbaren imperat. erktvarabi averte
51,1 für die 3 sing. conj. mit Wandlung des e zu i halten kann, ist mir
unerklärlich.
**) Ich würde dieselbe erklärung anwenden, die wir schon oben bei
skirmeen hoorreen hatten, nämlich dass ursprünglich ee stand und dass
dieses von dem Schreiber als cc = a gelesen sei, wenn in diesem ab-
schnitt die Verdoppelung des e überhaupt vorkäme.
Digitized by
Google
BENEDIKTINERREGEL. 453
Schwaches verbum.
I. klasse, mit j gebildet.
Zuerst fragt es sich, wie sich dies ableitungsy mit dem
auslaut des Stammes verbindet.
1) Ist dieser Stammesauslaut eine muta,'so tritt in Ver-
bindung mit dem j der sogenannte konsonantenumlaut, über
den ich oben bei den einzelnen muten gehandelt habe^ ein,
also z. b. got gj wird ck, kj = eck oder ch, dj = tt, bj == bp
oder bb, pj = ff etc. — 2) Ist der stammauslaut doppelkonso-
nanz; so fällt das ableitungsy spurlos aus, abgesehen von et-
waigem umlaut eines a im stamme, also chundan, fullan, fu-
rihertan, mendan, ehern fan, starfajchan, karfajwan. — Ebenso
nach schliessendem w des Stammes: keun/rawen und keunfre-
wen; drawen und dretven, — 3) Schliesst liquida oder s den
stamm, so tritt in den bei weiten meisten fällen assimilation
des j an den schliessenden konsonanten ein und zwar ohne
rücksicht darauf, ob die vorhergehende silbe langen oder kur-
zen vokal hat (vgl. s. 423). Wenn aber in der flexionssilbe i
folgt, also in der 2. und 3. sg. praes. und im imperat., so wird
dieses als ableitungse angesehen und der vorhergehende kon-
sonant bleibt einfach; also hörran aber höris, hörit, pisrverran
aber piswert. Beispiele: illan 50,2. kezellan 30,2. sellan 31,i.
wellan 35,2. farsümman 80,2. chennan 40,2. 63,2. wännan 45,i.
29,1 etc. hreinnan 42,2. kagannan 106,i. 119,2. zeichannan 82,|,
suannan 55,i. 118,2. hörran (sehr oft) lerran 36,i. 48,2. nidarran
48,2. pisrverran 38,2. zimberren (3 pl. conj.) 88, skerran 121,,.
chnmsan 44,^. wissan 41,,. — Ausnahmen kommen nur fol-
gende vor: abandnmasen coenent 91,2. wänan 53,2. 56,2. hörendo
31,2. reinen (3 pl. conj.) 64,i. leru 31,2. wxsan 11. \0%, — Eine
ausnähme nach der anderen seite hin ist die wirkliche erhal-
tung des ableitungs/ Sie findet sich nur in einem verbum,
aber an 2 stellen; piwerie prohibeat 55,2*) und mit einschub
eines palatalen g piwerigem (lies -gen) prohibeant 120,2.
*) Hattemer sinnlos pitverte. Richtig Graff I, 927. Lachmann spe-
cimina 1. f. — Auch mein freund, H. Dr. Löschhorn, der auf meine bit-
te so gütig gewesen ist, die stelle bei seiner durchreise durch St. Gallen
anzusehen, versichert, dass piwerie dastünde, nur habe das t oben einen
kleinen querstrich.
Digitized by
Google
454 SEILER
Ueber die flexionsendungen des praes. ist wenig zu sagen.
Die 1 plur. ind. tritt nur 2 mal ungeschwächt als -ames auf:
kalaubames 99,i. 70, 3 mal geschwächt oder assimiliert zu -emes:
nidarremes 48,2- rvannemes 29,i. forakisuannemes 123,i. — In
der 2. sing, imperat. tritt das i der ableitung hervor: dretvi,
pisweri, refsi 38,2. erhrvarabi 51,^
Bildung des Präteritums und part. prät.
Das prät. wird in allen schw. vv. durch Zusammensetzung
mit der wurzel dha gebildet. Die flexion ist diese:
Sing. 1. -ta. 2. -tds {-toos) 53,2. 54,i. 55,2- 3. -ta. Soweit
stimmt die flexion mit dem gewönlichen ahd. Der plur.
flektiert aber im gemeinahd. -tumSs, -tut, -tun, in unserem
denkmal kommen nur die formen -tomes und -ton vor. Ich
führe sie zunächst sämmtlich an: intfrahetomes und kehortomes
34,1. kisaztomes 66,2. 123,2. lirnetomes 114,i. platoon 33,2- /ö^r-
hocton 37,1. Urneton 34,2. fardoleton 100,^. suanton 118,2. wolton
31,1. Wiö sind nun diese formen auf -tomes {-tot) -ton zu er-
klären? Es stehen sich hier zwei ansichten gegenüber. Die
eine ist die von Weinhold s. 373 vorgetragene: das 0 sei
weiter nichts als „Öffnung" (brechung) für u, also jünger als
das gemeinahd. u in diesen formen. Die doppelschreibung des
0 in platoon 33,2 beweise nichts für die länge desselben , wie
obonoontiki 49,2 zeige, ebensowenig die circumflexe bei Notker.
Die andere ansieht hat Jak, Grimm in Pfeiffers Germania III,
r47 ff. aufgestellt. Sie ist kurz diese : die -tomes, -tot, -ton der
älteren alemannischen quellen sind lang; sie sind wesentlich
verBchieden von den -tumes, -tut, -tun des gemeinahd. und
zwar altertümlicher; denn sie sind entstanden durch zusammen-
ziehung des got. -dedum, -dedup, -dedun, während das gemeinahd.
die silbe de ganz ausgestossen habe. Diese Grimmische ansieht
ist mit ausnähme des allerletzten entschieden richtig und zwar
aus folgenden gründen:
1) Kero hat als pluralendungen des präter. der starken
vv. immer -umes, -ut, -un (s. die oben gegebenen stellen), der
schwachen verba immer -omes, (-ot) -on. Es ist undenkbar,
dass beim st. v. nie, beim schw. v. stets die brechung des
u z\i 0 eingetreten sei. — 2) Notker hat im plur. prät, der
st vv, stets -en, -e(n)t, -en, der schw. stets -on, -o(n)tj -on
Digitized by
Google
BENEDIKTINERREGEL. 455
(oft sogar mit circumflex versehen). Es ist undenkbar, dass
die u der starken vv. stets, die der schw. vv., die doch
schon lange zwo verdtlnnt waren, nie zu tonlosem e ge-
schwächt seien. — 3) Es sind Zeugnisse für die länge des o
vorhanden: plaioon bei Kero, die circumflexe bei Notker.*)
Das sind die äusseren gründe, die, wie mir scheint, die
Grimm'sche ansieht schon evident als die richtige erweisen.
Dazu kommen noch innere grtlnde, die uns zugleich über die
entstehung des ahd. schw. präter. einige aufklärung geben.
Nehmen wir als beispiel got nasjan ahd. nerran. Die ge-
wönliche grammatik nimmt an, oder — da sie sich nicht be-
stimmt darüber ausspricht — scheint wenigstens anzunehmen,
dass aus nasidedumj nasidedup, nasidedun das ahd. nerltumesy
neritut, neritun einfach durch ausstossung der silbe dS hervor-
gegangen seL Das ist an sich schon sehr unwahrscheinlich;
denn die silbe de war doch sicher viel höhßr betont als die
flexionssilben -dum, -dup, -dun; wie hätte sie ihnen weichen
sollen? Man muss von vornherein annehmen, dass de vielmehr
die flexionssilben verdräAgte. Es entspricht nun freilich dem
got. S in der regel ahd. ä; aber es ist deswegen doch nicht
unmöglich, dass ihm in diesem falle d entspricht — 6 und e
sind beides doch nur trübungen des reinen ä — und dass in
der tat in den präteriten der schw. vv, ahd. 8 dem got. e
entspricht, beweist die 2 sg.; neritös ist auf keine andere
weise zu erklären als aus nasides; es stimmt buchstabe für
buchstabe und 6 = e. Im plur. wurde nun, wie das ja bei
den reduplicierenden verben überall der gang gewesen sein
muss, der anfangskonsonant der zweiten silbe ausgestossen
und das d verschlang dann das folgende schwachbetonte u;
also:
got.: nasides, nasidedum, nasidedup, nasidedun,
ahd.: neritös, neritötum-es, neritötut, neritotun,
— neritd(u)m-es nerit6(u)t nerit6{u)n,**)
Das war der gang im alemannischen dialekte. Man kann
•) Dasselbe weist neuerdings nach Begemann, 'das schwache praet.
in den german. sprachen' BerUn 1873, s. 177 ff. W. B.
**) Möglich auch, dass in diesen silben ursprünglich ä stand, was
sich erst nach ausfall des zwischen stehenden d mit dem folgenden u
zu d verschmolz. Indes die zweite sing, macht die annähme unnötig.
Digitized by
Google
456 SEILER
nun nicht annehmen, dass die übrigen deutschen dialekte die
silbe de ausgestoBsen haben; denn das wäre ein so tiefer und
wesentlicher unterschied zwischen den dialekten der deutschen
spräche wie er sonst nirgends vorkommt und ganz unbegreif-
lich wäre. — Das gemeinahd. u ist also nicht das u der
letzten flexionssilbe: dum, dup, dun, sondern eine spätere
Schwächung und verdumpfung des älteren d, wie z. b. auch
aus aicsdna drun wurde. Der alemannische dialekt und spe-
ciell unser denkmal hat sich von dieser verdumpfung frei er-
halten und die alten formen gewahrt.
Der conj. prät kommt nicht vor. — Das partic. prät. hat
die endung -tSr und wird adjektivisch dekliniert.
Wie werden nun diese präteritalsuffixe an die stamme
der schw. w. erster klasse angehängt? Es handelt sich dabei
lediglich um das verhalten des ableitungS;/ und es sind zwei
Hassen hier scharf von einander zu trennen.
1) Die verba mit kurzer Stammsilbe; hier bleibt das i
stehen z. b. kecremiter 31,i. kidenit 71. intspenitaz 41,i kescutitaz
44,1. 121,1. kezeliiem 52 und kizelita 33,i. kastrewitiu 73. kidewite
58,1. formulita 121. chnusita 33,i etc.
2) Die verba mit langer Stammsilbe oder mit zwei-
silbigem stamm. Hier geht wider ein bestimmtes und durch-
gängig beobachtetes gesetz durch das ganze denkmal, nämlich :
das ableitungs i steht nur im partic. prät. und zwar nur, wenn
dasselbe unflektiert ist, d.h., wenn das / des Suffixes das wort
schliesst Folgt dagegen hinter dem t noch ein vokal — also
im präter. und im partic. präter., wenn es flektiert ist — so
fehlt jenes i ohne ausnähme. Ich mache dies zunächst an
einigen beispielen deutlich. Fälle der ersten art, nämlich un-
flektierte participia präter. sind: kecasiluamit 35,2. keflehit 123,i.
pihdlsit 53,1. kekaumit 84. pihefiit 99,2. kerihtit 39,2. keresUt 32,2.
kerefsit 95. 101,i. kerehhit 81,i. keswarit 89,2. Fälle der zweiten
art, also präterita und flektierte partic. : erchertiu 89,2. erflaucter
29. erlaupta 111,2. kanidartan 112,i. k^uazter 40,2. kesciiahte
32,1. kervihter 30,i. 65,2. 80,2. kezeihhanüu , -temu, -ta 45,i. 93,i.
105,2. suanton 118,2. Besonders auschaulich sind nebeneinander-
stellungen, wie diese:
kelerit 51,2. kilerie 34,i. kelertan 121,i,
duruhfulUt 96,2. kefultemu 94,i. erßdtiu 45,i.
Digitized by
Google
BENEDIKTINERREGEL. 457
kehorit wirdiL 100,i. hdria 45,i. 46,1- kihörtaz 93,2.
kenemmit 36,i. 119,i. kinamtem 60,i.
piheftit 99,2. pihafter 46. 84,i.
kesezzit sehr oft. kesazter, sazta sehr oft.
kerihtit 39,2. kerihtaz 106,2.
Ärera/MY 95. 101,i. kerafster 78. 97,i.
ersuahhit 53,2. kesuahtoos 53,2.
ziteilit 63,1. piteilte 45,^.
kistrehchit 112,2 kestrahter 96,^.
Aus diesem ganz streng durchgeführten gesetz folgt, dass
die form kirihüda direxit 11 6,^ nicht präter. von r/Ä^a« ist; das
mtiste kirihta heissen (ausserdem wäre -<to flir -ta unerhört);
es ist vielmehr irrttimlicherweise das substantivum gesetzt
Besondere bemerkungen: 1) Doppelkonsonanz wird vor
dem unmittelbar folgenden i vereinfacht: erfullU aber kefultemuy
kesezzit aber kesazter, kenemmit aber kinamtem, huckan aber
farhocton. — 2) Wenn eine konsonantenverbindung, deren letzter
consonant t ist, den verbalstamm schliesst, so wird dieses t
vor dem t des sufßxes nicht geschrieben, picurte cincti von
cur tan 32,i. 73. pihafter von he f tan 46. kekakanrvartan von
kakanwertan 52,^. santa misit von sentan 47,i. — Wenn ein-
faches t den stamm schliesst, so bleibt es gewönlich stehen;
keleitta 32,2. anäleittos 53,2. kepreittemu 29,2. forakipreitter 123,2-
ausgefallen ist es in ketheomualemu von deomuatan 109,2» —
3) In den fällen zweiter art, d. h. wo das ableitungse fehlt,
tritt der sogenannte rückumlaut ein, d. h. statt des umgelauteten e
steht wider a, Beispiele: Jcesazter, kestacler, kestrahter, kinam-
tem, pidachta, karafster, pihafter, santa, unbirvamter von rvem-
mmi 51,2. — 4) Die beiden formen karata 45,^ und ,kekarater
50,2 nitisten eigentlich Ararw^a, /r^/rarw;-/^r lauten; Ad^xm karatvta,
kekarawter mit eingeschobenem a, endlich ist das w ausgefallen.
Inf. und partic. praes. Wir behandeln hier die st. vv.
zugleich mit den schw. I. kl. zusammen. Bei beiden endigt
sich der inf. auf -an, Einigemale ist dies zu -en geschwächt :
er/M//^40,2. 70,1. 98,2. ^r/awi>m 106,1. oorren 1 lS,i. qhueden 119,i. —
Der inf. wird auch dekliniert. Der gen. kommt nur zweimal
vor: anaplasannes inspirationis 71 und abasnidannes abscisionis
78. Der dat. ist dagegen ungemein häufig, aber nur in Ver-
bindung mit der präposition ze (gewönlich gerundium genannt).
Digitized by
Google
458 SEILER
Seine regelmässige endung ist -anne; doch sind hierbei 3 Un-
regelmässigkeiten zu beachten:
1) statt -anne steht -enne; beides erscheint oft unmittelbar
neben einander z. b. karatvmne 28. aber gleich darauf zecham-
fanne; ze rihtenne und ze rihtanne s. 40. Die st. v^^ haben nur
-arme, die schw. Smal -enne, 13mal -anne. Von tuan steht
7mal tuenne, 8mal iuanne. — Scherer D* 484 erklärt dieses
-enne als umgelautet aus ursprünglichem -anja ; ungelöst bleibt
dabei die frage, warum dies -enne dann nicht ebensogut bei
dqn st. vv. eintritt.*)
2) Für nn steht einfaches n. — Dies findet auch bei den
schw. vv. IL und IIL klasse statt. — Es zeigt sich erst in der
2. hälfte (von s. 55 an) und zwar besonders häufig auf den
selten 58 — 71, nämlich 9mal (daneben ISmal nn); nachher
nur noch zweimal: 101,2 und 116,2.
3) Nach dem n tritt ein d ein. Weinhold s. 348 notiert
dieses als erst im 14. Jahrhundert vorkommend. Es steht aber
schon in unserem denkmal ze chundande 98,2.
•Das partic. praes. kann stark und schwach flektiert wer-
den; im unflektierten zustande ist seine endung -i, z. b. suah-
hanti 52,i. keaückenti ^Sy^, Schwächung zu -^ in theononte
55,j und qhuedante 96,i. Vom partic. praes. wird auch ein
adv. gebildet auf -to : zeohanto 63,i. 94,i. lihanto 69,i. Merk-
würdigerweise zeigt das t in diesen formen die -neigung sich
zu d zu erweichen {hör endo 31,2. farsümmando 80,2); was sonst
nie beim pari praes. vorkommt. S. darüber unten s. 470.
Die regelmässige endung ist -anti; sehr oft steht daflir,
sei es durch umlaut oder durch Schwächung -enti. Ein unter-
schied zwischen st. und schw. vv. findet hier nicht statt, wol
aber zwischen der 1. und 2. hälfte des denkmals. In der er-
sten steht nämlich 39 mal -an^i, 33 mal renti, in der zweiten
(von s. 55 an) etwa 41 mal -anti und nur 5 mal -enti (79. 92,2-
108,1. 118,1. 122). Von tuan heisst das parte, stets tuanti, —
Einmal kommt -inti vor : mezzinti 40,i (s. oben s. 430). Vom
*) Die erklärung dürfte wol die sein, dass bei den schwachen
verben das vorhergehende j das a in e verwandelt; in den slavi-
schen sprachen gejit z. b. ohne ausnähme ursprüngliches jo in je über.
W. B.
Digitized by
Google
BENEDIKTINERREGEL. 459
partic. praes. abgeleitete substantiva oder adjektiva zeigen
stets 'ant' z. b. heilantt 37,i. anastantantlih 30,2. zefarantfih 40,i.
unerlaubantlih 35,2.
II. klasse. Ableitungsvokal o (oo).
Die 1 sing, praes. kommt nur einmal vor und zwar ist
das ursprüngliche m der eudung schon zu n geschwächt: ke-
lihhison 33,2. — D^r conj. hat die vollen endungen: 2 sg. -oes.
3. -oe, 3. plur. -oen. In der 3 sing, wird, um die scharfe
trennung beider vokale zu bezeichnen, zwischen o und e an
folgenden stellen ein h eingeschoben : duruftigohe 88. trahtohee
lW,i. piscauuohe 120,^ (über die lesart s. oben s. 422). — Die
1. plur. imperat. liegt vielleicht vor in auhchömes augeamus
102,2, wenn dies nicht ein Übersetzungsfehler und einfach der
ind. ist.
III. klasse. Ableitungsvokal e (ee).
Hier ist nur sehr wenig zu bemerken. Die 1 sing, hat
das -m der endung bewahrt: limem 55,2. — Vom conj. kommt
nur die 3. sing, und die 1. und 3. plur. vor; sie sind stets mit
ee geschrieben: -ee, -eem, -een, d. h. ee, eem, een. Ableitungs-
und flexionsvokal sind also noch nicht zusammengeflossen. In
der 1 plur. conj. ist das -es schon abgefallen: keameem
Das verbum haben schwankt zwischen der L und III. klasse.
Es hat in der 3. sg. hebit 28. 52,2. 90,,. 112,2, im praeter, ki-
hebita 33,i. . In den übrigen formen, die vorkommen, (es ist
nur der inf. imperat. conj. und die beiden partic.) zeigt es e
und auch die 3 sg. zeigt einmal habet 105,2. — Zusammenge-
zogene formen existieren noch nicht.
Anomalien der conjugation.
Vom verbum „sein" kommen folgende formen vor: pist,
ist, pirumes, sint , si (sü 36), sm (sün 46). was, warum, wesan.
tuan, 1 sing, hat das -m gewahrt: tuam 121,2. plur. tica-
mes, tuat, tuant. Im conj. wird das a des diphthongs vom
flexionsvokal verdrängt: 3 sg. tue, 2 plur. tuet (-eet). — Im-
per. tua, tuat. inf. tuan, prtc. tuanti, — praeter, teia, tati, teta,
3 pl. tatun. prtc. praet. kitän (kitaan). kituan 40,2 i^^ bloss ein
Schreibfehler für kitaan oder der herausgeber Hattemer hat
Digitized by
Google
460 SEILER
nicht richtig gelesen, da a und u in der handschrift einander
ungemein ähnlich sehen. S. Hattemer einleitung s. 23.
kankan, üeber den Wechsel von c, k und g s. oben. —
Die nicht zusammengezogenen formen sind die regelmässigen:
ind. kankanU con]. .kankes, kanken, vai\i&r2iX, kankames. Die
prtc. kankanter, kekankan sehr häufig. Von kontrahierten for-
men kommen vor: 3 sg. ana-gat 72. kekat 120,2. 3pl. anakaant
82,1. kant 123,i. prtc. praes. kanti 56,2*). uzkanti 9%. Praet.
keanc 49,i.
Bei stantan {d und t s. oben) sind die kontrahierten for-
men noch seltener. Es kommen nur vor: 3 sg. stat 114,2.
3 plur. stant 92,2. inf. stan 94,^. 114,2. ^^ erstane 58,i. — Sonst
geht das verbum gfinz regelmässig. — praeter. 2 sing, far-
stuanti 61,i.
Von pringan lautet das parte, praeter, nicht kepräht wie
im gemeinahd., sondern stets keprungan. Das praeter, kommt
nicht vor.
Verba präteritopräsentia.
scal, 3, pl. sculun, 3. sg. conj. sculi, inf. scolan,
mac, conj. 3 sg. megi, inf. mag an, partic. makanti,
3 plur. eigun 108,i. 118,2. Das ist die einzige indikativi-
sche form, die sich von diesem verbum findet. Ihr entspricht
im conj. eigin 38,^. 91,2. 119,2. Für die übrigen formen scheint
der conj. den ind. verdrängt zu haben: eigi habet 31,2. eigüt
habetis 31,2.
Tveiz, 2 sg. weist, 3 pl. rviszun 98,^. conj. sing. rvizzL 3 pl.
wizzin 46,,. praeter, wissa 55,i. inf. wizzan, partic. wizzantL
prtc. praet. kervizzan 55,i.
rvillu 34,1. 2 sg. will 31,2. 3- ^^li 31,2. 99,2. 101,i. 1 plur.
wellemes 29,i. 49,2. 94,i. wellant 36,i. 3 conj. welle 42,2. 118,i-
prtic. wellenti 47,i. praeter. 3 pl. wolton 31,^.
Ursprünglich ist das verbum konjunktivisch gebildet. Die
3. sing, hat auch eine reine konjunktivische form; die 1. ist
indikativisch, die 2. sieht aus wie der ind. eines präteriti, kon-
junktivisch müste sie wiHs lauten. Der plur. und der conj.
*) Hattemer liest hier kankanti, indem er die zweite silbe ohne
grnnd einschiebt.
Digitized by
Google
BENEDIKTINERREGEL. 461
sind gebildet wie von einem st. v. Die 1 plur. kann aus wel-
lames geschwächt sein (s. oben s. 454), aber es kann auch eine
konjunktivische form sein: wellemes,
n. Yerhältnis der dentschen ttbersetznng
znm lateinischen text.
Wenn wir die deutsche Übersetzung rein äusserlich neben
den lateinischen text halten, so gewahren wir sogleich, dass
nicht alles gleichmässig übersetzt ist. Bis s. 57 ist beinahe
jedes wort übersetzt worden; nur eigennamen wie Eli oder
oft widerkehrende ausdrücke wie abbas, humilitatis gradus est
etc. fehlen; auch das folgende kapitel lässt nur wenige werte
aus. Dann aber wird die Übersetzung lückenhafter und bald
so dürftig, dass sie zu einer glossierung einzelner werte her-
absinkt. Auf s. 103 steht gar kein, auf s. 104 nur 6in deut-
sches wort. Nur 2 kapitel, die für die möncho von besonde-
rer Wichtigkeit sein mochten, sind fast vollständig durchüber-
setzt, d.i. das 31. „von dem kellermeister des klosters" und
das 49. „von der beobachtung der fasten". Die selten 118 —
122 zeigen wider etwas mehr deutsches; von s. 123 an nimmt
die zahl der deutschen werte reissend ab; auf s. 125 hören
sie ganz auf. — In der letzten hälfte wird es ferner beliebter,
nur die endung des wertes zu schreiben 5 diese abkürzungsme-
thode ist aber auch schon im anfang nicht selten.
Es sind nun zwei fragen zu beantworten:
1) Wie weit hat der Übersetzer seine lateinische vorläge
verstanden ?
2) In welcher weise hat er die deutsche spräche gehand-
habt, wie gross ist seine Übersetzungskunst?
1. Auf die erste frage lässt sich die bestimmte antwort
geben, dass der deutsche Übersetzer äusserst wenig von der
lateinischen spräche gewust und seinen text an sehr vielen
stellen durchaus nicht verstanden hat.
Ein hinlänglicher beweis dafür ist schon, dass der latei-
nische text an vielen stellen völlig korrupt und sinnlos ist und
det Übersetzer doch wort fllr wort getreulich ins deutsche über-
tragen hat. Einige beispiele mögen genügen. — Gleich auf
s. 28 steht im texte: rogemus dominum, ut gratiae suae adi-
beat nobis adjutorium om' tr'e völlig sinnlos für jubeat nobis
Digitized by
Google
462 SEILER
adjutorium ministrare. Nichts destoweniger wird ruhig über-
setzt: daz dera ensti sinera zuatue urVs helfa und. nun ist om'
tr'e als omnis terrae aufgelöst und durch eocowelihera erda
übersetzt. — S. 29,2 steht sinnlos; ab ipsius notitiam magiste-
rio discentes für ab ipsius nunquam magisterio discedentes.
Der Übersetzer schreibt wörtlich: fona sin selbes chundidu mei"
startuam lirnejite ; er macht also ausserdem noch notitiam von ab
abhängig, weiss mithin nicht, dass die präposition a den abl. re-
giert. — Aehnlich steht 48,2 ^ talia eloquia os aperire fiir ad, aber
übersetzt wird die stelle durch fona soUhheru sprdhhu, also a
regiert den acc! — 43,i. perierit für perjuret; deutsch far-
tverde. — 50,i steht sinnlos vita, quae humiliat corde ut a domino
erigatur in caelum (für quae humiliato corde a domino erigi-
tur), deutsch: Hb der deomuatit herzin daz fona truhtine si
errihtlt ze himile, — 58,2: sie temperetur ut vigiliarum agenda
parvissimo intervallo mox matutini subsequantur (für
sie temperetur hora vigiliarum agenda, ut, parvissimo intervallo
custodito, mox matutini subsequantur) und dieser
unsinnige text ist wort für wort übersetzt — 65,2: completurii
quo tempore (für completuriique) ; deutsch aber folnissi dem
citu — 64,1 per mit dem abl., 67,i post. c. abl., 69,i qui in
numero supra scriptus fortiores inveniuntur für scripto. Hier
sah der Übersetzer ein, dass scriptus keinen bezug hat ; er zog
es also frischweg zu fortiores und übersetzt kascribani. — 72
steht die unform parceat für pai-tiatur; der Übersetzer hält
sie für den conj. von parcere und schreibt libbe. — 76,i simi-
lis vindictae für similem vindictam ; der Übersetzer setzt natür-
lich auch den gen. — 90,2. i^^c subrepta sacietas für ne sub-
repat satietas; übersetzt ist die stelle so, dass subrepta «,1s
abl. aufgefasst ist. 97,2 ^^^ ^8,i steht majori subjaceat emen-
datione aninae veniam ; peccati causi si fuerit latens u. s. w.
lür majori subjaceat emendationi. Animae vero si causa
fuerit latens u. s. w. Das unsinnige animae veniam ist durch
ein ebenso unsinniges selom antlaz widergegeben. — Diese
beispiele Hessen sich leicht vermehren; Hat der Verfasser aber
eine so grosse anzahl YöUig sinnloser stellen übersetzt, so sieht
man daraus^ dass es ihm bei anfertigung der Übersetzung
überhaupt einerlei war, ob er den text verstand oder nicht
Er begnügte sich damit, ihn mechanisch wort für wort zu
Digitized by
Google
BENEDIKTINEEEEGEL. 463
ttbertragen. Ein zweiter beweis, dass er den lateinischen text
nicht verstanden hat^ sind die zahllosen Übersetzungsfehler.
Nicht nur, dass ungeheuer oft ohne allen grund der sing, für
den plur., der conj. für den ind., das präs. für das präter. —
und umgekehrt — gesetzt ist; es stehen sehr oft falsche casus,
ohne dass &ich eine ursaclie dafür finden lässt. Z. b. simpli-
cioribus factis einfaltlihhero taiim 37,2. voluntatem propriam
rvilldm eiganSm 46,2- nostram — voluntatem ünsereem — rvillan
51,2. Der abl. aeterna clausura durch den nom. plur. ewigiu
piloh 48,2**) vigilias wahtotio 69,2. Namentlich wenn im lat.
eine form verschiedene casus ausdrückt, hat der Übersetzer
oft falsche gewählt, z. b. der abl. una septimana integra durch
eina (acc.) rvehcha alonkiu (nom.) 70,i. Ebenso ist 89,2 der abl.
remota crapula durch den nom. übersetzt. Bei in causa gravis
utilitatis ist gravis als nom. zu causa gezogen, hoc-sacrum
Volumen den-wiko puah 30,^ ; hier ist wiho puah der nom. statt
des acc. lieber hoc vitium dea dehnst 82,2. 108,2. vgl. oben
s. 446.
