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Beiträge
zur Kunst des 19. Jahrhunderts
und unserer Zeit
zusammengestellt von Dr. PAUL MAHLBERG
herausgegeben anläßlich ihrer Eröffnung von der
Galerie ALFRED FLECHTHEIM G.m.b.H.
ERNST TE PEERDT
Der Negermönch, 1877
BEITRÄGE ZUR KUNST
DES XIX. JAHRHUNDERTS
UND
UNSERER ZEIT
ZUSAMMENGESTELLT VON DR. PAUL MAHLBERG
HERAUSGEGEBEN ANLÄSSLICH
IHRER ERÖFFNUNG VON
DER GALERIE ALFRED FLECHTHEIM G.M.B.H.
DÜSSELDORF, ALLEESTRASSE 7
1913
DÜSSELDORF
ERNST OHLE VERLAG
AUGUSTE RODIN
Tänzerin aus Cambodja (Aquarell)
GEDRUCKT VON AUG. BAGEL IN DUSSELDORF
IN PLANTIN=SCHRIFT FÜR DIE GALERIE
ALFRED FLECHTHEIM G.M.B.H., DÜSSELDORF
AUF ZANDERS'SCHES KUNSTDRUCKPAPIER
50 EXEMPLARE SIND AUF BESTES KUNSTDRUCK
ABGEZOGEN, NUMERIERT, NICHT IM HANDEL
UMSCHLAGZEICHNUNG VON R. SCHWARZKOPF
N
Gib
Die mit * bezeichneten Bilder sind reproduziert.
Man weicht der \A/'elt nicht sicherer aus, als
durch die Kunst; und man verknüpft sich
nicht sicherer mit ihr als durch die Kunst.
"Wahlverwandtschaften.
GEORGES MINNE
Gebet (Holz)
J
VORWORT
Endlich bin ich in der Lage, mir einen lange gehegten Wunsch zu
erfüllen : mich nur mehr mit Dingen der Kunst zu beschäftigen. Dazu soll
mir meine Galerie dienen.
Die Liebe zur Kunst hat mich gelehrt, jedes Kunstwerk nur auf seine
Qualität hin, nicht unter ,, kunstpolitischen*' Gesichtspunkten anzusehen.
Wie dieses Prinzip dem Besucher dieser Galerie erkennbar sein soll, könnte
ich nicht schöner ausdrücken, als es im Vorwort zum Katalog der ersten
Ausstellung der Sezession im Jahre 1899 geschehen ist:
,, Nicht sowohl durch das, was wir bringen — denn Meisterwerke
lassen sich nicht aus der Erde stampfen — , als vielmehr durch das, was
wir nicht bringen, wird sich unsere Ausstellung von den sonst üblichen
unterscheiden Bei der Auswahl der Werke, welche unsere Aus-
stellung schmücken, war nur das Talent, in welcher Richtung es sich
auch offenbart, ausschlaggebend. Für uns gibt es keine allein selig-
machende Richtung in der Kunst, sondern als Kunstwerk erscheint
uns jedes Werk — welcher Richtung es angehören möge — , in dem
sich eine aufrichtige Empfindung verkörpert. Nur die gewerbsmäßige
Routine und die oberflächliche Mache derer, die in der Kunst nur die
milchende Kuh sehen, bleiben grundsätzlich ausgeschlossen.**
Und auch das, was weiter vom Verhältnis der Kunst zum Publikum
an dieser Stelle gesagt wird, möchte ich mir ganz zu eigen machen :
,,Auch sind wir uns wohl bewußt, daß wir von selten des Publikums,
welches in der Kunst ungern von liebgewonnenen Gewohnheiten läßt,
vielfachen Anfeindungen ausgesetzt sind. Doch im Vertrauen auf die
siegreiche Kraft der Jugend und das wachsende Verständnis der Be-
schauer haben wir ein Unternehmen ins Leben gerufen, das einzig und
allein der Kunst dienen will.*'
Alfred Flechtheim.
HUGO LEDERER
Kopf des Heine-Denkmals für Hamburg (Marmor)
Genesis.
Von KURT KAMLAH.
Schwer wälzt der Niederrhein seine massigen Wogen vorüber an der Stadt, die in
seltsamer Nichtachtung ihm so lange Jahrzehnte den Rücken gezeigt. Noch 1890 eine
Reihe einförmiger Häuser, fast Gefängnissen gleichend in ihrer nüchternen Stirnseite,
bestaubt, verwittert und stimmungsschwer, wenn der landesübliche Regen graue Schleier
um die Giebel schlug und tiefgehende Wolken von Nordwest her fegten. Trotzige, schlecht-
verputzte Backsteinbauten, an einigen Stellen unterbrochen von engen, aber stilvollen
Toren, durch die der nicht oft so weit gelangende Städter einen dreifach geteilten Aus-
schnitt sah: den Fluß, die grünen Wiesen jenseits und den grauen, selten blauen Himmel.
In einer größeren Lücke standen Reste des alten kurfürstlichen Schlosses, von dem heute
der runde Turm noch als einigermaßen sinnloses Überbleibsel gehegt und gepflegt wird,
wiewohl er den Verkehr hindert. Niemanden erfreut und nur schiefgeleiteter Erinnerungs-
sentimentalität dient, während die schönen Tore fallen mußten.
So lag Düsseldorf abgeschlossen und selbstzufrieden da als etwas verkalkte Kunst-
und wenig entwickelte Industriestadt; es vergaß fast, daß der schönste Strom des Vater-
landes seine Mauern bespülte. Die Bürger und Fremden kamen nicht an den Fluß, nur
einige Rheinkadetten standen am Ufer und spuckten gedankenvoll ins Wasser. Die Maler
gestalteten noch ihre netten Historien-, Genre- und Tierbilder reinlichen und belehrenden
Inhalts. So einer zum Landschafter wurde,
wanderteer nach Holland, der Schweiz oder 1
gar Italien ; der feine Reiz niederrheinischer
Tiefebene war noch nicht entdeckt, man
verlangte liebliche oder schauerliche Ro-
mantik. Die Fabrikherren kauften dann
die Wiedergaben der genannten Länder und
hatten damit der bodenständigen Kunst-
förderung Genüge getan, den Rhein sahen
sie nur in Duisburg oder Köln. So strömte
die breite Flut, geschäftlich ziemlich, künst-
lerisch ganz unbeachtet, vorüber. Zuweilen
brachte sie sich unliebsam in Erinnerung,
bei Nacht und Nebel stieg Vater Rhein, die
welligen Locken schüttelnd, plötzlich über
das Ufer, der Bürger der Altstadt stand
unversehens im Wasser bis ans Knie, und
in den niedrig gelegenen Straßen fuhr man
auf Flößen zum Jubel des Nachwuchses.
Aber dann kam eine neue Zeit. Unter
dem Weckruf eines genialen Mannes und
ganzen Kerls rieb sich Düsseldorf den
Schlaf aus den Augen und holte mit Sieben-
meilenstiefeln versäumte Gelegenheiten
ein. Gewaltige Maschinen summten, Ver-
bindungen wurden hergestellt, und die
Stadt sah verwundert, daß sie wirklich und
wahrhaftig an einem Flusse lag. Mächtige ^^ -
Uferbauten erstanden, Häfen wurden ge- PORFRT WITT FFRTAMPF
schaffen, eiserne Bogen spannten sich über ROBERT WULFERl AN Gh
■die Wellen vom alten verschütteten Hafen Hermann Harry Schmitz (Bronze)
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OTTO SOHN-RETHEL
Auferstehung, 1905
nach dort, von wo einst Kanonenkugeln in die alte Andreaskirche geflogen. Die Brücke
wurde ein wuchtiges Werk, und doch: an Regenabenden, in blauenden Sommermorgen
werden die schweren Massen zum leichten Spiel, wie ein feines graues Gespinst erscheinen
die vernieteten Träger, die Technik zwang das Metall zur anmutigen Linie. Vor dem Ufer
zieht sich ein breiter Kai mit rasselnden Kranen und blitzenden Bahngeleisen, strom-
aufwärts ragen mächtige Handelsgebäude. Auf der einst so wüsten Golzheimer Insel stehen
würdige offizielle Riesenkasten preußisch-sparsamer Baukunst, vor ihnen erstreckt sich
ein weiter Park. An Stelle der düsteren Häuserreihen in der Altstadt drängen sich nun
moderne Gebilde in krausem Stilgemisch, ein unorganisches Durcheinander von alten und
jungen Formen, wie sie eine überstürzte Entwicklung mit sich bringt. Neuzeitliche Zweck-
architektur wechselt mit mißverstandener deutscher Renaissance und geschmackvollen
Häusern. Hier weht ein Hauch vom Weltverkehr, auch in Düsseldorf ist der Rhein zur
großen Schlagader geworden, die Stadt hat den deutschen Strom umarmt und wird ihn
nicht wieder lassen. Und kommen wird auch die Zeit, in der das unharmonische Gefüge
der bunten Uferbauten vom Edelrost des Alters zu einem stimmungsvollen Gesamtbilde
gemacht wird. Dann wird die junge Welt wenig von der Stadt Heinrich Heines und
Schumanns, Grabbes und Immermanns wissen, ihr wird Düsseldorfs Geschichte beginnen
mit dem wirtschaftlichen Aufschwung. Dann wird, wenn allmählich die Zivilisation sich
in Kultur umsetzt, auch die Kunst des Niederrheins vielleicht wieder eine Rolle in Deutsch-
land spielen.
Unverändert aber blieb und bleibt das wundervolle Licht- und Farbenspiel der Land-
schaft: der feine graue Nebelschleier mit seiner auflösenden Kraft, das Goldblau des Eis-
gangs am Winternachmittag, der Vorfrühling mit seiner lauen, ahnungsschweren Luft,
die funkelnde Sonnenglut und ihre Haufenwolken am tiefen Himmel. Immer auch werden
die Zaubertinten der Sonnenuntergänge über den flachen grünen Ufern schwimmen,
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hinter den silbergrauen Weiden und flirrenden Pappeln. Und wenn bei St. Quirin zu Neuß
der Himmel flammt, schimmern die Wiesen tiefsatt, der Strom wird ein stahlblauer Streif,
das Weiß der Bauten und Salondampfer nimmt ein zartes, märchenhaftes Grün an. Wander
über Wunder erschließt sich dem Auge. Unglaubhaft herrlich erscheint nun alles, bis
aus den blitzenden Fenstern das brennende Abendrot schwindet und die Laternen blaß-
grün in der durchsichtigen Dämmerung schimmern. Nun hängen die Bogenlampen wie
silberne Monde in der blauen Luft, St. Rochus wird grau hinter den Baumwölbungen des
Hofgartens und die Dunkelheit beginnt über Gebüsche und Wege zu kriechen. Im Rhein
leuchten die grünroten Augen der Schlepper, der Strom wandelt sich zum Schwarz, in
seiner fröstelnden Fläche zittern die goldenen Schlangen der sich spiegelnden Lichter,
und mit schweren Schatten gleiten die Lastkähne über den flimmernden Glanz.
Da beginnt St. Lambert den Abend einzuläuten, wie seit Jahrhunderten. Der schief-
gewundene Turm mit der Bischofsmütze steht noch, ob auch manches in seiner Umgebung
gefallen ist. Ein Kranz alter Häuser zieht sich um ihn, es ist wie eine Insel in der jung-
brandenden Stadt. An der Christusgruppe, die sich der Kirchenmauer anlehnt, flackert
ein ängstliches Lichtchen, eine Beterin kniet auf dem Steinpflaster, man wähnt sich fast
im Mittelalter und in einer kleinen Stadt, der Großstadtlärm dringt kaum nach hier. Schräg
hinter der Kirche leuchtet heimlich-behaglich eine Reihe kleiner Fenster im Erdgeschoß:
das ist das ,, Rosenkränzchen" der Mutter Ambach, eine Düsseldorfer Weinstube alten Stils !
Dort fand sich einen Winter lang am Samstagabend ein Kreis unbefangener Gesellen
und Gesellinnen zusammen, sprach von Literatur und Kunst, lachte über Menschliches
und Allzumenschliches und genoß die Stimmung der Stunden. Im behaglichen Zimmer
schwamm ein rosig-mattes Licht, in den Ecken lagerten Schatten, aus denen die Farb-
flecke bunter Frauengewandung schimmerten. Mit süßer Wehmut erfüllte das Lied der
Musette den Raum. Und die Brüder vom Rosenkranz lauschten ihm und träumten sich
erinnernd von Leid und Lust ihres Lebens, bis die Melodie in einen schwermütig sich wiegen-
den Walzer überfloß und im magischen Schein langsam die Paare sich drehten.
ERNST BARLACH (Zeichnung)
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<•
1
L. KAINER, Karneval
Zeichnung aus dem „Russischen Ballet"
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Publikum und Kunsthändlen
Von HERMANN VON WEDDERKOP.
Der wirtschaftliche Aufschwung, der in Deutschland über Nacht breiten Schichten
den Wohlstand brachte, hat auch der bildenden Kunst reiche Mittel zufließen lassen.
S:aat und Private fühlten das Bedürfnis, den neu erworbenen Reichtum auf eine mög-
lichst rasche und nachdrückliche Weise in die Erscheinung treten zu lassen, zu welchem
Zwecke die Kunst eins der bestverwendbaren Mittel zu sein schien. Wir alle sind Zeugen
g«;wesen und sind es noch, wie schlecht die Kunst sich indes kommandieren läßt, wie
sich ihre Reize in das Gegenteil verkehren, wenn die vielen Voraussetzungen für ihr
Dasein fehlen. Nur mit gemischten Gefühlen konnte man daher die ungeheuren
Summen verfolgen, die das reiche Neu-Deutschland für künstlerische Zwecke wahllos
ausgab, und die mehr als zweifelhaften Äquivalente, die es dafür erhielt, die schon,
soweit sie sichtbar oder zugänglich sind, böse Schlüsse ziehen lassen auf all das, was
sich in Privathäusern noch verborgen halten mag.
Das Deutschland des Zwecks, der Organisation, der Methode, der Systeme, der Kom-
promisse, der Subordination, dieses moderne Deutschland, das überall bewundert wird,
ist vorläufig noch kein günstiger Boden für das Gedeihen der Kunst, da es seine besten
Kräfte nach Richtungen hin einsetzt, die oft ganz entgegengesetzt, jedenfalls aber nicht
parallel der Linie einer allgemeinen Kunstentwicklung laufen.
Kunstgenuß bedingt vor allem gänzliche Auschaltung des Willens. In welcher
Zeit aber ist der Wille stärker entwickelt gewesen, als im heutigen amerikanisierten
Deutschland, das alle Kräfte daran setzt, die Verluste früherer Epochen auf wirtschaft-
lichem Gebiet wett zu machen, das nur Arbeit kennt oder Erholung von ihr.
Diese Anspannung bestimmt die Physiognomie der Menschen von heute. Sie macht
sie ruhelos, hetzt sie von morgens bis abends durch die Straßen, macht die Gesichter
unempfänglich für alle
Eindrücke, die sich
nicht durch Sensation
irgendwie hervorheben.
Sie macht die Men-
schen bewußt, nimmt
ihnen alle Naivität des
Empfindens. Es gibt
keinen bewußteren
Menschen als den Deut-
schen von heute. Jeder
beobachtet sich, fühlt
sich beobachtet, über-
ivacht sich, scheut sich
und hütet sich, irgend-
wie aufzufallen. Wird
aber einmal die Linie
überschritten, so ge-
schieht es mit un-
nötigem Radau, häufig
mit Roheit und Witz-
losigkeit. Statt sich
hinzustellen vor die
Dinge, sie auf sich
wirken zu lassen und
ihnen dadurch näher MAX STERN Ulanen
17
zu kommen, betrachtet der Bewußte alle Dinge von sich aus, trägt alles Mögliche
von seinen momentanen Stimmungen und Launen, die ihm viel interessanter und wert-
voller sind, hinein, verlangt etwas von ihnen, wendet sich ab, wenn er es nicht findet,
kurz, nimmt sich selbst als Mittel-
punkt.
Eine Folge- und Begleiterschei-
nung ist ein Konventionalismus, der
seit den siebziger Jahren alle Klassen
in wachsendem Maße durchdringt.
Er äußert sich in allen Dingen des
öffentlichen und privaten Lebens,
macht es arm und inhaltlos, und die
paar komischen Auswüchse, die er
zeitigt, können nicht entschädigen
für den allgemeinen Druck, den er
erzeugt. In diesem Stadium des
Konventionalismus, der Amerikani-
sierung, die uns entindividualisiert
und uniformiert, ^sind wir mitten
darin, ohne daß sich die Mehrheit
darüber überhaupt klar wäre, und
ohne daß eine geringe Minderheit von
klarer Sehenden wüßte, wohin diese
Entwicklung führen wird. Besonders
typisch war in dieser Hinsicht^ die
letzte Generation. Wo ihre Vertreter
einsetzten und etwas Neues zu schaffen
hatten, entstanden ungeheure Kom-
plexe gleichartiger Dinge. Unsere
ganze moderne Entwicklung hat sich
in großen Städten abgespielt, und
diese stellen daher die besten Zeugen:
Die Komplexe und Mietskasernen für
so und so viele Parteien mit ihren
D-Zug- Korridoren und Berliner Zimmern, die Denkmäler- Komplexe, die Linearstraßen,
aus denen sich schließlich dieser ganze ungeheure Großstadt- Kehricht zusammen-
setzt, diese Steinwüsten, in denen kein Mensch sich mehr zurechtfindet.
Daß dieser Konventionalismus der Kunst gegenüber noch verschärft hervortritt,
daß bei dieser Veranlagung der heutige Mensch ein Verhältnis zur Kunst überhaupt nicht
gewinnen kann, versteht sich von selbst. Man stellt noch immer überwiegend an die
Kunst die Forderung, daß sie erfreuen, erfrischen soll nach der Arbeit des Tages. Sie
soll eine Art innerer Dusche sein, man will sie bequem genießen, ohne Aufregung. Sie
soll dienen, nicht herrschen. Man trennt die Kunst damit völlig vom übrigen Leben,
nimmt sie als außerhalb des Lebens stehend. Aus diesem Fehler resultiert die ganze
Misere. Die Leute, die auf solchem Standpunkte stehen, sind genau so naiv wie diejenigen,
die es für genügend halten, nur in der Öffentlichkeit sich anständig zu benehmen, die
unbeobachtet sich alles erlauben zu können glauben, ohne irgendwie an ihrem Charakter
Schaden zu nehmen. Man hat allmählich ganz vergessen, daß die Kunst eine Funktion
des Volkes wie des Einzelnen zu sein hätte, falls ihre Eindrücke wirklich Spuren zurück-
lassen sollen. Nicht im Sinne einer nur verderblichen Popularisierung der Kunst, sondern
gedacht als Bereicherung aller Lebensformen, als ein Bedürfnis nach einer gewissen
Würdigkeit gerade des täglichen Lebens und der täglichen Umgebung, wie es vor 50 Jahren
noch jeder Bauer hatte. —
Es hat wohl kaum eine Zeit gegeben, die so eminent unkünstlerisch empfunden
hätte, die ein so geringes Bedürfnis nach künstlerischer Umgebung, künstlerischer Atmo-
sphäre gehabt hätte, wie das Deutschland der letzten Jahrzehnte. Daß jede höhere Tochter
Musik macht, Blumenstücke malt oder in Pensionen vier Stunden Kunstgeschichte in
der Woche hat, daß man ein Abonnement im Theater oder im Konzertsaal hat, daß man
zu gewissen Zeiten Ausstellungen oder auch mal ein Museum besucht, schafft noch
OTTO VON WAETJEN
Aktstudie
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keinerlei Verhältnis zur Kunst, sondern geht, abgesehen von dem problematischen Wert
solcher Betätigungen überhaupt, in der Banalität des übrigen Lebens spurlos unter.
Künstlerische Ausbildung verlangt häufigere und innigere Beschäftigung mit der Kunst.
Aber schon die tägliche Umgebung der meisten Häuser wirkt nicht dahin. Eine
größere Wahllosigkeit, eine größere Zufälligkeit in den Dingen, mit denen die letzte
Generation durchschnittlich ihre Räume ausstattete, ist in historischen Zeiten schlechter-
dings nicht zu konstatieren gewesen. Was wertvoll ist an der Innen-Einrichtung unserer
AUGUSTE HERBIN
Selbstporträt, 1909
Häuser, ist zum überwiegenden Teil aus guter Zeit überkommen. Seit 1870 etwa ist
jede äußere Kultur wie abgeschnitten. Es ist traurig, anzusehen, wie selbst in alten
Familien, z, B. des Adels, der Geschmack bei Neuerwerbungen vollkommen versagt.
Unedles Material, edles in stilloser oder stilmißverstehender Verarbeitung wird fabrik-
mäßig auf den Markt geworfen. Man sehe sich z. B. die Sammlung von Durchschnitts-
Hochzeitsgeschenken vom Kaiserzinn aufwärts bis zum silbervergoldeten objet d'art an.
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Man muß zugeben, daß
auf dem Gebiete der Musik
die Verhältnisse noch am
günstigsten Hegen, ent-
sprechend der Richtung
derHauptbegabung unseres
Volkes. Relativ ist die
Menge der Kunstverstän-
digen groß.
Während aber gleich-
falls für die Literatur sich
weitere Kreise interes-
sieren, ist die Gemeinde
derer, die sich ernsthaft
mit bildender Kunst be-
fassen, eine verschwindend
kleine.
Unser Sehen ist nie
unsere stärkste Begabung
gewesen. Sollen wir Namen
von internationaler Be-
deutung nennen, so kom-
men wir über Dürer und
Holbein hinaus schon in
Verlegenheit. Deutsche Kunst war stets mehr oder weniger abhängig von der großen
europäischen Kunst Italiens, Hollands, Frankreichs.
Während dann bei uns in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts der
Geschmack beispiellos daniederlag, hatte die französische Kunst eine ihrer größten Epochen,
RUDOLF LEVY
Aus Sanary
E. OTHON FRIESZ
Landschaft
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und es ergab sich das merk-
würdige Schauspiel, daß
trotzdem nur ganz einzelne
unserer Künstler von
dieser Überfülle in unserer
nächsten Nachbarschaft
etwas mitbrachten und
daß trotz der Stärke und
Ausgeprägtheit der Bewe-
gung doch Begabungen
wie Böcklin und Menzel
schließlich ganz unbeein-
flußt ihren Weg abseits
gingen. Die breite Masse
der Gebildeten wurde so
gut wie gar nicht berührt.
Rückständige Kritiker,
die, weil sie für politisch
angesehene Blätter schrie-
ben und weil sie ein Patent
als Kritiker hatten, auch
für kompetent gehalten
wurden, und diejenigen
unter den Künstlern, die
über die nötige Pose und
Beziehungen zu maßge-
benden Kreisen verfügten,
suggerierten dem deut-
schen Publikum die eigene
heimatliche Kunst. Da-
mit ist es auch in letzter
Zeit noch nicht viel anders
geworden. Was Impres-
sionismus ist, ist einigen
Interessieretn von eifrigen
Propagatoren, meist auf
dem Wege über den In-
tellekt, künstlich einge-
impft worden. In den
seltensten Fällen ist die Lektüre durch Anschauung ergänzt. —
Man kann ohne weiteres zugeben, daß in künstlerischen Dingen die Frauen von
heute viel eher mitgehen als die Männer. Sie sind in ihren Urteilen frischer, biegsamer,
instinktiver. Im Gegensatz zu den Männern haben sie den Vorzug, daß sie bei der Debatte
nicht grob werden, wenn sie sich nicht überzeugen lassen wollen. Für ihre eigene Person,
für die Hauseinrichtung, für die Geselligkeit tauchen immer wieder Fragen auf, deren
Lösung sie immerhin zur Betätigung ihres Geschmackes anregen und diesem eine gewisse
Schulung geben kann. In Toilettensachen, die stets am ernstesten genommen werden,
herrscht jetzt wenigstens der gute Instinkt vor, die Zusammenstellung in die Hand eines
geschmackvollen Schneiders zu legen. Die furchtbare und wohl nur in unserem Vater-
lande mögliche Verirrung des Eigenkleides mit Blumenfriesen oder sonstiger An-
bringung von Kunstgewerbe scheint mehr und mehr überwunden. Aber abgesehen davon,
daß eine Geschmacksbetätigung in diesen Dingen nur den allerersten Anfang darstellt,
geht sie auch meistens über das Interesse an der eigenen Person nicht hinaus. Ander-
seits kann man sehr oft konstatieren, daß gerade die Damen, mit denen man ein ver-
nünftiges Wort über Malerei usw. reden kann — Damen mit freierem Horizont, die ein
bißchen das Leben kennen, wenigstens das der Pensionen der Hauptstädte oder Münchens —
sehr oft statt angezogen, nur individuell drapiert sind.
Mit den Herren sieht es weit schlimmer aus. Ein Teil nimmt der Kunst gegen-
über den Standpunkt einer Art von Herrenmoral ein und glaubt sie nach Belieben
ADOLF ERBSLOH
Der violette Schleier
21
zitieren und je nach
Laune behandeln zu
können. Das Verhältnis
ist ein äußerst kühles.
Man sieht ein Bild auf
seine komische Seite an
und auf die Gelegen-
heit, seinen Witz dabei
zu produzieren. Ein Teil
empfindet eine Beschäfti-
gung mit künstlerischen
Dingen geradezu als
ef f eminierend. Man kann
in dieser Beziehung die
groteskesten Gedanken-
gänge aufdecken.
Ein anderer Teil wieder
verfällt in Sentimentali-
tät. Die schlimmsten
aber, weil die überzeug-
testen, sind die Theore-
tiker mit Systemen und
Prinzipien, die die Forde-
rung aufstellen, daß ge-
wisse Grundbedingungen
erfüllt sein müßten oder
ein Bild ablehnen, weil
es diesen Bedingungen
nicht entspricht.
Da, wenn überhaupt
ein Verhältnis zur Kunst
vorhanden ist, dies meist durch den Intellekt und nur selten durch das Gefühl ver-
mittelt ist, findet man den Kunstsnob weit mehr unter Herren als unter Damen. —
Es ist vor allem nicht möglich, in der bildenden Kunst das Publikum vom Gegenstand
loszureißen. Es wäre ein erster und bedeutsamer Schritt zur Läuterung des Urteils, wenn
erst begriffen wäre, daß es nicht auf das ,,Was", sondern auf das ,,Wie" der Darstellung
ankommt. Schon deshalb kauft man ungern französische Landschaften. Während der
Kenner sich in dem Stil, in der Technik, in dem Temperament des Künstlers zu Hause
finden will, so soll dem Publikum der Gegenstand vertraut vorkommen. Darum grüßen
von den Wänden so häufig diese treuen, teils rührenden, teils heroischen, teils ge-
schmäcklerischen Landschaften und Szenen herab, die unserer „völkischen" Eigenart
entsprechen. —
Noch schwerer reißt man sich beim Porträt vom Gegenständlichen los und begreift
nicht, daß ein Maler kein kolorierender Photograph sein sollte. Man verlangt ein ,, prak-
tisches Familienbild". Statt sich bei Experten zu erkundigen, welcher Maler im
einzelnen Falle in Betracht käme, vergibt man seine Aufträge an den, der einen
Bekannten, sei es eine schöne Frau in günstiger Pose oder einen Mann in schlichter
Weise abgemalt hat. So kommt es, daß als Porträtisten, die dem in manchem Falle
gewiß berechtigten Bedürfnis, sich malen zu lassen nachkommen, immer wieder
ein bestimmter umgrenzter Kreis derselben Routiniers in Betracht kommt, die das
Geschäft im Großen betreiben, die, wenn die Konnektion durch irgendein Mitglied
der Gesellschaft nicht ausreicht, den Leuten Prospekte ins Haus schicken, wie ein
Fabrikant seinen Kunden, die jede Ausstellung meiden in der sicheren Voraussicht, von
der Kritik, falls diese überhaupt einen Finger rühren würde, ausgelöscht zu werden.
Man weiß nicht, ob es eine Ideenassozitation ist nach der großen englischen Welt hin,
die sich von Gainsborough oder Reynolds malen ließ, die Lust, diese Traditionen, wenn
auch nicht in ganz so großem Maßstab und unbekümmert um alle inzwischen eingetretenen
Veränderungen fortzusetzen, oder die Süßigkeit der Palette, die die Menschen zu der-
artigen Künstlern treibt. Die Kniffe der Untermalung, die Art eine Hand zu geben, die
CUNO AMIET
Weinlese
22
Kleiderfalten, die allgemeine Überzuckerung sind immer wieder dieselben. Diese Art
Bilder müssen natürlich auf reichen Tapeten mit auffallenden, hellen Tönen hängen
und verlangen es auch. Sie sind so reich, daß ein ruhiger neutraler Hintergrund arm-
selig wirken würde. Die Pracht muß sich über alle Wände des Salons fortsetzen.
An Plastik sieht man so gut wie nichts, wenn man nicht hierzu Hochzeitsgeschenke
und Gelegenheitskäufe aus Bronzeläden rechnen will. —
Jede Ansicht über Kunst findet ihre leichte Erklärung und Bekräftigung durch
den ,, individuellen Geschmack", über den zu streiten mindestens oft zeitraubend ist.
