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Full text of "Beiträge zur Kunde der indogermanischen Sprachen"

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J^^ 


Beiträge 

zur  künde  der 


indogermanisehen  sprachen 


bcdrauBgegfliMD 


Dr.  Ad.  Bezzenberger  and  Br.  W.  Prellwits. 


Sechsandzwanzigster  band. 


Göttingen 

VsDdsnhoeok  und  Rnpreobt 
1901. 


Inhalt. 

Seite 

1.  Die  erbreitenmg  der  MeniB.    Von  A,  Fiek 1 

2.  Die  einlegang  des  „Oitos**  in  die  Menis.    Von  A.  Fick     ...  22 
Zur  bildang  des  sigmatisohen  aoristes.    Von  O.  Hoffmann     ...  SO 

Gr.  ivQvg  mid  hom.  ivlr^qa.    Von  Hans  BeieheU 44 

Lat.  ffr%möre$.    Von  W.  Jhreüwäz 46 

Die  etraskiBchen  familiennamen  aaf  -tru.    Von  Carl  Pauli    ...  48 

Bemerkiingen  zu  etruskisohen  insohriften.    Von  EUa  Lottes       .    .  68 

Urepmiig  und  gebrauch  des  lettischen  debitivs.    Von  /.  JBndMn  .  66 

Iranische  namen.    Von  H.  Brunnhof  er 74 

Emendationen  zum  Rigveda.  (Fortsetzung.)    Von  H.  Brunnhof  er   .  81 

Worterklärung  zum  Rigveda.    Von  H  Brunhhofer 101 

Einige  gpriechische  namen.    Von  A,  Fiek 110 

Beitrage  zur  lateinischen  grammatik.    Von  O.  Hoffmann  ....  129 

Nachwort  zu  den  emendationen  zum  Rigveda.    Von  H  Brunnhofer  146 

Böotische  eigennamen.    Von  JP.  Beehtel 147 

6ot.  bairau,  konjunktiv  von  indogerm.  hh/ro(u).    Von  A.  Benen^ 

berger -    .    .  162 

Le  prime  parole  della  grande  epigrafe  campano-etrusoa.    Von  HUa 

Lottes 164 

Anzeige :  Über  die  spräche  der  altslovenischen  Sawina  Kniga.    Von 

W,  N.  SUehepkin 161 

Etymologien.    Von  A.  Beszenberger 166 

Nachtrag.    Von  H  Brunnhofer 168 

Das  litauische  futurum.    Von  A.  Beuenberger 169 

Zu  den  altgriechischen  Ortsnamen.    Von  B,  Thomas 188 

Etymologien.    Von  A.  Beuenberger 187 

Zur  gesohichte  der  lateinischen  vooalsynkope.    Von  GUuseppe  Ciardi 

JDupr6      .    .    , 188 

Gr.  nst^  und  n^.    Von  H  BeieheU 228 

Die  etymologie  von  Poplicola.    Von  A,  Znnmermanu 228 

Zum  namen  des   zeigfingers  in   den  indogermanischen  sprachen. 

Von  M,  Niedermonn 281 

Gr.  diaou  aus  *sa$s%ki5.    Von  W,  PreUwitz 282 

Die  griechischen  verbandnamen  (ethnika).    Von  A.  Fiek  ....  288 

Die  lateinische  Y.  deklination.    Von  H.  Beidkek 266 

Zu  den  inschriften  von  Magnesia  am  Maiandros.     Von  A,  Fiek    .  276 

Zo  no.  26  der  inschriften  von  Magnesia  a.  M.    Von  W,  FreUmU  291 

Die  erste  person  im  Lykischen.    Von  A,  Torp 292 

Die  lateinischen  perfecta  rettull  reppull.    Von  F.  8toh     ....  800 

Die  etymologie  von  vis  (zu  volo).    Von  A.  Zimmermann    ....  804 

Etymologische  forschungen.    Von  W.  Preüwitz 806 

Asklepios  und  die  heilschlange.    Von  A,  Fiek 818 

Lat  umbra.    Von  W.  PreUyntz 828 

J.  Yalaori,  Der  delphische  dialect,  angezeigt  von  W.  PreUwiU  .  826 

Register.    Von  W.  PreUwüz 829 


1.    Die  erbreiterong  der  Menia« 

An  die  erste  bearbeitung,  die  „erweiterang''  der  Urmenis, 
deren  umfang  oben  24,  1 — 93  bestioimt  wurde,  schloss  sich 
später  eine  zweite,  die  in  yf.  Ilias  schon  als  solche  erkannt  und 
als  „erbreiterung"  bezeichnet  wurde,  ohne  dass  es  dort  geglückt 
wäre,  diese  arbeit  der  dritten  band  in  feste  grenzen  einzu- 
schliessen.  Zwar  erkennt  man  leicht,  dass  diese  zudichtung, 
also  die  dritte  schiebt  der  Ilias,  ihren  hauptsitz  in  den  büchem 
iV  bis  P  hat,  yon  denen  iV  S  und  P,  einige  ganz  junge  zusätze 
abgerechnet,  ausschliesslich  yom  „erbreiterer^^  herrühren,  auch 
lässt  sich  dessen  arbeit  mit  leichter  mühe  yon  der  einlage  des 
Oitos  in  B  bis  &  und  j±  11  absondern,  doch  wird  sie  immer 
etwas  yerschwommene  umrisse  behalten,  wenn  nicht  ein  neues 
mittel  zur  herstellung  einer  festeren  umgränzung  aufgefanden 
wird.  Dieses  neue  mittel  glaube  ich  in  dem  principe  der  yers- 
abzählung  nachweisen  zu  können. 

Oben  24,  1 — 93  wurde  gezeigt,  dass  die  „erweiterung**  der 
Menis  auf  einer  yerdoppelung  der  yerszahlen  der  Urmenis  und 
ihrer  hauptglieder  beruht.  Die  Urmenis  bestand,  wie  oben 
21,  1 — 81  nachgewiesen,  aus  yier  hauptstücken  zu  517.  451. 
451.  517  yersen,  alles  beruhend  auf  den  grundzahleu  11  und 
11  mal  11.  Der  erweiterer  gestaltete  seine  bearbeitung  in  der 
weise,  dass  er  mit  festbaltung  der  yierzahl  yier  grössere  ab- 
schnitte schuf,  die  wir  „bücher''  nennen  wollen,  denen  er  den 
doppelten  umfang  der  yier  hauptabschnitte  der  Menis  gab,  also 
yier  „bücher'*  yon  1034.  902.  902  und  1034  yersen.  Mit  fest- 
haltung der  yerszahlen  in  den  yier  hauptatücken  der  Urmenis 
zerfallte  er  jedes  seiuer  yier  bücher  in  zwei  gleiche  hälften 
„gesänge'S  die  nacheinander  517  öl7,  451  451,  451  451,  517 
517  stark  waren,  so  dass  die  erweiterte  Menis  jetzt  2  x 
1936,  das  doppelte  der  yerszahl  der  Urmenis  enthielt,  wie  das 
alles  oben  a.  a.  o.  dargethan  ist 

BciMge  s.  knndo  d.  iadg.  ipnoheii.    XXyi.  1 


2  A.  Fick 

Es  fragt  sich  nun,  ob  nicht  etwa  der  „erbreiterer^^  in  der 
gleichen  weise  den  umfang  seiner  bearbeitung  regelrecht  ge- 
mehrt habe,  um  so  mehr,  als  die  Verdopplung  der  verszahl 
auch  sonst  bei  jungem  bearbeitem  älterer  epischer  texte  eine 
rolle  spielt. 

Wenn  der  „erbreiterer'*  seine  nächste  vorläge,  die  „erwei- 
terung'*  für  den  zahlenaufbau  seiner  arbeit  ebenso  zu  gründe 
gelegt  hat,  wie  sein  Vorgänger  die  Urmenis,  so  müsste  sein  werk 
mit  festhaltung  der  vierzahl  der  theile  in  vier  grössere  ab- 
schnitte zu  2068  1804  1804  2068,  mit  festhaltung  der  acht- 
zahl der  gesänge  der  vorläge  in  acht  „bücher''  von  1034  1034, 
902  902,  902  902,  1034  1034,  endlich  mit  festhaltung  der  vers- 
zahl in  den  acht  gesängen  der  erweiterung  in  sechszehn  „ge- 
sänge" zu  517  517,  517  517;  451  451,  451  451;  451  451; 
451  451;  517  517;  517  517  zerfällt  oder  doch  zerfällbar  ge- 
wesen sein;  die  „erbreiterung"  im  ganzen  muss  das  doppelte 
des  umfangs  der  „erweiterung"  2  x  3872  =•  7744  verse  be- 
tragen haben. 

Bei  dem  anfänglich  sehr  zaghaft  unternommenen  versuche, 
eine  so  kühne  vermuthung  an  dem  thatsächlich  gegebenen, 
dem  umfange  der  dem  „erbreiterer"  einigermassen  sicher  zuzu- 
weisenden partien  zu  prüfen,  ergab  sich  eine  so  grosse,  im 
fortgange  der  arbeit  immer  wachsende  leichtigkeit,  das  über- 
lieferte in  den  soeben  beschriebenen  rahmen  einzuspannen,  dass 
ich  die  hypothese  als  erwiesen  ansehen  muss.  In  fällen  dieser 
art  fällt  das  mögliche  mit  dem  wirklichen  zusammen:  ist  es 
möglich  —  und  das  wird  die  folgende  darlegung  zeigen  —  die 
ganze  masse  der  „erbreiterung"  d.  h.  alles  dessen,  was  sich 
aus  äusseren  und  inneren  gründen  als  werk  einer  dritten  band 
ergiebt,  in  ein  so  ausgebildetes  und  nach  analogie  vermuthetes 
rahmenwerk  einzuschliessen,  so  muss  dieser  stoff  auch  in  dieses 
ursprünglich  eingeschlossen  gewesen  sein,  und  es  ist  damit  die 
feste  abgrenzung  des  bestandes  der  zweiten  bearbeitung,  der 
„erbreiterung"  der  Menis  endgültig  gefunden.  Ich  habe  daher 
im  nachstehenden  die  umständliche  hypothetische  form  des 
ausdrucks  als  überflüssig  aufgegeben  und  behandle  die  sich  als 
möglich  erweisende  einrahmung  des  in  betracht  kommenden 
Stoffes  in  acht  „bücher"  und  sechszehn  „gesänge"  von  dem  an- 
gegebenen umfange  als  etwas  einst  wirklich  gewesenes. 


Die  erbreiterung  der  Menis. 


Erstes  buch  «  1034  y. 

1. 

Der  erste  gesang  der  erbreiterten  Menis  reicht  bis  zum 
Schlüsse  von  ^  der  jetzigen  Ilias.  Der  geforderte  umfang  von 
517  versen  ergiebt  sich,  wenn  man  von  den  611  versen  in  A 
94  streicht:  zwei  grössere  partien,  die  ganz  offenbar  einer 
jüngsten  bearbeitung  angehören  und  einige  wenigstens  durchaus 
entbehrliche  vereinzelte  verse.  Dass  die  müssige  vdederholung 
366—392,  die  durch  v.  365  geradezu  verboten  war,  ein  ganz 
später  einschub  ist,  bedarf  keines  beweises ;  ebenso  ist  die  ganze 
Cbryseisepisode  430—487  durchaus  müssig  und  sprachlich  ein 
cento,  meist  aus  versen  der  Telemachie  zusammengeflickt. 
Weiterhin  ist  v.  63  schon  von  Zenodot  ausgemerzt,  da  von 
officiellen  traumdeutern  in  der  Ilias  sonst  keine  rede  ist;  v.  177 
stammt  aus  £  890,  bei  277 — 9  mit  dem  Sprachfehler  Ilfjlieidri 
^il^  (für  e^eÜ)  schwebte  die  Thersitesscene,  insbesondere  B 
247  vor,  höchst  unpassend,  da  Achill  doch  könig  wie  Aga- 
memnon war.  V.  297  ist  häufiger  standvers,  v.  489  mit  dem 
unepischen  nfjkiog  (vlog)  oder  (nrjktpg)  vog  ist  durch  den  vor- 
hergehenden einschub  der  Cbryseisepisode  veranlasst,  552  stammt 
aus  J  25,  endlich  in  567  befremdet  u.  a.  das  persönliche  object 
bei  xQataiiuvy  das  sonst  nur  mit  ole^Qor  verbunden  ist. 

Von  den  517  versen,  die  nach  abzug  der  bezeichneten  94 
verse  für  den  ersten  gesang  der  erbreiterten  Menis  übrig  bleiben, 
gehören  473  —  43  x  11  der  alten  Menis  an,  nur  44  sind 
demnach  vom  erbreiterer  zugesetzt,  und  zwar  entfallen  davon 
22  auf  den  ersten  abschnitt  „wie  die  könige  sich  schalten^^  und 
ebensoviele  auf  den  zweiten  „von  Thetis  bitte/^ 

Betrachten  wir  zunächst  die  22  ersten  verse.  140 — 147 
lassen  sich  sehr  wohl  vom  erbreiterer  zugesetzt  denken.  Sie 
sind  ja  an  sich  eigentlich  überflüssig,  doch  wird  ihr  zweck 
deutlich,  wenn  man  die  erwähnung  des  Idomeneus  beachtet. 
Dieser  liebling  des  erbreiterers ,  den  die  alte  Menis  und  die 
erweiterung  nicht  kennen,  musste  schon  vor  iV,  wo  er  glänzend 
eingeführt  wird,  irgendwo,  am  besten  gleich  im  anfange,  unter 
den  fürsten  und  haupthelden  der  Achäer  genannt  werden.  Für 
den  erbreiterer  spricht  auch  die  bezeichnung  Apolls  als  ^Em^og^ 


4  A.  Fick 

die  den  älteren  partien  fremd,  zuerst  bei  ihm,  in  der  Agenor- 
episode  0  und  X,  vorkommt.  178  verrätb  sieb  die  jüngere 
band  durcb  die  form  xaQve^g,  wäbrend  in  Menis  und  erbrei- 
terung  nur  Y^ataqog  üblicb  ist.  195 — 6  vorweggenommen  aus 
208 — 9  sind  eben  eine  „erbreiterung'S  sie  dienen  nur  dazu,  die 
ersten  11  verse  voll  zu  macben. 

In  262 — 272  ist  eine  volle  elfzeilige  stropbe  zugesetzt.  Die 
verse  erwäbnen  Nestors  theilnabme  an  dem  kämpfe  der  Ken- 
tauren und  Lapitben:  in  der  erbreiterung  der  Teicbomachie  in 
M  webren  die  beiden  Lapitben  Polypoites  und  Leonteus  den 
ansturm  auf  die  mauer  ab.  Der  diebter  bat  übrigens  aus  der- 
selben quelle  wie  der  Verfasser  der  Aspis  gescböpft;  in  265  bat 
Tbeseus  einen  anderen  namen  verdrängt:  vielleicbt  stand  bier, 
wie  im  scbild  des  Heraklos  181  Moipov  %  ^ Aiinviuldriv  TiTaQtj- 
GLOv  otpv  "Agirjog,  Für  den  erbreiterer  als  vf.  von  262  —272 
spricbt  aueb,  bei  sonstiger  spracbreinbeit  ndQviatoi^  YjaQ%La%OLö\ 
Vielleicht  liegt  wie  bei  der  Aspis  die  Kentauromachie  des  Mele- 
sandros  von  Kolopbon  zum  gründe.  Da  Kolopbon  von  Pylos 
aus  gegründet  ist,  so  würde  sieb  in  der  dicbtung  eines  Kolo- 
pboniers  die  betbeiligung  des  Pyliers  Nestor  am  Kentauren- 
kampfe sebr  wobl  erklären. 

Aucb  in  Tbetis  bitte  lassen  sieb  22  verse  dem  erbreiterer 
zuweisen. 

Nacb  400  waren  es  Hera,  Poseidon  und  Atbena,  (naeb 
Zenodot  ApoUon)  die  den  Zeus  binden  wollten:  die  ersten  beiden 
als  Zeus  gegner  zu  nennen,  lag  dem  dichter  von  N  und  B 
jedenfalls  sebr  nahe.  404  soll  den  Aigaion  mit  den  hundert - 
bändern  Hesiods  in  Verbindung  setzen:  kannte  der  diebter 
schon  die  besiodiscbe  Tbeogonie? 

Die  form  Bgiagitav  macht  freilich  Schwierigkeit :  sie  scheint 
milesiscb  für  BgtaQevgy  wie  milesiscb  Ugeiog,  Neilefog  für  te- 
Q€vg,  Nrjkevg,  Vielleicht  ist  bier  Zenodots  lesung  zu  berück- 
sichtigen. —  421 — 7  und  488 — 496,  letztere  mit  ausscheidung 
von  489  s.  o.,  setzen  einen  12tägigen  Zwischenraum  zwischen 
den  bader  und  Tbetis  bitte.  Als  Verzeichnung  diente  hierbei 
V  206  und  fl  30  — .  -^  493.  Die  längere  Zwischenzeit  wird 
aucb  sonst  in  der  erbreiterung  vorausgesetzt,  so  durcb  T/juorrt 
Titk  O  76  und  in  der  rede  Achills  an  seine  Myrmidonen  /7200f. 
insbesondre  207.  —  Die  verse  525—7  stimmen  in  ihrem  inhalte 
sebr  wobl  zu  der  verliebe  unseres  dichters  für  leeren  pomp  und 


Die  erbreiterung  der  Menis.  5 

prunk;  der  gebrauch  des  verbs  televraa}  —  das  ältere  epos 
kennt  nur  Televrri  —  wie  das  substantivische  ifiov  weisen  auf 
jüngere  abfassung.  —  534 — 5  sind  blosse  zur  fiillung  dienende 
erbreiterung  von  533  d'eoi  d*  ofjua  Ttaweg  aviatav. 

Der  schöne  pyramidale  aufbau  des  ersten  abschnitts  „des 
helden  hader*'  ist  durch  die  einlagen  des  erbreiteres  etwas  ge- 
stört, die  haderscene  enthält  jetzt  27  x  11,  Thetis  bitte  20 
X  11,  der  ganze  gesang  47  x  11  —  517  verse. 


2. 

Der  zweite  gesang  der  erbreiterung  nimmt  den  räum  von 
B  1  bis  ^  595  ein.  Der  bestand  der  „erweiterung'^  beträgt 
hier  39  X  11  ss  429,  dieser  ist  von  der  dritten  band  um  88 
verse  vermehrt.  Der  ältere  vers  JB  446  +  478  ^vov  xqIvov-- 
reg,  ^erä  6i  yLQ€i(ov  ^AyafiifAvuv  ist  gespalten,  um  hinter  fiera 
de  31  neue  verse  aufzunehmen,  die  dann  mit  %QHiav  läyaiiifi" 
vojv  478  auf  den  punkt,  von  dem  die  einlage  ausgewichen  war, 
zurückfallen.  Die  Schilderung  von  Athenes  Aegis  mit  ihren 
hundert  quasten,  deren  jeder  hundert  rinder  werth,  stimmt  ganz 
zu  der  lust  des  erbreiterers  an  pomp  und  prunk,  zu  beachten 
ist  auch  der  gebrauch  von  a^iva%oq  447  iiir  leblose  dinge.  — 
453—4  würden  dem  erbreiterer  abzusprechen  sein,  wenn  sie 
sich  nothwendig  auf  die  Volksversammlung  des  Oitos  in  JB  be- 
zögen, aber  dem  dichter  konnte  3  64,  dichtung  der  dritten 
band  vorschweben,  die  den  Verfasser  des  Oitos  wohl  erst  auf 
die  kühne  idee  der  neXqa  Agamemnons  in  B  gefuhrt  hat  — 
Die  schwane  auf  der  asischen  wiese  am  Eaystros  weisen  auf 
die  heimath  des  dichters  hin,  die  uns  später  beschäftigen  wird. 
—  Das  bukolische  gleichnis  von  den  fliegensch^ärmen  im  kuh- 
stadel  469  f.,  findet  sich  ganz  ähnlich  wieder  11 641  f.  in  einem 
einschub,  der  ganz  sicher  vom  erbreiterer  herrührt. 

Die  verse  478 — 9,  die  sich  unmittelbar  an  die  oben  be- 
sprochene einlage  anschliessen  und  mit  dieser  33  verse  aus- 
machen, deuten  auf  eine  etwas  sonderbare  göttermischung,  in 
dem  Agamemnon  zugleich  mit  Zeus,  Poseidon  und  Ares  ver- 
glichen wird.  Wenn  der  dichter  aus  der  alten  Asia  stammte, 
so  können  ihm  karische  kulte  vorgeschwebt  haben,  die  den  Zeus 
als  Osogos,  griechisch  Zenoposeidon  und  als  Zeus  Arcios  ver- 
ehrten* 


6  A.  Fick 

Der  zweite  zusatz  des  erbreiterers  A  92 — 149  ist  in  den 
vers  der  alten  Menis  ftguitog  ogova  \  Sfia  d'  akloi  kimvrjfudeg 
^AxaioL  92/146  künstlich  eingeschaltet.  Er  besteht  aus  55 
versen,  wenn  man  mit  Apollonios  den  häufigen  vers  98  streicht 
und  97  iy%iq>aX6vdB  liest:  „ort  ^AnoXXtavvog'  noul  eyxecpaJiovdey 
xat  %6v  k^^g  ä^ereV^  Aristonicus  bei  Laroche.  Auch  v.  133, 
der  aus  Z  48  eingedrungen  sein  mag,  aber  auch  ^  324  und 
g)  10  vorkommt,  wird  man  als  ganz  überflüssig  gerne  missen. 
Die  einlage  schildert  die  thaten  Agamemnons:  zuerst  erlegt  er 
den  Bianor  und  Oileus,  der  in  seinem  namen  an  das  Ttediov 
Fikrjiov  in  der  Agenorepisode  unseres  dichters  erinnert.  Dann 
kommen  Isos  und  Antiochos,  zwei  söhne  Priamos,  der  eine 
vo&oQf  der  andere  yvtjaiog^  an  die  reihe.  Der  name  Isos  für 
den  vod'og  erklärt  sich  durch  hinblick  auf  ^  203  in  der  Tisis, 
wo  Odysseus  als  angeblicher  vo&og  des  Kreters  Kastor  sagt: 
dlhi  fis  laov  i&aiyevieaaiv  hifia  KdatWQ  xrl,  vgl.  auch  £  71 
laa  q>iXoiat  tixeaat  —  ¥rQ€<pe  Theano  den  vo&og  ihres  gatten. 
v.  122  f.  erlegt  Agamemnon  den  Peisandros  und  Hippolochos, 
zwei  söhne  des  Antimachos,  der  von  Paris  bestochen  die  Troer 
zu  bestimmen  versucht  hatte,  Menelaos  und  Odysseus,  da  sie 
als  gesandte  in  Troja  waren,  zu  tödten.  In  M  188 — 9,  arbeit 
des  erbreiterers,  wird  ein  söhn  des  Antimachos  namens  Hippo- 
machos  getödtet.  Die  namen  Hippomachos  zu  Antimachos 
und  Hippolochos  zu  Hippomachos  hat  offenbar  derselbe  mann 
gedichtet;  nur  die  figur  des  Antimachos  mag  einer  älteren 
quelle  entnommen  sein:  auf  die  gesandtschaft  des  Menelaos 
und  Odysseus  nimmt  auch  die  mauerschau  des  Oitos  in  F 
bezug. 


Zweites  buch   1034  v. 


3. 


Der  dritte  gesang  und  damit  das  zweite  buch  der  erbrei- 
terung  beginnt  mit  dem  das  erste  buch  und  den  zweiten  gesang 
abschliessenden  verse  A  596  cSg  o'i  fiiv  fiagvarro  xtX.  und 
reicht  bis  M  264.  Der  erste  abschnitt  von  A  596  bis  848, 
zu  dem  Schlüsse  von  A  enthält  23  x  11  =s  253  verse,  wenn 
man  nach  660  den  vers  hinzufügt,  der  827  auf  den  gleichen 


Die  erbreiteruDg  der  Monis.  7 

vers  folgt.  Vom  erbreiterer  rühren  zunächst  die  beiden  vers* 
paare  636 — 7  und  653 — 4  her,  die  freilich  nicht  zur  Verschö- 
nerung des  alten  textes  dienen,  beide  enthalten  Übertreibungen, 
wie  sie  unser  dichter  liebt,  653  auch  ein  sprachlich  bedenklich 
ixeivog  statt  des  epischen  y^eivog.  Eine  grössere  einlage  der 
dritten  band  bildet  die  erzählung  Nestors  von  den  kriegen  seiner 
Jugend  664 — 761,  eingeschaltet  in  den  älteren  vers  664/761,  so 
dass  kein  wort  der  vorläge  verändert  wurde.  Die  etwas  breite 
erzählung  passt  zu  der  späteren  auffassung  von  Nestor  als  der 
„guten  alten  chronik'^,  auch  in  ui  262  f.  prunkt  der  alte  mit 
seinen  kämpfen  von  anno  dazumal.  Die  Epeier,  mit  denen 
Nestor  gefochten,  sind  vom  erbreiterer  in  N  und  O  vor  Troja 
eingeführt,  Herakles,  der  nach  690  die  Pylier  schwer  geschä- 
digt, kommt  auch  sonst,  in  B  250  f.  O  640,  in  der  erbreiterung 
vor,  in  der  älteren  Ilias  wird  er  nicht  genannt.  Nach  750 
werden  die  epeischen  '^Ktogiwve  Moklove  von  Poseidon  vor 
Nestor  gerettet:  offenbar  ist  der  gott  als  ihr  vater  gedacht, 
was  in  iV  185  f.  ganz  deutlich  ausgesprochen  ist:  dort  erlegt 
Hektor  den  Amphimachos,  einen  söhn  des  Aktorionen  Kteatos 
und  Poseidon  grollt  207  vl(avöio  ftaaovvog.  So  ergeben  sich 
auch  in  dieser  einlage  bezüge  zu  der  sonstigen  arbeit  der  er- 
breitemden  band. 

Nicht  so  deutlich  verräth  sich  die  gleiche  band  in  769 — 
785,  wo  das  Mevoitiog  —  iTthsXXa  der  vorläge  nicht  ohne 
anmut  weiter  ausgeführt  wird.  In  785  fällt  der  einleger  mit 
inmXle  Mevoitiog  auf  den  ausgangspunkt  zurück. 

Weist  man  nun  dem  erbreiterer  noch  v.  791  oder  793  zu, 
so  rühren  in  dem  ersten  abschnitte  des  dritten  gesanges  11x11 
»121  verse  von  ihm  her,  die  mit  den  12  x  11  =  132  versen 
der  vorläge  den  ganzen  abschnitt  auf  23  x  11  —  253  verse 
bringen. 

Der  zweite  abschnitt  des  dritten  gesangs  reicht  von  dem 
ersten  verse  in  M :  ^^Qg  6  fiiv  h  xhalrjiaL  %vl.  bis  M  264  und 
enthält,  ohne  dass  ein  vers  der  Überlieferung  zu  streichen  wäre 
264  =  24  X  11  verse;  davon  gehören  121  =  11  x  11  dem 
älteren  bestände  an,  es  sind  also  von  dem  erbreiterer  13  x  11 
=  143  verse  hinzugefügt. 

Die  gross te  einlage  umfasst  86 — 198.  Der  inhalt  dieses 
Stückes  stimmt  sehr  wohl  mit  anderen  partien,  die  auf  den- 
selben Verfasser  weisen.    Die  anordnung  der  Troer  in  5  häufen 


8  A.  Fick 

mit  nennung  der  führer  kehrt  in  der  erbreiterung  von  TT  beim 
ausrücken  der  Myrmidonen  wieder,  und  die  neu  eingeführten 
befehlshaber  der  fünf  troischen  sturmkolonnen  in  M  kommen 
alle  auch  sonst  beim  erbreiterer  vor:  Alkathoos  in  £,  Agenor 
und  Asteropaios  in  den  ihnen  gewidmeten  episoden  in  0,  He- 
lenes in  den  kämpfen  von  iV,  Asios,  der  wagen  und  pferde  in 
M  nicht  aufgeben  will,  wird  in  N  von  Idomeneus  vor  seinem 
gespann  erschlagen;  ebenso  spielt  Aineias  auch  in  N,  S  und  P 
eine  rolle,  Akamas  kämpft  in  £*,  wird  in  JT  von  Meriones,  Ar- 
chelochos  wird  S  464  von  Aias  erschlagen.  Die  Lapithen,  deren 
fürsten  Leonteus  und  Polypoites  M  127  f.  die  thore  der  mauer 
vertheidigen,  nannte  unser  dichter  schon  in  der  einlage  ^  262  f.; 
Leonteus  erschlägt  188  den  Hippomachos,  einen  söhn  des  Troers 
Antimachos;  zwei  andere  söhne  desselben  mannes  lernten  wir 
schon  ^  122  f.  kennen. 

Wenig  geglückt  sind  die  verse  211-— 215,  wodurch  Poly- 
damas  einer  empfindlichkeit  ausdruck  giebt,  für  die  man  keinen 
vorgängigen  grund  sieht;  dem  erbreiterer  schwebte  wohl  J^249f. 
vor,  indem  er  nicht  bedachte,  dass  diese  scene  sich  erst  später 
abgespielt  hat.  Auch  die  grobe  erwiderung  Hektors  232 — 5 
erklärt  sich  nur  als  reminiszenz  von  2  284  f. ,  endlich  die  den 
gesang  abschliessenden  256  -264  sollen  wohl  nur  die  verszahl 
47  X  11  =r  517  vollmachen. 

4. 

Der  vierte  gesang  reicht  von  M  265  bis  N  360.  Er  zer- 
fällt in  drei  grössere  abschnitte :  in  M  265  bis  N  7  wird  in 
15  X  11  versen  die  erstürmung  der  mauer  geschildert.  Der 
schluss  dieser  partie  und  der  anfang  der  nächsten  fällt  im 
wesentlichen  mit  dem  ende  von  M  und  dem  anfange  von  JV 
der  jetzigen  eintheilung  zusammen.  Der  zweite  abschnitt  „wie 
Poseidon  den  Achäern  zu  hilfe  kam"  enthält  18  X  11  =-  198 
verse;  er  beginnt  mit  JV  11  ovd  dkaog  anonirjv  elx^  xgelcjv 
^voaix&ijv  und  schliesst  mit  dem  tode  von  Poseidons  enkel 
Amphimachos,  der  den  zorn  des  gottes  noch  heftiger  entflammt 
N  207.  Das  letzte  stück,  14  x  11  =  154  verse  stark,  N 
208—360  lässt  sich  „Poseidon  und  die  Kreter"  betiteln:  der 
dichter  versucht  hier  die  unbezwingliche  mannhaftigkeit  seiner 
Ueblin^shelcjen  Idpmeneus    upd  Meriopes  sich  aussprechen  ^u 


Die  erbreitenmg  der  Menis.  9 

lassen,  dabei  kommt  freilich  auch  die  kretische  neigung  zur 
Prahlerei  —  ob  vom  dichter  beabsichtigt?  —  zum  Vorschein. 

In  dem  ersten  abschnitte  M  265 — N  7  ist  nur  eine 
grössere  partie  auszuscheiden:  die  44  verse  331 — 374,  worin 
Aias  und  Teukros  dem  Athener  Menestheus  auf  sein  ersuchen 
zum  beistände  herbeieilen.  Das  stück  rührt  von  der  jüngsten, 
attischen  redaktion  der  Dias  her  und  zeigt  dementsprechend 
schwere  Verstösse  gegen  die  altepische  spräche:  333  evtiv  YdoirOj 
337  ßiiaavti^  339  tQvq>aXei(jSv^  340  ytal  TtvXitoVy  341  neiQiovto 
(347  ^ctXQfieig?)  Auch  367  6tqvv€tov  lg>i  wird  man  bei  dieser 
Sachlage  nicht  ändern  wollen.  Übrigens  ist  auch  die  Vor- 
stellung von  der  vertheilung  der  „thürme**  nvQyov  der  mauer 
an  einzelne  führer  nur  dieser  stelle  eigen. 

Die  überflüssigen  verse  283 — 4  werden  durch  die  Sprach- 
fehler Xünevvza  und  dxrälg  als  jüngster  zusatz  erwiesen,  288 
ist  ganz  leer,  nicht  minder  438  und  450. 

Von  den  165  versen,  die  nach  dieser  Säuberung  für  den 
ersten  abschnitt  des  vierten  gesangs  der  erbreiterten  Menis 
übrig  bleiben,  stammen  nur  88  verse  von  der  band  des  erwei- 
terers her,  so  dass  also  77  vom  erbreiterer  zugesetzt  sind. 
Diese  neuen  zusätze  hängen  sehr  wohl  unter  sich  und  mit  an- 
deren stücken  der  erbreiterung  zusammen:  sie  dienen  der  Ver- 
herrlichung der  beiden  Aias  und  des  Teukros,  den  unser  dichter 
erst  eingeführt  hat;  auf  Glaukos  Verwundung  durch  Teukros 
pfeilschuss  wird  in  77  rücksicht  genommen  und  die  letzten 
verse  N  1 — 7  dienen  der  Überleitung  zum  eingreifen  Poseidons, 
also  der  einfübrung  eines  motivs,  das  ganz  und  gar  eigenthum 
des  erbreitemden  dichters  ist. 

In  oder  vielmehr  vor  der  zweiten  partie  dieses  gesangs 
sind  nur  die  beiden  überflüssig  motivirenden  verse  N  8  und 
9  auszuscheiden,  dann  besteht  der  überlieferte  umfang  genau 
aus  18  X  11  «  198  versen,  die  sämmtlich  von  unserem 
dichter  herrühren. 

Im  letzten,  dritten  abschnitt  ist  bloss  hinter  274  die  an- 
rede 249  zu  wiederholen,  dann  erhält  man  die  zahl  von  14  x 
11  "-*  154  versen,  die  erfordert  wird,  um  den  umfang  des 
vierten  gesangs  auf  517  ^nd  damit  dep  des  zweiten  buchs  auf 
1034  verse  zu  bringen. 


10  A.  Fick 


Drittes  buch  902  v. 

5. 

Der  fünfte  gesaog  und  damit  das  dritte  buch  beginnt  mit 
N  361  "Evd'a  fteaaiTioliog  usq  iwv  xril.,  wodurch  die  Aristeia  des 
Idomeneus  eingeleitet  wird.  Ganz  ähnlich  und  vermuthlich 
nach  diesem  vorbilde  fangt  der  fünfte  gesang  in  der  durch  die 
einlegung  des  Oitos  vermehrten  fassung  und  damit  die  JiofAT^" 
dovg  dQiotBia  £  1  an:  ^'Evd^  av  Tvdeidiji.  JiOfArjdü  %%X.  Der 
gesang  reicht  bis  N  834,  fällt  also  mit  dem  Schlüsse  von  N 
zusammen,  der  jetzt  mit  unwesentlicher  abweichung  drei  verse 
später  (838)  gelegt  ist,  die  eben  so  gut  den  anfang  von  3  bilden 
könnten. 

Der  erste  abschnitt  des  dreigliedrigen  gesangs,  Idomeneus 
vorkampf  enthaltend,  schliesst  mit  525,  besteht  also  aus  15  x 
11  =  165  versen.  Die  hier  auftretenden  beiden  kommen  zum 
grossen  theil  auch  sonst  beim  erweiterer  vor:  Asios,  Hyrtakos 
söhn,  der  384  von  Idomeneus  erlegt  wird,  fuhrt  beim  stürme 
auf  die  mauer  einen  der  fünf  gewalthaufen  der  Troer,  er  fällt 
385  vor  seinem  gespann,  das  er  in  M  nicht  aufgeben  wollte. 
Deiphobos,  der  402  f.  den  Asios  zu  rächen  unternimmt,  theilt 
in  M  mit  ihm  und  Helenes  den  befehl  über  die  dritte  sturm- 
kolonne.  Ebenso  sind  die  Troer  Alkathoos,  Aineias,  Agenor 
und  Oinomaos  schon  in  M  eingeführt.  Der  N  422  genannte 
Mekisteus  wird  O  339  erschlagen ,  Deipyros  der  N  478  vor- 
kommt, erscheint  schon  JV  92,  und  über  den  tod  des  Ares- 
sohnes Askalaphos,  mit  dem  die  Aristie  der  Kreter  abschliesst, 
erhebt  sich  O  110  f.  ein  stürm  im  Olymp. 

Der  zweite  abschnitt  N  526 — 693  enthält  allerlei  kampf- 
scenen,  bei  denen  besonders  Meriones,  ein  liebling  des  erbrei- 
terers  betheiligt  ist.  Die  Wiederkehr  der  gleichen  namen  be- 
weist die  abfassung  durch  denselben  dichter:  die  Troer  Thoon, 
Adamas  der  Asiade,  Oinomaos,  Helenes  und  Agenor  werden 
auch  beim  stürm  auf  die  mauer  in  M  genannt,  der  Priamide 
Polites  kommt  auch  in  O  vor.  Ebenso  kennen  wir  den  Mene- 
stheus  schon  aus  JV  195  und  begegnen  ihm  wieder  in  O,  wie 
auch  dem  Stichios,  Meges  und  Medon.  An  umfang  ist  diese 
partie  genau  der  ersten  gleich:  sie  enthält  wie  diese  15  X  11 


Die  erbreiternng  der  Menis.  11 

=  165  verse,  sobald  man  einige  wenige  jedenfalls  überflüssige 
Zeilen  als  einschiebsei  ausmerzt.  Zunächst  die  übelberüchtigten 
658 — 9,  wo  Pylaimenes  trauernd  der  leiche  seines  sohnes  folgt, 
während  doch  in  E  sein  tod  von  Menelaos  band  berichtet  wird. 
Daraus  folgt  doch  fast  mit  gewissheit,  dass  der  einleger  des 
Oitos  die  fraglichen  verse  nicht  gelesen  hat,  und  somit  brauchen 
wir  sie  auch  nicht  zu  lesen,  umsomehr  als  nichts  an  ihnen  ver- 
loren ist  und  noivi^  659  in  einem  etwas  absonderlichen  sinne 
gebraucht  wird  vgl.  Hentze-Ameis  zu  d.  St.  —  Der  ab- 
schliessende Standvers  log  ot  fiiv  ftaQvavro  xrX.  ist  673  wenig 
passend,  weil  hier  ein  grösserer  einschnitt  nicht  vorliegt:  es  soll 
überflüssiger  weise  dadurch  markirt  werden,  dass  Hektor,  von 
dem  in  den  vorhergehenden  kämpfen  nicht  die  rede  war,  in 
der  nächsten  schlachtscene  wieder  thäiig  eingreift.  —  Endlich 
sind  noch  7  verse  am  Schlüsse  des  ganzen  abschnitts  zu  streichen 
693 — 760,  weil  sie  absolut  nichts  neues  bieten.  694 — 7  sind 
aus  O  333 — 6  einfach  wiederholt,  auch  auf  die  personalien  des 
Podarkes  in  698  »-  B  70ö  (schiffskatalog)  wird  man  gern  ver- 
zichten, weil  dieser  mann  ausserdem  in  der  Ilias  gar  nicht 
vorkommt,  endlich  699 — 700  wiederholen  den  sinn  von  693. 

Das  letzte  drittel  des  fünften  gesangs  schildert  die  erneue- 
rung  des  kampfes  durch  Aias  und  Hektor.  Hier  gilt  es  nur 
den  allgemein  verurtheilten  v.  731  und  den  ebenso  unpassen- 
den, aus  M  Hl  hierher  gerathenen  749  —  vgl.  Hentze  zu  d.  st.  — 
zu  tilgen ;  nach  ausscheidung  dieser  beiden  eindringlinge  enthält 
der  abschnitt  12  x  11  »  132  verse.  Der  Zusammenhang  mit 
der  sonstigen  arbeit  des  erbreiterers  erhellt  besonders  770  f., 
wo  auf  Hektors  frage  von  Paris  über  den  verbleib  der  von 
unserem  dichter  eingeführten,  in  den  vorigen  kämpfen  verwun- 
deten und  gefallenen  beiden  Deiphobos,  Helenes,  Adamas,  Asios 
and  Othryoneus  auskunfb  ertheilt  wird.  Von  dem  neuen  nach- 
schub  troischer  mannen  und  bundesgenossen  werden  zwei  in  S 
umgebracht:  Phalkes  wird  S  513  von  Antilochos,  Morys  S  514 
von  Meriones  erlegt. 

Die  gesammtzahl  der  verse  des  fünften  buches  beträgt 
42  X  11  «  462  verse ;  die  starre  regel,  die  wir  oben  als  mass- 
gebend voraussetzten,  würde  41  x  11  =  451  verlangen:  ein 
Widerspruch  zwischen  theorie  und  praxis,  der  hier  vorläufig  ala 
solcher  anerkannt  wordeu  muss, 


12  A.  Fick 

6. 

Die  nächstfolgende  partie  N  835  bis  S  439  lässt  sich  ohne 
alle  mühe  zu  einem  sechsten  gesange  zusammenschliessen ,  der 
dann  in  drei  deutlich  gesonderte  theile  zerfallt. 

N  835  bis  £  152  hält  Nestor  rath  mit  den  verwundeten 
fürsten:  der  dichter  versucht  hier  in  einer  art  seelengemälde 
die  verschiedene  Stimmung  der  beiden  zu  schildern.  Agamem- 
nons  schuld bewusste  Verzagtheit  wird  vom  staatsklugen  Odysseus 
gestraft  und  tritt  in  scharfen  gegensatz  zu  Diomedes  freudigem 
kampfesmuth;  auf  sein  anrathen  begeben  sich  die  fürsten  in  die 
Schlacht,  und  so  sehen  wir  sie  denn  380  die  Schlacht  ordnen 
und  Nestor  0  370  vater  Zeus  um  rettung  anflehen.  Der  ab- 
schnitt enthält  14  x  11  =>  154  verse,  sobald  man  nur  einen 
vers  tilgt,  sei  es  v.  70,  oder  vielleicht  noch  besser  65  =  P  173, 
der  schon  von  den  alten  beanstandet  ist. 

S  153  bis  351  wird  vom  erbreiterer  das  zweite  haupt- 
motiv  seiner  zudichtung,-  Zeus  bethörung  durch  Hera,  eingeführt. 
Der  abschnitt  enthält  18  X  11  =  198  verse,  man  braucht  nur 
269  zu  streichen,  der  in  den  besten  handschiiften  fehlt  und  un- 
passender weise  aus  276  wiederholt  ist.     . 

Auf  die  künde  von  Zeus  bethörung  erhält  Poseidon  freie 
band,  offen  für  die  Achäer  einzutreten:  die  Troer  werden  zu- 
rückgedrängt und,  worauf  alles  ankommt,  Hektor  ausser  kämpf 
gesetzt.  Die  8  X  11  =  88  verse  dieses  inhalts,  352  bis  439 
sind  von  jeder  interpolation  frei. 

Die  440  verse  des  sechsten  buches  ergeben  mit  den  462 
des  fünften,  wofür  nach  dem  obigen  Schema  451  und  451  zu 
erwarten  waren,  für  das  dritte  buch  die  erforderte  summe  von 
902  versen. 

Viertes  buch  902  v. 

7. 

Die  verse  von  S  440  bis  0  404  lassen  sich  leicht  zu  einem 
siebenten  gesange  der  erbreiterten  Menis  gestalten.  Von  der 
ganzen  masse  gehören  nur  O  390 — 404  der  erweiterung  an, 
alles  andere,  wohl  in  sich  und  mit  dem  vorhergehenden  und 
nachfolgenden  zusammenhängend,  rührt  von  ups^repi  nach- 
(lichter  her, 


Die  erbreiterung  der  Menis.  13 

Das  ganze  zerfallt  in  drei  abschnitte:  den  angelpunkt  des 
ersten,  der  von  S  440  bis  O  77  reicht,  bildet  Zeus  erwachen 
0  4  in  dem  kritischen  momente,  den  die  vorhergehenden  verse 
schildern.  Der  umfang  des  Stückes  beträgt  13  X  H  ==  143 
verse,  sobald  man  einige  verdächtige  verse  streicht:  O  11  wird 
uns  Hektor  blut  speiend  alfi  if^ewv  (/efiiwl)  vorgeführt,  aber  nach 
S  437  x€laiveq)ig  alfi^  ißifieaae  (so  ist  statt  alfi  dfti^eaae  zu 
lesen)  war  das  mit  einem  male  abgemacht,  im  übrigen  war  er 
bloss  ohnmächtig.  —  Die  „bestrafung  Heras*'  0  18 — 32  ist  schon 
von  Zeuodot  mit  richtigem  takte  gestrichen:  Zfjpodorog  ovdi 
olutg  v^v  xolaaiv  trjg^'HQag  yQdq>€i  Schol.  A,  sie  ist  auch  mit 
mehreren  sprachlichen  Verstössen  belastet.  Jedenfalls  genügt 
die  drohung  mit  schlagen  in  v.  17. 

In  O  78  bis  217  wird  gezeigt,  wie  Zeus,  um  den  kämpf 
nach  seinem  willen  wieder  herzustellen,  Poseidon  nöthigt,  die 
Schlacht  zu  verlassen.  Der  abschnitt  enthält  12  x  11  =  132 
verse;  zu  streichen  sind  nur  166—7  yidd'evovvrai.  asterisci, 
OQ^wg  182 — ^3"  Laroche  und  die  schlussverse  212 — 7  mit  ihrer 
lahmen  drohung,  der  erwähnung  von  ELermes  und  Hephaistos 
unter  den  feinden  der  Troer,  offenbar  mit  rücksicht  auf  die 
ganz  junge  einlage  des  götterkampfes  in  Y,  und  mit  dem 
Sprachfehler  ^Egfietw  für  ^Egf^elao, 

In  dem  letzten  drittel  des  gesangs,  O  218 — 404  wird  Hektor 
von  ApoUon  geheilt  und  stellt  mit  des  gottes  hülfe,  beides  auf 
Zeus  geheiss,  die  schlacht  wieder  zu  gunsten  der  Troer  her. 
Es  braucht  in  diesem  abschnitte  kein  einziger  vers  gestrichen 
zu  werden:  die  187  =  17  x  11  überlieferten  verse  ergeben 
mit  den  13  +  12  x  11  —  25  X  11  versen  der  beiden  ersten 
abschnitte  42  x  11  »  462  verse,  also  genau  den  gleichen 
umfang  des  fünften  buchs,  wodurch  die  abnormität  dieser  zahl 
schon  zu  schwinden  beginnt;  später  wird  sich  die  abweichung 
noch  mehr  als  beabsichtigt  herausstellen. 

8. 

O  599  bezeichnet  Zeus  den  brand  eines  der  achäischen 
schiffe  als  das  nächste  ziel  der  von  ihm  geleiteten  schlacht,  der 
dann  zugleich  zum  Wendepunkt  des  ganzen  kampfes  der  beiden 
Völker  werden  solle.  Sonach  dürfen  wir  den  schiffsbrand  in 
n  123  als  endpunkt  des  nächsten,  achten  gesangs  der  erbrei- 
terung ansehen. 


14  A.  Fiok 

Der  80  gewonnene  umfang  desselben  O  405  bis  il  123 
enthält  aus  der  Urmenis  und  der  ersten,  erweiternden  bear- 
beitung  nur  die  yerse  O  40ö  bis  418,  592 — 5  und  die  ganze 
partie  JT  1  bis  123.  Alles  übrige  stammt  von  der  dritten  band, 
unserem  erbreiterer:  er  ist  es  also,  den  die  xenie  unserer  Dios- 
kuren  rufen  lässt  „ich,  ich  sang  den  kämpf  bei  den  schififen'^ 
denn  dieser  bildet  den  Inhalt  des  ganzen  gesangs  ausser  Pa- 
troklos  bitte  in  iT.  Der  umfang  beträgt  440  verse,  wobei  nur 
weniges  auszuscheiden  ist  614  ist  Athene  unpassend  als  subject 
von  entoTQvve  613  eingeschoben:  gemeint  ist  ursprünglich  Zeus, 
wie  in  610 — 613,  die  zu  tilgen  kein  grund  ist;  ferner  streiche 
man  12  21  die  überflüssige  anrede  (TlriXiog  vli)  und  y.  60 — 79, 
die  schon  in  vf  liias  hingerichtet  sind.  Die  sich  so  ergebenden 
40  X  11  =  440  verse,  die  gleiche  zahl  wie  im  sechsten  ge- 
sang,  sind  bei  110  (O  514)  154  (O  558)  187  (O  591)  253 
(0  658)  297  (O  702)  341  (0  746  ende  von  O)  385  (H  45), 
418  (TL  100)  und  429  (H  111),  also  nach  10,  14,  17,  23,  27, 
31,  35,  38  und  39  x  11  stärker  eingeschnitten:  die  elfzahl 
tritt  also  noch  deutlich  als  Strophen  bildend  hervor. 

Die  440  des  achten  gesangs  geben  mit  den  462  des  sie- 
benten zusammen  für  das  vierte  buch  der  erbreiterten  Menis 
den  geforderten  umfang  von  902  versen.  Ebenso  setzte  sich, 
wie  wir  oben  sahen,  für  das  dritte  buch  die  zahl  902  aus  den- 
selben verszahlen  des  fünften  und  sechsten  gesangs,  nämlich 
462  und  440  zusammen. 


Fünftes  buch  902  v. 

9. 
Mit  dem  ersten  gesange  des  fünften  buches,  also  dem 
neunten  bei  Zählung  der  gesänge,  beginnt  die  zweite  hälfte  des 
ganzen  in  der  fassung  des  erbreiterers,  wenn  dieser  wirklich 
den  umfang  der  ersten  bearbeitung,  der  erweiterung,  verdoppelt 
hat.  Nicht  ungeschickt  ist  der  schiffsbrand  genau  in  die  mitte 
der  ganzen  dichtung  gestellt,  wird  doch  auch  sonst  auf  ihn  als 
den  Wendepunkt  des  kampfes  hingewiesen.  Bei  der  bedeutung, 
die  Zeus  der  hingäbe  seines  sohnes  Sarpedon  beilegt,  kann  es 
nicht  befremden,  wenn  die  einleitung  zu  dem  kämpfe  um  den 
leichnam  des  beiden  als  endpunkt  eines  gesangs,   des  neunten 


Die  erbreiteniDg  der  Menis.  15 

der  erbreiteruDg  benatzt  wird,  der  demnach  mit  il  568  ab- 
schliessen  würde.  In  dem  räume  IT  124  bis  568  rühren  von 
der  dritten  band  234  verse  her,  die  meistens  kennzeichen  dieses 
Ursprungs  zeigen.  168 — 211  werden  uns  die  Myrmidonen  vor- 
geführt, getheilt  in  fünf  heerhaufen,  deren  führer  genannt 
werden,  genau  wie  unser  dichter  in  M  fünf  sturmkolonnen  der 
Troer  gegen  die  mauer  der  Achäer  anrücken  lässt.  Einen  der 
80  eingeführten  häuptlinge  der  Myrmidonen,  den  alten  Phönixp 
verwendet  derselbe  noch  weiter  P  555.  Die  anspräche  Achills 
an  seine  mannen  nimmt  deutlich  bezug  auf  den  vom  erbreiterer 
eingeführten  mehrtägigen  Zeitraum  zwischen  dem  hader  der 
beiden  und  Thetis  bitte,  und  der  rede  Achills  entspricht  die 
des  Patroklos  268  f. ,  das  vorhergehende  gleichnis  von  den 
wespen  ist  jedenfalls  im  geschmacke  unseres  dichters. 

An  den  „mordgeschichten'*  297 — 376  sind  meistens  die 
beiden  betheiligt,  die  erst  von  der  dritten  band  eingeführt  sind: 
Meges,  der  Nestoride  Thrasymedes  (auch  P  705)  der  Böoter 
Peneleos  (auch  in  iV,  S  und  P)  Idomeneus  und  Meriones.  Die 
beiden  gleichnisse,  womit  die  mordscenen  eingeleitet  werden  und 
abschliessen,  sind  wenig  glücklich  gewählt,  verrathen  aber  jeden- 
falls den  gleichen  geschmack.  Noch  weniger  geglückt  ist  die 
vergleichung  der  wiehernd  rennenden  pferde  der  Troer  mit  den 
zur  herbstzeit  rauschend  fliessenden  strömen  384 — 393. 

In  dem  einschub  399 — 118  werden  einige  von  Patroklos 
getödtete  Lykier  namhaft  gemacht  in  ausfuhrung  der  worte 
c^  Yd*  dfXLtqoxitwvag  kzaiQOvg  xtL  in  der  älteren  fassung. 

Die  verse  431 — 457  sind  ganz  im  geschmacke  des  erbrei- 
terers,  der  es  auch  sonst  liebt,  die  nächstfolgenden  Vorgänge 
umständlich  vorher  zu  verkündigen,  ohne  zu  bemerken,  wie 
sehr  er  dadurch  das  interesse  an  seiner  erzählung  beeinträch- 
tigt In  dem  hinweis  der  Hera  auf  die  söhne  anderer  götter 
in  beiden  beeren  liegt  auch  wohl  eine  hindeutung  auf  den  söhn 
des  Ares,  Askalapbos,  von  dem  in  E  und  0  die  rede  war.  Die 
einlage  ist  ganz  geschickt  in  den  vers  der  älteren  fassung:  vov 
di  iäiüv  slirjae  \  nat^Q  avdqüv  %b  d^ewv  vs  430/57  eingeklemmt. 
In  V.  509—530  heilt  ApoUon  die  wunde  des  Glaukos,  die  ihm 
der  dichter  beim  mauerkampfe  durch  Teukros  beibringen  liess: 
also  deutlicher  bezug  auf  eine  frühere  partie  der  erbreiterung. 

In  V.  536 — 7  hat  unser  poet  zwei  seiner  leute,  den  Agenor 
und  Aineias  in  den  alten  vers  535/36  IIovXvdafiavT  cTti.  Hav* 


16  A.  Fiok 

d^öt&rjv  I  TS  xai  ^xTO((a\dlav  eingeschwärzt ;  endlich  in  555 — 568 
fordert  Patroklos  zum  kämpfe  um  Sarpedous  leiche  auf,  mit 
dessen  einleitung  der  gesang  schliesst. 

Der  gesang  enthält  440  verse,  also  ebenso  viele,  wie  der 
sechste  und  achte,  wenn  man  wenige  unnütze  verse  streicht: 
248,  wo  Achill  ofifenbar  zu  viel  verlangt,  261 — 2,  deren  erster 
schon  von  den  alten  athetirt  ist:  dd^cteiTai.  i^&irei  xal  I/^qioto- 
(pdvfjg  Didymus  bei  Laroche;  den  zweiten  wird  man  gern  mit 
dran  geben.  381  =  866  fehlt  in  den  meisten  und  besten  hs., 
V.  531  ist  ein  überflüssiger  zusatz. 

Die  innere  gliederung  des  gesangs,  ist,  wenn  man  das 
flickwerk  bedenkt,  durchsichtig  genug:  Patroklos  entsendung 
wird  in  12  x  11,  der  erste  angriff  in  9  x  11,  die  niederlage 
der  Troer  in  9  X  11,  endlich  Sarpedons  tod  in  10  x  U 
Versen  berichtet. 

10. 

Der  zehnte  gesang  der  erbreiterten  Menis  beginnt  17  569 
mit  dem  kämpfe  um  Sarpedons  leiche  und  schliesst  P  182  mit 
der  einleitung  des  kampfes  um  den  todten  Patroklos,  wie  der 
neunte  gesang  mit  der  Vorbereitung  zu  dem  kämpfe  um  Sar- 
pedon  schloss. 

Von  der  band  des  erbreiterers  rühren  im  ganzen  286  verse 
her,  die  zumeist  ihren  Ursprung  nicht  verleugnen.  In  der 
partie  569 — 632  fallen  zwei  Myrmidonen,  der  söhn  eines  Aga- 
klees  und  ein  Bathyklees :  die  beiden  namen  stimmen  im  schluss- 
theil  zu  dem  des  Echeklees  im  Myrmidonen  Verzeichnis  11  189. 
Weiterhin  kämpfen  Meriones  und  Aineias  mit  einander,  Me- 
riones  auch  hier  der  kretische  prahlhans  wie  in  N.  Das  buko- 
lische gleichnis  JT  641  f  von  den  sumsenden  fliegen  im  hirten- 
stadel  hat  unser  poet  ganz  ähnlich  £469  f.  verwendet;  die  drei 
verse  sind   in  den   älteren  641/644  eingeschaltet,   Stichwort  ist 

692 — 7  erschlägt  Patroklos  neun  namhaft  gemachte  Troer: 
das  stimmt  zu  783 — 6  wo  ihn  der  dichter  bei  seinen  letzten 
drei  ausfällen  drei  mal  neun  namenlose  Troer  erlegen  lässt. 

In  der  alten  Menis  betäubt  ApoUon  den  Patroklos  durch 
einen  unsichtbar  geführten  schlag,  etwa  wie  die  Alben  im  deut- 
schen götterglauben :  unser  nachdichter  hat  den  Vorgang  in  der 
einlage  792  bis  803   sehr   vergröbert  dargestellt     Ein  grund, 


Die  erbreitenuig  der  Menis.  17 

ihm  die  allerdings  wenig  schön  gedachten  verse  abzasprechen, 
ist  nicht  abzusehen,  auch  beziehen  sich  799,  800  auf  Hektors 
anlegnng  von  Patroklos  waffen  in  P,  die  gewiss  vom  erbreiterer 
herrührt 

V.  806 — 816  handeln  von  der  betheiligung  des  Euphorbos 
an  Hektors  erlegung,  einer  figur,  die  der  bearbeiter  geschaffen 
hat,  um  Menelaos  vorkampf  in  P  daran  zu  knüpfen.  Ver- 
schönert ist  freilich  die  alte  dichtung  durch  diese  neuerung 
keineswegs. 

Menelaos  vorkampf  in  F  1 — 182  rührt  ganz  vom  erbreiterer 
her.  Menelaos  wird  hier  mit  einer  gewissen  Zärtlichkeit  be- 
handelt, der  dichter  zeichnet  ihn  679  sogar  durch  die  trau- 
liche anrede  aus,  die  mit  viel  triftigerem  gründe  die  alte  Menis 
dem  Patroklos  gewährt  hat  In  y.  24  bezieht  sich  Menelaos 
auf  seine  erlegung  des  Hypsenor  in  S  516  i),  der  wie  aus  34  f. 
erhellt,  als  dritter  Panthoide  und  bruder  des  Euphorbos  zu 
denken  ist. 

Von  n  569  bis  P 182  sind  in  der  jetzigen  fassung  481  verse. 
Um  die  verszahl  der  gesänge  5  und  7,  nämlich  462  zu  gewinnen 
bedarf  es  nur  einer  grösseren  ausscheidung:  die  verse  17  698 
— 711  enthalten  eine  sehr  grobe  Übertreibung,  die  selbst  unserem 
poeten  nicht  zuzutrauen  ist;  darnach  hätte  Patroklos  kurz  vor 
seinem  ende  so  ganz  bei  wegelang  Troja  erstürmt,  wenn  Apollon 
ihm  persönlich  entgegentretend  ihn  nicht  von  der  mauer  zu- 
rückgestossen  hätte.  Sprachlich  ist  die  stelle  fast  nur  ein 
blosser  Gento  s.  Hentzes  nachweis  im  anhang. 

V.  614 — 5  nach  613  unmöglich,  fehlen  in  den  besten  hs., 
ebenso  689 — 90,  die  aus  P 177 — 8  eingedrungen  sind.  Endlich 
streichen  wir  noch  865,  der  jedenfalls  ganz  massig  ist,  da  uns 
Automedon  als  knappe  Achills  hinlänglich  bekannt  ist 

Die  gliederung  des  so  gewonnenen  gesangs  von  42  x  11 
—  462  versen  ist  recht  durchsichtig:  n  569—692  —  11  x  11 
verse,  drehen  sich  um  Sarpedons  leiche,  die  14  x  11  =  154 
verse  n  694—861  handeln  von  Patroklos  tod ,  auf  /7  862  bis 
P  105  geht  im  engeren  sinne  der  titel  von  P:  MeveXaov  aQiareia^ 
endlich  in  den  7  x  11  »  77  v.  P  106—182  wird  der  grosse 
kämpf  um  Patroklos  leichnam  vorbereitet,  der  den  inhalt  des 
nächsten,  elften  gesanges  bildet. 

^)  Lies  Uav^oov  vlov  statt  noifiiva  AacSy? 
B«itiistt  s.  Ini4«  d.  iaag.  ipnslMtt.   XXVI.  2 


18  A.  Fick 


Sechstes  bnch  902  verae. 

11. 

Der  haupteinschnitt  in  dem  verlaufe  des  kampfes  um  Pa- 
troklos  leiche  liegt  P  62ö,  wo  Idomeneus  die  Schlacht  verlässt, 
Antilochos  zu  Achill  entsendet  wird,  und  der  rückzug  der 
Achäer  mit  der  geretteten  leiche  des  helden  beginnt  Setzen 
wir  hierhin  das  ende  des  elften  gesangs  der  erbreiterten  Menis, 
so  erhalten  wir  von  P  183  bis  625  für  diesen  443,  die  sich  leicht 
auf  440,  die  yerszahl  des  6,  8  und  9  gesangs  bringen  lassen, 
wenn  wir  die  drei  v.  216 — 8,  deren  namen  zum  theil  aus  dem 
Troerkatalog  entnommen  scheinen,  nach  anderer  yorgang  be- 
seitigen d.  h.  einer  noch  jüngeren  als  der  dritten  band  zuweisen. 

Die  so  gewonnenen  440  =  40  x  11  verse  gliedern  sich 
in  zwei  hauptstücke:  mit  P  394  ist  nach  198  =  18  x  11 
versen  der  höhepunkt  des  kampfes  erreicht,  der  sich  von  da 
ab  bis  zum  Schlüsse  des  gesangs  in  22  x  11  «  242  versen 
allmälig  mehr  und  mehr  in  einzelkämpfe  auflöst. 

Das  erste  hauptstück  zerfällt  wieder  in  zwei  ungleiche 
hälften,  indem  v.  183  bis  273,  also  8  x  11  «  88  verse  die 
Vorbereitung  zu  dem  gesammtkampfe,  der  mit  iaaav  öi  nqoTBqot 
Tgüüeg  ktX.  274  beginnt,  erst  zum  abschlusse  bringen. 

lieber  den  dichterischen  werth  der  in  diesem  gesange  ver- 
wendeten motive  zu  urtheilen  ist  hier  nicht  der  ort,  jedenfalls 
hängen  alle  theile  sehr  wohl  zusammen,  insbesondere  passt 
Hektors  anlegung  der  waffen  Achills,  die  so  vielfach  beanstandet 
ist,  recht  gut  in  den  ersten  abschnitt  der  88  x  11  verse,  die 
sich  darnach  auch  „Sammlung  und  rüstung  zum  kämpfe"  be- 
titeln liessen. 

12. 

Als  zwölfter  gesang  der  erbreiterten  Menis  lassen  sich  die 
verse  von  P  626  bis  S  369  zusammenfassen,  welche  die  ereig- 
nisse  von  der  rettung  der  leiche  Patroklos  bis  zur  aukunft  der 
Thetis  beim  Hephaistos  behandeln.  Am  Schlüsse  dieses  so  um- 
schriebenen abschnitts  sind  zunächst  S  354 — 368  zu  streichen 
„über  deren  unhaltbarkeit  kaum  ein  zweifei  besteht^^  Hentze 
im  anhang  s.  118.  Noch  gewisser  ist  die  ganz  späte  einschie- 
bung  des  Nereidenverzeichnisses  2  39 — 49.    Ferner  sind  P  6ö8 


Die  erbreiterung  der  Menis.  19 

— 665  auszuscheiden,  die  mit  geringen  änderungen  aus  A  548 
— 55a  herübergenommen  sind.  ^  219 — 221  verrathen  sich  als 
einlage  jüngster  band  durch  die  erwähnung  der  trompete,  sprach* 
lieh  durch  den  ionischen  genetiv  ^fiOQaioTediv.  2  259 — 260 
beziehen  sich  auf  die  einlegung  des  Oitos,  welcKis  der  erbreiterer 
nicht  kennt.  Streichen  wir  nun  noch  die  drei  verse  S  300 — 
302,  worin  sich  sonderbare  kommunistische  gelüste  aussprechen, 
und  2  ly  wodurch  der  neue  gesangsanüang  markirt  wird,  so  qt" 
halten  wir  für  unseren  zwölften  gesang  462  a  42  x  ll,  also  die- 
selbe zahl,  wie  für  den  siebenten,  neunten  und  zehnten  gesang. 
Von  diesen  gehören  dem  erbreiterer  P  626 — 761,  wie  P  über* 
haupt,  femer  2  105 — 6  und  117 — 125  mit  der  erwähnung  des 
Herakles,  den  erst  die  dritte  band  in  die  Ilias  eingeführt  hat. 
Der  Inhalt  ist  durchsichtig  angeordnet:  P  626—754  wird 
Antilochos  entsendung  und  der  rückzug  der  Achäer  mit  Pa- 
troklos  leiche  inl21aBllxll  versen  berichtet,  P  755  bis 
2  147  handeln  143  «  13  x  11  verse  von  Antilochos  botschaft 
und  Thetis  Zuspruch,  die  glückliche  ankunft  der  leiche  melden 
2  148  bis  239  88  =  8  x  11  verse,  endlich  enthalten  sechs 
Strophen  =  66  verse  Hektors  schlimmen  rath  2  239 — 296,  und 
44  n=  4  X  11  verse  2  297—353  die  klage  um  Patroklos. 


Siebentes  buch   1034  verse. 

13. 

Zunächst  hat  der  erbreiterer  die  ihm  vorliegende  fassung 
der  erweiterten  Menis  einfach  herübergenommen:  in  den  396 
==:  36  X  11  versen,  die  wir  o.  24  s.  53  f.  in  2  369  bis  (P  135 
der  erweiterung  zuwiesen,  findet  sich  nichts,  was  vernünftiger 
weise  der  dritten  band  zuzuschreiben  wäre.  Dagegen  hat  der 
erbreiterer  die  Asteropaiosepisode  O  136—226  zugesetzt:  Aste- 
ropaios  wird  von  ihm  M  102  neben  den  Lykiem  Sarpedon  und 
Glaukos  als  einer  der  führer  der  troischen  bundesgenossen  ge- 
nannt, in  P  351  f.  als  fürst  der  Päoner  bezeichnet^  offenbar  in 
Vorbereitung  zu  der  grösseren  rolle,  die  ihm  vom  dichter  zuge- 
dacht war.  Die  dem  Päonerhelden  gewidmete  episode  in  <D 
umfasst  88  «•  8  X  11  verse,  sobald  man  wenige  kleine  ein- 
schiebsei beseitigt:  136 — 7  beziehen  sich  deutlich  auf  den  kämpf 

2* 


20  A.  Fick 

des  flussgottes  mit  Achill,  müssen  also  nothwendig  fallen,  158 
CS  B  849  fehlt  in  den  hosten  hs.  und  ist  offenbar  aus  dem 
Troerkatalog  eingedrungen. 

Auf  V.  0  227,  der  aufs  schönste  zum  vorhergehenden  passt, 
sobald  man  den  kämpf  mit  dem  flussgotte  ausscheidet,  der  ganz 
gewiss  nicht  unserem  dichter  zur  last  fallt,  folgte  bei  diesem 
unmittelbar  515  und  somit  eine  parthie,  welche  die  Agenor- 
episode  einleiten  soll.  Sie  besteht  aus  22  versen,  wenn  man 
die  acht  515 — 525  ausscheidet,  die  sich  auf  den  götterkampf 
beziehen,  an  dem  unser  erbreiterer  unschuldig  ist  Die  110  = 
10  X  11  von  der  dritten  band  zugesetzten  verse  ergeben  mit 
den  396  der  erweiterung  für  den  dreizehnten  gesang  einen 
umfang  von  506  versen,  während  nach  unserer  obigen  Voraus- 
setzung 517  herauskommen  müssten:  ein  geringer  Widerspruch 
gegen  die  theorie,  der  sich  sogleich  noch  mehr  verringern  wird. 

14. 

Das  ende  des  vierzehnten  gesangs  der  erbreiterung  fallt 
mit  dem  Schlüsse  von  X  zusammen.  Von  unserem  dichter 
rühren  zwei  grössere  einlagen  her.  Zunächst  die  Agenorepisode, 
die  von  O  544  bis  X  20  reicht  und,  ohne  alle  einschiebsei 
überliefert,  88  d.  i.  8  X  11  verse  enthält.  Der  held  der  epi- 
sode,  in  der  ein  „retardierendes  moment"  nicht  ohne  geschick 
behandelt  wird,  der  Antenoride  Agenor  wird  auch  an  anderen 
stellen  der  erbreiterung  mit  auszeichnung  genannt:  M  93  fuhrt 
er  mit  Paris  und  Alkathoos  den  zweiten  sturmhaufen  der  Troer, 
auch  in  NSOII  ist  von  ihm  die  rede. 

Mit  der  klage  um  Hektor  X  405  bis  515  schliesst  der 
dichter  seine  bearbeitung  mit  dem  versuche  eines  seelengemäldes 
ab,  das  ihm  freilich  nicht  voll  gelungen  ist,  doch  steht  es  trotz 
einiger  fehlgriffe  höher  als  der  versuch  in  S  die  Stimmung  der 
Achäerfürsten  darzustellen.  Die  einlage  enthält  genau  110  -» 
10  X  11  verse,  so  dass  die  Agenorepisode  hinzugerechnet  vom 
erbreiterer  198—18x11  verse  herrühren.  Diese  zu  dea 
330  —  30  X  11  zugerechnet,  erhält  man  für  den  14  gesang 
528  verse.  Auch  hier  hätte  man  517  erwartet,  doch  ist  der 
umfang  des  siebenten  buchs  jeden&lls  gerettet,  denn  die  506 
verse  des  dreizehnten  zu  den  528  des  vierzehnten  gesanges  geben 
für  das  siebente  buch  die  durch  unsere  Voraussetzung  geforderte 
verszahl,  nämlich  1034. 


Die  erbreiterang  der  Menis.  21 


Achtes  buch  1034  verse. 

15. 

Der  fünfzehnte  gesang  der  erbreiterten  Menis  fällt  mit  dem 
siebenten  der  erweiterung  zusammen.  Nur  die  ersten  werte 
von  V  1  ^£ig  ot  fiiv  atevdxovro  %a%a  TttoXtv  rühren  vom  er- 
breiterer her,  der  den  vers,  womit  sein  Vorgänger  den  siebenten 
gesang  seiner  arbeit  einleitete  ^^Slg  %ov  fiiv  yt,e:Mvito  ^"KOQa  ajtavj 
{avTag  ^A%aioL  X  405)  W  1  spaltete,  um  die  110  verse  seiner 
klage  einzufügen. 

Ausserdem  ist  in  'F  113  und  124  Meriones,  ein  liebling 
des  erbreiterers,  der  in  der  erweiterung  nicht  vorkommt,  für 
einen  anderen  namen  eingeschwärzt.  0.  24,  s.  3  wurde  ver- 
muthet,  dass  hier  ursprünglich  Automedon  genannt  war,  jeden- 
falls war  dieser,  als  Achills  knappe  und  Patroklos  freund  „der 
nächste  dazu." 

16. 

Endlich  der  sechzehnte  gesang  der  erbreiterang  fällt  mit  dem 
achten  des  erweiterers,  in  dem  o.  24,  s.  78  f.  ihm  zugewiesenen 
amfang  vollständig  zusammen;  es  ist  wenigstens  irgend  welche 
spur  der  dritten  band  hier  nicht  nachzuweisen. 

Wie  oben  24,  s.  62  f.  gezeigt  wurde,  enthalten  der  7  und 
8  gesang  der  erweiterung  je  517  verse,  genügen  also  dem  für 
das  achte  buch  und  den  15.  und  16.  gesang  der  erbreiterten 
Menis  geforderten  umfange. 

Sehen  wir  zum  Schlüsse  nach,  wie  weit  sich  unsere  Voraus- 
setzung bewährt  hat.  Wir  verlangten,  dass  die  erbreiterung  in 
genauer  Verdoppelung  der  verszahlen  der  erweiterten  Menis  sich 
in  acht  „bücher"  zu  1034,  1034;  902,  902;  902,  902;  1034, 
1034  müsse  einrahmen  lassen,  und  dass  jedes  dieser  bücher 
wieder  in  zwei  gleiche  hälften  oder  „gesänge''  zu  zerlegen  seien, 
so  dass  sich  also  16  gesänge  bilden  Messen,  die  der  reihe  nach 
517  517,  517  517;  451  451;  461  451;  451  451;  451  451;  517 
517;  517  517  verse  enthielten. 

Die  erste  der  beiden  forderungen  ist  genau  und  unbedingt 
erfüllt,  wie  unsere  vorstehende  gliederung  der  gesammten  zweiten 
bearbeitung  nach  den  acht  büchern  von  dem  geforderten  um- 
fange vor  die  äugen  führt.    Dagegen  finden  sich  in  der  abzäh- 


22  A.  Fick 

lung  der  sechszehn  gesänge  eine  abweichung  von  dem  yoraasge- 
setzten  Schema.  Die  acht  inneren  gesänge,  also  5 — 12,  zeigen  statt 
achtmaliger  wiederholang  der  verszahl  451,  als  der  gleichen  hal- 
birung  der  buchyer8zahl902,  vielmehr,  wie  oben  gezeigt,  die  Zahlen- 
reihe 462  440,  462  440;  440  462,  440  462.  Diese  anordnung 
entspricht  allerdings  nicht  ganz  der  streng  durchgeführten  Ver- 
doppelung der  inneren  vier  gesänge  der  erweiterung,  sie  zeigt 
aber  in  sich  so  viel  regelmässigkeit,  dass  wir  hier  wohl  plan 
und  absieht  des  erbreiterers  erkennen  dürfen,  der  mit  bewusst- 
sein  das  schema  41x11  + 41  xH  zuerst  zweimal  durch  42 
X  11  und  40  X  11,  und  darauf  zweimal  durch  die  umkehrung 
40  X  11  und  42  X  11  ersetzte.  Leichte  abweichungen  von 
der  starren  regel  finden  sich  auch  sonst  im  Zahlenaufbau  der 
epen  angewandt 

Ein  zweiter  Widerspruch  gegen  das  vorausberechnete  Schema 
findet  sich  in  den  verszahlen  des  13  und  14  gesangs.  Statt 
der  zerfällung  der  buchverszahl  1034  in  die  gleichen  hälften 
517  und  517,  finden  wir  hier  für  den  dreizehnten  gesang  506, 
für  den  vierzehnten  528  verse,  also  die  regelwidrige  Versetzung 
einer  einzigen  Strophe,  eine  minimale  abweichung,  die  sich  wohl 
wie  in  5  bis  12  aus  dem  bestreben  erklärt  gerade  Strophen- 
zahlen,  42  und  40,  48  und  46  an  die  stelle  der  ungeraden  41 
und  47  zu  setzen,  wenn  auch  die  genaue  halbirung  des  buch- 
umfangs  darüber  verloren  ging. 


2.   Die  einlegung  des  „(Htos'^  in  die  Henis. 

Dass  in  £  bis  ^  77  der  Uias  eine  dichtung  eingelegt  ist^ 
die  ursprünglich  mit  der  Monis  gar  nichts  zu  thun  hatte,  scheint 
mir  keines  beweises  zu  bedürfen,  vgL  vf.  Ilias  s.  236  f.  Ebenso 
sicher  ist,  dass  in  dem  angegebenen  räume  die  einlage  selbst,  der 
„OIto^  '/A/oi;"  von  der  einlegenden  band  durchaus  zu  unter- 
scheiden ist:  die  reihe  glänzender  soenen  von  „Agamemnons 
versuchung^^  an  bis  zum  Zweikampfe  Hektors  und  Aias  hebt 
sich  scharf  ab  von  dem  poetisch  ziemlich  werthlosen  kitt,  der 
dio9e  scenen  mit  einander  und  der  erbreiterten  Monis  verbindet, 


Die  einlegung  des  ,,Oitos"  in  die  Menis.  23 

80  dass  man  oft  unwiUkürlich  an  das  bUd  vom  ochsen  und 
Pegasos  in  einem  joche  erinnert  wird.  In  vf.  Dias  wurde  der 
vereuch  gemacht,  die  alte  herrliche  dichtung  von  „Ilios  ge- 
schickt' aus  dem  minderwertigen  füllwerk  des  einlegers  heraus- 
zuarbeiten: hier  beschäftigt  uns  eine  andere  aufgäbe. 

0.  24,  s.  3  wurde  die  vermuthnng  ausgesprochen,  dass  der 
einleger  des  Oitos  den  umfang  seiner  vork^ge,  d.  h.  der  erbrei- 
terten  Menis  um  die  hälfte  vermehrt,  also  dem  bestände  der 
erbreiterung  von  7744  versen  3872  verse  zugesetzt  habe.  Diese 
art  der  Vermehrung  ist  von  vornherein  als  möglich  zuzugeben, 
weil  die  erbreiterte  Menis  nach  unserer  obigen  darstellung  deut- 
lich in  zwei  gleiche  hälften  zerfiel:  4  bücher  oder  8  gesänge 
vor  und  ebenso  viel  nach  dem  schiffsbrande,  jede  dieser  hälften 
enthielt  demnach  3872  verse.  Falls  die  Vermehrung  um  diese 
zahl  von  dem  einleger  in  derselben  weise  vorgenommen  ist,  wie 
sie  von  der  zweiten  und  dritten  band  ausgeführt  wurde,  so 
müsste  nach  der  einlegung  des  Oitos  das  so  verstärkte  gedieht 
auch  in  der  zahl  der  bücher  und  gesänge  gegen  die  erbreite- 
rung um  die  hälfte  gewachsen  sein,  also  statt  aus  8  büchem 
und  16  gesängen  jetzt  aus  12  büchern  und  24  gesängen  be- 
standen haben,  oder  doch  in  diese  anordnung  sich  einrahmen 
lassen,  und  zwar  müssten  den  neu  hinzutretenden  büchern  und 
gesängen  die  gleichen  verszahlen  wie  in  der  erbreiterung,  näm- 
lich 902  bis  1034  für  das  buch  und  440  bis  517  für  den  ge- 
sang  ungezwungen  zugewiesen  werden  können.  Sehen  wir  nun, 
wie  weit  sich  diese  Voraussetzung  bewähren  lässt. 


Erstes  buch  1034  v. 

1. 

Der  erste  gesang  ist  unverändert  aus  der  erbreiterung 
herübergenommen;  wie  oben  nachgewiesen,  liegt  er  ganz  in  A 
und  enthält  517  verse. 

2. 

Der  zweite  gesang  in  der  durch  die  einlegung  des  Oitos 
vermehrten  form  der  dichtung  ist  aus  B  herzustellen,  sobald 
man  den  acbiflbkatalog  484—779  und  das  Troerverzeichnis  816 


24  Ä.  Fick 

bis  877  abzieht  Diese  358  ab  von  den  877  in  B  bleiben  519 
verse;  streicht  man  noch  weiter  die  beiden  sprachlich  unmög- 
lichen B  206  (iva  atpiav  ßaailevrii  NB.)  und  224  (ovroQ  6 
juorx^a  ßowv)  so  gewinnt  man  als  verszahlöl?,  und  damit  für 
das  erste  buch  1034. 

Die  einwirkung  einer  jüngeren  band  zeigen  B  360 — 8  und 
803—6,  die  ganz  so  aussehen,  als  sollten  sie  die  Boeotie  und 
den  Troerkatalog  vorbereiten,  aber  die  zahl  der  verse  ist  richtig, 
es  hat  also  bloss  eine  Umgestaltung  einer  gleichen  zahl  von 
versen  stattgefunden. 


Zweites  buch  968  v. 

3. 

Der  dritte  gesang  wird  durch  F  gebildet.  Von  dem  gegen- 
wärtigen bestände  der  461  verse  sind  nur  wenige  auszuscheiden. 
Zunächst  das  gleichnis  10 — 14,  das  schon  durch  die  sprach- 
lichen Verstösse  svt  oqeoq  oder  fjv't  oqeoq  10  und  a^uvm  11 
als  jüngstes  einschiebsei  erwiesen  wird.  144  „a^CTeerat  Äri- 
stonicus"  ist  eine  attische  falschung,  um  die  Aithra,  die  mutter 
des  Theseus  anzubringen.  224  ist  nicht  nur  müssig,  sondern 
auch  mit  zwei  fehlem  in  dyaaaäfi€&*  eldog  Idovreg  (feldog 
fidovteg)  behaftet.  Der  überflüssige  v.  263  ist  schon  durch 
Sxaidiv  für  Sxaiatop  genügend  gerichtet.  453 — 4  enthalten  das 
übel  gebildete  hi&S&avoy,  da  die  verba  auf  -oyoi  sich  durchweg 
an  den  zweiten  aorist  anschliessen,  und  den  Verstoss  gegen  das 
vau  in  €v  %ig  Xdoivo;  dazu  sind  die  beiden  verse  nicht  bloss 
müssig  sondern  auch  dem  inhalte  nach  bedenklich,  da  Paris  ja 
durch  seinen  reichthum  in  Troja  grossen  anhang  hatte. 

Nach  abzug  dieser  10  verse  gewinnen  wir  für  den  dritten 
gesang  des  einlegers  den  auch  sonst  so  beliebten  umfang  von 
451  d.  i.  41  X  11  versen. 

4. 

Der  vierte  gesang  der  durch  den  Oitos  vermehrten  fassung 
fallt  nach  vornähme  einer  kleinen  Säuberung  mit  J  der  jetzigen 
Uias  zusammen. 

Von  J  55 — 6  heisst  es  bei  Aristonikos  ^^ad'tTOVPtai^*  sie 
sind  in  der  that  unhaltbar.    117  an  sich  nicht  übel  enthält  den 


Die  einlegung  des  „Oitos*'  in  die  Menis.  25 

fehler  iikkaiv&w  für  -yot»»  und  war  schon  den  alten  verdächtig : 
fja&ewwrai  iSstonicns.^  Dasselbe  beaseugt  derselbe  von  140 
und  149  9  die  neben  dem  das  gleiche  besagenden  gleichnisse 
141--147  nnnöthig  sind.  196—7  sind  aus  206—7,  wie  die 
alten  richtig  bemerkten,  bloss  wiederholt,  endlich  die  19  verse 
232 — 250  bilden  einen  sehr  anschönen  einschub  in  den  vers 
232 — 51  der  vorläge,  der  das  interesse  an  der  folgenden  im- 
Tcwkfjaig  sehr  beonträchtigt,  wenn  nicht  gar  geradezu  aufhebt. 
Dazu  kommen  sprachliche  fehler  s.  vi  Ilias. 

Hiemach  bleiben  von  den  544  versen  in  J  für  den  vierten 
gesang  der  neuen  fiassung  517  verse  wie  in  1  und  2,  und  diese 
zu  den  451  versen  des  3.  gesangs  ergeben  für  das  zweite  buch 
968,  d.  h.  genau  ein  viertel  des  nach  unserer  annähme  durch 
die  einl^ung  geschehenen  Zuwachses. 


Das  dritte  buch  902  v. 

der  vierten  fassung  fällt  mit  E  der  Ilias,  Diomedes  vorkampf, 
durchaus  zusammen:  man  braucht  nur  von  den  909  versen  in 
E  die  hierunter  bezeichneten  auch  sonst  verdächtigen  oder  un- 
möglichen verse  zu  streichen. 

Der  erste  gesang  von  buch  III,  also  gesang 

5 

unserer  redaction  reicht  von  E  1  bis  453,  wo  Ares  in  die 
Schlacht  eingreift,  und  damit  ein  neuer  götterkampf  eingeleitet 
wird.  Um  die  reine  halbierung  der  buchverszahl  902  und 
damit  den  so  beliebten  umfang  von  451  versen  zu  gewinnen, 
braucht  man  nur  42  und  57  zu  streichen,  zwei  hier  ganz  über- 
flüssige Standverse,  die  überdies  in  guten  handschriften  fehlen. 
In  256  mit  den  unepischen  contractionen  vq€iv  und  ia  ist, 
nebenbei  bemerkt,  das  überflüssige  avvwv  einfach  zu  streichen, 
dann  gewinnt  man  den  untadeligen  vers:  awlog  elfir  tQerjv  (jl 
ouK  rjoB  TlaXlag  lAd'Ova. 

6. 

In  S  454  bis  909,  dem  schluss  von  £,  gilt  es  nur  fünf 
verse  zu  beseitigen,  um  auch  hier  die  verszahl  451  herzustellen. 
734— '6  sind  aus  8  385 — 7  wiederholt,  jedenfalls  genügt  ihr 


26  A.  Fick 

einmaliges  vorkommen  vollauf;  Zenodot  hat  sie  mit  richtigem 
tacte  in  E  athetirt,  dagegen  in  3  stehen  lassen  s.  Laroche 
zu  d.  st  Von  808,  mit  genügendem  gründe  auch  von  Hentze 
athetirt,  heisst  es  bei  Didymus:  tovtov  iroy  a%ixov  ovx  «rpfj- 
ad'av  yiad'oXov  q>aaiv  ev  raig  l^Qiard^ov;  endlich  887  ist  schon 
aus  sprachlichen  grttnden  zu  beseitigen:  ^wg  für  Cwog  und  üor, 
wenn  aus  ^a  ionisirt,  sind  nicht  episch. 

E  706  ist  statt  Tqiixov  %  ai%\itj[tiiv  uArtaJuov  Oivonaov  ze 
zu  lesen  TQixovd  %  und  ^ixtaVw  Foiv6fm6v  te:  T^%iov  ist 
der  eponym  des  ätolischen  ortes  Tqixovuov  ew.  Tqi%oveigj 
häufig  in  den  delphischen  inschriften,  und  die  jüngere  form 
AiztiXiov  ist  nur  aus  Unkenntnis  des  vau  in  Foipofiaov  einge- 
setzt. —  813  ist  der  ausgang  dattp^ovog  Oiveidao  nach  J  370 
datq>Qovog  innoda^oio  zu  berichtigen,  endlich  872  lese  man 
statt  vBfjiBoitpfi  oqimv  vielmehr  oqfjv  vgl.  B  296  vefieai^Ofiai  — 
daxokdav. 


Das  vierte  buch  990  v. 

umfasst  Z  und  H  der  Ilias.  Die  verszahl  990,  mitten  inne 
zwischen  968  und  1034,  steht  von  beiden  um  zwei  elfzeilige 
Strophen  ab. 

7. 

Der  siebente  gesang  reicht  von  Z  1  bis  502,  wo  der  schluss 
von  Hektors  verkehr  mit  Andromache,  der  die  Überschrift  von 
Z  bildet,  einen  hauptabschnitt  in  der  erzählung  bezeichnet. 
Man  erhält  die  genaue  halbirung  der  990  verse  des  vierten 
buchs,  nämlich  495,  wenn  man  433 — 9  streicht,  die  schon  von 
den  alten  athetirt  sind  —  „a^crotJvrat  axixoL  erttd  Didymus*' 
LR.  —  und  auch  von  den  neueren  durchweg  verworfen  werden. 

Sprachlich  mag  hier  noch  bemerkt  werden,  dass  in  386  und 
388  nvQyov  und  tdxogy  die  in  der  älteren  spräche  wesentlich 
gleichbedeutend  sind,  ihren  platz  zu  wechseln  haben.  Liest 
man  386  dki^  im  reixog  eßa  fiiya  FiXita  und  388  a  (iiy  dfj 
TtQog  nvqyov  sTteiyofjiiva  dnixdwBi^  so  schwindet  der  Verstoss 
gegen  das  vau  in  der  jetzigen  lesung  386  ftiqyov  eßt]  (iiyctv 
'Ikiov^  der  selbstverständlich  in  der  einlage  nicht  zu  dulden  ist. 
Die  übrigen  Sprachfehler  in  der  jetzigen  Überlieferung  dieses 
abschnitte  sind  schon  in  v£  Ilias  berichtigt. 


Die  einlegung  des  „Oitos^^  in  die  Menis.  27 

8. 

Die  zweite  hälfbe  des  Tierten  buchs  und  damit  der  achte 
gesang  des  ganzen  in  der  neuen  fassung  setzt  Z  503  ein,  wo 
die  ungleichen  brüder  sich  in  den  kämpf  begeben  und  umfasst 
den  rest  von  Z  sowie  den  ganzen  bestand  von  H,  Um  hier 
denselben  umfang  wie  für  7  zu  gewinnen,  bedarf  es  nur  det 
ausscheidung  weniger  werthloser  und  verdächtiger  verse.  H  47 
enthält  eine  überflüssige  anrede,  52 — 3  sind  inhaltlich  störend, 
ja  eigentlich  unmöglich :  die  athetese  der  alten  von  53  ist  auch 
auf  52  auszudehnen.  Die  öde  prahlerei  des  Aias'  in  197 — 9 
muss  jedenfalls  gestrichen  werden;  die  alten  gingen  noch  weiter: 
„arfxoi  7tevT8  (195 — 9)  d&erovvrcu  Aristonicus/*  H  334—5 
und  353  wurden  nach  demselben  ebenfalls  athetirt.  359 — 60 
scheinen  aus  M  233 — 4  eingedrungen  zu  sein,  endlich  sind 
368 — 9  und  380  überflüssige  standverse,  die  in  der  besten  hs. 
fehlen.  Zieht  man  diese  14  verse  von  den  27  in  Z  503 — 29 
und  den  482  in  H  ab,  so  erhält  man  für  den  achten  gesang 
die  gleiche  verszahl  wie  für  den  siebenten,  nämlich  495,  die 
hälfte  von  990. 

Die  festen  ionismen  in  dieser  partie  sind  meist  schon  in 
vf.  Uias  eliminirt,  hier  nur  noch  einige  sprachliche  bemerkungen ; 

Die  verse  H  132 — 3  mit  der  unerträglichen  form  fjßmpL 
sind  zu  gestalten  nach  A  670 — 1  und  darnach  zu  schreiben: 
ot^'  Sig  TjßaoLiii^  ßla  de  fiioc  i'fiTtedog  «ii/,  dg  ov  ht  cJxv^oit 
{mnanwil  Kakddortt  fidxovro  xvX.  Man  nahm  anstoss  an  der 
Wiederholung  von  132  in  157,  die  aber  gerade  m.  e.  recht 
hübsch  ist.  «—  H  207  liest  man  jetzt:  auraQ  Ind  dij  ttawa 
ffBQi  jifidl  iaaono  tavxrj.  Die  ionische  form  twirj  beseitigt 
man,  wenn  man  n.  XQ*  ^ioaa%o  xaXxov  liest;  nach  M  463 — 4, 
wo  es  von  Hektor  hdsst  Xdfi^ee  de  x^^^f  Ofie^dakiwi^  top 
eea%o  fteqi  xQot,  —  Für  das  höchst  bedenkliche  tji  neq  av 
ovTog  —  av  ist  der  einlage  fremd  —  H  286  Hesse  sich  ot  x« 
7C€Q  ovTog  einsetzen  vgl.  387  aX  x«  neg  v^fii  {q>lXov  %ai  ^Sv  yi^ 
voTto)  AI  der  vorläge  ist  vielleicht  irrthümlicher  weise  in  ^t 
ionisirt.  —  H  453  lies  Ttokiaaafiev  aQd-fjiijaavjs  statt  äd-kripctyie 
„nach  abgeschlossenem  vertrage''  nach  ff  ^2  hf  ^tXoTi^n 
duTfidyev  dQ&fn^aavre. 


28  A.  Fick 


Buch  V. 

Die  verszahl  1012  bleibt  hinter  1034,  dem  umfange  so 
vieler  bücher,  ebenso  weit,  nämlich  um  2  Strophen  =  22  v. 
zurück,  wie  das  vierte  buch  mit  seinen  990  versen  die  mittel- 
zahl 968  des  zweiten  buches  übertrifft. 

9. 

Der  erste  gesang  des  fünften  buches,  der  neunte  der  vierten 
fassung,  umfasst  3  der  Ilias  und  enthält  517  verse,  also  ebenso 
viele  wie.  gesang  2.  4,  und  1.  3.  4  der  erbreiterten  und  7.  8 
der  erweiterten  Monis. 

Wir  gewinnen  diese  zahl  durch  die  vornähme  einer  etwas 
umfänglicheren  athetese,  in  dem  der  bestand  von  Q  565  verse, 
also  48  über  die  von  uns  angenommene  zahl  aufweist.  Doch 
kann  ich  mich  hier  erfreulicher  weise  durchaus  der  verständigen 
kritik  meines  freundes  Hentze  anschlieesen,  indem  ich  alle  die 
stellen,  die  in  seiner  Homerausgabe  eingeklammert  und  in. 
seinem  anhange  zur  Ilias  mit  genügenden  gründen  verurtheilt 
sind,  ebenfalls  verwerfe,  mit  alleiniger  ausnähme  von  185  und 
189,  die  meines  erachtens  mit  unrecht  beanstandet  werden. 
In  185  glaubt  man  die  namen  von  vier  pferden  zu  lesen  und 
nimmt  darnach  mit  recht  an  einem  im  epos  unerhörten  Vierge- 
spanne anstoss:  in  Wahrheit  werden  aber  nur  drei  pferde  ge- 
nannt, es  ist  nämlich  statt  Sav&e  ve  ttat  av  nddaqyB  xal  udL%^(ap 
Aa^ftE  ze  die  in  der  zweiten  vershälfte  zu  lesen  xat  aYd-tav 
Ad^Ttete  du  „und  du  schweissfuchs ,  braver  Lampetos*^;  das 
dritte  pferd  geht  auf  der  wildbahn,  ^  ftaQfjoQitiiaiv^  wie  vor 
dem  wagen  Nestors  &  81  und  Patroklos  in  11.  Auch  189  lässt 
sich  sehr  wohl  halten:  ermüdete  pferde  durch  wein  zu  er- 
frischen ist  im  Süden  keineswegs  unerhört:  schon  in  Südtirol 
habe  ich  den  brauch  bei  mancher  schwierigen  bergfahrt  be- 
obachten können. 

Dagegen  verwerfe  ich  mit  Hentze  v.  6.  28—40.  73 — 4.  183. 
224—6.  235.  277.  420—4.  466—8.  475—6.  524—9.  538—41. 
548.  550 — 2.  557 — 8,  das  sind  zusammen  48  verse,  und  diese 
von  den  565  des  buches  3  abgezogen,  ergiebt  sich  für  unseren 
neunten  gesang   die   zahl   517.     Für   die    begründung   dieser 


Die  einlegung  des  ,,0ito8<^  in  die  Menis.  29 

athetesen  sei  noch  einmal  auf  Hentzes  anhang  zur  Ilias  ver- 
wiesen. 

Zur  spräche  dieses  abschnitts  bemerke  ich  noch,  dass  487 
für  l/ix^^^^S  selbstverständlich  der  accusativ,  also  ItixcciovSy  bei 
äolischer  fassung  ^Axaiolq^  zu  lesen  ist;  der  acc.  ist  abhängig 
von  ^TtiqXv^^  vgl.  Ebeling  lex.  Hom.  s.  v.  Vielleicht  ist  ^Axaioig 
der  altäolischen  vorläge  einfach  missverstanden. 

10. 

Vom  einleger  rühren  in  diesem ,  dem  zehnten  gesange,  A 
1 — 11  y  also  nur  7x11  verse  her.  A  78 — 83  sind  zu  streichen 
und  schon  von  den  alten  verurtheilt:  ^^äd'esciwtai  Aristonicus. 
iroi;j:ot^  TMtl  ^Aqiatoq>arqg  rfd^hei^  naga  de  Zfjvodovwi  ovdi 
iyqafporto  Didymus'*  LR.  Nach  unserer  obigen  darstellung  s. 
beträgt  der  umfang  der  erbreiterung,  als  der  nächsten  vorläge^ 
in  A  85—595  38  X  11  «>  418  verse,  diese  ergeben  zu  den  7 
Strophen  des  einlegers  A  1 — 77  hinzugezählt  als  verszahl  des 
10.  gesanges  495,  dieselbe  zahl  wie  in  7  und  8  unserer  fas- 
sung. — 

Mit  A  596  beginnt,  ohne  weitere  Interpolation  von  Seiten 
des  einigere,  die  erbreiterte  Menis  und  zwar  deren  zweites 
buch  und  dritter  gesang.  Rechnet  man  zu  den  übrigen  7 
büchem  und  14  gesängen  der  erbreiterung  die  soeben  abge- 
zählten 5  bücher  und  10  gesänge  hinzu,  so  erhält  man  für  die 
durch  die  einlegung  des  Oitos  vermehrte  dichtung  12  bücher 
zu  je  902 — 1034  und  24  gesänge  zu  je  451 — 517  versen,  und 
als  geeammtzahl  der  verse  11616.  Vergleicht  man  diesen  neuen 
bestand  mit  dem  der  erbreiterung,  so  ergiebt  sich  ein  durchge- 
führter Zuwachs  um  die  hälfte  des  frühern  umfangs:  aus  8 
büchem  sind  12,  aus  16  gesängen  sind  24,  aus  7744  versen 
sind  deren  11616  geworden;  es  hat  sich  demnach  unsere  oben 
ausgesprochene  vermuthung  auf  das  glänzendste  durch  die  probe 
bewährt 

Meran,  Juli  1898. 

A.  Fick. 


30  0.  Hoffmann 


Zur  bilduBg  des  sigmatischen  aoristoB. 

1. 

In  den  Göttingiscben  gelehrten  anzeigen  1889  no  22  s.  880 
wurde  von  mir  für  die  bildung  des  sigmatischen  aoristes  der 
vokalischen  stamme  folgendes  gesetz  aufgestellt: 

„Alle  vokalischen  stamme  nehmen  im  aoriste  aa  an.  Ist 
der  diesem  aa  vorangehende  vokal  lang,  so  wird  nach  gemein- 
griechischem lautgesetze  die  gemination  aufgehoben:  hifiäaa 
aus  ^hlfiäaaa.  Ist  der  dem  aa  vorhergehende  vokal  dagegen 
kurz,  so  bleibt  aa  erhalten  und  wird  erst  in  den  einzelnen 
dialekten  im  laufe  der  zeit  vereinfacht:  Homer  und  die  Äoler 
sagen  noch  w^oaaa^  die  Attiker  dagegen  wfAoaa,^*^ 

Dieses  gesetz,  in  meinen  griechischen  dialekten  I  207 
II  469  ff.  III  568  ff.  von  mir  wieder  aufgenommen ,  hat 
W.  Schulze  in  KZ.  XXXIII  126 ff.,  wie  er  selbst  versichert, 
„endgültig  gerichtet*^  Meines  wissens  hat  es  nun  bis  jetzt  nie- 
mand unternommen,  das  gesetz  gegen  einen  solch  harten  Staats- 
anwalt zu  verteidigen.  Wenn  ich  diesen  versuch  wage,  so  will 
ich  damit  keineswegs  den  „vätem''  des  gesetzes,  nämlich 
Bezzenberger  BB.  III  169  i)  und  Fick  QGA.  1881,  s.  1429, 
vorgreifen,  sondern  es  nur  zu  verhindern  suchen,  dass  W. 
Schulze  deshalb  eine  anzahl  von  gläubigen  findet,  weil  die 
Unzulänglichkeit  seiner  von  ihm  selbst  als  zwingend  angesehenen 
beweisführung  von  niemandem  ans  tageslicht  gezogen  wird. 

2. 

Schulze'ns  argumentation  ist  kurz  folgende.  Aoriste  wie 
ofio-aatu^  xaU^aai  von  stammen,  die  auf  einen  kurzen  vokal 
endigen,  finden  wir  nur  im  Homer  und  bei  den  asiatischen 
Äolem.  In  allen  übrigen  dialekten  treten  diese  aoriste  stets 
mit  einfachem  sigma  auf  und  zwar,  was  ausschlaggebend  ist, 

*)  Dass  Bezzenberger's  aasfuhrangen  den  meisten  derjenigen, 
die  sich  mit  ihnen  beschäftigt  haben,  lediglich  aus  der  anvollstän- 
digen wiedergäbe  durch  Bragmann  MU.  III  83  bekannt  sind,  geht 
daraas  hervor,  dass  sich  Bragmann's  drnckfehler  „BB.  IV  159'^  a.  a. 
bei  Froehde  BB.  IX  117.  W.  Schalze  KZ.  XXIX  266.  Verfasser 
Dial.  1265.    G.  Meyer  Griech.  gramm. '  611  wiederfindet 


Zur  bildung  des  sigmatisehen  aoristes.  31 

in  derselben  quelle  zusammen  mit  solchen  werten,  in  denen  ein 
aus  o  +  a^T  +  üyt+i  entstandenes  -aa-  nicht  verein- 
£Etcht  ist: 

Phalanna- Thessalien   ofioaavzeg   neben   laoofAhw   SGDL 

no.  1332 95*  S9« 

Herakleia  Sfioaavteg  taf.  I  118  neben  iaaijmi  (fünfmal), 
iaaovtai  (dreimal),  idaaad^e^a  (zehnmal,  aus  * k'-öixv-aafied'a) 
und  dem  dativ  plur.  auf  -Hxaai  (aus  ^-or-cre)  z.  b.  vnaQ%6iftaaaiv. 

Aigolis  xavofioaai  neben  iaaafievovg  (aus  *  kd'aa-fihovg) 
SGDL  no.  3380i6. 7. 

Dreros-Ereta:  Mus.  ItaL  III 657  S,  w^oaocp  Aio,  ä^oaa  Bs6 
neben  daaaaaSidaav  Cs»  Dt« 

Gortyn-Ereta:  im  stadtrecht  ofiSaai  II  37,  dafiäacuTo  II  11, 
Xaydaai  I  5.  24  (vgl.  JLaydaaai'  äqmrai)  neben  mto^dattad'd'ai 
IV  29,  dctrtanrsai  V  34  (aus  daaa-  <  *dair-a-),  o/rdrroi 
oftoftai  IV  40.  42  (aus  ortoaaoi  <  *07r(Ji:jibi),  idttai  VIII  47 
(att  ovai;,  aus  iaa0a  <  ^unria).  Femer  im  Mus.  ItaL  UI  692 
(Sfjiaaap  u  neben  ^u4qm&&v  \%  (aus  ^AqTnaoai  <  ^l^Qnddoi),  in 
den  Monum.  ant.  I  47  £f.  naq&utkiaav  Ci8  neben  rtofftiad-^av 
Bi9  (aus  feoqv4aaaay  <  *iorii(iy),  /ived-d^i  B»  (aus /ma-at). 

Ealymna  dvtiaiAoaa»  neben  diTuxaaito  SGDL  no.  3591  a«.?. 

Epicharm  anwlsaa  71s  (Ahrens),  xaXiaai  19i,  huxleae 
20  6ö  neben  ^ot/  125  130  151,  iaaeitai  98i,  £00cr  96«,  ro<r- 
aavtaL  82  ^  u.  a.  m.    Allerdings  auch  a!il«aao  148. 

Da  also  in  diesen  quellen  ein  ursprüngliches  oder  durch 
assimilation  entstandenes  0a  nicht  vereinfacht  ist,  so  können  — 
folgert  W.  Schulze  —  die  in  ihnen  überlieferten  formen 
ofAoaai,  makeaM  u.  s.  w.  nicht  aus  dfidcaaiy  xaleaacu  hervor- 
gegangen sein. 

Nach  seiner  ansieht  ist  ofiöaaai  jünger  als  dfioaai  und  erst 
aus  dieser  form  weitergebildet.  Er  vertritt  hinsichtlich  der 
bildung  des  sigmatisehen  aoristes  die  herrschende  ansieht,  dass 
sowohl  an  die  konsonantischen  als  an  die  vokalischen  stamme 
einfaches  sigma  trat:  e-^eiK-^^Oy  *e-At;-0-a,  ^wfAO^a^a,  Die 
letzteren  beiden  formen  wurden  schon  in  urgriechischer  zeit  zu 
^IXücr,  *cu/ioa,  da  einfaches  sigma  zwischen  vokalen  gemein- 
griechisch in  h  überging  und  dann  ausfiel.  Der  einfluss  der 
von  konsonantischen  stammen  gebildeten  aoriste,  in  denen  a 
hinter  konsonanz  sich  erhielt,  setzte  es  dann  durch,  dass  das 
ausgefallene  -o-  auf  dem  wege  der  formenaui^leichung  wieder 


32  0.  Hoffmann 

in  die  aoriste  vokaliseher  stamme  eingefugt  wurde:  so  entstanden 
die  neubildungen  a^lv-a^a  w-fio-o-a.  Doch  für  die  aoriste 
des  typus  äfioaa^  hiäleaa  war  damit  die  entwicklung  noch  nicht 
abgeschlossen.  Sie  wurden  vom  äolisch-homerisohen  dialekte 
in  nähere  beziehung  gesetzt  zu  aoristen  wie  hikaa-aa^  Bvqaa^aa^ 
deren  verbalstamm  auf  *a-  endigt,  und  von  diesen  aoristen  mit 
lautgesetzlich  berechtigtem  -aa-  wurde  doppelsigma  auf  dem 
wege  der  formenausgleichung  auch  auf  die  aoriste  äfioca^  hui' 
Isaa  fibertragen:  so  schuf  die  zum  zweiten  male  wirksame 
macht  der  analogie  die  jüngsten  äolisch-homerischen  formen 
uifioaaa^  buileaaa. 

Ich  werde  auf  diese  erklärung  der  sigmatischen  aoriste  am 
Schlüsse  mit  ein  paar  werten  zurückkommen.  Vor  der  band 
wiU  ich  versuchen,  die  angeblichen  argumente  für  den  satz 
Schulze' ns 9  dass  dor.-thess.  ofioaai  nicht  aus  Oficaaai  ent- 
standen sein  könne,  als  hinfallig  zu  erweisen  und  damit  der 
Bezzenberger-Fick'schen  erklärung  des  sigmatischen  aoristes 
das  feld  frei  zu  halten.    Ich  hoffe  zu  zeigen,  dass 

1.  eine  lautgesetzliche  ableitung  von  thess.-dor.  ofioaai  aus 
ofioaaai  durch  die  von  W.  Schulze  gegen  dieselbe  angeführten 
gleichaltrigen  werte  mit  erhaltenem  -aa-  nicht  widerlegt  wird, 
und  dass 

2.  thess.-dor.  J/ioaoi,  wenn  darin  wirklich  ein  lautgesetz- 
licher Übergang  von  -aa-  in  -a-  nicht  stattgefunden  haben 
sollte,  auf  dem  wege  der  formenausgleichung  sein  einfaches 
sigma  für  das  ursprüngliche  doppelsigma  bezogen  haben  kann. 

3. 

Wenn  jemand  die  behauptung  aufstellt,  dass  in  einem  be- 
stimmten dialekte  oder  in  einer  quelle  desselben  ein  -«-  zwischen 
vokalen  nicht  aus  ursprünglichem  -«s-  hervorgegangen  sein 
könne,  weil  dieser  doppellaut  unverändert  geblieben  sei,  so 
darf  er  den  beweis  nur  auf  die  bel^e  für  ein  wirklich  unver- 
ändert gebliebenes  ursprüngliches  -ss-  gründen.  W.  Schulze 
denkt  darüber  freilich  anders.  G^en  die  ableitung  von  ofioaai 
aus  ofioaaai  fuhrt  er  aoriste  wie  öaoaaa^ai  ins  feld,  in  denen 
-<ra-  aus  -va-  entstand,  und  sogar  ein  onoaaoq  mit  seinem  aus 
^i"  hervorgegangen  -0<r-.  Mir  ist  keine  tatsache  bekannt,  die 
uns  zu  dem  Schlüsse  berechtigte,  dass  jedes  griechische  aa^ 
ganz  gleich  ob  es  aus  H  xi,  aus  ti  ^,  aus  t/»  aus  0/,  aus 


Zur  bildung  des  dgmatischen  aoristes.  33 

a  +  Oy  aus  ta  %^a  da  entstanden  war,  von  anfang  an  völlig 
gleich  ausgesprochen  wurde.  Im  gegenteil,  wir  wissen  z.b., 
dass  ein  aus  -vi-  entstandenes  -aa-  von  einem  -aa^  aus  -ki» 
verschieden  war.  Da  nun,  wenn  kret.-arg.-thess.  ofioaai  lautge- 
setzlich aus  ofioaaai  hervorging,  diese  Vereinfachung  jedenfalls 
älter  ist  als  die  ältesten  inschriftlichen  quellen,  so  hindert  uns 
nichts  an  der  annähme,  dass  zur  zeit,  als  sie  stattfand,  das  ur- 
sprüngliche -aa-  eine  von  dem  aus  -ri-  und  -7<r-  gebildeten 
-aa-  verschiedene  ausspräche  besass.  Es  lassen  sich  also  falle 
wie  öaaadai^ai,  orcoaaog  gegen  die  ableitung  von  ofioaoai  aus 
öfioacu  nicht  ins  feld  fuhren. 

W.  Schulze  versucht  diese  sperre  durch  einen  Seitenweg 
zu  umgehen.  Vor  einigen  jähren  zwar,  so  versichert  er,  habe 
er  sich  noch  ausser  stände  gefühlt,  den  einwurf ,  dass  ein  ur- 
griechisches -aa-  anders  als  ein  aus  v  +  a  entstandenes  ^aa^ 
ausgesprochen  sein  könne,  zu  widerlegen:  „Wenn  nämlich 
jemand  behauptet  hätte,  dass  öaaaaad-av  für  ofioaai  nichts  be- 
weise, weil  das  lautprodukt  aus  dental  +  a  in  der  kretischen 
mundart  verschieden  gewesen  sein  könne  von  dem  durch  ein- 
fache zusammenrückung  entstandenen  doppelsigma,  so  hätte  ich 
mich  wohl  darauf  berufen  dürfen,  dass  nach  den  sonstigen 
thatsachen  der  griechischen  Sprachgeschichte  eine  solche  an- 
schauung  sehr  wenig  innere  Wahrscheinlichkeit  besitze,  für  eine 
vollkommene  Widerlegung  hätte  ich  das  aber  unmöglich  aus- 
geben dürfen  (s.  128)."  Gewiss  nicht!  W.  Schulze  hat  gut 
daran  gethan,  auf  ein  solches  „berufen'*  zu  verzichten:  denn 
über  eine  argumentation  mit  y,innerer  Wahrscheinlichkeit"  und 
„sonstigen  tatsachen  der  griechischen  Sprachgeschichte"  würde 
man  W.  Schulze'ns  eigne  werte  gesetzt  haben,  dass  „tat- 
sachen durch  ein  allgemeines  raisonnement  und  zuversichtliche 
behauptungen  weder  ersetzt  noch  beseitigt  werden  (s.  126)." 
Aber,  wie  gesagt,  Schulze  glaubt  heute  mit  mehr  als  allge- 
meinen erwägungen  den  beweis  dafür  erbringen  zu  können,  dass 
wenigstens  im  kretischen  dialekte  das  aa  in  einem  von  mir 
vorausgesetzten  ursprünglichen  ^o^o-acav  nicht  verschieden  ge- 
sprochen sein  könne  von  dem  -aa-  in  diiuiaaa^  und  deshalb 
gleich  diesem  hätte  erhalten  werden  müssen:  „Heute  wissen 
wir,  dass  für  die  Sonderstellung  des  kretischen  dialektes  (wenig- 
stens desjenigen  von  Gortyn)  nicht  eine  feinere  Scheidung  der 
Zischlaute,  sondern  umgekehrt  ein  weitergehender  zusammen&ll 

B«itrtc«  I.  Inuidt  d.  indg.  qpiMlMn.  XXVI.  8 


34  0.  Hoffmanü 

charakteristisch  ist.  Diese  mundart  hält  nämlich  .  .  .  nicht 
etwa  das  aus  dental  +  a  hervorgegangene  und  das  durch  zu- 
sammenrückung entstandene  aa  aus  einander,  sondern  lässt 
beide  vielmehr  mit  dem  eigentümlichen  Zischlaute,  der  aus  den 
konsonantischen  jod-verbindungen  entwickelt  ist  (meist  aa,  att. 
boeot  r%)  in  einen  laut  (^  >  77  >  ^d)  zusammenfallen.'' 
Richtig !  In  kret.  fhed'd'i,  Idqxad^d'iy  TtOf^T^iad'&a  ist  das  pro- 
dukt  aus  a  +  Oj  aus  t  +  a  und  aus  t  +  i  gleich  behandelt. 
Aber  aus  dieser  tatsache  vermag  ich  nur  den  einen  schluss  zu 
ziehen,  dass  etwa  im  IV.  jahrh.  im  Kretischen  das  -aa-  in 
fheaaiy  ^^Qxdaaiy  Xaaaa  gleich  gesprochen  wurde.  Wenn  da- 
mals ein  wfioaaa  noch  vorhanden  gewesen  wäre,  würde  es 
wahrscheinlich  auch  zu  äfio&d'a  geworden  sein.  Aber  woher 
wissen  wir  denn,  dass  nicht  wfioaaa  bereits  zu  äfioaa  geworden 
war,  als  feveaac  noch  gesprochen  wurde?  Ist  es  denn  er- 
wiesen, dass  das  „durch  zusammenrückung  entstandene''  "aO" 
in  ßhaaat  (ssk.  vacatsu)^  dem  ich  auch  gleich  eaaofiai  an- 
schliessen  will,  völlig  gleicher  art  und  ebenso  ursprünglich  war 
wie  das  'Oa-  in  wfio-aaa  (vgl.  ssk.  d-pa-siä-am)?  W.  Schulze 
setzt  das  stillschweigend  voraus:  aber  das  schweigen  ist  hier 
am  unrechten  platze,  denn  diese  Voraussetzung  gehört  nicht  zu 
denen,  die  keines  beweises  bedürfen. 

In  eaaofiac  und  pheaai  hat  hinter  dem  aa  wahrscheinlich 
oder,  um  meine  persönliche  auffassung  zurücktreten  zu  lassen, 
möglicherweise  noch  ein  spirant  gestanden.  Es  liegt,  wie  das 
auch  Brugmann  GR.  II  1092  betont,  kein  zwingender  grund 
vor,  das  griechische  futurum  auf  "aw  von  dem  indischen  auf 
-syämi  und  dem  litauischen  auf  -siu  zu  trennen:  öei^w  aus 
*öeix'aiw  =  ssk.  dskäyämi.  In  ^ea^ajofiav  aber  konnte  durch 
den  ursprünglich  folgenden  Spiranten  das  aa  so  verstärkt  werden, 
dass  es  das  -aa-  in  cifioaaa  überdauerte.  Das  gleiche  gilt  von 
fiteaai.  Die  lokative  der  vokalischen  stamme  i^nnoiat^  ti" 
fiijai.,  noliai^  orofia-at)  sprechen  dafür,  dass  die  lokativendung 
-ae  aus  -aat^  hervorgegangen  ist.  Zwar  pflegt  man  für  die 
endung  gewöhnlich  nur  ein  -«-  anzunehmen,  das  hinter  den 
vokalischen  stammen  zunächst  ausfiel  (IWTroit,  tifiai)  und  ihnen 
erst  nachher  von  den  konsonantischen  stammen  durch  formen- 
ausgleichung  zurückerstattet  wurde.  Ich  besitze  für  diese  er- 
klärung  kein  Verständnis.  Fänden  sich  noch  in  irgend  einer 
anderen  spräche  ausser  dem  Griechischen  sichere  spuren  einer 


Zur  bildung  des  sigmatischen  aoristes.  35 

pluralischen  lokativendung  "Si,  so  hätte  der  ansatz  eines  grie- 
chischen -Ol  eine  berechtigung.  Aber  die  übrigen  sprachen 
weisen  auf  eine  indogermanische  endung  -m  hin,  vgl.  ssk.  agve-- 
Su,  grfvSrsu,  altbulg.  rabS-chü  genchchü.  Wir  sind  also  auf  das 
Oriechische  selbst  angevriesen;  und  wenn  wir  da  mit  der  an- 
nähme einer  ursprünglichen  endung  -aai  gleichzeitig  die  formen 
der  konsonantischen  und  der  vokalischen  stamme  lautgesetzlich 
zu  erklären  imstande  sind,  wenn  ferner  in  homer.  yhinjai 
Ttivv-aai  yenv^am  ein  *aat  hinter  kurzem  vokale  direkt  über- 
liefert  ist,  so  fühle  ich  für  meine  person  kein  bedürfnis  dazu, 
einem  -oaif  mag  dieses  nun  aus  -a/i  oder  einem  anderen  laut- 
komplexe entstanden  sein,  die  existenzberechtigung  ohne  irgend 
einen  ersichtlichen  grund  abzusprechen  und  dafür  einem  sonst 
unbekannten  -at  zu  liebe  die  falle  der  analogiewirkung  um 
zwei  nummem  zu  bereichem:  denn  natürlich  muss  ja  dann 
auch  homer.  TtiTv-aai  analogiebildung  nach  ev^aai  sein,  wenn 
wir  nicht  gleich  den  radikaleren  weg  einschlagen  und  das  un* 
bequeme  -v-oav  mit  Brugmann  66.  '  237  W.  Schulze 
Quaest.  Hom.  48  einfach  in  "V-ai  ändern!  Das  eine  steht 
jedenfalls  fest :  wer  in  j-heaat^  von  dem  zusammentreffen 
zweier  einfachen  ^-laute  redet,  behauptet  etwas,  was  er 
nicht  beweisen  kann.  Der  ansatz  eines  ursprünglichen  ^ßhsa- 
aat  (oder  einer  grundform,  in  der  die  Vorstufe  des  -aoi  noch 
erhalten  war,  also  etwa  eines  */€T60'afi)  ist  auf  grund  des 
griechischen  materiales  zum  mindesten  ebenso  berechtigt. 
Und  damit  wird  ßheaai  als  parallele  für  ein  ofiöaaai  hinfällig. 
Doch  ich  komme  Schulze  noch  weiter  entgegen,  ich  will 
einmal  gegen  meine  bessere  Überzeugung  annehmen,  dass  es 
sich  sowohl  bei  eaaofiai  als  bei  fheaav  um  zwei  einfache  und 
echte  S-laute  handele:  auch  dann  lassen  sich  beide  formen  mit 
der  ableitung  eines  wfioaa  aus  aif^ooaa  in  einklang  brmgen. 
Wurde  -ss-  hinter  kurzen  vokalen  im  Kretischen,  Argivischen 
u.  8.  w.  vereinfacht,  so  musste  allerdings  ein  ursprüngliches 
/«rea-cre  lautgesetzlich  zu  /eVeat  und  ia-aofiai  zu  kaofiai 
werden.  In  diese  formen  konnte  aber  nachträglich  das  sigma 
des  Stammes  aus  denjenigen  formen  wieder  eindringen,  in  denen 
es  erhalten  blieb:  von  adnogf  adxea-ipiy  aamaq^og  u.  s.  w. 
konnte  die  neubildung  odxea-aif  von  ka-wiy  eo*t(o  u.  s.  w.  die 
neubildung  io-oofou  ausgehen,  ateaai  und  eaaofiai  verhalten 
sich    dann     zu    o^oaav   genau    umgekehrt    so,     wie    es    sich 

3* 


36  0.  Hoffmann 


W.  Schulze  denkt:  ofidacu  (aus  ofioaaai)  ist  dann  in  jenen 
kretischen  y  thessalischen  u.  a.  inschriften  die  lautgesetzlich 
richtige  form,  während  /heaai  und  kaoofiai  ihr  doppeltes  -Ra- 
statt des  zu  erwartenden  einfachen  -0-  auf  dem  wege  der 
formenausgleichung  bezogen  haben. 

Besser  als  eaoofiat  und  ßheaai  zeugt  ioai  für  ursprüng- 
liches -^-.  Diese  form  ist  von  dem  verdachte  frei,  dass  ihr 
-a-a-  anders  als  durch  zusammenrückung  zweier  einfachen  s- 
laute  entstanden  sei  (stamm  ea-,  endung  -^i).  und  zugleich  hat 
die  annähme,  ihr  doppelsigma  sei  in  der  griechischen 
Sprachentwicklung  durch  formenausgleichung  an  die  stelle  eines 
aus  ursprünglichem  -88-  vereinfachten  -«-  getreten,  wenig  für 
sich:  denn  solche  nichtthematischen  zweiten  personen  sing.,  in 
denen  die  endung  -si  hinter  verschlusslauten  und  liquiden  stand 
(z.  b.  ein  ^J-hL-ci  ,,du  willst*'  =:  ssk.  vik-^  und  die  zur  Um- 
bildung eines  lautgesetzlichen  *lcrt  in  la-<rt  hätten  führen 
können,  sind  im  Griechischen  nicht  mehr  nachzuweisen.  Trotz- 
dem ist  der  gegensatz  zwischen  IcqI  und  einem  aus  uifioaaa 
entstandenen  a^oaa  nicht  unüberbrückbar. 

Neben  iaai  liegt  im  Griechischen,  die  form  cl,  die  dem  in- 
dischen dsi,  aw.  oAt  entspricht  und  auf  ein  idg.  ist  „du  bist** 
zurückweist.  Den  glücklichsten  versuch,  dieses  est  neben  esst 
zu  erklären,  hat  Osthoff  perfekt  18  gemacht:  er  nimmt  au, 
dass  im  die  betonte  und  esi  die  unbetonte  enklitische  form 
gewesen  sei,  dass  sich  also  -«9-  nach  haupttonigem  vokal  er- 
hielt, nach  unbetonter  silbe  vereinfacht  wurde.  Was  diese  er- 
klärung  empfiehlt,  ist  die  aus  dem  Griechischen  nachweisbare 
tatsache,  dass  ein  verdoppelter  konsonant  sich  hinter  einem 
betonten  kurzen  vokale  lüiger  hielt  als  hinter  einem  unbetonten 
kurzen  vokale.  Mit  eaai  auf  einer  stufe  stehen,  wenn  wir 
die  erklärung  von  Osthoff  billigen,  formen  wie  ofiocaai^  ofwa- 
aag  u.  a.,  in  denen  der  accent  dem  aa  unmittelbar  vorherging, 
und  dem  el  aus  idg.  esi  sind  ai^ooa,  äfioae,  iS/ioaoy,  o^oamw 
zu  vergleichen,  in  denen  das  o  tonlos  war.  Freilich  müssen 
wir  die  entwicklung  von  ä^oaae  zu  äfioae  in  eine  jüngere  zeit 
verlegen  als  die  entwicklung  von  essi  zu  esi  >  el.  Die  enkUti- 
sche  form  esi  mit  einfachem  s  war  bereits  indogermanisch,  da 
dieses  -e-  im  Griechischen  zwischen  vokalen  ausgefallen  ist, 
während  die  Vereinfachung  des  -ss-  in  äfioaca  erst  der  grie- 
chischen Sprachentwicklung  angehören  kann.     Diese  annähme 


Zur  bildung  des  sigmatischen  aoristes.  37 

ist  aber  auch  durchaus  unbedenklich,  da  wir  weder  über  die 
zeit  noch  über  die  genaueren  bedingungen,  unter  denen  -a-<7-  in 
ofioaaai  zusammengerückt  ist,  sicheres  wissen;  das  indische 
a-pä-siSam,  dessen  -siäam  Yon  Bezzenberger  dem  griechischen 
'Oaa  gleichgesetzt  ist,  giebt  uns  wohl  den  Schlüssel  zu  dem 
morphologischen,  aber  nicht  unmittelbar  zu  dem  lautlichen  Ver- 
ständnis des  griechischen  doppelsigma's. 

Wenn  von  den  ursprünglich  durch  den  verschiedenen  accent 
bedingten  doppelformen  aifioaa  :  o^oooai,  diese  im  homerisch- 
äolischen,  jene  im  thessalisch-herakleotisch-kretischen  dialekte 
die  alleinherrschaft  an  sich  riss,  so  widersprechen  das  stamm- 
betonte eaai,  und  der  auf  dem  zweiten  vokale  unbetonte  stamm 
ofioaa^  einander  nicht. 

Wie  in  sa-at,  darf  ursprüngliches  -^s-  angenommen  werden 
in  i'a'Cai  „bist  bekleidet*'  w  2öO,  Sa-ao  F  51  n  199,  Ma-aav 
„waren"  Alkaios  91,  l<7-ao  „sei**  a  302  y  200  Sappho  1^8 
(wenn  dieses  ein  alter  injunktiv  auf  -so  ist).  Alle  formen 
tragen  den  akzent  unmittelbar  vor  dem  -aü'  und  stehen  also 
auf  einer  stufe  mit  iaat, 

4. 

Damit  bin  ich  mit  der  prüfung  der  von  W.  Schulze 
gegen  die  lautgesetzliche  herleitung  des  ofioaai  aus  ofwa- 
aai  vorgebrachten  formen  zu  ende;  sein  Vorwurf,  „ich  hätte 
nicht  das  bedürfhis  gefühlt,  die  tatsachen  zu  verhören'^  lastet 
nicht  mehr  auf  mir.  Freilich  wird  das  resultat  dieses  Ver- 
höres schwerlich  Schulze'ns  erwartungen  befriedigen.  Seine 
und  meine  begriffe  von  „tatsache"  und  „beweis**  gehen  weit 
aus  einander.  Er  nimmt  dinge  als  sicher  und  erwiesen  an,  die 
niemand  erwiesen  hat  und  vielleicht  je  erweisen  kann.  Er 
„fühlt  kein  bedürfnis**  dazu,  bei  formen  wie  Icraojuoe,  fhBOOL 
die  frage  aufzuwerfen,  ob  jeder  zweifei  daran  ausgeschlossen 
ist,  dass  ihr  -aa-  wirklich  ursprünglich  und  durch  zusammen- 
rückung zweier  einfachen  «-laute  entstanden  war;  er  betrachtet 
das  als  „tatsache'S  was  nur  eine  unbewiesene  annähme  der  land- 
läufigen grammatischen  darstellung  ist,  und  gründet  auf  solche 
„tatsachen^' Schlüsse,  denen  er  unbedingte  beweiskraft zuschreibt 

Mit  dem  von  mir  geführten  nachweise,  dass  keine  einzige 
der  mit  -acr-  überlieferten  formen  ein  einwandsfreier  zeuge 
gegen  die   lautgesetzliche  zurückfuhrung  von   öfAoaai  auf 


38  0.  Hoffmann 

ofioaaai  ist,  habe  ich  selbstverständlioh  weder  Schulze'ns  er- 
klärnng  des  sigmatischen  aoristes  widerlegt  noch  Bezzen- 
berger's  deutung^  um  einen  schritt  gefördert.  Ich  habe  nur 
gezeigt,  dass  unsere  erkenntnis  die  grenze  der  möglichkeiten 
auch  heute  noch  nicht  zu  überschreiten  imstande  ist,  trotz  des 
zuversichtlichen  „endgiltigen"  urteils,  das  Schulze  fällt  Das 
ist  vor  mir  schon  von  Bartholomae  Studien  I  67  ausge- 
sprochen: die  dürftigkeit  des  materiales  lässt  sichere  Schlüsse 
auf  die  Schicksale  eines  indogermanischen  -ss-  im  Griechischen 
nicht  zu. 

Die  wenigen  formen,  für  die  wir  ein  ursprüngliches  -ss- 
hinter  kurzem  vokale  im  Griechischen  annehmen  dürfen, 
sind  die  schon  erwähnten  verba  iaai,  toaaiy  ^aaOy  eaoav^  k'aoo. 
Die  aoriste  rgia^aai^  Telia-aai  sind  deshalb  weniger  zuverlässige 
gewährsmänner,  weil  ihr  ^ao-  nicht  ursprünglich  zu  sein  braucht^ 
sondern  (wenn  aus  ursprünglichem  -(r<r-  lautgesetzlich  -a-  geworden 
war)  auf  dem  wege  der  formenausgleichung  wiederhergestellt 
sein  kann  (vgl.  rsreAea-jUort  :  eÖBf^-aa),  Das  gleiche  gilt  von 
den  oben  besprochenen  formen  eGaofiai.  uud  ^eoai.  Damit 
ist  unser  material  erschöpft. 

Noch  dürftiger  steht  es  mit  den  belegen  für  ursprüng- 
liches -aa-  hinter  langem  vokale.  Die  einzige  mir  be- 
kannte form,  in  der  wir  im  Griechischen  ein  idg.  -aa-  ziemlich 
sicher  voraussetzen  dürfen,  ist  ^aat  »  ssk.  äs-se,  Sie  spricht 
also  für  die  Vereinfachung  des  ursprünglichen  -aa-  in  -a-  hinter 
langen  vokalen.  Dass  sie  allerdings  für  diesen  lautwandel 
ebenso  wenig  ein  ganz  einwandsfreier  zeuge  ist,  wie  sTsaai, 
tgeaaaL  u.  s.  w.  für  die  erhaltung  des  -aa-  hinter  kurzem 
vokale,  hat  bereits  Bartholomae  a.  a.  o.  betont. 

Ich  wiederhole  es:  der  für  die  Bezzen berger- Fick'sche 
erklärung  des  sigmatischen  aoristes  vokalischer  stamme  not- 
wendigen Voraussetzung,  dass  ursprüngliches  -ss-  auf  laut- 
mechanischem wege  hinter  langen  vokalen  bereits  urgrie- 
chisch (oder  jedenfalls  in  vorhistorischer  zeit)  zu  einfachem  -a- 
wurde,  während  es  sich  hinter  kurzen  vokalen  (besonders,  wenn 
der  acoent  unmittelbar  vorherging)  erhielt  und  —  soweit  es 
nicht  hinter  tonlosem  vokale  allgemein  vereinfacht  wurde  — 
erst  im  sonderleben  der  einzelnen  dialekte  in  einfaches  -$-  über- 
ging, —  dieser  Voraussetzung  widerspricht  keine  einzige  unbe* 
dingt  beweiskräftige  tatsache  des  Griechischen. 


Zur  bildung  des  sigmatischen  aoristes.  39 

5. 

Doch  nehmen  wir  einmal  den  unwahrscheinlichen  fall  an, 
es  vnirde  in  künftigen  tagen  durch  eindeutige  tatsachen  der 
strenge  beweis  dafür  erbracht,  dass  die  aoriste  ofioaai,  dafiaaaiy 
oliaai  u.  s.  w.  in  denjenigen  dialekten,  die  daneben  ddaaaa&ai, 
iaoßad'ai^  fheaaiy  laai  u.  s.  w.  besitzen,  nicht  lautgesetzlich 
aus  6f,i6aaai^  dafidaaaiy  dXaoaai  entstanden  sein  können,  — 
setzen  wir  also  das  als  wirklich  bewiesen  an,  was  W.  Schulze'ns 
argumente  nicht  zu  erweisen  vermögen:  auch  dann  ist  die  von 
mir  aufgenommene  Bezzenberger-Fick'sche  Erklärung  des 
sigmatischen  aoristes  nicht  „endgiltig  gerichtet*',  auch  dann 
kann  o/aooaai  älter  und  ursprünglicher  als  6(i6aai  sein.  Denn 
—  und  damit  komme  ich  zu  dem  zweiten  meiner  sätze  — 
ofioaai  braucht  gar  nicht  lautgesetzlich  aus  ofioaaai 
herrorgegangen  zu  sein,  es  kann  aus  den  aoristen  langvokaliger 
verbalstämme  wie  Xv-^sai.  Ti^fj^aai^f  in  denen  das  einfache  a 
hinter  langem  vokale  lautgesetzUch  aus  aa  entstanden  war, 
auf  dem  wege  der  formenausgleichung  einfaches  a 
statt  des  ursprünglichen  aa  bezogen  haben.  Diese  möglichkeit 
habe  ich  in  meiner  formulierung  des  „gesetzes'^  keineswegs  aus- 
geschlossen: ich  habe  lediglich  behauptet,  dass  das  ursprüng- 
liche aa  ,,er8t  in  den  einzelnen  dialekten  im  laufe  der  zeit  ver- 
einfachf  sei  —  ob  auf  lautgesetzUchem  wege  oder  durch 
formenassociation,  wird  die  Untersuchung  in  jedem  specialfalle 
festzustellen  haben.  Es  ist  durchaus  nicht  gesagt,  dass  in  allen 
dialekten,  die  ofioaav  aufweisen,  das  einfache  a  sich  auf  eine 
und  dieselbe  weise  entwickelte. 

Die  erklärung  des  ofioaai  aus  einer  formalen  anlehnung  an 
Xvaai.  beruht  auf  der  Voraussetzung,  dass  ursprüngliches  -aa^ 
hinter  langen  vokalen  (also  in  *Xv'aaai)  lautgesetzlich  zu  -a- 
geworden  ist.  Dass  keine  tatsache  des  Griechischen  dieser  an- 
nähme widerspricht,  dass  vielmehr  rfiav  =  ssk.  ds-se  ihr  günstig 
ist,  habe  ich  bereits  oben  auseinandergesetzt. 

Auch  sind  die  bedingungen,  unter  denen  im  allgemeinen 
eine  formenausgleichung  stattzufinden  pflegt,  in  diesem  falle 
vollkommen  erfüllt:  die  angeglichene  form  (dfio-aai)  ist  ihrer 
vorläge  (Xv^aat)  in  bedeutung  und  bildung  eng  verwandt  und 
steht  hinter  ihr  an  häufigkeit  des  Vorkommens  erheblich  zur 
rück:  gegenüber  der  unendlich  grossen   zahl  der  aoriste  von 


40  O.  HoffmaDn 

stammen  anf  lange  Yokale  bilden  die  aoriste  des  typus  o^o-itaij 
ole-aai  nur  ein  kleines  häuflein. 

Fralich  führt  W.  Schulze  zwei  grande  gegen  die  annähme 
einer  solchen  formenaosgleichung  ins  feld. 

In  KZ.  XXIX  268  hält  er  sie  deshalb  für  unwahrscheinlich, 
weil  6fi6-<f(u  für  drei  Yon  einander  unabhängige  dialekte  be- 
zeugt seL  Ein  wunderliches  argument!  Als  ob  eine  associations- 
bildung,  die  auf  der  inneren  engen  Zusammengehörigkeit  zweier 
formen  beruht»  nur  in  einem  einzigen  dialekte  oder  nur  in 
nachbardialekten,  die  im  leihverkehr  mit  einander  stehen,  zu 
erwarten  wäre!  Es  kann  doch  Schulze'n  unmöglich  unbekannt 
sein,  dass  mehr  als  eine  associationsbildung  an  den  Ycrschie- 
densten  punkten  des  griechischen  Sprachgebietes  zu  Yerschie- 
denen  zeiten  auftaucht,  ohne  dass  auch  nur  im  entferntesten 
an  eine  entlehnung  oder  „wellenförmige'^  Verbreitung  zu  denken 
ist.  Soll  ich  dafür  noch  beispiele  geben?  Die  stamme  auf 
-cor-,  nom.  sg.  -rjg  bilden  nach  analogie  der  vokalischen  stamme 
den  akkusativ  sg.  auf  -f/-y  (statt  auf  -£a  oder  -17):  akkusative 
dieser  art  sind  belegt  aus  dem  Alt-Attischen  (Meisterhans  > 
105  107),  dem  Lesbischen  (Verf.  6D.  n  548),  dem  Eypri- 
scben  und  Arkadischen  (Verf.  OD.  I  251),  dem  Böotischen 
(hier  auf  -eey  endigend,  Meister  GD.  I  268).  Man  nimmt  all- 
gemein wohl  mit  recht  an,  dass  in  eixoai  gegenüber  dem  fei- 
%avi  fiyuni  der  dorischen  dialekte  das  -o-  statt  -a-  aus  den 
zehnem  anf  -xovta  herübergenoromen  sei:  die  form  eixoai  ist 
für  das  Ionisch- Attische,  fürs  Äolische  (Verf.  6D.  11590)  und 
fürs  Arkadische  (Verf.  6D.  1288)  bezeugt.  Die  nrgriechische 
participialform  *Saaa  „die  seiende''  =  ssk.  satt^  im  Messeni- 
schen Argiyischen  Kretischen  zu  iaaaa  erweitert,  wurde  von  den 
lesbischen  Äolem  (Verf.  Dial.  II  472)  und  Argivem  in  Epi- 
dauros  (S6DI.  3340»)  und  Trozan  (SGDI.  3364b»i)  nach  dem 
männlichen  stamme  ht-  »  ssk.  sant-  in  eaaa  umgewandelt. 
Solche  belege  Hessen  sich  zu  dutzenden  anführen.  Das  auf- 
treten derselben  formenausgleichung  in  verschiedenen  von  ein- 
ander unabhängigen  dialekten  ist  ja  doch  ebensowenig  wunder- 
bar, als  wenn  mehrere  dialekte  unabhängig  von  einander  den 
gleichen  lautwandel  (z.  b.  von  e  vor  vokalen  in  i)  vollziehen. 
Ob  die  annähme  einer  associationsbildung  wahrscheinlich  oder 
unwahrscheinlich  ist,  hängt  davon  am  allerwenigsten  ab,  ob 
diejenige  form,  deren  lautgestalt  man  auf  einen  formalen  aus- 


Zur  bildung  des  sigmatischen  aoristes.  41 

gleich  zurückführt,  in  einer  stadt  oder  in  zehn  Städten  spora- 
disch auftritt.  Die  intimität  der  beziehungen  zwischen  den 
beiden  formen,  deren  eine  auf  die  andere  gewirkt  haben  soll, 
ist  das  erste  criterium  für  die  beurteilung  der  grösseren  oder 
geringeren  Wahrscheinlichkeit  einer  formenuusgleichung. 

Noch  überraschender  wirkt  Schulze'ns  zweiter  einwand 
KZ.  XXXIII  131 :  gegen  eine  analogische  Umbildung  von  ofioa- 
aai  in  ofioaai  unter  dem  einflusse  von  Xxjaai  soll  »,das  zeugnis 
der  inschriften  von  Gortyn  laute  einspräche**  erheben. 
„Ganz  ähnlich**  führt  Schulze  aus  „wie  im  sigmatischen 
aoriste  liegen  nämlich  die  Verhältnisse  im  dat  plur.  dritter 
deklination,  dessen  suffixales  a  lautgesetzlich  nur  nach  konso- 
nanten  erhalten  bleiben  konnte,  aber  durch  die  macht  der 
analogie  auch  in  allen  anderen  formen  vor  der  Vernichtung,  zu 
der  es  durch  seine  freie  Stellung  zwischen  vokalen  eigentlich 
verurteilt  war,  bewahrt  worden  ist.  Hier  hat  sich  nun  der 
einfluss  der  weitaus  überwiegenden  formen  mit  einfachem  a  als 
nicht  kräftig  genug  erwiesen,  die  pluraldative  auf  -aav  (ursprüg- 
Uch  dent.  +  ^9  ^  +  ^)  ^^  formen  mit  einfachem  Zischlaute 
umzuwandeln:  kret.  ^Aqytad'&i  und  ßitsd'&i  sind  oben  belegt 
worden.  Ebensowenig  hätte  meines  erachtens  auch  die  analogie 
von  üTtevaai  Xvaai  und  genossen  ausgereicht,  die  postulirten 
formen  ofioaaai  xaXiaoav  in  die  lautgestalt  der  thatsächlich 
belegten  ofioaai  xaUaat,  überzuführen^'. 

Also  —  weil  aa  im  dative  ßheaai,  trotz  iW/rot-at,  noXt^ai 
u.  a.  nicht  per  analogiam  vereinfacht  ist,  soll  auch  ein  ofioaaai 
nicht  durch  den  einfluss  von  Xv-aai,  in  ofiöoai  haben  umge- 
wandelt werden  können.  Da  fragt  man  doch  staunend:  wirkt 
denn  die  macht  der  analogie  ebenso  ausnahmslos  wie  ein  laut- 
gesetz,  ist  die  spräche  dazu  verpflichtet,  eine  bestimmte  formen- 
ausgleichung ,  die  sie  in  der  konjugation  eintreten  lässt,  unter 
ähnlichen  bedingungen  auch  in  der  deklination  durchzuführen? 
Ich  glaube,  dass  kein  einziger  Sprachforscher  ausser  W.  Schulze 
diese  frage  bejahen  wird.  Es  wird  niemand  für  die  in  ver- 
schiedenen griechischen  dialekten  aus  alter  zeit  belegten  akkusa- 
tive  sg.  der  konsonantischen  stamme  auf  -a-v  statt  auf  -a  » 
-w  (z.  b.  kypr.  dvÖQidvza-v ,  ijatrJQa-^v  verf.  GD.  I  no.  140 1 
1348  135  s),  die  man  allgemein  und  gewiss  mit  recht  als  ana- 
logiebildungen  nach  den  akkusativen  vokalischer  stamme  wie 
liyO'V^  Tvokt-v  u.  s.  w.  aufgefasst  hat,  diese  art  der  entstehung 


42  0.  Hoffmann 

deshalb  bestreiten,  weil  die  erste  person  sg.  des  sigmatischen 
aoristes  auf  -a  «  hvi  (z.  b.  kypr.  efSQ^a  verf.  GD.  I  no.  146») 
nicht  durch  die  gleiche  form  der  vokalischen  stamme  auf  -v 
z.  b.  eXiTTO'Vy  slno-v,  eq)V'V  in  kaTtjoa-v  umgewandelt  sei. 

Wer  sich  aber  einmal  das  recht  herausnimmt,  von  der 
spräche  zu  verlangen,  dass  sie  unter  ähnlichen  Verhältnissen 
stets  die  gleiche  formenassociation  vollziehe,  der  muss  wenigstens 
diese  forderung  nur  dann  stellen,  wenn  wirklich  ähnliche  Ver- 
hältnisse obwalten.  Bei  den  dativen  ßheaat,  ^^naoav  liegen 
jedoch  die  Verhältnisse  nicht  „ganz  ähnlich'^  wie  bei  o/aoaaaiy 
sondern  gerade  umgekehrt.  Wenn  d^o-aai,  auf  dem  wege 
der  forroenausgleichung  aus  ofio-aaaL  hervorgegangen  ist,  so 
haben  die  aoriste  des  typus  lu-aat  (d.  h.  aoriste  von  stammen 
auf  lange  vokale)  die  vorläge  gebildet:  die  basis ,  auf  der  sich 
ein  einfluss  von  Iv-aat  auf  die  spärlichere  klasse  ofichaaai  ent- 
wickeln konnte,  bestand  also  in  der  tatsache,  dass  beides  aoriste 
vokal isch  auslautender  stamme  waren.  „Ganz  ähnlich** 
würden  also  im  dativ  plur.  die  Verhältnisse  liegen,  wenn  ein 
*7i6h-aac  durch  den  einfluss  von  iTVTtoi-ai  TifArj-ai  in  noXi-ai 
umgewandelt  wäre.  Aber  bei  ßhsaac  ^^Qndaat  handelt  es  sich 
ja  um  konsonantische  stamme!  Wäre  in  diesen  formen 
das  -aa-  per  analogiam  durch  -er-  ersetzt,  so  müssten  wir  darin 
einen  einfluss  der  vokal ischen  stamme  (iTtnoiai^  ti^rjai 
u.  s.  w.)  sehen:  dass  aber  ungleichartige  stamme  einander 
ebenso  leicht  beeinflussen,  wie  gleichartige,  wird  sich  schwer- 
lich behaupten  lassen,  und  schon  dieses  argument  würde  voll- 
auf genügen,  um  ein  ßheaav  neben  öiaoaai  zu  rechtfertigen. 
Es  kommt  aber  noch  dazu,  dass  die  übrigen  dative  der  kon- 
sonantischen stamme  sich  einer  Vereinfachung  des  -aa- 
direkt  widersetzt  haben  würden.  In  fersa-ac,  '^^xacr-crt 
kam  in  der  doppelkonsonanz  der  auslaut  des  Stammes  und  der 
anlaut  der  endung  genau  so  zum  ausdruck  wie  in  ywaiyc-ai^ 
KvnXoTt^ai.  Es  würde  deshalb  sogar  nicht  wunder  nehmen, 
wenn  ein  lautgesetzlich  entstandenes  /hsac,  ^Agndai.  nachträg- 
lich nach  den  Vorbildern  ywatn-al^  Kvxkoit-ai  wieder  in  fhea-aty 
^uäQyLad'OL  >  ^^Qnao-ai  zurückverwandelt  wäre.  Jedenfalls  war 
aber  das  -aa-  in  J^izea-ai  ^Aquaa-ai  durch  die  übrigen  konso- 
nantischen stamme  gerade  geschützt,  während  es  in  dem 
seltenen  ofio-aoai  gegenüber  dem  -a-  des  eng  verwandten  häu- 
figen aoristtypus  Xv-aai  auf  einem  isolierten  posten  stand. 


Zur  bildung  des  sigmatischen  aoristes.  43 

Damit  sind  Schul  ze'ns  einwände  erledigt. 

6. 

Bezzenberger's  und  Fick's  erklärung  der  sigmatischen 
aoriste  Iv-om^  Ofio-Gaai:  6fi6-aat  ist  also  noch  heute  ebenso 
gut  möglich  *),  wie  die  von  W.  Schulze  verfochtene.  Welche 
von  beiden  ist  die  wahrscheinlichere? 

Setzen  wir  mit  Bezzenberger  und  Fick  das  -cra-  und 
-j-  im  aoriste  der  vokalisch  auslautenden  stamme  dem  indischen 
'Sis'  morphologisch  gleich  und  betrachten  wir  *Xv-aaai 
OfiO'Oaai  als  die  ursprünglichen  formen,  so  lassen  sich,  wie  ich 
ausgeführt  habe,  alle  drei  historischen  formen  Iv-aai  ofio-aaat 
und  ofio-aai  ohne  Verletzung  eines  sicher  erwiesenen  laut- 
gesetzes  auf  rein  lautmechanischem  wege  aus  jenen  grundformen 
ableiten,  oder  es  ist,  wenn  wirklich  kret.  thess.  herakl.  ofio-aai 
xaU-aai  sich  einer  lautgesetzlichen  ableitung  aus  ofioaaav  xa- 
leaaat  widersetzen  sollten  (was  weder  W.  Schulze  noch  ein 
anderer  bis  jetzt  bewiesen  hat),  nur  für  diese  formen  die  nahe 
liegende  annähme  einer  analogiebildung  nach  dem  häufigen 
typus  Xv^aac  erforderlich. 

W.  Schulze  muss  zwei  auf  einander  folgende  akte  der 
formenausgleichung  annehmen:  zuerst  Iv-aai  o/ÄO-a-ai  (statt 
*XvaL  *6in6ai)  nach  dclx-a-ae,  und  zweitens  homer.-aeol.  o^io- 
aaat  (für  ofiihoai)  nach  reXia-aai  aTtaa-aaa&at  u.  ähnl.     Dabei 

')  Ich  meine  natürlich  in  erster  linie  die  ansetzung  eines  ursprüng- 
lichen -aau"  in  den  griechischen  aoristen  der  vokalischen  stamme: 
denn  Schnlze  stellt  sich  lediglich  auf  den  boden  der  griechischen  gram- 
matik.  Das  lautliche  Verhältnis  dieses  -aaa-  zu  ssk.  -sii-  will  ich  hier 
nicht  erörtern,  zumal  da  wohl  keine  hofifnung  vorhanden  ist,  dass  etwas 
sicheres  sich  je  wird  ermitteln  lassen.  Die  einwände  Brugmann's  MU. 
in  83  ff.  gegen  Bezzenberger's  gleichung  -aaa  =  ssk.  -siiam  sind  recht 
unglücklich,  weil  ein  jeder  derselben  wieder  auf  einer  unbewiesenen  und 
unbeweisbaren  Voraussetzung  beruht.  Meines  erachtens  besteht  der  eigent- 
lich nur  von  Fick  klar  hervorgehobene  wert  der  deutung  Bezzen- 
berger's darin,  dass  sie  die  griechischen  und  indischen  aoriste  auf  das 
gleiche  bildungsprincip  (eine  Verdoppelung  des  aoristischen  -«-)  zurück- 
führt. Dasindische  t  zwischen  den  beiden  «-lauten,  in  dem  Brugmann 
den  haupt-anstoss  erblickt,  spielt  gar  keine  rolle,  da  es  speciell  indisch 
sein  kann  und  einen  idg.  laut  nicht  darzustellen  braucht.  Aus  der  glei- 
chung ^ia  <  ♦^-/■€/J-€<ya  =  ssk.  d-ved-isam  den  lautwert  des  i  be- 
stimmen zu  wollen,  scheint  mir  recht  bedenklich« 


44     0.  Hoffmann    Zur  bildung  des  sigmatischen  aoristes. 

lässt  er  die   älteste  belegte  form   des   Oriecfaischen,   nämlich 
OjUoWcrt,  erst  aus  dem  später  belegten  o/Äoaai  hervorgehen. 

Ich  für  meine  person  ziehe,  wenn  ich  die  wähl  zwischen 
zwei  möglichkeiten  habe,  die  einfachere  lösung  der  komplicier- 
teren  vor.  Doch  ist  der  geschmack  in  solchen  dingen  ja  ver- 
schieden. Hoffentlich  haben  meine  ausführungen  den  einen  er- 
folg, dass  solche  urteile,  wie  sie  Brugmann  (MU.  III  83  „es 
kann...  kaum  ein  zweifei  darüber  bestehen,  dass  diese 
formen  —  die  aoriste  und  futura  des  typus  oXe-aa-  :  oAc-a-, 
ofio-aO'  :  ofio-O"  —  nach  der  analogie  von  verbalstämmen  auf 
a  oder  auf  dentale  explosivlaute  . . .  gebildet  sind"),  W.  Schulze 
und  6.  Meyer  66.  ^  611  mit  den  der  Bezzenberger'schen  an- 
sieht beigelegten  prädikaten  (,,end gültig  gerichtet"  und 
„unrichtig")  gefällt  haben,  künftighin  bei  vorurteilsfreien 
lesern  nur  den  eindruck  unbewiesener  behauptungen  hervor- 
rufen. 

Breslau  im  märz  1899.  0.  Hoffmann. 


Gr.  eupu<;  und  hom.  ^oAripa. 

6r.  evQvg  wird  allgemein  aus  *i'ßQV'  mit  prothetischem 
€-  erklärt  und  soll  sich  zu  ai.  urü-  aus  ^^j-r-ü  —  ai.  d-grti-  : 
gurü"  verhalten.  (Vgl.  Brg.  6r.  gr.  *  s.  31.)  Wenngleich  jAw. 
vourti-  und  ai.  var-  nur  auf  *ufr'  zurückgeführt  werden  können, 
ist  für  ai.  urü-  (vgl.  Wackernagel  Ai.  gr.  s.  24  u.  42)  und 
im  zusammenhange  damit  auch  für  gr.  evQvg  eine  andere  er- 
klärung  notwendig. 

Der  vergleich  mit  den  ablautverhältnissen  von  ai.  gurü, 
-grur  neben  gar-  ist  hinfällig,  da  der  lautbestand  von  ai.  ur-ü 
infolge  des  anlautenden  u  von  rar-  anderer  herkunft  ist.  Wie 
die  wurzeln  idg.  *dieU'  (ai.  dyau-^  gr.  tßv-)  und  *dei^  (lit 
dev')  zwei  verschiedene  schwundstuf enformen  idg.  *dj[u-  und 
*d»jf-  entwickeln  mussten,  stehen  neben  gr.  evQ^  aus  idg.  *eur- 
und  der  für  das  Ar.  vorauszusetzenden  grundform  *var  aus 
iclg.  *u^'  (uor-)  die  schwundstufenform  idg.  *ur-  und  w&J^f 


Hans  Reichelt    Gr.  evQvg  und  hom.  evXtjQa,  45 

entsprechend  aL  vr-  und  var-,  jAw.  vour-,  [ai.  wr-  :  gr.  «rp- 
«■  *dtjf :  *deiu;  ai.  var-,  jAw.  f?owr-  :  *«fer-  =  *diu'  :  *dieU'.] 

Gr.  'Pcia,  ion.  'Pe/ij  aus  */Q'ۧ-j^  (Pott  Et.  f.  ^  178, 
Brg.  a.  b.).  Hier  liegt  die  mit  ai.  ur-tn  übereinstimmende  form 
des  fem.  vor,  deren  ursprünglichkeit  dem  spätem  eigeia  gegen- 
über mir  durch  die  betonung  verbürgt  zu  sein  scheint.  Neben 
dem  masc.  idg.  *^V-ttö  (aus  ursprachlichem  *eur^u8  war  in 
der  composition  -eir-us  geworden,  yerf.  o.  25,  238  ff.)  hat 
sich  infolge  der  suffixbetonung  des  fem.  idg.  *ur-ui,  ai.  urm, 
gr.  ^a  aus  *UQ'{B)/'ia  mit  schwundstufiger  Stammsilbe  ge- 
bildet. Im  Ai.  wirkte  das  fem.  auf  das  masc.  zurück,  im  Gr. 
das  masc.  auf  das  fem. 

Hom.  &üJiriQa;  avlrj^ov,  SßXtjQov  (Hes.)  neben  lat.  lörum 
wird  gewöhnlich  aus  *e'/X^riQO^  mit  prothetischem  €-  erklärt 
und  zur  wurzel  /eX^  gestellt  Erscheint  schon  diese  ableitung 
der  mangelhaften  ausdeutung  wegen  {ä/to  tov  rce^ielsla&ai 
Tovg  ifiayroQ  x^^  '^^^  ipficxwv  Schol.;  Curt.  et.  ^  568;  Fick 
W.  s  U  236  oder  Ttaga  tov  Hksiv  %ovg  %7tnovg  Doederl.  Gl.  470) 
gekünstelt,  so  weist  noch  die  grundbedeutung  von  lat  lörum 
„riemen^^  (als  gürtel,  peitsche  oder  zügel  verwendet)  darauf  hin, 
dass  die  gr.  vorsilbe  €<;-,  av-  die  bedeutung  des  wertes  derart 
zu  specificiren  imstande  gewesen  sein  muss,  dass  evXrjQa  auf  die 
alleinige  bedeutung  „zügel'*  beschränkt  wurde.  Ich  glaube  dies 
auch  etymologisch  rechtfertigen  zu  können.  Mir  scheint  hom. 
na^ioy,  Tvaqeiai  aus  *  TtaQ'fjf-iovy  ^Ttaq^ß-iai  in  seiner  Stamm- 
silbe dasselbe  element  zus  enthalten,  wie  «i;-,  ai\  nagy^iov  be- 
deutet „wange,  backe'S  bes.  von  thieren  und  IL  4,  142  „backen- 
stück am  pferdezaum".  ^Xij^  ist  demnach  der  über  die 
backen  des  pferdes  gehende  riemen,  also  nur  der  „zügel''.  Die 
Stammabstufung  dieses  dementes  ist  eine  dreifache.  *e^  (/ra- 
qriiov)  :  *^.  (naQeialy  svXrjQa)  :  *9U  (avXrjQOv^  SßXriQOv). 

Anmerkung.  Ob  naqijiov  zu  der  sippe  o^s-y  bus^ 
,mund  etc.'  zu  stellen  ist,  wie  J.  Schmidt  schon  angedeutet 
hat,  scheint  mir  sehr  zweifelhaft;  auch  sind  die  lautverhältnisse 
dieser  sippe  noch  zu  wenig  aufgeklärt,  um  sie  mit  erfolg  heran- 
ziehen zu  können. 

Baden  bei  Wien.  Hans  ReicheÜ. 


46  W.  Prellwitz 


Lat.  p7^mores. 

In  seiner  habilitationsschrift  „die  comparationssuffixe  im 
Lateinischen"  (IF.  XI,  1  flF.)  bespricht  herr  Ferdinand 
Sommer  unter  den  komparativen  auch  hX.  primörSs  (s.  64ff.). 
Er  sieht  darin,  einem  gedanken  Pott's  folgend  mit  Osthoff 
(IF.  VIII,  52)  eine  analogiebildung  und  zwar  glaubt  er  den 
w^  aufdecken  zu  können  auf  dem  „diese  komparativische  er- 
weiterung  des  Superlativstammes  p^tmo-  unter  dem  einfluss  von 
prior^'  zu  stände  gekommen  sein  soll.  Er  sagt:  „Es  konnte 
nämlich«  denke  ich,  leicht  geschehen,  dass  bei  den  begrifflich 
nahe  verwandten  Wörtern  priores  und  primi  die  genetive  prio- 
rum  und  primorum  auch  formell  als  gleichartig  empfunden 
wurden  und  die  folge  davon  war,  dass  zu  primorum  nach  dem 
Verhältnis  prior  um  zu  priores  ein  nom.  primores,  dat.  primo^ 
ribus  usw.  geschaffen  wurde'^ 

Mir  scheint  es  fabelhaft,  den  Römern,  deren  sinn  für  gesetz 
und  norm  ja  bekannt  ist,  eine  so  geringe  fertigkeit  im  decli- 
nieren  zuzutrauen.  Ich  habe  diese  deutung  hier  nur  als  kenn- 
zeichen  für  eine  ganze  gattung  hingesetzt.  Betreffs  der  bedeu- 
tung  behauptet  Sommer,  dass  sie  eigentlich  rein  lokal,  nämlich 
„vorderer"  gewesen  sei.  Als  beleg  führt  er  Plaut.  Trin.  4.  2.  65, 
Bacch.  4.  4.  24,  Poen.  3.  1.  63  an.  Local  war  die  bedeutung 
allerdings,  der  gebrauch  aber  eigentümlicher  weise  zunächst  auf 
körperteile  beschränkt  und  gar  nicht  komparativisch,  sondern 
durchaus  superlativisch  gleich  jmmus. 

Mich  hat  die  erstgenannte  stelle  des  Plautus  vor  jähren 
bereits  auf  einen  ganz  anderen  ein  fall  gebracht,  der  sich  mir 
auch  jetzt  noch  zu  bewähren  scheint.  Betrachten  wir  sie  ein 
wenig  genauer.  Ein  sykophant  ist  von  Gallicles  gedungen,  um 
einen  brief  von  dem  fem  geglaubten  Charmides  an  seinen  ver- 
schwenderischen söhn  zu  übergeben.  Charmides  ist  aber  bereits 
heimgekehrt  und  trifft  den  betrüger,  der  ihn  gar  nicht  kennt, 
vor  seinem  hause.  Der  geschwätzige  sykophant  erzählt  ihm, 
was  ihn  herführe,  kann  aber  dem  höchst  erstaunten  alten  nicht 
einmal  den  namen  seines  auftraggebers,  mit  dem  er  so  eng  be- 
freundet sein  will,  nennen.  Devorävi  nomen  imprudens  modo. 
Etwas    beleidigt    erwidert  Charmides:   Non  placet,    qui  amicos 


Lat  primöres.  47 

ifUra  dentis  conelusos  habet,  worauf  der  sykophant:  Atqui  etiatn 
modo  vorsabatur  mihi  in  labris  primoribus  „und  doch  sohwebt 
er  mir  eben  noch  auf  der  zunge^S  in  dem  er  offenbar  eine 
sprichwörtliche  redensart  braucht.  „Er  war  mir  ganz  vorn  auf 
den  lippen^'  steht  im  gegensatz  zu  intra  dentes  und  zu  devo- 
ravi,  ist  also  nicht  im  mindesten  komparativ.  Labris  primoribus 
aUingere  braucht  Cicero  (de  orat.  1.  19.  87),  um  eine  ganz 
oberflächliche  beschäitigung  zu  bezeichnen,  in  demselben  sinne 
aber  heisst  es  bei  ihm  de  natura  deorum  1.  20:  primis,  ut  diei" 
tur,  labris  gustasse  physiologiam,  wie  ja  überhaupt  für  primöres 
in  jeder  anwendung  primi  gesagt  werden  kann. 

Wie  den  lippen  wird  unser  wort  in  der  alten  spräche  auch 
gern  der  nase  als  attribut  beigegeben.  Vgl.  Lucil.  frgm.  427.  27 
Eduxique  animam  in  primoribus  naribus,  Afran.  frgm.  in  nari- 
bus  primoribus  vix  perferre.  Lucr.  6.  1191  nasi  primoris  acu- 
men  tenue  „die  äusserste  nasenspitze  war  dünn''  (bei  der  be- 
Schreibung  der  pest  in  Athen).  Die  fingerspitzen  sind  oft  digiti 
primöres.  Digitis  dtiobus  primoribus  sumere  heisst  ein  wenig 
mit  zwei  fingerspitzen  nehmen  (Plaut.  Bacch.  IV.  4.  67ö),  vgl. 
Cato  de  re  r.  21.  2  u.  s.  Doch  unterscheidet  Cicero  (Cael.  28) 
primoribus  labris  gustasse  hoc  genus  vüae  et  extremis, 
ut  dicitur,  digitis  attigisse.  Die  spitze  der  zehen  heisst  summi 
digüiy  Turpilius  aber  sagt  auch  (frg.  31)  sandalio  innixa  digi- 
tulis  primoribus.  Primöres  dient  also  besonders  zur  bezeich- 
nung  des  lippenrandes  und  der  nasenspitze,  der  teile  des  ge- 
siebtes, dann  auch,  mit  naheliegender  erweiterung  des  gebrauchs, 
der  digiti. 

Danach  erklärt  sich  mir  unser  wort  als  compositum  aus 
primus  und  os  wie  primaevus  (Catull)  aus  primus  und  aevum. 

In  der  declination  stimmte  labra  primora^  nasi  primoris, 
u.  s.  w.  ganz  mit  den  komparativen  überein  (vgl.  inopum), 
konnte  daher  leicht  zu  ihnen  gerechnet  werden.  Dann  musste 
sich  aber  die  bedeutung  des  zweiten  bestandteils,  der  jetzt  bloss 
Suffix  zu  sein  schien,  verlieren  und  das  wort  die  allgemeine 
bedeutung  „der  erste,  vorderste"  erhalten.  Wegen  dieser  ver- 
quickung mit  den  comparativen  hat  man  offenbar  auch  die 
bildung  des  nominativ  singularis  vermieden.  Denn  *primös 
od^  *primöris  (vgl.  muUinominis)  wiche  von  den  comparativen 
ab,  und  die  notwendigkeit  *  primor  zu  bilden,  das  wieder  von  ös 
abstünde,  lag  nicht  vor,  da  man  ja  primus  brauchen  konnte. 


48  W.  Prellwitz    LaL  primöres. 

Sehr  nahe  wird  nun  uns  durch  die  angeführten  belöge  die 
Vermutung  gelegt,  dass  primäres,  zunächst  immer  nur  zu  teilen 
des  gesichtes  hinzugefugt,  sich  erst  allmählich  einen  weiteren 
anwendungskreis  erobert  hat  Notwendig  ist  diese  annähme 
aber  keineswegs.  Denn  ös  heisst  ja  nicht  bloss  „mund,  gesicht^S 
sondern  schon  in  alter  zeit  ^^vordere  seite,  rand",  wie  öra  und 
das  identische  äa  (s.  Bezzenberger  o.  VI  236),  ags.  ör,  öra 
(Kluge  PBr.  B.  VIU  522),  worin  Joh.  Schmidt  (Pluralbil- 
dung der  idg.  neutr.  117)  nur  eine  alte  nebenform  des  neu- 
tralen ÖS  erkannt  hat.  Primo  öre  könnte  danach  ,,ganz  vom, 
an  der  Vorderseite*^  übersetzt  werden  und  daraus  dann  das 
spätere  primäres  entstanden  sein,  ohne  dass  die  beziehung  auf 
das  angesicht  jene  rolle  gespielt  hätte,  die  anzunehmen  die 
älteren  belege  so  sehr  nahe  legen. 

Dass  hier  hypostase  eines  ablativs  (oder  vielmehr  eines 
instrumentals  der  erstreckung)  prima  öre  vorläge,  schien  mir 
früher  sicher.  So  ist  z.  b.  aus  muüis  modis  das  öfter  bei  Te- 
renz  und  einmal  bei  Nepos  Themist.  10.  4  vorkommende  mul- 
timodis,  aus  miris  modis  ebenso  mirimodis  (Plaut  Trin.  931  s. 
Brix  zu  der  stalle)  entstanden  und  aus  muUimodis  weiter  das 
späte  adjectiv  muUimodus  (Amm.  Augustin).  Über  andere  fälle, 
wo  nomina  aus  casus  entstanden  sind,  s.  o.  XXIV  94  ff.  Be- 
sonders deutlich  ist  JuawtrJQiov  aus  Jil  aaniJQty  worüber  Fick 
0.  XXII,  236.  Jedoch,  es  kann  auch  sehr  wohl  primöres  sofort 
als  compositum  in's  leben  getreten  sein  wie  z.  b.  primaevus, 
muUigeneris,  magnanimus, 

Tilsit  W.  Prellwitz, 


Die  etruskischen  familiennamen  auf  -tru. 

Neben  den  etruskischen  familiennamen  auf  -^ra,  -d-uri, 
-^uru,  '&urna,  die  ich  in  meinem  vorigen  artikel  (o.  XXV, 
1 94  ff.)  besprochen  habe  und  die  allesamt,  wie  sich  gezeigt  hat, 
auf  einen  vomamen  als  basis  zurückgehen,  dessen  erster  teil 
ein  gottesname  ist,  während  der  zweite  das  wort  -^r  ^^-yorog, 
-gena^^  enthält,  giebt  es  nun  noch  eine  weitere  gruppe  von 
familiennamen,  die  auf  -im  endigen. 


Carl  Pauli    Die  etruskischen  familiennamen  auf  '4ru.     49 

Da  von  vom  herein»  lautlich  sowohl  wie  im  bau  der  formen, 
eine  gewisse  ähnlichkeit  dieser  namen  auf  -tru  mit  den  obigen 
auf  -&ura  u.  s.  w.  besteht,  so  erhebt  sich  sofort  die  frage,  ob 
nicht  diese  formen  auf  ^ru  auch  von  ähnlichem  Ursprung  seien, 
wie  jene,  d.  h.  ob  nicht  auch  sie  als  basis  einen  vornamen  ent- 
hielten, dessen  erster  teil  ein  gottesname  sei,  mit  dem  dann 
das  -tru  des  zweiten  teiles  zusammengesetzt  sei. 

Auch  hier  wird  zunächst  eine  Zusammenstellung  des 
materials  in  derselben  weise,  wie  bei  den  inschriften  mit  -^r-, 
zu  geben  sein.    Die  einschlägigen  formen  sind  die  folgenden. 

1)  pulenas  •  veldar  •  lariaal  acnatruak  •  avils  •  LXXV  — 
Tarquinii  —  Ga.  no.  800. 

„Velthnr  Pulenas,  äes  Laris  und  der  Acnatrui  (söhn), 
afmorum  LXXY^^ 

2)  pt^enoB  '  vel  :  larisal  LXXV  acnatrucUc  *  ^nxi^äus  — 
Tctrquinü  —  Ga.  no.  801. 

„Vel  Pulenas,  des  Laris  und  der  Thanchvil  Acnatrui  (söhn), 
annorum  LXXV. 

apcriru. 

3)  ram&a  :  apatrui  :  lar&al  :  sex  *  l^r^olc  •  ale9nal  — 
Tarquinii  —  Fa.  no.  2335  c. 

„Ramtha  Apatrui,  des  Larth  tochter  und  der  Larthia 
Alethnei^^ 

4)  larS'  '  am^al  -  plecus  :  clan  :  ramd-fajsc  :  apairual  i 
Tarquinii  —  Fa.  no.  2335  a. 

„Larth,   des  Arnth  Plecu  söhn  und  der  Ramtha  Apatrui^^ 
Grabschriften  von  mutter  und  söhn. 

apaiatru. 

5  a)  ram^a  huzcnai  ^i  :  ati  :  nacnva  :  lar&ial  \  apaior 
trus Tarquinii  —  Fa.  suppl.  I,  no.  436  a. 

b)  ram9a  :  huzcnai  :  9ui  :  eesu  :  afi  :  nacna  :  lar&idl  : 
apiatrus Tarquinii  —  Fa.  suppl.  I,  no.  436  b. 

„Ramtha  Huzcnai  liegt  hier  in  diesem  grabe  des  Larth 
Ap(a)iatru'^ 

B«iMce  t.  Innil«  d.  iadg.  ipmilttii.    XXVI.  4 


50  Carl  Pauli 

veratru, 

"    6)  «i  •  vercUru  \  iiqxdia^  —  Clusium  —  Fa.  suppl.  I,  no. 
251  bis  i  -  CIE.  no.  1566. 

„Vel  Veratru,  der  Uphalia  (söhn)". 

7)  Id'  •  ve[r]atru  \  wpaliasi  —  Clusium  —  Fa.  suppl.  I, 
no.  251  bis  k  =  CIK  no.  1567. 

„Larth  Veratru,  der  Uphalia  (söhn)''. 
Grabschriften  zweier  brüder. 

8)  Is  vera\iru  \  freias  —  Clusium  —  Fa.  suppl.  1,  no.  251 
bis  1  =  CIE.  no.  1569. 

„Laris  Veratru,  der  Freia  (söhn)". 

9)  Aule  •  Veratrg  \  AuUs  —  Clusium  —  Fa.  suppl.  I, 
no.  251  ter  aa  =  CIE.  no.  1571. 

„Aule  Veratro,  des  Aule  (söhn)''. 
Die  inschrift  ist  in  lateinischer  schrift. 

10)  qpflla  :  vercUrsa  \  lavtnüa  :  purnal  -^  Clusium  —  Fa. 
suppl.  I,  no.  251  bis  h  -  CIE.  no.  1570. 

„Phila,  des  Veratru  (gattin),  die  freigelassene  der  Purnei". 
Ohne  zweifei  eine  griechin. 

IIa)  Aa  *  vercUrunia  |  velu  —  Clusium  —  Fa.  suppl.  I, 
no.  222  bis  a  -  CIE.  no.  2162. 

b)  ha  '  veratrunia  -^  Clusium  —  Ga.  no.  343  =  CIE. 
no.  2163. 

„Hastia  Veratrunia,  des  Vel  oder  der  Velui  (tochter)^'. 

a.  Grabziegel,  b.  OUa,  beide  auf  dieselbe  person  sich  be- 
ziehend. 

12)  Hastia  •  Veratronia  —  Clusium  —  Fa.  suppl.  I,  no. 
251  ter  z  =  CIE  no.  1572.  Gleichfalls  in  lateinischer  schrift 
geschrieben. 

lemnüru. 

13)  petrus  :  veldt^r  :  lemnitru  —  Surrina  —  Ga.  no.  74S. 
„Velthur  Petrus  Lemnitru". 

faltru. 

14)  0  faltru  tüis  dunum  dede  —  Tuder  —  Fa.  no.  85. 
„Autus  FaUronius  Tifio  donum  dedit^'. 

Die  inschrift  ist  umbrisch,  aber  mit  etruskischen  elementen. 
Ein   solches   ist  auch   der  name  faltru.    Dass  wahrscheinlich 


Die  etruskischen  familienDamen  auf  4ru.  51 

das  Q  hier  nach  den  wert  f  (nicht  h)  habe,  davon  habe  ich 
Altit.  forsch.  III,  123  gehandelt.  Die  frühere  lesung  und  deu- 
tung  <»hal  trutitis  ,,Ahala  Truttidius"  ist  zu  yerwerfen. 

15)  hatrunia  :  l :  vipiä  \  murinasa  —  Glusium  —  Fa.  suppl. 
I,  no.  251  bis  o. 

„Ha(l)trunia,  die  lauinid'a  des  Vipi,  des  Murina  (gattin)'^ 

Die  form  hatrunia  steht  in  Clusiuni  lautgesetzlich  für 
faltrunia.  Auch  über  diesen  namen  habe  ich  Altit  forsch.  III, 
123  gesprochen. 

fiistntru. 

16)  vd  •  faatntru  '  ad-  —  Clusium  —  Fa.  no.  562  ter  g  = 
CIE.  no.  941. 

yyVel  Fastntru»  des  Amth  (sohn)^\ 

17)  ad'  '  fasntru  *  sinunias  —•  Clusium  —  Fa.  spL  III, 
no.  212  =  6a.  no.  179  =  CIE.  no.  3038. 

9,Arnth  Fasntru,  der  Sinunia  (söhn)''. 

18)  ^a  :  cupdnei  :  fastntrusa  —  Clusium  —  Fa.  no.  494 
bis  c  ^  CIE.  no.  1326. 

„Thana  Cupslnei,  des  Fastntru  (gattin)". 

20)  ....  fastntru  :  marcnäl  —  Clusium  —  Fa.  no.  562 
ter  f  —  CIE.  no.  946. 

„.  .  .  .  Fastntru,  der  Marcnei  (sohn)^^ 

21)  ol  :  hasMru  :  marcnal  —  Clusium  —  Fa.  no.  562 
ter  6  =»  CIE.  no.  945. 

„Val  Hastntru,  der  Marcnei  (söhn)". 

22)  aJ^  •  tutna  •  hastntru  •  sutnal  —  Clusium  —  Fa.  no. 
562  ter  b  -  CIE.  no.  942. 

„Arnth  Tutna  Hastntru,  der  Sutnei  (söhn)**. 

23)  9ana  '  tutn  fu  •  faltuäla  •  mqrcnäa  —  Perusia  —  Fa. 
no.  1818. 

„Thana  Tutnei  Fastntrui,  des  Maroni  Paltusa  (gattin)'*. 
tutn  fu  ist  äbkürzung  für  ttUnei  *  fastntrui. 

Neben  diesen  formen  auf  4ru  steht  nun  noch  ein  weiterer 
name,  der  seiner  ganzen  erscheinung  nach  mit  ihnen  verwandt 
sein  kann  und  dessen  belege  ich  daher  gleichfalls  hier  anfüge. 
Es  ist  dies  der  name 


52  Carl  PauU 

»ac(u)t(u)ra. 

24)  lar»  :  »acutura  ^  Gluaittm  —  CIE.  no.  2818. 
,,Larth  Thacutura'^ 

lar»  '  »acprq  • Clusium  —  CIL.  no.  2319, 

„Larth  Thactra". 

25  a)  v2  :  ^actara  :  19^  :  aülias  :  |  —  Clusium  —  Fa.  no. 
b)  vi  :  »actara  :  l»  :  aulia?      i2558ter— CIE.no.  2320. 
„Vel  Thactara,  des  Larth  (und)  der  Aulia  (söhn)''. 
Doppelinschrift  auf  den  beiden  selten  eines  grabziegels. 

25)  hastia  :  d'octrei  :  quliaS  :  'd  '  —  Clusium  —  Fa. 
no.  48  «-  CIE.  no.  2321. 

„Hastia  Thactrei,  der  Aulia  (und)  des  Yel  (tochter)*^ 

Die  erste  frage,  die  sich  hier  erhebt,  ist  die  nach  dem  Ver- 
hältnis dieser  formen  zu  denen  auf  -^ura  u.  s.  w.  Unter  diesen 
letzteren  gab  es  auch  solche  auf  —  &uru  (diese  zeitschr.  25,  203), 
die  sich  in  --^ru  zusammenziehen,  und  da  es  feststeht  (cf.  Deecke 
in  Malier  Etr.  11 ',  413  sqq.),  dass  im  Etruskischen  nicht  selten  i 
und  ^  mit  einander  wechseln,  so  könnten  die  namen  auf  -4114  mit 
denen  auf  ^^ru  identisch  sein.  Aber  andererseits  ist  auch  die 
möglichkeit  nicht  ausgeschlossen,  dass  zwei  verschiedene  bil- 
dungen  vorliegen.  Es  muss  versucht  werden,  festzustellen, 
welche  dieser  beiden  möglichkeiten  thatsächlich  vorliege.  Die 
familiennamen  auf  -^ra  u.  s.  w.  waren  abgeleitet  von  Vor- 
namen auf  -^ur,  und  so  wird  sich  die  Untersuchung  zuerst 
darauf  richten  müssen,  ob  sich  neben  den  formen  auf  -^ur  bei 
denselben  vomamen  auch  die  Schreibung  mit  -iur  finde.  Das 
ist  nun  in  der  that  der  fall.  Es  waren  der  unmittelbar  beleg- 
baren vomamen  auf  -^r  vier,  nämlich  am&ur,  lardw,  vel^r 
und  tin^r.  Von  diesen  haben  lar^r  und  vd9ur  nun  wirk- 
lich formen  neben  sich,  die  mit  t  geschrieben  sind.  Die  belege 
sind  die  folgenden: 

vdtur  —  Bologna  —  Fabr.  suppL  11,  no.  1. 

veliur  •  lard"  —  Viterbo  —  Deecke  in  dieser  zeitschr. 
I,  108.  no.  XVn. 

laturus  ipianus  apan  in  —  „des  La(r)tur  Ipiana  geschenk 
(ist)  dies^'  —  San  Zeno  bei  Bozen  —  Fabr.  no.  23. 

Über  Worttrennung  und  deutnng  dieser  inschrifk  habe  ich 
Altit.  forsch.  I,  101  gehandelt.  Damach  steht  die  form  laturus 
far  larturuB,  genetiv  von  lartur. 

Es  liegt  nahe,  anzunehmen,  dass  diese  beiden  namen  veUur 


Die  etruskischen  familiennameii  auf  -tru.  53 

und  lartur  nur  lautliche  nebenformen  von  f>el9ur  und  lar9ur 
seien,  und  Deecke  (Eta:.  forsch.  lU«  124)  sieht  die  sache  in  der 
that  so  an,  allein  notwendig  ist  diese  annähme  keineswegs,  es 
liegen  vielmehr  gründe  vor,  die  gegen  sie  sprechen. 

Zunächst  ist  es  ja  zwar  richtig,  dass  im  Etruskischen 
Tenues  und  Aspiraten  mit  einander  im  Wechsel  sich  finden, 
allein,  abgesehen  von  fremdwörtern,  ist  dieser  Wechsel  im  ganzen 
doch  nicht  sehr  häufig  und  im  allgemeinen  hält  das  Etruskische 
beide  laute  reinlich  aus  einander.  Zwar  sagt  Deecke  (in  K.  0. 
Müllers  Etr.  11  >,  412):  ,,Die  aspiration  ursprünglicher  tenues, 
bei  fremdwörtem  auch  hin  und  wieder  einer  media,  ist  eine  in 
der  etruskischen  spräche  weit  verbreitete  erscheinung'S  und  er 
fugt  dann  eine  lange  liste  bei,  in  der  dieser  lautwandel  statt- 
finden soll;  allein  von  dieser  liste  wird,  bei  kritischer  Unter- 
suchung, wohl  die  reichliche  hälfte  der  gegebenen  beispiele  zu 
streichen  sein.  Deecke  selbst  hat  das  gefühlt  und  fügt  vor- 
sichtig hinzu:  „Ebenso  ist  es  nicht  sdten  zweifelhaft,  ob  zwei 
lautlich  nur  durch  aspiration  unterschiedene  stamme  auch  wirk- 
lich identisch  oder  von  vorne  herein  aus  verschiedener  würze 
oder  bildung  entsprossen  sind^^ 

Weiter  sollte  man  glauben,  dass,  wenn  wirklich  zwischen 
unseren  formen  auf  4ru  und  denen  auf  '9(u)ru  Zusammenhang 
vorhanden  wäre,  doch  bei  irgend  einem  der  belegten  gentil- 
namen  irgend  einmal  die  beiden  suffixformen  ^ruwud  -dru  mit 
einander  wechselten.  Aber  das  ist  nicht  der  fall,  es  giebt  dafür 
auch  nicht  ein  einziges  beispiel.  Auch  das  spricht  dafür,  dass 
beide  bildungen  von  hause  aus  unverwandt  sind. 

Dazu  kommt  endlich  noch  der  umstand,  dass  sich  in  den 
obigen  beiden  vomamen  die  doppelformen  vd&ur,  lardur  und 
veUurj  laHur  ohne  gleichsetzung  mit  einander  völlig  genügend 
erklären  lassen.  So  wie  wir  nämlich  im  Ghriechischen  z.  b.  ein 
'drcoXkoyhfig  und  ^ATtoHoöwfog  neben  einander  haben,  so  kann 
auch  im  Etruskischen  eine  bildung  auf  ^dw  „-^m/g^*  eine  solche 
auf  '4ur  ^^-dmqogf^  neben  sich  haben  und  letztere  zu  dem  ver- 
bom  turce  „dedä"  gehören.  Das  ist  um  so  wahrscheinlicher, 
als  wir  in  dem  götternamen  muani(u)m»  (cf.  die  belege  so- 
gleich) eine  bildung  besitzen,  die  in  ihrem  zweiten  teil  die 
Wurzel  tur  „geben"  sicher  enthält. 

Damit  würde  dann  zugleich  bereits  die  bedeutung  dieses 
-^;  wie  es  vdtur  und  lartur  bieten,  gefunden  sein.    Und  da- 


54  Carl  Pauli 

mit  würde  uns  dann  wahrscheinEch  auch  weiter  die  bildnng 
unserer  namen  auf  -tru  erschlossen  sein,  dieses  freilich  nur 
unter  der  Voraussetzung,  dass  dies  -tru  für  -tum  stände.  Das 
lässt  sich  allerdings  nicht  unmittelbar  beweisen,  denn  bei  den 
oben  belegten  namen  findet  sich  immer  nur  der  ausgang  in 
'tru,  kein  beispiel  einer  form  -turu.  Dennoch  aber  ist  es  wahr- 
scheinlich, dass  dies  -^r«  für  -turu  stehe.  Dafür  haben  wir 
zunächst  die  analogie  der  formen  auf  ^^uru  und  -^ru.  Wenn 
dort  letztere  form  aus  ersterer  hervorgegangen  ist,  so  ist  der 
gleiche  Vorgang  auch  für  -tru  wenigstens  nicht  unwahrschein- 
lich. Dafür  haben  wir  weiter  den  soeben  schon  erwähnten 
gottesnamen  inuant(u)m8j  der  ganz  sicher  und  ohne  jeden 
zweifei  in  seinem  zweiten  teile  die  wurzel  tur  „geben"  enthält 
Dieser  aber  ist  auf  dem  spiegel  von  Tuder  (Bull.  1886,  232) 
mfujqntums,  dagegen  auf  der  Statuette  von  Gortona  (Fabr.  no. 
1055  bis  =»  CIE.  no.  447)  muantmS  geschrieben.  Und  dafür 
haben  wir  endlich  den  oben  unter  no.  24  sqq.  belegten  familien- 
namen  S'ac(u)4'(u)ra.  Das  Verhältnis  der  hier  sich  zeigenden 
bildung  auf  4ura  zu  'tru  ist  natürlich  kein  anderes,  als  das, 
welches  oben  in  -dura  zu  'S'(u)ru  vorlag,  d.  h.  -a  und  -u  sind 
die  gentilsuffixe  und  die  basis  endigt  auf  4ur.  Hierbei  darf 
ich  freilich  ein  bedenken  und  eine  möglichkeit  nicht  ver- 
schweigen, die  der  form  d'acutura  ihre  beweiskraft  nehmen 
würde,  die  nämlich,  dass  das  u  in  -tura  nur  svarabhaktischer 
natur  wäre  und  sein  dasein  dem  vorhergehenden  u  verdankte. 
Die  zahl  solcher  svarabhaktischen  laute  ist  im  Etruskischen 
recht  bedeutend  (cf.  Deecke  in  Müllers  Etruskern  II  *,  353  sqq.), 
und  gemeiniglich  nimmt  dort  ein  solcher  die  klangfarbe  des 
vorhergehenden  vokals  an.  Diese  möglichkeit  werden  wir  aller- 
dings offen  halten  müssen  und  werden  'zugeben  'müssen ,  dass 
das  'tru  auch  für  -iaru,  -teru  oder  allenfalls  auch  -tiru  stehen 
könnte,  aber  andererseits  ist  auch  das  möglich,  dass  nicht  das 
zweite,  sondern  das  erste  u  svarabhaktischer  natur  sei,  denn 
auch  diese  erscheinung  findet  sich  nicht  selten,  und  dann  ist 
das  u  von  4ura  echt  und  auch  -tru  mit  warscheinlichkeit  als 
für  4uru  stehend  anzusehen.  Welche  dieser  beiden  möglich- 
keiten  vorliege,  lässt  sich  im  augenblick  nicht  entscheiden,  aber 
mir  scheint,  die  grössere  Wahrscheinlichkeit  sei  für  -turu.  Bis 
zum  nachweise,  dass  es  anders  sei,  nehme  ich  also  an,  wenn 
auch  nur  bedingt,  dass  das  •tru  für  -turu  stehe,  dass  dies  -iuru 


Die  etruBkischen  familiennamen  auf  -tru.  55 

als  basis  auf  vorDameii  mit  -tur,  wie  veltur,  larlur,  zurückgehe, 
und  dass  dies  4ur  zu  turce  „dedif^  gehöre,  so  dass  also  die 
bildungen  auf  -tur  den  griechischen  auf  "dw^g  (oder  -doTog) 
entsprechen  würden.  Und  unter  dieser  Voraussetzung  ist  als- 
dann auch  das  nebeneinander  der  formen  auf  -^tir  und  -tur 
völlig  klar,  denn,  wie  im  Griechischen  z.  b.  Qeoyovog  und  Beodovog 
neben  einander  bestehen,  so  im  Etruskischen  vel&ur  und  veltur. 

Und  wie  nun  im  Griechischen  beide  bildungen,  die  auf 
-^wog  und  die  auf  -dinog^  vielfach  theophorer  natur  sind,  wie 
ein  grosser  teil  der  etruskischen  bildungen  auf  ^dwr  mit  Sicher- 
heit, andere  wenigstens  möglicherweise  als  gleichfalls  theophor 
sich  herausstellten,  so  liegt  es  nahe,  dasselbe  auch  für  die 
namen  auf  4ur  zu  vermuten ,  und  in  der  that  haben  wir  ja 
in  vdiur  und  lartur  bereits  solche  theophore  namen  auf  4ur 
vor  uns  (cf.  oben  pag.  62),  sofern  sie  mit  Sicherheit  „a  Jano 
dolus"  und  „a  Marte  datua"  bedeuten. 

Von  dieser  grundlage  aus  werden  nun  die  einzelnen  gentil- 
namen  auf  -^ru  zu  untersuchen  sein,  ob  und  welche  götter- 
namen  in  ihrem  ersten  teile  enthalten  seien. 

Bevor  ich  aber  in  diese  Untersuchung  eintrete,  ist  noch 
ein  einwand  zu  erledigen,  der  möglicherweise  g^en  meine  an- 
nähme, 'tru  stehe  für  ^uru  und  gehöre  zu  iur  „geben'S  von 
vom  herein  erhoben  werden  könnte.  Man  könnte  die  bildungen 
quinquätrtis,  sexätrus,  triätrus,  septiftUUrus,  deeimätrus  (Festus 
254  MiL)  vergleichen,  die  bei  Tusculanem  und  Faliskem  für  den 
so  und  so  vielten  tag  nach  den  Iden  in  gebrauch  waren  und  für 
bestimmte  feste,  die  alsdann  gefeiert  wurden.  K.  0.  Müller  (Etr. 
n  *,  48  not  29  a)  und  andere  halten  diese  bildungen  für  etrus- 
kisch.  Unter  dieser  Voraussetzung  könnte  man  dies  sufüx  -tru, 
welches  ja  ein  sicherer  u-stamm  ist,  mit  dem  -tru  in  apatrUj 
veratru  identifizieren  und  in  diesem  ein  blosses  ableitungssuffix 
sehen  wollen.  Aber  diese  annähme  lässt  sich  leicht  wider- 
legen. Die  drei  formen  triätrus,  sepiitnätrusj  deeimätrus  zer- 
legen sich  nur  in  tri-ätniSy  septitn-äirus,  deeim-airus,  und  auch 
für  quinqu-ätrus  und  sex-otrus  ist  eben  diese  Zerlegung  wahr- 
scheinlicher ^).  Dadurch  wird  die  identifizierung  mit  unseren 
Personennamen  unmöglich,  denn  lemnitru  und  -^acuiura  ent- 
halten am  ende  des  ersten  teiles  gar  kein  a.  Beide  bildungen 
haben   also   mit  einander  nichts  zu  thun. 

>)  S.  o.  23,  68  n.    Pr. 


56  Carl  Pauli 

Nunmehr  kann  ich  mich  dem  nachweise  der  in  unseren 
namen  auf  -iru  enthaltenen  göttemamen  zuwenden.  Ausser 
den  in  den  oben  schon  genannten  vdtur  und  lartur  steckenden 
göttem  ve(i)lan  „Janus"  und  la(u)ran  „Mars*'  wären  also  die 
götter  oder  göttinnen  acna ;  apa  und  apaia ,  vera  oder  veran 
(beides  ist  möglich),   lemni,  falan  und  farian  nachzuweisen. 

Von  diesen  ist  der  fälan,  auf  den  faltru  zurückgeht,  dessen 
basis  ^falpiur  lautet  (cf.  diese  zeitschr.  25,  219),  ohne  weiteres 
klar;  so  wie  fahles  auf  ^fah^^r  „a  Caelo  genUus''  zurückging 
(cf.  1.  c),  so  faltru  auf  ^fcH'Qtur  „a  Cado  dolus''.  In  faiUntru 
ist  der  erste  teil,  das  fastU'  ohne  zweifei  desselben  Stammes, 
wie  der  vomame  fasti  (perusinisch),  hastia  (clusinisch),  dessen 
grnndform  somit  fastia  lautet.  Das  hat  auch  Deecke  (Etr. 
forsch.  III,  364)  bereits  gesehen,  nur  irrt  er,  wenn  er  fadntru 
direkt  von  fastia  ableiten  will,  da  in  Wirklichkeit  beide  formen 
nur  seitenverwandt  sind.  Ab  grundform  des  gottesnamens 
fcLstn-  ergiebt  sich  vielmehr  ^fa(u)8km,  gebildet  mit  demselben 
sufBx  -an,  das  wir  soeben  in  *falan  hatten  und  mit  dem  auch 
eine  ganze  reihe  anderer  göttemamen,  wie  turan,  laran,  9e9an, 
tnean,  alpan,  veilati,  aran  u.  s.  w«,  gebildet  ist  Da  in  der 
flezion  dieser  namen  das  a  des  Suffixes  schwindet,  wie  ich  be- 
reits anderweit  (cf.  l^tud.  ded.  ä  C.  Leemanns  228  u.  diese  zeit- 
schr.) nachgewiesen  habe,  so  ist  auch  hier  das  fastn-  in  der 
Zusammensetzung  die  völlig  normale  form  für  *fastan.  Dass 
dies  fcistan  für  fauatan  stehe,  habe  ich  soeben  schon  angedeutet 
Die  vokale  au  und  ä  wechseln  im  Etruskischen  sehr  häufig:  so 
haben  wir  neben  einander  raufe  (z.  b.  Fa.  no.  1307  s=  CIE. 
no.  3556)  und  rafe  (z.  b.  Fa.  no.  1309  -  CIE.  no.  3558), 
aauturine  (z.  b.  Fa.  no.  1751  bis  "-  CIE.  no.  4443)  und  saUire 
(z.  b.  Fa.  no.  702  -  CIE.  no.  2736),  lautni  (z.  b.  Fa.  no.  596 
—  CIE.  no.  2196)  und  latni  (z.  b.  Fa.  no.  1218  ==  CIE.  no. 
4028),  laucane  (z.  b.  Fa.  no.  646  —  CIE.  no.  2374)  und  laeane 
(z.  b.  Fa.  no.  1623  —  CIE.  no.  3353)  u.  s.  w.  (cf.  Deecke  in 
Müllers  Etr.  11  >,  370  sqq.).  Der  gleiche  Übergang  ist  für  fasti 
und  *fa8tan  freilich  nicht  direkt  nachweisbar,  denn  das  genti- 
licium  [fjaustinefi],  welches  Gamurrini  in  seiner  no.  181  liest, 
beruht  auf  falscher  lesung  (cf.  CIE.  no.  1973) ;  allein  aus  den 
lateinischen  namen  Faustus  und  Fausta,  auch  Faustia  (z.  b. 
Qruter  1138  no.  6  als  cognomen,  wie  es  scheint,  und  unmittel- 


Die  etruskischen  familiennamen  auf  -iru.  57 

bar  gleich  dem  etr.  fasHa,   folgt  dies  au  auch  fUr  das  Eiaiis- 
kische. 

So  weit  die  form!  Was  nun  die  persönlichkeit  dieses 
fa(s)tan  anlangt,  so  li^  es  nahe,  zunächst  an  den  Fausttdua, 
den  gemahl  der  Acca  La(u)rmtia,  zu  denken,  die  ja  selber 
auch  einen  etruskischen  namen  trägt ,  sofern  das  lat  La(u)' 
rentia  gleich  dem  etr.  lam&ia  ist,  auch  hier  mit  dem  gleichen 
Wechsel  des  au  und  dL  Das  suffix  in  Faustulus  ist  ja  freilich 
ein  anderes,  als  in  fastan,  und  keins  von  beiden  kann  aus  dem 
anderen  hervorgehen,  allein  wechselnde  suffixe  bei  ein  und  dem- 
selben gottesnamen  finden  wir  auch  sonst  So  haben  wir  z.  b. 
neben  einander  lat  Jüno,  etr.  uni  ("-  Junta)  ^  so  im  Etruski- 
schen selber  neben  einander  vdxans  und  vdxanUj  alpan  und 
alpnu,  zipna  und  zipanu.  Es  könnte  also  an  und  für  sich 
auch  etr.  ^fasian  und  lat.  Faustulus  derselbe  gott  sein,  denn 
dass  in  dem  angeblichen  hirtenpaar  Faustulus  und  Acca  La^ 
rentia  der  letzte  niederschlag  eines  götterpaares  stecke,  wird 
wohl  niemand  bestreiten.  Da  es  ein  hirtenpaar  geworden  ist, 
80  würden  es  ursprünglich  ohne  zweifei  hirtengottheiten  ge- 
wesen sein,  die  hier  vorliegen.  Aber  trotzdem  somit  möglich 
wäre,  dass  etr.  ^fastan  und  lat  Faustulus  ein  und  derselbe 
gott  sei,  so  wird  dennoch  nur  entferntere  Verwandtschaft  vor- 
liegen. Denn  es  ist  ein  anderer  lateinischer  gott  vorhanden, 
der  nähere  anspräche  auf  den  *fastan  erhebt  Dies  ist  der 
Faunus.  Ein  hirtengott  auch  er,  aber  in  dieser  form  mit 
*fasian  unmittelbar  identisch.  Es  giebt  einen  etniskischen 
Vornamen  turan,  dessen  regelrechter  genetiv  turns  belegt  ist 
durch  tue  :  ecnate  :  turns  —  Volsinii  vet  —  6a.  no.  582. 
„Tite  Ecnate,  des  Turan  (söhn)'';  dies  turan  aber  ist  der  name 
Turnus  des  Vergil  Gegen  die  gleichung  aber  Iau(st)nf48  : 
*fa(u)8tan  3=  Turnus  :  turan  ist  nichts  einzuwenden.  Dass 
in  dieser  lautlage  das  st  im  Lateinischen  ausfallen  musste,  ist 
selbstverständlich,  während  im  Etruskischen,  das  ja  gegen  kon- 
sonantengruppen  weniger  empfindlich  ist,  das  st  von  fastntru 
sich  zu  erhalten  vermochte.  Auch  vor  l  ist  das  st  unseres 
namenstammes  geschwunden  in  dem  lateinischen  gentilnamen 
Folius,  älter  Födius,  den  Mommsen  (röm.  forsch.  I,  115)  mit 
recht  auf  Faustilius  zurückgeführt  hat.  Dies  aber  ist  die  regel- 
mässige ableitung  von  Faustulus^  wie  famüia  von  famtdus, 
SiciUa  von  Siculus,  Hostüius  von  Hostulus,  dem  deminutiv  zu 


58  Carl  Pauli 

Hosim,  Caecilius  von  Caectdus  u.  s.  w.  Damit  ist  also  der  in 
fadntru  zu  gründe  liegende  gott  endgültig  als  der  Faunm 
nachgewiesen,  und  es  heisst  somit  der  dem  fastntru  als  basis 
zu  gründe  liegende  vomame  *fastviur  „a  Fauno  datus**. 

Der  name  einer  göttin  liegt  vor  in  acnatru.  Zwar  würde 
die  endung  -a  in  acna-  an  sich  nicht  weiblicli  zu  sein  brauchen, 
denn  es  giebt  im  Etruskischen  eine  ungemein  grosse  zahl  männ- 
licher formen  auf  -a^  allein  der  name  der  göttin  ist  direkt 
nachweisbar. 

Es  giebt  eine  göttin  aucena,  die  auf  einer  prilnestinischen 
cista  erscheint  Mit  diesem  aucena  ist  das  aena-  unmittelbar 
identisch.  Über  den  Wechsel  des  au  und  ä  ist  soeben  ge- 
sprochen worden,  der  ausfall  des  inneren  e  aber  ist  so  gewöhn- 
lich, dass  es  dafür  keiner  belege  bedarf.  Deecke  (in  Müllers 
Etr.  II  ',  334)  handelt  von  dieser  synkope  und  giebt  88  bei- 
spiele  des  ausfalles  allein  vor  folgendem  it.  Zu  ihrer  sachlichen 
deutung  verhilft  uns  die  Hesychiusglosse  avTC^hog-  ^(og  vrtd 
TvQ^wv,  Mommsen  (unt.  dial.  349)  und  andere  nach  ihm 
haben  das  zwar  in  avai^ktog  ändern  wollen,  aber,  wie  ich  glaube, 
zu  unrecht  Die  glosse  steht  an  ihrer  richtigen  stelle  unter 
ovx-  und  ist  somit  ganz  unverdächtig.  Der  Wechsel  der  suffixe 
hindert  nach  dem,  was  ich  soeben  unter  *fa8tan  bemerkt  habe, 
die  identität  keineswegs.  Mit  der  deutung  als  „Aurora^  stimmt 
auch  die  darstellung  aufs  beste.  Die  Aucena  fährt  in  voller 
bekleidung  auf  einem  wagen  daher.  Ihr  vorauf  geht  ein  knabe, 
sicher  der  morgenstern.  Unter  den  drei  pferden  ihres  wagens 
sind  zwei  schlangen,  seitlich  von  jenen  ein  löwe  sichtbar.  Das 
ist  das  getier  der  nacht,  welches  vor  dem  herankommenden 
morgenrot  entweicht.  Das  gegenstück  der  Aucena  auf  der  an- 
deren Seite  des  deckeis  ist  die  Venus, 

Damit  ist  das  acnatru  allseitig  erklärt,  und  es  bedeutet 
der  als  basis  ihm  zu  gründe  liegende  vorname  *  a(u)c(e)natur 
somit:  „cA  Aurora  datus^. 

Ein  gottesname  lässt  sich  auch  für  apcUru  nachweisen. 
Bezüglich  dieses  namens  habe  ich  früher  (Etr.  fo.  u.  stu.  III,  60) 
angenommen,  dass  apatru  für  aupairu  stehe  und  zu  lat  OpUer 
gehöre,  somit  in  au-patr-u  sich  zerlege.  Das  ist  lautlich  und 
begrifflich  auch  jetzt  noch  völlig  untadelig,  denn  so  gut  von 
Opiter  im  Lateinischen  die  gentilnamen  Opüreius,  Opiironius 
herkommen  y  so  kann  etr.  aupatru  davon   herkommen,  ja  es 


Die  etruskischen  familiennaTnen  auf  -tru.  59 

würde  nach  den  gleichungen  etr.  pumpu,  lat.  Pomponius;  etr. 
petru,  lat.  Petronius;  etr.  veratru,  lat.  Veratronius  mit  lat. 
Opitronius  unmittelbar  identisch  sein.  Und  auch  vonseiten  der 
bedeutung  würde  nichts  auszusetzen  sein,  denn  au-patr-  würde 
\yEv7tcn(aq^*'  bedeuten.  Aber  dennoch  halte  ich  selber  jetzt 
diese  deutung  nicht  mehr  für  richtig.  Die  analogie  der  übrigen 
formen  auf  -trUf  so  wie  die  form  apaiatru,  von  der  sogleich, 
machen  es  mir  jetzt  geratener,  auch  in  apatru  einen  gottes- 
namen  zu  suchen.  Und  in  der  that  lässt  sich  ein  gott  apa 
ohne  weiteres  nachweisen.  Es  ist  nämlich  sehr  einleuchtend, 
dass  mit  dem  apa  in  apairu  die  weiteren  formen  apasi  (Fa. 
no.  2057,  aus  Surrina),  südetruskischer  genetiv  von  apa,  und 
apastanasar  (Ga.  no.  794  aus  Tarquinü)  zusammengehören. 
Die  erstere  form  erscheint  in  einer  aufzählung  der  ämter  des 
verstorbenen,  und  es  ist  sehr  möglich,  dass  in  dem  teile,  der 
die  form  apasi  enthält,  eines  priesteramtes  erwähnung  ge- 
schieht und  dass  apasi  „des  (gottes)  apa'^  bedeutet  Entspre- 
chende genetivische  göttemamen  in  priestertiteln  finden  sich  in 
lateinischen  inschriften  zahlreich,  z.  b.  pantifex  Vestae,  flamen 
Martis,  pontifex  Volcani,  sacerdos  Süvani  u.  s.  w.  (Wilmanns, 
Exempla  index).  Das  apastanasar  befindet  sich  in  der  Tamba 
dfgli  Äuffuri,  und  zwar  neben  der  person  eines  der  „attguri  o 
sacerdoti^  zur  rechten  der  gemalten  thür  auf  der  frontwand. 
Es  ist  mir  kaum  zweifelhaft,  dass  auch  die  von  links  nach 
rechts  verlaufende  Inschrift  neben  dem  priester  zur  linken  als 
tanasar  zu  lesen  sei,  wie  in  der  that  auch  die  Notizie  degli 
Seavi  (1878,  130)  tanasa(r)  lesen.  Daraus  folgt  doch  wohl, 
dass  apastanasar  zwei  worte  enthält,  nämlich  apas  tanasar,  und 
dass  diese  als  „priester  des  apa*^  zu  übersetzen  sind.  Auch  in 
reg.  14  der  Placentiner  bronze  begegnet  ein  abgekürztes  ap, 
in  dem  freilich  Deecke  keinen  göttemamen,  sondern,  mit  dem 
c  der  folgenden  zeile  zusamn^en,  „eine  hinweisung  auf  den 
nahen  westpunkt"  sehen  wollte.  Mir  ist  ein  abgekürzter  götter^ 
name  wahrscheinlicher,  dann  aber  natürlich  nicht  apiu,  sondern 
apa.  Aber  auch  ohne  dies  unsichere  ap  dürfte  die  existenz 
eines  gottes  apa  genügend  nachgewiesen  sein;  das  weitere  über 
sein  wesen  und  seine  bedeutung  verschiebe  ich  für  eine  andere 
Untersuchung. 

Zur  seite  des  apa  scheint   eine  weibliche   gottheit   apaia 
oder  apia  gestanden  zu  haben,  wie  sie  i^us  den  formen  apaioUrt^ 


60  Carl  PauU 

und  apiatru  (oben  no.  5)  sich  ergiebt  Ein  weiterer  direkter 
nachweis  derselben  scheint  sich  indes,  soweit  ich  sehe,  nicht  zu 
finden. 

Auch  der  in  vercUru  steckende  göttemame  ist  nachweisbar. 
Zwar  einen  namen  veran  (masc.)  oder  vera  (fem.),  was  an  sich 
beides  möglich  wäre,  vermögen  wir  nicht  nachzuweisen,  aber 
wohl  eine  andere  bildung  von  dem  gleichen  stamme.  Des 
Faunus  gattin  wird  Verüia  genannt. 

Da  wir  nun  in  den  namen  vda^ri  und  aneidura  den 
Janus,  in  dem  namen  venelia9ura  seine  gattin  gefunden 
haben  (cf.  diese  Zeitschrift  25,  220),  und  da  wir  femer  oben  fest- 
gestellt haben,  dass  der  in  fasiniru  steckende  gott  *fa8ktn  der 
römische  Faunus  ist,  so  ist  es  von  vom  herein  nicht  unwahr* 
scheinlich,  dass  uns  auch  seine  gattin  begegnen  würde.  Und 
sie  eben  finde  ich  nun  in  der  in  verairu  enthaltenen  vera.  Die 
form  Verüia  ist  eine  koseform,  denn  das  -üia  sind  deminutiv- 
suffixe,  das  Vera  ist  die  dazu  gehörige  kurzform  ohne  diese 
Suffixe.  Dass  koseformen  mit  einfachen  kurzformen  in  der 
namengebung  abwechseln,  lässt  sich  sowohl  bei  Etruskem,  wie 
Römern  auch  sonst  nachweisen.  So  haben  wir  z.  b.  etr.  cupdna 
(Fa.  no.  638  =  CIE.  no.  2060;  Fa.  no.  638  bis  ^  CIE.  no. 
2054)  mit  kosesuffix  l  neben  cupma  (Fa.  no.  538  »  CIE.  no. 
1442;  Fa.  no.  638  ter  b  «  CIE.  no.  2052)  ohne  dasselbe,  beide 
formen  aus  derselben  familiengmft ;  so  lautet  der  &milienname 
etr.  venzile  (Fa.  no.  793  =  CIE.  no.  1437)  in  lat-etr.  form 
Vensiua  (ebendort);  so  heisst  ein  und  derselbe  mann  in  lateini- 
schen inschrifben  bald  Proculua,  bald  Procua  (CIL.  IV,  no.  1016 
und  1081;  cf.  das.  index).  Bei  dieser  Sachlage  hat  es  nicht 
das  geringste  bedenken,  anzunehmen,  dass  die  göttin  Verüia 
auch  Vera  habe  genannt  werden  können.  Ob  auch  das  Veris 
fructus  in  der  achten  region  des  Martianus  CapMa  (cf.  Deecke 
Etr.  fo.  IV,  18),  falls  die  lesung  richtig  ist,  etwa  auf  unsere 
göttin  bezug  habe,  muss  dahin  gestellt  bleiben,  da,  soweit  ich 
sehe,  sachliche  anhalte  fehlen.  Damit  dürfte  die  göttin  vera 
für  den  familiennamen  veratru  genügend  nachgewiesen  sein. 

In  lemnüru  würde  ein  göttername  *lemni  zu  suchen  sein. 
Ein  solcher  name  kann  im  Etruskischen  sowohl  männlich  (-t  *» 
^ie  =  ius),  wie  weiblich  (-t  "-  -ia)  sein,  es  könnte  somit  ein 
Lemnius  oder  Lemnia  darin  stecken.  Nun  ist  Lemniue  ein 
beiname  des  Hephästus,  Lemnia  ein  solcher  der  FaUae  (cf. 


Die  etniskischen  familiennamen  auf  -^ru.  61 

Boscher,  Lex.  d.  myth.  ü,  1937/38),  und  da  beide  gottheiten, 
erster^  als  aedlans,  letztere  als  mmrva,  auch  in  Etrurien  yer^ 
ehrt  wurden,  und  da  ferner  die  gleiche  bezeichnung  Al^aUa 
für  Lemnoa  und  für  JSZfra  gilt  und  damit  gewisse  beziehungen 
g^eben  scheinen,  so  könnte  das  *lemni  wohl  der  ,,Lemnier*' 
Hephaeatus  oder  die  „Lemnierin^^  Minerva  sein.  Für  möglich 
halte  ich  das.  Allein  es  giebt  noch  eine  andere  möglichkeit, 
die  mir  persönlich  wahrscheinlicher  dünkt.  Die  form  letnni 
kann  im  Etruskischen  für  lemuni  stehen,  eine  lauterscheinung, 
so  gemein,  dass  es  besonderer  belege  dafür  nicht  bedarf.  Nun 
haben  wir  die  römische  Tribus  Lemonia,  von  der  Paul.  Diac.  115. 
Mü.  berichtet:  „Lemonia  tribus  a  pago  Lemonio  appellata  est, 
qui  est  a  parta  Capena  pia  Latina.^  Der  pagtis  Lemonius 
wird  eine  wenigstens  zum  teil  etruskische  bevölkerung  gehabt 
haben  —  die  parta  Capena,  TusctUum  und  Praeneste  beweisen 
es  — ,  und  so  wird  auch  sein  name  etruskisch  sein.  Das  findet 
einen  halt  an  den  Lemures,  die  offenbar  etruskisch  sind.  Der 
kult  an  den  Lemuria  hat  ganz  etruskischen  Charakter,  und 
der  name  ist,  wie  Wissowa  (in  Roschers  Lex.  d.  mythol.  II, 
1938)  mit  recht  sagt,  etymologisch  völlig  dunkel,  denn  die 
herleitung  von  Betnuria  ist  ja  natürlich  unfug.  Ich  glaube 
also,  man  wird  nicht  fehlgehen,  wenn  man  die  Lemures  als 
etruskischer  herkunft  ansieht,  neben  ihnen  noch  einen  gott 
Lemonius  m  etr.  ^lem(u)ni  annimmt  und  diesen  in  *lemnitur 
findet^  so  dass  es  bedeutet  „a  Lemonio  daius*^. 

Der  letzte  noch  übrige  familienname  ist  9acuiura,  In  ihm 
würde  also  ein  gottesname  ^^ac(u)  stecken  müssen,  falls  auch 
er  eine  theophore  bildung  ist.  Auch  dieser  gottesname  ist, 
wenn  auch  auf  einem  kleinen  umwege,  sicher  nachweisbar. 
Schon  oben  (pag.  Ö6)  haben  wir  gesehen,  dass  im  Etrus- 
kischen die  laute  au  und  ä  vielfach  wechseln.  So  kann  also 
auch  in  unserem  namen  das  ^ac-  für  ^auc-  stehen.  Dies  vor- 
ausgesetzt, ergiebt  sich  die  fragliche  gottheit  sofort.  Der  vater 
des  Turnus  heisst  bei  Vergil  (z.  b.  Aen.  X,  616)  Daunus.  Wie 
nun  Turnus  auf  etr.  turan  (cf.  oben  pag.  57),  wie  Fau(st)nus 
auf  etr.  *fa(u)sta,n  (cf.  oben  pag.  57)  ging,  so  geht  Dau(c)' 
nus  auf  etr.  *da(u)can,  und  dieser  ^9aucan  ist  der  in  %^acti- 
tura  steckende  gott.  Es  ergiebt  sich  also  jetzt,  dass  von  den 
oben  erörterten  beiden  möglichkeiten  eines  svarabhaktischen 
u  in  ^acuiura  die  zweite  die  thatsächlich  vorliegende  ist  und 


62     Carl  Pauli    Die  etniskischen  familiennamen  auf  -tru. 

dass  somit  ^acSiura  (äi  ^adura  steht  Die  analogie  von  vd- 
^r  für  vdx^r,  von  lar^r  für  lar^^r  n.  s.  w.«  über  die  ich 
diese  zeitschr.  gehandelt  habe,  zeigt  uns,  dass  auch  *&actur, 
die  basis  von  ^adura,  für  *9a(u)cfftur  steht  und  somit  „a 
Dauno  daius'^  bedeutet. 

Es  hat  sich  somit  ergeben,  dass,  wie  in  den  nameui  die 
mit  -di^r  gebildet  sind,  so  auch  in  denen  mit  -iur  mit  mehr 
oder  minderer  Wahrscheinlichkeit  im  ersten  teile  göttemamen 
enthalten  sind  und  dass  wir  somit  in  diesen  zwei  gruppen  von 
namen  solche  von  theophorer  natur  vor  uns  haben. 

Aber  mit  diesem  ergebnis  ist  die  Untersuchung  noch  nicht 
abgeschlossen,  es  schliessen  sich  vielmehr  noch  einige  weitere 
fragen  daran  an.  Wir  beobachten  erstens,  dass  es  neben  vd- 
ihir  die  vomamen  vd  und  velia,  neben  tin9ur  den  gentilnamen 
tin,  neben  arn&ur  die  vomamen  amd"  und  am9ia,  neben  lar- 
9ur  die  vomamen  lar9  und  lar&ia  u.  s.  w.  giebt,  ebenso,  dass 
neben  fastntru  der  vomame  fadia,  (ebenso  neben  ^n^pü  auch 
&ania  und  ^ana)  stehen,  und  es  wird  zu  untersuchen  sein, 
welches  das  Verhältnis  dieser  kürzeren  namensformen  zu  den 
längeren  mit  -dtir  und  4ur  zusammengesetzten  sei.  Aber 
zweitens  erheischen  auch  die  göttemamen  selbst  noch  eine 
weitere  Untersuchung.  In  der  besprechung  der  namensbil- 
dungen  auf  -^ur  und  -tur  habe  ich  mich  damit  begnügt,  die 
gottheiten,  deren  namen  in  dem  ersten  teile  jener  formen  ent- 
halten waren,  nur  überhaupt  nachzuweisen,  bin  aber  auf  die 
gottheiten  selbst  nicht  näher  eingegangen.  Allein  es  knüpfen 
sich  an  diese  gottheiten  eine  reihe  weiterer  fragen  teils  ge- 
schichtlicher, teils  sprachlicher  art  an,  die  von  grosser  Wichtig- 
keit sind,  und  so  wird  denn  in  einem  besonderen  artikel  auch 
auf  diese  dinge  eingegangen  werden  müssen. 

Drittens  aber  steht  noch  eine  weitere  frage  mit  unseren 
namen  in  Zusammenhang.  Gestützt  auf  die  thatsacbe,  dass  der 
otruskische  name  der  Stadt  Volaterrae  mit  dem  familiennamen 
vela&ri  gleichlautend  ist,  wird  man  zu  untersuchen  haben,  wie 
das  Verhältnis  etruskischer  städte-  und  familiennamen  zu  ein- 
ander überhaupt  sei.  Auch  diese  frage  ist  von  nicht  unerheb- 
licher geschichtlicher  Wichtigkeit. 

Auf  die  erörterung  dieser  drei  fragen  werden   sich  dem- 


Elia  Lattes    Bemerkungen  zu  etruskischeD  inschriften.     63 

nach   drei  weitere  abechnitte  meiner  Untersuchung  su  richten 
haben. 

Lugano.  Carl  Fault. 


Bemerkungen  za  etroskiBehen  i 

Zu  der  abhandlung  von  C.  Pauli  o.  XXV,  194—227  er- 
laube ich  mir  ein  paar  thatsächliche  berichtigungen  mitzuteilen. 

199  9  23.  24  »ined.«:  beide  inschriften  sind  schon  ?on 
Pellegrini  in  Not.  de  Scavi  1898.  312  nr.  41.  42  gedruckt, 
von  Nogara  im  Annuario  della  R.  Acoad.  Scientifico-Letteraria 
di  Milano  1898 — 99.  137  =  ö.  41  des  ausz.  nach  autopsie  re- 
vidirt  und  von  mir  das.  verbessert  worden;  nur  dass  sowohl 
Pellegrini  als  Nogara  in  nr.  23  arnda  statt  amda\l  und  24 
hadia  statt  ßania  sahen. 

201,  52:  die  lesung  vezOmei  ist  durch  CIE.  1624  f>(ejz- 
d(ma)  bestätigt  (St  it.  di  fil.  class.  V  268) ;  tiamurrini  schrieb 
pevzd.kii  nieder,  Pauli  schlug  ve  ve&rna  vor,  ich  pe  v(e)Z' 
e(ma).hii;  vgL  Not.  d.  Sc.  1880.  445  u.  504  tab.  15  ni  larisa 
larekenas  ki,  F.  3b6  i  .l(are)  .aUni  .v(duä)  .capi.ci  (anders 
Pauli  CIE.  129  durch  emendation  und  identificierung  mit 
F.  169),  F.  2301  et  vesana  matuesi,  Rendic.  Ist.  Lomb.  1900. 
357  fg.  mii  nü  eii  tu  neben  mi  ni  di  ti. 

204,  63:  in  den  angeführten  Not  de  Sc.  1894.  51  steht  « 
die  inschrift  nicht,  die,  so  viel  ich  weiss,  überhaupt  unedirt  ist ; 
die  das.  52  veröffentlichte,  welche  ich  auch  aus  mittheilungen 
von  Milani  und  Nogara  kenne,  obwohl  ganz  verschieden  (mi  : 
eapra  :  calianaä-:  larßal  \  äepuä  :  amdaliäla  curmialx)^  hängt 
augenscheinlich  mit  derjenigen,  die  also  zuerst  hier  an's  licht 
tritt,,  zusammen,  da  wir  in  dieser  äepuala,  in  jener  äepttä  treffen ; 
in  einer  anderen ,  die .  ich  nur  aus  einer  indirekten  nachricht 
von  Nogara  kenne,  scheint  curfsjnialisa  ä§pu  ....  zu  stehn.  Das 
denkmal,  das  mit  dieser  geziert  ist,  ebenso  wie  jenes,  wo  man  die 
mit  ffi«  capra  beginnende  liest,  sind  in  der  privatsammlung  des 
herm  Giulio  Terrosi,  in  Florenz,  wie  ich  soeben  er&hre,  aufbe- 
wahrt, welche  leider  im  September  und  october  der  zwei  letzten 
jähre  geschlossen  war.    Was  mudurintd  betrifft,  in  dem  schönen 


64  Elia  Lattes 

abklatsche  yon  Nogara,  las  ich  ganz  Uar  und  sicher  nicht 
"ßurinal,  sondern  -durtnal  (möglicherweise  für  -Butinal);  da- 
gegen mu*  ist  ganz  unsicher  und  könnte  wohl  auch  etwa  nu- 
sein,  wie  mir  Nogara  mündlich  bemerkt 

206,  73:  ich  ergänze  [aluJmnaSuraa,  weil  in  derselben 
inschrift  z.  5  alumnaße,  z.  7  alumnad  stehn,  vgl.  G.  802.  4  cexa- 
8ie:eur,  das.  7  desnei.-dura,  Mummienb.  U  10.  13  IV  9  raxO. 
iura  und  IV  13.  IX  6  raxB.tur,  VI  15  rax.ture  mit  F.  «  1 
vdtur  und  G.  574  veUurus  für  den  von  Pauli  207  behandelten 
vddur;  ausserdem  vgl.  evüiuras  der  Magliano-inschrifti  mit 
GIE.  1546  Uurkfe]  für  1552  turke  und  das  gewöhnliche  turce, 
und  mit  F.  *  371  patiiunua  für  367  fz.  partunm.  Wir  kennen 
also  schon  vier  etruskische  Wörter,  die  keine  personennamen 
sind  und  doch  auf  -dura  -iura  4ur(a)4ure  endigen  (vgl.  Saggi 
e  Appunti  220  fg.),  und  zu  diesen  würde  sich  gut  [alujmna- 
eura8  reihen;  dagegen  das  224  vorgeschlagene  [veUuJmnaduras 
ist  ganz  unwahrscheinlich ,  weil  die  inschrift  ausser  den  zwd 
ersten  zeilen,  die  die  weitschweifige  zwöl^liedrige  nomenolatur 
des  verstorbenen  enthalten,  keinen  einzigen  personennamen  in 
den  sieben  übrigen  zeigt.  Vgl.  noch  maristura  prusuneiura 
puriisura. 

207,  2  »ined.«  steht  schon  in  Not.  d.  Scavi  1887.  346. 

208,  3:  das  Vorhandensein  von  amßur  braucht  man  nicht 
indirekt  aus  amdruda  zu  folgern;   es  ist  direkt  bezeugt  von 

Bull,   inst   1884.   184,    wo    Heibig   ar,,dur  ca..ar 

atinate  niederschrieb,  und  Pauli  GIE.  3698  amSia . cai . am- 

'  Bai  .  aentinates  herstellte,  anstatt  einfiEush  ar[n]dur  ca[i  Jar^ 
[ndal.sjftinate  (St  itaL  di  filoL  class.  VII  498)  zu  ergänzen. 

208,  4:  die  lesung  ist  nach  autopsie  von  Undset  bei 
Bugge  Beitr.  I  196  im  einklang  mit  v.  Duhn  Bull.  Inst  1878. 
50  in  aerii.na  verbessert  worden;  demgemäss  muss  man  die 
bekannte  partikel  na  (vgl.  GIE.  1516  mi  na  tiurk[$],  304  me 
na  me  ea  na  mit  F.  2581  ea.na  ftnxtu  und  sowohl  mit  G.  366 
me  nu  turu  als  mit  Not  de  Sc.  1887.  494  tab.  16.  5  a  nace 
me  uru,  F.  2596  mit  Gorss.  I  719  na  tap  teee  u.  anderes  mehr) 
von  dem  personennamen  acrü  ausscheiden,  das  übrigens  zu  dem 
damit  verglichenen  aeri  besser  passt  als  das  angebliche  acriina. 

216:  nicht  allein  die  drei  hier,  als  die  einzig  vorhandenen, 
angeführten  beispiele  bezeugen  den  jedenfalls  seltenen  gebrauch 
des  Vornamens  in  genitiv  als  muttemamen,  der  also  heutzutage 


Bemerkungen  zu  etrualdschen  inschriften.  65 

nicht  mehr  als  »etwas  unerhörtes  in  den  etruskischen  inschriftenc 
erscheint  Da  nämlich  jetzt  auch  Pauli  in  SafMs  und  danasa 
wirkliche  muttemamen  anerkennt,  und  da  ausserdem  wir,  vier- 
tens, eine  lat  etr.  GIB.  2882  Titia  Tkannae  f.  kennen  (vgl 
Pauli  Etr.  st  n  27),  so  kann  man  vermuthen,  dass,  fünftens, 
auch  er  jetzt  GIE.  255  la(rd)  evenU  6a(naä)  als  solcher  art 
halte,  und  nicht  mehr  da.  in  ca(eä)  oder  c€i(upnal)  emendieren 
würde,  wie  er  früher  noch  im  texte  that,  eben  weil  jene  art 
»sehr  selten  ist«.  Ähnlicher  weise,  sechstens,  CIE.  462  Sana : 
tetnei  :  fa  :  preMesa,  wo  nach  Pauli  »num  fa.  recte  lectum 
Sit,  valde  potest  dubitari«  und  »si  recta  est  lectio,  non  licet 
interpretari  fastiaä,  cum  matris  praenomen  adiciatur  nunquam«, 
und  ebenso,  siebentens,  CIE.  977  l(ar)d  .  cae .  eple  \  hastisa,  wo 
hastisa  sehr  wohl  einerseits  zu  fa(8tia4)  andrerseits  zu  danasa 
passt,  desto  mehr  da  wir,  achtens,  aus  CIE.  918  mre  husüe  hastis 
kennen,  für  den  die  für  764  ramßa.haatiä  von  Deecke  vorge* 
schlagene  erklärung,  dass  hastiä  familienname  sei  und  lat. 
Hastius  entspräche,  sinnlos  wäre.  Und  so  weiter  bis  vielleicht 
schon  jetzt  zu  der  von  den  Etruskem  beliebten  zwölfzahl; 
übrigens  wie  wäre  es  anders  zu  erwarten,  da,  wie  Pauli  selbst 
zu  der  sedraäAnschnlt  bemerkt,  in  solchem  falle  »hominem  in- 
ferioris  conditionis  spurium  fuisse  et  eam  ob  rem  pro  patris 
matris  praenomine  uti  fädle  intellegitur«  ?  Unter  so  viele 
tausenden  von  grabschriften  können  wohl  ein  oder  auch  zwei 
dutzend  zu  solchen  »homines«  gehören. 

221:  der  Zusammenhang  zwischen  rnuantmäl  und  mean, 
eben  durch  vergleich  mit  muvalxls  und  meal%l8,  ist  schon  von 
mir  Saggi  e  App.  221  nachgewiesen  worden. 

222 :  nicht  nur  auf  der  Placentiner  bronzeleber  cd  alp  ce, 
sondern  auch  ganz  ähnlicherweise  6.  804.  5  cvl  ee;  und  da  hier 
fna  fne  folgen  (vgl.  F.  2335  iure  fne  siOvas,  F.  1916  taf.  38 
aaar  fnu)  und  ce,  um  von  anderen  stellen  zu  schweigen,  klar 
und  allein  auch  auf  einem  vulcentischen  cylix  F.  2198  und  auf 
einer  amphore  aus  Caere  F.  2410  zu  lesen  ist,  so  halte  ich  ce 
auch  auf  der  leber  für  vollständig:  der  rost  wird  wohl  keine 
Schrift  sondern  etwas  anderes  w^gefiressen  haben;  vgl.  übrigens 
auch  Not  d.  Sc.  1895.  335  ceä. 

Mailand.  Mia  Laitea. 


B«itrl8«  >.  kudA  d.  iiidg.  apnelieii.    XXVI. 


66  J.  Endzelin 


ürBprong  und  gebrauch  des  lettischen  debitivs. 

Für  den  ausdruck  der  notwendigkeit  besitzt  das  Lettische 
besondere  verbalformen,  die  von  Hesseiberg  in  seiner  „letti- 
schen Sprachlehre^'  den  namen  eines  „debitivus"  erhalten  haben, 
von  Bielenstein  aber  mitunter  ganz  unpassend  als  passiva 
bezeichnet  werden.  Die  formen  werden  gebildet  aus  dem  prae- 
fix  ja'  (nach  Bielenstein,  Lett.  spr.  §  4ö6,  dial.  auch  ;d-) 
und  der  betreffenden  verbalform,  die  dabei,  mit  der  einzigen 
ausnähme  von  man  jhbüt  „ich  muss  seines  in  der  gestalt  der 
III.  p.  praes.  erscheint,  während  das  logische  subject  stets  im 
dativ,  das  object  dagegen  meist,  namentlich  in  der  jetzigen 
Schriftsprache,  im  nominativ,  seltener  im  accusativ  steht:  man 
jhSd  saüsa  maize  oder  auch  tnan  jhed  saüsu  malzt  „ich  muss 
trockenes  brot  essen''  ^).  Da  wir  in  den  verwandten  sprachen 
nichts  entsprechendes  kennen,  und  der  jetzt  so  gebräuchliche 
debitiv  im  lettischen  Volkslied,  das  meist  eines  recht  alten  Ur- 
sprunges sein  muss,  sich  nur  ziemlich  selten  findet,  so  drängt 
sich  von  vorneherein  die  Vermutung  auf,  dass  der  debitiv  eine 
speciell  lettische,  verhältnissmässig  späte  neubildung  ist  Um 
den  gebrauch  desselben  recht  zu  verstehen,  muss  man  erst  über 
die  form  sich  aufklärung  verschaffen;  es  hat  aber  meines 
Wissens  bisher  niemand,  ausser  Bielenstein  (Lett.  spr.  §§456 
und  457),  auch  nur  den  versuch  gemacht,  eine  erklärung  über 
die  entstehung  des  debitivs  zu  geben.  Es  wird  dienlich  sein, 
zuerst  über  die  form,  in  der  das  verbum  erscheint,  ins  klare 
zu  kommen.  Es  liegt  auf  der  band,  —  und  soviel  hat  auch 
Bielenstein  erkannt,  —  dass  die  form  nicht  von  anfang  an 
mit  der  IIL  p.  praes.  identisch  gewesen  ist  Denn  wäre  -M  in 
jhed  wirklich  von  jeher  die  III.  p.  praes.,  so  würde  erstens  die 
construction  man  jäed  maize  resp.  malzi  hinsichtlich  ihrer  be- 
deutung  kaum  erklärlich  sein;  zweitens  müsste  man  dann  ein 
praeteritum  man  ^jäede  für  wirkliches  man  bija  jäed,  ein  fu- 
turum man  *jäSdi3  für  wirkliches  fnan  bÜ8  jäid,  einen  conditio- 

^)  Es  kann  auch  noch  die  copula  ir  „ist"  hinzutreten :  man  ir  jä^d 
malze  resp.  maist;  in  den  meisten  fallen  aber  fehlt  dieselbe.  Ist  das 
verbum  mit  einer  praeposition  zusammengesetzt,  so  tritt  ja-  vor  die 
praeposition,  z.  b.  tev  ja  atzet  „du  musst  hingehen*^ 


Ursprung  und  gebrauch  des  lettischen  debitivs.  67 

nalis  man  *jäistu  für  wirkliches  man  btUu  jhSd  erwarten;  end- 
lich wäre  dann  die  abweichende  form  man  jäbüt  ganz  unbe- 
greiflich, wo  das  verbum  in  der  gestalt  des  infinitivs  erscheint, 
denn  alle  abweichungen  von  einer  norm  beruhen,  wenn  sie  nicht 
reste  einer  ursprünglicheren  bildungsweise  sind,  entweder  auf 
lantgesetzen ,  oder  sie  verdanken  ihren  Ursprung  falscher  ana- 
logiebildung  oder  auch  dem  einfluss  einer  fremden  spräche. 
Dass  zur  erklärung  von  jhbut  einer  der  drei  letzteren  falle  in 
betracht  käme,  das  ist  weder  nachweisbar,  noch  auch  über- 
haupt wahrscheinlich;  es  bliebe  demnach  nur  die  möglichkeit, 
dass  jhbüt  der  rest  einer  ursprünglicheren  bildungsweise  ist,  die 
von  der  jetzigen  mit  ihrer  UL  p.  praes.  verdrängt  worden  sein 
muss.  Jetzt  freilich  glaubt  das  Sprachgefühl,  dass  der  debitiv 
mit  hilfe  der  III.  p.  praes.  gebildet  wird,  und  daher  findet  man 
jetzt,  wohl  mehr  in  büchem,  als  im  volksmunde,  neben  man 
jabiU  auch  die  Verbindung  man  jäir  in  derselben  bedeutung 
gebraucht.  Etwas  ähnliches  findet  man  bei  der  bildung  des 
debitivischen  relativs,  des  modus  der  oratio  obliqua:  nach  dem 
verluUtniss  des  relativs  viilä  edüi  „edere  dicitur''  zu  dem  indi- 
cativ  viM  6d  „edit'^  hat  man  nämlich  zu  dem  indicativ  wAam 
(tr)  jbSd  „edendum  ei  est*\  neben  der  älteren  form  viiam  esät 
jäed  „edendum  ei  esse  dicitur'S  auch  einen  relativ  viiiam  jäSdiU 
oder  gar  die  pleonastische  Verbindung  viüam  esut  jäidtU  mit 
derselben  bedeutung  gebildet;  analog  gebildete  nebenformen 
weisen  auch  die  übrigen  tempora  des  relativischen  debitivs  auf 
(80  z.  b.  im  futurum:  viAam  büÜU  jäedvtt  neben  vvham  büOU 
jä4d).  Es  fragt  sich  nun,  welche  form  denn  eigentlich  von  der 
UL  p.  praes.  verdrängt  worden  ist?  Bielen stein  (Lett  spr. 
§  459)  hält  die  zur  bildung  des  debitivs  angewandten  verbal- 
formen für  „pure  praesensstämme,  hinter  denen  ein  personal- 
sufifix  nie  geschwunden^'  sei.  Aber  ganz  abgesehen  davon,  dass 
die  abstraction  „purer  praesens-stämme^^  sehr  auffiillend  wäre, 
machen  sich  gegen  die  annähme  derselben  auch  alle  die 'gründe 
geltend,  die  oben  gegen  die  III.  p.  praes.  angeführt  sind.  Denn 
was  Bielenstein  zur  erklärung  der  beiden  seiner  annähme 
widersprechenden  formen  jäbüi  und  jäet  „man  muss  gehen'' 
vorbringt  (es  sei  das  -t  derselben  weder  mit  dem  sufiSx  des  in- 
finitivs, noch  mit  der  endung  der  III.  p.  praes.  identisch,  son- 
dern „vielmehr  identisch  mit  dem  Charakter  der  classe  V,  der 
hier  zur  hilfc  herbeigezogen  sei,  um  der  vocalisch  auslautenden 

6« 


68  J.  Endzelin 

yerbalwurzel  einen  festeren  halt  zu  geben'^01  is^  ebenso  will- 
kürlich wie  hinfällig.  Ich  meinerseits  nun  bin  fest  überzeugt, 
dass  -6ä^  in  jditU  wirklich  der  infinitiv  ist,  und  dass  bei  der 
bildung  des  debitivs  ursprünglich  die  verbalform  immer  der  in- 
finitiv war.  Bei  dieser  annähme  lässt  sich  nun  auch  die  con- 
struction  des  debitivs  leicht  erklären.  Es  dient  nämlich,  wie 
im  Litauischen  und  Slavischen  (beispiele  findet  man  bei  Del- 
brück, Vergl.  Syntax  II  461),  so  auch  im  Lettischen  der  blosse 
infinitiv  mit  dem  agens  im  dativ  zum  ausdruck  sowohl  der 
möglichkeit,  als  auch  der  Willenserklärung  und  notwendigkeit: 
mtÜW  siha  aildUes,  mämv/i'  jaüka  patunät  BV  3235  i)  „die 
sonne  ist  warm,  (man  kann)  sich  (an  ihr)  wärmen;  das  mütter- 
chen  ist  anmutig,  sich  zu  unterhalten  (as  in  der  Unterhaltung)'^; 
lai  stäv^a  virmnUe  ptünv/iSem  uzmestes  BV  2765,  2  „es  möge 
der  wipfel  stehen  bleiben  für  die  vögel,  sich  darauf  zu  setzen'*; 
kümM  laüza  zagariAus  pädei  pirti  kurindt  BV  1268,  1  „die 
taufzeugen  brachen  reisig,  dem  taufkind  die  badstube  zu  heizen'^; 
devu  mvu  kumdi^u  räzu  därzu  nüecSt  BV  3523  „ich  gab  (der 
Schwester)  mein  rösslein,  den  rosengarten  abzueggen'';  lu^igam 
man  dzivut  BV  83  „lustig  muss  ich  leben*';  pe  degsnUa  tev 
gulM  BV  1243  „bei  der  schwelle  sollst  du  schlafen";  tani  pa- 
iam  vecam  btU  BV  32ö0  „der  soll  selbst  als  alt  gelten";  ku, 
mämiAa,  man  dartt?  BV  87c  „was  soll  ich,  o  mütterchen, 
thun?"  iuden  bija  tev  guUi  cüku  mideenl  BV  1580  „heute 
solltest  du  im  lager  der  Schweine  liegen";  pasM  bija  bärenUi 
BV  4167  „man  konnte  (oder:  soUte)  eine  waise  erkennen"; 
mums  büs  devu  bUea  uh  mtlet  „wir  sollen  gott  fürchten  und 
lieben";  tev  nAÜ8  zagt  „du  sollst  nicht  stehlen";  man  ir  rak- 
stit  (Biel.  Lett.  spr.  II  210)  „ich  habe  zu  schreiben".  Aus 
einem  solchen  gebrauch  des  Infinitivs  muss  sich  der  debitiv 
entwickelt  haben,  und  so  findet  man  auch  im  Volkslied  zu- 
weilen neben  dem  infinitiv  in  Varianten  auch  schon  den  debitiv 
in  derselben  bedeutung:  ptUnMem  jäuzmetas  BV  2765,  2  a  neben 
uzmestes;  devu  savu  kumeliAu,  ruzu  därzu  jäeci  BV  3523,  9 
neben  nüecet;  lustigami  jadzivu  BV  83,  1  neben  dzMU;  Süden 
bija  tev  jägul  BV  1580,  3  neben  gulM,  Aus  den  angeführten 
beispielen  sieht  man  aber  auch,  dass  nicht  das  praefix  jdr  dem 

')  Mit  BV  bezeichne  ich  die  von  Baron  nnd  Wissendorff  unter 
dem  namen  Latuju  dainas  herausgegebene  Sammlung  der  lettischen 
volkiUeder. 


Ursprung  und  gebrauch  des  lettischen  debitivs.  69 

debitiv  den  ausdruck  der  notwendigkeit  verleiht,  sondern  die* 
selbe  schon  in  der  Verbindung  des  blossen  infinitivs  mit  dem 
dativ  des  agens  enthalten  ist;  das  praefix  ja  ist  somit  nichts 
ursprünglich  wesentliches  bei  der  bildung  des  debitivs  (neben 
tarn  jäiüt  älteres  tarn  hütt)^  sondern  kann  nur  eine  verstärkende 
bedeutung  haben.  Was  ist  nun  dieses  jdr?  Aus  dem  Letti- 
schen wird  dasselbe  wohl  kaum  sich  erklären  lassen;  am  nächsten 
liegt  es,  an  die  sicherlich  aus  dem  Deutschen  entlehnte  be- 
jahungspartikel  ja  ,  Ja''  zu  denken ,  doch  stimmt  ihr  jetziger 
gebrauch  wenig  zu  dem  debitivischen  jh^.  Wohl  aber  dient  im 
Mittelhochdeutschen  die  partikel  jd  (oder  ja) ,  unmittelbar  vor 
dem  verbum  stehend,  zur  bekräftigung  einer  behauptung;  ich 
führe  ans  W.  Müller' s  mittelhochdeutschem  Wörterbuch  einige 
beispiele  an:  ,j&  hän  ich  angeste  vil";  ,J&  waere  des  ze  viP'; 
,J&  I&ze  ich  dich  vil  gerne  leben'';  „j&  muoz  ich  tr&ren  iemer 
m6'^  Dass  man  diesen  gebrauch  der  partikel  auch  in  den 
Ostseeprovinzen  gekannt  hat,  lehrt  uns  z.  b.  folgender  vers 
(4661)  aus  der  livländischen  reimchronik:  ,Jö  sehe  ich  rischer 
beide  vil";  nur  dass  hier  jö  für  j&  erscheint.  Ich  glaube  da- 
her, dass  die  Letten  von  ihren  deutschen  herren  die  partikel 
ja  mit  der  erwähnten  gebrauchsweise  entlehnt  haben,  und  dass 
dann  im  laufe  der  zeit  jä,  ähnlich  der  negation  ne  (z.  b.  ne- 
biU\  mit  der  verbalform  durch  den  accent  sich  zu  einem  wort 
vereinigt  hat  {ji^Mjt),  Anfangs  wird  man  wohl,  wie  im  Deut- 
schen, die  partikel  verschiedenen  verbalformen  vorgesetzt  haben, 
bis  man  endlich  den  gebrauch  derselben  auf  den  imperativischen 
(debitivischen)  infinitiv  eingeschränkt  hat  (imperativische  aus- 
drücke nehmen  bekanntlich  mit  besonderer  verliebe  verschiedene 
affirmative  partikeln  an).  Femer  wird  man  anfangs  die  par- 
tikel nur  in  positiven  sätzen  gebraucht  haben  {tev  jäbüt,  aber : 
tev  nebüt,  oder:  tev  nav  bat);  die  jetzt  gebräuchlichen  formen 
des  negativen  ausdrucks  (praes.  nav  jäbüt,  fut.  nebüs  jäbüt, 
praet  nMja  jäbütj  cond.  nebütu  jäbüt)  konnten  erst  dann  ent- 
stehen, als  die  partikel  jä  mit  der  verbalform  schon  ein  un- 
trennbares wort  bildete,  und  man  die  ursprüngliche  bedeutung 
der  Partikel  schon  vergessen  hatte.  Für  ja-  erscheint  dialek- 
tisch, und  zwar  meines  Wissens  in  Fehteln  (Mag.  d.  lett-liter. 
ges.  XVII  1,  103)  und  in  Ohselshof  unter  Linden  (Livland), 
auch  jur\  nach'  mündlicher  mitteilung  eines  meiner  landsleute 
und,  wie  es  scheint,  auch  nach  Mag.  XVII,  1,  103  ff.  ist  das  u 


70  J.  Endzelin 

in  diesem  ju  kurz;  BV  3523,  9e  (in  einem  vom  philologen 
K  aal  in  aufgezeichneten  liede)  aber  lesen  mt  ßleci,  also  doch 
wohl  auch  mit  langem  u,  wenn  anders  kein  versehen  vorliegt 
Dieses  jü-  stammt  doch  wohl  aus  derselben  quelle  wie  ja-  und 
ist  also  wohl  die  lettische  wiedergäbe  des  mhd.  jd,  das  wir  in 
dem  citat  aus  der  livländischen  reimchronik  sahen,  wie  denn 
deutsches  o  in  lehnwörtem  lettisch  durch  a  oder  durch  u 
wiedergegeben  wird  (Biel.  Lett.  spr.  I  470).  Es  fragt  sich  nun, 
auf  welche  weise  der  Infinitiv  bei  der  bildung  des  debitivs  durch 
die  III.  p.  praes.  verdrängt  worden  ist.  Den  anlass  dazu  müssen 
die  verba  der  themavocallosen  conjugation  gegeben  haben,  bei 
welchen  die  III.  p.  praes.  mit  dem  infinitiv  formell  zusammenfiel 
(z.  b.  ^  und  früher  *'iti).  War  die  partikel  ja  mit  dem  infinitiv  fest 
zu  einem  untrennbaren  ganzen  verschmolzen,  so  konnte  auch  der 
ursprüngliche  sinn  der  Zusammensetzung  leicht  in  Vergessenheit 
geraten,  und  in  dem  Sprachgefühl  konnte  die  jetzt  herrschende 
Vorstellung  auftauchen,  es  werde  durch  die  partikel  ja-,  und  nicht 
durch  die  verbalform  selbst  das  sollen  oder  müssen  bezeichnet 
Hatte  man  aber  erst  diese  Vorstellung  sich  gebildet,  so  lag  es 
oft  näher,  in  debitiven  wie  jhet  -U  nicht  für  den  infinitiv,  son- 
dern für  die  lEL.  p.  praes.  zu  halten.  Wie  schon  oben  gesagt 
ist,  kann  das  logische  object  beim  debitiv  im  nominativ  stehen 
und  auf  diese  weise  das  grammatische  subject  im  satze  werden ; 
da  nun  das  praedicat  meist  ein  verbum  finitum  ist,  das  in  der 
person  sich  nach  dem  subject  richtet,  so  konnte  man  geneigt 
sein,  in  Sätzen  wie  man  saüsa  malze  ^jäSst  (lit.  '48t  berechtigt 
uns,  diese  form  auch  für  das  Lettische  als  die  ursprüngliche 
III.  p.  praes.  anzusetzen)  das  -^  von  *ß&t,  um  eine  gewisse 
congruenz  zwischen  dem  grammatischen  subject  und  praedicat 
herzustellen,  für  die  IIL  p.  praes.  anzusehen.  Hatte  man  sich 
aber  diese  anschauung  angeeignet,  so  konnte,  als  die  jetzt  ge- 
bräuchliche neubildung  ed  neben  der  alten  HI.  p.  praes.  *e8t 
aufkam,  für  das  missverstandene  *fie8t  auch  das  jetzige  jäe<2 
eintreten;  das  -Sd  von  jäSd  konnte  aber  (neben  dem  infinitiv 
est)  dann  auch  formell  nur  noch  als  die  lU.  p.  praes.  ange- 
sehen werden.  Jetzt  besitzt  das  Lettische  nur  noch  spärliche 
reste  der  themavocallosen  conjugation  (cf.  Biel.  Lett  spr.  §§ 
407,  409,  414,  417,  418),  aber  früher  war  ohne  zweifei  auch 
im  Lettischen  diese  conjugation  stärker  vertreten,  und  zu  ihr 
gehörten  auch  wohl  einige  viel  gebrauchte  verba  (et,  düt,  ist 


Ursprung  und  gebrauch  des  lettischen  debitivs.  71 

o.  a.).  So  konnte  es  geschehen,  dass  nach  dem  vorbild  der 
verha  der  themavocallosen  conjugation  auch  in  der  themavoca- 
lischen  conjugation  (wo  von  jeher  der  infinitiv  eine  andere  ge- 
stalt  hatte,  als  die  III.  p.  praes.)  die  III.  p.  praes.  für  den  in- 
finitiv in  den  debitiv  eingeführt  wurde  (z.  b.  *jäne8t  zu  jänes). 
Dass  in  jdbüt  der  infinitiv  sich  noch  erhalten  hat,  erklärt  sich 
dadurch»  dass  die  zu  büt  gehörige  III.  p.  praes.  ir  von  einer 
ganz  andern  wurzel  abgeleitet  ist,  und  die  änderung  von  jäbüi 
zu  jäir  (diese  form  hört  man  jetzt  auch ,  wie  oben  gesagt  ist, 
gelegentlich  im  munde  grammatisch  geschulter  Letten)  allzu 
gewaltsam  war,  um  durchgeführt  zu  werden.  Auf  diese  weise 
denke  ich  mir  den  lettischen  debitiv  entstanden,  und  ich  glaube 
nicht  allzukühne  hypothesen  vorgetragen  zu  haben.  Jetzt  lässt 
es  sich  verstehen,  weshalb  man  im  praet.  z.  b.  bija  jäed  (und 
nicht  *jäSde)y  im  fut.  hus  jäM  (nicht  *jäidis)  sagt;  ebenso 
lässt  sich  jetzt  die  construction  beim  debitiv  begreifen.  Wenn 
Delbrück  (Vergl.  Synt.  II  441)  den  gebrauch  des  lituslavi- 
schen  Infinitivs  auf  4i  aus  einem  ursprünglich  dativischen  sinne 
ableitet,  so  kann  ich  ihm  darin  in  bezug  auf  das  Lettische  nur 
beistimmen,  und  auch  formell  wäre  es  meiner  ansieht  nach 
nicht  unmöglich,  in  diesem  infinitiv  einen  alten  dativ  zu  sehen. 
Und  so  finden  wir  im  lettischen  Volkslied  zuweilen  für  den  in- 
finitiv (den  dativ  eines  alten  nomen  actionis)  auch  den  dativ 
des  jetzt  gebräuchlichen  nomen  actionis  auf  »Sana^  z.  b.  dAäu 
9a9u  kufneli'Au  ruzu  därza  ecSäan*  *)  BV  3523,  6  neben  ruzu 
därzu  nuecei  ibidem.  Bei  diesem  dativischen  infinitiv  konnte 
beim  praedicativen  gebrauch  desselben  von  jeher  (vgl.  Del- 
brück, Vergl.  synt  II  461  ff.)  das  von  der  verbalhandlung 
betroffene  substantivum  im  nominativ  stehen;  eine  unmittelbare 
fortsetzung  dieses  gebrauches  ist  der  nominativ  des  objects  beim 

*)  Nach  der  för  die  metrik  der  lettisohen  Volkslieder  geltenden 
rege],  dass  die  letzte  silbe  eines  jeden  trochäisohen  dimeters  kurz  sein 
muss,  haben  wir  nach  ecSian  nicht  die  jetzt  gebräuchliche,  aus  der  pro- 
nominalen flexion  (z.  b.  tal.  Mal)  herübergenommene  endung  -at,  sondern 
die  alte  endung  -t  für  *ai  zu  ergänzen,  die  sich  im  Altlettischen  des 
Mancelins,  Adolphi,  der  Volkslieder  (z.  b.  BV  13S2,  2;  1768;  4009;  4188) 
und  dial.  (cf.  Bezzenberger,  Sprache  d.  prenss.  Letten  121)  und  in 
■dverbiellen  Wendungen,  besonders  nach  praepositionen  (z.  b.  pßhbirUki^ 
UdzmaU,  pa  reizi,  pa  (e'di;  ieti  dwrit  u.  a.),  auch  im  jetzigen  Lett.  sich 
findet. 


72  J.  Endzelin 

debitiv.  Der  nominativ  beim  debitiv  ist  so  gebräuchlich,  dass 
zuweilen  auch  das  object  eines  im  infinitiv  oder  supinum 
stehenden  transitiven  verbum,  welches  seinerseits  von  einem 
debitiv  abhängig  ist,  vom  debitiv  attrahiert  im  nominativ  er- 
scheint (vgl.  Mählenbach,  Austrums  1895,  32),  z.  b.  tnan 
jäet  teteris  äaüi  „ich  muss  gehen,  ein  birkhuhn  zu  schiessen'*. 
Im  Zusammenhang  damit  steht  es,  dass  dialektisch  auch  das 
object  eines  von  vajaga  „oportet^'  abhängigen  infinitivs  im  no* 
minativ  erscheint,  z.  b.  (nach  Bezzenberger,  Spr.  d.  preuss. 
Lett  131,  anm.  3)  zirga  vajadzes  mazgdt  „man  wird  das  pferd 
waschen  mfissen*'.  Wie  aber  das  object  des  infinitivs  auch  im 
accusativ  stehen  konnte  (ku,  mämi'/ia,  man  darttl),  so  erscheint 
zuweilen  auch  beim  debitiv  das  object  im  accusativ  (rüiu  därzu 
jäeci);  wenn  das  object  ein  pronomen  personale  ist,  so  dürfte 
der  accusativ  die  regel  sein,  z.  b.  man  tevi  jämäca  „ich  muss 
dich  lehren"  (tu  jämäca  scheint  unmöglich  zu  sein).  Nach 
einer  negation  ist  vielleicht  auch  der  genitiv  des  objects  beim 
debitiv  möglich;  sichere  beispiele  habe  ich  im  augenblick  nicht 
Zuweilen  hat  man  einen  doppelten  dativ  beim  debitiv,  den  dativ 
des  subjects  und  den  dativ  des  indirecten  objects,  wobei  miss- 
verständnisse  durch  den  Zusammenhang  in  der  regel  beseitigt 
werden,  z.  b.  man  jämaksä  ztdam  parädi  (möglich  ist  auch  die 
Wortfolge:  man  ildam  p.  j\)  „ich  muss  dem  Juden  schulden 
zahlen'^  Auch  das  prädicatsnomen  steht  beim  debitiv  im  dativ, 
z.  b.  lustigami  (man)  jädztpu  BV  83,  1  „lustig  muss  (ich) 
leben".  —  Es  muss  noch  etwas  über  den  gebrauch  des  debitivs 
gesagt  werden.  Wie  schon  oben  erwähnt  ist,  wird  durch  den 
infinitivus  cum  dativo  einerseits  das  bezeichnet,  was  geschehen 
kann,  andererseits  dasjenige,  was  geschehen  soll  oder  muss; 
beide  bedeutungen  haben  sich  im  debitiv  erhalten,  wenn  auch 
nicht  in  gleichem  maasse.  Die  möglichkeit  kann  heutzutage 
durch  den  debitiv  nur  noch  dialektisch  bezeichnet  werden.  Nach 
Mag.  d.  lett-liter.  ges.  XYII  1,  103  erscheint  in  Fehteln  der 
debitiv  in  dieser  bedeutung  stets  mit  dem  praefix  ju-,  z.  b.  man 
nav  jued  „ich  habe  nichts  zu  essen'' ;  upes  lld  kumelini,  nav 
tdUu  jupagan'  „auf  der  bachwiese  sind  die  rösslein ,  nirgends 
können  die  jungen  kühe  geweidet  werden^';  während  die  not- 
wendigkeit  daselbst  mit  dem  praefix  ja-  (oder  auch :  jär»  ?)  aus- 
gedrückt werde.  Doch  lässt  sich  dieser  unterschied  der  bedeu- 
tung von  ;u-  und  ja-  sonst  nicht  constatieren :  einerseits  soll 


Ursprung  und  gebrauch  des  lettischen  debitivs.  73 

nach  einer  mündlichen  mitteilung  in  Ohselshof  unter  Linden 
(in  der  nächsten  nachbarschaft  von  Fehteln)  das  praefix  ju- 
auch  die  notwendigkeit  bezeichnen  (z.  b.  mapi  nav  juSd  „ich 
brauche  nicht  zu  essen^');  andererseits  kann  auch  der  debitiv 
mit  ja'  die  möglichkeit  ausdrücken,  so  z.  b.  lat  stävhja  virsunlte 
ptänvüem  jäuzmetoB  BV  2765,  2  a  (in  einem  lied  aus  Alt-Pebalg); 
devu  8(ivu  kufneliAu  räzu  därzu  jäeci  BV  3523,  9  (aus  Peters- 
Kapelle,  Märzen,  Zirsten  u.  a.)*  In  früheren  zeiten  muss  dieser 
gebrauch  des  debitivs  mehr  verbreitet  gewesen  sein;  so  kann 
nach  L.  Behrsin  (Austrums  XV  338)  man  jäed  bei  Fürecker, 
der  sein  Lettisch  in  Kurland  erlernt  haben  muss,  noch  die  be- 
deutung  haben  „ich  habe  (etwas)  zu(m)  essen".  Heutzutage 
kann  dieses  in  der  Schriftsprache  nur  lauten:  man  ir  ku  est; 
es  wird  die  alte  infinitivconstruction  beibehalten  und  vor  den 
infinitiv  meist  eine  relative  form  (pronomen  oder  adverbium) 
als  ergänzung  zu  demselben  eingeschoben,  so  noch  z.  b.  lat 
patek  galtUnite,  kur  putnam  uzmestes  BV  2765  neben  putninem 
uzmestes;  devu  savu  kumeliiiu,  küecH  räzu  dhrzu  BV  3523,  5  g 
neben  räzu  därzu  nuecet.  In  der  Schriftsprache  ist  eben  der 
debitiy  nur  noch  ein  modus  necessitatis  (der  begriff  der  passi- 
vität,  den  Bielenstein  ihm  zuschreibt,  ist  dem  debitiv  ganz 
fremd:  das  object  kann  auch  im  accusativ  stehen).  Und  zwar 
bezeichnet  der  debitiv  die  unbedingte  (die  objective)  notwendig- 
keit (wenigstens  in  der  auffassung  des  redenden),  die  wenigstens 
für  den  augenblick  nicht  abgeändert  werden  kann  (z.  b.  tev 
jädzer  tija  bez  cukura  „du  musst  thee  ohne  zucker  trinken", 
weil  im  augenblick  kein  zucker  da  ist);  während  vajaga  cum 
infinitivo  etwas,  insofern  es  erspriesslich  ist,  als  notwendig  be- 
zeichnet (die  subjective  notwendigkeit;  z.  b.  tev  vajaga  teju  bez 
cukura  dzert  „du  musst  thee  ohne  zucker  trinken",  weil  zucker 
dhr  schädlich  wäre).  Da  aber  die  auffassung  des  redenden  ver- 
schieden sein  kann,  so  wird  auch  zuweilen  der  debitiv  für  va- 
jaga gesetzt,  und  auch  das  umgekehrte  dürfte  (wohl  nur  selten) 
eintreten.  Hat  das  verbum  ein  object  bei  sich,  so  kann  für  den 
debitiv  auch  das  part.  praes.  pass.  (als  ein  part.  necessitatis, 
das  aber  weniger  stark,  als  der  debitiv,  die  notwendigkeit  be- 
tont, und  mehr  im  Volkslied,  als  im  alltäglichen  gebrauch 
sich  findet;  vgl.  auch  Bielenstein,  Lett.  spr.  U  189  ff.) 
eintreten,  z.  b.  tä  zemUe  man  minama,  tas  müziiiis  dztmjamis 
BV  113,  2  „diesen  boden  muss  ich  treten,  dieses  leben  muss 


74  Brunnhofer 

(ich)  leben^S  neben  tä  zemtte  man  jämiti,  tos  müziAi  jädztvC 
BV  113. 

J.  Endzdin. 


Iranische  namen. 

1.  Karmpaluk,  der  skythlsehe  name  der  Maeotis. 

Ttetzes  in  seinen  Ghiliades  (ed.  Kiessling  VIII,  gesch.  222, 
V.  773,  pag.  312)  berichtet: 

Tdig  Sxv^aig  atTtj  naQfinaXovx,  i^  At/uvij  xA^atv  (pigei. 
Td  Kag/nfraXovx  ö*  kXXtjvia&iv  noXiq  ix^vfov  Xeyei. 
Tb  Kaqfi  yotg  TtoXvg  axv&mwg^  t6  de  TtaXovx  ix^veg^ 
Kai  tdxa  ^  arjjiiaivovaLf  ro  yuaQfinaXovn^  Mauovig, 

Diese  etymologie  ist  in  gerade  umgekehrter  Wortfolge  wahr, 
nämlich  so,  dass  KaQfi-TtaXovn  zu  übersetzen  ist  IxS'vwv  ncXig^ 
nicht  TtoXig  ix^vwv.  Das  nag/Ä  ist  nichts  anderes  als  der  gen. 
plur.  karaAm  von  zendisch  Arara,  m.,  Fisch,  und  TtaXoim  ist  die 
Weiterbildung  eines  nomens  *palu  mit  dem  suffix  ka,  das  viel- 
leicht in  TtaXovx  diminutivische,  hypokoristische  kraft  hat.  Das 
*palu  aber  ist  natürlich  »  TtoXig  und  gehört  zum  zendischen 
pouru  =7  TtoXvf  skt  puru,  Bezzenberger  fragt  in  Ficks  Vgl. 
wb.  d.  indogerm.  spr.  ^,  p.  252  wegen  des  altpersischen  gen. 
plur.  paruvnäm  an,  ob  man  eine  altpersische  starke  form  pdru 
=  got.  ßu  ansetzen  dürfe?  Das  skythische  (d.  h.  hier:  zend- 
iranische)  TtaXovx  verlangt  sogar  diese  form,  lieber  xaga 
vgl.  noch  mein  „Vom  Ural  bis  zur  Gangä",  pag.  49. 


2.  Der  bosporanisehe  könig  Satypos  und  sein  sehn  Metrodorus. 

Der  name  des  königs  der  Sinter  bei  Polyaen  (ed.  Woel£flin, 
c.  55,  pag.  328 — 329)  und  der  seines  sohnes  sind  iranisch.  Der 
name  SaTvgog  ist  nichts  anderes  als  graecisiries  *Shaiyri  s=s 
kappadokischem  *^av&vQi  im  monatsnamen  ^a^Qi  und  dieser 
entspricht  dem  namen  des  kriegsgottes  Khshathra  vairya.  S. 
La  gar  de,  Ges.  abhh.  pag.  260;  262,    Der  name  MrjtQodwQog 


Iranische  namen.  75 

ist  als  MiTQoöw^og  zu  fassen  und  dieser  entspricht,  als  graeci- 
sirung,  dem  bekannten  pontischen  färstennamen  Miihradäta. 

8.  Kappadoklen. 

Lagard e,  Ges.  abhh.  pag.  257  hält  den  keilinschriftlichen 
namen  Katpattdca  für  syrisch.  Dem  widerspricht  aber  Polybius 
(ed.  Didot,  Paris  1839),  fragmenta  historica  et  geograph.  10. 
'^EavL  Ö€  to  ovof^a  {Kannadoydag)  üegoixoy.  Wir  werden  also 
eine  etymologie  aus  dem  Zend  versuchen  müssen.  Nun  heisst 
es  von  Thogarma,  dem  lande  Armenien  und  Kappadokien,  im 
Propheten  Ezechiel  27,  14:  „Die  von  Thogarma  haben  dir 
pferd  und  wagen  und  maulesel  auf  deine  markte  gebracht''. 
Und  ebenso  heisst  es  von  Paphlagonien,  das  mit  Kappadokien 
nach  Strabo  stammverwandt  war  und  mit  diesem  letztem  lande 
politisch  immer  zusammengehörte,  in  der  Uias  II,  851,  es  sei 
das  staoimland  der  maulthiere: 

naq>X(xy6v(üv  .  .  .  o&ev  ^/tiiovfov  yevog  dyQOvegdwv, 
Im  hinblick  auf  diesen  weitverbreiteten  ruf  Kappadokiens, 
das  land  der  maulthierzucht  zu  sein,  erkenne  ich  in  kcUpa, 
•MtTina  das  zend  wort  iathwa,  das  maulthier  (s.  Justi,  Zend- 
wörterb.  pag.  77).  In  iuka  erblicke  ich  die  sanskritwurzel 
*tuk,  enthalten  in  vedisch  tue,  f.,  kinder,  nachkommenschaft, 
*tuka  ist  das  ungunirte  skr.  tokd,  n.,  nachkommenschaft,  kinder. 
Kappadokien  bedeutet  demnach  „land  und  leute  der  maulthier- 
zucht". 

4.    Kaphthor. 

Der  biblische  name  von  Kappadokien,  nhnoD  Kaphtkdr, 
bei  den  Septnaginta  Katp^oguifty  Fatpd'OQUiu^  Xa(p&OQUi^  ist 
nichts  als  eine  semitisirung  des  iranischen  Haftdrang,  im  sinne 
von  Norden,  also  das  Haptairifiga  des  Avesta,  die  Saptd 
Rishayäk  des  Veda,  das  stembild  des  grossen  baren,  das  als 
der  heerfuhrer  des  nördlichen  stemenheeres  galt. 

5.    Pomaxathpes,  der  mörder  des  Krassus. 

In  der  schlacht  von  Karrhae  (Plutarch  im  leben  des 
CrassuSy  cap.  31)  tödtete  den  Crassus  ein  Parther,  namens 
Pomaxathres  {tov  de  Kgdaaov  ovo^a  nof^a^dx^gtjg  Ildgi^og 
anixtuvB»),    Der  name  ist  iranisch  und  entspräche  zendischem 


76  Brunnhofer 

^upamakhshathra  ,,der  höchste  fiirst'^  Demnach  wäre  wohl 
der  könig  der  Parther  selbst  es  gewesen,  der  den  Grassus  ge- 
tödtet  hätte.  Dies  würde  auch  zu  dem  berichte  des  Plutarch 
stimmen,  der  erzählt,  nach  einigen  hätte  ein  anderer  den  Grassus 
umgebracht  und  Pomaxathres  nur  dem  leichname  den  köpf  und 
die  rechte  band  abgehauen.  Der  abfall  des  anfangsvocals  eines 
namens  ist  in  den  iranischen  sprachen  etwas  ganz  gewöhnliches, 
insbesondere  bei  namen,  die  mit  a  und  upa  anfangen.  S. 
Lagarde,  Armen,  stud.,  pag.  124,  no.  1788. 

H.  Brunnhofer, 


Emendationen  zum  Bigveda. 

Trotz  der  wunderbaren  reinheit,  in  welcher  der  Rigvedatext 
Jahrhunderte,  zum  theil  Jahrtausende  lang  auf  mündlichem  wege 
fortgepflanzt  worden  ist,  haben  sich  in  die  Sai{ihitä  dennoch 
eine  anzahl  augenscheinlicher  wortverderbnisse  eingeschlichen, 
die  zum  gi*össten  theil,  wie  dies  schon  Roth  nachgewiesen  hat, 
auf  gehörfehler  zurückzuführen  sind,  mehrfach  aber  ihren  grund 
auch  darin  haben,  dass  die  spätere  zeit  der  vedischen  periode, 
also  die  schriftgelehrten  der  Br&hmana-  und  Sutraliteratur,  die 
alten,  aus  der  iranischen  zeit  stammenden  Wörter  nicht  mehr 
verstanden  und  ins  Sanskrit  umzudeuten  versucht  hat.  Durch 
\Veber*Försters  und  meine  Entdeckung  des  ungeheuem 
alters  des  Bigveda  (s«  Sitzungsberichte  der  Berliner  ak.  vom 
21.  juU  1898,  pag,  9—10;  vgl  ebendas,  Weber  14.  Juni  1900; 
ferner  Brunnhofer  Verhandl  d.  Berliner  ahthropol.  ges.  13.  mai 
1899:  Herkunft  der  Sanskrit-Arier  aus  Armenien  und  Medien 
pag.  478 — 184;  20.  Januar  1900:  Das  alter  des  Rigveda  nach 
massgabe  der  A^vinau-hymnen  pag.  80 — 8l)),  ist  nunmehr  meine 
schon  1884  ausgesprochene  ansieht  (s.  Ueber  den  uisitz  der 
Indogermanen),  dass  die  kaspischen  länder  der  stanmisitz  der 
Sanskrit-Arier  gewesen  sein  müssen,  durch  historisch-astronomi- 
sche berechnung  zur  thatsache  geworden.  Hatten  aber  die 
Sanskrit -Arier  Jahrtausende  lang  in  Armenien  und  Medien 
mit  den   Zend-Iraniern   und    Ario- Hellenen  nach   barlich  lu« 


Emendationen  zum  Rigveda.  77 

samniengewolmt,  hatten  zend- iranische  stamme  durch  kriege- 
rische bundesgenossenschaft  oder  Unterwerfung  sich  den  ein- 
tritt in  die  brahmanische  opfer-  und  Staatsgenossenschaft  ge- 
bahnt, so  konnte  es  nicht  fehlen,  dass  ihre  Stammesdialekte 
vielfach  auf  das  von  ihnen  erlernte  Sanskrit  einwirken  mussten. 
Ich  habe  solche  rein  iranische  Wörter  im  Bigveda  schon  1889 
im  ersten  bände  meiner  „Urgeschichte  der  Arier''  aufgezeigt, 
ich  habe  dann  zu  anfang  dieses  Jahres  (1899)  in  meinen  „Homeri- 
schen räthseln"  an  dem  adjektiy  ari-dhdyas  den  nachweis  gefuhrt, 
dass  sogar  noch  altarmenische  Sprachelemente  im  Rigveda  vor- 
hegen,  insofern  aH-dhdyas  nur  „dreimelkig''  bedeuten  könne, 
arl  also  das  altarmenische  eriy  drei,  sein  müsse,  das  sich  zu 
der  bedeutung  sehr,  die  man  ari  im  Sanskrit  giebt,  völlig  ana- 
log dem  Übergang  des  lateinischen  tres  in  französisches  iriSf 
entwickelt  hat. 

In  den  folgenden  textverbesserungen  bin  ich  auf  diesem 
w^e  weiter  gegangen  und  denke  manche,  in  der  bisherigen 
erklärong  des  Rigveda  wirkende  tradition  für  immer  kri- 
tisch aufgelöst  zu  haben.  Andere  werden  mir  auf  diesem  wege 
nachfolgen,  wobei  dann  der  fall  eintreten  wird,  „dass  man  sich, 
wie  Weber  (Sitzgsber.  d.  Bl.  ak.  vom  22.  juIi  1891,  pag.  45) 
gesagt  hat,  „billig  wundern  muss,  dass  nicht  mehr  derart 
bereits  ans  licht  gezogen  worden  ist". 

Rig.  I,  53,  5. 

sdfß  dewfä'  pränuUyä  vtragushmayä 
göagrayägvävatyd  rabhemahi  \\ 

Ludwig  übersetzt:  „Die  göttin  Pramati,  die  die  stärke  der 
beiden,  die  durch  rinder  vorzüglich,  reich  an  rossen,  die  mögen 
wir  in  unsere  gewalt  bekommen."  Die  Grassmann'sche  Über- 
setzung ist  zu  frei,   um  hier  berücksichtigt  werden  zu  können. 

Was  nun  „die  vorsieht,  (denn  das  heisst  doch  prdmati) 
die  die  starke  der  beiden"  betrifft,  so  erinnert  das  drastisch 
an  Falstaffs  „discretion  is  the  best  pari  of  valaur.^  Ich  fürchte 
nur,  mit  dieser  „vorsicht^^,  die  „des  muthes  bessre  hcUfte^^  sein 
soll,  hätten  die  Sanskrit-Arier  weder  kühe,  noch  rosse  er- 
beutet, noch  Indien  erobert.  Ihr  wagemuth  stützte  sich  aber, 
wie  wir  aus  dem  schlachtlied  Rigv.  VI,  75  wissen,  bekanntlich 
nicht  auf  die  vorsieht,  sondern  auf  die  kraft  ihrer  bogensehne : 


78  Brunnhofer 

dhdnranä  gä  dhdnvandjim  jayema  u.  s.  w.  Hätten  sie  sich 
auf  die  „göttlicbe  vorsieh t'^  verlassen,  so  hätte  sich  an  ihnen 
Hamlets  wort  erprobt:  „So  macht  bedenken  aus  uns  allen  feige/' 
Allein  die  Sanskrit-Arier  waren  beiden,  getrieben  vom  manyü, 
dem  Urbild  der  homerischen  fifjvvg^  dem  furor  teutonicus.  Athar- 
vaveda  lY,  32,  1  heisst  es:  sähyätna  däsam  äryam  tvayd 
(Manyu).  „Mit  dir,  o  heiliger  zom,  wollen  wir  den  barbaren 
und  den  Arier  überwältigen'*.  Ich  glaube  desshalb,  dass  die 
stelle  der  Verbesserung  bedarf  und  schlage  vor,  mit  einer 
leichten  änderung  zu  lesen: 

mm  devyd'  prämatyd  virdgu^hmayd. 

Der  Padap&tha  müsste  also  lesen:  prd  amdtyd  und  die 
stelle  übersetzt  sich  nun  so: 

„Möchten  wir  göttlichen  machtglanz,  heldenstarken «  der 
uns  vor  allem  kühe,  sowie  auch  rosse  verscha£ft,  gewinnen*'. 

Die  göttliche  amdti  ist  die  unwiderstehliche  wucht,  mit 
der  Savitar  und  Mitra-Varuna  ihre  strahlen,  die  Maruts  ihre 
blitze  aussenden.  Vgl.  Grassmann  im  vedaglossar  unter  dem 
wort 

Rigv.  I,  116,  24. 

ddga  rd'trir  dgivena  ndva  dyun 
dvanaddham  Qnathitäm  apsv  ätUdh  \ 
tiprutatfi  rebhdm  uddni  prdvriktam 
ün  ninyathuh  sömam  iva  sruvina    || 

„Den  zehn  nachte  durch  sein  missgeschick,  neun  tage  ge- 
fesselten, den  ins  wasser  gestossenen,  den  zerschmetterten 
Sänger,  den  auseinandergerissenen,  in  die  wogende  flnt  ver- 
senkten, habt  ihr  (AQvin&)  herausgelootst  wie  den  Soma  mit 
dem  löflFel". 

Das  partic.  praet.  vipruia  würde  „den  zerflossenen''  be- 
zeichnen. Da  dies  aber  o£fenbar  hier  nicht  gemeint  ist  und 
nicht  gemeint  sein  kann,  wie  gnathüd  beweist,  so  hat  Ludwig 
daraus  ganz  einfach  den  eigennamen  des  unglücklichen  sängers 
gemacht,  als  ob  damit  die  frage  nach  der  bedeutung  von 
vipruia  gelöst  wäre.  Grassmann  willkürlich:  „Umspült  vom 
meer". 

Nach  massgabe  von  I,  117,  4  muss  aber  vlruta  gelesen 
werden : 


Emendationen  zum  Rigveda.  79 

dgvani  nd  güJhdm  Ägvinä  durivair 
rkhirn  nard  vrishanä  rebhdm  apsü 
sdm  tarß  rimtho  viprutarß  ddnsobhir 
nd  vdm  jü'ryanti  pürvyä  kritä'ni  \\ 

yyWie  ein  von  übelthätem  verstecktes  pferd,  o  A^vinau,  habt 
ihr  den  seher,  den  sänger,  ihr  helden,  ihr  stiere,  den  in  den 
gewässeroy  ihn,  den  auseinandergerissenen,  habt  ihr  durch  eure 
wunderthaten  wieder  zusammengefügt.  Nicht  altern  euch  die 
heldenthaten  früherer  zeiten". 

Zusammenfügen  {sam-ri)  kann  man  nur  etwas  auseinander- 
gerissenes (vZ-rt^a),  nicht  etwas  zerflossenes  {td-pruta).  Da 
beide  obige  stellen  inhaltlich  sich  auf  dieselbe  wunderthat  der 
beiden  Agvinau  beziehen,  so  kann  demnach  auch  oben  Rigv. 
I,  116,  24  nur  viruta  gelesen  werden. 

Fernere  bestätigung  dieser  correctur  bieten  folgende  stellen: 
Rigy.  IX,  112,  1:  nddm  bhishdg  —  ichati  „zerbrochenes  sucht 
der  arzt^S  Rigv.  X,  39,  3:  yuvä'm  id  dhur  bhishäjd  nUdsya 
dt  „auch  des  verrenkten  heiler  nennt  man  euch'*  (Ludwig). 
Das  vi-ruta  entspräche  einem  lat.  di-rutua,  a,  um. 

Rigv.  U,  7,  1. 

grishthaivi  ydvishfha  Bhdrata 
Agne  dyumdntam  ä  hhara  \ 
vdao  puruspriharii  rayitn  \\ 

Ludwig  übersetzt:  „0  Agni  der  Bharata,  jugendlichster, 
bring  trefflichsten,  glanzvollen,  vielbegehrten  reichthum,  guter^^ 

Hier  wird  und  muss  griahtham  auf  rayim  bezogen  werden. 
Allein  dies  ist  dennoch  die  frage.  Wir  haben  es  hier  nämlich 
mit  einer  Conventionellen  anrufungsformel  zu  thun,  mit  der  im 
Rigveda  der  feuergott  so  oft  angeredet  wird;  (reshtha  yavishtha, 
einer  formel,  deren  etymologischer  inhalt  schon  dem  vedischen 
sprachbewusstsein  der  indischen  urzeit  verloren  gegangen 
war,  da  der  Superlativ  (reshfha  =  zend.  graesta^  stets  auf  das 
verbale  gri  bezogen  und  mit  herrlichst,  best  u.  s.  w.  übersetzt 
wird.  Aber  das  höchste  lob,  mit  dem  Agni  gefeiert  wird, 
ist,  dass  er,  der  sich  ewig  gleich  bleibt,  eben  desshalb  bald  als 
der  uralte  bald  als  der  ewig  junge  gepriesen  wird.  Er  ist 
djara,  unaltemd  Rig.  I,  144,  4;  VI,  4,  3;  X,  88,  3;  X,  156,  4 
u.  s.  w.     Er   ist  der  jugendlichste,   ydvishfha   Rigv.  U,  7,  1; 


80  Brunnhofer 

V,  26,  7;  VI,  5,  1;  Vm,  91,  20;  X,  1,  7  u.  8.  w.  Aber  er 
wird  Rigy.  YIII  11,  10  sowohl  der  alte,  als  der  junge  genannt 
{san^c  ca  hötä  ndvyagca  satsi).  Den  Schlüssel  zur  etymologie 
des  grishtha  bietet  Rigv.  I,  161,  1: 

kim  u  grishihah  IHiri  ydvishfho  na  ajagan. 

Ludwig  übersetzt  diese  frage  der  Ribhu  so:  ».Warum  ist 
der  vorzüglichste,  warum  der  jugendlichste  zu  uns  gekommen  ?" 

Im  commentar  zu  dieser  stelle  (s.  Rigvedawerk,  bd.  V, 
pag.  509)  bemerkt  er,  aber  ganz  richtig:  „Da  grishfhah  und 
nicht  jyeshfkah  gesagt  ist,  so  ist  kein  gegensatz  zu  ydvishthah 
ausgedrückt,  sondern  beides  als  vorzug  gemeint.  Der  dichter 
hat  vielleicht  grishthah  als  gegengewicht  zu  yavishfha  gewählt*^ 
In  letzterm  falle  würde  ydvishthah  einen  leisen  tadel  enthalten, 
Agni  würde  als  grünschnabel  hingestellt,  woran  bei  der  erha- 
benen heiligkeit  des  gottes  gar  nicht  zu  denken  ist  Sondern 
grishtha  muss,  wie  Ludwig  richtig  empfand,  den  gegensatz  zu 
ydvishfha  ausdrücken,  d.  h. ,  griskthah  bedeutet  ursprünglich 
„der  älteste*^  in  demselben  sinne  wie  die  Marutas  Rigv.  V,  60,  5 
gefeiert  werden  als  brüder,  die  „ohne  ältesten,  ohne  jüngsten'^ 
sind  (djyeshfhä'so  dkanishthdsa  eU).  Und  so,  als  gott,  der  zu- 
gleich „der  älteste  und  der  jüngste"  gast  ist  {grishfhanrn  ydvish- 
tJuim  dtühim)  gilt  er  dem  dichter  Praskanva  Kanva  Rig.  I,  44,  4. 

Wenn  somit  grishthah  „der  älteste*'  ist,  so  entsteht  die 
frage:  von  welcher  etymologischen  grundlage  aus?  Das  Sanskrit 
kann  nicht  die  quelle  sein.  Vom  Zendverb  zaresh^  altem 
(Partie,  praes.  zareshyant,  alternd)  konnte  aber  das  partic. 
perf.  pass.  zareshta,  „gealtert"  gebildet  werden  oder  von  der 
einfachen  wurzel  zar  ^  skt.  jar  (jzi,  altem)  der  Superlativ 
^zarista  (vgl.  auch  armen,  ger,  greis,  Lagarde,  Arm.  stud. 
pag.  70,  no.  1046),  der  dann  vom  sanskritischen  Sprachgefühl 
auf  grt  bezogen  werden  musste. 

Verhält  sich  dies  aber  so,  dann  muss  an  unserer  stelle 
Rigv.  II,  7,  1  der  acc.  ^eshtham  geändert  werden  in  den  voc. 
gresluha,  der  dann  zu  yavishtha  stimmt.  Die  stelle  übersetzt 
sich  dann  so :  „0  ältester,  o  jüngster  Bharata" ! 

H.  Brunnhofer, 

(Fortsetzung  folgt.) 


Emendationen  zam  Rigveda.  81 

Emendationen  zum  Sigveda. 

(Fortaetzimg.) 

lügv.  n,  31,  3. 

änu  nü  sthdty  (wrikäbhir  ü'tibht 

rätham  mähe  aandye  völjasataye  || . 
Ludwig    übersetzt:     „begleite   uns    mit   feindlosen  hülfe- 
leistongen  unsem  wagen  zu  grossem  gewinne,  zu  kraftgewinne". 
Grassmann:  „Er  geht  zur  band  mit  hülfereicher  förderung 
Nun  unserm  wagen,  zu  erlangen  grossen  preis'', 
„Feindlose  hülfeleistungen'^  sind  eine  contradictio  in  ad- 
jecto«  also  etwas  total  unmögliches,  in  keiner  spräche  wird  je- 
mals  so   etwas  dagewesen  sein,  daher  denn  Grassmann  das 
avrikd  mit  richtigem  takte  als  hülfreich  übersetzt  hat    Es 
ist  jedoch  immer  wieder  daran  zu  erinnern,  dass  Ludwig,  da 
er  sich   mit  recht  zunächst  an  den»  wenigstens  scheinbaren, 
Wortlaut  des   textes   anschloss,  traditionsgemäss  nicht  anders 
übersetzen  konnte,  als  „mit  feindlosen  hülfeleistungen'S  denn 
die    tradition    behandelt    das    wort    avrikd    durchgehends    als 
a+vrücd  „wolflos''.    Dass  avrikd  an  manchen  stellen  diese  be- 
deutung  hat,    ist  nicht  im   geringsten  zu   bezweifeln.     Z.  b. 
Rigv.  VI,  4,  8: 

nü'  no  Agne  avrikibhih  8va«U 

vSshi  rdyöh  pathibhih  pdrshy  dnhah  \ 
Ludwig:  , Jetzt  also,  o  Agni,  auf  feindlosen  pfaden  des 
reichthums  besuche  zum  heile  uns,  rette  [uns]  aus  bedrängniss". 
Reichihum  ist  im  Rigveda  soviel  als  grosser  viehbesitz  und 
für  diesen  viehstand  „wolfssichem"  weidegang  zu  erflehen  ist 
etwas  dem  hirten  ganz  angemessenes.  Hier  ist  avrikd  ganz 
unzweifelhaft  ein  compositum  von  vrikd  mit  der  negationspar- 
tikel  a.  Dagegen  möchte  ich  fär  avrikd  als  attribut  solcher 
Wörter  wie  ü'ti  hülfe,  sdkhi  freund,  sakhyd  freundschaft,  pdyü 
hüter,  hirt,  vdrutha  schütz  u.  s.  w.  an  eine  andere  etymo- 
logie  denken.  Oder  vielmehr,  ich  erblicke  in  avjrikdj  wenn  es 
attribut  jener  begriffe  ist,  ein  zwar  mit  avrikd  „wolfefrei"  gleich* 
klingendes,  aber  etymologisch  gänzlich  verschiedenes  wort  Und 
zwar  möchte  ich  schreiben  dvrikd  und  dieses  ableiten  von  d-vri, 
für  welches  verbum  Grassmann  die  bedeutung  ansetzt:  „umgeben 
mit,  reichlich  versehen  mit",  was  vortrefflich  zu  uti,  sakhyd 
u.  8.  w.   passt     In   dem   von  demselben  verbum  abgeleiteten 

B«ltiftgo  s.  kude  d.  ind«.  sprseUn.   XXVI.  6 


82  Brunnhofer 

adjektiv  ävcwana  haben  wir  ein  synoDymum,  für  das  das  Peters- 
burger wörterb.  bd.  I,  pag.  707  die  bedeutungen  kennt:  ,«be- 
deckend,  verhüllendes  als  subst.  neutr.  ,,das  verdecken,  ver- 
hüllen etc.  AUes  w<i8  zum  schütze  dient,  schild.  Wir  dürfen 
also  für  *ävrikd  die  bedeutung  aufstellen:  »fSchützend,  schutz- 
reich, huldvoll*^ 

Vielleicht  gehört  hierher  auch  das  Zendwort  avare,  schütz 
(Justi  Zendwb.  pag.  34),  das  man  zwar  für  eine  nebenform  von 
zendischem  aivanhe  =  Dat  sing,  dtnue  des  veda  ausgiebt,  das 
ich  aber  lieber  für  zwar  volksetymologisch  auf  wurzel  av 
„schützen^'  bezogen  halte,  etymologisch  jedoch  als  *ävare  = 
skt  *ävar,  dvri  au£fassen  möchte.  Von  diesem  im  Sanskrit 
nicht  nachweisbaren  verbalnomen  *ävar,  dort  wäre  dann  das 
adjektiv  dvrika  durch  das  suffix  ka  abgeleitet  wie  eri-kd,  m. 
geschoss,  von  W.  sri  hineilen,  fueh-ka  trocken,  von  W.  ^ush 
trocknen,  dörren  u.  a.  m. 

6. 

Rigv,  IV,  33,  7: 

Dvd'da^  dyu'n  ydd  dgohyasya 
ätiihyi  rdnann  Bibhdvah  sasdntdh  \ 
sukehiträkrinvann  dnayanta  eindhün 
dhanvätifhämnn  öshadhir  nimndm  ä'pah  ||. 
Ich  übersetze: 

„Als  zwölf  tage  die  Qibhu  sich  der  gastfreundschafb  des 
Agohya  erfreuten,  in  tiefem  schlafe  ruhend,  da  schufen  sie 
dann  herrliche  gefilde,  führten  sie  die  flüsse  wieder  heraus, 
breiteten  pflanzen  über  die  wüsten,  in  die  niederungen  die  wasser'^ 
Wie  längst  erkannt,  ist  hier  die  rede  von  dem  todesschlafe 
der  Qibhu,  der  Schöpfer  der  Jahreszeiten.  Während  der  zwölften 
schläft  das  jähr  im  hause  der  wintersonne,  die  in  den  nebeln 
verborgen  ist  Aber  sowie  die  zwölften  vorbei  sind,  treten  die 
jahreszeitenkünsüer  ihren  rundlauf  um  die  erde  wieder  an,  das 
jähr  beginnt  von  neuem,  die  im  eis  erstarrten  flüsse  thauen  auf 
und  in  den  thälem  grünt  es  und  blüht  es  wieder.  Ganz  das- 
selbe besagt  Bigv.  I,  161,  11: 

udvatsv  aemd  €ikrinotanä  trtnwii 
nivdtev  apdh  svapasydyA  narak  \ 
dgohyasya  ydd  dsoHand  grihi 
tdd  adyidam  Sibhavo  nä'rm  gaehaiha  | 


Emendationen  zum  Rigveda.  83 

Ich  übersetze: 

„Auf  den  höhen  habt  ihr  ihm  (dem  sterblichen?)  gras  ge- 
schaffen, in  den  tiefen  wasser  durch  eure  kunstfertigkeit,  o 
männer.  Dass  ihr  in  tiefem  schlafe  ruhtet  im  hause  des  Ago- 
hya,  das,  o  ]|^bhu,  wiederholt  ihr  heute  nicht^^ 

Hier  und  in  der  vorhergehenden  stelle  dreht  sich  Alles 
um  die  frage:  wer  und  was  ist  der  angebliche  Agohya?  Die 
tradition  und  die  Sanskritphilologie  übersetzen  es^  wie  dies  bei 
der  lesart  dgohya  überhaupt  nicht  anders  möglich  ist,  mit: 
^der  unverhüllbare ,  der  nicht  zu  verbergende''.  Das  ist  nun 
freilich  das  haare  gegentheU  dessen,  was  in  der  natur  der  dinge 
liegt  Das  adjectiv  dgohya  ist  ein  attribut  des  Savitar,  des 
Sonnengottes  y  und  zwar  des  lebenweckenden »  fruchtbarkeit 
schaffenden  Sonnengottes  der  gemässigten  zone,  nicht  des 
Sonnengottes  Indiens,  wo  die  flüsse  im  winter  nicht  gefrieren, 
sondern  des  hochlandes  Kabulistans  oder  Kaschmirs,  wenn  nicht 
Irans.  Man  schläft  aber  nicht  bei  leuchtendem  sonnenglanz, 
was  doch  bei  der  lesart  igohya  „nicht  verhüllbar'^,  vorausge- 
setzt werden  musste,  sondern  in  der  abwesenheit  des  tageslichts, 
im  dunkel  der  nacht,  wo  die  sonne  sich  im  gegentheil  verhüllt 
hat  (vgl.  Rigv.  I,  117,  5:  sushupv^nsani  nä  Nipiter  upasthe 
suryanjli  .  .  .  tdmasi  kahiydntam)  und  selber  tief  eingeschlafen 
ist  Das  erfordert  aber  nicht  einen  dgohya,  sondern  im  gegen- 
theil einen  ägohya,  einen  „tief  sich  verhüllenden*^  Damit  sind 
wir  bei  dem  punkte  angelangt,  wo  die  vedische  mythologie  ihre 
aufklärung  erhält  aus  der  homerischen.  Der  dgohya  ist  näm- 
hch  Aßx^Siyvyog^  der  könig  des  landes  'Siyvyia^  wo  die  nymphe 
KakvtpWy  „die  sich  verhüllende''  d.  i.,  die  finstemiss  des  nordi- 
schen winters,  wohnt  Ogygia  ist  die  personification  der  Winter- 
sonnenwende, als  welche  sie  Hahn  schon  in  seinen  mythologi- 
schen parallelen  pag.  186  erkannt  hat,  während  die  insel  Aiaia 
die  Sommersonnenwende  ist.  Vgl  auch  noch  Hahns  sagwissen- 
schaftl.  Studien  pag.  410.  Ausführlicheres  darüber  in  meinem 
Homerwerke. 

7. 
Rig.  V,  43,  13. 

jtdhamasir  brihäddivo  räräno 

•  •  * 

vigvebhir  gantv  ömabhir  htwändh  \ 

6* 


84  Brnnnhofer 

gnÖL  vdsäna  öshadhtr  ätnridhras 
tridhdtugriflgo  vrishabhö  vayodhah  g 

Ludwig  übersetzt:  ,^qt  komme  der  sehr  verständige,  der 
hohe  am  himmel,  schenkend,  gerufen  mit  all  seinen  freunden, 
der  mit  den  Gnäs  wohnt  in  den  pflanzen,  nicht  schädigend, 
mit  dreifachem  home  er,  der  lebenskraft  schaffende  stiert 

Sehr  frei,  mit  unberechtigter  bedeutungsum Wandlung  von 
brihdddiva  und  ämridhra  übersetzt  Grassmann: 

„Der  hochbetagte,  starke  Spender  komme. 
Gerufen  her  mit  sämmtlichen  genossen, 
Umschaart  von  weibem,  von  gewachsen,  rastlos. 
Der  kraftverleihnde  stier  mit  dreien  hörnern*'. 

Was  mich  in  dieser  Strophe  beschäftigt,  das  ist  Päda  3: 
gna  vdsäna  öshadhtr.  Es  ist  unmöglich  g^iä'  zu  übersetzen 
„mit  den  Gnäs'S  d.  h.  mit  den  göttlichen  frauen^'  und  der 
accusativ  plur.  öshadhtr  ist  kein  locativ  öshddhtshu.  Zunächst 
also  ist  der  participialsatz  vösäna  öshadhür  „die  pflanzen 
schmückend,  kleidend''  klar,  vgl.  Rig.  IV,  18,  5:  dtkam  vdsäna 
(Indra),  sein  gewand  anlegend,  so  auch  VI,  29,  3  und  X,  123,  7. 
Was  ist  aber  gna  ?  Es  kann  nicht  etwa  apposition  zu  öshadhtr 
sein,  denn  niemals  heissen  die  pflanzen  gna,  aber  ebensowenig 
kann  es  von  Brihaspati,  dem  in  Strophe  12  angerufenen  und, 
wie  der  anklang  brihdddivo  in  str.  13  schliessen  lässt,  auch  in 
Str.  13  herbeigewünschten  gotte  heissen,  er  kleide  die  göttlichen 
frauen  an.  Aber  was  ist  denn  nun  gnä'*^  Ich  glaube,  es  hat 
mit  den  göttlichen  frauen  gar  nichts  zu  schafl'en.  Sie  mögen 
durch  einen  ungeschickten  redaktor  aus  reminiscenz  an  str.  6, 
wo  der  dichter  die  mahitn  ArämcUim  .  .  .  Gnä'r(i  devfm  „die 
grosse  Armaiti,  die  göttliche  Gnä"  anruft,  in  die  Strophe  13 
gerathen  sein.  Da  an  dieser  stelle  ohnediess  metri  causa  ge- 
lesen werden  müsste:  gnaä'  vdsäna,  was  sich  aber  aus  obigem 
gründe  verbietet,  so  lese  ich ,  um  die  erforderliche  silbe  zu  er- 
halten: agnä'  vdsäna,  im  sinne  von  agnaü  „im  feuer'*.  Agni 
ist  das  im  ßigveda  so  oft  besungene  lebensfeuer  der  pflanzen- 
weit. So  heisst  es  I,  98,  2:  Agnih  ,  .  .  vigvd  öshadhtr  ä' 
vivega  „Agni  ist  in  alle  pflanzen  eingegangen".  Die  stelle 
agnd'  vdsäna  öshadhtr  bedeutet  also:  „im  feuer  die  pflanzen 
kleidend",  sei  nun  der  betreffende  gott  ßrihaspati  oder,  wie 
Grassmann  vermuthet,  der  gestaltenbildner  Tvasbtar. 


Rmendation  zum  Rigveda.  85 


8. 

Rigv,  VI,  75,  1. 

Jimü'tasyeva  bhavati  prdtikam 
yid  varmt  yffti  samdddm  updsthe 

liudwig  übersetzt  traditionsgemäss:  „Wie  der  donnerwolke 
antlitz  ist  es,  wenn  der  gepanzerte  wandelt  im  schoos  der 
schlachten". 

Das  wort  jimüta  „gewitterwolke^S  das  sich  nur  auf  die 
Yorli^ende  stelle  oder  vielmehr  auf  die  uralte  missdeutung 
dieser  stelle  stützt,  ist  eine  homunculusexistenz.  Desshalb  denn 
auch  die  verzweifelte  etymologie  Djjvaladatta's  in  den  Upädi- 
sütras  UI,  91  (ed.  Aufrecht  pag.  S3):  jivana^  jalam  mütrayati 
srävayatUi  „sie  harnt  (resp.  lässt  fliessen)  belebendes  wasser'^ 
Ursprünglich,  d.h.  etymologisch  ist  das  wort ßmüta  nichts 
anderes  als  *jyd-müta,  wo  jyä  nach  analogie  des  vedischen 
instrumentals  üti'  für  ütyä',  zusammengezogen  ist  in  ^,  jimüta 
bedeutet  also :  „von  der  bogensehne  abgeschnelltes  tnüta  kommt 
von  der  dem  lateinischen  mopSre  entsprechenden  sanskritwurzel 
mtv,  bewegen,  schieben,  es  ist  das  part.  praet.  tniUa,  z.  b.  in 
käfna-mtUa  „von  liebe  getrieben"  Rigv.  V,  10,  10,  11;  nicht 
„von  liebe  verwirrt^^  wie  Weber  übersetzt  in  den  sitzungsber. 
d.  Berl.  ak.  1895,  pag.  13  (was  vielmehr  kätna^müdha  erfor- 
dern würde).  Wir  gewinnen  auf  diese  weise  ein  bild,  das  viel 
prägnanter  ist  und  drastischer  wirkt  als  der  vergleich  mit  der 
gewitterwolke.  Die  stelle  lautet  nun :  „Es  ist  das  bild  eines  von 
der  bogensehne  abgeschnellten''  (pfeiles),  wenn  der  panzerheld 
sich  in  den  schoos  des  Bohlachtgetümmels  stürzt".  Das  gleichniss 
passt  auch  zu  dem  ganzen,  vornehmlich  die  kraft  der  bogensehne 
verherrlichenden  inhalt  des  Schlachtliedes.  Der  hymnus  ist  ein 
lobgesang  auf  den  skythischen  bogen,  wie  ihn  die  alten  Inder 
noch  zu  Alexanders  des  grossen  zelten  fährten  und  wie  ihn 
noch  Airian  in  seinen  Indischen  nachrichten,  kap.  17  be- 
schreibt:- „Das  fussvolk  hat  einen  bogen,  der  ebenso  hoch  ist, 
als  der,  welcher  den  bogen  trägt.  Diesen  stellen  sie  am  boden 
auf,  stemmen  sich  mit  dem  linken  fuss  dawider  und  spannen 
ihn  so,  indem  sie  die  sehne  erst  rückwärts  ziehen.    Ihrem  pfeile 


86  Brannhofer 

fehlt  nämlich  wenig  zu  drei  eilen  und  nichts  vermag  dem  von 
einem  indischen  schätzen  abgedrückten  pfeile  zu  widerstehen, 
weder  ein  schild,  noch  ein  panzer,  noch  eine  andere  noch  so 
starke  schutzwaffe".  Desshalb  denn  auch  das  gleichniss  Rigpr. 
in,  53,  24  (nach  Ludwig):  „0  Indra,  diese  Bharata  denken 
nicht  an  nähe  und  nicht  an  ferne;  sie  treiben  das  ross  wie 
einen  nie  versagenden  helfer;  als  hätte  es  der  bogensehne  kraft 
(jyä'vajam),  fuhren  sie  es  in  den  wettkampf  S 

Wie  nun  aber  das  adjektiv  jtmtUa  zu  der  substantivbedeu- 
tung  „gewitterwolke*'  gekommen  sein  mag?  Ich  glaube,  es 
giebt  dafür  keine  andere  erklärung  als  folgende.  Gewisse 
stellen  des  Qatapatha-Br4hmana  verrathen,  wie  schon  Spiegel 
erkannt  hat  (Eranische  alterthumskde.,  bd.  I,  pag.  458),  irani- 
schen einfluss,  d.  h.  das  Qatapatha-Br4hmana,  so  gut  als  schon 
der  Rigveda,  stammt  zum  theil  von  brahmanisirten,  von  hause 
aus  iranische  dialekte  sprechenden,  das  Sanskrit  mit  iranischem 
Sprachgefühl  handhabenden  verfietösem.  Von  solchen  brahmani- 
sirten  iranischen  vedainterpreten  mochte  das  wort  jimüta  auf- 
gefasst  worden  sein  als  eine  Zusammensetzung  von  zendischem 
zint  (Justi,  Zendwörterb.  pag.  125)  =  zima  (—  skt.  hima)  der 
winter,  und  dem  sanskritischen  üdha  „hergeführt"  partic. 
praet.  von  w.  vah,  führen,  tragen,  also  „vom  winter  herbei- 
geführt", was  dann  auf  die  gewitterwolke  bezogen  wurde. 

lieber  prätika  „bild"  ist  noch  zu  vergleichen  die  reiche 
auseinandersetzung  von  Arnold  Hirzel,  gleichnisse  und  metaphem 
im  Rigveda,  pag.  42—43. 


9. 

Rigv.  Vn,  55,  2—4. 

Ydd  arjuna  Särameya 
datdh  piganga  ydchase 
tt'va  hhrdjanta  rishtdya 
üpa  srdkveshu  bdpsato 
n{  shü  svapa  \\  2  \\ 
stenarfi  räya  Särameya 
tdskaram  vd  punahsara 
stotfi'n  Indrasya  räyasi 
kirn  asm  6k  n  duchundyase 
ni  shü  svapa  \\  3 


Emendationen  zum  Rigveda.  87 

tvdfri  sükardsya  dardrihi 
tdva  dardartu  säkardh  \ 
statfi'n  Tndrasya  räyari 
kirn  asmän  duchundyase 
ni  shü  svapa  \\  4  ||. 

Grassmann  tibersetzt  diesen  beschwöningsspruch,  den  nach 
seiner,  ich  glaube,  richtigen  ansieht  ein  verstorbener  an  die 
beiden  hunde  des  todtenrichters  Yama  richtet,  ganz  hübsch  so: 

„Wenn  weisser  Särameya  du, 

Wenn  branner  du  die  zahne  fletschst, 

Dann  leuchten  sie  den  Schwertern  gleich 

In  dem  gebiss  des  schnappenden.  —  0  schlaf  in  ruh ! 

0  S&rameya,  bell  den  dieb, 

Den  rauher  an,  o  lauf  zurück! 

Was  bellst  du  Indras  sänger  an? 

Warum  willst  du  uns  böses  thun?  —  0  schlaf  in  ruh! 

Den  wilden  eher  packe  an, 

Der  eher  stürze  sich  auf  dich ! 

Was  bellst  du  Indras  sänger  an? 

Warum  willst  du  uns  böses  thun?  —  0  schlaf  in  ruh  !'^ 

Merkwürdig  ist,  dass  weder  Ludwig,  noch  Grassmann  in 
Strophe  3  keinen  anstoss  an  mkara  genommen  haben.  Was 
soll  hier  das  schwein,  das  doch  in  der  vedischen  so  gut  wie  in 
der  spätem  brahmanischen  mythologie  gar  keine  rolle  spielt? 
Und  was  soll  gar  das  schwein  im  vorhof  der  Unsterblichkeit? 
Aber  es  handelt  sich  hier  nicht  um  ein  schwein,  sondern  um 
den  Soma  handelt  es  sich,  um  den  gukrdp  der  in  der  Svara- 
bhaktiform  *gukara,  nach  analogie  von  Indara  (Rigv.  II,  11 ,  1 ; 
13;  IV,  17,  1;  VI,  20,  11;  12)  und  MOhara  für  Mithra  (Mi- 
^agagy  vater  des  Diophantus,  eines  truppenführers  des  Mithri- 
dates,  Memnon  £rg.  87)  vom  ersten  aufzeichner  des  textes  miss- 
verständlich als  sükard  gehört  wurde.  Durchgehends  heisst  im 
Rigveda  der  Soma  (ukrd  „der  leuchtend  helle*^  Der  Soma, 
also  der  ^ukrd,  verleiht  nach  vedischem  glauben  dem  sänger 
Unsterblichkeit,  ganz  wie  auf  iranischem  boden  im  Avesta  der 
Haoma  seinen  Verehrern  die  beste  der  weiten,  nämlich  den 
himmel,  sichert  Der  sänger  Indra's,  von  diesem  glauben  durch- 
drungen, redet  den  höUenhund  Yam&'s  an:  „Ja  komm  mir  nur, 
bestioi  da  wirst  schon  seheui   wie  es  dir  ergeht!*'    Denn  der 


88  Brunnhofer 

säDger  Indra's  weiss,  dass  Soma,  d.  h.  der  mond,  ein  gewaltiger 
kämpfer  ist,  dessen  furchtbare  waffen  seinen  Verehrer  vor  jedem 
feinde  schützen.  Soma  heisst  ja  tigmchfringa  ,fmit  scharfen 
hörnern  versehen",  seine  waffen  sind  spitzig  (tigmäni  dyudhä). 
Der  imperativ  dardrihi  steht  im  sinne  eines  conditionalsatzes. 
lieber  Soma  als  krieger  s,  Hillebrand,  Vedische  mythologie, 
bd.  I,  pag.  336—346. 

10. 

Rigv.  VII,  69,  6. 

Ndrä  gauriva  vidyütam  trishänd' 
Ä8mdkam  adyd  savanöpa  ydtam. 

Ludwig  übersetzt  diese  an  die  Agvinau  gerichtete  anrede 
wörtlich  also:  „Ihr  beiden,  wie  wilde  rinder  dürstend  nach 
blitz,  kommt  heute  zu  unserm  trankopfer^S  Ludwig  vertheidigt 
seine  Übersetzung,  die  dem  vorhandenen  Wortlaut  folgt,  mit  den 
werten:  „Diese  stelle  hat  viel  kopfzerbrechens  verursacht;  wir 
sehen  aber  nicht  ein  wie  hier  der  blitz  anders  verstanden 
werden  kann,  denn  als  Vorgänger  des  regens,  und  warum  nach 
dem  gesetze  der  poesie  hier  nicht  das  praecedens  für  das  con- 
sequens  soll  stehen  können.  Wer  kann  ernsthaft  glauben,  dass 
hierunter  vidyut  der  Wasserspiegel  (nach  Grassmann)  soll  ver- 
standen sein?  Man  könnte  dabei  an  das  opferfeuer  denken, 
das  ebenso  wie  blitz  den  regen,  die  darbringung  erwarten  lässt''. 
Das  ist  ein  gewagter  versuch,  um  mit  dem  vidyütam  fertig  zu 
werden,  denn  vidyut  bedeutet  blitz  und  nur  blitz  und  dass 
stiere  nach  blitz  dürsten,  geht  schon  über  das  bohnenlied.  Der 
von  Ludwig  auch  hier  wieder  mit  unrecht  abgekanzelte  Grass- 
mann hat  das  richtige  erkannt  oder  vielmehr  geahnt.  Denn 
nirgends  giebt  er  für  seine  Übersetzung  einen  grund  an: 
„Wie  büffel  lechzend  nach  dem  Wasserspiegel, 
0  männer  kommt  zu  unsern  tränken  heute^'. 

Statt  vidyütam  muss  gelesen  werden  *vaidhyudan  vom 
zendischen  vaidhi,  armenisch  get,  fluss,  Wadi  und  udan,  n., 
Wasser. 

Dieselbe  Verwechselung  kommt  schon  Rigv.  I,  39,  9  vor: 

äsämibhir  Maruta  a  na  ütibhir 
gdfUä  vrishtim  nd  vidyütah  \ 

Ludwig:  „Mit  euern  vollkommenen  bülfeleistungen  kommt 


EmendatioD  zum  Rigreda.  89 

zu  uns,  o  Marut,  wie  blitz  und  regen^S  Es  miisste  wörtlich 
heissen  „wie  blitz  auf  regen''  und  so  übersetzt  auch  Grassmann. 
Der  regen  folgt  nun  aber  umgekehrt  auf  den  blitz.  Es  ist 
desshalb  hier  zu  schreiben :  vaidhyudah,  wo  udäh  der  plur.  von 
ud,  f.,  wasser.     Die  stelle  wird  dann  lauten: 

„Mit  ganzen  hülfen  kommt,  o  Marut,  zu  uns  her, 

Wie  wildbachfluth  dem  regen  folgt^^ 

11. 

Rigv.  VII,  83,  2: 

ydträ  ndrah  samdyante 
kritddhvajo  ydsminn  djA' 
bhdvati  kirß  cand  priydm  \ 
ydträ  bhdyante  bhüvand  svardrigas 
tdtrd  na  Indrävarunä'dhi  vocatam  | 

Ludwig  übersetzt:  ,,Wo  die  beiden  um  eine  fahne  geschaart 
zusammengeben,  in  der  schlacht,  wo  es  nichts  liebes  giebt,  wo 
die  das  licht  schauenden  wesen  fürchten,  dort  spracht  ihr, 
Indra  und  Varu^a,  über  uns  euern  schütz  aus*^ 

Die  Übersetzung  ist  voUkommen  traditionsgemäss,  aber  es 
ist  merkwürdig,  dass  der  sinn  derselben  noch  niemandem  kopf- 
schütteln erregt  hat.     Was  sind  denn  das  für  ndrah,  avÖQeg^ 
„beiden",  für  die   es  in  der  schlacht  „nichts  liebes'^  giebt;   in 
der  Schlacht,  wo  die  das  licht  schauenden  wesen  „sich  fürchten^S 
obschon  Indra  und  Varuna  ihren  schütz  über  sie  ausgesprochen 
haben?    Können   denn  beiden  zugleich  memmen  sein?    Grass^ 
mann  hatte  mit  seinem  feinen  poetischen  takt  offenbar  ein  ge* 
fühl   dafür,   dass   hier  etwas   gesagt   ist,    was   sich   mit   dem 
heldenthum  schlechterdings  nicht  verträgt.    Dieses  richtige  ge^ 
fühl  verleitete  ihn  aber,   den  klaren  wortsinn  des  traditionellen 
textes  unberechtigterweise  folgendermassen  zu  variiren: 
„Wo  banner  tragend  männer  sich  entgegengehn 
Im  kämpf,  wo  alles  liebe  auf  dem  spiele  steht. 
Wo  alles  bebt  vor  dem,  der  sonnengleich  erscheint. 
Da  sprechet  muth  uns  zu,  o  Indra- Varuna''. 
Grassmann  fasst  hier  svardHgas  als  ablat.  sg.  und  bezieht 
es  auf  Indra   (so  im    Wörterbuch),   ohne   zu    bedenken,    dass 
Indra- Varuna  ja  gerade  im    gegentheil   von   den  wesen    um 
schütz  angwnfen  werden. 


90  Bninnhofer 

Nun  ist  es  mir  zwar  schon  lange  aofgeüallen,  dass  ein  im 
Rigveda  öfters  ausgesprochener  wünsch  ist,  unversehrten  leibes 
(arishta)  aus  dem  kämpfe  hervorzugehen.  Ich  gestehe,  dass 
mich  hier  ein  räthsel  anstarrt  Ich  kann  mir  diesen  wünsch 
um  so  weniger  erklären,  als  er  gleich  in  der  ersten  strophe 
des  berühmten  schlachtliedes  Rigv.  VI,  75  ausgedrückt  wird: 
dnaviddhayä  tdnvä  jaya  tvöm  „mit  unverwundetem  leibe  siege 
du!"  Gab  es  in  der  geschichte  der  menschheit  eine  periode, 
die  den  heroismus,  die  ethische  fahigkeit,  für  die  erreichung 
eines  idealen  zieles  leib  und  leben  einzusetzen ,  noch  nicht 
kannte?  Ragt  diese  periode  der  vorgeschichtlichen  menschheit 
vielleicht  noch  in  den  Rigveda  hinein,  dessen  A$vinau-hymnen, 
die  doch  noch  nicht  einmal  die  ältesten  sind,  in  das  jähr  6000, 
wenn  nicht  ins  zwölfte  bis  vierzehnte  Jahrtausend  vor  Chr. 
zurückschliessen  lassen?  S.  Weber -Förster's  und  meine 
berechnung  in  den  o.  pag.  76  citirten  abhandlungen.  Diese  frage 
scheint  mir  in  bezug  auf  die  Sanskrit- Arier  des  vierten  bis  sechsten 
Jahrtausends  vor  Christus  um  so  berechtig^r  zu  sein,  als  bekannt- 
lich im  Rigveda  auch  von  der  jagd  auf  grosse  raubthiere,  von 
denen  doch  Iran  und  das  Pandschab  wimmelten,  noch  nicht  die 
rede  ist.  Der  löwe  wird  im  Rigveda  nur  gefangen,  niemals  aber  mit 
wurf-  oder  stoss-  oder  hiebwaffen  erlegt.  Uud  so  die  andern 
Würger,  denen  man  mit  fanggruben  oder  fangnetzen  beizu- 
kommen suchte.  Ich  wundere  mich,  dass  Zimmer  in  seinem 
Altindischen  leben,  s.  243—246,  wo  er  die  jagd  behandelt,  dem 
psychologischen  räthsel  dieser  erscheinung  nicht  näher  getreten 
ist  Doch  Zimmer  wollte  ja  freilich  nur  das  leben  und  nicht 
die  Psychologie  des  Veda  darstellen. 

Wie  so  ganz  anders  stehen  die  dinge  im  indischen  epos! 
Der  heroismus  des  Mah4bh&rata  ist  von  einer  grandiosität, 
die  derjenigen  der  skandinavischen  recken  oder  derjenigen  der 
beiden  des  Nibelungenliedes  in  nichts  nachgiebt  Vielleicht  ist 
der  heroismus  überhaupt  erst  eine  der  grossen  culturerrungen- 
schaften  der  an  der  schwelle  der  geschichte  angelangten 
menschheit  Und  so  finden  wir  denn  schon  im  letzten  buch 
des  Rigveda  (X,  154,  3)  folgende  stelle: 

yS  yüdhyarUe  pradhäneshu 
gü'räso  yi  ianütydjah  \ 
„die  in  den  schlachten  kämpfen,   die  beiden,    die  preisgeben 
ihren  leib".    In  diese  spätere  zeit  gehört  wohl  auch  der  aus- 


Emendationen  zum  Rigveda.  91 

druck  rana,  m.  n.,  „die  lust*'  d.  h.  die  kriegslust,  der  kämpf, 
die  Schlacht,  ganz  wie  im  Homer  x^Qf^V  nicht  nur,  wie  x^Ql^^^ 
die  freude  im  allgemeinen,  sondern  vorzugsweise  die  Streitlust, 
den  kämpf  bedeutet  Und  wenn  dem  Herakles  und  lolaos  im 
Hesiod  (also  doch  auch  schon  in  der  nachhomerischen  zeit) 
Schlachtgetümmel  Ttolv  q)iXt€Qa  &oivvjq  ist  oder  wenn  es  im 
fragm.  GGXXin  (s.  Hirzel,  gleichnisse  und  metaphem  im  Rig- 
veda pag.  87)  heisst:  ^uxHidagj  noUfiff  nexctiPiOTag  ^t;r«  doLti, 
so  ist  das  die .  reine  Unschuld  gegenüber  der  todesverachtung, 
dem  Sterbensenthusiasmus  und  dem  heldentrotz,  die  im  Mah^ 
bhärata  besungen  werden.  Duryodhana  bekümmert  sich  um  die 
ihn  rings  umschwirrenden  pfeile  so  wenig  wie  ein  elephant  um 
regentropfen.  Karna  sagt  zu  seinem  vater,  dem  Sonnengott 
Surya,  der  ihn  auffordert,  sein  leben  nicht  so  gleichgültig  aufs 
spiel  zu  setzen:  „Mir  ziemt  ruhmvoller  tod,  nicht  ruhmloses 
leben,  nach  rühm  strebe  ich  selbst  um  den  preis  des  lebens, 
denn  rühm  ist  Unsterblichkeit'*.  Duryodhana  endet  mit  den 
Worten :  „Mit  gerechtigkeit  habe  ich  das  reich  bis  an  das  ferne 
meer  hin  beherrscht  und  in  ehrlichem  kämpfe  die  feinde  be- 
standen. Jetzt  finde  ich  den  schönsten  tod,  indem  ich  meinen 
geCallenen  freunden  nachfolge  in  das  paradies  der  beiden;  wer 
ist  glückseliger  als  ich?**  Wunden  und  tod  in  der  schlacht 
öffnen  die  thore  des  himmels,  dagegen  schliesst  furcht  und 
flucht  den  himmel  zu.  Der  tod  im  kämpfe  ist  der  weg  zu 
Indra.  Apsarasen  heben  die  mit  wunden  auf  der  brüst  ge- 
&llenen  beiden  auf  ihre  wagen  und  fähren  sie  unter  pauken- 
schall dem  himmel  zu.  S.  über  den  heroismus  im  Mah&bh&rata 
das  reiche  Stellenmaterial  bei  Adolf  Holtzmann,  Zur  geschichte 
und  kritik  des  Mahäbhärata  (Kiel,  1892),  pag.  40,  47—49,  50, 
72,  90.  lieber  den  heroismus  der  Deutschen,  Skandinavier  und 
Kelten  s.  Holtzmann  (vater),  Deutsche  MythoL,  pag.  197 — 200. 
Die  Schilderung  der  todesverachtenden  kampflust,  wie  sie  das 
indische  epos  seinen  beiden  nachrühmt,  wird  übrigens  historisch 
bestätigt  durch  das  zeugniss  des  Ammianus  Marcellinus,  der 
von  den  Parthem,  diesen  letzten  trägem  vedischer  traditionen 
am  ursitz  der  vedischen  Sanskrit -Arier,  folgendes  berichtet 
(Lib.  XXin,  6,  44  ed.  Uardthausen,  t.  U,  pag.  329):  feri  sunt 
Wie  habitatares  (die  Parther  um  Charax,  Apamea,  Artacana, 
Hecatompylos)  pagarum  amnium  atque  pugnaces  eosque  ita 
certamina  juvofU  d  beüa,  ut  judieäur  inter  äUos  hamines  beatus, 


93  BruiHihofer 

juif  in  proelio  profuderü  animam;  excedetites  enim  e  viia  for^ 
tuüa  eonviciis  insectantur  et  degeneres  et  ignavoa.  In  ein  voll- 
ständiges System  gebracht  erscheint  der  heroismus  des  indischen 
alterthums  in  der  Nitipraka^ikä  (ed.  Gast.  Oppert  in  seinem 
buch  On  the  Weapons,  Army  Organisation  and  Political  Maxims 
of  the  Ancient  Hindus,  Madras,  1880)  (loka  244 — ^263,  pag. 
125—129. 

Wiewohl  es  nun  in  hohem  grade  gewagt  ist,  aus  lebens- 
anschauungen  des  Mah4bhärata  Schlüsse  zu  ziehen  auf  den 
Rigveda,  der  um  mindestens  ein  Jahrtausend  vor  dem  epos 
liegt,  so  erscheint  es  mir  doch  unmöglich,  dass  ein  schlacht- 
lied  sich  in  ausdrücken  der  feigheit  bewege.  Ich  möchte  dess« 
halb  die  stelle  canä  priydm  lesen  canä'priyam,  d.  i.  ctmd 
dpriyam  „nichts  unliebes''  d.  h.  „liebes,  freudiges'',  und  für 
bhdyante  schreiben  bhdyanti,  sodass  also  der  betreffende  Päda  3 
nun  bedeutet:  „(wo)  die  sonnengleichen  (nämlich  die  ndrah^ 
die  beiden  von  Päda  1)  die  wesen  in  furcht  versetzen".  Die 
Strophe  lautet  nun  in  der  Übersetzung: 

„Wo  die  beiden  um  eine  fahne  geschaart  zusammengehen, 
in  der  schlacht  wo  es  eine  lust  ist,  wo  die  sonnengleichen 
(beiden)  die  wesen  in  furcht  versetzen,  dort  spracht  ihr,  Indra 
und  VaruQa,  über  uns  euern  schütz  aus". 

Eine  ähnliche  verkehrung  des  textes  in  sein  gegentheil  hat 
eine  brahmanische  memme  in  Rigv.  I,  100,  17  am  namen  eines 
schlachtrosses  vorgenommen,  wo  schon  Ludwig  (Rigvedawerk 
bd.  V,  29)  fragt,  ob  nicht  Abhayamänah  geschrieben  werden 
müsse  für  Bhayamänah, 

12. 

Rigv.  Vm,  17. 

Ä   no  gantam  rigddasä 
imdqi  stöinam  purubhujä  \ 
kriidifi  nah  sugriyo  narä 
imd'  ddtam  abhishfaye  | 

Ludwig :  „Kommt  zu  uns,  vertilger  der  vertilger,  zu  diesem 
Stoma,  ihr  reich  an  genuss,  macht  uns  hochherrlich,  o  beiden, 
gebt  uns  das  irdische  {imd\  neutr.  plur.)  zur  erhaltung". 

Unter  den  nicht  gerade  wenigen  wörtem,  welche  die  veda- 
philologie  noch  unter  dem  einflusse  der  brahmaniscben  etymo* 


Emendationen  ^nin  Rigveda.  93 

lo^e  missdentet,  ist  rifddas  hervorzuheben.  Es  wird  als  com- 
positum TOD  riga  +  adas  „die  Zerstörer  verzehrend'^  {adas  von 
W.  ad,  essen,  verschlingen)  erklärt  Daher  denn  Ludwigs 
„vertUger  der  vertilger'S  was  ganz  an  Hegels  definition  des 
rechts  als  der  „negation  der  negation^'  erinnert  Ludwig  findet 
es  (bd.  in,  pag.  341  seines  Rigvedawerks)  „merkwürdiges  dass 
^besonders  die  Marut,  dann  aber  auch  Mitra,  Varu^a,  Aryaman, 
die  Aditya,  die  Agvinau,  Agni,  Soma,  Vi^ve  Dev&h  öfters  rifddas 
heissen^S  Schon  der  umstand,  dass  gerade  die  götter  des 
geistes,  die  Aditya  „feindeverzehrer"  heissen  sollen,  muss  stutzig 
machen.  £s  ist  denn  auch  einleuchtend,  dass  die  traditionelle 
ableitung  des  wertes  nicht  die  richtige  sein  kann.  Wir  müssen 
vielmehr  trennen  ri  +  gddaa  und  ri  als  abgekürzt  aus  ari 
auffassen,  nach  analogie  so  mancher  andern  wörter,  insbeson- 
dere im  Lranischen,  die  ihr  anfangs-a  eingebüsst  haben.  S.  mein 
Iran  und  Turan  pag.  68.  Ueber  die  wurzel  gad,  schmücken 
8.  Roth  zu  YAskas  Nirukti  pi^.  83.  Das  adjektiv  rifddas  — 
*arigäda8  bedeutet  also  „sehr  schmückendes  dann  „sehr  pran» 
gend,  sehr  sich  auszeichnend,  sehr  herrlich,  sehr  siegreich*' 
u.  8.  w.  Diese  bedeutung  wird  an  obiger  stelle  besonders  unter- 
stützt durch  die  bitte  an  die  Agdnau:  kritäm  nak  sucHyo 
„macht  uns  schön  glänzendes  was  direkt  eine  ausführung  des 
verbalgehalts  von  ri^ädas  ist. 

Dass  rifddas  seine  anfangssilbe  a  eingebüsst  hat,  geht 
übrigens  metri  causa  hervor  aus  Rig.  VI,  51,  4:  ried'dasak 
satpaitnr  ddabdhdn,  wo  gelesen  werden  muss:  arigä'dasah 
sitpattfir  ddabdhdnj  (ich  flehe  an)  „die  hochherrlichen,  die 
wahrhaften  herren,  die  unbethörten^S 

13. 
Rigv.  IX,  10,  8. 

nd'bhä  nd'bhifß  nd  d'  dade 
^edkskuf  cU  sü'rffe  sdcd  \ 
Hier  ziehe  ich  die  Übersetzung  Hardy's,  Vedisch-brahmar 
nische  periode,  pag.  31  jeder  andern  vor:  „An  den  nabel  (der 
götter)^'  heisst  es  von  Soma,  „bindet  er  unsem  nabel,  auch 
(unser)  äuge  (bringt  er,  d.  h.  nach  dem  tode  vgl.  Rigv.  X,  16,  3 
„Zur  sonne  geh  das  äuge'*)  zusammen  mit  der  sonne.  Somit 
ist  der  Ursprung  des  menschengeschlechts  in  der  sonne^S  In- 
dem ich  diese  stelle  nabhä  nd'bkkit  nd  a  dade  mit  dem  namen 


d4  Brunnhofer 

des  Nä'bhanMühfha  zusammenhalte,  gelange  ich  zu  folgendem 
ergebniss.  Näbhanedishfha  lässt  sich  bekanntlich  nicht  trennen 
von  der  Zendform  des  namens,  nämlich  Nabanazdktaf  folglich 
muss  beiden  eine  urform  zu  gründe  liegen.  Ich  erblicke  die- 
selbe in  *  nabha-nadh-ish^a  „den  nabel  nähendst^^  Daraus 
konnte  sich  nach  der  analogie  des  imperativs  daddhi  „gieb^S 
im  iZend  dazdi,  im  Veda  dehi,  die  iZendform  Nabanazdisia,  im 
Veda  Na'bhanidhishtha  entwickeln.  Dass  das  wort  schon  sehr 
alt  sein  muss,  ergiebt  sich  auch  aus  der  analogie  von  zendischem 
Mazda  gegenüber  vedischem  medha.  Wenn  aber  dem  werte 
die  Wurzel  nadhj  nahen  (vgl.  vi^&fo)  »-  nah  (vgl.  vrii-na  „einen 
Scheiterhaufen  schichten,  d.  h.  binden^'  Curtius,  Grundzz.  d. 
griech.  etym.  *,  pag.  295)  zu  gründe  liegt,  so  scheint  es  mir 
nunmehr  wahrscheinlich,  dass  an  obiger  stelle  Rigv.  IX,  10,  8 
nicht  zu  schreiben  ist  nd  ä  dade,  sondern  dass  sie  ursprung- 
lich gelautet  haben  muss:  *nahädadhe  —  nahäni  dadhe,  wie 
es  in  der  Brähmanasprache  lauten  würde.  Ob  dieses  hypothe- 
tische *nahädadhe  „er  nähete**  schon  sanskritisch  ist  oder  viel- 
mehr noch  der  indogermanischen  Sprachperiode  angehöre,  das 
zu  entscheiden  überlasse  ich  der  Sprachvergleichung. 

Nä'bhanedishtha  hat  eine  namensverwandtin  in  der  geburts- 
göttin  StntväR,  die  ich  ableiten  möchte  aus  w.  äi  nähen,  binden 
und  *ntvdlt  =  *näbhila,  also  wiederum  „die  den  nabel 
nähende'^  Sinlv&li  ist  übrigens  mondgöttin  und  zwar  crescens. 
Ich  möchte  desshalb  daran  erinnern,  dass  Sin  der  mondgott 
der  Sabier  von  Harrän  war  (s.  Ghwolson,  Die  Sabier,  bd.  11, 
pag.  158  und  808—809)  und  dass  in  der  wüste  Sin  der  berg  Sinai 
einen  mondtempel  hatte.    Doch  darüber  bei  anderer  gelegenheit 

14. 

Rigv.  X,  40,  1. 

In  diesem  hymnus  an  die  Agvinau,  der  den  erklärem  noch 
viel  zu  schaffen  machen  wird,  will  ich  vorläufig  nur  eine  stelle 
(Strophe  1)  als  der  Verbesserung  bedürftig  hervorheben: 
Rdthofqi  y&'ntarß  käha  kö  ha  värp.  nard 
prdti  dyumdntaTn  suviiäya  bhüshati  \ 
präiaryd'vänam  vtbhvhm  vigi-vige 
vdstar-vador  pdhamänaifi  dhiya   ^^dim}\ 
„Euem  wagen,  den  wohin?  gehenden,  wer,  o  beiden,  rüstet 
ihn  euch,  den  glanzvollen,   auf  dass  seine  fahrt  zum  heile  ge- 


Emendationen  zum  Rigveda.  95 

reiche,  den  frohaaf brechenden,  weit  herum  wirkenden ,  von 
stamm  zu  stamm,  Ton  haus  zu  haus  &hrenden|  mit  dem  ge- 
danken  zum  segen?^^ 

Hier  gebietet  das  vigi-vife  „Ton  stamm  zu  stamm**  das 
nachfolgende  vddar-^wutor,  das  bedeuten  würde:  ,,yon  morgen- 
röthe  zu  morgenröthe''  zu  corrigieren  in  völ itar^västor  „von 
wohnstätte  zu  wohnstätte*'.  Ich  glaube,  es  liegt  in  diesem 
wiederhergestellten  västar-'Väator  ein  beabsichtigtes  Wortspiel 
Tor  mit  dem  västor^^iHutor  der  Strophe  3. 