Widerum an anderen stellen sind die lateinischen worte
falsch auf einander bezogen. Am schlagendsten ist hierfür
34,2: monachorum quattuor esse genera manifestum est =
municho fioreo rvesan chunni chiind ist , wo quattuor als gen.
plur. auf monachorum bezogen ist. — Ebenso ist 60,2 a duo-
decim psalmorum quantitate = fona zwelifin salmono weomichili
das Zahlwort duodecim von a abhängig gemacht. — 40,2 su8.
auf fratrum bezogen, als stünde suorum da. — 55,2 ist com-
munis auf regula bezogen und da dieses fälschlich für den
abl. gehalten wurde, ebenfalls durch den dat. übersetzt. —
30,1 wird admonitionem in 2 worte getrennt und durch ze
manungu übersetzt statt durch zuamanunga. — Ebenso delibera-
tione 111,2 durch fona frihalse, als stünde de libcrtate da. —
36,1 Abbas qui praeesse dignus est monasterio. Hier ist
monasterio für einen von digfius abhängigen abl. gehalten worden
und demgemäss deutsch der gen. gesetzt : wirdiger ist munistres.
— 59,1 Post hunc (cantent) psalmum nonagesimum quartum
= after desemu salmin niuzogostin feordin als ob die worte
psalmum nonages. qu. noch, von post abhängig wären.
*) Vielleicht ist ewigiu mit auf das vorhergehende wort bezogen.
Digitized by VjOOQIC
464 SEILER
Endlich sind einzelne worte in ihrer beedutung mißver-
standen und falsch übersetzt worden. Auch hier genüge eine
kleine blumeniese. — uterque ist durch joh pedi oder indi pede
übersetzt 30,i. 36,2- Richtig nur 99,i. — Der pater Benedictus
wird 30,1 zu einem kewihter fater, — 30,2 parendum est ist
verwechselt mit parandum est und durch zekarawenne über-
setzt. — 33,2 vö^ti impigerunt (für impegerunt) in domum.
Der Übersetzer wüste nicht was impigerunt heisst; da kommt
ihm der gedanke, dass es vielleicht von impius herkommt nnd
er übersetzt erloso tatun. — 40,^ verum etiam; v^rum ist
flir das ntr. des adj. verus angesehen und durch war übersetzt.
— 53,2 quibus libet = diem lustim, als stünde quibus libidini-
bus da.. — 69,2 ist parciendo (von partiri) mit parcendo ver-
wechselt und durch libanto übersetzt. — 86,^ hat der Übersetzer
nicht gewust, was revera heisst; er bringt es mit reverentia
zusammen und übersetzt forahtun, — 111,2 l^i*®* ®r morosus
(von mora = diutinus) von mos ab und übersetzt situlih. Gleich
darauf bringt er deliberatio mit libertas zusammen.
Die komposita sind fast durchgängig so übersetzt, dass
jeder teil einzeln widergegeben wird, wodurch worte entstehen,
die es in der deutschen spräche nie gegeben hat. Man kann
es doch unmöglich eine wirklich deutsche Übersetzung oder
ein wirkliches Verständnis des lateinischen nennen, wenn oboe-
divit durch kaganhörta 46,i subsequuntur durch untiri sin ke-
folget 53,2, perseverantes durch duruhrvonente ausgedrückt wird.
Und derartige fälle kommen nahezu auf jeder seite vor: sub-
trahere = uniarzeohan 61,i. residere = (warsizzan 61,,. persol-
vere == duruhanpintan 65,2. adm-inistrare = zuaambahtan 105,2.
adjuvare = zuahelfan 35,2. procurare = forakauman 84,i. pro-
movere = foraerwechan 117,2 u. s. w. Das hilfsverbum ist
sini etc. tritt bei diesen Wörtern fast immer zwischen präpo-
sition und verbum, also : Z7m si kiwartet attendatur 69,2. ö^wö ist
kamahchot injungitur. in sint kekangan ingrediuntur.
Damit nun niemand die lateinischen kenntnisse des deut-
schen Übersetzers trotz alledem noch überschätze, erwähne
ich noch folgendes faktum: äie| deponentia sind durch das
ganze denkmal als passiva aufgefasst und demgemäss übersetzt
worden! Beispiele kann man auf jeder seite finden; ich führe
nur einige wenige an: hospitantur = sint kecastluamit 35,2.
Digitized by
Google
BENEDIKTINERREGEL. 465
pätiatur = si kedolet 40,i. imitantur = sint keläsinit 46,2. ^oiJ^-
sequitur =^ist kefolgit 47,2. professi sunt == kegehane sint 4(>,i.
loqui = kesprohhan rvesan 93,i. sortiatur = si erlozzan 76. me-
r^KiMr =^ si keamet .%\,i. causentur = ^tn /r/cÄ/a^o/ 106,i. me-
morentur = ^m kehukit 110,i. adulantur = «n^ keflShit 123,i.
tgredi = uzkekangan rvesan 111,2. tnugi ^^ kepruhchit tvesan
117,1. obliviscatur = si erkezzm 117. periclitari = kefreisöt tve-
san 123,1. — Nur an wenigen stellen sind die deponentia rich-
tig als activa tibersetzt; ich zähle sie alle auf: mereamur =
kearneem 29,2. loquantur = sprehhen 31,2. persequere (imperat.)
= kefolge 31,2. speculantur = scawönt .52. operentur = wer-
choen 100,2. dignatus est =« kerverdonter ist 30,2; ebenso digna-
bitur 57,2- utatur = si pruhhanii 78. consolatus es = ketröstan-
ter pist 85 *). Wenn aber ein Inf. act. fiir den inf. eines de-
ponens gesetzt wird, wie 31,^. 48,2. 1^1,2? so ist das kein be-
weis, dass der Übersetzer das deponens richtig als solches
aufgefasst habe. Denn auch für den inf. pass. aktiver verba
steht in der deutschen Übersetzung nicht selten der inf. act.
Der deutsche inf. act. muss mithin neben der aktiven auch
passive bedeutung geliabt haben. Beispiele : vocari = wissan
41,1. taceri = swigen 48,i. videri = sehan 50,2. renuntiari = ke-
chundan 50,2. sociari = kemahhon 94,2. amputari =» abasnidan
107,2.
Summa: Die grammatischen kenntnisse des deutschen
Übersetzers sind ganz schwach; nicht einmal die formenlehre
hat er inne und von syntax hat er gar keine ahnung. Dem-
gemäss ist auch das .Verständnis des lateinischen textes bei
ihm,* wenn überhaupt eins vorhanden gewesen ist, jedesfalls
äusserst gering und kaum zu rechnen.
2. In welcher weise ist die deutsche spräche in unserem
denkmal gehandhabt, bis zu welchem grade der Selbständig-
keit ist sie gelangt?
Die Übersetzung ist eine interlinearversion. üeber jedes
lateinische woi*t ist genau das entsprechende deutsche geschrie-
ben. Die der deutschen spräche fehlenden formen und bildun-
gen des lat. müssen durch andere ersetzt werden. Der abl.
*) Falsch ist dieses partic. praes. in tvänenti pirumis existimati
Bumus 53,j.
Beiträge zur geschichte der deutschen spräche I. 31 .
Digitized by
Google
466 SEILER
wird stets durch den -dat. ausgedrückt, die beiden fut. act.
durch den ind. praes., das praes. und fut pass.* durch Um-
schreibung mit dem hilfsverbum wesan (der inf. praes. pass.
auch durch den inf. act), das impfet, prfct und plsqmpfet.
pass. wird 49,2 durch ward und wurtun, sonst durch wesan ge-
geben. — Dass eine solche Übersetzung, zumal wenn so viele
fehler und Unrichtigkeiten hinzukommen, keinen lesbaren text
gibt, bedarf keiner bemerkung.
Indes sind doch einige punkte vorhanden, in denen der
Übersetzer von seiner lateinischen vorläge abweicht. Diese
müssen jetzt näher ins äuge gefasst werden.
1) Wenn das zur Übersetzung eines lat substantivums
dienende deutsche wort ein anderes genus hat als das latei-
nische, so folgen die dabeistehenden adj., partic. oder prono-
mina in der regel dem deutschen Substantiv. Zunächst ist
dies der fall, wenn das substant. und sein attribut unmittelbar
watt sifiati
neben einander stehen. Es heist also z. b. 43,2.
spem suam '
Hb ewigan .^ ^^^ ^^ ^a ubileru edo dbaheru
vitam aetemam '^* via quae '^' malo vel pravo
, . 44,1 ; aber auch, wenn beide durch dazwischentretende
eloquio '^ ' '
. . . j , siniu . . . chinder «^ libe . . .
Worte getrennt werden, z. b. £,. 30,2. .^
^ ' suos . . . filios ' vitam . . .
der . . . keharater ist «^ tod ... kisazter ist -^ chin-
quae . . . praeparata est ^'^' mors . . . posita est '^* ma-
nibahhon . . . andran
xillam . . . aliam
54,1.
Ausnahmen. Einigemale ist aber so mechanisch tibersetzt,
dass das attribut statt in das genus des deutschen in das des
lat Substantivs gesetzt ist: 45,2-. , ^ • x
' haec sunt instrumenta . . .
dei denne sint . . . zuaaer/ultiu indi . . . avarkezeihhaniiu
quae cum fuerint . . . adimpieta et ... reconsignata.
39,1 : X * * * ' wo allerdings zwischen beiden wör-
' peccata . . . . ea, °
tern ein bedeutender Zwischenraum liegt. 83,i :
^ '^ omnia ne-
Digitized by
Google
BENEDIKTINERREGEL. 467
äurufti ^o . äesemu ackusti ^ desa kescrip^) , ,
cessaria. '^* huic vitio '^* hanc scripturara.
stelle 29,2: dictontemu**) des rehtes rediun =^ dictante aequi-
tatis ratione entspricht das msc. dictontemu weder dem deut-
schen noch dem lateinischen genus; das msc. ist dadurch ver-
anlasst, dass im lat. die form dictante ebensogut msc. als fem.
sein kann; die tibersetzung ist ganz mechanisch.
.^ forakeqhuüetaniu des meisires kipot duruhtaniudis-
'^' praedicta magistri jussio et perfecta dis-
Icifi weTCLcfi
. ,. . Hier kann der Übersetzer opera fiir den plur.
cipuli opera ^ ^
von opus gehalten und demgemäss auch kipoi als plur. behan-
delt haben; jedoch ist die annähme einer einfachen mechani-
schen tibersetzung auch hier das wahrscheinlichste; forakeqhuüe-
taniu ist fem., kipot ntr.
2) Präpositionen, die im deutschen einen anderen cas. re-
gieren als im lateinischen, folgen zumeist dem deutschen ge-
brauch, aßer c. dat. = post secundum juxta c. acc, ano c. ai c.
= sine, uzzana c. dat. = extra, mit c. acc. = cum, mit c. dat.
= apud, pi c. acc. = pro, ze c. dat. = ad, er und fora c. dat.
oder instr. = ante, uniar c. dat. =» inter. Doch sind ausnah-
men nicht gerade selten; die präposition nimmt dann dem
deutschen gebrauch entgegen den casus zu sich, den die la-
teinische regiert.
ano steht 3 mal mit dem dat statt mit dem acc: ,
absque
einikeru arbeiti ana einikemu Hhhisode ^. ano mur-
ullo labore '^' sine aliquo tyfo '^' absque mur-
mulodin q,
mulationibus '^*
ze c. acc. statt c. dat.:
ze antlazza ze furistantantlihhaz Mltar
ad inducias '*^' ad intelligibilem aetatem ''^"
Namentlich in der Verbindung mit personalpronominibus
sind derartige falsche konstruktionen der präpositionen häufig :
ze dih = ad te 30,2. ^^ «'^ö^ ad eum 30,i. 86,2.
*) kescrip kommt nur als ntr. vor.
**) Im texte steht dafür verschrieben dictetemu\ das richtige 38,i.
31*
Digitized by
Google
468 SEILER
fora und fwui haben nur den dat; es steht aber der acc.
in fora dih = ante te 52,i. fona sih a se 33,i. 43,2. 54^2«
in regiert zwar den dat und acc; es steht aber in sih =
in se 33,1 (zweimal) und 43,2, stellen wo notwendig der dat.
stehen müste.
after regiert sonst nur den dat.; 37,2 steht aber dfter dih
= post te, allerdings in der bedeutung „nach hinten hin", die
sonst nicht Yorkommt.
Diese Verbindungen: ze dih, fora dih, fona sih, in sih
könnte man vielleicht so erklären wollen, dass es völlig feste
adverbiale redensarten geworden seien, in denen die bedeutung
des casus gar nicht mehr gefühlt wurde. Allein wann sollte
das geschehen sein? Es lässt sich nicht nachweisen, dass ze
fora fona im deutschen je den acc. regiert haben. Nimmt man
die vorher angefahrten fälle hinzu, durch die klar bewiesen
wird, dass auch bei den präpositionen die mechanische Über-
setzung vorkommt, so wird man nicht zweifeln, dass diese
auch hier zu statuieren ist Der Übersetzer übersetzte ad mit
ze und eum durch inan, ante mit fora und te mit dih; in 'a
se' und In se' hielt er se flir den acc. — die formen des acc.
und abL sind ja gleich — und schrieb demgemäss sih. Dass
sih der dat. sein solle, ist unmöglich.
An 3 stellen ist aus der deutschen konstruktion plötzlich
• j« i«A • • i. uu Afx ^^ ^^^^ erhabani dia
in die latemiBche übergegangen: 49„. ^^ .^^it^^ionem iUam
himiliscun ^ in Übe ewigan ^^ citi andrem
caelestem '^* in vitam aetemam '^* ad horam secundam
^, . Die Präposition ze ist hier nicht ausdrücklich über
ad gesetzt, hat aber dem Übersetzer vorgeschwebt; daher zu-
erst der dat, während folla in den lat acc. übergeht
3) Wenn ein deutsches verbum oder adject einen anderen
casus regiert als das entsprechende lateinische, so ist wider-
um eine wirkliche und eine mechanische Übersetzung möglich.
a) Der deutsche gebrauch wird dem lateinischen gegen-
über festgehalten.
prühhan regiert den gen., uti den abl. 42,1.^7*^ ^ ^^.,f*
° ' '^ tttatur consiho
Digitized by
Google
BENEDIKTINERREGEL. 469
folgen regiert den dat., sequi den acc. 41,2.
dero meistrun sin kefolgei rehtungu , . , niheiner eikanes
magistr^m sequantur regulam '^' nuUus proprii
si kafolget herzin willin . - nohheineru ist kefolgei anst
ßequatur cordis voluntatem '^' nuUam consequitur gratiam.
teilneman c. gen. = participare c. dat (GraflF V, 404) 29,2.
dolungono christes teilnemem
passionibuB christi partieipemuB.
pitan c. gen. = exspectare c. acc. (GraflF III, 62) 102,2.
dr tvikun ostrun pite
sanctam pascha exspectet.
kerisit und kelimfit c. dat. = eonvenit oder condecet c. acc.
. - discom kerisit imu . . . kelimfit .^ meistre
'^* discipulos eonvenit, ipsum . . . condecet ^^' magistrum
kerisit diskin kelimfit
condecet, discipulum eonvenit
piwerran c. dat. = lat prohibere c. acc. (So auch Tat.
4A \ o4 piiveri zungun dineru ^ , , , i • i. j
14,2) 31,2. V.*!. !• X. öS folgt aber gleich der
^^ ' prohibe linguam tuam; ° ®
indi lefsa dina ^. fona diem imu piwerit
et labia tua '^' a quibus eum prohibuerit.
drawan c. dat = arguere c. acc. 38,2.
. ,. ,. VI ofi wirdiger munistres
wtrdic c. gen. = dignuB c. abl. 36,i. ,. ^^ . .
° ^ '^ dignuB monaBteno
. - c rvirdiger solihhera era , i. j j . •
119,2. j. ^ ,. , kann auch der dat Bern.
' dignus tau honore
b) Die deutsche konstruktion weicht der lat 62,i. ^ ^
kerisit loh ^. inqn folgen ^ kefolge den .^
decet laus '^' eum sequi '^' persequere eam '^'
ftuahhonte sih nalles rvidar fluahan ^ . • -t ^ A
maledicentes se non remaledicere. ^ /*««/»-
kon nur den dat GraflF III, 759. Aehnlich 54,i ; . ,
' '* qui male-
sprehhantesihwelaqhuedant ^^ hulfi mih , ^.
dicentes se benedicunt ' * adjuvabas me '^'
keholfaner
adjutus.
Digitized by
Google
470 SEILER
Ob leisannan c. acc. = imitari ein latiniBmus ist, lässt sich
nicht entscheiden, da das wort nur bei Kero vorkommt.
Ein Übergang der deutschen in die lat. konstruktion findet
X XX IT o saztos arbeit in hrucki unser emu _ , .
statt 53,0: . X» X •!_ 1 X. . j X »wo hrucki
' posuisti tribulatiojies m dorso nostro
acc, umeremu dat. ist.
4) Auch bei der Übersetzung des lat. gerundiums und ge-
rundivums kommen bisweilen freiheiten vor. Für gewönlich
werden sämmtliche casus des ger. und gerundiv. durch ze mit
dem dat. des inf. widergegeben. Auch Verbindungen wie ad
loquendum 55,2 ^^ faciendo 46,^ werden durch ze sprehkanne
ze tuenne übersetzt. Hiervon kommen nun einzelne abwei-
chungen vor. Als fehlerhaft wird man es ansehen müssen,
wenn metuendus durch forahtanier 35,2, habitandi durch des
puentin 34,i gegeben wird; ebenso ist die Übersetzung des ge-
rundiv. durch das partic. praeter, wie z. b. suscipiendus int-
fafikaner, damnandum kanidartan 112,i, farmulitan conterendum
121,1 entschieden falsch. Richtig dagegen ist tremendus foraht-
lih 36,2, sowie ascendendos ufstiganteem 50,^, eine freie Über-
setzung, die aber sehr schön in den sinn passt, wie man leicht
sieht, wenn man die stelle aufmerksam liest; das gleiche gilt
von lippanti parcendo 52,2. Zur Übersetzung des abl. ger. fin-
det sich überhaupt öfter das partic. praes., und namentlich das
^dverbium davon; libanto partiendo 69,i. untarzeohanto subtra-
hendo 63,j. 94,i. farmanento spernendo 80, für den acc. ger.
in farsümmando neglegendum 80,2, für den gen. in hör endo
audiendi 31,2. Wie das adverb des prtic. praes. zu dieser be-
deutung kommt, weiss ich nicht zu erklären; wahrscheinlich
wirkten die lateinischen endungen mit ein; darauf könnte auch
das d in horendo farsümmando deuten ; vgl. oben s. 425.
Auch abgesehen von diesen vier punkten habe ich hin
und wider noch versuche zu einer gewissen Selbständigkeit
in der Übersetzung gefunden. So wird z. b. nocturnus durch
den gen. dera naht übersetzt 60,i, diurnus durch das adverbium
tagaUhhin 67,2, rara loquendi concedatur licentia durch das
adverb. seltkaluaffo (nicht seltkaluafflu, wie es bei ganz
wörtlicher Übersetzung heissen müste) 48,i. Der abl. abs. ist auf-
gelöst worden 32,i: succinctis lumbis et calciatis pedibus per-
gamus = picurte (also nom. plur. auf das subject bezogen)
Digitized by
Google
BENEDIKTINERREGEL. 471
lanchom indi kescuahte fuazzum kangames. — Oefker kommt es
vor, dass, wo im lat.ein neutrales wort, das eine quantität
bezeichnet, mit dem neutr. eines adjektivums verbunden ist,
dieses adjektivum im deutschen in den gen. gesetzt ist Es
sind folgende steUen: *"!" "^^.Z, 28. "f^lT"*' ^'"'^^ 2 V)
° minus possibile nihil grave ' ^
so hfvazso cuates ^^ andres was ^^ neoweht . . . tiuro-
quidquid bonum '^* aliud quid '^' nihil ... ca-
rin .^
45,0.
rms '^
Hierher gehören auch 3 vom Übersetzer falsch verstandene
, „ daz piderborin .. edeswaz eikenes willin . ,^_
stellen: , ^ .... 41,i. ,. ., . , . ^ 102,2.
quod utilius ' aliquid propria voluntate '
ibu hwaz luzziles hedrvunganor framkange «q . • i x x
si quid paulolum restrictius processerit '*'
stelle ist paulolum fälschlich von quid abhängig gemacht.
Summa: Die deutsche spräche ist in unserem denkmal
noch durchaus unselbständig; sie kriecht dem lateinischen me-
chanisch nach; nur die allerersten und noch ganz dürftigen
spuren einer freieren bewegung zeigen sich.
III. Verfasser und zeit des denkmals.
Wir haben in dem ersten hauptteile zwischen verschiedenen
partien des denkmals in orthographischer hinsieht ziemlich be-
deutende unterschiede festgestellt. Daher drängt sich natür-
licherweise die frage auf: stammen diese unterschiede davon
her, dass das denkmal von verschiedenen Verfassern verfasst
oder nur davon, dass es von verschiedenen Schreibern ge-
schrieben ist? Es ist also zunächst zu untersuchen, ob unser
denkmal original oder abschrift ist.
1) Es kommen in der deutschen Übersetzung eine grosse
zahl Schreibfehler vor, die sich nicht wol durch etwas anderes
erklären lassen als durch die annähme, dass auch das deutsche
aus einem anderen exemplär in unsere handschrift abgeschrie-
ben ist. Wir haben schon im grammatischen teile eine ganze
reihe derselben teils konstatiert teils vermutet. Einige andere
•) Auch das unmittelbar folgende swarre ist genetiv; das schlie-
ssende s ist durch einen Schreibfehler ausgefallen.
Digitized by
Google
472 SEILER
führe ich hier noch als beispiele an. Buchstaben sind ausge-
lassen worden z. b. 29,^ muazzo für miiazzot^ swarre für swarres,
57,2 heinan für hreinan, 65,i hdbit für haubit, 69,3 ecowelichera für
eocoTveUchera, 93,2 kehlaffan für kehlauffan, 95 teilnufü für ^^«7-
wwm/K« (GraflFII, 1078), 106,i kaspohchan für kasprohchan, 113,i
^n7 für /m^ u. s. w. Buchstäbenverwechselungen liegen vor
z. b. 36,1 kehunkan für kehuckan^ 38,^ waw für wac, 39,i p?Arer-
n^m für pikinneen, 35,2 kenemmin für kmemmit, 84,2 piheftim
für piheftit, 45,^ und 108,2 ^ö<^^ und /^/o^ für /oon und ^Y/on, 39,2
wertum für wortum und kehivinge für kedwinge, 107,^ smahlichot.
für smahUchor, 113,^ wähhufe für watfmse u. s. w. Noch andere
versehen sind z. b. 41,2 selbsauna für selhmana, 43,i tragran für
tragan, 55,2 kemeinsanum für kemeinsamun , lO^i anolkiu für
älonkiu, 47,^ ^^^ e^ für ^e^ ^^r, 96,^ armeinsamont für armein-
samot, 112,1 kapetataner für kapetaner, 114,^ erwarto für ewarto,
123,1 ubarmuateo für ubarniuatoe und forahtero für forähtantero.
— Diese versehen sind so zahlreich (die beispiele Hessen sich
leicht vermehren) und zum teil von der art — wie z. b. die
Verwechselungen zwischen n und c, n und r, w und <, ä und tf — ,
dass man sie nicht fttr lapsus calami des Verfassers halten
kann.
2) Auch das s. 425 besprochene überschreiben des la-
teinischen über das lateinische erklärt sich nur daraus, dass
ein abschreiber beim lesen seiner vorläge aus dem deutschen
ins lateinische kam.
3) Ein ganz unwiderleglicher beweis ist der, dass an
einigen stellen die Übersetzung nicht zu dem in der hand-
schrift vorliegenden texte stimmt, sondern zu einem weniger
korrumpierten, wie ihn die ausgaben (Holsten und zuletzt Bran-
des) bieten. Diese stellen sind folgende*):
«^ chortar hirtes
'* gregi pastonae (pastoris),
^^ pirumes kisceidan
'^ discernimus (discernimur).
. . erkehanter ist
'^ redditus (redditurus) est.
*) Den lateinischen text der handschrift setze ich darunter und
daneben in klammem den vulgärtext der ausgaben.
Digitized by
Google
Ferner 62„ ""^7 , 117,^
BENEDIKTINERREGEL. 473
In diesen 3 stellen könnte man das abweichen vom vor-
liegenden und das übereinstimmen mit dem texte der ausgaben
dadurch zu erklären versuchen, dass man sagt: der Übersetzer
sah ein, dass der lateinische text sinnlos ist, machte sich gleich
in gedanken — aber ohne den lateinischen text zu korrigieren
— die richtige konjektur und übersetzte nach dieser.
Diese annähme ist schon an sich höchst unwahrscheinlich;
denn bei der ungeheuren schwäche des Übersetzers im latei-
nischen lässt sich nicht glauben, dass er im stände war, rich-
tige konjekturalkritik zu üben. Sie lässt sich aber ausserdem
auf die folgenden stellen nicht anwenden und verliert da-
, , ,, j, ..,. das andar .^^ denne
durch allen wert: 115,« ,. .-,/,. ^ 123,i . ,j .
' aliquid (alias). qui (dum).
duruh . . - ana
pro (per), '^ propter (praeter)
Hier liegt der gang der sache klar vor äugen. In dem
unserer handschrift vorliegenden original stand per und praeter,
beides abgekürzt und darüber die richtige deutsche Übersetzung
duruh und ana; der abschreiber des lateinischen löste nun die
abkürzungen falsch auf und schrieb pro und propter, der des
deutschen setzte natürlich sein duruh und ana darüber. — End-
lich sind bisweilen Wörter übersetzt, die im vulgärtexte stehen,
die aber in unserer handschrift überhaupt fehlen.
^^ daz in pezzirä framkangen
'^ ut melius proficiscant.
Holsten (Rom 1661) und Martine (Paris 1690) lesen ut in
melius proficiant.
115,1 ^. Hier steht in den ausgaben pro vor
' reverentia. ® ^
reverentia.
... aoar si keleran .. , i x, a\
111,1 , i. die ausgaben relegatur.*)
Aus diesen drei gründen glaube ich es als ziemlich sicher
hinstellen zu können, dass wir nicht die Originalübersetzung
selbst, sondern nur eine abschrift derselben vor uns haben.
' •) Offenbar ist auch b. 54,i ^^fi^^^^ tunihhu ^^^ ^.^^^ ^^^^^
auferenti tunicam
texte tibersetzt worden, der ablata tunica hatte, doch steht hier in den
ausgaben ebenfalls auferenti.
Digitized by
Google
474 SEILER
DaB verloren gegangeiie original hat im lateinischen texte die
grossen korruptelen unserer handschrift schon enthalten , da
die Übersetzung — bis auf die wenigen eben angefahrten
stellen — danach gemacht ist. Zuerst wurde nun der latei-
nische text, dann die deutsche Übersetzung in unsere hand-
schrift übertragen; dann kamen im lateinischen noch 2 ver-
schiedene arten von nachkorrekturen hinzu : 1), solche, wo die
deutsche Übersetzung zur korrektur stimmt. So ist z. b. aus
umilitate s. 55 vilitate korrigiert, im deutschen heisst es smah-
Hhht, Die fehler, die durch korrekturen dieser art verbessert
werden, sind durch dafe abschreiben aus dem originale ent-
standen und die korrekturen können nach dem originale vor-
genommen sein. 2) Solche, wo die Übersetzung zu dem ver-
derblen ursprünglichen texte stimmt; so findet sich z. b. s. 29
zu itinere die randglosse initio; deutsch sinde. Die fehler, die
durcli randglossen und korrekturen dieser art verbessert werden,
befanden sich schon im original, und die Verbesserungen sind
nach einem anderen besseren texte ujid später gemacht wor-
den. Sie sind übrigens selten.
