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Beiträge
sur neneren Gefchichte
aus bem
britifchen Mufeum und Reichdarchive
von
Friedrich von Naumer.
Zweiter Theil.
König Friedrich u nnd feine Zeit (1740 — 1769).
geipaig:
| F. A. Brockhaus.
1836.
König Friedrich U
und feine Zeit,
(1740 — 1769.)
Naͤch den geſandtſchaftlichen Berichten
im |
britiſchen Muſeum und Reichsarchive
von.
Friedrich von Raumer.
Leipzig:
%. U Brockhaus.
1836. _
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ä 11 ver. 1ypu 3
vo, OF Or. 3
RR y
Vorwort.
Man hat ſehr oft und laut uͤber die Mangel⸗
haftigkeit und Unwahrheit der Geſchichte Klagen
erhoben. Zum Theil ſind dieſelben allerdings be⸗
gruͤndet und laſſen ſich (gleichwie vieles menſchlich
Unvollkommene) nicht vollſtaͤndig beſeitigen; ande⸗
rerſeits koͤnnte man ſie aber großentheils abſtellen
und ſich dem Ziele wenigſtens naͤhern, ſobald man
dem Geſchichtſchreiber den Zutritt zu allen vorhan⸗
denen Quellen- in freiſinniger Weiſe eröffnete und
nicht eine Geheimnißkrämerei mit dem triebe, bdef-
fen Bekanntmachung fo unverfänglich, als lehr⸗
reich ſeyn würde.
Daß in unferen. Tagen dad wahrhaft Weltbe⸗
ſtimmende nicht mehr bloßes Hof- und Cabinets⸗
geheimniß ſeyn und bleiben kann, daß Kniffe und
Raͤnke, Vorurtheile und. Beftehungen, Beiſchlaͤfer
und Beiſchlaͤferinnen, nicht mehr uͤber Krieg und
Frieden, Leben und Richtung der Voͤlker auf die
vi R Vorrede.
Dauer entſcheiden; — dies iſt ein unleugbarer
(hoffentlich nicht blos raſch voruͤbergehender) Fort⸗
ſchritt der Zeit. Die Gegenwart legt ſich offen
der Beurtheilung der Mitwelt dar, und der Ge
fchichtfchreiber kann das Wefentlichfte davon erfaf-
fen, wenngleich) der neuefte diplomatiſche Brief⸗
wechfel zum Zheil verfchloffen und verfiegelt bleibt.
Nicht fo hinſichtlich der früheren Zeiten, wo das
Kundgemachte mit den wirkfameren, geheimen Trieb:
federn oft im Widerfpruche ſteht und gar. mancher
Berichtigung bedarf. Selbft für die Zeit König
Friedrichs II von Preußen wurben Maaßregeln und
Befchläffe (wenigſtens an einigen Höfen) in der
fo eben bezeichneten, NE Meife herbeis
geführt.
Um fo größeres Lob * um ſo aufrichtigeren
Dank verdient die engliſche Regierung, daß fie mir
das Reichsarchiv mit ſeinen Schaͤtzen, nicht blos
fuͤr die fruͤheren Zeiten, ſondern auch fuͤr ben Theil
des achtzehnten Jahrhunderts eröffnete, auf wels
chen fi) meine Forfehungen richteten. Und Ddiefe
Eröffming war nicht verbunden mit hundert arg⸗
woͤhniſch beſchraͤnkenden, Zeit koſtenden und Ber:
druß erwedenden Vorſichtsmaaßregeln; fondern fie
war unbefchränft, und auch von Seiten der beim
Archive angeftellten Männer fand ich die bereitwil:
ligfte und freundſchaftlichſte Unterflügung. Es gin:
"Borrede vn
gen an gefandtſchaftlichen Berichten durch meine
Hände:
Aus Frankreich 37 Folianten. |
— Preußen 5 — mit Einfhluß der *
— Sſterreich 60 — piere des Geſandten
— Rußland 5° — Michel.
— Sachſen 3 —
— Holland 16 —
— Schweden 15 —
Koͤnigliche Briefe —
»In Summa 292 Folianten.
Zuſicherungen aͤhnlicher Beguͤnſtigung habe ich
von Paris empfangen; wenn anders meine Der:
hältniffe nur erlauben wollten, Davon Gebrauch zu
machen. - In. der Heimath gelten die vorwaͤrts,
und bie ruͤckwaͤrts gekehrten Propheten (die Hiſto⸗
riker) gleich wenig; — mindeſtens find. wir in
Deutfehland leider noch nicht bei der in London
und Parts anerkannten preiswuͤrdigen Theorie und
Praxis hinfichtlich der Benutzung geſchichtlicher
Quellen angelangt.
Unter dieſen Verhaͤltnifſen konnie ich kein viel⸗
ſeitiges, kritiſch vergleichendes Werk uͤber die Zeit
Friedrichs I zu Stande bringen; ſondern mußte
mich darauf befchränken, aus obigen Folianten das
Wichtigſte und Lehrreichfte auszuziehen, ‚und in
hberfichtliche Verbindung zu bringen. König Fried⸗
vn Borrede
rich II bildet den Mittelpunkt des Ganzen; gleich
wie er, fpiegelt fich aber auch feine Zeit in jenen
Duellen ab, wodurch der Titel dieſes Buches, wo
nicht gerechtfertigt, doch entſchuldigt wird.
Nach manchem Zweifel, wie die Materialien zu
ordnen und zu verarbeiten wären, fchien es mir
zulegt. am Gerathenften, die urfprüngliche Form
der Berichte im Wefentlichen beizubehalten, damit
der englifche Standpunkt und die: englifche Betrach-
tungsweife fo wenig ald möglid) verfhoben und
getrübt werben. Um eine zu große. Berftücelung
der, aus fo verfchiedenen Ländern herrührenden
Berichte zu vermeiden, mußte ich bisweilen manche
(jedody mit genauer Bezeichnung der Zeit) unter
einer Hauptnummer zufammenfaflen. Auch Fonnte
‚ich “mir nicht verfagen, an einigen Stellen Zufäge
und, erläuternde Betrachtungen beizufügen. Eine
umftändliche Einleitung über die Lage Europas zur
Zeit der" Thronbefteigung Friedrichs II hielt ich da= .
‚gegen für überflüffigz weil jeder Freund ber Ge-
fchichte hierüber genligend unterrichtet iſt, oder in
den Werken‘ bes: Königs nachlefen Tann, wie Dies
4
fer jenen: Zeitpunft: und feine m — ete.
Berlin, 1836.
Inhalt.
Erſter Äbſchnitt.
9 reußen. Berichte tes engliſchen Geſandten Guy
Dickens aus Berlin. Krankheit und Tod Friedrich
Wilhelms J, Benehmen und Anreden des neuen Kb:
nigs. Betrachtungen über die Natur und Stellung
Friedrichs H. Seine Plane. Lage Europas.
Bweiter Abſchnitt.
Schwediſche Angelegenheiten. Parteien. Berhält:
niß zu Rußland. Kriegswefen. Einfluß ber Fran⸗
zofen. und Ruffen. Dev Reichstag. Beſtechlichkeit.
Fraͤulein Taube. Der König und die Königinn.
Kriegsluft. ©. * eo . . . .
)
Dritter Abſchnitt.
Ruß Land. Allgemeine Berhältniffe. Der Herzog
von Kurland. Krankheit ber Kaiferinn Anna.
Seite
=
6
x Inhalt.
Unzufriedenheit. Verſchwoͤrungen und Strafe. Die
DoloorudY. . > 2 00
Vierter Abſchnitt.
Frankreich und Spanien. Krieg zwiſchen Spa⸗
nien und England. Kraͤnklichkeit der Königinn
von Spanien. Des Kardinal Fleury Anfichten.
Seine Kiagen über Spanien. Zrübfinn Philipps V.
Sein Plan abzubanten. Unzufriedenheit. Mißs
verhältniß Frankreichs zu England.
Fünfter Abſchnitt.
Preußen. Friedrichs II Anfprüche auf Juͤlich, Oft:
friesland und Mecklenburg. Verhältniß zu Frank⸗
reich und England. Neue Stellung Preußens. .
Sechster Abſchnitt.
Rußland. Tod der Kaiſerinn Anna. Iwan III.
KRecgentſchaft des Herzogs von Kurland. Thron⸗
anſpruͤche. Erbrecht. Einwirkung des hohen Adels
auf Annas letzte Beſchluͤſſe. Muͤnnich, Oſtermann,
Beſtuchcf. Unzufriedenheit bes Prinzen von Braun
ſchweig und feiner Gemahlinn ber Pringeffi nn Anna.
Meuterifche Reden ber Officiere. ‘Biron und ber
Prinz von Braunſchweig. Verhoͤr und Zurecht⸗
weifung des legten. Rechtfertigung und Kühnheit
Birons, Gein Charakter, Wolinskois —
rung. Die Prinzeſſinn Eliſabeth.
Seite
18
35
82
35
Inhalt. | x
Seite
Siebenter Abſchnitt.
Rußland. Tätigkeit des Negenten. Sturz bes
Regenten. Muͤnnichs Theilnahme und Lift. Anna
und Ulrih von Braunſchweig Regenten für ihren
Sohn Iwan IIII.. 52
Achter Abſchnitt.
Öfterreich. Pragmatiſche Sanktion. Tod Karls VI.
Maria Thereſia. Niedergefhlagenheit in Wien.
Hoffnung auf Preußen und England. Anſpruͤche
Baierns, Born darüber in Wien. Betrachtunges
weife in London, Petersburg, Paris und Dress
Benz u sn vn 66666666
Neunter Abfhnier
Preußen. Friedrichs If neue Plane und Befchtüffe.
Zeugniffe aus feinen Briefen. Schreiben des Groß⸗
herzogs Franz an den König, ımb deffen Antwort.
Seine Anerbietungen an Öfterreich. Beliebtheit der _
Maria Therefia. Klagen des engtifchen Gefandten -
über Friedrich II. Schreiben Friedrichs an den Kb
nig von England, und deſſen Antwort. Zweifel und
Erftaunen in Wien. Bedenkliche Nachrichten aus
Paris. Trieblisbende und Eriegerifche Parteien das
Telbitr 8. 20: ar er ee ren ie 70
| Zehnter Abfhnitt.
Friedrichs Kriegevorbereitungen. Ex und ber englie
She Gefanbte über bie pragmatiſche Sanftion und
u Snpalt.
Seite
das Gleichgewicht von Europa Über das Halten -
ber Verträge. Anfprüche Friedrichs auf Schlefien. ‚
Zorn und Klagen der Öfterreichifchen Patrioten.
Anerbietungen und Forderungen Friedrichs. Got:
ters Audienz beim Großherzoge. Antwort deſſel⸗
‚ben. "Verhandlungen in Berlin. Erzaͤhlung des
Großherzogs. Tchätigkeit un Vorftellun:
gen an Friedrich U. . .- wet Br
Eilfter Abſchnitt.
Über Öfterreiche Benehmen. Anfichten in Petersburg.
und Paris. Anfprüde Spaniens. auf. die dfterrels
chiſche Erbſchaft. Einbruch. der Preußen: in Schle⸗
fin. Neue Vorfchläge Friedrichs. Gotters Au:
dienz beim Großherzog. Berathungen und Ant:
worten ber Öfterreicher. Abbrechen der Unterhand⸗
lungen. Schreiben Friedrichs IL an ben König von -
“ England. Antwort. Zriebrih an ben Großherzog.
Bartenfteins Grundfäge. Englands Vermittelung,
zwifchen Öſterreich und Preußen. Friedrichs weis
tere Vorſchlaͤge. Friedrich an Lord Hyndford.
Schlacht bei Molwitz. Friedrid an. Podewils. 95
-
Zwölfter Abſchnitt.
Rußland. Die Regenfinn Anna, der Czar Iwan.
Winterfeld in Rußland. Muͤnnichs Macht, An:
maßung und Entlaffung. Beftuchefs falfche Ans
Hagen wider Biron. Schweden. Reichstag.
Parteien. Beſtechlichkeit; die Königinn, Krieg
' Inhalt. XIII
Seite
zwiſchen Schweden und Rußland. Frankreichs ver⸗
aͤnderte Erklaͤrungen uͤber die pragmatiſche Sank⸗
tion. Neue Plane Frankreichs und Spaniens. Ent⸗
wurf eines Vertrages zwiſchen beiden Maͤchten. Die
Koͤniginn. Noth und Unzufriedenheit in Spanien. 116
Dreizehnter Abfchnitt.
Verhandlungen des Lords Hyndford mit Friedrich II.
Gleichzeitige Verhandlungen Robinfons in Wien
über eine Ausföhnung mit Preußen. Abneigung
der Königian und des Großherzogs. Charakter _
Maria Therefias. Schreien in Wien über den
Vertrag Preußens mit Frankreich. Pariſer Bee
fchlüffe. Öfterreichifche Vorfchläge über Abtretuns
‚gen in den Niederlanden an Preußen, abgelehnt
von Friedrich. Robinſon und Hyndford im Lager
bei Friedrich IL Mißtungene Unterhandfungen . 120
Vierzehnter Abſchnitt.
“ Hfterreich bietet Niederſchleſien. Anmarfch der Fran⸗
zofen. Friedrich II an Hyndford. Verhandlungen
über einen Waffenftillftand. Zuſammenkunft in.
Schnellendorf. Abſchluß. Geforbertes Geheimniß.
Belanntwerbung. Fortfegung des Krieges. Hynd⸗
fords Klagen über Friedrich U. Neue Berathune.
gen und Verhandlungen. . « 2148
Funfzehnter Abſchnitt.
Neue Klagen Hyndfords uͤber Friedrich. Engliſche
Vermittelung. Sieg bei Czaslau. Friede von
xIV Inhalt.
| | — Seite
Breslau und Berlin. Klagen der Maria Thereſia.
Schrecken in Paris. Friedrichs ———— ei⸗
nes Benehmens. 156.
Sechzehnter a
Rupland. Franzöfifche und ſchwediſche Umtriebe.
Dftermanns Natur. Beforgniffe vor Eliſabeths
Planen. Falfche Zuverfiht. Leſtocq. Chetarbie.
Intriguen. Das Fräulein Julia Mengden. Cha⸗
rafter des Regenten unb feiner Gemahlinn. ns
einigkeit derſelben. Eliſabeths Perſoͤnlichkeit und
Vergnuͤgungsſucht. Sinnesart der alten Ruſſen.
Geburtstag Iwans III. Der Anführer der doni⸗
ſchen Kofacten. Geburtstag Elifabeths. Geſchenke
an dieſelbe Der perfifche Gefandte. Sturz des
Regenten und Iwans III. Elifabeth Kaiferinn.
Berhaftungen, Strafen. Erhebung Leflocgs. Eine
fluß und Benehmen Chetardies. Belohnung und
‚Anmaßung ber Leibwaͤchter. Prozeß gegen Oſter⸗
mann, Münnid u. |. w. Graufamkeit und Un«
gerechtigkeit des Berfahrene. Theilnahme unb
Rachſucht der Kaiferinn. Verurtheilung der. An«
geflagten. Benehmen Oftermannd und Münnide.
Ankunft des Herzogs von Holftein. Laufe befiee
ben. Ernennung zum Thronfolger. Hofkabalen.
Sitten Eliſabeths. PVernachläffigung der Regie⸗
zung. Beforgniffe für die uufmf. . - . 18
Siebzehnter Abſchnitt.
Friedrich IT und Lord Hyndford über die Lage ber.
eöffntlichen Angelegenheiten. Hyndfords Vorurtheile.
I»
Inhalt.
&
Friedrichs Sparfamkeit. Das Heer, das Werbe⸗
foftem. Friedrich II, und Kari VII. Friedrich und
Öfterreich. Hyndford gegen Friedrich. Des Kb
nigs Spott, Ihätigkeit, en ——
vorbereitungen.
Achtzehnter Abſchnitt.
Zweiter ſchleſiſcher Krieg. Frankreich und Spanien.
Beiſchlaͤferinnen Ludwigs XV, Skandale. Tod
Fleurys. Charakter der Franzoſen. Schweden.
Rußland. Peter III und Katharina. Intriguen
in Petersburg. Plan, Preußen an Polen zu geben.
Traͤgheit Eliſabeths. Beſtechlichkeit ber Ruſſen.