Die  emendation  v(( siar'Vdstor  erhält  übrigens  ihre  bestäti- 
gung  durch  Rigr.  I,  123,  4,  wo  es  von  der  morgenröthe  heisst 
grihAin-griham  aikand'  yäiy  dehä  „haus  für  haus  besucht  die 
morgenröthe". 

15. 

Rigv.  X,  61,  16. 

In  dem  langen ,  räthselvoUen  hymnus  auf  die  Vi^ve  De?& 
lautet  Strophe  16: 

ay^  stuiö  rd'jd  wndi  vedhd 
aipdg  va  vipraa  taraii  sväsetuh 
sä  kakshtpontarn  rejayat  so  Ägnim 
nemhß  nd  cakrdm  ärvaio  raghudrü  | 

Ludwig  übersetzt :  „Hier  der  gepriesene  könig  [Soma]  ward 
ab  ordnender  priester  [zugleich]  verehrt,  der  sänger  kommt 
über  die  wasser,  selber  die  brücke;  er  hat  den  Kakshivän,  er 
hat  Agni  in  bew^gung  gesetzt,  wie  des  rosses  schneUlaulend 
rad  den  radkranz*'. 

Deutlicher  Grassmann:  „Dieser  gepriesene  huldvolle  könig 
[Soma,  nach  S&yana]  wird  gerühmt;  der  weise  setzt  über  die 
wasser,  seine  eigenen  brücken  habend;  er  setzte  den  Kakshivat 
in  bew^gung  und  er  den  Agni,  wie  den  radkranz,  wie  das 
schnell  laufende  vom  renner  gezogene  rad". 

Worauf  hier  alles  ankommt,  das  ist  die  bedeutung  von 
kaisMvai.  Bfit  dem  dichter  dieses  namens  hat  das  wort  hier 
nichts  zu  thun,  es  ist  appellativ,  doch  ist  ein  „gurtenbegabter" 
Agni  sinnlos.  Oanz  anders  stellt  sich  die  sache,  wenn  wir  das 
k  streichen  und  lesen  akshivaniam  „achsenbegabt",  „an  der 
achse  laufend".  Adalbert  Kuhn  hat  für  den  am  rad  herum- 
sausenden Ixion  die  an  das  lat.  cixis,  die  achse,   anlehnende 


96  Brunnhofer 

form  akshivän  „der  acbsenträger,  der  radträgldr^*  als  etymolo* 
gische  gnindlage  angesetzt  (herabkunfb  des  feuers  ^,  pag.  69). 
Diese  von  Kuhn  erschlossene  form  liegt  an  unserer  vedastelle 
thatsächlich  vor.  Ebendoi-t  hat  Kuhn  das  in  rasendem  Um- 
schwung rollende  feuerrad  des  Ixion  einen  niederschlag  der 
Vorstellung  eines  sonnenrades  genannt  Ich  glaube,  an  unserer 
stelle  ist  wirklich  von  einem  durch  könig  Soma  „durch  um- 
drehen einer  achse  in  der  nahe  des  Wagenrades^*  erzeugten  feuer 
(Kuhn  pag.  44)  und  zwar  im  sinne  eines  über  allerlei  gewässer 
setzenden  Johannisfeuerrades  die  rede,  eines  rades,  dessen 
rollendem  übersetzen  über  bäche  und  teiche  ein  Somazechgelage 
folgte,  analog  der  von  Jacob  Grimm  beschriebenen  feierlichkeit 
der  loslassung  des  symbolischen  sonnenfeuerrades  am  Johannis- 
abend  zu  Konz  an  der  Mosel,  wo  ebenfalls  eine  weinzecherei 
den  abschluss  bildete.    S.  Kuhn  pag.  44  und  95. 

1& 

Rigv.  X,  68,  1. 

Udaprüto  nä  vdyo  rdkahamänä 
vä'vadato  abhriyasyeva  gköahdh  \ 
giribhraj'o  nötmdyo  mädanto 
Brthaspaiitn  abhy  ärkä'  anävan  || 

Ludwig  übersetzt:  „Wie  im  wasser  schwimmende  vögel, 
wenn  wache  haltend,  wie  der  lautdonnernden  wasserwolke  tönen, 
wie  bergdurchbrechende  ströme  frohlockend  haben  unsere  lieder 
Brihaspati  zugetönt'^ 

Ludwig  nimmt  also  keinen  anstand,  die  lesart  rdk^nmiä^ 
für  ursprünglich  zu  halten.  Es  liegt  jedoch  auf  der  band,  dass 
für  die  participialattribute  vä'vadatah  und  mddantah  ein  syno- 
nymes attribut  auch  für  den  ersten  P&da  gefordert  wird,  ein 
beiwort,  das  nicht  die  träge  ruhe  zum  inhalt  haben  kann. 
Schon  Grassmann  hatte  im  Wörterbuch  zum  Rigveda  unter  rd^ 
kshamäfiä  bemerkt,  die  lesart  sei  vielleicht  verderbt  und  hatte 
dafür  fragend  ydkshamdnd  empfohlen.  Allein,  wiewohl  diese 
correctur  ohne  zweifei  ein  besseres  synonym  für  vdvadatah  und 
fnddantah  vorstellen  würde,  da  die  wurzel  yaish,  obwohl  keines- 
wegs ganz  klar,  rasche  bewegung  nach  einem  ziele  hin  be- 
zeichnet, so  liegt  sie  doch  ¥rieder  zuweit  von  dem  überlieferten 
Wortlaut  ab.     Wie   dies  bei  Grassmann   mehrfach  vorkommt, 


Emendationen  zum  Rigveda.  97 

hat  ihn  bei  der  Übersetzung  der  richtige  poetische  takt  geleitet 
und  ihn  die  atrophe  folgendermassen  sinngemäss  übersetzen 
lassen: 

„Wie  vögel,  die  im  wasser  plätschernd  kreischen, 
Wenn  sie  sich  bergen,  wie  gewitterwolken 
Wie  wogen,  die  durch  felsen  tobend  brechen, 
So  schallen  dem  Brihaspati  gesänge^'. 

Wie  gesagt,  Orassmann  hat  hier  unbewusst  das  richtige 
getroffen,  indem  er  die  vögel  „kreischen^*  lässt,  während  er 
freilich  an  rAkshamanä  festzuhalten  scheint,  wenn  er  sie  „sich 
bergen'*  lässt.  Vielleicht  gelangen  wir  durch  Rigv.  IV,  45,  4 
auf  die  fahrte  nach  der  dem  unmöglichen  rdkshamdna  voraus- 
gegangenen ursprünglichen  lesart.    Es  heisst  da: 

hansä'so  yi  väm  mädhumanto  asridho 
hiranyaparnä  ühüva  usharbüdhah  \ 
udaprüto  tnandino  mandinisprigo 
mddhvo  nd  mdkshah  sdvandni  gachathaJh  \\ 

Ich  möchte  mich  auf  die  räthselhaften  ausdrücke  asridhah, 
mandinispri^h,  ükuvah  hier  nicht  näher  einlassen  und  vers  4 
halte  ich  ohnediess  für  verderbt  Die  attribute  aber  zu  den  han- 
sä' sah,  den  gänsen,  sind  ähnlich  wie  die  von  Rigv.  X,  68,  1 
zu  den  vdyah,  den  vögeln,  also  zunächst  udaprutah,  dann 
mandinäkj  das  an  mddantah  erinnert,  wie  das  vä'vctdatah  an 
ahüiHih  anklingt,  das  offenblo:  nichts,  wie  Ludwig  will,  mit 
Wurzel  vah,  ziehen,  zu  thun  hat,  sondern  ein  onomatopoetischer 
ausdruck  ist  wie  das  deutsche  uhu.  Das  ühüvah  tuharbudhah 
fasse  ich  als  „mit  geschrei  die  morgenröthe  weckend'^  Welcher 
art  dies  geschrei  ist,  darüber  belehrt  uns  die  stelle  Rigv.  II,  39,  3. 
Der  betreffende  hymnus  ist  allerdings  einer  der  jüngsten  des 
ganzen  Rigveda,  die  ewig  wiederkehrenden  iva  gemahnen  völlig 
an  den  ebenfalls  späten  glossatoren-cento  Rigv.  X,  106.  Die 
bilder  von  II,  39,  3  sind  aber  natürlicherweise  indisch,  dürfen 
also  für  X,  68,  1  herbeigezogen  werden.  Es  heisst  da  in 
n,  39,  3: 

cakraväkiva  prati  vdstor  usrd 
arvdtfica  ydtain  rcUhyha  cah'ä  | 

Ludwig:  „Wie  die  zwei  Gakrav&ka  (männchen  und  weih* 
chen)  beim  tagesgrauen,  ihr  rothen  (A^vinä),  kommt  heran  wie 

Battiig«  «.  kanda  d.  iad«.  tpnMkMi.    XXVL  7 


98  Bitinnhofer 

wageurSder!*'  Das  usrd  erinnert  an  MrofM/aparnA  und  das 
eakrA  am  ende  des  Terses  wiederholt  onomatopoetisch  das  anch 
im  namen  der  gänseart  Cakrav&ka  angedeutete  geschrei  kra^ 
hra.  Es  ist  die  von  der  indischen  kunstpoesie  verherrlichte 
gänseart  anas  casarca^  von  welcher  die  indischen  dichter  fabeln, 
das  männchen  sei  des  nachts  vom  weibchen ^getrennt,  in  der 
morgendämmerung  aber  liessen  sie  ihr,  gleichsam  die  morgen- 
röthe  weckendes,  freudengeschrei  erschallen.  Also  diese  cakra- 
v&ka  sind  unter  den  viycA  von  Rigv.  X,  68,  1  verstanden, 
deren  geschrei  hra  kra  uns  nunmehr  berechtigt,  die  falsche 
lesart  r&hshamäna  zu  verbessern  in  die  richtige  krdkshamdf^, 
„kreischend**,  von  der  im  Rigveda  noch  zweimal  wieder- 
kehrenden Wurzel  kraksh,  laut  aufkreischen,  z.  b.  Rigv.  VIII, 
65,  11: 

dnu  tvä  R6daA  ubhi 
krdkshamänam  akripetäm  \ 
rndra  ydd  dasyuhä'bhaoahW 

„Dir  seufzten  beide  weiten  nach. 

Dem  schreienden,  als,  Indra,  du 

Zum  tödter  der  dämonen  wardst**.    (Grassm.) 

Ausser  dieser  stelle  begegnet  die  wurzel  kraksh  noch  in 
dem  compositum  vanakrakshd  „im  walde  kreischend",  Rigv. 
IX,  108,  7; 

ä'  sota  pari  8hifU:ata 

ag/vanji  nd  stimam  aptürani  rajaatüram  \ 

vanakrakshdm  udaprutam  | 

„Presset  ihn,  giesset  ihn,  den  wie  ein  ross  gleichsam  wasser 
ersiegenden  (?),  raumdurcheilenden  stoma,  den  im  walde  auf- 
kreischenden, im  wasser  plätschernden**. 

Ludwig  möchte  hier,  an  stelle  von  s^dfna,  loblied,  setzen: 
sAmOj  und  es  unterliegt  keinem  zweifei,  dass  auf  Soma  ange- 
spielt wird,  aber  eben  nur  angespielt,  wie  im  Rigveda  bei 
Wortspielen,  wie  dem  vorliegenden,  so  oft;  ich  glaube  desshalb, 
dass  in  Mma  nur  ein  beabsichtigter  anklang  an  sdma  er- 
blickt werden  darf,  wobei  denn  die  ausdrücke  vanakrak- 
shdm uddpnUam  ihrerseits  wieder  an  die  cakraväkagänse  er- 
innern. 


Emendationen  aum  Rigveda.  09 


18. 

BigT.  X,  78,  8;  0. 

ashfaü  puttä'so  Ä'ditBr 
yi  jätä'i  ianPäe  pdH  \ 
devd'n  4pa  pmU  MpiM^h 
pärä  Mikiöndäm  äeyai  ||  8 
mjMhhih  piurait  ÄdUif 
üpa  prdü  pürvjfdfß  fugdfin  \ 
pntfä'yai  mHtydifB  tiM 
pünar  Märt&nddm  ä'Nu^fät  \\  9 

Ohne  diese  beiden  stropheü  ztt  fiberset^eti,  mache  ich  auf- 
merksam auf  die  merkwürdigen  flbereiflstimitiühgspatikte ,  die 
zwisdhen  diefietn  tedahymnüs  nüd  der  GylfaginultigBagä  der 
eddA  vorliegen.  Auf  dieselben  näher  einzugeben,  würde  sich 
reichlich  lohtien,  ich  begnttge  mich  hier,  der  rautnerspftrniss 
wegen,  auf  dies  räthsel  bingädeütet  ztt  haben.  Ich  gebe  atts 
der  Qylfagintting  nttr,  was  sich  mit  Mftrt&tida  berührt 

„Die  Hei  warf  Odiü  hinab  nach  Niflheini  nnd  gftb  ihr 
gewalt  über  die  neunte  weit,  dass  sie  denen  Wohnungen  an- 
wiese, die  zu  ihr  gesendet  würden,  solchen  nämlich,  die  vor 
alter  oder  an  krankheiten  starben.  Sie  hflt  da  eine  grosse 
wohnst&tte;  das  gehege  umher  ist  ausserordentlich  hoch  tmd 
mit  mächtigen  gittern  verwfthrt". 

Der  Hei,  die  von  Odin  in  da6  reich  des  dunkeis  hinabge- 
worfen  wird,  damit  sie  da  in  ihrer  höhle  die  todten  aufiiehnie, 
entspfflcht  in  unserm  vedähyntnus,  der  Zwar  spät  verfasst  ist, 
aber  uraltes  kosmogoniscbes  träditiönsWäterial  verwerthet,  der 
rfttbtfelhafte  MAtiända,  den  man,  ich  weiss  nicht  worauf  ge- 
stützt, mit  „söhn  des  des",  d.  h.  VCgel,  wiedergiebt.  Allein 
das  wort  würde  höchstens  übersetzt  werden  können  mit  „söhn 
des  eieS  eines  sterblichen",  was  einfach  abgeschmackt  wäre.  Hier 
liegt  ein  falsch  gehörtes  wort  vor.  Ich  schreibe  Märtdntra 
„berr  der  todtenhöhle"  (itinto-afi/ra)".  Sofort  begreift  sich 
nun  die  bemerkung,  Aditi  habe  den  Märt&^da  (d.  i.  den 
^Märt&ntra)  zum  berm  des  todee  gemacht  (mntydve  .  .  . 
ä'bharat). 


100  Brunnhofer. 

19. 

ßigv,  X,  89,  13. 

änv  dha  mä'sä  dnv  id  vdnäni 
dnv  öshadMr  dnu  pdrvßUkah  \ 
änv  Tndram  ridatA  v&wgäne 
dnv  dlpo  ajihata  jä'yamänam  \\ 

Lad¥rig  übersetzt:  „Die  monde,  die  bäume,  die  kräuter,  die 
berge,  die  lauten  beiden  welthälften,  die  wasser  kamen  [giengen] 
Indra  nach,  als  er  geboren  ward'^ 

In  dieser  dunkeln  stropbe  des  dunkeln  bymnus  des  Benu 
Vai{;y&mitra,  in  dem  ich  schon  in  meinem  Iran  und  Turan 
auf  iranische  demente  aufmerksam  gemacht  habe,  kann  in 
Päda  1  das  wort  mä'sä,  monde,  unmöglich  richtig  sein.  Un- 
möglich können  die  monde  dem  Indra  liebend  nacheilen,  es 
giebt  nur  einen  mond,  aber  mdsa  bedeutet  nur  mond  oder 
monat.  Hier  muss  also  entweder  ein  textfehler  vorliegen  oder 
mäsä  muss  iranisch  erklärt  Verden.  Ich  hatte  für  dha  mä'sä 
zuerst  schreiben  wollen  ähanä'sä  „die  schwellenden,  üppigen 
somastengel'S  aber  das  nachfolgende  öshadhih  scheint  es  zu  ver- 
bieten, d.  h.  überflüssig  zu  machen.  Und  so  möchte  ich  mich 
denn  entschliessen,  mäsä  zu  erklären  als  den  plural  des  Zend- 
adjektivs  masha  (Justi  Zendwb.  pag.  230)  „eilend,  kommend'^, 
es  liesse  sich  sogar  an  Zend  fmMshyaj  der  mensch,  denken.  Ich 
möchte  also  die  stropbe  so  übersetzen: 

„Eilends  giengen  dem  Indra,  als  er  geboren  ward,  nach 
die  bäume,  die  kräuter,  die  wolkenberge,  liebend  {vävafän£)  die 
beiden  Rodasi  (die  beiden  gemahlinnen  des  Rudra  und  des 
Varu9a),  die  (himmlischen)  was8er'^ 

Für  dha  mä'sä  liesse  sich  auch  an  ahanasah,  die  morgen- 
röthen  (s.  Rigv.  I,  123,  4),  denken. 

Oder  darf  man  statt  ajihata  vermuthen:  *ajihas(a)ta  „sie 
lächelten  ihn  hold  an*S  aor.  &tm.  von  W.  has?  Und  dhä,  die 
tage,  mä'sä,  die  monde? 

20. 

Big?.  X,  105,  7. 

vdjrarß  ydf  eakri  suhdnäya  ddsjfave 

hirtmafö  hMmän  \ 

druiahanur  ddbhutani  nd  rdjah  \\  7  || 


V-    ••: 


EiDendatioDen  zum  Rigveda.  101 

„Lud¥ng  übersetzt:  (Bildete)  „den  donnerkeil,  der  dem 
schnell  getöteten  Dasyu  einzeln  zerschnitt  die  därme,  des  un- 
gebrochenen kiefer  wie  der  wunderbare  raum'^ 

Ludwig  bezieht  das  perfekt  tatäksha  der  yorhergehenden 
Strophe  6  noch  auf  vdjram  zu  anfang  der  Strophe  7,  ich  glaube, 
mit  unrecht.  Ich  erblicke  in  kifttnägö  hirimän  ein  beabsich- 
tigtes Wortspiel ,  schreibe  dru^hanur  für :  drutahaimr  und 
rakshdh  für  rdjah.    Ich  übersetze'  die  Strophe  so: 

„Er  (Indra),  der  den  donnerkeil  schuf  zur  erfolgreichen 
tötung  des  dämons  (den  donnerkeil)  der  da  die  gedärme- 
zerreissend  ist,  der  goldene,  der  Aru^atöter,  der  da  erschlägt 
das  furchtbare  riesengeschlecht'^  Das  gerundiv  suhdnäya 
ddsyave  entspricht  durchaus  dem  häufigeren  vriirdfya  hdniave 
RigY.  m,  37,  5;  VIII,  12,  22,  oder  dem  rakshdse  hdntavd'u 
V,  2,  10.  In  hirima^  erblicke  ich  kein  adverb  auf  g(M,  son- 
dern ein  compositum,  worin  ich  Hirt  mit  Lud¥rig  zu  dem  lat. 
Ai/t,  gedärme,  mofa,  zerreissend,  zermalmend,  zürn  lat  modh 
rare  halte.  Der  dämonentödter  Indra  kann  nicht  selbst  dr^- 
hanu  „unzerbrochene  kinnbacken  habend^'  sein,  denn  er  selbst 
zerschlägt  ja  den  kinnbacken  dem  .  gewitterdämon  Vritra, 
aber  Äruga-han  ist  er,  „tödter  des  oder  der  Aruga",  mag  nun 
Aru^a  sein  was  es  will,  ich  denke,  es  ist  ein  mit  disyu  syno- 
nymes wort.  Femer  ist  rdjah  sinnlos,  es  kann  nichts  anderes 
als  falsch  gehörtes  rakshds  sein,  wozu  ddbhuta  „übematüi-lich, 
übermenschlich"  sehr-  gut  passt  Der  accusativ  ddbhutarß  nd 
rakshdh  ist  noch  abhängig  von  der  yerbalkraft  der  wurzel  han 
in  *drugahanuh. 

Berlin,  Oktober  1899.  Brunnhof  er  ^ 


Worterklänmgen  zum  Bigveda. 

1.    vSptis,  hagel. 

Rigv.  I,  80,  12. 

nd  vipaed  nd  tanyatd' 
Tndra/ifi  Vrürö  vi  bibhayat  \ 
abfiy  ^o^  vdjra  dyasdh 
iahäerabhrishHr  äyqtq  || 


102  Brunnbofer 

Ludwig  iibenetzti  »^Niolit  diiroh  lied,  und  nioht  durch 
donner  hat  Vritra  den  Indra  in  furcht  gesetzt,  auf  ihn  drang 
ein  der  eherne  keil  mit  tausend  schneiden,  preisend  seine 
Selbstherrschaft". 

Grassmann  siebt  ein,  dass  v^ms  unmöglich  „lied"  bedeuten 
könne,  mindestens  nicht  in  dieser  eusammensteUung  mit  donner 
und  übersetst  so: 

„Durch  rasohheit  nicht,  durch  donner  nicht 
Erschreckt  den  Indra  Vritra  je^*  u.  s.  w. 

Was  vipod  ist,  scheint  mir  durch  folgende  parallelstelle 
zur  obigen  strophe  beweisbar.    Es  ist  Rigv.  I,  32,  13: 

ndfsmai  vidtfün  nä  tanyatüh  sishedha 
nd  yi'm  miham  akirad  dhradünitß  ca  \ 
Tndrßg  ca  ydd  yuyudh4'te  A'hig  ca 
utdtparVbhyo  maghdvd  vi  ßgye  | 

Ludwig:  „Nicht  hat  ihm  der  blitz,  niqbt  der  donner  ge- 
holfen, noch  die  hagelnde  wölke,  die  er  ausgebreitet;  als  Indra 
und  der  draohe  kämpften,  da  bat  ai^ch  für  die  Zukunft  Mag- 
havan  gewonuen", 

Das  lied  besingt  den  sieg  des  mit  der  frühlingssoune  den 
¥nnterdrapben  bekämpfenden  Indra.    Vgl,  Goetbe's  Faust: 

„Vom  eise  befreit  sind  ström  und  bäche 
Durch  des  frühlipgs  milden,  belebenden  blick. 
Im  tbfde  grüpet  hoffnupgsglück. 
Per  alte  winter  in  seiner  schwäche 
Zog  sich  in  rauhe  berge  zurück. 
Vqp  dorther  sendet  er  fUehepd  nur 
Ohnmächtige  schauer  körnigen  eises 
In  streifen  über  die  grünende  flur. 
Aber  die  sonne  duldet  kein  weisses*^ 

Nicht  vipaa  und  nicht  donner  hat  dem  winterdrachen  ge- 
holfen, beisst  es  I,  80,  12.  Nicht  blitz,  nicht  donner,  noch  die 
hagelnde  wölke  I,  32,  13f  D^  pun  vafra,  wofür  auch  vifra 
vorkommt,  im  Avesta  „schnee''  bedeutet  und  diese  bedeutung 
(s.  Hom,  Neupers.  etym.  pag.  47,  no.  202)  durch  das  neupers. 
berf,  pehlewi  vafr,  kurdisch  vafr,  befir,  bafer,  berf,  a^han. 
väwra,  Schneeflocke,  plur.  schnee,  belutschisch  barp  bestätigt 
wird,  so  kann  nach  massgabe  dieser  faktoren  vipas  wohl  kaum 
etwas  anderes  bezeichnen  als:  hagel 


Worterklärungen  zum  Rigreda.  103 

Die  griechische  mytbologie  hat  den  hagel  ab  drachen« 
zahne  aufgefasst,  über  deren  streitbare  brat  die  aonnengötter 
Kadmos  und  Jason  fViyasvan?)  mit  leichtigkeit  herr. werden; 
S.  Hahn,  Sagwissenschaftl  Studien  jmg.  189,  anm,  18. 


2,    jMubharman,  donnerkeilträger. 

Rigv.  I,  103,  3. 

8d  jdtubharmd  QraddAdhäna  öjah 
puro  viMUnddnn  acarad  vi  dä'sih  \ 
vidvd'n  vajrin  ddsyave  hetim  atsya 
äryatß  sdho  vardhayä  dyumndm  Indra  || 

Ludwig  übersetzt:  „Mit  des  j&tü  last  seiner  stärke  trauend 
wanderte  er  dahin  sprengend  die  bürgen  der  D4s46,  kundig,  o 
keilbewehrter,  wirf  den  pfeil  auf  den  Dasyu,  mehre  der  Arya 
herrliche  Übergewalt,  o  Indra". 

Grassmann  umschreibt  das  von  Ludwig  unübersetzbar  ge- 
fundene jätü'bharmä  mit  „gebomer  kämpfer'S  leitet  also  jätu  ab 
Ton  W.  Jan,  zeugen  und  einer  W.  bhar,  bhfi,  kämpfen,  die  aber 
nur  aus  dem  slavischen  barithssya  kämpfen,  erschlossen  werden 
kann.  Was  letztere  wurzel  betrifft,  so  könnte  man  sie  in  Bha- 
rata,  das  etwa  dem  russischen  boriz  kämpf  er,  krioger,  ent- 
spräche, finden,  wozu  dann  die  „allesüberwindende  göttin  Bhä- 
rati"  {detA'  Bh^raÜ  vi^dtürtih  Ry.  II,  3,  8)  stimmen  würde, 
wogegen  freilich  Gustav  Oppert,  On  the  arigincd  InhabiUints 
of  Bharaiavarska  ar  India  (Leipz,,  1893)  die  Bharata  für  die 
Barrhai  des  Ftolemaeus  und  diese  für  die  Bhärs,  Mdrs,  Mhdra, 
Mahdrs,  Mhairs  or  Mers,  ja  „to  a  certain  extent"  für  die 
Barbara  or  Varvara,  d.  h.  für  Jbarbariansf^  erklärt  (pag.  38). 

Ob  bharman  von  der  W.  bha/r  kämpfen,  abgeleitet  werden 
soll,  die  im  Veda  als  verbum  finitum  nicht  nachweisbar  ist, 
sondern  nur  noch  im  vorindiscben  namen  dor  Bharata,  der 
„kämpfer"  überliefert  ist,  ist  eine  frage,  deren  entscheidung 
von  der  bedeutung  von  jMu  abhängt  Ich  halte  jdtu  für  ein 
zendwort,  abzuleiten  von  W.  jan,  schlagen,  entsprechend  dem 
zendwort  jdtkwan,  „schlagend",  janthtva,  tödtend.  Der  jdiu 
ist  der  vajra,  der  donnerkeil  und  jatü' bharman  ist  ein  syno- 
nymum  von  vajrabhrtt,  vajra/vdh,  „den  donnerkeil  (in  der  band) 
tragend",  väjrob^hUf  vdjrahasta,  wfjrßdakMiffa.    Pie  unmittel- 


104  Brannhofer 

bare  erklärcing  dieser  Wörter  bietet  Rigv.  11,  16,  2:   hdste  vaj- 
ram  bharati. 

Der  jdtubharman  „der  donnerkeilträger"  hat  übrigens 
einen  doppelgänger  in  vriäMprabharman  Rigv.  V,  32,  4: 

tydm  cid  eshdni  wadhdyä  mddantam 
mihö  ndpäiani  suvridkam  tamogä'm  \ 
vrühaprahharmd  Dänavdsya  bhdtmain 
vdjrem  vajri'  ni  jaghdna  ^üsknam 

Ludwig  übersetzt: 

„ihn,  der  an  der  göttlichen  speise  dieser  [lebenden]  sich 
berauschte,  der  wölke  kind,  den  stark  wachsenden,  im  dunkel 
befindlichen  [vielmehr:  wandelnden],  hat,  der  den  stierkräftigen 
schleudert  [vielmehr:  in  der  band  trägt]  des  D4nava  zomfeuer, 
mit  dem  keile  der  keilbewehrte,  ni^ergeschlageu,  den  Qushna". 

Also  der  vrishaprabharman  ist  „der  den  stierkräftigen 
schleudert  [oder  vielmehr:  in  der  band  trägt].  Er  ist  der 
vajrin  „der  donnerkeilträger''  wie  schon  oben  Rigv.  I,  103,  3. 
Grass  mann  freilich  macht  aus  ihm  einen  „dem  der  kräftige 
[Soma]  vorgesetzt  ist^S 

Ein  anderes  j(!Uii  begegnet  Rigv.  X,  27,  11,  wo  es  Grass- 
mann mit  ,  jemals,  überhaupt'S  als  accus,  eines  neutralen  subst. 
von  W.  Jan,  zeugen,  erklärt  Die  jatd  anakaha  duhifä*  ist 
dort  einfach  die  „von  geburt'^  (instrumental)  blinde. 

Oh  jätusthira,  den  Ludwig  als  eigennamen  auffasst,  der 
aber  nur  beiname  des  Indra  sein  kann,  in  Rigv.  II,  13,  11  den 
„von  gehurt  kräftigen '*  oder  .,den  donnerkeilkräftigen'*  be- 
zeichnet, kann  kaum  entschieden  werden,  das  nachfolgende 
sdhasvat  lässt   eher  auf  „den  donnerkeilkräftigen''  schliessen. 

3.    vasarha   s  altpers.  vazraka,  gross. 

Rigv.  I,  122,  3 : 

mamdüu  noA  Pdrijmä  vasarhd' 
mamdttu  Vd'to  apä'ifi  vrishanvän  \ 
Ludwig:    „Es  erfreue  uns  Parijman,  der  den  frühling  zu- 
rücklässt  (bringt),  es  erfreue  uns  V&ta,  der  stierkräftige  (regner) 
der  wasser". 
Grassmann : 
„Erfreun  soll  uns  der  stürm,  der  früh  den  feind  schlägt, 
Erfreun  der  wind,  der  regen  uns  herbeifuhrt*  ^ 


Worterklärangen  zum  Rigveda.  105 

Entgegen  diesen  beiden  etymologien  von  vasarhd',  die  beide 
das  wort  als  compositam  fassen,  und  entgegen  der  von  mir  in 
meinem  „Iran  und  Turan'^  (1889)  pag.  29  aufgestellten  ablei- 
tung  des  wertes,  wonach  es  den  „frühlingspender*^  {hd  tsa  zend- 
form  der  Sanskritwurzel  sd  »  san)  bedeuten  soll,  möchte  ich 
jetzt  in  dem  wort  gar  kein  compositum  sehen,  sondern  darin 
das  altpersische  wort  *vazarka  =  vazraka  der  keilinschriften 
erblicken,  das  „gross,  stark**  bedeutet.  Ich  erinnere  dabei  an 
den  altpersischen  personennamen  Tow-ofa^xijg  —  *ianU'Va2' 
raka  „leibesstark**  bei  Ktesias  (&  Keiper,  Die  Perser  des 
Aescbylus  pag.  107).  Keiper  interpretirt  diesen  namen  noch 
näher  als  „an  leib,  körper  stark,  mächtig'*.  Das  ^  repräsen- 
tirt,  wie  bekanntlich  in  so  vielen  andern  fallen,  das  aa  oder  M. 

Dass  in  dem  hymnus  des  Kakshivat  Dairghatamasa  sprach- 
demente  vorhanden  sind,  die  dem  Iranischen  angehören  und 
sich  schlechterdings  nicht  aus  dem  Sanskrit  verstehen  lassen, 
das  beweisen  die  Wörter  der  Strophe  4:  prd  mdtdrd  rdspi- 
ndaydiyihf  worin  ich  (Iran  und  Turan**  pag.  28)  anklang,  aller- 
dings nur  gehöranklang  an  das  pehlewiwort  raspina  „herbst** 
gefunden  hatte,  während  ich  die  stelle  selbst  in  prdmdtarav 
agpinasya  yavinah  „die  beiden  gebieter  des  rossegefilds  *  aufge- 
löst hatte.  Obwohl  ich  die  Schwierigkeit  dieser  erklärung 
gegenwärtig  stärker  empfinde,  als  vor  zehn  jähren,  wässte  ich 
doch  noch  keine  ansprechendere  zu  geben. 

Zu  dem  an  jener  stelle  gesagten  füge  ich  gegenwärtig 
hinzu,  dass  dem  femininum  gvetand'  (dem  infinitivischen  dativ 
fvetand'ffai  „zur  hellwerdung'*,  Ludwig)  ganz  merkwürdig  das 
russische  neutrum  gvetdnie  „hellwerdung,  anbruch  des  tages** 
entspricht. 

4.    sina,  waffe,  donnerkeil. 

Rigv.  II,  30,  2; 
yö  Vritrd'ya  simtm  dtrabhariskyat 

Ludwig:  „Der  auf  den  Vritra  da  die  waffe  schleudern 
wollte**. 

Grassmann:  „Wer  dort  das  gut  dem  Vritra  rauben 
wollte**. 

Woher  anders  ab  auf  seine  etymologie  von  wurzel  sd,.  san 
„erlangen**  gestützt,  Grassmann  dem  Substantiv  sina  die  b^- 


106  Brunnhofer 

deutung  „habe,  gut^*  zuertheilt,  weiss  ich  nicht  und  was  sollte 
denn  übrigens  das  dem  Vptra  geraubte  gut  sein?  Ich  glaube, 
Ludwigs  Übersetzung  ist  annehmbarer,  wiewohl  auch  für 
Orassmanns  Übersetzung  der  W.  bhar  mit  „rauben''  (vgl.  russ. 
brcUh  wegnehmen)  sich  die  beweisstelle  Rigv.  X,  46,  16  anfuhren 
liesse,  wo  bharcUi  selbst  nach  Ludwigs  commentar  (Rigveda* 
werk,  bd.  IV,  pag.  410)  die  bedeutung  „raubt,  hinwegnimmt'^ 
hat. 

Da  sich  in  diesem  hymnus  unverkennbare  iranische  wort- 
und  lautelemente  vorfinden,  so  wird  es  gestattet  sein,  auch  in 
sina  ein  solches  zu  erblicken.  Schon  Bradke  hatte  in  seiner 
abhandlung  über  Dyaus-Asura  (1885)  pag.  96—97  erkannt: 
„dvariM  (in  Vfikadvarw  str.  4)  sieht  vde  eine  eranische  form 
8=  dhvaras  aus  .  • .  Vrikadvaras  könnte  also  die  halbsanskriti- 
sirte  form  eines  eranischen  eigennamens  Vehrkadvaranh  sein'^ 
Ich  füge  dem  hinzu,  dass  die  in  str.  8  erwähnten  „teufelsver- 
ehrer'S  die  (^ndikä,  deren  könig  Vrikadvaras  ist,  ( Vrikadvanuo 
Ä'surasya  lA'rdn  str.  4),  und  die  der  dichter  Giitsamada  und 
gott  Indra  auf  den  tod  bekämpfen  {l'ndro  hanti  vjrishabhdifi 
Qdndikänam)  sich  passend  erklären  aus  zendischem  ßoiida, 
hexenmeister,  Zauberer  (Justi  Zendwb.  pag.  121;  Spiegel, 
Avesta-Gommentar  bd.  I,  pag.  405). 

Auf  grundlage  dieser  zwei  iranischen  Wörter  erlaube  ich 
mir,  das  subst.  sinaj  das  nach  dem  Zusammenhang  nur  s= 
vajra^  donnerkeil,  sein  kann,  zu  erklären  aus  armenischen  zind^ 
bewaffiien  (Lagarde,  Armenische  stud.,  pag.  54,  no.  783),  es 
bedeutet  also  „wafie^'. 

5.    riku  paddm,  sandwüste. 

Bigv.  IV,  5,  12. 

gihä'dhvandh  paramdni  ydn  no  cutya 
riku  pciddrri  nd  niddnd  agantna  \\ 
Ludwig:  „Zu  einem  entfernten  orte  sind  wir  ohne  tadel  zu 
erfahren  [bereits]  gekommen". 

Grassmann :  „Zum  letzten  ziel  des  weges  sind  wir  heimlich 
gekommen  wie  zu  leerem  ort,  verhöhnet  (?). 

Das  wort  riku  [paddm]  wird  von  der  tradition  als  tikia, 
leer,  erklärt,  von  W.  ric^  räumen.  Das  wäre  zunächst  desßrtum^ 
wüste. 


Worterklärungen  zum  Rigveda.  '   107 

Darf  man  das  wort  rSku  zasammenstellen  mit  dem  Ba- 
latschi-wort  rik,  r^,  sand,  sandige  stelle,  sandbägel,  wozu 
Geiger,  Etymologie  des  Balutschi,  pag.  143,  no.  37  noch  neu- 
persisoh  rSk,  kurdisch  rih,  rih,  afghan.  rig  stellt?  S.  auch 
Hörn,  Etymol.  des  Neupers.  pag.  142,  no.  642. 

Sollte  im  PAda  3,  entsprechend  dem  riku  paddm  des  P&da 
4,  vielläoht  gelesen  werden  dürfen :  gihäfß  dhänvah  paramdfn 
ydn  no  asga?  «»in  das  versteck  der  wüste,  deren  höchstes  terrain 
uns  gehört^*  P  Der  gen.  sing,  käme  von  dhdnus,  wie  ianvds  von 
tanuj  und  i^^him,  hätte,  wie  das  synonyme  dhdwwHj  auch  die 
bedeutung  von  „wüste^^  Die  gükä  dhänvah  wäre  dann  der 
tautologische  ansdruok  fiir  räm  paddm.  Wenn  rdku  nach 
massgabe  des  Balutschiwortes  rSk  den  „sandhügel^'  bezeichnet, 
so  würde  dann  paramdm  vollkommen  dazu  stimmen. 

Die  aweite  stelle,  wo  rihu  paddm  vorkommt,  ist  X,  108,  7 : 
agdgß  nidkih  Sarame  ddrümdhno 
gibhir  ifvAhir  vdaubhir  ngrishfaf^  \ 
rdkAanti  tdm  Pandyo  yi  $ugepd' 
riku  paddm  diakam  ä*  jaganüha  | 

Ludwig:  „Steinernen  boden  hat  diese  Vorratskammer,  voll- 
gestopft mit  rindern,  mit  rossen,  und  mit  guten  dingen;  die 
behüten  die  P«^,  die  guten  wächter;  zu  einem  weit  entfernten 
orte  bist  du  umsonst  gekommen*^ 

Uebereinstimmend  Orassmann,  nur  dass  dieser  riku  paddm 
mit  ,4eer  ist  der  ort^*  wiedergiebt  und  ddribudhnah  „auf  fels- 
grund  ruht  der  schätz  hier'^ 

Hier  möchte  ich  in  bezug  auf  die  bedeutung  „sandwüste, 
sandhügel"  aufmerksam  machen  auf  das  attribut  ddribudhnaj 
das  o£Fenbar  zu  riku  vorzüglich  paest. 

6.    fignd,  erbse. 

Rigv.  X,  33,  3. 

musho  nd  gignd'  vy  bdanti  mddhyäh 
statä'rani  U  gatakrato  | 
Die  vieluiQstritteoe  stelle,  worin  die  gignä  im  sinne  von 
Phallus  b^ld  diese,  bald  jene  rolle  spielen,  erhält  vielleicht 
ihren  ganz  einfachen  und  ansprechenden  sinn,  wenn  wir  die 
geographische  provenienz  dieses  bymnus  ins  äuge  fssseu  und 
in  fignd  ein  imnischee  wort,  wenigstens  lui  dieser  stelle,  er- 


108  Brunnhofer 

kennen.'  Dass  der  hymnus  auf  das  hochland  von  Iran  gehört, 
beweisen  wohl  die  Pdrgavah,  die  Perser,  in  str.  2  und  beweisen 
die  mädhydh,  die  panzer,  als  die  „medischen^S  die  Nöldeke 
und  Weber  in  ihnen  erkannt  haben.  S.  Weber,  Magavyakti 
Nachtrag  p.  812.  Vielleicht  finden  sich  in  dem  hymnus  .und  im 
namen  des  dichters  Kavasha  Ailüsha  noch  andere  anhaltspunkte, 
die  zu  der  annähme  des  iranischen  Ursprungs  des  hymnus  berech- 
tigen. Halten  wir  diesen  fest,  so  dürfen  wir  ^^i^nd  an  dieser 
stelle  vielleicht  erklären  als  sanskritisirten  reflexe  eines  arme- 
nischen sisemy  gen.  sUeran,  erbse,  welches  Lagarde,  Arme- 
nische Studien  pag.  136,  no.  1996  mit  dem  lat.  eicer  identi- 
ficirt  Oder  hängt  gi^d  in  der  bedeutung  „erbse'^  irgendwie 
zusammen  mit  dem  persischen  kishnak,  oQoßoQy  syrisch  kusan^ 
oQoßog  (s.  Lagarde,  Ges.  abhh.  pag.  59,  no.  149)?  Ich  kenne 
aber  allerdings  kein  persisches  wort,  dessen  anlautendes  k  einem 
sanskritischen  g  entspräche.  Ist  diese  etymologie  angängig, 
dann  übersetzt  sich  die  stelle  so: 

„Wie  die  mause  erbsen  zerfressen,  so  mich,  den  lobsänger, 
0  hundertkräftiger,  die  sorgen^^  Zu  den  gifnd,  die  die  mause 
fressen,  vgl.  Horaz,  Satiren,  buch  II,  6,  116 — 117  in  der  fabel 
yon  der  stadtmaus  und  der  landmaus:    Die  landmaus  erklärt: 

me  9Üva  cavusque 
TtUus  ab  insidiis  tenui  solabitur  ervo. 

Es  ist  darnach  zu  berichtigen,  was  ich  1889  in  meinem 
„Iran  und  Turan'S  pag.  46  über  die  stelle  geschrieben  Iiabe. 

7.    äkrd  =  lat.  acer,  ahom. 

Mg?,  X,  77,  2. 

divda  putrd'sa  Üd  nd  yeHra 
ÄdUy&sas  te  äkrä  nd  vdvridhuh  || 

Ludwig:  „Des  himmels  söhne  haben  sich  angestrengt  wie 
hirsche,  wie  säulen  wuchsen  die  Aditya  in  die  höhe'^ 

Grassmann:  „Die  söhne  des  himmels  gingen  wie  hirsche 
gereiht,  sie,  die  Aditya,  wuchsen  wie  heeresbanner  empor^S 

Weder  „säulen'^  noch  „heeresbanner*'  wachsen,  was  bei 
dem  realismus,  durch  den  sich  die  poetischen  bilder  des  Rigr. 

1)  Oder  Tgl.  lit.  sztksznä  feineB,  rar  Torfertigang  yon  riemenseag 
flregerbtea  leder?    Panit  veiyleiobt  gr.  ttian«¥u  Fiok  ^.I,  434.    Pr« 


Worterklärungen  zum  Rigveda.  109 

aaszeichnen,  die  unzulässigkeit  der  beiden  Übersetzungsversuche 
bedingt.  Ich  erblicke  in  akrd  an  dieser  stelle  das  lat  acer, 
ahom,  einen  bäum»  der  bekanntlich  zum  riesen  heranwachsen 
kann.  Vgl.  aber  ihn  aus  antiken  quellen  Hehn,  Kulturpfl.  *, 
pag.  491;  240.  Für  das  bild  des  wachsthums  bietet  sich 
Rigv.  Vm,  13,  17: 

l'ndraffi  kshanVr  avardhayan  vatfä'iva. 

Ludwig:    „(Den)  Indra  hat  die  menschbeit  gross  werden 
lassen  wie  baumäste*'. 
Grassmann: 

(Gunst  suchend  Hessen  wachsen  ihn 
Die  priester  durch  der  opfer  streu), 
Den  Indra  der  gewässer  flut 
Wie  zweige  ihn. 

Beide  Übersetzungen  sind  unmöglich,  die  kshoni's  sind  die 
suid'sa  indavah  des  P&da  1  der  yorhergehenden  Strophe,  näm- 
lich ^die  gepressten  tropfen**  des  Soma.  Diese  sind  es,  die  den 
Indra  wachsen  liessen,  wie  das  astwerk  und  gezweige  einen 
bauHL 

Die  Übersetzung  „säule*^  sucht  mit  material  aus  dem  Rig- 
▼eda  und  Homer  nicht  ohne  geschick,  aber  erfolglos  zu  retten 
Arnold  Hirzel ,  Gleichnisse  und  mataphern  im  Rigveda  (Lpz., 
1890),  pag.  105. 

Ich  übersetze  also:  „Die  Aditya  wuchsen  wie  Ahome  empor**. 

8.    rakshäa,  riese. 

Die  im  veda  und  epos  yielberufenen  ungeheuer,  die  rak- 
ahds,  n.  (räkahcuta,  m.,  ist  episch),  haben  ihren  namen  zweifellos 
von  Wurzel  2  raksh  „beschädigen**,  zend.  rakhg  und  rctsh,  be- 
schädigen. Vielleicht  kehrt  das  wort  auf  europäischem  boden 
wieder  im  albanesischen  rekes,  m.,  riese.  S.  Meyer,  Etymol. 
wb.  d.  albanes.  spr.,  pag.  363. 

Berlin.  Brunnhofer. 


110  A.  Fick 


1.  Einige  grieohiBohe  namen. 

Die  mschriften  auf  altkorinthischem  thongeräth,  deren  ent- 
zifferung  von  filass  Sammlg.  3119 — 3156  so  sehr  gefordert  ist, 
enthalten  viel  interessantes  für  die  griechische  namengebung. 
Es  mögen  hier  einige  belnerkangen  in  diesem  sinne  folgen. 

3119  d.  ^Ef^et(og)  ist  natürlich  Ev»etög,  mit  ß  flir  i;,  was  ja 
auch  sonst  vorkommt.  Der  name  ist  alt  ttHd  gut,  ein 
Ev9e%uaw  Kvda^fjpauvg  wird  von  Demosthdtiefii  1356  er- 
wähnt und  eine  koseform  8^<^  wird  uns  noch  später 
beschäfügeü. 

3119  h.  51  ?o „Da  ein  fuohs  unter  einer  tanne  vorge- 
stellt ist,  so  vermuthet  Röhl  gelstreioh  ^oi^Uig)  —  dluh 
ntj^  Hesych'^  Vielleicht  nicht  weniger  geistreich  wäre 
9o(liavflg)  nach  Timokreon  von  Rhodos  ora  iyta  lAÖnn 
nolovqig^  hfri  xal  SUai  aXtArr^Mg;  „wiewohl  Röhl  auch  an 
?o^f  denkt  (auf  dem  verlorenen  theile  der  tanne,  nach 
der  äsopischen  fabel)"  Blass. 

8130  Ftn&ßa  beweist  für  digamma  im  anlaut  Somit  stellt 
sich  der  name,  den  ich  früher  wie  ngiafiog  und  iZ^i^ 
für  „troisch^'  hielt,  eu  der  anlautgroppe  Fmia-  in  J^«xo- 
fujia  ju  IL.  /cxa-  gehört  wie  /exora-  zu  /sxcJti  fhbtni; 
ßwdßolog  und  fmmf^ffsg  ist  d«r  mit  und  nach  dem 
willen  tri£Ft  und  wirkt. 

3133.  In  Jidai/iop  ist  wohl  kein  mit  reduplication  gebildeter 
name  zu  erkennen,  und  die  Verbindung  von  Jtd-  mit  an 
teitr  „fröhlich"  GP  *  98  entfernt  sich  zu  sehr  vom  grie- 
chischen spracbboden.  Vielmehr  ist  Jid-  mit  Bboü-^ 
0avd'  in  Bojld-mnog  von  ^eodo-  ^  xP^eddavo^  in  parallele 
zu  stellen.  Eine  Jidovri  fuhrt  PB.  an,  Ji-^mnfjg  und 
Ji'q>ikog  haben  ebenfalls  Ji^  für  Jio-  nach  dem  alten 
dativ  Jt.  Also  wäre  Jid-aiftay  ein  mann,  „dem  das  leben 
von  Zeus  gegeben  ist''  vgl.  Evaiiov  :  Auaif  GP.  *  60« 

3143.  Mit  Sq>62Togf  wenn  so  zu  lesen,  kann  man  aq>iqit€t'  %ä 
aq>OQa  divÖQa  und  ag>o((Tdv  Ufiow  Hesych  vergleichen. 

Auch  in  den  hier  überlieferten  namen  lässt  sich  das  rei- 
zende spiel  des  wechseis  von  voll-  und  kosenamen  beobachten. 
So  liegt  neben 


1.  Einige  griechische  naroen.  111 

nolvliiidag  3124  :  jidiiag  8147. 

3140  (Amphiareos  auszug)  Aivinna  :  3130  (Hektors  auszug) 
Ahm  (zu  alvoQ  „schrecklich**  ine  auch  Aivelag). 

3151  wird  ein  pferd  0iQrig  genannt  Der  voUname  dazu  ist 
0€fi''niiog,  so  hiess  der  renner  des  königs  Hieron  von  Sy- 
rakus  nach  Find.  Ol.  I  18. 

„Gekappte"  kosenamen  bieten  3126  und  3127,  beide  mit  der 
darstellung  einer  eberjagd.  Neben  TloXvdioqog  steht  3126 
ein  noXväag^  und  zum  nolwpag  dieser  yase  giebt  die  an- 
dere 3127  den  vollnamen  Ilokvipafios  her. 

Hier  sind  zusammengehörig  zu  denkende  paare  mit  dem- 
selben namen  in  der  voll-  und  koseform  ausgestattet  Ein  ähn- 
liches beispiel  bietet  die  Dias  in  den  namen  der  beiden  Pria- 
mossöhne  ltir$upopog  und  *^Am(pog*  ii  250  nennt  Priamos 
unter  den  ihm  yerbliebenen  söhnen  einen  l4vTiq>ovog;  ein  Pria^ 
mide  ^Arsiqiog  tödtet  J  489  einen  gefährten  des  Odysseus  und 
wird  selbst  A  101 — 109  von  Agamemnon  erlegt.  Auch  in 
historischer  zeit  vertheilt  man  so  voll-  und  kosenamen  auf  ein 
brüderpaar  wie  bei  ''//TTro^xog  und  ^lfvnlag\  ein  erlauchtes  bei- 
spiel im  Deutschen  sind  die  brüder  Karlmann  und  Karl. 
Übrigens  geht  der  name  ldv%i(fovog  wie  *Aif%iipavfig  auf  die 
blutrache  ffwog  dvti  <p6iyov.  Der  name  JaUpovog  auf  korin* 
thischer  vase  3130  ist  an  sich  unbedenklich ,  doch  ist  er  viel- 
leicht, wie  Blass  bemerkt,  für  Jatpoßog  verschrieben. 

J  395  ist  Aito^ovog  der  vater  des  Kadmeers  nolvg>6v' 
tifg^  dem  namen  nach  „der  leibhafte  06vag^\  dieser  persönlich 
gedacht»  wie  Hesiod  in  der  Theogonie  228. 

^Yüfilpag  va  06yovg  %%  Ma^ag  %  ^Avä^xtäalag  %€ 
die  Owoi  unter  den  kindem  der  Eris  aufzählt  (3135  deutet 
Blass  HvcfAijva  auf  Vafiijya;  könnte  nicht  ^Yofiiva  gemeint  sein? 
vgl.  l^fig>itQEta  3119?)  Übrigens  sind  die  namen  Avtotpopig 
und  üoXwpovttjg  ganz  offenbar  nach  Av%6JivKog  und  jivKo^ 
g>6vTfig  gedichtet.  — 

Man  könnte  versucht  sein  auch  die  namen  der  eng  ver- 
bundenen gottheiten  Ai^ala  und  Ja^ia  mit  hinblick  auf 
^Av^iitiftog'  ^SQfi^g  Hesych  aus  einer  wurzel  herzuleiten.  Setzt 
man  für  av|(M  in  Av^&qfiog  den  gewöhnlichen  aorist  av^atu^ 
so  gevrinnt  man  ein  gottesbeiwort  av^aidafu>g^  und  aus  diesem 
würde  durch  kürzung  vom   und   hinten  Av^aia  und  Jofua 


112  A.  Fick 

hervorgehen.  Doch  mag  Jai^la^  lakon.  Jaiwla  auch  wie  Jri^ti 
koseform  zu  JctfiavfjQ  sein. 

Dagegen  sind  die  namen  der  drei  attischen  tbauschwestern 
Aglauros,  Pandrosos  und  Herse  aus  einer  blossen  beschreibung 
des  thaufalk  ^qüij  hervorgegangen.  Man  braucht  nur  die 
namen,  ganz  unpersönlich  gedacht,  in  dieser  folge  zu  lesen,  so 
bedeutet:  dylavQdg  fiavdfoaog  fgot]^  der  form  nach  ein  drei- 
gehobenes verslein  oder  der  schlnss  eines  hexameters,  nichts 
anderes,  als :  „die  bei  heiterer  luft  —  äyhxog  —  ai^  —  alles 
beträufelnde,  —  navÖQoaog  —  bethauung  —  tgarf^.  Wie  wenig 
man  hier  ursprünglich  auf  die  Schaffung  wirklicher  d.  h.  mit 
dem  scheine  der  möglichkeit  ausgestatteter  namen  ausging, 
zeigt  die  beibehaltung  der  endung  -og  in  ^uiyhxv^g  und  Ilav- 
ÖQoaogj  die  doch  einem  richtigen  frauennamen  gar  nicht  zu- 
kommt Wenn  nun  eine  ^ulyXocvQog  auch  als  mutter  der  drei, 
darnach  'AylavQideg  genannten  angegeben  wird,  so  ist  auch 
das  peinlich  richtig,  denn  thaufall  tritt  bekanntlich  nur  bei 
heiterer  luft  ein. 

„Dass  Inachos  und  Ino  zusammengehören,  ergiebt  sich  aus 
der  Hesychglosse:  'hax^ia*  koQtij  ABvno^iag  iw  K^fjtfji^  and 
VycQ^oi;^'  vf.  0.  22,  s.  62,  wo  auch  ^Ivtanog  fluss  auf  Delos 
dazu  gestellt  wurde.  Ursprung  und  bedeutung  dieser  namen 
lässt  sich  durch  einige  Hesychglossen  aufhellen.    Wir  lesen  da: 

Iva  aar  mnaxiai.  xatarthiaai.  xaraßoleiv, 

Ivaaato'  yxnixetv.  htd&ofsp  (purgierte) 

iväa^ai'  hoMvovad-ai.  xal  nQotea&ai. 

ivfjd'Blaa'  wxd'aQ&elaa.  nww&eiaa, 

lvii(4evog'  i^shivf  hixevovfieyog^  tovt  eati  rtfoiifievog 
dq>^  ol  xai  iniqivog  (bei  Hippokrates)  leyevai  und 

Ivwvxar  ^waiv  (?) 

Das  wort  gilt  für  ionisch,  aber  ivdaai  und  ivdatno  be- 
weisen für  sein  vorkommen  auch  ausserhalb  der  las. 

Vergleicht  man  Ivdactvo  mit  idwdaavOj  hnj^elaa  mit  dv^ 
rq&eiaay  so  kann  man  kaum  zweifeln,  dass  hier  wie  in  dvpctfiai 
die  Verallgemeinerung  eines  alten  präsens  auf  -yä,  -yä  vorliegt. 
So  führt  uns  das  aktiv  iydaai  auf  ein  altes  präsens  tvä-fii  : 
ipä-fUTj  und  dieses  deckt  sich  mit  dem  ved.  ünd4i  iäruU  zu 
tif-,  dessen  bedeutung  „in  rasche  bew^;ung  setzen,  werfen, 
(wafiidn)  schleudern,  wirbeln  machen,  entsenden;  intrs.  eilen'' 
mit  der  glossierung  von  Iva-  y^iunaßaleiVf  TV^tea&ai**  u.  s.  w. 


1.  Einige  griechische  namen.  11$ 

sehr  wohl  stimmt.    Wie  sich  hieraus  die  bedeutung  „ausleeren 
d.  i.  purgieren*'  entwickelt,  zeigen  die  glossen. 

Hiernach  lässt  sich  der  alte  flussname  ^'Ivaxog  genügend 
deuten,  -xog  steht  nach  altbeliebter  kürzung  für  -^o/og^  -%ovg 
„aufschüttung,  schutf'  u.  s.  w.  ähnlich  wie  in  ndlv-ßog^  ßotj^ 
d'Sgy  xuiAOQi^j  JoQtMfoog  für  ßovg,  -^ofag,  -90/0$,  -aaofog^ 
und  wird  der  bei  starkem  gefalle  jedenfalls  viel  scbotter  und 
Schlamm  absetzende  bach  sehr  passend  als  xovv  Tunaxifov 
oder  Tunaßakhav  benannt  %ovg  erkenne  ich  jetzt  auch  in 
nir^axogy  namen  einer  felsparthie  bei  Ghaironeia,  vgl.  nizigtfjiai 
nqpyfinriiai  im  hom.  hymn.  Apoll.  383,  also  eine  steinschüttung, 
eine  vermuhrung,  wie  man  in  Tirol  sagt.  Xovg  erscheint  auch 
in  2lf6Ta-xoiov  kastell  Böotiens,  dagegen  gilt  der  name  des 
kyprischen  flusses  Smqa%ag  oder  2i%Qa%og  für  semitisch.  Mit 
der  Verwendung  von  ha^  in  der  Zusammensetzung  vergleiche 
man  die  von  da/uy«-  in  JafiPO'fAevevg  ^  Jaiiv^ayo^ag^  JafAV* 
i/r/rog,  Ilokv^fiva  und  mit  der  koseform  'Ini  den  sagennamen 

Das  so  erschlossene  verb  vvijfÄi,  XväfAev  ist  vielleicht  auch 
in  der  von  mir  0.  25  s.  227  f.  behandelten  amorgischen  in- 
schrift  zu  erkennen.  Hier  glaubte  ich  das  hinter  avßcmHv 
überlieferte  evivafisv  in  tvinaptev  s=  i^viKafiev  ändern  zu  müssen; 
liest  man  h-lvafiev  als  imperfekt  von  Xyrjfii  mit  ^-,  so  würde 
ein  iveßaXlo/^ep  vgl.  ivaaat  -  xavaßakeiv,  icavaxiav  wohl  passen ; 
doch  kennen  wir  den  gebrauch  des  verbs  nicht  aus  Ißbendigen 
beispielen  sondern  nur  aus  den  nicht  allzuklaren  glossemen  bei 
Hesych.  Wie  steht  es  mit  iaveTQ  Thera  4790  d?  Die  basis 
von  iva-y  äol.  iwa-  aus  thva^  ist  iha-  in  iaivw^  IdofUUy  la-^fcg 
d.  i.  iha-^g,  sskr.  tü-  in  üi4d^  iäi^rd,  wie  da/xa-  die  basis  von 
dafiva-  ist. 

Die  zweite  von  mir  a.  a.  0.  behandelte  inschrift  von  Amor- 
gos  wird  wohl  besser  gelesen:  ^'E^aaig'  (ab  ea^ove  ^Enafieivan^ 
d.  i.  (Ich  bin)  Erasis,  mich  —  Epameinon,  mag  man  das  verb 
auffassen,  wie  man  will.  Der  name  ^'EQooig  ist  jetzt  auch  sonst 
belegt:  Smlg.  3933  Rhodos  heisst  es  ^EQaTonf  ^Efdaiog  Ke- 
dQSihag;  auf  Thera  findet  sich  der  name  CGI.  3  n.  335. 


BMtrife  I.  kui4a  d.  indg.  spiMheii.  XXVI.  8 


114  A.  Fick 


2.   aoq>6gj  iniaaog>og, 

Prellwitz  hat  im  etymologischen  Wörterbuch  8.294  f.  die 
erklärung  von  aoipdg  wiedergegeben,  die  Osthoff  (Paul  u.  Braune's 
beitrage  XIII,  423)  geliefert  hat.  Er  hat  sie  dann  aber  mit 
recht  aufgegeben  und  o.  XXII,  s.  86  versucht,  die  alte  Zu- 
sammenstellung von  aoüfoq  mit  oaqri^  zu  rechtfertigen.  Auf 
einen  andern  weg  der  erklärung  aber  weist  die  Zusammen- 
setzung inLaaoq>oq ,  die  im  testament  der  Epikteta  z.  199  f. 
mehremale  als  titel  eines  beamten,  og  %ig  dvaei  zag  d'vaiag  vor- 
kommt. Hierzu  bemerkt  Blass  in  seiner  bearbeitung  der  in- 
schrifben  von  Thera  Sammlung  4706:  jyi7tiaa(Hpog  nur  hier  vgl. 
für  die  bildung  irtiaxoTtog,  eq>OQog;  der  zweite  theil  muss  den 
verbalstamm,  von  dem  auch  aoq>6g  kommt,  enthalten".  Dieser 
verbalstamm  wird  nach  iftlvQOTfog  :  T^ine^-j  qtOQog  :  q>iQ€  — 
doch  nur  a€g>e  —  oder  vielmehr  nach  €m-aaoq>og  ursprünglich 
aa€<pe-  gelautet  haben.  Nun  ist  zwar  ein  stamm  a€g>€'  nicht 
nachzuweisen,  aber  der  anlaut  a  (aa)  kann  im  Griechischen 
aus  einem  anderen  volleren  hervorgegangen  sein  und  noch  mit 
diesem  abwechseln.  In  einigen  fallen  liegt  so  neben  a  ein  an- 
lautendes xff.  Zum  beispiel  in 
adydag'  ßldog  (ävqov  rj  tpdydag  Hesych,   auch  xfßayddv;    die 

salbe,  von  den  komikern  erwähnt,  kam  aus  Aegypten ;  auch 

das  wort?    Es  liesse  sich  deuten  als  ipayda  verwendet  vgl. 

tpcmjav    und    \pa%%riQ  :  %prj%%Qa    bei   Hesych    von   tfßtjxo», 

aaia%6g*  ilaia  d'Xaati}  Hesych  vgl.  tpaiOTOv  Aristoph.  Plut 
138,  wozu  die  erklärung  bei  Hesych  xpataTa  :  ahpita 
ilal(üi  öedevfAeva^  beides  zu  xpaiOTog  zerrieben  me  rpaiafia 
und  tpälfia  zu  ipaiaaadixi^  xpaUad-ai  und  dies  zu  ^ffijv  d.  i. 

aa&Qog  gut  attisch,  auch  bei  Pindar  und  Herodot:  neben  t^a- 
d'aga'  &id-Xaa%ay  aad^qa^  ^Q^j  da&ev^,  tpa&vfd  und  t^cr- 
d'ea'  xfßwfAia;  tpad'oXleiv'  nvij&eip  Hesych  und  weiter  noch 
die  glossen  tptod'iov'  vb  irtoxarto  %ov  afvov  und  xpia&ux 
(aus  Pherekrates)  %ä  %ov  aQvov  aTCod'QavafiaTa.  Zu  gründe 
liegt  eine  Weiterbildung  von  xlßijv  (tlnj^&e-)  t^a%^e-,  tpw&e. 
Neben  tpddvg  \\eg^  tpad-v-  in  xfßadv-Qog.  xprj^w  zu  ^^-y 
x^faiio  wie  xv^-d^w  zu  nvijv  xvaiü). 


2.    aoqxig^  inUaaoquq.  115 

aaXayel'  TaQdaaei^  aala^ai'  nunankvaai^mv^aaif  aalaxd^iv 
aeiox^iy  und  \p€xhiaaai  bei  Aristoph.  Lys.  84,  und  so  auch 
aaXog,  aaksvw  zu  xffdkXw?  Tgl.  rpaklg  —  nal  %a%eux  nivfjaig 
Hesych. 

aalvyd'  17  (fvrex^g  xivrjaigf  wozu  schon  W.  Schmidt  ipalig  ver- 
gleicht und  aakvyijv'  t^v  ysvofiimjv  idvfjaiv  ex  v^g  xara- 
q>OQag  zov  aTgdiivov  ovto}  nakeiad-ai  apaai  und  ipakvywv 
ivTOi  yßdkvyag  Tag  keyofievag  tlwxdg  (motten,  Schmetter- 
linge) a(Aev¥Ov  xai  Tovg  da&evelg  Oftiv^rJQag  Hesych,  von 
ihrer  zuckenden,  vibrirenden  bewegung. 

Sanqxu  neben  VangnOf  wie  die  dichterin  sich  selbst  nannte, 
Snxqxav  Kyrene  sammig.  4833,  Vatpig,  Vatpidai  attischer 
demos;  dazu  auch  Vonpig, 

adgiv  OQviov  ßlöogy  ofioiov  tpdQtai  (lies  yjaQi?)  vgl.  rpdQig' 
üdog  vatogf  TQiijgavg  von  tpaiQio.  Ist  aat^oi  ursprünglich 
identisch  mit  tpaiQw? 

oavxQog^  aavyLQonodeg  =  tpavTCQogy  \pavx((6noda  bei  Anti* 
machos. 

aaxvov  da&evig,  xavvov  „zerrieben,  zerreiblich^'  zu  tpOKvdv 
v^v  \l)(a%%riv  fiä^av^  tpcmvtJQ  :  xpi^urga  zu  V'^xai  :  ipfjixia. 

aelfp'a*  axotia'  Kg^Teg  üe&jch  zu  tlßiq>ag,  doch  ist  das  ci  be- 
fremdlich, etwa  sekundäre  dehnung  des  nominativ  ae(p? 

aekXi^ead'ai'  xpeXkit^ad^ai  Hesych  von  tpeXXog  stammelnd. 

aiäyoveg  kinnbacken  wohl  sicher  zu  xffiw^  tplaaiy  xpirjvat^ 
xpifjoar  tfftDfÄiaai,    Parallel  gebildet  ist  d-iayoveg, 

aivdg  abfallende  frucht,  offenbar  ==  tpivdg  und  dies  von 
q>9ivdg  nicht  zu  trennen,  ebensowenig  wie  aivofiaij  xpivo- 
fiai  und  fpQ'ivu},  vgl.  xpiaig'  aitüileia  Hesych  =  q>d'ioig, 

ai%%a  hirtenruf  bei  Theokrit  wird  auch  als  i^ctra  ange- 
geben. 

a  IT  Tag'  OQVig  noiog'  tvioi  de  tov  ipiTTOnov  kiyovaiv  Hesych 
vgl.  aiTTaxij^  OiTTaxog  »  tpiTTaxTj^  \f)iTTa%6g  Papagei . 
(Wohl  fremdwort). 

aoid'ijg  xfßi^VQog'  dila^cJy'  didßokog  und  tpoidtjg  el'  dka^tHv 
(^uäTTixoi'  XdXog'  orwfAvkog). 

awxia  bei  Herodot  in  xara-oüix^  zerreiben  aus  tlßdxfo  zu  V%^ 

Anderes  ist  unsicher  wie  z.  b.  aiTog  zu  xlßlaai  vgl.  xpiTTva' 
yßfafiia.  ^^TTiXoi. 

8* 


116  A.  Pick 

An  diese  reihe  schliesst  sich  aotpo^  ereioaoipog  an,  wenn 
man  es  als  abgelautet  aus  dem  verb  tpigm  betrachtet.  Die  be- 
tonung  von  aoq>6g  ist  regelrecht,  wie  in  T0fi6g  schneidend  neben 
tofiog  schnitt.  Das  verb  tpig>a}  ist  als  solches  nur  bei  Hesych 
überliefert:  tpiq>w  didoixev^  iv%qin€i^  Ivrcei,  ip^ovrl^ei.  Die 
bedeutung  „bedenken,  sich  kümmem'V  tritt  deutlicher  hervor  in 
der  ableitung  dtpeq^g'  ätpqovxtaxov.  2<Hpoyd^g  (Daidgai  und 
atpeq>i€av'  dfÄelcSy  bei  Hesych»  sowie  in  ^^fiescnpiq>ew  fisra- 
lukeiad'ai,  und  fievatpigna^  fieraßovlevQfiai.  Darnach  wäre  der 
iniaaoq>og  ein  iTtifiakfjjnjg  von  opfern,  jedenfalls  passend  be- 
nannt 

^Axpiqjfvig  heisst  ein  Athener  guter  zeit,  ein  anderer  '^^e- 
q>iiav.  Der  name  gehört  zu  den  gewagten,  pikanten,  die  wie 
KdkXaiaxQog  auf  der  grenzscheide  zwischen  lob  und  tadel 
stehen.  Sorglos  sein  kann  schaden  bringen,  aber  wer  als 
OvTiaXiywv  Hans  Ohnsorge  durchs  leben  geht,  ist  mit  innerer 
gemüthsruhe  gesegnet,  die  allen  schaden  reichlich  aufwiegt. 

ao<p6g  ist  bekanntlich  dem  epos  ganz  fremd,  aoq>ia  kommt 
nur  einmal  O  412  vor  in  der  arbeit  des  erbreiterers,  der  weit 
umhergeworfen,  auch  sonst  allerlei  dialektisches  in  seinen  Wort- 
schatz aufgenommen  hat.  Jedenfalls  stammt  das  wort  auch 
aus  einer  mundart,  vielleicht  aus  dem  Attisch-Ionischen.  Uebri- 
gens  lässt  sich  auch  nicht  behaupten,  dass  aao<p6g  aus  xpoq)6g 
entstanden  sei,  es  kann  in  xlji<pw  und  aaog>6g  eine  verschie- 
dene behandlung  des  ans  noch  unbekannten  ursprünglichen, 
vorgriechischen  anlauts  vorliegen,  wie  in  d-eivu):  7t€g>veiv^ 
atikkio  :  GTtoXdgj  atrjQi^ofdai  :  aurj^iTtTU}  u.  a.  Hierüber  wird 
erst  eine  eingehende  Untersuchung  der  griechischen  anlaute  a 
und  xff  licht  verschaffen  können. 


3.   Zur  thessalischen  mundart 

Bei  Kupritzi  2  stunden  von  Sophades,  dem  alten  Kierion 
ist  eine  bronze  aufgefunden,  deren  schrift  in  den  MDA.  21, 
s.  248  veröffentlicht  und  von  R.  Meister  in  den  berichten  der 
K.  Sachs,  ges.  d.  w.  1896  s.  252  f.  einer  eingehenden  bespre- 
chung  unterzogen  worden  ist  Mit  recht  bemerkt  derselbe,  dass 
sie  „an  die  spitze  aller  thessalischen  inschriften  zu  stellen"  sei. 
Der  schrift  nach  stammt  sie  noch  aus  dem  5.  jahrh.  v.  Chr^ 


3.    Zur  thessalischen  mundart.  117 

die  6-  und  o-laute  sind  nicht  geschieden,  der  hauch  wird  he« 
zeichnet,  und  das  digamma  hat  die  auch  sonst  in  Thessalien 
übliche  form  des  E  ohne  mittelstrich.  Sie  lautet,  in  cursiv- 
Schrift  wiedergegeben: 

eahvloQeovTog  g>ii.ovniohvioa 
&ST0V10I,  edoxcev  ooxaiqoi  tom 
oqtvd'ioi  wxvzoi  xai  yeveLxavJ^ 
oixi<naiaxai  x^Bfiaaiv  aavkia 
5  vnareleiav  xev/Qyezave 
noieaav  nevrayainey  aray 
laiairia  'tavtanoQßaivoi/to 
vtayov  %ov  Bnearanowae 

10  aqyvqta  teaßelqHxioartoX 

OfÄßva  eaoae  (in  klein,  schrift)  OQearaoq>€Q&iQav 

Die  inschrift  ist  bis  auf  die  letzten  buchstaben  tadellos  er- 
halten und,  von  dem  fehlen  aller  interpunktioD  abgesehn,  gut 
geschrieben,  nur  z.  5  steht,  veranlasst  durch  die  ähnlichkeit 
von  E  (digamma)  und  E  ev/Qyercnf  statt  9v/€QysvaK 

Wir  lernen  viel  für  den  älteren  thessalischen  dialekt  aus 
diesen  wenigen  zeilen.  Die  meisten  punkte  hat  Meister  schon 
a.  a.  o.  hervorgehoben. 

Z.  1  hvXoQiovTog  beweist,  dass  die  alte  gemeingriechische 
flexion  der  verba  auf  eto  auch  bei  den  Thessalem  ursprünglich 
brauchlich  war  und  erst  später  allmählig  durch  die  jue- weise 
verdrängt  ist;  bisher  war  nur  diereXel  bekannt,  präsens,  wie 
Prellwitz  dial.  thess.  s.  5  richtig  gesehen  hat,  aus  dii  —  dia 
und  reXel  «-  tbUbi.  Hiemach  behandelten  die  altem  Thessaler 
diese  verba  ganz  wie  Homer:  eo  blieb  offen,  ee  wurde  contra- 
hiert,  und  die  fit -weise  drang  ein  wie  im  homer.  g>o^fievai. 
Auch  die  äolische  weise  in  no^to  ddmijei  ist  jetzt  bei  den 
Thessalem  zu  belegen:  in  der  inschrift  von  Larisa  im  Bull. 
Corr.  Hell.  13,  378  von  Fougeres  herausgegeben,  geben  die 
Larissäer  einem  manne  xaTomeiowd'i  h  ^(oQiaa)  das  bürger- 
recht,  wozu  Hoffmann  Dial.  2  n.  17  richtig  bemerkt:  „xcrroiXfii- 
ow^i  ist  B  xctToixijovTi^\  Ob  das  ov  =  to  aus  dem  nominativ 
nach  der  jetzt  so  beliebten  erklämngsweise  „verschleppt'S  oder 
ob  dem  steinmotzen  die  zweifellos  damals  schon  herrschende 
vulgärform  Hotoixovwv  in  den  sinn  gekommen,  ist  hier  ja  gleich- 


118  A.  Fick 

gültig.  ^^jua(7iy  z.  4  ist  das  erste  beispiel  der  alten  kürzern 
dativform  der  consonantischen  stamme,  vorher  kannten  wir  nur 
thessalisch  -eaai.  Also  auch  ursprünglich  -at  und  -eaai  neben 
einander  wie  bei  Homer.  Fast  noch  wichtiger  ist  das  ange- 
hängte V  vor  Yocal  in  xQ^f^^^^'^  äavkiav.  Früher  galt  das 
fehlen  des  v  ifpeXx,  als  eine  hauptdifferenz  zwischen  den  Äolem 
und  der  spräche  des  epos.  Äusserst  interessant  ist  iS^ccponnadfjv ! 
Die  vollere  form  i§  neben  ig  BE)iq>al(o  z.  10  stimmt  zu  der 
regel,  die  Blas s  auch  für  i§  und  €x-  aufgestellt  hat;  der  mangel 
des  nasals  findet  sich  auch  in  avanalov  ,yZuchthaus,  arbeitshaus'' 
„von  Suidas  aus  Isaios  angeführt,  wo  jetzt  dvayxäiov  herge- 
stellt (!)  ist^'  Passow  u.  d.  w.,  doch  wird  es  auch  durch  den 
namen  des  attischen  demos  ^AvccKoia  verbürgt.  Endlich  wird 
durch  d,  wohl  als  öd  zu  denken,  wie  im  Boot,  und  Lakonischen 
eine  besonderheit  in  der  ausspräche  des  ^  bezeichnet  wie  im 
Aeolischen  durch  ad.  Zu  iftearanovra  mit  seiner  einbusse  der 
reduplication  genügt  es  auf  Meister  zu  verweisen. 

Die  ersten  beiden  zeilen  sind  sachlich  sehr  schwierig.  Der 
gebrauch  von  ig  =  i^  vor  der  amtsbezeichnung  ist  befremdlich 
—  sollte  ^g  „es  war''  zu  lesen  sein?  Und  wer  sind  die  aus- 
steller  der  Urkunde?  Wie  es  scheint,  die  Gsrarvioi,  aber  schwer- 
lich wird  man  eine  grössere  gemeinde  dieses  namens  in  Thes- 
salien auffinden.  Ausserdem  steht  dann  hviog,  der  homerische 
genetiv,  hier  zuerst  in  lebendiger  spräche  erscheinend,  ohne 
nähere  bestimmung  da:  der  Hylore  kann  doch  nicht  bloss  als 
söhn  des  Philonikos  bezeichnet  sein.  Auch  der  Anklang  von 
hviog  d-eroviOL  an  vlog  d'srog  hilft  nicht  weiter,  denn  die  hviog 
d-sTwviai  als  einen  magistrat  zur  vornähme  von  adoptionen  zu 
nehmen  wäre  doch  gar  zu  abenteuerlich. 

Vielleicht  hing  unsere  platte  mit  einer  grösseren  reihe  Ur- 
kunden zusammen,  deren  erste  die  ausstellende  bürgerschaft 
nannte,  deren  name  dann  in  den  folgenden  als  selbstverständlich 
weggelassen  wurde?  Da  die  Urkunde  vollständig  zu  sein  scheint 
darf  man  in  den  ersten  buchstaben  eg  schwerlich  die  KuQi^eg 
suchen?  —  Was  ist  hvlog  QBxiavioi?  Ich  sehe  in  dem  zweiten 
werte  den  thessalischen  genetiv  auf  -oi  und  betone  demnach 
GsTtavioi.  Zwar  lautet  der  genetiv  daneben,  wie  auch  sonst  in 
der  Thessaliotis  auf  -w  in  OiloviTtWj  BeXtpalw^  aber  es  giebt 
auch  sonst  spuren,  dass  beide  formen  neben  einander  gebraucht 
wurden.    So  liest  man  in  einer  Inschrift,  die  „vennuthlich  dem 


3.   Zur  thes8aliscben  inundart.  119 

alten  Gyrton  zuzuweisen''  ist,  sammlg.  1328  neben  KaXUnnoi 
Bovßioweloi  in  der  nächsten  zeile  Oildygov  Meveazaioi,  wozu 
ich  vor  15  jähren  bemerkte  yyOi)idy(f(w  ist  schwerlich  aus  (Dt- 
IdyQoi  verschrieben,  sondern  die  genetive  auf  ta  lagen  wohl  ur- 
sprünglich neben  denen  auf  ot,  wie  bei  Homer  ov  neben  oio^\ 
Ein  zweites  beispiel  führt  Prellwitz  s.  37  aus  Phalanna 
Sammlg.  1329  II  a  15  an  in  &Qaavlaog  Sipivlov,  wo  ich  beide 
namen  getrennt  und  Sifivkov  als  dativ  gefasst  hatte,  aber  da  die 
namen  dieser  inschrift  durchweg  den  vatemamen  neben  sich 
haben,  sehe  ich  jetzt  mit  Prellwitz  in  2ifivkov  den  genetiv 
und  stimme  aus  demselben  gründe  Hoffmann  bei,  wenn  er 
Gr.  dial.  2,  s.  13—14  auch  TriUq>ov  in  Toifovla  TrjUq)ov  der- 
selben inschrift  als  genetiv  fasst. 

Ein  weiteres  beispiel  hätten  wir  in  unserer  Urkunde:  OiXo- 
viyuo  hviog  Qerfovioi  würde  demnach  heissen:  Ph.  des  sohnes 
von  Theton'*  ganz  nach  homerischer  weise  wie  in  KaTtcnnfCog 
viog^  NtiXfitfüi  t;Ii,  üoiavTiov  vlov.  Alterthümlich  und  ganz 
homerisch  wäre  dann  auch  die  ableitung  mit  -m>^,  wofür  in 
Thessalien  sonst  -ewg  üblich  geworden,  also  hviog  Gevtavioi  wie 
Telafioiviov  viov,  Qiiiov  wäre  richtiger  kurzname  zu  Ev-^^Bzog 
altkorinthisch,  sammlg.  3119  a.  ^E/d'ezog  geschrieben,  (Ev^a- 
%iwv  Kvda9tivaiBvg  Demosth.  1350)  GP  *  s.  145.  Sonach  möchte 
ich  die  datierung  der  inschrift  lesen:  hvktDQiovrog  OiXovixw 
Qevwvioi  edamav  nämlich  die  aussteller  der  dieser  vorhergehen- 
den und  angehefteten  Urkunden. 

Der  annähme  einer  mischung  von  cd  und  oi  ist  auch  die 
läge  von  Kierion  nicht  ungünstig:  zwar  noch  zur  Thessaliotis 
gehörig,  wo  ta  allein  herrscht,  grenzt  es  doch  an  die  Hestiaiotis, 
insbesondere  an  Matropolis,  wo  man  mit  oi  bildete,  wenigstens 
nach  AiovTog  Üctvoavialoi  MoTQOTtoXlta  sammlg.  361  6  zu 
urtheilen.  Auch  später  zeigt  Eierion  in  seiner  spräche  spuren 
fremder  einwirkung.  Eine  jüngere  inschrift  von  Kierion  publi- 
dert  von  Fougeres  im  Bull.  G.  H.  13,  400  f.  —  Hoff  mann 
no.  63,  weist  dative  auf  oi  und  av  auf:  MdaQxoi  Aiv^iov  üeQ- 
Ttewai  Pövfiaioiy  MaaQ/KOi  Fatov  üotilXioi  u.  a.  Ohne  zweifei 
ist  hier  nordgriechischer  einfluss  von  Epeiros  und  Aetolien  her 
zu  erkennen,  wo  bekanntlich  die  locative  auf  oi  und  at  die 
alten  dative  auf  oit  und  äi  fast  verdrängt  hatten.  Sogar  der 
name  der  Stadt  hat  sich  geändert:  der  zuverlässige  Fougeres 
liest  iy  KiaQ^Loi)^  während  die  münzen  nur  KuQisiutv  zeigen. 


120  A.  Fick 

Mionnet  III  281.  Die  inschrift  stammt  aus  der  zeit  des  nach 
der  Schlacht  bei  Kynoskephalai  errichteten  jüngeren  Thessaler- 
bundes.  Daranf  weist  die  datierung  der  Urkunde:  (STQ(XTay)ev' 
Tog  tovv  nwd-akovv  nBiaadrd(QOv) ,  wodurch  Prellwitz  er- 
gänzung  von  sammig.  361  ne(r&alovv)  statt  des  früher  ge- 
lesenen ne(Xaayiotrfdovp)  als  richtig  erwiesen  ist. 

In  ^Ooiatao  OBQeKQ(XT(el(o)  am  Schlüsse  der  Urkunde  ist 
das  erste  beispiel  des  alten  volleren  ausgangs  des  genetivs  der 
männlichen  a-stämme  als  thessalisch  überliefert,  wiederum  ganz 
homerisch,  wo  a  40  'Oqiaxao,  also  derselbe  name  im  genetiv 
vorkommt.  Diese  alte  und  jetzt  auch  als  altthessalisch  erwie- 
sene form  ist  auch  in  der  alten,  von  Kirchhoff  Hermes  XX 
155 — 157  behandelten  grabschrift  einzusetzen,  die  auch  sonst 
sehr  unglücklich  auf  den  stein  gekommen  ist.  Hier  ist  statt 
nvQ(if)iada  hög  ov%  %%h.  offenbar  ursprünglich  IIvQQiddao,  kög 
beabsichtigt  gewesen  und  der  zweite  vers  durch  einfugung  eines 
zwecklos  übertreibenden  noXlov  und  augmentiemng  von  dme 
ganz  verdorben.  Der  Verfasser  der  ganz  hübschen  verse  hat 
geschrieben  und  so  müssen  wir  sie  lesen: 

Mväfi    ifil  IlvQQiddao^   hog   om  rjrtiaTazo  qfBvyfjv, 
aXH  av&e  Tteq  yag  %agff  dqioxBViov  &dve. 

Ähnlich  ist  die  inschrift  eines  grabsteins  von  Arkesine  auf 
Amorgos,  sei  es  durch  den  Steinmetzen  oder  durch  eine  unge- 
schickte mittelperson  gröblich  entstellt  Die  sehr  alte  inschrift 
lautet: 

dtjfÄavveTijaefiifiv  \  rjfiaTrjakafi^ayoQ  \  eta 

Sobald  man  hier  die  beiden  Wörter  eifii  und  fiv^fia  um- 
stellt, ihnen  also  dieselbe  Stellung  giebt,  die  sie  in  fiva^^  ifil 
der  Pyrrhiadasinschrift  einnehmen,  entsteht  der  tadellose  und 
zweifellos  vom  Verfasser  beabsichtigte  trimeter: 

Jtlfiaivhfig  ixvffi   Ufju  %fig  ^afÄifjayÖQeu) 

nur  mit  der  freiheit,  den  altionischen  diphthong  sw  dem  me- 
trum  zu  lieb  in  zwei  silben  aufzulösen.  Man  hüte^^ich  hierin 
eine  alterthümlichkeit  zu  wittern :  die  Nikandreinschrift  beweist, 
dass  die  ionische  Vertretung  des  urgriechischen  do  schon  diph- 
thong war,  als  sie  noch  rjo  lautete.  E.  Hoff  mann  meint 
freilich  zu  191,  in  *Ex€%qa%ldeu)  (piXog  vog  (Amorgos)  sei  sta 
synizese  von  €ai  wie  in  d-mv  aus  ^6cJv.  Vielmehr  umgekehrt: 
wo  -«ctf,  -ficuy  in  ionischen  genetiven  zweisilbig  misst»  ist  diese 


3.    Zur  thessalischen  mundart.  121 

messung  streng  genommen  wider  den  dialekt,   und  nur  durch 
den  verszwang  entschuldigt. 

Durch  blosse  Umstellung  eines  wortes  werden  auch  die 
verse  der  grabschrift  von  Erythrai  E.  Hoffm.  n.  61  geheilt. 
Wie  H.  Röhl  sah,  ist  das  wort  fi^ttiQ  aus  dem  ersten  verse 
zu  entfernen  und  in  dem  zweiten  hinter  OapangiTf]  einzusetzen; 
so  entsteht  das  metrisch  richtige  bruchstück  eines  distichons 
—  uu— ui-r_  rode  aijfi  eTtid'fpia  S'avovtL 
ÜHxvoycQiTfj  (itJJTfiQ  ftaidi  xaqit/opihnri. 

Ob  auch  0avvoxQh7j  zu  schreiben  wäre?  Das  namenwort 
0avO'  in  Erythrai  beliebt  (Wavotifiog  Bechtel  U.  206)  wird 
in  dkxppod-ifiig  immer  w  geschrieben  vgl.  Hffm.  Dial.  2,  Ö82. 

Zuweilen  scheint  die  fassung  von  versen  auf  den  steinen 
die  metrische  lesung  geradezu  absichtlich  erschweren  zu  wollen. 
So  war  der  vers  E.  Hoffm.  268. 

Jioyivr^  avi&fjKev  udtaxpi'Ovhvvg  Ksg^xk^og 
für  die  lesung  bequemer  geschrieben: 

Jioyivijg  dvi^x  ^^ia%iXkjov  kvvg  K&pakijog 
'vXkog  und  -vXog  können  unbedenklich  als  gleichwerthige  kose- 
formen  mit  einander  wechseln. 

Ebenso  liest  sich  die  inschrift  E.  Hffm.  39 

'lariaievg  fx   ave^xev  KdlXtavog  vTteQ  •  <pll*  "uiTtoXkov 
wenn  man  schreibt 

^lOTiaevg  [i  ävidtjxe  KdXatvog  vrtSQ'  (pil*  ^*Aft. 
freilich   kann  man  sich  für  "^lariauvg  auf  die  messung  B  Ö37 
TtoXvatdqrvhiv  d^  laxiaiav  berufen,    doch   sprach    man  zu  der 
zeit  der  abfassung,  um  200  v.  Chr.  sicherlich  ^lauaeijg. 

Endlich  stört  in  E.  Hffm.  91  die  volle  form  yvtavoiavv  ganz 
zwecklos  den  vers,  der  vielmehr  y^anoig  verlangt: 
^Egarjigy  yvanolg  rcaai  Xinovaa  Tto&ov. 

In  fällen  dieser  art  ist  man  ebenso  berechtigt  den  stein 
wie  den  codex  zu  corrigieren,  hier  wie  dort  ist  das  alte  und 
ächte  wiederherzustellen.  Anders  freilich,  wo  die  eigennamen 
sich  gegen  den  verszwang  sträuben  oder  offenbare  Unfähigkeit 
auf  dem  steine  stammelt.  — 

Der  Überschrift  zu  lieb  möge  eine  bemerkung  zu  thessali- 
sehen  namen  den  schluss  dieser  Thessalica  bilden.  0.  Hoffm. 
*  8.  474  sagt :  „In  einigen  thessalischen  kurznamen  ist  a  regel- 
recht verdoppelt  worden'^  Es  folgen  diese  namen:  Mvaaaag 
aus   Kierion,    die   übrigen   fünf  ^Ayaaaag   ^Aaaag  '^fieiaaag 


122  A.  Fick 

Nixaaaag  und  Iletaaag,  sämmtlich  aus  Pharsalos.  Ich  glaube, 
dass  hier  nicht  die  in  kosenamen  allerdings  übliche  nnd  be- 
rechtigte Verdoppelung  vorliegt.  Diese  wäre  hinter  langen  vo- 
calen  und  diphthongen  in  Mvdaaag  Nvmaaag  *u4f4eiaaag  be- 
fremdlich, auch  kämen  wir  damit  auf  lauter  namen,  wie 
Mväaag  u.  s.  w.,  die  sonst  kaum  zu  belegen  sind.  Vielmehr 
ist  -aaag  hier  die  bis  jetzt  auf  Pharsalos  und  Kierion  be- 
schränkte Umgestaltung  der  ganz  gewönlichen  namen  auf  -olag^ 
worin  ai  in  -aj  und  weiter  in  -aa  sich  verwandelt  hat,  wie 
äolisch  xqvaaog  aus  XQ^^jos^  XQ^^f'^S-  ^ür  diese  erklärung 
spricht  der  umstand,  dass  in  Pharsalos  und  Kierion  die  sonst 
doch  so  beliebten  namen  auf  -alag  gar  nicht  neben  denen  auf 
-^aag  vorkommen;  die  einzige  ausnähme  macht  Sovaiag  in  col.  4 
der  grossen  inschrift  von  Pharsalos  n.  326  unter  den  letzten 
ohne  vaternamen  aufgeführten,  vielleicht  gewesenen  sklaven: 
2(oaiag  ist  bekanntlich  ein  häufiger  sklavenname.  Dagegen 
finden  wir  in  Larissa  1321  das  patronym  ^AyBiaiaiog  und  unter 
den  Krannoniem  des  Verzeichnisses  in  345  zweimal -den  namen 
u4vaiag.  Femer  erklärt  sich  bei  unserer  annähme,  dass  in 
Pharsalos  das  a  der  kosenamen  vor  o  und  io  (ov)  nicht  ver- 
doppelt wird.  Wir  lesen  in  n.  326:  Avaog  2,9.  ^'Ovaaog  3,i.  — 
^u^Qxeaow  4,25.  '^oovyeiog  2,34.  ^vaovveiog  2,2.  Mvaaov- 
veiog  3,48 — so.    Ilavaovv  1,36.  3,44  und  Xqaiaovv  3,4i. 

Ein  weiterer  beweis  für  unsere  annähme  liegt  in  dem  namen 
*^fielaaag.  Dieser  gehört  offenbar  zu  afABtxpaa&ai^  in  namen 
bis  jetzt  nur  in  * u^fietiplag  ohne  erhaltenen  voUnamen  belegt; 
von  demselben  verb  ist  der  ebenfalls  für  Pharsalos  326,  3,  5 
bezeugte  name  ^^fioißag  abgeleitet  Nun  würde  ein  '^fieiipag 
nach  syqaxpE  345,8,  oir/QaxpEiv  345, 21,  oyyqdrpavrag  345,44  zu 
urtheilen  sein  xp  im  Thessalischen  bewahrt  haben,  aber  aus 
^AfAEtxptag^  "ipjag^  -ipaag  d.  i.  -naaag  konnte,  ja  müsse  viel- 
leicht -naag  werden. 

Sonach  setze  ich  'Ayaaaag^  ^u^fdeiaaag,  ^Aaoag^  Mvaoaag^ 
Nixaaaag^  Ylsiaoag  der  reihe  nach  den  wohlbezeugten  und 
meistens  häufigen  namen  ^^yaaiag,  ^u^fisiipiagf  'uäalag  (ion. 
^  Aairjg)  Mvaalag^  Nixaaiag^  Tleiaiag  gleich,  woraus  ich  sie 
durch  akzentänderung  entstehen  lasse.  Wahrscheinlich  ist  der 
ton  zurückgezogen :  in  ^atäg  würde  sich  das  t  behauptet  haben, 
das  nur  bei  vorhergehendem  ton  sich  in  j  verwandelt  So  fände 
sich  denn  auch  bei  den  Thessalern  eine  spur  von  jener  baryto- 


4.    Oxxniag  köuig  von  Kyme.  123 

nierung,   die  von  den  Aeolem  Eleinasiens  jeden&Us  schon  im 
4.  Jahrhundert  so  consequent  dnrchgefuhrt  worden  ist. 


4.    Ovaviag  könig  von  Kyme. 

In  den  auszügen  aus  den  historien  des  Nikolaos  von  Da- 
maskos  (Müller  frg.  hist.  Graec.  III)  findet  sich  ein  bericht 
über  die  gründung  von  Phokaia,  der  mir  nicht  nach  gebühr 
beachtet  zu  sein  scheint.  Es  heisst  dort  a.  a.  o.  p.  387 
no.  53: 

*'Oti  ^lüfveg  iv  twi  rtQog  ^  Ogxofieviovg  nokifitoiy  natadga- 
fi6vT€g  ctvTfSv  tag  xiifiag^  ywäluag  alxia<xi'(OTOvg  noUag  fjya- 
yovTO,  xaraTtakXtxKevovTeg  de  avrdg,  naidag  i^eyivvriaav.  ^Ytco^ 
TQag>€iarjg  di  twv  vo&wv  veoTtjtog  ovn  ollyfjg,  deiaavreg  ol 
yvijaiov  ht  tijg  xiogag  avtovg  i^aviaztjaav.  Oi  di  elg  QoQiyiov 
t^g  ^ArsiTüflg  ärtoxtoQi^aavTag  y  ^yefdövag  avTÜv  nQOorrjaafdevoiy 
ofiov  TOig  *'lwoiv  i^ifcXevaon^.  Svviqiaav  de  avtölg  rtoXXoi  ile- 
Xonowriaioi'  axif^Bg  di  ftgog  %Ck  ^'Eqinai  Talg  vavoi  nai  xiva 
vtiaida  xaxahxßofAevoi  ovx  hiag  xijg  i^rteigovy  noXkwv  ai^oig 
ßaqßagwv  i7ti6vT(ov,  dvteixov  x^arorvTcg,  aal  sTti  viva  l6g>ov 
Tfjg  '^TtBiQOv  neqaoavTBgy  xo  [di]  fiexa^  Tcdv  xofwvvai  dievoovvxo, 
Kdrxav&a  xsixodo/neiv  xwlvovxog  cAxovg  Meweio  x^g  Kv^irjg 
xvqdvvovy  og  xoxe  xiov  xavxrji  x^^^^  h.qdxUy  Ovccxiag  adek- 
(fbg  avxov  q>iXiav  nai  imyafiiav  avvxid^exai  ftgög  avxovg  ini 
xüii  iyulvov  xaxalvaaiy  %ai  avxdig  x^Qctv  dovvai  avxdqxrj,  Ol 
di  (OfAokoyrjaav  ixetvoig  ts  xal  xwv  KvfAaiofv  oaovg  idvvavxo 
{iftrjydyovxo)  xai  i7tۤ^k9ov  ini  xov  Mivvrjv.  Taxi)  di  Ttai 
xov  dijfiov  nqog&BfAivwv  avxm  vLXtJaag  (ndxr^i  naqadldfoai  xoig 
Kvfialoig  xov  ddelg^dv^  ol  di  Ix  x^^Q^  ßaldvxeg  avtov  xati- 
levaavj  xal  xov  Ovaxiav  eaxijaavxo  ßaailia»  ^O  di  ev&iwg 
xag  TXQog  Owxaiag  avv&ijxag  Tj^iov  einTtedovv,  ag  vTtig  x^g 
ixeiviov  ilsv&BQiag  avvi&evxo'  ol  di  iTteia&tjaav  xal  x^g  yrjg 
i'doaav. 

Der  text  scheint,  von  einigen  Unebenheiten  abgesehn,  die 
dem  epitomator  zur  last  fallen  mögen,  auf  den  ersten  blick 
formell  ganz  verständlich,  späterhin  werden  sich  freilich  allerlei 
sachliche  bedenken  ergeben. 

Der  ganze  bericht  ist  von  der  Vorstellung  beherrscht,  dass 


124  A.  Fick 

die  besiedlung  loniens  durch  einen  einzigen  heereszug  bewirkt 
sei.  In  Wahrheit  waren  es  einzelne  schwärme,  die  sich  im  laufe 
von  Jahrhunderten  dort  festsetzten.  Die  ionischen  zuziige  aus 
Attika  waren  die  letzten,  sie  trafen  dort  auf  ältere  Siedlungen 
anderer  stämmme,  mit  denen  sie  im  laufe  der  zeit  verschmolzen. 
So  auch  in  Phokaia.  Hier  siedelten,  vne  in  Teos  (Paus.  3,  6,  3) 
Minyer  aus  Erchomenos,  später  gesellten  sich  zu  ihnen  lonier 
aus  Attika,  die  sie,  wenigstens  im  anfang,  zu  bürgern  geringeren 
rechts  herabdrückten,  bis  die  gesammte  bevölkerung  als  glied 
dem  ionischen  bunde  beitritt 

Wie  musste  die  sage,  die  nur  einen  gründungszug  aner- 
kennt, diese  Verhältnisse  ausdrücken?  Nach  ihr  zogen  Minyer 
und  lonier  zusammen  aus,  aber  die  Minyer  als  unebenbürtig, 
vox^oiy  als  bürger  geringeren  rangs.  Dieser  zustand  musste  er- 
klärt werden,  und  da  ergab  sich  ein  krieg  und  in  folge  davon 
verkebsung  und  unehelicher  nachwuchs  ganz  von  selbst,  wie- 
wohl von  einem  kriege  zwischen  loniern  und  Erchomenos  sonst 
nichts  bekannt,  wie  er  denn  auch  nur  ad  hoc  ersonnen  ist. 
Mit  den  kriegführenden  loniern  können  nur  die  Athener  ge- 
meint sein,  die  mit  Stammesnamen  ^Idoveg  hiessen.  Mit  den 
^Idovsg  kXxexiTtDveg  N  685  sind  die  Athener  gemeint :  Xiyev  rovg 
^Axhjvaiovg  sagt  der  scholiast  D,  und  Solon  nennt  (Aristot 
Ttolit,  Ad'rjv,  V,  2  Blass)  Attika  nQeaßvzdrfiv  —  yaiav  ^laovlag. 
So  sagt  denn  Herodot  I,  143  ganz  mit  recht,  dass  die  Athener 
sich  erst  später  des  loniernamens  geschämt  hätten,  der  ihnen 
also  von  haus  aus  doch  zukam,  wie  er  denn  an  eben  der  stelle 
kurz  vorher  Athen  eine  stadt  der  lonier  genannt  hat. 

Uebrigens  sind  die  namen  ^Idojv  und  *'lu}v  nicht  schlechthin 
identisch:  ^Idiov  mit  dem  attischen  reinen  a  ist  der  vollname, 
*'l(jjv  und  ^lag  daraus  gekürzt;  aus  ionischem  Vifoiy  konnte  nur 
ionisch  '/«tSy,  '/cJv,  aus  ^Idutv  nur  attisch  ^Idv  werden,  wie  aus 
Tlmdißv  attisch  Ilaidv  in  Tlaiavia  und  die  kurzform  Tlaicjv  in 
Tlaiovldai  erwuchs. 

Minyer  von  Erchomenes  waren  es  also,  die  lange  vor  der 
Zuwanderung  attischer  laonen  Phokaia  gegründet  haben.  Hier- 
für spricht  auch  der  name  des  orts.  Die  alten  dachten  dabei 
freilich  an  die  Phoker,  was  um  so  verzeihlicher  ist,  da  ja 
Phokis  an  das  gebiet  von  Erchomenos  gränzt,  aber  aus  Oo)- 
Kei;g  bildet  man  nicht  Otixaia.  Steht  einmal  die  herkunft  der 
ältesten  Phokäer   aus  Erchomenos  fest,   so  liegt  eine   andere 


4.    Ovccvlag  könig  von  tCyme.  125 

ableitung  weit  näher,  die  den  namen  mit  einer  örtlichkeit  im 
gebiete  der  mutterstadt  in  Verbindung  bringt.  Der  Kephissos, 
der  die  mauern  von  Erchomenos  bespült,  verschwindet  den  Ko- 
paissee  durchfliessend  „in  der  bedeutendsten  der  Katabothren, 
die  sein  wasser  der  tief  eingeschnittenen  bucht  von  Phokai 
(jetzt  bucht  von  Skroponeri)  zuführt".  „Im  alterthume  (Ptol. 
III,  15,  9)  scheint  hier  ein  ort  Phokai  gestanden  zu  haben". 
Bursian  I  196.  Vor  der  bucht  liegt  eine  insel,  jetzt  Gratzu 
genannt,  worin  trotz  Bursians  zweifei  I  214  die  insel  zu  er- 
kennen ist,  die  Plinius  H.  IV.  12,  30,  62  Phocasia  nennt.  (Duh 
xaaia  ist  vom  locativ  QkawaL  zu  (ZkJxat  gebildet,  wie  QijQäaia 
die  insel  „bei  Thera"  von  &i]QaaL  :  G^Qa, 

Erchomenos  war  vor  alters  ein  mitglied  des  bundes  .der 
sieben  Seestädte,  muss  also  trotz  seiner  binnenländischen  läge 
mit  seinem  gebiete  irgendwo  das  meer  berührt  haben.  Da  liegt 
kein  punkt  günstiger  zum  Inivuov  als  die  tiefe  geschützte 
bucht  von  Phokai,  und  was  war  natürlicher,  als  dass  auswan* 
dernde  Erohomenier  den  neu  gewonnenen  seeplatz  nach  dem 
hafenorte  der  heimath  benannten,  um  so  mehr  als  er  dem  alten 
auch  ähnlich  war:  auch  hier  eine  tiefe  bucht  mit  vorliegenden 
inseln,  Boo/LXBitav  vrjaoi  nennt  sie  Kiepert  Atlas  von  Hellas 
bktt  IX. 

Wenden  wir  uns  jetzt  dem  wanderzuge  der  attischen  laonen 
zu!  Dass  dieser  von  Thorikos,  einem  hafenorte  im  Südosten 
von  Attika  ausging,  wie  der  bericht  meldet,  ist  so  natürlich, 
dass  die  angäbe  durchaus  nicht  zu  bezweifeln  ist.  Dagegen  er- 
giebt  eine  genauere  prüfung  der  betreffenden  stellen  deutliche 
spuren,  dass  der  lonierzug  ursprünglich  nicht  auf  Phokaia  zu 
gerichtet  gewesen.  Es  heisst,  die  lonier  hätten  auf  den  Her- 
mos,  das  kann  doch  nur  heissen,  auf  dessen  mündung  zu  ge* 
halten,  und  dort  zuerst  ein  inselchen,  dann  auch  einen  auf  dem 
festlande  gegenüberliegenden  hügel  besetzt.  Nun  ergiesst  sich 
ein  nördlicher  nebenarm  des  Hermos  nahe  bei  dem  hohen  hügel 
von  Leukai  und  gegenüber  liegen  die  Myrmekes  genannten 
inseln.  Diese  hätten  die  auswanderer  zuerst  besetzt  und  wären 
von  da  auf  den  hügel  von  Leukai  hinübergegangen.  Als  sie 
diesen  durch  molobauten  mit  der  insel,  zur  gewinnung  eines 
geschlossenen  hafens,  verbinden  wollten,  wurden  sie  von  Mennes, 
dem  tyrannen  von  Kyme  gehindert  und  genöthigt  sich  an  dessen 
Inruder  und  nebenbuhler   Uatias  anzuschliessen:    diese   ganze 


126  A.  Fick 

darstellung  stimmt  vortrefflich  mit  den  topographischen  Ver- 
hältnissen an  dem  nördlichen  mündungsarme  des  Hermos. 

Es  fragt  sich,  wen  wir  unter  den  feindlichen  brüdern  Ua- 
tias  und  Mennos  zu  verstehen  haben.  Ovaviag  ist  deutlichst 
ein  Spitzname;  er  bedeutet  „gross-  oder  langohr",  und  ist  ge- 
bildet wie  z.  b.  (i/nlas*  6  /ueydkovs  iHfAOvg  ijiunf,  6  $vqva%eqvog 
Hesych.  Nur  dialektisch  verschieden  ist  ^ÜfonLrig^  so  heisst  ein 
Satyr  von  seinen  thierisch  zugespitzten  obren  auf  einer  vase, 
die  den  tanz  von  Satyrn  und  Mänaden  darstellt  Kirch  ho  ff 
Alph.  111. 

Mipvrig  ist  ebenso  deutlich  ein  kosename  mit  verdoppeltem 
consonanten  zu  einem  vollnamen  auf  Meve^  oder  -uiyfjg.  Es 
gilt  also  den  versuch,  hier  den  Spitznamen,  dort  die  koseform 
durch  den  wirklichen  und  den  vollnamen  zu  ersetzen. 

Bei  Heraclides  Pont  TceQi  nokiteuav  heisst  es  Müller  frg. 
bist  gr.  I  p.  216  unter  KvfAaiwv  3:  ^Eqpiodixriv  de  ywaixa  %ov 
Oqvywif  ßaaiUfog  Mida  (paai  xaüJUi  öicupi^iVy  akka  xal  ao^ 
(pijv  elvai  xae  Texyixi^v  xal  nqvnrpf  v6(4iafia  xoyjai  Kvfiaioig 
und  bei  PoUux  IX,  83:  clr«  fDeiötov  rtQdnog  exoifje  vofiiafta^ 
eitB  Jijfiodlxr]  (sie!)  i;  Kvfiaia  awoixtjaaaa  Midai  twi  0qvyi' 
Ttaig  6^  rjv  ^Ayafiifivovog  KvfAaiunf  ßaoilewg. 

Dieser  könig  Midas  ist  eine  historische  gestalt:  er  weihte 
nach  Herodot  1 14  seinen  thron  nach  Delphi  und  ist  dies  weih- 
geschenk  „das  erste  sichere  datum  für  den  beherrschenden  ein- 
fluss,  den  das  orakel  über  die  griechische  weit  hinaus  gewinnt^' 
E.  Meyer  GdA.  II  279.  Wenn  ein  zweifei  bestehen  konnte, 
ob  Pheidon  von  Argos  —  etwa  700  bis  670  v.  Chr.  —  oder 
Demodike  von  Kyme,  zuerst  münzen  geprägt,  so  ergiebt  sich 
für  könig  Midas  als  gemahl  der  Demodike  etwa  die  gleiche 
regierungszeit,  also  die  erste  hälfte  des  siebenten  Jahrhunderts; 
noch  näher  lässt  sich  die  zeit  seines  todes  bestimmen,  da  er 
nach  Strabo  I  3,  21  sich  selbst  den  tod  gab,  um  den  unter- 
gang  seines  reiches  durch  den  ansturm  der  Kimmerier  nicht 
zu  überleben;  der  erste  einbruch  der  Kimmerier  erfolgte  aber 
erst  etwa  675—670  v.  Chr. 

Die  sage  von  den  langen  obren  des  urkönigs  Midas,  die 
er  wohl  seiner  berührung  mit  den  Satyrn  und  Silenen  verdankt 
^-  oben  lernten  wir  'ßj^ariTjg  als  namen  eines  Satyrs  kennen 
—  ist  jedenfalls  alt,  von  seinen  eselsohren  wusste  schon  Aristo- 
phanes  Plutos  287   Miöag  fiiv  ovv^  ^V  wt^  opov  laßtjte.    Da 


4.    Ovartag  könig  von  Kyme.  127 

nun  die  sage  vom  urahn  mit  leichtigkeit,  wenn  auch  zunächst 
nur  auf  dem  wege  des  witzes  und  Spitznamens,  auf  den  gleich- 
namigen jungem  Phrygerkönig  übertragen  werden  konnte,  so 
dürfen  wir  mit  Sicherheit  in  unserem  griechenfreundlichen  könig 
Langahr  —  Ovauag  —  ^on  Kyme,  den  Phrygerkönig  Midas, 
den  gemahl  der  königin  Hermo-  oder  Demodike  ron  Kyme  er- 
kennen, der  in  unserem  berichte  könig  von  Kyme  heisst  und 
sich  auch  wohl  in  Wirklichkeit  nicht  mit  der  rolle  des  Prinz- 
gemahls begnügt  haben  wird. 

Wenn  der  böse  könig  Mennos  in  der  sage  zum  bruder  des 
guten  königs  Langohr  gestempelt  wird,  so  geschieht  das  nur  im 
Interesse  der  dramatischen  darstellung,  welche  gegeusätze  gern 
als  feindliche  brüder  auftreten  lässt.  In  Wahrheit  ist  Mennes 
Vertreter  eines  anderen  volks,  und  da  er  weder  Grieche  noch 
Phryger  sein  kann,  so  muss  er  Lyder  oder  in  der  spräche  des 
epos  Mäoner  gewesen  sein,  denn  diese  waren  es,  die  am  nächsten 
die  griechischen  ansiedlungen  in  jener  gegend  bedrängten.  Da 
nun  M&fnjg  die  richtige  koseform  zu  einem  namen  auf  -ftivfig 
ist,  so  dürfen  wir  in  ihm  den  Talcufiimjg  erkennen,  von  dem 
in  dem  Troerkatalog  B  864 — ö  die  rede  ist: 

MijuHfiv  (w   Mda&kfjg  te  xai  ^*Avtiq>og  ^ytjadaihjv^ 

vle  TaXaifidysog,  tw  FvyaiTj  vexe  klfAvt], 

Der  name  Talaifiivtjg  ist  selbstverständlich  rein  griechisch, 
gebildet  wie  ^AX^aifihnfig^  vielleicht  Übersetzung  eines  lydischen 
namens.  Auch  die  namen  der  söhne  sind  griechisch:  Mia&Xrjg 
wird  soviel  als  Mda^^hjg  sein  (vgl.  fiiaza^  >»  fiaata^  Hesych) 
und  gehört  zu  den  namen^  welche  den  mann  nach  seiner  klei- 
düng  —  fidalrig  Aidiov  xaAov  eqyov  Alkaios  —  bezeichnen, 
und  ^^vTupog  ist  gekürzt  aus  ^Aif%i(povogy  und  deutet  auf  die 
barbarische  sitte  der  blutrache,  qKjnfog  avxl  qxivov,  — 

Versuchen  wir  nun  die  thatsachen  wieder  herzustellen,  auf 
deren  bearbeitung  unser  bericht  beruht.  Da  ergiebt  sich  etwa 
nachstehende  darstellung:  In  alter  zeit,  vielleicht  in  näherer 
oder  weiterer  folge  des  einbruchs  der  Böoter  in  das  reich  der 
Minyer  und  Kadmeier  siedelten  sich  seefahrende  Minyer  von 
Erchomenos  im  gebiete  von  Kyme  an  und  nannten  den  ort 
Phokoia  nach  Phokai,  dem  hafenplatze  der  mutterstadt.  Viel 
später,  jedenÜEills  nicht  lange  vor  700,  setzten  sich  laonen  von 
Thorikos  in  Attika  aus  an  dem  nördlichen  mündungsarme  des 
Hermos   fest,  besetzten   zuerst  eine   der   inselchen  Myrmekes, 


128  A.  Fick 

gingen  dann  auf  den  hohen  hfigel,  auf  dem  später  Leukai  lag, 
über,  wurden  aber  in  ihrem  vorhaben  hügel  und  insel  durch 
einen  dämm  zu  verbinden,  durch  die  Mäoner  (Lyder)  unter 
könig  Mennes-Talaimenes  gehindert.  Darauf  verbündeten  sie 
sich  mit  könig  Midas-Uatias  von  Phrygien  und  seinem  anhange 
in  Kyme,  besiegten  mit  ihm  die  Lyder,  verhalfen  ihm  zur  herr- 
schafb  in  Kyme  und  erhielten  zum  dank  die  alte  Minyerkolonie 
Phokaia  ausgeliefert.  Sie  eroberten  die  Stadt  und  drückten  die 
alten  bewohner  zu  bürgern  geringeren  rechts  herab,  was  die 
sage  durch  die  abstammung  von  kebsweibem  aus  Erchomenos 
motiviert,  die  sie  an  die  spitze  des  berichtes  stellt. 

Mit  dieser  darstellung  stimmt  es  sehr  wohl,  dass  nach 
Paus.  7,  3,  10  die  Phokäer  erst  dann  in  den  ionischen  bund 
aufgenommen  wurden,  als  sie  sich  aus  Erythrai  und  Teos  Ko- 
driden  geholt  hatten  Ed.  Meyer  GdA.  II  lö6.  Ionisch  war 
Phokaia  eben  erst  nach  700.  Als  die  Phokäer  Lampsakos 
gründeten  (653  v.  Chr.)  gab  es,  wie  Gharon  von  Lampsakos 
(frg.  6  Müller)  berichtet,  schon  Kodriden  in  Phokaia,  d.  h. 
Phokaia  war  schon  dem  ionischen  bunde  beigetreten;  der  bei- 
tritt muss  also  zwischen  700  und  653  erfolgt  sein,  vielleicht 
veranlasst  durch  die  schrecken  des  einbruchs  der  kimmerischen 
horden. 

Als  quelle  des  Nikolaos  könnte  man  die  xviaiQ  'IwviaQ  des 
Ion  von  Ghios  annehmen,  und  dafür  selbst  den  ionischen  gene- 
tiv  Mhvsa)  anführen.  Doch  kann  dieser  auch  einem  jüngeren 
epischen  gedichte  entnommen  sein,  wie  denn  der  name  Ovaziag 
vom  epischen  ovav^a^  nicht  vom  ionischen  wta  abgeleitet  ist. 
Auch  sind  die  angaben,  die  Pausanias  im  anfange  des  7.  buchs 
dem  Ion  entnimmt,  von  Chios,  der  Vaterstadt  des  dichters,  ab- 
gesehen, viel  oberflächlicher  und  zeigen  nichts  von  der  breiten 
anläge  und  dem  poetisch  wirksamen  gehalte  unseres  fragments. 
Es  ist  ein  wirkliches  sagengeschichtliches  epos,  das  hier  im 
auszuge  vorliegt,  und  so  darf  man  hier  vielleicht  einen  direkten 
oder  indirekten  auszug  aus  der  Phokais  des  Phokäers  Thesto- 
rides vermuthen.  Leider  ist  über  den  inhalt  dieses  gedichts 
nichts  überliefert,  aber  schon  der  name  lässt  vermuthen,  dass 
darin  von  Phokaia  und  den  Phokäern  die  rede  war,  wie  in  der 
^Id^iortigy  ^At^igj  Javatg^  OeaTtoonig,  &vjß{ug  von  den  im  ütel 
genannten  Völkern  und  Städten;  auch  die  IZeQCijig  des  Choirilos 
hiess  so  von  den  Persern,    wie   der   zweite   ütel  des  gedichts 


4.     Ovtttiaq  könig  von  Kyme.  129 

„Tce  neQOixa^*  beweist  (Kinkel  frg.  ep.  p.  266).  Dazu  konunt 
noch,  dass  die  Pbokais  in  Phokaia  von  dem  Phokäer  Thesto- 
rides verfasst  ist,  wenigstens  ist  kein  grund  abzusehen,  warum 
man  die  autorschaft  des  Phokäers  Thestorides  bezweifeln  sollte, 
mag  nun  Thestorides  sein  eigentlicher  oder  der  name  seines 
(priesterlichen)  geschlechts  sein,  wie  der  seher  Kalchas  bei 
Homer  Oearoffldfig  heisst.  Die  sage,  dass  Homer  der  eigent- 
liche Verfasser  und  von  Thestorides  bestohlen  sei  (Vita  Hom.  10) 
wurde  ersonnen,  als  man  den  gesammten  epischen  vorrath  in 
den  bänden  der  rhapsoden  auf  den  namen  Homer  übertrug. 

Nachträglich  bemerke  ich,  dass  auf  die  herrschaft  der 
Phryger  in  Eyme  auch  der  name  des  Ascanius  portus,  nach 
Plinius  in  der  südlichen  Aiolis,  deutet,  wenn  Kiepert  blatt  IX 
ihn  richtig  westlich  von  Kyme  angesetzt  hat. 

Heidelberg  im  mai  1900.  A.  Fiek. 


Beiträge  zur  lateiniBchen  grammatik. 


-gh-  im  Inlaute  zwisehen  vokalen. 

Nach  der  landesüblichen  anschauung  ging  idg.  §h  gh  be- 
reits im  Uritalischen  in  die  tonlose  spirans  h  über:  dieses  h 
soll  vom  Lateinischen  im  inlaute  zwischen  vokalen  unverändert 
erhalten  sein.  So  lehren  u.  a.  Stolz  H6L.  I  261  291,  LG.  >  72. 
Lindsay  298.  Brugmann  GR.  I  *  551.  Sie  stützen  sich 
dabei  im  ganzen  auf  drei  oder  vier  etymologieen,  deren  beweis- 
krafb  nicht  bestritten  werden  kann: 

veho  :  oxog  „wagen"  :  ssk.  vdhati  „fährt^'  :  got.  ga-ivigan 
„bewegen'^  ags.  w'egan  „bewegen,  tragen,  bringen'',  altn.  vag-n, 
ahd.  wag-an  „wagen''  :  zd.  vazaiti  „fährt''  :  lit.  veiü  „&hre"  : 
altbulg.  vezq.    Stamm  idg.  vegh-. 

mihi,  umbr.  mehe  :  ssk.  mdhyam.    Stamm  idg.  me§h'. 

lUn,  mnis  (zum  kurzen  S  vgl.  Bechtel  NGGW.  1899, 
8.  185  ff.)  aus  ^apUken-  :  ssk.  ptäiän  plihän  „milz"  :  a^Xijr, 
anldxya  :  altbulg.  dezena.    Stamm  idg.  spl9§hr. 

Beitiig»  2.  kande  d.  ind«.  ■piaelMn.    XXVX.  9 


130  0.  Hoffmann 

träho  „Ziehens  dessen  h  wohl  sicher  aus  gh  entstand, 
wenn  auch  die  unmittelbare  gleichsetzung  mit  got  Pragjan 
yflaufen"  oder  mit  altn.  draga  „ziehen",  ssk.  dhrdjaii  ,yzieht'* 
nicht  statthaft  und  die  mit  altbulg.  trezaii  „zerreissen'^  zweifel- 
haft ist. 

Diesen  einfachen  werten  dürfen  wir  wohl  einige  kompo- 
sita  hinzufügen,  in  denen  h  aus  gh  zwar  ursprünglich  den 
an  laut  des  zweiten  gliedes  bildete,  die  aber  schwerlich  als 
Zusammensetzungen  empfunden  wurden,  da  die  simplicia  nicht 
mehr  in  gebrauch  waren.    Dahin  rechne  ich: 

prS-hendo,  schon  bei  Plautus  gelegentlich  zu  prSndo 
kontrahiert:  vgl.  xayd^vw  „ich  fasse,  umfasse",  stamm  x^^' 
aus  *gh9nd',  der  schwachen  form  zu  ^ghend-.  Ohne  nasal  er- 
scheint der  stamm  als  *ghed-  in  germ.  (^0<an  „argreifen,  er- 
fassen", got.  bi-güan  „erlangen",  ags.  bi^üan^  alts.  bi-g'itan 
„erfassen". 

CO 'hör  8,  cö-hortis  zu  hortus  :  x^<^S  v^^  gehege",  stamm 
*§her'  „fassen,  einfriedigen",  davon  *§h9r4U  =  latein.  *hor-ti' 
„die  einfriedigung,  das  zusammenschaaren". 

nt-hil,  alt  nthU. 

blmus  „zweijährig"  aus  ^bi-himus,  eigentUch  „zwei 
winter  alt".  Vgl.  ssk.  himd-s  „frost,  schnee",  himä  „winter"  : 
zd.  zima-  m.  „winter",  aus  idg.  *§htmo;  ^ghtma-. 

Alle  übrigen  werte,  in  denen  man  ein  -A-  aus  -gh^  zwischen 
vokalen  hat  finden  wollen,  müssen  bei  seite  bleiben.  Überein- 
stimmend treten  Brugmann  GR.  I  *  672  und  Stolz  LG.  '  75 
für  die  ableitung  von  mäior  aus  *magiö8  )  *mai08  ein,  und 
Brugmann  a.  a.  o.  lässt  für  äio  mit  rücksicht  auf  ad-agium, 
pröd'igium  eine  grundform  *äg^  als  möglich  gelten.  Konse- 
quenterweise dürfen  wir  dann  auch  m€io  auf  *meig^  {ofilxifo 
:  ags.  migan  :  ssk.  m^hati  „harnt")  zurüqlcfuhren,  zumal  da 
ein  lautlicher  Übergang  von  *meiho  in  mHOf  den  Lindsay 
LL.  466.  Stolz  HG.  122.  Brugmann  GR.  I  >  679  an- 
nehmen, unerwiesen  und  unwahrscheinlich  ist:  denn  eine  „so- 
genannte ersatzdehnung"  (Stolz  a.  a.  o.)  fand  in  einem  ur- 
sprünglichen *meiho  nicht  das  geringste  feld  für  ihre  thätig- 
keit.  Für  incohare,  das  nach  Bugge  ASt.  34.  Bersu 
Gutt.  188  zu  osk.  kahad  „capiat"  gehören  soll,  hat  Thurn- 
eysen  KZ.  XX.VIII  156  eine  ganz  andere  ableitung  vorge* 
schlagen.    Endlich  können  komposita  wie  prae-hibeo,  pro- 


Beiträge  zur  lateinischen  grammatik.  131 

hibeo,  nemo  aus   *n^Mmo   unter   dem   einflusse   von  habeoy 
hämo  stehen. 

Den  belegen  für  -A-  aus  -^h-  steht  eine  ansehnliche  zahl 
von  Worten,  in  denen  -^-  der  lateinische  Vertreter  eines  ur- 
sprünglichen -gh"  ist,  gegenüber.  An  wiederholten  hinweisen 
auf  dieselben  hat  es  nicht  gefehlt  (vgl.  zuletzt  noch  Planta 
OU.  I  441  ff.).  Wenn  sie  trotzdem  in  unseren  grammatiken  mit 
stillschweigen  übergangen  werden,  so  erklärt  sich  dies  wohl  nur 
daraus,  dass  man  bisher  nicht  versucht  hat,  sie  nach  bestimmten 
gemeinsamen  eigenschaften,  durch  die  sie  sich  von  veho,  mihi 
u.  8.  w.  unterscheiden,  zu  gruppieren. 

In  v&o,  mihi,  Vkn,  träho  etc.  geht  dem  -A-  aus  ^A-  ein 
kurzer  vokal  vorher;  hinter  einem  langen  vokale  ist  idg. 
-gh'  nie  durch  -A-,  sondern  regelmässig  durch  -g-  ver- 
treten.   Das  beweisen: 

fllgo  „schlage"  aus  *bUigh%fi  :  got  Uiggwa,  ahd.  Utu- 
um  „ schlage '''  aus  urgerm.  ^bli^^ö'  :  idg.  *bhPigh^ö'  (Lett- 
ner KZ.  XI  200.  J.  Schmidt  Vok.  I  108);  vgl.  über  gemein- 
germ.  -^j-  aus  idg.  -ghu^  Zupitza  Gutturale  98  ff.  In  got. 
Uaggw,  ahd.  hlou  ,,schlug'*  übertritt  in  die  «-reihe,  wie  in  bid- 
ja  :  bad  zu  nei&u.  Lautgesetzlich  hätte  aus  *hUigh^  im 
Lateinischen  ^fitvo  werden  müssen:  der  verlust  des  ^  stammt 
aus  flixiy  flicium,  wie  ja  auch  das  ältere  fivo  durch  das  aus 
fixi,  fidum  abgeleitete  jüngere  figo  (stamm  *dheigh\^)  ersetzt 
ist,  vgl.  Bersu  Gutt.  1Ö4. 

8ügo  „sauge"  :  altn.  süga,  ahd.  ags.  sügan  :  ir.  s&gim 
„sauge",  stamm  *sügh'.  Man  pflegt  lat  sügo  mit  ags.  sücan 
„saugen"  zu  verbinden  und  aus  diesem  sücan  einen  stamm  idg. 
süg-  „saugen"  (neben  idg.  sügh-  «=  germ.  süg-)  zu  erschUessen. 
Doch  ist  die  trennung  des  einzeldialektischen  süc-  von  dem  ge- 
meingermanischen süg-  hart  und  durchaus  nicht  notwendig. 
Denn  ags.  sücan  kann  auf  *süg-nän  zurückgehen  (Streitberg 
UG.  §  127).  Die  ablautstufen  praet  siak  sucon,  part.  socen 
und  das  seltene*  nomen  soce  „saugen"  (mit  einfachem  k) 
widerstreben  dieser  deutung  nicht:  sie  beweisen  nur,  dass  die 
schon  im  ürgermanischen  aus  *süg'ndn  über  *sükkan  entstandene 
form  sukan  nicht  mehr  als  nasalpräsens  empfunden  wurde, 
sondern  sich  dem  ablautenden  präsenstypus  lüJean,  süpan,  sü- 
gan u.  s.  w.  anschloss  und  mit  den  zu  dieser  ablautsreihe  ge- 
hörenden Stämmen  sauk-  säk-  ausgestattet  wurde. 

9* 


132  0.  Hoffmanü 

ve-stigium  „fussspur^'  :  ssk.  stigh-^  stigh-ncf-ti  „geht  Ichs, 
schreitet  vor^*  :  avelxio  :  ir.  Hagaim  ^^gehe'S  inv-tiagam  ,,am- 
bulamus"  :  lett  staigdt  „gehen 'S  diga  „pfad*'  :  altbulg.  stig- 
fUf-di  „erreichen,  nach  etwas  hin  gelangen^'  :  got.  staiga,  ahd. 
steig  „steig,  pfad"  u.  s.  w.  Pott  EF.  I  i  198  I  «  721.  Cur- 
tius  6E.  «  195.  Breal-Bailly  EL.  434.  Stolz  HO.  396. 
Kluge  DE.  8  377.  Niedermann  IF.  X  254.  Das  ve-  ist 
verschieden,  aber  noch  nicht  sicher  erklärt  worden.  Etwa  die 
„weg-stapfe?" 

trag  um  „Schleppnetz*^  Serv.  Dan.  zu  Verg.  Georg.  I  142, 
nach  dem  gleichbedeutenden  trägtda  mit  ä  anzusetzen,  eines 
Stammes  mit  träko  (s.  oben),  also  ^tragh-  :  *trägh'. 

vägor,  vägitus  „klägliches  geschrei  (bes.  vom  kinde^S 
vagere  :  •qx'J^  dor.  fdx&  (ark.  faxoQy  kor.  fäxvg)  „geschrei, 
lärm",  laxüi  aus  *  ft-Jraxta  „wehklagen,  schreien  (vom  kinde, 
vom  verwundeten)",  layrl  u.  a.  m.  Vgl.  Fick  VW.  I  *  542. 
Prellwitz  GE.  116.    Vaniöek  LE.  «  259  u.  a. 

rüga  „runzePS  ar-rügia  und  cor-rügus  „Stollen  im 
bergwerk*'  PL  33,  4  (21),  70:  o-qvxi]  „das  graben",  TOiX'ioqvxog^ 
O'Qvoata  aus  *oßt%-iitf:  Curtius  GE.  *  349.  Vaniöek  LK  * 
242.  Fick  VW.  I  *  526.  Prellwitz  GE.  230.  Allerdings 
könnten  arrugia,  corrugus  als  keltische  worte  aufgefasst  werden. 

lix,  l^g-is  „gesetz**  :  altn.  Ipg,  ags.  lagu  „gesetz"  zu 
legh-  „liegen"  Lottner  KZ.  VII  167,  angenommen  von  Cur- 
tius GE.  6  364.  Vanicek  LE.  «  248.  Fick  VW.  I  *  539. 
Bechtel  Hauptprobleme  173.  Streitberg  IF.  III  325  u.  a. 
Da  wir  durch  feihüss  feihüis  Cipp.  Abell.  31.  45  wissen,  dass 
die  Osker  auch  hinter  langen  vokalen  -A-  aus  -gh-  sprachen, 
so  würden  osk.  UgatfüsJ  ligatuis  Gipp.  Abell.  10  6  7  =  lat. 
Ügati  ISgatis,  osk.  ligud  ligis  tab.  Baut  19  24  25  s=  lat.  legt, 
Ugibus  die  ableitung  von  lat.  %-  aus  ^ligh-  verbieten,  wenn 
osk.  Hg-  und  latein.  ISg-  urverwandt  und  aus  einem  gemein- 
italischen worte  unabhängig  von  einander  entsprungen  wären. 
Dies  anzunehmen  sind  wir  aber  nicht  gezwungen.  Die  worte 
%-  und  l^ätus  können  aus  der  lateinischen  rechts-  und  amts- 
spräche  von  den  Oskem  entlehnt  sein,  deren  dialekt  mit  man- 
chen lehnworten  aus  dem  Lateinischen  durchsetzt  war. 

pagus  „gau",  pagina  „blatt  papier",  com-'päges 
„fuge,  zusammenfügung"  :  ahd.  fägen  „passend  verbinden", 
ags.  fSgan  (aus  *f6g%an)  „fügen,  verbinden",  ge-fegt  „gefüge", 


Beiträge  zur  lateinischen  grammatik.  133 

mhd.  tyüge  „fuge^S  stamm  *pagh'.  In  dem  griechischen  niff^ 
„zusammenfügen**  in  TtTJy'W-fii^  Tt^y^fia  „gefuge**,  Ttäyiog  u.  s.  w. 
scheint  -y  fiir  lautgesetzliches  -x  &us  ^^^  korrekten  ^y-  „aus- 
einanderbrechen** in  ^i^y-vv^fÄi^  ^/y^^a^  ^y^^y  ^ccy^  u.  s.  w. 
herübergenommen  zu  sein.  Das  umgekehrte  in  dixofiai  für 
altes  dhuofiai  nach  ^cu. 

'ä-go,  'T-go  als  bildungssuffix  von  verbalabstrakten  wie 
imä^o,  orf-go  u.  a.  (Stolz  HOL.  527)  lässt  sich  mit  den  nord- 
und  westgermanischen  besonders  von  schwachen  verben  gebil- 
deten verbalabstrakten  auf  -unga  aus  *'iin'gha'  verbinden,  wie 
ahd.  lad-nnga  zu  /(u/dn,  warn^unga  zu  warnö-n,  deren  Hjf-  man 
ohne  genügenden  grund  auf  idg.  ^k-  zurückzufuhren  pflegt 
(Brugmann  GR.  II  253,  Wilmanns  DG.  11  «  369 ff.)- 

In  mehreren  fallen  lässt  es  sich  nicht  entscheiden,  ob  -g- 
einem  ursprünglichen  -^-  oder  -^A-  entspricht:  die  betreffenden 
Worte  sind  nämlich  ausserhalb  des  Lateinischen  nur  in  den 
slavisch-baltischen  sprachen,  in  denen  die  aspiratae  lautgesetz- 
lich in  mediae  übergegangen  sind,  zu  belegen.  Vgl.  lat.  figo 
„stechen,  anstecken**  :  lit  deg-ia  „sticht**  (stamm  *dheigh'  oder 
*dheig');  lat.  vägina  „scheide**  :  lit.  wöz-iu  „etwas  hohles 
über  etwas  decken,  überstülpen*'  Fick  VW.  IV  ^  261  (stamm 
*vägh'  oder  *väg-);  lat.  flägitium  „schände,  Unehre**  :  lit. 
Udgas  „kraftlos,  schwach,  elend**  Prellwitz  BB.  XXV  280 ff. 
(Stamm  *bhlägh'  ^mlägh-  oder  ^hhläg-  *mläg;  für  -gh-  spricht 
ßlflX'Qog  „schwach**,  wenn  dieses  mit  Prellwitz  dazuzustellen 
ist.    Anders  über  flägitium  üsener  Rh.  mus.  LVI  5  ff.). 

Ein  beleg  für  -h-  aus  -^A-  hinter  langem  vokale  ist  mir 
nicht  bekannt  möio  lässt  sich,  wie  schon  oben  bemerkt 
wurde,  auf  eine  grundform  *fneigiö  zurückführen.  Dass  praeda 
aus  *prai'hedä  entstanden  sei,  ist  eine  der  vielen  lehren,  die 
sich  unbewiesen  und  ungeprüft  von  buch  zu  buch  fortpflanzen: 
die  berufdng  auf  pr^hendo  schadet  dieser  ableitung  nur.  Als 
vorläuferin  der  klassischen  form  praeda  ist  lediglich  praida  in 
praidad  €IL.  I  63  64  -  XIV  2577  2578  zu  belegen,  wenn  diese 
inschrift  ein  wirklich  echtes  altertümliches  gewand  trägt.  Dieses 
praida  kann  unter  der  Voraussetzung,  dass  es  ein  kompositum 
mit  prai-  :  prae-  ist,  im  zweiten  gliede  den  stamm  dö-  :  clä- 
„geben**  oder  besser  dh^-  :  dhä"  „setzen,  legen**  enthalten:  ich 
verweise  auf  lit.  prerdai  „die  zugäbe,  draufgabe**,  ssk.  pra-dM- 


134  0.  Hoffmann 

nam  „kampfespreis^S  dhä-nam  „kämpf espreis,  beute'S  a&la 
TtQO'Ud'ivai  u.  a.  m.  Formell  stünde  prai-dä-  als  stamm  den 
indischen  Zusammensetzungen  mit  -dht-  (schwache  stufe  zu  dha-) 
gleich,  z.  b.  ni-dhi-  „das  hinstellen,  auftragen;  der  schätz,  hört" 
(neben  ni-dhä'  „fanggam,  schlinge")  u.  a.  m. 

Die  zweite  klasse  der  belege  für  -g-  aus  -gh-  besteht 
aus  solchen  werten,  in  denen  dem  ursprünglichen  -gh-  ein 
kurzer  vokal  vorhergeht.  Im  gegensatz  zur  vorigen  klasse  ist 
ihre  etymologische  deutung  mehrfach  unsicher,  da  ihr  Stamm- 
vokal in  den  aus  den  anderen  sprachen  zum  vergleiche  heran- 
gezogenen Stämmen  nicht  immer  seinen  gewöhnlichen  Vertreter 
findet.  Ich  stelle  zwei  werte  voran,  in  denen  auch  Brugmann 
Ber.  d.  sächs.  gesellsch.  d.  wiss.  1895,  s.  36  das  g  als  lautge- 
setzlichen Vertreter  eines  ursprünglichen  -yh-  anerkennt: 

figüra  „gestalt,  figur",  stamm  *dhigh':  dass  -g-  aus  fitigö 
figuif4s  figlintis,  in  denen  -gh-  hinter  n  und  vor  l  regelrecht  zu 
-g-  geworden  war,  auf  figüra  per  analogiam  übertragen  wurde, 
ist  möglich,    aber  nicht  zu  beweisen. 

Itgürio  „lecke"  zu  Xsixio,  ssk.  leh-mif  got.  bi-laigon  „be- 
lecken" u.  8.  w.:  von  der  annähme,  das  -g-  stamme  aus  lingo, 
gilt  das  eben  zu  figüra  bemerkte. 

Nach  Brugmann  soll  urital.  h  aus  idg.  §h  im  Lateini- 
schen vor  u,  vor  ur  ul  aus  idg.  r  l  und  vor  ^  zu  einer  zeit 
noch  Spirans  gewesen  sein,  als  es  vor  den  übrigen  vokalen 
schon  zum  hauchlaute  geworden  war.  Jene  Spirans  wurde  dann 
im  anlaute  „durch  Verlegung  der  spirantischen  artikulation  in 
die  lippengegend"  zu  bilabialem  f-  (so  in  fundoy  ftdvos  neben 
helvos,  furcä)j  während  sie  im  inlaute  vor  u  in  -^-  überging 
(so  in  figüra,  ligürio).  Diese  theorie  besitzt  weder  innere 
Wahrscheinlichkeit  noch  festen  halt  an  sprachUchen  tatsachen. 
Dass  die  spirans  h  sich  vor  halbvokalischem  u  länger  be- 
haupten konnte  als  vor  reinen  vokalen,  begreift  sich  leicht: 
weshalb  aber  von  den  vokalen  gerade  u  die  spirantische  aus- 
spräche eines  vorhergehenden  h  länger  geschützt  haben  soll 
als  die  übrigen,  dafür  wird  sich  schwerlich  ein  triftiger  grund 
anführen  lassen.  Und  wenn  Brugmann  diese  behauptung, 
was  den  aulaut  betrifft,  mit  fud^  „giessen"  {xew  :  got.  giutan) 
begründet,  das  seiner  ansieht  nach  nur  aus  chud-,  nicht  aus 
hud'  hervorgegangen  sein  kann,   so  ist  dagegen  zu  bemerken, 


Beiträge  zur  lateinischen  grammatik.  135 

dass  diesem  einzigen  stamme,  in  dem  f-  vor  einem  nrspüng- 
lichen  u  die  stelle  des  h-  vertritt,  mehrere  worte  gegenüber 
stehen,  die  ein  f-  unter  gleichen  bedingungen  auch  vor  ur- 
sprünglichem e  und  0  aufweisen.  Ich  nenne  nur:  fei,  feJlis 
„galle'S  xoloq  x^^V  nS^U^^S  ^^^s-  ^b^*  //^v^;  altbulg.  zliU^ 
„galle'';  fovea  „grübe"  aus  *ghe^!eia,  xieia  Nikander,  x«i^ 
Homer  „höhle"  aus  '"xeAtf;  forus  „gang,  schiffisgang,  sitz- 
reihe'S  XOQog  „reihe,  reigen'',  lit.  zäras  „reihe,  Ordnung,  art  des 
gehens".  Um  seiner  regel  das  leben  zu  retten,  übergeht  Brug- 
mann  (auch  im  grundriss  I  *  552)  diese  worte  mit  still- 
schweigen: nach  meinem  urteil  kann  ihre  etymologische  deu- 
tung  denselben  grad  von  Wahrscheinlichkeit  beanspruchen  wie 
die  Zusammenstellung  von  fundo  mit  giutan,  gegen  die  sich 
z.  b.  Osthoff  MU.  IV  99  ff.  ausspricht  So  bleibt  also  von 
Brugmann's  lehre  nur  der  eine  satz  als  wahrscheinlich  richtig 
übrig,  dass  sich  f-,  wenn  es  einem  ursprünglichen  gh-  ent- 
spricht, nur  aus  der  spirans  ch-  und  nicht  aus  dem  hauchlaute 
A-  entwickelt  haben  kann.  Es  fehlen  aber  genügende  beweise 
dafür,  dass  ch-  gerade  vor  u  länger  als  vor  den  übrigen  vokalen 
als  Spirans  gesprochen  wurde. 

In  figüra  und  ligürio  wird  deshalb  g  ^  gh  hinter  kurzem 
vokale  nicht  aus  seiner  Stellung  vor  u,  sondern  auf  die  gleiche 
weise,  wie  in  den  übrigen  worten,  in  denen  ihm  andere  vokale 
folgen,  zu  erklären  sein: 

n^g-ötium:  dem  ersten  glied  entspricht  genau  ved.  na-hi 
„nicht"  ^  lit.  ni^i  „nicht"  (Brugmann  GR.  II  1116.  Stolz 
H6L.  261)  und  der  bildung  nach  auch  ov-xi;  von  nee  aus  ne- 
que  ganz  zu  trennen.  Wahrscheinlich  ist  neg  ötium  als  satz- 
kompositum  entstanden  (vgl.  neg  ö'tium  est  mit  haud  (ftium  est 
bei  Terenz). 

n^g-äre  ist  ein  flektiertes  n^-  aus  *n^'^hi  (vgl.  n^-ötium) 
„nicht";  zu  vergleichen  sind  ahd.  bi-jehan  „bekennen'S  nhd. 
„bejahen  verneinen",  griech.  aid^io  von  al, 

ligö  „hacke"  :  htxoLivtn  „grabe  um,  hacke''  :  ir.  laige  (aus 
*lagiä)  „der  spaten".  Vaniöek  LE.  >  248.  Bersu  ßutt.  189. 
Fick  VW.  II  *  238. 

eg-nre,  ^g-enus,  ^g-es-tas,  Sg-es-tösus,  ind-tg-us, 
ind-tg-ire  :  ax^via  „mangel,  armut"  Aeschyl.  Agamn.  402  Ki., 
axJjV  Theokr.  XVI  33,  xway-ijx^g'  fthrig^  VXV^^S*  nevol  ntwxoi 
Hesych,  ^avio*  ntis/x^^  Suidas.     Diese  Zusammenstellung  ist 


136  0.  Hoffmann 

alt,  TgL  Pott  EF.  I  1  200.  Curtius  GE.  »  191.  Vaniöek 
GLE.  21.  Prellwitz  GE.  42.  Leo  Meyer  YG.  I  >  912. 
Ist  ax^v  bei  Theokrit  wirklich  aus  dex^  kontrahiert,  wofür  man 
Hesych's  äex^eg'  nirr/reg  anführen  kann,  und  von  Valke- 
naer  richtig  als  „nichtbesitzend''  erklärt,  so  wird  in  dieser 
Umbildung  des  ursprünglichen  axify  eine  volksetymologische 
Spielerei  zu  suchen  sein.  Ob  i^x'P'  bei  Hesych  den  vollen  stamm 
igh'  enthält  oder  als  dorische  form  aus  äex-  kontrahiert  ist, 
muss  dahin  gestellt  bleiben.  Jeden&lls  steckt  der  starke  vokal 
in  '^^•av'W  und  nTeav^xtSf  dessen  ß^-stamm  in  eg^es-tas  wieder- 
kehrt. 

rigäre  „bewässern'S  rtguus  :  got.  rig-n,  altn.  reg-n,  ahd. 
reg-an  „regen''  Pott  EF.  I  ^  257.  Schade  AH.  >  706.  Bersu 
Gutt.  189.  Kluge  DE.  «  313.  Wahrscheinlich  ist  *regh'  eine 
Sandhi-form  zu  ^mregh*  in  ßfix^  „benetzen''  :  lett.  mergdt 
„sanft  regnen",  tnerga  „sanfter  regen". 

rtgMre,  rigescere,  rigor-  „in  die  höhe  ragen,  empor- 
starren, steif  sein,  Starrheit,  Steifheit"  :  mhd.  r'egeny  ragen 
„ragen,  starren,  hervorragen",  rag-  „steif,  starr"  :  a-^oi  eigentl. 
„hervorragen  über  jemanden'^  d-(^6g  „hervorragend"  :  lit.  rägtis 
=  altbulg.  rogü  „hörn"  Fick  VW.  I  *  527.  Prellwitz 
GE.  34. 

ligäre  „anbinden,  verbinden,  umgeben"  (balteus  loricam 
ligat)  :  leixijy  „flechte  an  bäumen  und  auf  der  haut,  moos  auf 
steinen"  (eig.  „das  anhaftende,  das  umgebende").  Vielleicht 
gehört  auch  ahd.  slingan  „winden,  flechten"  dazu,  mit  übertritt 
in  die  e-reihe. 

Ist  in  diesen  fällen  -g-  wirklich  auch  hinter  kurzem  vokale 
aus  -gh-  entstanden  —  was  für  einige  der  stamme  als  wahr- 
scheinlich gelten  darf  — ,  so  erhebt  sich  die  frage,  worin  der 
unterschied  zwischen  t;^,  tm/ii  etc.  einerseits  und  n^äre  etc. 
andrerseits  besteht  Ich  möchte  sie  wenigstens  mit  einer  Ver- 
mutung beantworten: 

Während  in  viho,  mihi,  trdho,  lien,  cöhars,  nihil^  *  bihtmus  der 
accent  dem  -A-  unmittelbar  vorhergeht,  folgt  er  in  histo- 
rischer zeit  nach  dem  dreisilbengesetz  dem  -9-  in  figura, 
Ügurio,  negotium^  ndgäre,  ligonem,  ^^re,  eg^nus,  rtgdre,  rtgö're, 
rigorem,  tfgäre,  oder  liegt,  wie  bei  ind-^lg-w,  auf  dem  zweit- 
vorhergehenden vokale.  *fUhöj  *lihö  „hacke"^  *r{ho,  *riheo, 
*Uho  „binde"  können  leicht  durch  den  einfluss  der  weit  häufiger 


Beiträge  zur  lateinische»  granimatik.  137 

Yorkommenden  stammesformen  negd-,  ligon-,  rigdr  u.  s.  w.  ihr 
-A-  zu  gunsten  des  -^*  aufgegeben  haben.  Umgekehrt  kann 
*cog6rtem  dem  nominative  cöhors  gefolgt  sein.  So  bleibt  als 
wirkliche  ausnähme  nur  pre-hindo  übrig,  das  in  historischer 
zeit  nie  den  accent  auf  dem  pre-  getragen  hat.  Wurde  dieses 
verbum  etwa  doch  noch  als  kompositum  empfunden?  ^). 

IL 
ludo,  ludOB  :  loidos. 

Für  das  gewöhnliche  lüdos  „spieP'  gebrauchen  einige  in- 
schriften  die  seltene  form  loidos  loedos.  Drei  von  ihnen, 
die  der  fundstätte,  dem  alter  und  dem  inhalte  nach  eng  zu- 
sammengehören, setzt  man  ans  ende  des  IL  jahrh.  ▼.  Chr.:  CIL. 
I  565  566  -  X  3776  3779  mit  loidos,  CIL.  I  567  -  X  3778 
mit  loedos.  Erst  aus  augusteischer  zeit,  aus  den  letzten  jähren 
des  I.  jahrh.  v.  Chr.,  stammen  die  Fasti  Esquilini  (CIL.  I  1, 
ed.  alt.  p.  210  211)  mit  loid.  Cereri^  loi(di)  und  unmittelbar 
darunter  loed(i),  und  die  Fasti  üaeretani  (CIL  I  1,  ed.  alt. 
p.  212  213)  mit  neunmaligem  loedi.  Diesen  inschriften  schliesst 
sich  Cicero  de  leg.  II 9,  22  mit  loedis  (überl.  loedis  mit  u  über 
oe  im  Leid.  B,  ludis  im  Leid.  A)  an. 

Eines  steht  fest:  zu  der  zeit,  aus  der  alle  diese  denkmäler 
stammen,  war  der  lautliche  Übergang  eines  ursprünglichen  oi 
in  U  im  Lateinischen  bereits  vollzogen.  In  jenen  drei  inschriften, 
die  das  älteste  zeugnis  für  loidos  enthalten,  steht  neben  coira- 
verunt,  loidos  (565),  coiravere,  loid.  (566),  coeravere,  loedos 
(567)  der  akkusativ  murum.  Nun  wissen  wir  nicht  nur  aus 
den  inschriften,  sondern  auch  aus  der  litteratur,  dass  moiros 
die  altlateinische  form  für  mürus  war,  und  die  etymologie  des 
Wortes  schliesst  sich  als  dritter  zeuge  hierfür  an  (vgl.  moenia, 
pomerium  „maueranger^^).  Daraus  also,  dass  mürus  mit  ü  auf- 
tritt» folgt  notwendig,  dass  der  lautliche  Übergang  von  oi  in  ü 
bereits  abgeschlossen  war  und  dass  coiraverunt  (pälign.  coisa- 
tens)  lediglich  mit  archaischer  Orthographie  für  das  gesprochene 
cüraverunt  geschrieben  sein  kanu.  Gewiss  liegt  nun  die  Ver- 
mutung nahe,   dass  auch  in  loidos  :  loedos  von  der  kuratorial- 

1)  Soeben  kommt  Birt's  neues  buch  über  den  Hiat  bei  Plautus 
in  meine  h&nde.  Es  schliesst  sich  mit  der  lehre  vom  Übergang  des  -gh" 
in  die  spirans  -A-  der  valgaransicht  an,  ohne  dass  neues  beweismaterial 
beigebracht  wird.    (Correktomote.) 


138  0.  Hoffmann 

Orthographie  des  U.  und  I.  jahrb.  ▼.  Ghr.  die  ursprüngliche 
form  des  Wortes,  das  zu  dieser  zeit  bereits  als  lüdos  gesprochen 
wurde,  festgehalten  worden  ist.  Und  daran  knüpft  sich  dann 
ganz  natürlich  der  weitere  schluss,  dass  auch  lüdo  „ich  spiele'^ 
aus  *loidö  hervorging.  Gegen  diese,  soviel  ich  sehe,  allgemein 
vertretene  auffassung  von  lüdos  und  lüdo  erheben  zwei  tatsachen 
der  Stammbildung  und  lautgeschichte  einspruch: 

1.  Ein  präsens  ^loido  mit  der  ablautsstufe  des  perfekts 
ist  nach  den  für  die  bildung  des  präsensstammes  geltenden 
regeln  nicht  zu  rechtfertigen:  wir  erwarten  "^leido  oder  *l^o 
dafür.  Überliefert  ist  *loido  nicht,  sondern  nur  lüdo:  ja,  die 
form  ludutit  neben  coiravü  CIL.  I  1166  ist  älter  als  alle  in- 
schriftlichen  belege  für  loidos. 

2.  Der  ursprüngliche  anlaut  loi-  war  im  Lateinischen 
bereits  in  Zi-  übergegangen,  ehe  der  wandel  von  oi  über  oe  in 
ü  begann  (vgl.  Hirt  Arkiv  f.  Nord.  Fil.  XH  83): 

liquit  :  lHotne  :  got.  laihv  (zu  leirrw  :  got.  leihvan  : 
reUquus  u.  s.  w.,  ablaut  leiq-  :  loiq-  :  Bq--), 

llher  „frei",  inschriftlich  Uiber  CIL.  I  192  (ältester  beleg), 
Uiberarei  CIL.  I  199  (117  v.  Chr.),  leiberei,  leü>erei8,  leiberorum 
CIL.  I  200  (111  V.  Chr.):  altlat.  loebertatemy  loebesum  »  übe- 
rorum  bei  Festus. 

Itbare  „spenden''  :  loißatai'  anivdet,  d-vei  Hesycb,  de- 
nominativum  zu  loißa  „spende,  trankopfer"  (die  e»-stufe  in 
leißw).    Gleichen  Stammes  ist: 

libum  „opferkuchen''  aus  *Zotfrom. 

Itra  „furche,  ackerbeef,  de-lirus  :  ahd.  wagan-leisa 
„wagen-spur'S  mhd.  leise  „spur"  :  altbulg.  Uchü  „ackerbeet" 
aus  *loisäf  Hoiso-  (stamm  Heis-  :  Hois-).  Das  altlät.  Üra  bei 
Pompon.  158  Ribb.  Non.  17,  32  stellt  die  mittelstufe  zwischen 
her-  und  Ur-  dar. 

ob'llquus  „schräg,  schief",  linquier  „schief  gehen''  (ablaut 
*loiq'  :  *fö}-). 

Um  US  „schlämm,  der  sich  unten  im  wasser  absetzt,  unrat"  : 
ags.  Hm,  ahd.  leimo  „lehm"  aus  *loimos  Kluge  DE^  242. 

Von  lüdus  abgesehen  ist  kein  einziger  beleg  für  lat 
lü-  aus  idg.  loi'  vorhanden.  Warum  Stolz  LG.*  36  die  der 
bedeutung  wie  der  form  nach  tadellose  Zusammenstellung  von 
lügeo  mit  levyaliog  „traurig,  jammervoll",  Ivy-Qog  aufgiebt 
und   dafür   das   abliegende  koiyog  „verderben,  tod"  :  lit.  ligä 


Beiträge  zur  lateinischen  grammatik.  139 

„krankheit**  zum  vergleiche  heranzieht,  ist  mir  unverständlich. 
Ebenso  wandelt  er  auf  Seitenwegen,  wenn  er  mit  Bechtel 
Zitterl.  22  lüridus  „blassgelb,  fahP'  mit  dem  nur  von  Hesych 
überlieferten  XeiQOi:'  6  iaxifog  xal  wxQog  .  .  ^  vov  fuyLQOv  kaytav 
und  mit  lelgiov  ,,lilie^'  verbindet.  Die  bedeutung  ,ybla8s*'  hat 
sich  bei  leiQog^  wie  Prellwitz  G£.  178  mit  recht  annimmt, 
erst  aus  dem  ursprünglichen  „dünn,  schlank,  schmächtig"  ent- 
wickelt, vgl.  lit.  leilas  „dünn,  schlank".  Mit  Froehde  KZ. 
XXII  2öOff.,  dem  sich  u.  a.  Vanicek  LE.»  92  Prellwitz 
6E.  360  angeschlossen  haben,  stelle  ich  lüridus  zu  x^'^'^Q^f 
xi^-^fog  (ans  *xkoß-eQ6g)  „blassgrün,  fahl" :  über  lat  /-  aus  hl- 
a*  idg.  ghl-  s.  unten  s.  14().  Endlich  versteht  es  sich  von 
selbst,  dass  glü-ten  „leim",  wenn  es  mit  yloi^g^  lett.  gtiwe 
„schleim",  altb.  gle-nü  „schleim"  u.  s.  w.  von  einem  stamme 
glei- :  gloi-  igli-  abgeleitet  sein  sollte  (Persson  Wurzelerw.  130 
fuhrt  es  mit  lit.  gliaü^mas,  lett.  glu-ms  „schleimig"  auf  gleu-  : 
glu-  zurück),  nichts  gegen  einen  Übergang  von  oi  in  i  hinter 
anlautendem  2-  beweist.  Denn  dieses  kann  als  „helles" 
oder  palatales  l  gesprochen  sein,  das  einen  wandel  von  oi  über 
&i  in  %  begünstigte,  während  ein  „dunkles"  oder  velares  /  hinter 
g  sich  mit  ai  gut  vertrug. 

Ein  Iaidos  liesse  sich  also  nur  so  rechtfertigen,  dass  wir 
es  mit  Saussure  Mem.  d.  S.  L.  VI  75  Windisch  BSÖW. 
Phil.-hist.  XXXVIII  245  auf  ^doido-s  =  altn.  teitr  „fröhlich, 
munter"  zurückführten  und  den  ersatz  des  d  durch  l  in  eine 
zeit  verlegten,  als  der  lautwandel  von  hi-  zu  Iv-  bereits  abge- 
schlossen war.  Ehe  wir  aber  nicht  wissen,  ob  und  unter  wel- 
chen bedingungen  ein  ursprüngliches  d  im  Lateinischen  in  l 
hat  übergehen  können  (Conway  IF.  11  157  ff.  Stolz  H6.  234  ff. 
LG. '70  Brugmann  OR.  I*  533 ff.  und  die  hier  angeführte 
litteratur),  ist  es  bedenklich,  die  zahl  der  beispiele  durch  ein 
höchst  unsicheres  stück  zu  bereichem.  Ausserdem  würde  ein 
*daido  als  Vorstufe  von  *lüdo  dieselbe  Unregelmässigkeit  in  der 
Stammbildung  zeigen  wie  *loido. 

So  werden  wir  denn  zu  der  Vermutung  gedrängt,  dass  loi- 
dos  gar  nicht  die  lautliche  Vorstufe  von  lüdus  bildet,  dass  es 
überhaupt  der  lebendigen  spräche  nie  und  nirgends  angehörte, 
sondern  lediglich  als  missgeburt  der  Orthographie  ins  leben 
trat,  indem  oi  für  ein  ursprüngliches  oder  aus  eu  ou  hervorge- 
gangenes ü  geschrieben  ist.    Ein  solcher  missgriff  konnte  leicht 


140  0.  HoffiuauD 

geschehen  zu  einer  zeit,  die  den  alten  diphthongen  oi  nicht 
mehr  als  gesprochenen  laut,  sondern  nur  noch  als  orthogra- 
phische antiquität  in  coirare,  oinos  (gesprochen  curare,  ünos) 
kannte,  und  er  erklärt  sich  aus  der  absieht,  das  sprachliche 
gewand  eines  aktenstückes  oder  gesetzes  so  altertümlich  wie 
möglich  zu  färben.  Die  frage,  weshalb  dann  in  jenen  drei  in- 
schriften  nicht  auch  moirum  geschrieben  und  so  eine  wirklich 
echte  archaische  form  wiederhergestellt  ist,  findet  damit  ihre 
beantwortung,  dass  die  formel  loidos  fecerunt  neben  der  formel 
(murum,  portas,  turreis  etc.)  fcuiiundum  cairaverunt  steht  und 
dass  lüdos  am  ehesten  gerade  durch  ein  benachbartes  coirare, 
dessen  oi  ausserordentlich  zähe  bis  in  spätere  zeit  in  der  schrift 
festgehalten  wurde,  orthographisch  beeinflusst  werden  konnte. 
Überhaupt  war  lüdos  „spieP'  ein  in  gesetzen  und  Urkunden 
nicht  seltenes  wort  und  konnte  deshalb  eher  mit  altertümelnder 
Orthographie  loidos  geschrieben  werden  als  müros. 

Durch  beseitigung  des  pseudo-archaischen  loidos  ist  nun 
auch  der  weg  zu  einer  befriedigenden  etymologischen  deutung 
von  lädo  und  lüdos  geebnet  Wie  clau-d-o  zum  stamme  kläf^ 
(lat.  cläV'is  :  dor.  xAä-£^),  cü-d-o  aus  *ceu-d'0  zum  stamme 
ieti-  (altbulg.  kovq  kujq  „schlage,  schmiede'S  lit.  kduju  „schlage, 
schmiede",  ahd.  houwan),  fü-d-i  aus  ^feu-d-i  oder  *  fou-d-i 
zum  stamme  gheu-  „giessen"  (x^w  aus  *xe/-ctf,  got.  giu-t-an) 
gehört,  so  kann  der  stamm  lü-d^  (aus  leud-  in  lüdö,  aus  loud- 
in  lüdos)  mit  -d-  aus  einer  wurzel  *leU'  erweitert  sein.  Dieses 
leu"  „scherzen,  spielen''  aus  *Aleu-  =  idg.  *ghleu-  ist  in  gr. 
X^vT}  „scherz,  spott",  ags.  glioj  gliowes  „scherz,  spass'S  lit. 
glau-d-as  „kurzweil''  enthalten.  Mit  dieser  etymologie  steigt 
die  zahl  derjenigen  fälle,  in  denen  idg.  ghr-  ghU  im  Lateinischen 
durch  hr-  hl-  hindurch  zu  r-  /-  geworden  sind.  Einen  solchen 
lautwandel  erkennen  freilich  unsere  grammatischen  handbücher 
nicht  an;  sie  lehren  ohne  ausnähme,  dass  idg.  ghr-  ghl-  im 
Lateinischen  durch  gr-  gl-  vertreten  seien.  Die  zum  grössten 
teile  schon  von  Fr  o  eh  de  KZ.  XXII  250  ff.  gesammelten  acht- 
baren zeugen  für  den  Übergang  von  ghr-  ghl-  in  r-  l-  werden 
von  Lindsay  298  §  33.  Brugmann  GR.  I  «  574  §  635. 
Stolz  LG.  3  73  mit  stillschweigen  übergangen;  in  der  HGL.  292 
nennt  Stolz  zwar  den  aufsatz  von  Froehde,  führt  aber  kein 
einziges  der  worte  an,  sondern  begnügt  sich  damit,  ausdrück- 
lich hervorzuhebeui   „dass  die  annähme  der   eben  erwähnten 


ßeiträge  zur  tateiniscfaen  grainmatik.  141 

lautverbindung  {ghl-  ghr-  für  historisches  {-  r-)  keinerlei  be- 
rechtiguDg  hat'^  Um  ein  unparteiisches  urteil  zu  ermöglichen, 
stelle  ich  die  worte,  in  denen  man  gr-  gl-  aus  ghr^  ghU  ab- 
leitet, den  belegen  für  r-  l-  aus  ghr-  ghU  gegenüber. 

gr-  gl"  aus  ghr-  ghUi 

gradior  :  ssk.  grdhyaU  „schreitet  rasch  auf  etwas  los*'  : 
altbolg.  gr^cUf  „ich  komme",  mit  anlautendem  gh-  anzusetzen 
wegen  des  gotischen  grids  „schritt''. 

g lab  er  „glatt,  kahl''  (stamm  ^gkUulh-)  :  altbulg.  glad^äcü 
„glatt"  :  lit.  glodüs  „glatt  anliegend  (vom  haar)"  :  ahd.  glat 
„glänzend,  glatt".  Möglich  ist  freilich  auch  die  Verbindung 
mit  ylaqwQog  in  der  bedeutung  „glatt,  poliert"  (Prellwitz 
GR  61). 

grando  „hagel"  :  altbulg.  gradU  „hagel"  :  auf  idg.  gh-- 
weist  ved.  hradüni  „hagelwetter".  Doch  kann  dieses,  das  zu 
hrddate  „lärmt,  tönt"  gehört,  von  grando  ganz  getrennt  werden. 

Nur  für  das  erste  dieser  drei  worte  steht  der  anlaut  gh^ 
so  sicher,  wie  ihn  die  etymologische  deutung  überhaupt  zu  er- 
weisen vermag.  Wenn  man  schon  bei  den  zwei  übrigen  worten 
zweifeln  kann,  ob  der  ursprüngliche  anlaut  gh-  oder  g-  war, 
so  ist  vollends  alles  übrige,  was  man  für  gr-  gl-  aus  gkr-  ghU 
angeführt  hat,  ein  höchst  unsicheres  material.  grätus  und 
grätia  pflegt  man  jetzt  nicht  mehr  mit  x^Q^Sf  xaiQu  :  lat. 
hor4or  :  osk.-umbr.  her^  „wünschen"  :  ahd.  ger-ön  „begehren"  : 
ssk.  hdryämi  „begehre'*  zusammenzustellen,  wie  das  noch  Leo 
Meyer  VGGL.  I  «  363  Vaniöek  LE.  «  93  Wharton  EL. 
42  45  thun,  sondern  vielmehr  mit  ssk.  gr^nd-H  „preisen,  ehren", 
gür-täs  „angenehm,  willkommen"  —  lat.  grätus,  gürti-s  „das 
preisen,  das  loblied"  »>  lat.  gratia  :  lit.  glr-H  „rühmen",  gir^ 
tas  „gepriesen"  (Fick  GGA.  1881,  1425  flf.  VW.  I  *  402 
Brugmann  GR.  I  *  474  Stolz  LG.  *  61).  grämen  „gras, 
kraut,  pflanze"  braucht  nicht  zu  got.  alts.  ahd.  gras  „gras, 
kraut",  mhd.  gruose  ,Junger  trieb"  zu  gehören,  sondern  kann 
mit  Persson  Wurzelerw.  123  ff.  Stolz  HGL  I  158  mit  ger- 
men  „schössling,  Stengel",  germinare  „hervorspriessen",  alts. 
krüd  „kraut"  oder  auch  mit  ygaa-ug  „grünfutter"  verbunden 
werden.  Zwischen  grundio  „grunze"  und  engl,  grünt  „grunze" 
schiebt  sich  ygi^to  aus  *y^'dicci,  altn.  krytja  „grunzen".  Für 
gläcies,  glaesutn,  glärea,  glfscere  lassen  sich  bedeutungsverwandte 
wurzeln  mit  ^-  und  gh-  nachweisen. 


142  0.  Hofibann 

r-  l'  aus  ghr-  ghU  : 

rüo  aus  *hrtju>  „stürzen,  niederfallen"  neben  in-gruo,  con- 
gruo  (mit  lautgesetzlichem  -^-  aus  -^A-  hinter  -n-)  :  lit  griü^ 
wu  griu'ti  „zusammen  fallen,  in  trümmer  fallen*'  :  ev~xQ^^ 
„hineinschlagen*'  :  ssk.  hru-  „beugen,  stürzen,  beschädigen'^ 
Für  eine  trennung  von  -^ruo  und  rtw  ist  zuletzt  noch  wieder 
Solmsen  LL.  128  132  eingetreten,  ohne  mich  zu  überzeugen. 
Mit  der  Vermutung,  dass  in  rüo  zwei  ursprünglich  verschiedene 
verba  zusammengefallen  seien,  eines  mit  der  grundbedeutung 
,,graben''  (altbulg.  ryjq),  das  andere  mit  der  bedeutung  „reisse, 
raffe"  (ssk.  rdvati  „zerschlägt",  altbulg.  rüvetü  „evellit"),  ist 
die  wichtigste  bedeutung  von  rUo,  die  sich  genau  in  -gruo 
wiederfindet,  nämlich  „stürzen,  fallen",  nicht  ausreichend  er- 
klärt. 

rävus  ,ygrau"  :  altn.  grdr,  ags.  gräg,  ahd.  grdo,  grdwe 
„grau"  aus  urgerm.  *gr^wo-.  Genau  in  gleicher  weise  ent- 
spricht ein  lateinisches  -äv-  einem  west-  und  nordgermanischen 
-äW"  (aus  -9uh)  in  gnävus  „tatig,  rührig",  i-gnätus :  altn.  kndr 
„tüchtig,  kräfdg"  (stamm  ^knawo-),  flavus  „blond,  gelb"  : 
altn.  blär  „blau",  ags.  bläw,  ahd.  Uäo  (Kluge  DE.  «  47).  Ob 
hier  verschiedene  ablautsstufen  vorliegen  —  da  lat.  -At;-  aus 
'öü'  entstanden  sein  kann,  läge  es  am  nächsten,  an  e  :  d  zu 
denken  —  oder  ob  durch  -u-  in  einer  der  beiden  sprachen  der 
vorhergehende  vokal  umgelautet  ist,  mag  vorläufig  dahin  ge- 
stellt bleiben. 

rüdus  „zerbröckeltes  gestein,  schutt"  :  altn.  griM  „gestein", 
alts.  griot,  ags.  griot,  ahd.  grioz  „sand,  kies"  :  lit.  grüd-au 
„ich  zerstampfte",  grMas  „kom",  vgl.  Fick  VW.  I  *  418. 
stamm  ghreud-, 

lendes  „laus-ei,  nisse"  :  ]it,  gllnda  „laus-ei,  nisse",  stamm 
ghlendr  :  ghbnd.    Dieser   beleg  ist  ganz    besonders   schlagend. 

lüridus  „blassgelb,  fahl"  :  x^Q^g,  x^^Qog  aus  *x^/- 
^Qog  „blassgrün,  fahl",  stamm  ghlo^-  :  ghlöyr,  vgl.  oben  s.  139. 

Dazu  endlich  lud-o,  lüdus. 

Man  wird  zugeben  müssen,  dass  diese  belege  für  r-  l-,  was 
die  Sicherheit  der  etymologischen  deutung  betrifft,  hinter  den 
Worten  mit  gr-  gl-  nicht  zurückstehen.  Ausser  der  etymologie 
aber  haben  wir  nichts,  was  zur  entscheidung  der  frage  bei- 
tragen könnte:  aus  den  Schicksalen  des  inlautenden  -gh-  vor 


Beiträge  zur  lateinischen  graromatik.  143 

r  und  l  lassen  sich  keine  Schlüsse  für  den  anlaat  ziehen.  Den 
grund  für  die  doppelte  behandlung  des  anlautenden  ghr-  ghl- 
vermag  ich  vorläufig  nicht  sicher  anzugeben:  eine  Vermutung, 
die  ich  schon  länger  hege,  gedenke  ich  demnächst  in  anderem 
zusammenhange  vorzutragen. 

in. 

Inquam. 

Durch  die  zahlreichen  deutungsversuche,  die  lat  inquam 
erfiEÜiren  hat,  ist  bis  jetzt  leider  nur  gezagt  worden,  wie  schwer 
es  hält  diesem  verbum  beizukommen.  Zu  den  Verfechtern  der 
von  Pott  EF.  1 1  86  180  (1833)  aufgestellten  gleichung  inquam 
»  ssk.  Jchyä-mi  „scheine,  sage  an'*  gehören  noch  Fick  VW. 
I  *  32  Prellwitz  GE.  283  Vanicek  EWLSp.  «  64.  Be- 
liebter  ist  es  augenblicklich,  mit  Pott  KZ.  XXVI  209  und 
Stolz  Verbalflexion  I  20  als  grundform  ^insquam  anzusetzen 
und  diese  mit  in-seque  —  ewsney  in^sequis  u.  s.  w.  zu  verbin- 
den: ob  ifijt<ai7i  dabei  als  „konjunktiv"  (Stolz  LG.  '  185  Pott 
a.  a.o.  Lindsay  LL.  524)  oder  als  „injunktiv*^  (grundform 
^en'Sqä-m  nach  Brugmann  GR.  II  956,  vgl.  I  *  766)  aufge- 
fasst  wird,  macht  für  die  lautgestalt  des  wertes  nichts  aus. 
Wenn  Lindsay  LL.  546  inquam  auf  *ind'Vequam  zurückfuhrt, 
wenn  W harten  EL.  48  ein  *inquo  „ich  sage'^  in  dem  kom- 
positum  co-inquo  „ich  beschneide"  sucht,  wenn  endlich  Sü  tterlin 
IF.  IV  101  inquit  mit  eine  verbindet  (stamm  eiq-,  e^neq-; 
inquit  :  Äfteiv  —  lifiquit  :  leineiv)  und  dieses  von  ssk.  ävöccU, 
Finog  u.  s.  w.  ganz  trennt,  so  sind  das  alles  doutungen,  deren 
kühnheit  sich  nur  aus  der  Schwierigkeit  der  aufgäbe  begreifen 
lässt  Ich  will  im  folgenden  nicht  den  verzweifelten  versuch 
machen,  den  bisher  aufgestellten  grundformen  für  inquam  eine 
neue  hinzufügen ;  ich  stecke  mir  nur  das  nähere  ziel,  die  latei- 
nischen formen  inquam,  inquis,  inquit  im  Griechischen  nachzu- 
weisen. 

Wie  an  inquam,  sind  an  eju/rc^,  ion.  eftntjg  „doch,  den- 
noch'' bisher  alle  etymologischen  deutungsversuche  gescheitert: 
man  hat  den  verbalstamm  /rä-,  das  nomen  Ttag  herangezogen 
(Brugmann  GG.  '  548),  aber  damit  weder  die  bedeutung 
noch  die  verschiedenen  formen  der  partikel  zu  erklären  ver- 
mocht.   Es  sind  das  im  wesentlichen  drei. 


t44  0.  Hotfmann 

tfiftäv  ist  die  von  Pindar  gebrauchte  dorische  form: 
Pyth.  V  56  Nem.  VI  4  XI  44  X  82  (an  der  letzteren  stelle 
ist  die  länge  des  ä  metrisch  gesichert). 

e'fiTtäg  steht  bei  Pindar  Pyth.  IV  86  237  (die  zweite 
stelle  verbürgt  die  länge  des  ä)  und  wird  von  den  tragikern 
und  Theokrit  als  dorische  partikel  gebraucht.  Diesem  dor. 
Sfinäg  entspricht  das  ionisch-homerische  e^ntjg.  Vielleicht 
hat  es  noch  eine  dritte  form  mit  kurzem  a  gegeben.  Bei 
Kallinos  fragm.  lie  ist  efinag  in  dem  yerse  aiX  6  fiiv  ovx 
ifinag  di]fÄWt  tpilog  ovdi  Tto^eivog  überliefert.  Alle  heraus- 
geber  haben  mit  vollem  recht  ein  dorisches  efinäg  bei  einem 
ionischen  elegiker  für  unerhört  erklärt  und  das  homerische 
efÄTtrjg  dafür  eingesetzt.  Doch  fällt  es  schwer  die  frage  zu  be- 
antworten, wie  diese  einzige  dorische  form  in  den  text  des 
dichters  hineingekommen  ist.  Und  da  wir  bei  Pindar  und  in 
der  tragödie  l/u/rä  finden,  so  wird  die  Vermutung,  dass  es  neben 
e'fiTtäg :  efiTttjg  ein  Bfinäg  gegeben  habe,  nicht  ganz  abzuweisen 
sein. 

EfATtot  ist  die  dritte  der  formen:  Pindar  Nem.  IV  36  (a 
gesichert),  Sophokles  Aias  563  im  Trimeter  und  bei  jüngeren 
dichtem. 

Mit  sfATtäg^  SfiTtrfif  das  häufig  mit  dXla  und  di  verbunden 
auftritt,  wird  im  allgemeinen  ein  gegensatz,  eine  einschränkung 
zu  einer  vorhergehenden  tatsache  oder  behauptung  eingeführt: 
die  Übersetzung  „doch,  dennoch,  trotzdem^'  wird  in  den  meisten 
fällen  dem  sinne  gerecht.  Eine  feste  Stellung  hat  die  partikel 
nicht:  wir  finden  sie  im  anfange  des  satzes^  an  zweiter  oder 
dritter  stelle  (hinter  dlka,  dkXa  nai  etc.)  und  mitten  im  satze. 
dieser  gebrauch,  die  lautgestalt  und  die  verschiedenen  formen 
der  partikel  sind  erklärt,  wenn  wir  in  ihr  ein  flektiertes  verbum 
sehen  und  die  Trias  e/u/räy,  efinäg  (efinäg),  efinä  den  drei 
lateinischen  formen  inquam,  inquis,  inquit  gleichsetzen. 

Dass  lat.  inquam  aus  *inquäm  dem  e'fiTtäv  lautlich  ge- 
nau entspricht,  bedarf  des  beweises  nicht. 

Den  stamm  inqut-  fasste  bereits  Bopp  VG.  I  *  214 
richtig  als  „Schwächung''  von  inquä-.  Genauer  gesagt:  tit^f- 
ist  aus  inquä-,  dem  schwachen  stamme  zu  inquä-,  hervorge- 
gangen, indem  sich  nachtoniges  ä  in  e  umwandelte.  Die  formen 
inqui'S  inqüi-t  inqui-mus  inqüt^tis  verhalten  sich  also  zum 
stamme  inqua^   genau   so    wie  si-sd-a  $i-8(t4  si-sUrmtis  sisU-tis 


Beitrage  zur  lateinischen  grammatik.  l4d 

zum  stamme  st-stä-  =  i-atä".  Fraglich  bleibt  nur  das  eine, 
ob  die  schwachen  stamme  si-^ä-  inquä-  nur  in  den  ursprüng- 
lichen pluralformen  ^sistä-mus  "^sistä-fis  *inquä'mu8  ^inqttä^tis 
lautgesetzlich  in  sisISh  inqul-  übergingen  und  schon  mit  diesem  aus 
-o-  entstandenen  -I-  den  Singular  eroberten,  indem  sie  hier  die 
alten  formen  ^sista-s  ^sütä-t  ^inquäs  *inquä't  verdrängten, 
oder  ob  sie  zunächst  in  ihrer  ursprünglichen  lautgestalt  in 
den  Singular  drangen  (*sistä'8  *inquä'S  u.  s.  w.  für  ^sistä-s 
*inquär8)  und  sich  dann  auch  in  diesen  singularformen  lautge- 
setzlich in  *8i8^  ^inqrn-  umwandelten.  Unmöglich  ist  das 
letztere  nicht ;  die  Untersuchungen  über  die  Schicksale  des  nach- 
tonigen ^  in  lateinischen  endsilben  sind  noch  nicht  abge- 
schlossen. Von  sfiftäg:  ion.  efinvig  unterscheidet  sich  inqws 
dadurch,  dass  es,  genau  so  wie  si8^8  reddi'8  u.  s.  w.,  den  ur- 
sprünglich nur  im  plural  auftretenden  schwachen  stamm  in  den 
Singular  eingeführt  hat  Der  gleichen  erscheinung  begegnen 
wir  in  dem  dorischen  e^nä  »  inqult  und  in  dem  efinäg  des 
Kallinos  (—  inquU),  wenn  ,  dieses  richtig  überliefert  ist.  Ver- 
gleichen lassen  sich  einerseits  ovtä  und  dnrjiqa  »•  *an^i'pQa^ 
andererseits  do^g  d-i-g  S-g. 

Aus  der  ursprünglichen  bedeutung  der  griechischen  Par- 
tikel ,,sag'  ich,  sagst  du,  sagt  er*'  erklärt  sich  leicht  ihr  ge- 
brauch in  historischer  zeit:  die  alte  stehende  formel  äXÜ  c/u- 
TTÖg,  dlX^  Efimiig  („aber,  sagst  du'*)  erinnert  unwillkürlich  noch 
an  das  lateinische  at  —  inqui8,  das  einen  einwurf  einleitet 
(z.  b.  Lukrez  I  897  „at  saepe  in  magnis  ß  montibus,  inqui8^ 
ut  aUü^  u.  s.  w.,  I  803  „at  manifesta  palam  res  indicat,  in- 
quis,  in  aurasf*). 

Breslau.  0.  Hoffmann, 


Nachwort  zu  den  emendationen  zum  Bigveda« 

(Oben  s.  76  u.  90.) 

Prof.  Weber  erklärt  sich  in  einer  freundlichen  korrespon- 
denzkarte  aus  Friedrichsroda  vom  23.  sept.  in  hinsieht  auf  die 
Provenienz  und  das  alter  der  ältesten  theile  des  Rigveda  nicht 
mit  mir  einverstanden.  Seine  berechnung  in  bezug  auf  die 
Afvinau,    die   als   das  gestirn   der   Zwillinge   am  morgen   vor 

MM«»  X.  ksnde  d.  indf.  ipniekeii.    XIVI.  10 


146  ßrunnhofer 

Sonnenaufgang  am  himmel  gestanden  hätten,  gründe  sich  auf 
die  hypothese,  dass  dieser  zwillingscharakter  der  Ägvinau  in 
indogermanischer  zeit  existirt  habe,  vorausgesetzt  noch 
dazu,  dass  die  Afvinau  mit  den  Dioskuren  identisch  gewesen 
seien.  Die  von  ihm  und  Förster  gemachte  berechnung  beziehe 
sich  nicht  auf  den  Rigveda. 

Indessen  gilt  hier  folgendes.  In  meinem  vertrag  über  „das 
alter  des  Rigveda  nach  massgabe  der  Afvinau-hymnen'*  (s.  oben 
pag.  76)  habe  ich  aus  den  bestimmten  angaben  des  Eratosthenes 
und  Hyginus  nachgewiesen,  dass  die  Griechen  noch  in  den 
spätesten  Zeiten  ein  klares  wissen  davon  hatten,  dass  die  Jtoa- 
novQOi  das  gestirn  der  Zwillinge  (didvfiOt^  gemini)  seien.  Den- 
selben beweis,  dass  die  A^vinau  das  gestirn  der  Zwillinge  (yamau, 
yamalau)  seien,  habe  ich  aus  der  astrologie  des  Balabhadra,  vor 
allem  aber,  was  das  entscheidende,  aus  dem  Rigveda  selbst 
erbracht,  wo  in  hymnus  III,  39,  3  ganz  unwidersprechlich  die 
Afvinau  vom  commentator  Sftyana  als  die  Zwillinge  erklärt 
werden.  In  demselben  vortrage  hatte  ich  dann  ferner  die 
mythologische  identität  der  kqv\nskU-Ji6axovQOi  aus  einer 
ganzen  reihe  von  parallelsagen  und  übereinstimmenden  sym- 
bolischen funktionen  beider  halbgöttergestalten  zur  gewissheit 
erhoben. 

Wenn  also  die  Agvinau  noch  im  Rigveda  als  zwillingsge- 
gestirn,  das  in  der  morgendämmorung  vor  aufgang  der  sonne 
am  himmel  stand,  poetisch  verherrlicht  wurden  und  zwar  aus 
der  spontanen  begeisterung  heraus,  die  der  anblick  des  morgen- 
himmels  hervorrief,  so  hat  die  berechnung  Försters,  dass  diese 
constellation  nur  unter  dem  40 — 42°  nördlicher  breite  und 
zwar  etwa  6000  vor  Chr.  möglich  gewesen  sei,  auch  noch  für 
die  ältesten  theile  des  Rigveda  kraft.  Bei  der  annähme  von 
Webers  hypothese,  die  constellation,  die  Förster  auf  das  früh- 
lingsaequinox  bezieht,  beziehe  sich  vielmehr  auf  das  winter- 
solstitium,  würde  dann  zweifellos,  wie  Weber  es  für  die  indo- 
germanische zeit  berechnet,  das  alter  der  ältesten  Rigveda- 
hymnen  in  eine  zeit  von  12000  bis  14000  vor  Chr.  hinauf- 
reichen. 

Uebrigens  führt  mein  schon  1889  in  meinem  „Iran  und 
Turan'^  historisch-geographisch  geleisteter  nachweis,  dass  der 
Hiranyagarbhahymnus  (Rigv.  X,  121)  nur  in  Armenien  habe 
gedichtet  worden  sein  können,   insofern    nur  vom  Sabelan  aus 


Nachwort  zu  den  emenrlationen  zum  Rigveda.  147 

der  dichter  zugleich  den  Ras&strom  (den  Araxes)  und  das  meer 
{samudra)y  nämlich  das  Kaspische,  habe  erblicken  können,  zu 
demselben  resultat.  Denn  die  geographische  provenienz  eines 
hymnus  bildet  begreiflicherweise  zugleich  den  massstab  für 
dessen  relatives  alter.  Wenn  also,  wie  ich  (s.  oben  pag.  76) 
gezeigt  habe,  das  zugthier  der  ÄQvinau,  der  eselhengst  {räsabha)^ 
als  iranisches  zugthier,  einerseits  über  Indien,  also  über  den 
35sten  grad  nördl.  br.  hinausweist,  andrerseits  die  thiergeo- 
graphische  breite  des  Vorkommens  des  esels  im  alterthum  nicht 
über  den  42°  nördl.  breite  hinausreicht,  so  ist  damit  wieder 
die  relative  breite  gegeben,  innerhalb  deren  die  ältesten  Agvi- 
nauhymnen  hatten  gedichtet  worden  sein  können. 

Zu  demselben  resultat  führt  F.  K.  Oinzels  abhandlung 
„lieber  einen  versuch,  das  alter  der  vedischen 
Schriften  aus  historischen  Sonnenfinsternissen  zu 
bestimmen*'  (Sitzungsberichte  der  kgl.  böhm.  ges.  d.  wissen» 
seh.,  mathem.-naturwissenschaftl.  classe,  Prag  1894).  Oiuzel 
berechnet  nach  angaben  Ludwigs  das  alter  der  Svarbhänu- 
finstemis  (Rigv.  V,  40,  5)  auf  den  5.  okt.  1977  v.  Chr.,  dies 
aber  ausdrücklich  unter  der  ihm  von  Ludwig  gemachten  an- 
gäbe, dass  sämmtliche,  im  Rigveda  erwähnten  Sonnenfinster- 
nisse, ausschliesslich  einem  streifen  zwischen  den  Meridianen 
70 — 76°  östl.  länge  und  29 — 34°  nördl.  br.  angehören.  Dar- 
nach hat  GKnzel  die  Svarbhänufinsternis  auf  das  bogens^ment 
Bombay-Madras  lokalisirt.  Nun  hält  Ludwig  (s.  Ginzel  pag.  8) 
die  Svarbhänufinstemis  für  „die  jüngste  des  Rigveda",  an- 
drerseits hatten  die  Arier  um  2000  vor  Chr.  kaum  erst  das 
Pendschab  betreten ,  geschweige  dass  sie  schon  Südindien 
erobert  gehabt  hätten.  Weist  aber  die  Svarbhä^nu-sonnenfinster- 
niss  über  Indien  hinaus  nach  dem  nordwesten,  so  gelangt  man 
an  der  band  der  fortgeführten  bogenlinie  Madras-Bombay  direkt 
nach  Südkaspicn  und  zu  einer  periode  von  mindestens  3000 
vor  Chr. 

Berlin.  Brunnhofei*. 


eigennamen. 

Keine  griechische  landschaft  hat  bisher  dem  namenwörter- 
buche  eine   solche  fülle  interessanten  materials  zugeführt  wie, 

10* 


148  P.  Bechtel 

BöotieD.    Prachtstücke  -wie  Osioflovog^  Bionnaatog^  Klevairt^ 

nog  leben  im   herzen   aller  kundigen.  Die  folgenden   bemer- 

kungen   sollen  darauf  hinweisen,    dass  die   erde   noch    immer 
freigiebig  ist 

1.     Tevfiaaiyeveig. 

In  der  Revue  des  etudes  greques  1899.  53  ff.  hat  Theodore 
Reinach  zwei  tanagräische  inschriften  veröffentlicht,  die  in  enger 
beziehung  zu  einander  stehn.  Der  tempel  der  Damater  und 
der  Kora  soll  in  das  innre  der  Stadt  verlegt  werden.  Die  erste 
Urkunde  bewahrt  die  namen  der  tanagräischen  damen  auf,  die 
sich  verpflichten  für  die  kosten  aufzukommen,  die  aus  der 
tempelverlegung  erwachsen.  Die  zweite,  die  rückseite  des 
gleichen  Steines  füllende,  verzeichnet  die  namen  der  schönen, 
die  garderobegegenstände  in  den  tempel  gestiftet  haben.  Da 
nur  wenige  persönlichkeiten  beiden  listen  gemeinsam  sind, 
lernen  wir  aus  ihnen  die  namen  einer  nicht  unbeträchtlichen 
zahl  von  Tanagräerinnen  und  ihrer  väter  kennen,  die  in  den 
letzten  Jahrzehnten  des  3.  Jahrhunderts  gelebt  haben. 

Unter  den  subscribentinnen  wird  eine  ^Ercixagig  TevfjLaai^ 
yi[viog]  (z.  73)  aufgeführt.  Der  name  ihres  vaters  erweckt 
unser  interesse.  Der  herausgeber  nennt  ihn  »bizarre  et  inconnu«, 
und  hält  für  möglich  ihn  mit  dem  wortstamme  in  Zusammen- 
hang zu  bringen,  von  dem  Tevfiijg  {noTafiog  &rjßwv  Hes.)  und 
Tevfirjoaog  ausgehn.  Gegen  diese  vermuthung  spricht,  dass  die 
böotische  gestalt  des  wortstammes  TevfiO'  aller  Wahrscheinlich- 
keit nach  Ttevfio-  lauten  würde ;  denn  dass  der  name  Tevfifjaaog 
in  engster  Verbindung  mit  dem  namen  der  phthiotisohen  Stadt 
stehe ,  deren  bewohner  IlevpLatiot  ^)  heissen  (Fick  zu  Coli, 
no.  3806  nachtr.),  scheint  mir  nicht  zu  bezweifeln.  Die  com- 
bination  von  Tevfiaai'  mit  TevfiriaaSg  unterliegt  aber  noch  zwei 
weiteren  bedenken.  Eine  inschrift,  die  drcolayiTTaa^r/  bietet, 
würde  den  in  Tev^riaaog  durch  aa  bezeichneten  laut  nicht  mit 
a  wiedergeben.  Und  wenn  Tevfiaai-  auf  den  Tevfirjoaog  zu 
beziehen  ist,  wie  kommt  i  in  die  compositionsfuge?    Ich  setze 

1)  DasB  die  Uivfiaiioi  Phthioten  sind,  hat  Köhler  Ztschr.  f.  namism. 
12.  110  ff.  gezeigt.  Bei  Brugmann  Grieoh.  gramm.  '116  werden  sie  za 
den  Böotern  gerechnet,  trotz  dem  hinweise  Heads  (Bist.  num.  256), 
Dittenbergers  (I6S  1  no.  3287),  W.  Schnlzes  (GGA  1897.  910)  auf  Köhlers 
abhandlung. 


Böotische  eigennamen.  149 

Reinachs  nicht  annehmbarem  vorschlage  einen  andren  entgegen : 
ich  sehe  in  Tevuaai-  den  aoriststamm  von  Tevfidofiai.  Dies 
verbum  ist  bisher  nur  aus  der  Thebais  des  Antimachos  bekannt 
gewesen,  und  zwar  hat  sich  Antimachos  seiner  bedient,  um  den 
namen  Tevfitjaaog  etymologisch  zu  deuten  i).  Wackernagel,  der, 
wie  ich  selbst,  von  der  Zusammengehörigkeit  des  tevfiaofiai 
mit  avest.  iyaoman-'  (werk)  überzeugt  ist,  hat  vor  jähren  aus 
dem  erscheinen  des  t  bei  dem  ionischen  dichter  gefolgert,  dass 
dieser  das  verbum  von  den  Böotem  habe  (EZ.  28.  121).  Wir 
lernen  aus  dem  erscheinen  des  elementes  tevfiaair  in  einem 
tanagräischen  namen,  dass  die  Böoter  das  wort  Tevfiäofiai 
wirklich  besessen  haben.  Wackemagels  schluss  gewinnt  also 
an  Sicherheit.  Der  bedeutung  nach  kommt  dem  so  verstandnen 
Tevfiaaiyiveig  der  6P  >  85  aus  Attika  nachgewiesne  name 
^Q^iyewjg  so  nahe  wie  möglich. 

Aus  der  reihe  der  übrigen  neuen  namen,  die  durch  die 
beiden  documente  ans  licht  gekommen  sind,  seien  nur  zwei  er- 
wähnt, um  deren  Verständnis  der  heransgeber  umsonst  bemüht 
gewesen  ist  Bifimv^  jetzt  auch  aus  Akraiphia  bekannt  ge- 
worden (BGH  23.  194  no.  le,  200  no.  8»),  kann  aus  Qefiiaanf 
verkürzt  sein  wie  l^ad  auf  dem  tanagräischen  grabsteine  I6S  1 
no.  618  aus  ^Aatonti  (Fick  GGA  1883.  121).  Und  Ti^ivag 
(Bs7.  98 )  zeigt  die  gleiche  bildungsweise  wie  ^laxivag^  [J](a^ 
Qivag  in  Tanagra  selbst  (IGS  1  no.  585  III9,  no.  537  ai4), 
Tlovd^ivag  in  Chaironeia  (IGS  1  no.  3313s),  üeiaivag  auf  Thera 
(161  3  no.  79?),  Haidivag  in  Pharsalos  (Coli.  no.  326  UIso.  si). 


2.    MwXiowog. 

Eine  anzahl  neuer  conscriptionslisten  aus  Akraiphia,  alle 
jünger  als  die  mitte  des  3.  Jahrhunderts,  hat  Perdrizet  BGH 
23.  193  fiF.  veröfiFentlicht.  Wir  lernen  durch  sie  etwa  zwanzig 
namen  kennen,  die  sich  grösstentheils  an  schon  belegte  an- 
schliessen  lassen,  theilweise  aber  doch  auch  sprachgut  enthalten, 
das   im  namenbuche   bisher  noch  nicht  vertreten  gewesen  ist. 

1}  Steph.  Byz.  Tevfitiöao^ ,  ogos  Bowntag  ....  ixXri^f\  «f*  ovttog^  tag 
UvttfAuxog  ngtartM  SrißtitSos 

ovvixd  ol  Kqovldri^f  oc  [n]  (liya  ndötv  dydaaei, 


150  F.  Bechtel 

Zu  der  letzten  klasse  gehört  der  in  der  Überschrift  ausgehobne, 
den  ich  der  zweiten  liste  (z.  25)  entnehme.  Der  herausgeber 
hat  sich  bemüht  ihn  zu  erklären,  hat  sich  aber  den  weg  zur 
richtigen  interpretation  durch  die  betonung  MwUovzog  ver- 
sperrt. Die  Inschriften  gehören  einer  periode  an,  in  der  die 
Böoter  V  in  bestimmter  läge  mit  lov  bezeichnen;  so  bietet  die 
zweite,  die  uns  hier  beschäftigt,  z.  b.  ^iova[iav]oQ.  Sobald 
man  dem  iov  in  MQAIOYTOI  den  gleichen  werth  zuspricht,  wird 
der  name  durchsichtig:  man  erkennt  dann  in  ihm  das  als 
nomen  proprium  verwendete  participium  auf  %6g  des  fast  ver- 
schoUnen  verbs  fitaluo,  dessen  bedeutung  aus  der  Hesychischen 
glosse  fÄtSlvg'  6  a/na&ijg,  Sogfoxlrjg  de  Oaldf^ai'  fie^wkvafiivri' 
Tta^eifiivr]  hervorgeht.  Mtihovrog  gehört  also  in  die  reihe  der 
einstämmigen  Spitznamen,  deren  zahl  durch  die  neuen  con- 
scriptionslisten  auch  sonst  Zuwachs  erhält:  sicher  in  *0(fvdl' 
l€i(g)  1)  no.  286  (der  söhn  heisst  FovQig)  und  in  KoaxovXog 
no.  7 17  (Perdrizet  bemerkt  gut:  c'est  un  sobriquet  pris  du 
langage  de  la  corroyerie),  vielleicht  in  SMupiag  no.  5»s  (einer 
der  ein  andipiov  trägt?)  und  in  TAPIOYI  no.  b%7  (lOY  auch 
hinter  labialis  für  v?). 

Schliesslich  noch  zwei  namen,  durch  die  dem  namenbuche 
die  demente  ^A%Qai<pu>'  und  Myjiog  zugeführt  werden:  ^A%^ 
q>iXlu  (no.  I19)  und  ^Eyx-OQ^ag  (no.  3is,  no.  89).  Wie  ILiui- 
tkXei  Verkürzung  zu  IlTwiddwQog^  JlTwionJisigf  IlTioiOTifiog  ist, 
so  weist  ^ AyLQfifpiXkei  auf  voUnamen  zurück,  die  auf  dem  gliede 
*u4xQfiq>io-  aufgebaut  waren.  Ein  vater,  der  seinen  söhn  z.  b. 
'^yLQrjq>ioiikeig  nannte ,  sprach  in  der  benennung  den  wünsch 
aus,  der  söhn  möge  seiner  Vaterstadt  zum  rühme  gereichen, 
oder  der  ^Anokhav  ^  AxQT^fpiog  (ihn  bezeugt  Steph.  Byz.  unter 
^^XQaiq>ia)  möge  ihm  rühm  verleihen.  Der  sinn  von  ^Eyxdgiiag 
ist  ohne  weiteres  klar;  wem  der  Homer  lieber  ist  als  der  Wille- 
halm, dem  fällt  vielleicht  über  ihm  der  vers  ein  dog  di  vi  fi 
ixvÖQa  ekelv  xal  ig  oQfd'qv  eyx^og  ek&eiv. 


1)  Vgl.  Strattis  bei  Athenaios  p.  621  f: 

^wUt^  ovdiv,  näaa  Grißaitav  noXig, 

oTtird-otdav,  (OS  kiyova\  ovofAaCfTi' 


Böotische  eigeoDamen.  151 

3.   fadtiaiog. 

Der  selben  zeit,  wie  die  conscriptionslisten  von  Akraiphia, 
gehört  eine  von  Collin  BCH  21.  553  ff.  herausgegebne  Urkunde 
von  Thespiai  an,  über  die  kürzlich  Meister  gehandelt  hat 
(Leipziger  sitzungsber.  1899.  141  ff.).  Zu  den  bereicherungen, 
die  sie  für  grammatik  ^)  und  Wörterbuch  abwirft,  gehört  der 
name  ßadaiaiog.  Ich  glaube  ihn  etwas  anders  analysieren  zu 
müssen  als  Meister.  Nach  Meister  ist  er  ein  kurzname,  der 
auf  To  fddog  oder  /ad-  zurückgeht  und  sich  der  bildung  nach 
mit  »kurznamen  von  der  art  Tifiijaiog^  "^Egfitjaiog,  Jtiaiog^ 
2faoiag<i  vergleichen  lässt,  »die  von  voUnamen  wie  TifirjaidtjfÄog, 
^Effirjaiaya^y  Jmai^Bog^  SoHJixQaTrjg  abgeleitet  sind,  nach  deren 
analogie  auch  ein  voUnamen  wie  z.  b.  ^ßaöoHjld'aog  gebildet 
werden  konnte«.  Aber  derartige  voUnamen  sind  bisher  nirgends 
zu  tage  gekommen;  es  wird  sich  also  empfehlen  nach  einer 
erklärung  zu  suchen,  die  ohne  sie  fertig  wird.  Das  lexikon 
des  Hesych  gibt  sie  an  die  band.  Hier  begegnen  wir  den 
glossen  adovotov  aqaaxov^  aifiqxovov  und  ddovaiaaafievof 
dulofievoif  ofioloyovfievoi.  An  die  zweite  hat  Kumanudis  ('£9. 
dgx*  1884.  134)  bei  der  Veröffentlichung  einer  attischen  inschrift 
aus  dem  ende  des  4.  Jahrhunderts  erinnert,  die  man  jetzt 
CIA  4  suppl.  2  no.  252  e  findet  Z.  13  ff.  dieses  denkmals 
heisst  es:  e[l]vat  di  a[vTbv  nai  ^ ^d']\7jvaiov  aal  <pvlijg  tmxI 
di][fiö\v  K[a]l  q>QaTQ[iag  elvat  \  ajvTwi  ddovaiaaaa&ai,  tjg  av 
ß[o]vlfiTa[i\.  An  der  authentidtät  von  ddovaid^ofiai^  damit 
auch  von  ddovaiog^  kann  also  kein  zweifei  walten.  Attisches 
adovaiog  —  so  ist  doch  wohl  zu  schreiben  —  verhält  sich  zu 
Fad6v%'  wie  ysQOvawg  zu  yeQorr'f  SKOvat^og  zu  ßenoyT-^  l^eA- 
ovoiog  zu  id'ikoyf-^  wie  ind.  sähantya-  (siegreich)  zu  sdhanU. 
In  dem  namen  /adwaiog  erkenne  ich  das  böotische,  als  nomen 
proprium  verwendete  äquivalent  des  attischen  adovaiog.  Diese 
auffassung  wird  nach   keiner  seite  der  rechtfertigung  bedürfen. 

1)  Für  die  formenlehre  fällt  das  perfectam  duacM^uxi  ab  (z.  2 
att.  SuUlr^Xv^i)^  auf  das  man  nach  der  präsenefonn  unBiXd^iUjvtiq  (I6S  1 
no.  1748a  t  1749«)  gefasst  sein  musste.  Nun  ist  wo!  Dittenber^efs  er- 
gänzung  un%il[€Uv\^iQVXi^  auf  dem  tfaespisohen  steine  IGS  1  no.  17d6s 
nicht  mehr  zu  halten;  vielleicht  haben  in  der  lüoke,  die  Lollings  ab- 
sohrift  hinter  AREIA  angibt,  seichen  gestanden,  die  der  Steinmetz  aus 
versehen  eingegraben  hatte  und  wieder  ausgemeisselt  hat. 


152  A.  Bezzenberger 

Niemand  bezweifelt  heute,  dass  die  assibilation  des  %  durch 
consonantisch  gewordnes  i  eine  gemeingriechische  erscheinung 
ist,  dass  also  das  t  von  TtevroKuitiot  erklärt  werden  mnss, 
nicht  das  a  von  fadwaiog.  Und  was  die  function  des  adjectivs 
ßaöwaiog  als  eigeuname  anlangt,  so  kann  daran  erinnert  werden, 
dass  auch  das  adjectivum  i&ekovatGg  an  die  gruppe  der  mit 
^Ed'sXo'  beginnenden  namen  angeschlossen  und  schon  im  5.  Jahr- 
hundert in  Attika  als  eigenname  verwendet  worden  ist. 

Die  hier  gegebnen  ausfuhrungen  waren  niedergeschrieben, 
als  mir  aus  andrem  anlasse  die  inschrift  CIA  4  suppl.  1  fasc.  2 
no.  53  a  wieder  unter  die  äugen  kam.  Gleich  in  der  dritten 
zeile  heisst  es:  ^J0210[2  ejlyre'  Igxoat  to  hiegov  zo  Koöqo 
wxl  To  NeXiog  yual  %Bg  Baaikeg  ....  Da  treffen  wir  also  unsren 
freund  in  Athen. 

Halle  (Saale),  20.  juni  1900.  F.  Bechtd. 


Got.  bairau,  koigonktiv  von  indogerm.  }>Mro(n). 

Auslautende  gestossen  betonte  langdiphthonge  der  grund- 
sprache  haben  ihren  zweiten  bestandteil  entweder  in  einigen 
sprachen  aufgegeben  und  in  andern  teils  überhaupt,  teils 
nebenbei  bewahrt,  oder  allgemein  verloren.  Eine  änderung 
der  betonungsart  der  betr.  endsilbe  vrird  durch  sein  schwinden 
nicht  herbeigeführt.  Beispiele:  ved.  a§t&u^  a^ta,  got.  ahtau, 
gr.  oxTcJ,  lat.  octö  u.  s.  w.;  ved.  devdu,  devd,  an.  tvau,  gr. 
&€(0y  lat  am&ö,  lit.  baltü-judu,  asl.  raba ;  gr.  7t6Xfji{?)^  got 
bcdga  (anstai  =  anstsi  oder  —  anstsj-i?),  ved.  cynd,  lit.  szcUi; 
ved.  sdkhä,  gr.  ^ijtw.  Vgl.  J.  Schmidt  KZ.  XXVU  377,  Hirt 
Akzent  s.  117  f.,  Wackernagel  Altind.  gramm.  s.  106ff. 

Hiemach  ist  es  zulässig,  die  in  avest  peregä,  gr.  e^foi,  lat 
lego,  lit.  ioezü,  got.  ba{ra  u.  s.  w.  enthaltene  gestossene  endung 
ö  auf  ou  zurückzufuhren  ^) ,  und  da  allein  hierdurch  die  ein- 
fachste aller  bisherigen  erklärungen  von  got.  bairau  *)  haltbar 

1)  Hirt  Indog.  forschungon  I  22S  möchte  sie  als  öt  ansetzen. 

2)  „bftiraa  genau  gleich  griech.  conj.  (p^Qto*^  Kögel  Zeitschrift  f. 
d.  gymnasial  Wesen  XXXIV  406,  vgl.  Wiedemann  lit.  praterittim 
i.  160  anm. 


Got  batrau,  konjunktiv  von  indogerm.  bh^ro(u).         153 

wird,  da  sogar  bairau  ohne  die  herleitung  von  baira  aus  bheröu 
überhaupt  nicht  befriedigend  zu  erklären  ist,  so  zweifle  ich 
nicht,  dass  dieselbe  das  richtige  trifft  —  Dass  im  Gotischen 
das  indikativische  -ou  als  a,  das  konjunktivische  dagegen  als 
-au  erscheint,  ist  möglicherweise  eine  folge  der  indogermani- 
schen Satzbetonung  (vgl.  z.  b.  tat  tvä  yämi  RV.  I  24,  11,  y<i^ 
tvä  yami  RV.  X  47,  8),  denn  die  lautliche  behandlung  eines 
Iherö'u  und  eines  bhirou  vollzog  sich  unter  verschiedenen  be- 
dingungen. 

In  den  meisten  bisherigen  behandlungen  von  bairau  ist 
dieses  mit  b€rjau,  bairadau,  bairandau,  bairaidau,  bairaizau, 
bairaindau  zusammengefasst,  und  eine  einheitliche  erklärung 
aller  dieser  formen  versucht  Jellinek  und  Hirt  halten  eine 
solche  sogar  fiir  „offenbar^*  erforderlich  (Hirt  a.  a.  o.  VI  59). 
Ich  kann  mich  hierdurch  indessen  nicht  abhalten  lassen,  bairau 
und  birjau  von  den  übrigen  eben  erwähnten  formen  zu  trennen 
und  in  dem  au  von  bsrjau  (und  auch  von  viljau)  mit  Kögel 
a.  a.  o.  einen  eindringling  aus  bairau,  in  -dau,  -^ndau  dagegen 
mit  Westphal  Philos.-histor.  grammatik  s.  175  ff.  (vgL  z.  b. 
Mahlow  Lange  vocale  s.  107,  Thurneysen  KZ.  XXVII  175) 
mediale  endungen  zu  sehen,  die  als  solche  den  sanskritischen 
aktivendungen  -tu,  -ntu  ebenso  gegenüberstehen,  wie  die 
medialen  endungen  -tai,  -ntai  den  aktivischen  4i,  -nti,  -zau 
endlich  halte  ich  für  eine  durch  -^au,  -ndau  veranlasste  Um- 
formung von* 'ZU  s=  skr.  -sva. 

Die  nebeneinanderstellung  von  bheröu  (skr.  bhara-mi)  — 
skr.  bharä-vah  (—  got  bairos  BB.  V  319)  —  skr.  bharä-mah 
lässt  u  als  die  eigentliche  fiexionsendung  von  bheröu  erscheinen, 
und  es  ist  verführerisch,  dieselbe  endung  in  lit  sakaü,  sukaü 
(d.  i.  sakä'Uj  sukä-u)  anzunehmen.  Allein  dem  vriderraten 
preuss.  po-sinna  „ich  bekenne",  laipinna  „ich  befahl'',  deren 
-a  kaum  anders,  denn  als  -a  =  -ä-a  «  -ä-ö  zu  erklären 
ist,  und  die  dadurch  für  die  annähme  eintreten,  dass  sakaü, 
sukaü  (und  ebenso  sakyezau,  sükczaü)  die  litauische  endung 
der  L  sing,  -praes.  -i*  —  -ö(t4)  enthalten  (vgl.  Wiedemann 
a.  a.  0.  s.  161,  171)  i). 

Die  einzigen  formen,  in   denen  ausserdem   diese  flexions- 

1)  Aach  die  erklärung  von  sakaiy  aukai  aas  «aA:ä+t,  sukä+i  (t  en- 
dung der  IL  siug.  praes.)  halte  ich  für  richtig.  Dass  aber  dies  -t  das 
von  Mt  sei  (Bragmann  Grundriss  II,  2,  s.  1344),  glaube  ein  anderer. 


1«54  Elia  Lattes. 

enduDg  (u)  vermutet  werden  kÖDDte,  sind  skr.  dadaü,  papraü 
u.  s.  w.  Aber  auch  hier  kann  ich  sie  nicht  anerkennen.  Es 
ist  zwar  denkbar,  dass  im  Altindischen  der  singuIar  perf.  akt. 
von  z.  b.  prä  ehemals  gelautet  hat:  I.  paprdu,  *pap'ä,  II.  pa- 
prdtha,  III.  paprd,  dass  in  folge  der  Verwendung  von  paprd 
als  I.  und  III.  person  auch  paprdu  als  III.  person  gebraucht 
wurde,  und  dass  die  verba  auf  ä  ursprünglich  also  nur  in  der 
L  person  sing.  akt.  den  ausgang  äu  hatten.  Da  aber  wahr- 
scheinlich das  lateinische  t;-perfekt  und  das  suffix  des  particip 
perf.  akt.  (skr.  väms  u.  s.  w.)  das  u  von  dadaü,  papraü  u.  s  w. 
enthalten,  so  wird  in  diesem  ein  stammbildendes  dement  zu 
vermuten  sein  (Fick  Gott.  gel.  anzeigen  1883  s.  ö94,  vgl. 
Benfey  Kurze  sanskritgram.  s.  146  anm.  2),  denn  dass  (wie 
Colli tz  Amer.  Journal  of  philology  IX  47  anm.  anzunehmen 
scheint)  so  bedeutende  formengruppen  durch  ein  personal- 
suffix  beeinfiusst  oder  gar  hervorgerufen  seien,  würde  mir  selbst 
dann  wenig  glaubhaft  erscheinen,  wenn  dies  suffix  eine  grössere 
rolle  gespielt  hätte,  als  die  vermutliche  personalendung  u. 

Ä,  Bezzenberger. 


Le  prime  parole  della  grande  epigrafe  campano-etrusca. 

1.  Della  grande  iscrizione  etrusca  trovata  a  S.  Maria  di 
Capua  (Bücheier  Rh.  mus.  55.  1 — 8,  cf.  Lattes  Rendic.  Ist. 
Lomb.  1900.  340 — 371  e  541 — 562)  manca  il  principio;  e  di 
quella  della  61  linee,  interamente  o  parzialmente  superstiti, 
che  per  noi  e  la  prima,  si  legge  ancora  soltanto 

luvacü  .  ^'uxu 

dopodiche  svanirono  :»sei  lottere«,  la  prima  delle  quaU  »fu 
forse  a«.  Ora  in  luvacü  possiamo  con  sicurezza  separare  come 
parola  intcra  vaeil,  perche  abbiamo,  fra  due  interpunzioni, 
1.  4.  5.  6.  12  vacil  appunto,  3  suvacü,  6 — 7  niianeva^illeOam, 
12  erivacü,  14  üucuvacil,  oltre  forse  46  vac[ü]  capoverso. 
Puö  poi  esso  vacil  confrontarsi  con  akil  o  acil,  acril  (nome 
proprio  di  persona),  avil  o  aivil  ('anno',  la  seconda  forma  non 
ben  sicura),  arü  ('Atlante'),  cafatü  (n.  pr.  di  pers.,  ricusato  dal 
Pauli  Altit.  Stud.  III  41  -43),  Oanxvü  (lat.  etr.  'TanaquiP), 
eil,  petrnil  (n.  pr.  di  pers.,  Pauli  come  sopra),  puil,  ril  ('anno', 


Le  prime  parolc  della  grande  opigrafe  campano-etrusca.     155 

Pauli  ^eta'),  ruvfil  (n.  pr.  di  pers.,  Pauli  emenda  ruvfiffs])  suSü 
(ora  anche  GIE.  3306),  tariUs,  timcvil  (deita),  titil  (n.  pr.  di 
pers.  ricusato  dal  Pauli),  usil  (^Sole').  Inoltre  8ta  txicil  a  vad^ 
che  occorre  18 — 19  volte  nella  M(ummia),  come  F.  2101  e 
F.  ^  117  svalce  avil  a  F.  2273  svalce  avl,  come  nella  nuova 
iscrizione  E(trusco)  G(ainpana)  1.  22  usüi  a  M.  VII  13  udi  (cf. 
M.  V  21  uüane-c),  come  Not  d.  Sc.  1889.  337  seSilans  a 
s'edlans'  ('Vulcano'),  e  forse  come  akü  o  acU  a  EG.  59  e  M. 
V  18  aclxa  (cf.  M.  VIII  16.  X  9  adxn)  :  puö  pertanto  vacil 
nou  differire  da  vad,  se  non  sotto  il  rispetto  fonetico  o  grafico ; 
e  conferma  di  tale  conghiettura  forse  offre  il  fatto  che  EG.  6 — 7 
a  niivacüledam  precede  vacil .  sav  .  cnes  .  ünamulirizilepicas, 
donde  forse  risulta  aversi  ünam  (cf.  tdi  con  EG.  30  ululepa  e 
26  acar.Upa,  23  aciiul  con  10  $ii,  14  tii,  44  rü  ecc.  secondo 
Rendic.  cit.  3d7  sg.)  fra  due  vacä,  analogamente  a  M.  VIII 
16 — 17  vad  etnam  e  XI  4  vad  hexz  etnam,  se  itnam  sta  a 
etnam  come  pitrunia  itruta  a  petruntcU  e  etru. 

2.  Pertanto,  sebbene  i  testi  cou  vad  non  sembrino  pre- 
sentare  finora  spiccata  e  sicura  somiglianza  con  quelli  della 
iscrizione  capuana  in  cui  occorre  vacil,  puö  tornare  non  inutile 
al  futuro  interprete  di  questa  che  qui  si  riassumano  le  osser- 
vazioni  di  fatto  cui  i  primi  danno  Inogo.  Vale  a  dire  primie- 
ramente,  quanto  alla  connessione  di  vad  con  etnam,  pare  essa 
dimostrata,  oltreche  dalle  due  frasi  riferite  (§  1),  si  dall'  essere 
appunto  vad  e  etncun  le  due  voci  piü  frequenti  della  Mummia, 
dove  einam  s'incontra  40  volte,  si  dal  mancare  tanto  etnam, 
quanto  vacl,  nelle  colonne  IV  e  IX,  laddove  vad  s'incontra  6 
volte  nella  colonna  VII,  nella  quäle  etnam  si  presenta  16  volte; 
inoltre  tanto  vacl,  quanto  eltiam  paiono  connessi  con  vinum, 
giacche  leggiamo  dair  un  canto  M.  XI  2  vacl  vinum  e  4  hetum 
vinum  Oil  vady  e  d'altro  canto  troviamo  etnam  e  vinum  associati 
del  pari  coUe  voci  aisna,  acilO  ame  e  hexz  o  hexs'd;  abbiamo 
cioe:  M.  XI  12.  14  e  XII  1—2.  9  etnam  aisna  -  VI  13 
etnam  eisna,  IX  ;^  1  aisna  Hindu  vinum,  IV  22  eisna  pevax 
vinum;  M.  YII  14  acü  ame  etnam,  VIII  5 — 6  mula-x  kusina 
vinum  paiveism  acilO  ame,  8 — 3  vinum  afdlJO  ame  mula  hursi 
(cf.  VIU  3  mula  hursi  puruOn  vad);  M.  XI  4  vacl  hexz  etnam, 
IV  9.  IX  6 — 7  hexs'o  vinum  =  IV  14  hexs'd  vinm.  lo  so- 
spetto  del  resto  pur  sempre  (cf.  Saggi  e  Appunti  42.  67.  71. 
141,  Ultima  colonna  della  M.  6.  3,  17)  che  etnam  designi  uu 


156  Elia  Latte8 

sacro  liquido  simile  al  vinum;  che  aisna  significhi  all'  in  circa 
'sacravit',  acU  ame  s  ctcüß  ame  circa  4n  -ili  ama\  hexz  = 
hexsO  circa  ^faecavit'  e  he(c)Uim  (cf.  hectam  con  ataiun  per 
^AnTotiwv)  circa  ^faecatum';  e  che  mula  hu(r)8ina  equivalga  a 
mula  hursi  (cf.  larOia  larßi,  titia  tüa  tut,  Hnia  tina  ecc).  — 
In  secondo  luogo,  sembra  esservi  speciale  relaziono  fra  vad  e 
ara,  giaccbe  vediamo  M.  III  16 — 17  e  VII  17  vcicl  ara,  VII  21. 
VIII  10.  X  4  vacl  ar,  sieche  supplisco  G.  802.  3  vacß]  ard; 
cf.  altresi  F.  2240  (tav.  41)  usi  are  con  M.  VIII  9  vad  usi.  — 
Terzo,  abbiamo  M.  V  16—17  vacl  seguito  da  citz,  19  citz  vad, 
VII  2.  3.  5  etnam  ciz  vad  (cf.  XI  4  vad  hexz  etnam).  — 
Qaarto,  pare  vad  essere  connesso  con  Scanin  ad  avere  richiesta 
la  societä  di  vocaboli  in  -in;  troviamo  infatti  M.  lU  15  vad 
an  scanin  s=  16  m  s*canin , . .  ,fz  (forse  [h^xlfz,  cf.  sup. 
vaH  hexz,  h€%sO  e  penezs'  nel  cippo  di  Perugia  A  16)  vad, 
X  11 — 12  vacl  s'canin,  V  16  vad  ßesnin,  X  /  2  vad  cesasin. 
lo  conghietturo  pur  sempre  che  -tn>  diverso  da  in  =  ein  == 
eim  =  ei  particola  congiuntiva,  possa  tenersi  per  nna  prepo- 
sizione  suffissa  e  posposta  e  che  Scanin  possa  per  avventura 
significare  all'  incirca  *in  scamno'  (cf.  Saggi  e  App.  19  no.  30, 
4ö.  116  ecc,  Rendic.  Ist.  Lomb.  1894.  638  sg.  p.  es.  favin  4n 
fovea'  =  faviti  come  suOiti  'in  sepulcro',  ecc).  Sospetio  pero 
che  spetti  altrove  M.  VII  16  ßezin  fler  vacl,  per  confronto  con 
III  15  Oezi  vad,  con  Oezine  tre  volte  e  Oezince  pur  tre  volte. 
—  Quinto,  incontriamo  vad  M.  III  15  seguito  e  VII  2.  3.  5 
preceduto  da  ceia,  ch'e  forse  feminile  di  ce  (cf.  Larice  Lari- 
ceia,  Afrceia,  Hu8tileia\  nome  di  deita  nel  templum  di  Piaoenza 
e  in  G.  804.  5:  in  tal  caso  bene  andrebbe  va^l  preceduto  o 
seguito  da  ceia,  con  Eü.  6 — 7  vacil  leßam,  perche  anche  leOam 
e  noto  e  certo  nome  di  deitä;  inoltre  bene  andrebbe  con  M. 
Vni  9  vacl  t4si,  se  tisl  va  con  u$il  e  sta  a  questo  come  EC.  23 
ri  .  tur .  zaes .  x^  &  22  ril  .tur  ,  zaes .  %a0.  Sarebbe  mai  quindi 
vacil  e  sarebbe  vad  nome  di  deita  al  pari  de'  loro  socii  hOam, 
usi  e  probabilmente  ceia?  A  favore  sta  anche  la  ricordata 
congruenza  di  va^l  ara  con  usi  are  (Deecke  emendava  arfcje); 
e  sta  eziandio  la  circostanza   che   in   G.  802.  3  a  vacßj  arO 

precede i  ce%a  a  . .    e   segne    c  . . . .  elisva  :  ora   ce%a, 

come  dimostrai,  spero,  nei  Saggi  e  App.  95  sq.  (cf.  Rendic.  cit 
1900.  550)  fu  nome  di  deita,  e  . . .  elisva  riesce  analogo  ad 
edausva  nota  dea  e  a  selasva,  auch'  esse  verisimilmente  nome 


Le  prime  parole  detla  granHc  epigrafe  eampaho-etrusca.     157 

di  deita.  Prova  piena  di  siffatta  condizione  s'ayrebbe  anzi  per 
vacl,  se  col  Breal  Mem.  de  la  soc.  de  ling.  IX  35  invece  di 
F.  2484  lasa  veeu  si  leggesse  vecl  e  questo  si  pareggiasse  con 
vcid;  ma  ne  tale  pareggiamento  per  ora  puö  ammettersi,  come 
da  nessuno  si  ammette  quelle  di  den  con  clan,  sebbene  il  ge- 
nitivo  di  questo  suonö  clens\  ne  quella  lezione  puö  accettai-si, 
81  perche  il  finale  4  si  vede  ben  chiaro  (Corssen  I  246  tav.  7), 
si  perche  leim  vecu  riceve  conferma  da  Not.  d.  Sc.  1886.  360 
Icisa  vecuvia,  da  CIE.  1499  sg.  vecui  e  da  etr.  lat.  Begoe  Ve- 
gaia.  Piuttosto  un  ulteriore  argomento  per  la  divinita  di  vacl 
vacil  viene  forse  oflferto  da  F.  2033  bis  fa  5  (cf.  F.  »  p.  HO 
confermato  per  autopsia  dal  Deecke  ap.  Krall  ÖC'  s.  v.)  vticl . 
larß  :  su  si;  abbiamo  in  fatti  EC.  3  suvacü  .  sipir ,  8U,  ossia 
vacil  fra  su  e  s'i  (cf.  1.  8  piras  e  pires,  11  pire^  18  /t»),  corae 
ivi  davanti  a  «u  e  ^i,  e  abbiamo  nella  M.  V  10.  14  eiser  s'i-c 
s'eU'C  (forse  *dei  Seiaque  Sivaque,  cf.  EG.  11  isum  a  zudevai 
a  pire  forse  'deorum  et  Zuslevae  et  Pirae'),  e  M.  II  12.  V  8. 
•XII  2  aiseras'  s'eus'  —  V.  20   eiser as  s'eus    (forse  *Deae  [et] 

Sivae'). 

3.  Gonnesso  con  vad  apparisce  vadtnamj  noto  solo  da  tre 
luoghi  della  Mummia:  VI  10  fra  due  Bezerij  al  primo  dei 
quali  seguono  le  parole  laivisca  lustres'  fler;  VIII  1  fra  esvita 
e  esvüi,  ossia  preceduto  da  esvita  (cf.  esvi-s',  cinque  volte  nella 
formola  x^^'  ^^'-c  fasei,  con  lautnita  o  latUnida  feminile  di 
lautni)^  congiunto  mediante  la  particola  in  al  nome  di  deita 
culs'cva^  e  parimeute  seguito  dopo  spe4ri  etnam  e  depo  la  par- 
ticola ic  (cf.  ix  ine  ininc)  da  eavüi  enas ;  XII  9  preceduto 
dalla  cifra  per  ^oinque'  (|||||),  che  VII  12  precede  ugualmente 
all'  analogo  cr^nam,  al  quäle  segue  ivi  e  XI  14  Oesan,  nome 
della  dea  Aurora,  al  modo  che  a  vacUnam  segne  in  ctUs'cva, 
Cosi  pure  M.  ^^  3  all'  analogo  calainam  precede  il  numerale 
du,  preceduto  da  putnam,  che  il  confronto  con  pute  (nove  volte) 
puis  (M.  XII  4  e  G.  799.  6)  mostra  essere  diverso  (cf.  i  genti- 
lizii  ecnatna  venatnal  ecc.  con  ecnat  venate  ecc.);  a  putnam 
precedono  poi  le  parole  neri  canva  carsi,  di  cui  per  lo  meno 
le  prime  due  sono  verisimilmente  nomi  di  deita  (Saggi  e  App. 
110  sg.  e  cf.  lat.  Nervo).  Gosi  ancora  l'analogo  suntnam  sta 
M.  XI  13  fra  tuxla-c  eOri  e  cexa,  dove  questo,  come  gia  si 
avverti,  e  nome  di  deita  e  tu(n)x(uJla'C  probabilmente  e  parola 
numerale  (cf.  dunxtdem  dun  du).  —  Avendosi  M,  VIII  16 — 17 


lo8  Elia  Lattes 

viicl  einam,  conghietturo  il  Deecke  ap.  Krall  s.  v.  che  4nam 
in  vadtnam  e  calatnam  si  potesse  ricondurre  a  etnatn;  tale 
spiegazione  proposi  anch'  io  Saggi  e  App.  136  sg.,  e  la  rin- 
saldai  osservando,  fra  Paltro,  che  come  davanti  a  vacltnam  e 
cntnam  sta  la  cifra  per  ^cinque',  cosi  abbiamo  M.  VII  5  la 
cifra  QD,  ossia  O  «>  1000,  in  Ane  di  una  linea  dove  occorre 
etnam^  linea  preceduta  da  tre  altre,  nelle  quali  pure  si  legge  etnam; 
e  furono  forse  piu  di  tre,  giacche  ad  esse  precede  una  di  cui 
quasi  nulla  piu  si  legge,  mentre  poi  mancano  prima  chi  se 
quante  altre.  Appresso  pero  venne  alla  luce  l'epigrafe  etrus- 
cheggiante  (Hermes,  31.  467)  di  Novilara,  dove  1.  8 — 9  incon- 
trasi  kaiatnenis,  affine,  come  sembra,  di  calatnam» 

4.  Ritorniamo  ora  alle  prime  parole  della  grande  iscrizione 
campano-etrusca.  Separate  vacä,  resta  davanti  ad  esso  lu  che, 
seguendo  a  lacuna,  potrebb'  essere  il  residuo  della  parola  pre- 
cedente,  quäle  aiu  calu  velcialu  (cf.  velcialual  e  trej)aliMl)  malu 
(cf.  Novilara  1.  6  dalu)^  acüu  crapüUf  atdu  apulu  fulu,  aplu 
suplu,  auslu  (cf.  frazlU'S').  Ma  puö  lu  tenersi  anche  per  pa- 
rola intera  :  abbiamo  infatti  EC.  13  pricelutule,  8.  28  pricipen, 
22  tule,  8.  18  tuleiluc  e  19  üuc  (cf.  8.  18  ilucu,  14  üueuvacil, 
21  Uucuper,  28  miilucve  29  ilucui)^  14  tuleaq>€8^  19  tuleleOam; 
donde  risulta  essere  price  e  ttde  voci  compiute,   e  pero  tale 

potersi   reputare   anche  lu    (cf.  30  . . . asei .lu ).     Giä   del 

resto  un  siffatto  vocabolo  era  occorso  negli  epitafiii  GIE.  2418 
^ana  :  lu  :  anei  :  sepusa,  dove  secondo  il  Pauli  y>lu  nomen 
gentile  abbreviatum  est«,  e  3104  larOi  qu  \  tüi  :  lu;  per  contro, 
quanto  a  UIE.  4258  . . .  j  . Ju  cni.la.,  che  il  Pauli  eraenda 
lu .  cqi .  la .  »ita  ut  lineae  quae  in  principio  cernuntur  fortuitae 
sint«,  perche  lo  riferisce  alla  madre  di  4259  Lartia  .  Caia . 
lAici ,  f,  osservo  che  il  prenome  Iv(ci)  abbreviato  non  s'incontrö 
mai  finora,  e  ben  di  rado  pur  l'intero  lud;  sieche  forse  meglio 
si  leggerä  lucni^  quäle  sta,  per  confronto  con  F.  *  32  =  F.  • 
313  lucini,  e  si  prescinderä  dall'  immaginata  relazione  coli' 
epitaffio  latino  di  Caia,  tanto  meno  probabile  se  alla  lacuna 
iniziale  si  supplisca  p.  es.  con  [6]a(na)  e  si  ravvisi  l'avanzo 
di  un  a  nelle  linee  che  si  suppongono  fortuite.  —  Abbiamo 
poi  GIE.  *3244  lu  :  venOace,  uno  »titulorum  spuriorum«  che 
»ex  eadem  fabrica  Clusina  originem  ducere  et  similitudine 
quadam  inter  se  vocabulorum,  ut  ita  dicam,  ficticiorum  et  litte- 
rarum  ductu   probatur«  (Pauli) :  nie  ne   tutti   falsi   mi   paiono 


Le  prime  parole  della  grande  epigrafe  campano-etrusca.     159 

qaei  titoli,  ne  tutto  parmi  falso  ne'  titoli  falsi  (cf.  Studi  ital. 
di  filol.  class.  VII  489 — 492);  e  torna  in  ogni  caso  noteyole  che 

anche  *3243  ;  le  :  sa  |  x^  (Pauli  sa  . , .. x^ia ),  coUa  prima 

a  capovolta,  come  la  seconda  di  *3242  tatifa  e  come  quella 
di  F.  2481  prumadej  concorda  con  EC.  2  saxnel..,  se  leggasi 
aaxne  l[e] ;  \\  quäle  le  poi,  che  ritorna  *3290  le  :  teti :  lania  : 
tinei,  occorre  in  EG.  5.  5.  19  rizüe,  secondo  risulta  da  19 
rizimafiy  b  picas  .ri  .sav  3  rileOam,  21  rieleSam  e  19  rizile- 
ziz  :  riin;  arroge  forse  mani  U  in  *3262  manüe  .  tirfiani .  eine 
di  contro  a  lari  U  in  Mus.  ital.  di  ant.  class.  I  363  mimulu" 
larile  züimlax  (cf.  mi,  mulu,  lari,  ndax  e  EC.  ö.  6.  19.  21  zi 
con  19  zirz  e  18  li-s).  Va  eziandio  forse  con  lu^  e  ne  diffe- 
risce  solo  graficamente,  luu  della  lamina  di  Cainpiglia,  Not.  d. 
Sc.  1895.  339,  1.  8 — 9  Bapinta .  tV.  ceusn  ,inpa .  Oapicun  .  i  \ 
luu.Bapicun  .eee'.zeris  j  se  non  si  tratti  di  iluu;  e  si  scam- 
bierä  forse  luce  a  suo  tempo  con  lu  la  voce  hMi  di  M.  VI 
14 — 15  acaie  titisin  s'arve  luSti,  dove  Uns  in  luSti  richiaroa 
CIE.  371  tins  hä,  che  pero  inclino  a  credere  diverse  e  da 
luOti  e  Ah  lu,  e  mando  piuttosto  con  F.  2095  Suluter  (ossia 
Su  luter)  e  con  CIE.  3879  lutni  (cf.  CIL.  XI  2045  Ludniae). 
Bens!  suggerisce  forse  luOti  l'integrazione  ludfti]  nell'  epigrafe, 

Not-  d.    Sc.    1887.    438 , aließi  :  fräst  tezis  :  lud...  (cf. 

Bugge  Etr.  u.  Arm.  92  sg.)  scritta  interne  al  foro  di  una  lam- 
pada  aretina;  del  resto  luOti  e  luB , . .  potranno  anche  man- 
darsi  co  i  due  lursB  del  piombo  di  Magliano. 

5.  Rimane  s'uxu . . .  o  suxua . . ,,  dove  anzitutto  non  ri- 
pugna  air  etrusco  suxu  come  vocabolo  completo,  foggiato  al 
modo  di  zux^  uxu  auxu  axu,  zixu  lixu  cerixu;  cf.  altresi  hucu 
apucU'Sj  caeu,  cecu  lecu  precu,  velicu  Oanicu  muOiku-s,  carcu 
prcu  vescu  (cf.  Üscv)  ceneu.  Torna  pero  piü  probabile,  dato 
lo  Stile  della  nostra  epigrafe,  si  debba  suxu,,  o  s'uxua  scom- 
porre  in  s'u  e  x^-  Invero  anzitutto  s'u  fra  due  interpunzioni 
s'ha  alla  I.  3  preceduto  da  su  vc^cü  si  pir,  dove  incontriamo 
nn  altro  su,  verisimilmente  non  diverse,  salvoche  sotto  il  ri- 
spetto  grafico,  dallo  su  testö  detto,  perche  del  pari  allato  a  si 
(cf.  18  s'in  come  nella  Mummia)  troviamo  si  in  1.  11  sirieimu 
(cf.  3.  2  ri  con  32  ri-z,  11  numerale  ci  e  F.  2269  A«  ==  F.  i  72 
mu  confermato  da  F.  ^  43  mo;  inoltre  abbiamo  \.  A  is  e  61 
is,  oltreche  -off  -is'  allato  ad  -as  -is  (1.  5  lunas',  19.  21  pris\ 
5.  6  picas,  16  naiiuras  =17   [najciums,   19  lis).    Forse  poi 


160    E!lia  Lattes    Le  prime  parole  della  grande  epigrafe  etc. 

8U  e  SU  non  differirono,  saWoche  riguardo  alla  grafia,  da  zu 
che  incoDtrasi  1.  27  zficexinilatei  (cf.  9  11.  23  zu-s,  cexa  c(%e 
e  forse  50—51  fcjexi-s,  24  laiei) :  infatti  giä  ricordammo  (cf. 
§  4)  analogamente  s'i  si  zi;  cosi  pure  1.  35  zal  e  22.  28  sal, 
come  M.  X  20.  21  zal  e  VII  7.  XII  11  sal;  cosi  ancora  ac- 
canto  a  -as'  -as  e  -tV  As  teste  veduti,  I.  19  zi-z  e  32  zi-z; 
cosi  del  resto  giä  in  altre  note  epigrafi  etrusche  p.  es.  suci 
zuci,  s'ulus  zulus',  dis'u  (Novilara  tisu)  ßizu,  8ane  zanes'  sarve 
zarvp.,  sätvi  zalvi,  sece  zec,  seri  zeri,  avlea  aüles  auUz,  tes  ßes 
tez,  cainis  cainiz,  camis'  camiz,  cetüxus  cealxus  cealj^  (tutti 
tre  nelle  Mummia),  veU'  vels  vdz,  caresri  heczri,  hemsince  Oe- 
zince  (entrambi  nella  Mummia),  caps'nas  capsna  capzna,  pus'na 
puizna,  felsnal  felznal.  D'altronde  appunto  nelP  alfabeto 
etrusco  del  vaso  nolano  F.  2767  in  luogo  dell'  elemento  8, 
yedesi  ripetuto  1 'elemento  z,  come  in  luogo  del  q>  s'  ha  il  v  in 
apparenza  e  in  realta  il  f  latino  (cf.  p.  es.  CIE.  2421  nasBcUnei 
velzncU  apparenti  per  mandatnei  fdznal,  F.  2168  vulunice  appa- 
rente  per  ftdunice  con  f  latino  inyece  del  normale  f  etrusco), 
e  come  nell'  altro  alfabeto  campano-etrusco  F.  2766  in  luogo 
deir  elemento  k  vedesi  ripetuto  l'elemento  c, 

Quanto  poi  a  x><  •  •  o  x^  •  -  •;  ^  I*  ^2  xei.ffi.xu:  ci  mostra 
XU  vocabolo  perfetto,  quäle  apparisce  altresi  da  1.  8  x^jE^er  e  10 
XU8CUV  per  confronto  con  21  ilucuper,  19  üuc.uper,  8.  18  iliicu, 
Not.  d.  Sc.  1887.  17  peras  da  solo  su  vaso  di  Nola,  7  suL 
scumnemar,  M.  VIII  11.  X  /  6  Bull.  Inst.  1882.  244  une,  M. 
X  3  tnarem.  Incontriamo  poi  1.  18  x^^,8,x<^^  ^  25  x^O.ce: 
Iq.xuO,  dove  xues  (cf.  24 — 25.  30  zae.8  con  22.  23  zc^s)  e 
XuO  ben  si  possono  stimare  rispettivamente  il  geniüvo  e  il  lo- 
cativo  singolare  di  x^  P®^  confronto  da  una  parte  con  1.  8 
pire8  6  3  pir,  21  tule8-^iu  (cf.  2  ai,  35  aie,  20  aius,  12  aium 
incerto)  e  9.  10—11  tul,  d'altra  parte  con  F. »  419  —  420 
8u0i^  —  F.  2335  s'uditi  *in  sepulcro'  locativo  di  8'udi;  cf. 
altresi  M.  VIII  8  zineti  ramueB  e  VI  5  hanupe&i  laeti  con 
VI  3.  X  6  hanupes'y  XI  /  5  hanupes,  X  6  laes,  come  EC.  28 
tuleti  e  21  tules  teste  allegato.  Come  poi  x^^  X^^f  ^^^^  ^* 
23.  25.  30  zae8  (o  zae.8)  x^y  27  tae,8  x<^%  56 — ^57  esares  x^^ 
(scritto  tsart  -  8  al  modo  che  zae.8  e  iae,8\  Infine  fra'  rari 
esempli  di  %-  per  c-  iniziale  avendosi  xt^^^^  por  l&t.  Quarius 
(cf.  x'^^f^i^l^'\  gioverä  per  x^  ricordare  CIE.  446  M.  X  4  (in- 
certo) XII  12  cu-s^  probabilmente  nome  di  deita,  forse  attestato 


W.  Stschepkin    Anzeige.  161 

anche  dal  nome  del  dio  retioo-latino  (hulanus  (Due  iscr.  prerom. 
63.  77,  Rendic.  Ist.  Lomb.  1900.  367). 

Milano.  Elia  Lottes. 


W.    N.    Stschepkin.      Über    die    spräche    der    altslo venischen 

Savvina  Kniga. 

Im  letzten  hefte  des  archivs  für  slavische  philologie,  bd. 
XXII.  247 — 255,  erschien  eine  anzeige  meines  buches  über  die 
spräche  der  altslovenischen  Sawina  Eniga.  Diese  anzeige,  die 
von  einem  jüngeren  österreichischen  Slavisten,  Herrn  V.  Vondräk 
stammt,  giebt  zu  einigen  recht  ernsten  einwendungen  anlass.  In 
ihr  überwiegt  das  polemische  element  dermassen,  dass  der  Verfasser 
einer  sachlichen  besprechung  der  von  mir  erörterten  fragen  wo 
möglich  ganz  aus  dem  wege  geht.  Er  scheint  es  meistentheils 
nicht  angezeigt  zu  finden,  seine  höchst  allgemein  gehaltenen  rügen 
mit  beispielen  zu  bekräftigen. 

So  fertigt  z.  b.  Vondrak  die  einleitung  meines  buches,  welche 
die  hauptresultate  meiner  arbeit  zusammenfasst,  mit  folgendem 
echt  lakonischen  satze  ab:  „In  derselben  ist  vieles,  was  besser 
ungedruckt  bliebe''  (s.  249).  Ein  Schlussresultat  meiner  beob- 
achtungen,  die  behauptung,  der  Schreiber  der  Savvina  Eniga 
habe  seiner  mundart  überall  recht  entschlossenen  ausdruck  ge- 
geben, sucht  Vondrak  mit  ein  paar  billigen  witzen  zu  beantworten. 
Inzwischen  stützt  sich  meine  erwähnte  behauptung  auf  recht  viele 
specielle  gründe,  die  im  buche  selbst  bei  der  Untersuchung  der 
lautbezeichnung  schritt  für  schritt  dargelegt  werden  und  von  einer 
anzeige,  die  in  einer  ernsteren  wissenschaftlichen  schrift  erscheint, 
nicht  schlechtweg  todtgesch wiegen  werden  sollten. 

S.  247  behauptet  Vondrak  wörtlich  folgendes:  „Nebstbei 
macht  vieles,  was  uns  da  geboten  wird,  auf  uns  den  eindruck, 
als  ob  der  reelle  boden  der  thatsachen  verlassen  und  man  lieber 
mit  einer  art  imaginärer  grossen  auf  dem  gebiete  der  Sprach- 
wissenschaft arbeiten  würde,  ja  es  hört  diese  Wissenschaft  bei- 
nahe auf,  eine  Sprachwissenschaft  zu  sein,  sie  grenzt  schon  hart 
an  eine  art  uns  vollständig  unverständliche  metaphysik''.  Von- 
drak unterlässt  es  auch  biet  an  beispielen  zu  erläutern,  worin 
diese  metaphysik  eigentlich  besteht.  Sonst  hätte  ein  unbefan- 
gener leser  gleich  erkannt,  dass  es  sich  nur  um  solche  fragen 
der  lautphysiologie  und  lautlehre  handelt,  welche  in  Deutschland, 
auf  dem  gebiete  der  indogermanischen  Sprachwissenschaft^  nament- 
lich seit  ihrer  zweiten  aufblüte,  unumwunden  gepflogen  und  er- 
örtert werden.  Die  Slavistik  hat  noch  leider  nicht  überall  das 
glück  gehabt,   in    den   kreis  dieser  sprachwissenschaftlichen  ent- 

IMfcri««  s.  kiuia«  d.  tuä%.  ■|h«o1m&.   XXVI.  11 


1B2  W.  N.  Stschepkin 

?rickeluiig  gezogen  su  sein,  und  darin  liegt  vielleicht  der  haupt- 
grund  jener  wiederholten  klagen  Vondraks  über  die  Unklarheit 
meiner  erörterungen. 

Die  Verständlichkeit  einer  schrift  hängt  jedenfalls  ebensoviel 
vom  schreibenden  wie  vom  lesenden  ab.  Fast  könnte  es  nämlich 
scheinen,  der  recensent  habe  das  buch  nur  flüchtig  durchblättert, 
oder  er  beherrsche  die  russische  spräche  nur  dürftig.  In  der 
vorrede,  ganz  vorne,  (s.  XII)  sage  ich  z.  b.  ausdrücklich,  dass 
ich  mich  mit  lautgesetzlichen  fragen  befasse  und  vor  allem  das 
Schicksal  der  sla vischen  halbvocale  untersuche.  Und  dennoch 
wundert  sich  Vondrak  zweimal  (s.  248  u.  249)  nicht  auch  an- 
deres in  meinem  buche  zu  finden,  namentlich  keine  analyse  des 
Wortschatzes  oder  der  slavischeu  redaktion  der  Übersetzung  des 
evangeliums.  8.  250  ergeht  sich  Vondrak  in  pathetischen  redens- 
arten,  um  am  ende  zu  erklären,  dass  ich  mich  vor  dem  zuge- 
ständniss  des  höheren  alters  der  Glagolica  vor  der  Cyrillica  — 
scheue.  In  der  vorrede  meines  buches  (s.  II),  deute  ich  an,  dass 
ich  die  hohe  Wahrscheinlichkeit  dieser  hypothese  Sft^&rik's  in 
vollem  masse  anerkenne  und  nur  die  Verwahrung  mache,  dass 
ich  die  Wahrscheinlichkeit  eines  directen  glagolititchen  Originals 
der  cyrillischen  Savvina  Kniga  methodologisch  nicht  als  eine 
neue  stütze  jener  hypothese  betrachten  kann.  Die  vielen  und 
verschiedeneu  beweise  für  das  glagolitische  original  des  denkmals 
scheint  Vondrak  auch  übersehen  zu  haben,  denn  er  redet  nur 
von  einem  (s.  251X  der  ihm  missfallt,  und  fordert  andere,  die  er 
in  meinem  buche  hätte  finden  können.  Nicht  besser  steht  es, 
wenn  Vondrak  behauptet  (s.  252),  ich  wäre  nicht  näher  auf  die 
bedingungen  eingegangen,  unter  welchen  die  vocalisation  der 
altslovenischen  halbvocale  stattfindet.  Ich  hätte  nur  darüber  die 
Worte  fallen  lassen,  die  bedingungen  seien  dieselben,  wie  im 
Russischen.  Diese  werte  stehen  wirklich  auf  s.  107  meines 
buches.  Doch  es  folgt  weiter  (s.  169 — 186)  ein  grösseres  kapitel, 
wo  ich  diese  äusserung  berichtige  und  die  bedingungen  der  voca- 
lisation in  den  einzelnen  slavischen  sprachen  eingehend  betrachte. 
Etwas  ganz  ähnliches  wiederholt  sich,  wenn  Vondrak  auf  die 
formen  der  participia  em»  hußwv,  eü-bme  Xaßovt^g  (für  gewöhn- 
liches altslovenisches  Hin,,  HM-bnie)  zu  reden  kommt.  Er  verwirft 
die  möglichkeit,  dass  e-  dieser  formen  sei  lautgesetzlich  aus  jh- 
entstanden,  denn  er  glaubt  annehmen  zu  müssen,  jedes  jb  (besser 
wäre  es,  von  ältestem  j|t-  und  i-  auszugehen)  im  anfange  des  wertes 
wäre  bereits  „in  den  allerersten  anfangen  des  Slavischen"  zu  t 
geworden.  Vondrak  theilt  uns  mit,  em»,  exiiiuc  beruhe  auf  ana- 
logie  von  Seiten  solcher  composita  wie  rka^Mi»,  vba-eMiiiDe.  Diese 
möglichkeit  wird  auch  in  meinem  buche  erwähnt  (s.  305).  Dabei 
übersieht  aber  Vondrak  gänzlich,  was  ich  in  den  berichtigungen 
(s.  306)  für  den  Vorzug  der  rein  lautgesetzlichen  erklärung  von 
eiA'k  anführe.  Die  slavischen  sprachen  scheinen  nämlich  darauf 
zu  weisen^  dass  im  anfange  des  wertes  nicht  jedes  jh  (^  ii-  u.  i)  ge- 


Anzeige.  163 

meinslayiscb  zu  i  wurde.  Es  müssen  eben  schon  in  der  sla vischen  ur- 
.sprache  zweierlei  halbvocale  unterschieden  werden:  geschwächte 
vor  Silben  mit  volllautenden  vocalen  und  stärkeren  halbvocalen, 
stärkere  -^  vor  silben  mit  geschwächten  halbvocalen.  In  der 
einzelentwickelung  der  slavischen  sprachen  unterlagen  die  ge- 
schwächten halbvocale  meistentheils  dem  Schwunde,  die  stärkeren 
—  der  vocalisatiou,  d.  i.  einer  dehnung  bis  zum  kurzen  volllaut- 
vocal  mit  änderung  der  unbestimmten,  durch  reduction  hervorge- 
rufenen qualitäty  in  eine  bestimmte.  Nur  gemeinslavisches  ;V 
mit  geschwächtem  h  scheint  zu  t  geworden  zu  sein,  jh-  mit  stär- 
kerem h  ging  wohl  unverändert  in  die  einzelnen  sprachen  über, 
um  im  Serbokroatischen  und  theilweise  im  Slovenischen  zu  ja-, 
in  den  übrigen  slavischen  sprachen  zu  je-  zu  werden. 

Öfters  wirft  mir  Vondrak  vor,  ich  hätte  nicht  den  muth 
gehabt  eine  bestimmte  meinung  zu  wählen.  Ich  habe  allerdings 
viele  fragen  angeregt  ohne  mir  einzubilden,  vor  ihrer  endgültigen 
löeung  zu  stehen.  Vondrak  scheint  es  aber  nicht  zu  ahnen,  dass 
die  all  wissen  heit  bei  einem  forscher  nichts  gutes  zu  bedeuten  hat. 
Der  geist  der  Unfehlbarkeit  weht  uns  auch  aus  allem  entgegen, 
was  Vondrak  neues  oder  festgestelltes  vorzutragen  glaubt. 

Die  Probleme  vom  Ursprung  des  slavischen  schriftthums  und 
von  der  heimath  des  Altslovenischen  stehen  für  alle  slavisten 
als  wichtige  kulturfragen  da.  Aber  ohne  die  waffe  der  neueren 
vergleichenden  Sprachwissenschaft  geht  ein  theil  der  slavisten  wie 
echte  antiquarienliebhaber  zur  lösung  dieser  fragen.  Tiefsinnige 
paläographische  und  lexicalische  erwägungen  dienen  nach  wie  vor 
als  hauptmittel  für  die  starren  geister.  Und  es  wird  mit  längst 
verbrauchten  Zauberformeln  ewig  neu  ein  unaufhörliches  ödes 
spiel  getrieben.  Ein  beispiel,  das  ich  der  anzeige  Vondraks  ent- 
nehme, möge  genügen. 

8.  249  belehrt  uns  Vondrak  über  den  localursprung  der 
Savvina  Eniga:  sie  soll  irgendwo  in  der  nähe  der  slovakisch- 
russischen  Sprachgrenze  entstanden  sein,   einst  habe  der  gelehrte 

geradezu  ans  russische   gebiet  gedacht Wir  erinnern  uns 

wirklich  Vondraks  launenhafter  gedankenäusserung  über  den  Ur- 
sprung der  Savvina  Kniga  und  der  Suprasler  handschrift,  der 
beiden  grösseren  cyrillischen  denkmäler  des  Altslovenischen  aus 
dem  XI.  Jahrhundert.  Wir  waren  jedoch  auf  die  neuerliche  auf- 
erstehung  solcher  meinungen  nicht  gefasst.  Denn  für  einen 
Philologen,  der  in  die  beschafifenheit  der  altrussischen  redaction 
des  Altslovenischen  festen  einblick  gewonnen  hat,  bleibt  die 
russische  herkunft  der  beiden  letzterwähnten  handschriften  des 
reinen  Altslovenisch  einfach  ausgeschlossen.  Vondrak  gehört 
aber  augenscheinlich  zu  einer  art  slavisten,  die  ftir  die  feineren 
lautlichen  eigenschaften  der  mundarten,  wie  sie  aus  den  ältesten 
quellen  des  Slavischen  zu  uns  reden,  keinen  sinn  bat  Todt 
seheinen  ihn  diese  alten  pergamente  anzustarren.  Für  ihn  ist 
auch  daher  die  geographische  fixirung  eines  denkmals  sehr  leicht : 


164  W.  N.  StRchepkin 

AIP  wird  einfach  nach  vereinzelten,  zufälligen  und  meist  willkür- 
lich erklarten  merkmalen  vorgenommen.  So  auch  iu  unserem 
falle.  Denn  es  glaubt  Vondrak,  es  könnte  der  ausdruck  rb  rocne^A 
üg  navdoxüov  Luc.  X  34  —  statt  rb  rocriHHiiA  der  anderen 
denkmäler  —  für  die  Savvina  Kniga  die  nähe  des  slovakischen 
oder  klein  russischen  gebietes  verrathen!  (s.  249).  Wer  so  was 
behauptet,  der  operirt  —  und  zwar  im  besten  falle  —  mit  argu- 
mentis  a  silentio.  Denn,  gesetzt  das  wort  rocno^a  »herbergec  findet 
sich  in  den  jetzigen  südslavischen  sprachen  garnicht  wieder;  ist 
das  ein  logischer  grund  anzunehmen,  das  wort  wäre  auch  nicht 
altslovenisch ?  Ist  damit  wirklich  bewiesen,  die  altslovenische 
mundart  der  brüder  CTrillus  und  Methodius,  oder  eine  der  vielen 
mundarten  späterer  abschreiber  aus  den  Jahrhunderten  IX — XI 
hätten  das  wort  nie  gekannt?  Hat  nicht  schon  Drinoff  darauf 
aufmerksam  gemacht,  wie  vermeintliche  Pannonismen  oder  Mora^ 
vismen  sich  zuweilen  in  den  lebenden  mundarten  des  Bulgari- 
schen wiederfinden?  Geben  wir  jedoch  zu,  das  wort  rocnoA«  sei 
zweifelsohne  ausschliesslich  westslavisch  (den  dialectischen  an> 
Htrich  des  Kleinrussischen  mitgerechnet) ;  darf  deswegen  ein  ernster 
forscher  sich  aus  den  vielen  möglichkeiten  nur  die  eine  heraus 
nehmen,  dass  ein  altslovenisches  denkmal,  welches  das  wort 
rocno^a  enthält,  selbst  an  der  westslavischen  Sprachgrenze  ent- 
standen ist?  Und  wie  wäre  noch  diese  unklare  Vorstellung  zu 
verstehen?  Meint  Vondrak,  dass  der  schreiber  der  Sawina 
Rniga  ein  Westslave  war?  Dies  ist  ebensowenig  möglich,  wie, 
das8  er  ein  Russe  war.  Oder  glaubt  er,  der  schreiber  redete  eine 
altslovenische  mundart  Nordungarns,  die  noch  im  XL  Jahrhundert 
ihr  dasein  fristete?  In  diesem  falle  dürften  wir  verlangen,  dass 
der  dialect  der  Savvina  Kniga  auch  in  seinem  lautsjstem  wenig- 
stens etwas  historische  Verwandschaft  mit  dem  Weetslavischen 
aufwiese,  wie  es  bei  den  glagolitischen  Kijewer  blättern  der  fall 
ist,  deren  echt  altslovenische  mundart  das  organische  merkmal 
(;,  k*t  -"  c,  flf;  —  z,  stj,  sk'  —  §6  aufweist  *).  Davon  ist  aber 
in  der  mundart  der  Sawina  Kniga  keine  spur.  Denn  wenn  sich 
Vondrak  noch  auf  die  paar  mal  vorkommende  endung  3.  sing, 
plur.  praes.  .Tb  statt  -n.  zu  stützen  glaubt,  so  beweist  diese  en- 
ilung  —  man  deute  sie«  wie  man  will  —  herzlich  wenig;  sie  ist 
ja  auch  aus  dem  Zographos-evangelium  bekannt,  ganz  zu  schweigen 
von  den  Novgoroder  blättern  und  von  dem  Ostromir,  wo  man 
sie  freilich  —  und  zwar  unbeholfen    genug  —  als  lauter  Ras- 


1)  Im  Archiv  für  slayisehe  philolofde  bd.  XX.  1--13  n.  bd.  XXII. 
99— 45«  kehrt  sich  Jftgic  mit  aller  möglichen  energie  (regen  dieM  luisicht 
Miklosiob^s  und  Kortnnstoft,  die  auch  ich  für  die  allein  möfrliche  halte. 
Jagio  hiUt  die  phonetik  der  Kijewer  blätter  für  eine  künstliche  oonta- 
min»tion  Ttm  Alteloveniteh  und  Mährisch.  Der  streit  um  die  Kijewer 
bl&tter  spitet.  sich  in  einer  methodologischen  principienfrmge  tu.  An 
einem  anderen  orte  hoffe  ich  danoleiren«  wie  Jacic^s  beweisgrvnde  theils 
auf  dialektiswhen  irrwegen  beruhen,  theilt  gegen  ihn  reden.  — 


Anzeige.  165 

sismen  wegdisputjren  möchte.  Einzelne  splitter  eines  nordalt- 
slovenisohen  grenzdialectes  konnten  übrigens  sehr  wohl  durch  die 
slavische  Völkerwanderung  des  V — VII.  Jahrhunderts  nach  dem 
Süden  verschlagen  werden,  in  eine  beliebige  landschaft  Bulgariens 
oder  Macedoniens.  Was  sollte  in  diesem  falle  einem  philologen 
bei  der  geographischen  fixirung  einer  solchen  mundart  ihr  dialec- 
tischer  Wortschatz  helfen?  Endlich  konnte  das  wort  rocaoAt»  wie 
andere  mehr,  während  der  pannonischen  periode  der  slavischen 
liturgie  auf  dem  wege  des  schriftthums  der  altslovenischen  litte- 
ratursprache  einverleibt  worden  sein.  Von  den  vielen  ist  sich 
Vondrak  nur  des  einen  weges  bewusst  und  zwar  nicht  des 
besten. 

Die  wissenschaftliche  wie  die  litterarische  richtung  Vondrak 's 
zwingt  mich,  bevor  ich  schliesse,  noch  zu  einer  an  kurzer  selbst- 
anzeige zu  greifen.  Mein  buch  hat  eine  einheitliche  wissenschaft- 
liche aufgäbe,  welche  Vondrak  ganzlich  verschweigt:  an  der  band 
einer  sprachquelle,  welche  mit  grösserer  klarheit  eine  lebende 
altslovenische  mundart  des  XL  Jahrhunderts  zum  ausdruck  bringt, 
unternahm  ich  einen  historischen  vergleich  des  altslovenischen 
mit  den  heutigen  mundarten  des  Bulgarischen,  um  auf  grund 
der  gewonnenen  thatsachen  den  Verwandschaftsgrad  beider  sprachen 
festzusetzen.  Der  besagte  vergleich  hat  mich  zum  Schlüsse  ge- 
führt, dass  jene  complicirten  und  langsamen  processe,  in  denen 
die  lautliche  Veränderung  der  halbvocale  ^  und  t  bestand,  im 
Altslovenischen  wie  im  Bulgarischen  —  so  weit  der  vergleich 
reicht  —  durchaus  identisch  waren:  beide  sprachen  kannten  die 
vocalharmonie,  (d.  i.  den  Übergang  von  ^  zvl  h  vor  weichen  und 
von  h  zu  ^  vor  harten  silben  mit  volllautendem  vocal  oder  stär- 
kerem halbvocal),  beide  weisen  die  rundung  des  h  nach  den 
lauten  ä,  z,  d,  it,  zd  auf,  wodurch  h  in  dieser  läge  allmählich 
in  vielen  dialecten  zu  ^  wurde;  beide  sprachen  erlitten  einen 
frühzeitigen  seh  wund  der  geschwächten  halbvocale  in  gewissen 
consonantengruppen ;  beide  entwickelten  dialectische  Übergänge 
der  stärkeren  halbvocale:  des  ^  zu  o,  des  h  zu  e.  In  beiden 
sprachen  wurden  die  resultate  aller  dieser  lautveränderungen  auf 
dem  wege  der  analogie  theils  vermannigf altigt,  theils  ausgeglichen 
und  zwar  auf  nämliche  weise  in  den  nämlichen  grammatischen 
kategorien.  Die  aus  der  ganzen  entwickelung  der  halbvocale 
resultirende  dialectische  gliederung  beider  sprachen  war  durchaus 
dieselbe.  Es  zerfielen  nämlich  beide  in  drei  hauptdialecte,  deren 
erster  gar  keine  vocalisirung  der  halbvocale  kannte,  der  zweite 
beide  halbvocale  vocalisirte:  %  zu  o,  t»  zu  €,  der  dritte  ^  behielt 
(d.  h.  die  qualität  des  lautes,  denn  quantitativ  wurde  der  halb- 
vocal auch  hier  zum  kurzen  volllautvocal)  und  nur  6  zu  e  ver- 
änderte. Der  erste  dialect,  noch  erhalten  in  den  vorlagen  des 
Zographos-evangelium's  und  des  Ostromirs,  dann  in  der  Savvina 
Kniga  und  in  einem  theile  der  Suprasler  handschrift,  verschwand 
früh,  indem   er   wahrscheinlich  in   den  beiden  andern  unterging; 


166  A.  Bezzenberger 

der  zweite  lebt  noch  im  Macedonisch-bulgarisclien,  der  dritte  im 
Ost  bulgarischen  fort.  Nach  dem  inhalte  der  besprochenen  laut- 
lichen processe  zu  schliessen,  musste  ihre  entfaltung  gewiss  einige 
Jahrhunderte  in  anspruch  nehmen.  Während  dieser  Zeitspanne 
besassen  also  Altslovenisch  und  Bulgarisch  ein  einheitliches  terri- 
torium  und  wir  können  nicht  umhin  sie  als  dialecte  einer 
einheitlichen  spräche  zu  betrachten.  Das  liturgische  Altslovenisch 
des  IX.  Jahrhunderts  —  soweit  es  aus  quellen  des  XI.  erschlossen 
werden  kann,  —  weist  in  seinen  wesentlichen,  sprachgesohicht- 
lichen  lautmerkmalen  die  meisten  verwandtschaftszüge  mit  jenen 
Büdostmacedonischen  mundarten  auf,  deren  eine,  die  von  Sucho, 
von  Oblak  (Macedonische  Studien,  Wien  1896)  beschrieben  wurde. 
Es  ist  kaum  zu  bezweifeln,  dass  die  mundart  der  slavenapostel 
in  den  bereich  dieses  südostmacedonischen  dialectes  fiel.  Ob  der 
letzte  zur  zeit  der  entstehung  des  slavischen  schriftthums  weiter 
nach  Westen  und  bis  nach  Thessalonich  reichte,  oder  ob  er  den 
beiden  brüdern  aus  anderen  Ursachen  geläufig  war,  bleibt  vor- 
läufig dahingestellt,  ist  auch  von  keinem  belang.  So  weit  mit 
der  geographischen  fixirung  des  Altelovenischen.  Wer  heute  ein 
mehr  anstrebt,  und  zwar  nicht  an  der  band  der  dialectischen 
lautgeschichte,  läuft  gefahr,  die  pfade  der  Wissenschaft  zu  ver- 
lassen und  in  der  luft  zn  schweben. 


Timonino,  den       '  :  ,.    1900. 

2.  juh 


W.  SUchepkin, 


Etymologien. 

1.  In  der  erklärung  von  got.  auraht  „grab,  grabstätte^'  ist 
man  bisher  über  J.  Grimm  Kl.  Schriften  II  243  nicht  hinaus- 
gekommen, dessen  gleichstellung  von  aürahi  und  tircfus  in- 
dessen keinen  beifall  gefunden  hat.  Sollte  aurahi  nicht  ver- 
wandt sein  mit  lat.  Orcus?  Wegen  der  Überlieferung  und  der 
älteren  erklärungen  dieses  namens  s.  Preller- Jordan  Rom. 
mythologie  11  62  f. 

2.  Wie  lett.  Itdf,  nordlit.  lyg  „bis"  zu  lit.  lygus  „gleich,  eben*' 
verhält  sich  begrifflich  lit.  ik),  Ik  „bis"  (ikikdl,  iköl  „bis  dann**, 
ikszidl  „bisher**,  iHdl  „bis  dahin**,  ikmetis,  ikmeiingas  ,, zeitlich**, 
„doczesny**)  zu  lat.  aequus,  skr.  ^ka  „einer**.  Den  bedeutungen 
dieser  Wörter  ordnet  sich  auch  der  gebrauch  des  lettischen  und 
preussiscbea  verallgemeinernden  präfixes  ik  unter  (lett.  ikdinas 


Etymologien.  167 

yytäglich^S  ikkatrs  „ein  jeder'\  ikwtns  dass.  [lit.  ikwisnas  bei 
Miezinis  vennutlich  hieraus  entlehnt],  pr.  ikai,  ickai  „wann, 
ob"),  und  ich  trage  daher  kein  bedenken,  halt,  ild,  ik  mit  ciequfis, 
ika  etymologisch  zu  verbinden.  Vgl.  Bielenstein  Lett. 
spräche  II  104  and  wegen  des  von  ihm  berücksichtigten  lit. 
jäcus,  äcu8  Brückner  Lituslav.  Studien  I  87. 

Andere  verwandte  von  lat.  uequtts  sind  möglicherweise  lit. 
aikazius  (aus  aiqg^'tths)  „eben,  weit,  geräumig'',  aikszte  „ebene 
fläche,  horizont'^  (bei  Bretken  „hof*S  „dimstis"),  vgl.  lat.  aequor. 
Ich  halte  es  indessen  für  nicht  unmöglich,  dass  diese  Wörter 
mit  äiazkuB  (iszkus)  „deutlich*'  zusammenhängen.  Vgl.  lit. 
laük($s  :  gr.  l^iaaw, 

3.  Griechisch  diaivw  „ich  benetze"  (bildung  wie  fjtiaivu), 
Wurzel  meva-)  gehört  zu  dem  gleichbedeutenden  deia),  womit  man 
längst  ahd.  zawa  „tinctura",  zaujan  „tingere"  verbunden  hat. 

4.  Lit  dimsti-s  „hof,  gut"  und  „hofraum  an  den  gebäuden" 
(so  in  der  Bretkenschen  bibelübersetzung  II  Mos.  27.  9).  fem., 
ans  d9m'SfO'  „haus-stelle"  vgl.  gr.  da^^aq  u.  s.  w.  „des  hauses 
waltend"  (J.  Schmidt  Neutra  s.  221  f.)  und  an.  nau-«t  „schiff- 
schuppen" u.  s.  w.  (ebenda  s.  346).  Der  übertritt  von  (/»m-sto- 
in  die  t-deklination  bedarf  in  hin  blick  auf  die  Utauischen  com- 
positionsregeln  kaum  einer  orläuterung.  Über  lit  namai,  woraus 
J.  Schmidt  eine  schwache  form  von  do/Aog  folgern  will,  s.  BB. 
XXI  303  anm. 

5.  gr.  qfiOQog,  q^iegog  „leuchtend,  glänzend,  hell",  dann 
„fett,  strotzend",  (piagvvei.'  hxftriQvvei  (Hesych)  aus  *(pia9Qd-Sy 
vgl.  {pai(a)6g  „dämmerig",  lett  gdüchs  „hell,  klar,  leuchtend". 
Man  brachte  den  ablaut  ai  :  i;  das  q>  ist  aus  qnxia-  über- 
nommen. 

6.  Ägs.  bearcian  „bellen",  engl,  bark,  an.  berkja  „bellen, 
poltern,  toben"  :  zem.  burg'eti  „unfreundlich  sein,  brummen, 
zanken",  burghus  „brummbart",  lett  bdrgs  „streng,  hart,  un- 
freundlich, unbarmherzig".    Anders  Zupitza  Gutturale  s.  160. 

Als  Wurzel  vermute  ich  bhereg,  wozu  auch  an.  braka  „pras- 
seln, krachen",  ahd.  prcAt  ,ylärm"  gehören  können. 

7.  Wörter  wie  nhd.  schenken,  bescheiden ^  beschUden,  ags. 
bryttian  mit  ihren  ganz  klaren  bedeutungsentwicklungen  geben  das 
recht,  lit.  Umti  „gewähren"  (laima  lerne  saulüzes  denät§  Schleicher 
Lesebuch  s.  8)  „bestimmen",  lett  nü-lenU  „bestimmen,  verfügen, 
urteilen,  prüfen"   zu  asl.  lomiti  „brechen",   apr.  limtwei  dass., 


168  Brunnhofer    Nachtrag. 

lett.  HnU  „ zusammenbrechen ^S  gr.  vwXefiig  „unablässig"  zu 
stellen,  und  da  hierdurch  Ihnti,  nü4efnt  den  ihnen  bisher  feh- 
lenden anschluss  in  dem  lituslavischen  sprachenkreis  gewinnen, 
Unmiti  u.  8.  w.  aber  ein  litauisches  etymon  erhalten,  und  end- 
lich Wörter  wie  limti  und  limtwei  ohne  zwingende  noth  nicht 
von  einander  gerissen  werden  dürfen,  so  empfiehlt  sich  diese 
Zusammenstellung  in  jeder  hinsieht.  Die  ursprüngliche  bedeu- 
tung  von  limti  mag  „(einem  ein  stück  brot)  brechen"  gewesen 
sein.  Die  besondere  beziehung  des  wertes  zu  Gott  und  dem 
Schicksal  kann  durch  den  anklang  an  Idima  veranlasst  sein, 
braucht  aber  keinesfalls  ursprünglich  in  ihm  gelegen  zu  haben. 
Vgl.  den  gebrauch  von  lit.  llktif  lett.  likt  :  tatai  Diewo  likta 
Br.  P.  97,  Ponas  Diewas  likens  ira  das.  130. 

Dasselbe  begriffliche  Verhältnis  wie  Ihnti  und  limtwei  zeigen 
skr.  bhdjati  „austeilen"  und  bhandkti  „brechen",  und  ich  sehe 
keinen  triftigen  grund,  dasselbe  hier  andere  zu  beurteilen  als 
dort. 

8.  Aßl.  ob-resti  „invenire,  acquirere",  sü-resti  „obviam  fieri" 
(präs.  -r^tq)^  russ.  obresti  (präs.  obritü)  „finden,  erwerben,  an- 
eignen, erlangen"  :  su-resti  (prät  süreczau)  „erwischen,  ab- 
fassen" (Lit.  forschungen  s.  163). 

9.  Griech.  oiXvg  „weh,  Jammer,  unglück"  aus  oi'd/t-g,  6-/tdjv^g 
scheint  im  ablaut  zu  lett.  waidit  „wehklagen,  klagen,  jammern", 
waidi  „wehklage,  jammer,  not"  zu  stehen  und  hiermit  zu 
lett.  ivai  „wehe,  ach",  got.  vai,  ahd.  as.  we,  lat.  v(ie  zu  gehören. 

A,  Bezzenberyer. 


Nachtrag. 

Bezüglich  kämamäta  (oben  pag.  80)  macht  Weber  bemerk- 
lich, dass  er  in  Kuhns  Ztschr.,  bd.  VI  (1857)  pag.  318  eine 
w.  mii,  flechten,  nachgewiesen  habe,  aus  n^elcher  müta  im  sinne 
des  skt.  mugdha  (w.  muh),  verwirrt,  herrühre. 

Berlin.  Brunnhofer. 


A.  Bezzenberger    Das  litauische  futurum.  169 


Das  litauische  faturum. 

Mit  ausnähme  von  Ascoli  ^)  sehen  alle,  die  sich  in  neuerer 
zeit  über  das  dorische  futurum  geäussert  haben,  in  diesem 
etwas  von  den  Griechen  gemachtes,  oder  doch  eine  bildung, 
die  erst  unter  ihnen  „futurum^^  geworden  sei ').  Ascoli  da- 
gegen hält  -Uü)  und  -a^oi  für  eine  doublette  und  lässt  ihre 
Verschiedenheit  durch  verschiedene  betonung  bedingt  sein. 

Auch  mir  erscheint  das  dorische  futurum  als  eine  alte 
bildung,  aber  nicht  etwa,  weil  sjo-  aus  aejo-  entstanden  sein 
kann,  sondern  weil  mir  genau  dieselbe  bildung  in  dem  gewöhn- 
lichen futurum  der  litauischen  Schriftsprache  vorzuliegen  scheint. 

Wegen  der  formation  und  der  heutigen  flexion  dieses 
tempus  verweise  ich  auf  die  grammatiken.  Dass  beides  alt  ist, 
ergibt  sich  aus  der  Übereinstimmung,  die  der  hauptsache  nach 
Litauisch  und  Lettisch  in  dieser  hinsieht  zeigen,  und  aus  den 
älteren  litauischen  sprachquellen.  Moswid,  die  Forma  chrikstima 
und  Szyrwid  bieten  übereinstimmend  ausschliesslich  die  heute 
regelmässigen  finiten  fiiturformen.  Als  belege  führe  ich  an  1)  aus 
dem  katechismus  von  1547  (Lit.  lett.  drucke  I):  I  sing,  dasiu 
14is;  n  sing,  prieleisi  löao,  ßinasy  19i,  rassy  19«;  I  plur. 
karaliausim  32  ss,  busim  32s  s;  11.  plur.  nepapeiksit,  pcuiarisü, 
btisit,  turesit,  paßysyt,  prisiartysyt  48off-;  lU.  sing.  plur.  bus 
13i8,  14i79  (^ttnes  bi,  negatis  öe,  nares  693,  2)  aus  der  Forma 
chrikstima:  L  plur.  bmim  42i6;  II.  plur.  imsU,  rassite  3Ö4, 
iuresite  SSs,  darisite  38i6,  le;  UI.  sing.  plur.  bt48  3Ö4,  426,  ras 
39s4,  436,  aptures  4296,  jrattö  43«,  negeUxBs  43?,  padces  438, 
3)  aus  den  Punktay  sakimu:  I.  sing,  bilinmu  Sse»  iszüausisiu 
9i;  IL  sing,  htm  I618,  3öso;  L  plur.  dcmsime  6O10,  priüaime 
13486,  mustisime  134 le,  regiesime  138 18,  1448o;  11.  plur.  fi- 
wisite  614,  imsitet  rasite  154s8;  III.  sing.  plur.  bus  I619»  154s, 
aiaya,  atims  358,  atakirs  38i9,  sudegim  38ao,  regies  4394. 

Abgesehen  von  einer  unwesentlichen  differenz  in  der 
III.  person  stimmen  mit  diesen  formen  bekanntlich  genau  über- 

1)  SprachwissenBchaftliche  briefe  s.  66  f. 

2)  Bechtel  Gott,  nachrichten  1888  s.  402 ff.,  Brngmann  Grundriss 
II,  2,  B.  1101 ,  JohansBon  De  derivatis  verbis  contract.  s.  209,  Mahlow 
K.  Zs.  XXVI  586,  0.  Meyer  Griecb.  gram.  *  s.  618,  Solmsen  E.  Zb. 
XXXn  .M7. 

BtiMg«  B.  kuida  d.  indg.  ■piMhtB.    XXVI.  12 


170  A.  Bezzenberger 

ein  die  präsensformen  der  meisten  litauischen  verba,  deren  in- 
finitivstamm  auf  e  ausgeht  und  deren  präsens,  um  mit  Schleicher 
zu  reden,  „mittels  j  gebildet  ist'*  —  und  zwar  nur  diese;  also 
z.  b.  myUti,  I.  sing.  präs.  myliu,  I.  plur.  präs.  mylime.  Auch 
diese  Übereinstimmung  zeigen  bereits  die  ältesten  litauischen 
texte.  So  der  katechismus  von  1547:  I.  sing,  tihiu  II17,  12t, 
7,  9,  11;  II.  sing,  galt  61s,  nary  löa9;  I.  plur.  apturim  24io» 
iikim  249,  ä2i,  it,  is  (auch  in  dem  neu  gefundenen  Moswidschen 
text);  II.  plur.  turü  5 91,  7i,  regit  bt%\  III.  sing.  plur.  nar 
butii*i  tur  öa»  10,  tik  1389,86  =  tijk  187,  mijl  16i9f.,  negai 
099  *-  negal  le  (daneben  stawi,  stawij  IÖ9«).  Ebenso  die 
Forma  chrikstima :  I.  sing,  tikiu  3688 ,  376 ,  s ,  noru  (ungenau 
geschrieben)  37 10;  II.  sing,  tiki  3689,  88,  37«,  nori  379;  I.  plur. 
ttMrim  339»  3691,  3799,  40i,  girdim  33i8,  349,  negalim  3699; 
II.  plur.  turäe  3497,  neturit  38 17,  94,  4091 ;  HI.  sing.  plur.  iur 
339,16,  36i9,  387,  3998,  negäl  43 1,  reg  43i9  (daneben  netiki 
438).  Vgl.  unten  s.  177  anm.  1.  —  Da  die  zu  dieser  gruppe 
gehörigen  verba  auf  -w-eti  (z.  b.  aw'i^i,  stow'4t%)  in  der  I.  sing, 
präs.  auf  -wm  endigen,  wie  auAüy  stöwiu,  dagegen  yerba,  die 
im  infinitiv  auf  -au-ti  ausgehen  und  deren  präsens  gleichfalls 
mit  j  gebildet  ist,  in  derselben  form  die  endung  -auju  haben, 
wie  keliduti  :  kdiduju  ^)  (aber  I.  sing,  prät  keliawaü) ,  so  ist 
hieraus  geschlossen,  dass  in  z.  b.  awiü  und  keliduju  verschie- 
dene bildungen  vorliegen,  dass  dort  ursprünglich  ein  hiatus 
bestand,  und  dass  z.  b.  awiü  ehemals  awiju,  oder  vielmehr  — 
worauf  das  nichtpräsentische  e  hinweist  —  aweju  (avSjö)  ge- 
lautet habe  (J.  Schmidt  K.  Zs.  XXI  28öf.;  Gott.  gel.  anzeigen 
1879  s.  919  anm.;  Wiedemann  Handbuch  der  lit.  spräche  s.  31). 

Diese  aufstellung  hat  zwar  nicht  allgemeine  anerkennung 
gefunden,  ist  aber  nur  von  einem  ihrer  gegner,  von  Brugmann, 
in  einer  weise  behandelt,  die  eine  präcise  erwiderung  zulässt  ^). 

Nach  Brugmann  Grundriss  II,  2  s.  1063  ff.  gehören  lit. 
verba  wie  awiti  :  awiSH  zu  einer  classe  von  verben,  „bei  denen 
dem  'iO'  [des  präsens]  ein  -^-  zur  seite  steht^^;  dies  -jb-  „stehe 

1)  In  prateritis  wie  griöwiau  ist  das  nach  tc  stehende  t  bekanntlich 
etwas  ganz  anderes  als  das  t  von  awiü  (dort  tau  =s  eu).  —  Beiläufig  be- 
merke ich,  dass  in  föUen  wie  griduti  :  griöwiau  das  iau  der  wurselsilbe 
für  tau  steht  (dagegen  g4kiii  :  gatoo), 

2)  Vgl.  Johansson  a.  a.  o.  s.  191,  Streitberg  PBB.  XIY  225,  Ur- 
germ.  grammatik  s.  302,  Berneoker  Indogerroan.  forschungen  YIII  197. 


Das  litauische  futarum.  171 

im  Baltisch-Slavischen  regelmässig  im  ablaut  mit  4-''.  Dem  w 
von  awiü  u.  s.  w.  misst  er  keine  bedeutung  bei:  „Für  ältere 
zweisilbigkeit  der  suffixform  -io-  sind  aviü  araviü  ....  u.  dgl. 
darum  nicht  beweisend,  weil  sie  durch  die  personen  mit  stamm 
(W-^,  srav-i'  veranlasst  sein  können^^  (s.  1081). 

Da  lit  kraüjaa,  naüj(M  ss  skr.  kravya,  ndvya  sind,  so  hätte, 
wenn  Brogmann  im  recht  wäre,  an  stelle  von  aioiü  früher 
^aujü  stehen  müssen.  Hiervon  liegt  aber  awiü  zwar  nicht  nach 
der  zahl  der  laute,  wohl  aber  nach  der  ausspräche  so  weit  ab, 
dass  Brugmanns  Vermutung  über  die  entstehung  von  awiü  sehr 
unglaubhaft  ist  und  nur  dann  als  maassgebender  einwand  be^ 
trachtet  werden  könnte,  wenn  er  nachweisen  würde,  dass  eine 
flexion  *aujü — auA,  äwite  dem  litauischen  obre  jemals  anstössig 
gewesen  wäre.  Dies  ist  aber  so  wenig  zuzugeben,  dass  diese 
Vermutung  für  mich  aus  der  behandlung  von  avciü  u.  s.  w.  ganz 
ausscheidet,  obgleich  ich,  wie  sich  weiterhin  zeigen  wird,  für 
ätoime  selbst  eine  Stammübertragung  annehme  % 

Noch  grösseres  gewicht  als  hierauf  lege  ich  aber  auf  an- 
deres. Streitberg  PBB.  XIV  225  meint  in  bezug  auf  die  frag- 
lichen verba  allerdings:  „den  infinitivstamm  auf  e,  den  das 
Baltisch-Slavische  besitzt,  können  wir  bei  seite  lassen,  da  es 
sich  nur  um  die  präsensflexion  handelt'^  Unzweifelhaft  darf 
man  die  Sache  aber  auch  anders  ansehen  (vgl  Bartholomae 
Studien  z.  indogerm.  Sprachgeschichte  II  150),  und  Streitberg 
wird  weder  leugnen,  dass  man  grundsätzlich  immer  versuchen 
muss,  die  verschiedenen  stamme  eines  verbs  zu  vereinigen,  noch 
dass  in  der  regel  ein  nicht-präsentischer  stamm  auf  ^  einen 
präsens-stamm  auf  -e-  oder  -eje-  zur  seite  hat.  Da  -e-  in  un- 
serem falle  nicht  in  betracht  kommt,  und  die  annähme  eines 
Überganges  von  -eje-  in  -ie-  unbedenklich  erscheint,  so  könnte 
man  es  freilich  unter  systematischem  gesichtspunkt  für  nicht 
viel  mehr  als  einen  streit  um  des  kaisers  bart  halten,  ob  awiü 
—  awUi  auf  aveje-  —  at«-  oder  auf  avie-  —  ave*  beruht. 
Allein  die   annähme  einer  verbalklasse  der  letzteren  art  steht 

1)  Beiläufig  sei  bemerkt,  daas  präsentische  pluralformen  mit  t  vor 
den  personalenduDgen  im  Preassischen  und  Lettischen  stark  gewuchert 
haben  (pr.  pogaunimai^  kirdimm  :  dinkauunai;  lett.  fimm,  rtdfim  : 
l>rä^'fn),  im  Litauischen  dagegen  aus  berechtigten  stellen  verdrangt 
sind  (gdunam;  kenezA,  kenM  —  keHenam),  und  dass,  soweit  sie  sich 
ausgebreitet  haben,  dies  nur  in  der  bescheidensten  weise  geschehen  ist. 

12* 


172  A.  Bezzenberger 

auf  thönernen  fassen.  Manches,  was  Brugmann  für  sie  geltend 
macht,  begründet  sie  nicht;  so  ahd.  doUm  (Grundriss  IIj  2, 
s.  1064),  das  nicht  zu  lit  tyl'M  (präs.  tyliü)  gehören,  sondern 
seinem  stamme  nach  mit  griech.  raXai-  (Fick  Gott.  gel.  an- 
zeigen 1883  8.  587)  identisch  sein  wird  (vgl.  ahd.  siomen  : 
lat.  consternari  ^)  J.  Schmidt  Festgruss  an  Roth  s.  185).  In 
anderen  fällen  erscheint  in  der  tat  neben  präsentischem  io  (Jo) 
nicht -präsentisches  S,  z.  b.  fjtaivio^  l-fiai^y,  fiefidvtii^ai.  Da 
aber,  wie  Brugmann  nicht  unerwähnt  gelassen  hat,  neben  fiaivuf 
lit.  menü  (inf.  min&i)  und  neben  (x^fiavtniai  /ae/atjva  steht,  so 
lässt  sich  in  diesen  fällen  ebenso  wenig  ein  unmittelbarer  Zu- 
sammenhang zwischen  präsens-  und  nichtpräsensstamm  be- 
haupten, wie  z.  b.  bei  ßlantia  —  ißldßrjVy  ßlaßijaofiai.  Ein 
solcher  Zusammenhang  liegt  aber  —  und  dies  ist  für  mich  aus- 
schlaggebend —  bei  awiü,  äwime,  aw'Sti  oder  girdzü,  girdime, 
girdeti  klar  am  tage;  eine  form  bedingt  die  andere:  ständen 
awiü,  girdzü  nicht  neben  aw'iti,  girdlSti,  hätten  diese  nicht  jene 
zur  Seite,  so  kämen  ämme^  girdime  und  awiü  nicht  Tor.  Folg- 
lich steckt  in  amü  —  awUi  eine  konjugation,  in  welcher  das 
präsens  unbedingt  einen  nichtpräsens-stamm  auf  e  erfordert, 
und  als  solche  kennen  wir  mit  Sicherheit  ausschliesslich  die  von 
z.  b.  q>il€(o,  —  Übrigens  gehört,  wie  schon  erwähnt  wurde,  trotz 
hent&i  zu  kenczü  keüczam  (vgl.  Schleicher  Gram.  s.  245),  zu 
reikUi  reikia  (reykiamu,  reykia  Punktay  sakimu  142i,  135i7). 
Warum  sieht  Brugmann  nicht  hierin,  sondern  in  awiü,  äwime 
—  awiti  die  Vertretung  von  fiaivo/Äat  iiddvfiv? 

Endlich  fehlt  vollends  der  nach  weis  einer  indogermanischen 
konjugations-klasse  mit  io(joJ  :  F  im  präsens-  und  e  im  nicht- 
präsens-stamm.  Brugmann  vermutet  sie  bloss  (Grundriss  II,  2, 
s.  1057,  1063  f.)  und  stützt  diese  Vermutung  lediglich  auf  das 
zeugniss  unserer  litauischen  verba  und  der  ihnen  entsprechenden 
altslavischen  wie  smrtzdq  :  smrbdiäi  —  srnndM  (lit.  smlrdzu  : 
smlrditne  —  smirdeti).  Andere  werden  dagegen  meinen,  dass 
die  Vereinzelung  dieser  konjugationsweise  sehr  vernehmlich  für 
ihre  unursprünglichkeit  zeuge.  —  Der  unterschied  zwischen 
aslav.  smndi'  und  lit.  smirdt-  scheint  mir  für  die  beurteilung 

1)  Skr.  janati  führe  ich  nicht  auf  gen^mUt  (vgl.  Hirt  Ablaut  8.  98), 
Bondem  jani^nthii  (zen9nai4i)  zurück,  indem  ich  (wie  in  vielen  anderen 
fällen)  nicht  in-  sondern  suffigierang  von  nä{i)  annehme.  —  Ebenso  scheint 
Bmgmann  a.  a.  o.  s.  973  jSnati  aufzufassen. 


Das  litauische  futurum.  173 

des  letzteren  bedeutungslos  zu  sein  (vgl.  Wiedemann  Lit.  Prä- 
teritum s.  168).  Mit  lat.  capis  —  atuiis  hängt  er  sicher  nicht 
zusammen  (vgl.  vielmehr  die  litauischen  präsentia  auf  -;u  und  -yju). 
Die  zurückführung  von  awiü  auf  *avejö  (genauer:  avSjö)  ist 
also  durch  Brugmann  nicht  erschüttert.  Dagegen  ist  sie  (was  Brug- 
mann  nicht  zu  bestreiten  scheint)  lautlich  zulässig  ^),  gibt  zugleich 
die  einzig  denkbare  lautliche  erklärung  von  atviüy  dewiü,  sramü, 
alöwiu,  ist  femer  aus  systematischen  gründen  geboten  und  be- 
deutet endlich  insofern  einen  erheblichen  vorteil  für  die  litaui- 
sche grammatik,  als  sie  ihr  eine  grosse,  alte  verbalklasse  (griech. 
q>il€w^  qtiXiqaw  u.  s.  w.)  fast  unberührt  erhält,  die  ihr  sonst 
fehlen  würde.  Brugmann  lässt  dieselbe,  ohne  dass  ich  das 
warum  einsehen  könnte,  durch  die  verba  auf  -ai4-  infin.  -yti  *) 
verdrängt  sein  und  sieht  allein  in  wejü  (infin.  wyti)  ein  präsens 
auf  -ejöf  indem  er  es  in  ^-^io  zerlegt  (Grundriss  II,  2,  s.  1142  ff.). 
Wäre  dies  richtig,  so  würde  es  die  herleitung  von  awiü  u.  s.  w. 
aus  avijö  u.  s.  w.  doch  nicht  widerlegen,  weil  die  behand- 
lung  einer  zweisilbigen  form  nicht  den  maasstab  für  die  beur- 
teilnng  einer  dreisilbigen  abgeben  kann  *).  Aber  der  etymologische 
Zusammenhang,  in  dem  wejü  steht  (vgl.  Leskien  Ablaut  der 
Wurzelsilben  s.  288  und  ausserdem  skr.  vdyati  :  vavau,  uia, 
gr.  6&6vriy    urkelt.  vedo   Stokes    Urkelt.   Sprachschatz   s.  269, 

1)  Obgleich  die  betonung  der  singalarformen  awiü^  girdsni,  at^, 
girdi  ihr  nicht  eDtsprichi  Da  nämlich  1}  z.  b.  die  II.  plur.  präs.  äwitej 
gudite  wegen  der  geschleiften  betonung  der  Wurzelsilbe  nicht  auf  *  ave- 
jiUy  *girdej^  beruhen  können  (BB  XXI  295)  und  also  beweisen,  dass 
z.  b.  ^avejd  betont  war  wie  ai.  patdyat  und  2)  in  iniinitiven  wie  w&fst* 
(reflex.  werHes)  aus  *V0riUje  (vgl.  ai.  istäye,  vPUdye^  Bütdyt)  keine  Ver- 
schiebung des  hochtons  auf  die  gestossene  endsilbe  stattgefunden  hat 
(vgl.  II.  sing.  präs.  u>«rÜ)y  weil  solche  formen  früher  dreisilbig  waren 
{*pef8tej'e),  so  sind  für  z.  b.  *av6jö^  *g%rdijd  nicht  awiü^  yirdzü,  sondern 
*ämuj  ^gtfdeu  zu  erwarten.  Da  aber  in  der  I.  und  II.  sing,  litauischer 
zweisilbiger  prftsensstämme  mit  geschleifter  (wefeza-)  oder  neutraler 
{sitka-)  betonung  der  hochton  sonst  immer  auf  der  endung  ruht,  so  lag 
die  Verwandlung  von  *dwiu  in  auriü  so  nahe,  dass  die  betonung  dieser 
form  ihrer  herleitung  aus  *av6fi  nicht  ernstlich  widerspricht. 

2)  Dieselben  scheinen  mir  durch  J.  Schmidt  Festgruss  an  Roth 
8.  184  im  wesentlichen  erledigt  zu  sein. 

3)  Dass  in  a&e/l,  ahejoa  (skr.  ubhdyä)  das  e  erhalten  ist,  wird  durch 
die  analogie  von  dwejlf  trefl  bewirkt  sein,  deren  «  durch  dwejoa,  trejos 
gehalten  wurde  (dwejl,  tr&ft  [skr.  dvayä,  trayd]  wären  sonst  zu  duü,  M 
geworden). 


174  A.  Bezzenberger 

lit  äusti  u.  8.  w.),  erweist  Brugmanns  erkläruDg  dieser  form 
als  irrig. 

Besteht  nun  aber  die  erklärung  von  atviü  durch  av4jö  zu 
recht,  so  ist,  wenn  nicht  ein  zufall  angenommen  werden  soll, 
die  äexion  des  futurums  atcSsiu  ganz  ebenso  zu  erklären,  wie 
die  mit  ihr  übereinstimmende  von  atoiü,  so  entspricht  das  nor- 
male litauische  futurum  dem  futurum  doricum»  so  ist  {aw'S-)8iu 
die  genaue  litauische  wiedergäbe  von  (ix7rQaX')ai{o, 

Wenn  J.  Schmidt  Pluralbildungen  s.  424  ff.  diese  Schlüsse 
nicht  gezogen  hat,  so  kommt  das  wohl  nur  daher,  dass  er  in 
nordlitauischen  formen  wie  süksiam  die  einzig  echten  litauischen 
futurformen  sieht.  Diese  sind  aber  gleich  den  lettischen  auf 
'Säm,  'Sam  (Lett.  dialektstudien  s.  164)  und  den  nordlitauischen 
auf  -^am  (z.  b.  säksam  BB.  VIII  106  f.)  von  derselben  herkunft 
wie  die  formen  auf  -sim  (vgl.  Kurschat  Gram.  §  1165).  Den 
schlagenden  beweis  hierfür  bietet  Dowkonts  zemaitische  gram- 
matik,  indem  sie  an  stelle  aller  verbalen  endungen  -im,  ^ü 
die  endungen  -em,  ^et  vorschreibt;  also:  müem  „amamus'S 
müet;  tnüiesem,  milieaet;  fnüiekem,  müieket  (ebenso  müemas 
part.  präs.  pas.);  butumem,  butumet  ^)  (Prasmi^  s.  97  ff.).  Da 
ferner  der  zuweilen  vorkommende  optativische  gebrauch  des 
litauischen  futurums  ebensowenig  die  optativform  desselben  be- 
weist, wie  dieselbe  anwendung  des  griechischen  futurums  dies 
zu  einem  optativ  macht,  so  fehlt  jeder  äussere  anlass ,  formen 
wie  dü'sim  mit  J.  Schmidt  für  optat  aor.  zu  erklären  (aus 
*dü8lm,  vgl.  skr.  di^mdhi).  Allein  auch  sonst  ist  diese  er- 
klärung zu  beanstanden.  Ich  will  nicht  gegen  sie  einwenden, 
dass  das  nebeneinander  von  -sim  und  -dm  im  Lettischen  (Lett. 
dialektstudien  s.  164)  jenem  einen  ausgeprägten  indikativ- 
charakter  gibt,  denn  hier  könnte  der  schein  trügen.  Aber  ich 
muss  gegen  sie  geltend  machen,  dass  sie  der  Wahrscheinlichkeit 
gar  zu  wenig  rechnung  trägt,   insofern  der  sigmatische  aorist* 

1)  Hiemeben  bietet  Dowkont  als  I.  dual,  btuiau^  huiumiau,  was  für 
Inuiawa,  btUumünaa  steht  and  zum  überflass  beweist,  dass  miliesem, 
hutumem  for  mt^Matam ,  btUumiam  eiDgetreten  sind.  Aach  das  Nord- 
litauische  hat  im  optativ  die  endung^en  -mem,  -met  (0(t)<timem,  a{%)tufn0t 
and  demgemäss  II.  dual.  a{%)UimM  *»  -tumetau  bei  Dowkont).  —  Rag- 
niter  formen  wie  hutumem  ^  btUumet  (Schleicher  Leseb.  s.  214,  280,  288; 
hfüwnit  Mitteil,  der  lit.  litter.  gesellschaft  I  86)  sind  aus  der  II.  sing, 
auf  "iumei  {^veikiumei  Schleicher  Leseb.  s.  238)  gefolgert. 


Das  litauische  futurum.  175 

bis  auf  einen  kümmerlichen  rest  (die  Dowkontschen  formen  auf 
'Sai  Geitler  Lit  stud.  s.  60,  preuss.  boasai)  in  den  baltischen 
sprachen  sonst  verschwunden  ist,  dieser  rest  aber  auch  aus 
dem  Optativ  stammt  und  anders,  als  dü'sime,  gebildet  ist.  Wie 
könnte  es  da  wahrscheinlich  sein,  dass  ein  zweiter  optativ  des 
s-aorists  in  demselben  Sprachgebiet  zu  einem  lebendigen  tempus 
hätte  werden  können.  Endlich  habe  ich  mit  Brugmann  a.  a.  o. 
8.  1101  anm.  einzuwenden,  dass  „idg.  -f-  im  Lit  lang  geblieben 
wäre'*  ^).  Wollte  man  sich  dem  gegenüber  auf  die  optativ- 
endungen  -bime,  -bite  berufen,  welche  J.  Schmidt  K.  Zs.  XXIV 
305  für  optativformen  von  bUi  „fuit*'  erklärt  (ohne  sich  indessen 
über  die  entstehung  ihres  t  deutlich  auszusprechen),  so  würde 
man  hiermit  nichts  erreichen,  denn  eine  lautliche  Verkürzung 
von  %  kann  auch  hier  nicht  stattgefunden  haben'),  und  die 
richtigkeit  dieser  erklärung  ist  nichts  weniger  als  ausgemacht. 
J.  Schmidt  hat  sich  zu  ihr  durch  den  gegensatz  süktum^ei 
(IL  sing.)  —  9iMum4>ime  etc.  bestimmen  lassen;  aber  in  den 
ältesten  litauischen  texten  fehlt  derselbe  (dotunUri,  saugatumbi, 
laildtufnbi  Z.  geschichte  d.  lit.  spräche  s.  213,  schtp^umbi 
Lit.  lett.  drucke  I  lOtt,  butumbi  das.  17u,  negautumbi  das.  3438, 
neaplestumbi  das.  36»,  walgitumbim,  giertufnbim  das.  13i7,  bu* 
tumbim  das.  Idss«  iwhmaktumbym,  tikietumbim  das.  208, 9,  gin- 
tumbintj  giwentumbtmy  tarnautumbim,  nesektutnbim  das.  23ssffM 
prieynUumbi,  gedotunUnt  üelichowski  M.  Mosswida  Waitkuna 
przeklad  litewski  u.  s.  w.,  Poznan  1897  *),  pamsdetufnbi,  apdowa/no» 

1)  Das  von  Dowkont  mit  Vorliebe  gebrauchte  suffix,  von  dem 
Geitler  Lit.  stndien  s.  76  spricht,  enthält  nicht  langes  i,  sondern  einen 
auf  «  beruhenden  laut.  Es  ist  also  als  -sinM  anzusetzen.  Vgl.  Beitrage 
z.  geschichte  der  lit.  spräche  s.  109  anm.,  Gott.  gel.  anz.  1885  s.  911 
anm.  und  husena^  etssna  in  Miezinis'  Wörterbuch. 

2)  Das  Y  von  bit  beurteile  ich  wie  Wiedemann  Lit.  präteritnm  s.  141, 
obgleich  ich  an  der  kürze  des  inneren  %  von  hUi  nicht  zweifle  (P.  F.  Ruhig 
Anfangsgründe  der  lit.  grammatik  s.  78  and  Phil.  Ruhig  Betrachtung 
der  lit.  spräche  s.  62  schreiben  bitti).  Die  kürze  wird  ans  hü  in  Inti  einge- 
drungen sein.  Vielleicht  ist  hiti  überhaupt  jünger  als  bil^  und  dies  steht 
für  hUö  (IIL  sg.  med.).  —  Das  bei  Dowkont  für  hüh  vorkommende  6t  (dijwas 
zino  kijno  jautej,  bi  m%no  werszej  Dajnes  s.  166}  legt  es  nahe,  auch  hüi^ 
lett.  hü  auf  hi  :  hü  „sein"  zu  beziehen.  Aber  ich  glaube  doch,  dass  mit 
Brückner  Lituslav.  Studien  I  72  in  hiU^  hü  das  poln.  hyU  zu  sehen  ist. 

S)  In  der  II.  plur.  opt.  folgt  Moswid  im  katechismus  der  flexion 
der  prüsens-stämme  auf-to- :  iaekmaktunÜHi^  atmitiiumhtit  Lit,  lett.  drucke 


176  A.  Bezzenberger 

ttsmbi,  pttstiprintumbi  Lit.  lett.  drucke  11  3öts,  si,  apsaugatumbi, 
palatkUumbi  das.  37  ss»  gaututfibim  das.  SSe,  turetumbim  346, 
stuszitumbim  das.  41it),  und  -ftet  kanu  daher  nicht  als  ein  sicherer 
fuhrer  gelten,  sondern  eine  der  zahlreichen  neubildungen  des 
lit  Optativs  sein  ^).  Sind  überhaupt  in  diesen  endungen  selb- 
ständige verbalformen  zu  erkennen?  Die  alten  lettischen  formen 
sarrgahtubam  *),  sarrgahtubaJU  (Bielenstein  Lett.  spräche  II  160), 
verglichen  mit  Ididiba  (ebenda  s.  372;  vgl.  lit.  haczeibigi  Z.  ge- 
schichte  d.  lit.  spräche  s.  267)  weisen  auf  einen  anderen  weg. 

Ich  halte  also  lit.  sfiksime,  süksite  t&r  echte  futurformen 
und  siJcsiam  u.  s.  w.  für  nebenformen  derselben  (über  ihr  Ver- 
hältnis s.  w.  u.).  Aber  ich  gehe  noch  weiter,  indem  ich  auch  formen 
wie  dü'sme  an  das  gewöhnliche  futurum  anschliesse  (vgl.  Schleicher 
Gram.  s.  227,  Bechtel  Lit.  lett  drucke  lU  s.  LXXXVII, 
Wiedemann  Handbuch  s.  120).  J.  Schmidt  a.  a.  o.  wendet 
hiergegen  ein:  „So  wenig  wie  gedimes  sein  t  verliert,  konnte 
dü'sime  zu  dü'sme  werden^^  Die  möglichkeit  dieses  Verlustes 
ist  indessen  nicht  nur  nicht  zu  bestreiten  (vgl.  die  imperativ- 
formen  mokiktes,  wcdgikt  u.  s.  w.  Z.  geschichte  d.  lit  spräche 
s.  221),  sondern  ist  in  formen  wie  g&limes  höchst  wahrschein- 
lich vorgekommen.  Wie  Schleicher  bemerkt  hat  (Gram.  s.  246) 
sind  „gerade  in  dieser  classe  [gMhüa,  atciü  u.  s.  w.]  die  alten 
formen  auf  -mi  sehr  häufig^'.  Er  schliesst  hieraus,  dass  die 
betr.  verba  „stammverba''  sein.  Da  sie  dies  aber,  wie  J.  Schmidt 
selbst  zuerst  erkannt  hat  (K.  Zs.  XXI  285),   nicht  sind,    muss 

I  18,0}  preinUumhet  18asf  fniUiumbßiese  16,.  Ebenso  überhaupt  im  plural 
imperat.  (imkiet  4ie»  eiküt  35],  prileiskiet  So,,  tarikiem  21  jy  n.  s.  w.,  bukem, 
dukM^j  ffarbink&my  penoeraket  in  dem  von  Gelichowski  veröffentlichten 
text)  —  nicht  aber  im  futurum  und  in  den  prasentien  wie  girdgä  (vgl.  oben 
8.  169  f.,  unten  8.  181  anm.  1).  Die  Forma  chrikst.  unterscheidet  sich  hier- 
von indem  sie  auch  in  der  II.  plur.  opt.  -t-  zeigt:  prieifntumbiUf  apäumo* 
iumhiU  ^A^y  neczedüumbüe ^  waditumbü,  wettufMt  A0^,„  (dagegen: 
klauaikmne  889,  mehkemoai  din,  87  m,  41«»  paklausücem  40,,  dSJum^gar» 
binkem^  laufmnkem^  dekawok&m  4^iff„  leiaket  ^B^  40,o,  nsdremsket  SS^ 
40ii,  praaekiket,  esehkokei,  tunakenket  Sö«,  bilok^t  86},  buket,pildiket  42 1,,  „). 

1)  -t  als  endung  des  II.  sing.  opt.  zeigen  auch  die  heutigen  formen 
itin^tumi  (Kursohat  Gram.  §  1 168),  iszlt(i)iumif  reflex.  btji'tumya  (Prökuls). 

2)  Die  „Dispositio"  bietet  eaUubem,  eaUubei  u.  s.  w.  (Königsberger 
Studien  I  198).  —  Es  ist  wohl  nicht  von  bedeutung,  aber  immerhin  zu  be- 
merken, dass  lett.  büaehu  nicht  nur  I.  sing.  fut.  ist,  sondern  auch  die 
lautliche  Vertretung  von  lit.  btietc ,  buezau  (I.  opt.)  sein  kann. 


Das  litauische  futurum.  177 

z.  b.  siötemi  aus  der  flexion  von  st6mu  erwachsen  sein,  und 
ich  weiss  nicht,  wie  dies  andere  hätte  geschehen  können,  als 
dass  siöwime,  stöwite  u.  s.  w.  zu  *8t6wine,  *8tötote  wurden  und 
dadurch  das  präsens  von  stow'M  in  die  mi-konjugation  über- 
führten. —  Allein  bei  der  beurteilung  des  Verhältnisses  von 
dü'ame  zu  dü'sime  kann  die  lautlehre  ganz  aus  dem  spiel  bleiben, 
da  dü'sme  eine  aus  dem  gewöhnlichen  futurum  erwachsene 
neubildang  sein  kann,  und  zwar  eine  neubildung  auf  grund 
der  ni.  dü's.    Ich  verzeichne  einige  analoge  fälle. 

1)  eüü  u.  s.  w.:  eÜ  BB.  IX  334. 

2)  tdskite  u.  s.  w.,  gebildet  aus  veZ'd(f)-ki  u.  s.*w.  Prusik 
K.  Zs.  XXXm  157  f. 

3)  zin6tüJt  aus  zindtü  (J.  Schmidt  bei  Wiedemann  Hand- 
buch s.  112);  ebenso  n^sztuwa  (Kurschat  Gram.  §  1158),  gdlX- 
tuica  (Mitteil.  d.  lit.  litter.  gesellschaft  I  84)  aus  nisztü,  gät&ü. 

4)  zindfuumu  (Kurschat  Gram.  §  1159;  der  ausspräche 
nach  -tuuMu)  für  zinötumiau  (oben  s.  174  anm.  1;  vgl.  ikiau 
Kurschat  a.  a.  o.,  bukiau  Prasm%  s.  60)  im  anschluss  an  zinoiü 
(für  zifMuW'iau). 

Zweifelhaft  ist  folgender  fall.  Szyrwid  bietet  in  den  Punk- 
tay  sakimn  als  endung  der  L  plur.  optat.  4ume  (darüume, 
turetume,  eytume  galetume,  btUume,  med.  iynJäumes,  wadintumes 
LLD.  IV  8i,  32i9y  33t,  649,  144$!)  neben  4umite  (nicht  4umet 
Schleicher  Gram.  s.  229)  in  der  IL  plur.  {tikietumite ,  kintetu- 
mite,  etfiumite,  izibtumüe  ebenda  2l8,  3288,  147s7),  -tumei  in 
der  II.  sing,  (buiumey  ebenda  738i,  ieytumey  985)  und  4u  in  der 
IIL  (gayietu,  gaktUj  butu  ebenda  998,  136,  348o)-  -turne  kann  von 
letzterem  {4u)  aus  gebildet,  kann  aber  auch  durch  die  aus- 
stossung  von  "im-  vor  -m«-  (Z.  geschichte  der  lit.  spräche  s.  91) 
aus  4umime  entstanden  sein. 

Die  möglichkeit  des  hervorgehens  von  dü'sme,  dü'ewa  aus 
dü's  und  der  futurcharakter  dieser  formen  ist  daher  nicht  zu 
bestreiten  —  es  sei  denn,  dass  man  d^s  selbst  dem  futurum 
abspenstig  machen  will.  Dies  liegt  nahe,  denn  es  ist  zweifellos 
sehr  merkwürdig,  dass  selbst  die  mundarten,  welche  ein 
türi,  gvli  (III.  präs.)  erhalten  haben,  ein  düsi  (III.  fut.)  an 
sich  nicht  kennen  ^).      Da  aber  die   III.  fut.  im  medium  auf 

1)  So  die  ninndart  Szyrwids.  Unter  verweisang  auf  &t»,  aiayB  u.  s.  w. 
oben  8.  169  hebe  ich  ans  den  Punktay  sakimn  hervor:  I.  plnr.  präs.  re- 
gime  llj,  21,,,  144,,  turitM  29,1,  148,«,  144^^;  II.  plnr.  Howüe  ISö^^ff., 


178  A.  Bezzenberger 

-n-s  ^)  endigt,  so  ergiebt  sieb  bierans,  dass  d§s  tnabar  Mtti  gebuitet 
bat ')  und  nicbt  eine  injonktaYform  des  sigmatiscben  aoiists  ist. 
J.  Scbmidt  hat  die  eben  erledigten  formen  nicbt  in's  feld 
gefnbrt,  macbt  dafür  aber  geltend,  dass  „die  formen  anf  -sime 
und  -rnne  nicbt  dorcbw^  yerschiedenen  dialekten  angebören'S 
und  dass  in  einer  erzablung  aas  Kakscben  formen  anf  -siie  und 
.«fe  darcbeinander  gebrancbt  sind,  „sonst  aber  in  ibr  kein  ein- 
ziges  unbetontes  i  anterdrnckt  ist*\  Da  aber  z.  b.  infinitiTC 
auf  -tB,  4i  und  -4  (so  z.  b.  in  Godlewa  und  im  Ragniter  dialekt), 
oder  die  IIL  optat.  buiü  und  bit  (z.  b.  im  Ragniter  dialekt, 
▼gl.  die  Jurkscbatscben  märcben)  mnndartlicb  neben  einander 
Torkommen,  da  Scbleichers  gewäbrsmann  Kumutat  hütumj  pa^ 
rödytai  und  fvefUumei  gebrancbt  bat  (Lesebucb  s.  194,  238),  so 
widerspricbt  das  unmittelbare  nebeneinander  von  d&'sime  und 
dÜsme  meiner  erUärung  von  dü'sme  nicbt,  und  ebenso  wenig 
tut  dies  die  andere  eben  angeführte  beobachtung  J.  Schmidts. 
Ein  Ton  Jurkschat  aufgezeichnetes  märcben  aus  Galbrasten 
(Mitteil.  d.  lit  litter.  gesellschafb  I  83)  zeigt  die  längeren  und 
kürzeren  futurformen  auch  neben  einander  {bandyswaj  lipshca 
u.  s.  w.)  und  bietet  ausserdem  die  starke  Verkürzung  trinktäk 
(von  iHnkteliti,  sonst  trlnktereti).  Endlich  begegnet  für  Jcüines, 
das  J.  Schmidt  aus  dem  erwähnten  Kakscher  märchen  anfuhrt, 
sonst  oft  genug  kilnds  (ebenso  dyumas  für  dywinas,  doch  ist 
letzteres  jünger),  und  das  wort  für  „teufeP'  scheint  Kumutat 
nur  in  der  synkopierten  form  wünies  gebraucht  zu  haben. 

»edüe  135m ;  pari.  pr&s.  pas.  regimat  Ib^,  neregimos  15»;  III.  Bing.  plor. 
prii8.  turi  9^,  28«,  26,tf  miU  U^,  priguU  14„,  17,,,  iüi  SSj«,  girdi^  regt 
43m»  M9  regisi  114m,  ^^g*^  •  •  •  ^^g^  79,,  galt  24]  s,  138,3  (daneben  gtd 
116,,  negid  15,,  16,,,  worin  aber  das  weiche  /  zu  beachten  ist). 

1)  desiß  Panktay  sakimn  Sn,  kieUis  das.  9,,  papiktmtis  das.  18^1 
rupiniis  das.  26,. 

2)  Man  berücksichtige  hierbei  ausser  tur,  gal  u.  s.  w.  und  regi-ti ,' 
regi-$  s.  177  f.  anm.  z.  b.  die  behandlung  der  präsentischen  endnng  -^t  und 
der  imperativendun^:  -ki.  Ich  gebe  hierfür  folgende  belege  1)  aus  der 
Sprache  Moswids:  do$U  Lit  lett.  drucke  I  Ide,  etii  das.,  lOi,,  II5,  13s4, 
prade$ty$e  das.  9,5  —  dott  das.  13,,  eai  das.  13|o;  fttiA:*  das.  12|,,  tureki^ 
negimki  n.  s.  w.  das.  lOtsff*  —  oteik  das.  12,,,  dok  das.  28,i,  noeykitdci 
ir  gMek,  sussimilk  ant  mtuau  wieschpatie,  sustimilki  im  Celichowskischen 
text,  2)  aas  den  Punktay  sakimu:  duotti  26^.  28ii,  iid^osti  16„,  etii 
2I141  26,0,  deHü  11„  16|i  —  aiaduoal  15„,  nuMe$i  17,,  134^,  pritiegi 
U„f  ineyt  21i,  (aber  alk&taj  trokixia  15i,i  megiia  Ui,). 


Das  litauische  futurum.  179 

Dürfen  hiemach  dü'sim,  dü'siam  und  dtCsme  als  echte 
futurformen  und  sprösslinge  eines  und  desselben  Stammes 
(dösejfh)  gelten,  so  ist  es  nichts  weniger  als  wahrscheinlich, 
dass  zwischen  ostlit.  büstas  (<—  nordlit.  büaas  —  büsiqs  Univer- 
sitas  linguarum  Lituaniae  s.  30)  und  schriftl.  büs§8  ein  wesent- 
licher unterschied  bestehe,  dass  jenes  „wirkliches  part.  fut.^S 
dieses  aber  „part.  des  aoriststammes  büS"**  sei  (J.  Schmidt  a.  a.  o. 
8.  426).  bus^  scheint  mir  vielmehr  für  biMiqs  zu  stehen  ^)  und 
mit  büsius  identisch  zu  sein.  Die  lautliche  rechtfertigung  dieser 
ansieht  geben  z.  b.  die  von  Moswid  (der  durchaus  nicht  „nieder- 
litauisch'' geschrieben  hat)  gebrauchten  formen  Heidenezias 
Ldt  lett.  drucke  I  63,  kUidenezius  das.  25 19,  gieidenezius  das. 
22«,  27s9y  gieidenczias  das.  248s,  gUidenM  das.  26s9,  aüeidemj 
gieidem  das.  235,  e,  kientenczius  das.  28 17,  mMenczius  das. 
31 9t ,  verglichen  mit  aieyses  in  dem  Celichowskischen  text  (vgl. 
aieisenii  Forma  chrikstima  3öief.)>  di®  zugleich  paiauczem, 
mddzem  Lit.  lett  drucke  II  348,  se,  37 n,  wefczqs  (J.  Schmidt 
K.  Zs.  XXVI  382)  u.  s.  w.  als  neubildungen  erscheinen  lassen. 

busius  ist  der  nom.  sg.  masc.  fut  act.  Szyrwids  (Lit.  lett 
drucke  IV  35  le,  Dictionarium  anter  przußfy);  von  gleicher  art 
und  zugleich  die  einzigen  partic.  fut. -formen,  die  ich  ausser 
busius  in  den  Szyrwid'schen  texten  gefunden  habe,  sind  der 
nom.  pl.  bf4siu  und  der  acc.  sing,  numirsiunti  Lit.  lett.  drucke 
IV  107io,  51s8.  Hält  man  neben  diese  formen  Szyrwids  flexion. 
des  finiten  futurums  (oben  s.  169)  und  die  äemaitischen  partic. 
fut.  bmint,  businti,  basenti  (Prasm%  s.  62),  so  liegt  der  verdacht 
nahe,  dass  sie  nach  dem  vorbild  von  z.  b.  szaukiuncio,g%eydtiun6iu 
Lit.  lett.  drucke  IV  33i8,  6O18  (III.  präs.  szaükia,  geldzia)  neu 
gebildet  seien,  und  dieser  verdacht  scheint  durch  turiunti  das.  42ie 
bestätigt  zu  werden.  Allein  diese  form  ist  zu  verwerfen,  denn 
Szyrwid  braucht,  soweit  ich  sehe,  sonst  niemals  'iunt-  statt 
des  participialen  Stammausganges  'int-,  und  seine  spräche  zeigt 

1)  Hierauf  weist  auch  das  particip  fut.  pas.  Nach  Schleicher  Gram. 
8.  98  und  Mielcke  Anfangsgründe  (1800)  s.  96  endigt  es  auf  -atma-«,  da- 
gegen nach  Ruhig  Anfangsgründe  (1747)  s.  77  auf  -aema-i,  und  eben  diesen 
ausgang  bieten  die  ältesten  mir  bekannten  belege  dieser  form  (Beiträge 
z.  geschichte  der  lit.  spräche  s.  227).  £r  setzt  gleich  lett.  -seham  (Bielen- 
stein  Lett.  spr.  II  190  anro.)  den  futurstamm  auf  -ata-  voraus,  und  es 
scheint,  dass  -sefna-s  fast  erst  vor  unseren  äugen  unter  dem  eiuflusq 
vQn  'Snne  so  •mnio*«  geworden  sei. 


I8t>  A.  Bezzenberger 

Die  ia  fiir  den  stammcharakter  i  finiter  verbalformen.  Ich  gebe 
hierfiir  unter  hJnweis  auf  oben  8.  169  (futurum),  s-  177  (■tumüe') 
und  8.  177  anm.  folgende  belege  (wenn  nicbt  anderes  angegeben 
ist,  aus  den  Punktay  sakimn):  iuris  76ja,  148ii  (ebenso  Dic- 
tionarium  unter  bez  Üölä  and  bezprzygdvntf),  turin6iu  77ia, 
iurititiemus  145ii,  turinSios  68i«,  wwaregU  8ii,  regindio  135«, 
icisagalis  9ii,  73ip,  per<falin6iam  Tiae,  wisagalindiami  löSis. 
ttorint  14s,  142ii;  autraukikime  152ii,  äuokite,  berkUe,  barüi- 
kite  145«,  imkite  14ötB.  —  Diese  formen  ergeben  aber  nicht 
nur  die  dialektwidngkeit  des  angeführten  turiunti,  sondern 
zeigen  zugleich  die  unznlässigkeit  der  zarUckfiihrnng  von  busiua 
auf  busint-  und  beweisen  überhaupt,  dass  busius  seinem  stamme 
nach  eine  ursprüngliche  bildung  ist 

Hatte  ich  nun  recht,  silksime  und  niksiam  zusammenzu- 
fassen und  beide  formen  auf  einen  futurstamm  suksejo-  zurück- 
zuführen, so  muss  —  da  biisius  von  büsiam,  sük^m  nicht  ge- 
trennt werden  kann  —  auch  bütius  auf  einem  fnturstamm  auf 
■sejo-  beruhen,  und  zwar  unmittelbar,  ohne  umwege.  Dies  wäre 
aber  unmöglich,  veno  Wiedemann  (Handbuch  s.  31,  123)  darin 
vollkommen  recht  hätte,  dass  aus  eje,  ejo  in  nicht  wurzelhafter 
silbe  im  Litauischen  i  geworden  sei.  Ich  erkenne  dies  teilweise 
an,  weil  die  meines  erachtens  einzig  richtige  beurteilung  der 
verba  sramil :  sratcäi  hierzu  nötigt,  aber  ich  muss  andrerseits 
aus  biisius  die  unvermeidliche  konsequenz  ziehen,  und  kann 
daher  nur  annehmen,  dass  in  der  ange^benen  stellang  eje  zu  t, 
eja  dagegen  /u  in  »ui-ili'.  !):i^  i-iiiiiigi;,  was  sich  in  saclilicber 
beziehung  hiergegen  eiuwendui]  Itisat,  sind  die  tonnen  srAicime, 
g'editne  u.  8.  w.  (I.  plur.  präs.).  Sie  erledigen  sich  aber  durch 
die  annähme,  dass  in  der  präsens-  und  futur-Hexion  von  i.  tk 
srawäi  ausgleichungen  stuttgef linden 
srätoiame  u.  s.  w.),  und  diese  annähme  wird  i 
biisius  an  die  band  gegeben,  sondern  nueh  dui 
heiten  mylitn  —  tni'/lium,  süksitn  — 
gefälliger  aussehen,  wenn  man  sie  ii 
Paradigma,  als  wenn  man  die  einen, 
formen  durch  äussere  einmis 
nehme  also  an,  dass  früher  tlekJi 

srawiü  (aus  srnwe.iö) 

«ratoi  (aus  snr 

«rSww  (aus  srawig^ 


Das  litauische  fatarum.  181 

sräwiame  (aus  srawejamö)    sraw&iame  (aus  sraw^ejamö) 
sräwite  (aus  srawejetö)         srawesäe  (aus  srai^ösejetö). 

Dieser  fiexion  entsprechen  büsius,  ateyses  vollkommen;  es 
widersprechen  ihr  aber  die  ihnen  zur  seite  stehenden  partic. 
präs.  auf  -ifU-  wie  türfs  i),  die  also  notwendigerweise  neubil- 
dungen  sein  müssen.  Die  erklärung  dieses  gegensatzes  wird  in 
der  grösseren  Seltenheit  des  partic.  futuri  zu  finden  sein,  von 
der  man  sich  durch  meine  anfuhrungen  aus  den  Moswidschen 
texten  und  den  Punktay  sakimu  bereits  überzeugt  haben  wird. 

Man  wird  niemanden  widerlegen  können,  der  türint-  für 
eine  lediglich  durch  turüe^  turi  veranlasste  Umbildung  von 
turiant'  hält;  scheinen  doch  auch  türime,  tun  lediglich  durch 
diese  an  ihre  stelle  gebracht  zu  sein.  Aber,  wie  ich  glaube, 
ist  bei  türint  noch  etwas  anderes  in  betracht  zu  ziehen,  und 
dies  ist  indirekt  auch  für  die  entstehung  von  türime,  tdri  be- 
deutungsvoll gewesen,  denn  es  ist  nicht  wohl  zu  verstehen,  dass 
türite,  turüa,  turi  ohne  äussere  Unterstützung  ein  übergewicht  über 
türiame,  *türia,  turiant-  gewonnen  haben  sollten.  Ich  meine  die 
ursprüngliche  stammabstufende  deklination  der  -n^-stämme.  In 
hinblick  auf  sie  ist  anzunehmen,  dass  in  der  flexion  des  parti- 
cips  z.  b.  der  prasentia  turiü,  penü  ehemals  die  stamme  turiant^ 
und  iuri(fynt-,  penant-  und  penint-  neben  einander  vorkamen. 
penint'  wurde  aufgegeben,  da  es  von  der  sonstigen  präsensflexion 
von  peniti  zu  sehr  abstach,  turint-  dagegen  fand  an  turi,  türite 
und  türita  einen  halt  und  hob  zugleich  ihre  Stellung.  Das 
ergebniss  dieser  Verbindung  hat  sich  oben  bereits  gezeigt;  in 
einem  teile  des  litauischen  Sprachgebietes  wurden  tiiriame,  tt^- 
riawGj  türia,  türiani-  durch  tiirime  u.  s.  w.  ersetzt,  während 
sie  in  dem  anderen  —  unterstützt  durch  die  Zweideutigkeit  von 
turiu,  vgl.  ariü :  äriame  —  tiiriie,  türita,  türint-  sich  annäherten  *). 

1)  Moswid  braucht  roerkwürdigerweiBe  tikienenami  Lit.  lett.  drucke 
I  26i4,  UkenÜemus  (neben  tikima)  in  dem  Celichowskiichen  Tedeum,  sonst 
in  den  betr.  fällen  nur  -tni»  :  nehtrinte  Lit  lett.  drucke  I  I6i«,  turiniima 
das.  274,  iurinesüu  das.  64,  turineziui  das.  25^*  goiUnUnu  das.  8O19, 
ttawinetiut  das.  26,9,  narinezus  Tedeum  (vorwort).  Die  forma  chrikstima 
bietet:  Ukinezuiu  86 m»  tikinet&iseia  8699,  viaaagaliniighi  8639,  wi$$agalifU^ 
ioya  874,  40i9,  wisaagaUais  37i„  41„  noritU  8815,  8O14. 

2)  Vgl.  MahlowB  erkl&ning  von  bidjan  —  hidon  u.  s.  w.  (Lange 
vocale  8.  48  f.).  —  Ein  ähnlicher  ansgleich  hat  möglicherweise  im  präsens 
von  aslav.  ehaOti  u.  s.  w.  stattgefunden.    Vgl.  lit.  A;«iM»ä  :  kentHi. 


182  A.  Bezzenberger 

Ebenso  wie  türfs  verhält  es  sich  anscheinend  um  Dowkbnts 
busis,  bu9irUi  (oben  s.  179).  Allein  ich  glaube,  dass  diese 
formen  erst  aus  bus^,  busenti  (beruhend  auf  büsiqs,  büsianti) 
entstanden  sind,  denn  Dowkont  bietet  auch  das  seiner  fiexion 
des  finiten  futurums  entsprechende  busenti  und  schreibt  müis, 
girdint  (gerund.)  im  gegensatz  zu  anderen  zemaitischen  texten 
(vgl.  z.  b.  begtd^nt,  beregi^nt  Palangos  Juze  s.  10,  11,  13) 
und  teilweise  gegen  seinen  eignen  sonstigen  Sprachgebrauch 
(vgl.  gölintys  —  idrentys,  gilentea,  nebtörmti  Bud^  prat 
s.  2,  3,  8).  Dass  in  Zemaitischen  endsilben  nicht  selten  % 
für  e  (^)  steht,  habe  ich  BB.  X  312  f.  nachgewiesen.  —  Ich 
stelle  also  Dowkonts  (bu-Jsis  gleich  Szyrwids  (bu-JHus  und  dem 
preuss.-litauischen  (bu-Js^,  dessen  oblique  casus  (&iid0nc2:ou.s.w.) 
ihr  e  aus  dem  nominativ  bezogen  haben.  Wenn  ich  daher  bu- 
eint  für  die  entstehung  von  burimef  bis(i)  keine  bedeutung  bei- 
messe ^),  so  ziehe  ich  darum  doch  nichts  von  dem  zurück,  was 
ich  oben  über  türp  gesagt  habe,  sondern  nehme  vielmehr  an, 
dass  die  flexion  von  turesiu  durch  die  von  turiü  beeinfiusst  ist. 

Um  nun  die  ergebnisse  der  vorstehenden  Untersuchung  zu- 
sammen zu  fassen,  so  hoffe  ich  in  ihr  gezeigt  zu  haben: 

dass  litauische  futurformen  wie  dü'siam,  d^'sime^  dü'sme 
nicht  wesentlich  verschieden,  sondern  aus  einem  und  demselben 
stamm  erwachsen  sind; 

dass  dieser  stamm  dem  des  dorischen  futurums  entspricht; 

das  das  stammbildende  dement  des  litauischen  futurums 
in  der  flexion  desselben  ehemals  teils  sia,  teUs  tsi  lautete; 

dass  sich  durch  konsequente  durchführung  von  sia  das 
nordlitauische  und  zemaitische,  dagegen  von  ai  das  süd-  und 
ostlitauische  finite  futurum  ergab; 

dass  sia  sich  im  partic.  fut.  allgemein  erhalten  hat 

Was  schliesslich  das  verhältniss  des  litauischen  und  dori- 
schen futurums  zum  skr.  futurum  auf  -sga-  betrifft,  so  sieht 
Ascoli  a.  a.  o.  in  den  futuren  auf  sejo^  und  ttjo-  lediglich  ver- 
schiedene accenttypen.  Er  berührt  sich  hierin  mit  Fick,  der 
xqIww   und   das  futurum  mqiviw  ursprünglich    nur   durch  den 

1)  Dass  voD  hfSmaiwt'  eine  schwache  Stammform  im  LitaaisoheD  nicht 
sicher  nachzuweisen  ist,  ist  vieUeicht  in  Verbindung  damit  zu  bringen, 
dass  das  altind.  pari.  fut.  act  den  starken  stamm  bevorzugt.  —  An- 
scheinend echtes  -nnt-  liegt  vor  in  oetlett.  AyifnSt,  mHoiU  (gemnd.)  Kos- 
Bowski  Gramatyka  s.  18,  22. 