Man sollte dieses moluskenhafte Begriffsgebilde mit all seiner Unkontrollierbarkeit und
Zufälligkeit ein für allemal aus allen Gesprächen über Kunst streichen. Mag man an
Krawatten und Strümpfen, an Kleidern und Einrichtungen seinen Geschmack betätigen:
bei aller großen Kunst ist einzig und allein Kennerschaft maßgebend, keine trocken
philologische, sondern eine Kennerschaft, deren Voraussetzung die ständige Übung eines
Auges ist, das keinen Eindruck passieren läßt, ohne sich Rechenschaft über ihn abzu-
legen und zu einem klaren Urteil zu gelangen. Die Absurdität des Operierens mit
einem derartigen Begriff ergibt sich ohne weiteres, wenn man mit ihm etwa an Werken
von Bach oder Bildern
von Rembrandt Kritik
üben wollte. So wenig
wie eine Bachsche Fuge
dem ungeübten Laien
verständlich ist, so wenig
ist das Geheimnis eines
großen Bildes ohne wei-
teres zu enthüllen. Da-
mit richtet sich zugleich
der Vorwurf, den man
so oft schwer verständ-
lichen Bildern macht :
sie sprächen nicht für
sich selbst, sondern be-
dürften einer langen Er-
klärung und könnten
schon deshalb nicht gut
sein. Der Fehler liegt
bei dem Beschauer. Er
ist vielleicht, wie bei
uns so mancher, in alter
Kunst genau bewandert
und ist von dieser her
das Erzählende gewöhnt.
Die viel eindringlichere
Sprache aber, die nur
durch Form und Farbe
wirken will, läßt ihn
kalt, da er sie nicht ver-
steht. Man sehe sich
z. B. die alten Croütes
in den Vestibülen oder
Repräsentationsräumen
unserer Museen an, und
versuche sich zu rekapi-
tulieren, was darauf vor-
geht. Es ist bei dem
Mangel jeglicher Kompo-
sition und dem Durch-
einander unzusammen-
hängender Vorgänge
dem geübtesten Gedächt-
ALEXEI VON JAWLENSKI
Kopf
23
MAX SCHULZE-SOELDE Kartoffelleser (Kohlezeichnung)
nis nicht möglich.
Demgegenüber zeich-
net sich das gute Bild
durch eine auffal-
lendeEinfachheit und
Sachlichkeit aus. Es
ist eins der vielen
Zeichen schlechter
Kunst, daß sie ver-
altete Ideen weiter
konserviert, z. B. den
Begriff dessen, was
der Darstellung wert
ist. Darunter fallen
historische Vorgänge,
Dorfidyllen, Herbst-
stimmungen, Interi-
eurs, kurz alles, was
bei uns im letzten
Jahrhundert beliebt
war. Dieselben Typen
kehren immer wieder.
Nur eins fehlte-: Die
Dinge des täglichen
Lebens, die wir täg-
lich vor Augen sehen, mit denen wir uns in erster Linie zurechtfinden sollten. Gerade
diesen Dingen die Banalität genommen zu haben, ist einer der Hauptwerte speziell der
modernen Kunst : Die Schönheit eines Bahnhofes, eines Eisenbahn-Überganges, einer
Straße, einer gewöhnlichen Eisenbrücke ausfindig gemacht zu haben.
Ein Urteil, das sich nur etwa auf Rafael, Michel Angelo oder sonst einen
der Alten eingestellt hat, wird natürlich den wahren Wert eines Bildes anderer, speziell
auch moderner Epochen nie gerecht werden können, und doch wäre das Umgekehrte
das Natürliche, nämlich die Alten selbst mit unserm modernen Auge anzusehen, das
alles ausscheidet, was keinen Ewigkeitswert hat oder nicht mehr einen Teil unserer
Zeit bildet, denn jeder Kunstgenuß ist an Zeiten und Menschen gebunden.
Taucht etwas Neues auf in der Kunst, so tritt immer wieder dieselbe Erscheinung
zutage: Das Vorurteil gegenüber etwas noch Unbekanntem, Unübersehenem, Unge-
fühltem und das Bedürfnis, seinen Empfindungen Luft zu machen. Die apodiktische
Sicherheit des Urteilens über neuauftretende ungewohnte Phänomene steht dabei in
gar keinem Verhältnis zur Kompetenz des Urteilenden. Während der Durchschnitts-
laie es als durchaus lächerlich empfinden würde, über neue wissenschaftliche Theorien
ein Urteil abgeben zu wollen, während er sich sogar mit seinen Urteilen über Sachen,
die weit öfter in seinen Gesichtskreis treten, seien es Börsenpapiere, Rennpferde oder
jagdliche Äinge, zurückhält aus Furcht vor den Konsequenzen eines vorschnellen
Urteils, so scheint es ihm in Dingen der Kunst, und speziell der bildenden, stets ange-
bracht, seine Meinungen zu äußern. Diese Dinge sind vogelfrei; man gilt vielleicht
noch als ein Charakter, wenn man ein Bild als Schmiererei bezeichnet. — Irgendein
Kunsthistoriker hat einmal in seiner die Beispiele liebenden Art gesagt: Bilder sind
Majestäten, man soll nicht zu ihnen reden, man soll warten, bis man angesprochen
wird. — Dieser Standpunkt wird dem Publikum, das mit Forderungen an die Kunst
herantritt, meist als ein unwürdiger erscheinen. In Wahrheit ist es für den Laien, der
sich wie der heutige Mensch fast niemals in ernsthafterer Weise mit der Kunst befaßt,
der einzig mögliche.
Der großen Menge der Verständnislosen steht ein kleiner Teil gegenüber, der der
bildenden Kunst gerade jetzt ein Interesse entgegenbringt und sie mit einem Eifer dis-
kutiert, wie man ihn seit den achtziger Jahren, als neue Literatur-Probleme auftauchten,
nicht erlebt hat. Manches mag in seinem Radikalismus, wie z. B. die Forderung der
Futuristen, alle Museen dem Erdboden gleich zu machen oder die Ansichten gerade
mancher deutscher Sammler, daß man z. B. Corot nicht mehr sehen könne, wenn man
24
Cezanne liebe, lächerlich oder übertrieben erscheinen. Aber im ganzen hat diese starke
leidenschaftliche Bewegung nur ihr Gutes. Sie bekundet vor allem den Willen zur Moderne,
sie steht nicht a priori gewissen Bildern skeptisch oder gar ablehnend gegenüber. Daß
unsere Zeit voll von neuen Ideen auf allen Gebieten ist, auf denen der Technik, der Er-
ziehung wie der Religion und Moral, erkennt jeder. Ein so großes Lebensgebiet wie das
der Kunst kann von so durchgehenden Änderungen naturgemäß nicht unberührt bleiben.
Dennoch ist es selbst den Interessiertesten kaum möglich, sich über die Kunst von
heute einen Überblick zu verschaffen. Einmal deshalb, weil es eine Menge von sogenannten
Richtungen gibt, die starke Propaganda für sich machen, nur sich allein gelten lassen
und dadurch das Bild stark verwirren. Meist setzen sich die entsprechenden Gruppen
aus einer Begabung, deren Empfindung und Ausdrucksmittel mehr oder weniger individuell
sind, und einer Reihe anderer zusammen, die sich aus Überzeugung oder auch aus un-
wesentlichen Motiven anschließen. Daß es indessen keine Richtungen, sondern nur Per-
sönlichkeiten geben kann, diese Selbstverständlichkeit scheint nicht überall durchge-
drungen.
Der Abstand von den Bildern und der Anschauungsart, an die das Publikum bisher
gewöhnt war, bis zum Impressionismus und weiter bis zur modernsten Malerei ist ein
so großer, daß nicht verlangt werden kann, das Publikum solle überall mitgehen. Aber
was von ihm gefordert werden muß, ist, daß es endlich eine Reihe von Vorurteilen
fallen läßt, die trotz aller inneren Schwäche das zäheste Leben haben. Abgesehen
von einigen schon erwähnten allgemeinerer Natur, ist es in der bildenden Kunst
immer wieder die imitatorische Rolle, die ihr zugemutet wird. — Man sagt, daß man
die und die Farbe eines Bildes unmöglich in der Natur findet oder daß die Proportion
irgendeines Gliedes zum Körper oder die Form eines Kopfes verkehrt sei.
Demgegenüber ist zu konstatieren, daß der Begriff der Richtigkeit in der Natur
überhaupt nicht existiert, sondern daß es nur ein Auge gibt, das die umgebende Welt
sieht und empfindet. Die Natur dem Künstler als ein für allemal unantastbar, unab-
änderbar gegenüberzustellen heißt die
Souveränität des Künstlers leugnen,
ihm unerträgliche Fesseln anlegen
Jeder kleinste Beitrag an geistigen
Werten, selbst der bizarrsten Persön-
lichkeit, ist, wenn er nur aus der
Empfindung heraus geboren ist, wert-
voller als die edelste Pose, mag der
künstlerische Wille noch so stark sein.
Der Illusionismus ist stets ein
Zeichen schlechter Kunst gewesen,
denn nicht der Gegensatz: ,, Richtig
oder unrichtig" steht in Frage, sondern
der von ,, empfunden und nichtemp-
funden", „gefühlt und nicht gefühlt",
,,echt und unecht", wenn man will.
Der Ausdruck ,, richtig" ist nur in
dem höheren Sinne anzuwenden, daß
eine Ausdrucksform der Intention des
Künstlers entspricht, nicht in dem
sklavischen Sinne einer Naturnach-
ahmung. Vergleiche zwischen bilden-
der Kunst und Musik sind meist unan-
gebracht. Aber um einen ungefähren
Begriff zu geben, kann man hier den
allerdings nur relativen Gegensatz von
Harmonie und Disharmonie heran-
ziehen. Quinten-Folgen, wie Wagner
sie schrieb, waren bisher verpönt. In-
zwischen hat sich das Ohr bei Strauß
oder Debussy noch an ganz andere
Klänge gewöhnt. ERNESTO DE FIORI Kauernde (Terrakotta)
25
MARIE LAURENCIN
Les jeunes filles (Radierung)
Ein anderes Vorurteil dokumentiert sich in der Verquickung von Kunst und
Patriotismus. Das deutsche Publikum, das stets nur von einer Musik, nämlich
der eigenen spricht, fragt in Dingen der bildenden Kunst noch immer, weshalb
deutsche Kunst nicht ebensogut sein könne wie französische. Es mögen innere
Gründe genug vorliegen, die für eine stärkere Begabung auf französischer Seite sprechen,
wie die viel größere Sichtbarkeit der französischen Kultur, das optisch Reichere des
ganzen Lebens, der Dinge, Menschen, der Atmosphäre, die größere Betonung alles
Formalen in Frankreich, Dinge, die das Auge ständig beschäftigen, im Gegensatz zu
den mehr innerlichen Werten deutscher Kultur. Aber davon abgesehen, muß der Deutsche
mit der Tatsache rechnen, daß Frankreich seit dem achtzehnten Jahrhundert eine un-
unterbrochene Kette großer Begabungen hervorgebracht hat, daß auch die letzte
große Stilepoche des Impressionismus von ihr ausging und durchgeführt wurde.
Als Erzieher zu künstlerischem Urteil kommen in der Hauptsache die Leiter unserer
Museen, die Veranstalter unserer Ausstellungen und vor allen Dingen auch der Kunst-
händler in Betracht. Es läßt sich nicht leugnen, daß die Stellung des letzteren in
Deutschland eine schwierige ist. Seine Persönlichkeit ist noch immer eine fremde.
Man pflegt in erster Linie in ihm den Händler zu sehen, und der Handel mit Kunst-
dingen als Ware verletzt das Gefühl für das Ideale, das so mancher Rechtschaffene als
eine schwere Bürde mit sich durch das Leben trägt. Denn eine Last ist es in allen
den Fällen, in denen sich dieses Gefühl aus einer falschen Sentimentalität herleitet, wie
sie bei uns leider so oft als die Kehrseite unseres Gefühlslebens festzustellen ist. In
südlichen Ländern, besonders in Frankreich, pflegt man diese Dinge nüchterner und
klarer, aber deshalb mit nicht minderer Wärme zu beurteilen. Wie alles, was mittelbar
oder unmittelbar mit bildender Kunst zu tun hat, in sozialer Beziehung ganz anders
gestellt ist als bei uns, so ist es auch der Händler, der den Leuten Bilder, Bücher oder
sonstige geistige Nahrung verschafft. Jeder kleine bouquiniste am Kai oder Trödler
des Montparnasse spielt seine relativ große und absolut honorige Rolle, und man
braucht nur im ,, Pierre Noziere" Anatole France's nachzulesen, um etwas von der Wärme
zu verspüren, die man in Frankreich den kleinsten Existenzen dieser Art entgegen-
bringt.
26
So kommt es, daß das
Verhältnis zwischen Publi-
kum und Kunsthändler ein
ganz anderes ist als bei uns.
Statt im Handel mit Bildern
eine Profanierung der Kunst
zu sehen, erkennt man im
Kunsthändler vielmehr den
notwendigenVermittler künst-
lerischer Werte. Man hat Ver-
ständnis für das Milieu jeder
alten Krambude, man ver-
langt auch keinerlei Auf-
machung, wenn sich nur
hinter Staub und Unordnung
wirklich etwas Wertvolles be-
findet. Man kennt keine
notwendige Gegensätzlickeit
zwischen Kunst und Handel
und sieht in der Absicht des
Kunsthändlers, Geld zu ver-
dienen, kein Verbrechen, son-
dern eine natürliche Folge
seiner Erwerbstätigkeit, die
vor den meisten andern Be-
rufen den nirgends verkann-
ten Vorteil hat, daß sie sich
anstatt mit Wertpapieren,
Getreide oder sonstigen Nütz-
lichkeitswerten mit Dingen
der Kunst beschäftigt. Denn
der Kunsthändler, der aus
materiellen Gründen allein
und ohne echte Passion für
die Kunst sich dem Kunst-
WILHELM LEHMBRUCK
Akt (Radierung)
handel zugewendet hätte, existiert nur in der Phantasie von Leuten, die selbst kein
Verhältnis zur Kunst haben. Er würde binnen kurzem Bankerott machen, da ihm,
was dem Händler am notwendigsten ist, fehlen würde: die Kenntnis seiner Ware.
Hat er aber in seiner Tätigkeit neben seiner künstlerischen auch eine kaufmännische
:mmmsm
HEINRICH NAUEN
Bei Vise
27
Ader, so sollte man ihm das als weiteres Plus anrechnen, anstatt ihn eine derartige
Begabung durch eine unnötige Verdächtigung entgelten zu lassen.
Richtig angewandt ist daher die Macht des Kunsthändlers eine enorme, denn er
ist das große Reservoir, aus dem Museen und Private schöpfen. Tatsächlich ist er
selbst gegen eine so starke geistige Macht wie den Museums-Direktor insofern im.
Vorteil, als sein Bilderbestand nicht wie bei diesem bis zu einem gewissen Grade ein
für allemal festgelegt ist. In seinen Ausstellungen kann er wechseln, kann arrangieren,
überraschen; ein lebendiger Strom von Menschen, die nicht nur bewundern wollen,
sondern deren Sinne durch die Erwerbslust ganz anders als in den Museen angeregt
und geschärft sind, geht bei ihm aus und ein. ^
Die richtige Anwendung dieser Macht ist nicht nur seine Pflicht, sondern in diesem
Falle auch sein ,, Geschäft". Es wird daher sein eigenes Interesse sein, sich nicht auf
Konzessionen gegenüber gewissen Kategorien von Leuten einzulassen, die darauf be-
stehen, schlechte Bilder zu kaufen, nur weil sie ihnen gefallen. Denn dauerde Erfolge
wird auch er nur erzielen mit solider Ware.
HENRI-MATISSE
Die Brücke in Collioure
28
J
EDVARD MUNCH
Umarmung (Radierung)
29
ANSELM FEUERBACH
Nana
30
Schönheit.
Von MOELLER VAN DEN BRÜCK.*
Schönheit ist Überschwang. Aus einem entzückten Innern, das unsjüberwältigte
und hinriß, sind wir Menschen zu Künstlern geworden. Wir ertrugen das Leben nicht
mehr, nicht so wie es war. Wir wollten ein anderes Leben, in dem die Träume, die von
irgendwoher zu uns gekommen waren und sich auf uns niedergelassen hatten, uns sicht-
bar in Formen umgaben. Wir erlebten vielleicht zum ersten Male Schönheit vor der
Größe und den Schrecken der Urlandschaft, an den Bewegungen der Tiere darin und
schließlich an der Gestalt des Menschen. Oder wir erfuhren sie im Traum urseliger Liebe,
im Triumph bestandenen Kampfes, im Pathos erprobter und anerkannter Königlichkeit.
An irgend etwas, das auf der Erde zu uns gehörte oder doch in unserem Bereiche lag,
mußte sich der Überschwang anfänglich entzündet haben. Irgend etwas mußte es geben,
das auch von sich aus köstlich und selten war und an dem wir uns so zu begeistern ver-
mochten, daß wir seine Dauer und All-
gegenwart wünschten. Irgendwo mußte
das Gefühl für Schönheit bereits von
uns vorerlebt sein, ehe der Überschwang
in uns durchbrechen konnte und wir
aus einer Sehnsucht, es möchte das
Leben durchweg und immerdar so sein,
wie wir es an Stellen und zu Zeiten
erfuhren, in der Kunst die Form einer
Unsterblichkeit suchten. Es war der-
selbe Drang, der nach seiner seelischen
Seite die Vorstellung von einer Gott-
heit geschaffen hatte, die uns aus dem
Dasein, in dessen Ungewißheiten sie
uns hineingeboren, auch wieder erlösen
werde. Hier, nach seiner sinnlichen
Seite, schuf er die Kunst, in die alles
ausströmte, was wir an irdischer Selig-
keit besaßen. Gott mußte sein : oder
es war kein Geist in der Welt. Und
Schönheit mußte sein : oder es war
keine Lust in dem Leben.
Schon in dieser Einheit des Ur-
sprungs liegt die Nähe beschlossen, in
der wir Kunst undReligion allzeit sehen.
Beide würden auch dann zusammen-
stehen, wenn sie nicht in einer noch
tieferen Schicht dadurch verbunden
wären, daß die Kunst aus Menschen-
kraft auf der Erde das zu sein sucht,
was Gott aus Weltvollkommenheit im
All ist : schöpferisch. Im Idol des Bild-
schnitzers, der sich seinen zaubermächtigen Schutzgeist fertigte, waren die beiden Stämme
des Religiösen und des Künstlerischen noch in der Wurzel vereinigt. Der frühe Mensch
einer abergläubigen Zeit offenbarte sich hier, der sich aus einem von ihm selbst nicht
verstandenen Triebe vor dem ungewissen Sein in einen Gott zu retten suchte, indem er
sich in die Kunst rettete. Später, in Tempel und Basilika, in Kathedrale und Dom,
suchten wir dann mit Bewußtsein eine Einkehr in Gott, die gleichbedeutend mit einer
Abkehr vom Leben war und zu der wir uns doch desselben Lebens in einer verschönten»
ERNST WENCK
Nino (Bronsze)
* Aus ,,Die italienische Schönheit". Piper, Verlag in München 1913.
31
Im-i ^ 'WW
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A
ERNSr TH PüCKDT
Jbro^ (Bleistift)
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ERNST TE PEERDT
Eros (Bleistift)
::'mm<i}Mm;:^lM^^'
ARISTIDE MAILLOL
Lithograph!
in einer erhöhten und ausgeschmückten Form bedienen mußten. Im AnbHck von
Statuen, in denen wir die Götter zu unseren Ebenbildern machten und unsere LeibHchkeit
wiederum zu deren Erhabenheit erhoben, versöhnten wir uns mit unserem mensch-
lichen Körper. Vor dem Bilde der Madonna, im Widerstreit sehr irdischer und ganz über-
weltlich-überwältigender Gefühle, erleichterte sich das beschwerte Herz und vermählte
Gnade und Geheimnis mit Schönheit. Aber auch dann, wenn jeder Zusammenhang mit
einem Kult gelöst und die Kunst ganz auf die Persönlichkeit gestellt war, auf jene großen
Bekenner, Weltweisen und Schönheitspriester, die wir unter Visionen und zwischen
Problemen auftauchen sehen, tat der Künstler, was der Schöpfer getan, übernahm sein
Werk auf der Erde und setzte es fort, schuf über das Leben hinweg, schuf frei und aus Ein-
bildung eine neue, eine ewigere, mitten in der wirklichen eine überwirkliche Welt,
Doch ist das Schöpferische allein, eben weil es dem Religiösen so nahesteht, noch nicht
das Künstlerische. Wenn wir dem Schöpferischen im Künstlerischen nachgehen, dann
erkennen wir in einer weiteren Teilung des dunklen und zurückliegenden Vorgangs, daß
zu ihm noch ein anderes tritt : das Bildende. Es ist die formende Kraft, durch die der
schöpferische Mensch sich mit der Natur verbindet und mit der er dann, mitten inne
gestellt zwischen beide, Natur und Kunst, in dritten Gebilden Schönheit hervorbringt.
Wir finden den Trieb zu diesem Bildenden schon bei dem schlichten Töpfer der Stein-
34
zeit, dem sein brauner Erdkrug plötzlich nicht mehr gefällt und der nun in einem ganz
bestimmten Geschmack dazu übergeht, ihn mit allen möglichen Strichen, mit Schlängel-
mustern und schließlich mit leibhaftigen Figuren zu verzieren. Ein paar Jahrhunderte
später ist dann aus diesem Trieb, mit dem sich eine Hingebung verbindet, die allein zur
Vollendung der Form führt, schon die Kunst geworden, die den Schild des Achilleus
formte, und die, welche ihn besang. Und wieder nach neuen Wandlungen, in einem
immer mächtigeren Aufstieg, wird er zu der Kunst des großen Gefüges, der Äschylei-
schen Tragödie oder der Sixtinischen Kapelle oder der Neunten Symphonie.
In diesen monumentalen Möglichkeiten des bildenden Triebes liegt schon, daß er,
der^ zunächst ein so handwerklich-intimer ist, nicht wohl ein imitierender sein kann.
Werke, die in dieser Weise ein kompositorisches Gesetz verwirklichen, sind notwendig
ohne jedes Vorbild in der Natur. Sogar die realistische Kleinkunst einer ägyptischen
Statuette läßt sich immer nur von der gegenständlichen, aber nicht von der formalen Seite
her durch Nachahmung erklären. Zwar ist das Bildende nur möglich in einem mehr oder
weniger engen Anschluß an die Natur. Die tiefe Dankbarkeit, die jeder geborene Künstler
zum Wirklichen hat, die zärtliche Liebe zu den Dingen, mit denen er ihre Seele hervor-
lockt, ist hier verwurzelt. Die schaffende Natur setzt sich geradezu in den bildenden Trieb
hinein fort, und wir wissen alle, daß die Kunst dann, wenn sie verloren zu gehen droht,
keine größere Kräftigung erfahren kann als durch die Natur, Aber damit ist die Kunst
noch keine Wiederholung der Natur, und wenn sie es wäre, dann würde eine von den
beiden, die Kunst oder die Natur, notwendig überflüssig sein. Statt dessen entfernt das
Schöpferische die Kunst ständig von der Natur, verändert sie, überbietet sie, bereichert
sie. Schon in jenem Ersatz, den
der Künstler in der Kunst für die
Wirklichkeit zu geben sucht, liegt,
daß er über die Natur hinaus will.
Und in der Tat hat der Künstler,
wenn er nun über die Natur hin-
aus eine Kunst schafft, die es vor-
dem nicht gab, durchaus das
Recht, besondere Kunstgesetze
für sich in Anspruch zu nehmen,
die mit den Naturgesetzen nichts
mehr gemeinsam haben.
In diesem doppelten Verhält-
nis der Kunst zur Natur liegt kein
Widerspruch. Im Gegenteil, wir
können sagen, daß dem doppelten
Verhältnis ein Doppelstamm der
künstlerischen Entwicklung ent-
spricht, die sich als eine des Stils
und eine der naturalistischen Illu-
sion trotz zahlreicher Übergangs-
verbindungen deutlich f ausein-
ander halten läßt. Ganz allgemein
mag dem Schöpferischen der Stil,
dem Bildenden der Naturalismus
entsprechen. Doch ist das Prinzip
des Stils das ältere. Am Anfang
der Kunst entsteht immer der
Wille, sich von der Natur zu ent-
fernen, während gegen ihr Ende
zum Guten wie zum Bösen der
Wunsch durchdringt, sich ihr
wieder zu nähern. Selbst die ältesten Dokumente der prähistorischen Zeitrechnung, diese
Tierzeichnungen der Dordogne in ihrem nun wirklich fabelhaften Naturalismus, sind
Werke einer langen Übung, Gebilde eines völlig unprimitiven Charakters, Erzeugnisse
der Hochentwicklung einer ausgestorbenen europäischen Rasse mit einer uns unbekannten
künstlerischen Vorentwicklung, von der sich jedoch jetzt noch erkennen läßt, daß sie
HENRI-MATISSE
Badende Frauen
35
aus einem Urstile hervorwuchs. Ebenso setzte hernach mit dem geometrischen Stile der
Bronzezeit die arische Welt der Antike ein, die sich groß hielt, solange man die Kunst
der Natur entgegenstellte, und die unterging, als der Hellenismus die Kunst dem Natür-
lichen anglich. Und ebenso hat sich jede Entwicklung vollzogen, die immer ein Aufstieg
zum Stil und ein Abstieg zum Naturalismus war.
Von dem Verhältnis, in dem das Schöpferische und das Bildende, Stil und Naturalis-
mus, im einzelnen Kunstwerk zueinanderstehen, hängen alle Werte und Unwerte der
Kunst ab. Die Kunstwerke unterscheiden sich geradezu, wie sich die verschiedenen
Grade dieses Verhältnisses unterscheiden. Es gibt Kunstwerke, die ungemein schöpferisch
und sehr wenig bildend sind. Es gibt andere Kunstwerke, die sehr bildend und fast gar
nicht schöpferisch sind. Unter den einen befinden sich solche — und meist sind es Werke
eines sehr frühen und anfänglichen Schaffens — , in denen das Bildende zwar mit höchster
Kunst, aber noch in einfachen Linien entwickelt ist und in denen jedenfalls das Schöpfe-
rische durch den eigenmächtigen Stil, mit dem es durchbricht, die vollentwickelte Form
ersetzt, die immer erst späteren Geschlechtern erreichbar wird. Und unter den anderen
befinden sich solche, die Werke einer reifen und abgeschlossenen Zeit sind, in denen das
Schöpferische und das Bildende zu gleichem Gewichte verteilt scheint und in Wahrheit
doch nur das hochgesteigerte Bildende darüber hinwegtäuscht, daß in ihm schon längst
kein Schöpferisches mehr wirkt. Gewiß geht ein Wille zu einer Vereinigung beider
Elemente, des Schöpferischen und des Bildenden, und dementsprechend auch beider
Prinzipien, des Stils und des Naturalismus, unverkennbar durch die Entwicklung der
Kunst. Doch eine Höhe der Kunst, die, welche wir so gemeinhin Höhe nennen, gibt es
überhaupt nicht. Die höchsten Leistungen liegen vielmehr alle auf der Höhe eines Auf-
stiegs, auf der die Kunst von den Menschen ständig neu errungen werden muß : und auf
dieser Linie kann jede Leistung höchste Leistung sein, wie denn der Aufstieg selbst lang
und voll von den Versuchen und Möglichkeiten des Schöpferischen zu sein pflegt. Wenn
dagegen der Punkt erreicht ist, in dem das Schöpferische und das Bildende sich zu decken
scheinen, tatsächlich freilich nur der Naturalismus den Stil zerstört, dann ist damit sofort,
in einer jähen und gefährlichen Unabwendbarkeit, auch derjenige erreicht, von dem ab
sie im Abstieg wieder auseinandergleiten und die Kunst selbst auseinanderfällt : die ver-
meintliche Einheit wird sich alsbald lockern, einzelne Teile, Gebiete, Sonderfertigkeiten
werden vielleicht noch hochentwickelt, die Wirkungen verdoppelt, die Formen überladen
werden — aber gerade von derjenigen Form, die sich selbst mit der ganzen Anmaßung
eines erreichten Meistertums als die vollkommene gibt, gilt sehr leicht, daß ihre behauptete
Formenreinheit in keiner Weise mehr auf Kunst, weder auf Schöpferischem noch auf
Bildendem beruht, sondern nur auf Übung, auf jener akademischen Schulung, die im
nächsten Augenblick wieder verloren sein kann und die daher, wie wir aus Erfahrung
wissen, nur die Vorstufe zu der größten künstlerischen Verwahrlosung zu sein pflegt.
So wird denn eine schöpferische Zeit von sich aus stets bildend sein, während eine nur
noch bildende Zeit nicht mehr schöpferisch zu sein braucht. In diesem Verhältnis der
Zeiten untereinander liegen die Grenzen der Künste, die einzigen, die wir aus der Natur
heraus feststellen können, während die Künste selbst in ihren Formen von den Völkern
abhängen, denen die Künstler angehören, und von den Künstlern, die als Persönlichkeiten
aus ihnen hervorgehen.
36
Wegen des reichhaltigen Materials an altdüsseldorfischer Kunst erstreckt
sich diese erste Ausstellung über das ganze Haus, während für spätere Aus-
stellungen nur das Unterhaus und wenige Räume der ersten Etage in Aus-
sicht genommen sind.