Geldnoth in Petersburg. Eliſabeth uͤber Fried⸗
rich IL Die Fuͤrſtinn von Zerbſt. —
Schmeicheleien gegen bie Kaiferinn. .
Neunzehnter Abfqnitt.
Maria Thereſia. Friedrich II Verhaͤltniß zu Öfters
reih. "Krieg Frankreichs und Englands. Maria
Thereſias Klagen über England und Preußen.
Verhandlungen mit Baiern. Zweiter fchlefifcher
Krieg. Tod Karls VII. Friedrichs IL Schreiben
über bie zu treffenden Maaßregeln. Ausföhnung
Ofterreiche und Baierns. Englands Vermittelung
zwifchen Preußen und Öfterreich. Sieg bei Ho—
henfriebberg. Maria Thereſia für Fortfegung bes
Krieges. Friedrichs Schreiben an feinen Geſand⸗
ten Anbrie. Vertrag von Hannover. Neue Um
181
195
x 9. | Ind alt.
j Seite
— in Wien. Schlachten bei Sorr und
Keſſelsdorf. Dresdener Friede. tn 205
Zwanzigſter Abfhnite
Mißvergnuͤgen Maria Thereſias uͤber England. Fried⸗
rich IE und’ Frankreich. Seine Verhandlungen
mit England. Streit uͤber den Barrierevertrag.
Newcaſtle über Preußen and Üfterreich. Legges
, Unterhandlungen mit Friedrich. Friede von Aachen.
„Newcaftles Rechtfertigung der englifhen Staats⸗
Zunft. Juden und Proteftanten in, Öfterreich. Fried⸗
richs IT Lebensweiſe und nr a
Die Barbarini. . . er 225
Einundzwanzigfter Abſchnitt.
unruhen in Holland. Aufſtaͤnde in Groͤningen, in
Friesland, Leyden, dem Haag, Amſterdam, Harlem.
Oligarchie, Poͤbel, fhlechter Finanzhaushale . 240
Zweiundzwanzigſter Abſchnitt.
Über den Aachener Frieden. Verhaͤltniß der europaͤi⸗
fhen Mächte. England, Frankreich, Preußen,
Öfterreich. Streit in Amerika. Erklärungen Enge
lands und ſterreichs über und wider Brieduich II.
Lord Marfhall. Englifche Handelsgefege. Schles
ſiſche Schulden. Barrieretractat. Öfterreich und
Spanien. Kaunis. Stimmung in Paris. Frank⸗
veich vertheidigt Friedrich II. Roͤmiſche Koͤnigs⸗
. wahl... Pfälzer Streitigkeiten. Mißverftänbniffe-
Inhatt. XVII
zwiſchen England und Öfterreich, und zwiſchen Eng⸗
land und Preußen. Yeinbfeligleit Englands unb
Öfterreich8 wider Preußen. Europdifche Politik... 257
Dreiundzwanzigfter Abſchnitt.
Stellung der Mächte. Verhäftniffe zu Rußland. Miß⸗
verftändniffe zwifchen England und Öfterreich. Bers
ſchiedenheit ihrer legten Plane. Englifche Unter⸗
handlungen in Peteröbung: Dix Hof, Günftlinge,
Fefte, Ausfchweifungen, Gelbnoth. Schlechter Ger
ſchaͤftsgang. Wachfende Streitigkeiten über Ame⸗
rika. Engliſche und Öfterreichifche Politik. Erklaͤ⸗
- rungen des Grafen Kaunig. Wirkfamkeit gegen
Preußen. Beſtuchef, Worongow, Intriguen in
Rußland. Abneigung der Kaiferinn Eliſabeth ge⸗
gen Frankreich und. Preußen. Beſtechlichkeit und
Geldnoth in Petersburg. Vertrag zwiſchen Ruß⸗
land und England. Katharina, Peter. -. . .: 25
Vierundzwanzigſter Abſchnitt.
Lage der. europaͤiſchen Angelegenheiten, Friedrich IH,
vereinzelt. Trennung zwiſchen der engliſchen und
oͤſterreichiſchen Politik. Holderneß neue Erklaͤrun⸗
gen und Anweiſungen. Annaͤherungen Englands
und Preußens. Fehler Englands. Vertrag zwi⸗
ſchen England und Preußen. Unzufriedenheit dar⸗
über in Petersburg und Wien. Neue Forderungen
Rußlands, abgelehnt von England. Intriguen in
Petersburg. Elifabeth wider Friedrich II. Krieges
vorbereitungen in Öfterreih, Annäherungen an
XV Indhalt.
| · Seite
Frankreich, Vertrag mit Frankreich; vergebliche
Gegenbemuͤhungen Sardiniens und Englands. Thaͤ⸗
tigkeit der Großfuͤrſtinn Katharina. Kriegserflä
rungen zwifchen England und Sranfreeid. . . 297
Sünfundzwanzigfier Abſchnitt.
Landkrieg und Seekrieg. Politik Preußens und Öfters
reiche. Öfterreich über Englands. Verbindung mit
Preußen. Keith und Gaunig. Graf Sollorebo.
Antwort des wiener Hofes. Keiths Audienz bei
Maria Therefia. Ihr Verhältni zu Frankreich.
Die beiden Ktagen Keiths uͤber Kau⸗
nitz. Re ep CE
Schsundzwanzigfter Abſchnitt.
Mitchells Audienz bei Friedrich II. Der König über.
die Rufen. Die Kurfürften von Pfalz und Köln.
Der amerikanifche Krieg. Der Herzog von Ni
vernois. Ruͤſtungen Rußlands. Eliſabeths Feinds
ſchaft wider Friedrich. Deſſen Anſichten uͤber die
Lage Europas. über die Vertraͤge Englands mit
Preußen und Frankreichs mit ſterreich. Eng⸗
lands Vertrag mit Rußland. Neue Schwierigkei⸗
ten. Friedrichs Beforgniffe. Beſtuchef, Schuwa⸗
low: Katharina und Williams. Woronzow. Be⸗
ſtechlichkeit der ruffiihen Miniſfter.334
Siebenundzwanzigſter Abſchnitt.
Stand der Parteien in Schweden. Reichstag. Lage
des Könige. Verſchwoͤrung yon Horn und Brahe.
Snhalt.
Lage und Behandlung ber — Folgen der
Verfaſſung. Sinken Schwedens.
Achtundzwanzigſter Abſchnitt.
Holderneß über die Lage Europas. Kriegsrüftungen
in Öfterreich. Friedliche Stimmung Friedrichs I.
Frankreichs Benehmen. Friedrichs fleigende Bes
forgniffe. Rußlands Verftändniffe mit‘ ſterreich
Frage Über Krieg ober Frieden. Gnglands WBar«
nungen. Friedrichs Anfragen in Wien. Öfterreiche
ungenuͤgende Antworten. Friedrichs Schreiben an
Klinggräf. Stellung und .n Englande, Be⸗
richte aus Rußland. ns Fer a
Neunundzwanzigfier Abſchnitt.
Friedrichs II Brief an Mitchell über. die Rothwendig⸗
keit des Zuvorkommens. Holderneß über die feind«
lichen Abfichten des mwiener Hofes. Beſchluß Fried⸗
richs den Krieg zu beginnen. Ausmarſch der
Preußen. .
Dreißigſter Abichnitt.
Gruͤnde des Krieges Sachſens Stellung und Klage.
Friedrich IT an König Auguſt von Polen. Berichte
aus Rußland. Verhandlungen mit Beftuchef. Ber
ſtechungen. Apraxin. Katharina. Leidenfchaft Elis
ſabeths. Schweden gegen Preußen. Holderneß ge⸗
gen den wiener Hof. Schlacht bei Eowoftg. Iwan
XIX
Setie
850
360.
3793
IH. Die Polen. Die Pompabour. Ihre Beinde - .
“X - Inhalt.
8
ſchaft gegen Friedrich. Rußlands fruͤhere Plane
gegen Preußen. Peter II und Katharina an Wil⸗
liams. Parteien in Rußland. . . »
Einundbreifigfler Abſchnitt.
Friedrichs uͤble Lage. Briefe an Mitchell. Klagen
über die engliſchen Parteien. Thaͤtigkeit Friedrichs.
unthaͤtigkeit Englands. Heer. in Riederſachſen.
Ferdinand von Braunfchweig. Der Prinz von.
Preußen. Weitere‘ Briefe Friedrichs II an Mits:
chell. —— in ie le
Uprarin -- - .t .
Zweiunddreißigſter —
Die Preußen und Öfterreicher in Sachſen. Pitt über
Friedrich I. Studium Friedrichs. Schlacht bei
Prag. Schlacht bei Kollin. Friedrichs Erzaͤhlun⸗
gen über biefelbe. Neue zn deffelben..:
Verhältniß. zu England. . . u
Dreiunddreißigſter Abſchnitt.
Tod der Mutter Friedrichs II. Deſſen Bericht uͤber
ſeine Jugend und ſeine Familienverhaͤltniſſe.
Vierunddreißigſter Abſchnitt.
Friedrich über die Lage Europas. und Englands un⸗
thätigkeit. Beiftimmen Mitchelld.. Ungluͤck des Koͤ⸗
nigs. Sein Brief an Mitchell über die Kriegfuͤh⸗
©eite
394
421
432
zung :in Nieberfachfen. Mitchell an Holberneß. für .
Inhalt. xx
_ Geite
Friedrich. Benehmen der Franzoſen. Neutralität
Hannovers. Sieg bei Roßbach. Holderneß über
die Parteien in England. Berföhnung Newcaſtles
und Pitts. Berboppelte Thaͤtigkeit Englands.
Sieg bei Leuthen. Krieg gegen die Schweden. 486
Fünfunddreißigſter Abſchnitt.
Peters III und Katharinas Briefe an Williams.
Schlechtigkeit der ruſſiſchen Regierung. Englands
Forderungen an Friedrich. Seine Gegenerklaͤrung.
Beſtuchefs Sturz. Woronzows Benehmen. Katha⸗
rina und die Schuwalows. Katharina und Eli⸗
ſabeth in Streit. - Katharina will fi von Peter
trennen und. Rußland verlaffen. Franzoͤſiſche In⸗
triguen. Eliſabeths Haß gegen Fried. . . 450
Sechs unddreißigſter Abſchnitt.
Klagen uͤber England. Abberufung Mitchells. Krieg
in Niederſachſen. Schlacht bei Zorndorf. Bench
men ber Ruffen unb Öfterreicher. Friedrich an die ı
Markgraͤfinn von Batreuth und an d'Argens. Felde
zug von 1759: Freibataillone. Verhältniffe Ruß:
lands und Öfterreichs. Peter, Elifabeth, Guͤnſt⸗
linge. Anſichten Frankreichs. Lubwig XV, bie
‚Yompabour. Friedensunterhandlungen. Üble Lage
Sriedriche IT. Friedrich an den König von England.
Forderungen Englands. Ferdinand von Braun
ſchweig. Voltaire. Schlacht bei Liegnitz. Friedrich
uͤber Vorſehung und Zufall. Friebriche Muth. . 460
XI Snpalt.
Siebenundbdreißigfter Abſchnitt.
Lange Dauer des Krieges. Friedensunterhandiungen.
Choiſeul. Muth der Maria Thereſia. Choiſeul,
die Pompabour, Ludwig KV. Krieg. zwiſchen Spar
nien und England. Tod Georgs II. Ruffen in Schle
fien. Einnahme von Schweibnig. Friedrichs üble
Lage. Todesbetrachtungen. Gelbfimords . . -
Achtunddreißig ſter Abſchnitt.
Tod der Kaiſerinn Eliſabeth. Peter III und Katha⸗
rina. Regierungsmaaßregeln, Geſchaͤftagang. Eli⸗
fabeth. Worongow. Leſtocq. Lord Bute. Englands
veränderte Politi Friedrich IT an Georg IL.
riedrich und Peter III. Friedrichs Hoffnungen.
Neununddreißigfter Abſchnitt.
Rußland und Öfterreich. Peters Verehrung für Friede
rih U. Iwan III. umwuͤrdige Günftlinge. Pe-
terd Sturz und Tod. Katharina und Maris Stu:
art. Unzufriedenheit in Rußland. Hoffeſte. ‚Regie:
rungskunſt Katharinas.
Vierzigſter Abſchnitt.
Friedensunterhandlungen zwiſchen England und Franke
reich. Friede von Paris und Hubertsburg. Fried⸗
richs weitere Regierung im Frieden. Klagen
uͤber ihn; Muͤnze; Regie. Miniſter. Sparſamkeit.
Verhandlungen mit England. Abſchied Mitchells.
Rechtfertigung Friedrichs. Friedrichs religiöfe An⸗
Seite
479
#1
507
Inhalt. XXI
Seite
ſichten. Urtheile über Diderot und Helvetius. Ver⸗
bindung mit Rublan. . 2 2 288
Einundvierzigſter Abſchnitt.
Katharinas Regierung. Orlow, die Fuͤrſtinn Daſch⸗
kow. Panin, Gallitzin. Polen. fterreichs Stel
lung. Koͤnig Stanislaus. Plan Polen zu theilen.
Reichstage, Confoͤderationen. Noth und Elend.
Bevorſtehende umwaͤlzungen. Ermordung Iwans
I. Mirowiizzzz. 32
N
Anhang.
Rußland von 1704 bis 1740.
Whitworths Reiſe nach Rußland. Breslau, Wilna.
Das ruſſiſche Heer. Kriegsleiden. Oginski. Cha⸗
rakter der Polen. Parteien. Ankunft in Moskau.
Ruſſiſche Kriegsmacht. Koſacken. Peter J. Die
Flotte. Landestracht. Mentſchikof. Karl XII.
Koͤnig Auguſt. Polen. Friedensplane. Altruſſiſche
Partei. Aufſtand in Aſtrakan. Baͤrte. Kleiderord⸗
nung. Aufruhr der Baſchkiren. Beſteuerung der
Augen. Karls XII Zug nach Rußland. Das [we
difche und ruſſiſche Heer. Scheremetef. Mentſchi⸗
kof. Niederlage Löwenhaupts. Abfall Mageppas.
Schlacht bei Pultawa. Benehmen Peters. Tür
kenkrieg. Unterfuchungen wider ungetreue Beamte.
Mentichilof. Aprarin. Tod Peters J. Katharina I.
Peter II. Die Prinzeffinn Natalia. Sturz Mens
tſchikofs. Prinzeffinn Elifabeth. Dolgorudy. Graf
Dftermann. Zod Peters II. Kaiferinn Anna. Plan
—4
xxiv | Inhalt |
| F Seite
einer veränderten Regierungsform. Ankunft der j
Kaiferinn. Annahme und Umſturz der neuen Ver:
faſſung. Golowkin, Oftermann, Jaguſchinsky.
uUnumſchraͤnktheit der Kaiſerinn. Die Prinzeffinn
Elifabeth. Leflorg. Biron. Pracht, Armuth, In: -
teiguen, Beftechungen, Liederlichkeit. Birons Ein-
fluß und Plane. Die Prinzeffinn Anna. Anton
Ulrih von Braunfchweig. nn Die Dr
zoger Kofadn. . “ 574
Geſchlechtstafel der Falter und Kai:
ferinnen von Rußland.. 615
Eriter Abſchnitt.
Seit dem Anfange bes Jahres 1740 tie fich mit
Gewißheit der baldige Tod Friedrich Wilhelms I
vorausfehen. Auch enthalten die Berichte des engli=
fhen Gefandten in Berlin, Guy Didens, faft nur
Nachrichten über des Königs Gefundheit. So fchreibt
ee den dten Januar 1740'): Es giebt von’ hier nichts
Neues zu: berichten. Der König iſt unwohl umd
bleibt in feinem Zimmer. Dan fagt: er fey von fo
fchredtich böfer Laune, daß ihm niemand nahe tom:
men bürfe ohne: fehr übel behandelt zu merben.
Den 12ten Ianuar meldet Dickens, daß Gefund:
heit und Laume fich gebefjert haben; allein eilf Tage
fpäter heißt e8 wiederum: Die Übel wachſen, und ge:
hen gutentheils aus den lebhaften Gemüthsbewegun-
1) Britifches Reichsarchiv: Preußen Band 50.