Ehe wir nun weiter gehen, muss noch eine frage beant-
wortet sein, nämlich die, wie viel Schreiber sich an der ab-
schrift des originales beteiligt haben. Ich habe die handschrift
nicht selbst gesehen, muss mich also damit begnügen, die ur-
teile anderer darüber zuöammenzifstellen. lü betreff des latei-
nischen textes ist nirgends die ansieht ausgesprochen, dass er
von mehreren geschrieben sei; er stammt also sicher nur von
einer band. Aber in betrßflf der deutschen Übersetzung gehen
die ansichten ziemlich auseinander. Die älteren. Schilter und
Graflf, geben nichts- von verschiedenen bänden an. Der erste,
der sie erwähnt, ist Lachmann; in den specimina linguae
Francicae setzt er vor to ,, . ibu eocoweliheru (Hattem. s. 55
oben) die werte: „hinc alia manus" und „über das Hildebrands-
lied" s. 155 sagt er: „(Jass bei Kero s. 49^ ruam steht, ist
von keiner bedeutung, weil die 4. band, die überhaupt wenig
genau ist, auch lütn ohne h schreibt." Hier statuiert er also
mindestens 4 bände. Hattemer schweigt über diesen punkt
gänzlich. Sievers (vgl. Steinmeyer in Haupts Zeitschrift 16,
s. 131 ff.) gibt an, die ganze handschrift sei nur von einer
band geschrieben. Ich habe meinen freund, herm Dr. Lösch-
Digitized by
Google
BENEDIKTINERßEGEL. 475
hörn, der einige tage in St. Gallen verweilen wollte, gebeten,
mir auch über diesen punkt auskunft zu geben, und ihm dabei
die stellen angegeben, wo öteinmeyer a. a. o. abteilungen
macht. Er schreibt mir nun darüber folgendes: „Als ich band-
Schrift 916 verlangte, fing pater bibliothekar schon an zu
lachen, fragte, ob ich auch verschiedene bände aufsuchen
wollte! er berichtete, dass vor kurzem Bartsch hier gewesen
sei und die handschrift durchgesehen habe. Sein resultat wäre
gewesen, dass ein und dieselbe band das ganze denkmal
glossiert habe. Später sei E. Steinmeyer gekommen und habe
— ich glaube — 4 bände unterschieden, die abwechselnd
widerkehrten. Doch sei er nicht im stände gewesen, die
hypothese durchzuführen und habe sie aufgegeben. — Die
Sache ist unendlich schwierig. Denn gesetzt, es waren mehrere
bände tätig, so waren es doch nicht nur gleichzeitige, sondern
alle stammten aus derselben schule und hatten ihre kunst von
gleichen lehrern gelernt Selbständige charakteristische indi-
viduelle schriftzüge gelangten um so weniger aufs pergament,
als die herstellung langsam und bedächtig, gleichsam zug für
zug nach der Schablone geschah. Solchen eindruck macht be-
sonders, die feste und klare schrift des ersten glossators, die
bis s. 54 unten*) reicht und später widerkehrt. Ich stimme
Lachmann bei, wenn er mit s. 55 eine neue band beginnen
lässt; nicht nur, dass von da ab die dinte bedeutend dunkler
ist, als bisher; auch die züge sind weniger fest und korrekt,
sondern oft kritzlich. Mit gleicher gewisheit vermag ich das
eintreten einer andern band an keiner der anderen von dir
notierten stellen zu behaupten; möglich scheint es mir nur noch
s. 96, während ich es für s. 58. 79 (cap. XXX). 82. 84. (cap.
XXXV). 87 (cap. XXXVIII). 90 (cap. XL) und 117 geradezu
läugnen möchte. Jede fixierung des Sachverhaltes an einer
solchen stelle wird, wie schon gesagt, dadurch erschwert,
dass die buchstaben die Vorschrift schulmässig korrekt nach-
ahmen."
Ich gestehe, dass es mir nicht möglich ist, bei einer sol-
chen , differenz der urteile mir eine bestimmte ansieht zu bilden.
*) Ich setze der bequemlichkeit wegen für die selten der handschrift
die bei Hattemer ein.
Digitized by
Google
476 SEILER
Das scheint jedoch aus allem hervorzugehen, dass, wenn
irgendwo eine andere hand beginnt , dies nur auf s. 55 ge-
schieht; ob es aber wirklich der fall ist, .das ist doch sehr
zweifelhaft
Die frage also, von wie viel Schreibern die abschrift an-
gefertigt sei; muss zunächst unentschieden bleiben. Es handelt
sich nun darum, von wie viel Verfassern das original stammt
Dass es von einem einzigen verfertigt ist, ist unmöglich; denn
wir haben in teil I wesentliche und zum teil regelmässig
widerkehrende unterschiede zwischen der Orthographie der
einzelnen abschnitte kennen gelernt. Dieser sich von einander
abhebender abschnitte sind im ganzen 10:
1) 28—54. 2) 55—57. 3) 58—79. 4) 79 (cap. 30) —82.
5) 82*)— 84. 6) 84 (cap. 35) —87. 7) 88—90. 8) 90 (cap. 40)
—95. 9) 96—116. 10) 117—125.
Von diesen 10 abschnitten stimmen einige auffallend unter
sich überein im gegensatz zu andern.
1. 2. 4. 6. 8. 10 stimmen
**) a) in den formen des präfix ga — .
b) sie bewahren anlautendes h vor konsonanten.
3. 5, 7. 9 stimmen
a) in den formen des präfix ga — .
b) sie lassen h vor konss. fallen.
c) sie setzen ch nach weichen vokalen.
d) sie lieben die Schreibung hch,
e) sie stimmen in den formen des demonstrativ-pronomens
der, diu, daz (in 5 kommen allerdings keine vor).
Ausserdem haben diese stücke einige orthographische frei-
heiten, die in den anderen mangeln:
a) sie vertauschen z und s, 3. 7. 9.
b) th in 3. 7. 9.
*) Die grenze ist hier mit dem beginn der p. 84 der handschrift, d. h. mit
dem Worte kizeichanne zu ziehen^ nicht mit dem beginn des cap. 33 ; denn
wir finden den diphth. ai and hch schon in dem kleinen stücke von
kizeichanne — cap. 33. Allerdings bekommen wir dann einen doppelt
geschriebenen langen vokal (anakaani) mit in abschnitt 5 hinein T der
eigentlich nicht hineingehört.
**) Ich verweise hier ein für allemal auf den I. teil des aufsatzes,
wo man jeden einzelnen nachweis leicht sno loco finden kann«
Digitized by
Google
BENEDIKTINERREGEL. 477
c) chu fttr qhu in 3 und 9.
d) einfaches f nach vokalen in 3 und 9.
e) unorganisches h vor vokalen in 3 und 9.
f) die Verdoppelung von konss. neben anderen konss.
nur in 3. 7. 9.
g) die Verschiebung von inlautendem g zxx k ist beson-
ders häufig in 3 und 9.
Hieraus kann man nun den schluss ziehen,^) dass 1. 2.
4. 6. 8. 10 von einem, 3. 5. 7. 9 von einem anderen Verfasser
stammen.
Nun weichen aber die stücke 2. 4. 6. 8. 10 in vielen
punkten wider von 1 ab: hch findet sich in 2. 6. 10 — ih für
^ in 2. 4 — chu fttr qhu in 2. 6 — ch nach weichen vokalen
in 2. 10 — z und s vertauscht in 8 — h unorganisch vor
vokalen in 2; — in 1 gilt ferner über den Wechsel von sc
und sk eine feste regel; diese ist in 6. 8. 10 vielfach durch-
brochen. — Diese graphischen unterschiede kann man nun
dem umstände zuschreiben, dass 2. 4. 6. 8. 10 von einem an-
deren abgeschrieben seiei]L als 1**). Dann würden wir also
2 Verfasser des Originals haben, von denen der eine 1. 2, 4. 6.
8. 10, der andere 3. 5. 7. 9 verfasst hätte, und 2 Schreiber
unserer handschrift, von denen der eine nur 1, der andere
2 — 10 geschrieben hätte.
Gegen diese aufia.ssung streitet aber anderes; es finden
sich nämlich zwischen stücken, die nach ihr demselben Ver-
fasser angehören, diflferenzen, die zu wesentlich sind, als dass
man sie bloss auf rechnung verschiedener abschreiber schieben
könnte. Diese diflferenzen sind folgende:
a) Die doppelschreibung der langen vokale herscht in 1.
4. 6, in 2 fehlt sie und 8 und 10 haben hierin ein ganz eigen-
tümliches princip mit 7 und 9 gemeinsam.
b) In der form der partikel indi unterscheiden sich 2 und
10 wesentlich von 1 (1 hat indi, 2 enii, 10 enii und inü).
c) Die formen des demonstrativpronomens der , diu, daz
*) Steninieyer hat diess a. a. o. auf grund der wichtigsten von den
angegebenen kriterien gethan.
•*) Auch diesen schluss hat Steinmeyer a. a. o. gezogen.
Oigitized by
Google
478 SEILER
sind in 10 (zum teil auch in 8) anders als die in 1 ; 10 stimmt
auch hierin zu 3. 7. 9.
d) In 2 ist es üblich, zur bezeichnung eines misehvokäls
zweie neben einander zu setzen; in allen übrigen stücken
kommt das nicht vor.
e) 1 liebt den vokaleinschub zwischen muta und liquida,
8 und 10 entschieden nicht — 8 und 10 stimmen hierin zu
3. 5. 7. 9.
f) Als endnng des part. wechselt in 1 -anü und -enti
ziemlich gleichmässig; in 2. 4. 6. 8. 10 herrscht -anü auf das
allerentschiedenste. Das stimmt zu 3. 5. 7. 9.
g) Die Übersetzung ist in 1. 2 und 4 ziemlich vollständig,
in 6. 8. 10 sehr lückenhaft, wie auch in 3. 5. 7. 9.
Nun kann man allerdings ein machtwort sprechen und
auch alle diese differenzen nur für eigentümlichkeiten der ab-
schreiber erklären, aber bei den unter a, b, f, g aufgeführten
wird wol jeder anstand nehmen, dies zu tun. Dann kann
man mit gleichem rechte auch die unterschiede im gebrauche
des h vor konss. und der formen k€, ki, ka niir auf die Schrei-
ber schieben und für die entstehung des Originals hört jedes
kriterium auf. — Demnach glaube ich entschieden aussprechen
zu können, dass 2. 6. 8. 10 von anderen Verfassern stammen
als 1 ; 4 kann möglicherweise mit 1 von demselben herrühren,
es finden sich wenigstens keine aufiTallenden differenzen; aber
das ist auch nur eine möglichkeit, durchaus keine gewisheit
— Wenn nun aber — was mir, wie gesagt, sicher erscheint —
2 von einem anderen Verfasser ist als 1, so würden wir, wenn
wir mit s. 55 eine neue band beginnen lassen, den höchst
seltenen zufall haben, dass genau an derselben stelle, wo im
original ein neuer Verfasser begonnen hat, in der abschrift ein
neuer Schreiber angefangen habe. Möglich allerdings, aber doch
unwahrscheinlich ! Ich glaube daher, dass mit s. 55 keine neue
band beginnt, und die urteile derer, die die handschrift gesehen
haben, sind hierin so geteilt, die ganze sache ist so unsicher,
dass die eben angestellte erwägung hierin wol den ausschlag
geben kann.
Die übrigen stücke 3. 5. 7. 9 haben nicht so positive Über-
einstimmungen, dass man sie deswegen notwendig einem und
demselben Verfasser beilegen müste; die Orthographie ist in
Digitized by
Google
BENEDIETINERREGEL. 479
ihnen willkürlicher und regelloser als in abschnitt 1. Ausser-
dem finden sich auch zwischen ihnen folgende gewichtige
diflferenzen :
a) Der diphthong.ai steht nur in 5 und einmal in 9, in
3 und 7 fehlt er ganz.
b) In 5 steht nur eowiht und eowit; in 3. 7. 9 überwiegt
eorveht,
c) Die formen des prafixes ga- stimmen zwar in allen 4
abschnitten, aber die der präposition za ist in 9 entschieden
anders als in 3, wie es scheint auch in 5 und 7; doch sind
hier der belege zu wenig.
d) 3 hat ziemlich oft im dat. des inf. nur ein n, 9 nur ein
enziges mal; in 5 und 7 kommt die form gar nicht vor.
Uebersehen wir das ganze noch einmal, so ergibt sich,
dass jene 10 teile in unserem denkmal entschieden von ein-
ander zu sondern sind; jeder hat eine mehr oder weniger
eigentümliche Orthographie. Möglich ist, dass dieser oder
jener von demselben Verfasser herrührt wie ein andrer; im
allgemeinen aber sind die Verfasser verschiedene leute.*) Alle
aber sind gleichzeitig, gehören derselben schule an und be-
sassen den gleichen bildungsgrad. Denn die art der Über-
setzung ist durch das ganze denkmal dieselbe; in allen teilen
verrät sich eine gleichgrosse Unkenntnis des lateinischen. Da-
raus folgt, dass das denkmal ein produkt der St. Gallischen
klosterschule ist. Im ersten teil ist die Orthographie am ge-
regeltsten und die Übersetzung am vollständigsten. Daher ist
der Verfasser desselben wol der Vorsteher der schule, während
die übrigen abschnitte von den am meisten gereiften, wol scho»
erwachsenen , schülern angefertigt wurden. Einige derselben
waren fleissiger, andere machten sich die sache stellenweise
bequemer; sie Hessen vieles unübersetzt und kürzten vieles ab.
Ein ähnliches zusammenarbeiten der ganzen schule unter lei-
tung des lehrers haben wir ja auch aus späterer zeit, nämlich
in den werken Notkers. Wackernagel literaturgeschichte s. 81 :
♦) Vielleicht zerfällt dieser und jener von den 10 abschnitten wider
in mehrere die von verschiedenen Verfassern stammen. So kann man
z. b. teil 9 wegen der grossen lüeke in der mitte in zwei zerteilen und
von teil 3 s. 60—62 wegen des auf diesen selten so auffallend häufigen
chu für qhu aussondern.
Digitized by
Google
480 SEILER
„Man wird demnach die zweierlei berichte dahin vereinigen
müssen, dass Notker den fleiss der anderen geweckt und ge-
leitet, und dass er als haupt an der spitze dieser übersetzer-
schule gestanden habe.^
In welche zeit haben wir nun unser denkmal zu setzen?
Scherer (M. S. D^ s. 459) setzt die entstehung unserer Über-
setzung nach dem jähre 802 an. Aber die gründe, die er da-
für anfahrt, scheinen mir keineswegs zwingend. Er führt die
althochdeutschen interlinearversionen und glossen wo' möglieh
stets auf ein von Karl d. Grossen gegebenes kapitulare zurück.
Nun sei im jähre 802 den mönchen eingeschärft worden, die
regel verstehen zu lernen und danach zu leben; folglich
könne die Übersetzung der regel nicht vor dem jähre 802 ab-
gefasst sein. Aber wo bekam denn Karl der Grosse die an-
regung, derartige kapitulare zu erlassen, her, wenn nicht von
der geistlichkeit? Erst muste sich doch in den grösseren und
besseren klöstern das bedürfnis fühlbar machen, die regel bes-
ser zu verstehen, ehe dies bedürfnis zu Karls obren kam und
das kapitulare hervorrief. — Ferner behauptet Scherer a. a.
0., die beiden katechetischen stücke, die D.^ no. 57 gedruckt
sind und die er aus ähnlichen gründen ins jähr 789 oder kurz
nachher setzt, seien in der spräche altertümlicher als die be-
nediktinerregel; den näheren nach weis gibt er nicht; er kann
sich dabei aber nur auf 6 flir tm stützen, das sich in erstoont
und sonen findet Allein die St. Gallischen Urkunden um das
jähr 789*) haben ohne ausnähme schon lui: Uadalmar Btutd-
heri Btiadolt Puazo (Wai-tmann s. 110 flf.), bisweilen auch wo;
^oto (s. 115) Ruocchero (s. 117). Ja, wenn wir höher hinauf-
gehen, so finden wir schon in der Urkunde s. 2, die um das
jähr 700 fällt, Huadoni und Boadberlo, imd in den folgenden,
die etwa von 720 — 750 reichen, Ruodolf (s. 5) Muatdanc (s. 8)
Hroatger (s. 13) Tuoto (s. 20) Puopo (s. 22) Fruochmolfi (s. 23);
d ist daneben ganz vereinzelt Daraus folgt, dass oa ua und
uo schon in der ersten hälfte des 8. Jahrhunderts in St Gallen
fast allgemein herschend war. Lang o für %ui ist also kein
kriterium ftlr Verschiedenheit des alters, sondern des dialekts.
*) Die beste und vollständigste Sammlung der St. Gallischen urkon-
den, nach der ich stets citiert habe, ist H. Wartmann: Urkundenbuch der
abtei St. Gallen. I. band. Zürich 1863. U. band 1866.
Digitized by
Google
BENEDIKTINERßEGEL. 48l
Wenn der Schreiber jener beiden katechetischen denkmäler 6
für ua schrieb, so ist das wol ein einmischen seines heimischen
dialekts; die mönche kamen ja aus den verftchiedensten ge-
genden zusammen. Umgekehrt finden sich in jenem pater-
noster und credo entschieden jüngere formen; sonen würde in
der spräche der benediktinerregel siumnan lauten; inphangan
lautet in ihr intfangan. . ^
Es lässt sich also weder erweisen^ dass die benediktiner-
regel erst nach 802, noch dass das vaterunser und glaubens-
bekenntnis erst nach 789 verfasst ist, noch auch, dass letztere
beide älter sind als jene.
Wenn wir nach einem kriterium für die abfassungszeit
suchen, so werden wir uns zunächst an die eigennamen in den
Urkunden wenden. Hieraus lassen sich aber keine sicheren
resultate gewinnen. Der lautstand der eigennamen stimmt
etwa vom jähre 745 an im allgemeinen mit demjenigen der
benediktinerregel. (Bis zum jähre 741 , Urkunde s. 7 und 8,
ist der diphthong eu^ der in der bened. nicht vorkommt, für
eo iu noch gewönlich). Aber auch bis tief in das 9. jahrhun-
dei*t zeigen die eigennamen der Urkunden im wesentlichen
noch keine jüngeren formen. Sie sind überhaupt ein unsiche-
res kriterium. Denn erstens pflegen sich in ihnen alte laut-
ständ^ länger zu erhalten; Hugo und Otto sind ja noch heut-
zutage althochdeutsch; und zweitens erscheinen sie vielfach latini-
siert; so Audomarus in einer Urkunde vom jähre 754, während
schon im jähre 744 Otmarus vorkommt; Rodolfus für Hruadolf
u. s. w. — Auch das latein der Urkunden ist von 745 an bis
in das 9. jahrh. hinein ziemlich dasselbe. Bestimmte formu-
lare lagen überall zu gründe, die in allen Urkunden, mehr
oder weniger variiert, angewant wurden und sich forterbten. Ver-
stösse gegen die regeln des klassischen lateins sind dabei nicht
selten. Auch hieraus lässt sich keine Zeitbestimmung entneh-
men. — Dagegen finden wir am ende des 8. Jahrhunderts in
St. Gallen schon ein grösseres geschichtswerk zusammenhän-
gend lateinisch geschrieben, die sogenannte vita Set. Galli (ge-
druckt Mon. Germ. II); diese ist sicher später als das jähr
771 verfasst*). Das latein ist nun zwar in dieser schritt sehr
*) Wattenbach, geschichtsquellen des mittelalters. 3. aufläge, s. 94.
Beiträge zur geschiohte der dentschen spräche. L 32
Digitized by
Google
482 SEILER
barbarisch; es wimmelt von groben fehlem und teutonismen;
es zeugt aber doch jedesfalls von weit mehr Verständnis der
lateinischen spräche, als in der Übersetzung der benediktiner-
regel zu tage tritt. Diese ist daher höchst wahrscheinlich noch
früher anzusetzen.
Weiter können wir durch die kritik nicht kommen. Nun
ist uns aber über Verfasser und zeit des denkmals noch eini-
ges überliefert*). Es wird nämlich von schriftsteilem des 17.
Jahrhunderts ein mönch, namens Kero, als der Verfasser unse-
rer Übersetzung genannt und seine zeit um das jähr 760 an-
gegeben. So von Stipplin: ,,scripsit circa annum 760.^' Gold-
ast rerum alamannicarum scriptores II, 10: „florait sub Pipino
et S. Othmaro abbate'^**). Ebenso Jodokus Metzler. Das
Zeugnis Goldasts ist deswegen von Wichtigkeit, weil er nach-
weislich eine ganze zahl von Urkunden und handschriften aus
St. Gallen besessen hat, die jetzt verloren sind. Vgl. Wart-
mann : ürkundenbuch s. VII und XIV. Noch wichtiger ist das
Zeugnis des Pater Pius Kolb. Dieser lebte von 1712 — 1762,
war bibliothekar des klosters St. Gallen und verfasste als sol-
cher ein genaues Verzeichnis sämmtlicher im kloster befindli-
chen handschriften, woran er historische und kritische bemer-
kungen über jede einzelne knüpfte. Dies werk wurde 1755
fertig; es umfasst 2 foliöbände und ist zur zeit noch unge-
druckt***) Teil I, s. 367 berichtet er: 'Kero monachus Set
Galli tempore St. Othmari flomit circa annum dom. 760, ut
antiquissimus quidam catalogus testatur'. Dieser Kero sei zu
jener zeit einer der gelehrtesten im kloster gewesen und habe
es daher unternommen, die regel des heil. Benedikt und eini-
ges andere ins deutsche zu übersetzen, *ut rudioribus et linguae
latinae minus peritis monasticam vitam professuris succurre-
*) Hattemer stellt alles in der einleitung zusammen,
**) Was Hattemer s. 19 über Goldast sagt, ist mir nnverständlich
geblieben. — Die sache ist ganz einfach. Goldast hat die Übersetzung
der benediktinerregel abgedrukt, aber so, dass er die lateinischen worte
alphabetisch geordnet und die betreffenden deutschen immer daneben
gesetzt hat Sonst ist es genau dieselbe Übersetzung, wie die, die ¥rir
noch haben.
*•*) Weidmann: Geschichte der bibliothek von St Gallen (1841)
s. 229. 230. 233.
Digitized by
Google
BENEDIKTINERREGEL. 483
ret, quo facilius legem nossent, secundum quam militarent'.
In welchem jähr er gestorben sei, habe er nicht entdecken
können. — Die quelle aller dieser angaben war also ein alter
katalog, der aber schon zu Ild. von Arx zeit verloren war*).
Welche glaubwürdigkeit dieser quelle beizumessen ist, können
wir daher natürlicherweise jetzt nicht mehr wissen. Wir ha-
ben aber gar keinen grund, diese angaben so ohne weiteres
über bord zu werfen; man pflegt vielmehr einem bestimmten,
sich ajif alte quellen berufenden zeugnis so lange zu glauben,
bis es erwiesen ist, dass es falsch ist Das ist aber hier
durchaus nicht der fall. Als zeit des Kero wird etwa das
jähr 760 bezeichnet. Das kann sehr wol die abfassungszeit
unseres denkmals gewesen sein. Die eigennamen, die in den
Urkunden jener zeit vorkamen, zeigen keinen älteren lautstand
und die kenntnis des lateinischen ist — wie wir sattsam ge-
zeigt haben — für jene zeit keineswegs zu gross. Will man
mit Scherer die Übersetzung absolut auf ein praktisches be-
dürfnis, d. i. auf einen äusseren anlass zurückführen, so haben
wir um 760 einen noch viel dringenderen als im jähre 802.
Denn abt Otmar, der von 720 — 759 oder, nach Perz mon.
Germ. II, s. 35, — 760 dem kloster vorstand, führte statt der
regel des heil. Columban die des heil. Benedikt im kloster
Set. Gallen ein**). Da war ein wirklicher anlass vorhanden,
diese nun eingeführte regel dem allgemeinen Verständnis zu-
gänglicher zu machen. Der einzige grund (vgl. MSD.* s. 459),
den man hatte, die überlieferten angaben einfach als nicht
vorhanden zu betrachten, war der, dass man erkannte, die
Übersetzung stamme von verschiedenen Verfassern und es
wurde doch nur der eine Kero als solcher bezeichnet. Allein
auch Notker bezeichnet sogar sich selbst als den alleinigen
*) Arx vermuthet, es sei eine von denjenigen handschriften gewesen,
die im jähre 1768 beim brande des klosters des heil. Blasius unter-
gegangen sind.
**) Vgl. I. von Arx; Geschichte des kantons St Gallen I, s. 176. —
Der text der regel,. den er sich schicken liess, war doch wol weniger
korrumpiert als der in unserer handschrift. Er nahm aber jenen als
cimelium des klosters in besonderes gewahrsam und Hess davon zum
allgemeineü gebrauche eine abschrift nehmen. Diese wurde deutsch
glossiert und eine abschrift von dieser ist unsere handschrift. So scheint
mir der gang der sache gewesen zu sein.
32*
Digitized by
Google
484 SEILEB
Verfasser aller unter seinem namen gehender Übersetzungen,
und doch hat Wackernagel am oben angegebenen orte über-'
zeugend nachgewiesen, dass er nur der leiter und das haupt
einer übersetzerschule gewesen ist und dass sein eigenes wort
Uranstuli* als transferri feci zu nehmen ist. Wir können also
auch für jene ältere zeit eine solche tibersetzerschule anneh-
men, an deren spitze einer namens Kero gestanden hat. Die
arbeiten, die unter seiner leitung und durch seine schüler ent-
standen waren, übertrug man dann später auf ihn selbst.
Diesem Kero werden von Stipplin und Kolb noch ver-
schiedene andere Übersetzungen und glossarien zugeschrieben;
von erhaltenen werken noch die sogenannten keronischen glos-
sen und das schon oben erwähnte paternoster und credo
(MSD num. 57). Das heisst weiter nichts als dass diese
stücke aus derselben schule hervorgegangen sind. Sie zeigen
vielfach eine andere Orthographie als die benediktinerregel und
sind wider unter sich verschieden, sind aber den sprachformen
nach der benediktinerregel entschieden gleichartig. Eine rege-
lung der Orthographie wurde damals also noch nicht — wie
zu Notkers zeit • — erstrebt und das kann man auch gar nicht
erwarten, da die mönche damals noch übergenug mit dem
Verständnis des lateinischen zu tun hatten. Dazu kommt,
dass auch die glossae Keronis (Hattemer s. 134) und wahr-
scheinlich auch die beiden katechetischen stücke (vgl. Scherer
anm. zu no. 57 zeile 1 unsar) uns nur in abschriften und als
solche natürlich mannigfach verändert vorliegen.
Das ist jedenfalls sicher, dass man in späterer zeit im
kloster St. Gallen wüste oder glaubte, dass jene älteren ar-
beiten in deutscher spräche um 760 entstanden seien. Es ist
gar kein grund vorhanden, diese zeit für zu früh zu halten
und ebenso wenig, den Kero für eine rein mythische pexson
zu erklären, wenn wir auch durchaus nicht wissen, wie viel
er an jedem einzelnen und ob er an allen der ihm zugeschrie-
benen werke anteil gehabt hat.
üebrigens sei noch das erwähnt, dass der bibliotheks-
katalog aus der zweiten hälfte des 9. Jahrhunderts (gedruckt
von Weidmann im anhang der „geschichte der bibl. von St
Gallen") von all diesen deutschen Übersetzungen und glossarien
aus jener zeit nichts weiss. Die handschriften, in denen sie
Digitized by
Google
BENEDIKTraERREGEL. 485
enthalten sind, werden nicht mit aufgeführt Man achtete also
im 9. Jahrhundert bei fortgeschrittener bildung jene ersten ge-
ringen anfange flir nichts und hatte sie entweder schon ganz
vergessen oder hielt sie doch wenigstens nicht fftr wert, mit
im katalog verzeichnet zu werden. Man kann dadurch auf
die Vermutung kommen, dass jener antiquissimus catalogus,
auf den sich Stipplin, Kolb, Goldast stützen, älter sei als der
des 9. Jahrhunderts; um so mehr würde seine glaub Würdigkeit
gewinnen !
HALLE, im october 1873. F. SEILER.
Digitized by
Google
KLEINE BEITRAGE ZUR DEUTSCHEN
GRAMMATIK.
I. Znr altangelsächsischen declination.
Seit Jacob Grimm vor mehr als fünfzig jähren seine
paradigmen für die angelsächsische declination aufgestellt hat,
ist es bei' den grammatikern üblich gewesen die eigentlichen
declinationsformen der weiblichen ä- und ^-stämme bis auf
wenige reste für ausgestorben zu halten. Die hauptmasse der
zu beiden classen gehörigen Wörter habe eine aus elementen
beider declinationen gemischte declinationsweise erhalten, die,
obschon der hauptsache nach sich an die flexion der a-stämme
anschliessend, doch gewöhnlich bei der f-declination besprochen
zu werden pflegt. Auch M. Heyne ist noch in der zweiten
ausgäbe seiner kurzen laut- und flexionslehre von dieser anord-
nung nicht abgegangen. Trotzdem ist dieselbe wenigstens für
die altern angelsächsischen Sprachdenkmäler durchaus als
fehlerhaft zu verwerfen, wie die unten dargelegten resultate
einer Untersuchung zeigen werden, die ich behufs sicherstellung
der ags. declinationsformen für meine demnächst erscheinenden
paradigmen zur deutschen grammatik anzustellen gezwungen
war. Dass diese Untersuchung aus verschiedenen gründen sieh
auf das in den 4 bänden von Grein s ags. bibliothek gebotene
material beschränken muste, bedarf besonderer nachsieht.
Doch, hoflfe ich, wird dieser mangel nicht so schwer empfunden
werden, da ja doch die poetische spräche den weitaus grösten
teil der einfachen feminina uns erhalten hat, und die hier ge-
gebenen nachweise vollauf genügen werden um neu hinzu-
tretendes material leicht und sicher an gehöriger stelle einzu-
ordnen. Wer nachsammeln will kann namentlich für die hier
Digitized by
Google
ZUR ALTAGS. DECLINATION. 487
unbelegt gebliebenen nominatiyformcn mancherlei belege aus
der prosa leicht ergänzen; mir kam es nur auf sicherstellung
der regel an und daftir werden die belege aus der poesie ge-
nügend erscheinen.
Es sei mir gestattet der besseren Übersicht halber die re-
Bultate meiner Untersuchung einfach dogmatisch darzulegen.