In Kollektivausstellungen werden demnächst gezeigt werden: Böcklin,
Feuerbach, Richard Burnier, Ernst te Peerdt, Max Liebermann, Paul Baum,
Otto Sohn-Rethel, Heinrich Nauen, Karli Sohn, Werner Heuser, Otto
von Waetjen, Max Schulze- Soelde, Otto Stein, ferner Odilon Redon,
William Degouve de Nuncques, Henri- Matisse, Andre Derain, Pablo
Picasso, Georges Braque, M. de Vlaminck, Jules Pascin, R. Levy, Marie
Laurencin, Nils von Dardel, eine Kollektion finnischer Malerei und Archi-
tektur (in Zeichnungen und Photos) und endlich eine von den Malern
August Macke und Carl Mense organisierte Ausstellung rheinischer Expres-
sionisten.
Die Galerie Flechtheim organisiert im Frühjahr im Frankfurter Kunst-
verein mit Unterstützung des Herrn Wilhelm Uhde in Paris eine Ausstellung
von Bildern Pablo Picassos und seines Kreises und veranstaltet in Barmen
(Ruhmeshalle) , Frankfurt, München, Dresden und Berlin, mit Unterstützung
des Herrn Walter Halvorsen in Kristiania, eine Ausstellung jüngstnorwe-
gischer Malerei.
Im Frühjahr veranstaltet die Galerie Flechtheim im Kunstforbundet in
Kristiania, in Gothenburg und Kopenhagen eine Schwarz-Weiß-Ausstellung
deutscher und französischer Graphik und stellt endlich ständig in Berlin,
München , Dresden und Frankfurt die bei ihr vertretenen rheinischen Maler aus.
HENRI-MATISSE, Zeichnung aus Marokko
38
Aus ihrem Besitze stellten
in liebenswürdiger Weise der Ausstellung Bilder zur Verfügung :
DIE RUHMESHALLE IN BARMEN
HERR GEHEIMER KOMMERZIENRAT BAGEL, DÜSSELDORF
HERR ALBERT HERZFELD, DÜSSELDORF
HERR ARTUR HAUTH IN DÜSSELDORF
HERR FRANZ KLUXEN IN MÜNSTER IN WESTFALEN
HERR ADOLF LANGEN IN KÖLN
HERR JUSTIZRAT DR. DE RIDDER, NOTAR IN DÜSSELDORF
HERR C. W. SIMONS, BANKIER IN DÜSSELDORF
FRAU ELSE SOHN-RETHEL IN DÜSSELDORF
HERR MAX STERN, MALER IN DÜSSELDORF
HERR CARL WINTER IN KÖLN
HENRI-MATISSE, Notar (Zeichnung aus Marokko)
39
Damenporträt, 1879
40
ANDREAS ACHENBACH Corleone in Sizilien
XIX. Jahrhundert
Düsseldorfische Kunst.
ACHENBACH, Andreas, 1815— 1910.
Corleone in Sizilien, Tempera (1847).*
Scylla und Charybdis (1861).
Abend. Marine.
Cappenberg.
Bongardshof. Aquarell.
Der Untergang des ,, Präsident *^ Lithographie.
ACHENBACH, Oswald, 1827— 1905.
Ruinen in Rom.
Italienische Landschaft.
BENDEMANN, Eduard, 181 1— 1889.
Liebespaar.
41
BENDEMANN, Rudolf, 1851— 1884.
Festzug.
VON BOCHMANN, Gregor, Düsseldorf. ^
Kartoffelernte.
Esthnische Landschaft.
BOGOLJUBOFF, Alexis, 1824— 1896.
Konstantinopel.
BURNIER, Richard, 1826 — 1884.
Stallinneres.*
Mädchen mit Truthahn.
Heimkehr.*
VON CORNELIUS, Peter, 1783— 1867.
Zeichnung.
DARNANT, Hugo 1850— 1872.
Gänse wiese.
DEGER, Ernst, 1809 — 1885.
Knabenkopf.
DEIKER, C. F., 1836— 1892.
Rehkopf. Aquarell.
Jagdhund.
Hundekopf. Rauchbild.
ERNST TE PEERDT
Frauen am Strand
42
RICHARD BURNIER* Heimkehr
DÜCKER, Eugene, Düsseldorf.
Ostsee.
FAGERLIN, Ferdinand, 1825 — 1907.
Alte Frau.
Junger Fischer.
VON GEBHARDT, Eduard, Düsseldorf.
Das Abendmahl. Kohlezeichnung für sein Bild in der Nationalgalerie.
Christus. Federzeichnung für das Abendmahl in der Nationalgalerie.
Studienköpfe (Oel).
Unter den Malern der religiösen Kunst steht Eduard v. Gebhardt heute mit in erster
Reihe, als Maler des Protestantismus nimmt er unbestritten den ersten Rang ein. Ebenso
abgekehrt von der süßlichen Formensprache der Nachfolger der Nazarener, wie von der
derb-realistischen orientalischen Auffassung französischer Maler, ist er von Beginn an
seinen eigenen Weg gegangen, den er in der Betonung der inneren Wahrheit des Dar-
zustellenden als den allein richtigen erkannte. Daß ihm, dem in den Traditionen eines
protestantischen Pfarrhauses Aufgewachsenen, das Zeitalter der Reformation am nächsten
lag, wird man als etwas Selbstverständliches betrachten dürfen. Auf geographische und
historische Richtigkeit legte er im allgemeinen kein Gewicht ; doch indem er sich in den
Gewändern seiner Figuren, in den Architekturen seiner Bilder vorherrschend der Formen-
sprache des Reformationszeitalters bedient, schuf er in ihnen einen deutschen Stil, den
Stil des deutschen Bürgertums. Immer aber fällt in Gebhardts Schöpfungen das Haupt-
gewicht auf die Veranschaulichung des Innenlebens der von ihm dargestellten Persön-
lichkeiten ; keine Gemütsbewegung, die sein Pinsel nicht mit tiefster Empfindung, mit
feinstem Verständnis wiederzugeben vermöchte.
Eduard v. Gebhardt wurde am i. Juni 1838 im Pastorat zu St. Johannis in Estland
als Sohn des dortigen Pastors, späteren Propstes und Konsistorialrats Ferdinand Theodor
V. Gebhardt, geboren. 1855 kam er auf die Petersburger Akademie, wo er den Grund zu
dem tüchtigen Zeichner legte, der er ist; aber schon 1858 ging er nach einer Reise durch
Holland und Belgien, wo er sich namentlich dem Studium der stammverwandten nieder-
43
ländischen Meister widmete, nach Karlsruhe, wohin eine Anzahl tüchtiger Lehrer von
Düsseldorf berufen worden war. Er fand jedoch in Karlsruhe die erhoffte Anregung nicht
und entschloß sich daher 1860 zur Rückkehr nach Düsseldorf, wo er aber nicht mehr in
die Akademie, sondern in das Atelier des damals schon angesehenen jungen Wilhelm
Sohn eintrat. 1863 zeigte er sich mit seinem Einzüge Christi in Jerusalem zum erstenmal
auf der Ausstellung des Rheinischen Kunstvereins. Was Wunder, wenn er mit diesem
Bilde, das so ganz aus der Art des Hergebrachten herausfiel, Zweifel und Bedenken
erregte? Doch schon eine andere Aufnahme fand im nächsten Jahre sein Bild ,,Die Auf-
erweckung von Jairi Töchterlein". 1866 war eines seiner ergreifendsten Werke, die den
Dom zu Reval schmückende Kreuzigung, gefolgt und als im Jahre 1870 die Berliner
Nationalgalerie Gebhardts ,, Abendmahl" erwarb, war der Sieg seiner Auffassung der
religiösen Malerei entschieden. 1874 wurde er an Stelle von Th. Hildebrand als Lehrer
an die Düsseldorfer Akademie berufen und 1875 zum Professor an derselben ernannt,
ein Amt, das er auch heute noch in jugendlicher Frische und Rüstigkeit bekleidet.
Eine große Zahl von Werken religiösen und profanen Inhalts ist neben vielen Porträts
und Studienköpfen den ersten gefolgt ; von Tag zu Tag steigerte sich die Anerkennung
seines Schaffens, doch erst in den großen monumentalen Werken im Kloster zu Loccum und
in der Friedenskirche zu Düsseldorf hat Gebhardts Kunst ihre schönsten Triumphe gefeiert.
An Auszeichnungen und Ehren hat es dem Meister nicht gefehlt ; zu den bedeutend-
sten mag die ihm jüngst von der Universität Straßburg verliehene Würde eines Doktors
der Theologie gehören. In sinniger Weise spricht die Ernennungsurkunde von des Künst-
lers Werken als einem ,,Heliand in Farben".
Dr. W. NEUMANN, Direktor des Städtischen Museums in Riga.
GUDE, Hans, 1825 — 1903.
Norwegische Landschaft.
HASENCLEVER, Johann Peter, 1810— 1853.
Wachtstube.
HEMPEL, H. C, Düsseldorf.
Landschaft, 1877.
RICHARD BURNIER Stallinterieur
44
F. A. HORNEMANN
Madonna
HERMANNS, Heinrich, Düsseldorf.
Der Prinzipalmarkt in Münster.
HILDEBRAND, Th., 1804— 1874.
Mädchen mit Perlenkette.
HOFF, Carl, 1866-
Dechenhöhle.
1904.
HORNEMANN, Fr. Adolf, 18 13-
Mutter und Kind.
Madonna.*
Betteljunge.
Interieur mit Frau.
Interieur mit Wiege.
Küche.
JABIN, Karl Georg, 1828— 1864.
Deutsche Landschaft.
JANSSEN, Gerhard, Düsseldorf.
Der Philosoph.
1890.
45
LUDWIG KNAUS
Familie Strousberg
JUTZ, Carl, senior.
Am Starnberger See, 1873.
KESSLER, Aug., geb. 1826— 1906.
Niederrheinische Landschaft, 1845.
KNAUS, Ludwig, 1829 — 1910.
Familie Strousberg, 1870,*
VON KRAFFT, Peter, geb. 1863, verschollen um 1893.
Porträt.
Frauenraub.
KRÖNER, Chr., 1838— 191 1.
Landschaft.
LACHENWITZ, F. Sigismund, 1820— 1868.
Kosaken.
Pferde.
LESSING, C. F., 1808— 1880.
Kaiser Heinrich nimmt Papst Pascal gefangen. Skizze zu dem im
Besitze S. M. des Kaisers befindlichen Gemälde.*
LEUTZE, Emanuel, 1 816— 1868.
Held aus den amerikanischen Befreiungskriegen.
46
C. F. LESSING Kaiser Heinrich nimmt Papst Pascal gefangen
MEYER, Claus,^Düsseldorf.
Interieur.
Aus Brügge (Aquarell).
MUNKACSY, Michael, 1846— 1900.
Mephisto und Schüler (aus der Sammlung Paul Lindau).
Der Dorfheld. Skizze zum Bild im Kölner Wallraf-Richartz-Museum,
MUNTHE, Ludwig, 1841— 1896.
Kartoffelgräber.
Landschaft.
NICOLET, Gabriel, London.
Spa.
NORMAN, Adelstjern., Kristiania.
Fjord.
OEDER, Georg, Düsseldorf.
Erinnerung an den Herbst.
TE PEERDT, Ernst, Düsseldorf.
Der Negermönch.*
Frauenporträt. *
Deutsche Landschaft.*
Badende Frauen.*
47
TE PEERDT, Ernst, Düsseldorf.
Stilleben.
Landschaften.
Zeichnungen.*
Ernst te Peerdt ist heute 60 Jahre alt (geb. 1852 in Tecklenburg in Westfalen)
und lebt in Düsseldorf; bis vor wenigen Jahren ganz vergessen — nachdem ein paar
frühe naturalistische Szenen (,,Das Duell" z. B.) schon einmal vor 30 Jahren seinen
Namen bekannt gemacht hatten. Neuerdings wurde seine große Kunst mehrfach entdeckt,
so in den „Rheinlanden", vom Kölner Amateur Hermann Hertz, von Dr. Hagelstange,
dem Direktor des Kölner Museums, der zwei Bilder erwarb, und dann für die Aus-
stellungen des Sonderbundes. Doch stand der Umstand, daß man bisher von seinem Werk
zu wenig zu sehen bekam, einer weiteren Verbreitung seines Ruhmes — denn darauf wird
es herauskommen — im Wege.
RETHEL, Alfred, 1816— 1859.
Bildnis seiner Mutter.
Der Pfarrer.
Justitia. Bleistiftzeichnung, I. Fassung.*
RITTER, Henry, 1816 — 1853.
Skizze.
VON SCHADOW, Wilhelm, 1789— 1862.
Selbstporträt.
Bildnis seines Schwiegersohnes, des nachmaligen Sanitätsrats Hasen-
clever.
Kopf, Kohlezeichnung.
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ERNST TE PEERDT
Landschaft
48
ALFRED RETHEL Justitia (Bleistift)
VON SCHENNIS, Friedrich, Berlin.
Solitude.
Landschaft.
SCHEURER, Caspar, 1810— 1887.
Das Rheinalbum, 50 Aquarelle.
Kreuzigung.
Baumstudien.
SCHIRMER, J. W., 1807— 1863.
Heroische Landschaft.
Landschaf t mit Turm (vgl. Schaarschmidt: Düsseldorfer Malerei, 8,199).*
SCHLÜTER, Aug., Düsseldorf.
Heideteich.
SCHREUER, Wilhelm, Düsseldorf.
Ratsherren.
SCHROEDTER, Adolf, 1805— 1875.
Karikaturen. Aquarelle.
SCHÜZ, Th., 1830— 1900.
Schwarzwaldlandschaft.
SEIBELS, Carl, 1844— 1901.
Kühe auf der Weide.*
SOHN, Carl Ferd., 1805— 1867.
Porträt seiner Gattin.
49
J. W. SCHIRMER Landschaft
(aus Schaarschmidt : Die Geschichte der Düsseldorfer Kunst im 19. Jahrh.)
SOHN, Carl, 1845 — 1910.
Selbstporträt.
Bildnis seiner Gattin, der Frau Else Sohn-Rethel.
Stilleben.
SOHN, Wilhelm, 1829— 1899.
Interieur.
Bildnis der Gräfin Loe.*
SUES, Gustav, 1823 — 1881.
Hahn.
CARL SEIBELS
Kühe auf der Weide
50
SUYKENS, Henri, Schloß Eppinghoven bei Langenfeld.
Anbetung der Hirten.
Bleiche.
d'UNKER-HENNING-LÜTZOW, Carl, 1829— 1866.
Matrosenschenke.
VAUTIER, Benjamin, 1829 — 1898.
Trinker, Kohlezeichnung.
Bäuerin.
Gerichtsszene,
VOLKHART, Max, Düsseldorf.
Spaziergang. Ratsversammlung.
Der Zecher. Der Student.
WEBER, A., 1817— 1873.
Landschaft.
VON WILLE, A., 1829— 1887.
Der Wilddieb.
VON WILLE, Clara (Gattin des Vorigen).
Junge Hunde.
ZIMMERMANN, Adolf, 1799— 1837.
Mater dolorosa.
WILHELM SOHN: Bildnis der Gräfin Loe
51
Die Stadt Düsseldorf ist sehr schön, und
wenn man in der Ferne an sie denkt, und
zufällig dort geboren ist, wird einem wunder-
lich zu Mute. — Ich bin dort geboren, und
es ist mir, als müßte ich gleich nach Hause
sehn. HEINRICH HEINE.
Heinrich Heine, Lithographie
Lithographie unbekannten Zeichners.*
Kreidezeichnung, monogrammiert,
datiert 19. 2. 1841.*
LEDERER, Hugo, Berlin.
Kopf des Heinedenkmals für Hamburg. *
Marmor. (Abbildung siehe Seite 12,)
OPPENHEIMER, Max, Wien.
Radierungen -zu Heines Buch ,,Le
Grand** (Paul Cassirer Verlag).
KAYSER, Jos. t.
Bildnis der Frau von Geldern, einer
Tante Heines.
Bildnis des Herrn M. B. Wolf und
seiner Frau, geb. von Geldern.
52
Heinrich Heine
monogrammiert, datiert 19. 2. 1841
MAX LIEBERMANN
Selbstporträt, Radierung
Aus^dem Ehrendoktordiplom für Max Liebermann (Text von Heinrich Wölfflin) :
,, . . . der die Malerei dahin führte, wohin sie von jeher
strebte, daß nämlich die Dinge nicht so gemalt würden,
wie unser Denken uns lehrt, daß sie beschaffen sind,
sondern wie sie dem Auge unmittelbar erscheinen."
53
AUGUSTE RENOIR
Die Toilette
XIX. Jahrhundert
Andere deutsche und französische
Maler.
,,Wir legen uns erst heute Rechenschaft über diese Dinge ab und haben Grund dazu,
können auch heute erst darüber nachdenken. Früher verschlang das Staunen über das
grandiose Schauspiel dieser gleichsam aus der Erde gestampften Künstlergeneration, die
das arme Zeitalter mit ewigen Blüten kränzte, jede Reflexion. Das ist noch nicht lange
her, viel weniger lange, als man glauben sollte. Es war, als ich vor etwa zwanzig Jahren
nach Paris kam. Damals war Manet längst tot,^ Cezanne verschollen, Degas ein ver-
55
bitterter Anachoret. Nur Renoir, Monet und ein paar andere ihrer Generation standen
noch in der Entwicklung. Von den Jüngeren war van Gogh vor kurzem gestorben, Gau-
guin saß bei seinen Wilden. Man sah also so gut wie nichts mehr von den Leuten selbst.
Und das machte das Schauspiel vielleicht nur noch packender. Um so mehr sah man von
ihren Werken. Die begannen sozusagen erst, auch wenn sie Dezennien vorher entstanden
waren. Sie kamen ans Licht wie eine Kette von Bergen, die bis dahin immer ein und der-
selbe Nebel verhüllt, die man, wer weiß wo, weit in der Ferne geglaubt hatte. Es war
ein ganzes Panorama und zum Greifen nahe. Jeder Tag brachte ein neues Stück, jede
Woche eine neue Kette mit ungeahnten Plänen und Gründen. Manet, von dem man
noch am meisten wußte, wuchs zu einem Gipfel. Aber gleich neben ihm, ebenso hoch,
der Gipfel noch in Wolken: Renoir, ein sanft ansteigendes, von Früchten strotzendes
Gelände. Weiter hinten Cezanne, ein phantastischer Felsen, schmal und rissig wie eine
zum Himmel geschleuderte Woge. Man wußte bei dem funkelnden Licht nicht, ob er aus
Wolken oder blauem Gestein bestand. Weiter unten sah man van Gogh und so manche*
anderen gleichsam aus winzigen Wellungen des Terrains hervorgehen. Und neben diesem
scheinbaren Entstehen, das ein Sichenthüllen war, entstanden wirklich vor aller Augen
wie Hügel des Vorlandes andere Zeichen, die erst die Zeit, die man miterlebte, hervor-
brachte: Signac mit seinen Freunden, Bonnard mit den seinen, und neben den zerfurchten
Höhen eines Rodin rundete sich in behaglicher Breite Maillol.
Etwas ganz Einziges, nie zu beschreiben, nie wieder zu erleben ! Ich wundere mich,
daß man in jener Zeit wie ein vernünftiger Mensch durch die Straßen ging, sich sorgte
und Zeitungen las, daß man die Muße fand, Aufsätze über Kunst und dergleichen Über-
flüssigkeiten zu schmieden, anstatt zu starren und zu staunen. Der Zweifler, der uns
damals etwas von unseren heutigen Gedanken verraten hätte, wäre nicht schlecht aus-
gelacht worden. Das Überraschende war ja nicht ein neuer Künstler, oder zwei und drei,
sondern eine unübersehbare Menge neuer Formen, die, obwohl jede für sich bestand,
organisch zusammenzuhängen schienen. Und es war nicht eine neue Kunst, sondern
die eine, die einzige, die kommen mußte. Es war nicht das neue Sensuelle, das, was an
ungewohnten Reizen in den Farben und Linien steckte, nicht einmal das rein Ästhetische;
wenigstens erschien es nicht so. Es war vielmehr etwas Ähnliches wie das, was in kleinerem
Maß zur gleichen Zeit in der deutschen Literatur vorging und mehr oder weniger in vielen
anderen Ländern gespürt wurde: die Schöpfung eines unentbehrlichen Ausdrucks für
ein vielen gemeinsames Sehen und Empfinden; einer gültigen Form für das Zeitgenössische,
für jene bis dahin unbewußte, unkörperliche, unfruchtbare Gegenwart. Unmittelbar aus
unserer Mitte heraus, aus unseren Kleidern und Gedanken, unserem ungeschminkten
Sein entstand eine lyrische, dramatische, heroische Schönheit, Schönheiten aller Art.
Und das erschien alles so natürlich wie die gemeinsame Freude vieler an der Purpurröte
des Himmels. Wirklich lag damals etwas wie Purpur über Paris."
JULIUS MEIER-GRAEFE. („Neue Rundschau" April 1913.)
V
Gemälde,
BÖCKLIN, Arnold, 1827 — 1901
Frauenbildnis.
BOUDRY, A., Brüssel.
Crevettenfischer in Nieuport.
56
PAUL CEZANNE
Bildnis seiner Frau in Rot
57
CEZANNE, Paul, 1839— 1906.
Die badenden Soldaten.*
Bildnis seiner Frau.*
Bildnis seiner Frau in Rot.*
Der grüne Topf, Aquarell.*
Cezanne n'etait pas le maladroit
sublime que tend a nous representer
une certaine legende. Ses aquarelles
revelent au contraire une habilete si ver-
tigineuse que seule peut etre l'egale la
virtuosite des Japonais: sur la feuille
blanche toute l'ossature d'un paysage
s'indique par quelques touches colorees
d'une exactitude teile qu'elle fait parier
les vides intermediaires, arrache au
silence de chacun une signification. —
Quand Cezanne peint ä l'huile, sa main
tressaille de la meme adresse, mais il la
contient: il se mefie; il redoute de se
substituer a sa sincerite; il impose ä son
pinceau une lenteur fidele. L'application
le possede comme une passion: il se
penche devotement, il se tait pour mieux
voir; il emprisonne la forme qu'il copie
dans le cercle de son attention: et, comme
PAUL CEZANNE
Bildnis seiner Frau
PAUL CEZANNE Der grüne Topf
eile rouge, il respire mal tant qu'il ne l'a pas
captee. A chaque instant le trait veut bondir,
s'abandonner ä son elan. Mais Cezanne le
ramene avec entetement, l'oblige a se main-
tenir acharne. Ainsi, si Ton croit voir en cette
peinture des hesitations, elles ne signalent pas
l'impuissance d'une main trop fruste et trop
mal exercee pour suivre avec precision le con-
tour des objets, mais uniquement le scrupule
d'une patience occupee sans cesse ä moderer
les ecarts d'une dexterite trop fremissante.
Jamais rien pour le spectateur. Cezanne
n'invite pas le regard; il ne fait pas signe;
il ne s 'adresse pas; il peint en solitude et ne
se soucie pas qu'on s'interesse aux images
qu'il fabrique dans la peine et dans l'adora-
tion. II n'a affaire qu'auxchosesetn'ad'autre
inquietude que de les dire comme il faut.
D'elles son amour est si voilent qu'il tremble
de respect; il est frappe de veneration devant
elles, et c'est tenu par une modestie brülante,
qu'il travaille ä les representer. — De la cette
severitesiemouvante: severite que repand sur
tout ce qu'il touche l'amour. Ces toiles ont une
ampleur serree. On sent qu'elles ont ete peintes
dans une bondissante immobilite et d'une äme
que l'exces de son transport rendait timide.
58
II n'est peut-etre pas de plus grand peintre que Cezanne. J'ai la faiblesse de regretter
parfois qu'il n'ait ete que peintre, que dans son oeuvre rhomme n'intervienne jamais
que comme serviteur des choses, qu'il ne fasse sentir sa presence que par sa devotion
et son souci de s'effacer. Mais ne faut-il pas que son abdication vienne reparer l'imperti-
nence de tous ceux qui s'etablissent en intrus et s'exposent au milieu de leurs tableaux?
JACQUES RIVIERE
aus „Etudes". Editions de la Nouvelle Revue fran^aise.
Cette meme annee (1863), Cezanne fit la connaissance de Renoir, a l'occasion du
Salon des Refuses, qui avait Heu au Palais de l'Industrie, ä cote de l'exposition offi-
cielle. Comme on en discutait l'organisation, un camarade de Renoir, Basile, arriva
avec deux autres peintres qu'il presenta a Renoir en lui disant : « Je vous amene deux
fameuses recrues ». C'etait Cezanne et Pissarro. Cezanne connut aussi, vers la meme
epoque, Manet, ä qui il fut presente en meme temps que Zola par Guillemet. II fut
tout de suite pris par la force de realisation de Manet. « II crache le ton ! » s'excla-
mait-il; seulement, a la reflexion, il ajoutait : « Oui, mais il manque d'harmonie et
aussi de temmperammennte ». C'etait d'ailleurs bien simple. Cezanne avait divise la
peinture en deux genres : la peinture « bien couillarde », la sienne; et la peinture qui
n'etait pas « couillarde », celle des « ottres ». De cette seconde categorie etait notam-
ment Corot, dont Guillemet lui parlait sans cesse, ä quoi Cezanne lui repondit un jour:
« Ton Corrotte, tu ne trouves pas qu'il manque un peu de temmperammennte? » II
ajouta : « Je viens de terminer un portrait; le point lumineux sur le nez, c'est le ver-
millon pur! » C'etait du « temmperammennte » cela!
AMBROISE VOLLARD
aus « La Vie de Cezanne », das demnächst in deutscher Sprache
bei Paul Cassirer erscheinen wird.
GUSTAVE COURBET
Eselreiterin
59
GROSS, H. E., 1856— 1910.
Ball auf dem Dorfe.
Blühender Mandelbaum.
CORINTH, Lovis, Berlin.
Landschaft.
COURBET, Gustave, 1819 — 1877.
Waldinneres.
Schneelandschaft.
Die Eselreiterin.*
DIAZ DE LA PENA, Narcisso. 1807 — 1876.
Stilleben.
DAUBIG^FY, Ch. 18 17— 1870.
Flußlandschaften.
DEGOUVE DE NUNCQUES, William, LA HULPE.
Der verlorene Sohn.*
Jesus und die Lämmer.
Landschaften.
S'il est un peintre de reve, c'est Degouve de Nuncques. S'il est un etre oü le caractere
de rhomme se confond avec celui de l'artiste, c'est encore Degouve qui ne pense, ae
respire, ne vit qu'en son art et pour son art.
II est ne ä Montherme, d'une tres ancienne famille fran^aise, et ses grands-parents
payerent, comme maints des membres de la noblesse d'alors, leur tribut a la guillotine de 93.
II vint si jeune
habiter la Belgique
que nous croyons
pouvoir le dire nötre.
Pourtant, son art
n'est point flamand,
pas plus qu'il n'est
fran^ais d'ailleurs;
c'est son art, ä lui.
*
Et c'est ainsi qu'en
pelerinant avec con-
stance, dans la voie
de l'art et du reve,
de la verite et de la
beaute, William De-
gouve de Nuncques
a franchi, sans qu'il
s'en doute, les por-
tiques altiers de la
Renommee et de la
Gloire.
M. BIERME.
"^^-v
WILLIAM DEGOUVE DE NUNCQUES Der verlorene Sohn
60
FEUERBACH, Anselm. 1829— 1880.
Nana.*
Ein Jahr später datieren die ersten Bilder, zu denen ihm Nana, die Schustersfrau,
die sein Modell wurde, gesessen ist. Überraschend tritt es auf der Ausstellung zutage,
ivie nun die stolze Schönheit dieses römischen Weibes seine Phantasie erfüllte. Sie erlöst
ihn aus der Abhängigkeit von der alten Kunst und stellt ihn auf seine eigenen Füße.
An ihr entwickelt sich sein Formenideal zu jener plastischen Einfachheit, die nun ganz
den Bildgedanken bestimmt, die Farbe erhält den besonderen Charakter kühler vornehmer
Zurückhaltung und die Landschaft wird zur Hintergrundkulisse. Neben Bildnissen der
Nana, die nichts als solche sein wollen und in ihrer stillen Größe an Sebastiano del Piombo
gemahnen, treffen wir sie in der Verkleidung als Virginia, als Lesbia, als Mirjam, auf
dem Familienidyll ,,Der Mandolinenspieler" als glückliche Mutter, dem Selbstporträt
des Künstlers gesellt, und endlich inspirierten ihre königlichen Formen Feuerbach zu
den Iphigenien und Medeen, in denen seine Kunst vielleicht ihren reinsten und reifsten
Ausdruck findet. Hier auch wird es besonders deutlich, welche Kluft sein Gestaltungs-
prinzip, in dem eine, wenn man so sagen kann, reliefartige Herausarbeitung der Körper
angestrebt wird, von den Schöpfungen Marees trennt, für den die menschliche Gestalt
nur eines der Elemente zur Verdeutlichung der allgemeinen Raumvorstellung ist. Wie
merkwürdig, daß die drei Deutschen, die gleichzeitig auf italienischem Boden weilten
und sich kannten, sich gegenseitig fast gar nichts gaben.
Hugo von Tschudi. „Gesammelte Schriften zur neueren Kunst."
GAUGUIN, Paul. 1848— 1903.
Bretonenjunge.*
Wäscherinnen.
Musique barbare.*
Tahitanerin.
PAUL GAUGUIN
Bretonenjunge
61
PAUL GAUGUIN
Musique bar bare
.... Die Prinzessin trat in meine Kammer, wo ich leidend, nurlmit einem Pareo be-
kleidet, auf dem Bett lag. Wahrlich keine Art, eine Frau von Rang zu empfangen.
Ja orana (ich grüße dich), Gauguin, sagte sie. Du bist krank, ich komme, um nach dir
zu sehen.
— Und du heißest?