II. . 1
2 Erſter Abſchnitt. 1740.
gen hervor, in welche ber König geräth, fo oft die
Dinge nicht nad) feinem Sinn geben.
Den 9Iten Februar, fährt der Gefandte fort:
der König ift ſehr krank, doch fah er aus dem $en-
fer einer Schlittenmasteradbe zu. Das linke Bein
ift ungeheuer gefchwollen und die Bruft beengt. Ei-
nige meinen: er ftelle fih nur fo [hlimm an, um
das Benehmen bes Kromptinzen und derer zu beob⸗
achten , die eine Veränderung wünfchen.
Der König, heißt es den 12ten März, ift unge
Heuer gefchwollen und die Xrzte haben erklärt: es Ten
auf Feine Herftelung zu redmen. — Der Kronprinz
Ind einige Officiere ohne des Königs Erlaubnig nad)
feinem Landhaufe '), und begünftige gegen deſſen
deſſen Willen die Getreideeinfuhrt aus Medienburg.
Dies ift ein Zeichen, daB er die Herftellung feines
Vaters für unmöglich hält. Die Ärzte laſſen diefen
tun, was er will.
Den Aten Junius fhreibt Guy Didens: Am
Ziften Mai farb der König. Den Officieren fagte
ber neue König: er fey ihr Kamerab geweſen und
wiffe, wie fehr fein Vater ihrem Fleiße und ihrer
Anftvengung die gute Drdnung zu danken habe, in
welcher das Heer ſich befinde. Er zweifele nit, fie
würden in feinem Dienfte den nämlichen Eifer zeigen,
1) Bericht vom 17ten Mai.
%
1740. Zod Friedr. Wilh. J. Friebr. Natur. 8
nachdem die Vorfehung ihn auf den Thron berufen;
ja fie würden (menn es möglich fey) diefen Eifer noch
verſtaͤrken. Insbeſondere möchten ſich die hohen Offi⸗
ciere gegen die niedern nicht rauh benehmen, auch
nicht erlauben, daß die Soldaten unvernuͤnftig behan⸗
delt wuͤrden. — Ähnliche Anreden und Dankſagungen
hielt Sriedrich den Miniſtern. Insbeſondere wolle er
ihmen vor der Hand zwei Dinge empfehlen: Erſtens,
ſie ſollen niemals einen Unterſchied machen zwiſchen
feinem Intereſſe und dem feiner Unterthanen. Zwei⸗
tens: in allen ihren Berichten getreu feyn und bie
Dinge fo darſtellen, wie fie in Wayrheit wären...
Er befahl ferner aus ben koͤniglichen Vorraths⸗
bäufern Getreide zu billigen Preifen zu verkaufen,
und den Verkehr mit dem Nachbarſtaaten (da wo er
geftört war) wieder herzuſtellen.
Obgleich der Tod eines Könige von Preußen ſchon
im Jahr 1740 kein ganz unbedeutendes Ereigniß
war, ahndete doch niemand damals die wichtigen
Folgen deſſelben. Sie gingen hervor theils aus der
Perſoͤnlichkeit des Koͤnigs, theils aus den allgemeinen
Verhältniffen Europas. Faſſen wir zuerft jene ins
Auge. Strenge Erziehung, pedantifcher Unterricht und
harte Schickſale hatten dem Charakter Friedrichs I
eine frühe Zeftigkeit und Reife gegeben, gleichzeitig
aber auch einen fcharfen Widerfpruch gegen vieles da⸗
mals SHergebrachte und hoch Verehrte hervorgetrieben,
1*
4 Erſter Abſchnitt. 1240
und ihn der neufranzöfifhen Bildung zugewandt.
Aus diefee Doppeltichtung gehen mancherlei entgegen-
gefegte Erfcheinungen hervor: Tiefſinn und Leichtfinn
dee Beobachtung und bes Urtheils, edle Entſchluüͤſſe
und verlegender Win, Härte und Eleganz des‘ Be-
nehbmens u. f. w. Daß aber ber Kern feines We:
fens gefund war und ‚großartig, ergiebt fich fuͤr den
forgfältigen Beobachter fhon aus fehr frühen Hufe:
rungen; obwol er nicht jedem fein Herz öffnete umb
hie vergaß zu wem und für welchen Zweck er ſprach
und fchrieb. Neben. aller Bewunderung Woltalres
z. B. wußte Friedrich ſchon im Jahre 1740 die
Schattenſeite feines Charakters richtig zu würdigen ').
Beſſer als Staatsfchriften und öffentliche Erklaͤ⸗
rungen, zeigen vertrauliche Äußerungen was und wie
er fühlte und dachte, und aus diefen Gefühlen und
Gedanken, wuchſen feine Befchlüffe und Thaten nicht
minder hervor, als aus ben Äußeren Veranlaſſungen
und Ereigniſſen.
Die toͤdtliche Krankheit und: die Leiden feines
Vaters machten auf ihn einen tiefen Eindrud. Des:
halb fchreibe er den 26ſten Februar 1740 an Vol:
taire?):
1) Oeuvr. posthumes VIII, 149, 158.
2) Oeuv. posth. IX, 9.
170, -, Sriedrig II. 5
— Je sons en moi la voix de la nature
Plus &loquente encore que mon ambition,
Et dans le triste cour de mon affliction
De mon pere expirant je crois voir l’ombre obscure,
Je ne vois que sa sepulture,
Et le funeste instant de sa destruction.
Oui, j’apprends en devenant maitre
La fragilit& de mon £tre;
Recevant les grandeurs, j’en vois la vanite.
Ernfte Betrachtungen folcher Art ließen ben Kö:
nig jedoch in keiner Weife ermatten; vielmehr ſtellten
fie die Größe feiner Pflichten in neues und verbops
peltes Licht, weshalb er an Voltaire fchreibt‘): Nach
dem Tode meines Vaters gehöre ich ganz meinem
Baterlande; und in, diefem Sinne habe ih aus allen
Kräften gearbeitet, die zum allgemeinen Beften erforder:
lichen Maaßregeln fo’ raſch als möglich zu ergreifen.
Daß aber Friedrich das allgemeine Beſte nicht
blos in ſtillem, friedlichem Fortwirken fah, daß er
mit einem gefüllten Schage und einem fchlagfertigen
Heere etwas Kühnered unternehmen, Macht und Ruhm
erwerben und Gelegenheiten hiezu nicht blos henugen,
fondern auffuchen wollte; — dafür find mehr und -
[hlagendere Beweife zur Hand, als fich hier mittheilen
laffen.
1) Den 27ften Zunius 1740. Oeuvr. posth. IX, 112.
6 Zweiter Abfhnitt. 1749.
Eben fo leicht wäre es, bie taufendmal wieder:
holten allgemeinen Gruͤnde gegen Anfichten und
Plane folher Art, an biefer Stelle aufzuzählen.
- Statt deffen will ich den Raum für bie Entwides
lung ber befonderen Gründe und Verhältuiffe ‚auf
fparen, aus welchen Beſchluͤſſe und Thaten hervor:
wuchſen. Bon entfcheidender Wichtigkeit war ber
Zod ber Kaiferinn Anna von Rußland, noch weit
mehr aber der Tod Kaifer Karls VI. Ehe jedoch
bievon bie Rede ſeyn kann, muß ich (wie es bie
Zeitfolge und die Überficht der gefammten Verhaͤlt⸗
niſſe Europas verlangt) einige geſandtſchaftliche Be:
richte aus Stodholm, Petersburg und Paris mits
theilen.
Zweiter Abſchnitt.
Karls XII unverſtaͤndige Kriegsluſt, hatte nicht
blos Schwedens Bedeutung in den europaͤiſchen Staats⸗
verhaͤltniſſen faſt vernichtet; ſondern auch Veranlaſ⸗
ſung gegeben, daß im Innern die Parteien einander
immer ſchroffer gegenüber traten, und den fremden
Mächten immer größere Einwirkung verftatteten. über
diefe zugleich unglüdtihen und verbammilichen Ber:
17406, Schweden. Berpättuiß zu Rußland. 7
haͤltniſſe, gaben nachftehende Berichte des engliſchen
Geſandten Burnaby nur zu viele Auskunft. Er ſchreibt
den Aten Januar 1740 aus Stedholm'):
Einige teitende Häupter tragen ein Bedenken ſich
ſchon vor Eröffnung des Reichstags für einen Krieg
gegen Rußland zu erklären, und viele Officiere, welche
zum vorigen Reichstage gehörten, theilen diefelbe Ans
fiht. Andere, welche weniger heftig find und mehr
nachdenken, fehen, welchen Gefahren ihe Vaterland
hieducch ausgeſetzt würde, und möchten gern ihre An«
fihten zuruͤcknehmen, wenn bies nur anginge ohne
ihren Einfluß bei ihrer eigenen Partei zu vermindern.
Weit died aber ungemein fchwierig iſt, fo erklären
fih auch diefe für einen Angriffskrieg, voiffen jedoch)
feinen, andern Grund anzugeben, als das alte Sprich
wort: le vin est tire, il faut le boire.
Eine dritte Klaffe von Leuten widerfpricht unbe⸗
binge jebem Angriffe, erkläre ſich indeffen bereit für
jede Maaßregel mitzuwirken, welche bezweckt, das
Reich in Vertheidigungsſtand zu fegen. Dies fey
nöthig in Betracht ber Aufreizungen, welche bie
Gzarinn erfahren habe.
Eine vierte Partei möchte. gern einen Geleg ver⸗
meiden und Alles mit Rußland vergleichen, weil ſie
1) Reichsarchiv, Schweden, Band 77.
8 3weiter Abſchnitt. 120.
ihre eigene Schwaͤche fuͤhlen und auf wenig Beiſtand
von Frankreich rechnen dürfen. Allein dieſe Partel
erfcheine nicht fo zahlreich, als fie. wirklich iſt: Er⸗
ſtens, weil es in diefem Lande als fefter Grundſatz
gilt daß, was gefchehen fey, wiederum: gefchehen koͤnne,
daß folglich 8000 Schweden, nochmals 80,000 Mos⸗
kowiter fchlagen Eönnten. Kein Schwede, der fich
nicht gewiffermaßen felbft für einen. Zeigen erklären
will, wagt Öffentlich einzugeftehen, daß er anders denkt.
Zweitens, befinden fih unter biefer Partei
manche Perfonen von Anfehen und Gewicht, welche
die offenbare Gefahr erkennen, jedoch bereit find ihr
eine Weile entgegen zu treten, in ber Hoffnung bie
jegige Verwaltung in Verlegenheit zu bringen, und
fie durch die Unfälle verhaßt zu machen, welche uns
fehlbar aus dem auf ihr Anftiften übermüthig begon⸗
nenen Kriege hervorgehen muͤſſen.
Dieſe Aufzaͤhlung der verſchiedenen Denkungsart aller
Parteien iſt nichts weniger als erfunden; und da
nun ſo Viele aus verſchiedenen Gruͤnden ſich fuͤr
einen Krieg, und ſo Wenige offen dagegen erklaͤren,
ſo werden ſie (wenn die Vorſehung nicht dazwiſchen
tritt) vor Eintritt des Junius einen Reichstag, und
einen Krieg mit den Moskomiten haben. Für biefen
werben Vorbereitungen getroffen, fo groß und zugleich
fo geheim , als es die Verhaͤltniſſe irgend erlauben.
Die Ruffen: (fährt der. Gefandte den erften Ze:
n
1740. Schweden und Rußland. 9
bruar fort) fangen an, in einem höheren Zone mit‘
den Schmeben zu fprehen. Graf Oftermann fagte
dem ſchwediſchen Sefandten in Petersburg : die Szarinn
tönne nicht länger ihre Empfindlichleit über die Art
und Weiſe verbergen, wie fie von Stodholm aus
behandelt werde: Und zwar nicht allein durch das
Überfenden vieler Mannfchaft nach Finnland, zu einer
Beit wo fie in Frieden mit Schweden und im
Kriege mit den Türken tebe, fondern auch weil ber
ftodholmer Hof Bevollmaͤchtigte nach Conftantinopel
ſchicke um bie Vollziehung des -bereitd abgefchloffenen
Friedens zu. hintertreiben.
Das fchwedifche Kriegsmefen (Bericht vom 26iten
Februar) iſt ungenügend und unvolllommen. Solda⸗
ten und Matrofen find beidlebig (Amphibien) bis fie
an den Det ihrer Beflimmung kommen. Hier erft
entſcheidet fih, ob fie zu Lande oder zu Waſſer ſollen
gebraucht werden. Weil man fie ferner jährlich nur
einmal muftert, und fie im Frieden lediglich mit der
Bebauung des ihnen angewiefenen Landes: befchäftigt;
fo werden fie oft in einer Zeit zum Kriege aufgerufen,
wo ihnen (Muth ausgenommen) alles zum Dienft
Erforderliche mangelt. |
- Während bie Franzofen in Unterhandlungen und
Sefdbewitfigungen für ihre Zwecke thätig waren, be
fhlofjen England und Rußland, wo möglich das jetzige
1 .%
30 Bweiter Ab ſchaitt. 1240.
ſchwediſche Miniſterium auf dem nächften Reichstage
zu ſtuͤrzen ').
Am Iten Mai berichtet Burnaby: : noch
nicht völlig entſchieden, ob der Reichstag zuſammen⸗
tritt. Im bejahenden Fall ſind 6000 Pfund und
druͤber noͤthig, um auf den Wahltagen die Ernennung
der beſtgeſinnten Geiſtlichen und Bürger darchzutrei⸗
ben. Eben ſo noͤthig iſt es, die Haͤupter gewiſſer
adeligen Familien in Bewegung zu ſetzen, welche zwar
wohl geſinnt, aber außer Stande ſind auf eigene
Koſten dem Neichstage beizuwohnen. Sonſt ertheilen
ſie Vollmachten an Verwandte, welche ſich etwa zu⸗
faͤllig in der Stadt befinden und nicht ſelten nah
eigenem Belieben abftimmen, oder in Widerſpruch mit
ber Neigung jener erſten Berechtigten. So blieben,
während des vorigen Reichstages einige gewmaͤßigte
Samilienhäupter auf dem Lande (aus Armuth ober
Nachläffigkeit) und beauftengten ihre Söhne (junge
higköpfige Dfficiere) welche an ee und Stelle lebten,
fuͤr ſie abzuſtimmen.
Herr Beſtucheff erklaͤrt: er Ai bereits bevoßimäche
tigt die Hälfte jener 6000 Pfund auszuzahlen, welche
Summe hinreichen dürfte die Wahl eines geeigneten
Marſchalls, und einer Zahl von Freunden im gehei-
men Ausſchuſſe durchzuſetzen: ſollen aber außerdem
1) Harrington an Burnaby, den 15ten Kebruar.
1740, Schwediſche Verhaͤltnifſe. 17
andere Punkte gewonnen werden, ſo werden weitere
Geldſendungen noͤthig ſeyn.
Es waͤre ein Gluͤck fuͤr Schweden, wenn die
Czarinn ſich durch Preisgebung (sacriſice) einiger
Perſonen beruhigen wollte. Herr Beſtucheff verfichert,
daß wenn dies nicht durchgehe, ſo werde ſeine Gebie⸗
terinn fuͤr den erlittenen Schimpf die gtoͤßte Rache
nehmen. |
Das ſchwediſche Miniſterium fieht aber bie Ge
fahr nid ein‘). So jagte mir Graf Spare: Woht,
mein Herr, Ihre Frennde die Moskowiter gehen
. tapfer vorwärts, Verlaſſen Sie fid) jebech nicht zu
viel auf unfere Zwiſtigkeiten, denn es fleht in umferer
Gewalt und mit der Czarinn in jedem Augenblid zu -
vergleichen, wo wir es gelegen finden. — Ich ant⸗
mwortete: als ein Freund Schwedens wünfche ich, daß
Ihre Excellenz biefe Gelegenheit ergreifen — Biel:
leicht, fuhr jener fort, thun wir es, vielleicht nicht;
das hängt von uns ab?).
Man follte glauben daß dein fo wäre: denn, ab:
gefehen davon, daß fie 14000 Knappſaͤcke, einige
Harnifhe und Zelte gekauft haben, finde ich nicht, .
daß fie vorbereiteter find einen Angriff auszuhalten,
denn vor vier Wochen. - Einige Geiſtliche in der Stadt
1) Bericht vom 20ften Mat.