Eine ausführlichere beweisführung wird niemand verlangen der
gewohnt ist grammatisches material offenen auges und unbe-
fangenen blickes zu würdigen.
Es ist der zweck dieser Untersuchung eine Scheidung der
ä' und i-declination der feminina zu geben, und diese wird
geboten durch den aecusativ des Singulars, der bei
allen ä-stämmen auf -e ausgeht, bei allen f-stäm-
men keine endung hat; in zweiter linie kommen auch
der nominativ singularis und der genetiv pluralis in betracht.
I. a-stämme.
1. Alle kurzsilbigen a-stämme flectieren folgendermassen :
gifu, (-0) gife, -a
gife gifa, -ena
gife gifum
gife gife, -a.
Diese stamme haben also das got. -a in nom. sing, ebenso
in -tt gewandelt wie die kurzsilbigen neutra (z. b. fatUj im gegen-
satz zu langsilbigen wie ward). Selten nur findet sich die
nebenform -0 belegt. Ein solcher nominativ entscheidet im
allgemeinen (doch mit berücksichtigung des unten s. 500 ff. ge-
sagten) die frage, welcher declination das betreffende wort zu-
zuweisen ist
Hierher gehören folgende Wörter:*)
cearu B. 1303 etc. — got kara, faru Ex. 12, 11 = ahd. fara.
llfoearo Andr, 1430. wsegfaru Ex. 298.
mddcearu Guthl 166. wolcenfaru Dan, 379.
sorgcearu Guthl, 939. * -fracu.
cwalu P$, Th. 29, 8 = altn. kvöl. fremu Boeth, 14, 1 etc.?
gaestcwalu Guthl 651. * frigu?
♦ daru? * gadu? gäd?
dena Imc. 3, 5. gifu B. 1884 etc. = got. giba.
*) Ich führe alle bei Grein wirklich belegten nominativformen an.
Die im nom. nicht belegten Wörter sind mit * bezeichnet
Digitized by
Google
488
SIEVERS
hyhtgifu Reiml. 21.
Bweordgifu B, 2884.
wötJgiefu Rats. 32, 18.
* gleomu?
gripu Sal 46.
hweoöu Ps. 106, 28, vgl altn, hvitJa
Grein»
* laöu.
freöndlaöu B, 1192.
lagu gl Prud, 407.
* latu.
wordlatu Andr. 1524.
lufu Gen. 1906 etc.
freöndlufu Gen. 1834.
sorglufu Beor 16.
treöwlufu Crist 538.
* naru ^ akd. nara?
noBU fFr. pZ. 43 etc. := «Ärf. nasa.
* wälnotu := lat. nöta.
racu Crist 1460 ^^e?.
streämracu Gen. 1355.
sacu Ä 1857 etc. = ahd. sahha.
sceamu Ps. 70, 12 = «Ärf. scama.
* Bcearu = ahd. -Bcara.
hearmscearu Gen. 432.
Bcolu Crist 1535 etc.
geneätßcolu Jul 684.
* slagu = ahd. -slaga.
gold8iDit5u, vgl ahd. Bmida.
wräÖstudu Beda Sm. 544, 17 etc.
* BwaÖu.
dolhBwa?5u Wr. gl 85.
swätswat5u B. 2946.
andswaru 5. 2860.
talu Cod. dipl 929 = ahd. zala.
* tragu?
* trodu = ahd. trota.
* l?egu.
beör)7egu ^nrfr. 1535.
sincj^ego B. 2884.
* l^elu.
buruh}?elu Finsb. 30.
* rynej>ragu.
]7racu JE'a?. 326.
ädl}?racu fi^w^ÄZ. 981.
flän)7racu fi^wfM 1117.
holmJ?racu Andr. 467.
nihtwaco 5^^^/". 7 = ahd. naht-
uuahha.
* waru.
eoröwaru j
helwam > Hymn. 7, 95.
heofonwaruj
wra?5u Guthl 1337.
wracu G^^w. 1042 = got. vraka.
nydwracu B. 193.
särwracu Ph. 54.
synwracu Crist 1540.
* stapu?
Hieraus ergibt sich ohne weiteres, dass die von Grein
angesetzten nominative trod (so auch Heyne im glossar zum
Beowulf) und wälnot in trodu und wälnotu zu ändern sind;
ebenso ist für nosu und scdlu wie gewöhnlich geschrieben wird,
nosu und scolu zu setzen; ersteres passt aufs beste zu ahd.
nasa; scola ist nicht lat. schola, neuengl. school, sondern ein
echt germanisches wort = alts. scola \mA bedeutet immer schaar?
häufe ; zu der einzigen stelle, an der die bedeutung schule an-
zunehmen ist, Boeth. 3, 1 on minre scöle wird wol der nom.
scdl anzusetzen sein. Dagegen ist hrif Grein gloss. II, 104
nicht in hrifu zu ändern, sondern das wort ist wie ahd. href
in Übereinstimmung mit den im ags. belegten formen zeigt
ein neutrum. Ob die von Grein als feminina angesetzten
gleomu, leobu, ricu, reotu tlberhaupt wirklich feminina sind,
Digitized by
Google
ZUR ALTAGS. DECLINATION. 489
kann ich bei meinen htilfsmitteln jetzt nicht entscheiden. —
Ueber den nom. sing, ylfeiu s. unten s. 501.
Im gen. und dat. sing, herscht hierein bei allen femini-
nis die endung -e; spätere quellen haben dafür öfter im dativ,
selten im genetiv -a. Diese casus bedürfen also keiner wei-
teren erörterung.
Dagegen belege ich den accusativ sing, wider voll-
ständig, da gerade er zur Scheidung der &- und e-stämme
dient: ceare(care), hreöst-, mcel-, möd-, üht-ceare, deäb-, feorh-,
hearm-, swylt-cwale, äeäbdene, fare , earg-, gär-, hägl-, stredm-,
wolcen-fare , freme, un/reme, frige pl.?, gade, gife, eädgiefe,
gripe, wordlabe, -labe, eäldor-, feorh-lcge, lufe, aldor-, feorh-
nere, nose, raoe, streämräce, sace {säce), sceame {scame, scome),
ärscame, folc-, hearm-, land-sceare, scole, slage, goldsmit5e, stäpe
pl. ?, swa'be {swäbe), andsrvare, trode, prace, ecg-, flän-, holm-,
wäpeii-, rvigg-präce, biirh-, eorb-ware?, 7vrat5e, rvrace {wräce),
gyrn-, nib-, nyd-, syn- , torn-rvräce. — Ganz vereinzelt stehn
hierneben die formen burgwaru Andr. 1096 und lufu Hymn.
7, 30, letzteres mit dem ebenfalls anomalen acc. sib für sihhe
verbunden; vgl. unten s. 493 über den acc. der «?<i-stämme.
Was den genetiv pluralis anlangt, so finde ich für
diesen belegt die formen gifa ß. 1930. Gen. 890, eädgiefa Jul.
563; wällnota Sal. 161, scoma Crist 1274, teala Reiml. 42,
zusammen also 6 mal die unerweiterte form; daneben aber
carena Crist 962, fremena Gen. 439 etc., gifena {giefena, gyfena,
geofond) Gen. 209 etc., wuldorgeofona Graft 24, zusammen 22
mal die erweiterte form. Grein setzt zwar für gifena, fre-
mena die nominative gifen, freme an. Da aber nur die formen
des gen. pluralis für diese nominativform, alle andern casus
aber flir gifu, freniu sprechen, so werden wir mit mehr recht
die fraglichen genetive zu den letztgenannten nominativen
stellen müssen. Dagegen darf man die genetive lufena, sago-
na nicht ohne weiteres hierher stellen, da neben lufu und sagu
wirklich auch liife und sägen bestehen. Dafür dass sagona
Gen. 535 zu sagu, nicht zu sägen, gehörte, spräche allenfalls
der vocal der Stammsilbe. — Auch säcca B. 2029 gehört nicht
hierher (zu sacu), vielmehr zu den y^-stämmen.
Die übrigen pluralcasus bedürfen für unsern zweck keiner
besonderen besprechung.
Digitized by
Google
490
SIEVERS
2. Die langßilbigen Ä-stämme flectieren folgendermassen :
är dre, -a
dre ära, (-ena)
dre drum
dre dre, -a.
Sie unterscheiden sich also von den kurzsilbigen nur im
nom. sing., der hier die endung -u entbehrt, s. oben unter 1.
Hierher gehören:
* äht = ahd, ahta.
seht, oht B. 2957. Gen. 84 eic, =
ahd. ähta.
aet {Seel 127), meist masc, = ahd,
äz, vgh altn. 4ta.
är rüder Gn, ex. 188 := aUn, är.
är ehre. Ph. 663 = ahd. 6ra.
* -bäd = mhd. beite.
baer B. 3105 == ahd. bära.
beere Run. 18 = ahd. birka (jä-
* -beorg, vgl ahd. bein-berga u.
s. w.
* bot = ahd. buozza.
eaeg Älfr. gr. 9, 28?
* -eist = ahd. kista (^k-stamm?)
* elüs = ahd. klüsa.
dun Ps. C. 132 ^r<;.
eare Dan. 752 ^^<;. = «Ärf. arka.
* ein = got. aleina.
* eortJ?
* feoht = ahd. fehta.
* feorm.
* flän (auch masc. wie altn. fleinn,
und flä swf.).
* sundflit, vgl ahd. flizza.
fl6r Sat 39 etc., auch masc.
folm Ps. 79, 15 ntr. = ahd. folma,
au(7A masc.
for ÄÄ^5. 20, 8 etc. = ahd. fuora.
freöd Andr. 1156?
geöc ^»rfr. 1587 etc. = got. iiuksk?
gl6f ^. 2085 ^^<;.
* gräp = ahd. greiflfa.
eorögräp Buine 6.
hildegräp B. 1446 etc.
grin />5. 123, 7.
gü?5 Ä 1123 ^^^. = ahd. gundia
O'ä-^^amm, rfocA vgl z.b. Gunda-
hari).
häm Andr. 531 etc. = a/^w. hrönn
Grein.
* healf = ahd. halba.
heall Ä 487 etc. = ahd. halla.
medoheal B. 484 e^^.
help Crw^ 859 etc. = ahd. helfa.
heorr Al/r. gr. 9, 3 etc., auch masc.
heord MörtÄ. 8, 32 = ahd. herta.
hlÖtJ Andr. 42.
* hös = got. hansa.
* earmhread?
hre6w Crist 1675 etc. = ahd. hri-
una.
* hrung = got. hrugga.
* hüÖ, vgl ahd. herihunda.
* hwealf?
hwll B. 146 etc. = got. hveila.
* ig = ahd. -auna.
lad Andr. 423 etc. = ahd. leita.
fromläd Gen. 2098.
läf B. 454 ^f<?. = got. läiba.
endeläf ^. 2813.
weäläf Metr. 1, 22.
* lann = ahd. lanna.
lär ^ic. 268 etc. = ahd. l^ra.
* laest = ahd. leista?
* leäf. *
lind^. 2341=aÄrf.linta (js^stamm?)
maßt) Byrhtn. 195 etc. iprstamm?)
maeg Gen. 895 e^<?.
wynmaeg Guthl 1319.
meare C^». 1719 etc. = ahd. marka.
* med = ahd. miata.
* meld = ahd. melda.
Digitized by
Google
ZUR altags. declination.
491
meor?5 Andr. 275, vgl goU mizdö.
* mil = ahd, mtla.
* näm = ahd, näma.
* nöt5 == ahd, nanda*).
* päd = got päida.
herepäd B. 2474.
räd Run. 5 == ahd. reita.
brimräd Ändr. 1589.
sweglräd Reimt 29.
rast, rest Crist 1656 etc. = got
rasta {vgL ahd, resti).
bedrest Wr. gt 21.
reord Gen. 1635 d/e?. v^Z. got
razda.
rod 67m/ 1065 etc, = ahd. ruota.
rün Ex. 525 = ^o/. rüna.
83b1 Gen. 1186, «m^jä m«^<;.
heähsael Ps. 101, 11.
scand Ps. 70, 12 = aÄ<]?. scanta.
sceiit5 Wr. gl 34 ^/c. = ahd. sceita.
* scrind?
snaed Sat 401 ^^(7. = ahd. sneita.
snear Reimt 25 =: ahd. snarha**).
söl Ps. 120, 6?
süm Leges Aethelr. V, 15.
sorg Gen. 2179 etc. = aī?. sorga.
borgsorg Reimt 63.
inwitsorh J5. 1736.
mödsorg Gen. 755.
sprsec i>öm 8 etc. =^ «Ä^. sprähha.
stefn Gen. 1494 ^/c. nz got stibna.
)7Uiiorrädstefn Ps. 76, 14.
steör Giitht 481 = ahd. stiura (jä-
stamm).
Femer fallen hierher von
ädl Seef. 70.
serädl Gn. ex. 31.
* eaxl = ahd. ahsala.
naedl Wr. gt 11 = ahd. nädala.
* swingel.
täfel Wr. gt 39 etc.
* stig = ahd. sttga.
st6w B. 1372 etc.
friöstöw Metr. 21, 16.
* ßtrael = ahd. sträla; auch masc.
und sti'aele swf.
strsBt B. 320 ^/tf. = ahd. sti'äza.
* streön.
stund Andr. 1212 etc. = ahd, stunta.
* tael = ahd. zäla.
* teäg = ahd. taug.
* teoh = mhd. zeche (vgl teohhian).
tre6w Gen. 2118 etc. = ahd. triuua.
J?earf Gen. 278 etc. = ahd. darba.
nydj?earf Ps. Th. 9, 20 etc.
J?e6d ^. 643 etc. — ^o/. }?iuda.
* J?eöd discipUna?
}>räg 6;w/Ä/. 1324 etc.
treöw}?räg /J^em/. 57.
wodj^räg Met 25, 41.
* wäÖ = ahd. uueida.
* waeg = ahd. uuäga.
waer Crist 583 etc. = ahd. uuara***J.
womb Ph. 307 etc. = ahd. uuamba.
weard Dan. 235 = ahd. uuarta.
* wearn = altn. vorn.
* wis = ahd. uuisa.
wöt5 Guiht 234.
wraed, wraetJ Cn. ^a:. 153 ^/c., vg\
ahd. fahsreita licium G raff IV, 481.
* wraesn?
wroht B. 2913 etc, auch masc.
* wull r= ahd. uuoUa.
wund B. 2711 ^/c. == «Ärf. uunta.
(eigentlich) mehrsilbigen:
* tigel.
wädl Boeth. 26, 2; wetJel Ph. 612.
* wefel.
wrixl Gen. 1990 etc. {auch masc.)
candel B. 1572 ^rc. — lat candela.
dägcondel Rats. 88, 26.
*) So ist ohne zweifei der nom. des nur einmal bei Graff II, 1093
im dat. sg. nande aus Boeth. belegten Wortes anzusetzen.
**) Also für * snearh, daher im nom. sg. nicht *^ snearu.
**♦) Vgl. K. Müllenhoff, Zs. f d. a. XVI, 148 ff.
Digitized by
Google
492 SIEVERS
friöcandel Gen, 2539. )?ignen Wr. gl 17.
heofoncandel ßx. 115 etc* * wyrgen.
merecondel Metr. 13, 57. * sedr = ahd. ädra.
wedercandel Andr, 372 etc, * feÖer = ahd, fedara.
woruldcandel B. 1965. * feter.
wyncondel Guthl 1186. * lifer = ahd. lebara.
wästiH? s, unten. * weolor, auch masc.
byden fFr. gl 34. ceaster Ps. 121, 3.
firen B. 915 etc. = ahd. firina. . fröfor Gen. 1475 etc. = ahd. fluo-
* lygen = ahd. lugina. bara, auch ntr.
* gyren. wöcor Gen. 1312.
* reoden. öfost B. 256 etc.
bertJen Sal 321 ^^(;. geogutJ El 1265 e^c. = «Ärf. ju-
sorgbyrtJen Andr. 1534. junt (i-stamm).
byrgen />5. TÄ. 48, 9. ides B. 620 ^^<;. = ahd. itis (i-
gyden Metr. 26, 53 = aÄrf. gu- stamm; vielleicht ist ags. ides
tinna. eigentlich jsk- stamm, vgl Idisia-
* -ra^den. visus).
)?eöwen ^wef. 74.
Falsch angesetzt sind danach bei Grein die nominative
scrindu, stgu, stigu, tälu, wäbu {seolhwabu Andr. 1716 ist rich-
tig in seolhpabu geändert) und präg (tälu und präg sind schon
bezüglich der vokale unformen).
Die langsilbigen stamme auf -vä vokalisieren ihr w inoi
nom. sing, zu -u, vgl. sinu Andr. 1244 etc. = ahd. smawa,
sceadu Kreuz 54 etc. ; ausser diesen gehören hierher noch die
im nom. nicht belegten (zum teil sind es plur. tant.) headu
= ahd. hötij fratu, gearu, geatu, nearu, rcesu'ij searu.
Endlich fallen hierher die substantiva auf -nis und -ung,
für die ich wegen ihrer häufigkeit keine beispiele anführe.
Ueber die den ahd. auf -ida entsprechenden Substantive s.
unten s. 500 flf.
Für den accusativ sing, finde ich folgende formen be-
legt: cete, äre, un-, worold-äre, nydhäde, einher ge^ heafodbeorge^
böte, ecege, mereeieste, düne, earee, eaxle, eine, feorme, sundßte,
fldre, folme, headufolme, före, freöde, geöee, geogobe, gräpe,
grme, güt5e, healle , gifhealle, healfe, nortShealfe, helpe, heorde,
herehlobe, hreörve, hübe, herehübe, hrvile, earfobhwile, lade,
brim-, lagu-, mere-läde, läfe, ege-, rveä-^ yb-, yrfe-läfe, läre, leäfe,
jinde, mearce, leödmearce, mede, nobe, brim-, hron-, streäm-,
srvan-, wig-räde, raste, {reste), cefen-, bedd-, fiel- , land-, niht-.
Digitized by
Google
ZUR ALTAGS. DECLINATION. 493
sele-, wäl-räste {-reste), reorde, rode, rüne, headu-, hete-, hyge-,
inwit', leobu-, rväl-^ne*), sceonde, snere, sorge , bealo-, cear-,
gnorn-j hyge-, inwld-, möd-, nearu-, pegn-sorge, sproece, cefen-,
cerend-, edrvit-, frum-, heie-sproece, stefne, steöre, stige, stowe,
et5el-j wräC'Stdrve, streäle, sircete, farot5-, lagu-j mere-, rancsirmie,
Sirene, stunde, orleg-, tvinter-stunde, tcele, teohhe, treöwe, hedh-,
wine-treöive, pearfe, fyren-, nearo-pearfe, rverpedde, präge, ear-
fdiSpräge, rväbe, woere, freoborvcere , wamhe, wearde, ccg-, ftod-,
heafod'wearde, wearne, mse, wöbe, wrcede, inwitwräsne?, wrohte,
wunde, feorhwimde gen.?; ferner täfle, dägcondelle , firene, gy-
renej inrvitgyrene, reodae? , mägen', syn-hyr^enne, folc-, freönd-,
gaful-, mceg-j treöw-, wig-, 7vorold-rcedenne, pinenne, grundwyr-
genne, ceastre, frbfre^ hUdefrofre, wdcre, idese.
Neben dieser stattlichen schaar von formen auf -e kom-
men erst vereinzelte spuren einer verktlrzten form ohne en-
dung vor. Neben searwe Ap. 18. El. 1109 beaduwe Wald. 1,
26 stehn heregeatu Byrhtn. 48 und nearo , -u B. 2350. Andr.
414; doch könnte nearu auch wol für nearwu, d. h. ahd. "^narawx
stehen, folm Rats. 40, 10 kann wegen alts. folmos auch masc.
sein, desgleichen ist weard von F. Dietrich, Zs. f. d. a. XI, 415
auch als masc. nachgewiesen, help Dan. 236. Sat. 582. Ps.
68, 17 weist neben dem gen. helpys Ps. 101, 2 etwa auf ein
neutrales help hin, ebenso f?^öfor B. 698 neben frbfres Hymn.
6, 1. (doch vgl., auch unten s. 500). Dann bleiben nur noch
aht Andr. 410. 608. El. 473 (das trotz ahd. ahta vielleicht ein
/-stamm ist und langes ö? hat; man sollte sonst vielmehr * ^aÄ^
erwarten), ceaster Gen. 1057, das für ceastre verschrieben sein
k^inn, hlöt5 Andr. 994 (Andr. 42 ist ä/öÖ nominativ, das wort
ist mir etymologisch nicht klar), peödmearc Ex. 158, fyrstmearc
Dan. 560, meld Dan. 648, wynrod Sal. 235, wearn Ps. 54, 12,
unrceden Gen. 982, endlich andetnes Ps. 121, 4, beorhtnys Hymn.
7, 31. Wieviel von diesen formen den betr. denkmälern ur-
sprünglich zukommt, wie viel der späten Überlieferung, lässt
sich natürlich nicht entscheiden.
Im genetiv pluralis herscht bei weitem die einfache
enduiig -a vor: cera (ära), folma, geöca, güba, healfa, hreöwa.
*) Die angeführten formen der composita von rün und überhaupt
manche der hier angegebenen abstracten Substantive können auch acc.
pl. sein.
Digitized by
Google
494
SIEVERS
ÄÄ&a, däg-, langung-, sige-hmla, lära, meda, meorda, mila, reorda,
röda, sorga, gnorn-, hyge-, torn-sorga, sprceca, stiga, stöwa, sircela
masc. ?, merestroeta, stimda, teohha, peöda, gum-, sige-, rver-
pedda, rvcega, msa, woba, wunda. Namentlich bei den mehr-,
silbigen gilt nur diese endung: firena, folc-, hell-firena, cedra,
fröfra, ceastrcu, idesa, frätwa, fyrdgeatewa, hildegeattva. Diesen
gegenüber ist die endung -ena nur belegt in äi^ena, lärena
Qärna), sorgna, sinsorgtia. Bei den beiden letzten setzt Grein
ohne grund die nominative sorgen und sinsorgen an. Zu ärena
findet sich zwar ein schwaches äre Ps. 98, 3. Ex. 245 belegt,
aber die häufigkeit der form des gen. pl. (16 mal) zeigt uns
dass sie erst den libergang des Wortes zur schwachen decli-
nation angebahnt hat.
3. Die /(ä-stämme sind im ags. durch die assimilation
des j sämmtlich langsilbig geworden. Sie haben in allen ca-
sus Umlaut, und die mit ursprünglich einfachem consonanten
nach kurzem Stammvokal verdoppeln diesen consonanten im
inlaut. Im gen. pl. kommt die eiidung -ena nie vor. Sonst
flectieren diese stamme wie die langsilbigen a- stamme. Ihr
paradigma ist also:
hen(n)
benne, -a
benne
benna
benne
benmim
benne
benne, -a.
Hierher gehören:
* ben — got banja.
gyrd Ps. Th. 22, 5 — ahd. gerta.
* bend = got. bandi, auch masc.
haeÖ Ex. 118 = got. hai]?!.
* bielblys.
hael Ps. Th. 36, 38.
* brör.
hei Sat. 193 = ahd. hella.
* bricg = ahd, brucca.
hen Rats. 43, 8 etc. = ahd. henna.
* crybb == ahd. crippea.
hild B. 452 etc. = ahd. hUtia.
• cyll = ahd. kiuUa.
* bind =r ahd. hinta.
• eax = got aqizi (könnte auch
• hlim.
i-stamm sein wie ahd, accus).
hfÖ Metr. 21, 11 etc.
egl B. 987.
♦ nyt = ahd. nuzza Qra/f II, 1123.
* eng. .
rift Ps. Stev. 103, 6, vgl ahl. pein-
* fit = aUs. fittea (Zs. f, d, «. XVI,
refta.
141 yf.)
cneöris Jud. 324.
gleng Run. 7; i-stamm?
* säcc =r= ahd. secca, vgl. sacu und
* grtu (auch ntr., kann auch ä-
got. sakjö.
oder i-stamm sein).
scell Metr. 20, 174.
Digitized by
Google
ZUR ALTAGS. DECLINATION. 495
* Bcen{ii). brimwylf B, 1506.
* secg. wyn Gen, 1862 = aUs, uunnia.
sib, sibb Crist 581 etc, ^= got Bihj&, ßöelwyn B. 2885.
fritJusibb B. 2017. yt5 Ex, 282 = alts. üthia.
* Bt^, vgl steör. bliss Crwf 530 etc, = aUs, blidsea.
syll Wr, gl 61 = got sulja.*) * liss.
syn El, 414 etc, = alts, Bundia. milts B, 2921 etc,
well fVr, gl 54 = ahd, uuella. llget P^. 134, 7, aw^Ä n^w/r.
* wrät.
Für den acc sing, ist die endung -e belegt durch bcel-
blyse**), bricge, cylle, ecge, egle, enge, fttte, gr^ne, gyrde, hcele,
helle, hilde, hybe, nytte, sund-, sundor-nytte , ryfie, cnedrisse,
säcce, sibbe, brobor-, cneöw-sibbe , stpre, synne, wynne, hord-,
yft-, symbel'Wynne , blisse, lisse, miltse. Neben diesen regel-
mässigen formen beginnt schon die gekürzte form ohne -e in
nicht geringem umfange einzudringen, vielleicht unter dem
einfluss der /-stamme, denen mit den y^J-stänmien der durch-
gehende umlaut gemeinsam ist. Ich finde bei Grein solche
accusative belegt durch hell Gen. 331, sib Hymn. 7, 30, sibb
ß. 2600. Ps. 127, 7, wyn Sat. 43. Höll. 74 etc. (8 mal, also auf-
fallend oft), Sbelfvynn ß. 2493, mdrhceb Ps. 82, 10; dagegen
möchte ich hcel El. 1003, Ps.105,24; 113,2 für neutral halten.
Der genetiv plur. hat, wie bemerkt, ausnahmslos die
endung -a; benna, wälbenna, ecga, hilda, circnytta, cnedrissa,
säcca, synna, fyrnsynna, wella, wrätta, wynna, hyht-, ledd-. Vif-
rvynna, ^ba, är-, sealt-pba, blissa, tvoruldblissa, lissa.
IL Die «-stamme.
Alle i-stämme haben durchgehenden umlaut, im acc. sing,
wie im nom. sing, keine endung, im gen. pl. nur -a. Sonst
weichen sie nicht mehr von den ä-stämmen ab. Ihr paradigma
ist demnach
bin bSne, -a
bSne bena
' ' * Waram Heyne im glossar zum Ulfilas nach dem allein belegten
dat. pl. sulßm schwach suljd ansetzt, weiss ich nicht.
**) Grein schreibt unrichtig bcelbk/s. Da der umlaut auf einen ja-
stamm hinweist (derselbe müste auch bei dem von Grein vermutungs-
weise angesetzten neutrum baslblys angenommen werden, da es neutrale
t-stämme im germanischen bekanntlich nicht gibt), so müste bei kur-
zem stanunvokal das s im acc. verdoppelt werden.
Digitized by
Google
496
SIEVERS
bene
ben
Es gehören hierher:
seht Rats. 70, l eic. = ahd. eht.
ben Ps. 118, 170 = altn. boen.
benc B. 492 = ahd. baue,
medubenc B. 776.
* blsed = bled?
wuldorblsed Jud. 156.
* bled = ahd. bluot.
* brygd? vgl. ahd. gabruht Grajf
III, 270.
gebyrd Crist 38 etc. = goi. ga-
baür}?s.
eäggebyrd Ph. 301.
mundbyrd Ar. 130.
* byht = /?///*. bygÖ, nÄrf. bucht?
bysen GutU. 146, v^/. ^o/. ana-
busns.
cwen B. 62 etc. = ^ö^. qens.
dryhtcwgn B. 2035.
folccwßn i?. 641.
güÖcw^n El. 254 ^fc.
l7eödcwen El. 1156.
* andcwis ? (riur acc. sing. Guthl. 999).
gecynd Ps. 387 <?^<;. = «äö?. gakunt.
cyst B. 673 ^^^. ;== rtÄ<]?. kust, meist
masc.
dsed G^^i. 594 etc. = got. deds.
dryht Rats. 60, 11 = ahd. truht.
gedryht B. 431 ^f(7. = got. ga-
draühts.
hygedriht Reiml. 21.
magodriht ^. 67.
sibgedriht Ex. 214 ^^<;.
wilgedryht Pä. 342.
* duguÖ = ahd. tugunt.
äÖelduguÖ Crist 1012.
* gedyrst = ahd. gaturst.
* eornest = ahd. ernust.
ggt = got, ansts, auch masc.
* fylst = ahd. fiilleist.
fyrd Ex. 54 etc. = ahd. fart.
* fyst = ahd. füst.
* gift =1 ahd. gift.
benum
bene, -a
gl6d B. 2652 = «Äöf. gluot.
* gnym, jk-stamm ?
gräft W7\ gl. 47 = ahd. graft, «mcä
haes Geti. 124.
* haest = got. haifsts.
hläst Gen. \blb=ahd. blast, auch
masc.
hlyst Dan. 178 etc. = alts. hlust.
hretJ Ex. 316, ^m. .^
hyd Wr. gl. 44 = ahd. hüt.