— Vaitüa.
Vaitüa war eine wirkliche Prinzessin, wenn es solche überhaupt noch gibt, seitdem die
Europäer alles auf ihr Niveau herabgedrückt haben. Freilich war sie als einfache Sterbliche
mit nackten Füßen, eine duftende Blume hinterm Ohr, in schwarzem Kleide gekommen. Sie
ging in Trauer um den König Pomare, dessen Nichte sie war. Ihr Vater, Tamatoa, hatte trotz
der unvermeidlichen Berührung mit Offizieren und Beamten, trotz der Empfänge bei dem Ad-
miral niemals etwas anderes sein wollen als ein königlicher Maorie, ein gigantischer Rauf-
bold in Momenten des Zornes, und bei abendlichen Orgien ein berühmter Zecher, Er war ge-
storben. Vaitüa, behauptete man, gliche ihm sehr.
Ein skeptisches Lächeln auf den Lippen, betrachtete ich diese gefallene Prinzessin mit der
Dreistigkeit des eben auf der Insel gelandeten Europäers. Aber ich wollte höflich sein.
— Es ist sehr freundlich von dir, daß du gekommen bist; Vaitüa. Wollen wir zusammen
einen Absinth trinken?
Und mit dem Finger weise ich in eine Ecke der Kammer auf eine Flasche, die ich soeben
gekauft hatte.
Ohne Unmut noch Freude zu zeigen, geht sie einfach hin und bückt sich, um die Flasche
zu nehmen. Bei dieser Bewegung spannte ihr leichtes, durchsichtiges Kleid sich über den
Lenden, ^ es waren Lenden, eine Welt zu tragen ! O, sicherlich war es eine Prinzessin ! Ihre
Vorfahren ? Stolze, tapfere Riesen. Fest saß ihr stolzer, wilder Kopf auf den breiten Schultern.
Zuerst sah ich nur ihre Menschenfresserkiefer, ihre zum Zerreißen bereiten Zähne, den lauernden
Blick eines grausamen, listigen Tieres und fand sie trotz einer schönen edlen Stirn sehr häßlich.
62
Wenn ihr nur nicht einfiele, sich auf mein Bett zu setzen ! Ein so schwaches Gestell könnte
uns beide ja nicht tragen. ...
Aber gerade das tut sie.
Das Bett krachte, hielt es jedoch aus.
Beim Trinken wechseln wir einige Worte. Die Unterhaltung will aber nicht lebhaft werden.
Sie ermattet schließlich und es herrscht Schweigen. Ich beobachte die Prinzessin insgeheim,
sie sieht mich aus einem Augenwinkel verstohlen an, die Zeit geht hin und die Flasche leert
sich. Vaitüa trinkt tapfer. Sie dreht sich eine tahitische Zigarette und streckt sich auf
dem Bett aus, um zu rauchen. Ihre Füße streichen ganz mechanisch fortwährend über das
Holz unten am Fußende, ihre Züge besänftigen sich, werden sichtlich weich, ihre Augen
glänzen — und ein regelmäßiges Pfeifen entschlüpft ihren Lippen — mir war, als hörte
ich das Schnurren einer Katze, die auf blutige Genüsse sinnt.
Da ich veränderlich bin, fand ich sie jetzt sehr schön, und als sie mit bewegter Stimme
sagte: ,,Du gefällst mir", überkam mich eine große Unruhe. Die Prinzessin war ent-
schieden köstlich. ...
Ohne Zweifel, um mir zu gefallen, begann sie eine Fabel von La Fontaine, Die Grille
und die Ameise, zu erzählen — eine Erinnerung aus der Zeit ihrer Kindheit bei den
Schwestern, die sie unterrichtet hatten.
Die ganze Zigarette war in Brand.
-- Weißt du, Gauguin, sagte die Prinzessin, und erhob sich, ich liebe deinen La
Fontaine nicht.
— Wie? Unsern guten La Fontaine?
— - Vielleicht ist er gut, aber seine Moral ist häßlich. Ameisen .... (ihr Mund
drückte Abscheu aus). Ja, Grillen, die, ah! Singen, singen, immer singen!
Und stolz, ohne mich anzusehen, mit leuchtenden, ins Weite blickenden Augen fügte
sie hinzu:
— Wie herrlich war unser Reich, als noch nichts verkauft wurde ! Das ganze Jahr
hindurch wurde gesungen .... Singen, immer ! Immer geben ! . . . .
Und sie ging.
Ich legte mich wieder auf mein Kissen zurück, und lange klangen die Worte: Ja
orana, Gauguin, schmeichelnd in mir nach.
Gauguins ,,Noa Noa" (Bruno Cassirer Verlag).
VINCENT VAN GOGH
Der Zuave, Zeichnung
63
VINCENT VAN GOGH Boote in Saintes-Maries
VAN GOGH, Vincent. 1853— 1890.
Rasen in Arles. 1888.*
Hütten in Saintes-Maries. 1888.*
Boote in Saintes-Maries. 1888.*
Olivenbäume in Arles. 1889.*
Liebe entscheidet heute, ich soll über Vincent van Gogh aussagen, was mich mit
ihm durchwühlt, versuchen, ob es nicht gelänge, in die Sprache zu binden, was als plötz-
liche Bewegung des Herzens, als Röte des Antlitzes und Strahl der Augen so oft in mir
lebendig war.
Bevor ich mich dem Fall des van Gogh nähere, ist zu sagen, was das Urteil vom
Kunstwerk überhaupt aussagt, und ich beginne damit, zu betonen: Vor allem habe es seine
spezielle Notwendigkeit ebensosehr, wie die vorausgesetzte Notwendigkeit jedes Kunstwerks:
zu orientieren in der Welt der umgebenden Mannigfaltigkeiten, das heißt: in einem jeden
sei die dargestellte Welt mit ihren Mannigfaltigkeiten zu einem Begriff gebändigt. Wer
nämlich eingesehen hat, daß alles Ziel menschlicher Erkenntnis in einer Überwindung um-
gebender Mannigfaltigkeit besteht, daß alle Geistesarbeit das Chaos in der Weise ineinander-
schob: Mannigfaltiges wurde in Gruppen, die gewonnenen Gruppen zu neuen Ordnungen ge-
bracht, und allmählich stand Disziplin neben Disziplin herabschauend auf eine Anzahl end-
gültig gewonnener Begriffe, — weiß füglich, auch im Gebiet der Kunst geht niemals anderes vor
sich als Mannigfaltigkeitsüberwindung im Hinblick auf schließlich zu gewinnende gültige Be-
griffe, die aber — auf keinem anderen Wege gewonnen werden könnten, nicht auf logischem
und nicht aus Erkenntnissen der Sittenlehre.
Wie in den Gemälden des Rubens Milliarden Dinge einer niederländischen Welt des sieb-
zehnten Jahrhunderts durch die Kunst überwunden sind, so daß uns für diesen Komplex zeit-
licher und örtlicher Menschheitsgeschichte für alle Zukunft ein einziger fester Begriff zu Gebote
steht, ist ein Beispiel.
Und so wird das Werk van Goghs allen Zeiten den erschöpfenden Begriff für das ganz
südliche Frankreich, jener bunten, von gelber Sonne erstickten Gegend um Arles geben, und
was dem aussichtslos gegen die Ufer einer Unerschöpflichkeit brandenden Hirn entgangen wäre
vom Bauern, der in heißen Erdgegenden mit heftigen Trieben und wilderer Bewegung sich um
sein täglich Brot zu Boden bückt, reißt Vincent als eine runde Gesamtheit mit Farbenflecken
auf wenigen Metern Leinwand Geviert Generationen ins Bewußtsein. In dieser mächtigen zu-
64
sammenfassenden Gebärde, die ich die Extensität nennen möchte, sehe ich das erste Argument
für v^an Goghs überragende Künstlerschaft. Wer von den Großen um ihn hatte sie in diesem
Maße zu eigen? Hat uns Manet oder Renoir oder irgendein anderer der Zeit über ein ge-
schlossenes Gebiet der uns umgebenden Mannigfaltigkeit so unbedingt zu Herren gemacht?
Was diese zu bedeutendster Künstlerschaft dennoch heranhebt, ist eine andere Eigenschaft,
die sie mit van Gogh teilen: ihre aus jeder Gegend des Lebens, aus allen Zweigen der Materie
nach Laune herausgenommenen Objekte vermögen sie dennoch mit Innigkeit zu durchdringen.
Auch sie überwinden an diesen Mannigfaltigkeiten in der Weise, daß sie die weniger wichtigen
Eigenschaften des Gegenstands der Besonderheit, die uns an ihm reizt, unterordnen und diese
dadurch so verdichten, daß das Bild vom Spargel mehr ein Spargel ist als er selbst!
Rührend ist es und erhebend, zu verfolgen, wie das Auge van Goghs von Bild zu Bild
für diesen Prozeß reifer wird, um schließlich mühelos das Bild einer angeschauten durch-
schauten Welt in ihrem prominentesten Begriff auf die Leinwand zu geben.
Er beginnt wie der Herrgott selbst mit der Scheidung von Licht und Finsternis. Wie das
Ganzdunkle vom Licht betroffen und überwunden wird, zeigt er von Beginn des Vorganges
an. Er vermochte wie jeder Schöpfer in sich das Chaos, die totale Verworrenheit und Finsternis
als Vorausssetzung zu empfinden und lehnte die Vorarbeit jedes Anderen zur Erhellung ab.
Auch Gottes selbst. In schwarzgraue und braune Flächen zieht er einen Streifen kalkig weißen
Lichtes und empfindet überwältigt an Erde, Mensch und Tieren das zu allererst Sichtbare, Her-
vorspringende: Teile ihrer Oberflächen, und bemächtigt sich ihrer. Schafft sie durch und durch.
Das Oberleder eines alten Schuhes, die Schale der Kartoffel wird in diesem Sinn vom Licht
immer deutlicher erkannt, und er ruht nicht. Da hellt das Dunkel sich weiter, und an den Flächen
zeigen sich Umrisse; die das Chaos bedeutender teilen. Und nun ist einen kurzen Augenblick
seine Seele die Seele Daumiers, und in dem mörderischen Kampf von Schwarz und Weiß rast
das dem Untergang bestimmte Schwarz in letzten Sprüngen als züngelnde Silhouette alles
Dargestellten durch das Bild.
Unaufhaltsam überwindet das Licht aus Künstleraugen, und als es in dämmerigen Stuben,
Kellerecken, auf öder Winterlandschaft nichts mehr zu erkennen gibt, fordert van Gogh die
Wunder eines strahlenden Frühlings. Er verläßt das nördliche Frankreich, das ihn in seinen
früheren Schöpfungstagen getragen und zieht der Sonne nach in den Süden des Landes, und
sie mit der Gewalt seiner jauchzenden Seele auftrinkend, gießt er sie in Strömen in die Welt
zurück, daß Buntheit sich entzündet.
VINCENT VAN GOGH Rasen
65
66
In den Bildern der spätesten Zeit ist alles zu grandioser Einfachheit gebändigt. Es hebt
die glorreiche Spanne eines Menschenlebens an, da jede Äußerung von ihm nicht Zufälligkeit
mehr, sondern eine Erkenntnis sein muß und wo aus Machtvollkommenheit Begriff zu Begriff
sich stellt, da umspannt das Wort Maler nicht mehr: der Begriffsbildner, der die Einsicht
bereichert und vertieft, die Grenzen der Welt auseinanderrückt, hob sich heraus aus der Schar
der Kameraden und marschiert mit denen Schulter an Schulter, die einen Namen nicht mehr
haben; Religion sind für Menschenkinder wie mich.
CARL STERNHEIM.
GOJA Y LUCIENTES, Ignacio, 1746— 1828.
Die Räuber (Skizze zu dem Wandbild des Herzogs von Suna).
RÖDLER, Ferdinand, Genf
Frauenbildnis 1870.
Tanzende.*
INGRES, J. A. D. 1780— 1876.
Alte Frau.
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FERDINAND RÖDLER
Tanzende
67
MAX LIEBERMANN
Reiter am Strand
LEIBL, Wilhelm, 1844 — 1900
Wildschütz am Fenster.
LIEBERMANN, Max, Berlin.
Spielendes Kind. Papageienmann.
Badende Jungen. Reiter am Strand.*
Was ich an der Kunst dieses Meisters liebe, ist — das Genie. Ich glaube, ich könnte
es beim besten Willen nicht genauer, nicht gewissenhafter, nicht ausdrücklicher sagen,
als mit diesem Wort.
Das Genie Max Liebermanns ist allerdings von besonderer Art. Es ist von der Art,
die das Leben bejaht; die sich mit dem Leben verträgt, aber ohne ihm nachzugeben, ohne
vor ihm zurückzuweichen -- auch nur um Schrittbreite.
Liebermann repräsentiert jene
künstlerische Gattung, die sich mit
Klugheit paart, Klugheit im aller- "
prononciertesten Sinne, und den-
noch ist nicht ein Pinselstrich
bei ihm etwa aus Klugheit allein,
aus ,, Lebensbejahung" im Ba-
nalen, aus Diplomatie gar oder
aus Nachgiebigkeit entstanden.
Zwischen dem einen und dem
anderen steht bei diesem Maler
eine Mauer, unübersteigbar, nicht
zu erschüttern. Der Mensch und
der Künstler stehen sich wie zwei
Mächte gegenüber, befreundet,
aber dem kategorischen Imperativ
ihrerExistenz treu bis zum Letzten.
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^ Z^^ ~""~ -^ --
^^^*^9»*-5^«e:l_.
MAX LIEBERMANN
Radierung
68
Was ich an Liebermann liebe, ist zugleich seine Härte, seine Kraft, die nicht die
leiseste Spur von Kraftmeierei duldet. In Liebermanns jungen Jahren, nicht seinen
ersten erfolgreichen Anfängen, sondern etwas später, hieß diese Kraft ,. brutal", wie
Courbet, Manet und Cezanne einmal brutal hießen. Diese Brutalität, sie ist heute billig
geworden, da sie Grimasse geworden ist. Bei Liebermann ist sie noch Lebenssache,
verbunden mit der ganzen Energie und der Leistung seines Wesens.
Was ich an Liebermann liebe, ist auch das Paradoxon an ihm, trotz seiner Klug-
heit. Sein Geschmack ist doch noch größer als sein Verstand, und seine vom Genius auf-
gestachelte Laune ist größer noch als sein Geschmack. Liebermann hat mir selbst einmal
einen Beitrag zur Art seiner Paradoxien gegeben; er erzählte mir, wie sehr ihm ein witziger
Einfall näherliegt als die Logik:
Bei seinem Abiturium war es, da wurde er u. a. gefragt, auf welchem Wege der
Apostel Paulus von Rom nach Jerusalem gekommen sei ? Worauf er die erstaunliche
Antwort gab:
,,Per pedes Apostolorum."
Worauf der Schulrat lachte und ihn passieren ließ.
Was ich an Max Liebermann liebe, ist schließlich die Art, wie er so etwas — voller
Humor, voller Behaglichkeit und doch auch naiv — erzählt.
ALFRED GOLD.
MANET, Edouard, 1833— 1883.
Frauenporträt.
Bewegte See.
Ruhige See.
Ein Witzbold des ,.Charivari", der in der ersten Ausstellung der neuen Schule bei
Nadar im Jahre 1874 einen Sonnenuntergang Manets mit der Bezeichnung ,, Impressions"
fand, glaubte einen Kalauer zu machen, als er die Leute Impressionisten nannte. Der
Spott hat sich verflüchtigt, der Name ist geblieben. Er gibt wirklich etwas von dem Pro-
gramm, freilich in einer tieferen Auffassung, die in der scheinbaren Willkür wertvolle
Tendenzen erkennt. Er deckt das Bestreben einer der Natur zugeneigten Klunst. den Um-
ALFRED SISLEY
Das Tal der Seine
69
weg durch den Sammelapparat veralteter Überlieferungen zu vermeiden, der Malerei alle,
aber nur die Reize zu geben, die ihren Mitteln unmittelbar erreichbar sind, und auf das
glatte Formulieren zu verzichten, um die Resultate desto schärfer und eigentümlicher zu
geben. Galt das Wort für neu, die Sache war uralt; es war das Bewußtsein der Instinkte,
die einen Veronese, einen Velasquez, einen Rubens, die Ahnen dieser modernen Kunst,
getrieben hatten. Und hat nicht schon der unbekannte Heide, der die römischen Fresken
malte, von denen heute ein paar Bruchstücke die Bibliothek des Vatikans zieren — dieser
köstliche Triumphzug Amors zumal, schöner, freier, poetischer als alles, was den Renaissance-
malern beim Anblick dieser Dinge einfiel — den Impressionismus geahnt? — In unserer
Zeit, die die Kunst immer mehr auf sich selbst beschränkt, wurde daraus die Tendenz,
mit Mitteln zu schaffen, die um so tiefer gehen, je flüchtiger sie uns zu treffen scheinen:
homöopathische Mittel seltenster Wahl an Stelle der derberen Gaben unserer Vorfahren.
Impressionisnuis ist auch immer nur die Kritik, die dieser Kunst gerecht zu werden
vermag. Weil sie ganz auf das Literarische verzichtet, weil sie gesehen, nicht meditiert
werden will, kann die Kritik nur, indem sie auf andere Weise ähnliche Empfindungen
CAMILLE PISSARRO
Heuschober
lockt, einen vagen Begriff davon geben. Mit den gewohnten Mitteln der Analyse ist man
hier bald zu Ende. Diese Bilder mangeln aller mittelbaren Anknüpfungspunkte. Das
einzige, was bis heute die Äußerung über diese Dinge vermag, wo das Auge noch nicht
für die Schönheit des sinnlichen Reizes allein empfänglich ist und die Worte darüber
notwendig der geeigneten Begriffe entbehren, ist vielleicht nur, das Gebiet zu bestimmen,
auf dem diese Wirkungen verlaufen. Es ist schon sehr schwer, über Bilder zu sprechen.
Immerhin hilft da die Geste und die Möglichkeit, jeden Augenblick jede Gelegenheit zu
benutzen, die sich der Anbahnung des Verständnisses bietet, vorausgesetzt, daß der andere
nicht dickköpfig ist und nicht, um dem Dankesagen zu entgehen, den herrlichsten aller
Begattungsgenüsse vereitelt: das gemeinsame Kosten einer rein ästhetischen, von keinem
Persönlichkeitsdrang verdorbenen Empfindung. Beim Schreiben aber genießt man nur
den zweifelhaften Vorteil, nicht unterbrochen zu werden. . . . Zudem versteht sich
von selbst, daß die Befriedigung aus den Reizen dieser Kunst nur relativ sein kann, nicht
nur, weil das Auge des Empfangenden immer ein schwankendes Medium bleibt, sondern
weil auch bei idealer Empfängnis der in letzter Instanz unerfüllbare Wunsch, die Sen-
sationbis auf das letzte zu ergründen, fortwährend in Spannung erhält. Ganz wunschlos
70
ist man vor wenigen modernen Werken, und das ist ihr geheimer Reiz; sie geben sich nie
ganz, wie kluge Frauen.
Und wenn man zu achten vermag, was sie zurückhält, wenn man sieht, wie sie selbst
in heißer Sehnsucht brennen und ohne Erreichtes zu verlieren, dem unerreichbar Schönsten
auf immer neuen, blühenden Wegen näher zu kommen suchen, wer würde da müde,
immer wieder mit ihnen zu gehen, nicht mehr als Zuschauer, fast als Helfer, in der eitlen
Hoffnung, selbst mit dem Auge mitwirken zu können und aus dem, was sie gewonnen
haben, deutliche Zeiger in ihre Seligkeiten zu gewinnen !
Es ist nötig, Goethe gelesen zu haben, und es ist von größtem Wert, Beethoven ge-
nießen zu können; es wird behauptet, daß Nietzsche zur Bildung gehört, und man sollte
Dostojewski] erfaßt haben. Man soll eine Ahnung haben, daß die Kinder nicht vom Storch
gebracht werden, und jeder Mensch bedarf halbwegs einer Idee von unseren sozialen
Verhältnissen, um nicht unter die Räder zu kommen. Ich stehe nicht an, die Durch-
dringung dieser französischen Kunst, die Manet gebracht hat, für ebenso vorteilhaft zu
erachten. Wohl verstanden: für den, dessen Sinn danach steht. Man braucht keine Kunst.
Bismarck ist ohne sie fertig geworden, und die Mehrzahl der Regenten führt ohne sie
eine ersprießliche Regierung. Man braucht sie heute um so weniger, wo die Freude am
Dasein mit so vielen Schmerzen erkauft wird; es gibt wichtigere Dinge. Wenn aber der
Sinn zur Auseinandersetzung mit der Kunst drängt, wenn sich der einzelne erlaubt,
auf Kosten der anderen zu genießen, wenn innerhalb des Abstrakten nach Existenzwerten
für eine nicht dem Magen dienende Betätigung gesucht wird, muß man sich für diese Malerei
entscheiden, wenn überhaupt für irgendeine. Es handelt sich hier nicht um die berühmte
Seiltänzerweisheit, daß jedes Genre sein Für und Wider hat, daß Manet schön und Böcklin
auch schön ist, daß man beide lieben kann und beide in ihrer Art denselben Kunstzwecken
dienen. Es gilt, festzustellen, daß Manet Malerei ist und Böcklin etwas anderes. Dieses
andere mag erhabener, mag uns Germanen germanischer erscheinen, mag den Dichtern
CLAUDE MONET
Cap Martin
71
das Dichten erleichtern; es mag auch künstlerisch für die Anregung des Dekorativen
seinen Wert haben: mit der typischen Kunst, die wir als Malerei verehren, nicht nur weil
sie schön, sondern weil sie ein lebendes Glied von uns ist, hat es unmittelbar nichts zu
tun. Böcklin ist in erster Linie ein Gestalter phantastischer Eigengedanken, an denen
das Malerische die willkürlichste Qualität ist. Manet hat aus dem rein Malerischen einen
Massengedanken geschaffen: alles was diese Kunst, an der Jahrhunderte gewirkt haben,
geben kann. Er hat nichts gewollt, als unseren Sinnen, lediglich den Sinnen, die schönsten
Eindrücke zu geben, das schönste Material, die schönste Farbe, die Sammlung alles dessen,
was wir zerstreut und vermischt in der Natur finden. Diese Konzentration des Willkür-
lichen, diese auf größte Vereinfachung der maßgebenden sinnlichen Wirkung dringende
sichere Erkenntnis, die uns dient, ist das Persönliche daran, nicht die Erfindung, nicht
die Phantasie, die sich um nichts von der eines beliebigen Menschen unterscheidet. Was
interessiert uns der ,,Faure" oder der ,, flötende Junge" oder die hundert Porträts mehr
oder weniger bedeutender Zeitgenossen oder die vielen Blumenstücke? Das einzige
Episodenbild Manets, die Ermordung des Kaisers Maximilian, gehört kaum zu seinen
glücklichsten Bildern. Aber man mache mal den Versuch, ein solches Blumenstück
Manets, wie es deren Dutzende gibt, neben den wildesten Böcklin zu halten, in dem alles
steckt, was sich die kühnste Phantasie nur träumen läßt. Im ersten Augenblick wird
niemand die paar Blumen sehen und nur diese Reiter, diese Felsen, diese merkwürdigen
Tiere betrachten und erkennen wollen, was da vorgeht, was sich der Mann, der das gemalt
hat, eigentlich gedacht hat. Hat man es aber einmal, so erschlafft langsam, aber sicher
das Interesse; der Verstand ruht sich, befriedigt über seine Arbeit, aus, im stolzen Be-
wußtsein, auch dieses Ereignis ad acta legen zu dürfen. Die Sinne haben nur eine lein
vermittelnde Arbeit geleistet. Da fällt das müde Auge auf die Blumen, und nun wird
in jedem Menschen, der überhaupt für Blumen zu haben ist, eine vorher ganz unberührte
Seite der Seele in Schwingungen geraten. Den angenehmen Reiz, den er damals bei dem
Anblick von Blumen genoß, findet er hier plötzlich in unbegreiflicher Weise gesteigert.
Es ist nicht alles lebendige Blume; der Duft, die Bewegung, alles in der Natur Un-
entbehrliche fehlt, — und doch ist etwas daran, das man früher bei derselben Blume
in der Natur kaum geahnt, vielleicht heimlich gewünscht hat; ein Zauber, der das irdisch
Schwache, Vergängliche besiegt und uns trotz seinet Stärke nicht zu nahe kommt, die
Gefahr des in der Natur Extremen vermeidet und nicht den Genuß mit Bedauern oder
Ekel abwechselt. Hier werden die Augen nicht müde, und auch der Verstand scheint zu
ruhen. Ein anderes arbeitet durch das Auge auf uns ein, klärt, besänftigt, stimmt schöne
Töne in uns an, ruft Empfindungen, die wir vorher nicht gekannt haben und die uns
trotzdem mit einer Art Heimatfreude erfüllen, wird stärker und stärker, neuer und reicher;
bis wir nur noch die drei Blumen sehen, vor deren sanfter Gewalt die Wildheit des anderen
Bildes ärmlich und fremd verblaßt. Es ist nicht, weil Blumen lieblicher sind als Reiter-
getümmel oder Tritonenkämpfe. Ein anderer früherer
Meister, den Böcklin verehrt hat, Tizian, hat auch solche
wilden Sachen gemalt. In den Uffizien hängt eine Reiter
Schlacht, die nicht wilder und brünstiger gedacht werden
kann, und auch sie hat dieses merkwürdige Doppelleben;
und wenn man sie sieht, tritt auch bei ihr das Physische
vollkommen zurück und man bewundert nur die Kraft, das
Leben dieser Kunst, nicht dieser Pferde oder Reiter.
JUL. MEIER-GRAEFE
(Aus ,, Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst").
MAU VE, A., 1838— 1888.
Kühe am Wasser.
VON MENZEL, Adolf, 1815— 1905.
Kircheninterieur.*
MONET, Claude, Giverny.
Cap Martin.*
PAUL SIGNAC
Am Mittelmeer (Zeichnung)
72
ADOLF VON MENZEL
Kircheninterieur
MONTICELLI, Adolphe, 1824— 1886.
Liebesgarten.
Hühnerhof.
OBERLAENDER, Adolf, München.
Im Löwenkäfig.
PISSARRO, Camille, 1831— 1903.
Heuschober.*
Waldlandschaft.
73
REDON, Odilon, Paris.
Stilleben.
Salome.
Contes barbares.
St. Georg.*
Phantasie.
Hermes.
Hommage ä Gauguin.
Qu'il me soit permis d'inscrire en tete de cet ouvrage l'eloge d'un maitre liberateur
ä qui chacun doit autant qu'a Delacroix, Courbet, Manet, Renoir, Seurat, Toulouse-
Lautrec, Van Gogh, Degas, Cezanne, etc.
Je veux parier d' Odilon Redon.
Glorieux, il est ä peine plus celebre que vivant Stephane Mallarme.
Mais la gloire du grand artiste demeurera aussi eternellement pure que celle du
poete d'Herodiade.
Comme celui a qui la transparence de sa tasse ä cafe inspirait un sonnet miraculeux,
Odilon Redon peint des ,,natures mortes" qui nous emeuvent ainsi que des visions fabu-
leuses.
Heureux ceux qui pergoivent le parfum et savourent la qualite de ses fleurs!
Odilon Redon n'a rien d'un sorcier. Ce peintre magnifique est un vieillard accueillant
et doux, un bourgeois fran(;ais de la grande tradition. II n'a pas d'atelier. il peint dans
un petit salon sobrement meuble et largement eclaire. Le bruit des cars electriques qui
roulent en bas, sur l'avenue, ne trouble pas la serenite de son reve; ce sont les moins purs
artistes, les pires bousingots que choque le plus vivement le mediocre modernisme; les
autres — un Mallarme, un Moreas, un Redon — le dominent si aisement!
ODILON REDON St. Georg
74
ODILON REDON
Kopf, Tusche
Odilon Redon n'expose plus volontiers; il travaille patiemment, pour lui, pour quel-
ques amateurs, et s'emerveille du nombre croissant des expositions. Avec bonhommie,
Sans la moindre rancoeur, il rappelle qu'en sa jeunesse les meilleurs n'auraint pas obtenu
un coin de vitrine rue Laffitte. „Aujourd'hui, dit-il, c'est Tage d'or de la peinturel"
Ce maitre est Tun des plus certains emancipateurs. Trente ans avant que la formule
en soit donnee, il fit de la ,,peinture pure", et je doute que sans ses trouvailles decoloriste
le fauvisme, desuet dejä mais fecond, ait jamais pu se manifester.
Si les peintres, ä l'instar des poetes, avaient coutume d'elire un Prince, il leur con-
viendrait d'elever ä la souverainete Odilon Redon, solitaire magnifique.
ANDR6 SALMON
(,,La jeune. peinture fran^aise", Paris, Societe des Trente 1912).
RENOIR, Auguste, Paris.
Die Toilette.*
Frauenporträt.
Landschaft.
Schlafendes Mädchen.*
Peut-etre Renoir est-il le seul grand peintre qui n'ait jamais peint un tableau triste.
Chez lui la joie n'est pas plus volonte que hasard. Elle l'eveille ä son metier aussi naturelle-
ment que la lumiere baigne les choses et les revele. Quand les yeux d'un Renoir contemplent
les objets, il assiste a leur immersion sans cesse renouvelee dans la lumiere, dans la lumiere
visible elle-meme. Une double serenite nait en lui de la joie qu'il eprouve a les contempler
et de la certitude qu'il a d'egaler l'image qu'il en restitue ä l'image qu'il en reQoit. II sait
que le monde est la, et que lui est lä pour le peindre.