Das  litauische  futurum.  183 

accent  verschieden  sein  lässst  (Gott.  gel.  anz.  1881  s.  1438). 
Aber  diese  berührung  ist  nur  ganz  äusserlich,  denn  während 
Fick  xgiww  auf  %QLvej(i  und  ngiriu)  auf  xQiviju}  zurückfuhrt, 
lässt  Ascoli  'Sejo  aus  -ajö  durch  die  entwicklung  eines  dünnen 
vokales  entstanden  sein.  Ich  bedaure,  ihm  hierin  nicht  folgen 
zu  können,  sondern  erkläre  das  verhältniss  von  -^sejo-  und  -{/o- 
in  der  oben  angegebenen  weise  Ficks,  ohne  indessen  seiner 
auffiassung  von  xQiwoi  und  XQivio)  zuzustimmen. 

Die  vorstehende  abhandlnng  ist  am  7.  Oktober  v.  j.  behufs  ihrer 
Veröffentlichung  herm  Dr.  Prellwitz  übergeben.  Weit  später  erhielt  ich 
durch  die  gute  Meillets  einen  aufsatz  desselben,  der  im  november  v.  j. 
gedruckt  ist  und  sich  mit  ihr  eng  berührt  (M^moires  de  la  societ^  de 
lingnistique  XI  297  ff.),   aber  ohne  einfluss  auf  sie  geblieben  ist 

A,  Bezzenberger, 

Zu  den  altg^riechischen  ortanamen. 

Zu  einer  gesamtdarstellung  der  altgriechischen  Ortsnamen 
hat  A.  Fick  eine  grundlage  geschaffen  durch  seine  in  dieser 
Zeitschrift  veröffentlichten  aufsätze:  Bd.  21,  237 — 286.  Bd.  22, 
1—76  und  222—238.  Bd.  23,  1—41  und  189—244.  Bd.  25, 
109 — 127.    Zu  diesen  im  folgenden  einige  bemerkungen. 

yyEüvofiog  l6q)os  bei  Gela:  envofiog  übermässige^  21,256. 
Das  wäre  eine  sonderbare  benennung  für  eine  so  unbedeutende 
höhe.  Wir  werden  hier  keine  Zusammensetzung  von  ix  und 
vofiog  haben,  sondern  ein  von  envifiea&ai  gebildetes  adjektiv, 
wie  vrrovofiog  von  vTtovifisad'ai  stammt.  Jenes  verbum  aber 
zeigt  Soph.  Ai.  369  ovk  aipoQQOv  exveficl  ftoda;  die  bd.  „hin- 
aussetzen'S  und  Hesych.  und  Suid.  haben  die  glosse  ixveyifif)" 
%ai'  i^fjk&etf^  e^KTai.  Der  begriff  des  verteilens  ist  in  den  der 
bewegung  übergegangen,  wie  bei  vcjfidcjy  das  erst  distribuere, 
dann  versare  bedeutet.  Somit  dürfte  Exvofiog  (l6q>og)  als 
„vorsprung'e  zu  erklären  sein. 

fyOx^  höchste  kuppe  von  Süd-Euböa  als  ^halt'  des  landes^' 
21,  260.  Auch  das  wäre  eine  recht  auffallende  bezeichnung. 
Nur  als  Vermutung  wage  ich  zu  äussern,  dass  der  name  von 
einem  ox»]  herkommt,  das  gleichbedeutend  mit  i^oxq  ist  Für 
exsiv  =s  i^ixeiv  „hervorstehen*'  kann  ich  keinen  beleg  anführen, 
doch  sind  rückwirkungen  von  compositis  auf  das  simplex  nicht 
ausgeschlossen. 

ndvodfjiog  (seil,  hfiijv)  wird  22,  7  und  23,  225  erklärt 


184  Robert  Thomas 

als  ^ybafen,  der  bei  allen  winden  das  auslaufen  ge8tattet*^    Dazu 

22,  2;  „OQfAog  die  rhede,  als  'auslaufe  ort  der  oq^ij^^.  Fick 
sucht  also  eine  Verbindung  zwischen  SQfiog  und  oQfi^  herzu- 
stellen, während  sonst  die  Wörter  mit  gutem  gründe  ausein- 
andergehalten werden  (vgl.  Prellwitz);  denn  die  beiden  be- 
griffe sind  im  Griechischen  scharf  geschieden.  oQfiog  ist  der 
ruhepunkt  des  Schiffes  und  steht  nur  zu  der  vorhergebenden 
fahrt,  nicht  zu  der  nachfolgenden  in  beziehung  (vgl.  auch 
OQfiio)^  OQIitCjb)).  6Qfii],  OQfiäa)  dag^en  sind  ebenso  ausgeprägte 
begriffe  der  bewegung.  Ich  kann  mir  nicht  denken,  dass 
sich  diese  Scheidung  erst  nachträglich  herausgebildet  hat.  Sgfjiog 
„ankerplatz'^  ist  dasselbe  wort  wie  og^iog  „schnür,  kette"  (von 
äiQü});  man  band  die  schiffe  am  strande  an  (IL  1,  43ö  t^v  d* 
eig  0Q/40V  TtqoiQeaaav  eQSVfioig,  ex  d*  evvag  Sßahovy  xorä  de 
Tt^fivtjai  edrjaay).  Also  ist  nävoqfiog  Xifii^v  (Od.  13,  195)  ein 
hafen,  der  ganz  ankerplatz  ist,  der  überall  das  anl^en  ge- 
stattet, also  ein  guter,  tiefer  hafen. 

y^MvQfifixeg  hiessen  klippen  und  Sandbänke;  .  .  .  der 
Vergleichspunkt  liegt  wohl  in  den  starken  einschnitten'^  22,  40 
(dazu  MvQfiijxiov  23,  212).  Ich  möchte  das  tert.  comp,  in  dem 
wimmelnden  durcheinander  hervorragender  felszacken  sehen. 
Interessant  ist,  dass  auch  das  italienische  formica  in  der  schiffer- 
sprache  die  (blinde)  klippe  bezeichnet  (vgl.  formicare  wimmeln, 
formicolaio  gewimmel). 

^^Gdkafiai  j.    Kalamata   in   Messenien:    9aldfirj   zelle'' 

23,  28.  Kalamata  steht  nicht  an  stelle  des  alten  Thalamai; 
übrigens  gab  es  auch  im  alten  Elis  einen  ort  dieses  namens. 
&alafirj  ist  nicht  „zelle**,  sondern  „loch,  höhlung'S  auch  wohl 
„Winkel,  Schlucht"  (Polyb.  IV  75  von  dem  ort  in  Elis:  elg  %d 
X^iov,  o  xalovai  Galdfiag,  dia  t6  %i^v  tb  %<tüQav  vi^v  niqi^ 
avtov  (nevrjv  ävai  xai  dvaifißoKov  %6  %b  %ü)Qiov  anqay^dtsvvov 
xai  dvafCQoaodov).  Nach  PoUux  2,  75  hiessen  die  nasenlöcher 
^aila/uat.  ^aXo/ii;  ist  eine  doublette  zu  &dXafiog  wie  xaldfirj 
zu  xdlafiog.  d^dlafiog  aber  ist  gleichen  Stammes  mit  ^oJLog, 
^dXaaaa  und  german.  dal  (nhd.  thal);  s.  Prellwitz  und  Fick 
22,  11.  Der  gemeinsame  begriff  ist  „Vertiefung".  So  konnte 
man  duht^Aog  für  den  untersten  Schiffsraum  gebrauchen  (Athen. 
II  87  D)  und  die  dort  rudernden  ^aldfiioiy  ^alafilzai  nennen. 
Wenn  ^dlafiog  in  die  bed.  „wohnung''  übergeht,  so  haben  wir 
darin   ein   interessantes  sprachliches  zeugnis  für  höhlen-  und 


Zu  den  altgriechischen  Ortsnamen.  185 

gmbenwohnungen  der  uraseit.    Ich  hofiEe  der  sache  bei  anderer 
gelegenheit  weiter  nachzugehen. 

yyAv%aL  in  Thessalien  am  Tempepass,  löseplatz"'  23,  190 
Genauer  „einkehr*^  (vgL  -Mnahüta), 

^.KofMnäaiov  ort  in  Arkadien,  zu  nuofinäCjUi  prahle?" 
23,  214.  Vielleicht  ist  eher  an  die  grundbedeutung  von  xo/u- 
ftätta  zu  denken,  die  sich  aus  yuofinog  s=  strepitus  (z.  b.  U. 
11,  417  xofATtog  odomiov)  und  dno-itofifra^fa  (Anth.  PaL  VI  54 
XvQag  ansiiuofATtaae  tof^da  „zerknallte")  erschliessen  lässt.  War 
ein  Wasserfall  in  der  nahe  des  ortes? 

Evf^vaXog  —  EvqvvßuoQ  (namen  des  von  Dionysios  ge- 
bauten kasteUs  bei  Syrakus,  unweit  des  heutigen  ortes  Belve- 
dere)  betrachtet  Fick  als  Weiterbildung  von  evqvg  mit  dem  ad- 
jektivischen ausgang  Sko^^  'ijJiog.  Gewöhnlich  nimmt  man  Zu- 
sammensetzung mit  ^log  (alog)  nagel  an.  In  diesem  fall  wäre 
EvQ.  wohl  „nagelkopf".  Free  man  (Gesch.  Siciliens,  dtsche. 
ausg.  V.  Lupus  1 534)  übersetzt  „Breitnagel"  und  fügt  bei:  „der 
schmale  rücken  ist  der  stift  des  nageis,  Belvedere  sein  köpf  ^ 
Das  ist  verkehrt,  schon  deswegen,  weil  dergleichen  metaphern 
nicht  gepresst  werden  dürfen.  Die  ableitung  von  eigvg  mit 
'älog  passt  nicht  zu  der  örtlichkeit,  die  eher  schmal  als  breit 
zu  nennen  ist.  — 

„Die  landschaft  ßtofioi  in  Aetolien  wird  wohl  nicht  von 
^altären',  sondern  von  'stufen'  des  gebirges  den  namen  haben, 
indem  ßtofiog  in  der  alten  spräche  soviel  als  ßa^fiSg  ist" 
22,  239.  Vielleicht  erklärt  dieser  gebrauch  auch  den  namen 
Inbomon,  den  ein  teil  des  ölbergs  in  einem  altchristlichen 
Itinerarium  führt  (vgl  Itinera  Hierosolymitana  ed.  P.  G^yer 
Vindob.  1899,  S.  Silviae  per^rinatio,  p.  83:  subitur  cum  ymnis 
in  Inbomon,  id  est  in  eo  loco,  de  quo  ascendit  Dominus  in 
caelis  u.  ö.). 

Bei  ^OXvfiTtia  (23,  206)  kann  an  den  „Olymp  im  idealen 
sinne  als  den  wohnsitz  aller  götter  der  oberweit"  jedenfalls 
nicht  gedacht  werden,  da  noch  bei  Homer  ^'Olvfinog  immer  der 
berg,  nicht  der  von  dieser  anschauung  losgelöste  „götter- 
himmeP'  ist. 

In  einer  gesamtdarstellung  der  altgriech.  Ortsnamen  müssten 
auch  die  mittel-  und  neugriechischen  Ortsnamen,  soweit  sie 
nicht  slavischen  oder  romanischen  Ursprungs  sind,  berücksich- 
tignng  finden.    Denn  manche  von  ihnen  weisen  auf  das  altertum 

Beitxig«  s.  kuuto  d.  iad«.  ipnMbw.    XXVI.  13 


186     Robert  Thomas    Zu  den  altgriechisclieD  ortsnamett. 

zurück  und  sind  uns  in  der  alten  litteratur  nur  zufällig  nicht 
erhalten;  so  der  name  der  festung  von  Nauplia,  Palamidi, 
von  dem  Gurtius  (Peloponnesos  II  390)  schreibt:  „Merkwürdig 
ist  der  klassische  name  der  festung,  den  die  fränkischen  er- 
oberer  als  bergnamen  vorgefunden  haben.  Er  ist  auch  gewiss 
nicht  im  früheren  mittelalter  ersonnen  worden,  sondern  durch 
mündliche  Überlieferung  erhalten  aus  einer  zeit,  da  auf  der 
höhe  ein  heiligtum  des  Palamedes  stand;  darnach  hiess  der 
berg  Palamedion,  wie  das  Menelaion  bei  Sparta  vom  grabtempel 
des  Menelaos*^  (Im  allgemeinen  s.  Gurtius,  Pel.  189).  Und 
wenn  das  an  stelle  eines  Apollotempels  auf  der  passhöhe 
zwischen  Athen  und  Eleusis  erbaute  kloster  Daphni  heisst,  so 
geht  der  name  doch  wohl  auf  den  lorbeerreichtum  des  ehema- 
ligen heiligtums,  also  ins  altertum  zurück. 

Andere  neugriech.  Ortsnamen  sind  wenigstens  als  parallelen 
interessant,  wie  Astros  (städtchen  am  Oolf  von  Nauplia)  zu 
*'^at(}Ov  (23,  31),  AüviQiov  (23,  213)  —  vielleicht  geht  übri- 
gens auch  dieser  name  ins  altertum  zurück,  vgl.  LoUing  in 
Bädekers  Griechenland  *  s.  272  — ,  Myli  bei  Argos  zu  Mvkai 
(23,  30),  Vathy  auf  Ithaka  zu  Äf^og  (23,  20),  Itea,  der 
heutige  hafenplatz  für  Delphi,  zu  iSUea  (23,  23)  u.  s.  w. 

Dass  das  fortleben  der  aus  dem  altertum  bekannten  Orts- 
namen zu  berücksichtigen  wäre,  ist  an  sich  klar. 

Einigemal  führt  Fick  auch  parallelen  aus  dem  Deutschen 
an.  Ich  erwähne  zum  schluss  noch  einige  von  den  vielen,  die 
sich  namhaft  machen  liessen.  Zu  Ortsnamen  wie  u^iyeiQog, 
jQvg,  KvTtoQiaaog  (23,  23)  wäre  zu  vergleichen  Birnbaum 
(in  Posen),  Pyrbaum  (in  der  Oberpfalz)  u.  a.,  zu  der  be- 
Zeichnung  vieler  passe  Ilvlai  (21,  283)  die  in  den  Alpen  so 
oft  wiederkehrenden  Thörlen,  das  Eiserne  Thor,  vielleicht 
auch  die  Tauern;  zu  IIijliov  oqoq  (21,  245)  der  Tegel  berg 
bei  Füssen  (tegel  =  lehm),  zu  Arjvog  (23,  29)  Kaltem  bei 
Bozen;  Kwog  %tq>ahti  (21,  268)  ist  unser  Hundshaupten 
(dorf  in  der  sog.  Fränkischen  Schweiz),  ^l7trcoxeq>alog  (23,  224) 
Rosshaupten  (so  heissen  zwei  dörfer  im  bayrischen  Schwaben); 
AsvMusxqa  (23,  34)  Weissenf  eis,  Lichten  fels.  Wie  ein 
berg  in  Argolis  Kgeonwlov  oder  KqbIov  hiess  (21,  269)  so 
giebt  es  eine  Fleischbank  auch  im  Wilden  Kaiser  bei  Kuf- 
stein. 

Augsburg.  Robert  Thofnas, 


A.  ßezzenberger    GtymologieD.  187 

Et3rmologien. 

1.  Durch  den  aufsatz  Liden's  „Ein  baltisch-slavisches  an- 
lautgesetz*^  (Göteborgs  högskolas  ärsskrift  1899,  IV)  ist  sehr 
wahrscheinlich  gemacht,  dass  anlautendes  t^  im  Litauischen 
und  Lettischen  zu  /  geworden  ist  Man  darf  also  vermuten, 
dass  lit  Iditna  (Idimd  Eurschat,  laima  Schleicher)  „glück, 
glücksgöttin^S  lett.  laime  „glück,  Schicksal ^^  anlautendes  v 
verloren  haben.  Als  (v)laima^  {v)laime  erinnern  aber  diese 
Wörter  nach  form  und  bedentung  lebhaft  an  osk.  valaemom 
(tapttcam)  „das  (öffentliche)  beste*'  und  an  das  valaimas  puhlum 
(puklu)  der  Vibiainschrift,  das  zwar  nicht  ganz  klar  ist,  aber 
zweifellos  einen  mythologischen  gehalt  hat,  der  dem  begriff 
des  Schicksals  nahe  steht.  Darf  man  diesen  ausdruck  statt 
als  „beste  der  kinder  ^)  als  „der  Besten  kinder^'  deuten  >),  so 
träte  er  der  lettischen  laimes-mäie  g^enüber  und  böte  ein 
analogon  zu  den  „gottes  söhnen^',  »»gottes  töchtem",  „sonnen- 
töchtem^^  der  baltischen  mythologie. 

valaifno-,  dessen  a  für  indogerm.  9  stehen  kann,  ist  von 
Bugge  und  anderen  mit  lat.  vaUrej  von  Ebel  K.  Zs.  VI  421 
mit  got  vaüa,  ahd.  wela,  wola  verbunden  ').  Trifft  letzteres  — 
wie  ich  glaube  —  das  richtige,  so  wären  valaimo^  und  {v)laima 
verwandt  mit  lit.  wUes  „die  geisterhaften  gestalten  der  ver- 
storbenen*', lett.  weH  „die  geister  der  verstorbenen ''  („die 
holden"  [vgl.  lit  iMffti  „wünschen,  gönnen^',  lett  w(Ut  „gönnen, 
erlauben,  wünschen''],  „die  Manen"),  sowie  mit  lit  wSinas 
(wHnias),  lett.  wdns  „teufel",  das  nicht  anderes  ist,  als  ein  zu 
*U}eU  gebildetes  maskulinum  (vgl.  aMinca,  äwifUMs,  z^rinaa  u.  s.  w. 
BB.  XXI  296  anm.  2).  Der  lettische  Sprachgebrauch  lässt  die 
Zusammengehörigkeit  von  wdns  und  weH  noch  deutlich  er- 
kennen (Ulmann  Lett  Wörterbuch). 

2.  Lett  baurüt  „brüllen  der  ochsen,  namentlich  wenn  es 
mit  erdauf werfen  verbunden  ist",  if-baurdt  zinus  „vom  ochsen 
gesagt,  der  brüllend  erde  aufwirfk",  baurät  „mit  hunden  jagen", 

1)  Bücheier  Oskische  bleitafel  8.  16  {puklo-  rs  skr, puträ  „söhn"?) 
Ganz  anders  Bagge  Altitalische  Studien  s.  8  ff. 

2)  In  zeile  4  kann  valaimaa  puklutn  gleich  dem  folgenden  aku  von 
leginm  abhangig  sein. 

8)  Das  von  ihm  vorausgesetzte  *valai  wird  in  lit.  vaiai  (Lit.  for- 
schnngen  s.  194)  schwerlich  zu  erkennen  sein. 

18* 


188  A.  Bezzenberger    Etymologien. 

lit  uz-si'buryti  „sich  ereifern,  erzürnen,  zornig  sein"  und  asl. 
burja  Sturm  =  russ.  hürja,  poln.  burza  (woher  lit.  bürys 
„regenschauer"),  russ.  burüm  „brandung,  jähriger  stier'',  buryga 
„ausgefahrnes  loch  auf  der  strasse'S  bümtij  ^yStürmisch",  wr. 
bur{6  „zerstören,  umstürzen'S  poln.  burzy6  „ungestüm  erregen, 
beunruhigen"  beruhen  auf  einer  wurzel  beur^  :  bür-  „toben", 
die  mit  k  erweitert  erscheint  in:  russ.  bürkai%  „werfen, 
knurren",  poln.  burkrufd  „ausschelten,  murmeln",  burezeS 
„kollern,  rollen,  knurren,  schwirren"  und  lit.  burkszndfa  (kriusza 
)  l&ng^)  „es  prasselt  (der  hagel  an*s  fenster)",  burkUnti  (für 
*burknifUi?  aus  dem  Polnischen  entlehnt?)  „unter  dem  hart 
undeutlich  murmeln". 

Hierzu  gehört  wohl  auch  lett  buru  burdm  „über  hals  und 
köpf",  während  lit.  bürys  „grosse  menge,  grosser  häufe,  herde, 
schaar",  lett.  büra  „menge"  eher  auf  skr.  bhuti  „viel",  avest. 
büiri  „fülle''  zu  beziehen  sein  werden.  —  Ausserhalb  der  litu- 
slavischen  sprachen  ist  dies  beur^  :  bur-  nicht  sicher  nachzu- 
weisen; am  ehesten  kommen  dafür  gr.  qiVQta  und  skr.  bhurdti 
(Prellwitz  Etym.  Wörterbuch  s.  350)  in  betracht  Auch  die 
Verwandtschaft  von  lat.  furo,  füria  scheint  mir  erwogen  werden 
zu  dürfen  (vgl.  Froehde  BB.  XXI  326). 

Begrifflich  und  auch  lautlich  berührt  sich  mit  lett.  baur^y 
if-baurcU  eng  lit.  tnauriti  „wühlen",  isz^mauröti  „aus wühlen, 
ausscharren".  Ich  halte  dies  aber  für  zufällig  und  beziehe 
mauröti  auf  an.  tnaurr,  ags.  myra,  krimgot  miera,  ndd.  mlre 
„ameise",  indem  ich  in  mauröti  eine  ableitung  der  wurzel 
dieser  Wörter  und  also  nicht  ein  von  ihnen  ausgegangenes 
denominativ  sehe.  Ein  solches  ist  dagegen  norweg.  maura 
„fleissig  arbeiten,  wimmeln,  herumkriechen,  jucken,  stechen". 

A,  Bezzenberger. 


Zur  geBchichte  der  lateinischen  vocalsynkope. 

§  1.  Zusammenfassende  darstellungen  der  synkopeerschei- 
nungen  im  Lateinischen  sind  bei  Brugmann  Grundr.  I  '215  ff., 
Stolz  Hist  gramm.  I  201  ff ,  Lindsay  Lat.  lang.  170  ff.  zu 
finden.  Solmsen  in  seinen  Stud.  z.  lat.  lautgesch.  und  Skutsch 
Forsch,  z.  lat.  gramm.  u.  metrik  I  haben  vereinzelte  falle  einer 


Giuseppe  Ciardi-Dupre    Zur  gescbichte  u    s.  w.        189 

näheren  prüfung  unterworfen.  Neuerdings  hat  Sommer  in 
seiner  lehrreichen  abhandlung  über  'die  komparationssuffixe  im 
Lateinischen'  (IF.  XI  1 — 98)  manche  die  synkope  betreffende 
frage  erörtert.  Leider  ist  eine  abschliessende  behandlung  dieses 
gegenständes,  wenn  auch  die  synkope  in  den  italischen  sprachen 
gleichwie  in  allen,  deren  akzent  einen  vorwiegend  exspiratorischen 
Charakter  hat,  den  wichtigsten  lautvorgängen  angehört,  noch 
nicht  gelungen.  Um  zur  ausfüUung  dieser  lücke  in  der  latei- 
nischen lautlehre  einigermassen  beizutragen,  beabsichtige  ich 
das  betreffende  material  so  vollständig  als  möglich  zu  sammeln 
und  noch  einmal  zu  sichten,  um  die  gesetze  ^er  erscheinungen, 
wovon  die  rede  ist,  ins  rechte  licht  zu  stellen. 

Nur  kurze  unbetonte  vocale  werden  ausgestossen.  Eine 
hochtonige  silbe  kann  ihres  vocals  nur  dann  verlustig  gehen, 
wenn  sie  einen  zweiten  Sonorlaut  enthält,  der  beim  ausfallen 
desselben  den  wortaccent  bekommt  und  zugleich  sonantisch 
wird.  Dabei  handelt  es  sich  nicht  um  eigentliche  synkope, 
sondern  um  samprasära^a ,  wie  es  nach  indischer  weise  heisst. 
Als  beispiel  sei  testis  'zeuge'  angeführt,  das,  nach  Skutsch  o. 
XXIII  100—104,  auf  *te(r)st%8,  *tr8ti8,  *tristü  {^tristos)  zu- 
rückgeht: zwischen  *trüti8  und  *tri8ti8  ist  also  eine  mittelstufe 
^tfristis  vorauszusetzen.  —  Naturlange  vocale  entgehen  regel- 
mässig der  synkopirung.  Was  die  sogenannten  'positionslangen' 
betrifft,  so  hängt  ihr  ausfall  von  speciellen  bedingungen  ab: 
z.  b.  nach  ^,  oder  zwischen  n^  m,  und  nd,  st  findet  die  syn- 
kope statt  (audio  aus  *dtibizdiö,  v9ndo  aus  *vinomdö,  s&squi' 
aus  *semi8que-y  n.  dgL),  unterbleibt  dagegen  nach  liquida  (fere- 
trwn,  praeferictdum  d.  h.  '^praefericlom,  u.  dgL).  —  Im  allge- 
meinen spielt  die  natur  der  umgebenden  konsonanten  beim 
ansstossen  eines  vocals  die  erste  rolle:  dafür  sollen  die  nach- 
stehenden Untersuchungen  den  beweis  erbringen.  Hie  und  da 
wirken  andere  faktoren  mit,  z.  b.  die  qualität  des  zu  synkopie- 
renden vocals,  die  quantität  der  vorausgehenden  silbe  i),  die 
Silbenanzahl  des  wortes  und  das  redetempo.  Ferner  hat  man 
mit  zeitlichen  und  örtlichen  Verschiedenheiten  zu  rechnen. 
Z.  b.  geht  die  synkope  eines  nach  liquida  bezw.  nasalis  stehen- 
den vocals   in  die  zeit  der  älteren  lateinischen,  wahrscheinlich 

1)  Daw  in  gewissen  fallen  auch  die  qaantität  der  folgenden  lilbe(n) 
mitgewirkt  habe,  glaube  ich  nicht  behaupten  zu  können.    Vgl.  unten  §  8. 


190  Giuseppe  Ciardi-Dnpre. 

uritalischen ,  betonung  hinauf,  wie  surculus  (^süroeolos)^  ünde- 
dm  (aus  "^oinomdecem  od.  ^otnozdeeem)^  anculus  (aus  *dmH- 
cohs)  usw.  lehren:  dagegen  fallt  die  synkope  von  ^  (apricus  : 
aperiö,  suprSmus  :  superus  usw.)  in  die  zeit  der  neuen  beto- 
nung, da  nachtoniges  ^  vor  r  nicht  ausgestossen  wird  (vgl. 
uienis,  procerSs,  csteri,  alter,  aUerum,  superus  u.  dgl.).  Unter 
den  lateinischen  mundarten  zeichnete  sich,  wie  es  scheint,  die 
von  Praeneste  durch  die  neigung  zur  synkope  aus  ^).  Im  echt- 
römischen Latein,  worauf  unsere  Untersuchung  beschränkt  ist, 
sind  dialektische  eigentümlichkeiten  in  beziig  auf  die  synkope 
kaum  zu  konstatieren.  —  Endlich  hat  man  die  Stellung  der 
silbe,  der  der  synkopierte  vocal  angehört,  im  werte  zu  beachten, 
denn  andere  gesetze  gelten  für  auslautende  als  für  inlautende 
Silben.  Demgemäss  theile  ich  das  material  meiner  forschungen 
ein. 

I.     Die  synkope  in  mittelsilben. 

§  2.  Die  synkope  tritt  regelmässig  in  folgenden  fallen  ein: 
(1)  nach  liquida;  (2)  nach  nasalis;  (3)  nach  liquida  (bezw. 
nasalis)  +  consonant;  (4)  nach  dem  halbvocale  ^;  (5)  nach 
consonant  -f  ^  ^^^^  ^  +  consonant 

Für  die  synkope  nach  liquida  kommen  folgende  beispiele 
in  betracht: 

[A]  nach  l: 

(idultua  aus  *ddolito8,  part.  praet  zu  adoleö,  wie  abolitus 
zu  aboleö.  Die  ^b-verba  bilden  das  part.  praet.  durch  an- 
fügung  eines  -t-  an  die  wurzel,  das  wahrscheinlich  mit  dem 
Suffixe  des  präsens  verwandt  ist,  und  die  Schwundstufe  desselben 
vertritt:  z.  b.  ai.  corita-  zu  cordyaii  'er  stiehlt';  bodhüa-  zu 
bodhdycUi  'er  erweckt,  mahnt';  ai.  vartüd-,  got  frchwardif-s 
zu  ai.  vartäyati  'er  setzt  in  drehende  bewegung',  got  /ro- 
wardjan  'verderben,  entstellen';  ai.  vosüd-^  got.  unm-ßs  'be- 
kleidet' zu  ai.  vasäytUi  'er  bekleidet',  got.  ga-wasjan  'sich  klei- 
den'; lat.  tnonüus  zu  moneö.  —  Mit  adultus  etymologisch  ver- 
wandt ist  das  adjektiv  altus,  das  keine  synkope  aufweist,  denn 
es  ist  mit  dem  particip  altus  (zu  alö,  wie  actm  zu  agö)  iden- 

1)  Freilich  lässt  sich  das  nicht  ausmachen,  soweit  man  mit  bloss 
graphischer  nichtechreibnng  von  vocalen  su  than  hat  Vgl.  StolsHist, 
gramm.  I  20  n.  207. 


Zur  gescbichte  der  lateinischen  vocalsynkope.  191 

tisch,  dessen  nebenform  alüus  eine  analogische  neubildung  nach 
mofiüus,  genitus  u.  dgl.  ist. 

cdter  aus  *aUUro$,  es  verhält  sich  zu  *  alias  wie  lat  dexter 
(»  *  deJm-tera-s)  zu  gr,  d^^io^  'rechts'. 

fidca  statt  fülica  'blässhuhn'  ist  nach  Skutsch  I  113  in 
einem  yerse  des  Furius  Antias  bei  Gellius  18.  11.  4  zu  lesen. 

hcUlux  'grosse  zehe'  (Löwe  prodr.  273)  nach  Schmidt 
Pluralbild.  183  aus  ^hüo-doiJc'S  oder  *  häli-daih-s.  Der  erste 
theil  dieses  compositums  ist  mit  asl  gaUrm  'gross',  pol.  a-gtt 
'der  allgemeine',  der  zweite  mit  an.  tä,  ahd.  ziha  'zehe'  (vgl. 
Kluge  Et  wb.  d.  d.  spr.  *  433)  zu  vergleichen. 

pöpulnus  pöptdneas  aus  *popalino$  *pöpaline(i)as  :  pöpulua 
'pappel'.  Vgl.  faginiM  :  fägus,  gr.  cof^ivag,  lavQivog,  q>^yivog. 
Nach  pöpulnus  {-neus)  ist  ficulntis  (-neus),  statt  des  zu  erwar- 
tenden *ficinas  (^-tieias)^  gebildet 

ülna  aus  *öl(ijnä  *älenä  —  gr.  wUvrj  'ellenbogen'.  Dass 
die  laute  l,  n  in  uina  erst  secundär  zusammengekommen  sind, 
ergiebt  sich  aus  dem  unterbleiben  der  assimilation,  die  bei  ur- 
sprachlichem In  regelmässig  eintritt:  Ygl,  cMis  aus  ^calnis  (lit 
kdlnas  'berg'),  aUus  aus  ^alnas  (asl.  lani,  ce.  lani  'im  vorigen 
jähre'  aus  *alni).  Daher  ist  die  von  Meringer  Sitzber.  d. 
Wien.  akad.  CXXV  2,  42  (früher  auch  von  Brugmann  Morph, 
unt  2,  173,  jetzt  nicht  mehr,  vgl.  I  *  368  u.  424)  verfochtene 
annähme,  ulna  enthalte  die  Schwundstufe  -n-  wie  gr.  tSlXov 
Ti^v  %av  ßqaxiavog  yuafinr^v  Hes.  (aus  *wkvo^v)  und  ai.  än/-^ 
'zapfen  der  wagenachse'  (aus  "^ärni-s  »  idg.  '^ölm-s)^  abzu- 
lehnen. 

fxJnus  vulnus:  gr.  dilh6eg'  aqnjfLsg  iq  t,üav  Sfiaiav  ^sXiaarj 
(Hes.),  ags.  cwelan  'sterben',  ahd.  quelan  'heftige  schmerzen 
haben'  qiiäla  'beklemmung,  marter',  airl.  at-ba*U  'er  stirbt',  lit. 
gäti  'stechen'  (von  der  biene)  gelanls  'stachel'  gää  'schmerz', 
asl.  z€Uh  *leid,  schmerz'.  Die  erhaltung  der  gruppe  In  weist, 
wie  bei  ulna,  auf  die  existenz  eines  ursprünglichen  lautes  zwi- 
schen l  und  n  hin.  Es  ist  daher  eine  basis  ^valenos-  ^vdenos- 
anzusetzen:  vgl.  facinus  und  gr.  xifisvag  ^). 

1)  Nach  L.  Meyer  KZ.  XXIII  68  und  G.  Meyer  Gr.  gr.  '  187 
loll  tTülnii«  mit  gr.  ouJli}  ^narbe,  zugeheilte  wunde',  ai.  wrana-^  vrofta-m 
'wunde,  schaden'  vrmsMna'fn  'durchbohrung'  verwandt  sein,  und  auf  eine 
WS.  ^ifUn-  (Schwundstufe:  frfn-  »  lat.  voln-,  gr.  ^oXv-)  zurückgehen.  Nach 
Hoff  mann  o.  XVIII  292,  der  diese  ansieht  gutheisst,  sei  die   erhal> 


192  Giuseppe  Ciardi-Dupre 

caldus  8oldu8  valdS  werden  unten  besprochen. 

Die  Synkope  nach  /  fand  auch  in  griechischen  lehnwörtern 
statt:  Pollüces  (Plaut.  Bacch.  894;  PoloceB  CIL.  I  55  add.  s.  554; 
Folauces  Eph.  Ep.  I  18;  dass.  Pollux  durch  volksetymologische 
Umbildung)  aus  *  P6l(u)deuc&t ,  gr.  nolvdsvxrig;  balneum  (da- 
neben balineum)  aus  ^balaneom  ßalavelov  nebst  seinen  ablei- 
tungen  bcUneolum  balneäris  balnedrius  (balinearium  CIL.  I  1166) 
balneätar  {bälineator  Plaut.  Rud.  527  hs.)  u.  s.  w. 

Hier  seien  noch  einige  Wörter  erwähnt,  die  man  als  belege 
für  die  synkope  nach  /  citirt,  jedoch  mit  unrecht,  meines  er- 
achtens.  —  Osthoff  in  seiner  abhandlung  über  ^'dunkles  und 
helles  /  im  Lateinischen"  (Trans,  of  the  Ämer.  Phild.  Assoc. 
XXIV  [1893]  8.  50 — 65)  hat  das  gesetz  formulirt,  dass  e  vor 
/  +  consonant  (die  gruppen  U,  1%  ausgeschlossen)  zu  o  wird, 
und  daraus  den  schluss  gezogen,  It,  Iv  seien  in  ceUis,  tneltom 
(=s  ^meliorem'  P.  ex  F.  122  ed.  Müller),  helvos  erst  secundär, 
durch  Synkope  aus  ^celeiis  (vgl.  yiveaig)^  ^mdetom  (vgl.  eXeTog, 
axeleT6g)y  *heleffos  (zu  *  helvos,  as.  gelo  gelwes,  ags.  geolo,  lit. 
zelvas  'grünlich'  wie  ion.  -Mveog^  kypr.  xevevfdv  zu  att.  xevog^ 
ion.  xHvog)  entstanden.  Diese  auffassung  ist  ganz  unrichtig. 
cdtis  ist  kaum  ein  altererbtes  wort:  es  kommt  erst  in  der  Vul- 
gata  vor,  und  ist  wahrscheinlich  ein  (keltisches?)  lehn  wort 
(Skutsch  o.  XXII  126 f.)  ^).  Was  meüom  betrifft,  ist  seine 
existenz  selbst  zu  bezweifeln :  in  der  that  wurde  das  wort  rndtom 
in  der  neuesten  von  Thewrewk  de  Ponor  besorgten  aus- 
gäbe des  Festus  durch  die  lesart  mdiosem  ersetzt.  Die  her- 
leitung von  helvos  aus  *heleiy^  ist  zwar  richtig,  der  Übergang 
aber  von  *heley^  zu  helvo-  vollzog  sich  nicht  durch  synkope, 
sondern  durch  reducierung  des  diphthongs  zu  monophthong, 
vgl.  denuö  aus  *d6  nouö,  induö  aus  *endo^ö,  vidiM  aus  *^{doiUi 

tung  des  In  der  sonantischen  natur  des  /  zuzuschreiben,  wie  in  gr.  ntX- 
vtifitti,  Ttilvov'  ipawif,  KvTiQioi  Hes.  (vgl.  GGA.  1889  s.  897  f.).  Abgesehen 
davon,  dass  es  keinen  grand  gibt,  die  Bmgmann'sohe  erklämng  des  -ly- 
(I '  859)  abzuweisen ,  ist  die  Zusammenstellung  des  -ai.  vratfo-  mit  lat. 
ooMtM  unmöglich  geworden,  seitdem  Rozwadowski  Quaest.  gramm. 
etc.  ser.  alt.  s.  8  nachgewiesen  hat,  dass  vrotui-  ein  idg.  r  enthält  (vgl. 
poln.  rtma  'vulnus  [ictns]*,  serb.  räna^  bulg.  slov.  rdna^  polab.  rono,  ce. 
rWna), 

1)  Ygl.  verhandlangen  der  Berlin,  gesellsehaft  f.  anthropologie  1894 
8.  851  ff.    B. 


Zur  geschiebte  der  lateinischen  vocalsynkope.  193 

a.  dgl.  Auf  einer  linie  mit  helvos  steht  ervom  aus  ^erof^om 
*erogifom  (gr.  iqißivSog  OQoßog  ^kichererbse').  —  Endlich  lässt 
Kretschmer  Einleit.  i.  d.  gescb.  d.  griech.  spr.  164  tnalva 
aus  *mal(a)^ä  ^maltzgaä  (gr.  iaolXoxtj  'malwe')  herkommen,  aber 
mit  unrecht,  denn  -aZ-  vertritt  in  malva,  vde  in  palma  (gr. 
TtaXa^f],  airl.  Idm,  shd.folma  'band')  ein  idg.  langes^  (Brug- 
mann  I  «  479). 

[B]  nach  r: 

corgö  ('apud  antiquos  pro  adyerbio  quod  est  profecto  po- 
nebatur'  Fest.  «S7)  'mit  der  richtung,  mit  recht,  fürwahr,  wahr- 
lich'. Es  handelt  sich  um  eine  erstarrte  casusform  mit  vorge- 
setzter Präposition  (vgl.  gr.  htnoäoiv,  vfrigfiofoy^  lat.  Uieö  aus 
*inslocö,  denuö  aus  *dinavö,  profecto  aus  *pr6faetöy  lit,  atgäl 
^zurück,  rückwärts'  zu  gäUns  ^ende',  isztes  'fürwahr'  zu  tesä 
'Wahrheit'  u.  s.  w.),  d.  h.  ein  *c6m  regöj  woraus  zunächst 
*cof'r(e)gö  oder  *corr(i)gö.  —  Andere  derartige  bildungen  sind 
ergo  erga.  Ersteres  kommt  aus  ^iregö  oder  ^irogö  (vgl.  toga  : 
tegö,  procus  :  precor,  abl.  pondö  :  pendö  u.  s.  w.)  'aus  der 
richtung  ss  aus  dem  recht,  aus  dem  gründe:  daher,  desshalb, 
folglich,  also'  her  (Vanicek  tir.  lat.  et.  wb.  778),  das  zweite 
aus  *i  rega  oder  ♦^  rogä  'aus  der  richtung  her,  in  der  rich- 
tung auf,  gegen  hin,  gegenüber'  (ebd.).  Die  ursprünglich  lokale 
bedeutung  lässt  sich  in  dieser  plautinischen  stelle  erkennen 
(Truc.  405):  tonstricem  Suram  |  novistin  nostram  quae  erga 
aedem  sese  habet? 

fernie  aus  *fer(i)m^,  Superlativ  zu  fere  (Lindsay  561, 
Stolz  206,  und  neuerdings  Sommer  IF.  XI  210,  der  Ver- 
wandtschaft mit  firmus  annimmt,  aber  nicht  denselben  stamm 
in  beiden  bildungen;  dagegen  Breal  Journal  des  Savants  1898 
s.  33  hält,  gewiss  mit  unrecht,  fermB  für  eine  doublette  von 
firme), 

fordm  kann  nicht  von  der  wurzel  bher-  'tragen'  getrennt 
werden  ^).    Ob   es   die   Zusammensetzung   des  nominalstammes 

1)  Niedermftnn  IF.  X  227  h&lt  fordu»  für  identisch  mit  ai.  gar^ 
hhadhä'  'leibesfraoht  gebend,  schwängernd'  (zu  gärbha-s  Leibesfrucht',  gr. 
ßQiffog  'frncht  im  matterleib',  asl.  XrM^  ^füllen')  nnd  setzt  einen  stamm 
* gfforhho-dhd-s  an,  woraus  *fforb(iJdo»  ^^orhdo»  *jfardo8^  endlich  durch 
volkaetymologisohe  aolehnung  «aferre  (vgl.  /brmiea,  nach  N.  aus  *i^or- 
miea  s  ai.  vahntkihs  'ameisenhanfe')  */orda8.  Eine  solche  etjmologie 
kann  ich  nicht  als  richtig  betrachten,   denn  ich  glaube  nicht,  die  auf» 


194  Giuseppe  Ciardi-Dupre 

*bhorO'  oder  '^bhoro-  (gr.  q>oiia)  mit  einem  -dAo-  bzw.  -rfo- 
yertrete,  wie  S kutsch  F46  annimmt,  oder  eine  ableitung  von 
*fweö  (gr.  q>OQi(jü)i  wie  torridus  von  ^orr^d  sei,  lasse  ich  dahin 
gestellt  sein. 

hömos  aus  *höiörino8.  Zu  gründe  liegt  die  als  adverbium 
erstarrte  instrumentalform  *hö  iarö  'heuer'  (ahd.  hiuru  aus 
hin  järu)  :  av.  yärd^  got.  jer,  aisl.  dr,  ahd.  ^ör  *jahr'  *). 

hortor  aus  *horitor  (3.  sg.  horitätur  bei  Diomedes  OLE. 
I  382.  23).    Frequentativ  zu  *Äortor  {harüur  3.  sg.  ebd.). 

lardum  neben  dem  seltner  belegten  laridum  (vgl.  Georges 
Lex.  d.  lat.  wf.  s.  v.),  aus  *laridom  :  gr.  Iä(jiv6g  'fett',  dessen 
Wurzel  Zä-  in  kiru.  £e.  loj  'speck'  wiederkommt.   —  Fälschlich 

setzt  W  bar  ton  Academy  681  eine  basis  ^dastdom  an,  und 
vergleicht  diese  mit  gr.  drjfnog  *fett'  aus  *daafi6g  *). 

morbus  aus  *morO'dho-8  :  ai.  mära-  *  tötend,  verderbend' 
mara-s  'tod,  pestilenz',  lit.  märas  'tod,  pest'  (Solmsen  KZ. 
XXXIV  31). 

portö  aus  *porüö  :  *poreö  (—  idg.  *poriiö  'ich  bringe 
hinüber,  schaffe  herbei',  ai.  pärdyati  'er  geleitet  hindurch',  got. 
farjan  'fahren,  schiffen')  wie  monüö  zu  mon^ö.  Man  hat  es  mit 
der  Wurzel  per-  'durchdringen,  hinübergehen'  zu  thun,  die  in 
den  indogermanischen  sprachen  öfters  belegt  ist:  ai.  piparti  'er 
setzt  hinüber,  fuhrt  hinaus'  pärä-  'hinüberfahrend',  gr.  neigw 
'durchdringe,  durchbohre'  noQog  'durchgang,  Übergang,  weg' 
Tcegdto  'dringe  durch'  negä  'weiter'  niqav  'jenseits',  lat.  perttus 
'erfahren',  got.  faran  'wundem,  ziehen',  aisl.  fara  'sich  be- 
wegen', ags.  faran  'sich  fortbewegen',  got.  fairra,  aisl.  fjarre, 
ags.  feor  'fern,  weg',  asl.  perq  'ich  durchmesse  einen  räum, 
fahre'. 

fassuDg  von  fordu9  ('bos  forda  quod  fort  in  ventre'  Varro  LL.  6.  15) 
sei  dem  volke  gel&afig,  ebensowenig  diejenige  von  /onntea,  die  bei  Ser- 
vius  ad  Aen.  4.  402  angefahrt  wird:  'sane  formioa  dicta  ab  eo  qnod 
ore  micas  ferat'. 

1)  Ob  gr.  iqog  'jabr'  &qü  'Jahreszeit,  zeit'  hierher  gehört,  wie 
G.  Meyer  Or.  gr.  »  §  214  und  Prellwitz  Et.  wb.  d.  gr.  spr.  370, 
nach  Pott  und  Gurtius,  annehmen,  oder  zn  ai.  oora-« ' Wochentag'  zn 
stellen  ist,  lässt  sich  mit  Sicherheit  nicht  entscheiden. 

2)  Nach  einer  besseren  etymologie  ist  Sufiog  (urspr.  'brennbarer 
Stoff)  aof  *iu^(i6g  zariickzuföhren  nnd  mit  dalm  'brenne'  (aus  *da^im) 
dätg,  dttog  'fackel'  ai.  dunöti  'brennt,  quält'  zu  vergleichen. 


Zur  geschichte  der  lateinischen  vocalsynkope.  195 

purgö  wohl  aus  pürigö,  vgl.  clärigö.  Die  lesart  pürigö  ist 
bei  Varro  r.  r.  2.  4.  14  in  zwei  hss.  bezeugt.  Bei  Plautus: 
exparigö  (Capt  616,  Mil.  497  u.  517),  perpürigö  (Mil.  774). 

*8ordu8  (wozu  sordidus  wie  flaccidus  zu  flaccus,  squäiidus 
zu  squalus,  nividus  zu  mw«  u.  s.  w.)  aus  ^ioro-dhos  (oder 
*8ar0'd(h$?)  :  ru.  5or6  'schmutz,  dünger'  (Pokrowskij  KZ. 
XXXV  232 f.;  anders  Nied ermann  IF.  X  230,  der  an  der 
alten  etymologie  [got.  swaris  'schwarz']  festhält). 

surculua  ('surum  dicebant  ex  quo  per  deminutionem  fit 
surculus'.  P.  ex  F.  423)  aus  ^süroqelo-s:  deminutiv  zu  sürus 
*pfahr  0. 

virtüs  aus  *y.iro4üi-  zu  *|/iro-  wie  servitüs  zu  servo-s. 

Hierher  auch  die  nominalstämme  ear-n-  und  far^  {*bhar-8-). 
Die  ursprachliche  abstufung  der  en-  und  ««-stamme  ist  dadurch 
gestört,  dass  bald  die  eine,  bald  die  andere  stufe  sich  auf  kosten 
der  übrigen  verallgemeinert  hat,  und  die  entstehung  von  ver- 
schiedenen Paradigmen  verursacht.  Z.  b.  in  homö  hominis 
(=  *hofn^S8  od.  *hamone8)j  ordö  ordinis  (=  *ord^i^  od. 
*ordönfy)y  genus  generis  (=  ^geneses)^  tempus  temporis  (= 
^tempos^)  hat  die  e-  ev.  die  o-stufe  den  vortheil  über  die 
übrigen  gehabt  Dagegen  in  edö  edöniSj  Uro  iirönis,  honar 
(honöa)  honoris  (»  ^honöses)  wurde  die  dehnstufe  verallge- 
meinert. Von  vornherein  gibt  es  kein  hinderniss,  die  stamme 
car-n-  und  ^far-s-  aus  der  Verbreitung  der  nullstufe  zu  er- 
klären, aber  die  thatsache,  dass  sonst  die  Verallgemeinerung 
dieser  stufe  im  Lat  ein  unbekannter  Vorgang  ist,  legt  die  an- 
nähme nahe,  dass  das  zusammenfallen  der  «n-  (bezw.  es-)  mit 
der  n-  (bezw.  s-)stufe  von  der  synkope  verursacht  wurde.  Ob 
farina  (zunächst  aus  *farrina  *farsina)  auf  '^bhar-s-Xnä  (asl. 
braShno  aus  ursl.  *borshno)  oder  auf  *bhar'(e)8'inä  (got.  bari- 
zeins  'gersten')  zurückgeht,  lässt  sich  nicht  ausmachen. 

Aus  den  composita  von  rapiö,  die  gewöhnlich  keine  Syn- 
kope aufweisen  (arripiö  corripiö  dtripiö  usw.,  wahrscheinlich 
nach  der  analogie  zwischen  arripiö  :  arreptus  und  acdpiö  : 
aceeptus,  confieiö :  confectus),  kommen  hier  in  betracht:  surpere 
(die  belege   bei   Georges  Lat.  wf.  s.  v.;   dazu   surpuit  Martial 

1)  Die  kürze  des  u  hat  Stowasser  Gomm.  Wölfflin.  26 ff.  nach- 
gewiesen. »Urus  verhalt  sich  zn  ai.  sväru-ß  'opferpfosten'  wie  gr.  vnvo^ 
nz  ai.  iväpna'S  'schlaf,  traam',  lat.  $omnu9^ 


196  Giuseppe  Ciardi-Dupre 

12.  29.  10  u.  12);  erpe  (in  Plaut.  St  716  statt  des  überlieferten 
eripe  von  Skutsch  I  36  anm.  wiederhergestellt).  Von  einem 
adjektiy  *üsü-r(a)p(h  (wobei  ^rapo-i  rapid  wie  *capo-  [occupö, 
nüncupo]  :  capiö)  ist  üsürpö  hergekommen. 

Die  composita  von  regö  haben  theils  die  synkopierte,  theils 
die  unsynkopierte  form:  pergö  porgö  surgö,  aber  arrigö  corrigö 
dirigö  erigö  porrigö  surrigö.  Es  ist  bemerkenswert,  dass  letz- 
tere nur  transitive  bedeutung  haben,  erstere  überhaupt  die 
intransitivische  ^).  Das  erklärt  sich  meines  erachtens  dadurch, 
dass  der  Zusammenhang  zwischen  regö  und  seinen  composita, 
dessen  bewusstsein  die  erhaltung  ev.  Wiederherstellung  des  vo- 
cals  in  erigö  porrigö  usw.  zuzuschreiben  ist,  bei  intransitivischem 
sinne  minder  durchsichtig  geworden  war. 

Die  Synkope  nach  liquida  ist  auch  in  den  oskisch-umbri- 
schen  dialekten  bezeugt:  vgl.  culchna  (auf  einem  campanischen 
thongefässe)  aus  gr.  xvXixvii  (woher  auch  lat.  culigna  entlehnt 
ist)  'kleiner  kelch',  und  die  umbr.  imperative  kartu  'distri- 
buito'  kumaUu  eamoltu  'commolito'  veltu  'deligito  vel  sim.' 
ehudtu  'edicito,  iubeto'  holtu  '?'  amboUu  '^ambulito'  [zu  amtu'- 
lätö  wie  lavitö  zu  lavätö]  arpeUu  'adpellito'.  Prinzipiell  steht 
also  nichts  im  wege  anzunehmen,  dass  die  anfange  der  Synkope 
nach  liquida  auf  die  italische  urzeit  zurückgehen.  Was  die  ein- 
zelnen besprochenen  beispiele  anlangt,  kann  man  freilich  daraus 
keine  sichere  folgerung  ziehen,  denn  das  gesetz,  wonach  ein 
vocal  nach  liquida  ausgestossen  wurde,  galt  auch  noch  im 
sonderleben  des  Lateins  und  wirkte  in  verschiedenen  zeiten. 
Z.  b.  ist  die  synkope  in  olfaciö  (=  *olefdciö)  jünger  als  die 
lateinische  akzentverschiebung:  dass  sie  unter  der  älteren  be- 
tonung  nicht  stattfinden  konnte,  darauf  weist  der  umstand  hin, 
dass  eine  solche  Zusammensetzung  in  jener  periode  noch  nicht 
zu  fester  worteinheit  verwachsen  war,  wie  aus  der  nichtschwä- 
chung  des  ä  (vgl.  conficiö  aus  *  cönfaciö  u.  dgl.)  erhellt.  Gleich- 
wie in  olfaciö  ist  die  synkope  in  calfaciö  (s.  die  beispiele  bei 
Deecke  Facere  und  fieri  s.  47)  neben  calefaciö,  und  arfaciö 
(Cato  r.  r.  69.  1  und  157.  12)  zu  beurtbeilen. 

In  einer  reihe  wörter  ist  die  vocalausstossung  jünger  als 
der  rhotacismus: 

1)  S.  bei  Georges  Lat.  Wf.  i.  v.  die  belege  för  porgö  «s  parrigd. 
Seltener  kommt  nirgö  in  der  bedentung  von  iurripö  (z.  b.  PlAut.  Epid. 
BohluBSvers:  htmbos  8urgiie  atqm  egtoUiU)  vor. 


2ur  geschichte  d^  lateinischen  vocalsynkope.  19? 

ardus  (Lucil.  27,  40  ed.  M.,  CIL.  I  577»,«,  ferner,  nach 
Skutsch  I  43,  Plaut  Aulul.  27,  Pen.  266)  neben  aridus  aus 
*afndo8  :  äreö  'bin  dürr'  assus  ara  (altl.  äsa)  'Scheiterhaufen, 
altar'  (eigentl.  'brandstätte') ,  vo.  asif,  inarr.  asam  u.  aaOj  ai. 
äsas  'asche,  staub'  (Osthoff  PBB.  XIII  396)  lit.  ai»Ü8  (:  as- 
-  lit.  aitrüs  :  lat.  äier.    Prell  witz  o.  XXI  71  «f.). 

iurgö  iurgium  aus  ^io^-agö,  -io-m.  Es  ist  ein  compositum 
aus  der  wz.  ag-  (vgl.  den  aufsatz  L.  Meyer's  o.  VI  130 — 137). 
Die  unsynkopierte  form  obiurigandum  in  Plaut.  Mero.  118  (vgl. 
RitBchl  opusc.  phUol.  U  426  ff.). 

örnus  aus  ^örinos  »  *ö8ina8  oder  *a8eno8  :  gr.  [ax€Q-']talg 
Sireisspappel'  (Fick  Vgl.  wb.  I  *  373  und  o.  XVI  171,  Prell- 
witz Et.  wb.  d.  gr.  spr.  42  und  o.  XXIV  106,  Johansson 
IF.  II  52),  air.  hu*nn*u8,  nkym.  onnen  'esche'  (Brugmann 
I  '  772),  lit.  ü'sis,  asL  jasem  jascnb  'esche'  (Solmsen  KZ. 
XXXIV  32  anm.,  Pedersen  IF.  V44f.,  Brugmann  a.a.O.). 

vema  aus  *verina  —  ^^esinä  'der  im  haus  geborene 
sklaye'  :  ai.  vdsati  'er  verweilt,  wohnt',  got.  tcisan,  ahd.  iceian 
'bleiben,  verweilen,  sein'  ^), 

Ob  vetemus  aus  ^t^tesinos  (zu  veius,  gr.  ffrog  'jähr',  ai. 
vatsd^s  'Jüngling'  usw.)  herkommt,  oder  nach  alternus,  paternus 
u.  dgl.  gebildet  ist,  bleibt  unsicher. 

Endlich  ist  die  synkope  in  ccUdus,  soldus,  vald^  später  ein- 
getreten als  in  haUux  PMüx,  wie  das  unterbleiben  der  asstmi- 
lation  von  Id  zu  II  uns  lehrt. 

§  3.  Einige  forscher  nehmen  an,  die  synkope  nach  liquida 
sei  nicht  ohne  mitwirkung  anderer  fieiktoren  eingetreten,  und 
die  unsynkopierten  formen  ealidus,  gdidus,  yrirUtis  usw.  seien 
ebenso  lautgesetzlich  wie  ccUdus,  vcide,  hämus,  surgö  usw.  ent- 
standen, anter  anderen  bedingungen  als  diejenigen,  die  die  syn- 
kope verursachten.    Zwei  theorien  wurden  vorgeschlagen. 

Von  Planta  I  214  hat  im  Umbriscben  einem  auffallenden 
gegensatz    zwischen   dem   imperativ  auf  -etöd  (-üöd)  und   dem 

1)  Gonwsj  Vemer's  law  in  Itsly  6  und  Walter  Bhotaeism  in 
the  old  italian  laognages  14  setzen  einen  stamm  *f)49nä  an,  denn  sie 
nehmen  einen  lantwandel  von  «n  zn  m  an,  was  anch  Deecke  Falisker 
188  (Falentus  ans  *FdU9no§,  eavema  aus  *edve9na)  sugiebt,  m.  e.  an- 
richtig. Ohne  zureichende  gründe  trennt  Fröhde  BB.  XVI  212  vema 
von  der  wz.  fte»-  Sirohnen'  nnd  vergleicht  es  mit  lit.  wirgtu  leibeigner' 
wargine  'leibeigensobaft'. 


198  Giuseppe  Ciardi-Dupre 

particip  auf  -ekh  (-ito-)  bemerkt:  das  ^  (t),  das  im  imperativ 
(mit  ausnähme  der  n-stämme)  regelmässig  synkopiert  wird,  ist 
im  particip  durchaus  erhalten,  z.  b.  impt  aitu  =  *agetöd, 
deitu  sa  *deiketöd,  dirstu  ^  ^didetöd,  aber  particip  muieto  — 
*mugetom,  maietu  =a  ^maUtomy  oseto  a=  ^opseUL  Daraus 
glaubt  er  die  folgerung  ziehen  zu  können,  der  unterschied 
hänge  von  der  natur  der  endung  ab:  *lm  imperativ  stand  das 
e  zwischen  dem  hauptton  und  der  gewichtigen  endung  -töd 
4üdj  während  im  part.  sicher  im  nom.  sg.  masc.  auf  -is  aus 
'tos  (tagez,  ^segez,  *mdUz  etc.),  vielleicht  auch  vor  anderen 
leichten  endnngen  wie  z.  b.  -öm  die  synkope  unterblieb  und  ^ 
von  hier  aus  dann  auch  in  die  übrigen  casus  eingeführt  werden 
konnte,  so  nom.  pl.  tasXür  abl.  pl.  vuflUis  pro^esUlr  (fiir  den 
abl.  sg.  fehlen  beispiele)".  Danach  >)  scheint  von  Planta  die 
vermuthung  möglich,  dass  lateinische  doubletten  wie  ccdidua 
caldus  aus  einem  urlateinischen  paradigma  nom.  sg.  *calidos 
acc.  *calidam  gen.  caldz  abl.  ccddö  (sidy.calde)  usw.  zu  erklären 
seien.  Stolz  203  (und  IF.  IV  233  ff.)  und  Sommer  IF. 
XI  4 ff.  haben  sich  dieser  theorie  angeschlossen;  Sommer  aber 
nimmt  an  "dass  synkopierung  eines  zur  zeit  der  uritalischen 
anfangsbetonung  auf  die  akzentuierte  silbe  folgenden  kurzen 
vocales  hauptsächlich  dann  erfolgen  konnte,  wenn  dahinter  noch 
mehr  als  eine  more  stand;  es  wäre  dann  ganz  gleich,  ob  das 
quantitätsthema  des  betreffenden  wertes  ^u_,  J.wuu  oder 
jLkj^kj  usw.  gewesen  war".  Ein  hübsches  beispiel  dieses  ge- 
setzes  sei  das  pron  alter  =&  ^aU-t^ra-s  gegenüber  dem  adv. 
attrt^.  —  Andrerseits  glauben  Osthoff  Arch.  f.  lat.  lex.  IV 
464 f.  und  Skutsch  I  46 ff.,  das  Sprechtempo  habe  bei  der 
Synkope  eine  rolle  gespielt:  ärdus  sei  ^eine  schnellsprechform', 
äridua  ^eine  form  der  geringeren  geschwindigkeit',  was  man  mit 
anderen  Worten  eine  allegro-  bezw.  lentoform  nennen  kann. 
—  Ich  weise  beide  hypothesen  zurück,  indem  der  einfluss  der 
analogie  bei   den  unsynkopierten   formen  mir  nnverleugbar  er- 


1)  Diese  hjpothese  einer  näheren  prüfnng  unterwerfen  kann  ich 
augenblicklich  nicht  Beilanfig  sei  darauf  hingewiesen,  dass  maktu^  das 
von  Planta  durch  ^moiitum^  wiedergiebt  und  dem  impt.  kumaUu  eomoUu 
entgegenstellt,'  von  Gonway  Italic  dialects  681  f&r  einen  imperativ  (au 
-moftti  wie  lat. /sroitö  znfervitö)  gehalten  wird.  Vielleicht  ist  es  nicht 
unmöglich,  dass  andere  imperative  auf  -^to  -«tu  an  instamme  ansu- 
reihen  sind. 


Zur  geschichte  der  lateiDischen  vocalsynkope.  199 

scheint.  In  der  tbat  gehören  alle  wörter,  bei  denen  die  Syn- 
kope unterbleibt,  bestimmten  kategorien  an,  wobei  die  Wörter, 
die  der  synkope  unfähig  waren,  die  übrigen  davon  zurückhalten 
konnten,  d.  h.  [1]  nomina  auf  -ico-  :  alica,  fulica,  väricus, 
tüieus  u.  dgl.;  [2]  participia  auf  -t-to-  :  aboliius,  meriius; 
[3J  nomina  auf  -tu-  :  dliiu9  ^nährung',  atMlüus,  apfritus;  [4] 
nomina  agentis  auf  -tar^  :  holitor;  [5]  abstrakta  auf  '4äJt :  am^l- 
ritas,  Caritas,  crüdäitäs  usw.  i);  [6]  adverba  auf  4us  :  caeliiuSy 
gentflüus,  oculüua;  [7]  adverbia  auf  -ter  :  aliter,  celeriier,  du- 
riter  usw.;  [8]  verba  frequentativa:  quaerHö^  valitöy  volitö;  [9] 
zusammengesetzte  verba  aus  legö  {coUiffö,  düigö  usw.),  ligö 
{aUigö,  coUigö  usw.),  linö  {ittinö,  relinö),  rapid  {arripiö,  corripiö 
usw.),  regö  (arrigö,  dirigö  usw.)  etc.  Umgekehrt  waren  die  Wörter, 
wo  die  synkope  eintrat,  isoliert  und  daher  analt^schen  ein- 
flüssen  unausgesetzt  Bei  hallux  homus  ornus  vema  gab  es 
keinen  anhält  zur  bewahrung  des  vokales;  bei  vclnus  war  das 
einzige  facinus  unfähig  eine  Wirkung  auszuüben.  Entscheidend 
scheinen  mir  hortor,  portö,  fordus.  Warum  qtiaeritö,  volüö  aber 
hortar,  portö?  Durch  das  verhältniss  qtMeritö  :  quaerö,  volitö  : 
vdö,  wurde  der  charakter  eines  frequentativum  für  quaeriiö 
und  volitö  bestätigt,  und  die  endung  -itö  (vgl.  habitö  :  hiAeö, 
vomito  :  vomö  u.  dgl)  als  dessen  kennzeichen  empfunden.  Da- 
gegen, bei  mangel  an  einem  *poreö,  *horior  (letzteres  gerieth 
früh  ausser  gebrauch),  wurden  hortor,  portö  nicht  mehr  als 
frequentativa  angesehen.  Ebensowenig  konnte,  da  ein  *foreö 
(»  gr.  fpoQiw)  oder  *foru8  (:  gr.  gH)Qä)  nicht  vorhanden  war, 
*forido8  in  candidua  :  candeö  candor,  pnücidus  :  müeua,  fnor- 
hiduB  :  morbus  u.  dgl.  einen  schütz  vor  der  synkope  finden. 

Dass  die  erhaltung  des  vokales  analogischen  einflüssen  zu- 
zuschreiben ist,  dafür  spricht  auch  der  umstand,  dass,  wenn 
synkopierte  und  nichtsynkopierte  formen  nebeneinander  stehen, 
letztei'e  überhaupt  der  hochsprache,  erstere  der  Umgangs-  bezw. 
der  Volkssprache  angehören  *).  Eine  bekannte  stelle  Quintilians 
(inst,  orat  1,  6,  19)  ist  darüber  lehrreich:  ^'Sed  Augustus 
quoque  in   epistolis  ad   C.  Gaesarem  scriptis  emendat,  quod  is 

1)  Wie  könnte  man  in  quaerito  quMrüäre,  volitö  volitäref  sowie  in 
den  abstrakta  auf  -täs  (gen.  -tätis  asw.),  die  erhaltang  des  t  durch  die 
Planta-Stolz-Sommer'sohe  theorie  erklären? 

2)  Skntsch  I  46  ff.  hat  diesen  umstand  anerkannt:  er  findet  aber 
darin  eine  stütze  für  seine  lehre  des  Sprachtempos,  m.  e.  unrichtig. 


200  Gioaeppe  Giardi-Dapre 

caUdum  dioere  quam  eaUum  malit,  noo  qaia  id  non  sit  lathmiD« 
aed  qnia  odioram  sit  et,  at  ipse  Graeoo  verbo  significaTit,  ne- 
^U(jy€t^\  Daraus  eigibt  sich,  dass  adidus  statt  ealdus  zur 
seit  des  Augnstos  ab  ein  veraltetes  im  orogaog  zu  yennddendes 
woit  angesehen  worde.  Unter  den  von  der  Aj^  Pr.  GLK. 
IV  198  Terpönten  wortformen  findet  man  ealda  and  virdü.  Die 
romantscfaen  sprachen  weisen  auf  synkopierte  lateinische  grond- 
formoi  hin:  z.  b.  «rat»  (it.  ermo,  sp.  yermo,  mm.  ermu\  virde 
(it.  sp.  nun.  verde,  fr.  vert),  ealdu  (it  sp.  caldo,  fr.  diaud, 
mm.  cold),  soUu  (it  saldo,  fr.  eoud,  sp.  sueUo)  usw.  i).  Fand 
die  erhaltong  des  vokals  in  aläer,  dürUerj  äridus,  ealidus  o.  dgl. 
durch  anlehnnng  an  gewisse  wortkat^rorien  statt,  ist  es  selbst- 
verständlich, dass  sie  von  der  grammatischen  gelehrsamkeit 
der  q^:echenden  abhing,  und  daher  vorzugsweise  in  der  spräche 
der  gebildeten  kreise  zu  erwarten  ist. 

§  4.  Als  beispide  der  synkope  nach  nasalis  sind  folgende 
Wörter  aaznfnhren: 

jüncus   ans    *jaimeo8 :    m.  ir.   aom,    gen.   aime    (stamm 

matUö  (^mantare  saepe  manere'  P.  ex  F.  119)  aus  ^manUö 
zu  maneö  wie  momiö  zu  moneö.  Mit  maniö  ist  ommentans  (liv. 
Andron.  bei  Fest  218),  Maniuma  (zu  ^maniar  wie  Ptausmmims 
zu  pUnuar)  zu  erwiLhnen. 

numeupö  aus  ^nomthcapö.  Der  erste  theil  weist  den  ersatz 
eines  n-  durch  einen  o-stamm  auf,  was  in  Zusammensetzungen  kein 
seltner  vorgai^  ist:  v^.  Jkomteida  aus  ^hinuhcaida,  «mgui-soga 
(zu  sanfuem-,  denn  scmyufs  ist  eine  neubildung),  m/ao-ßatfi^gf 
dKfto-deww  usw.  (Bragmann  II  26). 

fameepe  (Slxog  scn/nov^  init^foirjUav  Gloes.  Philox.  141.  48) 
ans  ^fomheap^  :  pmms  'drnse'  (P.  ex  F.  276). 

pnmdimm  ans  ^j^rdm-ecltoii»  (Hirt  Idg.  ablaut  83). 

pHiieeps  ans  ^prümhcap^. 

Mbra  aus  ^a^mi-übra  über  *98BAra,  Infolge  der  akzent- 
vwschiebung  £snd  die  Vereinfachung  des  U  statt:  vgl.  mamiäa 
(zu  flNOiiifiia)  ans  ^fiMiifiiiii'fla. 

eesqui-,  sestertius  aus  *semisque-,  *sem%sieriias. 

sineiput.  Es  wird  nach  der  gewöhnlichen  annähme,  die 
auf  die   alten    grammataker  zurückgeht  (vgL  Diomedes  GLK. 


l)Mejer-Lübke  Gramm,  d.  roman.  spncben  I  261  {ygL  auch  54). 


Zur  goschichte  der  lateinischen  vocalsynkope.  201 

I  436,  Velius  Longus  VII  7),  als  ^semi^aput  aafgefasst.  Neuer- 
dings aber  hat  Wackernagel  (bei  Niedermann  £  und  I 
im  Lateinischen  31)  eine  verschiedene  erklärung  Yorgeschlagen, 
denn  er  nimmt  an,  ainciput  sei  aus  ^aifino-captU  entstanden. 
In  lautlicher  rücksicht  sind  beide  erklärungen  zulässig  ^),  was 
die  bedeutung  betrifft,  ist  die  Wackemagel'sche  widirschein- 
lieber. 

tinca  aus  *timica  :  ai.  timi'^  'fisch,  raubfisch'.  Dieses 
wort  kommt  zuerst  als  eigenname  bei  Cicero  Brut  172  und 
Quintilianus  1.  5.  12  vor,  dann  als  fischname  bei  Auson,  Mo- 
sella  125.  In  letzterer  bedeutung  lebt's  im  Romanischen  fort: 
ital.  sard.  tinca  prov.  ienca. 

Haus  (nlMus)  aus  ^oj^Uhs. 

undecim  aus  *ufiamdecem  bezw.  *ü*nozd€cem  *)• 

vendö  aus  *venamdö,  woneben  venum  dö  (dare)  eine  neu- 
bildung  ist. 

vindemia  aus  *vtno-demia. 

Hierher  gehören  auch  die  deminutiva  auf  -ellus,  -iUus, 
"llltis,  -öUus  z.  b.  gemdlus  aus  *gemen(oJlo8,  femeUa  aus  */«- 
men(o)lä,  catBlla  aus  *catBn(o)lä,  lupülus  aus  *lup^n(o)lo8, 
8uülu3  aus  *8uin(o)los,  vülum  aus  *vin(ojlofn,  persölla  aus 
*per8on(o)la,  carÖUa  aus  *corön(o)lä. 

Sehr  unsicher  sind  folgende  beispiele: 

anqutrö  aus  *dna'quai8ö  nach  Lindsay  578,  aber  aus 
*  dmbhi'quaisö  nach  Stolz  390.  Beide  annahmen  sind  mög- 
lich. —  Wahrscheinlicher  ist  die  herleitung  von  antemna  aus 
^dna4em''na  (anders  freilich  Stolz  308).  Ganz  fraglich  ist  die 
bildung  von  antestarlx  v.  Planta  1  475  setzt  ein  ^ana-testärX 
voraus,  dag^en  Brugmann  I  *  861  *anti'te8tärJ;  Lindsay 
578  hält  beide  annahmen  für  möglich. 

cante  statt  canüe  kommt  in  einem  bruchstücke  des  Carmen 
Saliare  vor,  doch  bleibt  es  unsicher  ob  man  mit  einer  synko- 

1)  Der  lautliche  gegen  die  ableitang  aas  *iemi-eaput  von  W.  er- 
hobene einwand,  dass  der  Übergang  von  'ene-  zu  -ine-  den  lateinischen 
lautgesetzen  wiederspricht,  ist  nicht  überzeugend,  denn  der  wandel  von 
"öne-  zu  -üne-  (nuneupo)  liefert  zu  -fnc»  «e  ~$nc  eine  gute  parallele. 

2)  Ton  einer  grundform  * otj^om-cftfi^fi  auszugehen,  wie  Bartho- 
lomae  Grd.  d.  iran.  phil.  I  1.  112,  hat  man  keinen  grund,  denn  der 
stamm  ^oj^  'ein'  (av.  äeoa-  ap.  atoo-  '6in'  gr.  dlog  kypr.  ol^og  'allein') 
scheint  im  Lat.  völlig  untergangen  zu  sein. 

Mtrtftt  B.  kBBte  d.  iadff.  ■pcMhm.  XXVI.  14 


302  Giuseppe  Ciardi-Dapre 

pierten  form  zu  thnn  hat,  denn  es  kann  ein  überbleibsei  der 
atbematischen  flezion  sein  ^).  Jedenfalls  hat  das  gewöhnliche 
eanäe  durch  systemzwang  das  i  bewahrt,  ev.  wieder  beigestellt 

maneeps  (gen.  mancupis  nsw.)  inaneupö,  mancupium  aus 
'^manu-cap-.  Neben  manu-  (lat  manu-s,  umbr.  manuve  'in  manu') 
existierte  der  stamm  man-  (umbr.  manf  *manus'  (aca),  aisl.  mund 
*hand',  ags.  mund,  ahd.  munt  'schütz,  band'),  und  Ton  vom- 
herein  steht  nichts  im  wege  anzunehmen,  maneeps  u.  s.  w.  seien 
aus  dem  letzteren  gebildet  Die  umfarbung  aber  des  wurzel- 
haften a  zu  «  setzt  den  einfluss  eines  tt-vocals  {u,  o,  au)  in  der 
Yorausgehenden  silbe  yoraus  (Parodi,  St  itaL  di  filol.  class. 
I  411  f.).  In  mantäum  (aus  ^-ierg-do-m)  mantäium  (woraus 
mantüe  und,  nach  monUe,  mantUe)  maneiölus  {manetoUs  tenellis 
Laev.  bei  Gellius  10.  7)  maäumum  mansuüus,  wo  jenes  krite- 
rium  unterbleibt,  kann  man  sowohl  ^rnanu-  als  *  man^  ansetzen. 

Es  ist  bemerkenswerth,  dass  die  synkope  nach  nasalis  nicht 
nur  in  offener  silbe,  wie  nach  liquida  eintritt,  sondern  auch  yor 
gewissen  kousonantengruppen,  namentlich  yor  nd  und  st  {zd?)^ 
vgl.  vendö  aus  ^venomdö^  undecim  aus  *un&mdecem  (od. 
^ü'nozdecem?)^  sssqui-  aus  ^semisque,  ssstertius  aus  ^ semistertios. 
Daraus  folgt  die  möglichkeit  das  plautinische  misterium  für 
ministerium  durch  regelmässige  synkope  zu  erklären:  dann  wäre 
minister  ministerium  von  magister  magisterium  gestützt. 

Umgekehrt  ist  das  gebiet  dieser  art  synkope  dadurch  be- 
schränkt, dass  sie  dann  unterbleibt,  wenn  eine  zweite  nasalis 
nach  dem  vocale  liegt.  —  Dass  der  vokal  in  n — m  erhalten 
bleibt,  ist  keinem  zweifei  unterworfen  >).  Für  m — n  liefern 
fSmina  (eigl.  *die  gesogene'  :  fsläre,  gr.  drjaazo  *er  sog*,  Otjkq 
'mutterbrust'  usw.);  fiemitia  (zu  norw.  biUema  'hautbläschen', 
dial.  schw.  bläna   aus   wz.  bhU-  ^schwellen'    [Persson  Stud.  z. 

1)  Die  lesart  eanU  wird  die  richtige  sein  ?  Man  hat  auch  mit  der 
möglichkeit  einer  falschen  Überlieferang  zu  rechnen ,  wenn  es  sich  am 
das  Carmen  Saliare  handelt. 

2)  Freilich  versucht  Wharton  Class.  Rev.  VI  1 1  f.  tMrma  aas  *  nön- 
mä  *nön(i)mU  herzuleiten,  er  denkt  aber  nicht  (ebd.  258  f.)  an  eine  lant- 
gesetzliche  entwicklung  von  *nönm!&  aus  *nöfitma,  sondern  nimmt  an, 
grcma  'surveyor's  pole'  und  forma  'outline'  haben  den  trieb  gegeben, 
aas  *fidfitm5  ein  zweisilbiges  wort  zu  machen.  Unrichtig  ist  die  von 
Lindsay  271  vorgeschlagene  herleitnng  von  earmengermen  aus  *ean(%)- 
meuj  *gen(i)men. 


Zur  geschiohte  der  lateinischen  vocalsynkope.         203 

lehre  y.  d.  wurzelerw.  u.  wurzelvar.  173],  nicht  zu  gr.  9)^- 
jMonf);  geminus;  mminö;  cantäminö;  cöminus;  eminus,  und  die 
endung  --mim  der  2ft  plor.  pass.  den  beweis.  Die  ausnahmen 
sind  nur  scheinbar,  denn  alummu  (eigentl.  part  pass.  zu  €Uö, 
also  'genährt,  erzogen'),  edumna  (•-  'celsa'  eigentl.  'die  erhabene' 
:  coUiSy  ex-cdlö,  gr.  xoXiuvos  'hügel',  got.  haUus  'fels',  ais.  hallr 
'hiigel,  abhang*,  lit  kdlnas  'erhebung,  berg*  käti  'heben'),  pi- 
lutnnoe  ('pilis  armati*  ^)  Fest.  244),  Vertümnus  Vartumnus  'der 
gott  alles  wandeis  und  wechseis'  (zu  vertö)^  und  die  etymolo- 
gisch unsicheren  aerutnna  (zu  gr.  aläyog  'schmerzlich,  traurig'  ? 
Fröhde  0.  VII  325),  autumnus  (zu  ais«  auA'  'reichthum', 
Schrader  Sprachw.  u.  urg.  >  440  [?]),  Pfcumnus  PUumnus 
'brüderliche  ehegötter  des  alten  Rom',  VUumntM  'ein  gott,  der 
den  kindem  das  leben  spendet'  Vciumnus  Volumna  'gottheiten, 
denen  man  die  neugebome  empfahl',  ccUumnia  (aus  *  ccUü-mn-iSL 
zu  calvi  'ausfluchte  suchen'  —  acümen^  volümen  :  acuö,  volvö) 
enthalten  die  schwache  stufe  -rnnth  des  Suffixes  "fnenO"  (vgl. 
Brugmann  11  155).  Die  nebenform  domnus  zu  dominus  ist 
wahrscheinlich  eine  in  appellatiyischen  anwendungen  entstan- 
dene abkürzung,  wie  ital.  sor  s=  signor(e)j  sora  »  signora  >). 

§  5.  Ein  zwischen  liquida  bezw.  nasalis  und  vocal  liegen- 
der oonsonant  legt  der  synkope  kein  hinderniss  in  den  weg, 
wie  es  aus  folgenden  beispielen  erhellt: 

[A]  {  +  consonant: 

fulmen  aus  *fulg(u)men  ^fidg-i-men  :  fulgeö  wie  documm- 
(tumjj  aus  ^doC'i'^nen(U>m)  zu  chceö. 

mvlctus  aus  ^molgitos  (?).  Die  Unsicherheit  hängt  davon 
ab,  ob  das  c,  dessen  erhaltung  den  beweis  für  das  frühere 
Vorhandensein  eines  vocals  zwischen  demselben  und  dem  t 
liefern  soll  (denn  ursprüngliches  -Ikt-  wäre  uritalisch  zu  4^- 
geworden  vgl  uUus :  vlciscor;  fvUus  :  fulciö;  muUa,  0.  moltam 
'multam'  u.  matar  'multae'  :  mulcare),  nicht  andrerseits  nach 
analogie  von  mula^  (oder  zur  Scheidung  von  multus  'viel'? 
Brugmann  I  >  668)  wieder  hergestellt  sein  könnte. 

1)  Hier  hat  das  suffiz  -tnCe}nO'  die  bedeatnng  'mit  etwas  versehen, 
ausgestattet',  so  wie  -Uh  in  auniüt,  or?ftl<fis,  eineiSUi»j  eormUU  n.  dgl. 

2)  Der  vooativ  domnel  kann  als  eine  ^allegrofonn'  angesehen  wer» 
den,  da  es  nm  ein  intexjektionsahnliohes  wort  handelt,  oder,  nach 
Sommer's  aasdrack  (IF.  XI  5)  'molto-allegro-form'. 

14  • 


204  Giuseppe  Ciardi-Dupre 

[B]  r  +  consonant: 

forcf,p8  ('forcipes  dictae  sunt  quod  forma  capiant,  id  est 
ferventia'  P.  ex  F.  65)  aus  ^formo-cap-s. 

forctus  (•forctum  pro  bono  dicebant'  P.  ex  F.  73)  aus  ^for- 
güö8  part.  prät.  zu  einem  ^forgtö  *bhorg4iö  (ai.  barhdyati 
'kräftigt,  stärkt').  Die  synkope  wird  durch  das  c  bestätigt, 
denn  urspr.  -rkt-  wäre  zu  -rt-  geworden  vgl.  fortis  o.  fortis 
'fortius,  potius'  aus  *bhjyh46-s  (—  ai.  hfähd-), 

Marpor  'söhn  des  Marcus'  (CIL.  I  1076  u.  viell.  IV  1906) 
aus  Mardpor  *). 

ornö  aus  ordinö,  das  nach  ordö  ordin-  rückgebildet 
wurde. 

quernus  aus  *querc(i)no8  :  quercus  wie  fäginus  :  fägtts 
u.  dgl.  —  Anders,  und  m.  e.  unrichtig  wird  quernus  von 
Stokes  o.  XI  71  und  von  Meyer(-Lübke)  KZ.  XXVIIl  171 
erklärt.  Dieser  leitet  es  aus  *que8ino8*)  her,  jener  aus  *qerno- 
(air.  crann  ^baumstamm'). 

tostus  aus  *torsiio8j  part.  prät.  zu  torreö  =  ^tors-iiö  (ai. 
taradyati  *er  lässt  dürsten',  ahd.  derriu  *ich  mache  trocken, 
dörre'),  vgl.  monitus  :  moneö,  ai.  corita-  :  cordyati  u.  dgl. 

[C]  n  +  consonant: 

cunctor  aus  *concitor.  Eä  ist  ein  denominativ  aus  *hon' 
quo-  (ai.  ^ankita-  *besorgt,  ängstlich  vor'). 

cünctus  aus  *coenquUo8.  Es  ist  ein,  wie  penitus,  in  adjek- 
tivischer funktion  gebrauchtes  adverbium  zu  ^co-en-quo-,  das 
eine  bildung  wie  longinquos  propinquos  aufweist  (Brugmann 
Totalität  20  flF.). 

deinceps  vielleicht  aus  *deinde-cap-8. 

quindecim  aus  *  quinque-decem,  quingentl  (arch.  quincentutn 
Fest.  338)  aus  *  quinquecenti ,  qutndus  aus  *quinqueto8  (zu 
Quintus  wie  ai.  paTtcatha-,  air.  cöked  zu  gr.  ftifÄTtrog)  '). 


1)  Entstand  Marcus  selbst  vielleicht  aus  *  3farticosf 

2)  Wäre  diese  erklärnng  richtig,  würde  quernus  auf  derselben 
linie  mit  ornus,  verna  stehen. 

3)  Absichtlich  habe  ich  nicht,  in  dieser  reihe  impedire  itnperäre 
angeführt,  denn  ich  ^(laube  nicht,  sie  seien  synkopierte  formen  aus  indu- 
peräre  indupedirey  wie  einige  forscher  annehmen,  sondern  halte  letztere 
für  poetische,  der  lebenden  spräche  fremde  bildungen,  wie  auch  Schulze 
Quaest.  ep.  15  anm.  meint. 


Zur  geschichte  der  lateinischen  vocalsynkope.  205 

[D]  m  +  coDSonant: 

Hierher  gehören  alle  mit  der  präposition  *ambhi  (ai.  abhi, 
av.  aüvi,  ap.  abii/,  gr.  äiaq)!,  as.  ahd.  umbi)  gebildeten  Wörter : 
anc(ze8ti8  ('ancaesa  dicta  sunt  ab  antiquis  vasa  quae  nunc  cae- 
lata  appellamus,  quod  circumcaedendo  talia  fiunt'  P.  ex  F.  15) 
aus  *  dmbhi'kaidHchs ;  ancentus  (CIL.  X  4975,  wo  Momuisen 
bemerkt,  dieses  wort  sei  bei  Ammianus  Marcellinus  in  folgenden 
stellen  statt  des  überlieferten  'accentus'  wieder  herzustellen: 
'dato  aeneatorum  accentu  sollenniter  signo  ad  pugnandum' 
[16,  22,  36],  *aeneatorum  accentu  signo  dato  ad  progrediendum' 
[24,  4,  22]);  anceps;  ancilia  ('quod  ea  arma  ab  utraque  parte 
....  incisa'  Varro  I.  1.  7,  43);  anculus  (-»  ai.  dfÄq>inolog); 
amfäriam  (^pro  ambftbus  partibus'  Gloss.  Epin.  1  f.  35);  am- 
fractus  amfractärius  amfragösus;  amflexas;  amplector  u.  ver- 
wandte; ampendices  ('dicebantur  ab  antiquis  quod  circumpen- 
derent'  P.  ex  F.  16,  3);  ampsanctus  ('loci  ampsancti,  id  est  ab 
omni  parte  sancti'  Serv.  ad  Aen.  7,  565);  anquirö  (?  s.  oben); 
amseges  ('amsegetes  dicuntur  quorum  ager  viam  tangit'  P.  ex 
F.  16);  amsedeö  ('amsedentes  circumsedentes'  Placid.  p.  8  D), 
amtermini  ('qui  circa  terminos  provinciae  manent'  P.  ex  F.  13). 

Dass  der  beispiele  dieser  art  synkope,  in  vergleichung  mit 
denen  der  synkope  nach  einfacher  liquida  bezw.  nasalis,  sehr 
wenige  sind,  ist  keine  befremdende  thatsache,  denn,  durch  zu- 
sammenstoss  des  dem  vocal  vorhergehenden  konsonanten  mit 
dem  darauf  folgenden  wird  ersterer  überhaupt  verändert  oder 
ausgestossen,  so  dass  der  wurzelhafte  theil  des  wortes  und  dessen 
Verwandtschaft  mit  anderen  Wörtern  unverständlich  werden. 
So  z.  b.  würden  aus  farcimen^  sardna,  algidus,  algificus,  *f ar- 
men (zu  farciö)y  ^sarna  (zu  sarciö),  *aldu8  *alficus  (zu  cUgeö) 
entstehen,  wenn  der  vokal  nicht  erhalten  oder  wieder  herge- 
stellt würde. 

§  6.    Synkope  nach  ^  weisen  folgende  wörter  auf: 

aububulcus  ('pastor  ovium'  Löwe  prodr.  348)  aus  ^aui-  oder 
^a^O'  :  idg.  ^agih,  lat.  avilla  ägnus,  gr.  dinvög  *lamm'. 

auca  auceps  aucupium;  augur  augurium;  auspex  auspidum 
aus  *a^i'Jca  u.  s.  w.  Als  erstes  glied  der  Zusammensetzung 
kommt  der  stamm  *ajii'  Wogel'  (lat.  avis,  arm.  hat,  gr.  ä-eTog) 
vor. 

audio  aus  *Auizdiö  :  gr.  alaOdvofiat  'nehme  wahr'.  Dar- 
aus ergiebt   sich,  dass  die  synkope  nach  ^  älter  ist  als  der 


2()6  Giuseppe  Giardi-Dupr6 

schwand  des  z  vor  d,  dem  ein  ^avidiö  wäre  nicht  zu  audio 
geworden. 

autumö,  ein  denominatiy  von  ^autumo-  ^oifiYunto-  :  oYw 
(»  ^oßm).    Lindsay  180  u.  235.    Wharton  Et.  lat.  s.  v. 

cautus  ("tO')  catUus  {4U')  cauior  cauHö  aus  ^ca^i-  (cavitum 
CIL.  I  200  «.  7  cavüionem  P.  ex  F.  43):  caveö.  Vgl.  monitw 
(4(h  u.  -^u-)  manitar  monUiö  :  moneö. 

daudö  aus  ^clä^ido  :  c2S9i9y  gr.  xAij^i;  xA«/$  'schüsseF. 

faustus  aas  ^fd^estos  :  /at'or.    Vgl.  Aones^ua  :  Aoitor. 

«fi^Iana  nicht  aas  ^joft-^lans  sondern  aus  *jöueS'glan8 
*jau(z)glan8.  Als  erstes  glied  ist  ein  gen.  sg.  anzusetzen 
(Von  Planta  IF.  anz.  X  58). 

öpüer  ('opiter  est,  cuius  pater  ayo  yiyo  mortuus  est'  P.  ex 
F.  230)  aus  *ö/f^o)'p(Uer  eigentl.  'der  den  grossvater  als  vater 
hat'.    Das  (  für  au  ist  eine  vulgärlateinische  eigenthümlichkeit. 

paueua  aus  ^pa^icos;  pauper  aus  ^pd^o-paros  (ygl.  opi- 
parus). 

raucus  aus  ^rauieos  :  ravis  'heiserkeit'. 

Die  adjektiva  ^audos  (gen.  sg.  audi  yon  S kutsch  I  44  in 
Plaut.  Bacch.  276  wieder  hergestellt,  audeö  atuiäx,  dagegen  ge- 
wöhnlich afridus^);  crüdus  aus  *  cref/todo-s  *)  zu  cruor,  gr.  xQiag 
'fleisch',  ai.  kravi^  'rohes  fleisch');  nudua  aus  ^no^odos  ^noqiio- 
d<h8  (zu  ai.  nagni-,  got.  naqaßsy  lit.  nägas,  asl.  nag^  'nackt'); 
üdu8  (neben  üvidus)  aus  *ü^odos  ^ügtiodO'S  (zu  aisl.  vgkua 
'feuchtigkeit ,  nässe'?).  In  atidus  gravidus  pavidua  üvidus  ist 
der  vocal  nach  der  analogie  von  lepidus  rapidus  u.  dgl.  wohl 
erhalten  ev.  wiederhergestellt 

Eigennamen  [1]  auf  -^üo-,  --iliO'  :  Ätdus  Äulius  (neben 
Ävüiua  CIL.  I  85  »  XIV  3069,  Äirilia  IX  5699),  CauUus 
neben  Cavüius  CIL  X  1292),  Cltüius  (CIL.  Xn  1185,  Cloulias 
I  381,  I  1297  »  IX  4463,  XIV  2820,  neben  auüiua  Cloelius 
a=  *  Clovüius),  Jüius  Julius  (neben  Juüius  inschr.  in  Ann.  inst 
arch.  1880  s.  249,  aus  *J(wüiu8),  *Poulio8  (gen.  sg.  Pauli  CIL. 
I  1556,  n  401,  4970,   neben  PuüiafsaxaJ  Fest  330);   [2]  auf 

1)  Bartholomae  o.  XVII  120  erkennt  in  audeö  keine  synkope 
an,  sondern  die  Schwundstufe  einer  bisyllabischen  wnrzel  a^dh-  (ai^lov 
avidus  :  audeö  as  a/|di  :  av^m).  Diese  annähme  scheitert  daran,  dass 
arspr.  *audh-  zu  ^aub-  geworden  wäre  (trotz  Geci's  ansfuhmngen  in 
Rendio.  Aecad.  Linoei  V,  4  (1896)  ss.  616—686,  vgl.  besonders  s.  620). 

2)  Anders  jetzt  Hirt  Idg.  ablaut  103  [Ck>rrectamote]. 


Zur  geschichte  der  lateinischen  vocalsynkope.  207 

-ido",  -idiO'  :  Audius  (neben  AvidiuSj  Avidiänus  etc.)»  Caudiua 
(wohl  aus  *Cavidio8\  Claudius  (aus  *Clavidio8  :  Clavius  — 
Avidius  :  Aviua);  [3]  auf  -tc»o«  :  Aucius  (neben  Avicitis);  [4] 
auf  ■4siio-  :  Chtstius  No8tiu8  (?  über  das  o  vgl.  unten)  Bustiua 
(aus  *Nevi8tio8  :  *Neiti8to8  *)  u.  s.  w.  =■  Lepidiu8  :  Lepidu8 
u.  dgl.). 

Den  Wörtern,  die  ein  0)f  (=s  urspr.  o^  oder  ejf)  enthielten, 
ist  «ine  besondere  betrachtung  zu  widmen.  Davon  weisen  einige 
regelmässig  die  synkope  auf: 

brüma  aus  ^breuimä.  Diese  grundform  behauptet  neuer- 
dings Sommer  IF.  XI  210  gegen  Osthoff  Morph,  unt  V.  91 
und  Fick  Et.  wb.  11  *  179  die  *brehufHä  ansetzen. 

curia  aus  ^eö-^iriä  zu  *^ir0'8^  (lat.  vHr,  ai.  vird-s,  air. 
fer,  got.  wair,  lit  vyrtu  'mann').  Die  abweichende  von  Stolz 
253  f.  verfochtene  ansieht,  wonach  curia  (d.  h.  ^quoiaiä)  mit 
Quirftia  auf  eine  wurzel  *qei8'  zurückzuführen  wäre,  gilt  mir 
als  unwahrscheinlich  >).  Überdies  kann  ich  mich  nicht  ent- 
scheiden, cäria  von  vo.  cohueriu  (Von  Planta  I  279,  über  die 
bedeutung  des  h  vgl.  IF.  anz.  X  57  anm.). 

obtürö  aus  *obto^€rö,  eine  bildung  wie  modero  u.  dgl. 

prüdens  prüdentia  aus  '*pr6^%id'.  Rückbildungen  sind 
prapideö  Providentia, 

rü8  aus  ^reuo8'  :  av.  ravanh. 

rürsum  (rüraus)^  8ur8Uin  aus  *ri'^r30',  ^si-^orso-. 

8aiü8,  mit  aälvus  zweifellos  verwandt,  aber  in  bezug  auf 
die  bildung  nicht  genügend  erklärt.  Es  sei  mir  hierüber  folgende 
vermuthung  erlaubt.  Dass  ein  stamm  ^saU^o-  dem  adjektiv 
8alvu8  zu  gründe  liegt,  ergibt  sich  daraus,  dass  ein  urspr.  Ij^ 
zu  U  geworden  wäre  (vgl.  pallor  pallidtM  :  lit  pahas  'grünlich' ; 
poUen  aus  *  polten  :  pulvis  aus  ^pole-^es-  u.  dgl.).    Von  ^sale^o- 

1)  Paali  Altit.  sind.  II  140 f.  macht  darauf  aufmerksam,  dais  in 
mancher  idg.  spräche  eigennamen  ans  snperlativstämmen  gebildet  wer- 
den: vgl.  ai-  Jye^tha-i  Nediftaa-s  Vaaiffha-s  ^ravitiha-s  ^re^fhchs,  gr. 
"Aqunog  KdlluiTog  Kqojunog  Mfyunos  IlUtatog,  lat.  Postumiu». 

2)  Dazu  bemerkt  v.  Planta  IF.  anz.  X  57:  "Mit  einer  solchen  wz.« 
etym.  ist  für  die  sachliche  Zusammengehörigkeit,  die  doch  den  ansgangs- 
punkt  bildete,  nichts  gewonnen.  Gehören  die  beiden  werter  wirklich 
etymologisch  zusammen,  so  kommt  man,  da  curia  wohl  =  *e6^%ria  ist, 
für  Qtftrites  auf  * Coifir^tea  mit  vortonigem  u  wie  in  eluaea  usw.,  vgl. 
ferner  itaL  quaUo  aus  eoadu»  u.  dgl.". 


208  Giuseppe  Ciardi-Dupre 

wurde  das  abstraktum  *8aleu(htüt-  *salou(o)tüt'  eigentl.  'Voll- 
ständigkeit, unverletztheit',  und  daraus  durch  synkope  *8alüt€U', 
und  schliesslich  durch  haplologie  salüt-  >). 

In  einer  zweiten  reihe  von  Wörtern  erscheint  neben  der 
Synkope  die  reducierung  des  oui  bezw.  o^e  zu  ö: 

nündinum  {noundinom  CIL.  I  196  *•),  aus  ^na^endino- 
(ai.  dina-m,  lit.  d'enä  ^tag*)  :  nondinum, 

*nouno8  (acc.  pl.  f.  nounas  CIL.  X  2381),  aus  *nouenO'8  : 
nönus  nönaginta  nongenth 

üpiliö  (Yerg.  ecl.  10,  19  hss.  M.  u.  R.,  Apuleius  passim)  : 
öpiliö  (von  Servius  a.  a.  Vergil's  o.  und  von  Caper  6LK. 
Vn  112  in  a.  V.'s  o.  gelesen).  Über  die  etymologie  und  die 
bildung  des  wertes  gehen  die  ansichten  weit  auseinander.  Es 
handelt  sich  um  ein  compositum,  dessen  erster  theil  sich  mit 
dem  stamme  *out-  (lat.  avis,  gr.  o'ig  usw.)  deckt.  Der  zweite 
theil  ist  nach  der  gewöhnlichen  annähme  ein  von  der  wz.  quel- 
'hüten'  (gr.  aUnoXoq  'ziegenhirt'  ßovKÖkog  *rinderhirt')  abge- 
leiteter stamm').  Dagegen  setzt  Ceci  Rendic.  Accad.  Lincei 
V,  4  (1895)  8.  530 f.  zwei  parallele  stamme  an:  *aui'quolO'S 
(wz.  q}*el')  und  *  oup-pdiö  (mit  ai.  pdld-s  *hüter,  hirt\  aja-pätä-s 
avi-päld'S  go-palds  verwandt).  Aus  dem  letzten  soll  das  plau- 
tinische  öpiliö  und  die  italischen  eigennamen  osk.  U'pü(iei8) 
'Opilii'  Upils  'Opilius'  pel.  Obelies  'Opilius'  Ohel  'Opil-' »)  her- 
kommen. 

Drittens  weisen  folgende  nur  die  reducierung  zu  ö  statt 
der  synkope  auf: 

contiö  aus  *c6ysntiö,  Rückbildungen  sind  Convention  con- 
venif. 

fötus  aus  *fo^itO'8  :  foveö  =■  monitus  :  moneö.  Gleicher- 
weise fötus  (gen.  -tüs)  fötor  fötnentum  föculum  aus  *fauitu'8 
^fo^itör-  usw.  (Zur  etymologie  s.  o.  XXI,  163).  Wie  fötüs  usw. 
zu  foveö  verhalten  sich  mötu8  mötu8  (gen.  -tüs)  mötor  mömen' 
tum  (aus  ^mo^itO'8  usw.)  zu  inoveö,  und  vötüs  zu  vof>eö  (wz. 
•if^gttA-  :  u.  vufetes  vufru).  —  Dagegen  setzen  lötiLs  lötör  lötiö 

1)  [Vielmehr  steckt  ai.  üH-t  im  zweiten  teil.    Pr.] 

2)  Das  p  a  idg.  0f  weist  auf  dialektischen  Ursprung  von  üpüiö 
(vgl.  lupua,  bda). 

3)  Diesen  eigennamen,  nebst  lat.  Opilius,  halte  ich  vielmehr  für 
eine  ableitung  von  Ops, 


Zur  geschichte  Her  lateinischen  vocalsynkope.  209 

lömentum  einen  stamm  mit  langvocalischem  diphtbong  yoraus: 
*/ajA-  (vgl.  gr.  ftkwtog  zu  *7tXwfw).    Ebenso  totua  tomentum. 

Nbla  (osk.  Nüvlaniis  'Nolani')  aus  *Noiiela. 

Omen  (altl.  ösmen)  aus  *6y^mnen  :  gr.  oXo^iat  (—  *dj-iaiPfiaC), 

Roma  aus  *Sro\gfemä,  Vgl.  Geci  Arch.  Glott.  Ital.  s. 
p.  VI  19. 

Unsicher  ist  die  von  Geci  ebd.  vorgeschlagene  herleitung 
von  rörärii  (Non.  Marc.  532  ed.  M.,  P.  ex  F.  359)  aus  ^roii- 
es-arioi  (gr.  igewar,  i'Qevva,  aisl.  raun).  Derselbe  aber  erkennt 
die  möglichkeit  an,  rorärii  auf  eine  wz.  *röw-  (gr.  iQioi^ 
'rasche  bewegung'  ^uo^iai  *ich  bewege  mich',  ags.  rötfan^  aisl. 
röa  'rudern')  zurückzuführen  *). 

Als  regelmässige  entwicklung  ist  im  allgemeinen  die 
Synkope  anzusehen:  die  abweichende  behandlung  wird  analogi- 
schen einfiüssen  oder  speciellen  lautgesetzen  zuzurechnen  sein. 
Das  G  für  ü  (»  0)f)  beruht  auf  analogischer  anlehnung  in 
fotus  fötör  usw.  (nach  föveft),  motus  mötor  usw.  (nach  m^eo), 
votus  Votum  (nach  voveo),  nonus  nönaginta  (nach  növem),  und 
wahrscheinlich  in  nontiäre  (nach  nötitia)^  opilio  (nach  öf>is)y 
omen  ostnen  (nach  ös).  contio  ist  vielleicht  folgenderweise  zu 
erklären:  die  unsynkopierte  form  *ciiuentiö  wäre  bis  zur  zeit 
erhalten  geblieben,  wo  die  assimilation  des  nachtonigen  vokals 
an  den  hochtonigen  stattfand,  dann  wurde  *c6i^ntiö  zu  *c6^' 
ontio  und  schliesslich,  mit  lautgesetzlichem  Schwunde  das  ^ 
zwischen  gleichen  vokalen,  *  coontio  contio.  Bei  Nola,  Nostius, 
Borna  spielten  wahrscheinlich  dialektische  eigenthümlichkeiten 
eine  rolle. 

§  7.    Synkope  nach  consonant  +  s: 

dexter  dextimus  aus  *di1csitero-8  *di1csitiii^0'8  :  gr.  ds^tög, 
ai.  daksind-  däkamor,  av.  daäina-  *dexter',  Ht.  deszine  'rechte 
band',  asl.  desbm  'dexter'.    Dass  ein  vocal  vor  dem  t  wegge- 

1)  Unrichtig  ist  die  von  Kuhn  KZ.  III  898  ff.  herrührende  an- 
nähme, wonach  gloria  auf  ^^le^-es-iä  (vgl.  ai.  ^avasyd-m  ^ruhm,  ruhmes- 
that')  zarückzafuhren  sei.  Unlängst  hat  Stolz  IF.  X  70  ff.  diese  ety- 
mologie  einer  scharfsinnigen  kritik  unterworfen,  und  die  Zusammen- 
stellung jenes  wortes  mit  glarii  ^fiv&oXoyog^  (CGIL.  II  34,  15),  unter  Vor- 
aussetzung einer  abstufnng  ö  :  ä  wie  in  rädere  :  rädere,  wahrscheinlich 
gemacht.  —  Unentschieden  bleibt  ob  öiium  aus  *oi4etio'm  entstanden 
sei,  oder  ein  vulg&rlateinisches  ö  für  au  enthalte  und  mit  aututnnue 
aisl.  audr  'reichtum'  zu  vereinigen  sei. 


210  Giuseppe  Ciardi-Dupre 

fallen  ist,  ergibt  sich  aus  der  erhaltung  des  Xf  denn  urspr.  -Jcsf- 
wäre  zu  -sU  geworden:  vgl.  z.  b.  Sestiua  aus  *8extio8,  iUüstris 
aus  *illouc8tris  *). 

mixtus  aus  *mixitos  :  ai.  mek^ayati  'er  mengt  mit'. 

pono  aus  ^po-Jcsino  :  ai.  k^iH-^,  av.  äiti-i  *wohnung,  siede- 
lung',  gr.  "Axiaiq  'ansiedelung',  as.  sethal,  abd.  sedal  'sitz,  Wohn- 
sitz' usw.  (wz.  Tcpei'  nach  Brugmann  1  >  790).  Regelmässig 
ist  das  particip  postm ;  dagegen  ist  die  gewöhnlichere  neben- 
form  posäus  wohl  eine  rückbildung  aus  posui  nach  dem  Ver- 
hältnisse genitus  :  genul,  habitüs  :  habu%,  oder  nach  der  analogie 
des  Simplex  süus. 

praestö  vielleicht  aus  ^prai-ksitod  >). 

samo  aus  ^supa-emo  (vgl.  sudineo  aus  ^ supa-ieneö).  Das 
archaische  prät.  surSmit  (P.  ex  F.  425)  ist  lautgesetzlich  aus 
*8up8'Smä  ^su(8)8B'fnit  entstanden,  surempsit  (ebd.)  ist  nach 
der  analogie  der  sigmatischen  aoriste  umgestaltet,  ebenso  wie 
compsi  (statt  ^cömif  aus  *c6-SfnJ),  dempsi  (statt  ^  dornt  aus 
*di'Smi).  Endlich  wurden  nach  campst  comptus  :  cotno,  demp^ 
demptus  :  dsmo  die  classischen  formen  sumpai  sumptus  ge- 
bildet 

Mit  dieser  erscheinung  in  Zusammenhang  steht  wohl  die 
spätlateinische  Synkope  nach  88  bei  Superlativstämmen:  pientiam' 
(CIL.  III  4462)  pientismo  (VI  13432,  19877)  didciamo  (VI  13714) 
felicisma  (ebd.)  dulcismo  (IX  6270)  harümae  (EE.  VIII  266). 
Darüber  vgl.  Sommer  IF.  XI  256 f. 

Die  Synkope  eines  kurzen  vocals  nach  8  +  consonant  ist 
nur  in  hoapea  (aus  *höstipoti8),  soapes  (nach  Prell witz  aus 
*8Östipoif'8  *s^f.8tipoti8  :  Sii.  avasti-^  *  Wohlsein,  glück')  sicher  be- 
legt. Unsicher  ist  die  herleitung  von  aeatumo  aus  ^aisd(i)- 
tumo  (Bartholomae  XI  91;  vgl.  Brugmann  IF.  I  171  und 
Ceci  Rendic.  Accad.  Lincei  V  4  (1895)  s.  636). 

§  8.  Die  Präpositionen  *apo  (ai.  dpa,  av.  apa,  gr.  cr/ro, 
got.  af,  ahd.  cJ)a)  *opi  (zu  ai.  dpi,  gr.  im)  *x^po  (ai.  üpa, 
av.  tipay  gr.  J/rd,  got.  uf)  werden  in  zusammengesetzten  nomina 

1)  In  sextua  ist  das  x  wahrsoheinlioh  in  anschlass  an  $6x  ortho- 
graphisch  erhalten. 

2)  ßeraht  die  Vereinfachung  der  gruppe  -xi-  auf  der  länge  der 
vorhergehenden  silbe? 


Zur  geschichte  der  lateinischen  vocalsynkope.  211 

and  verba  zu  ab,  ob  >),  sub:  z.  b.  abdieo  aas  * dp(o)'dica(i)o, 
dsper  aas  ^dp(o)'$php'0'S  (—  ai.  apctsphüra-  Siregstossend' 
Osthoff  IF.  VI  14  ff.),  officium  aas  ^ 6p(i)'faciofn,  obtineö  aus 
*6p(i)'tene(i)o,  suffrägium  aus  *  xüp(o)'frägiom  usw.  Die  media 
statt  der  ursprünglichen  tenuis  ist  vor  tönend  anlautendem 
compositionsglied  entstanden,  und  von  solchen  fallen  aus  in  der 
Orthographie  verallgemeinert  ').  Vielleicht  gehört  auch  optimm 
hierher,  denn  man  kann  es  auf  eine  grundform  * öp(i)t'^fno^8 
zurückführen,  eine  bildung  derselben  art  wie  ngoTSQog  'vordere', 
ai.  pratard-m  'weiter,  künftig'  zu  ttqo  'vor',  lat.  exterus  zu  ex 
usw.  •). 

Hierher  gehört  proptervus  (von  proiervus  wohl  zu  trennen) 
aus  * pr6p(e)te8u0'8  :  gr,  nQOTtettjg  (vgl.  Fröhde  o.  XVII  316). 

In  allen  besprochenen  Wörtern  handelt  es  sich  um  die 
Synkope  eines  nach  tonloser  labialis  stehenden  vocals.  Da- 
gegen zeigen  lepidus  rapidus  sapidus  tepidus  trepidus  die  be- 
wahrung  desselben  in  derselben  Stellung.  Der  gegensatz  erklärt 
sich  daraus  am  besten,  dass  man  es  im  ersten  &lle  mit  viersilbigen, 
im  zweiten  mit  dreisilbigen  Wörtern  zu  thun  hat.  Wir  werden 
also  das  gesetz  formulieren:  Nach  tonloser  labialis  (oder  nach 
tonlosem  verschlusslaute  im  allgemeinen?)  tritt  die  synkope  in 
drittletzter  silbe  ein.  Ist  das  gesetz  richtig  formuliert,  kann 
man    die    von    Fay   Class.   Rev.    XI   93   und   Prellwitz   o. 

1)  Im  lat.  oh  scheint  mit  *ojn  ein  *obhi  (su  ai.  abhi  'auf,  zu'  [von 
abhi  'zu  beiden  seilen,  um'  «»  idg.  *^hi  zu  trennen],  aal.  oH)  zu- 
sammengefallen . 

2)  Hie  und  da  kommt  auch  die  lesart  op  vor:  op  tuam  (Plaut. 
P8.  944  im  cod.  vet.)  op  p»eeatum  (Ger.  Heaut.  990  im  cod.  Bembinua). 

8)  Als  eine  neubildung  nach  UgUumu»  finUumus  ist  opUuma  (CIL. 
1  1016  »  VI  1958)  anzusehen. 

4)  Brugmann  I  '  216,  Stolz  99  u.  a.  nehmen  synkope  des  re- 
duplications vocals  an  in  rettuti  aus  *r^tCeJttdif  reppuli  aus  *r6'p(e}puU^ 
reecidi  aus  *r^^ejeidiy  repporX  aus  *rS^eJper%  n.  dgl.  Dieser  an- 
nähme kann  ich  nicht  beistimmen,  in  ruoksicht  auf  proiuli  (warum  nicht 
*protkdt  ans  ^prö-iMiukf)  propuU  (warum  nicht  *propputif)  u.  dgl. 
Vielmehr  sind  formen  wie  rettuk  reppük  u.  dgl.  durch  haplologie  aus 
^reppepuU  *rott€tuk  zu  erklären.  Der  doppelte  konsonant  ist  durch 
assimilation  des  auslautenden  d  der  präposition  (red-  in  redambulo  re- 
dauBpieö  redhiheö  r$dipi$eor  redhosUö  redanUruö  redigd  redimd  rediniegrö 
redütor  rodamö  reduleero  redtndütu»  redmv&niö  redoptd  redoperio)  an  den 
anlautenden  konsonant  des  verbums  entstanden. 


212  Giuseppe  Ciardi-Dupre 

XXII  62  anm.  vorgeschlagene  erklärung  von  vüricus  aus  *fd- 
p(a)trico8  (vgl.  ai.  re-mö^ar-)  billigen  (anders  Brugmann  I  *  99, 
II  180). 

§  9.  In  propter,  aus  *propü&r,  ist  der  vocalverlust,  wie 
Sommer  IF.  XI  5  annimmt,  wohl  dem  häufigen  gebrauche 
dieser  partikel  in  proklitischer  Stellung  zuzuschreiben,  wie  bei 
iuxta  aus  *iugista  (in  gegensatz  zu  magister). 

Im  Vulgärlatein  scheint  die  synkope  zwischen  dentalen  in 
vorletzter  silbe  stattgefunden  zu  haben :  adgret(i)ti8  egrettus  aus 
*'gr€d(f)tos  (zu  -gressus  =  *'gred40'8  wie  elicitus  zu  adlectu8\ 
mattus  aus  *mad(i)to8  (zu  madidus  wie  stuUtis  zu  stolidus,  oder 
wie  lit.  tvirtas  'fett',  le.  twirts  zu  asl.  tvr^d^)  *).  Der  Volks- 
sprache gehört  ebenso  frigdo-  (für  frigido-)  :  'frigida  non  frigda' 
App.  Pr.  GLK.  IV  198,  fridam  CIL.  IV  1291,  frigdtn-,  (beispiele 
bei  Georges  Lat.  wf.  s.  v.)  tnfrigdo  Fragm.  Bern.  GLK.  IV  34, 
frigdaria  Lucil.  8,  12  ed.  M.  Auf  *frigdo-  geht  auch  ital. 
freddo  zurück. 

§  10.  Ein  kurzer  nachtoniger  vor  r  stehender  vocal 
(namentlich  ^,  denn  urspr.  ä  und  i  werden  in  dieser  Stellung 
zu  c,  und  ö,  ü  bleiben  unverändert,  vgl.  leporis  arbaris  fulguris) 
wird  nach  folgenden  gesetzen  behandelt:  I.  In  dreisilbigen 
Wörtern  wird  d,  wenn  kein  st  bezw.  sp  vorhergeht,  beibehalten: 
procer^;  Uterus;  alter  alter  um;  ceterl;  ittferus,  superus;  lacer 
lacerum;  Interim;  iterum;  impero,  superö  u.  dgl.  Dagegen 
scheint  der  vocal  in  uter  utrum,  citra  citro,  contra,  infrä  (aber 
altl.  infera  nach  Prise.  2,  30,  3;  infera  CIL.  I  1166),  suprä 
(dafür  supera  nach  Prise,  a.  a.  o.  in  Gic.  [ex  Arato]  nat.  deor. 
2,  42,  106  [bss.  supra]^  und  CIL.  I  1011),  ultra  uUro  ausge- 
fallen zu  sein.  Vielleicht  handelt  es  sich  um  bildungen  mit 
der  schwachen  form  -tro-  des  Suffixes:  vgl.  lit.  katräs  'welcher* 
(zu  ai.  kataras,  gr.  TtoieQog  'wer  von  beiden'),  ai.  ätra  *hier, 
dort,  da'  tätra  *dort,  dorthin'  ydtra  *wo,  wohin',  got  hidrS 
'hierher'  jainfrö   'dorther'   hwaprö    'woher'   usw.       Was    citrä 

1)  Unrichtig  wird  futtiUs  von  Stolz  514  u.  a.  mit  egret(tjus  auf 
eine  linie  gestellt  und  von  einer  basis  *füd(i)to-  hergeleitet.  £&  ist 
vielmehr  als  ^füiüis  (vgl.  narrö  »  *nard)  aufzufassen,  d.  h.  als  eine 
bildung  aus  der  wz.  *§he^  (gr.  /^cu  usw.)  'giessen',  wie  fertihs  aus  bher». 
—  In  eette,  aus  *cedate,  ist  die  synkope,  wie  Sommer  a.  a.  o,  annimmt, 
ein  effekt  des  Sprechtempos» 


Zur  geschichte  der  lateinischen  vocnlsynkope.  2l3 

infrä  und  andere  partikeln  betrifft,  die  als  präpositionen  ge- 
braucht zu  werden  vermögen,  könnte  die  synkope  bei  prokliti- 
scher  Stellung  eingetreten  sein.  —  II.  Nach  st  bezw.  sp  wird 
e  ausgestossen:  magister  minister  (gen.  -tri);  räpistrum  'eine 
art  rübe'  (ans  ^räpis-tero-m);  *filia8ter  (gen.  -tri)  und  die 
übrigen  bildungen  auf  -aster  (vgl.  Sommer  IF.  XI  31  ff.); 
campester,  *Nemester  (aus  Nemestrinus  'haingott'  Arnob.  4,  7 
zu  erschliessen),  paluster  u.  dgl.  (vgl.  oqeatEqoq  'bergig,  auf 
bergen  lebend',  ayqoxB^q  'auf  dem  felde  lebend'  usw.);  hime- 
stris  (mit  Übergang  in  die  t-flexion),  menstruus  (zu  ^menstro- 
wie  annuus  zu  anniMt) ;  sinister  sinistrum  (daneben,  nach  dextera, 
sinistera  Plaut.  Merc.  880,  Ter.  Eun.  835);  noster  nostrum, 
vester  vestrum;  extra  (altl.  exträd  CIL.  I  196;  daneben  extera 
nach  Prise.  2,  30,  3).  Diesem  gesetze  scheinen  folgende  bei- 
spiele  zu  widersprechen:  asper  asperum  (daneben  asprU  Verg. 
Aen.  2,  379,  asprös  Stat.  Theb.  1 ,  622  u.  a.  vgl.  Neue  Latein, 
form.  II  '  15),  dexter  dexterum  (daneben  freilich  auch  dextr-, 
vgl.  Neue  II  *  8 — 15),  exterus,  posterus,  prospems,  vesperus 
vespera.  Im  allgemeinen  sind  diese  ausnahmen  aus  der  analogie 
des  typus  alterum,  lacerum  zu  erklären,  jedoch  können  in  ein- 
zelnen fallen  besondere  gründe  mitgewirkt  haben.  *pro8prus 
wäre  schwer  auszusprechen  gewesen,  exterus  und  posterus 
nicht  nur  nach  superus  infertis,  sondern  auch  nach  exterior, 
posterior,  dexter-  aus  *  diJcs(iJteros  ist  vielleicht  lautgesetzlich, 
da  die  gruppe  -oetr-  erst  secundär  entstand  ^).  Bei  vesperus 
vespera  kann  theils  die  analogie  von  vesper  vesperis  (wo  ^  eine 
stütze  in  verber,  -eris,  tübery  -eris,  agger,  -eris  u.  dgl.  fand), 
theils  die  anlehnung  an  gr.  ^artegog  kaniga  eingewirkt  haben. 
—  III.  In  der  vorletzten  silbe  der  viersilbigen  wörter  scheint 
e  vor  r  synkopiert  zu  sein,  wenn  die  drittletzte  einen  der  Syn- 
kope unfähigen  vocal  enthält:  porcMra  aus  *p6r cetera  'mutter- 
schwein',  fabatrum  'kern  der  bohne'  aus  "^fdbätero-m,  acc.  pl. 
ungulätros  ('ungues  magnos  atque  asperos  Cato  appellavit'  P.  ex 
F.  379),  ßiatrum  (CIL.  VIII  2848).  Vgl.  Sommer  IF.  XI  16 
u.  33.  In  matertera  unterblieb  die  synkope  um  die  gruppe 
'Hr^  zu  vermeiden. 


1)  Die  häufigkeit  der  synkopierten  form  dextr-  erklärt  sich  daraus, 
dass  die  neignng  zu  dieser  art  synkope  bis  zur  spätesten  zeit  blieb; 
▼gl.  ital.  destrOf  asproy  vespro  in  gegensatz  zu  laeero. 


^14  (jrioseppe  Ciardi-Dupre 

§  11.  In  nucUus  aus  *nucul^^  >)  (nucuUus  Plaut.  Capt. 
65Ö,  Gore.  55)  haben  wir  das  einzige  classische  beispiel  der 
Synkope  vor  l  in  nachtoniger  silbe.  Bei  saedum  neben  saeeubnn, 
pödum  neben  pöctdum  u.  dgl.  handelt  es  sich  nicht  um  die 
Synkope  y  sondern  ist  -dum  die  regelmässige  endung,  wofür 
-culum  nach  der  analogie  der  deminutiva  aof  -qe-Uh  (vgL  u. 
stnthsla  'struem,  libum')  später  eingetreten  ist*).  In  cirelös 
(Acc.  tr.  100  ed.  R.,  Verg.  Georg.  3,  166),  neben  gewöhnlichem 
drculus  ans  *eirco4(h8,  ist  vielleicht  die  Synkope  der  vorher- 
gehenden grappe  r  +  consonant  zuzuschreiben.  Sonst  findet 
sie  nicht  vor  l  statt,  vielmehr  entwickelt  sich  ein  vokal  zwischen 
consonant  und  l,  z.  b.  flebüis  aus  ^fi^is  (suffix  -dUo-  mit 
secundärem  Übergang  zur  i-deklination),  singtdus  aus  *semdo8, 
angulus  aus  *ancU>8,  fistvHa  aus  *fisUa  usw.  In  nudeus  war 
wahrscheinlich  die  viersilbigkeit  die  Ursache  der  synkope,  so 
wie  in  puUieus  des  unterbleibens  der  anaptyxis. 

Das  gesagte  gilt  nur  für  die  dassische  spracha  In  der 
späteren  bezw.  vulgären  spräche  tritt  die  synkope  vor  l  regel- 
mässig ein:  z.  b.  anida  (App.  Pr.  6LK.  IV  199,  1)  €mglu8 
(197,  22)  artidus  (197,  21)  badus  (197,  22)  baph  (-  vapulo 
199,  14)  capklum  (198,  54)  fada  (198,  23)  iuglus  (197,  22) 
iuvendus  (197,  29)  tnaselns  (197,  20)  odus  (198,  18)  arida 
(198,  11)  neptida  (199,  1)  tpedtm  (197,  20)  staUum  (198,  27) 
taUa  (198,  23)  irMa  (199,  9)  vedus  (-  vehdns  197,  20)  ver- 
nadus  (197,  21)  vidus  (-  vihdus  197,  21)  crusaum  (CIL.  XI 
3303)  Rrodaea  (XV  1157).  Die  romanischen  sprachen  bestä- 
tigen einen  solchen  thatbestand:  z.  b.  ital.  9ecekia  (vulg.  lat 
sicla)^  itaL  parecchio,  fr.  pareü,  sp.  parejo,  prov.  pardk  usw. 
(vglat.  paricUh)^  ital.  trAbia  tr  Abiare,  sp.  ^Ib  trülarj  afr. 
triUeTj  pg.  Mtta  trähar  (vglat  ^rt6<a  trtUar^),  ital.  vecAio, 
fr.  vjeä,  prov.  9>e{A,  sp.  rjtf;b>  PS-  ^'^^  (vglat  oecio-)  usw. 

§  12.  Eine  Wirkung  des  akzents  erscheint  in  der  synko- 
pirung  von  €tspretum  aspredö  asprüü'dö  im  gegensatz  zu  cuper 
asperum;  in  €g^rt'cus  AprUis  g^enüber  aperiö;  in  postridie 
postremus  :  pasterus;  in  «cpremtis  :  superus;  in  exträneus  ex- 

1)  Es  ist  ein  deminutiv  sn  m»  *niu8*. 

2)  Der  im  classischen  seitalter  venchwnndene  formontenchied 
iwiscken  beiden  wortkategorien  wird  von  Plsntiit  noch  beibehalten,  denn 
er  wendet  -eolo-  itatt  -do-  nur  um  ende  eines  kalbvenes  *metri  causa' 
an,  wie  s.  b.  in  Capt.  440:  periolam  vitae  meae  tao  stat  pericolo. 


Zur  geschichte  der  lateinischen  vocatsynkope.  Slo 

tremus  eaiHnseeus  :  exterus;  in  altrinsecua  :  aüer  aüerum;  in 
[paterj  patratus  d.  h.  *mit  der  patera'  :  patera  *).  Wir  können 
danach  annehmen,  dass  vortoniges  e  vor  r,  nach  der  akzent- 
yerschiebung  synkopiert  wurde.  Das  unterbleiben  der  synkope 
bei  imperätor  operösus  veteränus  usw.  ist  leicht  zu  erklären: 
vgl.  imperö,  opera  operor^  veteris  (gen.)  >).  Derselbe  Vorgang 
erscheint  in  disciplina  (zu  disdpulvs)^  cöpUUa  (Lucr.  6,  1086). 
Freilich  ist  bei  der  synkope  vor  l  schwer  zu  sagen  wo  die 
Wirkung  der  vortonigkeit  aufhört  und  diejenige  der  Volkssprache, 
die  sowohl  in  vor-  als  in  nachtoniger  Stellung  zur  vokalaus- 
stosBung  hinneigte,  anfängt.  Das  ist  z.  b.  der  fall  mit  catlüiö 
(Plin.  n.  h.  16,  94)  cathsUr  (Vitr.)  zu  catulus,  speclätor  (CIL. 
X  684)  zu  specidor,  quaglätor  (CIL.  XIV  25)   zu  coagulö  usw. 

U.    Die  synkope  in  endsilben. 

§  13.  Die  synkope  in  endsilben  wird  von  eigenartigen 
gesetzen  geregelt,  mit  deren  erforschung  wir  uns  zu  beschäf- 
tigen haben.  Die  vertheilung  des  Stoffes  geschieht  am  besten 
nach  der  qualität  des  synkopirten  vokals. 

ä  bleibt  ausser  betracht,  da  es  in  ursprünglich  auslauten- 
den Silben  nicht  vorkam.  Das  historisch  in  nominal-  und  ver- 
balendungen  erscheinende  ä  (z.  b.  acc.  sg.  rosam,  3.  sg.  impf. 
amäbat,  präs.  subj.  legat)  ist  aus  älterem  ä  durch  secundäre 
abkürzung  entstanden. 

Ebenso  von  ^  kann  man  absehen,  denn  ^  («  ^,  ä)  bleibt 
vor  complicirtem  consonanten  unverändert  (z.  b.  auspex,  iners, 
seges  >»  *8egets,  u.  s.  w.),  und  fällt  vor  einfachem  consonanten 
mit  t  zusammen  (z.  b.  gen.  sg.  generis  aus  *gene8e8,  3.  sg.  präs. 
Ugü  aus  ^leget  usw.).  Geht  quattiwr  auf  *quetyXre8  (ai.  catva- 
rctt,  gr.  dor.  Thogeg  usw.)  zurück,  so  liegt  es  nahe,  die  synkope 
des  S  anzunehmen,  denn  der  Übergang  des  6  zu  I  ist  vielleicht 
als  jünger  zu  betrachten:  doch  kann  quattuor  die  form  des 
neutrum  *qf*et^öri  (ai.  ccUväri,  ags.  fiower,  lit.  ketuH,  vgl. 
Schmidt  Pluralbild.  191  f.,  227)  vertreten.  Sonst  ist  das  ^  in 
Schlusssilben  eine  kürzung  aus  älterem  e :  nom.  sg.  pater  fraier 
u.  dgl.,  3.  sg.  präs.  ind.  splendet,  subj.  amet,  fut.  leget  u.  s.  w. 

1)  Ob  das  griechische  lehnwort  cupresatu  (xvna^iaaos)  ans  ^eüpfaj- 
r$$9U8  (wie  nueleua  ans  *nüeuleo$,  anter  der  älteren  betonang)  oder  aas 
*eup(aJrd99U8  (wie  poHrldie  n.  dgl.)  entstanden  sei,  bleibt  nnentsohieden. 

2)  Valglat.  vtf^räntM  bei  Schachardt  Vokal,  d.  Valgärlat.  II  424  f. 


218  Giuseppe  Giardi-Dupre 

mors  aus  ^mortis  :  ai.  mf^  'tod',  lit  miriis,  asL  su- 
mr^t  ds. 

pars  aus  *partis,  in  ablaut  mit  portiö.  Hierher  auch 
expers. 

BWS  {sortis  Plaut.  Gas.  580),  aus  ^sarctis  ^srgti-s  :  ai. 
sr'ftif'  'Schöpfung,  wesen,  natur'  (vgl.  Osthoff  o.  XVU  158 ff.)? 
Bfit  9ar$  sind  die  composita  consors  exsors  zu  citiren. 

Hierher  wohl  die  volksnamen:  Laurens  {Laureniis  Enn. 
ann.  15  ed.  M.),  Tiburs  {Tiburiis  Gato  orig.  2  fr.  61),  Veiens 
(aus  *VeieiUis). 

Ob  ifigens  und  lens  einen  i-stamm  enthalten,  bleibt  un- 
sicher. Lindsay  274  fuhrt  ingens  auf  eine  basis  ingenti-  d.  h. 
*^0n^<$*  ^unknow,  uncouth'  zurück.  Aus  derselben  wurzel 
^eM-  'kennen'  wird  ingens  von  Danielsson  Altit  stud«  IV 
149  f.  erklärt;  doch  setzt  er  einen  consonantischen  stamm  *tn- 
gen-i-  voraus.  Endlich  stellt  Fay  Class.  Rev.  XI  12  f.  ingens 
mit  ai.  fnahänt-  'gross,  wichtig'  (und  mit  loc.  pl.  aghäsu  RV. 
10,  85,  13)  zusammen,  und  erklärt  es  aus  *7pgh'int-.  —  Für 
lenti'  scheinen  nom.  sg.  lentis  (Prise.  7,  64)  und  acc.  lentim 
(Gato  r.  r.  35,  &)lum.  2,  10,  15),  abl.  lent%  (Titinius  com.  fr. 
163  ed.  Ribbeck)  zu  sprechen. 

beispiel  gestützt,  vieknehr  spreohen  dominus  gemimu  ierminua  dagegen. 
W.  Schulze  KZ.  XXYIII  270  anm.  fuhrt  vehemena  auf  ^vSkw^mefU- 
(vgl.  ai.  ayuffnant'  'der  ein  langes  leben  hat'  zu  ayuf-  'leben')  zurück, 
doch  aoheitert  eine  solche  erklärung  wohl  daran,  dass  sie  auf  der  unbe- 
wiesenen, sogar  nnwahrsoheinliohen  theorie,  z  sei  im  Lateinischen  vor 
tönenden  versohlusslauten  (namentlich  6,  d)  und  nasalen  ohne  ersatz- 
dehnung  ausgefallen,  wenn  es  einem  nachtonigen  vocal  folgte,  begründet 
ist.  Nach  einer  dritten  auffassung  wäre  die  nebenform  vem&ns,  die  für 
manche  stelle  bezeugt  wird  (vgl.  Lachmann  Comm.  in  Lucr.  s.  132  t.), 
als  die  ursprüngliche  anzusehen:  vhMfu  d.  h.  ^vemetUia  sei  eine  bildnng 
derselben  art  wie  vi-tSniM  f>e-eor»  usw.  und  bedeute  eigentlich  'sinnlos' 
dann  'rasend,  heftig';  die  form  vsketneni  sei  durch  Volksetymologie  ent^ 
standen.  Dagegen  sucht  Nie d ermann  IF.  X266f.  nachzuweisen,  dass 
vemen$,  als  die  'allegproform'  zu  vehemens  («  *  osiUitiMto«)  anfgefasst,  die 
quelle  der  lateinischen  bildungen  mit  anlautendem  vS-  ist  (tücors,  vesä- 
fiti«,  v9grandi$,  tüpaUidui,  wüseus  'wühlerisch,  heikel,  keinen  rechten 
appetit  zeigend'  aber  nicht  vUeus  'freasend,  zehrend'  das  als  eine  retro- 
grade bildung  von  veseor  d.  h.  *«y4>Meor  erklart  wird).  Meines  erachtens 
ist  die  frage  über  die  etymologie  von  pehmiMM  noch  eine  offene.  — 
Was  eihnenB  anbetrifft,  kann  man  eine  grundform  *  efU-menÜ-s  ansetzen, 
aus  der  wz.  *Uei'  (dazu  Schwundstufe  *i^  in  d.  holdf). 


Zur  geschichte  der  lateinischen  yocalsynkope.         219 

Über  fims,  pans,  mans  s.  unten. 

Eine  ausnähme  zu  [A]  liegt  in  mUis^  rBtis,  vUia  vor  ^),  die 
nach  der  analogie  des  typus  ovüj  ciUis,  rätia  u.  dgl.  umgebildet 
sind.  Was  mUü  anlangt,  ist  die  Umgestaltung  am  leichtesten 
erklärlich,  da  im  Lateinischen  die  parisyllabische  deolination 
bei  den  adjektiven  die  geläufige  ist  >).  Bei  rstis  und  vUia  ver- 
mag ich  nicht  zu  sagen,  was  für  ein  besonderer  grund  den 
anstoss  dazu  gegeben  hat  Dasselbe  gilt  für  die  ausnahmen  zu 
[C]:  semetUis,  sentis. 

Um  die  behandlung  von  -dia  zu  erforschen  haben  wir  ein 
dürftiges  material  zur  Verfügung.  Man  kann  jedoch  annehmen, 
dieselben  gesetze,  welche  wir  für  4i8  ermittelt  haben,  seien  auf 
diesem  gebiete  gültig.  In  der  that,  stellen  sich  fidis,  pi^isy 
rUdis,  sädis,  trüdis  zu  cuHs,  nätia  u.  dgL  zur  seite,  und  dem- 
entsprechend zeigen  Concors  (neben  coneordis  CaeciL  com.  fr. 
109  ed.  R.),  discors  {discordis  Pompon.  com.  fr.  165  ed.  R.), 
ecccors,  tnisericors,  söcorsj  v€cors  die  Synkope  nach  liquida,  wie 
ars,  pars  u.  dgl,  auf  ')• 

Die  Synkope  bei  -pis  und  -bis  scheint  regelmässig  zu  sein: 
corbs  (Fragm.  Bob.  GLK.  V.  561)  neben  dem  gewöhnlichen 
cor  bis;  ops  Ops  inops  neben  dem  seltneren  Opis  (P.  ex  F.  211, 
Hygin.  fab.  139,  Fulgent.  myth.  1,  2);  scobs  (Prise.  7.  40)  neben 
seobis;  serobs  (Prise.  7.  40,  Fr.  Bob.  GLK.  V.  561,  Colum. 
passim)  neben  scrobis;  orbs  (nur  bei  späten  schriftsteilem: 
Yen.  Fort  9.  3. 14,  Vita  S.  Mart.  4.  583)  neben  gewöhnlichem 
orbis. 

Die  mit  capU-  zusammengesetzten  ancq^^  bieeps,  praecsps 
hatten  eine  ältere  form  *^€apis  (vgL  procapis  'progenies  quae 

1)  Absichtlich  citire  ich  nicht  den  angeblichen  nom.  sg.  fütü 
'waeeergeschirr'.  Ein  solcher  nominativ  ist  anbelegt,  der  acc.  fuüm 
(Yarro  1.  1.  5,  25,  119)  ist  ein  &nu^  JüySftepov. 

2)  Die  adjektivische  funktion  war  vielleicht  die  nrsache  wanrni  bei 
noiiräa  veitrS»  ArpinS$  a.  dgl.  die  endnng  'U$  langer  als  bei  <föf,  ti$  usw. 
am  leben  erhalten  wurde.  Bei  Arpiniäs  nnd  die  übrigen  völkemamen 
kann  die  thatsaohe  dasu  beigetragen  haben,  dass  sie  am  gewöhnlichsten 
im  ploral  gebraucht  wurden. 

8)  Dass  alle  composita  aus  -eord-  in  die  »-flexion  bei  der  Zusammen- 
setzung übertreten  seien,  ist  von  vornherein  wahrscheinlieh.  Vgl.  bmo- 
ffiMM  ^oui  geminum  est  nomen'  (P.  ex.  F.  26.  86)  eogndmmii  (Plant.) 
imMfans  (PUn.;  dagegen  muAffonis  Ovid.,  hifora  Vitruv.)  üiquip^dii 
(Mart  Galg.  de  arb.  promif.  3.  1). 

16  ♦ 


220  Giuseppe  Giardi-Dupre 

ab  uno  capite  procedit'  P.  ex  F.  281.  22),  woraus  zunächst 
*'Cipi8  (vgl.  ancipes  Plaut.  Rud.  1158,  praecipes  ib.  671,  mit 
-M  yielleicfat  in  anlehnung  an  superstes,  antütes  u.  dgl.).  Die 
classische  endung  -eq^s  wurde  wahrscheinlich  durch  die  com- 
posita  mit  cajp-  (aueeps,  princepg  u.  dgl.)  beeinflusst  —  Meiner 
ansieht  nach  sind  trabs,  urbs  wurzelnomina  auf  b,  denn  die 
nebenformen  trabis,  urbis  kommen  nur  in  späten  texten  ver- 
einzelt vor,  und  daher  können  als  ruckbildungen  betrachtet 
werden.  Ähnlicherweise  sind  die  isolirten  nominativformen  nubs 
(Liv.  Andron.  bei  Serv.  zu  Aen.  10.  636)  und  serps  (Yen.  Fort 
8.  6.  195)  analogisch  gebildet,  denn  die  synkope  der  endungen 
4)98,  -pens  ist  keineswegs  anzunehmen. 

§  15.  Synkope  des  o.  Zunächst  wollen  wir  die  silben 
-ros,  'loa  berücksichtigen.  Wenn  ein  oonsonant  diesen  endungen 
vorausgeht,  schwindet  das  ö  und  wird  das  r  bezw.  /  zu  r  bezw. 
L  Als  beispiele  hierfür  seien  erwähnt:  ager  aus  *ager(8)  "^agrs 
"^agros  (ai.  djras  *trift,  flur',  gr.  ayQog  'feld',  got  akrs  *flur, 
acker'),  imber  (mit  Übergang  in  die  i-flexion)  aus  ^f^ibhrös  (ai. 
abkrä-m,  av.  atpra-  ^ wölke',  gr.  dq>Q6g  'schäum'),  mctcer  aus 
*macro8  (gr.  ficcKQog  4ange'),  integer  aus  *entagros  (zu  tangö). 
Dabei  handelt  es  sich  nicht  um  eigentliche  synkope,  sondern 
haben  wir  mit  dem  sogenannten  samprasärana  der  indischen 
grammatik  zu  thun,  das  sowohl  in  schluss-  wie  in  mittelsilben 
(vgl.  ageUus  aus  *agerlo8  *agrolo8,  mäteriera  aus  *inätroteray 
8acerdö8  aus  *8dcrodöt8)  erscheint  Dagegen  tritt  die  synkope 
nach  kurzem  vocal  ein:  z.  b.  gener  (aus  *  generös)^  socer  (aus 
*80cero8  *8i^Jcuros,  gr.  exvQog^  ai.  gvdgura-e,  lit  ezeszuras 
'Schwiegervater'),  puer  (aus  ^paueroe);  asper  miser  prosper 
pauper  tener  satur;  alle  ^ero-stämme;  fatntd  (aus  *famelos, 
nicht  aus  *  famlos).  Als  ruckbildungen  sind  inferus  superus 
exterus  posterus  properus  prosperus  camurus  aemidus  famvlus 
pendulus  tumidus  usw.  anzunehmen.  Sommer  47  f.  hat  die 
meinung  ausgesprochen,  die  synkope  sei  in  zweisilbigen  wörtem 
lautgesetzlich  unterblieben,  und  beruft  sich  auf  den  gegensatz 
f^rus  :  semifer  (mit  kurzer  offner  paenultima)  (vgl.  cUiis  :  in- 
tercus).  Ist  diese  meinung  richtig,  so  müssten  t^iV  (aus  ^viros) 
und  far  (aus  ^bharos)  analogische  ruckbildungen  sein:  für  vir 
denkt  Sommer  an  den  von  triumvir,  decemvir  einerseits,  und 
von  den  auf  -r  auslautenden  verwandtschaftswörtem  wie  gener 
socer   levir  pater,   namentlich    von   uxor,   ausgeübten   einfluss 


Zur  geschichte  der  lateinisofaen  vocalsynkope.         221 

ifar  citirt  er  nicht).  —  Nach  langer  pänultima  erscheint  die 
Synkope  weder  in  zwei-  noch  in  mehrsilbigen  Wörtern  (z.  b. 
clsrus  amärus  v^us  sevSms  dirus  märus  pürus  matürus),  und 
es  hindert  nichts  anzunehmen,  dieser  thatbestand  sei  der  laut- 
gesetzliche. 

Da  -ri',  4i'  in  bezug  auf  das  samprasära^a  mit  -^o-,  -Uh 
hand  in  band  geht  (vgl.  hibemus  aus  *h%brinos,  facultas  aus 
*faciüä8  u.  8.  w.),  so  ist  von  vornherein  wahrscheinlich,  4%8, 
-rü  seien  ebenso  der  synkope  unterworfen,  aber  in  der  that 
kann  man  dafür  kaum  ein  paar  beispiele  anfuhren,  denn,  in- 
folge des  häufigen  Übertretens  der  ro-,  -/o-stämme  zur  i-fiexion, 
bleibt  es  in  einzelnen  fallen  unsicher,  ob  es  sich  um  einen  -ro, 
'lo-  oder  um  einen  -ri^,  -2f-stamm  handelt  Wahrscheinlich 
waren  dAil  (neben  debäts)^  pugü  vigil  echte  /i-stämme. 

Die  endung  4o8  scheint  in  derselben  weise  wie  -Hs  behan- 
delt zu  werden. 

Nach  Brugmann  Ber.  d.  k.  sächs.  ges.  d.  wiss.  1893 
8.  144  anm.  geht  fons  auf  den  im  gottesnamen  Fontus  erhal- 
tenen stamm  *dhon4a-s  zurück,  worauf  wohl  die  o-stufe  der 
Wurzel  hinweisen  soll.  Die  Wurzel  sei  dhen-  'fliessen',  ygl.  ai. 
dhdnati  ^flieset,  rinnt'  (so  auch  Bugge  Gurt,  st  IV  343  f., 
BB.  XIV  78,  Fick  I  *  74  u.  463,  Persson  St  145;  nach 
Von  Planta  I  453  sind  vielleicht  hierher  auch  die  flussnamen 
Don,  Donau  zu  ziehen  >).  Der  Übergang  zur  consonantischen 
(bezw.  f-declination)  sollte  im  nom.  sg.  *font(oj8  und  gen.  pl. 
*fontum  geschehen.  —  Gleicherweise  geht  man  auf  *mon-tO'8 
zurück,  WZ.  men-  'hervortreten,  sich  erheben'  (vgL  S-mineö  «m- 

1)  Über  die  etymologie  dieses  Wortes  gehen  die  ansichten  weit 
aaseinsnder.  Maarenbrecher  N.  jahrb.  f.  philol.  CXLV  199  stellt  /ans 
zu  fene^tra  und  fahrt  beide  auf  ws.  dhen-  'öffnen'  zurück  (s.  Brugmann 
n  1483).  Nach  Breal  MSL.  VI  116  f.  heisst  fons  'endroit  oü  Peau  heurte, 
on  eile  jaillit'  und  geht  auf  die  wohl  bekannte  ws.  ffifhen^  'schlagen,  ver- 
letzen' znr&ck  (der  bedeutung  wegen,  sei  auf  gr.  nfiyt  <ce  qui  perce  le 
lol  ä  la  fagon  d'un  pieu  qu'on  fiche'  hingewiesen).  Johansson  Beitr.  z. 
gr.  sprachk.  116  verbindet  fons  mit  gr.  ij^^a^  (gen.  *g>^ßfrog)  und 
lässt  den  stamm  */on^  aus  ^/ouni-  herleiten:  das  r  sei  im  nom.  sg. 
*föur-  ans  ^fröu-T'  durch  dissimilation  verschwunden.  Endlich  sei  die 
ziemlich  verbreitete  ansieht  erwähnt,  wonach  fönt"  einem  *§h^owt-'  (wz. 
§hsff-'  'giessen',  gr.  x^^)  entsprechen  soll  (einen  stamm  ^gho^O'Wt'  anzu- 
setzen, hindern  die  romanischen  sprachen,  die  ein  <f  erheischen,  wah- 
rend aus  */ifoni-  nur  ^/ol^Jon^  ^fönit-  entstehen  konnte). 


222  Giuseppe  Giardi-Dupre 

mineö  pramineö,  wozUi  nach  6.  Meyer  Et.  wb.  d.  alb.  spr.  255, 
alb.  maje  'spitze,  gipfeP  :  s.  auch  Persson  KZ.  XXXUI  292  f.). 
—  Gewöhnlich  wird  pons  mit  ai.  path-  'pfad,  weg*,  asl.  pqh 
'weg'  zusammengestellt,  wobei  unentschieden  bleibt,  ob  es  ein 
oonsonantischer  oder  ein  t-stamm  ist^).  Ich  vergleiche  viel- 
mehr pons  mit  gr.  Ttovrog  'meer'  nicht  nur  in  rücksicht  auf 
die  Wurzel  sondern  auch  auf  die  flexion  *).  —  Nach  dem  ge- 
sagten können  frauduUns  (Plaut.)  opulms  (Sali.,  Apul.)  nkiens 
(Horat.)  die  lautgesetzliche  entwickelung  von  *"lml(o)s  vertreten, 
und  daher  fraudvlentus  u.  dgl.  rückbildungen  nach  den  casus 
obliqui  sein. 

Für  die  synkope  nach  liquida  gibt  es  ein  beispiel:  puls 
aus  *polt08  (gr.  noltog  *brei'). 

Die  belege  für  die  synkope  nach  langem  vocal  sind:  dam- 
näs  Sanas,  inquiSs  irrequüs  mansues.  Dagegen  sind  inqiMütus 
u.  s.  w.  und  die  participia  auf  -atus,  -Uus,  »Uus  u.  s.  w.  als 
analogische  rückbildung  zu  betrachten. 

Was  die  endung  -cos  betrifft,  kann  ich  mich  darauf  be- 
schränken, auf  Sommer  49  zu  verweisen,  der  sich  folgender- 
weise ausspricht:  'freilich  finden  sich  berührungen  zwischen 
k'  und  X;o-stämmen  auch  in  anderen  idg.  sprachen  [Brugmann 
2,  239,  384  f.];  die  grosse  ausdehnung  jedoch,  die  der  Übergang 
in  die  konsonantische  flexion  speziell  im  Lateinischen  genommen 
hat,  so  namentlich  bei  den  adjektiven  auf  -ix  =  -teos^  -äx  = 
"Oeos  [vgl.  das  Keltische],  legt  die  vermuthung  nahe,  dass  der 
deklinationswandel  durch  lautliche  Vorgänge  unterstfitzt  wurde, 
so,  indem  der  n.  sg.  mask.  auf  -äcas  usw.  lautgesetzlich  zu  -ax 
wurde". 

§  16.  Synkope  des  ü.  Das  einzige  beispiel  soll  caelebs 
sein,  das  nach  Solmsen  KZ.  XXXIV  35 f.  auf  * caivüe-bhu-s 
(zu  ai.  lUvaUi'  'ausschliesslich,  einzig*,  also  ^allein  lebend')  zu- 
rückgeht.   Der  annähme  dieser  synkope  widerspricht  die  durch 

1)  Im  Ai.  wechseln  in  der  flexion  von  paih^  die  oonBonantiBchen 
und  die  »-formen  ab :  Instr.  sg.  ptEihä  dat.  sg.  pathe  loc.  sg.  paihi  gen. 
loc.  dn.  patho9  acc.  pl.  paihaa  gen.  pl.  paihämj  dagegen  instr.-dat.-abl.  du. 
paihMjfam  instr.  pl.  patMbhü  dat.-abl.  pl.  pathibhyM  loc.  pl.  patUu 
Die  übrigen  casus  folgen  einem  n-stamme. 

2)  Wurzelverwandt  sind  aUe  untereinander.  Für  die  bedentungs- 
entwicklang  vgl.  mit  pwu :  nomo^  das  verhältuss  av.  p9r9Uh  'brücke'  : 
ag8./ori{,  abd.  vmi  'fort'. 


Zur  geschichte  der  lateinischen  vocalsynkope.         223 

keinen  analogischen  einfluss  zu  erklärende  erhaltung  des  ü  in 
der  dativ-ablativendung  -bus.  Ich  nehme  vielmehr  an,  die  flexion 
Yon  caelebs  sei  nur  in  den  casus  obliqui  lautgesetzlich.  Aus 
gen.  sg.  ^Cüj^ibfi-is  dat.  *cc^libi^i  usw.  konnte  nur  caelibis, 
cadibi  (vgl.  dubius  aus  *dU'bh^^8;  amabö  amobam  aus  *amär 
bhu'ö,  *amahh'^'^m)  entstehen.  Zu  caelibis,  caelibi  wurde  ein 
nom.  caelebs  gestellt,  nach  dem  Verhältnisse  princeps  :  principis, 
ufis  :  urbis  usw.  Vgl.  auch  Prellwitz  o.  XXII,  114,  nach  dem 
überhaupt  nicht  von  -^bhü  auszugehen  ist,  sondern  von  M^ 
'scheinen'. 

Florenz.  Giuseppe  Oardi'Dupri. 


Gr.  nsiQw  und  orpo. 

Die  idg.  wurzel  *per,  *por,  zu  der  gr.  /ret^cti  aus  "^ne^-ina 
gehört,  drückt  die  Vollendung  einer  nach  vorwärts  gerichteten 
bewegung,  bezw.  eines  nach  einem  bestimmten  ziele  hin  ge- 
richteten bestrebens  aus.  Aus  dieser  grundbedeutung  erklärt 
sich  die  grosse  menge  stammverwandter  wörter :  I.  Die  Wörter, 
denen  die  bedeutung  'durchdringen,  an  das  ziel  oder  ende  ge- 
langen' zugrundeliegt.  Gr.  TteiQiOj  neqaia  'dringt  durch',  nof^ 
'weg'  {ftoqeMa^  noglCai),  ifji'fgo^  'reisender',  ai.  päram  'ende, 
grenze',  porah  'das  jenseitige  ufer',  prantak  'rand ,  säum',  gr. 
fteQa  'das  jenseitige  land',  fKSQatfj  ds.,  TteiQaQ  'ziel,  ende', 
nsQalvw  'vollende',  neiforr/  'spitze,  nadel',  fteiga  'schärfe',  ai. 
parvan-  'abschnitt',  gr.  Ttgifivov  'Strunk',  Ttfjvnvog  'der  äusserste', 
Ti^jAVf]  '  schi&hinterteil ' ,  diafinsQig  'durch  und  durch',  dia^ 
nffvaiov  'durchbin',  {-fregeg  in  diafiTtSQig  ist  das  neutrum  des 
selben  Stammes,  der  in  ä''ftB(i)(i4a'iog  'unendlich'  vorliegt;  dazu 
dia'iTqvau)v  y  dessen  nqva-  die  schwundstufenform  zu  -negeg 
ist  (Prellwitz  Et.  wb.  261  stellt  ngifAvov,  nqvfAvog  zu  an. 
frakkr  u.  s.  w.,  idg.  *preg,  *preng  'stark  sein' ;  das  geht  wegen 
Ttv/AOTog  nicht  an,  siehe  unten),  got.  faran  'fahren',  f&ra  'seite, 
gegend'  u.  s.  w.,  ahd.  vurt,  aisl.  fi^rdr  'bucht',  lat.  portus 
'hafen',  porta  'zugang',  porto  'führe,  kelt.  -rüum  'vadum',  russ. 
parofm,  ahd.  farm  'fähre',  aw.  p^r^iu-  'brücke'.  IL  Die  wörter, 
denen  die  bedeutung  'hinüberfuhren,   verkaufen,  handeln'  zu« 


224  Hans  Reichelt 

gründe  liegt:  gr.  ftBQcua^  nifgvTiiJii^  ttiTtfjiawa  'verkaufe'  fc6qvti 
Werkänfliche  dime'i  ai.  vya-priya-  'beschäftigen'  vyä'pärah  'ge- 
schafft pan-  aus  ^parti-  'handeln',  lit  pdnas  'verdienst',  pelnyti 
Verdienen',  perkü  'kaufe',  priläs  'preis',  lat  pretium  'preis', 
(Prell  witz  0. 23.2ölf.),  inter-pres &as  *°pr0t8  'Zwischenhändler', 
air.  renim  'verkaufe'.  HX  Die  Wörter,  denen  die  Bedeutung  'er- 
fahren, versuchen'  zugrunde  liegt:  neiQa  'versuch',  TteiQotay 
fteiQa^ta  'versuche',  ai.  ni-punah  'gewandt,  erfahren',  lat.  ex- 
periot  'versuche',  re^perior  'finde',  perUus  'erfahren',  perictdutn 
'versuch',  lit.  prantü  'verstehe',  prdtas  'verstand'. 

Alle  diese  Wörter  gehen  also  auf  einen  gemeinsamen  idg. 
stamm  *per,  por  zurück,  der  in  den  verschiedenen  abstufungs- 
formen  als  *per,  *por,  *pr,  *per,  *pör  (*prSy  *pro)  erscheint. 
Ich  gebe  zu,  dass  sich  gegen  manches  der  angeführten  Wörter 
wegen  seiner  Zugehörigkeit  einspräche  erheben  liesse,  doch  hoffe 
ich  mich  durch  die  folgenden  ausführungen  rechtfertigen  zu 
können.  Die  reihe  der  aus  der  wurzel  *per  zu  erklärenden  Wörter 
ist  noch  nicht  erschöpft.  Es  steht  mit  ihr  zweifellos  noch  eine 
anzahl  adverbialer,  bezw.  praepositionaler  formen  in  engstem 
zusammenhange.  Der  reine  stamm  liegt  in  ^per  (lat.  per^ 
umbr.  per-,  lit.  p^,  got.  fair-)  vor.  Auf  diesen  stamm  müssen 
einzelne  zu  adverbien  erstarrte  kasusformen  zurückgeführt 
werden,  die  zusammen  die  declination  eines  einsilbigen  neutrums 
ausmachen  [vgl  *döfn,  *dö  'haus' :  ^detn-ö  'baue'].  Die  grund- 
bedeutung  ist  etwa:  "strecke  (der  durch  das  ziel  abgegrenzte 
weg),  ziel,  Zeitraum,  Zeitpunkt,  ende".    Es  mag  diese  ansieht  ^) 

1)  üebrigens  steht  diese  ansieht  nicht  vereinzelt  da:  id^.  *a$U\ 
(ai.  ä)ni\  'gegenüber',  gr.  avtt  'gegenüber',  lat.  afUe  'vor',  got.  and  'gegen', 
jit.  aSU  ^aaf)  wird  wie  gr.  avra  'gegenüber'  (avrriv)  als  kasus  eines  mit 
ai.  drdal^  'nähe,  ende',  got.  andeis  'ende'  und  lat.  antes  'reihen'  zu- 
sammenhängenden Stammes  aufgefasst.  *afUi  ist  regelmässiger  locativ, 
avra,  avrriv  regelmässiger  instrumental  ^atUijt,  ^antem  [vgl.  Verf.  BB. 
25,  288]  EU  einem  stamm  *arU:  Idg.  ^ifT^os  Hrans*  (ai.  tirdh,  aw.  iard) 
ist  genitiv  eines  Stammes  *<«r-  (za  ai.  *^f-  'bohren',  gr.  retgm  n.  s.  w.), 
dessen  ursprüglicher  nominativ  ^(ir  nur  in  osk.  teerlüm]^  ierüm  'land, 
gebiet',  air.  tir  aus  ^ter-i  'gebiet'  vorzuliegen  scheint.  Der  bedeutung 
wegen  vgl.  die  sippe  *per'  :  gr.  nigag  ^ziel,  ende'  —  rigfia  'ziel,  ende'; 
ai.  parvan  'abschnitt'  —  osk.  terüm  'stück  landes';  ai.  pärdm  'ende, 
grenze',  pärah  'jenseitiges  ufer'  —  ai.  itram  'ufer,  rand' ;  netgta  :  ntQ-  : 
nd^(  s  Tiigot  :  ti^  :  ai.  iirdh.  lat.  irans  ist  zu  terra  aus  ^ter-ea  zu 
stellen;  vgl.  ai.  Hrah  aus  fiip$  :  »oQtf'fi  ns  iram  aus  ^trfe-  :  ters^-a. 


Gr.  neiQfo  und  tcqo.  225 

befremdend  sein,  allein  die  vergleiohung  mit  den  declinations- 
yerhältnissen  der  einsilbigen  neutra,  wie  sie  Meringer  S.  Wien. 
AW.  125,  2  untersucht  hat,  unterstfitzt  dieselbe  wesentlich. 
Zu  dem  verbum  *d€mö  *baue'  gehört  das  neutrum  *döfnj  *dö; 
zu  "^perö  ist  allerdings  kein  *por(*pärJ  oder  *po(^pe)  zu 
finden  9  doch  beweisen  mir  formen  wie  air.  air[inaU  ^admodum 
lentus  neben  gr.  ngti-triv  'jährlich'  einerseits  und  gr.  na-yuxv 
'hart',  TtozL  'zu'  neben  /r^ri,  aw.  paüi  neben  ai.  prdU,  hom. 
TtvfjLotoq  'der  äasserste'  neben  rtffvfivog  andrerseits,  dass  es  einen 
ursprünglichen  nom.  *per  thatsächlich  gegeben  hat  und  dass 
zu  einem  nom.  *pGr  die  nebenform  *po  noch  vorhanden  ist. 
Gr.  nto-yta»  ist  nach  Prellwitz  a.  o.  269  zu  n^yog  'stark' 
zu  stellen :  ''starr  nach  der  alten  mode,  vgl.  ognjvo7twy(av^\ 
Diese  erklärung  scheint  mir  gerade  so  gekünstelt,  wie  die  aus 
Ttvyw,  Tttoytov  ist  in  nw^wv  zu  trennen;  -^tay  gehört  zu  gr. 
yipvgy  lat  gena  'kinn'  und  nw  zu  ncQ-^  Ttqo-,  miywv  ist  also 
das,  was  vor  oder  an  dem  kinn  ist,  der  'hart'.  VgL  g>koy6g 
Tewyan^  'der  hart,  rand  der  flamme'  Aisch.  Ag.  291.  Zu  gr. 
TtoTi^  aw.  paüi  und  Ttvfjicctog  vgl.  die  ablautverhältnisse  von 
idg.  *§rGu  'handmühle'.  Meringer  a.  o.  lit  glr-na  \  9i,  br6  ^^ 
§r  :  §ro.  In  idg.  zeit  standen  bereits  die  nom.  *§räu  und  *§rö 
nebeneinander;  der  gemeinsame  genitiv  war  *§i^u^08  (*^tfr- 
nuuas).  Als  aber  der  nom.  durch  das  -n-  des  obliquen  kasus 
erweitert  wurde,  entstanden  neben  nom.  *§rö^  formen  wie 
cymr.  bretvan,  got  qaimus  aus  *§re^(m-,  *§em^',  neben  nom. 
§rö  formen  wie  lit  glrna,  ahd.  quim  aus  *^n-,  ^§em  mit 
Verlust  des  stammhaften  -u-.  Gr.  Tto^c  :  Tew-ytav  •-  ftoQ-og : 
^rnoQ*.  Hom.  Tcv/Aorog  aas  Ttofiatog  ist  nicht  mit  osk.  postnom 
zusammenzustellen.  Osk.  posmam  ist  wohl  wie  pustm(a8)  aus 
post-mam  entstanden.  Planta  2,  207,  Fr.  Sommer  IF.  11,209. 
*n6^a%oq  aus  *noitQk'tog  ist  direct  mit  Ttfiftv-ov,  nqvfAV'og  zu 
verbinden.  nO'ficnog  :  Ttw-yov  ä  TtQS-fivov  :  n(fij^T7iv,  Ferner 
ist  das  bestreben  des  nominativs  sich  zu  vergrössern  und  das 
Vorhandensein  des  aus  den  obliquen  kasus  stammenden  -n  ein 
beachtenswerter  anhaltspunkt  Neben  nom.  *döm^  dö  'haus' 
steht  gr.  dofAog^  ahd.  zimbar  aus .  *dein''r(h  und  dcJ/ua,  difiag 
mit  a  aus  9;  vgl.  gr.  niga  'jenseitige  land',  ai.  pärdm  'ende', 
hom.  TtÜQQQ  'ende'  und  gr.  niqag  'ziel'  {rteQaivw)^  Tttqovtj 
'spitze',  lit.  pelntu  u.  s.  w.  Neben  nom.  *ö8  'mund'  steht  lit. 
ü'st-as  'flussmündung',  preusa   aust-in  'mund';  vgl  lit.  pröt-as 


226  Hans  Reichelt 

Verstand',  lat.  inter-pre(t)'8  ^zwiscfaeDhändler'  u.  s.  w.  Neben 
nom.  *dör  {*döru)  *holz'  steht  an.  trog,  ahd.  mhd.  troc  aus 
vorgerm.  ^drukö-  [Kluge  Wb.  ^  382];  vgl.  lit.  prikis  ^preis' 
(perkü  'kaufe').  Neben  dem  idg.  nom.  *e8,  isf  'blut'  steht  ai. 
dsrg;  vgl.  gr.  Ttgay-og^  Ttgay-^a  *that',  nga^ig  ^geschäft'  aus 
"^pfg-.  Neben  nom.  *rföw  *haus'  steht  aw,  nmäna-,  damanti' 
aus  *dman'  [Meringer  a.  o.];  vgl.  lat  prönus  'vorwärts  ge- 
neigt'. Lindsay  Lat.  gr.  371.  Lat.  prönus  kann  aber  auch 
aus  *proven-08  entstanden  sein,  wie  ncniAs  aus  *  noven-os,  vgl.  ai. 
pravandh  'abhang'.  Dafür  spricht  dor.  n^Qänjgs^us  *  ftQa-faV'ijg 
=-  *Pr-W&(^)'  [oder  aus  ^pfn-?].  Weitere  parallelen  werden 
später  zur  spräche  kommen. 

Idg.  *per  (lat.  per,  lit.  per,  got  fair-)  ist  der  reine  stamm, 
wie  er  in  *per'ö  vorliegt  Die  bedeutung  ist  entsprechend 
'durch';  daneben  mit  der  bedeutung  'durchaus,  ganz,  sehr'  gr. 
7C€Q,  lat  per-  (magnus),  lit  per-  (saldüs),  air.  er-  (chosmil). 
Ich  sehe  keine  notwendigkeit  gr.  nig  aus  ftegi  zu  erklären, 
wie  es  häufig  geschieht  Sowohl  gr.  Ttig  wie  alle  andern  ange- 
führten formen  sind  suffixlose  locative,  wie  gr.  ev-dov  aus  *-dom 
'drinnen,  im  hause',  o-vokalismus  zeigt  wahrscheinlich  lat.  por-; 
doch  ist  mit  Lindsay  a.  o.  678  die  möglichkeit  zuzugeben, 
dass  in  lat.  por-  eine  idg.  nebenform  pf,  wie  etwa  in  got.  faur, 
vorliege.  Dazu  osk.  per-t  'trans',  vgl.  pamphyl.  TtegT-idtiUfM; 
got  fairra  aus  *  fair -na  'fern'  und  fairneis  'alt';  ai.  par-ut 
'im  vorigen  jähre',  gr.  Ttegvoi,  an.  /  fiord,  air.  onn-urü, 

Idg.  *prö  'vor,  hervor'  (ai.  pra-,  lat.  pro,  gr.  rtgo^  air.  ro-, 
got.  fra-,  lit.  pro-,  asl.  pro),  *prö  (lat  pro,  lit.  pro,  asl.  pra). 
*prd  kann  keine  kasusform  unseres  neutrum's  sein.  Man  könnte 
vermuthen,  dass  es  entweder  eine  aus  der  komposition  losge- 
rissene form  ist,  die  in  dem  -o  den  kompositionsvocal  erhalten 
hat,  wie  gr.  vöqo-  (neben  avvÖQog,  ved.  anudrdh)  zu  vdwQ^  oder 
ein  [in  der  komposition  reducirter]  nom.  *prö,  der  durch  Um- 
stellung aus  *pör  oder  durch  eindringen  des  r  aus  den  ob- 
liquen kasus  aus  *pö  entstanden  ist.  Letztere  annähme  wird 
wahrscheinlich,  wenn  man  zu  gr.  /r^Vt  —  kret.  noqxly  lat  port- 
in  portendo  aus  port-tendo  .  oder  zu  aeol.  Ttqeg  aus  *  nqew-g^ 
lett  pret,  preti(m)  —  pamphyl.  7r6^-[€dwx€  vergleicht  Die 
beste  erklärung  dürfte  aber  die  sein,  dass  *pri  eine  kasusform 
eines  aus  *per-,  pr-  gebildeten  o-stammes  ist  [vgl.  gr.  Ttgo- 
ftoQoi'^eVf  osk.  perum,  ai.  pärma].    Dafür  spricht  vor  allem 


Gr.  Tteiqw  und  rtqo,  227 

die  komparatiyische  bedeutung  Wor'  und  ai.  parah  'der  andere', 
welches  wort  in  seiner  bildungsart  an  lat.  ali-us  erinnert  An 
den  locatiy  *ali  mit  der  bedeutung  'dort'  ist  das  o-sufGx  ange- 
treten: *^^ali-08,  der  dort  (nicht  hier)  befindliche,  der  andere". 
Fr.  Sommer  IF.  11.  3.  Ebenso  ist  an  den  locativ  *per  das 
o-suffix  getreten:  ^per-os  'der  durch,  vom  (also  nicht  da)  be- 
findliche, der  andere'.  Ich  sehe  in  *pro  den  instrumental  zu 
*per-0'^  der  in  der  komposition  aus  *perö  reducirt  worden  ist. 
Ebenso,  wie  ai.  parah  'der  andere,  der  fremde,  der  feind'  und 
zugleich  'der  vorzüglichste,  beste'  bedeuten  kann,  begegnen  sich 
in  *prS  die  gegensätze  'für'  und  'gegen'  {7tq6tv  u.  s.  w.).  Diese 
eigentümliche  erscheinung  erklärt  sich  daraus,  dass  die  kom- 
parativische bedeutung  durch  ein  vorhergegangenes  urteil  be- 
dingt ist,  in  dem  gegebenen  falles  die  Sympathie  des  urteilenden 
zum  ausdruck  kommt  Dazu:  ai.  prdti,  gr.  Ttqojt  u.  s.  w., 
asl.  proii;  ai.  prdtara-,  gr.  nqoTtqog  (doppelbildungen  wie  lat 
superior,  dexterior  vgl.  Fr.  Sommer  a.  o.  97);  gr.  nQOfioSy 
nqaiiog  'der  vordere',  ngv^jovig  (kret  /r^o-ro^ig)  'fürst',  got 
fruma,  fram-,  lit  plrmas  'der  erste',  umbr.  protnom;  ai.  prd^ 
thamdk  'der  erste' ;  umbr.  per-ne  'vorn' ;  ai.  prä4dr  'früh',  osk. 
pruter  (pruter  pan  ^priusquam');  ai.  präk  'bevor,  vor',  praö 
'östlich'  (A;-stamm;  Bartholomae  IF.  4,  121  ff.).  Neben  idg. 
*her,  *kor  'hörn,  haupt'  steht  gr.  m^vs,  x^r-,  aw.  srvä;  vgl. 
ai.  purvah  'der  vorderste'  (ap.  paruviyatah  'von  früher  her'), 
asl.  prbvyj.  Zu  gr.  nfftot  'früh'  aus  ftQüif-i  (Tr^oiux,  fSQmog)^ 
lett  prä'-jam  'hervor',  ahd.  fruo,  frö  aus  *{pröu)  pro  vgl.  idg. 
*döru  'holz',  §önu  'knie'  und  gr.  ytovla  aus  *ywy/-'ia.  Dazu 
ngünog  'der  erste,  vorderste'  (dor.  rtQarog)  aus  * rtQiaF^cnogy 
*pfu'^ilj,-to8;  nQtarjy  'vordem'  (dor.  ftQoy)  aus  *7tQ(o/'aVy  *pfVf'V^^ 
Neben  idg.  ^«r-  'körn'  steht  got  kaum,  asl.  zrbno,  lat.  gränum 
aus  *^fw-;  vgl.  lat.  pran-dium  'frühstück'  aus  ^pfn-. 

In  ai.  pu/rdh  'vorn,  vor',  aw.  parö  'früher',  gr.  n&qog 
'früher,  vor'  liegt  der  genitiv  ^pfr-ös  vor.  Syntactisch  ist  er 
als  partitiver  genitiv  aufzufassen,  wie  die  homerischen  localen 
und  temporalen  genitive. 

Ai.  pare  'darauf,  feinerhin',  gr.  nagai-  (in  TtaQatßarrjg), 
lat  prae  'vor,  bei',  osk.  prae,  umbr.  pre,  got.  faura,  ahd.  fora 
(Collitz  BB.  17,  17),  lit  pre  aus  idg.  *prr'ai,  *pr'ai  dativ. 
Eine  syntactische  erklärung  vermag  ich  nicht  zu  geben.  Dazu 
lit.  prisz  (&- stamm  wie  ai.  präk,  praö)  und  preez-ais  (n&cb 


228  Hans  Reichelt    Or.  jtUQio  und  nfgo, 

Delbrück  vg^  synt  589  I.  PL),  lat  prae-Ur  'vorbei  an^ 
ausser',  umbr.  pre-tra  'priores'. 

Ai.  pdram  'nach',  pdra  'weiterhin',  parä  'fori,  hin'  gr.  naga 
'neben,  bei',  niQä  'ultra',  lat.  perem-  in  perendie  'übermoiigen' 
aus  idg.  ^pTT-^n^,  *per'7fi.  Vgl  Hirt  Akz,  226,  Verf.  BB. 
25,  232. 

Ai.  pdri  'um',  aw.  pairi  'um',  gr.  negi  'um'  aus  idg.  *per-i 
loc. ;  daneben  die  suf&dose  form  *per,  s«  oben.  Dazu  gr.  neQi-^ 
'ringsum'  (A;-8tamm),  rt^iaaog  aus  *n^i'tiag  'überzählig'« 
Vielleicht  gehört  auch  idg.  *pri  (lat.  pri,  päL  pri,  lit  pri,  asl. 
prif  got.  fri,  hieher;  es  könnte  ebenso  gut  ein  loc.  sein,  wie 
*p(r)ra%  ein  dativ.  Es  ist  aber  auch  möglich,  dass  es  einen 
nom.  *pör-i  oder  ^pr-i  g^eben  hat.  Vgl.  Jfia  %a  nom.  pl. 
'dickicht'  zu  *doru  'holz'  (Meringer  a.  a.  o.).  Dazu  gr.  Ttgi-p 
'früher',  lat.  prior  'der  frühere'  aus  *j>r»-MW-  (pal.  pri4ram\ 
priS'  aus  priris-  (pri-ios-)  in  pris-cus  'alt',  pria4inu8  'ehemalig' 
(Fr.  Sommer  a.  a.  o.)  primus  'der  erste'  aus  * j^rj-t «-mti« u. s.  w. 

Nach  den  obigen  ausführungen  rekonstruire  ich  die  ur- 
sprüngliche flezion  folgendermassen : 

Nom.  (*pör),  *per;  *pö. 

Es  lässt  sich  schwer  entscheiden,  ob  der  ursprüng- 
liche nominativ  nur  o-vocalismus  gehabt  hat.  Doch 
halte  ich  den  ansatz  eines  nom.  *p9r  yom  stamme 
*per  für  durchaus  berechtigt. 

Gen.  ^prr-os 

Dat.  ^prr-ai,  ^pr-atj  ^per-ai 

Instr.  *prr'Pfn,  ^pTT-fß,  ^per-^  ^per-ip. 

Loc.  *per,  *per4,  ^pr-i  (*psr?). 

Baden  bei  Wien,  26.  Sept.  1900.  Hans  Beiehdt. 


Die  etymologie  von  Poplicola. 

Skutsch  fasst  in  Fleckeisens  jahrb.  suppl.  XXVH  p.  101  f. 
Poplicola  als  entstanden  aus  poplicula,  dem  deminutiv  von  pd- 
pulus  „pappel".     Ich  sehe   davon  ab,   dass  bei  pöpulas  als 


A.  Zimmermann     Die  etymologie  von  Poplioola.        229 

nebenform  pöpius  (anders  ist  es  mit  poptUus)  bis  jetzt  nicht 
nachgewiesen  ist,  dass  auch  die  ableitungen,  so  z.  b.  pöpuletum, 
populeus,  pöpulifer  —  poplifer  würde  eine  schöne  parallele  zu 
poplieula  ergeben  —  die  form  ohne  u  nicht  bieten;  ich  sehe 
davon  ab,  dass  wir  poplicola  erst  in  folge  von  analogie  aus 
poplieula  hervorgehen  lassen  müssen:  aber,  wogegen  sich  mein 
Sprachgefühl  bei  dieser  etymologie  sträubt,  das  ist  die  annähme 
der  deminutivendung  „cula^.  Mochte  in  päpulus  ursprünglich  eine 
deminutivform  schon  enthalten  sein  oder  nicht,  dem  volke  musste 
das  wort  seiner  form  nach  nur  als  ein  deminutivum  erscheinen. 
Dann  aber  konnte  als  die  Steigerungsform  des  deminutivs  nur 
i,ellu8(a)^  an  den  stamm  herantreten.  Vgl.  populus,  popeUuB  — 
auch  in  diesem  wort  ist  „tdus^*  nicht  deminutivendung  —  oeu- 
lus  ocdlua,  tabula  tabdla,  arcula  arceUa  etc.  Vgl.  femer  dazu 
noch  Diomedes  Gr.  1.  I  326  f.  Priscian  (Hertz  102,  20  f.)  lässt 
sich  über  den  gebrauch  des  diminutivsuffixes  „culu8(a/^  folgen- 
dermassen  aus:  „a  primae  vero  vel  secundae  declinationis 
nominibus  nullum  invenitur  diminutivum  in  has  desinens 
formas''  und  wenn  nun  auch  nach  Stolz  H.  gr.  II  p.  577  diese 
regel  durch  einige  wenige  ausnahmen  durchbrochen  wird,  so 
findet  sich  unter  diesen  ausnahmen  doch  keine,  die  auf  ein 
wort  mit  der  endung  ulu8(a)  zurückgeht.  Denn  oUa,  wozu  sich 
Th.  Prise.  4.  1.  die  form  oUicula  findet,  konnte,  wenn  wirklich 
es  aus  einem  deminutiv,  welcher  endung  auch  immer,  entstanden 
ist,  in  dieser  form  unmöglich  mehr  als  solches  gefasst  werden. 
Wenn  ßomolog^)  einen  ochsenhirten  bezeichnete,  dann  konnte 
doch  wohl  poplicola  einen  völkerhirten  bezeichnen.  Poplicola 
als  eigenname  war  dann  ebenso  möglich,  wie  die  bei  Bechtel- 
Fick  p.  83  und  236  citierten  Aa^ßwtaq^  noifi-ayÖQog,  Iloifi- 
a¥iaq.    Die  form  poplicola  schliesst  sich  der  bildung  nach  genau 

1)  Die  dem  gr.  'xolos  genau  entsprechende  form  —  eohis  haben 
wir  noch  im  völkemamen  Aequicolus  —  vgl.  CLL.  I  p.  664  elog.  XXV 
rex  Aequ§ieohi9,  das  ?  wohl  bei  Aequieolus  in  anlehnung  an  ausdrücke 
wie  A^quieoUntj  AequieuUar  hervorgerufen  —  und  in  „vuico/ti«".  Vgl. 
c.  gl.  II  207,  68  „vtoctf/tM  66(3v  inifitXriTi^s^^,  Aequicohu  :  Poplieola  » 
p&diaequud  :  lus^qua  (Apuleias).  Beide  eigennamen  sind  nicht  bloss  in 
ihren  vollformen,  sondern  auch  in  der  karzform  ans  überliefert.  Aequi- 
eohu  :  Aequus  ^  Poplieola  :  PopUus,  CLL.  I  116  b  A^quieoku  bedeutete 
nrspr.  den  einen  gleichen  räum  beackernden,  der  name  war  also  wohl 
bei  der  aufteOang  der  l&ndereien  aufgekommen.  Aquteulus  (Pfahlbaner?) 
Yerg.  Aen.  IX  684. 


230        A.  Zimmermann    t)ie  etymologie  von  t^oplioola. 

an  agriecia'y  hat  dieser  urspr.  den  den  acker  umwandelnden 
bezeichnet,  so  jener  den  sein  volk  umwandebiden,  schützenden; 
ist  doch  Ägricda  auch  ein  häufiges  cognomen  im  Latein  ge- 
wesen. Die  bedeutung  ,,Yolksfreund'^  hat  das  wort  erst  viel 
später  bekommen,  als  das  verbum  colere  seine  bedeutung  nach 
dieser  seite  hin  erweitert  hatte. 

Nun  soll  nach  Marx  Studia  Luciliana  p.  74  der  beiname 
der  Mucii  Seaevola  nichts  anderes  sein  als  das  deminutiv  von 
setneva  im  sinne  des  moetinum  subrectumque  Signum ,  des 
Wappens  der  Mucii,  und  dem  entsprechend  möchte  S kutsch 
die  pappel  als  das  insigne  der  g.  Valeria  ansehen  und  den 
beinamen  ebenfalls  von  dem  wappen  herleiten.  Aber  das  alles 
ist  doch  sehr  unwahrscheinlich.  Wie  viel  leute  des  namens 
Link  bezw.  Linke  laufen  im  deutschen  reiche  herum,  deren 
Urahnen  doch  offenbar  ihren  namen  daher  erhalten  haben,  weil 
sie,  wie  man  hier  in  Schlesien  sagt,  linkser  waren!  Männer 
des  namens  Sxaiog  finden  wir  bei  Pape  angeführt,  und  Scaevus 
Memor  war  ein  tragischer  dichter  zur  zeit  des  Domitian.  Es 
ist  doch  viel  wahrscheinlicher,  dass  Seaevola  deminutiv  des 
häufigen  c.  Scaeva  ist  als  des  appellativums  scaeva  in  einer 
ganz  entlegenen  bedeutung.  —  Vgl.  SuUa  neben  Sura.  — 
Seaeva  aber  ist  neben  Scaevus  als  name  ebenso  entstanden  wie 
Alba  neben  Albus,  Casca  neben  Cascus.  In  erster  linie  kommen 
doch  bei  der  cognominalen  benennung  körperliche  eigen- 
tümlichkeiten  in  betracht,  und  zum  ausdruck  derselben  waren 
nicht  bloss  adjektiva  recht  geeignet  —  vgl.  z.  b.  Sempronius 
Longus  —  sondern  auch  substantiva  mit  adjektiven  im  ablativus 
qualitatis.  Dexjenige,  der  später  Scaeva  bezw.  deminutivisch 
Seaevola  hiess,  war  ursprünglich  der  homo  ^)  scaeva  (manu), 
der  Alba  oder  Casca  hiess,  der  homo  alba,  casca  (comä)  — 
cascus  wie  cänus  hier  gleich  grau  — .  Ich  erinnere  hier  zum 
vergleiche  nur  an  den  Wettiner  Friedrich  mit  der  gebissenen 
wange,  an  die  „Grosskopf,  Breitkopf,  Linke'*  u.  s.  w.  Nun  be- 
schränkte sich  das  c.  Seaevola  ja  gar  nicht  auf  die  Mucii.  Ein 
P.  Septimius  Seaevola  findet  sich  z.  b.  in  den  Verrinen  I  13. 
38  u.  s.  w.  Ebenso  gab  es  nach  ausweis  der  fasti  coss.  neben 
den  Valerii  auch  Gellii  Poplicolae,  einen  M.  Antonius  Publicola 

1)  Wie  Uu9Q  sp&ter  allein  die  Unke  band  bedeutete,  eo  wohl  aueb 
9ea$ta;  wir  sagen  doch  aaoh  „<2t«  /mAtf". 


Max  Kiedermann   2uin  namen  cles  zeigfingers  a.  s.  w.    2dl 

finden  wir   G.  I.  L.    VIII    15929,    einen    Vipstanus   Poplicola 
XIV  2795,  bezw.  VI  2002  n.  8639. 

Somit  kann  ich  die  von  mir  BB.  23.  86  gegebene  und  in 
der  hauptsache  mit  der  alten  übereinstimmende  etymologie  des 
namens  Poplicola  für  falsch  noch  nicht  ansehen. 

Breslau.  Äug.  Zimfnermann» 


Zum  namen  des  zeigfingerB  in  den  indogermanischen 

sprachen. 

Albrecht  Weber  im  festgruss  an  Rudolf  v.  Roth  (Stuttgart 
1893)  8.  136  macht  auf  eine  stelle  im  Qatapatha-Brähmana 
(XII  2,  4,  5)  aufmerksam,  wo  es  von  den  fünf  fingern  heisst: 
»Dies  ist  der  kürzeste,  dies  ist  der  grössere,  dies  ist  der  grösste, 
dies  ist  der  welcher  am  meisten  speise  verzehrt,  dies  ist  der 
breiteste.  Er  hält  damit  zusammen  den  bekannten  deutschen 
kindervers:  »Das  ist  der  daumen,  der  schüttelt  die  pflaumen, 
der  liest  sie  auf,  der  trägt  sie  heim,  und  das  kleine  fingerchen 
hier  frisst  sie  ganz  allein«  (cf.  Simrock,  Deutsches  kinderbuch  ' 
[1857]  s.  6  no.  27).  In  einer  Variante  dieses  sprüchelchens 
(Simrock  a.  a.  o.  no.  28)  ist  es  der  zeigfinger,  der  die  pflaumen 
isst.  Beide,  zeigfinger  und  kleiner  finger  werden  mehrfach  im 
vedischen  opferritual  beim  essen  erwähnt.  »Offenbar,  sagt 
Weber,  wurden  beide  finger  beim  herausholen  der  speisen  aus 
der  Schüssel  und  beim  auskratzen  der  schüssel  nach  vollendetem 
mahle  speziell  verwendet «.  Eine  bestätigung  dieser  ansieht 
soweit  sie  den  zeigfinger  betrifft,  liefert  uns,  was  Weber  unbe- 
achtet oder  wenigstens  unerwähnt  gelassen  hat,  der  name,  den 
dieser  finger  im  Griechischen,  im  Litauischen  und  im  Bretoni- 
schen und  Eymrischen  führt  Griechisch  heisst  der  zeigfinger 
Juxctvog,  was  klärlieh  zu  leixof  'ich  lecke'  gehört.  Im  Litaui- 
schen haben  wir  smilim  (Kurschat)  oder  smUinis-  pirsztas  (cf. 
mittheilungen  der    litauischen   literar.   gesellschaft  I   391)   zu 

1)  Dass  im  altertuxn  allgemein  —  nicht  bloss  von  den  Valeriem  — 
popUeola  als  deijenige  aufgefasst  wurde,  der  popalum  oolit,  dafür  bieten 
nns  die  not.  Tironianae  und  das  c.  gl.  einen  beweis.  Denn  c.  gl.  II 
269,  36  heisst  es  „(fi^^oxi^cfi);  pMusoW^  und  in  den  not.  Tiron.  folgen  in 
der  mbrik  „de  agricnltnra",  die  mit  colit  beginnt,  aceoio,  püblicolaj 
ager  etc.    Vgl.  hierüber  Heraens  in  Wölfflins  Arch.  XII  p.  29« 


232  W.  Prellwitz    Gr.  aiaaw  aus  *samkjlö, 

smaüüs  'naschhaft',  nach  Mielcke  auch  lUius,  was  dem  griech. 
Xixctpog  entspricht  ^).  Die  Bretonen  benennen  den  zeigfinger 
als  biz  iod  d.  i.  »breifinger«  (iod  —  bouillie,  mets  compose  de 
lait  et  de  farine  cuits  ensemble  et  qui  est  la  principale  nour- 
recture  des  paysans  bas-bretons  [Le  Gonidec])  und  entsprechend 
heisst  er  in  Wales  bya  yr  med  {uwd  s=  hasty-pudding,  bargoo, 
pape,  porridge).  Schliesslich  sei  noch  erwähnt,  dass  in  dem 
kinderliedchen  no.  30  bei  Simrock  der  dem  daumen  nächste 
finger  leckfeng  d.  i.  leckfinger  genannt  wird  und  dass  sich 
dafür  in  der  Altmark  die  bezeiohnung  pöttchenlickr  »töpf- 
chenlecker«  finden  soll  (cf.  Pott,  Zeitschrift  für  YÖlkerpsycho- 
logie  und  Sprachwissenschaft  XII  163). 

La  Ghaux-de-Fonds,  19.  october  1900.     Max  Niedermann. 


Gr.  dtaaw  aus  *saisikiö. 

^Aiaaui  kann,  da  ihm  bei  Homer  das  digamma  fehlt,  nicht 
zu  yt%  gestellt  werden;  auch  das  lange  f  von  aixi^  bliebe  so 
unerklärt.  Fröhde's  ansatz  (o.  XX,  204^  von  aiaikio,  das  er 
zu  ai.  t^ate,  e^-  stellt,  hat  das  bedenklicne,  dass  die  bildung 
des  ganzen  wertes  dabei  unverständlich  bleibt. 

Dagegen  wird  diese  vollkommen  klar,  wenn  wir  *8ai$Aj^ 
als  intensivum  von  yseiko,  arlk  betrachten,  nach  dem  typus  von 
ai.  dedtpyate  von  dip,  dedwyate  von  div,  wie  ihn  G.  Burchardi 
o.  XIX,  169  ff.  197  festgestellt  hat.  Als  wurzel  betrachte  ich 
somit  »Ik,  Seiko,  sik  in  ixo;,  der.  «Ixco,  ^'xoi,  n^iaaofiaij  ft^oi^. 
Für  diese  wurzel,  deren  sprösslinge  in  den  idg.  sprachen  ich 
im  Gr.  et.  wb.  unter  fnua  aufführe,  habe  ich  als  grundbedeu- 
tung  „hinreichen,  wonach  die  band  ausstrecken'*  angesetzt, 
saiHkiö  diaau)  heisst  intransitiv  losfahren  nach  einem  ziele  zu, 
transitiv  aus  der  band  schleudern,  schwingen,  auch  steht  Soph. 
Ai.  40  x^Q^  ^  object  zu  y^ev.  Es  zeigt  sich  also  wirklich  als 
intensivum  grade  zu  jener  bedeutung. 

Die  laute  fügen  sich  dieser  ableitung  ebenso  gut  wie  die 
Wortbildung  und  die  bedeutung.  Zunächst  wurden  beide  a  zum 
hauch,  in  ailaato  aber  schwand  zuerst  der  anlautende  hauch 
infolge  von  dissimilation  und  dann  der  im  innern.  Vgl.  avog 
=s  lit.  saüsaa. 

Tilsit.  W.  P^eUwitz. 

1)  Eine  nachbildung  nach  gr.  It^avog  dürfte  digütu  gu&taUr  bei 
HieronymoB  in  Jesai.  11,  40,  12  sein. 

1)  In  der  Meroeler  gegend  habe  ich  bUCdiaiH»  („schfisselleoker*') 
für  Zeigefinger  gehört.    Ne.  fahrt  auch  9maiiu$  für  seigefinger  an.    Pr, 


A.  Fick    Die  griechischen  yerbandnamen  (ethnika).     233 


Die  griechischen  verbandnamen  (ethnika). 

Die  Dachstehende  skizze  ist  zu  dem  zwecke  entworfen,  an- 
schaulich zu  machen,  dass  auch  die  yerbandnamen  (ethnika) 
der  Griechen,  zunächst  die  namen  der  Stammes-,  Staats-  und 
stadtgenossen,  nach  denselben  grundsätzen  wie  die  übrigen 
eigennamen  gebildet  sind,  also  in  dasselbe  grosse  System  einge- 
gliedert werden  können  und  müssen. 

Vollnamen  auf  -d/wsg. 

Sehr  alt  und  verbreitet  ist  die  benennung  griechischer 
Stämme  als  -^dfoveg.  Die  bedeutung  dieses  den  schlusstheil 
bildenden  alten  wortes  a/(ov  ergiebt  sich  aus  der  vergleichung 
mit  ättag  (aßiTag)  „freund,  geliebter^^  äita  bei  Alkaios;  nach 
Theokrit  Idyll  12,  14  6  Seaaalög  unot  dtTtpf  nannten  die 
Thessaler  so  den  geliebten;  in  hf-ipjg  scheint  sich  Sog  mit  sskr. 
€Cv<iS  „gunst''  zu  decken;  das  verb  lebt  im  lat.  aveo  und  sskr. 
dvat  ütd  gern  haben,  sich  gütlich  thun,  fördern  u.  s.  w. 

-aFioifj  das  für  sich  allein  nur  in  dem  namen  der  ^'Aoveg^ 
alter  bewohner  Böotiens  erscheint,  ist  gebildet  wie  dqvjytivy 
rffpoi^eg'  vir^tpoweg  Hesych.;  xctfrjq>6v€g  zu  naw'rjqnjg  wie  ^a/wy 
zu  svtnjg.  Am  Schlüsse  von  compositen  findet  sich  -d/tav  ver- 
einzelt auch  im  nomen:  so  in  didvfi-dtav^  dtt-dtav;  ionisch 
attisch  oiffifav  würde  dorisch  oqydoiv  lauten,  wie  'Alufidav  : 
^^IxfidfOP  IrdfAx^oy,  ionisch  Ma%iuiip  :  Maxatav;  ionisch  ^itav 
wozu  ^mvlt]  (sicl)  bei  Archilochos,  lautet  dorisch  ^dv  aus 
^dwv ;  auch  att.  anottiiav  ist  hierherzuziehen :  OTiatitavog  aus 
aTtari^ovog.  Dorisch  xoivdv  geht  auf  noivcuav  zurück,  aber 
Ttoivio-vog  ist  von  KOiyu)-  in  moivd^aaa^m  gebildet.  Will  man 
diesen  ausgang  -acov  als  „suffix^'  benennen,  so  mag  man  es 
thun;  auch  hier  ist  wie  so  oft  z.  b.  im  deutschen  -thum  und 
-lieh,  ein  altes  ursprünglich  vollbegriffliches  schlusswort  zur 
blossen  ableitungsform  herabgesunken. 

Die  mit  -aW,  dorisch  -dv  zusammengesetzten  stammnamen 
herrschen  im  N.  und  NW.  des  griechischen  landes  vor,  sind 
dagegen  im  0.  und  S.  nur  vereinzelt  erhalten. 

Am  Hämos  wohnten,  um  im  hohen  norden  zu  beginnen, 
die  ^Ayqiaweg^  ein  Päonerstamm,  aber  griechisch  benannt.    Sie 

BilMC«  s.  kude  d.  iMlg.  iiitMhMi.   XXVI.  "  16 


234  A.  Fick 

hiessen  nach  Steph.  auch  ^^ygiai,  l/iyQdioi  TSTQaavXXdßws, 
^'Ayqaoi  und  Idygutg^  mal  to  nTtjTixcv  ^AyqiytAv;  der  name  ist 
also  ganz  wie  ein  griechischer  vollname  gekürzt:  l^yQiag  wie 
noveldag  :  TIoTeiddtaVf  l^yQäiog  wie  Eq^oioq  :  *^EQfida)Vj  ^AyQievg 
wie  uälvi€vg  :  Aiviäv, 

An  der  grenze  lUyriens  finden  wir  die  ^EyxBhav^gj  die  mit 
verkürztem  namen  auch  ^Eyxslalg  wie  ^Ayfiäig  und  Aivievg^ 
und  ^yxiXaioi  hiessen.  Die  Schreibung  *EyyEl5veg  beruht  wohl 
auf  der  makedonischen  ausspräche  des  namens  vgl.  Strabo  326 
MkiOi  de  Hat  avfiTtaaav  vqv  fJtixqt  KoQxvQag  MoKedoviav  nQoaa- 
yoQevovaiVj  ahioXoyovvTsg  aiia^  ovi  xai  xavi^ai  xal  diaJiixTwi 
Tcal  xXa/ut;dt  aal  älXoig  TOiOvroig  %Qiiv%ai  naQaTtXrjaiwg.  Ob 
der  name  griechisch  oder  bloss  gräcisiert  ist,  ob  die  leute  ur- 
griechischer oder  illyrischer  herkunft  waren,  ist  ungewiss,  die 
sage  setzt  sie  mit  Kadmos,  dem  eponymen  der  Kadmeier  in 
verbmdung. 

In  Epeiros  sassen  die  '^xraye^.  *AqK%amv  ist  von  aQTi%og 
bär  gebildet  wie  Awuiiav  von  XvKog  wolf.  Im  Deutschen  liegt 
ähnlich  Bern-win  (Förstemann  I  237)  neben  Wolfwin  (Fö.  I  1357). 
Man  könnte  sich  auch  an  die  ^Aqmddag  neben  den  AvTnaovldai 
erinnert  fühlen. 

Ebenfalls  in  Epeiros  hausten  die  ^Avivrav^g  (Auvtavi 
Smlg.  1336).  Der  name  gehört  zu  tivtov  kq>&w  Hesych;  n 
steht  dialektisch  für  v^,  t  erklärt  sich  durch  die  aspirierte 
ausspräche  des  v,  also  Tivrog  aus  Tiyhd'ogy  wie  kretisch  Tvcewog 
aus  dyhascgy  und  ist  so  %iv%6g  mit  tiv&og  „kochend  heiss'' 
identisch.  Ursprünglich  war  ^Auvräveg  gewiss  ein  Spitzname: 
er  bezeichnete  die  leute  als  „rohfleischesser^S  wie  Thukyd. 
3,  94,  4  von  den  Eurytanen  Aetoliens  berichtet:  (iifAog)dyoi 
elaiv^  (ag  Xiyovrai,  Den  Griechen  war  der  genuss  rohen  fleisches 
ein  barbarischer  greul,  schinken  und  rauchfleisch  war  ihnen 
nicht  geläufig. 

Der  name  eines  dritten  epeirotischen  Stammes  TaXaiäreg 
{Talaidv  Smlg.  1349,.  Talaiaveg  1349,  10)  enthält  vorn  takai-, 
wie  in  Takai-fiivijg  und  jahxi-Hpifuv  vgl.  taXa-fteigiog  und  talaai- 
g>^v;  ihrem  namen  nach  hatten  die  leute  ihre  lust  am  tragen 
und  wagen. 

Am  oberlaufe  des  Acheloos  (Inachos)  waren  die  ^A&a^ 
fioifsg  zu  hause,  deren  name  an  ^apiiag^  ^afAvog^  ^aftivog 
^'Ad'fiO'VOv  anklingt;  sie  sassen  wohl  im  „tann*^    Ohne  zweifei 


Die  griechischen  verbandnamen  (ethnika).  235 

ist  ^^d-äfiag  vtoQy  der  sagenkönig  der  Minyer,  eponym  der 
Athamanen,  wie  Jvfiag  der  Jvfiävsg,  oder  me  Tev&gag  zu 
Tev&Qctria  steht  Eine  weitere  kürzang  von  ''^d-dfiag  liegt  in 
lofififjg  :  Tafifji€(o  ^yatga  nannte  Kaliimachos ,  wohl  nach 
Anakreons  Vorgänge,  die  Stadt  Teos,  als  deren  gründer  Atha- 
mas  galt,  wie  denn  Anakreon  seine  Vaterstadt  ^^&afiarrida 
genannt  hat.  Die  verdoppelang  des  fi  ist  in  kurznamen  regel- 
recht, T  für  ^  erklärt  sich  aus  der  aspirierung  des  fi,  wie  sie 
in  Mhei^iag  und  sonst  auch  in  der  schrift  ausgedrückt  wird. 
Ebenso  erklärt  sich  pto^Xog  Anakreon  88  für  (ic%l6g  aus 
fihoxXog;  ^mug  bei  Herodas  3,  ÖO  wohl  aus  Hipponax,  sonst 
Qccxig^  steht  für  qhaxig,  ^anQaog  Bechtel  Ion.  inschr.  19,  67 
für  ^iaxQhaogt  va^yijJUa  ionisch  neben  d-OQytjlia  0.  Hoffm.  3, 
s.  602  entstand  aus  -StcQhyi^lia. 

Von  N.  nach  S.  haben  sich  die  Aivtöv^  vorgeschoben :  der 
schifiskatalog  nennt  sie  neben  den  Perrhäbem,  in  geschicht- 
licher zeit  wohnten  sie  am  oberen  Spercheios  als  nachbarn  der 
Malier.  Nach  Stephanos  Hyovfai  yuai  Aivuig^  ihr  land  heisst 
Alna  und  Alvig^  nuxi  ^ivvog  noxafibg  avr^g.  Vielleicht  sind 
sie  von  diesem  flusse  benannt,  oder  nach  dem  lande  Aivia^ 
wie  die  OoiTiavEg  von  Ooivia,  Die  Vorsteher  des  Stammes 
biessen  Amaq%ai^  wie  die  der  Dorier  am  Pamass  Jü)fia(fxai. 

Da  die  Dorier  erweislich  aus  dem  norden  vorgedrungen 
sind,  dürfen  hier  die  Jvf^aveg  eingereiht  werden;  der  eponym 
heisst  bei  Apd.  2,  8,  3,  ö  Jvfiag,  wie  wir  oben  ^A^äfiag  als 
eponym  der  Athamanen  fanden.  Jvfiag  kommt  als  heroen- 
name  auch  bei  Homer  vor.  Darf  man  Jvf^ay  s  Jvfiatay  zu 
di-dvfiaoiy  stellen?  oder  mit  diesem  zu  dSfiog?  Dann  wären 
die  Dymanen  die  „hausleute^^  im  gegensatze  zu  den  ^^YXlsig  den 
„kriegsleuten"'  vgl.  nq^U^g  und  preuss.  li^tn^  „kämpfen". 

Den  Westen  von  Mittelhellas  nahmen  die  ^Axaqväveg  ein. 
Zur  deutung  des  namens  verhelfen  die  Hesychglossen  xafyrj' 
^fiia  und  avTomoQvog'  avto^ijfiiog.  Die  l^naqyaveg  erfreuten 
sich  hiemach  der  straf-  oder  leidlosigkeit ;  ähnlichen  sinnes 
sind  die  städtenamen  ^A-aivti  und  *Aiifaig>iov^  zweifellos  zu 
axqaignnjg  „unversehrtes  in  Akarnanien  selbst  *Alv^€ia  zu  akv^* 
aXvnor  Hesych  {Ivyja  zu  Xvygog  Xsvyaldog).  Zu  xa^yiy,  avTo- 
yuxfrog,  gehört  zweifellos  der  beiname  ApoUons  Kaqn^Biogj  als 
gott  des  strafenden  Verderbens.  Weiterhin  ist  desselben  Stammes 
i&/^,  dorisch  Kdq.     Die  Keren  sind  ursprünglich  strafgeister, 

16* 


236  A.  Fick 

wie  Rohde  Psyche  I,  10  und  a.  a.  o.  schön  nachweist.  In  He- 
siods  Theogonie  heisst  es  von  der  nacht  217  xal  K^Qog  eyei- 
veno  vrileoftoivag.  Dazu  stimmt  sehr  schön  lit.  kora  strafe, 
weniger  slav.  kara  „rixa'S  Vor  Akamanien  lag  eine  insel 
KaQvag;  hängt  ihr  name  mit  dem  der  Akamanen  zusammen? 

In  Akamanien  wohnten  die  OoiTiäveg  (OoiTiävog  Smlg. 
1380  a)  dazu  Ooiriai'  rcolig  *u4yuaQvaviag^  liyejai  nai  OoiTior 
%ai  xo  BdyvKdv  Ooirievg  aal  Ooitioiy  wg  ^EUdvinog  kv  %6ig 
TQ(oixoig  Steph.  Auch  hier  wird  von  dem  ethnikon  auf  -av 
auszugehen  sein,  wenn  der  name  mit  tpölTog^  (poiria)  umher- 
schweifen zusammenhängt;  davon  kann  der  ort  nicht  wohl  un- 
vermittelt genannt  sein,  wohl  aber  von  g>oiTiäoveg  leuten,  die 
ihre  freude  am  umherschweifen  haben.  Mit  OoiTiog^  Ooirievg  : 
0OITIQV  vergleiche  Aiviog  Aivisvg  :  uilviay. 

Im  innem  Aetoliens  wohnten  die  EvQvrävag  nach  Thuk. 
3,  94  ap^doaroTccToi  yJiuiaaav  xal  wfiiHpayoL.  In  heroischer  zeit 
spielten  sie  eine  rolle:  ihr  eponym  ist  Eurytos,  der  grosse 
schütz  und  herr  von  Oichalia.  ^Qvrog  geht  gewiss  auf  ivqvto 
und  so  auf  die  Spannung  des  bogens;  nach  Thuk.  a.  a.  o.  waren 
die  Aetoler  seiner  zeit  sämmtlich  xffiXoL  leicht  bewaffnet. 

Im  westlichen  Lokris  gehören  hierher  die  MvSveg^  falls 
Paus.  6,  19,  4  die  Myanen,  welche  waffen  als  siegesbeute  nach 
Olympia  gestiftet  hatten,  in  den  MvovAg  erkennt,  die  Thukyd. 
3,  101  in  Lokris  nahe  der  phokischen  grenze  ansetzt.  Steph. 
sagt  unter  Mvovia  —  ol  TtoXizai  Mvoveg  und  nennt  die  Stadt 
weiterhin  Mviav  —  oi  rtolitai  Mvoveg,  wo  cod.  A  die  richtige 
form  Mvurveg  bietet.  Mvwv  zu  Mtdv  (=  Mvatav)  wie  "/aiy  zu 
'/oy  —  Ycfcfiy.  Am  weitesten  nach  osten  sind  die  ^Idoveg  vor- 
gedrungen, die  vielleicht  aufis  engste  mit  den  "u4ovsg,  alten  be- 
wohnern  Böotiens,  zusammenhängen,  so  dass  Yocuv  der  vollname, 
"Wfüv  daraus  gekürzt  wäre,  wie  bei  uns  During  „Thüringer^*  aus 
Hermun-dure  gekürzt  ist  und  diesen  alten  vollnamen  späterbin 
geradezu  vertritt.  Hierfür  lässt  sich  die  länge  des  er  in  ^Aoveg 
im  gebrauche  der  dichter  anfuhren,  die  sich  aus  der  dehnung 
des  vocalanlauts  des  zweiten  compositionsgliedes  erklären  würde. 

Der  name  der  ^Idoveg,  der  berühmteste  dieser  gruppe,  ist 
vollkommen  deutlich.  Die  formen  anlangend  bemerkt  Stephanos 
richtig:  'idiov  xat  ^Iijwv  (altionisch)  —  hi  di  töv  'Idwv  ^Idv  (do- 
risch), kurznamen  sind  ^'Itav  'lag  ^lanog.  Mit  dem  vollnamen 
hiessen   die    Attiker  ^Idoveg,   für   die   von    Attika  ausgehenden 


Die  griechischen  verbandnamen  (ethnika).  237 

kolonisten  wurde  die  kürzung  ''/oiy  üblich,  die  später  auch  für 
die  Athener  galt,  so  lange  sie  sich  nicht  des  namens  schämten. 
Das  erste  glied  7-  gehört  zu  läo^ai  ialrw  iegog  aus  is-.  Die 
volle  bedeutung  „heilfreund,  heilesfroh^'  liegt  noch  in  *Iav-laxogj 
von  dem  es  Schol.  Ar.  Plut.  701  heisst  „mot  de  fCQooTi&iaaiv 
^iaviaxor  xat  l^le^voQa^^  nämlich  zu  'laaw  und  Ilavmeia  und 
sonstigen  heildämonen.  'lütpidsg  oder  'iioviadeg  hiessen  heil- 
kräftige quellnymphen  in  Elis  Paus.  6,  22,  7,  auch  der  fluss 
'7iay  in  Thessalien  wird  von  seiner  heilkraft  also  heissen.  "IwVy 
der  eponym  der  *'lafV€g  ^Idorsg^  ist  söhn  des  heilgottes  ApoUon 
li^irOg^  der  als  solcher  wohl  selbst  ^Idatv  hiess,  wie  der  heilgott 
verkleinert  als  Uarlaxog  erscheint  Der  gottes-,  beiden-  und 
Stammesname  war  ursprünglich  ein  und  derselbe,  wie  ja  auch 
ApoUon  von  Athenern  und  loniem  als  navQmog  verehrt  wurde. 
—  Ähnlich  tragen  die  Sachsen  den  verkürzten  namen  ihres 
kriegsgottes  Sahs-nöt,  des  schwertgenossen. 

Im  Peloponnes  finden  wir  den  ausgang  -crcor  nur  in  stamm- 
namen  Arkadi^s.  Hier  leiten  sich  alle  Arkader  von  Lykaoniden 
ab,  die  als  söhne  eines  völkervaters  Lykaon  gedacht  und  benannt 
sind.  Ursprünglich  fiel  auch  hier,  wie  bei  den  laonen,  gottes-, 
beiden-  und  stammesname  zusammen:  Zeus  Avuaiog  hiess  mit 
voUnamen  ^vxdaty,  wie  der  heros  und  sein  volk.  Der  volle 
ausgang  hat  sich  hier  unter  dem  schütte  des  mythos  erhalten. 

Ebenfalls  auf  -aiov  ging  ursprünglich  der  name  der  It^reg 
aus,  die  den  NW.  Arkadiens,  die  Azania,  bewohnten.  Ob  der 
attische  demos  Azenia  hiermit  zusammenhängt?  Vielleicht  ist 
eine  alte,  nicht  contrahierte  kurzform  ^A^dv  =  att.  li^ijv  an- 
zunehmen, wie  eine  solche  wohl  in  KefpakXdv  s  attisch-ionisch 
K€(paXli]v  vorliegt.  Im  hom.  hymnos  auf  den  Delischen  Apoll 
209  ist  das  überlieferte  l^^avrida  xov^v  (Koronis)  ganz  un- 
nöthig  in  *AC,avida  verändert :  ^'AC/oig  g.  "u^avwog  steht  zu  !^av 
wie  *A&d^ag  zu  *A9a(iäy^  Jvfiag  zu  Jvfidr.  ^^evg  hiess  nach 
Paus.  9,  37  ein  Minyerfürst  zu  Erchomenos,  der  name  verhält 
sich  zu  Ifi^dtov  wie  ÜOQ&evg  zu  IloQ^oiünf.  Koronis  heisst  sonst 
tochter  des  Phlegyas,  des  eponym  en  eines  zweigs  der  Minyer; 
derselbe  wird  als  ^'AJ^ag^  vater  der  Koronis,  und  als  Minyer- 
könig  'Al^&jg  benannt,  weil  S^a  und  g>liy€iv,  (pkeyv-dcg  sinn- 
verwandt sind.  — 

Wie   in  den   stammnamen  ist  der  ausgang  -cfon^  in  den 


238  A.  Fick 

beiden  und  götternamen  stark  vertreten,  während  es  in  histo- 
rischen menschennamen  kaum  vorkommt 

Es  sei  hier  nur  an  die  heroischen  namen  bei  Homer  I^/äv- 
^a(ov  liTCiaawv  l/iQeratov  u4.X%fjidwv  ^[yisrmov  Avuatav  Maxotmv 
und  an  die  götternamen  ^EQ^awy  Iloaeiddwv  Ilaiawv  erinnert. 

Stammnamen  auf  -o/reg,  -wTcegy  'tartoi 

Wie  Ed.  Meyer  Glesch.  d.  alt  2,  44  hervorbebt,  tritt  eine 
anzahl  meist  nordgriechischer  stamme  durch  die  gleiche  namen- 
endung  -^n^  -tc,  (art-  in  eine  nähere  Verbindung. 

In  Makedonien  finden  wir  die  ^AiQoneg^  auf  die  auch  der 
makedonische  königsname  ItiiqoTtog  weist:  ^AiqoTtBg-  M9vog 
TQOtX,iiva  xatoixovv  xai  iv  Maxedovlai  yivog  ri  xal  oqv^a 
xiva  Hesych.  Nach  Aristot  H.  A.  6,  1,3  sind  die  vögel  des 
namens  die  bienenwölfe,  die  sonst  ^iqoTteg  heissen.  Vgl.  aeQideg' 
jnihaaai,  Hesych?  Nördlich  von  Edessa  sassen  die  ^'AXfimneg^ 
vermutlich  nach  aXiia  hain  benannt,  also  „hainleute". 

Aus  Obermakedonien,  der  landschaft  Deuriopos  drangen 
die  JwQiOTceg  (Jovq-,  JevgloTceg)  vor,  für  die  beim  weiteren 
vorrücken  der  kurzname  Jiaqieig  üblich  wurde.  Das  land  der 
Dorier  heisst  JwQig,  ihre  Vorsteher  am  Parnass  J(OQid^aiy  ihr 
eponym  JwQog.  Jwqio  —  ist  wohl  die  vollste  form  zu  Sqio  — 
wald,  so  dass  die  Doriopen  als  „waldleute"  benannt  wären. 
Makedonisch  daQvkXog  eiche  steht  im  richtigen  ablaut  zu  dwgv 
=  ai.  däru.  Der  jedenfalls  poetische  name  für  den  eher  doxe- 
diOQog  lässt  sich  als  dvaxi^(0(^'g  ),den  spiess  bestehend''  dvax^ 
to  SoQv  deuten.  Der  makedonische  flussname  Exidtt>Qog  könnte 
als  /exi-dwQog  „vehens  arbores^'  verstanden  werden. 

Der  name  der  Jqvoneg  verhält  sich  vielleicht  zu  dem  der 
JiOQiofteg,  wie  die  Gauta  Schwedens  zu  dem  Gut-thiuda  der 
Goten.  Doch  ist  auch  hier  ein  gleichlautender  vogelname  zu 
beachten :  mit  ÖQvoip  schliesst  Aristophanes  vögel  305  die  reihen 
der  18,  zu  je  6  auf  den  vers  vertheilten  vogelnamen  303—6, 
wozu  die  Hesychglosse  gehört:  ÖQvotpy  OQveöv  ti  dioupiqov  %oZ 
ögvoHoldmov. 

Im  Pindos  sassen  die  JdkoTteg;  man  vergleiche  die  Hesych- 
glossen  doXoTta'  yuxzdayiOTCov ,  /adoTQOTtov  und  doXortevei'  |y«- 
ÖQsvBi;  ^  dolwTtig  Oiviiag  wigri  heisst  Deianeira  bei  Soph. 
Trach.  1050.     Vielleicht  soll  der  name  dem  wild  auflauernde 


Die  griechischen  verbandnamen  (ethnika).  239 

fallensteller  bezdichnen,  doch  gedieh  auch  das  klephtenhand- 
werk  in  diesen  bergen  zu  allen  zeiten.  Als  aiisgang  erscheint 
iolog  im  namen  der  l^fjupi-^oloi  Triphyliens. 

Die  ^EkXoTieg  wohnten  um  Dodona,  das  selbst  ^EXXoTtla 
und'!EXila  hiess,  kurzname  der  "EHofteg  ist  ^'Elloi  schon  bei 
Homer  JT  234  dfupt  JESEAAOl  d.  i.  äfiq>i  di  a  "'EXloiy 
woraus  durch  falsche  worttrennung  die  Silloi  geworden  sind. 
In  weiterer  ausdehnung  wurde  'lEilAot,  noch  mehr  ^ElXtjvBg  zum 
allgemeinen  griechischen  volksnamen;  ^EXkoi'  'iBUfjveg  oi  iv 
JwSnirfji  xai  ol  leQÜg  Hesych,  wo  man  wohl  lesen  muss:  ^'Ellfj- 
v€g  xai  ol  h  JwSwtnji  Ugelg;  'Ellag  ist  von  ^EXXog  abgeleitet. 
Die  etappen  für  die  ausbratung  des  namens  sind  noch  zu  er- 
kennen :  ^EXkAg  um  Pharsalos,  'TiXkrjvBg  die  mannen  Achills,  die 
Achäer  von  Phthia  im  schiffskatalog,  die  landschaft  Hellopia  auf 
Euböa,  und  im  hymnos  auf  den  Pythischen  ApoUon  ^ElXig 
Mittelgriechenland  im  gegensatze  zum  Peloponnesos. 

HXoxjß  »yfisch**  hat  mit  den  Hellopem  nichts  zu  thun:  der 
fisch  ist  h-loxp  „in  schuppen^'  vgl.  illonag  i%&vg  „beschuppte 
fische*'  Hesiod  Schild  212,  von  Xon-  —  XsTtlg^  Xomg  „schuppe". 
Die'^kXofteg  heissen  wohl  von  ihrem  wohnsitz  in  dem  SAog, 
der  reichen  niederung  um  Dodona,  von  der  es  in  Hesiods  Eöen 
heisst  IWt  Tig  ^EJiXonit]  ftolvJiijiog  ^  evlelfnov. 

MiQOfteg  sollen  die  alten  bewohner  von  Kos  geheissen  haben. 
Der  name  lässt  sich,  wenn  griechisch,  verschieden  deuten :  fiigotp 
braucht  gar  nicht  componiert  zu  sein:  es  kann  wie  otiQotp  zu 
aatQanvwj  so  zu  fiagipai^  ßifdifßai  d.  i.  fiqd^pm  gehören,  dann 
wären  die  alten  Koer  räuber  fiaQftvieg  gewesen,  wie  die  Sivtug 
von  Lemnos.  Aber  fiigotp  hiess  auch,  wie  das  sich  darauf  rei- 
mende aiQotp  der  bienenwolf.  Endlich  giebt  es  noch  ein  homeri- 
sches beiwort  der  menschen  —  (leqoTtvmv  cry^^irc^y.  Dies 
stammt  nicht  von  ^i^g  und  OTT-stimme,  so  dass  es  die  „artiku- 
liert redenden'*  menschen  bezeichnete,  vielmehr  gehört  es  zu 
fi€^-  in  fidf-f^fioa  tAeQfifjQi^f  fiig^ifira  „gedenken'^  wie  ard-Qwrtog 
nach  Bezzenberger  zu  fiir^fjoa^  fia^-elr  vgl.  cech.  mudrak  ein 
verstiindiger. 

Olvßneg  hiess  eine  Phyle  in  Kyzikos;  der  name  ist  deut- 
Uch. 

Ob  beroennamen  wie  KhtQotp^  MotpOTt-^  Ililoifß  auf  alte 
Stämme  gl.  n.  schliessen  lassen,  bleibe  dahingestellt:  IblüOTCowricog 
fiir  Itikonog  vijoog  heisst   „insel   des  Pelops;   sicher  ist  die 


240  A.  Fick 

bildung  aaf  -o;r  acht  und  all^iechisch ;  al^tp^  /^votp,  folpotff, 
fi^Jiotpt  XaQOtfj.  Dieser  ausgang  gehört  meist  zu  07t  sehen, 
bezeichnet  aber  auch  allgemein  die  richtung  wohin,  die  be- 
ziehung  auf  etwas,  ist  also  für  die  sprachempfindung  frähe  zum 
blossen  „suffix^^  geworden. 

Auf  -wreog  finden  wir  in  Epeiros  KoQiwTtol  Smlg.  1339  » 
KaQtonoi  1350  und  Kaaawnoi  zu  KaaawfO]'  rtoXig  h  Mokty- 
mal  Steph.  und  daneben  Kaaaioftf].  Diese  namen  gehen  wohl 
ursprünglich  auf  örtlichkeiten,  sicher  gilt  dies  von  Koihanoi 
in  Epeiros  Smlg.  1354.  Koihaftog  heisst  ,,hohl  anzusehen" 
oder  „mit  hohlen  öffiiungen^'  OTtiq  öffiiung,  und  ist  Eurip.  Iph. 
Taur.  263  als  adjectiv  zu  belegen.  Aber  nicht  die  Koihanoi 
sind  „hohl*S  sondern  ihr  land,  ursprünglich  müsste  demnach 
das  ethnikon  auf  -^mog  ausgehen  wie  EvQWTtiog  in  Epeiros 
Smlg.  1339  und  ^ÜQüiTtiog;  der  gegensatz  von  svQWJtog  ist 
atevwTtogf  ein  ^ÜQfOTtog  ist  auch  für  Epeiros  bezeugt. 

Vereinzelte  ausgänge. 

Der  ausgang  -^i/o  in  *Ax'Oißol  findet  sich  ebenfalls  in 
dem  nomen  dfjv-aiog  lange  lebend  E  407,  also  in  dem  sinne 
von  ori/cur.  Aber  die  eigentliche  bedeutung  von  al/o^  ist  „gang, 
bewegung".  Diese  liegt  in  äifolog  „beweglich'*  deutlich  vor; 
mit  xo^d'aioXog  ist  no^^-aii^  gleichwerthig,  äixTj  ist  dem- 
nach aüüf]  zu  schreiben  und  iiaowy  attisch  aiaaw  als  aifiiy'w 
zu  denken,  gebildet  von  aUx^  wie  ipoivlaow  von  g>oivi^. 

Zu  ^Axoi/og  verhält  sich  ^foXog^  der  eponym  der  ^la- 
Idg^  wie  der  windbeherrscher  ^Yolog  der  Odyssee  zu  dem 
Sternen-  und  windgotte  IdoTQ-^xiog  (besser  l^üTg-aiog?)  der 
Theogonie.  Schwierig  ist  die  deutung  des  anlauts:  sind  die 
'Ax-aifoL  soviel  als  fjiax-<xi/oi  „schlachtgänger",  etwa  wie  lit. 
kar-eivys  „krieger^',  wörtlich  „krieggänger"?  Aber  eine  Verkür- 
zung von  f^ax"'']  zu  äx-  ist  nicht  nachzuweisen,  ebenso  wenig 
die  von  Syx-og  zu  ox-i  wodurch  wir  „speerschwinger"  gewinnen 
würden,  auch  ein  früher  gewagter  sprung  über  die  grenze  zu 
den  germanischen  Ingaevonen  sei  hiermit  förmlich  und  fderlich 
zurückgenommen.  Vielleicht  gab  es  ein  altes  adverb  axt-,  o^e- 
neben  Syxh  ^yx^"  niiahe*'?  Dann  wären  die  ^A%'<xifoi  als 
„draufgänger''  äyx^'f^oloi^  cfflnji-fiaxoi  benannt  und  auch  für 
Wxi-iU€v(,  Lix«->tcc/io$  liesse  sich  dann  eine  deutung  finden. 
Eine  spur  von  diesem  a%i'  ist  vielleicht  in  aocov  ,,näher"  zu 


Die  griechiscben  verbandDamen  (ethnika).  241 

erkennen,  wenn  dies  aus  axijov,  axjov  entstanden  ist;  aus 
oiyxjov  mÜBSte  äolisch  alaaov  geworden  sein,  wovon  wenigstens 
nichts  verlautet. 

Kdl-ai&oi,  Smig.  1354.  1355  (ebenda  auch  KiJLai9og)  bei 
Steph.  „Kelaid-or  e^og  QßOTtQiatindy  7tqoo9%ig  %rji  QsrraXiat 
^Piavog  (T.  UyovTai  nal  Kelaid-eig^''  (wie  Kvpai^eigy  negai^elg^ 
eponym  niqai^og).  Vermuthlich  KBhxi-aid'og  „schwarzbraun** 
wie  die  ^id-ionegy  "Italoi,  Ooivi%Bg  nach  der  färbe;  Homer 
nennt  sie  AX^meg  vgl  Qqai%eg^  Tif^filueg  Oolvixeg. 

Den  gleichen  ausgang  zeigt  Kvvaid'a  in  Arkadien,  ein- 
wohner  Kvraid-eig  wie  KeXai^eig.  ,j^i^  heisst  ein  pferd 
Agamemnons  V^295  „die  braune**  wie  ai^mv.  Hängt  xi;y-  mit 
Tivaviog  zusammen?  Kw-ait^og  ist  alter  mannsname,  Kiv-al&a 
heisst  eine  ziege  Theokrit  Id.  5,  102;  xw-  zu  x«y-  (a/iy)f  wie 
TvpdaQcdai  zu  lakonisch  TivdaQidai?    Lit  szvinas  heisst  „blei**. 

IleQai&eig  im  gebiete  der  Mainalier  Paus.  8»  27.  36  schliessen 
sich  im  namen  an  die  Kelaid'eig  und  Kwai&elg;  der  eponym 
heisst  Paus.  8,  3,  4  IHgaid-og  vgl.  Kilai&og,  Die  Zusammen- 
setzung mit  neQ  a=  TtßQi  ist  klar,  weniger  klar,  ob  die  benen- 
nung  ursprünglich  auf  den  ort  oder  die  bewohner  geht. 

KaHl'-xoivoi  hiess  nach  Kiepert  Atlas  v.  Hellas  VH  ein 
stamm  nördlich  von  Epeiros.  Der  name  klingt  griechisch 
„schönes  gemeinwesen  bildend**,  ist  aber  vielleicht  bloss  gräcisiert. 

Idqyohxg  {atgatog)  im  Rhesos  41  ist  wohl  neubildung, 
vielleicht  nach  ^AfyoXlg  seit  Herodot,  aber  woher  dies?  Die 
Römer  bildeten  von  Messana:  Mesalla. 

TQiTeohaaor  eihog  &ea7tQ(o%iiwVf  ovg  nai  Tfinoliaalovg 
xalei  ^Piavog  iv  tm  neyreKaidsKaTwi  Steph.  (TQL7to)llaioi  Smlg. 
1360,6  vgl.  Ttoliaaavxog  und  ^okioaoyofiog  hei  Aeschylos.  iTo- 
Xiaao-  fand  sich  ursprünglich  wohl  nicht  im  ausgang,  also  sind 
die  TQtfcokioaoiy  -avoi  etwa  als  TQiTeoliaaovof^oi  zu  denken? 

MoXoaaog  ist  verständlich,  wenn  man  iaoIo"  mit  f4(Slog 
(^'Aqrpg)  gleichsetzt,  oaog  ist  dasselbe  wie  in  JoQv^aog,  Aao- 
ooog  neben  doQvaaoogj  laoaaoog^  die  kriegerischen  Molosser 
wären  dann  sehr  passend  benannt. 

Die  namen  TQlq>vloc  iftid  nafAg>vloi  sind  deutlich. 

Zusammengesetzt  mit  afitplj  ^,  /ra^cr,  vTcal, 
In  den  stammnamen,  die  vom  afiq>i  enthalten,  ist  das  ver- 


242  A.  Fiele 

hältnis  der  beiden  theile  nicht  immer  klar;  so  in  ^Afjifpi-ioXoL 
in  Triphylien  vgl.  J6i-07tig^  * uifiq>i'loxoc  in  Akamanien,  be- 
wohner  von  Argos  Ampbilochikon  vgl.  ^Ytcoi-Ioxioi  in  Epeiros. 
Die ' A(iq>iryLxvovBg  hiessen  später  als  TteQiHtiovegf  dfjiq>iftBqntL%iovBg 
Kallinos  1,  2  *Afig>i'iiTioveg  ,,umwohner'^ ;  xrvoy-  gehört  wohl  zu 
^dg  „die  von  rings  her  vereinigten'^  Dagegen  sind  die  nach- 
stehenden mit  er,  nagd  und  vftai  zusammengesetzten  starom- 
namen  aus  einer  adverbialen  Verbindung  dieser  praepositionen 
mit  einem  davon  abhängigen  lokalkasus  hervorgegangen. 

''£]/x^$  pl.  ^'EyyL^fjzsg  soll  nach  Bekker  Anecdd.  Choiro- 
boskos  die  ^Eteöxgrjreg  genannt  haben:  aus  h  KQijttji  konnte 
sehr  wohl  "Eyx^g  entstehen,  wie  eydixogj  irtaQOVQog  aus  iv 
dUfjtj  irc  aQOVQai,  Aus  ftoQ  aXa  entstand  IlotQaXoi  (Attika), 
aus  der  Verbindung  von  nai^a  mit  einem  lokativ  auf  i  adjec- 
tivische  stammnamen  auf  log^  denen  die  gaunamen  auf  ia  {yrjß) 
zur  Seite  stehen.  So  JlaQavaioi  in  Epeiros  am  äusse  ^vag  » 
^Awog^  IlaQcnctjiplaioi^  naganorafiioi ,  noQaawTtioi;  naoa-- 
KVTcaQioatoi  und  TlaQiiQeioi. 

Mit  dem  epischen  vnai  für  vTto  ist  der  name  der  'Y>roi- 
Xoxioi  in  Epeiros  zusammengesetzt,  vgl.  ^u^fnpiloxoi. 

Ethnika  nach  den  landschaften  geordnet. 

Makedonien. 

MttKsddv  ist  gebildet  wie  MvQfiidiav  und  ^Anidwv  :  ^Aiti- 
dovBg  und  ^Arcidav^eg  hiessen  die  Peloponnesier,  *Anid6vBg  di 
nal  Ol  ^Aquadeg  Steph.  unter  *Aftia.  Mit  (lonudvog  „hoch'* 
fällt  das  adjectiv  Mansivog  ^^makedonisch"  zusammen.  Zieht 
man  auch  das  allerdings  spät  bezeugte  fjirpudavdg  heran,  so  er- 
hält man  die  abstufung  fimedopog  :  Mokböwv  :  ficmedrog  ■-  Ufa- 
nsivog.  Die  Makedonen  hiessen  so  als  „hochländer'S  der  alte  name 
des  landes  war  Mcmha  zu  neQi-ii^xBvog^  also  (lihwiog  :  MSmita. 

Eigenthümlich  ist  die  bildung  der  ethnika  auf  --axa  in 
Jiaarai  zu  Jlor  in  Pierien,  ^EoQdiovaL  zu  ^Eoqdolj  KvQQ^aTai 
zu  KvQQog^  Av/K^atai  zu  Avynog  (auch  KvQQiazai  und  Av^ 
ynioTcu  ist  überliefert)  und  '0^£<rra«,  dies  wohl  von  OQog  „berg'S 
also  als  ^OQia-avai  zu  denken.  Der  makedonische  mannsname 
nevxeazag  geht  auf  ix^-nevKrjg  oder  ein  ethnikon. 

Steph.  bemerkt'  unter  *EoQdaioi :  die  ^EogSot  iuXi^dTjoav  xai 
*Eo((diaiai  dno  %ov  ioQÖify^^   (ag  Avdbg  AvdiJ^w  {Avdiatw)^ 


Die  griechischen  verbaDdnamen  (Ethnika).  243 

richtiger  jedoch  sagt  er  unter  Jlov  :  Ilavaavlag  de  Jtaarag 
qniai'  Mcnuddrtop  yccQ  6  %inoqj  ^Ogiaiai  ^vyKfjataL  Übrigens 
wird  uns  derselbe  typus  in  Epeiros  und  Thessalien  begegnen. 
Zur  deutung  hat  man  sich  an  den  ausgang  -to  in  oiiie''%f]g^ 
g>vli-%ag^  Tßyßd-zag  zu  halten,  -ava  ist  dieselbe  bildung  aber 
von  a-  s=  iü'  „seines  vgl.  juvfj'Orig  neben  f^fj-vig.  Strabo  330 
fr.  20  heisst  es  vom  flusse  Erigon:  hc  TqixXa^ftav  ^itav  di 
^Oq^axbiv  xai  T^g  ÜBhiyovlag.  Hier  kann  ^Oq9a%w¥  nicht 
richtig  sein;  am  oberen  Erigon  neben  den  Pelagonen  wohnten 
die  Doriopen  und  so  mag  der  durchsichtige  name  der  TqLtXaqoi 
an  die  alte  dreitheilung  der  Dorier-Doriopen  erinnern,  deren 
name,  wie  der  der  Almopen  schon  oben  besprochen  wurde. 

Epeiros. 

Unter  den  epeirotischen  stammen  nennt  Steph.  Xaovia 
nach  Proxenos  aufzahlung  die  ^AiivfjtovBg.  Mit  recht  bemerkt 
dazu  Meineke:  „lidem  esse  videntur  qui  supra  ^'Aiivfivor  e&vog 
^TceiQtaTiiioy,  ^Ptarbg  ....  keystai  xal  * ^ixvfivaiog  yuoi  '^iivfi- 
vaia.  Dazu  ^Afiv^vtav  gen.  pl.  Smlg.  1346.  Ursprünglich  hiess 
es  ^ui^vfioveg  gen.  pl.  'AfivfiviSr  stammabstufend,  wie  in  Ma- 
xsödip  :  Mooißdvog  aus  Man^dväv, 

Ebenso  scheinen  die  X6ovBg  und  XotSroi  :  e9vog  QBOTCQOh 
Tixov  zusammenzugehören  als  Xdforeg  gen.  pl.  XcnmSr.  Übri- 
gens wird  das  „klaffen''  wohl  nicht  auf  die  leute,  sondern  auf 
das  land  gehen,  vgl.  Xdov  berg  in  Argolis  und  Xaa  alte  Stadt 
in  Elis  (kluft). 

Den  ausgang  -op^g  zeigen  auch  die  sonst  unbekannten 
Magdöreg  :  ^Tteigutiiidv  Mdyog.  EvTtohg  Iloleai  :  „xat  Xao- 
rury  Kai  üaidviov  wxi  Maqd6viav^\ 

Die  Bvkkioveg  mit  der  Stadt  Bvlhg  gehören  wohl  schon 
nach  lUyrien;  oder  ist  makedonisch  ß  ßir  tp  eingetreten? 
0vXlog  heisst  ein  gelurg  in  Thessalien,  OvXhg  eine  landschaft 
am  Pangaion. 

Die  inschriften  von  Dodona  geben  einige  stammnamen  in 
eigenthämlich  gekürzter  form  wieder. 

So  lesen  wir  Smlg.  1334  den  genetiv  ^'O/u^oXo^,  ebd.  1347 
den  plural ''Ofiqpa^^.  Die  leute  sind  offenbar  dieselben,  die 
Rhianos  iv  zeTaQtwi  QsaaaXixüv  nach  Steph.  unter  nagavaioi^ 
^Ofiq>aJLiijag  genannt  hat  Ihren  wohnsitz  nennt  Steph.  ^O/aqxi' 
iUoy  —  eavi  xat  &9r%aliag.    Die  namen,  die  Rhianos  iu  seinen 


244  A.  Fick 

Q^aoaliiia  nennt,  werden  desshalb  oft  nach  Thessalien  versetzt, 
auch  schwankten  die  grenzen  beider  landschaften.  —  Die  ent- 
wickiung  von  ^O/Kpali^sg  zu  "OfAg>ak€s  kann  nur  durch  ver- 
änderten akzent,  indem  der  nebenton  auf  der  ersten  silbe 
mächtig  wurde,  vor  sich  gegangen  sein. 

Tleialog  lautet  der  genetiv  eines  ethnikons  Smlg.  1352  mit 
et  für  I  in  jüngerer  Schreibung.  Tleialog  ist  aus  Tleiakijog  oder 
-Uog  gekürzt  wie  ^'O^ffaXog  aus  ^Oiifpah^og  s.  o. ,  das  erhellt 
aus  Ilidleiaj  noXig  QeaaaliHi^  vnb  to  KeQKetiov  oQog,  to 
ed'vindv  IIialBvg  Steph.  nialiog^  vielleicht  ursprünglich  ein 
nordgriechisches  wort,  heisst  wie  /r/oiy  „fett'^ 

Strabo  nennt  IlaQWQaioi  als  epeirotischen  stamm.  Smlg. 
1355  lautet  der  name  {T[oi)Q(aqog^  im  genitiv  TlaQWQov  1350; 
beide  namenformen  beruhen  auf  IlaQWQeiog  und  dies  auf  naQ* 
0Q€i.  „am  berge". 

Der  Stammesname  XiQaÖQog  smlg.  1352  geht  auf  einen 
Ortsnamen,  der  sich  nach  x^Q^S  ^og  „gemülm'^  und  x^H^^Q^ 
„giessbach"  nur  als  Xeqidqa  denken  lässt.  Auch  hier  hat  das 
ethnikon  eine  starke  Verkürzung  erlitten :  XiqaÖQog  aus  Xc^a- 
dqdiog  wie  üdQiOQog  aus  naQfoqaiog  (oder  doch  IlaQiiQeiog). 

So  erklärt  sich  auch  der  sonderbare  stammname  'OvojtBQ" 
vog.  „Eselfersen''  oder  „Eselschinken''  werden  die  leute  schwer- 
lich genannt  sein,  aber  gegen  einen  Ortsnamen  ^OvovniQva 
wäre  nichts  einzuwenden:  ^'Ovov  yvad-og  hiess  die  halbinsel 
westlich  von  Kap  Malea,  und  niQVtj'  Svioi  f^eta  %ov  t  JIziQVfj 
(Hesych.)  ein  vorgebirg  von  Aigina.  Also  wohl  ^Ovojteqvog  aus 
'OvoTtBQrmog  wie  üdQWQog  aus  IlaQtoQaiogj  XeQaÖQog  aus  X«- 
QaÖQaiog, 

Die  TdlaQßg  sind  irgend  wie  von  zakaQog  flechtkorb  be- 
nannt, vielleicht  nach  ihrer  milchwirthschaft  von  käsekörben 
Od.  9,  247.  TakaQia  hiess  eine  ndhg  SvQanovalünf'  Beonofi- 
Ttog  SV  OikiTtnixtSv  //  Steph.  Tdlageg  verhält  sich  zu  TakaQiay 
wie  nieQeg  zu  Ilugia  s.  u. 

Proxenos  nennt  Steph.  Xaovia  unter  den  epeirotischen 
stammen  die  KaaaüiTtoi^  zweifellos  die  bewohner  von  Kaaatanri  * 
TtoXig  iv  MoloTToig  —  to  id^iKcv  Kaoatoftaiog  xai  Kaocio^ 
mog.  —  ^HQodwQog  de  Kaaatanovg  avrovg  qnjoiv  ^ytatüg  xax(?$" 
meint  Stephanos.  Vielmehr  haben  wir  hier  die  echt  epichonsche 
namenkürzung,  wie  in  TldQiOQog :  UaQtoi^iog  zu  erkennen.  Der  ort 
heisst  bei  Strabo  324  KaaaioTtrj  ygLKaQiWTtog  neben  KdQwrtog  8.u. 


Die  griechischen  verbandnamen  (ethnika).  245 

Das  ethnikon  KothanoL  wurde  schon  oben  auf  einen  Orts- 
namen zurückgeführt,  wie  Kaoatanol  auf  KaaatOTtäiog  von 
KaaawTtfi  zurückgeht. 

Für  KaQKüftov  Smlg.  1339  liest  man  KoQwitov  1350,  was 
an  ^Afiimoi^' Aff^oi  zu  ^Ayqiai  ^uiyQiäveg  und  Kaaaalnri  neben 
KaaaiOTtt]  erinnert.  Die  Kägeg^  die  Bhianos  ir  rijt  ^  (Beaaa- 
Xinüiv)  erwähnt  „kTtra  de  Jwvertlvoif  dtoiQ  dvoxald&ia  KäQ€g 
Steph.  unter  J(av€%%ivog^  tragen  vielleicht  einen  aus  KaQ-WTtog 
gekürzten  namen.   KoQwrtog  kann  aus  Ka^tandg  entstanden  sein. 

Wie  überall  in  Griechenland  ist  die  ableitung  vom  lokativ 
auf  i  auch  in  Epeiros  zur  bildung  der  ethnika  sehr  beliebt. 
EvQWTtiog  Smlg.  1S39  geht  auf  einen  ort  EvQWfcog  zurück  vgl. 
Stephanos  unter  EvQWTeog*  —  vö  edytxov  EvQdjtiog  wg  'ß^co- 
niog.  Auch  in  Epeiros  soll  es  einen  ort  Oropos  gegeben  haben: 
%ai  nifAnvri  iv  BeaTtQwriai  sagt  Steph.  bei  aufzählung  der 
Städte  dieses  namens. 

Die  Xi^fulioi.  smlg.  1347  scheinen  eine  kalte  gegend  be- 
wohnt zu  haben,  wenn  der  name  mit  x^A'O"  ^^  dva-xifiog, 
xlfietlov  zusammenhängt.  XsifACQiov  heisst  ein  vorgebirg  und 
hafen  in  Thesprotien  Thukyd.  1,  30.  46  und  Dodona  trägt 
n  234  das  beiwort  dvax^lfieQog,  XtfAwkiot  geht  auf  XifjiwXdg 
wie  Aitiilioi^  'Xla  auf  AlTwlogj  und  wie  af4aQ%(oJi6g  von  aiaaf' 
reiv^  Al%(aX&g  von  aitüvj  so  ist  XifuaXog  von  %vfiAv  »  x^i- 
lAsiv  frieren  abgeleitet;  möglicherweise  würde  Xi(iwXu>v  besser 
mit  Bi  geschrieben. 

Die  ^Yftai^koxt'Oi  wurden  schon  oben  erwähnt  und  mit  den 
lififpiXoxoi,  in  Akarnanien  verglichen;  sehr  merkwürdig  ist  hier 
die  erhaltung  des  altepischen  vnai  neben  vno. 

In  TqmoXiaaoi  neben  TgiTtoXlaoi  ist  ao^  zu  ojoy  aao 
gewandelt  wie  in  Kaaawav]  aus  Kaa(a)i6n7j;  bei  Aeschylos 
schreibt  man  Ttohaaovxog^  noliaaovoiiog  wohl  besser  mit  ein- 
fachem 0. 

IlaQWQäiog,  verkürzt  zu  IlaQWQog  s.  o.  beruht  auf  ftagoh 
Qea  SS  TtQQWQua^  wenn  man  nicht  ein  übergreifen  des  aus- 
gangs -aiog  annehmen  will. 

Unter  ^'AiAVfivor  edyog  ^HnuQfazixov  bemerkt  Stephanos : 
lAyetai  aal  ^AfiviAvaiog  not  ^A/avfAvaia,  Dies  ethnikon  erklärt 
sich,  wenn  wir  ^A^v^vog^  wie  oben  geschehen,  nach  analogie 
Maiudwv  :  MaxBÖvog  als  ursprüngliches  adjectiv  zu  ^Afii^ivw 
auffassen.     Dann  ist  ^A^v(ivd   (sc.  ycua)  das  land  der  'AfiV" 


246  A.  Fick 

fwves^  and  hiervon  regelrecht  das  ethnikon  l^fivfivaiog  abge- 
leitet, wie  ^Eleäiog  von  'Elia  und  Tvfiq>aiog  von  Tv/mpi. 

Zu  Kolrtälog  smlg.  1350  —  jedenfalls  mittelbar  von  xdil- 
ftog  —  und  ToQvdaiov  1339  fehlen  die  Ortsnamen;  einen  ort 
Toqvmi  in  Thesprotien  erwähnt  Plutarch  Anton.  62.  Nach  einem 
manne  sind  die  revoaioi  benannt  e&vog  Molooalag^  änb 
Fwoov  afgKjOvtog  avTwr*  ^Ptavog  iv  tevädTtai  Qeaaahxw  Steph. 
Inachriftlich  erscheint  der  name  mit  v  :  Fewalov  smlg.  1367, 
wie  umgrirahrt  Joaoavog  neben  Strabos  Jviarai. 

Geradezu  einen  nmniwüiamen  tragen  die  'Afiyrtar  e&vog 
QßüftQümxdv  jifiivog  rrveiovreg  *AfiV¥V€»^^  (wohl  aus  Rhianos) 
nai  ^AfiatoviXfjg  iv  %rji  %wf¥  ^ftsiQünwv  noXitelai  Stepb»  Vom 
könige  Amyntas  benannt?  wie  könig  Philippos  die  Kreniten 
OiUnncvg  üfv6iÄaa&^? 

Die  ethnika  auf  -ivog  gehen  auf  den  ausgang  'lo  zurück, 
mag  damit  der  Ortsname  schliessen,  wie  in  Aßovtiop  :  Aeov- 
jfivogj  oder  eine  kürzere  form  des  ethnikons  auf  -lo  dabei  über- 
sprungen sein,  wie  in  ToQag  {Taqdvtiog)  Tofowrivog.  In 
Epeiros  ist  'Ivog  vertreten  durch  'AQyvfßror  eihog  'H/r«!^- 
TiKov  Steph.  zu  diffVQiov  silberbergwerk,  'Afffvqia  ort  im  kappa- 
dokischen  Pontos,  l^dyvQia  in  der  Troas. 

d(av€%%ivoi'  e^og  Molocainov^  "^Piarbg  6'  GeoaaliKwy 
„avTOQ  JwretTivoi  Id*  ozQrjQoi  Kegalreg^^  mai  iv  Ttji  ^  „efttä 
öi  Jtavstilvov^  maq  dvoxaid&ux  K&Qeg^*,  Der  Ortsname,  der  zu 
gründe  liegt  (Jwpmior?)  wohl  zu  dova^  „röhr''.  Woher  hat 
Passow  unter  dovc^  „dorisch  dalyof,  ionisch  dovra^?^*^  Boisacq 
weiss  nichts  von  dorischem  duha^^  sonst  könnte  man  lettisch 
dohne^  d.  i.  däne  „schilf,  binsen^^  dafür  geltend  machen,  dovm- 
wag  als  beiname  ApoUons  geht  auf  dova^  ^rohr,  pfeil^^ 

KaaTQivoi  hiessen  die  bewohner  von  KBO%qia^  das  gebiet 
KeaTQiyrj  bei  Thukyd.,  in  Thesprotien,  doch  vgl.  Hesych  Ke- 
azQiriKol  ßoeg  *  ol  h  Xaovlai-  ^  yaq  Xaoyla  Ttforegor  KeoTQhfj 
ftQoafiyoQSveTO  (?)• 

Für  OTtlairog  Ethnikon  Smlg.  1359.  '1362  ist  vielleicht 
^Ortlaivog  zu  lesen  und  von  einer  örtlichkeit  abzuleiten,  die 
etwa  „hufplatz^*  bedeutete,  von  Snlij  huf,  wie  onXia  bei  Hesych; 
^*OnJiairog  „waffen  belobt'^  wäre  doch  ein  allzu  pomphafter 
name. 

Im  ausgange  von  KßQoirßg  mag  -ir  aus  -trog  verkürzt  sein, 
wie  in  vafuvi  neben  iaf^iyrji. 


Die  griechischen  verbandnameD  (ethnika).  247 

Eigenthümllch  ist  die  Verwendung  von  -zog  fiir  -Tag  in 
epeirotischen  stammnamen.  Strabos  Jviatai  326  sind  wohl 
zweifellos  dieselben  leute,  die  inschriftlich  Joeaatol  heissen: 
Joaaazog  Smlg.  1350,  4,  mit  o  neben  i;,  wie  umgekehri;  in- 
schriftlich rewaloi  neben  rsvoäioi  beim  Stephanos.  Dieselbe 
oidiiiig  in  'Tyx^atov  Smlg.  1349,  wir  dSrCm  denmach  -arog 
als  Vertreter  des  makedonischen  -atag  ansehen,  ebenso  -tog 
für  -zag  in  KXa^iarog  Smlg.  1339,  ^0Qiat(6g)  1366,  wohl  zu 
Harreum  Liv.  45,  26,  vgl  ^^Oqiov  tonog  KjQiqzrjg  Steph.  <Z>ot- 
va%6g    Smlg.    1351    zu    einem   Ortsnamen    Ooiva  vgl.    (poirog 

„brann^*;  KoQza  . . .  1367  und tov  1346  sind  vidleicht 

zu  Kxxqzatov  zu  verbinden. 

Hierher  gehört  vor  allem  der  volksname  QeaftQUprog,  ge- 
bildet wie  ^u4ftod(ot6g  und  Boianog.  Vielleicht  war  der  aus- 
gang  '%ag  in  Epeiros  ganz  durch  rög  verdrangt,  denn  die 
'u^fifrQcaiiuirai^  ^AnBi^xiu  und  ^uiiivvtai  wollen  nicht  viel  be- 
deuten: Amprakia  war  eine  kolonie  von  Korinth,  ein  gemein- 
wesen  der  Epeiroten  gab  es  erst  in  hellenistischer  zeit,  und  die 
^Apivvzai  tragen  einen  makedonischen  königsnamen.  Das  eth- 
nikon  ^Onovog  Smlg.  1349  erinnert  in  seinem  ausgange  an 
'Ertovia'  noXig^  ^  vvv  ^A^ßqanla^  fj  7c^j€qov  JIoQaXla  nai  oi 
oixovweg  Steph.;  ^(hcovog  mrd  für  *Ofroviog  stehen. 

Die  Js^oQoi  wohnten  im  norden  nahe  der  illyrischen 
grenze,  daher  ist  der  name  wohl  nicht  griechisch  —  vgl.  illy- 
risch JaaaaQiJTai  daaoaqta  —  man  könnte  sonst  an  di§aa^ai 
^Aqvja  denken. 

Die  ^Adttfi&yeg  ^Artwareg  ^EyyßlSreg  Talaiaifeg  und 
^'Ellofteg  wurden  schon  oben  angeführt  Die  grosse  fülle  von 
stammnamen  erklärt  sich  aus  den  politischen  zuständen  des 
landes,  das  ganz  in  der  alten  gauverfassung  stecken  blieb  und 
sich  nicht  zur  bildung  der  hellenischen  polis  erhoben  hat.  Für 
die  griechische  Volkskunde  sind  die  eben  betrachteten  namen 
darum  vdchtig,  weil  sie  mit  voller  Sicherheit  den  acht-  und 
altgriechischen  Charakter  der  bewöhner  von  Epeiros  darthun, 
der  nicht  weiter  angezweifelt  werden  sollte.  Erst  nachdem 
Aemilius  Paulus  das  kernvolk  der  Molosser  nach  dem  siege  von 
Pydna  in  die  Sklaverei  verkauft  hatte,  drangen  die  lUyrier  in 
das  entvölkerte  land  vor  und  Epeiros  wurde  „zweisprachig", 
wie  es  Strabo  kennt. 


248  A.  Fick 


Westhellas. 


Ob  die  Taphier  und  Teleboer,  um  mit  den  westinseln  zu 
beginnen,  griechischen  Stammes  waren,  firagt  sich  hier  nicht, 
die  namen  sind  jeden&lls  griechisch.  Die  Tmpioi  heissen  so 
als  bewohner  der  insel  Tmpog^  und  diese  ist  als  „grabinseP' 
Tcupa-rtjaog  benannt  und  nach  ihr  und  ihren  bewohnem  die 
umliegenden  inseln  r^oi  Tdq>un. 

Der  name  der  Ttileßocu  ist  durchsichtig,  aus  vijiU  und 
ßoi]  zusammengesetzt,  aber  die  deutung  ist  nicht  ganz  sicher: 
weithinrufer?  oder  weithingerufene?  als  %ij]ihJiti%oi  ininutvQoi? 
ßoij  bedeutet  schon  im  homerischen  ßoj^v  dya&og  den  Schlacht- 
ruf und  die  Schlacht,  heroischer  Vertreter  der  Ttjlsßoai  ist 
vielleicht  TtiXtfioxog. 

KegKiHop  ist,  wie  das  doppel-A  zeigt,  kurzname;  der  voU- 
name  ist  nicht  wohl  anzugeben,  wenn  auch  deutliches  x&palij 
zu  gründe  liegt,  wie  denn  als  eponym  Kitpalog  genannt  wird, 
der  auch  dem  attischen  demos  KetpaXi^  zu  seinem  namen  ver- 
holfen  haben  soll.  Der  Ortsname  K&faJüoidiov  jetzt  Ge&lu,  auf 
Sizilien  geht  auf  Tuq>al'Oidt]g  „dickkopf  *  wie  xvloidiatü  auf 
Kvloidag;  auch  A&paloyrjaog  name  einer  insel  vor  der  Krim 
ist  zu  beachten. 

Kephallenia  bildete  eine  tetrapolis,  sie  war  unter  die  vier 
Städte  Same,  Pronnoi,  Krane  und  Pale  getheilt  UgtSyroi  ist 
eigentlich  gekürztes  ethnikon,  die  Stadt  hiess  mit  vollem  namen 
nQ€ivaoog  Strabo  455.  Statt  der  Pronnoi  nennt  Liv.  38.  28 
neben  den  Cranii,  Palenses  und  Samaei  die  Nesiotae,  offenbar 
auf  grund  einer  anderen  kürzung  von  ÜQwivaaog^  wie  die  'JSxa- 
to-rijatoi  sich  selbst  Naaiwtai  nannten.  Die  namenreihe  ist 
demnach:  IlQfovaaog  {IlQfavaatoi)  und  hieraus  vom  ersten  tbeil 
n^fdSyyoi^  vom  zweiten  NaoiiOTai. 

Sagenberühmt  und  nur  der  sage  bekannt  sind  die  Kureten 
von  Pleuren.  Der  name  ist  kein  ethnikon  von  haus  aus:  xov- 
(fiJTeg  ^Axmtav  heisst  bei  Homer  die  junge  mannschaft,  die  da- 
neben auch  novQOi  ^Axaiiav  genannt  wird.  Auch  bei  den  Kureten 
Pleurons  findet  sich  die  doppelbezeichnung :  Kovqiov  hiess  berg 
und  bürg  über  der  Kuretenstadt  Pleuren  und  Stephanos  be- 
richtet unter  KovQrjg  ^^nat  Kovqsvq  ftOQayuyov  xai  KovQeiog 
Tiai  KovQeia^^  In  den  folgenden  werten  „xai  KovQiaaa  dijlv^ 
xcii^"   ist   für  KovQioaa  zweifellos   Kovgfjooa  zu  schreiben  ge- 


Die  griechischen  verbandnamen  (ethnika).  249 

bildet  von  Kov^j  -wog  wie  KQ^aaa  von  ÜC^ijg,  Mayvtjoaa  von 
Mdymjg. 

Die  ethnika  ^Aaaqväveg^  OoiTaveg  und  *AfJupiXo%ot  sind 
schon  oben  zur  spräche  gekommen. 

Der  Aetolemame  ist  schon  bei  Stephanos  richtig  gedeutet. 
Da  heisst  es  unter  Ai%whig'  „Ibrt  xat  ahiaXog  ini^nov  Ttaga 
^fia  %6  aiTäiy^^;  also  aiTwXog  zu  aheiv  aivijaw  wie  afuxQzwXog 
zu  aiAaqrräv  a^aqftiq'afa.  Klingt  dieser  sinn  von  Alzfolog  noch 
Od.  14,  329  durch?  Jedenfalls  ist  der  dort  genannte  Ai%iaX6g 
dviJQ  ein  „heischender'S  ein  bettler. 

Die  einbrechenden  Nordgriechen  sind  auch  sonst  als  bettler 
und  landstreicher  benannt.  Qsaaalog^  einheimisch  nerd-alogy 
stimmt  wesentlich  zum  ahd.  bitä,  pitil  zu  got.  hidjan  „bitten*^ 
der  bettelmann  der  Odyssee  Iros  hiess  mit  eigentlichem  namen 
^uiqvalog^  in  ihm  werden  die  von  Arne  in  Thessalien  einfallenden 
Böoter,  die  ^AQvaioi  Bouinoij  verhöhnt,  und  der  dorische  He- 
raklide,  der  Korinth  eroberte,  heisst  in  der  sage  iM^i^g  „der 
landstreicher".  So  sind  Ahtalog  und  Ilet&aXög  ursprünglich 
schimpf-  und  Spottname  gewesen,  die  von  den  siegem  nachmals 
als  ehrennamen  adoptiert  wurden;  ein  treffendes  beispiel  bietet 
die  geschichte  des  Geusenamens. 

Stämme  in  der  später  dem  Aetolerbunde  angeschlossenen 
uiitwXia  iTiUtrjTog  waren  die  'O^ioi^  Thukyd.  3,  9,  4,  die 
Strabo  451  mit  kürzerem  namen  ^Oq>ieig  nennt,  von  og>ig 
schlänge,  aber  in  welchem  sinne?  „Schlangenverehrer?"  oder 
anwohner  eines  baches  ^'Otpig  (so  hiess  der  bach  von  Mantineia) 
oder  ^Otpiiav? 

Bwfioi^  Xoapoi  yAtwXiag^  oi  xaroixovvreg  Bwfjiiijg'  Qavuv'- 
didrig  zfiTtji  c.  96  jfBwfjii^^g  xat  Kakli^g^^,  dlX^  eatir  dnö  vov 
Btifiiog^  tag  dnb  %ov  Xijaiog  Xrjauvg^*  Steph.  Unter  den 
Bwf^ol  sind  wohl  eher  „stufen",  vgl.  ßad'fiog^  als  „altäre"  zu 
verstehen.  Btofii^g  geht  wohl  auf  Bu^iiov^  gebiet  der  Bio^oij 
wie  KaXhijg  auf  Kakhov.  Diese  von  Thukydides  neben  den 
Bwfiiijg  genannten  Kalh^g  sind  die  bewohner  ^on  KdXXiovj 
dem  gebiete  des  orts,  der  mit  voUnamen  KaXUrtokig  heisst.  So 
sind  die  KaXXiüg  dieselben,  die  in  den  delphischen  inschriften 
als  KulXiTtoXitai  bezeichnet  werden. 

In  i^Ttodunoi  findet  sich  derselbe  ausgang  vor  wie  in 
BeoftQorgoi  und  Boianol.  Zu  gründe  liegt  wohl  an:ovg  g. 
aitodog  „fusslos  d.  i.  unwegsam". 

BtiMi«  z.  kaiMto  A.  lad«.  ■pmaktB.    XXVL  17 


250  A.  Fick 

Ähnlich  heissen  die  l^negawoi  so,  weil  sie  in  „nndurch- 
dringlicher"  landschaft  wohnen;  die  eigentliche  bedeutung  von 
aTgiQctvjog  ist  ,,nicht  durchzukommen"  (jteqalvia).  Tlegctwia 
TtöXiQ  AhiüXiag  Steph.  ist,  allerdings  ohne  rücksicht  auf  den 
sinn,  aus  'ATtBQorcia  gekürzt  Die  ^^yQoioij  in  unwegsamen, 
noch  jetzt  mit  dichten  Waldungen  bedecktem  berglande  sesshaft 
(Bursian  Gr.  g.  1,  140)  sind  von  ayfa  jagd  als  »Jagdleute, 
uteidmänner''  benannt,  wie  ApoUon  dygaiogy  Artemis  dynala. 
Das  ac^ectiv  erfordert  auch  hier,  wie  immer  in  adjectivischen 
ethnicis  ursprünglich  den  zusatz  oydQeg. 

Dem  sinne  nach  stimmt,  was  aus  Aetolien  in  der  Hesych- 
glosse  Idyqe^ovag  berichtet  wird:  d^rjQoraij  ftOQdifjtixoL  Boi(o- 
voi  —  xal  tSjtog  iv  ^hwJUai,  zunächst  doch  bezeichnung  der 
bewohner  dieses  ortes. 

Der  name  der  Aonqoi  ist  dunkel,  die  Hesy chglosse  kenQoi  * 
c^oi  %i^  ihupaiiov  {xagdttav?)  giebt  keine  aufhellung.  Dagegen 
erklärt  sich  der  bergname  '*OloKQog  bei  Pydna  sehr  wohl  aus 
o-  „mit"  und  im  zweiten  gliede  zu  -Jlox^o-g  abgeläutetem  A«x^ff 
„mit  geweihzacken  versehen";  ähnlich  heisst  eine  klippenpartie 
am  brocken  y,die  hirschhörner". 

Die  westlichen  Lokrer  nannten  sich  selbst  FeandQioi^  wie 
sie  auch  den  abendstem  in  ihrem  Siegel  führten,  bekannter 
sind  sie  unter  dem  Spitznamen  der  'O^olai. 

Dieser  sollte,  von  o^iv  abgeleitet,  die  leute  als  „stinker" 
bezeichnen,  welcher  gestank  dann  verschiedentlich  hergeleitet 
wurda  Sprachlich  ist  nichts  einzuwenden:  o^ltjg  wäre  von 
o^w  gebildet,  wie  fiaiyo-Xrig,  fuayO'Xrjg^  olg>6'Xf]g^  bnvid-Xfjgj 
gtaivO'Xrjg  von  fialrofiai^^  filayw^  oupfo,  onvlw  qHUvto.  Doch 
stimmt  mit  dieser  ehrenrührigen  deutung  nicht  Skymnos  316 — 7, 
wo  es  von  den  epizephyrischen  Lokrern  heisst: 

Aaiv  d'  anoixoi  %wv  ^OTtowzitav  A^ot^/u^Vy  ¥yiOi  de  ^o- 
XQWv  qHxav  %wv  iv  ^Ol^oXaig.  (£ßi  sollen  nach  Suidas  die 
feile  %wv  ovdy^tov  geheissen  haben,  vgl.  lit.  Ma  haut 

Thessalien. 

Der  Thessalemame  lautet  im  eigenen  lande  net^aXog,  in 
Böotien  OeraXög,  OerraXdg  Smlg.  906.  708,  attisch  Bervaldg; 
das  Stammverb  ist  ^iaaea^aiy  q>aav6g  in  Qioq^otog  Böoter 
Smlg.  488,  wozu  n69og\  ihm  entspricht  germ.  hidjan  und  zend. 
jaidhyümi  „ich  bitte".    Hiernach   ist  die  deutung  des  namens 


Die  griechischen  yerhandnamen  (ethnika).  251 

nicht  zu  verfehlen:  Oev^kög  ist  wesentlich  gleich  mit  an. 
bidhil,  ahd.  pitil,  mhd.  bitel,  nhd.  bittel,  hier  und  da  noch  für 
den  fireiwerber  gebräuchlich.  Die  erklärung  des  namens  ist 
unter  Ahwldg  gegeben. 

AtfAOVBq  heissen  die  Thessaler  zuerst  bei  Pindar.  Der 
namenausgang  cä/itov,  doch  wohl  „kundig"  wie  cSfiot^a  SijQrig 
Homer,  war  besonders  in  Thessalien  in  ^AvÖQaiiuav^  ^InnaifAia» 
üblich,  und  so  bezeichnet  ^fioy&g  vielleicht  die  Thessaler  als 
leute,  bei  denen  die  -ai^<uy*namen  gebräuchlich,  wie  man  bei 
uns  von  den  Brunonen,  Ottonen,  Weifen  spricht.  Doch  könnte 
AX^foy  auch  speziell  kürzung  von  ^IftTt-alfitav  sein. 

Der  kern  des  landes  hiess  ^Afjyog  neXuayiMj&v^  d.  h.  wenn 
a^og  oben  richtig  als  „mark''  gedeutet  ist,  die  pelasgische 
d.  h.  den  Pelasgem  abgenommene  mark,  wie  es  bei  uns  eine 
windische,  d.  h.  wider  die  Wenden  errichtete  mark  gab. 

Diese  mittellandschaft  umlagern  im  norden  die  TleQQaißol^ 
neQaißolf  vielleicht  zu  fteQfa-y  7re^*grenze  „die  an  der  grenze 
weidenden'';  neg-Qo  ßoi  zu  fgaißog  got.  vraiqs  krumm,  „sehr 
verdrehte  leute"  wird  man  schwerlich  annehmbar  finden. 

^'itolov  OQog  IlsQQaißiag'  ol  o2xotbT«$  "/oiioi  Hesych.  Dar- 
nach lasen  einige  B  749  %m  6^  Sq*  ^ItoXoi  inovto  statt  %m 
d'  *Enijv€g  F.  Dazu  iwlov  iiihxiß  Hesych,  eigentlich  „rost- 
farben" zu  iogy  flog  „rost";  man  könnte  sehr  wohl  lesen:  %m 
di  FiwXoi  ^ftovto.  Die  leute  waren  wohl  weniger  braun,  als 
ihr  land,  to  ^Itolov  Sqog.  Nahe  an  sie  grenzten  die  Kekai^eig  : 
^^iTceg,  die  ganz  ähnlich  nach  der  braunen  färbe  benannt 
sind. 

Nachbaren  oder  ein  stamm  der  Perrhaeber  waren  die 
^£fiq>ieg  e&vog  ngoaexig  folg  IlBQQaißoig^  ^Ewnäiog  EvQOfftrii' 
j^oiKSOvaiv  ^I/itpi^y  TIsQQaißot^  vgl.  ifitffag'  ^ev^ag.  Gerralol 
und  ifitffiog'  TIoaBidwv  6  ^vyiog  Hesych. 

Dem  n.  oder  nw.  Thessaliens  gehören  wohl  auch  die  '£^- 
viarai  an  e&vog  GeaaaXiag  dnb  ^E^iazov  vwv  Neomokifiov 
TToidfay  evog  tag  ^Puxpög  f  xal  e.  Der  eponym  lässt  vermuthen, 
dass  der  stamm  ursprünglich  nach  Epeiros  gehörte,  dort  fanden 
wir  den  „makedonischen  typus"  auf  -inag  in  JvioTai  neben 
Jveaavog.  Dieser  findet  sich  auch  in  den  namen  der  unter- 
worfenen Urbevölkerung  Thessaliens  Tlepiavai  und  Meviatai^ 
die  sicher  von  den  siegem  herrühren.  Prellwitz  denkt  bei 
neviarai  an  lat.  penes,  aber  man  kommt  mit  Ttivofiai  aus  — 

17* 


252  A.  Fick 

vgl.  Ttevri^  arm  —  wie  für  Mwiazat  mit  /u^ai,  vgl.  die  ^ivoia 
auf  Kreta.  Sonst  hiessen  die  &eaaakonfietai  neXazai  und 
TlQoaneXaTai  „zugewandte  leute^'.  Die  endung  -vög  für  -vag 
findet  sich  vor  im  ethnikon  von  Gomphoi  an  der  grenze  von 
Epeiros  und  von  dort  her  eingedrungen;  die  münzen  der  Stadt 
haben  neben  rofiq>iaiy  die  aufschrift  roiiq>i%ovv.  Dies  ist  nicht 
aus  rofig>i%aovy  kontrahiert,  sondern  geht  auf  das  ethnikon 
rofiq>i,t6g.  Die  ethnika  auf  -%6g  sind  bei  den  nordgriechen 
beliebt:  'Ogearog  Maked.  ==  'Ogiazag  Arch.  Ztg.  38,  159 
(nach  PB.  auch  ^vyxriaTog  Lyncestus  bei  Vitruv)  „am  häufigsten 
in  Epeiros  —  Joeaa'rdg  Kla&iavog  ^Ogicewog  ^Yyxea%6g  Ooi- 
va%6g  lehren  uns  die  dodonäischen  inschriften  kennen'^  Yf.  zu 
smlg.  334. 

Die  thessalischen  Tetraden  sind  gleichförmig  benannt,  die 
einwohner  auf  -oiTag,  die  landschaften  auf  -tizig  :  ^Ea^riaiwrig^ 
TleJiaayicSTigf  Qeaaaltwtig  d.  i.  Tlerd'aliüiTig  und  Od-iwtig.  In 
der  Hesdaiotis  wohnten  die  Hestiäer  d.  i.  FeaTuxloi,  die  nach 
der  hazia  oder  der  göttin  d.  n.  benannt  sind ,  in  der  O^iwTig 
die  03-101,  die  vom  lande  0d'ia  den  namen  führen:  von  O&ia 
ist  0d'uiwag  s  ionisch  09Li^rig  von  0dioi  0d'i(6Tf]g  09imig 
gebildet 

Schliessen  wir  unseren  rundgang  mit  den  Magneten.  Die 
ableitung  des  namens  aus  Mwudciv  :  Manedvog  :  Maydv-tjg  ist 
schon  oben  gegeben,  es  sei  hier  nur  noch  bemerkt,  dass  die 
ursprüngliche  betonung  Maytrifs  Mayvrjtag  aufgegeben  wurde, 
durch  den  einfluss  der  Magneten  Kleinasiens,  die  als  Aeoler 
den  akzent  zurückzogen. 

Das  bindeglied  zwischen  Makedonen  und  Magneten  bilden 
die  nisQegy  die  bewohner  der  landschaft  niegia  zwischen  Olymp 
und  meer.  Der  landesname  ist  deutlich :  JtUtqa  ist  das  feminin 
zu  Ttiwv  und  Iluqla  entspricht  zufallig  dem  sskr.  pivaii  „die 
fette*^  Aus  TIuQia  ist  der  volksname  nieQsg  durch  kürzung 
hervorgegangen,  wie  wir  solche  in  den  epeirotischen  stamm- 
namen  so  häufig  fanden,  vgl.  z.  b.  TdloQeg  neben  TaJLaQia, 
Jedenfalls  sind  die  TlUgeg  ursprünglich  nicht  als  „die  fetten'S 
sondern  als  bewohner  eines  fetten  landes  gedacht. 

In  sagenhafte  vorzeit  versetzen  uns  die  namen  der  Minyer, 
Phlegyer  und  Lapithen.  Man  beachte,  dass  die  drei  verwandten 
Stämme  gleichmässig  mit  schliessendem  ä  benannt  und  Mivvai 
und  0XeyvaL   sprachlich   noch  näher  durch  den  gemeinsamen 


Die  griechischen  verbandnamen  (ethoika).  253 

ausgaDg  ihrer  namen  auf  -vä  verknüpft  sind.  Eine  deutung 
der  namen  unterlässt  man  besser,  da  sie  zu  wenig  handhaben 
bieten,  jedenfalls  sind  in  Minyern  und  Phlegyern  nicht  die  alt- 
indischen menschheitsväter  Manu  und  Bhrgu  zu  suchen. 

Ganz  mythisch  sind  die  Myrmidonen,  das  volk  Achills. 
Die  alten  sahen  in  ihnen  „ameisen",  was  im  hinblick  auf  fiVQ- 
juoi*  fjivQfirixeg  Hesych  und  thiernamen  wie  %ev9(^doiv  wald- 
biene,  veQr/dahf  holzwurm,  x^Aidoiy  schwalbe  sprachlich  wohl 
möglich  wäre.  Vielleicht  erinnert  man  besser  an  fivffiog'  q>6ßog 
zu  fWQfiOi*  (poßoi  xevoiy  fiOQfivpWy  fiOQ/id  und  fiofißgoi  d.  i. 
fio-fjidfji  und  fieQfieqog,  und  bildungen  wie  vrj%Bd6vBgy  jUfiAij- 
dovBg,  lat.  formidines.  Achill  ist  als  söhn  der  Thetis,  in  der 
Maass  die  Demeter  ^safto-^hig  erkannt  hat,  eine  chthonische, 
aller  heiterkeit  haare  gestalt,  ein  fürst  der  schrecken. 

Osthellas. 

Oben  wurde  der  name  der  Stadt  Phokaia  von  der  bucht 
Phokai  am  ausflusse  der  katabothren  des  Kephissos  abgeleitet, 
es  steht  nichts  im  wege  ebenso  mit  dem  namen  der  Phoker 
Oameig  zu  verfahren;  sprachlich  ist  es  jedenfalls  ganz  unan- 
stössig,  0(axevg  als  bewohner  von  Owxai  zu  deuten,  wie  ila- 
tQ€vgy  Qeameigy  Ilotvuvg  regelrechte  ethnika  zu  IIa%qaiy 
Qiüftiaij  Ilarviai  sind. 

Auch  die  sage  deutet  hierauf:  in  den  nachtragen  zu  He- 
siods  Theogonie  heisst  es  1004,  Aiakos  habe  mit  der  Nereide 
Psamathe  den  Phokes  erzeugt,  den  ahnherrn  der  Phoker.  Ebenso 
Pindar  Nem.  5,  13.  Dieser  setzt  den  Aiakos  zwar  schon  nach 
Aigina,  doch  gehört  der  vater  des  Peleus  zweifellos  ursprüng- 
lich nach  Phthia  in  den  Süden  Thessaliens.  Darnach  hätten 
sich  „Aiakiden''  d.  h.  Süd-thessaler  an  dem  sandigen  strande 
der  bucht  von  Phokai  festgesetzt,  dort  den  namen  0wrMlg  an- 
genommen, und  wären  unter  diesem  in  das  Kephissosthal  und 
an  den  (Pamass  vorgedrungen.  Hierfür  lässt  sich  auch  der 
name  einer  alten  Phokerstadt  NavßoXug  gelten  machen,  die 
Paus.  9,  33.  39  erwähnt  und  nach  der  ein  Phokerfürst  Iphitos 
B  518  Navßolidfjg  benannt  ist  Sehr  wohl  stimmt  dazu  auch 
der  dialekt  von  Phokis,  der  kaum  noch  spuren  der  alten  Aeolis 
zeigt,  die  nur  in  Delphi  noch  stärker  hervortreten.  Jedenfalls 
war  die  Wanderung  über  die  meerengen  zwischen  Phthia,  Eu- 
boia  und  Osthellas  bequemer,  als  durch  den  leicht  zu  sperren- 


254  A.  Fick 

den  engpass  der  Thermopylen.  So  siedelten  sich  Hestiäer  in 
Histiaia  auf  Euboia  an,  ebenda  finden  wir  eine  landschaft 
Hellopia,  die  von  den  Hellopem  um  Dodona  Siedler  und  namen 
empfing»  und  auf  diesem  wege  ging  auch  der  name  Hellas  nach 
dem  östlichen  Mittelgriechenland  über. 

Die  Abanten,  einwohner  von  Abai  im  thale  des  Assos,  eines 
nebenflusses  des  Kephissos,  hätten  sich  nach  den  angaben  der 
alten  von  den  Amanten  in  Epeiros  abgezweigt,  vielleicht  sind 
sie  über  Euböa  gekommen,  jedenfalls  ist  ^'Aßa^  g.  vrog  von 
^'Aßai  abgeleitet,  wie  ^*Yag  von  'To,  0lByvav%Bg  von  OXsyva^ 
^A^vfiaXag  und  ^AQiaßag  Yon  ^'^fivulai  und  ^ Ablaßt}, 

Mit  den  Hyanten  um  Hyampolis,  den  nachbam  der  Aban- 
ten, gleichen  Stammes  war  nach  ausweis  der  namen,  die  west^ 
lokrische  gemeinde,  die  Thukyd.  3,  101  "^Ydioi,  nennt  Ihre 
xcJjui;  hiess  TIolis^  worin  wir  ein  gegenstück  zu  ^Ydfi-fvolig 
erkennen  dürfen;  ursprünglich  hiessen  beide  gaue  ^'Ya  und  die 
mittelpunkte  derselben  *Ya  TtöXtg^  oder  schlechtweg  IloJLig. 

Auf  die  ältere  bevölkerung  von  Phokis  weist  der  name  der 
AloJUösiQf  deren  Stadt  nach  XakKidäig  :  Xalxig  ursprünglich 
AioXig  geheissen  haben  muss;  ebendahin  die  äolische  neben- 
form  BahpoL  von  Jslq>oi  neben  den  sonstigen  spuren  der  Aiolis 
in  der  mundart  von  Delphi. 

Im  dialekt  der  Böoter,  dessen  quellen  jetzt  so  reichlich 
fliessen,  unterscheidet  man  deutlich  zwei  verschiedene  bestand- 
theile,  altachäisch- äolische  und  westgriechische,  also  eine 
mischung  der  beiden  alten  haupttypen,  die  von  den  Griechen 
selbst  richtig  erkannt  und  als  äolisch  und  dorisch  bezeichnet 
sind,  vgl.  0.  Hofimann  de  mixtis  Gtaecae  linguae  dialectis. 

Diese  mischung  erklärt  sich  aus  der  geschichte  der  bevöl- 
kerung des  landes:  die  sagenberühmten  Staaten  der  Minyer, 
Phlegyer  und  Kadmeier  wurden  von  einbrechenden  Westgriechen, 
den  Böotern,  überrannt,  und  so  entstand  das  mischvolk  der 
Aiolelg  BoiunoL  d.  i.  der  Alotüg  %al  Boionoi;  aus  dem 
missverständnis  dieses  namens  entsprang  der  irrthum,  als  seien 
die  Böoter  die  echten  und  echtesten  Aeoler. 

Der  name  der  IlQOvacTaiy  nach  Stephanos  e^og  Bouiniag 
und  mit  dem  citate  „BoMurcJy  de  %iveg  to  Ttdlai  IlQOvaavai 
xaXioytai"  belegt,  hat  keinen  realen  inhalt:  rrgovaazcti  heisst 
„vorbewohner*^  zu  vaaaaa^aiy  vaUiv  wie  fiera'ydarrjg  und  der 
Karer  Ndatijg  im  Troerkatalog.    Ebenso  leer  ist  der  name  der 


Die  griechischen  verbandnamen  (ethnika).  255 


Exnjveg  oder  Eyxrtivegt  er  „bedeutet  wohl  nur  ansässige^'  Bur- 
sian  8.  202  zu  iyxrijtjd'aif  Synrtjaig;  die  form  ohne  nasal  er- 
innert an  böot  ercTtaaig, 

Die  ^'AovBg^  deren  name  am  ^  Aoviov  fcediov  bei  Theben 
haftete,  bezeichnen  vielleicht  den  weg,  den  die  ^laoveg  bei  ihrer 
Wanderung  nach  Attika  genommen  haben. 

TififiiKeg  werden  von  Lykophron  und  Menelaos  in  seiner 
Thebais  nach  Steph.  als  urbewohner  Böotiens  genannt.  Der 
name  ist  gebildet  wie  Atd'Tueg  Oolvliug  und  geht  vielleicht  wie 
diese  auf  die  färbe,  doch  ist  ein  reflex  von  altir.  temel  dunkel- 
heit,  SLg^  ßitnm  dunkel,  s.  tdmas  dunkelheit  im  Griechischen 
nicht  nachzuweisen. 

Deutlich  weist  auf  vorgriechische  bevölkerung  Böotiens  der 
name  Tlehxyiay  g.  nakayovtog.  Einen  neXdyoyra  zeugt  nach 
Apollod.  3,  12,  6  der  flussgott  Asopos  und  Kadmos  folgt  der 
stadtgründenden  kuh  nach  Theben  awrvx^  ^  '^oig  ßovKo- 
lioig  TlelayovTog.  Der  volksname  TleXayiinf  g.  Ilekaydvog  passt 
nur  im  nom.  und  voc.  in  den  hezameter,  dichter  gaben  ihm 
daher  die  flexion  mit  t,  die  übrigens  nur  bei  der  betonung 
IleXaywv  möglich  war,  wie  auch  homerisches  SafTnjdovrog  neben 
SaQTtfjdSvog  auf  barytoniertes  SoQTtiqdwy  zurückgeht  nach  der 
feinen  bemerkung  bei  Hesych  unter  SoQftijdorrog  :  sau  de 
Aloh/KTi  and  ev&eiag  trjg  SoQTtijdiav.  Im  kämpf  am  flusse,  0 
der  Dias,  werden  ebenÜEtlls  unter  dem  verszwange  zu  TleXayaiv 
die  obliquen  casus  Ihjleyova  0  159,  nrßsyovog  0  141  gebildet, 
wie  man  bei  dichtem  auch  Mantidovlrj  findet. 

Die  Pelagonen,  deren  eponym  Pelagon  ist,  heissen  sonst, 
wo  sie  in  Griechenland  als  urbewohner  erscheinen,  IleXaayoiy 
die  also  einst,  wie  in  Attika,  auch  in  Böotien  sassen,  wie  denn 
die  Thraker  in  Phokis  um  Daulis  und  als  Ogcunidai  in  Delphi 
wohlbezeugt  sind. 

Der  name  der  Kadmeier  ist  ganz  durchsichtig:  nadfiog 
verhält  sich  zu  nenadfiivagy  wie  ytaafiog  zu  yiaaaaa&aiy  xeMta- 
fiivog  und  wie  xoofiog  zu  Ksa-dvdfa^  dorisch  neben  KaaadvÖQa. 
Alle  drei  wortformen  sind  auch  sonst  zur  namengebung  ver- 
wendet in  ßjuadfiog  KaaiivXog  EvKOOfiog  Kdafimitog  GP.  *. 
'OTtlodfiia  hiess  eine  phyle  in  Mantineia,  Hera  ^Ortloa^ia  im 
Peloponnes:  jenes  aus  ^07cXox{o)dfÄiaj  dieses  aus  ^OTclox(o)afÄia 
zusammengezogen.  Als  nomen  ist  Kadfiog  erhalten  in  der  He- 
syehglosse:  TMÖfiog*  ddqvj  Idgfog,  aanig.    KqrpBg^  d*  i.  waffen* 


256  A.  Fick 

schmuck.  Der  xddfiog  Bijßaiog  ist  der  heerbann  von  Theben, 
KadfABloi  die  dazu  gehörigen  mannen,  die  Kadfisla  der  wafifen- 
platz  von  Theben.  Als  burggeist  der  Kadmeia  ist  Eadmos 
schlänge  oder  schlangenfüssig,  als  gründer  und  könig  ist  er  der 
ytoa/Äonolig^  wie  die  Lokrer,  der  noofiog^  wie  die  Kreter  ihre 
bürgermeister  nannten,  der  xocfÄijTWQ  lawv  des  epos.  Aus  dem 
genetiv  von  KadfÄeloi  geht  Kadiiuwv  g.  Kadfielüfvog  hervor,  wie 
^Axqetiov  „Atreide"  aus  dem  genetiv  von  ^Atqüoi,  —  Die  her- 
leitung des  namens  Kdöfiog  aus  dem  semitischen  kedem  „morgen- 
länder"  kann  nur  noch  als  curiosum  erwähnt  werden.  Man 
stelle  sich  doch  einmal  vor,  wie  sich  der  fremdling  bei  den 
leuten  als  „kedem*^  einführte.  Die  Fqaioi  sind  die  bewohner 
der  landschaft  rQoiaf  des  landstrichs  um  Oropos,  als  attischer 
demos  später  Fgct^g  genannt.  Bei  Stephanos  heisst  rQäia*  6 
TtoXiTijg  Fgaiogy  eine  Ttolig  'EgevQiagy  weil  Oropos  eine  Zeitlang 
nach  411  im  besitz  der  Eretrier  war.  Eponym  der  rQoioi  ist 
Fgägy  den  Strabo  582  als  eroberer  von  Lesbos  nennt.  Die 
Stadt  Graia  im  schiffiskatalog  ist  sicher  Oropos,  wenn  auch 
einige,  offenbar  des  namenklangs  wegen  darin  Tceva-yga  sehen 
wollten.  Die  Ffamol  sind  zweifellos  ursprünglich  die  bewohner 
der  Oropia,  die  Thukyd.  2,  23,  2  TlefaiTtij  nennt,  wofür  wohl 
zweifellos  richtig  jetzt  FQaixrj  gelesen  wird.  Die  rgalueg  waren 
nach  Stephanos  uiioXäig  oi  to  Tldgiov  oixovyreg;  F(fdi§^  ge- 
bildet wie  Ggal^j  verhält  sich  zu  rQainogy  wie  iihpi^  dreifuss 
zu  mensa  Delphica,  Jelq>ii€rj  tgaTue^j  oder  wie  Aionu^*  %ih,^ 
(Hesych.)  zu  Aionuxfj  (xt;^^),  offenbar,  wie  die  benennung  nach 
Aiakos,  dem  Schutzheiligen  von  Aigina,  zeigt,  ein  erzeugnis 
äginetischen  kunstfleisses.  Mit  diesen  FqoLUeg  von  Parion  haben 
die  YqaiMg'  —  nagä  ^^hciAotvi  al  vwv  ^Ellijvwv  firjriQeg  xal 
TCOQot  2og>0Klei  ev  Tloifjiiaiv  Steph.  nichts  zu  thun.  Das  wort 
stammt  aus  Alkmans  bearbeitung  der  Odyssee:  er  nannte  so 
die  heroinen  der  Nekyia,  von  denen  es  X  225  heisst:  al  de 
ywahieg  r^Xv^ov;  diese  nannte  Alkman  mit  hinblick  auf  ygaiai 
und  reimend  auf  ywäinag  als  „altfrauen''  yQaixeg. 

Wie  die  Fgaioiy  FQatxoi  als  Graji  Graeci  in  Rom  zu  der 
ehre  kamen,  das  gesammtvolk  der  Hellenen  zu  bezeichnen,  ist 
nicht  klar;  vielleicht  bildeten  die  Fgaloi,  Fgamoi  den  haupt- 
bestand der  ältesten  bevölkerung  von  Kyme  in  Eampanien :  die 
Graia  ist  von  Chalkis  nur  durch  den  engen  sund  des  Euripos 
getrennt.    In  den  besiodischen  katalogen  fr.  19  ist  Graikos  ala 


Die  griechischen  verbandnamen  (ethnika).  257 

söhn  des  volksvaters  Deukalion  schon  als  Vertreter  des  gesammt- 
volks  zu  verstehen.  Zur  betonung  bemerkt  Stephanos:  rb  de 
rQoixog  TO  xvQiov  ßagvveraij  tö  ovv  i^vinov  o^wstai  vgl. 
TevxQoi'  6^6v(ag  ol  TQiSegy  anb  Tbvhqov  vov  JSka/uoyd^ot;  Kai 
^löaiag  vvfiq>rig  Steph. 

Dass  die  Böoter  spätere  eindringlinge  in  die  nach  ihnen 
benannte  landschafb  sind,  berichtet  die  Überlieferung;  dass  sie 
den  Stämmen  des  nordwestens  angehören,  zeigt  ihre  mundart, 
die  von  äolischer  beimischung  abgesehen,  im  lautstande  den 
typus  des  nordwestens,  der  y^nördlichen  Doris'*,  wie  man  sie 
nennt,  aufweist.  Dazu  kommt  ihr  name:  Bouarog  ist  gebildet 
wie  ^Aitodiotog^  GeartQwvog  und  enthält  den  ausgang  -to^,  der 
im  norden  und  nordwesten  -vag  vertritt,  oder  damit  wechselt 
s.  0.  Vielleicht  lässt  sich  aus  dem  namen  auch  der  weg  er- 
mitteln, den  die  einwanderer  genommen:  0.  Hoffmann  erinnert 
an  Boiov  in  der  Doris  und  das  Boiov  ogog  an  der  grenze  von 
Epeiros  und  der  Orestis.  Bequemer  war  freilich  der  zugang 
von  Thessalien  über  Euboia  her,  und  man  könnte  sich  sehr 
wohl  vorstellen,  dass  ein  epeirotischer  stamm,  immerhin  vom 
Boiongebirge,  in  Thessalien  eingedrungen,  und  von  da  durch 
die  Thesproter  verdrängt  über  Euboia  nach  Böotien  eingewan- 
dert sei.  Die  herkunft  zunächst  aus  Thessalien  wird  durch  den 
beinamen  ^AQvaloi  und  die  ansiedlung  thessalischer  namen  wie 
^Aifvri^  KoQdiveiaj  KovQoJUog  bewiesen.  Ging  der  weg  über 
Euboia?  ^Oq>sX%a  hiess  nach  Lykophron  ein  berg  auf  Euboia, 
^(hpihsag  nach  Plutarch  Kimon  1  der  könig,  der  die  Böoter  aus 
Thessalien  nach  Böotien  führte.  Die  Verbindung  zwischen 
Thessalien,  Euboia,  Osthellas  ist  auch  sonst  vielfach  zu  belegen. 
Zu  dem  oben  bemerkten  kann  man  noch  die  Überlieferung  der 
Gephyräer  in  Attika  stellen,  die  aus  Eretria  in  Euboia  ins 
Asoposthal  und  von  da  nach  Athen  eingewandert  sein  wollten. 
Ihr  dienst  der  Demeter  W^ata  weist  nach  Achaja  im  süden 
Thessaliens,  wo  die  Demeter  in  Pyrasos  hochverehrt  wurde. 
Auch  in  Thessalien  gab  es  eine  Stadt  Eretria  „IW  xoi  Qaeaa" 
Xiag*'*'  sagt  Stephanos,  ein  Xalyuadonov  ogog  nennt  Ap.  Rh. 
1,  ÖO  neben  Pherai,  Chalkodons  söhn  Xalutadovriadr^g  heisst 
im  Schiffskatalog  der  führer  der  Abanten  von  Euboia.  Der 
name  dieses  Ghalkodontiaden  *EX€q>i]vwQ  geht  übrigens  wohl 
nicht  auf  die  alten,  biederen  Abanten,  sondern  die  „alle  weit 
betrügenden*'  (iksqHxlgw  betrüge)  chalkidischen  kaufleute. 


258  A.  Fick 

Durchsichtig  sind  die  böot.  ethnika,  Grjßay&^eig  im  Aso- 
posthale  und  ^irtfcoTai  am  Helikon.  Koloiq)Qv^  hiess  nach 
Hesych  ein  ogog  Bouinlag^  nach  Stephanos  hätten  die  W^rt- 
xovdvleigj  vermutlich  als  bewohner  dieses  berges,  Kololtp^vyeg 
geheissen.  Der  sinn  dieses  namens  erhellt  aus  Hesyohs  Koloi- 
ipqv^'  TavayQoiog  dleKVfvdv^  zusammengesetzt  aus  xoXoiog 
zank,  streit  und  q>9v^y  wozu  (pQvyilog  kleiner  TOgel.  Die  kampf- 
hähne  von  Tanagra  waren  berühmt.  Als  ethnikon  ist  KoXoL- 
q>qvyBg  jedenfalls  ursprünglich  Spitzname. 

Aus  Euboia  gilt  es  noch  einen  hübschen  kurznamen  zu 
verzeichnen:  Steph.  MäxQig,  37  Evßoia'  01  olxovvveg  Md- 
xfwvegy  nicht  wie  Mamquvg  von  Mcolqiq^  sondern  einem  vor- 
schwebenden: McnLQO-vfjaog  entnommen.  Die  einwohner  von 
MdxQa  hiessen  nach  Stephanos  vom  voUnamen  McatQa  vijaog  : 

Attika. 


Ein  verbandname  für  die  gesammtbevölkerung  von  Attika 
ist  vor  der  einwanderung  des  'Idovsg — ^'lanfsg  nicht  nachzu- 
weisen. Nach  der  Staatsgründung  durch  Theseus  wurde  der 
loniemame  durch  ^A^rpfaloi  verdrängt,  ursprünglich  adjectiv, 
daher  die  Athener  zu  allen  zeiten  als  avdqeg  ^Adrpfoioi  ange- 
redet wurden.  Sehr  hübsch  ist  die  kürzung  des  feminins 
*  Adrjvailg  zn^Avd'lg,  wobei  ^A&'^vai  als  zweistämmiger  voU- 
name  behandelt  ist  Vom  namen  des  landes  sind  gebildet:  von 
'^xri/  ^Awtaiog  als  eponym  belegt  und  ^AttvMg  für  ^AxtiTcdg 
vgl.  rgatnog,  XalnidiTtog  u.  a.  KQCtvad  ndXig  und  K^avad  hiess 
Stadt  und  land  „dtä  xo  Xenroyetay  elvai^^.  Apollodor  nennt  als 
tochter  des  eponymen  KQCtvaog  Kqavoa)  und  Kgavalxfzfj,  Die 
deutung  des  letzten  namens  als  Zusammensetzung  von  üqovov 
und  aYxjüfi  „ii^it  einer  lanze  von  kornellenholz'*  giebt  keinen 
passenden  sinn,  auch  kann  der  name  unmöglich  von  denen  der 
Schwester  Eranae  und  des  vaters  Kranaos  getrennt  werden. 
KQavaixfif]  ist  vielmehr  als  Kgavaal-xf^t]  zu  verstehen  und  zur 
vergleichung  ugayaiJTiedog  im  hymnos  auf  den  Delischen  Apoll 
472  heranzuziehen,  wo  Delos  sagt  „liQavctiJTisSog  Blfii^*;  XQcnuxij' 
ist  hier  ionisch  für  ugavaai-^  wie  ionisch  ^Al^tjfiivfjg  für  ^AXd'ai- 
fiivrjg.  Im  ausgang  -xi^fj  ist  eine  verkürzte  form  zu  xafia-i  zu 
erkennen,  xQavaai-xf^ri  heisst  also  soviel  wie  TtQovailfveöog  „fels« 


Die  griechischen  verbandnamen  (ethnika).  259 

gründig*^  und  ist  YoUname  zu  Kqav&a^  woraus  dann  das  eth- 
nikon  K^ctvaSg  und  der  eponym  des  namens  hervorgehen. 

Die  herkunft  der  ethnika  auf  -aaiog,  'ijatog  aus  den  loka- 
tiven  auf  -äa«,  -rjai  ist  bei  einigen  attischen  demotennamen 
besonders  deutlich,  weil  hier  die  betr.  ethnika  und  topika  neben 
einander  liegen. 

So  'ijaiog  neben  -tjoi  in: 

6  JlevTelrjciog  Jd^og  =  6  nerrelijai^  Xld-og  von  IlevTeXij. 
^Ewxlr^aiov  fest  des  Zeus  ^ExäXsiog  :  ^Enakrjai  zu  Hekale. 
Olv^aiog  6  ^EQfiijg :  Olv^ai  „zu  Phlye^S  und  daneben  0lvd' 

-aciog  neben  -aai  in: 
BQiaaiog  zu  Bgiaai  :  QQia 

nrei^daiog  zu  ÜTeliaai  :  n%eXia  und  0vJi4iawg  (warum   er?) 
zu  0vl^ai  :  0vXij. 

Wie  ist  ^^vayvQdaiog  zu  ^^vayvQOvg,  Oleiaaiog  zu  0l€iovg 
zu  beurtheilen?  Für  0leidau>g  ist  sicherlich  von  0Xeux  aus- 
zugehen, weil  sonst  -vv  erhalten  sein  würde;  aber  attisch  Tei- 
&Qdaiog  geht  auf  Tei^Qog  avtogy  den  älteren  namen  des  ortes. 

Das  demotikon  BvTtsrauiv  zu  Svnen]  ist  deutlich  aus  dem 
gen.  pl.  EvTietaitop  entstanden  als  elg  xwv  SvTgeralünff  ver- 
selbständigt mit  akzentveränderung  wie  in^ ^^sfiiaitiv  :  6  fifjv 
6  %wv  '^^sfiiaiiav  von  ^^^efilaia  Artemisfest. 

Peloponnesos. 

Im  Peloponnes  sind  die  ethnika  meist  von  landschaft-  und 
Städtenamen  abgeleitet,  und  zwar  gewöhnlich  von  lokativen  auf 
ly  me  ^u^Qyiioiy  ^ayiedaifioviOL  von  ^'Aqyüy  Acmsdaifiovi^; 
^Hhiiog  von  ^Hlei-y  Fdlei  neben  Fall;  IIvhoL  von  TIvXi  = 
TlvXoif  wie  in  Ttav-dtifii;  von  Meaadva  :  Meaaavioi;  in  '^x^- 
geioiy  KwovQioi  stehen  die  landschaftsnamen  auf  -sia^  -la  jeden- 
falls parallel,  beide  beruhen  auf  adjectiven. 

Nach  der  Verzeichnung  Kadfielog :  Kadfiaiwv  ist  ^Aqyeiiov 
aus  dem  gen.  pl.  von  ^Agysiog  gebildet,  vermutlich  aus  dich- 
tem stammt  die  Hesychglosse  ^AqyBlwvag  tovg  ^Agyeiovg; 
richtig  bemerkt  Stephanos  unter  ^'Aqyogi  xal  ^AQyBiiovsg  Idyov- 
Tai  wg  Kadfiei(oveg. 

Ein  versuch  zur  bildung  eines  vollnamens  liegt  in  'Agyo- 
Xag  vor   bei  Steph.  aus  Aristophanes  "H^faüiv  und  Euripides 


260  A.  Fick 

nieia&BVBi  belegt.  Dazu  ^AqyoXlg  und  ^u^gyadeg'  (eldog  tpvrov 
xat)  ^^Qyelai  ywalxeg  Hesych. 

OrigiDell  ist  die  kürzuDg  Aaxwv  für  uiaxedaiiLioviog,  auch 
dem  gebrauche  nach  eine  ächte  koseform  dem  vornehm  offi- 
ziellen Aomedai^oviog  gegenüber. 

Zu  ^EUnrj  bemerkt  Stephanos:  6  7toXixr}g  ^Ekmwviog  drtb 
Tov  xTLOTOv  ^Eliücjvog,  richtiger  von  ^EXitlwv  =  'EkUtj^  wei\ 
kXiyuov  „weidicht^'  sinngleich  mit  dem  kollektiv  gedachten  eXlxr] 
„weide"  ist.  Ebenso  heisst  es  Steph.:  "^Ifiog'  TioXig  Bouariag. 
—  t6  i^mov  —  ^ uiXfxiüVLog.  Zn  Nv^qxxgr  noXig  ^u^^adiag 
(Paus.  8,  34,  6)  war  das  ethnikon  Nvfig)aaiog  xal  Nvfiq>aala 
nriyr]  Steph.  Vielleicht  ist  a  hier  schlechte  wiedergäbe  eines 
^  und  dies  dialectisch  für  d,  wie  in  Seysatatirj.  Auch  ^u^Qua- 
aidrjg  liesse  sich  so  erklären. 

Vom  alten  lokativ  auf  -rjVy  €v  (vgl.  s.  agnau  zu  agni) 
stammen  die  ethnika  auf  evg  wie  ^AlyiaXevg^  Meyagevg,  Von 
den  Ortsnamen  auf  -eia  bildet  man  den  bürgernamen  auf  -evg 
nicht  auf  -eievg^  wie  Mavrivevg  zu  MavrivBia.  Daher  ist  auch 
^OdvaaBig  in  Spanien  nicht  als  plural  vom  heroennamen  ^OSvo- 
aevg  aufzufassen,  wie  o.  23,  s.  244  geschehen;  sondern  die 
^OSvaaeig  sind  die  bewohner  der  Stadt  ^OSvooBia:  xai  h  vfji 
^IßtjQiai  ^Odvaaeia  noXig  deUwrat  Strabo  149,  nach  157  ober- 
halb Abdera  im  berglande  der  Turdetaner  gelegen.  Da  nun 
die  bürger  für  die  Stadt  genannt  werden  können,  heisst  es  bei 
Steph.  ganz  richtig:  ^Odvoaeig  noXig  ^IßrjQiag.  Aber  wenn  es 
weiter  heisst  dgaevixwg'  xai  z6  i&vinbv  o/doiov^  (og  ^AtoQvug 
{%ai  JiTtaiBlg)  scheint  der  sing.  ^OdvaoBvg  gemeint  zu  sein: 
^OdvaüBvg  als  Ortsname  wie  MBviXaog  Sagrtriddv  TeXa/iciv  u.  a. 
s.  oben  23,  242.  Für  das  sinnlose  aQaBvixtjg  ist  kviKiug  „im 
Singular"  zu  schreiben.  Also:  'OdvaoBig'  TtoXig  ^IßrjQiag*  (xai 
^OävooBvg)  evmwg'  xal  ro  edyixov  ofAOiov,  wg  'u^taQvevg  wie 
auch  die  stadt  hiess.  Die  bürgernamen  auf  -tag  sind  beson- 
ders von  städtenameu  auf  -a  sehr  beliebt  wie  in  niaS-fai, 
TsyBO-taiy  Kaqva'Xai  u.  a.  SftaQVidTtjg  ist  nicht  von  STtaQra 
sondern  von  STtagvia  abgeleitet,  was  für  die  herleitung  von 
dem  pflanzennamen  artagvog  ,, spart"  spricht:  aTtagrid  wäre  ein 
„Spartfeld"  vgl.  Ttgaatd.  Das  jedenfalls  nur  poetische  ^uägyeitO" 
XTjg  ^^QyBiwTig  ist  regelrecht  von  ^Agyelog  gebildet  wie  Od-iw- 
trjg  ip&iwtif  von  ^&log. 


Die  griechischen  yerbandnamen  (ethnika).  261 

Schon  dem  epos  sind  die  stammnamen  ^u^Qnddeg^  Javaoij 
'ETteioi  und  Kotvyuaveg  bekannt. 

^^Qxaösg  wurde  von  den  Alten  auf  aQurog  „bär'^  oder 
vielmehr  „bärin"  bezogen  und  durch  die  Kallistosage  erläutert: 
^AqKag  sollte  der  söhn  der  bärin  von  Zeus  sein.  Die  deutung 
der  Arkader  als  hären  findet  heute  noch  beifall,  doch  stehen 
ihr  schwere  bedenken  entgegen:  die  einbusse  des  %  in  afpizog 
ist  sonst  unerhört  (angebliches  aQ%og  bär  und  aQTuXog  bären- 
junges sollen  wohl  nur  die  ableitung  von  *Aq%ag  stützen)  und 
-agy  -ddeg  von  thiernamen  bezeichnet  nur  weibliche  thiere,  wie 
alyddeg  dfivädeg  neleiddeg  u.  a.,  und  so  kämen  wir  nur  auf 
bärinnen,  nicht  auf  hären. 

Sonst  werden  die  nomina  masc.  auf  -ad,  -odsg  nur  von 
adverbien  auf  -ade  und  -adijv  gebildet,  wie  qfvydg  von  q^ads 
„zur  flucht'%  Xoyddag  zu  loyddrjVy  fii^ydöeg  zu  faydäf/v  =  fuy- 
drj¥  filyda.  So  kämen  wir  auf  eine  basis  agnaÖBy  die  wir  aus 
dem  Griechischen  selbst  erklären  können,  ohne  zu  lat.  arca 
und  arx  unsere  zufiucht  zu  nehmen.  Von  €Qeßog  ist  elgeßads' 
elg  egeßog  (Hesych.)  gebildet,  ei  im  anlaut  ist  ausdruck  der 
vocalverschärfung  unter  dem  ictus:  die  glosse  stammt  aus  dem 
epoSy  das  nicht  die  folge  von  vier  kürzen  duldet.  Wie  iqißada 
von  Sgeßag^  konnte  man  aQTtads  von  oqnog  „abwehr^S  bilden 
(bei  Alkaios :  oQuog  lax^^oi  ßilßog  und  basis  zu  dfniaaai) ;  von 
OQxada  aber  ist  ^AfTuUsg  richtig  abgeleitet  wie  gwyddeg  von 
qwyade;  Svdgeg  ^AqwÖBg  wären  demnach  die  „zur  abwehr" 
verbundenen  mannen. 

Die  *E7teioi  sind  bei  Homer  die  herren  von  Elis.  Mög- 
licherweise sind  sie  als  ,,draufgänger'^  von  iniivai  benannt, 
entsprechend  unserer  oben  versuchten  deutung  von  *Axou,oL 

Javaoi  heissen  bei  Homer  die  Argeier  und  wie  ^Agyetoi 
weiterhin  alle  Griechen  (Achäer).  Vielleicht  hängt  der  name 
mit  ddvog  „ddvag'  fieQidag  KoQvafioi*^  (Hesych.)  zusammen  und 
bezeichnete  ursprünglich  bloss  die  geomoren,  die  erbgesessnen 
bauem  von  Argos.    Dazu  würde  wohl  passen,  dass  ihr  eponym 

^'Aqyog  awÖQOv  ibv  Javaog  Ttoirjaev  Mwiqw  Hesiod  frg.  97. 
Vielleicht  ist  übrigens  auch  hier  vom  landesnamen  auszugehen 
vne  bei  Kranaa  =  Attika.  Kann  es  für  zuÜEill  gelten,  dass  die 
beiden  gegengestade,  die  ^A%%aj  Attika,  und  Argolis  und  ihre 
bewohner  reimweis  benannt  sind:  K^ixyaa  :  Javad^  KQcn^aoi* 
Jaraoi  ? 


262  A.  Fick 

^^ftidcn^eg  soll  nach  jüngeren  dichtern  uralter  name  der 
Arkader  und  Argiver  gewesen  sein :  ^AgxddBg  'Anidav^g  Ap. 
Rh.  4,  263,  nach  Rbianos  bei  Stephanos  war  es  Phoroneus'  söhn 
ApiSy  og  Q  ^AnLvjv  iqxxviCß  %ai  avigag  ^^ftiSavfjag.  Nach  Steph. 
hiessen  Argiver  und  Arkader  auch  ^^7tid6veg^  was  an  fitpuda- 
vog  :  Maiudoiv  erinnert.  Homer's  07117]  yäia  zieht  Rhianos 
fälschlich  hierher;  ^Ania  ßovvig  wird  von  Aeschylos  Suppl.  117. 
127  Argos  genannt.  Apidanos  hiess  ein  fluss  Thessaliens,  sollte 
die  benennung  'Anidav^sg  bloss  die  herkunft  der  Peloponnesier 
aus  Thessalien  bezeichnen?  oder  hängt  der  name  der  Jonfooi 
mit  ^Ani'davrjsg  zusammen?  Schwerlich,  da  dieser  erst  spät 
bezeugt  ist 

Ob  die  Kaukonen  der  Odyssee  Griechen  oder  barbaren 
waren?  Jedenfalls  sind  sie  ganz  von  den  Kaukonen  zu  trennen, 
die  in  K  429  Y  329  als  bundesgenossen  der  Troer  genannt 
werden,  nach  den  alten  bald  für  ein  e^og  naq>Xixywlag  ij 
Sxv&iag,  nach  andern  für  Kaunier(I)  gehalten.  Der  name  er- 
innert an  die  vogelnamen  nuxvKaXiag  und  %avxlaXog  bei  He- 
sych,  lit.  haükdU  ein  vogel  am  Haff  und  kauk4i  schreien.  Vgl. 
stammnameu  wie  ^Aiqotj)  Miqoxp  Jqvoifß  KoXoiq>QvyBg  0k€yvag. 


Ausserhalb  des  mutterlandes. 

Die  einwohner  der  ^EnaTOvfjaoi  nannten  sich  selbst  offiziell 
Naaiakai  Smlg.  304  A  40 ;  dieselbe  Vertretung  fanden  wir  oben 
für  die  bürger  von  ÜQiipaaog  =  ÜQwyvoi  auf  Kephallenia,  die 
bei  Livius  Nesiotae  heissen. 

Sehr  hübsch  ist  die  kürzung  des  ethnikons  Mvrih^väiogj 
von  der  Stephanos  unter  MvriXijvri  berichtet.  Nach  Hekataios, 
heisst  es  dort,  ist  die  Stadt  benannt  irtö  MvriXijvrig  t^g  Md^ 
xagog  (des  Schutzheiligen  von  Lesbos)  7/  IliXonog  9vy(nQ6g,  ol 
öi  S%i  MvriXtjg  rjv  6  oixiOTijg.  01  di  äno  Mvranfog  tov  TloaU" 
diovog  xai  MvriXijnjg'  S&w  MvT(ayida  xaXei  vrpf  Aioßov  KakXl- 
fiaxog  iv  rtSi  tetäq^ioi^  TIoQ&iviog  öi  Mvrwvidag  vag  Asaßi- 
utag  q>rjai,  Xeyovzai  de  Mvzotveg  aal  Mwafvaioi  yuxl  MvrtXij' 
väioi.  Die  namen  der  angeblichen  gründer  MvrlXTjg  und  Mv- 
tüfv  sind  selbstverständlich  von  denen  der  Stadt  und  der  bürger 
hergenommen.  MvviXtjg  ist  gekappter  (zweistämmiger)  kurz- 
name  von  MvTtXTj'-vaiog  und  Mvrtaveg  hiessen  die  Mvri'Xfjväioi 
wie   uiaxtüveg  die  udcme-daifiövioi.     Ob   der    name   der   Stadt 


Die  griecliisclien  yerbandnamen  (ethnika).  363 

zweistämmig  ist?  pivwig  „das  innere  der  sepia^'  vielleicht  diese 
selbst  und  Irpßog  trog,  bebälter??  Jedenfalls  ist  der  stadtname 
als  zweistämmiger  gedacht,  als  man  die  korznamen  Mvultjg 
und  Mvziov  aus  dem  bürgemamen  bildete,  wie  ^A%9lg  auf  der 
Zerlegung  von  ^A&rjvai  in  A9'  und  i^vai  beruht.  Mv%wv  als 
gründemame  schliesst  sich  der  schier  zahllosen  reihe  der  fjqia^g 
Ktiatal  an,  die  das  ethnikon  der  gründung  als  namen  tragen, 
deren  man  einige  GP.  *  s.  363  verzeichnet  findet.  Sohn  Posei- 
dons heisst  Myton  als  grfinder  einer  seestadt  Das  ethnikon 
Mvvunf  wird  auch  als  männemame  verwendet  s.  GP.  *  337. 

Usener  sieht  göttemamen  s.  327  in  Mtkmv  das  lat  m(ito 
„penis*'  und  den  phallischen  gott  Müttnus.  „Was  ist  davon 
auf  griechischem  boden  geblieben?  Nur  auf  Lesbos  erzählte 
man  von  einem  söhn  des  Poseidon  Mvrtavj  nach  dem  die 
hauptstadt  Mytilene  und  die  insel  selbst  Mvronflg  benannt  war'S 
Also  der  müto  wurde  söhn  Poseidons  und  gründer  und  bürger 
(s.  o.)  von  Mytilene.  Mehr  kann  man  billiger  weise  von  einem 
noo^tay  nicht  verlangen!  Übrigens  ist  die  gleichung  müto: 
Mvtwv  auch  sprachlich  unmöglich,  da  ü  in  mäto,  wie  mhd. 
meidem  ,,heng8V'  und  zend.  maSthman  „Vereinigung,  begattung** 
zeigt,  aus  oi  entstanden  ist. 

Die  urbewohner  von  Rhodos  nannte  man  ^iyvrirsg  und 
Fv^Tsg  nach  Stephanos:  rvijteg'  e&vog  olx^äav  r^y  'P6doy.  Mif9ev 
%ai  lyvfiveg  oi  i&ayepeig'  leyerai  yoQ  xoe  fierä  %ov  l  ^'lyrrfweg 
vgL  ^'lyvijvsg  oi  xai  XfOQig  tov  l  liyonai  tjg  eXQfjtai  h  t^  y. 
Dazu  jjtyrriveg  attice  scribi  dicit  ApoUon.  de  pron.  p.  330*  Mei- 
neke.  7  ist  Fij  in  ßlv  fidiog  aus  svi  vgl.  s.  avid;  das  digamma 
ist  in  Bhodos  früh  verschollen  und  durch  den  hauch  ersetzt 
Über  die  nationalität  sagt  der  name  nichts  aus,  iyvijg  ist  eben 
—  i&ayer^gj  von  interesse  ist  nur  die  kürzung  von  ^I-yrqg  zu 

Fremde  ethnika. 

Die  namen  fremder  Völker  wurden,  wie  alle  fremdnamen, 
von  den  Griechen  sehr  frei  bebandelt  und  volksetymologisch 
umgewandelt  So  wurden  aus  den  P&rsa  lUgaai  mit  anklang  an 
ninofjgy  ntgaevgy  Ttigacu ;  neQüintolig  ßaalksiog  afQaTog  heisst 
das  Perserheer  Aeschylos  Perser  65 ;  aus  den  Killaku  machte  man 
KiJUneg  nach  GQaiTieg  rQaiTug  und  unter  den  kaukasischen 
stammen  entdeckte  man  sogar  ^A^xaioly  ^Hvlo^oi  und   Tvvda« 


'264:  A.  Fick 

Qidai.  Assur  gab,  als  ^u4aavQiog  in  '^a-  und  -aigiog  zerlegt, 
den  volksnamen  der  Svqol  her,  und  aus  der  benennung  der 
Kappadoken  A&nuo^avqoi  zog  man  den  namen  Svqioi,  wie  He- 
rodot  1,  72  sagt  oi  de  KaTcnadoiMxi  in  EXhiptav  JSvqioi  ovo- 
fid^ovfai;  doch  werden  die  namen  2vqoi,  und  SiQioi  von  an- 
deren anders  gedeutet. 

Die  Lykier  der  Troas,  die  nur  der  erste  theil  der  Ilias 
kennt,  sind  die  Mannen  des  Lykaon,  dessen  söhn  Pandaros  sie 
fuhrt,  also  uiüuoi  für  ^vnaovioi,,  und  so  nannte  Poseidippos 
nach  Steph.  unter  ZiXeia  die  Lykier  der  Troas  geradezu  Ly- 
kaoniden.  Auch  die  Lykier  Lykiens,  die  sich  selbst  bekanntlich 
Tramele  Tsgfiilai  nannten,  sind  wohl  als  eine  abzweigung  der 
^vnadvioi  benannt,  die  nach  Stephanos  unter  AvMiovia  auch 
^vyuiovsg  und  uivxaveg  hiessen,  also  scheinbar  einen  acht  grie- 
chischen Stammesnamen  trugen ;  doch  wird  hier  wohl  nach  Ka- 
taovioL  zu  schliessen  die  Umformung  eines  einheimischen  namens 
▼erliegen. 

Häufig  werden  auch  fremde,  und  zwar  insbesondere  wilde 
und  fabelhafte  Völker  mit  ganz  griechischen  namen  ausgestattet 
und  zwar  nach  ihrem  aussehen  die  AiMoTtBg  die  „braunge- 
sichter'S  nicht  neger !  mit  anschluss  an  al&otp  und  die  griechi- 
schen ethnika  JoXoneg  jQvoneg  JwQlonag  '*Elkofteg. 

Stephanos  MaxQOxeq>a3ioi  ngog  toig  Kolxoig^  mit  dem 
citat  (aus  Hekataios?)  „ol  yäq  'HidUvveg  %al  MccKQOxigHxloi  xal 
Tlvyfiäioi,^*^  sind  nicht  yerschieden  von  den  Mcex^oive^,  ol  vvv 
Sawoi^  die  ebenda,  an  der  grenze  von  Kolchis  oberhalb  Trape- 
zent  zu  hause  waren.  MdxQfav  ist  richtige  koseform  zu  Ma^ 
KQO"iidg>aXog,  Die  KwoyUq>aXoi  Herodots  4,  191  sind  wohl  die- 
selben, die  Aelian  KvvofVQÖaütTtoi  nennt.  Die  ^Hfilxweg  „halb- 
hunde'^  nach  xifiid'itav  yivog  ävÖQWv  sahen  wohl  ähnlich  aus. 

ApoUod.  2,  1,  4  heisst  es  vom  Aigyptos:  r^v  MeXa^nodtav 
XOJQCiv  dtp  kavTOv  dvoßaaev  u4Xyv7ttov.  Ob  die  Aegypter  von 
den  Griechen  nach  ihren  „schwarzen  füssen^*  benannt  sind, 
oder  weil  sie  auf  schwarzem  erdboden  fcidov  wohnten? 

Auf  rcovg  gehen  auch  die  namen  ^AvtlnoÖBg  und  'iQxt;- 
Ttodeg,  sowie  die  fabelhaften  Sxidnodeg^  SvQov&onod&g  und 
OslloTtodeg  auf  der  insel  0eU»ci. 

Nach  ihrer  tracht  sind  die  Meldyx^i^^^i^  benannt,  nach 
ihrer  nahrung  die  ^InnrifioXyoi  und  mit  dem  ausgang  -^yoi 
die  ^^YQiO'y  ^^HQidO'y  ^Avdqo^y  ^ ^v&Qiano-y  T^xro-,  ^Ekeq>arfO''y 


Die  griechischen  yerbandnamen  (ethnika).  265 

^iTtnO"^    *Ix9vo-^    KQeW'^    Aiato-^    MdLivo-^    Movo-,    Moaxo-^ 
^Oq>io-f  ndfi'y  JToilt;-,  ^Pi^o^f  2iT0'y  27t€Q^ato^  und  SrtBQfiO-j 

Urspriinglich  ist  hier  avdQeg  beigefügt  gewesen,  den  reigen 
eröffnen  Homers  avögeg  Awtaqmyoiy  ßahxvfpfayoi  avdQeg  heissen 
die  Arkader  schon  bei  Alkaios,  dv^Q  OLTtnpayog  ist  bei  Homer 
allgemeine  bezeichnung  der  menschen,  aus  dem  adjectiv  yhxxTO- 
q>dyog  N  6  ist  Hesiod.  frg.  189  schon  der  volksname  rloniTo- 
qxiyoi  geworden. 

Von  der  wohnung  sind  benannt  die  Idlßl-^vMi  ,,Alpenbe- 
wohner"  Strabos,  wozu  man  den  Al{9)ßiwVy  Ligurer,  söhn 
Poseidons  ApoUd.  2,  5,  10  stellen  mag,  jedenfalls  Vertreter  der 
▼on  Herakles  d.  i.  den  Griechen  bezwungenen  urbewohner 
Liguriens. 

Die  MaaovV'Oixoi  hiessen  so  von  ihren  holzthürmen,  ge- 
kürzt auch  Mooavpoi  und  Moaaweg  ?gl.  Hesych  fiOQcweg' 
iftdi^eig-  nvgyoi,  xai  (Mocaweg)  €&¥og  Sxv9t.x6v. 

SdiHHUüOL  war  eine  alte  benennung  der  barbaren,  Termut* 
lieh  von  ihren  stein  Wohnungen? 

Späte  kürzungen  ursprünglich  zweiwortiger  namen: 

^EXev&iqa  KiJUxla  —  ol  oix^TOQsg  ^EXev^eQOKilixeg,  vvv  de 
EXev&BQixat  Steph.  und  Aißveg  o\  vofiddeg  „schweifende  Libyer** 
heissen  bei  Appian  Nofidöeg^  woraus  die  Römer  Numidae  ge- 
macht haben. 

Die  Phönizier  sind  von  den  Griechen  zweifellos  als  avÖQeg 
(poivixeg  „rothbraune  leute*^  bezeichnet,  woraus  der  eigenname 
Ooivixtg  hervorging,  der  sich  gut  an  ^^ixeg  Tififilxeg  an- 
schliesst.  Lat  Poenus  beruht  auf  der  kürzeren  form  g>oiv6g, 
dd-ipotvog^  Qkiivoddfiag  als  vater  der  Segeste  ist  der  „Punier- 
bezwinger". 

Heidelberg  31.  Januar  1901. 

A.  Fick. 


Baitrtc»  K.  kand«  d.  iwäg.  vpatknt.   XTVl.  18 


266  Hans  Reiehelt 


Die  lateinische  V.  deklination. 

Die  frage  nach  der  herkunft  der  lateinischen  V.  deklina- 
tion  ist  noch  immer  nicht  gelöst.  Man  hat  in  der  mehrzahl 
der  hierhergehörenden  substantiva  sogenannte  i!?-8tämme  zu  er- 
kennen geglaubt,  obwol  die  thatsache,  dass  diese  Wörter  im 
nominativ  sing,  ein  end-«  angenommen  haben  und  vielfach 
nebenformen  auf  -iä  aufweisen,  zu  berechtigtem  zweifei  anlass 
gibt  Lindsay  Lat.  gr.  394  spricht  die  vermuthung  aus, 
dass  der  ^-vokal  des  Lateinischen  und  der  baltisch-slavischen 
sprachen  eine  modifikation  aus  ursprünglichem  a  unter  dem 
einfiuss  des  vorausgehenden  y-lautes  sein  könnte,  bemerkt  aber 
am  Schlüsse  seiner  ausfuhrungen  über  die  i^-stämme:  Nach 
alledem  wird  der  Ursprung  der  lateinischen  V.  deklination  etwa 
der  gewesen  sein:  zu  den  l^-stämmen  res  und  spes  und  dem 
ac^stamm  dies  gesellten  sich  verbale  ^-stamme  wie  sordes  (vgl. 
aard&'facio,  sardi^bam)  von  sordes,  facies  (vgl.  facU^m)  von 
facio,  species  (vgl.  speciS-batn)  von  spicio.  Die  beiden  letzten 
gaben  den  anlass,  dass  falsche  formen  von  andern  Verbal- 
substantiven wie  rabii"  statt  rabia,  progenie-  statt  progeniä^, 
permitii-,  statt  permitiä,  ülüvis-  statt  ülüviä-  und  mit  der  zeit 
auch  andere  substantiva,  z.  b.  segniüR-  statt  segnüiä-,  vasUtie- 
statt  vastitiä-  u.  s.  w.,  in  die  Schriftsprache  eingang  fanden*'. 

Der  grund,  dass  man  in  der  hauptsache  zu  keinem  befrie- 
digenden resultat  gelangt  ist,  liegt  in  der  falschen  beurtheilung 
der  -f ^-Stämme.  Ich  glaube  BB.  2ö,  234  ff.  nachgewiesen  zu 
haben,  dass  die  ts-stämme  ursprünglich  mit  den  i'-stämmen 
identisch  waren  und  durch  analogiebildungen ,  die  insbesondere 
von  der  tö-stammclasse  ausgingen,  eine  scheinbar  selbstständige 
femininalclasse  ergaben.  Daraus  erklärt  sich  im  Lateinischen 
einerseits  das  häufige  schwanken  zwischen  der  III.  und  V.  dek- 
lination, andrerseits  die  auffallende  erscheinung  der  nebenformen 
mit  'iß'.  Ausserdem  ist  noch  die  ielio  klasse  der  verba  in  be- 
tracht  KU  ziehen,  da  ein  grosser  teil  der  hierher  gehörigen 
substantiva  zu  ihr  in  beziehung  steht. 


Die  lateinische  V.  deklination.  26? 


I.    Die  stammbildnng. 

Der  V.  lateinischen  deklination  gehören  sowohl  wurzel- 
stämme  als  auch  abgeleitete  stamme  an,  die  sämmtlich  mit 
einer  einzigen  ausnähme  auf  einen  i'-diphthong  auslauten. 

a)  Die  wvnetottmme. 

Die  deklinationsverhältnisse  der  wurzelstämme  mit  sonan- 
tischem  auslaut  (auf  ij  ^^  r,  l,  m,  n)  sind  ursprünglich  fast 
dieselben,  wie  die  der  abgeleiteten  stamme  mit  gleichem  aus- 
laut. Der  wesentlichste  unterschied  liegt  in  dem  gebrauche  des 
nominativ  -a  bei  den  wurzelstämmen  auf  i  (vgl.  ai.  roh  neben 
sdkhä)  und  in  den  akzentverhaltnissen. 

r9s  'gut'  aus  idg.  *re(i)'9,  ai.  rdh,  wie  ai.  panthäh,  aw. 
pantä,  gr.  oqoijq^  lat.  verres.  Neben  ai.  rdh  steht  brhäd-^ih, 
wie  aw.  hü^dä  neben  ai.  svcnihth,  aw.  b^r^zai-dü  (zu  "^dhöi- 
'einsieht')  und  gr.  dßafcoTfjg  neben  ai.  ddmpatih  vgl.  lit.  re-j-u 
'schichte  auf.  ai.  rdh  hat  die  dehnstufe  in  allen  kasus  beibe- 
halten (ray-  vor  vokalen,  rä-  vor  konsonanten) ,  während  aw. 
räjf'  und  lat.  r98  noch  in  einigen  kasus  die  tiefstufe  zeigen: 
aw.  raya  I.  S.  aus  '^r^  (Bartholomae  Grd.  d.  iran.  Phil. 
§  193)  neben  ai.  räyd,  rayqm  G.  P.  aus  '^ret-öm  neben  ai. 
rOffdm,  lat.  rftn  A.  S.,  dessen  -em  wie  bei  den  meisten  j-stämmen 
aus  der  konsonantischen  deklination  herübergenommen  ist,  statt 
^ri-m;  r8  Ab.  S.  ist  wahrscheinlich  ein  alter  lokativ  *ri(i). 
rem  und  ri  Hessen  sich  aber  auch  aus  ri-ifp,  (vgl.  ai.  sürä- 
dhydm,  gr.  ipdQavüav  Verf.  BB.  25,  235)  und  r/-^  (vgl.  aw.  raya, 
ai.  9(Mkhya)  erklären,  wenn  es  sicher  ist,  dass  lat.  i  bei  voraus- 
gehendem konsonanten  ausgefallen  ist,  wie  für  het^i  aus  idg, 
"^ghies-  angenommen  wird,  vgl.  Lindsay  Lat  gr.  203. 

spSs  „hoffiiung"  aus  idg.  *sph^i)-8  :  vgl.  ai.  Sfhäyati, 
sphlrUp-,  Mi.  spi/u,  asl.  spijq.  Ob  in  ai.  sphi-rd-,  idg.  *i  oder 
*9  vorliegt,  lässt  sich  ebensowenig  entscheideui  wie  bei  lat.  j^ro- 
spe^rus,  da  im  lat.  in  unbetonter  offener  silbe  sowol  a  (aus 
idg.  *9)  wie  i  za  e  werden  konnten,  vgl.  dnis,  ciner-is  neben 
gr.  TLOVigj  %wia.  Allerdings  gewinnt  die  annähme,  dass  altes  i 
vorli^e,  an  Wahrscheinlichkeit,  wenn  man  gr.  a^-^g  (Fick 
G6A.  1894,  247)  und  X-g>&i'f4og  heranzieht.  Dann  hätten  wir 
als  ablautsstufen  idg.  ^sphei-  :  iplki-,  aphi-;   eventuell  *«pA9-  : 

18  ♦ 


^68  fiaos  Reicheh 

*8ph9.    Die  normalstufe  "^sphei-  liegt  in  sp^-i  G.  S.  vor.     Von 
sp^  A.  S.,  sps  Ab.  S.  gilt  dasselbe  wie  von  r^,  re, 

dils  „himmel,  tag"  aus  idg.  *dii5(yL)-Sf  gr.  Zrig^  der  ein- 
zige )f-stanim  der  V.  dedination;  daneben  idg.  dj^-s,  ai.  dyäuh, 
gr.  Zsvq^  an.  tyr  vielleicht  in  nUrdiüs-iertius.  Die  tiefstufe 
♦rffjf  liegt  in  di-i  G.  S.  aus  '^di^-ei(?)  (ai.  divdh,  gr.  ^iog) 
und  elt-^  aus  dti^-f^i  (ai.  div-am,  gr.  Ji-a),  die  normalstufe 
*^i^-  in  t/or-f8  G.  S.  aus  '^(({V^-o«  und  Jothem  A.  S.  aus  (fiisjf-^i 
(vgl.  ai.  krdt-vah,  gr.  ^^ot/yog  aus  "^yovf-og  und  gr.  ^J«of  aus 
^f^deZ-og),  sowie  in  der  komposition  vor:  jü-glana  ^Jiog  ßaXawo^ 
und  Ju'(p)püer  aus  '^cfin«-. 

b)  Die  abgeleitstM  ttinMie. 

ftdes  Vertrauen'  aus  idg.  *bheidh^i)'8,  gr.  nu9ip  aus 
idg.  bheidhöi.  Daneben  gr.  nüaig^  neiai-otQOvog,  lat  fIdUus 
(in  mediugfidius)  und  fidS-lis,  Vgl.  got.  bidj-au,  gr.  hti^tj-v^ 
*  ni&ßi-  in  hom.  /ri^crai,  iTti^aa.  Wie  verhält  sich  lat.  ^^<a(fö, 
gr.  7t€i&«it  zu  gr.  neiaig  und  in  welchem  Verhältnis  steht  der 
nominalstamm  zu  dem  verbalstamm? 