* hygd = ahd. huct.
gehygd Cr/^^ 1039 = ahd. gahuct,
auch ntr.
misgehyd Ändr. 773.
oferhygd Gen. 29 etc.
tohyht Run. 4 etc.^ nicht masc.
* hyrst = ahd. hrusti j>Z. ^aw/.
* leöd, meist pl. Ie6de = ahd. liutl.
list 6^?^. ex, 189 = «Ä<]?. list, ämcä
masc.
* lynd, jh-stamm?
gelynd JP^. 62, 5.
lyft ^o:. 430 etc. = «Ärf. luft, auch
masc.
* mäst = ahd. mhd. mast
meaht, miht Crist 1078 ^^^. = ^o^.
mahts.
meolc Sal. 57 ^r<7. = got. miluks.
gemynd Crist 1038 etc. = got. ga-
inunds, nicht neutr.
modgemynd El 840.
nyd, nM, Jud, Hl etc. = got
nau)7s.
)?reänyd ^/. 704.
serist Men. 58, v^/. aÄ<]?. urrist, auch
masc.
* -sceaft = ahd, -scaft.
aersceaft Ruine 16.
gesceaft Gen. 131 ^^<7.
ealdorgesceaft Rats. 40, 23.
handgesceaft £^^n; 455.
Digitized by
Google
ralt.
wraesn, * wräsn = ahd. reisan ntr,
(inwitwräsne Andr, 63 ist acc.
ZÜE ALTAGS. DECLINATION. 497
landgesceaft Dan. 390. * )?ryÖ = altn, }?rüÖr {also nicht
woruldgesceaft Gen, 110. )7ry?5, l7ryt5u).
scyld Crist 97 etc. = aUs. sculd. ge)7yld Ps. 70, 4 — aÄJ. gadult
gesihö Crist 50 = ahd. gasiht. * waed = ahd. uuai , awcÄ /i^w^r.
* -slyht = ahd. -slaht (aueh 7ieutr.y wsede.
vgl den gen. sing, moröorslehtes ^en Gen. 49 etc. = got. vßns.
^i' ^^^^- * geweald? = ahd. giuualt.
sped Gen. 3 etc. = alts. spöd. ^^^ Ärf/^. 29, 13^^c. = e/ö/. vaihts,
herespM B. 64. ^^,^ ^^^^^;
sigorsped Andr. 911 e^^. ^j^^ ^^^^ 21 etc. = got. viBts.
suht Gen. 472 == ^or. saühts (auf- ^twist Äwn. 7.
faOend ist der mangel des um^ ^^,^|^ ^^^^ ^^^4 ^^^ ^ ^^^ ^^g_
* ädswyrd.
* gyn = got. siuns.
ansyn i>^. 82, 12 ^/^. i y. ^ j ^ a
wäfersyn />.. 68, 11 etc., neutr.l ^K^J'^'^J^f '^' ""'^ ,,
ttd Gen. 132 = alts. üd. ^^.^^ ^^^- ff ^'^' = «^^- ^^'*-
benöd Men. 75. ^^^^^^^^ if' 285.
fulwihtttd ;»/^n. 11. ^^^y^^ ^^- ^^^-
* beaht gewyrht Reiml. 70 = aZ^js. giuurht.
ge}?eaht i>^. 88, 6 = alts. githäht, wyrt ^z. 83 etc. = got. vaürts.
auch neutr. ys* ^w<]?r. 1588 etc. «= a/^5. üst.
Von den entscheidenden formen des acc. sing, sind fol-
gende belegt: ceht, goldceht, hen, gehyrd, ende-, mund-, ste/h-
hyrd, hysen, crveyi, sigecwen, gecynd, dced, rveädced, gedryht, folc-,
sihge-, willge-dryht , est, fyrd, handgift, hces, hest, hlyst, hreb
adj.?, sigehreÖ adj.?, hyd, gehygd, gcest-, in-gehygd? , oferhygd,
list, lyft, uplyfty mäst, meaht {mihi), meolc, gemynd, fyrn-, möd-,
up-gemynd, n^d, Haft-, oht-, peöw-, pred-nyd, cerist, /rum-, meo-
lud-, geö-, rvon-sceaft, gesceaft, fort5', meotud-gesceaft , scyld,
godscyld, gesihb, hondshjht, sped, freotSo-, freönd-, mägen-, sige-,
tuddor-, wlg-sped, aiisyn, üd, an-, äßen-, cefen-, eästor-, lerictoi-,
morgen-, üht-tid, peaht, gepeaht, rcedgepeaht, gepyld, wen, ge-
weald, ceht-, hand-geweald, wiht, wist, and-, ät-, mid-, neä-, an-,
som-wist*), woruld, cer-, gewin-, wundor-woruld, wyrd, for-, wun-
dor-wyrd, fymgewyrht.
Neben diesen sicheren formen finden sich bei Grein eine
reihe von accusativen auf -e im glossar angeführt; von diesen
sind zunächst auszuscheiden hysene, mänscilde, uncyste, uplyfte,
wcdde, wiste, somwiste, woruldspede , die Grein selbst nur als
*) ptnne neäwest Hymn. 4, 49 ist gewis verschrieben für ßne.
Beiträge znr geschichte der dentschen spräche. I. 33
Digitized by
Google
498 SIEVERS
'acc' oder zum teil auch fragend als 'acc. pl/ ansetzt; alle
diese sind, wie jeder sich beim nachschlagen der stellen über-
zeugen kann, sicher plurale. Für solche halte ich ferner: fyrde
Gen. 408. Ex. 62. 254. Hymn. 7, 47 (es sind die einzelnen
sclifiaren gemeint, in der bedeutung 'fahrt' heisst es stets /|^rJ)
und gesihbe Gen. 617. Guthl. 788. Kr. 96 (es ist von Visionen
die rede, für ^visus' gilt nur gesihb). Ferner finden sich die
formen ceriste Ph. 495. 572, edsceafte Dan. 112, eomeste Crist
1101, gebyrde Crist 76, mundhyrde Gen. 2709, higeprybe Gen.
2238 {hildeprybe Rats. 20, 4, möchte ich lieber als dat. fassen),
gemynde Ps. 102, 17, immihte Ps.*106, 17; auch bei diesem ist
immerhin die möglichkeit zu bedenken, dass pluralformen
vorliegen, wie sie bei abstractis im ahd. so häufig und auch
im ags. nicht unbekannt sind (vgl. z. b. hwonan his cyme sin-
don Guthl. 1196 u. dgl.), doch will ich hierauf kein gewicht
legen. Entschiedener nehme ich dagegen pluralformen an bei
syne, ansyne, da hier -die form auf -e massenhaft, 14 mal, ne-
ben der ohne endung (7 mal) auftritt, während die übrigen
formen auf -e durchaus vereinzelt sind. Endlich sind geogut^
und ides, obwol ahd. jugunt und itis entsprechend, nicht hier-
her zu stellen, da sie durchgängig zur flexion der a- stamme
übergetreten sind, s. oben s. 492. Dann bleiben völlig sicher
überlieferte acc. sing, auf -e von i - stammen nur bryde Gen.
2638, B. 2956, Metra 9, 30, cwene Gn. ex. 82, rvihte Rats. 68, 1.
Es beginnt also bereits in den poetischen denkmälern allmäh-
licli eine ausgleichung zwischen ä- und i- stammen, aber erst
in sehr beschränktem umfang, wie die vergleichung der fol-
genden verhältniszahlen lehrt, bei denen rücksichtlich der sel-
teneren formen alles mit eingerechnet ist, was nach meiner
meinung einigermassen mit Wahrscheinlichkeit als acc. sing,
angesehen werden kann:
endung -e
ohne endung
kurzsilbige. ... 180
—
a- Stämme < langsilbige . . . 645
14
[yä- Stämme. . . 130
14
zusammen 955
28
/-Stämme 14
625
Dabei ist noch zu beachten, dass unter den 28 gekürzten
y Google
Digitized by '
ZUR ALTAGS. DECLINATION. 499
formen der <J-decliiiation 12 mal die acc. äht und wynn stehen,
die oben schon als auflfallende anomalien bezeichnet sind ; dann
bleiben nur 16 vereinzelte kürzungen bei den ä-stämmen be-
stehen; diese können sehr wol erst durch die spätere Überlie-
ferung in unsere texte hineingebracht sein, ebenso wie die
längeren formen bei den e- stammen, denn nirgends erheben
metrische gründe einspräche gegen die zufügung oder Strei-
chung eines -e ausser bei gehyrde Crist 76. Für das ältere
angelsächsisch besteht also durchaus noch eine genaue Schei-
dung der ä- und ^'-stamme durch den acc. sing., und erst spät
ist dieser unterschied allmählich verwischt worden.
Für den genetiv pluralis liegen vor die formen cehta,
mäbmcehta, brigda, gearohrygäa , crvena, gecynda, dceda, healu-,
eilen-, firen-, god-, gü-, mägen-, mis-, yfel-dceda, drihta, heofon-,
woruld'duguba , fylsta, fyrda, gifta, gleda, gnyrna, gehygda^
oferhygda, hyrsta, leöda, mihta, gemynda, rmda, frum-, rvoruld-
sceafta, gesceafta, heäh-, Üf-, moel-, woruld-gesceafta , scylda,
frumscylda, speda, mgspeda, tida, pryt5a, rvceda, cehtgewealda,
rvena, wista, wyrda, leödrvyrhta, gewyrhta, wyrda^ ysta.
III. Die w-stämme.
Zur w-declination gehören nur noch die Wörter dura und
in einigen casus hand; eingedrungen sind schon formen der
ä' und der consonantischen declination. Belegt sind in der
poesie ;
sing. nom. duru, helleduru, hand,
gen. handa,
dat. dum, dura, hlindura, handa, hand.
acc. duru, hlinduru, hand,
plur. nom. handa.
gen. handa.
dat. durum, handum.
' acc. duru, handa.
IV. Consonantische oder mischstämme.
Diese unterscheiden sich von den früher besprochenen fe-
mininis dadurch, dass sie im ganzen Singular und im nom.
acc. pl. keine endung haben, aber im dat. sing, und nom. acc.
pl. (zum teil auch im gen. sing.) wenn möglich umlaut bekom-
men. Nebenbei aber drängen sich auch formen aus der ä-de-
33*
Digitized by
Google
500 SIEVERS
clination und sonstige abweichungen ein.. Ich stelle auch hier
wider nur zusammen, was in der poesie belegt ist, um für
diese wenigstens das gesammte maferial zu geben, obschon
gerade hier die prosa die reichlichste nachlese geben wird. —
Es gehören hierher die werter * hdc, burh, turf, mägb, gät, niht,
äohtor, mödor, sweostor.
Der acc. sing, ist wie bei den e- stammen gleich dem
nominativ: hurh, ealdor-, freobo-, freö-, gold-, heäh-, Med-,
hord-, mcßg-, scüd-, weder-, mn-biirh, turf, et5elturf, mägeb, heals-
mägeb, niht, emniht, dohtor, mddor, sweostor.
Gen. sing, byrig, winbyrig, mägb, mddor, sweostor.
Dat. sing, bec, byrig, heäh-, leöd-, meodo-, sceld-, wtn-by-
rig, tyrf, efSeltyrf, mag eh , niht, eästorniht, dehter, meder,
sweostor.
Nom. acc. pl. bec, cerendbec, byrig, heä-, leöd-, rand-,
stän-byrig, gcet, mägb, niht, sweostor.
Abweichend hiervon sind belegt für den gen. sing, bürge,
mceg-, wm-burge, nihie nebst nihtes , em-, sin-nihtes (wonach
sich auch mihtes Ps. 70, 18 gerichtet hat, vgl auch helpys und
fröfres oben s. 493), flir den dat. Bing. mcegburge,^nihte, e/en-,
ge-, syn-nihte, döhtor Sat. 439, flir den acc. sing, nihte Metr.
29, 36, emnihte Men. 49, vielleicht auch mcegburge Ex. 360, das
ich aber lieber als acc. pl. fassen möchte, endlich für nom.
acc. pl. döhtra und döhtru.
Diess sind die hauptzüge der angelsächsischen 'starken-
feminindeclination. Besprechung erfordern aber ausserdem
noch einige bisher nicht besprochene Schwankungen ganzer
Wortklassen und eine reihe einzelner zweifelhafter Wörter.
1. Bekannt ist, dass im gotischen die verbalsubstantiva
auf -ns im plural zwischen der ä- und 2-declination schwan-
ken. Im angelsächsischen hat sich dies schwanken auch auf
den Singular ausgedehnt, d. h. für den acc. sing, findet sich
neben -en auch -ene als endung: brimnesen El. 1004, lufen Dan.
73 (ß. 2886?) und landsöcne Gen; 1665. 1699, pigene Hom. 2,
280, pecme Rats. 46, 2.
2. Die angelsächsischen feminina auf -&, -t5u = got.
-ipa haben sich mit den auf -u = got. -ei vermischt. Letztere
haben bekanntlich im ganzen singular eigentlich die endung
-u, -o; wenn daneben aber schon für die casus obliqui -e vor-
Digitized by
Google
ZUR ALTAGS. DECLINATION. 501
kommen (gen. fylle, wistfylle, geögubmyrwe ^ ylde, dat. hyrhte,
calde, edwende, fylle, wälfylle, strenge, pystre, wlence, ylde, acc.
iengey wibermede, menge, strenge), so fiihre ich diese an zahl
hinter den formen auf -w sehr zurückstehenden -e auf eine
ein Wirkung eben der feminina auf -Öu zurück, bei denen -be
regelrecht steht: gen, fcehbe, mcegbe, mirlhbe, eormenstrynde, dat.
heht5e, cybbe, /cehbe, gedöe, geohbe, mcegbe, mcertSe, myrgbe,
stt^be, gesibt^e, strengte, tybe?, rvergbe, yrhtie, meteledsfe, acc.
äbyligde?, cybbe, oncytitie, ealdcyöbe, fashtSe, heht5e, hlywt^e,
mcegbe, mwrbe, mirhtie, myrbe, strengte, wergt^e, yrmbe, cerleste,
hy gekäste, meteleäste. Ohne die annähme dieser einwirkung,
die man nur etwa durch die annähme einer vokalschwächung
ersetzen könnte, bliebe es unerklärlich, warum der nom. sing,
niemals die endung -e zeigt (wlence Sal. 82 in B neben tvelm
A kann nicht ins gewicht fallen). — Die Vermischung der bei-
den klassen scheint nur dadurch herbeigeflihrt zu sein, dass
der nom. sing, allein ursprünglich wie bei den kurzsilbigen
so auch bei den mehrsilbigen auf -ipa das -u behielt, wie denn
auch bei den neutris formen wie tunglu, cealfru im nom. plur.
denen wie fatu, nicht wie rvord entsprechen; vgl dazu den
nom. sing, elfetu 61. Aqu. 5. Später wäre dann nach ausfall
des 'i der endung -ipa, der die betreffenden werte um die be-
stimmende silbe verkürzte , wie bei den einsilbigen fe-
mininis mit langer Stammsilbe, das -w im nom. fortgefallen.
So haben wir cent^u, syncaldu, fcehbo, mcert^o, strengbu, heäh-
strengbu, wergbu, wärbo , yrmbu, woruld-yrrnbo und daneben
cybb*), oncybb, fcegb, hleöwb, hynb, mcegb, myrgb, gescelb, re-
celest. Dem nominativ assimilierte sich zunächst der accusa-
tiv, bei dem sich daher auch die formen auf -w verhältnis-
mässig am häufigsten finden : cybbu, ealdcybbu, uncybbu, fcehbu,
gehbu, strengbu, mägenstrengbu, wergbu, ermbu, yrhbo, gesynio **).
Auch die gekürzten formen des nom. erscheinen wider im acc.
*) Auch wo bloss cyti geschrieben ist darf man dies nicht mit Grein
zu ahd. cundi stellen; es ist cundida, wie die casus ohliqui beweisen.
Dasselbe gilt von *lcetitf(u), das = ahd. leidida ist, nicht wie Grein will
= leida,
**) gesynto ist ahd. gasuntida, wie gescenta gen. pl. zu ahd. giscen-
tida gehört; t für dti wie in fint^ gylt, Stent = findet, gildeti, stende^,
vgl. M. Heyne zum Beow. 1225.
Digitized by
Google
502 SIEVEßS
in gedb, mcegti, hleotS f= hleorvb, hlywbj, und dies widerholt
sich dann auch bei den femininis auf -u = got. -ei, vgl. nom.
yld, eld, acc. äßeryldj druncen (= ahd. irunkanx). Schliess-
lich folgen genetiv und dativ nach (gen. fceh^o, mänfceht5u,
hynbo, rvärgbo, yrmbu, gesynto, dat. gehbu, hedhbu, hynbu,
strengten). Eine chronologische Untersuchung mtiste über diese
frage entscheidenden aufschluss geben; eine solche lässt sich
aber gerade an der band der poetischen denkmäler aus leicht
ersichtlichen gründen nicht führen.
3. Verschiedene Unregelmässigkeiten zeigen die auf einen
langen vokal ausgehenden feminina. Zu diesen gehören nicht
(B leben Az. 165 und freö frau Gen. 457; denn ce ist offenbar
got. äivs almv, also masc. und nicht mit Grein zu got. aha
oder gar zu cet5m zu stellen, und freö ist neutrunl wie alts. fri.
Von den übrigbleibenden ^-stammen ist zu bemerken, dass
sie im ganzen sing, durch contraction der endung mit dem
vokal der Stammsilbe indeclinabel werden ; gen. ce, eä, heähsce*),
preä, dat. ce, sce, preä, cwealmpreä, acc. ce, eä, sce, preä, so
auch nom. pl. sce Ps. 65, 5, preä, und entsprechend dat. pl.
eäm, preäm, peödpreäm, cläm neben nom. pl. öläwe, brüfwja,
dat. preäum, brüwum. Der nom. sing, cläwu neben cleö Ps.
68, 32 steht wol für "^cläii, d.h. *cläw, obwol sonst nach lan-
gem vokal auslautendes rv der vokalisierung nicht zu unter-
liegen pflegt.
Zu den mischstämmen gehören cü, fbrüj, sü (sonderbar
der nom. sügu Wr. gl. 22 etc.); cü und brü bilden den gen.
pl. cüna, brüna, den nom. acc. pl. eye Ps. Stev. 67, 31 neben
brüa, oferbrüfwja. Der dat. sing, cüe Rats. 16, 4 ist. erst
durch conjectur Greins gewonnen.
4. Eine reihe von Wörtern ist von Grein als weiblich be-
zeichnet worden, die diesem geschlechte entweder sicher nicht
angehören oder ihm doch mindestens nicht durch entscheidende
formen zugewiesen werden. Zweifelhaft sind mir hierunter
bi7in, blinn, hals, hrisil, Icel, salig, scräd, swyld, über deren ge-
schlecht ich nichts zu sagen weiss. Mit Sicherheit dagegen
sind meiner ansieht nach als neutra zu betrachten cevisce =
got äiviski ntr., ceder nach pä heän ceder = cedros Ps. Th.
*) sce ist gewöhnlich masculinum.
Digitized by
Google
ZUR ALTAGS. DECLINA TION. 503
28, 5, leäf laub (wol nur druckfehler wegen des vorhergehen-
den leäf erlaubnis, s. Greins glossar zum Beovv. s. v.), wolcen-
gehnäst (desgl., bei gehnäst selbst und den übrigen compositis
ist bei Grein das geschlecht richtig angegeben), rvel == altn.
vel ntr., femerliin ntr. oder masc. nedd, erwiesen durch
den instr. neöde sine Gen. 854 und den öfter vorkommenden
acc. sing, nedd, statt dessen man, wenn das wort fem. wäre,
entweder "^ neöde oder "^nyd erwarten mliste. Masculina sind
frumslcep (das einfache slcep ist bei Grein richtig als masc. an-
gesetzt), ellenwod = mhd. wuot, m., altn. ötSr (unser fem. wut
ist z. t. aus ahd. wuoti, mhd. wüete erwachsen), mund schütz
= altn. mundr (das ahd. munt müste im ags. mynd ergeben),
und auch wol durchgängig wästm, das Grein als m. f. n. be-
zeichnet. Auf ein ntr. weist gar nichts hin, auf ein fem. nur
die nomm. pl. wästme, eorb-, frumrwästme, die ebensogut nomm.
pl. eines männlichen e-stammes sein können wie hyre, rvine,
ylfe, Dene u. dgl.; auch hlöstm wird man hierher stellen dür-
fen, wahrscheinlich auch den acc. pl. heäfodgimme Andr. 31 im
reime 2i\jS heorogrimme ; mn^i lautet der pl. regelmässig gim-
mos, und gimme ist vielleicht mit anklang an lat. gemme nur
dem reime zu liebe gebildet worden, /rymö hat schon J.
Grimm gr. III, 241 nach dem pl. frym^as als masc. zu ahd.
bildungen wie leitid gestellt; die ags. formen nötigen durchaus
nicht zur annähme eines femininums. Dass sceat5ena Gen. 549
zum masc. sceat5a, nicht zu einem sonst unbelegten fem. *scea-
ben gehört, ist ebenfalls nur anzumerken.
5. Auch ein umgekehrtes verfahren zeigt sich bei einigen
Wörtern; töhyht, gemynd, gewyrht (vgl acc. sg. änfealde ge-
wyrht Crist 1578), fracotiu (vgl. dat. sg. fräcet5o Matth. c. 22,
6) sind feminina. Von gewyrhl und gehygd nebst dessen com-
positis finden sich allerdings auch neutrale nom. pl. gewyrhtu,
gehygdo, oferhygdo, auch ein neutraler instr. sg. ealle ingehygde
Ps. 118, 145. Neben dem durchaus weiblichen gemynd steht
das eigentümlich schwankende weort^mynd, das durch die ne-
benformen weortimynt5 und weorbmynt auf eine grundform
-mundiba oder ^-mundibi ntr. hinzuweisen scheint (s. s. 501 **).
gräft und preä sind nur masc. und fem., nicht auch ntr. ; preä
wird wol nur wegen, des nom. acc. pl. preä als ntr. angesetzt
Sein, dieser grund kommt aber nach der bemerkung unter no.
Digitized by
Google
504 SIEVERS
3 in Wegfall, imiab scheint nur in der verderbten stelle Ps.
108, 18 fem. zu sein, sonst ist es masc. Schwankendes ge-
schlecht haben im übrigen, wie schon oben einzeln bemerkt
ist, flän, fldr, folm, heorr, scelj sircel, wröht, frbfor, hend, Hgef,
cyst, est, hläst, list, lyft, slyht, gepeaht, wiht, wrcesn(J). Aehn-
lich wechselt das fem. fribo, freoito (=ahd. ^ fridxf) mit dem
masc. fri^y und cefstu mit oefest, dessen geschlecht zweifelhaft
bleibt, mfman flectiert zwar durchaus masculinisch, fängt aber
an weiblich gebraucht zu werden.
Schliesslich bemerke ich noch, dass man nicht mit Grein
sunnu f. als nebenform zu sunne ansetzen darf, es muss heissen
sunna swm.; sunnu Sat. 352 ist nach dem vorausgehenden hu
verschrieben (vgl. z. b. I. Harczyk bei Haupt XVII, 78); dass
Metra 28, 34 siö sunna stehe ist ein Irrtum Greins im glossar
II, 496, der text hat siö sunne.
II. Die reduplicierten präterita.
Scherer ist meines wissens unter den Deutschen der erste
gewesen, der uns den Schlüssel zum Verständnis der redupli-
cierten präterita gegeben hat, indem er nachwies, dass die re-
duplicationssilbe der gotischen präterita nicht den diphthong
äi, sondern die ^brechung' ai = e eüthält und dass formen wie
altn. ags. alts. het, ahd. hez, heaz u. s. w. Sin^haihäit durch die
noch im ags. vorliegende mittelstufe heht hindurch ebenso ent-
standen sind wie göt. gebum aus einem vorauszusetzenden
*gagbum für * gagäbum*).
Diese beiden resultate halte ich flir so sicher bewiesen,
dass es mir überflüssig erscheint, nochmals gegen die auch
neuerdings immer wider (z. b. von Grein, Das goth. Verbum
in sprach vergl. Hinsicht, Cassel 1872, s. 13 f.) vorgetragene
ältere ansieht ein wort zu verlieren, deren Vertreter sich nicht
einmal die mühe geben, allgemein gültigen lautgesetzen und
*) Zuerst in der anmerkung zu den Denkmälern LVIl, 9, s. 458 der
ersten aufl., 1864, dann GDS a. 11 ff. und namentlich Zeitschrift für die
Österreich. Gymnasien XXIV (1873), 295—300; mitletzteremaufsatz haben
wir es hier besonders zu tun.
Digitized by
Google
DIE REDÜPLICIERTEN PRAETERITA. 505
dem factiseh vorliegenden sprachmaterial gerecht zu werden.
Meine absieht ist es hier nur einige von Scherer nicht berührte
punkte zu besprechen und meine im einzelnen von Scherer
hie und da abweichende auflfassung darzulegen.
Es kann und wird wol in keiner weise bezweifelt wer-
den, dass der vokal der reduplicierten präterita der auf 6inen
consonanten ausgehenden wurzeln mit innerem ä oder al im
präsens im altn., ags., alts. und ursprünglich auch im ahd. ein
langes e war (alts. släpan — slep, hetan — het u. s. w.). Dass die-
selbe quantität auch bei den wurzeln vorhanden gewesen sei
die auf mehrere consonanten ausgehen, ist zwar ebenfalls eine
heutzutage, wie es scheint, noch allgemein gültige annähme,
doch ist sie eigentlich nirgends ausdrücklich verteidigt, und
sie entbehrt in der tat meiner Überzeugung nach fast in ih-
rem ganzen umfange der berechtigung.
Ich beginne, um den beweis für diese behauptung zu er-
bringen, mit dem altnordischen, da flir dieses das richtige
Sachverhältnis schon längst aufgeklärt ist. Texte, Wörterbü-
cher, grammatiken, auch noch die von Wimmer, bieten zwar
überall nur langen vokal, fekk, gekk, fengum, feil, Mit u. s. w.
Aber schon im jähre 1860 hat Konrad Gislason in den An-
naler for nordisk Oldkyndighed og Historie s. 327 — 330 durch
die vergleichung der reime alter dichtungen und der modernen
ausspräche (die doch auch nicht zu gering angeschlagen wer-
den darf) gezeigt, dass allen diesen formen kurzes e ge-
bühre; ich entlehne ihm deshalb hier nur zur veranschauli-
chung folgende beispiele:
^ekk ülfr i ben ^rekka (Sn. E. I, 478 AM.)
sjor iekk af staÖ ekki (Sn. E. II, 202 AM.)
A>i^lands enn vier iengMm (Sighvatr Skäld.)
Brjän iell ok helt v^//i (Nj. 279.)
und die bemerkung, dass vor ng dies kurze e bisweilen zu i
wird, z. b. in
hrm^skyrturfram gm^u (HallfreÖr VandrseÖaskäld, s. Forn-
sögur, Leipzig 1860, s. 208). Auch dieser Übergang beweist
Ischlagend für die kürze des e.*)
*) Gislason hat übrigens a. a. o. schon vor Scherer bemerkt, dass
der got. reduplicationssiibe ai gebühre, ohne indess die weiterentwicke-
ung der prätt richtig zu erkennen.
Digitized by
Google
506 SIEVERS
Ebenso lässt sich die kürze des präteritumvokals auch
für das altsächsische leicht nachweisen, und zwar, da der
Monacensis des Heliand natürlich keine anhaltspunkte • gewäh-
ren kann, an der hand des Cottonianus*), den ich trotz der
gegenteiligen ausflihrungen M. Heyne* s, in seiner Kleinen
altsächs. und altniederfränk. Grammatik, Paderborn 1873, fort-
fahren muss* flir ein echt altsächsisches, wenn auch einem
grenzdialekt entstammendes denkmal zu halten. Diese hs. ver-
wandelt bekanntlich die durch ersatzdehnung aus i, e entstandenen
e in ie, z. b. in hier, mieda für her, meda. So finden sich denn
auch regelrecht die präterita andried, andriedun, andriedej an-
driedin; liet, lietun, lietin, cdieti, farliet, farlieti, farlietun, far-
lieti aonj., /arlietin, teilet; riedun, giriedi; Met, hietun, hieti, hie-
tin, gihiety gihietun, zusammen an 153 stellen, nur 19 mal un-
terbleibt die diphthongierung in andre din 3943. 5820; lei 1986.
5395, letun 4440, letin 3849, farlet 514; giredi 2988. 3563;
hit 579. 595. 728. 729. 2781. 4618. 5954, heton 4238, gihet
3414, gihetun 568; das entspricht völlig dem sonstigen Ver-
hältnis zwischen ie und e in fällen wie hier und her.. Aber
durchaus das umgekehrte ergibt sich bei den präteritis der
wurzeln auf zwei consonanten. Hier heisst es/e//, ßllun, ant-
feil, bifel, bifellun; uuell; held, heldmi, hiheld; giuueld, gitiuei-
dun; f engin, antfeng, antfengun, bifeng, bifengi, farfeng, farfen-
gun, farf engin, gif engt, gifengin; geng , gengun, fulgengun,
fulgengi, im ganzen 130 mal neben 24 ie in hieldin 130; giuuiel-
don 344; antfleng 288. 446. 477. 1241. 2269, antfiengun 953.