2) That depends upon us.
12 Zweiter Abfhnitt. 170.
und auf dem Lande, . haben bereits wider eine Ver
bindung ‘mit den Türken .gepredigt. . Einer von ben
Hofkaplänen nahm fich in Gegenwart" des Königs
und ber Königinn dieſelbe Freiheit"), und Bifchof
Berzelius hörte zu feiner Kraͤnkung, diefelbe Lehre in
feiner eigenen Gemeine, von einem feiner eigenen Ka⸗
pläne aufftellen.
Den 17ten Sunius wies die englifche Regierung
zu obigen. Ausgaben 4000 Pfund an?), und beffelben
Tages berichtet Burnaby : der franzöfffche Gefandte
hat dem Könige von Schweden angezeigt: Ludwig. XV
wolle den beiden Söhnen, welche jener. von Fräulein
Taube habe, Regimenter und Befigungen im Eifaß
geben. — König. Friedrich) antwortete jedoch: Feine
perſoͤnliche Ruͤckſicht koͤnne Einfluß auf feine öffentli:
hen Belchlüffe haben. e
Wenn wir (fchreibt Burnaby ben erften Auguft ?)
fo gluͤcklich ſind die Mehrheit der Stimmen bei der
Wahl eines Marſchalls, und des geheimen Ausſchuſ⸗
ſes auf unſere Seite zu bringen; fo wird es nad
1) Friedrich, Sohn des Landgrafen von Heſſenkaſſel,
"ward König den 2ten April 1720, und hatte ben Aten
April 1715 Ulrike Eleonore geheirathet, die Schwefter
Karls XL.
2) Harrington an Burnaby.,
3) Reichsarchiv, Band 78.
1740. Schwedifher Reichstag. 13
meiner Meinung von dem Könige von England und
der Czarinn abhangen, für eine Kleinigkeit von Aus:
gabe (a trifie of expenee) den kuͤnftigen Beherrfcher
dieſes Reiche nad) Belieben zu emennen. Daffelbe
beabfichtigen die Franzoſen im Fall ihre Partei obfiegt.
Bald darauf ward ber Reichetag zum Aten De
cember 1740 einberufen und am 29ften Auguſt
Schreibt Burnaby in diefer Beziehung: meine Tafel
ift nicht weniger beſucht, als bie irgend eines der
fremden Geſandten, welche außerordentliche Verguͤtun⸗
gen bekommen. Die ſteigende Zahl von Gaͤſten
weiche, (damit fie feſt bleiben) während des Reichs⸗
tag. genährt und gefchmeichelt (fed and caressed)
werden müflen, erhöht meine Ausgaben weit über das, -
was meine Einnahmen ertragen Eönnen.
Am A1ten Dktober fährt Burnaby fort: Au
Folge der Nachrichten, welche unfere Freunde über
die Wahlen zum Reichstage erhalten, innen wir in
den Landfchaften auf fünf Achte. der Geiftlichen, Buͤr⸗
ger und Bauern rechnen, und haben Hoffnung unter
dem Adel. da8 Gleichgewicht. zu. erhalten. Die Stadt
Stodholm ift fo gleich getheilt, daß der Ausſchlag
der Wahl ganz davon abhängt, ob man die alte, oder
die neue Weife der Stimmenzählung anwendet. Die
- Entfcheidung diefes weſentlichen Punktes Liegt jetzt
dem Senate vor, wo fich die Anfichten aber eben:
falls bergeftalt das Gleichgewicht halten, daß vielleicht
14 2 Zweiter Abſchnitt. 1740,
Alles auf die doppelte Stimme des Königs ankommt.
Mas werben Eure Herrlichkeit aber denken oder fagen,
wenn bie Entſcheidung ihrer ſchwediſchen Majeſtaͤt
zum Vortheil unferer Gegner ausfallen follte? Ich
geftehe, daß ich etwas dee Art argmöhne: denn dem
Könige Friedrich liegt nichts mehr am Herzen als
während des Neichstages das Kräulein Taube in
dee Stadt zu behalten, gegen die emflm Forde⸗
‚ zungen ber Königian und ben Rath feiner treuſten
Diener. Er iſt im Stande während einer verdrießli⸗
. gen Laune Alles aufs Spiel zu fegen, und ſich ganz
in bie Arme des franzöfifhen Geſandten und ber
franzoͤſiſchen Partei zu werfen, weiche verfprochen
haben jenes Sräulein zu unterflügen. Die Koͤniginn
gab ihrem Gemahl in diefer Beziehung fo offenbare
Zeichen von Kälte, daß der König (um fie zuftie
den zu ſtellen) verſprach: Fraͤulein Taube folle fort:
gefchickt werden. Allein Graf Gyllenborg, Baron
Sparre und Herr St. Severin find unaufhoͤrlich bei
derfelben, rather ihr das Land nicht zu verlafien und
verfichern, daß wenn fie es thue, Alles für immer. zu
‚Ende fey. Jetzt bleibe es wenigftens zweifelhaft, weſ⸗
fen Einfluß zulegt obfiege, und ob nicht ein Fühner
Beſchluß einen völligen Bruch zwifchen dem Könige
und der Königinn herbeiführen werbe.
Das günftigfte. Anzeichen für uns, ift bie Noth
und Berwirrung welche zwifchen unferen Gegnern
1790. König Friedr. v. Schweden. Rufgant. 15
herrſcht und daß fie keine tadelnswerthe Maaßregel
verſchmaͤhen, um ihr Übergewicht zu behaupten. So
haben fie jetzt Befehle. nach Finnland gefchidt: es folle
Fein Officier, ſalbſt wenn er Haupt einer Familie iſt,
zum Reichstage kommen. Dies gilt, wie ich vers
nahm, für einen außerordentlichen Eingriff in bie
verfeffungsmäßigen Mechte des Adels, Einmal wers
den hiedurch dieienigen vom Reichstage ausgeichloffen,
welche die befte Auskunft über den Zuſtand des Hee⸗
ved geben Eönnten; und dann möchten wol auch
mehre Cbelleute, vermöge ihres Geburtsrechts und
ohne Beruͤckſichtigung jenes Verbots, auf dem Reichs⸗
tage erfcheinen und einigen Mitgliedern bes Minifte:
riums ſehr laͤſtig werden. |
Waͤhrend biefes unficheren Zuftandes ber oͤffentli⸗
hen Angelegenheiten, find bes Könige eigene Ents
ſchluͤſe fo ſchwankend, daß er nicht weiß wohin er
fidy wenden und welcher Partei er anhangen ſoll.
Dies erzeugt in ihm von Zeit zu Beit eine folche
Verzagtheit, daß er von Abdankung ſprach; ia ein-
mal ging er fo weit, baf er feinem Stallmeifter Wie⸗
bel ein Verzeichniß der Perfonen gab, die ihn. nad)
Gaffel begleiten und in feinem Wagen mit ihm
fahren ſollten.
Bei dieſem Gleichgewichte der Parteien mußte
jedes aͤußere Ereigniß folgenreich ſeyn. Als die Nach⸗
richt von dem Tode der Kaiſerin Anna (28ſten Oktober)
16 e Zweiter Abſchnitt.. 1740.
in Stockholm einging, ſchrieb deshalb Burnaby '):
Wenn dem Reichetage in einem fo Eritifhden Augen⸗
blide, eine günftige Gelegenheit in glänzenden Far⸗
ben bargeftellt wird; fo duͤrfte (mie ich ſehr Fichte)
Baum ein Schwede, felbft inter unferen Freunden,
fih nicht mit Hoffnungen ſchmeicheln, die verlor⸗
nen Landfchaften wieder zu gewinnen. Wir werden
von Vielen verlaffen werden, auf welche wir jegt
. rechnen.
Vorftehende Auszüge, welche die Gefchichte Schwe⸗
dens bid zu einem entfcheidenden Zeitpunkte (bis zu
dem Tode der Kaiferinn Anna und des Kaiferd Karl VD)
binabführen, geben Veranlaſſung zu traurigen Be:
merkungen. Nicht blos das politifche Übergewicht
jenes Reichs ift verloren gegangen, fondern auch die
- innere Einigkeit und das edle Gefühl, welches die
Kraft und das Leben eines Volkes bezeugt und erhält.
Altes acht Schwediſche ift verſchwunden, oder wenigftens
auseinandergefallen in zwei entgegengefegte Parteien,
welche lediglich vom Auslande geleitet, und durch die
elendeften Mittel geflimmt und umgeflimmt werden.
Die Beſchraͤnkung der Gewalt des Königs erfcheint
fo groß, Laß er nirgends in Wahrheit entfcheiden, ja
nicht einmal lenken Tann; und doch fpielt innerhalb
1) Bericht vom "ten November.
*
1730, Gefhihte Schwedens. — 17
dieſer Ohnmacht, das Maitreſſenweſen noch immer eine
wichtige Rolle. Andererſeits erfuͤllen die ſcheinbar ſo ver⸗
ſtaͤndig gegliederten Stände (Geiſtlichkeit, Abel, Bürger
und Bauern) keineswegs ihren großen Beruf; ſon⸗
dern der Werth und die Bedeutung der Form tritt
zuruͤck vor der Gewalt der Armuth und des Eigen:
nutzes. Selbſt der hervorbrechende Wunſch den altm
Glanz Schwedens herzuſtellen, kann keine Freude und
kein Vertrauen erwecken, weil er nicht mit Vorſicht
und Staatöweisheit Hand in Hand geht. So. fühlt
man im voraus: Schweden werde in ben fich vor
bereitenden großen Ereigniffen nur eine. untergeorbnete
Molle fpielen und mehr für. fremde Zwecke in Be:
wegung gefegt werden, als zu Erreihung ber eigenen
Zwecke hinreichende Mittel befigen.
rg DDDritter Abſchnitt. 1730.
Dritte Abſchnitt.
An die —— ber ſchwediſchen Bechättnifte,
fließen ſich am beflen die Nachrichten an, welche fi
in den englifchen Gefandtfchaftsberichten uber Ru fs
Land befinden. Der Anhang zu diefem Buche (wels
hen ich vorher zu Lefen bitte) enthält mancherlei
über die Geſchichte dieſes — fuͤr die Jahre 1704
bis 1740.
Ich nehme den Faden am der Stelle wieder auf,
wo id ibn fallen ließ. Den 16ten Januar 1740
giebt der Geſandte Bell, Nacheicht über die, Sefte
und Belohnungen wegen des Tuͤrkenfriedens. Am
29ften Februar erhält der neue engliſche Geſandte
Sind, -eine Anweiſung!), vermöge welcher er insbeſon⸗
‚ dere die Freundſchaft Englands und Ruflands beförs
dern, bie Schritte des franzöfifchen Gefandten Ches
tardie bewachen, Öfterreih und Rußland auf guten.
Suß bringen, und die franzöfifhe Partei in Schwe:
den durch Geld flürzen fol. Oſtermann, ein großer
Freund Friedrichs IL, wollte aber wiſſen wie Preußen
fih ftellen werde, bevor er Verbindungen mit Eng:
land wider Frankreich eingehe. Überdies war er we⸗
1) Reichsarchiv, Rußland Band 26.
170. Ruplanb. 19
gen der zu ergreifenden Maaßregeln mit Beſtucheff
und dem Herzöge von Kurland nicht einig, und ein⸗
heimiſche oder fremde Parteien verzögerten (wie Finch
klagt) den Abſchluß aller Verträge. Hiezu kam, daß
Wolinskoi eine, nur zufällig entdedte und weit vers
breitete Verſchwoͤrung angezettelt hatte '), am das
Altruſſiſche herzuftellen und die Fremden zu vertreiben,
daß er dem Derzoge von Kurland den legten Krieg wider
Polen und bie Tuͤrkei zur Laft legte, und ber Geſund⸗
heits zuſtand der Katferinn Anna immer bebenklicher warb.
Am 24ften Sunius 1740 berichtet der englifche
GSefandte Finch aus Petersburg:
Da ber Derzog von Kurland, wenn er bei guter
Laune und aufgeräumt ift, fi in einer Stunde
mehr mittheilt als Herr Oftermann in einem Vier⸗
teljahre, fo fagte er mir unter anderem: bie verwitte
wete Königinn von Preußen habe ihren Sohn, den
meuen König vermocht, den Gedanken einer Reiſe
nah Parid ganz aufzugeben. Friedrich II fchrieb
feinem Gefandten von Mardefeld in Petersburg:
machen Sie Herr Chetarbie meine Empfehlung, dem
ich in meiner jegigen Lage nicht mehr fo fchreiben
£ann, pie früher.
Herr von Mardefeld iſt thätiger als je. Er fieht
Oftermann öfter, denn alle anderen fremden Minifter
1) Bericht vom 17ten Junius 1740.
20 ' Dritter Abfqhnitt. 1740.
und erhaͤlt jederzeit Zutritt, ſelbſt wenn er den übrigen |
verfagt wird ).
« Rußland möchte Preußen, Dänemark uns Polen u
in den Vertrag. mit England einfchliefen, was mit
den Planen der britifchen Regierung nicht überein»
. flimmt. : Unter biplomatifhen Formen können Beſtu⸗
heff und die Theilnehmer an ben Behandlungen,
Geſchenke erhalten. |
Was die Ärzte (Bericht vom ten: Oktober)
für ein Geſchwuͤr im Schooße der Kaiferinn hielten,
bat fi als den großen, kritiſchen Wendepunkt ihres
N
Geſchlechts erwieſen und ift mit heftigen,’ hyſteriſchen
Zufällen verbunden. Insbeſondere ward fie die legte
Nacht, während eines gewiſſen Gefchäftes, von einer
fhmeren Ohnmacht ergriffen, fo daß man ihren au,
"Rand für gefährlich haften muß.
. Die Erbfolge beruht auf dem unfichern Leben
eines Kindes ; ohne weitere Beftimmungen für ben
Fall feines Todes?). Graf Oftermann, twelcher feit
Sahren nicht aus dem Haufe getomnien ift (des wahr
ven, ober vorgegebenen Zuſtandes feiner Gefunbheit
1) Bericht vom erften Oktober 1740. Band 27.
2) Iwan III, Sohn ber. Prinzeffinn Anna und bes
Prinzen Anton Ulrih von Braunſchweig, geboren ben
23ften Auguft 1740. Siehe bie Sefchlechtätafel am Ende
des Buche.
1740. Krankheit Annas. 21
halber) ward geſtern Morgen auf befonderen Befehl
in einem Xragftuhle nach Hofe gebracht, blieb bie
Macht da und Lehrte erſt bisfen Morgen zurüd. Im
Laufe des Tages hielt er Berathungen mit den Mi:
aiftern und bem Herzoge von Kurland. Abende:
fandte die Kaiferinn nad der Prinzeffinn Anna, ob:
gleich diefe noch ſehr unwohl ift, und erklärte zu
deren größter Überrafhung und Werdeuffe, daß fie
Iheen Sohn Jwan zum Nachfolger ernenne. Diefe
Beſtimmung ward heute Morgen vorläufig befannt
gemacht, und bie Leibwachen, Regimenter und Be
hoͤrden eingefchworen, dieſe Thronfolge anzuerkennen
und aufrecht zu halten. Fuͤr denſelben Zweck wur⸗
den die Geiſtlichen nach der Hauptkirche berufen, und
auf morgen ſind die Fremden angewieſen denſelben Eid
zu leiſten. |
Bevor ich die fpäteren gefandtfchaftlichen Berichte
aus Petersburg mittheile, will ic den Brief ') eines
angefehenen, wohlunterrichteten ruffifchen Dfficiers auf:
nehmen, welcher über den damaligen Stand der Par:
teien und die Bewegungen ber legten Jahre ——
Auskunft giebt.
über die letzten Verſchwörungen u und Hinrichtun⸗
1) Der Geſandte Burnaby ſendet ihn am en Auguft
1740 nad) London. Reichsarchiv, Schweden, Band 78.
| 22 | Dritter Abſchnitt. 1740.
gen in Rußland (ſchreibt er) weiß ich Folgendes, und
Sie können ſich darauf verlaflen.