OCTAVE MIRBEAU.
75
Les peintres de l'ecole contemporaine se sont de plus en plus rapproches de la nature,
mais poury reussir, il leurafallu s'affranchir des regles dedessin purement conventionnelles
et des procedes du metier traditionnels. Tous les maitres modernes ont donc lutte pour
conquerir la liberte de leur pinceau. De leur effort commun sont sortis cette maniere de
peindre large et primesautiere et ce coloris clair qui, encore, trouvent leur epanouissement
dans la peinture des impressionnistes.
Je prends comme type, parmi le groupe impressionniste, M, Claude Monet pour le
paysage, et M. Renoir pour la figure. Chez le premier, je trouve notes les aspects les plus
varies et les plus fugitifs que peuvent reveler le ciel, les eaux et les champs; chez le second,
toutes les nuances dont est susceptible la figure humaine, tous les reflets que le jeu de la
lumiere peut faire courir sur les vetements et les chairs. Tous les deux obtiennent leurs
effets au moyen d'une touche large et personnelle et en juxtaposant sur la toile les tons
tranches que le coup d'oeil jete sur la scene naturelle leur a reellement donnes. Je ne suis
plus ici en face de paysages enveloppes d'ombres opaques qui n'ont jamais existe en plein
air; je n'ai plus ä contempler de pauvres figures pälottes, se detachant a peine, dans leur
tristesse, sur des fonds effaces. Mais mes yeux ont le plaisir de se promener sur des couleurs
de note aigue, qui leur donnent la Sensation voluptueuse que leur ont procuree, dans la
campagne, la lumiere du ciel et la transparence des eaux ou, chez les etres vivants, des
cheveux soyeux, des joues rosees et des levres de carmin . . .
ARISTIDE MAILLOL
Renoir (Bronce)
76
AUGUSTE RENOIR
Schlafendes Mädchen
Des l'abord, nous lui reconnaissons (a Renoir) la faculte de peindre la femme dans toute
sa grace et sa delicatesse, ce qui l'a conduit tout particuHerement ä exceller dans le portrait.
Ce don du charme, l'artiste l'a manifeste, des le debut, dans sa plenitude, et c'est dans ses
qualites de peintre et de coloriste que nous avons ä observer le progres et le developpement.
Nous le voyens acquerir une touche de plus en plus large et personnelle, donner de plus en
plus de Souplesse ä ses figures, les entourer de plus en plus d'air, les baigner de plus en plus
de lumiere; nous le voyons accentuer sans cesse son coloris et arriver enfin ä realiser,
comme en se jouant, les combinaisons de couleurs les plus hardies.
THEODORE DURET.
ROUSSEAU, Henri, 1844— 1910.
Don Juan, 1887.
Un Centenaire de l'Independance, 1892 (Aupres de ma blonde, il fait
bon, bon de dormir).*
L'Heureux Quatuor, 1902.*
An der Marne, 1906.*
Landschaftsskizzen.
La vie de l'homme dont voici les oeuvres ne parait pas, de prime abord, se differencier
de Celle des petits bourgeois parmi lesquels il vecut. Teile fut pourtant son individualite
qu'on en chercherait en vain une semblable dans la realite ou dans les livres de notre
temps. Alors que chacun de nous passe tour ä tour de la lumiere ä l'ombre, de la joie
ä la tristesse, tantöt vainqueur, tantot vaincu, la vie de Rousseau, eile, ne fut que clarte,
triomphe et joie: c'est un paysage baigne d'une lumiere aussi pure au declin qu'ä l'aurore.
Non pas que les circonstances lui fussent plus favorables qu'aux autres hommes: —
elles lui furent plus dures qu'ä quiconque. II vecut dans la ville aux larges avenues et aux
jardins royaux, ä Paris, et habita pourtant la petite chambre d'un triste faubourg, oü
le retenait son denüment. Amoureux de l'art, il fut astreint ä une fonction insipide et
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HENRI ROUSSEAU
L'heureux Quatuor
78
vide. II ne revait que de paix, et deux fois il fit campagne. II vit mourir deux des femmes
qu'il aima, et aspira en vain pendant des annees, et meme jusqu'ä son lit de mort, a
Tamour de la troisieme. Et neanmoins, sa vie nous semble si pleine de felicite qu'il nous
faudrait feuilleter les vieux livres de legendes pour en retrouver une analogue. II de-
bordait d'amour pour les etres et les choses, et il y avait tant de paix, tant de soleil, tant
de chaleur dans son coeur que rien de triste et de sombre n'avait de prise sur lui.
Avec l'or inepuisable de son äme, il s'est libere de toutes les tristesses. Fort de ses
vertus, il dominait les pires circonstances. II fut grand, simple et sincere, et sur sa tombe
on devrait, a dit l'ecrivain suedois Hellstroem, graver ces mots: « Gloire a Dieu dans
les cieux, et sur la terre paix aux hommes de bonne volonte. »
WILHELM UHDE.
HENRI ROUSSEAU
An der Marne
SCHUCH, Charles, 1846— 1903.
Stilleben mit ^Ä/^ildente.
SEURAT, Georges, 1859— 189 1.
Pecheuse ä ligne. Studie für ,,Un dimanche a la Grande Jatte**, 1884.
Honfleur. Vorhafen, 1886.*
Honfleur. Quai, 1886.
La menagerie sociale (L'homme a femme), 1889.
SIGNAC, Paul, Paris.
Die Mühle in Edam.
Sonnenuntergang in St. Tropez.
Venedig.
SISLEY, Alfred, 1840— 1899.
Das Tal der Seine. Aussicht von den Höhen von Louveciennes, 1875.
79
PAUL SIGNAC
Gemüsemarkt (Zeichnung)
MAX SLEVOGT
Hockender Neger
80
SLEVOGT, Max, Berlin.
Hockender Neger.*
TROYON, Camille, 1810 — 1865.
Flußlandschaft.
VON UHDE, Fritz, 1848— 191 1.
Alter Mann.
TRÜBNER, Wilhelm, Karlsruhe.
Motiv von der Herreninsel Chiemsee 1874.
Amazonenschlacht 1880.
Dame in Strohhut.*
WILHELM TRUBNER
Dame in Strohhut
81
v.^ . _-y
PAUL SIGNAC
Fischerboote (Aquarell^
82
VINCENT VAN GOGH
Hütten
Aus: „Die Farben"
Aus den Briefen des Zurückgekehrten
Von HUGO VON HOFMANNSTHAL.
26. Mai 1901.
In den großen Straßen herumzugehen war unmöglich; irgendwo hinein-
gehen und Zeitung lesen war ebenso unmöglich; denn die redeten nur allzu-
sehr dieselbe Sprache wie die Gesichter und die Häuser. Ich bog in eine
stille Seitenstraße. Da ist in einem Haus ein sehr anständig aussehender
Laden ohne Schaufenster und neben der Eingangstür ein Plakat: Gesamt-
ausstellung, Gemälde und Handzeichnungen — den Namen lese ich, ver-
liere ihn aber gleich wieder aus dem Gedächtnis. Ich habe seit zwanzig
Jahren kein Museum und keine Kunstausstellung betreten, ich denke,
es wird mich, worauf es jetzt vor allem ankommt, von meinem unsinnigen
Gedankengang ablenken, und trete ein.
Mein Lieber, es gibt keine Zufälle, und ich sollte diese Bilder sehen,
sollte sie in dieser Stunde sehen, in dieser aufgewühlten Verfassung, in
diesem Zusammenhang. Es waren im ganzen etwa sechzig Bilder, mittel-
große und kleine. Einige wenige Porträts, sonst meist Landschaften: ganz
wenige nur, auf denen die Figuren das Wichtigere gewesen wären: meist
waren es die Bäume, Felder, Ravins, Felsen, Äcker, Dächer, Stücke von
Gärten. Über die Malweise kann ich keine Auskunft geben: du kennst
wahrscheinlich fast alles, was gemacht wird, und ich habe, wie gesagt, seit
zwanzig Jahren kein Bild gesehen. Immerhin erinnere ich mich ganz wohl,
zur letzten Zeit meiner Beziehung mit der W., damals als wir in Paris
lebten — sie hatte sehr viel Verständnis "für Bilder — öfter in Ateliers und
83
Ausstellungen Sachen gesehen zu haben, die eine gewisse Ähnlichkeit mit
diesen hatten: etwas sehr Helles, fast wie Plakate, jedenfalls ganz anders
wie die Bilder in den Galerien. Diese da schienen mir in den ersten Augen-
blicken grell und unruhig, ganz roh, ganz sonderbar, ich mußte mich erst
zurechtfinden, um überhaupt die ersten als Bild, als Einheit zu sehen —
dann aber, dann sah ich, dann sah ich sie alle so, jedes einzelne, und alle
zusammen, und die Natur in ihnen, und die menschliche Seelenkraft, die
hier die Natur geformt hatte, und Baum und Strauch und Acker und Ab-
hang, die da gemalt waren und noch das andere, das was hinter dem Ge-
malten war, das Eigentliche, das unbeschreiblich Schicksalhafte — das
alles sah ich so, daß ich das Gefühl meiner selbst an diese Bilder verlor,
und mächtig wieder zurückbekam, und wieder verlor! Mein Lieber, um
dessentwillen, was ich da sagen will, und niemals sagen werde, habe ich
dir diesen ganzen Brief geschrieben! Wie aber könnte ich etwas so Un-
faßliches in Worte bringen, etwas so Plötzliches, so Starkes, so Unzerleg-
bares! Ich könnte mir Photographien von den Bildern verschaffen und sie
dir schicken, aber was könnten sie dir geben — was könnten dir die Bilder
selbst von dem Eindruck geben, den sie auf mich machten und der ver-
mutlich etwas völlig Persönliches ist, ein Geheimnis zwischen meinem
Schicksal, den Bildern und mir. Ein Sturzacker, eine mächtige Allee gegen
den Abendhimmel, ein Hohlweg mit krummen Föhren, ein Stück Garten
mit der Hinter wand eines Hauses, Bauern wagen mit magern Pferden
auf einer Hutweide, ein kupfernes Becken und ein irdener Krug, ein paar
Bauern um einen Tisch, Kartoffeln essend — aber was nützt dir das!
So soll ich dir von den Farben reden? Da ist ein unglaubliches, stärkstes
Blau, das kommt immer wieder, ein Grün wie von geschmolzenen Sma-
ragden, ein Gelb bis zum Orange. Aber was sind Farben, wofern nicht das
innerste Leben der Gegenstände in ihnen hervorbricht ! Und dieses innerste
Leben war da, Baum und Stein und Mauer und Hohlweg gaben ihr Innerstes
von sich, gleichsam entgegen warfen sie es mir, aber nicht die Wollust
und Harmonie ihres schönen stummen Lebens, wie sie mir vor Zeiten
manchmal aus alten Bildern wie eine zauberische Atmosphäre entgegen-
floß: nein, nur die Wucht ihres Daseins, das wütende von Unglaublichkeit
umstarrte Wunder ihres Daseins fiel meine Seele an. Wie kann ich es dir
nahebringen, daß hier jedes Wesen — ein Wesen jeder Baum, jeder
Streif gelben oder grünlichen Feldes, jeder Zaun, jeder in den Steinhügel
gerissene Hohlweg, ein Wesen der zinnerne Krug, die irdene Schüssel,
der Tisch, der plumpe Sessel — sich mir wie neugeboren aus dem furcht-
baren Chaos des Nichtlebens, aus dem Abgrund der Wesenlosigkeit ent-
gegenhob, daß ich fühlte, nein, daß ich wußte, wie jedes dieser Dinge,
dieser Geschöpfe, aus einem fürchterlichen Zweifel an der Welt herausge-
boren war und nun mit seinem Dasein einen gräßlichen Schlund, gähnende?
Nichts, für immer verdeckte! Wie kann ich es dir nur zur Hälfte nahe-
bringen, wie mir diese Sprache in die Seele redete, die mir die gigantische
Rechtfertigung der seltsamsten unauflösbarsten Zustände meines Innern
hinwarf, mich mit eins begreifen machte, was ich in unerträglicher Dumpf-
heit zu fühlen kaum ertragen konnte und was ich doch, wie sehr fühlte ich
84
das, aus mir nicht mehr herausreißen konnte — und hier gab eine unbe-
kannte Seele von unfaßbarer Stärke mir Antwort, mit einer Welt mir
Antwort! Mir war zumut wie einem, der nach ungemessenem Taumel
festen Boden unter den Füßen fühlt und um den ein Sturm rast, in dessen
Rasen hinein er jauchzen möchte. In einem Sturm gebaren sich vor meinen
Augen, gebaren sich mir zuliebe diese Bäume, mit den Wurzeln starrend
in der Erde, mit den Zweigen starrend gegen die Wolken, in einem Sturm
gaben diese Erdenrisse, diese Täler zwischen Hügeln sich preis, noch im
Wuchten der Felsblöcke war erstarrter Sturm. Und nun konnte ich, von
Bild zu Bild, ein Etwas fühlen, konnte das Untereinander, das Mitein-
ander der Gebilde fühlen, wie ihr innerstes Leben in der Farbe vorbrach
und wie die Farben eine um der andern willen lebten und wie eine, geheimnis-
voll-mächtig, die anderen alle trug, und konnte in dem Allem ein Herz
spüren, die Seele dessen, der das gemacht hatte, der mit dieser Vision sich
selbst antwortete auf den Starrkrampf der fürchterlichsten Zweifel, konnte
fühlen, konnte wissen, konnte durchblicken, konnte genießen Abgründe
und Gipfel, Außen und Innen, Eins und Alles im zehntausendsten Teil
der Zeit, als ich da die Worte hinschreibe, und war wie doppelt, war Herr
über mein Leben zugleich, Herr über meine Kräfte, meinen Verstand,
fühlte die Zeit vergehen, wußte, nun bleiben nur noch zwanzig Minuten,
noch zehn, noch fünf, und stand draußen, rief einen Wagen, fuhr hin.
P. S. Der Mann heißt Vincenz van Gogh. Nach den Jahreszahlen
im Katalog, die nicht alt sind, müßte er leben. Es ist etwas in mir, das mich
zwingt zu glauben, er wäre von meiner Generation, wenig älter als ich selbst.
Ich weiß nicht, ob ich vor diese Bilder ein zweites Mal hintreten werde, doch
werde ich vermutlich eines davon kaufen, aber es nicht an mich nehmen,
sondern dem Kunsthändler zur Bewahrung übergeben.
Mai 1901.
Was ich dir schrieb, wirst du kaum verstehen können, am wenigsten
wie mich diese Bilder so bewegen konnten. Es wird dir wie eine Schwelle
vorkommen, wie ein Vereinzeltes, wie eine Sonderbarkeit, und doch — wenn
man es nur hinstellen könnte, wenn man es nur aus sich herausreißen
könnte und ins Licht bringen. Es ist etwas dergleichen in mir. Die Farben
der Dinge haben zu seltsamen Stunden eine Gewalt über mich. Aber
was sind eigentlich Farben? Hätte ich nicht ebensogut sagen mögen: die
Gestalt der Dinge, oder die Sprache des Lichtes und der Finsternis, oder
ich weiß nicht, welches Unbenannte, Gestaltlose, Mächtige? Und Stunden —
welche sind diese Stunden? es verstreichen Jahre, und ihrer kommt keine.
Hast du je den Namen Rama Krishna gehört? Es ist ganz gleich.
Es war ein Brahmane, ein Büßer, einer von den großen indischen Heiligen,
der letzten einer, denn er ist erst in den achtziger Jahren gestorben, und
als ich nach Asien kam, war sein Name noch überall lebendig. Ich weiß
manches aus seinem Leben, aber nichts, was mir näher ginge als die kurze
Erzählung darüber, wie seine Erleuchtung, oder seine Erweckung vor
sich ging, kurz, das Erlebnis, das ihn aus den Menschen aussonderte und
einen Heiligen aus ihm machte. Es war nichts als dies: er ging über Land,
zwischen Feldern hin, ein Knabe von sechzehn Jahren, und hob den Blick
85
gegen den Himmel, und sah einen Zug weißer Reiher in großer Höhe quer
über den Himmel gehen: und nichts als dies, nichts als das Weiß der leben-
digen Flügelschlagenden unter dem blauen Himmel, nichts als diese zwei
Farben gegeneinander, dies ewig unnennbare, drang in diesem Augenblick
in seine Seele und löste, was verbunden war, und verband, was gelöst war,
daß er zusammenfiel wie tot, und als er wieder aufstand, war es nicht
mehr derselbe, der hingestürzt war. Das Alltägliche dieser Begebenheit !
das Simple und das Ungeheure ! Es war ein englischer Geistlicher von der
gewöhnlicheren Sorte, der mir davon erzählte. ,,Ein heftiger optischer
Eindruck ohne allen höheren Inhalt,'' sagte er mir. ,,Sie sehen, es handelt
sich um ein anormales Nervensystem.'' Ohne allen höheren Inhalt ! Wäre
ich einer eurer gebildeten Menschen, wären mir eure Wissenschaften, die
nichts sein können als wunderbare, alles sagende Sprachen, nicht eine
verschlossene Welt, wäre ich nicht ein geistiger Krüppel, besäße ich eine
Sprache, in die innerliche wortlose Gewißheiten hinüberzufließen ver-
möchten ! Aber so !
Farbe. Farbe. Mir ist das Wort jetzt armselig. Ich fürchte, ich habe
mich dir nicht erklärt, wie ich möchte. Und ich möchte nichts in mir
stärken, was mich von den Menschen absonderte. Aber wahrhaftig, ich
bin in keinem Augenblick mehr ein Mensch, als wenn ich mich mit hundert-
facher Stärke leben fühle, und so geschieht mir, wenn das, was immer stumm
vor mir liegt und verschlossen und nichts ist als Wucht und Fremdheit,
wenn das sich auftut und wie in einer Welle der Liebe mich mit sich selber
in eines schlingt. Und bin ich dann nicht im Innern der Dinge so sehr ein
Mensch, so sehr ich selber wie nur je, namenlos, einsam, aber nicht erstarrt
im Alleinsein, sondern als flöße von mir in Wellen die Kraft, die mich zum
auserlesenen Genossen macht der starken stummen Mächte, die ringsum
wie auf Thronen schweigend sitzen und ich unter ihnen? Und ist dies nicht,
wohin du auf dunklen Wegen immer gelangst, wenn du tätig und leidend
lebst unter den Lebenden? Ist nicht dies der geheimnisvolle Herzenskern
der Erlebnisse, der dunklen Taten, der dunklen Leiden, wenn du getan
hast, was du nicht solltest und doch mußtest, wenn du erfahren hast, was
du immer ahntest und nie glaubtest, wenn alles zusammengebrochen ist
um dich und das Fürchterliche nirgends war ungeschehen zu machen, —
schlang ich da nicht aus dem Innersten des Erlebnisses die umarmende
Welle und zog dich hinein, und du fandest dich einsam und dir selber
unverlierbar, groß und wie gelöst an allen Sinnen, namenlos, und lächelnd
glücklich? Warum sollte nicht die stumme werbende Natur, die nichts
ist als gelebtes Leben und Leben, das wieder gelebt sein will, ungeduldig
der kalten Blicke, mit denen du sie triffst, dich zu seltenen Stunden in sich
hineinziehen und dir zeigen, daß auch sie in ihren Tiefen die heiligen
Grotten hat, in denen du mit dir selber eins sein kannst, der draußen sich
selber entfremdet war?
Solange nicht höhere Begriffe und die ebenso lebendig in mich hinein-
greifen, mir solche Vermutungen verächtlich machen, will ich mich an
diesen halten. Und warum sollten nicht die Farben Brüder der Schmerzen
sein, da diese wie jene uns ins Ewige ziehen?
86
HEINRICH NAUEN
Stilleben
Rheinischer Kunstfrühling.
Von MAX OSBORN.
Mit festlichem Pomp hat kürzlich die Stadt Köln ihr jüngstes Museum eingeweiht:
die großartige Sammlung ostasiatischer Kunst von Adolf Fischer. Diese gehobene Feier
ivar|[nur ein besonders markanter Fall. Sie stimmt zu der neuen Freude, die das ganze
Rheinland, nach Dezennien der Stagnation, seit einiger Zeit wieder an den Angelegenheiten
■der bildenden Künste empfindet und betätigt. Als ich vor zwanzig Jahren mich in diesen
Revieren umzusehen begann, schlief der deutsche Westen den Schlaf des Gerechten. In
meiner Vaterstadt Köln wurde das Kunstinteresse — abgesehen vom Wallraf-Richartz-
Museum, das aber damals vergeblich nach modernen Reformen schrie — durch einen
kleinen Laden von Eduard Schulte bestritten, in dem es mehr als harmlos zuging. In
Düsseldorf nährte man sich vom vergangenen Ruhm und von der hergebrachten Malkasten-
Fidelität. Im übrigen war Ruhe rheinauf, rheinab. In Berlin hatten die ,,XI** ihren Vorstoß
gemacht. In München war der Sezessionskrieg offen ausgebrochen. In Wien rumorte es.
Aber am Rhein war stumpfer Stillstand.
Das hat sich gründlich geändert. Heute ist die Kunstleidenschaft nirgends brennender
als links und rechts der alten Pfaffenstraße und im nachbarlichen Westfalen. Allent-
halben sind Museen entstanden oder aus früherem Dämmer erwacht, in denen die leb-
hafte Bewegung der Zeit vernehmlich zu spüren ist. Tatkräftige junge Direktoren und
Kunstgelehrte sind an der Arbeit, werben, feuern an, propagieren, setzen alles in Zirku-
lation: Reiche in Barmen, Fries in Elberfeld, Osthaus in Hagen, Gosebruch in
Essen, Deneken in Krefeld, Swarzenski in Frankfurt, Cohen in Bonn, Wiehert
in Mannheim, Biermann in Darmstadt. Eben erst bricht für die Düsseldorfer Kunsthalle
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durch Koetschaus beginnende Direktion eine neue Aera an. Und in Köln selbst, wo erst
Gustav V. Falke, dann Max Creutz das Kunstgewerbemuseum eingebürgert haben, wo der
prächtige Domkapitular Schnütgen seine Sammlung anbaute, wo jetzt Fischer seine
asiatischen Schätze ausbreitet, zog durch den jungen Direktor Hagelstange auch in das
ehrwürdige Wallraf-Richartz-Museum endlich ein neuer Geist ein.
Nach zwei Richtungen hin hat Hagelstange umgestaltet. Er hat zunächst die Alt-
kölner Herrlichkeiten seiner Sammlung neu geordnet und gehängt, mit so vorzüglichem
Gelingen, daß man den Bestand kaum wiedererkennt; dann aber beherzt in die neue Zeit
ausgeblickt und den Kreis des Museums vorsichtig erweitert. Der Ankauf der Segerschen
Leibl- Sammlung bildete einen gegebenen Anknüpfungspunkt. Die Säle sind ein unver-
gleichliches Denkmal für den modernen Maler von Köln geworden. Von dem frühen
Porträt des Vaters aus dem Jahre 1866, über die beiden Pariser Frauenbilder von 1869,
die ,,Alte" und die ,, Kokotte", geht es zur Meisterschaft der ,, Tischgesellschaft" von
1874 und weiter bis in die späte Zeit der bäuerlichen Gemeinschaft Leibls mit dem Urfreund
Sperl. Von diesen Standard- Sälen der deutschen ,,bonne peinture" jedoch hat Hagelstange
die Linie weiter fortgezogen. Liebermann, Slevogt, Hodler, Klinger (die Wagnerbüste),
Tuaillon, Gaul — Renoir (das ,, Ehepaar Sisley", ein außerordentliches Bild), Gauguin, van
Gogh kamen ins Museum. Auch die jüngeren Rheinländer, wie Deußer, Weißgerber,
Westendorp. Das schließt sich zu einer schönen und logischen Entwicklungsreihe an-
einander.
Nicht weit davon lädt jetzt der ,, Kölnische Kunstverein", der sich an Haupt
und Gliedern, von unten nach oben, durch und durch reformiert hat, in sein neues Quartier.
,, Kölnischer Kunstverein" — du lieber Gott, welch süßlich-grausliche Erinnerungen
tauchen beim Klang dieses Namens auf ! Man denkt an die ,, Kunstblätter", die dieser Verein
wie seine rheinischen und sonstigen Genossen, jahrzehntelang an seine Mitglieder ver-
schickte ! Nun hat man eine Radikalkur vorgenommen und das alte Institut mit energischem
Griff verjüngt. Zu seiner Leitung ward Paul Cassirer aus Berlin berufen, und die erste
Ausstellung, die er einrichtete, hat den Vereinsbetrieb aus der überlebten Genre- und Nied-
lichkeitswirtschaft sofort in ein künstlerisches und modernes Fahrwasser gelenkt. Man
hat am Rhein, in Köln wie anderwärts, eben durch die Wirksamkeit der jungen Museums-
direktoren, die ich vorhin nannte, gerade dem linken Flügel der Künstlergruppen von heute
viel Beachtung geschenkt. Das erschien manchen vielleicht unvermittelt. Um so besser
ward dadurch der Boden für den klassischen Realismus und Impressionismus geebnet,
den jetzt Cassirer hier vertritt. Sogleich hat auch ein Kölner Kunstfreund, Herr v. Schnitzler,
das sprühend lebendige Bild einer jungen Reiterin von Max Liebermann aus dieser Aus-
stellung dem Wallraf-
Richartz - Museum zum
Geschenk gemacht.
Aber auch zum Thema
der großen Ausstellungen
meldet sich der rheinische
Westen immer lebhafter
zum Worte. Und auch
hierbei werden die künst-
lerischen Forderungen der
Zeit mit besonderem Elan ^^^^^K - 9^K i Z"^'
angepackt. Für 19 15, da ^^^^^» M. - ^^^B^i M ^ ~^-
die Rheinprovinz das erste
Jahrhundert ihrer Zuge-
hörigkeit zu Preußen feiert,
haben wir in Düsseldorf
die Säkularschau zu er-
warten, die Kunst und
Kultur umfassen soll, die
aber besonders die wahre
Gescl^ichte der Düssel-
dorfer' Malerei — ein in
manchem Sinne noch un-
erforschtes Kapitel — in ERNST HARDT Rhätischer Dorfplatz
(
88
großem Stil aufrollen wird. Für dasselbe Jahr plant Aachen eine Jahrhundertfeier in
Ausstellungsform. 19 14 jedoch wird als Vorklang bereits zwei außerordentlich wichtige
Unternehmungen bringen. Darmstadt plant einen Ueberblick der deutschen Kunst
von 1650 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, der, wenn nicht alles täuscht, völlig dunkle
Gebiete unserer nationalen Kunstgeschichte aufhellen und eine ganz neue Basis für die
wissenschaftliche Betrachtung jener Epoche liefern wird. Was schon lange in Umrissen
aufstieg, werden dort handgreifliche Beweise zeigen: daß die Hypothese vom völligen Unter-
gang deutschen Kunstfleißes durch den Sturm des 30jährigen Krieges eine Legende ist.
Man hat sich in Darmstadt vielleicht auf große Ueberraschungen gefaßt zu machen. Und
zugleich bereitet fürs Frühjahr 19 14 Köln die umfassende ,, Ausstellung des Deut-
schen Werkbundes" vor. Am rechten Rheinufer, unterhalb von Deutz, steigen schon
die Gerippe der Bauwerke auf, die hier von Theodor Fischer, von Peter Behrens, von
Bruno Paul, von Muthesius, von van de Velde und den sonstigen Führern neuer deutscher
Baukunst errichtet werden. Mit leidenschaftlichem Eifer wacht Baurat Rehorst, der
,, beigeordnete Bürgermeister" Kölns (der beinahe Architekt des Groß-Berliner Zweck-
verbandes geworden wäre), über dem Werden dieses Dokumentes moderner Werkkunst.
Rehorst wirkt überhaupt als das künstlerische Gewissen der Stadt und der städte-
baulichen Entwicklung des Riesengebietes, das sie — glücklicher als Berlin — nach und
nach eingemeindet hat. Die Kardinalfehler, die vor 30 Jahren gemacht wurden, als der
Festungsgürtel von Köln fiel, kann er freilich nicht mehr ausgleichen. Aber er sorgt und
kämpft für die künstlerische und sinnvolle Gestaltung der neuen Straßen, Stadtviertel,
Villen quartiere und öffentlichen Bauten. Und was das merkwürdigste ist: man hört
auf ihn.
Es ist sehr gesund für uns Berliner, uns immer wieder darüber klar zu werden, daß
an anderen Stellen so intensive, planmäßige und ertragreiche Arbeit geleistet wird. Wir
könnten nach verschiedenen Richtungen daraus lernen.
Aus der ,,B. Z. am Mittag".
WALTER HEIMIG Der heilige Sebastian
89
GEORGES SEURAT Honfleur, Vorhafen
Kunst unserer Zeit.
Die Epoche der Malerei, die man als ,, Impressionismus*' zu bezeichnen
pflegt, war ein schönes Sichgehenlassen, ein Ausruhen in Sonne und Licht.
Man war der Tyrannei der Linie entglitten, nahm die Dinge von ihrer
oberflächlichen Seite, quälte sich nicht mit koloristischen Überzeugungen
und verstreute, dem Einfall und dem Geschmack vertrauend, sehr talentvoll
die farbigen Flecken über die Leinwand.