3675, bifieng 40. 393; gieng 102. 107. 198. 231. 477. 536. 1061.
1075. 1127. 1150. 3735. 4021, gimgin 1181. Von diesen letz-
tern stehen aber 20 zwischen v. 1 — 1250, also im anfang, der
auch sonst mancherlei auffallendes bietet, wie z. b. das später-
hin verschwindende suithuo für suitho u. dgl. Auf die ea. 4700
verse von da bis zum schluss kommen nur 4 ie auf 113 e.
Wir haben es darnach offenbar hier mit dem beginne eines
assimilationsprozesses zu tun, der im ahd. am weitesten durch-
geführt ist. Ursprünglich aber galt gewiss in der zuletzt an-
geführten klasse von präteritis kurzes e.
*) Ich citiere nach Heyne's erster ausgäbe , bemerke aber zugleich
ausdrücklich, dass meine angaben auf emev neuen collation der hs. be-
ruhen.
Digitized by
Google
DIE REDUPLICIERTEN PRAETERITA. 507
Im althochdeutschen habe ich nur noch sehr geringe
spuren dieses Verhältnisses in den ältesten fränkischen denk-
mälern, dpn Fragmenta theotisca und dem Isidor aufzufinden
vermocht. In den ersteren stehen auf der einen seite heaz 19,
21. 22, 28; /orleaz 22, 25; forreat 21, 27; scead 36, 20; ar-
scheut 36, 29, denen sich feal 6, 7, fealun 6, 2 anschliessen ;
man vgl. auch hear 4, 11. 5, 6. 10. 18, 13. 28, 7. 31, 10. 33,
1. 4 neben her 31, 18. 25. Auf der andern finden wir fengin
19, 23, antfengun 22, 12, kafenc 30, 3, kaferigun 13, 14, kafmi-
gin 13, 3, infenc 31, 9, uuidarfenc 36, 6; genc 1, 5. 21. 5, 30.
6, 8. 21, 5. 23, 10. 33, 2. 6. 7. 36, 10, kern 21, 20. 22, 3, gen-
gun 6, 15. 10, 16. 18, 15, kmgun 18, 16. 21, 13. 21; arhem
22, 3, allerdings auch felun 6, 6, forlez 10, 8, slefun 18, 6,
die mit den angeführten her zu vergleichen sind; aber doch
kein einziges ea auf 26 ^, während in der ersten klasse nur
3 e den 8 ^a gegenüberstehen. Zu beachten ist bei fcUlan die
aufgebung der gemination des / und der damit verbundene
übertritt zur ersten klasse.
Im Isidor heisst es noch antfenc 15, a, 20. 16, b, 7, Ufenc
10, a, 7, chifenc 3, a, 17, infenc 12, a, 15 gegenüber firleazssi
17, b, 17 nebst 12maligem hear und 16maligem tf^a (nom. acc.
pl., aus de diphthongiert, nicht von einem stamm tja abgelei-
tet); freilich findet sich auch ein firleizssi 15, a, 23. In den
übrigen ahd. Sprachdenkmälern ist, wofern nicht noch hie und
da in ältester zeit e und ea, ia überhaupt promiscuc schwan-
ken, der diphthong ia, ie conscquent durchgeführt, und die ge-
mination wurzelauslautender doppelconsonanten vereinfacht
worden.
Bezüglich des angelsächsischen endlich hat Scherer
in seinem neuesten aufsatz allerhand Schwierigkeiten der er-
klärung zusammengestellt und sie zum teil mit glück hinweg-
geräumt. Nur glaube ich, dass sich die sache noch einfacher
klar machen lässt, sobald man wie im altn., alts. und ahd.
kürze des vokals in den bereits contrahierten formen annimmt.
Es bilden die verba fön, hon die präterita feng, heng ;
spannan das prät. spenn, speonn; healdan, rvealdan, feallan,
weallan die präterita heold, weold, feoll, rveoll^ dazu die plurale
spe(o)7inon^ feollon^ weollon mit beibehaltung der gemination,
die entschieden für kürze spricht. Im englischen sind davon
Digitized by
Google
508 SIEVERS
nur feil und held tibriggeblieben mit kurzem e gegenüber heat
d. h. h%t = ags. heöt zu heätan\ es wäre kaum gerechtfertigt
hier neuere kürzungen vorzunehmen, da doch wenigstens a
und i vor Id verlängert zu werden pflegen. Jedesfalls aber
lässt sich aus dem ags. selbst kein direkter beweis für die
länge des e in feng, heng, spenn finden. Den übrigen präte-
ritis pflegt man diphthongisches eö beizulegen, heöld, feöll u. s.
w., oder soll, wie man fast vermuten möchte (s. Holtzmann,
Altd. Gramm. I, 206) das eö hier nur eine dehnung des ' ge-
brochenen' eo bezeichnen, parallel der dehnung in formen wie
heil Eine form Übertragung nach dem muster der verba mit
dunklem innerem vokal wie hreöp, n>eöp hat Scherer mit recht
geleugnet; wir werden uns entschliessen müssen, eine rein
lautliche erklärung zu finden, und auch dazu hat Scherer den
weg gezeigt, nur wird seine auflfassung in einigen punkten zu
modificieren sein.
Ich gehe davon aus, dass feng, heng, spenn ein e enthal-
ten und behaupte, dass heoldj feoll u. s. f. die durch das / her-
vorgerufenen 'brechungen' dieses e zeigen. Diese behauptung
steht freilich zunächst im direktesten Widerspruch mit der von
J. Grimm gr. P, 239 f., P, 372 f. nachgewiesenen tatsache,
dass vor // und Id^ überhaupt vor der Verbindung /+cod8., in
der regel die brechung unterbleibt. Diese Schwierigkeit mag
es hauptsächlich gewesen sein, die vor der annähme einer
* brechung* eo in diesen präteritis immer hat zurückschrecken
lassen. Der Widerspruch aber lässt sich bei genauerer betrach-
tung wol lösen.
Mit Scherer und mit einigen modificationen mit Holtzmann
(Altd. Gramm. I, 189 f.) bin ich darin einverstanden, dass ich
eo als eine Veränderung eines e betrachte, hervorgebracht durch
einen dahinter stehenden consonanten mit dunkelem timbre,
in der stärksten potenz w- timbre (Holtzmanns bezeichnung u-
umlaut ist im gründe nichts anderes), also z. b. i nach slawi-
scher ausspräche im gegensatz zu dem helleren /. Ein jeder
consonant aber bekommt das dunkle timbre (ebenso wie mu-
tatis mutandis das e-timbre, die mouillierung) dadurch, dass
er silbenanlautend vor einen dunkeln vokal tritt; es heisst
also feo-ia neben fe-ia = got. fl-tu, teo-Han = alts. ti-ion u.
s. w. Im Silbenauslaut aber pflegen sich wenigstens im ags.
Digitized by
Google
DIE EEDÜPLICIERTEN PRAETERITA. 509
die coBSonanten rücksichtlich ihres timbres nach dem vorher-
gehenden vokal zu richten; das deutlichste zeugnis dafür ist
dass auslautendes k nach / palatal wird, vgl. altengl. ich =
ags. ic, altengl. srvich, neuengl. such = ags. swylc aus mlüc
u. dgl. So heisst es denn entsprechend ags. rvel = got. vaila,
nicht ^wei, ^weot, und ebenso snell, spell, so gut wie snel-les,
speHes, swel-lan, rv'el-lan, sei-dan, hel-pan u. s. w. Formen wie
die dative sneHum, spel-lum können gegen das tlbergewicht
der übrigen casus keine Veränderung des e durchsetzen; wol
aber sind scheinbare ausnahmen wie seoifer, meoic durch got.
si'ht'hr, mi'hi'ks gerechtfertigt.
In den verbis feallan^ healdan u. s. w. ist nun, wie Scherer
a. a. 0. s. 300 richtig erkannt hat, das / als i aufzufassen; es
ergeben sich darnach aus den formen ^ß-fai, ^M-hald (das
störende ea lasse ich der Übersichtlichkeit wegen fallen ; zudem
ist es zweifelhaft, ob es zur zeit des bestehens der uncontra-
hierten formen schon vorhanden war) durch allmähliche zu-
sammenrftckung */e;-/, *he-td, und diese musten dann regel-
recht zu feoi, heoid werden. Uebrigens muss ja doch auch
Scherer den Übergang des e in eo vor/+cons. in leolc zugeben,
und das steht ja auch ganz unserer auflfassung entsprechend
für *re'iäc.
Auch bezüglich der form speonn neben spenn lässt sich
diese erklärung aufrecht erhalten. Im allgemeinen lag bei
folgendem n keine nötigung zur brechung vor, da das n in
Worten wie spannan oflFenbar ein nicht so entschiedenes dunk-
les timbre gehabt hat wie das / in healdan u. s. w. Es käme
darauf an zu untersuchen, ob etwa speonn sich vorzüglich in
solchen dialekten findet, die mit verliebe das a vor nasalen zu
o verdumpfen. Eigentümlich und sehr auffallend ist, wie be-
reits Scherer bemerkte, die form geong zu gangan, welche
durchaus die üblichere ist. Scherers deutung vermag ich in.
des nicht mit entschiedenheit zuzustimmen, ob wol ich bis jetzt
keinen andern ausweg sehe.
Zum Schlüsse noch einige bemerkungen über die präterita
der verba mit dunkelem innerem vokal. Diese haben bekannt-
lich einen anderen entwickelungsgang eingeschlagen, indem
durch einbusse des wurzelanlautenden consonanten, aber er-
haltung des wurzelvokals und Verschmelzung desselben mit
Digitized by
Google
510 SIEVERS
dem vokal der reduplicationssilbe ein Präteritum mit dem
diphthongen eo entstand. Den grund dieser verschiedenen
behandlungsweise hat widerum Scherer richtig bestimmt, wenn
er s. 298 sagt: * Zwischen dem reduplicationsvokal e und dem
ai oder ei der wurzel (a ist schon vorher besprochen) herscht
kein grosser unterschied der klangfarbe: ei konnte wegfallen,
ohne dass der verlust eines charakteristischen tones sich dem
ohr stark bemerklich machte. Dagegen e und jene dumpfe-
ren klänge stehen so weit von einander ab, dass die Vernach-
lässigung eines u oder o der controle des obres schwerlich
entgangen wäre\ Dass es sich in der tat so verhält, dafür
scheint mir noch folgendes zu sprechen. Die ags. präterita
swedfj sweöp zu srväfan, srväpan^ statt deren man eigentlich
srvef, swep erwarten sollte (denn an ein ^gebrochenes* eo ist
natürlich hier nicht zu denkiön) erklärt Scherer s. 299, wenn
auch zweifelnd, durch formübertragung von säwan seöw = got.
säian saisö, altn. sä (nicht söa) sgra*) ; den ausgangspunkt dazu
habe wol das gleichlautende ä des präsens geboten. Aber für
einfacher und natürlicher möchte ich die annähme halten, dass
^sTve-sTvaif oder ^stve-swäf durch die mittelstufen "^swe-swef,
^^w^^-^w/ hindurch ohne äussere beeinflussung zu sweöf wurde.
Die vocalisierung des rv tm u war bei dem allmählichen
schwinden des wurzelhaften ai oder ä fast unausbleiblich.
Genau ebenso ist der entwickelungsgang natürlich bei sweöp.
Eine ausnähme von der regel, die für das Präteritum der
verba mit dunkelem innerem vokal den diphthongen eo for-
dert, ist das altn. biet zu blöta neben hjd^ hjö, jök^ jös, hljöp
{spjö?). Eigentlich wären auch die präterita der sogenannten
ablautend-reduplicierenden verba in diese kategorie einzureihen,
insofern man nach got. lailot u. s. f. im ags., alts., altn. nicht
let, sondern ^leot, ^Ijöt erwarten sollte. Denn mit Scherer
s. 299 das 6 des got. laildt u. s. w. für einen verhältnismässig
späten und specifisch gotischen laut zu halten, dafür ist mei-
nes Wissens kein zwingender grund vorhanden. Im gegenteil
glaube ich, dass man in diesem d gerade einen gemeingerma-
nischen laut wird erkennen müssen, sobald man das Verhält-
nis der got. i und o zu einander genauer erwägt Ich glaube
*) Q in Vertretung des altn. durchstrichenen o.
Digitized by VjOOQIC
DIE REDUPLICIERTEN PRAETERltA. 511
in dieser beziehung einstweilen folgende grundsätze aussprechen
zu dürfen, deren beweis ich mir auf eine spätere zteit vorbe-
halte. Das indogerm. ä ist in gemeingermanischer periode
regelmässig zu o geworden, ausser wo es durch mouillierung
des folgenden consonanten vor der trübung bewahrt wurde,
d. h. also in den stammen , die das suflfix i oder ja unmittel-
bar an die Wurzelsilbe antreten lassen. Das so geschützte ä
wird im got. zu e; nur säiarij väian, läian lassen das erhaltene
ä mit dem ableitenden i, j zu dem diphthongen ai zusammen-
fliessen (vgl. darüber Th. Jacobi, Beiträge zur deutschen Gram-
matik s. IS ff. und meine bcuierkungen in den Verhandlungen
der Leipziger Philologeiiversammlung 1872, s. 192). Alle übri-
gen got. e sind durcli ersatzlehnung entstanden (und zwar
entsprechen den aus a entstandenen in den übrigen germ.
sprachen 4, den aus i, e entstandenen im allgemeinen e, im
ahd. ia u. s. w.). Zur letzteren gruppe gehören . unsere redu-
plicierenden verba. Got. Uta, reda^ fleka^ slepa u. s. w. lassen
sich leicht auf die grundformen *lanta, ^^randa, ^flankOj *slampa
zurückführen, s. J. Schmidt, zur geschichte des indog. vocalis-
mus s. 36. 44 f. Von diesen scheint aber nur slepa = skr.
rämhate, lämbate wurzelhaften nasal zu haben; daher das Prä-
teritum saislep aus '^se-slampa. Die übrigen haben statt der
nasalierung im Präteritum ursprünglich ä, germ. ö, also lailöt,
faiflok, auch saisö , valvb u. s. w., analog wie in hbf zu hafja
und noch genauer wie in stop zu standa.
Wenn nun die übrigen germanischen sprachen ausser dem
got. in ihren reduplicierten präteritis hiervon keine spuren mehr
aufweisen als das ags. seörv und etwa das altn. sgra = got.
salso, so verhält es sich damit nicht anders als wie wenn z, b.
das ahd. dem präsens standa das prät. stuont assimiliert oder
das alts. ags. das präsensbildende n von fregnan auf das prät
und part. prät. übertragen.*) Altn., alts., ags. let führe ich
also auf ein jüngeres dem präsens angeglichenes *!e-Iät
zurück.
Zu der jüngsten formenschicht gehören endlich präterita
*) Man vergleiche bezüglich dieser allen germanischen sprachen in
hohem grade eigenen tendenz der gleichmachung früher verschiedener
tempusstämme insbesondere die musterhaften ausführungen von J. Schmidt
a. a. o. 49 ff.
Digitized by
Google
512 SIEVERS
wie gret, biet u. s. w. Das sind reine analogiebildungen, wie
die formation der got. präterita gaigrbt, falflok dartut. Damit
erklärt sich auch die anomalie des altn. biet Im altn. näm-
lich findet sich die zweite art der präterita, mit dem diphthon-
gen, nur bei den verbis, welche den gesammten wurzelanlaut
leicht reduplicieren und nachher im inlaut eben so leicht auf-
geben konnten, d. L nur da, wo eine von rein lautlichen mo-
tiven abhängige direkte weiterentwickelung stattfinden konnte.
In blota aber, das abgesehen von rda rgra, gröa grgra das
einzige verbum mit innerem d im altn. ist, muste, nachdem
einmal das nach analogie der got. galgrot, falflok vorangehende
*be-bl6t sich nicht mehr halten konnte, eine neubildung ein-
treten, und diese schuf die spräche nach dem muster der zahl-
reicheren präterita mit e, e.
JENA. , E. SIEVERS.
Digitized by
Google
UEBER DEN GRAMMATISCHEN WECHSEL IN
DER DEUTSCHEN VERBALFLEXION.
Unter grammatischem Wechsel versteht man in der deut-
schen, speciell ahd. und mhd. grammatik die erscheinung, dass
im plur. und. im part. perf. starker ablautender verba ein an-
derer stammauslautender consonant erscheint, als in den übri-
gen . formen des verbums. Die ahd. grammatik lehrt uns, dass
stammauslautendes d in jenen formen zu t^ h zu g wird, also
midan, aber mitum, mitan ; Udan - Utum, litan"'^ snidan - snitum, sni-
tan ; siodan - sutum, sotan ; quedan - quätum, quetan ; werdan - wurtum,
wortan ; — ziohan - zugum, zogan; zihan - zigum; dihan - digum ;
slahan - sluogum; dtvahan - dwuogum] gitvahan - giwuogum\ lahan
- luogum. Eine dritte Wortklasse schliesst sich diesen an: die
Wörter auf s, welche dasselbe in eben den formen zu r wan-
deln ; risan - rirum, riran; kiosan - kurum, kor an ; (far)liosan - /w-
rum,loran; friosan- frurum, froran, tvesan-rvärun (aber part.
wesari) und lesan part. geleran, Dass diese an der gleichen
stelle eintretenden lautveränderungen auch eine gemeinschaft-
liche erklärung finden müssen, ist selbstverständlich. Aus dem
vorliegenden hochdeutschen lautstande ist diese aber kaum zu
geben, denn die laute tf, ä, s scheinen gar keinen vereinigungs-
punkt zu haben; man sieht nicht ein, weshalb nicht z. b. auch
das t in ritan in den betr. formen eine andere gestalt an-
nimmt. ,So hat man sich denn damit begnügt, die tatsache
eben als solche aufzuflihren*), ohne einen inneren Zusammen-
hang der einzelnen erscheinungen nachzuweisen. Ein solcher
aber lässt sich nur herstellen, wenn man die von Paul (diese
*) Vgl. Holtzmann, altdeutsche gr. s. 346.
Beiträge zur geschiohte der deatsohen spräche. I. 34
Digitized by
Google
514 BRAUNE
beitr. s. 147 ff,) vorgetragene theorie der lautverschiebung an-
nimmt, insbesondere die ansieht, dass die mediae im germa-
nischen aus tönenden Spiranten hervorzugehen pflegen, dass
also das hochdeutsche d aus der spirans (nicht aspirate) th
entstanden sei*). Für die richtigkeit dieser theorie bilden die
erscheinungen des grammatischen wechseis ein beweismoment,
welches Paul a. a. o. nicht genügend betont hat.
Wir beginnen mit den 5- stammen, welche uns am deut-
lichsten die art der. lautbewegung zu zeigen vermögen. Das
s ist ein harter oder tonloser spirant, und zwar der einzige,
welchen das germanische als solchen aus dem indogermani-
schen übernommen hat. Schon im gotischen war derselbe in
zahlreichen fällen erweicht oder tönend geworden. Das goti-
sche tönende z aber geht im hochdeutsciien, wie in den tibri-
•) Dass es ganz unnötig ist zur erklärung dieses Übergangs me-
dienaffricaten zu construieren , hat Paul dargetan. — Zu den von ihm
auf s. 1 82 aufgeführten beispielen des Übergangs von j in ^ sei hier das
bemerkenswerte factum hinzugefügt, dass noch im 17. jahrh. im Meiss-
nischen, wo heutzutage der verschlusslaut regel, im anlaute der spirant
herschte. Es geht dies hervor aus der stelle des Caspar Scioppius,
welche Pfeiffer Germ. XI, 320 ff. hat abdrucken lassen. Daselbst wird
als Meissnisch angeführt: Jott jeh euch ein jutes naues Gar, — Das von
Paul auf s. 177 betreffs des ags. gesagte ist dahin zu berichtigen^ dass
im altags. ein g überhaupt nicht, sondern nur ^ existiert. Deutsche
herausgeber setzen allerdings stülschweigend g dafür ein. Deswegen
durfte correcterweise nicht von einem im nags. * neuerfundenen zeichen
^' gesprochen werden. Das zeichen g ist das älteste, es bleibt im
nags., daneben beginnen daselbst die g, besonders vor dunkeln vocalen, auf-
zutreten. Die erklärung bietet sich von selbst, dass im altags. auch im
anlaut nur spirant herschte (man erwäge die ganz regelmässigen allitera-
tionen des g und j z. b. Beow. 2427. giogode : gütf oder v. 13. geon^
in geardum, pone god sende -^ die Schreibung ge {gi) die sich vorzugs-
weise für urspr. j, aber auch an andern stellen findet , könnte vielleicht
palatalen Spiranten bezeichnen im gegensatz zum einfachen g vor dun-
keln vocalen, was dann gutturaler spirant wäre). Als nun im neuags.
vor dunkeln vocalen g in den verschlusslaut überging, entlehnte man
das zeichen g, das man vielleicht aus dem romanischen als zeichen für
gutturalen tönenden verschlusslaut kennen lernte, das alte g aber blieb
in seiner altags. geltung (auch für urspr. j) bestehen. — Die sache be-
dürfte wol noch einer eingehenden philologischen Untersuchung. Auch
Koch (gr. I, s. 106 u. s. 132) lässt sich durch die deutsche transscrip-
tion des altags. verleiten zu sagen, im nags. trete statt g die erweichung
g ein. Vgl. auch Wülcker oben s. 234.
Digitized by
Google
ÜEBER DEN GRAMMATISCHEN WECHSEL. 515
gen germ. sprachen in r über und umgekehrt: alle im germa-
nischen aus s entstandenen r erfordern als Zwischenstufe tö-
nendes s (2), da r ein tönender laut ist. Als das wesentliche
des in den verbis kiosan, rtsan etc. vorliegenden lautwechsels
ist also der Vorgang anzusehen, dass der tonlose ßpirant s im
plur. perf. und pari perf. tönend wurde. Dass dieses tönende
s dann in r überging, war nur die . folge der erweichung.
— Im gotischen tritt an dieser stelle keine erweichung ein,
es heisst stets vesun^ nie vezun etc. Auch im altnord. ist das
s vorhersehend. Zwar geht r in vera ganz durch, aber bei
den andern hierher gehörigen Wörtern sind die formen mit s
teils allein, teils überwiegend im gebrauch. Dagegen ist in
den sogenannten westgermanischen sprachen die erweichung
des s das regelmässige, vgl. ags. ceösan, curon; freösarij fru-
ron, wesan wceron u. a. so wie die alts. wärun, kurun^ far-
loran.
Durch die germanische lautverschiebung kamen zu dem
alten tonlosen Spiranten s noch drei neue hinzu: h (spr. ==
hd. ch) aus k, p (spr. = engl, th) aus t und f (labiolabial
aus p. Diese neuen Spiranten zeigen nun im westgermani-
schen, eben so wie das alte s, die neigung sich in den betref-
fenden stellen der verbalflexion zu erweichen, aus dem tonlo-
sen Spiranten h wurde der tönende (7 bei Brücke), welcher
im allgemeinen durch das zeichen des lateinischen alfabets g
widergegeben wurde. Wir haben demnach im alts. (und ebenso
ags., jedoch wird hier stets g geschrieben) slögun {slahan), ihud-
gun {thuahän), tugun (tiohan); hlögun (hlahhan) ,-" Sigs, pigon (pi-
hart), tigon {ühan) altfränk. sägon (sehan), ebenso md. sägen
und geschägen {geschehen). In Niederdeutschland hat man hier
— wie überhaupt in allen fällen des inlautenden g — noch
heute durchweg den weichen Spiranten {gezogen nach nord-
deutscher ausspräche des hochdeutschen); in Oberdeutschland
dagegen war die weiche spirans durch weitergehende lautbe-
wegung zum verschlusslaut g geworden, und wir haben hier
nun allerdings in 'slahan - sluogun^ giwahan - girvuogun, drvahan -
dwuogun etc. einen Wechsel zwischen der spirans (späterem
blossen hauchlaut) h und dem verschlusslaut g (c), der sich
aber eben nur aus der vorhergehenden tönend -spirantischen
natur des g erklärt, indem sich urdeutsch slbyun zu slahan =
34*
Digitized by
Google
516 BRAUNE
tväzun*) zu wesan verhält und verschlusslaut g, resp. r, nur
weitere Veränderungen dieses erweichten Spiranten sind. —
Für das ahd. ist noch zu bemerken, dass bei den verbis auf
-ahan das g (c) auch in die 1. 3 pers. sing. perf. gedrungen
ist, der es •eigentlich nicht angehört: sluog, dwtcog, ginmog ;
aber regelmässig zöh v. ziuhan^ deh von dihan, seh von sihan.
Wie beim s, findet sich auch beim ä im got. in diesem
falle keine spur der erweichung, es heisst stets slöhun, taühun,
taihun; im nordischen dagegen tritt ebenfalls in diesen per-
fectformen der tönende spirant auf, während in den übrigen
formen der tonlose spirant schon zum blossen hauch geworden
und abgefallen ist, also slä - slögun, sleginn ; hlaeja - hldgun; pvä
- pvdgun.
Das indog. t wurdß im germanischen zur tonlosen Spi-
rans p. Schon im gemeingermanischen wurde diese in vielen
fällen inlautend zur tönenden spirans Ö erweicht, z. b. fa^ar,
mdbar, adj. frot^a- (vgl. lit prötas einsieht) = mhd. friiot
und viele andere. So erscheinen dieselben noch im altnordi-
schen und gotischen (denn das inlautende d ist im letzteren
höchstwahrscheinlich Ö zu sprechen); diese durch erweichung
aus p entstandenen inlautenden ö fielen so mit den aus indog.
aspirata dh entstandenen vollständig zusammen. In den west-
germanischen sprachen wurden diese beiden Ö in einer frühen
zeit zur media d verschoben. Hierdurch erklärt sich nun der
Wechsel des d und t im ahd. tverdan, quedan etc. Im urger-
manischen lauteten dieselben werpan - worpun, rvorpans ; quepari
- quäpun, quepans. Im gotischen, wo eben nirgends die den gram-
matischen Wechsel bedingenden erweichungen eintreten, haben
sie noch die unveränderte german. tonlose spirans: vairpan - vaür-
pun ; quipan - quäpun. Die erweichung tritt nur im westgerma-
nischen ein**). Es wurde in vorhistorischer zeit werpan-wur-
Öun, rvorban; quepan - quätfun, queöan. Auch dieser Vorgang
ist ganz gleich dem in tvesan - rväzun. Der neue spirant p wird
eben ganz wie der alte s behandelt. So wie letzterer im got
schon vielfach zu z erweicht, die zahl der got. z aber im west-
. •) z hier im gotischen sinne = roman. slav. z.
•*) Abgesehen natürlich vom nordischen, wo alle inlautenden p zu
tf erweicht wurden, weshalb ein Wechsel dort unmöglich war.
Digitized by
Google
UEBER DEN GRAMMATISCHEN WECHSEL. 517
germ. durch die z dieser perfectformen vermehrt worden war,
80 traten auch noch zu den. gemeingermanisch -gotischen er-
weichungen des p im westgerm. die Ö der perfecta hinzu. Zu
der zeit, als nun im westgerm. die inlautenden Ö sich zu d
verschoben und aus dem oben angeführten beispielen schon
gotischer erweichung ags. fäder, modor , fr od wurde, da ging
auch wurbun, qudbun in wurdun, quädun über und so heisst es
denn ags. weorban - wurdon, cweban - cwaedon, seobari-sudon, miban -
midqn, Itdan-lidon, vnban-vridon ; wobei noch zu bemerken ist,
dass das tonlose p der präsensformen, wie überhaupt alle
noch übrigen inlautenden p, im ags. zu Ö erweicht worden
ist, natürlich erst nach dem übergange der früheren & in d,
da es andernfalls zugleich mit diesen in d hätte übergehen
müssen.
Auch in der voralthochdeutschen zeit (d. h. vor eintritt
der speciell hochdeutschen lautwandlungen) muss es im ober-
deutschen (wie im ags.) werthan-Tvurdnn,wordan\ quethan- quä-
dun, quedan geheissen haben. Im oberdeutschen wurde nun d
zu t verschoben und es ergab sich werthan - wurtun,ivortan\
quedhan - qudtun, quetan. So ist das Verhältnis in den ältesten
oberdeutschen quellen. In den gl. K. haben wir die präesens-
formen qhuidit , quethanni, chuuethandi , aber das part. perf.
kikhuuetan. Nachdem dann auch die schon länger vorher
tönend gewordene spirans th in d übergegangen war, ergaben
sich nunmehr als endgültige hochd. formen: quedan- quätun,
quetan ; werdan - wurtun, fidan - litun, rmdan - mitun, snidan - snitun,
siodan-sutun,
Waren die erweichungen des s und h in den betr. verbal-
formen allen westgermanischen sprachen gemeinsam, so ist
der factische bestand in der dentalreihe etwas anders. Die
erscheinung erstreckt sich in derselben merkwürdigerweise
bloss auf das althochdeutsche und angelsächsische: im altnie-
derfränkischen der psalmen, im altsächsischen des Heliand und
im altfriesischen finden wir sie nicht. In den psalmen sind
belegt von werthan: 3. pl. p. uurthun (4 mal), Gonj.uurthi (68,
21); von lithan: 1. pl. p. Uthon (65, 12), farlithon (gl. Lips.