Es hat Feine Zweifel, daß das ganze Volk, umd
vor Allem die Vornehmen mit der jegigen Megierung
| Sehr unzufrieden find. Seit fünf, ſechs Jahren be-
Hagt man fih: Erftens, über: die bimde Vorliebe
der Kalferinn für den Herzog von Kurland. Zwei⸗
tens, über deſſen flolzes und unerträgliches Beneh⸗
men, indem er die Vornehmen (fagt man) wie Ca⸗
naillen behandelt. Drittens, über bed Herzogs
Liebling, den jüdifchen Hofbankier Liepmann, weicher
ben Handel zu Grunde richtet. Wiertens, über
die Erpreſſung ungeheurer Summen, welche verfchwen-
det werben theild in Weiberthorheiten, theils bie
Guͤter des Herzogs frei zu-Faufen und ihm prächtige
Schiöffer zu bauen. Fünftens, über die Aushebung
von drei Vierteln der jungen Leute, um fie wie das
Vieh binzuopfern, wodurch die Güter bes Adels ent:
voͤlkert und außer Stand gefegt werben die oͤffentli⸗
hen Abgaben zu bezahlen. Sechstens, über das
völlige Zerfallen ber Flotte, welche Peter I mit —
ordentlichen Koſten gebildet hatte.
Um alle dieſe Übel abzuſtellen und ihres eigenen
Gluͤckes wegen, traten die Fuͤrſten Dolgorucky an die
Spitze einer weitverbreiteten Verſchwoͤrung. Sie wur⸗
den uͤberdies hiezu aufgereizt durch den ſchlechten Aus⸗
gang des Feldzuges von 1738, den elenden Zuſtand
1740. Berfhwörung der Dolgorudy. 23
des Heeres, die Hoffnung Graf Muͤnnich werde in
dee (für Peter I fo gefährlichen) Moldau umkommen,
vor Allem aber durch die allgemeine Unzuftiedenheit
des Volkes. Sie verftindigten fich hieruͤber mit
Frankreich und Schweden '). Man mar kbereingelom:
men, fobab ‚das ruffifche Heer zu Grunde gegangen,
oder zerſtreut ſey, folle Schweden den Krieg erklaͤren
und mit 30000 Mann in das Reich einfallen.
Gleichzeitig wollen die Unzufriedenen das Banner er:
heben, die Kaiſerinn in ein Kofler einfperren, dem
Herzoge noch übeler mitfpielen, die Prinzeffinn Anna
nebſt ihrem Gemahle aber einfchiffen und nach Deutſch⸗
land zurhdfenden. Eben fo wollte man alle Deutſche
(nachdem man einige aufgehangen) fortjagen, und bie
Drinzeffinn Elifaberh, Peters I Tochter zur Kat
ferinn aussufen.
Dies war der Plan ber Verſchwoͤrung, alle Maaß⸗
regeln waren genommen, und man erwartete nur bie
Niederlage des Grafen Muͤnnich, um auf allen Gel:
ten loßzubrehen. Weil aber Unternehmmgen folcher
Art, wenn fie fih in die Laͤnge ziehen, niemals ganz
tönnen verborgen bleiben, fo erhielt ber Hof Kunde
von. derfelben. Man ließ die Verdaͤchtigen einziehen,
deren Plane duch das Süd bes Grafen Muͤnnich
fehl ſchlugen, und ſchloß Frieden mit den Tuͤrken fo
1) Ils ont pris langus avec la Suede et la France.
2 Dritter Abſchnitt. 174.
gut als möglich und gegen die Abſicht Frankreich,
welches nur den römifchen Kaifer von Rußland tren-
nen wollte, um dies befto leichter zu erdruͤcken. Als
es (Frankteich) aber die Entfchloffenheit der. Kaljerinn
fah, legte es ſelbſt Hand ans Werk um die Ehre
davon zu tragen und jeden Verdacht. zu entfernen.
Deshalb machten die Schweden Halt, bie Gefangenen
befannten und murden hingerichtet.
In den Sffentlichen Bekanntmachungen des Hofes
fagt man. von. dem Allem, Nichts ; fondern erwähnt
als ‚Verbrechen ein Zeflament, welches die Dolgo:
rucky zur Zeit Peters II gefchmiebet haben. follen.
Dies iſt aber nur ein Vorwand; man will nicht,
daß in fremden Ländern bie Schwäche der Regierung
bekannt werde. ——
Das Feuer iſt noch nicht ganz geloͤſcht, und man
faͤhrt fort mit genauen und ſtrengen Unterſuchungen.
Sie ſehen, wenn die Sache gelungen waͤre, haͤtte
Frankreich einen großen Gewinn davon getragen, und
die ruſſiſche Macht, gleichwie die ſchwediſche in ſeine
Gewalt bekommen. Deshalb muͤſſen wir (?) gleich⸗
wie der Kaiſer und England, uns uͤber dieſe Ent⸗
deckung freuen. Die Veraͤnderung wuͤrde ſchreckliche
Folgen im Abendlande gehabt haben. Vier oder fuͤnf
Palatinate hatten ſich bereits verbindet um den König
von Polen fortzujagen. Das Gefecht bei Chogim und
ber Zürkenfriede, haben Alles vereitelt.
1740, Frankreich und Spanien. 2
Vierter Abſchnitt.
Der vorftehende Brief ergiebt daß Frankreich, un⸗
geachtet der Friedliebenden Politik des Kardinals Fleury,
bis nad) Stodholm, Petersburg "und Conftantinopel
hin, ungemein thätig war. In näherer Beziehung
zu feinem eigenen Intereffe fand der Krieg, welcher
im Sahre 1739 Handelsangelegenheiten halber zwi⸗
fhen England und Spanien ausgebrochen war. Den
Berichten bed englifhen Gefandten in Paris, des
Strafen Waldegraven, und anderen aus Mabrit einges
laufenen Schreiben, iſt Folgendes entnommen: "
Der König Philipp V von Spanien ward auf
"die Nachricht von der Einnahme Portobellos fo wis
thend wie ein wilder Stier"), und verharrt feitdem in
einer tiefen Schwermuth. Er fagte: man täufchte
mid, indem man mid glauben machte, daß alle
meine Häfen wohl verforgt und in gutem Vertheidi⸗
gungsftande feyen. Frankreich hat mich durch feine
Verfprechungen in einen Krieg hineingeführe und
nachher in Stich gelafien. Beſſer, ich hätte vor zwei
1) As a wild bull. Schreiben vom Zulius 1740.
Reichsarchiv, Frankreich, Band 88.
I. 2
25 Bierter Abſchnitt. 13.
Jahren abgedanft, und meine Ehre nicht mit diefem
Kriege befledt.
Die Königinn gebraucht noch immer Bäder und
andere Mittel wider ihre Kraͤnklichkeit; dieſe waͤchſt
indefien bei dem Gedanken an eine Abdankung des
Könige. Die Zwiftigkeiten der Miniflerien hindern
jeden Beſchluß, fie verlieren blos Zeit mit nußlofen
Berathungen. |
Wenn Frankreich nicht den Krieg an England
‚erklärt, wird man den König kaum hinhalten unb
von feinem Entſchluſſe abbringen koͤnnen. Selbft die
Königinn und ihre Partei halten fi für verloren,
und eine Kataſtrophe für nahe. Mer ben inneren
Zufland bed Hofes nicht kennt, kann ſich kaum von
ftelfen in wie elendem Zuftande er ſich befindet.
Der Kardinal Fleury ſprach offen und vertraulich
(zum ‚Grafen Waldgeave) '), bejammerte den jegigen
verroireten Zufland Europas in hoͤchſt pathetifchen
Ausdrüden, und betrachtete ihn. mit doppelter Sorge
weil er Eeinen Weg fehe, aus demfelben heraus zu
kommen. Vorzüglich ſchmetzte ihn zu fehen in welche
Leidenſchaft Engländer und Spanier gegeneinander
gerathen wären. Spanien habe gewünfcht, daß Frank⸗
reich die Vermittelung übernehme, welchen Antrag er
jedoch ſchlechthin ‚abgelehnt und dem Grafen Campo
1) Bericht vom Alten Anguft 1740.
!
1799. Frankreich und Spanien. 27
Sloride frei geſagt habe: dies fey eine Angelegenheit
in welche er ſich nicht mifchen wolle, weil er vor-
ausfehe, daß feine Bemühung nicht gelingen Eönne.
Hierauf wandte der Kardinal das Geſpraͤch auf
das Benehmen Spaniens gegen Frankreich, und ver
fiherte (protested) mit allem Anfcheln der größten
Aufrichtigkeit: im gegenwärtigen Augenblide, wo Spa⸗
nien ber Hülfe Frankreichs im jeder Weiſe bebürfe,
wiffe er von ben Planen ded mabriter Hofes, in
Bezug auf Europa und Weftindien, nicht mehr als der
legte Mann in Frankreich. Er fügte Hinzu: dies fey
allerdings kaum zu glauben, aber es fey wahr, fonft
: würde er es mir nicht jagen.
Er fuhr fort: weit entfernt, daß Spanien hätte
die Neigung zeigen follen mit Frankreich auf gutem
Fuße zu fiehen, ſey es demfelben in Dingen entgegen
getreten, wo faum die gemeine Höflichkeit es verflatte.
Hiefuͤr gab er mir zwei befondere Beiſpiele. Das
erfte betraf die Papftwahl, in welcher Hinficht der
Kardinal bemerkte: obgleich es in der That für Frank:
reich eigentlich ganz gleichgültig erfcheine, wer Papſt
. fen, halte er es doch (bei der Einmifchung anderer
Mächte) der Würde des Könige von Frankreich ange
meffen, eine Partei im Conclave zu befhügen. Zu
diefens Zwecke habe man fi) an die Königinn von
Spanien gewendet, und fie habe verfprochen daß Kar:
dinal Aquaviva, welcher an ber Spige der ſpaniſchen
2 %
[4
28 Vierter Abſchnitt. 1749.
‚ Partei ftehe, mit den franzoͤſiſchen Kardinaͤlen und
ihren Freunden Hand in Hand gehen folle. Anftatt
dieſem Verfprechen irgend nachzukommen habe ſich
Aquaviva, mit dem Oberfämmerling Albano , einem
ſteten Feinde Frankreichs vereint.
Die zweite Klage war: daß die Koͤniginn von
Spanien ihren Vertrag mit der Pforte fuͤr das Koͤ⸗
nigreich Neapel” durch ihren Unterhaͤndler Fiſiochietti
betrieben habe, ohne dem franzoͤſiſchen Bevollmaͤchtig⸗
ten Villeneuve daruͤber auch nur ein Wort zu ver⸗
goͤnnen. Fiſiochietti ſey ein Abenteurer der ſich ganz
mit Bonneval verſtaͤndigt, und es bleibe unwuͤrdig
(infamous) für einen Fürften aus dem Haufe‘ Bours
bom, fich öffentlich diefes Kanals zu bedienen. a
Fleury ift allen Kriegen abgeneigt i), klagt über
innere Ungluͤcksfaͤlle, ſchechte Ärndten, Ausfaͤlle an
den Einnahmen u. ſ. w.
‘Deshalb hat der fpanifche Gefandte, Campo Flo⸗
eido am 8ten Auguft einen Courier nah Madrit
gefchict und gemeldet ?): in dieſem Jahre koͤnne
Frankreich für Spanien Nichts thunz follte der Krieg
indeſſen bis zum naͤchſten Jahre fortdauern, ſo gebe
man neue Hoffnungen daß jene Macht alsdann den
1) Bericht vom 22ften Auguſt 1740.
2) Schreiben aus Mabrit vom Zöften Augufl.
1740. Sranfreih und Spanien. | 29
Krieg an England erflären werde, weil die Verhaͤlt⸗
niſſe ſich bis dahin beſſern dürften.
In der That lauteten die Berichte aus Madrit
hoͤchſt Eläglich wie folgende Auszüge erweifen.
Die Gefundheit des Koͤnigs von Spanien iſt fehr
fhlecht und er von ber allerübelften Laune‘). Die Koͤ⸗
niginn hält ihn duch Hülfe Farinellis ein wenig in
Drbnung, doch kann dies nicht lange vorhalten. Das
Elend des Landes und Heeres laͤßt fich kaum befchreis
ben: die meiften der niederen DOfficiere find (weil ihnen
kein Sold gezahlt wird) dem Verhungern nahe und
gezwungen zu fchmarogen (spunge) um Leib und
Seele beifammen zu halten. Die gemeinen Soldaten
(heiße e8 am einer anderen Stelle)?) find in Epanien
nadt, und die Dfficiere fehen aus wie Bettler;
fie find auch nicht viel, beffer.
In Madrit ift Alles in’ großer Verwirrung und
in Spottfchriften und Pasquinaden fpriht man fehr
frei über die jegige Megierung ’)., Der König will
abdanten. Ein Brief welchen Ludwig KV verganger
nen Julius aus Compiegne fchrieb und worin er
verſprach, im naͤchſten Jahre Spanien mit 50 fi:
nienfchiffen zu unterftügen, bat ihm nicht genügt.
3) Schreiben vom 29ften Auguft
2), Schreiben vom 24ften September.
3) Schreiben vom Bten September.
30 Vierter Abſchnitt. 1740
Vielmehr fagt er: dies fey nur eine neue Liſt (trick),
“welche man gegen ihn anmende. Hierauf ift am
erften September ein zweiter Brief bed Könige von
Frankreich: eingelaufen um die Abdankung Philipps.
zu hintertreiben. Im Fall der Noth (died wird ver⸗
fprochen) wolle Frankreich noch in, diefem Jahre eine
Flotte ausfenden; — doch glaubt man in Madrit.
nicht, daß es hiemit Ernft fen. .
Am Hten September leugnete Fleury nicht,
daß die breſter Flotte nielleicht bald auslaufen werde,
ging aber auf Gründe und Zwecke nicht näher ein.
Laut eines Berichts vom 11ten_September fagte
Fleury: wenn ich eine Flotte ausfende, babe ich nicht
den Zweck einen Krieg mit England zu beginnen,
‚oder irgend ein britifches Schiff anzugreifen und zu
beläftigen. Doc, liegt mir ob, den franzöftihen Hau⸗
del zu befchügen und fo viel als möglich zuvorzukom⸗
men, daß Engiand den ganzen meftindifchen Handel
an ſich bringe, was nad) allen. Bewegungen zu fehlte:
Ben, jest deſſen großer Hauptzweck iſt. Frankreich
hat zu wichtige Intereſſen in jenem Theile der Welt,
als daß es ruhig zuſehen kann, wie derſelbe von Eng⸗
land verſchlungen wuͤrde. Ich denke nicht daran einen
Fuß breit Land von allem dem zu nehmen, was
England in irgend einem Theile der Welt beſitzt;
aber es iſt meine Pflicht (als Miniſter des Koͤnigs
von Frankreich) ſo viel als moͤglich zu verhindern,
140. Frankreich und England. 31
daß die Englaͤnder nicht noch m werden, als
fie bereits find.
In einem Berichte vom 12ten Septeraber heißt .
es: der Katdinal fagte, er höre in England fey kaum
ein Menſch, der nicht einen Krieg mit Frankreich
wuͤnſche. Er ftellte ſich friedliebend, und fchien einen
Angriff voraus zu fegen und hervorloden zu wolkn.
Doch kann er nicht glauben, daß wenn er und zwingt
den erſten Streic, zu thun!), die Welt. uns beshalb
als die Angreifenden betrachten wird. Er bezeugt
feierlich: es beftche Bein Vertrag mit Spanien; Frank:
reich aber könne nicht zugeben, daß bie fpanifchen Be⸗
fi gungen in englifhe Hände fielen.
Die Franzofen behaupten: es fey nicht ihre Ab-
ficht die Engländer zu befriegen, fondern fie dahin zu
bringen Frieden zu ſchließen ?).
1) Man vergteiche Hiemit Friedrichs IL Lage im Jahre
1756.
2) Robinfons Bericht aus Wien vom 18ten Oktober
1740. Reichsarchiv, Öfterreich, Band 182.
32 Fünfter Abſchnitt. 199.
Fuͤnfter Abſchnitt.
Die vorſtehenden Mittheilungen aus Stockholm,
Petersburg, Paris und Madrit ergeben, daß die Ver:
hältniffe Europas zur Zeit der Thronbeſteigung
Friedrichs II, bereits fehr verwirrt und verwidelt
waren. Doc boten fie eine Gelegenheit zu großen
und Fühnen Unternehmungen, weshalb der König
zuerft feine Gedanken auf das richtete was ihm das
Naͤchſte und was erreichbar zu fein fchien. Hierüber
giebt ein Bericht des englifchen Gefandten Guy Dickens
aus Berlin vom 17ten Auguft 1740, Iehrreiche Aus:
kunft ').