Erstere  frage  glaube  ich  bereits  in  meiner  arbeit  über  die 
abgeleiteten  |-  und  u- stamme  (BB.  25,  s.  238  ff.)  gelöst  zu 
haben,  wo  ich  die  reduktion  des  ursprünglich  dehnstufigen 
nominativs  gewissen  akzentverhältnissen  in  der  komposition  zu- 
schrieb. Die  j-stämme  hatten  dehnstufigen  nom.  mit  suffiix- 
betonung.  Daher  erscheint  die  Wurzelsilbe  allgemein  in  der 
tiefstufe.  Trat  nun  ein  i'-stamm  als  letztes  glied  in  die  kom- 
position, so  musste  durch  den  eintritt  der  enklise  die  endsilbe 
am  meisten  reduzirt  werden.  Es  entstanden  also  nom.  mit  der 
reduktionsstufe  -i,  -t-s,  die  dann  auch  auf  das  simples  über- 
tragen wurden.  Das  Italische,  Keltische  und  Germanische 
haben  durch  die  ihnen  eigentümliche  Verstärkung  des  eicspira- 
torischen  akzents  nom.  mit  der  Schwundstufe  entwickelt.  Der 
historische  Vorgang  lässt  sich  am  besten  an  dem  idg.  t-stamm 
*pot€i'  *herr'  zeigen.  Nom.  idg.  ^poUi,  "^pM,  gr.  {ÖBtt^ynim^  : 
ai.  ddmpatfh,  lit.  t^zpatis  —  ai.  piJtO^f  gr.  nooig^  lat  pcHs  : 
lat.  impos  (*poi8),  got.  brüßfaßs  [lit.  veszpats-päis].  Im  Osldsch- 
Umbrischen  ist  das  -i-  der  endung  durchweg  sjnkopirt  Im 
Germanischen  finden  wir  neben  den  schwundstufigen  nom.  noch 
alte  nom.  auf  *'iZf  run.  hlewagasttE,  sisi.g^9ir  neben  lat  hoMSy 
asl.  gosth  :  got  gasts;  air.  faith  aus  *^ätP'  stellt  sich  ni  lat 


Die  lateinische  V.  deklination.  269 

viUis,  wie  aisl.  gMr  zu  lat.  kostis.  So  erklärt  sich  gr.  neiaig 
neben  nu9i^  als  ein  aus  der  komposition  losgerissener  nom., 
wofür  auoh  die  Wurzelbetonung  spricht.  Hirt  Idg.  akz.  s.  216 
erklärt  die  akzentverhältnisse  der  i-stämme  durch  die  annähme 
eines  idg.  akzentwechsels«  «^Da  in  den  meisten  kasus  die  en- 
dungen  betont  waren,  so  überwiegt  ndturgemäss  in  den  einzel- 
sprachen die  endbetonung.  Wahrscheinlich  lag  noch  im  Idg. 
im  nom.  akk.  instr.  sg.  und  akk.  plur.,  beim  fem.  auch  im  nom. 
plur.  der  ton  auf  der  Wurzelsilbe".  Die  annähme  eines  idg. 
akzentwechsels  lässt  sich  allerdings  rechtfertigen,  aber  nicht  im 
sinne  Hirts.  Die  Wurzelsilbe  der  ji-stämme  ist  der  regel  nach 
unbetont  (tiefstufig),  da  der  ton  auf  dem  suffix  oder  der  kasus- 
endung  lag,  und  zwar  im  nom.  akk.  lok.  sg.  nom.  (akk.)  plur. 
auf  dem  suffix,  in  den  andern  kasus  auf  der  endungssilbe.  Dass 
sich  trotzdem  vielfach  wurzelbetonung  findet,  erklärt  sich  aus 
dem  einfluss  der  komposita,  wie  schon  Wheeler  *Der  griech. 
nominalakzent'  s.  34  für  das  Griechische  erwiesen  hat  a/rd- 
fiaig  =  ai.  dpiicitih.    Tteiaig  aus  j^rtuaig  neben  nei&if, 

Dass  zwischen  der  nominalen  i'-stammclasse  und  den  ii?/ib- 
verben  gewisse  beziehungen  bestanden  haben,  ist  selbstverständ- 
lich. Hirt  Idg.  akzent  s.  191  bemerkt  sehr  richtig:  „Verbum 
und  substantivum  hängen  derart  in  ihrer  ganzen  bildungsweise 
zusammen,  dass  man  nur  gut  thut,  die  parallelen  zu  ziehen''. 

Trotz  der  ausfuhrungen  Streitbergs  PBrR  14,  224ff. 
und  Hirts  a.  a.  o.  s.  193  ff.  sind  die  Verhältnisse  bei  den  i«/jK>- 
Verben  durchaus  nicht  so  komplizirt,  wie  jetzt  allgemein  ange- 
nommen wird.  Bartholomae  ^Studien  z.  idg.  Sprachgeschichte' 
hat  durch  den  ansatz  der  ablautsstufen  9i^,  e-  und  i-  die  er- 
klärung  wesentlich  vereinfacht 

Nach  Hirt,  der  in  der  hauptsache  Streitberg  folgt ,  sind 
mindestens  folgende  klassen  zu  unterscheiden. 

I.  i  ist  nicht  praesenssuffix  sondern  gehört  zum  stamm. 

U.  i  ist  praesenssuffix  und  erscheint  daher  nicht  in  den 
andern  Stammformen.  Diese  klasse  hat  nach  Brugmann  Grd. 
2,  1059  zwei  abteilungen,  je  nachdem  a)  die  Wurzelsilbe  den 
wortton  hatte  und  vollstufig  war,  oder  b)  in  der  Wurzelsilbe 
Schwundstufe  herrschte,  und  der  ton  auf  dem  suffix  lag,  analog 
den  o-verben. 

IIL  -ib  im  praesens  steht  neben  einem  zweiten  stamm  auf 
-^  (oder  -ä)  aus  *-6|  (oder  -*ä|). 


270  Hans  Reiohelt 

Diese  einteilung  lässt  sich  nicht  aufrecht  erbalten  (abge- 
sehen von  der  I.  klasse).  Dagegen  spricht  nicht  nur  der  Zu- 
sammenhang mit  der  nominalen  jC-stammklasse,  sondern  auch 
der  umstand,  dass  dasselbe  idg.  verbum  in  den  einzelsprachen 
verschiedenen  bildungen  folgt,  was  infolgedessen  auf  einen  ge- 
meinsamen Ursprung  schliessen  lässt  Zum  beweis  dessen  führe 
ich  folgende  beispiele  an: 

lit.  szlove  *ehre',  gr.  KXeiw  Werkünderin'  statt  "^KUd  aus 
*xAe;:-Oi-  (vgl.  IlBidtS^  Afftiu)  :  gr.  %kuia  'mache  berühmt' 
aus  *xl€/'i'^,  lat.  daeo  'höre'  aus  *devei'ö.  Dazu  lit  szlövi-nu 
'preise',    idg.  ^Tdo^Sd)',  *^^ö6V"  *  *Äfc?f«|-  :  *Jele^i'. 

lit.  srave  'Strömung'  :  lit  sravi-ü,  sratfef-o/u  'fliessen',  gr. 
i^^vvj-v  'floss',  idg.  *8roj^(i)',  *sryß(i)'  :  ^sro^i-, 

lit  gUlia  lager' :  lit  guli-u  *lege  mich',  gr.  ßdllw,  eßlvj-to 
'werfe',  aw.  ni-yraire  'sie  werden  geworfen'  Bthl.  Grd.  d. 
iran.  phil.  s.  79. 

gr.  xoQig  'gunst'  :  gr.  x^t^,  ^cr^-y  'freue  mich',  ai.  Aary- 
ämi  'begehre'. 

lat  famSa  'hunger'  :  gr.  x^^^^  »us  •%aiM|-cü,  kxavtj-v 
'gähne'. 

got  grips  'der  schritt'  :  lat.  gradi-or  'schreite'. 

gr.  ^i}Vig  'groll',  ^avia  'raserei'  :  gr.  fiaivofiai^  efiarrj-v 
'rase'. 

gr.  fiveia  'erinnerung'  aus  ♦^we-a,  an.  mun(rj,  mon(r) 
'sinn,  unterschied'  :  ai.  mdn-ys  'glaube,  gr.  fis-finfj-fiai  'erinnere 
mich',  lat  re-mini^cor  'erinnere  mich',  got.  munan  'meine', 
lit  m$nüj  min'iti  und  menü,  miniaü  'gedenke',  asl.  mibnlti 
'meine',  air.  do-moiniur  'puto'. 

lat  Serie s  'reihe',  gr.  oeiQd  'seil',  aeQig'  ^üHnrjg  'Hesych'  : 
gr.  eYgup  aus  *ae^i-ctf  'knüpfe'. 

lat  facies  'erscheinung'  fax,  faces  (Paul.  Festi  s.  87) 
'fackel' :  gr.  nanpaaaw  aus  "^  -qiocKjrta  'schimmere'.  Dazu  fctce- 
tus  'glänzend'  ^). 

lat.  fides  'vertrauen',  gr.  IIsi&w  'Überredung*  neben  rteioig : 
got.  bidj-a  'bitte',  gr.  im&fj-v.  Dazu  lat  fidi-us  'wahrhaftig' 
und  fide-lis  'treu'. 

lit  skyle  'loch',  gr.  axalig  'hacke'  :  lit  sküi-ü  (schlage 
feuer  an)  spalte  mich',  skeliü  'spalte',  gr.  anuxllw  aus  axal^-w 

1)  Daza  lit  iväke  4icht',  woraaf  mich  Prellwitz  freundlichst  aof- 
merksam  macht 


Die  lateinische  V.  deklination.  271 

'scharre'.  Dazu  f^r.  axalri-vog^  <nt6li'0g  'krumm',  idg.  "^skdi-, 
"^akU'  :  dcKlJei'  «—  gr.  axaklta^  lit  skiliü,  akdim :  gr.  crxürili;-iioV, 
lit.  skyle  (mit  secundärer  dehnaog  nach  Wiedemann  Lit.  gr. 
8.  20). 

gr.  idia  'ersoheinung'  aus  '^idfii-a,  ai.  vidyd  'fassen'  :  ai. 
tndydte  'er  wird  bemerkt',  lat.  frideö  'sehe',  got  wUan  'beob- 
achte', lit.  pahvyd&Uf  pa-'vydüti  'bendde',  asl.  vizdqf  vidHi 
'sehe'. 

lat  acies  'schärfe',  an.  egg,  eggiar  'schneide',  ahd.  ekka, 
mhd.  ecke  :  an.  eggia  'anreizen'. 

lat  species  'erscheinung',  gr.  onumid  'warte'  :  ai.  paägati 
'spähe',  gr.  axoftifo  'spähe',  lat  specio  'sehe  nach  etwas',  ahd. 
spekan  'spähe'.    Dazu  lat  »pecie-tas,  auspici^um. 

Brugmann  und  Hirt  haben  das  -a-  der  verbalen  ä^ 
stamme  mit  dem  ä  der  femininen  a-stämme  identifizirt  Vgl. 
H.  M.  Chadwick  IF.  11,  169:  „With  regard  to  the  origin  of 
these  stems  the  Suggestion  of  Brugmann  (Gr.  2,  §  487)  and 
Hirt  (Idg.  akz.  §  197)  Claims  attention.  According  to  them  the 
ä  of  these  stems  is  identical  with  the  -d*  of  feminine  substan- 
tives.  We  have  already  mentioned  that  the  connection  between 
verbal  and  nominal  o-stems  is  of  great  antiquitj,  and  there  are 
two  further  points  in  support  of  the  theory.  (1)  The  oldest 
Stratum  of  feminine  s-stems  consists  largely  of  verbal  abstracts 
(cf.  Hirt  akz.  §  197,  271).  (2)  These  stems  likewise  show  as 
a  rule  either  reduced  or  o-vocalism  in  the  root-syllable  and  are 
accented  on  the  stem-final". 

Ich  identifizire  aus  denselben  gründen  das  e(i)  der  ver- 
balen jhstämme  mit  dem  der  nominalen  {-stÄmme.  Es  steht 
hier  wie  dort  ei-  mit  efj  i-  und  i-  im  ablaut  lat.  fide^  ver- 
hält sich  gr.  ini^-v^  wie  lat  fidi-as  zu  got  bidj-ii.  Wie  in 
lat  fidH  G.  Sg.  aus  *fidei-f  (vgl.  gr.  ^nei^oi-og),  liegt  in  hom. 
nt^awy  hti^aa  zu  '^/rt^si-o»  der  eigentliche  stamm  idg. 
^bhidhei-  vor.  Die  von  Streitberg  Urgerm.  gr.  s.  300  so  ge- 
nannten starren  ji!s/jK>-bildungen,  zu  denen  got.  bid-^  gehört, 
sind  nichts  weiter  als  durch  den  themavocal  erweiterte  <f- 
stämme,  die  infolge  der  betonung  des  themavocals  sowol  Stamm- 
silbe als  ableitungssufifix  reduzirt  haben.  Ob  lat.  ßds-^bam  mit 
lit  vidMlavau  und  asl.  vidä-cKkh  gleichgebildet  ist,  oder  wie 
legibam  der  analogie  der  II.  konjugation  gefolgt  ist,  ist  zweifel- 
haft   Es  liesse  sich  zwar  gr.  nU&w  und  kTtidtj-p  heranziehen; 


272  Hans  Reiohelt 

dann  könnte  man  annehmen,  dass  die  yerba  der  DI.  konjaga- 
tion  in  der  imperfektbildung  stammen  gefolgt  sind,  in  denen, 
wie  bei  fvio,  das  -^-  urspränglich  war. 

lit.  Bzlwie  verhalt  sich  zu  lat  clueö  aus  '^deui^'^,  wie  gr. 
%kBiv6g  aus  *ids/i'v6g  au  xleita  aus  *xiU/i-ai.  In  lat.  dueö, 
sowie  in  allen  hierhergehörigen  verben  der  II.  konjugation  ist 
die  dehnstufe  des  suffizes  durchgeführt  (vgl.  ai.  rdh,  mydh  u.  s.  w.), 
während  im  lit  und  asl.  das  praesens  die  tiefstufen  I  und  %  auf- 
weist. Asl.  fi&If ,  viciüfj,  lit  -vydzu,  -vydi  neben  lat  videö, 
vidss.  Doch  ist  das  nebeneinander  von  formen  wie  lat.  jacio 
und  jaceo,  pavio  und  paveo  beachtenswert. 

Neben  den  starren  ii^/ib-bildungen  verzeichnet  Streitberg 
a.  a.  0.  noch  abgestufte  ie,  ib«bildungen.  ^^Wie  beim  nomen 
im  Litauischen  käis  neben  kSias  steht,  so  erscheint  auch  beim 
verbum  neben  der  vollstufenform  des  suf&xes  die  Schwundstufe. 
Und  zwar  kann  diese  doppelte  gestalt  haben:  1)  Einsilbiges 
-jlWi<>*  wird  in  unbetonter  Stellung  zu  kurzem  «.  —  2)  Neben 
dem  einsilbigen  ie/fb  findet  sich  unter  den  von  Sievers  PBrB. 
5,  129  £  festgestellten  bedingungen  zweisilbiges  -ißliß^.  In  der 
Schwundstufe  muss  alsdann  die  länge,  d.  h.  I,  auftreten.  Wie 
das  Germanische  und  —  nach  E.  Berneker  und  P.  Giles  — 
das  Lateinische  darthun,  erscheint  die  zweisilbige  vollstufe  und 
damit  die  langvokalische  Schwundstufe  regelrecht  nach  langer 
Wurzelsilbe.    So  erklärt  sich  die  lateinische  doppelheit: 

capio  farcio 

capis  farcu 

eapit  farcit 

capimf4s      far&Smus 

capitis        fareUh 

capiunt  fareiunt. 
Streitberg's  ansatz  der  vollstufe  mit  |«/ib  und  die  heran- 
ziehung  von  lit.  küis  neben  leglias  ist  hinfällig.  Wie  sich  bei 
den  nominalen  i'-stämmen  ^-  (-ojh)  als  vollstufe  ergeben  hat, 
ist  auch  hier  -et-  und  nicht  -ie-  als  vollstufe  anzusetzen.  Ich 
verweise  auf  Bartholomae's  21.  bis  25.  klasse  im  grd*  d. 
iran.  phil.  1,  §  142 -- 146.  übwol  Bartholomae  den  Zu- 
sammenhang dieser  klassen  betont  hat,  kann  ich  ihm  in  den 
details  nicht  folgen. 

j Aw.  ni-yraire  'sie  werden  geworfen'  (gr.  i'ßlijtOj  lit  guUii) 
21.  klasse  und  ap.  agarbajfnh,  ai.  g^bhüydti  (vgL  lat  ^^vid^^) 


Die  lateinische  V.  deklination.  273 

23.  klasse  «dthalten  die  dehnstufe  des  Suffixes  idg.  *^'.  Die 
23.  klasse  ist  durch  den  thema?okal  erweitert  Vgl.  lat  plebes 
und  plebeius. 

jAw.  nUhiSöü  <du  setztest  dich'  25.  klasse  und  jAw.  g9u- 
rvaya  ^ergreife',  ai.  grbhdyatUas  'die  ergreifenden'  24.  klasse 
enthalten  die  vollstufe  idg.  *ei.  Die  24.  klasse  ist  durch  den 
themavocal  erweitert  ^).    Vgl.  ai.  astki  und  gr.  octiov. 

jAw.  nyä-mrf^a  'er  sagte  sich  los',  ai.  (AravU  (Caland 
KZ.  32,  302)  22.  klasse  enthält  die  tielhtufe  -f-.  Hierher  ist 
lat.  capio,  capis  und  farcio,  farcfö,  ahd.  hiffu  hiiris  und  got. 
sökja,  Böheis  zu  stellen;  ebenso  lit.  s&lziu,  sedi  zu  sediti  und 
asl.  Oedq,  sedüi  zu  sedeH,  desgleichen  formen  wie  ai.  svdpimi 
neben  asl.  Shpljif,  lat.  petUus  neben  gr.  f/m^-y  (Bthl.  a.  a.  o.). 

Bevor  ich  zum  eigentlichen  thema  zurückkehre,  möchte  ich 
noch  die  Schlussfolgerung  aus  meinen  ausfdhrungen  über  die 
ie/^  verba  ziehen.  Die  ie/io  verba  bildeten  ursprünglich 
eine  gemeinsame  stammklasse  mit  dem  suffix  -ei-  {ei 
und  t,  i),  die  mit  der  nominalen  6j|'-stammclasse  in  be- 
Ziehung  stand.  Akzentverh&ltnisse  und  die  erweiterung  durch 
den  themavokal  haben  schon  in  ursprachlicher  zeit  die  einheit- 
lichkeit  gestört.  Ich  behalte  mir  eine  nähere  bogründung  für 
eine  die  ielio  verba  behandelnde  arbeit  vor. 

plebes  'masse'  aus  idg.  *plidhei'^  plebes  wird  wegen  gr.  nkij' 
^$,  fteoi-rrhi^g  allgemein  als  ein  es-stamm  behandelt.  Ich 
sehe  in  pleb^e(i)s  und  gr.  Tglrj&^tg  dieselben  ableitungen  aus  dem 
erweiterten  stamm  ^pledh-,  wie  in  ai.  pur-t,  gr.  f^oX-ig  und 
aL  pur-iih,  gr.  ftok^vg  aus  dem  unerweiterten  stamme  ^pel-,  pl-. 
Ausserdem  spricht  für  die  annähme  eines  i- Stammes  noch 
plä)H'US  und  die  nebenformen  des  nom.  plMns  und  plebs. 
fames  'hunger'  (gr.  xalvta^  exdyfj'V  'gähne';  wie  oben)  schwankt 
zwischen  III.  und  V.  deklination.  Ursprünglich  folgte  fames 
der  V.  deklination.  Vgl.  Prise.  6,  11,  59  s.  704.  "Fames, 
famei  dicebant  voteres,  unde  adhuc  fame  producitur  in  abla- 
tivo."  lat.  facies  'erscheinung',  acies  'schärfe'  spectes  *er- 
scheinung'  series  'reihe'  sind  bereits  zur  spräche  gekommen. 
Alle  Wörter  der  V.  deklination,  die  im  nom.  sg.  auf  -ies  aus- 

■  ■■  ■^■■M»  ß     0  ■■■■  ^     »■»  ■  ^  ,  ^.....M^IM.^.MM  ■■■■ 

1)  Nach  Bartbolomae  ist  die  24.  kksse  aai  der  28.  faervorge» 
gaogen,  indem  das  suffixale  ä  im  anschlnss  an  die  formen  der  kausativa 
nnd  denominativa  durch  a  ersetzt  wurde. 


274  Hans  Reichelt 

gehen  und  wirkliche  j^-stämme  sind,  lauteten  ursprünglich  (wie 
fides,  plä>e8,  fames  u.  s.  w.)  auf  -es  aus.  Das  j-  der  endung 
stammt  aus  den  obliquen  kasus  ^). 

pro-genies  'geschlecht';  got.  kuni,  kunßs  'geschlecht',  gr. 
yivva  ans  *ysvi'<t  ^geschlecht' ')  :  gr.  yeivofiai  aus  ^yer^-^fiai 
*  werde  geboren',  9a,  jdy-e  ^  werde  geboren'.  Dazu  bi,  fänih 
'frau',  got.  qens  'weih';  gr.  ymj^iog  ^echt',  lat.  gSni-m  *8chutz- 
geist'.  per-niciea  Werderben';  got  niMS,  nawis  ^der  todte'  . 
ai.  ndi'jfoti,  jtw.  na^tfeiti  'er  geht  zu  grund'.  Dazu  lat.  inter- 
necies  (Gloss.  phil.,  Isid.  or.  5.  26)  inter  •necium  (Not  Tir. 
p.  123). 

Alle  übrigen  wörter  schwanken  zwischen  der  I.  (-j0-)  und 
V.  deklination  (vgl.  Lindsay,  Lat  gr.  s.  397 f.  und  Neue 
'formenlehre'  I  ',  s.  370  ff.).  Sie  sind  ursprüngliche  iä-stämme. 
Die  formen  mit  -je-  sind  falsche  analogiebildungen,  durch 
Wörter,  in  denen  das  i  der  obliquen  kasus  in  die  ganze  dekli- 
nation eingedrungen  war,  wie  facies  u.  s.  w.,  veranlasst. 

n.    Die  kasusbUdung. 

a)  Singular. 

Nom.  Es  stehen  urspiünglich  nom.  auf  -es,  -is  und  2 
nebeneinander,  plebes,  plebis  (plebs).  Das  suffix  -%,  nur  noch 
in  Weiterbildungen  vorhanden  (dätrT-x,  genetri-x,  jüni^x,  regl-na) 
ist  durch  die  gewöhnlichere  endung  48  verdrängt  worden.  So 
erklärt  sich,  gerade  wie  im  Germanischen,  der  übertritt  der 
lat.  adjektiva  auf  -u«  in  die  t-declination  durch  den  einfluss  der 
femininbildung  ').  lat  svavia  'süss'  aus  *8Vädvi8  ^svadvl,  got 
sfüsde/^'SiBmm)  neben  ai.  wädüh,  svodvf,  gr.  ^diig,  ^iela. 

lat  gravis  'schwer'  aus  *  gravis,  *  gravi  (idg.  *^^rjft-), 
neben  ai.  gurüh,  gurvt,  gr.  ßafvg^  ßageia  u.  s.  w.  In  lat  jfrfi- 
mus  'erdhaufen'  scheint  noch  der  alte  stamm  *grU'  aus  idg.  *gvrth 
bewahrt  zu  sein;  ich  teile  ^grO-humus,  vgl.  Inmus  'zweijährig' 
aus  *bi'himu8  Hoffmann  BB.  26,  130. 

1)  Vgl.  nnten  unter  kasaabitdung.  2)  Vielleicht  ist  gr.  yevta  aus 
*yev€i-€i  ontstanden,  und  nicht  aus  *  y€V€ffux  oder  *yiViifä  (lat.  generSre). 

3)  Vgl.  im  Litauischen  den  übertritt  der  adjektiva  auf  -im  in  die 
l«0/]^o- deklination  :  lit.  leHgvaa  (lengvus)  deicht'  neben  gr.  ika^vi  u.  s.  w. 
nach  lengvl,  tevaa  aus  ^Utwas  'dünn'  neben  ai.  ian^  a.  s.  w.  und  viel- 
leicht erdvas  Mocker';  wegen  seines  auffallenden  d,  vgl.  IViedemann 
Xiit  gr.  8.  34,  35. 


Die  lateinische  V.  deklination.  275 

Desgleichen  levis,  brevis,  tenuis  und  moUis. 

In  Wörtern  wie  fae-ies,  spec^ies  ist  das  i  teils  durch  den 
einfluss  des  obliquen  kasus,  wie  akk.  und  instrum.  sing,  und 
der  yerba  fac-iö,  spec-iö,  teils  nach  der  flexion  yon  dies  durch 
die  ganze  deklination  beibehalten  worden,  facies  nom.  statt 
*faces  nach  faci^  akk.  und  fa4^e  instrum.,  wie  faeiebam  statt 
^facebam  nach  faciö;  vgl.  gr.  fpiqovoa  (ursprünglich  ^q>sqovx%\ 
das  durch  den  akk.  tpigovacip  aus  *g^efovTiqi  in  die  -ijä-dekli- 
nation  gedrängt  wurde. 

Gen.  Als  die  ältesten  formen  des  gen.  müssen  die  auf 
'ies  ^)  angesehen  werden ;  Ygl.  lit.  zoleSj  kdrvis.  Der  ursprüng- 
liche gen.-ausgang  der  /-stamme  war  idg.  *'i'OSy  *'i-es  (neben 
*'ei8,  *ois).  Zur  Charakteristik  des  femininums  wurde  dieser 
ausgang  in  den  meisten  einzelsprachen  bald  durch  den  der  iß- 
Stämme  *'iäs  ersetzt,  der  im  Lat.  und  Lit  durch  den  einfluss 
des  nom.  in  -ies  überging,  lat  facies  neben  materias.  Zu 
dieser  zeit  mag  der  formenaustausch  zwischen  den  lat.  i-  und 
iä-stammklasse  rege  geworden  sein. 

Die  bildung  des  gen.  -ieT  ist  nach  dem  muster  des  gen. 
der  io-stämme  auf  *iäT  erfolgt  Die  gen.  auf  -i  -%  und  -e-  i, 
facti  und  fidBi  enthalten  die  voll-,  bezw.  nullstufe  des  ableitungs- 
suffixes  —  e(i)'  und  -t-. 

Dat.  I^ach  Lindsay  a.  a.  o.  s.  442  standen  in  idg.  zeit 
wahrscheinlich  die  doppelformen  -ei  und  -e  nebeneinander. 
Dann  sind  fidej  fame  alte  lokative,  vgl.  lit.  zolij-ß,  szirde. 
Violleicht  war  fidii  eine  echte  dativform  *fidi^ai,  gleichwie 
fidei  aus  ^fidei-ai?  vgl.  ai.  sdkhye^  dvayS,  Die  Verhältnisse  sind 
hier  sehr  verwickelt,  da  sich  gen.  und  dat.  ausgeglichen  haben. 

Akk.  Die  ursprüngliche  form  des  akk.  scheinen  mir  die 
Wörter  bewahrt  zu  haben,  die  im  nom.  auf  *iS8  ausgehen:  z.  b. 
faci^  aus  "^faci-rfi,  vgl.  ai.  surdrdhydm,  gr.  q>iQOv0ay,  Alle 
übrigen  wörter  der  V.  deklination  haben  die  endung  der  kon- 
sonantischen Stämme  -em  aus  *'7ii  angenommen  (s.  oben). 

Abi.  Die  formen  auf  -e  können  entweder  alte  lokative 
auf  -e  aus  -ei  oder  instrumentale  auf  -e  aus  -em  sein ;  in  ihnen 
ablative  auf  -^d  zu  sehen,   ist   gewagt,   da  diese   sehr   späte 

1)  Neoe  lat.  &>rmenlehre  *  s.  874  f.  fahrt  aach  genitive  auf  -es  an, 
z.  b.  Jides.  Obwol  sfch  dieser  gen.  ausgang  bei  den  t-stämmen  sonst 
nirgends  findet,  möchte  ich  ihn  doch  aus  idg.  *0i-M  erklären  (vgl.  irn 
aus  *trei-M)'    Dann  läge  hier  die  älteste  form  des  gen.  vor. 


276  A.  Fick 

neubildungen  sein  müssten.  Ich  sehe  in  den  formen  auf  -ie, 
wie  fcudS,  specis  alte  instrumentale  (vgl.  ai.  sdkh-ya,  aisl.  brude 
u.  8.  w.)  und  in  den  formen  auf  -S,  wie  fidS,  re  alte  lokative 
(vgl.  ai.  agnä,  lit  BzaU). 

b)  PlunO. 

Nom.  fidis  ist  dieselbe  bildung  wie  trSs.faciea  hat  unter 
dem  einfluss  von  dies  das  i  aus  dem  sing,  herübergenommen. 

Akk.    Der  akk.  enthält  die  endung  des  nom. 

Der  gen.  und  dat.  ist  nach  dem  muster  der  j^,  bezw. 
d-stämme  gebildet. 

Baden  bei  Wien,  am  7.  Mai  1901. 

Hans  Beichelt. 


Zu  den  inschriften  von  Magnesia  am  Maiandros. 

Die  inschriften  von  Magnesia  a.  M.  (IMM.)  haben  von 
Otto  Kern  Berlin  1900  eine  durchweg  mustergültige  bearbeitung 
erfahren.  Möge  es  mir  gestattet  sein,  einige  partieen  der  treff- 
lichen arbeit  mit  wenigen  bemerkungen  zu  begleiten. 

Der  erste  abschnitt  handelt  von  der  entdeckung  der  in- 
schriften, der  zweite  s.  V — XXVI  bringt  die  Zeugnisse  der 
Schriftsteller  und  die  aussermagnesischen  inschriften.  „Er- 
schwert wurde  die  Sammlung  der  Schriftstellerzeugnisse*'  be- 
merkt der  vf.  s.  IV  „dadurch,  dass  die  überUeferung  nicht 
immer  klar  zwischen  Magnesia  a.  M.,  am  Sipylos,  in  Thessalien 
unterscheidet",  es  ist  gewiss  zu  billigen  „dass  in  zweifelsfallen 
hier  eher  zu  viel  als  zu  wenig  aufgenommen  worden  ist". 

In  einem  falle  glaube  ich  den  zweifei  des  vf.  beseitigen  zu 
können,  nämlich  in  betreff  des  hübschen,  Peisandros  von  Rhodos 
zugeschriebenen  epigramms,  das  der  vf.  s.  VIII  unter  n.  XXII 
(bei  Bergk  PLG.  II  *  24)  anführt: 

^^vdqi  jLiiv  ^iTtTtaifiiov  ovofi   tiv,  %7t7Viai  de  IIodaQyog^ 
xal  xvvt  ^ij&agyog,  xai  ^egartovri  Baßrig, 

&saaalog  Ix  KfiJTfjg  Mdyvrig  yivogj  ASfiovog  viog^ 
älsto  d'  SP  n^fAOLffiigy  6§vv  ädtj  awayrnv. 


Zu  den  inschriften  Yon  Magnesia  a.  M,  277 

Wie  Bergk  a.  a,  o.  meint  „Thessalus  fuit  equus,  Greticns 
canis,  Hippaemon  Magnesius^*.  Dann  hätte  sich  der  dichter 
sehr  ungeschickt  ausgedrückt:  eher  würde  man  in  gleicher 
reihenfolge  wie  in  1  und  2  Geaaalog  auf  den  Hippaimon,  hc 
Kgvjtrjg  auf  das  pferd  und  Mayvrjg  auf  den  hund  beziehen, 
u4ifi€f¥aq  vioq  fiele  dann,  freilich  höchst  unpassend,  dem  knappen 
zu.  Wirklich  scheinen  die  werte  so  bei  Pollux  VI,  45  ver- 
standen zu  sein,  wenn  es  dort  heisst  „ov^e  /ui^y  ovdi  6  Mdyvfjg 
xvoiy  ro  ^Iftnalfiopog  xv^fia  6  Ari&ütqyog^  dvwwfjiog  x%X. 

In  Wahrheit  gehen  die  worte  des  zweiten  hexameters,  was 
übrigens  auch  Bergk  a.  a.  o.  weiterhin  als  möglich  zugibt, 
sämmtlich  auf  Hippaimon,  einen  ritter  aus  Magnesia  am  Mai- 
androe. 

Diese  Stadt  galt  für  eine  Ma/i^roiy  anomia  %wv  h  Bew- 
TttXii/  nat  Kpi^w  Strabo  636  und  zwar  war  dies  die  meinung 
der  Magneten  selbst,  wie  in  IMM.  17,  der  in  Magnesia  um 
200  ▼.  Chr.  abgefassten  gründuugsgeschiohte  der  Stadt  berichtet 
wird.  Hiemach  waren  thessalische  Magneten  nach  Kreta  aus- 
gewandert, hatten  dort  eine  Stadt  zwischen  Oortyn  und  Phai- 
stos  und  erst  von  da  aus  Magnesia  am  Maiandros  gegründet. 

Auf  eben  diese  Vorgeschichte  der  Magneten  am  Maiandros 
deutet  das  epigramm,  wenn  Hippaimon  dort  heisst: 

BBOüakig  ht,  Kffijtijg  Maymjg  yivog 
d.  i.  seiner  herkunft  nach  aus  Thessalien  über  Kreta  her  stam- 
mender Magnete,  wobei  die  worte  allerdings  gewissermassen 
nach  rückwärts  zu  lesen  sind.  Wie  hier  ein  Magnete  Thessaler 
heisst,  so  nannte  der  Koer  Philetas  die  Koerinnen  Thessalie- 
rinnen:  BeaaaXal'  ai  KiSa$  Tvaga  0ih[€at  Hesych:  Kos  und 
umliegende  inseln  beherrschten  nach  II.  B  678  f.  Pheidippos 
und  Antiphos  ^Baoalov  vle  diw. 

Einen  weiteren  beweis,  dass  Hippaimon  wirklich  Magnete 
von  Maiandros  war,  liegt  in  dem,  was  Ailian  V.  H.  XIV,  46 
(bei  Kern  s.  X  n.  XXXII)  von  der  kampfweise  dieser  Magneten 
berichtet:  Ol  Maiavdutf  ftaQOixavvteg  MdyptitBg  ^Eqmoioig 
TtolefioSvteg  &Uia%og  täp  Inniiap  ^yer  aivm  avavQctViiaTtp^ 
9fjil<n^  xvva  inal  otKovTiatijv  olxhrjp.  Beim  angriff  warfen 
sich,  wie  weiter  erzählt  wird,  zuerst  die  hunde  auf  den  feind, 
dann  schössen  die  knechte,  und  nun  erst  brachen  die  reiter 
gegen  die  erschütterten  reihen  vor.  Jetzt  wird  uns  das  ganze 
epigramm  klar :  es  ist  die  grabechrift  auf  einen  ritter  aus  Mag- 


278  A.  Fick 

neeia  a.  M.,  der  mit  knecht  und  p&rd  und  hund  im  kämpfe 
gefallen  and  in  deren  mitte  begraben  war.  Auf  dem  grabmale 
war  er  selbst,  sein  pferd,  sein  hund  und  sein  knecht  abgebildet, 
und  die  inschrift  nennt  alle  mit  namen,  die  sämmtlich  auf  alte 
gute  zeit  deuten:  er  selbst  heisst  ^Innaififav  uüfiovog^  so  dass 
söhn  und  ?ater,  yoU  und  gekürzt,  einen  der  altthessalischen 
namen  auf  a%(iwv  „kundig"  tragen,  die  für  Thessalien  so  be- 
zeichnend waren,  dass  man  die  Thessaler  selbst  uüfioveg  und 
Thessalien  Al^ovLa  nannte.  Auf  den  alten  pferdenamen  ilo- 
öaQyog  reimt  sich  der  name  des  hundes  uiiq&oQyog  „Tückebold'S 
und  BaßriQ,  häufiger  Bäßvg^  ist  ein  bekannter  sklavenname, 
wahrscheinlich  ursprünglich  phrygischer  herkunft.  Hit  Baßa 
beginnt  die  phrygische  inschrift  auf  dem  Midasgrabe.  Dass  ein 
Rhodier  Peisandros  die  inschrift  verfasst,  braucht  gar  nicht  be- 
zweifelt zu  werden.  Vielleicht  war  Magnesia  einst  mit  den 
Rhodiem  im  kämpfe  gegen  Ephesos  yerbündet,  und  fiel  Hippai- 
mon  als  ihr  bundesgenoss  in  der  viel  umstrittenen  Rhodischen 
Peraia.  Auch  lässt  sich  die  inschrift  sehr  wohl  in  den  Rhodi- 
schen dialekt  umsetzen:  Man  braucht  nur  ^r  ia  tjg  zu  verwan- 
deln. Die  zusammenziehung  von  ea  zu  i;  in  äftj  ist  nicht 
dialektwidrig. 

„Die  Stadt  Magnesia'',  deren  inschriften  von  Kern  ge- 
sammelt sind  „ist  im  j.  400/399  gegründet  worden''  IMM.  XXIX. 
Aber  ausser  der  kurzen  n.  1,  die  Kern  der  schrifb  nach  noch 
ins  4.  oder  in  den  anfang  des  3.  Jahrhunderts  setzt,  sind  alle 
jünger  als  300  v.  Chr.  Darnach  lässt  sich  ermessen,  dass  die 
in  Magnesia  selbst  in  der  heimischen  spräche  abgefassten 
nummern  nur  wenige  sparen  des  ionischen  dialekts  enthalten 
werden,  denn  dieser  war  schon  beim  beginne  der  diadochenzeit 
fast  völlig  erloschen.  Nur  in  einzelnen  erstarrten  formein  der 
kanzleisprache,  titeln  und  namen  hat  sich  Ionisches  erhalten. 
So  in  n.  1 — 10,  den  der  schrift  nach  ältesten  nummern  die 
dem  alten  kalender  angehörigen  ausdrücke:  n.  1  -^m'i/g,  n.  2 
dixofAtp^irji^  n.  6  devvi(ft]$  vovfAip^iijg  neben  TtQO^mcn^,  nffotdqiav^ 
noXitßiccyj  oetiXuav  —  und  die  monatsnamen  l^yvvjitop  n.  1 
neben  uiyyeiak  100.  111.  Kavfrjiiiy  n.  4  neben  Kav(few  15. 
HO.  113,  naiXeiüiv  n.  2  neben  nalletuy  HO. 

Dem  kataster  gehören  an  in  n.  8  v^g  yrjg  ^fAi(ff]g  {ij 
keiag)  und  tfji  dyQomirji  neben  fQimovta^  tdiaxociiOK 


2u  den  Inschriften  von  Magnesia  a.  M.  279 

Vereinzelt  ist  der  ionismus  in  Maxsdior  i^  Aiyiwvy  gen. 
yon  AiyaL  (oder  vielleicht  besser  ^ly^iov  gen.  von  AiyBcti^ 
vgl.  Steph.  Byz.  unter  Alyai  :  to  i^mov  dftb  fiiv  diavXkaßov 
^XyaXog^  anh  de  VQiavlXdßov  svfijTai  xai  ovxwg  ^iyeäTfjg^ 
wozu  Meinecke  bemerkt  „Itaque  in  superioribus  Stephanus 
etiam  formam  ^i7«(i)a,  vel  ^iy$(i)ai  commemoraverat'^)  Aus 
der  kanzleisprache  stammt  in  n.  2  oTeXsirpf  ionisch  für  mi^ 
leicev  neben  Ttgoedgicev  z.  18/19.  In  n.  98,  anordnung  des  festes 
für  Zeus  Sosipolis  aus  dem  2.  jht.  v.  Chr.,  hat  sich  in  einem 
amtstitel  der  sog.  milesische  genetiv  auf  €w  erhalten;  tov  leQiw 
xai  T^g  ie^iag  lesen  wir  dort  dreimal.  Aebnlich  wird  der  ge- 
netiv \nndqixfiia  des  amtstitels  iTtTva^r^g  ,,wie  Mordtmanns  Zu- 
sammenstellung Mittheil.  X  202  zeigt,  auch  in  der  römischen 
zeit  noch  fortgesetzt^*  Bechtel  I.  I.  zu  n.  100. 

Der  „milesische  genetiv''  ist  auch  anzuerkennen  in  der 
Hesychglosse  Inniw  dvaßmov,  imßa%ov^  wo  M.  Schmidt  un- 
richtig \n7tiw(g)  ergänzt.  i«^ai  ist  ursprünglich  richtiger  ge- 
netiv zu  Uip^g  —  \€Qavg\  erst  als  ie^g  untergegangen,  bildete 
man  zu  iBQifa  den  nominativ  ieQiwg. 

In  98  z.  31  ist  auch  als  rest  der  sakralsprache  das  alte 
wort  avtfffog  „Ziegenbock"  erhalten,  das  als  altionisch  be- 
zeichnet wird  (s.  Kern  a.  d.  st.). 

Nur  in  wenigen  personennamen  haben  sich  ionische  laute 
erhalten.  So  in  dem  (ächten?)  Dareiosbrief  115  JoQeiog  o 
'Yatdanaw;  ein  Magnet  0(fi]T(OQ  erscheint  n.  90,  l^le^^vtoQ 
öfter  neben  ^^vxdviaq  31  u.  32;  endlich  in  einer  grabschrift, 
wie  es  scheint,  aus  dem  ersten  jht.  v.  Chr.  ein   verirrtes  ?/  in 

'Hyttüaydim. 

In  Ortsnamen,  insbesondere  den  flumamen  der  magnesischen 
gemarkung,  hafteten  ionische  reste  mit  grosser  Zähigkeit,  und 
haben  sich  solche  bis  in  die  römische  zeit  behauptet.  In  113, 
unter  kaiser  Claudius  abgefasst,  wird  z.  23  eine  MiiAtj  Kadvlrj 
in  der  nähe  von  Magnesia  genannt  und  in  n.  116  aus  der 
Hadrianischen  zeit  begegnen  die  flumamen  der  feldmark  von 
Magnesia,  immer  im  genitiv:  l^ddvtjg;  rqvXUtjq  Kvßiadlfjg 
ABOvwifjg'  IlevQieyrog  ebenda  z.  37.  47.  63  ist  aus  IIe%Qh]vxog 
und  dieses  aus  IlevQij&ftog  genitiv  zu  ttsvQijsig  „felsig"  ent- 
standen, in  acht  ionischer  weise  wie  ^x^ijvta  (oder  schon 
TjXiBvta?  xvfAora  bei  Archilochos,  teXhjvt    ema  bei  Tyrtaios. 


280  A.  Pick 

Anch   der  florname  Ovqwv  116  ist  wohl  auf  ionisches  ovqos 
„grenze'^  zu  beziehen. 

Die  lange  erhaltung  der  alten  dialektischen  lautform  in 
diesen  flumamen  erklärt  sich  nur  daraus,  dass  sie  aus  dem 
alten  kataster,  der  gleich  nach  der  gründung  der  Stadt  aufge- 
stellt sein  wird,  immer  unyerändert  heriibergenommen  sind. 


Die«nummem  16 — 84  beziehen  sich  auf  das  fest  der  Leuko- 
phryena.  Sie  zerfallen  in  zwei  klassen:  es  sind  entweder  „die 
Urkunden,  auf  die  sich  die  magnesischen  gesandten  bei  den 
zum  feste  eingeladenen  fremden  königen  und  Staaten  berufen, 
oder  es  sind  die  briefe  und  psephismen  dieser"  Kern  s.  13. 
Die  letzteren  sind  meist  im  dialekt  geschrieben  und  damit  auch 
von  sprachlichem  interesse,  wenn  sie  gleich  aus  einer  zeit 
stammen  —  um  200  v.  Chr.  —  wo  der  Untergang  der  mund- 
arten  schon  besiegelt  war  und  sie  nur  noch  ein  schein-  und 
schattenleben  führten. 

Wir  beschränken  uns  hier  auf  die  im  thessalischen,  lesbi- 
schen und  arkadischen  dialekte  abgefassten  Urkunden. 

N.  26,  das  psephisma  einer  thessalischen  Stadt,  ist  leider 
sehr  zerstört,  doch  lässt  sich  auch  ausser  Keras  ergänzungen 
vielleicht  noch  einiges  erkennen.  Z.  2  neva  o  lies  i\pag>iaT]ei 
€v  a\y]€{fia  vgl  Sammlung  (Larissa)  345,  4  ixpoupiatat  tS  reo- 

Z.  18  ara  •  .  h&lvay  ua&er a.,o 

„Für  drei  buchstaben  ardllav^^  (vielmehr  vier  nach  ataXlop 
z.  27)  „ist  kein  räum  vorhanden'^  Kern.  Vielleicht  iv  Trajara- 
[da]  Xi^Ipup?  zu  naofäg  „verhalle".  Für  siod^ew  ist  wohl 
iaa^er^  d.  i.  Soa9ev(a)  «-•  ead^era  zu  lesen,  mit  thessalischem 
iaa-  — >  ^-,  zu  hcTi&iyai  „ausstellen,  aufstellen,  damit  es  ge- 
sehen werde,  zur  schau  stellen  z.  b.  pofio^^  Passow.  Es  ist 
hier  die  rede  von  den  mitgebrachten  aktenstücken  der  gesandten, 
den  yeyQafifiipa  in  z.  17,  die  der  allgemeinen  kenntnisnahme 
zugänglich  gemacht  werden  sollen. 

Dagegen  geht  z.  28  auf  die  aufstellung  des  besdüusaes  dar 
Stadt 

^aq>ia]fia  avdactptag  eaaafwy  noQa  .... 

Zu  eaaafior  fragt  Kern  „^^  JSajcioy?"  aber  das  müsste 
thessalisch  iv  Sdfiov  heissen.    Vielmehr  ist  eaoafiov  zusammen- 


Zu  den  inschriften  von  Magnesia  a.  M.  281 

gesetzt  aus  thessalischem  ioC'  —  ht-  und  a^fia^  gebildet  wie 
ifti-  und  neQi-atjfAogj  o-,  o^'*,  «v-orijjuos,  mit  iaa-  «-•  fc-  in  dem 
sinne  von  «cHlijilo^;  bLüfjfiairup  kommt  Soph.  Elektra  1191  yor: 
no^w  tovt  i^BOijfifpfag  ncntöv, 

Z.  24  oü$  x'  ifCKniaroi  o  dafiog. 

Verständlicher  wäre  der  conjunktiv  iftmaetai,  zu  inia%a^ 
TOi,  wie  oix6  —  xi$  —  ^J?  dwaBtai  conj.  zu  di;yarat  in  der 
alten  thessalischen  inschrift  'JBgp.  o^x.  IV  p.  223. 

Der  dialekt  scheint  gewahrt  zu  sein:  nach  oyyQatffir  z.  29 
und  ^«01^!^  22,  d-eovfog  äl,  d'BovQodmov  30,  ovg  29  darf  man 
ovaXovfia  z.  29  ergänzen  (Kern:  avaixofi«), 

tig  Gat  xig  z.  30  (relativ!)  wird  wohl  dem  magnesischen 
abschreiber  zur  last  fallen,  auch  hat  vermuthlich  derselbe  z.  18 
ßJad-n  der  vorläge  in  ela^it  verwandelt,  weil  er  iaa  «»  fc^ 
nicht  verstand,  und  dafür  eig  vermuthete. 


In  n.  52,  dem  dekret  einer  lesbischen  Stadt  „ist  der  dialekt 
von  dem  magnesischen  Schreiber  fast  durchweg  entstellt"  be- 
merkt Kern.  Doch  gibt  uns  dies  nicht  das  recht  zu  dialekt- 
widrigen ergänzungen.  So  ergänzt  K.  z.  5  änddümlar  h  wi, 
wahrend  die  jüngere  lesbische  Aeolis  doch  nur  6  als  relativ 
verwendet. 

Z.  6  ifi(pavl^oia[illo[ti  yvdweg:  warum  nicht  o[tti? 

Ebd.  hauwoig  ,[t6v  ^$6v.  Besser  tavtoi€l[i  tw  #«oy,  wie 
Kern  richtig  z.  20  yey^fAfi4po[iai  ergänzt ;  z.  34  dag^en  irtäy^ 
yell6ptia0i[y  h^  statt  •^teaai  [cy. 

Auch  z.  8  stand  auf  der  vorläge  o%ßo(Aivoia{i)  nicht  OBßo- 
fievoig  *l4^miv;  der  dativ  pl.  hat  sonst  immer  die  äolische  volle 
endung  auf  *ai:  z.  7  iv  Jet/poiai^  32  ^BWQOiai,  40  toig  ngea-- 
ßevwaiai. 

Z.  11  fällt  dar  greulige  fehler  s^aq>iafiwoi  bvti  jeden&Us 
dem  magneten  zur  last;  vielleicht  hatte  er  eben  —  nach  Kern 
hat  derselbe  mann  n.  16 — 84  geschrieben  —  n.  41,  16  auf  dem 
dekret  von  Sikyon  oftodeÖMyfiiyoi  ivTi  eingemeisselt;  der  Les- 
bier hat  selbstverständlich  eiai  geschrieben. 

Z.  17  steht  auf  dem  steine  avyysvrja,  offenbar  für  das  acht 
äolische  avyy&nfjPy  wie  schon  Kern  verbessert;  der  Schreiber 
dachte  an  avyyeria  vgl.  avyy^iag  38,  20. 

Z.  28  rmg  re  9va$ag;  die  vorläge  hatte  selbetverstandlich 
vaig  te  ^vataig  vgl.  die  akkusative  23  wmg  d-eoigf  38  ^«en^i^  dvo. 

B«iM^  t.  kasO«  4.  iaif.  i^cmImb.  IXVI.  19 


282  A.  Fißk 

Zu  30  didoHrdtti  (statt  didoad'ui)  kann '  richtig  sein ,  wenn 
man  äolisch  dlikav  (aus  öidofjv  oder  didmijr)  vergleicht 

Z.  36  iftayyBkltaai  ov  d-BiOQOi;  w  für  ciiii  nach .  jüngerer 
ausspräche  ist  kein  fehler  vgl.  36  iv  vojita  neben  40  ,%a  sp 
pofiioif  dagegen  steht  z.  38  im  gen.  tta  O^qmm  oh  yerkehrt  fär  w, 
z.  36  TtoQa  Mayrrfti^  ist  zu  berichtigen  nach  z.  32.^a^  Mayrrj^ 
%iov^  vgl.  28  noQ  avTtay;  ist  auch  z.  16  Ttagnakeioiai  für  na^ax,^ 
zu  lesen? 

Möglicher  weise  hat  der  lesbische  Verfasser  auch  z.  13 
«xig^ß^tov,  37  xEf^ovtjfSia  und  21  o^  (statt  cvif)^  vielleicht  selbst 
z.  14  fioiaixop  statt  fAovaixov  geschrieben. 

Dagegen  ist  in  OTKodidorreg  15  für  amv"^  ^«rs^i^y  17  für 
TTfid-,  ÖBffia^ai  für  d«x^,  xot^Trc^y  etpeaTioVy  xa^rjwj  statt  xair- 
TQTtaqy  eTtiOTioVy  Hatfinfi  die  bildungssprache  schon  in  den 
äolischen  text  eingedrungen  gewesen. 

Bei  dem  versuche,  die  lesbische  vorläge  wiederherzustellen, 
ist  dem  texte  nothwendig  die  jüngere  äoliJBohe  akzentuierung  zu 
geben.  Wie  Alkaios  und  Sappho  totonten,  wissen  wir  nicht,  wohl 
aber,  dass  die  Lesbier  vom  4.  jht  ab  den  akzent  mit  den  he^ 
kannten  ausnahmen  durchweg  zurückgezogen  haben.  Mit  [  ] 
sind  die  ergänzungen  der  lücken,  mit  (  )  falsch  ausgelassenes, 
mit  (  )  falsche  zusätze,  mit  grossen  buchstaben  der  ersatz  für 
falsche  laute  des  abschreibers  bezeichnet.  Auch  aus  dieser 
möglichst  gereinigten  form  des  aktenstücks'  ist,  wie  eine  ver- 
gleichung  mit  Hoffmanns  Gr.  dialekten  II  ergibt,  neues  für  den 
lesbischen  dialekt  nicht  zu  entnehmen,  doch  ist  es  mundartlich 
so  gut  öder  übel  abge&sst,  wie  man  für  die  zeit  seiner  ent- 
stehung  —  um  200  v.  Ch.  —  nur  erwarten  kann. 

In  den  ersten  fünf  zeilen  erkennt  man  nur:  1.  *'Eyyw  6 
dSfiog  —  2.  CTtid'ava  —  3.  d  Ma[yviJT[<av  —  4.  (ou ....  Jtovi- 
ai€{$  E\v  —  5.  TcT  'Ay —  ]}fHiq>uap,a\  dftidümlav  h.  %m  efiq>a 

n^oia[i\  o[tti  yvoywsg]  XQV^^^  iavtOia[_i  toy  9iar 

top  h  Jihpoiai  Iciiar  mal  afisivo[v  l/iju«- 

vai  aۧofiivoia(i)*'A(ftBfiiv  AwiMHpqvavo^y 

xai  vopLiaaavxBaai  %av  tB  noXiv  xai  tot  j^d 
10    QCtp  igctv  Tuxi  aavlov  i'fifiBvai  i\paq>ia(iBvol 

bIJSi  avrcBJiBifiv  va  dfffp^htdi  %ag  nokiog 

avTüfv  'A^rifiidL  jiBunotpqvava  dw  TtivtB  i" 

%iia»  9vaiap  xoe  ftoa^ayvQiy  nun  htB^Eifiar  xa[e. 

^       aytat^a  atB(paifL%av  laoTtv&iör  fiotaiKov  nal 

15    yvfivixov  xal  fVr/rtxoy,  dvMiLav  anodidovvBg 


Zu  den  inschriften  von  Magnesia  a.  M.  283 

Xaqiy  tS  evsQyhiSi^  utai  ita(f{a)iialeloiai  top  da- 
liov  (piXov  eovra  wu  avyyivijN  fieiix^  '^^^ 
^vaiav  %cd  rag  7tavayv((iog  xai  top  hcfxE^ 
ifiav],  duXix^öav  di  xat  oi  fCQeaßevzai  mcth 

20    ^{ovld'wg  Toig  iv  %m  tf)a<piofian  y^Qa^uiyo[iai 
tag  [(pt]loufiiag  ovdev  ikXeinov%eg'  omag  ^Qv 
6  dS]iiog  q>aivrfBai  ifi  navti  wxIqu)i  xav  t€  nQ[6g' 
to\ig  &ioig  evaißeiay  cni^v  xal  %av  nqog  M[a 
y]yt[S€ig  avyyeyaiav  nai  apiXiav  Ji<xri^[^aiy, 

25    d\y\a\9a  tvxo'  didoxd'ai  vm  ddfjiwL  iTtaipe- 

a]ai  [fi^  Mayvtjvag  ini  ra  €vaB{ß]eiai  %a  ftffog 
%b  i9[«]u>y  %al  iTtl  TUL  Bvvolm  rat  tz^  tov  7t6li[p 
di%Bo9ai  de  naq  oSottav  %aig  je  &vala{i)g  xat 
tw  oB/iova  iaoftv&iovy  efifievai  de  aal  %äy  no- 

30     hv  xat  Tav  ^c^^oy  Xqov  xat  cavXovy  xa^a- 
TceQ  Mdyvtjfteg  d^ioiaiy  did(aa9ai  de  xai 
Toig  irvayyelXovreaai  ^ewQOiai  ftag  Mayp[Ti 
ftav  eVg  %e  haf^av  xai  egfiatiov  x[(Ul]  ^evun 
oa]aa  xal  Toig  tä  Tlv&ia  i7iayyelX6v\%']e!aai>  {h 

35    v\6fAüi  yeyi(a7tvaij  xal  ervei  xe  xa^'jxri  6.  ayw[if 
x\ai  iTtayyeULoHJL  oi  ^etnQOv  oi  itä(f(a)  Mayvtj^ 
r]aiv,  x^Q^^^^'^^  ^  däfiog  %w  iirjwo[g[  %& 
^  0]Qg>el(ü(i)  %ä  oxjwxaiöexaTa  d-etOQOig  d[vo  i^ 
a]7tav%iav  r'Üy  nokitay^  dof^evai  de  xai  od[t. 

40    oy]  rolg  nQeaßevTaiai  ra  iv  vofuoi  diaxo[ata?    K. 

Das  psephisma  von  Megalopolis  n.  38  ist  von  dem  magne- 
sischen  abschreiber  fast  noch  übler  als  das  lesbiscbe  zuge- 
richtet,  doch  gestattet  die  länge  desselben  vielfiach  die  fehler 
nach  den.. das  richtige  enthaltenden  stellen  zu  verbessern. 

Die  genetive  üvS^ayogill  z.  3  neben  IIv^ayoqAl  4  und 
^AQxeoiWY  54  zeigen  deutlich,  dass  hier  überall  der  arkadische 
genetiv  auf  -av  gestanden,  den  der  abschreiber  nicht  verstand. 
Die  genetive  auf  tau  ftoi  Jiowaiwi  AafiTtenai  fallen  ebenfalls 
dem  Magneten  zur  last,  vermuthlich  veranlasst  durch  nv^a- 
yoQWi^  das  er  wohl  für  arkadisch  hielt 

Z.  ß  ifiev  zunächst  für  elfieVf  dagegen  18.  21.  37  eivai; 
die  vorläge  hatte  zweifellos  das  richtige  ijvai^  z.  6  schwebte 
dem  abschreiber  M^ußi'  In  der  gktch^i  Verbindung  n.  16»  7  vor; 
aus  ipoi. machte  Br.dpai^.    ,   .   .  ^    .       .,. 

X9* 


284  A.  Fick 

Z.  12  IV  Toig  EXkavag  und  20  tovg  avyyeveag  sind  zu  be- 
richtigen nach  q>ilog  20.  21  anQOipaaunog  21,  %og  —  WM^rjfte- 
vog  22,  ccwog  25,  T^toxoaiog,  tog  28,  vog  aywvag  38,  49,  roa- 
yt;y  rog  aAAog  49. 

Z.  48  ii'  TOi$  POfiog  kann  er  voig  vofioig  oder  ty  trog  yo/iog 
gelesen  werden. 

Z.  14  «xex^c^tov  44,  iV9iia%uqopi  z.  33.  39  heisst  es  «xe^i;- 

Z.  20  ist  avvav^Biv  f&r  awavisy  eingetreten,  vgl.  21  fveqy^ 
ti]p  (für  sv€^6tripai?). 

Z.  21  ^^og  TToyrag,  24  rcQog  afifie^  dagegen  25  richtig 
Ttog  avtogy  26  7toO€defynf%o,  49  ^og  Tog  aUog. 

Z.  24  a^jue  „uns",  richtig  22  tog  %ai  afie  ectpjfievogf  vgl.  19 
a^€T€Qai.  Der  absohreiber  ist  auch  z.  12  in  roi$  für  tog  auf 
lesbische  formen  gerathen. 

Z.  46  Ta^  TToiUt  aber  10.  18  richtig  noli. 

Z. -47  ßwXevüovtai  ist  wohl  verschrieben  für  -accirroi,  für 
didovai  56  stand  in  der  vorläge  didovffi  oder  didocri  vgl.  34 
Ttoiwai^  37  a^ioai. 

Das  relativ  Sg  kommt  nur  in  den  adverbien  xa^  9,  3i6 
29,  xa9'(og  37  vor,  sonst  fungiert,  wie  in  den  übrigen  arkadi- 
schen Inschriften,  nur  6  als  relativ:  16  (aytawct)  tw  tid-ei^  24 
tav  exouv  enteveiccv  28  do^ecxog,  rog  9HOfiia9Vf  34  aytara^  top 
Ttoievai  40  ra  yeyQOfifiBva  rjv.  Hiernach  darf  man  vermuthen, 
dass  auch  z.  4  in  der  vorläge  ip  TOi,  statt  ii»  oi  gestanden  habe. 

Z.  43  d-ewQiav:  schreibe  &aaQiay  nach  &BaQiai  44. 

Die  versehen  des  abschreibers  10  aqfioCfivtoig  toig  für  -roig, 
ebd.  ly  toig  xpaq>ia^aTi  für  rot,  11  ivig>ayiKop  f.  ivmpaviCpfP^  13 
fra^crxaA«vrco$,  oig  f.  -TCtiy,  cog,  23  XQOVfog  f.  xc^^^^i  «x^yrag  für 
exovTtav  (25  oKrxa  scheint  blosser  Schreibfehler  für  aviTta)  sind 
schop  von  Kern  berichtigt. 

Bei  möglichst  wohlwollender  Voraussetzung  würde  das 
aktenstück,  wie  es  aus  der  band  des  Megalopoliten  hervorging, 
etwa  nachstehende  gestalt  gehabt  haben: 

nQeoßsvT&p  Hai  d-ea[QWv  ft]a[Q]ayeyo[vAt(Op]  rt[a((a  toi  däfioi 

%wii  Mayviftütv  %(av  ini  Maidvdijol  [0iil/ax[ai  %ä  JTvJhv- 

yoqAYy  Kopufpog  Tw{i)  Jiowalta(C)y  Aofinitta^j^  tä  [iTv- 

&ayo^ 

qaY  xai  dnodorrwp  td  ^^lOfia^  iv  (t)oi  7uneiux[^iovo 
5    c  xQTfjafidg  6  yeyonig  vno  %ol  *^7t6lixovi  toi  tr  ^€i[(f>oig]y 


Zu  den  inschriften  von  Magnesia  a.  M.  285 

Xtiiov  HNAl  wxi  afieirov  toig  aeßofti^oig  ^'^fVBfnv 
^evxtHfiivfpm  xoi  tov  nokiv  nun  top  x^^*^  leQOtP  %al 
aavXop  POfiiZoai(v)  aal  Jtegi  %öv  Xomwv  nic^üUy)  im- 
Xex^iaai  Tca^ä  t]xoy  rag  IvtoloQ  naga  toi  Idlai  nö» 

10    M  [x]ai  aqfAoC/dvtSig  TOig  Iv  TOi(g)  tlßd^iafxati  yeyQOfi^ 
^hoig,  lvEq)dviJ^OP  de  xot  top  wg  ^eäg  initpavHav 
%ai  Tov  yeyopäaop  bno  %6ig  ngoyopoig  Iv  Td(f)g  ^EXlet' 
Pag  evxefiorlav  xai  nagoMtkertoiN,  wg  moSixn" 
Tat  ä  nolig  täp  ntxpdyvqiP  xai  %ap  hf^HQiocp  nun  top  äyta^ 

15    pa  ax^ffavltav  iaoitv&i[6\p  %6p  %b  nov[ai%^p  xai  yvfiPi- 
xop  xai  inmxop,  top  %i&ei  tat  ^Aqti^idi  tat  AtvxotpQfiPol 
ö  dSfiog  tdifi  Maypijtiop^  xai  vw  ftohp  xai  top  Xfti^oy 
avtßp  iegay  xai  aavlop  ^f&oi,  %äi  6i  ncJu  tat  ifierifcti 
nci%Qi6p  iaTi(p)  fAciXiOta  fiip  tag  t&p  d't&p  tifiag  avplalv^ 

20    IK^)^'  ^^^^'^^  di  xat  ta(^)g  üvyywiag  xai  tpiXog  opteveg- 
yetijp  Ip  to  Anffotpaalatog  qtalpea&at  ^Hpcu  (plXog  ft(Q)dg 
ftdptag  tbg  xai  afie  iaQfjfiipogy  tßp  de  Maypvjtwp  tßp 
and  MatdpÖQOi  ix  nalai&P  fiiv  XQOPtoN  ixoPtStN  &)p6o)g 
7t[ß]dg  äfiif  av(.iq>avBg  de  jcoujaoptwp  tap  exoiep  ixte* 

25    PEictp  xai  atgeaiPf  opl'xa  naqeyipONto  nog  avtog  TtQeaßei- 
ovteg  IlQo^epog  ^Ayig  'AQiatoniiiAtop'  edpowg  te  yaq  noa^ 
di^OPto  oi  Mdypf/teg  xai  ¥dwxap  ip  top  teix^afibp  tag 
ftohog  dageixog  tgiaxoalogy  tbg  ixS^iae(p)  'Ayafii^a^ 
tWQj  dib  a  ndkig  ßefipaiiipa  tag  te  avyyevelag  xai 

30    fpikiag  xai  noptiop  tdip  yeyopotiop  evypw^d' 

Piop  vnb  täi  TtdXi  tat  Maypijtofp  artodixetai  ta[g] 
9vaiag  tag  *A(fceiAidog  tag  ^evxoq>gvtipag  xai  tap  exe- 
X^giap  xai  tdg  ay&pag  otetpapitag  XaoTtvd-iog  tbp  te 
fiovaixdp  xai  yvfiPixbp  nai  inntxdp^  tbp  ftoUvai  o\  Ma- 

35    ypfjfteg  dixalop  dnodiddpteg  x^9^^  ^^^  eiegyitidi  xai 
xad'ayefiOPt  rag  ftdXiogy  xai  top  ndXip  xai  top  x'^ü^^ 
^Hpai  avttSp  iegdPf  xa&iog  6  d'ebg  ^gtiae(p)y  xai  d^MOi 
oi  nagayeyop&teg  ngecßevtai  xai  d^eAgoi'  tolg  d'eAgoig 
toig  inayyiXXoai  tap  ^alav  xai  ixexfjglap  tag  Idgti^ 

40    fiidog  tag  udevxotpgvripag  ddtw  S&ep6Xag  6  ta^ilag 

oviKpOQOtg  Iplf^iop"]  xm  ta 

Ip  toig  p]6^o[ig  yeyQa']fÄ^ipa  ijp  dldoa&ai^  ta  laa  yga- 
tfßdtü)  iP  r]av  ^eAglop^  iv  de  to  Xoinop  tl  del  dldoa&ai 
tatvi  tat  ^eaglai  lpla[t]iop  ^IvexdxBgoPy 

45    Oi  P0fAoyqdq>0i  o\  iv  tal  ini  Avxip\ta'\  eteiai  ygdipav' 


286  A.  Fick 

teg  imdei^dvTtov  Tat  7t6Ji(e)if  wg  oi  TCoiX%ai  ßwXtv- 
aQvrai  negi  TOivi'  xto((aadv%iav  de  ol  vofioy^ipoi 
iv  t6(i)g  PO  flog  nat  %avyv(y)  %i\y  i\uxHqiav^  xat  %bg 
äywvag  %oavv(v)  yQcnpdw<av  Ttbg  tbg  ülXog 
50    axBqxxntag^  ihg  av^tpccvig  ylpr]Ta[i  T]o'ig  Mdyvtj- 
aiv,  8ti  a  TtoJiig  tag  tb  %&i»  9t(a¥  &vaiag  awav^ßi 
xai  tä  vno  toig  avyysyiai  xai  <plXoig  xai  [ev]voiOig 
ä^itofiiva  VftoKovsi'  S'eaqodoKog  xaraatd^ 
NixtjQarog  ^A^ealXAY'  ido&tj  toig  '9'eaQOig  hti 
55     tav  noivdv  latiav  tag  nohog  ^vacu  oig  xat  toi 
d'Bol  Saov  Ttai  avtol  didöNai  xai  ^ivia  toig  ^eaQoig 
td  ix  tw  pöfitay  ov&afiiQOP. 

In  dieser  allerdings  nach  möglichkeit  gereinigten  ge- 
stalt,  enthält  das  stück  nur  wenige  Verstösse  gegen  den 
dialekt.  Für  dm  durchweg  dno  4.  23.  35,  dix^a^ai  14.  31 
und  -TOi  für  -rot  in  dnodixetai  31,  anodixf[fai  14,  ßwlev- 
awvtai  46y  yivtjtai  50.  Bedenklich  ist  das  v  in  topw'v  48, 
toavvp  49  (der  Schreiber  dachte  wohl  an  vvv)  neben  taivi 
44,  toiPi  47. 

Der  dialekt  ist  in  unserer  inschrift  besser  gewahrt,  als  die 
späte  abfassungszeit  eigentlich  erwarten  liesse. 

d'eäQog  aus  d'eäfoQog,  wie  arkad.  ^E^fiavog  aus  'Effidfovog 
liefert  die  bestätigung  von  QeaQidag  Megalopolit  Hoffm.  n.  17, 2. 4 
Gut  und  alt  ist  das  regimen  von  vrcö  und  Ttafd  mit  dem  loc- 
dativ;  von  iv  mit  acc.,  von  dfto  mit  dem  dativ:  oTto  Maidv- 
dgoi  z.  23,  entsprechend  den  ftrkad.  inschriften  bei  Hoffm. 
dfii  22  „uns''  ist  Hoffm.  1,  258  einzufügen.  Hübsche  belege 
zu  der  /ue-weise  der  verba  auf  -ew  bieten  naqaxaXhttaif  13  und 
noiivai  34;  yeYorwaav  12  ist  nach  yeyovtag  gebildet,  ia^fiivog 
22  ist  mir  nicht  klar,  schwerlich  von  aiQiw  abzuleiten.  Be- 
sonders interessant  ist  die  behandlung  des  innem  -pa-.  Neben 
ndvai  8,  noiivai  lesen  wir  diakex&eaai  9,  vofii^oai  8,  ircay- 
yiXloal  39,  d^ioai  37;  darnach  ist  für  didovoi  56  entweder 
didovai  oder  diddai  zu  schreiben. 

Es  ist  wohl  nicht  zu  bezweifeln,  dass  in  der  perio^e  des 
absterbenden  dialekts,  der  unsere  inschrift  angehört,  das  innere 
-v(7-  der  analogie  des  schliessenden  -vg  gefolgt  ist  Wie  aus 
Toyg,  tavg  zunächst  toag,  taag^  dann  tog,  tag  wurde,  so  aus 
-avaiy  -evoi,  -ovai  :  -acai^  -eaai  (in  iiakex^iaui)  -oae^  und 
endlich  -aai,  -eai-,  -oat.    Die  gleiche  entwicklung  fand  in  ArgpB 


Zu  den  inschriften  von  Magnesia  a.  M.  287 

statt:  in  der  mit  der  unseren  gleichzeitigen  inschrift  von  Argos 
n.  40  lesen  wir  z.  18  eTtayyeHovai  und  in  der  nächsten  zeile 
19  iftayyiHoaai y  wozu  Kern  richt^  bemerkt:  „der  nasal  ist 
hier  assimiliert*'. 


Der  ertrag  der  IMM.  an  griechischen  personennamen  sei 
hier  in  aller  kürze  zusammenge&sst.  Zunächst  für  die  yoIU 
namen. 

^ AyluGtihrig  Ithaker  36,  die  ältere  form  zu  ^AylAmiXtjq  Megara 
GP.  »  42. 

Zu  dem  genetiy  ^Hffonv^ov  M.  105  4.  •  bildet  Kern  den  nomi- 
natiy  ^H(ionv^fig\  6P.  *  245  werden  JrjfiO'y  ^HgO',  Jü^f/r^o- 
ftv9os  aufgeführt 

SvrTvxfjS  Ilvd-ayoQOv  Magnete  302,  zu  dem  bisher  allein  be- 
legten weiblichen  n.  Svvtvxfi  OP.  *  257. 

Neue  YoUnamen  sind: 
Zu  -af^og  :  JiOvvanxQXOS  ^otfAniavog  M.  88,  62,  anderer  Wva- 
^Y^QO^  79 »  za  GP.  *  101,  Zai-o^XOS  Knosier  3.  jh.  67  9 
GP.  «  133. 

Zu  rßiogi 

nv96'ßiog  M.  26  GP.  «  245. 

*Hilo-x^crTi]^  M.  3.  jh.  5?.  Nach  Kern  verschrieben  für  ^HltO" 
Kiifotrig;  so  hiess  nach  PB.  ,,ein  präfect  des  fiscus  in  Rom 
bei  Zosimus  5,  35.  45".  Vielleicht  ist  doch  ^Hlo-  anzuer- 
kennen, wie  ^l  Sonne  neben  fjliog:  den  rater  Epicharms, 
der  sonst  'HXio&dXrig  heisst,  nennt  Heradid.  Lembus  frg. 
hist..gr.  in,  170.  8  'mo-»dXf]g.  GP,  «  136  ist  nachzu- 
tragen :  ^HXionXrjg,  könig  von  Baktrien,  söhn  des  Eukratides 
2  jh. 

Nvfig>6''loxog  lAqtefiiSwQQv  M.  275  zu  GP.  *  225. 

Taano-^ivfjg  TaaiM^ivov  M.  sieger  im  Pankration,  CIA.  11 
2,  967,  56  2.  jh.  ist  der  YoUname  zu 

TdoKog  h  noXifitoi  Lakone  Smlg.  4437,  ^AptifAaxov  Taanav  im 
Amyklaion  ebd.  4515  (4.  jh.?)  nach  Meister  zu  der  stelle 
auch  in  Kreta:  TdoTcog  jQvTtavog. 

Der  name  TaayLO'fiivrjg  ist  hybrid:  Tasco-  ist  keltisches 
namenwort  YgL  GP.  ^  LXXVUI  gaJl.  Tasco-Yanus,  brit.  Tascio- 
Yanus:  Taseins,  Tascillus  Tasci&ca  und  Moritasgus  (?)  Wohl 
durch  galatische  söldner  nach  Griechenland  gekommen. 


288  A.  Fiok 

Vater  und  söhn  fahren  Tollnamen,  in  denen  ein  elemait 
das  gleiche  ist: 

l4va§ijp(0Q  ^Ava^iXQatavg  M.  129. 
^AQi4i%6fia%oq  '^QiOToxXiog  M.  XIV  n.  XIX. 
^rjfjiayoQas  JrjfAOxaQidog  M.  münze  XXII. 
Qe6g>iJiog  QeodoTov  M.  208 1. 
NUaiög  Nvia(ixov  Gonnos  33 1. 
SiaainXilg  Jio%Uog  Magnete  und  sonst 
0ihffftog  SvQCcvinfcov  M.  815. 

Voll-  und  kosename  vertheilen  sich  auf  vater  und  söhn: 

QevdtoQog  Jwqov  Magnet  2$. 

^iTtTtalfiiüv  u^Xfiovog  Mäyvtjg  epigramm  des  Peisandros  s.  0. 

MdvÖQfig  MavdQolvtov  IX  u.  XVI. 

Bemerkenswertbe  kosenamen  sind: 

^^lUag  Magnete  321  zu  -aXJLog  GP.  >  54.    Mit  neqlaUog  vgl. 

TtBQi  navTuxv  efifievai  akXwv  A  287. 
N^aig  g.  Nijaiog  Parier  50 s.a.    Zu  JYijaoxX^g  GP.  >  215. 

Nvaiog  Magnet  122  f.  zu  NvaavÖQog?  oder  kürzung  von  Jio- 

vvaiog? 
Towiog  Magnete  94 10»  T.  ist  koseform  zu  Evz6viog  nach  PB. 

„vater  und  die  söhne  {Evtovioi)  Anth.  app.  356'*.      Vgl. 

06wiog  zu  TuaUpovog  GP.  *  281. 
Xigavg  Medidpu^g  Akamane  31 4  zu  Xc^i-,  gebildet  wie*'/nr- 

jtvg  u.  a.  GP.  >  26. 
XvXiag  323  bleibt  dunkel  „der  name  ist  neu^^  E.     Vgl.  äxvlog 

„8aftreich'^ 

XaQfioawog  M.  283  4  ist  an  die  gruppe  XoQfio-  GP.  *  290  an- 

zuschliessen  als  „angelehnter  name^S 

Kalender-  oder  geburtstagsnamen  führen: 

NevfAont  in  ^^latayogag  Nsvfiwvog  Magnete  101  öfter»  gekürzt 
aus  NivfjtrivLog,  maskulin  zu  Niovfiii  Tanagräerin  GP.  *  296. 

Tquiag  in  KalXidva^  Tgitiov  auf  magnesischer  münze  ZXIU; 
zu  Tgltog  TQUiog  TgirvXlog  GP.  »  296. 

Göttemamen   werden   in  älterer,   frommer  zeit  nicht  für 
menschen  gebraucht  s.  GP.  *  304  f. 

^Eqiidag  heisst  allerdings  ein  Magnete,  Zeitgenosse  des  Mithri* 
dates  bei  Plutarch,  Kern  IMM.  XVI,  aber  der  gott  hiess 
damals  ^Egfiijg. 


Zu  den  inschriften  Yon  Magnesia  a  M.  289 

Unter  Alexander  Seyerus  gab  es  einen  yQafifioteig  ^Effi^g  to  ß. 

auf  Magn.  münze  XX  V,  einen  arzt  M.  uävQ.  ^EqiiiJQ  nennt 

IMM.   119 19.     ^EQfiuag   kann   ursprünglich    koseform  zu 

EQfiO'iyirrig  u.  8.  w.)  gewesen  sein. 
noivf]  276,  wenn  — >   ilotyi/  straf-  und   plagegeist,  jedenfalls 

höchst  singulärer  name. 

An  heroennamen  für  menschen  verwendet  sind  neu  und 
GP.  *  307  f.  nachzutragen : 

Sovag  in  0il6§€yog  Bovarrog  M.  352  1.  jh.  y.  Chr.  kann  nur 
auf  den  ätolischen  beros  &6ag  geben,  nach  dem  auch  sonst 
in  Aetolien  und  lasos  männer  heissen;  aber  die  form 
Govag  (aus  Sofag)  ist  neu,  und,  wie  es  scheint,  äolischen 
Ursprungs. 

Kgtid'evg  auf  magnes.  münzen  IMM.  XXIII,  und  (DiQrjg  g.  Oi- 
Qf/Tog  Magnete  18.  19.  61  sollen  wohl  an  den  Ursprung 
von  Magnesia  als  Ttolig  uAoklg  erinnern:  die  heroen  Kre- 
theus  und  Pheres  sind  söhne  des  Aeolos. 

Kr€<nog  Moqifjtov  Magnete  107  n.  Nach  dem  Molionen,  bruder 
des  Eurytos. 

udvKiofiT^drig  heissen  IMM.  nicht  weniger  als  zehn  Magneten, 
wohl  nach  dem  könige  der  Doloper  auf  Skyros. 

nnvnBaiXag  in  !/fi^£/<idai^^  JTi^anrca/Aa  Magnete  11»;  der  beld 
war  in  Pyrasos  zu  hause,  grenznachbar  der  Magneten 
Thessaliens. 

IMM.  5i9  erscheint  ein  ^AQx^Xaog  AlqoTtov  Mcmsdwv.  Vater 
und  söhn  fuhren  die  namen  makedonischer  könige,  ^Iqo- 
nog  ist  soviel  als  ^Aiqonog^  wie  der  name  sonst  lautet. 

In  den  GP.  >  wäre  hinter  den  namen  aus  der  heroenweit 
s.  314  ein  abschnitt  einzufügen: 

Namengebung  nach  historischen  personen  z.  b.  ^Aatvayrig 
yqafAfxcttiyuog  Westermann  Vitae  p.  363,  l4xaiiiivrig  Delpher, 
JaQeXog,  Kgolaog,  Va^i^iJTtxog  u.  a.  Besonders  die  namen  der 
makedonischen  könige  und  der  diadochen :  l^juv^ra^ ,  ÜB^d/xxag, 
Oiidftftogf  besonders  ^^Xi^avdqog;  unser  ^Af^ihtog  AIqotcov 
reiht  sich  hieran.  Unter  den  diadochen:  ^AvriTtctffjogj  Jfjfifj' 
TQiog,  IlToXefiaiog  u.  s.  w.  Aehnlich  wuchern  bei  uns  die 
preussischen  königsnamen  Friedrich  und  Wilhelm. 

Zu  den  für  menschen  verwendeten  thiernamen  GP.  *  3 14 f.: 

rqiawif  auf  magnesiBchen  münzen  XXX;  wenn  so  und  nicht 


200  A.  Fick 

Tj^MToiK  oder  Tdacß/v  zu  lesen  ist^  vgl.  Fglamp*  vg'  l^Qiato^ 
.. .  g>ayrig  ii  ovofia  ögo/aiatg  vevixrptSrog  h  X)h)ßnl(f  avddiov 

Hesych. 
*ArroXX6dwQog  Kaqvtortog  Magnete,  auch  in  Ephesos  GP.  *  315, 

vgl.  xoQViOTndBg'  yuavwTteg  Hesych. 
^vxtrog^vnov  in  Same  auf  Kephallenia  3.  jh.  35 1.    GP.  >  319 

zwischen  Kogmlvog  und  üo^lvog  einzufügen. 
Tlit^liov  auf  magn.  münze  XXin,  wohl  wie  ni9wv  und  nlt&toi^ 

zu  m»ri%og  aflfe,  GP.  «  321. 
2iivllLwf  auf  magnes.  münze  XXIII.     Zu  oyLvXkov*  n^  %vva 

liyvaiv  Hesych  vgl.  axiUa|,  gebildet  vom  thiemamen  wie 

jäxQidiiov  u.  s.  w.  aufgezählt  GP.  *  319. 

GP.  *  324  zu  ^'Av&qamog^  ^Avd-QWTviXog : 
*Av9qianlaiiog^  Prytane  in  Korkyra  44|. 

Zu  GP.  *  330  benennung  nach  leuchtenden  körpem.: 
0waq)OQog  NinavoQog  Magnete    110b,   zu    q>moq>6qog  (daffjg) 

morgenstern. 

Ein  flussname  als  menschenname  —  zu  GP.  *  347: 
AYyv7trogl4va^^Qog  Magnet  15  ae.    Weitere  belege  des  namen 

giebt  Kern  zu  d.  st. 
GP.  *  360  kann  man  zu  den  berufs-  und  standesnamen  nach- 
tragen 
Q^ffifrwQ  Magnet  90 1. 

Ursprüngliche  Spitznamen  sind  sicherlich 
BatTaXivog  64   diminutiv   zu   ßontaXog  Weichling ,   oder   noch 

schlimmeres,  und 
JSlvdQutv  Magnet  14«  =  atvdgwv  benennung  der  dovloi  MniovXov 

in  Kreta  (aii^-d-^o^  s  aiV'a-Qog  zu  alvof^ai). 
n.  308   heisst   es:   1)  aogog  IdnokXiovidog   tilg  Miwiwvog  z^g 

xakov/üivfig  ^Hdijag  (d.  i.  ^deiag).    Man  sieht  bier,  wie  der 

später    übliche    name  ^Hdeia    aus    einem    beinamen   ent- 
sprungen ist. 
88,  c  siegt  an  dem  feste  der  ^Pwfioia  zu  Magnesia  iv  %wi  aywvi 

tgaywduSv 

iloXeinaiog  Jiodioqov  ^Eq>iaiQg 
dgafioTi,  KXvTaififjaTQa, 

Darnach  scheint  die  Schreibung  des  namens  mit  fiv  auf 
späterer  umdeutung  und  entstellung  zu  beruhen.  Der  name 
tritt  dann  in  enge  Verbindung  mit  Mtj^twq  Priamide  bei  Homer, 
tdya-,  und  nolvfiijaTWQ.  .^iTTteff/vjaTQa   heisst  .dia  toohter   ^ 


Zu  den  inschriften  von  Magnesia  a.  M.  291 

Erysicbthon  bei  Nikander,  sonst  MijatQa  genannt;  auch  die 
Danaiden  d.  n.  werden  nun  wohl  besser  Hypermestra  und 
Mestra  zu  scl^reiben  sein. 

In  einem  anhange  über  Apameia  am  Seleias  weist  Eduard 
Schwartz  nach,  dass  Mearpnj  „die  hellenisierte  form  des  ein- 
heimischen MaiS&n  oder  Mtt&n''  ist  nach  Nöldeke  »^ein  kleiner 
Staat  in  der  gegend  von  Badra  am  unteren  Tigris,  der  hauptort 
war  Snaalvov  x^ga^^  auch  wohl  schlechtweg  . .  .  XaQa^  ge- 
nannt Also  ist  der  anklang  an  fidaf]  ein  trug  und  darnach 
das  0.  22  s.  228  bemerkte  zu  berichtigen. 

Walsrode  bei  Hannover  im  Juni  1901. 

Ä.  Fick. 


Zu  no.  26  der  inschriften  von  Magnesia  am  Haiandros. 

In  dem  bruchstück  des  beschlusses  einer  unbekannten  thc«- 
salischen  Stadt,  dessen  Verstümmelung  wegen  der  mundartlichen 
abfassung  so  bedauerlich  ist,  findet  sich,  bisher  unerkannt,  eine 
Thessalien  allein  eigenthümliche  wortform. 

Z.  25  heisst  es:         . 

ot;x]<   fioyop  xoT  tov  Sfioyiveiav  \  [%ai  q>iliay]  ^  (d.  i. 
alla)  xai  xitr  vav  oXop  uiNFF^.IN 

Kern'slEtngabe  zufolge  ist  der  undeutliche  buchstabe  nicht 
^  gewesen,  kann  aber  als  a  gelesen  werden.  Trotzdem  schreibt 
Kern  cri7^(i/f)ty,  was  aber  hier  nicht  in  den  sinn  passt  und 
weiter  unten  z.  29  richtig  thessalisch  ovyQa\fi[iv]  heisst.  Zweir 
fellos  hat  in  der  vorläge  yiNFPESIN  d.  i.  avygeaiv  gestanden, 
das  thessalische  wort  für  alq^aiv,  nQoaiqeaiv  (freundliche  ge- 
sinnung)  auf  inschriften  in  andern  mundarten,  wie  z.  b.  der 
arkadischen  o.  s.  285  z.  25.  Man  denke  an  ftq(>avYqi[_ai  an 
der  sinnverwandten  stelle  S6DI  361  Bis  [inaivBiad'cti]  ^lowa 
itta  TtQoai^Qdlai  %qlv  |[  lx«t .]  .  .  .  und  an  iq)avyq€v9'uv  der 
grossen  inschrift  von  Larisa  345  z.  41,  das  gleich  ifpaigovy" 
Tai  ist. 

Also  wird  man  auch  am  schluss  wohl  für  Kerns  ergänzung 
aifidTj  vielmehr  avy^i^  einzusetzen  haben. 

Königsberg  i.  Pr.  Mittelhufen.  W.  PreUwüz, 


292  Alf  Torp 


erste  person  im  Lykischen. 

Schon  Savelsberg  (II  61)  hat  hinter  ^i  ^mis,  akk  sing, 
und  plur.,  das  pron.  poss.  der  1.  person  Termutet.  Dass  diese 
Yermutung,  die  auch  Imbert  (Mem.  VIII  453)  billigt,  das  rich- 
tige trifft,  ist  sehr  wahrscheinlich.  Das  wort  findet  sich  T.  L. 
106  (Lim.).  Die  inschrift  fangt  so  an:  „In  diesem  grabe  ruht 
(oder  „soll  ruhen^')  Sbikaza,  mitglied  der  Mindi  des  Pdd§ni  (?)'S 
und  der  schluss  derselben  lautet: 

&urUa  :  seflnaha  :  epfUe  :  ladq  :  ^i  :  seüdeitnis  :  ^is  : 

86  melebi :  se  tideimi: 

„den  verbundenen  (?)  mitgliedern  (sei  das  hineinlegen  erlaubt?) 

nach  meiner  frau  und  meinen  kindem'S 

Dass  ladq  ^mi  und  tideimis  ^is  n\it  dem  sonstigen  ladq 
ehbi  und  tideimis  ehbis  parallel  gehen  muss,  liegt  auf  der  band. 
Wenn  also  ^ni  nicht  mit  ehbi  gleichbedeutend  ist,  was  wir  nicht 
annehmen  können,  so  bleibt  nichts  übrig  als  darin  das  posses* 
sivum  der  1.  person  zu  sehen.  Ein  derartiges  überspringen 
von  der  3.  zur  1.  person  ist  in  den  griechischen  inschriften 
Lykiens  etwas  ganz  gewöhnliches,  z.  b.  CIG  4216:  Safifiiag 
xaTeoxevaa€v  to  fiyrnaeiov  eavTfp  xai  \  ywaixi  avrov  ^v^aei 
Navijidog  nai  Tolig  tixvoig  \  ?/  tolg  h,  tovrotv  iaofxhoiq  ixyo' 

voig  fiov  xal  [yvvaixi]  rov  viov  fiov .     4228:  xorea- 

Tuvaoev  tovto  to  fiVfjfiBiov  'Enaya\9og  KqatiQov  ictvt^  xai 
ywaixi  xal  zixvoig  xai  \  zoig  i^  aitwp  rixpoig  y9Pfia(o)iiiipoig' 
firjdevl  I  de  i^iatu)    ivdtiipai  i)  d-eivai  elg  zovto   to  lAmqfAÜonf^ 

ixtdg  I  iav  furj  aitog  iyw  iTtitQiifjw •    4230:  fH  dum 

]  xav€axeva[a]€[y']  to  fjiv[r]]i[ieiov  eavrij  x[a]i  %oig 

—  —  xal fiov .     4232:  ^vq.  JSvig>a¥og  \  ^Eq^ 

fioXvxov  I  xareaxevaaev   xal  iftilygatpsv    fistä  \  to  irtag>^v$  \ 

i^i  «lg  ti/v  [o]oto&ijxriv .     4299:  to  fiv[fifiü]ov  wxtmt^ 

xevaaato  Evtvxo[g]  |  —  —  —  €a[v]T(^  xai  yvvaixi  [a]vt6[jS] 
EvnXoi[(je  x]ai  tixvoig  avtaiv  [x]ai  olg  av  \  [a]aig  äv  e/rivf^Ji- 
tp(o  u.  8.  w. 

Indem  ich  au  den  betreffenden  stellen  einen  solchen  Über- 
gang annahm,  habe  ich  in  den  verbalformen  auf  -^q  (-jfq) 
(prfinavaxq,  agq,  piyaxq,  axq)  ein  prät  1.  sing,  vermutet  (siehe 
meine  Lyk.  beitr.  U  9  ff.,  IV  2ä  Christiania  Videnskabsselskabs 


Die  erste  penon  im  Lykischen.  293 

Skrifter.  1898).  Diese  formen  sind  freilich  als  solche  noch 
nicht  festgestellt,  andererseits  ist  aber  auch  die  Unrichtigkeit 
dieser  annähme  nicht  erwiesen.  Vielleicht  kann  ich  im  folgen- 
den etwas  zur  stütze  derselben  beibringen. 

Ich  will  im  folgenden  den  nachweis  versuchen,  dass  auch 
in  einigen  anderen  inschriften  die  rede  von  der  dritten  in  die 
erste  person  übergeht.  Ist  das  richtig,  so  wird  unsere  kennt- 
niss  des  Lykischen  eine  erweiterung  erfahren.  Wir  werden 
dann  im  stände  sein  sowohl  das  pronomen  der  ersten  person 
wie  die  entsprechende  form  des  verbums  zu  belegen. 

Die  betreffenden  inschriften  sind  T.  L.  128  und  135  (beide 
aus  limyra). 

T.L.  128:  1.  [ejbette  :  [krustt$]h  :  aravaziya  :  meyad^  :  hrusUi : 

irtb^etneh  :  tideri  :  przzidi  :  ax<j^i :  eihehi  : 

2.  .  .ti üa  :  isbaai :  amusiyani  :  Uli  :  se 

[IJqda  :  Huve  :  hrppUadi  :  tike  :  meite  :  nalau  :iiQe\ 
ara  . . 
„Dies  Heroon(?)  des  Krttstti(?)  machte  Krustti,  Trbb^ni- 
mis  söhn "• 

ti  in  der  zweiten  zeile  ist  wahrscheinlich  das  relativum, 
vielleicht  ist  [aejti  zu  ergänzen.  Was  zwischen  ti  und  isbazi 
stand,  zu  erschliessen  ist  leider  unmöglich;  wahrscheinlich  ent- 
hielt die  lücke  eine  nähere  bestimmung  des  wertes  i$bazi  „grab- 
räum''.  Das  relative  ti  weist  auf  iä>azi:  „und  der  grabraum, 
welcher ".  tdi  bezieht  sich  auf  iabazi.  Das  wort  be- 
deutet entweder  „hier^^  oder,  wenn  Bugge  recht  darin  hat  te 
mit  iUe  gleichzustellen,  „drinnen''.  Mit  siyani  teli  vgl.  ehdi 
siy^ni,  siyani  teli  se  [l]qda  *)  wie  58 :  siyani  teli  se  lada  „ruht 
(oder  „soll  ruhen")  hier  (drinnen?)  und  die  frau'*.  Es  bleibt 
amu.  Was  bedeutet  dies  wort?  Es  ist  darin  entweder  eine 
an  das  Subjekt  des  verbs  siyani  gefugte  bestimmung,  oder  dieses 
Subjekt  selbst  zu  sehen.  Enthält  das  wort  eine  bestimmung, 
so  könnte  natürlich  an  verschiedenes  gedacht  werden,  z.  b. 
„allein",  „tot"  u.  s.  w.  Allein  atnu  wird  kaum  so  aufgefasst 
werden  können.  Das  verb  siyani  muss  ein  Subjekt  haben,  mit 
dem  das  folgende  „und  die  frau"  verbunden  wird.  Sonst  wird 
in  ähnlichen  Wendungen  entweder  der  name  des  graberbauers 


1)  So  liest  Ealinka,  evident  richtig.    loh  hatte  frQher  Mdda  ge- 
lesen (IT  99). 


2d4  Alf  Torp 

wiederholt,  z.  b,  T.  L.  101  mefUepitqti  zahqnuf  $e  ladq,  102 
m^  MepiUfti  irjixutrazi  se  ladu  ehbi,  90  [menjefitepiiqti  krixmmq 
sey  ^  liisqirahfi,  91  [mene  MepüqtiJ  xlppasi  se  ladu  ehbi,-  93 
[me]i  fiftepjiftqiji  upazi  se  ladu  ehbi,  57  mei  MepitqU  idq 
tnaxzzq.ee  ladq,  145  mei  fltfpitqti  hlq  se  lad[q]y  149  me  iye  ne 
hrppitqü  Hhe  iyamaraye  übe  ladi  ehbi,  —  oder  es  tritt  statt 
dessen  ein  demonstratives  pronomen  ein :  111  [sefUqpiJiq^i 
ebefine  ebei,  131  mene  fUepüqti  eb^n^  se  ladq  ehbi,  84  mete 
fUatqti  eb^n^  hqtq  se  ladqj  134  meiiTi^^)  tUepiU^i,  \\2  me  ne 
fUepitqti,  88  me  n«  atepüc^ii  Mipa  tezi  se  ladq  ehbi,  94  me  ne 
MepitqU  hrzzi  prfinavi  se  ladq  ehbi,  77  me  iye  ni  hrppitqht 
tike  mmq  ladq^  49  me  iye  nepe  mati  tike,  150  se  iye  ne 
hrppüqti  tike  kbi  hrpp  iye  mei  tqti.  Wenn,  wie  ich  annehme, 
die  lücke  zwischen  [sejti  und  . .  .  ila  eine  bestimmung  zu  id>azi 
enthielt,  kann  das  sabjekt  nicht  dort  gestanden  haben;  die 
lücke  kann  überhaupt  das  Subjekt  nicht  enthalten  haben;  denn 
dass  dieses  durch  isbazi  und  noch  ein  (auf  -ila  endigendes) 
wort  von  dem  dazu  gehörigen  amu  getrennt  sein  sollte,  ist  ohne 
beispiel  und  ganz  unwahrscheinlich.  Auch  wäre  . .  ti  vor  dem- 
selben ganz  unverständlich.  Es  findet  sich  also  zum  verbum 
siyani  kein  anderes  Subjekt;  folglich  muss  amu  selbst  dieses 
Subjekt  und  kann  keine  an  das  Subjekt  gefugte  bestimmung 
sein.  Das  stimmt  auch  genau  zu  58.  Wie  dort  in  dem  satze 
sbelimi  siyani  teli  se  lada  das  vor  siyani  stehende  sbelimi  und 
das  nacbgefügte  se  lada  „und  die  frau"  die  Subjekte  bilden,  so 
in  dem  satze  amu  siyani  teli  se  lada  das  vorgestellte  amu  und 
das  nachgestellte  se  lada.  Das  subjekt  amu  wäre  entweder  ein 
Substantiv  oder  ein  pronomen.  Ein  Substantiv  passt  aber  hier 
nicht;  ein  solches  müsste  wohl  einen  titel  angeben;  in  diesem 
falle  wäre  es  aber  natürlich  nach  dem  namen  krustti  angebracht 
und  könnte  nicht  diesen  namen  aufnehmen  oder  denselben  ver- 
treten, amu  müsste  also  jedenfalls  ein  pronomen  Sein.  Dass 
wir  nun  hier  ein  sonst  nicht  vorkommendes  demonstratives 
pronomen  vor  uns  haben  sollten,  dass  also  an  die  stelle  des 
gewöhnlichen  ebe  hier  ein  anderes,  amu,  getreten  sein  sollte, 
ist  sehr  unwahrscheinlich.  Dann  bleibt  aber  wohl  kaum  ein 
anderer  ausweg  übrig  als  in  amu  das  pronomen  der  1.  person 
zu  sehen.  Wir  gewännen  somit  ein  lykisches  amu  „ich".  Diese 
farm  liegt  nun  von  fmi  „mein^^  nicht  allzu  w^t  ab;  vielleicht 
steht  gar  amu  hier  für  *^mu,  so  wie  diese  Inschrift  auch  siyani 


Die  erste  persön  im  Lykischen.  295 

für  sijfi^i  hat.  Auch  die  verwandtsobaft  der  form  mit  griech. 
ifii  wäre  augenfällig.  Das  Lykische  hätte  also  bei  diesem  pro* 
nomen  den  stamm  der  casus  obL  auch  für  den  nominativ  an- 
gewendet, vgL  altir.  me  „ich^S 

Ich  glaube  gezeigt  zu  haben,  dass  die  annähme,  amu.her 
deute  nichts  viel  wahrscheinli(dikeit  besitzt,  dass  sogar  der 
ganze  Zusammenhang  in  dieser  inschrift  diese  bedeutung  beinahe 
fordert  Wenn  sich  aber  für  diese  annähme  nicht  Aoch  weitere 
stützen  finden  liessen,  wäre  sie  dennoch  nur  als  eine  ziemlich 
unsichere  zu  betrachten.  Solche  stützen  glaube  ich  aber  bei« 
bringen  zu  können. 

Neben,  der  vollen  form  amn  wäre  eine  kürzere  pro-  und 
enklitische  mu  wohl  denkbar.  Diese  form  finde  ich  Stele  Xanth. 
Nord.  z.  4:  mefifnje  mu  axagq.  o^xogq  i^^  ^^^'^  verbalform  von 
derselben  ait  wie  agn  T.  L.  149  (=:  ^Xf)»  uach  meiner  Ver- 
mutung 1.  pers.  prät  Vor.  dieser  1.  pers.  prät.  steht  also  mu 
„ich'<.    T.  L.  40  (Xanth.)  hat: 

mravaziiya :  ebe[%y] 

a :  me  prfinavaxq 
.  u  .  uhcAi  :  .  üi  :  ah 
qmadi  :  ariinadi 

Hier  ist  uhcAi  ein  wort  für  sich,  vgl.  43:  triyatrbbahi  : 
pflnufahi :  uhaki.  Zwischen  prfinavaxq,  nach  meiner  Vermutung 
1.  pers.  prät.  („ich  baute*^),  und  ühahi  steht  -u,  ebenfalls  ein 
wort  für  sich  (in  der  kleinen  lücke  zwischen  u  und  uhahi  hat 
wohl  kein  buchstabe,  sondern  die  interpunktiön  (:)  gestanden). 
Nach  dem  obigen  mu  axßgq  wird  wohl  die  ergänzung  [m]u 
sehr  nahe  liegen.  Auch  T.  L.  149  (Rhod.)  z.  13  eb^  me  piyaxq 
m  ....  I  mupfhme  mi^te  (Beitr.  II  13)  wäre  demnach  wohl 
piyaxq  m[u  .  . .]  zu  ergänzen. 

Eine  weitere  stütze  meiner  annähme  finde  ich  in  unserer 
inschrift  selbt  Die  inschrift  endigt  so:  tiuve  hrppüadi  :  tike  : 
meüe  nalau  tike  ara  . .  Hier  bildet  tiuve  hrppüadi  tike  den 
Vordersatz,  der  nachsatz  fängt  mit  meite  an.  Der  Vordersatz 
bedeutet  etwa:  „wer  {ti)  etwa  (uve,  Beitr.  III  29)  jemanden 
{tike)  hinzulegt"  (hrppitadf).  Nach  sonstiger  analogie  mfisste 
der  nachsatz  bestimmungen  darüber  enthalten,  wie  der  hinzu^ 
legende  zu  bestrafen  sei.  Dass  dies  hier  nicht  der  fall  ist, 
zeigt  das  hier  auch  im  nachsatz  auftretende  iite;  daa  sich  in 


996  Alf  Torp 

keinem  anderen  naohsatz  findet  und  unmöglich  mit  irgend  einem 
strafansatze  zusammenzubringen  ist 

Dieser  naohsatz  ist  also  nicht  nach  dem  gewöhnlichen 
muster  gebildet.  £inen  Strafansatz  enthält  er  nicht,  auch  keine 
yerwünschung;  denn  das  letzte  wort  des  satzes  ara . .  yerbietet 
diese  annähme,  ara . .  ist,  wie  die  insohrift  135  zeigt ,  in 
ara[pqj  zu  ergänzen,  das  gewiss  von  aravMJya  nicht  wesent- 
lich verschieden  ist.  Diese  inschriften  haben  vieles  gemein. 
Beide  sind  von  einem  söhne  Trbb§nimis  gesetzt,  beide  haben 
ticUri  =  tideimi,  in  beiden  ist  das  grab  arcMfaziya  genannt, 
für  aravaziya  haben  beide  weiter  unten  araeq.  araftq]  zeigt, 
dass  in  dem  satze  tneite  u.  s.  w.  etwas  gesagt  wird ,  das  sich 
auf  das  betreffende  grab  bezieht;  also  ist  auch  eine  Verwün- 
schung ausgeschlossen.  Das  verbum  des  satzes  muss  nalau  sein. 
Wenn  dies  eine  form  der  3.  pers.  sein  sollte,  dann  könnte  diese 
nur  der  imperativ  sein.  Die  3.  imper.  endigt  aber  nicht  auf 
-1«^  sondern  auf  -tu  oder  -du  (mit  der  einzigen  ausnähme  esu 
Iotcii,  das  auf  irgend  eine  weise  aus  *0S^  entstanden  sein  muss). 
Auch  müsste,  wenn  nalau  imperativ  wäre,  der  satz  einen  verbot 
enthalten;  denn  in  diesem  falle  wäre  ja  tike  jemand'  als  das 
Subjekt  zu  nehmen;  beim  imperativ  wird  aber  immer  die  nega- 
tion  ftty  nicht  ne  oder  na  gebraucht  Ist  nalau  somit  kein 
imper.  3.  pers.,  so  ist  das  darin  steckende  yerb  nicht  alahati, 
was  übrigens  auch  formell  kaum  möglich  wäre.  Wenn  nalau 
somit  keine  form  der  3.  pers.  sein  kann,  so  kann  es  nichts 
anderes  sein  als  die  1.  pers.  präs.  Ich  teile  in  na  lau  ab  und 
sehe  in  lau  die  der  3.  präs.  lati  entsprechende  1.  pers.  Für 
dieses  verbum  habe  ich  früher  (Beitr.  I  32,  III  12  tt.)  die  be- 
deutung  „will**  angenommen.  Jetzt  möchte  ich  Bugge  bei- 
stimmen, welcher  es  mit  „admittif  übersetzt  na  ist  aus  ne 
durch  assimilation  an  das  folgende  lau  entstanden,  vgl.  sa  ladt 
T.  L.  27  B.  se  ladt.  Der  nachsatz  wäre  also  etwa:  „so  lasse 
ich  niemanden  zu  ins  grab".  Freilich  schliesst  sich  dieser 
nachsatz  sehr  schlecht  an  den  Vordersatz  an.  Eine  Verbindung 
wie  diese:  „wer  etwa  jemanden  hinzulegt,  so  lasse  ich  nie- 
manden zu  ins  grab*S  ist  zwar  eine  grobe  anakoluthie  zu 
nennen,  aber  dass  sie  eine  ganz  unmögliche  oder  undenkbare 
sei,  lässt  sich  keineswegs  behaupten.  Einerseits  scheint  es 
kaum  möglich  unsere  stelle   anders  aufzufassen,  andererseits 


Die  erste  person  im  Lykischen.  297 

wird,  wie  ich  glaube,  die  richtigkeit  meiner  erklärung  auch 
durch  T.  L.  135  gestützt 

Diese  inschrift  wird  von  Kaiinka  folgendermaassen  trans- 
scribiert: 

1.  aß.fin.J  a[rau>]az[ijä  m]e  [prjiinawfatjg ,  [ujwata 

trbbSntmeh  tideri  seb&a  ehet&me[h] 

2.  t[iderij  . . .  e. .  .ihe  ,  . .  mi  me  ije  ,  .a.  [rju  iice  arawä 

se  ne  teseti  tubeUi  trmmi[li] 

3.  s  . , , .  fr  , , .  i , ,  J  fnifit . .  a 

Mit  der  durch  diese  transscription  angedeuteten  au£EMSung 
bin  ich  in  vielen  punkten  nicht  einverstanden.  Zuerst  scheint 
es  unmöglich  —  u  tike  aravq  von  —  u  fike  arafvqj  in  der 
eben  behandelten  so  eng  verwandten  inschrift  T.  L.  128  zu 
trennen.  Das  thut  aber  offenbar  Kaiinka,  indem  er  128  das  u 
als  falsch  auffasst;  er  giebt  nämlich  die  stelle  so  wieder:  mei 
U  naflja  (u)  tike  afrja  . .  Wenn  aber  beide  inschriften  das- 
selbe 'U  tike  aravq  haben,  dann  ist  es  doch  wahrscheinlich, 
dass  auch  das  dem  -u  unmittelbar  voraufgehende  in  den  beiden 
inschriften  dasselbe  ist  Vor  dem  -f«  scheint  T.  L.  135  ein  a 
möglich,  vor  diesem  fehlt  ein  buchstabe,  der  {  gewesen  sein 
könnte,  vor  diesem  fehlenden  buchstaben  steht  a,  also:  afljqu. 
Vor  diesem  wäre  also  ein  n  erforderlich;  der,  wie  es  scheint, 
sehr  undeutliche  rest  des  buchstaben  deutet  zwar  nicht  auf  n, 
aber  der  buchstabe  muss  doch  ein  n,  wenn  auch  ein  miss- 
ratenes  gewesen  sein.  Das  dem  vermuteten  fnjafljqu  un- 
mittelbar voraufgehende  war  meines  erachtens  nicht  ye  sondern 
ae;  wenn  zwischen  se  und  [n]a[l]qu  ein  buchstabe  gestanden 
hat,  kann  dieser  i  gewesen  sein:  sei.  Zu  meise  vgl.  29  z.  6, 
wo  zwar  Kaiinka  auch  tneiye  liest,  wo  aber  das  9,  jedenfalls  in 
der  gegebenen  kopie,  ganz  deutlich  ist. 

Auch  den  anfang  der  inschrift  hat  meines  erachtens  Ka- 
iinka falsch  aufgefasst  Er  nimmt  an,  dass  zwei  personen  das- 
selbe grab  gebaut  hätten,  -uvata  Trbb^nimis  söhn  und  Eb§la 
Ehet§mis  sehn.  Das  ist  aber  nicht  wahrscheinlich.  Sonst 
finden  wir  kein  beispiel  dafür,  dass  verschiedene  personen  ein 
gemeinsames  grab  gebaut  haben,  wenn  diese  personen  nicht 
mann  und  frau  (wofür  viele  beispiele),  oder  vater  und  söhn 
sind  wie  6:  eft^n^  Maiq  mene  pr^navqf^  pulentfda  muUiyeeeh 
se  dapara  pulenydah  —  — .  hrppi  lada  epttehi  se  tideime 
„diese  grabkammer  bauten  Pulenida  Mulliyesis   söhn  und   Da- 

Baitiif»  s.  kvnid«  d.  indg.  ■ynehtn.    XXVI.  20 


298  Alf  Torp 

para  Pulenidas  söhn  fiir  ihre  firauen  und  kinder*'.  T.  L.  48 
(Xanth.)  und  78  (Tyssa),  wo  mehrere  personen  als  Subjekte 
auftreten,  ist  nicht  vom  errichten  sondern  vom  sichaneignen 
des  grabes  die  rede  (siehe  darüber  Beitr.  IV  10  ff.).  Auch  die 
namen  wären  auffällig.  Da  kein  lykisohes  wort  mit  b  anfangt, 
ist  nicht  se  b^la  abzuteilen,  seb^  wäre  jedenfalls,  wie  auch 
Ealinka  meint,  in  s'eb^la  zu  zerlegen;  hier  würden  wir  jedoch 
se  oder  sey  eb^  erwarten;  denn  das  e  in  se  wird  sonst  nicht 
vor  namen  elidiert.  Ein  name,  der  mit  Ae  „dieser'*  anfangt, 
ist  auch  wenig  glaublich.  Ich  glaube  also  nicht  daran,  dass 
z.  1  zwei  personen  genannt  seien,  welche  ein  gemeinsames  grab 
erbaut  hätten.  Dann  hat  natürlich  z.  2  nicht  mit  tpderi]  an- 
gefangen. In  dieser  zeile  könnte  k  .  .ihe  den  gedanken  auf  lAi 
,ein  fremder*  hinführen;  es  könnte  hier  yielleioht  ein  verbot 
gegen  das  beisetzen  eines  fremden  ausgedrückt  sein.  Das  geht 
aber  nicht:  weder  Jdn  noch  kbiyehi  lassen  sich  aus  dem 
k..ihe  herausbringen.  Dagegen  ist  wohl  die  richtigkeit  folgen- 
der ergänzungen  schwerlich  anfechtbar.  Die  buchstabenfolge 
t ,..%,,  k..ihe ..  .tn^^)  deckt  sich,  wenn  wir  von  dem  ersten 
Worte  absehen,  völlig  mit  derjenigen  in  T.  L.  59  z.  2 — 3: 
[meiyjadi  :  tike  :  tihe  \  zumm[^].  Also  ist,  wenn  auch  in  135 
der  rest  des  buchstaben,  der  vor  dem  ersten  i  stand,  eher  auf 
r  als  auf  d  hinweist,  doch  so  zu  ergänzen:  t .  [aJ4i[tiJk[et]ihe 
[zurnjtn^  Das  erste  wort  ist  dann  wohl  t[ij  „welcher'S  In 
diesem  falle  ist  [tijke  wohl  nicht  das  Subjekt,  sondern  ist  mit 
[zurnjm^  zu  verbinden:  „irgend  welchen  schaden"  (Beitr.  I  24). 
Das  nach  [zumjm^  stehende  mei  gehört  diesem  satze  an,  vgl. 
adi  mey-q  tike  x^tikf  tisfike  T.  L.  89  und  90,  wo  die  Wortstellung 
eine  andere  ist;  dieser  satz  ist  nämlich  ein  bedingender  (vgl. 
Pedersen  KZ.  37  205);  an  unserer  stelle  liegt  ein  relativer 
vor.  Denselben  platz  wie  hier  hat  mei  in  dem  relativen  satz 
T.  L.  80:  tiyenede  x^^^ti  tike  mei. 

Also  t[i  ajdi  [tijkfe  tjihe  [zum]m^  mei  „wer  iigend  wel- 
chen schaden  an  irgend  welchen  (toten)  hier  thut".  Über  tihe 
siehe  Beitr.  III  26.  Der  folgende  satz  se  [n]a[l]q,u  tike  aravq 
„und  ich  lasse  niemanden  zu  ins  grab'S  kann  natürlich  nicht 

1)  Wie  z.  1  zeigt,  können  zwischen  t  nnd  «  höchstens  S,  nicht  4, 
zwischen  t  und  k  nur  2,  zwischen  k  und  ihe  nur  2,  zwischen  «  und  m  8 
buchstaben  gestanden  haben. 


Die  erste  person  im  Lykischen.  299 

mit  dem  vorhergehenden  yerbunden  sein.  Wo  ist  also  der 
demonstrative  satz?  Dieser  kann  nnr  in  den  worten  seb^la 
eke^me  gesucht  werden.  Hier  muss  ich  vorläulBg  seb^  auf- 
geben; dass  das  wort  mit  ehe  „dieser^*  zusammenhängt,  ist 
offenbar;  was  ist  aber  -la?  Das  hat  kaum  etwas  mit  laH  zu 
thun.  Eher  ist  an  Zusammenhang  mit  ebeli  zu  denken.  Das 
eigentlich  bedeutungsvolle  wort  ist  aber  meines  eraohtens  e^- 
t^me.  Ich  halte  dies  wort  für  im  wesentlichen  identisch  mit 
hM^i  „schuldig"  (T.  L.  65,  91,  149).  Das  verhältniss  zwischen 
ehd^e  und  htt^mi  ist  wohl  so  aufzufassen,  dass  in  hU^mi  die 
beiden  ersten  vokale  —  wohl  wegen  endebetonung  des  wertes 
—  unterdrückt  sind.  Ich  halte  htt^mi  für  ein  aus  e&e^e  durch 
ein  suf&x  i  abgeleitetes  wort,  diei^me  zeigt  eine  nicht  geringe 
ähnlichkoit  mit  ahata,  ahatahi,  eheiehi  (siehe  Beitr.  IV  26  f.). 
Vielleicht  war  die  eigentliche  bedeutung  des  wertes  „dem  oAa- 
tahi  verfallen,  dem  a.  gegenüber  schuldig*^  eb^,  das  ich,  wie 
gesagt,  der  form  nach  nicht  zu  deuten  vermag,  bezeichnet  viel- 
leicht diejenigen,  denen  gegenüber  der  frevelnde  ehet^me  ist, 
etwa  „den  hiesigen^S  vgl.  149:  hU^mi  qnabah^  „schuldig  den 
Rhodiopoliten  (?)*'  (Beitr.  114).  Dass  e&^a  ehet^me  der  demon- 
strative satz,  und  dass  ehei^me  =  fui^i  ist,  mag  auch  darin 
eine  stütze  finden,  dass  in  der  inschrift  T.  L.  91  auf  einen 
mit  dem  relativen  satze  135  fast  gleichlautenden  Vordersatz: 
adi  iike  Hhe  zufmjmq,  ein  nachsatz  folgt,  der  hU^i  enthält: 
meveiff  e9u  hU^i. 

Ich  übersetze  also  die  inschrift  T.  L.  135  so:  „dieses  He- 
roen (?)  baute  .uvata  Trbbgnimis  söhn;  und  den  hiesigen  (?)  (ist) 
schuldig  (derjenige),  welcher  irgend  welchen  schaden  an  irgend 
welchen  (der  toten)  verübt;  und  ich  lasse  niemanden  zu  ins 
grab;  und  er  (näml.  der  trotzdem  jemand  begrabende)  soll 
zahlen,  was  die  lykische  Satzung  (s.  beitr.  IV  10)  ist ". 

In  der  inschrift  T.  L.  128  haben  wir  also  in  dem  einen 
satze  das  pron.  amu,  in  dem  anderen  die  verbalform  (na)lau 
gefunden.  Es  ist  nicht  möglich  lau  für  eine  form  der  3.  pers. 
zu  halten;  sie  muss  also  die  der  1.  pers.  sein.  Dann  erhebt 
sich  aber  die  Vermutung  beinahe  zur  gewissheit,  dass  amuj  für 
welches  die  Verbindung,  in  der  das  wort  steht,  auf  die  bedeu- 
tung „ich"  hinweist^  aoeh  wirklich  diese  bedeutung  hat.  amu 
und  lau  stützen  sich  gegenseitig. 

Ist  aber  lau  wirklich  die  form  der  1.  pers.  präs.,   so  ist 


300  Alf  Torp     Die  erste  person  im  Lykischen. 

hierin  für  den  indogermanischen  Charakter  des  Lykischen  ein 
weiteres  zeugniss  gewonnen.  Denn  eine  präsensflexion :  1.  pers. 
sing,  lau  (aus  *laö)i  3.  sing,  laii,  3.  plur.  *l(fti,  3.  sing,  imper. 
^latu,  infin.  *lqne  müsste  doch  wohl  als  indogermanisch  ange- 
sprochen werden  können. 

siy^i  zeigt  keine  personalflexion :  es  heisst  amu  aiyani  wie 
d^ditni  siy^ni.  Das  deutet  natürlich  darauf,  dass  siy^i  kein 
verb.  finit.  ist.  Wir  müssen  in  siy^ni  entweder  einen  infinitiv 
(in  einem  anderen  kasus  als  die  inf.  auf  -ne,  -na?),  etwa:  „(ist) 
zu  ruhen'S  oder  ein  particip  sehen. 

Christiania,  juni  1901.  Alf  Torp. 


Die  lateinischen  perfecta  rettoli  reppulT. 

Die  von  Gorssen  herrührende  erklärung  der  lateinischen 
perfektformen  repperi  retttdi  u.  s.  w.  aus  *rip(e)perl  rit(e)tuli, 
welche  meines  wissens  die  allseitige  anerkennuug  der  gramma- 
tiker  und  Sprachforscher  gefunden  hat,  ist  von  Ciardi-Dupre 
bd.  26,  211  ^  dieser  Zeitschrift  bestritten  worden,  indem  er  sich 
folgendermassen  äussert  „Dieser  ansieht  kann  ich  nicht  bei- 
stimmen, in  rücksicht  auf  protull  (warum  nicht  ^proUull  aus 
*prO'1[e]jtultT)  proptdl  (warum  nicht  *proppulif)  u.  dgl.  Viel- 
mehr sind  formen  wie  rettuli  reppuli  u.  dgl.  durch  haplologie 
aus  *reppq>uli  *rettetult  zu  erklären.  Der  doppelte  konsonant 
ist  durch  assimilation  des  auslautenden  d  der  präposition  {red- 
in  redamhulo .  .  .  .)  an  den  anlautenden  kon8onant[en]  des  yer- 
bums  entstandenes  Wenn  nun  auch  die  möglichkeit  der  ent- 
stehung  unserer  formen  auf  dem  angedeuteten  wege  durch 
haplologie  oder  silbenschichtung  gewiss  nicht  geläugnet  werden 
soll,  ist  andererseits  die  frage  nicht  zu  umgehen,  ob  wir  zur 
ansetzung  der  grundformen  *red'tetuli  *red'peptdi  überhaupt 
berechtigt  sind.  Und  diese  frage,  glaube  ich,  muss  in  vernei- 
nendem sinne  beantwortet  werden.  £ine  durchmusterung  der 
zahlreichen  komposita  mit  red-  und  re-  zeigt  uns  die  Verwen- 
dung der  ersteren  form,  abgesehen  von  den  Zusammensetzungen 
mit  vokalisch  anlautendem  grundworte  ^),  wie  redambulö  redeö 

1)  Natürlich  brauchen  wir  hier  Bpätlateinische  bildungen,  wie  r$a'' 
dunätiöf  reaedificoy  rsea^inänio  u.  a.  nicht  zu  berücksichtigen. 


F.  Stolz  301 

u  B.  w.,  mit  zweifelloser  Sicherheit  und  ohne  irgendwelches 
schwanken  nur  in  den  formen  des  Zeitwortes  reddö  reddere, 
die  in  red^dö  red-^ere  zu  zerlegen  sind,  femer  beispielsweise 
red'dimua  red-^itia  (aus  ^red-damus  ^red-datia)^  eine  ansieht, 
die  mir  gegenüber  einer  anderen  noch  in  meiner  laut-  und 
formenlehre  ^161  hervorgehobenen  möglichkeit  insbesondere 
wegen  des  altlateinischen  futurums  reddibö  aus  ^red-dabö  (die 
belege  bei  Wagener -Neue  III  ^  329  f.,  vgl.  auch  Brugmann 
Grundriss  II  906)  den  vorzug  zu  verdienen  scheint  Neben 
dem  eben  erwähnten  rtddö  sind  nur  noch  formen  von  redücö 
wiederholt  handschriftlich  mit  -dd'  bezeugt,  z.  b.  redducere 
reddue  und  andere  von  Wagener-Neue  11  ^  923  f.  aufgeführte. 
Dass  auch  die  alte  grammatik,  abgesehen  von  den  perfekt- 
formen, die  den  ausgangspunkt  dieser  auseinandersetzung  bilden, 
nur  in  compositis  mit  re-,  deren  grundwort  mit  d-  anlautete, 
die  gemination  des  anlautenden  konsonanten  kannte,  ersieht 
man  aus  der  von  Wagener-Neue  a.  a.  o.  angeführten  stelle  des 
grammatikers  Longus,  der  die  Schreibung  redducere  als  falsch 
erklärt.  Die  wemgen  sonstigen  belege,  darunter  insbesondere 
die  Schreibung  rdligiö  (Kühner  Lat.  gramm.  I  629)  sind  alle 
mehr  oder  weniger  zweifelhaft  und  können  daher  nicht  ins 
gewicht  fallen.  Wäre  aber  wirklich  red-  auch  in  der  Zusammen- 
setzung mit  konsonantisch  anlautenden  Wörtern  durchaus  ver- 
wendet worden,  so  hätte  sich  das  auslautende  d  von  red-  jeden- 
ÜEtlls  folgenden  anlautenden  bcfglpst  assimilieren  müssen, 
und  man  müsste  daher  (gewiss  nicht  ungewöhnlicher  als  afferö 
differö  effero)  erwarten,  formen  anzutreffen  wie  ^rebbellis  *rec- 
einö  ^refferö  *r egger ö  ^rellegö  *repparö  *  reeseer  ö  *retterö. 
Aber  von  solchen  Schreibungen  weiss  unsere  Überlieferung  nichts. 
Immerhin  liesse  sich  vielleicht  hiefür  folgende  erklärung  ver- 
suchen. Die  durch  assiroilation  entstandene  doppelkonsonanz 
bat  sich  nur  unter  dem  schütze  des  hochtons  gehalten  {riddö 
riddinus  ridducem  Plaut.  Gapt.  623  nach  einer  konjektur 
Schneiders),  während  sie  bei  vorrückung  des  tones  zur  ein- 
fachen erleichtert  wurde,  daher  redücö  u.  s.  w.  ^).  Diesem 
erklärungsversuch  könnte  zu  willkommener  stütze  dienen  das 
eben  erwähnte  Verhältnis  von  rediicö  zu  riddö  und  die  that- 

1)  Vgl.  bist,  gramm.  1,  225  und  laut-  und  formenlehre  '  55.    £in 
neuer  beleg  ist  Macäius  zu  maccw  (Otto  Neae  jahrb,,  suppl.  24,  802), 


302  F.  Stolz 

Sache,  dass  weitaus  die  grössere  mebrzahl  der  Zusammen- 
setzungen mit  re-  der  oben  angefahrten  bedingang  entsprechend 
nach  dem  dreisilbengesetz  den  hochton  auf  der  dem  r«-  folgen- 
den silbe  tragt.  Sodann  mässten  nach  diesen,  wie  gesagt,  weit 
zahlreicheren  fällen  mit  der  durch  die  yerschiebung  des  hoch- 
tones  bedingten  und  gerechtfertigten  einfachen  konsonanz  auch 
sämmtliche  übrige  umgestaltet  worden  sein.  Gegen  den  eben 
vorgeschlagenen  erklärungsversuch  lässt  sich  aber  gewiss  mit 
fug  und  recht  einwenden,  dass  dann  doch  auch  bei  Zusammen- 
setzungen mit  anderen  präpositionen,  die  genau  denselben  Sach- 
verhalt aufweisen,  auch  dieselbe  erscheinung  der  erleichterung 
einer  doppelkonsonanz  sich  finden  müsste,  also  z.  b.  *aHngö 
*  eamütö  fär  aUingö  eammütö.  Da  dies  nicht  der  fall  ist,  scheint 
es  mir  auch  geboten,  von  dem  oben  mitgetheilten  erklärungs- 
versuch  Umgang  zu  nehmen  und  bei  der  alten  anschauung  zu 
verbleiben,  dass  in  unseren  Zusammensetzungen  die  form  re-, 
nicht  red-  vorliege.  Freilich  vermag  ich  nicht  zu  sagen,  warum 
gerade  nur  reddö  von  konsonantisch  anlautenden  Wörtern  der 
form  red-,  wenn  ich  bildlicher  weise  so  sagen  darf,  den  Vorzug 
gegeben  hat,  aber  lieber  will  ich  diese  Singularität  in  kauf 
nehmen,  ohne  sie  erklären  zu  können,  als  die  unbegründete 
annähme  machen,  es  sei  auch  in  allen  übrigen  fällen  vor  kon- 
sonantischem anlaut  des  grundwortes  die  präfixform  red-  ver- 
wendet worden.  Und  wir  haben  ja  dasselbe  re-  in  re^rö  und 
*ree(h,  das  bekanntlich  in  reciprocus  vorliegt^),  sowie  in  den 
umbrischen  formen  revestu  restatu  restef  resU.  Sind  die 
eben  vorgebrachten  ausfährungen  richtig,  dann  ist  aber  auch 
sicher  den  von  Giardi*Dupr6  angesetzten  grundformen  *r#d- 
tetull  ^red^epuli  der  grund  entzogen,  und  nur  ^re4etuli  *re- 
peptdf  sind  berechtigt.  Natürlich  können  die  formen  rettult 
repperf  daraus  nur  durch  den  Schwund  des  vokals  der  redup* 
likationssilbe  entstanden  sein,  den  ja  auch  Giardi-Dupr6  in  dritt- 
letzter silbe  nach  tonlosen  verschlusslauten  zuzugeben  nicht  ab- 
geneigt zu  sein   scheint*),    und   die  alte  Gorssensche  ansieht 

1)  Corssen  Krit.  naohtr.  186  f.  und  Bragmann  Rhein,  mus.  43,  402  f. 
Vgl.  auch  hist.  gramm.  1,  429  und  Lindsay  Lat.  Langu.  591. 

2}  Vgl.  das  8.211  formulirte  „gesetz'*:  „Nach  tonloser  labialis  (oder 
naoh  tonlosem  versohlnsslaute  im  allgemeinen?)  tritt  die  synkope  in  dritt- 
letzter silbe  ein**.  Dazu  dürfte  die  fussnote  4)  gehören,  für  die  im  texte 
keine  sah!  ausgesetzt  ist. 


Die  lateinischen  perfekte  rettnlil  reppull.  303 

bleibt  somit  aufrecht  Die  richtigkeit  dieser  ansieht  wird  aber 
auch  noch  dadurch  bestätigt,  dass  neben  den  regelmässigen 
Schreibweisen  recidere,  repertre  sich  auch  reccidere  reppmrlre 
finden.  Sie  stammen  natürlich  aus  dem  perfectum,  wo  die 
doppelkonsonanz  -cc-  -pp-  auf  lautgesetzlichem  wege  zustande 
gekommen  war.  Und  es  ist  also  natürlich  nicht  ein  spiel  des 
Zufalls,  dass  gerade  nur  von  diesen  zwei  verben  ^)  sich  neben- 
formen  mit  doppelkonsonanz  finden,  nicht  aber  von  einem  an- 
deren. Damit  scheint  auch  von  dieser  seite  durchaus  glaub- 
haft, dass  wir  in  re-cidö  re-periö  das  ursprüngliche  zu  sehen 
haben,  wie  in  re-cinö  re-citö  re-coquö  re-parö  re-pedö  re-petö 
re-ptOö  u.  s.  w. 

Nachdem  durch  die  vorstehenden  ausführungen  den  von 
CSiardi-Dupr6  aufgestellten  grundformen  thatsächlich  der  boden 
entzogen  ist,  müssen  wir  auch  noch  des  einwurfs  gedenken, 
warum  nicht  auch  *proUulJ  *proppuli  gebildet  worden  seien. 
Diese  beiden  formen  sind  theoretisch  natürlich  gerade  so 
berechtigt,  wie  reittdi  reppuU;  wenn  sie  nicht  überliefert  sind, 
so  wird  der  grund  wol  darin  liegen,  dass  o  von  pro-  in  diesen 
formen  lang  war.  -Hinter  dem  langen  vokal  von  pröttUf  pro- 
pult  ^  war  doppelkonsonanz  vollständig  überflüssig,  da  die  silbe 
ja  als  solche  lang  war,  und  brauchte  daher  auch  in  der  schrift 
nicht  ausgedrückt  zu  werden.  Man  darf  damit  wol  auch  den 
bekannten  fall  vergleichen,  dass  nach  langen  vokalen  und  diph- 
thongen  die  doppelkonsonanz  -ss-  vereinfacht  worden  ist, 
worüber  es  genügt  auf  bist,  gramm.  1,  311,  laut-  und  formen- 
lehre  >  77  f.,  Lindsay  Lat.  langu.  110  ff.  zu  verweisen. 

1)  Daas  nicht  auch  ^reppettö,  *r§Uundö  nach  rßpjmk  r^Uudi  ge- 
sprochen und  geschrieben  wurde,  wird  kaum  mehr  als  zufall  sein.  Oder 
sollte  der  umstand,  dass  wir  es  in  diesen  beiden  fallen  mit  einer  schweren 
mittelsilbe  zu  thun  haben,  der  einführung  der  doppelkonsonanz  hinder- 
lich gewesen  sein? 

2)  Wenn  auch  bei  Lucretius  4,  194  (193  Bemays)  und  6,  1027 
(1025  Bemays)  in  dem  versschluss  'provehat  aique  propellat'  pr^fOUäi 
gemessen  ist,  so  wird  dadurch  doch  nicht  die  richtigkeit  der  im  texte 
gemachten  ansätse  pr9tuk  und  pröpuU  irgendwie  in  sweifel  gesogen. 

[Anders  über  ret^dö  usw.  Osthoff  Parerga  42  f.,  der  aber  reppuU 
reUuU  gar  nicht  erwähnt.    C.-n.] 

Innsbruck.  F.  Stolz, 


304     A.  Zimmermann    Die  etymologie  von  vis  (za  volo). 


Die  etymologie  von  tAs  (sn  volo). 

Die  älteste  form  haben  wir  in  dem  vais  der  Duenos- 
inscbrift;  denn  sowohl  Thnrneysen  K.Z.  XV  h.  2  s.  204  wie 
L.  V.  Schroeder  Jahreshefte  des  östr.  arch.  inst,  ni  1  über- 
setzen da  vais  mit  ^^dn  willst*'.  Stolz  H.  gr.  I  p.  142  erklärt 
dem  entsprechend  veis  —  cf.  Plaut.  Pseud.  47  —  bezw.  vis  als 
die  in  tonlosigkeit  entstandene  form  z.  b.  in  formen  wie  si  vu, 
qui  vis.  Da  vois  dem  nach  der  analogie  von  fers  geforderten 
vols  ziemlich  nahe  kommt,  so  handelt  es  sich  för  uns  nur 
darum,  den  Übergang  you  /  zu  t  fürs  Italische  bezw.  Lateini- 
sche auch  sonst  nachzuweisen.  Nun  habe  ich  diesen  wandel 
von  l  zu  f  nachgewiesen  im  Rh.  m.  55  p.  486  f.  und  56  p.  320. 
Dabei  fiel  freilich  die  hauptmasse  der  beispiele  auf  die  Verbin- 
dung „konsonant  +  1  +  vokaP'  z.  b.  Ciassicius  CLL.  III  9809 
neben  Ck^ssicius  CLL.  14851 ;  aber  auch  die  Verbindung  „vokal 
-f  ^  -f  konsonant'^  ist  hiefur  nicht  ohne  beispiele.  Schon 
von  Planta  II  p.  556  n.  296  giebt  umbr.  Voisiener  mit  lai 
Votsieni  und  umbr.  Vois.  mit  lat.  Volsii  wieder.  Es  braucht 
dieser  Übergang  nicht  auf  etruskischem  einfluss  zu  beruhen ;  denn 
neben  einem  Glusiner  Ä.  Voesius  CLL.  XI  2.505  finden  wir  einen 
Praenestiner  Cn.  Voesius  CIL.  XIV^  3014  und  in  Umbrien  gab  es 
nach  Conway  The  Italic  Dialects  ind.  in  s.  v.  eine  g.  Voesi- 
dena.  Im  CLL.  XV  3162,  also  auf  einer  römischen  inschrift, 
begegnen  wir  dem  namen  Saisa,  während  bei  Bücheier  carm. 
epigr.  n.  318  die  entsprechung  Salsa  sich  findet.  Ja  selbst  für 
Numidien  lässt  sich  dieser  Übergang  belegen;  denn  CLL. 
VUI  1249  steht  BalsiUec  Imüconis  f.,  aber  YHI  5057  Numida 
Baisälecis  f.  Diesen  beispielen  des  Übergangs  von  2  zu  t  in  der 
Verbindung  „vokal  -^  l  +  s"  schliesst  sich  passend  vols  vois 
an.  Dem  einwand,  warum  denn  nicht  auch  voU  und  voUis  zu 
voit  und  voitis  geworden  ist,  begegne  ich  damit,  dass  mir  noch 
kein  fall  des  Übergangs  von  /  zu  i  vor  t  aufgestossen  ist,  wäh- 
rend ich  abgesehen  von  obigen  beispielen  von  l  vor  s  noch 
hier  erwähnen  kann  soivit  für  sdvü  Eph.  Ep.  VIII  3  p.  588, 
duic  für  dtdc(i)  CLL.  VI  21435,  Eipinicus  CLL.  XU  5695(6) 
für  'ElfciviTiogy  Paipennius  CLL.  VIII  9218  neben  Palpenia 
CLL.  Vffl  16514. 

Breslau,  A,  Zimmermann. 


W.  Prellwitz    Etymologisclie  forachungen  305 


Etymologische  forschimgeii. 

I.    Gr.  fidatig,  fidati^j  naa&Xti.j  lit.  mästigHi, 

möstagüti. 

0.  XXIV  y  106  habe  ich  auf  die  Übereinstimmung  von 
fiaOTiyow  und  lit.  mästisgüt  aufmerksam  gemacht,  ohne  die 
etymologie  aufzuklären.  Seitdem  habe  ich  bei  Heydekrug  selbst 
kq  määagüji?  „was  fuchtelst  du  (mit  der  peitsche)  unnütz 
herum?''  gehört  und  glaube  auch  den  inneren  Zusammenhang 
dieser  auffallenden  ähnlichkeit  aufdecken  zu  können. 

Maatiyow  (Herod.,  att.)  ist  wie  der  homerische  aorist 
fidövt^etf  von  fidatiSt  fidatlyog  „  geissei  ^'  abgeleitet.  Neben 
diesem  den  concreten  gegenständ  bezeichnenden  wort>)  findet 
sich  in  mehr  abstracter  bedeutung  bei  Homer  fidarig  und  hie- 
Yon  kommt  das  verb  fiaoriwy  das  medial  IL  XX,  171  vom 
löwen  gebraucht  wird:  ovifß  de  ftlevgdg  te  tuxI  Xaxia  dfigxyFiQ- 
(o&ey  fiaarlerai.  Mdarig  ist  also  eigentlich  nomen  actionis  auf 
"Tig  Yon  yfiaa^  der  wir  als  bedeutung  „mit  der  peitsche,  den 
armen  ausholen,  herumfuchteln''  zuschreiben  dürfen. 

Es  läge  nahe,  auch  fido&lfi  und  ptda&higy  die  Hesych  be- 
zeugt, dazu  zu  stellen.  Indessen  die  bedeutung  digfia^  mal  ino- 
öfjfia  g>oivixovv  xai  i^y/a,  difpd'iifa  passt  nicht  und  ausserdem 
ist  das  homerische  Ifiaad'Xf]  zu  berücksichtigen.  Die  annähme, 
jenes  jüngere  wort  sei  aus  diesem  älteren  durch  lautliche  Ver- 
kürzung entstanden  (Gurtius  Grdz.  *  394),  werden  wir  heute 
nicht  mehr  billigen,  aber  zweifellos  konnte  im  sprachbewusst- 
sein  sophodeischer  zeit  ifida&Xfjy  eine  ableitung  von  ifidaowy 
Ifidgy  mit  fidongy  irnüxi^y  fiaaviydta  zu  einer  gruppe  zusammen- 

1)  Von  Diomedes  heisit  es  J].  XXIII,  500  bei  den  kampfspielen : 
fjtaOTi  aikv  flttwe  nartofiaSov  im  peitschen  weit  aasholend  (eigl.  von  der 
Schulter  hernieder,  mit  dem  ganzen  arm),  dagegen  510  xlTvi  i*  aga 
fjitttntya  not\  Cvyov,  Auch  an  der  andern  stelle,  die  fddartg  bietet,  Od. 
XY,  182,  wo  es  von  Telemach  heisst:  ^  xal  tnnouv  fiaoriv  ßali  ist 
nicht  die  geissei,  sondern  ein  sehlag  mit  ihr  gemeint. 

Wie  ist  fidtnt^  daraus  entstanden?  Es  läge  nahe,  es  fSir  eine  zu- 
sammensetznng  mit  tniCto  zu  halten,  fimm-criY  oder  fiaü'CTTy^  ergäbe 
fjtttorty;  vgL  lat.  im^o.  Doch  wegen  der  litanischen  formen  empfiehlt 
sich  hier  Zurückhaltung.  Man  könnte  allerdings  das  IT  von  mäd^üti 
dem  diphthong  von  ai.  Ujate  „ist  scharf,  schärft*'  gleichsetzen. 


306  W.  Prellwitz 

treten  und  nach  dem  vorbild  dieser  kürzeren  formen  sein  an- 
lautendes i  au%eben.  So  erklärt  sich  auch,  dass  in  fiaod'Xfj^ 
fiaod'Xfjg  offenbar  mehr  der  stoff  betont  wird,  während  bei 
fidati^^  fiaariw  u.  s.  w.,  die  Lob  eck  (Pathol.  el.  I,  76)  ebenfalls 
aus  *ifidaTi^  erklären  wollte,  offenbar  die  bewegung  das  wesent- 
liche der  bedeutung  ist.  Ihr  wurzelverbum  haben  wir  in  fiaio- 
fiai  zu  erkennen. 

II.   Gr.  fiaiofiaif  f^V^^p  ^^ay.  mach-,  lit.  mozötu 

Sehr  gut  macht  Gurtius  »  312  auf  IL  V  748  (-  VIU  392) 
aufmerksam:  ^'H^fj  de  fidariyi  d'oßg  ijtefialw  ag^  tftftovg  ^) 
und  leitet  wie  6.  Meyer  Stud.  V,  111  udarig  Yon  fiaiofmi 
ab,  das  vielleicht  für  *fidaiofim  stehe.  Dies  wird  durch  das 
futnr  fidaoofiai  und  den  aorist  ifiaoadfiipf  bestätigt.  Oebraucht 
wird  fioiofiai  sonst  z.  b.  vom  tasten  mit  ausgestreckten  bänden. 
So  heisst  es  Od.  IX,  441  von  Polypbem  ftdvtanf  ditay  hee- 
fiaiero  vma  446  %dv  (sc.  %Qidv)  iftifiaaadfietfog  ftQoaeqnj^  von 
Enrykleia,  die  beim  waschen  ihres  herm  narbe  fühlt:  yvia  $ 
inifiaauafievr]  (Od.  XIX,  468).  Unser  „antasten"  ist  gemeint, 
wenn  Agamemnon  schwört,  seine  band  nie  nach  Brisräs  ausge- 
streckt zu  haben:  dUL^  b^w  aTtgowifucavog  hi  xJuaijiaiv  ifi^- 
aiv  (II.  XIX,  163),  dagegen  inl^aarog  bezeichnet  den  bettler 
(Od.  XX,  377)  entweder  ids  einen,  an  dem  sich  jeder  vei^eifen 
darf  oder  als  abgegriffen,  schmutzig,  schmierig.  Auch  in  diAq>i' 
fidaaa&€  vQdfte^g  anoyyoig  (Od.  XX.  152)  ist  jener  die  -^nuMS 
verdeutlichende  gestus  *)  deutlich. 

Zu  ihr  stelle  ich  jetzt  auch  fujltj  „die  sonde".  Es  dürfte 
aus  *fAdalä  „Werkzeug  zum  tasten^'  entstanden  sein,  wenn  es 
nicht  die  unten  zu  besprechende  kürzere  wurzelform  enthält 

Das  Slavische  scheint  eine  langvocalische  form  unserer 
Wurzel  in  mahati,  mahnqti  „schwingen'',  maSiH  se  ruere,  poln. 
machaö,  mach  streich,  russ.  mcichatt  zu  bieten  (s.  Miklosich 
Vgl.  wb.  d.  slav.  spr.  180),  das  Litauische  ausser  in  möstagüti 
auch  in  mostereti  (Meiinis  141)  und  mozAti  (Kurschat)  „womit 
hin  und  her  fechten,  wedeln,  schwenken'*  %    Ob  z  in  asl.  ma- 

1)  Vgl.  aach  II.  XVII  480  fidar&yi  ^  in^iaU^o  &€ivw. 

2)  Vgl.  die  einleitung  zu  meinem  etymol.  wb.  d.  gr.  ipr.  i.  X. 

S)  Yerschieden  davon  ist  lit.  maKdU  „beschmieren'*  (Geitler),  apmo' 
Mi  betfinchen,  die  Braokner  (s.  110)  mit  recht  lur  entlehnt  h&lt.  Aller- 


Etymologische  forschuDgen.  307 

zaii  „schmieren''  modo  „Sl,  salbe,  butter'S  auf  sd  zurückgehe, 
wie  in  lit.  mozöti,  wenn  dies  echt  ist,  kann  ich  nicht  aus- 
machen. Spuren  von  sl.  z  i&r  sd,  zd  bespricht  Miklosich  Vgl. 
gram.  I  *  271;  vgl.  Pedersen  IF.  V,  36.  Immerhin  mag  hier 
slayolettisch  *mäzd^  vorliegen. 

Doch  wäre  es  vorschnell,  der  gewöhnlichen  annähme,  dass 
slav.  eh  (k)  aus  s  entstanden  sei,  folgend  aus  russ.  macha^  ein 
slav.  mäS'  zu  erschliessen.  Ober  das  slavische  ch  für  idg.  8 
hat  nämlich  H.  Pedersen  IF.  V  33 ff.  mit  dem  ergebnis  ge- 
handelt, dass  8  nur  inlautend  nach  f,  i,  ä,  u,  r,  k,  q  zu  urslav.  ch 
geworden  ist,  das  durch  die  erste  palatalisierung  zu  ^,  die 
zweite  zu  8  wurde.  Die  oben  genannten  verba  können  danach 
also  doch  nicht  als  beweis  für  idg.  mos  angesprochen  werden, 
vielmehr  muss  ch  bereits  in  dieser  form  innerhalb  des  Slavi- 
sehen  als  Wurzelerweiterung  an  mä  (s.  u.)  angetreten  sein,  oder 
mit  anderen  Worten :  nach  dem  Verhältnis  von  asi.  duchati  neben 
dunqii  von  asL  ustnichcUi  8^  zu  smijati  8q  ist  zu  manqti  „in- 
nuere'S  tnajati  „vibrare''  auch  m<ichaH  gebildet  worden. 

IIL    Gr.  fialofiavy  ^aa%i^Q^  iiaatqortoqj  fiavlig, 
lat.  malus,  lit.  mästas,  mäsinti. 

Eher  scheint  maS"  vorzuliegen  in  lit.  mast(i8  „eile'S  d.  h.  der 
ausgestreckte  arm  ^)  und  in  lett.  masts,  für  das  Ulmann  die 
bedeutung  „e.  fischzug;  die  mast  bei  der  treibjagd,  klapper- 
jagd"  angiebt;  Nesselmann  hat  aus  Prökuls  *)  auch  lit.  mastas 
„fischzug''.  Dies  passt  zu  der  bedeutung  ^»suchen,  streben  nach 
etwas",   die  ini^aioiiai   bei    Homer    auch   hat  und   Hes.  in 

dings  darf  man  nicht  mit  ihm  beide  formen  aaf  wr.  mdzae,  obmdaad 
(woher  mtuepa  „Schmutzfink",  vgl.  int/Aoaros)  zurückfuhren;  das  i  der 
zweiten  erklart  sich  ans  einer  dem  asL  maia  „salbe**  entsprechenden 
dialectform,  die  auch  „färbe**  bedeuten  muss,  wie  asl.  mas^  salbe  und 
färbe  bedeutet;  hieraus  ist  bekanntlich  lit.  mostUj  motii^  mdtiyti  ent- 
lehnt. 

1)  Auch  lat.  mSlus  aus  *  masdos  ==  nhd.  mast  (eigl.  ausgereckter 
arm  ?)  mag  hier  seine  wurzel  finden. 

2)  Das  homerische  dfAtpiiAaaaa&ai  t^ni^ag  anoyyoig  legt  die  Ver- 
mutung nahe,  das  auch  lit.  mazgSii  „abwaschen**  (nicht  „baden")  lett. 
mß/gdt  ds.,  poln.  mastgao  „besudeln**  hierher  gehört.  Jedenfalls  ist  das 
auch  neben  der  alten  Zusammenstellung  mit  ai.  majjoH  taucht  unter, 
lat.  m^go  (Fiok  ^  I,  109,  J.  Schmidt  Neutra  157  f.  n.)  zu  beachten. 


308  W.  Prellwitz 

fiaaaai'  Cf/r^aai  bezeugt.  ^)  Griech.  jtiaari/^,  ^aavQog  sucher, 
ei.  fiaoTQdai  (s.  o.  XVII,  169),  fiaargiar  al  twv  a^örviov 
ev^wai^  fiaaTsvei'  CrjTelj  iQBvvqy  xpfilaq>^,  imCritei  zeigen  sie 
ebenfalls.  Auch  fiaatQOTtöq'  dvatQOTtog,  TtavoS^yog,  dnat&iv. 
6  tag  ywainag  i/  avdgag  ngoaxalüv  Kai  fdavU^tav,  ij  Ttgoayw^ 
yog  (Hes.)  gehört  hierher.  Es  ist  ein  kompositum  mit  -o/r- 
y,aüge''  im  zweiten  teil  (o.  XXII,  97  n.  1 12),  wie  die  stelle  des 
Aristophanes  (Wölk.  967)  avtdg  kovrov  Ttqoaywyevwiv  %dlg  otp" 
d'aXfidig  verstehen  lehrt  *).  Auch  fiavUCto,  das  Hesych  zur  er«- 
klärung  von  fiaatgonog  braucht  und  fiavlig  dürfte  sich  als 
fia(a)'vXid'  erklären.  Das  suffix  ist  dasselbe  vertraulich  demi«- 
nuierende  wie  in  fiargvlt]^  woher  (Äor^leioVf  das  Hesych  aus 
Menander  anfuhrt  mit  der  erklärung  vStrog  twv  no^evovrajVj 
TOvriüTi.  fto^elw,  onov  oi  ^iaatgofcol,  ijrot  fiavhaval  diitQi' 
ßov.  Auch  diese  bedeutungsnüance  findet  sich  im  Litauischen: 
mäsifiti  heisst  „locken,  begehrlich  machen".  So  Kurschat 
II  244;  Nesselmann  kennt  aumasinti  „vexieren,  zum  besten 
haben'S 

IV.  Gr.  fiOTQvktjj  ftaTiJQ,  fiatevu^  fiatiwj  fiaQtjy  fidki]^ 
/aaaxälti;  lat.  manus,  lit  matytij  lett.  mdtit,  ksl.  fnotriti. 

Hier  in  nanqvXrj  finden  wir  eine  ableitung  von  fiovtjQ' 
knioxoTtog^  kftiCfjTuiv,  €Q€vvrjTrfi  (Hes.)  ^),  das  auf  die  kürzere 
wurzelform  /la-  zurückgeht,  wie  auch  ^aTtjoar  ^aaxevüai^ 
^rjv^oaij  fiareV  CfiTei  (aeol.  i§  kziqfa  d*  ^bqgv  fidrijg  Theoer. 
29,  15).  MazBvw  kommt  schon  U.  XIV,  110  vor:  iyyig  äv^g 
—  ov  dtj^Q  fdatevaofiev.  Die  bedeutung  „tasten*'  liegt  wohl 
dem  lett.  matü  „fühlen,  empfinden,  merken  zu  gründe",  während 
lit.  matyü  „sehen",  ksl.  tnotriti  „spectare"  eigl.  „mit  den  äugen 
suchen"  bedeutet  haben  wird.  Vgl.  dazu  auch  fidtay*  ^  Xvy^, 
ivioi  di  /icrroxog  i]  fiavanov  (Hes.).  Wir  haben  hier  also  eine 
Wurzel  jim-  belegt,  der  wir  nach  dem  bisher  gesagten  die  be- 
deutungen  „die  bände  wonach  ausstrecken,  mit  den  armen  aus- 
holen, schlagen,  streichen,  tasten,  suchen"  beilegen  müssen. 
Sollten  auf  sie  nicht  auch  lat.  ma-nus,  gr.  fid-qr]  ^hand',  zu- 


1)  Vgl.  0.  Hoff  mann  Dial.  IL  240.    S.  260  wird  f&lBohUoh  \^^ar- 
darin  gesucht. 

2)  fiaaTQCHpos  rä  uvric  (Hes.)  ist  mir  anklar. 

3)  Woher  fjuxTiiQ^v^iv  f^atnivtiv,  C^rcfv, 


Etymologische  forschungen.  309 

rückgehen?  Die  liand  kann  die  „ausholende,  winkende"  oder 
„tastende^'  ebensogut  sein  wie  die  „schlagende^^  (deya^,  vgl. 
auch  Bezzenberger  Urkelt.  Sprachschatz  141)  oder  die 
„klatschende^^  naXd^ri  (nXijaoaw)  lat  palma,  ahd.  fdtna  u.  s.  w., 
womit  wieder  nhd.  fühlen  wurzelhaft  verwandt  ist.  Evfiagijg 
yyleicht,  bequem"  vergleicht  sich  ganz  dem  air.  solam  „schnell, 
bereit",  cymr.  hylaw  „expeditus,  facilis*^  (S tokos  Urkelt  spr. 
240,  urkelt.  *  su-plätnos). 

Auch  das  unerklärte  fiohj  „die  achsel"  in  der  wendung  vfto 
fidlrjg  ÖOQV,  ^upldiov^  iYxsiQidiov  (pigeiv  kann  sehr  wohl  hier- 
her gezogen  werden,  selbst  das  gleichbedeutende  (iaaxakri  mag 
dazu  gehören.  Es  bezeichnet  ja  die  achselhöhle,  die  stelle,  wo 
der  leib  an  der  achsel  sich  „gabelt".  Also  zu  a%aUq  „gabel" 
yskha  spalten  (s.  axaW)  gehört  wohl  der  zweite  teil.  Ma- 
oxäkri  ist  gegensatz  zu  üniXoq  (s.  d.  im  etymol.  wb.  d.  gr.  spr.) 
das  von  yskelo  in  lett.  achkdt  „spalten"  kommt,  und  auch  mit 
ahd.  sculdra,  nhd.  sdiuUer  (s.  J.  Schmidt  Kritik  der  sonanten- 
theorie  40)  verwandt  ist.  Cymr.  gafl  m.  „feminum  pars  inte- 
rior"  gehört  so  zu  ahd.  gabala^  nhd.  gabeL  S.  Stokes  a.  a.  o.  105. 
Ma-axalfi  also  entspricht  in  der  bedeutung  „achselhöhle"  ge- 
Wissermassen  jenem  cymr.  gafl. 

V.  Gr.  fiwod'aif  fitSlogy  fiuiXvg^  ixstaii^viog^  fitaviti^ 
fiuyiog,  fiäti^j  ß6t%aiog^  fiatdiOf  av%6^axog^  lit  mötif 
monai,  lett.  mänis,  tndnitj  mäfchs,  mdditls,  slav.  maniti, 
zamarij  germ,mö,  nhd.  mühen,  müde,  ir.mon,  in-madae, 

madae. 

Diese  wurzel  ma  ist  mit  langen  vocal  im  Lituslavischen 
viel&ch  belegbar.  Lit.  möju,  möti  heisst  „winken,  zuwinken, 
zunicken,  durch  mnken  etwas  zu  verstehen  geben  sowohl  mit 
den  äugen  als  mit  der  band"  moj'öti,  pamöti  auch  „mit  dem 
schwänz  wedeln"  (vgl.  o.  fiaauerai),  atmöju  durch  winken  oder 
kopfschütteln  verneinen,  mit  dem  stock  ausholen"  (vgl.  ^ßiip 
iniiiaUa»ai  Od.  XIII,  429,  XII,  172),  ummöju  „hole  aus",  und 
ans  dem  artikel  ma  „winken"  bei  Miklosich  Vgl.  wb.  d.  slav. 
spr.  8.  179  führe  ich  wegen  der  reichen  bedeutungsentwicke- 
lung  folgende  wörter  an:  asl.  manc^i,  majati, pomavati  „winken'^ 
namanq  se  jemu  edo^ev  aizip;  nsl.  majati  „schütteln",  bulgar. 
nuMfa  se  „zaudern,  staunen",  c.  manouii,  mavati  „schwingen", 
klr.  majaty  „bewegen",  mane  äa  kamu  po  ädoä  „es  kommt  je- 


310  W.  Prellwitz 

mand  etwas  in  den  sinn'S  russ.  majaH^  „bewegen,  schwächen", 
majata,  majeta  ,,8chwere  arbeit'*.  Zu  diesem  letzten  wort  tritt 
ahd.  muoen,  mhd.  müefen,  nhd.  sidi  mühen,  die  mühe,  müde^  wie 
fiwlog  „kämpf'  fuiSlvg  „von  anstrengung  ermattet".  Die  vocale 
jener  drei  sprachzweige  sind  sämtlich  doppeldeutig  als  idg.  ä 
oder  d,  doch  germ.  möjan  ist  schon  längst  mit  fuSlog  an- 
strengung, mähe  vei^liohen,  wozu  kret  ayrcifiolsp  ss  dfiq>ifntH 
leiv  (ges.  ▼.  Gortyn  z.  b.  I.  1),  aus  Hesychius  fimk^ewai' 
fiuxfjasTai,  ninQcnf&^aercu.  gehört^). 

Aber  auch  fiäaS'ai  {fnofie&a*  ^jj^oSfisv,  fißäo'  ^i/vci,  fiaitai' 
^flTBif  texvd^etai)  „streben'S  eigl.  „sich  lebhaft  bewegen,  mühen" 
kann  im  vocal  ganz  gleich  lit  möti  gesetzt  werden,  zeigt  also 
die  Wurzel  zu  fi&log  „kämpf'  in  einer  bedeutung,  die  wir  oben 
bei  fioiofiai  und  seinen  ableitungen  kennen  gelernt  haben. 
Dieselbe  aber  erscheint  im  Slavolettischen  noch  mehrfach  in 
bedeutungen,  die  wir  o.  schon  im  Griechischen  beobachtet  haben, 
und  auch  hier  von  der  grundbedeutung  ,>(mit  deu  armen  oder 
bänden)  uraherfechten^'  ableiten.  Lett.  mdnis  „der  gaukler", 
lit.  mönai  Zauberei,  lett.  mani  „gaukelbilder,  trugbilder'S  nUinigs 
„betrügerisch",  tnänÜ  und  mänit  verblenden,  täuschen,  be- 
trügen" gelten  Brückner  (s.  109)  für  entlehnt  aus  dem 
Slavischen  (vgl.  asL  tnaniti  „täuschen,  trügen",  klr.  mana, 
obmany  omana  „trug",  pomanyty  „verlocken",  prymaA  „Ver- 
lockung", wr.  mai/i  „betrüger")  während  Fick  und  Miklo- 
sich  (Vgl.  wb.  8.  109)  Urverwandtschaft  annehmen.  Dies  thut 
auch  Bezzenberger,  der  im  altkeltischen  Sprachschatz  (Fick 
^  n,  217)  ir.  man  „tücke",  lat.  manticulare  vergleicht  und 
weiter  Zugehörigkeit  von  1.  meniiri  behauptet  Dem  widerspricht 
aber  lett.  mäfchs  „gaukler",  mdfehi  „gaukelbilder,  phantasieen" 
mäfchiÜs  „gaukelei  treiben,  faxen  machen",  mädtÜs  ds.,  das 
gewöhnlich  „sich  zubereiten,  unternehmen"  heisst  und  das 
reflexiv  von  madü  „mit  der  band  winken,  herbeischaffen,  zu- 
rechtlegen" ist  Diese  reihe  zeigt,  dass  mäfchs  auf  *madios 
zurückgeht  und  dies  beweist,  dass  das  n  in  mänis^  für  *mani(», 
nicht  zur  wurzel,   sondern  zum  suffix  gehört  *)•     Lett.  mäni, 

1)  Aach  lutF^x^l^^  f^^'X^'^ 

2)  Ai.  mäyd  „konstgriff,  wanderkraft,  list,  trag,  t&asoliang,  gaa- 
kelei"  (aach  personificirt  and  so  im  „schleier  der  Maja"  gebraaoht), 
bisber  za  fUfios  gestellt,  könnte  die  brücke  zu.  dieser  gnippe  zeigen: 
mi+t  :  m«.    In  fu^fio^  mag  aasserdem  redapUcation  vorliegen  wie  in 


Etymologische  forschungen.  311 

lit  mönai  (plar.)  ist  also  von  den  phantastischeil,  beschwörenden 
bewegungen  des  Zauberers  za  verstehen  und  so  kann  asL  ma- 
niti  yyWinken^^  auch  zur  bedentung  „täuschen,  trügen"  ge- 
kommen sein  ^).  Doch  ist  noch  ein  anderer  weg  denkbar.  Es 
könnte  nämlich  auch  auf  dem  urwort  von  nsl.  zaman,  uman 
„vergebliches  kr.  mani  zaman  ds.,  c.  tnani,  mani  „zufällig"  be- 
ruhen, wie  lat.  frudrörl  auf  fmstra.  Merkwürdigerweise  hat 
meines  wissens  bisher  niemand  jene  werter  mit  gr.  fietafniviog 
„vergeblich,  ohne  erfolg",  fiforiij'  oliytoQiay  fnoviog'  ftawaiogy 
dxQBiog  (Hes.)  vei^lichen,  obwohl  die  Übereinstimmung  voll- 
ständig ißt.    Auch  diese  gruppe  gehört  zu  unsrer  yma,  mö. 

Die  bedeutungsentwickelung  ist  dieselbe  bei  den  gleichfalls 
verwandten  fjuizaiog^  fjidtfjVy  fiaTtj^  juarofoi,  ficevirj  und  lässt  sich 
bei  diesen  Wörtern  noch  wohl  verdeutlichen.  Matdta  bedeutet 
n.  XVI,  473  f.  „thue  einen  fehlbieb"  an:aaadfieyog  ToyüjTcag 
aoQ  na%iog  TtOQa  fjUjQOv  c^ag  äniKOiffe  7ta(fi^0Q0v  ovi*  ifiävTjaev. 
IL  V,  233  wird  es  von  rossen  gesagt,  die  in  der  Schlacht  aus 
furcht  etwa  um  sich  schlagen:  jU^  vio  fih  dsiaayre  fAccnjaerov 
ovd'  iS'ihqKov  hLq>eqifAsv  TtoXifioio,  überhaupt  bezeichnet  es  mit 
der  negation  ein  zum  ziel  führendes,  schnelles  handeln,  so  dass 
man  es  allein  etwa  mit  „säumen"  übersetzen  kann  (vgl.  o.  s.  309 
bulg.  tnaßi  se  „zaudern,  staunen").  Die  Vorstellung  der  zweck- 
oder  erfolglosen  bewegung,  die  dem  gr.  fiavdw  wie  dem  lit. 
mästüffMi  eigen  ist  und  die  im  Slavischen  z.  b.  in  klr.  navmany 
,«aufs  geratewol"  hervortritt,  zeigt  sich  recht  deutlich  in  dem 
nachhomerischen  adverb  fidttp^.  Im  Prometheus  des  Aeschylos 
fragt  Kratos  den  weichherzigen  Hephaestos  vi  fiiHeig  yuai 
xatoi%%it/u  fidvriv;  und  mahnt  ihn  dann  vd  iiijdh  ^tpekovwa 
fifj  ndvei  fidTfjv,  Ich  halte  es  der  form  nach  für  einen  instru- 
mentalis  entsprechend  dem  preuss.  auf  -an,  lit  q  ebenso  wie 
ox^ijv  („eben")  zu  oKfi^  „die  zeit  der  kraft".  Durch  anhängung 
von  'Og  (s.  o.  24,  105  f.)  entstand  daraus  axfirivog  (Od.  23.  291). 

Das  Substantiv,  wovon  jenes  f^dftjv  stammt,  findet  sich 
mehrmals  bei  den  tragikem  und  meist  im  plural.  Mrj  dXJi  eüp 
ofioitag  xat  itat^g  %ov  aov  fidzag  entgegnet  Klytaemnestra 
(Ghoeph.  911)  dem  empörten  söhn,  dieser  aber  erwidert  fi^ 
^liyjfi  %ov  novovvt  eao)  xa^fjfiivtj^   hält  also  die  f^drai  („ver- 

asL  mamüi  „täasclieii,  anlocken",  Sech,  omam  bland  werk  n.  a.  bei  Mi- 
klosiob  YgL  wb.  182. 

1)  Gehört  auch  das  sanberkrant  fiSXv  hierher? 


312  W.  Prellwitz 

fehluDgen'^)  gewissennassen  für  verknüpft  mit  dem  nwüv.  In 
den  suppl.  783  (Eirchhofif)  bezeichnet  es  ,,da8  hin*  und  her- 
rennen der  Verfolger^*.  Die  einzahl  findet  sich  coUeotiv  ge- 
braucht bei  Soph.  frgm'.  730  (Nauck)  oSvt  %oi  ^qov  fidtag, 
Matiio  ist  gebildet  wie  die  lateinischen  frequentativa  und  in- 
tensiva  z.  b.  citare,  dictare.  Im  Griechischen  sind  sie  nicht  zu 
einer  festen  kategorie  ausgebildet^  um  so  deutlicher  aber  sehen 
wir  hier  ihre  entstehung.  Matti  ist  ein  abstractam  anf  -ia 
nach  art  der  o.  25  s.  281  besprochenen  ableitungen  von  nomi- 
nibus  and  verbis,  die  an  sich  ja  schon  eine  Wiederholung  oder 
eine  eigenschaft  als  folge  einer  handlung  bezeichnen  wie  lit. 
aukatä  ,,drehkrankheit^^  Vgl.  J.  Schmidt  Neutra  27.  Mätri 
entspricht  also  gewissermassen  dem  russ.  majata  ,,  schwere 
arbeit",  von  majaü  y^bewegen,  schwächen'^  und  muss  zunächst 
eine  zwecklose  anstrengung,  dann  ein  unruhiges,  erfolgloses, 
schädliches  verfahren  bezeichnet  haben.  Mdraiog  geht  darauf 
zurück  wie  dixaiog  auf  dlxjjy  artovöälog  auf  anoviy  (s.  vf. 
Jahresbericht  über  die  fortschritte  der  classischen  altertums- 
wissenschaft  bd.  GVI,  1900  s.  72),  und  es  scheint  schon  eine 
sehr  alte  bildung  zu  sein,  da  es  sich  auch  im  Keltischen  findet. 
Wenigstens  erschliesst  Stokes  s.  206  ein  urkelt.  mataios  „ver- 
geblich" aus  ir.  in-madae  „sine  causa",  madae  ,,vergeblich", 
madach  (gl.  cassa),  madaigim  „frustror'^  Das  a  dieser  Wörter 
kann  auch  auf  keinen  nasal  zurückgehen  und  widerlegt  so 
die  von  mir  im  etymol.  Wörterbuch  angenommene  herleitung 
von  fioraiogy  fjUZTtjv  aus  ymen,  die  ja  auch  in  der  bedeutung 
nicht  recht  passt.  Jene  substantiva  auf  -ta,  die  den  verben 
auf  'taio  zu  gründe  liegen,  sind  eigl.  feminine  abstracta  von 
participien  auf  -tös  und  so  gehört  zu  fidta  ein  masculinum  */ua- 
vog^  erhalten  in  avzöfiotog.  Dies  bedeutet  eigl.  „von  selbst  be- 
wegt" (z.  b.  von  drei  fussen  des  Hephaest)  „aus  eignem  antrieb", 
später  „willenlos,  zwecklos,  zufallig",  to  avtofiatov  ist  das,  wo 
tiefere  einsieht  oder  fursorge,  Selbstbestimmung  als  folge  be- 
wussten  denkens  fehlt;  vgl.  z.  b.  Arist.  Phys.  2,  6  und  Plato 
Prot  323  c. 

Wir  haben  ma-  und  mö-  als  einfachste  formen  der  wurzel 
kennen  gelernt.  Wie  weit  fufiadg  u.  s.  w.  zur  ersteren,  wie 
weit  zu  (Aifjiova  gehört  (s.  W.  Schulze  Qu.  ep.  366  u.  nach- 
trag),  wird  selbst  bei  genauerer  Untersuchung  kaum  festzustellen 
sein,     ^aifidtü  gehört  natürlich  hierher.     Hier  zeigt  sich  ein 


^  Etymologische  forschungen.  313 

langer  vocal  (fiolfiriaa,  ^aifioiwot  u.  ä.),  den  wir  uns  als  a 
oder  S  vorstellen  dürfen.  Frübef  dachte  ich,  wie  Schulze  a.  a.  o. 
an  mä,  vielleicht  ist  aber  auch  mS  möglich,  denn  in  fisfiaora 
qwXa  (Roehl  393)  wie  im  Homerischen  fiefiadrsg  kann  metrische 
dehnung  vorliegen«  Auch  an  *fiSfiaaf6Teg  ist  vielleicht  zu 
denken.  Liegt  mS  „hin  und  her  bewegen''  in  lett.  mile  „zunge, 
Zünglein  der  wage,  klöppel  der  glocke,  dorn  in  der  schnalle'' 
vor?  Ist  ym^  „innerlich  erregt  sein"  in  fiaivofiai  im  gründe 
damit  identisch?    Über  dieses  vgl.  J.  Schmidt  K.Z.  37/45. 

Königsberg  i.  Pr.    Mittelhufen. 

W.  PtMwitz. 


Asklepios  und  die  heÜBchlange. 

Im  ältesten  glauben  der  Griechen  spielte  die  schlänge,  der 
drache,  eine  grosse  und  vielfältige  rolle.  Besonders  befremdlich 
scheint  es  auf  den  ersten  blick,  wenn  man  diesem  naturgemäss 
gefürchteten  und  verabscheuten  wesen  die  kraft  krankheit  zu 
heilen,  ja  sogar  todte  zum  leben  zu  erwecken  zuschrieb.  In 
solcher  rolle  erscheint  die  schlänge  in  dem  merkwürdigen  be- 
richte bei  ApoUodor  3,  3,  1 — 2,  den  ich  hierhersetze,  weil  er 
mir  werth  scheint  bis  ins  einzelne  hinein  betrachtet  und  ge- 
deutet zu  werden.  Es  heisst  dort:  rXatbcog  (ein  söhn  des 
Minos)  m  vijniog  vtvoqxwv  ^  (ivlav  dicinwv  Big  fieXiTog  Ttid^ov 
itBOixJv  dfti&avev,  dq>avovg  de  ovrog  aitov  Mivwg  noXlrjv 
^fjTfjaiv  noiovfjievog  neQi  v'^g  evQijaefog  efiavTevero.  KovQtjreg 
de  etnov  avxfai  TQiinßdfiaxov  h  %aig  dyiXaig  e^eiv  ßovv^  %6v 
de  Tfjv  TovTTjg  &eav  agiOTa  eludaai  dvnj&irfa  aal  ^üpra  top 
naida  dnodiiaeiv.  avyxkfjdevtwv  de  TtSv  fidvreotp  TloXvidog  6 
KoiQayov  vi^v  xQoav  %ijg  ßoog  einaae  ßdrov  naQTttai  xai  ^rftelv 
vor  Ttaida  dvapcaad'eig  diA  Tivog  fxavreiag  dvevQe.  leyovrog  de 
Miv(oog  OTi  del  aal  ^tuvra  dnoXaßeiv  cevvov,  dnenXeia&ti  avv 
rät  veaqwi.  iv  äfitixccyiav  de  molk^i  vvyxdviov  elde  doduovra 
int  top  veKQOP  lovra'  tovtov  ßaldv  Xld'wi  dftenteive^  deiaag 
fiij  K  av  avxbg  velevrijariL,  ii  %i  %d  aaSfjia  Ttdd-oi.  Sgx^^f'  de 
SreQog  doduiov,  mal  d^eaadfxevog  vexQOv  %6v  TtQwrov  äneiaiv^  elra 
vfto(nQiq)ei  noop  xofÄi^wfif,   xal  jav%rpf  iTtiTi&fjaiv  irtl  nop  tI 

BtiMge  I.  kud«  d.  indg.  ipneh«!.    XXVI.  21 


314  A.  Fick 

tot  eti^v  aä^a*  iTCive^eufrjg  di  t^g  7t6ag  di^iatfi,  d'Boaoiiievog 
di  Ilohüidog  Kml  d'avfjidaag  rqj^*  avv^v  nomv  nqoaeyipuav  tctii 
teS  rkßcvx&v  adfiOTi  aviavtjaep.   äfcolaßwv  di  Mivwg  tbv  näida 

Die  in  sioh  wohl  abgeBohlossene  erzählung  stammt  ver- 
muthlich  auB  einem  manÜBohen  gedichte  und  legt  wiederum 
zengniflB  ab  für  die  hohe  begabung  der  Griechen  zur  noyelle, 
od^  der  epiaehen  erzählung.  Die  kürze  des  auszugs  lässt 
einiges  dunkel  und  der  aufhellung  bedürftig  erscheinen. 

So  ist  nicht  verständlich,  was  die  werte  fivlav  öicinioi^  be- 
deuten: das  kind  starb  „auf  der  jagd  nach  einer  fliege''?  Alles 
wird  klar,  wenn  man  zu  fiviav  ein  ausgelassenes  x^^^V^  ^^' 
gänzt  Die  xaAx^  fivla  war  ein  kinderspiel,  das  bei  Pollux  9,  123 
beschrieben  wird:  raivlai  tw  6q>d'aXino  neQiatpiy^avTog  hog 
Ttaiöogy  6  fiiv  7t€QiaTQiq>evai  xtiQvvTtov'  j^x^lx^v  fivlav  dtjQdau)^*^ 
Ol  de  äfgoKQivdfuvoi  ^^tjfdaeigf  diX   ov  XTjiffsi"  (die   längen 

— ^1  — -^1 s-l—  passen  trefflich   zu  dem  kindersingsang ,    den 

man  zu  hören  glaubt)*  axvTeai  ßvßUvoig  avvbv  TcaiowjiVy  ?aig 
vufog  avv^  laßfitiu* 

Es  ist  dies  ganz  dasselbe  spiel,  das  in  Italien  mosca  cieca 
„blinde  fliege'^  heisst  und  von  Salvatore  Farina  in  der  novelle 
Mio  figlio  s'innamora  s.  42  f.  so  anmuthig  geschildert  wird.  In 
Deutschland  heisst  es,  jedem  deutschen  kinde  bekannt  „blinde 
kuh".  Man  beachte  die  reihe  [ivla  xakyfSj^  mosca  cieca, 
blinde  kohl 

lAvkof  i^ma»  unserer  erzählung  bedeutet  also  „beim 
blindektthspiel''. 

Auch  die  werte  tig  (iih%og  Ttidviv  Tteadov  dni^avep  lassen 
sich  anschaulicher  macheu.  Die  kinder  spielten  auf  dem  hofe, 
dabei  fiel  der  kleine  Glaukos  durch  eine  kellerluke  in  ein  fass 
mit  bonig,  ohne  dass  es  eins  der  kinder  in  der  aufregung  des 
s|)iels  bemerkta  Wir  müssen  hier  an  eins  der  mannshohen 
fäsaer  denken«  in  d^ea  inhalt  das  kind  spurlos  verschwinden 
kennte.  Die  absonderliche  todesart  wird  ursprünglich  anders 
gedacht  sein:  das  üallen  in  den  honig  muss  sich  auf  das  ßsU* 
x^oaro»^,  die  todteon^nde  beziehen,  ähnlich  wie  die  formel 
Sgi/fog  ig  fd£  &uvQ$f  Bmlg.  16&4  auf  die  honiggemischte  milch- 
ependfi^  die  latUt^^a  ydlocKzog  Eur.  Or.  115. 

Die  JBkuretea  als  weissagende  wesen  gehören  zur  kretischen 
sta£Eiiige,  auch  der  geleierte  seher  Polyidos  war  vielleicbt  in 


Asklepios  und  die  heflschl&nge.  315 

einer  älteren  ÜEtssuiig  Kreter,  wenigsten«  ist  der  name  seinei 
vaters  Koiranos  altkretisch:  eo  heiart  Dias  17,  611.  614  der  ans 
LyktOB  auf  Kreta  stammende  wagenlenker  des  Meriones.  Po- 
lyidoe  ist  berufsname  fiir  einen  sdier,  der  ab  solcher  an  keis^fL 
ort  gebnnden  ist,  Iloiv/idfog  ist  ,fder  vielmssende^S  und  er* 
innert  an  den  „doctor  Allwissend ''  des  deutschen  marchens; 
ans  fidfag  (vgl.  altatt.  livoi  „die  zeugen^')  wird  regahreobt 
äolisch  -j-tdiog,  doriseh  -fliog;  Sophokles  hat  frg«  357  u.  3&8 
nohjidog  gemessen.  Homer  kennt  einen  seher  üoiaiidog  iL 
13,  663: 

Bvxijpmf  Ilohfidov  ^wtiog  vl&g  —  Ko(fiv^o&i  oinla  poiiop^ 
darauf  hin  ist  Find.  Ol.  13,  105  der  KoinariiaQ  d.  i.  Pelyidos 
Korinthier;  dem  widerspricht  nicht,  wenn  als  heimath  des  sehers 
bei  ApoUod.  a.  a.  o.  Argos  genannt  wird,  das  im  alten  sprach* 
gebrauch  Korinth  mit  befasste.  Paus.  1,  34,  5  und  Diod.  Sir. 
4,  68  wird  Poljidos  an  den  grossen  seher  Mdiampos  and  die 
Melampodiden  angeschlossen.  Jedenfalls  konnte  anetalit  Polyidos 
irgend  ein  anderer  Seher  genannt  werden. 

Ebenso  ist  es  mit  Glaukos,  Minos  söhn.  Er  ist  bloss  das 
object  für  die  berichtete  wunderwirkung.  Der  name  ist  ge- 
wählt im  hinblick  auf  den  Meerglaukos,  den  rlcevxog  MOPviog 
van  Anthedon,  der  durch  den  genuss  einer  aiei^foog  noa  nacdi 
Aeschylos  im  Glankos  Pontios  £rg.  27.  28  immer  neu  belebt, 
wie  Glaukos,  Minos  söhn,  durch  das  Schlangenkraut  wieder 
lebendig  wird. 

Die  ansprechende  sage  ist  von  Sophokles  dramaftisi«t 
worden.  Der  titel  des  Stückes  „Mocnr^i^"  seigt,  dass  die  he- 
ntfung  der  seher,  von  Apdlod.  nur  durch  die  worte  nxTxiUf- 
^kntav  di  %&»  fiavvswv  angedeutet,  grösseren  umfang  annahm, 
wie  denn  der  name  eines  der  fremden  seher,  Oofierog^  eines 
Sohnes  des  Teiresias  (Nauok  frg.  trgg.  360)  überliefert  ist: 
^cv^og  Qafuvog  Tai^Miov  naig'  Soq>onkijg  Mldweaiv, 

Femer  hat  Sophokles  die  farbenwechselnde  brembeere 
(ßoMog)  durdi  die  frucht  des  maulbeerbaums,  der  0v%ipu»9g 
ersetzt,  der,  wie  die  verse  frg.  362  berichten,  zuerst  weiss 
blüht,  dann  rothe  beeren  trägt,  die  bei  der  reife  schwarz 
weiden. 

Auch  Enripides  hat  den  Stoff  in  einer  tragödie  »,Pol]r}dos 
oder  Glaukos''  bebandelt.  In  den  vecsen  des  frg.  637  berichtet 
Polyidos,   wie  der  fing  des  meeradlers  von  der  see  her  aufs 

21* 


316  A.  Fick 

land  ihn  überzeugt  habe,  dass  die  leiche  des  Glaukos  auf  dem 
lande,  nicht  im  meere  zu  suchen  sei. 

Aelian  tadelt  N.A.  5,  2  Euripides,  dass  er  den  Polyidos 
habe  eine  eule  sehen  lassen  und  daraus  geschlossen,  dass  er 
die  leiche  des  Glaukos  finden  werde;  es  gebe  nämlich  in  Kreta 
gar  keine  eulen.  Hieraus  geht  hervor,  dass  Hyginus  136  den 
zug  in  seinem  berichte,  dass  Polyidus  —  yidit  noctnam  super 
cellam  vinariam  sedentem  atque  apes  fugantem,  was  ihn  zur 
entdeckung  der  leiche  in  dem  fasse  mit  honig  geführt,  dem 
drama  des  Euripides  entnommen  hat.  Ueberhaupt  haben  beide 
Tragiker  den  Hyginus  beeinfiusst.  Aus  Sophokles  nahm  er  den 
maulbeerbaum  „vitulum  —  arbori  moro  similem  esse". 

Ob  auch  die  sonstigen  abweichungen  in  Hygins  berichte 
aus  der  tragödie  stammen,  ist  ungewiss.  Bei  Hygin  spielt  das 
kind  ball  —  pila  ludit  — ,  wird  Apollon,  nicht  die  Kureten  be- 
fragt, das  monstrum  des  bunten  kalbes  ist  noch  viel  grösser: 
es  wechselt  ter  in  die  colorem  —  per  quatemas  horas;  der 
seher  wird  mit  dem  toten  in  dem  grabmal  eingeschlossen 
und  ihm  ein  schwert  mitgegeben,  mit  dem  er  dann  die  schlänge 
tödtet,  statt  wie  bei  Apollodor  Xid'ioi,  ßalwv.  Nach  belebung 
des  knaben  hören  vorübergehende  beider  rufen,  und  melden 
das  Minos,  der  nun  das  grab  öffnet,  den  söhn  lebend  empfangt 
und  den  seher  mit  reichen  geschenken  entlässt 

Die  griechische  erzählung  von  der  heilschlange  hat  eingang 
in  das  deutsche  Volksmärchen  gefunden.  Anfang  und  ende  des 
Grimmschen  märchens  von  den  drei  schlangenblättem  n.  16 
lauten  allerdings  abweichend,  aber  das  mittelstück  ist  geradezu 
aus  Hygin  entnommen,  wenn  auch  mit  mancher  feinen  aus«- 
malung.  Ein  junger  kriegsheld,  heisst  es  bei  Grimm,  freite  eine 
Prinzessin,  obgleich  diese  von  ihm  das  gelübde  verlangt,  sich 
nach  ihrem  tode  mit  ihr  lebendig  begraben  zu  lassen.  Sie 
stirbt,  und  nun  tritt  die  entlehnung  aus  Hygin  deutlich  her- 
vor. Ich  setze  die  partie  hierher,  da  sie  zugleich  ein  hübsches 
beispiel  von  selbständiger  bearbeitung  eines  entlehnten  sagen- 
Stoffes  bildet.  „Als  —  die  prinzessin  —  «odt  war,  da  erinnerte 
sich  der  junge  könig,  was  er  hatte  versprechen  müssen,  und 
es  grauste  ihm  davor,  sich  lebendig  in  das  grab  zu  legen,  aber 
es  war  kein  ausweg:  der  könig  hatte  alle  thore  mit  wachen 
besetzen  lassen,  und  es  war  nicht  möglich  dem  Schicksal  zu 
entgehen.    Als  der  tag  kam,  wo  die  leiche  in  das  königliche 


Asklepios  und  die  heüschlange.  317 

gewölbe  beigesetzt  wurde,  da  ward  er  mit  hinabgeführt,  und 
dann  das  thor  verriegelt  und  verschlossen. 

Neben  dem  sarg  stand  ein  tisch,  darauf  vier  lichter,  vier 
leibe  brot  und  vier  flaschen  wein.  Sobald  dieser  vorrath  zu 
ende  ging,  musste  er  verschmachten.  Nun  sass  er  da  voll 
schmerz  und  trauer,  ass  jeden  tag  nur  ein  bisslein  brot,  trank 
nur  einen  schluck  wein  und  sah  doch,  wie  der  tod  immer  näher 
rückte.  Indem  er  so  vor  sich  hinstarrte,  sah  er  aus  der  ecke 
des  gewölbes  eine  schlänge  hervorkriechen,  die  sich  der  Idche 
näherte.  Und  weil  er  dachte,  sie  käme,  um  daran  zu  nagen, 
zog  er  sein  schwort  und  sprach  „so  lange  ich  lebe,  sollst  du 
sie  nicht  anrühren"  und  hieb  sie  in  drei  stücke.  Ueber  ein 
weilchen  kroch  eine  zweite  schlänge  aus  der  ecke  hervor,  als 
sie  aber  die  andere  todt  und  zerstückt  liegen  sah,  ging  sie  zu- 
rück, kam  bald  wieder  und  hatte  drei  grüne  blätter  im  munde. 
Dann  nahm  sie  die  drei  stücke  von  der  schlänge,  legte  sie,  wie 
sie  zusammengehörten,  und  that  auf  jede  wunde  eins  von  den 
blättern.  Alsbald  fügte  sich  das  getrennte  aneinander,  die 
Schlange  regte  sich  und  ward  wieder  lebendig,  und  beide  eilten 
mit  einander  fort.  Die  blätter  blieben  auf  der  erde  liegen,  und 
dem  unglücklichen,  der  alles  mit  angesehen  hatte,  kam  es  in 
die  gedanken,  ob  nicht  die  wunderbare  kraft  der  blätter,  welche 
die  Schlange  wieder  lebendig  gemacht  hatte,  auch  einem  men- 
schen helfen  könnte.  Er  hob  also  die  blätter  auf,  und  legte 
eins  davon  auf  den  mund  der  todten,  die  beiden  andern  auf 
ihre  äugen.  Und  kaum  war  es  geschehen,  so  bewegte  sich  das 
blut  in  den  adem,  stieg  in  das  bleiche  angesicht  und  röthete 
es  wieder.  Da  zog  sie  athem,  schlug  die  äugen  auf  und  sprach 
„ach  gott,  wo  bin  ich?'^  „Du  bist  bei  mir,  liebe  frau",  ant- 
wortete er,  und  erzählte  ihr,  wie  alles  gekommen  war,  und  er 
sie  wieder  ins  leben  erweckt  hatte.  Dann  reichte  er  ihr  etwas 
wein  und  brot,  und  als  sie  wieder  zu  kräften  gekommen  war, 
erhob  sie  sich  und  sie  gingen  zu  der  thüre,  und  klopften  und 
riefen  so  laut,  dass  die  wachen  es  hörten  und  dem  könige 
meldeten.  Der  könig  kam  selbst  herab  und  öffnete  die  thüre, 
da  fand  er  beide  frisch  und  gesund,  und  freute  sich  mit  ihnen, 
dass  nun  alle  noth  überstanden  war". 

In  Wahrheit  freilich  war  die  noth,  wie  der  fortgang  des 
märchens  zeigt,  noch  nicht  vorbei.  „Es  war  mit  der  frau  eine 
Veränderung  vorgegangen"  heisst  es  weiter,   sie   wurde  ihrem 


318  A.  Fiok 

lebensretter  nntreu  und  stellte  ihm  nach  dem  leben,  das  ihm 
nur  die  drei  Schlangenblätter  wiedergaben.  Hier  kommt  die 
in  aller  natorreligion  tief  wurzelnde  Vorstellung  zum  ausdrucke 
dass  die  einmal  den  unheimlichen  todesmächten  yerfallene  seele 
zum  lebenfeindlichen  gespenste  wird,  das  selbst  die  nächsten 
angehörigen  mit  unheil  bedroht  — 

Den  glauben  an  die  heilkraft  der  schlänge  finden  wir  auch 
in  der  bekannten  erzählung  von  der  ehernen  schlänge,  deren 
anblick  den  bisa  der  fieurigen  schlangen  heilte,  also  eine  art 
gegenschlange,  gegengift  4.  Mose  21,  69.  Der  dienst  erhielt 
sich  bis  zum  konige  ffidria,  dieser  „zerstaess  die  eherne  schlänge, 
die  Mose  gemacht  hatte,  denn  bis  zu  der  zeit  hatten  ihr  die 
Under  Izraele  geräuchert,  und  man  hiess  sie  Nehufihan'' 
2.  Könige  18,  4  ^). 

In  Ghriechenland  ist  die  Verehrung  der  heillrandigen  schlänge 
eng  mit  dem  knlt  des  heilgottes  Asklepios  verbunden.  „Das 
gewöhnliche  symbol  des  Asklepios  war  die  schlänge**  P(reller) 
Rob(ert)  s«  Ö25f.  In  seinen  heiligthümem  wurden  schlangen 
unterhalten.  In  der  burlesken  darstellung  einer  inkubation  im 
Asklepieion  Aristoph.  Plutos  649  f.  zischt  Karion,  um  sich  eines 
topÜBB  mit  brei  zu  bemächtigen  c^^  Ttagelag  w  o^iq\  die 
schlangen  mässen  also  dort  frei  umhergelaufen  sein.  Dasselbe 
ergibt  sich  auch  aus  Plut  732,  wo  auf  den  pfiff  des  gottes 
zwei  grosse  schlangen  aus  dem  tempel  hervorschiessen,  dem 
blinden  Plutos  unter  die  aufgelegte  binde  kriechen,  ihm  die 
äugen  belecken  und  diese  dadurch  heilen.  Hier  dienen  die 
schlangen  geradezu  als  heilgehülfen.  In  n.  114  der  heilungs- 
geschichten  von  Epidauros  Smlg.  3389  heisst  es :  avijQ  daxtvlov 
ld9i]  ifteh  otpiog.  Auch  wird  die  tempelschlange  beim  opfer 
mit  bedacht,  wie  in  Kos,  s.  Herondas  4,  90 

ig  te  ti^9  tQtiylfpß 
top  niXopop  ¥p9eg  tot  dgänoptog  tvgnjjdtog. 

Ja  der  gott  selbst  erscheint  als  schlänge  in  der  stiftnngs- 
legende  des  Asklepieion  von  Stkyon:  g>aai  di  {ol  SiiwiiviOi) 
a^unv  ^  ^'EftidavQOv  xoinadijpai  top  &edp  ini  tßvyovg  ^fno- 

1)  Dazu  bemerkt  auf  meine  anfrage,  hülfberait  wie  immer,  mein 
freund  Ferd.  Jasti,  „dass  hebr.  na/tii  von  n4fx^  „zischeln"  (von 
schlangen)  „schlänge"  bedeatet,  dass  aber  n^tiitön  2.  konige  18,  4  von 
aramäisch  iM/cii  „ers,  knpfer**  oder  naher  von  hebr.  tie/nl«^  ^erz^  knpfiBr" 
abgeleitet  wird. 


Asklepios  und  die  heilschlange.  319 

ptov  SqAxopii  eix&afiivov  Paus.  2,  10,  3.  Hier  haben  wir 
den  beweis  in  bänden,  dass  ursprünglich  die  schlänge,  ab  In- 
haberin wanderbarer  heilkraft  gedacht,  selber  das  gottlich  Ter- 
ehrte  weeen,  die  heilgottheit  war.  Nicht  jede  Schlangenart 
genoss  solche  Verehrung,  selbstrerständlich  keine  giftige,  es 
waren,  wie  wir  aus  Arist.  Plut  690  ersehen,  die  TtoQelai  Stpaigf 
von  denen  es  bei  Hesych  heisst:  otpeun^  diog  fieyalag  nagsutg 
exoy^f^'  i!ccv%a  de  fjniava  öaTcvei  dv&QcSftovs.  Bei  Harpokration 
heisst  es  p.  147,  4  naqilai  oq^ig  (/ffifiocd'hnjg  iniq  Kttjai" 
gxSrfog).  notQÜai  ovofAdCjortal  tivsq  oq>eig  naga  td  ftageictg 
fiBi^ovg  ^eiv,  fog  xai  Kqativog  h  TQO^vltoi  vTtoarnialvBi. 
Demosth.  de  cor.  260  schildert  den  Aeschines,  wie  er  bei  der 
Sabaziosfeier  tobt  „Tovg  oq>Big  xovg  noQuag  &Ußwp*\ 

In  Lakonien  wurde  Athene  unter  dem  beinamen  Pareia 
verehrt:  vijv  ii  ht  ^j^QTUxdlag  hwüiv  Ix  Jbtigrnig  l/t&ijvSg 
faTTpuev  iftUlriaiv  Ha^elag  ayaXfia  h  vnal&Qwi  Paus.  3,  20,  8. 
Athene  ist  auch  sonst  eng  mit  Schlangendienst  verbunden,  be- 
kannt ist  ja  die  heilige  schlänge,  die  ohovQog  otpig  in  ihrem 
tempel  auf  der  bürg,  nach  der  Sophokles  sie  dqaiMxvXog  nannte. 
So  hiess  sie  denn  bei  Sparta  selbst  rtaQ^ia^  wie  sie  in  der  Me- 
garis  h  ^A9rpfag  ^i9vlag  xakovfihwv  amoniXwt  Paus.  1,  5,  3 
ai&via  „tauchervogel ,  mergns*'  genannt  und  offenbar  auch  als 
solcher  gedacht  wurde. 

Minos  zeugte  kinder  ix  üageiag  vvfÄqnjg  ApoUod.  3,  1,  25; 
als  nageia  ist  auch  die  Echidna  Hesiods  zu  denken,  wenn  es 
Theog.  298  von  ihr  heisst 

^fiiov  fiiv  vvidg>rjv  ekinüfmda  naXXiftdQeiov 
rjpiiov  (f  avxe  niXtOQOv  oq>iv  — 

So  ist  denn  auch  die  schlänge,  deren  ft6a  dem  Minoskinde 
Glaukos  das  leben  wiedergibt,  zweifellos  als  rtagelag  oq>ig  zu 
denken. 

Dass  Asklepios  wirklich  ursprünglich  die  göttlich  verehrte 
Pareiasschlange  war,  wird  noch  weiter  durch  die  etymologie 
seines  namens  erwiesen.  Verfehlt  ist  die  Verbindung  mit  lat. 
8calpo(l)f  einzig  richtig  die  Zusammenstellung  mit  ayuxlana^ei 
^ifißerai  und  anakndfyiv*  ^e^ißtoSag  ßadtCßtv^  beides  bei  He- 
sjch.  Mit  der  erstem  form  axaAa/r-a^My  stimmt  die  thessa- 
lische  namensform  ^Aüxtxhxntog  in  ^^oxalaTtiodovQog  Phalanna 
Smlg.  13308,  wozu  ^AawxXSg  Hermion  3398  b  ti  eine  koseform 
ist,  vgl.  Wox^g  aal  '^axlrjnag  ol  'AaulriTta  Mitth.  10.  13  n.  1. 


320  A.  Fick 

l^GTiKäTt'  verhält  sich  zu  ma^^r-  wie  tivQrfffi  zii  totQaaatOj 
joqaxq.  Zu  ayuxhX'oCßiv  stellt  sich  die  form  ^AaxctXnioq^  die 
PBob.  s.  522,  3  aus  Kreta  belegt.  In  Aiaiiahxnuo^j  wenn  eine 
solche  griechische  namensform  dem  lat.  Aesculapius  zu  gründe 
liegt,  ist  wohl  eine  intensivbildung  mit  ai-  wie  in  nat-^paoato 
dai'dalJUo  u.  a.  zu  erkennen,  ai  statt  aU  stimmt  in  der  ein- 
busse  der  aspiration  mit  iuBOtinovta  der  alten  thessalischen 
Hyloreninschrift  s.  o.  26,  118. 

Auch  der  name  des  Asklepiaden  üodaletgiog  erklärt  sich 
YÖllig,  wenn  man  eine  beschreibung  der  heiligen  heilschlange 
darin  sieht  Die  Zerlegung  in  Ttoda  „den  fuss"  und  Isigiog 
(vgl.  lit.  leüaa  schmal,  dünn),  und  demnach  die  deutung:  tov 
Ttoda  IsiQiov  ex,(av  ist  gar  nicht  zu  verfehlen  und  zu  umgehen. 
Nun  wäre  allerdings  „schmalfuss"  für  einen  beiden,  als  welcher 
Podaleirios  im  epos  erscheint,  ein  wenig  passender  name,  desto 
mehr  für  eine  schlänge,  oder  schlangenfUssiges  wesen.  Die 
namen  Asklepios  und  Podaleirios  bezeichnen  ursprünglich  nicht 
verschiedene  wesen,  sondern  malen  nur  dieselbe  heilschlange  in 
verschiedener  aktion:  als  l^axXTjftidg  bewegt  sie  sich  in  Win- 
dungen daher,  axalrtd^er  ^efißtodtSg  ßadi^ei^^  üttaXartatfii'  ^ju- 
ßeraij  als  üodaXelgiog  steht  sie  aufgerichtet  da  auf  spitzzu- 
laufendem fiisse.  Man  vergleiche  dazu  die  darstellung  der 
Asklepiosschlange  in  der  kunst:  y,sie  wurde  gewöhnlich  aufge- 
wickelt ruhend,  oder  mit  emporgerichtetem  oberleibe  wandelnd 
abgebildet"  PRob.  s.  525. 

Dieser  Schilderung  reiht  sich  KoQwvig  an,  später  als  mutter 
des  Asklepios  gedacht,  ursprünglich  wohl  nur  die  weibliche 
heilschlange,  die  wir  oben  als  ^A^va  üageia  und  vvfiqffj 
nccQela  und  Minos  weih  kennen  lernten.  Mit  der  krähe  xo- 
Qcivf]  hat  Eoronis  wohl  nichts  zu  schaffen:  sie  ist  die  sich 
ringelnde,  zusammengewickelte  schlänge,  xoQwvldsg  heissen  die 
gebogenen  schiffe  bei  Homer,  noQaivri  alles  was  sich  krümmt. 
Ursprünglich  gehören  l^axXriTcidg  tjöb  KoQwvig  auch  metrisch 
zusammen,  wie  IIodaXeiQiog  ^di  Maxatav. 

Der  letzte  name  ist  nicht  direkt  zu  fidxtj  zu  stellen,  son- 
dern zu  fifjxog  ("KccKOVy  voaov).  XuQOfidxcci  hiess  die  hand- 
werkerpartei  in  Milet,  nicht  weil  sie  mit  der  band  kämpften, 
sondern  wirkten:  fJifj%og  iirj%avrj  und  fiäxsad'oti  sind  von  der- 
selben sippe,  zu  fi^x^  gehört  (jLa%aLqa\  an  die  grundbedeutung 


Asklepios  und  die  heilschlange.  321 

y^Yennögen"  schliesst  sich  „gegen wirken,  wehren"  an,  ccfiaxog 
ist  soviel  wie  dfiijxctvog, 

Ist  Asklepios  ursprünglich  schlänge,  so  erklärt  sich  auch 
das  Opfer  des  hahns,  das  ihm  dargebracht  wurde:  der  hahn, 
erst  um  500  v.  Chr.  in  Griechenland  eingeführt,  ist  späterer 
ersatz  für  einen  vogel  überhaupt  (umgekehrt  hiess  ^  o^ig 
später  die  henne),  ein  vogel  ist  aber  für  die  schlänge  ein  schwer 
zu  erlangender  und  desto  willkommnerer  leckerbissen.  In  Thel- 
pusa  —  Paus.  8,  25,  11  —  ist  aus  der  turteltaube  TQvytav,  der 
alten  nahrung  v^qnq  der  Asklepiosschlange  TQvytifif  die  amme, 
17  TQoq)6g  des  Asklepioskindes  geworden. 

Versuchen  wir  nun  dem  gedankengange  nachzuspüren,  der 
zur  Verehrung  der  schlänge  als  eines  heildämons  führte.  Zwar 
ist  die  Vorstellung  von  Schlangenklugheit  uralt  und  nicht  bloss 
bei  den  Indogermanen  nachzuweisen,  heisst  es  doch  1.  Mose  3,  1: 
„Und  die  schlänge  war  listiger  denn  alle  thiere  auf  dem  felde, 
die  gott  der  herr  gemacht  hatte",  und  selbst  die  heilschlange 
ist  auch  sonst  verehrt  worden,  aber  der  weg,  auf  dem  die 
griechen  zu  ihrem  Asklepios  gelangten,  hat  doch  besondere 
Stadien  durchlaufen.  Ausgang  ist  hier  die  künde  der  kräuter, 
die  man  der  schlänge  zuschrieb.  Wenn  sie  durch  gras  und 
kraut  sich  daherschlängelt,  hat  sie  zu  solchen  Studien  die  beste 
gelegenheit,  und  wenn  der  bergdrache  Ilias  22,  93  f.  grässlich 
blickend  voll  wuth  um  sein  loch  sich  ringelnd  den  menschen  er- 
wartet, dann  hat  er  „böse  kräuter  gegessen",  ßeßQumtig  xcnu 
gxxQficnia  liegt  er  da.  Aber  die  schlänge  kennt  auch  ein  an- 
deres kraut,  das  ihr  die  kraft  gibt,  ihr  leben  zu  verjüngen, 
wenn  sie  die  alte  haut  abwirft  und  damit  das  alter  abschüttelt. 
yiJQag  „das  alter"  hiess  geradezu  die  abgestreifte  schlangenhaut 
und  To  yiJQag  hcdvvav  —  Aristoph«  frieden  336  —  sich  ver- 
jüngen. Dies  zaüberkraut,  diese  noa  a  einwog ,  galt  es  der  in- 
haberin,  der  schlänge,  abzugewinnen.  Willig  gab  sie  es  nicht 
her,  der  drache  ist  ja  durchweg  und  nicht  bloss  dem  Griechen 
—  man  denke  nur  an  den  nordischen  Fafnir  -r-  der  neidische 
schatzhüter,  es  galt  also  die  schlänge  freundlich  zu  stimmen. 
Nicht  jede  schien  zu  diesem  versuche  geeignet,  der  giftigen 
traute  man  nur  böses  zu  —  so  wählte  man  die  pareiasschlange, 
die  ijiuata  daxvBt  dvd'Qcijtovg,  Auch  gaben  die  grossen  backen 
ihrem  gesiebte  ein  etwas  menschlicheres,  freundlicheres  aussehen. 
So  nahm  man   denn   die  pareias  in  pflege  und  hut,  gab  ihr 


322  A.  Fick 

quartier  und  gute  nahrung.  Aber  auch  so  gab  sie  ihre  geheim- 
nisse  nicht  jedem  preis,  nur  ihrem  pfleger,  dem  priester,  liess 
sie  solche  in  der  geheimnisvollen  ofifenbarung  des  traumes  zu- 
kommen: das  ist  der  Ursprung  der  inkubation,  der  sich  zwar 
der  patient  selbst  unterzog,  aber  doch  nur  auf  Weisung  des 
priesters  und  im  tempelbezirke. 

Im  weiteren  fortschreiten  des  religiösen  denkens  genügte 
die  Vorstellung  einer  ursachlos  der  schlänge  einwohnenden 
kenntnis  nicht  mehr :  sie  musste  diese  selbst  von  einem  höheren 
wesen  erhalten  haben.  So  trennte  man  den  gott  von  seinem 
fetisch,  den  Übergang  bildete  vielleicht  die  Vorstellung  von  einem 
Schlangenkönige,  wie  die  inder  einen  solchen  kennen,  bei  den 
deutschen  ist's  eine  Schlangenkönigin.  Wenn  Asklepios  die 
schlänge  speisend  und  tränkend  dargestellt  wird,  so  ist  er  es 
jetzt,  der  das  lebenskraut,  den  lebenstrank  der  früheren  inha- 
berin  mitzutheilen  die  macht  hat.  In  solcher  macht  heisst  er 
als  der  kraftspender  die  kraft  selber  —  ^loxvg  —  der  später 
zu  seinem  vater  erhoben  und  noch  später  als  solcher  durch 
Apollon  verdrängt  wurde. 

An  den  lebenstrank  knüpft  sich  die  kur  durch  tränke,  wie 
an  die  rrSa  die  kräuterkur.  Später  wurde  auch  die  luftkur 
herangezogen,  und  so  hiess  Asklepios  dyla6n:rjg  und  alylcnjg. 
Das  sind  natürlich  jüngere  namen,  die  erst  entstehen  konnten, 
als  sich  zunehmende  ärztliche  einsieht  bei  den  Asklepiaden 
entwickelte. 

Die  heimath  des  Asklepiosdienstes  war  Trikka  am  Lethaios 
„^qp*  (jj  6  l^axlriTtihg  kiyerai  yevvrid^vai^*^  Strabo  647.  Dort 
in  seiner  ursprünglichen  gestalt  als  schlangendämon  gehört  er 
zu  den  lokalen  höhlengeistern,  über  welche  Rohde's  Psyche  so 
viel  licht  verbreitet  hat.  Schon  als  schlänge  gehört  er  in  die 
unter  weit,  daher  heisst  es,  Zeus  habe  ihn  mit  dem  blitz  er- 
schlagen mit  der  neuen  motivierung,  weil  er  gegen  die  weltord- 
nung  todte  erweckt  habe.  Apollon  verlässt  in  folge  davon  den 
Olymp,  d.  h.  er  geht  als  Ischys  in  die  unterweit.  Von  Trikka 
aus  hat  sich  der  Asklepiosdienst  über  ganz  Griechenland  ver- 
breitet, und  auf  dieser  Wanderung  die  spuren  des  alten  höhlen- 
kults  fast  völlig  abgestreift.  Asklepios  wurde  der  göttliche 
patron  der  heilkunst. 

Vom  epos  wurde  Asklepios  und  sein  geschlecht  heroisiert 
und  vermenschlicht:    Podaleirios  und  Machaon  sind  als  söhne 


Asklepios  und  die  heilscblange.  323 

des  untadligen  arztes  Yor  Sion  als  ärzte  thätig,  von  ihrer 
dämonischen  natur  keine  spur.  Überhaupt  konnte  das  epos 
die  alten  höhlengötter  als  solche  nicht  brauchen,  es  hat  sie 
durchweg  in  beiden  der  vorzeit  umgewandelt:  so  wurde  der 
Zeus  Trophonios  von  Lebadeia  zum  tiefbaumeister,  die  Dios- 
kuren  von  Sparta,  die  Molionen  von  Elis,  Amphiaraos  von  Oro- 
pos  waren  ursprünglich  an  ort  und  stelle  hochverehrte  dämonen, 
im  epos  sind  sie  blosse  heroen,  auch  Odysseus  gehört  hierher 
als  inhaber  eines  orakels  in  Aetolien  nach  Aristoteles  frg.  bist. 
Graec.  II  147.  131. 

Walsrode  im  october  1901.  A.  Fick. 


Lat.  umbra. 

Lat.  plüma,  lit.  plimksna,  „feder^';  lat.  umbra,  lit   unksna 
„schatten*^;  ksl.  utro  „tagesanbruch^S  got.  üJUvö,  lit.  ükas. 

J.  Schmidt  Kritik  der  sonantentheorie  s.  107  giebt  die 
schöne  vergleichung  und  erklärung:  „Lat.  plüma  aus  *pluxma 
oder  plunxma  :  lit.  plünksna  feder  vielleicht  aus  *plunk^na 
(vgl.  vandena  ans  vadens,  got.  vatins)  zu  abd.  fliogan'\  Ich 
nehme  das  thatsäcbliche  hiervon  durchaus  an,  und  sehe 
^plunksmna  als  gmndform  von  pldma  und  plünksna  an. 

Diese  etymologie  fuhrt  auf  eine  neue  erklärung  von  lat. 
umbra,  an  dem  man  sich  so  oft  vergeblich  versucht  hat  Von 
den  beiden  erklärungen  Bezzenberger's  (o.  I,  342  zu  ai. 
andhäs  „blind'S  o.  V,  104  zu  ovaQ  „im  träum")  ^)  nehme  ich 
soviel  an,  dass  ich  br  auch  aus  sr  entstehen  lasse.  Bedenken 
wir  noch,  dass  neben  r-  sehr  oft  n-suffixe  liegen  (s.  J.  Schmidt 
Neutra  172  ff.  Johansson  Beitr.  z.  gr.  sprachk.  Iff.,  o. 
XVin  1  ff.  ')),  wird  die  vergleichung  von  umbra  mit  lit.  unksna 
,,scbatten"  tadellos  erscheinen.    Auch  hier  gehört  der  guttural 

1)  Stolz  H.  Gr.  I.  2.  326  veimischt  beide:  ^yUnUfra  aus  onsra 
ai.  andhd-^\  wofür  er  allein  verantwortlioh  bleibt. 

2)  8.  84  dieses  aufsatzes  wird  Bezzenberger's  vergleiobung  mit 
ovoQ  modifioiert  angenommen.    Aber  gegensatz  zn  oV'Uq  ist  vn-a^. 


324  W.  Prellwitz    Lat  umbra. 

zur  Wurzel.  Denn  als  solche  ist  für  das  litauische  wort  bereits 
die  von  ükstos  „es  wird  trüb  wetter"  erkannt  ^),  das  weiter  zu 
got.  ühtvö  „morgendämmerung"  gehört.  Die  bisherigen  zu* 
sammenstellungen  von  ühtvo  mit  ankstl  „früh'S  ai.  aktä,  lat 
nox,  vi^  u.  s.  w.  (s.  J.  Schmidt  Neutra  212 ff.,  kritik  der  so* 
nantentheörie  153)  lehne  ich  alle  eben  des  lit.  üksta  wegen  ab. 
Auch  dass  got.  ühtvö  einen  nasal  verloren  habe,  lässt  sich  nicht 
mehr  mit  Sicherheit  behaupten.  —  Zwar  Szyrwids  unhma  könnte 
für  '^ankana  stehen,  wie  Nesselmann  richtig  bemerkt,  aber  üksta^ 
apsifücsta  „der  himmel  bezieht  sich  mit  wölken",  ükc^  „dunst, 
nebel,  trübe  wölken^',  i^na  trübes  wetter,  üzüksmis  „vor  wetter 
geschützter  ort"  zeigen,  dass  der  wurzel  ü  zukommt  Und 
Mezinis,  der  anksti  mit  a  schreibt,  hat  s.  262  neben  uksmS 
und  pauksmis  auch  paunksniSy  wenn  er  auch  das  einfache 
unksna  nicht  kennt.  Also  hat  unksna  altes,  echtes  u.  Auch 
ksl.  iäro  „tagesanbruch"  dürfte  hierhergehören;  denn  es  kann 
für  *üläro  stehen  und  gleich  got.  ühtvö  eigl.  „dämmerung" 
bedeutet  haben.  Schon  Berneker  IF.  X,  156  erklärt  es  für 
nötig,  dies  wort  und  seine  verwandten  (Miklosich  Vgl.  wb.  373) 
von  Sei>$  zu  trennen,  und  hier  zeigt  sich  uns  der  richtige  weg 
der  erklärung.  Brugmanns  Zusammenstellung  mit  ju^  u 
'schon'  (Grdr.  2.  186)  erschien  auch  Berneker  nur  als  not- 
behelf. 

Mit  unksna  das  gleichbedeutende  lat.  umbra  vergleichen 
heisst  also  für  dieses  *unxra  als  grundform  ansetzen.  Aus 
dieser  müsste  *un8ra,  *unßra,  ^unfra,  umbra  geworden  sein. 
Über  sr  zu  fr-,  -br-  s.  Fröhde  o.  XVI,  207. 

Ich  sehe  nichts,  was  dieser  erklärung  entgegenstünde. 
Dass  die  wurzel  ükj  unk  sonst  im  Lateinischen  gar  nicht  be- 
legt ist,  darf  nicht  dagegen  geltend  gemacht  werden,  da  umbra 
in  jedem  falle  isoliert  dasteht.  Umbria  das  „schattenland^S 
ähnlich  benannt  wie  das  Ühtland  in  der  Schweiz  oder  wie 
Austria,  hat  seinen  namen  offenbar  von  den  südlicheren  La- 
tinern erhalten. 

1)  Berneker  Die  preuss.  spr.  b.  280;  er  schreibt  fälschlich  iÜUta 
und  behält  die  vergleichang  mit  ankstl  bei.  Eine  Vereinigung  mit  äklas^ 
aquilus,  anksH  wäre  aber  höchstens  möglich,  wenn  man  neben  ük  ein 
äuk-  ak  :  ä%  annehmen  will,  wofür  sonst  kein  anhält  besteht.  Denn 
ßvTtflXmg*  ttoQ  vno  TvQ{Q)tivtSv  bei  Hesyohius  kann  dafar  nicht  gelten. 

Königsberg  i.  Pr.  Mittelhufen.  W.  PreUtcitz. 


W.  Prellwitz    Anzeige.  325 


J.  Yalaori.     Der   delphische   dialect      Göttingen    Vandenhoeck 
und  Ruprecht   1901.     83  s.     8°.     2.60  M. 

Nachdem  J.  Baunack's  ausgäbe  der  delphischen  inschriften 
in  der  Sammlung  der  griechischen  dialect-inschriften  fertig  gestellt 
war,  lag  es  nahe,  den  delphischen  dialect  einer  zusammenhängen- 
den darstellung  zu  unterziehen. 

Die  vorliegende  arbeit  will  ein  bild  der  lautentwickelung  und 
der  flexionsgeschichte  entwerfen.  Sie  giebt  geordnet  in  der  üb- 
lichen weise  eine  Übersicht  über  das  material,  die  dem  kenner 
ähnlicher  arbeiten  wohl  nützlich  sein  kann.  Im  übrigen  muss  darauf 
aufmerksam  gemacht  werden,  dass  V.  ganz  nach  der  Schablone 
arbeitet^  und  dass  seine  infolge  allzugrosser  kürze  oft  undeutlichen 
behauptungen  nicht  wörtlich  zu  ndbmen  sind.  Das  zeigt  gleich 
der  erste  satz:  1.  „a  entspricht  einem  attischen  «".  Nichts  kann 
unrichtiger  sein,  und  der  vf.  meint  das  auch  gar  nicht»  will  viel- 
mehr nur  sagen,  dass  im  delph.  dialect  bisweilen  da  a  erscheint, 
wo  im  Attischen  e  steht  Einen  lautlichen  Übergang  von  a  zu 
e  nimmt  er  wohl  selbst  in  keinem  der  fälle  an.  So* verträgt  sich 
mit  dieser  ersten  behauptung  auch  die  scheinbar  widersprechende 
zweite:  „a  entspricht  einem  att  o".  In  diesem  stil  wird  die 
ganze  lautlehre  abgethan.  Ich  habe  in  dem  Jahresbericht  über 
die  griechische  dialectforschung  (Bursian's  jahresber.  bd.  106. 
S.  99)  eine  andere  nicht  so  äusserlich  schablonenmässige  behand- 
lung  vorgeschlagen  und  erlaube  mir  den  herm  vf.  darauf  hinzu* 
weisen.  Es  ist  durchaus  nötig,  dass  zunächst  in  den  fachschriften 
die  fortschritte  der  Sprachwissenschaft  wirklich  durchdringen.  Ist 
es  denn  nicht  gradezu  traurig,  wenn  ein  schüler  Job.  Schmidt's 
in  einer  diesem  meister  gewidmeten  sprachwissenschaftlichen  arbeit 
über  ^ATtiXltav  zu  L^Tvoklfav  unter  dem  Vordersätze  „«  entspricht 
einem  att.  o"  handelt,  obwohl  er  nachher  selbst  erklärt,  „das  o 
gegenüber  dem  e  ist  unursprünglich'M  Soll  man  sich  dann  noch 
darüber  wundem,  wenn  die  nichtfachleute  über  jene  äusserliche 
beurteilung  nicht  hinauskommen?  So  verteidigt  im  Bull,  de  corr. 
hell.  XXIV,  1900.  241  J.  Demargne  kret  ßtirwi  (»  ßiOTq)) 
mit  dem  hinweis  auf  ^^ftiXXwv  :  ^SkTtdlkwv  und  ein  deutscher 
Philologe  von  unzweifelhaften  Verdiensten  wie  Hill  er  von  Gärt- 
ringen  druckt  so  etwas  nach  (Hermes  1901.  Bd.  36.  S.  453)! 
Offenbar  befriedigt  es  ihn  nicht,  aber  die  Sprachwissenschaft  hat 
dafür  zu  sorgen,  dass  solche  ganz  oberflächlichen  vergleichungen 
überhaupt  verschwinden. 

Wenn  man  nichts  besseres  beizubringen  wüsste,  bliebe  die 
neue  kretische  form  völlig  unklar,  ja  man  müsste  sie  für  einen 
Schreibfehler  halten.  Eine  lautliche  parallele  dafür  könnte  man 
höchstens  in  thess.  du  «  öia  oder  amorg.  Jievvowt  finden,  die 
aber   an   sich   auch    unklar   sind,   also   nichts   erklären   können. 


326  W.  Prellwitz 

Vgl.  O.  Hoffmann  Die  griech.  dialekte  III,  256.  Dagegen  die 
wortbildungslehre  wirft  ein  helles  licht  auf  unser  kret  ßlerog. 
Indem  ich  auf  meine  auseinandersetzung  o.  25.  281  f.  verweise, 
führe  ich  hier  nur  olxittjg  neben  dfjfidTtjg,  epidaurisoh  ^^tßOLog 
und  ^^IQoaiog  an.  So  stehen  ßiezog  und  ßlovog  als  ableitungen 
neben  den  Stammformen  /?/o-,  ßU-  ^).  Vgl.  auch  i.iyofiieif  liyere. 
Doch  kehren  wir  wieder  zur  behandlung  des  delphiflchen 
dialects  durch  Valaori,  speciell  seiner  auseinandersetzung  über 
^u^nelXanf  ^Anokhav  zurück.  Er  führt  als  beleg  der  ersteren 
form  nur  den  monatsnamen  ^ jiit^lXoiiog  an,  den  er  in  der  her- 
gebrachten weise  von  ^AitilXiav  ableitet.  Aber  gerade  die  del- 
phische Labyadeninschrifb  sollte  uns  jetzt  richtiger  urteilen  lehnen. 
So  gut  wie  die  aiteXhüa^  opfertierspenden  zur  anilXoLj  der  Ver- 
sammlung der  phratrie,  kann  auch  der  monat  nach  diesen  in  ihm 
abgehaltenen  ^ ^TtilXoLi  benannt  sein.  Dann  erklärt  sich  auch  die 
Wortbildung,  die  bei  ableitung  von  '^neklwv  unverstandlich  ist^ 
und  es  passt  sehr  gut  dazu,  dass  der  ^ulfceklctZog  der  erste  monat 
der  ersten  i^afirjvog  ist  Baunack  setzt  dies  in  der  aDmerkung 
zur  Labyadeninschrift  alles  auseinander,  ja  nur  eines  haaree  breite 
fehlt  ihm  bis  zur  richtigen  erkenntnis,  wenn  er  sagt:  „Das  haupt- 
fest  waren  die  *^7tikXai:  es  hat  eben  davon  seinen  namen,  dass 
im  monat  ^^TteXXaiog  die  verschiedenen  phratrieen  gleichzeitig 
aTteXlag  abhielten",  arteklalieiv  ist  nicht  bloss,  wie  B.  sagt,  aus 
den  grammatikern  bekannt,  sondern  vor  allem  aus  der  ^ijvQa  des 
Lycurg  (Plut.  c.  6),  jedenfalls  vor  dem  verdacht,  v(m  ^Jifrelltav 
herzukommen,  sicher.  Überhaupt,  wo  wird  jemals  ein  fest  nach 
dem  monat  und  nicht  viel  mehr  umgekehrt  der  monat  nach  seinem 
hauptfest  benannt?  Hierfür  bietet  der  anfang  des  vierten  teils 
der  Labyadeninschrift  den  besten  beleg :  regelmassige  festschmause 
sollen  sein  ^^niXkai  xat  Botnuhia^  Bi^^Za,  ^aidaq>6Qia,  ÜOi- 
T^nia nai  ^ag>Qi[a  x]al  &eo§€via  ....  tuu  HtiQmleia 


1)  Yorauagesetzt  wird  dabei,  dass  die  kret.  Inschrift  als  ein  einiger- 
massen  zuverlässiges  zeugnis  der  mundart  gelten  kann.  Hiller  y.  G. 
nimmt  ihr  diese  eigenschaft  zwar,  indem  er  oav  xata  ffirifioa[v\vav  als 
zeichen  von  „anconseqaentem  dorismas"  anffasst.  Er  scheint  das  wort 
nämlich  von  ^/ui?,  der.  <fafAa  abzaleiten,  während  es  doch  ohne  zweifei 
9K  ifptffioavva  «»  hom.  i<ffri/Aoavyfi  (von  trifji&,  V^sel)  ist.  Bemerkenswert 
ist  die  behandlung  der  zusammenstossenden  vocale,  für  die  man  elision 
des  a  von  xatd  erwartet.  Sie  erinnert  an  neugr.^a  *;^oi  =  ;^a  l/oi  (Thnmb 
Neugr.  volksspr.  §  10). 

Die  ganze  insohrift  lautet  (nach  Hiller  von  Oärtringen): 

[TJ^ftiy  Jio] 

2o\,  XvwaQtaaHpä,  Kvlidpu^  aifivuv  ayotlfM 

TCfio^Y  iajaatv  aav  xaja(fii\fioc[v]vav, 

avixa  ol  xara  vvxta  dii[ipQ\aSi£y  el  x€v  iv  iad-löii 

[ix  /]ail€7rot7  ßUrou  arai  xal  [Iv  ^<r[t/fo«. 

jiv&€fAa  o 


Anzeige.  327 

und  diesen  festen  entsprechen  sicher  die  delphischen  monatsnamen 
Bovxäriog^  ^Hqaiog^  Jaiäag>CQiogy  noiTQOTViog^  Qao^iyiog  und 
^H(^jLSiüg  und  der  ätolische  uiaiffQiaiog  1902  s ,  der  phokische 
uiäg>Qiog  1728  s,  1877 1.  Also  wird  auch  der  ^^TtelXalog  nach 
den  uiTiUXkai  benannt  sein,  ebenso  der  '^jt^lXuiUiv  in  Tenos 
(Newton  Ans.  inscriptions  of  the  Brit  Mus.  nr.  377,  15)  ^).  Das 
neue  buch  über  den  deljdiischen  dialeot  belehrt  uns  hierüber 
nicht,  die  ^ AniXkai  fuidet  man  darin  überhaupt  nicht,  die 
aTteiXaiCL  oder  äniXlAxia  nur  als  „spenden''  s.  79  unter  den  ganz 
dürftigen  lexicalischen  notizen  s.  79  erwähnt  Allerdings  haben 
die  Delphier  selbst  in  späterer  zeit  den  ^AneXkalog  f^ijv  auf 
ihren  gott  bezogen,  wie  der  nur  einmal  vorkommende  fii^v  ^IdftoX" 
IwvoQ  (1931)  zu  lehren  scheint.  (S.  Kschoff  Leip.  stud.  VII,  363). 
Auch  in  XdXeiov  finden  \ni  einen  ^^rceiJiäiog  (1927s)  und 
einen  fi^v  ^^TtcXhavog  (2300  s).  'Hier  fehlt  es  an  sicherer  er- 
kenntnis,  noch  mehr  im  folgenden  punkte. 

Was  für  ein  fest  waren  die  notvgoma^  Nun,  da  der 
IIoiZQOTtiog  in  den  december/januar  fällt,  feierte  man  offenbar  die 
VQ07t€ci  x^^i^^^'^^  i^  1^™»  ^^^  „zukehrung''  der  sonne.  Aber 
wenn  das  richtig,  was  mag  wohl  der  ^ EvdvOTtotXQOTitog  der 
andern  Jahreshälfte  sein,  der  in  den  april/mai  fallt?  Ich  vermag 
das  rätsei  nicht  zu  lösen,  glaube  aber  auch  nicht»  dass  Usener 
(Götternamen  s.  79)  es  gelöst  hat  *).  Der  herr  vf.  aber  leugnet 
diesen  monat  überhaupt,  indem  er  Johannes  Schmidt 's  (KZ. 
XXXTIT,  394)  Vermutung  folgt,  der  aus  i^imvbg  ivdvg  noiTgo- 
Tiiov**  „delphisch  ivövg  innerhalb"  entnahm.  Aber  wie  denkt  V. 
sich  f^ivdvg  mit  dem  dativ  IIoiTQomtDi*\  wie  er  selbst  s.  25 
citirt?  Dass  ein  lehrbuch  über  den  delphischen  dialect  diesen  monat 
ohne  jedes  weitere  wort  der  aufklärung  aus  der  weit  schafft,  ist 
denn  doch  erstaunlich. 

Das  umfangreiche  material  ist  eben  gar  nicht  ausgenutzt. 
Auch  die  sprachwissenschaftliche  litteratur  wird  zwar  öfters  citirt, 
aber  es  fehlt  dem  vf.  nicht  nur  an  eignem  urteil,  sondern  auch 
an   beherrschung  der  deutschen   spräche.     Besonders  da,   wo   er 

1)  Auch  HmXXaSj  ^mXXrlg^  ^AniXXi^^og  u.  ä.  wird  man  nan  eher  auf 
den  jimXXalog  beziehen  müssen,  was  schon  Bechtel-Fick  Gr.  Personen- 
namen 8.  64  als  möglich  erklären.  Die  belege  fHr  das  f  von  jiniXXtaiß 
schwinden  also  sehr  zusammen. 

2)  Usener  stellt  ^EvSvs  a  Mios.  Eher  ist  duvto,  fv^vats'  xawa» 
^vats  (Hea.)  oder  dva^  in  dem  ersten  teil  zu  Sachen  wie  vielleicht  auch 
in  dvaiqog'  vno  Maxedoveav  /^rjv  (Hes.).  Dann  müsste  man  eine  ver* 
Schiebung  des  monats  von  der  Sommersonnenwende  annehmen.  Oder 
sollten  *SpSv9nonQ6nut  die  wendung  der  sonne  zur  vollen  sommerkraft 
feiern?  Dann  wäre  an  neQi^vaai'  n^qiSvvaatu  (Hes.)  ^deva,  du  „stark 
sein"  in  SinrnfiM  (Fick  Vgl.  wb.  ^  I  457)  und  zwar  an  ein  wurzelneutrum 
düü'  zu  denken. 

Jedenfalls  hat  der  noirqonioi  6  divregos  in  nro.  2090  (der  zeit 
nach  identisch  mit  2176),  2161,  der  ebenso  wie  der  nongoTiios  6  ngtL- 
TOS  in  der  ersten  Jahreshälfte  und  wohl  nur  im  Schaltjahr  vorkommt| 
mit  dem  ^Efifdwmonqomog  nichts  zu  thun. 


328  W.  Prellwitz    Anzeige. 

eigene  ansiohten  darzulegen  versucht,  macht  sich  dieser  doppelte 
mangel  peinlich  fühlbar. 

Seine  darlegung  über  eigi^va  elgdva,  die  gut  die  hälfte  einer 
Seite  einnimmt,  schliesst  mit  der  denkwürdigen  erklärung,  dass 
(nach  Ejetschmerl)  hier  ein  Wechsel  von  ä  mit  e  vorliege,  aber 
jedenfalls  das  t]  noch  nicht  klar  sei.  Danach  hat  er  die  vorher 
citierten  bemühungen  der  andern  gelehrten,  das,  wie  er  selbst  lehrt, 
jüngere  ä  zu  erklären  (denn  rj  ist  neben  ^ifr^a,  ei(pf;xa,  att.  elqfijvrj 
natürlich),  offenbar  gar  nicht  verstanden.     S.  s.  9. 

Dass  strittige  punkte,  auffallende  erscheinungen  wie  tj  neben 
et  aus  ersatzdehnung  ^)  klar  hervorgehoben,  die  verschiedenen 
Zeiten  angehörigen  quellen  auseinander  gehalten  werden,  ist  da- 
nach nicht  zu  erwarten,  öfters  finden  sich  ganz  verschieden  zu 
beurteilende  dinge  nebeneinander  oder  nicht  zur  sache  gehöriges 
herbeigezogen.  Dass  dies  urteil  z.  t.  noch  nicht  scharf  genug  ist, 
wird  folgendes  lehren.  S.  39.  §  28  absatz  4,  der  über  „yX  für 
xk"  (richtiger  wäre  ^X  zu  yl)  handelt,  heisst  es:  „Statt  iy  Jia- 
ßvaäav  will  Baunack  (Verbess.  u.  nachtr.  zu  den  delph.  inschr. 
p.  957)  iy  ^o9Q(J!iv".  Zur  sache  gehört  das  ja  zwar  gar  nicht» 
immerhin  aber  staunen  wir  über  die  kühnheit  solchen  woUens, 
sehen  nach  und  finden:  Baunack  verbessert  nachträglich  einen 
druckfehler  seiner  eigenen  anmerkung,  wo  der  setzer  statt  des 
unbekannteren  koppa  ein  phei  angebracht  hat,  V.  aber  fasst  dies 
als  änderung  im  text  des  Steines  auf. 

Die  3.  sg.  impf,  von  elfil  heisst  in  den  tempelrechnungen 
aus  der  zeit  Alexanders  (nro.  2502  Bss)  echt  dorisch  ^g,  in 
einer  freilassungsurkunde  viel  späterer  zeit  (182  v.  Chr.  nro.  2061«) 
kommt  Tjv  vor.  Dies  ist  natürlich  aus  der  Umgangssprache  ein- 
gedrungen, V.  aber  erklärt  jenes  altdorische  ^g  s.  41  §  29  als 
ergebnis  einer  assimilation  eines  auslautendem  v  an  anlautendes 
(j.  Und  doch  folgt  auf  rjg  an  jener  stelle  eine  pause  und  dann 
vocalischer  anlaut:  ^Etvf^dpdagl 

Man  sieht,  die  bahn  für  eine  wissenschaftliche  behandlung 
des  delphischen  dialectes  ist  noch  frei.  Eine  sehr  dankenswerte 
Zusammenstellung  des  materials  bietet  jetzt  Dr.  Carl  Wendel 
in  seinem  „Wortregister  zu  den  inschriften  von  Delphi" 
in  der  Sammlung  der  griechischen  dialect-inschriften  bd.  IV.  IL  2, 
worauf  ausdrücklich  aufmerksam  zu  machen  ich  nicht  unterlassen 
wUl. 

1)  S.  16,  fitodu  (vgl.  8.  76)  wird  hier  ganz  übergangen. 

Königsberg  i.  Pr.  Mittelhufen. 


Register. 


329 


Register. 

I.  Sachregister. 


Ablaut:  spuren  alten  declinations- 
ablauts  in  den  g riech,  stamm- 
namen  243.  Ursprüngliche  ab- 
stufung  der  n- stamme  im  Lat. 
195;  der  participia  auf  -rU  181, 
der  participia  auf  -m«fio  (lat. 
mino)  zu  mno  302  ff. ,  lat.  -Uro- 
zu  'tr<h  212  f. 

Accent:  eine  spur  des  idg.  satz-a. 
153;  betontes  idg.  mm  (2.  sg.  zu 
0smi)  wechselt  mit  enklitischem 
ssi  36.  a.-wechsel  zwischen  einem 
oxytonirten  ethnioon  und  dem 
gleichlautenden  individualnamen 
257;  zur  betonung  der  lit.  yerba 
auf  -Hl  178  n.  Wirkung  des  a. 
bei  der  lat.  vocalsynkope  204  f. 

Composition:  kurzung des  zweiten 
gliedes  von  Zusammensetzungen 
113.  Vgl.  eigennamen  u.  stamm- 
bildnng. 

Gonju Ration:  Bildung  der  inten- 
siva  im  Oriech.  und  Sanskrit 
232.  Die  endunff  der  1.  sg.  prs. 
ö  aus  öu  entstanden  153;  diegot. 
endungen  auf  ^au,  -dau,  ndau  : 
skr.  tu,  niu  ■»  tai^  rUai  :  ti,  nU 
158,  die  lit.  endung  -du  153, 
skr.  dadttü  n.  a.  154.  —  Das 
dorische  futurum  gleich  dem 
litauischen  169  ff.  (anders  noch 
s.  34).  Das  lit.  futurum  in  den 
dialecten  174,  formen  ohne  «'  177; 
die  lit.  conj.  klasse  der  verba 
auf  -uf,  eti  ist  gleich  der  gr.  von 
fpikita,  (pdfjauf  172 ff.,  der  lit. 
Optativ  in  den  dialecten  174  n.,  in 
alten  texten  175,  sein  Ursprung 
176.  Bildung  des  sigmatischen 
aorists ,  bes.  der  aoriste  auf  -<rora 
soff.,  die  conj.  der  verba  con- 
tracta  im  ThesB.  zunächst  gleich 
der  gemeingriechischen,  dann  all- 
mählich in  die  f(«-conj.  überge- 
führt 117.  —  Das  e  im  imperf. 
der  lat.  3.  ooi^.  271.  —  Lit. 
neubildungen  auf  grnnd  einzelner 


conjugationsformen  177.  —  Der 
lett.  debitiv  eigl.  ein  infinitiv  68, 
der  infolge  des  zusammenfallens 
mit  der  3.  pers.  sg.  ind.  bei  den 
thematischen  verben  durch  diese 
verdrängt  wurde  70. 

Gonsonanten:  behau dlung  zweier 
aufeinanderfolgenden,ursprünglich 
mit  8'  anlautenden  silben  im 
Griech.  232.  —  Aspirata  för 
tenuis  neben  v  in  griech.  dia- 
lecten 234,  tenuis  für  aspirata  in 
der  nähe  von  fA,  ^'  285;  ver- 
schiedener Ursprung  von  aa  und 
dem  entsprechend  verschiedene 
behandlung  23 f.,  bes.  im  Kre- 
tischen 34.  Thessal.  aa  für 
ai  vor  vocal  122;  thess.  <f  für  C 
118,  V  ifptXxvOTix&p  im  Alt- 
thessal.  118.  Aul.  a  neben  an- 
lautendem ijf  114.  —  Lat.  anl. 
/-  aus  anl.  gh  134 ff.,  /•  ans  hl- 
139 f.  142,  gr,  al  aus  idg.  ghr^ 
ghl  141 ;  idg.  ^A  wird  inlautend 
nach  kurzem  betontem  vocal  zu 
h  129  ff.  nach  langem  vocal  und 
unbetontem  kurzen  zu  g  131  ff.; 
idg.  M^  zu  lat.  U  203,  lat.  Ict 
durch  Synkope  entstanden  203; 
lat.  IffznU 207,  -xr-  zu  -br-  324. 

Declination:  zur  decl.  einsilbiger 
Wurzelneutra  im  Idg.  225 ff.  — 
Instr.  sg.  der  ä-stämme  auf -Sn  311. 
Dat.  plur.  der  3.  decl.  im  Griech. 
35,  altthessal.  «r»  neben  jün- 
gerem 'iaa&  118;  gen.  auf  -foi  von 
nominativen  auf  ris  im  Milesi- 
sehen  278.  —  Ursprung  der  lat. 
5.  d.  266,  Verwandtschaft  zwischen 
ie  und  t-stämmen,  Vermischung 
mit  «a- Stämmen  266  ff.  casusbil- 
düng  der  5.  decl.  274  ff.  —  Ver- 
wandlung der  feminina  auf  •?  in 
solche  auf  -m,  wodurch  im  Lat. 
und  Germ.  Übergang  der  adjeo- 
tiva  auf  -us  in  die  t-decl.  veran- 
lasst wird  274  f. 


IMtftg«  s.  kn<l«  4.  Indf.  Bpraehvn.    XXVII. 


99 

»0   ^ 


330  Register. 

Dialecte.     Zum    lesbischen    d.  sehen     110 f.,     zu    den    i.    von 

281  ff.,  zum  arkadischen  283ff.  Amorgos     113,    zu    thessali- 

zum  thessalischen  280f.;   zur  sehen  116  ff.,    zu    metrischen 

Stellung    des    boeotischen    d.  griech.  i.,    deren  verse    entstellt 

257;   Verbindung  von  Thessalien,  sind  120  f.    Eine  kretische  i.  826. 

Euboea  und  Osthellas  257.    Reste  Lehnwörter:    griechische    I.    im 

ionischen  d.  in  den  inschrifben  Lateinischen  und  Oskischen  196, 

von  Magnesia  a.  M.,  besonders  polnische  im  Litauischen  175  n., 

in  den  ausdrücken  des  katasters  lettische  im  Litauischen  167. 

278  f.  Oeschichtlicher  hintergrund  L  y  k  i  s  c  h :  Wahrscheinlichkeit  indo- 

der  gründungssaffe  von  Phokaea  germanischer    herkunft     des    L. 

123  ff.    —    Yergleich    des    Alt-  299  f.     Endune  der   1.  pers.  sg. 

slovenisohen  mit  den  heutigen  auf  -u  296 f.,  das  pron.  pers.  der 

bulgarischen    mundarten    165.  1.    pers.    amu    und    mu    294  ff. 

Die    mundart    der    slavenapostel  Prasensflexion  800. 

südostmacedonisch  166.  Monatsnamen:  die  griech.  m.  von 

Eigennamen:    Über   iranische  von  festen  hergeleitet  325  ff. 
e.  74,  neue  griechische  e.  auf  Mythologie:  Asklepios  eigl.  eine 
den  insohriften  von  Magnesia  a.M.  heilschlange  319  ff.;  fiber  die  heil- 
287,   vater  und  söhn  führen  voll-  kraft  der  schlangen  813 ff.;  heimat 
namen,    in    denen    ein    dement  des  Asklepiosdienstes  322  f. 
gleich  ist  288,  namengebung  nach  Ortsnamen  s.  eigennamen. 
göttem  288,  heroen  289,  nistori-  Präfixe:  vor  consonantischem  an- 
sehen personen  289,   nach  tieren  laut  lat.r«-,  nicht  r««^- 300  ff.  Die 
289  f.   —  Über  einige  griech.  e.  Verdoppelung  des  folgenden  con- 
120  ff.      Kosenamen   neben    voll-  sonanten   folge   von  syncope   des 
namen  111,   234,   249,   gekappte  reduplicationsvocals  800  ff.  (anders 
kosenamen   111,    118,   262,    ein-  211   n.  4). 

stämmige   149.  288.     Spitznamen  Rigveda:  alter  und  heimat  des  R. 

von  personen  290,  Spottnamen  der  145  ff.,    iranische    spuren    im   R. 

Nordgriechen  249.     Ethnioa  ge-  s.  76  ff.,   bes.  80.   100.   103.     R. 

bildet  wie  personennamen  233  ff.,  I,  53  s.  77  f.;   I,  80,  12  s.  101  f.; 

kürzung    zweistämmiger    Völker-  I,  103,  3,  s.  103;  116,  24  s.  78 f.; 

namen  124.244.258.  260.  262.  —  117,  4  s.  79;    122,  3  s.  104;   II, 

Zu  den  griechischen   Ortsnamen  7,  1  s.  79;  30,  2  s.   105;   31,  8 

183 ff.  8.  81;  IV,  5,  12  s.  106;  33,  7  s. 

Ethnica:  s.  eigennamen.  81  ff.;  V,  43.  18  s.  83f.;  VI,  75,  1 

Etrusker:  eigennamen  der  £.  auf  s.  85;  Yll,  83,  2  s.  89 ff.;  VIII,  17 

'tru  und  iur  »-  gr.  -diSgos  48  ff.,  s.  92  f.;  IX,  10,  8  s.  93;  X,  83,  3 

bes.   55.    —    Etr.    Wechsel    von  s.  107  ff.,  40,  1  s.  94,  61,   16,  s. 

au   und   a  56,    von   tenues   und  95 f.,  61,  16  s.  95  f.,  68,  1  s.  96  f., 

aspiratae  53.     Svarabhaktivocale  72,  8,  9  s.  99,  77,  2  s.  108  f.,  89, 

54.    Bemerkungen  zu  den  e.  in-  18  s.  100,  105,  7  s.  100  f. 

Schriften   68  ff. ;    zu    den    ersten  Stammbildung:  wurzelstamme  auf 

werten    der   grossen    campano-e.  U,  eu  267  f.,  abgeleitete  nominale 

inschrift  154  ff.  stamme  auf  it,  t  («o)  268,  verbale 

Homer:   An  das  ursprünp;liche  ge-  269 ff.;  nomina  auf  0,  ei,  i  neben 

dicht  vom  zom  des  Achill  sohloss  verbis  auf  eio  270;  das  -ä  und  •« 

sich   zunächst    eine    erweiternng,  der    verbalstämme   identisch  mit 

dann  eine   erbreiterung   1.     Die  dem  -ä  und  -9  der  femininen  sub- 

versabzählung  ein  mittel  zur  fest-  stantiva  271 ;  tb  und  i  nach  langer 

Stellung  des  urspr.  umfangs  dieser  Wurzelsilbe  neben  io  und  f  nach 

teile  2  ff.  kurzer    Wurzelsilbe    bei    den    tb- 

Inschriften:    bemerkungen    und  verben  im  Germanischen  und 

ergänz nngen   zu    den    insohriften  Lateinischen     (vollstufe      des 

aus  Magnesia  a.  M.  im  thessal.  suffixes  ist,  «t,  ei)  272  f.  Übergang 

lesb.  und  arkadischen  dialekt  von  o-  in  t-stämme  in  der  oompo- 

280ff.,  291,  zu  den  altkorinthi-  sition  im  Lateinischen  217. 


Register. 


331 


Saffize :  Idg.  r-  und  it-suffixe  neben- 
einander 328,  grriech.  -oy  233,  -Sw 
242,  -orra  242;  etnica  auf  -tos  im 
Nordgriech.  252.  257,  ow,  -ovrog 
neben  -tuv,  •  ovog  255;  nominative  auf 
-oyy  aus  dem  gen.  plnr.  entstanden 
256.  259,  auf  -äorroc,  -fitnos  aus 
dem  loo.  plur.  auf  -ä<r<,  ijor«  259, 
auf  'U)g  aus  dem  loo.  auf  -i  259, 
auf  'dg,  d^os  aus  adverbien  auf 
-d^i,  dirfv  261  auf  -€vg  von  loo. 
auf  17V,  €1;  260.  Von  Ortsnamen 
auf  -<Mx  wird  das  ethnicon  nicht 
weiter  auf  -€t€vc,  sondern  nur 
auf  tvg  gebildet  260,  s.  -wog,  lat. 
inu8,  ulnus  bei  stoffadjectiyen  191, 
lat.  sU  216,  lens  neben  UfUu9  222, 
-eUus,  eUu8,  ühts,  dilus  201;  lit 
masculina  auf  imw  neben  fem. 
auf  -e  187. 

Synkope:  s.  yocale. 

Syntax:  zur  s.  des  Infinitivs  und 
debitivs  im  Lettischen  68.  71  f. 

Vocale:  Behandlung  auslautender, 
gestossen  betonter  langdiphthonge 


im  Idg.  152;  Wechsel  von  o  und  e  in 
der  Wortbildung  326;  von  o  und 
0  in  epirotischen  namen  246 f.; 
lat.  anl.  loi-  wurde  zu  &,  bevor 
der  wandel  von  ot  zu  00,  t«  be- 
gann 138.  —  Vocalsynoope  im 
Lateinischen  188  ff.,  im  Oskischen 
und  Umbrisohen  196,  einfluss  des 
folgenden  vooals  ist  dabei  nicht 
nachzuweisen  198;  die  erhaltong 
des  vocals  erklärt  aus  den  Wir- 
kungen der  analogie  in  wort- 
gruppen  199.  205.  209.  Die  syn- 
oope  unterbleibt  zwischen  m-n 
und  n*fn  202  f.  —  Zweierlei  halb- 
vocale  in  der  slavischen  urspraohe: 
geschwächte  vor  silben  mit  voll- 
lautendem  vocal  oder  stärkerem 
halbvocal,  stärkere  vor  silben  mit 
geschwächten  halbvocalen  163. 
Wortbildung:  ursprl.  selbstän- 
dige Wörter  als  8uf6xe:  -a^pov 
233  ff.  238,  -on,  -am,  -wno  288  fi. 
w.  durch  hypostase  in  lat.  pfi' 
mSre»  46  fi. 


Sanskrit. 

akts^  824 
akrä  108 
dgohya  88 
äfda  224  n. 
(Mi  224  n. 
aridhäyat  77 
doat  238 
avrhd  81 
iffOii  112 
Uta  178 
ütd  288 
ti^'  208  n. 
^ka  166  f. 
kamamüia  168 
kfUi  210 

jätubharman  103 
jtmüta  85  f. 
tarfäyati  204 
Urä9  224  n. 
dkr^jati  130 
fiahi  185 
mpuna  224 
mbhansdhi^iha  94 
ptHleaiha  204 
pa^  224 


II.  Wortregister. 

para  227  f. 
paratn  228 
pari  228 
panti  226 
parS  227 
pdrena  226 
parvan  224  n. 
pära  223 
pM  208 
puräs  227 
purva  227 
pro-  226 
prathamo  227 
pravanä  226 
prS^r  227 
pranta  228 
o/iAan  129 
W%ah'  204 
&A4;Vi^t  168 
bhanäkti  168 
&At«r<«^'  188 
ftAii'rt  188 
mäyS  810  n. 
mMfayaÜ  210 
raÄ^ifo  109 
rdoaii  142 
rö«  267 


rieätUu  98 
r^  106  f. 
t?<fyii<t  178 
vavau  178 
vasarha  104 
t?Sra<  194  n. 
o^M  101  f. 
vyäpSra  224 
vroMa  191  n. 
fonkHa  204 
ppfuS  107 
fraf  ^  80 
sina  105 
«oaru  195  n. 
wid  268 
Art»  142 

Iranisch,   f A vestisch 
unbezeiohnet.) 

kathwa  75 
Kanna^Qxia  75 
bibl.  KaphiMr  75 
ÄMtra  74 

pers.  AmAimA;  108 
jaidhyümi  250 
ap.  Tayuofa^xijc  105 
taro  224  n. 

22* 


332 


Register. 


dotnSna  226 

nigraire  270 

nmäna  226 

ap.  paruviyaiah  227 

paro  227 

IIojda^dS^QflS  75 

psretu  222  n.  223 

fttiiVt  188 

Dpers.  berf  102 

maMman  268 

ap.  vazraka  104 

oa/Va  101 

vifra  101 

np.  r^  107 

bosporan.  £dTv^  74 

«Aä<«  216 

ap.  Bhiyätt  216 

Bkyaoma  149 

Skythisch. 
KaqfATiuXovx  74 

Armenisch. 
stiM/  106 

Griechisch. 

::4/Sa;  254 
ctßXriQ<nf  (Hes.)  45 
thess.  ayyQsanf  291 
^^Jlai/^df  112 
^^^ato«  250 
uiy^tfAOVig  (Hes.)  250 
lAygiävig  u.  ä.  233  f. 
maked.  Idiqomg  n.  ä.  238 
a£;^fyc(  (Hes.)  186 
jiiävig  237 
epidaur.  uiCiaios,  ^Co- 

aws  326 
"A^fiavig  234 
At^uees  241 
Ai^loms  264 
c^rxi;  232.  240 
Atfjiovis  251 
AlfiwCa  278 
Aivtävsg  u.  ä.  235 
AioXiSiXg  254 
«roAo;  240 
atnokog  208 
maked.  Atenos  289 
aia^avofAM  205 
ion.  AtaxQaag  285 
a/aao)  232.  240 
o;(V(xf  233 
AhtoXog  249 
uixaqväveg  235 
dxfir^v  811 
äxfinvog  Sil 
IdxQaüptov  235 


^fjrrofrof  258 

:<Aiiri7;  249 

I^JU^af  288 

maked.  ^Alfirnntg  288 

aZi/Ca  (Hes.)  235 

l^AvC^Mx  235 

thess.  liifjLiUfaag  122 

jifivuvoi  243.  245 

uifAvfiovig  248 

*4fA(p^xTvov€g  u.  ä.  242 

jivayv^daiog  259 

^ycMMxra  118 

avaxalov  118 

oy^^fti^ro;  239 

arra  224  n. 

afT^  224  n. 

:^oyc;  233.  236.  265 

inmianf  283 

boeot.  d7r€U^c(/)ofT£( 

151  n. 
dor.  d;r€Ua(c»r  826 
delph.  uiTtmai  326 
delph.  :^7raAaw  326  f. 
ten.  AmXXauov  327 
jiniUw  326 
jimqovTol  250 
aniQiCaiog  223 
dnfiv^a  145 
L4;rto  262 
^nidavijeg  262 
"ATudoveg  262 
^Anodonot  249 
änQOftCuamog  806 

'^^öJUx;  259 
J^^oA^.260 
*'AQyog  nelaayutov  251 
'AQxddeg  284.  261 
*AQxaa(Sijg  260 
aQxiaaat  261 
*AQXTäv€g  234 
"Analog  249 
a^ij;  267 
*^or6^  285 

thess.  *^orxaJUx;r»o(  819 
hermion.  'Aaxalag  309 
kret.  *^(rxixjl;r»d(  320 
'AaxXag  319 
"AaxXfinäg  319 
"AaxXfiniog  819  f. 
äororoy  240 
düxi^otQog  238 
'^r^/f  258.  263 
'^T^vrayff  234 
^Amxog  258 
avili^^oy  45 
Ai^aia  111 
avof  232 


avToxaqißog  (Hes.)  285 
avxofjtmog  312 
'Axai^og  240 
dx^Q^ig  197 
ajlfijv  185 
dxvff^io.  185 
dy/i<pig  (Hes.)  116 
dipsipitüv  (Hes.)  116 
"Ay/i(fftjg  116 
*Ail/€<püap  116 
/9aJUoi  270 
BeXfpoi  254 
kret.  /Sc^o»  325 
ßXrixQog  133 
/9oi7^;  113 
BoMtiroc  257 
delph.  Bovxdrta  327 
ßovx6Xog  208 
/9^<;t"  136 
BQtaQihv  4 
Boi^o^  185 
yiivoutu  274 
yci^ea  274  n. 
TlEyoaro»  u.  ä.  246 
yXafpvQog  141 
Tip«^?  256 
^^a£»f(  256 
ripatx£;  256 
r^ffixo^  256 
yQuOTtg  141 
Ti^o»  256 
rj^aoiy  289  f. 
y^vfoi  141 

delph.  Atf^atpoQiog  327 
(Ta^a;  167 
^«ju/ix  111 
lak.  AafjLoUt  112 
Aavaoi  261 
(foi^ac  (Hes.)  261 
maked.  SdgvXXog  238 
SixofiM  183 
däXXi&tg  191 
dionorrig  267  f. 
<f£uf0  167 
Sixouat  133 
<fi7fcoff  194  u.  n. 
dutCvto  167 
ÖMfin^Qig  223 
duLTtQvawv  223 
Aidaarat  242 
AiSaCßiov  110 
aeol.  dtSwsd^i  282 
boeot.(f  «caac/Jt^cMTC  1 51n. 
AoiaoTog  246.  247 
AoXomg  238 
douog  225 
AoQvaaog  113 
AQvoneg  238 


Register. 


333 


Jviariu  246.  247 
Jvfiävsg  285 
/Iwßntlvoi  246 
^ttqCs  n.  ä.  288 
^Eyyilävig  284 
"'Byxi^g  242 
^E(y)xT7tvis  256 
!ey;^cjldv€c  u.  ä.  234 

h'X^^  142 
*E^4aTM  251 

€/  36 

dor.  «fx»  282 

'"Expofios  183 

!Elc^ikiff  257 

liKUiivcf  n.  ä.  289 

'^BXlones  u.  ä.  289 

mo^/  289 

ifinä  144 

ifinäv  144 

f/Änäs,  tl/ÄnäsC^)  144 

ifÄTtrig  142 

liNfoy  226 

delph.  *EvSv9nonQ07iios 

327 

#yi?i}f  233 

thess.  i^ttxaSdriv   118 

^EoqdtaTM  242 

*Eneio(  261 

inC(Aaatog  306 

ther.  l/i/itrao^oc  114. 116 

boeot.  fnnaaK  255 

i^ßiv&og  193 

Mgiwa  209 

1^17  112 

thesB.  iaaafiofv  281 

#(ra/  36 

Bvxa^fiog  255 

ct/li/pa  44.  45 

BvQvaXog  185 

ciwvc  44 

JEvQvwävig  286 

BvQWtiog  245 

*ExiäioQog  288 

boeot.  Fa^t&aios  151  f. 

i^a/to  110 

>rAr«oc  268 

f  »Ol  282 

delph.  *H^aw  327 

delph.  ^jffgaxUios  327 

il;fcrr»  185 

*ri  132 

i^fff  (Hes.)  135 
GaXaftat  184 
delph.  Gto^ivMg  327 
€^anqmt6g  247 
6K<r(ria6f  249  f. 
^my6vig  115 
eio^pc#toc  250 


^i/avro;  289 
^Quiatog  259 
Iff/ro)  113 
Vßxoff  236 
*IttvCaxog  237 
iaofAat  118 
Vaw£ff  236 
/apoV  113 
7aff  124.  236 

l«;t'i  132 
7acuy  124 
/<r^a  271 
ioD.  /£^^ai(  279 
rxoi  232 
'//i^^£;  251 
Ifjtipag  251 
tfi^iog  251 

Wcra»  u.  ä.  (Hes.)  112 
"/rayoff  112  f. 
•/raril2 
i(f>&ifiog  267 
ra>;ioy  (Hes.)  251 
"/wAov  251 
*'/(w  124.  236  f. 
KadfxiTot  256 
KuSfiog  (Hes.)  255 
xddfÄog  255  f. 
üTaAZaiff  u.  ä.  249 
AcxAcn/^oi  83 
Jir<t(»i'£M>ff  235 
Kd^fl  (Hes.)  235 
Kdgvog  236 
Xa^(£)a);rd(  245 
KaafAvlog  255 
xdaaaad-ai  255 
KaaaaiTiol  244 
xixadfjtivog  255 
Kilai&ot  u.  ä.  241 
ion.  x£y£off  192 
kypr.  x€V€v^6v  192 
att.  x€rdff  192 
KtadvdQu  255 
A€^aUffy  248 
KiipaloCdiov  248 
Ä-i}?  235  f. 
A:a»x£c  263 
iCAf^o)  270 
xAi7/ff  206 
KXvraifii^aTQa  290 
KotltonoC  240.  245 
Kolol(fQv^  258 
dor.  xotyar  283 
xotvtovog  233 
KofATtiamv  185 
xoQv&aUi  240 
Koqtavig  320 
xoafiog  255  f 
Xoi;^(  248 


JTov^foy  248 
Kqavttlxfiri  258 
xTiavfjxfig  (Hes.)  135 
JiTv^^^crra«  242 
^dxan'  260.  262 
Zä^iydff  194 
aetol.  Aatf^idiog  327 
phok.  Aa(fQiog  327 
Z€^^M>y  139 
Xfi^oV  139 
i«*;^^  136 
Acv>/aZ/off  138 
XiXt*v6g  231 
^0x^0/  250 
Avyxriaxai,  242 
Avypdff  138 
Avxtttav  234.  237 
^vxryoff  290 
Avxioi  264 
^vra^  185 
Mayvi^g  252 
finloiiat  306  ff.  310 
fialaxv  193 
Afffxfdojy  242.  243 
Maxtdvog  242.  243.  252 
Maxira  242 
Afax^^  258 
MdxQotveg  258.  264 
^aAi7  309 
MaiTtreuff  260 
^a^^  308 
^aa;>iij(ff)  305 
fxdati^  805  u.  n. 
fActarig  305  u.  n. 
fiaarCüi  305  f. 
el.  fjLaajqdai,  u.  ä.  308 
fiaOTQonog  308 
fiaOTQog  308 
fjLuaxdXn  309 
/u<tTaM>c  312 
^Marav  (Hes.)  808 
ILiardü}  311 
fÄOTaxog  (Hes.)  308 
^oTcrv  308 
/iaT^(y)  311  f. 
/ucrnj^  308 
fiOTQvlri  308 
Mttj^aoyy  320  f. 
/uayi}  310  n. 
fiaxofJLtti  310  n. 
/nt/natüg  312  f. 
Miviarair  251 
M^vy»?ff  126  f. 
MiQomg  239 
Mearjvif  291 
fjiixafjitaviog  309 
fieravaarrig  254 
Mejuxoiov  1 1 8 


334 


Register. 


(uraxlf^iftfü  (Hes )  116 
(iifioi  310  n. 
thess.  Mvaaaas  121  f. 
/^vo£a  252 
fjLoxXog  235 
Mvctviq  236 
Mwrv^g  286 
MvQfitixeg  184 
MvQfJLtdovis  258 
fivQfJLos  (Hes.)  253 
MunXrjvTi  262  f. 
Muratig  262 
AfuTOiy  262 
boeot.  AfoiJlcot/ro;  149 
^(SAoff  310 
ficOfAt;  SU  n. 
^oiilv;  310 
fictfyiij  (Hes.)  311 
fiwvMg  (Hes.)  811 
NvutfttiSiog  260 
JV^i^tfM);  288 
yftiA«^^;  168 
dor.  ^wav  233 
ion.  Sweanf^fi  283 
SvntTauAv  259 
^MTorci;  260 
o(ai  (Hes.)  250 
t)CoiUK<  250 
d^^yi;  173 
oiCvg  168 
ofo/uai  209 
OtvtSnts  239 
ofo»  206 
''Olox^of  250 
X)Xvfi7i(a  185 
''O^wccAc;  243  f. 
^Ovoneqvog  244 
'OnXodfx(a  255 
'OnXoafjL(a  255 
*0^^(rra»  242 
o^o/So;  193 
o^t;;^i7   132 
OyarUts  126.  128 
ovli}   191   D. 
Oi/^aiy  280 
ovx^  135 
t)y«ra(ff)  257 
'CkpuZs  249 
'O^M>i^;  249 
"0/1?  183 
att.  Hatavta  124 
alt.  Ilaiovtdair  124 
naupaaam  270 
TraXdfAri  193 
navd^aoi  112 
ÜovoQfiog  183  f. 
Tra^  228 
naQaißoTfig  227 


Uaee^a  319  f. 
naqelag  319 
nuQi^MV  45 
na^ol^Bv  226 
Traeo;  224  n.  227 
naqio^log  242.  244.  245 
Tiaff  143 
ndaXog  (gen.  s.)  244 

^e<^  228 
nrc»^^  223.  225 
nrc^  223.  224  n. 
TTcrcrtc  268  f. 
nikaywf  255 
IZcAara«  252 
ntvimM  251 
nevTeXrjatos  269 
7r€^  226 
^^e<*  223.  225 
m^ivto  223 
UigavT^a  260 
TT^^ac  224  D.  225 
niQdxfi  228 
TTC^aoi  228  f. 
9r£^^  226.  228 
TT^^«^  228 
mguraos  228 
^€^1^  228.  225 
mQ(Q)aißol  251 
mgaui  268 

pamphyl.  m^iSatxe  226 
niqvat  226 
thess.    JIsTd-aXog   o.    ä. 

249  f. 
mTQctxog  113 
ion.  IliTQ^evTog  279 
UevfjidTioi  148 
TtTjyvvfJH  133 
IlfiXiyova  255 
/7/:E^€f  252 
nlXvafAai  192  n. 
kypr.7riAyoy(He8.)  192  n. 
ninQaaxa  224 
Ilnd'iojv  290 
no^aXtiQiog  820 
delph.  ^oir^;r»oc  327 
HoXvßog  113 
noqvti  224 
TTO^;  223 
kret.  Tro^r/  226 
nrdr»  225 
ngayog  226 
nQofiog  227 
nQävr^g  226 
dor.  nQÜTog  227 
ngiuvov  223 
aeol.  nr^^ff  226 
TtQfjTrv  225 


71  ^/y  228 
TT^  223.  226 
Tieo/I  232 
7tQoia0ofia&  232 
TtQOfiog  227 
ngavaarai  254 
n^oaneXärM  252 
kret.  TtQOTov&g  227 
9r^r£^f  227 
;r^r«  225.  226 
TiQvXäig  235 
nqviAVog  228.  225 
TtQVTOVig  227 
n^wt»  227 
TT^^  227 
ÜQiupaaog  248 
;roa)froc  227 
TTviiOTOc  228.  225 
natymf  225 
^ax<c  235 
'Pemk  45 
ion.  *Pe/i7  45 
aaydag  114 
ora^^  114 
aa^Qog  114 
oro/^  115 
aaundg  114 
aaXayet  115 
aoXa^A  115 
(raJloc  115 
aaXvya  115 
Santfm  115 
(ra^«y  115 
(ravx^f  115 
aatftr^g  114 
aa^viv  (Hes.)  115 
(TfiO)«  (Hes.)  116 
acJlI/Ccor^a»  115 
atäyweg  115 
<r«yaf  115 
aivofAai  115 
atToc  115 
or^rra  115 
<r«7Taxöf  u.  ä.  115 
<rxaAa;ra(€«  (Hes.)  819 
axaXfjvog  271 

axoA/c  270 
«rxoUa»  270 
(TxaJlTraCfiV  (Hes.)  819 
ax^jlo;  808 
axoXiog  271 
iSxvAi^oyy  290 
aoC9fig  115 
(To^o;  114.  116 
£jtagTiaTfjg  260 
anXttyxya  129 
otttA^v  129 
tfr^e^V^  239 


XvQtot  264 
ZvQot  263 
üfp^gta  (Hes.)  110 
OfffiXos  267 
ctpoqtay  (Hes.)  110 
£(p6^og  110 

«yj^aJl/c  309 
criu/oi  116 
TaloiTM;  234 
TdXa^eg  244 
Tdfifjirig  235 
7ava>'e<>^  256 
ion.  ra^^JlMx  235 
Taaxofiivfis  287 
Taaxo;  287 
Tix9)«o«  248 
Te^^Qdatog  259 
rf/i^fki  224  n. 
TifAfiXxH  255 
r^i^jt4a  224  n. 
Tivfiaofjiai  149 
boeot.  Tivfjiaatyivits  148 
r^yrc^v  (Hes.)  234 
7V>iv»off  288 
TgixXaQOi  243 
TQinoXutaot  245 
7(^v^ä^  321 
'YdfiTtoXis  254 
TJlilÄtff  235 
*r9rai%io«  242.  245 
^pcMOf  167 
4>&taTag  252 
if^Cvm  115 
4>^icuri}(  252 
ipucQog  167 
tpUQog  167 
4>Xftdaiog  259 
*PonhttVig  236 
ipqvyCkog  258 
^vXdaiog  259 
^v^  188 
4»fkMr€rc  253 
;^a/vaF  270 
Xaoy«;  243 
Xavvoi  243 
X^ifJtaqqog  113 
mil.  YiiqofidxM  820 
XiQooqog  244 
Xi/iOJJUo«  245 
;r^i;ii  140 
;^A«^d;  139 
yßay^dv  114 
tfHxS^dXXiiv  114 
iffad^agd  114 
VKt^£a^ll4 
tfntd-vQog  114 
■i/MX^Qa  115 
tlMuard  114 


Register. 

xlfoxniQ  (Hes.)  114.  115 

\fßaXaaa€ir  115 

V/aA^f  (Hes.)  115 

*Pdjt<pai  u.  ä.  115 

V^a^f^  115 

ipavxQog  115 

V;£Ud;  115 

ipiipag  115 

Vr^^£«  (Hes.)  116 

V^  114 

t//i7;)fai  114.  115 

y/^ifvat  115 

V/f)'«;  115 

ipivofiai  115 

V'Ari^  115 

i/f/rra  115 

\fß^Trax6g  u.  ä.  115 

V/irr/a  (Hes.)  115 

xjfof^g  115 

yßtu&ut  114 

xjtfo&Cov  114 

«f'iu^^  115 

«l'w;^«  114  f. 

*.ßyi;^to  83 

"Äyv/off  83 

M^a  194  n. 

(5^;  194  n. 

Lateinisch. 

a&  211 

valg.  adgretftjua  212 
aduUua  190 
Aequicohta  229  n. 
asquor  167 
aequua  166 
oertimita  203 
^«sctf^^tis  320 
aeHumo  210 
agnus  205 
äto  130 

a/t^  198.  200 
o/ttM  227 
öfter  191.  198 
afttfs  190 
a/i«mntM  203 
amfäriam  205 
am/Texu«  205 
amfractuB  205 
ampendiees  205 
ampUcior  205 
ampsane^tM  205 
am<0i20o  205 
amseges  205 
aneotf^tts  205 
ane«fi<u«  205 
aneeps  205.  219 
ancuia  205 
aneukis  190.  205 


335 


an^tro  201.  205 
an^0  224  d. 
an/emna  201 
an^«rmtm  205 
an<0«  224  n. 
anUstärt  201 
aprietu  190 
aquüus  324  n. 
ära  197 
ardii*  197  f. 
Sreo  197 
ar/Scto  196 
örtV^tM  197  f. 
arrügia  132 
ar«  217 
durper  211 
ati6ti^20ti«  205 
dtfca  205 
aticep«  205 
^ficftM  207 
auiitfo  206  u.  n. 
atf<^  f  s  avu^J  206 
audio  189.  206 
AudiuB  207 
ati^tir  205 
^u/tM  206 
auspex  205 
au^fimo  206 
tfu^timnus  203.  209 
aveo  233 
at;t2^  205 
balneutn  192 
&fmtis  130 
drüma  207 
caelebB  222  f. 
eoMtfs  200 
ealfaeto  196 
calidus  200 
ealumnia  203 
co/oi  203 
can^  201 
Caudius  207 
Cat«/ttM  206 
cau^tM  206 
eavema  197  n. 
ceftM  192 
e«^  212  n. 
ctcer  108 
eint«  267 
Claudius  207 
elaudo  206 
C^vuM  207 
ctemeM  217  f.  n. 
C^^tM  206 
C^t7tW  206 
CluUuB  206 
C7ti«<ttM  207 
eohoTB  130.  217 


a36 


Register. 


coinquo  14S 
arch.  eoiraverutU  137 
eohitnna  208 
eompäge9  182 
ameoTB  219 
eotUio  208 
eorbs  219 
cor^o  198 
earrügus  132 
eö«  216 
criMltM  206 
eunetor  204 
eünetus  204 

OMTÜI  207 

DaunM  61 
<;«6t7  221 
deineeps  204 
ciS^rtM  138 
<;«ntio  192 
c^Mitfr  191.  209 
dexHmua  209 
<;tM  268 
£2omntf«  208 
dd8  216 
BgHiu»  185 
€^^«  185 
egeitM  135  f. 
egreUus  212 
er^ä  193 
er^ö  193 
drvom  193 
Bxperior  224 
eAerus  211 
/oci^tM  270 
/öcte«  270.  273 
Falernus  197  n. 
/ami«  270.  273 
/br  220 
/orfna  195 
FaunuB  57 
F<ifM<t«/t««  57 
Faiuiu9  56  f. 
/dfM^tf«  206 
/mtna  202 
jMMtra  221  n. 
/ifTui«  193 
fidiM  268.  270 
yt^o  131.  133 
ßgüra  134 
>-mtM  198 
ftvo  131 
ßägüium  138 
^oti«  142 
flemina  202 
/i^o  131 
/oiM  221  n. 
Ponte«  221 
forceps  204 


fwretuM  204 
/(>riiM  198  f. 
/ormtca  198  n. 
fors  217 
/or^M  204 
foru9  185 
FöCsßius  57 
/0<fM  208  f. 
/bo«a  135 
/tifea  191 
fuhnen  203 
/tffiiio  134  f. 
furia  188 
/t#ro  188 
/ti<<t7t>  212  n. 
gens  217 
germen  141 
germinäre  141 
^/o&tfr  141 
^/arM  209  n. 
^förta  209  n. 
gUia  216 
^/Ö^m  189 
gnävus  142 
gradior  141 
GyMct  256 
Gy<{;t  256 
grämen  141 
grando  141 
gratia  141 
grätu9  141 
gravis  274 
grundio  141 
-^rtio  142 
grümus  274 
Wim;  191 
A«/i;o«  192 
A«rt  267 
horior  194 
Aörnu«  194 
Aor^or  194.  199 
hospes  210 
hospss  217 
t/tßo  198 
ineohars  180 
indXgus  135 
indupsdirs  204  n. 
induperäre  204  n. 
tn^09M  218 
tn^am  143 
inUrnecies  274 
irUerpres  224.  226 
yü^/an«  206.  268 
/ttt&'tf«  206 
/ü/ttM  206 
jüneus  200 
JtSno  57 
jMr^o  197 


jurgium  197 
jtf^Bto  212 
lardum  194 
/^«moma  61 
Xamuria  61 
ImmIm  142 
^Mw  218 
alÜ.  ^a  188 
£ix  182 
/»5<ir0  188 
/»5er  u.  ä.  188 
ft5tfm  138 
tieft  129 
i^tfre  136 
A^o  135 
hpürio  184 
/ifi^ter  138 
/tra  138 
/»«  216 

altl.  loehertaUm  138 
altl.  loebesum  188 
arch.  M2a«  187.  140 
lörum  45 
/detM  208  f. 
iudo  138 
fodtM  187.  140 
Uigeo  138 
AirtVftM  138.  142 
mäior  180 
ma/^umtim  202 
fiitftiM  807  n. 
maha  193 
tnaneeps  202 
ffumetipnim  202 
manotipo  202 
manciolus  202 
mansuetus  202 
nuinto  200 
manfö/e  202 
manß/ttfffi  202 
mantelum  202 
mantttfii/äre  310 
man^t/e  202 
MarOurna  200 
mofiue  808 
Marcus  204  n. 
Marpor  204 
ma<te«  212 
mediusfiditts  268 
mdtb  130 
me/^om  192 
mene  217 
msfUirt  310 
miAt  129 
mtetertum  202 
mixtus  210 
altl.  motiroe  137 
mons  221  f. 


R^lister. 


337 


morftiM  194 

mors  218 

mSiuB  206  f. 

muleare  208 

muietus  208 

muUa  208 

mtfto  268 

narro  212  n. 

fM^öre  185 

negöUum  135 

nt%«7  180 

Nöia  209 

nönÜäre  209 

IMfMM  208  f. 

iVbf^fM  207 

noufuu  208 

HO«  824;  aift?.  217  n. 

n«^  220 

nändinufn  208 

fMMiHMtaHitM  268 

nüdus  206 

iMin^upo  200 

o5  211 

ofyurigandum  197 

o&ft^iM  188 

obtürd  207 

o/yScttiffi  211 

o^actb  196 

öffMft  209 

omsiMfitoiM  200 

epaio  208  f. 

0;n/tiM  208 

öpäer  206 

Opdtfr  58 

cp«  219 

opUmua  211 

(>r6«  219 

Oreua  166 
omo  204 

omiM  197 

alat.  08tnen  209 
ö^Mffii  209  n. 
pägina  182 
|M^  182 
jpoMia  198 
jiancep«  200 
panus  200 
^ar«  218 
paueu$  206 
pauper  206 
/»er  224 
per&ndü  228 
|i0r|jro  196 
jMrSstiltfm  224 
perUua  224 
pemiciss  274 
spatl.  /MÜsfi^Mmo  210 
päumiMM  208 


pM««  278 
/lAima  828 
Pöilüees  n.  ä.  192 
/»MIO  210 
pons  222 
PopUeola  228  ff. 

|>CfpifMMM   191 

/»^iuln¥«  191 
por^o  196 
pcrta  228 

|>or<o  194.  199.  288 
pwrku  228 
p09ÜU9  210 
/HMilM  210 

Potf/t  206 
prae  227 
praeda  188 
praeBto  210 
praeUr  228 
altl.  oraidad  188 
/iranattf m  200 
prehendo  180.  187 
pr«<uim  224 
j^*  228 
primdre»  46  ff. 
l^rfmtM  228 
prineept  200 
l>r»or  228 
|irf«ciM  228 
/irtcttiHM  228 
pro  226 
proeapu  219  f. 
profeeto  193 
progemeB  274 
pröfitM  226 
propter  212 
proptervua  211 
proioenu  267 
prüdens  207 
/w^t7  221 
l\«aKi  206 
ptir^o  195 
quagläior  215 
quemus  204 
jtiiM  216 
^«ru^tM  204 
^tfu^tfetm  204 
^tf tii^Mi^t  204 
QtitVt<0<  207  n. 
^m^iM  204 
ratMm«  206 
rSotM  142 
r^eeid&re  808 
rM^oew«  802 
reperio  224 
r«pp0rfr«  802 
r?«  267 
reero  802 


BaitflfB  B.  kvnde  d.  indg.  apiMlim.    XXVI. 


rif9r€  186 
n^^r«  186 
rif/eseere  186 
rt^tttf«  186 
J2dma  209 
rörärii  209 
rikifM  142 
rüga  132 
ruo  142 
rMTMim  207 
rür9U9  207 
rü«  207 
RuttiuB  207 
«a/M«  207  f. 
Seaevoia  280 
<eo6«  219 
«6ro6«  219 
8ilibra  200.  202 
««f|W  220 
suqui'  200 
M<<0r<tfM  200.  202 
sexhiM  210  D. 
nneiput  200  f. 
singuiuB  214 
aordiduB  195 
«(>r«  218 
«CM^M  210.  217 
<p9«  267 
ni&  211 
ai^o  181 
aümo  210 
«iiprimtM  190 
turcuhts  190.  195 
Burempsü  210 
alat.  «tirAittit  210 
Mir^o  196 
9urp«r€  195 
«tirtM  196 
^«rra  224  n. 
U9ti8  189 
«tVica  201 
idm«wtum  208 
to«<ti«  204 
tötiM  206 
traht  220 
^«^m  182 
träio  130 
^oiM  224  n. 
irtäirus  u.  ä.  55 
IWiMM  67 
üdua  206 
mAm  201 
fdna  191 
tim5ra  828 
{Tmftrui  824 
ündeeim  190.  201  f. 
üpiUo  208 
urft«  220 

23 


338 


Register. 


üiSrpo  196 
vae  108 
vSjfina  138 
vSaor  182 
vMemenB  217  f.  n. 
veho  129 
vendo  189.  201  f. 
F«rt  JM  60 
oama  197  a.  n. 
VB8ear  218  n. 
f^<0tt«  218  n. 
veattgium  182 
viacolus  229  n. 
vyt/  221 
ofiuitffnfa  201 
vir  220 
otrMM  195 
tTiitrtictM  212 
volnus  191  a.  n. 
vStus  208  f. 

Oskisch. 

eukhna  196 
%atöi»  182 
/i^<{  182 
moUam  203 
p«r^  226 
jpMfftom  225 
pruter  227 
ttfnlm  224  n. 
Up%l(iei$J  208 
valaemam  187 

Umbrisch. 

amboUu  196 
maf^  202 
motor  203 
periM  227 
|»r«  227 
preira  228 
promom  227 
re-  802 
c?u/'0<0«  208 
OK/rti  208 

Italienisch. 

BOT  208 
«ora  208 

Keltisch   (Altirisch 
anbezeichnet). 

airmaU  225 
mir.  aoin  200 
o^^O;  191 
bret  hiz  iod  282 
eöieed  204 
cymr.  ^o/t  809 
huinniuB  197 


tn-fna<{M  812 
2dm  193 

madaeh  u.  ä.  812 
madae  812 
mon  810 
r«fi«m  224 
tir  224  n. 

Albanesisch. 

mq/e  222 
r«;i£«  109 

Slaviso'h. 
(Kirchenslayisch  anbe- 
zeichnet.) 

wr.  hiHe  188 
hufja  188 
rass.  MrAofr  188 
golimü  191 
jVMdfiti  197 
kara  286 
»cAö  188 
ruB8.  loj  194 
2om«^t  168 
rass.  mqfata  812 
mq/'o^'  809 
moAa^f  a.  ä.  806  f. 
mamüi  811  n. 
kir.  tnana  810 
0.  mani,  mant  811 
tnatu^i  809 
manät  810 
mash  307 
maith'  m  307 
maz^a  307  n. 
p.  tnazaac  307  n. 
molrt^  808 
obrisH  168 
poln.  o;V»  191 
pra  226 

rass.  poromU  223 
rana  192  n. 
rtivefir  142 
riaq  142 
ksl.  «20MfMi  129 
rass.  sarü  195 
«fir^«<i  168 
trOati  180 
^JkiM  212 
fi/ro  824 
}U»h  191 

Preassisch. 

atM<tn  225 
tkai  167 
&W«?M  167  f. 
ulifU  285 


Litauisch. 

o^jl  173 
aiknte  167 
aikmtut  167 
ditsA»!«  167 
aA;^  824  n. 
anktÜ  824  a.  n. 
«rfad/  198 
6i&  175  n. 
6tift  175  a.  n. 
bhUdlaOU  282 
hiÖgoM  138 
zem.  fttfr^^MM  167 
zem.  hurgUi  167 
ftiiriUMt  188 
burkmsndja  188 
ftüryt  188 
i{]^fa  188 
dtmstia  167 
ifire;!  173 
gmi  191 
^Ufia  225 
^rfo'  141 
glaudas  140 
gUaürmu  189 
^tffutö  142 
^ru^t  142 
^rtiilM  142 
grüdau  142 
^/m  270 
Uck,  \k  166 
a»iB«^  166 
Uzku9  167 
tM?«  198 
ifcora  236 
Uima  168.  187 
2ifm<t  167  f. 
mannU  807 
ma«ar^t  305 
magtaa  807 
mo^yfo'  808 
maur6t%  188 
mazg^i  807  n. 
mono«  309 
möitagM  306 
mosUrHi  806 
ffio«<U  807  n. 
md<t  809 
mozöti  806  u.  n. 
fiama?  167 
/»atinAMiM  824 
|>eftMM  224  f. 
pef-  224.  226 
perkä  224.  226 
jpA^iiAvmi  328 
praniü  224 
|»r^ikM  224.  226 


Register. 


339 


pr^  227 
prU»  227 
pri  228 
pro  226 
prötas  224  f. 
rifu  267 
akOiü  270 
«ibyff  270 
Mfiatli^  282  u.  n. 
«tU/ttM  281 
9pVu  267 
«iirrf^t  168 
tst^Miia  108 
9»iav!  270.  272 
fyl»i  172 
Mrta$  212 
iiifcimd  824 
ükaa  824 
lUifte  824 
tM«t5tfryfe*  188 
unktna  828 
dm  197 
ü'9ia9  225 
vofa«  187  n. 
vmü  173 
of/lM  187 
lo^AfMM  187 
wA^gas  197  d. 
werginS  197  n. 
t0<Klftf  188 
Mdo«  192 
M9dke  270 

Lettisch. 

&lr^<  167 
hauHU  187  f. 
Mra  188 
huru  hurdm  188 
gdüeh»  167 
^^itw  189 
OcIftMM  166 
ikkairia  166 
tähffiPM  166 
Unmeamdte  187 
«c;/'166 
^Mii<  168 
m^ft  810 
mdnU  810 
mini/  810 
mäfehg  810 
fiMT^a  186 
tnergdi  186 
ndlmii/  167  f. 
iM*«<  226 
präjam  227 
«ooi  168 
«mmI«  168 
waidi  168 


ir«2t  187 

Gotisch. 

andeis  224  n. 
otiroAt  166 
hairau  152 

180 

181 
ijan  250 
hUggwa  180 
/o/rra  226 
/arirn  223 
/mir  226 
faura  227 
/#r<i  223 
/ri  228 
gras  141 

CfTMl«  181 

krimgot.  miera  188 
M^iM  274 
qaimuM  225 
sfoarts  195 
Pragfan  180 
M^ö  824 
om  168 
ooOa  187 

Altnordisch. 

62dr  142 
braka  167 
dSrMra  180 
m^<  142 
kndr  142 
ikry(;0  141 
maurr  188 
naiM^  167 
raun  209 
«1^0  181 
t9  191 
tsär  189 
^0^  226 
o^^  206 

Schwedisch, 
dial.  blina  202 

Norwegisch. 

hlama  202 
OMi^  208.  209 
maura  188 

Angelsächsisch. 

beoretan  167 
et0«üafi  191 
/^rofi  182 
gUo  140 
4:r4:  142 
A»^  182 


mund  202 
myra  188 
sücan  181 

Englisch. 
ftarA;  167 

Altsäohsisch. 

gslo  192 
iMif  141 

Niederdeutsch. 
Uekfeng  282 

Althochdeutsch. 

&/50  142 
hltuwu  181 
M>tf  131 
derrtu  204 
ifaöm  172 
flUgan  828 
/b/ma  198 
/^dfi  182 
fuH  222  n.  228 
^fa<  141 
grMo  142 
Xttmi  194 
praht  167 
^^  191 
«Im^ofi  186 
8ttU  216 
waganhita  188 
t0^  168 
saira  167 
s<iiiy;afi  167 
aha  191 
stm6ar  225 

Mittelhochdeutsch 

MM  251 
gruose  241 
meidem  268 

Neuhochdeutsch. 

^aM  809 

fiUM<  807  n. 

müken  810 

m«<i0  810 

sehuUer  809 

dial.  pättehenUekr  232 

Etruskisch. 

oeiuifrw  49 
aMiia  156 
apauUru  49.  68 
opiMt  59 
apatknuuar  59 
opa/ni  49.  58 


340  Register. 

awtfiXug  (Hes.)  66.  824     hi  158  VolaUrrae  62 

aueena  58  muani(u}rn»  58  f. 

€inam  155  f.  ffriee  158                                       Lykiach. 

fah^M  56  <til0  158  amu  293.  299 

faUru  50.  56  turan  57  ^t  292.  294 

faHntru  51  ^uree  58.  55  nm  298 

^otfti^tira  52.  54.  61  um  57  mu  295 

eins,  hatruma  51  vae»/  154  f.  nalau  296.  299 

^aHtir  52  f.  vaeltnam  157  «ty^t  298.  300 

lahirus  52  oeAur  52  f. 

Umnitru  50.  60  f.  vara^rti  50.  59  f. 


Druck  der  Univ.-Bachdmokerei  von  £.  A.  Huth  in  Götiingen. 


Beiträge 


zur  künde  der 


indogermanisehen  sprachen 


Dr.  Ad.  Bezzenberger  mid  Dr.  W.  Prellwitz. 


Siebenimdzwanzigster  band. 


Gattingen 

Vandeohoeck   and  Ruprecht 
1902. 


Inhalt 

Seite 

De  vooalibaa   prodaotis  Latinaa  vooes  terminantibas.    Von  Otorg 

Wedding 1 

Beitrage  zur  Geschichte   der  indogermaniBchen  koigagation.    Von 

HoM  lUieheU 68 

Der    Imperativische    Infinitiv   in  den  homeriBchen  gedichten.    Von 

C.  Sentze 106 

Leo  Meyer,  Handbuch  der  griechischen  etymologie.    Angezeigt  von 

A,  Bezzef^erger 187 

Lat.  prömulgäre.    Von  Onueppe  Ctardi-Dupri        185 

Sanm  cniqae.    Von  Giuseppe  Ciardi-Dupr^ 187 

Lettische  etymologien.    Von  J,  Endz^Hn 188 

Griech.  y^^-    Von  F,  Beehtel 191 

Zu  den  altgriechischen  Ortsnamen.    Von  W.  PrellwUz 192 

Etymologien.     Von  Wiedemann 193 

Vedisch  Hufe.    Von   W.  Neiseer 262 

Phrygisches.    Von  Alf  Torp 280 

Rhodische  Beitrage.    Von  J?.  NaehmanBon 291 

Contribations  to  Old  Italic  Etymology.    Von  Louie  J7.  Oray      .    .  297 

Zar  declination  der  lettischen  bestimmten  adjectiva.  Von  J.  EndzeUn  810 

Lettische  comparativbildaugen.     Von  J,  JBndzeKn 815 

Za  den  lettischen  Zahlwörtern.    Von  J.  JBndzeUn 819 

Lettische  etymologien.    Von  J.  EfidzeUn 829 

Zur  i-epenthese  im  Latein.    Von  A.  Zimmermann      .'.....  881 

Homerisch  xcxa^dra.     Von   W.  Prelhoitz 882 

Ferdinand  Sommer,  Handbuch  der  lateinischen  laut-  und  formen- 

lehre.    Angezeigt  von  W,  Prellwitz 888 

Register.    Von   W,  PreUwitz 884 


De  vocalibus  produotifl  LatinaB  voceB  tenuinantibiui. 

I. 

Fonnae  in  a  produetam  exenntes. 

L  Nominativus  et  voeaUvus  ag.  primae  deelinatümis. 

Quia  in  lingais  Indogermanicis  nominativum  singularis 
primae,  qaae  appellatur,  declinationis  exiisse  constat  in  a  litte- 
ram  produetam,  quam  servaYenint  integram  Sanscritica  et 
Graeca:  dgM,  xiiijä^  faoile  saspiceris  in  Latina  quoque  lingua 
eam  esse  longam.  Nihilo  setias  non  est  dubinm,  quin  Plauti 
aetate  baec  syllaba  iam  fuerit  correpta.  Haud  raro  enim  apud 
bunc  poetam  eis  deprehenditur  locis,  qui  nullo  modo  admit- 
tunt  produetam,  velut  ultima  tbesis  iambici  senarii  et  trochaici 
septenarii.  Ut  unum  afiferam  exemplum  et  alterum  ^): 
Gas.  114:  Ex  sterculfno  effösse,  tua  illaec  pr&edä  sit? 
Capt.  488:   Pergo  ad  älios,  v^nio  ad  älios,  deinde  ad  &lio8: 

ünä  res, 
quorum  exemplorum  numerus  facile  potest  augeri').  Sed  bis 
lods  repugnant  plus  quam  yiginti,  quos  usque  ad  id  tempus 
adbibent  viri  dooti  planum  ut  faciant  ipsa  Plauti  aetate  nomi- 
nativum sg.  primae  declinationis  desiisse  in  a  litteram  produe- 
tam; pauci  contra  banc  sententiam  dixerunt  argumentationem 
accurate  non  facientes  ') ,  ut  qui  loci  a  longam  confirmare  vi- 
dentur,  eos  denuo  necesse  sit  congerere  et  considerare.  Atque 
primum  quidem  disseram  de  eis,  qui  exstant  in  diverbiis,  quod 

1)  Plaotos  adhibetur  ex  reoensione  Leonis. 

2)  Yide:   Epid.  295.  574.    Merc.  857.    Mil.  267.  972.    Pers.  150. 
615  al.  . . 

3)  Inprimia  R.  Mneller,  de  Planti  Epidico,  pag.  41  sqq.  et  C.  F.  W. 
Maeller,  plaatinieche  proBodie  pag.  1  sqq. 

9«iteiffe  f.  kmide  d.  iadff.  fimelMii.    XXYII.  1 


2  Georgius  Wedding 

nomen  eas  comoediae  partes  significare  yolo,  quae  non  mutatis 
modis  pronuntiabantur  ^). 

In  senariis  iambicis: 

Asin.  762:  Ne  epfstulä  quidem  lilla  sit  in  a6dibu8. 
Bacch.  255:  Volcänus,  Söl,  Lunä,  Dies,  dei  qu4ttuor. 
Bacch.  584:  Quae  te  mala  crux  ägitat,  qui  ad  istünc  modum. 
Bacoh.  893:  Minerva,  Lätonä*),  Spes,  Opis,  Virttis,  Venus. 
Gist  55p:  Vt  res  gestä  ^it.  ||  Vtinam  audire  nöu  queas. 
eist.  606:  Nata,  inquam,  meo  ero  est  filiä.  ||  Gerte  modo. 
Gurc.  461:  Sequimini.  ||  Leno,  cärve  in  te  sIt  morft  mihi. 
Epid.  498:  Potuit:  plus  iäm  sum  liberä  quinquennium. 
Mero.  26:  In6ptia  stultlEtiaqtt^  6deo  et  tdmeritas. 
Poen.  85:  Altera  quinquennis,  altera  quadrimnla. 
Poen.  1052:  Haec  mihi  hospit&lis  tesserä  cum  ill6  fuit. 

lam  yideamos,  num  bis  undeoim  versibus  vis  tribuenda  sit 
et  auctoritas. 

Luce,  ut  aiunt,  est  clarius  tribus  versibus,  si  ea  ratione 
leguntur  qua  supra,  metrica  inesse  raenda.  Guilelmo  Meyer 
enim  acutam  debemus  observationem ,  quam  dipodiarum  legem 
appellare  consuevimus.  Guius  legis  verba  sunt  haec  '):  er  [der 
Ordner  der  altlateinischen  iamben  und  trochaeen]  liess  die  2. 
Senkung  der  iambischen  und  die  1.  Senkung  der  trochaeischen 
dipodie  mit  der  folgenden  hebung  nur  reine,  nicht  unreine  Ver- 
bindung eingehen,  d.  h.  er  liess  die  2.  hebung  der  iambischen 
und  die  2.  hebung  der  trochaeischen  dipodie   nur  iambischen, 

nicht  spondeischen  oder  anapaestischen  wortschluss  bilden 

durch  dieses  altlateinische  dipodiengesetz  erklärt  sich,  warum 
im  2.  und  4.  fusse  des  senars,  im  2.,  (4)  und  6.  fosse  des  iam- 
bischen septenars  und  octonars  und  im  Übergang  des  3.  zum  4., 

1)  Yersne,  in  quibaa  a  nominativi  sg.  primae  declinationiB  producta 
est,  oontolerant:  Gorssen,  über  ansspraohe,  vooalismnB  und  betonong 
der  lateinisohen  spraohe  II  499  sqq.,  Bäoheler-Windekilde ,  gnmdrifls 
der  lat.  declination  pag.  21,  Neue,  lat.  formenlehre  I  4,  Stadelmann, 
de  quantitate  vocaliam  Latinas  voces  terminantium  pag.  7  sqq. 

2)  Latonam  ponit  Stadelmann  1.  c.  pag.  16  in  numero  Graecoram 
nominam  propriorum,  qnod  nemini  eam  persaasuram  esse  oonfido. 

3)  Wilhelm  Meyer,  über  die  beobachtuDg  des  wortaocentea  in  der 
altla|einiBclien  poesie,  abh.  d.  I.  kl.  d.  k.  bayr.  ak.  d.  wiss.  XVII,  I.  abt, 
pag.  43. 


De  vocalibus  prodactift  Latinas  voces  tenninantibus.        3 

und  des  5.  zum  6.  fiisse  >)  des  trochaeiscben  septenars  der  regel 
nach  nur  iambische,  nicbt  spondeische  oder  anapaestische  be* 
tonte  wortschlfisse  stehen. 

Ab  hac  lege  cum  abhorreat  y.  Cist.  öß5: 

Vt  res  gSstä  sit  ||  Vtinam  aüdire  n6n  queas, 

Guieti  sequemur  partes,  qui  tamquam  praesentiens  et  divinans 
transposnit  voces  res  et  gesta: 

Ut  gesta  res  sit  1  Vtinam  audire  nön  queas. 
Cum  altera  lege  metrica  pugnat  v.  Cure.  461 : 

Sequimini.  ||  Leno,  c&ve  in  te  sit  mörä  mihi. 
Nam  A.  Luchs,  qui  de  paenultimo  iambici  senarii  pede  instituit 
quaestionem  *),  huius  pedis  thesin  syllaba  brevi  ef&ci  non  posse 
ostendit  nisi  bis  condicionibus : 

1.  „si  Yocabulum  non  minus  quattuor  syllabarum  finem  ver«^ 
sus  occupat  velut  Amph.  24: 

Verum  profecto  hoc  p6tere  me  pr^c&rio  '). 

2.  ,,8i  yocabulum  creticum  vel  paeonem  quartum  aequans 
yersus  finem  efficit^)  yelut  Asin.  803: 

Tum  81  Coronas,  serta,  ungu6ntä  iüsserit. 

3.  ,,si  thesis  pedis  antepaenultimi  duabus  breyibus  syllabis 
ita  efficitur,  ut  yerbum  paeonem  quartum  efficiens  verbo 
iambico  excipiatur,  —  |  «i^a^j-  |  u^  ||  ; 

4.  ,,ut  yooabnlo  in  syllabam  brevem  desinenti  saccedant  pri- 
mum  anapaesticum  verbum,  deinde  verbum  iambicum,  -i* 

5.  ,,contra  si  ita  sunt  vocabula  syllabaeque  distributa,  ut 
deinceps  sese  excipiant  pyrrhichius  (vel  syllaba  producta), 
iambus,  iambus  —  m/^j  (vel  ^)  |  u-c  |  ujl  jj ,  non  admiserunt 
poetae  iambum"  *). 

His  legibus  cum  repugnet  finis  versus  Gurc.  461 :  .  .  .  . 
sii  morä  mOii,  i.  e.  jl  |  ujl  |  ujl  ||,  aUo  modo  necesse  est  di- 
metiri:  sU  möra  mihi  (ss  _tf^^  j  u^),  atque,  ne  versui  insit  alte- 
rum  mendum  metricum,  post  verbum  cave  probare  hiatum  ^) : 

1)  Exceptus  est  primus  pes  trochaici  septenarii. 

2)  In  Gnilehni  Stndemand  stndiis,  I,  1  sqq.  —  cf.  Meyer,  1.  c. 
pag.  89  sq. 

8)  In  locam  exemploram,  qaae  Luchs  affert  ex  Phaedro,  substitui 
Plautina.  4)  Luchs,  I.  c.  pag.  6.  5)  I.  o.  pag.  13. 

6)  1.  c.  pag.  14.  7)  quem  recepit  Leo. 

1* 


4  GreorgiuB  Wedding 

Sequimini.  ||  Leno,  o&ve  |  in  te  sit  möra  mihi, 
qni  hiatus,  quamqoam  non  est  l^itimus,  in  tot  invenitur  yer- 
sibus,  ut  in  eo  agnoscendo  nihil  sit  diffiicultatis  et  offensionis  ^). 

Versus  Bacch.  255  autem: 

Volc&nas,  Söl,  LunS,  Dies,  dei  qn&ttuor 
claadioat  deficiente  caesura  semiquinaria  neque  semiseptenaria 
recte  effecta.  Quare  omnes  fere  fabularum  Phiuti  editores 
Guieto  snasore  nomina  propria  Solis  et  Lunae  transposuerunt, 
id  quod  Corssen,  ut  servet  a  litteram  productam,  refutare  studet 
his  verbis  *):  „Es  ist  der  sache  nach  natürlicher,  dass  erst  Sol, 
dann  Luna  genannt  wird^^  Ego  quidem  eins  partes  non  se- 
cutus  sim:  contra  verisimilius  mihi  est  in  hac  enarratione  oon- 
iungi  Solem  et  Diem  quam  inter  hos  interponi  Lunam;  quam- 
quam  omnino  non  postulandum  est,  ut  in  eins  generis  enarra-* 
tionibus  poetae  ratione  disponant  nomina  et  ipsi  usque  quaque 
secum  consentiant ').  Neque  tarnen  nego  usu  receptum  esse 
ordinem,  quem  inscriptiones  quoque  testantur,  ut  primo  loco  no- 
minetur  Sol,  secundo  Luna,  sed  haec  ipsa  res  nescio  quem 
librarium  videtur  commovisse,  ut  nomina  Solls  et  Lunae  trans- 
poneret. 

Porro  yersum  Bacch.  584: 

Quae  te  mala  prux  ägitat,  qui  ad  istünc  modum 
hac  ratione  non  praebent  codioes  BCD,  sed  codicum  ab  Italis 
oorrectorum  scripturae;  atque  cum  BCD  pro  relatiyo  quae  ha- 
beant  formam  jui,  satis  apparet  illam  formam  quae  Italorum 
esse  coniecturam  scilicet  improbabüem.  Relinquam  in  medio, 
quem  ad  modum  emendandus  sit  hie  versus^):  id  unum  constat 
dimetiendum  esse:  . .  . .  te  mala  crux. 

Deinde  fides  deroganda  est  versui  26  prologi  Mercatoris: 

Ineptiä  stultitiaque  &deo  et  temeritas. 

Nam  in  Mus.  Rhen.  XXVI  vol.  pag.  437  recte  exposuit  Dziatzko 

hanc  prologi  partem  non  esse  Plauti,  sed  mali  poetae  infacetam- 

enarrationem,  qui,  ut  iam  R.  Mueller  et  C.  F.  W.  Mueller  per- 


1)  Fortasse  transponendam  est: 

Sequimini.  |  Leno,  cave  sit  in  te  mora  mihi. 

2)  1.  c.  II  461. 

3)  Merc.  5  »ol  ponitnr  ante  hinam^  sed  v.  4  nox  ante  diem. 

4)  Seyffert  proponit:   qai(d  est?  qaae)   te  m&la  erax  .  . .  .;  Leo: 
(die)  qaa6  te  mala  craz. 


De  vocalibus  produotis  Latinas  vooes  terminantibus.        5 

spexerunt  ^),  contra  sermonem  Latinum  v.  28  et  30  posuit 
coninnctiondm  et  sine  dubio  ob  eam  causam,  ne  nominatiyum 
sg.  primae  declinationis  terminaret  in  a  litteram  productam. 
Persuasitne  sibi  iste  malus  poeta  a  litteram  in  inepUa,  quod 
dnae  sequuntur  consonae,  produci  vi  positionis?  Si  minus, 
agnoscenda  est  RitscheHi  coniectura 

ineptia  Ätque  stultitia  ädeo  et  temeritas, 
cum  vis  crediderim  tarn  malum  poetam  forma  illa  rarissima 
(vel  exemplis  non  confirmanda)  ineptiea,  ut  suadet  Lachmann, 
usum  esse. 

Versui  Asin.  762  autem   non  inest  auctoritas,   quia  cum 
hiatu  eum  legere  licitum  est    Vnlgo  eum  dimetiuntnr  editores: 

Ne  epistulä  quidem  üUa  sf t  in  aedibus ; 
cum  hiatu  *)i 

Ne  epistulä  quidem  |  Ulla  alt  in  aedibus. 
Kam   quamquam  controversia,    utrum    hiatus  in    semiquinaria 
iambici  scnarii  legitimus  sit  necne,  diiudicata  videtur  non  eum 
esse  legitimum  >) ,   tamen   permulti   exstant  versus ,   in  quibus 
idem  invenitur  hiatus  velut: 

Amph.  143:  Ego  häs  habebo  |  üsque  in  petaso  pfnnulas. 
Amph.  976:  Nunc  tu  divine  |  hüc  fac  ädsis  Sösia. 
Most  549:  Dixi  h6rcle  vero  |  ömnia.  ||  Ef  miserö  mihi. 
Quod  pertinet  ad  versum  Bacch.  893: 

Minerva,  L&tonft,  Spes,  Opis,  Virtüs,  Venus, 
non  abest  suspicio  eum  non  recte  esse  traditum  ^),  cum,  quid 
hoc  loco  sibi  velit  Latona,  nemo  facile  dicat     Sed  faciamus 
codicum  lectionem  esse  veram,  ego  quidem  hanc  anteposuerim 
dimetiendi  rationem: 

Minerva,  Lätöna,  Spes,  Opis,  Virtüs,  Venus  ^), 
etsi  haud  ignoro  Plautum  raro  et  oertis  condidonibus  thesin 
solutam  eo  modo  effiBcisse,  ut  syllftba  eam  interrumpat  finalis  *); 

1)  R.  Maeller,  1.  o.  pag.  51 ;  G.  F.  Mneller,  1.  c.  pag.  8. 

2)  quem  oommendat  Leo.      8)  Gf.  Klotz,  altroem.  metrik,  pag.  166  sqq. 
4t)  Adnotat  Leo:  Luna  Bergkias  op.  1.  86;  nee  transponendo  (Spe9^ 

Latona  Ometos)  Latonae  nomen  probabilios  fit  nee  si  Minervae  qaadri- 
syllabum  faoias. 

5)  Antepaennltima  in  Latona  breviator  ex  lege  iamboram  oorrep- 
tionis.  Gf.  Skntsoh,  Vollmöllen  jabresber.  Ar  rom.  pfailol.  I  88  sq.: 
„eine  iambisohe  silbenfolge,  die  den  ton  auf  der  kürze  tfftgt  oder  der 
die  tontragende  silbe  anmittelbar  folgt,  wird  pyrrhiobiioh", 

6)  Gf.  Klotz,  l  0.  pag.  807. 


6  Georgias  Wedding 

oeque  tarnen  dubito,  quin  Hautus  in  nominibus  propriis,  quae 
hunc  explent  yerBom,  illam  Hoentiam  sibi  adsamere  potuerit, 
praesertim  cum  omnes  fere  poetae  in  nominibus  propriis  alü 
aliam  non  repudiaverint  lioentiam  ^). 

Qui  factum  sit,  ut  in  yersu  Gist.  606  syllaba,  de  qua  quae- 
rimus,  videatur  esse  producta,  non  difficile  est  exponere: 

Nata,  inquam,  m6o  ero  est  filia.  ||  Gerte  modo. 
Gonstat  enim  inter  metricos  Plautum  ante  mutatam  personam 
admittere  hiatum;  et  hunc  ubi  scaenid  admittunt  poetae,  ibi 
syllabam  ancipitem  non  alienam  esse,  quis  est,  qui  nesciat? 
Leigitimus  est  in  diaeresi  iambici  septenarii  et  octonaiii  hiatus  *), 
legitimus  eodem  loco  syllaba  anceps  *).  Neque  desunt  exempla, 
quae  in  eadem  sede,  in  qua  syllaba  ultima  est  nominis  ßia, 
ante  mutatam  personam  confirmant  inveniri  hiatum,  velut: 

Gura  41:  Oblöquere.  ||  Fiat  m&xume.  ||  Etiäm  taoes?  *). 

Merc.  490:  T&nti  quänti  pöscit,  vin  tanti  illam  emi?  ||  Auo- 

t&rium  ^). 

Poen.  191:  Aphrodfsia  hödie  sunt  {|  Sciö.  |{  Oculös  volo  % 
Gedo,  inquies,  versus,  qui  eodem  loco,  quo  superiores  hia- 
tum, syllabam  praebent  ancipitem,  i.  e.  brevem :  vide  sis  Leonem 
ad  Amphitruonis  versum  719,  qui  tarnen  etiam  versus  affert,  in 
quibus  ante  personam  mutatam  est  syllaba  finalis  dubiae  natu- 
rae  ^),  et  nonnuUos,  qui  hoc  loco  non  praebent  mutatam  per- 
sonam. His  omissis  exemplis  quippe  incertis  sunt  octo,  de  qui- 
bus dubitare  non  licet: 

Amph.  719:  Verum  non  est  puero  gr4vida.  ||  Quid  igit&r?  |{ 

Ins^nia. 

1)  Haie  looo  similllmi  sant  versus  Cist.  512  sqq.  519: 

Enim  vero  {ta  me  Idppiter 
Itaqae  m6  Inno  itaqne  länus  (sie  Ambrosianas  I)  iia  —  quid  dieam  n6soio. 
Estne  Bacok.  893  LaUma  a  librario  posita  pro  ,Ianas*  vel  ,Iana^? 

2)  Yelnt:  Ampb.  190.  208.  260  etc. 

3)  Yelat:  Ampb.  196.  215  eto.        4)  Yel. :  maxumS'.  ||  Etiam  taoes? 
5)  Cum  trocbaionm  septenariam  interpretentur  metrici  esse  iambi- 

cum  senarium  cretioo  antecedente: 


quaria  arsis  iambici  senarii  respondet  sextae  trocbaioi  septenarii. 

6)  Vel. :  seid'.  ||  Oculös  volo, 

7)  Velut  infinitivi  praes.  act.  in  -re,  qa<tfam  s  finalis  utmm  pro« 
ducta  Sit  an  brevis  apud  Plautum,  denuo  ostandi  oportet. 


De  vocalibus  productis  Latinas  voces  terminantibus. 

Asin.  828 :  Age  decambämus  sis,  pat^r.  |  Vt  idsseris  ^). 
Epid.  485:  Reor  et  pecc&tum  l&rgitör.  H  Immo  haec  east. 
Merc.  901:  Die  igitür,   ubi  illa  est?  I  In  nöstris  aedib&s. 

Aedis  probas. 
Pers.  482:   Quid   agis?  ||  Credo.  |  Vnde  agis  te,   Dördal^?  || 

Credo  tibi «). 
Poen.  722:  Quid  si  änimus  esse  nön  sintt?  ||  Esto  ut  sinit. 
Rud.  975:  Märe  quidem  commune  certost  ömniblis.  ||  Adsentio. 
Trin.  1185:    Miseria  (üna)  uni   quidem  hominist  ädfattm.  || 

Immo  hoic  parumst '). 

An  ex  bis  coUiges  versibus  syllabam  finalem  dativi-ablativi 
plur.  -bm  (aedibus^  omnibüs)  olim  in  lingua  Latina  foisse  pro^ 
ductam?  an,  quia  legimus  Dordale,  olim  vocatiTum  sg.  sec.  ded. 
missum  esse  tibi  persuadebis  in  e  longam?  At  neque  syllaba 
finalis  'bus  neque  e  vocativi  ullo  tempore  fuit  producta,  id 
quod,  cum  respondeant  formae :  Scr.  matr-bhycts  :  Gall.  fiarffe-ßo  : 
Lat  nuUri4>u8  et  eque  :  IW^re,  linguae  nos  docent  cognatae. 
Maxime;  sed  qua  de  causa  syllabam  sine  uUa  dnbitatione  bre- 
vem eo  loco  longam  servatam  esse  arbitrabimur,  a  quo  syllaba 
anceps  non  est  aliena? 

Restat,  ut  verba  faciam  de  tribns  versibus  Epid.  498.  Poen. 
85«  1052,  in  qnibus  tria  vocabula  vel  tres  formae,  quae  aurea 
Latinitatis  aetate  sunt  dactylica,  creticae  videntur  esse: 

Potuit:  plus  i4m  sum  liberä  quinquennium. 
Altera  quinquennis,  altera  quadrimula. 
Haec  mihi  hospit&lis  tesserä  cum  illö  fuit. 

Facile  superat  difficultatem  Leo,  qui  Plautum  dactylicis  pro 
creticis  usum  esse  formis  identidem  contendit  ^).  Neque  quis- 
quam  negabit  nonnullis  locis  vel  diverbiorum  dactylicas  traditas 
esse  formaSy  ubi  creticas  metrorum  postulat  ratio  velut: 

Capt.  11:  N^&t  hercle  ille  |  ultimlls.  accedito. 
Cure.  438:  Quia  nüdiusquärtus  venimüs  in  G4riam. 
Men.  327:  Proin  tu  ne.quo  äbeas  löngifts  ab  4edibu8. 
Meu;  5ü6:  Sanum  est,  adulescens,  sincipüt,  intellego. 

1)  Weise  tribnit  huno  verBum  alten  fabalae  recenrioni. 

2)  HiatuB  inter  öredo  et  tmdei 

S)  adfaUm :  syllaba  brevis  et  hiains. 

4)  Velnt  ad  Men,  762:  Jüia  oreticas  at  alia  daetylioa  in  hac  prae- 
sertim  fabola. 


8  Georgias  Wedding 

Men.  921 :  Pötiönis  &liqaid  prfus  quam  perciptt  ins&nia  i). 
Merc.  920:  Omnibus  bic  lüdific&tur  me  modis.    Ego  stültior. 

Neque  tarnen  mihi  qoisquam  probabit  Plautum  ipsum  ut 
in  bis  versibus  ita  in  aliis  dactylioas  posuisse  formas  pro  cre- 
ticis.  Quaenam  causa  fuit,  qua  hoc  ut  &ceret,  commoveretur  ? 
An  nostris  temporibus  philologi  bos  versus  facile  supplere  pos- 
sunt,  Plautus  ipse  non  potuit?  Immo  corrupti  sunt  versus» 
neque  explicare  dif&cile  est,  qui  factum  sit,  ut  vocabula  dacty- 
lica  eaque  praecipue  in  tertio  et  quarto  pede  iambici  senarii  et 
in  quinto  et  sexto  trochaici  septenarii  reperiantur.  Dipodiarum 
enim  lex  facit,  ut,  si  prima  syllaba  solutae  quartae  arseos  iam- 
bici senarii  vel  sextae  trochaici  septenarii  est  syllaba  finalis, 
quae  antecedit  theseos  syllaba,  eam  brevem  esse  oporteat,  h.  e. 
tertia  arsis  iambici  senarii  vel  quinta  trochaici  septenarii  saepe 
una  cum  sequente  thesi  et  prima  syllaba  solutae  arseos  (quar- 

8.  T«l  6.      4.  Ttl  6. 

tae  vel  sextae)  efficit  dactylum  (^  u  ytf[J\)  *).  Atque  si  quovis 
modo  vocabulum,  quod  alteram  solutae  arseos  effidebat  sylla- 
bam,  deletur  corruptela,  dactylica  forma  creticae  vice  videtur 
fungi.  Emendandi  sunt  igitur  versus  Gapt  11.  Cure.  438. 
Men.  327.  506.  921.  Merc.  920,  emendandi  Epid.  498.  Poen. 
85.  1052,  in  quibus  syllaba  Plauü  aetate  sine  dubio  correpta 
longa  videtur  esse,  cum  vix  serio  ea  re  nitare,  quod  ter  corrup- 
tela  insinuavit  eos  in  versus,  qui  nominativum  sg.  primae  de- 
dinationis  continent,  singulis  autem  locis  formae:  tUtimus,  veni- 
mu8f  UmgiuBf  sincijmi,  percipü,  Omnibus  creticae  videntur  esse  '). 
Quamquam,  ut  supra  dixi,  in  bis  omnibus  versibus  emenda- 
tiones  proferre  non  difficile  est  verisimiles  aut  probabiles  ^), 
tamen  eas,  quae  usque  ad  id  temporis  sunt  prolatae,  valde 
dubito  accipere  ^). 

1)  Skntsoh,  Wolffl.  arohiv  XII,  212  oontendit  in  hoo  versu  formam 
pereipä  Bervaviase  nltimam  prodaotom;  nnm  recte? 

2)  Vel  rare:  \t,u  u  «c^[u].     Of.  psg.  28. 

8)  Hano  argamentationem,  nt  iia  dioam,  praeiadicinm  esse  non  me 
effagit.  Sed  accnratias  non  prios  iudioare  possamus  qaam  de  daotyliois 
apnd  Plaatom  formis  necessaria  institata  est  qaaestio. 

4)  Epid.  496  transponit  FleckeiMn  fnifi^iMfifMiMfii  et  $um  |j(<ra, 
Poen.  1062  Mneller :  t9$90ra  et  emn  ülo  fkni,  •—  Poen.  86  propomt  Klots 
(pag.  276):  Altera  qninqaennis,  Altera  (6rat)  qnadrimula. 

6)  Gf.  Yahlen,  Hermes  XVII  606  sqq. 


De  vocalibus  produotis  Latinas  voces  terminantibus.        9 

Quoniam  illis  undecim  versibus  iambicis  senariis  auctori- 
tatem  non  inesse  satis  demonstrayisse  mihi  videor,  conyertite 
Dundam  animos  ad  trocbaicos  septenarioa,  ex  quibas  adhiben- 
tiir  yersus  tres: 

Gas.  814:  Di  bercle  me  cupiunt  servatum.  lam  öboluft  Gäsinä 

procul. 

üurc.  602:  Pater  istiim  ^)  meas  gestitävit.  |l  At  mea  matertera. 

Pers.  516:  Qaae  istaec  Fortuna  lucrificast?  H  Istas  qnae  no- 

rdnt  roga. 
Ex  qaibas  minimi  pretii  est  versus  Pers.  516,  cum  inter  se 
discrepent  Ambrosianus  et  Palatini.  Hi  enim  versum  prae* 
bent,  ut  supra  enm  attuli,  longe  aliter  autem  Ambrosianus: 
LVGRIFERAESTFORTVNA,  qua  in  lectione  nihü  est  offen- 
sionis.    Iure  igitur  legemus  hunc  versum: 

Qu&e  istaec  lücrifera  est  Fortuna.  |  Istas  quae  norunt  roga  >) 
cum  hiatu  legitime  in  diaeresi  et  ante  personam  mutatam  *). 

Versus  üurc.  602  traditusne  sit  recte,  et  Leo  dubitat  et 
G.  F.  W.  Mueller.  Atque  Leo,  quia  corruptelam  opinatur  esse 
ante  personam  mutatam,  in  editione  scribit: 

Pater  istum  meus  gestitavit  *  ||  At  mea  matertera 
in  adnotatione  adiciens :  fort  gestitavit  (olim).  Gontra  G.  F.  W. 
Mueller  coniunctionem  at  corruptam  esse  suspicans  dicit  1.  c. 
pag.  9 :  ich  für  meine  person  glaube  nicht,  dass  man  in  irgend 
einer  spräche  so  disputieren  wird:  „den  ring  hat  mein  vater 
getragen''.  „„Aber  meine  tante"".  Atque  hoc  quidem  assen- 
tior  Muellero  corruptelam  non  esse  in  eis  verbis^  quae  facit 
Planesium,  sed  in  eis,  quae  Gurculio.  Responsum  autem,  quod 
reddit  parasitus,  Mueller  neque  perspexit  neque,  quae  coniunc- 
tioni  at  inest  vis  adversativa,  tanti  fecit,  quanti  est  facienda. 
Atque,  nisi  omnia  me  fallunt,  vera  huius  versus  interpretatio 
est  haec:  „mein  vater  hat  den  ring  getragen^'.  „„Aber  meine 
tante  hat  doch  — '*'%  i.  e.  mediam  Gurculionis  orationem  Pla- 
nesium  interrumpit  verbis^):  mater  ei  utendum  dederat.  Quae 
cum  ita  sint,  non  alia  coniecerim  opus  esse  mutatione  nisi  post 
coniunctionem  at  addere  particulam  enim  ^)  vel  pol,  quas  non 
raro  coniunctionis  at  augere  vim  satis  notum  est: 

Pater  istüm  meus  gestitavit.  ||  At  (enim)  mea  matertera  — . 

1)  soll,  anukim,  2)  Ambrosiani  lectionem  recepit  Leo. 

8)  Gf.  pag.  13.  4)  Similiter  res  se  habet  Merc,  431. 

6)  De  hac  particala  vide  Bris  ad  Irin.  706. 


10  Georgius  Wedding 

Qui  in  V.  Gas.  814  nominativum  sg.  primae  dedinationis 
exire  oontendunt  in  a  produotam: 

Di  hercle  me  cupiunt  servitum.  lam  öboluit  Casinft  procul, 
eroentiuntur;  nam  neque  in  Ambrosiano  neque  in  Palatinis 
traditns  est  nominativus  C€uina  sed  potius  Camtu«.  Quae  lectio 
sine  dubio  est  prava  neque,  ut  confirmetur,  proferri  potest, 
quod  y.  8ö9  ridicule  dicit  Pardalisca: 

Lübet  Ghalinum  quid  agat  scire,  noYom   nuptüm  cum  novo 

marito. 
Nostro  looo  enim  (v.  814)  nemo  loquitur  nisi  Lysidamas, 
qui  primam  huius  versus  dicit  partem,  aut  Olympio  vilicuSi 
quorum  nterque  ignorat  Gasinam  esse  revera  Gadnum  >)•  Fien 
ergo  non  potest,  ut  formam  Cosinus  probemus,  sed  emendatio 
incerta  est  et  ambigua*). 

Quoniam  quattuordecim  illi  versus,  quos,  ut  a  litteram 
nominativi  sg.  primae  declinationis  productam  esse  confirment, 
ex  diverbiis  afferunt  viri  doctisaimi,  sine  dubio  sunt  reiciendi, 
eo  magis  diffidemus  eis,  qui  adhibentur  ex  canticis,  atque  om- 
nino  valde  miror,  quod  talibus  locis  iterum  iterumque  nimiam 
vim  et  auctoritatem  tribuerunt  viri  docti  tribuuntque,  quamquam 
neminem  e£Fugit,  quam  dubia  canticorum  sit  ratio  metrorum. 
Sunt  autem  hi  novem  versus,  qui  afferuntur: 

Aulul.  13ö:  Da  mi,  öptuma  feminä,  manüm  *). 

Bacch.  1128:  Pol  hödie  altera  iam  bis  detonsa  certost  ^). 

Gas.  655:  Dicäm.    Tua  ancills,  quam  tuö  vilicö  vis^). 

Gas.  696:  Quid  üxor  meä?  Non  adiit  atque  ademit^). 

Gas.  743:  Genä  modo  si  sit  cocta^). 

Men.  762 :  Quidnam  höc.  sit  negoti,  quod  filia  sie  ^). 

Pseud.  1278a :  Id  fuit  naeniä  lüdo  ?). 

Trin.  251:  Nöx  datur:  dücitur  f&miliä  tota^). 

Truc.  4Ö9:  Lucri  causa  av&rä  probnim  sum  exsecüta  *). 

1)  Pardaliscae  aut  Chalini  ipsius  verba  non  sunt,  qaia  hae  per- 
sonae  non  prodeunt  ante  v.  816. 

2)  Catüna  procul  non  legi  potest,  ne  CäMS  tribrachyn  efficieni 
iotam  habeat  in  paenaltima. 

8)  Dimeter  iambicus  acat  — femina  est  vocativus,  sed  non  detri- 
mento  erit  de  hoc  versu  iam  hie  verba  faoere. 

4)  Tetrameter  bacchiacas  acatalectus.  6)  Paroemiacas. 

6)  Dimeter  bacchiacas  cum  Reiziano  (u^u.^). 

7)  Trimeter  creticas  catalectioos.  8)  Tetrameter  creticus  cataL 

9)  Tetrameter  bacch*  acat. 


De  vocalibus  productis  Latinae  voces  terminantibus.      11 

Quia  versum  Anlnl.  135  dimetri  seqauntur  iambici  ^) : 

Vbi  ea  est?    Quis  eist  nam  öptami^? 

Tu.  I  Tüne  ais?  |  Si  negas,  n^gö. 

Decet  te  equidem  vera  pröloqni; 
Nam  optuma  nullä  potest  eligi, 

facile  adducti  sunt  viri  docti,  ut,  etsi  numeri  sunt  deformes, 
versum  135  quoque  dimetrum  crederent  esse  iambicum  >).  Sed 
com  paulo  post  nova  huius  cantici  pars  a  creticis  incipiat  Yer- 
sibus : 

V.  142:  D&  mihi  |  öperam  amabö.  |  Tuast ,  ütere  atque  impera 

si  quid  vis. 
11  Id  quod  in  rem  tuam  optumum  esse  ärbitror,  ted  id  mönitum 

advento  •), 
mihi  dnbium  non  videtur  esse,  quin  prior  quöque  pars  (v,  135 
— 141)  cretico  a  versu  ceperit  initium: 

Da  mihi  |  optuma  femina  manum  ^), 
i.  e.  dimeter  creticus  cum  clausula  .uu^.*)/  quo  versu  iden- 
tidem  usus  est  Plautus  velut: 

Most.  339:  Ecquis  hie  est?  ||  Adest  ||  Eü,  Philolaches. 

iDter  dimetrum  autem  creticum  et  clausulam  .w^u_  syllabam 
admitti  ancipitem  nullo  intellegitur  negotio  et  confirmatur 
y.  Bacch.  1112: 

At  mihi  Chrysalüs  öptumus  homo. 
Secundo  loco  detrahendus  est  v.  Bacch.  1128,  qui,  ut  supra 
dixiy  Yulgo  legitur,  tamquam  si  bacchiacus  sit  tetrameter  acata- 
lectus.    Sed  quid  nos  impedit,  quominus  sequamur  Leonem^  qui 
suadet: 

Pol  hödie  alt[e]ra  ^)  iäm  bis  detonsa  certost 

i.  e.  bacchiacus  dimeter  acat  cum  Reiziano,  qui  Yersus  fre- 
quenter  occurrit  apud  Plautum: 

Gas.  649.  650:  Malüm  pessumümque  hie  modo  intus  apud  nos. 
Gas.  658;  Virö  quae  suo  interminetur:  vitam. 


1)  Goets-Schoell  in  hac  oantioi  parte  omittant  ictas. 

2)  Inprimifl  G.  F.  W.  Maeller  et  Leo. 

8)  Sunt  oretici  tetrametri  cnm  clausula:  -^u^u^u. 

4)  Post  mM  est  hiatus  (non  legitimus)  ut  in  v.  142. 

5)  De  clausula  »uc'u..  of.  Leo,  die  plant  oantica,  pag.  11.  12, 

6)  aUra  ;  ^Uerü  a  d§xtra  :  dexUra. 


12  Georgias  Wedding 

Gas.  662:  Insöctatur  ömnis  domi  per  aedis  ^). 

Similiter  res  se  habet  in  versu  Gas.  696.  Atque  opinatur  Leo 
hunc  quoque  versum  ut  Bacch.  1128  esse  bacchiacum  dimetrum 
acatalectum   cum  Reiziano  eum   legi  iubens  hunce  in  modum: 

Quid  uxor  m^ä  nön  adiit  &tqae  ademit, 
vel  mea  per  synizesin: 

Quid  üxor  mea  nön  adiit  &tque  ademit, 
quae  vera  Leonis  videtur  esse  sententia.  Sed  metrici  nos  do- 
cent  bis  condicionibus  eo  loco,  quo  est  pronomen  mea,  pyrrhi- 
chium  >)  non  admitti,  et  Skutsch  synizesin  ostendit  verborum 
velut  mea,  mea^,  tuo  aliorum  eiusdem  generis  apud  Plautum 
esse  reiciendam  ').  Quae  cum  ita  sint,  Leonis  lectio  versus 
Gas.  696  probari  nequit;  neque  tamen  coniecturas  necesse  est 
versui  inferre  aut  transponere  voces,  sed  aliam  proposuerim 
dimetiendi  rationem: 

Quid  üxor  mea  non  Ädiit  ätque  ademity 
i.  e.  dimeter  bacch.  catal.  dochmio  non  dissimilis  ^),  quem  clau- 
sula sequitur  iambica  (dimeter  iamb.  cataL).  Inter  utrumque 
Colon  autem,  ut  frequenter,  syllaba  est  anceps.  Neque  omittam 
nonnullos  afferre  locos,  in  quibus  Plautus  eadem  ratione  dime- 
trum bacch.  catal.  cum  clausula  coniunxit  iambica  ^) : 

Men.  972  in  systemate  bacchiaco: 
Recördetur  id,  qui  nihili  sunt,  quid  eis  preti  % 
et  similiter  Amph.  638: 

Parümper  datäst,  dum  viri  mei  mihi  potestas  videndi  fuit, 
i.  e.  dimeter  bacch.  acat.   +    dimeter  iambicus  catal.    + 
dimeter  bacch.  catalecticus  7), 

Etiam  versus  Gas.  655  neque  vim  habet  neque  aucto- 
ritatem.  Ad  versum  654  enim  adnotat  Leo :  „dicam  (AP)  (id  est 
in    fine    versus) secundum    P  dic&m,    tua    ancilla 

1)  Gf.  Leo  ad  Gas.  649.  660. 

2)  Gf.  Klotz,  1.  c.  pag.  848:  die  zweisilbige  senkang  [wird  in 
bacchien]  nie  durch  wortschliiBB  von  der  folgenden  hebang  abgetrennt, 
sondern  durch  bindnng  mit  der  folgenden  hebung  in  einem  worte  mög- 
lichst schwach  und  unselbststandig  erhalten. 

8)  Satara  Viadrina,  pag.  122  sqq. 

4)  Gf  Leo,  die  plant,  cant ,  pag.  15.        6)  Gf .  Leo,  1.  c.  pag.  16.  16. 

6)  Parvi  momenti  est,  quod  in  hoc  versa  dimetrum  bacch.  catal. 
sequitur  dimeter  iamb.  acatalectus. 

7)  Versus  Bacch.  1128  quoque  (cf.  pag.  11)  eodem  modo  legi  potest 
ao  Gas.  696:  Pol  hodie  alterft     iam  Ihs  detönsa  certost. 


De  vocalibus  productis  Latinas  vooes  terminatibtts.        13 

quam  tuö  vilicö  vis^)*';  et  Goetz-Schoell  yerbam  dieam  sine 
adnotatione  tribuunt  versui  6ö4.  Adbaeret  igitur  in  Ambro- 
siano  dicam  versui  654  *) ,  in  Palatinis  autem ,  si  Leonis  recte 
perspexi  adnotaüoneniy  in  initio  positum  est  versus  655.  Atque 
quis  est,  qui  dubitet,  quin  cum  Ambrosiano  verbum  dicam 
tribuendum  sit  versui  654  (id  quod  fadunt  Leo,  Goetz-Schoell)? 
Quo  fity  ut  uterque  versus  (654.  655)  sit  sine  offensione: 
654 :  Possum  scire  ego  Istuc  ex  te  quid  negötist?  |  Dicam. 

Tua  incillä,  qu4m  tu  tuö  vilico  vis 

Dare  üxorem,  ea  intus  — . 
V.  654  igitur  est   bacchiacus  trimeter  acat  cum   Reiziano'), 
y.  655  bacchiacus  tetrameter  acat 

Eiusdem  generis  versus  est  Truc.  459: 

Lucri  causa  av&r&  probrum  sum  exsecüta, 
qui  versus  .ab  omnibus  fere  certissimum  habetur  documentum 
etiam  aetate  Plauti  syllabam,  de  qua  dicimus,  fuisse  longam, 
quia  eo  loco,  quo  adiectivi  cwara  est  syllaba  ultima,  in  tetra- 
metro  bacch.  acat.  usque  quaque  habeat  Plautus  productam. 
Sed  recte  Klotz  exposuisse  mihi  videtur  rem  aliter  se  habere. 
Guius  viri  doctissimi  deliberatio  est  haec^):  „Überall,  wo  auch 
sonst  selbstständig  verwandte  metrische  nüka  zu  einem  grösseren 
fAhQov  zusammentreten,  ist  hiatus  (und  syllaba  anceps)  in 
der  diese  glieder  markierenden  hauptcaesur  zulässig.  Wo  aber 
durch  die  caesur  auch  nur  ein  unselbstständiges,  hyperkatalek- 
tisches  glied  entsteht,  ist  diese  asynartetische  behandlung  aus- 
geschlossenes Afferuntur  exempla  hiatum  et  syllabam  ancipitem 
admitti  in  diaeresi  septenariorum  et  octonariorum,  et  iambi- 
corum  et  anapaesticorum ,  et  in  diaeresi  creticorum  tetrame- 
trorum.  Et  pergit  Klotz,  pag.  181:  „Nach  denselben  grund- 
sätzen  wird  sich  in  den  bacch i sehen  tetrametem  der  hiat 
(und  syllaba  anceps)  in  der  hauptcaesur  nach  dem  zweiten 
fusse  halten  lassen,  wenn  man  auch  dagegen,  vgl.  Müller,  plant, 
pros.  619  fg.,  bedenken  erhoben  hat  Denn  er  wird  durch  die 
analogie  der  trochaeischen  hauptcaesur  der  trochaeischen  sep- 
tenare  und  octonare  genau  so  gerechtfertigt,   wie  der.  hiat  in 

1)  — cuu^u^o.i — o-£ —  ,  ut  videtor,   colon  u— u_u —  et  di- 
meter  baooh.  acat.  2)  Gf.  apograph*  Ambros.,  ed.  Studemund. 

8)  Idem  venus  Gas.  659: 

Qaid  6rgo  ?  |  Ah  —  ||  Quid  est  ?  |  Interemere  ait  velle  vitam. 
4)  altröm.  metrik,  pag.  180. 