280); von quelhan\ 3. pl. p. qiiäthan (4 mal). Nach analogie
des angelsächsischen und hochdeutschen sollte man in diesen
formen d erwarten. Ebenso im Heliand; daselbst sind belegt
Digitized by
Google
518 BRAUNE
formen des perf. bez. part. p. von tithan, sntthan, mithan, que-
than, werthan. Diese zeigen immer th oder &, wenigstens im
Cotton., der Monacensis bietet daflir oft d, wie er überhaupt
fiir alle inlautenden & häufig schon das spätere d zeigt. Es
kann also eine form des Monac. uurdi keinen grammatischen
Wechsel beweisen, indem eben so gut der inf. uuerdan vor-
kommt*). Die übrigen schon gemeingermanischen er weichun-
gen des p in fatiar, mobar, /roöa- etc. sind regelrecht im alts
und altndrfr. zu d geworden und erleiden keinerlei Vermi-
schung mit dum (nunmehr durchweg erweichten) inlautenden
th, &. Diese letzteren gingen im mittelniederdeutschen und
mittelniederländischen ebenfalls in d über, wodurch dann die
zwei laute zusammenfielen. Hätte also auch das altnieder-
deutsche einen grammat. Wechsel bei den dentalen gekannt,
so würde er dadurch vernichtet worden sein.
Im altfriesischen ist belegt von snitha das part. esnithin,
gesnithin; von wertha pl. p. wurthoriy conj. wurthe , part. wiir-
ihm. Daneben kommen, sowol im praesens als in diesen per-
fectformen, schon häufig die jüngeren d statt th vor, ein gram-
matischer Wechsel aber lässt sich nicht erkennen.
Mitteldeutschland scheint sich in dem nichtvorhandensein
des grammatischen wechseis bei den dentalen zum niederd. zu
stellen. Die Leidener hs. des Williram, welche noch den alten
Spiranten th in an- und inlaut bewahrt, flectiert tverthan (20,
2 etc.), warth (24, 13), 3 pl. p. wurthan (24, 17. 36, 16. 43, 11),
part. worthan (11, 27 und noch 5 mal); quitho (65, 26), quath
(48, 19), plur. quäthan (72, 8). Dem entsprechend hat die
Breslauer hs. in den betr. formen immer d, nur einmal (36,
10) wurien, — Der Tatian, welcher ebenfalls aus dem mittle-
ren Deutschland stammt, zeigt nicht, wie nach seinem sonsti-
gen dentalstande zu erwarten wäre, rvurtun, quätun, sondern
stets nur tvurdun, quädun. Ja gerade bei diesen formen ist
der sonst seltene inlautende spirant belegt: einmal wurthun
und zweimal quälhun; es geht daraus zweifellos hervor, dass
im dialekt des Tatian an diesen stellen bis vor kurzem die
Spirans herschte. Das particip dagegen folgt der hochdeut-
*) Holtzmann schreibt in seiner altd. gramm. s. 171 falschlich auch
dem alts. grammatischen Wechsel zwischen th und d zu.
Digitized by
Google
UEBER DEN GRAMMATISCHEN WECHSEL. 519
sehen regel, es heisst giquetan, girvortan. Dazu noch die zwei
participia bimitan, Usnitan, zu denen wir sonach die perfecta
midun, snidun ansetzen müssen. — Isidor hingegen, welcher
das d nicht zu t verschob, zeigt dennoch den Wechsel durch-
aus. Er schreibt ausnahmslos wurdun, nmrdi, fchi-Jwordan;
part. p. quhedan (5 mal). In den praesensformen und sing,
perf. ist dh das liberwiegende, doch tritt daneben auch schon
häufig das spätere d auf, so z. b. haben wir 3 mal nebenein-
anderstehend uuardh uuordan und 3 mal uuard uuordan. Nach
dem vollständigen umsatz des dh in d muste also im dialekt
des Isidor der grammat. Wechsel der dentalen verloren gehen.
Auch Otfrid zeigt im allgemeinen den grammatischen Wechsel
wie im oberdeutschen, jedoch mit einzelnen abweichungen der
verschiedenen hss., sämmtliches hierhergehörige findet sich bei
Kelle Otfr. II, s. 27 fi". Bemerkenswert ist nur noch, dass sich
bei Otfrid auch findan der zahl der Wörter zugesellt, welche
grammat. Wechsel zeigen; in Oberdeutschland ist dies nur spu-
renweise der fall.
Wenn wir gesehen haben, dass das niederdeutsche den
grammatischen Wechsel bei den dentalen nicht hat, so muss
dies gegenüber der Übereinstimmung des ags. und ahd. be-
fremden. Es lässt sich allerdings vermuten, dass auch im nie-
derdeutschen die erweichung des /> in den betr. formen einge-
treten, aber im laufe der zeit durch die analogie der übrigen
formen wider verwischt worden sei, doch kann man eben nicht
über die Vermutung hinauskommen*). Freilich spricht das
eintreten der gleichen erweichung bei s und h sehr für die-
selbe. Ueberhaupt aber muss man das wol beachten, dass
dieser ganze lautwandel nicht auf einem streng durchgeführten
lautgesetz, sondern nur auf einer sehr ausgeprägten lautnei-
gung beruht. Zumal beim s zeigen sich durchgehende aus-
nahmen, besonders ahd. farwesan, welches nie r annimmt, ne-
san und lesan entziehen sich teilweise dem lautwandel, ebenso
wesan im partic.
•) Paul macht mich darauf aufmerksam, dass im alts. (Monac.) wol
im praesens fithan (finden) vorkommt, nie dagegen im perf. und partic.
andere formen als fundun, fundan. Das ist eine weitere stütze obiger
Vermutung.
Digitized by
Google
520 BRAUNE
In enger beziehung zum grammatischen Wechsel steht noch
eine andere erscheinung. Die erweichung der harten Spiran-
ten s, h, p tritt nÄmlich im westgerm. (abweichend vom goti-
schen) ausser in den perfectformen der starken verba auch in
den von diesen abgeleiteten verbis ein. Vom gotischen nismi,
nesum lautet das causat. nasjan, im hd. aber finden sich nä-
rum, nerjan, welche die erweichung nezum, nazjan voraus-
setzen. In gleicher weise entsprechen sich got. reisan, risum,
raisjan = ^hd. risan, rirum, rerjan; got lais, *.lisum, laisjan
== ahd. lerjan und Urnen; got. driusan, drusum, drausjan^=
ags. dreösan, druron, dreärjan, as. driosan, causat. ahd. fror-
Jan (Grflf. 5, 545); got. kiusan, ahd. kiosan, abgel. koron\ ahd.
friosan und frörjan, jesan und jerjan. Ferner abgeleitete
verba, die keine entsprechenden primitiven zur seite ha-
ben: got. vasjan, hausjan = ahd. werjan, horjan. Eine aus-
nähme bildet lausjan = ahd. lösjan, — Die gleiche erschei-
nung zeigt sich nun auch beim />. Im got. würde zu leipan^
lipum das causat. *laipjan gehören. Daraus im westgerm.
zunächst lipan, caus. laibjan und dann nach Verschiebung des
t5 in d: Üpan, lidum, laidjan; dem entsprechend im ags. Uban,
lidon (daneben libon), caus. laedan und ahd. lithan (daraus ß-
dan), litum, causat. leitjany leittan. Auch die niederdeutschen
sprachen, welche bei den starken verben auf p keinen gram-
mat. Wechsel zeigen, stimmen hier genau zum ags. und ahd. Es
heisst alts. liban, aber ledian, altndfränk. Üthan, aber leidan afiries.
leda. Ebenso hat der Leidener Williram Uthan (pati), aber
leidan (69, 17) und der Breslauer leiian. Ein weiteres beispiel
ist ahd. quethan (später quedan) und quetjan; ags. cvebmi und
cviddjan, alts. quedan und queddian,*) — Aehnliches findet
sich nun auch bei den stammen auf h, z. b. zeigon zu zihan,
got, würde das verbum wol *taihdn lauten; ahd. vrägen vom
stamme fr ah- in got. fraihnan ; auch ahd. ruogjan = got. vroh-
Jan lässt sich hierher ziehen, doch gebricht es an so schla-
genden beispielen wie bei den s- und /»-stammen.
Ausser s, h, p haben wir aber im urgermanischen noch
einen harten Spiranten: das aus indog. p hervorgegangene /*.
*) Dass die erweichung in den abgeleiteten verben auch im nieder-
deutschen eingetreten ist, dürfte ebenfalls fdr das ehemalige Vorhanden-
sein derselben auch in der verbalflexion des niederdeutschen sprechen.
Digitized by
Google
UEBER DEN GRAMMATISCHEN WECHSEL. 621
Dieses ist inlautend schon im gotischen zahlreich tönender
Spirant (geschr. b) geworden. Als tonloser besteht es in ein-
facher Stellung nach vokalen nur in hafjan, hiufan, hUfan, si-
fan, ufar, afar, Ibfa, Im nord., ags. und niederdeutschen ist
das aus indogermanischem p entstandene inlautende / durch-
aus tönender spirant {v) geworden und mit dem schon beste-
henden weichen Spiranten, welcher aus indog. aspirata hh her-
vorgegangen war, vollständig* zusammengefallen. Denn die
Schreibung f für diese beiden weichen Spiranten im altags.
und altn. muss man mit Paul zweifelsohne fttr mangelhafte
lautbezeichnung halten. Wir können sonach an dem labialen
Spiranten in diesen sprachen keine erscheinungen des gram-
mat. wechseis erwarten..
Etwas anders ist das Verhältnis im hach deutschen. Hier
erhielten sich etliche inlautende tonlose /; bei weitem die
meisten aber wurden (wie im niederd. alle) zu v erweicht
und fielen so mit dem schon bestehenden v (= indog. hJi) zu-
sammen. Durch einen speciell oberdeutschen verschiebungs-
act wurden diese beiden v zum verschlusslaut {b oder p ge-
schrieben). Das oberdeutsche ist die einzige germanische
spräche, in welcher indog. hh inlautend zum verschlusslaut
wurde: in allen andern blieb es tönender spirant. Ferner gilt
es sich klar zu machen, dass das lautverschiebungsschema des
/>, wie es seit Grimm aufgestellt wird (idg. p = got. f =
hochd. /) nur für den anlaut zutreffend ist. Für den inlaut
ist es nach der überzahl der fälle als /?=/*= & anzusetzen.*)
Es wird nicht überflüssig sein, wenn ich hier nach den lexi-
calischen arbeiten von Fick im 'vergleichenden Wörterbuch'
(W.) und in der 'ehemaligen Spracheinheit der Indogermanen
Europas', Göttingen 1873 (S.) diejenigen indog. werte oder
wurzeln mit inlautendem p zusammenstelle, welche im ahd.
eine entsprechung haben. Nicht mit aufgezählt werden die
fälle, in welchen indog. inlautendes p im german. unverscho-
ben bleibt und erst im hochd. verschoben Wird, was nicht ganz
*) Richtig betont schon Weinhold (al. gr. § 154) die entstehung der
hd. inlautenden h aus niederd. i?, er unterlässt es aber auf den zusam-
menfall des inlautenden indog: p und hh hinzuweisen und scheint sogar
in dem irrtume befangen zu sein, dass alle diese h auf indog. 'p ('griech.
tenuis') zurückgingen.
Digitized by
Google
522 BRAUNE
selten ist z. b. küpa, as. höp, hochd. häufe (W. 46. 512); kalp
(W. 39); Sharp (W. 205); arpa (W. 341). Ferner tibergehe
ich eine anzahl vergleichungen, die mir nicht richtig oder doch
unsicher scheinen, z. b. ahd. kerhan zu grap (W. 358), wo mir
die trennung von yga^co und grahan ungerechtfertigt erscheint;
ahd. kliohan zu glup (W. 358): hier muss doch wol indog.
hh angesetzt werden. Auch die zurückführung von salhön auf
sarp (W. 196) halte ich nicht für unzweifelhaft. — Ausgeführte
vcFgleichungen zu geben wäre öberflttssig, ich entledige mich
derselben durch den hin weis auf Fick:
1) apa got. af, ahd. aba, ab (W. 9). — 2) ap, germ. af- (in got
aba, ags. äfhan, afor validus) ahd. uoban (W. 10). — 3) üp in scr.
upara, got. ufar, ahd. ubar, obaro (W. 25). — 4) kup (in lit. kup-
stas hügel) mhd. hübel (vgl. W. 45), — 5) dap (teilen) ahd. zebar
(W. 92). — 6) lip, in ahd. be-liban (W. 169. 394. 540). — 7) rup
(brechen) ags. reöfan, an. rjüfa, ahd. roup, roubön (W. 173). —
8) vip (zittern), an. veifa, ahd. weibön (W. 190). — 9) scr. saptan,
ahd. sibun (W. 194). — 10) skaupa (bttschel), ags. sceaf, ahd. scoub
(W. 208). — 11) stap an. stafr, ahd. stab (W.212). — 12) stup, ahd.
stobaron (W. 214). — 13) svap (schlafen), an sofa, ahd. ant-sebjan
(W. 219). — 14) apina, ahd. eban (W. 340). — 15) apra, ags. eofur,
ahd. ebur (W. 340. 509). — 16) kapat, got. haubi)?, ahd. houbet (W.
340). — 17) karp, ags. hearfest, ahd.. herbest (W. 348). — 18) tarp,
ahd. derb (W. 364). — 19) räpä, ahd. ruoba nhd. rUbe (W. 388, S.
358). 20) skap, ahd. scaban (W. 405). — 21) skalpa (wölbung)
ahd. walbßn (W. 408). — 22) klaipa, got. hlaifs, ahd. leib (W. 515).
— 23) lapa (blatt), ahd. loub (W. 539, S. 363). — 24) rip, an. rifa,
ahd. rtban (S. 359).
Von Wörtern, die im ahd. unveränderliches f haben, lassen
sich indogermanischem /?= germ./ nur folgende sicher vergleichen:
25) kapa, an. höfr, ahd. huof (W. 32). — 26) karp (lat. corpus),
ags. hrif, ahd. href (W. 38). - 27) napa, ags. nefa, ahd. nefo (W.
109). — 28) rap (bedecken), ahd. rafo (W. 388). — 29) apalas (kraft),
ahd. afalön (S. 297); vgl. jedoch dazu no. 1. — Nhd. kiefer und
steif zu gapra (W. 58) und stipra (W. 410) sind im ahd. nicht nach-
gewiesen.*)
Neben erhaltenem / findet sich auch b in folgenden ety-
mologisch klaren stammen:
30) kap (in gi\ x^noq), ahd. hof und huoba (W. 347). — 31) skarp, got
*) Hierher gehören auch strenggenommen noch hochd. wolf und -Uf
(in elf zwölf), welche indogerman. tenuis, aber nicht einem />, sondern
k entsprechen. Im got. ist f in -Uf bekanntlich erweicht.
Digitized by
Google
ÜEBER DEN GRAMMATISCHEN WECHSEL. 523
hvairban, ahd. hwerfan, daneben und später werban, hwarbön, warba
(W. 407). — 32) aap ahd. ensebida, insuop , dazu angesetztes prae-
sens intseffan (W. 402. S. 373). — 33) kap (lat capio), got. hafjan,
ahd. heffan, abgeleitet haben.
Von 33 fällen also nur in 5 kann ahd. inlautendem / ein
germ. / = indog. j» verglichen werden. Für andere fehlen
sichere vergleichungen. Ein indog. p kann man z. b. voraus-
setzen flir das /.in ahd. durfan, welches im got. abweichend
vom hd. erweicht ist, auch ahd. findet sich die erweichung im
abgeleiteten darben, sowie in bidarbi, Aehnlich ahd. hiufan,
hiuban = got. hiufan. Doch würden natürlich mit der zu-
nähme der vergleichungen auch die ahd. b = indog. p in glei-
chem masse steigen.
Bei den starken verben unter no. 6. 20. 24. würden wir
grammat. Wechsel erwarten können, wenn nicht die erweichung
des f im hd. schon früh auch das praesens ergriffen hätte.
Auch bei hwerfan, hwerban ist ein grammatischer Wechsel nicht
zu constatieren, das wort scheint durch alle formen entweder
f oder b zu haben (z. b. chiuurfi, chiuuoruan Is.). Später trat
dann in den meisten oberdeutschen gegenden bei diesem und
ähnlichen werten durchweg b ein, am längsten und zum teil
bis auf den heutigen tag*) erhielt sich f in bairischen dialec-
ten; so haben wir in der Vorauer hs. regelmässig wervm, wer-
fen u. a. — Grammatischer Wechsel zeigt sich aber bei heffan..
Die durchaus regelmässige flexion im ahd. ist heffayi {hefan,
hevan), huob, huobum, gihaban (erst bei Notk. findet sich auch
das partic. mit v: erhaven). Hierzukommt no^ih: intseffan ; das
praesens ist zwar nicht belegt, darf aber mit Sicherheit so an-
gesetzt werden. Davon perf. svab, suabun, conj. suabi bei Ot- '
frid, in anderen ahd. quellen kommt das wort nicht vor. In
diesen beiden werten ging also die erweichung des / und die
daraus folgende hochd. Wandlung in b nur im perf. vor sich;
dass auch der sing, b zeigt statt des zu erwartenden f, ver-
gleicht sich dem oben besprochenen sluog, sluoc. Hefen, heven
blieb in einzelnen oberd. dialekten noch lange bestehen; in
den meisten aber war schon zur mhd. zeit das b — unzwei-
felhaft durch die analogie des perf. — auch in das praesens
•) Vgl. hierüber Weinholi, bair. gr. 132c, 133% 134,
Digitized by
Google
524 BRAUNE
gedrungen; ebenso ist in der mhd. periode; nur enisehm als
praesens gebräuchlich. — Wie die andern erscheinungen des
grammatischen wechseis, so teilt das got. auch diese nicht, es
zeigt den harten Spiranten im ganzen verbüm hafjan, hof, ho-
fum, hafans. Im abgeleiteteten verbum haban hat es dagegen
schon erweichung.
Durch die den westgermanischen sprachen gemeinsame
erweichung der harten Spiranten s, h, p, f an gewissen stellen
des verbums ist also die schon von Paul betonte gleiche be-
handlung der drei neuen harten Spiranten mit dem alten s des
weiteren sichergestellt*). Wir können daher ganz unzweifelhaft
den lautwandel der indog. tenues dahin bestimmen, dass diesel-
^ ben im urgermanischen zunächst zu h, p, f und daraus inlau-
tend in vielen fällen zu /^ &^ r wurden, welche letzteren in
den altniederdeutschen sprachen vorliegen, nur dass das ä in
denselben bereits zu d weitergegangen ist. Dieses d geht nun
im hochdeutschen in t tiber, jene 7 und v aber in die ver-
schlusslaute g und h. Wir haben sonach als einen speciell
hochdeutschen verschiebungsact die Verwandlung der inlauten-
den Spiranten 7, t; in die verschlusslaute g, b zu bezeichnen.
Nun besteht aber die masse der hochd. inlautenden g und b
nur zur einen hälfte aus solchen, welche durch erweichung
aus urgerm. harten Spiranten und indog. tenuis hervorgegangen
sein müssen, die andere hälfte entspricht der indog. aspirata
gh und bh. Seit Grimm hielt man dafür, dass diese durchaus
im germ. zu g und b verschoben seien. In allen übrigen germ.
sprachen treten uns nun dafür inlautend die tönenden Spiran-
ten 7 und V entgegen und zwar am unleugbarsten durch die
Schreibung bezeichnet der labiale spirant v. Nehmen wir die-
sen also als beispiel, so ist gewis die von Paul gegebene er-
klärung die natürlichere, dass indog. bh inlautend in den vor-
liegenden germ. sprachen nur bis zur tönenden spirans ver-
•) Betreffs der allen germ. sprachen gemeinsamen erweichungen
sei hier nur nochmals an die neigung erinnert, der zufolge dieselben in
wortbildungs - und flexionssuffixeu einzutreten pflegen {s zu z z. b. im
comparativsuffix iza, in blidaizos, hwazuh und dem entsprechend in den
übrigen sprachen .r; /> zu got. d (phonet. = Ö) ungemein häufig, z. b.
im partic. (nasi-)da- aus indog. tas ; A zu ^ in dem adjectivsuffix -ga-
= gr. -x6- z. b. mahteigs). ^
Digitized
edby Google
UEBER DEN GRAMMATISCHEN WECHSEL. 525
schoben, als solche mit der aus tonloser erweichten (idg. te-
nuis enssprechenden) tönenden spirans v zusammengefallen
und nun allein im hochdeutschen in den verschlusslaut über-
gegangen sei, was um so wahrscheinlicher ist, da für die eine
hälfte der hd. inlautenden b eine andere erklärung gar nicht
möglich ist. Es ist daher anzunehmen, dass nicht bloss in
entsprechung des indog. p, sondern auch des indog. bh die
niederdeutsche stufe v älter als die hochdeutsche b ist.
Wir können den beweis noch wesentlich verstärken durch
einen weiteren vergleich mit dem niederdeutschen. Die ge-
wöhnliche regel lautet bekanntlich, dass sich im niederdeut-
schen (ags.) die alte media b nur im anlaute, sowie im inlaute
nach m und in der gemination bb erhalten habe, in allen übri-
gen fällen sei sie in v, f übergegangen. Paul hat dies dahin
umgekehrt, dass nur im anlaut, nach m und in Verdoppelung
das ursprünglichere v in den niederdeutschen sprachen in b
übergegangen sei. Dasselbe Verhältnis finden wir nun " im
hochdeutschen reflectiert. Dass im althochdeutschen anlauten-
des p inlautendem b gegenüber bei weitem das überwiegende
ist, hat Weinhold richtig durch die vergleichung des nieder-
deutschen erklärt, wo anlautendes b inlautendem v gegenüber-
steht*). Nicht minder aber erklärt sich der umstand, dass
auch in solchen denkmälern, welche inlautend nur b zeigen,
dennoch in Verdoppelung pp zu stehen pflegt, daraus, dass
auch hier niederdeutsche gemination bb gegenüber dem ein-
fachen V (b) weitergeführt ist. So haben wir ahd. luppi (ve-
nenum) = got. lubja-, ags. unlybbe; sippi, sippa (Is. sipbea)
alts. sV)bia, fries. sibbe; stuppi, got. stubjm; insrveppan, ags.
srvebban] rippi, altfries. rib, gen. ribbis, ags. ribb; weppi, alts.
godU'Tvebbi; uppi, uppic, welches zu dem in oben und über ver-
tretenen stamme üb- gehört.
Die gemination vor nachfolgendem J, aus der die obigen
beispiele hervorgegangen sind, ist eine eigentümlichkeit der
westgerm. sprachen; das gotische kennt sie nicht, eben so we-
nig das nordische: sifjar, rif, gut5vefr etc. stehen daselbst den
obigen beispielen gegenüber. Zur erklärung des pp im hochdeut-
*) Vgl. auch Paul, s. 172.
Digitized by
Google
526 BRAUNE
sehen gibt es nur den weg, dass, wie im niederdeutschen, so
auch in der voralthochdeutschen periode im oberdeutschen der
geminierte spirant w zuerst in den verschlusslaut bb überge-
gangen, dadurch dem in der einfachen Stellung noch verhar-
renden V um eine stufe vorausgekommen ist und diesen vor-
sprung auch nach der Verschiebung des einfachen v durch
ebenfalls weitere Verschiebung behauptet hat Kurz: der laut-
stand im oberdeutschen muss in bezug auf b und v einmal
genau derselbe gewesen sein, wie er uns im alts. und ags.
vorliegt Dass sich im althochdeutschen mb nicht wesentlich
von den übrigen inlautenden b abhebt, hat seinen grund in
der doppelconsonanz: das tönende m konnte ^ festhalten; dass
aber auch im oberdeutschen nach m das v früher verschluss-
laut wurde, kann nicht zweifelhaft sein. Zu erwähnen ist
noch, dass nach langen vocalen, wo in den altniederd. spra-
chen keine schärfung des v eintritt (z. b. gilövian beichte , ags.
gel^fan) auch im hochdeutschen im allgemeinen die entspre-
chende erscheinung fehlt (vgl. Holtzmann s. 303); ausnahms-
weise tritt sie auf bei K., der sonst inlautend immer b schreibt;
z. b. Hppanti, libbe, erlauppe, erlaubpan, auch in der Exhort
A: galauppenne.
Die gleiche erscheinung haben wir auch bei den guttura-
len. Die ahd. beispiele findet man zusammengestellt bei Holtz-
mann s. 272 unter gg. Auch im mhd., bez. nhd. heisst es noch
ämcke von weg, rücke, brücke, henken zu hangen, klenken zu
klingen u. a.. Dadurch und durch die analogen Verhältnisse
der labialen wird wahrscheinlich gemacht, dass ursprünglich
alle inlautenden g Spiranten waren, dass aber in der gemina-
tion der verschlusslaut eher eintrat (wie dies für das ags. durch
die Schreibung c^ sicher gestellt wird), und dass auch nach
eintritt der hochdeutschen lautwandlungen die gemination des
urspr. Spiranten 7 den so gewonnenen vorsprung behauptete.
Die gegenprobe für die richtigkeit dieser Schlüsse bietet
uns nun die dentalreihe. Hier wissen wir sicher, dass schon
im westgermanischen die urgermanischen inlautenden Ö zum ver-
schlusslaut d geworden waren (z. b. in mödar, f^aw=nhd. reiten).
Die gemination durch y, welche die Spiranten in verschluss-
laute zu verwandeln geneigt war, konnte hier also diese Wir-
kung nicht ausüben und wir finden daher hier im hochdeut-
Digitized by
Google
ALTSLOV. FREISINGER DENKMAELER. 527
sehen keinen vorsprung der Verschiebung; es heisst mhd. bette,
dritte, ebenso wie muoterj riten.
Ich hoflfe, durch die vorstehenden bemerkungen einige wei-
tere beweise für die richtigkeit der von Paul aufgestellten
lautverschiebungstheorie beigebracht zu haben, insofern sich
unter annähme derselben einzelne erscheinungen erklären Hessen,
die nach der theorie Grimms keine befriedigende erklärung
finden konnten.
LEIPZIG, nov. 1873. W. BRAUNE.
DIE ALTSLO VENISCHEN FREISINGER
DENKMAELER IN IHREM VERHAELTNISSE
ZUR ALTHOCHDEUTSCHEN
ORTHOGRAPHIE.
Die Münchner bibliothek besitzt eine Miscellanhs. aus Frei-
sing (cod. Fris. 226), worin sich 3 kirchliche formein in alt-
slovenischer spräche befinden. Herausgegeben sind dieselben
mehrmals, am besten von Kopitar (Glagolita Clozianus, Wien
1836 p. XXXIII flf.): 'Specimen dialecti Carantanicae^ sec. X. '
Für die slavische Sprachwissenschaft sind diese denkmäler von
hoher Wichtigkeit, indem sie zeigen, dass schon in so früher
zeit (2. hälfte des 10. Jahrhunderts) das altslovenische die
keime des heutigen slovenisch in sich trägt und von der alt-
bulgarischen kirchensprache deutlich geschieden war. Sie ha-
ben auch noch eine andere bedeutung. Ohne zweifei in Frei-
sing geschrieben*), sind sie nicht im griechisch -cyrillischen,
sondern im lateinischen aiphabet abgefasst, welches allerdings
zur aufzeichnung slavischer tejte äusserst ungenügend war.
Als ich zum ersten male unter Leskiens anleitung diese denk-
mäler las, machte dieser auf verschiedene absonderlichkeiten
der Orthographie aufmerksam und vermutete, dass dieselben
aus dem deutschen ihre erklärung finden möchten**). Die
*) Kopitar vermutet, die hs. sei geschrieben vom bischof Abraham
von Freising (957 — 994), der ein Slovene aus Kämthen war.
**) Aehnlich auch schon Kopitar p. XLII.
Digitized by
Google
528 BRAUNE
richtigkeit dieser Vermutung war mir sofort klar; es liegt ja
auch so nahe, dass der oder die Verfasser, mit der damals für
das ahd. üblichen Orthographie vertraut, deutsche lautj>s>!zeich-
nungen auf das slavische anzuwenden suchten. Wenn nun
auch durch diese denkmäler gerade keine neuen gesichtspunkte
fllr die ahd, lautlehre gewonnen werden, so bestätigen sie doch
bereits anderweitig erschlossenes und es schien mir deshalb
wol der mühe wert, diese punkte einmal in kürze zu bespre-
chen. Zunächst veranlasst, dies schon jetzt zu tun wurde ich
durch eine benutzung dieser denkmäler zu einer beweisfüh-
rung, die bloss durch die oberflächlichste bekanntschaft mit
denselben erklärlich ist. Scherer sagt nämlich in seiner in
der zeitschr. für östr. gymn. 1873 s. 282 ff. veröffeiitlichten re-
cension von Hahns ahd. grammatik auf s. 291: „Auch was
der unterschied zwischen s und z bedeute und wie sich letz-
teres zum s verhalte, wird nicht gesagt. Darüber kann man
denn freilich auch bei andern leuten oft die wunderlichsten
Vorstellungen treffen. Hat doch neulich jemand*) behauptet,'
sb neben sp und sg neben sk beweise, dass b und p tenues
seien, denn das tonlose s werde niemals tönend**). Umge-
kehrt, das s ist im ahd. so sehr tönend, dass es selbst in den
alten gruppen sp, sk, st (denn auch hierfür kommt sd***) vor)
die tenuis sich assimiliert und in dem Sprachgefühl gewisser
•) Scherer scheint es für seine pflicht zu halten, Lachmann und
Müilenhoff in der weise zu folgen, wie dieselben einen unbeque-
men gegner gelegentlich ohne namensnennung mit einer verächtlichen
Seitenbemerkung abfertigen. Gemeint ist hier Paul, Gab es eine mhd.