Der König (fagt er im Wefentlichen) ging bei
bee mir ertheilten Audienz ſogleich auf Gefchäfte ein
und münfchte eine deutliche Antwort auf drei dem
englifhen Hofe bereits mitgetheilte Punkte, näms
ih: Sülih und Berg, Oflfriesiand und Medien:
burg. Er betrachte den König von England als
feinen natürlichften Freund und Verbündeten, wolle
jedoch wiſſen wie weit er hinfichtlich diefer drei An=
fprüche auf Englands Beiftand rechnen Einne Zu
1) Reichsarchiv, Preußen, Band 51.
x
z : |
nn Te
1799. Friedrich IE u. ——— Plane. 33
Gegendienſten ſey er bereit, die bis jetzt erhaltene Ant⸗
wort laſſe ihn aber im Dunkeln.
Der Gefandte erwiederte: der König möge ſich
beutlither (more explicit) erklaͤren; germ werde ihn.
"England in Allem unterflügen, was gerecht und
möglich fey.
° Hierauf fuhr der König fort: ich hege eine wahre
Freundſchaft für ben König von England. Weil ich
aber fehr wohl weiß, daß Fuͤrſten hauptfächlich‘ durch
ihre Intereſſen geleitet werden; fo wänfche ich (bevor
id) Verpflichtungen irgend einer Art eingehe) deffen
fiher zu feyn was ich thun foll und Bar einzufehen
was die Mächte, mit denen: ich mich verbinde, für
mich thun wollen. Gieicherweiſe bin ich entfchloffen
an meinen Verpflichtungen feftzuhalten, ſoſern ich fie
einmal eingegangen.
Der Gefandte machte nunmehr ben König aufs
merkſam: wie wichtig es fey, beim Anfange einer
Regierung keinen falfchen Schritt zu thun. Die Aus
gen aller proteftantifchen Mächte wären auf ihn ges
richtet und- ihm liege ob das bedrohte Gleichgewicht
Europas zu erhalten. Sobald er das allgemeine
Beſte vertrete, handele er auch am Vortheilhafteſten
für fein eigenes Beſtes; er. möge ſich nur vor frans
zoͤſiſchem Einfluffe und franzöfifcher Politik hüten.
Der König: erwiederte lächelnd: wer könnte mich
tadeln wenn ich, ohne Krieg, ducch bie Hülfe Krank:
2 “% j
re Fünfter Aſchnitt. 1749.
reichs meine Zwecke - erreichte; heſonders da ich noch
‚nicht fehe, wie weit ich auf. Huͤlfe und Beiſtand an⸗
derer Mächte vertrauen kann. Genug, er verlangte
zu wiſſen, was wir für ihn thun wollten, und was
er dagegen für uns thun folle? — Auf die Frage:
mas er fordere? antwortete Friedrich: meine Anſpruͤche
auf Juͤlich, Berg und Oflfitestand find klar und
unbeftreitbar. England möge mir dieſelben verbürgen,
und erklären wie es dieſe Bürgfchaft geltend machen
will, im Fall das Erbe eröffnet wird. über Med:
lenburg (ein leichter Punkt) laͤßt fi das Nöthige
ein andermal mit Muße ins. Klare bringen,
Auf alte Verträge, oder einen bloßen Vertheidi⸗
gungsbund, will der König jest nicht zuruͤckkommen,
fondern ganz von einer neuen Grundlage aus⸗
gehen. — Während der ganzen. Audienz war ber
König außerordentlich guter Laune, und hörte nicht
nur mit Aufmerffamkeit Allem zu was ich ſagte,
ſondern zeigte fih au nicht im Mindeſten durch die
Einwuͤrfe verlegt, voriche ich feinen Worten entgegen:
ftellte. Es ift gewiß am beflen gegen ihn ein offenes
. Verfahren zu beobachten.
Am erfien und 15ten Oktober fegt jedoch Dickens
hinzu: Friedrich hat den Franzoſen fagen laffen, er
babe gute Zuficherungen aus London, unb die Eng⸗
länder ſucht er zw überzeugen, er ftehe gut mit den
Franzoſen. Dies Doppelfpiel hilft ihm indeffen zu
1730. Tod ber Kaiſerinn Anna. 38
Nichts; auch beblirfen feine politiſchen Geunbfäte ze
geoßer Berichtigung.
Gewiß erlitten biefe Grundſaͤtze und Diane in dem,
naͤchſten Wochen sine große Veränderung, dureh den
Tod ber Kalferian Anna und. bes Kailer Karls VI.
Schöter Abſchnitt.
Am 1Bten Oktoher 1740 berichtet det —
Geſondte Finch aus Petersburg ): Die Kalferian
Anna ſtarb in. der Nacht vom 17ten auf den
18ten Dktober. Das Ende ihres Lebens war mit
fo außerordentlichen Leiden verbunden ?), daß feibft
diejenigen, - weiche das groͤßte Intereſſe bei ihrer
Erhaltuug hatten, doch Gott bitten. mußten fie von
ſo vielem Elende zur befreien. Die Prinzeſſinnen Eli⸗
ſabeth und Anna nahmen zwei Stunden vor ihrem
Tode Abſchied von ihr; der Herzog von Kurland war
gegenwaͤrtig bis zu ihrem Ende.
Am Morgen - verfündete Oſtermann ihren Willen:
daß nämlich der Herzog von Kurland Megent feyn
1) Reichsarchiv, Rußland, Band 27.
2) Wie bei Friedrich Wilhelm I.
36 Sechster Abſchnitt. 1700.
fol, bis Iwan ſiebzehn Sabre alt. ſey. Alles ift
ruhig, was man lediglich diefer Anordnung der Mes
gentſchaft verdankt. Denn jedermann im Lande fühlt,
daß man nichts. zu - fürchten. habe unter ber Berwals
tung eines Kürften,, der ſchon fo- viele. Proben feiner
Kuͤhnheit und feines Muthes gegeben hat. Die Ne
gentſchaft iſt eingeſchworen. Alles iſt unterſchrieben
und ſo vollkommen geordnet, als eine ſo neue Sache
irgend ſeyn kann.
Man darf. zweifeln ob vorſtehende. im Berichte
‚undiffrirte Stelle, die wahre Anficht des Gefand:
ten enthält, und ob-fie nicht ‚vielmehr gefchrieden war,
nah Eröffnung des Briefes gelefen zu werden. Drei
Tage ſpaͤter fährt ber Gefandte fort): der neue Katfer
figt noch in dem Schooße Teinee Amme. Als legten
Sonntag: Morgen der. Herzog Regent und feine Ge⸗
mahlinn die Gluͤckwuͤnſche empfingen, floffen feine
Augen ſtets über von Thränen und er war. genötigt
das Schnupftuch immerdar vorzuhalten: - Nie ſah ich
eine folche Veränderung und eine ſo große Betruͤbniß
als auf: den beiden — chtern des Herzogs und der -
Herzoginn. |
Diefe Semtitheftimmung dlape zum Theil hervor
aus ber Anhänglicykeit an bie verftorbene Kafferinn;
zum Theil aber auch aus dem ahnbungsvollen Ge:
1) Bericht vom Ziften Oktober.
10. Rufland. Biron. Ihronanfprüde 37
fühle: noch fey keineswegs Alles wohl. georbnet und
ber Boden unter Ihren Füßen fidyer. Hieruͤber giebt
ein umſtaͤndlicher Bericht des Geſandten vom erfien
November (den er aus Furcht vor dem Eroͤffnen mit
einem befonderen Eifboten abfandte) nähere Auskunft.
Es Heißt. .dafelbft: nach dem Geſetze Peters 1 hängt
die jedesmalige Ernennung eines Thronfolgers, lediglich
vom regierenden .Raifer, ober der Kaiferiun ab. Ans
ſpruͤche konnten machen:
1) Die Prinzeſſinn Eliſabeth als Tochter Pe⸗
ters des Großen ').
2) Der nachmalige Kaiſer Peter III, ein Sohn
der aͤlteren, verſtorbenen Tochter Peters des Großen,
und des Herzogs Karl Friedrich von Holſtein⸗Gottorp.
3) Ann, die Entelinn des Iwan Alexiewitſch,
und Gemahlinn des Prinzen ann Weich von Braun:
ſchweig.
4) Deren neugeborener Sohn Swan HL
Die allgemeinen Wünfche richteten füch fehe wahr: '
fcheinkicherweife auf Eliſabeth, theil® im Andenken an
ihren Water, theild wegen ihrer eigenen "Beliebtheit.
Die allgemeine Erwartung (auch der Gefandten) war
hingegen: die Kaiferinn Anna werde bie Prinzeffinn
Anna zu ihrer Nachfolgerinn erheben.
Bor dem Tode der erften, berief der Herzog von
1) Siehe die Tafel am Schluſſe des Bandes,
38: — Sechster Abſchuitt. 190:
Kurland die Haͤupter des ruſſiſchen Abel und eröffnete:
ihnen, daß vielmeht die Abſicht der Kaiſerinn dahin
gehe, Iwan zu’ ihrem Nachfolger zu ernennen. Die
verſammelten Haͤupter (Beſtucheff, Czerkaski, Muͤn⸗
nich, Goloflin, Kurakin, Uſchakof, Trubehkoi und
Andere) uͤbertrugen dem Herzoge: er möge bie Kaife⸗
rinn bitten ihre Abſichten näher auszuſprechen. Jene
wurden hierauf zu dieſer berufen, und fie. machte
ihnen dieſelben Eroͤffnungen, wie Abends zuvor der
Prinzeſſinn Anna, zu deren großem Erſtaunen.
Hiemit war aber die Sache nicht zu Ende ger
bracht, denn es fragte fih: wer fol bie Vormund⸗
ſchaft führen, und was fol geſchehen im a Iwan
ſtuͤrbe?
Beſtucheff nahm deshalb in einer — Be⸗
rathung das Wort und ſagte: es hat ſehr große
Schwierigkeit unter den Verwandten Iwans Vormim⸗
der auszuwaͤhlen, oder die Regierung einer zahlreichen
Behörde zu uͤbertragen. Wollte man der Mutter
Iwans die Vormundſchaft anvertrauen, fo wäre es
beſſer ſie fogleich zur Kaiſerinn zu erheben; denn bie
hoͤchſte Gewalt wird dann immer In ihren Händen,
und fie im Stande feyn, biefe neue Erbfolgeerdnung
umzuftoßen. Ferner tft zu befürchten, bie Prinzeſ⸗
finn werde rachſuͤchtigen Gemüche ſeyn und einen
guten Theil von dem Eigenfinn ihres Vaters (des
Herzogs Kart Leopold von Medienburg: Schwerin)
190. Anne. Iwan II... 20.
geerbt haben. Ja dieler Basen wuͤrde wahrſcheinlich
ſogleich hierherkommen, durch Einfluß. anf feine Toch⸗
ter dies Land in alle feine Privatſtreitigkeiten ver
wickeln und ed mit dem twiener Hofe, ſowie mit wie:
lea Reichefürften entzmeien, deren Freundſchaft Ruß⸗
land unter ben gegenwärtigen Werhältniffen ſuchen
mößte.. Von des ‚anderen Seite ber wuͤrden, durch
den Einfluß ‚ihres Gemahls, Mathichläge von Wien
oder Berlin her angegeben, zu viel Gewicht bei unſe⸗
rer Regierung erhalten. Denn «8 iſt ein merkwuͤrdi⸗
ger Unterfchieb: ob man ſich von dieſen Hoͤfen leiten
laͤßt, ober Hände) mit ihnen. ‚anfängt.
Überdies hat: die Prinzeffinn Anna keine Kennt:
niffe von den innern oder auswaͤrtigen Angelegenheis
ten dieſes Reiches, weshalh fie. mir aus all biefen
Gruͤnden zuſammengenommen völlig unfaͤhig erſcheint
eine fo ſchwere Aufgabe über ſich zu nehmen. Der
größte, Theil diefen Gruͤnde, und meine. Behauptung
von der Unfähigkeit, findet eben fo ſtarke Anwendung
auf den Prinzen von Braunſchweig; weshalb. ich,
für mein: Theil, ihn ebenfalls ‘ganz zug Seite ſtel⸗
ken muß. & de
Mas endlich einen anzuordnenden vielkoͤpfigen
Regentſchaftsrath ambeteifft, fo weiß-ein jeder, daf
dies der Natur diefer Regierung und dem Genius
unferes Volkes ganz zumiber iſt, wie Erfahrung: und
5; Seqdhster Abſchnitt. 1740,
Theorie vor eilf Fahren bei der Thronbeſteigung ber
Kaiferinn bewies.
Nachdem Beſtucheff fo alle andere Anfprüche zu:
| ruͤckgewieſen hatte, fuchte er die Züchtigkeit bes‘ Ders
zogs von Kurland zur Vormundſchaft - einleuchtend
darzuthun. Er fen wöhl unterrichtet, im Acht ruffi⸗
ſchen Incereſſe, hoch geftellt, Bug und muthig. Ges
nug er, Beſtucheff halte es dafür, daß man einem
. Dann braude, und der Herzog von Kurland ber
rechte Mann ſey. Wenn der Minifter Czerkaski der
felben Meinung beitrete, wollten: fie (vereint mit an-
deren Haͤuptern) die Kaiſerinn zu vermögen fuchen,
ben. Herzog zum Vormund zu ernennen. Czerkaski
ſtimmte bei,- und ale man den Plan: den Übrigen
Mitgliedern: der Junta vorlegte, willigten fie ebens
falls ein.
Hierauf ging Beflucheff unmittelbar zum Herzoge,
theilte ihm die gepflogene Berathung und den gefaßten
Beſchluß mit und fragte ihn: ob er die Regentfchaft
für den Fall annehmen wolle daß ihm, zufolge ihrer
unterthänigen Vorſtellungen, die Kaiferinn dieſelbe
übertragen wolle. Der Herzog entfchuldigte fih Ans
fangs (nach dem Beifpiele der Biſchoͤfe: nolo episco-
pari!) und fägte: er fey nicht fähig eine fo ſchwere
Laft auf fich zu nehmen. — Ich wage nicht zu ent:
feheiden, ob er dies that aus Beſorgniß über den Ers
folg und Ausgang; ober aus Befcheibenheit um ſich
1740: Regentfhaft. Biron. Beftucheff x. | 4
nicht zu Außen, bevor der Kaiſerinn Wille fund
ward; oder ob er deren Vorſatz bereits. kannte, ihn
zum Regenten zu ernennen, und um fopiel ficherer
den Antrag zurüdweifen Eonnte.
Hierauf ſchickte Beſtucheff nach dem Fürften Czer⸗
kaski, damit er ebenfalls den Herzog zu bewegen ſuche,
und ſagte dieſem rund heraus: Alles, was Euer Ho⸗
heit in der Welt beſitzen, verdanken Sie Rußland und
find alſo dieſem Reiche mehr Dank ſchuldig, als daß
Sie es in einem Augenblicke der Bedrängniß verlaffen
dürften, wo. Sie demfelben einen großen Dienft leis
fien koͤnnen, und von einer. Zahl der erſten Männer
des Landes hiezu aufgefordert werden. Die Erhaltung
des Wohles von Rußland und Ihres eigenen Herzog⸗
thums ftehen übrigens in engfter Verbindung, und
Sie können in biefer Krifis Rußland weder dienen, noch
es verlaffen, . ohne zugleich fich felbft zu nügen, oder
zu Grunde zu richten. — Zuletzt woilligte der Her⸗
309 ein: die Verbuͤndeten möchten für die Beſchluͤſſe
weiter wirken, welche fie für das Wohl bes Meiches
am vortheihafteften hielten.
So ftand die Sahe am dten Oktober. Den
6ten Morgens früh berief man ‚(mährend bie Kaiſe⸗
rinn kraͤnker ward) den Grafen Oftermann nach Hofe
und die Berbündeten theilten ihm Alles mit, was den Tag
zuvor in Bezug .auf die Megentfchaft worgefallen war.