14  Oeorgins  Wedding 

der  haaptcaesar  der  iambiBchen  langzeilen^'.     Neque  deficiant 
exempla  hano  rem  confirmantia,  ex  quibus  tria  adhibere  satis 
erit  omissis  nonnuUis  aliis  quippe  corruptis  aut  incertis: 
Truc.  463 :  Vosmet  iam  vidStifs,  ut  ömata  incedo  ^). 
Men.  968 :  Yt  äbsente  erö  rem  |  erf  diligenter  *). 
Rud.  194:  Tum  |  h6c  mi  indecöre,  |  inique,  inmod^ste*). 
Vt  igitur  in  bis  versibus  et  hiatus  (legitimus)  admissus  est 
et  syllaba  anceps,   ita  Truc.  459  avara  desinere  potest  in  a 
brevem,  atque  supervacaneae  sunt  in  versibus  Truc.  468.    Men. 
968.    Rud.  194  coniecturae  Muelleri,   Ritschelii,  Vssingii,  inu- 
tilis  Truc.  459  Seyfferti  avare  *). 
V.  Trin.  251: 

Nöx  datur:  dücitur  f&miliä  töta 
vulgo  habetur  pro  cretioo  tetr.  catal.    Quod  rati  Brix-Niemeyer 
in  quarta  quoque  Trinummi  editione  narrant  ut  in  hoc  versu 
ita  aliis  locis  Plauti,  Ennii,  inscriptionum  ex  satumiis  compo- 
sitarum  a  litteram  nominativi  sg.  primae  declinationis  productam 
esse.    Sed  huius  versus  fides  infirmatur,  quod  paulo  ante  repe- 
ritur  alter,  qui  eodem  loco,  quo  in  v.  251  ultima  est  syllaba 
in  famüia,  syllabam  habet  sine  ulla  dubitatione  brevem: 
248,  249:  Nön  satis  id  est  mali,  ni  ämplifis  etiam  ^). 
Sunt  enim  utriusque  versus  (248.  249  et  251)  numeri: 

248.  249:  -c^wu^u ^kj^jm^^tt 

251:  .1.U I.KJ (i^uuujltt 

Quae  cum  ita  sint,  quisnam  a  finalem  contendere  audebit  in 
famüia  hie  esse  productam?  Sed  deliberatio  omnis  est  haec, 
quomodo  horum  versuum  interpretemur  numeros.  Neminem 
e£fugit  priorem  partem  creticum  esse  dimetrum  acat.,  quem 
sequitur  clausula  .^u.u.    Atque  nisi  omnia  me  fallunt/  haec 

1)  Mueller  supplet:  videtis  (me). 

2)  (tarn)  r$m  reoeperant  Ritschi,  Vsüng. 

3)  Fleckeisen  transponit:  indecöre  mi. 

4j  Qui  in  bacohiaoi  tetr.  diaereai  admitü  Byllabam  ancipitem  non 
credit,  ei  suadeo,  ut  hos  versus  intellegat  esse  dimetros  bacchiacos  acat. 
cum  olausala  Reiriana: 

Trac.  468:  Vosin^t  iam  vid6tls,  ttt  5m&ta  inoedo. 
Men.  968:  Vt  &bsente  ero  rem  |  Sri  diligenter. 
Rad.  194:  Tum  |  hoc  mi  indecöre,  |  Inique,  inmod^ste. 
Inter  dimetros  et  olansulam  adinittitur  syllaba  anceps. 

5)  Leo  hoc  quoque  loco  evitat  diffioultatem  amplitu  esse  creticum 
contendens. 


De  vocalibus  produetis  Latinas  vooes  terminatibus.        15 

olausula  adonio  simillima.  (vel  adonius  Ipse?)  eadem  eet,  quae 
praeter  alios  locos  invenitur  Rud.  668: 

(Seimus:  tanto)  in  metu  nunc  sumus  imbae, 
cuius  clausulae  prima  arsis  soluta  est  in  v.  .Trin.  251,  altera  in 
V.  248.  249. 

Paulo  longius  mihi  repetendum  est  in  v.  Men.  762.  Goetz- 
Schoell  et  in  hoc  et  in  eis  tribus,  qui  sequuntur,  yersibus 
omiserunt  ictus,  quod  numeri  sint  incerti.  Leo  aatem  illum 
versam  nos  dimetiri  iubet  hunce  in  modum: 

Quidnam  höc  sit  negöti,  quod  filiä  sie  i), 

in  editione  dicens  fabularum  Plauti  ter  repetitum  esse  u^_ 
v^-c  u-L.  yj^M.  (i.  e.  bacchiacus  dim.  acat.  cum  Reiziano)  cum 
clausula  o^_u-l._  vel  Reiziana.  Sed  necesse  videtur  accurate 
hos  versus  afferre: 

Quidnam  hoc  sit  negöti,  quod  ffliä  sie 
Repente  expetft  me,  ut  4d  sese  irem. 
Nee,  quid  id  sit,  mihi  certiüs  facit,  quid 
Velit,  quid  me  accersat  ■). 
Antecedunt  bacchiaci   tetrametri  *) ;  a  v.  764^  alterum  incipit 
systema  bacchiacum,  cuius  in  fine  est  iambicus  dim.  cat.: 

774:  Id  est  quod  siispicäbar. 
Quod  ad  Leonis  versus  inde  a  762  ad  764  dimetiendi  pertinet 
rationem,  non  eam  laudaverim,  cum  pronomen  quid,  quod  ille 
tribuit  versui  763a,  in  codicibus  adhaereat  v.  764.  Atque  etsi 
hanc  rem  per  se  non  magni  esse  momenti  haud  ignoro,  nostro 
loco  duae  obstare  mihi  videntur  causae:  primum  quidem  huius 
cantici  cola  in  codicibus  usque  quaque  perbene  seiuncta  sunt, 
deinde  manuscriptorum  lectione  servata  nulla  versus  763ft  et 
764  dimetiendi  est  difficultas: 

763&:  Nee  quid  id  sit,  mihi  certius  facit 

764:  Quid  velit,  quid  me  accersat 

\if\j t , 

763a  est  dimeter  bacchiacus  cum  clausula  (iambica)  u_u.  ^), 
quae  non  raro  cum  versibus  bacchiacis  coniuncta  est,  velut: 

1)  Gf.  pag.  7,  adnot.  4). 

2)  Vel:  vBlIt,  qaid  me  accersat  (clausala  Reiziana). 

8)  Excepto  venu  760,  in  quo  corruptela  etiam  numeros  turbaviise 
videtur.  4)  Gf.  Leo,  die  plaut.  cant.,  pag.  22. 


16  660i|;iu8  Wedding 

Poen.  ^52.  253 :  Qui^soo.  |  Ergo  amö  te.    Sed  höc  nunc  respönde 

Mihi:  sunt  hie  omnia. 
Rud.  205:  Ita  hie  sola  sölis  locis  compotfta  sum. 
Man.  764  autem  est  bacchiaons  dim.   acat;  quamquam  mihi 
verisimile  est  eum  legendum  esse: 

Quid  velit,  quid  me(d)  accersat, 
h.  e.  iambicus  dim.  catal.,  qui  ut 

Id  est,  quod  süspicäbar 
alterum  systema  bacchiacum  (inde  a  v.  764a  ad  v.  773),  clau- 
dit  primum.    Sed  numeri  veisuum  762  et  763  nobis  nomina- 
tiyum  ßia  interpretantibus  esse  dactylum  sunt  hi: 

762:  ^^^ — v-^—  ^^wu  . 
763:  u^«u^^  u^«^- 

vel  •):  u-/ u-z-u t- . 

Atque  versum  763  sine  dubio  proximum  est  legere: 

Repente  expetit  me,     ut  äd  sese  irem, 
i.  e.   bacchiacus  dim.   acat.   cum   clausula   Reiziana.     Verum, 

qtiod  fUia  sie usj\j^  in  v.  762  vix  colon  illud  est  iambicum 

u.u_,  de  quo  supra  yerba  feci,  sed  potius  anapaestica  videtur 
esse  clausula.  Eins  generis  autem  clausulas  Plautum  recepisse 
et  praecipue  bacchiacis  coniunxisse  cum  versibus  nemo  infitias 
ire  potest.  Exempli  gratia  conferas: 
Cist.  8:  Pol  isto  quidem  nos  pretiö  facile  est  frequent&re  *), 
i.  e.  dimeter  bacch.  acat.  cum  paroemiaco.  Iure  igitur  versum 
762  interpretari  mihi  videor  esse  bacchiacum  dim.  acat.  cum 
clausula  anapaestica  (monometro  anap.),  quam  clausulam,  cum 
simillimi  sint  numeri: 

762:  quod  filia  sie: luu_ 

763:  ut  ad  seseirem:  uu.i 

etiam  in  v.  763  deprehendi  crediderim. 

Versum  Pseud.  1278s ,  quia  anteeedunt  cretici,  ante  id 
temporis  dimetiebantur  viri  docti,  perinde  ac  si  sit  creticus 
trimeter  catal.: 

1)  at  äd  9esSf  \j\j^  per  legem  iambomm  oorreptionis. 

2)  tU  coniungi  potest  cum  prima  huiuB  versiiB  parte:  repdnU  ex- 
ptitt  tne  ut  , .  ,\  inter  primum  colon  et  olausnlam  est  syllaba  anceps. 

8)  Non  nego  clausulam  uu^uu^,  ut  videtar,  in  hoo  quo  versa 
762a  (et  763?)  inTeniri.  Sed  non  est  dabium,  quin  tempus  postenuon 
Bcientiam  nostram  aucturum  sit  olausnlarum. 


De  Tocalibus  prodoctis  Latinas  voceB  terminantibus.       17 

Id  fiiit  na^uft  ludo. 
Sed  j^eterquam  quod  eius  geaeris  versus  apud  Plautum  non 
occurrit,  altera  hunc  versum  dimetiendi  exstat  ratio: 

Id  ftit  naenXä  lüdo, 
i.  a  clausula  anapaestica  (paroemiacus);  ^eadem,   quae  in  fine 
versäum  creticoruin  iavenitur  Rud.  216  a: 

Me  nunc  miseram  ^sse  ita  uÜ  sotn. 

lam  unus  superest  versus  Gas.  743  isque  dubiae  naturae; 
quiy  ut  supra  dixi,  vulgo  legitur: 

Graft  modo  si  sit  cöcta, 
i.  e.  paroemiacus.    Atque  hoc  ut  aocipiamus,  suadere  videtur 
versus,  qui  antecedit,  idem  paroemiacus: 

Quid  nunc?  quam  möx  recreas  me; 
dissuadetur,  quod  in  Ambrosiano  versus  743  non  eodem  or- 
dine  sub  v.  742  scriptus  est^),  id  quod  ea  de  causa  factum 
videtur  esse,  quo  facilius  alium  versum  atque  antecedentem 
esse  appareat.  Neque  quidquam  impedit,  quominus  —  ut  iam 
Leo  quamquam  dubitans  suspicatur  —  eum  interpretemur  esse 
iambicum  dimetrum  catal.  cenä  modo  si  sit  cöda,  praesertim 
cum  pauk)  ante  alter  reperiatur  dimeter  iambicus  (acat): 
V.  732:  Mane.  H  Quid  est?    Quis  hie  est  homo?  *). 

Demonstrasse  mihi  videor  illorum  trium  et  viginti  versuum 
Plautinorum,  in  quibus  nominativus  sg.  primae  declinationis 
cadere  videtur  in  a  prodnctam,  partim  admittere  syllabam  an- 
cipitem,  partim  esse  corruptos,  partim  in  metrorum  ratione 
dubiae  naturae,  ut  omnibus  vis  deroganda  sit  atque  auctoritas. 
Longe  inoertiores  autem,  quam  de  quibus  supra  verba  feci 
versibuB,  sunt  ei,  qui  adhibentur  ex  poetis  et  inscriptionibus  *) 
eiusdem  fere,  qua  fiiit  Plautus,  aetatis.  Quae  exempla  ad  nnum 
omnia  reiedt  Stadelmann  *)  solum  omittens  versum  Naevii,  quem 
iambicum  senarium  esse  contendit  Gorssen  Aussprache  II  450: 

Atqu6  prius  päriet  locustft  Luc4m  bovem. 

1)  Tide  apograph.  Ambros.,  ed.  Studemund,  et  Leo,  Die  plant. 
Gant.  pag.  48. 

2)  Sic  Goets-Sohoell.  Nescio  qua  de  causa  Leo  in  editione  notet 
trochaeoB. 

3)  Ex  Scipionnm  afferuntur  elogiis :  formS  (£.  Schneider,  Exempla, 
88/},  3),  /amä  (Schneider  90,  3),  t^ä  (Schneider  91,  4),  quae  formae, 
com  uaqae  ad  id  temporis  Baturniorum  ratio  metrorum  non  sit  per- 
specta,  nihil  valent.  4)  L.  c.  pag.  7.  8. 

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18  Georgias  Wedding 

Sed  primum  pagnat  in  hoc  venu  nomen  locusta  cum  dipodiarum 
Idge  ^)i  quia  paenaltima  producta  efficit  thesin  quartam  iambici 
senarii;  deinde  Varro,  qui  profert  illa  verba,  tantum  dicit: 
Äpud  Naevium :  Atque  prius  pariet  locuUa  Lucam  bovem.  Luca 
bo8  eUphcu.  Quae  res  cum  ita  se  habeat,  eodem  iure  atque  ex 
fabula*  quadam  Naevii  iudicabimus  potius  illa  verba  sumpta 
esse  ex  Belle  Poenioo,  id  quod  suspicantur  Ottfr.  Mueller  et 
Luc.  Mueller  verba  a  Varrone  allata  duobus  tribuentes  versibus 
saturniis  *).  Negari  igitur  non  potest  aetate  Plauti  ^llabam, 
de  qua  quaesivimus,  fuisse  correptam,  quae  correptio  sine  ulla 
dubitatione  permultis  annis  ante  facta  est,  ut  neque  inscrip- 
tiones  neque  aevi  vetustioris  poetae  hanc  syllabam  servaverint 
productam. 

De  vocativo  sg.  primae  declinationis  paucis  possum  absol- 
vere.  Apud  Plautum  neque  exemplis  ostendere  possumus  hunc 
casum  exire  in  syllabam  brevem  neque  in  productam,  cum, 
quibus  locis  occurrit,  in  eis  admittatur  syllaba  anceps  >).  Nam 
etiam  in  v.  Gura  192^),  qui  yulgo  legitur: 

Ebriolä  persölla,  nügae  ?  |  Tun  meam  Venerem  vituperas  ? 
non  vis  est  et  auctoritas,  quia  dimetiri  licet: 

Ebriolä  persöUa,  nügae?  |  Tun  meam  • . . .  ^). 
Sed  exempla  aetate  Plauti  vocativum  desiisse  in  a  brevem  per- 
multa  ex  Ennio,  aequali  fere  Plauti,  petere  possumus: 

Ann.  30  (L.  M.):  Eurydica  prognatä,  pater  quam  noster  amavit 
34:  Postilla,  germanä  soror,  errare  videbar. 
38:  His  verbis:  o  gnatä,  tibi  sunt  ante  ferendae, 
aliis  locis.  Dtrum  autem  vocativus  in  a  brevem  terminans 
(velut  ßiä)  olim  propria  fuerit  ^)  forma  an  ortus  sit  ex  nomina- 
tivo  *filiä,  diiudicare  non  possumus,  quod  in  lingua  Latina  ex 
utraque  forma  eam,  quae  cadit  in  a  litteram  correptam,  eva- 
dere  oportebat. 

1)  Cf.  pag.  2.  2)  L.  MueUer,  Bell.  Poen.  V.  74.  76: 

atque  prius  pariet  looasta 
Lucam  bovem. 
Baehrens,  Frg.  poet.  Rom.  p.  9: 

atqa6  priüs  pariet  |  bovem  locüsta  Lüoam. 

3)  uknünhä  (Pen.  279 :  nescio,  inquam ,  olmitribä  tu)  est  stirps  in 
a  masoulini  generis. 

4)  De  venu  Aulul.  186  of.  pag.  11.  6)  Sic  Leo. 
6)  Cf.  Bskr.  nom.  ambä  (mater),  voo.  amba. 


De  vocalibus  productis  Latinas  voces  terminantibus.       19 


2.    Nominativus  et  voeativus  notninum  propriarum  Oraeccrum 

in  -ag  et  -tig  *). 

a.  Nominativus. 

Qaaestio,  quam  Stadelmann  L  c.  pag.  18  de  liis  insiituit 
nominibus,  parum  est  felix,  quod  simul  de  nominativo  verba 
fecit  et  vocativo;  quo  factum  est,  ut  omnia  miscuerit  et  turba- 
verit,  planum  fecerit  nihil. 

Quod  ad  nominativi  pertinet  syllabam  ultimam,  qua  sit 
natura,  non  facile  est  decernere,  cum  saepissime  nomina  repe- 
riantur  aut  in  exitu  versus  aut  ante  vooalem,  ut  propter  eli- 
sionem  natura  syllabae  finalis  perspici  non  possit 

Apparet  tarnen  Plautum  bis  nominibus  propriis  usum  esse 
littera  fiuali  a  deiecta.  Versus  Plautini  autem,  quorum  ratio 
habenda  est,  sunt  tres: 

Amph.  438:  Quis  ego  siim  saltem,  si  non  sum  Sösiä?  te  interrogo. 
439:  Vbi  ego  Sosift  nolim  esse,  tu  esto  s&ne  Sosia. 
1024:  Sosia.  |  Ita,  sum  Sosiä,  nisi  me  esse  oblitum  existimas  *). 

Quibus  ex  versibus  nihil  valet  Amph.  438,  quia  pro  te 
lidtam  est  scribere  ted^): 

Quis  ego  süm  saltem,  si  nun  sum  SösIä?  te(d)  int6rrogo^).   ' 
In  versu  1Ü24  autem  dimetiri  possumus: 

Sosia.  B  Ita,  sum  Sösiä,  nIsi  me  esse  oblitum  existimas, 
quam  dimetiendi  rationem   ut  accipiamus,  suadetur,  ne  ultima 
ante  diaeresin  thesis  duabus  efficiatur  syllabis  ^). 

Sed  si  spectamus  versum  439,  nominativus  Sosia  longa  vi- 
detur  terminari  syllaba.  Cui  rei,  nisi  omnia  me  fallunt,  haec 
repugnat  deliberatio:  nomina  velut  Sosia  (Sü}aiag\  poeta  {noiti- 
Tijg),  nauta  (vccvifjg)  ex  lingua  Graeca  in  Latinam  translata  in 
hac  declinantur  secundum  primam,  quam  dicimus,  declinationem; 

1)  a  litteram  nominativi  sg.  Graecormn  nominum  propriorum  fe- 
minini  generis  velut  Scapha,  Myrrina^  Philumena  etc.  doQoit  Stadelmann 
1.  c.  pag.  16  sq.  usque  qaaque  apad  Plaatum  et  Terentium  eos  locos 
teuere,  ex  quibus  de  quantitate  nihil  ooncludi  possit. 

2)  Stadelmann  affert  praeter  hos  versus  Amph.  828: 

Nam  quom  de  illo  sübditivo  Sosia  mirümst  nimis  (I) 
8)  Mueller,  Nachtr.  pag.  2. 

4)  Leo  hoc  qnoque  loco  8o$ia  creticum  esse  contendit. 
6)  Cf.  Klotz,  1.  c.  pag.  U6.    Skutsch,  Sat.  Viadr.  pag.  141. 

2* 


20  Georpus  Wedding 

unde  efficitar,  ut  nominativos  SoHa,  poeta,  nauta  respondere 
necesse  sit  nominativo  primae  declinationis  Latinae,  cuius  lüti- 
mam  etiam  in  nominibus  feminini  generis  apud  Plautum  brevem 
esse  snpra  demonstravimus  ^) :  ergo  fieri  non  potuit,  ut  nomina- 
tivus  Sosia  mitteretur  a  Plauto  in  syllabam  productam.  Quae 
sententia  duabus  adiuvatar  causis:  primum  Amph.  439  unus 
eet  versus  >),  in  quo  nominativus  nominis  Graeci  in  -ag  longa 
terminatTir  syllaba,  deinde  non  difficile  est  transponendo  bvic 
loco  mederi: 

Vbi  ego  nölim  Sösia  esse,  tu  esto  s&ne  Sösia<^), 
id  quod  eo  magis  commendatur,  quia  nominativus  Sosia  cre- 
berrime  deprehenditur  ante  vocalem  ^).  Huc  accedit,  quod  apud 
Terentium  Ulis  duobus  locis,  in  qnibus  nominativus  nominum 
eiusdem  generis  ac  Soaia  non  ante  vocalem  aut  in  exitu  versus 
aut  in  diaeresi  iambici  septenarii  vel  octonarii  reperitur,  duae 
eum  sequuntur  syllabae  (breves): 

Eun.  707:  Die  dum  hoc  rursum,  Chdereä  tüäm  vestem  detraxit 

tibi? 
Phorm.  484:  Pfaaedrid  tibi  ädest.  |  Vbinam?  ||  Eccum  ab  sda 

palaestra  exit  foras, 
quae  res,  nisi  faUor,  nos  dimetiri  iubet:  Gha^ret  tüam;  Phae- 

driä  tibi  ad6st. 

b.  Vocativus. 

Optima  Latinitatis  aetate  poetas  hunc  casum  duplici  effe- 
cisse  modo:  et  in  -ä  et  in  -a  nemo  ignorat: 
Ovid.  Met.  V.  242:  Te  tamen,  o  parvae  rector,  Polydectä,  Se- 

riphi. 
Horat  sat.  IL  3,  187:  Ne  quis  humasse  velit  Aiacem,  Atridä, 

vetas  cur? 

1)  Geteram  nomina  masoalini  generis  secundam  primam  deolina- 
tionem  velat  agricolä^  9cr%hä,  legirupä  in  llngua  Laiina  nanquam  casum 
reotnm  misisse  videntur  in  a  prodaotam. 

2)  Incertos  est  versus  Ennii  Ann.  19  (L.  M.): 

Doctu'  parens  Anchisä,  Yenas  quem  pulchra  dearum, 
quem  versum  soribit  Vahlen: 

Dootusque  Anchisä,  Venu'  quem  pnlcherrima  diuro. 
S)  Mueller  pag.  9;  Nachtr.  pag.  2. 

4)  Nominativus  Sona  apud  Plautum  undevicies  occurrit,  aed  sep- 
ties  in  fine  versus:  Amph.  148.  888.  898.  400.  408.  956.  1002;  novies 
ante  vocalem:  Amph.:  387.  894.  411.  427.  598.  609.  615.  918.  619. 


De  vocalibus  productis  Latinas  voces  terminantibus.      21 

contra  per  a  productam: 

Hör.  carm.  IL  4,  2:  Xanthiä  Phoceu.    Prius  insolentem. 
Verg.  Aen.  X.  229:  vigilasne,  deum  gens, 

Aeneä?  Vigila  et  velis  inmitte  rudentis. 
Quid  veri  est  similius  quam  Plautum  quoque  et  Terentium 
et  seryavisse  a  litteram  productam,  ut  est  apud  Graecos,  et 
seeundum  Romanos  usos  esse  a  brevi,  quae  duplex  consuetudo, 
cum  forma  Oraeca  et  Latina  essent  simillimae,  facile  potuit 
se  insinuare?  Atque  forte  accidit,  ut  apud  Plautum  uno  loco 
perspici  possit,  qua  quantitate  sit  syllaba  finalis  vocativi: 
Asin.  740:  Leönidä,  curre,  öbsecrö,  patrem  hüc  or&to  ut  veniat, 
i.  e.  seeundum  Graecos  ^);  eadem  ratione  Terentius  Heaut.  406: 

Salve,  4nime  mi.  |  0  mi  Gliniä,  salve.  |  Vt  vales? 

Verum  sive  brevis  sive  producta  a  littera  esse  potest: 

Andr.   301:   Quid   ais,    B^rrifl?    däturne  illa   P&mphilo  hödie 

nüptum?  I  Sic  est. 
Ean.  ÖÖ8:   Chaerei,   quid    est  quöd  sie  gestis?   quid  sibi  hie 

vestitus  quaerit?  >) 
Phonn.  154:  Phaedrifi,  patrem  ut  extimescam,  ubi  veniat  in 

meutern  eins  advdntil  ') 

3.    Nominaiivus^accusativus  plurolis  neutrius  generis. 


Nominativum-aocttsativum  plur.  neutr.  gen.  olim  desiisse  in 
a  litteram  productam  non  solum  dooent  linguae  cognatae  vdnt 
Ved.  ytiigä,  Got.  juka,  sed  in  lingua  Latina  ipsa  numeralia  in 
-ginta,  quae  nominativos-acousativos  plur.  neutr.  gen.  esse  satis 
constai,  semper  a  litteram  servaverunt  productam,  cum,  ante- 
quam  eorum  a  correpta  est,  obriguerint.  Hanc  autem  correp- 
tionem  iam  aetate  Plauti  factam  esse  eo  ipso  apparet,  quod 
saepe  a  uominativi-acc.  plur.  neutr,  gen.  invenitur  in  ultiina 
thesi  iambici  senarii  et  trocbaici  septenarii  velut: 

Most.  49:  Tu  förtun&tus,  ego  mis6r,  patiündä  sunt. 
Most  417:  Prof6cto  ut  liqueant  ömnia  et  tranquillä  sint. 

1)  Non  iure  igitur  transponit  Maeller,  1.  o.  pag.  9:  ctirre,  ih9eer6^ 
Lsdmdä  ... 

2)  Anieposuerim :   0^adreä,  quid  est  quöd  9ie ,   ne  theain  so- 

latam  intermmpat  syllaba  finalis  {Cha4reä,  qtOd  \  M  quöd.  ....). 

8)  Praepono;  Pha4dn4^  p^em  ut  MimUeam  . . . .,  üf,  adnot,  2)« 


22  Georgias  Wedding 

Trin.  861:  Quam  magis  specto,  minas  placet  mi  haec  homi- 
nis fades;  mirä  sunt, 
ninltis  aliis  locis.  Ut  autem  a  viris  doetis  versus  allati  sunt, 
in  quibus  a  littera  nominativi  sing,  primae  declinationis  pro- 
ducta sit,  ita  opinantur  esse  versus,  qui  a  productam  nomiua- 
tivi-acc.  plur.  neutr.  gen.  confirment  ^).  Atque  vulgo  ex  Plauti 
fabulis  haec  promuntur  exempla  ^) : 
ex  diverbiis: 

a.  ex  iambicis  senariis: 

Pseud.  563:  Me  idcirco  haec  tänta  fäcinorä  promittere. 

b.  ex  trochaicis  septenariis: 

Asin.  199:  CeterS  quae  völumus  uti  Oraeca  raercamur  fide. 
Men.  900:   Quae   me  cUm   ratüs  sum   fäcere,  ea  ömniä  fecit 

palam. 
Mil.  1314:   Quid   vis?  ||  Quin  tu  iübes  ecförri  omnift  quae  isti 

dedi? 
Mil.  1338:  £xite  &tque  ecferte  huc  intus  ömniä  quae  isti  dedi. 
Mil.  1408:  Obsecro  hercle  te,  ut  meä  verba  aüdids  prins  qu&m 

secat. 
Rad.  1086 :  Et  crepündiä.  ||  Quid,  si  ea  sunt  aüre&.  H  Quid  istdc 

tua?  «) 
Quibus   Septem    versibus    fidem    esse  derogandam  censeo. 
Versum  Mil.  1408  enim  dimetiri  licitum  est  cum  hiatu  legitimo 
in  diaeresi  *•) : 

Obsecro  hercle  te,  üt  m^  v6rba  aüdiis  prius  qu&m  secat  ^), 
et  in  V.  Rud.  1086  ante  personam  mutatam  syllaba  admittitur 
anceps,  ut  mutatione: 

Cum  crepündiis.  |  Quid  . . .  • , 
quam  commendat  Leo,  non  opus  sit,  quamqnam  in  eadem  fere 
re  Plautum  non  nego  scripsiase  cum  crqmndüs  Rud.  1362  sg.: 

una  istinc  cistella  excepta  est  modo 

1)-Gf.  Corssen,  Aassprache  IT,  460.  Baecheler-Windekilde,  Deoli- 
naiion  pag.  40.    Stadelmann,  1.  c.  pag.  28. 

2)  Omiti  eo8  versus  (iamb.  sept.  oct.,  anap.  sept.  oct.),  in  qaibus 
syllaba,  de  qua  dicimos,  eam  tenet  sedem,  in  qua  admittitur  syllaba 
anceps,  velut  in  diaeresi:  Amph.  1065.  Asin.  419.  618  .  .  . 

8)  Rad.  1216.  1222 : 

Omniän  licet?  |  Licet,  sed  sein  quid  est  quod  te  volo? 
0mnifi(n)  licet?  N  Licet:  tibi  rnrsum  refero  gritiam, 
a  producta  est  vi  podtionis. 

4)  Cf.  pag.  18.  5)  Sic  Leo, 


De  Yocalibas  prociuctis  Latinas  voces  terminantibus.      23 

Cum  crepündiis,  quibuscom  bödie  filiam  inveni  meam, 
et  similiter  Gist.  709:  cistellain  cum  orepundiis. 

Qood  pertioet  ad  formas:  Ot&^ä  (Asin.  199),  ömtM  (Men. 
900.  Mil.  1314.  1338),  fäcinora  (Peeud.  563) »),  non  aliter  de 
eis  iudicandum  est  ac  de  förmig  Ub^ä,  aWk'ä,  ömmbas,  vem- 
müSf  de  quibus  accurate  verba  feci  pag.  8  et  emendandos  esse 
versus,  in  quibus  oceurrunt,  ostendi.  Atque  in  uno  quidem 
versu  (Asin.  199)  emendatio  probabilis  tamquam  ipsa  se  praebet: 

CSterüm  quae  völumus  üti  Graeca  m6rcamür  fide  *), 

vel  quam  ego  anteposuerim  emendationem : 

Cetera  qu4e  (nos)  völumus  üti  Graeca  mercamür  fide '). 

Difficilius  autem  est  versibus  Men.  900.  Mil.  1314.  1338. 
Pseud.  563  mederi,  id  quod  vulgo  fit  transponendo:  Men.  900: 
omtiia  ea^);  Mil.  1314.  1338:  omnia  isti  quae'^);  supplendo 
Pseud.  563:  fäcinora  {his)  •).  Neque  vero  bis  coniecturis  satis 
habeo  fidei,  sed  versus  Men.  900.  Mil.  1314.  1338  cum  hiatu 
legere  praefero  quamquam  non  legitimo: 

Men.  900:   Quae  me  cläm  ratiis  sum  fäcere  |  ea  |  omntä  fecit 

palam ''), 
Mil.  1314:  Quid  vis?  |  Quin  tu  iübes  ecferri  |  ömnlä  quae  |  isti 

dedi? 
Mil.  1338:    £xite  ätque   ecferte   huc   intus   ömniä   quae  |  isti 

dedi  «), 
versum  Pseud.  563  desperans  probabiliter  corrigere. 

Ad  hos  Septem  versus  autem  diverbiorum  accedunt  sex  ex 
canticis: 

Men.  974:  Verberä  cömpedes  '). 

Pers.  761:   Quorum  öpera  haec   mihi   facilia  factü  &ctft  sunt 

quae  volui  ef&eri  ^<>). 
Poen.  253:  Sunt  bic  omniä  quae  ad  deüm  pacem  oportet  ^^). 

1)  Cf.  pag.  8  adnot.  2). 

2)  Sic  Leo.  8)  (nos)  add.  Fleckeisen.  4)  Bothe. 

6)  Bitschi  et  TaubmanD.  6)  Ritschl. 

7)  Fortasse  posi  omnia  pronomen  interponendum  est  velat  hie. 

8)  Versus  Mil.  1314  et  1888  sunt  sine  offensione,  si  pro  relativ! 
fonna  quas  ponimns  rariorem:  quia,  de  qua  vide  sis  infra: 

omniä  qula  isti  dedi  (?) 

9)  Cretious  dim.  acat.  10)  Anapaestions  oct, 
11)  Bacchiacns  tetr.  acat. 


24  GeorgiuR  Wedding 

Rad.  199:  Is  Davem  atque  ömnia  perdidit  in  mari  ^). 
Rad.  215:  Algor,  error,  paTor,  me  ömnift  ten6nt  *). 
Rad(   933:    Oppidä    circümvect&bor;    übi    nobilitas    m6a    erit 

cUra  >). 

Atque  primum  reioiendos  esse  ostendam  illos  tree  Yorsos 
samptos  ex  Radente.     V.  199    enim   altima   adiectiTi   amnia 
syllaba  eum  cretici  tetrametri  tenet  locam,  quo  syllaba  aBceps 
admittitur  et  hiatus  *).    Quae  res  bis  confirmatur  versibus : 
Asin.  134:  N&m  mare  band  est  mar@,  vös  mare  acerrumuin. 
Asin.  137 :  Qua6  dedi  et  quöd  benö  feci,  at  posth&c  tibi  ^). 
Rud.  233:  Gerto  vox  miiliebrls  aüris  tetigit  meas; 
hiatus  autem  invenitur: 

Asin.  135:  Nam  in  mari  repperi  |  hie  elavi  bonis. 
Gas.  149 :  Quändo  is  mi  et  filio  |  ädvorsatür  suo. 
Gas.  190:  Nee  mihi  iüs  meum  |  öptinendi  öptiost 
Rud.  950:  Sed  boni  cönsili  |  ecquid  in  te  mihist? 
Quod  cum  ita  sit,  iure  versum  Rud.  199  legemus: 
Is  navem  ätque  ömniä  perdidit  in  mari. 

Quis  autem  nobis  persuadebit  versum  Rud.  215: 
Algor,  error,  pavor,  me  ömnia  tenent 
creticum  esse  dim.  acat.  +   clausulam  _w_u.  ^),   cum   iam 
supra  viderimus '')  Plautum  identidem  creticos  coninuxisse  cum 
clausula  .c»ww.  ? 

Quia  circum  versum  Rud.  933  reperiuntur  anapaesti,  dissua- 
detur,  ut  eum  compositum  esse  interpretemur  ex  trochaeis. 
Neque  haec  res  editores  effiigit  fabularum  Plauti,  qui  omnes 
recepisse  videntur: 

Oppida  circümvect&bor. 
Vbi  nöbilit6s  mea  erit  clara, 
i.  e.  paroemiacus  et  anapaesticus  dim.  acatalectus. 

Etiam  versus  Men.  974  et  Poen.  253  altera  legendi  sunt 
ratione:  v.  Men.  974,  cum  anteoedant  versus  baccbiaci  (praeter 
V.  973)  et  sequatur  eiusdem  generis  tetrameter,  facile  adduci- 
mur,  ut  dimetiamur: 

Verbera  compedes  ^)y 

1)  Greticae  tetr.  acat. 

2)  Greticiis  dim.  acat.  cam  daasala  —  u_v^— 

8)  Troch.  oct.  4)  Gf.  pag.  18.  5)  De  hm^  cf.  infira. 

6)  De  hac  clausula  vide  Leo,  1.  o.  pag.  8  sqq. 

7)  Pag.  11.  8)  Sio  Leo. 


De  vocalibus  productis  Latinas  voees  terraiDantibus.       25 

i.  e.  bacchiacns  dim.  catal.,  qui  paulo  ante  (v.  972)  reperitur 
cum  cUusala  iambica^):  Recördetur  id,  qui  nihili  sunt,  quid 
eis  pieti. 

Versus  autem  inde  a  Poenuli  252  usque  ad  254  disponit  Leo 
(nescio,  num  oodicum  secutus  sit  dispositionem ;  nihil  enim  ad- 
notat)  hunce  in  modum*): 

Quiesco.  I  Ergo  amö  te.  sed  böc  nunc  responde 

Mihi:  sunt  hie  ömnia, 

quae  ad  deum  ^)  pacem  oportet  adesse?  1  Omnia  äccurävi, 

i.  e.  bacchiacus  tetrameter  acat.  +  bacchiacus  mon.  cum  clau- 
sula w.u.  ^)  +  bacchiacus  trim.  cum  Reiziano. 

lam  unus  superest  versus  Plautinus  Pers.  761,  qui  ipse 
nos  admonet,  ne  aetate  Plauti  litteram  a,  de  qua  dicimus, 
fuisse  productam  temere  concludamus,  cum  syllabam  longam 
non  dif&cile  sit  romovere.    Qui  versus  vulgo  legitur: 

Quorum  öpera  haec  mihi  facilfa   facti!  facta  sunt   quae 

volui  effieri; 

C.  F.  W.  Mueller  autem,  cuius  partes  sequitur  Leo,  proponit  <^): 
Quorum'  öpera  haec  mihi  facilia  factü  facta  (haec)  sunt, 

quae  volui  effieri, 
quam  lectionem  non  dubito  recipere. 

Neque  usquam  alibi  in  litterarum  Römanarum  monumentis 
exstat  locus,  qui  syllabam,  de  qua  verba  facimus,  longam  esse 
possit  probare.  Nam  versus  Ennii  Ann.  300  (L.  M .)  sine  dubio 
est  corruptus  ^): 

Eloqueretur  et  cunctä  malaque  et  bona  dictu; 
itetnque  corruptela  insinuavit  in  Ann.  v.  93: 

92 :   CSonspicit  inde  sibi  data  Romulus  esse  f  propriam  ^) 
Auspicio  regni  stabilitS  scamna  solumque. 
Atque   ego   quidem    inter   siabilüa   atque    scamna    coniecerim 
omissam  esse  coniunctionem  e/,  quam  librarios  frequenter  omi- 
sisse  nemo  ignorat: 

1)  Gf.  pag.  12.  2)  Goeiz-Sohoell  soribnnt  ioiiboB  omissiB: 

263.  254 :  Sant  hie  omnia,  qaae  ad  deum  pacem  oportet  adesse  ?  1  Omnia 

accuravi. 

3)  Non  recte  Leo :  quae  ad  deüm ,  quo  icta ,    nisi  fallor,  no- 

tare  vult,  deum  per  synioesin  esse  legendum.    Cf.  pag.  12. 

4)  Cf.  pag.  16.  6)  L.  o.  pag.  13. 

6)  Cf.  Vahlen,  Mas.  Rhen.  XIV  665  et  L.  Mueller  in  editione  reli« 
quiarum  Ennii,  7)  Vahlen:  prtora;  L.  Mueller:  proprüim^ 


26  Georgias  Wedding 

Auspicio  regni  stabilita  (et)  scamna  solumqne. 
Vnas,   qui   ex  Terentii  fabulis  affertur  yersus,   dubiae   est 
naturae : 

Ad.  612:  Membra  metu  debiliä  sunt:  aniinus  timöre^): 

sunt  oboriatnbi:  ^uu cuu cuu.wj Longe  aliter  autem 

dimetitur  Spengel: 

Membra  metu  debilia  sunt: 
Animus  timore  obstipuit, 
i.  e.  trocbaicus  dim.  cat  et  iamb.  dim.  cat  >). 

Ut  igitur  in  linguae  Latinae  monumentis  usque  quaque  a 
littera  nominativi  sg.  primae  declinationis  brevis  est,  ita  nomi- 
natiTus-accosativus  plur.  nentr.  gen.  in  a  productam  desinens 
nusquam  deprebenditur,  sed  buius  vocalis  correptio  eodem  fere 
tempore  facta  videtur  esse,  quo  a  nominativi  sg.  primae  decb'- 
nationis  correpta  est. 

4.     AMativm  sg.  primae  declinationis. 

Abiativum  sg.  primae  declinationis  exiisse  constat  in  -dd, 
id  quod  aevi  vetustioris  testantur  inscriptiones,  in  quibus  inve- 
nitur:  Binnad%  praidad*)]  et  senatus  consultum  de  Baccba- 
nalibus  ^)  (a.  u.  c.  Ö68)  semper  ponit  litteram  d  *),  quamquam 
dubitari  nequit,  quin  illa  aetate  haec  d  aut  non  dicta  et  audita 
sit  aut  tenuiter;  nam  apud  Plautum  a  ablativi  frequenter  eli- 
ditur  velut: 

Ampb.  193:  Praeda  ätque  agrö  |  adöriäque  adfecit  populäres  suos, 
et  multis  aliis  locis.  Neque  mirum  est,  quod  ablativus  d  littera 
abiecta  apud  omnes  scriptores  Romanos  mittitur  in  a  pro- 
ductam. 

5.    Secunda  persona  sg.  imperativi  praes,  ad.  primae  conith 

gationis. 

Secunda  persona  sg.  imperativi  praes.  act  quattuor  coniu- 
gationum  respondet  secundae  personae  sg.  indicativi  praesentis, 

1)  Sic  Fleckeisen,  Vmpfenbach. 

2)  Verg.  Aen.  III  464  legitur  graviä  vi  arseos,  quippe  quae  forma 
tribrachyn  efficiens  in  versu  heroico  locam  habere  non  possit. 

3)  Schneider,  Exempla  117:  Äf.  Claudius  M.  f.  eanaol  Hinnad  eepä. 

4)  Schneider,  I.  c.  119:  3f.  Fourio  C.  f.  trüntnoa  müüart  de  prai- 
dad  MaurU  deded,  6)  L.  c.  97. 

6)  Velut:  s^nUntiad^  0ßd, 


De  vocalibus  prociuctis  Latinas  voces  terminantibus.      27 

scilicet  praeter  id  quod  iroperativi  formae  s  littera  carent  finali : 
laudä'S  :  lauda;  deU-s  :  deü;  legis  :  lege^);  ctAidl-s  :  audi, 
Quod  cum  ita  sit,  a  imperativi  usque  quaque  productam  esse 
exspectamus.  Neque  tarnen  paucis  accidit  lociSf  ut  haec  syllaba 
brevis  videatur  esse,  sed  exempla  ipsa  facile  nos  docent  hoc 
factum  esse  ex  ea  lege  metrica,  ex  qua,  si  verbi  iambici  ictus 
est  in  paenultima  vel  sequitur  productam,  haec  corripitur  >) : 
satis  erit  unum  exemplum  afferre  itemque  alterum: 
Cure  38:  luventüte  et  püeris  liberis,  ämä  quid  lubet 
Cure.  708:   Quändo   vir  bonü's,   respönde  quod    rogö.  |  Rögä 

quod  lubet. 

6,  Antidea,  antea  ^),  postideä,  pastea,  posliUä,  intereä,  praeterea, 

eäpropter  *),  qua-prapter. 

a  litteram  homm  adverbiorum  productam  esse  ex  bis  in- 
tellegimus  versibus  Plautinis: 
pofiideä: 

Aulnl.  118:  Nunc  quo  profectus  süm  ibo:  pöstideft  domum. 
eist.  784:    Vbi   id   erit  factum,    ömam^nta  pönent:  pöstideft 

loci  % 
itemque  semper  cadunt  in  a  productam  podeä  ^,  pastiUä '), 
interea  %  pnietera  •),  proptereä  ^^),  quärpropter  ^^). 

Quibus  in  adverbiis  baeret  controversia,  utrum  -eä  (et 
qua')  ablativus  sg.  sit  primae  declinationis  an  accusativus  plur. 
neutrius  generis.  Hoc  contendit  inprimis  Gorssen  ^'),  qui  a 
productam  accusativi  plur.  neutr.  in  bis  adverbiis  servatam  esse 
coactus  est  opinari:  fieri  non  potuisse,  ut  olim  praepositiones 

1)  leg}f  pro  ^le^,  quia  t  brevis  finalis  in  Hngaa  Latina  non  serva- 
tor  sed  nratatnr  in  -^;  cf.  nominat.  tnarif  pro  *fnaft, 

2)  Gf.  pag.  6,  adnot.  5). 

8)  Adverbiis  onMeä  et  anieä  Plaatus  non  ntitnr,  sed  pro  bis  ad- 
verbio  anU, 

4)  Cf.  Lucret.  IV  837  (Lachm.) : 

Deztera  eäpropter  nobis  simnlaora  remittunt. 

5)  Stieb.  97.  768.  6)  Most.  135.    Poen.  147. 

7)  Poen.  467.  760. 

8)  Asin.  480.  Men.  446.  Mil.  BIO.  Pers.  172.  Pseud.  266.  Rud. 
226.    Stieb.  81.    Trac.  32.  9)  Aulul.  567.    Merc.  88. 

10)  Mil.  1257. 

11}  Epid.  42.    Men.  714.    Most.  278.  825.    Poen,  1386.    Irin.  80, 

12)  Ansspraobe  II  456  sqq. 


28  Georgias  Wedding 

ante,  past,  inter,  praeter,  propter,  coniungerentur  cum  ablativo, 
deinde  cam  accasativo.  Sed  primum  quidem  scriptum  videmns 
in  senatns  consalto  de  Bacchanalibus  i):  sei  ques  eeerU,  quei 
arvorsum  ead  fecisent,  quam  suprad  scriptum  est,  h.  e.  prae- 
positio  adversus  (adversum),  a  qaa  aurea  Latinitatis  aetate 
pendet  accusativas,  cum  ablativo  coniangitur  in  bac  inscrip- 
tione  tarn  accurate  scripta,  ut  ead  errorem  esse  fabrilem  dici 
non  possit  Deinde  in  tabula  Bantina*)  reperitnr:  post  exac, 
qnae  forma  qain  ablativns  sing,  sit  feminini  generis,  dubitari 
neqnit  Qnamquam  igitnr  in  Latina  quoqne  lingua  praepo- 
sitiones  ante,  post,  inter,  praeter,  propter  fortasse  cum  ablativo 
coniungi  potuerunt,  tamen  baec  adverbia  non  crediderim  ea 
ratione  orta  esse,  ut  praepositio  et  forma  (ablativns)  pronominis 
determinativi  a  praepositione  pendens  coalescerent,  potins  vera, 
nisi  £alIor,  interpretatio  ducttur  de  adverbiis  eiusdem  fere  ge- 
neris interibi  et  postibi.  In  bis  enim  bina  adverbia  {inter  + 
ibi,  post  +  ibt)  copulando  iuncta  esse  neminem  efiEugit  Non 
aliter  res  mihi  se  habere  videtnr  in  adverbiis  interea  et  postea, 
in  quibus  adverbia  (praepositiones)  inter  sive  post  coniunetae 
sunt  cum  adverbio  (ablativo)  eä,  non  aliter  in  ceteris  eiusdem 
generis  ')k 

7,   Otfrö  *),  exträ,  infrä,  inträ  *),  supra,  uUrä. 

Ex  bis  apud  Plautum  mittuntur  in  a  productam: 
extra: 

Aulul.  711:  Nam  ego  dSclinävi  paülulüm  me  exträ  viam. 
supra: 

Cure.  477:  Gonfidentes  g&rrulique  et  mälevoli  suprä  lacum. 
Pers.  819:  Ego  pol  vos  eradicdbo.  |  At  t6  ille,  qui  suprft  nos 

h&bitat. 

Quomodo  de  his  adverbiis  et  praepositionibus  iudicandum 

sit,  apparet  ex  s.  c.  de  Bacch.,  in  quo  scribitur  exsirad%  su- 

1)  Schneider,  I.  c.  97.  2)  Zvetsjeff,  pag.  76  (8),  77  (23). 

8)  Gf.  pottmodo^  deforas.  Cf.  Skutsch,  Jfthresber.  für  roman.  Philol. 
IV  76. 

4)  eitra,  infra^  ultra,  nisi  fallor,  neqae  apud  Plautum  neque  apud 
alinm  illius  aetatis  poetam  tali  loco  inveniuntar ,  ut  do  ultimae  natura 
quid  ooncludi  possit. 

5)  Gf.  Eon.  Ann.  118.  422  (L.  M.). 

6)  Gf.  Oioorum  thtrad. 


De  vocalibus  productis  Latipas  yoces  tenninantibus.      ^ 

prad:  sunt  igitur  ablativi  sg.  primae  declinationis,  qoi  postea 
d  litteram  finalem  abiecerunt. 


8.    Contra. 

De  adverbio  et  praepositione  contra,  cuius  forma  simillima 
est  adverbiis  cUra,  extra,  seorsam  disserere  oportet,  quia  in 
diyersas  abiernnt  partes  viri  docti,  utrum  aetate  Planti  contra 
mitteretor  in  a  productam  ^),  qua  aurea  terminatnr  Latinitatis 
aetate,  an  in  a  brevem  '),  in  qnam  adyerbium  frustra  oUm 
desiisse  infra  videbimus.  Faciamus  nos  omnino  ignorare,  qnae 
ultimae  sit  natnra,  et  coactos  esse  ex  servatis  linguae  Latinae 
monumentis  usque  ad  Lucilium  coUigere,  qua  quantitate  fuerit 
syllaba  finalis.  Atque  sunt  hi  versus,  in  quibus  contra  oocurrit, 
scilicet  omissis  eis,  ubi  a  littera  eliditur  vel  in  eo  est  loco, 
quo  sine  dubio  admittitnr  syllaba  anceps: 
Ampb.  217:  Prodücit  ömnem  exercitüm.     Contra  Telöboae  ex 

öppido  Legiönes  educünt  suäs. 
Pseud.  156:   Adsfstite  ömnes  contra  me  et  quae  löquar  advör- 

tite  änimum. 
Rud.  242 :  Accede  ad  me  &tque  adi  o6ntra.  ||  Fit  sedulo. 
Truc.  124:  Fer  cöptra  manum  et  pariter  gradere. 

Naev.  praet.  6  (I  278  R.): 
Gömiter  senem  sapientem  contra  redhostis?  ||  Min  salust? 
Ennius  (Ann.?)'):  Quis  pater  aut  cognatus  volet  nos  contra  tuen. 
Ennius  (Ann.  ?)  ^)  :  Contra  carinantes  verba  atque  obscena  pro- 

fattts. 
Att.  538  (1 205  R.) :  Quem  neque  tueri  contra  neque  affiari  queas  ^). 

1)  Cf.  Stadelmann,  1.  c.  pag.  22  sq. 

2)  InprimiB  Ysener,  Ind.  icboL  Gryphiivald.  1866,  pag.  10  sq.; 
Bergk,  Anslantendes  D  im  alten  Latein,  pag.  82;  nuper  Skutsch,  Plant, 
and  Rom.  pag.  8.  8)  L.  M.  fab.  428.  4)  L.  M.  fab.  444. 

6)  Nonias  158,  14  affert  ex  libro  XX Villi  Luoilii  verba:  nunc  tn 
contra  venia  vel  qai  in  nuptiis  velaese  necea  te  nee  aine 
permitie.    Qnae  verba  valde  cormpta  correadt  Yaener,  1.  c.: 

nunc  tn 
contra  venia,  nt  qai  in  naptia  veraere  neceate 
nee  aine  permitie. 
Longe  aliter  aatem  L.  Mueller  in  Nonii  reoenaione 

non  tu 
contraheria?  volgi  imperiia  veraere  neoeaaeat 
nee  aine  permitie. 


30  6eorgitt8  Wedding 

lam  singulos  perlustremus  versus.  In  primo  quidem  Amph. 
217  contra  desinit  in  a  productam: 

Prodücit  ömnem  exercitdm.    Contra  Telöboae  ex  öppido. 
Ex  contrario  dnbitari  nequit,   quin  eadem   syliaba   brevis   sit 
Pseud.  156: 

Adsistite  ömnes  contra  me  et  quae  löquar  adyortite  dnimum, 
quo  in  yena  syliaba,  de  qua  dicimus,  ultimam  ante  diaeresin 
iambici  septenarii  effidt  thesin.  Sed  in  versibus  Rud.  242. 
Truc.  124.  Naev.  praet  6  utrum  contra  in  brevem  mittatur 
syllabam  an  in  productam  ^  non  potest  diiodicari.  Nam  Rud. 
242: 

Acoede  ad  me  4tque  adi  cönträ.  ||  Fit  sedulo, 
a  littera  in  ea  sede  est  cretici  tetrametri,  in  qua  syllabae  brevis 
loco  identidem  succedit  producta  velut: 

Ampb.  236:  Höstes  crebri  cadunt,  nöstn  contra  ingruont 
Cure.  109:  Sine,  ductim.    Sed  hac  äbilt»  hac  persequar. 
Rud.  243:  Cedo  manum.  ||  Accipe.  ||  Die,  vivisne?  öbsecro, 
in  multis  alüs  versibus. 
In  versu  Truc.  124  autem  duplex  dimetiendi  exstat  ratio: 

Fer  contra  mänum  et  pariter  gradere, 
vel: 

Fer  contra  mänum  et  parit6r  gradere, 
quo  in    versu  numeri  ^«i^wuu^  (dactylus,  anapaestus)   eadem 
ratione  et  eodem  iure  coniunguntur  quo  Mil.  1024: 

Age  age  üt  tibi  maxume  oöncinnümst.  ||  NuUümst  höc  stölt- 

d%ü8  säxum. 
Denique.Naev.  praet.  6  legi  potest: 

Cömiter  senem  sapientem  cönträ  rödhöstis?  ||  Min  salust? 
vel: 

Cömiter  senem  sapientem  cöntrft  redhostis?  ||  Min  salust? 
ut  a  littera  sit  in  thesi,  quae  indifferens  est  rhythmo  0* 
Dubiae  naturae  est  versus  Ennii; 
Quis  pater  aut  cognatus  volet  nos  contra  tueri, 
quem  ex  Annalibus  sumptum  et  bexametrum  esse  cOntendunt 
alii '),  alii  ex  fabula  quadam,  velut  Vahlen ,  sed  qui  nos  ponit 
post  quis,  haec  verba  suspicatus  esse  reliquias  duorum  versuum 
iambicorum  senariorum ') : 

1)  Ut  eanirä  ridhoHis  legamas,  laadetur,  ne  lyllaba  finalis  intemim- 
pat  solutam  theain.  2)  Bergk,  Ribbeck. 

8)  Vablen,  Ennii  tra^.  rel.  448.  444. 


De  Yocalibus  productis  Latinas  voces  terminantibus.      31 

yj^Kj  quis  no8  p&ter  aüt  cögnatus  yoiet 
Contra  tueri  — o— v^^-v^..  *). 
Neqae  tarnen,   nisi  fallor,  pronomen  nos  opus  est  transponere, 
et  coniecerim  haec  verba  ex  tragoediae  (yel  comoediae)  cuius- 
dam  parte  petita  esse,  qnae  trochaicis  ex  septenariis  erat  com- 
posita: 

-£.v^.u,  .u.  quis  p&ter  aut  cögnatüs  volet 
Nos  contrft  tueri  — u,  _ u— u,  — o_  *). 
lam  neminem  effugiet  nihil  hie  esse  certi,  nihil  explorati. 
In  altero  yersu  Enniano  et  verba  incerta  sunt  et  numeri: 

Contra  carinantes  yerba  atque  obscena  profatus, 
quae  scribit  Vahlen  (Ann.  181.  182): 

contra  carinantes 
Verba  (atra)  atque  obscena  profatus. 
L.  Mueller  autem  baec  verba  ex  cantico  fabulae  cuiusdam  esse 
suspicans  adnotat  anapaestos  (y.  444.  445  fab.): 

V.W.V/W  contra  carinantes 
Verba  aSqtte  obsc6na  profatus. 
Denique  syllaba,  de  qua  dicimus,  brevis  aut  producta  esse 
potest  Att.  538  (R.): 

Quem  neque  tueri  contra  neque  äffari  queas, 
vel: 

Quem  neque  tueri  contra  neque  äffari  queas  '). 
Omissis  igitur  omnibus  locis  incertis  restant  duo  Amph.  217 
et  Pseud.  Iö6,  quorum  alter  a  finalem  in  contra  praebet  pro- 
ductam,  alter  brevem.  Quod  cum  ita  sit,  triplex  exstat  ratio: 
aut  Plautus  promiscue  usus  est  formis  contra  et  contra;  aut, 
ut  apud  Plautum  deleatur  forma  contra,  corrigendus  est  versus 
Ampb.  217;  aut  huic  poetae  (simulque  ceteris)  deroganda  est 
forma  contra.  Quomodo  diiudicandum  sit,  non  ex  his  duobus 
versibus  (Amph.  217.  Pseud.  156)  ipsis  colligere  possumus,  sed 
deliberandum  est,  quaenam  ratio  sit  verisimilis.  Primum  con- 
tenderim  Plautum  non  promiscue  usum  esse  formis  contra  et 
eonirä;  id  quod  eo  ipso  apparet^  quod  Plautus  accuratissime 

_M  . ■  !■  ■      ■  ■      ■  I -  - ' ' ■ -     ^     -   ■ 

1)  L.  Mneller    ex    his    verbis   restitait    trochaicam    septenarium 
(y.  428): 

Qdis  pater  oonträ  tueri  nos  aut  cognatös  volet? 

2)  Primnm  pedem   troohaici  sept.  dipodiaram    legem    neglegendi 
habere  licentiam  satis  constat.    Cf.  W.  Meyer,  1.  c.  pag.  48, 

8)  Cf.  pag.  30  adnot.  1). 


3S  Georgias  Wedding 

et  diligenter  seiuAgit  breves  vocales  et  productafi  neque  unquam 
eandem  formam  modo  mittit  in  longam  modo  in  brevem  sylla- 
bam.  Ergo  nobis  diiadicandum  est,  utra  ratio  vera  sit,  terau- 
nayeritne  Piautas  adverbium  contra  brevi  an  producta  yocali. 
Videamus,  quibus  argumentis  haec  adiavetur  ratio,  quibas  illa. 
Litteram  a  productam  esse  confirmat: 

1)  Versus  Plautinus  Amph.  217. 

2)  Quod  aegi*e  adducimur,  ut  adverbium  €on4ra  divellamus 
a  formis  ex-ira,  in-tra  etc. 

3)  Quod  Oscorum  contrud  ^),  Lat.  oonU'ö--  in  cantrö-^enria 
etc.  etiam  formam  contra  pristinum  esse  ablatiTum  indieat  et 
respondent  formae:  contrud,  contrö-  :  contra  =  cHrö,  inirö  : 
citrä,  inträ. 

Brevem  autem  ultimam  esse  nihil  confirmat  nisi: 

versus  Plautinus  P^eud.  156. 
Mihi  quidem  haec  aigumenta  spectanti  non  dobium  videtur 
esse,  quin  semper  ultima  in  contra  fuerit  producta  atque  hoc 
adverbium  ut  suprä  ex  suprä^d,  extra  ex  ex-tra-d  ortum  sit  ex 
*contra'dy  atque  eo  magis  hoc  ut  credam  adducor,  quod  etiam 
in  nonnuUis  aliis  versibus  in  ultimam  thesin  ante  diaeresin 
iambici  septenarii  insinuavit  syllaba  longa,  ut  emendare  necesse 
sit.  Huc  accedit,  quod  non  diffidle  est  explicare,  quonam  modo 
factum  sit,  ut  huius  versus  modi  turbarentur.  Est  enim  in  v. 
Pseud.  156  altera  corruptela,  cum  apud  Plautum  contra  non- 
dum  sit  praepositio,  a  qua  pendet  accusativus,  sed  usque  quaque 
adverbium,  id  quod  perbene  intellegitur  ex  versu  Gapt.  664: 
At  ut  confidenter  (hömo)  mihi  contra  ästitit. 

Quae  res  cum  ita  se  habeat,  versum  Pseud.  156  scriptum 
fiiisse  coniecerim: 

Adsistite   contra    omnes   mihi    6t    quae    löquar   advörtite 

&nimnm, 
atque  nescio  quem  librarium  Plautinum  adverbii  contra  usum 
ignorantem  coniunxisse  vocabula  contra  et  mihi  atque  correxisse 
contra  me,  quippe  qui  contra  praepositionem  coniungi  sciret  cum 
accusativo  *). 

1)  Tab.  Bant.  11,  17,  26:  eontrud  exeie. 

2)  Corrigendas  est  etiam  v.  Pers.  18: 

Qois  iUic   est  qai  contra  mi  astat?  ||  Qufs  hie  est  qui  sie  contra 

mi  48tat, 
in  quo  bis  traditam  est:  contra  ms. 


\ 


t)e  vocalibus  productis  Latinas  Yoces  terminantibus.      33 

9.  Frustra. 

Adverbium  frustra  Qptima  Latiuitatis  aetate  desinit  in  a 
Utteram  produotam.  Quod  antea  effecisse  trochaeuip  neque 
apud  Plautum  unquam  efiScere  spond^um  diu  perspexerunt  viri 
doctissimi  ^)  hos  afferentes  Septem  versus,  in  quibus  frfsstra 
cadit  in  a  brevem: 

Merq.  528:  Nunc,  muUer,    ne  tu  friisträ  sis,   inea  nön  es,  ne 

4rbitrere, 
et  sexies  in  fine  iamhici  ^enarii  vel  trocbaici  septenarii  ne 
fru^rä  sis:  Capt  854.  Men.  69?.  Peirs.  140.  Rud.  969.  1255. 
Truc.  754. 

Manifestum  .igitur  est  adverbium  fru^ra  non  esse  ablativum 
ag«  primae  deoUnatipnis  sed  alium  casum  sive  nominativum  sg. 
primae  declinationis  sive  nominativum-accusativum  plur.  neutrius 
generis').  Foimek  frustra  autem  postea  orta  est  propter  simi- 
Utadinem  adverbiorum  citra,  extra. 
•     •    » 

10.    Ergä,  iuxta,  qua^  unä^). 

Gute  ea  linguae  Latinae  adverbia,  quae  exeunt  in  d,  pri- 
stinos  esse  ablativos  supra  intellexerimus,  iure  etiam  adverbia 
eryä,  iuxta%  qua,  unä  eiusdem  generis  esse  formas  iudiöabimus, 
quia,  ubicumqüe  occiimint,  longa  terminantur  syllaba. 

IL  Ita,  ita-que. 

Qua  quantitate  littera  a  in  adverbiis.  üa  et  »to^jt/e  apud 
Plautum  fuerit,  difficile  est  perspicere,  quia  persaepe  ictus  est 
in  paenultima  vel  sequitur  ultimam:  itä,  ttä  ^. 

Äpud  Ennium  autem  haec  adverbia  efiicere  pyrrbichium 
nos  dooent  hi  versus  Annalium: 


1)  Vsener,  1.  c.  pag.  18.  Spengel,  Piautas,  pa^.  628q.  Skatach, 
forsch.  I,  8. 

2)  Cf..  Skotaeh,  1.  c.  pag.  8  adnot  1):  aaoh  dem  plaatiaisehen  ge- 
brauch von  firmtra  erscheint  e«  lucht  auageaohloasen,  das«  fruMtra  ein 
nominativ  war.  Das  betreuende  Substantiv  (sei  es  nan  *fnutra  oder 
*frustrum)  Hegt  dem  verbam  fnutrari  eu  gründe. 

3)  Adverbium  etrcä  ante  saec.  VII.  a.  o.  c.  non  reperitur. 

4)  Quae  adverbiorum  «rgu  et  umta  sit  etymologia,  non  liquet. 
Vid.  Lindsay-l^ohl,  die  lat.  spräche,  pag.  671  et  678.  —  Cf.  •rgo :  ^äzsnutfö: 
inträ, 

IMtrtc«  «.  kn^  d.  iad«.  ■pnMtoa.    XXVU.  3 


34  Georgine  Wedding 

33:  Et  ripas  raptare  locosque  noYOs.  Itä  sola. 
119:  Et  simul  effugit  speres  itä  funditu'  nostras. 
Atque   multi   exstant  versus  Plautini,   ubi  ictus  est  in  syllaba 
'ta  et  dnae  sequuntur  syllabae,    quaruiu   prima  una    cum  -td 
efficit  arsin  solutam,   altera   thesin.     Cuius  rei  exempla  sunt 
haec: 

Bacch.  751:  Quia  mi  itd  Ifibet:  pötin  ut  eures  te  atque  ut  ne 

parc&s  mihi.^ 
Gas.  17Ö:  Itd  sölent  omnes  quae  sunt  male  ndptae. 
eist  151:  Itä  pröperävit  de  pu6Ilae  pröloqui. 
Cure.  48:  Quid  it&?  ||  QuIa  proprium  fdcio:  amo  pariter  simul. 
Mil.  1260.  Tene  me,   öbsecro.  ||  Quor  ?  ||  Ne  cad4m.  ||  Quid  iU? 

I   QuIa  st&re  nequeo. 
Most  685:  Itä  m6a  cönsilia  undique  öppugn&s  male. 
Poen.  691:  Quid  itä?  ||  QuIa,  (a)  miiscis  si  mi  bospitium  quae- 

rerem. 
Pseud.  77 :  Quid  itä?  ||  Genus  nöstrum  semper  siccoculüm  fiiit 
Praeter  hos  versus  comprobat  syllabam  brevem  Rud.  212: 

Aüt  viam  aut  semitam  mönstret  ita  nunc, 
i.e.  creticus  dim.  acat  cum  clausula  —  ouu  — . 

Tarnen  non  mediochs  ezstat  numerus  versuum,  in  quibus  syl- 
laba -/a  producta  videtur  esse,  quos,  etsi  de  parte  eorum  iam 
verba  feoit  G.  F.  W.  Mueller^),  non  super vacaneum  erit  denuo 
accurate  componere. 
1)  Ex  diverbiis: 
Amph.  1077:   Tua  Brömia  ancüla.  ||Tötus  tüneo,  itä  me  incre- 

pttit'  luppiter. 
Amph.  1081:  Amphftruo:  it&  mihi  änimus  etiam  nunc  abest. 

I  Agedum  expedi. 
Asin.  18:  Ita  te  obtistor  per  senectntem  tuam. 
Aulul.  69:  Queo  cömminisci:  itä  me  miseram  ad  hünc  modum. 
Gapt  93:  Ita  nunc  belligeränt  Aetöli  cum  Aleis. 
Gapt  372:  Quom  servitutem  itä  fers,  ut  ferrf  decet 
Gas.  343:  Tibi  et  Ghalino:  itä  rem  nätam  int611ego. 
Gist  arg.  10:  Itäque  lege  et  rite  civem  cögnitam. 
Gurc.  667:   Quam  ob   rem  istuc?     |     Quia   ille  itä  reprömisit 

mihi. 
Merc.  762:  Mihi  quidem  hercle.  ||  Itä  me  amäbit  luppiter. 

1)  L.  c.  pag.  14.  16. 


De  vocaIibu8  preductis  Latinas  yoces  terminAntibu8.      35 

Mil.  1047:  Qua  ab  illa?  n&m  ita  me  öocurs&Dt  multae:  metni- 

Bfsse  haud  pössum^). 
Most  389:  Silin  babes,  si  ego  ädvenieDtem  ita  patrem  ÜEici&m 

tttom. 
Poen.  586:  Vfx  qnidem  bercle,  itä  pauxiUast,   Higitulfs  primö- 

ribus. 
Poen.  705:  Quid  itä?  ||  Quia  aürum  pöscunt  praesent&riam. 
Poen.  1258:    Num  hi  f&lso  oblectant  gaudiö  nos?  ||  At  me  itS 

di  senrent. 
Trin.  447 :  Homo  ego  sum,  homo  es  tu :  itft  me  am&bit  Idppiter. 
Truc.  276:  Ne  &tti|^  me .  ||  Egon  te  t&ngam?  Itä  me  amabit 

s&rculnm. 
Ad  bos  versus  aeoedunt  duo  ex  diverbiis  Terentianis: 
Eun.  697:   Fraterne?    ||    Itä.    ||    Quando?    |    Hodie    |    Qn4m 

dudüm?   II   Modo. 
Phorm»  542:   Itane?     |     Itä.    ||    Sane  hercle  pälcbre  su&des: 

etiam  tu  hinc  abis? 

2)  Ex  canticis: 

Amph.  635:  Itä  dis  est  pl&oitum,  volüptatem  ut  maeror  comes 

consequ&tur  *). 
Gapt  Ö02:  Itä  me  miserüm  restitändo  retinendo'). 
Pseud.  1253:  Itä  victu  excurato,  ita  münditiis  dignis'). 

Tantus  numerus  versuum  primum  iegenti  bonam  praelucet 
spem  eis  posse  probari  adverbium  ita  apud  Plautum  re  vera 
terminari  syllaba  producta.  Sed  accurate  hos  yersus  perlu- 
straotes  videbimus  omnes  fere  alio  modo  legi  posse,  nonnullos 
sine  dubio  esse  comiptos. 

Atque  ex  illis  undeviginti  versibus,  qui  exstant  in  di- 
Torbiis,  primo  loco  detrahendi  sunt  quattuordecim,  quos  cum 
hiatu  legere  licitum  est: 

a)  cum  hiatu  legitime  in  diaeresi: 

Amph.  1077:  Tua  Brömia  ancilla*    |  Tötus  timeo,  itä  me  in- 

crepnit  lüppiter. 

Most.  389 :  Satin  habes,  si  ego  idvenientem  itä  patrem  faci&m  tuom. 

Truc.  276:   Ne  ittigis   me.  |  Egön^)   te  tingam?  ftä  me  a- 

mibit  s&rculum. 

b)  cum  hiatu  legitime  ante  personam  mutatam^): 

1)  Sic  Mneller.  2)  Bacchiaous  hexameter. 

3)  Bacchiaons  tetrameter  acal. 

4)  Yel:  6gön  te  tingam?  ...  6)  Gf.  pag.  6. 

9* 


36  Georgias  Wedding 


-• « 


Merc  762  Mihi  quidem  bercle«   ||  Itä  m^  smÜni  luppiter.   ;.. 
Ter.   Eun.  697:  Frateme?  |  Itä.  ||  Qaando?  ||  Hödie.    |    Quam 

.d«4üm?    I  Modp. 
Pborm.  542:    Itane?     ||    Itä.    |    Sane  hercle  pälcbre  soädes: 

etiam.ta  hteo  abisM. 

i  c)  cum  hiatu  in  caesura  iambici  senarii,   de  quo  vide  sis 
sapra  pag.  5: 

Aulttl.  69.:  Queo  cömmtnisoi:  |  itä  me  miseram  ad  büiie  modum. 
Gapt.  372:  Quem  servitutem  |  itä  fers,  nt  ferri  decet. 
Gas.  343:  Tibi  et  Gbalino:  |  itä  rem  n&tam  intell^o.  *■  ■     , 
Cure.  667 :  Quam  ob  rem  istac?  |  Quia  ille  |  itä  reprömiattmibi  ,*). 
Trin.  447:  Homo  ego  Bum,  homo  es  tu:  |  itä  me  am&bit  lüppiter. 

d)  cum  biatu  quamquam  non  legitimo'): .  - 
Ampb.   1081 :   Ampbitmo:  |  itä  mäi  änimue  itiam  nilnc  abeet. 

I  Agedum  expedi  ^). 
Poen.  566:    Vix  quidem  bdrcle   —   itä  pauxfllast  -^  d%itiiliB 

/  primöribus  •). 

Poen.  705 :  Quid  it&  ?  |  Quiä  '  aürum  pöscunt  praesent&rivun  *). 
Seoundo    loco  reieoerim    TeiBus  Asin.  18.  ^t  Pöen.  1208, 
it  quibus  pro  me  et  te  substituendae  sunt  formae  med  et  ted: 
Asin.  18:  Itä  ted  obstestor  per  senectutem  tuam  ^). 
Poen.  1258:  Nnm  bif&Iso  oblectant  gaudio  nos?  ||  At  med  itä 

cU  serrent^). 
Porro  V.  Mil.  1047   non  ea  ratione  'traditua  est,   qua  iB«in 
affert  Mueller^),  sed  -potius:  « 

Qua  ab  illarum?  uam  Itä  me  öccnrsant  moltae':  meminisse  band 

pöseom. 
Deinde  corruptela  est  in  versibus  Gapt.  93  et  Gist.  arg.  10. 

; — S  ■  ■  I        I.      I  II 

1)  Gf.  Eun.  409  :  Perpaucoram  hominam.  |  Immo  nüllomm  arbitror. 
Phorm.  146:  Quod  det  fortässe  ?  |  Immo  nil  nisi  spem  meram,     '  ^ 

porro  Phorm.  968.  Adelph.  604.  767.  Spengel,Ter.  Andr.  XXXHI:  [der  hiat 
ist]  also  auch  hier  [beim  personenWechiel,  fiberliefertj  vor  intenjekÜOROn 
oder  den  inteijektionen  nahe  kommenden  adverbien. 

2)  Yel:  Quam  ob  rem  istnc?  ||  Qnii^  .illi<c>  itä  i^prooDsit  niihi.     . 
8)  Gf.  pag.  4.  4)  Sic  Leo.  .  '      '  . 

6)  Hiatus,  nisi  fallor,  defenditur,  quia  üapauxtlkui  est  parenthens. 

6)  Gf.  Luchs,   Herm.  VIII  114.  —  Hiatum   in  hoc  versu  accipere 
non  necesse  est,  cnni  anfte  personam  mutatam  admittitür  syllaba  anceps : 

Quid  üaf  I  Quia  ofirum  ... 

7)  Forma  Ud  tradita  est  in  codice  D.  . 

8)  Cf.  Wackernagel,  idg.  forsch.  I  410.        9)  Cf.  supra  pag.  35. 


De  vocalibus  prodüctis  Latinas  voces  termiuHntibus.      37 

In   hoc  enib   v^rsa  —  ut  ^  praetermittam  enm  non'in  fabula 
ipsa  exstare  8^  iii  argumento  ~  a^yerbium  Uaqiie  Ifi^egre  qaa- 
drat  in  sensum : 

9.    Ifequirens  seryos  reperit  quam  proiecerat. 
Itäque  lege  et  rite  ciyem  cognitam 
Altesim^rchus,  üt  Ärat  n&istQS,  piSssidet, 
maximeque  desidero  yöces' civem  cogniidfn  aperte  et  concinne 
öbüittncias  össe  cum  eis,  quae  antecedunt,  yerbis.   Quod  cum  ita 
fi^i  ego  qnideiid  legendos  esse  cbniecerim  hos  yersus: 
';    Iteqnirei^s  sSrvbs  r6perit  qti&m  proiecerat, 
lliämque  legb  i^t  rite  ciyem  cögnitäm 
AicSsiitt&rchas,  üt  erat  n&ctus,  pdssidet, 
cum  ex  ülamque,  äläqtie  facile  comiptela  üaque  eyadere  pötuerit. 
In  yersa  Capt  93.  autem,  si  legitur: 

Itä, nunc  bi&Ihg^i^^tA^^U  cum /^eia    . 
tiorhati  sunt  mimer;,  quia  neqne:  semjquMaaria  neque  semisopto- 
nt^iTi^.  ez^t  caeisuira.    .Nßque  tarnen  dimetiri  suffioit: 
,      .!>     ;     Uü,  nüi^c  bell^^prant  Aetoli  cuQi  |  Alais 
cum^  hii^tii  (i^on  legitiimo)  iptar  cum  et  Meis  %  ne  paenultima 
pjPOduGt^  in  4fiQli   quurtam  iainbici  senarii  effioiat  thesit^»  id 
quod;  C1U&  lege  pugnat  dipodiarum  >)^    Cum  igitur  yerba:  Äetdli 
cu/^,,-Ä\^    i.  e,  ^-£._^u~  in  .fin^   yersus  sint  sine   offen- 
ßif^^Q,   men^um  in   prim.^   huius.  yersus  parte   es^Q  apparet, 
praesertim  <  cutti :  verba, .  qi|a^  aatecedunt,    cupi  yersu  93   non 
coj&cinno  sint  ooniuncta.    £mendationa.  igitur  opus  est,  sed  pro- 
bf^bilejod  9«t  yerisimilem  confiteor  jone  nescire,  ut  in  prima  yeir- 
sua  9«ii  parte  Qoacti  sipaus  p^neye  crucem,  ,ut  aiu^t,  desperationis. 
,;.Rflstat,   ut   yerba  faciam  de  Ulis  tribus,  qui  ex  canticis 
petiti ^ttut,  y^rsibus:,  Amph.  63ö.  Capt.  502.  Pseud.  12j^. 

r  Ex  quibps  diu  porrectus  est  y,  Amph.  635,  cum  legatur: 

liS  jdi(yi)s  est  placitum»  yoluptatem   ut,  maeror  comes  conse- 

.,  •..:  .•,.»•......■  ,  .quifeur»). 

Cap^«  502  a|it0p  dnbiae  est  naU^rae.    Quam  ob  cau^m  Goetz- 
Schoell  omiserunt  ictus,  yerum  Leo  proponit: 

'  Itä  me  m^erum  restit4ndp 
.,         tletinendoque  l&ssum  reddiderunt, 
adp^tans:  trochaei  esse  videntur^). 

1)  Hiatum  aeeipiuiit  Goetz-Söhoell,  Brix-Niemeyer,  (Leo?). 

2)  Cf.  pag.  2.  8)  Sic  Leo. 

4)  Troohiuous  dim;  aoat.4-  itVQob.  mou«  aoat.+  ii^yptellioiii^ 


38  Georgias  Wedding 

Denique  versum  Pseud.  1253  praebet  Ambrosianas: 
Ita  victu  excurato  ita  magnis  munditis,  dis  dignis, 
quem  suppleverant  Goetz-Schoell : 

Itä  victu  exc&rato,  itä  magnis  munditiis  di(vi)8  dignis, 
et  Studemund,  stud.  I  404: 

Itä  victu  excärato,  itä  magnis  munditiis  (et)  dis  dignis, 
uon  bacchios  esse  intellegentes  sed  anapaestos. 

Nullus  igitur  exstat  locus,  quo  üa  (vel  üa^que)  producta 
terminetur  syllaba.  Cum  autem  omnia  adverbia,  quae  in  lin- 
gua  Latina  exeunt  in  a,  mittantur  in  a  productam,  olim  fuisse 
verisimile  est  formam  *itä  (etymologia  est  obscura),  sed  cui 
per  legem  iamborum  correptionis  ipsis  antiquis  temporibus  sub- 
iit  forma  iUL 

12.  Quia. 

Coniunctiopem  quia  deducendam  esse  Gorssen  >)  sibi  per- 
suasit  ex  instrumentali  sg.  relativi  pronominis  qu%  et  ex  adver- 
bio  iatn:  *qutiafn,  qua  ex  forma  tamen  nuUo  modo  evadere 
potuit  pyrrhichius  qtM,  Nam  praeterquam  quod  t  productam 
desideramus  ext  +  i  ortam,  intellegi  nequit,  qui  factum  sit,  ut 
m  littera  finalis  interiret  et  ne  vestigium  quidem  sui  relin- 
queret.  Huc  accedit,  quod  quae  vera  huius  adverbii  sit  in- 
terpretatio,  est  in  promptu:  sei  licet  nominativus -accus, 
plur.  neutr.  gen.  pronominis  relativi  et  eins  stirpis,  quam 
hoc  pronomen  recepit  ex  interrogative').  Inde  intei*  se  re* 
spondere  apparet  formas  "^quiä  et  qui-ä  ut  *marj-a  et  mari-^^ 
etsi  iam  apud  Plautum  nusquam,  ut  videtur,  quia  relativi  fun- 
gitur  vice*).  Cum  autem  a  litteram  finalem  nominativi-acc. 
plur  neutr.  gen.  Plauti  aetate  correptam  fiiisse  supra  demonstra- 
visse  mihi  videar,  quid  verisimilius  est  quam  in  coniunctione 
quia  quoque  ultimam  non  servatam  esse  productam,  prae- 
sertim  cum  legem  iamborum  correptionis  {quiäy  quiäj.)  ultima 
ut  breviaretur,  eo  facilius  efficere  oporteret?  Hoc  confirmatur, 
quod,   ubi  apud  Plautum  finali   ictus  est  in  syllaba^),  usque 

1)  Aasspraohe  II  850.  2)  Cf.  Leo,  plaut.  forsch.  287. 

3)  y.  eist.  682  exhibent  oodices  B'  et  C:  Kunc  vestigia  hie  si 
quia  sunt  noacitabo,  led  in  hoc  venu  nam  forma  quia  recipienda  sit, 
eo  magis  incertom  est,  oam  hao  bacchiaci  tetrametri  sede  pyrrhichios 
non  admittatnr  nisi  certia  oondioionibaa.  Cf.  supra  pag.  12.  Ambigai 
sunt  etiam  versas:  Mil..  1314  et  1888|;  of.  pag.  23. 

4)  Pleromqae  deprehenditor  :  quiM   vel  quXlä  ju 


De  vocaIihu8  produotis  Latinas  voces  terminantihus.      39 

quaque  (nno  excepto  loco)  duae  sequuntur  syllabae,   qnarum 
prima  cum   syllaba  -a  arsin    efficit  solutam,  altera  thesin: 
Epid.  177:  Qaiä  bcitumst  eam  tibi  vivendo  Tincere.  |  Oh. 
Pen.  255:  Qai&  m^o  amico  amiciter  hanc  commoditätis  eöpiam. 
Pers.  546:  Nisi  quia  spScie  quidem  edepol  liberälist,  quisquis  est 
Trin.  938:  Nisi  qaiä  lübet  experiri,  qao  evasünist  denique. 
Truc.  786;  Nfsi  qui4  ttmeö  tamen») 

Neque  tamen  desunt,  qui  uno  utique  yersu  coniunctionem 
quia  efficere  iambum  contendant:  Merc.  395: 

Qui  Ter6?  |  Quid  non  nöstra  förmam  habet  dign4m  domo. 
Quod  ego  non  crediderim.  Nam  cum  pauIo  post  inveniatur: 
V.  405:   Neque    sinim.  H  Qui  vero?  |  Quia   illa   forma  m4trem 

f&milias, 
lacile  adducimur,  ut  in  versu  395  quoque  suspicemur  eadem 
ratione  ictus  distributos  fuisse:  qui  viro?lQu{ä,  atque  ante 
qui  vero  alibrario  coniecerim  interiectionem  quandam  (fortasse 
ah)  esse  omissam  *). 


n. 


Formae  in  -e  exenntes. 

i.  Ablativus  sg.  in  ^  tertiae  dedinaiionis. 

In  tertiam,  quae  dicitur,  linguae  Latinae  declinationem 
satis  notum  est  duas  confluxisse  declinationes :  et  stirpium  in  i 
et  earum,  quae  desinunt  in  consonam;  quarum  declinationum 
haec  ef&cit  ablativum  in-e'),  ills,  in-F,  quae  orta  est  ex-%d.  Au- 
rea  Latinitatis  aetate  promiscue  uterque  profertur  ablativus, 
quia  partim  stirpium  in  i  desinentium  receperunt  -^  finalem  ea- 
rum,  quae  in  consonantem  exeunt,  partim  stirpium  in  conso- 
nantemexeuntiumasciyeruntiproductam.  Sedusqüead  idtemporis 
contenderunt  viri  docti  aevo  yetustiore  ablativum  sg.  stirpium,  quae 
cadunt  iü  consonantem,  servatum  esse  in  -9  ex  -id,  quem  ab- 
lativum genuinum  esse  opinantur  alii,  alii  eum  re  vera  desiisse 
in  -&?  {4d) :  *aer^,  *nofniniÜ,  et  eos  in  -ed  -id  i  *igned  (:  iffns) 


1)  Reliqua  huins  Tersns  pars  prave  tradita  est. 

2)  Gf.  Maeller,  naohtr.  pag.  3. 

3)  HaeQ  forma  est  vetustus  locativus:  g§n&r9  ex  gener^  :  scr.  jäna$i, 


40  Georgias  Wedding 

aerid^   »tominici  ortos  esse  analogiam).     Atque  reperitur  abla- 
tivus  in-^  faisce  in  vorsibus  Plautinis*):^ 
Amph.  ^42;  Nümquid  Tis?  |  Vt  quom  ibsim  me >me8,.  oiet^am 

te.absentö  tarnen^). 
Ampb.  826 :  Ainpbitruö  alias,  qui  forte  ted  bino  &bsente  tarnen  ^). 
Amph.  860:   Qaldqaid  est,   iam   ex  Naücrat^    cogn&tO:  id   cö- 

gnoqo&m  meo. 
Asin.  873 :  Ille  opere  foris  fiaciündp  Ito^as  nöota   (ad  nie)  &i- 

Yenit*). 
Bacch.  628:  M61t^  m&la  me  in  pectore  nunc  &cria  &tque  acerba 

eveoiant 
Gas*  140 ;  Qaasi  müs,  in  medio  p&riete  vors&bere. 
Gas.  318:  Gum  e4dei^  qaä  ti^  semper.  |  Güm  oxore  mea? 
P^rs.  41:    Qaöd .  tu  me  rogte;   nam  tu  aquam  a  pomice  nunc 

postulas. 
Pseud.  761:  Omnes  ördine  sab  sjignis  dücam.leglones  meas^). 
Ex  quibus  exemplis  certissima  sunt  neque  allo  modo  reicienda: 
Naucrate,  aperS,  pectarS,  uxari,  ardine,  Qaomodo  de  bis  iudi- 
cabimus  formis?  Utrum  formam  in  ^dy  -i  pristinam  esse  pu- 
tabimus,  ex  qua  postea  eyaserit  forma  in  -e?  An  re  vera  abla- 
tivus  olim  desiit  iu:*^?  An  ei  in^-^  effecti  sunt  analogia? 
Minime,  cum  stirpes  in  oonsonantem  desinentes  ablativum  neque 
unquam  in  -da  (-Id)  efficere  potuerint  neque  in  -id,  -e;  et 
cum  neque  ex  ablativo  in  -^  (-icQ  neque  ex  illo  in  -id,  .-i  ex- 
sistere  potuerit  ablativus  in  -^.  Aliam  igittir  has  formas  inter- 
pretandi  rationem  necesse  est  inire^  quam  rationem,  qiiae 
vera  sit,  aevi  yetustioris  nos  docent  inscription'es/  JIn  bis 
enim.  deprebenduntur  pari  modo  formae  :  (letate  '^,  honare^) 
tempe8tate%    aire^^).    et    praeter     bos  :    airid^^),    cönventio- 

-  t         ^^  *  *  -•''  .I-»».« 

nid^^)^    virtutei^^),      Quibus  ex   formis    olim    abiativuin    slir- 

'  '  '  '  '  ■  * .  . 

1)  Gf.  Cormen^  aüssptiaehe  II  462;  Btieobeldr-^Windekildei  pag;  96 
iqq. ;  StaMriianii»*  L  o.  pag.  67  sqq*  40.  41.       .  f 

2)  Omifti  eo8  varsus.  aflGarre,  in  qiaibas  (MMurmnt  a)>latin  itirpium 
in  t  exeantiam  velat  eanü  {carne  AT)  Gapt.  914;  pturU  (CD,  parte  B) 
Men.  478;  9orti  Gas.  428;  motu  (E,  sscr.  mf<t-)  Mil.  707,  et  incertos  velut 
Capt.  807.  Pieud.  616.  938.  1312,  alioi. 

3)  God.  abierUem,  4)  Sic  omnes  Codices. 

5)  (ad  me)  adiecit  Fleokeisen.       6)  God.  ordines^  correxit  Soaliger. 

7)  Schneider,  1.  c.  91,2.  8)  Schneider,  1.  c.  91,5. 

9)  1.  0.  96,6.                 10)  l  c.  24.  11)  I.  c.  181. 

12)  L  c.  91,6.  18)  1.  0.  91,6 


De  vocalibus  produotis  Latinas  Y0ce8  terminantibus.      41 

pium  in  t  desineiitium  ooagis  quam  aurea  LatiDitatis  aetate  in- 
sinuavisae  apparet  in  eas  stirpes,  qqae  cadunt  in  consonantem, 
aiqoe  looativum  i,  qui  ablativi  fungitur  vice,  summovisse. 
Qttod  cum  ita  sit,  non  in  errorem  indncemur  formas  nAsentl, 
Naucraie,  aperSf  pedore,  pariet^.  uapm'e,  pumice,  ordine  inielle- 
gentes  substitntas  esse  a  librariis  in  locum  earttniy  quibus  usus 
est  Plautus  :  absenti,  Naucrati,  aperi  ^),  pectori,  parieti,  usporl, 
pumici,  orßini,  yel  absentei,  aperm,  ardinei  etc.,  praesertim  ciim 
nonnullis  in  versibus  vel  Codices  pr^.ebeant  formam  in  i  ex- 
eantem  velut: 

Gapt  258:  Quös  tarn  gr&ndi  sim  merc&tus  praesenü  pec6nia*). 
Mil.  1341 :  Bene  quaeso  inter  yös  dic&tis  mi  med  absentf  tarnen. 

2. .  AbUxtivm  sg.  quintae  dedinatianis. 

Ablativas  sg.  stirpiuni  in  e  exeuntium  usque  quaque  desinit 
in  e  longam,  cuius  rei  apud  Plaatum  quoque  multa  reperiuntur 
exempla,  velut:. 

Baccb«  827:  Quanto  in  periclo  et  qu&nta  in  pSmicie  siet, 
aliisque  in  versibus  >).  Neque  dubium  est,  quin  ablativus  in  -e 
;velut  r9,  fide  ortns  sit  ex  *red,  ^fidsd^  quamquam  eins  g<9neris 
exemplum  non  est  servatum.  Nam  in  ßis  quoque  versibus,  ubi 
posit  ablativum  sg.  quintae  declinatfonis  deprehenditur  hiatus 
velttt:       ; 

Mwc.  629:  De  istacrd  |  argütus  es,  nt  pä.r  pari  respöndeas. 

Pseud.  19:  luv&bo.  aut  re  |  aut  öpera  et  cönsiliö  bono, 
vix  credibide  est,  formam  r9d.  esse  restituendam. 

.Ceiterum  n^nnulU; exstant  versus,  in  quibus   hie  .ablativus 
brevi  videtur  terminari  syllaba,  velut: 

Pers.  243:  Fid^  dat&  cred&mus.  |  Növi  :  omnes  sunt  lenae.  le- 

vifiäae, 
sed  haec  correptio,  ubicumque  occurrit,  effecta  est  vi  Ißgis  iäm- 
borum  correptipnis. 

3.   Secunda  persona  sg^  impercUivi  ad.  secundae  conitigationis, 
Haec  quoque  forma  nusquam  cadit  in  e  brevem.     Nam  ut  in 

1)  corpüfi  praebet  etism  lex  lalia  munioipalis,  Schneider,  1.  c. 
812,  122.  2)  VE  praeMnÜa, 

8)  Quintae  deolinationis  est  etiam  nomen  fmnei.  De  ablativo  vide 
Ann.  liö.  Cist.  45.  Most.  198.  Pers.  818.  SÜoh.  216. 


42  Georgias  Wedding 

prima  coniugatione  secunda  persona  imperativi  praesentis  act. 
—  quippe  caret  8  littera  finali  —  respondet  secundae  personae 
indicativi  praesentis  velnt:  laudä  :  landab  ^),  non  aliter  respon- 
det gauds  formae  gaude-s.  Longam  syllabam  autem  oonfirmant 
apud  Plautum: 

Ampfa.  848:  Exlepol   me  lubente  f&oies.  ||  Qaid   ais?    responde 

mihi. 
Amph.  1110:  Ne  pave:  sed  Angues  oculis  ömnis  circamTisere, 
permultique  alii  versus  *).  Ubi  e  littera  brevis  videtur  esse, 
eam  breviat  lex  illa  iamborum  correptionis,  ut  creberrime  in 
imperativis:  cdr^  döci,  hdb^,  iüb^,  mdn^,  mön^,  tnivg,  tde^f 
tifi^,  v<ä^  vid^. 

4.   Infinüivus  activi  in  -re. 

De  infinitivo  praesentis  activi  nuper  verba  fecit  vir  doctissi- 
mus  Solmsen  ^)  non  modo  infinitivum  in  -r^  contendens,  id 
quod  nemo  negat,  esse  vetustam  locativum  (viverif  :  sscr.  *ß' 
vdst),  sed  etiam  servatas  esse  formas  in  -r^  et  vivere  respon- 
dere  sscr.  jivdse,  Atque  Solmseni  ipsius  verba  sunt  haec^): 
„. . .  .  fragen  wir,  was  aus  idg.  ^gtyi^Ssäi  =  ai.  fivdse  im  latei- 
nischen werden  musste,  so  muss  die  antwort  lauten:  zunächst 
vivere.  Nach  dem  bilde,  das  die  inschriften  uns  gewähren, 
dürfen  wir  diese  Orthographie  in  plautinischer  zeit  noch  durch- 
aus erwarten,  und  ich  meine,  wenn  wir  nun  im  Plautustext 
tatsächlich  noch  infinitive  activi  auf  -ere  finden,  so  dürfen  wir 
sie  unbedenklich  den  ai.  auf  -äse  gleichsetzen*'. 

Antequam  videamus,  quae  sint  exempla  Plautina  in  -ri, 
paucis  liceat  confirmare  iam  Plautum  sine  dubio  infinitivum  in 
-re  misisse  in  e  brevem : 

Mil.  82:  Vt  Sit  ubi  sedeat,  lUe  qui  aüscult&r^  volt 

Trin.  734:  Par&ta  dos  domist:  nisi  6xspect&r6  vis. 

Merc.  250:  Capram  &bduxisse,  et  coepit  inrider^  me. 

Trin.  661:  Perpeti  nequeö,  simül  me  piget  parüm  puderä  te. 

Cure.  74 :  Me,  te  atque  hos  ömnis.  ||  Tum  tu  Venerem  vömer^  vis. 

Gas.  853:  Paene  exposivit  cübito.  |i  Cubitum  ergo  ir^  volt 


1)  Cf.  siiprs  pag.  27. 

2)  Reperiuntur  formae:   deiponde^  gaudi,  hahif  ttt6«,  mahe^  paoi, 
resfiondif  talvi,  taee,  ienS,  vali,  vide. 

3)  Idg.  forsch.  IV  240  aqq,  4)  I.  c.  pag.  960. 


De  vocalibus  productis  Latina8  voces  terminantibus.       43 

Stich.  419:   Ere,   si   ego  täceam  sei  loqadr,   soio  sdr^   ie  ^). 
Quibus   ex   yersibus  Plauti    aetate  ayllabam  -re  infinitivi 
satis  apparet  fuisse  correptam.    Versus  autem,  in  quibus  infini- 
tivus  cadit  in  e  longam,  sunt  hi: 

a)  Ex  diyerbiis: 

Asin.  250:  Atque  argento  cömparindo  fingere  fall4ciam. 
Merc.  934:  Stültus   6s:    noli  Istuc,   quaeso,   dicere.  ||  Gertum 

exsequist. 
Mil.  848:  Numquain  edepol  vidi  promerö.     Verum  hoc  erat 
Mil.  1316:  Tibi  salütem  me  iusserunt  dloere.  ||  SaWae  sient. 
Pseud.  355:  Ego  scelestus  nunc  argentum  prömere  possüm  domo. 
Pseud.  1003:  Null&m  salütem  mittere  script&m  solet? 
Trin.  585:  Nam  certumstsine  dote  haüd  dare.  ||  Quin  tui  modo. 
Truc.  425:  Non  aüdes  iliquid  mihi  dare  munüsculum? 

Ad  hos  versus  Plautinos  adicias  duos: 
Tit.  105  (R.  Com.):  Ipsüs  quidem  hercle  dücere  sane  nevolt. 
Ter.  Andr.  437:  Potin  es  mihi  verum  dicere?  ||  Nil  fäcilius. 

b)  Ex  canticis: 

Most.  696:  Völuit  in  cübiculum  abdücer^  me  anus  >). 
Most  710:  Peius  posth&c  fore  quam  fuit  mihi '). 
Pseud.  1299:  Cum  corolla  ebrium  incedere?  tl  Lubet '). 
Rud.  209:  Quae  mihist  spes,  qua  me  vivere  velim  >). 
Rud.  244:  Tu  facis  me  quidem  ut  vivere  nunc  velim  ^). 

Numerus  sane  non  mediocris.  Sed  primum  fides  deroganda 
est  quattuor  versibus:  Merc.  934.  Mil.  1316.  Trin.  585.  Ter. 
Andr.  437,  quia  in  eis  syllaba,  de  qua  quaerimus,  est  ante  mu- 
tatam  personam,  ubi  syllabam  admitti  ancipitem  identidem 
supra  vidimus  ^).  Item  quattuor  reiciendi  sunt:  Most.  696. 
Pseud.  1299.  Rud.  209.  244,  quos  versus  alia  ratione  ac  supra 
dimetiri  licitum  est: 

Most  696:  Völuit  in  cübiculum  abdücerS  me  anus. 

Pseud.  1299:  Cum  corolla  ebrium  inceder^?  ||  Lubet 

Rud.  209 :  Quae  mihist  spes  qua  me  viverä  velim, 

qui  tres  versus  sine  ulla  dubitatione  cretici  dimetri  acat.  sunt 

non  cum  clausula  _vv.u.,  sed  potius  cum  clausula  _ u^v» — 

1)  Praeter  hos  versa«  of.  Guro.  178.  Pers.  515.  Tmc.  223.  Merc. 
644.    Poen.  555.    Stich.  301. 

2)  Gf.  Baecheler-Windekilde,  1.  o.  pag.  120. 

3)  Greticus  dimeter  acat.  cum  olansnla:  — u-.u_. 

4)  Greticus  tetraneter  acat  5)  Gf.  pag.  6. 


44  Georgias  Wedding 

Versus  Rüd.  244  äutem: 

Tu  facis  me  qiudem  ut  viverS  üüiiG  velim 
est  creticus  dimeter  aicat.  cum   clausula  .u_u_,  cuius  prima, 
thesis  hoc  in  versu  duabus  efficitur  syllabis  brevibus. 

Deinde  minimi  est  pretii  versus  Most.  710: 
Peius  postb&c  for^  qu&m  fiiit  mihi, 
cum  inter  colon  creticum  et  clausiilam  ^^..u.  syllabam  anci- 
pitem  licitum  sit  ponere  ^). 

Porro  incerta  sunt  verba  'Htinii,  cum,  ütruin  haec  verba 
unius  versus  sint  an  duorum,  nesciamus.  Atque  mihi  quidenü 
verisimile  vic|etur  esse  ea  duobus  tribuenda  esse  Versibus: 

.....  ipsüs  quidem  hercle  dücere 

Sane  nevölt  . . .  . , 
nisi  fallor,  iambiois  senariis  (vel  octonarii^  '). 

lam  quinque  supersunt  versus: 
Asin.250:  Aique  argento  comparando  fingere  falläciam. 
Mil.  848:  Numquam  edepol  vidi  prömere.    Verum  hoc  erat. 
Pseud.  355:  Ego  scelestus  nüpc  argßntum  prömere  possüm  domo. 

Pseud.  1003:  Nulläm  salütem  mittere  scripiam  solet? 
Truc.  425:  Npn  aüdes,  äliquid  mihi  dare  munüsculum  '), 

ex  quibus  facillimum   est.corri^ere   yersun^  Pseud.  35^ ,   cum 
scribatur:  » 

£go  scelestus«  nunc  argentum  prömerlS  pötis  süm  domo. 

Qui  versus  iure  in  süspiciönem  nos  adducit  etiam  quattuor 
reliquos  non  recte  esse  traditos  atque  de  formis:  flng^,  prö- 
mere, nOUeri,  i&u  däre  eadem  ratiotie  iudicandum  esse  ac  de  for- 
mis velat  ämnibüs,  9ifiknü8,  aiiis  eiusdem  generis,  de  quibus 
acourate  supra  pag.  8.  feci  verba.  Quae  nes  tcum  ita  se  habeat, 
iam  nemo  dubitabit,  quin  Plautus  infinitivum  prafisentis  act. 
usque  quaque  terminaverit  in  e  brevem^). 

Sed  sententiam  suam  ut  confirmet,  pergit  vir  doctissimus 
Solmsen  ') :    wir   haben  ein  schwerwiegende^  iQeugniss  für  den 

r       •■     ■  ■  :  , : ■ ' ; 

1)  Cf.  pag.  24. 

2)  Etiam  trochaici  sept.  esse  possant:  S4ne  nevolt  .  . . . 

3)  Faoile  est  transponere:  <2<^0  mihi  munuteulufn, 

4)  Versnm   Pers.  642:    Iam  de   istoc  rogare   omitte.     Non  vides 

nolle  loq'ai, 
iam  correxit  Camerarias: 

I4m  de  istoo  rogare  omitte.    Nön  vides  noUe  (e)1oqm, 
6)  1.  0.  pag.  260. 


he  vocalibus  producti$  Latinas  vooes  terminantibus.       46 

actiTischen  gebrajuch  des  infiniÜYS  auf  *i  in  der  formel^  dorcb 
die  der  cen8(^  das  volk  zum  census  berief  und  die  uns  Varro 
L.  L.  VI,  86  aufbewahrt  hat:  si  quis  pro  se  prove  aüero  ratio- 
nein  dari  volet,  lam  supra  cuui  de  tertiae  declinationis  abla- 
tiyo  in  e  feci  verba,  depionstravisse  mihi  videor,  quid  fidei  in 
tali  re  Ijbris  habenda  sit  manuscriptiß.  Tarnen  hoc  levius,  gra- 
yius  autem  iUud:  eodem  iure  ac  contendit  Soknsen  hanc  i  in 
dari  esse  productam,  alter  dicet  atque  affirmabit  in  bis  ver- 
bis  yetustissimis  servatam  esse  i  brevem  finalem  locativi,  ex 
qua  postea  evadere  öportebat  e  brevem,  neque  quisquam  facile 
eins  refutabit  sentenuain. 

Neque  vero  opinionem  viri  doctissimi  Solmsen  confinnant 
inscriptiones,  etsi  verba  eins  iam  supra  allata.:  „...tivere. 
Nach  dem  bilde,  das  die  inschriften  uns  gewähren,  dürfen  wir 
diese  Orthographie  in  plautinischer  zeit  durchaus  erwarten^S 
nobis  iniciunt  suspicioriem  in  inscriptionibus  infinitivum  praes. 
act  per  vicem  mitti  in  I,  £,  EI,  quae  ratio  scribendi  syUabam 
finalem  ortam  esse  confirmat  ex  diphthongo.  Hanc  yariam 
enim  scribendi  rationem  praebent  inscriptiones  in  infinitivp 
praes.  pa&sjvi:  pakari  ^)y  [dehjontiari  «)/  fieri^)  :  darei*), 
legei^)l  contra  in-finltivus  praes.  activi  usque  quaque  ter- 
minatur  ütterä  e :  cedre  «),  (compramesise)  ^),  audeire  «),  eire  •) . . , 
Quod  cum  ita  sit,  iure  adducimur  illam.  sententiam  ut  recipia- 
mus,  in  lingua  Latina  ab  initio  locativum  sg.  velut  viver^  ex 
*viver%,  SBcr.  *jlvä8i  functum  esse  vice  infinitivi  praes. 
activi,  dativum  velut  a^i  ex  -äi,  sscr.  äje  vice  infinitivi 
praes.  passivi. 

i.   Ädverbia  in  e  (abUxtivi  aecündße  dedinationis). 

Formae  faeil^m$d^%  rected^^),  Oecornm  amprufid  ^^)  (im- 
probe)  satis  ostendunt  eins  generis  ädverbia  exiisse  in  litteram 

.         1  ■  ■  I  I        I  IM       _!■  ■  ■  *  _• 

1)  Schneider,  Exempla,  19.  2)  Schneider,  1.  o.  292,  8. 

8)  L.  c.  298,  48,  70,  78..    .  4)  L.  c.  298,  9,  69. 

6)  L.  c.  298,  18.  6)  L.  c.  95,  9. 

7)  L.  0.  97,  14.  —  De  ajUaba  altima  infinitivi  perfecti  eadem  ra« 
tione  iudicanäam  est  ac  de  altima  infinitivi  praesentis  activi. 

8)  8.  c.  298,  71.  9)  S.  c.  298,  78. 

10)  8.  c.  de  Baoch.,  Schneider,  1.  c  97,  i27. 

11)  In  inaoript.  FaÜsc,  Schneider,  1.  c.  part.  sec.  17. 

12)  Lex.  Bant.  30,  Zv  pag.  78.  ' 


46  Georgius  Wedding 

d  et  veterefi  esse  ablativos.  Cum  aateiii  post  longam  voealem 
d  littera  finalis  saeculo  sexto  a.  u.  c.  tenuiter  audiretur,  adyer- 
bioram  quoque  evanescere  coepit.  Neque  enim  exemplis  pro- 
bare posBumus  Plautum  bis  formis  in  -Sd  usum  esse,  frequenter 
autem  eis  in  -6: 

Gurc.  44:  Nempe  fauic  lenöni  qui  bic  babit&t?  ||  Recte  tenes. 

Cure.  375:  Verum  hercle  vero  cum  belle  recögito, 
permultis  aliis  locis. 

Verum  duo  adverbia,  bene  et  tnale,  iam  apud  Plautum  et 
Ennium  cadunt  in  syllabam  brevem,  quamquam  ex  illo  poeta 
certum  exemplum  afferri  non  potest,  quia,  ubicumque  oceur- 
runt,  ictus  est  in  paenultima  borum  adverbiorum  vel  sequitur 
ultimam  (bin^,  milM,  vel:  b^fi^-L,  mäl^^);  sed  in  Annalibus 
Ennii  nonnulli  exstant  versus,  ex  quibus  hanc  e  Ulis  tempori- 
bus  correptam  fuisse  satis  apparet,  velut: 

105:  Accipe  daque  fidem  foedusque  feri  benS  firmum. 

107:  Se  fortunatim,  feliciter  ac  benS  vortat. 
Tarnen  tres  adhibentur  versus  Plautini,  in  quibus  e  littera, 
de  qua  dicimus,  producta  videtur  esse: 

Asin.  137:  Quae  dedi  et  quod  benS  feci,  at  postbac  tibi  ^). 

Epid.  378 :  Nimis  döctus    ille  (est)  äd  male  faciendum.  ||  Me 

6quidem  certo. 

Rttd.   1316:   Di  |  hömines  respiciunt:    bene  ego    binc  prae- 

d&tus  ibOy 
Qui  tres  versus  tamen  nihil  valent,  quia  littera  e  eum  tenet 
locum,  ubi  admittitur  syllaba  anceps  *). 

Iam  exsistit  quaestio,  qui  factum  sit,  ut  e  finalis  in  bene 
et  mcde  corriperetur,  cum  in  ceteris  adverbiis,  quorum  paenul- 
tima et  ultima  efficiunt  iambum,  etsi  eorum  syllaba  finalis  iden- 
tidem  apud  Plautum  vi  legis  iamborum  correptionis  breviatur  s), 

1)  Greücns  tetrameter  acat. 

2)  De  versa  Asin.  187  vide  supra  pag.  24. 
8)  Velut  maxuna  Mil.  1024 : 

Age  age  üt  tibi  maxame  coBcinnümst.  ||  Nallümst  hoc  stolidius  säxum. 
proiperi  Pseud.  674 : 

Pro  lüppiter,  dt  mihi,  qufdqaid  ago,  lepide  omnia  prösperSque  eveniont. 
probi: 

Fers.  178 :  Ovis  si  in  ladttm  iret,    potuisset  iam  fieri  «t  probS  littera« 

soirel. 
Fers.  756:  Eas  v6bi8  h4beo  gr&tes  atqae  ago,  qaia  probt  snm  ültus  meum 

inimicum. 


De  vocalibus  productis  Latinas  voces  terminantibus.      47 

ultima  servata  sit  producta.  Atque  nisi  omnia  me  fiillunt, 
correptio  in  bette  et  male  duabus  effecta  est  ex  causis:  primum 
quia  pluB  sermone  terebantur  ceteris,  deinde  correptionem  acce- 
leraverunt  formae  instrumentalis ,  quae  semper  carebant  littera 
finali  d:  *bene  et  *inale;  i.  e.  promiscue  olim  baec  profere- 
bantur  formae:  ablativi:  *bened,  *m<ded,  *b4n^,  *malH,  postea: 
*bene,  *fnale,  bin^,  m(ÜS;  et  instramentales :  *bene,*tnal€,bin^, 
mäUj  quibas  ex  formis  solae  servatae  sunt  correptae :  beni^  et 

5,     CotUlie,  hodie,   meridie,  postridie^  ^idie, 

Haec  adverbia,  übicumque  occurrunt,  in  e  litteram  mittun- 
tur  productam.  Originem  unde  ducant,  sintne  locativi  an 
ablativi,  dubium  est,  quamquam,  cum  frequenter  coniun- 
gantur  formae  velut  die  quarti,  die  septimi,  die  crcutini  et  com- 
posita  po8trt-4ie,  pri-die,  merl^ie  priore  in  parte  locativum 
continere  videantur,  suadetur,  ut  die  locativum  esse  credamus, 
qui  i  litteram  abiecit  finalem.  Sed  fauic  sententiae  offidt,  quod 
Faliscorum  foied  i),  etsi  haec  ipsa  forma  quomodo  intellegenda 
sit  non  plane  liquet  *),  ablativus  singularis  quintae  declinationis 
in  -ed  videtur  esse,  qui  d  litteram  servavit  pristinam. 

Pauca  verba  mihi  facienda  sunt  de  adverbio  hodie  ').  Quod 
omnes  fere  ortum  esse  interpretantur  viri  docti  ex  hö-die^) 
quippe  o  littera  correpta ,  quia  duo  coaluerint  vocabula  '^), 
Profecto,  negari  nequit  identidem  in  lingua  Latina,  duo  ubi 
coaluerunt  vocabula,  primae  vods  vocalem  finalem  breviatam 

Psead.  608:  lam  p61  ego  hunc  strdtiotioam  nanÜam  advenientem  probS 

peroutiam. 
In  adverbiis  maxumcy  prospere   lingua  Latina  correptionem  non  reoepit, 

quia  haec  adverbia  non  iambum  efficiont  (ut  olim  bene,  mah^  ego^ 

quoii)  sed  creticum. 

1)  Deecke,  spräche  der  Falisker  pag.  155:  foied  *  uino  •  pß/o ' 
kra  *  kart/o* 

2)  Deecke,  1.  c. :  „ foied  scheint  eine  verunglückte  Faliskisirung  des 
lat.  hodie  zu  sein,  in  gegensatz  zu  kra  =  eraSy  sei  es  verstellt  aus 
*fodie  oder  entstellt  aus  *fodied  mit  ablativischem  J.  . .  .  verfehlt  ist 
die  form  in  jeder  hinsieht,  entscheidend  falsch  des  /".  —  Sed  cf.  pag. 
48,4). 

8)  De  perendie  vide  Skutsch,  Jahrb.,  suppl.  bd.  27.  pag.  93  sqq. 

4)  Nonnulli  ex  hoi-4ie;  cf.  VaniSek,  etym.  wört.  pag.  124,  el 
*  hoi'die'i, 

5)  Vide  Buecheler,  Wölfflins  archiv  III  145.    Skutsch,  forsch.  I  8. 


48  Georgias  Wedding 

esse  ^).  Sed  baec  correptio  cum  persaepe  non  reperiatur,  mea 
quidem  sententia  necesse  est  ostendere,  quae  sint  leges,  ex 
quibus  primae  vocis  syllaba  finalis  raodö  oorrepta  sit  modo 
servata  pcodttcta  *).  Quibus  ex  legibus  una,  nisi  fallor,  mani- 
feista  est:  haue  correptiönem  non  effectam  esse,  ubi  illam  syl- 
läbam  finalem  olim  sequebatur  consonans,  quae  eam,  at  ita 
dicam,  tuebatur  et  defendebat,  ut  quödrcä  ex  quö^-ciroä^) 
omiiibus  temporibus  o  litteram  servavit  productam.  Formam 
*hödie  autem  qui  acceperunt,  non  alia  ex  forma  eam  dednoere 
possunt  atque  ex  *hödce'dis  vel  *höd'd%e,  quibus  in  formis  con- 
sonantes  d  et  c  impedivisse  necesse  est,  qnominus  hodie  eya- 
deret  forma.  Praeterea  nonne  miraris,  qaod  in  adverbiis  coti- 
düf  merUdie,  postri-die,  prl-die  primae  partis  syllaba  finalis 
non  correpta  est,  sed  in  hodie  ?  Quaenam  res  in  hoc  adverbio 
correptiönem  efiecit,  prohiboit  in  illis?  ^). 

Quae  cum  ita  sint,  mihi  quidem  non  dubium  videtur  esse, 
quin  forma  hodie  non  ducenda  sit  ex  *hö^ie,  ^hödee^die,  sed 
et]fmologiam  non  proponere  mälo  quam  incertam  proferre  vel 
prävam. 


m.    Formae  In  i  exeuntea. 

.  Quia  i  brevis  finalis  in  lingua  Latina  non  servatur,  sed 
mutatur  in  e  brevem^),  illam  omnibus  in  formis,  in  quibus 
deprehenditnr ,  productam  esse  oportet.  Quae  i  finalis  partim 
proles^  ut  ita  dicam,  est  pristinae  vocalis  f,  partim  orta  ex 
diphthongis  -äi,  -Ä,  -öi. 

.  Atque  i  pura  sine  dubio  reperitur  in  numeirali  vigifiUj  quae 
forma  vetustus  est  nominativus-accusativus  dnalis  neutrins  ge- 
neris  nata  ex  idg.  vis^nUl.  Nam  idg.  fenU-,  lat  -^tU*  respondet 
stitps  Sanscritica  in   consonantem  desinens  -^a^  in  Urim-fiU', 


1)  Yelnt  «Tim  ex  «tu«;  cf.  seine,  Sohneider,  Exempla  298,  54.- 

2)  Non  dabito,  quin  inprimis  iotas  respiciendos  sit  et  enoliaiB. 

3)  Haeo  forma  servata  est  Schneider,  Exempla  293,  18. 

4)  Qaod  in  inscriptionibtis  Faliscis  /  littera  {foiedj  scripta  est  poo 
A  {hodie),  minimi  est  momenti.  Cf.  Felena  pro  Helena  (Schneider,  I.  c. 
42),  Fereles  (1-  o.  46),  Foraiia  (1.  c.  200). 

6}  Cf.  supra  pag.  27,  adnot.  1). 


De  Yocalibus  productis  Latinas  roces  terminantibus.      49 

catvarim-gdt,  pafica-gdt,  üt  autem  ad  stirpes  neutrias  generis, 
quae  exeunt  in  consonantem,  velut  ahan  (tag),  jagat  (weit) 
efficitur  nominativus-accusativus  dualis:  ahan-t,  jagcU-i,  ita  ad 
stirpem  -gat  effici  potuit  nominativus-accusativus  dualis  -gc^l  ex 
-g^mt'i,  quam  ad  formam  referenda  est  forma  vi-gint-4. 

Deinde  pristinam  i  inyenimus  in  genitivo  singularis  secun- 
dae,  quae  dicitur,  declinationis.  Quam  rem  maxime  testantur 
stirpes  in  -jo,  quas  usque  ad  medium  saeculum  septimum  a.  u.  c. 
t  stirpis  et  eam  i,  quae  genitivi  est  signum,  contrahere  non 
solum  poetae  illius  aetatis  ostendunt,  sed  etiam  inscriptiones : 
Saetumi  ^),  cbedifici  •),  benefici «),  consüi  *),  iudici  •),  municipi  •). 
Cum  autem  eaedem  voces  in  -ja  in  locativo  i  stirpis  et  i  loca- 
tivi,  quam  ortam  esse  ex  diphthongo  -ei  satis  constat,  nunquam 
contrahant,  id  quod  apparet  ex  versibus  Ennii,  quos  affert 
Apuleius  Apol.  39  7): 

Omnibus  ut  Glupeae  praestat  mustela  marina, 
Mures  sunt  Aeni  faspera;  ostrea  plurima  Abydi 

Mytilenae 

Est  pecten  charadusque  apud  Ambraciai  finis; 
Brundisii  sargus  bonus  est:  hunc  magnus  si  escit, 
Sume  tibiy  apriclum  scito  primum  esse  Tarenti  ^), 

et  ex  Terentii  v.  Eun.  519: 

Bus  Sünii  ecquod  häbeam  et  qu&m  longe  &  mari, 

Yocalis  f  locativi  ex  diphthongo  orta  non  eadem  esse  potest 
atque  %  genitivi,  h.  e.  dubitari  nequit,  quin  »  genitivi  pura  sit 
et  pristina  (cf.  Job.  Schmidt  apud  Mahlow,  die  langen  vocale 
A  E  0  37  sq.). 

1)  Schneider,  Exempla  28.  2)  1.  c.  295,  99. 

3)  1.  0.  337,  3.  4)  1.  c.  293,  57.  6)  1.  c.  295,  85. 

6)  1.  c.  312,  149,  152,  154. 

7)  Gf.  Mueller,  Ennii  Sat.  51  sqq.  —  Baehrens,  Frg.  poet.  Rom. 
pag.  130. 

8)  Sic  fere  verba  corrupta  restituenda  esae  censeo  neqae  intellego, 
quam  ob  caasam  L.  Mueller  pro  JBrundmi  scribat  ablativom  Brundiaioj 
praesertim  cum  locativi  Chtpeaej  Aeni,  Abydi,  Mytilenae,  Tarenti  hunc 
defendant  locativum.  —  Ceterum  cf.  Athen.  III,  pag.  92  d:  jiQx^aTQarog 
d*  iv  raatqovofiCai  (prial' 

tovg  fivg  Alvog  ^x^i  fiiydlovgf  otn^iui  d'  "jißvSog, 
rag  a^xrovg  IlaQiov,  jovg  6k  xtivag  r  MvrUfjvri' 
nUiarovg  <f'  ^Afiß^xCa  na^ix^i,  xal  anXava  fier   avwdhf .... 
B«lkrig«  I.  kund«  d.  indg.  ipnehen.  XXVII.  4 


50  Georgias  Wedding 

Denique  eadem  i  pura  deprehenditor  in  secunda  persona 
imperativ!  activi  quartae,  quae  appellatur,  coniugationis :  audi : 
audi'8  ^). 

Eas  formas  autem,  qnarum  i  finalis  in  lingaa  Latina  orta 
est  ex  diphthongis  'äi,  -^,  Si,  satis  erit  breviter  componere'): 

a)  ex  äi: 

1)  InfinitiTOS  praesentis  passivi;  agi:  Sscr.  dje. 

2)  Secunda  persona  plar.  passivi  -min^;    legimini:    inf. 
Xeyifjievai  (?)  »). 

3)  Prima   persona  sg.  ind.  per£  act.;  Lat.  ttdudl  :  Sscr. 
tutudi  (hoc  primus  intellexit  Fick  6GA.  1883.  588). 

b)  ex  Si: 

1)  Locativos  sg.  secundae  declinationis. 

2)  Dat. :  iUi,  isti . . .  «). 

3)  mffii,  tun,  aibf,  Ose.  tifet,  stfet, 

4)  uM,  i&f. 

c)  ex  Öi: 

1)  Nominativus  plur.  sec.  decl.:  poptUf  :  fesceninoe  :  oixoe. 

2)  Dativus  sg.  pron.  determ. :  ei  ex  "**  ejo-i  (cf.  dat.  quo~i). 

3)  Nominativus  sg.  qu%  ex  *quo-i,  Ose.  poi. 

Unde  i  ducat  originem  in  genitivo  sg.  primae  et  quintae 
declinationis:  -es-i,  -e-t,  et  in  dativo  sg.  tertiae  declinationis 
(ex  äi?)  et  in  tU-i^)  buc  illuc  interpretatione  trahunt  viri  doc- 
tissimi. 

Non  necesse  videtur  esse  de  Omnibus  bis  formis  ex  dipb- 
tbongo  natis  accurate  disserere,  sed  de  una  itemque  altera  verba 
facere  non  erit  alienum. 


1.    LocoHims  tertiae  declinationis. 

Quanto  opere  in  tertia  declinatione  permixtae  sint  decli- 
natio  stirpium  in  i  et  in  consonantem  exeuntium,  iam  supra, 
cum  de  ablativo  disputarem  ^),  exposui.  Atque  ut  in  boc  casu 
ita  in  locativo  quoque  accidit,  ut  Plauti  aetate  locativus  in  f 

1)  Vide  mipra  pag.  27.  2)  Cf.  Solmsen,  idg.  fonoh.  lY  241. 

8)  Contra  Bopp  contendit  legimitix  eandem  esse  formam  ac  Xiy6fuvo* 

seil.  Bits, 

4)  Hae  formae  etiam  dedaci  possnnt  ex  *iUo%^  *iitai. 
6)  Cf.  Job.  Schmidt  KZ.  XXXU  407  sq. 
6)  Pag.  S9  sqq. 


De  vocalibus  productis  Latinas  Toces  terminantibus.      51 

plus  stirpium  in  consonam  exeuntium  occupaverit  quam  aurea 
Latinitatis  aetate,  neque  exstare  videtur  versus^  in  quo  hie  poeta 
usus  sit  locatiyo  in  -9  ^);  forma  in  i  autem  in  bis  deprehen- 
ditur  Yorsibus: 

Cüst.  156:  Fuere  Sicyoni  iam  diu  Dion^sia. 

Merc.  606:  Si  neque  hie  neque  AcheruntI  sum,  übi  sum?  {{ 

Nüsquam  gentium. 

Cist  226 :  Me  hos  dies  sex  rürl  cöntinuos  *). 

Aulul.  454:   Temperl,    postquam   implevisti  fusti   fissorüm 

Caput  •). 

Merc.  255 :  Ad  pörtum  hinc  &bii  mäne  ctim  lucT  simul  ^). 

Mil.  995.    Qui  aücupet  me  quid  agam,  qui  de  vesperT  viy&t 

suo? 

Gapi  111:  Her!  quos  emi  de  praeda  &  quaestöribus  >). 
Forma  rurf  est  locativus  stirpium  in  i,  rur^  ex  *ruri 
locativus  stirpium  in  consonantem  desinentium  ^).  Rem  ita  se 
habere  negavit  vir  doctissimus  Jobannes  Schmidt  ^)  locativum 
in  -^  contendens  ortum  esse  ex  -e,  cui  formae  respondeat  Sscr. 
agnd,  Gr.  7r6Ai}-t.  Sed  haec  comparatio  quamquam  scite  facta 
tarnen  est  reicienda,  cum,  quomodo  et  qua  de  causa  in  lingua 
Latina  ex  formis  velut  *rure  evaserit  forma  rure,  hac  ex  sen- 
tentia  intellegi  non  possit 

2.  Mihi,  tibi,  sibi;  ibi,  ubi;  quasi,  nisi. 
Lex  iamborum  correptionis  e£Eecity  ut  horum  vocabulorum 

1)  Libris  manasoriptis  fides  non  habenda  est. 

2)  rtirf :  Gas.  781.    Most.  799.    Ter.  Phorm.  868. 

8)  tempert :  Gas.  412.  Gapt.  191.  Epid.  406.  —  iemperJl  Rad.  921 
yi  legis  iamborom  correptionis.  4)  luet:  Men.  1005.  Stich.  864. 

5)  Aerv  locativus  est  stirpis  in  $  desinentis;  cf.  hea-  in  hesternus, 
6r.  jifO^ip.  —  Praeter  v.  Gapt.  111.  heri  apud  Plautum:  Amph.  799.  Gare. 
17.  Most.  958;  her^  autem  vi  legis  iamborum  correptionis:  Amph.  514. 
Gurc.  18.  Pseud.  148.  Stich.  516. 

6)  Nnm  iamPlautus  signifioationes  et  formas:  ruft,  auf  dem  lande, 
et  rur)fj  von  dem  lande,  seiunxerit,  dubium  est,  cum  neque  forma  ruri 
uaquam  dimetiendi  ratione  postuletur  et  nonnullis  locis,  ubi  optima  Lati- 
nitatis aetas  utitnr  forma  rurlf^  in  omnibus  oodioibus  tradita  sit 
forma  rtirt,  velut 

Most  1076 :  Enge,  Trdnio,  quid  ^tur  ?  ||  Y dniunt  rüri  rdstioi, 
et  Truc.  669 :  Mirdm  vid6tur,  rüri  erilem  filium 

Strab4cem  non  rediisse. 
(codd.:  rurier  iUm  filium,)  7)  KZ.XXVII  290. 

4* 


52  Georgias  Wedding. 

iambicorum  partim  omnino  fierent  pyrrbichia,  partim  syllabam 
productam  modo  servarent  modo  corriperent. 

Adverbium  qtum  quamquam  in  nonnullis  inscriptionibus 
invenitur  forma  qtMsei^)  poetae  semper  terminavisse  videntur 
i  brevi,  cum  ei  pauci  yersus,  in  quibus  efficit  iambum,  nibil 
yaleant.    Corruptus  enim  est  y.  Lucr.  11  291: 

Et  deyicta  quasi  ^)  cogatur  ferre  patique, 
quem  yersum  iam  correxit  Lacfamann: 

Et  devicta  quasi  (id)  cogatur  ferre  patique. 
In  V.  Poen.  241  autem: 

Quasi  Salsa  müriatica  esse  autumäntur 
Codices  non  tradunt  ^uasi^  sed :  quam  sl  salsa  ....  et  Mil.  798 : 

Militi  üt  darem  :  quaslque  egö  rei  sim  interpres.  |  Audio, 

eodem  iure  dimetiri  licet:  quasique  ^o,  etsi  verisimile  est  inter 
ego  et  rei  cum  Bitscbelio  interponendum  esse  pronomen  ei  et 
legendum: 

Militi  üt  darem,   quasique  ego  (Si)  rei  sim  interpres.  |  Audio. 

Nisi^)  criaberrime  apud  Plantum  desinit  in  syllabam  brevem 
{nisi,  ntst-L.),  nonnullis  locis  autem  in  i  productam: 

Gas.  699:  Nisl  se  sciät  vilicö  non  datum  iri^). 
eist.    61:    Quid  dicäm,    nisl   stultitia   mea  me  in  maerorem 

rapi[tl?«) 
Poen.  243:  Nisl  multa  aqua  üsque  et  diu  maceräntur^. 
Poen.  325:  Opsecro  hercle,  ut  mulsa  löquitur.  |  Nil  nisl  later- 

culos. 
Rud.  1092:  Hie  nisl  de  opiniöne  certum  nil  dicö  tibi. 

Quamquam  fortasse  versibus  Gas.  699,  Gist.  61,  Poen.  243 
derogabit  quispiam  auctoritatem  (vide  sis  adnot.  4).  5).  6).), 
tamen  eos  defendunt  versus  Poen.  325.  et  Rud.  1092,  in  quibus 
quin  nisi  mittatur  in  i  productam  dubitari  nequit. 

Pronomina  mihi,  tibi,  sibi'^  nnnquam  apud  Plautum  effi- 
ciunt  pyrrhichium  nisi  vi  legis  iamborum  correptionis,  neque 
usquam  finis  versus  iambici  senarii  vel  trochaici  septenarii  in- 

1)  Yelut  lex  Bantina,  Schneider,  1.  c.  292,12;  lex  Acil.  repet.,  1.  c. 
293y  41.  2)  cod.:  quaei. 

3)  In  insoriptionibas  identidem  nisei,  velat  8.  c.  de  Baoch.,  Schneider 
.  c.  97,  8,  16,  21.  4)  A;  NISI,  P:  m.   Ni  s^e  (?). 

6)  Yel:  Qaid  dicini,  nisl  Btdltiti4  mea  md(d)  in  magrerem  rapi[t]? 

6)  Hermann:  nin  (<i>.  7)  Gf.  pag.  60« 


De  vocalibus  productis  Latinas  yoces  terminantibus.       53 


venitur  velut :  dicere  tibi  vtät    Postea  autem  usque  quaqne  hae 
formae  promiscue  in  i  longam  terminantiir  et  correptam. 

G.  F.  W.  Mueller  ^),  quem  sequitur  Stadelmann  *),  in  fabulis 
Plautinis  nusquam  inyeniri  exemplum  coniendit,  quod  ibi  et 
ubi  in  longam  cadere  syllabam  confirmet.  Tamen  nonnulli 
versus,  in  quibus  nibil  est  offensionis,  i  litteram  praebent  pro- 
ductam : 

Pseud.  425:  Proficfscii  ibI  nunc  öppido  öpsaept&st  via. 
Aulul.  507 :  Sed  hoc  etiam   pülcrumst  praequam  ubi  sumptüs 

petunt. 
Aulul.  700:  Ibo  intro,  ubi  de  cäpite  meo  sunt  cömitia. 
Gapt.  955:   Quid  me  oportet  fäcere,  ubi   tu  t&lis  vir  falsum 

aütumas? 
Gas.  245:  Vnde  is,  nfli?  Vbl  fuisti?  Vbi  lustritu's?  Vbi  bibisti? 
Gas.  875:  Neque  quo  fugi&m  neque  ubi  lateam  neque  hoc  de- 

decus  quömodo  celem. 
Gist  735:  Grepündia  üna.  ||  Est  quidam  homö,  qui  illam  aft  se 

scire  ubi  sit. 
Poen.  702:  Quid  mülta  verba?   F&ciam,  ubi  tu  l&yeris. 
Rud.  1347:  Tecum  hoc  habeto  t4men,  ubi  iur&yeris'). 

Sed  mirum  mihi  videtur  esse,  quod  ex  his  novem  versibus 
in  octo  ante  adverbia  ibi  et  ubi  deprehenditur  Tocalis^),  atque 
iure  quaerimusy  num  haec  res  forte  facta  sit,  praesertim  cum 
etiam  in  t.  Rud.  1347  non  difficile  sit  vocabula  tecum  et  tamen 
transponere : 

Tamen  h6c  habeto  tecum  ubi  iuräveris. 

Suntne  hi  novem  versus  legendi  cum  hiatu?  Haecine  ad- 
verbia a  Plauto  usque  quaque  consilio  sie  posita,  ut,  quae  vera 

1)  1.  c.  pag.  28.  2)  1.  0.  pag.  69. 

3)  Dubito  de  versa  Trao.  698: 

Vbi  male  accipier  mea  milil  peoüoia, 
qui,  oum  finis  verbi  interrampat  thesin  alteram  solutam,  non  recte  tra- 
ditos  videtnr  esse,  atque  coniecerim: 

Vbi  m&le  (ego)  accipiar  mea  mihi  peoünia. 

4)  Etiam  in  omnibns  fere  oeteris  versibus,  quomm  aliis  alia  ex 
causa  non  vis  inest  et  auctoritas,  ante  formas  ib*  et  ubJ  est  vooalis: 
Amph.  1094.  Gapt.  605.  Gas.  73.  Curo.  340.  Aalul.  439.  Bacch.  17.  431. 
765.  Cist.  717.  Men.  280.  Most.  315.  327.  380.  Fers.  630.  Poen.  853.  855. 
Pseud.  138.  490.  1259.  Rad.  930.  1236.  Tnio.  360.  914.  —  Sed  of.  Asin. 
709  «t>?).  Poen.  718  (ibi  quai  retteuU)  Gist.  717  {tua  fM),  Pseud.  1278 
(syllaba  anoeps).  Truc.  506 :  quin  übt  natust  :  quin  Ubi  n4tu9  M,  — 


54  Oeorgius  Wedding. 

ultimae  sit  natura,  perspici  non  possit?     Aegre  hoc  ut  credam 
addncor;  tarnen  hocine  fieri  non  potoit? 

Ut  autem  post  Plantum  sine  dubio  promiscue  proferuntur 
formae:  mihi,  mihi,  tibi,  tibü,  sibi,  siln,  ita  etiam  formae  übi  et 
ubi,  m  et  üü.    Cf.  Ter.  Phonn.  827 : 

Hoiusce  habendae.   Sed  ubI  n&m  Getam  invenire  pössim, 
quo  in  versu  i  litteram  breviatam  esse  vi  legis  iamborum  eorreptio- 
nis  non  crediderim^). 


IV.  Formae  in  0  exenntes. 

Operae  pretium  non  videtur  esse  accurate  de  eis  disserere 
formis,  quae  usque  quaque  in  lingua  Latina  cadunt  in  o  pro- 
ductam  yelut  dativus  sg.  secundae  declinationis :  -ö  ex  -öi*): 
Gr.  'tot,  ablativus  eiusdem  declinationis  :  ö  ex  öd^  nominativas 
sg.  in  ö  tertiae  declinationis,  (homö\  prima  persona  sg.  activi: 
ferö  :  q)iQ(üy  imperativus  in  -fo  ex  -töd^  itemque  omittere  possum 
verba  facere  de  formis  dualis  amböf  Gr.  afiqxa^  octö :  oiMid^  *duö: 
dvw,  ex  quibus  duo^  ut  apud  Graecos  quoque  usitata  est  forma 
dvo,  nusquam  in  lingua  Latina  ö  pristinam  servavit  productam, 
cum  unus,  qui  o  longam  comprobare  videtur  versus,  nihil  valeat: 
Mil.  1384:  Duo  di  quem  cürant.  |  Qui  duO?  i  Mars  et  Venus. 
Nam  ante  personam  mutatam  admitti  syllabam  ancipitem  iam 
supra  identidem  intelleximus. 

Quaerere  autem  necesse  est  tribus  de  formis  :  egö^  modo, 
cito,  utrum  servatae  sint  in  lingua  Latina  an  in  earum  locum  iam 
Plauti  aetate  successerint  formae  correptae  ego,  modo,  citS. 

1.  Ego. 

Permultis  in  versibus  ictus  est  in  paenultima  pronominis 
ego  aut  in  ea  quae  sequitur  ultimam  sy Uaba,  ut,  quae  ultimae 
Vera  sit  natura,  propter  legem  iamborum  correptionis  perspici 
non  possit.  Nonnulli  autem  exstant  versus,  qui  aetate  Plauti 
docent  o  finalem  in  ego  sine  dubio  fuisse  correptam: 

Men.  279 :  Quisqnis (<iui8)  egö  sim  >)  ? 

1)  Gf.  pg.  56.  —  t  producta  servatnr  in  compositis  :  alibü,  ibatUm, 
{üi(d4m  Baoch.  818);  utwibiqu; 

2)  Vide  eis  inscriptionem  illam:  Manios  med  fhefhaked  Numaeiou 

3)  Quin  hio  finis  verana  fuerit,  non  eet  dubium. 


De  vocalibus  productis  Latinas  Toces  terminantibus.      55 

Mil.  1138:  N6mm6in  pol  vldeOi  nisi  hunc  quem  völnmns  c6n- 

yentum.  H  Et  egö  tos  ^}, 
qnibus  in  versibus,  cum  Plautus  ultimam  iambici  senarii  et 
trochaici  septenarii  thesin  non  ea  efficiat  ratione,  ut  illam  ex- 
pleat  sjllaba  vi  legis  iamborum  correptionis  breviata,  haec  lex 
valuisse  nequit. 

Sed   non  mediocris  versäum  affertur  numerus,   in  quibus 
pronomen  ego  in  productam  cadit  syllabam,  id  quod  alü  viri  docti 
contendunt*),  negant  alii  *).  Sunt  autem  qui  adhibentur  versus  hi: 
1)  Ex  diverbiis: 

a)  ex  iambicis  senariis: 

Asin.  810 :  Sequere  h&c.   Egone  haec  p&tiar  aüt  taceam?  Emori. 

Aulul.  570 :  Non  p6tem  6g9  quidem  hSrcle.  II  At  ego  iüssero. 

Bacch.  196:  Eg9n  ut,  quöd  ab  illo  ättigisset  nüntius. 

Gas.  781:  Gena  übi  erit  cöcta;  egO  ruri  cen&vero. 

Gas.  786:  Tandem  ät  fveniamus  lüci;  eg9  cras  hfc  ero. 

Epid.  389:  EgO  me  excrudare  ^nimi,  qu&si  quid  filius. 

Men.  544:  Fi&t.   Gedo  aürum,  egO  manüpretiüm  dabo. 

Merc.  544:  Tandem  fmpetr&vi  egOmet  me  üt  corrümperem. 

Mil.  142:  In  eo  concl&vi  egö  perfödi  p&rietem. 

Mil.  554:  Fateör.  |  Quid  ni  fate&re,  egO  quod  vlderim? 

Mil.  1379:  EgO  f  ^^^  conveniam  illum,  ubi  ubi  est  gentium. 

Trin.  173:  Sed  nunc  rogare  egö  vidssim  te  volo. 

Truc.  357:  Vah,  v&pulo  hSrcle  egö  nunc,  ätque  adeö  male. 

b)  ex  iambicis  septenariis: 

Gist.  745:  Quid  istüc  negöti  est?    Aiit  quis  es?  ||  EgO  sum  illius 

m&ter. 

c)  ex  trochaicis  septenariis: 

Aulul.  457 :  Göctum  egö,  non  y&pul6tum,  dudum  cönductüs  fui. 
Bacch.  571:  Töllam  egO  te  in  cöllum  atque  Intro  hinc  aüferam. 

I  Immo  ib6,  mane. 
Gapt.  1021:  Sed  die  6ro  :  p&ter  meüs  tune  Ss?  ||  Egö  sum, 

gn&te  mi. 
Gurc.  294:  Tristes  ätque  ebrioli  inc6dunt :  eos  egO  si  offendero. 
Gurc.  305:  Ha&d  magfs  cupis  quam  egO  te  cüpio.  |  0  mea  op- 

portunitas. 
Men.  651:  Quis  is  Mena^chmust?  ||  Tu  istic,   inquam.  ||  Egone? 

Tu.  I  Quis  4rguit.^ 


1)  Gf.  Gurc.  104.  2)  Bueoheler-Windekilde,  1.  c.  pag.  27; 

Neue-Wagneri  1.  c.  II  846.  3)  G.  F.  W.  Mnell^r  1.  o.  pag.  80  iqq. 


56  GeorgiuB  Wedding 

Men.  934:   Quid,   ego?  |  Dixti  insänus,   inquam.  ||  EgOne?  ||  Tu 

istic,  qul  mihi. 
Men.  1125:  Mi  germäne  gemine  fräter,  sähe.  ElgO  8um  Sosicles. 
Merc.  470:  Füisse  credo,  praeut  quo  päcto  egö  divörsus  distrahor. 
Pers.  198 :  Eo  ego.  1 1  säne.  Egö  domum  ibo.  Face  rem  hanc  cum 

cur&  geras. 
Pseud.  624.  625:  Immo  adest  ||  Tun  ättulisti?  I  Egömet  |l  Quid 

dubitäs  dare? 
Rud.  730:  Ita  hinc  egö  te  orn&tum  [te]  amittam,  tüipsus  teut 

non  növeris. 
Rud.  779:  Abi  modo,  ego  dum  hoc  cürabö  recte.  ||  lam  egO  re- 

venero. 
Rud.  1184:  Sümne  egö  scelestus,  qui  illunc  hödie  excepi  vidulum? 
Rud.  1410:  M&xime.  ||  Pro  illo  dimidio  egO  Gripum  emittam  manu. 
Stich.  293:  Ad  me  adiri  et  süpplicäri  egömet  mi  aequom  censeo. 
Stich.  720:  Nolo  egö  nos  t  prosumo  bibere.  Nülli  rei  erimus  pöstea. 
Truc.  526 :  Töllere,  it4  dolet  itaque  egö  f  medulo,  neque  etiam 

queo. 
2)  Ex  canticis: 

a)  ex  anapaestis: 
Poen.  1 185 :  Spero  equidem.  ||  Et  pol  egö,  quem,  ingeniis  quibus 

sümus  atque  &liae,  gnösco^). 
Pseud.  939:   Sed  egö  quae  tibi  bona  d&bo   et  faci&m,   si  hanc 

söbrie  rem  äccurässis. 
Rud.  190:  Hancine  egö  pärtem  cäpio    ob  pietatem  praecipuam? 

b)  ex  bacchiacis  tetrametris  acat. 
Truc.  453:  Egö  prima  de  me,  domo  docta,  dico. 

Truc.  464:   Puerperio  egö  nunc  me(d)  esse  aegram   adsimulo. 

c)  ex  creticis  tetr.  acat. 

Trin.  282:  Nölo  egö  cum  improbis  te  viris,  gnäte  mi. 

Sed  ex  his  duodequadraginta  versibus,  in  quibus  o  finalis 
pronominis  ego  producta  videtur  esse,  detrahendi  sunt  undevi- 
ginti,  quos  cum  hiatu  legere  licitum  est: 

1)  cum  hiatu  legitime  in  diaeresi: 
Merc.  470:  Füisse  credo,   praeut  quo  päcto  egö  divörsus  dis- 
trahor. 
Bud.  1410:  M4xime.  ||  Pro  illö  dimidio  egö  Gripum  emittäm  manu. 
Stich.  293 :  Ad  me  adiri  et  süpplicäri  egömet  mi  aequom  censeo, 

1)  In  hoc  versu  et  Rad.  190  egö  legendum  esse  in  theai  veraas 
anapaestici  contendit  Seyffert,  Bars,  annal.,  1896,  pag.  260.  261. 


De  vocalibus  productis  Latinas  voces  termiDantibus.      57 

2)  cum  hiatu  legitimo  ante  personam  mutatam: 

Men.  651:   Quis  is  Menaechmust?  II  Tu  istie,  inquam.  |  Egone? 

II  Tu.  II  Quis  4rguit? 
Men.  934:   Quid,   egö?  ||  Dixti  insänus,   inquam.  ||  EgÖne?  ||  Tu 

istic,  qui  mihi. 
Fers.  198:  Eo  ^go.  ||  I  sane.  egÖ  domum  ibo.  Face  rem  hanc  cum 

cur&  geras. 
Pseud.  624:  Immo  adest.  ||  Tun  ättulisti?  ||  Egömet.  ||  Quid  du- 

bitäfi  dare? 

3)  cum  hiatu  in  caesura  iambici  senarii^): 

Aulul.  570:  Non  pötem  egÖ  quidem  |  hercle.  ||  At  ego  iüssero. 

Bacch.  196:  Egon  üt,  quod  &h  illo  |  ättigisset  nuntius*). 

Gas.  781:  Cena  übi  erit  cöcta;  j  egÖ  ruri  cenävero*). 

Men.  544:  Fi&t.   Cedo  aurum,  |  egÖ  manüpretiüm  dabo. 

Mil.  142:  In  eö  conclävi  |  6gö  perfödi  p&rietem. 

Mil.  554:  Fateör.  ||  Quid  ni  fatedre,  |  egÖ  quod  viderim?*) 

Trin.  173:  Sed  nunc  rog&re  |  egÖ  vicissim  te  volo. 

Truc.  357 :  Vah,  y&pulo  hercle  |  egö  nunc,  ätque  adeö  male. 

4)  cum  hiatu  quamquam  non  legitimo^): 

Aulul.  457;  Coctum  |  egö,  non  väpulätum,  düdum  cönductüs  fui. 
Men.  1125:  Mi  germäne  gemine  fräter,  säWe.  |  egÖ  sum  Sösicles. 
Rud.  779:   Abi  modo,    6go  dum  |  h6c  cur&bo  recte.  ||  lam  egÖ 

revenero  *). 
Rud.  1184:  Sümne  |  egÖ  scelestus,  qui  illunc  hödie  excepi  vi- 

dulum. 
Deinde  sine  uUa  dubitatione  corrupti  sunt  versus  quattuor : 
Gas.  786.  Mil.  1379.  Stich.  720.  Truc  526,  in  quibus  iam  supra 
comiptelae  sedem  cruce  illa  significavi  usitata  7).  Tum  in  Septem 
yersibus  tam  facile  est  emendare,  ut  rationi  dimetiendi  egö  iure 
anteponamus  emendationes : 

1)  Cf.  supra  pag.  5. 

2)  Leo :  iUoCy  quod  verisimile  est. 

3)  Hoc  in  versn  alterum  est  mendum  metricnm,  cum  paenultima 
producta  looativi  rüri  quartam  iambicinseDarii  effioiat  thesin;  cf.  pag.  2. 

4)  Hiatus  in  semiseptenaria.  5)  Yide  sis  pag.  4. 

6)  Sic  hunc  versum  ut  legamus,  praecipitur,  ne  paenultima  in 
curäbo  tertiam  trochaioi  septenarii  effioiens  thesin  cum  dipodiarum 
pugnet  lege. 

7)  Geterum  Truc.  626.  meliore  ratione  quam  supra  legitur: 
Tollere,  ita  dolet  itaque  eg5  f  medulo,  neque  etiam  queo. 


58  Oeorgius  Wedding 

Asin.  810:  Sequere  h&o  (med).   Egone  haeo  p&tiar  aüt  taceam? 

Emori  ^). 
Baech.  571:  TöUam  Sgö  ted  in  cöUum  atque  intro  hinc  aüfe- 

ram.  ||  Immo  ih6,  mane  '). 
Gapt.  1021:  Sed  (tu)  die  or6 :  pater  meus  tüne  es?  [|  Egö  sum, 

gn&te  mi '). 
Cüst.  745:  Quid  istüc  negöti  est?    Aüt  quis  es  t(u)?  ||  Eg5  sum 

Ulf  US  m&ter^). 
Cure.  305 :  Haüd  magis  (me)  cupis  quam  Sgö  te  cupio.  ||  0  mea 

öpportünitas  *). 
Epid.  389 :  EgÖ  me(d)  exeniciare  &nimi,  qu&si  quid  fiOius  '). 
Truc.  453 :  Egö  prima  de  me(met)9  domo  docta,  dico  ^). 

Deinde  duobus  versibus  non  inest  auctoritas,  quia  inter  se 
discrepant  libri  manuscripti:  yersum  Merc.  544  praebet  Ambro- 
sianus, ut  supra  eum  attuli: 

Tandem  Impeträvi  egOmet  me  üt  corrumperem, 
Palatini  autem  hoc  in  yersu  yeram  seryayerunt  lectionem: 

Tandem  impeträyi  ut  egömet  me  corrumperem. 
Contra  Rud.  730  ordo  yerborum  praeponendus  est  Ambrosiani: 

Ita  egö  te   hinc   omätum  amittam,    tu  ipsus  te  ut  non 

nöyeris, 
quem  yersum  non  recte  exhibent  Palatini: 

Ita  hinc  egO  te  orn&tum  te  amittam,   tu  ipsus  te  ut  non 

nöyeris. 
Postremo  tres  yersus  aliam  admittunt  dimetiendi  rationem: 

Poen.  1185:  Spero  equidem.  |  Et  pöl  Sgö  quöm,  ingenüs 

quibus  sümus  atque  &liae,  gnösco  >). 

Yersum  Rud.  190  constare  existimayerim   ex  duobus  iambicis 
dimetris  catal: 

1)  (med)  adieci.  cf.  Asin.  941: 

Immo  intro  potiüs.    Sequere  h4c  me,  mi  anime.  |  Ego  vero  sequor. 

2)  D  habet:  tet. 

3)  (tu)  supplevit  Hayet,  recepit  Leo. 

4)  M  t(u)  soripsi  pro  codioum  lectione :  est,  in  qua  es  tu  yestigium 
Bui  reliquisse  yidetur. 

5)  (me)  Fleokeisen,  Goetz,  Leo.  —  Goetz-Schoell  in  editione : 
Haud  magis  cupis  quam  egö  te  cupio.  ||  0  mea  öpportünitas. 

6)  me(d)  recepit  Leo.  7)  me(me(),  suppleyi. 

8)  Gf.  Klotz,  1.  c.  pag.  119.  128  sqq.  —  De  dactylo  +  anapaesto 
(»<i^uuu^)  cf.  supra  pag.  80. 


De  Yocalibus  prodactes  Latinas  voces  terminantibus.      59 
Hancine  egö  p&rtem  cäpio     ob  pletatöm  praecfpuam, 

praesertim  cum  in  hoc  ipso  cantico  reperiantur  yersuB  iambid, 
in  quibus  omnes  fere  theseis  syllaba  longa  efficiontur  yel  du- 
abus  correptis,  ut  illi  yersus,  qaamqoam  iambici,  anapaesticis 
similes  yideantur  esse  et  ex  uno  loco,  in  quo  una  syllaba  bre- 
yis  explet  thesin,  yersum  iambieum  esse  appareat  Vide  sis 
yersum  185: 

Nimio  höminum  förtunae  minus  miserae  memor&ntur, 

iambicus  dimeter  acat  cum  clausula  Reiziana  (yel  anapaestica?). 
Similiter  res  se  habet  in  yersibus  huius  cantid  218  et  219: 

Nunc  qui  minus  seryiö,  quam  si  seryä  forem  näta? 
Neque  quicquam  umquam  Ulis  pröfuit,  qui  me  sibi  eduz- 

erunt, 

quorum  yersuum  alter  est  iambicus  dimeter  catal.  cum  clausula 
Reiziana  ^),  alter  iambicus  septenarius. 

Versus  Truc.  464  autem  esse  potest  bacchiacus  dimeter 
catal.  cum  clausula  iambica  (iamb.  dim.  catal.),  quos  yersus 
iam  supra  *)  demonstrayi  identidem  apud  Plautum  esse  con- 
iunctos: 

Puerperio  egö     nunc  me(d)  esse  aegram  adsimulo; 

inter  utrumque  colon  admittitur  syllaba  anceps. 

Iam  tres  supersunt  yersus  Cure.  294.  Pseud.  939.  Trin. 
282: 

Tristes  &tque  ebrloli  incedunt:  eos  egO  si  off^ndero. 

Sed  egö  quae  tibi  bona  d&bo  et  faci&m,  si  hanc  söbrie 

rem  &ccur&ssis. 

Nölo  egö  cum  improbis  t6  yiris,  gn&te  mi. 

Atque  ego  quidem,  cum  ceteri  quinque  et  triginta  yersus, 
in  quibus  ego  in  syllabam  productam  cadere  videtur,  nos  dece- 
perint,  bis  tribus  quoque  fidem  esse  derogandam  censeo,  prae- 
sertim cum,  ut  iam  supra  exposui,  Plautus  nunquam  eandem 
yocem  yel  formam  hie  terminayerit  in  yocalem  productam  illic 

in  breyem.    Quod  cum  ita  sit,   mihi  quidem  non  est  dubium, 

I         ■  '■■■■■ 

1)  cuius  nameri  anapaestis  suiit  simillimi« 

2)  Gf.  pag.  12. 


60  Georgius  Wedding 

quin  iam  Plauti  aetate  pronomen  ego  nusquam  effecerit  iambum, 
sed  potius  usque  quaque  pyrrhichium,  etsi  confiteri  debeo,  quo- 
modo  Uli  tres  versus  Cure.  294.  Pseud.  939.  Trin.  282  pro- 
babiliter  emendandi  sint,  me  nescire  ^). 

2.    Cito,  modo. 

Adverbia  dto  et  modo  optima  Latinitatis  aetate  cadunt  in 
syllabam  brevem.  Atque  est  controversia,  utrum  aetate  Plauti 
horum  adverbiorum  ultima  iam  fuerit  correpta  an  post  hunc 
poetam  facta  sit  correptio.  Sed  non  desunt  versus,  in  quibus 
littera  o  finalis,  de  qua  dicimus,  est  producta,  qui  versus 
omissis  incertis ')  sunt  hi: 

a)  citöi 

Gist.  748:  Elöquere,  unde  haec  sunt  tibi,  cit9,  crepündia. 
Ter.  Andr.  474:    Hui,   täm  cito?   ridiculum:   pöstquam  ante 

östium. 
Heaut.  375:  Sed  qu&m  cito  sunt  cönsecütae  mülieresl 

b)  modö\ 

Asin.  prol.  5:  Age  nunc  reside,  cäve  modo  ne  grätiis. 
Asin.  869:   Täce  modo.     Ne  illüm   (m)ec&stor  mlserum  ha- 

bebo.  II  Ego  istüc  scio  >). 
Aulul.  239:  Dum  modo  moräta  recte  veniat,  dötatäst  satis. 
Capt.  458:  Ad  fratrem  modo  captivos  älios  invisö  meos. 
Merc.  426:  Täce  modo:   senex  est  quidam,  quf  illam   m&n- 

davit  mihi 
Merc.  §75:  Hüc  secündus  v^ntus  nunc  est;  cäpe  modo  vor- 

söriam. 

1)  Vix  credibile  est  v.  Pseud.  9S9  dimetiendum  ease: 

Sed  eg^  quäe  tibi  bonS  dabo  et  faclam  bi  |  hano  söbrie  rem  docar48Bi8, 

ne  initio  versas  tres  se  excipiant  proceleusmatioi.  Sed  veraas  Trin.  282 
fortasse  legendos  est  cum  hiatu  non  legitime: 

Nolo  egÖ  cam  |  improbis  te  viris,  gnate  mi. 

2)  Velut:  cüo-,  Asin.  745.  Bacch.  202.  541.  Gas.  685.  Gist.  748 
(ante  personam  mutatam)  Men.  225.  Mil.  1358  (iU  eilö  vel  üe  cÜi). 
modo:  Amph.  644  (Goetz - Schoell  omittant  ictus,  Leo  bacchios  esse 
censet)  Asin.  876  (cum  hiatu  in  diaeresi  legi  potest).  Gas.  758  (a.  pera. 
mut.)  Gurc.  655  (a.  pers.  mut.)  Merc.  607.  Mil.  984  (a.  pera.  mut.). 
Rud.  951. 

3)  (m)€eastorf  oorrexi.    Vulgo:  ne  (ego)  iUum  ecaetor. 


De  vocalibus  productis  Latinas  voces  terminantibus.       61 

Most.  326:  Cäve  modo,  ne  prius  in  via  accümbas. 

Most.  994:  Non  ^quidem  in  A^ptum  hinc  modo  yectüs  fui. 

Poen.  926:  Näm  et  hoc  docte  cönsul^ndum,  qu6d  modo  con- 

cr^ditumst. 
Pseud.  689:  M^um  mendäcium,  hic  modo  quod  subito  c6m- 

mentüs  fui. 

Mea  quidem  sententia  dubium  esse  nequit,  quin  in  bis  ver- 
sibus  et  cito  et  modo  efficiant  iambum,  h.  e.  quin  Plauti  aetate 
hae  syllabae  nondum  fuerint  breviatae.     Quae  res  confirmatur, 
quod,  ubi   utrumque  adyerbium  apud  Plautum  effieit  pyrrhi- 
chium,  ultima  corripitur  vi  legis  iamborum  correptionis  ^)  neque 
unquam  eam  occupat  sedem,  in  qua  syllaba  natura  brevis  postu- 
latur  >).    Vi  eiusdem  legis  autem  postea  acddit,  ut  omnino  bis 
in  adverbiis  o  finalis  corriperetur.     Quod   in  cito   paulo  post 
Terentium  factum  videtur  esse,  cum  post  hunc  poetam  forma 
cito  nusquam  reperiatur;  diutius  autem  servata  est  forma  modö^), 
qua  etiam  Lucretius  nonnullis  usus  est  locis  velut: 
n,  1135:  Plura  modo  dispargit  et  ab  se  corpora  mittit 
II,  941:  Ne  congressa  modo  vitalis  convenientes. 
IV,  1181:  Vna  modo,  causas  abeundi  quaerat  honestas  ^). 
Atque  mihi   quidem  verisimile  est  ob  eam  causam  modo 
diutius  fuisse  in  usu  quam  cito,  quia  yerborum  conformationes 
ut  omni  modo,  unö  modo,  nullö  modo,  quarum  adverbialis  fere 
est  significatio^   semper  in   modo  o   finalem   seryayerunt  pro- 
ductam. 

Bestat,  ut  yerba  faciam,  unde  adyerbia  modo,  modo,  cito, 
cito  ducant  originem.  Atque  nisi  omnia  me  fallunt,  ut  in  ad- 
yerbiis  bene  et  male%  in  bis  quoque  fieri  potuit,  ut  ex  duplici 
orerentur  forma.  Neque  enim  negari  potest  olim  fuisse  abla- 
tiyos  *ciiöd,  *modöd  et  instrumentales  *citö,  *modö,  quae  for- 
mae,  cum  d  littera  ablatiyi  deiecta  confluxissent,  non  aliam 
formam  parere  possent  ac  cito,  modo,  ex  quibus  yi  legis  iambo- 


1)  Velut:  cWS-,  Gas.  744.  Mil.  266.  Most.  847.  Pseud.  168.  Ter. 
Adelph.  448.  m6dS\  Amph.  286.  696.  Asin.  86.  168.  170.  240.  887.  467. 
902.  927  eto.  etc. 

2)  Velut  in  ultima  thesi  iambici  senarii  et  trochaici  septenarii. 

8)  Sine  dubio  Romani  quodam  tempore  usi  sunt  et  forma  modo  et 
modo^  ut  et  tibi  et  tttX, 

4)  Gf.  Lachmann  ad  Lucr.  II  1186. 
6)  Vide  supra  pag.  46. 


62     Greorgius  Wedding    De  vocalibus  prodactis  Latinas  etc. 

rom  correptionis  et  quod  sermone  terebantur  adyerbia,  nasci 
oportebat  formas  dtö  et  modo. 


V.    Fomuie  in  ü  exeimtes. 

De  fonnis  in  u  productam  desinentibus  breyi  praecidam, 
quippe  quae  formae  nee  numerosae  sint  neo  praebeant  difficul- 
tates,  quas  denuo  necesse  est  vocare  in  quaestionem. 

Nam  formas  in  ü  nominatiYi-accusatiYi  sg.  neutrias  generis 
quartae,  quae  dicitur,  declinatioms  yelut  cornü  re  vera  vetustos 
esse  nominatiTOS-acc.  pl.  neutr.  gen.  docnit  yir  doctissimus 
Johannes  Schmidt,  die  plaralbildongen  der  idg.  neutra,  pag.  49. 

Deinde  praeter  eiusdem  declinationis  dativurn  in  -uei  ^;,  -ul, 
cuius  interpretatio  dubia  est,  omnibos  temporibus  in  usa  fuit 
dativas  in  -ü  *),  qaem  non  modo  Latinum  esse,  sed  Italicum 
maxime  Vmbrorum  confirmat  datiyus:  trifo  '). 

Ablativus  sg.  autem  olim  desiit  in  -üd,  cuius  formae  ezem- 
plum  seryatum  est  in  s.  c.  de  Bacch.  13:  promagistratud  *), 
postea  —  nee  mirum  —  usque  quaque  in  u  mittitur  pro- 
ductam. 

Quem  ad  modum  interpretandae  sint  formae  diu  et  nocHi, 
utrum  locatiyi  sint  necne,  dubium  est.  Nam  in  noctü  ex  -ou  : 
Sscr.  aktaü  amplissima  reperiretur  stirps  »öu,  quam  in  lingua 
Latina  seryatam  esse  aegre  crediderim. 

Bestat,  ut  yerba  faciam  de  pronpmine  tu.  Quae  forma 
cum  Omnibus  temporibus  cadat  in  u  productam,  ducenda  est 
ex  Idg.  *tü,  cf.  ags.  ßü  =  angL  thou,  ahd.  du,  altpr.  tou, 
altsloy.  ty;  sed  dubium  esse  nequit,  quin  praeter  Idg.  tu  iam 
fuerit  forma  tu,  quam  maxime  testantur  gr.  rtf ,  lit  tu,  ahd.  du, 
do:  cf.  Joh.  Schmidt,  pluralbildungen  der  idg.  neutra  219. 

1)  Cf.  Schneider,  1.  c.  805,  12:  9enatu0%. 

2)  Yelut  Mü.  1078 : 

Quid  est?  Vt  Indo?  H  Nequeo  h^rcle  equidem  risU  meo  moderarL  | 

Cf.  Pseud.  806.    Rad.  294.  —  Sapinnm  in  -ü  :  dieiü,  audiUi  etc.  eandem 
esse  formam  satis  constat. 

8)  Buecheler,  Ymbrica,  pag.  109. 

4)  Forma  incisa  magisirahio  sine  uUa  dnbitatione  error  est  fabrilis. 


Hans  Reichelt    ßeitrg.  z.  gesch.  d.  indogerman.  konjugat    63 


Beiträge  zur  gesohiohte  der  indogermanischen 

koigogation. 

I.    Die  abgeleiteten  6^'-st&mme. 

(vgl.  BB.  26,  284  ff. ;  26,  266  ff.) 

Die  Yorliegende  arbeit  behandelt  diejenigen  yerba  der  so- 
genannten ib-klasse,  die  einen  zweiten  stamm  auf  S  haben. 

§  1.  Es  ist  wohl  keine  klasse  des  idg.  yerbalsystems,  ob- 
wol  sich  die  bewährtesten  forscher  an  ihrer  erklärung  yer- 
suchten,  in  dem  masse  verkannt  worden,  wie  die  io-klasse.  Der 
grund  hiefiir  liegt  hauptsächlich  darin,  dass  man  das  t-element 
auf  das  praesens  beschränkte  und  vom  thematischen  vokal  nicht 
loszutrennen  wagte  ^). 

Die  Verhältnisse  bei  dieser  klasse  sind  durchaus  nicht  so 
verwickelt,  wie  die  neuesten  Untersuchungen  ergeben  haben. 
Die  trennung  in  verschiedene  weitere  klassen,  für  deren  not- 
wendigkeit  besonders  Streitberg  PBrB.  14,  224  ff.  und  Hirt  Idg. 
akzent,  192  ff.  eingetreten  sind,  hat  die  erklärung  nur  erschwert. 
Bartholomae,  der  so  oft  tiefer  blickt  als  seine  fachgenossen, 
ist  der  einzige,  welcher  den  Zusammenhang  der  verschiedenen 
bildungstypen  erkannt  hat.  Dadurch,  dass  er  für  den  zweiten 
stamm  auf  -9  (oder  -A)  die  entstehung  aus  -^'  (oder  -ai)  nach- 
gewiesen hat,  hat  er  die  grundlage  für  das  richtige  Verständnis 
der  in  frage  kommenden  verba  geschaffen.  Vgl.  Studien  zur 
idg.  Sprachgeschichte  2,  142  ff.  und  Grd.  d.  iran.  phil.  1,  79  ff. 

§  2.  Nach  Hirt,  der  in  der  hauptsache  Streitberg  folgt, 
sind  mindestens  folgende  klassen  zu  unterscheiden. 

I.    i  ist  nicht  praesenssufGx  sondern  gehört  zum  stamm. 

n.  i  ist  praesenssufifix  und  erscheint  daher  nicht  in  den 
andern  Stammformen.  Diese  klasse  hat  nach  Brugmann  Grd. 
2,  1059  zwei  abteilungen,  je  nachdem  a)  die  Wurzelsilbe  den 
wortton  hatte  und  vollstufig  war,   oder  b)  in  der  Wurzelsilbe 

1)  Wie  ich  den  mitteilnngen  über  die  46.  Versammlung  deatscher 
Philologen  und  sohulmänner  (in  Strassburg)  lA.  12,  849  entnehme,  hat 
prof.  Lenmann  bei  besprechnng  der  vierten  praesens-klasBe  im  Sanskrit 
das  praesenssnffix  ^a  in  t  +  «  aufgelöst  und  damit  die  forschong  auf 
die  richtige  bahn  gelenkt. 


64  Hans  Reichelt 

Schwundstufe  herrschte,  und  der  ton  auf  dem  suffix  lag,  analog 
den  o-verben. 

III.  -ib  im  praesens  steht  neben  einem  zweiten  stamm  auf 
"€  (oder  -a)  aus  *-^  (oder  *-öi). 

Abgesehen  von  der  L,  der  wurzelklasse  lässt  sich  diese 
einteilung  aus  zwei  gründen  nicht  aufrecht  erhalten.  Erstens 
ist  das  i  nirgends  praesenssuffix ;  es  muss  vielmehr  überall  auf 
einen  zweiten  stamm  auf  ^  oder  a/  bezogen  werden.  Und 
dann  lassen  sich  auf  dieser  grundlage  nur  wenige  der  hierher 
gehörigen  formkategorien  verstehen. 

§  3.  Die  verba  der  ib-klasse  zerfallen  in  zwei  haupt- 
gruppen,  je  nachdem  der  zweite  stamm  auf  -a  oder  e  ausgeht 
Wie  ich  eingangs  erwähnt  habe,  kommen  hier  nur  die  verba 
mit  einem  zweiten  stamm  auf  ^i  in  betracht.  Die  wichtigsten 
anhaltspunkte  für  ihre  erklärung  sind  der  Zusammenhang  mit 
der  nominalen  ^i-stammklasse  und  der  umstand^  dass  dasselbe 
idg.  verbum  in  den  einzelsprachen  verschiedenen  bildungen 
folgt,  die  in  folge  dessen  einen  gemeinsamen  Ursprung  haben 
müssen.    Vgl. : 

ai.  gödh  'licht',  got.  hugs,  as.  hugi  'sinn'  :  ai.  gücyati 
'leuchtet',  got.  hugjan  'denken'. 

ai.  raclh  'licht',  ksl.  ludh  'licht'  :  gr.  Xevaaw  'schaue'  aus 
*lsvin-(üy  lat.  lüceö  'leuchte'. 

ai.  vartih  'umlauf  :  lit  verczü  'kehre  um',  ksl.  vrbätq 
'verto'. 

ai.  kavih  'klug'  :  gr.  xoew  'merke',  lat.  caveö  'hüte  mich', 

aw«  hadiä  'sitz'  :  lat.  sedeö  'sitze',  lit.  sedMi,  ksl.  sediti 
'sitzen'. 

gr.  xoQiQ  'gunst'  :  gr.  xaigWy  ixdqrp^  'freue  mich',  ai.  här~ 
yati  'er  begehrt',  umbr.  heris  'vis',  lit.  ger'eß-s  'freue  mich'. 
Dazu  got.  grsdus  'hunger'  (Hirt  SBtr.  23,  291). 

gr.  analig  'hacke',  lit.  skyle  'loch'  (mit  sekundärer  dehnung 
nach  Wiedemann  Lit.  gr.  s.  20) :  gr.  anuillw  'scharre'  aus 
*axaXj(-(u,  lit.  sküiü,  skUti  'schlage  feuer  an'.  Dazu  gr.  analrj- 
yo's,  OKoh-ds  'krumm'. 

gr.  fivela  'erinnerung'  aus  ^^ive^-a^  an.  mun(r)  'sinn,  unter- 
schied', gr.  iifjvig  'groll',  ^avia  'raserei'  :  gr.  ixaivoixai^  (ifidyrjv) 
'rase',  fii-fÄvy-fiai  'erinnere  mich',  ai.  manyate  'er  glaubt',  got. 
mtman  'meinen',  lit  menü,  min&i  'gedenke',  ksl.  mhnjq,  mtneti 
'meine',  air.  dthmoiniur  'puto'. 


Beiträge  zur  geschichte  der  indogermanischen  konjugation.     65 

gr.  löia  'erscheinung'  aus  *fideiraj  ai.  vidyd  'wissen',  : 
lat  Video  'sehe',  got.  witan  'beobachten',  lit.  pavydzu. 

lat.  fidBs  'vertrauen',  gr.  Ileid'w  'Überredung'  neben  nelaig  : 
gr.  (rteid'ü)),  ifti&rjv^  got.  bidja  'bitte'.  Dazu  lat.  fidius  'wahr- 
haftig' und  fidilis  'treu'. 

lat.  caedis  'mord'  :  gr.  ^x/^co  'spalte',  lit  skedzu  'spalte'. 

lat.  aedes  'feuerstätte'  :  ai.  idhy&te  'wird  angezündet'.  Dazu 
lat.  aedliis,  osk.  Aüfineis  'Aedinii'. 

lat.  aci^B  'schärfe',  an.  egg^  eggiar  'schneide',  ahd.  ekka, 
mhd.  ecke  :  an.  eggia  'anreizen'. 

lat.  per-niciBs  'verderben';  ai.  nd^ati,  aw.  nasyeüi  'er 
geht  zu  grund'.  Dazu  lat  intemecies  (Gloss.  phiL,  Isid.  or.  5.  26) 
inter-neciüm  (Not.  Tir.  p.  123). 

lat.  series  'reihe',  gr.  eigio  'knüpfe'  aus  ^aeqtria, 

lat.  facies  'erscheinung',  fax,  faces  (Paul.  Festi  s.  87) 
'fackel',  lit.  zväke  'licht'  :  gr.  Ttaiqxiaow  'schimmere'  aus 
^-qxxKk'U).    Dazu  lat.  facstus  'glänzend'. 

lat.  spedes  'erscheinung'  :  ai.  pdgyati  'er  späht',  lat.  spe^ 
ciö  'sehe  nach  etwas'.    Dazu  lat.  specietas,  au-spici-um, 

got.  kuni,  kunßs  'geschlecht',  lat.  pro-geniSs  'geschlecht', 
gr.  yiwa  'geschlecht'  aus  *yevji,'a :  gr.  yeivofxai  'werde  geboren' 
aus  *YBVt,-o(xavy  ai.  jdyati  'wird  geboren'.  Dazu  gr.  ofÄoyviOQy 
got.  samakuns  'verwandt',  lat  genitis  'schutzgeist'. 

got.  grißs  'schritt'  :  ai.  gfdhyati  'er  ist  gierig',  lat.  gradior 
'schreite'. 

got.  gumSj  ahd.  chumi  'ankunft'  gr.  ßaivw  'gehe',  lat  veniö 
'komme'. 

lit  akls  'äuge',  gr.  caae  'äugen'  aus  *o%i-B  :  gr.  oaao/Aai 
'sehe'  aus  ^oxi-o^iai^  got.  ahjan  'glauben'. 

lit.  rud\8  *ro8t'  :  lat.  rubere  'erröthen',  ksl.  rtdeti  s^  'er- 
röthen'. 

lit  qulis  'lager'  :  lit  guliti  'lege  mich',  ai.  gUÜi  'er  ist  er- 
schöpft', aw.  ni-yräire  'sie  werden  geworfen',  gr.  ßäkXia  'ich 
werfe'. 

lit  zine  'künde'  :  ahd.  ir-knau  'weiss'  aus  *§nei'ö. 

lit  szlove  'ehre',  gr.  KleicS  'verkünderin'  statt  *£l€(u  aus 
*xAe/-ot-  (vgl.  Jlei&cSy  ^rjrcu)  :  gr.  kAc/ch  'mache  berühmt' 
aus  *iiXef-i-(Oy  lat  disteo  'höre'  aus  *clevei-ö.  Dazu  lit.  szlövi-nu 
'preise'.    Idg.  *Jcloue(i)',  *Ue^ö(i)'  :  ^Ue^i-  :  *Heyi'. 

B«itrift  s.  kondt  d.  indg.  •pnwlieii.  XXVII.  5 


66  Hans  Reichelt 

lit.  srove  'Strömung'  :  lit.  srcm-ü,  sravej-au  'fliessen',  gr. 
i^rj-v  'floss',  idg.  *8raue(i)-,  *srtii(ij'  :  *sr(mi-. 

lit  dväse  'hauch'  :  lit.  dvesiü  'atme',  düsiü,  düseti  'atme'. 
Dazu  gr.  d-eiog  aus  *^/eoi'Og  'göttlich',  lat.  Für  ins  aus  */eu- 
si-us,  vgl.  Petr,  Krok  VI  6,  248  f. 

lit.  grobe  'beute'  :  al  grbhnämi  'ergreife',  lit.  gröbiu  'raffe, 
packe',  gräfiu  'raffe,  harke'  Brugmann  Grd.  '  I,  152. 

air.  cruim  'wurm',  ai.  krmih  'wurm',  lit.  kirmis  'wurm'  : 
ai.  kramyati  'er  schreitet'. 

§  4.  Brugmann  und  Hirt  haben  das  -o-  der  verbalen 
s-stämme  mit  dem  a  der  femininen  ö-stämme  idenüfizirt.  Vgl. 
H.  M.  Chadwick  IF.  11,  169:  „With  regard  to  the  origin  of 
these  stems  the  Suggestion  of  Brugmann  (Gr.  2,  §  487)  and 
Hirt  (Idg.  akz.  §  197)  claims  attention.  According  to  them 
the  ä  of  these  stems  is  identical  with  the  -ä-  of  feminine  sub- 
stantives.  We  have  already  mentioned  that  the  connection 
between  verbal  and  nominal  es-stems  is  of  great  antiquity,  and 
there  are  two  further  points  in  support  of  the  theory.  (1)  The 
oldest  Stratum  of  feminine  o-stems  consists  largely  of  verbal 
abstracts  (cf.  Hirt  akz.  §  197,  271).  (2)  These  stems  likewise 
show  as  a  rule  either  reduced  or  o-vocalism  in  the  root-syllable 
and  are  accented  on  the  stem-final". 

§  5.  Ich  identifizire  in  gleicher  weise  das  (e)i  der  ver- 
balen 612-stämme  mit  dem  der  nominalen  «j^-stämme.  Es  steht 
hier  wie  dort  ei-  mit  ei-,  f-  und  t-  im  ablaut.  lat.  fide-s  ver- 
hält sich  gr.  iTti^Tj-Vy  wie  lat.  fidi-^M  zu  got.  bidj-a.  Die  von 
Streitberg  Urgerm.  gr.  s.  300  so  genannten  starren  il^/io-bil- 
dungen,  zu  denen  got.  bid-ja  gehört,  sind  nichts  weiter  als 
durch  den  themavocal  erweiterte  ^i'-stämme. 

Neben  den  starren  j(>/|b-bildungen  verzeichnet  Streitberg 
a.  a.  0.  noch  abgestufte  ^,  jfo-bildungen.  "Wie  beim  nomen 
im  Litauischen  kSlis  neben  kSlias  steht,  so  erscheint  auch  beim 
verbum  neben  der  vollstufenform  des  Suffixes  die  Schwundstufe. 
Und  zwar  kann  diese  doppelte  gestalt  haben:  1)  einsilbiges 
'i^li^'  wird  in  unbetonter  Stellung  zu  kurzem  i.  —  2)  neben 
dem  einsilbigen  ielio  findet  sich  unter  den  von  Sievers  PBrB. 
5,  129  ffl  festgestellten  bedingungen  zweisilbiges  -jie/io-.  In  der 
Schwundstufe  muss  alsdann  die  länge,  d.  h.  f,  auftreten.  Wie 
das  Germanische  und  —  nach  K  Berneker  und  P.  Giles  — 


Beiträge  zur  geschichte  der  indogermanischen  konjugation.    67 

das  Lateinische  darthan,  erscheint  die  zweisilbige  yoUstute  und 
damit  die  langvokalische  Schwundstufe  regelrecht  nach  langer 
Wurzelsilbe.    So  erklärt  sich  die  lateinische  doppelheit: 


capto 

farcio 

capis 

farcis 

capit 

farcit 

capimus 

farc%mu8 

capitis 

fcH^cUis 

capiunt 

farciufU. 

Streitberg's  ansatz  der  yoUstufe  mit  j^/iq  und  die  heran- 
ziehuug  yon  lit  kSlis  neben  kilias  ist  hinfallig.  Da  sich  bei 
den  nominalen  ^-stammen  -ei-  (-oi-)  als  yollstufe  ergeben  hat, 
ist  auch  hier  -^-  und  nicht  -ie-  als  yollstufe  anzusetzen. 

§  6.  Wie  für  die  nominalen  «is^-stämme,  deren  bildungs- 
typen  nicht  weniger  yerschieden  sind,  lässt  sich  auch  für  die 
yerbalen  £^-stämme  ein  einheitlicher  Ursprung  nachweisen.  Die 
ablauterscheinungen  der  beiden  Stammgruppen  sind  dieselben. 
Die  silbe  ei  bewegt  sich  je  nach  dem  akzent  in  den  ablaut- 
stufen ei  (e)  :  ei  :  l,  i;  sie  ist  hier  wie  dort  ursprünglich  be- 
tont gewesen,  wodurch  sich  die  grosse  anzahl  schwundstufiger 
Wurzelsilben  erklärt.  Allerdings  darf  man  diese  yerhältnisse 
nicht  nur  auf  das  praesens  beziehen.  Bezzenberger  BB.  26, 
s.  171  bemerkt  sehr  richtig:  "Unzweifelhaft  darf  man  die  sache 
auch  anders  ansehen  (ygl.  Bartholomae,  Studien  z.  idg.  Sprach- 
geschichte 2,  150),  und  Streitberg  wird  weder  leugnen,  dass 
man  grundsätzlich  immer  yersuchen  muss,  die  yerschiedenen 
Stämme  eines  yerbs  zu  yereinigen,  noch  dass  in  der  regel  ein 
nicht  praesentischer  stamm  auf  e  einen  praesensstamm  auf  e 
oder  eje  zur  seite  hat". 

§  7.  Dass  die  idg.  grundsprache  nicht  aus  wurzeln,  son- 
dern aus  Worten  bestanden  hat,  wird  wol  niemand  bezweifeln. 
Trotzdem  darf  man  aber  den  wurzelbegriff  nicht  ohneweiters 
fallen  lassen,  da  ihn  grammatische  abstraktionen  notwendig 
machen.  Ob  die  wurzel  als  solche  jemals  in  sprachlichem  ge- 
brauche stand,  ist  einerlei;  auf  jeden  fall  ist  sie  noch  für  die 
zeit,  wo  die  spräche  unserer  forschung  erreichbar  wird,  d.  h. 
historisch  zu  werden  anfangt,  hinter  dem  schleier  yon  ablaut- 
und  flexionserscheinungen  deutlich  erkennbar.  Die  wurzel 
braucht  deswegen  nicht  immer  einsilbig  gewesen  zu  sein.    Für 

6* 


68  Hans  Reichelt 

uns  ist  eben  alles  wurzel,  was  sich  bei  mehreren  etymologisch 
zusammengehörigen  worten  als  gemeinsames  element  ergibt. 

Es  ist  nun  die  frage,  ob  wir  im  vorliegenden  falle  die 
Silbe  ei  zur  wurzel  zu  rechnen,  also  von  zweisilbigen  wurzeln 
auszugehen  haben,  oder  ob  wir  in  der  silbe  ef  ein  ableitungs- 
suffix  sehen  müssen. 

§  8.  H.  Hirt  Der  idg.  ablaut  s.  25 — 153  hat  eine  neue 
theorie  der  idg.  wurzeln  aufgestellt,  indem  er  sie  auf  uridg. 
basen  zurückführt,  aus  denen  sich  seiner  ablauttheorie  gemäss 
die  historischen  formen  der  einzelnen  sprachen  entwickeln. 
Nach  seiner  einteilung  gehören  unsere  verbalstämme  zu  den 
zweisilbigen  schweren  basen  und  zwar  zu  den  eo^Si-basen. 

Ich  stehe  auf  dem  Standpunkte  Bartholomae's,  nach  dem 
si  (Bartholomae's  ai)  kein  wurzelhaftes,  sondern  ein  stamm- 
bildendes Suffix  ist,  wofür  ich  einerseits  den  Zusammenhang 
mit  den  abgeleiteten  nominalen  ^ji-stämmen,  andrerseits  das 
Yorhandensein  der  zahlreichen  formen  von  der  einsilbigen,  un- 
erweiterten wurzel  geltend  mache.  (Ich  sehe  nicht  ein,  warum 
dieser  annähme  die  infixtheorie  entgegensteht,  wie  Hübschmann 
lA.  11,  s.  52  einwendet.  Der  nasal  kann  ebensogut,  wie  vor 
dem  zweiten  vokal  der  basis,  auch  vor  dem  ableitungssuffix, 
das  sich  mit  der  Wurzelsilbe  eng  verbunden  hatte,  infigirt  wor- 
den sein)  Hübschmann  a.  o.  s.  52  ^  hat  bei  der  besprechung 
von  Hirt's  exH-hsksen  schon  auf  mehrere  fälle  aufmerksam  ge- 
macht, die  die  vermuthung  zulassen,  dass  Si  ein  stammbilden- 
des Suffix  war,  und  hat  dabei  auf  die  iranischen  Verhältnisse 
ein  besonderes  gewicht  gelegt: 

idg.  ^od-ei-  neben  *od  'riechen'  :  gr.  otjia^  lat.  olSre,  lit. 
ü'dzu  neben  gr.  od-fii^y  lat.  od-or,  ol-fadö. 

idg.  ^men-ei-  neben  *men  'denken'  :  ai.  mänyate,  gr.  fjiai^ 
vofxai^  got.  munan,  lit.  minMi,  ksl.  mhnBti  neben  ai.  fnatdh, 
matih. 

idg.  ^uer-ei'  neben  *^er  'sprechen'  :  gr.  elgw,  lit.  reju 
neben  lat.  ver-bum,  got.  waür-ds,  lit  var-das. 

idg.  ^ud-ei-  neben  *^el  'wählen'  :  ai.  Vfnäti,  ksl.  vdEti 
neben  lat.  vd,  lit.  pa-vel-mi,  ai.  vr-täh. 

idg.  *^eid^i-  neben  *^eid  'sehen'  :  lat.  vidSre,  got.  toitan, 
lit  porvydeti,  ksl.  vidHi  neben  aw.  vis-tö. 

idg.  ^keuk-ei-  neben  *keuk  'leuchten'  :  ai.  gücyati^  got 
hugjan  neben  ai.  gukrdh,  aw.  suxrö. 


Beiträge  zur  geschichte  der  indogermanischen  konjugation.     69 

idg.  *bheudh-ei'  neben  *bheudh  'erwachen'  :  ai.  bMhyati, 
lit.  budeti,  ksl.  btdUi  neben  ai.  buddhdh. 

idg.  *ieudh-ei'  neben  *ieudh  'kämpfen'  :  ai.  yüdhyatij  lat. 
iubire,  lit  judeti  neben  ai.  yuddhdh. 

idg.  *grebh'ei-  neben  *grebh  'greifen'  :  ai.  grbhnaü,  lit. 
grebiu  neben  aw.  g9r9pta',  np.  jrm/'^ 

idg.  *8lcheid-ei'  neben  *8lcheid  'spalten'  :  gr.  axi^(o,  lat. 
caedes,  lit.  skedzu  neben  ai.  chinndh,  lat  sos^t««. 

idg.  *gh>en'ei'  neben  *gh>en  'schlagen'  :  gr.  d-elvw^  lit. 
^^^t  neben  ai.  Adn^i^  lit.  pf^t. 

idg.  •^«r-^-  neben  *ftfr  'bohren'  :  ai.  ttryati,  gr.  Telgn)^ 
lat.  ^n-ri  neben  ai.  tUtar-ti. 

idg.  *der-ei-  neben  •d^r  'spalten'  :  ai.  d^myät,  gr.  ^e/^, 
idaqviv^  lit.  dtrfi^  neben  ai.  (/^r^t,  (2rtoA^  gr.  dgatog. 

idg.  ^uerg-ei'  neben  *iförjr  'abhalten'  :  lat  urgSre,  lit.  »er- 
ifü  neben  lit.  vargas,  ksl.  vra^. 

idg.  ^f^r^-«!-  neben  *ffer^  'wenden'  :  ai.  vart{h,  lit  verczü, 
ksl.  vTbätq,  vrbteti  neben  ai.  i;ar^i,  vrttdk,  lat  iY>rmi«. 

§  9.  Hirt  unterscheidet  bei  den  zweisilbigen  schweren 
basen  noch  monophthongische,  die  sogenannten  «^/-basen  (§  187 
— 443).  Auf  dieselben  hier  näher  einzugehen,  besteht  keine 
Veranlassung.  Ich  will  nur  vorausbemerken,  dass  Hirt  in  seiner 
beispielsammlung  eine  anzahl  von  stammen  unter  die  ^/-basen 
eingereiht  hat,  die  eigentlich  zu  unseren  stammen  zu  rechnen 
sind. 

Das  ableitungssuffix  ist  also  in  der  vollstufe  als  -^ijf-auszu- 
setzen.  Infolge  des  akzentwechsels  innerhalb  der  äexion  unter- 
liegt es  dem  quantitativen  ablaut.  Seine  ursprünglichen  ab- 
lautsverhältnisse  haben  sich  aber  nirgends  vollständig  erhalten. 
Wie  beim  nomen,  so  wurden  auch  beim  verbum  schon  in  ur- 
sprünglicher zeit  durch  betonungsverschiedenheiten  eine  reihe 
von  nebenformen  entwickelt,  die  in  ihrer  neuen  gestalt  ver- 
kannt und  von  der  eigentlichen  stammklasse  losgetrennt  wurden. 
Die  Ursache  der  betonungsverschiedenheiten  ist  teils  in  der 
komposition  (durch  den  eintritt  der  enklise)  und  dem  übertritt 
in  die  thematische  äexionsweise ,  teils  in  der  beeinäussung 
durch  formen  vom  unerweiterten  stamme  zu  suchen. 


70  Hans  Reichelt 


I.    Das  praesens. 

a)  Singular. 

§  10.  Nach  Hirt  Idg.  ablaut  s.  108  bilden  die  exe^-hasen 
das  praesens  verschieden.  Die  reinen  ea;et-basen  haben  im  sg. 
den  akzent  auf  der  ersten  silbe:  vSideimai,  pl.  veideimi^  »  idg. 
*oiidimi,  pl.  mditnis,  vgl.  ksl.  vidüi,  pl.  viditm  (statt  *vhdifm). 
Die  exBi-hsaen  mit  n  haben  im  sg.  den  akzent  auf  der  zweiten 
®ilbe  der  basis:  ghrebh-nrs'i'mai,  pl.  gkrebh-n-ei-mis  =»  ai. 
gfbhnäini,  pl.  grbhmmdh. 

§  11.  Ich  glaube,  Hirt  wird  diese  verschiedene  praesens- 
bildung  ^der  ex^»-basen'  nicht  vertheidigen  können.  Es  sprechen 
die  infixtheorie  und  der  thatsächliche  formenbestand  zu  sehr 
dagegen.  Ai.  grbhäydti  (ap.  agarbayah,  aw.  g^urvain)  enthält 
die  ursprüngliche  praesensform  des  sg.  vom  erweiterten  stamm 
*ghfbh'ei',  nur  dass  es  durch  den  themavokal  vermehrt  ist. 
Wäre  der  akzent  wirklich  auf  der  ersten  silbe  gelegen,  so 
müsste  eine  form  *grdbhtti  (thematisch  *grdbhyati)  entstanden 
sein,  die  nach  infigirung  des  nasals  ^grdbhnfti  gelautet  hätte. 
Da  eine  solche  form  nirgends  zu  finden  ist,  wird  man  zugeben 
müssen,  dass  auch  'die  reinen  «o^'-basen'  im  sg.  den  akzent 
auf  der  zweiten  silbe  gehabt  haben.  In  der  that  finden  sich 
neben  den  thematischen  formen,  wie  ai.  grbhäydti^  noch  die 
ursprünglichen  athematischen:  got.  habais,  habaiß  geht,  wie 
Bartholomae  a.  o.  s.  147  nachgewiesen  hat,  auf  idg.  *kh9bh-ei- 
si,  *lch9bh'ei-ti  zurück.  In  ai.  praai,  gläti,  psdti,  gr.  (rtifj)" 
TtXrjfAij  (riytfrjfiij  lat.  habss,  habit  und  in  ahd.  habSm,  hcAes, 
hobst  liegt  die  idg.  nebenform  auf  ^-e-mi,  ^-e-si,  *'e-ti  vor. 
Vielleicht  ist  auch  lesb.  q>LXri(XL  u.  s.  w.  hierherzustellen,  wenn 
die  aeol.  flexion  der  verba  auf  -eoi  nicht  als  gr.  neuerung  be- 
trachtet  werden   muss.     Die   ursprüngliche  flexion  des  sg.  ist 


demnach : 

idg. 

ai. 

gr. 

lat. 

got 

ahd. 

*kh9b}^e(i)'-m% 

Tl'TQrjfÄl 

habSm 

*kh9bh'^i)'Si 

präsi 

tl'TQfjg 

habia 

habais 

hohes 

*hh9bh4(i)4i 

gUUi 

Tl^QrjOl 

habet 

habaiß 

habet 

vgl.  ai.  prdsi  'du  füllst',  gr.  Tti^rtXrjiii   'ich  fülle'  neben   lat. 
pleö  'ich  fülle'  aus  *pl€i-ö;  ai.  gldti  'er  ist  erschöpft',  aw.  m- 


Beiträge  zur  geschiebte  der  indogermanischen  konjugation.    71 

yraire  ^sie  werden  geworfen'  neben  ai.  gldyati  :  gr.  ßaXho 
'ich  werfe',  MßXriv  4ch  wurde  getroffen',  lit.  gidiü,  gulMi  ^schlafe'; 
ai.  mldti  'er  erschafft,  wird  weich'  neben  rnlayati  :  gr.  (ivlXw 
'mahle',  ksl.  mdjq  'mahle';  ai.  psdti  'er  zehrt  auf  neben  gr. 
xpy  aus  *tprii'U  'er  reibt';  gr.  vi-^Qfifii  'bohre'  neben  ahd.  drau 
'drehe'  aus  *tr^ö :  ai.  tfryati  'er  setzt  über',  gr.  velgw  'reibe', 
T8^w  'bohre',  lat.  (terö),  tn-vi  'reibe',  lit.  tyriü  'erfahre',  ksl. 
thrqj  treti  'reibe';  gr.  TtifA^ftlfjf^i  (nach  Ttifi-nXdvfo)  'fülle'  wie 
oben;  gr.  efi^Ttl'TtQrifjii  'ich  stecke  in  brand'  neben  ruaa.prSjUf 
prUi  'schwitze,  siede'.V  Ferner  die  praesensformen  des  Singulars 
von:  goi.  pah  an,  sAiA.dag9n  'schweigen',  lski.tacere  'schwei- 
gen'; got.  toitan  'auf  etwas  sehen',  ahd.  wizen  'sapientem 
esse',  lat  vidsre  'sehen'  :  lit.  pa-vydzu,  -vyd&i  'beneide',  ksl. 
vizdq,  vidUi  'sehe';  got.  liban,  ahd.  leb^n  'leben' :  gr.  (aJLelqm) 
^liq>rjv  'salbe';  got.  munan  'gedenken',  ahd.  fir-monSn  'ver- 
achten' :  ai.  mdnyate  'er  denkt'  s.  §  3;  got.  toeihan,  ga^weihan 
'weihen  heiligen',  umbr.  e-veietu  =«  ^-veig-S-töd  'voveto'  vgl. 
Osthoff  IF.  6,  39 ff.;  got.  ana-silan  'still  werden',  lat.  allere 
'schweigen';  got.  toahan  'wachen',  lat  vegere  'wecken';  got 
haban  'haben',  lat  habere  'haben';  got  ga-ßarban  'sich 
enthalten'  :  kQ\.trbplja,  inpSti  'dulden';  got  trauan  'trauen' : 
pr.  druu^,  druwU  'glauben'  (dazu  pr.  druwi,  druuns  'glaube'); 
lat.  sed^re  'sitzen'  :  ahd.  sizzu  'sitze',  ksl.  sSzdq,  sSdSti  'sitze' 
8.  §  3;  lat  rubBre  'roth  sein'  :  ksl.  rbzdq,  n>dUi  'erröthen'  s. 
§  3;  lat  valEre  'stark  sein'  :  lit  galiü,  gdlM  'kann';  lat 
mordSre  'beissen'  :  BLi.mrdndti  'er  reibt',  lit  mirdziu  'bin  im 
sterben';  lat.  olSre  'riechen'  aus  *od^e  :  gr.  o^co  'rieche',  lit. 
ü'dzu,  ü'sti  'rieche';  lat  lucSre  'leuchten' :  gr.  Xevaaw  'schaue', 
lit  IdiMu  'warte';  u.  a. 

§  12.  Die  gr.  formen  zeigen  reduplikation.  Dass  bei  den 
abgeleiteten  verbalen  ^-stammen  in  der  reduplikationssilbe  der 
i-vokal  erscheint,  ist  nichts  auffallendes,  da  die  schwundstufige 
Wurzelsilbe  mit  dem  ableitungssuffix  gleichsam  eine  einsilbige 
diphthongische  basis,  wie  etwa  ai.  bibhemi  oder  cikemi  repräsen- 
tirt:  gr.  vi-^Qfj-fjii.  'bohre'  aus  *tirtrei^ni  (zu  ahd.  dräu  'drehe' 
aus  *trei-ö)  vgl.  aw.  didaüi  'er  sieht'  aus  *dhi'dh^'ti.  Gr. 
'Tti'Ttltj-fjiLy  m^Ttltjfii  'fälle'  aus  *pi'plSi'ini  (zu  lat  pleö  aus 
^plsi-ö)^  '-ni'TtQfj'fjiiy  nlfATtQVj^i  'fache  an'  aus  *pi^pr^'mi  (zu 
russ.  prSju,  preti  'siede').  Die  schwachen  personen  dieser  gr. 
verba  flektiren  wie  die  der  gleichgebildeten  monophthongischen 


72  Hans  Reichelt 

wurzelstämme,  was  Brugmann  mit  recht  dem  einfluss  von  prae- 
sentien  wie  Yattjfii^  Xataixev  zuschreibt.  In  ai.  U-tar-ti  *er  ge- 
langt hinüber',  pi-par-ti,  pi-pra-ti  'erfüllt'  ist  das  i  der  redup- 
likationssilbe  aus  formen  wie  *ti4rSi'ini  {tixQtifjii)  u.  s.  w. 
herübergenommen. 

In  andern  fällen  lässt  das  I  der  reduplikationssilbe  auf  das 
ehemalige  Vorhandensein  solcher  ursprünglicher  praesensformen 
schliessen  und  findet  darin  seine  erklärung.  Ai.  djijanat  'er 
wurde  geboren',  aw.  zizandnti  *sie  gebären',  gr.  yiyvofiai  'ich 
werde',  lat  gignö  *ich  erzeuge'  nach  *g'ig'n^ti,  vgl.  ai.  janiSva, 
lat.  -genies,  got.  kuni  'geschlecht' ;  gr.  fjilfivct)  neben  ^evo)  'bleibe' 
nach  *mimnüti,  vgl.  gr.  ^ef^ivrj'Ka,  lat.  maneö  'bleibe';  ai.  api- 
patat  'er  fiel',  gr.  njfTtrto  'falle'  nach  *pipts^i,  vgl.  gr.  Ttitviia 
'falle',  das  auf  *|?a^«-^imi  zurückweist,  miKov  'feder',  lat.  (petö), 
petl'Vi;  gr.  ivlartto  'ich  sage'  nach  *8i8kvSiti,  vgl.  gr.  ly-^a/nj-aw, 
an.  skald  'dichter'  statt  skdld  aus  *8k^i)'dla'  Liden  BPrB. 
15,  507.  ahd.  sagen;  ai.  siidati  'er  sitzt',  gr.  l'^o),  lat.  sidö 
'setze  mich'  nach  *$izdeiini,  vgl.  lat.  sedeö  'sitze'  u.  s.  w.;  ai. 
ßghnatS  'er  wird  geschlagen'  nach  *  ghnghvn&iti,  vgl.  gr.  d-eivto 
'schlagen',  lit.  gen&i  'äste  abhauen',  genys  'specht',  ksl.  zbnjq, 
z^ti  'schneide'.  Hom.  ortHTtew)  'begaflfe'  nach  *i^kf>eüi,  vgl. 
gr.  oooofxai  'sehe',  oaae  'die  äugen',  lit.  aVis  'äuge',  ferner  gr. 
OKvm  'zaudere',  wenn  man  es  mit  Meringer  S.  W.  A.  W.  125  II. 
s.  14  hieherstellen  darf,  das  wie  Ttitvita  aufzufassen  ist.  [Ai. 
ikßai^  'er  sieht'  {äikaiäi,  Ikäitdh)  hat  von  akäi  'äuge*  das  8 
übernommen;  hom.  Ttaq^Bv^on^lTtr^  'mädchenbegaffer'  ist  ein 
ursprünglicher  e^-stamm  wie  öeaTtotriq^. 

b)  Plural. 

§  13.  Für  den  plural  fordert  Hirt  mit  recht  formen  wie 
*vidim4s,  enklitisch  *vidimi8,  *vidU(h)i,  enkl.  vidit(h)i,  *(vi' 
dinti)  ^vidioH.  Die  formen  mit  -2-  begegnen  uns  in  ai.  hravi- 
mah,  lat.  sagimus,  got.  sökeip,  ksl.  viditm  für  *vhdiim  (vgl. 
bzdifm)^  die  enklitischen  in  ai.  svapimah,  lat.  capimus,  (ahd. 
hiffemss  nach  hiffent  »  lat.  capiunt)^  lit.  vydime.  Nach  Bar- 
tholomae   a.  o.    s.  157  ff.  ist  das   -i-  von   bravimi  ^)  etc.   von 

1)  Hübschmann  I.A.  11,  s.  46  nimmt  an,  dass  ai.  hratimi  für 
älteres  *  bravimi  s  idg.  *mriwmi  steht.  Aber  die  art  ond  weise,  wie 
er  sieh  mit  aw.  vyamvritQ  und  mraoSire  (a.  o.  s.  55)  abfindet,  ist  wenig 
überzeugend. 


Beiträge  zur  geschicfate  der  indogermanischen  konjugation.     73 

hanse  aus  nur  im  praeteritum  heimisch  gewesen  und  erst  von 
da  aus  in  das  praesens  gedrungen.  Da  sich  aber  im  Aw.  die 
praesensform  mraväire  findet^  nehme  ich  keinen  anstand,  ai. 
bravtmi  etc.  dazu  in  direkte  beziehung  zu  bringen. 

Es  scheint  sich  hier  die  urar.  flexion  *bravdiini  :  *bravi-' 
mds  ausgeglichen  zu  haben.  Im  Awesta  ist  die  lautgestalt  des 
sg.,  im  Altindischen  die  des  plural  auf  die  ganze  flexion  ver- 
breitet worden.     Vgl.  gr.  Bitig  :  eYijte  neben  lat.  sies  :  sitnus. 


idg. 

ai. 

lat. 

got. 

ksl. 

*fndimis 

sOgimus 

[sökjamj 

viditm 

*vidUhi 

sägltis 

sökeiß 

vidite 

*vidinti 

[sägiuntj 

[sökjandj 
ahd. 

[vid^thj 
lit. 

*mdifni8 

svapimah 

capimus 

[hiffemEs] 

vydime 

*mdÜhS 

svapüha 

capitis 

[hiffet] 

vydite 

*vidi'^i 

[capiunt] 

[hiffent] 

§  14.  Die  ursprüngliche  Verschiedenheit  in  der  flexion  des 
Singulars  und  plurals  lässt  sich  ausser  bei  den  verben  der  ai. 
9.  praesensklasse  nirgends  mehr  nachweisen.  Aber  sie  ist  in 
vielen  fällen  noch  deutlich  erkennbar,  da  in  den  einzelsprachen 
teils  die  flexion  des  Singulars,  teils  die  des  plurals  durchge- 
drungen ist,  was  bei  formen  desselben  idg.  verbums  hinlänglich 
gewähr  bietet.  Man  hat  dabei  an  dieselbe  ausgleichung  zu 
denken,  wie  bei  ai.  bravtmi  und  aw.  mraväire.  Vgl  ksl.  viditm 
=B  lat.  aägJmus  und  vid^h  =»  lat  vidSnt,  Eine  parallele  bieten 
die  nominalen  ef  und  e^f- stamme:  vgl.  die  deklination  von 
hom.  ßaaiXsvg,  gr.  ^gcDg,  Ttohg  (ftolstog)  und  die  von  gr.  nSlig 
{Tcohog)^  ai.  gauriah,  nadiah,  ndpfyah. 

§  15.  Bei  den  verben  der  ai.  9.  praesensklasse,  in  denen 
vor  dem  ableitungssufiix  ein  nasal  infigirt  wird,  ist  die  ursprüng- 
liche praesensflexion  unverändert  erhalten:  grbhnämi,  grbhndsi, 
gfbhndti,  gxbhnlmdh,  grbhnUhd,  [grbhndnti].     Vgl.: 

ai.  dinigdt  ^)  'spalten'  :  gr.  dBiqiOy  idaQrjv  'schinde',  lit. 
diriu,  dirti  'schinden'. 

ai.  mfdnati  'reiben'  :  lat.  mordeö  'beisse',  lit.  mirdziu  'bin 
im  sterben'. 


1)  Wegen    des    alters    dieser    praesensbildung    vgl.   BartholomaQ 
Studien  II,  176  ■,  Wackemagel  Ai.  gr.  XXIH  ». 


74  Hans  Reichelt 

ai.  gfmdti  (e^fffciiS)  'zerbrechen' :  gr.  KsiQto,  htaQrjv  'scheere', 
lit.  skiriii,  skirti  ^schneide'. 

ai.  jifuUi  (jtyatB)  'überwältigen'  :  gr.  ßiviü)  'beschlafe',  lit. 
HW^}  i'9y^^  'erlange'. 

ai.  gamntfe  gamaydts  (gamyati)  'mühen'  :  gr.  xojueo)  'pflege', 
xdfivü),  xeTLfXfj'Tca  'mühe'. 

ai.  pcndti  (pü'ryarnäna)  ^fülle'  :  ai.  prdsi  s.  §  11. 

ai.  VfTiati  'wählen'  :  dor.  Aj  aus  •/Aij6-et  'er  wünscht',  lit. 
vä^yju  'wünsche',  ksl.  veljq,  vdsii  'befehle'. 

ai.  jändti  'er  weiss'  aus  '''^^-n-^-^  got.  kunnaip  ^er  weiss' 
aus  * gTSrn-^i-ti  :  ahd.  ir-knau  'weiss'  aus  *§nei'ö.  Dazu  lit. 
zine  ^kunde'. 

ai.  gfbhndti  (grbhäyiti)  'ergreift'  :  lit.  gr'ibiu  'harke'. 

ai.  dhunlyai  'schütteln'  :  gr.  9vvm  'tobe',  lit.  pr%-dv'4ja8 
'dumpfig'. 

Dazu  gr.  niTVfjfiv  'breite  aus'  aus  * pdl-n-ei-mi  :  lat.  pateö 
'bin  offen';  got  kunnais,  kunnaip  s.  o. 

gr.  dwio)  'tobe'  neben  ai.  dhunlyät,  xovvitü  aus  *xoßvi(o 
'merke'  neben  gr.  xoitjf  lat.  caveö,  oytviw  'zaudere'  aus  *okV' 
n-ei-ö  neben  oaaofÄai  'schaue'  aus  *oh>'i-0'  sind  durch  den 
themavokal  erweiterte  formen  dieser  praesensklasse.  Air.  arc^ 
chrinim  'zerfalle'  neben  ai.  gpfidti  uod  -gninim  'erkenne'  neben 
ai.  jändti  sind  mit  gr.  xll'vo)  'beuge,  neige'  aus  ^xIlv-i-ü)  neben 
ahd.  hlinem  'lehne'  aus  idg.  ^Ui-n-emi  gleichgebildet. 

§  16.  Auffallend  bleibt  freilich  der  umstand,  dass  wir  im 
praesens  nirgends  der  vollstufe  des  suf&xes  -ei-  begegnen,  wäh- 
rend die  mit  -ea-  abgeleiteten  verba  (ai.  5.  und  8.  praesens- 
klasse) im  Singular  des  praesens  fast  nur  die  vollstufe  des 
sufißxes  aufweisen  ^).  Allein  die  voUstufenform  -ejf-  ist  auch 
dort  nicht  ursprünglich.  Hübschmann  a.  o.  s.  57  hat  hervor- 
gehoben, dass  für  wurzeln,  deren  praesens  sowol  nach  der  5., 
wie  nach  der  9.  ai.  klasse  gebildet  wird,  entweder  verschiedene 
basen  angenommen  werden  müssen,  oder  dass  das  eine  der 
praesentia  eine  jüngere  neubildung  sein  muss.    Ich  halte  dafür, 

1)  Ich  glaube  nicht  besonders  hervorheben  zu  müssen,  dass  die 
abgeleiteten  verbalen  -ei^-stamme  ihrerseits  mit  den  abgeleiteten  nomi- 
nalen -e|<-stämmen  im  zusammenhange  stehen.  Vgl.  gr.  d-qaavs  *kühn', 
lit.  drqMÜts  'dreist'  :  gr.  dttgoito  *muthig  sein',  S-a^atvto  ^ermuthigen', 
ai.  dhfßtfoti  'dreist  sein';  lat.  arduus  'steil'  :  ai.  fdhnoti  'gedeihen';  gr. 
o^vs  'scharf  :  ai.  kfnatdi  'wetzen';  gr.  xo^vf  'heim'  :  ai.  kpfomi  'machen'. 


Beiträge  zur  geschiebte  der  iDdogermanischen  konjugation.     75 

dass  die  -^-  und  -n-ejf-praesentia  ursprünglich  geradeso  wie 
die  -ei'  und  -n-^/-praesentien  im  sg.  die  dehnstufe  des  Suffixes 
entwickelt  hatten.  Vgl.  ai.  ürnduti  neben  vinoti  'bedeckt'  und 
kSnäuti  'wetzt'.  Nach  abfall  des  i  oder  ^  in  der  Stellung  vor 
konsonanten  lauteten  daher  die  formen  beider  klassen  gleich. 
Idg.  sipiemi,  8fr(r)emi  konnte  sowol  aus  *stpteiini^  *  strCrJeimi, 
wie  aus  st^neumi,  8tf(r)eumi  entstanden  sein.  Auf  grund  sol- 
cher gemeinsamer  formen  sind  dann  neubildungen  nach  der 
einen  oder  andern  klasse  erfolgt  ^) : 

ai.  vfnoti,  aw.  vdrdnvaite  neben  ai.  vpri&ti  'wählt'  :  dor. 
Xfi  *  wünscht',  ksl.  veleti  s.  §  15. 

ai.  dhün^ti  neben  dhuniyät  'schütteln'  :  gr.  dvvea)  *tobe', 
lit.  pH-dv'iSjas  'dumpfig'  s.  §  15. 

ai.  prnuyät  neben  ai.  pfniti,  püryamäna  s.  §  11. 

Umgekehrt  ist  ai.  mindti,  minit,  'er  schädigt'  neubildung 
zu  minö'ti,  gr.  fjuvv&o}^  lat.  minuö  'vermindere',  got.  mins  'we- 
niger' aus  *minyriz  F.  Sommer  IF.  11,  61).  Zu  ai.  mindti  ist 
dann  mlyate  nach  jindti-jiyate,  prinäti-prtyate,  lindti-liyate 
gebildet  worden. 

§  17.  Von  den  wenigen  wurzeln  der  ai.  8.  praesensklasse 
gehören  5  sicher  zu  unseren  stammen. 

ai.  manute  neben  mdnyate  'denkt',  got.  munan  'gedenken' 
§3. 

ai.  tan(fti  'streckt',  gr.  tdvvfiat  'strecke  mich'  neben  gr. 
telvü)  'strecke',  lat.  teneö  'halte'.  Dazu  gr.  taivicc  'streif,  binde' 
(gr.  TiTaivü)  'dehne'  lässt  nach  §  12  auf  ursprüngliches  *^i- 
tneiti  schliessen). 

ai.  vanö'ti  neben  vaniäat  'lieben',  gr.  oveiaq  'nutzen',  lat. 
venenum  'gift'.    Dazu  got.  tvinja  'weide'. 

ai.  hanoti  'schlägt'  neben  jighnate  §  12. 

ai.  tarnte  neben  ttryati  §  12. 

Meiner  ansieht  nach  liegt  in  diesen  neubildungen,  denn  als 
solche  müssen  sie  aufgefasst  werden,  der  beweis,  dass  die  ur- 
sprünglichen praesensformen  idg.  *wi^(^«^ett,  *t'Q,(n)-^ti,  *ytV'(^)' 
eti,  *gh^'(f,(n)'^ti,  *tr(r)-eti  existirt  haben  müssen,  ksanö'ti 
'verwundet'  (gr.  xteivtOf  utivw^i)  ist  zweifelhaft,    kar^ti  'macht' 

1)  Vgl.  die  Übertragung  des  lokativausganges  -äti  der  ai.  ti-stämme 
auf  f-fitämme,  die  durch  die  gemeinsame  sandhiform  -ä  (aus  -«ti,  -äi) 
ermöglicht  wurde.    Meringer  BB.  16,  224. 


76  Hans  Reichelt 

(karünam  *handlung,  heiliges  werk',  kdrvaram  *that'  vgl.  Hirt 
Ablaut  §  484)  und  sanoti  'erlangen'  (gr.  rjvvto  'es  wurde  voll- 
endet', got.  sniwan  'eilen'  Hirt  a.  o.  §  538)  gehören  offenbar 
zu  den  ^-stammen. 

• 

§  18.  Die  praesentia,  in  denen  die  ursprüngliche  singular- 
flexion  beseitigt  ist  und  die  durchweg  das  i  oder  i  des  plurals 
verwenden,  sind  ziemlich  häufig.  Nicht  selten  bestehen  die  ab- 
lautsstufen  l  und  i  nebeneinander  ^), 

L    Praesentia  auf  idg.  *L 

lat.  fardö,  farcis  'stopfe'  :  gr.  q>Qäaa(a,  ifpQayrp^  'stopfe'. 

lat.  paviö,  pavfs  'schlage' :  gr.  Ttalto  'schlage'  aus  *  ftaf-^tOf 
lit.  piduju  'schneide'. 

lat.  feriö,  feris  'schlage'  :  lit.  bariü  'schelte',  ksl.  borjq, 
brau  'kämpfe',  ahd.  berjen  'schlagen'. 

lat.  sägiö,  sOgls  'spüre'  :  got.  sökja,  sökeis  'suche',  gr. 
tjyeoiAav  'führe'. 

lat.  veniö,  venfs  'komme'  gr.  ßaivw  'gehe'. 

got.  ßaürseip  mik  'mich  dürstet'  :  ai.  tfSyati  'er  dürstet', 
torreö  'dörre'.    Dazu  gr.  laqaid  'darre'. 

got.  ßugkja,  fugkeis  'meine'  :  lat.  tong^re  'denken'. 

got.  födja,  födeis  'ernähre'  :  gr.  rcatiofiai.  'esse'  aus  *p9t' 
^i-ö-  *);  ksl.  pitsjq  'nähre'. 

ksl.  sSzdq  sSdiäi  (sedSii)  'sitze'  s.  §  3. 

ksl.  tnhnjq,  mhniäi  {mtnHt)  'meine'  s.  §  3. 

ksl.  vizdq  vidiäi  (videti)  'sehe'  s.  §  3. 

ksl.  rhzda,  rbdiäi  (rbdsti)  'erröthen' :  lat.  rtibSre  'roth  sein', 
8.  §  3,  §  11. 

ksl.  bbzdq,  bbdüi  {bhdeti)  'wache' :  ai.  büdkgats  'er  erwacht', 
lit.  (bundü)  bad'eti  'wachen'. 

ksl.  svbäta,  svhtiäi  (svUSii)  'leuchte'  :  lit.  szveczü,  szvesti 
•leuchten',  szvH&i  'flimmern'.  Dazu  ksl.  sveHa  'kerze'  aus 
*8vetja,  got.  hvaiteis  'weizen'. 

ksl.  vrbätq,  vrbtiäi  (vrhteti)  'wende'  s.  §  3. 
ksl.  veljq,  veliäi  (velsU)  'befehle'  s.  §  15. 


1)  Im  Lateiniechen  und  Germanischen  ist  der  gebrauch  des  t  und 
t  80  geregelt,  dass  •%•  nach  langer  Wurzelsilbe  und  in  mehrsilbigen 
Wörtern,  -t-  nach  kurzer  Wurzelsilbe  auftritt. 

2)  S.  §  20  anmerkung. 


Beiträge  zur  geschichte  der  indogermanischen  konjugation.     77 

ksl.  trbpUf,  trbpiäi  (trbp^i)  'erdulde'  :  got.  ga-parhan  «sich 
enthalten'  s.  §  11. 

ksl.  gorjq  goriäi  (goreti)  'brenne'  :  gr.  (»igofiai),  id^sQfjv 
'warm  werden'. 

II.    Praesentia  auf  idg.  i. 

ai.  vdmimi  'ich  erbreche'  :  gr.  ifiito  *speie'  aus  *vemei'd, 
lit.  vetniü,  lett.  vemju  'erbreche  mich'. 

ai.  imper.  stanihi  :  tanyati  'er  rauscht',  gr.  aTeivo)  'stöhne', 
an.  siynia  'stöhne',  lit.  stenü,  sien'iti  'stöhne',  ksl.  stenjq  «seufze'. 

ai.  imper.  janiäva  :  jdyate  'er  wird  geboren'  s.  §  3. 

ai.  imper.  gamiäva,  gamiSva  :  gamyati  'er  müht  sich'  s. 
§  15. 

lat.  specio,  specis  'sehe'  :  ai.  pagyati  'er  späht'  s.  §  3. 

lat  cupio,  cupis  'begehre'  :  ai.  kupyati  'gerät  in  aufregung\ 
ksl.  kyplj<f  'siede'. 

lat.  gradior  'schreite' :  ai.  grdhyati  'schreitet  rasch  los  auf 
etwas'  8.  §  3. 

lit.  girdeü,  gifdime,  gird^i  'höre' :  gr.  q)QäC,(a  'gebe  zu  ver- 
stehen'. 

lit.  galiü,  gälime,  galeti  'kann'  :  lat.  vcUeö  'bin  stark'. 

lit  sraviü,  srävime,  srav&i  'fliesse'  s.  §  3. 

lii  pa-vydeu,  -vydime,  -vyditi  'beneide'  s.  §  3. 

lit.  sMzu^  sMimej  aedUi  'sitze'  s.  §  3  i). 

§  19.  Ueber  die  lit.  formen  hat  zuletzt  Bezzenberger  in 
seinen  beitragen  26,  171  fif.  gehandelt.  Nach  ihm  sind  die 
praesensformen  der  lit.  verba  auf  -tu,  deren  infinitivstamm  auf 
e  ausgeht,  mit  der  vollstufe  des  ableitungssufGixes  -ei-  anzu- 
setzen: ai>iü  —  *avijö.  Vgl.  auch  Wiedemann  Lit.  gr.  §  203. 
Bezzenberger  macht  gegen  Brugmann  Grd.  2,  s.  1063  ff.,  der 
diese  verba  in  die  klasse  einreiht,  bei  der  dem  -iß-  des  prae- 
sens ein  "E"  zur  seite  steht,  formen  wie  aviü,  sraviü,  deviü  u.  s.  w. 
geltend,  an  deren  stelle  nach  der  analogie  von  kraüjas,  naujas 
=a  ai.  krävyam,  nävya-  früher  *aujü,  *8raujü  u.  s.  w.  hätte 

1)  Dazo  noch  menü  statt  *memu  zo  minHi  'gedenken',  stenü  statt 
*iteniu  zu  iteniii  'stöhnen'.  Vgl.  Hirt  IF.  10  23:  "Um  das  fehlen  des  j 
im  lit.  praes.  zu  erklären,  muss  man  darauf  hinweisen,  dass  i  zum  teil 
lautgesetzlich  geschwunden  ist,  z.  b.  in  tylü  aus  *iyliü-tylHi  'still  sein', 
galä  aus  * gaUü-gaiHi,  Solche  falle  können  vorbildlich  gewirkt,  und  ein 
menü  an  stelle  von  truniü  gegenüber  gr.  /iiaivofAa&-^/navrip  herbeigeführt 
haben." 


78  Hans  Reichelt 

stehen  müssen.  Dieser  einwand  scheint  allerdings  mit  rücksicht 
auf  die  verba  auf  -auju,  wie  mduju  ^streife'  neben  lat.  movere, 
piduju  'schneide'  neben  gr.  Ttaitü,  lat.  paviö  berechtigt.  Allein 
die  Wurzelgestalt  der  verba  auf  -auju  erklärt  sich  aus  der 
thematischen  flexion,  während  die  verba,  wie  araviü  u.  s.  w. 
athematisch  flektirten.  Es  kann  sich  also  nur  um  die  I.  person 
sing,  handeln.  Gerade  so,  wie  von  avis  'das  schaf  der  dat  sg., 
dessen  endung  aus  der  -iä-deklination  herübergenommen  ist, 
äviai  statt  *aujai  und  der  gen.  pl.  aviü  statt  *auß^  lautet,  weil 
in  allen  übrigen  kasus  lautgesetzlich  die  wurzelgestalt  av-  steht, 
ist  nach  formen  wie  avl,  ävite  die  L  pers.  amü  gebildet  worden. 
Es  liegt  also  kein  grund  vor,  für  aviü  eine  andere  erklärung 
zu  suchen  als  für  piduju.  Vgl.  Bartholomae,  Studien  2,  s.  151 : 
''Die  in  lit.  pchvydzu,  vydi,  vydime  etc.  vorliegende  flexions- 
weise ist  gewiss  alt;  sie  entspricht  der  von  lat.  capiö^  capis, 
capite  u.  s.  w.,  darin  -is  z.  b.  unmöglich  aus  -{esi  gedeutet 
werden  kann". 

§  20.  Die  grosse  menge  der  thematischen  nebenformen, 
die  es  ja  auch  bei  den  verwandten  nominalstämmen  gibt,  hat 
in  vielen  fällen  die  ursprünglich  athematischen  formen  des 
praesens  verdrängt.  So  sind  im  Griechischen  überall  die  athe- 
matischen formen  durch  thematische  ersetzt  worden.  Der 
themavokal  tritt  an  alle  drei  ablautsstufen  des  Suffixes  an: 
I.    Praesentia  auf  *-ci'-o/g: 

ai.  gldyati  'er  ist  erschöpft'  :  ai.  gl&ti  'er  ist  erschöpft', 
aw.  ni-^räire  'sie  werden  geworfen',  gr.  ßaklto  'werfe',  ißdXrjv^ 
sßlrjv  'ich  wurde  geworfen',  lit.  guliti  'ich  lege  mich'. 

ai.  mldyati  'er  erschlafft,  wird  weich'  :  ai.  mlänti  'sie  er- 
schlaffen', gr.  (AvlXw  'mahle',  ksl.  mdjq  'mahle'. 

ai.  gfbhäyäti  'er  ergreift',  aw.  g9urväin  'sie  ergriffen'  :  lit. 
gr&nu  'harke'. 

aw.  väöäyöü  'er  möge  zurückstossen',  gr.  wd^ito  aus  *fiödh' 
(^-ö  'stosse'. 

gr.  ifiiü)  aus  *^emei-ö  'speie'  :  ai.  vamüi  'er  erbricht',  lit. 
vemiü,  lett.  vemju  'erbreche  mich'. 

gr.  OQx^of^at  aus  *fghei-0'  'tanze',  ai.  xghäydte  'er  bebt'. 

gr.  Ttariü)  aus  *p^ei'ö  'schreite'  :  ai.  panthäh  aus  ponth- 
6(0-8  'weg',  lat.  pons  'brücke',  ksl.  pqth  'weg'. 

gr.  ^o(pew  aus  ^sj^h^-ö  'schlürfe'  :  lat.  sorbeö  'schlürfe', 
lit.  srebiü  'schlürfe',  ksl.  sniljq. 


Beiträge  zur  geschichte  der  indogermanischen  konjugation.    79 

gr.  xoi(o  aus  *ko^ei-ö  'merke'  :  ai.  katHh  'seher',  lat  caveö 
'hüte  mich*. 

gr.  veUta  aus  *kvel^-ö  *heende'  :  lit  keliü  *hebe'.  Dazu 
lit.  k&ias  'weg'. 

gr.  tpy  aus  *tpi]-iei  'er  zerreibt'  :  ai.  psäti  'er  zehrt  auf, 
bhasüah  'zu  asche  gerieben'  vgl.  Brugmann  Ghrd.  II  s.  961. 

dor.  ly  aus  */lri'i€i  'er  wünscht'  :  ai.  Vfiuüi  aus  ?fr"W- 
^(O'ti  *er  wählt',  lit  vSlyju  'wünsche',  ksl.  veljq,  veliäi  'befehle'. 
Vgl.  Brugmann  a.  o. 

ahd.  ir-knau  aus  *§n€X'ö  'weiss'  :  ai.  jändti  aus  ^^-n-e-ii 
'er  weiss',  got.  kunnaif  aus  *^-ti-cjf-<i  'er  weiss'.  Dazu  lit. 
zine  'künde'. 

ahd.  drau  aus  *tr9irö  'drehe'  :  ai.  ttrycUi  'er  setzt  über', 
gr.  TeiQ(o  'reibe'. 

lit.  ger'Sj&-8  'freue  mich' :  ai.  hdryati  'er  begehrt',  gr.  xaLqta 
'freue  mich',  umbr.  heris  'vis'. 

lit.  r'eju  aus  *%rSi-ö  'brülle  los'  :  gr.  elga)  'rede',  dor.  /pij- 
Tßö  'vertrag',  lat.  rear  'meine'  (früher  'spreche,  sage').  Vgl. 
V.  Sabler  KZ.  31,  283. 

ksl.  govijq  'verehre'  :  govljq,  goviäi,  lat.  faveö  'bin  gnädig'. 
Dazu  ai.  hdvi-ma  'anrufung'. 

ksl.  gr^jq  'erwärme'  :  gorjq,  goriäi  'brenne',  gr.  {^igo^av), 
id-cQtpf  'erwärme'. 

ksl.  pitijq  'nähre',  gr.  Ttaviofiai  aus  ^pdtei-o-  'esse'  (mit 
sekundärem  ablaut)  ^)  :  got  födjan  'ernähren'.  Dazu  ksl.  piHa 
aus  *pitja  'nahrung'  und  got  födeins  'nahrung'. 

II.    Praesentia  auf  -iCiJ-ole. 

gr.  tdtct)  'schwitze'  :  ai.  svidyati  'er  schwitzt',  ahd.  swizzu 
'ich  schwitze'. 

gr.  TT^oi  'säge'  :  gr.  jteiQWy  €7tdppf  'dringe  durch'. 

lit  väf/ju  'wünsche'  :  dor.  l^  s.  o. 

lit.  kirmyjü  'schlafe'  :  ai.  gramyati  'er  wird  müde'. 

in.    Praesentia  auf  i-oje. 

Die  praesentia  auf  i-oje  zerfallen  nach  Brugmann  Grd. 
2, 1059  in  zwei  abteilungen,  je  nachdem  a)  die  Wurzelsilbe  den 

1)  Die  Würzelsilbe  ist  mit  HabBchmann  a.  o.  s.  54  als  päii  anzu- 
setzen. Der  eigentümliche  ablaut  von  gr.  natiofiai  <esse'  und  ahd. /a- 
hmga  'nahrung'  muss  auf  die  nebenform  ^päi  (got  föth'an)  bezogen 
werden. 


80  Hans  Reichelt 

worttoD  hatte  und  yoUstufig  war,  oder  b)  in  der  Wurzelsilbe 
Schwundstufe  herrschte,  und  der  ton  auf  dem  suffix  lag,  analog 
den  o-verben. 

Wie  ich  schon  oben  hervorgehoben  habe,  hatten  sämmt- 
liche  abgeleiteten  ei^-verba  ursprünglich  sufGixbetonung.  Es  er- 
scheint daher  die  Wurzelsilbe  in  der  überwiegenden  mehrzahl 
schwundstufig,  gleichgiltig,  ob  das  ableitungssuffix  durch  den 
themavokal  erweitert  war,  oder  nicht.  Bei  denjenigen  verben, 
wo  trotzdem  Wurzelbetonung  vorherrscht,  beruht  diese  entweder 
auf  analogie  nach  den  o- verben  oder  sie  stammt  von  formen, 
die  aus  dem  unerweiterten  stamm  gebildet  sind.  In  letzterem 
falle  ist  die  vollstufenform  der  Wurzelsilbe  wieder  eingeführt. 

gr.  öeiQü)  neben  södQtjVy  lit.  diriü  nach  (gr.  d^^-co),  ai.  ddräi. 

gr.  TeiQü)  neben  ai.  tfryati,  lit.  tyriü  nach  (lat  ter^),  ai. 
Htarti. 

gr.  S-eivw^  lit.  geneti  neben  ksl.  zbnjq  nach  ai.  hdfüi,  aw. 
jainti. 

gr.  OTeivüif  lit  steneti,  ksl.  stenjq  neben  an.  stynia  nach 
ai.  stanihi,  stcm, 

gr.  ifiiw,  lit.  vemiü  nach  ai.  vamanti, 

gr.  ägo)  nach  lat.  ver-ium. 

ksl.  veleti  nach  lit.  pa-vdmi. 

Von  diesem  gesichtspunkte  aus  gebe  ich  die  beispiele,  ohne 
die  2  abteilungen  Brugmann's  zu  berücksichtigen: 

ai.  ndgyati,  aw.  nasyeiti  ^er  geht  zu  gründe' :  lat.  pemiciis 
8.  §  3. 

ai.  manyaU,  aw.  manyete  ^er  meint'  :  gr.  f^alvo^ai  s.  §  3. 

ai.  hdryati  'er  findet  gefallen  an  etwas'  :  gr.  x^^Q^  'freue 
mich',  umbr.  heris  *vis'  s.  §  3. 

ai.  kupycUi  *er  gerät  in  aufregung'  :  lat.  cupiö  s.  §  18. 

ai.  büdhycUi  'er  erwacht'  :  lit.  budeti  s.  §  18. 

ai.  lubhyati  'er  empfindet  verlangen'  :  lat.  lubet.  'es  ist  ge- 
fällig', got  lubains  'hoffnung'. 

ai.  yüdhyats  'er  kämpft'  :  lat  iubeö  'befehle',  lit  jud&i 
'schwanken'. 

ai.  idhy&te  'er  wird  angezündet'  :  lat.  aed^  'tempel,  feuer- 
stätte'  s.  §  3. 

ai.  fücyati  'er  leuchtet'  :  got.  hugjan  s.  §  3. 


Beiträge  zur  geschichte  der  indogermanischen  konjugation.     81 

gr.  deiQO)  aus  *d£g|-ai,  idäqvjv  'schinde'  :  ai.  drnTydt 
'spalten',  lit.  dirül  'schinde'. 

gr.  aiq(a  'knüpfe'  :  lat.  series  s.  §  3. 

gr.  Tf/^co,  %BQiw  'reibe'  :  ai.  t^ryatl  'er  geht  hinüber',  lat. 
(^erö),  trl-vi  'reibe',  lit.  tyriü  'erfahre'. 

gr.  xaiqta  aus  *xri'^i  hc^^QV^  'freue  mich'  :  ai.  hdryaii  'er 
findet  gefallen  an  etwas'  s.  o. 

gr.  OTtalgtOy  ia/coQrjv  'zapple'  :  lit.  spiriü  'stosse  mit  dem 
fiisse'. 

gr.  ßdXlo)  aus  *ßh'(o,  ißaXrjVy  i'ßlijv  'werfe'  s.  §  11. 

gr.  axaXlco  'scharre'  :  lit  skiliü  s.  §  3. 

gr.  fivlXü)  'mahle'  :  ai.  mläti  s.  §  11. 

gr.  d'eivto  aus  *^«y|-aiy  'schlage'  :  ai.  hanydti  'wird  ge- 
schlagen' 8.  §  12. 

gr.  aveivto  'stöhne' :  ai.  tdnyati  'rauscht',  an.  stynia  'stöhne', 
lit  stenü,  sten&i  'stöhne',  ksl.  stenjq  'stöhne'. 

gr.  reivü)  'dehne'  :  lat  teneö  'halte',  ags.  ßunjan  'dehnen'. 
Dazu  gr.  taivla  'streif. 

gr.  ßalvü)  aus  *ß'Q'Jr^  'gehe'  :  lat  veniö  'komme',  got  qums 
'ankunft'  s.  §  3. 

gr.  fialvo^ai  'rase'  :  ai.  mänycUS  s.  §  3. 

gr.  naio)  aus  *7ra/i-a)  'schlage' :  lat.  pavio,  paifis  'schlage', 
lit.  piduju  'schneide'. 

gr.  xXelw  'schliesse' :  gr.  xloiSg  'kette',  lat  dävis  'Schlüssel', 
air.  dum  'vincö'  (Windisch  IF.  3,  83). 

gr.  xleito  'mache  berühmt'  :  lat.  dueö  s.  §  3. 

gr.  axi^ti)  aus  *axidi'(o  'spalte'  :  lat  caed^  'mord',  lit 
skidziu  'spalte'. 

gr.  9^a^co  'teile  mit'  :  lit.  girdzü,  girdüti  'höre'. 

gT.vvaava  aus  ♦y^yi-w  'stosse'  :  ksL  pro-noziti  'transfigere'. 
Dazu  lett  nazis  'messer',  ksl.  noz/b  'messer'. 

gr.  Xsvacü)  aus  ^Aßtncj^-co  'schaue' :  lat  lüceö  'leuchte'  s.  §  3. 

gr.  oaaofiat  'sehe'  :  got.  ahjan  'glauben'  s.  §  3. 

gr.  naL-g>daa(o  'schimmere' :  lat.  faciSs  'erscheinung'  s.  §  3. 

got  bidja  'bitte'  :  lat  fidSs  s.  §  3. 

got  hugja  'denke'  :  ai.  göcih  s.  §  3. 

lit.  skiriü,  sklriame^  sklrti  'trenne,  scheide'  :  gr.  naiqio^ 
hjiqriu  'scheere'.    Dazu  skirejas  'Schiedsmann'. 

B«itr&ge  i.  künde  d.  iiidg.  spnelien.    XXVII.  6 


d2  Hans  Reichelt 

liL  sküiü,  tkÜiame,  skiUi  'schlage  feuer  an'  :  gr.  (nLollio 
s.  0. 

lit.  spiriü  spiriame  spirH  ^stosse  mit  dem  fasse'  :  gr. 
analqtüj  ianaqffp^  'zapple'  s.  o. 

lit.  tyriiiy  tyriame,  tirti  'erfahren'  :  gr.  ral^  'reibe'  s.  o. 

lit.  diriü,  d^riame,  dlrti  'schinde'  :  gr.  duQWy  idti^v 
'schinde'  s.  o. 

lit.  laukiü,  laükiame,  läukH  'warte'  :  gr.  lavaaw  s.  o. 

lit.  vemiüf  vSmiamef  virnti  'speie'  :  ai.  vdmüi  s.  §  18. 

ksl.  fnelj<f  meljeH  (mlsti)  'mahle'  :  gr.  f^vXXw  s.  §  11. 

ksl.  wj(fy  vrjeäi  {wHi)  'concludo',  lit.  vertu,  vSriame,  virti 
'schliesse'  :  lai  operiö,  operis  'decke'. 

ksl.  etnjq,  irnjeü   (z^i)  'schneide,   ernte'  :  gr.  &eivw  s. 

§  12. 

ksl.  borjq,  borjeäi  (brcUi)  'pugno'  :  lat.  ferid  s.  §  18. 

air.  -ISciu  'lasse'  aus  *le%h^jp  :  ai.  ricycUe  'er  lässt  frei', 
gr.  llaawfi&f'  idacofiev  Hesych.  vgl.  Brg.  Ord.  11  §  707,  §  719. 

air.  do  muiniur  'meine'  aus  *in'^i-ö  :  gr.  fxalvofxai  s.  §  3. 

§  21.  Im  Ai.  und  Aw.  gibt  es  noch  praesentia  auf  -ai-a. 
Nach  Bartholomae  ist  diese  praesensklasse  aus  der  auf  -eE|-a- 
hervorgegangen,  indem  das  suffixale  ä  im  anschluss  an  die 
formen  der  kausativklasse  durch  a  ersetzt  wurde.  Vgl  Studien 
2,  s.  93.  Ich  nehme  keinen  anstand  ar.  -ai-a  direkt  aus  idg. 
-^i'O/e  zu  erklären  und  verweise  auf  aw.  k9r9naiva  neben  Äs9r9- 
nctaiti,  ai.  krnö'ti,  gr.  ^aqam  aus  *^aQaa/ü}  neben  &aQavvw^ 
ai.  dhfäniftiy  hom.  oqiofiav  aus  *0Qef'0^f4ai  neben  OQWfii,  ai. 

ai.  gfbhdyantah  'die  ergreifenden',  aw.  gdurvaya  'ergreife'  : 
ai.  grbhäydti  s.  §  20. 

ai.  turdyati  'er  setzt  über',  ap.  viyatarayämah  'wir  setzen 
über'  :  ai.  ttryati  s.  §  20. 

ai.  pcUdyanti  'sie  fliegen',  aw.  apatay9n  'sie  stürzten'  :  gr. 
ftitviw  s.  §  12. 

Leider  bietet  das  Gr.  und  Lat.  nur  in  seltenen  fallen  eine 
sichere  gewähr  dafür,  ob  praesentia  auf  -«cü,  -eö  mit  idg.  *^-o/« 
oder  *-e|-o/e  anzusetzen  sind. 

§  22.  Wenngleich  Brugmann  Grd.  2, 1 144  bedenken  trägt, 
die  kausativklasse  mit  den  ib-klassen  zu  einer  gruppe  zu  ver- 
einigen, möchte  ich  doch  einige  punkte  dafür  geltend  machen. 


Beiträge  zur  geschickte  der  indogermanischen  konjugation.     83 

Schon  Brugmann  hat  als  charakteristisches  dement  dieser  ver- 
balklasse  das  'wurzeldeterminativ'  -i-,  das  dem  determinativ  -ti- 
parallel  ging,  mit  dem  f  von  praesensformen  wie  ai.  omTti  in 
nächste  beziehung  gebracht  Wenn  man  dazu  den  umstand, 
dass  es  schon  von  idg.  zeit  her  kausativa  mit  tiefstufiger  Wurzel- 
silbe gegeben  hat,  in  betracht  zieht,  kann  man  noch  weiter 
gehen  und  das  Suffix  -ei-  mit  dem  unserer  stamme  identifiziren. 
Denn  auch  bei  unseren  stänmien  ist  es  keineswegs  auf  das 
praesens  beschränkt. 

So  sind  formen  wie  lit.  manyk,  sakyk  2.  imper.  sg.  und 
ksl.  vraätq  zu  den  in  §  18  angeführten  praesentien  auf  idg.  i 
zu  stellen.  Meiner  ansieht  nach  bildeten  die  lit  verba  auf  -aU; 
-yti  ihr  praesens  ursprünglich  wie  ksl.  vraUq,  waiiäi,  bezw« 
thematisch  wie  väyju  und  gaben  erst  unter  dem  einfluss  der 
verba  auf  -au,  -oti  diese  bildungsweise  auf.  Vgl.  Wiedemann 
Lit  gr.  §  204:  ^'Der  praesensstamm  auf  urlit  -ä  ist  hier  jeden- 
falls jünger  als  der  infinitivstamm  auf  urlit  -i-y  der  allen 
ausserpraesentischen  formen  zugrundeliegt;  dabei  ist  zu  be- 
achten, dass  im  praeteritum  die  endungen  1.  sg.  -au  usw.  ohne 
Vermittlung  eines  j  an  das  stammauslautende  urlit  -i-  antreten, 
wonach  dieses  sich  in  ij  auflöst  und  mit  den  endungen  des 
praet  zu  den  endungen  1.  sg.  -iau,  2.  sg.  -ei,  3.  sg.  -e  usw. 
verschmilzt".  Die  praesensflexion  auf  -au  ist  ursprünglich  nur 
bei  den  verbis  auf  -oH  üblich  gewesen.  Da  aber  -P-  die  tief- 
stufenform  zu  stammen  auf  -Si-  und  -dir  sein  konnte  (vgl.  da-- 
raü,  daryti  ^machen'  :  gr.  ÖQaia  und  manaü,  manyti  ^denken' : 
gr.  efidvriv)^  sind  auf  grundlage  von  tiefstufiigen  formen  neu- 
bildungen  mit  willkürlicher  Verteilung  von  -^i*-  und  -äi-  ge- 
schaffen worden.  So  kommt  es,  dass  zu  den  lit.  kausativa,  die 
mit  dem  suffix  -e/-^  -i-  abgeleitet  sind,  praesentia  auf  Hiu  ge- 
bildet werden  konnten.  Ein  ähnlicher  voigang  war  bei  den 
aL  verben,  deren  praesens  nach  der  5.  und  9.  klasse  gebildet 
werden  kann,  zu  beobachten.  S.  §  16.  Nach  Brugmann  a.  o. 
s.  1144  erklärt  sich  die  ksl.  praesensflexion  dieser  verbalklasse 
am  einfachsten  daraus,  dass  -f-  aus  dem  infinitivstamm  in  sie 
übergeführt  wurde.  Für  mich  unterscheidet  sich  vrastq,  vratiäi 
von  vrbSUf,  trUiäi  s.  §  18  nur  durch  den  vokalismus  der 
Wurzelsilbe. 

Dass  bei  den  kausativformen  von  wurzeln  der  «-reihe  die 
Wurzelsilbe  fast  immer  die  2.  voUstufenform  o  hat,   halte  ich 

6* 


84  Hans  Beichelt 

oiclit  for  arspraiig^iciL  Ich  glaube  vielmehr,  da»  der  c^-vokm- 
Bamtii  von  denominatiTen  jerhea  stammt,  denen  aabstantha 
auf  ejo  zpgnmdeliegen,  und  schreibe  aoch  die  eigentnmliche 
bedeotiing  dem  einflnaBe  derselben  zn«  Nach  dem  mnster  von 
ipofiw  za  q>6fag  {(piQfa)^  qwßita  zu  q>6ßog  {q>ißoiuu\  rffOfUw 
zu  tfidnog  {%Qinfa)  ist  ai  iärdffoUf  gr.  %of£w  hol  xo^og^  ai.  ^o- 
nayoH  zu  tänah,  gr.  'rirog,  ai  kfänayati  za  gr.  xf«m»g,  gr. 
anoftiof  za  anSfiog  n«  &  w.  gebildet  worden^). 

§  23.  Ich  hoffe,  durch  meine  ansfahrangen  gezeigt  za 
haben^  daas  die  abgeleiteten  <i^ferba  ursprünglich  eine  einheit- 
liche praesensbildung  hatten.  Infolge  des  akzentwechsels ,  der 
auch  fär  die  flezion  der  abgeleiteten  i^-nomina  angenommen 
werden  muss,  erscheint  im  singuIar  die  dehnstufe  des  suffixes, 
im  plural  die  tiefstufe.  So  erklärt  sich  in  den  einzelsprachen 
das  nebeneinander  Ton  yerschiedenen  praesensbildungen  der- 
selben wurzeL    Vgl.: 

ai.  prnäHf  pü'ryamana  'füllen',  trv^j  i^ryate  *zerbrechen\ 
ganmlii,  gamyati  'mühen',  klignatij  JcH^yaU  'quälen',  pruknänt, 
dpruSyat  'spritzen',  gr.  tc^^oi,  T«/^ctf  'reibe',  dijittiy  bCqw  'spreche', 
dvpiWf  9vvia  (aus  *9wx'w)  &vw  (aus  *dvi'a})  'tose',  öxvew, 
oaoofiai  'sehe',  %ovviw  (aus  *xo/viw)y  xoiw  'merke',  lat.  paveöj 
paviö  'schlage',  frequensj  farcio  'stopfe',  ahd.  hogSn,  got.  hugjan 
'denken',  ahd.  haben,  as.  hSbbian  'haben',  ksl.  govejq,  govljq 
'verehre',  gr9jq  'wärme',  gorjq  'brenne'. 

Anhang. 

Neben  lat.  fi(Ü8  'vertrauen'  steht  gr.  nev&w  'Überredung', 
neben  lit.  szlovl  'ehre'  gr.  KUiiS  'verkünderin'  statt  *KX€(o  s. 
§  3.  Das  ableituDgssuffix  erscheint  also  auch  in  der  zweiten 
vollstufenform.  Die  falle  sind  allerdings  sehr  selten.  Von  ver- 
balformen  sind  hier  in  betracht  zu  ziehen: 

ksl.  znaj(f  *kenne'  aus  *§nöi'ö,  gr.  s'/vwv  neben  ahd.  hnau 
aus  ^ffnei-ö  vgl.  Brugmann  a.  o.  s.  960. 

gr.  tpuiü)  'zermalme'  aus  ^bhsöyö  neben  i//^  s.  §  11. 

ahd.  blauen  'blühen'  aus  *nüöi',  gr.  Bßhn'  ig>avri  Hes.  vgl. 
Hirt  Idg.  abl.  §  293. 

1)  loh  werde  diese  erBoheinang  in  dem  II.  beitrag  ^das  partizipiale 
nomen'  eingehend  behandeln. 


Beiträge  zur  geschichte  der  indogermanischen  konjugation.    85 

ahd.  ^sprauen  'sprühen'  aus  *8pröi'  neben  gr.  analgw, 
ianaQfiv,  lit.  spiriü  s.  §  20. 

ahd.  glouen  'glühen'  aus  ^ghlöi-  neben  lit.  ilejä  'dämme- 
rung'. 

n.   Der  praesensaorist. 

§  24.  Nach  Hirt  a.  a.  o.  war  der  sogenannte  praesens- 
aorist in  seiner  bildung  von  den  praesentien  nur  durch  den 
akzent  verschieden,  der  im  sg.,  du.  und  plur.  auf  der  zweiten 
Silbe  der  basis  lag,  in  folgedessen  alle  numeri  festen  vokalismus 
zeigen.  Von  Hirt's  *veid^  z.  b.  ist  der  aoriststamm  veidei  = 
idg.  *videi',  vor  konsonanten  *wie-. 

Ich  kann  mich  hier  Hirt  vollkommen  anschliessen.  Die 
abgeleiteten  ^ji-verba  hatten  durch  die  ganze  flexion  des  prae- 
Sensaoristes  suffixbetonung. 

idg.  *videim                            gr.  sfidvtjv  lit.  miniaü 

*videi8          ai.  faräih            if^dvrjs  minel        ksl.  h^ 

*videü                dgaräU^)       ifiävfi  mtne                 bS 

*videiine(n)                            ifidvfjfiev  nilnime 

*mdeite                                  ifAavtjre  mln&e 
*videint 

ai.  agaräit,  gr.  hcaQtjy  lit.  skyre  >) ;  ai.  aprät,  lit.  pyle;  gr. 
ifxavrjy  lit.  m%ne;  gr.  MßXrfv^  ißaXrjv^  lit.  gHHe;  gr.  iartaQ^y  lit. 
spyre;  gr.  idd^y  lit.  dir^,  düre;  gr.  iQQvrj  (lit.  arove) ;  gr.  eliftri 
(lat.  liest) ;  gr.  i^e-rddyt],  lit.  pläke;  gr.  itpvri^  ksl.  bS  •)  u.  s.  w. 

§  25.  Neben  dieser  ursprünglichen  aoristflexion  hat  sich 
unter  dem  einflusse  der  enklise  eine  zweite  aoristflexion  mit 
tiefstufigem  suffix  -i-  entwickelt  Sie  ist  nur  im  Ai.  und  Aw. 
erhalten.  Wir  verdanken  ihr  Verständnis  den  ausführungen 
Bartholomae's,  Ar.  forschungen  2,  s.  69  ff.  und  Studien  2, 
8.  158  ff.    Das  hauptgebiet  der  i-formen  ist  die  2.  und  3.  p.  sing. 

1)  Vielleicht  ist  hierher  aw.  sanät  zu  stellen.  Vgl.  Bartholomae 
Grd.  d.  iran.  phil.  1  §  142. 

2)  Nach  Wiedemann  annrsprüngliche  dehnong,  vom  praeteritam 
imiaü  aasgegangen,  lit.  praet.  s.  117  ff.  Vgl.  aber  Bartholomae  IF.  3, 
s.  55  ond  unten  §  46. 

8)  Hirt  a.  a.  o.  §  411  setzt  mit  rücksioht  auf  lat.  fuam,  -ham^  gr. 
91/1}  eine  basis  hhewä  an.  Lat.  fe-ttts,  ß-öy  gr.  (pt-rv,  (ft-rva,  iipvrf^  ksl.  b$ 
aber  weisen  auf  idg.  *6A]^a|-. 


86  Hans  Reichelt 

idg.  ividim  ai.  agrabhim 

ividis  agrabhih 

MdU  agrabhU 

ai.  agrabhU  neben  lit.  grebe;  ai.  adhumt  {dhunlyat  s.  §  15); 
ai.  agarU  neben  agaräit;  [ai.  spanh  neben  gr.  iandqri  s.  o.; 
avamU  neben  lit.  em^;  ai.  agamlt  :  QdmyaU,  gr.  xofiecu?]. 

§  26.  Im  Ai.  sind  die  echten  l-formen  von  formen  des 
-i^-aoristes  schwer  zu  unterscheiden.  Der  umstand,  dass  die 
singularen  aktiyformen  des  t^-aoristes  normal  die  dehnstufe  des 
Wurzelvokals,  die  i-formen  aber  die  Schwundstufe  hatten,  ist 
nicht  immer  stichhaltig,  da  durch  syntaktische  verschweissung 
der  beiderseitigen  formen  eine  ausgleichung  der  Wurzelsilbe  er- 
folgte. Wenn  ich  Bartholomae  Studien  2,  s.  164  recht  ver- 
stehe, stellt  er  auch  alle  aoriste,  die  in  der  Wurzelsilbe  kurzen 
o-vokal  haben,  zu  den  i-formen. 

§  27.  Nach  Wiedemann  liegt  dem  lit.  praeteritum  auf 
-iau  ein  sekundärer  stamm  auf  -6  zu  gründe,  an  den  nach  art 
der  unthematischen  flexion  die  personalendungen  getreten  sind. 
Dieser  sekundäre  stamm,  dessen  -E  mit  der  ableitungssilbe  der 
€ii-verba  (in  der  dehnstufenform)  identisch  ist  und  ursprünglich 
nur  bei  diesen  verben  berechtigt  war,  wurde  im  Litauischen 
auch  auf  verba  anderer  bildungsart  übertragen. 

§  28.  Im  Arischen  gibt  es  praeterita,  die  die  vollstufe  des 
ableitungssuffixes  aufweisen.  Vgl.  Bartholomae,  6rd.  d.  iran. 
phil.  1,  §  146  und  Studien  2,  127.  Sie  bilden  die  Zwischen- 
stufe zwischen  ai.  agaräit  und  agarity  vgl.  vrnoii  neben 
ürndiUi. 

aw.  niihidöü  'du  setztest  dich'  aus  *'89dei8  :  lat.  sedeö  usw. 

aw.  yazaSta  'er  verehrte'  :  gr.  S^oiÄai^  Syiog. 


III.    Der  arische  passivacrlst. 

§  29.  Bei  der  frage  nach  dem  Ursprung  dieser  spezifisch 
arischen  formkategorie,  kommen  wesentlich  drei  punkte  in  be- 
tracht:  1)  der  indogermanische  lautwert  des  endungs-t;  2)  die 
qualität  und  quantität  des  wurzelvokals,  3)  die  bestimmung  der 
form  an  sich. 

Osthoff  bei  Streitberg  IF.  3,  390  sieht  in  den  formen  des 
ar.  passivaorists  nominale  $-stämme  mit  o-stufiger  Wurzelsilbe, 


Beiträge  zur  geschichte  der  indogermanischen  konjugation.     87 

Mit  den  wenigen  beispielen  aber,  die  namentlich  aus  dem  Grie- 
chischen dafür  geltend  gemacht  werden,  ist  die  existenz  von 
idg.  i-stämmen  mit  o- stufe  des  wurzelyokals  durchaus  nicht 
ausser  frage  gestellt.  Denn  gr.  T^o^ig,  tQ6q>is  erklären  sich 
einfjAcher  durch  beeinflussung  von  tfoxog^  TQ6q>os,  während  für 
gr.  noXig  tiefstufige  Wurzelsilbe  angenommen  werden  muss. 

Nach  Hirt  Idg.  ablaut  s.  49  liegen  die  reinen  stamme  von 
a^^wurzeln  vor.  Auch  er  nimmt  o-stufige  Wurzelsilbe  an,  for- 
dert aber  für  das  endungs-t  entstehung  aus  idg.  $.  Die  über- 
wiegende mehrzahl  der  formen  aus  der  älteren  spräche  gehört 
jedoch  zu  unseren  stammen  und  macht  somit  eine  andere  er- 
klärung  notwendig. 

ai.  OfOri  :  frnäi%  gr.  tuIqü);  assdi  :  lat.  sedeö;  apäH  :  gr. 
ftiTvew;  (Uäri  :  tiryati;  agami  :  gr.  ßalvo);  avSdi  :  lat.  videö; 
aröci  :  gr.  leiaaw;  abödhi  :  büdhyati;  agöci  :  gucyati;  äjani 
(jdni,  jani)  :  jäyatS;  aw.  jaini  :  gr.  &elv(o. 

Das  endungs-f  ist  zweifellos  die  tiefstufe  der  ableitungsilbe 
-^/  die  länge  des  wurzelvokals  muss  in  der  feststellung  der 
form  ihre  erklärung  finden.  Da  es  vom  arischen  passivaorist 
nur  eine  einzige  person,  die  3.  person  sing,  gibt,  wird  man 
wohl  mit  Streitberg  von  einer  nominalform  auszugehen  haben. 
Dafür  spricht  auch  der  nahe  Zusammenhang  zwischen  verbum 
und  substantivum,  sowie  die  grosse  zahl  der  augmentlosen  vedi- 
schen  passivaoriste.  Die  wurzelgestalt  aber  und  die  auffallende 
endung  -i  erschweren  die  bestimmung  der  kasusform,  die  ein 
nominativ  sein  müsste,  ganz  erheblich.  Ich  möchte  deswegen 
den  Ursprung  dieser  formkategorie  in  der  komposition  suchen 
und  fasse  die  einzelnen  formen  als  losgerissene  erste  glieder 
auf.  Wenn  ich  auch  aus  dem  Altindischen  keine  belege  dafür 
zu  geben  vermag,  finden  sich  doch  einige  in  den  andern  spra- 
chen. Ich  verweise  auf  die  bei  Osthoff  'Das  verbum  in  der 
komposition'  angeführten  beispiele  aus  den  germanischen  din- 
lekten:  an.  fleygi-hviUr  *ein  losgelassenes,  verbreitetes  gerücht', 
fletfgi-gaflok  'wurfspiess' :  verbum  fleygja  biegen  lassen,  werfen'; 
fl€ßdi4>akki  'bei  der  Überschwemmung  bedeckte  bank',  fUßdirsker 
'beim  hochwasser  überschwemmtes  felsenriff'  :  verbum  ftoßda 
'fluten  machen,  überschwemmen';  sendi-bad  'übersandte  bot- 
schaft',  sendi-skip  'abgesandtes  schiff'  :  verbum  senda  'senden' 
an.  fleygi-,  fkedi-,  sendi-  sind  nomina  aktionis  zu  den  entspre- 
chenden schwachen  verben.     Unter  an.  sendi-^kip  dürfte  ur* 


88  Hans  Reichelt 

sprünglich  'sendungsschiff,  schiff  der  sendung'  verstanden  worden 
sein,  woraus  sich  später  die  passivische  bedeutung  ^abgesandtes 
schiff*  entwickelte.  Da  aber  nominalstamm  und  verbalstamm 
der  form  nach  zusammenfielen,  verlor  sich  allmählich  der  no- 
minale Charakter  des  ersten  gliedes,  wodurch  der  verbale  fälsch- 
lich zur  alleinigen  geltung  kam.  Ich  spreche  daher  mit  aller 
reserve  die  Vermutung  aus,  dass  die  arischen  passivaoriste  solche 
missverstandene  nomina  aktionis  sind,  die  aus  der  komposition 
losgerissen  in  ihrer  passivischen  bedeutung  als  verbalformen 
zur  Verwendung  gelangten. 

Ich  zweifle  nicht,  dass  sich,  wie  Streitberg  ausfuhrt,  aus 
^6^q>ig  (oder  welcher  form  immer)  mit  zu  ergänzender  kopula 
sss  'es  findet  tadelung  statt'  bei  passivischer  wendung  des  ge- 
dankens  leicht  die  bedeutung  ^es  wird  getadelt'  hätte  entwickeln 
können,  aber  dann  würden  die  ai.  formen  das  nominativ-«  bei- 
behalten haben.  Denn  an  neutrale  verbalabstrakta  auf  -f  ist 
kaum  zu  denken. 


IT.    Der  sigmatische  aorist, 

§  30.  Es  wird  allgemein  angenommen,  dass  im  singular 
des  sigmatischen  aorists  wurzelbetonung  herrschte,  während  der 
plural  wie  bei  allen  athematischen  bildungen  die  endung  be- 
tonte. Daher  abstufender  vokalismus :  idg.  *  t^r-i-s-ni,  pl.  trCr)" 
i^s-mi.  Der  typus  der  e:r6i-basen,  wie  ihn  Hübschmann  a.  o. 
im  sinne  Hirts  darstellt,  sieht  allerdings  ganz  anders  aus: 
uridg.  ghribheisem^  pl.  ghrebhsismi  »  idg.  ghribhiS7p>,  pl.  ghre- 
bhlsmi  B-  ai.  *grabhtfain,  pl.  *gYbhT^mä,  belegt  dgrabhU^  agrahh- 
iärnuy  grabhi^fa.  Auf  diesen  typus  liesse  sich  aber  nur  eine 
geringe  anzahl  der  uns  überlieferten  formen  zurückführen  ^). 
Und  gerade  ai.  agrabhU  neben  den  bei  Hirt  angeführten  ctstä- 
nU,  avSdU  ist  als  beispiel  schlecht  gewählt,  da  es  gar  kein 
sigmatischer  aorist  ist,  vgl.  Bartholomae,  Studien  2,  s.  166. 
**6egen  die  formale  gleichsetzung  von  agarit,  agrabhik,  mathit 
u.  s.  w.  mit  gärU,  jävih  etc. ,   also  gegen   ihre   einstellung  im 

1)  Hirt  hat  eben  viele  eigentliche  '«rtfi-basen'  (d.  h.  abgeleitete 
verbale  «j-stämme),  deren  formen  hier  berücksichtigt  werden  müssen, 
nicht  erkannt.  Aafifallend  ist,  dass  er  ai.  astänit,  lit.  stenHi  basis  Hene 
§  880,  bei  der  erklärung  des  «-aorist's  den  «xet-basen  znweist  §  818  b. 


Beiträge  zur  geschichte  der  indogermanischen  konjugation.    89 

i^-aorist  spricht  entscheidend  die  Unmöglichkeit,  das  i  von 
agarlt,  agrahhih  von  dem  äi  in  agaräü,  affrabaiäam  zu  trennen. 
Dass  man  aber  von  einem  irgendwie  aus  dem  i^-aorist  hervor- 
gegangenen garlh  nicht  auf  garaih  kommen  kann,  diese  annähme 
dürfte  heute  schwerlich  mehr  auf  Widerspruch  stossen.  Das  t 
in  agar%  agrabhit  hat  zum  i#-aorist  keine  genetischen  bezieh- 
ungen;  es  ist  das  gleiche  wie  in  ä^t,  worin  noch  niemand  einen 
i^-aorist  hat  finden  wollen,  wie  in  gdrltöh,  gfbhUdh  und  ähn- 
lichen nominalbildungen". 

§  31.  Einen  ai.  i^-aorist  hat  es  nicht  gegeben.  Die  ver- 
einzelten formen  agrabhiärna,  agrabhiäfa  beruhen,  wie  Bartho- 
lomae  a.  o.  nachgewiesen  hat,  auf  kontamination.  So  ist  z.  b. 
die  2.  plur.  agrabhJ^fa  durch  kontamination  von  *agrabhiäta 
und  *agrabhUa  zu  erklären.  Die  i-formen  des  i^-aorist's  sind 
neubildungen,  ausgegangen  von  der  2.  sing,  auf  -iä.  "Neben 
ar.  *auädü  stand  nun  in  gleicher  funktion  *agrabhiä,  jenem  in 
der  flexionssilbe  bis  auf  die  vokalquantität  gleichend.  Bei 
dieser  ähnlichkeit  konnten  Verwirrungen  nicht  ausbleiben.  — 
War  nun  erst  einmal  das  dem  7-aorist  entstammende  -i^  und 
'U  ^)  völlig  im  li-Aorist  eingebürgert,  so  währte  es  wieder  nicht 
lange,  bis  umgekehrt  dem  i^-aorist  zugehörende  ausgänge  in 
den  l-aorist  eindrangen.  Und  mit  der  zeit  wurden  i  und  is- 
aorist  völlig  zusammengeschweisst.  Wie  neben  vädiäma,  avä^ 
di^ur  etc.  avädU  steht  so  jetzt  auch  neben  matht^  und  mathU 
ein  mathi^fana  u.  s.  w."  Ich  weiche  nur  in  einem  punkte  von 
Bartholomae  ab,  indem  ich  für  unsere  stamme  die  erklärung 
des  ai.  i  aus  idg.  i  beanspruche  und  so  die  Verbindung  mit 
dem  H  von  agrahaiäam,  gr.  eiprjaa  herstelle. 

§  32.  Die  abgeleiteten  verbalen  ^^-stämme  zeigen  im  sig- 
matischen  aorist  die  tiefstufe  des  ableitungssuffixes  i. 

d)  Singular. 
Die  Wurzelsilbe  ist  dehnstufig. 


1)  ^'Das  völlige  durchdringen  von  -tt  hängt  mit  der  wirkang  der 
aaslaatgesetze  zusammen;  ihnen  zufolge  musste  (absolut  auslautendes) 
ar.  'üt  zu  -is  werden;  eine  solche  endung  für  die  3.  sing,  konnte  sich 
aber  dem  deutlich  charakterisirten  -if  der  %  gegenüber  auf  die  dauer 
nicht  halten,  da  ein  derartiger  teilweiser  zusammenfall  in  den  ausgängen 
der  2.  und  8.  sing,  sonst  nicht  vorkam".    Bartholomae  a.  o.  s.  166. 


90  Haus  Reichelt 

*idg.  *8€d4-^'^  2ä.a8Sdi^am 

*8ed4'8'8        asadih  statt  *a8ädih  lat.  88di8t%  air.  dolJUcis 
*8ed"ir84         asadtt  %\Aii*a8ädih  dolJlHc 

ai.  adarit  :  dpilyät,  gr.  de/^ü^;  ai.  ätarit,  tärifat  : 
ttryail,  gr.  teifw;  ai.  adhävU  (neben  adhuviU)  :  gr.  9vvm\ 
ai.  atänit  :  gr.  teivw;  ai.  agärit  :  lit.  ^rji^;  ai.  aA^lnt^  : 
gr.  9eiV(o;  ai.  acdlrl^  :  gr.  rsUctf;  ai.  äindhiffä  statt  *a^ic2- 
Afjif.Ai  nach  indhdts  :  idhy<xts,  lat  aedS8;  ai.  asädit,  lat  8^(i- 
»«^«;  lat  vEni8t%  aus  ^gvitn-is-  :  gr.  ßalvo);  lat.  fldisti  aus 
*bheidh'i8-  :  /!(2^;  lat  vfdiati  ans  *uSid'i8-  :  ai.  avSdi^am, 
lat  f^id^d;   lat  Hj^tiis^t^  *air.  'I9ci8  aus  *lSik(^)-i8'  :  lat 

Ich  leugne  nicht,  dass  lat.  s^i  ^)  ebensogut  ein  altes  per- 
fekt (*idg.  8e'Zd')  sein  könnte,  und  stütze  mich  lediglich  auf 
ai.  a^oc^H^  neben  aw.  niähidöiä.  Wegen  lat  vf^cfty  f^t,  2f^t^ 
/"fdi  verweise  ich  auf  Wiedemann  Ldt  praet  s.  111  ff.  Mit  ai. 
avidi^am,  lat.  t^idts^t  wird  vielfach  gr.  ydaa^  eidea  'wusste'  zu- 
sammengestellt. So  erklärt  Brugmann  Grd.  II  §  836:  ^^^daa^ 
HÖea  'wusste',  bildete  das  praet.  zu  olda  'weiss',  vgl.  air.  ro- 
fetar  *ich  weiss'  mit  -es-  oder  "is-,  ai.  d-v^dif-am  mit  -gs-,  lat 
mdi8-ii8  mit  -/«-".  Bei  dieser  auffassung  bliebe  abgesehen  da- 
von, dass  sich  die  Suffixe  -es-,  -dS"  mit  -i8-  nicht  vereinen 
Hessen,  zum  mindesten  die  herkunft  des  -es-  bei  einem  stamme 
auf  -^|-  fraglich.  H.  Zimmer  K.Z.  30,  222  hat  den  richtigen 
weg  eingeschlagen,  indem  er  air.  rofitetar  als  kontaminations- 
form  aus  idg.  *e  vidis-r  3.  pl.  act.  »  air.  fidisar,  fitar  und 
*e  vidi8-nio  3.  pl.  med.  =  air.  fidiset,  fitet  erklärte  und  so  mit 
ai.  dvHi^am  und  lat  v%di8ti  in  einklang  brachte,  "rofitetar 
gab  mit  den  nach  ihm  gebildeten  rofitemnar,  rofiiid  das  modeil 
ab,  wonach  der  singularis  in  analogie  von  niarla88ar,  niar- 
la88air  :  niarla88atar  etc.  umgestaltet  wurde :  rofäar  'ich  weiss', 
rofiiir  'er  weiss'".  Gr.  t^d^a,  udea  ist  gar  kein  sigmatischer 
aorist,  sondern  mit  aw.  niähidöiä  gleichgebildet :  rjdea^  eidea  = 
B'Hi-^i'W'i  vgl.  Idia  =  */£d-€t-ä. 


ß)  Plural. 
Die  Wurzelsilbe  ist  tiefstufig. 


\)  Vgl.  Brugmann  IF.  8,  802  f. 


Beiträge  zur  geschichte  der  indogermanischen  konjagation.    91 
idg.  *89d4^'in4. 

Die  belege  sind  sehr  spärlich.  H.  Zimmer  a.  o.  hat  auf 
ai.  idhifimahl,  ruci^lya  und  gmi^iya  aufmerksam  gemacht.  Ich 
stelle  noch  ai.  püri^fhäh  dazu. 

ai.  idhi^^mahi,  indhi^ya  neben  aindhiffa  :  ai.  idhydU, 
lat.  aedes  s.  o. 

ai.  gmi^iya  neben  gamiffam  :  gr.  ßaivw,  lat.  veniö. 
ai.  rticifiya  neben  rociäiya  :  gr.  Xevaaio  s.  §  3. 
ai.  püri^thah  neben  apärit  :  ai.  puryatnana  s.  §  11, 
air.  *f%d%aar  s.  o. 

§  33.  Nach  dem  überlieferten  formenmaterial  zu  schliessen, 
haben  die  singularformen  mit  dehnstufiger  Wurzelsilbe  die  herr- 
schaft  erlangt.  Es  gibt  auch  formen  mit  vollstufiger  Wurzel- 
silbe :  aL  ayödhU  :  yudhyatS,  lat.  jubeö;  ai  alöbhit  :  lübhycUi, 
lat.  lubSt;  ai.  bödhi^at :  büdhycUS,  lit.  bad'äi  :  ai.  fö(»A  :  (ücyati, 
got  hugjan;  ai.  avEdlt,  lat.  vidisti.  Durch -das  zusammenfallen 
von  formen  des  -t^-aorists  mit  dehnstufiger  Wurzelsilbe  und  von 
formen  des  praesensaoristes  mit  schwundstufiger  Wurzelsilbe 
sind  die  ursprünglichen  ablautverhältnisse  stark  getrübt  worden. 
Es  sind  daher  auch  formen  mit  vollstufiger  Wurzelsilbe  nicht 
au£fallend. 

§  34.  In  den  ksl.  aoristen  auf  -Ech^J  die  wie  ai.  agrah- 
äi§am,  gr.  inpriaa  gebildet  sind,  ist  der  einfluss  von  futurbil- 
düngen  wie  ai.  gläsyati  —  lit.  gideaiu,  ai.  mnOsyati  —  lit.  mt- 
nesiu  (s.  §  36)  unverkennbar.  Vgl.  Brugmann  Grd.  2,  1186  f. 
z.  b.  ksl.  vid^'ech^,  lit.  pa-videsiu;  ksl.  mhn'ich^f  lit.  min-^u 
u.  s.  w.  Ich  stelle  hierher  auch  formen  wie  zrSchh,  zhrSch^, 
trSch^,  vreclvh^  1nlSch^,  mrich^,  die  man  aus  *ierch%,  terch^  usw. 
durch  metathesis  zu  erklären  pflegt,  und  zwar  aus  folgenden 
gründen.  1)  Die  in  betracht  kommenden  verba  sind  sämmtlich 
abgeleitete  e^-stämme;  2)  in  den  quellen  finden  sich  häufig  die 
Schreibungen  inf.  mhrSti,  ztritij  aor.  mhrSch^,  zbrSch^;  3)  die 
andern  idg.  sprachen  haben  korrespondirende  bildungen. 

ksl.  meljq,  mlsti,  mlich%  *mahlen'  :  ai.  ml&ti,  amlosyatäm, 
nUatäh  8.  §  11. 

ksl.  hrq,  trsH,  tbreti,  ir9ch^  'reiben'  :  gr.  TiTQtjfiif  lat. 
terOj  tr^vi,  trltu8  s.  §  11. 


92  Hans  Reichelt 

ksl.  zhrq,  zrSti,  zhreti,  zrech^,  ztrSch^  *fre88en'  :  gr.  ßi- 
ßqw-aTMa. 

§  35.  Der  ausgang  der  III.  plur.  des  perfekts  im  Latei- 
nischen ist  -erunt  Man  erklärt  die  endung  -^^nt  gewöhnlich 
als  3.  plur.  des  hiftsverbums  ^sein',  indem  man  sie  mit  gr.  -Eactv 
(III.  plur.  plusqupf.)  vergleicht  Ich  möchte  lat.  -irunt  aus 
*i8(mf  erklären  und  wie  die  II.  sing,  und  plur.  dem  -t-s-aorist 
zuweisen:  -ia-ont  statt  -is-xft,  wie  capiunt  statt  ^capi-'QJt, 

y.    Das  fiitumm« 

§  36.  Für  bildung  von  formen  mit  futurbedeutung  diente 
im  Indogermanischen  das  suffix  -si-o-y  welches  im  Ar.,  Gr.  und 
Balt.-Slav.  belegt  ist.  Leider  sind  die  akzentverhältnisse  noch 
nicht  genügend  aufgeklärt.    Vgl.  Hirt  Idg.  akzent  s.  204. 

War  das  suffix  -sio-  ursprünglich  betont,  dann  müssten 
Wurzel-  und  ableitungssilbe  in  der  tiefstufe  stehen:  idg.  *m'(^n)- 
p-si-ö-.  Im  Ai.  aber,  wo  thatsächlich  suffixbetonung  vorherrscht, 
erscheint  die  Wurzelsilbe  fast  durchwegs  in  der  vollstufe.  Ich 
schreibe  diesen  merkwürdigen  umstand  dem  einfluss  der  aus 
dem  unerweiterten  stamm  gebildeten  futurformen  ^)  zu,  die  im 
Lit  Wurzelbetonung  haben:  vgl. 

ai.  vedißyati  neben  vStsyati,  gr.  aüaofiai ;  ai.  vartiäycUi  neben 
vartsyäti,  lit.  versiu;  ai.  mani^yB  neben  mqsyatS;  ai.  tanisycUi 
neben  tqsydiS;  ai.  janisyati  neben  aw.  zqhyamanqm;  ai.  han- 
i^dti  neben  hqsycUi. 

Der  akzent  von  ai.  *vdrt8yati,  *  tqsyate  ^)  hat  dann  später 
seine  Stellung  wieder  nach  vartiäyäti  usw.  geändert  Ursprüng- 
liche formen  mit  tiefstufiger  Wurzelsilbe  sind  ai.  guriäyats  neben 
gari^ati  :  grnämi  'preise' ;  ai.  gfhUyati  neben  grdhl^yati,  grak- 
i^yati  :  gfbhndtni  'ergreife'. 

§  37.  Wahrscheinlicher  aber  ist,  dass  die  abgeleiteten 
verbalen  «i'-stämme  wie  im  praesens  und  praesensaorist  auch 
im  futurum  die  ableitungssilbe  betonten,  da  hierin  das  Ai.,  Gr. 
und  Balt.-Slav.  übereinstimmen:  idg.  * fn(V'M'i(30'^i'O-  =■  ai. 
*tnnasya',  gr.  *iÄcevr]ao-,  lit.  *miw^o-. 

1)  Nach  Brugmann  Ord.  II  s.  1092  hatten  die  ai.  formen  mit  'iiya- 
den  -fs-aorist  zur  grandlage,  vgl.  ai.  vddifydti  zu  dem  aoriststamm  vedi§- 
in  d-vedi^-am,  2)  Vielleicht   ist    ai.  fisyati  aus  *  ffe{n)'Si'eti  ent- 

standen, also  eine  form  mit  dehnstufiger  Wurzelsilbe. 


Beiträge  zur  geschichte  der  indogermanisclien  konjugation.     93 

ai.  gläayati,  lit.  fful&iu;  ai.  psäsyati  :  psati;  ai.  a-mlasya^ 
tarn  :  mldii;  ai.  mnäsyati,  gr.  f^avijaofxai^  lit.  minesiu;  gr.  «l- 
di/crcd,  lit.  pcMnfdesiu;  gr.  ^vTJaoinai^  lit.  sravesiu;  hom.  tci^ow 
:  lat.  ^e«;  gr.  xaiqriöw  für  ^xaqvjOüiy  lit.  geresiüa;  gr.  o^ifaai  i) 
lat.  oter^;  gr.  Ttlijao»  :  nifiTckrjfii;  gr.  Tcnjaofiat  :  7ti,%vi(a\  gr. 
yevT^aofjiai  :  yeivofiai. 

Das  e  der  gr.  fatura  auf  -£C(i,  die  von  unsem  stammen 
gebildet  sind,  gehört  zum  suffix  * -esi-o  vgl.  Bartholomae  BB. 
17,  109.  Es  liegen  also  futurbildungen  vom  nnerweiterten 
stamm  vor. 

gr.  tev-iw  :  ai.  tani-^yati;  gr.  d«^  :  ai.  dari-fyati;  gr. 
T«A-cS  :  ai.  cari-iyati,  gr.  d-ev-eo)  :  ai.  hani-äyati;  gr.  xc^-cü  : 
ai.  gari-^ati;  gr.  ifi'Ovfiai  :  ai.  vami-äyati  u.  a. 


Tl.    Das  perfektom. 

§  38.  Obwohl  fast  alle  abgeleiteten  ^n^-verba  das  perfek- 
tum  aus  dem  unerweiterten  stamm  bilden,  finden  sich  doch  im 
Ai.,  Gr.  und  Lat.  vereinzelte  formen,  denen  der  erweiterte 
stamm  zugrunde  liegt. 

Die  Wurzelsilbe  ist  tiefstufig,  das  ableitungssuffix  erscheint 
in  der  dehnstufe: 

ai.  paprau,  paprd,  lat  plevi  vgl.  Fick  GGA.  1883  s.  594; 
ai.  jagläu,  gr.  ßißXtjf^ai;  ai.  mamnau,  gr.  f^sfivrjiiai;  ai.  mam' 
Idu  :  (lat.  molui);  ai.  jagfidu  :  (lat.  genui);  ai.  papsäu;  lat. 
(T^t^;  gr.  Tchqrifsai,^  Ttiulrjraiy  yLSxdqrjftai,  u.  a. 

Das  u  der  ai.  und  insbesondere  der  lat.  formen  ist  bis 
jetzt  noch  nicht  befriedigend  erklärt;  es  kann  aber  schwerlich 
etwas  anderes  sein,  als  das  u,  das  uns  schon  im  praesens  be- 
gegnet ist  und  das  von  den  abgeleiteten  ^-stammen  her- 
stammt ').  S.  §  16.  ai.  paprdu,  lat.  plevi  ist  demnach  [auf 
ai.  prnuyoty  gr.  noXvg^  lat.  plus  (s.  §  44)    bezogen]   dieselbe 

1)  Gr.  6^r^an  ist  kompromissbildang  and  steht  för  dSram,  Vgl. 
Hirt  IF.  10,  28. 

2)  Aach  F.  Sommer  Lat.  gr.  606  f.  leitet  das  lat.  v-perfekt  von 
den  fi-verben  ab;  er  lässt  jedoch  die  ai.  formen  unberüoksichtigt  and 
geht  speziell  von  lat.  füvt  aas:  "Als  *füm  (anthematischer  aorist)  za 
^fü-aif  ^/ü-ff-ai  umgebildet  wurde,  löste  man  bei  der  Silbentrennung 
^fu-ffüi  das  -t^t  u.  8.  w.  als  suffiz  ab  und  übertrug  es  auf  alle  vokali- 
sehen  verbalstämme".    S.  dazu  §  44. 


94  Hans  Reich  elt 

bildung  wie  ai.  cuk^näva  von  k^näumi  4ch  wetze\  Für  den 
abfall  des  endungs-a  (bezw.  -e  der  III.  pers.)  in  den  ai.  formen 
yermag  ich  keine  erklärung  zu  geben.  Ai.  paprätka  2.  pers. 
ist  aus  *paprä(^)4ha  entstanden. 

Der  bindeyokal  ai.  i,  lat.  i. 

§  39.  P.  y.  Bradke  IF.  8,  123  ff  fuhrt  den  perfektischen 
'bindeyokal'  im  Altindischen  imd  im  Griechischen  auf  den  aus- 
lautenden yokal  der  sS^tämme  zurück  und  weist  darauf  hin, 
dass  derselbe  Ursprung  auch  für  den  lateinischen  und  gotischen 
bindevokal  geltend  gemacht  werden  könnte.  Demnach  läge  in 
ai.  i,  gr.  a,  lat.  t;  got.  u  die  Vertretung  von  idg.  9  vor.  Für 
die  abgeleiteten  ^-stamme  muss  diese  im  prinzip  zweifellos 
richtige  erklärung  dahin  modifizirt  werden,  dass  für  das  ai. 
und  lat  i  entstehung  aus  idg.  i  festgesetzt  wird.  Das  a  der 
gr.  perfekta  rcercold'afiBv^  ti&vafiey  usw.  bleibt  besser  aus  dem 
spiel,  da  es  wahrscheinlich  aus  der  1.  sg.  und  3.  plur.  des 
perfekts  und  des  sigmatischen  aorists  stammt 

Bradke  a.  o.  135  f.  nimmt  mit  recht  an ,  dass  die  an- 
knüpfung  der  perfektischen  personalendungen  mit  dem  binde- 
vokal i  nach  der  qualität  der  wurzel  geregelt  war,  und  stellt 
folgende  Schemata  auf. 

«^/-wurzeln: 
jagrdbha   *jagr(ä>hitha  jagrdbha   *jagf'bhimd  jagfhhä  jagfbhir 
papdta      ^papdtüha      papdta       paptimd      paptd     paptür 


a«t/-wurzeln : 

vavdrta     ^vavätitha 

vavdrta 

vavximd 

vavj'tä 

vavfiür 

aaaäda         sasdttha 

sasdda 

^ssdmd 

sedd 

sSdür 

{*8azdfnd 

sazdi 

sazdiir) 

Bei  der  Scheidung  in  sef-  und  aiti/-wurzeln  in  der  indischen 
grammatik  kommen  nicht  immer  die  idg.  Verhältnisse  zur  gel- 
tung.  Von  den  beispielen,  die  Bradke  s.  126  anfuhrt  (ausser 
den  genannten  noch  jajdna,  tatdra,  jagdma,  cdkdra)^  sind 
sämmtliche  abgeleitete  <;i-8tämme.  Eine  teilung  nach  der  qua- 
lität der  Wurzel  ist  hier  wenigstens  nicht  nothwendig.  Der 
bindevokal,  der  vor  den  konsonantisch  anlautenden  endungen 
auftritt,  ist  die  tiefistufenform  des  Suffixes  -«/-.  Formen  vom 
erweiterten  und  unerweiterten  stamm  gehen  nebeneinander.  Die 
rigvedischen  Schemata,  die  Bradke  s.  137  aufstellt,  bedürfen 
daher  keiner  besonderen  behandlung. 


Beiträge  zur  geschichte  der  iodogermanischen  konjngation.     95 

papata  papdUha         papdta     paptima  paptä  paptür 

sasdda  aasdttha  saadia      aedimd  sedä  sSdür 

jagrdbha  jagrdbha  jagrbhmd  jagrbhd  jagrbhiir 

vavdrta  vavartkita    vavdrta    vavftmd  vavfid  vavftür 

vgl.  ai.  sidimd,  lat.  sBdimus;  ai.  vavarthüd,  lat.  vertimus; 
bL  viveditha,  lat.  vÜUmus;  [ai.  jagamäha],  lat.  venimus;  ai. 
ienimd,  alat.  te^inimus;  ai.  babhüvimd,  lat.  fuimus. 


TU.    TerbaladjektiTa. 

§  40.  I.  -tO'f  part  perf.,  meist  passiv.  ''Bei  den  eigent- 
lichen Partizipien  ist  im  Idg.  die  endbetonung  allgemein,  was 
wahrscheinlich  aus  einer  zeit  stammt,  in  der  die  passive  bedeu- 
tung  noch  nicht  durchgeführt  war".  Hirt  Idg.  akzent  s.  270. 
Wurzel-  und  ableitungssilbe  erscheinen  infolge  der  endbetonung 
in  der  tiefstufe:  idg.  *^id'i4ö'. 

ai.  rucitdh  'leuchtend,  glänzend'  :  ai.  rucih  'licht';  ai.  vi* 
dUdh  'erkannt,  bekannt'  :  lat.  videö;  ai.  tnrdüdh  'zerdrückt, 
gerieben'  :  ai.  mrdnati]  ai.  trfitdh  'durstig',  got.  faursißs 
'durstig'  :  got  faurseiß  mik;  ai.  aphuritah  'zuckend,  zitternd'  : 
gr.  Oftaigo);  ai.  güäal^  'verschlungen'  :  ai.  gputti;  ai.  kupüah 
'erzürnt,  zornig'  :  ai.  kupyati;  lat.  licUtis  :  licet.  —  ai.  fami- 
tah  :  gamyati,  stanüah  :  ^anihi,  lat.  genüus  :  -geniis  können 
nicht  mit  Sicherheit  hierhergestellt  werden. 

§  41.  Alle  übrigen  bildungen  sind  durch  beeinflussung 
von  praesensformen  zu  erklären. 

a)  Die  Wurzelsilbe  ist  vollstufig  (vgl.  gr.  daigw  statt  ^daifta 
aus  *  driö  (lit  diriü)  nach  ai.  ddr^.  ai.  bhasitah  'zu  asche  ge- 
rieben' :  bdbhastij  bhdsat;  ai.  patitah  'gefallen'  :  ai.  pdtati;  lat. 
vomitua  :  wnno,  molüus  :  molo.  Vielleicht  auch  ai.  galitah  'ver- 
schwunden, fehlend'  :  ai.  galati,  ai.  carüdh  :  ai.  cdrati. 

ß)  Die  ableitungssilbe  erscheint  in  der  dehnstufe;  die 
Wurzelsilbe  ist  tief  stufig,  vgl.  ai.  nd&ti,  psäti  usw.  §  11. 

ai.  mlätdh,  aw.  mrätö  'durch  gerben  weich  geworden'  :  ai. 
mläti ;  ai.  prätdh  'gefallt',  lat  im-pUtus  :  ai.  prasi ;  ai.  psatdh 
'gegessen'  :  psäti;  ai.  mnotah  'erwähnt'  :  ai.  tnnäti;  gr.  ßltjTog 
'geworfen,  getro£Een'  :  ai.  gläti;  gr,  ^rjvdg  'verabredet,  bestimmt 
:  lit.  refu;  gr.  Tftjrog  'durchbohrt^  :  gr.  Wr^i/jut;  lat.  erStus  : 


96  Hans  Reichelt 

gr.  luiQio;  an.  trüaSr  'gläubig'  :  an.  trüa;  ksl.  gritb  'erwärmt' 
:  grejq. 

y)  Die  ableitangssilbe  hat  die  tief  stuf engestalt  -r-;  die 
Wurzelsilbe  ist  meist  tiefstufig,  vgl.  §  18. 

ai.  gxbhUdh,  gthUdh  'ergriffen'  :  ai.  dgrhUäm,  grhiikos, 
grhi^a;  lat.  cupitus  :  cupiö^  cuplvi;  peiUus  :  '^petiö  *petlre 
(R.  Thumeysen  KZ.  30,  492). 

§  42.  Es  finden  sich  auch  formen  vom  unerweiterten 
stamm  vgl.  Grd.  ü,  208  ff. 

a)  Mit  tiefstufiger  Wurzelsilbe. 

ai.  t?ütdh  'gefunden,  erkannt,  bekannt',  aw.  vistö  'ge- 
funden', gr.  a-iarog,  ungekannt,  unkundig',  air.  ro  fess  'scitum 
est',  got  un-vis  'ungewiss'  :  lat  videö,  ksl.  videti;  ai.  sattah 
'gesessen'  ^),  lat.  ob-sessus  —  aw.  pcisu-äctstö  'viehhürde',  an.  sess 
'sitz',  lat.  sulhsessa  'hinterhalt'  :  lat.  sedeö,  ksl.  sSdsti;  ai.  ha- 
tdh,  aw.  jatö  'geschlagen',  gr.  qxnog  'getödtet',  lit.  gifitas  'ge- 
jagt, getrieben',  ksl.  zq-tb  'gehauen,  gemäht'  —  ags.  güä  'kampP 
:  gr.  9eivw^  lit.  geneti;  ai.  matäh  'gedacht',  lat  com-mentus, 
got  munds  'gemeint,  gedacht',  lit  mifUctö,  ksl.  mq-h  —  ai.  ma- 
täm  'meinung',  gr.  avtS/iccvog  'freiwillig',  lat.  com-mentum 
'einfall,  erfindung',  air.  der-met  'vergessen'  :  got.  munan,  lit 
mineti,  ksl.  mhnSti;  ai.  vfUdS^  'versus',  lat  vorsitö  {versus)  — 
ai.  vrttäm^  ksl.  vrhsta  'bewandtnis,  befinden',  lit.  värstas  'pflug- 
gewende'  :  ksl.  vrhtsti;  ai.  gcUdh  'gegangen',  gr.  ßotvog  'be- 
treten, gangbar',  lat  circumventtis,  lit  pri-gimtas  'angeboren'  : 
gr.  ßaivüfy  lat.  venia;  ai.  btiddhdh  'erwacht',  gr.  a-Ttvatog  'un- 
bekannt, unkundig'  :  lit  budeti,  ksl.  bbdsti;  ai.  dfiäh  'gespalten', 
aw.  ddTdtö  'geschnitten,  gemäht',  gr.  dqatog^  Sagt 6g  'geschun- 
den', lit.  nU'dirtas  'geschunden'  :  ai.  dffftycU,  gr.  ldaqriv\  ai. 
tatdh  'gestreckt,  gedehnt^,  gr.  %€n;6g  'dehnbar',  lat.  tentus  :  lat. 
teneö;  air.  tati  'durst'  aus  *trst6-  (W.  Foy  IF.  6,  338),  got 
fdursteij  ahd.  durst  :  got.  paurseip  mik. 

ß)  Mit  hochstufiger  Wurzelsilbe. 

lat  Visus,  got.  un-veis  'unwissend,  unkundig',  ahd.  wis 
'weise'  aus  ^ueiMo-  (oder  ^ItHo-  neben  ai.  vUtdh  usw.);  ahd. 
kind  'kind'  aus  *§entom  neben  got.  qina-kunds  'weibgeboren'; 
ai.  spaftah  'ersichtlich,  klar',   aw.  avi-spaStö  'belauert,   ange- 

1)  bal.  nüia  ^sitzend'  aus  idg.  *n%'9t4o-  far  "**  m+ed-f^.    Bartho- 
lomae  Grd.  d.  iran.  phil.  §  96,  1. 


Beiträge  zur  gesdiichte  der  indogermanischen  konjugation.     97 

feindet\  lat.  adspectus  aus  ^speh-to-;  gr.  w-rceiOTog  deicht 
überredbar',  lat.  fisus  neben  gr.  niatog  ^treu,  zuverlässig'. 

§  43.  IL  -no-,  part.  praet.,  meist  passiv.  Da  das  suffix 
-no^  betont  war,  müssten  auch  hier  wurzel-  und  ableitungssilbe 
in  der  tiefstufe  stehen:  idg.  ^td^-nö-.  Es  sind  aber  fast  nur 
formen  mit  dehnstufiger  ableitungssilbe  erhalten. 

ai.  pränah  ^gefüllt',  lat.  plsnus,  umbr.  plener  'plenis'  :  ai. 
prüse;  ai.  mlänah  'welk'  :  ai.  mldti;  aw.  ynänö  (vgl.  Bartho- 
lomae  Grd.  d.  iran.  phil.  §  209,  3);  ai.  kranä  ^gem,  willig,  so- 
fort' :  (ai.  cärati)  gr.  TeUto;  gr.  anaXrjvog  *krumm'  :  oyiaXX(a; 
ksl.  mhnSm  :  mhneti;  ksl.  videm  :  vidSti.  Hierher  gehören 
ferner  die  germ.  infinitive:  got  munan,  liban,  ahd.  lebsn  usw. 

§  11- 

Formen  vom  unerweiterten  stamm  sind  aw.  p^ranö  'gefüllt 

voll',  got.  fiUls  :  ai.  prndmi;  ai.  chinndh  'zerbrochen,  zerrissen' 
:  gr.  cTx/^ccii);  aw.  asna-,  äsna-  *nahe'  aus  *äzdna'  :  ksl,  cho- 
diti%  vgl.  ai.  nedTyah  'näher',  dsanna-  'nahe'  Bartholomae  IF. 
5,  367,  w.  f.  kl.  phil."  17,  1223. 

Neben  den  partizipialbildungen  aus  dem  unerweiterten 
stamm  stehen  solche,  in  denen  der  vokal  der  tiefstufigen  Wurzel- 
silbe gedehnt  erscheint. 

ai.  jätäk,  aw.  zätö  'geboren',  lat.  gnätus,  nätüs^  gall.  cintU" 
gnätm  'erstgeborner'  neben  got.  -kunds,  kunßs;  ai.  ghatdh 
'tötend,  schlag,  tötung*,  gr.  dyri%6g  'sterblich'  neben  ai.  hcUäh; 
ai.  vamtdh  'ausgebrochen';  ai.  gürtäh,  gürnah  'gebilligt,  will- 
kommen, angenehm',  lat.  grätus  'willkommen,  angenehm',  lit. 
girtcis  'gerühmt';  ai.  mürndh  'zermalmt,  zerbrochen',  alat.  tnal- 
täs  'moUes',  air.  blaüh,  mlaüh  'weich'  —  lit.  mütai  'mehl'  neben 
ai.  -rnfnah;  ai.  dwnäh  'zerrissen,  gespalten'  —  nkjmr.,  corn. 
dam  'teil,  stück'  neben  ai.  dfi^h;  ai.  gimah  'verschlungen',  lit. 
girtas  'betrunken';  ai.  pürtdh,  pürndh  'gefüllt,  voll',  air.  län 
'voll',  lit.  pünas  'voll'  neben  ai.  pftäh;  ai.  tirndh  'überschritten, 
durchgemacht',  türtah  'schnell';  ai.  jürndh  'alt'  —  ai.  jirndm 
«gebrechlichkeit ,  alter';  gr.  tlrjTog  'duldend,  standhaft',  lat. 
lättis  —  lit.  tiltas  'brücke'  —  neben  ahd.  gidult  'geduld'. 

1)  ai.  Ui^tah  'pfeilköcher',  das  gewöhnlich  aas  ^tpuh  erklärt  und 
zar  warzel  *tel-[^i-  ^tragen'  gestellt  wird,  gehört  nicht  hierher.  Vgl. 
Bartholomae  JA.  12,  28  und  IF.  8,  187  f. 

2)  Oder  zu  lat.  »edeö^    Siehe  §  60. 

BetMge  s.  knnd«  d.  indg.  spxaelMii.     XXVIl.  7 


98  Hans  Reichelt 

§  44.  Bezüglich  des  wechseis  von  tr  und  är  im  Arischen 
und  Lit.-Slavischen  schliesse  ich  mich  den  ausführnngen  Bar- 
tholomae's  KZ,  27,  205  und  Bezzenberger's  bei  v.  Naegelein 
*Zur  Sprachgeschichte  des  Veda'  32  an,  die  darin  den  einfiuss 
eines  folgenden  vokals  sehen.    Vgl.  Wackernagel  Ai.  gr.  29. 

Ich  habe  in  §  16  die  thatsache,  dass  viele  ai.  verba  das 
praesens  sowol  nach  der  5.,  als  auch  nach  der  9.  praesens- 
klasse  bilden,  auf  grund  ursprünglicher  praesensformen  erklärt, 
die  in  beiden  klassen  gleich  lauteten.  Ebenso  ist  der  Wechsel 
zwischen  formen  der  4.  und  8.  ai.  praesensklasse  zu  erklären, 
wie  überhaupt  zwischen  formen  der  abgeleiteten  verbalen  ei- 
und  e^-stämme.  Die  gemeinsamen  formen,  von  denen  neubil- 
dungen  nach  der  einen  oder  andern  klasse  erfolgt  sind,  sind 
die  des  praes.  sing,  auf  *-e-mf,  *-6-äi,  *-e4i  aus  *-e3f-w»,  *-«*- 
mi  usw. 

Da  nun  bei  tie&tufengestalt  der  Wurzelsilbe  in  ein-  und 
demselben  verbum  der  stimmton  der  liquidasonans  bald  dem 
einfluss  eines  folgenden  t,  bald  dem  eines  folgenden  u  ausge- 
setzt war,  kann  es  nicht  wunder  nehmen,  wenn  ir  und  ür 
nebeneinander  erscheinen. 

idg.  ^ter-ei'  'durchdringen'. 

ai.  ti'ryatf,  lit.  tyriü  —  ai.  tirdti,  Hrndh  [tiram  'ufer', 

iirdh  'durch'], 
ai.  tariUB,  turvati,  arm.  ihaXowl^)^  gr.  r^t/ai,   t^x^^ 
lit.  trükstu,  ksl.  tryti  —  ai.  turdti,  türtdh,  türnah 
[turdh  'beschädigt'], 
idg.  *g^er'€i'  'singen'. 

ai.  grnamiy  lit.  giriü  —  ai.  sam-girate. 

gr.  yrjQV(o  [yijßvff,  dor.  yaqvq  'spräche']  —   ai.  gurdte, 
gilrtäh,  gürndh. 
idg.  ^g^er-ei'  'verschlingen'. 

ai.  grndmif  lit.  geriü,  ksl.  zrUi  —   ai.  girati,  gilitah, 

girndh. 
[aeol.  diqqa  'hals'  aus  *d€Q/'ä  Kretschmer  KZ.  31.  397] 
—  [Utgurklys  'kröpf,  'ks^.gr^lo  'kehle']  ksl.  zrhti' 
idg.  *pel'ei'  'füllen'. 

ai  pcnami,  präsi  [pdrlndh  'fülle'],  gr.  nifinXrifjLi  usw.  — 
lit.  pilnas  'voll'. 

1)  Vgl.  Meillet  M6m.  soc.  ling.  VIU,  158  f. 


Beiträge  zur  geschichte  der  indogermanischen  konjugation.     99 

ai.  prnuyät,   [gr.  nolvg  'viel']    lat.  plevi,  plus  ^)   —   ai. 
pürnäh,  pur t Ah,  [purüh  'viel',  ksl.  pHm]. 
idg.  *der'ei'  'spalten'. 

ai.  drniyät,  lit.  diriü  —  ai.  dfrnah, 

ai.  därüh  'zerbrechend'    [ai.  däru  'bolzscheit',   gr.  öoqv 
'balken',  lit.  dervä  'kienholz'?  usw.]  —  lit.  duriü. 
idg.  *uel'ei'  'wollen*. 

ai.  Vfudmi,  ksl.  veljq  usw. 

ai.  vtnömi,  lat.  volui^)  —  [ai.  hötr-vurya-  'einsetzung 
des  Hotar']. 
idg.  *mel'ei'  'mahlen'. 

ai.  mrniM,  gr.  fivllwy  ksl.  meljq  —  [litfniltai  'mehl']. 

got.  ga-malwjan,  lat.  molui  ^),  [emolumentum  'mahlertrag'] 
—  ai.  mürnäh. 
idg.  *gvel'ei'  •  •  • 

ai.  gläti,  gcdüah,  gr.  ßdXha. 

gr.  ßXv(Oj  ßXvCiü  —  lit.  guliü, 
idg.  g'er-ei-  'altern'. 

ai.  jiryatiy  ksl.  zreju  —  ai.  jlrnah. 

[aw.  zaurva  'alter',  gr.  yqävg  'greisin']  —  ai.  jürndh. 
idg.  k'er-ei-  'zerbrechen'. 

ai.  gffryate,  lit  skiriü,  gr.  nßlgw  —  ai.  girndh, 

ai.  Jqrn^mi  —  güridh  [ksl.  kr%m  'verstümmelt']. 

§  45.  Gerade  so,  wie  für  die  dehnnng  der  tiefstufigen 
Wurzelsilbe  bei  den  ^^^basen  der  ausfall  des  9  als  Ursache  an- 
genommen wird,  liesse  sich  auch  bei  den  abgeleiteten  -ei-  und 
-eu-verben  die  dehnung  durch  den  ausfall  des  i  oder  u  er- 
klären. Es  ist  aber  zu  bedenken,  dass  infolge  der  suffixbe- 
tonung  bei  den  partizipien  auf  -^o-  und  -ro-  sowol  ableitungs- 
silbe,  wie  Wurzelsilbe  reduzirt  werden  mussten.  (ai.  ruc4-tdh, 
m^d-i-tih,  sphur-i-tah,  gü-i-tah).    Selbst,   wenn  man   annimmt, 

1)  Nach  Fr.  Sommer  IF.  11,  s.  94  ist  lat.  plus  ein  alter  neatraler 
akkasativ  aaf  -is  wie  magis  und  geht  auf  eine  grundform  *plö-%B  zarück. 
Dagegen  wäre  nichts  einzuwenden,  wenn  die  formen  ploua  und  plouruma 
besser  dazu  stimmten.  Denn  in  der  Schreibung  ou  eine  mittelstufe 
zwischen  oi  und  dem  später  daraus  entwickelten  ü  zu  sehen,  entbehrt 
einer  sichern  stütze.  Da  für  die  wurzel  *pel  durch  ai.  pjrnuyät,  gr.  tto- 
Xvfj  lat.  plevi  usw.  s.  §  16  die  ableitung  durch  -ejf-  erwiesen  ist,  sehe 
ich  kein  hindernis,  pltu  aus  *plef^'08  zu  erklären,  wie  mtnti«  aus  minjf-o«. 

2)  Siehe  §  88. 

7* 


100  Hans  Reichelt 

dass  durch  die  redoktion  wirklich  TÖlliger  schwand  der  ab- 
leitangssilbe  bewirkt  wurde,  hätte  sich  die  Wurzelsilbe  in  ihrer 
schwächsten  gestalt  erhalten  müssen ,  da  die  Wirkung  der  re- 
duktion,  als  der  Schwund  der  ableitungssilbe  stattfand,  zweifel- 
los am  grössten  war.  Wie  wären  denn  sonst  formen  wie  ai. 
sunmdh  neben  sunumdh,  tanmdh  neben  tanidhäh,  kurmdh  neben 
huruthdh  erklärbar? 

Wir  haben  es  daher  mit  keiner  ursprünglicher  dehnung  zu 
thun;  sie  kann  erst  eingetreten  sein,  als  sich  bereits  der  stimm- 
ton der  liquida  oder  nasalis  sonans  selbstständig  oder  unter 
dem  einfluss  des  vokals  der  ableitungssilbe  entwickelt  hatte, 
und  muss,  da  sie  aus  den  partizipialformen  selbst  nicht  erklärt 
werden  kann,  auf  Übertragung  beruhen. 

§  46.  Die  praesentien,  in  denen  der  themavokal  an  das 
tiefstufige  ableitungssufGbc  i  tritt,  zerfallen  in  zwei  klassen,  je 
nachdem  die  wurzelsilb^  den  wortton  hatte  oder  der  themati- 
sche vokal.  Ich  habe  schon  in  §  20  darauf  hingewiesen,  dass 
die  Wurzelbetonung  unursprünglich  ist  und  zum  teil  auf  ana- 
logie  nach  den  o-yerben  beruht  Bei  den  o-verben  stehen  sehr 
häufig  formen  mit  suffixbetonung  und  solche  mit  wurzelbeto- 
nung  nebeneinander.  Vgl.  Brugmann  6rd.  2,  913.  Da  neben 
aL  tirdti  'er  setzt  über*  eine  form  tdrati  steht,  ist  zu  *ürydti 
ein  *Üryati  gebildet  worden,  das  endlich  nach  dem  muster  von 
cdmati^  krdmati,  sdhati^)^  stdcUi^)  u.  a.  in  ttryati  überging, 
ai.  jiryati,  jiiryati  'er  kommt  in  verfall'  nach  jArati-juräti ; 
ai.  Uamyaü,  grämyati  'er  wird  müde^  nach  —  (ramaii  lit.  kir- 
mt/jü  'schlafe';  ai.  ädtnyati  'er  zähmt'  nach  got.  *g(USm8  in 
gaUmiba  'geziemend',  gatiman  'ziemen' ;  ai.  giryaJti  'er  zerbricht' 
nach  an.  skera  —  air.  scaraim,  ai.  ^f(n)ati;  ai.  krdmyati  'er 
schreitet  aus'  nach  krämati;  ai.  gdmyati  'er  hört  auf'  nach 
(amati;  ai.  jdyatS  'wird  geboren'  aus  *jayate  *§V''i^ti  nach 
jdnati;  von  diesen  praesentischen  neubildungen  wurde  die  deh- 
nung  auf  die  partizipia  übertragen,    ai.  tirndh,  tartdhrtfryatt, 

1)  Es  ist  hier  belanglos,  ob  das  ä  soloher  ai.  praesentia  aus  dem 
«-aorist  stamint,  wie  Bartholomae  Idg.  F.  3,  s.  50  z.  b.  für  ai.  hhrafaß, 
aw.  br&Miti  neben  gr.  ^Xiyu  (ahhräf),  aw.  rtüsjjqn  neben  ai.  sdrjanam 
(asräkf  oirät)  nachweisen  will. 

2)  Ai.  ätdati  ist  aus  *80Mi  =  aw.  hiSaiU  nach  lit.  9(idu  oder  einer 
ähnlichen  form  s.  Rozwadowsky  IF.  ?  umgebildet  worden.  Vgl.  lit.  thylü 
'spalte  mich',  iylü  'verstumme'  usw.    Wiedemann  Lit.  praet.  s.  90. 


Beiträge  zur  geschichte  der  indogermanischen  konjugation.     101 

turyati;  ai.  ßrndh,  jürnäh-jtryati,  jü'ryati;  ai.  Qirtdh^  cürtd^" 
sfryate;  ai.  pürtdh  neben  pfiäh-pü'iyati;  ai.  klämtdh-Mimyati ; 
^ärnfäh-grämyati;  ai.  gamtäh-gämyati ;  ai.  tämtdh-tämyati ;  ai. 
dämtdh-ddmyati ;  ai.  jatäh-jdycUe. 

Partizipia  wie  gr.  -yrrirogy  lat.  nätus  neben  lat.  genüus 
sind  auf  praesentia  wie  lat.  näscor  zu  beziehen.  Gr.  TQwrog 
'verwundbar'  :  tltqcüoiiuo;  gr.  ßganog  'essbar'  :  ßißQoiaxw  neben 
ai.  güüah;  gr.  xltji^ds  'gerufen,  willkommen,  erlesen'  :  xixXif- 
axro  1).  Vgl.  ai.  jnätdh  'gekannt',  gr.  yvwvög^  lat.  nötus,  air. 
^fta^  'solitus'  :  gr.  yiyvwaxfa^  lat.  gnöscö,  ahd.  Arno^n  'kennen'; 
ai  mlMdh,  aw.  mres^ö  'durch  gerben  weich  geworden'  :  mlttti, 
mldyati  neben  lat.  molitus;  ai.  mnata^  'erwähnt'  :  ai.  mnäti, 
gr.  fiifivi^axWf  neben  ai.  matdh;  ai.  glanah  'erschöpft',  nkymr. 
i2fn  'fatigatus'  :  ai.  gldti,  gldyaii  neben  gcditah;  ai.  priUah  'ge- 
füllt', lat.  pte^ii«  :  ai.  prdsi,  air.  Zlnatm  neben  ai.  pr^ah,  aw. 
pdTdnö;  ai.  psätdh  'verzehrt'  :  pseftt  neben  bhasüah. 

Der  stosston  der  lit.  formen  ^/r^aa  'betrunken',  pa-zintas 
'gekannt',  pünas  'voll',  mtitai  'mehl'  usw.  stammt  aus  dem 
praeteritum.  Wie  Bartholomae  IF.  3,  9  ff.  nachgewiesen  hat, 
ist  die  dehnung  des  wurzelvokals  mit  gestossenem  ton  im  prae- 
teritum nach  dem  muster  der  sigmatischen  aoriste  der  auf  8 
ausgehenden  verba  erfolgt.  Nachdem  sich  die  praeteritalbil- 
dung  mit  i  nach  dem  muster  von  lett.  tisu,  dzisu  bei  einer 
reihe  von  verben  mit  praesentischem  e  wie  lit.  hdiiirtMiau, 
geriü-^ertau  eingebürgert  hatte,  wurde  sie  auch  bei  verben  mit 
anderm  praesensvokal  (t;  ü)  nachgeahmt.  So  z.  b.  lit.  giriü- 
gyriau,  skiriü-skyriau,  spiriü-spyriau ,  duriü-düriau,  kidii^ 
küliau.  Vom  praeteritum  aus  wurde  dann  der  stosston  in  das 
Partizipium  und  den  infinitiv  verschleppt 


Ym.    YerbalsubstantiTa. 

§  47.  I.  Nomina  actionis,  die  in  verschiedenen  kasus  als 
infinitive,  supina  oder  gerundia  auftreten. 

a)  Formen  von  dem  durch  die  ableitungssilbe  erweiterten 

1)  Es  läset  sich  nicht  immer  sicher  entscheiden,  ob  dehnung  von 
tiefstufigen  oder  yollstufigen  vokalen  vorliegt.  Im  ersteren  falle  liegt 
der  unerweiterte  stamm  zugrunde,  im  letzteren  der  erweiterte. 


102  Hans  Reichelt 

stamm,  ai.  yudhdye  ^zu  kämpfen',  dat.  zu  ^iudh-ei-,  ai.  grhays 
'zu  greifen',  aw.  g9r9bqm  'festzuhalten'  dat.  und  akk.  zu  ^gr^h-ei-, 
aw.  y9nqm  'zu  töten',  akk.  zu  *ghvn-ei-.  Bartholomae  KZ. 
29,  588,  6rd.  d.  Iran.  phil.  1,  §  255,  2,  c  stellt  aw.  g^rabqm, 
yanqm  zu  den  feminen  a-stämmen;  ich  möchte  jedoch  wegen 
ai.  grdhi,  grbhi-  in  aw.  gdrdbqm  den  akk.  eines  -^/-Stammes, 
der  wie  aw.  hi&qm,  gr.  ^'^v  gebildet  ist,  sehen.  Ferner  idg. 
*yiide''  in  lat  vids-bam,  ksl.  vide-ach^  u.  s.  w.  Vgl.  Lindsay 
Lat.  gr.  s.  563. 

b)  Formen  von  dem  erweiterten  stamm  mit  dem  suffix 
*-teu',  *-tei'.  Die  akzentverhältnisse  sind  noch  nicht  aufge- 
klärt. Wahrscheinlich  ist  ursprünglich,  das  suffix  betont  ge- 
wesen und  standen  wurzel-  sowie  ableitungssilbe  in  der  tief- 
stufe: ai.  giritum  'zu  verschlingen'.    Vgl.  §  41. 

a)  Die  Wurzelsilbe  ist  vollstufig. 

ai.  carüum  'zu  bewegen'  neben  ai.  caritäh;  ai.  Janitöh  'zu 
erzeugen',  lat.  gentium;  ai.  taritum  *zu  übersetzen',  (lat.  tritum); 
ai.  püritum  'zu  füllen',  (lat.  impletutn);  ai.  pdtäum  'zu  fallen' 
neben  ai.  patüäh;  ai.  vdmüum  'zu  erbrechen',  lat  votnitum; 
ai.  vedüum  'zu  erkennen'  neben  ai.  vidüvä,  vidüdh;  ai.  var~ 
titum  'zu  wenden';  ai.  göcüum  'zu  leuchten';  ai.  röcüutn  'zu 
scheinen'  neben  ai.  rucüdh. 

ß)  Die  ableitungssilbe  erscheint  in  der  dehnstufe,  die 
Wurzelsilbe  ist  tiefstufig,  lat.  im-plBtum  'anzufüllen'  neben  ai. 
püritum;  lat.  cretum  'zu  scheiden'  neben  ai.  garitöh;  lit.  mineti 
'erwähnen',  ksl.  mhnEti  'meinen' ;  lit.  budeti,  ksl.  bhdBti  'wachen' ; 
ksl.  vrhteti  'wenden,  kehren'  neben  ai.  vartitum;  ksl.  threti 
'reiben'  neben  ai.  taritum;  ksl.  zbrBti  'fressen'  neben  ai.  girüum. 
Mit  hochstufiger  Wurzelsilbe:  lit.  geni^i  'äste  abhauen'  neben 
ai.  hanäum;  ksl.  veleti  'befehlen'  neben  ai.  varltum. 

y)  Die  ableitungssilbe  hat  die  tiefstufengestalt  i;  die 
Wurzelsilbe  ist  meist  tiefstufig,  ai.  grdkUum  'zu  greifen'  neben 
ai.  gj-hftdh;  ai.  varitum  'zu  wählen',  lit.  wSlt/ti  'wünschen';  lat. 
petUum,  cubUum,  trUum, 

Formen  vom  unerweiterten  stamm:  ai.  gäntum  'zu  gehen', 
lat.  ventum,  lit.  ginttu  'geboren  zu  werden',  ai.  gdntuh  'weg', 
lat.  adventus;  ai.  m^ntum  'zu  denken',  lit.  mifitu  'zu  gedenken' 
—  ai.  mdntuk  'rat';  ai.  yöddhum  'zu  kämpfen',  lat.  iusBum  — 
lat.  itissus  'befehl';  ai.  oeUum  'zu  wissen'  (neben  vedüum),  lat. 


Beitxäge  zur  geschichte  der  indogermanischen  konjugation.     103 

Visum  —  lat  vtsus  'blick',  air.  fiss  *  wissen';  ai.  tantum  'zu 
strecken',  lat.  tentum;  ai.  sattum  'zu  sitzen',  lat.  sesstim;  lat. 
versum,  vorsum,  lit.  vefsii  'umkehren'  —  lat.  versus  'Wendung'; 
ai.  hdntum  'zu  schlagen'  (neben  ai.  hanitum),  lit.  giiUu  'zu 
jagen';  lit.  mifiH  'gedenken'  —  ai.  maUh  'denken'  usw.  vgl. 
Brugmann  Grd.  2,  s.  277  flf.  (-ti-  in  primären  abstrakta).  Wegen 
der  lit.  infinitive  mit  stosston  wie  girti  'trinken',  vSmti  'sich  er- 
brechen', virti  'auf  oder  zu  tun',  kiUi  'heben',  skMti  'spalten', 
dirti  'schinden',  sptrti  'mit  dem  fusse  stossen',  skirti  'schneiden' 
u.  a.  s.  §  46. 

§  48.  II.  Die  mit  dem  suffix  -tBr  und  -trom  (-dhram) 
gebildeten  nomina  agentis  und  actionis. 

a)  Die  Wurzelsilbe  ist  tiefstufig,  die  ableitungssilbe  erscheint 
in  der  dehnstufe:  gr.  ^iJt(oq  'redner'  :  lit.  reju;  lat.  irip-pUtar; 
gr.  nXrj^QOv  (eldog  fihQov  Hesych).  Wegen  ai.  jfläUl  'kenner', 
gr.  yv(a(a)Ti^Q  'zeuge',  lat.  nötor,  ksl.  zna-teh  'wissender'  s.  Bei- 
träge II. 

ß)  Die  Wurzelsilbe  ist  meist  voUstufig,  das  ableitungssuffix 
erscheint  in  der  tiefstufengestalt  -f-: 

ai.  janitd  'erzeuger',  janüram  'geburtstätte',  lat.  genüor  i) ; 
ai.  veditä  'kenner';  ai.  prortaritd  'förderer';  ai.  grdbhftä  'er- 
greifer', pratigrahUd  'empfänger' ;  ai.  dhavüram  'wedel,  fächer'  : 
dhuniyat;  ai.  carüram  'fuss';  lat.  molüor;  ai.  tarutd  'über- 
winder', 4drutraJi  'hinüberschafifend'  nach  tarutS;  [ai.  manötä*) 
'ersinner'  nach  manuif\. 

Formen  vom  unerweiterten  stamm: 

ai.  veiiä  'kenner',  gr.  Xarwq^  tarwQ  'wissender,  zeuge',  lat. 
visoTy  in-msor,  ksl.  sb-vestelh  'mitwisser,  zeuge',  ai.  böddhä  'wer 
etwas  versteht,  kennt',  gr.  nevan^Qiog  'fragend,  forschend',  ksl. 
bljusteh  'Wächter';  ai.  hantd  'wer  schlägt',  aw.  janta  'erleger, 
tödter',  ksl.  z^teh  'Schnitter';  ai.  gäntä  'wer  geht  kommt',  gr. 
ßarr^'  ßaivwv  (Hesych),   lat.  Hn-ventor^;    ai.  sdttä  'wer  sitzt', 

1)  Das  i  («)  von  gr.  y«y-«-Ti}^,  riQ-i^TQov,  lat.  ter-e-hra^  gr.  Kfi-i-TOf 
UBW.  ist  durch  mischung  der  abgeleiteten  «i'-yerba  mit  den  primitiven 
(themavokalischen)  zu  erklären.  Vgl.  Gartias  Verb.  I  370  ff.  und  Ost- 
hoff D.  verb.  i.  d.  nominalkomp.  184.  Gr.  yivarriQ  :  ai.  jdnat%\  gr.  riqt' 
TQov  :  ai.  tdrat%\  gr.  tfietog  :  ai.  vämati. 

2)  Dieselbe  bildung  wie  ai.  manötä  aus  ^meneK-Ur-  ist  lat.  ertbrumf 
air.  criathar  'sieb'  aus  ^krei-tro-  :  gr.  xtfQfo,  lat.  erd'Vi.  Vielleicht  ge- 
hört dazu  ahd.  (hjritara  f.,  mhd.  rUer  'reiter,  sieb'. 


104  Hans  Reichelt 

lat.  adsessar,  aw.  aiwi-iasia  ^wer  sitzt';  ai.  yöddhä  'kämpfer', 
lat.  iussor  (KeisvtiJQ  gloss.  phil.);  ai.  mantd  'denker',  gr.  Mev- 
twQf  lat.  com-mentor,  ai.  mäntrah,  aw.  mq&rö  ^sprach';  ai. 
tdniram  'Webstuhl',  lit.  HfMas  'netz';  gr.  diQVQov  'dannfelP; 
gr.  tigi^QOv  'ende,  spitze' ;  gr.  ßd^qov  'stufe,  schwelle,  sitz ;  lat 
spectrtsm  'bild'. 

§  49.  III.  Die  mit  dem  suffix  -men-  gebildeten  nomina 
aktionis,  meist  neutra. 

ä)  Die  Wurzelsilbe  ist  tiefstufig,  die  ableitungssilbe  erscheint 
in  der  dehnstufe,  gr.  ßl^fia  *wurf,  schuss'  :  ai.  gläti;  gr.  ^^jua 
^ausspruch'  :  lit.  riju;  gr.  fivijfia  ^denkzeichen'  :  ai.  mnäti, 

ß)  Die  Wurzelsilbe  ist  vollstufig,  die  ableitungssilbe  er- 
scheint in  der  tiefstufengestalt  -!-. 

ai.  jdnima  'gehurt'  :  ai.  jdyaiS;  ai.  pdrima  'fülle'  :  ai. 
präsi;  ai.  därima  'Zerstörung'  :  ai.  dpny&t.  Formen  vom  un- 
erweiterten stamm:  gr.  ÜQ^ia  'abgezogene  haut'  neben  ai.  ddH- 
ma;  ai.  vdrtma  'bahn,  spur',  ksl.  vrsm^  'zeit'  aus  *vertm^  :  ksl. 
VThtiai ;  ai.  sddma  'sitz' ;  ai.  jdnma  'gehurt'  neben  ai.  jdnima, 
Infinitiv  ai.  vidmdnS  'zu  erkennen',  lesb.  Xdfievai  'zu  wissen'. 


IX.    Die  komparatiye  auf  -^ios. 

§  50.  H.  Hirt  IF.  12,  200 ff.  hat  dadurch,  dass  er  das  f 
dieser  komparativbildungen  mit  dem  I  der  ai.  56/-basen  und 
weiter  mit  dem  B  der  übrigen  sprachen  in  Zusammenhang 
brachte,  der  forschung  den  richtigen  weg  gezeigt  Das  J  kann, 
wie  die  beispiele  beweisen,  nichts  anderes  sein,  als  die  tief- 
stufenform  unseres  Suffixes,  und  der  umstand,  dass  daneben 
nirgends  I  erscheint,  weist  darauf  hin,  dass  es  ursprünglich 
betont  und  dehnstufig  war.  Eis  lässt  sich  allerdings  nur  eine 
einzige  solche  ursprüngliche  form  anführen:  ai.  präyah  'meist', 
lat  *pli-i&s  in  f^eores  (F.  Sommer  IF.  11,  51)  :  ai.  prnäH, 
lat  pleo.  (Die  slav.  komparative  auf  'Sjbs,  die  Streitberg  PBrB. 
16,  266  aus  "^Bjes  erklärt  hat,  sind  wahrscheinlich  sekundäre 
bildungen  und  von  adverbien  auf  -€  abgeleitet  (Brugmann,  Grd. 
2,  410),  kommen  also  schwerlich  in  betracht). 

Wenn  man  aber  die  bedeutong  der  hierher  gehörigen  ai. 
komparative  berücksichtigt,  kann  die  annähme  der  Ursprung- 


Beiträge  zur  geschichte  der  indogermanischen  konjugation.     105 

liehen  betonung  des  ableitungssuffixes  nicht  befremden:  ai.  ta- 
riyän  Meicht  durchdringend'  :  *tr(r)'Sx'  'durchdringen';  ai. 
yö'dhlyän  'besser  kämpfend'  :  ^iudh-ei-  'kämpfen';  ai.  v^dfyän 
'besser  kennend'  :  *)fiä-^j^-  usw.  Diese  komparative  haben 
partizipialbedeutung  und  sind  direkt  aus  dem  verbalstamm  ^) 
gebildet.  Es  scheint,  als  lägen  in  ai.  dari-,  däri-  'spaltend', 
gibhi-  *in  sich  fassend',  -^adi"  'sitzend',  fiicf-  'strahlend'  korre- 
spondirende  positivbildungen  vor,  und  als  wäre  ai.  ni^diyan 
'näher,  mehr  dabei  sitzend'  (aus  idg.  *ne-zd',  aw.  nazdyah- 
und  nazdütor  Uhlenbeck  Et.  wb.  d.  ai.  spr.  löO)  der  regel- 
rechte komparativ  zu  [pathiJ^Adi-  '[am  weg]  sitzend'. 

ai.  tärlyan  'leicht  durchdringend'  :  (ai.  tiryati)  gr.  TiTQfjfii^ 
ahd.  drau. 

ai.  v^diyän  'besser  kennend'  :  lat.  videö,  got.  tmtan,  ksl. 
videti. 

ai.  yödhiyän  'besser  kämpfend'  :  lat.  jubeö. 

ai.  variyän  'vorzüglicher'  :  ai.  vptdti,  ksl.  veUti. 

ai.  haniyän  'besser  schlagend'  :  gr.  d^eivw,  lit  geneti, 

ai.  tanlyan  'sich  mehr  streckend'  :  gr.  retVco,  lat.  tenEre. 

Anstatt  ai.  vediyän  wäre  also  *viddyan  zu  erwarten.  Der 
akzent  von  vediyän  und  die  reduktion  des  dehnstufigen  ablei- 
tungssuffixes findet  in  der  komposition  seine  erkULrung.  Die 
komponirten  komparative  ziehen  den  akzent  soweit  als  möglich 
zurück.  In  sämmtlichen  bekannten  fällen  ist  die  erste  silbe 
des  Vordergliedes  auch  die  tonsilbe.    Reuter  KZ.  31,  579. 

vgl.  viklsdiyän  'mehr  feuchtend',  präticyavlyan  'sich  mehr 
herandrängend',  üdyamiyän  'mehr  in  die  höhe  hebend'. 

Solche  in  der  komposition  entstandene  formen  fanden  dann 
auch  ausserhalb  derselben  ihre  Verbreitung  und  verdrängten 
schliesslich  die  ursprünglichen  formen  vollends. 

1)  Vgl.  näbhas  tdrxyan  'die  wölke  leicht  durchdringend',  Vftrdm 
häni^thah  *der  beste  Schläger  des  Vritra'.  Es  finden  sich  auch  falle,  wo 
der  Wurzel  eine  praeposition  vorgesetzt  ist:  dgami^tha,  'aufs  beste  her- 
beikommend'.   Vgl.  Whitney  Ai.  gr.  §  468. 


106  C.  Hentze 


Der  imperativische  inflnitiv  in  den  homerischen 

gedichten. 

Der  bedeutuDgsunterschied  zwischen  dem  imperativ  und 
dem  imperativischen  infinitiv  im  Griechischen  ist  auffallend 
spät  erkannt  und  klar  gestellt.  Zwar  hatte  Delbrück  bereits 
in  seiner  dissertation  de  infioitivo  Graeco,  Halle  1863,  in  dem 
gebrauch  der  Odyssee  einen  unterschied  zwischen  beiden  formen 
gefunden  und  dahin  bestimmt,  dass  der  imperativische  inf.  von 
handluDgen  der  entfernteren  Zukunft  stehe,  der  imperativ  da- 
gegen von  unmittelbar  oder  doch  in  der  nächsten  zukunft  zu 
vollziehenden  handlungen.  Dass  dieser  unterschied  sich  nicht 
auf  den  gebrauch  der  Odyssee  beschränkt,  sondern  in  gleicher 
weise  in  der  Ilias  sich  zeigt,  beobachtete  dann  Gaedicke  (Der 
accusativ  im  Veda,  Breslau  1880),  aber  erst  Rieh.  Wagner 
unterzog  in  dem  Schweriner  programm  1891  (der  gebrauch  des 
imperativischen  infinitivs  im  Griechischen)  den  gebrauch  in  den 
homerischen  gedichten  einer  gründlichen  Untersuchung.  Das 
hauptergebniss  dieser  ist,  dass  der  imperat.  inf.  bei  Homer 
seiner  bedeutung  nach  ein  futurischer  imperativ  ist.  Hinsicht- 
lich des  gebrauchs  aber  wird  festgestellt,  dass  er  in  Vorschriften, 
die  für  alle  zukunft  und  alle  fälle  gültig  sind,  selten  ist,  doch 
für  die  zweite  person  ohne  konkurrenz  des  Imperativs,  dagegen 
besonders  in  Vorschriften,  befehlen,  mahnungen,  Warnungen  ver- 
wendet wird,  die  sich  auf  einen  einzelnen,  nach  verlauf  einiger 
zeit  (zuweilen  nur  eventuell)  eintretenden  &11  beziehen  und  deren 
ausführung  häufig  mit  einem  Ortswechsel  verbunden  ist;  selten 
endlich  unter  zurücktreten  seiner  futurischen  bedeutung  zur 
bezeichnung  eines  energischen  befehls  oder  dringenden  Wunsches 
gebraucht  wird.  Diese  ergebnisse  hat  Delbrück  Vergl.  Syntax  U 
p.  454  ff.  im  wesentlichen  anerkannt.  Nach  ihm  ist  der  griech. 
inf.  genau  in  die  bedeutungssphäre  des  imperativs  auf  töd  ein- 
gerückt und  bezeichnet,  wie  dieser,  etwas,  was  erst  in  einem 
augenblick  der  entfernteren  zukunft  geschehen  soll.  Aehnlich 
bemerkt  Brugmann  Griech.  gramra.  *  p.  517,  dass  der  inf.  in 
die  bedeutungssphäre  der  imperativformen  auf  -tw  -ad-w  u.  s.  w. 
einrückte,  die  ursprünglich  bedeuteten,  dass  einer  aufforderung 
erst  in  der  zukunft  nach  einem  gewissen  Zeitpunkt  nachge- 
kommen werden  solle. 


Der  Imperativische  infinitiv  in  den  homerischen  gedichten.     107 

Indess  sind  durch  die  so  verdienstvolle  Untersuchung 
Wagners  nicht  alle  fragen  erledigt.  So  bedarf  namentlich  die 
bereits  von  Delbrück  a.  o.  II  p.'  456  bestrittene  annähme,  dass 
der  imperativische  inf.  in  einzelvorschriften  bei  geringerer  deut- 
lichkeit  der  futurischen  beziehung  von  dem  konkurrierenden 
imperativ  sich  durch  eine  grössere  intensität  und  einen  gewicht- 
voUereu  charakter  unterscheide,  und  überhaupt  das  verhältniss 
des  gebrauchs  beider  formen  noch  einer  näheren  Untersuchung. 
Sodann  ist  die  von  Wagner  verneinte  frage,  ob  innerhalb  der 
periode,  welche  die  homerischen  gedichte  umfassen,  eine  ent- 
wicklung  des  gebrauchs  in  einer  bestimmten  richtung  sich  ver- 
folgen lässt,  noch  einmal  aufzunehmen.  Endlich  werden  sich 
noch  weitere  spuren  von  dem  gebrauch  des  imperat.  inf.  3. 
person  verfolgen  lassen,  als  die  bekannten  spärlichen  beispiele 
bei  Homer  zunächst  ergeben. 

Wir  wenden  uns  zunächst  zu  dem  ganz  überwiegenden 

Gebrauch  des  imperativischen  infinitivs  der 

2.  person. 

Die  futui'ische  bedeutung  ergiebt  sich  vornehmlich  aus  den 
zahlreichen  beispielen,  in  welchen  der  imperat.  inf.  im  nach- 
satze  eines  futurischen  temporal-  oder  konditionalsatzes  oder 
konditionalen  relativsatzes  steht,  oder  mit  der  konstruktion  von 
itQiv  mit  inf.  verbunden  ist.  Wagner  zählt  in  den  hieher  ge- 
hörigen beispielen  im  ganzen  67  imperat.  infinitive  (II.  28,  Od. 
39);  ich  zähle  einige  mehr,  im  ganzen  78  (IL  32,  Od.  46)  i). 
Imperativ,  infinitive  2.  person  finden  sich  überhaupt  in  den 
homerischen  gedichten  nach  Wagners  Zählung  199  (IL  76,  Od. 
123),  so  dass  die  mit  futurischen  nebensätzen  verbundenen  über 
ein  drittel  der  gesamtzabl  ausmachen. 