Schriftsprache s. 25.
'**) Um dem misverständnisse , dem Seh. verfallen ist, zu steuern,
sei hier bemerkt, dass an jener stelle die bemerkung, s werde niemals
tönend, dem zusammenhange nach nur auf die Verbindungen sp, sk be-
zogen werden kann. Dass s überhaupt nicht tönend werde, wird nie-
mand behaupten, aber für die Verbindungen sp, st, sk ist Scherer wol
bis jetzt noch die beispiele mit tönendem s (resp. s) aus deutschen dia-
lecten schuldig geblieben und darf deshalb niemand für wunderlich hal-
ten, der seine ansieht darüber nicht teilt.
***) z. b. kidursdlihho gl. K. 178. Danü ist aber gewis auch nach
Scherers ansieht in urisemfdi, ehdic gl. K. 164, unrehcd 174, zuhdid 176,
rehd und unrehd Is. XIII, b. 4. 5 das / und h so sehr tönend, dass es
das t zur media gemacht hat.
Digitized by
Google
ALTSLOV. FEEISINGER DENKMAELER. 629
Schreiber zur media gemacht hat Wenn $ nicht tönend war,
wie in aller weit konnte es denn von z unterschieden wer-
den^ Oder hatte das z vielleicht noch eine spur des t in
sich, sprach man watssar; obgleich nicht opffan, obgleich nicht
brekchan? Und wann verschwand ein solches t? Und woher
rühi-t die gelegentliche Vermischung von z und s im auslaut?
Wenn jemand d;e altkarantanischen Monumenta Frisingensia
genauer darauf hin unt.ersuchen wollte, in denen slavisch durch
lateinische schritt wiedergegeben ist, so würde er, glaube ich,
finden, dass in der regel z dem tonlosen, s dem tönenden laut
entspricht."
Scherer hat die meines erachtens unbegründete ansieht
aufgestellt, dass im ahd. s stets tönend sei und sich nur da-
durch vom z unterscheide; später sei dann s tonlos geworden
und mit z zusammengefallen. Den von Paul (diese beitn s.
168 anm.) dagegen beigebrachten gründen füge ich noch die
graphische erwägung hinzu, dass im spätmhd. nicht etwa,
wie man nach Scherers annähme erwarten müste, dass s durch
z verdrängt wird, sondern umgekehrt, z geht zumeist in s über;
z war? also bei diesem vorgange der laut, welcher* seine ur-
sprüngliche beschafifenheit aufgab, es wäre de^ach in conse-
quenz von Scherers auflfässung tönend geworden, was zu be-
haupten wol niemandem einfallen dürfte. Es wird sich aller-
dings nicht leicht ausmachen lassen, ob nicht im ahd. schon
einige inlautende s tönend geworden seien, jedenfalls aber
machte man in der Schreibung — gerade wie noch heute —
keinen unterschied zwischen tönenden und tonlosen dentalen
Spiranten. Das wird auf das schlagendste durch die Freis.
denkmäler illustriert. Das slavische hat vier Spiranten der
dentalreihe, s und z als eigentlich dentale, s und z als cacu-
minale Spiranten, die nach tönender oder nicht tönender be-
schafifenheit streng geschieden sind. Die Verfasser der Freis.
denkmäler bezeichnen — unter gänzlicher nichtachtung
des Stimmtons — beide dentale Spiranten durch z, beide
cacuminale durch s. Andere bezeichnungen sind nur ausnähme.
Das, tönende sl. z kommt 43 mal vor, es wird in 40 fällen
dnrch z, einmal durch zz (II, 110), einmal durch sz (II, 22),
einmal durch s (III, 70) widergegeben. — Slav. s findet sich
in I 72 mal und wird 70 mal durch z, 2 mal durch s ausge-
Beiträge zur getchichte der deatschen tpraohe I. 35
Digitized by
Google
530 BRAUNE
drückt. In III ist die zahl der s 70 (64 mal z, 6 mal s). In
II dagegen, welches offenbar von einem andern Verfasser, als
I und in herrührt, sind von den 93 s nur 59 durch z, 2 durch
sz, 3 durch zs, 2 durch zc , 3 durch zz bezeichnet; in den
übrigen 24 fällen steht s, von diesen lassen sich nur 5 den
ausnahmsweisen s der beiden andern stücke vergleichen, 19
stehen in der Verbindung st, in welcher dieser Schreiber s meist
durch s, nicht durch z bezeichnet. Es kann demnach die re-
gelmässige lautbezeichnung keinem zweifei unterliegen, wonach
also z. b. altbulg. visemU zulodeJemU (1, 28) vzem zlodeiemge^GiiYieben
wird. — s dagegen bezeichnet die beiden cacuminalen Spiranten.
Slav. s (unser seh) kommt 38 mal vor und wird 31 mal duich
einfaches s, 6 mal durch ss (davon 5 fälle in II) und einmal
durch z (II 58) widergegeben. — Slav. i (franz. ;) findet sich
101 mal, und ist 97 mal s geschrieben, 4 mal z (II 53. 97.
III 41. 75). Es wird also z. b. I 23 das altbulg. i mmisiichu
jeze jesnvt sUtvorilU geschrieben: i minsih ese iezem ztvoril.
Wir können aus diesen Verhältnissen mit Sicherheit schlie-
ssen 1) dass der unterschied zwischen s und z in der ahd.
zeit sicher nicht auf tönender oder tonloser beschaflfenheit be-
ruhte und 2) dass dieser unterschied ein unterschied der arti-
culationsstelle war. Dass dagegen das ahd. s genau die ca-
cuminale articulation unseres heutigen seh gehabt habe, darf
man nicht daraus schliessen wollen, sondern nur, dass die ar-
ticulationsstelle des ahd. z mehr nach vom an den zahnen,
die des s etwas weiter nach oben und so den slav. cacumi-
nalen lauten verhältnismässig am nächsten lag,- weshalb aus
ermangelung eines andern sein zeichen zur bezeichnung dieser
laute verwant wurde. Zugleich wird hierdurch bestätigt, dass
die im 10. jahrh. und noch früher im ahd. schon auftretende
Schreibung seh eben nur den doppellaut s+ch bezeichnet, da
andernfalls der Freisinger Schreiber gewis diese Schreibung,
adoptiert haben würde, wie dies auch die slav. sprachen tun,
die in späterer zeit mit deutscher Orthographie schrieben.
Das slavische hat aber auch zwei hierhergehörige aflfri-
caten; die cacuminale c (tsch) und die dentale e {ts = nhd.
z). Die dentale e kommt in unsern denkmälern 15 mal vor.
Hier standen zwei zeichen zur Verfügung, c vor e und i und
z in seiner andern geltung im ahd. Beide Schreibweisen wer-
Digitized by
Google
ALTSLO V. , FREISINGER DENKMAELER. 53 1
den angewant und zwar 4 mal c vor e und i (I, 4. IL 17. 28.
35) während c vor a, o, ü wie im ahd. mit k als bezeichnung
der gutturalen tenuis wechselt; 11 mal wird z geschrieben,
vor dunkeln vocalen stets, aber auch vor hellen. Gerade der
umstand, dass der Schreiber z in seiner doppelten ahd. an-
Wendung, als dentale aflfricata und dentalen Spiranten kennt,
dtirfte hauptsächlich mit einen beweis fiir die zulässigkeit der
vergleichung dieser denkmäler mit der ahd. Schreibung bilden.
z in beiderlei geltung haben wir in werten wie zridze III. 64.
(= abulg. sriä/ice herz); zinzi IL 83. 109 (= abulg. syrüici
filioli), das letztere wort auch zinci geschrieben IL 28.
Grosse Schwierigkeiten machte die afFricata c^ hierfür gab
es im deutschen kein einigermassen entsprechendes zeichen;
der laut kommt im ganzen 36 mal vor. Am meisten schwankt
II, wo sich die 20 c so verteilen: 7 5, 6 z, 2 cc, 2 ts, 1 tz,
\ CS, 1 mal nebeneinanderstehendes cz durch zc (26). In I
und III stehen 9 ^, 2 es, d c, 1 z, 1 eh. Man sieht, am häu-
figsten (16 mal) wurde das zeichen der homogenen spirans (s)
angewendet, daneben aber auch das zeichen der andern afFri-
cata z oder c (10 mal) und consonantenverbindungen, in deren
wähl man aber sehr schwankte.
Wir wissen genau, dass zur ahd. zeit h im anlaut schon
den blossen hauch bezeichnete (es steht sogar oft fälschlich
vor vokalisch anlautenden werten); im auslaut aber war es
gutturale spirans (z. b. sprah), während im inlaute früher hh,
später (also zur zeit unserer denkmäler) ch gesetzt wurde.
Diese ahd. geltung des h setzen die freis. denkmäler voraus.
Das slav. x ist an allen stellen des wortes tonloser gutturaler
Spirant, es wird im auslaut fast stets durch h widergegeben,
z. b. I. 8. uzeh nioih greh (omnium meorum peccatorum); sel-
ten kommt ch im auslaut vor, welches im inlaut regel ist. Im
anlaut, wo eben ahd. h nicht zu brauchen war, steht aus-
nahmslos cÄ (z. b. choku = ab. chostq volo).
Ferner in fibereinstimmung mit der ahd. bezeichnung ist
die des slav. v. Bekanntlich ist ja die indogermanische aus-
spräche desselben halbvokalisch, d. h. es beginnt mit u und
geht in v über, wie noch heute das engl. w. Diesen laut be-
zeichnete man im ahd. passend durch doppeltes m. In unsern
denkmälern nun wird ganz regelmässig v im anlaut vor und
35*
Digitized by
Google
532 BRAUNE
im inlaut zwischen vocalen durch uu, {uv, vu) gegeben, z. b.
I. 31. vueru (= ab. verq, fidem) und sivuot (= ab. zivotU vita).
So findet es sich in I 34 mal und nur 4 mal einfaches u {v)*).
In dieser Stellung hatte das v also sicher noch halbvocalische
geltung. — Einfaches u steht jedoch stets im auslaut, z. b.
grechou (würde buchstäblich ins altbulg. übertragen grechovü
heissen statt des daselbst gewöhnlichen grSchU peccatorum).
Im auslaut kanü sich der halbvocal nicht halten, deshalb ist
im sloven., wie im ahd. seu etc., der spirantische teil abge-
fallen und einfaches u zurückgeblieben; in andern slav. spra-
chen, z. b. im russ. schwand der vocalische teil und es ent-
stand reiner spirant, der sich sogar zu / verhärtete. — Durch
den ausfall im ab. noch vorhandener schwacher vocale ist v
in den slaw. sprachen zahlreich vor consonanten zu stehen ge-
kommen (die alte Verbindung t;+con8. ist im vergleich damit
selten); in diesem falle steht stets einfaches w (18 mal in I)
z. b. vzovues I, 32 (= ab. vUzovesi vocabis). Die vocal-conso-
nantische ausspräche war vor consonanten weit mehr gefähr-
det, als vor vocalen; in den germanischen sprachen hat das
m vor consonanten im allgemeinen die neigung zu schwinden,
in den slav. sprachen wird es reiner labialer spirant und
bleibt daher. Aus der Schreibung unserer denkmäler geht
also hervor, dass das w vor cons. im damaligen slo venisch
sich nach dieser seite hin von dem vor vocalen differenziert
hatte. — Endlich steht einfaches u auch nach consonanten
(17 mal in I und einmal uu), z. b. zuetemu (dat. von ab. sv^tU
sanctus), tuoril (part. perf. von ab. tvorifi facere). Auch diese
eigentümlichkeit finden wir im ahd. und altsächs. wider (für
das ahd. vgl. z. b. die mit stv tw anlautenden werte bei GraflF).
In der bezeichnung 'des andern vocal-consonanten j diflFe-
riert II merkwürdig von I und III. In letzteren wird es im
anlaut und inlautend zwischen vocalen ausnahmslos durch i
dargestellt, wogegen in II anlautend 16 mal g, 4 mal i, in-
lautend zwischen vocalen 9 mal g, 11 mal i steht, also z. b.
gezm (66) == ab. jesmi^ hosige (10) = ab. hozij^. Das beweist
erstens, dass im slo venischen j damals schon anfing seinen
*) Da in der bezeichnung des v alle 3 stücke übereinstimmen, gebe
ich die zahlen nur aus I.
Digitized by
Google
ALTSLOV. FREISINGER DENKMAELER. 533
vocalischen teil aufzugeben und zum blossen tönenden palata-
len Spiranten zu werden und zweitens, dass im ahd. g ausser
verschiedenen anderen bedeutungen auch flir diesen Spiranten
in gebrauch war, was wir allerdings schon vorher aus formen
wie herige, gihu u. a. schliessen konnten. ^
Nach consonanten ist in den slav. sprachen bekanntlich
das Schicksal des j das, dass es seinen vokalischen teil ganz
aufgibt und als spirant sich eng an den vorhergehenden con-
sonanten anschliesst, ihn mouilliert, bez. mit ihm im verfolg
in einen dritten laut übergeht. Wir können hier nicht diese
die slav. grammatik näher angehenden fragen erörtern, es
ist jedoch wahrscheinlihh, dass die Verbindungen cons,+y schon
in unseren denkmälem derartig enge waren; als sicher lässt
sich das von nj behaupten, in welcher Verbindung in I allein
j durch g widergegeben wird: pongese (I, 12) = ab. ponjeze,
pomngu (I, 13 zweimal) = ab. pomnjc^ In III steht 2 mal
flir nj ein geschwänztes n (29. 35), gewöhnliches n (III, 41);
ni (64); — in 11 steht blosses n 4 mal, ng 2 mal (23. 104).
Auf die mouillierung durch den hellen vocal e lässt schliessen
die Schreibung zcepasgenige (IL 39) =^ab. süpasenije (salus).
Es erhellt, dass die deutschen Schreiber bemüht waren die
mouillierung zu bezeichnen; sollten sie, wenn im ahd. damals
consonantenmouillierung vorhanden gewesen wäre, nicht auch
danach gesti-ebt haben?
Noch ein punkt endlich kommt fllr die ahd. lautlehre in
betracht: der Schreiber von II (nicht auch der von III, wie
Kopitar p. XLII irrtümlich behauptet) setzt statt des slav. p
oft b; und zwar sind von den 54 vorhandenen fällen der la-
bialtenuis 36 durch p, 18 durch b bezeichnet. Es ist wol zu
beachten, dass 17 von diesen im anlaute stehen, z. b. na-
boiachu 46 (imperf. von ab. poiti, tränken), während 38 pigem
(= ab. pijemü, von derselben wurzel) geschrieben ist. 103 bac
(= ab. pakü), öfter in der praepos. po, z. b. botomu (17. 35),
während potomu 109 u. ö. Die form briplisaze 58 (=ab.j9n-
blizctsf) ist doppelt merkwürdig, indem hier ausnahmsweise,
auch das anlautende b mit p vertauscht ist. Der einzige fall,
wo inlautendes p durch b gegeben wird, ist gozbod 89 (ab.
gospodi dominus), während sonst, z. b. 61 gozpodi geschrieben
ist. Die slavischen tenues sind bekanntlich als solche scharf
Digitized by
Google
534 BRAUNE
ausgeprägt, es hat demnach der Schreiber von II b im an-
laut und nach s für tauglich befunden, die tenuis zu vertre-
ten. Genau dasselbe finden wir im ahd., und wir werden nun,
wenn hier und da sbrah statt sprah u. dgl. vorkommt, nicht
mehr mit Scherer glauben, dass das tönende laute seien. Es
bestätigt sich im gegenteil hier die von Paul an dem von
Scherer citierten orte aufgestellte ansieht.
LEIPZIG. W. BRAUNE.
Digitized by
Google
ZUM LEBEN HARTMANNS VON AUE.
Es ist bekannt, wie das eine der kreuzlieder Hartmanns
(MSF. s. 218. Bechs ausgäbe II, 3) von Bech für unecht er-
klärt ist. In seiner neuen aufläge der werke Hartmanns hat
derselbe zwar einen teil der früher geäusserten bedenken zu
gunsten einer andern erklärung aufgegeben. Trotzdem bleibt
ihm das Lied sehr verdächtig erstens, weil darin Franken als
aufenthaltsort des dichters genannt wird, und zweitens, weil
die hier gegebene Zeitbestimmung in Widerspruch steht mit der
von ihm aufgestellten ansieht, dass Hartmann den kreuzzug
von 1190 mitgemacht habe. Bech hat es allerdings in hohem
grade wahrscheinlich gemacht, dass im Erec auf den über-
standenen kreuzzug angespielt wird. Fällt aber der kreuzzug
vor den Erec, so kann es nach den sonstigen chronologischen
Verhältnissen kein anderer gewesen sein als der von 1190.
Dazu kommt, dass auch das erste büchlein, das seinem gan-
zen Charakter nach in die früheste zeit des dichters fällt, we-
gen der deutlichen anspielung in v. 358 gleichfalls später als
der kreuzzug angesetzt werden muss. Dagegen hat Lachmann
(Iw.- 526. anm.) behauptet, dass Hartmann den kreuzzug von
1197 mitgemacht habe, und stützt sich dabei eben auf den
schluss der zweiten zeile unseres liedes. Sehen wir uns die
stelle einmal näher an. Es heisst da:
ez ist geminnet, der sich durch die minne eilenden muoz.
nu seht wies mich üz miner zungen ziuhet über mer.
und lebte min her Salatin und al sin her,
dienbrsehten mich von Franken niemer einen vuoz.
In diesen zeilen fällt zunächst auf, dass Hartmann dem Sala-
din das praedicat mm her beilegt, welches doch immer auf ein re-
Digitized by
Google
536 PAUL
spectvolles persönliches Verhältnis hinweist. Denn ein solches
liegt auch vor, wenn der erzählende dichter so seine helden
benennt; es mischt sich dann die persönliche teilname des
dichters in die erzählung. Doch wollte man sich auch das
gefallen lassen, wie kann der dichter sagen 'und wenn auch
Saladins ganzes heer noch lebte*. Ist etwa das beer einmal
plötzlich verstorben zugleich mit seinem führer? Es muss
heissen:
und lebt min herre, Salattn und al stn her
dienbraehten mich von Franken niemer einen vuoz.
'Wenn mein herr noch lebte, so würden mich Saladin und
sein ganzes heer keinen fuss von Franken bringen.* Hartmann
beklagt in dem andern kreuzliede MSF. 209, 25 den tod sei-
nes herren, der seine beste freude dahin genommen hat, wes-
halb ihm der abschied leicht wird ; er will gern die hälfte des
Verdienstes, das er sich durch seine fahrt vor gott erwirbt,
der seele seines herren zu gute kommen lassen (210, 31). Es
ist daher wol nicht zu viel behauptet, dass er wesentlich durch
den tod seines herren bestimmt ist das kreuz zu nehmen. Das
stimmt zu der gegebenen erklärung. Ist dieselbe richtig, so
ist das lied bei Saladins lebzeiten gedichtet, und da dann we-
gen der ganz speciellen anspielung auf ein anderswoher be-
kanntes persönliches Verhältnis an der ächtheit nicht mehr ge-
zweifelt werden kann, so folgt gerade aus diesem liede mit
evidenz, dass Hartmann an dem kreuzzuge ,von 1190 teil ge-
nommen hat, so dass dann nichts mehr hinderif die anspie-
lungen im Erec mit Bech anzuerkennen. Es ist ja schon an
und flir sich viel wahrscheinlicher, dass sich Hartmann wie
Friedrich von Hausen, Albrecht von Johansdorf und Keimar
dem grossen, ganz Deutschland, Frankreich und England er-
regenden zuge von 1190 angeschlossen hat, als dass er dem
unbedeutenden von 1197 gefolgt sein sollte. Auf eine allge-
meine begeisterung deutet er, wenn er MSF. 210, 5 es für die
pflicht eines jeden ritters erklärt die fahrt mitzumachen, was
für die bedeutend abgekühlte Stimmung 1197 nicht mehr an-
gebracht scheint.
Es kann nun allerdings auffallen, wie hier plötzlich die
erwähnung des herren hineinschneit, ohne dass vorher oder
nachher durch irgendwelche andeutung eine rllcksicht auf den-
Digitized by
Google
ZUM LEBEN HARTMANNS VON AUE. 537
selben angezeigt ist. Dies führt uns auf die frage, wie die
minne in diesem liede zu verstehen sei. Dass nicht die
minne im eigentlichen, gewöhnlichen sinne des wertes gemeint
sein kann, hat Wilmanns in Haupts zeitschr. 14, 144 flf. gezeigt.
Wenn man auch vielleicht allen seinen einwänden nicht bei-
stimmen kann, so ist doch die letzte Strophe beweisend. Der
dichter stellt sich ausdrücklich den minnesingern überhaupt
und seine minne ihrer minne entgegen. Es ist klar, dass er
eine eigene art von .minne meint, etwas, was ^r nur durch
eine Übertragung als minne bezeichent Wilmanns nimmt da-
her an in Übereinstimmung mit Bartsch (und dem hat sich
auch Bech in der neuen aufläge angeschlossen), dass die got-
tesminne gemeint sei. Sehen wir zu, wie sich mit dieser an-
nähme die frühere erklärung der citierten stelle vereinigt.
Hartmann würde danach sagen: 'nur die gottesminne, die re-
ligiöse begeisterung zieht mich aus meiner nation fort über
das meer: wenn sie es nicht täte, so würden mich Saladin
und sein ganzes heer, falls sie noch lebten, nicht aus Franken
bringen. Diese gegenüberstellung könnte nur so einen sinn
haben, wenn der dichter gemeint hätte, dass Saladin und sein
heer auf ihn keine anziehungskraft üben würden^ dass ihn
etwa nicht verlangen würde die herrlichkeit Saladins und die
seltsamen gestalten seines heeres zu sehen. So hat es auch
wirklich Wilmanns verstanden; denn er sagt s. 146 oben: ^sie
zieht ihn über meer, nicht die pracht Saladins, nicht die aus-
sieht auf rühm und abenteuer*; diese letztere aussieht fügt
er aber selber hinzu, sie lässt sich nicht aus der erwähnung
des heeres herausinterpretieren. Indessen, wer im begriff war
einen kreuzzug zu machen, konnte doch bei Saladin und sei-
nem beere nicht an das prächtige und seltsame Schauspiel
denken, welches ihm der anblick derselben etwa gewähren
würde (übrigens eine dürftige belohnung für so viel mühe und
arbeit, die wol niemand angelockt haben würde), sondern an den
kämpf mit denselben. Meiner Überzeugung nach kann der sinn
nur der sein: möchten auch Saladin und sein heer das heilige
land.noch so sehr bedrängen, das würde mich nicht bestim-
men gegen sie zu ziehen. Dann aber besteht kein gegensat?
mehr zwischen der minne und dem Saladin als motiv zum
kreuzzuge. Treibt den dichter die religiöse begeistemng , so
Digitized by
Google
538 PAUL
bestimmt ihn auch die ^bedrängung des heiligen landes durch
Saladin, und umgekehrt, bestimmt ihn die letztere nicht, so ist
es auch nicht religiöse begeisterung, was ihn treibt. Wir ha-
ben also einen weiteren beweis gegen die alte erklärung.
Nun freilich auch bei meiner erklärung kann minne nicht
als gottesminne aufgefasst werden. Denn wenn Hartmanns
entschluss das kreuz zu nehmen vom tode seines herren ab-
hing, so war es nicht bloss das feuer christlicher begeisterung,
was ihn erregte. Uns wird nun aber die. möglichkeit geboten
zu einer noch andern auflfassung der minne^ Es ist die treue
hingebung Hartmanns an seinen herren, für dessen Seelenheil
er die fahrt unternimmt. Minne kann auch von der freund-
schaft zwischen männem gebraucht werden (cf. mhd. wb. 11^
119^), Der dichter gebraucht das wort absichtlich doppelsin-
nig, um damit nach seiner art zu spielen in etwas spitzfindi-
gen antithesen. Es erklärt sich eben aus dieser gesuchten
Zweideutigkeit, dass nicht deutlich angegeben wird, was unter
des dichters minne zu verstehen ist. Die letzten zeilen der
zweiten Strophe geben uns allein den Schlüssel dazu.
Franken als aufenthaltsort müssen wir uns, wenn die
ächtheit deg liedes nicht mehr bestritten werden kann, gefallen
lassen. Aber daraus folgt nicht, dass es sein geburtsland war.
Unter miner zungen versteht er jedenfalls nicht Franken, son-
dern ganz Deutschland; denn es gibt eine allgemeine Husche
zunge, und' es würde lächerlich gewesen sein, wenn jemand
etwa bei einer Übersiedelung aus Franken nach Schwaben
hätte sagen Wollen, dass er sich aus seiner spräche, aus sei-
ner nationalität entfernt hätte. Hartmanns verwante brauch-
ten nicht in Franken angesessen zu sein, weil er ihnen in
Franken ein lebewol zuruft. Denn gerade so gut wie etwa
heute jemand, der nach Amerika auswandert, sich seinen
freunden und verwanten empfiehlt, wenn sie auch vielleicht
20, 30 meilen von ihm entfernt wohnen, eben so gut konnte
Hartmann beim antritt einer so weiten reise von seinen freun-
den absciiied nehmen, für die er zwar schon abwesend, aber
doch jederzeit leicht erreichbar war. Die entgegenstehenden
gründe für die schwäbische heimat Hartmani^, die ich hier
nicht zu widerholen brauche, sind zu entscheidend, als dass
irgend ein einwand dagegen aufkommen könnte. Ich will
Digitized by
Google
ZUM LEBEN HARTMANNS VON AUE. 539
nur noch, was das sprachliche betrifft, darauf aufmerksam
machen, dass die reime im Iwein p flach: geschach, bestreich:
sw£ich, soviel wir bis jetzt wissen in Ostfranken unmöglich
sind (an Stidfranken wird niemand, wer den unterschied der
spräche kennt, denken) , wol aber in Schwaben, wie in Bayern.
Wir haben auch keinen grund daran zu zweifeln, dass Ober-
nau bei Rotenburg die heimat des dichters ist (cf. Germ. 16,
162), wenn nicht noch ein anderes Aue in Schwaben nach-
weisbar ist, in dem eine freiherrschaft bestand. Das ist ein
notwendiges erfordernis für die heimat des dichters, nur muss
man ihn nicht mit dem- freiherrn von Ow a. a. o. dem frei-
herrlichen geschlechte, sondern den ministerialen desselben zu-
weisen. Wenn Hartmann a. Heinr. 5 -von sich sagt dieyistman
was er ze Ourve, so kann das nicht heissen 'er war ein mi-
nisteriale und wohnte in Aue', sondern 'er stand im dienst-
verhältnis zu Aue^ zu den herren von Aue \ Dazu kommt die
kaum anzuzweifelnde hypothese Haupts über den armen Hein-
rich (einleitung s. XI). Kurz alles stimmt zu Obemau. Dass
Hartmann trotzdem in Franken einen längeren aufenthalt ge-
habt hat, kann nicht unmöglich und nicht einmal unwahr-
scheinlich genannt werden. Dass wir den grund davon nicht
wissen und sonst kein zeugnis dafür haben, kann nicht ein
beweis dagegen sein. Denn wir wissen von Hartraanns äusse-
rem leben überhaupt . fast nichts, als was er uns in seinen
kreuzliedem mitteilt. Unsere stelle gentigt um diesen aufent-
halt authentisch zu bezeugen.
LEIPZIG, im december 1873. H. PAUL.
Digitized by
Google
BERICHTIGUNGEN.
S. 44 z. 13 V. u. lies hochdeutschen statt norddeutschen,
S. 155 z. 2 V. u. lies lukarnastapa statt lukarnarstada.
S. 208 z. 8 V. o. lies ze statt se,
S. 264 z. 10 V. u. ist der beleg bb. Mos. 24/24 zu streichen.
Digitized by
Google
Digitized by
Google
Digitized by
Google
Digitized by
G
Bachbjnderei
von
Hospitj
f«^^^r«:^-^ftÄ'»^=
^iftÄÄt
.AfiowAr.
^ÄM^i
^^äA^ä^*/*s^^'
.aA^a'J,^''
.re^0^r.A^,A.
,^^^^fim
m^
/^'a2'aCW;,^:/v
f^^^'A^. . -
.Ann^'-^'^
aaa^
^/-'^C.AA^
ss^'SS::*^»*»^
ja^aCÄ^^^'^^
M,««m
^!^!5:^n^^f^'>^'^^
.»».>«•.■(«..;, .^
m^r^f^^^^m
^aA.A/kA.
255^?^'^AA,^ft«^#a.^«^*
•^^Ä/^
vÄAaÄ/k^C
555?5'«^A««g^'-
.,*,,#A««'"