" Er möge um fo mehr feine Meinung frei ausfpres
42 Sechster Abſchnitt. 1740,
chen, da noch Fein weiterer Scheitt gethan fey. Wie
ich höre, hätten Seine Excellenz fich gar gern entſchul⸗
digt, irgend eine Meinung auszufprechen, vorgebend
die Angelegenheit fey zu wichtig für ihn, einen Frem⸗
den, und gehöre durchaus zur Entfcheiduug ber Ein:
geborenen. — Hierauf antwortete aber Beftucheff
(denn Beide ftehen nicht gut zu einander) ohne Ber:
zug: er fey uͤberraſcht wie der Graf fi einen Frem⸗
den nennen inne, ba er fü lange eine der erſten
Stellen bekleide und faft alle dazu gehörige Angelo
genheiten ausſchließend Leite. Deshalb halte er den
Grafen nicht blos für einen Rufen, fondern für eis
nen Ruflen der ſoviel werth fey wie 20,000 ander.
Niemand bezwede, ihm eine Meinung aufzuzroingen,
fondern man wuͤnſche nur die feinige fennen zu le:
. nen. Wolle ee diefe nicht darlegen, fo könnten fie
nicht einfehen, von welchem Nugen feine "Gegenwart
in ihren Berathungen fern koͤnne.
Aus diefee Rede erfah Graf Oftermann, ‚mie die
Dinge fanden und wozu man entfchlofien war. Des⸗
halb deutete eu feine erſte Erklaͤrung um, behazptete,
man habe ihn mißverflanden, und fügte hinzu: er
glaube die Regentſchaft Eönne in keine befiere, als in
des Herzogs Hände gelegt, noch eine für das Wohl
Rußlands Hügere Maßregel ergriffen werben, im
Hal man unglüdlicherweife die Kaiferinn verlieren
ſollte.
1740. Bormundfhaft. Biron Regent. 43
Die Berfommelten baten hierauf ben Grafer
Sflermann: er möge eine Urkunde entwerfen, wonach
der Großfuͤrſt Iwan zum Xhronfolger, und eine
zweite, wonach der Deriog zum Regenten erhoben
werde. Dies war bald gethan, und num erfuchtem
jene den Grafen: er möge beide der Kaiferinn beine
gen und ihr die legte im Namen. Aller al -eine ges
meinſchaftliche Bitte überreichen. — Er that bied an
bemfelben Tage; die Kaiferinn unterfchrieb unverzüglich
die Urkunde über die Thronfolge und Graf Oſtermann
fügte das Siegel bei. Was die zweite Urkunde über
die Regentſchaft anbetraf, fo fagte die Kaiferinn: er
möge ihr dieſelbe dalaffen.
In Bezug auf die Thronfolge warb jetzo das
Noͤthige bekannt gemacht und die Eidesleiſtung vor:
genommen. Wie es aber mit dem Herzoge flehe, ob
die Kalferinn jene zweite Urkunde vollgogen habe oder
nicht, war ben Berblindeten unbekannt. Unterdeſſen
warb die Kaiſerinn immer kraͤnker, und hatte am
Alten Dbtober eine ſchwere Ohnmacht; weghalb die
Verbündeten vorſchlugen: Oftermann folle nochmals
zur Kaiferinn gehen und zu entbeden ſuchen, ob fie
die vorgetragene Bitte erfüllt babe. Der Graf er⸗
hielt aber. von ihr nur die allgemeine Antwort: man
werbe Alles, was fich auf ihren legten Willen beziehe,
nach ihrem Tode finden. — Die Verbündeten ſchlu⸗
gen hierauf vor: fie felbft und ein Jeder bis zu dem
4 Sechs ter Abſchnitt. 1140.
Range eines Oberſten hinab ſolle (ſofern er mit ih⸗
nen uͤber die Regentſchaft derſelben Meinung ſey) eine
Schrift unterzeichnen, wodurch Alle erklaͤren: daß im
Fall die Kaiſerinn nicht das Gegentheil feſtgeſetzt, oder
ſich gar nicht ausgeſprochen habe, — fie den Herzog,
während bee Minderjährigkeit Iwans, als Regenten
anertennen wollten. -
Ich glaube nicht baß dies gefchah, um eine Vor⸗
tehrung zu treffen (denn ber Herzog mußte willen,
daf die Kaiferinn für ihm entfchieden hatte); ſondern
aus Staatsllugheit, um dem Volke zu zeigen: bie
Regentfchaft fey ihm eben fowohl nad) den Wünfchen
der Vornehmften des Reiches Übertragen, "als: durch
die beſtimmte Entfcheidung ihrer Kaiferinn.
Am Aiten Oktober gingen bie brei Cabinetsmi⸗
niſter und der Feldmarſchall Muͤnnich, im Auftrage
der Verbuͤndeten, zur Prinzeſſin Anna und fragten:
wen ſie fuͤr den Geeignetſten halte, die Wuͤrde eines
Regenten zu bekleiden? Am liebſten haͤtte ſie hier⸗
uͤber gar keine Meinung ausgeſprochen; weil ſie aber
von den gefaßten Beſchluͤſſen ſehr wohl unterrichtet
war und die Abgeordneten auf eine Erklaͤrung dran⸗
gen, ſo ſagte zuletzt Anna entweder: der Herzog duͤrfte
der Geeignetſte ſeyn, oder jene verſtanden ihre Ant⸗
wort in dieſem Sinne, und hinterbrachten ſie dem
gemaͤß.
Den 17ten Oktober ſtarb die Kaiſerinn Anna
130. Tod Annas. Biron Regent. 45
und bes naͤchſten Morgens begaben fi Oſtermann
und alle Vornehmen zu Hofe, wo.fie auch die Prin⸗
zeffinn Anna und den Prinzen von Braunfchweig fan-
den. Dan befchloß Alles in den Gemächern der Kai⸗
ferinn zu verfiegeln. Mit dieſem Gefchäfte kam man
auch an ein Gabinet, wo ihre Juwelen verwahrt
wurden. In diefem Augenblide trat eine ihre Kam⸗
merfrauen hervor, welche viele Jahre bei ihr gedient
und in großer Gunſt geftanden hatte und erklärte:
die Kaiferinn hat in meiner Gegenwart ein Papier
unterzeichnet, was Graf Oſtermann beim Anfange
der Krankheit Ihrer Majeſtaͤt uͤberbrachte. Sie bes
fahl ferner, daffelbe in dieſem Cabinet zu verfchließen
und ihre die Schlüffel zu bringen, welche von jenen
Augenblide an ſtets unter ihrem Haupte lagen. Zu
gleicher Zeit fagte mir die Kaiferinn: jenes Papier
fen von der hoͤchſten Wichtigkeit und ich folle davon
nie ein Wort reden, bis fie todt fey; dann aber aus:
fagen, daß und wo jenes Papier zu finden fey.
Es ward nunmehr gefunden, eröffnet, gelefen, bes
kannt gemacht, anerkannt und befchworen,
Der zum Regenten ernannte Herzog, benimmt
ſich feitdem fehr Höflich gegen die Prirzeffinn Anna
und wies ihr 200,000 Rubel für ihren Hofſtaat an.
Nicht minder artig zeigt ſich die Prinzeſſinn; doch
betrachtet fie nebft ihrem Gemahle, den Herzog wie
fhon früher, fo jetzt noch mehr als ihren Feind.
46 Sechster Abſchnitt. 1240.
Der Adjutant des Prinzen von Braunſchweig und
einige andere Officiere des zweiten Regiments der
ſemenowskiſchen Leibwache (bei welchem der Prinz
Obriſtlieutenant iſt) ſollen ſehr frei geſprochen und in
des Prinzen Gegenwart erklaͤrt haben, ihm komme es
eigentlich zu Regent zu ſeyn. Sie gaben ferner zu
verſtehen: die letzte Entſcheidung der Kafferinn über
dieſen Gegenſtand ſey erfchlichen, ja vielleicht gefchmie
‚det (forged) worden, und dürfte durch einen. Eräftie
gen Beſchluß (a conp de vigueur) leicht zu befeitt:
gen ſeyn. — Als der Regent dies erfuhr und daß
der Prinz jenen Dfficieren weder Stillſchweigen gebo⸗
sen habe, noch, ihren übereilten und -meuterifchen Re
den. entgegengetreten fey; fo ging er am 22ſten DE,
ober ſelbſt zum Prinzen und erzählte ihm was er
erfahren habe, wobei es zu den ſtaͤrkſten Erklaͤrungen
Sam. Unter anderem fagte der Megent: obgleich der
Drinz Bater des Kaifers fen, fo fey er doch zu glei-
“cher Zeit ebenfo ſehr deſſen Unterthan wie jeber An:
dere, und ihm zur Treue verpflichte. Da ich (fuhr
ber Herzog fort) zum Regenten ernannt bin und da6
Reich meiner Obhut anvertraut iſt, fo werbe ich Sorge
tragen, Euer Durchlaucht zu überzeugen, daß Ge:
ſchicklichkeit, Treue und Gehorfam, gegen ben Kaifer
Ihren Sohn, von Ihnen ebenfo fehr erwartet werben,
als von. jeder anderen Perfon im Reihe. — Der
Prinz war Über diefe runde und feſte Erklärung ei-
N
1780. Biron u. db. Prinzv. Braunfhweig. 47
ſchrocken, und fuchte ſich zu entſchuldigen, daß er fein
Ohr den mühigen Reben junger Officiere geliehen.
Ex habe (fuhr er fort) darauf gar nicht Acht gegeben,
obgleich ed ein Fehler geweſen feyn möge, daß er ih⸗
nen nicht Stillfchweigen geboten. Deshalb bitte ex
demuͤthig (kumbly) um Werzeihung und verfpreche
dem Megenten: fein Benehmen folle timftig vorſich
tiger ſeyn und nicht im geringflen zu Vorwürfen und
Klagen Beranlaffung geben.
Bom Prinzen ging ber Regent gerade zur Prins
zeffinn Anna und theilte Ihe Alles mit, was vorge
fallen. Ihre Hoheit erklärte: fie‘ habe nicht die ge
ringſte Kenntwiß und noch weniger Antheil an eine
Sache, welche fie fo ſehr mißbillige. Sie folgte dem
Regenten ſogleich (den 22ften Morgens) zu Hofe,
und war mit ihm beinahe zwei Stunden zufemmen,
wahrſcheinlich um die Dinge zu befänftigen und fo
gut als möglich in den rechten Weg zu bringen. |
Desungeachtet ward dee Prinz des nackten. Ta⸗
ges (den 23ften) zu Hofe emtboten, wo fich bie Mi⸗
-nifter, dee Senat und die Generale verfammelt hats
ten, und genöthigt eine Act von Verhoͤr auszuſtehen;
die Franzoſen würden fagen: il fut mis sur la sel-
lette. Der Regent ſetzte der Verfammlung die ganze
Sache vom Anfang bis zu Ende auseinander, und
fragte Hierauf den Prinzen: Was er für einen Ge:
danken (idea) gehabt haben könne und was er be:
48: | Sechster Abſchnitt. 1740
treibe und bezwecke. Man fagt mir, er fen ſchwach
genug- gewefen, mit Thränen in ben Augen zu ant
worten: einen Aufltand (an insurrection), um bie
Regentſchaft an fi zw bringen. (Ich gebrauche
mildere Ausdruͤcke!), als er.)
Hierauf ſagte General Uſchakoff (ein ſtrenger
Mann, welcher zuvor an der Spitze der Behörde wie.
der Staatsverbrecher ftand): Prinz von Braunfchweig!
Ein Seber wird Sie, fofen es Ihr Benehmen
nicht verhindert, als den Vater unferes Kaiſers be
trachten; wenn Ihre Aufführung uns dazu zwingt,
muͤſſen wir Sie dagegen als feinen Unterthban be
handeln?). Bei Ihrer Jugend und geringen Erfah
sung mag man Sie uͤberraſcht (surprised) und miß⸗
leitet haben. Wären Sie aber von reiferem Alter
und nach Geift und Anlagen fähig einen Plan zu
unternehmen und durchzuführen, wodurch Ruhe, Fries
den und Wohlfahrt, ja das Daſeyn diefes Reiches
hätte Eönnen geftdrt und in dußerfte Gefahr gebracht
werden; fo muß ich Ihnen erklären, daß ich gegen
Sie (obwohl mit dem größten Schmerze), wenn Sie
bes KHochverrathes gegen Ihren Sohn und Herm
fhuldig geweſen wären, mit derfelben Strenge würde
1) Softer terms.
. 2) Der Prinz warb 1714, feine Gemahlinn 1718 ges
boren.
1940, Biron und Braunſchweig. 20
vorgeſchritten feyn, wie gegen irgend einen andern Un⸗
testban Seiner Majeftät Yon weit Ben Range
und Stellung.
Hierauf nahm bee Regent das Wort, feste ‚ben
Hergang feiner Ernennung, fowie die Gründe ausein⸗
ander, weshalb Kein Zweifel wider die AÄchtheit der
feierlichen Urkunde erhoben werben könne. Die Kai⸗
ferinn (fuhr er fort) hat mich durch ‚diefelbe zum Re⸗
genten ernannt, und ich danke diefe hohe Stelle
zuerft ihr; dann aber zweitens (mie ich hoffe) ber
guten Meinung und dem Zutrauen, welches bie hier
wverſammelten erften Männer des Reiches in mid) fe:
km Da jedoh Ihre Majeſtaͤt die Kaiferinn mie
das Recht gelaflen haben, diefes hohe Amt niederzules
gm, fo erkläre ich: daB wenn dieſe Verſammlung
Eure Hoheit für daſſelbe tauglicher, oder in irgend
einer Meife für fähig hält eö zu übernehmen, ich zu
Eurem Beten in diefem Augenblicke abdanken will.
. Solten jene dagegen wuͤnſchen daß ich meine Würde .
behalte, fo verpflichtet mich meine Dankbarkeit gegen
die verflochene Kaiferinn und gegen Rußland, dieſem
Vunſche in der Hoffnung Folge zu leiſten, daß ich
duch den Rath diefer Deren im. Stande ſeyn werde,
der ſchweren Aufgabe zum Vortheile dieſes großen
Reiches und meiner Verpflichtung gemäß zu genügen.
Nach diefer Anrede erklärte einer von den Gegen-
waͤrtigen: ſowie ſie vor dem Tode der Kaiſerinn ge⸗
ILII. 3
508 Sechster Abſchnitt. 1240.
beten hätten, daß der Herzog mit ber Regentſchaft
bekleidet werde, fo baͤten fie jest, er möge fie zum
Vortheil und zur Erhaltung des Reiches behalten.
Der Regent forderte jegt den Grafen Oftermann auf
zw bezeugen, ob die Urkunde (devem Ächtheit man. in
Zweifel zu. ziehen fehlen) biefelbe fen, . weiche er der
verſtorbenen Kaiſerinn überreicht habe. Der Graf er
theilte die bejahende Erklärung, worauf .vorgefchlagen
ward: jeder Gegenwärtige (worunter ſich alte Gene
ralmajore befanden) folle die Urkunde unterzeichnen, .
ihre Üchtheit anerkennen und fich anheifchig machen,
biefelbe aufrecht zu halten. Dies gefchah unverzüglich
und der Prinz von Braunſchweig unterzeichnete und
unterfiegekte gleich den ‚Übrigen.
‚Sowie der Regent unter der verflorhenen Kaife⸗
rinn immerdar der Pringeffinn Eliſabeth ſoviel Dienfle
keiftete als in-feinen Keäften fland (obgleich fie füch
damals unter einer Art von Ungunſt befand), fo
fheint ex fie auch jetzt für fich gewinnen zu wollen,
da er weiß daß fie ſehr beliebt iſt, ſowol ihrer ſelbſt,
als ihres Vaters wegen. Er hat ihr Geld zur Bes
zahlung ihrer Schulden und eine Zulage von 50,000
Rubel angewiefen, welche Gunſtbezeuguug ſehr *
ligt wird.