1)  Es  geht  ein  nebensatz  voran  im  conjanctiv,  mit  int^v  O  148. 
n  454.  a  294.  «T  416.  €  S49f.  (2).  C  298  (2).  »  527  f.  (2).  k  121.  o  87  f. 
(4).  a  270.  /  443;  imt  xi  I  708  (2).  Y  837.  *  535;  ot*  av  H  460 
(2);  ot%  Xi  (T  422  (3);  onov'  av  4»  341.  x  511  (2).  C  304;  onors  x€  z#  42 
(2).  X  295.  l  132  (2).  v  166.  158.  n  285  296;  otpQ'  av  xt  C  261;  at  xi  E 
130.  261  ff.  (8).  T  147  (2).  *  504.  iff79]€txiE  182.  /  279.  281.  /T  89. 
92.  «  291  (8).  /i  164.  q  83.  ei  /^iv  xe  —  ei  Si  xe  |  895  ff.  (2);  el  KM7\ 
rflf  ne^  xal  n  277  f.  (2).  Der  nebensatz  folgt  nach :  mit  ^ntiv  n  95  (2) ; 
oT  av  z#  53;  5«  xe  Y  335.  n  287.  r  %,  al  xe  Sl  592.  fx  49.  Ein  hypo- 
thetischer relativsatz  geht  voran  /  288.  o  316.  a  286 ,  folgt  nach  W  246  ff. 
Ein  negativer  imperat  inf.  neben  n^Cv  mit  inf.  U  839  ff.  4>  294  ff, 
X  536  f. 


108  C.  Hentze 

Oleichwerthig  mit  futurischen  konditional-  oder  temporal- 
sätzen  sind  participia  des  aorists,  wie  J7  87  h,  vriwv  iXdaag 
Uvai  naXiv,  B  91  0  296  f,  tt  132  f.  283  flf.  Oft  gehen  dem 
imperativischen  infinitiv  auch  hauptsätze  im  fut.  voraus,  in 
denen  ein  Vorgang  als  zukünftig  eintretend  gesetzt  wird,  der 
für  die  im  inf.  geforderte  handlung  die  Voraussetzung  bildet, 
wie  X  296  ff.  rj  de  a  vfcodßiaaaa  xekrjaevai  evvtfj-^vai'  h^Q-a 
av  fitixer*  sneiv  aTtavfjvaad^ai  d'sov  svvqv  %tX,  ^),  Nicht 
selten  aber  ist  die  in  der  zukunft  liegende  Voraussetzung  für 
die  im  inf.  geforderte  handlung  gar  nicht  angegeben,  aber  aus 
dem  zusammenhange  leicht  zu  entnehmen:  aus  vorhergehenden 
futurischen  nebensätzen  X  259  (aus  256).  %  173  ff.  (aus  167). 
K  65  (aus  63).  y  327  vgl.  325 f.;  aus  vorbereitenden  Sätzen 
mit  lokalangaben  V  334 — 343  (wenn  du  dem  beschriebenen 
ziel  dich  genähert  hast),  o  33  f.  Sonst  V  83  vgl.  80  f.  (sinn : 
ordne  an,  dass  nach  deinem  tode  unsere  gebeine  vereinigt 
werden).  Ein  Ortswechsel,  welcher  der  geforderten  handlung 
vorausgehen  muss,  wird  ohne  weiteres  vorausgesetzt:  /  369 
(wenn  ihr  in  Agamemnons  zeit  zurückgekehrt  seid).  H  501  f. 
(wenn  ihr  nach  hause  gekommen  seid),  d  408  f.  (wenn  du  zu 
deinen  gefährten  zurückgekehrt  bist).  £  29  f.  X  441 — 43  (wenn 
du  nach  hause  gekommen  bist).  X  455  f.  (wenn  du  auf  der 
fahrt  nach  hause  bist),  v  307 — 10  (vgl.  306  dofioig  evi).  O 
500  f.  {fie%  äd'avaToiac  ^aolai  d.  i.  *im  saale  des  Zeus')  *). 

An  manchen  stellen  wird  die  im  inf.  geforderte  handlung 
durch  beigefügte  zeitadverbia  ausdrücklich  in  die  zukunft  ge- 
rückt: durch  cTteiTa^  wobei  die  zunächst  vorzunehmende  hand- 
lung theils  vorangeht:  V  245 — 248  [ausdrücklich  mit  vvv  be- 
zeichnet  X  437 — 439,   wo  yuxd-aiQeiv  aber  wahrscheinlich  im- 

1)  Die  beispiele  gehören  bis  auf  eins  nur  der  Odyssee  an.  An  der 
spitze  des  parataktischen  naohsatzes  steht  ^rj  tot*  t^mira  x  529  ff.,  auf- 
forderndes dXXd  fi  39  ff.  101—109-  121--124.  (p  232  ff.,  ein  persönliches 
pronomen  als  subjekt  des  inf.  mit  Si  B  73—76.  S  417--19.  l  248—50. 
n  283—85  und  295,  nur  di  y  325—27,  asyndetisch  V'  362—365.  Dem 
futurischen  satze  sind  Ortsbeschreibungen  oder  undere  angaben  ange- 
schlossen, welche  an  der  spitze  des  naohsatzes  mit  localem  tv^a  aufge- 
nommen werden:  C  291—95.  v  407—11,  ähnlich  »  512—521.  X  69—78, 
auch  C  304—10. 

2)  Hierher  würde  auch  B  806  gehören,  wenn  mit  Düntzer  nach 
dem  vorschlage  von  Heyne  an  stelle  des  handschriftlich  überlieferten 
lli\yttü^(a  zu  schreiben  wäre  l^^cttf^»:  'du  führe  jene  (die  Troer)'. 


Der  imperatiyische  Infinitiv  in  den  homerischen  gedichten.     109 

perat.  inf.  3.  person  ist],  theils  nachfolgt,  mit  vvv  di  T  147  f. 
l  250 f.,  ohne  verbum  mit  lye  nat  avrixa  vvv  V  551  f.,  einmal 
durch  dsmsQov  avre  nach  vvv  W  602 — 605;  durch  ^c59ev  nach 
vorhergehendem  imperativ  q  599  f.  r  317 — 320,  Sfi  ^ol  q)ai- 
vofi€vrjq>iv  t]  222  (nach  Aristarchs  lesart  OTQvvea&aiy  Zenodot: 
oTQvvead^e).    Vgl.  auch  /  705 — 9. 

Als  futurisch  erweist  sich  der  imperat.  inf.  auch  ohne  tem- 
porales adverb,  wenn  zwei  aufforderungen  einander  folgen,  von 
denen  die  erste  im  imperativ,  die  zweite  im  infinitiv  steht.  Der 
vorangestellte  imperativ  enthält  mehrfach  die  bezeichnung  eines 
Ortswechsels:  ^  322 f.  eQxsa&ov  ychairiv  nrjXriiddeü}  ^AxiXfjog' 
%Biqdq  klovT  dyifißv  Bgcarilda,  B  SS,  ßdax  l&i  —  d-odg  irtl 
vijag  *A%tiLiiav*  ek&(ov  ig  nXiaitjv  ^u^yafiifivovog  —  ayogsvifiev, 
O  158  f.  1).  Anschluss  des  inf.  mit  di  J  101  y  17—19  vgl. 
323 — 327.  Selten  wird  bei  imperat.  inf,  der  Ortswechsel  durch 
das  participium  eines  verbums  der  bewegung  bezeichnet,  wie 
P  691  f.  dl^  av  y  oHxf)  l^x^i^^  &iiav  irtl  vijag  ^u^xaidSv  eU 
Ttelv  und  o  543  f.,  oder  durch  eine  locale  bestimmung  beim 
verbum  angedeutet,  wie  T  194  dwQa  ifirjg  rtaqct  vrjog  evet," 
xifiev.  Ein  zwischen  beiden  handlungen  liegender  Ortswechsel 
ist  nicht  bezeichnet  o  151  f.  xalqEtovj  ä  xovqw  xal  Niatogc 
Ttoifievi  kadßv  BiTtüvy  wo  xaiQBiv  zu  ergänzen  ist,  ^auch 
Nestor  sagt  meinen  gruss'  (wenn  ihr  zu  ihm  gekommen  seid). 
Ebenso  O  229  f.  dXXa  ovy  iv  %e/^€(7(7t  Xd^  aiyida  d-vaa- 
voeaaav  t^v  fxd)!  iTtiaaelwv  q>oßieiv  *u4.x'^^ovg'  Apollo  soll  so- 
gleich (noch  auf  dem  Ida,  wo  er  mit  Zeus  sich  befindet)  die 
aegis  ergreifen  und,  wenn  er  auf  das  Schlachtfeld  gekommen, 
sie  schwingen.  —  Es  kommt  noch  ein  beispiel  in  betracht,  in 
welchem  die  lesart  nicht  feststeht:  ^140  ff.  vfieig  fisv  vvv  övre 
&aldaafjg   evgea  mXuov  oxpoptsvai  re  yigov^  aXiov  —  xa/  oi 

1)  Noch  würde  hieher  gehören  ui  611  dlV  t&i  —  Ni€ttoQ^  Hquo, 
wenn  die  anstössige  form  I^m>  mit  v.  Leeawen-Mendes  da  Costa  duroh 
iQäa&M  oder  mit  Brandreth  dnrch  i^ad^ai  zu  ersetzen  wäre.  —  Be- 
merkenswerth  ist  auch  die  zu  JV466  oJlJl'  l^nev,  *AXxad^ip  inafivvofiiv  im 
Vind.  6  sich  findende  Variante  ina/iw^/iev,  far  welche  spricht,  dass  im 
folgenden  der  von  Deiphobos  hier  aufgeforderte  Aineias  allein  gegen 
Idomeneas,  der  Alkathoos  erlegt  hat,  vorgeht  and  v.  490  Deiphobos  zu 
hülfe  mft.  Aristarch  wird  den  inf.  yerworfen  haben,  weil  an  hnv 
'komm  mit'  sich  nie  ein  imperativ  oder  inf.  schliesst,  sondern  entweder 
ein  adhortativer  ooig.  oder  ein  absichtssatz. 


HO  C.  Hentze 

nav%  dyoQsvaai,  wo  die  handschriften  dyoQevaav^  geben,  wäh- 
rend Zenodot  dyoQevaai  las,  worüber  Didymos  bemerkt:  xat 
vftoq>alvei  to  ^OfitjQixdv  i'd'og:  Ludwich  Ar.  H.  T.  I  p.  429. 
Gleichwohl  sind  nur  Bekker,  Nauck  und  Fick  Zenodot  gefolgt. 
Nun  stossen  wir  aber  auf  eine  reihe  von  beispielen,  in 
welchen  der  Wechsel  von  imperativ  und  infinitiv  nicht  ohne 
weiteres  verständlich  ist,  theils  weil  die  bezeichneten  hand- 
lungen  ohne  Ortswechsel  in  unmittelbarer  folge  einander  auf- 
nehmen oder  weil  sie  von  der  betrachteten  reihe  sonst  in  auf- 
fallender weise  abweichen.  Zunächst  zwei  beispiele,  in  welchen 
dem  imperativ  eines  verbums  der  bewegung  nicht  der  imperat. 
inf.  folgt,  sondern  zunächst  ein  zweiter  imperativ  und  dann  erst 
der  infinitiv:  Z  209  flf.  dlXä  av  fiiv  nqbg  yr]dv  ^Ad-rpfair}q  — 
eQ%BO  —  TtinXov  de  —  tov  d'ig  ^^dTjvairjg  ifti  yovvaaiv  —  xa/ 
Ol  vnoa%ia9cii  .  .,  wo  man  9Bivai  an  stelle  von  %dv  9ig  er- 
warten sollte,  umsomehr,  als  in  der  vorläge  v.  92  9eivai  steht, 
und  X  402  flf.  eqx^o  vvv  irtl  vija  9orjv  —  vria  pth  aq  TtdfiTCQia^ 
TOV  iQvaaare  i^rtsiQovde,  utrlfiora  d*  iv  arctjeaac  fteldaaate  — 
avTog  d'  atfj  iivai  xat  ayeiv  iQitiqag  ktaigovg  ^).  Hier  ist  aber 
in  bezug  auf  den  anschluss  eines  zweiten  imperativs  an  den 
imperativ  eines  verbums  der  bewegung  sofort  festzustellen,  dass 
dieses  der  regelmässige  gebrauch  ist,  dem  gegenüber  die  wenigen 
beispiele,  in  welchen  an  stelle  des  zweiten  imperativs  der  im- 
perativ, inf.  folgt,  nur  als  ausnahmen  erscheinen.  Und  zwar 
schliesst  sich  einem  eQxso  oder  i&v  ein  zweiter  imperativ  nicht 
nur  dann  an,  wenn  jene  ohne  Ortsangabe  wie  eine  art  verschlag 
diesem  vorausgeschickt  sind,  so  dass  sie  sich  der  bedeutung 
einer  auflfbrderungspartikel  nähern,  sondern  auch  da,  wo  in- 
folge der  hinzugefügten  Ortsbestimmungen  die  Vorstellung  ge- 
geben ist,  dass  eine  längere  oder  kürzere  zeit  verlaufen  wird, 
ehe   die   zweite    handlung    ausgeführt  werden   kann  *).      Diese 

1)  Wäre  die  von  Eirchhoff  d.  hom.  Od.  p.  219  and  Fick  über 
V.  408  f.  ausgesprochene  athetese  beg^ndet  und  schriebe  man  nach 
aussoheidang  dieser  beiden  verse  statt  avrof  405,  sei  es  mit  Eirchhoff 
xil&Bv^  sei  es  mit  Fick  av&is,  so  wäre  das  verhältniss  von  ^^jjffo  und 
Uvai  das  gleiche,  wie  in  den  oben  angefahrten  beispielen. 

2)  Ich  gebe  eine  vollständige  Übersicht  des  gebrauchs.  Nach  l(V^fo 
{iQX^^^^)  ^olgt  ein  zweiter  imperativ :  asyndetisch  M  34S.  x  820.  402  f. 
n  130  f.  Q  508.  529.  544,  mit  ^i  Z  269  f.  r  28ff.  a  314  ff.  {[leriQx^o 
Z  86),  mit  xaC  I  649.  O  54;  nach  il&4  mit  xa£  i2  112f.  a  284,  nach 
ifaik&i  mit  xa£  Z  354;  Hd^m  mit  ^i  «i  214  f.,  nach  id^i  asyndetisch  B 


Der  imperativische  infinitiy  in  den  homerischen  gedichten.     111 

heohachtung,  sowie  die  andere,  dass  auch  da,  wo  ein  Orts- 
wechsel durch  das  participium  eines  verbums  der  bewegung 
mit  oder  ohne  Ortsangabe  angezeigt  ist,  der  imperativ,  und 
nicht  der  infinitiv,  regelmässig  gebraucht  wird  (nur  zwei  aus- 
nahmen sind  p.  109  bemerkt),  ergiebt,  dass  der  Ortswechsel, 
durch  den  die  zweite  handlung  in  die  Zukunft  gerückt  wird, 
jedenfalls  für  die  wähl  der  imperativischen  form  nicht  das  ent- 
scheidende oder  wenigstens  nicht  das  allein  entscheidende  mo- 
ment  ist.  In  den  beiden  in  frage  stehenden  beispielen  sind 
also  die  beiden  zunächst  vorzunehmenden  handlungen  als  eng 
zusammengehörig  in  derselben  form  des  imperativs  gefordert, 
die  weiter  hinzukommende  aber  durch  eine  andere  form  davon 
gesondert  Dafür  wird  in  x  402  fif.  massgebend  gewesen  sein, 
dass  die  rückkehr  des  Odysseus  erst  nach  abschluss  der  vor- 
hergehenden handlung  (der  bergung  des  schiffes  und  der  guter) 
eintritt,  wofür  die  beispiele  11  451 — 454  und  O  531 — 535  zu 
vergleichen  sind,  in  denen  vor  dem  imperat.  inf.  durch  einen 
futurischen  temporalsatz  ausdrücklich  der  abschluss  eines  bei 
dem  vorhergehenden  imperativ  bezeichneten  Vorgangs  angezeigt 
wird.  Dagegen  ist  in  Z  269  ff.  kein  grund  ersichtlich,  weshalb 
die  unmittelbar  zusammengehörigen  handlungen  der  weihung 
des  gewandes  und  der  zusage  eines  opfers  durch  verschiedene 
imperativformen  bezeichnet  sind;  man  möchte  vermuthen,  dass 
fär  die  wähl  des  inf.  die  vorläge  Z  93  bestimmend  gewesen, 
obwohl  diese  vorläge  in  v.  273  {d-ig  statt  d-eivai  92)  verlassen 
ist.  Aber  auch  sonst  ist  der  Wechsel  von  imperativ  und  Infini- 
tiv nicht  überall  verständlich.  In  F  458  f.  freilich,  wo  die 
handschriften  mit  Axistarch  geben:  viieis  S*  ^u^oyelriv  ^EUvi^v 
%ai  %%rjiia9^  oifi  avvfj  Ixdor«,  xai  Tifitiv  anonvifAsv  (Zenodot: 
aTtavlverov  irrig  als  pluralform  gefasst),  können  Ahrens  und 
la  Roche  (Hom.  unters.  II  p.  74)   recht   haben   mit  der   ver- 

16Sff.  179  ff.  X  lß7f.  r482.  JT  68.  176  f.  ui  611.  TUlt,  mit  ««/ 
V  646.  tf  171 ;  nach  ßaax  t^i  asyndetiseh  9  399.  ui  186.  Sl  144  f.,  mit 
xal  auch  Sl  836 f.,  nach  ^|»r£  mit  cf/  ß  189.  —  Ein  Ortswechsel  wird 
beim  imperativ  daroh  das  participium  eines  verbums  der  bewegung  mit 
oder  ohne  Ortsangabe  angezeigt:  durch  twv  A  179  f.  Z490f.  »  a  866  f. 
»  9  360 f.  /  421  f.  2  198.  SL  704.  ß  178.  288  f.  ^  142.  ^  184.  ff  408; 
durch  xuav  N  294;  durch  ll^w  A  394.  ^  38  f.,  iM&ovn  {res)  tp  90. 
X  376,  iiail&tav  Sl  466 f.;  «vaßäaa  (f  761  f.  V'  364 f.  ^iw  x  106;  na^- 
iS/ievof  V  884;  (pi^w  ^  846,  ayw  A  828  ff. 


112  C.  Hentze 

muthang,  dass  die  ursprüngliche  lesart  anoTlvere  wegen  des 
Hiats  korrigiert  sei,  (v.  Leeuwen-Mendes  da  Costa  haben  so  ge- 
schrieben). In  8  162  f.  femer:  dXi!  aye  dovQava  ficmQa  rafitov 
aqiiotßo  %akyLfp  avQsiav  axedltiv  ätäq  YnQca  Tt^^ai  in  avtrjg 
ist  die  erklärung  Wagners  (p.  23),  welcher  nfj^ai  als  imperat. 
inf.  aor.  I  act  fasst,  ^weil  die  befestigung  der  Xmqia  erst  ge- 
schehen konnte,  wenn  das  floss  im  übrigen  fertig  war'  annehm- 
bar (indess  bleibt  auch  die  möglichkeit  die  form  als  imperat. 
aor.  I  med.  zu  fassen;  einige  handschr.  bieten  nrj^ov).  Diese 
erklärung  ist  aber  nicht  anwendbar  auf  das  beispiel  X  339  fif. 
fiT^  fis  Sa  Tcaga  vtjvai  xvvceg  KOtaddtpai  lAxaiiSvy  äXXa  av  fiiv 
Xctlxov  T8  aXig  xqvaov  tb  dide^o  dwQaf  td  toi  ötSaovai  na%rfi 
aal  TCOTvia  fujTtjQy  awpta  de  ovxai*  ifiöv  ödfisvai  ftdXiv.  Denn 
empfang  (oder  annähme?)  des  lösegeldes  und  auslieferung  der 
leiche  sind  zwei  so  unmittelbar  zusammengehörige  handlungen, 
dass  ein  Wechsel  der  imperativformen  zu  dem  zweck,  genau  zu 
bezeichnen,  dass  die  zweite  erst  nach  abschluss  der  ersten  er- 
folgen solle,  durchaus  nicht  zu  erwarten  ist.  Dazu  kommt  das 
andere  bedenken,  dass  beide  handlungen  der  zukunft  ange- 
hören und  zur  Voraussetzung  haben,  dass  die  leiche  in  das 
lager  gebracht  und  ein  lösegeld  angeboten  ist,  daher  nicht 
diöe^o,  sondern  dix^a&ai  zu  erwarten  wäre  ^).  Aber  diese  Vor- 
aussetzung gilt  auch  schon  für  die  erste  bitte  in  339,  wo  sie 
auch  in  der  Ortsbestimmung  rcaga  vtjvai  deutlich  enthalten  und 
trotzdem  nicht  der  futur.  inf.  iii]  fie  iäaai^  sondern  der  impe- 
rativ fi^  fi€  sa  gesetzt  ist.  Hier  bietet  sich  nun  ein  neuer  ge- 
sichtspunkt,  von  dem  aus  eine  reihe  von  beispielen  zu  beur- 
theilen  sind, -in  welchen  handlungen,  welche  unter  der  Voraus- 
setzung, dass  eine  andere  vorhergegangen  ist,  erst  in  der  Zu- 
kunft zu  vollziehen  sind,  doch  nicht  im  infinitiv,  sondern  im 
imperativ  gefordert  werden.  Der  grund  ist  hier,  dass  Hektor 
die  von  Achill  335  f.  ausgesprochene  absieht  seine  leiche  hunden 
und  vögeln  preiszugeben  abwehrt:  iirj  /u«  lix  ist  dem  sinne 
nach :  gieb  die  absieht  auf,  und  dem  entsprechend  ist  auch  bei 

1)  6ix^a9m  bietet  die  handsohr.  H.  (Vindob.  117)  bei  la  Roche 
statt  diSt^o  und  darin  vermuthet  Delbrück  Vergl.  synt.  II  p.  191  die  ar- 
sprüngliohe  lesart,  aber  deshalb,  wie  es  scheint,  weil  er  für  das  perf. 
diS%Y(iai  nur  die  bedeutungen  'standhalten'  and  'warten  aaf  anerkennt. 
Aber  d^d^yfiivog  A  124  wird  doch  nur  heissen  können  'empfangen 
habend'. 


Der  imperatiYische  infinitiy  in  den  homerischen  gedichten.     113 

dem  positiven  gegensatz  dXXa  —  dide^o  nicht  daran  gedacht, 
dass  die  ausfuhrung  der  handlung  der  znkunft  angehört,  son- 
dern die  bitte  geht  auf  eine  von  Achill  augenblicklich  abzu- 
gebende erklärung,  dass  er  das  in  aussieht  gestellte  lösegeld 
annehmen  werde.  Ein  weiteres  schlagendes  beispiel  für  diesen 
gebrauch  des  Imperativs  ist  Q  137  diX  aye  d^  Xvaov^  vskqoIo 
de  di^v  aTtoiva^  wo  es  sich  ebenfalls  nicht  um  die  sofortige 
lösung  der  leiche  handelt,  sondern  um  den  entschluss  Achills 
seine  bisherige  ablehnende  haltung  aufzugeben  und  eine  dem 
entsprechende  erklärung.  Aehnlich  il  451  eaaov  vgl.  458  S. 
Von  hieraus  sind  nun  auch  die  beispiele  zu  verstehen,  in  denen 
eine  der  geforderten  handlung  vorhergehende  ausdrücklich  im 
part.  aor.  bezeichnet  ist  und  doch  nicht,  wie  in  den  p.  108 
verzeichneten  beispielen,  der  imperat  inf.,  sondern  der  impe- 
rativ zum  ausdruck  der  forderung  gewählt  ist.  In  drei  bei- 
spielen spricht  der  redende  im  imperativ  seine  Zustimmung  aus 
zu  einem  vom  angeredeten  soeben  ausgesprochenen  anerbieten 
oder  entschluss,  verknüpft  damit  aber  die  forderung,  dass  er 
vor  der  in  absieht  genommenen  handlung  eine  andere  vollziehe, 
die  er  im  partic.  aor.  entweder  dem  imperativ  folgen  lässt: 
Q  599  av  d'  e^eo  deiekiijaag  vgl.  593:  *gehe,  aber  vespere  zu- 
vor', und  a  171  ff.  vgl.  164 f.,  oder  vorausschickt:  T  34ff. 
dlld  avy  elg  dyoQ^  xaliaag  ^qühxq  l^df^atov^,  fiiiviv  dnoamwv 
—  otlxpa  iidK  ig  nclefiov  ^wQtflaeo  —  'rüste  dich,  aber  berufe 
zuvor'  vgl.  23.  (Vgl.  auch  x  106  mit  101).  Nehmen  wir  dazu 
fr  150  dild  av  /  dyyeilag  OTtlaw  Kie  'sobald  du  die  meidung 
gemacht  (im  palast  der  Penelope),  kehre  zurück'  (von  der.  Stadt 
auf  das  gehöft),  wo  die  aufforderung  im  gegensatz  zu  einem 
anerbieten  des  Eumaios  (137)  ausgesprochen  wird,  so  ergiebt 
sich,  dass  im  imperativ  der  wille  des  redenden  mit  bezug  auf 
den  ausgesprochenen  willen  des  andern  entschiedener  zum  aus- 
druck kommt,  ohne  rücksicht  auf  das  temporale  verhältniss  der 
geforderten  handlung  zur  gegenwart  des  redenden,  wogegen 
dieses  bei  der  wähl  des  imperat.  inf.  vorzugsweise  in  betracht 
gezogen  wird.  In  tt  150  ff.  folgen  dem  imperativ  sofort  imperat 
infinitive  mit  rücksicht  darauf,  dass  die  handlungen  erst  voll- 
zogen werden  können,  nachdem  Eumaios  vom  gehöfte  sich  in 
die  Stadt  begeben  hat. 

In  dem   eben  besprochenen  beispiel  befremdet  freilich  der 
rasche  Wechsel  der  Imperativformen,  weil  der  positiven  aufforde- 

Baitrlg«  i.  kanito  d.  indg.  apraeben.    XXVII.  8 


114  C.  Hentze 

rung  zunächst  eine  negative  ausfuhning  folgt,  die  doch  dieselbe 
ausdrucksfonn  zu  verlangen  scheint:  oniaio  xie,  firjde  "Kar' 
dygovg  nldCßod'ai  fi€%  ixelvov.  Von  dieser  erscheinung  finden 
sich  noch  folgende  beispiele:  E  605  dXXd  ngög  T^uktg  Terga/Ä' 
fihoi  aliv  onlaao}  aYxete,  firjdi  d'edig  fieveaivifASv  lq)i  fiaxsad'ai 
(wo  nach  Bentleys  verschlag  Christ  und  v.  Leeuwen-M.  wegen 
des  digammatischen  anlauts  von  upc  schreiben  (levealveTe), 
a  105  kvrav^di  vvv  rjao  avag  tb  yLvvag  x  ditBqxjyuay^  (iiridi 
av  y€  ^eivdSv  xai  7tT(ax(ov  xoiqavog  alvai  XvyQog  iiiv.  In  nicht 
so  enger  Verbindung  mit  dem  imperativ  steht  der  inf.  mit  firjde 
Q  277  el  d*  i&eXeig^  irti^ecvov^  iyat  d^  elfii  ftQOTtaQOi&sv'  firjde 
av  dri&vvBLv.  Nach  dem  gedankenverhältniss  beider  glieder  ge- 
hört hieher  auch  K  235 ff.,  wo  im  ersten  gliede  der  imperativ 
durch  das  futurum  vertreten  wird.  Wagner  p.  24  misst  den 
mit  uridi  eingeführten  Infinitiven  ein  grösseres  gewicht  bei,  als 
den  imperativen,  und  erkennt  in  E  606  und  a  106  in  denselben 
für  alle  zukunft  geltende  verböte  bezw.  Warnungen.  Diese  auf- 
fassung  ist  aber  den  übrigen  beispielen  gegenüber  nicht  haltbar. 
Wirklich  futurisch  im  verhältniss  zu  der  im  imperativ  sofort 
geforderten  handlung  ist  die  mit  lArjöi  im  inf.  bezeichnete  nur 
a  105  f.  und  q  211  i,  (wenn  ich  hineingegangen  bin),  und 
nur  an  der  ersteren  stelle  geht  die  geltung  der  warnung  über 
die  nächste  zukunft  hinaus.  An  den  drei  andern  stellen  da- 
gegen bildet  der  infinitiv  mit  iirjöi  die  negative  ausführung  zu 
dem  vorhergehenden  positiven  imperativ.  Ich  weiss  damit  nur 
beispiele  zu  vergleichen,  wo  einem  positiven  imperativ  ein  mit 
firjdi  angeschlossener  optativ  folgt,  wie  F  159 f.  406 f.:  der 
positiven  aufforderung  gegenüber  mochte  die  abgelehnte  mög- 
lichkeit  dem  Sprachgefühl  in  eine  gewisse  ferne  gerückt  er- 
scheinen, für  welche  dort  der  optativ  des  Wunsches  oder  der 
Vorstellung,  hier  der  infinitiv  die  passende  ausdrucksform  schien. 
Dasselbe  verhältniss  zwischen  imperativ  und  negiertem  inf.  würde 
bestehen  in  B  163 — 165  und  179 — 181,  wenn  Naucks  ver- 
muthung  (xri^  idav  statt  der  Überlieferung  /Ätidi  ka  die  ur- 
sprüngliche lesart  herstellte,  vgl.  aber  Ameis-Hentze  Anhang 
zur  Dias  1»  p.  120. 

Die  umgekehrte  folge  der  geforderten  handlungen,  der  art, 
dass  die  später  auszuführende  im  inf.  vorangestellt,  die  früher 
zu  vollziehende  nachgebracht  wird,  zeigen  folgende  beispiele: 
k  248  ff.  naqinXofiivov  d*  iviavwov  ve^sig  dyXad  %iiff,va  —  av 


Der  imperativische  infinitiv  in  den  homerischen  gedichten.     115 

de  Tovg  xofihiv  dTaklifisvai  Te.  vvv  rf*  SQX^  TtQog  dStfia  xat 
XaxBo,  In  K  65  ff.  hat  avd^L  fiivsiv  zur  Voraussetzung,  dass 
Menelaos  vorher  Idomeneus  und  Aias  gerufen  hat  und  mit 
ihnen  zu  den  wachen  gegangen  ist;  das  q>9iyy€o  aber  soll  er 
vorher,  auf  dem  wege  zu  den  genannten,  ausführen.  In  O  231  ff. 
ist  der  zuerst  auszuführende  auftrag,  übereinstimmend  mit 
V.  221,  eyecQe,  nach  welchem  der  vorher  im  inf.  ertheilte  (qpo- 
ßieiv)  ausgeführt  wird.  Vgl.  indess  Hentze  Anhang  zur  II.  5* 
p,  103  f. 

Auffallend  erscheint  wieder  der  Wechsel  der  Imperativ- 
formen, wenn  ein  im  imperativ,  inf.  ertheilter  auftrag  durch 
einen  asyndetisch  angeschlossenen  imperativ  ausgeführt  wird: 
B  8 — 11  ßdax  Vd-t  —  Ttdvra  fiaX^  dxQ&Uwq  äyoQcvifuv^  (ig 
iTcivellü)'  d-wQij^al  i  yUleve  . .  .  Aehnlich  O  158 — 160.  Ohne 
zweifei  war  für  die  wähl  des  imperativ,  inf.  dyoQevifiev  das 
temporale  verhältniss  dieser  handlung  zu  dem  vorhergehenden 
imperativ  ßdax  i&i  bestimmend,  dieses  trat  dann  aber  in  den 
gedanken  des  redenden  zurück,  weil  durch  wg  irciTeUito  wie 
O  159  durch  ndvza  tdde  der  Wortlaut  der  auszurichtenden 
botschafb  angekündigt  wird,  den  er  jetzt  vernehmen  soll.  An- 
derer art  ist  e  342  ff.,  wo  der  imperativ,  inf.  dXJid  fidX  Jd' 
eQ^ac  .eine  reihe  von  rathschlägen  zusammenfassend  einleitet, 
die  sich  nicht  nur  auf  die  gegenwart,  sondern  zum  theil  auch 
auf  die  zukunft  beziehen,  während  der  gleichen  einleitenden 
formel  ^  258  ff.  nur  anweisungen  für  die  zukunft  folgen. 

Die  futurische  bedeutung  des  imperat.  inf.  ist  überhaupt 
und  insbesondere  in  seinem  verhältniss  zum  imperativ  durch 
ein  reiches  material  zweifellos  festgestellt;  die  nicht  sehr  zahl- 
reichen beispiele,  welche  an  stelle  des  zu  erwartenden  inf.  den 
imperativ  zeigten,  liessen  sich  meist  befriedigend  erklären.  Es 
sind  nun  einige  stellen  zu  besprechen,  in  welchen  eine  futuri- 
sche bedeutung  des  imperat.  Infinitivs  nicht  annehmbar  ist 

Wagner  macht  für  die  erklärung  dieser  beispiele  zum  thdl 
von  seiner  annähme  gebrauch,  dass  dem  inf.  in  einzelvor- 
schriften  bei  geringerer  deutlichkeit  der  futurischen  beziehung 
eine  grössere  intensität  und  ein  gewichtvollerer  Charakter  eigen 
sei,  als  dem  imperativ.  Allein  die  für  diese  annähme  geltend 
gemachten  gründe:  das  grössere  gewicht,  das  ihm  schon  die 
längere  form  verleihe,  und  namentlich  die  beobachtung,  dass 
besonders  gern  göttliche   wesen   zu  sterblichen  in   imperativ. 

8* 


116  C.  flentzö 

infinitiven  sprechen,  haben  geringes  gewicht.  Der  weitere  ge- 
sichtskreis,  in  dem  sich  der  imperativ,  inf.  bewegt,  und  die 
abhängigkeit  der  zukünftigen  handlung  von  Voraussetzungen 
verträgt  sich  nicht  wohl  mit  der  annähme  einer  grösseren  in- 
tensität  der  bedeutung.  Erscheinungen,  wie  der  mit  /uijd^  ein- 
geführte imperat.  inf.  nach  vorhergehendem  imperativ,  begün- 
stigen dieselbe  auch  nicht,  vgl.  p.  114. 

Von  einer  sofort  auszuführenden  handlung  steht  der  imperat. 
inf.  an  folgenden  stellen:  1)  J  Gif.  av  de  d'äaaov  ^Adrjvali] 
iTtiTBilai  .  .  .)  vgl.  68  f.  2)  auch  in  ^  20,  wo  man  nach 
Wolf  jetzt  gewöhnlich  liest :  ndida  d*  ifioi  kvaal  ve  (piXrjv  za 
%  OTtoiva  dix^adai,  richtet  sich  die  bitte  des  Ghryses  auf  die 
sofortige  losgabe  der  tochter  —  er  hat  das  lösegeld  bereits  zur 
stelle  gebracht  — ,  der  gedanke  an  eine  längere  Zwischenzeit, 
welche  bis  zur  wirklichen  lösung  verlaufe,  liegt  ganz  fern.  3) 
€  346  rij  diy  rode  HQT^defivov  vtvo  ateqifoio  zavvaaai.  Vorher- 
gehen imperative:  343,  aX^axa  xavx  aTtodvg  axedirjv  avefiotai 
q>iQ€ad'aL  naXkiTve  xtI.  von  sofort  auszuführenden  handlungen, 
und  das  ablegen  der  kleider  und  anlegen  des  Schleiers  folgen 
so  unmittelbar  aufeinander  (vgl.  373  avrUä)^  dass  die  Unter- 
scheidung eines  früher  und  später  durch  verschiedene  Impera- 
tivformen unwahrscheinlich  ist.  —  In  diesen  drei  beispielen 
lässt  sich  der  infinitiv  allerdings  leicht  beseitigen.  In  no.  1 
giebt  Apollon.  de  synt.  78,  14  mit  iTfitetlaL  vielleicht  die  ur- 
sprüngliche Schreibung.  In  no.  2  kann  mit  la  Roche,  Leaf, 
Rzach  der  am  besten  (in  ^  beglaubigte  optativ  kvaaiTs  her- 
gestellt werden,  der  als  ausdruck  einer  bitte  der  stelle  auch 
wohl  angemessen  ist.  Liest  man  dann  aber  weiter  mit  AD  va 
d*  anotva  {%d  x  ist  konjektur)  dix^ad-ai,  so  ist  auch  hier  der 
futur.  imperativ  auffallend,  weil  der  empfang  des  bereit  liegen- 
den lösegeldes  ein  mit  der  rückgabe  der  Ghryseis  eng  verbun- 
dener akt  ist.  Keine  analogie  bietet  X  340  ff.  vgl.  p.  112,  es 
bleibt  nur  Z  273  f.  zu  vergleichen  mit  dem  ebenfalls  nicht 
recht  erklärlichen  Wechsel  von  imperativ  und  inf.  Sonst  müsste 
man  sich  für  die  von  C  gebotene  lesart  dixead'e  entscheiden. 
In  no.  3  aber  wird  sich  empfehlen  den  in  einigen  handschr. 
gegebenen  imper.  aor.  I  med.  rdwaoai  in  den  text  zu  setzen, 
dem  auch  la  Roche  zuneigt,  freilich  nur  wegen  der  medialen 
form.  Nach  dem  imperativischen  rij  folgt  sonst  überall  der 
imperativ.  —  4)  In  dem  heroldsruf  ^  11£  dsvt  iiye,  OavijKwv 


Der  imperatiyische  Infinitiv  in  den  homerischen  gedichten.    117 


"^yi^Togeg  tjdi  /Aidovregf  elg  dyoQtpf  iivai  ist  der  imperab  Inf. 
nach  öavTs  abweichend  von  dem  regelmässigen  gebrauch,  der 
sonst  nach  devQOf  devza  nur  den  imperativ  kennt.  Möglich, 
wenn  auch  nicht  sehr  wahrscheinlich,  ist,  dass  dsvT  Uvat  nach 
analogie  von  Wendungen,  wie  OQoeo  —  Tcdhvd'  i'/^sv  ^  255) 
zusammengestellt  und  iivai  inf.  des  zwecks  wäre.  —  5.  ^  582  f. 
dkka  ah  zov  y  liti^ooi  Tiad'dTtraadxxi  fiakoKoiaiv'  av%l%  Bnatd' 
Ikaoq  ^Olvfimog  eaaetai  rjfiiv  —  ^).  Ist  die  in  der  anmerkung 
gegebene  auffassung  der  stelle  begründet,  so  enthält  sie  ein 
nicht  zu  beseitigendes  beispiel  dafür,  dass  der  imperativische 
inf.  von  einer  sofort  auszuführenden  handlung  gebraucht  ist. 

Keinem  zweifei  dagegen  unterliegt  die  futurische  bedeutung 
des  imperat.  inf.  in  folgenden  beispielen:  T  147  f.  dcuga  ^iv^ 
CLL  %  id'ilrjad'a^  Ttaqaaxifiev  —  ?y  t  i%i(Aev'  rtaqa  aoL  vvv  de 
fivtiawf^ed'a  %dq^rig  alxpa  fictXa:  Achill  weist  Agamemnons  aner- 
bieten, sofort  die  geschenke  holen  zu  lassen,  schroff  zurück. 
Voraussetzung  für  den  imperat.  inf.  ist  die  beendigung  des 
kampfes,  wie  der  folgende  gegensatz  vvv  di  zeigt.  Vgl.  auch 
p.  114f.  —  'kp  364  f.  sig  vrtB^  dvaßSaa  —  ^ad'aif  ^rjdi  xiva 
TtQozioaaeo  iitj^  igieive:  dass  hier  nach  dem  formelverse  364 
statt  des  imperativs  (d  752.  q  50)  der  imperat.  inf.  folgt,  er- 
klärt sich  daraus,  dass  Penelope,  als  Odysseus  sie  auffordert, 
nicht,  wie  dort,  im  frauengemach  oder  im  männersaal  sich  be- 
findet, sondern  im  ehegemach  im  hinteren  hofe,  und  zwar  noch 
im  bette,  also  erst  aufstehn,  sich  ankleiden  und  in  das  haus 
gehen  muss,  ehe  sie  zum  obergemach  hinaufsteigen  kann.  Ganz 

1)  Wagner  p.  24  nimmt  an,  dass  der  von  Hephaistos  seiner  mutter 
ertheilte  rath  nicht  nur  für  den  vorliegenden,  sondern  auch  für  alle  zu- 
künftigen falle  gelte.  Aber  es  gilt  doch  nur  ein  entweder  —  oder.  Die 
fallsetzung  580  f.  ilniQ  yttq  x  id-ikyaiv  X)lvfinios  dareQonfirrg  H  kSiwv 
arvipiXC^at  kann  unmöglich  allgemein  gefasst  werden,  sondern  ist  nur 
als  unmittelbar  drohende  möglichkeit,  die  nach  678  f.  und  687  f.  vgl. 
mit  566 f.  nicht  so  fern  liegt,  an  der  stelle,  cxvre  578  aber  ist  nicht: 
'wieder  einmal  in  zukunft,  wie  jetzt',  denn  zum  daira  ragaoaetv  und 
OTvif^lC^ak  ist  es  noch  nicht  gekommen,  sondern  'wieder,  wie  schon 
früher',  er  denkt  an  590 ff.  Um  der  jetzt  drohenden  möglichkeit  einer 
Wiederholung  vorzubeugen,  soll  Here  Zeus  mit  freundlichen  worten 
nahen,  nicht  bloss,  wie  bisher  (569),  sich  stumm  dem  willen  des  Zeus 
beugen.  Mit  dieser  mahnung  kehrt  Hephaistos  zurück  zu  den  worten 
577  jUi/T^l  S*  iyd)  TtaQdtprifn  xif. 


118  G.  Hentze 

unbegreiflich  aber  sind  dann  die  folgenden  imperative  ^).  —  In 
/u  56flF.  hfd'a  tot  omir  BTtuxa  dirjvsKiwg  ayogevoü)^  SftTtotiQij 
dl]  TOI  6  dbg  eaaeraiy  älla  aal  avTog  dv/it^  ßovlsvetv  igio)  de 
roi  ä^<pov€Q(od'€v^  ist  für  den  imperat.  inf.  Voraussetzung :  wenn 
ich  dir  beide  wege  beschrieben  habe. 

Den  gebrauch  des  imperat.  inf.  in  Vorschriften,  die  für 
alle  Zukunft  und  alle  fälle  gültig  sind,  bezeichnet  Wagner 
p.  25  als  selten.  Er  führt  p.  12  zunächst  nur  die  vier  beispiele 
an:  /  255  ffi  ^  788  f.  A  441  ff.  x  287  ff.,  es  werden  aber  im 
weiteren  verlauf  der  Untersuchung  in  gleichem  sinne  noch  sechs 
beispiele  erklärt:  ^  582.  ß  305.  er  106.  tp  355 f.,  als  allge- 
meiner oder  für  eine  längere  dauer  geltend  E  606  und  P  501. 
Von  diesen  beispielen  ist  ^  582  nach  der  oben  gegebenen  er- 
klärung  auszuscheiden.  Allgemeine  Vorschriften  für  die  zukunft 
enthalten  die  beispiele:  \p  355  ff.  nrrj^ara  fxiv,  vd  ^oi  eaxt, 
xofÄi^fisv  h  fieyaQoiaiv  ^)  und  ß  305;  nahe  stehen  E  606  und 
P  501,  welche  Vorschriften  für  die  dauer  des  bevorstehenden 
kampfes  geben,  und  a  106.  Es  sind  diesem  gebrauch  aber 
noch  folgende  beispiele  zuzuweisen,  in  denen  Wagner  die  wähl 
des  imperat.  inf.  zum  theil  aus  der  vermeintlich  intensiveren 
kraft  dieser  form  erklärt.  An  E  606  und  P  501  reihen  sich 
an  E  124  d'agaaiv  vvVy  Jio^ijdeg^  im  Tqweaai  fiaxBOd-ai  und 
0  347  vrivatv  eTtiaaeveod'ai  ^  iav  (f  ei^aga  ßgotoevta  8).  Eine 
mahnung  für  alle  zukunft  enthält  V  605  äevTegov  av%  oHea- 
ad'tti  af^eivovag  ^rceQOfteveiv^  Vorschriften  für  eine  längere  dauer, 
nach  vorausgegangenem  Ortswechsel  v  307  ff.  411.  o  33  f.  xfj  365  f. 

1)  Die  yerse  geben  auch  sonst  begründeten  anstoss  und  sind  von 
Autenrieth  in  Ameis  anhang  zur  Od.  4'  p.  96  und  von  v.  Leeuwen- 
Mendes  da  Costa  verworfen. 

2)  Wagner  p.  20  bringt  die  Vorschrift  an  Penelope  in  nicht  annehm- 
baren Zusammenhang  mit  dem  folgenden,  wenn  er  erklärt:  'die  obhut 
der  besitzthümer  soll  Penelope  -^  erst  dann  und  jedesmal  dann  über- 
nehmen, wenn  Od.  auf  einem  raubzuge  abwesend  sein  wird'.  —  Ver- 
kennung  der  bedeutung  des  imperat.  inf.  liess  Autenrieth  im  anhange 
zu  Ameis  Od.  4'  p.  96  einen  unbegründeten  Widerspruch  zwischen 
xofA^ifjiiv  und  864  f.  finden. 

8)  Die  von  Leaf  aufgestellte  und  von  y.  Leeuwen-M.  in  den  text 
gesetzte  vermuthung  inuKtfvsad-^  {e),  laeiv  würde  einen  nicht  verständ- 
lichen Wechsel  der  imperativformen  ergeben.  —  Fiok  lässt  die  Infinitive 
von  ixMero  846  abhängen  und  erst  mit  848  die  direkte  rede  beginnen, 
wofür  J  802  f.  und  ^  854  f.  verglichen  werden  können. 


Der  imperativische  infinitiv  in  den  homerisclien  gedichten.__119 

und  a  267  ff.  (für  die  ganze  daner  der  abwesenheit  des  Odys- 
seus),  mit  bestimmter  angäbe  des  endpunktes  durch  aiq  8  %e 
mit  conj.  o  542  f.,  des  anfangspunktes  Y  337  f.  So  ergeben 
sich  im  ganzen  19  beispiele  von  Vorschriften  allgemeiner  gel- 
tung  (H.  8,  Od.  11),  wovon  aber  für  die  Zukunft  überhaupt 
nur  die  sieben  gelten:  1255 f.  ^788  f.  ^605.  /?  305.  A  441  ff. 
X  287  ff.  ip  355  ff. 

Nach  feststellung  der  futurischen  bedeutung  des  imperat. 
inf.  lässt  sich  nun  auch  für  einige  beispiele,  in  welchen  die 
auffassung  des  inf.  streitig  war,  eine  sichere  entscheidung  ge- 
winnen. So  ergiebt  sich  für  J  404  läxqHdrj^  f^fj  xpsvde  ijti- 
ard^evog  adq>a  elTteiv  als  einzig  richtige  Verbindung  ^rj  ipevdeo^ 
irttaT,  a.  eift.^  und  ist  die  andere  fi^  ipeidea  eiftBiv,  ert,  adg>a 
(Faesi-Franke)  unhaltbar.  Ebenso  findet  die  von  mir  im  an- 
hange zu  Ameis  Od.  33  p.  67  f.  näher  begründete  Zurück- 
weisung der  von  Aristarch  und  Nicanor  vertretenen  imperativi- 
schen  auffassung  der  nach  ei  (f  i&eXeig  folgenden  infinitive  in 
Z  150.  Y  213.  <Z>  487.  o  80  jetzt  eine  sichere  bestätigung. 
Denn  der  imperat.  inf.  findet  sich  nur  nach  futurischen  be- 
dingungssätzen ,  nach  el  mit  ind.  dagegen  steht  der  imperativ, 
insbesondere  nach  el  d*  id-iletg  T  142.  7t  82.  q  277.  Andrer- 
seits müssen  jetzt  die  von  Gauer  durch  veränderte  interpunktion 
a  61  f.  ^eiv^  ei  a  otqvvet  ugadlr]  xat  dvf^ög  äyijvoQ^  xövrov 
dU^aa9ai  und  (nach  Doederlein  und  Bergk)  %  231  f.  nd»g  dri 
vvv  —  avra  fÄvrjariJQCJv  oXofpvqeai;  aXxifiog  elvatl  neu  einge- 
führten imperat.  infinitive  als  dem  homerischen  gebrauch  wider- 
sprechend zurückgewiesen  werden,  weil  eine  sofort  zu  voll- 
ziehende handlung  in  frage  steht.  Dagegen  ist  als  futurisch 
gerechtfertigt  der  imperat.  inf.,  der  durch  die  von  C.  W.  Nauck 
vorgeschlagene  und  im  anhang  zu  Ameis  Od.  2^  p.  130  be- 
gründete Veränderung  der  üblichen  interpunktion  hergestellt 
wird  fi  49  f.  draQ  avrdg  dxovifxev^  av  %  i&ilrjad^a'  dtjadwiav  .... 
Als  futurische  imperative  sind  auch  unter  veränderter  inter- 
punktion in  r  4  ff.  Tijkifiaxe,  XQV  '^^t^  dgi^ia  nazd-efiev  eXata 
ndvra  ixdÜ'  avtdq  fivrjOtiJQag  —  7taq(pda9ai^  or«  %ev  ae  iie- 
raklwaiv^  und  in  ifj  78  f.  avTciQ  iywv  efii&ev  Ttegiddoofiai  av- 
rijs'  ai  x€v  o'  e^arcdqxoy  %%elvaL  jue  .  .  .  die  inf.  7t€tqq>da&ai 
(dies  gilt  für  Telemach  allein,  xar&ifiev  auch  für  Odysseus) 
und  KTeivai  an  ihrer  stelle. 

'Wir  haben   nun   noch   die    scheinbaren   oder   wirklichen 


120  C.  Hentze 

übergriffe  des  imperatiys  in  das  gebiet  des  imperatiYischen  inf. 
zu,  Terfolgen.  Nach  oder  Tor  faturischen  temporal-  oder  kon- 
ditionalsätzen  findet  sich  der  imperativ  in  folgenden  stellen: 
7^  45  f.  avtof  BTtel  aneiarjQ  re  xai  ai^ioi  ^ ,  dog  xal  %ov%tf 
eTteita  dinag:  die  unmittelbare  folge  der  bandlangen  ci^eo 
(43)  und  d6g  wird  die  wähl  der  gleichen  ansdracksformen  ver- 
anlasst haben.  In  S  236  f.  xoifitjaov  fioi  Ztpfdg  —  aoae  — , 
av%l%  ind  x«y  iyw  Ttagali^ofiai  ...  ist  die  wähl  des  impera- 
tiYS  durch  den  vorhergehenden  xai  vvv  neld'ev  bestimmt,  für 
den  er  die  ausführung  giebt.  —  In  ^  202  ff.  oq>Q^  op  fi&f  xew 
iqqg  — ,  xwpQ  vrtoeine  lidym^t  ^^'^  ^  aXlov  laoy  avioxß'i,  iiaq- 
vaa&ai  bezeichnet  der  imperativ  vTtdeins  (halte  dich  fem,  wie 
bisher,  vgl.  163.  198)  eine  fortzusetzende ,  avw%^i,  eine  sofort 
zu  beginnende  handlang.  Vgl.  H  193  f.  9  3741  Z  112  f.  — 
In  £  33  f.  wird  der  temporalsatz  mit  e^r  av  im  conj.  nur  zu 
dem  zweiten  imperativ  (3.  person)  gehören,  nicht  zu  ^e.  —  In 
n  445  £  und  T  401 L  gehört  der  fut.  konditional-  bezw.  tem- 
poralsatz zu  den  von  q>QdCfio  {(fqalßad'B)  abhängigen  infini- 
tiven. 

Der  futurische  bedingende  relativsatz  A  549  o¥  di  x  iyw 
anavevd'B  d'ewv  id'ilfofiv  vofjaat  ist  ohne  einfluss  auf  die  aus- 
drucksform  der  folgenden  aufforderung  ^ij  %i  av  tavta  Snaara 
diBiQBO  geblieben,  weil  Zeus  den  eigentlichen  nachsatz:  so  sollst 
auch  du  diesen  gedanken  nicht  vernehmen,  überspringt  und  zu 
dem  vorliegenden  fall  zurückkehrend  jede  fi^e  zurückweist. 
In  0  109  %(jf  ^fiT^  8v%i  icev  v^^i  xaxov  ftifAfirjaiv  kxaa%<fi  da- 
gegen steht  der  imperativ  von  der  nächsten  zukunft  (solange 
Zeus  vom  Ida  aus  die  Schlacht  leitet)  und  mit  bezug  darauf, 
dass  Ares  schon  jetzt  von  leid  betroffen  ist  (110). 

fiTj  TtQiv  mit  imperativ  0  340  fifjöi  Ttqiv  dnoTtave  teov 
fxivog^  aiX  OTtox  av  drj  {p&^^ii  fydiv  Idxovaa^  zote  axeiv 
dxdfictvov  TtvQ  erklärt  sich  daraus,  dass  fünf  imperative  voraus- 
gehen und  das  adv.  tvqIv  nicht,  wie  11  839.  (2>  294,  eine  aus- 
führung mit  TtQiv  und  inf.  vorbereitet,  sondern  nur  unbestimmt 
andeutet,  dass  vor  dem  aTtOTtarniv  etwas  anderes  eintreten 
müsse,  wie  2  134.  T  306  ff. ;  sobald  dies  in  einem  futur.  tem- 
poralsatz bestimmt  ausgeführt  ist,  folgt  im  nachsatz  der  im- 
perai  inf.  Von  den  beispielen  mit  imperativ,  in  welchen  dem 
Vollzug  der  geforderten  handluDg  eine  andere  im  partic.  aor. 
bezeichnete  vorangehen  soll,  ist  eine  besondere  klasse  schon 


Der  Imperativische  Infinitiv  in  den  homerischen  gedichten.     121 

p.  113  besprochen,  d  750  fif.  und  q  48S.  p.  117.  Vereinzelt 
steht  Y&i  N  235  (al£  aye  revx^ci  ösvqo  Xaßwv  l'd'i)  nach 
Wagner  p.  11  in  der  bedeutnng  'kehre  (hieher)  zurück',  wie 
€QX€o  (abgesehen  von  q  599  und  7t  270)  nur  a  280  (i^'  agaag 
BQxeo)  von  einer  nicht  sofort  auszuführenden  handlung;  an 
beiden  stellen  aber  haben  die  participia  nicht  die  bedeutung 
futurischer  temporal-  oder  konditionalsätze,  sondern  bilden 
einen  theil  der  aufforderung  selbst. 

Trotz  der  ausdrücklichen  angäbe,  dass  die  geforderte  hand- 
lung erst  am  folgenden  morgen  vollzogen  werden  solle,  steht 
diese  mehrfach  im  imperativ.  In  7t  270  ff.  alla  av  fiev  vvv 
BQxev  afi  T^ol  q>aivofiiviriq)iv  oYnade  — ,  ovrag  iui  Ttqoti  aaxv 
avßtmjg  vaxsqov  a^si  steht  der  imperativ  unter  der  einwirkung 
von  vvvj  welches  von  der  vorhergehenden  erwägung  des  zu- 
künftigen kampfes  mit  den  freiem  zu  den  zunächst  zu  er- 
greifenden massregeln  überleitet  und  die  nächste  zukunft  um- 
fasst,  daher  die  Zeitbestimmung  Sfi  rjdi  q>.,  die  ihren  gegensatz 
in  varsQov  hat,  keinen  einfluss  auf  die  wähl  der  imperativ, 
ausdrucksform  geübt  hat;  von  277  an  folgen  imperat  infinitive, 
die  den  voUzug  der  270 — 73  in  aussieht  genommenen  mass- 
regeln voraussetzen.  In  £  36  werden  die  werte  al)^  a/  i7t6' 
TQWOv  Ttoetiqa  %kvxbv  i^ai&i  Ttqo  —  iq>07tXiaai  in  der  nacht 
kurz  vor  anbruch  des  tages  gesprochen,  vgl.  48  (avtUa). 
Aehnlich  o  14,  vgl.  56.  Vgl.  auch  o  308—310.  Schwer  zu 
erklären  ist  aber  die  wähl  des  imperativs  V  48  f.  6}X  ^tol 
vvv  fiiv  atvye^  Jtud-dfABd-a  dairi'  fjia&ev  (f  oxqwofVy  ava^ .  . , 
wo  der  gegensatz  zu  vvv  fiiv  gerade  erwarten  liesse,  dass  der 
zeitliche  unterschied  durch  den  imperat  inf.  zum  ausdruck  ge- 
bracht wäre.  Ferner  a  272  f.  avqiov  ug  äyoqfjv  xaliaag  tjgtoag 
^Axatovg  ^vd-ov  7t€q)Qade^  worauf  der  imperativ  auch  280  ff. 
fortgesetzt  wird,  sogar  284  von  handlungen,  die  der  gegenwart 
weit  entrückt  sind.  —  tj  222  ist  p.  109  den  beispielen  mit  im- 
perativ, inf.  zugewiesen.  In  <p  265  aber  gehört  ijCj&av  zu  dem 
abhängigen  inf.  ayeiv^  nicht  zu  nilead-e  (Melanthios  ist  an- 
wesend). Uebrigens  ist  zu  beachten,  dass  in  den  entsprechen- 
den beispielen  mit  imperat.  inf.  (p.  109)  überall  imperative 
vorausgehen,  die  eine  sofort  vorzunehmende  handlung  be- 
zeichnen, Q  600  und  T  320  auch  durch  voranstellung  von  r/ui&ev 
de  das  zeitliche  verbältniss  beider  handlungen  besonders  mar- 
kiert ist. 


122  C.  Hentze 

Ohne  rücksicht  auf  die  zeit  sind  ferner  imperative  auch 
da  gesetzt,  wo  die  ausfiihrung  der  geforderten  handlung  den 
eintritt  einer  andern  zur  Voraussetzung  hat:  a  305  (wenn  ich 
fortgegangen  bin,  vgl.  303  f.);  (li  160  (wenn  wir  zu  der  insel 
der  Sirenen  gekommen  sind,  vgl.  166—178),  an  diesen  beiden 
stellen  wohl  erklärlich,  weil  der  eintritt  der  Voraussetzung  un- 
mittelbar bevorsteht  Aber  v  386  f.  folgen  unmittelbar  auf 
einander  dll^  aye  f^^tiv  vcprjvov  und  rtäg  di  f^oi  avtfj  ar^S'i^ 
zwei  handlungen,  die  zeitlich  und  örtlich  weit  auseinanderliegen: 
denn  den  rath  der  Athene  wünscht  Odysseus  sofort  (beide  be* 
finden  sich  im  hafen  von  Ithaka),  ihren  beistand  aber  zum 
kämpfe  mit  den  freiem ,  der  später  im  palaste  des  Odysseus 
stattfinden  wird.  In  ähnlicher  weise  sind  räumlich  und  zeit- 
lich getrennte  handlungen  unterschiedslos  im  imperativ  ausge- 
drückt Z  46  =  ^  131  l^(6yQ€i  — ,  av  S*  a^ia  di^ai  ärtoiva  *) 
und  P  652  ff,  a%i7tTeo  vvv  —  aY  nev  lörjai  —  ^AvtIXo%ov  — 
oTQvvov  <J'  ^uäxiXijt  —  eineiv.  An  der  letzten  stelle  folgen 
wenigstens  beide  handlungen  nach  Ortswechsel  unmittelbar  auf 
einander. 

Dass  ein  voraufgehender  Ortswechsel,  durch  den  die  ge- 
forderte handlung  in  die  zukunft  gerückt  wird,  bei  der  wähl 
der  imperati vischen  form  öfter  nicht  berücksichtigt  wird,  ist 
schon  oben  beobachtet.  Hier  sind  noch  die  beispiele  anzu- 
führen Q  75  und  TT  667 — 71  (Zeus  giebt,  auf  dem  Ida  sitzend, 
dem  hier  ebenfalls  anwesend  gedachten  Apollo  den  auftrag, 
auf  dem  schlachtfelde  für  die  leiche  Sarpedons  zu  sorgen).  In 
-^  302  f.  aber  ist  die  nur  rhetorische  bedeutung  der  aufforde- 
rung  der  grund,  dass  Achill  so  spricht,  als  ob  Agamemnon 
sofort  in  der  agora  den  versuch  machen  könnte  ihm  noch  ein 
anderes  stück  aus  seinem  besitz  zu  entreissen,  was  doch  nur 
in  Achills  zeit  geschehen  könnte,  vgl.  300  f.  In  diesem  heraus- 
fordernden sinne  wird  der  imperat.  inf.  überhaupt  nicht  ge- 
braucht 

Dass  der  imperativ  mit  dem  imperat.  inf.  auch  in  Vor- 
schriften, die  für  alle  zukunft  und  alle  fälle  gelten,  konkurrirt, 
was  Wagner  p.  25  bestreitet,  zeigen  folgende  vier  beispiele: 
E  428  f.  ov  Toiy  Tsxvov  ifiov,  dedozat  niolefÄijia  egya*  alla  av 

1)  V.  Leeuwen-Mendes  da  Costa  schreiben  cf^|€*  d.  i.  di^eai  statt 
6i^ai,  Nauck  vermuthete  ^i^rfj  —  eine  nicht  ganz  abzuweisende  ver* 
mnthang,  da  der  Papyr.  zu  il  137  ^if€  bietet.    Vgl.  K  378. 


Der  imperativische  infinitiv  in  den  homerischen  gedichten.     123 

y  l^egoepta  fxsTigxso  sgya  ydfioio,  v  180  f,  rvofinrjg  ixev 
Ttavead'e^)  ßqozviv^  ocb  laev  %ig  %%rp:aL  , .  .  E  348  filx«,  Jiog 
dvyateQ,  noUfiov  aal  dTjioT^rog  d.  i.  halte  in  Zukunft  dich 
fern  vom  kämpfe,  wie  die  gegensätzliche  fallsetzung  350  si  de 
av  y  \g  TtöXe/^ov  Ttioliqaeai  zeigt,  nicht:  weiche  jetzt  aus  dem 
kämpfe.  F  406  fif.  rjao  ntiq  ccvtov  lovaa,  d^edSv  3*  dnoeixe 
TieXev&ov  d.  i.  halte  dich  für  immer  fern  vom  pfade  der  götter, 
wie  407  fAtj^  evi  und  409  aUL  zeigt.  Sehr  zahlreich  aber  und 
bei  weitem  zahlreicher  als  die  p.  118  verzeichneten  im  imperat. 
inf.  sind  die  Weisungen  im  imperativ,  die  für  eine  längere  dauer 
der  näheren  Zukunft  gelten. 


Nach  unsem  beobachtungen  ist  eine  so  reinliche  Scheidung 
des  gebrauchs  beider  imperativischen  formen,  wie  man  wünschen 
möchte,  nicht  zu  gewinnen.  Die  konkurrenz  des  imperativs  mit 
dem  imperat.  inf.  reicht  doch  weiter,  als  Wagner  annahm,  ins- 
besondere auch  in  Vorschriften,  die  für  alle  Zukunft  und  alle 
fälle  oder  doch  für  eine  längere  dauer  der  nächsten  zukunft 
gelten.  Sodann  bleibt  der  einer  geforderten  handlung  voraus- 
gehende Ortswechsel,  durch  welchen  die  ausführung  weiter  in 
die  Zukunft  hineingerückt  wird,  auf  die  wähl  der  imperativi- 
schen form  vielfach  ohne  einfluss.  Auch  machen  sich  im  zu- 
sammenhange der  rede  mannigfache  einflüsse  verschiedener  art 
geltend,  welche  die  rücksicht  auf  das  zeitliche  verhältniss  der 
handlung  zur  gegenwart  des  redenden  zurücktreten  lassen.  Die 
daraus  sich  ergebenden  Schwankungen  im  gebrauch  beider  im- 
perativischer formen  erschweren  denn  auch  die  beantwortung 
der  frage,  ob  innerhalb  der  periode  der  homerischen  dichtung 
eine  Weiterentwicklung  im  gebrauch  des  imperat.  inf.  sich  ver- 
folgen lässt.  Die  ausserordentliche  zunähme  der  imperat.  in- 
finitive  in  der  Odyssee  (II.  76,  Od.  123)  giebt  ohne  weiteres 
keinen  beweis  dafür,  dass  die  verliebe  für  diese  ausdrucksform 
zugenommen  oder  die  gebrauchssphäre  sich  erweitert  habe.  Der 
grund  dafür  kann  in  dem  verschiedenen  inhalt  und  Charakter 

1)  Die  von  Naack  und  v.  Leeawen-Mendes  d.  C  ans  guten  hand- 
sohriften  aufgenommene  lesart  navea&i  (übt  nicht  weiter  die  entsen- 
düng)  verdient  wegen  des  folgenden  futurisch-iterativen  temporalsatzes 
den  Vorzug  vor  dem  sonst  gelesenen  7iavaa0d-€  (stellt  die  entsendung 
ein). 


124  G.  Hentze 

beider  epen  liegen.  Allerdings  bietet,  wie  Wagner  bemerkt, 
die  Ilias  weniger  gelegenbeit  zu  so  ausführlichen  Vorschriften 
für  die  zukunft,  wie  sie  die  Odyssee  in  grösserer  anzahl  enthält, 
obwohl  doch  auch  A  393—412.  E  124—132.  260—264.  Z 
269—278.  0  221—233.  JI  49—100.  667—671.  fl)  331—340 
und  ^F  334 — 343  ähnliche  enthalten.  Nun  finden  sich  aber 
unter  diesen  beispielen  theils  solche,  welche  die  Weisungen  im 
imperativ  geben,  während  der  nothwendige  Ortswechsel  infinitive 
erwarten  Hesse:  A  394.  407.  JI  667—671,  theils  solche,  die 
einen  auffallenden  Wechsel  beider  ausdrucksformen  zeigen,  wie 
Z  269—274.  0  221—233.  Ferner  gehören  der  Ilias  auch 
vorzugsweise  die  sonstigen  beispiele  an,  in  denen  Ortswechsel 
und  zeitverhältniss  bei  der  wähl  der  imperat.  form  unberück- 
sichtigt geblieben  sind:  .^  179f.  ß  11.  163 ff.  Z46  -  ^  131. 
A  828  ff.  JV  235.  S  236.  P  654.  V  49,  oder  die  einen  nicht 
leicht  erklärlichen  Wechsel  der  formen  zeigen :  T  458  f.  X  340 
— 342,  oder  imperat.  infinitive  zeigen,  wo  imperative  zu  er- 
warten wären :  A  20  (bei  der  lesart  Xvgoh  und  dexead'ai,),  A 
582.  J  64.  0  340.  Auch  gehören  von  den  vier  beispielen, 
welche  Weisungen  für  alle  zukunft  im  imperativ  enthalten,  drei 
der  Ilias  an.  Hienach  wird  man  doch  soviel  sagen  dürfen, 
dass  die  einflüsse,  unter  denen  der  imperativ  mit  dem  infinitiv 
konkurrierte,  in  der  Ilias  wohl  noch  im  grösseren  masse  sich 
geltend  machen  und  der  gebrauch  des  imperat.  inf.  noch  nicht 
so  befestigt  erscheint,  als  er  uns  in  der  Od.  meist  entgegentritt. 
Nach  der  sehr  wahrscheinlichen  annähme  von  Delbrück 
Vergl.  Syntax  II  p.  459  f. ,  dem  Brugmann  Griech.  gramm.  > 
p.  516  zustimmt,  ist  nun  der  imperativ,  gebrauch  des  inf.,  der 
bereits  urindogermanisch  war  und  sich  auf  alle  drei  personen 
erstreckte,  aus  dem  finalkonsekutiven,  dem  der  dativ  zu  gründe 
lag,  in  der  weise  hervorgegangen,  dass  der  in  dieser  bedeutung 
ursprünglich  zur  ergänzung  einer  Satzaussage  dienende  inf.  ver- 
selbständigt wurde,  indem  die  Satzaussage  selbst  nicht  ausge- 
sprochen, sondern  nur  hinzu  empfunden  wurde.  Auch  homeri- 
sche beispiele  können  über  eine  solche  verselbständigung  noch 
aufschluss  geben,  indem  sie  zeigen,  wie  eine  Satzaussage,  die 
mit  einem  final -konsekutiven  inf.  verbunden  war,  darüber 
hinaus  bei  einem  weiteren  gliede  auf  die  wähl  des  inf.  bestim- 
mend einwirken  konnte,  obwohl  diesem  gliede  durch  die  art 
der  anknüpf ung  eine  selbständigere  Stellung  zukam.    Besonders 


Der  imperativische  infinitiv  in  den  homerischen  gedichten.     125 


deutlich  ist  dies  verhältniss  H  372  ff. ,  wo  nach  rjwd^ev  d  'läaiog 
LTü)  xolXag  irti  vijag  elTt^fiev  l^tQsidfjg  —  fiv&ov  '^Xe^dvÖQOiOy 
375  nat  de  —  aiftifisvai  sehr  wohl  noch  als  inf.  des  zwecks  von 
tVco  abhängen  könnte,  wenn  nicht  xal  de  nach  seinem  son- 
stigen gebra.uch  einen  selbständigen  satz  anzunehmen  empföhle. 
In  o  125  ff.  düÜQOv  %oi  nat  iyti^  texvov  q>lley  tavto  äidcjfii, 
fiv^f^  ^Elevfjg  %eiQ(xiv^  n:olv7jQdtov  ig  ydfiov  äQtjv^  ay  ajlox^ 
(poqiBLV  reltog  di  q)ilr]  naqd  (xrixqi  xeia&ai  lassen  Hinrichs- 
Faesi  und  Delbrück  xeiad'ai  wirklich  noch,  wie  q>oqeBiv^  von 
didwfii  abhängen,  und  wenn  diese  auffassung  auch  nicht  wahr- 
scheinlich ist,  weil  nur  q>0Qhiv  den  zweck  des  gebens  bezeichnet, 
während  die  worte  relwg  3i  —  neiad'aL  einen  nebensächlichen 
punkt  betreffen  und  durch  den  gegensatz  zu  der  vorhergehen- 
den Zeitbestimmung  eine  selbständigere  Stellung  gewinnen,  so 
lässt  sich  doch  verstehen,  dass  didio^i  mit  abhängigem  inf.  bei 
der  wähl  des  inf.  neiad'ai  noch  nachgewirkt  hat.  Selbständige 
imperativ.  Infinitive  werden  noch  angenommen  von  Meyerheim 
de  inf.  Hom.  I  p.  66  in  V  618  t^  vvvy  nai  aoi  tovto^  yiqov^ 
xet^TJktov  l(7Tco,  naTQOnloio  Tdq>ov  iivrjii  Bpifisvai  und  von 
Düntzer  in  X  512  ff.  dXi^  ij  roi  rdde  Ttdvra  xaTaq>Xi^ü)  — , 
ovdiv  aoi  y  og>€log^  eTtel  ovn  iyKsiaeai  avTolgy  dlld  ftqdg 
Tqwüjv  Tiai  TQioiddwv  xleog  ävai  'es  sei  dir  dies  zum  rühme', 
was  eher  annehmbar  ist,  weil  die  zwischen  dem  hauptsatze 
und  dem  inf.  stehende  apposition  ovdiv  aoi  y  og>€log  mit  be- 
gründung  den  Zusammenhang  des  inf.  mit  dem  hauptsatze 
lockert.  Jedenfalls  können  auch  diese  beispiele  zeigen,  wie  eine 
weitere  trennung  des  infinitivsatzes  vom  hauptgedanken  oder 
eine  kleine  pause  vor  dem  infinitivsatze  zur  Selbständigkeit  des 
letzteren  führen  konnte. 

Für  den  Ursprung  der  imperativ,  infinitive  2.  person  aus 
final-konsekutiven  sind  besonders  die  beispiele  belehrend,  in 
welchen  solche  sich  an  den  imperativ  eines  verbums  der  be- 
wegung  asyndetisch  anschliessen.  In  O  158  f.  ßdax  T^t,  ^Ifi, 
raxBia^  IIoaeiddwvL  avcntrt  jtdvca  xdif  dyyeilai,  ixrjöi  yjsvddy- 
yeXog  sIvol  könnte  dyysiXaL  an  sich  noch  als  finaler  inf.  ge- 
fasst  sein,  wie  ^  255  oqaeo  —  noXivS  Ifievy  und  es  liesse 
sich  begreifen,  wie  dieser  inf.  die  gleiche  form  für  die  negative 
ausführung  nach  sich  zog,  obwohl  diese  nicht  mehr  in  dem- 
selben verhältniss  zu  dem  imperativ  ßdax  Xd-i  stand,  als  der 
positive  inf.    In  A  322  f.  und  J9  8  ff.  aber ,  wo  zwischen  die 


126  C.  Hentze 

imperative  und  die  infinitive  in  den  participien  hXovre  und 
ik9iav  eine  neue  handlung  tritt,  wird  der  unmittelbare  Zu- 
sammenhang der  infinitive  mit  den  imperativen  gelöst  und 
damit  erhalten  jene  eine  selbständige  Stellung.  Diese  beispiele 
stellen  aber  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  eine  der  ältesten  ge- 
brauchsweisen  des  ursprünglich  finalen,  dann  imperativischen 
inf.  dar.  Es  sind  die  einzigen  ihrer  art  in  den  homerischen 
gedichten:  in  allen  entsprechenden  beispielen  folgt  nach  dem 
imperativ  eines  verbums  der  bewegung,  auch  nach  ßaa%  t^f, 
asyndetisch  ein  zweiter  imperativ.  Es  ist  also  die  ältere  Ver- 
bindung, die  nur  in  A  und  B  und  nachgeahmt  in  dem  sicher 
späteren  0  sich  findet,  innerhalb  der  homerischen  periode  auf- 
gegeben und  durch  die  andere  ersetzt.  Nur  einzelne  beispiele 
(p.  109),  welche  nach  dem  imperativ  eines  verbums  der  be- 
wegung einen  mit  di  angeschlossenen  imperativischen  inf.  zeigen, 
lehnen  sich  an  die  ältere  Verbindung  an. 

Die  entstehung  der  imperativischen  infinitive  aus  der  ver- 
selbständigung ursprünglich  abhängiger  finaler  infinitive  erklärt 
nun  ebensowohl  den  ihnen  eignen  futurischen  Charakter,  als 
dass  sie  ganz  überwiegend  im  anschluss  an  andere  aussagen 
und  meist  abhängig  von  den  darin  gegebenen  Voraussetzungen 
gebraucht  werden,  sehr  selten  aber  an  der  spitze  einer  rede 
sich  finden.  Daher  nicht  selten  die  aufeinanderfolge  eines  Im- 
perativs von  einer  sofort  auszuführenden  handlung  und  eines 
imperat.  infinitivs,  der  eine  später  vorzunehmende  hinzufügt, 
und  ganz  besonders  der  gebrauch  des  imperat.  inf.  nach  futu- 
rischen temporal-  und  konditionalsätzen,  entsprechenden  relativ- 
sätzen  u.  a.,  der  über  ein  drittel  der  gesamtzahl  der  beispiele 
umfasst  Dass  die  entwicklung  des  letzteren  gebrauchs  aber 
vorzugsweise  in  der  periode  der  homerischen  dichtung  sich  voll- 
zogen hat,  wird  nicht  sowohl  durch  die  bedeutende  zunähme 
der  beispiele  in  der  Odyssee  (IL  32,  Od.  46)  wahrscheinlich, 
als  durch  folgende  beobachtung.  Der  gebrauch  ist  in  der  Ilias 
auf  die  12  gesänge  JEHIKOnTY0^Ki  beschränkt,  während 
die  Odyssee  ihn  in  17  gesängen  hat.  Unter  den  gesängen  der 
Ilias  aber,  die  ihn  entbehren,  sind  AAX^  die  jedenfalls  zum 
ältesten  bestände  der  Ilias  gehören  (der  seinen  haupttheilen 
nach  ebenfalls  dahin  gehörende  gesang  11  weist  in  diesen  an 
1  stelle  drei  beispiele  auf:  v.  89.  92.  95)  und  die  auch  nicht 
jungen  gesänge  BFZ,    Diese  sechs  gesänge  mit  überhaupt  10 


Der  imperativische  Infinitiv  in  den  homerischen  gedichten.     127 

beispielen  imperativischer  infinitive  zeigen  diese  vorzugsweise 
im  anschluss  an  imperative:  in  den  5  beispielen  ^323.  B  9t 
r  459.  Z  274.  X  342  (und  nach  einem  optativ  der  bitte  bei 
der  lesart  Xvaatts  A  20),  ausätze  zu  dem  gebrauch  nach  futur. 
nebensätzen  in  2  beispielen:  B  73 — 75  und  X  259,  ausserdem 
in  A  582  ein  beispiel  von  einer  sofort  auszuführenden  hand- 
lung  (wozu  in  A  20  bei  der  lesart  IjüGal  re  ein  zweites  kommen 
würde),  endlich  in  A  788 ff.  drei  imperat.  infinitive,  die  eine 
allgemeine  Weisung  für  die  Zukunft  enthalten. 

Der  mit  einer  geforderten  handlung  verbundene  Orts- 
wechsel hat  in  den  sechs  gesängen  keinen  wesentlichen  einfluss 
auf  die  wähl  der  imperativischen  ausdrucksform  geübt.  Von 
den  5  beispielen  mit  imperat  infinitiv  nach  einem  imperativ 
sind  nur  A  323  und  B  10  mit  Ortswechsel  verbunden,  der  im 
imperativ  selbst  bezeichnet  ist;  die  stellen  aber,  an  denen  man 
wegen  des  Ortswechsels  einen  imperat.  inf.  erwarten  könnte, 
zeigen  den  imperativ:  A  179 f.  394.  407.  Z  273  vgl.  270. 
B  11  vgl.  10.    Z  46  =  ^  131.    A  828  ff. 

Haben  wir  die  grund  lagen  für  die  entwicklung  des  home- 
rischen gebrauchs  der  imperat.  infinitive  richtig  bestimmt,  so 
vrird  die  ganz  voraussetzungslose  Verwendung  derselben  für 
jünger  gelten  müssen.  Von  den  seltenen  beispielen ^  in  denen 
der  imperat.  inf.  eine  rede  ohne  weiteres  eröffnet,  findet  sich 
das  erste  E  124,  dem  sich  weiterhin  anschliessen  £'501.  O  347. 
P  501.  l  441  f.  X  287  ff.  Von  diesen  beispielen  gehören  die  der 
Ilias  gesängen  an,  die  mit  grund  für  jünger  gelten.  Damit  ist 
aber  meistens  zugleich  eine  erweiterung  des  gebrauchs  über  die 
ursprünglichen  grenzen  hinaus  verbunden :  die  Verwendung  auch 
in  Weisungen  für  einen  längeren  abschnitt  der  nächsten  zukunft 
und  für  die  zukunft  überhaupt.  Die  gesänge  der  Ilias  ABFZIIX 
enthalten  mit  ausnähme  von  A  788  f.  kein  beispiel  dieses  ge- 
brauchs. 


Der  gebrauch   des  imperativischen   infinitivs 

3.  person 

ist  nach  Wagner  p,  6  auf  folgende  6  beispiele  beschränkt. 
r  284  ff.  el  de  x'  l^Xi^avÖQOv  xre/vg  ^av»dg  Mevilaogy  Tgwag 
BTtetd^  ^Elivtjv  —  dnodovvai^y  Ttfi^v  d*  ^Agyelotg  dTtorivifiev,  — 
Z  86 — 93  "EnTOQy   dtaq  at   Ttölivde  ^BxeqxBOy  elni  <J'  srvßiTa 


128  C.  Bentze 

fiTfriQi  —  ^  Ö€  ^dyovaa  yeQcuag  —  ftinXov  —  ^slvai  l^&rj- 
vairjg  inl  yovvaavv  —  xa/  ol  vnoaxdo&ai.  —  H  77  ff.  el  fiiv 
xey  ifii  Tieivog  IX5  — ,  revxecc  avl^aag  q>eQetio  noiXag  inl  vrjagj 
awfia  de  oYxaf  ifiov  dofisvai  naXiv.  —  H  372  ff.  rjw^ev  d* 
'Idaiog  itw  xoilag  ini  vijag  elftifiev  ^ArQetdtjg  .  . .  .,  xai  di 
%66*  eiftifisvai  nvKivbv  anog.  —  X  443  alla  %b  ^h  q>aa9'aL^ 
%6  de  xai  xexQVfifievov  elvai.  —  o  125  ff.  öwqov  toi  xat  iyal, 
texvov  qp/iU,  Tovro  didtofii  —  tcoIvtjqowov  ig  ydfiov  wqrpf^  afj 
dlöxtp  q>OQhiv'  Teltog  de  g>ii*u  ftagä  ^rjcqi  xeiad-ai.  Von  diesen 
beispielen  zeigt  das  erste  das  subjekt  im  accasatiT,  in  den  fünf 
übrigen  ist  es  im  nominativ  theils  ausdrücklich  gesetzt  (Z  87. 
X  443),  tbeils  aus  dem  vorhergehenden  zu  entnehmen.  Alle 
zeigen  den  imperat.  inf.  3.  person  in  futurischer  bedeutung: 
nach  fut.  bedingungssatz  F  28öf.  und  H  79,  nach  f^ä&ev 
H  375;  Z  87 — 93  hat  zur  Voraussetzung  Hektors  gang  in  die 
Stadt  u.  s.  w.,  o  128  Telemachs  heimkehr,  l  443  Odysseus 
rückkehr  nach  hause.  Was  andere  gegen  die  annähme  von 
selbständigen  imperat.  infinitiven  3.  person  in  diesen  beispielen 
vorgebracht  haben,  ist  nicht  überzeugend  ^). 

Vielleicht  aber  ist  diese  geringe  zahl  von  beispielen  doch 

1)  In  Z86 — 98  ist  Leaf  geneigt  ein  durch  die  weite  trennang  von 
snbjekt  und  praedikat  veranlasstes  anakoluth  anzunehmen :  nach  i)  ^i  87 
habe  der  dichter  im  sinne  gehabt  am  schluss  ^irot  folgen  zu  lassen. 
Jedenfalls  wird  der  anstoss,  der  ihn  mit  zu  dieser  annähme  bestimmte, 
dasB  dies  die  einzige  stelle  sei,  wo  der  imperat.  inf.  3.  person  das  Sub- 
jekt im  nominativ  zeige,  durch  X  448  beseitigt.  —  Zu  K  79  bemerkt 
Delbrück  Vergl.  synt.  II  p.  455:  Sofuvai  könne  wohl  auch  heissen:  ihr 
sollt  zurückgeben.  Aber  dagegen  spricht  durchaus  die  genaue  korre- 
sponsion  von  77—80  und  81—85,  auch  würde  eine  deutliche  bezeichnung 
des  Subjekts  zu  äöfievai  (vfAils  6i)  zu  erwarten  sein.  —  Zu  il  448,  der 
einzigen  stelle  mit  passivischer  wendung,  findet  sich  im  Schol.  A  545 
neben  der  oben  angegebenen  lesart  die  Variante  akla  t6  (ikv  ol  (pdad-a$ 
inog,  t6  (f*  ivl  (pQeal  xev&eiv,  die  Delbrück  a.  o.  vorziehen  möchte. 
Diese  giebt  allerdings  einen  leichteren  und  natürlicheren  gegensatz,  aber 
ob  die  nur  hier  sich  findende  passivische  wendung,  die  doch  einen 
grösseren  nachdruck  hat:  *sei  und  bleibe  verborgen',  ein  genügender 
grund  ist  die  handschriftlich  allein  überlieferte  lesart  zu  verwerfen,  ist 
doch  zweifelhaft;  das  ungewöhnliche  spricht  eher  für  diese,  lieber 
0  128,  wo  xela&at  die  lesart  Aristarchs  und  einiger  handschriften ,  die 
gewöhnliche  lesart  aber  xeiad^a  ist  und  Hinriohs-Faesi  und  Delbrück 
xilad-ttif  wie  (poginv,  von  dlömfii  abhängen  lassen,  und  über  H  375  ist 
schon  p.  125  gesprochen. 


Der  imperativische  Infinitiv  in  den  homerischen  gedichten.     129 

um  einige  zu  vermehren.  Für  V  618  f.  freilich  ist  die  an- 
nähme Meyerheims  de  infinit.  Hom.  I  p.  66,  dass  fiy^f^^  efifAe- 
vai  imperativ,  inf.  3.  person  sei,  von  Gapelle  im  Philol.  37 
p.  99  und  Wagner  p.  6  wohl  mit  recht  zurückgewiesen.  Eher 
ist,  wie  schon  p.  125  gezeigt  ist,  die  gleiche  annähme  für  X  514 
TtQog  TQ(6(av  xal  TQWiddünf  Ttliog  elvai  begründet.  Femer  ist 
zu  erwägen  V  245  ff.  TVf^ßov  (T  ov  fidla  ftokkov  iyw  Tcoviea&at 
avwya,  dlX  ircisiiiia  roiov  efteira  de  xal  vdv  ^uixotiol  svfvp 
-d-'  vipfildv  ve  Tidij^&^aL^  o%  %ev  ifiäio  devvßQOi  h  n^eaai  — 
UTVfia^Sy  wo  die  andern  herausgeber  Tidi]fisvai  als  imperai  inf, 
2.  person  fassen,  Stier  aber  vidijfievai  »»  %i9iv%iav  erklärt. 
Diese  auffassung  scheint  sich  deshalb  zu  empfehlen,  weil  Achill 
nur  zu  den  fürsten  redet;  für  den  Übergang  von  der  gesamtheit 
der  Achaeer  zu  den  fursten  in  dem  beschränkenden  relativsatze: 
'die  ihr  (soweit  ihr)  mich  überleben  werdet',  kann  B  301  f.  ver- 
glichen werden. 

Für  %  437  ff.  aQxete  vvv  vinvag  q>oqiuv  aal  dvioxd'B  ywai- 
nag'  ovrotQ  BTteiva  d'QOvovg  —  xa&aigaiVy  wo  na&aiQeiv  allge- 
mein als  imperai  inf.  2.  person  gefasst  wird,  kommt  in  be- 
tracht,  dass  das  Kad-aigeiv  in  Wirklichkeit  nicht  Sache  der 
männer,  sondern  der  mägde  ist,  wie  ausser  v  151  f.  gerade  die 
folgende  erzählung  zeigt.  Dass  der  inf.  aber  noch  von  avutx^s 
ywainag  abhängig  sei,  ist  nicht  wahrscheinlich,  weil  diese  worte, 
zu  denen  aus  dem  vorhergehenden  (poqiuv  zu  ergänzen  ist, 
einen  so  abgeschlossenen  gedanken  geben,  dass  ein  weiteres 
anhängsei  in  einem  neuen  abhängigen  inf.  durchaus  nicht  zu 
erwarten  ist.  Es  wird  xa&aiqeiv  als  imperat.  inf.  3.  person  zu 
fassen  sein:  aber  danach  sollen  sie  reinigen. 

In  den  beispielen  (p  235  ff.  Binalv  ve  ywai^iv  nkrjiaai  ju«- 
yoQOio  ^Qog  — ,  tjv  di  vig  azovax^g  ije  xtvtcov  hfdov  änovatj 
— ,  fiT^  VI  dvga^e  TtQoßlwaneiv  und  q>  381  ff.  Trjli^axog  xile- 
Tal  ae,  7tBqiq>qwv  EvQvxXeia,  nXtfiaai  xzh  =  236 — 39  empfiehlt 
Pfudel  Die  Wiederholungen  bei  Homer,  Liegnitz  1891,  p.  15 
nach  V.  236  und  382  kolon  zu  setzen,  denn  mit  237  und  383 
werde  in  direkte  rede  übergegangen.  Diese  auffassung  ist  be- 
sonders für  die  zweite  stelle  geboten,  weil  hier  mit  der  fall- 
setzung  i/V  di  rig  383  die  folgenden  infinitive  ihr  besonderes 
Subjekt  erhalten,  so  dass  neXenai  ae  nicht  mehr  gedacht  werden 
kann.  Freilich  sagt  Renner  bei  Faesi:  die  adresse,  an  die  die 
rede  sich  wende,  sowie  die  satzbeherrschende  Stellung  von  xi- 

Beitrige  i.  kuid«  d.  indg.  apneben.  XXVII.  9 


130  C.  Hentze 

Xerai  as  lege  in  die  worte  383 — 385  den  sinn  Ton  fi^  iSv 
nQoßiÄiaxeiv  y  aber  formell  sind  sie  doch  von  nileval  as  ge- 
löst, und  berücksichtigt  man  die  abneigung  der  homerischen 
Sprache  gegen  ausgedehnte  abhängige  rede  und  den  häufigen 
Übergang  aus  dieser  in  die  direkte  form,  so  wird  man  Pfudels 
auSiEissung  den  vorzug  geben  müssen. 

Mit  dem  beispiel  F  284 ff.,  in  welchem  das  Subjekt  des 
imperab  inf.  im  acc.  steht,  sind  die  stellen  zu  verbinden,  welche 
den  infinitiv  in  Wunschsätzen  zeigen.  Auch  in  diesen  steht  das 
Subjekt  zum  theil  im  acc:  B  412 ff.  Zev  nidiave  — ,  firj  n^v 
riiXi€f¥  dvrai  — ,  ttqLv  ju«  xorä  TCft/vig  ßalißiv  ÜQui^oio  fiila- 
&Qoy  ...  H 179  f.  Zev  ndteQ^  ij  uiictPTa  laxeiv  fj  Tvdiog  viov 
7]  av%w  ßaaikfja  —  MvvLtjvrig.  q  354  £  Zu  ava^  TrjlifAoxov 
fioi  hf  dvögciaLv  tlßioy  ävai^  %aL  ol  nina  yhoixo  .  .  ^).  Dazu 
würde  noch  kommen  £  117  ff.  bei  der  im  Schol.  gebotenen 
lesart  vvv  av%  ifii  q>ikai^  '^^wrj'  tovde  vi  pi  avdqa  eXeiv 
xal  ig  bqiAVff  ^YX^og  iXd'BiVj  og  ii  eßals . .  .,  während  die 
handschr.  geben:  dog  di  ve  statt  tövde  xi  {zbv  di  zs).  Das 
Subjekt  ist  im  nominatiy  gedacht  in  zwei  beispielen  nach  der 
formel  dt  ydq  Zsv  xe  ndxsq  nai  ^A^rjyairi  xoi  ^'AnoXXov:  die 
2.  person  rj  312  ff.  rolo^  kwv^  olog  iaai^  xd  xe  q>qov€onfy  a  x 
iyw  n:eqy  naidd  x  i^'qv  ix^fisv  xai  ifidg  yafißqog  xaliead'ai 
avd'i  fAivtav*  dlxov  di  x  {%  M)  iyto  aai  xxtjfxaxa  öolrjv.  — 
die  1.  person  to  377  ff.  olog  NijqLKOv  slXov  ....  —  xolog  iunf 
xoi  x^^^'^S  —  iq>eaxdfÄSPCti  xai  dfivveiv  avdqag  fivfjax^qag'  xf 
Uli  ag>ionf  yowcex  elvaa  ...'). 

Zum  acc.  c.  inf.  in  F  284  ff.  vergleicht  Delbrück  Vergl. 
synb  n  p.  455  dieselbe  ausdrucksform  in  inschriften,  wo  sie 
neben  anderen  formen  den  willen  des  gesetzgebers  ausdrücke, 
und  nimmt  an,  dass  überall  ein  verbum  wie  'es  wird  bestimmt' 

1)  V.  Herwerden  empfahl  yeviadm  statt  yivoito ,  welches  allein 
überliefert  ist,  ohne  gmnd,  vgl.  B  417  f.  mit  418. 

2)  In  y  213,  wo  man  nach  Aristarch  und  den  handschr.  liest  Zevs 
aiffias  tlaanOf  wird  Zenodot  die  lesart  tCaaa^M  zugeschrieben.  Ribbeok 
im  Philol.  8  p.  705  f.,  Dindorf  und  Ladwich  Ar.  H.  T.  I  p.  600  halten 
die  angäbe  für  durchaus  unwahrscheinlich  und  vermuthen  als  Zenodots 
lesart  ttaaad^  =■  tutaadio.  Für  einen  gebrauch  des  inf.  in  der  weise, 
wie  sie  in  der  lesart  Zenodots  vorausgesetzt  wird,  findet  sich  allerdings 
keine  analogie.  Dass  auch  der  imperativ  gegen  den  homerischen  ge- 
brauch sei,  begründet  Cobet  lüso.  crit.  p.  882. 


I 


Der  Imperativische  Infinitiv  in  den  homerischen  gedichten.    131 

oder  dergl.  vorschwebe,  wie  bei  den  Wunschsätzen  im  acc.  c. 
inf.  nach  anrufung  der  gottheit  ein  verbum  wie  dog.  Ebenso 
denkt  Brugmann  Griech.  gramm.  ^  p.  519  dort  an  doxsif  di- 
doKzaij  edo^e^  hier  an  dog  oder  evxoficu.  Aber  das  beispiel 
r  284  ff.  wird  richtiger  in  unmittelbarem  zusammenhange  mit 
den  Wunschsätzen  im  acc.  c.  inf.  behandelt  werden^  mit  denen 
es  gemeinsam  hat,  dass  eine  anrufung  der  götter  vorangeht 
(276 — 80)  y  unter  deren  schütz  hier  die  Vertragsbedingungen 
281  ff.  gestellt  werden.  Der  zunächst  befremdende  Wechsel  der 
ausdrucksformen  —  282  f.  imperativ  und  conjunctiv,  285  acc, 
c.  inf.  —  scheint  auf  folgendem  zu  beruhen.  Imperativ  und 
conj.  des  wollens  gebraucht  der  den  vertrag  abschliessende 
Agamemnon  von  dem,  was  von  seinem  eignen  willen  abhängt, 
was  er  geschehen  zu  lassen  (^hw)  oder  mit  den  seinigen  zu 
thun  (v€w^e&a)  bereit  ist;  dagegen  richtet  er  die  forderung, 
was  die  Troer  thun  sollen,  an  die  adresse  der  als  zeugen  und 
hüter  des  Vertrags  angerufenen  götter.  In  dieser  auffassung 
werden  in  den  mit  anrufung  der  gottheit  verbundenen  Wunsch- 
sätzen im  acc.  c.  inf.  die  personen,  welche  die  bitte  betrifft,  in 
der  Vorstellung  des  bittenden  zu  Objekten,  die  er  als  solche  der 
ein  Wirkung  der  gottheit  empfiehlt;  ebenso  in  F  285  die  Troer, 
die  ohne  beziehung  auf  die  götter,  in  direkter  forderung  als 
Subjekte  eines  Imperativs  im  nom.  stehn  würden.  Bei  dieser 
erklärung,  in  der  ich  im  wesentlichen  mit  Leaf  zu  F  285  über- 
einstimme, bedarf  es  für  die  Wunschsätze  im  acc.  c.  inf.  nicht 
der  ergänzung  eines  sonst  sich  findenden  dog  oder  eines  £t^o- 
fiai  oder  Xiaaoficu.  Dass  der  infinitiv  ebensogut,  wie  er  mit 
befehlendem  oder  aufforderndem  tone  gesprochen  die  stelle  des 
imperativs  vertritt,  auch  mit  wünschendem  tone  gesprochen  den 
Optativ  vertreten  kann,  zeigen  t]  311  und  w  376  (vgl.  L.  Lange 
el  n  p.  525).  Vollends  für  das  beispiel  mit  fii]  B  412  ff.  ist 
jede  annähme  einer  ellipse  abzuweisen.  Dass  ein  verbum  des 
wünschens  oder  bittens  vorschwebe,  ist  unwahrscheinlich,  weil 
fiij  mit  inf.  oder  acc.  c.  inf.  nach  diesen  verben  bei  Homer 
sich  überhaupt  nicht  findet  Es  scheint  hier  eine  alterthüm- 
liehe  ausdrucksform  vorzuliegen,  in  welcher  der  durch  fiij  ab- 
gewehrte gedanke  in  seiner  gesamtheit  als  objekt  der  Vorstel- 
lung gefasst  wurde:  fem  sei  der  gedanke  (d.  i.  die  Verwirk- 
lichung des  gedankens),  dass  die  sonne  eher  untergehe  .  .  . 
Diese  ausdrucdssform  konnte  aber  ohne  weiteres  der  anrufung 

9* 


132  C.  Hentze 

der  gottheit  folgen,  wie  z.  b.  i}  331  ein  wünsch  im  opt.  dieser 
ohne  weiteres  angeschlossen  wird,  vgl.  auch  q  354 f.,  wo  der 
anrufang  des  Zeus  ein  acc.  c.  inf.  und  ein  wünsch  im  opt. 
durch  xal  yerbunden  folgen.  Die  Verbindung  von  dog  mit 
einem  durch  /ui]  negierten  acc.  c.  inf.,  wie  sie  sich  i  530  findet, 
wird  die  jüngere  ausdrucksform  sein. 

In  £  118  haben  die  neueren  herausgeber  nur  mit  aus- 
nähme von  Franke-Faesi  die  handschriftliche  lesart  dog  di  ts 
mit  recht  aufgenommen.  Gegen  die  Variante  tovös  re,  die  nach 
Ludwich  Ar.  H.  T.  I  p.  252  nicht  mehr  als  Aristarchs  lesart 
gelten  kann,  spricht,  dass  hier  nicht,  wie  in  den  andern  bei- 
spielen,  eine  einfache  anrufung  der  gottheit  vorangeht,  sondern 
die  Worte  vtv  cAt  i^i  qTiXai^  *A&rivrj^  zu  denen  sich  besser  die 
ruhigere  ausführung  durch  einen  neuen  imperativ  {dog)  schickt, 
als  die  lebhaftere  form  des  acc.  c.  inf. 

Dass  in  den  ganz  vereinzelt  dastehenden  Wunschsätzen  im 
inf.  7]  312  ff.  und  tu  377  ff.  die  Subjekte  nicht  im  acc.  stehen, 
sondern  im  nom.  gedacht  sind,  erklärt  sich  aus  der  besondern 
beschaffenheit  dieser  wünsche.  Der  zweite  ist  überhaupt  uner- 
füllbar, und  auch  in  tj  konnte  Alkinoos  an  die  Verwirklichung 
des  gewünschten  nach  Odysseus  äusserung  223  f.  im  ernst  nicht 
denken  und  hat  auch  daran  nicht  gedacht,  wie  315  ff.  zeigen. 
Hienach  war  die  form  des  acc.  c.  inf.,  in  welcher  der  ange- 
rufenen gottheit  der  wünsch  zur  Verwirklichung  gleichsam  unter- 
breitet wird,  nicht  recht  anwendbar  i).  Warum  der  dichter 
dann  aber  nicht  den  nach  der  formel  o?  yaq  Zev  te  nazeq 
xai  ^A^vaif]  xai  ^'Aitokhyv  in  wünschen  gebräuchlichen  Optativ 
anwandte,  ist  nicht  zu  sagen. 

Die  erörterten  beispiele  des  imperativischen  infinitivs  3. 
person   sind   nur  die  spärlichen   reste  eines  ursprünglich  um- 

1)  Diese  göttertrias  wird  überhaupt  nicht,  wie  in  den  obigen  bei- 
Spielen  Zens,  angerufen,  am  von  ihnen  die  Verwirklichung  des  Wunsches 
zu  erflehen,  sondern  nur,  um  sie  gleichsam  zu  zeugen  zu  nehmen  für 
einen  feierlichen  aussprach,  den  der  redende  in  die  lebhafte  form  eines 
Wunsches  kleidet,  wie  er  z.  b.  B  871  der  ausdruck  freudiger  bewunde- 
rung,  H  182  wehmüthigen  Schmerzes  ist.  Auch  in  17  811  hat  der 
Wunschsatz  mehr  den  Charakter  eines  ausrufs,  welcher  der  bewunderung 
ausdruck  g^ebt,  die  Alkinoos  für  den  fremden  empfindet,  während  sich 
in  Ol  876  mit  der  erinnerung  an  frühere  thaten  der  schmerz  verbindet, 
an  dem  kämpfe  mit  den  freiern  keinen  antheil  gehabt  zu  haben. 


Der  imperativische  infiniti?  in  den  homerischen  gedichten.    133 

fassenderen  gebrauchs.  In  den  homerischen  gedichten  wird 
die  funktion  eines  futurischen  imperati?s  3.  person  regelmässig 
durch  den  imperativ  3.  person  versehen,  was  mit  Wagner 
daraus  zu  erklären  ist,  dass  ein  befehl,  dessen  Subjekt  ein  ab- 
wesender sein  soll,  stets  futurischen  Charakter  hat.  Aber  von 
dem  älteren  gebrauch  des  imperativ,  inf.,  der  sich,  wie  das 
Altindische  zeigt,  ebensowohl  auf  die  dritte  und  erste  person, 
wie  auf  die  zweite  erstreckte,  sind  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  noch  spuren  in  den  infinitivkonstruktionen  nach  tzqIv  vor- 
handen. Die  erklärung,  welche  in  Übereinstimmung  mit  Heikel 
im  Skandinav.  archiv  1891  I  p.  274  ff.  (mir  nicht  zugänglich, 
vgl.  Berlin,  philol.  wochenschr.  1893  p.  89  f.)  Brugmann 
Griech.  gramm.  ^  p.  519  f.  für  diese  giebt,  scheint  nach  den 
verfehlten  versuchen  anderer  durchaus  das  richtige  getroffen 
zu  haben.  Indem  ich  im  anschluss  an  die  von  ihm  gegebenen 
andeutungen  die  entwicklung  dieser  konstruktionen  hier  noch 
eingehender  verfolge,  hoffe  ich  theils  seine  erklärung  noch  weiter 
stützen,  theils  einzelne  punkte  richtiger  stellen  zu  können. 

Für  die  erklärung  der  infinitivkonstruktionen  nach  tzqLv 
sind  folgende  daten  zu  gründe  zu  legen:  1)  die  infinitivkon- 
struktionen schliessen  sich  dem  hauptsatz  regelmässig  post- 
positiv an  (in  74  beisp.,  II.  41,  Od.  33),  praepositiv  finden  sie 
sich  nur  (D  100.  ^  229,  zwischen  die  glieder  des  hauptsatzes 
eingefügt  Q  245.  a  301.  v  124.  q  105.  cei  430;  2)  der  gebrauch 
gehört  ganz  überwiegend  den  reden  an  (in  66  beisp.  von  81) 
und  bezieht  sich  vorwiegend  auf  zukünftige  handlungen  (45 
beisp.);  3)  die  hauptsätze  sind  überwiegend  negativ  (in  51 
beisp.);  von  den  30  an  positive  sätze  angeschlossenen  infinitiv- 
konstruktionen gehören  der  Dias  nur  12,  der  Odyssee  18  au; 
4)  der  infinitivkonstruktion  mit  tzqIv  geht  im  hauptsätze  in  29 
beisp.  (II.  20,  Od.  9)  ein  adverbiales  nqlv  (;/«),  naqoq  oder 
TtQoa^ev  voraus;  die  ersten  fünf  gesänge  der  Ilias  kennen  nur 
die  Verbindung  TtQiv  (jtaQoq)  -^  Ttqlv  in  7  beisp. 

Hienach  werden  den  ältesten  gebrauch  die  beispiele  dar- 
stellen, in  welchen  der  infinitivkonstruktion  mit  nqlv  ein  ne- 
gierter hauptsatz  futurischer  richtung  (meist  im  fut.  oder  im- 
perativ) mit  dem  temporalen  adverb  tzqIv  (TtaQog)  vorausging, 
welches  zunächst  nur  unbestimmt  andeutete,  dass  vor  dem  ein- 
tritt der  bezeichneten  futurischen  handlung  eine  andere  eintreten 
müsse,   und  daher  einer  nähereu  bestimmung  bedurfte.    Diese 


134  C.  Hentze 

wurde  zunächst  in  einem  selbsländigen  satze  nachgebracht,  in 
form  eines  gegensatzes,  wie  <2>  340  fitjös  tzqIv  dnonccvs  teov 
^svog*  älX  OTtoi^  av  dij  q>9'iy§ofi  iywv  tdxovaa^  tovs  a%iiiBv 
md^avov  tcvQj  vgl.  JT62f.  und  T  306  ff.  In  engere  Verbin- 
dung mit  dem  vorhergehenden  satze  trat  die  ergänzende  be- 
stimmung,  wenn  sie  durch  ein  ebenfalls  ursprüngh'ch  adver- 
biales TtQiv  demselben  angeschlossen  wurde,  welches  auf  das 
vorhergehende  zurückwies:  ^ehe  das  bezeichnete  geschieht',  wie 
fCQLv  auch  sonst  gebraucht  wird,  z.  b.  ^  29  Ttjv  ^  iyto  ov 
Uxjui'  fCQiv  fiiv  nuxi  y^gag  evteiaiv  rjfiB%iQ(f  ht  oXyuff,  Enthält 
nun  der  vorhergehende  satz  eine  erklärung  des  redenden,  dass 
er  die  in  frage  stehende  handlung  entweder  selbst  nicht  voll- 
ziehen oder  von  dem  angeredeten  nicht  vollzogen  wissen  wolle, 
ehe  eine  andere  vollzogen  sei,  so  fiigt  sich  in  diesen  Zusammen- 
hang der  ursprünglich  selbständige  inf.  in  imperativischem  sinne 
auf  das  leichteste  ein.  So  erklärt  sich  der  einfache  infinitiv 
nach  TtQiv:  nach  negiertem  imperativischem  inf.  2.  person  als 
imperativ,  inf.  2.  person  z.  b.  JT  839  pi^  fiov  nqiv  Ihai,  — 
TtQiv  "ExtoQOs  —  x^TÖya  —  dat^av^  ursprünglich  gedacht:  *zu- 
vor  zerfetze  Hektors  leibrock',  ebenso  0  294 f.;  als  imperat 
inf.  3.  person  ^  98  ov^  oye  TtQiv  Javaoiavv  äeiKea  Xoiyov 
aTtwCBL,  TtQvv  y  oLTto  Ttargl  q)lhp  dofisvai  —  xavQijv  'zuvor 
sollen  sie  (die  Danaer)  dem  vater  die  Jungfrau  zurückgeben'; 
aber  auch  als  imperat.  inf.  1.  person  S  334  ov  ae  ftQiv  xtsqiWj 
TtQvv  y  ^'ExTOQOQ  iv&d^  heixat  zevxBa  %al  %eq>aXijv  'zuvor  will 
ich  Hektors  rüstung  und  haupt  hieher  bringen',  ebenso  <2>  224  f., 
vgl.  auch  H  45ff.,  wo  die  direkte  rede  lauten  würde:  ov  nqlv 
aTtoviofiai,  Ttqiv  ivLTtffjaaL,  und  x  383  ff. 

Aber  auch  der  acc.  c.  inf.,  wie  wir  ihn  als  ausdruck  einer 
forderung  oder  eines  Wunsches  p.  130  kennen  gelernt  haben, 
fügt  sich  mit  dem  zurückweisenden  TtQiv  auf  das  natürlichste 
in  den  Zusammenhang  ein.  So  schliesst  sich  in  dem  an  Zeus 
gerichteten  gebet  B  413  ff.  an  den  wünsch  /itj  ftglv  riihov 
dvvai  xtI  ein  zweiter  wünsch  mit  tvqiv^  der  das  erste  Ttgiv 
näher  bestimmt,  Ttglv  fie  xora  TtQtjveg  ßaXievv  ügiafioio  fiila- 
d-QOv  'zuvor  möge  ich  (lass  mich)  das  deckengewölbe  des  Pria- 
mos  niederwerfen',  woran  sich  noch  ein  Wunschsatz  im  opt. 
schliesst,  wie  q  354  im  gebet  dem  acc.  c.  inf.,  durch  xal  ver- 
bunden, ein  wünsch  im  opt.  folgt.  Als  ausdruck  des  willens 
kann  ngiv  mit  acc,  c.  inf.  ursprünglich  gedacht  sein  O  72 — 74, 


Der  imperativische  infinitiv  in  den  homerischen  gedichten.    135 

als  forderung  ß  127  f.  '^luig  d*  ov%  im  Sqya  TtoQog  y  Hfuv 
ov%e  njj  aXXfjy  Ttqiv  avrriy  P'lf^ciad'av  Idxaiw  ^  x  i&ehQai, 
'zuvor  vermähle  sie  sich  . . .'     Ebenso  a  288  f.,  auch  B  354  f. 

So  entstand  bei  engem  zusammenschloss  beider  sätze  eine 
art  korrelation  zwischen  beiden  /r^eV,  welche  bewirkte,  dass 
während  das  erste  voraasweisende  in  Verbindung  mit  der  nega- 
tion  seine  scharfe  betonung  behauptete ,  der  ausführende  satz 
mit  dem  zurückweisenden  tvqIv  und  inf.  allmählich  seine  Selb- 
ständigkeit einbüsste  und  damit  auch  seine  voluntative  bedeu- 
tung  verlor. 

Auch  nach  negativen  aussagen  ohne  voraufweisendes  nqiv 
erklärt  sich  der  inf.  auf  das  natürlichste  als  ausdruck  des 
willens:  T  422  f.  dXXa  aal  i'fiftrig  ov  hj^aiy  nqiv  TQ(Sag  adtpf 
iXdaai  TtoXifioio  'zuvor  will  ich  die  Troer  genugsam  im  kämpfe 
umtreiben',  vgl.  auch  ¥  44  f.;  als  forderung  an  die  2.  person 
X  536  f.  fiTjdi  iäv  ve%v(ov  afxerqva  %a^voi  aifiarog  aaaov  e/uey, 
mqtv  TuQealao  Ttv&ia^at  'zuvor  befrage  Tiresias',  an  die  3. 
person  /  386  f.  ov8e  hbv  &g  ewi  dv^öv  ifiw  fteiae^  'Ayafiifivon^^ 
TtQiv  /  äno  Ttaaav  ifioi  ööfievai  ^^aXyia  Xwßtjv  'zuvor  soll 
er  mir  seinen  frevel  vollständig  büssen';  ähnlich  acc.  c.  inf. 
nach  Ttqiv  als  forderung  an  die  2.  person  %  63  f.  Einige  bei* 
spiele  sind  dadurch  bemerkenswerth ,  dass  durch  tzqiv  mit  inf. 
nicht  sowohl  das  temporale  verhältniss  beider  handlungen  be- 
stimmt wird,  sondern  der  gegensatz  des  positiven  gedankens 
zum  negativen  überwiegt,  sodass  tvqIv  geradezu  mit  'vielmehr' 
übersetzt  werden  kann:  Y  256  aA.x^$  d'  ol!  fi  irtisaaiv  ano- 
tgiifjug  fiBfiawtay  tvqIv  xahi^  fiaxiaaa^ai,  harrlov  'vielmehr 
bestehe  den  kämpf  mit  der  wa£fe';  X  265  ff.  ovte  ti  vwiv 
OQiua  eaaovrai  nqiv  rj  ^egöv  ye  Tteaövra  atfiarog  iaai  ^'A^a 
'vielmehr  muss  einer  von  uns  beiden  fallen',  vgl.  auch  ZU  171  f. 
O  556  ff.  —  ein  ähnliches  gedankenverhältniss ,  wie  A  29  v^v 
if  €y(ü  ov  Xvaw  Ttqiv  fiiv  xai  y^gag  enBioiv  "^fieviQip  evl  Oüupf 
vgl.  2  282  f.   fl  551.    0  164  ff. 

Eine  weitere  entwicklungsstufe  bezeichnen  die  beispiele,  in 
denen  der  erste  satz  (ohne  tvqIv)  nicht  mehr  negativ,  sondern 
positiv  ist,  von  der  zurückweisenden  bedeutung  des  adverbialen 
TtQiv  nichts  mehr  vorhanden  ist  und  der  inf.  nur  noch  die  Vor- 
stellung eines  zu  erwartenden  ereignisses  enthält.  Unter  diesen 
beispielen  sind  besonders  die  hervorzuheben,  in  denen  die  infi- 
nitivkonstruktion  eine  dem  redenden  unerwünschte  möglichkeit 


136  G.  Hentze 

enthält,  deren  eintritt  er  darch  eine  im  hauptsatze  geforderte 
oder  gewünschte  handlang  zuvorkommen  möchte,  sodass  TtQvv 
mit  infinitivkonstroktion  der  bedentung  nach  einem  negativen 
finalsatze  gleichkommt  So  nach  anfforderungen  im  imperativ 
Z  80f.  (n^T  ctvvov  aal  Xaov  igwiaKsre  —  tvqIv  ovt'  iv  X^Q^^ 
ywamäv  qfsvyovrag  fteaieiv.  re  376.  w  430,  in  anderer  form 
P  30  ff.  —  y  198  ff.,  nach  wünschen  im  optativ  Z  464  f.  dXXd 
/Ei«  Te^vTfjiSra  x^r^  xorä  yaia  xalvrcvoi  nglv  yi  Tt  a^g  t«  ßo^g 
aov  »'  €Xxti»^oio  7tv»ia»ai.  Q  245  f.  d  667  f.  q  597,  mit  aX»' 
ioq)eXXß  a  401  vgl.  X  16  f.;  auch  nach  aussagesätzen,  die  einen 
wnnsch  des  Subjekts  enthalten,  wie  d  823  =  v  426  »  o  30 
(iloxobiaiy)  U/iSPOi  xvsivai  Ttqlv  feargida  yaicev  iiUad'ai,  O  588. 
Auch  in  der  erzählung  wird  durch  ttqvv  mit  inf.  öfter  eine 
nicht  wirklich  ausgeführte  handlung  bezeichnet,  deren  ausfüh- 
rung  durch  die  handlung  des  hauptsatzes  verhindert  ist :  JT  322 
eqfdr]  oge^d^evog  Ttqlv  ovtaaai  'ehe  er  durchbohren  konnte'. 
Q  453.  ^  301.  l  319.  —  In  oratio  obliqua  steht  fCQiv  mit 
infinitivkonstruktion  in  fnturischem  sinne,  nach  negierten  haupt- 
sätzen  (mit  oder  ohne  JtQiv):  E  288.  P  504  ß  375.  d  254  f. 
747.  Q  105,  nach  einem  positiven  «  301;  im  anschluss  an  einen 
befürchtungs-  oder  absichtssatz  mit  /iij  im  opt.  nach  praeteri- 
tum  J  Hb,  V  124.  193,  mit  ^tj  im  conj.  t]  196. 

Der  letzten  entwicklungsstufe  werden  die  beispiele  ange- 
hören, in  welchen  der  inf.  auch  nicht  mehr  futurische  bedeu- 
tung  hat,  sondern  im  anschluss  an  aussagesätze  im  ind.  praes. 
oder  praet.  eine  als  eintretend  gesetzte  oder  wirklich  einge- 
tretene handlung  bezeichnet  und  durch  ngiv  lediglich  die  zeit- 
liche folge  beider  handlungen  (im  sinne  von  bis  oder  bevor) 
zum  ausdruck  kommt.  So  im  anschluss  an  eine  aussage  im 
praes.,  an  eine  negative  T  170  ovde  %l  yvla  rvQiv  xa/tiyet,  tvqIv 
ftdwag  iQio^aai  Ttolifioio.  S  19.  Y  100.  <2>  578;  an  eine 
positive  ^  288.  Häufiger  in  der  erzählung:  nach  negiertem 
hauptsatze  T  313  ovdi  %i  dvfi^  vignswo  Ttqlv  noli^ov  avofia 
dvfievai.  H  481.  i  65.  148.  X  50.  89.  /u  187.  %  475,  nach 
positivem  hauptsatze  /  403  »  X  156.  N  172.  a  210.  17  83, 
vor  positivem  hauptsatze  <2>  100.  £  229.  Der  diese  letzte  ent- 
wickelungsstufe  darstellende  gebrauch  ist  auf  20  beispiele  be- 
schränkt (II.  10,  Od.  10).  Die  beispiele  der  Ilias  gehören  den 
gegangen  HINSTY0X  an;  die  ersten  6  gesänge  und  ausser 
andern  auch  ^  und  JI  bieten  kein  beispiel. 


Der  Imperativische  infinitiv  in  den  homerischen  gedichten.     137 

Der  gebrauch  von  rcaQog  mit  Inf.  bietet  kein  beispiel,  in 
welchem  der  inf.  ursprünglich  in  voluntativem  sinne  gefasst 
sein  könnte  ^). 

Ich  muss  noch  ein  bedenken  erwähnen,  welches  Delbrück 
Vergl.  Synt.  m  p.  437  gegen  die  Yon  Heikel  und  Brugmann 
aufgestellte  ansieht  über  den  Ursprung  der  infiniti?konstruk- 
tionen  nach  tvqlv  erhoben  hat,  das  bedenken:  es  sei  nicht  ein- 
zusehen, warum  die  Griechen  gerade  den  infinitiv,  und  nicht 
lieber  den  imperativ  gewählt  hätten.  Dies  bedenken  erledigt 
sich,  meine  ich,  dadurch,  dass  in  den  beispielen,  welche  uns 
den  ältesten  gebrauch  von  ttqIv  mit  inf.  darstellen,  die  voraus- 
gehende negative  aussage  (im  fut.  oder  imperativ,  inf.)  eine 
handlung  enthält,  welche  erst  im  verlauf  der  zukunft  vollzogen 
werden  kann,  und  auch  die  vorher  zu  vollziehende,  welcher 
jene  unmittelbar  folgen  soll,  eine  futurische  ist,  daher  der  im- 
perat.  inf.  als  futurischer  imperativ  an  der  stelle  war. 

Göttingen.  C.  Hentze, 


Leo  Meyer    Handbuch    der    griechischen    etymologie.     Leipzig, 
8.  Hirzel.     8°.     I.  band  (656  s.),   IL  band  (860  s.),   IIL  band 

(488  8.)  «). 

Es  wird  wenige  gelehrte  geben,  die  im  laufe  eines  langen 
lebens  der  arbeitsart  und  dem  arbeitsfeld  ihrer  Jugend  so  treu 
geblieben  sind,  wie  Leo  Meyer,  und  wenn  ich  nun  sage,  dass 
ich  die  wissenschaftliche  persönlichkeit  des  Verfassers  der  „Ge- 
drängten vergleichung  der  griechischen  und  lateinischen  decli- 
nation'',    der  „Vergleichenden    grammatik    der   griechischen    und 

1)  Der  viel  seltenere  gebraach  von  naqos  mit  inf.  (überhaupt  in 
12  beisp.,  IL  7,  Od.  6,  mit  inf.  in  8  beisp.,  II.  4,  Od.  4,  mit  acc.  c.  inf. 
in  4  beisp.,  IL  8,  Od.  1)  findet  sich  mit  ausnähme  von  i/;  809  nur  nach 
positiven  sätzen,  daher  auch  nirgend  ein  nttqog  oder  nqiv  vorausgeht, 
und  nur  in  beziehung  auf  die  Vergangenheit.  Er  berührt  sich  nur  mit 
der  zweiten  entwicklungsstufe  von  nqlv  mit  inf.  in  4  beispielen  in 
uiMSO,  die  eine  in  der  Vergangenheit  nicht  eingetretene  handlung  ent- 
halten, am  meisten  aber  mit  der  letzten  entwicklungsstufe  von  tiq^v,  da 
8  beisp.  in  Z£*P  und  in  der  Odyssee  eine  in  der  Vergangenheit  einge- 
tretene handlung  bezeichnen.  Dagegen  nimmt  Delbrück  Vergl.  synt.  III 
p.  436  f.  an,  dass  ngiv  sich  nach  naqog,  und  zwar  in  schon  sehr  früher 
zeit  gerichtet  habe. 

2)  Vgl.  die  selbstanzeige  6GA.  1901  s.  325—829. 


138  A.  Bezzenberger 

lateinischen  spräche",  der  „Flexion  der  adjectiva  im  Deutschen'', 
der  „Gothischen  spräche"  u.  s.  w.  in  dem  „Handbuch  der  griechi- 
schen etymologie"  fast  unverändert  wiedergefunden  habe,  so  glaube 
ich  damit  eine  Vorstellung  von  dem  gehalt  und  dem  wesen  dieses 
Werkes  zu  geben,  die  nur  für  diejenigen  einer  ausfuhrung  bedarf, 
welche  nicht,  wie  ich,  jenen  älteren  Schriften  ein  gutes  teil  ihrer 
wissenschaftlichen  Schulung  verdanken. 

Gleich  den  früheren  arbeiten  Leo  Meyers  „charakterisiert  sich" 
auch  die  vorliegende  „durch  eine  reinliche,  klare  und  nüchterne 
darstellung"  (Benfey  Geschichte  der  Sprachwissenschaft  s.  591) 
und  durch,  wie  mir  scheint,  unbedingte  Zuverlässigkeit  aller  tat- 
sächlichen angaben.  Gleich  jenen  zeigt  sie  aber  auch  eine  be? 
schränkung  des  arbeitsgebietes  sowohl  auf  griechischem,  wie  auf 
nichtgriechischem  boden,  welche  ich  trotz  des  alters  und  der 
klassicität  der  von  Leo  Meyer  bevorzugten  Sprachdenkmäler  als 
richtig  nicht  anzuerkennen  vermag,  und  dieser  beschränkung 
gegenüber  ein  eingehen  auf  das  vorkommen  der  von  ihm  berück- 
sichtigten altindischen,  lateinischen  und  gotischen  Wörter,  die  den 
eindruck  der  Verschwendung  macht.  Was  hat  es  beispielsweise 
für  einen  wert,  dass  HE  166  lat.  dare  mit  „Enn.  ann.  234; 
447"  belegt  ist?  Oder  dass  ebenda  s.  295  „das  ganz  vereinsamt 
dastehende  gothische  bnauan  'zerreiben'"  (das  Leo  Meyer  ver- 
mutungsweise zu  xvavBiv  stellt)  mit  dem  citat:  „nur  Luk.  6,  1: 
raupid^un  ahsa  sipdnjds  is  jah  matidMun  bnauandans  —  'i/^o/- 
XO/vtBq*  —  handum"  verbunden  ist?  Oder  dass  ebenda  s.  300 
unser  graben,  goth.  graban  (nach  Leo  Meyer  möglicher  weise  zu- 
sammenhängend mit  x^^^^cracir)  belegt  ist  mit:  „Luk.  16,  3: 
graban  —  ^OTianreiv^  —  ni  mag;  6,  48:  mann  timijandin  razn, 
saei  grob;  19,  43:  bigraband  fijands  theinai  grabai  —  ^xaqomo^ 
—  thuk?"  Oder  dass  ebenda  s.  461  got.  varmjan  mit  den  be- 
legen: „Mk.  14,  54;  Joh.  18,  18  —  2  mal  —  und  25;  Ephes. 
5,  29"  ausgestattet  ist  (während  dem  Verfasser  auf  der  vorher- 
gehenden Seite  für  dasselbe  verbum  das  citat  „Ephes.  5,  29: 
födeith  ita  jah  varmeith"  genügte)  ?  Statt  ein  übermaass  von  zeit 
und  räum  auf  solche  citate  zu  verwenden,  die  sich  aus  spezial- 
wörterbüchern  doch  leicht  entnehmen  lassen,  und  deren  ange- 
messenheit von  dem  herr  Verfasser  selbst  dadurch  in  frage  ge- 
stellt ist,  dass  er  sie  öfters  ganz  willkürlich  ausgewählt  (vgl.  z.  b. 
die  obigen  anführungen  über  got.  varmjan  und  die  belege  für 
altind.  pdtus  II  506,  546:  RV.  I,  44,  9;  I,  52,  13  —  RV.  I, 
127,  8;  I,  105,  2)  und  bei  der  anführung  von  z.  b.  altslavischen 
und  litauischen  Wörtern  verschmäht  hat  —  statt  also  sich  und 
sein  publikum  mit  solchen  citaten  zu  plagen,  wäre  es  gewiss 
richtiger  und  willkommener  gewesen,  wenn  er  die  griechischen 
dialekte  ausgebeutet  und  bei  jedem  griechischen  werte  die  beson- 
deren mundartlichen  formen,  unter  denen  es  bekannt  ist,  ange- 
geben hätte.  Dass  er  dies  unterlassen  und  die  dialekte  nur  auf 
das  notdürftigste  berücksichtigt  hat»  beeinträchtigt  den  wert  seines 


Anzeige.  139 

Werkes  sehr  empfindlich  und  macht  zugleich  den  mangel  eines 
der  anläge  von  Büchelers  Lexicon  italicum  oder  von  Miklosichs 
Etymologischem  Wörterbuch  entsprechenden,  aber  mit  belegen  aus* 
gestatteten  griechischen  Wörterbuches  recht  fühlbar. 

Auch  mit  griechischen  citaten  hat  übrigens  der  herr  Verfasser 
sein  werk  allzu  reichlich  bedacht,  indem  er  sehr  oft  bei  einer 
anführung  oder  einem  verweise  ein  griechisches  wort  mit  beleg- 
stellen  begleitet,  obgleich  dasselbe  wort  an  seinem  platze  mit  aus- 
geschriebenen belegen  genügend  versehen  ist  Ich  verweise  bei- 
spielsweise auf  Ttoaig  II  546  und  506,  deanöt^jg  III  217,  11  546, 
vd^ig  II  766  und  728. 

Das  werk  ist  lexikalisch  angelegt  und  grundsätzlich  aber 
nicht  mit  pedantische  konsequenz  nach  stammen  geordnet.  Ab- 
gesehen von  einzelheiten  kann  ich  dies  nur  billigen,  muss  es  aber 
einstweilen  für  einen  missgriff  halten,  dass  die  Ordnung  nicht  in 
gemässheit  des  griechischen  alphabets,  sondern  nach  einer  von 
dem  herrn  Verfasser  gewählten  buchstabengruppierung  erfolgt  ist 
(a,  s,  0,  t]^  w;  ly  ae,  eij  oi;  v,  ot;,  «v,  ov;  x  [auch  ^,   n  [auch 

V']»  ^;  y»  /*»  ^>  C;  X»  %  *>  <^»  ^  l^y  Qj  ^)-  ^^^  gmnd,  de»  der 
herr  Verfasser   für  diese  einschneidende  neuerung  geltend  macht, 

dass  nämlich  die  reihenfolge  des  gewöhnlichen  slphabets  „eine 
sehr  bunte  ist  und  viel  nah  zusammengehöriges  weit  auseinander 
reisst'<  (GGA.  1901  s.  328),  wird  niemanden  mit  ihrer  unge- 
heuren Unbequemlichkeit  aussöhnen.  Der  angegebenen  Ordnung 
gemäss  folgen  der  reihe  nach  z.  b.  auf  nä  „sich  erwerben''  (II 
465):  Ttdid-,  Ttiog-^  nO'-  (pronomen),  no-  „trinken",  ttj,  nrjö^g^ 
nw-  „trinken",  ttco,  Ttüv-y  Ttwvyy-,  7t i-  (ttI-)  „trinken",  nlaq^ 
Ttii^iVy  Ttiov-y  fvai'SiVy  rtai^o-Vj  Ttaiijov-,  TtaLioviä,  noX^  Ttovievv^ 
noio-^y  TtoiKi  „gras",  Ttoit]  „sommer,  jähr",  niavo-^,  TcvsXo-g, 
nvo-g^  nvog-,  nav-ea&ai,  Ttov^  nccKToeiv  u.  s.  w.;  auf  Jidivvoo-g 
rni  177):  dnaXvyio-gj  dialy  dlaiza^  diaiveiVf  dal  u.  s.  w.;  auf 
OQVfio-v  (m  253) :  ddlo-g,  dikeag  u.  s.  w.  —  Femer  muss  ich 
mich  gegen  das  nicht  seltene  zerreissen  von  zusammengehörigem 
aussprechen,  das  der  herr  Verfasser  doch  gerade  vermeiden  wollte, 
z.  b.  von  ^0-,  fttj-y  TtL'  (tt*-)  „trinken"  (s.  oben),  oder  von  qpa- 
„töten"  (III  348),  qpOTO-g  „getötet"  (III  360),  qpfiy-  „töten"  (ge- 
folgert aus  S7t€q>vov;  III  384)  und  ^£v-  „schlagen"  (III  449: 
„im  gründe  das  selbe  mit  q>eV'  'töten'"),  obgleich  zuzugeben  ist, 
dass  in  dieser  hinsieht  die  richtige  mitte  zwischen  einem  zu  viel 
und  einem  zu  wenig  nicht  leicht  gefunden  werden  kann. 

Bei  der  behandlung  des  Stoffes  ist  der  herr  Verfasser  darauf 
ausgegangen,  ihn  von  seinem  wissenschaftlichen  Standpunkte  aus 
nach  möglichkeit  gruppenweise  vorzuführen.  Um  aber  auch  die 
Selbständigkeit  mindestens  der  wichtigeren  ableitungen  hervor- 
treten zu  lassen,  hat  er  dieselben  auch  besonders  —  öfters,  wie 
bemerkt,  etwas  zu  breit  —  behandelt,  oder  doch  aufgeführt.  So 
heisst  es  z.  b.  unter  zäaaeiv  (II  766)  nach  einer  reihe  von  be- 
legen dieses  wertes: 


140  A.  Bezzenberger 

„Dazu  vä^is  'geordnete  aufstellung,  heerhaufen,  Ordnung'; 
'Stellung,  platz';  Aesch.  Prom.  128:  qfilla  yag  fjöe  ta^vg  TtTSQvyonf 
^oaig  afuXXaig  ftgoaißa  tovöb  rtdyov.  Fers.  298:  oar  ini 
OKrjTizovxlije  zaxd'elg  avavÖQOV  td^iv  Tjfi^fMOV  &ctv(ov.  Soph.  Oed. 
Kol.  1310:  ^fjLfjLoxuiv  %e  tuiv  i^viv^  di  vvv  avv  eTctd  zd^eaiv 
avv  hma  tb  Xoyx^^S  ^^  ®^ßVS  ^^^^  afiq)BaTaav  näv,  Hdt. 
1,  82 :  6  de  vwv  AcnuBdai^ovlwv  ^Od'Qvddrig  ...  iv  z^  Tcr^t  bIxb 
Bwvzov.  (Siehe  auch  besonders  seite  728).  zäyo-g  'anordner, 
befehlshaber'  (siehe  besonders  seite  749).  —  zayi^  'schlaohtord- 
nung*  (siehe  s.  749)". 

Schlägt  man  die  stellen,  auf  die  hier  verwiesen  ist,  nach,  so 
findet  man: 

(S.  728)  „zd^ig  'geordnete  aufstellung,  Ordnung,  Stellung, 
platz'  (weder  bei  Homer  noch  bei  Hesiod;  Pindar  hat  es  nur  in 
dem  abgeleiteten  za^iova&av  'sich  in  Schlachtordnung  aufstellen' 
Ol.  7, 8;  —  Aesch. Prom.  128;  Pers.298;  380;  Soph.  Oed. Kol.  1311 ; 
Bruchst  399,  3;  Hdt.  1,  82;  6,  111;  9,  26;  27),  siehe  weiterhin 
unter  zdaaeiv  'geordnet  aufstellen,  ordnen';  'verordnen,  befehlen'". 

(S.  749)  »zä^p-g  'anordner,  befehlshaber'.  D.  23,  160: 
Ttagä  d*  o?  zäyot  diAfii  iasvovzojv  (scheint  weniger  gute  lesart 
als  ...  0?  T  dyol  'führer'  .  .  .),  Aesch.  Prom.  96:  zoicvS*  6 
viog  zayög  fiaiidQtav  i^ijvg  Ire  ifiot  öbo^ov  deix^.  Pers.  23: 
aal  Meyaßdzijg  ^d'  ^Aazdartrjg,  zayol  IlBQacSv.  324:  Qdqvßig 
ZB  Ttevzijxovza  ftBvzducig  vbwv  zayög.  480:  vawv  ys  zayoi  zdiv 
XeXeifi/iivuiv  .  .  .  avQOvzat  wvyijv.  Agam.  110:  ld%aiGnf  dl&Qovov 
Ttgdzog^  ^EXkdöog  fjßag  ^v(jiq>qovB  zayii»  Soph.  Ant.  1057:  cto^ 
oia^a  zayovg  ovzag  av  iiyrjg  liywv;  Eur.  I.  A.  269:  atv  o 
^'Aöqaazog  rjv  zayög.  Ar.  Ritter  159:  w  ztSv  'A&tiviwv  zayi  zwv 
evdaifiövwv.  Xen.  Gesch.  6^  1,  8:  Srt  .  .  •  evnBzwg  av  iyw 
zayog  QBZzaXünf  aTtdvzwv  xazaazairjv.  Pollux  1,  128  erklärt: 
l'diov  .  .  .  QezzaXwv  zayög.  —  Dazu  zayi^  'Schlachtordnung'; 
Ar.  Lys.  105:  6  d*  sfiög  ya  (nämlich  dvTJQ)^  xav  ix  zag  zaySg 
ilarj  Ttöna.  —  Scheint  eine  verbalgrundform  zäy  (oder  zay) 
'ordnen,  anordnen,  befehlen'  zu  ergeben,  die  aber  m  keiner  ein- 
zigen verbalform  deutlich  heraustritt»  ausser  in  dem  passivaoristi- 
schen  zayijvaij  das  aber  nur  bei  späteren  (wie  ApoUod.  1,  9,  23; 
zd  ini-zayivza)  vorkommt  und  sich  zu  dem  präsentischen  zdacBiv 
(siehe,  seite  766)  stellt". 

Diese  beispiele  lassen  zugleich  die  sehr  eingehende  behand- 
lungsweise  erkennen.  Was  an  griechischen  Wörtern  einem  Stich- 
wort untergeordnet  und  nicht  durch  Verweisungen  erledigt  ist,  ist 
mit  belegen  versehen,  und  alsdann  ist  auf  lautliche  Verhältnisse, 
form  und  verwantschaft  des  betrefienden  wertes  bezw.  wortkreises 
eingegangen. 

Unleugbar  ist  diese  behandlungsweise  sehr  zweckmässig  und 
wie  sie,  so  erkenne  ich  auch  gern  an,  dass  die  belege,  obgleich 
in  einzelnen  fällen  über  ihre  auswahl  eine  auskunft  erwünscht 
wäre,  über  das  vorkommen  der  griechischen  Wörter  in  der  litte* 


Anzeige.  141 

ratur  gut  orientieren,  und  dass  das  eingehen  auf  die  form  der 
Wörter,  ihre  erläuterung  durch  paraUelbildungen  eine  grosse  an- 
nehmlichkeit  bildet  Womit  ich  mich  aber  nicht  befreunden  kann, 
ist  die  etymologische  seite  des  Werkes.  Nicht  selten  ist  gar  keine 
deutung  eines  Wortes  gegeben,  obgleich  es  klar  oder  befriedigend 
erklärt  ist,  und  nur  zu  oft  ist  eine  gute  etymologie  in  unbegrün- 
deten zweifei  gezogen  oder  gar  bald  ausdrücklich,  bald  still- 
schweigend einer  weniger  guten  nachgesetzt.  So  heisst  es  unter 
ddiv'  „drüse"  (I  137) :  „dunkeler  herkunft  .  .  .  Fick  I  *  363  ver- 
muthet  Zugehörigkeit  zu  altbulg.  jendro  'kern,  hode'  und  altind. 
andd-m  'ei,  hode'  (Manu;  Hit.)''.  Die  tadellose  kombination 
Saussures:  ddrflf  —  lat.  inguen  —  an.  ekkr  „geschwulst"  (M6- 
moires  de  la  soci6t6  de  linguist.  VI  53)  wird  hier  jeder  vermissen. 

—  Von  adivO'Qt  das  „etymologisch  völlig  dunkel"  sei  (I  141), 
gibt  es  eine  bemerkenswerte  erklärung  Zupitzas  (Gutturale  s.  88). 

—  ainvctfiog  „enkel,  nachkomme",  das  sich  von  selbst  in  a-inväfiO'g 
zerlegt  und  einen  nachkommen  insofern  benennt,  als  seine  erinne- 
rungen  nicht  soweit  zurückreichen,  wie  die  eines  vorfahren,  ist 
mit  der  kurzen  bemerkung  „dunkelen  Ursprungs"  abgefunden 
(I  249).  —  Von  iganj  „andrang,  schwung"  (I  443)  ist  gesagt: 
„Die  gewöhnlich  angenommene  identität  mit  dem  vorausgehenden 
iQ(xn]  'das  ablassen'  ist  bei  dem  weiten  auseinanderliegen  der  be- 
deutungen  beider  Wörter  durchaus  unwahrscheinlich.  Weiterer 
etymologischer  Zusammenhang  noch  unermittelt".  Diese  äusserung 
trifil  schon  seit  langer  zeit  nicht  mdir  zu,  s.  Fick  Vgl.  wbch. 
»  III  252  (unter  rasa).  Prell witz  Etym.  wbch.  s.  104.  —  ifiog 
(I  602;  nach  dem  herm  Verfasser  „alt  wahrscheinlich  f^io-g") 
ist  unerklärt  geblieben,  und  li^iog,  das  daran  anklingende  beiwort 
ApoUons,  soll  von  Imog  „kläglich,  jammervoll"  nicht  verschieden, 
„aber  wohl  anders  (aoer  wie?)  gedacht"  sein  (II  15).  Die  erklä- 
rungen,  die  Froehde  BB.  III  7,  XIX  235  von  diesen  Wörtern 
gegeben  hat,  durften  hier  nicht  unerwähnt  bleiben.  —  Für  fi/oma 
(II  22),  J^eixd^eiv  (II  105),  ßeixwv  (11  106)  u.  s.  w.  ist  angeb- 
lich „weiterer  etymologischer  Zusammenhang  noch  nicht  nachge- 
wiesen; Fick  (bei  Bezzenb.  4,  184)  behauptet  einen  solchen  mit 
lit.  vfkti  'eintreffen,  zutreffen,  wahr  werden',  bringt  aber  gar  nichts 
bei,  das  die  von  ihm  angenommene  bedeutungsentwicklung  irgend 
wie  wahrscheinlich  machen  könnte"  (II  23).  Diesem  mangel  hätte 
der  herr  Verfasser  aber  selbst  leicht  abhelfen  können.  Ich  führe 
an:  lit.  pa-toSikslas  „beispiel",  pa-weiksltis  „musterhaft"  (vgl. 
ßeixwv),  newyk^  ddikts  (Lit.  forsch,  s.  57,  vgl.  a߀vxihog\  lett 
uAksfüs  „ich  schicke  mich  an"  (vgl.  fi/oiKs  „es  schickt  sich"). 
Übrigens  stellt  Fick  neuerdings  eoixa  vermutungsweise  zu  skr. 
vigdti  „eintreffen"  (Wbch.  *  I  543)  und  Prellwitz  Wbch.  s.  85 
ist  ihm  leider  darin  gefolgt  —  Über  olx^ad'ai  liest  man  (II 131): 
„Da  in  den  verwanten  sprachen  sich  offenbar  keine  frappant  ent- 
sprechende form  findet,  so  bleibt  Benfeys  Vermutung  (Or.  und 
Occ.  1,  427;  732)  erwägenswerih,   nach   der  das  x  üi  ganz  ahn- 


142  A.  Bezzenberger 

lieber  w^se  wie  in  e^eadtii  'kommen,  geben'  (1»  seite  460)  sieb 
SOS  älterem  präsentisehem  sk  entwickelte  und  dasselbe  alte  altind. 
«t  zu  gründe  liegt,  das  mit  der  bedeutung  'bringen,  heibeiscbaffen' 
scbon  unter  oi-  'tragen,  bringen'  (seite  121)  aufgeführt  wurde, 
mebrfadi  aber  aucb  in  der  bedeutung  'gehen,  kommen'  auftritt". 
Ich  möchte  wissen,  was  Leo  Meyer  gegen  die  Verbindung  von 
oi%oiuxL  und  lit  eigä  „gang"  (Ptellwitz  Wtbch.  s.  221)  einzu- 
wenden hat  —  Obgleich  Homer  nur  %fjQ  zeigt,  bleibt  der  herr 
Verfasser  doch  bei  der  alten  annähme,  dass  xijq  aus  huboq  kon- 
trahiert sei,  und  erklärt  über  dieses:  „Dunkeln  Ursprungs.  Die 
annähme  naher  Zugehörigkeit  zu  xaqditj  'herz'  ist  ohne  boden" 
(n  218  f.).  —  nQOfivria%iv<hg  „einzeln  einander  folgend"  ist  mit 
dyxiOTivog  verglidken,  „das   offenbar   von   dem   superlativischen 

ayxiazo^ ausging.    So  darf  man  auch  in  unserem  wort 

das  -aT-  für  superlativisch  halten.    Die  vorausgehende  sufiGxform 

beg^net  offenbar  denen   in  nqviivo^  'der  äusserste' Die 

grundlage  aber  bildet  n((6  'vor"'  (ü  640).  Ganz  anders  und 
wie  ich  glaube,  abschliessend  ist  TtQOfivrjatlvog  von  O.  Hofiinann 
Rhein,  museum  LVI  474  erklärt.  —  Die  Zusammenstellung  von 
Twd'd^iv  mit  unserem  tadel,  die  übrigens  meines  wissens  zuerst 
von  mir  gemacht  ist  (BB.  V  315),  trifit  nach  dem  herm  Verfasser 
„schwerlidi  das  rechte".  Er  selbst  ist  nicht  abgeneigt,  das  grie- 
chische wort  mit  skr.  hdsati  „lachen,  verspotten"  in  Zusammen- 
hang zu  bringen,  an  dessen  intensivform  jähasyamäna  vtodii^siv 
„sich  möglicher  weise  eng  anschliessen  könnte"  (ü  763).  —  ßj^^jxn 
soll  „etymologisch  nicht  mit  Sicherheit  weiter  zu  verfolgen"  sein 
(III  151).  Ich  glaubte  bisher,  dass  Ficks  etymologie  ßXfjxV* 
ahd.  kUiga  (BB.  XII  161)  allgemeine  Zustimmung  gefunden  habe 
(vgl.  Brugmann  Grundriss  '  I  614,  Zupitza  Gutturale  s.  82).  — 
OQvntBw  {ÖQVipwp  m  252)  „scheint"  nach  Leo  Meyer  „in  den 
verwandten  sprachen  noch  nicht  aufgefunden  zu  sein",  ist  aber 
mit  recht  zu  lett.  drupt  „zerfallen,  in  trümmer  gehen,  zerbröckeln" 
gestellt  (G.  Meyer  Griech.  gram.  >  s.  69 ;  wegen  des  Verhältnisses 
zu  lit.  trupSti  „in  brocken  zerfallen"  (dazu  trunipas  „kurz")  s. 
s.  Noreen  Urgerm.  lauüehre  s.  185  anm.  3,  Eretschmer  EZs. 
XXXI  455  anm.,  Zupitza  das.  XXXVII  389).  —  xo^og,  dessen 
identificierung  mit  lit.  zäras  (Fick  Wtbch.  ^  I  435,  Prellwitz 
Wtbch.  s.  362)  ich  für  tadellos  halte,  ist  ohne  erwähnung  dieser 
etymologie  in  Zusammenhang  gebracht  mit  skr.  ghürndti  „hinund- 
herschwanken,  wanken,  sich  hinundherbewegen,  zucken"  (ni  308). 
Nach  dem  herm  Verfasser  selbst  ist  es  lediglich  wissenschaft- 
liche strenge  gewesen,  wodurch  sein  etymologisdiee  verhalten  be- 
stimmt ist.  „Alles"  sagt  er  in  der  selbstanzeige  des  Werkes  s.  329 
„was  an  früheren  Worterklärungen  nach  dem  gegenwärtigen  stände 
der  Wissenschaft  als  ganz  verfehlt  angesehen  w^en  darf,  ist  ganz 
unerwähnt  geblieben,  ebenso  aber  auch  alles,  was  etwa  an  allzu 
unsicheren  und  verwegenen  muthmassungen  sich  hie  und  da  leicht 
hätte    vordrängen   mögen.      Wo   ausreichende    erklärungen   noch 


Anzeige.  143 

fehlen,  ist  es  unverblümt  ausgesprochen;  mit  Wendungen  wie 
'dunklen  Ursprungs',  'etymologisch  noch  unaufgeklärt'  und  ähn- 
lichen ist  durchaus  nicht  gespart".  Die  obigen  anführungen  geben 
aber  ein  ganz  anderes  bild.  Nicht  strenge  rücksicht  auf  den 
gegenwärtigen  stand  der  Wissenschaft  hat  den  herm  Verfasser  ge- 
leitet, sondern  lediglich  sein  subjektives  ermessen,  sein  wissen- 
schaftlicher geschmack,  und  dass  er  in  dieser  beziehung  auf  ein- 
samem pfade  wandelt  —  wenn  dafür  noch  ein  beweis  nötig  ist, 
so  bietet  ihn  z.  b.  I  636,  wo  die  Zusammenstellung  von  rjXiii- 
und  aind.  sadr^  als  „noch  immer  wahrscheinlich"  behandelt  ist. 

Diese  Subjektivität  hat  aber  nicht  nur  unmittelbar,  sondern 
auch  mittelbar  das  urteil  des  herm  Verfassers  ungünstig  beein- 
flusst,  denn  sie  —  und  gewiss  nichts  anderes,  da  der  Vorwurf  der 
bequemlichkeit  der  ungerechteste  wäre,  den  man  Leo  Meyer 
machen  könnte  —  hat  ihm  auch  die  neuere  einschlagende  litte- 
ratur  fem  gehalten  und  ihn  also  verhindert,  sich  ein  zutreffen- 
deres bild  von  dem  gegenwärtigen  stände  der  Wissenschaft  zu 
machen.  Wie  wenig  er  sie  zum  grossen  schaden  seines  Werkes 
berücksichtigt  hat,  wie  viel  er  aus  ihr  hätte  entnehmen  können, 
das  man  nun  wieder  mühsam  zusammen  suchen  muss,  wie  viel 
nutzbarer  und  zeitgemässer  er  mit  ihrer  hülfe  ein  werk,  das  in 
solcher  ausdehnung  nicht  leicht  wieder  erscheinen  wird,  hätte 
machen  können,  zeigt  dasselbe  auf  jedem  blatt.  Ficks  Wörter- 
buch ist  wohl  das  einzige  hülfsmittel,  das  er  mit  einer  gewissen 
regelmässigkeit  benutzt  hat,  und  gewiss  gebührt  diesem  eine  be- 
vorzugung  im  höchsten  grade,  denn  niemand  wird  leugnen,  dass 
Fick  der  verdienteste  etymologe  unserer  zeit  ist.  Aber  Fick  selbst 
wäre  der  letzte,  der  den  grossen  etymologischen  leistungen  Bugges, 
Froehdes,  J.  Schmidts  aufmerksamstes  gehör  versagen  und  es  ab- 
lehnen würde,  überall  nach  etymologischen  perlen  zu  suchen,  wo 
er  sie  vermuten  kann.  Wie  er  ein  etymologisches  handbuch  des 
Griechischen  anlegen  würde,  hat  er  in  seiner  anzeige  von  Prell- 
witz' etymologischem  Wörterbuch  (GGA.  1894  s.  227)  ausge- 
sprochen. Dass  Leo  Meyer  ihm  nicht  gefolgt  ist,  wird  hoffent- 
lich dazu  beitragen,  dass  Prellwitz'  werk  bald  in  einer  neuen 
bearbeitung  erscheint 

Die  zahl  der  falle,  in  denen  ich  aus  der  fach  wissenschaft- 
lichen litteratur  etymologische  bemerkungen  gegen  den  herm  Ver- 
fasser zu  entnehmen  habe,  ist  zu  gross,  als  dass  ich  sie  erledigen 
könnte,  und  hier  noch  eine  auswahl  aus  ihnen  zu  treffen,  hätte 
wenig  zweck.  Dagegen  erlaube  ich  mir  eine  reihe  von  Wörtern 
zu  behandeln,  deren  beurteilung  ich  fördern  zu  können  glaube. 

dßoKiBiVj  dßmtiQ  (I  127). 

Diese  Wörter  und  aßa^^  das  Hesych  als  erklärung  von  dßd* 
xr^g  braucht,  nebst  dßaxrj^oiy  y^alaXog^  äavvefog"  (ders.)  verbinde 
ich  mit  ßoKttjQla  „stock,  stütze",  ßdxvQOv  „stab,  stütze",  ßäxTOi 


144  A.  Bezzenberger 

^^iaxVQoi*^  (Hesych),  lat  bäculum,  im-bectütis  „schwach''  (Fick 
BB.  XVII  320\  Uhlenbeck  PBB.  XVIII  242  hat  zu  diesen 
Wörtern  mit  recht  nd.  pegel  gestellt;  ahd.  chegüf  das  Fick  ihnen 
zugesellen  wollte,  ist  das  asl.  zhzh,  russ.  zezh  „stab,  stock", 
lett.  fißs  „Stab",  vgl.  Miklosich  Etym.  wbch.  s.  413. 

Die  ursprüngliche  bedeutung  von  a-ßcm-  wird  „haltlos, 
schwach"  gewesen  sein,  und  hiervon  liegt  „ruhig,  sanft,  still" 
nicht  weit  ab,  vgl.  z.  b.  den  gebrauch  von  engl.  soft.  Übrigens 
kann  in  äßaxriaav  Od.  4,  249  dieselbe  geringschätzigkeit  stecken, 
wie  in  imbecälus. 

ayayomTßiv  (I  108). 

dycevaxTSW  »  ay-avaxTiw  enthält  vermutlich  -ttvay"  »  ^ng' 
in  lit.  ünkti  (üngau)  „wimmern  wie  ein  hund",  iit^cstyti  „leise 
winseln,  wimmern",  germ.  ank-  in  mnd.  anken  „seufzen,  stöhnen". 
Vgl.  GGA.  1898  s.  554  anm.,  wo  weniger  gut  TtsQi'fjfieTiTew  zu 
ünkti  gestellt  ist. 


>'    ftO  y-T     ^\       >/ 


ae»3iov  (I  8),  ao^  (I  14). 

Se&Xov  „kampfpreis",  aed'Xog  „kämpf,  wettkampf^'  hat  Benfey 
Wurzell.  I  255  f.  zu  skr.  vadh  „schlagen,  erschlagen,  verwunden, 
töten"  gestellt  (vgl.  vadhä,  vddhatra,  vadhdnä,  vddhar  =  av. 
vadare  „waffe"),  und  diese  etymologie  scheint  mir  viel  zu  früh 
aufgegeben  zu  sein  (so  auch  von  Zupitza  KZs.  XXXVII  405  f.). 
ae&kov  kann  ursprünglich  „waffe"  bedeutet  haben :  die  waffen  des 
gegnera  waren  damals  die  IVcr^a.  Später  trat  anderes  unter  ihrem 
namen  an  ihre  stelle  (II.  XXII  163  f.).  Unter  diesem  gesichts- 
punkt  findet  die  Hesychische  glosse  ao^g'  ywaineg  kdyovrai  xai 
vgiTtoöeg  (vgl.  doQwv '  ywamwVy  falls  nicht  zu  ändern  in  oaQwv) 
ihre  sehr  einfache  erledigung,  und  auch  nicht  zweifelnd  lässt  sich 
hierauf  ein  aoQ-  „frau"  begründen  (I  14).  Nur  insofern  ist 
Hesychs  deutung  von  aoQsg  beachtenswert,  als  sie  eine  Überliefe- 
rung erkennen  lässt,  die  als  eigentliche  bedeutung  von  as&Xov 
äoQsg,  also  eben  „waffen"  annahm. 

alovaeiv  (11  74). 

Wie  idw  auf  *asfajw  kann  aiovdw  „begiesse,  feuchte  an" 
auf  *aaißoväjw  beruhen  i)  und  zu  lit  sywai  „saft",  lett.  Hwe, 
siws  (auch  djs,  wie  aj^s  „schafe",  güfs  „kühe"  Lett.  dialekt-stud. 
s.  160)  „das  öl,  das  sich  beim  stossen  des  hanfs  bildet,  mist- 
jauche" (auch  „scharfe  materie"  im  anschluss  an  ^ws  „scharf")^ 
got.  saivs  „see"  gehören.  Die  wurzel  dieser  Wörter  scheint  im 
Griechischen  bereits  durch  alfia  (Prellwitz  a.  o.  s.  8,  Stokes  Ur- 

1)  Fick  GGA.  1894  s.  229  sieht  für  die  erklämng  von  atovam  yed. 
ifvämi  drapsdm  in  betracht.  Allein  dies  heisst  „ich  sende  den  tropfen" 
(KV.  VIII  85,  14),  nnd  in  aiovdu  liegt  nicht  die  vorstellnng  der  schnellen 
bewegnng,  die  an  tf  haftet. 


Anzeige.  145 

keltischer  sprachBchatz  s.  303)  vertxeten  zu  sein  (s.  jedoch  Fick 
GGA.  1894  s.  229). 

Got.  (german.)  saivs  auf  *8oih>{r  zurückzuführen  (Zupitza 
Gutturale  s.  68)  nötigt  gar  nichts,  denn  ahd.  gisig  {ffesik,  gisic) 
„palus,  stagnum*',  das  angeblich  für  die  erklärung  von  saivs 
maassgebend  ist,  hat  kein  recht  für  mehr  als  eine  hochdeutsche 
bildung  (aus  sngan  Graff  VI  130  f.)  zu  gelten.  —  Fick  Vgl. 
wbch.  >  II  257,  ^  I  141  stellt  lit  sywai  zu  gr.  vsiv  „regnen 
lassen^',  „regnen'^  und  skr.  sunüti  „auspressen''.  Allein  dem 
widerspricht  das  y,  und  was  veiv  betrifil,  so  ist  es  fraglich,  ob  es 
mit  skr.  su  zu  verbinden  ist.  Empfehlenswerter  scheint  mir  seine 
Vereinigung  mit  avuv  „schöpfen''  (Fick  BB.  11  187,  Osthoff  Ge- 
schichte des  perfekts  s.  486),  lat.  haurio  und  an.  ausa  „be- 
sprengen, begiessen",  nicht  nur,  weil  in  veiv  die  Vorstellung  des 
pressens  nicht  enthalten  ist  (vgl.  in  dem  vorliegenden  werke  II 
139),  sondern  auch  weil  durch  diese  Zusammenstellung  eine  be- 
friedigende erklärung  der  formen  Sadtjcav  und  iqjva^Jiivog  und 
des  Wortes  vaviaxov  „trinkgefass"  (II  165)  gegeben  wird.  Dass 
vd'kog  „leeres  geschwätz"  zu  veiv  gehöre  (Persson  Wurzelerweite- 
ruDg  s.  8 f.),  ist  sehr  unwahrscheinlich.  Wohl  aber  darf  '^iwv 
auf  veiv,  ausa  bezogen  werden  (Froehde  BB.  XX  212;  an.  etfrr 
bleibt  besser  fem). 

dyLSvsiv^  oMivBvv  (I  43  f.). 

dnevsr  vrigel.  KvnQiot  (Hesych),  ä^evovcog  im  recht  von 
Gortyn  (von  Bücheier  mit  „indem  hört"  übersetzt),  Idxevod 
(Bechtel  GN.  1888  s.  411)  will  Kretschmer  KZs.  XXXIII 
565  wegen  der  nicht  zu  bezweifelnden  vergleichung  von  a%ovfa 
mit  got.  hausjan  von  änovio  trennen.  Ich  lasse  es  dahinge- 
stellt sein,  ob  nicht  mit  wenigstens  demselben  rechte  diese  ver- 
gleichung  wegen  axevo}  aufgehoben  werden  könnte,  da  mir  alle  drei 
Wörter  eng  zusammenzugehören  scheinen.  Ihre  letzterreichbare 
grundlage  sehe  ich  in  asl.  duti  „noscere",  nsl.  öuti  „hören,  wachen", 
wr.  6u6  „hören"  (Miklosich  Etym.  wbch.  s.  37,  Bemeker  IF. 
X  151,  Zupitza  KZs.  XXXVH  399). 

Aus  der  hierin  enthaltenen  wurzel  kSu  ergaben  sich  zunächst 
zwei  ablautsformen :  keu  und  kü.  Letzteres  ist  erhalten  in  gr. 
xvöog  „rühm,  ehre"  (II  277),  hervorgegangen  aus  *keudoS'  =  slav. 
öudo  „wunder"  *).  Zu  keu  stellen  sich  xo(/)iWf  skr.  kavi  (II  21 9  f., 
Hirt  Ablaut  §  449),  wie  z.  b.  lit.  sraweti  zu  ^iw^  und  es  liegt 
selbst  vor  in  (a-)x6t;cii,  in  dem  xa;  durch  s  erweitert  ist  (vgl. 
russ.  öüchath  „schmecken"  :  öuth  „wahrnehmen",  gebildet  wie  asl. 
qchati^  gr.  uaado/iai  BB.  VII  62). 

Aus  (a')x€v(a)w  ergab  sich  endlich  (d')iiov{a)j(o  =•  got. 
hausja  sei  es  auf  dem  von  Meister  (Dialekte  11  231)  vermuteten 

1)  In  Hudo  sehe  ich  eine  dareb  Hud^  „riese",  Huidh  „fremd"  ver- 
anlasste umwandlang  von  cudo.  Anders  Bemeker  a.  o.  ■.  166.  Vgl. 
J.  Schmidt  K8B.  VI  184. 

Beltilge  s.  knile  d.  inäg.  ipialMa.     XXVIL  IQ 


i 


146  A.  Bezzenberger 

wege,  sei  es  als  eine  denominale  bildung  (vgl.  dxoij).  Dass  diese 
beiden  yerba  ursprünglich  „wahrnehmen''  bedeutet  haben,  darf  un- 
bedenklich angenommen  werden,  und  ebenso  ist  es  ganz  unbe- 
denklich, in  dem  a-  von  dxevw,  dyjovio  das  lett.  sa  zu  sehen  (vgl. 
lett.  just  ,,fuhlen,  bemerken,  empfinden''  —  sajust  „fühlen,  be- 
merken, wahrnehmen");  die  entwicklungsreihe  *aaKetaw  —  *Ha- 
nevHüß  —  äxeiHw  —  oaiavut  ist  völlig  regelrecht.  Nicht  unbe- 
denklich ist  dagegen  die  von  Kretschmer  vertretene  annähme, 
dass  movw  auf  einer  Zusammensetzung  dx-ovg  „ein  scharfes  ohr 
auf  etwas  habend"  beruhe  (vgl.  auch  Fick  BB.  I  334,  Johansson 
IF.  III  199).  Viele  analoge  bildungen  lassen  sich  keinesfalls 
nachweisen,  und  dxgoäad'ai,  die  hauptstütze  dieser  erklärung, 
steht  seiner  bildung  nach  so  weit  von  dnovo)  ab  (duLOvo)  — 
dxQodofiai;  dxiJKoa  —  ijHQÖäfiai),  dass  es  mehr  gegen,  als  für 
jene  annähme  spricht. 

In  den  kreis  der  eben  behandelten  worter  ziehe  ich  auch 
das  viel  erörterte  lat.  custödtre  (s.  Zupitza  Gutturale  s.  127  f.), 
dessen  st  seiner  unmittelbaren  Vereinigung  mit  %ev&w  widerspricht 
vgl.  J.  Schmidt  EZs.  XXV  166),  und  dessen  erklärung  aus 
udh84'  (Brugmann  IF.  VI  108  f.)  mir  zu  gekünstelt  ist  ^).  Als 
„bewahren,  verwahren"  lässt  es  sich  dagegen  eng  mit  dxevto 
vereinigen.  —  Ohne  bedeutung  für  die  etymologie  von  custödire 
sind  die  von  Prell witz  BB.  XXV  312  herangezogenen  lettischen 
Wörter,  da  sie  gar  nicht  echt-indogermanisch  sind:  ktuie  „stelle 
in  Aussen,  wo  die  fische  laichen"  ist  das  liv.  kud,  estn.  kudu 
„laich"  (Thomson  Beröringer  s.  262)  und  in  ufkude  „keller", 
ufkuds  „brotkleete"  steckt  liv.  koda,  estn.  kodu  „haus"  {uf- 
„hinter"  wie  im  Litauischen),  gleichwie  in  kodlaks  „hausier". 

dmdvogy  dxidQog  (I  41  f.). 

Die  Zusammenstellung  dieser  wörter  mit  skr.  khid  „stossen, 
drücken"  ist  bedenklich  wegen  des  kh  dieses  verbums,  und  noch 
weniger  kann  ich  mich  mit  der  Verbindung  von  dyudyog  mit 
iAi%(ßs  (Bury  BB.  VII  340)  und  mit  ^Ttadavog  (Fick  QQA.  1894 
s.  229),  sowie  mit  seiner  beziehung  auf  xidvr]  „geröstete  gerste" 
(Prell witz  Wbch.  s.  10)  befreunden.  Begrifflich  Hessen  sich 
OKidi^Sgy  dmögog  eher  auf  ijxa  „schwach",  cMaXog  „ruhig"  be- 
ziehen, aber  formell  sind  sie  hiermit  nicht  wohl  zu  vereinigen. 
Dagegen  steht  nichts  im  wege,  sie  zu  cymr.  cwyddo  „fallen",  an. 
hitta  „treffen"  (Stokes  Urkelt  Sprachschatz  s.  75,  Zupitza  Gutturale 
8.  117)  zu  stellen.  Als  ihre  ursprüngliche  bedeutung  wäre  dann 
„hinfiUig"  anzunehmen. 

1)  Ahd.  huUa  „hatte"  und  A«t  „haus",  die  wiederholt  mit  eudödir^ 
in  iQsammenhang  gebrmoht  sind,  stelle  ich  (Am  als  ibf<»t-o-)  ta  nordlit. 
temait.  kStü  „stiul",  lett  kdu  „viehstall,  vorh&ngeschloss"  (nach 
Brückner  Ldtoslav.  stud.  I  100  vielleicht  ans  poln«  htaa  „niedrige  hatte", 
entlehnt,  was  er  wohl  selbst  nicht  mehr  glaabt). 


Anzeige.  147 

oKology  aßoXog  (I  39,  129). 

aKoloQ  „brocken,  bissen^'  scheint  mir  nichts,  als  ä-noXo-g 
(vgl.  lat  cello)  zu  sein,  obgleich  keine  der  möglichen  deutungen 
des  a-  sich  dieser  erklärung  leicht  fugt.  Dagegen  kann  in  äßoXog 
„manteP'  nur  das  „kopulative"  a  enthalten  sein,  wenn  es,  wie  ich 
nicht  zweifle,  ein  griechisches  wort  ist.  Wie  der  mantel  zu  diesem 
namen  gekommen  ist,  lehrt  das  lateinische  „pallium  in  collum 
conjicere". 


>/  w 


avetfiy  avBw  (I  192). 

BB.  rV  314  f.  habe  ich  fj  „sprach's''  von  skr.  ah  getrennt 
und  eine  erklärung  von  t]  vorgeschlagen,  die  ich  heute  zwar  nicht 
mehr  für  richtig,  aber  an  und  für  sich  noch  immer  für  besser 
halte,  als  die  zurückfuhrung  von  rj  auf  *^x^  (ausfuhrlich  hier- 
über Osthoff  BB.  XXIV  171  f.).  Was  gegen  jene  erklärung 
spricht,  ist  avBw  (a)'«^),  das  von  tj  nicht  wohl  getrennt  werden 
kann  und  insofern  die  annähme  einer  wurzel  se  für  rj  verbietet 
(vgl.  a'(a)aTog).  Es  ist  ablativ  (vgl.  Buttmann  Lexilogus  II 1  ff.) 
von  *avrißog  =s  av-tjj^o^  „nicht  sprechend''  (vgl.  Düntzer  KZs. 
XIII  1  f.),  gebildet  aus  dem  er  privativum  (wegen  dieser  betonung 
vgl.  Knauer  KZs.  XXVII  1  ff.)  und  einem  adjektivum  17/0-g, 
das  zu  i  gehört,  wie  lat.  gnävu-8  zu  lit.  zinö-ti,  gr.  fXrjfo^ 
(:  fla/og)  zu  filijjUt.  Das  tj  ist  verkürzt  wie  z.  b.  in  roxetav, 
Ficks  Schreibungen  avaoi,  dyao)  sind,  soweit  ich  sehe,  ohne  ge- 
währ.    Die  betonung  avew  erklärt  Buttmann  a.  o.  s.  3. 

dvTtjQigf  SvtQOv  (I  205,  208). 

dvttjQig  soll  nicht  nur  „stütze",  sondern  auch  „fensteröffnung 
oder  überhaupt  loch,  nüster"  bedeutet  haben  (dann  dvr^Qig  be- 
tont) und  scheint  mir,  soweit  ihm  diese  bedeutung  zukommt,  zu 
ävTQov  zu  gehören.  Für  verwant  halte  ich  asl.  (fth  „durch- 
löchert" (qtlina,  qtlizna  „scissio"),  russ.  ütlt/j  „leck,  morsch, 
schwach,  krüppelig",  poln.  toqtiy  „schwach,  nicht  fest",  toqtlica 
(wqklica)  „zerbrochener  topf"  (Miklosich  a.  o.  223,  430)  und 
lett.  dtenis,  ÖtdinÜe  vermutl.  „krüppel-birke"  (gegensatz :  purdinÜe 
„sumpf-birke"). 

«toff,  aotpg,  otpg  (I  13,  145,  524). 

Leo  Meyer  hat  oC^og  in  der  Verbindung  o^og^l/igriog  von  o^og 
„zweig"  nicht  getrennt,  während  ich  von  der  richtigkeit  der  an- 
nähme überzeugt  bin,  dass  es  in  dieser  Verbindung  an  ao^og^ 
aCog  „diener"  anzuschliessen  ist.  In  der  deutung  von  d^og  ^'AQtiog 
bin  ich  also  mit  W.  Schulze  Quaestiones  s.  497  (vgl.  Johansson 
IF.  III  199  f.)  einverstanden,  aber  nicht  beipflichten  kann  ich 
seiner  lautlichen  erklärung  dieses  oC^og  als  o-ad-o-g,  da  sie  nicht 
allein   Übergang   von    ad  in  ^  annimmt  (wofür  sichere  beispiele 

10* 


148  A.  ßezzenberger 

fehlen),  sondern,  was  noch  viel  empfindlicher  ist,  in  o^og  und 
aoJs,OQ  (das  von  W.  Schulze  als  a-aoö-jo-g  aufgefasst  wird  und 
sich  gar  nicht  anders  auffassen  lasst)  principiell  verschiedene 
bildungen  sieht  und  das  ^  von  o^og  ganz  anders  beurteilt  als  das 
von  iio^og.  Beides  ist  aber  so  willkürlich,  dass  eine  bessere  er- 
klärung  von  ot,og  (^'^qrjog)  gesucht  werden  muss. 

Eine  solche  wäre  schon  die  zurückführung  von  oCpg  auf 
o-aip^jo-g^  also  eine  bildung,  die  sich  von  aoCpg  durch  ihr  d- 
=  a-  (vgl.  W.  Schulze  a.  o.  s.  494  ff.)  und  das  fehlen  des 
Wurzelvokals  (ebenda  s.  498)  unterscheiden  würde.  Allein  abge- 
sehen von  anderem  bliebe  bei  ihr  unklar,  warum  der  wurzelvokal 
in  aoCpg  geblieben,  hier  aber  geschwunden  wäre.  Aus  diesem 
gründe  ziehe  ich  es  vor,  in  otpg  (^'Agrjog)  eine  falsche  Umschrei- 
bung von  0Z02  =a  (jü^og  und  in  dem  w  dieser  form  das  ergeb- 
niss  einer  kontrakliou  zu  sehen.  Als  offne  form  setze  ich  b-o^og 
voraus,  da  zusammenziehung  von  a(a)o  der  echten  homerischen 
spräche  nicht  zugemutet  werden  daif,  während  kontraktion  von 
o{a)o  durch  *Hovg  d  188,  aldovg  v  171  (vgl.  Fick  Hias  s.  556) 
gut  bezeugt  ist  und  durch  zusammenziehungen  von  a(a)a  eine  ge- 
wisse bestätigung  fiindet.  Das  Hesychische  ot^eia  -  d-egarcela  bietet 
keinen  triftigen  einwand  gegen  diese  erklärung,  da  o^eia  eine 
ganz  späte  ableitung  aus  dem  falsch  umschriebenen  0Z02  sein 
kann;  und  ebenso  wenig  sind  a^og,  ä^fjtai  (I  145,  W.  Schulze 
a.  0.  s.  500)  für  die  erklärung  von  o^og  ('AQfjog)  von  bedeutung, 
da  nichts  hindert,  (tCpg^  atjqvav  zu  schreiben  und  das  anlautende 
ä  mit  Leo  Meyer  auf  a — o  zurückzuführen. 

Ein  besonderes  Interesse  verdient  aot/og  (s^tjog^  aCpg)  insofern, 
als  es  dasselbe  ausweichen  eines  kompositums  in  die  ^o-deklination 
zeigt,  das  sich  im  Litauischen  und  Lettischen  zum  gesetz  erhoben 
hat.  Bekanntlich  steht  es  aber  in  dieser  hinsieht  im  Griechischen 
nicht  allein.  Einige  derartige  griechische  bildungen  habe  ich 
Beitr.  z.  geschichte  der  lit.  spräche  s.  105  angefahrt,  andere 
sind  von  Fick  GGA.  1881  s.  444,  Johansson  BB.  XIV  171, 
Prellwitz  Programm  des  gymnasiums  zu  Bartenstein  1895  s.  8 
erwähnt.  Ein  hübsches  beispiel  ist  vrtvog  :  eV'VTWioVy  weil 
hf'VTCVLOv  deutlich  auf  eine  lokativische  Verbindung  als  veran- 
lassung des  thema-wechsels  hinweist  und  zugleich  die  entstehungs- 
art  einer  anzahl  von  ^'o-stämmen  aufhellen  hilft,  da  unzweifelhaft 
(eV')v7tviov  identisch  ist  mit  lat.  somnium,  skr.  svdpnya-m  und 
sich  hiervon  lediglich  unterscheidet  wie  ev-alog  (neben  ivdXiog  « 
iv  ali'Og)  von  lit.  salä  „insel'^  (Prellwitz  a.  o.).  Selbstver- 
ständlich kann  aber  nur  eine  beschränkte  zahl  derartiger  bildungen 
aus  der  Verbindung  einer  präposition  mit  einem  lokativ  ohne 
weiteres  erwachsen  sein;  von  den  meisten  derselben  ist  vielmehr 
anzunehmen,  dass  die  ihnen  je  zu  gründe  liegende  Verbindung 
nach  mustern  wie  e7tix^6viogy  ivaXiog  deklinabel  gemacht  wurde. 
So  entstand  z.  b.  evvtcviov  nicht  ebenso  aus  *iv  vftvei,  wie  i/ri- 
j^d'öviog  aus  irti  x^ovi,  sondern  ist  in  iv'V7ty{eiyi(hv  zu  zerlegen. 


Anzeige.  149 

Beiläufig  bemerkt  darf  lat.  insotnnium  nicht  mit  ivvnviov  identi- 
ficiert  werden,  sondern  ist  als  eine  lateinische  neubildung  anzu- 
sehen, da  es  jünger  als  somnium  ist  —  Ein  keltisches  komposi- 
tum,  das  in  den  kreis  der  hier  behandelten  Zusammensetzungen 
gehört,  ist  Mediolanium  Bevue  celt.  VIII  187  (vgL  Fick  BB. 
Xn  161).    ' 

Im  anschlusB  hieran  erlaube  ich  mir,  einige  belege  für  die 
Umstellung  von  compositionsgliedern,  die  ich  Beitrage  z.  geschichte 
der  lit.  spräche  s.  106  f.  berührt  habe,  zusammenzustellen :  Leop. 
Schroeder  Redetheile  s.  215,  Q.  Meyer  KZs.  XXII  13  f.,  gr. 
aQwyo-vavTifjQ  „den  schifiern  beistehend",  Bühler  BB.  IV  76, 
Zachariae  BB.  V  53,  PW.  IV  157  f.  unter  nipata  (vgl.  auch 
Pänini  2.  2.  31,  38),  Bollensen  UrwasI  s.  164.  In  fällen  wie 
lvKoaf^Q(07tog  —  werwolf  (falls  dies  „mannwolf"  bedeutet),  an. 
fuähundr  —  nhd.  hundsfott  sind  die  kompositionsglieder  nicht 
v^tausoht,  sondern  ihre  Stellung  widerspricht  sich  lediglich  in 
gemässheit  verschiedener  anschauung. 

aTteilij  (I  74), 

aTteikij  „drohung,  prahlerische  Versprechung^'  und  änukifo 
„drohe,  prahle,  gelobe''  kennen  wir,  so  viel  ich  weiss,  nicht  aus 
einer  Überlieferung,  die  über  die  beschafienheit  ihres  et  sicheren 
aufschluss  gäbe.  Hat  Fick  statt  ihrer  mit  recht  äol.  aTtellä, 
aTtekiAtt}  angenommen,  so  können  sie  zu  lett.  pilt  „schmähen, 
lästern,  verleumden",  paloB  „tadel,  Schmähung",  if-paiM  „tüchtig 
ausschmähen"  gestellt  werden.  Vgl.  begrifflich  mhd.  prcUen 
„hoffärtig,  gross  tun"  und  „lärmender  Wortwechsel".  —  Die  Ver- 
mutungen Froehdes  BB.  XIX  242  lassen  sich  hiermit  sehr  wohl 
vereinigen. 

ccTt^vt)  (I  70),  KOTtdvä  (11  242). 


>    / 


Für  anrjVfj  „lastwagen"  sollen  die  Thessaler  naTtavä  ge- 
braucht haben,  und  hierin  scheint  mir  ein  fingerzeig  für  die  er- 
klärung  dieser  Wörter  zu  liegen,  den  ich  nicht  vernachlässigen 
möchte.  Den  schluss  beider  beziehe  ich  auf  Tt^vog*  vq>aafia 
(Hes.),  lat.  pannu-8,  got.  fana,  asl.  o-pona  „verhäng"  (II  579) 
und  sehe  in  OTti^vif]  eine  mit  (a-)  einem  verhäng  oder  verdeck 
versehene  Sfia^a,  Dasselbe  bedeutete  meines  erachtens  najtavä 
=  xa(iro)-7rcb'ä  (also,  falls  nicht  i/Lcinnävä  zu  schreiben  ist,  wohl 
nicht  thessalisch,  sondern  kyprisch  ?),  vgl.  nardf^Tvelog  „reich  mit 
weinstöcken  versehen",  naraTcdytav  „langbärtig",  xazdaxiog 
„schattig**,  xaToOKOTog  „dunkel**,  xazdüTayog  „bedacht**,  -Mtra^ 
Texvog  „kunstvoll**,  xataxctlxog  „mit  erz  belegt**.  —  Anders  über 
%a7tavä  Prellwitz  Etym.  wbch.  s.  138  unter  nansvog^  Stokes 
Urkelt.  Sprachschatz  s,  330, 


löO  A.  Bezzenberger 


agßriXog  (I  281). 

agßrjXog  „rundes  schustermesser'^  stelle  ich  zu  lett.  irbs 
„strickuadel",  irbulis  „pflöckchen,  griffel''  :  lit.  ufbinti  „mit  dem 
pfriemen  ein  loch  machen",  urbti  =  lett  urbt  „bohren",  urbulis 
„pfriemen,  griffel"  :  lit.  rubti  „aushöhlen",  rüptüwas  „hohlmesser", 
lett.  H265  „kerbe,  einschnitt,  falze,  mangel,  zwistigkeit"  (BB. 
XVII  215;  Basis:  ereb-  orob-  röb).  —  Darf  angenommen  werden, 
dass  dQßvXr]  „starker,  den  ganzen  fuss  bedeckender  schuh"  ur- 
sprünglich einen  holzschuh  bezeichnete,  so  passt  diese  etymologie 
auch  für  dieses  wort. 

Ganz  verschieden  von  lit.  rubti  „aushöhlen"  ist  rä'bti  in  ajh 
si-rü'bti  „die  häuslichen  arbeiten  verrichten"  (Kurschat  Lit.  wbch. 
s.  18).  Dies  steht  in  ablaut  zu  got.  arbaißs,  ahd.  arabeit,  asl. 
rabh  „servus",  rabota  „servitus"  (Basis  orobh-  röbh,  vgl.  J.  Schmidt 
Vocalismus  11  144,  478).  Hierzu  gehört  auch  lit.  roba  „leib- 
eigene, gefangensohaft"  (Miezinys  s.  208),  aber  nur  als  lehnwort. 

Eine  wesentlich  andere  etymologie  von  arbaißs  gibt  Grien- 
berger  Sitzungsberichte  der  Wiener  Akad.  phil.-hist.  cl.  CXLII, 
Vm  28.  Ich  stimme  den  von  Uhlenbeck  PBB.  XXVH  115  f. 
gegen  sie  gemachten  einwendungen  bei  und  benutze  übrigens 
gern  diese  gelegenheit  Grienbergers  beachtenswerte  erklärung  von 
aurahi  (a.  o.  s.  36  f.,  vgl.  BB.  XXVI  166)  hervorzuheben. 


>  / 


aTifißo)  (I  88). 

Mit  Fick  GGA.  1894  s.  245  halte  ich  die  sammtllchen  falle 
der  angeblichen  Vertretung  von  aspirata  —  aspirata  durch  griech. 
tenuis  —  media  für  äusserst  bedenklich  ^)  und  gebe  daher  die 
Zusammenstellung  von  dtd/iiß(o  „schädige,  verkürze,  beraube"  und 
skr.  dcU)h  auf.  Auf  eine  bessere  etymologie  führt  die  vergleich- 
ung  von:  dti/Aßei  d'Vfiov  ivi  atij^eaaiy  u4x^''^^^  ß  ^^  ™^^- 
l^vdQoxXeiÖT]   HUT  ad  w   xat  t^v  yX€JT(T)av   xr^v   naxiiv  mal  Toy 

d-v/idv  Tov  ncmov ^f\ioyvaiov  KttTa[d](a  aal  ti^v  yk(jJT{T)ay 

TTjv  xaxYiv  xat  tov  Svfibv  tov  tuxkov  xai  Tr/v  tfßvxfjv  Ttjv  xcniij[v 
(R.  Wünsche  Defixionum  tabellae  atticae  [Corp.  Inscr.  Attic. 
Appendix]  s.  19  no.  84  a).  dti^ßw  erscheint  hierdurch  als  sy- 
nonymum  von  Kavaöiw  (vgl.  auch  sdrjae  xelev&ov  d  380,  469). 
Als  solches  aber  tritt  es  von  selbst  zu  ndfißog  „band,  schleife*' 
(dies  wort  finde  ich  bei  Leo  Meyer  nicht),  lit.  kimbü  „bleibe 
haften,  hängen",  norweg.  hempa  „band,  schleife,  haken,  klammer" 
(Fick  BB.  n  187,  Bugge  das.  III  103,  Zupitza  Gutturale  s.  22). 

Vergleichbare  ausdrücke  sind  lat.  ligäre,  oUigäre,  fascindre 
(neben  fascia,  fasds  Wharton  Etyma  lat.  s.  34)  und,  wie  ich 
glaube,  auch  an.  sida  „rubere!  treiben",  seidr  „zauber'^  lit.  aaisti 
angebl.  „zeichen  deuten,  prophezeien"  (vgl.  ahd.  seito  „strick, 
fessel,    saite",   seid  „strick,   fallstrick",    lit.  saitas  „strick,  fessel", 

1)  ni)f<yog  zu  lett.  peldfe  (neben  pelze  =  lit.  p^lke  Fick  Wbcb,  *• 
8.  478)?    Bei  Tegea  hiess  ein  wald  mXayog,  vgl.  Fick  BB.  XXU  231. 


Anzeige.  151 

sitas  „strick",  lett.  saüe  „band,  fessel,  schnur'S  sUawa  „tuch  um'g 
bein",  skr.  setu  „bindend,  fesselnd,  band,  fesseP').  Ganz  anders 
hierüber  Osthoff  BB.  XXIV  158  ff.  »). 


aqweiv  (I  158). 

äqwsvv  (e^-atpioweg)  und  ägwaaeiv  (aus  a-gwrjsiy)  be- 
rühren sich  lautlich  und  begrifflich  so  nahe  mit  lat.  imbuo,  dass 
die  gleichstellung  dieses  wertes  mit  agwo)  der  erwägung  wert  ist. 
Vgl.  z.  b.  f^idv  äqwaaeiv  „wein  schöpfen,  giessen"  und  guUura 
lacte  imhuere  „die  kehlen  begiessen";  terras  vofnere  imbuere, 
opus  imbuere  und  öiä  ö^  evreqa  x^^'^og  ijgwaßy  ^Xxog  aqwaasiv. 

Die  Zusammenstellung  von  imbuo  mit  aXi'ßdvw  (Lettner 
KZs.  VII  178  no.  123)  und  dvcj  (Leo  Meyer  BB.  HI  75,  Fick 
das.  V  352)  lässt  einen  rest,  der  mir  durch  Bugge  (BB.  XIV  61, 
vgl.  Prellwitz  Wbch.  s.  81,  Kretschmer  KZs.  XXXI  424  f.)  nicht 
eben  verkleinert  zu  sein  scheint  (vgl.  Brugmann  IF.  XI  277), 
und  die  gleichsetzung  von  imbuo  und  i/ig>va}  (Havet  M^m.  de 
la  soc.  de  linguist.  VI  32  und  Osthoff  Perfect  254  anm.)  er- 
innert —  da  ifig>v(a  im  Lateinischen  durch  infui  vertreten  ist  — 
etwas  zu  sehr  an  das  hexen-einmaleins. 

Ist  die  gleichung  imbuo  »-  äqwu}  richtig,  so  kann  als 
grundform  dieser  Wörter  9'n(e)bhU'  angenommen  werden,  wodurch 
man  zu  ved.  nabh  „bersten",  nabhanü'  „fluss"  gelangen  würde 
(vgl.  Benfey  Einige  derivate  des  indogerm.  verbums  anbh  »- 
nabh,  Pischel  Ved.  stud.  II  101,  Scherer  ZQDS.  «  s.  405).  In 
derselben  richtung  bewegt  sich  die  Vermutung  Froehdes  BB. 
II  336. 

ägwayevog  (I  158). 

Für  nicht  verwant  mit  aqyvaauv  halte  ich  dgwayevdg 
„schlämm,  unreinigkeit  in  einem  fluss".  Das  Verhältnis  von  got. 
biugan  zu  skr.  bhujäti  gibt  das  recht,  aus  got.  us-baugjan  „aus- 
fegen'* ein  indogerm.  bheug-  (bheuz-?)  von  ungefähr  gleicher  be- 
deutung  zu  folgeren,  und  hierauf  kann  dqwayerog  (als  ä-fpvy- 
ffX€-TO-$)  beruhen.  Seine  eigentliche  bedeutung  wäre  dann 
„kehricht,  gemüll". 

Avest.  buj ,  das  zu  i4S'baugjan  gestellt  zu  werden  pflegt, 
lasse  ich  vorläufig  bei  seite;  s.  Geldner  KZs.  XXIV  142,  Ost- 
hoff IF.  V  294. 

ßa^eiv  (in  86). 

ßay-  in  ßdl^eiv  „sprechen"  (ßißcniTai)^  ßdy^a  „rede",  ßdßa^ 
„Schwätzer"    steht   für   zvag-    (oder  zv^ng-?)  und   gehört  zu   lit. 

1)  J.  Grimm  erwähnt  bei  der  besprechung  von  seidr  got.  »aup» 
(Myth.  '  988).  Das  gibt  mir  gelegenheit  zu  der  bemerkung,  dass  hunsl 
zu  lit.  nufitü  ,,8chniore,  brühe"  =»  lett.  sutu  „ich  werde  heiss,  schmore, 
bähe"  gehören  kann  (als  hun(p)ila' ;  vgl.  Grienberger  a.  o.  s.  121  f.). 


152  A.  Bezzenberger 

zwingti  „wiehern"  *)  —  lett.  ßdgt  —  asL  zv^Hi  „canere",  lit. 
su-ztvlngti  „in  wiehern  ausbrechen",  fzwqgantziu  {waru)  Bretk. 
I  Eor.  13.  1  „tönendes  (erz)",  ztoageti  „klappern"  »-  lett.  fwadfit 
dass.,  lit.  zwaglnei  „wiesenklapper",  lett.  fwadßndt  „plappern, 
schellen,  tonen  machen,  sich  hören  lassen"  und  german.  kvak- 
in  mnd.  quaken,  nhd.  quaken,  quacken. 

Von  den  eben  erwähnten  baltischen  Wörtern  sind  ganzlich 
zu  trennen  lit.  swageti  „tönen"  und  lett.  swadßt,  swadfindt 
„rasseln,  plappern".  Zu  dem,  was  von  Fick  Vgl.  wbch.  *  II  692, 
Schade  und  Zupitza  (Gutturale  s.  181)  ihnen  zur  seite  gestellt 
ist,  füge  ich  vermutungsweise  gr.  rjxri^  rixu  „schall,  ton".  Lat 
vägire,  womit  diese  griechischen  wörter  verbunden  werden,  ist  bei 
skr.  vagnü  „tönen"  u.  s.  w.  gut  untergebracht  (Uhlenbeck  Altind. 
wbch.  II  267).  O.  Hoffmann  stellt  mit  recht  hierzu  auch  lit. 
wögrauti  „krahlen"  (mündliche  mitteilung). 

Weniger  klar  sind  mir  lit.  zwag&i  (begrifflich  »-  zwageti\ 
zw'^gauti  und  zwögauti  „unartikuliert  schreien".  Ihr  z  charakte- 
risiert diese  verba  als  lehn  wörter,  allein  nur  für  zw^auti  kann 
ich  eine  auswärtige  unterläge  nachweisen  (klr.  zvjaha  „lärm" 
Miklosich  Et.  wb.  s.  404)  und  muss  daher  die  möglichkeit  offen- 
halten, dass  zwag&i  und  zwögauti  durch  zvegauti  veranlasste 
abänderungen  von  zwagUi  und  *  zwögauti  sind. 

ßUfAatßiv  (in  154). 

ßXlfidl^eiv  „prüfend  betasten",  von  Brugmann  IF.  XI  286 
anm.  vermutungsweise  aus  ßkiaf^"  erklärt  und  zu  alban.  g'iät, 
gtiät  „finger"  gestellt,  scheint  mir  zu  gehören  zu:  lett.  glaimüt 
„scherzen,  schmeicheln,  liebkosen",  an.  Jdeima  „beschmieren,  be- 
netzen", norweg.  Meima  „kleben,  kleisteren",  „liebkosen,  um- 
fangen", ags.  ckeman  „kalfatern,  zustopfen,  festmachen",  deutsch 
Heimen.    Vgl.  Zupitza  a.  o.  s.  147. 

ßgacaew  (IH  117). 

Wenn  man  ßgciaasiv  (ion.  hi-ßgi^aaeiy;  die  nebenform  ßQu- 
l^uv  nach  Leo  Meyer  zu  streichen)  „sieden,*  aufbrausen,  worfeln" 
auf  ßgäd"-  zurückführt»  so  tritt  es  neben  lit.  murdynas  „quellige 
stelle  im  boden",  lett.  murdit  „aufsprudeln",  murdi  „sprudel" 
und  lit  mürdyti  „etwas  rüttelnd,  schüttelnd  behandeln".  —  Auch 
Osthoff  Morphol.  Untersuchungen  V  97  lässt  das  ßq  von  ßqaaaetv 
aus  mr  entstehen,  verbindet  aber  lat.  fretum  mit  ßgclaaeiv.  Ich 
kann  lat.  fr  für  mr  nicht  anerkennen. 

Von  den  erwähnten  baltischen  Wörtern  zu  trennen  ist  lett. 
murdit  „phantasieren",  das  für  *murgdä  steht,  vgl.  mur§i 
„Phantasien,  nordlicht".     Über  lett.  murda  „reuse"   s.  Thomson 

1)  Mit  Hirts  zasammenbringang  von  iwingti  and  skr.  hü  (BB. 
XXIY  246)  kann  ich  vorl&ofig  nicht  rechnen. 


Anzeige.  153 

Beröringer  s.  270.  —  ßgarrsiv'  nXrj&vvsiv  scheint  mir  W.  Schulze 
Quaestiones  s.  168  anm.  2  richtiger  zu  beurteilen,  als  Zupitza 
Gutturale  s.  129. 

ßgix^iv  (III  122). 

ßgix^iv  „benetzen,  übergiessen'',  ßQOX^OQ  „regen",  von  Prell- 
witz Wbch.  s.  52  richtig  zu  lett.  merga  (märga)  „sanfter  regen", 
mergüt  „sanft  regnen"  gestellt  (dazu  mergdinis  „nebelig"),  gehören 
weiter  zu  cech.  mrholiti  „nieseln",  mrhülka  „feiner  regen"  (Mi- 
klosich  Et  wbch.  s.  191;  das  unmittelbar  hiernach  aufgeführte 
merch'  und  morsb  ebenda  s.  202  gehören  wohl  zu  lit  mursz- 
linti,  tnürkszlinti  „patschen,  sudeln"). 

Die  von  Thömsen  Beröringer  s.  201  betreffs  lett.  merga 
offengehaltene  möglichkeit  wird  durch  das  vorstehende  sehr  un- 
wahrscheinlich. 

ßQi^eiv  (III  129). 

ßqlCjU}  „bin  schläfrig"  {d-ßgi^'  iypjyoQwg  Hes.)  scheint  mir 
seine  erklärung  zu  finden  durch  russ.  greza  „träum,  traumereien, 
faseln",  grizith  „im  schlafe  reden,  träumen"  (nach  Miklosich  Et 
wbch.  s.  78  aus  grSz-). 

Wiedemann  BB.  XIII  310  anm.  denkt  an  Zusammenhang 
von  ßQifyiv  und  lat  marc^re.  Ich  muss  diese  Vermutung  als  zu 
gewaltsam  ablehnen. 

yXaqn)  (III  62). 

ylaq>v  „höhle"  (zu  yXdq)eiv  „scharren,  kratzen,  ausgraben") 
kann  identisch  sein  mit  bulg.  glob  „höhle,  grübe",  vgl.  poln.  tvif- 
gtobiö,  wy-giabiaö  „aushöhlen"  (Miklosich  a.  o.  s.  66). 

ddfiOQ  (III  231). 

ödfiOQ  ist  von  W.  Schulze  EZs.  XXVm  281  f.  als  datn-rt- 
„des  hauses  waltend"  erklärt,  und  diese  zierliche  etymologie  hat 
die  Zustimmung  J.  Schmidts  Neutra  s.  222  und  Prellwitz'  Wbch. 
s.  67  gefunden.  Andere  dagegen  haben  ödfiag,  seiner  bildung 
nach,  an  skr.  ydkrt,  genit.  yaknds  —  gr.  tjTtoQy  ^rtarog  —  lat. 
jecuvy  jecinoris  u.  drgl.  angeschlossen  (so  Johansson  BB.  XVIII 11, 
IF.  III  227,  Pedersen  KZs.  XXXII  244),  und  ich  sehe  weder 
einen  grund,  diese  annähme  zu  verwerfen,  noch  ddficcg  von  an. 
timbr  „bauholz",  as.  timbar  „bau",  got  timrjan  „zimmern,  er- 
bauen" zu  trennen,  denn  es  steht  nichts  im  wege,  diesen  Wörtern 
ein  grundsprachliches  neutrum  dimor-  „gezimmer"  zu  gründe  zu 
legen  und  das  verhältniss  desselben  zu  dem  nominativ  dafiag^T) 
nach  massgabe  von  nongog:  skr.  gdkrt  (Pedersen  a.  o.  s.  245) 
und  zu  german.  timra-  nach  vöwq  :  vatra-  (J.  Schmidt  a.  o. 
s.  202)  zu  beurteilen.  Im  wesentlichen  dieselbe  auffassung  von 
ddfiaQ  und  timbar  lese  ich  bei  Johansson  BB.  XVIII  11  zwi- 
schen den  Zeilen.    Wegen  der  entstehung  der  flexion  ddfiaQ{r) 


154  A.  Bezzenberger 

ddfia^og  verweise  ich  auf  J.  Schmidt  a.  o.  s.  184  und  wegen 
der  Bedeutung  von  dafAaq  auf  Johansson  a.  oo.,  v.  Bradke  IF. 
IV  86  sowie  auf  skr.  antahpura,  guddharUa  1.  „gynaeceum", 
2.  „die  bewohnerinnen  desselben*'.  Den  weg  endlich,  auf  dem 
da/Aag  zum  femininum  wurde  (Brugmann  IF.  XI  103),  veran- 
schaulichen die  im  Grimmschen  Wörterbuch  IV,  1  c.  85  ange- 
führten verse: 

das  frauenzimmer  auch  da  stund 
in  irer  allerschönsten  wat. 

Skr.  därd  „eheweib",  womit  v.  Bradke  a.  o.  (vgl.  IF.  V  273, 
VIII  152)  öafjiaQ  verbindet,  halte  ich  diesem  fern,  da  für  *dami- 
rd-  *damrd  zu  erwarten  wäre.  Über  järd  s.  BB.  XVII  223. 
—  Ansprechend  stellt  Ehrlich  Die  nomina  auf  -evg  s.  40  anm.  1 
zu  da/aag  lit.  marÜ  als  (d)fnarÜ,  Aber  eine  brücke  würde  ich 
auf  diese  etjmologie  nicht  gründen. 

deyvd^eiv  (in  224). 

Wie  deiQiSv'  XoidoQeiad'ai.  uicnuoveg  (Hes.)  zu  lat.  garrio 
(Fick  BB.  XVI  286),  delgwg  zu  gall.  galba  verhält  sich  dewa- 
^eiv  „beschimpfen,  verhöhnen"  (nebst  divvog  „ beschimpfung, 
schände",  dawov  *  %onwX&yov  Hes.)  zu  lat.  gannio  „kläffe,  belfere, 
lärme".  Das  vv  wird  zu  erklären  sein,  wie  in  ßXhva  (Stokes 
a.  o.  s.  188,  Zupitza  a.  o.  s.  147),  ßkevvog,  yiwa  (nach  Fröhde 
BB.  VII  104  aus  yivva   vgl.   skr.  jdnana;   nach  Solmsen  KZs. 

XXIX  64    aus    ysv-va    vgl.    ftOT-va;    nach   Wackernagel    das. 

XXX  314  beruhend  auf  ^yivyrifii;  nach  Johansson  BB.  XVIII  39, 
KZs.  XXX  410,  413  auf  einem  y-stamm  beruhend,  oder  aus 
yev'väf  oder  aus  *yevfa;  nach  Eretschmer  KZs.  XXXI  361  anm. 
plural  von  ^yiv-vo-v  vgl.  zixvov;  nach  anderen,  z.  b.  Brugmann 
Grundriss  ^  II  348  aus  *yev'f4ay  vgl.  skr.  jdnman). 

Brugmann  Grundriss  *  I  659,  IF.  VI  103  ist  geneigt,  ßXewog 
aus  mleds-no-  und  divvog  aus  "^gy^edzhno^  zu  erklären. 

evBQoi,  iviQT€Qog,  eveQ&e  (I  406). 

In  dem  anlautenden  e  dieser  wÖrter  sieht  Leo  Meyer,  ge- 
stützt auf  vigzegog  und  vigd's^  „ebenso  wie  in  iveyxelv  einen 
jünger  entwickelten  laut".  Umgekehrt  halten  Johansson  BB. 
XTV  171  anm.  und  Sommer  IF.  XI 13,  wenn  ich  sie  recht  ver- 
stehe, wie  schon  Benfey  Wurzell.  II  48  iviQTsgog^  tvegd'e  für 
ursprünglicher,  als  viqtBQOgy  viqd'B. 

Gegen  beide  ansichten  ist  einzuwenden,  dass  neben  Sveqoi 
ein  *viQOi  nicht  vorkommt.  Warum  fehlt  dies,  wenn  sich  vig^'S 
neben  dem  nach  Leo  Meyer  un ursprünglichen  sveg^^e  erhielt? 
oder  aber,  wenn  sich  dem  angeblich  ursprünglichen  kvBgd'B  das 
junge  vigd-e  zugesellt  hat?  Ferner  spricht  gegen  die  erste  an- 
sieht, dass  prothetische  vokale  im  Griechischen  nicht  so  schwan- 
kend auftreten,  wie  Leo  Meyer  es  in  diesem  falle  annimmt;  gegen 


Anzeige.  155 

die  zweite  aber,  dass  veQTeQOg  durch  umbr.  nertro,  an.  norAr  ^) 
für  eine  viel  früherere  zeit  bezeugt  wird,  als  hiq^taog.  Man 
mag  daher  immerhin  vigzegog  aus  (e)ner'tero-8  (vgl.  V7tiq%BQog) 
erklären:  im  Griechischen  muss  vigregog  für  älter  als  iviQTeQog, 
und  folglich  veg&e  für  älter  als  ^i^sgd'S  gelten. 

Die  einzige  möglichkeit,  sowohl  diesen  momenten,  als  auch 
dem  doch  nun  einmal  unverkennbaren  Zusammenhang  von  h^ee»€, 
iv€QTBQog  und  evsgog  gerecht  zu  werden,  scheint  mir  darin  zu 
liegen,  dass  man  jene  Wörter  für  volksetymologische,  durch  evegog 
hervorgerufene  Umgestaltungen  von  v€Q&e,  vigtegog  erklärt. 
evEQog  dagegen  war  durch  seinen  unheimlichen  gehalt  vor  einer 
lautlichen  änderung  geschützt. 

Was  nun  die  etjmologie  von  evegog  betrifit,  so  kann  es  seiner 
form  nach  zweifellos  mit  Sonne  KZs.  XIV  11  als  komparativ  von 
iv  betrachtet  werden.  Aber  die  bedeutung  des  wertes  scheint  mir 
doch  mehr  zu  ihrem  rechte  zu  kommen,  wenn  man  hftQOi,  „die  unter- 
irdischen'^  nicht  so,  sondern  als  oi  iv  kg^f  als  TLoraxd'Ovioi  erklärt 

incixctio  (I  358). 

Leo  Meyer  erklärt  diese  form  nicht,  bestreitet  aber  mit  recht, 
wie  mir  scheint  ^),  dass  sie  zu  inixia  gehöre.  W.  Schulze,  der  sie 
auf  e%uv  bezieht  (Quaestiones  s.  228),  hat  bei  ihrer  betrachtung 
Wendungen  wie  d'vgtjv  d*  exs  /dovvog  iTVißXijg,  ^ga  iixßxo  fioxl^ 
überschätzt,  und  seiner  meinung,  l/raixccTO  beruhe  auf  ^iöxoto, 
das  der  dichter  „ut  vocabulum  inhabile  metro  aptaret^'  zu  ioxoro 
gemacht  habe,  und  das  „proclivi  errore^'  zu  ifcwxccvo  bezw.  ^/r^- 
XOTO  geworden  sei,  glaube  ich  durch  ihre  erwähnung  genugzutun. 

Ich  sehe  in  eTtwxctio  eine  hohe  altertümlichkeit  der  home- 
rischen spräche  und  zwar  eine  aoristform  von  ftayvv/dv,  deren 
genaue  bestimmung  ich  aber  vorläufig  offenlasse,  da  iTVwxato 
sowohl  den  ved.  aoristformen  <Uarima,  avädiran,  hädhithäh 
(Whitney  Sanskrit  Grammar  ^  §  904  d ,  verschieden  behandelt 
von  Bartholomae  Stud.  II  165  und  Bechtel  Hauptprobleme  s.  164), 
als  auch  der  arischen  III  sing.  aor.  pas.  auf  -i  wie  ved.  avüci 
»  avest  avacl  (richtig  hierüber  Brugmann  Grundr.  ^  II  1380, 
vgl.  Benfey  Mit  r  anlaut.  personalendungen  s.  7  f . ,  anders 
Bechtel  a.  o.  s.  159,  Osthoff-Streitberg  IF.  III  389  f.,  Reichelt  o. 
8.  86)  angereiht  werden  kann.  Im  ablaut  stimmt  STtaixccTO  zu 
red'ijyLrai,  &w^ai  :  d'äyü)  (Saussure  Systeme  s.  154  f.,  BB.  V  317, 
G.  Meyer  Gr.  gram.  »  88  f.,  Bechtel  a.  o,  s.  236). 

In  begrifflicher  hinsieht  verweise  ich  z.  b.  auf  den  gebrauch 
von  TtaycTOvv. 

/exOTi  (I  343). 

Nach  älterer   auffassung    soll    hLrjri    {M^ff^h  &iccti)    „nach 

1)  Vgl.  Bagge  BB.  XU  105  und  A.  Ludwig  KZs.  X  446.  Nicht  zu 
übersehen  ist,  dass  die  Inder  die  nördliche  seite  üdarie  und  die  südliche 
adharatle  nennen :  also  das  gerade  gegenteil  der  germanisohen  auffassung, 

2)  Vgl.  indessen  Brugmann  W.  XXII  280  psorrektornote]. 


156  A.  Bezzenberger 

willen,  um  willen''  dativ  bezw.  lokativ  sing,  sein,  und  dieser 
meinung  neigt  nicht  nur  L.  Meyer  zu,  sondern  sie  wurde  früher 
auch  von  Eretschmer  vertreten  (EZs.  XXX  586).  Sie  lässt  sich 
aber  nicht  aufrecht  erhalten,  da  Sycrjti  wegen  seines  i  nicht  dativ 
eines  Stammes  /exdri-  (Benfey  Wurzell.  I  347)  sein  kann,  und 
die  annähme  eines  Stammes  fexäv-  mit  abstrakter  bedeutung  in 
der  luft  schweben  würde  (vgl,  KiJLrjg^  ^ßifl$j  Ttivrjßy  rartT^Q 
L.  Meyer  Vgl.  gram,  i  II  100;  über  y^Awr-,  Ißwr-  J.  Schmidt 
KZs.  XXVI  344,  Solmsen  KZs.  XXIX  109).  Mit  recht  haben 
also  Osthoff  Perfekt  s.  335  (vgl.  Proehde  BB.  XIX  235)  und 
Eretschmer  EZs.  XXXI  459  jene  ältere  auffassung  aufgegeben. 
Osthoff  sieht  in  hLtJzi  den  „reflex  eines  sanskr.  *va(;a  cid**  (vgl. 
dazu  Hirt  IF.  I  17);  Eretschmer  trennt  SxäTi  in  ^xar-t,  stellt 
S^xatr-  dem  skr.  ablativ  va^ät  gleich  und  lässt  das  folgende  -t 
nach  analogie  von  doppelformen  wie  tvotI  :  Ttor  angetreten  sein. 
Beides  ist  aber  zu  bestreiten.  Gegen  Osthoff  spricht,  wie 
Eretschmer  hervorgehoben  hat,  dass  er  dem  Griechischen  eine 
hier  beispiellose  Verbindung  zumutet»  und  ob  gr.  fexa-  einem 
instrumental  vagä  gleichgesetzt  werden  darf,  ist  mindestens  sehr 
fraglich.  Gegen  Eretschmer  aber  ist  einzuwenden,  dass  seine 
annähme,  das  auslautende  d  des  ablativs  sei  zu  t  geworden  und 
sei  T  geblieben,  als  ihm  t  angeblich  angefügt  wurde,  einen  Vor- 
gang konstruiert,  der  gleichfalls  beispiellos  genannt  werden  muss 
(vgl.  noöanogj  onddog  BB.  XXIV  321).  Seine  erklärung 
kommt  indessen,  wie  mir  scheint,  der  Wahrheit  sehr  nahe,  und 
diese  suche  ich  darin,  dass  ich,  zwischen  Osthoff  und  Eretschmer 
vermittelnd  ^xcctv  in  den  ablativ  /€Xcr(d)+Tt  zerlege,  aber  in  tc 
nicht  skr.  cid,  sondern  das  dement  ti  sehr,  das  z.  b.  auch  in 
ttqotI,  skr.  prdli  :  tvqo,  skr.  prd  enthalten  ist.  Insofern  die 
erweiterung  von  *  ߀xä(J^  zu  /exa(d)-Tt  nach  analogie  von  Ttgo  : 
TtQOTi  mit  demselben  recht  angenommen  werden  kann,  mit  dem 
Eretschmer  *€xair  zu  hiati  nach  analogie  von  tvot  :  Ttorl  werden 
lässt,  wird  er  hiergegen  nichts  einzuwenden  haben.  Anders  aber 
steht  die  sache,  wenn  man,  wie  ich  es  tue,  in  /£xa(d)-Ti  nicht 
eine  analogiebildung,  sondern  eine  freie  bildung  sieht,  denn  als 
solche  entspricht  sie  nicht  den  von  Eretschmer  EZs.  XTIT  565  ff. 
aufgestellten  regeln  über  die  behandlung  von  t  vor  t.  Aus 
dieser  Verlegenheit  könnte  man  sich  freilich  wieder  durch  inan- 
spruchnahme  der  analogie  helfen,  indem  man  die  erhaltung  des 
t  von  hiÖTi  aus  der  einwirkung  „des  gleichbedeutenden  loTt/fi** 
erklärt.  Allein  mir  scheinen  die  ein  Wendungen,  die  Goidanich 
I  continuatori  ellenici  di  ti  indo-europeo  (Salemo  1893,  vgl.  das 
referat  Brugmanns  Indog.  anz.  V  50)  gegen  jene  regeln  erhoben 
hat,  beachtenswert  genug  zu  sein,  um  auf  das  t  von  exi^Tt  kein 
gewicht  zu  legen.  Dabei  kann  ich  aber  nicht  umhin,  zu  be- 
merken, dass  die  von  Goidanich  s.  8  getadelte  arbeitsart  Eretsch- 
mers  mir  im  allgemeinen  doch  weit  erspriesslicher  zu  sein  scheint^ 
als  das  alla  grossa-verfahren  Goidanichs  selbst. 


Anzeige.  157 

Dasselbe  ti  wie  in  tzqotI  ist  enthalten  in  rttnl  s=  avest. 
paitij  skr.  Üi  (lat.  iti-^emf),  vermatlich  auch  in  ital.  pert,  lat. 
post  (Lindsaj  Latin  language  s.  588).  Dagegen  ist  es  mir  sehr 
fraglich,  ob  es  auch  in  oqti  steckt,  und  auf  keinen  fall  kann 
ich  es  in  bildungen  wie  dfiax^l^i  anerkennen. 

Was  diese  bildungen  betrifil,  so  bestreitet  Leo  Meyer  (I  343) 
die  „unmittelbare  Zusammenstellung''  von  f&Läxi  mit  dfioxr/rly 
avowTjfcly  ävai/Aünl,  dvidgam  u.  s.  w.,  „da  sie  anders  betont 
sind  und  auch  gedehntes  auslautendes  i  haben''.  Kretschmer 
KZs.  XXX  586  erklärt  diia%rj%i  gleich  Iotoiv  für  lok.  sing,  und 
trifil  hierin  zusammen  mit  W.  Schulze  Quaest.  s.  450 :  „aiACtxrjti 
(Z>  437  est  locativus  stirpis  in  consonam  %  exeuntis  quae  latet 
in  Substantive  f^axrivijg**.  Mir  scheint  die  erklarung  dieser  ad- 
verbia  vorgezeichnet  zu  sein  durch  iyQtjyoQTi  K  182,  das  un- 
zweifelhaft von  einer  verbalform  ausgegangen  ist  (vgl.  Kissling 
EZs.  XVII  213)  und  sich  eng  an  ved.  carkrU  „preis,  lob, 
loblied"  anreiht.  Ich  stelle  die  adverbia  auf  -%i  daher  ihrem 
Ursprünge  nach  zu  den  latein.  auf  4im  (Leo  Meyer  EZs.  VI  301, 
anders  vergl.  Qram.  ^  II  392).  Die  bestimmung  ihrer  form 
hängt  davon  ab,  ob  ihr  -i  lang,  oder  kurz  anzusetzen  ist  (H.  W. 
Smyth  Amer.  Journal  of  Philol.  VI  427  f.).  Entscheidet  man 
sich  für  die  länge,  so  wird  man  ihre  auffassung  als  instrumen- 
tale (s.  J.  Schmidt  EZs.  XXVII  287  f.)  sehr  naheliegend  finden. 
Sieht  man  dagegen  in  dem  l  von  z.  b.  iyQtjyo^iy  avovrrjri  nur 
eine  Wirkung  des  iktus,  so  sind  sie  nach  skr.  prabhrti  zu  be- 
urteilen. —  In  dxovLTdy  dvarely  axi/^t/xret  mögen,  wenn  ihr  ei 
anzuerkennen  ist,  lokative  von  TO-stämmen  vorliegen. 

Mit  oQti  pflegt  man  armen,  ard  ,Jetzt"  (Bartholomae  Stud. 
n  23,  Bugge  EZs.  XXXII  3)  und  lit.  aril  „nahe"  zu  vereinigen, 
und  diese  kombination  ist  um  so  bestechender,  als  neben  ccqtl 
dgrvo)  „füge  zusammen,  bereite"  und  neben  arÜ  artüs  „nahe" 
steht.  Allein  auf  diesen  parallelismus  ist  in  Wirklichkeit  nichts 
zu  geben,  da  artils  ungebräuchlich  ist  und  erst  aus  artl  ge- 
wonnen sein  wird  ^).  Scheidet  man  aber  artüs  aus ,  so  nimmt 
man  damit  der  Vereinigung  von  agti  und  artl  ihre  festeste  stütze 
und  kann  sich  bei  der  Verschiedenheit  dieser  Wörter  in  bezug  auf 
betonung  und  auch  auf  bedeutung  zu  gunsten  ihrer  Vereinigung 
oder  gar  identificierung  (so  anscheinend  Brugmann  Grundriss  ^  I 
161,  Prellwitz  Wbch.  s.34)  nur  auf  ihre  lautliche  gleichheit  berufen, 
die  mir  in  diesem  falle  aber  nicht  massgebend  zu  sein  scheint 

aQ%i,  erst  nachhomerisch,  lässt  sich  nicht  trennen  von  den 
homerischen  Zusammensetzungen  aQTL-ßeTtng,  aqfti'Ttog^  äfTl-g>QiaVf 
und  von  diesen  ergibt  äQTi-/en:rjg  deutlich  a^i-  als  nominal- 
stamm =  lat.  arti'   (vgl.  W.  Schulze  Quaest.    s.  159    anm.  1). 

1)  Vgl.  J.  Schmidt  Neutra  s.  346,  dem  ich  aber  in  bezug  auf  at- 
ttüs  nicht  beistimme,  vgl.  skr.  du^(hu,  suflM.  —  In  den  kreis  der  von 
J.  Schmidt  hier  behandelten  formen  wird  auch  lett.  nüst  f,^eg^  fort"  zu 
ziehen  sein. 


158  A.  Bezzenberger 

Indem  die  bedeutung  dieses  compositions-gliedes  etwas  verblasste, 
gewann  es  den  anschein  eines  prafixes  und  wurde  in  nachhome- 
rischer zeit  als  adverb  verwendet.  Dabei  erhielt  es  nach  analogie 
von  dyx^-voog,  äyxl'^sog  u.  s.  w.,  vipl^^vyog^  v'kpi'Ttezrjq  u.  s.  w.: 
ayxiy  vtbi  die  betonung  auf  der  ersten  sylbe.  Dass  im  gegensatz 
hierzu  arc-a^i  betont  wird,  ist  vielleicht  durch  aTt-agTi^w  ver- 
anlasst^ vielleicht  aber  mit  dem  betonungswechsel  in  skr.  prdti  : 
-prati,  pünar  :  a-pundr  in  Verbindung  zu  bringen.  Dagegen  ist 
es  mir  ganz  unwahrscheinlich,  dass  die  accentuelle  Übereinstim- 
mung zwischen  aTt-aq^L  und  lit.  arÜ  mehr  als  zufällig  ist.  Wie 
andere  betonte  auslautende  i  des  Litauischen  scheint  nämlich 
auch  das  von  art\  und  ebenso  das  t  von  ankstl  (G6A.  1896 
s.  962  f.)  aus  gestossen  gesprochenem  'e  verkürzt  zu  sein  (vgl. 
Leskien  Archiv  f.  slav.  philologie  V  188),  denn  neben  ankstl 
haben  wir  preuss.  angsteina,  angstainai  (=  ankste-nai?)  und 
neben  artl  zem.  artet  (Schleicher  Leseb.  s.  256)  =  artie  (Ze- 
majtiu  Wiskupiste  I  51),  d.  i.  arVe,  Dies  arte  (preuss.  *ank8t4S' 
nai)  verhält  sich  zu  artl  (ankstl)  und  artyn,  artybe  {anksiybas, 
*ankstyhe,  vgl.  BB.  XXI  312),  wie  die  präposition  ape  zu  opi-  in 
apl-kakle  und  apy-  in  z.  b.  apv-lanka,  und  wie  hier  und  in  an- 
deren fällen  (z.  b.  koke  —  ger'e  -ß  —  geri)  eine  zwiefachheit  der 
betonung  eine  zwiefachheit  der  form  hervorrief,  so  ist  dies  auch 
bei  arVe  und  artl  anzunehmen.  Ich  fasse  jenes  also  als  arte 
auf  und  führe  dies  auf  ein  nur  accentuell  hiervon  verschiedenes 
*aiie  zurück. 

Da  femer  mit  lit.  artl  im  gegensatz  zu  aQti  kein  einziges 
compositum  beginnt,  und  da  es  einen  ganz  anderen  gehalt  hat 
als  cr^ri-  in  d^i'J^ertijg,  so  schrumpft  die  scheinbar  enge  ver- 
wantschaft  dieser  beiden  worter  zu  der  mogllchkeit  ihres  wurzel- 
haften Zusammenhangs  ein.  Und  auch  dieser  scheint  mir  im 
besten  falle  als  ein  nur  sehr  lockerer  anerkannt  werden  zu 
können,  denn  es  hindert  nichts,  in  artl  (aus  *arte)  eine  Verbin- 
dung der  präposition  ar  (lett.  ar,  lat.  ar-,  BB.  XXIII  298)  und 
tS,  einer  ablautsform  von  ti  in  skr.  prdti  u.  s.  w.,  zu  sehen. 

Dieselbe  nebenform  (te)  ist  vielleicht  anzuerkennen  in  slav. 
proti  „/r^dg"  und  lett  preti  „entgegen,  gegenüber"  (neben  pret, 
pretim),  sowie  in  ahd.  nida  =  ags.  nidk  „infra"  :  skr.  ni  und 
in  lat.  cottidie  (Wackemagel  EZs.  XXIX  147  mit  der  beachtens- 
werten Vermutung,  dass  hier  tl  mit  xoL  gleichzustellen  sei).  Auch 
in  altlit.  idafde  »  idanti  (heute  iddnt;  ostlit  adunt,  was  For- 
tunatovs  BB.  III  63  erklärung  von  iddnt  etwas  erschüttert), 
nete  *=  net  (Fortunatov  a.  o.  s.  58)  und  teipte  u.  s.  w.  (Bei- 
träge z.  geschichte  der  lit.  spräche  s.  268)  kann  sie  enthalten 
sein,  aber  man  geht  sicherer,  wenn  man  ihr  -te  dem  ausgang  von 
anöte^  andt  gleichstellt.  Dies  wort  bedeutet  nach  Eurschat  „ent- 
sprechend, gemäss"  und  erscheint  in  Wendungen  wie  anöte  tewo 
„wie  der  vater  zu  sagen  pflegte"  (Eurschat  Lit  wbch.,  Schleicher 
Lit  gram.  s.  280),  anöt  and  kaJbös  „nach  jenes  rede"  (Jurkschat 


Anzeige.  159 

Lit.  märchen  s.  44).  Ich  glaube  nicht  fehl  zu  gehen,  wenn  ich 
es  unter  Berufung  auf  dva-loyog  „dem  logos  gemäss''  auf  avest. 
ana  „durch  —  hin,  über  —  hin",  gr.  ava  „auf,  an,  durch*', 
germ.  ana  „an,  auf,  bis,  gegen"  beziehe. 

Wie  dies  -te  aufzufassen  ist,  ist  zweifelhaft;  da  neben  dem 
erwähnten  nete  neta  vorkommt  (Beiträge  z.  geschieh te  der  lit. 
spräche  s.  71,  267  f.),  so  ist  eine  notwendigkeit,  es  mit  -ti  und 
4e  zu  vereinigen,  nicht  anzuerkennen,  sondern  es  kann  auf  eine 
linie  mit  ts,  ye  gestellt  werden.  Aber  4e  kann  auch  für  -tie 
stehen;  dann  würde  es  mit  4i  und  -te  eng  zusammenhängen  und 
dem  griech.  -ae  in  SlXo-ae,  insi-ae^  o/no-ae  entsprechen. 

Wie  sich  dies  nun  aber  auch  verhalten  mag:  jedesfalls  steht 
das  'ti  von  skr.  prdti  u.  s.  w.,  das  -te  von  arte  und  -a«  in  Zu- 
sammenhang mit  bildungen  wie  skr.  antasti/a  :  lit.  pzczos  (Jo- 
hansson IF.  m  242),  skr.  dpatya  :  lit.  apaczä  (wegen  der  be- 
deutungsverschiedenheit  vgl.  skr.  apa-kr^fa  „niedrig,  gering"  : 
ut'kr^ta  „eine  höhere  Stellung  einnehmend";  BB.  IX  334),  skr. 
amdtya  :  asi.  *doinaStt  (Zubat^  Archiv  f.  slav.  philologie  XIV 
152),  skr.  *upaiya  :  gr.  vrtziog,  gr.  eYao)  :  lett.  tkscha  (BB. 
IX  334),  gr.  fietaaaaiy  veoaaog,  neqiaaog  (vgl.  maked.  fceghia 
Fick  KZs.  XXII  213),  ahd.  fremidi  (got.  framaßja-)  :  got.  fram 
(W.  Schulze  Berlin,  phil.  Wochenschrift  X  1506),  lat.  pretium  : 
lett.  pret  (Prellwitz  BB.  XXIII  252).  Schliesslich  erlaube  ich 
mir  kurz  auf  lett.  kldt  „nahe  bei,  zugegen"  und  lit.  tizü't  „lieber 
als,  ehe  als,  anstatt  dass"  einzugehen. 

Über  das  verhältnlss  von  kldt  zu  ktdd  „zusammen,  mit  ein- 
ander" 8.  BB.  XVII  214.  Genauere  auskunft  über  kldt  gibt 
seine  nebenform  Mdtu:  ein  wie  lit.  arti  gebildetes  *kld4i  gab 
anlass  zur  bildung  eines  adjektivs  *klätti3  (vgl.  oben  lit.  artüs) 
und  hieraus  wurde  ein  neues  adverbium  Mdtu  gebildet  (vgl.  tdlu 
BB.  XVII  291),  das  sich  als  einziger  rest  dieses  adjektivs  neben 
dem  aus  *kUUi  verkürzten  kldt  erhielt. 

ti^'t  (uzot  Nesselmann,  azüt  Mie^inys,  uziöt  ^)  Kurschat, 
wüÄ'/ 1)  Schleicher),  von  Zubat^  IF.  VI  279  f.  anm.  bereits  be- 
rührt, gebort,  sei  es  als  41-^  sei  es  als  -^e-ableitung  zu  der  prä- 
position  uz  {azu),  deren  verschiedene  formen  ich  BB.  XXI  315  f. 
zu  bestimmen  versucht  habe  ^).  Dass  auch  ussücza  „Verborgen- 
heit" auf  ihr  beruht,  habe  ich  schon  Beiträge  z.  geschieh  te  der 
lit.  spräche  s.  336  bemerkt.  Die  reihe  uzdr  :  uz'Sit({)  :  uzücza 
entspricht  beinahe  ganz  der  reihe  tzqo  :  Ttqtnl  :  TtQOOaw. 

1)  Wesen  des  t  vgl.  die  wechselnden  Schreibungen  »zurgkdüa  „rauh" 
und  niuraadÜBy  sowie  ziaroti  „glänzend  strahlen"  :  iäriti  dass. 

2)  über  die  etymologie  ganz  verschieden  Meillet  Memoires  de  la 
societe  de  linguist.  IX  54  f.  (slav.  sa,  got.  ga)  und  Prellwitz  BB.  XXIII  67 
anm.  2  (slav.  sa,  griech.  dya  :  va>-).  Dass  zu  ui  prenss.  mm  gehöre 
(Meillet  a.  o.  X  141  f.),  glaube  icn  nicht. 


160  A.  Bezzenberger 

^rjTio}  (III  265). 

Kretschmer  KZs.  XXXI  354  anm.  will  die  vogelnamen 
xij^y^TUxvri^,  xcn5a§,  xiJü^  „durch  eine  ursprüngliche  flexion  *xaf 
aus  *xcn)^  :  *xai;xog  vereinigen".  Allein  diesen  namen  steht  eine 
solche  menge  von  anklängen  zur  seite  ^),  dass  die  zurückführung 
von  *xa§  (xijl)  auf  *xöi;f  mir  unnötig  erscheint.  Etwas  bessere 
belege  für  ä  bezw.  ij  «  äv   (bezw.  tjv)  sehe  ich  in: 

1)  krptvd'og'  tö  fieza^  xov  lavuuxvlov  xot  avxho'q  rjxtüdBg 
(Hes.),  verglichen  mit  kavuavia  „kehle",  lit.  pa-laükis  „wamme 
unter  dem  kinn  des  rindes"  (Fick  BB.  I  332  f.;  dazu  slav.  lal^k^ 
Miklosich  Et  wbch.  s.  160  als  reduplicierte  bildung?); 

2)  Tti^Qä  „ranzen",  ntigir  „hodensack",  vgl.  lett.  pürs  „ein 
kornmaass  (lof),  aussteuerkasten",  pürtnsch  „ein  kober,  ein 
paudel  von  lindenborke"; 

3)  l^rjTiw  „ich  suche",  vgl.  lett.  jdutdt  „fragen,  forschend 
fragen",  gehörig  zu  lit.  jaüsH  „fühlen"  =  lett.  jdust  „zu  ver- 
nehmen geben",  lit.  jiisti  (präs.  juntü)  „durchs  gefühl  gewahr 
werden"  =  lett.  just  „fühlen,  bemerken,  empfinden",  lit.  jutus 
„wach",  lett.  jdutrs  „munter,  lebhaft,  frisch".  Vielleicht  beruht 
jätU-  auf  jäu,  und  aus  diesem  könnten  C^kog  (C,aiiOg)  „eifer,  eif er- 
sucht, neid"  (=  nsl.  jcd  „neid"?),  Crjf^ia  (^äf^ia)  „strafe,  schaden" 
und  ^(OQOg  „feurig,  ungemischt"  (vom  wein)  hervorgegangen  sein. 

Von  Benfey  WzU.  I  681  f.  und  Fick  Wbch.  »  I  731  sind 
^fjlog  und  ^caQo'g  zu  ^ecj  gestellt  (vgl.  Brugmann  IF.  XII  399 
anm.,  Solmsen  KZs.  XXIX  349);  Prellwitz  stellt  t^rjlog^  Z^^icc^ 
J^rjrio)  zu  ved.  yäidr  vermutl.  „rächer",  yätü  „spuk",  rna-ifä 
„schuldrächend",  und  Q.  Meyer  Gram.  «  s.  292  folgt  ihm  in  be- 
zug  auf  Z^log  und  ^rjTiiOy  bringt  dagegen  Crj/dla  in  Zusammen- 
hang mit  skr.  yam  halten  (aber  weder  in  yätdr  u.  s.  w.  noch  in 
yam  wird  das  durch  ^  reflektierte  y  stecken);  nach  Wharton  BB. 
XVIII  295  soll  C,vi.og  zu  lit.  gää  „heftiger  schmerz"  gehören; 
^WQÖg  beziehen  Solmsen  a.  o..,  Kretschmer  KZs.  XXXT  383, 
O.  Hoffinann  Dial.  I  102,  Prellwitz  und  G.  Meyer  IF.  VI  110 
auf  asl.  ^an>  „amarus,  iratus",  doch  neigt  Solmsen  KZs.  XXXIV  53 
einer  älteren  annähme  zu,  nach  der  ^(OQog  zu  ^ijv  gehört  (G.  Meyer 
Gram.  ^  45).  Froehde  BB.  XX  186  fasst  dies  jarh  auf  als 
*erb  (im  weiteren  berührt  sich  mit  ihm  Kretschmer  a.  o.);  ich 
stelle  es  zu  lit.  aürüs  „bitter  und  brennend  im  munde  und  im 
halse",  dem  Prellwitz  BB.  XXIII  68  einen  sehr  weiten  hinter- 
grund  zu  geben  sich  bemüht  hat. 

Nach  G.  Meyer  Gram.  »  s.  573  soll  auch  dl^rjfiai  mit  ^rjTio) 
zusammenhängen  (vgL  L.  Meyer  im  vorliegenden  werk  III  210). 
Das  wäre  überzeugender,  wenn  neben  öi^T^iaai  nicht  di^ofiai  und 
di^ijaofiai  ständen,  und  dl^tjfiai  nicht  e  enthielte  (neben  ^äriu)), 

1)  Vgl.  lett.  kdina  „dohle",  skr.  kaka  „krähe"  —  lit.  kcwa  „Saat- 
krähe", poln.  kawa,  kawka  „dohle"  —  lett.  kaija  „möwe",  aal.  cqfka 
pdohle"  —  deatsch  kau  a.  s.  w.    Grimm  Wbch.  V  804. 


Anzeige.  161 

Nimmt  man  mit  Prellwitz  als  eigentliche  bedeutung  von  dtC,ri(iav 
„ich  schaue  mich  um"  an,  so  lassen  sich  mit  ihm  lit.  dMis  „gross", 
lett.  difchs  „gross,  ansehnlich,  hübsch",  an.  teiir  „laetus,  hi- 
laris"  vergleichen. 


^yavov  (I  612). 

ryavov  „bratpfanne"  und  das  hiermit  von  Prellwitz  ver- 
einigte ayavog  „freundlich,  sanft"  beruhen  auf  aya-,  das  sich 
dem  lett.  ugu-  in  ugu'ns  „feuer"  (=  lit.  ugnls,  asl.  ognh,  lat. 
ignis,  skr.  agnf)  gleichstellen  lässt  Für  verwant  hiermit  halte 
ich  auch  a^a  „dürre,  glut",  a^w  „ich  dörre",  ä^aliog  „trocken, 
dürr,  ausdörrend"  (von  Osthoff  PBB.  XIII  396,  Persson  Wurzel- 
erweiterung s.  282,  Kretschmer  EZs.  XXXI  452  anm.  2,  Walde 
das.  XXXIV  521  zu  nsl.  öech.  ozdüi  „darren"  gestellt,  vgl. 
Prellwitz  BB.  XXIII  71,  74). 

»vUo(iav  (HI  487). 

dvXiea^ai  „opferen"  gehört  zu  lett.  dtUe  „brennende  pergel 
(holzspähne)  beim  krebsen  oder  fische-stechen^',  dülit  „bei  einer 
düle  fische  stechen  oder  krebsen;  mit  dem  dül6js  feuer  machen 
oder  räuchern",  düUjs  (düldjs)  „(aus  lumpen  und  stroh  gemachte 
mehr  rauchende  als  brennende)  fackel",  lit  dülis  „rauchermasse 
zum  forttreiben  der  bienen",  skr.  dhiUi  „staub"  (vgl.  Zubat^ 
Archiv  f.  slav.  philol.  XVI  392). 

Ja  (n  3). 

Von  den  verschiedenen  ansichten  über  die  herkunft  dieser 
form  (aufgeführt  von  J.  Schmidt  KZs.  XXXVI  391  ff.)  erscheint 
mir  am  wahrscheinlichsten  die  von  Leo  Meyer  und  Prellwitz  ver- 
tretene, nach  welcher  Va  zu  skr.  aydm,  got.  t^  u.  s.  w.  gehört. 
Ich  halte  es  ferner  auch  für  richtig,  mit  Prellwitz  BB.  XXII  95 
anm.  2  Xa  dem  skr.  iy[dm]  gleichzusetzen,  aber  ich  bezweifle  mit 
Leo  Meyer  (im  vorliegenden  werk),  dass  la,  bezw.  das  r,  worauf 
iydm  beruht^  mit  der  endung  der  „movierten  feminina"  zu  identi- 
ficieren  sei,  wie  Prellwitz  vermutet.  Diese  endung  scheint  mir 
vielmehr  in  la  und  iydm  enthalten  zu  sein. 

Skr.  aydm  (avest.  aem)  beruht  nach  wohl  allgemeiner  an- 
nähme auf  indogerm.  ei  (^-loser  nominativ  sing.  masc).  Hierzu 
könnte  ein  femininum  *T  nur  auf  grossen  umwegen  gebildet  sein; 
da  aber  nicht  der  mindeste  grund  vorliegt,  skr.  iydm  (avest.  Tm) 
für  jünger  zu  halten,  als  aydm  (aem),  so  ist  eben  nicht  *t,  son- 
dern *it\  d.  h.  das  regelrechte  movierte  femininum  von  et-,  als 
letzt  erreichbare  grundlage  von  iydm  (im)  anzusetzen. 

Dies  *ii  ergab  im  Sanskrit  i  (iy-dm)  und  würde  im  Grie- 
chischen ganz  genau  vertreten  gewesen  sein  durch  *ua.  Hieraus 
aber  wurde  ia  entweder  durch  hyphäresis  (vgl.  J.  Schmidt  Neutra 
s.  323  anm.)  oder  in  anlehnung  des  nominativs  (und  ebenso  des 

Bdtrig«  z.  koBde  d.  indg.  timeh«!!.    XXVII.  11 


162  A.  ßezzenbörger 

akkusativs)  sing,  an  den  genit.  sing,  *ijag  und  den  dat.  sing.  *ijai 
(wegen  des  /  s.  J.  Schmidt  Sonantentheorie  s.  136,  188). 

Im  Litauischen  wurde  *ii  =  *ua  zunächst  vertreten  durch 
*M,  genitiy  *ijd8.  Dies  ergab  *i'  (weiter  i  durch  die  Wirkung 
des  stosstons),  genit.  iös  (vgl.  gerds-ios  und  Wiedemann  Hand- 
buch s.  31),  wofür  später  durch  den  einfluss  maskuliner  formen 
ßf  jds  eintraten.  Vgl.  szl  (aus  *s2if'),  genit.  sziös  (aus  *8zijd8), 
Dass  J.  Schmidt  Neutra  s.  43  als  grundform  von  aslav.  si,  lit. 
szl,  ags.  hl  nicht  gi-ia,  sondern  gi-a  angesetzt  hat,  scheint  mir 
nur  durch  eine  zu  weit  gehende  rücksicht  auf  asl.  si  veranlasst 
zu  sein.  Die  bildung  von  femininen  auf  -i-a  zu  maskulinen  auf 
-i-s  ist  für  die  grundsprache  mit  Sicherheit  noch  nicht  nachge- 
wiesen. 

Prellwitz  a.  o.  sieht  in  dem  i  von  skr.  i-drg  das,  worauf 
iyäm  zunächst  beruht,  also  das  femininum  von  ay[dm].  Diese 
annähme  wird  aber  erschüttert  durch:  lit.  ypaczei  „besonders", 
ypatybi  „eigentümlichkeit,  eigenschaft",  ypatysste  „besonderheit**, 
ypatiszkas  „besonders,  eigentümlich,  fremdartig,  sonderbar'^  ypch 
ünis  „eigentümlich"  ^),  ypatus  „einsam,  allein,  abgesondert,  eigen- 
tümlich, individuell,  ausgezeichnet,  hervorragend",  lett.  ipats 
(tpaschs)  „sonderlich,  eigentümlich,  abgesondert,  eigen  angehörig", 
ipdischi  „besonders,  insbesondere,  abgesondert",  ipctschu'ms  „das 
eigentum,  die  eigenheit".  —  Dass  ypaczei  u.  s.  w.  in  i-pcU-  zu 
zerlegen  sind,  und  dass  in  ihrem  z-  überhaupt  eine  pronominal- 
form zu  sehen  ist,  wird  durch  die  folgenden  lexikalischen  an- 
gaben bewiesen :  „  Os6bno.  Separatim.  Sewiszki ,  sewipasz", 
„Osöbnosc.  Becessus,  solitudo,  anachoresis,  locus  sine  arbitris. 
Sewiszkums,  sewipaszums,  tuksznese"  (Kurmin  Slownik  polsko- 
lacinsko-lotewski)  —  „Osobnoäc.  Becessus,  solitudo,  anachoresis, 
locus  sine  arbitris.  IpcUi  wieta^  ipcUtste'\  „Osobny.  Solitarius, 
singularis,  peculiaris,  secretus,  seclusus.  IpatuS^*  (Szyrwid  Dic- 
tionarium). 

Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ist  das  i  von  i-<irg  dasselbe 
wie  das  von  ypaczei  u.  s.  w.  In  diesem  aber  wäre  i  als  nom. 
sing.  fem.  „sie"  unverständlich,  und  darum  wird  in  idrg  und 
ebenso  in  tä-drg,  yä-drg  eben  nicht  dieser  kasus  enthalten  sein. 

HxQiov  (II  29). 

inQiov  „brett,  deckbrett,  balken"  erinnert  sehr  an  russ.  Herd, 
poln.  ikra,  lit.  ikrai,  lett.  üri,  preuss.  yccroy  „wade"  bezw. 
„waden",  und  der  technische  gebrauch  von  xvi^fiti  und  unserem 
schiene,  auch  von  franz.  jambe  (jambes  de  force  „giebelbalken") 
lässt  diesen  anklang  etymologisch  bemerkenswert  erscheinen. 

1)  In  der  bedeatang  „der  untere"  (Beitrage  z.  gesohichte  d.  lit. 
spräche  8.  288)  fehlerhaft  far  apatlnis. 


Anzeige.  163 

IXTOQ  (II  24). 

ixTaQ  (Ixtdga  Hes.),  name  eines  fisches,  kann  zu  russ.  osetrb 
„8tör**  =  poln.  jesiotr  (aus  egetro-s)  gehören.  Das  verhältniss 
dieser  werter  zu  preuss.  esketres  „stör",  altlit.  eszketras  „walfisch" 
(später  er9zketras  „stör^<)  ist  noch  nicht  aufgeklärt. 

Uti  (n  68). 

iXri  „schaar"  ist  von  mir  BB.  XXI  300  anm.  zu  lit.  eile 
„reihe,  schicht'S  von  Stokes  BB.  XXV  256  zu  ir.  iall  „trupp, 
herde*'  gestellt;  beides  mit  unrecht,  da  iXri,  wie  Leo  Meyer  und 
vor  ihm  schon  Ahrens  II  45  f.  richtig  erkannt  hat,  ursprünglich 
anlautendes  digamma  hatte.  Den  beweis  hierfür  liefern  ausser 
den  Hesjchischen  glossen  vikrj'  ofAfjXog  (1.  OfiiXog;)  und  ßeiXaQ- 
fioardg'  ß^Xd^aq,  Taqonfiivoi,  die  inschriftlichen  böotischen 
formen  fiXa^iowoqy  ßiXaQx^ovtiov  (Meister  I  225).  Die  attische 
form  war  iXi],  die  ionische,  wie  es  scheint,  eYXtj  (Smith  Amer. 
Journal  of  philol.  VI  438).  Als  kretisch  überliefert  Hesych 
dgx^XXdv  aqy^inoifjieva  ^  und  auf  den  ersten  bUck  scheint  hierin 
eine  umkehrung  von  uX&qxfjg  vorzuliegen.  Aber  das  digamma 
von  ßiXaQx^ovTog  u.  s.  w.  widerstrebt  dieser  auffassung  in  dem 
grade,  dass  es  wohl  besser  ist,  in  kret.  ^dgxiXXäg  eine  auf 
^oQX'^'XäO'g  (Pick-Bechtel  Personennamen  s.  73)  beruhende, 
namenartig  verkürzte  form  zu  sehen. 

Als  grundform  von  i^Xr]  kann  wegen  der  angeführten  böoti- 
schen formen  nicht  *feXjä  oder  ^J-eXaä  oder  drgl.  angenommen 
werden.  Dagegen  scheinen  mir  alle  betr.  dialektischen  formen  zu 
ihrem  rechte  zu  kommen,  wenn  man  als  grundform  veislä  (j^slXä) 
aufstellt  und  annimmt,  dass  dies  in  kompositis  und  ableitungen 
(iXaöov)  zu  vislä  wurde,  und  dass  dies  {ßtXa,  iXrj)  dann  Selb- 
ständigkeit gewann.  Dies  veislä  würde  fast  genau  aem  lit.  veisle 
„Zucht,  brut"  (nach  Nesselmann  auch  „geschlecht,  familie")  ent- 
sprechen. 

Nur  zögernd  wage  ich  die  Vermutung,  dass  auch  lat.  vüis 
(„in  menge  vorhanden,  zahlreich")  hierher  zu  ziehen  sei. 

iXtg  (II  69). 

ti^g  „schlämm,  bodensatz",  von  H.  Weber  KZs.  X  251 
vermutungsweise  in  vorgeschlagenes  i  und  Xv-g  zerlegt,  „wenn 
das  lange  i  durch  das  metrische  bedürfnis  hinlänglich  gerecht- 
fertigt erscheinen  sollte",  ist  im  anschluss  hieran  von  Osthoff 
KZs.  XXIII  584  (vgl.  Wackemagel  KZs.  XXIX  124)  gleich- 
faUs  vermutungsweise  als  *l-aXv^  zu  mhd.  slam,  sllm,  von 
Thumeysen  KZs.  XXX  352  als  ^zlä-  (vgl.  Kretschmer  KZs. 
XXXI  332,  342,  Persson  BB.  XI^  280  anm.  7,  und  die  be- 
denken Waldes  KZs.  XXXIV  530)  zu  lat.  lütum,  gr.  Xvf^a  u.  s.  w. 

11* 


164  A.  Bezzenberger 


gestellt.  Dagegen  vermutete  J.  Schmidt  Vocal.  II  259,  486, 
dass  tkvg  auf  sei-  beruhe  und  zu  skr.  salüä,  lat.  scUiva  gehöre. 
Diesen  künsteleien  gegenüber  entscheide  ich  mich  für  den 
(ich  weiss  nicht  von  wem  aufgestellten)  vergleich  von  i  Xvg  mit 
asl.  russ.  ih  „schlämm",  poln.  ü  „mergel,  letten"  (Miklosich  Et 
wbch.  s.  95)  und  zugleich  die  Zusammenstellung  von  ilvg  mit 
bHv'  iiihxv  Hes.  (Weise  BB.  VI  234),  indem  ich  diese  beiden 
etjmologien  vereinige  und  lett.  Us  „stockfinster"  in  ihren  bereich 
ziehe  ^).  Es  steht  nichts  im  wege ,  empfiehlt  sich  vielmehr,  bOjv 
als  *tXv  aufzufassen,  und  da  Us  auf  *Üu-s  beruhen  kann  (vgl. 
lett  plats  neben  plaschs  „breit",  lit.  platüs),  so  können  elkv  und 
ils  ihrem  stamme  nach  identisch  sein.  —  Begrifi*lich  ist  diese 
Zusammenstellung  bereits  von  Weise  durch  anführung  von  fiilag 
und  ^okvvü)  (dazu  lit.  mulwe  „morast,  schlämm")  gerechtfertigt. 
Ich  verweise  in  dieser  hinsieht  auch  auf  nhd.  schwarz  :  lat.  sor- 
didus,  skr.  käla  „schwarz"  :  asl.  kah  „koth". 


Iv^eiv  (II  18). 

Für  'tv^w  „schreie  laut"  «)  schreibt  Fick  P  66,  o  162  viv^w 
=  fivtfia  (ebenso  vivyfKüi,  2  572).  Die  homerische  spräche 
selbst  gibt  aber  keine  berechtigung,  Iv^eiv  mit  anlautendem  di- 
gamma  zu  versehen,  und  ebenso  wenig  rechtfertigen  die  sicheren 
homerischen  beispiele  für  äol.  v  =  f  (Fick  Odyssee  s.  18)  die 
Schreibung  vivC^w  statt  fii^(o  (vel.  W.  Schulze  KZs.  XXIX  237). 
Die  ansetzung  von  fivt/U)  statt  ii^tj  gründet  sich  lediglich  auf 
die  Hesychischen  glossen  dßivxrov  iq>  ov  ovx  eyevero  ßorj 
dnoXlvfÄSVOV  und  hißioiCßi'  d-QTivai  fieta  XQavyrjg  (KZs.  XVII 
315,  BB.  VI  238,  XIV  83).  Ich  kann  dieselben  als  sichere 
zeugen  für  /iv^(o  nicht  anerkennen.  Nicht  dßivxTOv,  sondern 
dßiTjXTOV  ist  handschriftlich  überliefert,  und  dßtVKTOv  ist  hierfür 
von  Is.  Vossius,  wie  ich  aus  Ahrens  11  47  anm.  18  ersehe,  „e 
Serie  litterarum"  eingesetzt.  Die  alphabetische  Ordnung  erlaubt 
aber  auch  äßiovniov^  wie  M.  Schmidt  in  der  grossen  Hesych- 
ausgabe  (vgl.  die  kleine  unter  hiBvov^Bi)  schreibt  und  wegen 
hißioiCßv  vorzuziehen  ist.  Ein  *ßivl^w  ist  also  gar  nicht  über- 
liefert, und  ßiov^u)  kann  eine  boiotisierende  Schreibung  von  ßvCw 
„schreie  wie  ein  uhu"  sein,  das  Hesych  auch  in  der  intensivform 
ßijßvCfiiv    „aaXTci^eiv^*"  bietet    und    das     verschieden    gedeutet 

1)  Nicht  verwant  mit  lett.  iU  „stockfinster"  sind  lett.  ÜCnseh 
„windstoss,  Windsbraut",  lit  ylinaidBaa.  (im  Nordlit.  entstellt  in  oUngü); 
sie  sind  vielmehr  aus  einer  noragerm.  spräche,  vermatlich  dem  Däni- 
schen, eingedrungen:  dän.  ihng  (Jessen  Dansk  Etym.  Ordbog  I  107), 
norweff.  «/tn^,  aling  (Aasen  Norsk  Ordbog  s.  132),  aisl.  ^  „Schneesturm" 
vgl.  Skipitza  Gutturale  s.  64,  Prellwiti  Deutsche  bestandteile  in  den 
lett  sprachen  s.  8. 

2)  Von  Leo  Meyer  nicht  erklärt,  von  Fick  Vgl.  wbch.  '  II  204  su 
lat  juger§  (hierüber  anders  BB.  VI  238) ,  von  Pott  BB.  Y III  67  (vgl. 
Wiedemann  Lit  präterit.  s.  40,  Zubatf  BB.  XYIU  265,  Froehde  BB. 
XXI  880)  SU  unserem  jauehsen  gestellt. 


Anzeige.  165 

werden  kann  ^).  Allerdings  tritt  inschrifüich  böot.  lov  für 
V  nur  mit  bekannter  beschrankung  auf.  Allein  an  eine  He- 
sychische  glosse  ist  nicht  der  maasstab  einer  guten  inschrift 
zu  legen,  lov  =  v  steht  vereinzelt  sogar  am  wortanfang  (Meister 
I  234),  und  J.  Schmidt  scheint  mir  ganz  recht  zu  haben,  dass 
„tot;  sds  eine  nur  graphische  bezeichnung  des  zwischen  i  und  ov 
liegenden,  auch  im  Böotischen  allmählich  an  die  stelle  von  u 
tretenden  ü  aufzufassen  sei"  (Jen.  lit.-zeitg.  1877  art.  691). 

Ich  sehe  in  'fi/^oi  eine  ableitung  von  *fu,  das  auch  ent- 
halten ist  in  lit.  ytoas  „nachteule,  uhu",  preuss.  ywo-garge  „eulen- 
bäum''  und  in  ivvetav  xkaUi,  odvqetai  (Hesych).  Hierzu  ver- 
halt sich  lit.  yna  „stöhnt'',  wie  z.  b.  skr.  dhan-  zu  dhanth 
(Persson  Wurzelerweiterung  s.  146  anm.  3).  Das  vermutlich  zu 
gründe  liegende  i  <)  kann  sich  in  lett.  idit  „ächzen,  stöhnen,  leise, 
brüllen"  erhalten  haben,  das  aber  auch  für  *ind4t  stehen  kann. 

Den  möglichen  Zusammenhang  von  Iv^w  mit  Mlefiog,  Itq 
„ruf",  Iri  (ausruf),  ajto^,  tt;,  tat),  iü^  loVy  id  lasse  ich  hier  un- 
erwogen. 

Von  den  im  vorstehenden  erwähnten  glossen  ist  keine,  wenn 
ich  nicht  irre,  in  dem  vorliegenden  werke  berücksichtigt,  und 
überhaupt  ist  das  lexikon  des  Hesych  für  dasselbe  nichts  weniger 
als  ausgenutzt.  Ich  will  mit  dem  herrn  Verfasser  hierüber  nicht 
rechten,  da  diese  quelle  ohne  eine  gewisse  Zurückhaltung  über- 
haupt nicht  zu  benutzen  ist,  möchte  diese  Zurückhaltung  aber 
nicht  so  weit  getrieben  sehen,  dass  Hesychische  unica  als  solche 
einer  etymologischen  behandlung  für  unwert  gehalten  werden, 
und  muss  sogar  bekennen,  dass  dieselben  für  mich  einen  beson- 
deren reiz  haben.  Die  berechtigung  dieses  Standpunkts  ergeben 
—  um  nur  einiges  anzuführen  und  zwar  solches,  was  in  dem 
vorliegenden  werke  fehlt  —  die  glossen  dgoov  *  laxVQdv.  ^Agyeiot 
(Bugge  BB.  XVIII  165,  Froehde  BB.  XXI  207,  Zimmermann 
BB.  XXV  6)  und  Sdegog'  yaaii^Q  (Johansson  Beitr.  zur  griech. 
Sprachkunde  s.  138,  IF.  II  15).  Auf  einige  andere,  die  ich  an 
stelle  des  herrn  Verfassers  nicht  bei  seite  gelassen  hätte,  erlaube 
ich  mir  im  folgenden  kurz  einzugehen. 

yagyiav'  ^dßdov,  Maxedoveg,  yogga-  ^aßdog^  yclgoava' 
q>Qvyava,  EgiJTeg^  vgl.  lett.  fars  „ast,  zweig"  (vgl.  Fick  KZs. 
XXn  203,  Zupitza  Gutturale  s.  193). 

ydgvov  ro  kaw  rrjg  TcXi^fivtjg  aidwgioVf  o  zov  a^va  iglßei, 
vgl.  lett.  gurni  „die  gabel  am  spinnrade,  darin  das  rad  läuft". 

öi^a  (bekreuzt)'  a(l§,  Jaxatveg,  aus  *8iyjoL^  vgl.  ags.  ticcen 
„Zicklein",  ahd.  zUckin,  nhd.  zicke  (beinahe  ebenso  Stier  KZs. 
XI  210;  über  alban.  di  G.  Meyer  BB.  VIH  186). 

1)  Das  zu  ßvCo}  gehörige  ßvCa  „enle"  pflegt  nach  dem  Vorgänge 
Froebdes  BB.  XIY  84,  99  zu  mbd.  küze,  küz,  nhd.  kauz  gestellt  zn 
werden.  Die  Schilderung,  die  Brebm  vom  fressen  und  kotzen  der  eulen 
überhaupt  gibt,  legt  eine  andere  erklärung  von  kauz  nahe. 

2)  f  aus  t^  (ahd.  jämar)  ?  fu  aus  ieu  (deutsch  jati^)  ? 


166  A.  Bezzenberger 

inria  *  axovrtov^  vgl.  entweder  aixXoi  *  al  ywvlai  tov  ßehovg  ^) 
(preuss.  ayculo  „nadel"),  oder  alyaveri  „wurfspiess'*  und  oüx^iri 
,,laDze,  lanzenspitze''.  —  Wie  schon  Düntzer  KZs.  XV  61  ge- 
sehen hat,  gehören  alyaver]  und  atxf^tl  zusammen;  alxjttfj  steht 
fiir  aizsmä  (lit.  eszmas,  lett.  Sstns,  preuss.  aysmis  für  aizsmo-s). 
Die  Wurzel  mag  auch  in  preuss.  eyswo  „wunde"  =  russ.  jdzva 
„wunde,  geschwür'',  lett.  ife  „risB,  bruch,  spalt'*,  Ut.  ejzieti 
„brechen'*  (Geitler  Stud.  s.  82)  u.  s.  w.  ')  enthalten  sein.  Gegen 
Schraders  Zusammenstellung  von  alyavii]  und  aiylg  mit  unserem 
eiche  (EZs.  XXX  461)  habe  ich  ausser  anderem  einzuwenden, 
dass  eichene  speerschäfte  und  eichene  schilde  schwerlich  irgendwo 
in  gebrauch  gewesen  sind.  —  ayucia'  dogara,  xai^a^,  worauf 
M.  Schmidt  unter  ixTea  verweist,  beweist  nichts  gegen  die  richtig- 
keit  von  hazia. 

yLaq>a'  XovttJq,  AaxwvBg  =  aindqyri  „trog,  wanne". 

%aq>aCfiiv  (Cyprii)  yelSv^  xaqxi^oi'  Kax^of^ot.  yeX^  gehören 
zu  xaxd^eiVy  dessen  x  darum  aber  nicht  als  gh  aufzufassen  ist 
(vgl.  Zupitza  Gutturale  s.  127).  7iag>d^eiv  ist  vielmehr  in  den 
kreis  mundartlicher  formen  zu  ziehen,  den  ich  BB.  XVI  253  an- 
geschnitten habe.  Ficks  bemerkung  über  naxd^eiv  GGA.  1894 
s.  243  ist  mir  nicht  verstandlich. 

xedvog  (II  273). 

xedvog  „geehrt,  schätzenswert"  kann  lautlich  mit  ntjdBad'ai 
{xadea&ai)  „sorge  tragen",  xrjdog  (xääog)  „sorge",  xrjäeaTtig  „ver- 
schwägerter" (kret.  xädeoTag;  ausfuhrlich  über  dies  wort  Del- 
brück Verwandtschaftsnamen  s.  145  ff.)  kaum  anders  zusammenge- 
bracht werden,  als  indem  man  es  mit  Bartholomae  BB.  XVII  109 
anm.  „für  eine  speziell  ionische  Umbildung  von  *xadvo^  nach 
xfjäiGTOg  u.  s.  w.  ansieht".  Hierzu  wird  sich  aber  wohl  niemand 
entschliessen ,  da  xedvdg  lediglich  der  dichtersprache  angehört, 
auch  bei  Pindar  und  den  tragikern  vorkommt,  als  ionisch  nicht 
bezeujgt  und  von  xfjäiOTog  begrifflich  verschieden  ist  (xijdiaTog 
xedvoTazog  ze),  und  da  *xadv6g  auch  fiir  einen  lonier  ganz  un- 
anstössig  gewesen  wäre. 

Mir  scheint  xeövog  auf  einer  linie  mit  aefjivog  zu  stehen. 
Brugmann  EZs.  XXV  302  hat  dies  treffend  erklärt  als  den, 
„vor  dem  man  zurücktritt".  Demgemäss  stelle  ich  xedvög  zu  lat. 
cedo  als  den  „cui  ceditur". 

Keine  Schwierigkeit  bereiten  dieser  erklärung  die  von  Froehde 
BB.  VI  175  f.  und  von  Thurneysen  und  Brugmann  (IF.  XTTT  84) 
aufgestellten   deutungen   von  cido.    Jene  scheint  mir  bereits  all« 

1)  Auch  dies  vermisse  ich  in  dem  vorliegenden  werk  (behandelt 
dagegen  schon  von  Benfey  WzU.  1 164).  Ist  nd.  tne  „granne,  ährenspitze" 
(Doomkaat  Eoolman)  verwant? 

2)  Hierzu  lit.  izakoti  „klauben",  der  bildung  nach  vergleichbar  mit 
gr.  danaxa(ofMt  :  dirnd(ofiai'^ 


Anzeige.  167 

gemein  aufgegeben  zu  sein  und  diese  (ce  +  zdö,  präsens  von 
sed  „gehen")  ist  nicht  sicherer,  sondern  unsicherer,  jedenfalls  ge- 
suchter als  meine  erklärung  von  xedvog.  Eine  gewisse  Schwierig- 
keit bereitet  ihr  dagegen  der  umstand,  dass  sie  ids  schwache  form 
von  ked'  xed-  ergibt,  als  solche  aber  in  xeMiddp^  xeKccdovrOy  x£- 
xadi^asL  xad-  erscheint.  Hieraus  aber  lässt  sich  die  Unrichtigkeit 
dieser  erklärung  nicht  folgern,  denn  eine  unbefangene  betrachtung 
kann  unmöglich  ä,  sondern  muss  ^  als  normale  kürzung  von  S 
anerkennen,  und  nicht  der  ablaut  ksd-  :  k^d-,  sondern  der  ablaut 
ked'  :  käd-  (den  ich  natürlich  nicht  leugne)  bildet  daher  ein 
problem.  In  die  behandlung  desselben  kann  ich  hier  nicht  ein- 
treten, will  aber  konstatieren,  dass  der  ablaut  S  :  ^  nachgewiesen 
ist  (vgl.  die  literaturangaben  Noreens  Urgerm.  lautlehre  s.  71, 
Bartholomae  BB.  XVII  108,  Bechtel  Hauptprobleme  s.  242  f., 
Hirt  ablaut  s.  142  §  731,  Saussure  Systeme  s.  167  f.),  und  dass 
in  mehreren  fallen  gleichzeitig  S  und  ä  als  ablautvokale  eines 
nicht  auslautenden  e  erscheinen  (vgl.  Persson  Wurzelerweiterung 
s.  226  f.  anm.).    So: 

lit.  iSras  „lamm'*  —  gr.  SQiq>og  „bock"  —  lat.  äries; 

lit  isZ'piisH  „ausbreiten",   lett  plist  „breit  machen,   öffnen" 

—  lit.  pletnus  „dick,  beleibt",  lett.  plest  =  plSst  (Bielenstein 
I  368)  —  lit  platüs,  lett.  plats  =  gr.  nlarvg  „breit"; 

lit.  tetytis  „Väterchen",  lett.  tSte,  tStitis  dass.  —  lit.  t&is  dass., 
gr.  Terra  —  gr.  rarer,  lat  tata. 

Neben  lit  pkUüs,  lett  plais  stehen  lit.  plötis  „breite",  lett. 
plätÜ  „breit  machen".  Daher  können  den  obigen  reihen  ange- 
schlossen werden: 

lit.  b^ti  „laufen,  fliehen",  lett.  Mgt  „fliehen,  laufen,  meiden" 

—  gr.  tpißoiiai  „fliehe,  flüchte,  meide"  —  lit  boginti  „flüchten, 
eilen  machen'*; 

lat  repo,  lit.  repliöti  „auf  allen  vieren  kriechen"  —  lett 
rdpüt  „kriechen". 

Mit  rSpo  steht  cedo  auf  einer  stufe');  cessi  und  uedvog  ver- 
halten sich  hierzu,  wie  lett.  plest  zu  plSst,  q>iftofiai  zu  lit  bi^i; 
xexadoyro  zu  cido  wie  nXaxvg  zu  lett.  ji^^;  lit.  plisti.  Die  be- 
rechtigung,  in  cido,  xedvog,  xexddovTO  verschiedene  ablautsstufen 
einer  wurzel  zu  sehen,  ist  daher  unanfechtbar. 

xefidg  (ü  340). 

Zu  xefidg  „reh",  „hirschkalb"  scheint  mir  ausser  an.  ags.  hind, 
ahd.  hinta  (s.  Zupitza  Gutturale  s.  207)  preuss.  camstian  „schaf" 
zu  gehören.  Dasselbe  gehört  seiner  bildung  nach  zu  eristian 
„lamm"  (lit  eras),  prastian  „ferkel"  (lit  parszM),  werstian 
,,kalb"   (lit   werszis)^   woßstian  „zicklein"   (lit.  ozys)   und   darf 

1)  Sehr  beachtenswert  ist,  was  Osthoff  Perfect  8.  107  ff.  über 
solche  prasentia  vorträgt.  Ich  gehe  darauf  an  dieser  stelle  nur  deshalb 
nicht  ein,  weil  es  mir  hier  nur  auf  tatsächliches  ankommt. 


168  A.  Bezzenberger 

unbedenklich   auf  ^kemadstian  oder  ^kefnadistian  zurückgeführt 
werden,     a  statt  e  ist   im  Preussischen  bekanntlich  nicht  selten. 

xeaxlov  (II  291). 

xeaxlov  „werg,  flachsabfall"  gehört  offenbar  zu  asl.  desatt 
„kämmen'S  öech.  pades  „werg",  poln.  paczeä  „hede"  (Miklosich  Et. 
wbch.  8.  35).  Auch  unser  hede  lässt  sich  diesen  wörtem  an- 
schliessen.  Dagegen  weiss  ich  nicht,  wie  man  nöaxtvov  „sieb", 
an  das  Leo  Meyer  und  Prellwitz  bei  xeaxlov  denken,  mit  ihnen 
vereinigen  könnte. 

xotvoQ^  xoJjuo^,  xwfir]  (II  324,  344  f.). 

Lit  kaikaras  „horde,  häufe"  (GeiÜer  Lit.  stud.  s.  89)  und 
lett.  ziku  „truppweise"  (zikät  „wimmeln'')  schliessen  sich  begriff- 
lich so  eng  an  lit.  katmene  „herde",  dass  Zusammengehörigkeit 
dieser  Wörter  anzunehmen  ist  ^),  Von  kaimeni  lassen  sich  aber 
andrerseits  lit.  kemos  „hof,  dorf'S  lett.  zlms  „dorf"  (auch  „ver- 
sammlungshaus  der  herrenhuter")  nicht  trennen  ^),  und  dass  hierzu 
mit  recht  got.  haims,  an.  heimr  u.  s.  w.  und  gr.  xcifÄTj  „dorf< 
gestellt  werden,  ergibt  das  nebeneinander  von  haims  und  an.  ßing- 
heimr  „die  ganze  beim  thing  anwesende  Versammlung",  von  KUOfÄrj 
und  Tiwfiog  ),gelage,  grosser  zug,  schwärm".  Beide  Verhältnisse 
entsprechen  dem  von  kemas  zu  kaimene  (kaikaras,  ziku).  Da- 
gegen wird  xijifÄr]  ohne  not  von  naifÄog  losgerissen,  sobald  man  es 
zu  lit.  szeimyna  „gesinde"  u.  s.  w.  stellt  (Zupitza  Gutturale 
s.  49,  vgl.  Grienberger  a.  o.  s.  105). 

Da  baltisches  ai  in  mehreren  fällen  (z.  b.  lit.  kenMS  :  api- 
kaime,  kaimynas,  vgl.  szdüi  :  porszolys,  skanüs  :  sidn-skoniai) 
als  vrddhi  von  e  auftritt'),  so  kann  als  wurzel  der  behandelten 

1)  Ich  stelle  zu  ihnen  auch  preuss.  kaywBy  lett.  kSwB  „stute" 
(herdenpferd).  kiwe  muss  aus  dem  Nordlitauischen  entlehnt  sein,  wo 
lit.  *k¥uj6  (^*  pr.  kaytoe)  *kiwe  lauten  würde,  aber  verloren  ist. 

Zu  noifiriv,  notfivtj,  ntSv  (W.  Schulze  KZs.  XXVII  426)  gehören 
lit.  pb^wa  „wiese"  (derselbe  Quaestiones  s.  45  anm.  2,  Persson  BB.  XIX 
257)  und  lit.  pä8a  „herde"  (Geitler  Lit.  stud.  s.  103).  —  Beiläufig  be- 
merkt lassen  sich  Sianoiva,  ags.  ftsmne  , Jungfrau,  junge  frau",  afries. 
fämne  „frau,  magd"  ebenso  gut  zu  noifiriv^  wie  zu  avest.  paeman  „milch 
der  weiber"  (J.  Schmidt  Sonantentbeorie  s.  104  ff.,  186)  stellen. 

2)  Vgl.  skr.  grama  „dorf,  heerbaufe,  sebaar",  russ.  wr.  poln.  gro^ 
mdda  „(grosser)  häufe,  dorfgemeinde"  und  Zupitza  Gutturale  s.  149; 
ferner  an.  porp  „geböft,  dorf'  :  pyrpast  „sieb  drängen"  und  Feist  Got. 
etymol.  s.  146. 

3)  In  dem  -ais  des  instrum.  plur.  der  a-stämme  sehe  ich  nicht 
-öl«,  sondern  -ois.  Die  arischen  instrum.  plur.  auf  -äiB  (s.  hierüber  For- 
tunatov  Archiv,  f.  slav.  pbil.  XII  97  f.,  J.  Schmidt  EZ.  XXYII  305,  Fest- 
gruss  an  R.  v.  Roth  s.  184,  W.  Schulze  KZ.  XXVII  421)  halte  icb  für 
neubildungen  auf  grund  der  instrum.  sing,  auf  -ä,  indogerm.  -ö.  Analoge 
bildungen  sind  avest.  avahhüs,  yätus  (GGA.  1875  s.  1116,  vgl.  Geldner 
KZs.  XXYII  225,  Studien  I  136,  Bartbolomae  Beiträge  z.  flexionslehre 
8.  73  f.,  143,   BB.  XVU  107). 


Anzeige.  169 

worter  köi  :  koi  :  ki  „gesellen,  sich  schaaren^'  aufgestellt  werden, 
und  unmittelbar  hieraus  kann  xoivog  „gemeinsam"  erwachsen  sein. 
Aber  es  scheint  mir  trotz  J.  Schmidt  Sonantentheorie  s.  120,  147 
auch  erwogen  werden  zu  müssen,  ob  kovvoq  nicht  etwa  aus 
*xoif^v6g  (vgl.  kaimen^)  hervorgegangen  ist. 

Weitere  anknüpfungspunkte  bieten  vielleicht  skr.  cinöti  „an- 
einanderreihen, schichten,  sammeln",  asl.  öinüi  „componere". 

TLoXa^  (U  428). 

wiXa^  „Schmeichler"  ist  der  „qui  nimis  colit^K  Wegen  des 
anlautenden  k  berücksichtige  man  urkelt.  vo-keld  „ich  sorge  mich" 
(Btokes  Urkelt.  Sprachschatz  s.  83)  und  dvoTiolog,  ^erjaolog,  deren 
zweites  glled  nicht  notwendigerweise  mit  -nokog  in  ai^rtoXogy 
d^vTj-Ttolog  identifidert  werden  muss  (vgl.  Fick  BB.  XVIII  135). 

xoXoiög  (II  435). 

xoloiog  „dohle"  kann  beinahe  gleichgesetzt  werden  dem  asl. 
slavij  (russ.  solovij)  „nachtigall"  (preuss.  salowis  dass.  hieraus 
entlehnt?  s.  J.  Schmidt  Vocal.  11  137).  —  Ahd.  nahtagala  be- 
deutet nicht  nur  „nachtigall",  sondern  auch  „corax",  „nocticorax", 
„noctua". 

Dass  xoXifiog  „geschrei,  lärm",  iiol(pav  „lärmen,  schelten"  zu 
noXoiog  gehören,  erscheint  mir  selbstverständlich. 

TLÖQog  (n  368). 

yiOQfogy  KOQfäf  von  Leo  Meyer  nicht  erklärt,  stellt  Prellwitz 
Wbch.  s.  159  zu  xoq&vvw  „erhebe".  Aber  näher  scheinen  mir 
doch  xoQvg  „heim",  xoQvaaw  „rüste,  wappne,  erhebe",  zu  liegen. 
Die  grundbedeutung  dieser  Wörter  (von  denen  ich  übrigens  manches 
fem  halte,  was  Johansson  KZs.  XXX  347  ff.  mit  ihnen  vereinigt) 
ist  zweifelhaft,  allein  der  gebrauch  von  xoQvaaeiv  gibt  die  berech- 
tiguDg,  mit  ihrem  xoqv-  zu  verbinden:  preuss.  sartms  „waffen", 
lit.  szdrwas  „hämisch,  ganze  rüstung  eines  kriegers",  „mitgift" 
(Szyrwid  Dictionarium  unter  posag,  wyposazam,  vgl.  zbroia).  Die 
ursprüngliche  bedeutung  dieses  wertes  wird  „ausrüstung"  im  all- 
gemeinen gewesen  sein  i),  und  es  wäre  daher  ebenso  bedenklich, 
sarwis  und  szdrwas  mit  skr.  gdru  „speer,  pfeil",  got.  hairus 
„Schwert"  zu  kombinieren,  als  darin  eine  entlehnung  aus  got. 
sarva  „waffen,  rüstung"  (ahd.  saro,  ags.  searu)  zu  sehen.  Hier- 
gegen spricht  auch  der  anlaut  von  szdrwas.  Eher  könnte  got. 
sarva  aus   dem   Preussischen  entlehnt  sein. 


1)  Eine  andere  möglicbkeit  ergibt  sich  aus  Tacitus  Germ.  XVIII 
(ipsa  armorum  aliquid  viro  affert),  woran  Prellwitz  mich  erinnert,  falls 
diese  stelle  nicht  auf  einem  irrtum  beruht.  Für  litauische  anscbauungen 
liegt  sie  aber  sehr  fem.  —  Über  BzdrtoM  vgl.  nooh  Brückner  Lituslav, 
stad.  I  116  aum.  und  Lit.  forsch,  s.  152. 


170  A.  Bezzenberger 

Lit.  szdrwas,  dekliniert  wie  kilmas  (BB.  XXI  295  anm.  2) 
und  daher  vielleicht  auf  dem  dreisilbigen  stamm  *szaru(i-  be- 
ruhend, entspricht  dem  gr.  noQßog  lautlich  genau,  und  wenn  man 
jenes  mit  „rüstung''  und  dies  mit  „der  rüstige"  (s.  KOvgoieQog) 
übersetzt,  so  besteht  zwischen  ihnen  ungefähr  dasselbe  verhältniss 
wie  zwischen  skr.  gäsa  „befehl"  und  gäsd  „gebieter". 

Insofern  szärwcLS  „mitgift^  aussteuert  bedeutet,  und  eine  mit- 
gift  eine  legale  eheschUessung  voraussetzt,  berührt  es  sich  mit 
xovQidiOQf  in  dem  „der  begriff  der  ehe  der  wesentliche  ist''  (Butt- 
mann Lexil.  I  34),  das  man  aber  doch  nicht  gern  von  ttovgri 
ganz  wird  losreissen  wollen.  —  Ob  die  kretischen  Kureten  nach 
ihren  waffentänzen  benannt  sind,  ist  mir  sehr  fraglich. 

yLQiyLSiv,  XQOKri  (II  395,  399). 

KginBiv  „schlagen,  klopfen*'  (ein  gewebe,  ein  Saiteninstrument), 
XQOxrj  „einschlagfaden,  gewebe"  stelle  ich  zu  asl.  hrosno,  poln. 
krosna  „Webstuhl",  russ.  krosnd  dass.,  auch  „ungebleichte  lein- 
wand"  und  nsl.  kresati,  russ.  kresÜh  „feuer  schlagen",  poln. 
krzesaö,  krzesiS  dass.,  auch  „schlagen"  überhaupt,  „hauen".  — 
Auch  lett  krekls  „hemd",  ags.  hrägl  „gewand",  ahd.  hregü  „in- 
dumentum"  (Zupitza  Gutturale  s.  123)  lassen  sich  hierher  ziehen, 
indem  in  krekls  assimilation  des  wurzelauslautes  an  den  anlaut 
angenommen  wird. 

KQoaaa  (11  401). 

xQoaaa  „mauervorsprung,  zinne,  absatz,  stufe"  darf  nicht, 
wie  von  mir  BB.  XII  239  und  Zupitza  a.  o.  s.  122  geschehen 
ist,  auf  x^ox-  zurückgeführt  werden,  wenn  auf  die  Hesjchische 
glosse  ngoGTiva  *  qn^lcniTiJQia  etwas  zu  geben  ist.  Jedenfalls  aber 
lässt  sich  XQooaa  auch  zu  got.  hr^  „dach",  as.  hröst  „sparren- 
werk  des  hausdachs"  (s.  Henning  Das  deutsche  haus  s.  122) 
stellen,  und  hierzu  gehört  asl.  krada  „rogus,  fomax,  altare",  nsl. 
„holzstoss",  klr.  krada  „Scheiterhaufen"  (Miklosich  Et.  wbch. 
s.  137),  falls  dies  nicht  auf  lit.  krösnis  „ofen"  zu  beziehen  ist. 
—  Anders  über  hröt  Johansson  KZs.  XXX  349  anm.  2,  Wie- 
demann  IF.  I  194,  Zupitza  a.  o.  s.  127  (wo  auch  lit.  kriaüte, 
kraute  „bodenraum"  hätte  aufgeführt  werden  können),  Grienberger 
a.  o.  8.  119  f. 

TCVKoeiv  (II  239). 

%v%aeiv  „rühren,  mischen,  aufrühren",  yLWiTiai'Teq>Qog  „mit 
asche  gemischt",  xviuwv  „gemisch,  misch  trank,  mischmasch", 
TLvycrj'd'QOv  „rührkeile"  sind  nahe  verwant  mit  lit.  szduksztas 
„löffel",  sziükszmes  „geröU,  auskehricht",  sziükazttis  „mit  spreu 
oder  kleie  gemischt".  —  Lit.  sziiJce  „scharte,  scherbe",  szükos 
y,kamm",    lett,  stdca  „bürste,  Striegel",  $ukis  „scherbe",  sukutns 


Anzeige.  171 

„lüoke,  scharte''  (lett.  schuhe,  schukis,  schuht  halte  ich  im  gegen- 
satz  zu  Leskien  Ablaut  s.  318  für  lituanismen)  stelle  ich  da- 
gegen zu  skr.  ^^üka  „granne  des  getraides,  Stachel  eines  Insekts'*, 
ayest.  Qfüca  „nadel"  (vgl.  begrifflich  ahd.  sdrbi  „scherbe",  lett. 
schherpele  „Splitter"  Zupitza  a.  o.  s.  155). 

xwvog  (II  318). 

Die  gleichheit  von  nuivog  „kegel,  pinienzapfen,  helmspitze, 
der  kegelförmige  kreisel"  ^)  und  skr.  gäna  „Schleifstein"  steht 
durchaus  nicht  fest  >),  denn  gana  scheint  minder  richtig  als  gäna, 
und  gegen  die  annähme,  n  könne  im  Sanskrit  oder  gar  in  den 
veden  an  und  für  sich  durch  n  ersetzt  sein,  besteht  ein  berech- 
tigtes misstrauen  (s.  Leumann  KZs.  XXXII  309,  Persson  KZs. 
XXXin  288).  Auch  bei  ^na  ist  dasselbe  zutreffend,  denn  (äna 
kann  unbedenklich  zu  gäd  „stein,  fels",  an.  hella  „flacher  stein, 
schiefer"  gestellt  werden  (vgl.  Stokes  ürkelt.  Sprachschatz  s.  72  f.). 
Ferner  aber  ist  es  doch,  zumal  in  hinblick  auf  nBQi-xwvsiVj 
wahrscheinlich,  dass  die  bedeutung  „pinienzapfen"  älter  sei,  als 
die  bedeutung  „kegel";  nimmt  man  dies  aber  an,  so  ist  die  Ver- 
mutung nicht  abzuweisen,  dass  xdhog  zu  asL  sosna  „abies",  russ. 
sösna  (auch  sosnd)  „flehte,  kiefer,  föhre"  (s6sna  italij&nskaja 
„pinie"),  poln.  sosna  dass.  gehöre.  Es  würde  sich  lautlich  hierzu 
verhalten  wie  gr.  dfiog  zu  skr.  drhsa  u.  s.  w.  (Solmsen  KZs. 
XXTX  62,  81)  und  begrifilich  wie  hd.  tonn  zu  tannej  lat.  mälum 
zu  malus  3).  —  Die  Zusammenstellung  von  sosna  und  ahd.  kien 
(Pedersen  IF.  V  66)  ist  zu  gewaltsam. 

Auch  das  n  von  ved.  mani  „perle,  perlenartiger  zierrat, 
kleinod,  edelstein,  juwel",  das  J.  Schmidt  KZs.  XXXII  385 
neben  gäna  als  sicheren  beleg  für  n  =^  n  nennt,  ist  als  solcher 
nicht  anzuerkennen  (vgl.  Windisch  KZs.  XXVII  168).  mani 
kann  nämlich  aus  *malmni  entstanden  sein  und  zu  got.  malma 
„sand",  lit.  melmü  „nierenstein",  sdmalnes  „Schrotmehl"  gehören 
(vgl.  J.  Schmidt  Sonantentheorie  s.  104,  114,  117).  Begrifflich 
ergibt  sich  dies  aus  der  Verdeutschung  von  lat.  margarita  (ahd. 
merignoz  u.  s.  w.). 

TiiSog  (II  222). 

Neben  xwog  „höhle,  gefangniss",  nveiv  „schwanger  sein" 
(II  227),  xixr^  „Öffnung"  (II  230)  mache  ich  aufmerksam  auf 
lett.  schäwa  „eine  scheidenartig  geformte  spalte  oder  höhlung  an 

1)  Die  übersetznng  „spitzstein"  Michels  IF.  lY  68  ist  nur  wiil- 
kärlich. 

2)  Aus  der  neneren  literatar  darüber  erwähne  ich  Hirt  BB.  XXIV 
284  nnd  Zupitza  Gutturale  s.  184. 

8)  Wie  xeOfyoc  für  ^xwavo-q  steht  vielleicht  xavvos  „loos"  für  xava- 
vo-g,  vgl.  aal.  prS-k^HU  „durchs  loos  gewinnen"  (Miklosich  a.  o,  s.  154). 


172  A.  Bezzenberger 

einem  bäume",  das  auf  gSu-  beruht  und  also  in  einem  bemer- 
kenswerten ablautsverhältniss  zu  xioog  u.  s.  w.  steht  —  Nicht  ganz 
zutreffend  scheint  mir  Leo  Meyer  ayxvog  „schwanger",  iy-xvuünf 
dass.  :  xvog-  „fetus",  TiVfia  dass.  zu  beurteilen.  Die  richtige 
beurteilung  dieser  Verhältnisse  ergibt  sich  aus  skr.  jafhdra  „mutter- 
leib",  got  kilßei  dass.  —  got.  ifiküpö  „schwanger"  —  engl. 
child, 

olcJ-  (II  129). 

Zu  old'  „schwellen",  oldog  „geschwulst",  old^a  „schwall" 
stellt  Leo  Meyer  lat.  aemidus,  armen.  atUnu-m  „ich  schwelle", 
ait'Umn  „geschwulst",  aü  „wange"  und  ahd.  eiz  „eiterbeule,  ge- 
schwur",  an.  eitiU  „drüse"  mit  der  bemerkung:  „Kaum  dazu  auch 
altn.  eitr,  ahd.  eitarf  nhd.  eiter**. 

Dieser  bemerkung  gegenüber  halte  ich  an  der  Zusammen- 
gehörigkeit der  erwähnten  germanischen  Wörter  fest,  die  mir  durch 
bair.  aiszeln  „schwären,  eitern"  und  anderes,  was  Schmeller  Bayer, 
wörterb.  I  157  f.  auffuhrt,  bewiesen  zu  sein  scheint.  Andrerseits 
gehe  ich  über  Leo  Meyer  hinaus,  indem  ich  an.  eitr,  ags.  dior, 
ahd.  eüar,  mhd.  eiter  „gift",  nhd.  euer,  mnd.  schwed.  etter  „eiter, 
bezw.  gift"  nebst  ahd.  mhd.  eiz,  an.  eitill  und  asl.  russ.  jad^, 
poln.  jad  „gift"  von  olöog  u.  s.  w.  trenne.  Maassgebend  hierfür 
sind  lett.  idra  „das  faule  mark  eines  baumes",  idrM  „einen  faulen 
kern  bekommen"  i),  die  sich  von  den  obigen  Wörtern  nicht  trennen, 
aber  den  begriff  des  schwellens  nicht  hervortreten  lassen  und 
lediglich  auf  die  Vorstellung  eines  krankhaften  einschlusses  fuhren ; 
und  hierzu  stimmt  gut  an.  eitillf  das  nach  Cleasby-Vigfusson 
nicht  „drüse",  sondern  „a  nodule  in  stone,  iron,  or  the  like" 
bedeutet.  —  Möglicherweise  gehört  zu  dieser  wortgruppe  lit.  aidinti 
„reizen"  (Beitrage  zur  geschichte  d.  lit  spräche  s.  269  f.),  vgl. 
poln.  jad  und  unser  gift  in  der  bedeutung  „zom,  wut".  Viel- 
leicht war  aber  die  eigentliche  bedeutung  dieses  Wortes  „auf- 
wiegeln", und  dann  würde  es  auf  oldog  u.  s.  w.  und  asl.  jadro 
„sinus",  „velum"  (von  Fick  KZs.  XXI  5,  463  mit  recht  zu  oldog 
gestellt)  zu  beziehen  sein.  Auch  lit.  didyti  „toben,  getöse  machen", 
angeblich  auch  „wiederhallen",  aidcts  „echo"  können  hierzu  ge- 
hören. 

Ob  lat.  aemidus  mit  oldog  u.  s.  w.  verwant  sei,  ist  sehr 
fraglich,  s.  Froehde  BB.  Y  273.  Lit  atme  „eine  zahllose  menge" 
(Geitler  Lit  stud.  s.  76),  das  an  aemidus  erinnert,  ist  mir  nicht 
gut  genug  bezeugt. 

oi'q)eiv  (II  131). 

Als  eng  zusammengehörig  betrachte  ich  skr.  ibha  „diener- 
schaft,  hausgenossenschflft,  familie"  (ibhya  „zum  gesinde  gehörig. 


1)  Ein  lett.  idrs  „kern"  (Fick  Wboh-  ^  I  368  unter  endro-m)  gibt 
es,  soweit  loh  sehe,  nicht. 


Anzeige.  173 

höriger''),  ahd.  eiba  „land,  gau"  in  Wetareiba,  Wingarteiba, 
langobard.  aib  „gau"  in  Burgundaib,  Antaib,  Bainaib  (Brückner 
Sprache  der  Langobarden  s.  99)  und  lit.  aibis  ,,menge,  schaar" 
(Mie^inys).  Das  verhältniss  von  ahd.  ht-rät  „heirate  Vermählung'' 
zu  ags.  hi-red  „familie",  an.  hS-rad  „bezirk,  landschaft"  legt  den 
gedanken  nahe,  dass  ibha  u.  s.  w.  und  oiq>Biv  verwant  seien. 
Ich  muss  dies  aber  ablehnen,  da  oYq>Biv  nicht  das  schliessen  einer 
ehe  ausdrückt,  vielmehr  nach  seinem  ganzen  gehalt  in  einem 
scharfen  gegensatz  zu  ibha  und  eiba  steht.  Dasselbe  gilt  von 
skr.  ydbhati  und  seinen  slavischen  verwanten  (poln.  jebciS,  slov. 
ßbcUi  u.  s.  w.),  womit  ötq)€Lv  herkömmlich  zusammengestellt  wird. 
Von  der  richtigkeit  dieser  kombination  ist  Leo  Meyer  freilich 
nicht  fest  überzeugt,  allein  die  gleichmässigkeit  der  bedeutung 
macht  sie  doch  so  wahrscheinlich,  dass  das  fehlen  eines  anderen 
oc-  =  skr.  ya-  sie  nicht  ernstlich  gefährdet.  Wegen  dieses  Ver- 
hältnisses s.  Persson  Wurzelerweiterung  s.  231,  Hirt  ablaut  s.  132. 
Die  ähnlichkeit  von  ibha,  eiba  mit  skr.  sdbhä,  got.  süja 
„sippe"  (vgl.  Noreen  Lautlehre  s.  218)  liegt  auf  der  band.  Wegen 
der  bildung  s.  Prellwitz  BB.  XXII  89  ff. 

o^vg  (I  500). 

o^iva  „egge",  das  sich  ohne  gewaltsamkeit  von  lit.  akikzos 
(ekihzos),  lett.  ezischi  (com.  ocet,  alid.  egidä)  nicht  trennen  lasst, 
enthält  nach  ausweis  dieser  Wörter  nicht  g,  sondern  k  (vgl.  Zu- 
pitza  Gutturale  s.  129  i)).  Da  femer  von  o^Lva  auch  o^g  sich 
nicht  losreissen  lässt,  so  ist  folglich  auch  dessen  ^  als  ks  auf- 
zufassen, und  die  Verbindung  von  o^g  mit  skr.  dgri  „ecke,  kante", 
äpi  „rasch,  schnell",  gr.  ayLgog^  wKvg  u.  s.  w.  ist  zu  lösen.  Da- 
g^en  lässt  sich  o|-  identificieren  mit  aks-  in  lit.  akstls  „spitziges 
stöckchen",  äkstinas  „Stachel,  ochsenstecken,  federstachel"  =  asl. 
osthm  „Stimulus",  lett  aksts  „flügge,  hurtig".  Kretschmers  tref- 
fende erklärung  der  Hesjchischen  glossen  ^QOVy  ^vgel  (EZs. 
XXXT  414)  wird  hierdurch  nicht  berührt,  während  die  von  ihm 
veranlasste  Vereinigung  von  6§vg  mit  skr.  ksnaüti  „schleifen, 
wetzen,  schärfen"  (Pedersen  IF.  II  314,  325)  mit  meiner  auf- 
fassung  jenes  wertes  nicht  besonders  harmoniert  —  Führt  man 
6§'  =  akS'  auf  ein  neutrales  okes-  zurück,  so  verhält  sich  o^g 
hierzu,  wie  lit  tamsiis  zu  skr.  tdmas  (lit  tamsä).  Der  gedanke 
Hirts  IF.  XII  225,  o^g  sei  „aus  ^aksüs  erst  im  Griechischen 
entstanden"  wird  wohl  wenig  Zustimmung  finden,  und  mhd.  wahs 
„scharf",  das  nach  Fick  GGA.  1894  s.  242  möglicherweise  zu 
o^g  gehört,  gilt  mit  recht  für  eine  entstellung  von  was  (ahd. 
htoas). 

1^    -— 1-1 1 mm  M—  ■  I»    ■ ■  -  -    ■  " 

l)  Aus  dem  von  Zapitza  herangezogenen  lat  aeus  will  0.  Hofiinann 
Dial.  I  278  kypr.  dxotnTJ  „gente"  ableiten,  das  aber  far  wxoatA  oder 
J9Vxoar&  stehen  kann,  vgl.  asl.  j^my^  russ.  jacminh  „gerate"  (Miklosioh 
Et  wbch.  8.  104). 


174  A.  ßezzenberger 

Für  wurzelhaft  yerwant  mit  6^g,  lit.  akstis  halte  ich  oxqiq 
(oKQioeig,  OKQiaofiai),  lat.  ocris  und  ir.  ochar,  cymr.  ochr  (Stokes 
Urkelt.  Sprachschatz  b.  6),  während  ich  a%Qig  mit  d^  identi- 
ficiere.     Vgl.  Hirt  Ablaut  s.  162. 

oatqtfiov  (I  538). 

oaxqifJLOV  „stall,  hürde"  kann  auf  daTQO-  beruhen  (vgl.  oßQi- 
fios,  auf  das  auch  Leo  Meyer  verweist;  Fick  BB.  XVI  170), 
und  dies  kann  aus  odTQO-  entstanden  sein  und  dann  gehören  zu: 
as.  edor  „zäun,  umfriedigung*',  ags.  eodor  „zäun,  dach",  mnd. 
ader(e)  „staken,  knüppel,  woraus  man  die  zäune  macht'',  an. 
jadärr  „rand",  ahd.  etar,  mhd.  eter  „geflochtener  zäun,  umzäuntes 
land,  säum,  rand'',  asl.  odrb  „bett'',  odrina  „stall",  russ.  6drb 
„lager,  brettergerüst".  —  Dürfte  man  hiermit  bair.  eazter  „falltor 
am  fahrweg  durch  einen  geschlossenen  feldbezirk"  (Schmeller 
I  161),  Schweiz,  esier  „fallgatter"  (Grimmsches  Wörterbuch  III 
1172)  verbinden  (wie  Stalder  Schweiz,  idiotikon  I  346  vorschlägt), 
so  ergäben  diese  Wörter  eine  bildung,  die  der  vermuteten  unter- 
läge von  oOTQifiov  sehr  nahe  käme. 

. 

oTQakiog  (I  514). 

Zupitza  KZs.  XXXVII  406  ist  auf  eine  Vermutung  Ficks 
zurückgekommen,  welche  dieser  aber  anscheinend  aufgegeben  hat, 
nach  der  OTgoXiog,  OTQtjgog^  otqvvw  mit  lett.  dtrs  „rasch,  heftig, 
hastig,  hitzig"  zu  verbinden  sind  (Vgl.  wbch.  '  II  514).  Ich 
halte  dieselbe  aber  nur  unter  der  Voraussetzung  für  zulässig,  dass 
das  a  von  ätrs  ^)  und  von  lit.  otu  „schnell"  (Geitler  Lit.  stud. 
s.  99)  ablaut  von  S  ist.  und  nur  unter  derselben  Voraussetzung 
lassen  sich  as.  cuiro  „eilend,  alsbald,  zeitig,  früh",  ags.  cedre 
„sofort",  ahd.  atar  „acer,  sagax,  celer"  zugleich  mit  ätrs,  otu 
und  mit  otgakiog  u.  s.  w.  vereinigen  (Zupitza  a.  o.),  gleichviel  ob 
der  anlaut  dieser  Wörter  lang  oder  kurz  anzusetzen  ist. 

Fick  a.  0.  zieht  zu  ätrs  ausser  ozqaXiog  u.  s.  w.  auch  lat. 
ätrox  und  skr.  ätati  „wandern,  laufen"  (vgl.  dtya  „renner"). 
iUrox  wird  besser  zu  äter  gestellt;  die  bezidbung  von  diati  sei 
es  auf  dtrSj  sei  es  auf  aiQaXiogt  sei  es  auf  beides,  erscheint  mir 
aber  noch  immer  sehr  berücksichtigenswert  (vgl.  PreU¥dtz  BB. 
XXm  69  f.). 

ox^og  (I  526). 

Uiiter  preisgäbe  einer  früher  von  mir  geäusserten  Vermutung 
(BB.  XXni  298),  die  sich  aus  begrifflichen  gründen  nicht  woU 

1)  Hieraus  scheint  mir  nordlit.  dtru»  „heftig,  hitsig,  jähzornig" 
{Ur9{%)y  S^tre(t)  adv.  dass.  „schnell",  Lit.  forschangeo  s.  97)  entlehnt  in 
sein.    loh  lasse  es  deshalb  im  text  bei  seite. 


Anzeige.  17Ö 

durchführen  lässt»  stelle  ich  ax^rog  ,,rinne,  kanal,  Wasserleitung*' 
als  oxhstog  zu  lit  ekete  (aketS,  akyte)  „in  das  eis  gehauenes  loch 
zum  wasserschöpfen,  wuhne",  lett.  akate  „mit  wasser  gefüllte 
grübe  im  moraste'%  ableitungen  von  lit.  äkcis  (äkis)  „wuhne", 
lett.  aka  »»(gegrabener)  brunnen'^  Gegen  die  Verbindung  dieser 
Wörter  mit  lit.  akis  (Brückner  Lituslav.  stud.  I  43  anm.  31)  und 
slav.  oko  (J.  Schmidt  Neutra  s.  405)  habe  ich  mich  schon  Deut- 
sche lit. -Ztg.  1889  sp.  1458  erklärt  und  habe  sie  zu  skr.  kha 
„höhle,  Öffnung <S  kha  =  avest  khä  „quelle"  gestellt  (BB. 
XVIII  221  anm.,  XXIII  297).  Hierin  sieht  man  herkömm- 
licher weise  sprösslinge  von  skr.  khdnati,  avest.  kafUi  „graben" 
(so  auch  Brugmann  Grundriss  ^  11  456).  Diese  annähme  ist  aber 
bereits  von  Hirt  Ablaut  s.  93  mit  recht  bezweifelt;  der  gebrauch 
von  kha  und  das  hiermit  zusammengesetzte  sukhd  machen  sie 
ganz  unwahrscheinlich  und  der  lautliche  gegensatz  zwischen  avest. 
küMi  (apers.  kaiitanaiy,  vgl.  auch  armen,  akan  Hübschmann 
Armen,  gram.  I  413)  und  khä  (khä)  tragt  —  wenn  auch  das  k 
von  kaMi  u.  s.  w.  unursprünglich  ist,  vgl.  Fierlinger  KZs. 
XXVII  335,  Bartholomae  das.  367  anm.  2,  Persson  das. 
XXXni  290  —  nicht  dazu  bei,  sie  glaubhaft  zu  machen. 

Lit  äkas  und  skr.  kha,  lett  aka  und  skr.  khä  lassen  sich 
vereinigen  unter  indogerm.  ökho-  :  khö-,  bezw.  ökhä  :  khd.  Das 
aus  ökhä  verkürzte  kha  trat  neben  z.  b.  k^ä  und  bildete  daher 
den  nomin.  sing,  khas  =  av.  khä.  Die  zu  gründe  liegende  wurzel 
kann  ich  anderweits  nicht  nachweisen  (skr.  äkhard,  okhü?).  Wegen 
des  %  '^  kh  verweise  ich  auf  Wackernagel  Altind.  gram,  s^  119f.  ^). 

nitß  (H  533). 

fciC/a  „kleines  fischemetz"  gehört  wohl  nicht  zu  niCpi  „Aiss, 
säum",  sondern  zu  /redw  „fessel".  Von  der  diesem  zu  gründe 
liegenden  wurzel  (Fick  Wörterb.  ^  I  474)  stammen  auch  lit  pedas 
„getreidegarbe",  lett  p6da  „bund,  armvoU". 

ftlidog  (II  694). 

TrAad-  in  rcXodog  „feuchtigkeit,  Schlaffheit,  faule",  nXadoQog 
„nass,  feucht,  matschig",  TcXaddeiv  „nass,  schwammig  sein"  ent- 
spricht dem  lett  plid-  in  plidinät  „sich  baden",  plide^ns  „glatt- 
eisig'^  Dies  beruht  auf  pled-  in  lett  pledskscha  „etwas  ausge- 
flossenes", dessen  etwaigen  Zusammenhang  mit  peld-  in  lett  pe'ldÜ 
„schwimmen"  ich  dahin  gestellt  sein  lasse. 

1)  PrellwitE  Et.  wbcb.  s.  165  hat  zu  xoyxv  lett.  senze  „mascbe]" 
gestellt.  Richtiger  scheint  aber  fenze :  Ülmann  s.  234,  Magazin  der  lett.- 
Dter.  gesellschaft  XIII,  1.  stück  s.  25.  Nicht  ganz  so  unsicher  wäre  der 
vergleich  ron  xoyxfi  mit  nslov.  »enee  „schl&fe"  (vgl.  skr.  ^oifMd  „masobel" 
—  „schlafe")  ans  9mhfiib  (Miklosich  Et  wbcb.  s.  292). 


176  A.  Bezzenberger 

Ttoixiloq  (n  481). 

fComiXog  „bunt,  kunstvoll  gearbeitet,  manigfaltig,  gewandt", 
Bild,  f  eh  „bunt,  schillernd",  slav.  pisafi  „schreiben",  skr.  pigas  „gestalt, 
form,  färbe"  (Pischel  Yed.  Studien  II  113  ff.),  apers.  ni-pistanaiy 
„schreiben"  sind  mit  recht  gestellt  zu  lit  paüzas  „russfleck", 
peszä  „russ"  (Zupitza  Gutturale  s.  189),  iz-payßau  (wie  für  iz- 
payfau  zu  lesen  ist)  „rysui^  co  w^glikiem,  dowem  etc.,  delineo, 
adumbro,  primas  lineas  duco"  (Szyrwid  Diction.  ^;  Miklosich  Et. 
wbch.  s.  271),  pßszti  „schreiben"  (Feist  Qot  etymologie  s.  30, 
Leskien  Ablaut  s.  292).  Im  hintergrunde  jener  Wörter  steht  also 
nicht  die  arbeit  mit  dem  grabstichel  oder  dem  meissel,  sondern 
die  graphische  darstellung  in  ihrer  einfachsten  art,  die  adum- 
bratio,  das  aufreissen  von  figuren  oder  bildem  mit  schwarzer 
färbe.  Dies  ist  zwar  ebenso  selbstverständlich,  als  dass  ntHQog 
von  noiydhog  zu  trennen  ist  ^),  ist  aber  soviel  ich  weiss,  noch 
nicht  ausgesprochen,  obgleich  es  für  die  beurteilung  der  indoger- 
manischen kultur,  des  alters  und  der  entwicklung  der  indoger- 
manischen kunst  von  sehr  grosser  bedeutung  ist. 

Ebenso  wie  ni-pistanaiy  und  pisati  bedeutete  auch  got.  me/- 
jan  ursprünglich  ein  zeichnen,  malen  mit  schwarzer  färbe,  wenn 
es  von  Qrienberger  a.  o.  s.  158  richtig  —  wovon  ich  überzeugt 
bin  —  mit  gr.  fiHag  vereinigt  ist. 

milag  (II  512). 

Ttrelag  „eher",  rtzeXia'  avg  vfto  ^cucivwv  können  zu  lit 
telas  „kalb",  lett.  telsch  dass.,  asl.  tel^  =  poln.  ciel^  (genit.  de- 
l^a)  „kalb"  gestellt  werden  unter  der  Voraussetzung,  dass  diese 
Wörter  anlautendes  p  aufgegeben  haben.  Vgl.  begrifflich  lat. 
verres  „eher**  :  lit.  werszis  „kalb". 

Möglicherweise  steht  preuss.  Hente  (voc.,  clytith  Grünau) 
„kuh"  für  *Üente  aus  (p)telefUe. 

TtvfioTog  (II  593). 

TtifÄCtTog  „der  letzte"  auf  "^noa^cnog  oder  auf  "^no^arog 
(so  Reichelt  BB.  XXVI  225)  zurückzufuhren,  ist  nicht  nur  sehr 
bedenklich  (Solmsen  KZs.  XXIX  90),  sondern  auch  ganz  unnötig, 
seit  Bugge  BB.  XIV  68  Ttv^axog  zu  skr.  pinar  „wieder,  zurück, 
von  neuem"  (bildung  wie  avest.  hanare  Bartholomae  BB.  XY 
16,  23)  gezogen  und  aus  */>u-  „hinter"  abgeleitet  hat,  das  Bugge 
auch  in  lat  puppis  und  in  skr.  püccha  „schwänz,  schweif,  ruthe" 
vermutet.    Auch  skr.  puta  „hinterbacke",   griech.  rtwog  {nivvog) 


1)  Auch  ahd.  feigi,  an.  feigr,  nhd.  feige  trenne  ich  von  no^xClog 
und  bleibe  bei  der  Zusammenstellung  dieser  Wörter  mit  lit.  paikas 
„dumia")  indem  ich  in  dem  feigen  nicht  mit  Schade  und  Zupitza  den 
„gezeichneten",  sondern  den  dem  todesschlaf,  der  betäubung  bereits 
yerfaUnen  (vgl.  Vilmar  Idiotikon  von  Kurhessen  s.  100)  sehe. 


Anzeige.  177 

„ftQwiKTog''  (über  novviov  b.  w.  u.)  und  an.  fiid  ,,cuDnaB",  mhd, 
fnd  „cunnuB,  vulva''  und  ahd.  fana  „von''  (das  mit  mfictrog  und 
pünar  längst  verbunden  ist  [J.  Schmidt  EZs.  XXVI  24,  Persson 
Wurzelerweiterung  s.  224  anm.,  IF.  II  214  f.]  und  gleich  pün-ar 
eine  n-ableitung  wie  lat  extertius,  infemus,  got  inn  u.  s.  w. 
darstellt)  beruhen  auf  dieser  grundlage,  neben  der  ich  aber  ein 
gleichbedeutendes  *p<m  oder  *peU'  annehme  wegen  preuss.  ^pcu- 
nian  „hinterbacken"  (BB.  XXIII  310),  lett.  pauna  „(rucksack), 
ranzen,  tomister,  bündelchen",  pa/une  „bündel,  tornister,  knap- 
saek'^  (woraus  estn.  paun  „ranzen,  feileisen"  u.  s.  w.  Thomson 
Beröringer  s.  272  entlehnt),  pipaunä  „auf  dem  rücken",  paundt 
„(buckeln),  auf  dem  rücken  tragen",  aa-paunät  „(sacken),  zu- 
sammenpacken". Ob  nowid^eiVj  noiviov  {nowia^etv  Ttaidmoig 
Xdijo^ar  novviüv  yoQ  6  SaKwvhog  Hes.)  dies  *pou  enthalten, 
oder  mit  Ahrens  II  125  als  lakonisch  anzusehen  sind,  lasse  ich 
dahin  gestellt  sein  (ebenso  die  erklärung  von  dqyiftovg'  äerog. 
MoMÖdveg,  Fick  EZs.  XXII  200  f.).  —  Eine  zweite  nebenform 
von  *pU'  „hinter",  nämlich  ^pä-  enthält  vielleicht  Ttvyrj  „der 
hintere"  (vgl.  skr.  apa-gd  „sich  abwendend"  und  skr.  mdk^', 
mtthü  :  maksü,  mithu);  anders,  aber  noch  unsicherer  BB.  XII  79, 
XVIII,  135,  GGA.  1894  s.  245.  ^ 

Von  J.  Schmidt  a.  o.  sind  nviiaxog  und  ahd.  fona  auf  gr. 
äno  bezogen,  und  ich  halte  dies  prinzipiell  für  richtig,  stimme 
aber  Persson  a.  o.  und  Johansson  PBB.  XV  230  bei,  die  das  u 
von  pünar  und  Ttvfiaiog  dem  v  von  anv^  kotv,  tvqV'^  vnv  gleich- 
setzen (vgl.  GK3A.  1887  s.  418).  An  diese  formen  reihen  sich 
ferner  an  z.  b.  got.  du  und  halt,  py-u-  »  ftqv-  in  lit.  prusnä 
„maul,  schnauze",  preuss.  prusna,  prosna  „angesicht". 

Wie  alle  diese  formen  zu  stände  gekommen  sind,  lassen 
lat.  8in^  :  gr.  avev  :  skr.  sanii-tdr,  got  inu  (Prellwitz  Wbch. 
s.  23),  das  obige  *poU'  (^peu-?)  :  *pU'  u.  a.  erkennen;  sie  be- 
ruhen je  auf  der  Verbindung  eines  fertigen  wertes  mit  einem  u, 
das  ich  für  identisch  halte  mit  dem  v  von  Ttaw,  ovTog  u.  s.  w. 
Eigentliche  lokative  (vgl.  hierüber  Bartholomae  BB.  XV  23, 
Hirt  IF.  I  30,  J.  Schmidt  EZs.  XXXII  412  anm.  1)  kann  ich  in 
ihnen  nicht  sehen. 

Hin  und  wieder  scheint  mir  aus  einer  solchen  Verbindung 
ein  i;o-stamm  erwachsen  zu  sein:  gr.  velfaTog  „der  unterste" 
(Fick  BB.  I  336),  asl.  niva  „acker"  (skr.  nivand  „zu  tal"  ?)  aus 
*nei  :  ^nei-u;  skr.  purva  „vorderer,  früherer",  gr.  TtfidTog;  lat. 
privus,  umbr.  preve.  —  Auch  die  griechischen  ortsadverbien  auf 
-Vi,  "Vig  führe  ich  auf  eben  solchen  Verbindungen  zurück  und 
sehe  also  in  z.  b.  fti^lvi  und  nqtlij-i  ^)  gleichartige  bildungen. 
Ganz  anders  J.  Schmidt  EZs.  XXXU  394  ff. 

1)  Lett.  ^pr^am  „fort,  weg"  trennt  J.  Schmidt  KZs.  XXXII  407  in 
pr^JatHy  ohne  dies  su  erklären.  lob  halte  es  fär  entstanden  aus  ^prüw- 
jam  (vgl.  giAimaj  dimin.  von  gäw  „knh"),  was  sich  zu  n^f&Atog  verhält 
wie  gMFam  „vorbei,  vorüber"  zu  ga*¥seh  „lang". 

Boitrftgtt  X.  kviiile  d.  indgf.  qinieheii.      XXVII.  12 


178  A.  fiezzenbetgei' 

TOfzog  (II  737). 

Zu  TOfcog  „ort)  stelle",  %07tdCßi,v  „vermuten"  (TOfto^et*  «ixa^ct. 
lÖQvei.  vnomsvBi,  atoxä^wai  Hes.)  stelle  ich:  lit.  iäpti  „werden", 
pri'tapti  „antreffen,  kennen  lernen,  erfahren",  lett.  iapt  „werden, 
geschehen,  gelangen",  tapigs  „ein  föhiger  köpf",  iapituÜ  „(zu- 
kommen lassen),  borgen,  leihen",  if-tapt  „loskommen,  zurecht- 
kommen, es  einem  zu  danke  machen,  mit  ihm  zurecht  kommen", 
pa-tapt  „hingelangen,  wozu  kommen  können,  müsse  haben",  po- 
tapciB  „müsse",  sa-tapt,  8a''8(aytapt  „begegnen,  auf  jemand  treffen" 
(nü  dlwa  sastapts  „von  gott  beschert");  ags.  fafian  (mit  ä  s. 
Sievers  PBB,  X  509^  „etwas  geschehen  lassen,  sich  in  etwas 
fügen"  (gad  hü  gefafade  „gott  lies  es  zu").  —  Der  begriffliche 
ztiBammenhang  ist  nicht  gai»  klar,  aber  einleuchtend.  Zweifelnd 
vergleiche  ich  klr.  do-tepa  „einsieht"  (Miklosioh  Et.  wbch.  8.  352). 

(?ew  (n  170). 

v(fxr]  angeblich  „irdenes  gefäss  für  eingesalzene  fische"  kann 
zu  lit.  wdr&as  „korb  zum  fischfang,  reuse",  lett.  warfa  „fisch- 
wehr", warß  „setzkörbe"  gehören.  Der  name  könnte  von  dem 
geflochtenen  auf  den  möglicherweise  gleichgeformten  irdenen 
fischbehälter  übertragen  sein.  Übrigens  berührt  sich  die  älteste 
keramik  mit  der  flechterei  (vgl.  z.  b.  Schrader  Beallexikon 
s.  457),  und  auch  abrit.  bascauda  scheint  ursprünglich  einen  ge- 
flochtenen korb  bezeichnet  zu  haben  (vgl.  O.  Mejer  IF.  VI  106 
anm.). 

Lat.  urceuSj  das  man  früher  zu  vdxrj  stellte,  wird  jetzt  besser 
mit  aslav.  vrbdh  verbunden  (Miklosich  Et.  wbch.  s.  383). 

vaaog  (II  162). 

vaaog  „wurfspiess"  aus  ^vadjo-g  gehört  zu  as.  ord,  an,  addr, 
ahd.  ort  „spitze",  womit  auch  verbunden  sind  votqi^  „Stachel- 
schwein" (Noreen  Urgerm.  lautlehre  s.  190)  und  Svig^  vwrj 
„pflugschar",  lit.  umis  „distel,  hagedom",  lett  uschnes  ^)  „disteln" 
(Fick  BB.  XU  162,  vgl.  Solmsen  EZs.  XXIX  81). 

vaaa^  „weibliche  schäm"  kann  auf  VX'  beruhen  und  zu  lat. 
Vagina  gehören. 

(ptjfirj  (in  388). 

Neben  q>rjfir]  (q>a(jLä)  steht  das  gleichbedeutende  lett.  bäume 
{bauma)  „gerücht^  nachrede",  und  bekannte  analogien  legen  die 
—  aus  anderem  gründe  bereits   von  Persson  Wurzelerweiterung 

1)  Von  usehn€9  (fehlerhaft  auch  i{f9ehne$)  ist  guiehma  zu  trennen. 
Stander  übersetzt  jenes  mit  „döbelkraat,  disteln",  dies  mit  „bergdistel, 
(gänsedistel)".  Die  Qbersetzang  „gansedistel"  verrat  die  herkanft  von 
guachmo. 


Anzeige.  179 

8.  140  berührte  —  frage  nahe,  ob  statt  der  wurzel  bhä  „spre- 
chen" (Fick  Wbch.  *  I  489,  Hirt  Ablaut  s.  31)  etwas  bhäu  an- 
zusetzen sei.  Ich  nehme  dies  aber  nicht  an,  sondern  stimme  viel- 
mehr Persson  a.  o.  s.  120  ff.  und  Zubat^  BB.  XVIII  247  f. 
darin  bei,  dass  die  angeblich  langdiphthongisch  auslautenden 
wurzeln  —  einige  wenige  vielleicht  ausgenommen  —  in  Wirklich- 
keit langvokalische  waren  und  nur  durch  das  antreten  formativer 
demente  (vgl.  Johansson  De  derivatis  verbis  contractis  s.  173  ff.) 
das  ansehen  diphthongischer  wurzeln  erhielten  ^).  Zu  dieser  Auf- 
fassung drangen  Widersprüche,  welche  der  formenkreis  einiger 
wurzeln  enthät  So  weist  z.  b.  ved.  däyi  (III  sing.  aor.  pas. 
von  da  „geben'*)  folgerecht  ebenso  auf  döi^  wie  ved.  äpäyi  „ist 
getrunken«  auf  pöi  „trinken"  (W.  Schulze  KZs.  XXVII  420, 
vgl.  Hübschmann  Vocalsystem  s.  25),  und  niemand  wird  leugnen, 
dass  dies  döi  die  denkbar  einfachste  erklärung  des  reduplikations- 
vokales von  ölöw^i  bietet  (vgl.  Reichelt  o.  s.  71  f.).  Andrerseits 
aber  ist  ebenso  folgerichtig  wie  aus  päydna  „das  tranken"  auf 
pöi  s)  und  aus  üri  „quäl"  auf  däu  (W.  Schulze  a.  o.  s.  420,  427), 
aus  ved.  dävdne,  kjpr.  dv/dvoi  >)  u.  s.  w.  (Bechtel  ON.  1888 
s.  409  f.,  Fick  BB.  XV  291,  Hoffmann  Dial.  I  165,  Wiedemann 
Lit.  Präteritum  s.  43)  auf  wurzel  döu  zu  schliessen  (Persson  a.  o. 
s.  139,  Hirt  a.  o.  s.  32). 

Von  besonderem  interesse  für  die  beurteilung  der  zahlreichen 
fälle  dieser  art  sind  1)  lit.  stöju  „ich  trete"  (inf.  stöti;  stötps 
„sich  stellen")  »  lett.  stdju  „ich  stelle"  (inf.  stdt;  stdÜ-s  „sich 
stellen,  bleibenden  auf  enthalt  gewinnen")  und  lit.  stöwiu  ^)  „ich 
stehe"  (infin.  sioweti)  =»  lett.  stdwu  „ich  stehe"  (infin.  stäwit 
„stehn,  bleiben"),  2)  lit.  dtdü  (demi)  „ich  lege"  (infin.  di^i;  apsi- 
diSti  „sich  etwas  anlegen")  und  lit.  dewiü  „ich  trage  (ein  kleid) 
angezogen"  (infin.  d^&i)  ^). 


1)  Vom  Standpunkt  der  theorie  ans  vereinigen  sich  gr.  onwta  und 
nttQd'iv-onIna  unter  ötq^  onunii  und  got.  augö  unter  äuq^  ^ntana  und 
oaai  unter  öq.  Die  annähme  von  öiq  und  öuq  neben  dq  wäre  aber  ab- 
surd. Das  zeigt,  wie  vorsichtig  man  mit  der  annähme  langdiphthongi- 
scher  wurzeln  überhaupt  sein  muss,  die  ich  grundsätzlich  übrigens  nicht 
leugne  (vgl.  o.  s.  160). 

2)  Die  annähme  einer  nebenwurzel  päu  zieht  Zubat^  BB.  XVIII  249 
in  betracht. 

8)  SvnVf  ^vead'M  llsst  sich  Öfters  mit  lat.  m  dare  übersetzen  (vgl. 
Lentz  Wissenschaft!,  monatsblätter  VI  167)  und  also  zu  Sv^avot  ziehen. 
Von  skr.  duvds  „binausstrebend"  tritt  es  durch  die  bedeutung  „(waffen) 
anleffen"  weit  &b 

4)  Hirt  IF.  XII 197  will  auf  lit.  siowHi  „kein  gewicht  legen".  Wenn 
er  vor  einem  *HwowHi  nicht  zurückschreckt,  scheitert  aber  an  HowHi 
seine  indogerm.  basis  Hhewä» 

5)  Dies  verbum  berührt  sich  mit  poln.  otkiewaö  „bekleiden,  ver- 
hüllen", totdsUwad  „anlegen",  russ.  odivätb  „anziehen,  bekleiden"  (BB. 
VI  288),  unterscheidet  sich  aber  von  diesen  komponierten  iterativen  so 
sehr,  dass  es  nicht  in  unmittelbaren  Zusammenhang  mit  ihnen  gebracht, 
oder  gar  als  slavisches  lehnwort  angesehen  werden  kann. 

12* 


180  A.  ßezzenberger 

Das  verhältniBs  von  stöju,  stdju  zu  ^6wiu,  stäum,  von  dedü 
(dimi)  zu  dimü  ^)  entspricht  dem  von  larijjui,  azriaw^  katfjoa 
„ich  stelle*'  u.  s.  w.  zu  iatiipfua  „ich  stehe'S  atrjvai  „stehen",  und 
den  engen,  geschichtlichen  Zusammenhang  dieser  Verhältnisse  kann 
nur  der  in  zweifei  ziehen,  der  in  stowHi  (stäwit)  und  dew&i 
denominativa  sieht.  Gegen  diese  aufiPassung  streitet  aber  nicht 
nur  die  mehrheit  der  baltischen  verba  auf  -iu  :  -iti,  sondern 
auch  der  tatbestand.  8t6wiu  (atdiou)  hat  allerdings  lit.  stowh 
„stelle'S  stdtois  „zustand**,  lett.  stdws  „gestalt'S  stäws  „stehend" 
zur  Seite,  aber  neben  diwiti  findet  sich  kein  nominalstamm,  auf 
den  es  zurückgeführt  werden  könnte,  denn  indiewai  (Brugmann 
IF.  IX  370)  mit  seinem  durchgehenden  ie  passt  nicht  zu  d&i 
und  bedeutet  übrigens  Da  45,  22  gewiss  nicht  „künstlich"  (eher 
„wunderbar",  vgl.  asl.  divo  „wunder?").  Ich  sehe  daher  in  atöwiu 
{st&wu)  nicht  6ine  ableitung  von  stowä  u.  s.  w.,  führe  vielmehr 
beides  auf  ein  und  dieselbe  verbale  grundlage  zurück. 

Nach  dem  vorausgehenden  gehören  stöwiu  und  dSwiü  in  das 
gebiet  entweder  des  perfekts,  oder  des  aorists.  Auf  den  aorist 
könnten  diese  prasentien  indessen  nur  bezogen  werden,  wenn  die 
betr.  Wurzelverben  als  sthau,  dk9u  anzusetzen  wären,  oder  wenn 
es  einen  u-aorist  gegeben  hätte.  Für  die  annähme  eines  solchen 
fehlt  aber  noch  der  beweis  (vgl.  Persson  a.  o.  s.  210  f.),  und 
sthäu,  dhßu  können  trotz  allem,  was  sich  für  diese  basen  an- 
führen lässt  (Fick  BB.  XY  200,  Hirt  IF.  XII  195,  Kretschmer 
KZs.  XXXI  385,  Persson  a.  o.  s.  140  f.,  J.  Schmidt  EZs.  XXXII 
385  f.),  nur  als  ableger  der  wurzel verba  sthd,  dhS  betrachtet 
werden,  da  unter  regelmässigen  Verhältnissen  nur  aus  sthä,  dhS 
lit.  stöti,  d&i  erwachsen  konnten  (während  sthäu  *sididi  und 
dhiu  waJirscheinlich  *d&duti  ergeben  hätte),  und  da  stoweti  und 
diwUi  wegen  ihres  dargelegten  Verhältnisses  zu  siAti,  dHi  aus 
der  flexion  derselben  wurzel  verba  {jsthä,  dh&)  abgeleitet  werden 
müssen.  —  Wie  es  um  die  „wurzel"  sthäu  (J.  Schmidt  EZs. 
XXXII  386)  steht,  lehrt  übrigens  sehr  deutlich  der  umstand, 
dass  auch  sie  eine  „^It-wurzel"  (sthäi)  zur  seite  hat  (Fortunatov 
KZs.  XXXVI  45,  Hübschmann  a.  o.  s.  19). 

Eine  befriedigende  erklärung  von  stow&t,  deweti  und  ihrem 
verhältniss  zu  siöti,  cUSti  ergibt  sich  dagegen,  wenn  man  sie  aus 
dem  perfektum  ableitet,  zu  dem  sie  durch  ihre  bedeutung  über- 
dies noch  besser  passen,  als  zum  aorist  (Meltzer  IF.  XII  343). 
Auch  Mahlow  Lange  vokale  s.  144  sieht  in  stöwiu  eine  perfek- 
tische form,  nimmt  aber  —  wogegen  ich  oben  bereits  gründe 
geltend  gemacht  habe  —  als  ihre  grundlage  eine  „wurzel  siSff* 
an,  während  ich  sUwiu,  dewiü  für  sprösslinge  eines  alten  per- 
fekte von  8tM,  däi  halte  und  unmittelbar  an  ved.  tasthaü,  dcuUtaü 

■     ■■  ■■  »■■■  I  ■■■■■  I  ^■^^^»^^^^—       ■  III  I  ■       I  I   I  I    m,^^^m^^^mm 

1)  dewiü  hat  gleich  lett.  däwu  geschleifte  Wurzelsilbe  und  hier- 
daroh  wird  es  wahrsoheinlioh ,  dass  nicht  die  betonung  von  $idwu  (BB. 
XXI  814)  sondern  von  lit.  Mwiu  nnarsprfinglicher  ist. 


Anzeige.  181 

(vgl.  BB.  XXYI  154)  anschliesse.  Wie  man  dazu  kam,  hier- 
aus, oder  vielmehr  aus  den  diesen  formen  entsprechenden,  um 
die  reduplikationssilbe  verkürzten  baltischen  perfektformen  *8täUj 
*deu  (wegen  des  S  vgl.  gr.  Ti^hpca^  %a9B^hog)  verba  auf  -tu  : 
'iti  zu  bilden,  lässt  sich  erkennen. 

Was  von  den  lateinischen  verben  auf  -eo  gilt,  dass  sie  näm- 
lich zum  teil  „einen  passiven  oder  intransitiven  Charakter  tragen'' 
und  in  Übereinstimmung  „mit  den  griechischen  starken  passiv- 
aoristen,  zu  denen''  sie  teilweise  „die  prasentia  zu  sein  scheinen  ^), 
den  reinen  stamm  enthalten"  (Leo  Mejer  Vgl.  grammatik  ^  11  29, 
vgl.  Froehde  KZs.  XXII  259,  Prellwitz  BB.  XXI 162,  vgl.  auch 
Faj  Studies  in  honor  of  B.  L.  Oildersleeve  s.  201  *)),  gilt  auch 
von  den  baltischen  verben  auf  -tu  :  -«Yt  (vgL  Wiedemann  Archiv 
f.  slav.  philol.  X  655).  Für  diese  Übereinstimmung,  durch 
welche  die  BB.  XXYI  169  ff.  verfochtene  erklärung  dieser  verba 
bestätigt  wird  %  gebe  ich  folgende  belege: 

lit  atUi  (präs.  aunü)  •-  lett.  dut  (präs.  dunu  und  duju) 
„die  füsse  beUeiden"  :  lit.  awUi  (präs.  awiü)  „(fussbekleidung) 
angezogen  haben"; 


1)  Dieser  umstand  ist  von  wesentlicher  bedentang  bei  der  beur- 
teilung  der  lateinischen  verba  auf  -«r«  (und  ihrer  entsprechnngen)  und 
des  gr.  passiv-aorists  auf  -i;r,  denn  insoweit  jene  mit  dieser  form  zu- 
sammenhängen ,  kann  ihr  e  nur  auf  9i  zurückgeführt  werden ,  wenn  zu- 
gleich -1IV  als  -«(t)»  aufgefasst  wird. 

Ich  bemerke  bei  dieser  gelegenheit,  dass  das,  was  Bartholomae 
Stud.  II  71  anm.  1  und  Streitberg  IF.  III  882  vortragen,  nicht  ganz 
neu  ist;  vgl.  Grassmann  KZs.  XI  81,  Scherer  Z6DS.  ^  s.  182  anm.  und 
meine  äusserung  über  skr.  damüa  Zs.  f.  deutsche  phil.  V  475  (wo  das 
beispiel  freilich  unmodern  ist). 

2)  Lat.  earfr€  mit  Leo  Meyer,  Froehde  und  Prellwitz  zu  gr.  x«^* 
vtu  (MiQv)  zu  stellen,  kann  ich  mich  freilich  nur  mit  dem  vorbehält 
entsohliessen ,  dass  es  auch  mit  lett.  karm  „nüchtern,  hungrig,  schlank, 
leer",  russ.  hömyj  „klein  von  wuchs"  (vgl.  Fortunatov  KZs.  ^XVI  15) 
verbunden  wird  (wozu  vielleicht  auch  gr.  d^xa^s  „kurz"  gehört).  Zu- 
pitza  Gutturale  s.  110  (vgl.  Hirt  BB.  XaIY  275)  bezieht  earhre  zweifelnd 
auf  mhd.  nhd.  harren^  lett.  zer^  „meinen,  vermuten,  hoffen",  zmrehlü 
„worauf  jmd.  seine  hoffhung  setzt,  das  warten",  während  ich  diese 
Wörter  zu  serb.  korota  „trauer"  und  ahd.  as.  nhd.  härm  (anders  z.  b. 
Zupitza  a.  o.  s.  183,  Luft  KZs.  XXXYI  145)  stelle. 

Zu  den  aorist-passivischen  lat.  verben  auf  -Ire  lässt  sich  auch  das 
vielbehandelte  lat.  habere  rechnen,  wenn  man  es  als  „begabt  sein"  zu 
unserem  geben  stellt  (ahnlich,  aber,  wie  mir  scheint,  weniger  gut  Wiede- 
mann Arohiv  f.  slav.  philol.  X  655).  Anders  z.  b.  Zupitza  KZs.  XXXVn 
887  (vgl.  Luft  KZs.  XXXVI  145.  Beiläufig  bemerkt  trifft  Lufts  zerle- 
|ping  von  got.  vainei  ebenda  s.  148  mit  einer  annähme  zusammen,  die 
ich  vor  80  Jahren  ausgesprochen  habe  [Got.  adverbien  s.  89],  die  aber 
ebenso  wenig  beachtet  ist,  wie  meine  zurnokfnhrung  von  got.  -uh  auf 
'unh  [daselbst  s.  98 ff.,  vgl.  Hirt  PBB.  XVIII  299].  In  betreff  des  nei 
von  vainei  halte  ich  an  meiner  auffassung  fest). 

8)  Reichelt  oben  s.  78  wendet  gegen  meine  auffassung  der  I.  sing, 
lit.  aunü  den  dat.  sing,  dwiai  und  den  genit.  plur.  awiU  ein.  Aber  atotS 
spricht  durchaus  nicht  gegen  mich  (vgl.  iriju  «  gr.  rqtwv,  got.  fr^'d 
sowie  Ufo  „es  regnete"   [:  Igfa  =  d^lo  „nutzte  sich  ab"  :  ayia]   und 


182  A.  Bezzenberger 

lit.  -gtiÜi  (pras.  -guliu)  „sich  legen''  —  lett.  -gu^Ü  (pras. 
gidu)  „sich  schlafen  legen'' :  lit.  gulUi  (pras.  gtdiü)  »-  lett.  gulit 
(pras.  gulu)  „liegen"  bezw.  „schlafen"  (wegen  der  etymologie  s. 
Zubat^  BB.  XVIII  263,  Mikkola  BB.  XXI  219); 

lit  kUti  (pras.  kalü)  „schmieden"  =  lett  kalt  (pras.  kabi)  % 
lit  ap-kdlti  „beschmieden ,  gefangen  setzen"  s=b  lett  ap-kaÜ  „be- 
schlagen" :  Ut.  kalkt  (pras.  kaliü)  „gefangen  sitzen"  (irrig  wird 
kcUeti  von  Prellwitz  Wbch.  s.  135  mit  gr.  xaXv^  „knospe",  von 
Kretschmer  KZ.  XXXVII  406  mit  skr.  kdra  „gefängniss"  ver- 
bunden); 

aslav.  toliti  „besänftigen",  russ.  u4oUth  „stillen",  utolÜh' 
8Ja  „sich  beruhigen",  ir.  tuüim  „ich  schlafe",  lit  tylü  „werde 
schweigend"  :  lit.  tyleti  (pras.  tyliü)  „schweigen"  (vgl.  Strachan 
IF.  II  369,  Persson  BB.  XIX  261,  Stokes  Urkelt  Sprachschatz 
s.  134); 

lit.  trefikti  (pras.  trenkiü)  „dröhnend  stossen"  =  lett  tfikt 
(pras.  trizü)  „zerstossen,  wegjagen,  scheuchen,  erschüttern"  :  lit 
trinketi  (pras.  trlnkiü)  „dröhnen"  »  lett  trtzit  (pras.  trizu) 
„zittern,  beben"; 

lit.  twerti  (pras.  tweriii)  „fassen"  —  lett  twirt  (pras.  tweru) 
:  lit  turiti  (pras.  turOl)  „haben"  (auch  „bekommen"  =a  „ein 
junges  werfen")  »  lett.  turit  (pras.  tum)  „halten,  haben,  hegen, 
dafür  halten"  ==  preuss.  turit  „haben"  (es  iurri  „ich  soll")  (vgl. 
Pick  Wbch.  *  n  576;  hierzu  gr.  tv^avvogH)  *). 

Die  baltischen  verba  auf  -iu  :  -eti  bezeichnen  also  vielfach 
die  folge  eines  getan-habens  oder  eines  geworden-seins  und  be- 
rühren sich  dadurch  auf  das  engste  mit  dem  perfektum,  insofern 
dasselbe  „eine  handlung  bezeichnet,  welche  in  der  gegen  wart  des 
redenden  als  eine  vollendete,  zur  entwickelung  gekommene  er- 
scheint" (Kühner  Ausf.  gram.  ^  II  126).  Daher  lag  es  sehr 
nahe,  diese  verba  zur  gewinnung  perfekt-prasentischer  verba  zu 
benutzen,  und  dass  dies  schon  in  lituslavischer  zeit  geschehen 
ist,  macht  mir  lit,  sedzu,  s^ti  „sitzen"  =?  asl.  sezdq,  sidSti 
wahrscheinlich. 