Die Ideale und Freuden der Väter sind nicht immer die der Söhne,
und aus der Reaktion gegen die vorige Epoche pflegen häufig die An-
schauungen der folgenden sich zu bilden. Während der greise Renoir am
Ende seines Lebens mit gichtigen Händen, aber mit der Kraft des Genies
hunderte seiner weiblichen Akte immer wieder in Sonne und Licht setzt,
während die feinen alten Sammler jener Kompositionen Delacroix', die
die Ahnengalerie der Bilder Renoirs biden, dahinsterben, ist eine neue
Gsneration herangewachsen mit neuen Zielen, andern Überzeugungen.
Es war kein Zufall, daß man im vorigen Jahre eine Ausstellung von
Ingres, in diesem eine solche von David in Paris veranstaltete. Müde der im-
pressionistischen Zufälligkeiten, trat eine Reaktion zugunsten der klassischen
Haltung ein, eine Tendenz zur Linie, zum Stil, und es begann ein neues
Gefühl künstlerischer Verantwortlichkeit sich zu bilden.
Außer den großen Vorläufern vor hundert Jahren übte ein zu früh ver-
storbener erhabener Geist seinen starken Einfluß aus: Seurat, in dem die
ersten Ansätze einer Stilisierung und Entmaterialisierung in unserm
91
modernen Sinne sich vorfinden. Es machte sich sodann der Einfluß
C^zannes geltend, der nicht nur durch sein Gefühl für Ton von der
Banalität zufälliger Farbenmöglichkeiten hinwegführte, sondern vor allem
ein neues Gefühl für Form und Bildmäßigkeit anregte. Neben ihm begeisterte
Henri Rousseau, den man fälschlich für einen Naiven hielt, durch die
Kraft, mit der er eine im Sinne der Monet und Lepine erfaßte Naturskizze
auf die Höhe des klassischen Bildes hob.
Inmitten dieser Anregungen wuchs Pablo Picasso heran, der durch
seine spanische Herkunft in den Tendenzen einer klassischen Haltung
bestärkt wurde. Die Unerbittlichkeit und Notwendigkeit seiner Linie führt
ihn zu einer Art Kathedralenstil, an dem außer seiner persönlichen
PABLO PICASSO
Mandolinenspieler, 1911
92
Großartigkeit die genannten Einflüsse und die der Skulpturen wilder Völker-
schaften mitgearbeitet haben.
Während in ihm jener pessimistische und tiefe Zug früher spanischer
Bilder sich kundtut, folgt sein Freund Georges Braque, an dessen Bildern
mehr eine entzückende Oberfläche, eine seltene Kostbarkeit des Materials zu
bewundern ist, den französischen Traditionen, wie sie in Chardin und Corot
sich ausdrücken.
In Picasso und Braque finden die neuen Ideale der heutigen Pariser
Malerei ihren schönsten und reinsten Ausdruck.
WILHELM UHDE,
GEORGES BRAQUE Landschaft, 191 o
93
WLADIMIR VON BECHTEJEW
Pferdebändiger
Gemälde.
AMIET, Cuno, Oschwand in der Schweiz.
Weinernte.*
BAUM, Paul, S. Anne bei Sluis.
Toulon, Nachmittagssonne.
Hyeres, Nachmittagssonne.
Herbststimmung.
BARRAUD, Gustave, Genf.
Frauenakte.
VON BECHTEJEW, Wladimir, München.
Der Pferdebändiger.*
Billardspieler.
94
PIERRE BONNARD
Schneewetter
BONNARD, Pierre, Paris.
Schneewetter.*
BOYER, OTTO, 1874— 1912.
Aus Granada.
Aus Capri.
Stilleben.
Hay varias artes mas o menos dificiles,
pero la mas dificil de todas es el arte de
vivir ä la delicia del momento, cual tiene
el fin de vencer las desventuras de la vida
y de la muerte.
Granada y el domingo de Ramas 191 o.
Als Widmung von ihm geschrieben in
seinem Buche ,,Fuegos fatuos".
BRAQUE, Georges, Paris.
Landschaften und Stilleben.*
VON DARDEL, Nils, Paris.
Stockholm.
Stilleben.
Knabe am Fenster.*
Beerdigung.*
Kirche in Senlis.
NILS VON DARDEL
Knabe am Fenster
95
VERNER THOME
Aquarell
DERAIN, Andre, Paris.
Nackte Knaben.
Wintersonne.
Cadaques.
Umgebung von Marseille.
VAN DONGEN, Kees, Paris.
Mutter und Kind.
ERBSLÖH, Adolf, München.
Der violette Schleier.*
Liegender Akt.
Landschaften.
FRIESZ, E. Othon, Paris.
Landschaften aus der Normandie.*
GERHARDT, Ida, Lüdenscheid.
Bildnis des Prof. Haym in Elberfeld.
GILLES, Arthur, Paris.
Stilleben.
GIRIEUD, P. P., Marseille.
Frau in Kimono.
GROSSMANN, Rudolf, Berlin.
Platz vor der Kirche.
HARDT, Ernst, Düsseldorf.
Landschaften aus dem Engadin.
HECHEL, Erich, Berlin.
Schwebebahn in Elberfeld.
Krankes Mädchen.
Blick vom Berg.
Badende am See.
HEIMIG, Walter, Düsseldorf.
Vor der Waldschenke.
Letzte Rosen.
Der heilige Sebastian.*
RUDOLF GROSSMANN Im Tiergarten
96
NILS VON DARDEL
Beerdigung in Senlis
HENRI-MATISSE, Issy-sur- Seine.
Badende Frauen.*
Die Brücke bei Collioure.*
La danse aux Capucines.*
Atelier-Interieur.*
Lucide tourment de trop comprendre. Un beau peintre, savant et sensible, se trouve
paralyse par sa clairvoyance. Tout de suite il apergoit ce qu'il va faire et comment il le
fera: Toeuvre est devant ses yeux, presente et parfaite. C'est pourquoi il evite de la realiser;
sa conception est d'abord si claire qu'il lui semble, en prenant ses pinceaux, qu'il va se
repeter, et le tableau qu'il peint s'applique ä differer de celui qu'il imaginait. — Les grands
artistes sont en face de leur oeuvre comme d'une etrangere; ils n'en prevoient pas du
Premier coup toutes les demarches; ils l'epient se developper; ils la decouvrent peu ä peu
passionnement. Matisse veut imiter cette ignorance merveilleuse, que sa trop nette con-
science lui refuse; il espere la creer en lui artificiellement, en s'ecartant de ce que lui impose
sa necessite intime, en choisissant une voie qui ne soit point celle qu'eclaire d'abord la
perspicacite de sa vision. Mais, par ce geste de volontaire aveuglement, il echappe en
meme temps ä sa spontaneite; il n'est plus pousse par rien, et l'on est gene de ne sentir en
ses toiles la dictee d'aucune Obligation.
La gratuite de cette peinture se decele ä son caractere abstrait. Matisse peint a part
des choses; non pas sans les regarder, mais en se retirant d'elles ä quelques pas. II recueille
la Sensation qu'elles lui donnent, l'emporte et, s'etant eloigne, la deplie soigneusement;
eile est ample toujours, car il sait voir et le monde est pour lui le deroulement d'une etoffe
epaisse et chargee. Mais parmi cette sensualite l'esprit s'insinue; il defait sa richesse con-
tractee; il la clarifie, il l'epure, il l'articule, il la distille jusqu'ä faire evanouir tout ce
qui est lourd, trouble et charnel, tout ce qui manque ä etre rare. Puis, lentement, avec
une complaisance protectrice, il recompose des images toutes depouillees et subtilisees,
toutes abstraites, bien qu'y tressaille encore parfois quelque lambeau de la Sensation primi-
tive. — II est des peintres qui transposent d'un seul coup, sans l'analyser, leur Sensation
et qui en cherchent tout de suite dans un jet colore l'equivalent plastique; il en est d'autres
97
HENRI-MATISSE
Atelier-Interieur
qui travaillent en plein isolement des choses, n'imitant sur la toile que les fantomes de leur
pensee. Matisse se distingue des uns et des autres: il puise dans la realite la matiere de
speculations picturales. De cette sorte d'abstraction decoulent, joints dans une meme
consequence, les qualites
et les defauts de sa pein-
ture.
La couleur de Matisse
brille d'une splendeur
intellectuelle. Elleal'eclat
muet de ces eblouisse-
ments qui naissent soudain
dans l'esprit. Elle n'est
pas dense comme les
choses; eile ne pese pas;
mais eile recouvre la toile
de sa minceur mate, eile
repand en une f ine couche
sa nette et violente richesse
Elle est immobile comme
la pensee dont eile imite
le fixe eclair; eile ne
palpite pas parce que rien
n'est pris sous eile qui
respire; eile est un extrait
etincelant et inerte. Le
meilleur temoignage de
son origine artificielle,
c'est sa rarete sans faib-
lesse; eile ne cesse jamais
d'etre incomparable et Matisse prefere laisser des blancs plutot que de les combler
sans trouvailles. Ainsi se deroule, toujours parfaite et inanimee, cette couleur qui
ne souffre pas de se laisser troubler par la terne effusion du reel. — Les Natures
Mortes sont les meilleurs de ces tableaux: en effet le sujet dejä en est abstrait:
les objets sont choisis et groupes selon leur importance picturale; et par cette adaptation
prealable du modele a sa future image, l'arbitraire est attenue. De plus dans les Natures
Mortes, Matisse, l'ayant preparee ä son gre, s'abandonne ä sa Sensation avec plus de con-
fiance; il se laisse aller a la transcrire plus textuellement, il est gagne par la volupte que
recelent les choses; sa couleur se fait plus sourde, plus lourde, plus gorgee de matiere.
Cependant il n'est sensuel que par accident, presque malgre lui. Quand il dessine,
il redevient tout abstrait. Son dessin ne s'attache pas
aux objets; il ne les deforme pas non plus pour les
rendre plus expressifs; il n'est ni realiste, ni lyrique: il
se comporte a la f a9on d'une idee. Une idee est d'abord
une certaine forme vide ; on ne discerne pas son contenu ;
eile est l'attitude de l'indistinct; mais peu a peu eile se
precise, c'est-ä-dire qu'elle se multiplie interieure-
ment, que des details, au dedans d'elle, viennent
commenter sa generalite. De meme dans la confor-
mation du chassis ou de la feuille de papier qu'il
adopte, Matisse, tout de suite, demele une indication,
dont son dessin va etre le developpement. En effet,
le dessin nait peu ä peu sous l'influence du cadre; il
s'enroule au centre dans la position que lui suggerent
les dimensions exterieures; les lignes se compensent,
se rappellent, expriment, chacune ä un degre different
de complexite, le theme d'ensemble et fönt servir leur
dissemblance elle-meme ä accentuer la meme idee.
C'est une Variation complaisante; avec volupte les traits
de fusain inscrivent les correspondances et les balance-
HENRI-MATISSE
Kaltnadelarbeit
98
HENRI-MATISSE
La danse aux capucines
99
ments, rythment l'equilibre, repetent les droites en courbes parentes. Ainsi le tableau s'imite
lui-meme en se multipliant au-dedans. Mais ses details les plus particuliers toujours
derivent du scheme initial et ils en gardent le caractere abstrait. — Souvent ce dessin
atteint une grace severe et exquise, comme dans La Coiffeuse ou dans La Musique.
Souvent aussi il a l'absurdite de la logique; n'etant pas embarrasse ni retenu par la realite,
il deploie une gratuite barbarie, comme dans le Nu ä l'echarpe blanche.
JACQUES RIVIERE
aus ,,Etudes'* Editions de la Nouvelle Revue fran9aise.
HENRIK SORENSEN
Nordischer Frühling
HERBIN, Auguste, Paris.
Stilleben.
Selbstporträt.*
HEUSER, Werner, Rom.
Kompositionen.*
Stilleben.
Selbstporträt.
Italienische Landschaften.
TEN^HOMPEL, Ludwig, Düsseldorf.
Landschaft.
Weibl. Akt.
100
VON JAWLENSKI, Alexei.
Köpfe.*
Stilleben und Landschaften.
JOVENEAU, Jean, Paris.
Honfleur.
ISSELMANN, Ernst, Rees.
Landschaft mit Kühen.
Selbstporträt.
Landschaft, Frühling.
Bernsburg.
KAMPF, Eugen, Düsseldorf.
Landschaften.*
KANOLDT, Alex, München.
Stadtbild.
Dorf im Gebirge.
San Gimignano.
Alter Hof.
Kreuzgang.
KOHLSCHEIN, Hans, Düssel-
dorf.
Stilleben.
Schwemmereiter.
Porträt.
WERNER HEUSER
Kreuzigung
EUGEN KAMPF
Landschaft
101
KOHLSCHEIN, Josef, Neuß.
Brügge.
Erftlandschaft.
KOKOSCHKA, Oskar, Wien.
Bildnisse.*
KUKUK, Willi, Düsseldorf.
Landschaften.*
LAHS, Curt, Düsseldorf.
Eifelbilder.
Selbstporträt.
Stilleben.
LAURENCIN, Marie, Paris.
Ruhende Frau.
Stilleben.
Frauenköpfe.*
(Öl und Aquarell.)
L'Hotel de la Marine.
Porträt Nils von Dardel. .
HANS KOHLSCHEIN
Studie
WILLI KUKUK
Cette jeune artiste apparaitra, aux mieux
renseignes, victime d'un malentendu qu'elle ne
fit rien pour dissiper. MUe Marie Laurencin,
en automne dernier, participait
ä l'exposition interessante,
hardie, utile meme, peut-
etre, mais ä coup sür compro-
mettante, de la Section d'Or,
Qu'allait-elle faire en cette
galere? En effet, eile ne doit
rien au cubisme. Elle n'est pas
davantage redevable d'une disci-
pline quelconque envers Robert
Delaunay, de qui eile recevait,
naguere encore, l'hospitalite en
une galerie parisienne.
Le public la tient, tour ä
tour, pour devouee au cubisme
ou ä l'orphisme, sur la foi de
ses sympathies. Ces sympathies
sont purement mondaines, le
plus souvent; ou bien l'effet d'un
gentil courage qui la conduit
ä se joindre aux plus rudement
attaques.
II y a cinq ans, les toiles de
Mlle Marie Laurencin voisin-
aient, aux Independants, avec
Celles d'Henri Matisse, de qui
eile n'est pas plus la debitrice
que de Picasso, dont l'oeuvre
Park austere la rendit meditante.
102
Plus rouee, ou simplement moins incHne ä contrarier Thumeur commune, eile occu-
perait aujourd'hui une place enviable au Salon de la Nationale — n'y voyons-nous pas,
cette annee, ouvrir boutiques quelques beaux rebelles de 1906? Ils n'ont point change,
mais les fauves ne nous effraient plus. — Elle ferait, en outre, sinon sa fortune, du moins
Celle d'un habile marchand.
Mais le hasard en decida autrement, et, notoire, Mlle Marie Laurencin est encore
peu connue. J'entends que nul ne l'ignore, mais qu'on la juge inconsiderement, et que
peu de galeries sont riches de ses toiles ingenieusement naives.
ANDRE SALMON.
MARIE LAURENCIN La dame au mouchoir
LEHMBRUCK, Wilhelm, Paris.
Halbakt.
LEW, Rudolf, Paris.
Landschaften aus Paris, Sanary* und Tunis.
Stilleben.
LIESEGANG, Helmut, Düsseldorf.
Dünenblumen.
Im Beguinenhof.
Bauerngarten.
103
Bildnis der Else Kupfet
104
MACKE, August, Bonn.
Badende.
Indianer.
MACKE, Helmut, Crefeld.
Landschaften.
VON MALACHOWSKI, Maria, Brüggen.
Stilleben, Porträts.
MANGUIN, Henri, Paris.
Akt.
FRANZ MARC
EDVARD MUNCH
Winter in Kragerö
MARC, Franz, München.
Der Hirte.*
Reh.
MAY, Heinz, Düsseldorf.
Kuhhirt.
Junge gegen Morgensonne.
MENSE, Carl, Düsseldorf.
Mädchen in der Dämmerung.
Badende im Strom.
Sonnenuntergang mit Brücke.
Herabkunft des heiligen Geistes.
MUNCH, Edvard, Moss in Norwegen.
Liebespaar . (1896).
Selbstbildnis. (Weimar 1906.)*
Winter in Kragerö.*
Hafen.
106
EDVARD MUNCH
Selbstbildnis
^ Et maintenant, fakirs voiles, spectres errants entre les piliers de cette demeure et
qui, cachant vos cruelles mains, appairessez, par intervalles, — reveles, seulement, par
l'ombre rapide que vous projetez sur les murailles. yiLLIERS DE L'ISLE-ADAM.
Motto zu dem Kapitel Munch in Meier-Graefe : ,, Entwicklungsgeschichte".
Unzweifelhaft ist der interessanteste Künstler unserer Gegenwart der Norweger
Edvard Munch. Ein aktuelles Thema. Der Impressionismus, sagt man, sei erschöpft,
nun kommt der Expressionismus an die Reihe, und wenn das eine Wort auch ebenso
unzulänglich ist wie das andre, so viel ist sicher und so viel sieht man überall, wohin
man im modernen Kunstleben auch blickt : In der neuen Kunst handelt es
sich nicht mehr, wie bei Manet und Monet, bei Liebermann und Slevogt, um die Ge-
staltung eines Sinneseindrucks (Impression), sondern um den Ausdruck eines vorwiegend
inneren Erlebnisses. Der heimliche, nicht immer offen anerkannte Vater dieser Be-
wegung ist Edvard Munch. Als Vorläufer hat er vor zwei Jahrzehnten schon Dinge
gegeben, die damals fast ganz unverstanden blieben, heute aber, angesichts der ver-
änderten Situation, fast selbstverständlich, sicher aber im Rahmen ihrer Bewegung
meisterlich wirken.
EMIL WALDMANN.
(Aus dem Kataloge einer Munch- Ausstellung in der Galerie Arnold in Dresden.)
107
HEINRICH NAUEN
Stilleben
NAUEN, Heinrich, Brüggen.
Im Januar veranstaltet die Galerie Flechtheim eine Ausstellung der Nauenschen
Werke von 1907 bis zu den soeben vollendeten Wandbildern für das Suermondtsche
Schloß Drove in der Eifel. Diese Ausstellung wird nachher bei Cassirer in Berlin, in
der Galerie Arnold in Dresden, der Galerie Caspari in München und bei Miethke in
Wien gezeigt werden.
OPHEY, Walter, Düsseldorf.
Garten in Sorrent.*
Herbstphantasie.
Zigeunerin.
Stilleben.
PASCIN, Jules, Paris.
Reiter.
Mädchenakte.
PECHSTEIN, Max, Berlin.
Sommer.
VON PERFALL, Freiherr Erich, Düsseldorf.
Landschaften.
108
PABLO PICASSO
Amor
PICASSO, Pablo, Paris.
Reiter am Meere, 1904.
Der Orgeldreher, 1905,*
Das Bild aus dem ,,Lapin agile*', 1905.*
Porträt einer Dame in Hut, 1906.
Blick auf Paris, 191 1.*
Mandolinenspieler, 191 1.*
Imitant les plans pour representer les volumes,
Picasso donne des divers Clements qui composent les
objets une enumeration si complete et si aigue qu'ils
ne prennent point figure d'objet gräce au travail des
spectateurs qui, par force, en per<;oivent la simultaneite,
mais en raison meme de leur arrangement.
Cet art est-il plus profond qu'eleve? 1 ne se passe point de l'observation de la nature et
agit sur nous aussi famillierement qu'elle-meme.
^< * *
II y a des poetes auxquels une muse dicte leurs oeuvres, il y a des artistes dont la
main est dirigee par un etre inconnu qui se sert d'eux comme d'un instrument. Pour eux,
point de fatigue, car ils ne travaillent point et peuvent beaucoup produire, ä toute heure,
tous les jours, en touts pays et en toute saison, ce ne sont point des hommes, mais des
instruments poetiques ou artistiques. Leur raison est sans force contre eux-memes, ils
ne luttent point et leurs oeuvres ne portent point de traces de lutte. Ils ne sont point divins
et peuvent se passer d'eux-memes. Ils sont comme le prolongement de la nature et
leurs oeuvres ne passent point par Tintelligence. Ils peuvent etre emouvants sans
que les harmonies qu'ils suscitentse
soient humanisees. D'autres poetes,
d'autres artistes au contraire sont lä qui
s'efforcent, ils vont vers la nature et
n'ont avec eile aucun voisinage immediat,
ils doivent tout tirer d'eux-memes et
nul demon, aucune muse ne les inspire.
Ils habitent dans la solitude et rien n'est
exprime que ce qu'ils ont eux-memes
balbutie, halbutie si souvent qu'ils arri-
vent parfois d'efforts en efforts, de ten-
tatives en tentatives a formuler ce qu'ils
souhaitent formuler. Hommes crees ä
limage de Dieu, ils se reposeront un jour
pour admirer leur ouvrage. Mais que
de fatigues, que d'imperfection, que de
grossieretes ?
* * *
Picasso, c'etait un artiste comme
les Premiers. II n'y a jamais eu de
spectacle aussi fantastique que cette
metamorphose qu'il a subie en deve-
nant un artiste comme les seconds.
* * *
Pour Picasso le dessein de mourir
se forma en regardant les sourcils cir-
conflexes de son meilleur ami qui caval-
cadaient dans l'inquietude. Un autre de
ses amis l'amena un jour sur les confins
d'un pays mystique oü les habitants
etaient ä la fois si simples et si grotesques
qu'on pouvait les refaire facilement. PABLO PICASSO Orgeldreher
109
PABLO PICASSO
Das Bild aus dem ,,Lapin agile"
110
Et puis vraiment, Tanatomie par
exemple, n'existait plus dans l'art,
il fallait la reinventer et executer
son propre assassinat avec la
science et la methode d'un grand
Chirurgien.
* * *
La grande revolution des arts
qu'il a accomplie presque seul,
c'est que le monde est sa nouvelle
representation.
Enorme flamme.
Nouvel homme, le monde est sa
nouvelle representation. II en de-
nombre les Clements, les details
avec une brutalite qui sait aussi
etre gracieuse. C'est un nouveau-ne
qui met de l'ordre dans l'univers
pour son usage personnel, et aussi
afin de faciliter ses relations avec
ses semblables. Ce denombrement,
a la grandeur de l'epopee, et, avec
l'ordre, eclatera le drame. On peut
contester un Systeme, une idee, une
date, une ressemblance, mais je ne
vois pas comment on pourrait con-
tester la simple action du nume-
rateur. Du poin de vue plastique,
on peut trouver que nous aurions pu
nous passer de tant de verite, mais
cette verite apparue, eile devient necessaire. Et puis, il y a des pays. Une grotte dans une
foret oü l'on faisait des cabrioles, un passage a dos de mule au bord d'un precipice et
l'arrivee dans un village oü tout sent l'huile chaude et le vin rance. C'est encore la prome-
nade vers un cimetiere et l'achat d'une couronne en fa'ience (couronne d'immortelles) et
la mention Mille Regrets qui est inimitable. On m'a aussi parle de candelabres en terre
glaise qu'il fallait appliquer sur une toile pour qu'ils en parussent sortir. Pendeloques de
cristal, et ce fameux retour du Havre.
Moi, je n'ai pas la crainte de l'Art et je n'ai aucun prejuge touchant la matiere des
peintres.
Les mosaistes peignent avec des marbres ou des bois de couleur. On a mentionne
un peintre italien qui peignait avec des matieres fecales; sous la Revolution fran^aise,
quelqu'un peignit avec du sang. On peut peindre avec ce qu'on voudra, avec des pipes, des
timbres-poste, des cartes postales ou ä jouer, des candelabres, des morceaux de toile ciree,
des faux-cols, du papier peint, des journaux.
II me suffit, ä moi, de voir le travail, il faut qu'on voie le travail, c'est par la quantite
de travail fournie par l'artiste, que l'on mesure la valeur d'une oeuvre d'art.
Contrastes delicats, les lignes paralleles, un metier d'ouvrier, quelquefois l'objet
meme, parfois une indication, parfois une Enumeration qui s'individualise, moins de
douceur que de grossierete. On ne choisit pas dans le moderne, de meme qu'on accepte
la mode sans la discuter.
Peinture. . . Un art etonnant et dont la lumiere est sans limites.
GUILLAUME APOLLINAIRE.
PABLO PICASSO
Blick auf Paris, 191 1
111
WALTER OPHEY
Garten in Sorrent
PURRMANN, Hans, Paris.
Stilleben und Landschaften.
REICHEL, Carl Anton, Salzburg.
Landschaften.
REYLÄNDER, Ottilie, Rom.
Stilleben, Landschaften,* Taubenbilder.
ROHLFS, Christian, Hagen.
Westfälisches Bauernhaus.*
SCHELFHOUT, Louis, Haag.
Landschaften aus der Provence.
SCHULZE-SOELDE, Max, Düsseldorf.
Bildnis des Herrn B.
SÖRENSEN, Henrik, Kristiania.
Nordischer Frühling.*
112
RUD. GROSSMANN
Im Tiergarten
SOHN-RETHEL, Alfred, Berlin.
Kaukasierin.
Bildnis seines Bruders Otto.
Junges Mädchen mit Früchten.
OTTILIE REYLÄNDER
Citronenbaum
113
114
KARLI SOHN
Akte
SOHN, Kadi, Rom.
Akte.*
Arbeiter im Palmenhain.
Erinnerung an Tunis.
Landschaften.
SOHN-RETHEL, OTTO, Anacapri.
Auferstehung, 1905.*
STEIN, Otto Th. W., München.
Bildnis Theodor Däublers.*
Erkundung
Ein Kapitel Autobiographie (aus den Neuen Blättern).
Des echten Mannes wahre Feier ist die Tat !
Goethe.
Wo ist der Mond? Die Wogen vom offnen Meer umglühten mit grünlichem Gischt
den ausgestorbenen Molo. Von ferne gewahrte ich schon, dort einsam, das nahende
Wasserentflammen: die Spitzen der Wellen sind leuchtend, die Mulden davonfunkelndes
Gluten ! Ein unterseelisches Glühen erfüllte die blühende Nacht. Ein überseelisches
Fühlen gebar unsern innern Mond. Ich wußte wohl: der Ozean erleuchtet sich selbst-
herrlich und weither aus lebendigen Schlünden. Ich wandelte lange und stumm am
Ufer des grünglühenden Meeres; ich kam versunken, allein, durch liebliche silberne Haine.
Die Ölbäume kannte ich längst: im Winde kommen sie immer sanft, ganz nahe an mein
Wesen heran. So sammelte ich mich wieder unter Bäumen. Überall glühten Würmchen
und blitzten ihr sprühendes Grün durch wiegsame, schimmernde Äste. Sie waren mir
zugleich Laub und Blüte der Frühlingsnacht und schwirrende Tierchen: Wanderer, Mond
115
OTTO TH. W. STEIN
Bildnis des Dichters Theodor Däubler
116
und Sterne in einem ! Das Grün war so zart, wie es die Toten zu erreichen suchen, wenn
sie uns erscheinen dürfen. Nun wurde mir bewußt, wie es kommt, daß die Nacht um
die Polstille erdämmert, selbstfunkelnd wird. Ob in den Glühwürmchen nicht ihr eigenster
Wunsch verwinzigt und doch erfüllt vor uns herumflimmert? Ich sann darüber nach.
Der Ozean wellt vom Tropenland her das innigste Walten im Urwald empor in die
blühende Nacht. Dazwischen wandeln wachsame Augen und verkünden das Schaun.
Die Erde verinnerlicht das Wesen der Pflanzen und Tiere, erleuchtet über unsern Trieben
den Hüter der Schöpfung ! Wir Menschen sind eine der unzähligen Feuerwanderungen
der Sterne. Auch die Erde ergibt sich an die Flamme. Voll schimmernder Demut erfüllt
sie die strahlende Nacht. Die Glut einsamer Stunden umhüllte auch mich, soweit ich
furchtlos bleiben konnte. Des Menschen Angst hatte ich ja bereits als Kind kennen gelernt.
So glühn wir denn fort und fort in uns selber: so still wie ein junges Mondfunkeln
soll unser Geheimes Ich sich erleben und lenken, die eignen Wege beleuchten können !
Wir werden aber wenig träumen, denn wir könnten uns dabei versäumen !
Die leuchtende Wonne des südlichen Sommers überwogte mich nächtlich und geheim-
nisvoll. Das sanfte Grün der zerklüfteten Ölbäume besprenkelte die Wiese im Schatten
mit zitternden Silberscheibchen, als der Wind fast täglich abnahm und der Mond seiner
Vollendung zuschwoll. Und es leuchteten meine Gedanken immer mehr beim Betrachten
der Glühwürmchen. Und wieder schwellte das Meer lauere Hauche heran, und das Zitter-
licht der Silbersichel begann leise zu schwinden. Ich weiß nicht mehr, was ich damals
gedacht habe, doch ich erinnere mich, daß meine Gedanken nächtlich waren und daß
ich glaubte, daß ich mich nur des Nachts höherschöpfen könnte. Und ich belauschte
meinen Traum und erlauschte, was der Traum war: der Versuch, den Menschen und
Tieren in der Nacht ihr leuchtendes Leben zu lassen ! Der Schlaf ist der Retter vor dem
täglichen Tode: er führt uns vom Tagesabend zum Sonnenmorgen. Denn das wußte ich
wohl: wir sind die Kinder des Lichts! Und was verewigt das Sterben? Das Bewußtsein,
daß wir sterben werden, gebiert die Idee der Unsterblichkeit! Die Fähigkeit, Gespinste
zu verhäkeln, Gespenstern Lebendigkeit zu verleihen, erreicht in uns die Zuversicht,
daß es ein Ewiges gebe. Sind wir nun Menschen geworden, um Gott zu verstehn, oder
ist Gott nur das Erwachen einer reinmenschlichen Anschauung? Ich hielt für einen
Augenblick die selbstleuchtenden Glühwürmchen für vollendetere Weltchen als den
Menschen und konnte meine Gedanken nicht für ewiger als eine verwehende Jahres-
zeit halten. Eines aber stand fest: wenn sich im Menschen alle Flammen des Daseins
zusammengefaßt hatten, um den Mann grade emporzurecken und ihm dann das Weib
nachzuschmiegen, so konnte ich nicht mehr glauben, daß wir uns zum flammenden
Fluge zusammenrunden oder leiblich zum Dahinwehn veredeln würden, sondern daß
unsre Zukunft nicht uns selber, wohl aber einem Abgrund unter allen Leibhaftigen zu-
dunkelt! Die Furcht vor dem Ende des Bewußtseins ist tiefer als die Sehnsucht nach
der irdischen Vollendung. Die Macht, an sich selbst zu schöpfen, ist verlockender als die
Wunscherlebnisse beim Sichemporwiegen über die Gebirge der Erde. Wir entsprangen
der Angst, als sich die Geburt der Furcht ankündigte: und die Ewigkeit winkte uns heran,
sowie wir die Sehnsucht nach dem Hinanwehn verblassen ließen. Wir wittern, was wir
werden, nur sträuben wir uns dagegen, da wir noch der Sonne Tagesdankbarkeiten zollen.
Aber ich bejahe die Nacht: die Nacht, in der sich die Gestalteten nicht mehr gewahren,
der Mann bereits die ihn erwartenden Gewaltungen ahnt, das Weib sich seiner Einzel-
keit entwiegt; und ich deute auf das Dunkel: die Dunkelkeit, in der sich die geschlecht-
liche Verwundrung verwurzelt; und ich verwirkliche die Finsternis, in der wir, wie ent-
wesentlicht, entselbstet, aus den innersten Wechseln entwirrt, ins Ewige Verwehen ein-
gewebt, verschwinden.
Die Sonne hat alles Wesentliche geboren: der Norden soll uns vollenden! Der Föhn
entschwebt der Sonnensee mit goldnem Tosen. Des Südens glühendes Erbarmen ver-
schwendet seine Leidenschaft in waghalsigen Sommerwolken: das kalte Land entzückt
sich in Gewittern. Den hohen Norden vergolden noch emporgehobene Tropenatome.
Indiens Flammen haben strahlendes Erbarmen. Der Welschwind windet sich durch
die wartenden Halden tannenbewachsner Mitternachtstäler. Müde stürzen die Völker
herab in die Niedrungen des Südens: aber rastlos ziehn Wallfahrer, das Sterben ver-
treibend, nachtwärts. Wir trachten den Schmerz zu betäuben und verflüchtgen den
Schnee. Wir kämpfen an gegen das Leid, da zernebelt das Eis. Doch fürchten wir den
Schnee, so überfüllen wir selbst den Süden mit fürchterlichen Übeln.
117
Ich aber kenne schon den eignen Norden und
frage mich wohin? woher?
Und ich denke teleologisch: Erde, Muttererde,
aus deinen Feuereingeweiden hast du den Mond ge-
boren; und dieser Mond stellte sich zwischen dich und
die Sonne; und dieser Mond nächtigte mit deinen
Tagesregungen, denn in dir regte sich die Vision des
Lebens; und der Mond half dir, wenn deine Tages-
wagnisse, Erde, die ganz schwach erwacht waren,
abends erschlafften; und er, der Mond, faszinierte sie,
daß sie nicht bis zum Anbruch des Arbeitstags völlig
entschlafen sollten. Und heute, Erde, ist der Mond,
der vermeintliche Mittler, tot. Das silberne Zeitalter
zerschleierte und ließ den Ölbaum auf Erden zurück.
Und das Sterben, Erde, zerschmetterte deine Wesen-
visionen. Doch sind sie jetzt kraftvoll als handelnde
Tageswandrer gestaltet, und ihr wahnhaftes Mondes-
wandeln schmachtet noch fort in unsern Träumen
und taumelt dahin durch den Schlaf.
Erde, Erde, du willst allen deinen Leidesleib-
haftigen einen andern Mond gebären ! Und der Neue
Mond soll den Tod überwinden. Und der Mund dieses
Mondes ist da: du hast ihn, Erde, aus den Klammern
deiner Erstarrung erbarmungsvoll hervorgegeistert;
und er sagt: Entsagung des Tages ! Er verneint den
Schein, um das Nichts, das ihn, gegen die Ewigkeit
gerichtet, hervorbringt, zu vernichten. In milder,
blauer Tropennacht erscheint sein milchblaues Eigen-
licht. Wir ahnen seine Ankunft und wandeln uns
erwartungsvoll. Da mäht er schon als Silbersichel
das Kraut der Sterblichkeiten dahin. Und dann ge-
wahren wir ihn und empfangen seine Wahrheit. Und
dann verläßt er uns, leichtspöttisch lächelnd und zu-
gleich zufrieden, da er bald seine Ruhe wieder erringen
wird. Und die Wurzeln des Unheils wuchten und
treiben, nur wechselweise geschwächt, nach dem
Buddhaverschwinden, abermals empor ! Der Tag hatte
die Nacht überragt! Die Wagnisgestalten lagen ge-
schlagen da. Da schuf sich aber das Dunkel andre
Wahngewalten und das Karma der Übertrumpften
gab ihm die Kraft zur Verleiblichung von jungen
Wahrheitsertragern und Wahnwallfahrern. Helden-
geschlechter erklommen die metaphysischen Vorbe-
deutungen der Gebirge Irans. Damals erblaute der
Geist des Mannes und trennte sich sternedurchlebend
von der klebriggelben Erde. Das Weib weilte weiter
auf wirren Wegen des Werdenden. Damals errang sich
eine Rasse geistig. Heute aber krampft das Karma
den Mann zurück in die Umarmungen seiner eignen
Weiblichkeit. Erbarmen möchte ich schrein, wenn ich
als Jüngling in die unklaren Seelen meines eignen
Geschlechtes wittre !
In Iran aber verweichlichte die Welt, von Weib-
lichkeiten überwältigt. Da tat das Dunkel einen Mund
auf: und da sprach der Mann; und er sagte: Tat! Und da strahlte die Nacht, wie wenn
der Mond noch rot empordämmert; und diese Sprache des Bluts und der lebendigen Liebe
überkamen alle, die da wahrnehmen konnten; und das Wort wanderte nachtwärts. Aber
die Flamme erblaßte im Lande, da sie emporwallte, und aus ihr stieg der wirkliche Mond
bleich und todverheißend empor und übersilberte die siegreiche Wüste. Alles, was wird.
ERNESTO DE FIORI
Jüngling (Abguß)
118
kann auf Erden nur angefangen werden. Und da ich jetzt den Mond sehe, so erinnre ich
mich; denn der Mond, der Vollstrecker des Todes, ist auch das Sinnbild des Entsinnens!
Der Mond, die Ruine aller Zeiten über uns. Und so spricht in mir der Dichter, der nicht
stirbt, das Lyrische Ich, im Kampfe mit Epen und Dramen: ein Ölbaum spiegelt sich in
einem Silberweiher. Alle Tiere, deren Seelen der Geist, der sich im Blauen erschaut,
erdwärts abwirft, schwelte der Wind des Werdens einem Sänge entgegen, den die Weiblich-
keit der Welt in einem Lied zu den Sternen emporschweifen ließ. Denn auch die Weib-
lichkeit der Erde hörte ihr tiefes Wort. Orpheus verweltlichte die Weihe des reinen Geistes.
Er war der vollen Leibhaftigkeit des Weibes inne, und seine Seele war die See, in
die sich des Löwen Rhythmus überstürzte, die Windhaftigkeit der Urwaldkatzen schnellte,
des Tigers Sturmhast sauste, in der die altbelasteten Drachen und Lurche untergingen,
die Gleichgültigkeit der Schwäne dahinsegelte, die Komik der Enten sich breitmachte,
der Übermut der Störche seine Ergötzlichkeiten vervielfältigte: er war der Dichter der
beharrenden ^Wesen; er sah, was der Mann, der danach sprechen sollte, seiner Endlosig-
keit überließ.
Ich will noch mildes Mondlicht in meinem Olivenhaine verschwenden, denn feier-
lich entsinn ich mich Orpheus, da er Pan verstand, den ja der erste Mensch gekannt hatte.
Die Sterne und alle Monde, die große Sonne vor allem, spenden der Erde rhythmische
Ansätze zur Entflammung ihrer ragenden Tagesgestalten und nachschweifenden Traumes-
gebärden. Die unendliche Rückkehr von Morgen und Mittag,
das langsame Sichverdünnen des Abends und die herrliche
Auferstehung der Nacht bewahren den Erdengestaltungen
Haltung und Dauer. Den unendlichen Abenteuern der
Sternbilder, die um unsre Milchstraßen herannebeln, der
furchtbaren Jugend unsrer Ruhe im leuchtenden Welten-
sturz entwebt die Beseelung aller unerreichbaren Tages-
erfassungen ins mannigfaltige Dasein.
Pan heißt die plötzliche Sinnfälligkeit der irdischen
Sternenerlebnisse in Pflanzen und Tieren ! Mensch nennt
sich der Mund, der den Namen Pan ausspricht. Orpheus
begeistert der Gesang der ahnungsvollen Verwandtschaften.
Orpheus aber will der Nacht das Weihelied der Erde spen-
den: Orpheus muß seiner Heimat Dankgesänge Sonne und
Sternen darbringen. Pan ist im Erhaschen gewandt: sein
Wesen schmiegt ja das Wechselnde an das, was heran-
wachsen und verweilen kann !
Der panische Schreck ist das Erscheinen alles Fühllos-
flüchtigen. Pan faßt, was dem Walde nah ist. Pan um-
klammert Orpheus' Sang, der der Wildnis entwallt. Ecce
Tragödia: Panisken entwimmeln dem Schilfe; Mänaden
durchlachen die Halden; Orpheus' Ansprache an den Abend
verblaßt. Aber die Erde, die ursprünglich bloß die Nacht
aus sich selbst entnahm, erkundet nun im eignen Sang
das Jenseits, das sie glühend über den Sternen, die alle
irdischen Wandlungen gebären, für ewig festgesetzt hat.
Sternbilder braucht meine Phantastik: nachts geschehn
die großen Geburten: es wird dunkel, wenn der geläuterte
Geist Irans leuchtend Hellas, das Land der irdischen Vol-
lendungen, unbewußt verachtungsvoll, aber vom erhabend-
sten Karma getragen, überfliegt. Das Meer zwischen Asien
und Hesperiens Wolkengebirgen ist eine tragische Tages-
see. Irans Nacht, die sein wagendes Volk nächtlich ge-
schwängert hatte, erwacht dereinst, nach einem Fluge ihres
Großgeistes durch ferne Nebelwelten, abermals unter leuch-
tendem Eise und flammenden Gletschern.
Das sagte ich, als ich wollte, daß Ahrimans Nacht
anerkannt erstrahlen sollte. In Ormuz lodert Sonnengold,
aber auch das Dunkel durchfunkelt ihn urverschluchtet.
OTTO SOHN-RETHEL, Akt * ^ *
119
Das Wort ist der Norden aller Sprachen.
Wir segelten so maßvoll wie die Stunden vergehn!
Die Zeit, unser Innerstes, wird dereinst die ganze Welt mit sich fortnehmen. Denn
wir werden fliegen: Aber nicht in Sturmeseile, dazu haben wir bereits zu viel eigenste
Zeit in uns versponnen, durchunddurcherlebt ! Die Sprachen werden wir abstreifen:
Schwerschwebende Vögel können sie überkommen und sich daran emporreden: dafür
werden wir auffliegen! Die Indianer Nordamerikas kamen von Vögeln her: warum
konnten sie nicht fliegen? Vielleicht waren sie nicht ganz ausgesprochen; haben sie sich
ihre Natur selbst ausgeredet!? Jedenfalls mußten sie zugrunde gehn, um uns ihr Karma
zu hinterlassen. Nur so erfassen wir unsre amerikanisierende Barbarei: möglicherweise
auch die Flugzukunft. Nur müßten wir nun auch heimlicher, unparlamentarischer
werden, bis das Überkommne, Längstzerstörte, Urwälder festsetzen wird ! Schonen wir
auch aus diesem Grunde die Neger und die allzu tief stehenden Wilden überhaupt. Ihr
Gespenst würde uns gewaltsam hinabreißen.
Eine Mauer ergraut in meinem Traum. Indiens Mystik war mechanisch: wir haben
uns christlich von der Gerechtigkeit emporgesungen; das Erbarmen hat uns begnadigt.
Die Mystik ward männlich: wir freien die Unendlichkeit. Aber mein Karma überragt
mich ! Mechanik, ohne Mystik, bemächtigt sich der abendländischen Menschen. Mündig-
keit, Mehrheiten, Meinungen werden eine Mauer.
Wer vermag es, das Karma zu benagen? Der einzelne Mensch vereitelt seinen Rück-
prall metaphysisch beinahe vollständig. Die nordindischen Sekten, die an ein persön-
liches Weiterleben der Seele nicht glaubten, können keinesfalls andrer Meinung gewesen
sein. Die mechanische Anschauung vom Karma wird Moral und Zucht erzwingen, nur
muß sie den Egoismus unmittelbar treffen: daher die Anschauung eines am Einzelnen
haftenden Karmas. Ich aber glaube nicht an die Unüberwindlichkeit, an die karmische
Haft der menschlichen Seele, wohl aber an ein Karma in der Geschichte ! Vielleicht gibt
es nach dem leiblichen Tode Übergangsstufen, Trennungssphären, vielleicht mag da im
Urdunkel das Karma mechanisch weiterwirken, sich fortvervielfältigen. Für mich
bleibt jedoch Karma eine Abstraktion, die uns helfen kann, die Geschichte der Völker
aus ihrem religiösen Seelenleben und ihren geschlechtlichen Wandlungen herauszudeuten.
Auch ethisch müssen wir es verwenden: ich bin überzeugt, daß jede Rasse, wie sie ihre
höchsten Fähigkeiten in Helden und Genies sich vorkristallisiert, so auch in Verbrechern
und weibischen Weichlingen ihre gesellschaftsfeindlichen und daher berechtigten Einzel-
heiten absondert. Der Verbrecher ist somit metaphysisch geheiligt und in der Gesellschaft
doppelt unentbehrlich. Gebiert doch auch die Angst vor ihm Gesetzestafeln, vor denen
sich der Bürgersinn willig fügen wird. Und diese Schranken, die nur durch den Verbrecher
erworben werden können, sind für jede Gemeinschaft unentbehrlich. Sollte übrigens
nicht nach und neben der Sprache, die ja an jeden mittelmäßig befähigten Menschen
große, unbewußte Mitarbeit des Gedankenlebens stellt, die Angst vor dem Strolche eines
der stärksten Mittel zur Erweckung der wirksamen Verstandeskräfte gewesen sein?
Weh uns, wenn wir jemals eine zu vereinfachte, unentwickelte Sprache für die ererbte
einsetzen wollten: Weh uns, wenn unser Leben allzu gefahrlos verlaufen könnte!
Am Verbrechen darf schon aus diesen Gründen keine Rache genommen werden;
den Mörder hinrichten heißt: die Belastung seiner Rasse, die sich an ihn geheftet hatte,
wieder der Gesamtheit zurückerstatten, um neue ähnliche Ansammlungen niedriger
Begierden im einzelnen anzubahnen. Da kann man bereits von Karma reden! Zur
Ethik übergehend, will ich noch folgendes erörtern: wir werden wahrscheinlich nicht
selbst die Folgen unsrer Handlungen zu tragen haben; und das ist wunderbar und würdig!
Wohl aber hinterlassen wir, jeder einzelne, wie wir das Karma Tausender auf uns nehmen
mußten. Späterkommenden, einzelnen und schließlich Gesamtheiten die Fortsetzung
unsrer Einbeziehungen in Geschick, Gesellschaft und Nachkommenschaft; und zwar
wirkt ein einzelner bestimmt sehr rasch sowohl auf seine Verwandten, die ihm bekannt
sind, als auch auf die, mit denen er nur unbewußt karmisch verbunden bleibt. Bei Leb-
zeiten, wie kurz nach dem Tode, macht sich das Karma jedes Menschen im Bezug auf
andre deutlich bemerkbar; später verwebt es sich mit andern Geschicken und geht schließ-
lich im Schicksal seines Volkes mit Rückwirkung auf kommende Rassenzusammen-
raffungen unter. Werden alle Menschen dereinst das Karma vereint zerschmettern
können? Wenn es eine Freiheit gibt: ja? ! Es ist eine Forderung der Ethik, daß alles
120
GEORGES MINNE
Auferstehung (Marmor)
Mechanische überwunden werde: auch die Gerechtigkeit soll erst durch die Gnade voll-
endet werden ! Vielleicht ist die Hoffnung, daß wir dereinst überhaupt keine Gerechtigkeit
mehr brauchen werden, im höchsten Sinne des Wortes vornehm!
Bin ich Monist oder Dualist? Noch eine nächtliche Frage am Strande des Meeres!
Was sollen da alle menschlichen Vorstellungen? Behelfe, Behelfe, um sich unter Sternen
auszukennen! Für die erkennenden Menschen auf Erden steht der Nordstern still, ge-
wöhnen wir uns somit, eine Richtung einzuschlagen ! Jeder Stern mag seinem Ziel zu-
wandern: Vielleicht tasten wir uns da an eine übermenschliche Vernunft heran.
Ein Dunkel erhält alle Lichter. Auf unendlicher Stummheit beruht unser Hilferuf.
Herrliche Heiterkeit umstrahlt das Leid, keine Antwort geben zu können.
Ethik bestimmt mich unbedingt zum Dualisten! Und die Tatsache, daß ich Dualist
bleiben will, erweist meine Befähigung, mich in Ethik zu vertiefen.
Ein Zweifel: Meine Art zu denken führt mich immer wieder auf die parsische alt-
persische Tag- und Nachtlehre zurück. Die Idee der strahlenden Nacht Ahrimanns be-
herrscht mich ganz. Sollte diese erleuchtete durchtagte Nacht nicht schließlich meinen
Dualismus unterwühlen?
121
Ein leichter Südwind kühlt die Sommernacht.
Wohl überweht er uns mit weißen Wolken, voll von
bleicher Geschmeidigkeit und wunderbarer Anmut.
Doch schon bannt der Mond die hohen Wanderwarten
in marmorne Stille, und die niedern, milchigen Nebel
verflüchtigt eine frischaufgesprungne Seebrise. Und
so schimmern denn vollkommengoldne Sternchen
aus lauem Blau herab in unsre untre Opalluft. Meine
geliebten silbernen Ölbäume flimmern und lispeln
immer von ihrer Zufriedenheit: und die ragenden
Zypressenbeugen sich langsam nieder, als sagten sie
Ja! Vielleicht, weil mir der Wind immer, wenn
ich über etwas nachsinne, ins Gesicht wehen muß:
und wahrscheinlich meinen sie Nein!
Das ist das schönste Stück Welt, das ich er-
leben kann: ich will meine Heimat an mein Wesen
drücken und glücklich sein und nicht dran denken,
daß ich die Erde einst verlassen muß ! Warum be-
gnüg ich mich mit einem Haine, einer Bucht und
einem fernen Leuchtturm? Woher die Ruhe bei so
kurzer Frist? Weil meine Ruhe nicht mehr Ich ist,
sondern weil sie weiße Segelfahrten um gischtum-
wippte Klippen, silberne Einsamkeiten über lauten
Märkten, dahinschweifende Einbildungen heran-
reifender Jünglinge leitet und weitet!
Averroes, Zerstückler der Seele, ich fürchte
mich vor dir! Und doch, nun muß ich mir meine
unheimlichste Einsicht gestehn ! Wir Seelen ver-
gehn, verwehn! Nur einmal bin ich: und daß "ich
gerade jetzt bin, ist das Wunder! Und nicht bloß
augenblicklich, sondern auch hier: ich habe meine
Heimat, ein Stück von mir, in das ich hineingeboren
wurde ! See, See, ich seh dich an und sehne mich
dennoch nach dir. Denn auch du, Windsee, willst
in mein Wesen einwehn. See, See, hier bin ich mit
dir allein, und meine Ruhe, die nicht mehr Ich ist,
weil sie dort, wo ich nimmer sehn kann, dunkel,
dunkler als dunkel erdunkelt, fühlt die Schwere des
Ozeans und wird erleichtert durch das Wissen von
■den Sternbildern, die sich im Ozean spiegeln. Denn
Ozean, dich selberentrollender Ozean, ich bin ein
Dichter, und du gleichst mir nicht ! Du wirst bleiben,
aber aus mir spricht die Ewigkeit. Die Dunkelheiten,
die sich unter mir verschluchten, wiegten dich, Meer,
als du Odysseus trugst, und ich erinnre mich, wie ich unendlich früh bestimmte, mit
Homer zu werden. Und so graute ich auf in allen Gefährten des Atriden hier und ich
«rschaute mich in ihm selber, wie heute, unter Zypressen. Gibt es ein Sterben? Eine
Hierarchie Sterbender! Nicht viel verweht von mir: nur wenig zieht sich von meinem
Sonnensonderbaren zurück ins Dunkel, wo alle, die den Tag durchwallen, auch als Dunkel-
heiten durch das Dunkel funkeln.
THEODOR^DAEUBLER
II
GEORGES MINNE
Kniender Jüngling (Marmor)
STERN, Max, Düsseldorf.
Ulanen.*
Blumenverkäuferinnen.
Konzert in den Dünen (England) .
122
123
THORN-PRIKKERJan,Hagen.
Christi Einzug in Jerusalem.*
DE VLAMINCK, Maurice, Paris.
Landschaften aus les Andelys.
VON WAETJEN, Otto, Paris.
Aktstudien.*
Landschaften aus Le Hävre. *
VON WEREWKIN, Marianna,
Abend.* München.
En soiree.
Frühlingssonntag.
WESTENDORP, Fritz,
Bauerngarten. Düsseldorf.
Blumen am Fenster.*
Pont neuf.
WOLFF, G. H., Barmen.
Fernande.
FRITZ WESTENDORP Blumen am Fenster
OTTO VON WAETJEN
Le Hävre
124
OSKAR KOKOSCHKA
Der Tänzer Nijinsky
125
ANTONIO C ANOVA
Napoleon (Marmor)
126
IT
Plastik.
CANOVA, Antonio.* 1757— 1822.
Napoleon, Marmor.*
Aus den „Schattenbildern'': NAPOLEON.
Schon Goethe hat sich über die Weisheit: ,,Für einen Kammerdiener gibt es keinen
Helden" tüchtig geärgert und laut erklärt, daß dieses immer nur die Schuld des Kammer-
dieners wäre, der über dem Allzumenschlichen seines Herrn, das er täglich sieht, größen-
blind geworden sei. Wer über einem Menschen in Unterhosen den Sieger von Austerlitz
vergißt, der hat eine Lakaienseele und ist zu nichts Größerem geboren, als großen Herren
die Stiefel auszuziehen und abzuputzen. In unserer die Helden hassenden Zeit haben wir
Napoleon, den Heine und Byron immer nur den Großen schlechthin nannten, mehr als
uns recht war, mit Kammerdieneraugen betrachten sehen, so von Shaw, dem nichts zu
groß ist, um es nicht klein zu kriegen, so von Sardou in seinem Kulissenreißer ,, Madame
Sans- Gene" und von manchen anderen. Nicht mehr mit der Kinderphantasie unserer
deutschen Pastoren vor hundert Jahren haben die Schreiber unserer Zeit Napoleon ge-
schaut, etwa als einen Werwolf, der von Menschenblut lebt oder ein wildes Tier, das aus
der Felseneinsamkeit Korsikas ausgebrochen war, um Europa zu dezimieren und die Welt
auf den Kopf zu stellen.
Nein, im Gegenteil, man hat in unseren Tagen den gewaltigen Zwergen, der am
Anfang unserer ganzen bürgerlichen Zeit steht, für diese jetzige Bürgerwelt zurecht photo-
graphiert, ihn vermenschlicht und unter uns andere gebracht, ihm bestens sein Absonder-
liches, nicht sein Ausschließliches abgeguckt. So bekamen wir einen Napoleon zu sehen,
wie er noch heute unter uns herumlaufen könnte, ohne sehr in der Menagerie der Menschen
aufzufallen: einen Mann, der gern schnupfte, viel und alles durcheinander aß, Käse nach
der Suppe und Äpfel zum Schellfisch, der bei dem Schauspieler Talma Stunden im Re-
präsentieren nahm und einen dicken Bauch hatte, der eifersüchtig und abergläubisch wie
ein Italiener war, parvenühaft seine Familie auf alle Throne Europas zu kleben suchte,
der französisch sprach wie ein Bauer hochdeutsch, der die Schlacht bei Leipzig infolge
von Magenschmerzen verlor und sich auf der Insel Sankt Helena mit dem gleichen Un-
gestüm mit einem unbedeutenden Gefängniswärter wie einstmals mit Blücher oder dem
Kaiser von Rußland herumzankte.
Diese verkleinerte Photographie fängt das Rätsel Napoleon noch weniger ein als
das Zerrbild, das die deutschen Freiheitskämpfer anno 1813 sich von ihm machten, die
ihn als Vernichter ihres Vaterlandes, als Lügner und falschen Propheten gehaßt haben,
wie noch keiner in Deutschland gehaßt worden ist. Was er zunächst als Testaments-
vollstrecker der französischen Revolution allein für Gutes über Europa gebracht hat,
das sah man damals im Rausch des Patriotismus noch nicht. ,,Attila! Attila!" sollen
ihm die Studenten zu Jena nachgerufen haben, dieselben vielleicht, die zehn Jahre darauf
unter Metternichs Knutenwirtschaft sich fast nach dem fremden Tyrannen zurücksehnten.
Der einzige Mann von Bedeutung in Deutschland, der den allgemeinen H aß gegen Napoleon
* WIE CANOVA NAPOLEON PORTRÄTIERTE.
Canova hat über die interessanten Porträtsitzungen mit Napoleon genau Buch geführt.
Diese Aufzeichnungen kamen in den Besitz des Herzogs von Litta, dessen Neffe, Henri
Prior, sie dem französischen Historiker Welschinger übermittelte, der sie soeben veröffent-
licht. Napoleon, der Canova sehr schätzte, ließ ihn bitten, nach Paris zu kommen und ihn
zu porträtieren. Canova zögerte, da er in Napoleon den größten Feind seines Vaterlandes
erblickte. Erst dem Zureden des Papstes Pius VI. gelang es, ihn zu der Reise nach Paris
zu bewegen. Ende September 1802 langte er dort an. Seine erste Zusammenkunft mit
dem Modell war kurz aber entscheidend. Er war von dem ,, klassischen Kopf" Napoleons
begeistert und schrieb sofort an einen Freund : ,,Der Kopf eignet sich ausgezeichnet zum
Modellieren". Während der Sitzungen scherzten sie mit Josephine und besprachen poli-
tische und künstlerische Fragen, so z. B. den Wert des Nackten in der Kunst, das Napoleon
verurteilte, Canova aber eifrig verteidigte. Wenn es nach ihm gegangen wäre, so hätte
er Napoleon nackt auf seinem Pferde dargestellt.
127
nicht mithassen konnte, ist bekanntlich Goethe gewesen, der so begeistert von dem per-
sönlichen Reiz des Kaisers war, daß er — die Geschichte hat kein größeres Kompliment
für Napoleon ! — lange überlegte, ob er nicht sein Vaterland aufgeben und nach Paris
ziehen sollte. Aber es war nur das Dämonische, die Urkraft in Napoleon, die Goethe zur
Bewunderung hinriß. Das Stück Zukunft in diesem Bürgerkaiser wurde der Aristokrat
und weimarische Staatsminister mit allen anderen noch nicht gewahr, das Demokratische,
man möchte fast sagen. Amerikanische in Napoleon, das nicht Adel noch Stand, sondern
nur das persönliche Verdienst hochschätzte. Dies kam zum Vorschein, wenn er etwa
an den Habsburger, den Kaiser von Österreich, der ihn, um sich den bürgerlichen Schwieger-
sohn zu erleichtern, an den Familienadel der Bonaparte erinnerte, einfach schrieb: ,,Mein
Adel rührt von Montenotte, meiner ersten siegreichen Schlacht über die Österreicher,
und von nichts anderem her." Oder, wenn er einen beliebigen Prinzen von Preußen in
bitterer Ironie zu einer Hasenjagd auf dem Schlachtfeld von Jena einlud und ihn dann
obendrein noch warten ließ, während er von seinem Stuhl aufsprang, als Goethe zur
Audienz hereinkam.
Aber für dieses Demokratische in seinem Wesen hatte die Zeit, die ihn erlebte, ebenso-
wenig Augen wie für das Romantische in Napoleon. Man war zu sehr überrascht von
dieser Erscheinung, um sie schon verstehen zu können. Denn Napoleon war wirklich
ein Romantiker auf dem Throne, wie es vor ihm nur Alexander der Große gewesen ist.
Das, was deutsche Geschichtsschreiber stets als Pose und Phrase bei ihm gescholten
haben, das war seine Triebfeder, sein Daseinsgrund: So, wenn er, der keine Dynastie
hinter sich hatte, in Briefen oder Reden sich Hannibal zum Ahnherrn machte, als er
über die Alpen zog, oder Cäsar, wenn er in Italien, und Mohammed, wenn er in Ägypten
war, oder den nach Persien flüchtenden verbannten Themistokles, als er nach Belle-
Alliance den Schutz des englischen Königs anrief.