Wiedemann  Handbuoh  8.  69)  und  dwiai  beurteile  ich  ganz  anders  als 
Reichelt.  Ich  halte  seine  endung  nicht  für  „aus  der  -ta-deklination 
herübergenommen'^,  sondern  zerlege  dtrtat  in  at^  (alten  dativ  auf  i)  -h 
ai  (dativ-endung  der  ä-deklination),  was  als  späte  neubildung  (Klein  gibt 
noch  aun/  als  normalen  dativ  von  atoU  an)  sich  als  aicrtat  erhielt.  — 
Ebenso  kann  der  lett.  dativ  strd^'  entstanden  sein  (»  sirdi+i^  vgl. 
BB.  XV  299  ff.). 

1)  Lett  ndwUi  kalt  „geld  münzen"  erklärt  preuss.  eaiie  „ein  margk'' 
(Grünau). 

2)  Wegen  des  scheinbar  nicht  nur  begriff  lieb,  sondern  auch  for- 
mell (Wiedemann  a.  o.)  entsprechenden  Verhältnisses  aslav.  inuf  „ich 
nehme"  :  tm^^t  „haben'*  s.  J.  Schmidt  Sonantentheorie  s.  146 ,  dessen 
auffassung  freilieb  die  resultative  bedeutung  von  tm^i^t  nicht  erklärt. 
Über  preuss.  eb-immai  „begreift"  :  immimai  „wir  nehmen"  s.  BB. 
XXIII  307. 


Anzeige.  183 

Für  stöwiu  sagt  man  im  Memeler  dialekt  stä'unu  und  stdunu 
(Schleicher  Qram.  s.  240,  Jacoby  Mitteil.  d.  lit  litter.  gesellschaft 
I  65,  Kurschat  Qram.  §  1186).  Niemand  wird  bezweifeln,  dass 
diese  form  nicht  lautlich  identisch  ist  mit  aslav.  statuf  „ich  stelle 
mich".  In  demselben  lautlichen  verhältniss  wie  stanq  zu  Munu, 
steht  aber  qiafiä  zu  lett.  bäume,  d.  h.  jenes  beruht  auf  bhä 
„sprechen''  (lit.  böti  „wonach  fragen'*)  und  dies  auf  einem  hieraus 
flexivisch  entstandenen  bhäu. 

g>oißog  (HI  371). 

Lautlich  stimmt  zu  diesem  wort  sehr  gut  lett.  baigi  „alle 
fürchterlichen  zeichen  am  himmel,  als  nordlicht,  feuerkugel  u.  s.  w.", 
dessen  alter  durch  den  heidnischen  ausdruck  baigi  kdujds  „das 
nordlicht  schlägt  sich,  kämpft  (=  flackert)"  gewährleistet  wird. 
Es  gehört  zu  lit.  baigtM  „schüchtern",  baikaztis  „fliegenwedel" 
(Leskien  Ablaut  s.  271). 

Über  andere  erklärungsversuche  s.  Froehde  BB.  XIX  232 
(vgl.  Fick  BB.  I  15). 

VOQiAiy^  (in  396). 

(pOQfÄiy^  vereinigt  sich  mit  poln.  brzmieS  „ertönen,  klingen, 
summen"  in  einer  basis  bherem-  *),  zu  der  ich  im  anschluss  an 
G.  Curtius  Etym.  »  s.  483  und  A.  Kuhn  KZ.  VI  152  lat.  fremo 
und  ahd.  brefnan  „brummen"  stelle. 

Wie  (pOQ^uy^  halte  ich  auch  nid'agig  (Ki&aQä)  für  ein  echt 
griechisches  wort,  vgl.  lit.  zdidzu  „ich  spiele"  {aM  smuXko  „auf 
der  geige"). 

XbUvti  (HI  335). 

X^Xivri  „lippe",  wahrscheinlich  auch  „kinnlade"  verhält  sich 
zu  lett.  feUt  {dfelM)  „sabbeln,  lecken,  aber  auch  wohl  kauen 
überhaupt"  (ganz  verschieden  von  lit.  seiUti  „sabbern,  geifern") 
wie  lat.  labium  zu  lambo.  Ob  zu  fdit  lett.  dfdüksnia  „backen- 
zahn"  gehört,  ist  zweifelhaft  (vgl.  äem.  gerqnkszte,  nordlit.  ae- 
rükazte  dass.).  Wahrscheinlicher  ist  mir  verwantschaft  von  x^^t^^ 
und  xBkvaoeiv  ixBXXvaauv)  „mit  anstrengung  auswerfen,  überh. 
ausspeien,  auswerfen". 

XriX^  (HI  338). 

XqXri  (xäXa)  bezeichnet  sehr  verschiedenes  gespaltenes  und 
spaltendes   („klaue,   huf,   kralle,  krebsscheere,  kerbe,    alles   zwei- 

1)  Zu  den  basen  dieser  art  (Hirt  Ablaut  s.  128  ff.)  gehört  n.  a. 
auch  die  von  Fick  Wbch.  ^  I  492  als  hh^rgo-  anf^esetste.  Sie  ist  im 
Slavisohen  yertreten  durch  urslav.  herg^lh  (vgl.  ^v^/Xoc)  Miklosich  Ot. 
wbch.  8.  10. 


184  A.  Bezzenberger 

spaltige  zinkenartig  hervorragende")  und  stimmt  also  nicht  nur 
lautlich,  sondern  auch  begrifflich  zu  ski*.  hälä  =  hold  „pflüg 
(auch  als  waffe)"  (in  modernen  indischen  dialekten  har  Benfey 
Kl.  Schriften  IV  89,  Grierson  Bihär  Peasant  Life  s.  1).  — 
Hübschmann  Armen,  gram.  I  471  stellt  zu  hold  zweifelnd  armen, 
jl-e-m  „furche,  pflüge". 

Zum  schluss  erlaube  ich  mir  auf  eine  frage  von  allgemeiner 
bedeutung  einzugehen,  ndlv^  „knospe"  und  oqtv^  „wachteP* 
weichen  von  den  gleichbedeutenden  sanskritwörtem  kcUika,  var- 
taka  (vartikä)  hinsichtlich  des  dem  ableitenden  guttural  voraus- 
gehenden vokals  ab,  während  fisiQa^  „knabe,  mädchen"  in  dieser 
beziehung  zu  skr.  maryakd  „männchen"  stimmen  kann.  In  gleicher 
weise  unterscheiden  sich  von  xdlv^y  oqtv^  z.  b.  dilgxx^f  dova^^ 
xdga^t  ofjLipa^  und  ferner  z.  b.  dvd'igi^  (äv^eQixog^  dv&€QUri\ 
Xcrilcl,  und  dies  schwanken  wird  wiedergespiegelt  durch  skr.  var- 
iaka  und  vartika  (s.  oben),  durch  das  nebeneinander  der  slavi- 
schen  bildungen  auf  zkh  und  hkb,  deren  Scheidung  „oft  auf  der 
band  liegend,  in  vielen  fallen  unmöglich,  in  anderen  unsicher  ist" 
(Miklosich  Vgl.  gram.  II  254),  durch  lat.  üntcus  :  got.  aincAa, 
an.  göfugr  :  got  gabigs,  gabeigs  ^)  (mehr  bei  Noreen  Urgerm. 
lautlehre  s.  66  und  an  den  daselbst  cilierten  stellen)  u.  a.  Nur 
selten  lässt  sich  dies  auseinandergehen  durch  das  zurückgreifen 
auf  tatsächlich  vorkommende  primäre  bildungen  erklären  (vgl. 
z.  b.  skr.  kUi  neben  kalikd)  und  mit  den  mittein  der  lautlehre 
ist  ihm  nicht  beizukommen.  Es  kann  folglich  nur  darauf  be- 
ruhen, dass  das  gebiet  dieser  Äc-ableitungen  durch  Übertragungen 
in  Unordnung  gekommen  ist  (vgl.  Brugmann  Grundriss  ^  II  239) ; 
und  dies  lässt  sich  nachweisen. 

Sowohl  sekundäre,  wie  primäre  stamme  auf  -aia  haben  im 
Sanskrit  sehr  häufig  feminina  auf  -ikä  neben  sich  (Benfey  Vollst 
gram.  s.  230,  Whitney  Sanskrit  Grammar  >  §  1181  c,  §  1222  i. 
Lindner  Altind.  nominalbildung  s.  131).  Obgleich  dieser  Wechsel 
im  Rigveda  nur  an  iyattakd  :  iyatiikd  hervortritt,  ist  er  doch 
uralt  Vielleicht  liegt  er  vor  in  ahd.  marah  „equus"  —  meriha 
„equa"  (J.  Grimm  Gram.  II  315  [299],  Graff  II  844;  an,  merr, 
ags.  myre  beruhen  auf  *fnarhi),  offenbar  aber  steht  er  in  engem 
Zusammenhang  damit,  dass  im  Litauischen,  wie  Kurschat  Gram. 
§  356  angibt  und  trotz  Leskien  Bildung  der  nomina  b.  517 
zahlreiche  tatsachen    bestätigen  *),    diminutiven  auf  -uka-s  (z.  b. 

.1)  Vgl.  Bvest.  marzhdika  „barmherzigkeit"  :  ved.  mfd^kd  „gnade" 
und  Bartholomae  Stadien  II  174. 

2)  Ein  *mainü/ce  „mütterchen",  *iMrgüM  „mä^dlein"  statt  mamlki^ 
merglki  würde  ich  monströs  finden.  Sobald  aber  em  solches  wort  mas- 
kulinisiert  (urspräDglich  wohl  neutralisiert  wird)  endigt  es  auf  -^tkoB  : 
mamükB  yr  ghra  (Prökuls),  wozu  das  von  Leskien  s.  518  angefahrte 
wuMkas  stimmt.  Hier  ist  wiederum  ein  *  mamlkas  för  mich  undenkbar. 
Vgl.  übrigens  Lett.  dial.-stad.  s.  140,  Sprache  der  preuss.  Letten  s.  44 
anm.  1,  Osthoff  Sprachwissenscb.  abhandlungen  hsg.  von  Patrubany  II  100  f. 


Anzeige.  185 

UwiJcas  Väterchen  :  teuxis  „vater")  feminina  auf  Ake  gegenüber 
stehen.  Es  wird  weder  einem  zweifei  unterliegen,  dass  hier  Ake  mit 
skr.  -ikä  zu  verbinden  ist,  noch  dass  -^a-^  das  ihm  korrespondierende 
skr.  'dka-  vertritt,  noch  dass  es  diesem  lautlich  nicht  entspricht 
Folglich  ist  -idca-s  an  stelle  von  ^-dka^B  getreten,  und  es  kann 
wiederum  nicht  zweifelhaft  sein,  dass  -iüca-s  ursprünglich  nur 
diminutiva  von  u-stämmen  bildete  und  sich  von  ihnen  aus  bis 
zur  völligen  Verdrängung  von  ^-aka-s  verbreitet  hat. 

Wie  hier  -uka-s,  so  sehen  wir  im  Sanskrit  sowohl  -aAa-  wie 
'ikch  sein  gebiet  erweitern  —  offenbar,  indem  der  alte  unterschied 
'Oka^s  :  ikä  ausgeglichen  wurde  (z.  b.  kanxnakd  :  kanl^nikä^ 
ajakä  :  aßkä,  mdksikä  :  mdk^ika,  vartaka  :  vartaka,  värtikä  : 
vartika), 

Fasst  man  nun  wieder  got.  ainaha  und  lat  unicus,  an. 
göfugr  und  got.  gabigs  in  das  äuge,  so  erkennt  man  dort  das 
verhältniss  skr.  iyattakd  :  iyattikä,  hier  das  verhältniss  lit.  tS" 
ivükas  :  mamlk^  wieder  und  erkennt  femer  in  einem  grossen 
umfange  ebensolche  Übertragungen  und  ausgleichungen,  wie  ich 
sie  eben  zur  spräche  brachte.  Und  ferner  sieht  man,  dass  z.  b. 
OQtv^  nicht  zu  den  skr.  bildungen  auf  -aka-,  -ika-,  sondern  zu 
den  litauischen  auf  -uka-s  zu  stellen  ist. 

Was  endlich  den  auffallenden  Wechsel  -aka-  :  -ikä  im  San- 
skrit betrifft,  so  findet  er  meines  erachtens  seine  erklärung  durch 
den  Vokativ  singularis  (mask.  a,  femin.  e).  Dieser  kasus  scheint 
mir  die  grundlage  sehr  vieler  diminutiva  gewesen  zu  sein,  so  der 
litauischen  auf  -elp-s,  deren  feminina  auf  -ele  erst  von  den  ent- 
sprechenden maskulinen  aus  gebildet  sind. 

Ä,  Bezzenberger, 


Lat  prömulgäre. 

Lat.  prömulgäre  ist  meines  wissens  noch  nicht  befriedigend 
erklärt  worden. 

Gorssen  Ausspr.  I  M7,  U  >  152  hält  es  für  ein  deno- 
minativum  votu  stamm  promulco-  ('promulco  agi  dicitur  navis 
cum  scaphae  ducitur  fuue'  P.  ex  F.  281.  6  Th.  d.  P.),  wie  re- 
tnulcäre  von  remuko^  ('remulco  est,  cum  scaphae  remis  navis 
magna  trahitur'  ebd.  383.  15),  und  nimmt  dabei  erweichung 
des  c  zu  ^  an.  Da  promulco^  'schlepptau,  trödelseir  bedeutet, 
wäre  der  ursprüngliche  sinn  von  prömulgäre  'hervor  bewegen', 
woher  später  '[einen  gesetzantrag]  vortragen,  vorbringen  [vor 
die  öffentlichkeit]'. 

Bugge  KZ.  XIX.  444  ff.  postuliert  einen  urit.  stamm  *mo* 
nog(h  'viel'  (idg.  *fnanagha-  d.  h.  ^monogho-,  vgl.  got.  manage 


186  Giuseppe  Giardi-Dupre 

aks.  tmnogh  u.  verw.),  woher  durch  dissimilation  *inologo^  und 
dann  durch  syukope  ^molgo-,  *tnulgO'.  Der  nämlichen  sippe 
gehöre  weiter  multus  —  ^mulgttis  an.  Die  eigentliche  bedeu- 
tung  von  prömulgäre  sei  danach  Wor  viele,  vor  die  menge 
bringen'.  Diese  etymologie  hat  Vanicek  Et.  wb.  d.  1.  spr. 
1  123  (Et.  wb.  '  ist  mir  unzugänglich)  und  Gr.  lat.  et.  wb.  699 
aufgenommen:  am  letzteren  ort  aber  bezeichnet  er  sie  als 
''ziemlich  unsicher"  und  führt  andere  möglichkeiten  an« 

Nach  Fröhde  o.  IL  336  wäre  prömulgäre  mit  got.  mel 
'Zeitpunkt'  plur.  'schrift'  mdjan  'schreiben'  faürameljan  '^^- 
yQdq>€iv\  ahd.  mal  'zeichen'  gemälen  'jüngere,  scribere,  desig- 
nare'  lit.  molavötiy  lett.  mdUt  'malen'  wurzelverwandt  Für  die 
bedeutungsentwicklung  des  lateinischen  wertes  lege  das  ent- 
sprechende gr.  nQoy^q>eiv  'bekannt  machen'  ein  zeugnis  ab. 

Die  angeführten  deutungsversuche  lehnt  0.  Wiedemann 
o.  Xni.  303  nach  sorgfaltiger  prüfung  ab;  und  da  ich  seiner 
kritik  im  wesentlichen  beistimme,  halte  ich  es  für  nutzlos,  mich 
hiermit  eingehender  zu  beschäftigen.  Jedoch  kann  ich  die  neue 
von  ihm  vorgeschlagene  etymologie  ebensowenig  billigen,  wie 
die  vorhergenannten.  Wiedemann  setzt,  wie  Bugge,  einen  no- 
minalstamm *mulgO'  voraus;  diesen  aber  fuhrt  er  auf  eine 
Wurzel  melg"  zurück,  die  er  in  multus  (aus  *mtU(ius  'ange- 
schwollen'), lit.  miUinas,  lett  müzens  'riese',  milzt  'schwellen', 
milze  'grosser  häufe'  wiederfindet.  Mit  den  bekannten  lautge- 
setzen  steht  eine  solche  etymologie  nicht  im  widersprach, 
scheint  mir  aber  in  semasiologischer  hinsieht  kaum  wahrschein- 
lich. 

Andere  forscher  (wohl  in  anlebnung  an  Festus,  s.  unten) 
lassen  prömulgäre  aus  dem  ähnlich  bedeutenden  prövulgäre  her- 
kommen, indem  sie  Umwandlung  des  i;  in  m  annehmen.  So 
z.  b.  Pott  Et.  forsch.  I  '  552,  der  freilich  proinvulgare  an- 
setzt, und  Bickel  KZ.  XIV.  427 ,  der  als  weitere  Instanzen 
desselben  Vorgangs  ^^mare  statt  vari,  lAaqmto  =  vark,  vragc, 
clämo  «->  grdvayämV^  [sie]  anführt.  0.  Keller  Neue  jähr. 
GLV.  349  ff.  schreibt  den  Übergang  des  t;  (und  b)  einer  sabelli- 
schen  muudart  zu,  und  sieht  die  Wörter,  worin  er  denselben 
nachzuweisen  glaubt,  als  entlehnungen  an.  Es  genügt  aber  auf 
die  betreffenden  Wörter  (multa  nach  Keller  :=»  mtdgatä  = 
vulgäta  [seil,  poena]  :  Mamers  =  Mavors  =  *Ma[gJvor[tj8 
*  schlachten  Wender';    Samnites  =   Savnzaii    turma   =   turba) 


Lat.  prömulgare.  187 

einen  blick  zu  werfen,  nm  sich  davon  zu  überzeugen,  dass  die 
Keller'sche  annähme  in  der  luft  schwebt. 

Die  sonderbare  von  Zehetmayr  erfundene,  mir  bloss  durch 
Keller  a.  a.  o.  bekannte  etymologie,  wonach  prömtUgäre  mit 
promungere  [?]  zu  vergleichen  sei,  und  ursprünglich  'vor- 
schneuzen' heisse,  braucht  nicht  besprochen  zu  werden. 

Was  bedeutet  prömulgare  in  historischen  Zeiten?  Festus 
spricht  sich  darüber  folgenderweise  aus:  'promulgari  leges  di- 
cuntur  cum  primum  in  vulgus  eduntur,  quasi  provulgari'  (P. 
ex  F.  281.  4).  Näheres  ein  alter  scholiast  zu  Cicero  Pro 
Sextio  25:  'Saepe  hanc  ostendi  promulgatae  legis  et  latae  diffe- 
rentiam:  nam  trinundino  proponebantur,  ut  in  notitiam  populi 
pervenirent,  quo  exacto  tempore  ferebantur  in  iuris  validi  fir- 
mitatem'  (bei  Mai  Glass.  auct.  t.  II.  139 f.).  Statt  *[legem]  in 
vulgus  edere',  'proponere%  durfte  man  4n  vulgus  (od.  vulgo) 
promere'  sagen:  vgl.  Horaz  epist.  II.  1,  105  'clienti  promere 
iura',  Quintilian  1,1,  22  'cur  improbetur  si  quis  ea.  . . .  in 
publicum  promit?'  und  Martial  8,  18  'promere  vulgo  epigram- 
mata',  wobei  promere  'bekannt  machen'  heisst.  Es  liegt  also 
die  vermuthung  sehr  nahe,  prömulgare  sei  als  Umbildung  von 
promere  nach  vulgäre  divulgäre  usw.  oder  nach  vulgus  anzu- 
sehen. Umbildung  eines  wertes  durch  angleichung  an  die  lau- 
tung  sinnverwandter  worte  ist  kein  seltner  Vorgang  in  den  indo- 
germanischen sprachen,  vgl.  ai.  fivätu-p  'leben'  (aus  *jy(Uu-9, 
av.  gen.  fgäiöuä  +  ßvA-  ß'vaiijf  gr.  oücüacdai  'grollen'  (aus 
WZ.  od-,  lat.  odium  +  dt;a-),  mhd.  nhd.  heischen  (aus  ahd.  etskon 
+  mhd.  heigen,  nhd.  heissen)  u.  s.  w.  (s.  Brugmann  IF.  XII. 
löOff.  und  die  dort  angeführte  literatur). 

Florenz.  Qiueeppe  CiardUDupri. 


Saum  cuique. 

Die  von  mir  o.  XX YI  189  angeführte  etymologie  von  iistie 
hat  Henry  (Bull.  Soc.  Ling.  VII  s.  CHI)  zuerst  vorgeschlagen. 

Die  Verwandtschaft  von  ai.  vrana-,  poln.  rana  usw.,  die 
ich  0.  XXVI  192  anm.  nach  Rozwadowski  Quaest.  etc.  ser. 
alt.  angenommen  habe,  wurde  gleichzeitig  und  unabhängig  auch 


188  J.  Endzelin 

von    Liden    Ein   baltisch -slavisches    anlautgesciz    (Göteborgs 
Högskolas  Ärsskrift  1899,  IV)  8.  19  f.  anerkannt. 

Florenz.  Giuseppe  Ciardi-Dupri, 


Lettische  etymologiem 

padrSilcne. 

Oben  XXV  270  leitete  ich  pedurkne  ,yärmeP'  von  dem  ver- 
bum  pedurt  »»anheften''  ab  und  Hess  weiterhin  aus  pedurkne 
über  pödürkne  —  p&irükne  entstehen.  Nun  aber  findet  sich 
piSdrAkne  auch  in  solchen  mundarten  (Schlock,  Mitau,  Siuxt  u.  a.), 
die  den  Übergang  von  anteconsonantischem  ur  in  ür  nicht 
kennen;  mithin  kann  p^Sdr&kne  nicht  aus  pUSdurkne  entstanden 
sein,  wohl  aber  lassen  sich  alle  dialektischen  formen,  wie  wir 
unten  sehen  werden,  auf  pädrükne  zurückführen.  Man  hat  also 
mit  Bielen stein  in  dem  zweiten  bestandteil  der  form  das 
wort  rüka  „hand^*  zu  sehen;  es  fragt  sich  nur,  was  das  pM- 
ist.  In  p^d'  es  zu  zerlegen,  was  Bi elenstein  Ümt,  sind  wir 
natürlich  nicht  berechtigt,  und  auch  die  Vermutung  Prell- 
witz's  (o.  XXII  123  n,  77  n)  ist  mir  ganz  unwahrscheinlich. 
Ich  sehe  also  darin  ein  aus  dem  Oermanischen  (vgl.  got  paida^ 
ahd.  pfeit,  as.  pSda  „rock,  Unterkleid'')  entlehntes  Substantiv 
^pUda  nTOck"  :  pidrükne  bedeutete  also  ursprünglich  „rock- 
ärmel"  (man  beachte,  dass  dialektisch  das  blosse  rüka  „ärmel" 
bedeuten  kann).  Im  lauf  der  zeit  ist  mit  dem  Wechsel  der 
moden  das  einfache  wort  *p'Sda  verloren  gegangen  und  infolge 
dessen  der  ursprüngliche  sinn  der  Zusammensetzung  vergessen 
worden,  sodass  das  wort  mannigfacher  Variation  in  den  ver- 
schiedenen mundarten  unterlag.  Durch  metathesis  entstand  zu- 
nächst piSdürkne,  das  aber  nur  in  solchen  mundarten  (Frauen- 
burg u.  a.)  sich  halten  konnte,  die  ür  aus  ur  vor  consonanten 
haben ;  überall  da  (Wolmar,  Kremon  u.  a.),  wo  solches  ür  nicht 
vorkommt,  entstand  lautgesetzlich  pedurkne;  durch  erneute  me- 
tathesis  entstand  daraus  pedrukne  (Wallhof).  Durch  regressive 
metathesis  entstand  aus  pedrukne  —  perdükne  (man  vergleiche 
dazu  die  üaikensche  form  pisrdäbs  aus  pidarbs  „dreschtenne"), 


Lettische  etymologien.  189 

das  aber  nur  da  (LuttringeB)  sich  hielt,  wo  ir  vor  oonsonanten 
zu  er  wird ;  aus  pBrd&kne  ist  in  mundarten,  die  jetzt  kein  ante- 
cousonantisches  er  kennen  (Kursiten,  Gross-Esseru) ,  pirdAkne 
oder  pir^dükne  (wie  cir^vis,  durepis  u.  a.)  wohl  rein  lautgesetz- 
lich entstanden.  Scheinbar  ohne  suffix  ist  die  form  pSdrük 
(Ulpisch,  Dondangen;  doch  könnte  in  diesen  mundarten  sehr 
wohl  am  ende  ein  n  abgefallen  sein);  ein  anderes  suffix  zeigt 
die  form  pSdr&ksne  (]^mten).  In  mundarten,  die  suffixales  ä 
zu  a  oder  mit  umlaut  zu  e  oder  f  (offenes  e)  kürzen,  erscheinen 
die  formen  pHrakQ,  (Ubbenorm),  pedraks  (Neu-Salis),  pSdrekQ. 
(Pernigel),  p&dr^n'  (Nabben).  Aus  einer  derart  gekürzten  form 
müssen  durch  die  Zwischenstufe  *p^rlcfQ,,  —  nach  der  Synkope 
des  Vokals  war  r  schwer  auszusprechen,  —  die  formen  ped'k^n 
(Popen;  der  apostroph  bezeichnet  hier  einen  unqualificirbaren 
stimmlosen  vocal)  und  mit  secundärer  entwickelung  eines  vocak 
zwischen  d  und  k  (man  vergleiche  dazu  die  Popenschen  formen: 
diket  <  diktif  saUcfts  <  sdUäis  u.  a.)  p'edik'Q,  (Suhrs,  Windau 
u.  a.)  entstanden  sein.  Eine  solche  kürzung  ist  in  den  tahmi- 
sehen  mundarten  nichts  auffallendes :  man  vergleiche  z.  b. 
nom.  8.  ougens  =  oAgüns,  md(ft^  =  mäcUäjs;  nom.  pL  südz'te 
=  mdz^taji;  loc.  pl.  südm'lfs  =  sudmalda;  inf.  mäzff'tes  = 
maag&t&s;  praet  n'&smäzjas  =  nümazgäjds  (Suhrs;  zum  Über- 
gang zj  >  zj  vergl.^oi  jumU  jäuzjum  »-  tos  jutfUs  jhuzjum  ebenda; 
^jenU  =  uzjemt  Samaten;  iik'ir  =  isk'Sra  Angermünde;  ei 
jums  düi  —  es  jums  düäu,  neben  es  tou  d.  Anzen ;  leö  Jänit 
=  lec  JanU  Alschwangen  u.  a,);  loc.  pl.  mäki'Aas  —  makäMs; 
nom.  s.  eetrtes  =  ceturtais,  astües  =  asMüais,  är^jiä  =  ari- 
jvM  (Hasau);  acc.  s.  d'insud  =  densvidu  (Wensau;  vgl.  idg. 
•^sup-  aus  ^s^ep');  nom.  pl.  dgiA  =  aügüM  (Targeln;  dem  ö 
<  au  entspricht  dort  S  <  $i  :  mHans  =  m^ene);  inf.  strät  = 
sträddJt  (in  den  tahmischen  mundarten  hat  sich  der  fallende 
ton  dem  stosston  angeglichen),  mek]^  =  mekJM;  nom.  s.  (istes 
=  astütais,  septfs  =  septUais,  desuptes  »»  desmüais;  näki  nSdf 
=  näküäu  neditu  (Popen);  hidr^  =  ^^n  (Angermünde); 
nom.  s.  'Sifist^s  a*  SmUüjs,  nom.  pl.  skatte  —  skcUHdji  (Anzen 
u.  a.).  Nicht  unerwähnt  will  ich  noch  die  form  piriJcne 
(Wiexeln)  lassen,  obwohl  sie  nicht  als  ganz  gesichert  gelten 
darf,  da  die  person,  von  der  ich  dieselbe  hörte,  Sprachorgan- 
fehler  zeigte  (doch  sprach  sie  daneben  pedrabs  I) ;  wirklich  vor- 
kommend, wäre  die  form  eine  volksetymologische  Umgestaltung 


190  J.  Endzelin 

von    pMHÜene;    man    vergleiche    dazu    apdüres    (Schrunden) 
„hemdärmel^'  aus  ap  „nm"  und  düre  „faust^'. 

aüäa. 

aüäa  „TiBLTT,  alberner  mensch**  kann  auf  *ausljä  zurück- 
geführt werden  und  gehört  dann  zu  lit.  au^oii  oder  auidäti 
„schwatzen**,  preuss.  acc.  audin  ,,mund'';  die  ursprüngliche 
bedeutung  dürfte  „Schwätzer'*  gewesen  sein.    [BB.  XXI  304.] 

zuHs. 

zutis  „aal''  fasse  ich  als  zu-tis  auf  und  verbinde  es  mit 
zivs  oder  (dial.)  zups,  lit.  zuvis  „fisch**;  die  ursprüngliche  be- 
deutung dürfte  die  eines  deminutivs  „fischlein'*  gewesen  sein. 
Zur  quantität  des  wurzelvokals  vergl.  lit.  zükmistras  „fisch- 
meister**,  preuss.  suckis  „fisch**. 

ketrts. 

k'eiris  „linkshand**  erinnert  zunächst  an  lit.  kairys  „link- 
hand'*,  und  zwar  erklärt  sich  das  k'  im  anlaut  des  lettischen 
Wortes  für  zu  erwartendes  c  offenbar  dadurch,  dass  k'eiris  durch 
dissimilation  aus  ^kreiris  (wie  auch  lit.  kairys  aus  *krairys) 
entstanden  ist  Denn  beide  formen  gehören  natürlich  zur  wurzel 
krd',  die  wir  noch  in  lett  kreiss  „link**,  kreüis  „linkhand** 
(kreilis  dürfte  gleich  k'eirio  auf  "^kreiris  zurückgehen;  vgl.  dazu 
skangala  und  skaigana  „stück  von  einem  pergel**  aus  *8kdlgalSy 
und  pratUs  „vermodertes  stück  holz*'  aus  *pl'aul8  <  ^p^ulas 
zu  Tpüt  „faulen**),  lit.  kreivas  „schief"  haben  (vgl.  dazu  in  se- 
masiologischer  beziehung  d.  schief  :  gr.  ayLaiog^  lat.  scaevos, 
Brugmann,  Grdr.  I  >  207).  Eine  der  wurzel  kr  ei-  parallel  lau- 
fende wurzelform  ^m-  hätten  wir  in  lett.  grelzs,  lit  graizuB 
(Mie2inis)  „schief  (zum  Wechsel  der  tenuis  und  media  vergl. 
noch  lett.  klipis  „schooss"  :  lit.  gUbys  „arm voll**,  lett.  purna 
„schnauze**  :  lit.  burnh  „mund",  lett.  tesmens  :  destnens  „euter**, 
lett  tuset  „stöhnen"  :  duset  „keuchen**;  lett.  trupindt  „locker 
machen"  :  drupindt  „zerkrümeln**  u.  a.  und  Brugmann,  Grdr. 
I  '  §  701);  in  anbetracht  des  Verhältnisses  von  russ.  krivda 
„unrecht**  zu  russ.  krivoj  „schief**  könnte  man  endlich  slav. 
grkkb  „sünde**  hierherziehen  und  es  auf  ^groisos  zurückführen. 


Lettische  etymologien.  191 

kam'edi. 

kameäi  „Schalter'*  gehört  vielleicht  zu  ahd.  kemidi  „hemd'\ 
ir.  caimmse  „nomen  yestis"  (man  vergl.  in  semasiologischer  be- 
ziehung  lett.  pleöi  „weibliche  jacke  ohne  ärmel*' :  pleci  „Schulter**); 
als  nom.  s.  gibt  Ulmann  kamesis  an,  doch  fragt  sich  sehr,  ob 
er  eine  solche  form  aus  dem  volksmund  gehört  hat,  zumal 
dieses  wort  jetzt  wohl  nur  noch  aus  der  bibel  bekannt  ist. 
Jedenfalls  kann  man  sich  als  ursprünglichen  nom.  s.  *kafn^i8 
denken,  zu  dem  sich  kam'esis  verhielte,  wie  ktfesia  (nach  dem 
nom.  pl.  kveäi  „weizen**)  zu  lit.  hv'itys. 


tüti  „sehr*'  gehört  wohl  als  lehnwort  zu  russ.  Ijuij/j  „graxL- 
sam'*  (vgl.  aksl.  Ijute  „gewaltig,  heftig'*  und  das  deutsche 
„furchtbar  gross**  u.  a.);  als  wurzelverwandt  stellt  sich  zu  slav. 
Ijutb,  lett.  taüns  „böse'S  beides  wohl  participia  zu  dem  verbum, 
das  wir  noch  in  lett.  taüi  „  lassen  *S  lit  lidutis  „aufhören** 
haben,  vgl.  d.  „ausgelassen**   (vgl.  Per  Persson  o.  XIX  279). 

J.  Endzelin. 


Oriech,  yiiJtos. 

Dies  wort  hat  sich  als  appellativum  in  der  Zusammen- 
setzung vBoyillog  erhalten.  Diese  ist  aus  dem  epos  und  der 
vom  epos  abhängigen  litteratur  bekannt;  aber  auch  dem  pub- 
licum, für  das  Isaios  schrieb,  ist  sie  verständlich  gewesen,  da 
sich  Isaios  nach  dem  Zeugnisse  des  Pollux  ihrer  bedient  hat  ^). 
Die  lexikographen  glossieren  veoyiXXog  mit  veoyovog  und  ver- 
wandten ausdrücken;  sie  rathen  auf  die  bedeutung  lediglich 
aus  dem  zusammenhange. 

Als  Simplex  ist  yiXlog  nur  aus  der  namengebung  bekannt 
Herodot  erwähnt  einen  FllXog  dvijQ  Tagavtivog  (III  138);  eine 
FiXUg  erscheint  auf  dem  attischen  grabsteine  CIA  IV  2  no. 
3790  b;  und  ein  ZdnvQog  FiXXiiavog  ist  freilasser  auf  der  ka- 
lymnischen  inschrift  Anc.  gr.  inscr.  306  a. 

1)  Poll.  II  8  To  if^  v€ffyMov  (vioy$l6v  A)  *Iaaios  fikv  if^xiv  h  rm 


Id2  F.  Bechtel    Griech.  yiXXog. 

Die  beiden  epigrapfaiscfaen  Zeugnisse  entscheiden  definitiv 
darüber,  ob  man  bei  schwankender  handschriftlicher  Überliefe- 
rung veoyiXXog  oder  vaoyilog  zu  bevorzugen  habe.  In  der 
Odyssee  (ju  86)  haben  La  Roche  und  Nauck  gegen  die  autorität 
des  Yen.  A  venyiXijg  aufgenommen;  Theokr.  XVII  58  ist  Ziegler 
dem  'princeps  omnium  Theocriti  codicum'  gefolgt  und  hat  sich 
für  ßQiq>og  veoyilXov  entschieden.  Es  ist  nicht  zweifelhaft,  wer 
hier  mit  grössrem  glück  verfahren  hat. 

Die  bedeutung  von  ytXXog,  deren  richtung  durch  Verbin- 
dungen wie  ßQ4g>og  vsoyilXov  bestimmt  wird,  lässt  sich  durch 
die  etymologie  noch  genauer  feststellen.  Dass  griech.  XX  aus 
dX  hervorgegangen  sein  kann,  lehrt  lak.  SXXa  (auch  in  xaai{XX)a)^ 
dessen  identität  mit  lat.  sella  längst  erkannt  ist  Steht  aber 
yiXXog  für  yidXog^  so  liegt  die  Zusammenstellung  mit  lit  zindu 
(ich  sauge)  auf  der  band.  yiXXög  ist  also  ein  püpm,  und  wenn 
erwachsne  menschen  FilXog  und  FiXXig  heissen,  so  liefern  sie 
nur  einen  neuen  beweis  dafür,  dass  benennungen  der  kinder- 
stube  dem  einzelnen  auf  die  Strasse  nachfolgen  können,  selbst 
dann,  wenn  er  nicht  einmal  durch  sein  benehmen  an  den  tag 
legt,  dass  er  den  zulp  niemals  aus  dem  munde  gebracht  hat. 

Halle,  25.  januar  1902.  F.  Bechtel 


Zu  den  altgriechischen  Ortsnamen. 

^'OxTj  ist  die  höchste  kuppe  von  Süd-Euboea,  war  also 
wahrscheinlich  schiffermarke.  Dann  stellt  sich  der  name  sehr 
klar  zu  ^%eiv  „hinhalten,  steuern".  Nach  dem,  was  Thomas 
o.  26.  183  über  das  rätselhafte  dieses  namens  sagt,  darf  ich 
diese  Vermutung  wohl  äussern,  auch  wenn  mir  selbst  nie  ein 
versuch  vergönnt  sein  sollte,  ob  man  ein  schifflein  nach  jener 
o^ij  steuern  kann.  —  Zu  erinnern  bleibt,  dass  der  eigenname 
hier  wie  so  oft  zurückgezogenen  accent  zeigt,  denn  als  appellativ 
müsste  das  wort  6%rl  heissen,  wie  Fick  o.  21.  260  bemerkt. 

Königsberg  i.  Pr.  W.  Preüwitz. 


Wiedemann    Etymologien.  193 


Etymologien. 

1.    Got.  du-ginnan,  abulg.  -d^i,  hont,  schwed.  bor  ja,  lett.  säkt, 

alb.  2^, 

Wiederholt  hat  J.  Grimm  (myth.  >  525, 1218,  zfda.  Vm  14£f., 
dtsch.  wb.  I,  1296)  got.  du-ginnan,  ags.  ä-,  be-,  on-,  under- 
ginnan,  afries.  bi-jenna,  as.  bi-ginnan,  mnl.  be-yhinnen,  ahd.  bi-, 
ifhginnan  anfangen,  beginnen  mit  aisl.  gina,  ags.  tö^glnan 
klaffen,  gähnen,  ahd.  ginen  gähnen  zusammengestellt,  indem  er 
als  grundbedeutung  beider  sippen  „schneiden*^  „spalten"  an- 
nahm und  dies  durch  hinweis  auf  ähnliche  bedeutungsentwick- 
lungen  innerhalb  andrer  idg.  sprachen  zu  stützen  suchte.  Mit 
recht  hat  Pauli  (KZ.  XIV,  97  ff.)  dagegen  eingewandt,  dass  die 
bedeutung  „spalten"  bei  ahd.  itirginnan  nur  vereinzelt  auftritt 
und  erst  bei  mhd.  en^nnen  völlig  zur  geltung  kommt.  Ferner 
spricht  gegen  J.  Grimm's  Vermutung  der  umstand,  dass  das 
got.  und  ags.  verbum  nur  ,anfangen'  bedeutet,  (Bugge  PBB. 
XII,  405).  Trotzdem  halten  Franck  (Etym.  woord.  d.  nederl 
taal  69)  und  Prellwitz  (Etym.  wb.  d.  griech.  spr.  264  s.  v. 
TtQdaqxnog)  die  herleitung  der  bedeutung  „anfangen"  aus  der 
bedeutung  „öffnen",  „spalten",  „schneiden"  noch  für  möglich 
und  stimmen  J.  Grimm  bei  und  auch  Tamm  (Etym.  svensk. 
ordb.  29  f.),  der  einer  weiter  unten  zu  erwähnenden  etymologie 
beipflichtet,  lässt  es  unentschieden,  ob  „greifen",  „heben"  oder 
„schneiden"  die  ursprüngliche  bedeutung  des  nur  in  Zusammen- 
setzungen mit  präfixen  vorkommenden  verbs  ist.  Pauli  nimmt 
als  ursprüngliche  bedeutung  von  -^finnan  „den  mund  auftun" 
an  und  das  ist  das  einzig  richtige,  wenn,  was  auch  Pauli  an- 
nimmt, -ginnan  zu  aisl.  gina  usw.  gehört;  denn  in  abulg.  zijaii, 
lit.  ziöiiy  lat.  hiäre,  aisl.  gina,  ahd.  giwen,  gewön,  mhd.  giwen, 
getoen  liegt  diese  bedeutung  ja  noch  unverändert  vor.  Indessen 
ist  die  von  Pauli  angenommene  bedeutungsentwicklung  „den 
mund  (zum  sprechen)  auftun"  —  „zu  sprechen  anheben"  — 
„anfangen"  doch  nicht  recht  glaublich  und  J.  Grimm's  etymo- 
logie muss  daher  ganz  aufgegeben  werden,  wenngleich  sie  ausser 
Franck  noch  viele  anhänger  gefunden  hat  (Pott  Etym.  forsch. 
I  1,  142,    II  «,  2   8.  85 ff.;    Diefenbach  Vgl.  wb.  d.  got.  spr. 

ÜMtr&g«  X.  künde  d.  indi;.  «imioben.    XXVU.  13 


194  Wiedemanti 

n,  405;  Weigand  Dtsch.  wb.  I  «,  172  f.;  Schade  Adtsch.  wb. 
'  326  f.;  Benecke-Müller-Zarncke  Mhd.  wb.  I,  528;  Lexer 
Mhd.  handwb.  I,  1018;  Leo  Meyer  Qot.  spr.  15 ,  wo  -ginnan 
zwar  nicht  mit  aisl.  glna^  ahd.  ginSn,  wol  aber  mit  dem  auch 
schon  von  Pott  aao.  herangezogenen  lat.  in-choäre  und  zwei- 
felnd auch  mit  gr.  xalveiv  zusammengestellt  wird;  Heyne  Dtsch. 
wb.  1,  317).  Aber  auch  ahd.  in-ginnan  spalten,  schneiden,  das 
etymologisch  von  got.  du-ginnan,  ahd.  bi-^innan  und  deren  ent- 
sprechungen  in  den  übrigen  germ.  sprachen  getrennt  werden 
muss,  gehört  nicht  zu  aisl.  gina,  ahd.  ginSn  und  deren  sippe, 
denn  letztere  hat,  wie  wir  jetzt  wissen,  idg.  §h  als  anlaut  (abulg. 
zijati,  lit.  zMi),  während  in  ahd.  in-ginnan,  idg.  guh  vorliegt 
(ai.  3.  pl.  präs.  ghndnti  sie  schlagen,  gr.  d'üvo}  schlage,  tre£fe, 
q>6vog  mord  usw.). 

Eine  andre  etymologie  des  got.  da^ginnan  hat  A.  Kuhn 
(KZ.  11,  463)  aufgestellt:  -ginna  entspricht  darnach  dem  ai.  M- 
-nv-ärmi,  der  nebenform  zu  ai.  hi-nö^  setzt  in  bewegung,  treibt 
an,  veranlasst,  fördert,  schleudert.  Von  Seiten  der  laute  ist 
gegen  diese  etymologie  nichts  einzuwenden:  idg.  -nv-  wird  zu 
germ.  -nn-  (A.  Kuhn  aao.  460  flf. ;  Leo  Meyer  KZ.  IV,  408  flf.) 
und  der  ablaut '  in  -^ann,  -^unnum ,  -yunnans  ist  von  Job. 
Schmidt  (Vok.  I,  62  ff.)  befriedigend  erklärt  worden.  Daher 
hat  diese  etymologie,  der  auch  von  Seiten  der  bedeutungsent- 
wicklung  nichts  entgegensteht,  nicht  nur  bei  Leo  Meyer  (aao. 
408)  und  Job.  Schmidt  (aao.  66),  sondern  auch  in  neuerer  zeit 
vielfach  Zustimmung  gefunden  (Osthoff  MU.  IV,  40,  402;  Brug- 
mann  Grdr.  I  »,  335,  II,  1007,  1015,  1017,  1259;  Pedersen 
IF.  n,  316;  Streitberg  ürgerm.  gramm,  296,  Hirt  o.  XXIV,  245; 
Delbrück  Vergl.  synt.  II,  45,  wenn  auch  mit  beigefügtem  „viel- 
leicht**). Im  letzten  grund  ist  diese  etymologie  identisch  mit 
der  von  Graff  (Ahd.  sprachsch.  IV,  208)  neben  derjenigen 
J.  Grimmas  für  möglich  gehaltenen  etymologie,  der  zufolge  in 
•^innan  eine  „sekundäre  wurzel  von  ga*'^  d.  h.  der  nach  Graff 
in  ahd.  g9n  gehn  steckenden  wurzel,  vorliegt;  denn  ahd.  gen 
geht  auf  eine  idg.  w.  §hei  zurück  (verf.,  lit.  prät.  142)  und  ai. 
hinöti,  Mnvati  ist  seiner  bedeutung  nach  nichts  anderes  als  das 
kausativum  zu  ahd.  gen.  Zur  stütze  dieser  etymologie  liessen 
sich  lat.  tn-t-Mutn,  ahd.  ane^enge  anfang  anführen;  aber  gegen 
sie  spricht,  dass  die  zu  lat  inüium  und  ahd.  anegmge  gehören- 
den verba,  lat.  in-irey   bez.  ahd.  ane-gen  zwar  „seinen  anfang 


Etymologien.  195 

nehmen*^  bedeaten  können,  aber  nicht  „einen  anfang  macfaen'S 
was  ginnan  neben  „seinen  anfang  nehmen"  bedeutet.  Daher 
muss  auch  diese  etymologie  abgelehnt  werden. 

Fick  (Vgl.  wb.  I  *,  415)  verbindet  -ginnan  mit  gr.  Ttqoa- 
gxnog  „frisch''  und  ihm  schliesst  sich  Prell witz  aao.  an,  der 
weiter  gr.  d'eino  töte  und  gr.  q>6vog  mord  heranzieht  und 
für  TtQoagxnog  die  bedeutungsentwicklung  „frisch  geschlachtet'', 
getötet,  frisch  annimmt.  Dabei  bleibt  aber  die  bedeutung  von 
ft^Qy  das  doch,  wie  ja  auch  Prellwitz  annimmt,  offenbar 
in  TVQÖaqHXTog  steckt,  unberücksichtigt.  Ich  möchte  daher  im 
zweiten  teil  von  7tQ6aq>ctTog  die  von  Prellwitz  (o.  XXII,  76  ff.) 
behandelte  idg.  w.  bhe  scheinen,  glänzen,  suchen  und  rtQoa- 
q>cnog  als  „entgegenglänzend"  auffiassen;  dass  sich  hieraus  die 
bedeutung  „frisch"  entwickeln  konnte,  leuchtet  wohl  ohne 
weiteres  ein.  Zweifelnd  zieht  Fick  noch  lit  giMi,  abulg.  gbnati 
treiben,  do-gbnati  erreichen  heran,  die  er  auch  schon  früher 
(II  ',  355,  III  ',  98),  und  zwar  zuversichtlicher,  verglichen 
hatte.  Indesseu  ist  auch  diese  etymologie  nicht  befriedigend, 
denn  ich  weiss  die  bedeutung  „anfangen"  weder  aus  „treiben", 
noch  aus  „schlachten"  abzuleiten. 

Eine  wesentlich  andre  und  hinsichtlich  der  bedeutung  auf 
den  ersten  blick  sehr  bestechende  etymologie  hat  Bugge  (aao. 
405  f.)  vorgeschlagen.  Indem  er  im  anschluss  an  Kluge  (KZ. 
XXVI,  82  ff.)  das  Vemer'sche  gesetz  auf  die  anlautende  idg. 
tenuis  des  zweiten  gliedes  von  Zusammensetzungen  ausdehnt,  ver- 
bindet er  das  nur  in  der  Zusammensetzung  vorkommende  -ginnan 
mit  dem  ebenfalls  nur  in  Zusammensetzungen  vorkommenden 
abulg.  'd^ti  (präs.  -ähntf)  :  vh-y  na-,  po-ö^ti  anfangen  und  mit 
dem  nomen  abulg.  konh  anfang.  Diese  etymologie  hat  nicht 
nur  bei  Kluge  (Etym.  wb.  *  36),  sondern  auch  bei  Tamm  aao., 
VercouUie  (bekn.  etym.  woord.  d.  nederl.  taal  >  22),  Osthoff 
(Verhdlgn.  d.  41.  philologenvers.  in  München  1891,  s.  301), 
Möller  (Zfda.  XXXVI,  330  anm.) ,  Zubaty  (Arch.  f.  slav.  phU. 
XVI,  386  f.),  Uhlenbeck  (Kurzgef.  etym.  wb.  d.  got.  spr.  »  38), 
Kluge-Lutz  (Engl.  etym.  15  f.)  und  nicht  so  zuversichtlich  bei 
Noreen  (Urgerm.  lautl.  132)  Zustimmung  gefunden.  Gegen  sie 
spricht  aber  der  umstand,  dass,  wie  Streitberg  (Urgerm.  gramm. 
126)  richtig  bemerkt,  die  verbalkomposita  jünger  sind  als  die 
nominalkomposita ,  was  sich  aus  der  betonung  (z.  b.  dtiginnan 
nicht  ^düginnan)   ergibt.      Ferner   wendet  E.  Zupitza   (Oerm. 

18* 


196  Wiedemaan 

gutt  116)  gegen  Bagge  noch  ein,  dass  abülg.  6bnq,  kont  ver- 
mntlich  mit  ir.  cenn,  cymr.  penn  spitze,  ende,  köpf  verwandt 
seien,  also  idg.  k»  haben.  Da  aber  Bugge's  etymologie  trotz- 
dem yiele  anhänger  gefunden  hat,  scheint  es  mir  nicht  über- 
flüssig, sie  ausführlicher  zu  bekämpfen. 

Bugge  hat  sich  zu  seiner  etymologie  augenscheinlich  da- 
durch verleiten  lassen,  dass  sowol  got.  -yinnan  als  auch  abulg. 
-d^t  die  gleiche  bedeutung,  nämlich  „anfangen'^  haben  und 
abulg.  kofit  anfang  scheinbar  vortrefflich  dazu  stimmt.  Daher 
werden  denn  auch  allgemein  abulg.  -d^t  und  abulg.  kom  in 
etymologischen  Zusammenhang  gebracht  (so  z.  b.  von  Miklosich 
Etym.  wb.  114  f.,  Fick  I  ^  382  f.,  wo  ein  europ.  *qeno  anfangen 
angesetzt  wird).  Sehen  wir  aber  genauer  zu,  so  ergibt  sich, 
dass  alles,  was  Fick  aao.  unter  *qeno  vereinigt,  zu  fünf  von 
einander  geschiedenen  sippen  gehört 

1.  Idg.  w.  ken  fassen.  In  der  Zusammensetzung  mit  v^, 
na,  po  hat  abulg.  -ö^i  allerdings  die  bedeutung  „anfangen^'; 
dass  diese  aber  erst  aus  einer  andern  hervorgegangen  ist,  zeigt 
klar  die  Zusammensetzung  mit  za,  die  einzige,  die  ausser  denen 
mit  vh,  na,  po  noch  vorkommt:  zdhö^i  bedeutet  aber  „empfan- 
gen** (vom  weib).  Diese  bedeutung  ist  aus  einer  allgemeineren 
„aufnehmen'*,  „in  sich  bissen**  verengert,  vrie  das  zugehörige 
primäre  nomen  zeigt:  abulg.  zorkom  gesetz,  in  anderen  slavinen 
auch  „brauch**,  „sitte**,  „ehe**;  wir  haben  hier  also  dieselbe 
bedeutungsentwicklug  wie  bei  gr.  vopiog  gesetz:  got.  niman 
nehmen.  Hieraus  ergibt  sich,  dass  das  simplex  abulg.  -d^i  nur 
„nehmen**,  „fassen**,  „fangen**  bedeutet  haben  kann,  und  dafür 
lässt  sich  geltend  machen,  dass  das  bedeutungsverhältnis  von 
abulg.  -d^t  :  m-,  na^,  po-d^ti  :  za-ö^i  genau  demjenigen  von 
lat  capere  :  in-cipere  :  con^cipere  oder  demjenigen  von  nhd. 
fangen  :  an-fangen  :  emp^ fangen  entspricht  Ausserhalb  des 
slavischen  lässt  sich  diese  (unerweiterte)  idg.  w.  ken  nicht 
sicher  i)  nachweisen.      Zwar  hat  Zubaty  aao.   versucht  ^   lett. 

1)  Für  sehr  wahncheinlioh  halte  ich  die  Zugehörigkeit  einiger  kel- 
tischer Wörter  za  dieser  idg.  w.  ken  fassen.  Wenn  wir  das  bedeatangs- 
verhaltnis  von  gr.  r/xroi  gebäre,  xixvov  kind  :  aisl.  piggja  nehmen, 
empfangen,  aisl.  pegn  knabe  (zu  der  weitverzweigten  idg.  w.  Uk  fest 
sein,  fest  nehmen)  erwägen,  so  lassen  sich  zu  abulg.  -c^  nehmen,  fassen, 
fangen  ziehen  :  ir.  cmtm  entspringe,  ewOl,  aoymr.  emufU  gesohlecht,  die 
femer  in  etymologischem  Zusammenhang  mit  gr.  -»«tai-  geschlecht  in 


Etymologien.  197 

i^'ers,  cUe-s  streben,  trachten,  ringen,  lett.  cfnUe^  kämpfen, 
ringen,  sich  bemühen,  lett.  censVe-B  sich  anstrengen,  sich  be- 
streben, sich  sehnen,  ai.  cdnas  gefallen,  befriedigung,  ai.  cc^ 
niffha-s  sehr  gnädig,  sehr  genehm,  ay.  cinö  liebe,  bald  mit 
abulg.  -df/i  etymologisch  zusammenzubringen;  doch  gehören  alle 
diese  Wörter  zu  einer  idg.  w.  hen  sich  strecken,  aus  welcher 
bedeutung  einerseits  die  bed.  „sich  verlangend  nach  etwas 
strecken",  „verlangen",  „lieben'*  (lett.  dUe-s,  ai.  cäni^fha-s^  av. 
dnö)^  andrerseits  die  bed.  „sich  anstrengen",  „ringen"  (lett. 
cltS'8,  cinit'e-^,  censt'S-s)  hervorgegangen  ist;  vgl.  dieselbe  be- 
deutungsentwicklung  bei  der  idg.  w.  ven  :  ai.  vaniti  wünscht, 
liebt,  erlangt,  gewinnt,  siegt  und  got.  teinnan  leiden,  aisl.  vinna 
arbeiten,  erwerben,  ge¥rinnen,  besiegen,  aushalten,  leiden.  Zu 
dieser  idg.  w.  ken  sich  strecken  stelle  ich  femer  gr.  utaviiv 
gerader  stab,  richtschnur,  wagebalken,  messrute,  lat  cönor 
(strecke  mich  womach  »•)  erstrebe,  versuche  ^anz  anders  über 
eönor  Stowasser  Lat.-dtsch.  schulwörterb.  226  und  Schwyzer, 
KZ.  XXXVII,  147  f.)  und,  mit  wurzelerweitemdem  t,  ir.  cesaim 
leide  nebst  sippe  (Fick  U  ^,  77  f.),  lit  kentUi  aushalten,  leiden 
und  dessen  sippe,  zu  der  jedoch  das  von  Leskien  (abl.  331) 
dazu  gestellte  lit.  kanczä  schmerz,  quäl  nicht  gehört  (s.  u.), 
wol  aber  die  oben  erwähnten  lettischen  Wörter,  deren  t  also 
nicht,  wie  Zubaty  annimmt,  infolge  etymologischer  undeutlich- 
keit  von  formen  ¥rie  präs.  fut.  censzu,  inf.  censt  für  8  einge- 
treten, sondern  vielmehr  etymologisch  berechtigt  ist  ^).  —  Mit 

ttvto-xturl'yvriTog  dem  eignen  geschlecht  entstammend  stehn.  Letzteres, 
oder  vielmehr  xaaC-yvnros,  ist  schon  von  0.  Sohrader  (Spraohvergl.  n, 
urgesoh.  '  687  f.  anm.)  mit  abnlg.  -S^  zusammengestellt  worden ;  aber 
aach  ir.  eet-ne  der  erste  zieht  Schrader  heran  and  übersetzt  xaaiymftos 
mit  „erstgebomer'^  Zwar  hat  Waokemagel  (KZ.  XXXm,  18  ff.)  avro- 
xaaCyvrjTos  als  amgestaltet  ans  *  av'texaai-yvfiTof  zu  erklären  versucht 
und  bei  Bmgmann  (Ber.  d.  sächs.  ges.  d.  wiss.,  phil.-hist.  kl.  1895,  s.  47, 
anm.  2)  Zustimmung  gefunden ;  aber  die  Zusammensetzungen  mit  fiovaa, 
das  ja  in  seiner  stammbildung  mit  'Tixaat-  übereinstimmt,  zeigen  /Aovao'j 
so  dass  man  *  avtixaaoyvfitog  erwartet.  Dass  in  avtoxaafyvtßoi  ein  wort 
für  „mutter"  steckt,  scheint  mir  aus  stellen  wie  A  257  s  M  871 ,  F 
287  f.  nicht  notwendig  zu  folgen;  im  gegenteü  seheint  mir  in  6naTQoVj 
bez.  TOI  fAoi  (Ata  yitvaro  fitirtiQ  nur  eine  genauere  bestimmung  des  allge- 
meineren avToxaafyvriTog  vorzuliegen. 

1)  Zu  lit.  kerUHt  hat  Pick  (o.  VÜI,  881,  XVI,  281,  vgl.  wb.  I  *,  888) 
gr.  Tiv^ivg'  6  Jliv^ivg  na^a  *Exma(n$  Phot.,  niv^og  leid,  trauer,  ndax^ 


198  Wiedemann 

wnrzelerweiterndem  idg.  t  gehört  hierher  got.  -hinßan  fangen, 
zu  dem  schon  J.  Grimm  (Gramm,  ü,  35,  nr.  395)  mit  recht 
got.  handus  hand  und  got.  handugs  weise  gestellt  hat,  wenn  er 
auch  mit  einem  fragezeichen  andeutet,  dass  er  diese  Zusammen- 
gehörigkeit nicht  für  sicher  hält.  Dass  handus  zu  hinßan  ge- 
hört, wird  wol  ziemlich  allgemein  für  sicher  gehalten.  Wider- 
sprochen hat  E.  Zupitza  (Gutt.  183),  der  handus  unabhängig 
von  Thurneysen  (KZ.  XXVI,  310  anm.  1)  in  etymologischen 
Zusammenhang  mit  dem  zahlwort  fär  10  bringt  und  bei  Kluge 
^^  161  und  0.  Schrader  (Reallex.  968)  Zustimmung  findet.  Da 
es  kein  idg.  wort  für  „band"'  gibt,  liegt  nichts  näher  als  die 
annähme,  dass  die  einzelnen  idg.  Völker  die  hand  nach  irgend 
einer  ihrer  tätigkeiten  benannten,  woraus  es  sich  erklärt,  dass 
wir  bei  Wörtern  für  „hand'^  mehrfach  ein  primäres  verbnm  da- 
neben haben,  so  lit.  rankä,  abulg.  rqka  hand:  lit.  rifiktt  sam- 
meln, handus  :  -hinßan.  Für  handugs  dürfen  wir  unbedenk- 
lich dieselbe  bedeutungsentwicklung  annehmen  wie  sie  bei  lat. 
capax  vorliegt;  auch  an  nhd.  behende  sei  erinnert.  Anders 
urteilen  über  handugs  Ostho£f  (PBB.  XIII,  418  ff.)  und  Stokes 
(Fick  II  ^,  90),  dem  sich  £.  Zupitza  (aao.  206)  anschliesst. 
Mit  ahd.  hantag  acer  hat  handugs  nichts  zu  schaffen,  obgleich 
noch  ganz  neuerdings  Uhlenbeck  (Kurzgef.  etym.  wb.  d.  got. 
spr.  >  73)  das  für  möglich  hält. 

2.  Idg.  w.  h^en  spitz  sein.  Hier  ist  zunächst  abulg.  kont» 
nur  in  iskoni  ab  initio  zu  nennen.  Dass  die  bedeutung  „anfangt 
erst  aus  der  bedeutung  „spitze''  hervorgegangen  ist,  zeigen 
teils  die  anderen  slavischen  sprachen,  teils  das  Altbulgarische 
selbst :  abulg.  konhch  ende,  slov.  konica  spitze,  klruss.  kin  ecke, 
russ.  konath  bis  aufs  äusserste  treiben  (weitere  verwandte  bei 
Miklosich  Etym.  wb.  114  f.);  ferner  ziehe  ich  aus  dem  Slavi- 
schen noch  hierher  abulg.  kanüi  treiben,  ermuntern  (eig.  „an- 


leide gestellt  und  darin,  soweit  ich  sehe,  fast  allgemeine  Zustimmung 
gefunden ;  nur  Bezzenberger  (bei  Fiok  II  *,  78)  und  Solmsen  (KZ.  XXXIV, 
644)  haben  sich  meines  Wissens  dagegen  ausgesprochen  und  vielleicht 
lassen  auch  die  von  Gust.  Meyer  (Gr.  gramm.  ^  262)  gewählten  worte 
„man  hat  .  .  .  verbunden**  auf  zweifei  schliessen.  Durch  das  Keltische 
wird  meiner  meinung  nach  Fick 's  etymologie  endgiltig  umgestossen  und 
man  hat  bei  der  alten  Zusammenstellung  von  ttct^-  mit  lat.  -fendo  zu 
bleiben  (Grassmann  I[Z.  XII,  120,  Joh.  Schmidt  Vok.  I,  92  ff. ;  was  Grass- 
mann und  Joh.  Schmidt  sonst  noch  dazustellen,  gehört  nicht  hierher). 


Etymologien.  199 

stacholn'*)  und  seine  sippe  (Miklosich  aao.  110),  zu  der  aber  die 
Wörter  mit  der  bed.  „betrügen''  schwerlich  gehören.  Ausser- 
halb des  Slavischen  gehören  hierher:  ir.  cenn,  cjmr.penn  spitze, 
ende,  köpf  und  wol  auch  lat.  cuneus  keil;  mit  wurzelerweitern- 
dem idg.  t  gehört  hierher  auch  lit.  kanczä  quäl,  schmerz. 

3.  Idg.  w.  Tcent  spitz  sein.  Diese  wurzel  steckt  in  gr. 
•Mvtita  steche,  yLevrgov  (aus  ^yUvzr^Qov;  Fick  KZ.  XXII,  99) 
Stachel,  xovnog  stange  (daraus  wol  lat.  contus  stange,  wurfspiess 
entlehnt),  ir.  cinteir  gl.  calcar,  cymr.  cethr  spitze,  nagel,  ir. 
cstne  der  erste,  gall.  Cintus,  ahd.  hantag  spitz,  scharf,  got.  hin- 
dumists  äusserster,  bürg,  hendinos  könig,  lett  sits  (—  lit.  ^szin- 
tas)  jagdspiess.  Vielleicht  ist  das  t  wurzelerweiternd  (Saussure, 
Mem.  76,  Persson,  Wurzelerw.  42);  dann  liesse  sich  noch  ai. 
gi^^d-8,  gi-^n-d-m  männliches  glied  heranziehen  und,  mit  wurzel- 
erweitemdem  labial,  alb.  &ump,  best.  &ufnbi  stachel,  nhd. 
humpe,  humpen. 

4.  Idg.  w.  ken  glänzen.  Hierher  gehören  gr.  xaivog  neu, 
ai.  kand,  kanyd  mädchen  (zum  bedeutungsverhältnis  vgl.  gr.  viog 
neu  :  veaviag  Jüngling),  kdniyän  junger,  kleiner,  kantna-s  jung, 
kaninaka-s  knabe,  Jüngling,  augenstern,  kaninakd  mädchen, 
Jungfrau,  kanJ^naka,  kaninikä  augenstern. 

5.  Idg.  w.  rek  fest,  straff  sein.  Diese  wurzel  ist  für  lat. 
recens  fiisch,  kräftig,  rüstig,  jung,  neu  anzusetzen.  Steckte  in 
recens  eine  idg.  w.  ken,  so  bliebe  es  unverständlich,  was  für 
einen  sinn  die  Zusammensetzung  mit  re-  haben  soll.  Ich  sehe 
daher  in  recens  das  part.  präs.  act.  von  einem  verbum  *recSre 
»  lett.  recst,  sa-recit  gerinnen  (yon  der  milch);  dazu  gehören 
weiter  lett  rikt,  sa-rikt  gerinnen,  sa-rika  gallerte,  lit.  rakiwti 
schliessen,  räkfas  Schlüssel,  ai.  racdyati  ordnet,  verfertigt,  bildet, 
bereitet,  macht  zurecht,  racana-m  Ordnung,  anordnung  =  got 
ragin  beschluss,  abulg.  radüi  wollen;  auch  abulg.  rekq  sage 
kann  mit  E.  Zupitza  (Outt.  136)  hierher  gezogen  werden,  wo- 
bei noch  an  gr.  leyw  reihe  die  worte  aneinander,  sage  zu  er- 
innern wäre,  das  dieselbe  bedeutungsentwicklung  durchgemacht 
hat.  Anders  über  lat.  recens  Darmesteter  (MSL.  IV,  225  f.)  und 
Emault  (ebda.  V,  48). 

Kehren  wir  nach  dieser  notwendigen  abschweifung  zu  got. 
du-ginnan  zurück,  so  dürfte  es  nicht  überflüssig  sein,  zunächst 
noch  einige  andre  yerba  mit  der  bedeutung  „anfangen^'  zu  be- 
sprechen.   Wie  bereits  erwähnt  ist,  haben  wir  bei  lat.  in^cipto, 


200  Wiedemann 

nhd.  an* fangen,  abalg.  tyb-,  na-,  pthd^i  die  bedeutungsentwick- 
lung  „Qehmen^\  ^»fassen'S  „fangen'^  :  „anfangen''.  Dasselbe  ist 
der  fall  bei  osk.  kahad  capiat  :  lat.  in-cohäre,  in-choäre  an- 
fangen, bei  ir.  gMm  nehme  :  gabim  frisa  fange  an  und  bei  lit. 
imti  nehmen,  das  mit  einem  abhängigen  infinitiv  „anfangen'' 
bedeutet.  Die  gleiche  bedeutungsentwicklung  nehme  ich  für 
ai.  prabhrti-B,  das  u.  a.  auch  „anfangt'  bedeutet,  und  schwed. 
börja  anfangen  an;  Tamm  (Etym.  svensk.  ordb.  84),  der 
Mrja  mit  recht  zu  ai.  bhäraU,  gr.  g>iQta  usw.  stellt,  will  zwar 
Yon  der  bedeutung  „(die  band  oder  den  fuss)  heben"  ausgehn, 
aber  viel  näher  liegt  es,  direkt  an  die  bedeutung  des  abulg. 
bwati  nehmen  anzuknüpfen. 

Etymologisch  unaufgeklärt  ist  bisher  lett  8QH  an&ngen; 
ausser  der  yon  Leskien  (Abi.  374)  zweifelnd  gegebnen  Zusammen- 
stellung mit  der  sippe  von  lit  szökti  springen,  die  sich  von 
Seiten  der  bedeutung  nicht  halten  lässt,  ist  mir  kein  weiterer 
erklärungsversuch  bekannt  Gehn  wir  für  saht  von  der  be- 
deutung „fassen",  „festnehmen"  aus,  so  lässt  es  sich  in  etymo- 
logischen Zusammenhang  mit  lat  sancio  mache  fest,  setze  fest, 
bestimme,  dessen  nasal  ursprünglich  nur  präsensbildend  war, 
aber  auch  in  ausserpräsentische  formen  gedrungen  ist,  z.  b. 
lat  sanctus  eingeschlossen,  eingehegt,  heilig  gegenüber  aisl.  saUr 
versöhnt  (—  lat  *8aetu8).  Mit  gr.  aat%(o  stopfe,  ari%6g  bürde, 
wozu  man  es  früher  stellte,  hat  sancio  nichts  zu  schaffen. 

Endlich  ist  noch  alb.  zl,  geg.  zq  berühre,  fange,  fange  an, 
empfange  (vom  weihe),  miete  zu  nennen.  Zwar  hat  6.  Meyer 
(Et  wb.  d.  alb.  spr.  483)  ze  als  lehnwort  aus  bulg.  zemam, 
zimam  (aus  abulg.  za-  und  imq)  nehme  betrachtet;  aber  die 
bedeutungsentwicklung,  die  die  bei  G.  Meyer  angeführten  alb. 
Wörter  —  ausser  zl  noch  dzl,  ndzi  fasse,  enthalte,  begreife, 
lerne,  zikem  werde  ergriffen,  bürge,  streite  mich,  z%  seele,  ztns 
fang,  faust  als  mass,  z^fui  streit,  zer&A  fange  an,  ndzen^s 
Schüler  —  aufweisen,  hat  mich  schon  längst  daran  zweifeln 
lassen,  dass  wir  es  hier  mit  entlehnung  zu  tun  haben.  Auf 
eine  deshalb  an  G.  Meyer  gerichtete  anfrage  habe  ich  im  sept 
1895  von  letzterem  zu  meiner  freude  die  antwort  erhalten,  dass 
er  seine  aao.  vorgetragene  ansieht  zu  gunsten  der  meinigen 
aufgebe,  nach  der  zb  auf  uralb.  "^ztnö  zurückgeht  Für  dies 
uralb.  "^zenö  darf  man  die  bedeutung  „nehme",  „fasse",  „fange" 
ansetzen.    Aus  dieser  bedeutung  ist  aber  die  des  bei  G.  Meyer 


Etymologien.  201 

aao.  weiter  angefahrten  perzt,  geg.  perzq  vertreibe  nicht  her- 
leitbar; letzteres  muss  daher  etymologisch  von  z€,  geg.  zq  ge- 
trennt  werden.  Die  bedeutung  lässt  an  eine  zusammenstellang 
mit  lit  genü,  abulg.  zenq  treibe  denken  und  ich  halte  eine 
solche  für  durchaus  haltbar.  Zwar  hat  6.  Meyer  (aao.  136, 
alb.  stud.  III,  7)  zu  genü,  zenq  alb.  g'a'A  jage,  verfolge,  ge- 
stellt; doch  muss  nach  dem,  was  Pedersen  (KZ.  XXXVI,  330  f.) 
auseinandergesetzt  hat,  g'aik  als  etymologisch  dunkel  gelten. 
Andrerseits  hat  aber  Pedersen  (aao.  305  ff.)  in  fiir  mich  über- 
zeugender weise  ^)  dargetan,  dass  die  idg.  labiovelare  im  alba- 
nischen vor  Palatalen  vokalen  palatalisirt  werden:  idg.  hi  wird 
zu  8,  idg.  gu,  gnh  zu  z.  Es  hindert  also  nichts,  in  alb.  perzt 
eine  Zusammensetzung  mit  idg.  *gtihend  zu  sehen.  Miklosich 
(Etym.  wb.  62,  409),  Leskien  (Abi.  326,  368)  und  G.  Meyer 
(Alb.  stud.  III,  7)  trennen  zwar  abulg.  zenq,  lit.  genü  von 
abulg.  zhnja  ernte,  lit  geniü  ästle  und  G.  Meyer  fuhrt  alb. 
g'a'A,  abulg.  zenq,  lit.  genü  auf  ein  idg.  *genö  (im  anlaut  me- 
dia, ob  aber  reinvelar  oder  labiovelar,  lässt  er  unerörtert, 
scheint  aber  ersteres  angenommen  zu  haben)  zurück;  aber  gegen 
G.  Meyer  muss  geltend  gemacht  werden,  dass  abulg.  zenq^  lit. 
genü  ursprünglich  nur  vom  treiben  des  viehs  auf  die  weide 
gebraucht  worden  sein  muss  (das  lehren  Wörter  wie  poln.  wygon, 
russ.  vygon  weide,  lett.  gans  hirt,  gani  pl.  tant.  weide),  so  dass 
sich  die  bedeutung  „treiben*^   sehr   leicht  aus   der   bedeutung 

1)  Damit  soll  nicht  gesagt  sein,  dass  alle  von  Pedersen  zar  stütze 
seiner  Vermutung  beigebrachten  beispiele  einwandfrei  sind.  Gerade 
unter  den  4  ersten,  von  P.  für  schlagend  gehaltnen  beispielen  sind  zwei, 
die  ich  für  bedenklich  halte:  pesi  fünf  und  $ii  tLXif^e,  Ersteres  führe  ich 
mit  G.  Meyer  (Alb.  stud.  II,  47 ff.,  III,  5,  25,  30,  Etym.  wb.  829)  auf 
uralb.  *penkiß  zurück,  denn  der  einwand  Pedersen's,  -^*  werde  nicht 
zu  -tiä'  erweitert,  scheint  mir  übereilt ;  das  -i  in  alb.  be$i  glaube  kann 
doch  eben  so  wenig  auf  idg.  -m  zurückgehn  wie  das  von  mbesi  nichte 
(gegenüber  gr.  dviy/ia  geschwisterkind,  got.  nipjo  verwandte:  lat.  neptü^ 
ahd.  nift,  lit.  nepti»  enkelin  :  ai.  napti  enkelin,  von  denen  die  ersten 
zwei  —  got.  'fy'o  beruht  natürlich  auf  idg.  *tjä  —  im  suffix  mit  alb. 
mbeii  identisch  sind;  ai.  nopß'  liegt  von  mbesi  viel  weiter  ab),  dessen 
-£  Pedersen  ja  allerdings  nicht  auf  idg.  *-ü  zurückführen  will.  Was 
alb.  Mt  anlangt,  so  lässt  es  sich  anstatt  auf  idg.  *okuij  lit.  akU  äuge 
und  dessen  sippe  vielleicht  besser  auf  ein  idg.  *hndom  zu  got.  hv€it9 
weiss,  lit.  »zvidtts  blank,  glänzend,  ai.  fvindate  glänzt,  leuchtet  zurück- 
fuhren. —  Besonders  wird  Pedersen's  Vermutung  durch  die  falle  ge- 
stützt, in  denen  im  wurzelauslaut  k  mit  «,  g  mit  z  wechseln  (s.  828  f.). 


202  Wiedemann 

„schlagen**  entwickelt  haben  kann.  Ich  sehe  daher  keinen 
grund,  abulg.  zenq,  lit.  genü  von  ai.  hdnti  schlägt,  erschlägt, 
tötet,  gr.  &€ivci)  schlage,  erschlage,  töte,  q>6vog  mord  usw.  zu 
trennen.  Es  ist  also  für  abulg.  zetKf,  lit.  genüy  idg.  guh-  anzu- 
nehmen und  -ze  in  alb.  psrze  kommt  zu  den  von  Pedersen 
beigebrachten  beispielen  als  weiteres  hinzu.  —  Wie  pera^  müssen 
auch  die  bei  G.  Meyer  am  schluss  des  artikels  genannten  Wörter 
mit  wurzelhaftem  zem-  von  ze  getrennt  werden:  zemsra,  geg. 
zimare,  zimbers,  scut.  z^mer  herz,  wille,  leib,  zemerdk,  zembe- 
rdk  jähzornig,  z&ner^'dn,  zemer-durüäm  langmütig,  z&nBr-k'in 
hartherzig,  zemsr-nguSie  ungeduldig,  zemsrön  erbittere,  reize 
zemerir  herzhaft,  gr.  zemerate  zorn.  Auch  diese  Wörter  halte 
ich  für  einheimisch  und  setze  alb.  zem-  =»  idg.  ghem-,  dessen 
grundbedeutung  „sich  heftig  bewegen''  ist  vgl.  die  gleiche  be- 
deutungsentwicklung  bei  ai.  dhümd-8,  abulg.  dytm,  lit  dümai 
(seltner  dümas)^  lat.  fümus  rauch,  ahd.  toum  dampf,  dunst, 
duft  :  gr.  diJfidg  gemütswallung,  geist,  seele,  wille,  zorn  und 
bei  lett.  gaiss  luft  :  aisl.  geisa  wüten,  ags.  gast  geist  (über 
diese  sippe  handle  ich  in  einem  andern  aufsatz,  wo  ich  auch 
meine  von  der  allgemein  herrschenden  annähme  abweichende 
ansieht  über  die  natur  des  anlautenden  gutturals  begründen 
werde).  Diese  idg.  w.  §hem  sich  heftig  bewegen  liegt  meiner 
meinung  nach  in  germanischen  bisher  wesentlich  anders  beur- 
teilten Wörtern  vor:  aisl.  gatnan  lustig,  freude,  scherz,  alt.  dän. 
gammel  lustig,  dän.  dial.  smJcke  gammelt  leichtfertig  sprechen, 
Unzucht  treiben,  nhd.  gammel  sinnlicher  Übermut,  geilheit,  männ- 
liches glied;  mit  wurzelerweiterndem  labial  gehört  hierher  mhd. 
gumpen,  gampefi  hüpfen,  springen,  stampfen,  mhd.  gümpel, 
nhd.  gimpel,  mit  wurzelerweiterndem  guttural  ahd.  gähi  (aus 
urgerm.  ^gaph-)  jäh.  Auch  ahd.  *gamug,  gamg  gemse  darf 
hier  genannt  werden,  denn  wenn  das  germanische  wort  auch, 
wie  Much  (Zfda.  XLII,  167  jff)  dargetan  hat,  lehnwort  aus  dem 
gleichbedeutenden  lat.  camox  ist,  hat  doch  volksetymologische 
anlehnung  an  die  hier  behandelte  germanische  sippe  stattge- 
funden. Über  diese  letztere  haben  Kluge  (KZ.  XXVI  70)  und 
Wadstein  (IF.  V,  8,  ^vo  noch  weitere  german.  wörter  beige- 
bracht sind)  die  Vermutung  ausgesprochen,  es  lägen  hier  Zu- 
sammensetzungen mit  ga-  vor,  nach  Kluge  ga-man  zu  got. 
manna  mann  also  ,, Zusammenkunft  von  menschen**,  nach  Wad- 
stein (ausser  ga-man  auch)  g-aman  zu  lat,  am^re  lieben;   auch 


EtymologieB.  203 

in  ahd.  gähi  hat  Erdmann  (antiqy.  tidskr.  for  Sverige  XI,  4, 
8.  30  f.)  eine  Zusammensetzung  mit  ga-  gesucht  und  unter  Zu- 
stimmung von  Noreen  (Urgerm.  lautl.  44)  und  E.  Zupitza 
(Germ.  gutt.  190)  im  zweiten  glied  ein  zu  gr.  lixvg  schnell, 
lat.  öcior  schneller  gehöriges  wort  yermutet.  —  Zu  dieser  idg. 
w.  §hem  möchte  ich  auch  lat.  hämo,  lit.  zmü,  zmogüs,  pr.  smoy 
mensch,  got.  guma  mann  ziehen,  indem  ich  von  der  bedeutung 
„beseeltes  wesen''  (vgl.  lat.  animcd,  got.  ditM  beseeltes  wesen, 
tier)  ausgehe;  allgemein  werden  diese  Wörter  als  „zur  erde  ge- 
hörig", „ii'Aisch'*  aufgefasst  und  zu  lit.  zStne,  abulg.  zemlja 
erde  usw.  gestellt^).  —  Was  alb.  zem^  betrifft,  so  vertritt  z 
hier  die  idg.  palatale  media  aspirata,  wie  in  den  bei  6.  Meyer 
(Alb.  st.  in,  18)  genannten  beispielen  zok,  best,  zogne  junger 
vogel  :  arm.  jag  dass.  und  zoH  darm  :  lit  zdma,  aisl.  g^m 
dass.,  lat.  hernia  darrobruch  *).  Dazu  kommt  noch  zb  stimme  : 
abulg.  zvam  schall,  arm.  jain  stimme  (von  Hübschmann,  Arm. 
gramm.  I.  469  zwar  abgelehnt,  aber  es  hindert  doch  wol  nichts, 
-ain-  aus  -anj-  zu  erklären ;  vgl.  abulg.  zvhnSti  klingen  mit  der- 
selben ablautstufe).  Über  die  Ursache,  warum  die  idg.  palatale 
im  Albanischen  bald  durch  interdentale,  bald  durch  dentale 
Spiranten  vertreten  werden,  vermutet  Pedersen  (aao.  338  f.), 
dass  ein  benachbartes  v  die  Wandlung  von  uralb.  ä  zu  s^, 
uralb.  £  zu  zu  veranlasst  habe.  Damit  ist  aber  die  frage  noch 
nicht  endgiltig  beantwortet,  denn,  um  nur  bei  idg.  §h  zu  bleiben, 
von  den  drei  genannten,  auch  von  Pedersen  anerkannten,  bei- 
spielen für  z  =  idg.  §h  ist  nur  bei  ze  :  abulg.  zvom  ein  v 
nachweisbar;  für  zok  lässt  Pedersen  die  möglichkeit  zu,  dass 
der  auslautende  guttural  labiovelar  war  und  für  zofe  postulirt 
er  ein   v  oder  u   (anlaut  §hv'  oder  auslaut  -nü-);   aber  §hv' 

1)  Berneker  (IF.  IX,  860]  will  auch  got.  manna  maDn,  magus  knabe, 
knecht  in  etymologischen  Zusammenhang  mit  got.  guma  bringen,  dürfte 
aber  darin  wol  kaum  Zustimmung  finden ;  abgelehnt  hat  diese  Vermutung 
bereits  ühlenbeck  (Kurzgef.  etym.  wb.  d.  got.  spr.  '  104,  106).  Bei- 
läufig sei  bemerkt,  dass  das  suffix  des  abulg.  mt^  mensch  an  -gu-  in 
lit.  imo-gü»  erinnert;  genau  entsprechen  würde  ein  lit.  ^-giu-, 

2)  Das  bei  6.  Meyer  ausserdem  noch  genannte  zjaf  feuer,  lit.  ia- 
rijä  glühende  kohle,  pr.  »ar%  glut  hat  Pedersen  (aao.  820 f.)  mit  zjarm 
hitze  besser  zu  gr.  d-tQfAog  warm  und  dessen  sippe  gestellt.  Dagegen 
stelle  ich  zu  lit.  Sarijä  usw.  das  von  Pedersen  zu  pr.  golimhan^  russ.  go- 
luboj  blau  gezogene  ir.  garm  blau,  dessen  r  zu  dem  litu-slav.  /,  wie  auch 
Pedersen  bemerkt  hat,  nicht  recht  stimmt. 


204  Wiedemann 

hätte  germ.  w-  ergeben  und  für  das  alb.  wort  ein  andres  suf&x 
anzunehmen  als  für  das  litauische,  das  sich  mit  dem  albani- 
schen ja  sonst  aufs  genauste  deckt,  wird  man  sich  nicht  so 
leicht  entschliessen  können.  Es  ist  daher  auch  ohne  ein  Wir- 
kung eines  v  oder  u  die  Vertretung  von  idg.  §h  durch  alb.  z 
möglich.  —  Wie  in  zs-tnere  und  seiner  sippe  kann  auch  in  der 
sippe  von  ze  das  anlautende  z  Vertreter  von  idg.  §h  sein;  es 
steht  daher  nichts  im  weg,  got.  du^innan  in  etymologischen 
Zusammenhang  mit  alb.  ze  zu  bringen  und  auch  fiir  du^innan 
von  der  bedeutung  „berühren'S  „fassen'S  „fangen"  auszugehn. 
Zu  besprechen  bleibt  noch  das  -nn-  in  du-ginnan.  Wie  be- 
kannt, hat  A.  Kuhn  (KZ.  II,  460 ff.)  -nti-  aus  idg.  'nv-  erklärt 
und  in  du^ginnan  und  andren  verben  mit  -nn"  Umbildungen 
alter  präsenssl&mme  nach  der  ind.  ö.  klasse  gesehen  und  hat, 
wie  oben  erwähnt  ist,  -ginnan  dem  ai.  hinvati  gleichgesetzt. 
Es  lässt  sich  aber  nicht  bei  allen  verben  mit  -nft-  aus  dem 
Altindischen  oder  einer  andern  idg.  spräche  ein  präsens  mit 
idg.  -nr-  nachweisen  und  man  hat  daher  schon  für  manche 
der  von  Kuhn  besprochenen  verba  wurzeln  auf  idg.  n  ange- 
setzt. Daher  ist  also  auch  lautlich  gegen  eine  Zusammen- 
stellung von  du-ginnan  mit  alb.  ze  nichts  einzuwenden;  nur 
liegt  bei  dem  einen  eine  andre  präsensbildung  vor  als  bei  dem 
andern :  alb.  zE  ist  =  idg.  *§henö,  got.  -ginna  ist  »  idg.  ^ghen- 
v-ö  (Umbildung  aus  einem  präsens  nach  der  ind.  8.  kl.)  oder 
idg.  *§hen-^ö  (auf  einem  präsens  nach  der  ind.  9.  kl.  beruhend). 
Zu  gunsten  des  letzteren  darf  aisl.  ginna  bezaubern,  das  einem 
got.  *ginnon  entsprechen  kann,  schwerlich  beigebracht  werden, 
denn  die  bedeutung  liegt  zu  weit  ab.  Auch  sonst  lässt  sich 
aus  den  germ.  sprachen  nichts  mit  Sicherheit  zu  got.  -ginnan 
ziehen;  denn  got.  gansjan,  das  Diefenbach  (Vergl.  wb.  d.  got. 
spr.  n,  386)  und  Rheden  (Etymol.  versuche  a.  d.  geb.  d.  idg. 
spr.,  18  f.,  21.  jahresber.  d.  bisch,  privatgymn.  zu  Brixen,  1896) 
hierherziehen,  lässt  sich,  da  es  nur  Gal.  6,  17  als  Übersetzung 
des  gr.  Ttaqixeiv  belegt  ist,  in  seiner  eigentlichen  bedeutung 
nicht  scharf  genug  fassen;  man  übersetzt  es  gewöhnlich  mit 
„verursachen",  dann  aber  darf  es  mit  -ginnan  nicht  verbunden 
werden;  nur  wenn  man  es  als  kausativum  zu  einem  got.  ^gin- 
San  nehmen  betrachtet  und  mit  „nehmen  lassen",  „geben", 
„gewähren"  übersetzt,  kann  es  zu  -ginnan  gehören  und  -s-  als 
Wurzelerweiterung  aufgefasst  werden.     Auf  keinen  fall  verdient 


fitymologien.  205 

Johansson  (PBB.  XV,  228  f.)  Zustimmung,  der  gamjan  ak  Zu- 
sammensetzung von  jro-  und  nas^an  ansieht  und  ihm  die  ur- 
sprüngliche bedeutung  ,,herYorkommen  machen*'  beilegt;  erstens 
liegt  ja  got.  ga-nasjan  gesund  machen,  heilen,  erretten  noch 
vor  und  zweitens  bedeutet  got.  ^nisan  ursprünglich  nicht  „her- 
Yorkommen'S  sondern  „(gesund)  zurückkommen  (aus  dem  krieg)'^ 
denn,  wie  wol  allgemein  anerkannt  wird,  gehört  -nüan  zu  gr. 
vsofjiai  kehre  zurück,  voatog  heimkehr.  —  Auch  Ghrienberger 
(Unterschgn.  z.  got.  wortkunde  89),  der  an  Zusammenhang  mit 
ahd.  ganz  ganz  denkt,  trifft  schwerlich  das  richtige. 

2.    Got.  brüßs  und  andre  idg.  verwandtschaftsnamen. 

Obgleich  got  brüßa  Schwiegertochter  (daneben  got  brüßfaßs 
brautherr,  d.  h.  bräutigam)  schon  wiederholt  etymologisch  er- 
klärt worden  ist,  befriedigt  doch  keine  der  vorgeschlagenen 
etymologien  und  es  scheint  mir  daher  nicht  überflüssig,  eine 
neue  etymologie  vorzutragen,  um  so  mehr  als  ich  sie  schon 
vor  einer  langen  reihe  von  jähren  gefunden  habe  und  sie  auch 
trotz  inzwischen  erschienener  neuer  etymologischer  erklärungen 
für  haltbar  erachte. 

Allgemein  anerkannt  ist  heutzutage  nur,  dass  die  alte  noch 
von  Bopp  (Oloss.  ^  356  a)  und  J.  Grimm  (Wörterb.  II,  33)  ge- 
billigte Zusammenstellung  von  got.  brüßa  mit  ai.  praudhä  die 
heimgeführte  aus  lautlichen  gründen  unhaltbar  ist;  dagegen  hat 
man  sich  nach  der  anderen,  positiven  seite  hin  noch  nicht  ge- 
einigt, obgleich,  so  weit  ich  sehe,  vier  verschiedene  etymologi- 
sche erklärungen  gegeben  sind. 

Lautlich  am  besten  Hesse  sich  mit  Döderlein  (Lat.  synom. 
u.  etym.  VI,  139)  brüßs  dem  lat.  Frütis  gleichsetzen  und  diese 
etymologie  hat  daher  auch  wiederholt  Zustimmung  gefunden 
(Fick,  Vgl.  wb.  »  822,  II  »,  696,  HI  «,  217  f.,  I  *,  493,  Job. 
Schmidt,  Vok.  II,  288  f.,  Zehetmayr,  Anal,  vergl.  wörterb.  173, 
Kluge,  Etym.  wb.  s.  v.  [in  allen  auflagen],  Franck,  Etym.  woor- 
denboek  153).  Aber  es  ist  noch  nicht  sicher,  dass  Frmis  ein 
echt  lateinisches  wort  ist,  denn  eben  so  gut  könnte  es  auch 
eine  entstellung  des  gr.  Ititpooditri  sein,  wofür  sich  Keller  (Lat 
volksetym.  37,  325),  der  zuletzt  hierüber  gehandelt  hat,  ent* 
scheidet.  Ist  Frütis  nicht  entlehnt  und  entstellt,  so  ist  es  am 
besten  mit  Fick  I  \  493  zu  lat  frutex  Strauch,   mhd.  hti^en 


206  Wiedemann 

schwellen,  knospen  zu  stellen  nnd  könnte  sehr  wol  mit  got. 
brü^s,  dessen  bedeutung  ursprüngl.  , Jungfrau'*  gewesen  sein 
kann,  zusammengestellt  werden  (vgl.  z.  b.  gr.  noQd'ivog  Jung- 
frau :  TtTO^&og  trieb,  sprössling). 

Wesentlich  abweichend  siebt  Bugge  (PBB.  XIII,  184  f.)  in 
brüfs  eine  Zusammensetzung,  fuhrt  es  auf  idg.  ^par-üdhi^  zu- 
rück,  erklärt  es  als  „die  heimgeführte*'  und  stellt  es  zu  lit. 
vedü,  abulg.  vedq  führe,  ai.  vadhü's  braut,  junges  eheweib, 
weib.  Aus  lautlichen  gründen  (germ.  b-  as  idg.  jp-)  muss  diese 
etymologie,  die,  so  weit  ich  sehe,  nur  bei  Heyne  (Dtsch.  wb. 
I,  483)  und  Vercoullie  (Bekn.  etymol.  woord.  d.  nederl.  taal 
>  4ö)  Zustimmung  gefunden  hat,  abgelehnt  werden. 

Lautlich  einwandfrei  ist  die  von  Torp  (SprvgL-hist.  studier 
tUegn.  prof.  C.  R.  Unger  174),  Uhlenbeck  (PBB.  XXH,  188) 
und  Hirt  (ebda.  234)  fast  gleichzeitg  gegebene  Zusammenstel- 
lung von  got.  brüßs  mit  ai.  brdvUi  sagt,  spricht,  vorausgesetzt, 
dass  die  wurzel  idg.  r  enthält;  beide  fassen  urgerm.  ^brüdi- 
als  verbalabstraktum  auf,  dem  sie  die  bedeutung  „Versprechung*', 
„Verlobung**  beilegen;  Torp  zieht  auch  lit.  martl  braut,  junge 
fiau,  schwi^ertochter  heran.  Dagegen,  dass  sich  die  in  urgem. 
*ftrt4^i-  vorliegende  konkrete  bedeutung  aus  einer  abstrakten 
entwickelt  haben  kann,  ist  nichts  einzuwenden.  Trotzdem  halte 
ich  diese  etymologie  für  unbefriedigend,  denn  ai.  brävUi  und 
seine  komposita  zeigen  nirgends  die  bedeutung  „versprechen**, 
„verloben**  und  ausserdem  haben  abulg.  tnhva  tumultus,  inlhvüi 
tumultuari,  6ech.  mluva  rede,  mluviti  reden,  klruss.  mova  spräche, 
rede,  tnavyty  sprechen,  reden,  sagen,  russ.  molva  gerücht,  tnol- 
vüh  sagen,  sprechen,  murmeln  u.  a.,  die  von  ai.  brdvUi  nicht 
getrennt  werden  dürfen,  l;  die  Torp-Uhlenbeck-Hirt'sche  etymo- 
logie ist  daher  auch  aus  lautlichen  gründen  anfechtbar. 

Endlich  hat  Wood  (Mod.  lang,  notes  XV,  96)  urgerm. 
*brüdi'  mit  kret  (idqfsiq  Jungfrau,  lit  mart^  (nicht  marÜB,  wie 
Wood  angibt)  zusammengestellt  und  diese  vergleichung  durch 
hinweis  auf  das  krimgot.  marzus  braut  gestützt.  Dieser  deu- 
tung  kann  ich  nur  zustimmen;  Wood  hat  aber  mit  ihr  nichts 
neues  geboten:  brüßs  ist  ausser  von  Torp  bereits  von  mir  (lit. 
ctrbl.  1898,  sp.  810)  ohne  kenntnis  von  Torp's  teilweiser  Prio- 
rität mit  lit.  tnarti,  gr.  jB^tTO-/ua^ig,  fiel^af  knabe,  mädchen, 
lat  marUus  ehemann,  ai.  maryakd-s  männchen  zusammenge- 
stellt worden   und  krimgot.  marzus  bat  bereits  Solmsen  (KZ. 


Etymologien.  207 

XXXV,  481  £P.)  mit  lit.  tnartl,  gr.  Bgito^fioorig  verglichen. 
Wenn  ich  hier  nochmals  auf  die  etymologie  von  urgerm.  ^brudi" 
eingehe,  so  geschieht  es  einerseits,  um  die  vergleichung  von 
urgerm.  *brlldi-  mit  lit.  martl  usw.  näher  zu  begründen  als  es 
a.  a.  o.  geschehen  konnte,  andrerseits,  um  einige  andre  gleich- 
bedeutende Wörter  etymologisch  zu  behandeln. 

Wie  wol  bekannt  sein  dürfte,  hat  0.  Schrader  (o.  XV,  130; 
wiss.  beil.  z.  jahresber.  d.  grossherz.  gymn.  zu  Jena  1895,  s.  58; 
reallex.  955)  zu  lit.  fnarti  die  germanischen  benennungen  des 
marders  (aisl.  mprdr,  ags.  mearfi,  meard,  ahd.  mardar)  gestellt. 
Jedenfalls  haben  krimgot.  marztis  und  urgerm.  *brüdi'  zu- 
nächst anspruch,  mit  lit.  marti  verglichen  zu  werden,  um  so 
mehr,  da  sich  für  aisl.  m^dr  usw.  eine  andre,  sehr  nahe 
liegende  etymologie  bietet.  Zunächst  bemerke  ich,  dass  ich, 
abweichend  von  0.  Schrader  (KZ.  XXX,  462,  o.  XV,  128  f.), 
gr.  aiilovQog,  aYXovQog^  wiesei  mit  gr.  aioXog  beweglich,  schnell 
und  urgerm.  ^tDiaila-  wiesei  (ahd.  tvisula  usw.)  mit  abulg.  veseh 
hilaris  verbinde  und  ähnlich  cymr.  bde  marder,  ahd.  bilih  bilch, 
russ.  biUea  eichhörnchen  mit  got.  *b€Uß8,  adv.  balßaba  kühn, 
dreist  Das  wiesei  und  der  marder  können  sehr  wol  ihre  be- 
zeichnung  von  ihren  flinken  bewegungen  bekommen  haben  und 
so  lassen  sich  die  germ.  Wörter  für  marder  an  die  idg.  w.  mer 
flimmern,  schimmern  (gr.  fiaqfiaiQio)  anknüpfen;  die  der  bed. 
„flimmern'^  „schimmern*^  zu  gründe  liegende  allgemeinere  be- 
deutung  „sich  rasch  bewegen''  liegt  meiner  meinung  nach  noch 
in  lat.  mare,  ir.  muir,  got  marei,  abulg.  morje  meer,  lit  märes 
haff  und  in  ai.  manÜ  wind,  windgott  vor,  das  man  seit  Leo 
Meyer  (KZ.  V,  387)  und  Grassmann  (KZ.  XVI,  161  flf.),  der  es 
ebenfalls  zu  gr.  fiadfiaiqui  zieht,  mit  lat  Mävora  zusammen- 
stellt, wogegen  aber  die  quantität  des  a  in  Mavors  einspruch 
erhebt  Es  verhält  sich  aisl.  m^rdr  usw.  :  ai.  marüt  seiner  be- 
deutung  nach  ebenso  wie  gr.  aUXovnoqj  ailovQog  :  gr.  aiölog^ 
das  ja  zum  namen  des  windgottes  geworden  ist. 

Was  nun  den  weiteren  etymologischen  Zusammenhang  von 
urgerm.  *brudu,  lit  martl  usw.  betrifft,  so  hat  Johansson 
(GGA.  1890,  s.  745  anm.)  die  Vermutung  ausgesprochen,  lit. 
marti,  kret.  /dctQTig  bedeute  die  „integra'S  „intacta"  und  ge- 
höre zu  gr.  oQTeiLiijg  incolumis,  integer.  Weiter  stellt  Johansson 
auch  air.  brithem  richter  hierher  und  begründet  diese  zusam- 
raenstelluDg  durch  annähme  einer  bedeutung  etwa  „der  unpar- 


208  Wiedemaoü 

teiische'*;  aber  br-  kann  hier  nicht  auf  idg.  mr-  asuriickgehn, 
sondern  mnss,  wie  cymr.  barr^  mbret  bam  gericht,  ir.  bam 
richter  zeigen ,  auf  idg.  bhr-  oder  gfsr-  zurückgeführt  werden» 
wenngleich  die  etymologie  dieser  keltischen  Wörter  noch  zu 
finden  ist,  denn  zu  gr.  9>^y  gemüt,  an  das  Bezzenberger  (Fick 
n  S  169)  denkt,  können  sie,  falls  q>Qr^v  mit  aisl.  grtmr  ahnung 
zusammenhängt,  wie  ausser  Bezzenberger  auch  E.  Zupitza  (Germ, 
gutt.  97)  annimmt,  nach  dem  von  Osthoff  (IF.  IV,  268  ff.)  aus- 
geführten nicht  gestellt  werden;  ausserdem  liegt  q>qriv  auch 
seiner  ursprünglichen  bed.  „Zwerchfell''  wegen  begrifflich  zu 
weit  ab;  näheres  über  q>qTiv  im  nächsten  aufsatz.  Aber  nicht 
nur  die  heranziehung  von  air.  brithem,  sondern  auch  die  an- 
setzung  der  bedeutung  „integra'S  „intacta"  für  lit  martl,  kret. 
fidfTig  kann  ich  nicht  billigen.  Das  lit  marii  bezeichnet  nicht 
nur  die  braut  und  die  Schwiegertochter,  sondern  auch  die  junge 
frau  bis  zur  gehurt  des  ersten  kindes  und  wir  dürfen,  da  auch 
urgerm.  *6ra<fi-  braut,  Schwiegertochter,  junge  frau  bedeutet, 
annehmen,  dass  sowol  das  litauische  als  auch  das  germanische 
wort  ursprünglich  „mannbares  weib'^  ohne  rücksicht  auf  unbe- 
rührtheit bedeutet  hat;  erst  mit  der  geburt  des  ersten  kindes 
beginnt  ein  neuer  abschnitt  im  leben  des  weibes.  Die  diesen 
Wörtern  zu  gründe  liegende  wurzel  kann  keine  derartige  bedeu- 
tung gehabt  haben,  dass  von  ihr  nur  bezeichnungen  für  weib- 
liche Personen  gebildet  werden  konnten,  denn,  wie  man  schon 
lange  erkannt  hat  —  wer  das  zuerst  ausgesprochen  hat,  kann 
ich  nicht  feststellen  — ,  stehn  zu  lit.  tnartl,  kret.  fiaqziq  und, 
wie  man  nun  hinzufügen  darf,  urgerm.  *br€ldi'  in  engstem  Zu- 
sammenhang ai.  mdrychs,  junger  mann,  bes.  bräutigam,  junger 
ehemann,  maryaX^-«  männchen,  gr.  f^eiQu^  knabe,  mädchen, 
f^eiQchuov  knabe,  also  Wörter,  die  auch  männliche  wesen  be- 
zeichnen. Femer  gehört  hierher,  wie  ich  aao.  schon  erwähnt 
habe,  lat.  marUus  ehemann  ^)  und  auch  den  ersten  teil  des  zu- 

1)  Zu  dieser  ansieht  war  ich  unabhäDgig  von  Bartholomae  (Stnd. 
z.  idg.  spraohgesch.  II,  82)  gekommen,  habe  aber  später  gefunden,  dass 
schon  Weber  (KSB.  lY,  281)  und  Benfey  (Sanscrit-engl.  dict.  690)  tna- 
rUus  ZQ  ai.  mdrf/a-i  gezogen  haben.  Dass,  wie  Bartholomae  annimmt, 
auch  lat.  mtdier  weib  hierher  gehört,  halte  ich  für  sehr  unwahrschein- 
lich; denn  mulier  muss  seiner  bedeutung  wegen  zu  einer  wurzel  ge- 
hören, von  der  keine  Wörter  zur  bezeichnung  männlicher  wesen  stammen 
können.  Am  besten  lässt  sich  mit  Benfey  (Gr.  wrzUex.  II,  277)  mu^er 
zu  lat.  muig&o  melke  ziehen,  nur  muss  man  dann  p  in  mulgere  als  wurzel- 


fitymologieii.  209 

ftammengesetzten  kret.  BQvtO'^iaQ^iq  möchte  ich  lieber  hierher 
ziehen  als  zu  kret  ß((i%v-  yhwv  Hes.,  denn  erstens  passt  die  be« 
nennung  „süsse  Jungfrau '*-  für  die  keusche,  herbe  Artemis 
schlecht  und  zweitens  müsste  es  dann  doch  *  BqiTv^fxaqvtg 
heissen;  andrerseits  steht  nichts  im  weg,  in  BQno-^aQti^  eine 
ähnliche  Zusammensetzung  zu  sehen  wie  in  nhd.  schcUksknecht, 
lindümrm  u.  a.  Auch  ein  ,Jagd^^  bedeutendes  wort  könnte  in 
ßQiTO^  stecken;  die  etymologische  Zusammengehörigkeit  beider 
glieder  bliebe  auch  dann  bestehn.  Aus  dem  Keltischen  hat 
schon  Diefenbach  (Vergl.  wörterb.  d.  got.  spr.  II,  50)  cymr. 
morwyn,  com.  marain  virgo,  puella,  ancilla  herangezogen; 
Stokes  (Fick  II  ^  211)  fügt  noch  ir.  moru  in  tnuir-moru  see- 
jungfer  hinzu.  Bildungen  mit  gutturalen  suffixen  oder  wurzel- 
erweiterungen  liegen  vor  in  den  ebenfalls  schon  bei  Diefenbach 
erwähnten  cymr.  bret.  merch  tochter,  weih,  com.  myrgh  tochter, 
lit.  inergä,  pr.  mergoj  mergu  mädchen;  es  ist  nicht  nötig,  mit 
Bezzenberger  (Fick  U  ^,  211)  die  keltischen  Wörter  auf  ein 
idg.  ^mergdkä  zurückzuführen,  denn  es  kann  sehr  wol  im  Kel- 
tischen ein  Suffix  idg.  -kSr^  im  Litauischen  ein  sufifix  idg.  ^gä- 
oder  -ghör  vorliegen;  doch  vgl.  auch  E.  Zupitza  (KZ.  XXXVI, 
237).  Die  litauischen  Wörter  stehn  lautlich  der  sippe  lit  mir- 
gUi  flimmern  (Leskien,  abl.  337)  sehr  nahe  und  bestätigen  da* 
durch  die  herleitung  der  hier  besprochenen  Wörter  von  einer 
idg.  w.  mer  schimmern ;  in  allen  diesen  Wörtern  handelt  es  sich 
ursprünglich  um  die  bezeichnung  erwachsener  in  der  ersten 
blute  ihrer  Jugend  und  daher  ist  für  sie  von  der  bedeutung 
„strahlendes  „leuchtend^*  eben  so  gut  auszugeben  wie  bei  dem 
oben  s.  199)  besprochenen  ai.  kanyä  und  bei  ai.  yö^ä  mädchen, 
junges  weib  zu  idg.  ^juveth  (lat.  juvenis  usw.)  jung  :  lat  juvo 
erfreue,  jücundua  erfreulich.  Dass  es  sich  hier  vorwiegend  um 
Wörter  für  weibliche  personen  handelt,  ist  nicht  au£Pallend,  da 
ja  vor  allem  an  dem  weibe  Schönheit  gepriesen  wird.  Aus 
dieser  ursprünglichen  Sphäre  hat  sich  die  bedeutung  nach  zwei 
verschiedenen  ricbtuogen  hin  entwickelt,  einerseits  bei  lat.  marUus 

erweitemng  auffassen,  was  auch  PerssoD  (Wrzlerw.  62),  ohne  muher  zu 
erwähnen,  tut.  Übrigens  bleibt  auoh  zu  erwägen,  ob  die  lautgrnppe 
idg.  'Igi'  nicht  lautgesetzlich  zu  lat.  -/i-  werden  kann,  da  ja  auch  nach 
einem  vokal  vor  i  im  Lateinischen  schwindet  (Sommer,  IF.  XI,  88 ff., 
Solmsen,  KZ.  XXXVn,  28). 

Haltri^  t.  kuod«  d.  Indg.  spneb«a.  XXVll.  14 


210  Wiedemann 

zu  der  bedeutung  „ehemann",  andererseits,  zum  teil  bei  wörtein 
mit  deminutivsuffixen,  zu  der  bedeutung  „knabe,  mädchen". 

Dieselbe  bedeutungsentwicklung  wie  die  hier  besprochenen 
Wörter  zeigt  alb.  re  neuvermählte,  Schwiegertochter  neben  ri, 
f.  re  jung,  neu.  6.  Meyer  (Etym.  wb.  d.  alb.  spr.  366)  stellt 
ri  vermutungsweise  zu  alb.  rü  mache  gross,  übertreibe,  erziehe, 
wachse,  pass.  ritetn  wachse  und  weiter  (s.  367)  zu  ai.  rdhnäti 
gedeiht,  fördert,  abulg.  rasti  wachsen ;  doch  hat  diese  Zusammen- 
stellung wenig  für  sich,  denn  der  begriff  „neu"  kann  sich  aus 
dem  begriff  „wachsen"  wol  kaum  entwickeln.  Der  bedeutung 
besser  gerecht  wird  daher  die  von  Bugge  (o.  XVni,  170)  be- 
fürwortete Zusammenstellung  von  alb.  ri  mit  gr.  vioq  neu,  jung 
und  seiner  sippe,  die  schon  Bopp  (üb.  d.  alban.  541)  und  Stier 
(KZ.  XI,  248)  vorgeschlagen  haben;  aber  hier  macht  wieder 
alb.  r-  für  idg.  n-  Schwierigkeit,  denn  die  von  Stier  und  Bugge 
beigebrachten  beispiele  für  alb.  r-  :=>  idg.  n-  sind  alle  sehr 
zweifelhaft.  Daher  schlage  ich  vor  alb.  ri,  dessen  bedeutung 
sich  aus  der  bedeutung  „schimmernd'',  „leuchtend",  „strahlend" 
entwickelt  haben  kann,  zu  lit.  reg'iti  sehen  zu  stellen,  das 
Strachan  (o.  XX,  27)  und  Bezzenberger  (Fick  II  ^  230)  mit 
ir.  reil  klar,  rilaim  offenbare  verbinden,  wogegen  nichts  einzu- 
wenden ist ;  mit  Bezzenberger  stelle  ich  auch  ir.  rose  äuge  hier- 
her. Aus  dem  Albanischen  ziehe  ich  noch  re  in  der  Verbin- 
dung VB  re  gebe  acht,  betrachte,  beachte,  merke  auf  hierher; 
der  bedeutung  nach  verhält  es  sich  zu  lit.  reg&i  wie  ahd.  ahia 
beachtung,  aufinerken  zu  idg.  w.  oka  sehen.  6.  Meyer  (aao.  362) 
denkt  an  lat.  gravis  schwer. 

An  alb.  re  schliesse  ich  alb.  nuse  braut,  neuvermählte, 
Schwiegertochter,  Schwägerin  an.  G.  Meyer  (o.  VIII,  191),  hat 
nuse  auf  *nuyä  zurückgeführt  und  zu  ai.  mitad,  gr.  wog^  lat 
nürus,  abulg.  smcha,  ahd.  snur  Schwiegertochter  gestellt,  diese 
etymologie  aber  später  (Etym.  wb.  d.  alb.  spr.  312)  aufgegeben 
und  ntise  für  entlehnt  aus  lat.  *nuptia  (für  nupta)  angesehen. 
Dagegen  hat  Pedersen  (o.  XIX,  295,  IF.  V,  34,  KZ.  XXXVI,  283) 
die  alte  etymologie  durch  annähme  einer  dissimilation  der  beiden 
idg.  8  zu  halten  gesucht.  Gern  mag  man  zugestehn,  dass  bei 
annähme  einer  dissimilation  der  zurückfuhrung  von  alb.  nuse 
auf  idg.  *8fiU8d  keine  lautlichen  Schwierigkeiten  entgegenstehn. 
Aber  trotzdem  lässt  sioh'^nuse  mit  ai.  snu^d  usw.  nicht  in  ety- 
mologischen Zusammenhang  bringen,  und  zwar  seiner  bedeutung 


fitymologien.  211 

wegen.  Denn  während  ai.  snu^ä  und  die  dazugehörigen  Wörter 
der  übrigen  idg.  sprachen,  so  weit  ich  sehe,  nur  ganz  verein- 
zelt etwas  anderes  als  „Schwiegertochter*^  bedeuten,  stimmt  nuse 
in  seinen  bedeutungen  genau  zu  urgerm.  *brüdi'  und  lit.  marti; 
wie  letzteres  muss  es  das  mannbare  weib  bis  zur  geburt  des 
ersten  kindes  bezeichnet  haben,  wie  sich  aus  alb.  nusert  zeit 
von  der  hochzeit  bis  zur  niederkunft  ergibi  Wir  müssen  uns 
also  nach  einer  anderen  etymologie  für  alb.  nuse  umsehen. 
Bevor  ich  aber  auf  nuse  eingehe,  sei  mir  erlaubt,  eine  Vermu- 
tung über  die  etymologie  von  ai.  snu^  usw.  auszusprechen. 
Man  hat  früher  nicht  daran  anstoss  genommen,  die  idg.  Wörter 
für  Schwiegertochter  in  etymologischen  Zusammenhang  mit  dem 
idg.  wort  für  söhn  (ai.  sünü-s  usw.)  zu  bringen,  wofür  man 
sich  auf  Schwab,  aöhnin,  aöhnerin  berufen  hat;  diese  ansieht 
vertreten  u.  a.  Schrader  (Sprachvergl.  u.  urgesch.  '  542,  reallex. 
753),  Delbrück  (Verwandtschafisn.  534  f.),  Kluge  (Etym.  wb.  « 
350)  und,  wenn  auch  zweifelnd,  Fick  I  ^,  150.  Gegen  diese 
etymologie  hat  sich  Bartholomae  (Stud.  z.  idg.  sprachgesch. 
II,  31,  anm.  5)  erklärt,  indem  er  mit  Job.  Schmidt  (KZ. 
XXV,  29)  ^)  annimmt,  ü  könne  doch  nicht  ausfallen.  Die  alte 
etymologie  hat  dann  in  Pedersen  (o.  XIX,  297  f.)  einen  Ver- 
teidiger gefunden  und  man  darf  mit  Pedersen  die  möglichkeit 
offen  lassen,  dass  ü  unter  umständen  schwinden  kann.  Nun 
haben  wir  aber  zur  bezeichnung  der  durch  heirat  entstandnen 
Verwandtschaftsverhältnisse  wörter,  die  ihrer  etymologie  nach 
von  dem  begriff  des  bindens,  festmachens  ausgehn: 

ai.  jdmätä,  av.  zämatar-,  alb.  dender,  dendef,  gr.  ycLfAßqdq^ 
lat.  gener  (volksetymologisch  umgestaltet  aus  *gemer)y  lit. 
zintas,  abulg.  z^h  Schwiegersohn,  ai.  jämä  Schwiegertochter, 
jamUs  verschwistert ,  gr.  ya/iiw  heirate,  lat.  gemini  (die  ver- 
bundenen =)  Zwillinge;  zu  diesen  Wörtern  stelle  ich  ir.  gemd, 
cymr.  gefyn  fessel,  gr.  ysvTO  fasste,  x/yye(,ioq'  ovXXaßTJ^  aisl. 
kimbeU  bündel,  ags.  cimbing  commissura;  abulg.  zbmq  drücke, 
das  gewöhnlich  zu  gr.  yevro  gestellt  wird,  gehört  nicht  hierher, 
sondern  eher  zu  lat.  getno  seufze. 

1)  Joh.  Schmidt  bringt  zweifellos  mit  recht  ai.  tirt   weib  in  ety- 

molog^chen   Zusammenhang  mit  ai.  satu-a  matterleib,  irrt  aber  darin, 

dass  er  weiter  urgerm.  ^aSäi-  saat  heranzieht.     Es  unterliegt  für  mich 

keinem  zweifei,  dass  ä  in  8atu-$  auf  einen  u-diphthong,  idg.  eu,  du  oder 

äu,  zurückgeht  und  aatu-a  etymologisch  zu  ai.  »ute  («aw^t),  auyate  (««ya^t), 

sdvati  zeugt,  gebiert  gehört. 

14» 


212  Wiedemann 

ags.  adum,  ahd.  eidum  Schwiegersohn  gehört  mit  urgerm. 
*aißa'  eid  zu  ahd.  Swa  gesetz,  ehe;  der  diesen  Wörtern  zu 
gründe  liegende  begriff  ist  „festmachen'',  „binden",  die  ursprüng- 
liohe  bedeutung  des  urgerm.  *af/a-  „festmachung",  „erhärtuug", 
die  des  urgerm.  ^aiwö"  „festsetzung",  „vertrag";  wahrscheinlich 
ist  auch  das  zahl  wort  für  „eins",  idg.  *oi-nO'8,  ^oi-ko-s,  verwandt 
und  bezeichnet  ursprünglich  das  vereinigen  mehrerer  dinge  zu 
einem.    Hingegen  ist  got  aißei  mutter  nicht  hierher  zu  stellen. 

gr.  ftBP&s^g  vater  der  fran  wird  allgemein  zu  gr.  nüaiia 
tau,  seil,  got.  bindan  binden  usw.  gestellt. 

ai  syald-^f,  abulg.  äurh^  äurim,  iura  bruder  der  frau,  die 
Hoffmann  (o.  XXI,  140  ff.)  zusammengestellt  hat,  gehören  weiter 
zu  ai.  Sjfü'ma  band,  riemen,  zügel,  naht,  gr.  vfii^v  hochzeitslied, 
gott  der  ehe  und  zu  ai.  sivyati  näht  und  seiner  sippe. 

mhd.  gaie  gatte,  got.  gadiiiggs  vetter,  verwandter  zu  ahd. 
gaiaro  gatter,  nhd.  guter  (Kluge,  Etym.  wb.  *  135,  will  hierin 
eine  Zusammensetzung  aus  urgerm.  ^ga-,  ge*  und  urgerm.  *dur- 
tür  sehen)  und  weiter  zu  ai.  gadh"  festhalten,  festmachen. 

com.  dof  Schwiegersohn :  ir.  däm  gefolge,  schar,  gr.  iaiiog^ 
drjiÄog  Volk,  denen  der  begriff  des  zusammenfassens  zu  gründe 
liegt;  vgl.  got.  hansa  (aus  idg.  ^kani-sä)  schar :  got.  hintan  fiissen. 

lit  laigönas  bruder  der  frau  :  lat  ligo  binde,  wobei  für 
das  litauische  in  rücksicht  auf  alb.  (i9'  binde  (O.  Meyer,  o. 
Vm,  186,  Etym.  wb.  d.  alb.  spr.  245,  Alb.  stud.  lU,  17)  Ver- 
mischung der  guttnralreihen  anzunehmen  ist 

Andre  in  betracht  kommende  verwandtschaftswörter  sind 
etymologisch  dunkel;  aber  die  hier  genannten  genügen,  um  es 
gerechtfertigt  erscheinen  zu  lassen,  auch  für  aL  smufd  und 
seine  sippe  von  dem  begriff  des  bindens,  festmachens  auszogehn 
und  es  zu  ai.  sndva,  snävd  band,  sehne,  abulg.  snotq  zettele, 
gr.  veo»  spinne,  vct*^,  psvQOfP  sehne  zu  stellen;  mit  wurzeler- 
weitemdem  labial  gehört  hierher  auch  abulg.  smibiii  verlangen, 
lieben,  in  andern  slav.  sprachen  auch  verloben,  v^robei  von  der 
grundbedeutung  „die  band  womach  ausstrecken"  auszugehn  ist 
(das  straffwerden  der  sehnen  ist  hierbei  das  wesentliche;  vgl. 
dieselbe  begrilbentwicklung  bei  nhd.  mA  sehnen  :  ahd.  sehne  ^y 

1)  KretMbmer  (ans  d.  anomia  27  mit  anm.  2)  will  aack  lat.  näbo 
beirate  hierher  neben  und  von  lat.  nmbo  Terbälle  trennen,  lant  dabei 
aber  anaeer  acbt,  daas  nmbo  nur  vom  weibe  gebraucht  wird,  abulg.  «w- 
bUi  aber  vom  mann ;  andrerseits  ist  ja  das  verhöUen  der  brant  eine  ahe 


Etymologien.  313 

Kehren  wir  nun  nach  dieser  abschweifung  zu  alb.  nvse 
zurück,  80  ist  zunächst  noch  ein  anknüpfungsversucb  dieses 
Wortes  zu  erwähnen.  Kretschmer  (aus  der  anomia  27  f.),  der 
an  der  Zusammenstellung  von  nu8e  mit  ai.  mu^ä  usw.  festhält, 
setzt  nu8€  einem  nur  in  der  quantität  der  ersten  silbe  abwei- 
chenden thrak.  vvaä  mit  denselben  bedeutungen  wie  gr.  vviagnjy 
ntS^fj,  TtaQd-ivoq  gleich  und  sieht  das  zugehörige  maskulinum  in 
dem  namen  Jio-vvaog,  den  er  als  ,,Zeussohn*S  „Zeusheld''  er- 
klärt. Darin,  dass  mit  dem  kultus  der  Semele  und  des  Dio> 
nysos  auch  die  namen  beider  gottheiten  aus  Thrakien  herüber- 
gekommen sind,  hat  Kretschmer  vollkommen  recht;  aber  mit 
der  deutung  beider  namen  scheint  auch  er  mir  nicht  das  rechte 
getroffen  zu  haben.  Ohne  auf  die  bisherigen  deutungen  des 
namens  Jioyvaog,  die  6.  Meyer  (Or.  gramm.  '  381  f.  anm.) 
zusammengestellt  hat,  einzugehn,  möchte  ich  hier  eine  neue 
deutung  versuchen,  wobei  ich  voraussetze,  dass  der  name  thra- 
kischen  Ursprungs  ist.  Wie  Sejuili]  meiner  meinung  nach  nicht 
zu  thrak.  ^efdslw  erde  (lat.  humilis)^  sondern  als  „traube*'  zu 
ahd.  uo^quemilo  raoemus  gehört,  wobei  ^-,  d.  h.  z-,  und  ahd. 
jtt-  auf  idg.  gv"  zurückgehn  können  >),  so  ist  Jiovfxjog  (Jii" 

indogermanische  sitte.  Es  darf  daher  nnbedenklich  nubo  heirate  mit 
nübo  verhülle  identifizirt  werden,  obgleich  Kretschmer  bei  Stolz  (Hist. 
gramm.  I,  302)  nnd  Bnigmann  (Grdr.  I  ',  764)  Zustimmung  gefunden  hat. 
1)  G.  Meyer  (Alb.  stnd.  III,  61  anm.  2)  bringt  in  ähnlicher  weise 
gr.  aiTog  getreide,  weizen,  mehl,  brod,  nahrung  in  etymologischen  Zu- 
sammenhang mit  got.  hvaiUü  weizen  nnd  mit  diesem  weiter  zu  got. 
hveiiSy  ai.  fvetd-a  weiss  (idg.  w.  if^d  neben  l^f),  wobei  er  lit.  Jm^tyt 
weizenkorn,  pl.  kv^ciMt  weizen  als  germ.  lehnwort  betrachtet,  wie  es 
auch  Kluge  (Etym.  wb.  *  420)  tut.  In  rücksicht  auf  das  bedeutungs- 
verhftltms  von  lit.  hoHyg  :  ^ffesaf,  das  dem  von  lit.  rugj»  roggenkem  : 
pl.  rugiäX  roggen  u.  ähnl.  entspricht,  halte  ich  lit.  kofffgi,  küäesäf  fär 
einheimisch  und  stelle  es  mit  got.  hvaÜM  zu  abulg.  ethiq  blühe  (idg.  w. 
kifeit  :  A|^uQ;  atros  hingegen  stelle  ich,  es  ebenfalls  als  fremdwort  auf- 
fassend, zu  abulg.  lUt6  fructus,  bulg.  Kito  weizen,  serb.  Miio  getreide, 
weizen,  slov.  IMo  getreide,  roggen,  öech.  Mäo  roggen,  osorb.  lUto,  nsorb. 
Myto  getreide,  roggen,  polab.  zaitii  getreide,  poln.  iyto  getreide,  roggen, 
klruss.  Myto  roggen,  russ.  JHto  getreide,  pr.  gwts  brod,  gatän  weizen ;  die 
bedeutung  des  pr.  geits  spricht  namentlich  für  meine  erkl&mng  von 
aiTog,  das  ja  u.  a.  auch  „brod"  bedeutet;  pr.  gaidii  darf  von  pr.  geits 
nicht  getrennt  werden,  wie  es  z.  b.  bei  Berneker  (Preuss.  spr.  289)  ge- 
schieht. Was  das  lautverhältnis  von  gr.  a-  :  litu-slav.  g  betrifft,  so  liegt 
entweder  im  Litu-slavischen  Vermischung  der  guttnralreihen  vor  oder 
das   von  Pedersen  (KZ.  XXXYI,  805  ff*.)  für  das  Albanesisohe  naohge- 


214  Wiedemann 

vvaogy  JeoviJaog)  abgeleitet  von  thrak.  *Ji6va  {*Ji€v6^  ^Jeova)^ 
das  etymologisch  zu  gr.  &v(6vrj^  einem  namen  der  Semele,  und 
weiter  zu  der  in  gr.  dvia  stürme  daher,  rase,  opfere  steckenden 
Wurzel  gehört  und  daher  die  „berauschende"  bedeutet;  Jiövv" 
aog  fasse  ich  als  ein  von  *Ji6vä  mit  dem  suffix  idg.  -utjo- 
(vgl.  lit.  -utis)  gebildetes  deminutiv  oder,  was  ja  dasselbe  ist, 
metronymikon  auf  und  führe  zur  stütze  dieser  ansieht  den  rho- 
dischen  namen  des  gottes,  Gvtayidag,  das  ja  unverkennbares 
metronymikon  von  Bviavrj  ist,  ferner  Qvwvevq  »  spross  der 
Qvdnnn  und  den  päonischen  namen  des  Dionysos,  JvaXog,  an. 
Der  fremde  name  ist  dann  in  einigen  griechischen  dialekten  in 
volksetymologischen  Zusammenhang  mit  Zevg  gebracht  und  zu 
*Jiog'Vvaog  umgestaltet  worden.  Ob  -o-  in  Jiovvaog  erst  auf 
griechischem  boden  ans  -Tf-  entstanden  oder  schon  im  thraki- 
schen  -ti-  zu  -8-  geworden  ist  (im  Albanischen,  dem  ja  das 
thrakische  nahe  steht,  wird  nachtoniges  idg.  -^i-  zu  -«- ;  6.  Meyer, 
Alb.  stud.  III,  25)  ist  gleichgiltig;  wichtiger  ist,  dass  die  Grie- 
chen, nachdem  sie  im  namen  Jiovvaog  den  namen  des  Zevg 
enthalten  glaubten,  das  ursprüngliche  *- vt'crog  mit  anlehnung  an 
Nvaa  in  -vvaog  umgestalteten.  Ist  meine  erklärung  von  /Jio^ 
vvoog  richtig,  so  findet  alb.  nuse  an  -vvaog  keinen  anhält ;  hin- 
gegen wäre  etymologischer  Zusammenhang  mit  gr.  Nvaa^  lat. 
nütrio  nähre  möglich,  wenn  man  für  Nvaoy  niUrio  von  dem 
begrifi^  „strotzen^^  ausgeht;  vgl.  z.  b.  fries.  fämne  roädchen, 
raagd,  ags.  fcemne  Jungfrau,  Jungverheiratete  fran,  die  Job.  Schmidt 
(Sonantenth.  105)  mit  recht  zur  sippe  von  lit.  yencis  milch 
zieht.  Aber  meiner  meinung  nach  liegt  es  doch  näher,  wie  für 
lit.  marti,  urgerm.  ^brüdu^  so  auch  für  alb.  nuse  von  dem  be- 
griff „schimmern",  „strahlen*',  „glänzen"  auszugehn.  Daher 
führe  ich  alb.  nuse  auf  idg.  *nukd  zurück  und  stelle  es  zu- 

wiesene  gesetz,  dass  die  labiovelare  vor  palatalen  vokalen  palatalisirt 
werden,  gilt  anch  für  die  spräche,  aus  der  altog  entlehnt  ist;  ich  halte 
letzteres  für  wahrscheinlicher.  —  Anders  wird  ahd.  uo^quemih  von 
E.  Zupitza  (Germ.  gutt.  88)  beurteilt,  der  darin  eine  Weiterbildung  von 
ahd.  uo-quemo  sprössling,  nachkomme  sieht,  es  also  aagenscheinlich  za 
got.  qiman  kommen  stellen  will;  das  halte  ich  ffir  sehr  unwahrschein- 
lich. —  Das  phrygg.  C^fteUv  ßaqßaqov  dv^ganodov.  ^vyig  Hes.,  das 
Eretschmer  mit  anderen  als  „mensch**  auffasst  und  zu  lat.  hemo^  homo 
mensch  stellt,  bedeutet  meiner  meinung  nach  von  hause  aus  „gefesselter", 
„gefangener"  und  gehört  zunächst  zu  dem  bereits  oben  (s.  211)  er- 
wähnten ir.  gemel  fessel. 


Etymologien.  215 

nächst  zu  ir.  nüachor  (»  idg.  *neuh'0r(h8,  bez.  *ord)  bräutigam, 
braut  und  weiter  mit  Stokes  (Fick  II  ^,  193)  zu  idg.  "^nevos, 
*nevijo8  neu,  wozu  ja  auch  gr.  vaavlctg  Jüngling  gehört;  Stokes 
sieht  in  -chor  zweifelnd  das  gr.  xoqri  mädchen,  aber  ich  glaube 
doch,  dass  sich  alb.  nuse  zu  idg.  "^nevoa  ebenso  verhält  wie  ai. 
yuvc^gä-a  jugendlich,  lat.  juvencus  jung,  junger  stier,  jüngling, 
got.  juggs  jung  :  ai.  yüvan  jung;  im  Keltischen  ist  dann  noch 
ein  r-suffix  angetreten.  Dass  8  in  nuse  Vertreter  eines  idg.  Je 
sein  kann,  wird  durch  das  von  Pedersen  (KZ.  XXXVI,  338) 
aufgestellte  lautgesetz  gestützt;  daher  wird  auch  Pedersen,  der 
ja  wiederholt  für  alb.  nuse  =  ai.  snti^ä  eingetreten  ist,  keine 
lautlichen  bedenken  gegen  meine  erklärung  von  alb.  nuse  gel- 
tend machen  können. 

Die  bedeutung  „mannbares  mädchen''  ist  meiner  meinung 
nach  die  ursprüngliche  des  lat  uxor  ehefrau,  gattin  gewesen, 
wie  sich  aus  der  redensart  uxörem  dücere  in  mätrimiHtiufn  er- 
gibt, die  doch  nur  dann  einen  sinn  haben  kann,  wenn  sie  be- 
deutet „ein  mannbares  mädchen  in  die  ehe  führen'*;  auch  die 
redensart  uxöre  exefdere  um  die  braut  kommen  spricht  zu 
gunsten  meiner  annähme.  Ob  die  bei  Plautus  an  zwei  stellen 
im  cod.  vet.  überlieferte  form  mit  anlautendem  ro-  gewährt  hat 
(Koch,  n.  Jahrb.  CI,  283  «F.,  685,  Froehde,  o.  XIV,  95)  oder 
nicht  (Brix.  Plaut,  trin.  111,  Stolz,  bist  gramm.  149,  lat 
gramm.  '  79,  anm.  11,  Lindsay,  lat.  spr.  6),  ist  für  die  etymo- 
logie  nur  in  sofern  von  belang,  als  durch  voxar  die  bei  den  alten 
grammatikern  beliebte  Zusammenstellung  mit  lat  unguo  (ungo) 
salbe,  die  heute  ausser  Keller  (Z.  lat.  sprachgesch.  I,  18  ff.) 
ohnehin  wol  kaum  noch  einen  anhänger  finden  dürfte,  und  die 
nicht  gerade  überzeugende  Zusammenstellung  mit  ai.  ücyati 
findet  gefallen,  ökas  behagen,  gefallen,  gewohnter  ort,  wohn- 
stätte,  heimwesen  (Fick,  Vgl.  wb.  «  23,  I  *  7,  159,  360,  o. 
XIV,  79,  XVm,  138,  Bugge,  o.  XIV,  76,  Prellwitz,  Et  wb.  d. 
gr.  spr.  227)  widerlegt  werden;  denn  unguo  enthält  überhaupt 
kein  idg.  u-  (ai.  afi;-,  präs.  andkti  salbt  usw.)  und  zu  ai.  ücyaH 
usw.  lässt  sich  kein  hochtoniges  idg.  vek-vok-  nachweisen.  So 
bleiben  denn  von  den  bisherigen  Zusammenstellungen  nur  die 
von  Pott  (Etym.  forsch.  I  \  9)  herrührende  mit  der  sippe  von 
ai.  vähati  führt,  fährt,  zieht,  fährt  dahin,  fliesst,  weht,  trägt, 
führt  heim,  heiratet  (diese  etymologie  billigt  u.  a.  auch  Del- 
brück aao.  439)  und  die  von  Ascoli  (KZ.  XIII,  157  ff.)  her- 


216  Wiedemann 

rührende  mit  der  sippe  von  ai.  vd^fi  will,  gebietet,  verlangt, 
begehrt,  hat  gern  lautlich  möglich  ^).  Aber  auch  hier  bieten 
sich  grosse  Schwierigkeiten.  Gehört  uxor  zu  vehere,  so  könnte 
es  seinem  suffix  nach  eher  „fiihrer'^  —  bräutigam,  als  „ge- 
führte** =  braut  bedeuten.  Diese  Schwierigkeit  sucht  Delbrück 
aao.  durch  die  annähme  zu  umgehn,  uxor  beruhe  auf  einem 
*vexa  =  vecta  und  verdanke  sein  suffix  dem  einfluss  von  aoror; 
aber  zur  ansetzung  eines  ^vexa  berechtigt  uns  nichts,  denn  das 
part.  pass.  lautet  eben  vectus  und  es  gibt  ausser  tentus  neben 
tensus,  die  aber  nicht  als  stütze  von  *vextM  benutzt  werden 
dürfen  (tentua  =  gr.  Totrog,  ai.  tatd-a,  tenaus  aus  *tend't0'8)^ 
kein  beispiel  für  -«o-  neben  -to-.  Auch  bei  Ascoli's  etymologie 
macht  das  -a-  Schwierigkeiten.  Gehn  wir  aber  für  uxor  von 
der  bedeutung  „mannbares  mädchen**  aus,  so  lässt  es  sich  ohne 
das  geringste  lautliche  bedenken  zunächst  an  ai.  ük^ati  wächst 
und  weiter  an  dessen  sippe  anschliessen,  woran  schon  Leo  Meyer 
(Vgl.  gramm.  I  *  808),  aber  mit  annähme  einer  andern  be- 
deutungsentwicklung,  gedacht  hat;  auch  Froehde  aao.  vertritt 
Leo  Meyer's  ansieht.  Zu  uxor  gehören  etymologisch  wol  auch 
die  keltischen  Wörter  com.  gidiU,  bret.  goühez  Schwiegertochter, 
die  auf  idg.  ^veka-  zurückgeführt  werden  können. 

Die  bedeutungen  „braut**,  ,Junge  frau**,  „Schwiegertochter" 
vereinigt  auch  abulg.  nevista  und  die  ihm  entsprechenden  Wörter 
der  übrigen  sla vischen  sprachen;  dass  auch  hier  von  der  be- 
deutung „mannbares  mädchen**  auszugehn  ist,  zeigt  russ.  nevdata, 
das  diese  bedeutungen  neben  den  erwähnten  bat,  dann  aber 
auch  „alte  Jungfer**  bedeutet  Es  ist  daher  nicht  möglich,  mit 
Prusik  (KZ.  XXXUI,  160  ff.)  slav.  nevSata  aus  ^nevo-viata  zu 
erklären  und  darin  eine  Zusammensetzung  aus  *nevo  =  novo- 

1)  Schrader  (Sprachvergl.  n.  argesoh.  '  644,  reallex.  156,  762)  will 
lat.  uxor  zn  lit.  ü'nvis  vater  der  fran  stellen  und  lat.  ti-,  lit.  d-  auf  idg. 
ö-  znrückfuhren ,  indem  er  sich  auf  Iht,  ßir  :  gr.  <pioQ  dieb  beruft;  an 
der  zuletzt  angeführten  stelle  fugt  er  zweifelnd  auch  ags.  öe  Stiefvater 
hinzu,  das  von  Kluge  (Festgr.  an  Böhtlingk  61)  wol  richtig  zu  ^'msois 
gestellt  worden  ist;  lat.  ü  =  idg.  ö  zu  setzen,  sind  wir  aber  nicht  so 
ohne  weiteres  berechtigt  und  ansserdem  lasst  sich  die  quantität  des  u 
in  uxor  nicht  feststellen.  Lautlich  einwandfrei  wäre  die  Zusammen- 
stellung Seh  rader 's  nur  dann,  wenn  so  wol  lat.  u  als  auch  lit.  ü  ti- vokale 
wären,  wogegen  ags.  öo  nur  dann  sprechen  würde,  wenn  man  urgerm. 
ö  aus  idg.  öu  oder  au  nicht  gelten  lassen  will.  Mich  hindert  aber  die 
bedeutung,  lat.  uxor  mit  lit.  ü'wvia,  ags.  öe  zusammenzustellen. 


Etymologien.  217 

neu  und  ^vSgta  die  heimgeführte  :  abnlg.  vedq  führe,  zu  sehen, 
obgleich  Joh.  Schmidt  (Sonantenth.  96)  diese  erklärung  gebilligt 
hat.  Die  von  Pnisik  für  litu-slav.  e — v  beigebrachten  beispiele 
sind  alle  zum  beweis  seiner  annähme  nicht  zu  gebrauchen, 
denn  es  handelt  sich  um  wörter,  die  entweder  volksetymologisch 
beeinflusst  sind  (wie  z.  b.  serb.  devesilj  neben  nevesilj  huflattich), 
oder  um  Wörter,  die  sich  anders  besser  erklären  lassen  (wie  z.  b. 
lit.  devyni,  abulg.  dev^th  neun  aus  litu-slav.  ndv-,  verf.,  handb. 
d.  lit.  spr.  27);  auch  Zubat^  (Archiv  f.  slav.  phil.  XVI,  405) 
hält  die  annähme  Prusik's  für  unglaublich.  Recht  hat  Prusfk 
nur  darin,  dass  er,  wie  es  auch  schon  andre  vor  ihm  getan 
haben,  abulg.  v^o  mitgift,  für  verwandt  hält  Letzteres  geht, 
wie  wol  allgemein  anerkannt  wird,  mit  lat.  venum  kaufpreis 
auf  idg.  ^vidknom  oder  *vSdnom  (vgl.  gr.  Sadva^  %dva  brautge- 
schenke)  zurück.  Da  slav.  v^o  ursprünglich  den  für  braut 
gezahlten  kaufpreis  bedeutete,  so  liegt  nichts  näher  als  ne^^ta 
als  „(noch)  nicht  verkaufte'S  „(noch)  nicht  verheiratete"  zu 
fassen,  wie  das  auch  Zubat^  (aao.  407)  tut,  der  aber  ai.  vin- 
ddti  findet,  erwirbt,  heiratet,  vetta  gatte  vergleicht.  Ausserhalb 
des  Slavischen  stehn  begri£Plich  am  nächsten  ai.  vadhus  braut, 
junges  eheweib,  lit.  vadü'ti  auslösen,  got.  gchtvadjon  verloben, 
fvcUK  pfand,  handgeld,  lat.  vaa  bürge.  Verwandtschaft  mit  lit. 
vedü,  abulg.  vedq  führe  ist  zwar  anzuerkennen,  doch  liegen 
diese  Wörter  begrifflich  femer;  mr  dürfen  wol  eine  idg.  w.  v^h  : 
vSd  mit  der  grundbedeutung  „fest  machen"  annehmen,  woraus 
sich  einerseits  die  bedeutung  „an  der  band  fassen",  „führen", 
andrerseits  die  bedeutung  „festsetzen",  „einen  vertrag  schliessen", 
„bürgen"  entwickelt  hat.  Von  sonstigen  idg.  Wörtern  für  „ehe- 
frau"  bespreche  ich  noch  ai.  dards  pl.  m.,  über  das  zuletzt 
Johansson  (IF.  lU,  224  ff.)  und  Bradke  (IF.  IV,  85  ff.)  gehan- 
delt haben;  ältere  literatur  über  därds  hat  Johansson  s.  225 
angeführt.  Beide  nehmen  für  därds  die  bedeutungsentwicklung 
„haus",  „familie",  „hausfrau"  an,  indem  sie  sich  auf  ai.  grh&s 
pl.  m.  das  dieselben  bedeutungen  hat,  berufen;  beide  ziehen 
das  griechische  heran,  Johansson  dovlog'  ^  olyua,  jj  Tijv  inl 
to  avTo  awilevaiv  xiLv  yvvaixdiv  Hes.  und  öovXog^  dor.  ödßXog 
Sklave,  Bradke  da/iaQ  gattin.  Johansson  stimmt  im  wesent- 
lichen mit  Legerlotz  (Etymol.  Studien,  progr.  Salzwedel  1882) 
überein,  wo  eingehend  über  dotlog  gehandelt  wird.  Dass  dovXog' 
^  oixla  und  dovlog  sklave  identisch  sind  und  weiter  zu  ai.  da- 


218  Wiedemann 

rd-8  das  7.  astrologische  haus  gehören ,  darf  man  Johansson 
unbedenklich  zugeben,  wenngleich  meiner  meinung  nach  das 
begriffisverhältnis  von  ,,haus^*  und  »^sklave**  von  Legerlotz  und 
Johansson  verkannt  ist;  wir  haben  es  mit  derselben  wurzel  zu 
tun,  die  z.  b.  in  gr.  ävpa/Liai  bin  stark,  kann  steckt,  und  dovkos' 
^  ohda  bedeutet,  wie  z.  b.  gr.  dofioq  ^.das  feste''  (vgl.  gall. 
dünum,  aisl.  tun,  die  auch  Johansson  s.  232  anfuhrt),  dovkog 
Sklave  aber  y,zimmerer'S  ,,arbeiter";  weitere  verwandte  hat  Lo- 
rentz  (IF.  V,  342 f.),  der  ebenfalls  für  dovlog  sklave  von  der 
Bedeutung  „arbeiter''  ausgeht,  zusammengestellt,  insbesondere 
got.  taujan  machen,  aisl.  ags.  iöl  Werkzeug.  Auch  Legerlotz, 
der  allerdings  auch  manches  nicht  hierher  gehörige  heranzieht, 
hat  dovkog  schon  zu  got.  taujan  gezogen;  das  bedeutungsver- 
hältnis  von  gr.  dofnog  haus  :  öfitog  sklave  beurteile  ich  ebenso. 
Dass  Johansson's  erklärung  des  ai.  dards  nicht  das  richtige 
trifft,  beweist  meiner  meinung  nach  der  umstand,  dass  ai.  da- 
raka-8  nicht  nur  „knabe'S  „söhn''  bedeutet,  sondern  auch  „tier- 
junges"; es  ist  also  für  ai.  daraka^  von  der  bedeutung  „Säug- 
ling" auszugehn  (vgl.  lat.  füius  söhn,  fflia  tochter  —  lett.  dUe 
saugendes  kalb  oder  lamm  zu  lett.  d€ju  sauge).  Da  man  sich 
wol  schwerlich  dazu  entschliessen  wird,  ai.  däraka-8  und  ai. 
därikä,  darakB  mädchen,  tochter  von  däräs  zu  trennen,  kann 
letzteres  nur  als  „säugend"  gefasst  werden;  die  plurale  form 
ist  eben  so  zu  erklären  wie  bei  Johansson's  etymologie.  Wie 
ai.  dardrs  das  7.  astrologische  haus  und  gr.  düXogj  dovlog  von 
Johansson  richtig  auf  eine  idg.  w.  döu  zurückgeführt  werden, 
so  liegt  auch  dem  ai.  därc^^  saugend,  säugend  eine  idg.  w.  däu, 
dsu  oder  döu  zu  gründe;  zu  ai.  dura-  gehört,  mit  andrer  ab- 
lautstufe, nhd.  zullen  saugen,  dessen  Ursprung  Kluge  (EtymoL 
wb.  ^  439)  als  dunkel  bezeichnet. 

Im  anschluss  an  die  bisher  besprochenen  verwandtschafts- 
wörter,  bespreche  ich  hier  noch  einige  andre,  die  ich  etymolo- 
gisch anders  erkläre  als  allgemein  üblich  ist,  ohne  auf  die  bis- 
herigen etymologien  näher  einzugehn,  als  es  zur  begründung 
der  von  mir  vertretenen  ansichten  nötig  ist. 

Mann.  Wie  idg.  *viros  (ai.  vird-s,  av.  virö,  lat.  wr,  ir.  /Vr, 
got  wafr,  lit.  v^as)  bezeichnet  auch  ai.  putnan  den  mann  als 
den  starken;  begrifflich  am  nächsten  stehen  6ech.  penny  fest 
(weitere  slav.  verwandte  bei  Miklosich,  Etymol.  wb.  269);  ganz 
anders,  aber  schwerlich  richtig,  über  diese  slavisohe  sippe  Zu- 


Etymologien.  219 

bat^  (Archiv  f.  slav.  philol.  XVI,  408  f.).  Aüch  alb.  buf,  bufe 
mann,  ehemann  bedeutet  ursprünglich  „stark*',  denn  es  gehört 
nicht,  wie  G.  Meyer  (Etymol.  wb.  d.  alb.  spr.  55,  Alb.  stud. 
m,  74)  will,  zu  ahd.  bür  haus,  kammer,  sondern  mit  ahd.  baro 
mann  zu  gr.  q>i^BQog  stärker,  tapferer,  vortrefflicher;  ich  führe 
h^  auf  idg.  *bhemo8  zurück,  denn  der  idg.  reduzirte  vokal 
erscheint  auch  sonst  im  Albanischen  als  w.  Ob  mit  O.  Meyer 
auch  alb.  mbuf  lobe,  mbufem  prahle,  bin  stolz  hierher  zu  stellen 
ist,  lässt  sich  nicht  entscheiden,  da  alb.  b  nach  anlautendem 
m  auch  idg.  p  vertreten  kann  und  in  diesem  fall  die  bei  Mi- 
klosich  (aao.  268  unter  püeh-)  behandelte  sippe  begrifflich  sehr 
nahe  stünde;  -cA-  ist  Wurzelerweiterung;  alb.  f  wäre  in  diesem 
fall  suffixal  —  Falls  für  got.  cAa  ehemann  von  der  bedeutung 
„mann**  auszugehn  ist,  und  dafür  spricht  die  bedeutungsent- 
wicklung  bei  got.  qens  ehefrau  -»  ai.  -jäni^a  weih,  gehört  es 
zunächst  zu  got  abrs  stark,  heftig;  näheres  über  aba,  abrs  in 
einem  anderen  Zusammenhang.    Über  got  guma  s.  o.  s.  203. 

Weib.  Von  den  wörtem  dieser  bedeutung  erwähne  ich 
nur  aisl.  mf,  ags.  as.  iDlf^  ahd.  mp,  das  mit  recht  zu  ahd. 
weibön  schwanken,  unstet  sein,  ai.  v^po^e,  vepati  regt  sich, 
zittert  gestellt  wird,  nur  möchte  ich  nicht  mit  Kluge  (Etym. 
wb.  *  417)  an  die  in  ai.  vipra-s  erregt,  begeistert,  dichter, 
priester  und  andern  altindischen  Wörtern  dieser  sippe  hervor- 
tretende auf  das  geistige  übertragene  bedeutung,  sondern  un- 
mittelbar an  die  des  ahd.  weibön  anknüpfen;  urgerm.  *ti^f^ 
bezeichnet  also  das  weib  nach  dem  mehr  oder  minder  wiegen- 
den gang;  die  übertragene  bedeutung  „erregt  sein"  ist,  so  weit 
ich  sehe,  ausschliesslich  indisch. 

Mutter.  Das  idg.  ^moter-  (ai.  mätd,  av.  möia,  arm.  mair, 
gr.  (iiqtrjQ^  dor.  /tiärrjQ,  lat.  tnäter,  ir.  mätkir^  aisL  möäer,  abulg. 
matt;  lit  möte,  mote  eheweib,  weib,  alb.  motre  Schwester  haben 
eine  andre  bedeutung  angenommen)  wird  gewöhnlich  (so  z.  b. 
auch  bei  Delbrück  aao.  384)  zu  ai.  mdtij  mimati  misst  und 
entweder  als  „bildende^'  oder  „waltende^'  gefasst;  aber  die  in 
ai.  mäii,  mimäti  steckende  wurzel  lautet  idg.  mS,  nicht  tnä 
(vgl.  abulg.  m^a  mass,  lat.  mStior  messe  usw.),  daher  ist  idg. 
*  tnäter-,  falls  es  nicht  mit  Kretschmer  (Einl.  in  d.  gesch.  d. 
griech.  spr.  353  ff.),  dem  Schrader  (Reallex.  564)  beistimmt,  als 
Umbildung  eines  lallworts  aufzufassen  ist,  besser  mit  lat  manus 
band  auf  eine  idg.  w.  mä  :  ma  fassen  zurückzuführen  und  als 


220  Wiedemann 

„empfangend"  zu  fassen;  allerdings  kann  lat.  manus  auch,  wie 
das  gewöhnlich  angenommen  wird  (so  z.  b.  von  Vaniöek,  Etyro. 
wb.  d.  lat.  spr.  *  200)  zur  idg.  w.  mS  messen  gehören,  aber  in 
rücksicht  auf  got.  handus  :  hinßan  (s.  o.  s.  198)  liegt  es  näher, 
lat  manus  als  „fassende"  zu  erklären.  [S.  o.  XXYI,  308.  Pr.] 
Sohn.  Über  idg.  ^sänur  (ai.  sünü-s,  av.  hunu^,  got.  sunus, 
lit  sünüs,  abulg.  sym)^  daneben  mit  anderem  suffix  gr.  vl6g^ 
vit/g,  könnte  man  zweifeln,  ob  es  der  „erzeugte*^  oder  den 
künftigen  „erzeuger"  bedeutet;  Delbrück  (aao.  453)  und  Schrader 
(aao.  781)  nehmen  z.  b.  ersteres,  Benfey  (Griech.  wrzUex.  I,  410) 
letzteres  an.  Wenn  wir  aber  erwägen,  dass  neben  idg.  ^sänü- 
der  präsensstamm  ai.  mnu-  (sunöti  presst  aus,  keltert),  neben 
gr.  viO"  der  präsensstamm  vo-  :  vb-  (vei  es  regnet)  liegt,  so 
kann  es  nicht  zweifelhaft  sein,  dass  idg.  *8ünü,  gr.  vlog  den 
künftigen  erzeuger  bezeichnet.  Hingegen  ist  ai.  sutd-a  söhn 
„der  geborene*^  Letzteres  ist  auch  die  bedeutang  des  alb.  bir, 
das  Pedersen  (KZ.  XXXIII,  541)  zu  aisl.  burr  stellt;  zu  dieser 
ansieht  war  auch  ich  unabhängig  Ton  Pedersen  gekommen,  zu* 
nächst  an  got.  baür  denkend ;  aber  schon  lange  vor  Pedersen 
und  mir  hat  Diefenbaoh  (Vgl.  wb.  d.  got  spr.  I,  261),  wenn 
auch  nicht  gerade  got  baür,  so  doch  das  wurzelverwandte  got. 
bam  kind,  dem  im  suffix  alb.  bafe  last  (s  idg.  *bhornä)  sehr 
nahe  steht,  zu  alb.  bir  gestellt;  trotzdem  bezeichnet  Schrader 
aao.  letzteres  als  „dunkel'^  —  Als  etymologisch  dunkel  gelten 
arm.  uatr  und  ordi.  Während  man  früher  (vgl.  die  bei  Lagarde, 
Arm.  stud.  120  verzeichnete  literatnr)  ordi  zu  2A.pidrd^  söhn, 
kind  gestellt  hat,  hat  neuerdings  Bartholomae  (Stud.  z.  idg. 
sprachgesch.  II,  33  anm.  2)  versucht,  ustr  und  ai.  putrd^  in 
etymologischen  Zusammenhang  zu  bringen,  dabei  aber  auch 
darauf  hingewiesen,  was  dagegen  spricht  Mit  grösserer  Zuver- 
sicht verbinde  ich  ustr  mit  ai.  uksd  stier,  cymr.  ych,  got  aüksa 
ochse,  ai.  uksdfi  lässt  träufeln,  besprengt,  und  ohne  das  wurzel 
erweiternde  8  :  gr.  vyQog,  aisl.  vgkr  feucht  n.  a.;  zu  gründe 
liegt  dem  arm.  ustr  ein  idg.  ^tAter-,  dessen  volares  k  nach  u 
eben  so  durch  arm.  8  vertreten  ist  wie  bei  arm.  dustr  tochter 
aus  idg.  ^dhukter-  und  arm.  tisanim  lerne  :  abulg.  vyknqti  sich 
gewöhnen  (vgl.  Hübschmann,  Arm.  gramm.  I,  408,  440,  484). 
Eine  andre  erklärung  von  ustr  versucht  Müller  (MSL.  VlI,  162). 
Was  wdi  betrifft,  so  hat  Bugge  (Beitr.  z.  etym.  erläut  d.  arm. 
spr.  28)  es  durch  zurückführung  auf  ein  idg.  ^gairii^  mit  lat. 


CtymologieD.  221 

Uterus  mutterleib,  got.  qi^ra-  in  laus^ißrs  leermagig  zasammen- 
bringen  wollen;  doch  ein  idg.  ^gotriö-  hätte  nach  Bartholomae 
(aao.  anm.  1)  ^kori  oder  ^koir  ergeben.  Windischmann  (D. 
grundl.  d.  arm.  im  ar.  sprachst.  38,  3)  verbindet  ordi  mit  gr. 
noqtiq  kalb,  junge  kuh,  doch  stellt  jetzt  Bugge  (aao.  9;  mit 
besserem  recht  zu  letzterem  arm.  ort  kalb;  Hübschmann  (aao. 
483)  hält  diese  Zusammenstellung  für  unsicher;  aber  über- 
zeugend ist  auch  Windischmann's  etymologie  nicht.  Da  sich 
arm.  ordi  auf  idg.  *ardh^  zurückführen  lässt,  verbinde  ich  es 
mit  mhd.  nhd.  art  angeborene  eigenschaft;  allerdings  kann  das 
t  von  art  auch  auf  idg.  i  zurückgehn,  aber  auch  in  diesem  fall 
braucht  art  nicht  von  arm.  ordi  getrennt  zu  werden,  denn  im 
Armenischen  wird  idg.  -r^-  lautgesetzlich  zu  -rd"  (üübschmann, 
aao.  408);  weiterhin  ist,  da  bei  Zugrundelegung  einer  idg.  w. 
erdh  :  ordh  das  dh  Wurzelerweiterung  ist,  die  in  ags.  2.  sing. 
eartj  pl.  earany  lit.  yrä  steckende  idg.  Yf.  er  i  ar  sein  (Job. 
Schmidt»  KZ.  XXV,  595)  zu  vergleichen;  die  konkrete  grund- 
bedeutung  dieser  idg.  w.  er  :  ar  ist  wol  „geboren  werden", 
„seinen  Ursprung  nehmen'S  denn  auch  lat.  ariar  erhebe  mich, 
entstehe,  ardiar  &nge  an,  sind  verwandt;  auch  abulg.  rad^  ge- 
schlecht, gehurt,  natur  ziehe  ich  hierher,  indem  ich  vorslavische 
metathesis  von  idg.  ar^  zu  ro-  annehme;  schon  Ebel  (KSB. 
I,  428)  hat  rad^  und  art  zusammengestellt  Von  art  angeborne 
eigentümlichkeit  ist  ahd.  mhd.  art  ackerbau,  ackerung  (zu  lat. 
ara,  gr.  agow  pflüge  usw.)  ganz  zu  trennen.  Ist  die  hier  ge- 
gebne erklärung  des  arm.  ordi  richtig,  so  würde  es  „zum  ge- 
schlecht,  zur  familie  gehörig'^  bedeuten ;  dieselbe  bedeutung  hat 
man  ja  auch  für  lat  filius  bei  der  lautlich  unmöglichen  Zu- 
sammenstellung mit  gr.  (pvlijy  qwXov  (Thumeysen  o.  XIII,  281 
anm.)  angenommen.  —  Im  Keltischen  haben  wir  air.  mciccj 
cymr.  mab,  über  die  zuletzt  E.  Zupitza  (KZ.  XXXVI,  237)  ge- 
handelt hat,  nachdem  er  schon  früher  (Germ,  gutt  65  f.)  got. 
magus  knabe,  knecht  dazu  gestellt  hatte;  abweichend  von 
£.  Zupitza  führe  ich  air.  nMcc  auf  idg.  *fnaJcn68  zurück,  auf 
das  auch  lat.  magnus  gross  zurückgeht,  dessen  übliche  Zusam- 
menstellung mit  arm.  mec,  alb.  nmd'  (best,  ntad-i),  gr.  fiiyag^ 
fi^yalo-,  got.  mikils  gross  des  a  wegen  bedenklich  ist;  im  suffix 
entsprechen  einander  einerseits  maec  und  lat.  magnus^  andrer- 
seits mab  und  got  magus.  Über  die  weiter  zugehörigen  Wörter 
bandle  ich  weiter  unten  in  einem  besondern  artikel. 


222  Wiedemand 

Tochter.  Das  idg.  wort  für  tochter  (ai.  duhää,  av.  duy- 
dar-,  arm.  dtistr,  gr.  ^vyartjQy  got.  daühtar^  lit.  dukte,  abulg. 
dzfäti)  bat  man  von  jeher  in  etymologischen  Zusammenhang  mit 
ai.  dögdhi  melkt,  milcht  gebracht,  dabei  aber  das  wort  teils  als 
„melkerin'S  teils  als  „säugend**,  „nährend'^  teils  als  „saugend** 
erklärt.  Die  erstgenannte  auffassung  halte  ich  für  die  richtige ; 
das  Objekt  des  melkens  ist  pätim  (z.  b.  RV.  I,  105,  2);  wie  bei 
idg.  *8änilh  ist  also  auch  hier  die  künftige  geschlechtsfunktion 
bezeichnet. 

Bruder.  Etymologisch  unaufgeklärt  ist  bisher  alb.  vsldj 
vi&.  Zwar  hat  6.  Meyer  (Alb.  Stud.  UI,  36)  es  in  der  weise 
mit  idg.  ^bkräter^  zusammenzubringen  versucht,  dass  er  darin 
eine  koseform  sah,  wie  eine  solche  z.  b.  auch  in  lit.  brölis  vor- 
liegt. Aber  t^^-  bietet  Schwierigkeiten,  denn  avui  dunst,  auf  das 
6.  Meyer  sich  beruft,  indem  er  letzteres  zu  der  sippe  von  ai. 
abhrd-s  trübes  wetter,  gewölk,  luftraum,  staub  stellt,  muss  von 
dieser  getrennt  werden,  da  sie  auf  eine  nasalirte  wurzel  (idg. 
*embh)  zurückgeht,  wie  lat  imber  platzregen,  air.  imrim  stürm 
zeigen  (Johansson,  IF.  IV,  139);  ob  Johansson  (aao.  anm.  1) 
avui  richtig  mit  gr.  aelka  zusammenstellt,  bleibt  fraglich.  Was 
aber  velä  anlangt,  so  hat  G.  Meyer  (Etym.  wb.  470)  einen  weg 
gezeigt,  dw,  wie  mir  scheint,  zum  ziel  führt:  er  erinnert  an 
idg.  Verwandtschaftsnamen  mit  anlautendem  sve-.  Hieran  an- 
knüpfend, stelle  ich  veld  zu  aisl.  svili  brother-in-law,  pl.  sväar 
the  husbands  of  two  sisters;  zu  letzteren  stellen  Kluge  (KZ. 
XXVI,  86)  und  Hoffmann  (o  XXI,  142)  gr.  €lJiiov€g'  oi  .  .  . 
ädeXq>as  yTjfiavres  ofidyafißQOi  rj  ovyyafißQOi  (Pollux  III,  32); 
doch  bereiten  andre  gr.  dialektformen  lautliche  Schwierigkeiten 
(Meister,  o.  XVUI,  324  ff.),  so  dass  diese  griechischen  Wörter 
besser  bei  seite  bleiben.  Wenn  wir  annehmen  dürfen,  dass  dem 
urgerm.  *8wüjan'  ein  wort  für  „Schwester**  zu  gründe  liegt,  so 
wäre  dies  das  dem  alb.  velä  entsprechende  femininum;  doch 
kann  aisl.  spili  ursprünglich  auch  „bruder**  oder  „vetter**  be- 
deutet haben  (Schrader,  Reallex.  754),  was  die  heranziehung 
des  alb.  veld  nur  noch  besser  rechtfertigt.  —  Über  gr.  ai^oxa- 
aiyyrjfrog  s.  o.  s.  196  f.  n. 

Grosseltern.  Die  für  die  idg.  Ursprache  zu  erschliessen- 
den  Stämme  ^avo-  (arm.  hav,  lat.  avus,  aisl.  ai,  das  aber  „ur- 
grossvater**  bedeutet),  avä-  (got  awo)  die  noch  von  Delbrück 
(aao.  482)  zu  ai.  dvati  hat  freude,  tut  sich  gütlich,  sättigt  sich. 


Etymologien.  22d 

tut  wol,  tut  gütlich,  sättigt,  bat  gern,  wünscht,  liebt,  findet 
gefallen,  lässt  sieb  angelegen  sein,  beacbtet,  begünstigt,  fördert, 
ermutigt,  bilft,  scbützt  gestellt  werden,  will  Scbrader  (aao.  308) 
davon  trennen  und  von  der  bedeutung  „die  alten*',  „die  vor- 
fabren*'  ausgebn,  wofür  besonders  abd.  ano  grossrater,  ana,  pr. 
ane  grossmutter,  lit.  anyta  Schwiegermutter,  gr.  dwig  (Hes.) 
grossmutter  gegenüber  lat.  antM  alte  frau  spricht  Doch  kann 
sich  Scbrader  nicht  dazu  entscbliessen,  beide  gruppen  etymo- 
logisch an  die  anklingenden  präpositionen  ai.  ava  von  her,  bez. 
gr.  dvä  hinauf  anzuscbliessen,  weil  derartige  bildungen  von 
präpositionalstämmen  schwerlich  analoga  haben.  Zu  einem,  wie 
ich  glaube,  annehmbaren,  ergebnis  kommen  wir  aber,  wenn  wir 
von  den  pronominalstämmen  idg.  *avo-  (av.  apers.  at^a-,  abulg. 
ovb  jener),  bez.  idg.  *anO'  (ir.  an(h  er,  lit.  (ifls  jener,  abulg. 
om  jener,  er)  ausgebn  und  annehmen,  dass  idg.  *avO'  :  ^avä-^ 
bez.  idg.  *ano-  :  *ana-  die  grosseltern  als  „entferntere''  ver- 
wandte, als  „vorfahren'*  (vgl.  arm.  hav,  nhd.  (ihnen)  bezeichnen. 
—  Unaufgeklärt  sind  bisher  alb.  güi,  güie.  Zwar  hat  Bugge 
(o.  XVni,  176)  versucht,  sie  als  lehnwörter  aus  lat.  ^aviüsius, 
bez.  *aviü8ia  zu  deuten;  solche  lateinische  formen  sind  aber 
wenig  wahrscheinlich,  zumal  wenn  *avü8iu8,  -ia  bestanden 
haben.  Ich  versuche  die  albanischen  Wörter  als  einheimische 
zu  deuten.  Da  alb.  tregüä  urgrossvater,  katrajfüä  ururgross- 
vater,  peseguä  urururgrossvater  bedeutet,  d.  h.  dritter,  vierter, 
fünfter  vater,  so  darf  man  annehmen,  dass  güS,  güäe  ursprüng- 
lich nicht  die  grosseltern,  sondern  die  eitern  bezeichnet  haben 
(vgl.  alb.  täte  vater,  das  im  südalb.  auch  „grossvater*'  bedeutet, 
und  lat  parente»  eitern,  oder  auch  „grosseltern");  unter  dieser 
Voraussetzung  lassen  sich  alb.  g'üä,  güäe  auf  idg.  *8ü8Ö8,  bez. 
*8il8ä  zurückfuhren  und  alb.  güäe  stimmte  dann  in  laut  und 
betonung  (Pedersen,  o.  XIX,  295)  genau  zu  ai.  süsä  (AV.  I, 
11,  3)  gebärende.  —  Unter  den  wörtem,  die  eine  generation 
von  vorfahren  bezeichnen,  verdient  noch  lat.  tritavus,  das  den 
am  weitesten  zurück  liegenden  vorfahren,  also  den  ahnherm, 
bezeichnet,  beachtung.  Neben  tritavus  liegt  das  bei  Festus  31 
überlieferte  sti^üavus,  auf  grund  dessen  Bury  (Glass.  rew.  II,  43) 
abulg.  starb  alt  zum  vergleich  herangezogen  hat  Ob  das 
richtig  ist,  mag  dahingesteUt  bleiben  (Miklosich,  Etym.  wb.  320 
stellt  starhf  das  zunächst  dem  aisL  siörr  gross  genau  entspricht, 
zu  ai.  sthird-s  starr,  fest),  jedenüedls  aber  ist  von  der  form  mit 


m  Wiedemann 


str-  auszugehn  und  an  diese  klingt  alb.  Ster^  in  iUrgui  or- 
grossvater,  ätergüie  urgrossmutter  u.  a.  bei  6.  Meyer  (Etym. 
wb.  416)  verzeichnete  wörtem  so  auffallend  an,  dass  6.  Meyer's 
Vermutung,  letzteres  sei  aus  ital.  stra^  entlehnt,  sehr  unwahr- 
scheinlich ist;  (8)trü-  und  äter-  gehören  meiner  meinung  nach 
zu  lat.  sUrps  stamm,  trabs  balken,  stamm  und  deren  sippe, 
(8)trüaiu8  bedeutet  also  auch  der  etymologie  nach  „stamm - 
vater'S  ,,stammahn**;  in  dem  4-  steckt  ein  suffix,  doch  könnte 
man  auch,  was  allerdings  unwahrscheinlicher  ist,  an  Übertragung 
von  cU-,  das  zu  lat  at-,  abulg.  otb  weg  gehört,  denken.  Im 
an  laut  haben  wir  in  sfriU  neben  trit-  dasselbe  Verhältnis  wie 
in  stirps  neben  trabs.  —  Über  av.,  nyäka-,  nyäks-^  die  man  zu 
ai.  ni-aficcUi,  ni-ctcati  biegt  nieder,  beugt  sich  gezogen  und  als 
„gekrümmt**  gedeutet  hat,  möchte  ich  nur  bemerken,  dass  sie 
lautlich  eben  so  gut  und  begrifflich  jedenfalls  besser  zu  spätahd. 
eninchüt  enkel  gezogen  werden  können,  das  ja  etymologisch  zu 
ahd.  ano  ahn  gehört,  also  zu  einem  wort,  das  in  seiner  bedeu- 
tung  zu  av.  nyäka-  stimmt;  dann  wäre  -ka-  suffixal,  das  ä 
enthielte  die  wurzel. 

Enkel.  Zu  besprechen  ist  hier  nur  arm.  forn,  das  bei 
Delbrück  (aao.  479)  und  Schrader  (aao.  183)  als  „dunkel'*  be- 
zeichnet wird  und  bei  Hübschmann  fehlt.  Lautlich  einwandfrei 
dürfte  es  wol  sein,  forn  zu  lit.  tafnas  diener,  ai.  tarnors  kalb 
zu  stellen;  die  begriffe  vermitteln  ai.  tdruna-s,  gr.  jigapf  jung, 
zart,  osset.  tarin  knabe,  lat.  tlrö  rekrut,  neuling,  lehrling,  das 
trotz  Solmsen  (KZ.  XXXIV,  2)  von  %iQr][¥  und  seiner  sippe  nicht 
getrennt  werden  darf,  wenngleich  auch  das  l  noch  nicht  befrie- 
digend erklärt  ist;  wahrscheinlich  liegt  dem  %  zunächst  t  zu 
gründe  (vgl.  z.  b.  falle  wie  lit.  skyrius  unterschied  :  skiriü 
scheide),  keinesfalls  aber  ist  l  aus  e  entstanden  und  die  frage 
ist  nur  im  Zusammenhang  mit  dem  von  Niedermann  in  seiner 
dissertation  „«  u.  i  im  Lateinischen*'  Darmstadt  1897)  behan- 
delten Problem,  das  übrigens  Niedermann  noch  nicht  gelöst  hat, 
zu  entscheiden.  Darnach  dürfen  wir  für  arm.  forn  von  der 
bedeutung  „kind**,  „söhn**  ausgehn,  wofür  ir.  auBj  falls  es  auf 
idg.  ^pavias  (zu  gr.  rcdßig,  Ttaig  usw.)  und  nicht,  was  doch 
wol  viel  eher  der  fall  ist,  auf  idg.  *avio8  (zu  lat.  avus  usw.) 
zurückgeht,  ein  analogen  bietet.  Da  auch  bei  lit.  tafnas  von 
der  bedeutung  „kind**  ausgegangen  werden  kann  (vgl.  ausser 
anderen  wörtem  besonders  lit.  birnas  knecht  :  got.  barn  kind). 


Etymologien.  225 

so  ist  es  unnötig,  mit  Flensburg  (Stud.  a.  d.  geb.  d.  idg.  wrzlbild. 
I,  89,  99)  für  tarnas  von  der  bedeutung  „flink''  auszugehn. 

Oheime  und  tauten,  neffen  und  nichten.  Unter  den 
hierher  gehörenden  Wörtern  bespreche  ich  zunächst  das  slavi- 
sche  wort  für  „bruder  des  vaters''  :  abulg.  stryjh.  Delbrück 
aao.  500  und  Schrader  aao.  595  wissen  es  nicht  zu  erklären; 
Miklosich  (Etym.  wb.  327)  vergleicht  lit  strujus  greis,  mit  dem 
man»  ganz  abgesehen  davon,  dass  es  offenbar  slav.  lehnwort  ist, 
nichts  machen  kann  (vgl.  Leskien  bei  Delbrück  aao.  497 
anm.  2).  Da  das  abulg.  wort  erst  aus  jüngeren  denkmälem 
belegt  ist,  hindert  uns  nichts  von  einem  älteren  *8htryjh  auszu- 
gehn; dann  aber  liegt  hierin  eine  Zusammensetzung  *sii4ryjb 
vor,  deren  erstes  glied  die  präposition  abulg.  sh  (vgl.  verwandt- 
schaftsnamen  wie  gr.  d-ve^tpiog^  lat.  con-sobrlnus)  ist,  während 
das  zweite  glied  tr-  aus  idg.  ptr-  enthält  und  sich  von  ai. 
pürvya-s  nur  im  vokalismus  unterscheidet  (vgl.  die  namen  für 
„vater^^  mit  idg.  ^  die  Joh.  Schmidt,  KZ.  XXV,  34  aus  idg. 
pt'  erklärt,  wie  mir  scheint,  mit  recht).  Für  meine  auffassung 
dieses  slavischen  wertes  spricht  auch  obers.  tryk,  das  s^  nicht 
enthält.  —  Mit  dem  idg.  wort  für  „vater*'  hängt  nach  Grimm 
(Wörterb.  I,  1147)  auch  ahd.  basa  vaterschwester  zusammen. 
Auf  grund  dieser  Vermutung  hat  Bugge  (PBB.  XIII,  175)  ahd. 
basa  als  eine  koseform  aus  urgerm.  * fadurswSst^,  ^faPurswSsö 
zu  erklären  versucht.  Das  halte  ich  für  unwahrscheinlich,  ob- 
gleich Kluge  (Etym.  wb.  ^  33)  und  Schrader  aao.  847  ebenfalls 
etymologischen  Zusammenhang  mit  ahd.  fatar  annehmen.  Einen 
weg  zur  etymologischen  deutung  des  ahd.  basa  weist  uns  das 
alb.  mbese,  bese  enkelin,  nichte.  Zwar  meint  G.  Meyer  (Etym. 
wb.  265)  mbese,  bese  und  basa  seien  nicht  zusammenzubringen; 
aber  ich  glaube,  dass  es  doch  möglich  ist.  Pedersen  (o.  XX, 
232)  hat  alb.  mbese,  bese  auf  idg.  *nep6tiä  zurückgeführt;  das 
halte  ich  für  richtig,  nur  setze  ich  statt  idg.  *nepotiä  idg. 
*n(e)potia,  *mp6tj^  an.  Auf  einer  form  idg.  *nepot'  oder 
*nepöt^  also  mit  dem  ton  nicht  auf  der  ersten  silbe,  beruht 
meiner  meinung  nach  nun  auch  ahd.  basa,  indem  ich  die  reihe 
urgerm.  *fiibjL,  *n(ijbj.,  *mbj.,  i_  (auf  die  übrigen  laute 
kommt  es  nicht  an)  annehme.  Das  -a-  ist  wol  durch  einfluss 
eines  dem  ags.  fadu,  afries.  fethe  vatersschwester  entsprechenden 
verlorenen  worts  zu  erklären,  falls  man  nicht  neben  idg.  ^nepöf- 
und  *nept'    noch    ein  idg.  ^nepcU-  annehmen  darf;    das  s  ist 

B«itTl^  B.  künde  d.  indg.  apnebeii.    XX VII.  15 


226  Wiedemanü 

^suffixal.  Wenn  mit  E.  Leumann  (Festrgr.  an  Böhtlingk  77  f.) 
idg.  '^fUpöt'  zu  idg.  ^patir-  vater  zu  stellen  ist,  was  Delbrück 
aao.  504,  Bartholomae  (Stud.  z.  idg.  sprachgesch.  II,  31  anm.  5) 
und  Fowler  (Negatives  of  the  indo-europ.  lang.  3)  allerdings 
bezweifeln,  hängt  abd.  basa  etymologisch  in  der  tat  mit  ahd. 
fcUar  zusammen,  wenn  auch  nicht  so  nahe,  wie  Bugge  will; 
doch  halte  auch  ich  Leumann's  etymologie  nicht  für  über- 
zeugend. 


3.    Got.  brusts  und  andre  idg.  benennungen  der  brüst. 

Zu  den  etymologisch  noch  immer  nicht  befriedigend  auf- 
geklärten Wörtern  gehört  auch  das  gemeingermanische  wort  für 
brüst:  got.  brusts,  ahd.  bmst,  ndd.  ndl.  borst,  daneben  mit 
andrem  vokaUsmus  aisl.  brjöst,  ags.  brSost,  afries.  bricht,  as. 
briost  Früher  hat  man  unser  wort  wol  ziemlich  allgemein  zu 
aisL  brjöta,  ags.  brSotan  brechen,  mhd.  briegen  hervorbrechen, 
aufschwellen,  knospen  gestellt  und  auch  as.  brustian  aufbrechen 
herangezogen,  also  für  st-  in  brusts  entstehung  aus  idg.  d  '\-  t 
angenommen,  so  dass  also  als  ursprüngliche  bedeutung  von 
brtMts  „schwellend"  anzusetzen  wäre.  Heute,  wo  wir  wisse«, 
dass  idg.  dental  +  t  zu  urgerm.  -«s-  wird  (vgl.  Noreen,  urgerm. 
lautl.  190  ff.  und  die  dort  verzeichnete  literatur),  dürfen  wir 
brusts  nur  dann  auf  eine  wurzel  mit  auslautendem  urgerm.  t 
zurückführen,  wenn  wir  annehmen,  dass  unserm  wort  zunächst 
ein  «-stamm  zu  gründe  liegt  (über  derartige  erweiterungen  alter 
8-stämme  vgl.  Brugmann,  IF.  VI,  102 £P.;  wo  aber  ahd.  quisi 
verderben,  Vernichtung  sicher  zu  streichen  ist);  aber  brusts, 
das  noch  spuren  konsonantischer  flexion  zeigt,  macht  durchaus 
den  eindruck  eines  primären  nomens.  Und  was  as.  brustian 
betrifft,  so  darf  es  nicht  von  as.  ahd.  brestan  brechen,  reissen, 
bersten  getrennt  werden,  sein  u  ist  also  nicht  idg.  u,  worauf 
das  u  in  brüst,  da  es  im  ablaut  zu  u-diphtongen  steht,  notwen- 
dig zurückgeführt  werden  muss. 

Noch  bedenklicher  als  die  Zusammenstellung  von  brusts  mit 
aisl.  brjöta  usw.  und  mit  as.  brustian  ist  in  lautlicher  beziehung 
die  von  Bugge  (PBB.  XIII,  320  ff.)  versuchte  etymologie,  der 
zufolge  brusts  zu  abulg.  prbsi  pl.  tant  brüst,  ai.  pr^fl-s,  pdr- 
(U'S,   av.  pdr^su-  rippe  gehört.     Gegen  sie  spricht  1)  germ.  b 


Etymologien.  227 

a=  idg.  p-f  2)  der  umstandy  dass  in  got.  maffistus  mit  h  vor  st 
nicht  geschwunden  ist,  obgleich  das  wort  isolirt  steht,  3)  der 
in  aisl.  brjögt  usw.  vorliegende  diphthong,  den  Bugge  als  sekundär 
betrachten  muss.  Bugge's  etymologie  hat  daher  ausser  Vercoullie 
(Beknopt.  etym.  woordenb.  d.  nederl.  taal  '  40)  wol  kaum  einen 
anhänger  gefunden. 

Bei  Kluge  (Etym.  wb.  «  60)  und  Schrader  (Beallex.  466) 
wird,  wol  infolge  der  andeutung  bei  Windisch  (KSB.  VUI,  430), 
brusts  in  etymologischen  Zusammenhang  mit  ir.  bruinne  brüst 
gebracht,  wogegen  an  sich  nichts  einzuwenden  wäre,  denn  ir. 
bruinne  kann  auf  urkelt.  ^brüsniä  zurückgehn.  Dass  aber  ir. 
bruinne  nicht  auf  diese  form  zurückgeführt  werden  darf,  be- 
weisen cymr.  brynn  coUis,  so  dass  Stokes  (Fick  U  \  184)  für 
alle  diese  wörter  eine  keltische  wurzel  brend  schwellen  ansetzt; 
weiter  vergleicht  Stokes  die  von  mir  (o.  XIII,  310)  mit  einander 
zusammengestellten  gr.  ßqhd'og  stolz,  ßgevdvofiai  brüste  mich, 
lat.  grandis  gross,  bedeutend,  wozu  Bezzenberger  auch  noch 
das  ebenfalls  von  mir  verglichene  abulg.  grqdh  brüst  fügt.  Doch 
lässt  sich  nicht  entscheiden,  ob  kelt.  brend^  s  idg.  *jmrendh' 
oder,  wie  Stokes  früher  (o.  IX,  88)  angenommen  hat  und  wie 
auch  E.  Zupitza  (Germ.  gutt.  129)  annimmt,  ob  es  —  idg. 
*bhrendh'  ist.  Zu  gunsten  der  letzteren  annähme  scheint  mir 
der  umstand  zu  sprechen,  dass  sonst  zwei  nicht  benachbarte 
Völker  kein  gemeinsames  wort  für  „brüst''  haben,  was  für  die 
slaven  und  kelten  bei  zurückfuhrung  von  kelt.  brend-  auf  idg. 
g^rendh-  der  fall  sein  müsste.  Für  viel  wahrscheinlicher  halte 
ich  es  aber,  dass  kelt.  brand-  auf  idg.  bhrend-  zurückgeht  (s.  u. 
8.  243). 

Endlich  hat  Uhlenbeck  (Kurzgef.  etymol.  wb.  d.  got.  spr.  * 
32)  u.  a.  die  Vermutung  ausgesprochen,  brusts  bedeute  „die 
schwellende'*  und  gehöre  mit  as.  brustian  knospen  zu  slov., 
serb.  brst,  klruss.  brosth  knospe  und  weiter  zu  den  schon  oben 
erwähnten  aisl.  brjöta,  ags.  brSotan,  mhd.  brieeen.  Lautlich 
könnte  urgerm.  brüst-  sich  mit  urslav.  *brhst'^  worauf  die  ge- 
nannten slav.  Wörter  zurückgehn,  decken,  aber  nur  unter  der 
Voraussetzung,  dass  beide  auf  ein  idg.  ^bhrust-  zurückgehn. 
Da  jedoch  slav.  -8^-  auch  auf  dental  +  t  zurückgehn  kann, 
wird  man  diese  im  Slavischen  isolirt  stehenden  Wörter  von  aisl. 
brjöta  usw.  wol  kaum  trennen  dürfen  und  as.  brustian  enthält, 
wie   wir   oben  gesehen   haben,    kein  idg.  u.     Weiter  erwähnt 

16* 


22d  Wiedemanü 

Uhlenbeck  als  möglicherweise  verwandt  auch  noch  ags.  brysan 
brechen,  air.  &rfifm  zerschlage,  zerschmettern;  aber  diese  liegen 
in  der  bedeutung  doch  zu  weit  von  brusts  ab,  denn  es  tritt  bei 
dieser  sippe,  zu  der  auch  ahd.  brösma,  andd.  brösmo  brosara, 
krume,  bröcklein  gehört,  nur  der  begriff  des  zerbrechens  hervor. 

So  bleibt  also  eine  etymologie  für  hrusis  noch  zu  suchen. 

Sehen  wir  uns  zunächst  in  den  germanischen  sprachen  um, 
so  könnten  nach  laut  und  bedeutung  in  betracht  kommen  aisL 
brjösk  knorpel,  mhd.  brüsche,  nhd.  brausche  beule  (dazu  nhd. 
dial.  brauBchj  Gebhardt,  PBB.  XXIV,  409  ff.,  wo  mit  recht 
franz.  brusque  frech  als  germ.  lehn  wort  aufgefasst  wird),  die 
schon  von  Diefenbach  (Vergl.  wb.  d.  got.  spr.  I,  331)  und 
Bezzenberger  (o.  II,  191)  zu  brusts  gestellt  sind;  ferner  sind 
zu  nennen  nhd.  dial.  brües,  dazu  das  demin.  nhd.  bröschen 
brustdrüse  der  tiere,  engl,  brisket  tierbrust,  die  ebenfalls  schon 
Diefenbach  aao.  erwähnt  hat.  Alle  diese  Wörter  lassen  sich 
auf  eine  idg.  w.  bhreus  schwellen  zurückführen;  aber  eben  so 
gut  können  sie  vor  s  ein  t  eingebüsst  haben  und  gehören  dann 
zu  der  sippe  von  aisl.  brjöta,  in  welchem  fall  brusts  von  ihnen 
getrennt  werden  muss. 

Von  den  bei  Diefenbach  aao.  genannten  Wörtern,  die  er 
nebst  brusts  gern  zu  der  sippe  des  got.  bairan  tragen  ziehen 
möchte,  gehören,  was  ja  heute  selbstverständlich  ist,  nicht  hier- 
her die  unter  d  angeführten  Wörter  aisl.  bringa  brüst,  schwed. 
bringa^  dän.  bringe  brüst,  bruststück  grosser  tiere.  Wenn  ich 
dennoch  diese  Wörter  hier  erwähne,  so  geschieht  es,  weil  ich 
glaube,  sie  befriedigend  erklären  zu  können.  E.  Zupitza  (Germ, 
gutt.  129)  stellt  aisl.  bringa  zu  lit.  brinkti  quellen,  schwellen, 
brankä  anschwellen,  brankszöti  emporstarren,  russ.  nabrjaknut' 
anschwellen,  gr.  ß^axerov  Ttkfjd'og,  ßgäftsiv'  nkfjd-vveLv  Hes. 
An  und  für  sich  lässt  sich  gegen  diese  Zusammenstellung  nichts 
einwenden;  aber  zunächst  verdienen  doch  wol  andre  Wörter, 
und  zwar  aus  den  germanischen  sprachen,  berücksichtigung,  da 
sie  lautlich  dem  aisl.  bringa  sehr  nahe  stehn:  got.  briggan^  ags. 
bringan,  ahd.  bringan,  as.  brengian  bringen,  die  £.  Zupitza 
(aao.  209)  mit  Stokes  (Fick  11  *,  186)  zu  cymr.  he-brwng  de- 
ducere,  corn.  hem-bronk  deducet  stellt;  femer  ist  zu  nennen: 
aisl.  at  brgngo  (Hamdismäl  20)  klemme,  das  Falk  (Akad.  afhdl. 
til.  S.  Bugge  13  f.)  mit  norw.  dial.  brank  bruch,  schaden, 
branka  beschädigen,  brechen,  verrenken,  zerren,  brankutt  abge- 


Etymologien.  229 

tragen,  abgestossen,  zernagt  (deren  -tti-  anf  älterem  'ftg-  be- 
ruht) zu  ai.  bhrqga-8  fall,  verlust  stellt,  womit  er  nach  dem 
Vorgang  andrer  ir.  brec  lüge  verbindet;  nach  Bugge  (Eddaaus- 
gabe 320)  gehören  zu  brgngo  :  nisl.  brang  lärm,  tumult,  schwed. 
dial.  bränga  gewaltsam  andringen  ^  wozu  E.  Zupitza  (aao.  188) 
noch  engl,  to  brangle  streiten,  zanken  fügt,  in  dem  er  die  be- 
deutung  durch  hinweis  auf  engl,  to  fdll  out  zu  vermitteln  sucht. 
Letztere  annähme  ist,  ganz  abgesehen  davon,  dass  ai.  bhrtffc^s 
nach  ausweis  des  part.  -bhr^fa-s  keinen  wurzelhaften  nasal 
enthält,  also  aus  der  reihe  der  hier  genannten  Wörter  auszu- 
scheiden ist  ^),  nicht  nötig,  wie  lat.  pugno  kämpfe  :  gr.  nvni- 
vog  TtvKvcg  dicht  gedrängt,  alb.  pud-  küsse  (eig.  umarme), 
pud't&A  presse,  umarme  (0.  Meyer,  Etym.  wb.  d.  alb.  spr.  356) 
zeigt.  Von  der  bedeutung  „fest  umschliessen"  lassen  sich  alle 
in  den  genannten  Wörtern  der  germanischen  sprachen  auf- 
tretenden bedeutungen  ableiten,  wie  z.  b.  got.  preihan  drängen, 
lit.  trefikti  heftig  stossen,  lat.  truncus  cymr.  trüch  verstümmelt 
mit  derselben  bedeutungsentwicklung  zeigen.  Dass  auch  für 
aisl.  bringa  brüst  von  der  bedeutung  „fest  umschliessen"  aus- 
zugehn  ist,  zeigt  das  schwed.  bringa,  das  die  variarum  rerum 
vocabula  mit  „thorax''  übersetzen;  mit  „thorax''  ist  doch  wol 
,,brustkorb'*  gemeint.  Darnach  darf  man  annehmen,  dass  die 
bedeutung  „brusf'  bei  aisl.  bringa  sich  aus  der  bedeutung 
„rippe'*  entwickelt  hat,  wie  das  ja  bei  abulg.  prbsi  gegenüber 
ai.  pdrgU'8  der  fall  ist.  Etymologisch  gehören  zu  den  zwei 
letzteren  wörtem  pr-  pirsten,  lit  pirsztas,  abulg.  prtsh^  finger, 
was  auch  schon  bei  Grimm  (Dtsch.  wb.  ü,  443  s.  v.  brüst)  an- 
genommen wird,  und  so  gehört  auch  aisl.  bringa  zu  got.  brig^ 
gan,  wie  schon  Tamm  (Etym.  ordb.  59  s.  v.  2  bringa)  für  mög- 

1)  Eben  so  gehört  auch  ir.  bree  nicht  hierher,  gans  abgesehen  da- 
von, dass  seine  bedeutnng  sich  weder  mit  der  des  ai.  brcfipa-ty  noch  mit 
der  des  aisl.  br^ngo  vereinigen  lässt ;  ich  stelle  brie  zu  aisl.  hringla  kreis 
aus  idg.  '^g^mk-,  daneben  idg.  *gffr«nJ^'  in  lit.  grmsiü  drehe,  engl,  erank 
krümmung,  ahd.  ehrancholdn  straucheln,  schwach  werden,  mhd.  krane 
schwach,  kraftlos,  nichtig,  gering,  schlank;  gr.  ßgoxog,  ßQox^s  schlinge, 
zu  dem  man  hringla  und  gr^ü  gewöhnlich  stellt  (s.  z.  b.  E.  Zupitza, 
aao.  62),  muss,  da  es  keinen  nasal  enthält,  fernbleiben.  Mit  Bezzen- 
berger  (Fick  11  ^  188)  hrM  zu  ahd.  hrumb  krumm  zu  stellen,  verbietet 
der  germanische  labial;  begrifflich  ist  diese  Zusammenstellung  weit  ein* 
leuchtender  als  die  mit  ai.  hhrc^a-». 


230  Wiedemann 

lieh  hält;  nur  dass  die  bedeutung  urBprünglich  ,, tragender 
körperteil'^  oder  ,,erhöhter,  hervorstehender  körperteil"  gewesen 
ist,  wie  Tamm  annimmt,  halte  ich,  wenn  wir  auf  die  ausser- 
germanischen  verwandten  von  got.  briggan  rücksicht  nehmen, 
nicht  für  richtig.  Über  got.  briggan  hat  ganz  neuerdings  Brug- 
mann  (IF.  XII ,  154  ff.)  gehandelt  Brugmann  sieht  in  got. 
briggan  und  in  den  o.  (s.  228)  und  bei  Fick  II  S  186  ange- 
führten keltischen  Wörtern  eine  Verschmelzung  der  wurzeln  idg. 
bher  und  idg.  enekj  enJc,  nek.  Ist  das  richtig,  so  ist  eine  der- 
artige Verschmelzung  nicht  auf  die  germanischen  und  keltischen 
sprachen  beschränkt,  denn  wir  finden  auch  in  andern  idg. 
sprachen  werter,  die  sich  auf  idg.  w.  bhrenk  fest  umschliessen 
zurückführen  lassen. 

1.  Die  bei  Diez  (Etym.  wb.  d.  roman.  spr.  ^  63)  und 
Körting  (Lat. -roman.  wb.  *  163,  no.  1544)  unter  branca  zu- 
sammengestellten romanischen  wörter,  die  zunächst  auf  lat. 
branca  pranke,  pfote  zurückgehn.  Dies  halte  ich  fiir  entlehnt 
aus  einem  gall.  *  branca  s  idg.  *bhr^Jea  arm.  Wenn  Neu- 
mann (Ztschr.  f.  rom.  phil.  V,  386)  unter  berufung  auf  nhd. 
zweig  :  zwei  die  romanischen  wörter  auf  *bi'ramica  zurück- 
führt, hat  er  übersehen,  dass  die  bedeutungsentwicklung  arm : 
zweig  in  ir.  biss  finger  :  aisl.  kvistr  zweig  ein  analogen  hat; 
auch  in  ableitungen  wie  ital.  brancolare  tappen  tritt  die  ur- 
sprüngliche bedeutung  von  roman.  branca  noch  hervor.  Im 
Italischen  würde  die  idg.  w.  bhrenJc  als  frinc-  oder  mit  -g-  statt 
-c-  als  fring-  erscheinen;  vielleicht  gehört  daher  lat.  fringiUa 
(fringuiUa),  fringülus  kleiner  vogel  hierher  (zur  bedeutungs- 
entwicklung „klein"  aus  „fest  umschlossen"  vgl.  gr.  nvyfiaiog 
eine  faust  gross  :  Ttvyfiij  faust :  nvatvog  Ttvxvög  dicht  gedrängt 
und  die  o.  s.  229  genannten  alb.  wörter.)  Die  gewöhnlich 
(z.  b.  bei  Fick  U  »,  175,  Vaniöek,  Etym.  wb.  d.  lat.  spr. «  191) 
zu  fringiUa  gestellten  wörter  liegen,  da  sie  keinen  nasal  halten, 
etwas  ab. 

2.  Das  bei  Miklosich  (Etym.  wb.  23)  angeführte  aruss. 
brusna  quaedam  pars  corporis,  für  das  Sreznevskij  (Materialy 
dlja  slovarja  drevne-russkago  jazyka  181)  nur  einen  beleg 
bietet:  pleäöa  ze  i  grudi  otb  strä'nago  udarenija  i  oth  aabeV" 
nago  i  brusny  jego  bjachu  sini  jdko  i  sukno.  Da  schultern  und 
brüst  genannt  sind,  darf  man  vermuten,  dass  brusny  einen  be- 
nachbarten körperteil  bedeutet,  and  da  liegt  es  denn  sehr  nahe, 


Etymologien.  231 

die  bedeutung  „arm''  anzunehmen  und  brusfia  auf  urslav. 
*brq8na  oder  ^brqsbna  zurückzuführen. 

3.  Auf  eine  idg.  w.  bhrenJc  führe  ich  auch  gr.  (pQoiaara 
(aus  idg.  *bhrenJcjö)  umgebe,  schliesse  ein,  verzäune,  umfriedige, 
versperre,  verwahre  zurück,  das  ja  wol  fast  allgemein  dem  lat. 
farcio  stopfe  voll  gleichgesetzt  wird.  Doch  bezweifeln  Walter 
(KZ.  Xn,  385)  und  Fick  (Vergl.  wb.  I  *,  495)  mit  recht  diese 
Zusammenstellung.  Wie  ja  allgemein  anerkannt  wird,  hat  far- 
cio wurzelauslautendes  idg.  k»,  das  die  labialisation  vor  dem  j 
des  präsenssuffixes  eingebüsst  hat.  Erhalten  ist  der  labialisirte 
guttural  in  lat.  frequens  voll  gestopft,  zahlreich,  reichlich,  das 
aber  eine  andre  Stellung  des  r  zeigt.  Ich  führe  daher  farcio^ 
frequens  auf  eine  zweisilbige  idg.  w.  bherek»  zurück,  zu  der 
auch  das  u  in  lit.  brükti  einzwängen  stimmt  (vgl.  Bezzenberger 
o.  XVII,  216).  Eben  so  weist  auf  eine  idg.  w.  bhereht  das 
alb.  bark  bauch,  von  dem  mbars  mache  trächtig  abgeleitet  ist 
(Pedersen,  o.  XX,  231,  238);  doch  möchte  ich  im  gegensatz  zu 
Pedersen  -ark"  auf  eine  ältere  form  mit  einem  vokal  zwischen 
r  und  k  zurückführen ;  der  vokal  ist  geschwunden  als  die  Wand- 
lung von  altem  -rk-  zu  -f-  schon  abgeschlossen  war.  Über  den 
Wechsel  zwischen  alb.  k  —  idg.  hi  und  alb.  8  vgl.  Pedersen, 
KZ.  XXXVl,  323.  Die  grundbedeutung  dieser  idg.  w.  bhereka  ist 
„voll  sein",  „schwellen'',  kaus.  „voll  stopfen".  Hierher  ziehe 
ich  auch  die  von  W.  Schulze  (Quaest.  ep.  168,  anm.  2)  zwei- 
felnd zu  got.  ana-praggan  bedrängen,  von  E.  Zupitza  (aao.  129), 
wie  erwähnt,  zu  aisl.  bringa  gestellten  hesychischen  ßqd%e%ov^ 
ßgaTTeiVy  die  offenbar  aus  einer  dem  Albanischen  nahestehenden 
spräche  entlehnt  sind. 

Die  hier  besprochene  idg.  w.  hhrenk  hat  eine  nebenform 
mit  wurzelauslautender  media,  die  ausser  in  dem  oben  erwähnten 
lat.  fringiUa  noch  vorliegt  in  schwed.  dial.  brikka  brüst,  aisl. 
brekka,  ndd.  brink  hügel,  engl,  brink  rand,  ufer;  nach  E.  Zu- 
pitza (aao.  198)  gehören  diese  Wörter  zur  sippe  von  got.  marka 
grenze,  was  sehr  unwahrscheinlich  ist.  —  Die  etymologische 
Zusammengehörigkeit  von  gr.  atiqvov  brüst,  abulg.  strana  seite 
und  ahd.  stirna  stim  lässt  mich  die  Vermutung  aussprechen, 
dass  zur  idg.  w.  bhrenk  auch  lat  frons  stirn  gehört;  fronU 
kann  aus  *froncU  entstanden  sein.  Dieselbe  bedeutungsent- 
wicklung,  die  ich  hier  für  die  idg.  w.  bhrenk  angesetzt  habe 
(„fest  umschliessen"  :  „tragen")  zeigt  auch  gr.  araynij  zwang : 


232  Wiedemann 

iveyneiv  tragen ;  es  würde  also  von  selten  der  bedeutung  nichts 
im  wege  stehn,  die  von  Brugmann  für  das  Keltische  und  Ger- 
manische angenommene  Verschmelzung  von  idg.  bher  und  idg. 
enenk  in  eine  ältere  periode  zurückzuverlegen.  Die  frage  ist 
nur,  ob  wir  berechtigt  sind,  für  eine  mit  ausnähme  des  Litaui- 
schen und  Albanischen  —  das  alb.  wort,  das  allenfalls  auf  die 
idg.  w.  bhrenk  zurückgeführt  werden  könnte,  glaube  ich  weiter 
unten  besser  erklären  zu  können  —  in  allen  idg.  sprachen 
Europa's  nachweisbare  wurzel  eine  derartige  Verschmelzung  an- 
zunehmen, oder  ob  es  nicht  besser  ist,  neben  idg.  bher  und 
idg.  enenk  noch  ein  idg.  bkrenh  anzusetzen.  Das  got.  briggan, 
das  Brugmann  (aao.  155)  gegen  ansetzung  einer  idg.  w.  bhrenk 
geltend  macht,  kann  doch  kein  ernst  zu  nehmendes  hindemis 
sein;  ich  sehe  nicht  ein,  was  uns  hindern  könnte,  für  got. 
*breihan  :  briggan,  ags.  bringan,  as.,  ahd.  bringan  :  ags.  bren- 
g(e)an,  as.  brengian  dasselbe  Verhältnis  anzunehmen  vide  es  z.  b. 
got.  ßreihan  drängen  :  aisl.  ßryngtea  drängen,  ags.  pringan, 
as.  thringan,  a,hd.' dringan  dringen  :  mhd.  dr engen  drängen 
zeigen. 

Von  den  wörtem,  die  Diefenbach  aao.  aus  anderen,  nicht 
germanischen  sprachen  heranzieht,  verdienen  ernstlich  in  er- 
wägung  gezogen  zu  werden  alb.  brikB  rippe,  abschüssiger  boden, 
anhöbe,  küste  und  russ.  brjucho  bauch.  Ersteres  kann  auf  idg. 
*  bhrüsnjä  zurückgeführt  werden  und  würde  dann  wenigstens  in 
seinem  wurzelhaften  teil  zu  brusts  stimmen;  ich  glaube  aber 
weiter  unten  aus  den  germanischen  sprachen  ein  wort  bei- 
bringen zu  können,  mit  dem  sich  alb.  bri'Ae  auch  im  suffix 
deckt,  so  dass  der  wurzel  vergleich  von  brii/ie  mit  brusts  zu 
gunsten  einer  wortgleichung  aufgegeben  werden  muss.  Was 
russ.  brjucho  betrifft,  so  kann  dessen  -cA-  zwar  auf  idg.  -s-  zu- 
riickgehn,  eben  so  gut  aber  auch  auf  idg.  -£«-;  d.  h.  volares 
oder  labiovelares  A;  +  8,  und  in  diesem  fall  kann  brjucho  nicht 
mit  brusts  zusammengestellt  werden.  Mit  Sicherheit  lässt  sich 
nur  behaupten,  dass  russ.  brjucho  in  etymologischem  Zusammen- 
hang mit  ir.  brü  leib,  bauch,  cymr.  bru  venter,  uterus,  ai. 
bhrwnd-s  embryo  steht ;  zu  gründe  liegt  eine  idg.  w.  bhreu  oder 
bhr^  schwellen,  auf  die  jedoch  die  bei  Fick  II  ^,  187  unter 
*bru  und  bei  Uhlenbeck  (Kurzgef.  etym.  wb.  d.  aind.  spr.  208 
s.  V.  bhründs)  sonst  noch  zusammengestellten  Wörter  nicht  zu- 
rückgehn.    Diefenbach  aao,  hat  bereits  ir.  brü  und  ai.  bhrimd^s 


Etymologien.  233 

erwähnt;  Miklosich  (Etym.  wb.  22)  lässt  die  slavischen  Wörter 
unerklärt. 

Auf  ein  idg.  ^bhruzdh-  will  Pedersen  (IF.  V,  73)  aisl.  broddr 
spitze,  ags.  brord  Stachel,  ir.  brot  Stachel,  abulg.  brezda  frenum 
zurückführen;  wir  brauchten  nur  noch  neben  idg.  ^bhruzdh- 
ein  idg.  *bhruzd-  anzusetzen,  um  eine  lautgruppe  zu  gewinnen, 
mit  der  sich  urgerm.  *bni8U  auf's  genaueste  deckte.  Leider 
aber  ist  es  schon  der  von  Pedersen  gar  nicht  erwähnten,  von 
abulg.  brbzda  aber  schlechterdings  nicht  zu  trennenden  lit. 
brizgüas,  pr.  brizgelan  zügel  wegen  (von  den  offenbar  dazu  ge- 
hörigen bei  Joh.  Schmidt,  Vok.  II,  464  verzeichneten  Wörtern 
schon  ganz  abgesehen)  nicht  möglich  in  abulg.  brhzda  ein  idg. 
*bhruzdh'  zu  sehen;  ir.  brot  und  urgerm.  *bruzdaz  sind  schon 
ihrer  bedeutung  wegen  auf  alle  fälle  von  abulg.  brbzda  zu 
trennen  und  haben  aus  dem  Slavischen  nur  die  sippe  von  abulg. 
brazda  furche  zur  seite. 

Eine  von  lautlicher  seite  einwandfreie  etymologie  von  brasts 
hat  Helten  (50  bemerkgn.  zum  Orimm'schen  wörterb.  16  ff.) 
vorgeschlagen:  er  stellt  brusis  zu  ai.  bkrü-s,  gr.  oq>Qvg,  lit. 
bruvis,  abulg.  obrbvh,  brhVö,  ags.  brü,  ahd.  prawa,  bräwa,  nhd. 
braue,  aisl.  brün^  nhd.  augen^aune,  indem  er  für  letztere  nicht, 
wie  das  gewöhnlich  geschieht,  von  der  bedeutung  „zucken^^ 
sondern  von  der  bedeutung  „gekrümmt,  gebogen  sein*'  ausgeht. 
Femer  zieht  Helten  hierher:  lit.  brauna  (Kurschat:  briaunä) 
rand,  kiel,  aisl.  brün  rand,  brjösk  knorpel,  mhd.  brüsche,  nhd. 
br ansehe  beule  und  hebt  hervor,  dass  gr.  oq>Qvq  auch  „hügel" 
und  „rand'*  bedeutet;  brusts  bedeute  also  das  „gewölbte*\  Wenn 
vrir  von  aisl.  brjösk,  mhd.  brüsche,  nhd.  brausche,  die  ja  immer- 
hin ,,gewölbt**  bedeutet  haben  können  (eine  viel  einleuchtendere 
etymologie  dieser  Wörter  ist  oben  s.  228  erwähnt),  absehen,  so 
ist  weder  für  die  sippe  von  ai.  bhru-s,  noch  für  lit.  briaunä, 
aisl.  brün  von  der  bedeutung  „gekrümmt,  gebogen  sein'*  aus- 
zugehn.  Bei  den  Wörtern  für  „braue''  ist,  wie  man  auf  grund 
des  anlautenden  vokals  im  Griechischen,  Slavischen  und  Irani- 
schen (npers.  ebrü,  osset.  d.  arfuk,  t.  ärfig)  wol  vermuten  darf, 
von  idg.  *obhrü'  auszugehn,  das  dann  als  ^obh-rü-  zu  erklären 
ist,  also  gar  kein  wurzelhaftes  idg.  bhrü  enthält  (Osthoff,  MU. 
IV,  217).  Diese  sippe  kommt  also  für  die  etymologie  von 
brusts  gar  nicht  in  betracht.  Eben  so  ist  bei  lit.  briaunä^ 
aisl.  brü,n  nicht  von  der  bedeutung  „krumm*',  sondern  von  der 


234  Wiedemann 

bedeutung  „spitz",  „first'^  „kante*'  auszugehn,  denn  die  darin 
steckende  idg.  w.  bhrü  (ich  setze  die  tieftonige  form  her,  weil 
sich  die  hochtonige  nicht  sicher  feststellen  lässt ;  vielleicht  bhrSu) 
ist  eine  erweiterung  der  idg.  w.  bher  spitz  sein  in  aisl.  bannr 
kante  (Persson,  Wurzlerw.  287)  gr.  q>aQ6o}  pflüge,  urslav.  *barna, 
serb.  brana,  russ.  borona  egge,  lat.  forare,  ahd.  boröti  bohren 
u.  a.;  daneben  liegen  die  erweiterungen :  1)  bher-dh  in  ai. 
'bradhnch  pfeil,  abulg.  brulo  hügel  (Diefenbach,  KZ.  XVI,  221), 
ahd.  bcurta  beil,  bart  spitze,  lit.  barzdä,  abulg.  brada  hart;  2) 
bher-s  in  ai.  bhr^fi-s  spitze,  lat.  fastlgium  first,  ir.  barr  schöpf, 
gipfel,  aisl.  burst  spitze,  horste ;  3)  bher-z-dh  in  ir.  brot  stachel, 
aisl.  broddr  spitze,  abulg.  brazda  furche  (Persson,  aao.  19,  45, 
85,  98,  286  f.,  der  allerdings  eben  so  wie  andre  die  idg.  w.  bher 
spitz  sein  von  der  idg.  w.  bher  schneiden,  hauen  nicht  scheidet; 
meiner  meinung  nach  sind  es  zwei  verschiedne  wurzeln,  die  sich 
scharf  scheiden  lassen ;  nur  bei  ahd.  barta  kann  man  zweifeln, 
ob  es  seine  benennung  seiner  kante  oder  des  Schneidens  wegen 
hat).  Zu  der  idg.  w.  bhrü  spitz  sein  stelle  ich  auch  lett.  bräds 
(aus  idg.  *bhröudho8)  dachfirst,  das  Persson  (KZ.  XXXUl,  292) 
weniger  überzeugend  zu  aisl.  brattj  ags.  brani  steil  zieht.  Da- 
gegen gehören  die  von  Fick  (KZ.  XX,  178)  zu  aisl.  brün  ge- 
stellten aisl.  bryni  Wetzstein,  bryna  wetzen,  schleifen  nicht  hier- 
her, auch  nicht  wie  Tamm  (Etym.  ordb.  64)  will,  zu  aisl.  brütin, 
ags.,  as.,  ahd.  brün  braun  (eig.  „glänzend*'),  sondern  gehen  auf 
urgerm.  ^bruxn-  —  idg.  *bhruJcn-  zurück  und  gehören  zu 
urslav.  *bru8^  (—  idg.  *bhrauJco8)  in  bulg.,  serb.,  slov.,  £ech., 
osorb.,  nsorb.,  poln.,  klruss.,  russ.  bms  wetz-,  Schleifstein  zu 
abulg.  brbsnati  wischen,  streifen,  abstreifen,  brechen,  das  von 
Pedersen  (IF.  V,  38)  falsch  beurteilt  wird,  s.  u.  s.  244. 

Einen  sicheren  anhält  zur  etymologischen  erklärung  von 
brusts  gewährt  uns  das  Albanische.  Gehn  wir  für  brüste  nicht 
von  der  bedeutung  „schwellen*',  sondern  wie  bei  dem  oben 
(s.  228)  besprochenen  aisl.  bringa  von  der  bedeutung  „fest  um- 
schliessen*'  aus,  so  dass  also  für  brüste  als  ursprüngliche  be- 
deutung „rippen"  anzusetzen  wäre,  und  hierfür  spricht  der  um- 
stand, dass  got.  bruete  plurale  tantum  ist  — ,  so  steht  nichts 
im  weg,  got.  bruete  in  etymologischen  Zusammenhang  zu  bringen 
mit  alb.  bree  (best,  brez-i)  gürtel,  geschlecht,  generation,  brente 
binde,  mbren  gürte.  G.  Meyer  (Etym.  wb.  d.  alb.  spr.  46  f.) 
geht  von  einem  alb.  *breno-  —  *breunO'  aus  und  vergleicht 


Etymologien.  235 

got.  brunjo,  aisl.  brynja,  ahd.  brunna  brustharnisch.  6.  Meyer 
hält  dem  nach  diese  germanischen  wörter  für  erbwörter.  Eben 
so  Kluge  (Etym.  wb.  «  60)  und  Tamm  (aao.  64),  die  Verwandt- 
schaft mit  air.  hruinne  brüst  für  möglich  halten.  Das  geht 
aber  nicht  an,  da  das  -nn-  des  irischen  wortes,  wie  oben  (s. 
227)  erwähnt,  aus  älterem  -nd-  assimilirt  ist.  Aber  auch  kel- 
tisches lehnwort,  wie  0.  Schrader  (Sprachvergl.  u.  urgesch. 
>  336,  Reallex.  612)  und  Stokes  (Fick  II  S  184)  annehmen, 
kann  urgerm.  ^brunjän"  nicht  sein,  da  in  diesem  fall  germ.  -nn- 
oder,  falls  das  wort  vor  der  assimilation  von  -ttrf-  zu  -nn-  ent- 
lehnt wäre,  germ.  -nd-  zu  erwarten  wäre.  Oder  ist  -nj-  in 
got.  brunjo  gleichzeitig  mit  -n/-  in  got.  sunjis  wahr  aus  urgerm. 
-ndj-,  -ndj'  entstanden  ?  Das  Koltische  dient  uns  also  wol  nicht 
zur  erklärung  des  urgerm.  *brunjän-,  wol  aber,  wenn  wir 
urgerm.  *brunjän'  mit  Kluge,  Tamm  und  G.  Meyer  als  erbwort 
ansehen  —  und  das  dürfen  wir  wol  unbedenklich  tun  —  das 
albanische.  6.  Meyer  war  also  auf  der  richtigen  fährte,  wenn 
er  urgerm.  *brunjan'  zur  auf  hellung  eines  albanischen  wortes 
heranzog,  nur  steht  dem  urgerm.  ^brunjän-  das  dazu  gehörende 
Albanesische  wort  lautlich  nicht  so  fem  wie  alb.  bres,  sondern 
deckt  sich  mit  ihm,  wenn  wir  den  germ.  än-stamm  auf  einen 
idg.  ä-stamm  zurückfuhren,  was  ja  bei  erbwörtern  immer  ge- 
schehen muss,  laut  für  laut.  Urgerm.  *brunjän'  führe  ich  auf 
idg.  *bhrenjä"  zurück  und  nähme  weiter  an,  dass  idg.  «n  vor 
folgendem  vokal  oder  j  durch  alb.  in  vertreten  wird  (vgl.  alb. 
ir  »  idg.  er  und  alb.  il  —  idg.  el  in  derselben  Stellung  Pe- 
dersen,  KZ.  XXXIII,  541,  verf.,  liter.  ctrlbl.  1898,  sp.  810);  so 
gelangen  wir  zu  uralb.  *brinjä,  woraus  alb.  briM  rippe,  ab- 
schüssiger boden,  anhöhe,  küste  hervorgegangen  ist.  Allerdings 
wird  alb.  brina  (und  das  dazu  gehörige  alb.  brf,  best,  br^-ni, 
blj-ni  rippe,  seite)  von  G.  Meyer  (Etym.  wb.  d.  alb.  spr.  48, 
alb.  stud.  III,  14,  31  f.)  ganz  anders  erklärt:  brin-  für  ^prisn- 
=  idg.  */>«r£w-  zu  ai.  pärgu-s  rippe,  av.  pdrdsu-  rippe,  seite, 
osset.  fars  seite,  gegend ,  abulg.  prtsi  pl.  t.  brüst,  lit.  priazis 
brüst  beim  pferde.  Obgleich  G.  Meyer  kein  weiteres  beispiel 
für  alb.  br-  aus  idg.  pr-  beibringt  —  denn  in  alb.  breme  neben 
mbrems  abend,  dessen  Zusammenstellung  mit  got.  fram  von  . . . 
her,  von  ...  an,  adv.  weiter  (G.  Meyer,  Etym.  wb.  266,  alb. 
stud.  in,  31)  von   G.  Meyer   selbst   nicht  sehr   zuversichtlich 


236  Wiedemann 

vorgetragen  wird  *),  wäre  der  wandel  von  idg.  p  zu  b  nur  durch 
das  vorangehende  m  hervorgerufen  — ,  hält  er  seine  erklärung 
von  briAs  doch  für  zweifellos.  Trotzdem  glaube  ich  eine  bessere 
etymologie  von  bri'Ae  gegeben  zu  haben,  obgleich  sie  mit  einem 
von  6.  Meyer  (Alb.  stud.  III,  66)  aufgestellten  lautgesetz  nicht 
in  einklang  steht.  G.  Meyer  lehrt  nämlich,  dass  idg.  -nj-  vor 
vokalen  zu  -/-  wird;  ein  idg.  ^bhrenja  wäre  also  lautgesetzlich 
*brije  geworden;  man  darf  wol  unbedenklich  annehmen,  dass 
durch  einfluss  des  gleichbedeutenden  br}  das  n  vor  dem  Schwund 
bewahrt  worden  ist;  vgl.  jedoch  Pedersen  (KZ.  XXXVII,  339), 
der  erhaltung  des  inlautenden  -tI-  lehrt,  so  dass  -A-  in  brine 
lautgesetzlich  wäre,  was  jedenfalls  meiner  erklärung  vorzuziehen 
wäre.  Lässt  sich  somit  meine  gleichsetzung  von  alb.  briiie  mit 
urgerm.  ^brunjan-  lautlich  rechtfertigen,  so  steht  ihr  andrer- 
seits auch  von  Seiten  der  bedeutung  nichts  im  weg,  wenn  wir 
für  die  in  alb.  birvAe  und  urgerm.  *brunjan-  steckende  idg.  w. 
bhren  die  bedeutung  „umschliessen^^  ansetzen;  die  „rippen"  sind 
es  ja,  die  die  brüst  gewissermassen  umschliessen,  und  was 
urgerm.  Hrunjan  betrifft,  so  dürfen  wir,  da  die  brünne  ur- 
sprünglich  aus  leder  bestand,  zunächst  von  der  bedeutung 
„leder",  „feil",  „haut"  ausgehn,  die  weiter  auf  die  bedeutung 
„umschliessendes"  zurückgeht.  Einen  ähnlichen  bedeutungs- 
wandel  haben  wir  bei  der  von  Thurneysen  (Hermann  Osthoff 
zum  14.  aug.  1894,  s.  5  ff.)  behandelten  idg.  w.  k(i§hf  nur  dass 
wir  hier  keine  Wörter  mit  der  bedeutung  „rippe"  haben,  und 
ferner  bei  der  sippe  von  ai.  pdrgu-s,  worüber  der  nächste  auf- 
satz  handelt.  Indessen  kann  die  bedeutung  des  urgerm.  *brtm' 
jän-  auch  unmittelbar  aus  der  bedeutung  „umschliessend"  her- 
vorgegangen sein,  wie  z.  b.  gr.  ^wqö^  brustharnisch,  krug  : 
ai.  dhäraka-s  haltend,  behälter  zeigt.  Zu  alb.  brine,  urgerm. 
*brufijän^  stelle  ich  auch  gr.  qp^ijv,  pl.  q^gsveg,  G.  Meyer 
(Griech.  gramm.  '  337)  bezeichnet  ^^y  als  etymologisch  dunkel; 
die  bisher  gegebnen  erklärungen  hat  er  also  nicht  für  befrie- 
digend gehalten.  Allgemein  abgetan  sind  heute  wol  die  Zu- 
sammenstellungen von  q)Qi]v  mit  ai.  pränd-s  hauch,  atem,  lebens- 
hauch  (Benfey,  Wrzllex.  I,  119,  Bopp,  Gloss.  «256  b,  Pott, 
Etym.  forsch.  «  I,  543,  II,  4,  3  f.,  Christ,  Griech   lautl.  I,  119) 

1)  Eine,  wie  loh  hoffe,   annehmbarere  erklärung  will  loh  in  einem 
weiter  unten  folgenden  aufsatz  geben. 


Etymologien.  237 

und  mit   ai.  plihd,   gr.  anX-qv^  lat.  lien  milz  (Leo  Meyer,  KZ. 

V,  374,  Vaniöek,  Griech.-lat  etymol.  wb.  1190,  Wharton,  Etyma 
graeca  131).  Alle  andren  mir  bekannten  etymologieen  des  gr. 
q>qiqv  sind  lautlich  zum  teil  auch  heute  noch  haltbar.  Zunächst 
die  von  Pott  (Etym.  forsch.  I  ^,  182)  angedeutete,  aber  nicht 
weiter  begründete  Zusammenstellung  mit  ai.  ghräti,  ßghrcUi 
riecht,  für  die  namentlich  das  ebenfalls  von  Pott  herangezogene 
gr.  6aq>Qalvof4ai  rieche,  wittre  sprechen  würde;  später  hat  Pott, 
wie  oben  erwähnt,  Benfey's  etymologie  gebilligt.  Sonne  (KZ. 
XII,  296),  dem  Ebeling  (Lex.  hom.  II,  447)  zustimmt,  führt 
(pq-ev-  auf  eine  idg.  w.  bher  (Sonne  schreibt  phar)  umhegen, 
einschränken,  schirmen  zurück,  die  er  weiter  in  ags.  bern,  engl. 
bran  scheune,  nhd.  barn  krippe,  räum  in  der  scheune  zum  auf- 
bewahren der  garben,  engl,  bar,  nhd.  barre  schranke,  riegel 
sieht;  auch  gr.  q)Qdaaü}j  das  er  auf  eine  idg.  w.  bher-g  (er 
schreibt  pharg)  zurückfuhrt,  stellt  er  hierher,  desgleichen  engl. 
brim,   nhd.  bram  rand,  nhd.  brau£,    Brugmann  (Gurtius'  stud. 

IX,  376  anm.)  stellt  tpQ-Bv-  zu  ai.  bhurdti  zuckt,  zappelt,  und 
dieselbe  ansieht  spricht  auch  Windisch  (Ber.  d.  sächs.  ges.  d. 
wiss.y  phil.-hist.  kl.  1891,  s.  198  f.)  aus,  ohne,  wie  es  scheint, 
Brugmann's  priorität  zu  kennen;  auf  dasselbe  kommt  es  auch 
hinaus,  wenn  Leo  Meyer  (vgl.  gramm.  I  ^  751  f.)  (pgriv  mit  ai. 
bhrdmati,  bhrämate,  bhrdmyati  schweift  umher,  ist  unstet,  ist 
in  Verwirrung,  irrt  zusammenstellt,  denn  ai.  bhram-  ist  wurzel- 
verwandt mit  ai.  bhurdti  (Persson,  Wrzlerw.  68);  jetzt  hält 
Leo  Meyer  (Handb.  d.  griech.  etym.  HI,  402)  q>Qijv  für  „dunkel*^ 
Andrerseits  hat  schon  Döderlein,  Hom.  gloss.  11,  315  f.)  g>Qi^v 
mit  gr.  q)Qd^w  lasse  wahrnehmen,  lege  dar  zusammengestellt 
und  diese  Zusammenstellung  ist  in  neuerer  zeit  vielfach  wieder- 
holt worden,  so  von  Fick  (o.  I,  334  f.),  Bezzenberger-Fick  (o. 

VI,  239),  wo  allerdings  nicht  q)Qrjy^  wol  aber  das  davon  nicht 
zu  trennende  gr.  (pqoviu}  denke  erwähnt  und  weiter  lit.  girdzü 
vernehme,  höre  dazu  gestellt,  das  gr.  q>  also  auf  idg.  gnh  zu- 
rückgeführt wird;  femer  wird  q>Qi]v  mit  g>Qd^u)  verbunden  von 
Froehde  (o.  VII,  116),  der  aber  aisl.  garnir  pl.  därme,  magen 
und   ai.  hrd-,  hrdayor-m  herz   vergleicht,   und  von   GoUitz   (o. 

X,  59).  Dann  sind,  nachdem  Bezzenberger  (o.  XVI,  240)  q>qäC/u) 
(ohne  heranziehung  von  tpQTqv)  zu  pr.  po-gerdaut  sagen,  cymr. 
am-mrawdd  Umschreibung,  brawddegg  redensart  (urkelt.  grund- 
form  nach  Bezzenberger  *bradO',  nach  Stokes  bei  Fick  II  ^,  216 


238  Wiedemann 

*brädO')  gestellt  und  zweifelnd  auch  cymr.  bard,  corn.  barih, 
ir.  bard,  gall.  bardos  barde  herangezogen  hatte,  von  Fick  (Vgl. 
wb.  I  *,  417  f.,  H  *,  162,  0.  XVIII,  142)  (p^v  und  (pQa^w  ausser 
zu  den  genannten  litauischen  und  keltischen  Wörtern  noch  zu 
aisl.  grunr  ahnung,  verdacht,  gruna  beargwöhnen  und  zweifelnd 
(wie  übrigens  auch  schon  von  Pott,  Etym.  forsch.  I  ^,  182)  zu 
lat  rinSs  nieren  gestellt  worden,  wozu  Bezzenberger  (Fick  11  *, 
162)  noch  ahd.  gruog  anrede,  anspräche,  anklage,  gruss,  gruo- 
gan  rufen,  nennen,  grüssen,  angreifen,  as.  grötian  anreden,  ags. 
gr&an  grüssen,  herausfordern,  afries.  greta  anklagen  hinzufugt. 
Prellwitz  (Etym.  wb.  d.  griech.  spr.  348,  349)  und  Zupitza 
(Germ.  gutt.  97)  stimmen  der  heranziehung  der  aisl.  Wörter  bei. 
Ferner  wird  (pQoiC/u}  (ohne  heranziehung  von  q>Q't^v)  von  Wharton 
(Etyma  graeca  131),  Brugmann  (Grdr.  U,  1061  f.)  und  Hirt  (o. 
XXIV,  262,  abl.  HO)  zu  lit  girdzü,  von  Stokes  (bei  Lottner, 
KZ.  XI,  163  anm.,  KSB.  VU,  386,  o.  XI.  70)  zu  kelt.  *bard^ 
gestellt;  Osthoff  (IF.  IV,  275)  lässt  es  unentschieden,  welche 
von  diesen  beiden  vergleichungen  den  vorzug  verdient.  XJhlen- 
beck  (Ark.  f.  nord.  fil.  XIV,  388,  Kurzgef.  etym.  wb.  d.  got. 
spr.  >  66)  stellt  q>Qd^ü}  zu  pr.  po-gerdatU  und  der  sippe  von 
got.  gretan  weinen  und  nimmt  fär  diese  Wörter  eine  idg.  w. 
gffhrid,  gtfherd  an.  Wesentlich  abweichend  von  allen  diesen 
erklärungen  ist  die  von  J.  Grimm  (Gramm.  I  *,  593)  her- 
rührende Zusammenstellung  von  q)Qd^to  (J.  Grimm  erwähnt  nicht 
(pQdt/ü},  wol  aber  (pQadrjs  verständig)  mit  lat  prüdens  klug  und 
got.  froßs  klug,  verständig,  frafjan  verstehn,  denken,  die  bei 
Döderlein  (Lat  syn.  u.  etym.  V,  113,  VI,  177,  hom.  gloss. 
II,  311),  Benfey  (Griech.  wrzUex.  I,  363,  H,  352)  Diefenbach 
(Vergl.  wb.  d.  got.  spr.  I,  394  f.,  II,  760),  Gurtius  (KZ.  IV,  237, 
grdz.  6  673),  Fick  (Vgl.  wb.  I  »,  679  f.),  Vaniöek  (Gr.-lat.  etym. 
wb.  553  f.)  beifall  gefunden  und  mit  ausscheidung  von  prüdens 
und  dem,  was  aa.  aa.  oo.  sonst  aus  dem  Lateinischen,  Litaui- 
schen und  Altindischen  beigebracht  ist,  auch  heute  noch  für 
diejenigen  haltbar  ist,  die  für  die  idg.  ursprache  tenues  aspi- 
ratae  annehmen  und  für  q>Qd^ü}  und  die  sippe  von  got.  froßsj 
frafyan  als  anlaut  idg.  ph  ansetzen  (Osthoff,  Perf.  322  f.,  Fo- 
rcen, Urgerm.  lautl.  119,  182,  Streitberg,  Urgerm.  gramm.  112). 
Da  meiner  meinung  nach  der  heutige  stand  der  forschung  uns 
noch  nicht  berechtigt,  für  die  idg.  ursprache  tenues  aspiratae 
anzusetzen,  fällt  die  Zusammenstellung  von  q>Q(i^(o  mit  der  sippe 


Etymologien.  23d 

von  got.  frafjan,  frofs,  die  nur  mit  der  sippe  von  lit.  prantü 
werde  gewohnt,  pr.  prätin  rat,  lat.  inter-pres  vermittler,  aus- 
leger,  inter-pretor  vermittle,  lege  aus  zusammenzustellen  ist 
Femer  ist  die  etymologie  Froehde's,  die  nach  seite  der  bedeu- 
tung  vorzüglich  ist,  aus  lautlichen  gründen  abzulehnen;  denn 
die  von  Froehde  verglichenen  wörter  haben  idg.  §h  wie  u,  a. 
lit.  zdrna  darm  zeigt  (Fick,  Vgl.  wb.  I  *,  54,  219,  435  f., 
E.  Zupitza,  Germ.  gutt.  201  und  die  an  diesem  ort  weiter  an- 
geführte literatur). 

Wir  haben  nun  zwei  fragen  zu  beantworten:  1)  Gehören 
q)^  und  (pQoCjüi  etymologisch  zusammen?  2)  Ist  ihr  q>  Vertreter 
von  idg.  gi^  oder  von  idg.  bh?  Die  erste  frage  ist  leicht  be- 
antwortet; wir  brauchen  nur  ein  paar  Zusammensetzungen  mit 
•q>Q(av,  das  natürlich  nicht  von  9^y,  und  mit  'q)Qadifjg,  das 
eben  so  wenig  von  q>Qa^w  getrennt  werden  darf,  herauszugreifen, 
um  diese  frage  bejahend  zu  beantworten.  Homer  hat  neben 
einander  aq>QO)v  und  dg>Qadi]g  unbesonnen,  unvernünftig,  töricht, 
Bvq>Q(av  freudig,  erfreuend  und  €vq)Qadijg  deutlich,  wol beredt, 
neqiq>Qiav  und  n€Qiq>Qadi^g  sehr  verständig;  dem  homer.  xoxo- 
q>Qa&ijg  schlechtes  sinnend,  unbesonnen  steht  zur  seite  das  bei 
andern  dichtem  vorkommende  iiaK6q>Q(üv  schlecht  gesinnt,  bos- 
haft usw.  (vgl.  Pape,  Etym.  wb.  d.  griech.  spr.  235,  268).  Nicht 
ganz  so  leicht  ist  die  zweite  frage  zu  beantworten,  aber  auch 
hier  ist  eine  sichere  entscheidung  möglich,  so  dass  sich  Osthofifs 
zweifei  beseitigen  lassen.  Was  zunächst  aisl.  grunr  betrifit,  so 
wird  es  von  Wadstein  (IF.  V,  28)  als  zusammengesetzt  aus  ga- 
und  ruft'  zu  aisl.  rvn  geheimnis,  rune,  got.  ga-rüni  geheime 
beratung  gestellt  und  Uhlenbeck  (Ark.  f.  nord.  fiL  XIV,  388, 
kurzgef.  etym.  wb.  d.  got.  spr.  *  60)  stimmt  ihm  bei.  Ich  halte 
Wadstein's  Vermutung  für  sehr  bedenklich,  stimme  ihm  aber 
darin  bei,  dass  wir  es  in  aisl.  grunr  mit  einem  idg.  u  zu  tun 
haben,  und  vermute,  dass  aisl.  grunr  zu  aisl.  grär,  ags.  grcSg, 
ahd.  grao  grau  (zu  ags.  grceg  vgl.  Jellinek,  PBB.  XIV,  584), 
ahd.  in-grüSn  schaudern,  mhd.  grüwen  grauen,  grausen,  mhd. 
griuwel,  gritd,  ndl.  gruwel  schrecken,  grauen,  gräuel  gehört;  zu 
gründe  liegt  die  bedeutung  „schimmern",  so  dass  etymologischer 
Zusammenhang  mit  lit  ziur'4tiy  abulg.  zhr^i  sehen  und  den  von 
Leskien  (Ablaut  319,  371)  und  Miklosich  (Etym.  wb.  401  f.) 
zusammengestellten  Wörtern  sowie  mit  lat.  -^ur  in  au-gur  vogel- 
beobachter,  vogeldeuter,  gr.  x^QOTtog  strahläugig  besteht.    Für 


240  Wiedemann 

das  Germanische  hätten  wir  in  diesem  fall  von  einer  u-erweite- 
rung  der  in  den  genannten  Wörtern  steckenden  idg.  w.  §her 
auszugehn.  Ist  meine  Vermutung  haltbar,  so  hat  aisl.  grunr 
palatale  aspirata,  ist  also  mit  q>^v,  (pQaCfij  unvereinbar.  Pala- 
tale aspirata  hat  auch  got  gretan,  das  daher  nicht  mit  Uhlen- 
beck  zu  (pQaCfio  gestellt  werden  darf;  jetzt  lässt  Uhlenheck 
(Eurzgef.  etym.  wb.  d.  got  spr.  *  66)  es  unentschieden,  ob 
got.  gretan  zu  q>qdt/ui^  pr.  po-gerdaut  oder  zu  ai.  hrddate  tönt 
laut,  zu  dem  es  bisher  immer  gestellt  worden  ist,  gehört;  got. 
gretan  gehört  zweifellos  zu  ai.  hrddate  wozu  man  weiter  av. 
zradö  kettenpanzer  stellt,  das  aber  auch  anders  und,  wie  ich 
glaube,  besser  erklärt  werden  kann  (s.  u.  s.  247).  Dass  g-  in 
got.  gretan  auf  palatale  aspirata  zurückgeht,  beweist  schon  das 
h'  des  ai.  hrddate;  idg.  gh  wäre  ja  im  Altindischen  vor  r  durch 
gh  vertreten.  Was  nun  die  Zusammenstellung  von  q)Qi^^  (pQci^fo 
mit  lit.  girdzü,  pr.  po-gerdaut  betrifft,  so  zeigen  die  bei  Les- 
kien (Ablaut  327)  verzeichneten  zu  dieser  sippe  gehörigen  wörter, 
dass  für  sie  von  der  bedeutung  „tönen'',  bez.  „tönen  lassen'^ 
auszugehn  ist.  Dasselbe  gilt  von  den  bei  Fick  (Vgl.  wb.  II  \ 
162)  zusammengestellten  keltischen  Wörtern.  Sehen  wir  nun 
zu,  ob  die  bedeutungen  von  q)Qijvj  q>QdC,ti)  dazu  stimmen.  Bei 
Homer  bedeutet  der  Singular  q^gijv  im  wesentlichen  dasselbe 
wie  unser  nhd.  sinn,  der  plural  „Zwerchfell",  „eingeweide", 
„inneres'',  bes.  im  gegensatz  zum  körper,  daher  „sitz  der  gei- 
stigen tätigkeiten",  „bewusstsein",  „vorstellungsvermögen",  „ge- 
dächtnis'S  „gemüt",  „verstand",  „klugheit".  Dem  entsprechend 
deckt  sich  q>QatßaS'ai  im  wesentlichen  mit  nhd.  sinnen^  (pqäC,(a 
bedeute  „ich  lasse  sinnen",  „lasse  mit  den  sinnen  erfassen", 
„lege  dar";  die  bedeutungsentwicklung  ist  der  des  gr.  Xeyio 
ziemlich  gleichartig :  bei  beiden  wörtem  handelt  es  sich  um  ein 
geordnetes,  für  den  verstand,  nicht  für  die  phantasie,  berech- 
netes   darstellen  ^).     Die    Zusammensetzungen    mit   (pqiov  und 

1)  Diese  bei  der  sippe  von  ip^,  (pQdCtn  hervortretende  bedeutung 
macht  er  meiner  meinung  zur  gewissheit,  dass  gr.  dUyut,  dUyiCto  küm- 
mere mich,  dUytfvoi  besorge,  lat.  neg-lego  kümmere  mich  nicht,  di-ligo 
liebe,  re-ligens  gottesfürchtig  von  gr.  Uym,  lat.  Ugo  nicht  getrennt  werden 
dürfen,  was  seit  Döderlein  (Hom.  gloss.  I,  76 f.),  wie  es  scheint,  allge- 
mein, geschieht,  obgleich  Lingen  (D.  wrzln.  AEF  und  AEX  S6  f.)  sich 
gegen  diese  trennung  ausgesprochen  hat;  nur  möchte  ich  die  bedeu- 
tungen etwas   anders  vermitteln  als  Lingen;   neg-lego  ist  „zähle  nicht", 


Etymologien.  241 

'g)fadrjQ  können  wir  im  allgemeinen  durch  Zusammensetzungen 
mit  „gesinnt*^  wiedergeben;  aq>QwVj  dq>qadrig  ist  „sinnlos",  ,,ge- 
dankenlos".  Desgleichen  zeigen  q>Q6vig  verstand,  klugheit,  ein- 
sieht und  q>i(OYtig  sorge,  fürsorge,  aufmerksamkeit,  nachdenken 
bedeutungen,  die  unserm  „sinn"  sehr  nahe  stehen.  Nirgends 
tritt  bei  (pQi^v  (pQat/ü)  und  ihrer  sippe  die  sinnliche  bedeutung 
einer  tonempfindung  oder  -erzeugung  hervor,  wie  dies  bei  den 
genannten  keltischen  und  litauischen  wörtem  der  fall  ist;  q>Qriv 
q>Qa^ü)  dürfen  daher  weder  zu  der  einen  noch  zu  der  andern 
sippe  gestellt  werden,  aber  es  hindert  uns  nichts,  die  keltischen 
und  litauischen  Wörter  untereinander  zu  verbinden,  was  meines 
Wissens  bisher  noch  nicht  geschehen  ist;  dazu  stelle  ich  mit 
Müller  (MSL.  IX,  150)  auch  arm.  kardam  erhebe  die  stimme, 
dessen  kard-  =  lit  gird^  auf  eine  idg.  w.  gtferdh  weist  und 
dessen  bedeutung  besonders  zu  der  des  urkelt.  *  bardos  stimmt 
Den  dental  der  armenischen,  keltischen  und  litauischen  Wörter 
&sse  ich  als  Wurzelerweiterung  auf  und  stelle  weiter  hierher 
sA.  järate  ruft,  grndti  singt,  gr.  dßQiar  XoidoQiaiy  nhd.  queran 
seufzen,  lit.  glrti  loben;  das  von  E.  Zupitza  (Germ.  gutt.  78) 
hierher  gezogene  ir.  berran  kummer  liegt  begrifiTlich  zu  weit  ab 
und  gehört  eher  zu  den  von  Stokes  (Fick  II  ^,  173  f.)  unter 
*bher8d  zusammengestellten  Wörtern. 

Sind  also  die  erwähnten  etymologien  von  q>Qijvy  q>Qatfü  teils 
von  Seiten  der  laute,  teils  von  Seiten  der  bedeutung  —  letzteres 
ist  auch  bei  der  von  Hirt  (Abi,  83)  gegebnen  Zusammenstellung 
der  fall  —  abzuweisen,  so  steht  der  von  mir  vorgeschlagenen 
Zusammenstellung  von  9)^v,  q>Qdl^(o  mit  got.  brunjo,  alb.  brf, 
bri'Aß  nichts  im  weg,  denn  wir  brauchen  bei  <pQ^v,  (pQa^w  keines- 
wegs von  einer  idg.  wurzel  auszugehn,  die  den  begriff  der  be- 
wegung  bezeichnet.  Wie  Windisch  anfuhrt,  sagt  Galen,  dass 
Aristoteles  die  bedeutung  des  Zwerchfells  als  itvanvoriq  ogyavov 
noch  nicht  erkannt  hatte;  es  ist  daher  wenig  wahrscheinlich, 
dass  die  Griechen  ein  wort,  das  als  zur  sippe  von  ai.  bhuräti 

re-Ugens  (die  abschweifenden  gedanken)  wieder  Bammelnd;  vgl.  dieselbe 
bedeatungentwicklung  bei  der  idg.  w.  kffei  (gr.  rroi  zahle:  sohätze,  ehre, 
t€'r£-fi-fAai  bin  betrübt,  eig.  bin  besorgt,  abalg.  cim  Ordnung;  ^bstb 
ehren),  sowie  bei  nhd.  gM  :  gelten^  sehaH  (das  ja  allerdings  fremdwort 
ist,  aber  doch  hier  genannt  werden  darf):  sehäUen^  preis  (ebenfalls 
fremdwort)  :  preisen,  —  Mit  alyog  schmerz  hat  dXiym  eben  so  wenig  zu 
schaffen  wie  kiy^  (Lingen  aao.  31  ff.). 

Bdtiig«  «.  kud«  d.  iadg.  ipnMteB.     XXVH.  16 


242  Wiedemann 

gehörig  nur  „zuckendes^S  „bewegliches"  bedeutet  haben  kann, 
zur  bezeichnung  des  Zwerchfells  verwandten.  Vielmehr  werden 
sie  dazu  ein  wort  mit  der  bedeutung  ,,haut",  »»feil''  gewählt 
haben;  ^^y  bedeutete  also  ursprünglich  „das  umschliessende, 
umfassende,  deckende'^  In  q>q6vig^  q>QOVTig,  ^q>qaLvbi),  q)Qd^<a  ist 
die  ursprüngliche  konkrete  bedeutung  „fassen^'  aufs  geistige 
gebiet  übertragen,  wie  das  z.  b.  auch  der  fall  ist  bei  aisl.  gef^ 
erlangen,  erreichen,  vermuten,  alat  tongeo  kenne,  got.  pagkjan 
denken  :  abulg.  t^o  f^ag,  lorum  und  dessen  bei  Miklosich 
(Etym.  wb.  350  f.)  verzeichneter  sippe  ^).  Ihre  ursprüngliche 
sinnliche  bedeutung  hat  die  idg.  w.  bhren  im  Griechischen  noch 
bewahrt,  in  oa-tpqaivopiai  (aus  *od(€)(T-  :  lat.  odor  und  (pQal- 
vofjiai^  s.  Wackernagel  KZ.  XXXIII,  43)  Witterung  bekommen 
=  riechen  trans.  Es  liegt  durchaus  kein  grund  vor,  mit  Pott 
(Etym.  forsch.  I  S  182),  Windisch  (aao.  198  anm.  1)  und 
Brugmann  (IF.  VI,  100  ff.,  griech.  gramm.  ^  114,  258  mit  anm., 
272)  6a-q>Qaivofiai  in  etymologischen  Zusammenhang  mit  ai. 
ghrdti,  jighrati  riecht  zu  bringen;  mir  scheinen  formen  wie 
cjag>QavTo^  waq>Q6fir]v,  6aq>qiad'av  sich  ganz  ungesucht  als  durch 
einfluss  der  verba  auf  -aycu,  -aivta  erklären  zu  lassen.  Zu 
letzteren  gehört  ja  auch  das  seiner  bedeutung  nach  von  daq>Qai- 
vof^ai  nicht  allzu  weit  abliegende  aiad'dvof^ai  nehme  wahr  und 
fiatpi^ixrjv  verhält  sich  zu  oaq)Qaivof^ai  genau  so  wie  ^a&ofjifjv 
zu  aia&dvoinai  >).    Die  beeinflussung  durch  ala&dvofiai  und  die 

1)  Zu  alat.  iongeOy  got.  pagJ^an  ziehen  Stokes  (Rev.  celt  Y  252, 
268),  Thurneysen  (ebd.  VI,  185  anm.  1)  und  Arbois  de  Jabainville  (MSL. 
XI,  830)  auch  ir.  tongu  schwöre,  dessen  ursprangliohe  bedeutung  dann 
wäre  „mache  fest",  „bekräftige".  Doch  kann  sich  die  bedeutung 
„schwören"  auch  aus  der  bedeutung  „sprechen"  entwickelt  haben,  wie 
got.  swaran  schwören  :  aisl.  wara  antworten,  nhd.  sehwirren,  ai.  svdrati 
tönt  zeigt.  Falls  auch  bei  ir.  iongu  von  der  bedeutung  „sprechen"  aus- 
zugehn  ist,  gehört  es,  wie  auch  schon  Stokes  (Fick  11  ^  121)  andeutet,  zu 
ir.  tenge^  zunge.  Zu  lat.  iango  berühre,  wozu  Stokes  ir.  iongu  stellt, 
stimmt  es  lautlich  schlecht,  da  es  wurzelhaftes  e  gegenüber  lat.  a  und 
festen  nasal  gegenüber  dem  nur  auf  den  präsensstamm  beschränkten 
des  lateinischen  hat. 

2)  Auch  lat.  fragro  rieche  intr.  hat  meiner  meinung  nach  mit  ai. 
ghrSÜf  jighraU  nichts  zu  schaffen,  sondern  ist  vielmehr,  wie  das  z.  b. 
schon  bei  Fick  (Vgl.  wb.  I  •  697,  II  »  178,  lU  •  215)  und  Vani«ek 
(Etym.  wb.  d.  lat.  spr.  *  189)  geschehen  ist,  mit  lat.  frügum  erdbeere 
zu  mhd.  hrcehen  riechen  intr.  zu  stellen. 


fitymologieü.  243 

andern  abgel.  verba  auf  -criycu,  ^avw  konnte  bei  6a'q>Qaivofjiai 
um  so  leichter  erfolgen,  als  letzteres  seiner  bedeutung  nach  den 
übrigen  Zusammensetzungen  mit  -q)^ivü)  fern  getreten  ist,  durch 
sie  also  nicht  gestützt  werden  konnte.  Der  präsensstamm  gr. 
(pqaivo-  :  q>qaiv€  entspricht  in  ablaut  und  suffix  genau  dem 
alb.  bri'ABj  got.  brunjo  und  dadurch  erhält  meine  etymologie 
von  g>Qfjv,  q)Qd^(o  eine  nicht  unwesentliche  stütze.  Eine  weitere 
stütze  würde  sie  gewinnen^  wenn  sich  auch  der  in  9)^0^0-  :  (pga^B' 
steckende  stamm,  idg.  ^bhrendjo-,  ausserhalb  des  griechischen 
nachweisen  liesse.  Das  ist,  glaube  ich,  in  der  tat  möglich. 
Denn  alb.  bres,  best,  brez-i,  von  dem  wir  ausgegangen  sind, 
lässt  sich  ohne  weiteres  auf  idg.  *bhrendjo8  zurückfuhren;  idg. 
«n  wird  vor  folgendem  konsonanten  (ausser  j)  durch  alb.  e 
vertreten  (G.  Meyer,  Alb.  stud.  II,  25),  wie  -zet  (in  Tie-zit 
zwanzig  u.  and.  dekaden)  :  ai.  (atis,  gr.  -xati,  lat.  -^intij  ginta, 
ir.  -che,  gen.  chai,  got.  -hund  zeigt,  und  uralb.  -dj-  wird  nach 
dem  ton  zu  -0-  (6.  Meyer,  Alb.  stud.  III,  28).  Die  nicht  er* 
weiterte  idg.  w.  bhren  kann  in  alb.  mbreA  gürte  vorliegen;  denn 
es  hindert  wol  nichts,  alb.  -breii  auf  idg.  ^bhrenjö  zurückzu* 
führen,  da  auch  sonst  die  diphthongirung  des  e  ohne  erkenn* 
baren  grund  unterblieben  ist  (G.  Meyer,  Alb.  stud.  III,  85  f.); 
alb.  g'aA  jage,  das  am  schwersten  gegen  zurückführung  von  -breA 
auf  idg.  *bhrenjö  in's  gewicht  fallen  würde,  wenn  es  mit 
G.  Meyer  (Etym.  wb.  136,  Alb.  stud.  IE,  7,  84)  auf  idg.  *genjö 
zurückgeführt  wird,  ist  nicht  zu  verwerten  (Pedersen,  KZ. 
XXXVI,  330  f.).  Indessen  kann  e  auch  t-umlaut  von  a  (-breii 
aus  *branjö  =  idg.  *bhronjö;  -breA  stünde  dann  dem  gr.  qp^o- 
viw  nicht  allzu  fern)  oder  e  kann  ==  idg.  ö  sein  (-breA  =  idg. 
*bhrönjö),  in  jedem  fall  lässt  sich  -breA  auf  die  idg.  w.  bhren 
zurückführen.  Auf  die  in  q)Qd^(a  vorliegende  idg.  w.  bhrend 
führe  ich,  wie  schon  oben  (s.  227)  angedeutet,  auch  die  bei 
Fick  (Vgl.  wb.  II  ^,  184  unter  *brend)  zusammengestellten 
Wörter  zurück  und  bemerke  zu  cymr.  brynn  coUis,  dass  alb. 
bri^B  u.  a.  auch  „anhöhe^^  bedeutet.  Auch  aisl.  brattr,  aschwed. 
brantr,  ags.  bnmt  steil  gehören  meiner  meinung  nach  hierher. 
Neben  der  erweiterten  wurzel  idg.  bhren-d  liegt  die  oben  (s.  230  f.) 
behandelte  idg.  w.  bhrenJc,  die  sich  ebenfalls  als  erweiterung 
auffassen  lässt:  bhren-Tc;  dadurch  gewinnen  wir  die  möglichkeit, 
das  oben  (s.  228)  besprochene  aisl.  bringa  in  einen,  wenn  auch 
entfernteren,  etymologischen  Zusammenhang  mit  den  keltischen 

16* 


344  Wiedlematin 

Wörtern  für  „bnist^*  zu  bringen.  Aus  diesem  gründe  halte  ich 
auch  die  zurückfuhrung  von  alb.  mbreA,  bres  auf  die  idg.  w. 
bhren,  bhren-d  für  viel  wahrscheinUcher  als  O.  Meyer's  zurück- 
führung  auf  ein  idg.  *bhreunO',  denn  diese  albanischen  Wörter 
gewönnen  dadurch  anschluss  an  eine  ganze  reihe  andrer  be- 
nennungen  für  „brüst".  Sollte  indes  mit  6.  Meyer  bre-  in  alb. 
bres,  nibreA  auf  idg.  bkreu-  zurückzuführen  sein,  so  würde  ich 
statt  idg.  ^bhreufUh  lieber  idg.  *bhreu8-nO'  ansetzen  und  got. 
bru8t8  dazu  stellen. 

Es  gibt  aber  im  Albanischen  noch  ein  andres  wort,  das 
sich  lautlich  ohne  weiteres  mit  got.  brusts  vereinigen  lässt,  und 
dessen  bedeutung,  wenn  sie  auf  den  ersten  auch  abzuliegen 
scheint,  dennoch  mit  der  des  got  brusU  vereinbar  ist:  alb. 
breSen  hagel.  6.  Meyer  (Etym.  wb.  47,  Alb.  stud.  III,  35,  61, 
72,  90)  stellt  breien  zu  ahd.  brösma  krume,  bröckchen,  kelt. 
^brüS"  zerschlagen  (weiteres  über  die  kelt.  Wörter  bei  Thur- 
neysen,  Eeltorom.  94  f.)  und  Stokes  (Fick  11  ^  187),  abulg. 
brbsnqü  rädere,  corrumpere,  bnadb  Scherbe.  Diese  Zusammen- 
stellung ist  aber  von  lautlicher  seite  sehr  anfechtbar,  wie  schon 
Pedersen  (IF.  V,  38)  erwähnt  hat.  Über  das,  was  Pedersen 
behauptet,  lässt  sich  aber  ebenfalls  streiten.  In  ags.  brysan 
brechen,  ir.  bruim  zerschlage,  ahd.  brösma  und  lat.  frustum 
brocken,  stückcken  liegt  meiner  meinung  nach  eine  idg.  w. 
bhreus  :  bhi'Hs  brechen,  zerbrechen  vor.  Wer  mit  Pedersen  in 
ags.  brysan^  ahd.  brösma  eine  «-erweiterung  der  in  aisl.  brjUa 
brechen  vorliegenden  idg.  w.  bhreud  sieht,  muss  diese  Wörter 
von  ir.  brüim  und  seiner  sippe  trennen  und  dazu  kann  ich  mich 
nicht  entschliessen.  Sind  aber  die  germanischen  Wörter  nicht 
auf  eine  erweiterte  idg.  w.  (bhreud-s  — )  bhreuUs  zurückzu- 
führen, so  fallt  auch  die  stütze  für  Pedersen's  herleitung  von 
slav.  brbs-  aus  einer  solchen  erweiterten  wurzel.  Dazu  kommt 
noch,  dass  die  ursprüngliche  bedeutung  der  von  Miklosich 
(Etym.  wb.  23)  behandelten  slav.  w.  brhs-  gar  nicht  „brechen^S 
sondern  „streifen",  „wischen^^  ist  Dieselbe  grundbedeutung 
hat  die  bei  Leskien  (Abi.  293,  wo  aber  lit.  britkti  zu  streichen 
ist;  8.  o.  s.  234)  zusammengestellte  sippe  von  lit  braukti 
wischen,  streichen,  lett.  brukt  abbröckeln,  braukt  fahren,  wie 
Pott  (Etym  forsch.  III  ^  193  f.)  erkannt  hat  Daher  hat  denn 
auch  schon  längst  Fick  (Vgl  wb.  II  ^  622)  die  slavischen  und 
litauischen  Wörter  mit  recht  zusammengestellt ;  der  Widerspruch 


Etymologien.  245 

zwischen  slav.  8  und  lit  k  löst  sich  dadurch,  dass  beide  ver- 
schiedene Wurzelerweiterungen  sind:  slav.  8  =  idg.  £,  lit.  k  = 
idg.  k  oder  k»  (vgl.  auch  Persson,  Wrzelerw.  126,  wo  aber  mit 
unrecht  slav.  8  als  idg.  8  aufgefasst  und  eben  so  mit  unrecht 
die  litu-slavischen  Wörter  an  Wörter  angeschlossen  werden,  denen 
sie  begrifflich  fern  stehn).  Die  nicht  erweiterte  wurzel  steckt 
in  lett.  brauna  schelfer,  abgestreifte  haut,  schuppe,  das  uns 
auch  zeigt,  wie  die  bedeutungen  von  abulg.  brh8nqH  und  brb8eh 
zu  vermitteln  sind.  Mit  recht  stellt  Miklosich  aao.  auch  abulg. 
obru8^  handtuch  und  bulg.  serb.  slov.  £ech.  osorb.  nsorb.  poln. 
klruss.  russ.  brus  wetz-,  Schleifstein  dazu,  was  Pedersen  (aao.  39) 
befremdlicherweise  für  falsch  hält;  wie  oben  (s.  234)  erwähnt 
ist,  gehören  auch  aisl.  bryni  Wetzstein  und  aisl.  bryna  wetzen 
hierher. 

Wäre  demnach  eine  Vereinigung  von  alb.  breäen  mit  abulg. 
brb8nqtij  brh8eh  nur  unter  der  Voraussetzung  möglich,  dass  das 
i  von  breSm  aus  älterem  8j  =  idg.  Tcj  entstanden  ist,  so  ist  sie 
doch  eben  so  wie  die  zurückfährung  des  alb.  breäen  und  der 
von  G.  Meyer  damit  zusammengestellten  keltischen  und  germa- 
nischen sippe  auf  eine  idg.  w.  bhreus  von  seiten  der  bedeutung 
abzulehnen.  Wenn  wir  von  nhd.  graupdn  absehen,  das  eine 
junge  bildung  ist  und  seine  entstehung  offenbar  der  ähnlichkeit 
des  hageis  mit  den  graupen  verdankt,  so  wüsste  ich  kein  idg. 
wort  für  „hageP*  zu  nennen,  das  nachweislich  ursprünglich 
yybrocken^'  oder  etwas  ähnliches  bezeichnet  hat  So  weit  die 
Wörter  etymologisch  klar  sind,  bedeuten  sie  ursprünglich  „festes 
„hart**  oder,  was  auf  dasselbe  hinausläuft,  „gefroren**,  denn 
„frieren**  ist  ja  nichts  andres  als  „fest,  hart  werden**.  Etymo- 
logisch klar  sind  aisl.  hoylj  ags.  hcegd,  ahd.  hagal  :  gr.  ^ctjuhj^ 
kiesel,  lit.  kriu8zä  :  ahd.  (h)ro8a  eis,  kruste,  gr.  xqvog  frost, 
yi(gva%aXXog  eis,  lat  crUsta  rinde,  crüdus  roh,  cruor  geronnenes 
blut  usw.  (das  8z  in  lit.  kriu8zh  ist  nicht,  wie  Pedersen  aao.  36  f^ 
will,  idg.  8,  sondern  idg.  Je,  also  eine  andre  Wurzelerweiterung 
als  idg.  8  in  den  genannten  gr.,  lat.  und  germ.  Wörtern;  lit 
kriÜ8zti  zermalmen  mit  8z  =  idg.  Je  und  die  sippe  von  abulg. 
hruch^  frustum  mit  ch  =  idg.  8  sind  von  hriuszh  zu  trennen), 
mhd.  döge  :  ahd.  sliogan  (festmachen  — )  schliessen,  an  welcher 
Zusammenstellung  man  nicht  zweifeln  darf,  gr.  xdhxtpL  :  %dh^ 
kiesel.  Schwierigkeiten  bereiten  lat.  grando  und  abulg.  grad^y 
zu  denen   Meillet  (MSL.  X,  280)   auch  das   gleichbedeutende 


246  Wiedemann 

arm.  karkut  (aus  *k(^krui)  stellt.  Schrader  (Reallex.  664) 
schliesst  sich  der  üblichen  Zusammenstellung  des  lat.  grando, 
abulg.  grad%  mit  ai.  hrädüni-s  an,  während  Meillet  letzteres 
nur  mit  ^^cfAa^a  verbindet;  auch  von  andern  wird  x^^^^  zu 
ai.  hrädüni-s  gestellt.  Als  urheber  dieser  Zusammenstellung 
darf  wol  Benfey  (6r.  wrzUex.  II,  135)  gelten,  obgleich  er  ai. 
hradüni*8  nicht  nennt;  er  erwähnt  aber  gr.  xd^^f^f  l&t.  grando, 
abulg.  grad%  im  Zusammenhang  mit  dem  bereits  oben  (s.  240) 
erwähnten  ai.  hrddate  und  zieht  u.  a.  noch  ai.  hradin%  fluss, 
hradä'8  teich,  see,  hräda-s  geräusch  und  das  ebenfalls  schon 
oben  (s.  240)  erwähnte  got.  gretan  heran.  Ohne  auf  Vollstän- 
digkeit anspruch  zu  machen,  nenne  ich  von  den  Vertretern  der 
ansieht  Benfey's  Gurtius  (Grdz.  ^  196 f.),  Miklosich  (Lex.  pal.- 
slov.  141,  [Etym.  wb.  76),  Walter  (KZ.  XI,  433),  Grassmann 
(KZ.  Xn,  89),  Ascoli  (KZ.  XVII,  324),  Schleicher  (Komp.  3  (4) 
238),  Siegismund  (Gurtius'  stud.  V,  139  anm.  28),  Fritzsche 
(Ebda.  VI,  321),  Job.  Schmidt  (Vok.  II,  118),  Vaniöek  (Griech.- 
lat.  etym.  wb.  26öf.,  Etym.  wb.  d.  lat.  spr.  *  95),  Froehde  (o. 
VI,  174,  Whai-ton  (Etyma  graeca  132),  Saussure  (Mem.  263 
anm.,  268),  Leo  Meyer  (Vergl.  gramm.  I  *,  1047),  Bersu  (Lat. 
gutt.  188),  Hom  (Grdr.  d.  npers.  etymol.  152).  Dass  gr.  %aJla^a 
und  lat.  grando  mit  einander  nichts  zu  schaffen  haben,  darf 
jetzt  wol  als  allgemein  anerkannt  gelten;  meinungsverschieden- 
heit  besteht  nur  darüber,  ob  gr.  x^^^^^  oder  lat.  grando  oder 
keines  von  beiden  zu  ai.  hrädüni-s  zu  ziehen  ist.  Für  x^^Aa^a  : 
hrädüni'S  haben  sich  ausser  Meillet  noch  entschieden  Hirt  (o. 
XXIV,  233,  246,  Abi.  88,  wo  befremdlicherweise  unter  no.  278 
zu  einem  idg.  ghelä  brause  auch  ahd.  hagal^  aisl.  hagl,  ags. 
hagol  aus  idg.  *kaghl9,  also  mit  anlautender  tenuis,  erwähnt 
wird ;  die  Verwirrung  ist  wol  durch  gr.  naxld^oi  plätschern  her- 
vorgerufen) und  zweifelnd  Fick  (Vgl.  wb.  I  *,  438),  für  grando  : 
hradüni-8  ausser  Schrader  noch  Wharton  (Etyma  lat  42), 
Froehde  (o.  XVI,  213),  G.  Meyer  (Griech.  gramm.  «  158), 
Johansson  (IF.  II,  43,  XJppsalastudier  72),  Lindsay-Nohl  (Lat. 
spr.  338),  XJhlenbeok  (Kurzgef.  etym.  wb.  d.  aind.  spr.  362). 
Ferner  habe  ich  folgende  Zusammenstellungen  gefunden:  lat 
grando  und  got.  gretan  (Bugge,  Gurtius'  stud.  IV,  348 f.,  wo 
aber  ohne  rücksicht  auf  die  übrigen  germ.  sprachen  von  der 
bedeutung  des  gotischen  wertes  „  weinen '^  ausgegangen  und 
darauf  hingewiesen  wird»  dass  im  nordischen  die  tränen  oft  als 


Etymologien.  247 

bagel  bezeichnet  werden);  lat.  grando  und  abulg.  grad^  (Fick 
I  *,  417,  Froehde  o.  XXI,  328,  Hirt  o.  XXIV,  281);  lat.  grando 
und  abulg.  gradh  :  gr.  xiQadoq  griess  (Persson,  Wrzlerw.  220, 
Stolz,  Hist.  gramm.  d.  lat  spr.  261)^).  Endlich  ist  noch  zu 
erwähnen,  dass  Pott  Etym.  forsch.  *  IV,  417  ff.)  über  alle  diese 
Wörter  gehandelt  hat,  ohne  irgend  eine  entscheidung  zu  treffen. 
Es  ist  wol  auch  kaum  möglich,  eine  entscheidung  zu  treffen, 
die  etwas  unbedingt  überzeugendes  hätte;  so  viel  sollte  aber 
meiner  meinung  nach  aUgemein  anerkannt  werden,  dass  ai. 
hröduni-s  nichts  mit  den  oben  (s.  240)  bereits  erwähnten  ai. 
hrädate,  got.  gretan  zu  schaffen  haben  kann.  Dass  der  hagel 
seine  benennung  vom  lärm  hat,  müsste  erst  durch  weitere  bei- 
spiele  nachgewiesen  werden.  Ebenso  unwahrscheinlich  ist  es, 
dass  av.  zrädö,  dem  man  die  bedeutung  „kettenpanzer**  beilegt, 
zu  ai.  hrädate,  got  gretan  gehört.  Nach  Bartholomae  (IF.  XI, 
128)  bedeutet  av.  ssrädö  vielleicht  „koUer"  und  damit  dürfte 
Bartholomae  wohl  recht  haben,  denn  npers.  zirih  panzer  be- 
weist eben  so  wenig  etwas  für  Verwandtschaft  mit  ai.  hrädate, 
got.  gretan.  Für  av.  zraöö  und  npers.  zirih  darf  man  wohl 
von  der  allgemeinereu  bedeutung  „deckung'\  „umschliessendes" 
ausgehn;  dann  ist  es  möglich,  beide  Wörter  mit  ai.  hrädüni-s 
zusammenzustellen  und  für  letzteres  dieselbe  bedeutungsent- 
Wicklung  anzunehmen,  die  mhd.  slöze  aufweist  Mit  ai.  hra- 
düni'8  stellt  Nöldeke  (bei  Hörn  aao.)  npers.  zoIa  hagel,  reif  zu- 
sammen; doch  verdient  meiner  meinung  nach  die  von  Hom 
(KZ.  XXXII,  588)  vorgeschlagne  Zusammenstellung  mit  ai.  ja- 
4a-8  kalt,  starr,  regungslos,  stumpf  den  vorzug,  denn  erstens 
erklärt  sich  npers.  -äl-  aus  älterem  Hird-  besser  als  aus  -rod- 
(Hübschmann ,  Pers.  stud.  72,  131  f. ,  260)  und  zweitens  lässt 
sich  npers.  zäla  bei  Horn's  eigner  erklärung  auch  weiter  zu 
abulg.  zUdica  glatteis,  got  kalde  kalt,  lat.  gelu  kälte,  frost  usw. 
stellen;  der  dental  d  neben  dh,  ist  Wurzelerweiterung.  Da 
npers.  zOla  „hageV^  und  „reif'  bedeutet,  würde  es,  SeJIs  es 
wirklich  mit  Nöldeke  zu  ai.  hrädünv^  gestellt  werden  müsste, 
den  beweis  liefern,  dass  ai.  hrädüni-s  nicht  zu  ai.  hrädate,  got. 
gretan  gehört;  denn  dass  auch  die  bedeutung  „reif'  aus  der 

1)  Übrigens  hatte  auch  Bchon  Benfey  aao.  gr.  //^«foc  im  zuiam- 
menhang  mit  lat  grando,  abalg.  gradby  gr.  /ailo(o,  ai.  hrMmi'B  er- 
wähnt. 


248  Wiedemann 

bedeutung  »ytönen^^  berleitbar  ist,  wird  wohl  niemand  behaupten 
wollen.  Da  andrerseits  in  ai.  hrädüni-s  h,  weil  es  vor  r  steht, 
nur  Vertreter  von  idg.  §h  (nicht  gh  oder  guh)  sein  kann,  muss 
abulg.  grad^  von  ai.  hrädüni-s  getrennt  werden,  denn  es  liegt 
kein  triftiger  grund  vor,  für  abulg.  gradh  Vermischung  der 
gutturalreiben  anzunehmen.  Ich  glaube  daher,  dass  Meillet 
recht  hat,  wenn  er  abulg.  grad^y  lat.  grando  zu  arm.  karkut 
stellt;  dazu  füge  ich  noch  mit  Fick  (Vgl.  wb.  II  >,  555)  lit 
grödas  frischer,  steif  gefrorener  strassenschmutz,  das  Brückner 
(Slav.  fremdw.  im  Lit.  85)  mit  unrecht  für  slav.  lehnwort  hält 
Jedenfalls  dürfen  nicht  die  von  Brückner  angeführten  poln. 
gruda  schölle,  erdschoUe,  eisscholle,  grudzieA,  wruss.  grudieA 
dezember  herangezogen  werden,  da  slav.  u  im  lit  nicht  durch 
0,  sondern  durch  u  wiedergegeben  wird.  Nur  lit.  grudis  de- 
zember kann  slav.  lehnwort  sein,  ebenfalls  auch  grodinis  de- 
zember, das  eine  durch  grödas  hervorgerufene  volksetymolo- 
gische Umgestaltung  eines  entlehnten  *grüdin%8  sein  kann. 
Durch  lit.  grödas  wird  also  auch  für  abulg.  grad%^  lat.  grando. 
arm.  karkut  die  grundbedeutung  „hartes  ,ygefroren^*  erwiesen^). 
—  Ferner  führe  ich  an  osset  D  yex,  T  ix,  ix  eis,  hagel,  D 
yexan,  T  ixan  kalt  :  npers.  yax  eis,  yaxde  hagel  und  pr.  key- 
taro,  das  ich  zu  lit.  ketas  hart  stelle. 

Wird  auch  durch  die  hier  erörterten  Wörter  für  „hagel*' 
meine   annähme,    auch   alb.  breäen   bezeichne   den   hagel   als 

1)  Auch  für  den  fall,  dass  lat.  grando  und  arm.  karkut  weder  mit 
abulg.  grad^  noch  mit  einander  verwandt  sind,  lassen  sich  für  beide 
anknüpfangen  finden,  bei  denen  ebenfalls  die  gleiche  bedeutungsent- 
Wicklung  vorläge.  Für  lat.  grando  kämen  ausser  dem  von  Persson  und 
Stolz  verglichenen  gr.  /^^a<fo;  noch  in  betraoht  gr.  ygov^oc  geballte 
faust  und  die  von  Liden  (Stud.  z.  aind.  u.  vergl.  sprachgesch.  157)  dazu 
gestellten  Wörter  oder  gr.  /oy<f^;  knospe,  graupe,  kom,  das  zuerst  von 
Benfey  (Griech.  wrzllex.  ü,  185)  aus  *xqovSqos  erklärt  worden  ist;  für 
XovdQos  :  grando  könnte  ein  r-n-stamm  angesetzt  werden.  Doch  ist  die 
Zusammenstellung  von  grando  mit  gr.  /^^a<foc  oder  ;|for<f^c  insofern 
nicht  ganz  einwandfrei,  als  die  frage  nach  der  Vertretung  von  idg.  ghr-^ 
ghr-  im  Lateinischen  noch  immer  eine  offne  ist  (vgl.  Hoffmann  o.  XXVI, 
140 ff.).  Für  arm.  karkut  Hesse  sich,  wenn  wir  es  mit  Meillet  zunächst 
aus  *ka'krut  herleiten,  Verwandtschaft  mit  den  oben  genannten  slav. 
Wörtern  (poln.  gruda  usw.)  oder  mit  dem  oben  (s.  245)  erwähnten  lit. 
kriuna  annehmen;  in  letzterem  fall  hätten  wir  im  Litauischen  qnd  ^T" 
menischen  verschiedene  Wurzelerweiterungen, 


Etymologien.  249 

„hart'\  „gefroren**  genügend  gestützt,  so  erhält  sie  noch  eine 
weitere  stütze  durch  das  albanesische  selbst.  Dem  alb.  breäen 
steht  lautlich  sehr  nahe  das  alb.  breäe,  breäke  Schildkröte. 
G.  Meyer  (Etym.  wb.  d.  alb.  spr.  47)  hält  mit  Schuchardt 
(KZ.  XX,  253  f.)  das  wort  für  entlehnt  aus  lat  *brö8CU8,  er- 
halten in  mlat.  bruscus  frosch.  Schuchardt  meint  mlat.  brus- 
CU8  könne  mit  prv.  brusc  rinde  identisch  sein,  da  die  kröte 
auch  sonst  als  „rinde**  bezeichnet  werde.  Das  ist  im  gründe 
richtig;  nur  muss  man  für  „rinde**  und  „kröte^*  die  bedeutung 
„harte  schale^*,  „schild**  zu  gründe  legen  und  annehmen,  dass 
mlat.  bruscus  ursprünglich  „Schildkröte^*  bedeutet  hat,  dann 
erst  „kröte**  (im  allgemeinen),  „frosch**.  Das  bei  G.  Meyer 
weiter  genannte  alb.  bretäke  Schildkröte  ist  meiner  meinung 
nach  etymologisch  von  alb.  breäke,  breäe  zu  trennen  und  zu 
gr.  ßazQoxog  frosch  zu  stellen,  das,  wie  wohl  allgemein  ange- 
nommen wird,  für  ^ßqatqaxog  steht  und  das  ich  mit  gr.  ßociaau, 
ßqaC/u)  sprudle,  siede,  worfle  zu  derselben  idg.  w.  mer  ziehe, 
die  in  der  oben  (s.  184  f.)  behandelten  sippe  von  got  bra^s 
steckt.  Die  grundbedeutung  dieser  idg.  w.  iner  ist  „fluctuare** 
(ein  völlig  bedeutungsgleiches  deutsches  wort  finde  ich  nicht), 
woraus  sich  einerseits  die  bedeutungen  „springen**,  „sieden** 
(=  blasen  treiben),  andrerseits  die  bedeutung  „flimmern** 
„schimmern**  und  aus  ihr  wieder  „hell  sein**  und  „dunkel  sein'* 
entwickeln.  Dasselbe  bedeutungsverhältnis  wie  zwischen'  ßaTQu- 
Xog  :  ßQdaaw  besteht  zwischen  lit.  varle  frosch  und  virti  sieden ; 
dazu  stelle  ich  auch  lat.  räna  (aus  *vräfiä)  frosch.  Hingegen 
bedeutet  die  in  alb.  breäks,  breäe  und  breäen  steckende  idg.  w. 
hhreus  „hart,  fest  sein**  und  für  das  bedeutungsverhältnis  von 
alb.  bresksy  breäe  :  breäsn  führe  ich  als  analogen  dasjenige  von 
gr.  xilvg  Schildkröte  :  x^^^"^  ^^%  eine  Zusammenstellung,  die, 
soweit  ich  sehe,  bisher  noch  nicht  vorgeschlagen  worden  ist. 
Da  von  x^^^S  abulg.  iely,  zehvt  Schildkröte  nicht  getrennt 
werden  darf,  wird  für  x^^^9  ^^^  damit  auch  für  x^^^^  ^^ 
anlaut  idg.  gh,  d.  h.  die  rein-velare  media  aspirata  erwiesen, 
so  dass  auch  aus  diesem  grund  die  Zusammenstellung  von  x^i^^Z^ 
mit  ai.  hrädüni-s  unhaltbar  ist.  Für  rein-velare  media  aspirata 
sprechen  ferner  die  meiner  meinung  nach  mit  x^^^Sf  X^^^a 
verwandten  gr.  x^^^^S  kupfer,  erz,  pr.  gelso,  lit.  geleziSj  lett. 
dzelze^  abulg.  zel^o  eisen.  Gegen  idg.  gh  scheint  lit.  zilve 
Schildkröte  zu  sprechen ;  daher  bat  Zubat;^  (o.  XVII,  327  f.)  das 


250  Wiedemann 

slav.  wort  für  ein  lit  lehnwort  gehalten  (auch  Hirt,  o.  XXIV, 
2ö7  hält  es  für  ein  lehnwort),  aber  später  (arch.  f.  slav.  phil. 
XVI,  420)  das  z  Tür  z  =  lit.  z  als  folge  volksetymologischer 
anlehnung  an  eine  andre ,  von  Zubat;f  (aao.  423  f.)  ebenfalls 
besprochene  sippe  aufgefasst.  Viel  näher  liegt  es  aber,  das 
lit  züve  und  das  russ.  dial.  zelv  Schildkröte  als  anlehnungen 
an  das  wort  für  „griin^^  (lit.  zelvas,  abulg.  zelern)  aufzufassen, 
falls  diese  beiden  Wörter  nicht  überhaupt  etymologisch  von 
abulg.  zely  ganz  zu  trennen  und  zu  dem  gleichbedeutenden 
lat.  gdaia  zu  stellen  sind.  Für  die  etymologische  Zusammen- 
gehörigkeit der  Wörter  für  „Schildkröte'^  und  der  Wörter  für 
„eisen"  spricht  auch  lit.  gelezln  varle,  wo  gelezlnia  noch  auf 
eine  für  lit  gelezis  vorauszusetzende  bedeutung  „hartes*'  weist 
—  Da  nun  gr.  x^^^Q  nicht  nur  „Schildkröte 'S  sondern  auch 
„brusthöhle",  „brustkorb",  „lyra**  (zu  letzterer  bedeutung  vgl. 
gr.  xid-dga  zither  :  xi^oQog  brüst,  ir.  cruit  harfe,  cymr.  cnoth 
Violine  :  lit  krütis,  krütinS  brüst;  E.  Zupitza,  KZ.  XXXVI,  242) 
bedeutet,  so  steht  von  selten  der  bedeutung  nichts  im  wege, 
got.  brusts  und  seine  sippe  zu  alb.  breäen  und  breäke,  breie  zu 
stellen;  es  sei  nur  noch  zur  weiteren  stütze  dieser  Zusammen- 
stellung darauf  hingewiesen,  dass  die  eben  genannten  lit  krütis, 
krütlne  etymologisch  zu  dem  oben  (s.  245)  erwähnten  lit  kriu- 
8zä  gehören.  Alle  hier  behandelten  Wörter  für  „brüst"  haben 
zunäch^  „rippe"  bedeutet,  welche  bedeutung  auf  die  ältere 
„umschliessendes",  „umfassendes"  zurückgeht 

Die  gleiche  bedeutungsentwicklung  liegt  in  pr.  kradan, 
lit  krädas,  brüst  vor.  Nesselmann  (Thes.  ling.  pruss.  79)  und 
Bemeker  (Preuss.  spr.  300)  stellen  zu  pr.  kracUtn  Wörter  die 
„klappern",  „krächzen"  bedeuten,  was  natürlich  ganz  unan- 
nehmbar ist  Vielmehr  müssen  beide  Wörter  mit  Leskien  (Nom. 
452  f.,  hier  ist  allerdings  nur  lit.  kriklas  erwähnt,  aber  s.  451 
ist  neben  letzterem  pr.  kradan  genannt)  zu  lett  krekls  hemd 
und  weiter  mit  Brugmann  (Gurtius'  stud.  VII,  281,  wo  übrigens 
nur  lett  krekls  genannt  ist)  und  E.  Zupitza  (Germ.  gutt.  133) 
zu  ags.  hrcRgl  gewand,  stahlhemd,  ahd.  hragü  indumentum  ge- 
stellt werden.  Weiter  stelle  ich  dazu  russ.  kroäni  pl.  t  Schulter, 
rücken  und  alb.  krähe  oberarm,  arm,  Schulter,  flügel,  krahnuerj 
krahanür  geg.  kraheruar,  -ör  tosk.  Schulterblatt,  flügelknochen, 
brüst,  krahenurti  brustleidender,  krahnöä  Schäfertasche.  Die 
alb.  Wörter  werden  von  G.  Meyer  (Etym.  wl).  d.  alb.  spr.  203  f., 


EtymologieD.  251 

alb.  stud.  III,  6)  und  Liden  (aao.  43  f.)  anders,  und  zwar  von 
beiden  verschieden  beurteilt.  Ohne  Schwierigkeit  lässt  sich  alb. 
krähe  aus  idg.  *krokskä  herleiten  wie  alb.  äoh  sehe  (aus  idg. 
^aSkffsJcö,  nach  Pedersen,  KZ.  XXXVI,  283)  zu  got.  saOvan 
sehen  ^)  (6.  Meyer  Alb.  stud.  HI,  6  f.)  zeigt;  slav.  kroä-  geht  auf 
idg.  *kroks^  zurück.  Die  ursprüngliche  bedeutung  dieser  idg. 
w.  krek  tritt  noch  hervor  in  abulg.  okroditi  cingere  (Miklosich 
Etym.  wb.  131),  poln.  krokwa  verklammerung,  harren,  dach- 
sparren,  6ech.  klruss.  krokva  dachsparren,  die  Miklosich  (Etym. 
wb.  141)  von  abulg.  okrodäi  mit  unrecht  ganz  trennt;  auch 
gr.  xQwaaSg  krug,  urna  und  ir.  crocän,  kymr.  crochan  topf  ge- 
hören als  „umfassendes**  hierher.  —  Die  von  6.  Meyer  zu  alb. 
kraha  gestellten  Wörter,  die  auf  eine  idg.  w.  kerk  weisen,  lassen 
sich,  wenn  man  von  der  bedeutung  „biegen''  ausgeht,  mit  lat. 
circus  kreis  und  seiner  sippe,  über  die  Brugmann  aao.  gehandelt 
hat,  allerdings  ohne  die  auf  idg.  kerk  weisenden  formen  von 
den  auf  idg.  krek  weisenden  zu  scheiden;  im  letzten  grund 
mögen  ja  idg.  krek  und  kerk  verwandt  sein. 

Sehr  stiefmütterlich  und  zum  teil  auch  unrichtig  ist  eine 
andre  sippe  von  Wörtern,  die  „brüst*'  oder  auch  einen  benach- 
barten körperteil  bezeichnen,  etymologisch  behandelt  Es  ist 
das  die  sippe  des  lat  pectus.  In  Pott's  etymologischen  for- 
schungen  fehlt  pectus  gänzlich.  Bopp  (Gloss.  comp.  '  338) 
stellt  es,  wenn  auch  zweifelnd,  mit  ir.  ucht  brüst  zu  ai.  vdk^as 
brüst  und  Benfey  (Griech.  wrzUex.  II,  23)  wiederholt  die  Zu- 
sammenstellung von  pedus  mit  väk^as,  erwähnt  aber  ucht  nicht. 
Gegen  die  Zusammenstellung  von  pectus  mit  vdk^as  zu  polemi- 
siren,  ist  heute  nicht  mehr  nötig,  da  wol  niemand  mehr  daran 
festhält.    Schwenck  (Etym.  wb.  d.  lat.  spr.  553  f.)  stellt  pectus 

1)  Die  ziiBammeiiBtelluiig  von  got.  »aihvan  mit  alb.  ioh  habe  ich 
erst  nach  veröffentlichang  meines  aufsatzes  (IF.  I,  257  f.)  bei  6.  Meyer 
(Etym.  wb.  d.  alb.  spr.  411  f.)  gefanden,  sonst  hätte  ich  alb.  ioh  nicht 
unerwähnt  gelassen.  Übrigens  habe  ich  nachträglich  auch  gefanden, 
dass  schon  Diefenbach  (Vergl.  wb.  d.  got.  spr.  II,  184)  alb.  ioh  als  dem 
got.  saihvan  am  nächsten  stehend  erwähnt  hat.  An  der  von  mir  ge- 
gebnen etymologie  von  got.  $aihvan  halte  ich  auch  heute  noch  fest,  ob- 
gleich Kluge  (Etym.  wb.  *  360  f.)  und  Uhlenbeck  (Kurzgef.  etym.  wb.  d. 
got.  spr.  '  125)  noch  immer  Aufrecht's  etymologie  vertreten.  Fär  meine 
etymologie  hat  sich  neuerdings  wieder  Brugmann  (IF.  XII,  28)  ausge- 
sprochen. 


252  Wiedemann 

mit  Isidor  zu  lat.  pedo  kämmen  und,  was  auf  dasselbe  heraus- 
kommt, Ritschi,  wie  ich  aus  der  erwähnung  bei  Schweizer  (KZ. 
III,  377,  XIV,  151)  ersehe,  zu  lat.  pecten  kämm;  doch  ist  diese 
Zusammenstellung,  obwohl  Schweizer  und  Zehetmayr  (Analog.- 
vergl.  wb.  323)  ihr  beipflichten,  sehr  unwahrscheinlich  und  mag 
daher  auf  sich  beruhen;  lautlich  lässt  sich  gegen  sie  natürlich 
nichts  einwenden.  Dann  hat  Hupfeld  (KZ.  VIII,  375)  pectus 
zu  ai.  pak^d'8  seite,  achsel,  flügel,  hälfte,  monatsmitte,  partei, 
anhang  gestellt,  worin  ihm  Hintner  (Kl.  wb.  d.  lat.  etym.  163), 
BrÄal  (KZ.  XX,  80),  BrÄal-Bailly  (Dict.  etym.  lat.  »  254)  und 
Byrne  (Origin  of  the  greek,  latin  and  gothic  rootsg  (isnlt  ofdeg. 
Hintner  zieht  auch  noch  lat.  pango  befestige  hinzu,  eben  so 
Vaniöek  (Griech.-lat.  etym.  wb.  461,  Etym.  wb.  d.  lat  spr.  • 
149).  Zu  pango  ist  pectus  schon  von  Perotti  gestellt  worden, 
wie  ich  aus  Vossius  (Etymol.  linguae  lat  377)  ersehe;  in  neuerer 
zeit  haben  sich  für  Zusammenstellung  mit  pango  ^  ohne  aL  pa- 
kpä'8  zu  nennen,  Gurtius  (De  nom.  graec.  formatione  20  anm.  89), 
Schweizer-Sidler  u.  Surber  (Gramm,  d.  lat.  spr.  197),  und  Fu- 
magalli  (i  principali  etimol.  lat  152)  ausgesprochen.  Aber 
schon  Vossius  nimmt  an  dieser  Zusammenstellung  des  zu  dem 
e  in  pectus  nicht  stimmenden  a  wegen  anstoss;  wenn  er  aber 
ZU  gr.  nrpufog  gefugt  seine  Zuflucht  nimmt,  worin  ihm  Döder- 
lein  (Lat.  synon.  u.  etym.  VI,  260)  folgt,  so  ist  auch  das  heute 
nicht  mehr  möglich,  denn  wir  wissen  jetzt,  dass  das  rj  in 
7tri%%6g  und  seiner  sippe  idg.  ä  ist  Es  bleibt  also  nur  der 
vergleich  von  pectus  mit  ai.  pak^d-s,  pdk^as  bestehn,  nur  darf 
man  weder  mit  Breal  aao.  lat.  -et-  =  ai.  -k^-  setzen,  noch 
mit  Korsch  (Ghafkovskij  sbornik  istoriko-filologiöeskago  obsöetva 
1895,  s.  9  des  sonderabdr.)  ^),  abulg.  pleste  schulter,  rücken 
heranziehen.  In  diesem  sinn  hat  sich  denn  auch  Pedersen 
(Nord,  tidsskr.  f.  filol.,  III.  rsekke,  bd.  V,  32)  ausgesprochen, 
der  seinerseits  noch  gr.  nixog  vliess  heranzieht,  was,  wie  ¥är 
weiter  unten  sehen  werden,  nicht  angeht.  Abweichend  von  den 
bisher  genannten  forschem  hat  Schleicher  (Komp.  §  167,  3)  an 
Bopp's  Zusammenstellung  von  pectus  mit  ir.  ucht  festgehalten, 
aber  mit  recht  ai.  vdk^as  bei  seite  gelassen;  denn  ir.  ucht 
kann   zwar    entweder   zu   ai.  vdk^as  gestellt  werden    oder  zu 

1)  Das  Zitat  gebe  ich  nach  Pedersen,  da  mir  die  abhandlong  nicht 
zugänglich  ist. 


Etymologien.  253 

pectus,  nicht  aber  zu  beiden.  Die  zuRamroenstellung  von  ir. 
ucht  mit  ai.  väk^as  ist  unter  der  Voraussetzung  möglich,  dass 
vdk^as,  ¥de  Bopp  angenommen  hat  und  wie  auch  noch  Uhlen- 
beck  (Kurzgef.  etym.  wb.  d.  aind.  spr.  267)  annimmt,  zu  ai. 
ük^ati  wächst  gehört;  u-  in  ir.  ucht  ginge  dann  auf  idg.  u-> 
va-  in  ai.  väk^M  auf  idg.  ve~  zurück.  Aber  schon  Benfey  aao. 
hat  väk^tis  zu  ai.  vank^ana-a  kriimmung  in  der  gegend  des 
Schosses,  leisten,  weichen  gestellt  und  auch  Böhtlingk-Roth 
(Skr.-wb.  VI,  616,  618),  stellen  väk^as  und  vanksanchs  zu 
ai.  vakpdnä  hohler  leib,  bauch,  weichen,  fiussbett;  diese  ge- 
hören aber  weiter  zu  ai.  vMcati  wankt,  wackelt,  geht  krumm, 
schleicht,  vaflcayati  entgeht,  entwischt,  hintergeht,  betrügt, 
vacyäte  dreht  sich,  tummelt  sich,  fliegt,  vdnkris  rippe  (dies 
wort  spricht  besonders  für  die  hergehörigkeit  von  väk^as)^ 
va/iküs  sich  tummelnd ;  zu  diesen  und  den  von  Uhlenbeck  (aao. 
8.  o.  vdüeaii,  Kurzgef.  etym.  wb.  d.  got.  spr.  *  163  s.  y.  waggc^ 
reis  und  waggs)  zusammengestellten  wörtem  ziehe  ich  auch 
noch  aisl.  vcengr,  engl,  uing  (nord.  lehnwort)  flügel;  zur  be- 
deutung  von  got  toaggs  (aue),  paradies  vgl.  lett  lekns,  Wcna 
niederung,  feuchte  wiese  :  lit.  lifüäi  sich  biegen  und  abulg.  lqg^ 
hain,  russ.  lug  wiese  :  lit  lingü'ti  sich  hin  und  her  bewegen. 
Mit  pr.  wangus  dameraw,  das  Pauli  (KSB.  VII,  178),  Nessel- 
mann (Thes.  ling.  pass.  199),  Fick  (Vgl.  wb.  II  »,  769,  Hl  », 
288),  Schade  (Altd.  wb.  >  108),  uhlenbeck  (PBB.  XIX,  523), 
Bemeker  (Preuss.  spr.  329)  und  E.  Zupitza  (Germ.  gutt.  181) 
zu  got  waggs  stellen,  kann  damit  nichts  zu  schaffen  haben, 
denn  bei  pr.  wangus  muss  von  der  bedeutung  „wald''  ausge- 
gangen werden;  das  wort  kann  ursprünglich  eine  baumart, 
wahrsch.  „eiche''  bezeichnet  haben,  so  dass  etymologischer  Zu- 
sammenhang mit  ai.  vanghc^s  ein  bestimmter  bäum,  zu  dem  es 
auch  Uhlenbeck  (Kurzgef.  etym.  wb.  d.  aind.  spr.  267),  wenn 
auch  nicht  ganz  zuversichtlich,  zieht,  meiner  meinung  nach 
nicht  zu  verkennen  ist  —  Da  nun  ir.  ucht  nicht  auf  eine  idg. 
w.  venk  zurückgeführt  werden  kann,  bleibt  nur  lat  pectus  zum 
vergleich  übrig.  Wenn  E.  Zupitza  (KZ.  XXXV,  266  f.)  für 
diese  Zusammenstellung  eintritt,  so  kann  ich  ihm  darin  nur 
beipflichten,  me  das  auch  schon  Stokes  (KZ.  XXXV,  594)  getan 
hat,  der  früher  (Fick  Vgl.  wb.  II  ^,  55,  Ztschr.  f.  celt  phil. 
I,  73)  lett.  pups  weiberbrust  verglichen  hatte.  Aus  obigem 
kann  aber  E.  Zupitza  sehen,  dass  er  keine  geringeren  Vorgänger 


254  Wiedemann 

hat  als  Bopp  und  Schleicher.  Die  Zusammenstellung  von  peetus 
mit  ir.  udit  macht  aber  die  Verbindung  von  pectus  mit  ai. 
paksd-^  nicht  hinfällig;  es  liegt  nur  im  Indischen  ein  anderes 
suffiz  vor  als  im  Italischen  und  Keltischen.  Zu  ai.  pak^ds 
hat  Bezzenberger  (o.  XVI,  120)  lett.  paksia  hausecke,  aizpaJeszem 
bei  Seite  gestellt.  Dies  lettische  wort  lehrt  uns,  dass  mr  es 
bei  ai.  pak^ä-s,  lat.  pectus,  ir.  t$cht  mit  einem  velaren  oder 
labio-yelaren  guttural  zu  tun  haben;  es  geht  daher  nicht  an, 
mit  Böhtlingk-Roth  (Skr.-wb.  IV,  350)  und  Goldschmidt  (KZ. 
XXV,  611)  ai.  pdk^ma  haar,  ¥ämper  zu  ai.  pak^d-^  zu  stellen, 
denn  ai.  päk^ma  hat  -^  aus  idg.  -ha-,  wie  das  i  von  av, 
paämm  augenwimpern  zeigt;  npers.  paäm  wolle  beweist  nichts, 
da  apers.  xä  (:=  idg.  ks)  vor  konsonanten  zu  npers.  s  wird 
(Hübschmann,  Pers.  stud.  232  f.),  also  mit  apers.  ä  (=  idg.  hi) 
zusammengefallen  ist,  wol  aber  wird  für  ai.  pdßkma  -k^-  aus 
idg.  -Tcs-  noch  erwiesen  durch  arm.  asr  Schafwolle,  vliess,  von 
dem  das  gleichbedeutende  gr.  nhiog  nicht  getrennt  werden  darf 
(damit  ist  Pedersen's  Zusammenstellung  von  lat.  pectus  mit  gr. 
ninLog  widerlegt),  und  durch  lit.  piszti  abreissen,  rupfen,  pflücken. 
—  Ausser  lett.  paksis  weist  der  litauische  sprachzweig  noch 
einen  spross  dieser  idg.  wurzel  auf:  pr.  paggan  wegen,  das  ich 
hierher  ziehe;  zur  bedeutung  verweise  ich  auf  nhd.  -seits,  von 
seilen  und  besonders  auf  nhd.  -halb,  -halben,  halber  :  got.  hcdba 
hälfte,  Seite,  halbe  halb.  Ausser  bei  Pierson  (Altpr.  wörterschatz 
29),  der  in  paggan  eine  Zusammensetzung  aus  pa-  und  einem 
dem  gäl.  kion  grund,  Ursache,  chion  wegen  verwandten  wort 
sieht,  habe  ich  keine  etymologische  deutung  von  pr.  paggan 
gefunden;  ich  hoffe,  dass  meine  deutung  für  besser  als  diejenige 
Pierson's  befunden  wird ;  sie  wird  auch  dem  -gg-  besser  gerecht, 
denn  in  einer  Zusammensetzung  hätte  der  ton  wol  auf  dem 
zweiten  teil  geruht  und  daher  wäre  nach  dem  (unbetonten)  a 
der  ersten  silbe  das  g  nicht  doppelt  geschrieben  worden.  In 
pr.  paggan  sehe  ich  den  instr.  sg.  eines  O-stammes  (vgl.  lit.  -a, 
dial.  -u,  lett.  -u,  abulg.  -(ojjq,  ai.  -ä,  aus  idg.  -an,  Mahlow, 
Lang.  vok.  70).  Das  Preussische  erweist  als  wurzelschliessenden 
konsonanten  idg.  media  oder  media  aspirata.  Beide  formen, 
die  mit  ^-g-  oder  -gh-  und  mit  -ks-,  kommen  in  den  slavischen 
sprachen  vor,  die  zahlreiche  verwandte  von  lat.  pectus,  ir.  ucht, 
ai.  pakshd-s  lett.  paksis,  pr.  paggan  aufweisen.  Zunächst  nenne 
ich  osorb.  pod^paha  achselhöhle,  in  dem  wir  den  aus  pr.  paggan 


Etymologien.  255 

erschlossenen  ^r-8tamm,  nur  mit  anderem  wurzelvokal,  haben. 
Derselbe  vokalismus  liegt  vor  in  den  mit  den  sufGxen  idg.  -so-, 
sä-  gebildeten,  also  slav.  -ch-  aus  idg.  -A»-  enthaltenden,  russ. 
poch  leistengegend,  poln.  klruss.  russ.  pacha  achselhöhlei  wruss. 
pcichi  pl.  t.  Schulterblätter,  pacha  achselhöhle,  band,  osorb., 
russ.  pod-pach,  klruss.  pod^pacha  achselhöhle;  auf  einem  ü- 
stamm,  urslav.  pachy-,  pochy^,  beruhen:  russ.,  wruss.  pachva 
achselhöhle,  leistengegend ,  russ.  pachvi  pl.  t.,  poln.  pachwina, 
pachtoiny  pl.  t.  leistengegend,  wruss.  pachviny  (pl.  t.)  unterer 
teil  des  körpers  von  den  rippen  bis  zu  den  fiissen,  wruss. 
pachvina,  russ.  pachovina  teil  des  bauches  vom  nabel  bis  zu 
den  weichen  (bei  tieren),  serb.  povi  (f.  *pohvi)^  slov.  pohvine 
Schwanzriemen,  öech.  pochva  scheide,  degen-,  messerscheide, 
pl.  pochvy  Pferdegeschirr,  poäva^  osorb.  pöswa,  poln.  pochtoa, 
poszwa,  klruss.  pochva,  wruss.  pochva  scheide,  russ.  pochva 
Schwanzriemen,  poäev  (veraltet),  poävy  m.  pl.  t.  poäevni  pl.  t. 
breiter  und  niedriger  Schlitten  (zur  bedeutung  vgl.  russ.  sani 
pl.  t.  Schlitten  :  lit.  szinas  seite;  Zuhat/,  Arch.  f.  slav.  phil. 
XVI,  410  f.).  Femer  gehört  hierher  klruss.  -paä  in  ruko-paä 
handgemein,  wie  schon  Miklosich  (Etym.  wb.  230)  angedeutet 
hat  Hierher  ziehe  ich  auch  klruss.,  wruss.,  russ.  pastb  Schlund, 
rächen  und  abulg.  peith  höhle,  das  entweder  von  abulg.  peätt 
ofen  (zu  abulg.  pekq  backe)  ganz  zu  trennen  ist  oder  in  der 
weise  damit  identisch  ist,  dass  für  beide  von  der  bedeutung 
„höhle"  auszugehn  ist;  letzteres  halte  ich  der  bedeutung  „fels" 
wegen,  die  urslav.  ^pektt-  in  mehreren  slav.  sprachen  neben 
der  bedeutung  „ofen'*  zeigt,  für  das  wahrscheinlichere;  zum 
bedeutungsübergang  „höhle'S  „felsenhöhle"^  „fels'<  vgl.  lit.  ülä 
felsenhöhle,  fels  neben  gr.  avlog  flöte  (vgl.  gr.  avQiy^  flöte  : 
lit  kiduras,  Bezzenberger,  o.  XIII,  299),  avltiv  hohlweg,  ctvXi^ 
hof,  Wohnung,  abulg.  ulijb  bienenstock  (nach  den  waben  be- 
nannt), ulica  gasse,  die  zum  teil  schon  zusammengestellt  sind; 
für  das  bedeutungsverhältnis  „höhle*'  :  „ofen''  führe  ich  noch 
an  lat  fomix  höhle,  Wölbung  :  fornäx  ofen,  die  meiner  mei- 
nung  nach  ebenso  zusammenhängen  wie  lat.  öUa,  alat.  aüla, 
ai.  ukhds,  ukhä  topf  und  got.  aühns  ofen,  die  schon  längst 
zusammengestellt  sind.  Es  darf  also  auch  für  abulg.  pesth  un- 
bedenklich von  der  bedeutung  „höhle'*  ausgegangen  werden. 
Vielleicht  deckt  sich  abulg.  peith  laut  für  laut  mit  lat  pectus, 
denn  das  diesem  zu  gründe  liegende  idg.  ^pektus  kann  lautge- 


256  Wiedemann 

setzlich  nur  zu  abulg.  peHb  (zunächst  aus  *peätb)  werden;  vom 
nom.  sg.  aus  kann  das  wort  der  analogie  der  zahlreichen  ab- 
strakta  auf  -tt  verfallen  sein.  Natürlich  kann  eben  so  gut 
abulg.  peätb  auf  idg.  *pekt%8  zurückgehn,  und  das  müssen  die- 
jenigen annehmen,  die  mit  Miklosich  (Festgr.  a.  Böhtlingk  88), 
FortunatoY  (Arch.  f.  slav.  phil.  XI,  ö67)  und  Uhlenbeck  (PBB. 
XIX,  517  ff.)  der  ansieht  sind ,  aus  abulg.  p^tb  s=  lit.  pefiktas 
fünfter  ergebe  sich  das  lautgesetz,  dass  idg.  -kt-  zu  t  slav.  -t- 
werde,  nach  Fortunatov  und  Uhlenbeck  vor  dunklen  (harten) 
vokalen.  Ein  derartiges  lautgesetz  darf  aber  aus  abulg.  p^ 
eben  so  wenig  gefolgert  werden,  wie  aus  lat.  quintus  fünfter 
für  das  lateinische  ein  lautgesetz,  dass  idg.  -kt-  zu  lat  4-  wird; 
aus  abulg.  p^tb,  lat.  quintus  folgt  nur,  dass  in  beiden  sprach- 
familien  in  der  lautgruppe  -nkt"  k  sehr  früh,  im  Slavischen  vor 
der  Umwandlung  von  idg.  -kt-  zu  abulg.  -^t-,  serb.  -J-  usw., 
geschwunden  ist.  Leider  hat  Brugmann  (Grdr.  I  *,  585)  diese 
annähme  Fortunatov's  und  Uhlenbeck*s  gebilligt  und  auch 
E.  Zupitza  (KZ.  XXXV,  266)  hat  abulg.  potb  schweiss  auf  idg. 
*pokf^os  (zu  abulg.  peiq  backe)  zurückgeführt,  ohne  auch  nur 
ein  wort  über  slav.  -/-  zu  verlieren  ^).  —  Aber  noch  eine  reihe 
andrer  Wörter  aus  dem  Slavischen  gehört  zu  lat  pectus  usw. 
Zunächst  nenne  ich  öech.  ptize  arm,  pod-paznik  schosshund, 
günstling,  pod-paznice  schulterkissen ,  (busen)freundin,  wund- 
beule, osorb.  paza  achselhöhle,  nsorb.  paza  räum  zwischen 
Oberarm  und  seite,  pad-paza  achselhöhle;  das  paz-  dieser  wörter 
geht  auf  urslav.  ^pagj-  zurück.  Durch  anfügung  eines  dental- 
suffixes,  idg.  ••dO'('där)  oder  '■dho-(-dha')  an  die  wortform  idg. 
^pöks-  entsteht  idg.  ^pögzd-  oder  ^pögzdh-  —  slav.  pazd-  in 
slov.  pazducha,  pazdicha  achselhöhle:  ferner  mit  "zd-  aus 
urslav.  "Zdj-  :  öech.  pazdi  achsel.     Neben  diesen   formen  mit 

1)  Vial  näher  liegt  es,  abulg.  poth  als  „nasBes**  zu  fassen  und  mit 
gr.  norafAos  fluss,  nori^äg  (od.  XroTM^cr;?),  noanäiSv  auf  eine  idg.  w. 
p0t  :  pot  nass  sein,  fliessen  zurückzuführen;  die  übliche  Zusammenstel- 
lung von  IloaiiSiav  mit  gr.  novros  meer,  ai.  pdnthäs  pfad,  bahn,  weg, 
lat.  pons  brücke ,  pr.  pinti»,  abulg.  pejfb  weg  scheitert  an  den  lauten, 
denn  durch  einfluss  von  gr.  narog  pfad  darf  man  den  spurlosen  Schwund 
des  nasals  in  IloaitidSv  nicht  erklären,  da  der  etymologische  Zusammen- 
hang von  ndrog  und  novrog  kaum  dem  Sprachgefühl  der  Griechen 
lebendig  war.  Ebenso  unwahrscheinlich  ist  es,  dass  notafiog  zu  gr.  ni" 
rofiai  fliege,  nimm  falle  gehört,  wie  man  gewöhnlich  annimmt,  da  in 
dieser  sippe  nur  die  bedeutungen  „fliegen",  „fallen"  hervortreten. 


Etymologien.  2ö7 

"zd-^-zd-)  liegen  formen  mit  -z-  :  abulg.  paaucha,  bulg.  pa- 
zucha  pcusuvGf  pazva  busen,  serb.  pazucho  achsel,  slov.  pazucha, 
pazicha  achselhöble,  öecb.  pazucha  achsel,  paaouch  nebenzweig, 
poln.  pazucha  bösen,  pl.  pazuchy  achselhöble,  klruss.  wruss. 
rasa,  pazucha  busen,  abulg.  pazuibnica  Unterkleid,  russ.  paz%h 
äina  böble,  Vertiefung.  Diese  Wörter  mit  ^zd'(ed)'  und  -e*  sind 
bisher  noch  nicht  befriedigend  erklärt  worden.  Miklosich  hat 
zu  verschiedenen  zeiten  verschiedene  ansichten  geäussert.  Im 
lex.  palaeoslav.-gr.-lat.  551  vergleicht  er  lit.  pazastis  achsel- 
höble; vgl.  gr.  n,  290  f.  will  er  von  ^paducha  ausgehn  und 
darin  eine  Zusammensetzung  von  pa  und  ducha  (zu  ai.  dös 
Vorderarm,  arm,  unterer  teil  des  vorderfusses  bei  tieren,  lett. 
duse,  pa-duse  achselhöble)  sehen;  vgl.  gr.  I  *,  2ö8  zerlegt  er 
abulg.  pazucha  in  paz-ucha  (dazu  lett  pazmS  unter  dem  arm, 
pad-use  achselhöble  und  ai.  amsa-s  schulter;  s.  286  beisst  es 
wörtlich:  „ucha  für  ai.  dmaas  (Mikl.  hat  äsa),  pazucha  steht 
für  pazducha  :  lett.  duse,  paduse;  etym.  wb.  52  geht  er  von 
pazducha  aus  und  kehrt  zu  seiner  annähme  einer  Zusammen- 
setzung mit  ducha  (ai.  dös)  zurück,  bemerkt  aber  am  schluss 
des  artikels  „dunkel  ist  paze  usw."  Fick  (o.  ü,  267,  vgl.  wb. 
I  ^,  433)  zerlegt  das  wort  ebenfalls  in  pa-zucha,  will  aber  das 
'Uch-  auf  idg.  ^ons-  zurückfuhren,  was  gegen  die  lautgesetze  ist 
(vgl.  jetzt  Pedersen,  IF.  V,  56  f.).  Obgleich  Miklosicb's  ansieht, 
dass  -ducha  mit  ai.  dös  zusammenhängt  bei  Pedersen  (aao.  38) 
und  Uhlenbeck  (Eurzgef.  etym.  wb.  d.  aind.  spr.  131)  Zustim- 
mung gefunden  hat  und  auch  Nehring  (IF.  IV,  400)  ihr  zuzu- 
stimmen scheint,  halte  ich  Miklosich's  frühere  Zusammenstellung 
mit  lit.  pazadis  insofern  für  richtig,  als  er  dabei  paz-  als 
wurzelhaft  ansah,  wenn  auch  lit.  pazastis  mit  Zubat^  (o.  XVII, 
327)  als  Zusammensetzung  aus  pa-  unter  und  *za8tas  =  ai. 
hdsta-s,  av.  zastö,  apers.  dasta-,  npers.  dest  band  ^)  anzusehen 
ist  und  daher  mit  pazucha  nichts  zu  tun  hat.     Ausser  lit.  pa- 

1)  Ob  auch  gr.  dyoarog  (nur  bei  Homer  in  der  formel  iU  yaütv 
dyoartS  und  bei  anderen  dichtem,  ebenfalls  nur  im  dativ)  hierher  ge- 
hört, ist  sehr  fraglich;  viel  naher  liegt  es,  mit  Döderlein  (Hom.  gloss. 
III,  4)  dyomog  in  Zusammenhang  mit  gr.  dyrj  bug  zu  bringen,  nur  darf 
nicht  mit  Döderlein  gr.  ayvvfn  breche  verglichen  werden,  weil  dies  an- 
lautendes ^  hat,  dyoOTog  aber  nicht.  Auch  möchte  ich  nicht  mit  Benfey 
(Gr.  wrzUex.  II,  18)  und  Leo  Meyer  (Handb.  d.  griech.  etym.  I,  115)  an 
die  idg.  w.  ang  sich  krümmen  denken,  sondern  lieber  an  die  sippe  von 

Beitrlge  z.  knod«  d.  indy.  spmehen-    XXVII.  17 


258  WiedemaAü 

isastls  hatte  Miklosich  aber  früher  auch  Sech,  paie  usw.  ver- 
glichen, Wörter,  die  er  später  als  ,,duiikel*'  bezeichnen  musste, 
da  sie  bei  der  annähme,  pazucha  sei  eine  Zusammensetzung, 
mit  diesem  unvereinbar  sind.  Mit  recht  nimmt  denn  auch 
^alde  (KZ.  XXXIV,  510)  zur  erklärung  des  z  in  pazucha 
gegenüber  dem  -zd-  in  slov.  pazducha  auf  diese  formen  rück- 
sicht;  wenn  er  sie  aber  aus  ursl.  paz-  +  i-suf&x  erklären  will, 
so  kann  ich  ihm  darin  nicht  folgen,  da  ich  mich  nicht  ent- 
schliessen  kann ,  die  slav.  werter  von  pr.  paggan,  lett.  paksis 
zu  trennen,  welches  letztere  ja  den  slav.  Wörtern  mit  poch-, 
poch'  (poä-,  paä')  lautlich  sehr  nahe  steht.  Zur  erklärung  des 
z  in  pazucha  muss  zweierlei  berücksichtigt  werden:  erstens,  dass 
Wörter  wie  russ.  pachva,  bulg.  pazva  auf  einen  u-stamm  weisen, 
und  zweitens,  dass  wruss.  pacha  nicht  nur  „achselhöhle"  son- 
dern auch  „hand'S  also  den  untersten  teil  des  arms,  bedeutet. 
Dies  führt  zur  Vermutung,  dass  das  idg.  wort  für  „unterarm'S 
^bhaghü-  (ai.  bähü-s,  av.  bäzu-,  gr.  n^x^  (nSxvs)^  aisl.  bögr)^ 
auch  im  Slavischen,  wo  es  *bazh  gelautet  haben  würde,  vor- 
handen gewesen,  dann  aber  ausgestorben  ist,  jedoch  nicht,  ohne 
in  dem  z  des  abulg.  pazucha,  in  den  auf  einen  u-stamm  wei- 
senden Wörtern  und  in  der  auf  den  unteren  teil  des  arms  er- 
weiterten bedeutung  spuren  hinterlassen  zu  haben.  Gehört 
auch  slov.  pazducha  nicht  zu  ai.  dös,  so  doch  ausser  ir.  döe 
arm  noch  lett.  duse^  pa^duse  achselhöhle,  wie  auch  schon 
Walde  gesehen  hat,  der  auch  lett.  pazuss  (Walde  hat  pazuse; 
Ulmann  Lett.-dtsch.  wb.  190,  aber  führt  das  wort  nur  im  lok. 
sg.  pazusS  an)  richtig  erklärt,  und,  wenn  wir  für  diese  Wörter 
von  der  grundbedeutung  „schwellen",  bez.  „hohl  sein"  ausgehn, 
was  unbedenklich  ist,  auch  lat  ab-dömen  neben  ab-dümen 
(„unter  den  weichen  befindlich"  =)  Unterleib  (anders  über  ab- 
dornen  Brugmann,  IF.  XI,  271  ff.)  und  ai.  do^  („verhüllend", 
„verhüllt"  =)  dunkel,  nacht.  Das  in  slov.  pazducha  steckende 
idg.  pögzd"  oder  pögzdh-  möchte  ich  auch  in  einem  lateinischen 
wort  suchen:  da  idg.  pögzd-,  pögzdh^  nichts  anderes  ergeben 
kann  als  lat.  pöd-  so  hindert  von  seiten  der  laute  nichts,  lat 
pödex  hinterer  hierher  zu  ziehen;  hinsichtlich  der  bedeutung 
erinnere  ich  an  die  oben  (s.  255)  angeführten  slav.  Wörter  mit 

lat.  axäla  aohaelhöhle,  aisL  ^  achsel  denken;  sn  gronde  liegt  diesen 
Wörtern  der  stamm  idg.  *  ageM-. 


Etymologien.  259 

der  bedeutung  „Schwanzriemen''  i).  Doch  gibt  es  ausser  dieser 
und  der  üblichen  Zusammenstellung  mit  lat.  pSdo  noch  zwei 
andre,  nicht  minder  gute  erklärungen  von  pödexz  1)  pödex  : 
abulg.  pozd^  („zurück-,  femliegend''  =)  spät  (vgl  nhd.  Aiw- 
ierer,  abulg.  zauh  rücken,  zaedt  hinterteil;  anders  über  diese 
slav.  Wörter  Pott,  Etym.  forsch.  *  IV,  416  anm.,  E.  Zupitza, 
Germ.  gutt.  201  f.  mit  anm.);  2)  pödex  :  gr.  Ttoa&rj  männliches 
glied  (vgl.  lit.  bulls  hinterer  :  gr.  q>aXXog  männliches  glied); 
femer  kann  lat.  pödex  auf  idg.  ^pöugd-  oder  ^pöugdk-  zurück- 
geführt und  zu  dem  gleichbedeutenden  gr.  nvyri  gestellt  werden 
und  endlich  können  diejenigen,  die  für  das  Lateinische  Zu- 
sammensetzungen mit  po-  =  lit  pa-,  abulg.  po  auf  annehmen, 
ZU  denen  ich  aber  nicht  gehöre,  in  lat  pödex  mit  besserem 
recht  die  idg.  w.  sed  sitzen  suchen  als  Rozwadowski  (IF. 
V,  353  f.)  in  pr.  peieda,  russ.  pizda  *).  —  Ausser  den  hier  be- 
handelten Wörtern  gehört  zur  sippe  von  lat  pectus  noch  ai. 
pajasyh-m  bauchgegend,  weichen,  das  schon  von  Pedersen 
(aao.  49)  mit  recht  zu  russ.  ptich  gestellt  worden  ist,  wenn 
auch  Pedersen  den  Zusammenhang  beider  mit  ai.  pak^d-s 
nicht  erkannt  hat ') ;    mit  unrecht  nennt  Uhlenbeck   (Kurzgef. 

1)  Der  bedentang  nach  hätte  das  Verhältnis  von  lat.  pödtx  :  abnlg. 
ptttueha  (msB.  paxueha  bedeutet  n.  a.  anch  „achselhöhle'*)  eine  ent- 
spreohnng  in  dem  von  serb.  gwi  hinterer,  poln.  guziea  steiss  der  vögel 
zn  franz.  gousset  achselhöhle,  dem.  zu  franz.  gotuse  schote,  hülse  (ital. 
guteio  schale  von  nnssen,  eiern,  schaltieren).  Die  von  Diez  (Etym.  wb. 
d.  roman.  sprachen  *  181,  Scheler  (Dict.  d'etym.  franc.  250)  nnd  Kör- 
ting (Lat.-rom.  wb.  ^  420,  no.  4186)  gegebnen  erklärungen  dieser  roma- 
nischen Wörter  befriedigen  nicht.  Legen  wir  ein  lat.  *gu8eiu»^  das  für 
*gueBeiu9  stehn  kann,  mit  der  bedeutung  „seh wellung*',  „höhlung"  zu 
gründe,  so  erklärt  sich  aUes  aufs  beste;  dann  darf  auch  franz.  gauttani 
dick,  gedrungen  herangezogen  werden.  Zu  den  von  Stappers  (Dict. 
synopt.  d'6tym.  frang.  *  772)  herangezogenen  keltischen  Wörtern  vgl. 
Thumeysen  (Eeltorom.  66).  Das  von  Miklosich  (Etym.  wb.  81)  ver- 
glichene lit.  giUku  knorren  ist  slav.  lehnwort  :  poln.  gia  beule,  knorren 
(Brückner,  Slav.  lehnw.  i.  lit.  86,  Leskien,  Nom.  190);  wol  aber  sind  die 
bei  Leskien  (Abi.  816  u.  m-n-guitt)  genannten  Wörter  verwandt. 

2)  Rozwadowski's  aufsat?  ist  völlig  verfehlt,  weil  in  ihm  das  von 
Miklosich  (Etym.  wb.  248)  verglichene  alb.  pid^,  best,  piä-t  weibliche 
schäm,  das  ganz  andre  wege  weist,  unbegreiflicherweise  gänzlich  ausser 
acht  gelassen  ist 

8)  Das  von  Pedersen  erwähnte  slov.  ptuiueh  zuohtstier,  das  nach 
Pedersen   irgendwie  mit  russ.  pattueh  hirt  zusammenhängt,    hat  damit 

17* 


260  Wiedemann 

etym.  wb.  d.  aind.  spr.  162)  diese  Zusammenstellung  unsicher. 
Das  ai.  pä/asifä-m  gibt  uns  aufschluss  darüber,  dass  das  g  (gg) 
in  pr.  paggan  auf  idg.  media  zurückgeht;  dass  es  die  rein 
yelare  media  ist,  zeigt  uns  das  germanische,  denn  zu  der  hier 
behandelten  sippe  ziehe  ich  auch  ags.  fcec  Zeitraum,  zeit,  ahd. 
fah  teil,  abteilung  die  allgemein  zu  nhd.  fügen  gestellt  werden ; 
höchstens  nhd.  --fach  in  einfach  könnte  zu  fügen  (vgl.  gr.  -TtaS) 
gehören,  aber  für  ags.  feec,  ahd.  fah  setzt  man  wol  am  besten 
als  grundbedeutung  „(hohl)raum*S  „spatium"  an;  dann  aber 
gehören  sie  zu  der  sippe  von  lat.  pectus^  haben  also  germ.  a  = 
idg.  0,  gegenüber  ahd.  fang  fang  mit  a  —  idg.  a.  Es  ist  aber 
durchaus  nicht  notwendig,  -fach  von  ahd.  fah  zu  trennen,  um 
es  mit  gr.  ^na^  zu  verbinden;  die  in  -fach  vorliegende  bedeu- 
tung  kann  sich  sehr  gut  aus  der  bedeutung  des  ahd.  fah  ent- 
¥ackelt  haben.  Höchst  wahrscheinlich  ist  von  ahd.  fah  teil 
ahd.  fah  reuse,  schlinge  etymologisch  zu  trennen  und  zu  dem 
gleichbedeutenden  gr.  ndyog  zu  stellen;  denn  von  der  bedeu- 
tung „schwellen'S  „hohl  seines  die  der  sippe  von  lat.  pectus 
zu  gründe  liegt,  sehe  ich  keine  Vermittlung  zu  der  bedeutung 
„schlinge'S  die  sich  andrerseits  aus  der  bedeutung  der  idg.  w. 
päk,  pä§  „fest  sein'',  „fest  machen'',  „fügen"  ohne  weiteres 
entwickeln  konnte. 

Während  nach  diesen  darlegungen  lat.  pectus  eine  recht 
ansehnliche  sippschaft  hat,  steht  ein  anderes  lateinisches  wort 
für  „brüst",  nämlich  einua,  ziemlich  vereinsamt;  erst  in  neuerer 
zeit  hat  G.  Meyer  (o.  VIU,  192,  etym.  wb.  d.  alb.  spr.  140, 
alb.  stud.  ni,  44)  alb.  g'i  (stamm  g'in-)  busen,  schoss,  meer- 
busen  dazu  gestellt.  Die  von  A.  Kuhn  (KZ.  II,  462,  466)  her- 
rührende Zusammenstellung  des  lat.  sinus  mit  ai.  sdnu^  Ober- 
fläche, rücken,  höhe  hat  heute  wol  kaum  noch  einen  anhänger, 
von  Leo  Meyer  (Vergl.  gramm.  I  *  753)  vielleicht  abgesehen. 
Niedermann  (if  und  i  im  lat),  der  das  lat.  sinus  bei  billigung 
der  etymologie  A.  Kuhn's  hätte  besprechen  müssen,  erwähnt  es 
überhaupt  nicht,  woraus  man  wol  schliessen  darf,  dass  auch  er 
diese  etymologie  für  völlig  abgetan  hält.     Lautlich  haltbar  ist 

natürlich  nichts  zu  schaffen,  sondern  gehört  zu  ahd. /m«/  naohkommen- 
schaft,  mhd.  vaaelrifU  zuchtstier  and  dessen  sippe,  über  deren  slav.  za- 
gehörige Prasik  (KZ.  XXXV,  601  f.)  gehandelt  hat;  doch  zieht  er  aach 
allerhand  hierher,  was  nicht  daza  gehört,  a.  a.  aaoh  manche  der  von 
mir  oben  anders  erkl&rten  Wörter. 


Etymologien.  261 

die  von  Liden  (o.  XIX,  284)  vorgeschlagene  zurückfiihrung  auf 
eine  idg.  w.  si-  mittere,  aber  die  von  Liden  angenommene 
bedeutungsentwicklung  „niederschiessende,  herauslaufende  krüm- 
mung^',  „falte^^  ist  wenig  einleuchtend  und  auch  das  von  Liden 
herangezogene  got.  skaids  zipfel,  säum  des  kleides,  nhd.  schoas : 
ahd.  skioggan  schiessen  hilft  nichts ;  denn  es  hat  doch  eine 
wesentlich  andre  bedeutung  als  lat.  sinus,  alb.  g'i,  die  beide 
auf  eine  grundbedeutung  „schwellend",  „rund",  „gebogen" 
weisen.  Daher  ist  die  schon  von  den  lateinischen  grammatikern 
herrührende  Zusammenstellung  mit  lat.  slnus,  ^num  weit- 
bauchiges,  tönernes  gefass,  süula  eimer,  krug,  wozu  weiter 
umbr.  sviseve  dass.  (vgl  zu  diesem  wort  Planta,  osk.-umbr. 
dial.  I,  305),  möglich.  Ich  glaube  aber  noch  ein  bisher  nur  un- 
befriedigend erklärtes  slavisches  wort  hierher  ziehen  zu  dürfen : 
abulg.  iija  schüsselbein,  hals,  das  Miklosich  (Lex.  palaeo-slov.- 
gr.-lat.  1134)  zu  ai.  si/äti,  sindti  bindet  gestellt,  aber  später 
(etym.  wb.  339)  unerklärt  gelassen  hat;  er  erwähnt  nur  serb. 
(häijati  umschwenken,  za^Sijati  beugen.  Die  laut  Verhältnisse 
liegen  bei  lat.  sinusj  alb.  gi,  abulg.  äija  genau  so  wie  beim 
Zahlwort  für  „sechs"  (lat.  sex,  alb.  g'aäU,  abulg.  iesth)^  für  das 
Job.  Schmidt  (KZ.  XXV,  121  anm.)  und  Hübschmann  (KZ. 
XXVII,  105  ff.)  auf  grund  des  ai.  ^df  und  des  av.  x^vaä  mit 
recht  idg.  ksv-  ansetzen;  vgl.  auch  Kretschmer  (KZ.  XXXI,  418). 
Die  von  Pedersen  (IF.  V,  76  f.)  versuchte  erklärung  des  S-  von 
abulg.  iesth  ist  verfehlt,  da  das  Slavische  bei  diesem  wort  im 
inlaut  nie  etwas  andres  als  -st-  gehabt  haben  kann;  slav.  ch- 
{S')  kann  stets  nur  auf  idg.  ks-  (oder  Icsv-)  zurückgehn  und  es 
ist  durchaus  nicht  zu  gewagt,  wenn  man  für  diejenigen  sprachen, 
die  in  solchen  fällen  auf  idg.  8-  (oder  sv-)  weisen,  Schwund  des 
k'  im  sonderleben  der  betreffenden  sprachen  annimmt  Im 
Albanesischen  muss  dieser  Schwund  schon  zu  einer  zeit  statt- 
gefunden haben,  als  idg.  ks-  noch  nicht  zu  alb.  h-  geworden  war. 

(Fortsetznng  folgt.) 


262  W.  Neisser 


Vedisoh  stufe. 

Die  interessante  probe  einer  kritisch-exegetischen  bearbei- 
tung  des  textes  der  rgredischen  hymnen,  die  H.  Oldenberg 
im  laufenden  (55.)  bände  der  ZDMG.  veröffentlicht,  hat  diesen 
hervorragenden  forscher  im  laufe  der  erörterung  zahlreicher 
mit  dem  texte  verknüpfter  probleme  auch  zu  ved.  stu^e  und 
genossen  gefuhrt  (s.  306  ff.) ,  denen  ich  o.  20 ,  54  ff.  die  (in 
einigen  fällen  infolge  umdeutung  verdunkelte)  geltung  aus  infi- 
nitiven  hervorgegangener  imperative  (meist  2.  person,  bisweilen 
1.  pers.)  zuerkannt  habe,  die  besonders  häufig  auf  ein  kollek- 
tivum  als  Subjekt  bezogen  erscheinen.  Das  ergebnis  der  von 
Oldenberg  geführten  Untersuchung  ist  von  dem  von  mir  er- 
mittelten wesentlich  verschieden.  Er  gibt  den  fraglichen  formen 
durchweg  indikativische,  nicht  imperativische  bedeutung  und 
bezieht  sie  nicht  auf  kollektivische,  sondern  auf  singularische 
Subjekte  (meist  1.  pers.,  bisweilen  3.  pers.).  Oldenbergs  Unter- 
suchung hebt  sich  von  den  im  folgenden  namhaft  zu  machenden, 
dem  gleichen  problem  gewidmeten  Veröffentlichungen  durch 
vollständige  berücksichtigung  des  belegmaterials  ab.  Obwohl 
ich  die  ergebnisse  nirgend  unverändert  mir  aneignen  kann, 
danke  ich  ihnen  die  anregung  zu  erneuter  prüfung,  die  das 
früher  mitgeteilte  im  wesentlichen  mir  bestätigt,  doch  im  ein- 
zelnen kleine  berichtigungen  und  mehrere  nachtrage  ergeben 
hat  Neben  gewissen  leicht  abzugrenzenden  exegetischen  in- 
dizien  sind  es  vorwiegend  grammatische  gesichtspunkte,  durch 
deren  ausführlichere  darlegung  ich  eine  einigung  der  meinungen 
anzubahnen  hoffe. 

Oldenberg  (s.  309)  hält  es  für  nächstliegend,  stu^e  als 
indik.  praes.,  gebildet  aus  dem  stamme  stu^-  ^)  mittelst  antritt 
des  sog.  primären  personalsuffixes  -e  anzusehen.  So  schrieb 
ehedem  Delbrück  Altind.  verb.  181:  „am  einfachsten  ist  wohl, 
dass  man  stu^e  von  einer  wurzel  stus  ableitet,  die  sich  zu  stu 
verhielte,  wie  änif  zu  äru.  Dafür  spricht  auch  stuftyya-*'*'. 
Die  hier  verglichene  „wurzeP'  ^rfA§,  der  —  abgesehen  von  RV. 

1)  „...  ein  BigmatiBoher  aoriststunm ?  Dann  müsste  natürlich 
pun^i  fiiia$0  etc.  auf  umwegen,  die  aber  wohl  gangbar  sind,  erklärt 
werden'*.    (Anm.  O.'b). 


Vedisch  stu^e.  263 

I,  68,  9  ird^an,  das  formell  konj.  des  s-aor.  sein  kann,  ygL 
unten  s.  266  extr.  —  äro^fUu,  irösamäna-  entstammen,  zeigt  in 
äbereinstimmung  mit  ne^  parsa  ndk^i  rosate  u.  a.,  dass  nicht 
1.  3.  sing,  stu^e,  sondern  1.  sing,  ^sto^e,  3.  sing.  ^sto^aU  einer 
ans  yerallgemeinerung  des  aoriststamms  hervorgegangenen 
„Wurzel"  8tu8  entspringen  würden.  Das  unthematische  stu^e 
kann  nur  aus  der  liebendigen,  regelrecht  unthematischen  flexion 
des  «-aorists  hergeleitet  werden,  wofern  es  als  finite  form  ver- 
standen werden  soll.  Freilich  erregt  der  umstand,  dass  alle 
finiten  formen  des  aor.  «to^-  hochstufe  der  wurzel  aufweisen 
(ebenso  ahesata  von  aor.  hes^^  dagegen  tiefstufig  hi^e\  sogleich 
bedenken  gegen  die  Zusammenstellung  von  stu^e  mit  den  finiten 
formen.  Und  wie  sollte  das  praesentische  personalsuffix  in  stu^e 
erklärt  werden?  So  ist  begreiflich,  dass  Delbrück  in  der  Ver- 
legenheit eine  „wurzel''  5^11^  aufstellt,  hi^e  gehört  dann  ver- 
mutlich zu  „Wurzel'^  hiß  .  arcas-,  Hijas-  u.  s.  w.  dagegen  in 
arcase,  jiijase  u.  s.  w.  werden  „doppelstämme"  genannt:  namen 
bedürfen  keiner  erklärung.  Brugmann  Grundr.  II  1020,  der 
an  Delbrück  (und  Grassmann)  sich  anschliesst,  ohne  Lud- 
wigs infinitivtheorie  (inf.  im  Yeda  s.  73 ff.,  „9gveda''  passim) 
zu  erwähnen,  reiht  die  ausschliesslich  ^)  als  1.  sing,  oder  3.  sing, 
nachweisbaren  stti^e  und  genossen  an  altertümliche,  durch  das 
ganze  paradigma  durchfiektirte  praesentia  der  wurzeln  ar.  dve^ 
„hassen'',  idg.  jös  „gürten'S  idg.  vea  „sich  ankleiden",  deren 
herkunft  aus  dem  a-aorist  unsicher  und  kaum  wahrscheinlich 
ist  Durch  diese  kombination  kann  die  bei  praesentischer  auf- 
fassung  von  stu^e  u.  s.  w.  sich  ergebende  völlige  isolirung  dieser 
formen  nicht  aufgehoben  werden. 