Es war ebensowenig geschauspielert wie unwahr, wenn in Potsdam sein erster Besuch
dem Sarge Friedrichs des Großen galt, und wenn er den Degen des alten Fritzen für die
schönste Beute aus allen seinen Kriegen erklärte, oder wenn er den Papst zu seiner
Kaiserkrönung herbeizog, oder wenn er seinen Sohn in der Wiege zum König von Rom
erklärte. Große Augenblicke bedürfen großer Worte, und man sollte Napoleon so wenig
einen Phrasenmacher nennen wie Bismarck, der, um Rußland einzuschüchtern, schrie:
,,Wir Deutschen fürchten Gott und sonst nichts auf der Welt." Politik ließ sich damals
und läßt sich auch heute oft nicht anders übersetzen als: Die Kunst, schön zu lügen.
Und hatte Napoleon nicht das Recht, ein Romantiker zu sein, wenn er seinem Leben,
das sich noch heute wie ein Roman erzählt, auf den Rücken sah? Es gibt nichts Reiz-
volleres in seinem Leben für uns, die wir es heute aus der Vogelschau betrachten, als
die kurze Zeit, da er, 22 Jahre alt, im Sommer 1791 als Sekondeleutnant in Valence,
einem Städtchen in Südfrankreich, bei der Artillerie stand. Er dichtete damals — welcher
bessere Sekondeleutnant täte dies nicht ! — klagte über den Dienst, war unglücklich ver-
liebt, las fünfmal ,, Werthers Leiden" und schrieb Sätze wie diesen in sein Tagebuch:
,,Die Liebe bringt mehr Unglück als Glück, und es wäre eine Wohltat der schützenden
Gottheit, uns damit zu verschonen und die Menschen davon zu befreien." Er ahnte damals
noch nicht im geringsten, w^as das Schicksal aus ihm machen würde. ,,Erst nach meiner
dritten siegreichen Schlacht fühlte ich — auf der Brücke von Arcole war es ! — daß ich
ein großer Mann werden würde, und diese fixe Idee verließ mich seitdem nicht mehr",
hat er auf Sankt Helena gesagt.
Wenn man das Genie als eine Art Krankheit bezeichnen will, deren Wesen Ruhm-
sucht ist, so war Napoleon später völlig von dieser Krankheit besessen. Ruhelos trieb
sie ihn, wie den Orest die Furien, durch ganz Europa umher, bis er auf der kleinen Felsen-
insel im Atlantischen Ozean, wo dreitausend arme, verkommene Menschen, ein paar
Schafe und Ziegen und Milliarden Mücken lebten, eine qualvolle Erlösung fand. So war
er ein Abbild dessen, der vom Geist der Ordnung überritten wird, und der in der Offen-
barung Johannis also beschrieben wird: ,,Und es ging heraus ein anderes Pferd, das war
rot; und dem, der darauf saß, ward gegeben, den Frieden zu nehmen von der Erde und
daß sie untereinander erwürgeten; und ihm ward ein großes Schwert gegeben."
Neben dieser übermenschlichen dämonischen Triebkraft seines Daseins seien schließlich
noch ein paar freundliche Züge in dem Wesen dieses ,, Tigers in Menschengestalt", wie
Theodor Körner ihn nannte, erwähnt. Einmal die Art seiner Kriegsführung in Ägypten,
wo er zivilisierter, als wir in China es waren, die alten Heiligtümer des Landes den Ge-
128
lehrten, nicht den Soldaten überließ, oder in Italien, wo er den mit dem Tode bedrohte,
der ein Kunstwerk zerstören würde und Florenz um Michelangelos willen nicht beschießen
ließ. Vergessen sei auch nicht, wie gütig er gegen seine Soldaten gewesen ist, die wirklich
nicht für einen Tyrannen und Menschenfresser so oft in den Tod gegangen wären, wie
er die Pestkranken, um sie von ihren unheilvollen Qualen zu befreien, vergiften lassen
wollte, und wie er manche Nachmittage vor den Soldatenspitälern zu Paris Musik machen
ließ, um die Genesenden heiter zu stimmen.
Für die Franzosen ist dieser Napoleon eigentlich nur ein schöner Luxus gewesen,
wie sein Neffe, Napoleon le petit, zum Kaufmann geboren, zum Kaiser bestellt, ein un-
schöner Luxus für sie geworden ist. Jedenfalls hat das französische Volk von der ganzen
Kaiserei Bonapartes heute nichts mehr in Händen als große Erinnerungen und ver-
schollenen Ruhm und eine noch jetzt mit infolge seiner vielen Kriegszüge dezimierte
Menschenschar. Die sozialen Eroberungen der großen Revolution, von denen die dritte
Republik heute zehrt und lebt, hat Napoleon gehemmt und dem Volke, das ihn als Götzen
anbetete, in seiner Entwicklung nur geschadet. Was er, diese Laune des Seins, als un-
bewußter Testamentsvollstrecker Voltaires, Rousseaus, Mirabeaus, Dantons den übrigen
Völkern übermittelt hat, die großen bleibenden demokratischen Ideen aus dem Jahre
1789, hat alle Nationen weniger gekostet als der französischen. Namentlich um Deutsch-
land hat sich dieser Sendbote der Revolution verdienter gemacht als Bonifacius: Er hat
die geistliche Weltmacht in Deutschland vernichtet, die Reichsstädte größtenteils auf-
gehoben, die Reichsritterschaft lächerlich gemacht und mit diesem allen wider Wissen
und Willen der Einigung des Reiches und Bismarck vorgearbeitet. Er hat den Gedanken
der Volksfreiheit und der Verfassung über die Elbe f^st bis nach Mecklenburg getragen,
und wenn wir in unsern Tagen auch in Preußen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlich-
keit zu sprechen beginnen, so verdanken wir dies dem Dämon, der ausgesandt ward, in
alle Welt zu gehen und alle Völker zu lehren und auf den heiligen Geist der neuen Zeit
zu taufen. Und darum wollen wir hundert Jahre nach dem Erscheinen dieses Kometen
Napoleon mit Fug und Recht ihn im Elysium zum deutschen Ehrenbürger ernennen.
HERBERT EULENBERG.
ERNST BARLACH
Der Trinker (Holz)
129
BARLACH, Ernst, Güstrow in Mecklenburg.
Tilla Durieux, Porzellan.
Der Trinker, Holz.*
Russischer Bettler, Keramik.
Russische Bettlerin, ,,
Liegender Steppenhirt ,,
VON BOCHMANN, Gregor, Düsseldorf.
Akt, Abguß.
BOSSELT, Rudolf, Magdeburg.
Ernst te Peerdt, Bronze-Plakette.
EXNER, Hilde, München.
Erdarbeiter, Holz.*
Nijnski, Bronze.
DE FIORI, Ernesto, Paris.
Kauernde, Terrakotta.*
Jüngling, Bronze.*
FRIEDRICH, Nikolaus, Berlin.
Badende, Bronze.
FREUNDLICH, A., Paris.
Frauenkopf, Bronze.
GAUL, August, Berlin.
Schafe, Bronze.
Ziegen,
Esel, der sich wälzt, Bronze.
Löwin, Bronze.
HALLER, Hermann, Paris.
Stehendes Mädchen, Abguß.*
HENRI-MATISSE, Issy-sur- Seine.
Kauernde, Bronze.
Akt, Keramik.
Frauenenkopf, Keramik.
HILDE EXNER
HUGO LEDERER
Richard Strauß (Bronze)
HOETGER, Bernhard, Darmstadt.
Tiere und Reiter, Majolika.
Die Lichtseiten und die Schattenseiten des Lebens (Majoliken)
KNIEBE, Walter, Düsseldorf.
Akt, Abguß
LEDERER, Hugo, Berlin.
Richard Strauß, Bronze.*
Diana, Bronze.
Heinebüste. (Für das Hamburger Heinedenkmal.)*
LEHMBRUCK, Wilhelm.
Stehendes Mädchen, Bronze.
LÖHR, Franz, Paris.
Mme. M., Bronze.
131
ERNESTO DE FIORI
Jüngling (Bronze)
MAILLOL, Aristide, Marly-le-Roy.
Ringerinnen, Terrakotta.
Porträtbüste Renoirs, Bronze.*
MINNE, Georges, Gent.
Auferstehung, Marmor.*
Kniender Jüngling, Marmor.*
Gebet, Holz.*
Maurer, Holz.*
Der Redner, Marmor.*
Schmerz, ,,
Schlaf, ,,
132
^.t:- ,1*^
"*[ GEORGES MINNE
Maurer (Hi
X
GEORGES MINNE
Maurer (Holz)
134
ROBERT WULFERTANGE
Porträt Kurt Kamiah (Marmor)
PICASSO, Pablo.
Pierrot (1905), Bronze.
Frauenkopf (1906), Bronze.
Frauenkopf (191 1), Bronze.
WENCK, Ernst, Berlin.
Ninos, Bronze.*
Sklave, Marmor.
WULFERTANGE, Robert, Düsseldorf.
Porträtbüste Hermann Harry Schmitz, Bronze.*
Porträtbüste Kurt Kamiah, Marmor.*
Penthesilea (Abguß).
135
5
c
r
o
N
>
Z
136
Graphik.
EDV. MUNCH
Lithographie
BARLACH, Ernst.
Der tote Tag, Lithographien (Paul Cassirer Verlag).*
BAUM, Paul.
Zierikzee, Aquarell.
Sommer, ,,
Kirche, ,,
CEZANNE, Paul f.
Die badenden Soldaten,
Lithographie.*
Badende Männer, Litho-
graphie.
DAUMIER, Honore,
1810 — 1879.
Zeichnungen und Litho-
graphien.
DELACROIX, Eugene,
1799— 1863.
Lithographien.
DERAIN, Andre.
Lithographien und Kalt-
nadelarbeiten. ERNST BARLACH
Zeichnung
137
VINCENT VAN GOGH Die Ruinen in Montmayor (Zeichnung)
EHMSEN, Heinz, München.
Holzschnitte.
FREESE, Hans, Berlin.
Meer, Lithographie.
Flucht, Lithographie.*
(Verlag des Graphischen Kabinetts, Berlin.)
GAUGUIN, Paul f-
Nackter Junge, Aquarellstudie zu dem Bilde ,, Badende Jungen", im
Besitze des Herrn Werner Dücker.
Nackter Junge, Aquarellstudie zu demselben Bilde.
Tahitanerin, Aquarell.
Stephan Mallarme, Radierung.
VAN GOGH, Vincent f.
Ruinen in Montmayor, Federzeichnung.*
Der Zuave, Federzeichnung.*
Bildnis des Dr. Gachet, Radierung.
GROSSMANN, Rud., Berlin.
Zeichnungen und Aquarelle.* '
Die Beisetzung des Erzbischofs von Co In, Radierung.
GUYS, Constantin f, 1805 — 1885.
Scene mondaine, Tusche.
Pariserin, Tusche.
Kavalkade im Bois de Boulogne, Tusche.
138
ERICH HECKEL
Holzschnitt
HECKEL, Erich.
Aquarelle.
Holzschnitte (Verlag des Graph. Kabinetts in Berlin).*
HENRI-MATISSE.
Frauenakte, Kaltnadel (hergestellt in 8 Abzügen).*
Kauernde Frau, ,, ,, ,, 12 ,,
Frauenakt, Holzschnitt ,, ,,50 ,,
Frauenakt, ,, ,, ,, 50 „
Frauenakte, Lithographien.
Zeichnungen aus Marokko.*
HOETGER, Bernhard.
Zeichnungen und Aquarelle.
ISSELMANN, Ernst.
Lithographien: Industrie.
VON JAWLENSKI, Alexei.
Kopf, Lithographie.
139
KAINER, Ludwig, München.
Russisches Ballett, 14 Zeichnungen und Lithographien.
(Kurt Wolff Verlag.)*
KANDINSKI, Wassili, München.
Komposition, Aquarell.
Holzschnitte.
KOKOSCHKA, Oskar.
Nijinsky.
Akt, Federzeichnung.
KOHLSCHEIN, Hans.
Aktstudien.*
LAUWERIKS, J. L. M., Ha^en.
Holzschnitte.
MAX LIEBERMANN
Radierung
140
MARIE LAURENCIN
L'Ecossaise, Radierung
}} n
n yy
LAURENCIN, Marie.
Les jeunes filles, Radierung (hergestellt in 25 Abzüge).*
La Romance. ,,
L'Ecossaise. ,,
Frauenköpfe, Aquarelle und Bleistiftzeichnungen.
LEHMBRUCK, Wilhelm.
Zeichnungen undj Radierungen.*
l LIEBERMANN, Max.
Selbstporträt, Radierung.*
Radierungen aus Holland.*
Pastelle aus Noordwijk.*
141
gwpgtrrg susrrorc
^BOSSnJtSTJi^
EWALD MALZBURG
Holzschnitt
MACKE, Helmut.
Aquarelle und Zeichnungen.
MAILLOL, Aristide.
Aktstudien, Zeichnungen.
Lithographien.*
MALZBURG, Ewald, Neuß.
Holzschnitte zu ,,Der heilige Kreuzweg*'.
(Ernst Ohle Verlag.)*
MANZANA-PISSARRO, Paris.
Frau mit Pfauen, Radierung.
Badende, Radierung.
MARC, Franz.
Akte, Aquarell.
PIERRE BONNARD Zeichnung
PABLO PICASSO
\
Radierung
143
VON MAREES, Hans,
1837— 1887.
Zeichnungen:
Mädchenakte. Bleistift
(doppelseitig) .
Knabenakt. Rötel.
Studie zu den ,,Hesperiden".
Bleistift (doppelseitig) .
Weiblicher Akt. Rötel
(doppelseitig) .
Frau mit Kind. Bleistift
(doppelseitig) .
Mann am Tor. Bleistift
(doppelseitig) .
Ringer. Rötel.
Frauenakt. Bleistift mit weißer
Kreide gehöht (doppelseitig).
Frauenakt mit erhobener Hand.
Rötel (doppelseitig).
Komposition. Rötel
(doppelseitig) .
Nackter Mann und Pferd. Rötel.
Mann u. Frau, die ein Bild halten.
Bleistift (doppelseitig).
Orangenpflücker. Bleistift mit
weißer Gouache gehöht
(doppelseitig) .
Ehepaar. Rötel.
St. Martin. Bleistift.
Idyll. Rötel.
Promenade. Rötel
(doppelseitig) .
HERMANN HALLER
Stehendes Mädchen
(Abguß)
144
ERNST BARLACH
Lithographie aus „Der tote Tag".
MENSE, Carl.
Badende am Fluß, Aquarell.
Schreitende, ,,
Männer am Fluß, ,,
MINNE, Georges.
Taufe Christi, Holzschnitt.
EDVARD MUMCH
Lithographie
145
10
EDVARD MUNCH
Lithographie
MUNCH, Edvard.
Umarmung, Radierung.*
Lithographien:
Mädchenakt (farbig).
Mädchen am Meer (farbig).
Fliegen (farbig).
Das kranke Mädchen (farbig).
Menschen am Meere.
Strindberg (farbig).
Die Welle (handaquarelliert).
Aus ,, Tiere und Menschen", 5 Blätter.
Porträt Prczybycewsky.
Frauenkopf.
Mädchen am Strande (farbig).
Blutender Mann.
Landschaft mit Baum.
Alter Mann.
Modell mit Kappe und Kragen.
Badende Frau.
Dekorative Studie.
Sitzendes Mädchen.
Junges Mädchen, auf einem Bett sitzend.
Mann und Weib im Mondschein.*
Eifersucht.
Zwei Mädchenköpfe (farbig).*
Blick in einen Garten.
Harpye.
Krankenstube.
Alfa og Omega (18 lithografier og flere vignetter),
146
HEINRICH NAUEN
Radierung
NAUEN, Heinrich.
Vergleiche Seite io8.
OPHEY, Walter.
I Zeichnungen und Radierungen.
OPPENHEIMER, Max.
10 Radierungen zu Heines Buch ,,Le Grand''.
I (Paul Cassirer Verlag)
PASCIN, Jules.
Aquarelle.*
MAX PECH STEIN, Zeichnung
147
MAX PECHSTEIN
PECHSTEIN, Max.
Zeichnungen und Radierungen aus Italien und zur Passion.*
Akte.
HEINRICH FREESE
Lithographie
148
VON PERFALL, Freiherr Erich.
Garben, Farbstiftzeichnung.
Winter, do.
JACOB STEINHARDT
Betende Juden
(Radierung)
PICASSO, Pablo.
Akte, Blei. 1904.
Der Eremit, Tusche. 1904
Die Toilette, Kohle. 1905.
Exlibris Guillaume Apollinaire, Original-Aquarell.
Landschaft, Blei. 19 10.
Aquarelle aus den Jahren 1903 bis 1912.*
18 Radierungen aus den Jahren 1904 bis 1912.*
Kopf, Tusche. 191 1.
Studie zur Arleserin. 1913.
1905.
149
k
PABLO PICASSO
Zirkusleute (Aquarell)
PISSARRO, Camille. f
Im Metzgerladen, Aquarell.
REDON, Odilon, Paris.
Männerkopf, Tusche.*
Lithographien.
REICHEL, Carl Anton.
Radierungen und Farbenholzschnitte.
RENOIR, Auguste.
Spielende Kinder, Färb. Lithographie.
Kleines Mädchen, ,, ,,
RODIN, Auguste, Paris.
Tänzerin aus Cambodja, Aquarell.*
Thetis mit dem Schilde des Achill, Aquarell.
ROPS, Felicien, 1833— 1898.
L'agonie, färb. Radierung.
SCHIELE, Egon, Wien.
Akte, Aquarelle.
\, '.
WILHELM LEHMBRUCK Radierung
151
152
SCHULZE-SOELDE, Max.
Kartoffelleser, Kohle.*
SCHWARZKOPF, Richard, Düsseldorf.
Evangelium des Matthäus. Handgeschrieben, illustriert (gebunden in
Schweinsleder).
Farbenholzschnitt.
SIGNAC, Paul.
Aquarelle und Zeichnungen aus Frankreich und Italien.*
Arbeiter, Lithographie.
SOHN-RETHEL, Otto.
Knabenakt, Rötel.*.
Frauenakt, ,,
^■^'- ■^l^^iffy'V'-
• . . . •-. • ■ *-. . " • V -■ V\,~ • V V »•• %'^-ü
MARIE LAURENCIN
La Romance, Radierung
153
STERN, Max.
Pferd, Radierung.
Schreitender Mann, Radierung.
STEINHARDT, Jacob, Berlin.
Alter Jude, Radierung.* )
Betende Juden, Radierung.*/ ^"^^^^ ^'' Graph. Kabinetts, Berlin.
THOME, Verner, Helsingfors.
Badende Jungen, Aquarelle.*
VEIT, Philipp f. 1793 — 1877.
Fackeltanz, Bleistiftzeichnungen.
DE VLAMINCK, Maurice.
Holzschnitte.
JACOB STEINHARDT Alter Jude, Radierung
KRAUS, Elisabeth H., Düsseldorf.
Wandbehang (Stickerei und Batik),
154
JAN THORN = PRIKKER
Christi Einzug in Jerusalem
Verzeichnis der
Kamlah, Kurt
Wedderkop, von, Hermann
Möller van den Brück
Neumann, Dr. W.
Meier=Graefe, Julius
Riviere, Jacques
Vollard, Ambroise
Bierme, M.
Gauguin, Paul
Sternheim, Carl
Gold, Alfred
Meier^Graefe, Julius
Salmon, Andre
Mirbeau, Octave
Duret, Theodore
Uhde, Wilhelm
Hofmannsthal, von, Hugo,
Osbom, Max
Uhde, Wilhelm
Riviere, Jacques
Salmon, Andre
W^aldmann, Emil
Apollinaire, Guillaume
Daeubler, Theodor
Eulenberg, Herbert
Beiträge und Notizen.
Genesis 13
Publikum und Kunsthändler 17
Schönheit 31
Eduard von Gebhardt 43
Aus der Neuen Rundschau ...... 55
Paul Cözanne 58
Aus „La Vie de Cezanne" ...... 59
Degouve de Nuncques 60
Aus „Noa=Noa" 62
Vincent van Gogh 64
Max Liebermann 69
Edouard Manet 70
Odilon Redon 74
Auguste Renoir 75
Auguste Renoir 76
Henri Rousseau 77
Aus „Die Farben" 83
Rheinischer Kunstfrühling 87
Kunst unserer Zeit 91
Henri-Matisse 97
Marie Laurencin 102
Edvard Munch 107
Pablo Picasso 110
Erkundung. Ein Kapitel Autobiographie 115
Napoleon 127
155
\
JULES PASCIN, Aquarell
Achenbach, Andreas
Amiet, Cuno
Barlach, Ernst
Bechtejew, von, Wladimir
Bonnard, Pierre
Verzeichnis der Abbildungen.
Corleone, Tempera 41
Weinlese 22
Der Trinker. Holz (Photo Paul Cassirer) 129
Lithographie aus »Der tote Tag*
Paul Cassirer Verlag 145
Zeichnungen 15, 137
Pferdebändiger f4
Schneewetter 95
Akt, Zeichnung 143
Landschaft 93
Stallinterieur 44
Heimkehr 43
Napoleon, Marmor 126
Bildnis seiner Frau in Rot (Photo Druet) 57
Die badenden Soldaten 54
Bildnis seiner Frau 58
Der grüne Topf, Aquarell 58
Die badenden Soldaten, Lithographie . . 136
Courbet, Gustave Eselreiterin 59
Braque, Georges
Burnier, Richard
Canova, Antonio
Cezanne, Paul
156
Dardel, von, Nils
Degouve de Nuncques, William
Erbsloeh, Adolf
Exner, Hilde
Feuerbach, Anselm
Fiori, de, Ernesto
Freese, Hans
Friesz, E. Othon
Gauguin, Paul
Gogh, van, Vincent
Großmann, Rudolf
Haller, Hermann
Hardt, Ernst
Heckel, Erich
Heimig, Walter
Henri- Matisse
Herbin, Auguste
Heuser, W^erner
Hodler, Ferdinand
Hornemann, Fried. A.
Jawlenski, von, Alexei
Kainer, Ludwig
Kampf, Eugen
Knaus, Ludwig
Kohlschein, Hans
Kokoschka, Oscar
Knabe am Fenster 95
Beerdigung in Senlis 97
Der verlorene Sohn 60
Der violette Schleier 21
Erdarbeiter Holz 130
Nana 30
Kauernde, Terrakotta 25
Jüngling, Bronze 118, 132
Lithographie (Verlag des Graphischen
Kabinetts, Berlin W.) 148
Landschaft 20
Bretonenjunge (Photo Druet) 61
Musique barbare (Photo Druet) ... 62
Boote in Saintes Maries (Photo Druet) 64
Hütten 83
Rasen . , 65
Olivenbäume bei Arles 66
Der Zuave, Zeichnung 63
Die Ruinen in Montmayor, Zeichnung . 138
Im Tiergarten, Zeichnungen .... 96, 113
Stehendes Mädchen, Abguß 144
Rhätischer Dorfplatz 88
Holzschnitt (Verlag des Graphischen Ka-
binetts, Berlin W^.) 139
Der heilige Sebastian 89
Badende Frauen 35
Die Brücke in Collioure 28
La danse aux Capucines 99
Atelier-Interieur 98
Akt, Kaltnadelarbeit 98
Maultiere, Zeichnung aus Marokko . . 38
Notar, Zeichnung aus Marokko .... 39
Araberin, Zeichnung 160
Selbstporträt 19
Kreuzigung 101
Tanzende 67
Madonna 45
Kopf 23
Karneval. Zeichnung vom „Russischen
Ballet" (Kurt Wolff- Verlag) .... 16
Landschaft 101
Familie Strousberg 46
Aktstudie 102
Bildnis der Else Kupfer, aus ,,Der blaue
Reiter" (Verlag Piper-München) . . 104
Der Tänzer Nijinski, Zeichnung (Kurt
WolfF-Verlag) 125
157
Kukuk, Willi
Laurencin, Marie
Lederer, Hugo
Lehmbruck, Wilhelm
Lessing, C. F.
L6vy, R.
Liebermann, Max
Maillol, Aristide
Malzburg, Ewald
Marc, Franz
Menzel, von, Adolf
Minne, Georges
Monet, Claude
Munch, Edvard
Nauen, Heinrich
Ophey, W^alter
Pascin, Jules
Pechstein, Max
te Peerdt, Ernst
Park 102
La dame au mouchoir 103
Les jeunes filles, Radierung ...... 26
L'Ecossaise, Radierung 141
La Romance, Radierung 153
Richard Strauß, Bronze 131
Kopf des Heinedenkmals für Hamburg,
Marmor 12
Radierungen (Paul Cassirer Verlag) .27, 151
Kaiser Heinrich nimmt Papst Pascal ge-
fangen 47
Aus Sanary 20
Reiter am Strand 68
Selbstbildnis, Radierung 53
Badende Jungen, Radierung 68
Steigende Pferde, Radierung 140
Porträt Renoir, Bronze (aus „Kunst und
Künstler") 76
Lithographie (aus Hausenstein „Der
nackte Mensch",Verlag Piper,München) 34
Holzschnitt aus „Der Hl. Kreuzweg"
(Verlag Ohle, Düsseldorf) 142
Der Hirt (aus Hausenstein „Der nackte
Mensch") 105
Kircheninterieur 73
Gebet, Holz 10
Maurer, Holz 133, 134
Auferstehung, Marmor 121
Der Redner, Marmor 152
Kniender Jüngling, Marmor 122
Cap Martin 71
Selbstbildnis (Weimar 1906) 107
Winter in Kragerö 106
Umarmung, Radierung (aus Hausenstein
„Der nackte Mensch") 29
Krankenstube, Lithographie 137
Zwei Mädchen, Lithographie 146
Mann und W^eib, Lithographie .... 145
Bei Vis6 27
Stilleben 87
Stilleben 108
Landschaft, Radierung 147
Garten in Sorrent 112
Mädchen, Aquarell 156
Zeichnungen 147, 148
Der Negermönch 4
Frauenbildnis 40
158
te Peerdt, Ernst
Picasso, Pablo
Pissarro, Camille
Redon, Odilon
Renoir, Auguste
Rethel, Alfred
Reylaender, Ottilie
Rodin, Auguste
Rohlfs, Christian
Rousseau, Henri
Schirmer, J. ^JV,
Schulze:=Soelde, Max
Seibels, Carl
Seurat, Georges
Signac, Paul
Sisley, Alfred
Slevogt, Max
Sörensen, Henrik
Sohn, Karli
Sohn«Rethel, Otto
Sohn, ^A/^ilhelm
Stein, Otto Th. W.
Steinhardt, Jacob
Stern, Max
Thome, Vemer
Thom-Prikker, Jan
Landschaft 48
Frauen am Strand 42
Eros, 2 Bleistiftzeichnungen .... 32, 33
Der Dichter, Tusche 37
Orgeldreher 109
Das Bild aus dem „Lapin agile" ... 110
Zirkusleute, Aquarell 150
Amor, Federzeichnung 109
Zirkus, Radierung 143
Landschaft, Bleistift 150
Blick auf Paris (Photo Kahnweiler) . . 111
Der Mandolinenspieler (Photo Kahn-
weiler) 92
Heuschober (Photo Druet) 70
St. Georg 74
Kopf, Tusche 75
Die Toilette (Photo Druet) 55
Schlafendes Mädchen (Photo Druet) . . 77
Justitia, Bleistiftzeichnung 49
Zitronenbaum 113
Tänzerin aus Cambodja, Aquarell ... 6
\A^estfälisches Bauernhaus 114
Un Centenaire de l'Ind^pendance ... 90
L'Heureux Quatuor 78
An der Marne 79
Kleine Landschaft mit Turm 50
Kartoffelleser, Kohle 24
Kühe auf der Weide 50
Honfieur 91
Verona, Zeichnung 80
Fischerboote, Aquarell 82
Am Mittelmeer, Zeichnung 72
Das Tal der Seine (Photo Druet) ... 69
Hockender Neger 80
Nordischer Frühling 100
Akte 115
Auferstehung 14
Römischer Knabe, Rötelzcichnung . . 119
Bildnis der Gräfin Loe 51
Bildnis des Dichters Theodor Daeubler 116
Betende Juden, Radierung (Verlag des
Graphischen Kabinetts, Berlin) ... 149
Alter Jude, Radierung (Verlag des Gra=
phischen Kabinetts, Berlin) 154
Ulanen 17
Badende Jungen, Aquarell 96
Christi Einzug in Jerusalem, Tempera . 155
159
Trübner, Wilhelm
Waetjen, von, Otto
Wenck, Ernst
Werewkin, von, Marianna
Westen dorp, Fritz
Wulfertange, Robert
Unbekannt
Dame in Strohhut 81
Aktstudie 18
Le Havre 124
Ninos, Bronze 31
Abend 123
Stilleben 124
Hermann Harry Schmitz, Bronze ... 13
Kurt Kamiah, Marmor 135
Heinrich Heine, Lithographie 52
Heinrich Heine, Kohlezeichnung ... 52
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HENRI-MATISSE, Araberin (Zeichnung)
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BIND
JUH2 1970
N Galerie Alfred Flecht-
6^92 heim, Dusseldorf ^
G35 Beitrage zur Kunst/des
XIX. Jahrhunderts und
\Hisere Zeit
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