Nun  sei  zugegeben,  dass  zwar  nicht  der  a-aorist,  aber  an- 
dere praeteritalstämme  neben  ihren  regelrecht  mit  sog.  sekun- 
dären personalsuffixen  bekleideten  finiten  formen  gelegent- 
lich und  ausnahmsweise  (vermutlich  infolge  des  umstands, 
dass  in  den  nichtaugmentirten  formen  vielfach  eine  praeteritale 
bedeutung  nicht  zu  tage  trat,  ja  von  haus  aus  fehlte)  praesen- 
tische formen  auch  des  indikativs  zulassen.  So  finden  sich  im 
RV.  bei  den  in  gewöhnlicher  praeteritalflexion  sehr  reichlich 
belegbaren  aoristen  kar^,  gam-,  bhü-  ausnahmeweise  praesentisch 


1)  J.  Schmidt  Ztschr.  27,  826:  „auffällig  ist,  dass  keine  anderen 
personen  der  art  yorkommen". 


264  W.  Neisser 

kfthas  ^  krtha  ^,  gathd  ^,  bhüihäs  ^  bhükis  ^,  bei  perf.  nine-  einmal 
ninUhds  ^),  u.  ähnl.,  alles  im  yerhältnis  zur  masse  des  regulären 
in  einer  kleinen  minderheit  von  fällen.  Wollte  man  analoges 
gelegentliches  übergreifen  auch  des  9-aorists  in  die  praesens- 
Sphäre  für  prinzipiell  möglich  erklären,  so  wäre  doch  ersichtlich, 
dass  sttt^e,  das  20  mal  belegt  ist,  dreimal  häufiger  als  die  echt 
praeteritalen  medialformen  von  sto^-,  nicht  zur  gelegenheits- 
bildung  gestempelt  werden  kann  und  von  krthaa  u.  s.  w.  prin- 
zipiell zu  scheiden  ist.  Das  von  stu^B  gesagte  gilt  verschärft 
für  arcase  rfijase  u.  s.  w.,  neben  denen  finite  formen  gar  nicht 
vorhanden  sind,  deren  bei  praeteritaler  bildung  praesentische 
bedeutung  den  anstoss  zur  annähme  praesentischer  personal- 
suffixe  gegeben  haben  könnte. 

Ich  betrachte  als  erwiesen,  dass  stu^e  seiner  form  nach 
nicht  indik.  praes.  sein  kann.  Da  nach  dem  stände  unsers 
¥ässens  das  auslautende  -e  nur  entweder  als  personal-  oder  als 
infinitivsuffix  angesehen  werden  kann,  so  bleibt  formelle  iden- 
tifizirung  von  stti^e  mit  dem  inf.  stu^i,  von  dem  es  nur  durch 
Unterwerfung  unter  das  gesetz  der  verbalenklise  sich  scheidet, 
einzig  übrig.  Da  formell  auch  hise  mit  inf.  ß^i  sich  vergleicht, 
rfijase  dohase  von  den  gleichlautenden  infinitiven  nur  durch 
die  verbalenklise  geschieden  sind,  neben  grni^e  mit  anderem 
Suffix,  aber  gleicher  Stammbildung  inf.  gmi^dni  sich  einstellt, 
während  gäyi^e  etwa  an  MS.  1,  2,  17  (27  4)  ävyathi^e  (wohl 
kein  eigentlicher  inf.,  doch  ähnlich  verwendet)  erinnert,  so  er- 
gibt sich  ein  bis  in  die  einzelheiten  des  morphologischen  auf- 
baus  zu  verfolgender  parallelismus  von  stu^e  und  genossen  mit 
den  auf  -se  auslautenden  infinitiven.  Es  bleibt  die  frage  der 
ursprünglichen  identität  beider  kategorien  unter  dem  gesichts- 
punkt  der  bedeutung  zu  prüfen. 

Die  möglichkeit  einer  vergleichung  der  beiderseitigen  be- 
deutung en  ist  in  der  bekannten  tatsache  begründet,  dass  infi- 
nitive  im  sinne  eines  verbum  finitum  verwendet  werden  können. 
Es  wird  zu  fragen  sein,  ob  die  für  diese  Verwendung  geltenden 
gesetze  auch  als  den  gebrauchsweisen  von  stu^e  u.  s.  w.  zu 
gründe  liegend  erweislich  sind.  Für  die  vedische  spräche  lassen 
die  bedingungen,  unter  denen  infinitive  die  stelle  eines  ver- 


1)  Für  verfehlt  halte  ich  es,  wenn  H.  Hirt  IF.  12,  220  hierin 
(sowie  in  ninlyät)  einen  fortsetzer  vorindischer  praesensbüdung  sucht 


Vedisch  stu^e.  265 

bum  finitum  einnehmen  können,  sich  so  formuliren:  de  ver- 
treten (trotz  Delbrück  Vgl.  Synt  2,  453  a.  E.)  nie  einen 
indik.  praes.,  wohl  aber  (als  sog.  infinitivi  historioi)  gelegent- 
lich einen  indik.  praeteriti  ^);  ihre  häufigste  bedeutung 
ist  die  imperativische.  Vergleichen  wir  hiermit  die  Verwen- 
dungen von  stu^e  u.  s.  w.,  so  wird  der  praeterital-indikativi- 
schen,  die  auch  bei  echten  infinitiven  seltener  nachweisbar  ist, 
das  mindere  gewicht  beizumessen  sein*),  aller  nachdruck  da- 

1)  RV.  X,  182,  1  ^'Sndm  id  Dy&ur  Bkutnir  abhi  prahhüfd^i, 
ijändm  Aivinäv  abhi  mardhatsm  „dem  opferer  standen  himmel  and  erde 
zu  diensten  {prabhüfdifi  wohl  nicht  zn  prä  bhü  „za  gute  kommen,  nützen", 
das  den  dativ  regiert,  sondern  zu  prd  bhüf  „bedienen,  ausrüsten"),  dem 
opferer  erwiesen  die  Aivin  Wohltat".  Vgl.  auch  VIII,  89,  1  yajädhyai 
neben  Mtofi.  Jedenfalls  ist,  wie  in  den  von  Wackernagel  Verh.  d. 
89.  philol.  vers.  279 f.  beleuchteten  enropftisohen  parallelen,  der  „histo- 
rische" igebraach  aas  dem  imperativischen  abzuleiten.  (Über  entspre- 
chende herleitung  von  idg.  hhüa  „warst"  aus  hhüa  „sei"  vgl.  o.  20,  72  A.). 

2)  „Historische"  Verwendung  eines  «-infinitivs  scheint  vorzuliegen 
in  VI,  11,  6  tr^'^,  dem  praeteritale  indikative  parallel  gehen.  Auch 
I,  142,  6  vff^e  kann  »  avrHJaia  zu  verstehen  sein.  Vgl.  VII,  2,  4  vrft- 
faU  (diese  parallele  ist  Foy  EZ.  34,  244  entgangen);  doch  ist  (kollektiv-) 
imperativische  auffassung  ebenso  möglich,  die  ich  früher  vorgeschlagen 
habe.  An  perf.  dsdhSra  (freilich  mit  praesentischer  bedeutung)  lehnt 
sich  an  I,  62.  9  Smaau  cid  dadhi^e  pakvdm  antd^  „in  die  rohen  kühe  ist 
gare  milch  gelegt" :  nimmt  man  dadhi^e  als  2.  sg.  („du  hast  gelegt"), 
bleibt  die  medialform  unerklärt.  Hiernach  könnte  auch  X,  96,  10  das 
auf  aharyat  folgende  dadhife  als  auf  die  8.  sg.  bezogenes  infinitum 
angesehen  werden,  doch  liegt  keine  nötigung  vor,  da  in  v.  11  formen 
der  2.  sg.  folgen.  Sehr  schwierig  ist  I,  128,  6  devtOri  havyäm  dhife^  das 
trotz  der  härte  doppelten  Personenwechsels  (6h.  steht  zwischen  formen 
der  3.  sg.),  für  den  das  lied  sonst  keinen  anhält  bietet,  Pischel  Ved. 
stud.  1,  191  und  Oldenberg  SBE  46,  188  als  2.  sg.  gelten  lassen. 
Ohne  zweifei  ist  die  8.  sg.  dem  Zusammenhang  des  satzes  angemessener. 
Aber  wie  seltsam  dann  die  grammatische  bildung.  Ein  -tf^-infinit  eines 
perf.  wäre  verständlich,  wenn  letzteres  erstarrt  und  als  praesens  be- 
handelt wäre.  Dies  wird  man  von  6hif  nicht  behaupten  können,  da  in 
dem  parallelen  VUI,  19,  1  dwatra  haoyäm  öhir^  sicher  unversehrte 
perfektbedeutung  (es  geht  hier  dadhawnre  voran)  vorliegt,  dadhife  ist 
natürlich  nicht  zu  vergleichen,  da  nichts  hindert,  dieses  auf  praes.  dadh- 
zu  beziehen.  Infinita  des  perf.  scheinen  vorzuliegen  in  den  bereits  von 
Ludwig  in  diesem  sinne  gedeuteten  VIII,  8,  10  eakrade,  VUI,  57  (» 
Vftl.  9),-2  dadrü,  VUI,  lOO,  10  duduhe,  vielleicht  V,  89,  4  jt^fufe,  da 
die  Verbindung  dieser  anscheinend  singularisohen  verba  mit  pluralischen 
nicht  sächlichen  Subjekten  wohl  keine  andere  auffastong  zulänt    Vgl. 


266  W.  Neisser 

gegen  auf  den  nachweis  der  imperativischen  funktion  und  prin- 
zipiellen ausschliesBung  der  indikativisch -praesentischen  gel^ 
werden  müssen. 

Imperativische  Verwendung  auf  -e  auslautender  verbal- 
formen bei  singularischem  Subjekt  habe  ich  o.  20,  69  durch 
I,  76,  4;  Vn,  42,  2;  X,  14,  5  huvi,  V,  56,  1  hvaye  [dieselbe 
form  auch  in  v.  5],  X,  61,  21  vavrdhe  belegt.  Der  erste  beleg 
wird  abweichend  aufgefasst  von  Oldenberg  SBEl  46,  96,  der 
die  Worte  prajävatä  vdcasä  vdhnir  äsä  \  d  ca  huvS  ni  ca  satsihd 
devaih  so  überträgt:  „with  words  procuring  offspring,  carrying 
thee  (to  our  sacifice)  with  my  mouth,  I  call  thee  hither,  and 
thou  shalt  sit  down  here  with  the  gods".  0.  citirt  Delbrücks 
Zeugnis  synt.  forsch.  V.  473:  „es  liegt  kein  grund  vor,  dem 
huvi  den  Charakter  einer  ersten  person  zu  versagen''  (D.  fugt 
jedoch  hinzu,  dass  die  (oben  mit  ausgehobenen)  worte  des  ersten 
P&da  ihn  bedenklich  machen).  Dies  zeugnis  erfahrt  seine  m.  e. 
entscheidende  Widerlegung  durch  Delbrücks  eigne  bekundung: 
„dass  Sätze  mit  nicht  parallelen  verben  durch  ca  verbunden 
würden,  dürfte  kaum  vorkommen".  Es  ist  mir  unzweifelhaft, 
dass  durch  das  doppelte  ca  parallelismus  von  huve  und  saisi 
erwiesen  mrä  und  beide  verba  auf  die  nämliche  person  be- 
zogen werden  müssen,  d  ca  huvi  ni  ca  scUsi  ist  =  höta  ni 
9lda  (v.  2),  vgl.  VIII,  75,  1;  X,  70,  3.  prajdvaia  vdcasä  be- 
zieht sich  auf  Agni  wie  VI,  16,  36  prajdvad  brdhma;  vdhnir 
äsä  bedarf,  gleichfalls  auf  Agni  bezogen,  keiner  rechtfertigung. 
Auf  die  parallele  U,  6,  8  ist  früher  schon  von  mir  hingewiesen 
worden.  Alles  scheint  mir  so  in  guter  Ordnung,  während  der 
—  im  gegensatz  zu  der  demütigen  spräche  des  v.  1  —  pomphaft 
von  sich  redende  opferer  die  in  vv.  2 — 5  gehäuften  apostrophen 
Agni*s  etwas  auffallend  unterbrechen  wurde. 

Zu  V,  56,  1  hvaye  trage  ich  die  parallele  V,  43,  10  noch 
nach.  Femer  als  neuen  beleg  eines  singularischen  e-imperativs : 
Vn,  7,  1  cd  bhdvä  no  dütö  adhoaräsya  vidvdn  \  tmdnä  devi^ 

aaoh  das  gleichfalls  von  Ludwig  zitirte  X,  28,  2  (Adrf)  vidi  vd^u  „(In- 
dra's  falben)  finden  sich  gutes".  Aber  von  diesen  -e-formen  bis  zu 
uhi^e  ist  ein  weiter  weg.  —  Zur  praeteritalen  Verwendung  der  infinite 
vgl.  noch  VI,  26,  5  dArfi  und  die  im  sinne  praeteritaler  indikative 
stehenden  konjj.  II,  11,  10  nijü'rvät,  V,  31,  5  äriOin,  6  vibhdrti^,  VI,  17,  II 
vdrdhän,  X,  74,  4  Utfisän  (während  I,  68,  9  &6fan,  VII,  68,  7  pdrfoi  als 
thematische  indikk.  gelten  können,  vgl.  o.  7,  242). 


Vedisch  shi^e.  267 

vivide  mitädruh  „sei  asser  opferkundiger  böte,  finde  in 
schnellem  lauf  bei  den  göttern  dich  ein^'. 

Eine  reibe  mit  -s-  gebildeter  e-infinite  reiht  sich  an:  V, 
13,  6  d  rddhaä  citrdm  rfijase  „ausgezeichnete  spende  verschaff 
uns,  Agni"  (anders  Oeldner  Ved.  stud.  3,  35);  VI,  22,  9 
dhißvd  vdjram  ddk^ifie,  vUvä  dayaae  vi  mäyoh  „nimm  den 
keil  in  die  rechte,  vernichte  alle  truggestalten"  (in  dem  genau 
parallelen  VI,  18,  9  steht  abhi  prd  manda  (nicht  „ziehe  los 
gegen",  sondern  transitiv :  „schlage  in  die  flucht")  an  der  stelle 
von  dayase);  VIII,  93,  19  kdyä  tvdm  na  vtya  abhi  prd  man- 
da 8  e  (et?/SL  „mit  welcher  hülfe  wirst  du  zu  uns  eilen"  (vgl. 
Geldner  Ved.  stud.  2,  133)  enthält  das  zu  abhi  mandasandh 
(v.  21)  gehörige  infinitum  (cf.  rfijase  :  rfijasändh)  ^),  das  hier 
konjunktivisch  verwendet  ist  (cf.  v.  20  kdsya  suU  sdcä  rafpat)\ 
VIII,  4,  10  nimighamäno  (simam)  divi-dive  \  öfyfham  dadhi^e 
sdhah  kann  hierher  gehören  („täglich  den  soma  in  dich 
giessend  gewinne  gewaltigste  kraft"),  da  dieser  wünsch  an  die 
vorangehenden  d  gahi  piba  sitnatn  sich  angemessen  anschliesst 
und  die  existenz  eines  inf.  dadhi^e  anderweit  gesichert  ist,  vgl. 
oben  und  V,  45,  11  dhiyam  vo  apsü  dadhi^e  warf  dm  (cf.  VII, 
34,  10)  „richtet  auf  die  wasser  eure  erfolgreiche  andacht" 
(diese  stelle  ist  o.  20,  Ö9  nachzutragen);  X,  50,  5d  (»-  6a) 
etä  sdvanä  iütumä  kr§e  ist  von  Bartholomae  IF.  2,  280  mit 
recht  imperativisch  („mach  diese  pressungen  wirksam")  ge- 
nommen worden,  während  desselben  gelehrten  interpretation 
von  V,  58,  1  stu§e  im  sinne  einer  2.  sg.  impt.  zweifelhaft  ist: 
stu^e  kann  auch  hier  wie  sonst  (s.  u.)  pluralisch  gefasst  werden. 
Näher  li^gt  singularische  Übersetzung,  die  Ludwig  Inf.  i.  V. 
(s.  75  a.  E.)  vorschlägt,  in  VIII,  23,  2,  doch  ist  auch  hier 
pluralische  interpretation  in  passivem  sinn  zulässig:  „und  ge- 
priesen seien  die  wagenstreiter".  Singularisch  nehme  ich  X, 
93,  9  sd  ca  stu^e  maghönäm  „lass  unter  den  gabenspendern 
dich  preisen",  vgl.  V,  10,  7  stdvase  (konj.)  ca  nah. 

Mit  X,  93,  9  berührt  sich  inhaltlich  V,  33,  6  prdryd 
stu^e  tuvimaghdsya  ddnam  „zu  preisen  sei  des  trauten  Spen- 
ders gäbe",  wo  atu^e  als  imptv.  3.  sg.  vorliegt.  Das  ist  auch 
der  fall  —  ich  berichtige   hiermit  meine  früher  gegebene  dar- 


1)  V,  33,  8   a  yamMB   „halte  an  dich"   kann   mit  yamasänd-   ver 
einigt  werden  {yama»-9)  oder  mit  konj.  yamate  (yamo-««). 


268  W.  Neisser 

Stellung  —  in  I,  122,  7  Hu^e  sd  väm  —  ratih  (cf.  X,  143,  4, 
eiti  tdd  vam  —  rätih)^  8  asyd  stu^e  mdhimaghwya  rddhah, 
VIII,  63,  3  c  stu^i  tdd  asya  päunsyam;  mit  der  letzten  stelle 
hat  Ludwig  Inf.  75  (vgl.  Bartholomae  a.  a.  o.)  VIII,  3,  20 
=  32,  3  kr^i  tdd  Indra  päunsyam  „gerühmt  sei,  Indra,  diese 
heldentat**  zutreffend  zusammengestellt  und  die  wesentliche 
identität  von  kr^i  und  cdrkr^e  erkannt  Vgl.  Bartholomae 
0.  13,  78,  Foy  KZ.  34,  238,  deren  interpretationen  im  ein- 
zelnen der  Verbesserung  bedürfen,  carkr^e  ist  X,  74,  1  im 
sinne  der  1.  sg.  verwendet:  „ich  rühme  die  Vasu'*,  dagegen 
X,  22,  1;  105,  4  auf  die  3.  sg.  bezogen,  im  ersten  belege  in 
gewöhnlicher  bedeutung  „er  werde  gerühmt'',  im  zweiten  in 
jener  praegnanten  bedeutung  „rühm  erwerben  (im  sport)",  d.  i. 
„schnell  vorwärts  kommen'*,  die  ich  o.  17,  251  ff.  für  carkanni 
und  mehrere  Synonyma  nachgewiesen  habe,  vgl.  besonders  X, 
22,  4  stosi  dävä  „lass,  Indra,  wie  zum  preise,  die  rosse  schnell 
laufen'*.  Danach  X,  105,  4  sdpä  yir  l'ndra4  cdrkr^a  dn  upä- 
nasdh  saparydn{tatn)  „mit  denen  (den  rossen)  Indra  schnell, 
wie  zum  preise,  eilt  zur  einkehr  beim  Verehrer''  (vgl.  —  von 
carkr^e  abgesehen  —  Pischel  Ved.  stud.  I,  197).  carkr^e 
auch  hier  imperativisch  zu  übersetzen  („er  eile''),  verhindert 
das  parallele  pdpaje  in  v.  3,  für  welches  indikativische  auf- 
fassung  anzunehmen  ist.  —  Auf  die  3.  sg.  können  ferner  be- 
zogen werden  VII,  96,  1  brhdd  u  gayi§e  vdco  asuryä  nadtnäm 
„ein  mächtiges  lied  erhalte  gesungen  die  herrin  der  ströme*' 
und,  um  noch  gleich  dem  schon  genannten  ciU  -s-lose  bildungen 
anzufügen,  X,  13,  1  yuji  vam  brdhma  pürvydm  ndmcbhih  „ge- 
rüstet werde  euch  ein  vorzüglicher  spruch",  VII,  97,  2  Srha- 
spdtir  no  maha  d  sakhäyah  ,,B.  werde  von  uns  gefeiert". 

Aus  der  zahl  der  pluralischen  belege  hebt  eine  gruppe 
von  nahezu  30  in  meiner  früheren  abhandlung  ^)  verzeichneten 
Sätzen  sich  ab,  in  denen  das  pron.  vah  den  «-intinitis  voran- 
geht, was  Bartholomae  (für  einige  dieser  sätze)  und  ich  als 
bestätigung  des  pluralischen  Charakters  der  verbalform  und 
ihrer  beziehung  auf  die  2.  person  betrachten.    Delbrück  Vgl. 

1)  Füge  hinzu:  X,  101,  9  a  oo  dhiyafh  yt^yätk  varia  üidyn.  Da- 
gegen ist  VI,  48,  1  däkfiue  seines  akzentes  wegen  besser  zu  den  eigent- 
lichen infinitiven  zu  rechnen;  nimmt  man  es  rein  verbal,  so  ist  die 
cäsor  zur  erklärung  der  betonang  heranzuziehen. 


Vedisoh  du^e.  269 

synt.  2,  446  hält  dagegen  unter  Zustimmung  Oldenbergs 
a.  0.  309  vah  für  durchweg  bedeutungslos  und  untauglich,  über 
den  Charakter  der  stu^e  u.  s.  w.  gültiges  zeugnis  abzulegen. 

Es  ist  nicht  zu  leugnen,  dass  die  Verwendung  von  vah  in 
einigen  rgvedischen  belegen  den  interpreten  ein  kleines  problem 
stellt.  Geht  man  die  einzelnen  fälle  durch,  so  vermisst  man 
einmal  (A)  ein  nomen,  von  dem  man  vah  regiert  denken 
könnte,  anderswo  (B)  folgt  auf  vah  eine  andere  y  er  baiform 
als  die  erwartete  2.  plur.  Gelegentlich  kann  A  mit  B  kom- 
binirt  sein. 

A.  I,  37,  1  krildm  vah  sdrdho  MdrtUatn  —  abhi  prd 
gäyata,  UIj  13,  3  Ägnim  tdrh  vo  duvasyata,  I,  122,  4  prd  vo 
Ndpätam  apdm  krnudhvam,  VII,  36,  8  prd  vo  matim  Ardma- 
Um  krnudhvam,  V,  41,  öprd  vo  Rayim  ffuktdaävam  bharadhvamj 
Vin,  49  (=  VäI.  1),  1  abhi  prd  vah  —  Tndram  arca  ydthä 
vidi.  liier  befindet  sich  vah  in  Übereinstimmung  mit  dem  ver- 
balen praedikate,  als  welches  in  allen  sechs  fallen  ein  impty. 
2.  plur.  oder  der  Vertreter  ^)  eines  solchen  fungirt.  Aber  es 
fehlt  ein  nomen,  zu  dem  der  casus  obL  vah  in  beziehung  ge- 
setzt werden  könnte.  Man  hüte  sich,  dasselbe  in  den  neben 
vah  stehenden  götternamen  zu  suchen  und  etwa  „eure  Marut- 
schaar^S  „diesen  euern  Agni^^  u.  s.  w.  zu  übersetzen.  Obwohl 
diese  art  der  Übersetzung  allgemein  gebräuchlich  ist,  glaube 
ich,  dass  sie  nicht  nur  in  den  obigen  belegen,  sondern  durchweg 
im  RV.  aufgegeben  werden  sollte.  Vergegenwärtigt  man  sich 
Sätze  wie  folgende  dem  VII.  buche  entnommene:  3,  1  Ägnim 
vo  dütdm  adhv0rS  hrnudhvam,  4,  1  prd  vah  äukrdya  bhi^ 
ndve  havydm  matim  ca  Agndye,  31,  1  prd  va  Tndräya 
mddanam  —  gäyata,  31,  10  prd  vo  mahi  bharadhvam  prd 
sumatim   hrnudhvam,   34,  9    abhi  vo  dhiyam  dadhidhvam, 

1)  Als  Vertreter  von  areata  darf  area  im  letzten  belege,  wie  in 
Vin,  69,  4,  angesehen  werden,  vgl.  X,  101,  10  müea  neben  takfota  wa- 
iadhnam  yunakta,  12  a  cyäüoya  neben  daähätana  eodayata  khudata  and 
das  oben  20,  55  a.  £.  bemerkte  (ebenda  58  über  I,  143,  4  hmiM),  So 
III,  18,  Iprd  va^  —  bärhiffham  areaamai  (cf.  III,  12, 5),  VI,  16,  22  prd  oo/^ 
iokhäyah  —  drea  gaya  ea  (cf.  VI,  45,  4),  X,  50,  1  prd  vo  mahö  mdndih 
mänäya  dndhaso  area  (cf.  I,  62,  2),  X,  76,  5  t  vah  —  area  (cf.  \  a  va 
t^Me),  Vni,  46,  14  abhi  vo  vtrdtn  —  gäyay  V,  25,  1  dehä  vo  AgnUn 
dvau  dwdik  gän,  wohl  auch  VI,  45,  22  tdd  vo  gäya  ndd  $aeä  (obwohl 
in  V.  16  stuhi  vorangeht). 


270  W.  Neiaser 

fri  vo  devaträ  väcam  krnudhvam,  so  findet  man  nicht  götter- 
namen,  sondern  ganz  andere  begriffe  mit  v(ih  verknüpft.  Diesen 
Beispielen  aus  buch  VII  lassen  sich  gleichartige  aus  allen  teilen 
des  RV.  anschUessen.  Rechnet  man  dazu  fälle,  wie  VI,  48,  1 
tdd  va  ukthdsya  barhdnä  Tndrayopastrfiifdni,  wo  ein  impe- 
ratiyischer  infinitiv  auf  vah  folgt,  so  dürfte  ihre  zahl  auf  drei 
dutzend  sich  belaufen.  Würden  meiner  auffassung  gemäss  auch 
die  Sätze,  in  denen  shi^  u.  s.  w.  auf  vah  folgen,  berücksichtigt, 
so  ergäbe  sich  eine  noch  erheblich  grössere  zahl.  Doch  scheiden 
wir  diese  strittigen  sätze  aus  der  betrachtung  aus.  Auch  so 
steht  fest,  dass  vers-  oder  satzanfänge  yne  Agnirh  vo  düidm, 
prd  vah  Sukrdya,  prc  va  Tndraya  u.  s.  w.  durch  den  RV.  ver- 
breitet waren  und  dass  diesen  anfangen  regelrecht  eine  fort- 
setzung  folgte,  die  das  zu  vah  gehörende  bezugnomen  (das  kein 
göttemame  war)  enthielt  Da  ist  leicht  verständlich,  dass  ge- 
legentlich die  anfangsformeln  sich  verselbständigten  (zunächst 
etwa  unter  hinzudenkung  des  zu  vah  gehörenden  nomen),  wo 
kürzerer  ausdruck  bedürfnis  war.  So  lassen  die  sechs  unter  A 
gegebenen  belege  eines  defektiven  typus  auf  den  normaltypus, 
der  vah  mit  imperativ  und  nomen  verbunden  zeigt,  sich  im 
prinzip  zurückführen.  Ja  die  kürzung  lässt  sich  noch  am  ein- 
zelnen falle  wahrscheinlich  machen.  Der  letzte  der  unter  A 
verzeichneten  belege  ist  eng  verwandt  mit  VIII,  69,  4  obM  prd 
göpatim  gird  \  rndratn  arca  ydthä  vidi:  hier  ist  das  gird  er- 
halten, das  wir  in  obigem  obM  prd  vaf^  —  Tndram  arca  ver- 
missen. Femer  ist  zum  vorletzten  der  obigen  belege  (V,  41,  ö 
prd  vah  —  hharadhvam)  v.  6  des  Uedes  zu  vergleichen:  prc 
vah  —  krnudhvam  arkaih  (prd  bharadhvam  und  prd  krnu- 
dhvam  neben  einander  auch  VII,  31,  10).  Durch  ergänzung  eines 
begriffs  wie  arkaih  erklärt  sich  auch  prd  vah  —  krnudhvam 
in  den  an  dritter  und  vierter  stelle  unter  A  genannten  belegen, 
die  gleich  V,  41,  ö.  6  Viäve  deväh-hymnen  entnommen  sind: 
bei  der  häufung  der  anrufungen,  aus  denen  derartige  hymnen 
sich  zusammensetzen,  werden  kürzungen  de6  ausdrucks  unver- 
meidlich. Da  solcher  art  leise  fäden  sich  finden  lassen  zwi- 
schen der  isolirenden  Verwendung  von  vah  und  der  dasselbe  in 
Verbindung  mit  zugehörigem  nomen  bewahrenden,  bin  ich  nicht 
geneigt,  mit  Delbrück  Synt.  forsch.  V,  206  und  Th.  Bau- 
nack  Stud.  I  353  vah  in  obigen  fallen  die  bedeutung  einer 
verstärkenden  partikel  (:»  i^toi)  zuzuschreiben,    wodurch   der 


Vedisch  stuse.  271 

abstand  von  den  volle  pronominale  bedeutung  wahrenden  be- 
legen übermässig  vergrössert  würde.  Es  wird  genügen,  vah  für 
innerhalb  oft  ¥dederholter  satzeinleitender  formein  erstarrt  zu 
erklären,  bisweilen  scheinbar  erstarrt,  so  dass  eine  den  ein- 
zelnen beleg  mit  seinen  verwandten  und  parallelen  verknüpfende 
betrachtung  dem  wörtchen  seine  bedeutung  zurückgeben 
kann. 

B.  VI,  38,  3  täfh  vo  dhiyd  (cf.  VI,  22,  7)  ahhy  änü^i 
arkaih,  VII,  2,  3  ilenyam  vah  (cf.  VII,  9,  4)  —  sadam  in 
mahema,  V,  21,  4  devdrh  vo  devayajyayä  (cf.  VIII,  71,  12) 
i^ta  mdrtyah:  hier  ist  vah  in  pronominaler  weise  (nicht  als 
Partikel!)  mit  bezugnominibus  verbunden,  stimmt  jedoch  an- 
scheinend nicht  zu  dem  verbum  des  satzes.  Erinnern  wir  uns 
der  freiheit  des  Personenwechsels  z.  b.  in  VIII,  24,  1  stkhaya 
d  äiaämahi  —  ttuad  ü  ^  vo  nrtdtnäya  „wir  wollen  unser 
gebet  an  Indra  richten,  gepriesen  werde  von  euch  der  held" 
(cf.  ebenda  19  =  VIII,  81,  4  4to  nü  rndram  stdvama)  oder 
V,  45,  11  dhiyam  vo  apsu  dadhife  (»  VII,  34,  10  dadhi- 
dhvam\  ayd  dhiyd  syäma  devdgopäh  „weihet  eure  andacht  den 
wassern,  möchten  wir  durch  diese  andacht  den  schütz  der 
götter  erlangen^',  so  wird  auch  der  in  obigen  belegen  zu  be- 
obachtende Sprung  in  der  darstellung  der  personen  weniger  be- 
fremden. Einer  unter  den  priestern  kann  die  genossen  in  der 
2.  pl.  sowohl  anreden  wie,  sich  einschliessend ,  in  der  1.  pl. 
{tncAeinä)  zusammenfassen;  er  kann  wohl  auch  als  einzelner  in 
der  1.  sg.  (anü^)  sich  ihnen  gegenüberstellen  oder  in  allge- 
meiner Wendung  („der  sterbliche")  in  der  3.  sg.  (ifita  mdrtyah). 
So  folgt  eine  1.  pl.  auf  vah  im  nämlichen  satze  auch  in  I,  36,  1 
prd  vah  (mit  viädtn  zu  verbinden  und  dtithim  zu  ergänzen?)  — 
Unahe,  VIII,  88,  1  tdm  vo  mandändm  dndkasah  —  abhi  glrbhir 
navämahe  sowie  VIII,  24,  18  tdm  vah  —  ahümahi,  yaj^ibhir 
vävrdhinyam.  Mit  dem  letzten  beispiele  beginnen  grössere 
Schwierigkeiten  sich  einzustellen.  In  ihm  könnte  vah  mit 
yajflibhir  verbunden  werden:  „wir  rufen  ihn,  der  durch  unab- 
lässige Opfer  von  euch  zu  erfreuen  ist''.  Aber  eine  gleiche 
interpretation  ist  ausgeschlossen  in  dem  doch  nicht  zu  trennen- 
den belege  V,  64,  1  Vdrunam  vo  riäddasam  red  Mürdm  ha- 
vämahei  hier  kann  vah  nicht  auf  red  bezogen  werden,  „wir 
rufen  mit  euerm  Ued''  wäre  widersinnig.    Ein  zu  vah  gehören- 


272  W.  Neisser 

des  bezagnomen  fehlt  ^),  wie  oben  in  den  belegen  des  typus  A, 
in  IV,  16,  16  tarn  id  va  rndram  suhdvam  huvema,  VI,  19,  4 
tarn  va  Indram  —  huvema.  Hiernach  wird  auch  VIII,  24,  18 
tarn  vah  (Tndrani)  —  ahümahi  für  sich  allein  zh  nehmen, 
yajfiibhir  vävrdhinyam  von  vah  zu  trennen  sein.  Will  man 
nicht  vah  auf  die  Yajamänäh  (vgl.  Pischel  Ved.  stud.  II  228; 
Geldner  ebenda  III  179)  beziehen  im  gegensatze  zu  den  jeden- 
falls auf  die  priester  bezüglichen  verben  huvema  havamahe  ahü- 
fnahi  (wie  zuvor  navamahe  imahe),  wodurch  der  Personenwechsel 
sachlich  zu  begründen  wäre  (cf.  auch  VIII  45,  28!),  so  ynri 
vah  hier  ähnlich  wie  in  den  belegen  des  typus  A  als  in  der 
Satzeinleitung  formelhaft  eingeschlossen  zu  betrachten  sein. 

Diese ')  belege  des  typus  B  sind  es,  denen  im  sinne  Del- 
brücks, dem  Oldenberg  sich  anschliesst,  die  fälle  anzu- 
reihen wären,  in  denen  stu^e  u.  s.  w.  auf  einen  vah  ein- 
schliessenden  satzanfäng  folgen.  Da  beiden  gelehrten  stu^e  und 
genossen  in  der  grossen  mehrzahl  der  belege  als  1.  sg.  gelten, 
so  würde  in  den  fraglichen  fällen  zwischen  vah  und  dem  satz- 
praedikate  ein  ähnlicher  Personenwechsel  wie  in  den  soeben 
besprochenen  belegen  zu  konstatiren  sein.  Aber  die  ähnlich- 
keit  wird  durch  eine  grössere  unähnlichkeit  ihrer  beweiskraft 
beraubt.  Sehen  wir  von  X,  106,  4  (api  vah  —  gami§pam)  ab, 
dessen  Situation  von  der  den  anderen  belegen  des  typus  B  zu 
gründe  liegenden  ebenso  verschieden  ist  wie  von  derjenigen  der 
belege   von  stu^e  u.  s.  w.   und  darum   sich  nicht  eignet,    das 

1)  Ebenso  anscheinend  in  X,  106,  4  äpf  vah  —  gamiflam  (Roth 
ZDMG.  48,  118). 

2)  Zu  streichen  ist  Baunaoks  (a.  a.  o.)  beispiel  YIII,  26,  16 
Uliya  vratani  änu  va£  earämasi  (der  einzige  fall,  in  dem  bedeutongloses 
vafk  ausserhalb  des  satzanfangs  stehen  wärde),  mit  vah  sind  die  v.  16 
genannten  ndra^  angeredet.  Zu  dem  spränge  von  vah  zu  sünOy  an  dem 
Ca  1  and  Synt.  d.  pron.  69  '  anstoss  nimmt,  in  VIII,  19,  7  suagndifo  vo 
agnÜ^hi^  ayima  iüno  iahaaaljk  ist  der  Personenwechsel  in  IV,  2,  S  antdr 
tyase  —  yuffnäü^  ea  devan  vUa  a  ea  tnärtän  „da  gehst  einher  zwischen 
euch  göttern  und  den  menschenstämmen^S  YII,  96,  6  ima  [havyam] 
fühvanä  yufmäd  a  —  ju^aiva  „diese  spenden  von  euch  empfangend 
koste*'  zu  vergleichen :  va^  darf  wie  yufman,  yufmdd  in  pronominaler 
geltung  genommen  werden.  Delbrück  hat  I,  62,  2;  122,  1;  127,  1 
(die  letzte  stelle  auch  ich  a.  o.  64  anm.)  irrig  herangezogen,  va^L  hat  in 
allen  drei  fallen  pronom.  bedeutung.  —  An  stellen  wie  V,  7,  1;  YIII 
69,  la;  70,  8;  71,  12.  X,  92,  1;  116,  8  ist  ein  imptv.  2.  pl.  oder  ein 
inf.  neben  vah  zu  ergänzen. 


Vedisch  stü^e.  273 

gegenseitige  Verhältnis  beider  belegkategorien  aufzuhellen,  so 
bleiben  für  typus  B  neun  beispiele  übrig.  In  ihnen  finden  wir 
mit  pah  verbunden  siebenmal  eine  1.  pl.  (tnahema  imahe  tM^ 
vämahe  ahümahi  havämahe  huv€ma*)y  je  einmal  eine  1.  sg. 
(anOfi)  und  eine  3.  sg.  (f/ifa).  Also  die  Verbindung  von  vak 
mit  einem  verbalen  singular  stellt  eine  ausnähme  dar,  die- 
jenige mit  einer  1.  plur.  ist  häufiger  zu  finden  und  obendrein, 
wie  oben  nachgewiesen,  durch  parallelen  zu  stützen,  in  denen 
einer  verbalform  der  2.  plur.  eine  solche  der  1.  plur.  unmittel- 
bar sich  anschliesst.  In  schärfstem  gegensatze  hierzu  würden 
stu^e  und  genossen  nahezu  dreissigmal  als  1.  sing,  mit  vah 
verbunden  erscheinen.  Die  annähme,  dass  vah  in  den  belegen 
der  fraglichen  e-formen  bedeutungslos  sei,  wird  mithin  durch 
eine  prüfung  des  sonstigen  auftretens  des  anscheinend  oder 
tatsächlich  irrationalen  vah  nicht  bestätigt,  sondern  in  anbe- 
tracht  der  dargelegten  Zahlenverhältnisse  zu  fall  gebracht.  Die 
grosse  masse  der  oaA-belege  kann  ^11^0  u.  s.  w.  als  1.  sing, 
nicht  enthalten;  nur  im  vereinzelten  falle  wäre  eine  derartige 
Verwendung  denkbar,  wie  einmal  auch  die  1.  sing,  anm^i  neben 
vah  uns  begegnet  ist. 

Die  f^aA-belege  von  siu^e  u.  s.  w.  gleichen  den  belegen  mit 
vah  verbundener  imperative  2.  pl.  oder  gleichbedeutender  infi- 
nitive  so  genau,  sind  auch  durch  andere  indizien  so  deutlich 
als  pluralisch  gekennzeichnet,  dass  schwer  verständlich  wäre, 
wie  sie  verkannt  werden  konnten,  wenn  nicht  die  bisweilen  ein- 
getretene umdeutung  zur  1.  sg.  von  der  richtigen  erkenntnis 
abgelenkt  hätte.  Wodurch  unterscheidet  sich  VI,  15,  1  imdm 
ü  ^ü  vo  ätithim —  rfijasegirä  (cf.  Adyutändrh  vo  dtithim- 
rfijase)  von  6  priydni'priyam  vo  dtithtTk  grnJfdni?  Wo- 
durch II,  16,  1  prd  vah  satdrh  jyisfhatamäya  su^tutim  — 
havir  bhare^)  von  VI,  67,  1  vUveeärh  vah  scUdm  jyfyfhatamä 
glrbhir  vävrdhddhyai?  Warum  X,  101,  1  dtase  n1  hvaye 
vah  in  gegensatz  bringen  zu  allen  imperativen,  Z¥dschen  denen 
es  steht,  während  dvase  vah  zu  vollem  rechte  gelangt,  sobald 
hvaye  im  sinne  eines  plur.  genommen  wird?  VIII,  31,  14  ist 
vah  —  ile,  dem  VIII,  23,  7  vah  —  huve  grne,  vah  —  siu^e 
parallel  laufen,   mit  saparydntah  verbunden,   ebenso    VIII, 

1)  Diese  stelle  wird  von  Oldenberg  als  beleg  eines  mit  «o^  ver- 
bundenen indik.  1.  sg.  zitirt. 

B«itrtge  I.  kund«  d.  indg.  sunehen.    XXVU.  18 


274  W.  Neisser 

74,  1  vah  —  8tt4^e  und  I,  30,  1  vah  —  siüce  mit  vajdyaniah, 
VIU,  66,  1  vah  —  huve  mit  gdyaniah,  I,  142,  ö  vriije  mit 
strnänäsah.  Zur  entkräftung  des  aus  diesen  partizipien  auf  die 
0-formen  zu  ziehenden  Schlusses  erinnert  Delbrück  Vgl. 
synt.  2,  447  an  das  II,  11,  4  unabhängig  stehende  vardhdyan- 
tahi  so  seien  auch  saparyantdh  u.  s.  w.  nicht  notwendig  mit 
den  e-formen  eng  zu  verbinden.  £s  ist  richtig,  dass  dergleichen 
vorkommen  kann,  wenn  auch  sichere  belege  rar  sind  (II,  38,  10 
väjdyantdh  kann  über  Ndräädnsah  —  avyäh  hinweg  mit  syätna 
y^bunden,  VII,  34, 16  sfdan  vielleicht  als  Vertreter  von  »tdan-- 
tarn  angesehen  werden);  aber  was  in  einem  satze  zutrifft,  kann 
in  einem  anders  gebauten  sehr  unwahrscheinlich  sein.  Delbrück 
hat  übersehen,  dass  der  Verfasser  des  liedes  II,  11  die  caprice 
hat,  jeden  vers,  bisweilen  mehrere  Päda  desselben  verses  mit 
einem  auf  -atU  oder  -äna  ausgehenden  partizip  (in  10.  11 
sutdsya,  sutdaah)  zu  beschliessen:  1  k^drantak,  2  c  mdnyatnänam, 
d  vävrdhändk,  3  c  tnandctsändh,  4  a  vardhdyantah,  b  dddhänälj^, 
c  vävrdhändk,  5  b  k^ydntam,  c  tiutabhvdnsam  u.  s.  w.  u.  s.  w. 
bis  einschliesslich  v.  19,  nur  in  16  stehen  brhdntah,  strnändnah 
nicht  am  ende,  sondern  am  anfang  des  Pfida;  in  18  setzt  das 
prinzip  aus;  in  20,  dem  eigentlichen  schlussverse  ist  vielleicht 
Tritdsya  den  oben  genannten  sutdsya,  sutdsdh  an  die  seite  zu 
stellen.  D.  wird  einräumen,  dass  ein  diesem  liede  entnom- 
mener partizipialbeleg  nicht  geeignet  ist,  das  urteil  über  die 
konstruktion  der  von  mir  vorgeführten  fünf  belege  zu  beein- 
flussen, in  deren  jedem  eine  abtrennung  des  mit  vah,  bez.  der 
0-form  harmonirenden  partizips  den  satz  kläglich  zerreissen 
würde.  —  Wenn  endlich  gegen  meine  konstatirung,  dass  durch 
anerkennung  des  pluralischen  Charakters  von  stu^e  u.  s.  w.  in 
vielen  belegen  die  mit  diesen  formen  verbundenen  plurale 
glrbMh  süktaih  äu^aih  u.  s.  w.  erst  in  das  rechte  licht  gestellt 
werden,  von  D.  eingewendet  wird,  dass  solche  pluralische  nomina 
auch  mit  singularischen  verbalformen  verknüpft  werden  können, 
so  ist  das  quantitätsverhältnis  nicht  in  anschlag  gebracht:  in 
solcher  häufigkeit  wie  immer  wieder  neben  stwe  und  genossen 
sind  pluralische  termini  neben  singularischen  verben  nicht  zu 
finden;  die  kategorie  der  e-infinita  wird  daher  durch  diese 
häufigkeit  als  pluralisch  bestätigt;  nur  im  einzelfalle  würde, 
das  räume  ich  ein,  Delbrücks  einwand  gelegentlich  geltend  ge- 


Vedisch  äu^e.  275 

macht  werden  können,  wenn  nicht  andere  erwägungen  die 
pluralische  interpretation  der  fraglichen  verbalform  empfehlen. 
Ich  hoffe  erwiesen  zu  haben,  dass  die  in  rede  stehenden 
e-formen  nicht  Yorhistorisch,  was  Oldenberg  als  möglich 
gelten  läset,  sondern  an  zahlreichen  stellen  des  rgvedischen 
textes  als  infinita  sich  ergeben.  Als  solche  sind  sie,  was  Bar- 
tholomae  und  Delbrück  durchweg  verkannt  haben,  von  den 
eigentlichen  infinitiven  zu  unterscheiden  (vgl.  oben  20,  74  ^)  i). 

1)  Den  Vorschlag  Foys  KZ.  84,  287,  die  enklitisch  überlieferten 
e-formen  mit  akzenten  zu  versehen,  begnüge  ich  mich  hiermit  zu  er- 
wähnen. Das  auch  sonst  in  textändemngen  oft  abenteuerlichsten  ge. 
präges  sich  dokumentirende  Unvermögen  dieses  Schriftstellers,  den  Rgveda 
so  wie  er  ist  zu  interpretiren ,  findet  ein  drastisches  seitenstück  und 
eine  psychologische  iUustration  in  seiner  behandlung  eines  —  modernen 
teztes.  Foy  bespricht  meinen  aufsatz  vier  seiten  hindurch,  ohne  ihn 
völlig  gelesen  zu  haben.  Er  stellt  a.  o.  236  als  ergebnis  desselben  hin, 
dass  die  «-infinite  im  Veda  ausschliesslich  pluralisch  verwendet  werden 
im  ge^ensatze  zu  ihren  singularischen  griech.  entsprechungen.  Foy  hat 
also  die  seiten  69  und  70  meines  aufsatzes  übersehen,  in  denen  ich  die 
singularische  Verwendung  der  ved.  e-infinite  nachweise,  die  Wichtigkeit 
dieser  Verwendung  für  beurteilung  des  gesammtproblems  ausdrücklich 
(mit  hervorhebuDg  durch  Sperrdruck)  betone,  nebenbei  über  ursprüng- 
liche pluralische  funktion  der  fraglichen  form  im  Griech.  eine  Ver- 
mutung vortrage!  Femer  behauptet  Foy  a.  o.  235,  dass  die  echten 
(akzentuirten)  Infinitive  von  mir  mit  stillschweigen  übergangen  worden 
seien;  er  findet  den  mqt  hinzuzufügen,  es  sei  dies  deshalb  geschehen, 
weil  dieselben  meiner  über  Huie  u.  s.  w.  vorgetragenen  ansieht  nicht 
entsprechen.  Foy  würde  auf  diese  insinuation  verzichtet  haben,  wenn 
er  s.  74  meines  aufsatzes  gelesen  hatte.  Die  echten  Infinitive  sind  von 
mir  nicht  übergangen,  sondern  als  grundlage  der  enklitischen  formen 
anerkannt  worden,  obwohl  die  anerkennung  sich  erübrigte,  da  sie  selbst- 
verständlich ist:  der  von  Foy  konstruirte  widersprach  zwischen  meiner 
auffassung  von  itufe  und  der  Verwendung  allgemein  anerkannter  infini- 
tive  liegt  in  Wirklichkeit  ja  gar  nicht  vor.  Wenn  $tufe  und  genossen 
in  meinem  aufsatz  zunächst  als  imperative  eingeführt  werden,  so  ge- 
schah es  nach  dem  nämlichen  grundsatze,  dem  zufolge  gr.  ßovUvoa&y 
lat.  legimind  als  imperative  allgemein  bezeichnet  werden:  über  den  Ur- 
sprung der  form  wird  durch  diese  einen  gegebenen  tatbestand  beschrei- 
benden termini  nichts  ausgesagt.  Wohl  aber  ist  nach  darlegung  der  im 
ved.  tezt  uns  nächsterreichbaren  imperativischen  geltung  von  itufe  und 
genossen  auch  ihr  infiniter  Ursprung  eingehend  von  mir  gewürdigt 
worden.  Gegenüber  der  bestimmtheit ,  mit  der  Foy  seine  sätze  hinzu- 
stellen pflegt,  schien  es  mir  von  allgemeinem  interesse,  an  flagranten 
beispielen  den  grad  der  ihnen  innewohnenden  verlässliohkeit  festzulegen. 

18  ♦ 


276  W.  Neisser 

stu^e  und  genossen  gehören  ihrer  betonung  nach  zum  verbum  ^), 
echte  Infinitive  zum  nomen.  Der  §  149  in  Delbrücks  Vgl. 
synt.  II  y  der  die  abgrenzung  des  infinitivs  gegen  das  verbum 
finitum  behandelt,  ist  völlig  umzugestalten.  Insofern  stuse  zur 
1.  sg.  umgedeutet  ist,  gehört  es  in  die  betrachtungen  des  an- 
gezogenen Paragraphen  überhaupt  nicht  hinein.  Nicht  stu^e 
als  1.  sg.,  sondern  als  enklitisch  gewordener  infinitiv  ist  dem 
nominalbetonten  infinitive  gegenüberzustellen,  in  der  akzentuellen 
differenzirung  ist  die  abgrenzung  des  verbum  gegen  das  nomen 
beschlossen. 

Mit  der  akzentuellen  Scheidung  von  stti^i  :  stufe  ist  eine 
funktionelle  naturgemäss  verbunden  zu  denken.  Zunächst 
offenbar  die,  dass  stu^e  mit  dem  verlust  des  nominalen  ak- 
zentes  auch  den  der  nominalen  funktion  erlitt:  „ich  verlange 
nach  preis"  kann  nicht  durch  vifni  siu^e,  sondern  nur  durch 
vimi  stufS  (vgl.  VIII,  4,  17)  ausgedrückt  werden.  Wichtiger 
als  dieser  negative  umstand  ist  die  tatsache,  dass  das  rein 
verbale  stu^e  in  die  Sphäre  des  medium  bezogen  worden  ist. 

Durchmustern  wir  die  singularischen  Verwendungen 
von  stu^e  und  genossen  (oben  s.  266 ff.),  so  gehören  huve  und 
hvaye  „rufe",  rfijase  „erstrebe",  dayase  „zerteile"  zu  verben, 
die  auch  sonst  häufig  oder  ausschliesslich  medial  flektiren. 
Wird  VIII,  23,  2  stu^e  als  imptv.  2.  sg.  („preise")  interpretirt, 
so  ist  zu  erinnern,  dass  1.  sg.  siavai  und  1.  sg.  tuto^i  mehr- 
fach in  aktiver  bedeutung  vorliegen,  so  dass  auch  bei  aktiver 
Übersetzung  die  form  atu^e  als  medial  behauptet  werden  kann. 
Dasselbe  gilt  für  X,  60,  ö.  6  sdwinä  totumd  kr^e  „mach  die 
Pressungen  wirksam":  das  PW.  verzeichnet  unter  Jear  15) 
mehrere  falle,  in  denen  das  medium,  wie  an  unserer  stelle 
kr§e,  mit  doppeltem  akk.  „eine  sache  oder  person  zu  etwas 
machen"  bedeutet,  vgl.  aus  dem  RV.:  III,  43,  ö.  V,  30,  8. 
An  der  stirn  tragen  ihre  medialbedeutung  X,  93,  9  stu^e  „lass 
dich  preisen",  VIII,  4,  10  dadhi^e  „lege  dir  bei"  sowie  vävrdhe 
„stärke  dich",  fdvide  „finde  dich  ein" ;  mandaae  wird  durch  das 

Ihm  in  einzelheiten  zu  folgen  erübrigt  sich  durch  das  oben  im  text 
gesagte. 

1)  Oldenberg  wfirdigt  dies  vollauf,  ruckt  aber  «^e,  indem  er 
es  2u  den  praesensformen  stellt,  zu  weit  ab  von  den  echten  infinitiven, 
von  denen  es  doch  durch  akzentuelle  differenzirung  nur  leise  ge- 
schieden ist. 


Vedisch  stt^e.  277 

benachbarte  mandasändh  ausgewiesen.  Die  auf  die  3.  sg.  be- 
zogenen infinita  stehen  meist  passivisch :  stuse  „werde  gepriesen", 
kr^e  „werde  gerühmt"  (ähnlich  X,  22,  1;  105,  4  cdrkr§e\ 
gäyi^e  „werde  besungen",  citi  „werde  bemerkt",  yuji  „werde 
gerüstet",  mdke  „werde  gefeiert";  in  praeteritaler  funktion 
VI,  11,  5  vrfiji  „wurde  hingeworfen",  I,  62,  9  dadhi^e  „ist  ge- 
legt" (event.  X,  96,  10  dadhi^e  „hat  sich  beigelegt").  Sollte 
I,  128,  6  ha/vydm  dhi^e  auf  die  3.  sg.  zu  beziehen  sein  (=  „er 
fahrt  das  opfer  zu  den  göttern'^),  so  wäre  zu  berücksichtigen, 
dass  auch  sonst  das  medium  vahate  ,Jmdm.  etwas  zuführen" 
bedeutet,  so  V,  53,  13.    VUI,  26,  23. 

Unter  den  pluralischen  belegen  würde  VUI,  23,  2  du^e 
event  passivisch  zu  interpretiren  sein,  ¥de  oben  bemerkt.  Von 
den  anderen  pluralischen  belegen  zeigt  ein  teil  formen,  deren 
zugehörige  praesentien  zwar  von  uns  aktiv  übersetzt  werden, 
aber  sei  es  häufig,  sei  es  durchweg  medial  flektiren:  huve 
hvaye,  tfe,  rfijase;  ein  anderer  teil  formen,  in  denen  ein  re- 
flexives oder  neutrales  medium  zu  tage  tritt:  V,  45,  11  dhiyam 
vo  apsü  dadhi^e  „lenkt  euern  frommen  sinn  auf  die  wasser", 
X,  19,  7  pdri  vo  viävdto  dadhe  „füllt  euch  überall",  anschei- 
nend auch  vivaksase  im  refrain  X,  21;  24;  25  („kräftigt  euch"?); 
der  grösste  teil  bietet  überwiegend  aktiv  flektirenden  verben 
angehörige  formen,  deren  medialität  als  exponent  kollektiver 
funktion  zu  betrachten  ist. 

Gegen  die  aufstellung  eines  kollektiven  medium  (o.  20,  65  ff.) 
argumentirt  Delbrück  Vgl.  synt.  2,  432  in  etwas  eigentüm- 
licher weise.  Er  übergeht  meine  herleitung  des  der  Brähma^a- 
prosa  eigentümlichen  medialgebrauches  von  stuvate  „sie  tragen 
ein  sftma  vor"  aus  dem  kollektiven  „sie  lobpreisen  alle  zu- 
sammen"; meinen  hinweis  auf  ved.  sarate  (=  gr.  S'/rerat  = 
lat  8equäur)y  dessen  grundbedeutung  „zusammengehen"  sich 
kollektivisch  auffassen  lasse;  ignorirt  ybA,  janghananta^,  arcata 
«tobhata,  grnanta,  vrfijate,  marjayadhvam  (denen  ich  acht  an- 
dere mediale  imptve.  2.  plur.  anreihe),  med.  bhara-  *^,  sicamahe 
sificämahai,  janayanta^;  nur  I,  140,  3  tarete  und  III,  7,  1  sam 
carete  (ein  beispiel  unter  vielen  für  die  bekannte  regel,  dass 
sonst  aktiv  floktirende  verba  in  Verbindung  mit  sam  das  me- 
dium anwenden)  werden  zitirt  mit  dem  bemerken,  dass  D.  diese 
zwei  stellen  „nicht  sicher  zu  übersetzen  wage",  also  —  damit 
schliesst  D.  die  Untersuchung  ab,  ohne  sie  begonnen  zu  haben 


278  W.  Neiseer 

—  den  rein  kollektiven  sinn  des  medium  nicht  finden  könne. 
S.  447  a.  e.  wird  dies  negative  ergebnis  in  die  positive  form 
gekleidet,  dass  D.  die  aufstellung  eines  kollektiven  medium  für 
verfehlt  halte. 

Die  aus  der  reihe  meiner  belege  willkürlich  von  D.  aus- 
gehobenen zwei  stellen  liegen  jetzt  in  SBE.  46  in  Oldenbergs 
Übersetzung  vor.  An  der  ersten  stelle  bleibt  der  grund  des 
anstosses,  den  D.  gefunden,  mir  unersichtlicb.  Ich  halte  ttn-ete 
für  ein  schlagendes  beispiel  der  kollektiven  funktion  des  me- 
dium. An  der  zweiten  stelle  ist  mein  zu  buchstäbliches 
„schreiten  gemeinsam"  durch  „kommen  zusammen"  zu  ersetzen. 
An  der  grammatischen  auffassung  wird  damit  nichts  geändert. 
Ist  (püdra)  sdrh  carete  zu  trennen  von  Y.  9,  5  fracaröi^ 
(pitä  pußraäca)  „vater  und  söhn  schreiten  gemeinsam  vor"? 
Wird  in  letzterem  satze  nicht  das  Subjekt  als  zusammenge- 
höriges paar,  als  kollektivum  also,  durch  die  medialform  cha- 
rakterisirt? 

Über  die  beziehung  des  kollektiven  medium  zum  rezi- 
proken sei  dem  früher  (a.  o.)  bemerkten  noch  folgendes  angefügt 
hinblick  auf  modernes  empfinden  und  übersetzen.  Beide  arten 
des  medium  können  im  Deutschen  durch  Verwendung  des  be- 
grifiPes  „einander"  verdolmetscht  werden.  Bei  dem  reziproken 
medium  ist  dieser  begrifif  als  grammatisches  objekt  anwendbar: 
„sie  lieben,  hassen,  bekämpfen  einander";  beim  kollektiven 
medium  ist  diese  anwendung  ausgeschlossen,  dagegen  kann  hier 
„mit  einander"  in  jedem  falle  bei  dem  verbum  hinzugedacht 
werden.  So  wäre  z.  b.  janghananta  bei  reziproker  bedeutung 
wiederzugeben  durch  „sie  schlugen  einander",  bei  kollektiver 
durch  „sie  schlugen  einen  gegenständ  alle  miteinander" ;  arcata 
grnanta  aatuvata  rezipr.  bedeuten:  „sie  priesen  einander", 
während  sie  als  kollektiva  besagen:  „sie  priesen  (die  götter) 
alle  mit  einander" ;  marjayadhvam  rezipr. :  „reinigt  euch",  koll. : 
„reinigt  (das  feuer  u.  s.  w.)  mit  einander",  bharadhvam  rezipr. : 
„erhebt  euch",  koll.:  „erhebet  (die  stimme  u.  s.  w.)  alle  mit- 
einander", u.  s.  w.  Beide  typen  sind  so  scharf  ausgeprägt, 
dass  der  grammatiker  sie  zu  berücksichtigen  und  auseinander 
zu  halten  gezwungen  ist. 

An  diese  finiten  medialformen  kollektiver  bedeu- 
tung reihen  die  e-infinita  sich  unmittelbar  an.  Zu  stuvate  gehört 
atu^e  „wir  wollen  alle  mit  einander  (die  götter)  preisen"  oder  ,,preiset 


Vedisch  stu^e.  279 

alle  mit  einander'',  zu  arcata  grnanta  treten  arcase  und  arce, 
grnlfe  und  grne,  zu  vrfljate  :  vHlje,  zu  bharadhvam  si^cätnahai 
janayanta  :  bhare  aiiice  janaye  ;  hi^e  ist  etwa  mit  ahe^ta  (4 mal  in 
buch  IX)  zu  kombiniren.  Es  reihen  sich  femer  an  (belege  am 
früheren  ort)  :  dohase  (1.  pl.)  äu^e  varte  name  tnande  i§ye  ise 
viväse  voce  ßiju^e,  neben  denen  finite  media  kollektiver  funktion 
nicht  nachweisbar  sind.  Das  kann  nicht  auffallen,  da  zu  impe- 
rativischen  anrufungen,  als  deren  träger  die  e-infinite  erscheinen, 
besonders  häufige  gelegenheit  geboten  war. 

Dass  die  medialität  der  ß-infinita  von  Delbrück  für 
scheinbar  erklärt,  von  Bartholomae  nicht  erwähnt  wird,  ist 
auf  den  umstand  zui'ückzufiihren,  dass  beide  gelehrte  die  verbal 
gewordenen  infinita  von  den  nominal  fungirenden  nicht  unter- 
scheiden. Auch  ist  das  Verhältnis  sttiäe  :  stdpi  von  diesen  for- 
schem nicht  in  seiner  vollen  tragweite  gewürdigt  worden.  Folgt 
doch  schon  aus  dem  hinblick  auf  die  nie  ^)  kollektiv  oder  sonst 
medial  verwendeten  stosi  und  genossen  mit  Wahrscheinlichkeit, 
dass  wie  diese  dem  aktivum,  so  stu^e  und  genossen  dem  medium 
angehört  haben,  seitdem  sie  dem  gesetz  der  verbalenklise  sich 
unterwarfen.  Oder  gibt  es  fälle,  in  denen  unzweideutig  ein 
^-infinit,  auf  eine  einzelne  person  in  aktiver  funktion  bezogen 
erscheint? 

Eine  isolirende  betrachtung  könnte  ein  auf  die  1.  sg.  be- 
zogenes imperativisches  infinitum  aktiver  bedeutung  finden  in 
VII,  85,  1  punl^e  väm  araksäsam  tnani^dm  sömam  Indräya 
Vdrunäya  jühvat  ,,ich  will  ein  tadellos  lied  euch  weihen'*, 
X,  74,  1  Vdsunäm  carkr^a  iyak^an  „die  Vasu  will  ich  rühmen'* 
oder  V,  34,  9  sahasrasdm  Agniveäim  grni^e  „den  tausende 
schenkenden  A.  will  ich  preisen",  ähnl.  11,  33,  12;  aber  gegen- 
über der  grossen  zahl  der  bisher  besprochenen  stellen,  an  denen 
mediale  bedeutung  vorliegt,  würde  nur  zwingende  not  die  an- 
nähme aktiver  bedeutung  rechtfertigen.  Ein  zwang  ist  jedoch 
nicht  vorhanden,  da  die  tatsache  nicht  bezweifelt  werden  kann, 
dass  an  einer  reihe  von  stellen  (die  a.  o.  von  mir  verzeichnet 
sind,    man  füge  hinzu  X,  49,  7   rdhcJc  kr^e)  das  e-infinit.  als 

1)  Dass  das  Y,  26,  1  mit  vah  verbundene  ^8m  nicht  znm  koUek- 
tivam  gestempelt  werden  darf,  folgt  aus  den  o.  269  ^)  angezogenen 
parallelen,  in  denen  in  gleicher  weise  gäya^  area  und  andere  singular- 
formen auf  vah  folgen  und  die  stelle  eines  plnrals  einnehmen. 


280  W.  Neisser    Vedisch  stu^e. 

1.  Bg.  indik.  praes.  behandelt   worden   ist  und    nichts  hindert, 
den  gleichen  Vorgang  in  obigen  vier  belegen  vorauszasetzen. 

Diese  sekundäre  umdeutung  berührt  nicht  das  endergebnis 
unserer  Untersuchung,  das  dahin  fortnulirt  werden  kann,  dass 
die  infinitive  des  durch  stu^i  und  rfijdse  gekennzeichneten 
typus  träger  medialer  Funktion  wurden,  indem  sie  dem 
gesetz  der  verbalen  enklise  sich  unterwarfen.  Dass  sie 
nicht  gleichwertig  mit  beliebigen  medialformen,  sondern  nur  mit 
Imperativischen  und  praeteritalen  verwendet  werden  konnten, 
folgt  aus  der  natur  des  Infinitivs. 

Dass  die  ^-losen  infinita  huve  hvaye  vävrdhe  u.  s.  w.  in 
nominaler  betonung  nicht  belegbar  sind,  kann  auf  zufall  be- 
ruhen: auch  stfifS  ist  nur  VIII,  4,  17;  24,  1,  ffijdse  nur  VIII, 
4,  17  als  verbalnomen  belegt.  Es  ist  kein  grund  vorhanden, 
der  ansetzung  eines  echten  infinitive  *huvi  zu  widerstreben, 
der  dem  X,  88,  10  belegten  bhuve  (vgl.  II,  16,  3  paribhvi) 
entsprechen  würde.  Dagegen  werden  hvaye  bhare  arce  sifice 
viväse  u.  ähnl.  auf  nachahmung  beruhen,  wie  innerhalb  der  kate- 
gorie  der  5-infinite  die  formen  grni^e  puni^e. 

Beide  kategorien,  die  mit  s  wie  die  ohne  8,  zeigen  die  be- 
schränkung  auf  mediale  funktion  in  der  enklise:  wie  bei  gr. 
ßovXsvaai  (Bezzenberger  G6A.  1887,  428)  hat  ersichtlich 
anlehnung  an  das  mediale  verbum  finitum  stattgefunden.  Das 
enklitische  formenpaar  stosi/stu^e  hat  den  kontrast  des  finiten 
aktivum  und  medium  zur  Voraussetzung  und  illustrirt  ihn  seiner- 
seits nur  insofern,  als  es  das  wesentliche  seiner  äusseren  form 
im  akzentwechsel  erkennen  lehrt.  Diese  erkenntnis  war  freilich 
aus  finiten  formen  der  stammäbstuf enden  konjugation  wie  3.  sg. 
d6gdhi\dugdh6  bereits  zu  gewinnen. 

W.  Neisser^ 


Fhrygisches  ^). 

1.   Die  Siling^uis  von  Dorylalon. 
Diese  inschrifb  ist   in  den   mitteilungen  des  k.  deutschen 

1)  Die  von  Ramsay  in  Kahns  zeitsohr.   28,   s.  881  ff.  behandelten 
phrygischen  inschriften  aus  römischer  zeit  bezeichne  ich  als  B.  1,  R.2  a,8.w., 


Alf  Torp    Phrygisches.  281 

Instituts,  Athen,  XXIII  s.  362  nach  abschrift  und  abklatsch 
von  7.  MfjXiOTtovlog  veröffentlicht  worden.    Sie  lautet: 

e . .  i'^iovfievoQ 

vioiaiogvadQOTog 

eiTOVfiiTQaqxxva 

x€fiagt€f4Qoye 

lOSKsnowtag 

ßasKeevozaQva 
dovfj.dneoiovd' 

ßavaddanetOQOv 

av  TioQe&ifirjv  t6 

fivrjfxeiov  tdig  nqo- 

yeyQafifiivoig  &€- 

dig  x(ai)  %^  ncifin 

ToV'd'^  6  navrjQ 

i^GuXriTtidg. 
Der  veröffentlicher,  H.  von  Prott^  hat  daran  die  folgenden 
bemerkungen  geknüpft: 

„Der  anfang  enthält  offenbar  eine  bestimmung  in  phrygi- 
«cher  spräche  (participium  auf  -fiBvog  mit  bitov  =  %a%oi).  Es 
folgen  phrygische  namen  durch  xe  —  gr.  xa/  verbunden.  An* 
sprechend  vermutet  A.  Dieterich,  dass  dies  die  im  griechischen  tezt 
als  d-Boi  erwähnten  toten  sind,  deren  schütze  das  grab  anver- 
traut wird,  und  verweist  auf  die  bekannte  phrygische  sitte,  die- 
selben namen  für  götter  und  sterbliche  zu  verwenden  (Eretschmer, 
Einleitung  in  die  geschichte  der  griechischen  spräche,  s.  200,  1). 
Zu  den  namen  bemerkt  P.  Kretschmer:  MizQaqxna  persich, 
wol  =  MiTQoßazrjgy  lykisch  Mi^apcUa.  Mag  als  frauenname 
C.  I.  G.  4411  a  und  Heberdey- Wilhelm,  Beisen  in  Eilikien 
nr.  264,  scheint  als  männername  vorzukommen  bei  Heberdey- 
Kaiinka,  Reisen  in  Kleinasien  s.  37  nr.  47;  Te/igoyeiog  ist 
Tembrogius,  wie  Plinius  VI,  4  den  Thymbres  nennt,  an  dem 
Dorylaion  liegt.  Zu  Adda  vgl.  einleitung  s.  338,  zu  den  nomi- 
nativen  Oiovd'ßav(?)  und  Toqovov  das  illyrische  ßBqCfitv  (in- 
schriften  von  Olympia  nr.  695)''. 

die  drei  von  Hogartb  in  Journ.  of  Hellenic  Studies  1890,  8.  158  f.  mit- 
geteilten als  H.  1,  H.  2,  H.  3.  Zwei  abbandlangen  von  mir:  „Zu  den 
pbrjgischen  inscbriften  ans  römiseber  zeit",  Christiania  Videnskabs- 
Selskabs  Skrifter  1894,  nr.  2,  und  „zum  Pbrygiscben'S  daselbst  1896 
nr,  8y  citiere  ich  der  kürze  halber  als  Pbryg.  I  and  Pbryg.  II. 


282  Alf  Torp 

Seine  in  diesen  Worten  angedeutete  auflfassung  hat  Kretschmer 
später  (Mitteil.  d.  k.  deutsch,  inst.  XXV,  s.  445)  wesentlich 
geändert,  indem  er  jetzt  glaubt,  z.  8  das  aus  den  phrygischen 
grabschriften  römischer  zeit  bekannte  adöcmer  erkennen  zu 
müssen.  Die  richtigkeit  dieser  au£fa8sung  ist  über  jeden  zweifei 
erhaben,  und  es  wundert  mich  nur,  dass  ein  so  scharfsinniger 
forscher  wie  Kretschmer  nicht  gleich  beim  ersten  blick  das 
yerbum  addaxer  erkannt  hat.  Dagegen  scheinen  mir  seine 
übrigen  bemerkungen  zum  grössten  teil  nicht  zutre£fend.  Elr 
sagt  a.  0.:  „da  durch  die  von  Ghantre,  Mission  en  Cappadoce, 
Paris  1898,  s.  169  mitgeteilte  altphrygische  inschrift,  wie  ich 
in  der  Wiener  Zeitschrift  für  die  künde  des  Morgenlandes  XIII. 
8.  3ö9  dargelegt  habe,  erwiesen  ist,  dass  phrygisches  x€  grie- 
chischem 7€,  lateinischem  que,  skr.  ca  entspricht  und  enklitisch 
nachgestellt  wird,  so  muss  EyaTaQy(a)  dov/ad'  z.  6/7  das  letzte 
der  durch  xs  verbundenen  glieder  sein.  Ich  schlage  also  vor 
2.  6  S,  zu  lesen : 

EvaraQva- 

[g?]  öovfid'  xfi'  Oiovd" 

ßav  aödaxer  oqov 

av. 
In  Mi%Qaq)ata^   Mag   Ts^goyeiog^  Ilowxaaßag   sind    doch    wol 
nicht  vergötterte  tote,  sondern  wirkliche  d'soi  zu  erkennen,  denn 
TtaQe&ifAtjv   entspricht   doch    sonstigem    rcagaöldtofAi  ^    das    die 
formel  einleitet,  mit  der  ein  grab  dem  schütz  der  unterirdischen 

götter  anempfohlen  wird". „Da  im  griechischen  text  zu 

to7g  nQoyeygafifievoig  d'eoig  hinzugefügt  ist  x(at)  t^  xtififj,  so 
wird  man  auch  im  phrygischen  text  eine  erwähnung  der  xcJjtii] 
suchen  und  in  dem  letzten  der  mit  xe  verbundenen  glieder, 
EvaraQva  dov^id"  erkennen  dürfen.  Sonderbar  und  im  wort- 
auslaut  wenig  glaublich  erscheint  in  dem  zweiten  wort  die  kon- 
sonantengruppe  fi^.  Vielleicht  ist  Q  verschrieben  für  0  oder 
Si  und  öovfAOy  dovfjLtJ  oder  dergleichen  zu  lesen:  dann  wäre  hier 
das  phrygische  dovfjLog  zu  erkennen,  das  auf  einer  inschrift  aus 
Maionia  vom  jähre  173  nach  Chr.  in  der  bedeutung  avvodog^ 
avyxlfjTogj  avfißiiuaig  vorkommt  und  zu  got.  döms  „Satzung, 
gericht"  =  asl.  duma  „rat**  gehört  (Bezz.  beitr.  XIV,  s.  51, 
Kuhns  Zeitschr.  34,  s.  53).  Hier  müsste  es  xiofirj  entsprechen 
oder  etwa  „gemeinderat,  gemeindeversammelung"  bedeuten  und 
EvaTaQva[g?]  dann  der  name  des  ortes  sein^^ 


Phrygisches.  283 

Mit  Kretschmer  halte  ich  es  für  wahrscheinlich,  dass  G  in 
dov/Ax)'  fehlgeschrieben  und  öovfio  oder  dovfifp  zu  lesen  ist. 
Wenn  aber  Kretschmer  daraus,  dass  auf  dovfjLd'  ein  x€  folgt, 
glaubt  schliessen  zu  können,  dass  Evaraqval^f]  dovfjtd'  das  letzte 
der  durch  x£  verbundenen  glieder  sein  muss,  so  kann  ich  die 
richtigkeit  dieser  folgerung  nicht  anerkennen.  Dass  x€  nach- 
gestellt wird,  habe  ich  schon  Phryg.  1  s.  17  nachgewiesen  und 
daselbst  griechisches  r£,  lat.  que  verglichen.  Allein  phryg.  x« 
weicht  vom  griech.  re,  lat.  que  darin  ab,  dass  es,  wenigstens 
in  den  neuphrygischen  Inschriften,  auch  vorangestellt  werden 
kann.  Vgl.  R.  6:  zog  vi  fie  ^BfieXw  'MÖeog  .  .  |  .  .  .  ert  rjTiV' 
Term^svog  €[i]tovj  R.  7  :  dsog  ne  Cß/uf^Aoi],  H.  2:  [fie  ^e]fiel(og 
x€  [S]€[o]g,  R.  29 :  log  aefiovv  ycvov^ave  \  yuxivi  fiavxa  xcmov  adda- 
x[eT].  Diese  letzte  stelle  ist  besonders  beweisend,  denn  naivi 
ist  .natürlich  x^aivi ;  hier  werden  also  durch  das  zwischenge- 
stellte x£  die  synonyme  xvovfiave  und  awi  ficnma  verbunden. 
Dieser  doppelte  gebrauch  ist  so  auffallend,  dass  man  versucht 
sein  könnte,  in  dem  vorangestellten  xe  ein  anderes  wort  zu  ver- 
muten, als  in  dem  nachgestellten,  nämlich  das  entlehnte  grie- 
chische xat.  Wie  dem  auch  sei,  jedenfalls  lässt  sich  nicht  be- 
streiten, dass  xe  auch  vorangestellt  werden  kann.  Unter  allen 
umständen  könnten  die  worte  EvaTaQva[g?]  öovfid"  nicht  ein 
glied  ausmachen,  das  durch  xe  mit  den  voraufgehenden  ver- 
bunden wäre,  denn  nach  der  analogie  von  ze  und  que  hätte  es 
doch  in  diesem  falle  EvataQva[g?]  xe  doviid-  heissen  müssen,  es 
sei  denn,  dass  wir  EvaraQva  dov^d-  als  ein  kompositum  aufzu- 
fassen hätten,  was  doch  wol  nicht  sehr  wahrscheinlich  ist. 
Also:  nicht  Evatagvag  dovfid'  xe,  sondern  öovfid'  xs  bildet  das 
letzte  glied  der  aufzählung.  Hier  ist  das  xe  nachgestellt,  aber 
daraus  folgt  nicht,  dass  es  auch  bei  den  übrigen  gliedern  nach- 
gestellt sein  muss. 

Ueber  die  letzten  worte  des  phrygischen  teils  der  inschrift 
bemerkt  Kretschmer: 

„Ueber  den  schluss  des  phrygischen  textes  lässt  sich  wol 
nur  soviel  sagen,  dass  er  vielleicht  dem  schluss  des  griechischen 
paralleltextes  rar^'  6  Ttar^g  l^axlriftiog  entspricht,  aödaxev 
also  ein  hier  fehlendes  und  zu  ergänzendes  verb  mit  der  be- 
deutung  „hat  festgesetzt,  angeordnet**  wiedergiebt**. 

Dieser  auffassung  kann  ich  mich  nicht  anschliessen,  einer- 
seits weil  addax^z  in  den  übrigen  phrygischen  inscbriften  die  von 


284  Alf  Torp 

Kretschmer  angenommene  bedeutung  nicht  aufweist,  und  auch 
nicht  als  Präteritum,  sondern  als  präsens  gebraucht  wird,  und 
besonders  weil  so  der  anfang  der  inschrift  ganz  sinnlos  wird. 
In  fi  .  .  i&viov^evog  —  —  eitov  kann  wol  niemand  eine  Ver- 
wünschung verkennen.  Dann  muss  aber  notwendig  auch  gesagt 
werden,  wen  diese  Verwünschung  treffen  soll,  und  das  wird  in 
den  übrigen  neuphrygischen  inschriften  durch  einen  eben 
dieses  verb  addaxew  enthaltenden  relativsatz  angegeben.  Also 
sollte  sich  auch  hier  ein  solcher  relativsatz  vorfinden.  Und 
das  ist  auch  der  fall.  Das  snbjekt  des  verbs  aödcmer  bildet 
das  relative  pronomen  log  z.  5,  von  Kretschmer  fälschlich  als 
die  endung  des  namens  lefiQoye  aufgefasst.  Das  folgende  x« 
macht  das  relativum  zu  einem  indefinit  relativen,  vgl.  log  ne 
R.  27,  ig  M  R.  5;  dem  phrygischen  log  ne  entspricht  skrt. 
yagca,  griech.  ogrc.  Ich  möchte  die  inschrift  so  erklären: 
[Z.  1 — i  enthalten  die  Verwünschung.  Z.  1  fehlen  nach  a 
zwei  buchstaben.  liier  ist  gewiss  b[cC]  zu  ergänzen.  Dieses  £irt 
kommt  häufig  in  der  Verbindung  eviTTStiKfievog  vor,  und  scheint 
der  bedeutung  nach  dem  deutschen  ver-  zu  entsprechen;  vgl. 
skr.  ati  „über  —  hinaus'^  als  erstes  glied  einer  Zusammen- 
setzung mit  verstärkender  bedeutung,  z.  b.  atidura-  „sehr  ent- 
fernt^* (Phryg.  I  s.  14).  Die  Verwünschung  ist  durch  die  drei 
asyndetisch  verbundenen  wörter  i&viovf4€vog  vioiaiog  vadqonog 
ausgedrückt.  Dieser  wortreichtum  deutet  auf  einen  sehr  ener- 
gischen Charakter  derselben.  Das  erste  dieser  wörter  idyiov- 
lABVog  halte  ich  für  ein  participium  perfecti  med.,  vgl.  tenix- 
fisvog.  Das  wort  erinnert  merkwürdig  an  das  griechische  idvoo} 
„krümmen 'S  med.  „sich  (besonders  im  schmerz)  krümmen*^ 
Ich  möchte  die  beiden  wörter  zusammenstellen,  iövow  ist  ein 
speciell  homerisches  wort,  für  welches  keine  etymologie  gefunden 
ist.  Sollten  die  kleinasiatischen  Griechen  dasselbe  von  ihren 
phrygischen  nachbaren  entlehnt  haben?  Das  phrygische  i&viov- 
fisvog  würde  sich  von  einem  griechischen  idvwfievog  nur  darin 
trennen,  dass,  während  das  griechische  verb  von  einem  adjektiv 
*iöv6g  gebildet  ist,  das  phrygische  auf  einem  mit  dem  suffixe 
-io  gebildeten  *  idnog  beruhen  würde.  Falls  dies  richtig  ist, 
so  zeigt  sich  auch  in  der  bildung  des  perfektum  med.  eine 
merkwürdige  Übereinstimmung  zwischen  Griechisch  und  Phry- 
gisch,  sowohl  hinsichtlich  der  vor  der  perfektendung  {-fiai^ 
-fieyog  u.  s.  w.)  eintretenden  vokalverlängerung,  als  hinsichtlich 


Phrygisches.  285 

der  reduplikaüon :  TSTinfAevog :  Ttercetofiivog;  Idyiovfievog  (denn 
dass  der  anlautende  vokal  verlängert  wurde,  ist  sehr  wahr- 
scheinlich): ^idvtofiivog.  e[%i]  i&viovfievog  also  gleichsam:  ,, ver- 
krümmt (im  schmerz  zusammengekrümmt)*'. 

Bedeutet  aber  i^iovfievog  „im  schmerz  zusammenge- 
krümmt**, so  liegt  es  nahe  anzunehmen,  dass  die  bedeutungen 
der  beiden  darauf  folgenden  und  damit  asyndetisch  verbundenen 
adjektive  auch  in  demselben  begri£Pskreise  zu  suchen  sind :  auch 
diese  weisen  wol  auf  körperliche  misshandlungen  hin.  Ich  stelle 
vadQOTog  einem  griechischen  dvavdQonog  gleich,  vgl.  avavdgow 
„entmannen^',  -ad^-  halte  ich  fiir  aus  -avög-  entstanden,  und 
dass  *<xvadQ(yiog  durch  wegfall  des  unbetonten  anlauts  zu  va- 
ÖQOTog  werden  konnte,  ist  wol  leicht  denkbar.  Auch  hier  wäre 
die  Übereinstimmung  mit  dem  Griechischen  auffallend.  Ein 
passives  verbaladjektiv  auf  -orog  liegt  auch  in  fierorog  R.  23 
vor  (siehe  Phryg.  II  s.  7).  Diese  form  setzt  ein  verb  *metojo 
voraus,  mit  welcher  bildung  zu  vergleichen  ist  altphryg.  xoxviot 
(d.  i.  *kakojoi)^  3.  präs.  opt.  (Kretschmer  Mitteil.  XXV,  s.  361). 

Auch  vioiaiog  scheint  auf  ein  beraubtsein  hinzudeuten.  In 
ni  scheint  es  aber  nicht  möglich  die  negation  zu  sehen;  dagegen 
könnte  diese  partikel  dem  indischen  ni§  entsprechen.  Dass  an- 
lautendes 8  im  Phryg.  schwand,  scheint  durch  den  namen  ^^Xvg 
bewiesen,  welchen  bereits  alte  griechische  Schriftsteller  aus  dem 
bei  dem  flusse  befindlichen  salz  erklären.  Schon  Spiegel  (Eran. 
alt.  I  183)  hat  demnach  ^AXvg  für  griechische  entstellnng 
eines  auf  arm.  aX  „salz''  zurückgehenden  namens  angesehen. 
Also  war  wenigstens  bei  den  Armeniern  schon  vor  Herodot  das 
anlautende  8  zum  hauch  geworden  oder  geschwunden  (vgl. 
Bugge  Kuhns  zeitschr.  32,  81).  Wenn  nun  aber  die  richtigkeit 
der  angäbe  des  Herodot,  dass  die  Armenier  Oqvyßv  afcoimoi 
seien,  kaum  zu  bezweifeln  ist,  so  scheint  die  annähme  gerecht- 
fertigt, dass  auch  im  Phrygischen  derselbe  lautübergang  statt- 
fand. Schwand  aber  das  s  im  anlaut,  so  muss  es  auch,  wie 
im  Arm.,  inlautend  zwischen  vokalen  geschwunden  sein.  Vgl. 
Phryg.  II  s.  13,  16 — 17,  wo  ich  phryg.  o  mit  griech.  o  „der", 
phryg.  tot  mit  hom.  Ibt,  präs.  opt.  3.  sing.,  gleichgestellt  habe. 
Betreffs  des  zweiten  gliedes  des  kompositums  ni-omo8  wage  ich 
eine  Vermutung,  die  ich  natürlich  als  eine  sehr  unsichere  be- 
zeichne. Wenn  vadqoxog  die  bedeutung  „entmannt"  hat,  so 
muss  in  vioiaiog  wol  eine  verwandte  bedeutung  gesucht  werden. 


286  Alf  Torp 

-oiaiog  könnte  aus  ^^oitios  entstanden  sein,  vgl.  af4\fAa]aiav 
aus  *amfnartian  (R.  15:  fiavuav  a^\\}i]aaiav  „unsterbliches 
denkmal^S  vgL  f^vijfieiov  dd-dvarov^  das  in  kleinasiatischen  in- 
Schriften  yorkommt,  Phryg.  II  7).  *OiJiog  könnte  auf  *oid%08 
zurückgehen,  denn  es  scheint  sicher,  das  der  im  AruL  durch- 
geführte Übergang  von  g  und  d  in  k  und  t^  auch  im  Phrygi- 
sehen  unter  gewissen,  noch  nicht  ermittelten  umständen  statt- 
fand, Ygl.  ßHoq  „brod^^  =  arm.  bek  „casse,  rompu,  brise'S 
hekor  „morceau,  ot-  =  idg.  ud  (Phryg.  U  3  f.,  8),  i^vioviievoq^  wo 
d-  wol  t  bezeichnet,  =  idvwfiivog  u.  m.  Bei  dem  stamm  ^otdio- 
könnte  man  an  an.  eista  n.  asl.  isto  n.  „testikeP'  denken,  vgl. 
an.  eitiU  (—  idg.  oidüo-)  „glandula'^  ni(s-)  oisios  also:  „ohne 
hoden"  (?). 

Z.  3 — 4.  fiiTQagHxta  \  xhf4ag:t€iLiQOY€.  Beide  Zeilen  sind  um 
einen  buchstaben  kürzer  als  z.  2.  Leider  geben  uns  die  „mit- 
teilungen*'  darüber  keinen  bescheid,  ob  nach  fiiTQaqxna  und 
nach  zefiQoye  ein  buchstabe  verloren  gegangen  sein  kann.  Ich 
halte  die  beiden  namen  für  dative.  Falls  in  jeder  zeile  ein 
buchstabe  zu  ergänzen  ist,  so  lese  ich  f4iTQaq>aTa[i]  und  Tfi^- 
^^T^^M«  wenn  nicht,  so  können  auch  die  formen  fiiTQaqxna  und 
%eiAQoye  als  dative  gelten,  vgl.  ra  R.  2,  fjiavjiui  R.  29,  neben 
fiavuav,  xvovfiave  R.  26,  28,  neben  xyovf^ayei.  Die  namen,  die 
durch  zwischengestelltes  Tte  verbunden  sind,  bezeichnen  die  gott- 
heiten,  denen  der  verwünschte  anheim  fallen,  oder  von  welchen 
die  strafe  verhängt  werden  soll.  Im  letzteren  falle  wäre  also 
der  gebrauch  des  dativs  derselbe  wie  im  Griechischen,  wo  ein 
solcher  dativ  bei  einer  passiven  verbalform  das  wirkende  Sub- 
jekt bezeichnet  Der  dativ  T€fiQoy€{i)  entspricht  einem  nomi- 
nativ  vefiQoyiQf  vgl.  den  dativ  la/al%aei.  Die  endung  -ig  ist 
aus  -log  entstanden  (vgl.  die  italischen  namen  auf  -is);  durch 
den  nominativ  sind  diese  bildungen  in  die  f-äexion  hinüberge- 
zogen worden  (Phryg.  II  s.  8).  Teugoyig  ist,  wie  Eretschmer 
erkannt  hat,  der  flussgott  Temrogius ;  durch  den  vorangestellten 
genitiv  fiag  ist  er  wohl  als  der  söhn  der  göttin  Ma  (Rhea)  be- 
zeichnet. 

Mit  z.  5  fängt,  wie  gesagt,  der  relativsatz  an.  novv- 
zaaßag  fasse  ich  als  den  genitiv  eines  frauennamens  nowtaoßa. 
Falls  dieser  name  das  idg.  wort  für  „pferd''  enthalten  sollte, 
so  müsste  er  wol  eranischer  abkunft  sein,  denn  phrygisch  hätte 
es  jedenfalls  -«s6a  heissen  müssen.    Durch  x«  wird  dieser  name 


thrygisches.  287 

mit  einem  anderen  EvaTaQva[g]  verbunden.  Auch  hier  ist  also 
das  X«  zwischengestellt.  EvaTaQva[g],  (so  ist  gewiss  mit 
Eretschmer  zu  ergänzen)  ist  der  genitiv  eines  frauennamens 
EvajaQva^  der  wie  das  passiv-particip  der  mit  der  präposition 
€v  verbundenen  wurzel  stera  (skr.  stirnd^)  aussieht. 

dovfX'9'  ne.  Hier  ist  das  verbindende  x«  nachgestellt,  öovfip 
(oder  doviKfi)  halte  ich  für  den  genitiv  eines  männemamens 
Jovfiog^  worin  wol  eine  kurzform  eines  von  dem  oben  er- 
wähnten Worte  dovfiog  gebildeten  namens  zu  sehen  ist,  vgl. 
Jov^haog  (Solmsen,  Kuhns  zeitschr.  34,  53).  Einen  solchen 
genitiv  erkenne  ich  auch  in  vsi^avxo  R.  lö :  ^ewt]  xa  vsi^avxo  \ 
dadf,  d.  i.  „Xeune  die  gattin  des  Neixauchos'^  Der  genitiv  der 
o-stämme  [endigte  meines  erachtens  im  Phrygischen  ursprüng- 
lich auf  -d,  aus  *  -chso,  *  -o-o  entstanden.  Dieses  -ö  hätte  wie 
jedes  andere  -ü  werden  sollen.  Wir  erwarteten  also  *öov^ov. 
Bei  den  o-lauten  schwankt  aber  die  Schreibung  sehr.  So  findet 
sich  oft  aefiov  statt  aefiowj  umgekehrt  wird  das  kurze  o  in 
xcrxoy  häufiger  mit  -ov  (xoxovv),  einmal  auch  mit  w  wieder- 
gegeben. 

Die  genitive  novv%aoßag,  Eva%aQva{g)y  Jovfip  sind  von 
OQOvav  abhängig,  oqovov  ist  der  akk.  sing,  eines  *OQ0vaf  worin 
gewiss  ein  wort  für  „grab*'  zu  sehen  ist.  Verwandt  ist  ogvxa 
R.  15,  das  ich  nicht  länger  (vgl.  Phryg.  II  s.  7)  für  das  ent- 
lehnte griechische  o^vX?',  sondern  für  echt  phrygisch  halte. 
odvxa  ist  von  OQOva  durch  ein  A;-8uffix  abgeleitet.  OQova  er- 
innert merkwürdig  an  das  lykische  arava  „heroon'S  das,  wie 
die  ableitung  eravaziya  (neben  aravaziya)  zeigt,  aus  *e^'ava 
entstanden  ist.  In  oqova^  aus  *oröi?a(?),  ist  dann  vielleicht 
ein  ursprüngliches  anlautendes  e-  durch  assimilation  an  den 
o-laut  der  zweiten  silbe  in  o  übergegangen. 

Dieselbe  endung  wie  OQOvav  zeigt  oiovd'ßav.  Hier  macht 
die  lantverbindung  otov9^  einen  wenig  zuverlässigen  eindruck. 
Vielleicht  ist  deshalb  oi  als  ein  wort  für  sich  zu  fassen  und 
dies  mit  im  zu  verbinden ;  dies  ist  um  so  wahrscheinlicher,  weil 
auch  in  zwei  anderen  inschriften  auf  x«  unmittelbar  ein  oi 
folgt:  [C<6c^]<K  X«  Ol  eiQOi,  R  7,  ^qo  xe  ot  Tteug  x«,  R.  12. 
Dieses  oi  kann  ich  freilich  nicht  erklären,  vermute  aber  eine 
bedeutung  wie  „auch'^ 

Für  addaiuT  nehme  ich  hier  die  bedeutung  „facit^'  an. 
Die  präposition  ad-  hat  also  hier  keine  ausgeprägte  bedeutung. 


288  Alf  Torp 

So  kommt  auch  neben  dem  gewöhnlichen  ae/iow  xvovfionfsi 
naxov  aödcmer  einmal  (R.  26)  der  ausdruck  asfiovv  xyovfiove 
xaxov  dax€T  vor;  dies  könnte  darauf  hindeuten,  das  auch  in 
dieser  yerbindung  addaxer  nicht  „afficit"  sondern  nur  „facit^^ 
bedeutet  (xcmdy  Igya^evai),  In  ovd'ßav,  das  ich  für  ein  ad- 
jektiy  halte,  wäre  vielleicht  die  präposition  *ud  zu  erkennen, 
vgl.  07-  in  OTeaira^i{e]  R  9.  d'  bezeichnet  wohl  den  ^-laut; 
Ygl.  oben  idyu)VfievoQ,  ov  und  o  bezeichnen  hier  beide  den 
kurzen  u-laut.  Ich  vermute  die  bedeutung  „offen'',  ohne  dass 
ich  den  letzten  teil  des  wertes  zu  erklären  vermag  (suff.  -fo- 
wie  im  skr.  udvd-?). 

Der  relativsatz  wäre  demnach  so  zu  übersetzen:  „wer 
immer  das  grab  der  Pountasba  und  der  Enst-arna  und  auch(?) 
des  Doumos  öffnet  (eigentlich  offen  macht)'^ 

So  erhalten  wir  auch  die  namen  der  begrabenen,  deren 
nennung  doch  wohl  ziemlich  notwendig  war. 

Aus  dem  griechisch  gefassten  teil  der  inschrift  erfahren 
wir  weiter,  dass  der  vater  dieser  toten  ihnen  das  grab  bestellt 
hat 

8.  X>ie  insoliriffc  von  Tyriaion. 

Mitgeteilt  von  Anderson,  Journ.  of  Hellenic  Studies  XVIII 
s.  121. 

aaaBfiovvxvovfiovqdid'QaQax 
^eweoiddixeuiav  (vacat) 
fiavuaviaveataeg  ßQaTege 
fiaifiaQrjXvfrovnQogfiayig 
.  .  yevenaQxsgdevovv 

^evvavaidfiiogßQOxeita 

dexfiowoTioiov 

fCQOTOaOV 

Das  verbum  ist  earaeg^  ein  deutlicher  sigma-aorist  der 
Wurzel  8ta,  vgl.  altphryg.  edaeg.  Dies  neue  beispiel  solcher 
bildung  ist  besonders  interessant,  weil  dadurch  bewiesen  wird, 
das  phrygisch  u4E  nicht,  wie  einige  gemeint  haben,  den  9-laut 
wiedergiebt;  denn  eine  form  *e8tS8  wäre  ja  undenkbar.  Meine 
erklärung  dieser  formen  (Phryg.  II  s.  14)  war  also  wol  richtig . 
sie  sind  -«es-aoriste;  eöaeg  ist  aus  *  e-dä'{s)es-t,  eatasg  aus 
^e'Stä^(8)e8'4  (oder  ^e-stä^isjes-t)  entstanden,  vgl.  av.  därhü  „du 
hast  gemacht'^  skr.  agär^  „er  ging". 


t^hrygisches.  289 

Das  Objekt  ist  ixavaav  „denkmal'%  akk.  fem.  Zwischen 
diesem  wort  und  Boraeg  steht  tav,  das  wie  das  relative  pron. 
im  akk.  sing.  fem.  aussieht.  Hier  scheint  aber  ein  relatives 
pronomen  nicht  am  platz  zu  sein,  weil,  so  viel  wir  sehen  können, 
sich  in  der  ganzen  inschrift  nur  das  eine  verb  eazaeg  vor- 
findet, und  das  ganze  demnach  nur  einen  satz  bildet;  denn 
zwar  könnte  z.  2  ^ewe  als  ein  Subjekt  aufgefasst  werden,  aber 
das  darauf  folgende  oiddixsi  sieht  nicht  wie  ein  verb  aus.  Ich 
halte  deshalb  das  i  in  lav  für  einen  zufälligen  strich,  und  lese 
avearaeg  =  griech.  dviarijae.  Dies  ist  mir  um  so  wahrschein- 
licher, weil  in  aoaefiow  dasselbe  crv,  womit  das  verb  zusammen- 
gesetzt ist,  als  Präposition  aufzutreten  scheint.  Denn  der  dativ 
aefiovv  ist  von  keinem  verb  abhängig,  also  muss  in  ag-  eine 
den  dativ  regierende  präposition  vorliegen.  Da  eine  präposition 
ag  nicht  denkbar  ist,  so  muss  das  g  in  ag  durch  assimilation 
eines  konsonanten  an  das  folgende  g  entstanden  sein.  Man 
hätte  dann  wol  nur  entweder  an  ad  oder  an  av  zu  denken. 
Da  nun  aber  od  wol  kaum  den  dativ  regierte,  so  bleibt  als  die 
wahrscheinlichste  die  annähme,  dass  aaoBpLOvv  aus  av  asfiow 
entstanden  ist.  In  den  griechischen  inschriften  Phrygiens  ist 
aviarriae  juv^ina  ein  sehr  häufig  vorkommender  ausdruck.  Das 
auf  ae^ovv  folgende  wort  ist  wohl  xvovinavadi  zu  lesen,  wenn 
auch  das  a  hier  eine  ungewöhnliche  form  hat  (A  gegenüber 
sonstigem  A).  Von  yLvotfiav  „grab*^  lautet  der  dativ  soust  %vov- 
fjtavBi,  Die  endung  -adt  kann  ich  nur  so  erklären,  dass  ich  ein 
von  Kvovfiav  abgeleitetes  synonymes  wort  *Tivov^avad'  annehme. 
Was  die  endung  -i  betrifit,  so  findet  sich  auch  sonst  i  stat.  bi 
als  dativendung  konsonantischer  stamme  {xvovfiavi  R.  7,  12,  25, 
daöiTi  R.  9).    aooB^ovv  yivovfjiavadi  also:  „auf  diesem  grab*'. 

In  den  folgenden  werten  sehe  ich  die  namen  des  toten. 
In  ^QBQan  ist  entweder  die  dativendung  -i  verwischt,  oder  der 
Steinmetz  hat  vergessen  diesen  buchstaben  anzubringen,  ^bv- 
vBOcädixBi  halte  ich  für  den  dativ  eines  patronymicnms  oder 
metronymicums  auf  -ig  :  ^BWBOiddmug,  ^bwb  (^Bwr])  ist  sonst  als 
frauenname  belegt  und  kommt  auch  in  der  akkusativform 
^Bvvav  in  dem  wegen  der  lücken  unverständlichen  schluss  un- 
serer inschrift  vor.  aiav  verbinde  ich  mit  fiavxav  und  sehe  in 
demselben  den  akk.  sing.  fem.  des  demonstrativen  pronomens, 
dessen  nom.  sing.  masc.  ig  R.  28  belegt  ist.  ßqaxBQB  ist  der 
dativ  des  Stammes  ßQctvBQ-  „bruder*^   Zur  endung  -e  (falls  hier 

üeitrttpe  s.  kuade  d.  iadg.  ■pneheu.      XXVU.  19 


290  Alf  Torp     Phry^sches. 

nicht  am  ende  der  zeile  ein  -i  zu  ergänzen  ist)  vgl.  nvovfAOve^ 
und  zur  ablautsstufe  -tsq-  altphryg.  fiatBQav^  akk.,  ^oraQ^^ 
gen.    Daneben  steht,  wie  es  scheint,  -tag  im  nom.  fiorag. 

fiaif^aQrjkvnovnQog  ist  wohl  kaum  als  ein  wort  aufzufassen. 
Ich  teile  fiaifiaQrjlv  novxqoq  und  vermute  in  dem  X  ein  miss- 
ratenes  A.  fiaifiaQrjav  verbinde  ich  mit  fiavuav  und  vergleiche 
die  form  mit  dem  griech.  fiagfiagiav  von  fiagfiagsog  „flimmernd, 
glänzend,  marmom*^  Entweder  ist  in  dem  phrygischen  wort 
^aifi'  aus  fJtaqfA-  entstanden,  oder,  was  wahrscheinlicher  ist,  es 
liegt  hier  eine  andere  art  von  reduplication  vor.  In  TiovKQog 
Itiavig  sehe  ich  einen  doppelnamen.  Das  folgende  .  .  vev  ist 
mir  unverständlich.  Mit  iTcagnig  de  tow-  -  fängt  ein  griechi- 
scher text  an,  der  sich  wegen  der  lacken  nicht  deuten  lässt. 
Wir  erkennen  hier  die  namen  Eevvav  und  Jexfiovtarjaiov^  vgl. 
^eKfiowaig  R.  9. 

Ich  übersetze  also  die  inschrift  so: 

„Auf  diesem  grabe  hat  dem  Threrak  Xeunoiddikis 
das  denkmal  errichtet,  dem  bruder  das  glänzende  (oder: 
„marmorne"?)  Poukros  Manis  — ". 

Mit  dem  ausdrucke:  „hat  auf  diesem  grabe  das  denkmal 
errichtet'^  vgl.  einen  ähnlichen  R.  9: 

vadowerog.  ovnaas 
denfxovraig  xtyo[t;] 
lLia[v]Ti  fAVTMxvofeoxafx 

Auch  hier  bildet  fjL{a)v%av  das  objekt.  oxBaxaiAv[e^  habe  ich 
Phryg.  II  8  mit  einem  skr.  udastabhnät  verglichen  (phryg.  -afiv- 
aus  -afißv-  =  idg.  -'qibhn").  Dieses  imperfekt  ist  mit  dem 
aorist  ccpeoTaeg  ungefähr  synonym.  xtvo[t;]/ia[v]Ti  muss  dem  son- 
stigen xvovfiavei  entsprechen.  Liegt  hier  ein  nebenstamm  xvov- 
liavx-  vor?  Vgl.  gr.  ovo^ati  (idg.  -m^i^-).  dadiri  ist  der  dativ 
eines  Stammes  dadiT-^  nom.  öadi  „gattin^'.  Das  Subjekt  ist  in 
der  1.  zeile  enthalten.  Die  namen  scheinen  kaum  richtig  ge- 
lesen zu  sein.  Jex/Aovtaig  ist  ein  patronymicum  oder  ethnicum. 
Das  ganze  wäre  etwa: 

„N.  N.  Dekmoutais  errichtete  auf  dem  grabe  ein  denkmal 
der  gattin  Nenusria  — ". 

Christiania  april  1902.  Alf  Torp. 


E.  Nachmanson    Rhodische  beitrage.  291 


Rhodische  beiträte  ^). 


1.    dyad'äi  %vxai» 

Die  inschrift  n.  789*),  ein  sakrales  gesetz  aus  Hadriani- 
scher  zeit,  ist  ganz  in  gemeingriechischer  spräche  abgefasst, 
hat  also  durchweg  tj  für  dor.  d,  aber  dennoch  z.  1  aYa9\äi 
Tüx{ci\i,  Dazu  sagt  Hiller:  „Lectio  mira  certe  in  hoc  titulo 
communi  Graecorum  sermone  conscripto'*.  Vielleicht  doch  nicht 
so  erstaunlich.  Ich  mache  zuerst  darauf  aufmerksam,  dass,  wie 
Björkegren  s.  42  uns  belehrt,  seit  etwa  der  mitte  des  1.  Jahr- 
hunderts nach  Chr.  nie  auf  den  rhodischen  inschriften  t  oIvsk- 
{paiv'qTov  geschrieben  ist,  ausser  eben  in  diesem  äya&^ai  tvxW'- 
(aber  ilaiqß  ibid.  17).  Den  grund,  dass  eben  diese  Verbindung 
in  zweifacher  beziehung  ein  altertümlicheres  gepräge  trägt, 
sehe  ich  darin ,  dass  sie  eine  alte  formel ,  als  Überschrift  zur 
inschrift  gestellt,  bildet.  Es  mangelt  doch  nicht  an  parallelen. 
Auf  xotvif-inschriften  aus  der  zeit,  wo  man  längst  aufgehört 
hatte,  das  i  zu  schreiben,  habe  ich  indess  zuweilen  die  Über- 
schrift ayaxHjc  Tvxrjt  gefunden.     Eis  folgen  die  belege: 

dya&iji  Tvx^i    Ath.  mitt.  9,  18   z.  1   (Kyzikos)    aber   t^  veo)- 

yiOQifi  3. 

äya&^i  Tvxf]!^  Ath.  mitt.  24,  425,   z.  1  (weihinschrift  aus  Niko- 

media,  206  nach  Chr.),  aber  d'e(p  Saßa^ltp  Ilav- 
aa\yav(p  2 — 3. 

dya&rji  jvxJI^  Ath.  mitt.  25,  122    n.  1,  1   (Philadelphia,  später 

als  212  nach  Chr.),  aber  evoTaS'eiif  4. 

dyadTji  %vxr}i  Revue  archeolog.  1874,  112,   z.  1  (ehreninschrift 

aus  Milet,  von  dem  avvidqiov  tiSv  i^ivovQytSv  ge- 
setzt, später  als  212  nach  Chr.),  aber  av^tp  7, 
r^  idiffi  9,  iQy(p  10,  xotyjy  7,  jg  8,  Idiif  7. 

1)  Neuerdings  ist  eine  abhandlung  über  die  laute  der  rhodischen 
inschriften  erschienen:  Rudolf  Björkegren,  De  sonis  dialecti  Rhodiacae, 
üpsaliae  1902.  Beim  Studium  derselben  sind  die  folgenden  bemerkungen 
entstanden.  Sie  beschäftigen  sich  mit  einigen  ersch einungen,  die  B. 
entweder  gar  nicht  oder  ganz  ungenügend  behandelt  hat. 

2)  Blosse  zahlen  beziehen  sich  auf  Hiller  von  Gaertringen's  Samm- 
lung, Inscriptiones  Graecae  Insularnm  I  im  Berliner  corpus. 

19* 


393  £.  Nachmansoti 

äya9^i  tvxrji  Bull.  CJorr.  Hell.  11,  100  n.  23,  1  (ehreninschrift 

aus  Thyateira,  von  färbern  gesetzt,  vermutlich 
2.  jhdt.  nach  Chr.),  aber  ilitp  11,  t^  lxa{[7o]y- 
taaTvlfp  13,  %tfi  Ai/Mf  rtOTOfUfi  17,  t^  21. 

äYla9^c  Tvxyji  Bull  Corr.  Hell.  13,  312  do.  20,  1  (weihinschrift 

für  Zeus  Bonitenos,  215  nach  Chr.),  aber  d-etp 
TtcnqiMfi  du  BoviTrjV(fi  1. 

aya&iji.  Tvxrii  Bull.  Corr.  Hell.  17,  540   n.  16,  1   (weihung  der 

sonst  unbekannten  Gharmideaner,  161 — 169  nach 
Chr.),  aber  ^OXvfjLniip  2  daTQa\fcal(p  2,  xaQrtO" 
q)6Q(p  4,  T(fi  fCQWtip  8. 

dyid]diii  Tvxrji.  Bull.  Corr.  Hell.  22,  522  n.  12,  1   (thrakische 

ehreninschrift  für  Septimus  Severus)  neben  9- 
maligem  -(fi, 

äya&^i  Tvxrji  Inscr.  Brit  Mus.  n.  174,  1  (Dekret  von  Tomis  zu 

ehren  des  Aur.  Priscus  Isidorus),  aber  zy  x^- 
jloTij  ßovl\^  2,  T^  hxiA7tQ0%a%(fi  Ö7]fi(p  3. 

Tvxtjc  dyad^fji  Journ.  Hell.  Stud.  11,  121  n.  5,  1  (Keramos)  aber 

ty  9  (zweimal). 

dya&ili  tvxtjc  findet  sich  ferner  als  Überschrift  bei  folgen- 
den nachchristlichen  inschriften :  Ath.  mitt.  10,  18  n.  4  (Byzanz, 
2.  oder  3.  jhdt);  20,  243 f.  (Philadelphia,  später  als  212); 
25,  124  u.  8  (ort  und  zeit  wie  vorher);  Inscr.  Brit.  Mus.  n.  575 
(Ephesos,  2.  jhdt.);  Le  Bas- Waddington  Asie  Mineure  n.  147  c 
(Ephesos,  3.  jhdt.);  Bull.  Corr.  Hell.  13,  305  n.  13  (Pompei- 
polis  in  Paphlagonien ,  2.  jhdt).  In  diesen  findet  sich  zwar 
kein  beispiel  für  tj,  tp  oder  ^,  aber  sie  sind  doch,  weil  aus  so 
später  zeit,  geeignet  das  oben  gesagte  zu  stützen. 

Auch  rein  äusserlich  wird  zuweilen  einer  alten  formel,  wie 
es  diese  ist,  spezielle  aufmerksamkeit  zu  teil.  Ich  verweise  auf 
Dittenberger-Purgold ,  inschriften  von  Olympia  486  und  487 
(off.  ehreninschriften  vom  jähre  257  nach  Chr.,  jene  von  den 
Messeniern,  diese  von  den  Achäern  gesetzt).  Über  die  beiden 
sagt  Dittenberger  sp.  541  zu  n.  449:  „Der  paläographische 
Charakter  der  beiden  inschriften  spiegelt  sehr  deutlich  die  zeit 
der  hereinbrechenden  barbarei  wieder' ^  Aber  im  gegensatz 
zum  übrigen  steht  in  beiden  mit  monumentalem  styl  sorgfaltig 
eingehauen  die  Überschrift  dya&i  'fvxjl» 


Rhodische  beitrage.  293 

2.   Zur  geschichte  des  ei. 

Es  ist  bekannt,  dass  das  et  («»  ?)  vor  vokalen  mit  aus- 
nähme nur  für  den  fall,  dass  i  vorherging,  bedeutend  später 
als  vor  konsonanten  in  f  übergegangen  ist,  vgl.  Schweizer, 
Oramm.  d.  pergamen.  inschr.  51  ff.,  besonders  55  f.  Das  ein- 
schlägige material  aus  Rhodos  ist  zwar  nicht  eben  umfassend, 
reicht  indessen  vollkommen  aus,  um  festzustellen,  dass  die  ent- 
Wickelung  auf  Rhodos  gänzlich  mit  der  gewöhnlichen  überein- 
stimmt Um  200  vor  Chr.  ist  vorkonsonantisches  £t  (und  vor- 
vokal, nach  c)  in  F  übergegangen,  vgl.  aweftiineXrj&tjfiiv  6.  D.  I. 
3751,  13  (rhod.  Staatsdekret,  c.  170  vor  Chr.)  und  areqpavcch- 
dloav  Ath.  Mitt.  25,  107  n.  106,  5  (grabschrift,  2.  jhdt)  neben 
aT€q>avw&alaav  ib.  2,  ebenda  z.  4  auch  '^kela  (worüber  weiter 
unten).  Bedeutend  später  tritt  i  vor  vokal  für  ei  auf,  Stoy 
72  b,  10  (grabschrift,  c.  80  vor  Chr.)  und  &7[o]v  auf  der  statue 
107,  18  (c.  70  vor  Chr.),  wie  van  Gelder  G.  D.  I.  3819  m.  e. 
richtig  ergänzt  (Hiller  las  &[ei]ov(?),  aber  nach  der  Zeichnung 
fehlt  nur  ein  buchstabe).  Dazu  kommen  in  der  zeit  vom  jähre 
200  vor  Chr.  an  die  Schreibungen  rj  und  e  für  antevokalisches 
€t  (Xagiytlrja  516,  1  und  l^Uea  730,  17,  l^gyiog  180,  3,  Aap- 
veov  achtmal  auf  den  amphoren  belegt),  denn  diese  sind  ja 
nichts  anderes  als  versuche  den  f-laut  auszudrücken,  vgl. 
Schweizer  a.  a.  o.  56. 

Nachdem  €i  =  i  geworden  war,  wurde  bekanntlich  für 
langes  t  gewöhnlich  ei  geschrieben,  dies  kann  sogar  als  die 
übliche  Orthographie  bezeichnet  werden;  dagegen  kommt  c  für 
fit  ziemlich  selten  vor.  Es  scheint  mir  daher  angebracht,  auch 
die  späteren  belege  für  i  statt  ei  zu  verzeichnen: 

1)  vor  konsonanten: 

a)  in  off.  inschriften:  l^  3,  2;  84,  5;  831,  4. 

b)  in  privatinschriften :  lg{g)  937,  5,  7,  10,  eTtavyila- 
^ivov  ib.  10,  11  neben  tiig  8,  9,  i^Ttavyeikero  7,  irtavyeilafii- 
vov  9;  ovdlg  Ath.  mitt.  23,  403  n.  105,  8  i). 

c)  auf  den  amphoren:  Gevq>ldevg  1142,  niaiargdtov 
1180,  1  und  5,  ^AtQiauda  inschr.  von  Pergamon  890,  I.  G.  Sic.  It. 
2393,  102. 

1)  Dagegen  statt  ^a[^]rv[a]i,  d.  h.  naQiZvai^  wie  Hiller  auf  Diels' 
Vorschlag  789,  2  geschrieben  hat,  lese  ich  lieber  mit  Dittenberger 
Sylloge  *  n.  567  ^a[^]^v[a]»,  d.  h.  na^Uvaiy  vgl.  Dittenberger  zar  stelle 


294  E.  Nachmanson 

2)  vor  vokal.  Das  einzige  beispiel  ausser  den  oben  ge- 
nannten ist  heXi(o97i  693,  2  (christl.  grabschrifb). 

£ine  weitere  bemerkung  hinsichtlich  des  ei  mag  hier  platz 
finden.  Für  die  übliche  xoivi^-kontraktion  von  ta,  d.  h.  n,  in 
^,  worüber  vgl.  Schweizer  a.  a.  o.  101,  bieten  auch  die  rhod. 
inschriften  einige  belege.  Das  fest,  welches  gewöhnlich  ^AXUia 
heisst,  ist  ^AUla  ^)  Ath.  mitt.  25,  107  n.  106,  4  (vgl.  oben)  und 
58,  19  geschrieben,  femer  ^Alaiiav  12,  4.  Aber  erhalten  ist  tu 
im  göttemamen  '  Yyielai  25,  3  (3.  jhdt.  vor  Chr.)  *). 

3.   ot  >  0. 

Dieser  Übergang  ist  auf  Rhodos  nur  zweimal  belegt: 
iftoijoavTo  ü.  I.  O.  3656,  6  (zu  Kyzikos  gefundenes  rhod.  pse- 
phisma,  2.  jhdt.  vor  Chr.)  und  Ttoela&wv  15ö,  70  (grabultar 
aus  demselben  jhdt.)  neben  noulad'iüaav  ib.  22.  —  „Umge- 
kehrte Schreibung'^  oi  für  o  kommt  einmal  vor:  ÜQa^ivoif]  397 
(grabschrift). 

4.   Zur  liquidadissimilation. 

£.  Schwyzer,  Neue  Jahrbücher  1900,  261,  vgl.  auch 
Meisterhans  '  82,  hat  darauf  aufmerksam  gemacht,  dass  q 
nicht  nur  in  demselben  worte,  sondern  auch  im  Satzzusammen- 
hang dissimilatorisch  schwinden  kann.  Ich  glaube  dieselbe 
erklärung  bei  einigen  fällen  von  ^-Schwund  auf  Rhodos  anwen- 
den zu  dürfen.  So  bei  Kl€voT{Q)a%og  Ki0evx(XQiog  |  Kküxiova 
Mq>QavoQog  \  d-sölg  106.  In  Evq>Q6viog  \  K{a)aaaav6{Q)€v{g)  \ 
XQrja%e  xctl^  429  ist  q  vermutlich  wegen  der  umgebenden  q 
geschwunden,  obwohl  die  inschrift  mit  ziemlich  geringer  Sorg- 
falt eingehauen  ist.  Vielleicht  gehört  hierher  auch  NixayoQO  \ 
2t{ß)a%i7tnov  347,  1 — 2  (indessen  auch  uS]yriai8(a)iA0v  ib.  4). 
Etwas  anderes  als  reinen  steinmetzfehler  wage  ich  nicht  bei 
TifAa{Q)%idag  Oikinnov  in  der  namenliste  42,  8  anzunehmen 
(immerhin  zwei  q  in  der  folgenden  zeile). 

Ich  gestatte  mir  in  diesem  Zusammenhang  zwei  ander- 
weitige fälle  namhaft  zu  machen:  JioanovQiörfi  ^E{Q)fioq>iXov 
Heberdey-Wühehn,   Reisen  in  Kilikien  71  ff.,  n.  155  A  IX  162 

1)  So  zu  accentaieren ! 

2)  Dagegen  vyta^  1088,  4  (Karpathos),  vy€ia^  in  Nero's  brief  Ath. 
mitt.  20,  367  z.  15. 


Rhodische  beitrage.  295 

(liste  der  priester  des  Zevg  KcDQviuog),  wo  man  bemerke  die 
Worte  der  herausgeben  „Die  inschriften  der  hauptseite  A  sind 
durchweg  sorgfältig  eingetragen"  i).  Zweitens  .  .  .  t«  fiiv 
iaq>Q\ayiaiĀva  Tai  da^ooiai  aq>Qayidif  vd  de  aa(p{Q)ayiaja  noxi 
Tovg  7tQoaTd[T]\ag  G.  D.  I.  3591  a,  38  flf.  (Kalymna)  «). 

5.    Silbentrennung. 

Darüber  werden  wir  durch  die  wortbrechung  am  ende  der 
Zeilen  unterrichtet.  Zwar  lässt  sich  ein  streben  deutlich  be- 
merken, jede  zeile  mit  vollem  worte  zu  schliessen,  aber,  wo  ge- 
trennt wird,  wurde  im  grossen  und  ganzen  die  hauptregel  be- 
obachtet, die  die  Griechen  bei  der  wortbrechung  befolgt  haben, 
d.  h.  jede  zeile  schliesst  mit  einer  vollen  silbe. 

Zuerst  eine  bemerkung  über  das  hier  in  frage  kommende 
material.  Die  wortbrechung  bei  inschriften,  die  ja  durch  die 
form  des  Steines  bedingt  ist,  stammt  natürlich  nicht  vom  con- 
cipienten,  sondern  vom  jeweiUgen  Steinmetzen  ').  Deshalb  haben 
wir  es  hier  nur  mit  den  erzeugnissen  der  Steinmetzen  von  Rhodos 
(oder  dessen  colonien)  zu  thun.  Eine  inschrift  wie  z.  b.  British 
Museum  3,  n.  403  ^)  (Schiedsspruch  einer  rhod.  commission,  in 
Priene  eingehauen)  kommt  somit  hier  nicht  in  betracht,  da- 
gegen aber  z.  b.  der  auf  Rhodos  eingehauene  brief  Nero's,  Ath. 
mitt.  20,  387  f.,  z.  6—26,  der  bei  der  sonstigen  behandlung 
des  Rhodischen  natürlich  fern  zu  halten  ist. 

1)  Ein  konsonant  gehört  zur  folgenden  silbe,  z.  b.  rtj^uag 
155,  35,  x^|C<o^  762  B,  14.  Ausnahmen  von  dieser  regel  sind 
nur:  avT\ov  652,  3,  Jafi(ovdoai]\g  672,  1,  aTdXa\g  677,  8,  Bov- 
x\6ma  798,  2  7tQoo[a'}^dQ\[a]iog  799,  1,  iToTJctdayt  905,  2. 

1)  Über  das  element  'E^/a-  in  kleinasiat.  namen  vgl.  Eretschmer, 
Einleitung  in  d.  gesoh.  d.  griech.  spr.  361. 

2)  Betreffs  der  dissimilation  im  einfachen  worte  sei  auf  vavxXtjgov 
912,  2  (christl.)  aufmerksam  gemacht,  vgl.  dazu  Solmsen,  Rhein,  mus* 
53,  151  £f. 

3)  Als  beleuchtendes  beispiel  sei  auf  die  beiden  exemplare  des 
Schiedsspruches  der  Magneten  im  streite  zwischen  Hierapytna  und  Itanos 
(das  magnetische  Kern,  Inschr.  von  Magnesia  a.  M.,  n.  105,  das  kreti* 
sehe  ebenda  abgedruckt)  verwiesen. 

4)  Nebenbei  bemerkt,  Verstössen  Hicks'  erganzungen  nicht  selten 
gegen  die  gesetze  der  Silbentrennung.  So,  um  bei  dieser  inschrift  zu 
bleiben:  [t\6]  25,  [9]vo]  28 «  [/l^i'oy]  135,  [«araxe/loi^Kr/u/ya]  156  etc., 
was  alles  van  Gelder  (6.  D.  I.  3758)  unkritisch  abdruckt. 


296  E.  Nachmanson 

2)  Zwei  oder  drei  konsonanten  werden  zur  folgenden  silbe 
gezogen,  wenn  mit  ihnen  ein  griechisches  wort  beginnen  kann 
(über  o  +  kons.  s.  3)),  z.  b.  ya\Y(iaixiABvov  155,  101,  ÖBÖ6\%&aL 
761,  43  i\ßd6(A(XL  890,  29.  Zuweilen  auch  einige  andere  gruppen, 
s.  Kühner -Blass  I  §  91,  4  a.  Yon  diesen  ist  auf  Rhodos  yfi 
belegt,  yuaQv\Y(jia  155,  31. 

Aus  dieser  regel  folgt,  dass  geminaten  getrennt  werden, 
z.  b.  Baö\oov  648,  1,  i7tav\y[e'Kk]vinf%ai  762  A,  19,  ebenso  nasal 
oder  liquida  +  kons,  (ausser  /uv,  mit  dem  ja  ein  wort  anfangen 
kann,  Yv\iAvaaid^aQxov  I.  Q.  Sic.  It.  256,  20  (Gela),  indess  yvfxl- 
vaoiov  ibid.  25),  z.  b.  ävdQLäv\xiav  58,  14,  L^Ae^a[v]{d9^  155,  16 
q>iXoo%OQ\YlaQ  72  b,  17  u.  s.  w.  Ausnahme  macht  nur  £^o(v)- 
ot[ä\\vTivov  911,  2  (christL). 

3)  Bei  der  gruppe  a-konsonant  haben  die  Griechen  sehr 
geschwankt.  Das  war  auch  der  fall  auf  Rhodos.  Getrennt 
sind:  iQaviö\%av  9,3,  Ov€ö\7taöLav6v  58,  6,  yLaXXio\%o}v  ib.  9, 
x^T£a]|TOv  95  b,  2,  7tlela\rav  762  A,  5,  nQoa\xo[Qaiog  791,  3  ^), 
aiTt]ada\d-(o  890,  19,  7ta^la\{x}t]Tai  922,  12,  \paq>io\(X(nog  Ath. 
mitt  21,  53,  n.  51,  1.  Diesen  9  fällen  gegenüber  stehen  fol- 
gende 6:  2eßa\o%ov  59,3,  JafjLO^a^evrjg  72b,  5,  ^AQi\a%6ßi,og 
128,  3,  iy[e]|airaxoV«g  155,  20,  ein:vxe\ö{%ai;(av  772  b,  2,  erae- 
ßB\\ai:6n:(av  ib.  1  (deutliche  spur  von  a). 

4)  Die  beiden  komponenten  eines  diphthonges  werden  nicht 
getrennt,  z.  b.  iBQO%apLi\Bvaavca  58,  15,  noi\Biad^(av  762,  22. 
Ausnahme  nur  n;Q6[aax\aQa\iog  798,  1. 

5)  Diese  regeln  gelten  auch  bei  zusammengesetzten  Wörtern. 
Die  wenigen  belege  sind:  e\^ai^(XBvov  155,  72,  ^\^oxr[v  Nero's 
brief  z.  16,  a]\7cidoaav  ibid.  13,  (ganz  unsicher  ist  f^lnawov- 
(jiivav  839,  10),  ebenso  iMtlt"  eiog  839,  30.  Nur  einen  fall  habe 
ich  gefunden,  wo  mit  nichtbeachtung  der  gewöhnlichen  regeln 
nach  den  kompositionsgliedern  getrennt  ist,  ovv\[B]gaviaTay 
155,  46.    Zu  diesem  abschnitte  vgl.  Grönert,  Qu.  Herc.  15  f. 

Nach  aufgäbe  des  alten  alphabets  und  annähme  des  ioni- 
schen hat  man  zuerst  o%0LxnS6v  geschrieben  (indessen  ist  diese 
anordnung  auf  Rhodos  nur  einmal  belegt,  n.  760),  dann  hat 
man  sich  allmählich  das  später  übliche  System  angeeignet.  Der 
umstand,   dass  einige  ausnahmen  von  den  gewöhnlichen  regeln 

1)  Dittenberger's  erklärang  dieses  wortes  (Syll.  ^  n.  626  ^)  ist  der 
von  Hiller  gegebenen  (Pauly-Wissowa  111  1  s.  1017J  vorzuziehen. 


Rhodische  beitrage.  297 

in  inschriften  des  4.  oder  3.  Jahrhunderts  vor  Chr.  zu  finden 
sind  (n.  677,  798,  799,  905)  deutet  darauf  hin,  dass  auf  Rhodos 
wie  anderwärts  (vgl.  dazu  Grönert  a.  a.  o.  16  f.)  dies  System 
erst  gegen  200  v.  Chr.  ausgebildet  war.  —  Dass  mau  in  der 
späten  kaiserzeit  mitunter  nachlässiger  wurde  (n.  652',  911), 
darf  nicht  befremden. 

Stockholm,  16.  juni  1902.  Ermt  Nachtnanson. 


Contributions  to  Old  Italic  Etymology. 

Oscan  aflakus,  aflukad  :  Latin  (abjlciqueo. 

In  the  Gapuan  curse  of  Vibia  this  verb  occurs  three  times 
as  follows:    usurs  inim   malaks  nistrus  pakiu  kluvatiud  vala- 

mais  pfuMu?] *)  aflukad  (IL  2 — 3),  and  svai  puh  aflakus 

pakim  kluvatiium  valaimas  puklui  supr[uis?J  inim  tuvai  leginei 
inim  sakrim  svai  puh  aflakus  huntrus  teras  (11.  10 — 11).  In 
the  latter  passage  'as  in  1.  8'  puklui  is  probably  to  be  cor- 
rected  to  puklum  (cf.  the  various  emendations  coUected  by 
V.  Planta,  II,  629,  and  Conway,  127).  The  a  seems  to  be 
original  in  this  Oscan  verb,  so  that  u  in  the  subjunctive  aflukad 
was  apparently  a  secondary  development  (cf.  v.  Planta,  I,  238, 
284—285).  Previous  conjectures  as  to  the  meaning  of  the 
word  have  been  summarized  by  v.  Planta,  11.  627,  although 
he  finds  none  of  them  altogether  satisfactory.  Perhaps  we  may 
compare  with  aflakus  Latin  lacio,  lax  (Festus,  ed.  Th.  de  Ponor, 
83,  ladt  decipiendo  inducit.  Lax  etenim  fraus  est)^  laqueus, 
and  Old  Ghurch  Slav.  Iqka  *trick',  l^  *I  seize,  entrap'  (cf.  Fick, 
I  *.  535,  II».  216,  648).  Furthermore,  in  Latin  the  verb 
laqueo,  the  denominative  from  laqueus,  is  used  in  composition 
with  ab,  the  equivalent  of  Oscan  and  Old  Latin  af^  as  in  Gato, 
RR.  29,  et  si  ibi  olea  erit,  simul  ablaqueato,  stercusque  addito, 
and  Gloss.  Latino-Graec.  (Qoetz,  II.  4,  3),  ablaqueata  öiogvx- 
Ohra,      While   the   force  of  the    compounded   verb    evidently 

1)  The  intervening  words  anikadum  damia Uginum  seem 

too  corrapt  to  admit  of  satisfactory  Interpretation. 


298  Louis  H.  Gray 

differed  in  Oscan  and  in  Latin,  the  root  meaning  seems  to  have 
been  *to  seize  unexpectedly  or  by  guile,  to  ensnare,  to  carry 
oflP.  My  suggested  rendering  for  the  two  passages  cited  would 
accordiugly  be:  *may  she  entrap  (my)  enemies  and  foes  nearest 
to  [i.  e.,  likest  to?]  Pacius  Gluvatius,  son  of  Valaima',  and, 
'whether  thou  shalt  bave  entrapped  Pacius  Gluvatius,  son  of 
Valaima,  as  doomed  both  to  the  gods  above  and  to  thy  host, 
or  shalt  have  entrapped  him  beneath  the  earth'. 

Oscan  cadeis  :  Late  Latin  cadtneus. 

The  an.  ley.  cadeis,  Tab.  Bant.  6,  evidently  denotes  from 
the  context  'disadvantage'.  The  most  obvious  etymology  for 
the  Word  is  the  root  found  in  Doric  xadco,  Skt.  kad  (lexicogra- 
phical)  'injure',  Latin  cadamitas  (cf.  Lindsay,  Lat.  Lang.,  286, 
and  see  Mar.  Vict.  8,  15,  ed.  Keil,  Gramm.  Lat.  Vi,  Gn.  Pom- 
peius  Magnus  et  scribebat  et  dicebat  kadamitatem  pro  cahmi- 
täte)  1).  For  the  root  kad  in  Italic  we  may  probably  quote  in 
addition  to  cassus  <  ^kad-tus  also  Gloss.  cod.  Sangell.  912 
(Goetz,  Corp.  Gloss.  Lat.,  IV  215),  catmea  mctorie  non  bone, 
which  Goetz,  V  160,  emends  to  cadmea{e),  (rather  *cadamea{e)?) 
<  ^kadim-eo-  like  cadamitas  <  *kadim'itas  (cf.  Sommer,  Lat. 
Laut-  und  Formenl. ,  121).  If  the  comparison  of  cadamitas 
and  cadtneus  with  cadeis  be  correct,  the  meaning  of  the  Oscan 
Word  would  seem  to  be  established. 

Oscan  angetuzet,  angitu-  :  Latin  ango. 

The  verb-root  atigito-  is  found  but  twice  in  the  Italic  in- 
scriptions  thus  far  discovered,  both  times  in  the  Bantine  Tablet. 
The  first  passage,  1.  2,  is  corrupt,  q  moUam  angitu . .  .,  and  is 
rendered  by  v.  Planta  ^quaestor  multam  propo«u«rif.  The 
second  instance,  11.  18 — 20,  is  tolerably  clear,  pon  censtur 
Bansae  tautam  censazet  pis  ceus  Bantins  fust  censamur  esuf  in 
eituam  poizad  ligud  isusc  censtur  cetisaum  angetuzet  This  is 
translated  by  v.  Planta,  ^quum  censores  Bansae  populum  cen- 
sebunt,  qui  ciuis  Bantinus  erit,  censetor  ipse  et  pecuniam,  qua 
lege  ii  censores  censere  proposuerint'.     The   first   point  to  be 

1)  For  other  etymologies  see  v.  Planta,  Osk.-Umb.  Gramm.,  1.  327, 
471  f.,  Fick,  Vgl.  Wtb.,  1.  *  32. 


Gontributions  to  Old  Italic  Etymology.  299 

considered  is  angetuzet,  Various  etymologies  have  been  suggested 
for  it,  particularly  with  Latin  gnosco,  Lithuanian  zinöii  as 
standiDg  for  "*  an'gen-Uuzet ,  or  with  the  Latin  verbs  ingesserü, 
ago,  or  aio  (see  v.  Planta,  L  329,  441,  475,  U.  261,  343).  The 
argumenta  of  v.  Planta  against  a  derivation  from  *an'ge(n)- 
t'Uzet  seem  to  me  valid,  but  I  am  unable  to  accept  a  com- 
parison  with  (xgo  or,  as  he  prefers,  aio,  since  neither  of  these 
words  has  in  any  of  its  cognates  a  nasalized  form  of  the 
root.  I  think  it  possible,  however,  to  connect  the  Oscan  yerb 
with  the  IndO'Germanic  root  an§h-,  Sanskrit  arnhcm,  Avesta 
qzah,  Armenian  anjukj  ancuk,  Old  Ghurch  Slavic  tfsrbkb,  Greek 
äyxw,  Gothic  aggwus,  Old  Irish  cum-ung,  and  Latin  angö 
(firugmann,  Grundr.,  I  *.  549).  In  all  these  dialects  the  root 
meaning  is  'to  narrow\  whence  may  be  derived  the  signification 
'to  constrain',  which  is,  I  think,  its  force  in  Oscan.  In  for- 
mation  angetuzet,  angitu  .  .  .  is  an  iterative  like  Umbrian  etaians 
'itent',  dato  'itate',  Latin  vocito,  agito,  sciscüo,  etc. 

The  second  point  concerns  the  infinitive  cenzaum.  It  is 
noteworthy  that  the  Osco-Umbrian  dialects  have  no  present 
infinitive  which  is  distinctively  passive  (Bück,  Chicago  Studios, 
I  137,  V.  Planta,  II,  405).  The  same  form  must  consequently 
do  duty  for  both  voices  (cf.  Giles,  Manual  ',  469).  Thus  we 
have  Gapuan  fatium  (v.  Planta,  129,  6;  8  =  Conway,  131), 
Latin  fatsri,  and  probably  Umbrian  stiplo  (Tab.  Ig.,  VL  a,  2), 
Latin  stipuläri,  It  would  then  seem  preferable  to  render  cen- 
zäum  by  'censeri'  than  by  'censere'.  I  accordingly  suggest 
translating  the  passage  under  consideration :  *when  the  censors 
shall  make  a  census  of  the  people  of  Bantia,  whosoever  shall 
be  a  Bantine  Citizen  shall  have  his  census  taken  there  (?  cf. 
y.  Planta,  I,  509 — 510),  even  as  regards  his  money,  according 
to  whatever  law  those  censors  shall  compel  the  census  to  be 
made'. 

Volscian  sepu  :  Latin  ttequo. 

The  Volscian  word  sepu  occurs  once,  Tab.  Velit.  3,  in  a 
line  which  forms  a  complete  sentence  by  itself,  sepis  touiicu 
couehriu  sepu,  ferom  pihom  estu.  The  two  preceding  lines  of 
the  tablet  prescribe  an  expiatory  offering  for  touching  the 
statue  of  Decluna.  The  line  under  discussion  is  rendered  by 
V.  Planta,  IL  543,   cf.  652,  'siquis  publico  conuentu  sciente, 


300  Louis  H.  Gray 

ferre  pium  esto'.  The  word  sepu  is  therefore  regarded  as  an 
ablative,  and  it  is  compared  with  Oscan  sipus  ^sciens'  (cf. 
V.  Planta,  I.  94,  II.  396,  C!onway,  Ital.  DiaL,  655—656).  Apart 
from  phonological  difficulties,  there  is  a  serious  syntactic  ob- 
jection  which  may  be  urged  against  such  a  translation  as 
Y.  Planta  proposes,  for  the  conditional  clause  then  has  no  verb. 
It  seems  doubtful  whether  sepu  is  a  participle  in  the  ablative 
Singular.  I  am  inclined  to  regard  it  as  a  verb  in  the  third 
Singular  of  the  future  perfect  (cf.  atahns,  1.  1).  Against  this 
it  may  be  urged  that  final  s  iß  written  in  Oscan  and  its  kin- 
dred  dialects.  In  this  very  inscription  we  find  atahus,  sepis 
(twice),  pis,  uesclis  (cf.  v.  Planta,  I.  581 — 582,  Brugmann, 
Grundr.,  I  *  921).  On  the  other  band  s  may  eitber  been 
omitted,  as  in  the  Gapuan  Anniiei  for  Atiniieis  (v.  Planta,  137 
—  Conway,  107),  or  have  been  a  Latinism  like  Vestinian  Uetio 
for  Uetios,  especially  as  the  Volscian  inscription  is  written  in 
the  Latin  aiphabet.  If  we  are  justified  in  reading  s^tis  for 
sepu,  the  verb  is  not  to  be  compared  with  Latin  sapio,  Cid 
High  German  int-seffiu,  but  with  Latin  sequor,  Greek  ^nofiai^ 
Cid  Irish  do-seich  (cf.  Fick,  I  *  137,  559,  II  *  295—296).  That 
*seqff'  has  an  active  as  well  as  a  middle  voice  is  clear  not  only 
from  Sanskrit  sacati,  Greek  Sno)  beside  ertofiai,  Cid  Irish  do- 
sechim  beside  do-sechur,  but  also  from  Latin  sequo  (Aulus  Gellius, 
XVin.  9,  8,  nam  et  sequo  et  sequor  et  item  seda  et  sectio  con- 
suetudine  loquendi  differunt^  sed  qui  penitus  inspexerü,  origo  et 
ratio  utriusque  una  est,  see  also  Priscian,  Instit.,  VIII.  29,  ed. 
Keil,  Gramm.  Lat,  IL  396).  The  verb  sepu  is  used  here  abso- 
lutely  as  is  frequently  the  case  with  sequi  in  Latin,  e.  g.,  Caesar, 
6ü.,  I.  1,  4,  Pompeio  esse  in  animo  reipublicae  non  deesse,  si 
sencUus  sequatwr,  Finally,  toticu  couehriu  is  probably  an  ablative 
absolute  like  Tab.  Baut.  21,  toutad  praesentid,  I  should  accor- 
dingly  render  Tab.  Velit.  3,  *whosoever  shall  have  conformed, 
when  there  is  a  public  assembly,  let  the  offering  be  holy'. 

Pompeian  kaila  :  Latin  caelum, 

The  Oscan  word  kaüa  occurs  once  in  a  Pompeian  inscrip- 
tion (v.  Planta,  28,  6 — 7  =  Conway,  39),  where  it  evidently 
signifies  'temple'  (ant  kaüa  lüveis  Meeilikiieis  'before  the  temple 
of  Melician  Jupiter').     The  reading  kaüa  instead   of  the   old 


Contributions  to  Old  Italic  Etymology.  301 

kaula  may  now  be  considered  as  fixed  (cf.  v.  Planta,  II.  499, 
767,  Conway,  58).  Bücheler's  comparison,  Umbrica,  49,  with 
Latin  calare,  Oreek  xalew  does  not  seem  beyond  criticism  to 
nie.  If  we  may  assume  that  Oscan  kaüa  is  derived  from 
Pre-Italic  ^qaüa-,  it  may  be  connected  with  Gothic  hails,  Old 
Irish  cSl,  Prussian  kaüüstiskan  'health',  Old  Ghurch  Slavic  cil^ 
*hale,  whole'  Qreek  xöiXv  to  tloIöv  (Hesychios)  (cf.  Fick,  I  *. 
375,  II  *.  88,  Brugmann,  Grundr.,  I  «.  575-576,  Ausdr.  f.  d. 
Totalität,  41—42,  50—51).  Instead  of  ^qoüo-,  *qeäo-  for  the 
Indo-Germanic  forma  of  the  word,  as  Brugmann  proposes,  I 
should  prefer  *qaÜ0',  *qeilO',  *qoüO'  (cf.  Brugmann,  Grundr., 
I  *.  490).  Furthermore  Latin  caelum,  Caelius  may  then  be 
compared  with  Oscan  kaüa,  Gothic  hails,  etc.  as  against  the 
etymology  of  Fick,  II  K  62.  Germanic  and  Keltic  give  close 
semasiological  parallels  for  this  Suggestion.  Anglo-Saxon  fuel 
sometimes  signifies  'portent',  as  Beowulf  203,  hcel  sciawedon 
^omens  observed  they',  while  the  denominative  verb  hdlsian, 
hedlsian  has  a  similar  meaning,  as  in  Elene  699,  ic  iow  hedlsie 
ßurh  heofona  god  *I  adjure  you  through  the  God  of  the  hea- 
vens'.  So  too  the  Old  Norse  heil,  e.  g.,  Hyndluliod  48,  8,  eüri 
blandinn  migk  ülu  heilli  *mead  mingled  with  poison,  with  ill 
omen',  and  Old  High  German  heüisön,  Middle  High  German 
heäsen  have  a  like  signification.  The  Keltic  words  cognate  in 
meaning  and  in  etymology  with  Oscan  kaila,  Latin  caelum  are 
Old  Irish  csl  'augurium',  Old  Welsh  coilu  'auguriis',  coiliaucc 
*augur',  and  Comish  chuülioc  'augur',  cuillioges  *phitonissa' 
(Fick,  H  *.  88). 

Paelignian  uus  :  Old  Ghurch  Slavic  vy. 

The  Paelignian  Herentas-inscription  contains  the  pronoun 
of  the  second  person  plural  twice,  both  times  in  the  same  form 
uus.  In  one  of  these  two  passages  the  word  is  plainly  nomi- 
native,  eite  uus  Mte  vos'.  In  the  second  instance,  in  the  foUo- 
wing  line  of  the  inscription,  uus  is  almost  as  certainly  a  dative, 
dida  uus  *det  yobis'.  The  dative  uus  is  explained  as  standing 
for  *vöfs,  *vöfis,  Latin  vöbis  (cf.  Brugmann,  Grundr.,  II.  817, 
Conway,  671,  Giles,  Manual  «,  301,  v.  Planta,  L  119,  230, 
464,  IL  233).  While  this  theory  is  plausible,  there  is  another 
possibility  worth  noting.  To  the  Latin  accusatives  nös,  vös  the 
Old   Ghurch  Slavic  ny,  vy  correspond   exactly.     These   same 


302  Louis  H.  Gray 

forma  ny,  vy  serve  as  enclitic  datiyes  plural  beside  the  non- 
enclitic  nafm,  vavm  (cf.  Miklosich,  Vgl.  Gramm.,  III  *.  46, 
IV.  72—75,  Leskien,  Hdb.  d.  altbulg.  Spr.  «,97,  Vondr&k, 
Altkirchenslav.  Gramm.,  59,  178).  Witb  the  Old  Church  Slavic^) 
enclitics  ny,  vy  as  accusatives  and  datives  one  immediately 
compares  the  Gsthä  Avesta  enclitic  accusatives  nä^  vä,  as  well 
as  the  enclitic  genitive-datives  «5,  f^P,  Younger  Avesta  nö,  vö 
and  Sanskrit  ndhj  vah  (all  accusative-genitive-dative).  In  Indo- 
Germanic  *nes,  *ue8  evidently  served  for  the  enclitic  accusa- 
tive,  dative,  and  genitive  plural  of  the  personal  pronouns  of 
the  first  and  second  persons  (Skt.  nah,  vah  —  acc,  dat.,  gen. 
— ,  GAv.  n9,  V9  —  dat.,  gen.  — ,  JAv.  nö,  vö  —  acc,  dat.,  gen.). 
Beside  the  atonic  ^nes,  *^«s  stood  the  tonic  *nö8,  *y^8  (GAv. 
fiä,  vä  —  acc.  — ,  Latin  nös,  vös  —  acc.  — ,  Lith.  miis,  jus  — 
acc.  — ,  Old  Ch.  Slav.  ny,  vy).  In  Slavic  the  Indo-Germanic 
*nö8,  *jfö«  assumed  at  least  aportion  of  the  functions  of  ^nes, 
^^68  (Audouin,  Declinaison,  358,  375 — 376,  see  also  Meillet, 
Genetif-accusatif  en  Vieux-Slave,  96).  It  may  perhaps  be  pos- 
sible,  therefore  to  regard  the  Paelignian  uu8  in  the  second  of 
its  occurrences  in  the  Herentas-inscription  as  an  enclitic  dative 
which  may  be  compared  in  function  with  Sanskrit  vah,  Avesta 
ff9,  VÖ,  and  in  both  function  and  form  with  Old  Church  Slavic 
vy.  On  account  of  the  vocalism  we  cannot  compare  with  Pae- 
lignian VU8  the  Old  Latin  *)  nis  'nobis'  (Gloss.  Cod.  Sangell., 
912,  ed.  Goetz,  IV.  261,  cf.  Festus,  ed.  Th.  de  Ponor,  33, 
CaUim  antiqui  dicebant  pro  clam^  ut  ni8  pro  nohis,  8am  pro 
8uam,  im  pro  eum,  see  also  Lindsay,  425,  Schmalz,  137,  Som- 
mer, .444). 

Paelignian  hanustu  :  Latin  fanum. 

In  the  Paelignian  Herentas-inscription  (v.  Planta,  254,  7, 
Conway,  216)  over  the  grave  of  the  priestess  Vibia  the  goddess 

1)  Of  the  other  Slavic  dialects  only  Old  Czeoh  preserved  the  aoou- 
Batives  ny,  vy.  .  Here  too  the  New  Gzech ,  like  the  other  languages  of 
the  groapf  sabstitated  the  genitive  (ndt,  väs).  In  Serbian  it  is  inte- 
resting  to  note  that  m,  vi,  like  Old  Church  Slavic  ny,  vy,  are  found 
beside  the  regulär  dative  forme  nama,  vama  (Miklosich,  III  *.  360 — 361, 
216). 

2)  Still  more  donbtfnl  is  the  Old  Latin  noi$  or  npisi  of  the  Daenos- 
inscription,  even  if  it  means  'hobis',  which  is  very  uncertain  (cf.  Sommer, 
444,  Egbert,  Latin  Inscriptions,  346—847). 


Contributions  to  Old  Italic  Etyraology.  303 

Herentas,  who  corresponds  to  the  Roman  Venus,  has  the  epithet 
hanustu,  found  only  here  in  the  inscriptions  thus  far  discovered. 
Several  conjectures  as  to  the  meaning  of  the  word  have  been 
collected  by  v.  Planta,  I.  463,  II.  660.  The  best  of  these  seems 
to  be  that  of  Breal,  Mem.  Soc.  Ling.,  VI.  84 — 85,  who  regar- 
ded  hanustu  as  connected  with  Latin  fänum,  Oscan  fiisna, 
Umbrian  fesnafe  (cf.  also  Stolz,  Lat.  Gramm.  ■,74,  Lindsay, 
Lat.  Lang.,  294 — 295),  even  though  fesn,  apparently  an  abbre- 
viation,  is  found  in  Paelignian  (v.  Planta,  253,  4  »  Gonway, 
239).  Possibly  Paelignian  hanustu  is  for  *hasnuS'tOj  ^fasnus-to 
(cf.  Oscan-Umbrian  fesna-),  with  the  same  formation  as  in 
Latin  onus4us,  vetus-tuSj  venus-tus,  Umbrian  mersto  (cf.  Brug- 
mann,  Grundr.,  IL  218,  v.  Planta,  II.  40).  With  hanustu  one 
may  also  connect  the  (Faliscan?)  gloss  (cf.  Gonway,  385),  ha- 
nula,  parva  delubra,  quasi  fanuia,  Festus,  ed.  Th.  de  Ponor,  73. 
The  phrase  hanustu  herentas  would  then  mean  'the  Venus  of 
the  shrine'.  It  may  well  be  that  this  goddess  was,  according 
to  the  Paelignian  cult,  one  of  the  cerfum  semunu  (1.  4)  whose 
priestess  Vibia  had  been. 

Umbrian  an  gif  :  Sanskrit  a/ficati. 

The  Umbrian  Stc.  ley.  angif  is  found  in  Tab.  Ig.  II.  a,  25 
in  a  passage  reading:  arvia  puni  purtuvitu,  vestikatu,  ahtre- 
puratu,  pustin  angif  vinu,  nuvis  ahtrepuratu,  tiu  puni  tiu  vinu 
teitu.  The  word  angif  is  usually  regarded  as  the  accusatiye 
plural  of  a  noun  meaning  ^vices'  (Gonway,  601,  Bücheier  Um- 
brica,  133—134),  although  others  compare  it  rather  with  Greek 
äyxvlt]  or  with  äyyea  (v.  Planta,  I.  361).  At  all  events,  its 
kinship  to  Umbrian  anglome,  Latin  ancus,  angulus,  Greek  ayxog, 
Old  Irish  ecath  'hook',  Old  High  German  angul,  Sanskrit  anka, 
aflcati,  as  well  as  with  the  Oscan  gloss  ungulus  'anulus',  Latin 
uncus,  Greek  oymog  seems  certain  (cf.  v.  Planta,  I.  328,  Lind- 
say, Lat.  Lang.,  259,  Fick,  I  *.  348,  II  *.  32,  U  ».  7,  Prellwitz, 
Etym.  Wtb.  d.  griech.  Spr.,  218,  Uhlenbeck,  Etym.  Wtb.  d. 
altind.  Spr.,  4).  The  view  that  angif  is  a  noun,  however,  does 
not  seem  altogether  satisfactory  to  me,  for  vinu,  which  is 
obviously  dependent  on  angif  j  is  hard  to  explain  on  such  a 
hypothesis.  I  regard  angif,  therefore,  as  the  present  active 
participle  of  *angio  which  is  cognate  with  Sanskrit  aficati 
'bends',  Pahlavl  anöitan.    For  the  form  the  Volscian  asif  ^arens^ 


-*      V 


304  Louis  fl.  Gray 

ardens'  (cf  v.  Planta,  II.  651 — 652,  Bück,  Chicago  Studies, 
I.  183,  134)  is  to  be  compared,  as  well  as  Latin  forms  like 
servfbäs,  scribas,  insignlbat,  molibar,  praesagibcU,  exibam,  fenf- 
bat,  etc.  (Sommer,  569,  Lindsay,  491,  Neue- Wagener,  Formenl. 
d.  lat  Spr.  «,  III.  317—318).  If  this  explanation  of  the  Um- 
brian  word  be  possible,  then  the  phrase  angif  vinu  'bowing 
with  wine'  has  an  exact  parallel  in  Sanskrit.  The  definition  of 
the  root  a/fic  as  given  in  the  DhStupätha,  I.  203,  ed.  Böhtlingk 
(see  also  the  edition  of  Kirste,  I.  105,  890  —  pp.  19,  110), 
aiicu  gatipüjanayöh  is  confirmed  by  such  a  sentence  as  bhtmö 
'yam  girasäflcati  'Bhlma  here  bows  with  bis  head'  (i.  e.,  salutes). 
The  word  pustin,  like  puste,  I.  a,  25,  though  it  is  a  prepo- 
sition  governing  the  accusative  in  the  other  passages  in  which 
it  occurs  (IV.  13,  V.  a,  18,  18,  20,  21,  b,  8,  12,  14,  17,  so 
also  Oscan  püstin  slagitn,  Gipp.  Abell.,  34),  seems  to  be  here 
a  temporal  adverb  (cf.  however  v.  Planta,  11.  450 — 451).  In 
like  manner  Latin  post  is  used  both  as  a  preposition  and  as  a 
temporal  adverb,  e.  g.,  Plautus,  Menaechmi,  36,  patuAs  diebtis 
pöst  Tarenti  emörtuost,  Cicero  ad  Fam.,  VII.  5,  2,  atque  ita 
mitto,  ut  initio  mea  sponte,  post  autem  invitatu  tuo  mittendum 
duxerim.  I  accordingly  translate  the  passage  under  conside- 
ration:  Het  him  present  the  fruits  of  the  field  (and)  sour  wine, 
let  him  pour  a  libation,  let  him  dance,  then  bowing  with  wine 
let  him  dance  nine  times,  let  him  say,  **thee  with  sour  wine, 
thee  with  wine  (I  honor?)"'. 

Umbrian  amperia  :  perum, 

The  Umbrian  amperia  occurs  but  once,  II.  a,  29,  where  it 
is  found  in  the  passage,  kaüu  purtuvitu,  amperia  persnihmu, 
asegeta  käme  persnihmu.  Various  conjectures  as  to  the  etymo- 
logy  of  the  word  have  been  collected  by  v.  Planta,  I.  466—467 
(cf.  Conway,  599).  It  seems  clear  that  amperia  is  to  be  divi- 
ded  am-peria.  The  first  component  is,  in  my  judgment,  the 
preposition  ana  (Avestan  ana,  Greek  ava^  av,  Thessalian,  Les- 
biau,  Cyprian  ov,  Latin  an-helare,  etc.).  The  dental  nasal  be- 
comes  m  before  the  labial,  as  in  am-pentu  beside  an-penes, 
a-pentu  (cf.  v.  Planta,  II.  455 — 456)  ^).    The   second  part  of 

1)  Cf.  the  same  change  in  Oreek,  as  in  afinvevfia,  Find.,  Nem. 
1.  1,  d/ÄTienaXtav ,  F  355,  beside  dv^nakro,   S  85.    The  Hesychian  gloss 


Contributions  to  Old  Italic  Etymology.  305 

the  Word  is  obviously  connected  with  Umbrian  perutn  'ground', 
Latin  op-pidum,  Greek  TtaSiov^  etc.  The  meaning  of  amperia 
accordingly  seems  to  be  *placed  on  the  sacrificial  space'. 

Umbrian  niru  :  Qreek  vIqov, 

The  Umbrian  word  niru,  which  occurs  once,  ü.  b,  15,  in 
the  phrase  pistu  niru  fertu  has  been  connected  with  hesitation 
by  y.  Planta,  L  375,  with  Latin  nigrum.  Bücheier,  Umbrica, 
146,  is  probably  correct  in  bis  explanation  of  niru  as  'pistum 
fromenti  genus  aut  leguminis',  and  equally  justified  in  declining 
to  identify  it  with  Qreek  vijqiov,  As  a  mere  conjecture  I  o£fer 
the  Suggestion  that  the  Umbrian  niru  may  be  related  to  the 
Hesychian  gloss,  viqov  fiiya.  In  meaning  niru  may  denote 
either  the  size  of  the  grain  which  is  to  be  ground,  or,  less 
probably,  its  quantity  (cf.  magno  in  populo,  Verg.,  Aen.  I.  148). 

Umbrian  eru  *ab  se'. 

The  pronoun  eru  in  the  passage  Tab.  Ig.,  V.  a,  7 — 10,  has 
occasioned  much  discussion.  The  section  in  question  reads, 
revestu  pure  terte,  eru  emantur  herte,  et  pikaklu  pune  tribrigu 
fuiest,  akrutu  revestu  emantu  hetzte.    Here  the  last  three  words 

are  plainly  parallel  to  revestu eru  emantur  herte,    Of 

all  the  translations  only  v.  Planta's  (IL  568,  cf.  671),  'reuisito 
a  quo  datur,  ab  eo  emantur  oporteatne',  recognizes  the  fact 
that  eru  is  ablative  Singular  masculine.  On  the  other  band  I 
think  Conway,  517,  correct  when  he  renders  pure  terte  by  'quod 
datur'.  The  question  is  at  once  suggested  as  to  whom  or  what 
eru  refers  and  how  it  is  to  be  construed.  It  is,  I  think,  an 
ablative  of  agent  after  emanttifr)  herte  and  refers  to  the  im- 
plied subject  of  revestu.  It  consequently  Stands  for  the  re- 
flexive which,  like  all  the  personal  pronouns,  has  no  ablative 
in  the  Osco-Umbrian  dialects.  Ablatival  forms  like  Old  Latin 
sS(d),  mS(d),  ts(d)  (cf.  Neue- Wagener ,  Formenl.  d.  lat.  Spr.  *, 
II.  354)  are  not  found  in  the  other  Italic  languages.  It  would 
seem  therefore  that  the  personal  agent  in  Osco-Umbrian  was 
expressed  by  the  instrumental-ablative  without  a  preposition, 
diverging  herein    from   the  Latin  usage.     Although    it  is  true 

dfinailiiv'  (fcevegfSg  cannot,  if  correctly  transmitted,  be  compared  with 
Umbnan  amperia  on  acconnt  of  the  vocRlization. 

teitrtg«  X.  knnde  d.  iadg.  8pnMsh«n-    XXVII.  20 


306  Louis  H.  Gray 

that  Latin  from  tbe  earliest  moDuments  onward  employs  a(b) 
with  the  ablative  to  denote  the  personal  agent  with  verbs  in 
the  passive  voice  and  grows  careless  of  this  rule  only  in  tbe 
decadence  of  tbe  language  (Scbmalz,  Lat.  Synt.  3,  252,  Draeger, 
Bist.  Synt.  d.  lat.  Spr.  «,  I.  547—548),  yet  I  believe  tbat  tbis 
use  of  a{b)y  as  of  tbe  corresponding  syntactic  equivalent  vno 
in  Greek,  is  relatively  a  late  development,  and  tbat  tbe  Osco- 
Umbrian  adberes  in  tbis  regard  to  Indo-Germanic  usage  (cf. 
Delbrück,  SF.,  V.  135—136,  Vgl.  Synt,  L  268—269,  Audouin, 
Declinaison  dans  les  langues  indo-europeennes,  321).  I  sbould 
accordingly  prefer  to  render  tbe  passage  bere  considered,  ^re- 
visito  quod  datur,  (ab)  se  emantur  oporteat  (ne),  et  piaculorum 
quum  temio  fiet  ex  agro,  revisito,  emantur  oporteat(ne)'. 

ümbrian  anderuomu  :  Latin  interluo, 

Tbe  ümbrian  an;,  ley.  anderuomu  occurs  Tab.  Ig-,  VL  b,  41, 
anderuomu  sersitu  arnipo  comatir  pesnis  fust,  Bücbeler  renders 
tbe  word  'inter  rogos',  wbile  v.  Planta,  L  380—381,  bazards  a 
connection  witb  Latin  lumen  or  ümbrian  uoco-  or  8«d-(if)oco-. 
As  a  very  doubtful  Suggestion  one  migbt  regard  anderuomu  as 
an  instrumental-ablative  of  manner  (cf.  Conway,  500 — 501)  from 
ander^uo-mo'  <  *  ander 4u'm0'  (cf.  on  ümbrian  w  <  i  v.  Planta, 
L  285 — 289).  Tbe  word  would  tben  be  a  -mo-  formation,  like 
Oscan  eg-mo,  Latin  fä-mä,  ro-mus,  to  Latin  ltu>,  lutum^  Greek 
loßw,  lovü),  Armenian  loganem,  etc.  (cf.  Fick,  I  *.  539,  11  •. 
223—224),  as  well  as  to  Latin  lö-mentum,  Greek  Xv-f^rj.  The 
meaning  of  anderuomu,  if  tbis  Suggestion  be  adopted,  may  be 
gained  from  tbe  force  of  tbe  cognate  Latin  interluo  in  sucb  a 
passage  as  Cato,  RR.,  132,    cum  pollucere  oporUbü,  sie  fades 

manus  interluito,  postea  vinum  sumüo.    Tbe  passage 

under  discussion  would  accordingly  seem  to  signify,  'let  bim 
Sit  witb  a  (ritualistic)  wasbing  (of  tbe  bands)  between  (the 
stages  of  tbe  sacrifice),  until  be  sball  bave  prayed  wben  (tbe 
grain  o£Fering)  is  ground'. 

ümbrian  asiane, 

Umbrian  asiane  occurs  but  once,  Tab.  Ig.,  I.  a,  25,  in  a 
passage  reading,  puste  asiane  fetu,  zeref  fetu.  Previous  sugge- 
stions  relative  to  tbis  obscure  word  are  collected  by  y.  Planta, 
I,  388,  526,   wbo  seems  to  me  correct,    I.  526,    H.  7,  32,   in 


Contributions  to  Old  Italic  Etymology.  307 

associating  it  with  Umbrian  asOj  Marrucinian  a%Mm^  Latin  as- 
sare,  New  High  German  esse,  etc.,  with  the  suffix  -ano-,  It 
is  possible  that  asiane  is  a  derivative  from  a  proper  name  *asiO', 
and  is  the  designation  of  some  building  in  Iguvium  near  the 
Veian  gate.  Various  places  belonging  to  or  named  after  per- 
sons  are  mentioned  in   the  ümbrian  inscriptions,  especially  in 

VI.  a,  12 — 14,   presoliafe   nurpier, tettome  müenitar, 

carsame  uestisier,  etc.     Further,  the  -ano-  formation 

frequently  gives  derivatives  from  proper  names  both  in  Osco- 
Umbrian  and  in  Latin  (v.  Planta,  IL  32—33,  Lindsay,  326— 
327).  The  name  *asio-  may  have  belonged  either  to  a  man, 
in  which  case  the  Umbrian  (?)  name  Asania,  i.  e.,  As-ania, 
cited  as  occurring  bnt  once  by  Gonway,  446,  may  be  compared 
if  asiane  is  to  be  analyzed  as-i-äne,  or  to  a  local  fire-godling 
of  the  Iguvines  who  offered  a  sacrifice  at  his  shrine  dnring 
their  lustral  procession. 

ümbrian  ruseme  :  Old  Norse  rodra. 

The  word  rtiseme  occurs  three  times  in  the  Iguvine  Tables, 
VIL  a,  8,  ape  supo  postro  pepescus,  enom  pesclu  ruseme  uesti- 
catu,  VII.  a,  9,  enom  uesclir  adrir  ruseme  eso  persnihimu, 
VIL  a,  23 — 24,  enom  ruseme  perschu  uesticatu.  The  term  is 
quite  unclear  (cf.  the  explanations  coUected  by  v.  Planta, 
I.  161,  428),  bat  I  believe  that  v.  Planta,  IL  50  is  right  in 
thinking  that  the  root  of  ruMm-e  ends  in  a  dental  and  that 
the  word  is  a  -^i-formation.  Possibly  ruseme  refers  to  the  raw 
flesh  of  slaughtered  victims,  especially  as  the  words  in  other 
Indo-Germanic  dialects  which  I  regard  as  its  cognates  some- 
times  have  special  application  to  slain  animals.  I  think  that 
nm  is  for  *rudh-ti  (cf.  Sanskrit  riM^A-ira  *red',  Greek  l-^vö-^og, 
Latin  rulhrum,  rus-sus  <  ^rudh-so-,  Umbrian  ruf-ru,  Old 
Church  Slavic  rbd-rb,  Old  Norse  roä^a,  Fick,  I  *.  116).  The 
form  n4si  instead  of  *rusti  may  be  compared  with  Latin  ßissus 
<  *iudh-Uh  (Sanskrit  yuddhd)  and  Latin  gressus  <  *gredh-to- 
(Gothic  grids)  (cf.  Brugmann,  Grundr.,  I.  *  627,  v.  Planta, 
I.  423,  but  against  this  Sommer,  281,  645).  As  another  ex- 
ample  of  Umbrian  s  <  dh-t  one  may  cite  the  word  Fisiu  if 
this  Stands  for  ^bhüdhrtO',  as  v.  Planta  says,  rather  than  for 
*bhfdh'SO',  as  Brugmann  is  inclined  to  believe.  The  etymology 
here  suggested  for  Umbrian  ruseme  I  r^ard  as  merely  tenta- 

20* 


308  Louis  H.  Gray 

tive,  but  I  think  that  the  resultant  meaning  <blood'  fits  ihe 
context  a  little  better  than  previous  explanations.  It  is  worth 
noting  in  this  connection  that  Old  Norse  roära^  wbich  I  regard 
as  related  to  rustmty  refers  especially  to  the  blood  of  slaugh- 
tered  animals. 

Umbrian  für  fad  :  Sanskrit  gfbhnOti. 

The  Umbrian  verb  furfa-  is  of  extremely  doubtfiil  etymo- 
logy.  The  four  passages  in  which  the  word  occurs  are  as 
foUows:  I.  b,  1  vukukum  luviu,  pune  uvef  furfad,  tref  vitluf 
turuf  Marte  Hurie  fetu  =  VI.  b,  43,  uocucom  louiu,  ponne 
out  furfant,  uitlu  foru  trif  fetu;  VI.  b,  17,  eno  mefa  uestisia 
8opa  purome  efurfatu,  subra  spahmu  =  VII.  a,  38,  etmo  uesti- 
sia mefa  spefa  sopam  purome  efurfatu,  subra  spahamu,  The 
old  etymology  of  furfad  was  with  Latin  februus  (Breal,  Tab. 
Eug.,  132 — 134),  still  held,  apparently,  by  Brugmann,  Grundr., 
IL  958.  The  Suggestion  of  v.  Planta,  I.  459—460,  that  the 
verb  may  perhaps  be  compared  with  Latin  forfex  and  contain 
the  root  bher  *cut'  seems  rather  improbable.  If ,  on  the  other 
band,  v.  Planta  is  right  when  he  states,  L  111,  that  Italic  o 
becomes  u  before  rf  (whence,  by  implicationi  Italic  or  from 
Indo-Germanic  r  becomes  ur  before  rf)y  it  seems  possible  to 
suggest  an  etymology,  which  is  at  once  phonologically  correct 
and  suitable  to  the  context,  and  possessed  of  morphological 
parallels.  I  think  that  Umbrian  furfaO  may  be  derived  from 
Indo-Germanic  ghrabh  'seize',  Sanskrit  gfbhnäti,  Old  Ghurch 
Slavic  grabiti,  Old  High  German  garba,  English  grab,  etc.  Um- 
brian furf-  from  *ghrbh'  may  be  compared  either  with  the 
Sanskrit  present  stem  seen  in  grhTthäs,  grhita,  grhi^va,  agj-hUäm 
or  with  tbe  aorists  grhs,  grhat^y  grhämahi,  if  indeed  these  latter 
forms  are  not  rather  presents  (cf.  Delbrück,  Vgl.  Synt.,  IL  76), 
From  the  same  low  grade  of  this  Indo-Germanic  root  comes 
the  New  High  German  vetb  grappen,  grapen  (Hirt,  Ablaut  80). 
If,  on  the  other  hanrl,  Sanskrit  grhe,  etc.  are,  as  Whitney 
supposes,  aorists  (cf.  the  root-aorists  gfbhäna,  agrbhran  and  see 
Whitney,  Koots,  40),  we  then  have  one  of  the  instances  where 
a  given  root-grade  has  an  aoristic  force  in  one  language  and 
a  present  value  in  another  (cf.  Delbrück,  Vgl.  Synt.,  II.  100 
— 101).  Other  Umbrian  words  from  Indo-Germanic  roots 
which  have  no   equivalent  in  Latin  are   not  lacking.     As  an 


Contributions  to  Old  Italic  Etymology.  309 

example  the  Umbrian  habitia  'goat'  may  be  cited.  This  word 
is  to  be  compared  with  Sanskrit  chäga,  Albanian  ked,  Old 
Cburch  Slavic  koza,  Anglo-Saxon  hicen  (cf.  Wackernagel,  Ältind. 
Gramm.,  I.  155,  otherwise  v.  Planta,  I.  336).  Finally,  for  the 
preservation  of  the  double  aspirate  in  Italic  from  ^ghrbh-  we 
may  compare  Oscan  feihüss  ^)  'muros',  Latin  fig-ura ,  Greek 
relxogy  Gothic  deigan,  Sanskrit  dehi,  etc.  from  Indo-Germanic 
*dhei§h.  The  two  passages,  I.  b,  1  and  VI.  b,  17,  quoted  abore, 
are  accordingly  to  be  rendered,  if  furfaß  is  connected  with  the 
root  *ghrbh'',  as  foUows:  4n  the  grove  (?)  of  Jupiter,  when  one 
takes  the  sheep,  let  him  o£fer  three  buUocks  to  Hudian  Mars', 
and  *then  let  him  take  out  to  the  fire  and  spread  above  it  the 
sacrificial  cake,  the  libation,  and  the  entrails'. 

Umbrian  andersafust  :  Italian  andare. 

The  verb  andersafust,  andirsafust,  aterafusf  occurs  three 
times  in  the  Iguvine  Tablets  in  the  foUowing  passages :  I.  b,  40, 
pusteriu  pane  puplu  atefafust  «  VII.  a,  46,  postertio  pane 
paplo  andirsafust,  VII.  b,  3,  appei  arfertur  Atiersir  poplotn 
andersafust.  The  meaning  of  the  verb  (cf.  Bücheier,  ümbrica, 
113)  is  clearly  'circumdederit,  ambieverit',  literally  **ambidederit'. 
It  is  a  Compound  of  Umbrian  amfr-,  amf-,  am-  (Latin  atnbi-, 
Greek  a/uqp/,  etc.)  and  the  root  da  (v.  Planta,  I.  294,  IL  246 
—247,  455,  cf.  also  Osthoff,  Perfect,  240—241,  Brugmann, 
Grundr.,  II.  967,  Bück,  Chicago  Studios,  I.  132).  While  no 
exact  Latin  representative  of  this  Umbrian  verb  is  found,  the 
word  andersafust  has,  I  think,  a  Romance  descendent,  the 
Italian  andare  and  the  Spanish  and  Portuguese  andar.  The 
verb  andar(e)  has  given  rise  to  much  discussion  among  Ro- 
mance scholars.  Among  other  etymologies  Körting,  Lat.-Rom. 
Wtb.  *),  283,  traces  andar (e)  to  ^am(b)äare.  This  is,  I  believe, 
the  correct  view.  The  Latin  ^ambdare,  *ambidare  corresponds 
precisely  to  the  Umbrian  andirsafust,  while  it  has  given  rise, 
through  the  transition  grades  ^amdare,   *  andare  to  the  form 


1)  On  the  phonetic  valne  of  this  h  cf.  v.  Planta,  I.  436,  446—447. 

2)  In  the  second  edition,  51 — 55  Körting  seems  to  roe  to  retro- 
grrade  decidedly  when  he  regards  Latin  ambulare  as  the  only  possible 
ancestor  for  andarfej.  The  objeetion  of  Breal,  Mem.  Soc.  Ling.,  XII.  2, 
to  the  postolation  of  a  Latin  verb  *afnbdare^  ^amhidare^  seems  to  me 
ungroanded . 


310     Louis  H.  Gray    Contributions  to  Old  Italic  Etymology. 

foand  in  Italian,  Spanish,  and  Portuguese.  We  thas  have  the 
interesting  phenomenon  of  an  Italic  verb  unknown  in  Latin  and 
even  in  Folk-Latin,  yet  existing  in  a  neighbouring  cognate  dia- 
lect  and  preserved  in  important  members  of  the  Romance  group. 

Umbrian  vatuva  :  Latin  vates. 

The  Substantive  vatuva  occurs  twelve  times  in  the  Iguvine 
Tablets,  only  in  the  phrase  vatutKi  ferine  fetu  (also  spelled 
vatuvu,  uatuo,  uatue),  The  etymology  of  the  word  has  been 
discussed  by  v.  Planta,  I.  350  (cf.  also  426,  287)  but  his  com- 
parison  with  Sanskrit  kvathati  'boils'  seems  to  me  extremely 
doubtful,  even  if  the  change  of  root-determinative  from  p  to 
th  be  granted  (cf.  Brugmann,  Grundr.  I  *.  790).  On  the  other 
band  I  think  he  is  right  in  regarding  vatuva  as  a  stem  in 
-^-  (IL  163,  cf.  13 — 15)  like  Umbrian  saluuam,  mersuva),  For 
the  etymology  of  the  word  it  seems  both  simpler  and  clearer 
to  connect  yatuva  with  Latin  vates,  Gothic  wödSy  Sanskrit  api- 
vätayati  ^understands',  etc.  The  word  would  then  signify  're- 
lating  to  augury,  and  the  formula  vatuva  ferine  fetu  is  to  be 
translated,  4et  him  put  the  things  relating  to  augury  on  the 
barrow'. 

Princeton,  N.  J.,  U.  S.  A.,  April  24,  1902. 

L(mi8  H,  Gray, 


Zur  declination  der  lettisohen  bestdmmten 

Mit  recht  verwirft  Leskien  (Declination  im  Slavisch- 
Litauischen  und  Germanischen,  s.  135)  die  ansieht  von  Bielen» 
stein  und  Miklosich,  dass  in  der  declination  der  bestimmten 
adjectiva  das  Lettische  in  allen  casus  das  thema  des  adjectivs 
enthalte  und  eine  form  wie  der  nom.  pl.  labe  „die  guten''  durch 
contraction  aus  labäji  entstanden  sei,  indem  er  hinweist,  dass 
labe  nach  den  lettischen  lautgesetzen  gar  nicht  aus  labäji  her- 
geleitet werden  kann.  Verfehlt  ist  jedoch  die  weitere  behaup- 
tung  Leskiens:  ^ylaba--  kann  deswegen  nicht  stamm  des  ad- 
jectivs sein,  weil  sein  a  stets  lang  ist;  wer  es  dennoch  dafür 


J.  Endzelin  311 

hält,  muss  eine  erklärung  der  länge  geben.**  Denn  wollte 
jemand  noch  die  ansieht  Bielensteins  und  Miklosichs  ver- 
treten, so  könnte  er  mehr  als  die  erklärung  der  länge  geben, 
nämlich  die  postulierte  kürze  des  a  nachweisen.  Dabei  kommen 
freilich  nicht  formen  aller  mundarten  in  betracht.  Es  werden 
nämlich  in  Rujen,  Allendorf,  Salis,  Lemsal,  Ubbenorm,  Pernigel, 
Adiamünde  und  Loddiger  in  den  suffixen  alle  langen  vocale 
(und  an  allen  diesen  orten,  ausser  in  Loddiger,  auch  der  diph- 
thong  ü,  teilweise  auch  'e)  zu  kurzen  vocalen ;  noch  weiter  gehen 
bekanntlich  in  dieser  hinsieht  die  tahmischen  mundarten  Kur- 
lands, wo  die  gekürzten  längen  teilweise  ganz  geschwunden 
sind  (vgl.  Bezzenbergers  Lettische  dialekt- Studien  150 ff. 
und  oben  XXVII  189).  Aber  auch  in  solchen  mundarten,  die 
sonst  eine  Verkürzung  der  suffixalen  längen  nicht  kennen, 
werden  gerade  vor  j  lange  suffixvocale  gekürzt;  so  z.  b.  in 
Rodenpois  und  Segewold.  Es  kann  demnach  eine  form  wie  der 
dat.  s.  vecajam  „dem  alten*'  aus  Stenden  auch  auf  vecäjam 
zurückgeführt  werden,  denn  in  Stenden  werden  in  einigen  formen 
die  langen  suffixvocale  gekürzt:  dat.  pl.  mäcitajim  „den 
pastoren**,  inf.  turet  „halten",  dat  pl.  m^am  „den  töchtem", 
loc.  8.  meza  „im  wald",  praet.  nevarej  „konnte  nicht",  fut. 
nüküdis  „wird  abbeissen",  mis  runa  „wir  sprechen",  nom.  s. 
Irbit  „kleines  rebhuhn",  dusmigs  „zornig"  u.  a.  (daneben :  comp. 
Iftäks  „leichter",  praet.  izdzSräs  „zechte  zur  genüge",  loc.  pl. 
ptdkäs  mäjäs  „in  vielen  häusem"  u.  a.).  Dagegen  dürfen  wir 
in  folgenden  formen  keine  Verkürzung  des  a  annehmen :  dat.  s. 
stnotkajam  „dem  feinen"  (Palzmar),  labajam  „dem  guten" 
(Smilten,  Dickein,  Olai,  Wallhof,  Mitau,  Grünhof,  Dohlen, 
Seh  Witten,  Liewenbersen ,  Siuxt,  Lesten,  Neuenburg,  Remten, 
Frauenburg,  Kursiten,  Ringen,  Grösen  u.  a.),  loc.  s.  labajä  „in 
der  guten",  dat.  pl.  lelajhm  „den  grossen",  jaünafem  „den 
jungen"  (Wolmar).  Denn  in  diesen  mundarten  wird  ursprüng- 
liche länge  des  a  auch  vor  j  bewahrt:  dat.  s.  arbjam  „dem 
pflüger",  mddtäjam  „dem  pastor^^,  loc.  s.  linäjä  „auf  dem 
flachsfeld",  runajam  „wir  sprechen"  u.  a.  (Wolmar).  Für  die 
nomina  agentis  auf  -toja-  und  -äja'  gilt  dieses  von  allen  den 
eben  genannten  mundarten,  während  in  den  verbalformen  einige 
derselben  verkürztes  a  aufweisen:  praet.  dzedaja  „er  sang", 
mazgajds  „wusch  sich";  daneben:  mdcUäjs  „pastor"  (Olai).  In 
den  mittleren  mundarten  Livlands  und  Kurlands,  die  der  letti- 


312     Zur  declination  der  lettischen  bestimmten  adjectiva. 

sehen  Schriftsprache  zu  gründe  liegen,  scheinen  also  bloss  ad- 
jectiyformen  mit  kurzem  a  vorzukommen,  wobei  die  kürze  des 
a  ursprünglich  sein  muss.  Formen  mit  langem  a  (z.  b.  dat. 
8.  slinkäjam  ,,dem  faulen^')  habe  ich  in  Serbigal,  Mehrhof 
(Livland)  und  in  den  westkurischen  mundarten  von  Nieder- 
Bartau,  Klein-Gramsden,  Preekuln,  Grobin,  Amboten,  Nigranden, 
Wirginahlen,  Schrunden,  Wormen,  Lahnen  u.  a.  gefunden.  Auf 
'äjam  muss  wohl  auch  die  endung  -am  (z.  b.  slinkäm  „dem 
faulen'*)  zurückgeführt  werden,  die  ich  in  Firckshof,  Schneh- 
peln,  GrosS'Iwanden,  Dubenalken,  Hasenpoth,  Zierau,  Sacken- 
hausen, Appricken  und  (in  Livland)  in  Adsel-Schwarzhof  gehört 
habe.  Das  a  der  schlusssilbe  wird  nämlich  auch  tonlos  ge- 
sprochen (dinkäjafn  in  Wähnen  und  Eabillen ;  mundrajcm  „dem 
muntern'S  Ober-Bartau)  und  fällt  dann  auch  ganz  aus,  worauf 
das  j  nach  ä  gleichfalls  wegfällt  {slinkäm)  oder  mit  a,  bezw.  a, 
den  diphthong  ai  bildet:  dat  s.  mundralm  in  Kalleten^)  (ähnlich 
wird  in  Ealleten  der  nom.  s.  fem.  g.  izgajim  ixßSaa  zu  izgaisi, 
in  Wolmar  dagegen  zu  izgäsi  gekürzt).  Die  formen  mit  langem 
a  hat  Leskien  (Declination ,  s.  136 f.)  wohl  richtig  erklärt; 
verwerfen  muss  ich  nur  seine  erklärung  des  dat.  s.  labäjam,  in 
dem  er  mit  hinweis  auf  lit.  lahqjem  aus  labäm-jam  weiterent- 
wickelung  eines  ursprünglichen  *  labäm-jam  sehen  möchte. 
Erstens  ist  die  von  Leskien  angesetzte  urlettische  form  mit 
langem  a  ganz  undenkbar  (dieselbe  kann  nur  *labam-jam  ge- 
lautet haben),  zweitens  sind  wir  nicht  berechtigt,  Übergang  von 
-amj-  in  -ö;-  im  Lettischen  anzunehmen;  vielmehr  muss  labär 
jam  ebenso  wie  etwa  der  loc.  pl.  labäjüs  erklärt  werden,  näm- 
lich als  analogiebildung  nach  dem  gen.  s.  masc.  g.  und  dem 
nom.  s.  fem.  g ').  Aus  dem  ursprünglichen  ^labam-jam  ist  da- 
gegen labam  entstanden,  das  neben  labäjam  im  sinne  eines  be- 
stimmten adjectivs  gebraucht  wird.  Wie  sind  aber  die  formen 
mit  kurzem  a  (wie  labäjam)  entstanden?  Dass  dieselben  der 
Verbindung  des  reinen  adjectivstammes  (laba-)  mit  den  casus- 
formen von  jis  ihr  dasein  verdanken,  wird  wohl  niemand  mehr 

1)  o.  XVII  278  führt  Lautenbach  aus  der  Abaugegend  den  dat. 
8.  labaim  an. 

2)  Ahnliche  neubildungen  kommen  auch  im  Litauischen  vor:  ausser 
hierher  gehörigen  formen  in  Kurschats  gramm.  s.  251  vgl.  noch  den 
dat.  8.  fem.  g.  trecziSjei  (Bezzenb erger,  Lit.  forsch.  1),  Jaunesnöjoi 
(ibid.  9). 


J.  Endzelin  313 

behaupten  wollen.  Mir  scheint  es,  dass  diese  formen  vom  dat. 
8.  fem.  g.  ihren  ausgang  genommen  haben;  dieser  casus  muss 
im  Urlettischen  *labaijai  gelautet  haben;  *labaijai  ist  aber 
meiner  ansieht  nach  rein  lautgesetzlich  zu  labajai  geworden. 
Zu  dem  fem.  labajai  dürfte  zunächst  das  masc.  labajam  hinzu- 
gebildet sein  ^),  und  weiterhin  die  übrigen  casus.  Freilich  kann 
ich  keinen  sicheren  fall  des  angenommenen  wandeis  von 
suffixalem  -aij-  in  -aj-  namhaft  machen;  allenfalls  lassen  sich 
die  hochlettischen  praeterita  auf  -eju  oder  -g/u  für  -eiju  (= 
schriftlett.  -Iju ;  vgl.  Bezzenbergers  Lettische  dialekt-studien 
131)  vergleichen^).  Andererseits  spricht  aber  meines  Wissens 
nichts  gegen  die  annähme  eines  solchen  lautwandels,  und  man 
versuche  nur  formen  wie  *labaijai  rasch  zu  sprechen,  so  wird 
der  Übergang  von  *labaijai  zu  labajai  sehr  natürlich  vorkommen. 
Nach  dem  muster  des  dat  s.  fem.  g.  wie  labajai  scheinen 
ursprünglich  für  alle  casus  nebenformen  mit  einem  scheinbaren 
adjectivstamm  auf  -a  oder  —  nach  andern  musterformen  — 
dialektisch  auf  -d  im  gebrauche  gewesen  zu  sein;  wenigstens 
lassen  sich  solche  formen  aus  den  Volksliedern  nachweisen 
(beispiele  bei  Bielenstein,  Lett.  spr.  II  57).  Da  aber  eine 
form  wie  der  acc.  s.  labä  ,,den  guten^*  aus  *labü'-ju  (Bielen- 
stein, Lett.  spr.  II  57,  weist,  freilich  mit  falscher  auffassung, 
aus  einem  Volkslied  die  form  raznü-ju  ')  nach)  sich  auch  so 
deutlich  von  UAu  „einen  guten*^  unterschied,  so  konnte  die 
längere  neugebildete  form  labaju  oder  labäju  neben  hbü  nicht 
recht  aufkommen.  Dagegen  unterschied  sich  eine  form  wie  der 
dat.  s.  labam  „dem  guten''  aus  ^labam-jam  äusserlich  durch 
nichts   von   labam  „einem  guten'S   und  deshalb  wurde  hier  die 

1)  Vgl.  dazu  den  lit.  dat.  8.  fem.  g,  häUajai  (Earschat,  Gramm. 
8.  260),  der  doch  wohl  nach  der  maskulinform  haluysm  (ibid.  248)  neu- 
gebildet  ist. 

2)  Vgl.  dazu  folgende  lit-  formen:  dat.  8.  teiaamuiam  (Psalteras 
Dowido  1625,  Fb.  87,  12),  piktamujtn  (Ps.  94,  13). 

8)  Übrigens  ist  es  zweifelhaft,  ob  ra}hfii&ju  wirklich  die  alte  vor- 
ansgesetzte  form  ist;  man  könnte  auch  an  contamination  von  raznä  und 
rdSnäju  denken,  wie  denn  der  loc.  8.  taini  (Behrshof)  „in  dem**  (dazu 
der  loo.  pl.  tainijäs  aus  Ziepelhof)  durch  misohung  von  tat  und  tanl 
entstanden  ist.  In  taint  einen  umlaut  zu  sehen,  was  Bielenstein  o.  I  217 
tut,  ist  unmöglich.  Zu  raüfnt^/tf  stelle  ich  noch  zwei  andere  acc.  s.: 
$klidüju  (Latwju  dainas  2887,  1),  siouwe  pirmoye  Deeh  (Evangelia  und 
Episteln,  Riga  1616). 


314    Zur  declination  der  lettischen  bestimmten  adjectiva. 

neubildung  labajam  oder  labäjam  sehr  üblich.  In  der  leben- 
digen Volkssprache  setzt  sich  also  das  paradigma  folgender- 
massen  zusammen  (der  kürze  wegen  führe  ich  hier  nur  die 
Wolmarschen  formen  an): 

masculinum  femininum 

sing.  nom.  labais  labä 

gen.  labä  labäs 

dat.  labajam  od.  labam  labajal  od.  labal 
acc.  labä  wie  masc. 

loc.  lahajä  od.  labä  wie  masc. 

plur.  nom.  labe  labäs 

gen.  labä  wie  masc. 

dat.  labaßm  od.  labern  labajam  od.  labäm 

acc.  labus  labäs 

loc.  labajds  od.  labäs  labajds  od.  hhiSis. 

Endlich  sei  hier  noch  erwähnt,  dass  in  den  westkurischen 
mundarten  von  Appricken  und  Paddern  der  dat.  pl.  masc  g. 
der  bestimmten  adjectiva  auf  -em,  bei  den  unbestimmten  da- 
gegen auf  -im  auslautet,  z.  b.  Vim  mudigem  suMm  „den  flinken 
hunden^^  neben  ar  savim  vecim  draügim  ^)  „mit  seinen  alten 
freunden''  (Paddem).  In  diesen  mundarten  (wie  in  vielen  an- 
dern) lautet  nämlich  der  dat,  instr.  pl.  der  o-stämme  und  -io- 
stämme  auf  -im  aus.  Dieses  -dm  kann  nun  freilich  keine  rein 
lautliche  Schwächung  aus  -em  sein,  wie  Bezzenberger  Lett. 
dial.-stud.  129  meint,  denn  dagegen  sprechen  mundartliche 
formen:  so  wird  z.  b.  in  Rujen  suffixales  'e  durchgängig  zu  e 
gekürzt  (z.  b.  celes  „erhebe  dich*'  aus  celes)^  im  dat.  pl.  er- 
scheint aber  hier  nicht  etwa  -em,  sondern  gleichfalls  -im  (z.  b. 
zubim  „den  zahnen'';  vgl.  auch  Rakstu  Kräjums  XIII  75  und 
86).  Dieses  -im  der  o-  und  ib-stämme  stammt  vielmehr  von 
den  masculinen  t- stammen,  wie  taiidim  „den  leuten'^  In 
Wolmar  unterscheidet  man  noch  das  masculinum  Vaüdim  (mit 
kurzem  i)  von  den  feminina  wie  z.  b.  guvim  (mit  secundärer 
länge  des  i)  „den  kühen".  Anderwärts  spricht  man  aber  jetzt 
auch  Vaudim,  indem  dieses  wort  sich  ganz  den  feminina  ange- 
schlossen hat;  ja,   in   den   tahmischen  mundarten   von  Sirgen, 

1)  ^  ist  offenes  e;  in  diesen  mundarten  hat  sich  der  fallende  ton 
dem  stosston  angeglichen,  daher:  draügim. 


J.  Endzelin  315 

Pilten  u.  a.,  wo  die  weiblichen  t-stämme  in  die  declination  der 
ia-stämme  übergegangen  sind,  heisst  es  im  dat.  pl.  taudfm  wie 
düeTfm  „den  türen'S  värtem  ^)  „der  pforte^';  vordem  hat  aber 
auch  hier  l'audim  sein  -tm  auf  die  o-  und  ib-stämme  über- 
tragen,  denn  auch  hier  geht  der  dat  pl.  dieser  stamme  auf 
-tm  aus:  skapim  „den  schränken '%  rtxtim  ^  „den  rädern 'S 
kaTjim  „den  schmieden^'  (Pilten),  küekim  „den  bäumen'*,  ak- 
miMm  „den  steinen''  (Sirgen).  Von  den  substantiva  ist  dann 
die  endung  -im  auch  auf  die  adjectiva  übergegangen;  natürlich 
wurde  dabei  -em  nicht  plötzlich  durch  -im  vollständig  ver- 
drängt, sondern  es  konnten  eine  zeit  lang  beide  endungen  neben 
einander  gebraucht  werden  (so  noch  in  Wolmar;  anderwärts 
hört  man  bereits  nur  -im).  In  den  erwähnten  mundarten  von 
Appricken  und  Paddern  ist  dann  das  nebeneinander  von  -am 
und  -im  in  der  weise  ausgenutzt  worden,  dass  die  volleren 
formen  auf  -em  den  bestimmten,  die  auf  -im  den  unbestimmten 
adjectiva  zufielen. 

J.  Etidzelin. 


Lettische  comparatiYbildnngen. 

In  den  schrifben  des  Mancelius  (z.  b.  Postille  I  39  und  41) 
findet  sich  öfters  das  comparativische  adverb  labis  „besser^*; 
entschieden  comparativische  bedeutung  hat  auch  das  adverb 
välrs  s)   „mehr",  das  auf  *vairi8  zurückgeführt  werden  kann 

1)  Hierzu  der  n.  pl.  värf8\  im  Wolmanchen   dagegen  n.  pl.  varU, 

2)  In  der  umgegend  von  Windau  sind  oft  erweichungen  zu  hören; 
ich  gebe  einige  beispiele:  ndd  %<'  „komm  (zu)  essen"  (Schlehk);  n.  s. 
fem.  g.  pazudas  „yerloren'%  mdt'  „matter**,  dzfgai  „kuckuk**,  vdladd 
„pfingstvogel  (Sirgen) ;  te  pat'  „hier  selbst**,  n.  s.  maso.  g.  satk»  „locu- 
tns'*,  a.  8.  näi  „das  messer**  (Pilten);  n.  pl.  aiPa  „äugen**,  1.  pl.  totU'idas 
„in  der  fremde**,  praet.  gad'ifas  „traf  sich**  (Suhrs);  praet.  nenüaüt'^ 
„schickte  nicht  ab**,  d.  pl.  ddrhfm  „den  arbeiten**  (Hasau).  Aus  der 
erweichung  entstand  dann  öfters  ein  epenthetischer  vooal:  vdkudz,  ba- 
Und^'s  „taube**  (Hasau);  n.  väjri*  „pforte**  (Popen)  u.  a. 

8)  Die  angäbe  Ulmanns  (im  Wörterbuch)  und  Muhlenbaohs 
(Dafchi  jautajumi  par  latweeschu  walodu  III  27),  dass  vairs  nur  in.  ne- 
gativen Sätzen  vorkommt,  mag  allenfalls  für  bestimmte  mundarten  richtig; 
sein.    Wenn  aber  Mahlenbach  gans  allgemein  einen  satz  wie  tikai 


316  Lettische  comparativbildungen. 

und  wohl  von  einem  adjectiv  *vair(a)s  „gross"  „viel"  (davon 
das  verbum  välrtU  „mehren",  wie  von  labe  „gut"  —  Udnli 
„bessern")  abgeleitet  ist,  von  dem  auch  das  adverb  vaträk 
„mehr"  stammt;  auf  *vairi8  gehen  wohl  auch  die  dialektischen 
formen  vairi  (von  Bielenstein,  Lett.  spr.  II  279,  aus  Volks- 
liedern angeführt),  vair,  vais,  vai  zurück.  Mühlenbach  (Dafchi 
jautajumi  III  25)  sieht  in  labis  und  vairs  alte  instr.  pl.,  des- 
gleichen in  pr.  tälis  oder  täls  „weiter",  und  verweist  in  sema- 
siologischer  hinsieht  auf  litauische  ausdrücke  wie  tolyn  vaziä'ti 
„weiter  fahren".  Aber  die  litauischen  formen  auf  -yn  sind  ja 
keine  instrumentale  und  erklären  deshalb  keineswegs,  wie  ein 
instr.  l(M8  zur  bedeutung  „besser"  gekommen  sein  sollte. 
Ausserdem  kann  auch  pr.  täl(i)8  kein  instr.  pl.  sein,  da  ja  im 
Preussischen  dieser  casus  noch  den  diphthong  aufweist  (Ber- 
neker,  Preussische  spräche  197).  Das  -is  in  pr.  Ullis  ist  viel- 
mehr dieselbe  comparativendung ,  die  wir  in  lat.  magiSj  got 
hauhis  finden  (Berneker  211).  Und  so  sehe  ich  auch  in  den 
lettischen  formen  labis  und  vairs  alte  comparative;  vielleicht 
sind  es  auch  pirms  aus  pirmis  (die  letztere  form  finde  ich 
noch  ^)  in  Latwju  dainas  4991,  4  b  und  in  den  aufzeichnungen 
aus  dem  dialekt  der  preussischen  Letten,  die  ich  der  gute 
hm.  L.  Behrsins  verdanke;  neben  pirms  ist  jetzt  pirmäk  im 
gebrauch)  „ehe",  „früher"  und  senis  (Bielenstein  Lett  spr. 
II  273;  dafür  ist  üblicher  senak  oder  —  in  Paddern  —  sendks, 
wo  das  'S  vielleicht  auch  vom  comparativ  stammt)  „vor  zeiten'^ 
Doch  können  die  zwei  letzten  formen  auch  instrumentale  sein, 
wie  es  ganz  sicher  relis  „selten"  (Wolmar)  ist.  Unentschieden 
muss  ich  die  frage  lassen,  ob  das  -is  in  labis  ursprünglich  ist 
(wie  in  pr.  täiis)  oder  aus  -ais  gekürzt  ist  (vgl.  pr.  massais 
„weniger",   Berneker  210);    denn   in    lautlicher   hinsieht  ist 


nätras  un  nezdUs  vairs  BtÜaja  saulgikt  (der  schrift  eines  kurländers  ent- 
nommen) „es  gibt  nur  noch  nesseln  und  unkrant  im  warmen  Sonnen- 
schein" für  fehlerhaft  ausgibt  und  darin  einen  germanismus  sieht,  so 
mnss  ich  dagegen  entschieden  protestieren.  In  Wolmar  und  anderwärts 
steht  eben  vairB  nach  tik(ai)  „nur**  auch  in  positiven  sätsen.  Im  übrigen 
ist  das  wort  vielleicht  wurzelverwandt  mit  vtrB  „mann*',  vgl.  got.  ma- 
nags  :  aksl.  mq^h.  Unverkennbare  comparativbedeutung  hat  das  wort 
z.  b.  im  folgenden  satz:  katters  arridtezan  tcayrs  gir  neka  wens  Prophetz 
„der  auch  mehr  {fieiCov  rt)  ist  als  ein  prophet*^  (Evangelia  und  Episteln, 
Riga  1615). 

1)  Vgl.  auch  Mühlenbach,  Daschi  jautajumi  in  68. 


J.  Endzelin  317 

meiner  ansieht  nach  beides  möglich  ^).  Sollte  valrs  über 
*vairi8  anf  *f>airais  zurückgehen,  so  sollte  das  t  wohl  sich  er- 
halten haben,  doch  ist  der  verlast  desselben  in  diesem  so  ge- 
bräuchlichen adverb  nicht  auffallender,  als  etwa  der  verlust  des 
i  in  pSc  „nach'^  aus  pedis  (vgl.  Mühlenbach,  Dafchi  jauta- 
jumi  in  87  f.  und  102)  oder  in  driz  „bald''  aus  drlzi  u.  a. 
(vgl.  Zubat^,  Flick  vokale  7).  Dass  aber  in  labis  auch  die- 
selbe endung  vorliegen  kann  wie  in  pr.  tälis,  dafür  dürften 
sprechen  bei  Mancelius  vorkommende  formen  wie  n.  s.  avis 
„schaff,  veais  „gast''  (dazu  der  n.  pl.  und  acc.  pl.  v'Ssis,  also 
ein  i-stamm ;  heute  n.  pl.  vesi),  neben  denen  auch  formen  ohne 
t  wie  sirds  „herz'^  vorkommen.  Freilich  ist  es  nicht  ganz 
sicher,  dass  in  den  angeführten  nom.  s.  wirklich  altes  i  vor- 
liegt. Man  müsste  auch  für  die  zeit  des  Mancelius  erwarten, 
dass  der  nom.  s.  —  sirds,  der  gen.  s.  dagegen  —  sirdis  lautet 
(regelrecht  heisst  es  in  der  Dispositio  imperfecti:  n.  s.  sirdä, 
gen.  s.  sirdis;  bei  Mancelius  dagegen  schwankt  die  endung  im 
gen.  s.  zwischen  -s  und  -is  wie  im  nominativ ') :  püis  „der  bürg" 
neben  sirds  „des  herzens").  Ferner  beachte  man,  dass  dialek- 
tisch noch  heute  der  nom.  s.  der  t-stämme  auf  -is  auslautet: 
Bezzenberger,  Lett.  diaL-stud.  160,  führt  aus  Puseneeken 
und  Schlehk  den  nom.  s.  zivis  „fisch"  an,  und  ich  habe  mir  in 
Kabillen  die  nom.  s.  güvis  ')  „kuh",  zuvis  „fisch",  sirdis  „herz", 

1)  Die  behaaptang  Poriezinskijs  (CöopnHRi»  craTett,  nocBim^eHHux'b 
^.  6.  ^oprynaTOBy,  626  und  646),  dass  im  Lettischen  der  diphthong  ai 
in  endsilben  nirgends  zu  t  gekürzt  sei,  hat  für  mich  nichts  überzeu- 
gendes; wie  will  denn  herr  Poriezinskij  die  alten  dative  von  a-stämmen 
auf  -t  erklären,  die  in  erstarrten  redewendungen  (z.  b.  pa  Iaht  ruki  „znr 
rechten  band'*,  pa  fest  „wahrlich"  n.  a),  bei  Mancelias  und  dialektisch 
auch  noch  heutzutage  vorkommen?  Dass  die  jetzt  üblichen  formen  wie 
rüktn  nicht  lautgesetzlich  sind  und  ihren  Ursprung  der  pronominalen 
flexion  verdanken,  hat  schon  Zubaty  vermutet  (Flickvokale  8),  sogar 
—  dem  anscheine  nach  —  ohne  die  erhaltenen  formen  auf  -i  zu  kennen. 
Vgl.  dazu  Zubaty,  Oenitivendungen  11.  Für  den  entsprechenden  wandel 
von  auslautendem  -au  zu  -ti,  der  von  PorSezinskij  (ibidem)  gleichfalls  in 
abrede  gestellt  wird,  ist  ein  sicheres  beispiel  die  form  puhi  ,,entzwei"  : 
lit.  punau. 

2)  Die  gleiche  inconsequenz  findet  man  in  den  allerältesten  letti- 
schen drucken  von  1586  und  1587. 

8)  Durch  diese  Schreibung  soll  die  tonlosigkeit  des  t  bezeichnet 
werden;  kurze  endvocale  der  mittleren  dialekte  werden  dort  (in  Ka- 
billen und  anderwärts),  meist  tonlos  gesprochen. 


318  Lettische  comparativbildungen. 

p'irtts  yybadstube'S  acis  „äuge''  (dieselbe  form  hat  dort  der  gen. 
8.,  also:  güvis)^  in  Samiten  güvis,  zuvis  gemerkt  Wenn  man 
endlich  bedenkt,  dass  in  den  tahmischen  mundarten  von  Puse- 
neeken  und  Schlehk  sogar  ursprünglich  lange  suffixvocale  ge- 
kürzt und  teilweise  ganz  geschwunden  sind  und  auch  den 
mundarten  von  Kabillen  und  Samiten  derartiges  nicht  ganz 
fremd  ist  ^),  so  wird  man  wohl  schwerlich  an  erhaltung  des 
ursprünglichen  i  in  den  genannten  nominativen  denken.  Wahr- 
scheinlich ist  in  Kabillen  und  anderwärts  das  i  aus  dem  ge- 
nitivy  wo  es  lautgesetzlich  war,  auf  den  nominativ  übertragen, 
und  in  den  übrigen  mundarten  der  genitiv  dem  nominativ  an- 
geglichen worden  (etwa  nach  dem  muster  der  consonantischen 
oder  gar  u-stämme  >),  wo  der  nom.  und  gen.  s.  vielleicht  schon 
zu  einer  früheren  zeit  die  gleiche  form  erhielten?).  Wenn  diese 
annähme  richtig  wäre,  so  würde  man  auch  das  schwanken 
zwischen  -is  und  -«  bei  Mancelius  leicht  verstehen.  Oleichwohl 
halte  ich  es  nicht  für  unmöglich,  dass  in  der  form  hbia  altes 
i  vorliegt,  das  aus  irgend  einem  uns  unbekannten  gründe  er- 
halten blieb ")  (etwa  um  den  zusammenfall  dieser  form  mit  dem 
nom.  s.  des  adjectivs  Icibs  zu  vermeiden?).  Was  nun  endlich 
die  formen  vairi  und  vaira  anbetrifft,  die  ich  nur  aus  Volks- 
liedern kenne,  so  muss  man  das  -i  und  -a  dieser  formen  wohl 
für  flickvocale  ansehen,  was  keine  Schwierigkeit  bereitet  In 
den   formen   vair,  vais,  vai  haben  wir   Verstümmelungen   vor 

1)  Belege  werden  in  einer  znsammenhängenden  darstellung  dieser 
mundarten  gegeben  werden. 

2)  Für  unrichtig  halte  ich  die  behauptung  Brückners  (A.  f.  sl. 
ph.  III  250),  dass  ein  gen.  s.  wie  dkmwM  (die  qualitat  des  e  in  diesem 
wort  ist  mir  unbekannt,  doch  vergl.  den  gen.  ruderu  „des  herbstes*'  mit 
geschlossenem  e  ans  Weinschenken)  „des  steines"  nur  auf  eine  neubil- 
düng  *dktMn%9f  nicht  aber  auf  eine  consonan tische  form  (wie  lit.  ak- 
mM)  zurückgeht,  was  durch  die  erhaltung  des  -en-  bewiesen  werde. 
Auch  wenn  ahmen»  (gleich  lit.  akmenti)  auf  ^akmenes  zurückgeht  (und 
das  halte  ich  für  ausgemacht),  musste  das  -an-  erhalten  bleiben.  Ebenso 
wenig  kann  ich  Brückner  beipflichten,  wenn  er  (A.  f.  sl.  ph.  m  284) 
für  einen  gen.  s.  wie  i^ds  eine  rein  lautliche  entwickelung  aus  ^nrdäs 
annimmt;  eine  grundform  *sird¥8  möchte  aber  auch  ich  fürs  Urlettische 
annehmen.  Anders  darüber  Bezzenberger,  Beitr.  z.  Oesch.  d.  lit. 
spr.  182. 

8)  [Viel  wahrscheinlicher  scheint  mir  jetzt  die  annähme,  dass  tahis 
aus  *lahai8  entstanden  ist.    Eorrektumote.] 


J.  Endzelin  319 

uns,  denen  adverbia  und  partikeln  nicht  selten  ausgesetzt  sind, 
vgl.  Bezzenberger  Lett  dial.-stud.  46  und  Zubat^,  Flick- 
vokale  13.  — 

Wenn  zwei  eigenschaften  verglichen  werden,  so  steht  im 
Lettischen  (wie  im  Lateinischen)  der  comparativ  beider  adjec- 
tiva,  z.  b.  sivenc  remdks  nekd  garäks  „das  ferkel  ist  mehr  dick 
als  lang"  (Eaugershof),  doch  steht  zuweilen  nur  das  erste  ad- 
jectiv  im  comparativ,  z.  b.  sunc  resnäks  kä  garä  „der  hund  etc." 
(Wolmarshof).  — 

In  einigen  westlivländischen  mundarten  entspricht  dem 
deutschen  „als"  nach  comparativen  die  praeposition  uz  (wie  üz 
im  Litauischen),  z.  b.  uz  manim  vecaks  „älter  als  ich"  (Lod- 
diger). — 

J.  Endzelin, 


Zu  den  lettischen  Zahlwörtern. 

In  lett.  vens,  lit.  venas  ist  das  anlautende  v  gewiss  kein 
produkt  einer  rein  lautlichen  entwickelung.  Ich  vermute  in 
dieser  form  falsche  teilung  einer  missverstandenen  Zusammen- 
setzung. Vielleicht  muss  man  lett.  ikvens  (der  wortaccent  ruht 
auf  der  zweiten  silbe),  lit  kSkvenas  , Jedweder"  in  *%k^"'4nw, 
^käcyb-^as  zerlegen.  Nachdem  *%ku,  *käku  zu  ik,  kek  ge- 
worden (der  abfall  eines  auslautenden  u  dürfte  in  diesen  isolirt 
stehenden,  sehr  gebräuchlichen  formen  zulässig  sein),  musste 
man  ikvens,  käcvenas  als  ik-vens,  käc-venas  auffassen  und  daraus 
das  numerale  vens,  lit.  vencis  abstrahieren.  Es  könnte  freilich 
der  angedeutete  Vorgang  auch  in  einer  andern  (uns  nicht  über- 
lieferten) Zusammensetzung  stattgefunden  haben.  — 

Die  zweizahl  lautet  bekanntlich  in  der  lettischen  Schrift- 
sprache divi  (masc.  und  fem.),  das  aus  *duvi  entstanden  ist, 
wie  schon  Bielenstein  (Lett.  spr.  II  62)  erkannt  hat;  dieses 
*duvi  ist  aber  nom.,  acc.  dualis  fem.  et  neutr.  und  somit  zu- 
nächst mit  aksl.  d^vi  identisch  (Bezzenberger,  Spr.  d.  preuss. 
Lett.  73;  Mühlenbach,  Dafchi  jautajumi  HI  49  und  IF. 
XIII  238).  Ich  will  hier  zunächst  über  den  umfang  und  die 
Verbreitung  des  Überganges  von  -uv-  zu  -iv-  sprechen,  den  ich 


320  Zu  den  lettischen  Zahlwörtern. 

als  eine  art  von  dissimilation  ansehe  ^)  (die  mittelstufe  wird 
wohl  -ÜV'  gewesen  sein).  Ausser  divi  bietet  der  mittlere  dia- 
lekt  noch  folgende  beispiele:  sivens  „ferkel''  und  zivs  „fisch^'. 
Diese  drei  Wörter  kommen  auch  in  der  Schriftsprache  nur  mit 
-it'-  vor;  dagegen  bietet  die  Schriftsprache  das  adverb  tuDu 
,,nahe"  (nebst  ableitungen)  im  gegensatz  (wenigstens  teilweise) 
zum  mittleren  dialekt.  Denn  für  tuvu  spricht  man  im  grössten 
teil  von  Westlivland  (vgl.  Rakstu  Eräjums  XIII  81)  tivu,  ander- 
wärts tüfnu  (z.  b.  in  Dickein),  tidu  (z.  b.  in  Trikaten)  oder 
tütau  *)  (z.  b.  in  Bauske)  und  mit  regelrechtem  Schwund  des 
iv  vor  u  tüu  ")  (z.  b.  in  Erons-Würzau).  Freilich  habe  ich  im 
mittleren  Kurland  an  einigen  orten  (Ruhenthal,  Strutteln,  Kal- 
nazeem  u.  a.)  auch  tuvu  gehört;  doch  heisst  „nahe"  in  Mittel- 
kurland gewöhnlich  kldtu  oder  auch  (in  Samiten  und  Bixten) 
isi  (so  spricht  man  in  Samiten:  vi'Aä  man  isi  rada  „er  ist  mir 
nahe  verwandt'*;  tsinäcs  „ein  naher  verwandter*^;  uz  isäkä  meza 
brauM  „zum  näheren  wald  fahren**).  Es  wäre  daher  möglich, 
die  form  tuvu  in  Ruhenthal  u.  a.  dem  einfluss  der  Schrift- 
sprache zuzuschreiben  (der  einfluss  derselben  macht  sich  jetzt 
in  allen  mundarten  stark  geltend);  es  fragte  sich  dann  nur, 
woher  das  tuvu  in  der  Schriftsprache,  die  doch  auf  dem  mitt- 
leren dialekt  beruht.  Vielleicht  ist  dieses  tuvu  eine  ungenaue 
Schreibung  für  tü(w)u,  denn  das  ü  wird  hier  vor  (u))u  etwas 
kürzer  gesprochen,  als  vor  andern  lauten.  Ferner  hat  man  -uv- 
im  schriftlettischen  druva  „Saatfeld**;  und  nur  mit  -uv-  kennen 
dieses  wort  auch  die  meisten  mundarten.  Ich  habe  zwar  selbst 
mir  dieses  wort  nur  aus  Gross-Pönau  und  Behnen  im  gebiet 
des  mittleren  dialekts  notiert,  doch  zeugen  für  die  weite  Ver- 
breitung dieser  form  die  nummern  13,  2427,  4506  u.  a.  der 
Latwju  dainas.    Die  form  driva  *)   habe   ich    bis  jetzt  nur  in 

1)  Auch  bei  Ulmann,  aber  ohne  angäbe  des  fundortes,   angefahrt. 

2)  Vielleicht  läset  sich  damit  umbr.  acc.  pl.  iveka  od.  iuenga  s= 
lat.  juvtncas  vergleichen.  8)  Mit  to  sei  hier  tf  bezeichnet. 

4)  Alle  diese  formen  können  mit  verschiedenen  saf6xen  von  einer 
wurzelform  tu-  abgeleitet  sein,  von  der  wahrscheinlich  auch  lit.  iuliu 
„so  mancher*',  pr.  tulan  „viel**,  aksl.  tifii  „fett  werden**  u.  a.  stammen. 
Da  aber  die  meisten  lettischen  mundarten  auf  eine  grundform  iüwu  zu- 
rückweisen, so  sind  tülu  und  ^t^rnt«  (wären  diese  formen  alt,  so  müssten 
sie,  wie  lit.  tula«,  den  acut  haben)  vielleicht  neubildungen ;  tülu  könnte 
auf  iüu  zurückgehen  und  das  /  von  seinem  gegensatz  tälu  „fem**  be- 
logen haben  I  schwieriger  ist  das  m  in  tümu^  vielleicht  stammt  es  aus 


J.  Endzelin  321 

Yolksliedern  gefunden,  die  ans  hochlettischem  gebiet  stammen, 
z.  b.  in  13,2,  2427,2,  2448,  i,  4506,  xc,  4507  c  der  Lat^iju 
dainas;  und  mir  scheint  es  sehr  bedenklich,  auch  hier  an  laut- 
gesetzlichen wandel  des  uv  in  iv  zu  denken  (weiter  unten  wird 
gezeigt  werden,  dass  wenigstens  vielen  hochlettischen  mund- 
arten  dieser  lautwandel  fremd  ist).  Bekanntlich  gibt  es  im 
Litauischen  ein  wort  dirvh  „acker^^;  und  im  hochlettischen  ge- 
biet ist  die  entsprechende  form  ebenfalls  bekannt,  vgl.  dirvans 
„neu  aufgenommenes  dreeschland'*  (bei  Ulmann  nach  Lange 
aus  dem  Oberland  angeführt,  wohl  in  phonetisch  ungenauer 
Schreibung)  und  derva  (=  druva)  in  einem  Volkslied  (Latwju 
dainas  4506,  2)  aus  Ludsen;  derva  ist  aus  *dirva  entstanden, 
wie  gen.  s.  terga  1194,  2  aus  tirga,  n.  pl.  sermi  2469,  2  aus 
sirmi,  n.  pl.  part.  cerstis  3086  (der  nachtrage)  aus  *cirsti8 
(»  niederlett.  cirstas)  u.  a.  Ich  halte  es  fiir  wahrscheinlich, 
dass  driva  durch  contamination  von  druva  und  *dirva  ent- 
standen ist.  Endlich  findet  sich  nur  uv  nach  r  in  den  Wörtern : 
druvis  „Schauder^'  und  druviies  „sich  fürchten"  (von  Ulmann 
ohne  angäbe  des  fundortes  angeführt),  ruvetes  „ruhig  werden, 
sich  legen'*  (bei  Ulmann  aus  Eremon  angeführt;  wahrscheinlich 
entlehnt),  hruva  (bei  Ulmann)  „haufe'S  gruva  (Ulmann)  „schutt'S 
„ausgefahrene  gruft'S  kruweii  (Wolmar)  oder  (nach  Ulmann) 
auch  gfuweäi  „gefrorener  kot'^  Nach  andern  lauten  kommt 
noch  (ausschliesslich)  uv  vor  in  nuvejais  „der  jetzige'*  (bei  Ul- 
mann aus  \Vitebsk  angeführt;  phonetisch  wohl  ungenau  ge- 
schrieben) und  in  puweäi  „eiter''.  Das  letztere  wort  könnte 
natürlich  in  bezug  auf  das  u  von  put  „faulen"  beeinflusst  sein 
und  käme  dann  nicht  in  betracht;  das  gleiche  gilt  von  den 
praeterita  guwu,  Suwu  (in  Wolmar  lautet  auch  das  praesens : 
äuwu),  gruwu,  H'uwu,  puwu,  zuwu,  die  ihr  u  den  übrigen  ver- 
balformen verdanken  könnten  und  zum  teil  (äuwu,  zuwu  neben 
aivens,  zivs)  wahrscheinlich  wirklich  verdanken  i).  Schwer  zu  be- 
urteilen (sogar  zu  lesen)  ist  die  form   büwis  oder  buewü  „ge- 

Ul{w)ufnä  „in  der  nähe",  wofür  man  im  schnellen  sprechen  auch  Mm^ 
hören  durfte  (belege  habe  ich  gerade  nicht).  Die  von  Ulmann  ans 
Hasenpoth  angeführte  form  tifaki  ist  eine  contamination  von  h^'Ski  and 
und  tiväki, 

1)  [In  Latwja  dainas   1843,  1   findet   sich   tatsächlich   die    hoch- 
lettische form  syvu  <^  *i%vu..  Eorr.-note.] 

Bei'  Ige  z.  Inmde  d.  indp.  spraeben.    XXVII.  21 


3^  Zu  den  lettischen  Zahlwörtern. 

wesen^'  aus  dem  enchiridion  >)  (vgl.  Bezzenberger,  Einleitung 
XIII)  neben  scbrifblett.  bijis  und  westkurisch  buiß  (Dubenalken, 
Schlehk,  Samaten,  Suhrs;  dazu  das  praeteritum  bui  aus  Popen  *); 
vgl.  aucb  Bezzenberger,  Lett  dial.-stud.  94);  eine  erörterung 
dieser  formen  würde  uns  hier  zu  weit  ins  gebiet  der  verbalen 
Stammbildung  ablenken  und  doch  schwerlich  mehr  als  blosse 
hypothesen  erzielen;  sicher  scheint  nur  das  eine,  dass  das  i  in 
biju  „ich  war^'  ursprünglich  ist  (vgl.  Bezzenberger,  Beitr.  z. 
gesch.  d.  lit  spr.  207).  In  suffixaler  Stellung  scheint  -uv-  ge- 
meinlettisch zu  sein,  vgl.  namentlich  die  Wörter  auf  -tuva  oder 
--tuve  (Bielenstein,  Lett.  spr.  I  274);  freilich  finden  sich  in 
einigen  mundarten  auch  bildungen  auf  ~ive;  so  finde  ich  in 
Latwju  dainas  z.  b.  raudiv'eü'e  2513,  2,  a.  s.  slauktiveiH 
2217,  2,  mcd'tweit'e  695,  2  (vgl.  auch  678  und  680,  2).  Die 
citierten  lieder  stammen  aus  hochlettischem  gebiet,  und  aus 
einer  hochlettischen  mundart  (Swirdsen)  entnimmt  auch  Bezzen- 
berger (Lett.  dial.-stud.  95)  die  formen  rcmdive  und  värstive; 
aus  einer  niederlettischen  mundart  (Gross-Essem)  stammt  die 
nummer  4714,  wo  man  neben  rauduvfte  auch  raudivUe  findet  '). 
Das  i  in  diesen  bildungen  muss  man  wohl  anders  beurteilen 
als  das  t  in  divi  u.  a.;  man  beachte  daneben  bildungen  mit 
der  lautfolge  -et?-  :  raudemte  2513,  2  c  und  2515  und  ItgeviAa, 
cäeviAa,  DaugeviAa  (aus  Saussen,  nach  E aulin,  o.  XII  216). 
Man  wird  also  für  den  mittleren  dialekt  mit  einiger  Sicherheit 
folgendes  lautgesetz  annehmen  können:  in  Wurzelsilben  bleibt 
■^ih  nach  r  erhalten,  nach  d,  t,  z,  s  dagegen  geht  es  in  -fV 
über^);  in  sufQxaler  Stellung  bleibt  es  immer  erhalten^).  Es 
bleibt   die  frage  übrig,   ob  u  auch   vor   anderen   labialen  in  t 

1)  [Da  im  enchiridion  im  (ü)  nur  den  lautwert  eines  langen  ü  oder 
eines  ü  (ans  t)  hat,  so  kann  auch  bttewis  {büwii)  nur  als  bävis  (aus 
*bivia)  gelesen  werden.    Eorr.-note.] 

2)  Vgl.  anch  bi^funu  „hab  und  gut'*  (bei  Ulmann  aus  Pebalg  an- 
gefahrt). 

8)  Man  beachte  daneben  die  formen  n.  pl.  zuvis,  n.  s.  tuv^ns^  d.  pl. 
dt^äm  aus  Oross-Essem. 

4)  Für  die  übrigen  laute  fehlt  es  an  sicheren  beispielen ;  vgl.  hiezu 
den  durch  bestimmte  naohbarlaute  bedingten  wandel  des  u  in  t  im 
Lateinischen  (Sommer,  Lat.  laut-  und  formenlehre  83). 

6)  Der  Übergang  von  uv  zu  iv  findet  sich  auch  in  lit.  mundarten: 
brivai  „augenbrauen",  a.  pl.  Uvm  „fische".  Mitt.  d.  lit.  litter.  ges. 
IV  168. 


J.  Endzelin  323 

übergeht?  Ich  glaube,  man  muss  darauf  eine  verneinende 
antwort  geben.  Neben  schriftlett.  tumsa  „dunkelheit'^  kommt 
meines  wissens  nur  im  Hochlettischen  timsa  vor  (vgl.  Latwju 
dainas  3426  und  Bezzenberger,  Lett  diaL-stud.  95),  und 
diese  Verschiedenheit  ist  anders  zu  beurteilen,  wie  lit.  timsras 
und  aksl.  thtnhm  zeigen  ^).  Das  gleiche  gilt  von  schriftlett.  äk'ipele 
„schaufeP'  neben  westkurischem  (z.  b.  in  Preekuln  und  Sacken« 
hausen)  Sk'upele:  hier  erklärt  sich  das  nebeneinander  von  u 
und  i  durch  die  lautliche  gestalt  der  entsprechenden  platt- 
deutschen formen  „schüffel'^  oder  „skuppel"  (Zeidler,  Mag.  d. 
lett.  liter.  ges.  XVI 1,  69).  Vgl.  ausserdem  die  gemeinlettischen 
formen  tupet  „hocken'*,  upe  „fluss''  u.  a.  Sehr  schwer  zu  be- 
urteilen ist  nur  das  eine  wort  dibens  oder  (in  Wolmar)  dibihc 
„boden^S  „grund^' ;  so  viel  ich  weiss,  ist  t  in  diesem  worte  dem 
ganzen  mittleren  dialekt  eigen  (nur  aus  Burtneck  fuhrt  Ulmann 
die  form  dubengals  an),  und  auch  aus  dem  hochlettischen  ge- 
biet kenne  ich  bis  jetzt  nur  formen  mit  i,  z.  b.  dibänc  *)  (Palz- 
mar,  wo  man  zuve  und  suvänc  spricht),  vgl.  auch  Latwju  dainas 
4976  1  und  1943,  12  und  Kaulin ,  o.  XII  224.  Den  w-vocal 
zeigt  dieses  wort  in  westkurischen  mundarten  (Bezzenberger, 
Lett.  dial.-stud.  160  und  Spr.  d.  pr.  Lett.  118):  dubens  (z.  b. 
in  Zirau),  dubenc  (z.  b.  in  Gramsden),  dubans  (z.  b.  in  Pilten). 
Und  zwar  kennt  man  in  Westkurland  dort,  wo  man  dieses 
wort  mit  u  spricht,  in  der  regel  auch  die  lautfolge  -ut?- ;  dieser 
umstand  spricht  scheinbar  sehr  zu  gunsten  der  ansieht,  dass 
'Ub-  in  diesem  wort  in  gewissen  mundarten  lautgesetzlich  zu 
'ib-  geworden  ist.  Doch  kann  ich  mich  nicht  enschliessen,  eine 
solche  ansieht  hier  zu  vertreten,  denn  dieselbe  Hesse  das  -ii6- 
in  dubti  (gemeinlettisch)  „kot"  unerklärt  (dazu  bei  Ulmann  die 
formen  dubt  „einsinken"  und  aus  Neu-Autz  dtAu  „garbe"). 
Man  könnte  ja  etwa  an  verschiedene  behandlung  des  -t4Ä-  je 
nach  der  betontheit  oder  unbetontheit  der  silbe  denken,  doch 
wäre  dieses  eine  so  vage  hypothese,  dass  sich  mit  ihr  nichts 
anfangen  lässt.  Ich  bin  daher  geneigt,  an  Vermischung  von 
zwei  wurzeln  zu  denken,  vgl.  aksl.  dhbrh  „schlucht",  russ.  debrt 


1)  Ebensowenig  gehört  wohl  hierher  hochlett.  kymeuey»  (von 
Bezzenberger  o.  XXI  316  angeführt)  aus  ^kimüstB  neben  niederlett. 
kumüsa  „bissen**. 

2)  Mit  ä  bezeichne  ich  einen  zwischen  f  und  a  stehenden,  sehr 
offenen  e-Iant. 

21* 


324  Zu  den  lettischen  Zahlwörtern. 

„schlucht'S  „wald  in  einer  niedemng*'.  —  Ich  gehe  nun  über 
zu  der  frage,  wie  die  lautfolge  -uv-  im  Hochlettischen  behan- 
delt ist;  da  ich  aber  zur  zeit  diesen  dialekt  aus  eigener  an- 
schauung  nur  zum  geringen  teile  kenne,  kann  ich  hier  nichts 
abschliessendes  geben,  sondern  beschränke  mich  auf  folgende 
angaben.  Für  schriftlett.  iv  in  zivs  und  sivfns  spricht  man  un 
(nebst  sonstigen  Veränderungen  dieser  wortformen)  in  Palzmar, 
Orundsahl,  Adsel,  Odensee  und  (nach  Treu,  Mag.  d.  lett.  liter. 
ges.  Xm  1,  22)  in  Oppekaln  und  (nach  Mag.  XIH  3,  70)  in 
Setzen  und  (nach  Eaulin,  o.  XII  232)  in  Saussen  (neben  tipu 
und  tuwä€t^)y  vgl.  auch  Bezzenberger,  Lett.  dial.-stud.  95. 
Dagegen  finde  ich  "iv-  in  den  formen  g.  pl.  zyvu  (Latwja 
dainas  2673  S  1),  tyvu  3709  S  divi  4993,  1  und  2142  i 
(alle  diese  Volkslieder  stammen  aus  dem  Witebskischen);  in 
der  zweizahl  scheint  der  hochlettische  dialekt  nur  -iv-  zu 
kennen.  —  In  den  westkurischen  mundarten  ist  das  u  ^), 
von  einiger  beeinflussung  durch  die  Schriftsprache  abgesehen, 
noch  treu  bewahrt.  Den  schriftlettischen  divi,  zivs,  sivSfis,  tuvu 
entsprechen  hier  dui  oder  auch  duj  oder  (in  Schlehk,  Pilten) 
du;  ZÜ8  (Gramsden,  aus  zuica)^  zuve  oder  zuvis  (Kabillen)  oder 
zuj^  (Iwanden);  suv^a  (Gaweesen)  oder  suvfnc  (Rutzau);  tuju 
oder  (im  Tahmischen)  mit  vocalschwund  tuj ').  Es  muss  uns  nun 
die  frage  beschäftigen,  auf  welche  grundform  das  westkurische 
duj  zurückgeht  Denn  dui  ist  nur  in  der  ausspräche  von  duj 
verschieden ,  und  auch  du  entspricht  nicht  etwa  dem  lit  di^  >) 
(dieses  bemerke  ich  wegen  Brückner,  Arch.  f.  slav.  phil. 
IV  24;  dem  lit.  dii  würde  lett  "^dü  entsprechen),  sondern  ist 
nur  eine  Verstümmelung  von  duj,  vgl.  die  formen  III.  praes.  re 

1)  Die  geographische  yerbreitung  des  u  in  Westkarland  kann  man 
ungefähr  aas  Bielensteins  „Atlas  der  ethnolog.  geographie  des  Letten- 
landes" (karte  VI,  isoglosse  4)  ersehen;  indem  ich  die  einzelheiten  für 
eine  sasammenhängeude  darstellang  vorbehalte,  bemerke  ich  hier  nar, 
dass  die  betreffende  isoglosse  zam  teil  weiter  nach  osten  ea  hatte  ge- 
zogen werden  sollen. 

2)  Die  von  Ulmann  gebotene  form  tffaki  (aas  Hasenpoth)  ist  eine 
oontamination  von  tiväki  und  iujäiei.  [Zar  bearteilang  der  oben  ange- 
fahrten form  tümu  „nahe"  führe  ich  hier  nachträglich  aas  der  lettischen 
märchensammlang  von  Lerchis-Puschkaitis  YII,  1,  75  den  loc.  s.  tiunä 
(aas  M(tr)tima)  „in  der  nähe"  (aas  Wohlfahrt)  an.    Eorr.-note.] 

8)  Damit  ist  aach  das  arteil  über  Brückners  erklärang  von  da^ 
(Arch.  f.  slav.  phil.  IV  24)  gefallt. 


J.  Endzelin  325 

„bellt**  aus  rej,  fragepartikel  va  aus  wA  (Schlehk),  imp.  'äe 
yygiesse  ein**  aus  elej  (Alschwangen),  imp.  Su  „nähe*'  aus  iuj 
(Duhren),  imp.  e  „geh'*  aus  ej  (Füssen),  partikel  la  aus  lai 
(Stenden);  n.  s.  mä  „haus*^  über  mäj  aus  mäja  (Pilten)  u.  a. 
Auch  wäre  es  an  und  für  sich  recht  unwahrscheinlich,  dass 
das  nur  in  einem  kleinen  gebiete  bekannte  du  auf  eine  andere 
grundform  zurückginge,  als  das  sonst  in  Westkurland  übliche 
duj.  Durch  recomposition  ist  du  auch  in  die  zusammenge- 
setzten Zahlwörter  gedrungen,  z.  b.  dudesmit  „zwanzig**  (Schlehk) 
für  älteres  duidesmü  (Ooldingen).  Dieser  au&ssung  von  du 
widerstreitet  auch  nicht  das  offenbar  sehr  alte  ^)  compositum 
duceles  „zweirädriger  wagen**  (Sackenhausen  und  weiter  süd- 
wärts am  strande),  denn  sonst  heisst  es  in  Sackenhausen  dui 
(nicht  du/)  und  duipacmä  „zwölf*.  Das  hohe  alter  dieser 
form  *)  nötigt  uns  vielmehr,  das  du-  in  duceles  mit  dem  italischen 
du-  *)  in  lat  ducenVi,  duplex,  umbr.  tu^plak  zu  identificieren 
(in  ital.  du-  mit  Brugmann  und  Sommer  eine  neubildung 
zu  sehen ,  liegt  eben  kein  zwingender  grund  vor).  Dieses  duj 
nun,  das  sich  als  die  gemeinwestkurische  ^)  form  der  zweizahl 

1)  Das  Simplex  (vgL  preoss.  kelan^  aksl.  kolo  „rad**)  ist  nämlioh 
nicht  mehr  bekannt  (in  der  alten  bedeatong);  eelü  (\ii,k0lp$)  heisst  nur 
noch  „kniescheibe"  (dazu  auch  eeTi  „weg").  In  Zirau  sagt  man  dafür 
duiriUiii. 

2)  For  duceles  kommt  in  andern  mundarten  (Nieder-Bartan  u.  a.) 
die  form  dieele  vor;  wie  dieselbe  zu  benrteilen  ist  (die  zweizahl  lautet 
in  Nieder-Bartan  du£^,  lasse  ich  nnentsohieden. 

8)  Dieses  du  könnte  die  aller&lteste  form  der  zweizahl  gewesen 
sein,  ans  der  durch  anfngang  der  doalischen  oasasendang  die  formen 
*<fy9(y)  oder  *<2i#ffÖ(y)  entstanden. 

4)  Die  form  duva  nämlioh,  die  Bielenstein  (Lett.  spr.  11  64) 
ans  Sackenhansen  anfahrt  (ohne  zu  sagen,  ob  er  dieselbe  selbst  gehört 
hat  oder  der  mitteilang  eines  andern  verdankt),  scheint  mir  za  schlecht 
beglaubigt.  Zwar  will  ich  den  umstand,  dass  zwei  von  mir  befragte 
ältere  personen  aus  Sackenhausen  nur  dui  kannten,  als  keinen  entschei- 
denden gegenbeweis  ansehen,  doch  sonst  scheint  mir  die  form  duva 
sehr  sonderbar  zu  sein.  Sollte  dieselbe  wirklich  vorkommen,  so  könnte 
sie  eine  neubüdnng  (aus  der  zeit,  wo  in  die  zweizahl  noch  nicht  das  j 
eingedrungen  war)  nach  aba  sein,  vgl.  aba-dui  „beide**  (Nieder-Bartau, 
Eruhten  u.  a.) ;  dieses  aba  scheint  mir  durch  vocalassimilation  entstanden 
zu  sein  aus  dem  alten  nom.  acc.  masc.  g.  *abu  (vgl.  den  acc.  abud^  in 
der  Dispositio),  als  das  -n  nicht  mehr  als  dnalendung  lebendig  war.  Zu 
der  angenommenen  assimilation  vgl.  z.  b.  muf^ura  „rucken**  aus  älterem 


326  Zu  den  lettischen  Zahlwörtern. 

erweist,  kann  nicht,  wie  Bezzenberger  (Spr.  d.  preuss. 
Lett.  73)  anzunehmen  scheint,  mit  dem  schriftlett.  divi  aus 
*duvi  der  bildnng  nach  identisch  sein.  Denn  ein  *duvi  müsste 
in  Westkurland  diese  seine  lautliche  gestalt  durchaus  bewahrt 
haben,  vgl.  den  acc.  s.  zuvi  „den  fisch^*  (im  südlichen  West- 
kurland). Der  laut  v  oder  w  schwindet  nämlich,  wie  weiter 
unten  gezeigt  werden  wird,  regelmässig  nur  vor  u  und  ü.  Frei- 
lich kommt  in  einzelnen  mundarten  wegfall  des  v  (w)  auch  vor 
andern  vocalen  vor:  zu^ina  „fischlein''  aus  zu{w)itina,  neben 
ztM)e  und  suvsnc  (Preekuln),  n.  pl.  zues,  n.  s.  sapuis  „verfault" 
(Migranden),  d.  pl.  güim  „den  kühen"  (Schmarden),  suaits 
„ferkeP'  (Pilten),  woraus  weiterhin  mtis  (Schlehk;  hier  hat  sich, 
wie  überhaupt  in  Westkurland,  der  fallende  ton  dem  stosston 
angeglichen)  oder  suns  (Samaten;  dagegen  in  Sirgen,  Wensau, 
Suhrs  u.  a.  noch  suvans).  Dies  sind  aber,  wie  gesagt,  nur  ver- 
einzelte fälle,  deren  keiner  allen  oder  auch  nur  den  meisten 
westkurischen  mundarten  eigen  ist,  während  duj  gemeinwest- 
kurisch  ist;  ja,  es  zeigt  sich  das  j  sogar  in  allen  casus  und 
ableitungen :  gen.  müduju  „unser  beider''  (Rutzau),  dat.  dujüm  ^) 
(Leitischneeken)  oder  dujem  (Preekulu),  fem.  dujäm  (Durben), 
loc.  dujüs  (Sackenhausen);  dujata  „zu  zweien'^  (Gramsden), 
woraus  weiterhin  du^  (Kalleten);  diijäd  „zweierlei"  (Samaten); 
das  V  habe  ich  nur  noch  in  der  ableitung  duvejdd'  „zweierlei" 
(Alschwangen  u.  a.)  gehört,  vgl.  dazu  Bezzenberger,  Spr.  d. 
preuss.  Lett.  72  und  118.  Wie  duj  aufzufassen  ist,  zeigt  uns 
das  ebenfalls  gemeinwestkurische  tuju  „nahe",  das  offenbar  über 
*tuu  auf  tuvu  zurückgeht.  Also  führe  ich  duj  ans  *duju  über 
*duu  auf  *duum,  die  form  des  nom.  acc.  masc.  g.  (==  aksl. 
d%va\  zurück.  Bekanntlich  war  im  Lettischen  und  Litauischen 
der  Schwund  des  ^  vor  u  und  ü  und  des  %  vor  i  von  jeher 
lautgesetzlich  (Brugmann,  Grdr.  I«  289,  337,  340).  In  den 
verschiedenen  paradigmata  wird  dieses  lautgesetz  zwar  vielfach 
durch  den  sjstemzwang  durchbrochen,  aber  doch  hört  man 
auch  die  regelmässigen  formen :  nom.  s.  part.  fem.  g.  paguusi 

(vgl.  lit.  nugarä)  mugara  (im  nördlichen  Lettland),  oder  upurit  „opfern'^ 
auB  uperit  (so  noch  bei  ManceUas). 

1)  Diese  form  ist,  gleich  cAjüm  (Nieder-Bartaa)  und  trtßim  (Ober- 
Bartau,  Bezzenberger,  Spr.  d.  preuss.  Lett.  16),  eine  neubildong  mit 
ü  nach  dem  looativ,  nach  massgabe  des  femininums,  wo  a  im  loc.  and 
dat.  steht« 


J.  Endzelin  327 

von  pagüt  »»erlangen^'  (Butzau),  gen.  pl.  zuu  „der  fiscfae^S  nom. 
pl.  pari.  fem.  g.  samfla^äas  aus  safnela(w)uäa8  von  sam^lUt 
„zusammeulügen^^  (Nieder-Bartau),  I  s.  praet.  nükau  von  nükaüt 
„erschlagen''  (Wolmarshof);  nom.  s.  part.  masc.  g.  skreis  von 
skrU  „laufen''  (Nieder -Bartau),  demin.  paiinas  von  patjaa 
„kinderspielzeug^'  (Kumbern),  loc.  s.  leinä  „im  kleinen  tal"  von 
leja  (Wolmarshof)  u.  a.  Auch  wo  kein  vollständiger  Schwund 
eingetreten  ist,  spricht  man  doch,  soviel  ich  beobachtet  habe, 
in  der  regel  vor  u  und  ü  —  ^  (nicht  v)  und  vor  t  -i  (nicht  j). 
Es  mussten  also  aus  tuum  und  *duwu  in  Westkurland  lautge- 
setzlich die  formen  *tuu  und  *duu  entstehen;  dieselben  erhielten 
sodann  zur  Vermeidung  des  hiatus  ein  j,  sodass  tuju  und  *duju 
entstanden.  Da  nun  der  nom.  acc.  *duju  viel  gebräuchlicher 
war  als  die  übrigen  casus  und  ableitungen,  so  drang  auch  in 
die  letzteren  das  j  aus  "^duju  ein.  Ähnlich  muss  man,  glaube 
ich,  auch  das  j  auffassen  in  den  formen  nom.  s.  zuj^  „fisch" 
(Iwanden  u.  a.),  nom.  s.  g^je  ,,kuh''  (Lubb-Essern  u.  a.),  nom.  s. 
*a;0  „schaff'  (vgl.  dat.  pl.  ajam  und  acc.  pl.  afs  bei  Bezzen- 
b erger,  Lett.  dial.-stud.  160);  hier  wird  das  j  zuerst  in  den 
gen.  pl.  zuu  (so  in  Nieder -Bartau),  *g'd,u  (vgl.  güwu  in  Ea- 
billen),  *au  ^  (eine  solche  form  oder  auch  *awu  kann  ich  nur 
zufällig  augenblicklich  nicht  belegen)  regelrecht  aufgekommen 
und  von  da  aus  in  die  übrigen  casus  eingedrungen  sein,  zumal 
auch  in  diesen  (von  zuws  und  g^wB\  wie  oben  gezeigt  ist,  zu- 
weilen  der  hiatus  erscheint.  Das  j  in  *aj€  ist  eventuell  erst 
durch  den  einfluss  von  g'QJe  aufgekommen.  —  Nun  sollte  die 
form  *duju  das  -u  eigentlich  bewahrt  haben;  wenn  man  aber 
bedenkt,  dass  dieses  -u  zuletzt  ganz  isoliert  dastand  (der  dual 
war  ausgestorben),  so  wird  der  Schwund  desselben  in  einem  so 
gebräuchlichen  zahlwort  nicht  allzu  auffällig  erscheinen,  vgl 
dazu  ndst  ^)  „weg''  aus  *n^ü  (vgl.  lit.  atdü  und  lett.  cda^u 
„seitwärts  ab",  nach  Treu,   Mag.  d.  lett.  lit.  ges.  XIII  1,  26, 

1)  Dafür  finde  ich  in  der  Postille  des  Manzelius  die  regelrechte 
form  der  t-stämme:  awjo  I  806  oder  atf/o  11  24  (ich  lasse  die  formen 
ohne  transscription) ;  auch  glanbe  ich  im  südlichen  Westknrland  den 
gen.  pl.  atf/i«  gehört  zu  haben,  ohne  jedoch  leider  die  form  mir  gleich 
notiert  zu  haben. 

2)  Dialektisch  ist  nust  zu  nu  (nicht  zu  verwechseln  mit  der  prae- 
position  nü\)  verstümmelt.  Die  ungekürzte  form  nüitu  habe  ich  in 
Orandsahl  gehört. 


328  Zu  den  lettischen  Zahlwörtern. 

in  Oppekaln  gehräuohlich),  kad  ,,wann"  aus  *kadu  (Zuhat^, 
Flickvokale  20).  —  Etwas  schwierig  ist  das  du  der  Dispositio 
C^  ist  dort  längezeichen)  zu  beurteilen;  es  könnte  etwa  aus 
*duu  contrahiert  sein,  oder  (und  dieses  ist  mir  wahrscheinlicher) 
du  ist  die  hochlettische  form  (mit  dem  hochlettischen  wandel 
des  ü  zu  ü)  für  niederlettisch  *dü  («»  lit  du,  ai.  dväü  oder 
dvä).  Denn  die  Dispositio  ist  nicht  (wie  Bielenstein,  Mag. 
d.  lett  lit.  ges.  XIII  3,  103,  sich  ausdrückt)  „in  niederlettischem 
dialect  mit  nur  wenig  hochlettisoher  färbung"  verfasst,  sondern 
ist  eine  vom  Verfasser  vorgenommene  willkürliche  mischnng 
einer  streng  hochlettischen  mundart  und  des  mittelkurischen 
dialektes,  worauf  der  autor  selbst  hindeutet  („haec  grammatica, 
licet  non  nimium  Curlandioae  dialecto  inhaeret,  eam  tamen 
magis  sequitur^^  ^)).  Meist  ist  zwar  ü  (nicht  ü)  geschrieben, 
aber  ü  (aus  ü)  bieten  die  formen  gen.  pL  tu,  jü;  L  s.  praes. 
cdu8  (lies  cel'üs  =  niederlett.  cetüa)^  I.  s.  praet  cUus  {= 
niederlett.  cUüs),  L  s.  fut  celszüs  (=  niederlett  cetäüs).  Ausser- 
dem stellt  der  autor  neben  du  die  schrifüettische  form  divi, 
und  diese  beiden  formen  können  unmöglich  einer  und  derselben 
mundart  angehört  haben,  was  also  gleichfalls  zu  gunsten  der 
hochlettischen  provenienz  von  du  spricht  >).  —  Lett  tris,  lit.  trys 
gehen,  wie  ihr  accent  zeigt  (vgl.  o.  XXV  269),  auf  eine  ge- 
meinsame  grundform  *triiis  zurück;  dazu  stimmen  zwar  nicht 
ai.  träyas  und  gr.  (gort.)  zQiaq  (was  bekanntlich  nicht  der  ein* 
zige  derartige  fall  wäre),  wohl  aber  osorb.  tro,  nsorb.  täo,  die 
auf  "^trhji  zurückgehen  (Mikkola,  Betonung  und  quantität  in 
den  westslav.  sprachen  I  37).  Das  t  von  *triji8  stammt  ganz 
entschieden,  wie  auch  Brugmann  (Grdr.  II  665)  vermutet, 
ans  den  casus  obliqui.  —  In  öetri  „vier^'  weist  das  anlautende 
ö  auf  entlehnung  aus  dem  Slavischen  hin;  bei  dieser  auffassung 
würde  sich  auch  am  besten  das  geschlossene  e  erklären,  das  in 
allen  casus  beider  genera  auftritt,  auch  in  solchen  mundarten, 
die  das  jotierte  r  nicht  verloren  haben  (z.  b.  loc  detrüs  in 
Kandau).     Die  entsprechende  Ordnungszahl  lautet  in  Kruhten 

1)  Wie  SOS  den  darauf  folgenden  werten  hervorgeht,  hat  der 
autor  die  absieht  gehabt,  für  leser,  die  nur  des  HochlettiBohen  mächtig 
waren,  auch  die  niederlettische  Schriftsprache  zaganglich  xu  machen. 

2)  [Die  entsprechende  niederlettische  form  du  (geschr.  doh)  findet 
sich  in  der  Lotavica  grammatica  vom  jähre  1787  in  der  abteilung  de 
adverbiis.    Kor.-note.] 


J.  Endzelin  329 

cdrätaii;  wie  die  form  aufzufassen  ist,  bleibt  mir  zweifelhaft. 
Man  könnte  ja  an  metathese  denken  (vgl.  c§tärtais  in  Oaweesen 
u.  a.),  aber  ür  kommt  meines  wissens  in  dieser  form  nur  in 
solchen  mundarten  vor,  die  überhaupt  anteconsonantisches  ur 
zu  ür  verwandeln.  In  Kruhten  aber  bleibt  anteconsonantisches 
ur  (und  ir)  nicht  bloss  un verwandelt,  sondern  es  stellt  sich 
sogar  ein  svarabhaktischer  vocal  ein:  kuralc  „taub'S  dzir^t 
„hören"  u.  a. 

Bielenstein  (Lett  spr.  11  67)  gibt  für  „sieben^^  nur  sep- 
tfAi  und  für  „neun^'  nur  deviM  an;  aber  in  Wolmar  u.  a.  sind 
nur  die  älteren  (vgl.  Brugmann,  Grdr.  II  479)  formen  sep- 
HAi  und  deviAi  bekannt  (sept^Ai  und  deviAi  kenne  ich  aus  Nieder- 
Bartau). 

Die  acht  lautet  im  Lettischen  (tstüni  oder  (in  Wolmar  u.  a.) 
astwAi;  astuni  ist  nicht  etwa  eine  lautliche  kürzung  aus  astüAi, 
sondern  hat  das  u  von  der  Ordnungszahl  *astuntais  (»>  lit. 
aüuntas)  bezogen,  worauf  über  *<i8tütai8  die  Lemsalsche  form 
astutckä  zurückgeht  (Bakstu  Kr^ums  XIII  74).  Umgekehrt  hat 
die  form  astdtais  das  ü  wahrscheinlich  von  ctstüM  bezogen. 

In  Dondangen  habe  ich  die  formen  septafUfs  „siebenter'S 
ast<nit§s  „achter*^,  devantes  „neunter'*  gehört.  Man  wird  wohl 
hier  nicht  an  bewahmng  des  n  denken  dürfen,  sondern  es  wird 
dasselbe  wohl  von  den  entsprechenden  cardinalzahlen  einge- 
drungen sein.  Die  formen  aeptantes,  astatUfS  (vgl.  daneben  a3ii'A 
„acht'*  I),  devantes  gehen  zunächst  wohl  auf  *  sepi^ft^,  *  asi'Qtfs, 
*deüf^t^  zurück,  wie  acc.  s.  nikan  über  *niki^  auf  niknu,  n.  s. 
^ran  über  *8terxf>  auf  sterna  u.a.;  *8eptxfi§8  etc.  ist  aber  wohl 
aus  *8eptintfs  etc.  entstanden.  — 

«/.  Endzelin. 


Lettische  etymologien. 

sfnalas  „hülsen'S  „kleie''  kann  (vgl.  J.  Schmidt,  Kritik 
der  sonantentheorie  120)  auf  *sefnncU(M  zurückgehen  und  ge- 
hört dann  zu  lit.  siknenys  „saat". 

In  mafita  (geraeinlett.)  „schätz*',  „hab  und  gut'*  erklärt 
sich  das  n  am  besten  bei  der  annähme,  dass  manta  ein  lehn- 


330  Lettische  etymologien. 

wort  ist,  und  zwar  leite  ich  es  von  lat.  man^ta  ab  (vgl.  got. 
skcUfs  „geldstück^* :  d.  «cAate);  hinter  n  ist  ein  vocal  geschwun- 
den wie  in  dem  ebenfalls  entlehnten  kungs  „herr". 

Den  namen  Üsinä  „schutzgott  der  pferde**  (oder  auch  der 
bienen)  hat  Bezzen berger  (Mag.  d.  lett.  lit.  ges.  XVI  2,  39) 
von  der  wurzel  abgeleitet,  die  wir  z.  b.  in  lit  auärä  „morgen- 
röte'^  haben;  demnach  wäre  Üsi'Aä  ursprünglich  ein  lichtgott 
gewesen;  freilich  wäre  der  gott  da  stark  degradiert  worden, 
doch  wäre  das  nicht  unmöglich.  Stärker  widersprechen  dieser 
etymologie  formelle  gründe.  In  allen  von  pastor  Auning  ge- 
sammelten materialien  (Mag.  d.  lett.  lit.  ges.  XVI  2)  erscheint 
nur  die  form  Üsi'Aä,  bis  auf  den  gen.  s.  üsa  (im  liede  no.  3Q), 
der  oflfenbar  eine  jüngere  abstraction  von  dem  scheinbaren  de- 
minutiv Üsi'Aä  ist  (wie  im  volksmunde  aus  brandavtns  „brannt- 
wein"  auch  brandavs  entstanden  ist).  Nun  ist  -iAä  aber  nur 
ein  deminutivsuffix,  und  da  ÜsiAä  kein  deminutiv  ist,  so  halte 
ich  diesen  namen  für  ein  lehnwort  aus  dem  Germanischen  (vgl. 
ahd.  n.  pl.  hüsinga  „penates^S  afries.  hüsing  „hausmann*^).  Dass 
ein  hausgeist  sich  zu  einem  Schutzpatron  der  pferde  entwickeln 
konnte,  ist  ja  leicht  denkbar.  Näher  will  ich  dieses  an  einem 
andern  orte  begründen  *). 

Neben  bärda  „bart^^  steht  dial.  barzda,  lit.  barzdä;  das  z 
der  zwei  letzten  formen  stammt  meiner  ansieht  nach  aus 
*  barzdä,  das  wir  auf  grund  des  Slavischen  (russ.  borozda 
„furche*'  u.  a.)  auch  fürs  Urbaltische  annehmen  dürfen.  Dass 
ein  wort  unter  dem  einfluss  eines  andern,  ähnlich  lautenden 
wertes  seine  form  ändert,  kommt  ja  auch  sonst  vor;  ich  gebe 
im  folgenden  dazu  noch  einige  beispiele:  Bielenstein  (Lett  spr. 
I  53)  unterscheidet  noch  richtig  käst  „seihen"  (lit  köäti)  von 
kärst  <  khrst  „tocken"  (lit.  karsti),  aber  in  Ronneburg  hat 
nach  P.  Schmidt  (Tpo^^aH  ;^o.«roTa  BT»  .laTbiuicROMi»  flaurb  23)  eine 
gegenseitige  ausgleichung  der  beiden  verba  stattgefunden,  indem 
dort  jetzt  zwei  formen  käst  und  kärst  üblich  sind ,  die  beide 
die  bedeutungen  „seihen"  und  „tocken"  haben.  In  der  lett 
Schriftsprache  heisst  der  wachholder  paegle  oder  paeglis  (woraus 
in  Ronneburg,  nach  P.  Schmidt  32,  über  "^pae^glis  die  form 
palglis  entstanden  ist),  in  Wolmar  aber  pakrglisi  erst  ist  das  e 

1)  [Ist  bereits  geschehen  in  der  Zeitschrift  Apskats  I  25  ff.  Eorr.- 
note.] 


A.  Zimmermann  331 

unter  dem  nebenton  gedehnt  worden  (dass  im  Lettischen  kurze 
vocale  unter  dem  nebenton  gedehnt  werden,  will  ich  nächstens 
nachweisen)  und  dann  hat  sich  unter  dem  einfluss  von  irglis 
y,adler''  noch  ein  r  eingestellt.  Für  süstSt  „brennend  schmerzen" 
(die  III.  praes.  süst  finde  ich  auch  bei  Mancelius)  sagt  man  in 
Wolmar  süratet  unter  dem  einfluss  von  mrs  „bitter"  (dass  das 
r  in  sürstSt  unursprünglich  ist,  zeigt  die  länge  des  u^  vgl.  o. 
XXV  273). 

Dorpat  19  27/XI  02.  J,  Endzelin. 


Zur  i-epentheBe  im  Latein. 

Trotzdem  die  lat  Schriftsprache  keine  spur  von  i-epenthese 
aufweist y  muss  sie  doch  im  Latein,  wenn  auch  nur  in  der 
vulgär-  bezw.  dialektsprache ,  eingetreten  sein.  Das  beweisen 
zunächst  die  romanischen  sprachen  und  dann  vor  allem  die 
eigennameu.  Wenn  im  G.  I.  L.  nach  meiner  Zählung  117  ver- 
schiedenen gentilicien  mit  dem  Stammvokal  a  ebensoviel  parallel- 
gentilicien  mit  dem  Stammvokal  ae  (bezw.  ai)  gegenüberstehen, 
dann  kann  das  m.  e.  nicht  auf  zufall  beruhen,  sondern  die 
mehrzahl  dieser  gentilicia  auf  a  muss  mit  denen  auf  ae  in  einer 
bestimmten  beziehung  stehen  d.  h.  die  auf  ae  sind  aus  denen 
auf  a  durch  t-epenthese  hervorgegangen;  auch  sind  die  meisten 
dieser  gentilicia  auf  a  für  mich  etymologisch  durchsichtig, 
während  das  bei  den  andern  meist  nicht  der  fall  ist.  Vgl. 
Ämulius  bezw.  Atnüius  neben  Aemilius  (Aifnilius)^  Attius  neben 
Aetius,  Maccius  neben  Maecius,  Navius  neben  Naevius  etc.  Es 
braucht  darum  auch  nicht  notwendig  die  form  Allius  in  den 
fasti  Gap.,  wenn  die  auctores  hier  auch  Aelius  bieten,  verderbt 
zu  sein,  sondern  es  wird  eben  aus  AUius  durch  e-epenthese 
sich  später  Aelius  entwickelt  haben.  Gf.  Unger  Fleckeisen  1891 
p.  476.  Sind  doch  auch  im  Deutschen  Katharina  und  Käthe, 
Walther  und  Wälti  etc.  dieselben  namen.  Ist  doch  nach  dem 
ind.  n.  (III)  bei  Gonway  Allius  fast  ebenso  häufig  wie  Aelius 
und  wird  Alius  schon  unter  den  praenomina  der  allerältesten 
zeit  beim  auct.  ine.  de  praen.  c.  1  angeführt.  Auch  steht  in 
einer  alten  marrucinischen  inscbrift  v.  Planta  II  p.  549  u.  27d 


332  Zur  i-epenthese  im  Latein. 

(Teate)  u  altes  l,  sa  altes  as  (—  F.  AUms  L.  f.,  Sa  AUius 
As.  f.).  Schon  das  fehlen  der  getnination  in  beiden  fallen  be- 
weist für  das  alter  des  praen.  und  n.  gentile  ^).  Aber  es  giebt 
auch  noch  andere  beispiele.  Auf  der  alten  Pränestiner  inschrifb 
CIL.  XIV  4098  —  cf.  Conway  §  291  —  steht  Painiscos  für 
navloKog,  auf  einer  ebenfalls  alten  andern  Pränestiner  inschrift 
XIV  3110  Craislias,  was  offenbar  aus  Crässüios  hervorgegangen 
ist  —  cf.  afr.  graide  neben  grdcäis  — ,  und  praen.  Gnaitos 
entstammt  doch  einem  Onavios  wie  Naevius  dem  Navius  cf. 
Crfiaus  VI  4712  und  Navos  ibid.  2641.  Inschriften  ans  späterer 
zeit  —  es  sind  der  mehrzahl  nach  solche,  die  namen  von  hand- 
werkem  bringen  und  fremdsprachlichen  gegenden  entstammen 
—  weisen  zum  Stammvokal  a  t-epenthese  ebenfalls  auf.  Ich 
erwähne:  XV  7458  (saec.  I  med.  vel  exeuntis)  Maivae  Cf.  Pro- 
ciUae,  VI  29279  Ulpia  Flaiva,  VUI  5763  Flaivius  Fuliqus, 
VI  26564  SÜia  Ilaira  (vgl.  frz.  8t.  Hüaire),  V  421  Flaemica 
{Flamius  z.  b.  VHI  16015),  XV  4746  P.  Graüi,  XI  4996 
(Grajüano  et  Theadosio  AA.  vv.  cc.  XI  6999  (208)  Urbaini  (frz. 
urbain),  XUI 10010  (395)  of.  Cailvi  (8  mal)  cf.  XU  5686  (159)  k, 
XIII  10010  (486  c)  Caüil  {b  CaHUi),  II  4970,  278  c  Laicin(i) 
aus  Olisipo  (i  aus  Tarraco  Lacini)  und  schliesslich  XI  6716 
bene  vadeas  für  valeas  bezw.  valias. 

'  A.  Zimmermann. 


Hom.  xsxa^ijora. 

KexaqnjoTa  dvfidv  wird  meist  zu  Tuamta  schnappe  gestellt. 
Eine  eingehende  Würdigung  der  Homerischen  stellen  wird  klar 
machen,  dass  dies  zu  verwerfen  ist.  Besser  erklärt  wohl  fol- 
gende Zusammenstellung  das  participium:  ndxtjqfev  xi&vrpieiß 
(Hesych.);  xanpog  gelähmt,  stumpf,  lat.  hebes,  hebetis  stumpf, 
unempfindlich,  abgestorben. 

Königsberg  i.  Pr.  W.  Prdlwitz, 

1)  Eine  benennang  G.  Aüiu»  Grispi  l.  Princeps  AbUm  XI  6896  ist 
far  noB  dann  ebenso  verstandlich  wie  etwa  im  Dentschen  Heinrich  Heine, 


Anzeige    W.  Prellwitz.  333 

Sammlung  indogermanisoher  lehrbfioher  unter  mitwirkung  von 
Dr.  £.  Bemeker,  Prof.  Dr.  J.  J.  Mikkola,  Dr.  F.  Sommer,  Prof. 
Dr.  W.  Streitberg,  Prof.  Dr.  A.  Thumb,  Dr.  A.  Walde  und  Prof. 
Dr.  J.  Zubaty  herausgegeben  von  Dr.  Hermann  Hirt.  1.  reihe 
grammatiken.  3.  band.  Handbuch  der  lateimschen  laut-  und 
formenlehre.  Eine  einführung  in  das  sprachwissenschaftliche 
Studium  des  Lateins  von  Dr.  Ferdinand  Sommer.  Heidelberg 
1902.     Carl  Winter's  universitatsbuchhandlung. 

Dem  vom  gymnasium  kommenden  Studenten  will  das  vor- 
liegende buch  eine  schnelle  und  bequeme  einführung  in  die  er- 
gebnisse  der  vergleichenden  grammatik  ermöglichen,  soweit  sie 
das  lateinische  Sprachgebiet  betreffen.  Es  bringt  daher  zunächst 
eine  ziemlich  ausführliche  einleitung  über  die  Stellung  des  Latei- 
nischen zu  den  verwandten  sprachen  und  mundarten,  die  hilfs- 
mittel, zur  erforschung  der  lateinischen  spräche  und  einige  kurze 
erklärungen  über  die  prinzipien  der  Sprachforschung.  Darauf 
folgt,  unter  heranziehung  einer  möglichst  grossen  fülle  von  tat- 
sachen  auf  knapp  bemessenem  räume,  die  lautlehre.  Während 
hier  vom  lautstand  der  Ursprache  aus  die  änderungen  der  laute 
in  der  italischen  und  lateinischen  sonderentwickelung  dargestellt 
werden,  wird  in  der  formenlehre  der  lateinische  bestand  zu  gründe 
gelegt  und  mit  möglichst  weitgehender  heranziehung  des  altlatei- 
nischen materials  in  zwei  abschnitten  (I.  das  nomen  und  pro- 
nomen,  H.  das  verbum)  behandelt 

Die  Stellung  des  Verfassers  innerhalb  der  Sprachwissenschaft 
wird  durch  sein  Verhältnis  zu  Karl  Brugmann,  dem  das  buch 
auch  gewidmet  ist,  gekennzeichnet.  „Der  anfänger  will  vor  allem 
in  die  tatsachen  der  historischen  grammatik  eingeführt  sein,  und 
so  findet  er  bei  mir  einfach,  was  ich  persönlich  für  richtig 
halte'' ....  „Auch  in  der  polemik  habe  ich  mich  nur  aufs  aller- 
notwendigste  eingelassen.     Wenn  gerade  hier  Brugmann's  grund- ,  u.non^  ^ 

riss  vielleicht  am  häufigsten  in  die  debatte  gezogen  ist,   so  habe   T         ^  (uv^ 
ich  das  aus  einem  rein  pädagogischen  motiv  getan:  bei  der  grossen  ^[^JtUtAy^  4Aß»0md^ 
autorität,  deren  sich  das  vortreffliche  werk  mit  recht  erfreut,  liegt  ^ff  '  ^  ' 

die  gefahr  gar  zu  nahe,  dass  namentlich  der  anfänger  dasselbe 
als  eine  art  bibel  betrachtet  und  die  darin  aufgestellten  ansichten 
urteillos  ßnnimmt.  Eben  deswegen  habe  ich  in  einigen  fällen, 
wo  ich  von  Brugmann  abweiche,  versucht,  ausdrücklich  die  be- 
rechtigung  einer  andern  meinung  darzulegen."     (S.  IX  u.  X). 

Die  darstellung  ist  also  vielfach  einseitig  und  man  darf  nicht 
erwarten  hier  über  den  stand  der  gesamten  forschung  aufgeklärt 
zu  werden.  Zu  der  persönlichen  farbung  tragen  auch  eigene, 
zum  teil  recht  kühne  Vermutungen  des  vf.  bei  wie  s.  225  die  er- 
klärung  von  Majua  aus  *  Maises  (osk.  Maesius  (Paul.  Fest  109. 
Th.  d.  P.).  Aber  trotzdem  füllt  das  buch  ro.  e.  eine  lücke  aus, 
weil  es  zum  selbständigen  durcharbeiten  des  Stoffs  anregt  und 
die  Probleme  oft  klar  darstellt  und  immer  scharf  anfasst  Es 
ist  ganz  dazu  angethan,  in  späteren  auflagen  bei  reichlicheren, 
das  ganze  forschungsgebiet  unpassenden  citaten  und  objectivierer 
farbung  zu  einem  rechten  handbuch  zu  werden. 

Königsberg  i.  Pr.  W.  PreUwUz. 


334 


Register. 


Register. 

I.  Sachregister. 


Accent:  wechselnder  a.  in  Par- 
tikeln wie  a^h  anaqfilf  ai.  ^nar, 
apundr  158.  Wechsel  von  ge- 
stossenem  und  geschleiftem  a.  in 
der  lit.  endung  -ä  158.  Abände- 
ning  des  a.  in  griech.  eigennamen 
192.    S.  pronomen. 

Bedeutungsentwicklung: 
fangen,  fassen,  nehmen  —  an- 
fangen 196.  199 ff.;  fassen  —  be- 
greifen 242;  wallang,  dunst  — 
zorn,  geist  202;  binden  —  Ver- 
wandtschaft durch  heirat  211  ; 
sich  gesellen  —  dorf  —  gemein- 
sam 168  f.;  glänzend,  strotzend  — 
junger  mann,  junge  frau  207, 209, 
214;   stark    —    mann    218;   fest, 

—  hagel  246;  fest  —  Schildkröte  : 
brüst  250;  brüst  —  leier  250; 
umfassend  —  rippe  —  brnst  250 ; 
arm  —  zweig 280,  seite  —  Schlitten 
255;  höhle  —  ofen  255;  bein  — 
balken  152;  dunkel  —  schlämm 
164;  biegung  —  wiese  253;  kalb 

—  eher  176;  sprechen —  schwören 
242  n.;  rnss  —  schreiben,  form 
176.  Herkunft  der  indogerm.  Ver- 
wandtschaftsbezeichnungen 218  ff, 

Comparativbildungen  im  Letti- 
schen 315  ff. 

Composition  zweier  bedentungs- 
ähnl  icher  elemente  209.  Um- 
stellung der  c.  glieder  149. 

Conjugation:  eine  idg.  stamm- 
erweiterung  mit  -ei  liegt  allen 
-fo-verben  zu  gründe  68  ff.  68  f., 
daneben  nominale  -at  (0)-stämme 
64.  Die  starren  -40-stämme  sind 
durch  'O  erweiterte  t-stamme  66  f. 
Das  praesens  dieser  bildungen 
hatte  im  singular  -emi  u.  s.  w. 
im  plural  -fmSa  u.  s.  w.  70.  80. 
Mit  dem  singular  stimmten  paral- 
lele ««•  bildungen  aberein,  sodass 
eine  Vermischung  eintrat  75.  Reste 
der  et'praesentien  72  ff.  Der  vocal 
der  praesensreduplication  ist  t, 
weil  er  die  schwachstufige  Wie- 
derholung des  wurzelvocals  ei  ist 
71,  dl  179.  Der  praesens -aorist 
auf  idg.  ^(t)m,  enkl.  im  85  f.  181  n.; 
der  arische  passivaorist  ist  ein 
losgerissenes  glied  nominaler  Zu- 
sammensetzungen, -t  die  tiefstafe 
des   dementes    -ei   86.     Der  sig- 


matische  aorist  der  eo^'-basen 
88  f.,  die  3.  sg.  auf  -U  gehört  eigl. 
zum  praesensaorist  89  n. ;  das 
futurum  92  f.  perfectum  98.  Her- 
kunft des  u  in  ai.  -äu,  des  v  in 
lat.  vi  88  f.;  das  verbaladjectiv 
auf  'to9,  -i-io»  95.  181  n.  —  Die 
idg.  causativa  82  ff.,  die  ari- 
schen verba  auf  -aya  82;  alter- 
tümlichkeit der  ai.  9.  klasse  73; 
infinitivi  historici  im  Rigv.  265  n.; 
0-infinita  mit  bedeutung  einer 
2.  sg.  imptv.  266  f.,  einer  8.  sg. 
imptv.  267  f.  eines  imptv.  plur. 
268  ff.;  in  die  Sphäre  des  mediums 
gezogen  276  ff.,  umgedeutet  als 
1.  sg.  indic.  praes.  279  f.  Con- 
junctiv  mit  bedtg  eines  indicativs 
praeteriti  265  n.  collectives  me- 
dium 277,  reciprokes  278.  6  r i  e  o fa. 
§<f€a  90,  futur  auf  iu  98.  Lat. 
verba  auf  -so  66  f.  77  n.,  auf  -eo 
181 ;  die  1.  sg.  perf.  act.  auf  -i 
=  ai.  e  50.  90,  die  2.  sg.  perf. 
act.  90  f.,  die  infinitive  auf  -r«, 
alte  locative,  bei  Plautus  stets 
mit  e  42  ff.,  die  inf.  auf  t  alte 
dative  44.  Inf.  praes.  pass.  fehlen 
im  Osk.  299.  —  Air.  roJUetar  90. 
der  Esl.  aorist  auf  echü  91;  die 
lit.  verba  auf  tu,  ^t  brauchen 
nicht  aus  ejo  hergeleitet  zu  wer- 
den 78,  zeigen  wie  die  lat.  auf 
-ere  passiven  oder  in  transitivem 
character  181  f.;  die  lit.  prae- 
sentia  auf  -au  gehören  zunächst 
nur  zu  verben  auf  -oti,  erst  sekun- 
där zu  -yÜ  83.  —  Sigmati scher 
(M«-)aorist  iroPhrygischen  288. 
Consonanten:  anlaut.  idg.  pt  zu  t 
225;  armen,  a  für  q  nach  u  220; 
•  im  anlaut  und  zwischen  vocalen 
im  A  r  m.  u.  P  h  r  y  g.  geschwunden 
285;  gänzlicher  Verlust  zweier  <r 
in  aufeinander  folgenden  silben  im 
Griech.  146;  german.  nn  aus  nv 
204 ;  die  idg.  labiovelare  erscheinen 
vor  palatalen  vocalen  im  Alba- 
nesischen  palatalisiert ,  q  als  f, 
g  und  gh  als  z  201;  q  als  k  and 
«231;  die  palatale  media  und 
aspirata  als  z  208;  dj  nach  dem 
Aör.  als  z  248,  nj  zu  j  286;  lat. 
mbd  zu  nd  809,  m,  umbr.  8  aas 
dht   307;   nkt   im    Latein,    und 


Register. 


33Ö 


Slay.  schon  sehr  früh  za  nt^ 
sonst  aber  slav.  ki  nicht  zu  t  266. 
Dissimilation  zweier  r  und  l  im 
Lett.  190.  Liquidendissimilation 
in  benachbarten  griecb.  Wörtern 
294  f.,  Wechsel  von  anlautender 
tenuis  und  media  im  Lett.  190, 
lett.  t^'u  aus  uu,  uvu  826  f.  Schwund 
eines  j  im  Lit.  infolge  von  sy- 
stemzwang 78  n. 

D  e  o  l  i  n  a  ti  o  n :  Instrumental  sing,  der 
ö-stämme  idg.  auf  -an  264.  Lat. 
gen.  sing,  der  io-  und  o-stamme 
auf  echtes  -t  49  f.,  abl.  der  3.  d. 
89  ff.,  der  5.  d.  41.  Die  ad  ver- 
bia  auf  «  teils  ablative  auf  -ed, 
teils  instrumentale  45  ff.  Lit. 
instr.  plur.  auf  -aw  ist  aus  ois 
entstanden,  ar.  äis  dagegen  jün- 
gere neubildung  168.  Dat.  sg. 
awiäij  lett  strdij  182  n.  Zur  d. 
der  lett.  bestimmten  adjectiva 
810  ff.  Dative  im  Phrygischen 
49  f. 

Deminutivbildung  auf  dem  vo- 
cativ  sing,  beruhend  185. 

Dialecte:  eigentümlichkeiten  lett. 
d.  810  ff. 

Enclisis:  Die  schwachstufe  zu  ei 
ist  in  der  o.  I,  nicht  ¥  72. 

Inschriften:  deutunff  phrygi- 
scher  i.  280 ff.,  zu  rhodischen 
i.  291  ff. 

Lehnwörter:  Gallische  I.  im  Lat. 
280;  keltische  im  German.  285; 
lat.  im  Ahd.  202;  german.  im 
Lit.  164  n.,  169,  218  n.;  dtoche. 
im  Lett  828,  880;  Lat  im  Lett 
880;  dtsche.  im  Französ.  228; 
baltische  im  Got  (?)  169;  slav.  im 
Preuss.  169;  im  Lit.  2,  150,  152, 
248,  im  Lett  828,  lit  im  Lett 
168  n.  171,  lett  im  Lit  174  n.; 
liv.-estn.  im  Lett  146. 

Metrik:  das  lat  dipodieen  gesetz 
2;  bedingungen  für  das  eintreten 
einer  kürze  in  der  thesis  des  vor- 
letzten fusses  des  iamb.  senars  8; 
das  lat  iambenkürzungsge- 
setz  5  n. 

Pronomina:  ai.  vah  pron.  2.  plur. 
scheinbar  bedeutungslos  im  Rig- 
veda  269  ff.;  endit  und  hochbe- 
tonte formen  des  gen.  dat.  acc. 
plur.  des  pron.  der  1.  und  2. 
person  in  Idg.  802;  die  älteste 
form  das  p.  i$  161  f. 


Silbentrennung  in  griech.  in- 
schrifben  295  ff. 

Stammbildung:  identit&t  der  no- 
minalen und  der  verbalen  a-,  «t-,  (t-) 
«11-  (ti-)  stamme  66.  74  n ;  her- 
kunft  dermovierten  feminina  161  f. 
s.  conjugation  und  deminutiva. 
Entstehung  von  -tb- stammen  aus 
locativen  auf  -t  148;  composita 
mit  o-stammen  werden  -to-stämme 
im  Griech.,  Litt.,  Lett,  Kelt  148  f. 

Suffixe:  der  Wechsel  im  Ai.  zwi- 
schen fem.  'ikä  und  roasc.  -aha 
ist  uralt  184  f.,  spuren  davon  im 
Ahd.;  Lit  demin.  männl.  auf 
'ükas^  weibl.  auf  \ke  184  n;  slav. 
ükü  und  lX;t<,  gr.  -vy,  -a»,  -ix, 
lat.  -»ctM,  got.  -oA,  'ig  184.  Tier- 
naraen  auf -«^tanim  Preuss.  167 f.; 
•ti  in  Partikeln  156  f.,  griech.  ad* 
verbia  auf  -r/  und  nl  157. 

Syntax:  Der  idg.  imperativisohe 
inünitiv  beruht  auf  dem  final- 
consecutiven  (dativ)  124,  hat  bei 
Homer  futurische  bedeutung  106. 
126;  wird  auch  fQr  die  8.  person 
gebraucht  1137 ff.,  wovon  die  in- 
nnitivconstruction  nach  nqiv  noch 
eine  spur  ist  188. 

Vocale:  Ablaut  von  e  :  ä  neben 
dem  von  i  :  «  in  demselben  wort 
167;  H  in  der  xoivrj  ist  später  vor 
vocalen  als  vor  consonanten  zu  t 
geworden  298;  o&  zu  o  294,  ausl. 
-ai,  -M,  'oi  in  mehrsilbigen  lat. 
Wörtern  zu  t  50;  gr.  ä  (i})  aus  äu 
vor  consonanten  160;  i-epenthese 
in  lat.  eigennamen  331;  umbr.  u 
aus  l  806 ;  idg.  «n,  «r,  J  vor  vocal 
im  Albanes.  zu  tn,  tr,  il  285; 
•n  vor  consonanten  zu  e  248 ;  halt, 
at  als  vrddhi  zu  ä  168;  preuss.  a 
statt  0  168,  lett  iw  aus  uw  819  ff. 
vocalkürzung  und  sekundäre  vo- 
calentfaltung  in  lett.  dialecten  189, 
811,  817,  824  f.,  829.  Vocalassi- 
milation  ebd.  325  f.  n. 

Wurzeln:  bedeutung  des  wurzel- 
begriffs  67  f.  Sekundäre  entste- 
hung  langdiphthongischer  wurzeln, 
z.  b.  ttäu,  diu  aus  dem  perf.  aot. 
179  ff.  Beeinflussung  eines  wertes 
durch  ein  anderes  ähnlich  lauten- 
des im  Lettischen  380. 

Zahlwörter:  zu  den  lett  z.  819ff. 


336 


Register. 


Sanskrit. 

aSieati  303 
(UaÜ  174 
afUoMtffa  159 
äpatya  159 
api'Vätayaii  310 
aptpaUU  72 
amafya  159 
ayiiffi  161 
afTt  174 
idhifimahi  91 
<5Aa  172 
iydm  161 
t<^  162 
uWt  216.  220 
ukhd  255 
rnaya  160 
rdhnöii  74  n. 
Aana  199 
kamna  199 
kanäyan  199 
kanvä  199 
;ba/i%a  184 
Aao<  145 
kupjati  78 
ATM(5mt  74  n. 
^Tiit-  66 
krämyati  66 
Afanö^f  75 
AsMäti^t  74  n.  75 
kha  175 
A:^  175 
gadh  212 
gfnäii  241 
gfdhyati  65 
^6Aitä^'  308 
^Aö«  217 
gmütya  91 
^^•'  65.  70 
^%a<t  71.  78 
gräma  168  n. 
^Aro^f  242  u.  n. 
eanaa  197 
caniafha  197 
jafhdra  172 
yiMto  247 
jVIra^  241 
jänäti  74 
ysmä  211 
f'ämäta  211 
fäm^  211 
jtt^t«  187 
<<irtt9a  224 
<arti<«  75 
toma  224 
dät/i  179 
(l^rtf  217 


II.  Wortregister. 

däraka-  218 
«färoA«  218 
däroB  217  f. 
«JtfrO^S  218 
dSiüdne  179 
<{tfva«  179  n.  3. 
dufihü  157  n. 
dukita  222 
<fe^v»;  81 
(2ofa  258 
do$  257  f. 
dharaka  236 
(iAfintva^  74  f. 
dAAnolt  75 

£{AM/t   161 
dhranoti  74  n. 
fiopV  201  n. 
nabh  150 
paAv<l  252  ff. 
pdr^  226.  229.  235 
päjasyä  259  f. 
pueeka  176 
f>tito  176 
pilnar  176 
pümän  218 
pürif$häh  91 
purva  177 

ITf^*-  226 

paea«  176 

öSAtf  258 

5Afiri<t  237 

&Ar«^'  234 

hradhna  234 

5r<ft;m'  206 

hramga  229  u.  n. 

^Aramo^t  237 

hhrü  233 

ftArüykJ  232 

mani  171 

martit  207 

mdrya  208 

maryakd  184.  206.  208 

fiBötö  219 

m«^t  219 

tnindte,  minU  75 

miyate  75 

m&t  71.  81 

mliydii  71.  78 

yaiii  160 

yäbhati  172 

yö^r  160 

y($fä  209 

raeana  199 

racäyati  199 

ricyati  82 

rtitftffya  91 

lubhyati  80 

vaktdtpä  253 


vaA^a«  251  ff. 
oaikAnS  253 
0(MA^*  253 
om^ona  253 
vaAgka-  253 
ooeyci^  258 
vaXeati  253 
vocXA  144 
oacfAtf  217 
eafMJt»  75.  197 
vartaka  184 
varüka  184 
OftM^t  74  f. 
t^(t  75 
Otfifo  217 
vipaU-ti  219 
oratia  187 
faUJchd  175  n. 
parätij^  85 
^äru  169 
fsSna  171 
p^a  171 
ptpfia  199 
piiÄrd  66 
eucyaU  66 
püA»  171 
po0<  81 
^amyati  79 
fffindate  201  n. 
po«<<i  218  n. 
«a^  261 
»diu  211  n. 
«an^^*  75 
aabhd  173 
ffoya/t  212 
8utä  220 
nifM^^t  220 
Mff^tf  157  n. 
Mite  211  n. 
aünu  220 
9tn  211  n. 
•tAtW  223 
anäua  212 
•ntifä  211  f. 
sydü  261 
ay«^  212 
•yfima  212 
hanöti  75 
A<Mt  202 
hold  184 
Aaofma  79 
AcMto  257 
hald  184 
Atntwm»  194 
hrd  237 
Arociii  246 
Ar0<{a  246 
hrädaU  240.  246 


Register. 


337 


hrädüni  246 

Iranisch    ^Avestisch 
unbezeicnnet.) 

aetn  161 
av€Mü9  168  n. 
np.  ehrü  238 
ür9nava  82 
khä  175 
khtvof  261 
giurtätn  78 
eino  197 
saitä^  85 
soffö  257 
npers.  nriA  247 
tradhö  247 
npers.  fö/a  247 
ap.  <2a«to  257 
dtdhäiti  .71 
npers.  <2e<<  257 
nighraire  65.  71.  78 
ap.  fitjpMtonaty  176 
nishukis  86.  90 
po^mon  168  n. 
painem  254 
o«r^  226.  2S5 
bttzu  258 
%'  151 

npers.  yax  248 
npers.  yaxce  248 
yosodto  86 
vädäyöif  78 
ptiMrö  66 
fwA»  171 

Ossetisch. 

arfuk  233 
/or«  235 
ix  248 
^arpi  224 
y«r  248 

Armenisch. 

aitnum  172 

aitumn  172 

o^fi  175 

•^auff  285 

ard  157 

a«r  254 

(iti#<r  220 

fom  224 

A^rciafii  241 

karhä  246.  248  u.  n. 

hav  222 

yo^  203 
Jatfi  203 
jUm  184 
orcft  220 
orf  221 
titfamm  220 


t««<r  220 

Phrygisch. 

dd^axiT  282 
afAfjLWSuLv  286 
(facftr»  290 
(foxfr  288 
dovfJLog  282  f.  287 
«(face  288 
«Mxv  289 
«TTMC  288 

ntTTerucfiivog  284  f. 
t^iovfAivog  284 
«ofxc  284 
jroxi/io»  285 
«€  282  f. 

/Ättvxav  286.  289  f. 
fieroTog  285 
vad^otos  284  f. 
^MMTiO;  284  ff. 
o«  287 
o^voy  287 
o^i/xa  287 
oTiOTUfjivi  290 
ov&ßav  288 
nowraaßas  286  f. 

Griechisch. 

dßaxiiiv  143 
dßaxrifAW»  (Hes.)  143 
a/Saxijc  143 
a/Sa|  (Hes.)  143 
dßCvxtov  (Hes.)  164 
aßoXoQ  147 
a/S^/|  153 
ayoyaxr^iu  144 
ayotnos  257  n. 
crcfi/r  141 
dSivog  141 
ac^Xoy  144 
ac^Aof  144 
cUUa  222 
aC«  161 
aCaA/o;  161 
dCfJTat  148 
aCo^  147  f. 
«Co)  161 
alyaviri  166 
aiiXov^S  207 
a7xXo»  (Hes.)  166 
afiloi;^;  207 
alfia  144 
aro^o;  207 
alovdo)  144 
a^TTÖJlo;  169 
aJfj^^ij  166 
dxaoTjs  181  n. 
c(X€i;«»r  145  f- 
l4x€va(ü  145 
dxtSvoi  146 


Bttitii««  s.  kviid«  d.  indff.  •pneheu.      XX VII. 


dxiSqog  146 
oxoio;  147 
dxoarri  173 
dxoviiv  145  f. 
ox^iff  174 
dxQodofjiai  146 
afAväfAOi  141 
aXyoc  241  n. 
i^iUyi^a)  240  n. 
aA/yo)  240  f.  n. 
dXiUpo»  71 
dvdyxfi  281 
«r«i;  177 
dvitffui  201  n. 
ay<)i  147 
oy^^^^il  184 
ory/c  (Hes.)  222 
dvTfiQtg  147 

ttVTQOV  147 

«oCoff  147  f. 
dnaQfwi  158 
aTTcaii  149 
aTrijyiy  149 
agßfilog  150 
a^/Sai}  150 
doytnovq  (Hes.)  177 
d^oyyovttVTHg  149 
a^*  157  f. 
dgvunijg  157 
dqrrtnos  157 
d^itpQotv  157 
dri/ußta  150 
awfv  145 
at;ili}  255 
avild;  255 

avToxaatyvriTog  197  n. 
d(pv€iv  150 
a^vayfro;  151 
d(pvaa€&v  151 
/Sa/Sa|  151 
/SaC<«v  161 
/Saxra»  (Hes.)  143 
ßaxTfiQÜc  148 
ßdxTQov  143 
/J«AJliü  65.  71.  78 
ßdiQaxog  249 
ßnloQfjiotndg  163 
ßliwog  154 
/5Xi?;ri^  142 
ßUuaCta  152 
ßQaxnov  (Hes.)  328.  231 
ßQdaato,  ßQuCu  152.  249 
/J^«TT«*y  (Hes.)  158.228. 

231 
ßqiv^Q  227 
/S^j^o)  158 
/9^/Ctt>  153 
BQ&TOfjut^if  206 
i5^o;t'^ff  229  n. 
/S^ojfOff  220  n. 

22 


338 


Register. 


ßvCa  165 

ßußvCiiv  (Hes.)  164 

yafjißQog  211 

yafAim  211 

maked.  ydqxov  165 

yaqvov  (lies.)  165 

yuQ^  (Hes.)  165 

yaQatnfa  (Hes.)  165 

yilvofiai  65 

T'/n^ix  65 

^^vro  211 

rOA^  191  f. 

nUos  u.  ä.  191  f. 

yXdfpv  158 

>^^^oc  248 

edfioQ  153  f.  217 

(f£/^  81 

diwdCBiv  154 

(f€^/ia«  241 

dianoiva  168 

«r^^oc  212 

dldtüfjn  179 

(T/Cff  (Hes.)  165 

dl^nfjLM  160 

dciofiah  160 

j^iovüaog  218  f. 

<f/uoic  218 

(Tc^al  184 

dovXog   (Hes.   »    o^ar/cc) 

217  f. 
(TovAo;  217  f. 
(T^ooy  (Hes.)  165 
^viiv,  dvia&at  179 
kypr.  dvsdvoi  179 
SvvafAai  218 
dvaxoXos  169 
l/9Xai  (Hes.)  84 
iyxvfioiv  172 
fyxuo;  171 
iyvuv  84 
iyqifyoqrtt  167 
£l*dCtn  141 
€/xoiy  141 
ion.  «fAi}  168 
c^O/brcc  222 
<Mi;  (Hes.)  164 
<r^iu  68.  79.  81 
«fffo)  159 

ixßioitii  (Hes.)  164 
Sfxf/T«  155  f. 
ion.  ixßQi^aae&v  152 
l^;r/  n^ui  71  bis 
If^c^«  154  f. 
tviqoi  154  f. 
ivi^tQoe  154  f. 
ivCanta  72 
loura  141 
intüxnfo  155 
l^i^C  167 
^^ii  141 


iffvCfiivog  145 

/Ootxa  141 

jriixa^HV  141 

^iuttov  141 

boeot.  ^ilaQx^o^oi  ^^8 

Cfilo;  160 

Cij/u/a  160 

Ci^r^o)  160 

Caieof  160 

n^a)foy  161 

flcTfa  90 

W  141 

^«aiy  145 

in^ifTO  76 

i};foi  152 

^agaioi  82 

^«ijjfoilo;  169 

^£/yiu  194  f.  202 

^iloi  66 

^€^fioc  208  n. 

^Qaaioi  74  n. 

d^qaavvui  74  n. 

^uij^röJlo^  169 

d-vXiofAM  161 

^t;y^cü  74 

^(ue«!  236 

BvwvtSus  214 

fa  161 

tdXiflog  165 

lov  165 

M^a  65 

ffffiu  79 

hv  165 

/ii  165 

ttiiog  141.  165 

rx^tov  162 

fxTo^  168 

IxT^o  (Hes.)  166 

Uli  168 

tXvg  163 

^yt/era«  (Hes.)  165 

tov  165 

li)  165 

IvC^iV  164 

^lu  165 

xa&vos  199 

xaJlvl  182.  184 

xavtop  197 

thess.  )ra;rayö  149 

xaüvog  171  n. 

lak.  »a^Mx  (Hes.)  166 

kypr.    xatfa^itv    (Hes.) 

166 
xdxltj^  245 
xiSvog  166 
m/^o)  74.  81 
arcxa^jijora  882 
xifids  167 
x€vr^tti  199 


xAt^ov  199 
xiaxiov  168 
X6t;»a)  146 
xi^aQtg  188 
xl&tt^  250 
xJl/va)  74 
xSyx^l  175  n. 
aro/o)  145 
jroat;  (Hes.)  301 
xoivos  168  f. 
aroiUxl  169 
xoilo^c  169 
xoXtpog  169 
xofjißog  150 
xowitü  74 
xovTog  199 
xoQd'VVUi  169 
xo^off  169  f. 
xo^t;;  74.  169  . 
xoaxivov  168 
xovQlSu}g  170 
xov^f^oc  170 
xqixiiv  170 
x^xi;  170 
x^ffff«  170 
xQoariva  (Hes.)  170 
x^vcrroiUo;  245 

XT€iV(ü  75 

xjlwvfAi  75 
xva^  171 
xi;(fo;  145 
xt/€«y  171 
xvxdenf  170 
xvfia  172 
xt/o;  172 
xoi^97  168 
xfofiog  168 
xoH'oc  171 
xiuoc  171 
Jloi;xayAx  160 
Z/yo)  240.  241  D. 
dor.  AJ  74  f.  79 
Afix(;^o(  160 
Xlaaatfjiiv  (Hes.)  82 
>li;xayi^^a);roc  149 
kret.  fjid^ig  206 
fiaadofiai,  145 
/u^r^ol  184.  206.  208 
(Aixaaaai  159 
^i/Uo)  71.  78.  81 
vilßtKTog  177 
ycoydJtoc  191 
viofjiai  205 
vioaaog  159 
r^^»€  154  f. 
viqrt€Qog  154  f. 
vtv^v  212 
v^a>  212 
y/^  (Hes.)  805 
ydjuoc  196 


Register. 


389 


VOiTTOS  205     ' 
iVt/tfa  214 
vvaan  81 
SvQov  178 
86i^  (Hea.)  166 
idvaaaa^t  187 
6üia  (Hes.)  148 
df^or»  98  n. 
o£bc  147  f. 
oUfia  172 
o/cToc  172 
or^«y  172  f. 
ofx^a&M  141  f. 
dxy^iki  72.  74 
OM^  174 
oveutQ  75 
3|/ya  178 
«tJf  74  n.  178 
onimvt»  72 
SoiofAai  82 
S^  184  f. 
oQx^ofiai  78 
Sororo^f  81 
OfTT^fiOV  174 

datpQalvofiat.  287.  242 
dr^JUöc  174 
oiToc  177 
dq^vg  288 
dj^irdc  174 
"Oyij  192 
7r2/oc  260 
^roi^atforai  65.  81 
naim  77.  81 
naifv  177 
;ra^of  187  u.  n. 
naax^  197  n. 
nariofun  77 

TTOTO;  256  D. 

i7€»^oi  65 
nixog  252.  254 
niv&eQoe  212 
jrA'^ff  197  n. 
TtiQtrifAixr^m  144 
niQtaa6g  159 
msked.  nä^txmt  159 
^f^ilv*  177 

TTlj^   160 

7ri|^/y  160 
7r4;ift;(  258 
nut^S  176 
n^fATiXtifn  70  f. 
nrntu  72 
nnvin  72 
nixvfifA^  74 
nXaSa^i  175 
nXaSdn  175 
nlaSoc  175 
nXarvg  167 
noiiUXog  176 
no^fi^p  168  n. 


noifAvri  168  n. 
;rofToc  256  n. 
noaetieSv  256  n. 
Tida^  259 
Tforafiof  256  n. 
noxnfiov  (Hes.)  177 
;r^/r  188  ff. 
;r^/oi  79 

n^uvfl<nZvos  142 
nqoaffOEos  195 
nQiüAt  177 
n^tSros  177 
TTT/iUc;  176 

lak.  ^€Jl/a  (Hee.)  176 
TttiXov  72 
Jivyii  177 
nvy/Ltälos  280 
nvxivog,  7iv»v6s  229  f. 
nvfiaroi  176  f. 
TTvydf  176  f. 
TTciit;  168  n. 
-crc  159 
2;e^^Ai}  218 
aiTo;  218  n. 
tfxatJ;  190 
ctii^ov  281 
avQty^  255 
(r//Cc»  65.  69.  81 
xawUi  75.  81 
TotwfAm  75 
Tora  167 
rclii'tti  75.  81 
r€/^  81 
jiioßov  196  n. 
r<iL/Q>  79 
Tey^cvf  197  n. 
r^eiry  224 
TirififMn  241  n. 
r^a  167 
xaaivu»  75 
titMfu  71  bis 
ro;ra(Q>  178 
rd^roc  178 
tvQawof  182 
roi^aCfiy  142 
vyyifAog  211 
w^ff  220 
Vi»  220 
t;€»y  145 
t/^lof  145 
vUii  (Hee.)  168 
vldf  220 
Wiiir  212 
w*f,  vwij  178 
vTttiog  159 

$c;n  178 

va^aav  145 
vaaal  178 
vaadf  178 
i)tfrM(xd(  145 


t/<rr^i^  178 
(paQon  284 
^ßofjuu  167 
^Uti^g  219 
9>^jui}  178 
cpvro  85  D. 
lesb.  (ptXrifii  70 
ip6Qui/y^  188 
9)^  208.  286  f. 
^oi^o;  188 
9)^aC<u  81.  287  ff. 
(p^actü  281 
(pQovio}  287 
(p^if  241  f. 
tpqomlg  241  f. 
4)^v//Jloc  188  n. 
4)fltf^  216  n. 
/oJlaCa  245  f.  249 
/cai^  184.  245 
j^aAxd;  249 
;|ra/;po  79 
XaQondg  289 
/«Awij  188 
//At/ff  249  f. 
XiXvaaHv  188 
X^Qttdoe  247 
;nXiJ  188 
Xovd^S  248 
/o^;  142 
V^^79 
i/^CMtf  84 
«3^/»  78 

Lateinisch. 

oMömen  258 
ahdümm  258 
otftM  178  n. 
aedes  65 

OMItcitM   172 

am^0  202 
atUeä  u.  ä.  27 
anu9  228 
ar-  158 
arduus  74 
aMor«  807 
^«r  174 
airox  174 
atmr  289 
ofiAi  255 
aoui  222  ff. 
oxtSa  258  n. 
boöulum  144 
5any  46  f. 
h'onca  280 
mlat.  hruseui  249 
eadamüaa  298 
CM(iM  65.  69.  81 
CM/iim  800  f. 
caf9r0  181  n. 
cMfiM  298 

22* 


840 


Register. 


t9do  166 
eM>  147 
cäo  60  ff. 
eUrä  u.  ä.  28 
elu40  65 
eönor  197 
contra  29 
0o<^(iM  168 
erüdut  246 
üTtior  246 
erüfto  246 
euneus  199 
ctipto  78 
eustödire  146 
<ft/i^o  240  n. 
dueenü  825 
<2ii|i^  825 
m9  54  ff. 
faeHuM  65 
/oei««  65.  81 
fanum  302  f. 
/arcto  281 
foittgium  284 
/Ismo  79 
/oa;  65 
/endo  198  n. 
/;»(iM  85 
ßditü  65 
^Scܫ  65.  66.  81 
ßditu  65 
Jigüra  809 
/tfttM  218 
>So  85 
farsre  284 
fomax  266 
fomix  255 
^^0  242  n. 
frägum  242  n. 
/y>0mo  183 
frcquem  281 
ßrägühu,  -a  280 
/VofM  281 
/rtitfiim  244 
/Vu^m;  205 
JFVii^  206 
/uarn  86  n. 
für  216  n. 
JViriti«  66 
gannio  154 
^«/u  247 
gemtni  211 
^«mo  211 
^aiMT  211 
g&niua  65 
gradior  66 
grandü  227 
grando  245  ff. 
Aa6^0  70  f.  181  n. 
Aaurtb  145 
A#r¥  51 


Aamui  208 
A^«  198 
Ao<iM  47  f. 
homo  208.  214  n. 
imbeeillu9  144 
tmfttfo  150 
inguen  141 
inUmeeiei  65 
inUrpret  289 
üidem  157 
tti&#r«  67.  80 
Mietfiu^tM  209 
ttfOMtM  209 
ni9o  209 
jugere  164  n. 
laqueus  297 
Jdu;  297 
A)^o  240  n. 
lubet  80 
mo^M  816 
magnus  221 
Jlf^'tM  888 
moi^  46  f. 
tnanuB  2 19  f. 
mare  207 
marltiM  206.  208 
Mäcart  207 
me^ior  219 
mo<io  60  ff. 
mti^«o  208 
mußer  208  f.  n. 
muUus  186 
negl^ena  240  n. 
fMp^M  201  n. 
um  52 
nübo  212  n. 
fiöfrio  214 
oerü  174 
öito  255 
or<itbr  221 
oriar  221 
j»anmM  149 
pavio  77.  81 
j»«e<u«  251  ff. 
pemieia  65 
/>eftm  72 
pUö  70 
/löcftfx  258  f. 
prßiium  159 
privus  177 
jiröintfZ^dr«  185  ff. 
jNi^no  229 
puppia  176 
^<wt  51  f. 
räna  249 
reeens  199 
religent  240  f.  n. 
r^fa«  288 
r«or  79 
ri^o  167 


rüre  61 
riiri  61 
riMMM  807 
»aliva  164 
Mfietb  200 
saneiua  200 
seaeous  190 
<«£{f  90 
f«rtM  65.  81 
MC  261 
<tfM  177 
«Imim  261 
nnu»  260 

•tlMM  261 

MteOa  261 

9(rita9U8  228 

tan^o  242  n. 

tiro  224 

iongeo  77.  241  u.  n. 

trttootM  228 

mtfi  69.  71 

«TttfiotM  229 

tu  62 

urcMM  178 

urgire  69 

tf<0rtM  220 

ttxor  215  f.  216  n. 

Vagina  178 

vagtre  152 

OM  217 

O0<5«  810 

vegire  71 

0«/  66 

venenum  75 

tT^iitfm  217 

ofjtn^  48 

ot/M  168 

Oskisch. 

qfiaku9  297 
o/ltiAkui  297 
ofi^e^tiM^  298  f. 
at^Uu-  296  f. 
eailtfM  298 
kaOa  300  f. 

ümbriscb. 

amperia  304 

oftfi/  808 

anaarfa/tM<  a.  s.  819 

asiane  806  f. 

CMO  807 

«TU  805 

«t7«i«fii  71 

i^u  807 

furfad^  308 

AtfTM  79 

nertro  155 

n«rt«  805 

p-MM  177 


Raster. 


341 


rufru  807 
rusem4  307 
tuj»lak  825 
wüwe  261 
Wituva  810 

FaliskiBch. 

foüd  47 
hanula  308 

Italienisch. 

atklare  809 
hraneoiare  230 
guseio  2ö9  n. 

Paelignisch. 

JUllMM^U   802 

iitM  801 

VoUkisch. 
80pu  299  f. 

MarraciDisch. 
onim  807 

Französisoh. 

ffoustant  259  n. 
gousse  259  n. 
goussei  259  d. 

Gallisch. 

Cm^tM  199 
-«Icifitim  218 
Mediolanium  149 

Irisch. 

air.  araehrimm  74 
Off«  224 
5arn  208 
barr  284 
berran  241 
5tM  230 
5r9c  229  u.  n. 
air.  brühem  207  f. 
brot  238  f. 
6rtt  282 
brüim  227.  244 
air.  ftnitiMM  235  f. 
caitnmse  191 
eaiitf/  196  n. 
eenn  196.  199 
<^«atm  197 
<atns  197  n.  199 
einteir  199 
air.  c^m  81 
croean  251 
cTtfii^  250 
<2äm  212 

gmel  211.  213  n. 
air.  -gninim  74 


^orm  208  n. 
air.  imritn  222 
air.  tteiu  82 
air.  maec  221 
muir  207 
mfitVmon«  209 
nüa^Aor  215 
oehar  174 
rtff7  210 
rehim  210 
air.  roßUtar  90 
ro«e  210 
<m$re  242  n. 
tongu  242  n. 
ttcAi;  251  f. 

Gymrisoh. 

ammratodd  287 
ftarcf  288 
bam  208 
6e/0  207 
brawdegg  287 
6rtt  232 
5r^fi  227.  243 
acymr.  eeneU  196  d. 
croehan  251 
ertiTtA  250 
etoyddo  146 
ae/y»  211 
nebrumg  228 
maft  221 
in«rcA  209 
tnorwgn  209 
ocÄr  174 
;i0itn  196.  199 
trüch  229 

Cornisch. 

dof  212 
ffuAtif  216 
ntmbrofik  228 
morotn  209 

Albanesiscb. 

avtf^  222 

bafi  220 

5ar^  281 

5«M  201  n. 

6tr  220 

brenU  284 

5rM  284.  248  f. 

breiig  breiki  249 

5r«ien  244.  248  f. 

br^tske  249 

^^;  235  f.  241 

briik  232.    286  f.    241 

248 
buf,  bufe  219 
dtndtf   211 
<r«  165 


^ump  199 

jfaif  201.  248 

gasU  261 

^'t  260 

^t«<  152 

grUt  152 

0äi,  ^'äie  223 

%rah€  250  f. 

AroAcfMirlt  251 

krahnöi  251 

AroAnKtfr  251 

ri&  212 

mftar«  231 

mfteM,  bes€  201  n.  225 

mdreii  284.  248  f. 

mbuf,  tnburem  219 

mUr€  219 

niMe  210  ff.  214 

ntisert  211 

;i0rxf  201  f. 

peM€  201  n. 

j9t^  259  n. 

/m^  229 

jm^^'  229 

re  210 

rt  210 

rt^  210 

mV  201  n. 

ioh  251 

Hergiii  224 

<a^  223 

oe^a,  via  222 

z£  200.  204 

zemberäk  202 

zemcroX;  202 

zcm€ra^£  202 

unurduruim  202 

s^m«r€  202 

zenurgän  202 

z&mrk'in  202 

zetiurnguite  202 

zcmcrM  202 

s«m€r(5r  202 

iS;af  208  n. 

zoA;  208 

zof€  208 

Slavisoh  (Eirchen- 
slavisch  anbezeichnet.) 

e^ßhati  145 

4<tö  147 

bergtili  188  n. 

6^  85 

bilka  207 

mss.  borona  284 

5ra<2a  284 

6ranla  238  f. 

5r0Zi2a  233 

rosB.  brjueho  282 

serb.  slov.  hrst  227 


I 


342 


Register. 


ru88.  bru$  234 
aruss.  hrusna  230 
brüdo  234 
hrUtelü  244  f. 
brüsnati  234 
brüsru^  244 
cesaii  168 
cinö  241 
cua  241  n. 
<^do  145 
mss.  ciiehaÜ  145 
cu<t  145 
cväq  213  n. 
<2eo^  217 
doiepa  178 
i2fima  282 
dUsU  222 
^foft  153 
^(ioi;^  79 
goüiiq  79 
^a6«^t  308 
gradü  245  ff. 
^q(l^  227 
^&Ad  190 
ffriza  153 
gritiU  158 
p.  ffriM^a  248 
r.  tVa  162 
ilu  164 
y<kiro  172 
jadü  172 
yor«  160 
p.  j€hac  172 
j^mv  173  n. 
ibant^t  198 
klr.  A;tn  198 
r.  konaU  198 
A;onr  195  f.  198 
korOdH  198 
A^fijt;'  181 
korota  181 
Arada  170 
nsl.  kreaati  170 
p.  krokwa  251 
Arotffio  170 
r.  Aroint  250 
kruchä  245 
A^|9{;a  78 
lal&ka  160 
%if  253 
(;'ti^  191 
mc^  203  D. 
m«(;Vi  71.  78.  91 
mläva  206 
mirivüi  206 
klr.  mooa  206 
5ech.  mrholüi  152 
r.  nahrjaknui  228 
iMV^^fto  216  f. 
mVa  176 


no»r  81 

ohrusU  245 

o6rJ/vr  283 

ocfrff  174 

okrocüi  251 

opona  149 

o»i;a<t  261 

o^nö  173 

Sech,  focea  168 

r.  /lacA  u.  ä.  255 

klr.  paid  255 

slov.  r.  pagtuch  259  n. 

slov.  patducha  u.  ä.  256 

Sech.  p<M{  256 

Sech,  oole  n.  ä.  256 

tiosticAa  257 

bulg.  pazCuJva  257  f. 

;>ei^  255 

p^Q  256 

pevny  218 

»Mo^*  176 

/it^yi  77 

r.  piida  259 

;i20ifo  252 

oBorb.  podpaha  254 

|iotö  256  n.  D. 

serb.  povi  255 

priküiäi  171  n. 

ru88. 1W"ÄI  71 

pronoziti  81 

/»ro<»  158 

j»r&«t  226.  229.  235 

prüsd  229 

rahü  150 

rac^t  199 

p.  rana  187 

ra#<t  210 

reA^q  199 

rodU  221 

klr.  rukopas  255 

nsl.  ««iMc  175  n. 

»hvij  169 

«nav<]^  212 

«ntfith'  212 

so8na  171 

«trafki  281 

gtarü  223 

«<rt{;t  205 

«Mfr  261 

itja  261 

i^tido  145  n. 

iura  212 

iurr  212 

aurimi  212 

<e^  176 

e^o  242 

trki  71.  91 

OBorb.  <ro  328 

träpiti  71.  78 

obers.  <ryA;  225 


uUea  265 
ti/t;7  255 
ruBB.  üUjff  147 
p.  wqftiea  147 
p.  tm^y  147 
M<ia  217 
veBelü  207 
vjbo  217 
ortknr  178 
ry  801 

p.  wygon  201 
vyknäbi  220 
oi?c^t  195  f. 
zoc^'  196 
saA»fii2  196 
r.  dial.  zelv  250 
c^  211 
znqja  84 
sv^^t  152 
wonü  203 
soOi^^t  203 
Sb/^bo  249 
Müvi  249 
Itf/y  249 
Unq  201  f. 
ü^rnq  211 
}^a  201 
sfr^'  239 
!»($  213  n. 
Iftetö  144 
Sfoc^tca  247 
}brei%  92 
zt;a<t  198  f. 

PreuBBiBch. 

angsieinaif     angstamai 

158 
ayeulo  166 
atM^tit  190 
hritgelan  233 
drtitri^  71 
eMmmat  182  n. 
eBk$trea  163 
^aM^M  213  n. 
geiU  213  n. 
^0^  249 
yeeroy  162 
tmmtmat  182  n. 
ytüogarge  165 
}ka»7««/MA:an  301 
kaytoe  168  n. 
ca&  182  n. 
eamsttan  167 
keytaro  248 
Aien^  176 
kradan  250 
paggan  254.  258 
peisda  259 
pirit&n  229 
pogerdaiU  237.  240 


Begister. 


343 


pounian  177 
pro9na,  pruana  177 
sari  208 
sarwü  169 
9mov  203 
BuekU  190 
tsl(i)8  816 
wangus  258 

Litaaisch. 

o8tl.  a<ftin<  168 
afftif  173 
aidat  172 
auItW  172 
<lii2y<t  172 
aime  (?)  172 
at^rä«  160 
dkas  175 
oA^bBO«  178 
dksiinas  173 
aA;«<i«  178 
aiiJk^^l  158 
anyta  223 

apaezä  159 
aptträ'bti  150 
zem.  ar£M  158 
orti  157  f. 
oi«^  157 
aune%oii  190 
aii^'  181 
awHi  181 
aa^  159 
&IIM1I«  183 
baiksgÜs  183 
handa  234 
6Mt  167 
ö^iuM  224 
%)»<t  167 
branka  228 
brankizdli  228 
ftraii^t  244 
^otma  233 
MfiAit  228 
hrUgiloB  238 
5r($&  222 
hrükti  231 
&rt<f7i«  233 
^ma  190 
dedü  179 
(ieirtd  179  f. 
dwynl  217 
<ft<£«  161 
cftWä  81 
dülü  161 
•^a  142 
ekdS  175 
Jfra«  167 
•razkHras  163 
altl.  ««s;U(riM  163 


?MmiM  166 
gehB9  249 
^entik  201 

fenü  201  f. 
em,  g0rqnk9zU  183 
gerifüa  79 

^tr<fi»  81.  287  f.  240 
^r^'  241 
graikis  190 
^eM  229  n. 
grddas  248 
^ti/tä  65.  71.  78 
^älM  259  D. 
gZKs  65 
altl.  tdanU  158 
^jf^t  74 
yria  165 
indiewai  180 
ypaczei  162 
ypaiua  u.  ä.  162 
yra  221 
itzeto»  159 
Mspj^t  167 
jftffo«  165 
tXoib/»  166 
jotl«^'  160 
judUi  66.  80 
yt^t  160 
jiUus  160 
kaikaras  168 
A^aiiiMf»«  168 
ifcaAl^'  182 
ÄMfiesa  197 
ketnas  168 
Xmii^Ki  197  u.  n. 
kimbü  150 
kirmyjü  79 
Ar?AJa«  250 
Arfofi«^  170 
ArftMza  245.  248  n. 
kriünti  245 
kroanis  170 
Arii^i«  250 
2em.  küiit  146  n. 
A»0««y«  191.  213  n. 
higStku  212 
^fMftl'^'  253 
limi  258 
mor^  154.  206 
mdt0u  79 

ftM/fflM    171 

menü  78  n. 
fiMrdilttf  71.  73 
merga  209 
mtSrnuM  186 
mtnS  85 
mo<^  219 
murdynaa  162 
ffiMri^*  162 
infirAf«as/fin^'  153 


murnUnH  158 
altl.  n^to  158 
altl.  neU  158 
9M|ih«  201  n. 
newyk^  141 
o<fi  174 
paikoB  176  n. 
paigzaa  176 
paläakis  160 
pawÜkBUu  141 
pä&Ma  257 
^^«s^t  254 
;i;«a  168  n. 
/ilTMa  176 
^IMt  176 
;>^a  168  n. 
;>;ai{;ii  77.  78.  81 
platüa  167 
;>tö^  167 
profUü  239 
pridvijas  74  f. 
priazü  235 
prtMita  177 
rdik^o«  199 
ran^a  198 
ra^ttt  210 
rifu  68.  79 
TMi/uJ^t  167 
rtlÜUi  198 
ru56'  160 
MM^'  160 
«a«to«  150 
«ima/nä«  171 
»ywai  144 
«JMsti  65.  69.  81 
8kiriü  74.  81 
memd.  Munu  183 
«<0nt^  78  n. 
9t6ju  179  f. 
stawHi  179  f.  u.  n. 
$u$igiiä6i  259  n. 
noagUi  152 
«si^tffiM  169  f. 
«s4f<A»s4iM  170 
neimjna  168 
fstdAM»mM  170 
«stfiÄE^s^fi«  170 
«sfUb«  170 
MUÄW«  170 

nuwtu  151  n. 
«BtcncItM  201  n. 
iäpH  178 
tofna«  224 
altl.  UipU  168 
<«^«  176 
tä0u  167 
fy/«»  182 
<yrtö  71.  81 
tr^ikti  229 
<rtiiyi/HM  142 


344 


Register. 


tnqM  142 
ugniU  161 
ünkti  144 
Ümk9iyti  144 
urhmti  160 
iwfii«  178 
tdtfcM  159 
tM'<  159 
^Ua  256 
d'ooM  216  n. 

tMHtt'll  217 

warß  249 
217 
168 
176 
virt  249 
veno«  319 
wdgrtmÜ  152 
smyKt  152 
xw^onlt  152 
wwogamU  152 

liiM&K   183 

Icri/a  203  n. 
Urna  203.  239 
Umia9  211 
I^mIii  192 
iMi?  74 
itörKt  239 
Sb/a  85 

SmMMt  203  0.  n. 
iMr203 
i»agHi  152 
hoaU  65 
ib0Äi^  152 
ImvU  190 

Lettisch. 

dbi  175 

mkaU  175 

«Jbfft  178 
«r  158 
i(rM  174 
«<bdUi  190 
ftoMt  183 
5aril«  330 
5flr»fa  880 
5a«aM  178.  188. 
bramiBt  244 
5fwicfM  244 
hrukt  244 
5HMt  284 

Q.  &.  828 
190 
Me  218 
d»/e/b  161 
diwi  a.  ä.  319  f. 
190 

142 

ä.  323 


dyuUt  805 
dOU  161 
<ii«M  257  f. 
dusM  190 
t(rMk$m9  188 
es^bdkt  173 
jFOMf  202 
y«w  201 
fiaimüi  152 
^m/«  190 
yurm"  166 
guiehma  178  n. 
<ii«  165 
idra  172 
1^'  162 
ihshu  819 
Of  164 

ijpa««  u.  ä.  162 
irh9  150 
M-Mw  150 
Oueka  159 
>ihi<d<  160 
ikomAt  191 
kanu  181  n. 

^MTU   190 

kiw€  168  n. 

i&^n;  159 

kUp9  190 

ifcrtfäu  190 

AretM  190 

ifcrdUf  170.  250 

kmd€  146 

Mfo  146  n. 

hoUU  191 

Mtt  315 

roiiM  191 

Ukm»  258 

rte'  191 

m&rga  158 

«Mir^  152 

flmrJ^  152 

m^fu  81 

«te  157  n.  327  o.  n, 

147 
257  f. 
pmkgU  254.  258 

149 

177 
p^fium  288 
jM'Mf  175 
^  149 
piz  817 

p&inUbM  n.  a.  188  ff. 
pinm(%)9  316 
pi0dik§dkm  175 
pkdfn$  175 

j»r«iUt  190 
pr«<i  158 


prAjmm  177  n. 
pr4rim»ek  160 
ptfriM  190 
ji^«  160 
reiM  316 
r«s^  199 
ri»  199 
Httf  160 
/ar<  165 
/•IM  183 
/MHf  175  n. 
A/U  144 
>iM,  /MV«  190 
/irfw  190 
/«iH^  152 
«itt  200 
jojM  178 
■Iw/gf  829 


•<f* 


316 
175  n. 
144 
Mb  199 
170 
170 
151  n. 


mU^  179 
«ftfw»  179 
•Mtw  171 
M&db  176 
fctflMiu  190 
irU  828 

190 


•m'iu  161 
«Vfll  150 
i|/)hi^  146 
^M«  880 

178  n. 
a.  a.  815ff'. 
819 
141 
197 
181  n. 
168 
•i  197 
197 
'•-  197 
168 


Gotisch. 

219 
d^MBi  65.  81 

281 
150 
255 


207 
220.  224 
220 
hidJM  65.' 81 

228   230.  232 


Register. 


345 


brunf'o  234.  241 
bruiiB  226  ff.  284 
hrüßs  205  ff. 
dänu  282 
dun  177 

duginnan  198  ff.  204 
fana  149 
födja  77 
frabjan  288 
gadtUggs  212 
gana^an  205 
gantjan  204  f. 
goparban  71.  78 
gatoatbon  217 
^0ton  238.  240.  246 
^^«  65 
flTMma  203 
Ao^M  70 
Aa5an  71 
AaO«  801 
AatfiM  168 
AotrtM  169 
handugB  198 
AamItM  198 
AnfMa  212 
hau^'an  145 
Atfufiimtfffo  199 
Am^im  198.  212 
hröi  170 
At^'of»  66.  81 
hunsl  151  n. 
hvaäeiM  77.  213 
Aoe«fo  201  n.  213 
inki^  172 
A»^  247 
kapei  172 
kumtaip  74.  79 
knu-qiprB  220 
/ti&atiM  80 
miMiM  208  B.  221 

ffumna  203  n. 

moret  207 

krimgot.  marzua  206  f. 

ffii//an  176 

munon  71 

nt/^o  201  n. 

qtans  219 

ro^Vi  199 

sMran  251 

«ato«  144 

«aroa  169 

9aups  151  n. 

n&ya  172 

MkauU  261 

Mitwofi  76 

noaran  242  n. 

iotf/ofi  218 

tmArjim  153 

^OIMNI  71 


Pagkjan  242  n.  n. 
^«Oon  229.  282 
-tiA  181 
tM6atij[;an  151 
vadi  217 
tffoff^«  253 
tMMa»  71 
wainti  181  n. 
i0«t%an  71 
«Ttil/a  75 
unmuifi  197 
wdds  310 

Altnordisch. 
(Altialandisch.) 

it  222 
auso  145 
ftormr  284 
bogr  258 
5ra<<r  248 
ftrm^a  228  f.  248 
hrjö9t  226 
5ryö<a  244 
broddr  288  f. 
6r(^o  228.  229  n. 
(rön  288  f. 
5r^fia  245 
bryni  284.  245 
hurr  220 
6ttr«<  284 
miiU  172 
«dr  172 
•yrr  145 
fud  177 
ßMundr  149 
gaman  202 
^omtr  287 
^0Ma  202 
yifia  198 
^^m  208 
grär  289 
gruna  238 
mffir  288  ff. 
A«^  171 
iWrAf  172 
Atfki  167 
hata  146 
jadarr  174 
Atm5etf  211 
AMfia  152 
hringla  229  n. 
ibPM<r  280 

fVMfT  184 
mddmr  219 
m^rdr  207 
iiordr  155 
Midr  178 
(M^  141 
^/  258  n. 
ro^a  807 


aSUr  200 
«0*^  150 
Bida  150 
«AdM  72 
«törr  228 
avara  242  n. 
n^*222 
«M^  161 
Umhr  153 
<iffi  218 
Peßn  196  n. 
JM^j{;a  196  n. 
Porp  168  Tl. 
prgngwa  282 
pgrpast  168  n. 
oceii^  258 
v^  220 
mnfui  197 

Norwegisch. 

dial.  brank  228 
diai.  ftranJba  228 
dial.  brankuU  228 
A«tyipa  150 

Dänisch. 

bringe  228 
gamm$l  202 

Schwedisch. 

^a  200 

dial.  br&nga  229 

dial.  ftriXJba  281 

Angelsächsisch. 

adum  212 
ftam  287 
brani  284 
5r?o<<  226 
ftroril  283 
brysan  228.  244 
tfim^tii^  211 
ekeman  152 
eorofi  221 
eari  221 
Aec  260 

/(ernne  168  n.  214 
An/  801 
Ar<i^/  170.  250 
nide  158 
de  216  n. 
<ti0e«n  165 
tigtnan  193 
tö/  218 
j^/8an  178 
gäH  202 

Englisch. 

5ar  287 
barn  237 
5raii^^  229 


346 


Register. 


brink  231 
brim  287 
brüM  228 
ehäd  172 
crank  229  n. 
wing  258 

Altflächsiscb. 

adro  174 
frrto«^  226 
hruttian  226 
Mior  174 
Arö<<  170 
ord  178 
j90(2a  188 

Friesisch. 
fämne  168  n.  214 

Mittelnieder- 
deutsch. 

ad0r(ej  174 
ai»A;«n  144 
quaken  152 

Niederdeutsch. 

frrtflib  231 
pegel  144 

Burgundisch. 
hendinos  199 

Althochdeutsch. 

ano  223  f. 
otor  174 
baro  219 
ftorto  284 
basa  225  f. 
M^tniMn  193 
fttiiA  207 
bhioen  84 
6orön  234 
breman  183 
5re«<an  226 
&rö«ma  227.  244 
dräu  71.  79 
eiba  173 
euliim  212 
ats  172 
Mtnehili  224 
«tor  174 


ewa  212 
/oA  260 
/owe/  260  n. 
fSh  176 
/M^t  176  n. 
fona  177 
f remidi  159 
^öAt  202  f. 
^amc  202 
ganz  205 
^ar6a  808 
gataro  212 
^01}  194 
gewön  198 
^'iMfi  193  f. 
^tM^  145 
giwen  193 
glatten  85 
ffTUOS  288 
Aa^o/  245  f. 
hanUig  198.  199 
AMntVft  191 
hirat  173 
A/tnim  74 

Ar<^,  hregä  170.  250 
Am«  146  D. 
huUa  146  n. 
At<7a«  178 
inginnan  198  f. 
ttimMn  239 
irknau  65.  74 
cA^^t?  144 
klaga  142 
cArancAolön  229  n. 
krumb  229  n. 
fo6^  71 
mar  ah  184 
marciiir  207 
merigrioz  171 
iiMTMa  184 
mVIa  158 
nift  201  n. 
or<  178 
pfeü  188 
giMran  241 
9t<M<  226 
sapen  72 
«/tozan  245 
stima  231 

uoquemilo  213.  214  n. 
tiojtMmo  214  n. 
t0«f5ön  219 


werwolf  149 
tiH|fi  219 
wuula  207 
ztAAtn  165 

Mittelhochdeutsch. 

art  221 
5r€eA«n  242  n. 
briezen  205 
drengen  232 
gampen  202 
^o^  212 
^rütMn  239 
^mpe/  202 
gumpen  202 
«löM  245 
«70^«  173 

Neuhochdeutsch. 

bair.  aitzeln  172 
ar^  221 
6arfi  237 
barre  287 
5ram  237 
braue  238.  287 
dratMcA«  228.  283 
bröeehen  228 
dial.  6r«M  228 
einfach  260 
«Mi  212 

empfangen  196 
bair.  ms^  174 
gammel  202 
^im/ie/  202 
^t«^  212 
gra{p)pen  308 
Aarm  181  n. 
harren  181  n. 
A«M6A«n  187 
humpen  199 
hundefoU  149 
jauehken  164  n. 
Aaus  165  n. 
Bchief  190 
«cAoM  260 
«cAunrrtfn  242  n. 
zullen  218 

Lykisch. 
arava  287 


t)erlag  von  Vanbentfozd  8c  Suprec^t  in  (ßötttngcn. 

Soeben  tfi  etfd^ienen: 

Ritten  un6 
^e&xäxid^e  bex  ^ua^eCx 

ne&ft  einem  ^In^ang  fibet  Rec^tsgetDO^n^etten  fret  Suaheli 

pon  Dr.  S.  Selten. 

^iS  gel^.  8  m.,  geb.  9  W. 
unb  boffelbe  in  SuQl^Iif)>tQd^e  untet  bem  Siiel: 

Destnri  za  Wasnaheli 

na 

khabari  za  desturi  za  sheri'a  za  Wasuaheli 

von  Dr.  C.  Veiten. 

Preis  geh.  12  Mk.,  geb.  12  Mk.  80  Pf. 


Praktische  Anleitung  zur 

Erlernung  der  Schrift  der  Suaheli. 

von  Dr.  C.  Veiten« 

1901.    Geh.  5  Mk.,  geb.  5  Mk.  60  Pf. 

„Eine  schon  seit  längerer  Zeit  recht  bemerkbare  Lücke  in  unserer 
kolonialen  Sprachen-Litteratur  hat  Dr.  Veiten  hier  dankenswerter  Weise 
ausgefüllt.  Wie  der  Verf.  sehr  richtig  in  seinem  Vorwort  bemerkt,  be- 
herrscht die  arabische  Schrift  und  die  durch  sie  bedingte  Schreibweise 
des  £[isuaheli  noch  vollkommen  die  gesamte  Litteratur  und  den  ganzen 
Briefyerkehr  in  Ostafrika  und  wird  sie  auch  weiterhin  trotz  aller  An- 
strengungen, die  lateinische  Schrift  an  ihre  Stelle  zu  bringen,  noch  auf 
sehr  lange,  wenn  nicht  stets  beherrschen.  ...  Es  muss  daher  für  alle 
Kaufleute  und  nicht  weniger  für  alle  Beamte  in  Ost- 
afrika als  durchaus  erforderlich  angesehen  werden,  die  ara- 
bische Schreibweise  des  Kisuaheli  zu  erlernen.  Der  Verfasser  hat  in 
sehr  übersichtlicher  und  systematischer  Weise  das  zu  erlernende  Pensum 
angeordnet  und  macht  den  Lernenden  eingehend  mit  allen  Einzelheiten 
und  Schwierigkeiten  seiner  Aufgabe  bekannt.  Als  recht  praktisch  sind 
die  im  ersten  Teil  eingeführten  Buchstabenverbindungs-Übungen  zu  be- 
zeichnen, ebenso  wie  die  im  zweiten  Teil  enthaltene  detaillierte  Ein- 
führung in  die  stehenden  Formen  des  Briefstils.  .  .  .^ 

(Koloniale  Zeitoolirm  1902  Nr.  14.) 

„Diese  Anleitung  kommt  einem  Bedürfnis  entgegen,  da  man  sich 
trotz  aller  Bemühungen,  die  Suaheli-Schrift  mit  arabischen  Buchstaben 
durch  die  mit  lateinisdien  zu  ersetzen,  in  Ostafrika  wohl  noch  eine 
ganze  Reihe  von  Jahren  mit  der  arabischen  Schrift  zu  beschäftigen 
haben  wird.  Im  zweiten  Teil,  der  vom  Briefstil  der  Suaheli  handelt, 
hat  der  Verf.  alle  Teile  eines  Briefes  in  den  verschiedenen  Abfassungen 
gesammelt  und  erklärf*.  (Deutsches  tColoniatblatt  1901  Nr.  13.) 


t)erlag  von  Panften^oecf  &  ISLuptedfi  in  <Sdttht9cit. 

Grammatik  des  Elayamuesi, 

der  Sprache  der  Wanyamuesi  in  Deutsch  -  Ostafrika, 
speciell  des  Dialekts  von  Unyanyembe, 

nebst  einem  Wortverzeichnis 

kinyamuesi-deutsch  und  deutsch-kinyamuesi. 
Von  Dr.  C.  Veiten. 

1901.    Geb.  Mk.  10.50. 

The  Athenaeun  1902  Nr.  3891 :  „Dr.  Veltens  „Grammar^  is  u  ad- 
nlrable  pleoe  of  work,  deserving  a  much  fuller  discossion,  than  we  have 
Space  for.  The  fall  lists  of  examples  and  the  collection  of  sentences 
are  particolarly  valuable.  The  German  version  of  the  latter  can  be 
used  as  exercises,  the  original  serving  as  a  key.  There  is  also  a  fairly 
foU  Nyamwezi-German  and  Qerman-Nyamwezi  vocabulary  and  attttgether 
the  book  is  one  deserving  pralse*'. 


IPV^icIitisf  auch  fikr  Sagreiifi>i*scliex*! 

Zeitweilige  Preisermlsslgang : 

Der  Neu-Aramäische  Dialect 

des 

TUR  'ABDIN. 

Mit  Unterstützung  der  Eönigl.  Gesellschaft  der  Wissenschaften 

herausgegeben  von 

Eugen  Frym  und  Albert  Sodn. 

Zwei  Teile. 

1.  Teil.  Die  Texte.  288  S.  gr.  8.     2.  Teil.  Übersetzung.  426  S.  gr.  8. 

Den  Preis  beider  Teile,  tbisher  16  Mk.,  ermässigen  wir  zeitweilig 
auf  8  Wie.,  den  Preis  jedes  einzelnen  Teiles  auf  5  Mk. 

Der  2.  Teü  ist  für  alle  Sagenforscher  von  grossem  Interesse. 

„Die  vorliegende  bedeutungsvolle  Leistung  erweitert  unsere  Kennt- 
nis der  aramäischen  Yolksdialekte  sehr  wesentlich.  Nachdem  Th.  Nöl- 
deke  im  Jahre  1868  eine  Grammatik  des  neusyrischen  Dialekts  der  Ebene 
am  Urmiasee  geliefert,  gelang  es  bald  darauf  den  beiden  Herausgebern, 
auf  ihrer  Orientreise  eine  grosse  Anzahl  Texte  jenes  Dialekts  zu  sam- 
meln, der  im  Hügelland  Dschebel-Tür  unter  den  Jacobiten  sich  erhalten 
hat.  Ein  Mitglied  einer  durch  Heuschreckenplage  nach  Damaskus  ver- 
schlagenen Kolonie  aus  Midhj&t  erzählte  ihnen  dort  in  seinem  heimischen 
Dialekt  allerhand  romantis^  GesehicfUen  und  Tierschwänke ,  die  die 

beiden  Gelehrten  aufs  sorgfältigste  nachschrieben  und  durch  eine  sofor- 
tige Kollation  der  beiden  Konzepte  gegen  etwaige  Versehe  sicher  stellten. 
In  der  vorliegenden  Ausgabe  dieser  Erzählungen  ist  durch  reichliche 
Differenzierung  der  Buchstaben  für  eine  treue  Wiedergabe  der  Laute 
gesorgt;  die  Übersetzung  ist  nicht  so  sklavisch,  dass  sie  nicht  den  etwas 
primitiven,  stossweisen  Ton  des  ungebildeten  Erzählers  ausglättete**. 

(Deirtache  Uteratumitang  1881  Nr.  22.) 


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