überhaupt iſt Niemand ———— der ihm ent⸗
gegentraͤte, und er iſt beliebt, weil er Vielen gefaͤllig
war und nur Wenige verlegte. Dieſes geſchah haupt⸗
1749. Biron Regent. Eliſabeth. 51
fächlich durch eine gewiſſe Rauhheit feines Benehmens,
was die Franzoſen beusque nennen. Ploͤtzliche Auf⸗
walungen biefer Art dauern jedoch niemals lange,
auch hat er ſich nirgends unverſoͤhnlich gezeigt. Wenn
feine Megentfchaft in Moskau (dee größen und volk⸗
reichen Hauptſtadt diefes. Landes) fo gut aufgenommen.
wird, als im Peteröburg, fo kann ich bis jegt Nichts
erblicken, was ihn hindern könnte fie ungeſtoͤrt fortzus
führen. Und wenn er fortfährt wie er zu beginnen
fheint, fo kann es zu umenblichem Vortheile diefes
Reiches und nicht minder zu: feiner Ehre gereichen.
Ein großes Gluͤck aber ift es für ihn, daß Wolins⸗
kois Plane entdeckt und diefer Gatilina Rußlands ver-
nichtet wurde. Hätte er gelebt bis. zum Tode der
Kaiferinn und wäre feine Verſchwoͤrung ein Geheim:
nig geblieben, fo würde er nad) aller Wahrſcheinlich⸗
keit bei dieſer Gelegenheit Rußland an allen vier En-
den in Brand geſteckt und eine allgemeine Metzelei
der Fremden ducchgelegt haben. Ä
Indeſſen ift die Zukunft nicht gunz gewiß: der
Kaifer kann flerben, die Prinzeffinn Anna mehre Kin-
der gebären u. f. w. Auch hat. diefe gefagt: es ſey
nicht ihres Amtes, allein zur. — gehalten zu
werden! *
1) T be kept only for the breed.
3”;
52° Siebenter Abſchnitt. 179.
Der franzöfifche Gefandte neigt ſich zu Eiifabeth ;
der preußifche und öfterreichifche zu Anne. |
Siebenter Abſchnitt.
So ſchien fuͤr Rußland die Gefahr, welche ein
ungewoͤhnlicher Thronwechſel mit ſich fuͤhrt, gluͤcklich
voruͤbergegangen und eine feſte Regierung begruͤndet
zu ſeyn. Am Sten November 1740 ſchreibt der eng⸗
liſche Geſandte aus Petersburg ’):
Der Regent widmet fid) den Gefchäften mit gro⸗
ßem Steige. Er will genau wiffen wie er Alles ge
funden habe, um bereinft zu zeigen wie er e8 hinter
laffe. Die Prinzeſſinn Anna lebt mie ihm aͤußerlich
auf einem guten Buße; fie fehen fich oft, aber ihr
Gemahl bat fih feit feinem Verhoͤre nicht blicken laſ⸗
fen, fondern verweilt immer in den Gemaͤchern ber
Prinzeffinn.
Erſt geftern fagte der Herzog Regent zu einem
meiner $reunde: das Bekenntniß des Prinzen: „er
babe ein wenig tebelliten wollen” (fo bdrüdte jener
1) Reichsarchiv, Rußland, Band 38.
1740. Sturz des Regenten Biron. 53
fi) aus), konnte keinen Zorn erregen, wohl aber Mit:
leid über Seiner Hoheit Schwäche, daß er fih in
eine fo unfinnige Unternehmung hineinziehen ließ. Er
batte nur acht Gehülfen, darunter ben Narren des
Hofkutfchers'), einen Lehriungen und einen Aufwaͤrter,
weiche Drei bereits wieder frei gelaffen worden find.,
So ficher und gelaffen, ja faft uͤbermuͤthig war
ber Herzog, fo wenig ahnete er und der Gefandte bie
nächte Zukunft, fo fehe wurden bie Meiften über bie
Lage ber Dinge getäufcht. -
Den Iten November (alfo wenige Stunden nach
Abfaſſung jenes Berichts), war das ganze Gebäude
ber neuen Derrfchaft bereits völlig umgeftürzt.
Den Iten November (fchreibt der Gefandte zwei
Tage fpäter) zwifchen drei und vier Uhr des Morgens,
begab fich der Feldmarſchall Muͤnnich an der Spige
von 40 Leibwächtern vom ‚Winterpalafte zum Soms
merpalafte und verhaftete, zufolge: eines muͤndlichen
Befehles der Prinzeffinn Anna, den Regenten in fels
nem ‚Bette... Etwa um ſechs Uhr warb er als Ges
fangener in die Wachtſtube des Winterpataftes ge:
bracht. Nicht minder ward General Biron nebſt als
Im übrigen Gliedern diefer Familie, gleichwie Beftu:
heff verhaftet und ebenfalls nach dem Winterpalafte
geführt. Gleich darauf berief man alle Vornehmen
1) The buffoon of this courts coachman.
3: Biebenter Abſchnitt. 12.
zu Hofe, erklärte die Prinzeffinn Anna zur Großher⸗
zoginn und übertrug ihr die Regierung während ber
Minberjährigkeit ihres Sohnes. Die Gefangenen wur
ben nach nerfchiedenen Feſtungen abgeführt, ein Te⸗
deum gefungen, Orben ausgetheilt, Beförderungen bes
willigt, Geſchenke gemacht, Schulden ber Großen be
‚ zahlt, und der Prinz von Braunſchweig zum Sane
raliffimus ernannt. |
Muͤnnich Iehnte- diefe Stelle ab und wuͤnſchte
daß das Heer bie Ehre habe, vom Vater des Kaiſers
befehligt zu werden. Doc ward Muͤnnich erfter Mi:
nifter, Oftermann Großadmiral und Mintfter der aus:
wärtigen Angelegenheiten, Czerkaski Großkanzler, Gr
lofkin Vicekanzler.
Dem gefangenen Herzoge nahm man alles Gelb
und Gut, bis auf feine goldene Uhr und feine Kleider.
Nähere Auskunft geben die folgenden Berichte dei
Gefandten, insbeſondere einer vom 18ten November.
Der Entſchluß, ſchreibt er, zu all dieſen Unterneh⸗
mungen, ward erſt den Tag zuvor gefaßt. Durch
ein ſonderbares Schickſal, eigene Blindheit und fremde
Schmeicheleien, hielt ſich der Herzog feſt uͤberzeugt, er
ſey im hoͤchſten Grade beliebt und in vollem Befitze
der Zuneigung allee Menfchen jedes Standes und
Ranges. Die unbedingte Unterwerfung unter‘ feine
Gewalt, legte er aus als treue en an feine
Perfon. |
1700. Sturz des Regenten. Muͤnnich. 65
- Dee Prinz -von_ Braunſchweig hatte allen Am⸗
teen entfagt, um nicht untere dem Herzoge zu fie
"sen, konnte ſich jedoch feiner „Aufficht keineswegs ent⸗
sieben. Mit der Prinzefiiun Anna kam der Regent
öfter zuſammen, weshalb man wähnte fie feyen einig,
während fie immer miteinander haberten. So fagte -
biefer ihe (am 7ten November): ich kann Sie und
Ihren Gemahl nach Deutfchland ſchicken, und es gibt
einen Herzog non Holſtein“) in dee Welt, welchen
ih, wenn man mid, dazu zwingt, nach Rußland bes
rufen werde, — Nach ſolch einer Erklärung war ber
Bruch‘ nie herftelbar: denn die Prinzeffinn mar
klug und fein genug vorhergufehen, was ihr "bevor:
fand, und befaß zuviel Much und Entſchloſſenheit
als daß fie nicht verfuchen folte, jenem kuͤhnen und
raſchen Plane zuvorzulommen.
Nachdem der Feldmarſchall Münnich den Sten No:
vember der Prinzeffinn einige Cadetten vorgeftellt hatte,
blieb er mit ihe allein und es kam zu Erklärungen
über die obmaltenden Verhaͤltniſſe. Sie befchwerte
fidy über die Behandlung welche fie, nebft ihrem Ge
mahle, vom Regenten erleibe, fodaß ihnen kaum ein
“ anderer Ausweg bleibe, ald Rußland . zu verlafien.
1) Peter IM, der Sohn der Anna und -des Herzogs
Karl Friedrich von HolfteinsGottorp, der Enkel Peters deö -
Großen.
56 Siebenter Abſchnitt. 1740.
Fuͤr dieſen Sal bitte fie den Feldmarſchall: er möge
alles Anfehn und allen Einfluß, den er befige, an:
wenden um den Regenten zu vermögen, daß er ih⸗
nen erlaube ihe Kind mitzunehmen, um es gegen
all die Gefahr zu. fihern, welcher Rußlands Beherr⸗
ſcher ausgefegt fey, wenn er in den Händen feiner eigenen
und ber tödtlichen Zeinde feiner Xitern bliebe. —
Hierauf fragte Muͤnnich: ob fie fi fchon irgend Je⸗
mand mitgetheilt babe? — und fie antwortete: kei⸗
ner Seele! — Nach manchem Zweifel befchloß bie
Prinzeſſinn, fih ihm allein anzuvertrauen.
Obgleich Muͤnnich zur Erhebung des Regenten
beigetragen hatte, fand doch Argwohn und Eiferſucht
zwiſchen ihnen ſtatt, und dieſer hatte die Abſicht, den
Feldmarſchall wo moͤglich zu beſeitigen. Deſſen eige⸗
ner Sturz ſtand alſo bevor.
Zufolge einer zwiſchen Muͤnnich und Anna ge⸗
troffenen Verabredung ging Prinz Ulrich zum erſten
Male aus und machte dem Regenten einen Beſuch
im Sommerpalaſte. Beide begaben ſich jetzt zum
jungen Kaiſer, dann zur Prinzeſſinn Anna, endlich in
in die benachbarte Reitbahn des Regenten. Nachdem
dies Alles vorbei war, kehrte der Prinz von Braun⸗
ſchweig zum Sommerpalaſte zuruͤck, der Regent aber
ging (nachdem er unterwegs noch ſeinen Bruder den
. General Biron geſprochen), nach dem Sommerpalaſte,
um zu Mittag zu ſpeiſen. An dieſem Mittagmahle
1140, Sturz d. Regenten. Anna. Münnid. 57 |
nahmen außer feiner Familie Theil, ber Präfident
Mengden und der Feldmarſchall Münnid,
beide mit ihren Samilten.
Man erzählt‘): an diefem Morgen Habe der Re:
gent etwas bemerkt, was fo großen Eindruck auf ihn
machte, daß er auch Mittags zu jener Gefellfchaft
davon ſprach. Naͤmlich, es fen fo wenig Volt auf .
den Straßen geweien, und Alte hätten fo melancho⸗
liſch, niedergefehlagen und finfter ausgeſehen, als ob
fie nicht zufrieden wären. Der Herzog war ſchwach
genug dies daher abzuleiten, daß man über bie Auf-
führung des Prinzen von Braunſchweig mißvergnuͤgt
ſey, und argmöhnte nicht, daß feine Regentſchaft dar
an einigen Antheit haben koͤnne. — Die Gefellfchaft
entgegnete (nie man fich denken Tann), daß entweder
an dem Anfcheine Nichts ſey, oder daß er -entiiche
durch des Volkes Schmerz über -den Tod der Kaife:
rim. — Dennod war er Regent während der Mahl:
zeit fehr nachdenklich und ſtill.
Nachdem dies Alles voruͤber wae, blieb des Feld⸗
marſchalls Familie noch da, er ſelbſt ging nach Hauſe
und Abends zur Prinzeſſinn Anna. Er fragte: ob
ſie ihm Befehle zu ertheilen babe, denn fein Plan
ſey entworfen und er wolle ihn in der naͤchſten Nacht
vollfuͤhren. Die re war erſchrocken Über die
1) Aus — Munde.
3**
588 Siebenter Abſchnitt. 200.
Schnelligkeit und Wichtigkeit eines ſolchen Beſchluſſes
und mollte nach den Mitteln der Ausfuͤhrung fragen.
- Der Zeldmarfchall bat aber, fie möge beides verzeihen:
daß er ſich jetzt hieruͤber nicht weiter erkläre, und daß
fie naͤchſten Morgen um drei Uhe in ihrem Bette
geweckt werde. Nach Eurzer Überlegung fagte die Prin-
zeſſinn: ich übergebe mich, meinen -Gemahl.und mei
"nen Sohn ganz Euren Händen unb vertraue Eurer
Führung. - Gottes Vorſehung möge Eu keiten und
und Alle befchügen!
Von der Prinzeſſinn Anna kehrte Muͤnnich mit
dem Grafen Loͤwenwolde zum Regenten zuruͤck, um
bei ihm Abendbrot zu eſſen. Sie fanden ihn noch
in Zweifeln, und er klagte uͤber eine Abſpannung des
Geiſtes, eine Schwere und Unbehaglichkeit des Ge⸗
muͤths, wie er ſie nie im Leben gefuͤhlt habe. Jene
Beiden ſagten ihm: es moͤge eine leichte Unpaͤßlichkeit
ſeyn, welche eine gute Nachtruhe beſeitigen werde.
Dennoch ſagte der Herzog (obgleich ſonſt geſpraͤchig
genug) beim Eſſen und waͤhrend des uͤbrigen Abends,
kaum irgend ein Wort. Um ihn zu beleben, oder
das Geſpraͤch fortzufuͤhren, fing der Feldmarſchall an
zu erzählen von ben Schlachten und. Gefechten wäh:
rend feines. vierzigjährigen Dienfled. Zuletzt fragte .
ihn der- Graf Loͤwenwolde ganz unfchuldig: ob er kei⸗
. ner Unternehmung während der Nacht beigewohnt
babe. Die Sonderbarkeit diefer, in den augenblid-
178. Sturz bes Negenten. 59
lichen Barhälmifien fo ungeitigen Frage, traf ben
Seldmarfhall; doch erholte er fih und antwortett wit
guter Haltung und ſcheinbar großer Gleichguͤltigkeit:
bei der großen Zahl von Unternehmungen, denen il)
beigewohnt habe, muͤſſen auf iebe der 24 Stunden,
etliche fallen. |
Seine "Ercellenz der Feldmarſchall erzählte mir:
ich bemerkte, daß ber Herzog, welcher auf feinem Bette
lag, in dem Augenblicke wa ich dieſe Worte fagte,
fi) etwas erhob, auf feinen Ellbogen flügte, feinen
Kopf in ber Hand ruhen lieh, und eine gute Viertel:
fiunde im diefen nachdenklichen Stellung verweilte.
Um zehn Uhr gingen Alle auseinander und Dita:
ni zu Wette; ohne jedoch (wie er ſagte) ein Auge
zuzuthun. Um zwei Uhr fland er auf, lich feinen
Adjutanten den General Manſtein rufen und verſtaͤn⸗
digte ſich mit ihm. Beide gingen nunmehr zum Pa⸗
laſte der Prinzeſſinn Anna, wo Muͤnnich Dffiriere
und Soldaten anredete, und Auserwaͤhlte mit ſich zur
Prinzeſſinn nahm. Dieſe klagte ihr Leid, und befahl
daß der Regent verhaftet, ſowie dam Feldmarſchall in
Jeglichem Folge geleiſtet werde. Niemand widerſprach;
die Wachen im Winterpalaſte ließen Ale ungeſtoͤrt
hindurch, Manftein drang bis im: das Zimmer des
ſchlafenden Herzogs, ließ ihm (als er ſich wehrte) bin⸗
den und den Mund verſtopfen, und mit feiner Ge⸗
mahlinn unbelfeidet in bloßen Hemden fortichleppen.
0 GSiebenter Abſchnitt. 1340,
Aus Mitleid warf man zwei ihrer Bettbeden Aber
die Gefangenen.
Als die Herzoginn hörte, wer bas Ganze leite, cef
fie mit dem Ausdrucke des größten Erſtaunens aus:
ich würde eher geglaubt haben, daß Gott der Allmäd-
‚tige flerben. fönnte, als daß der Feldmarſchall uns ſo
behandeln würde. |
Meder ber Prinz, noch Oſtermann, nod) irgend
ein Menſch hat von bem Allem etwas gewußt, ober
geahnet')..
Wolfrad, Muͤnnichs Adfutant, ein Mann, der
bei dem Tode feiner Ältern (fo ſehr er fie auch lichte)
keine Thräne vergoß, fagte fpäter:. ich konnte, als ih
den Herzog und die Herzoginn in Schlüffelburg ſprach,
eine ganze Fluth von Thraͤnen nicht zuruͤckhalten; fo
beweglich war ber Anblid. . Die Herzoginn fiel ihm
zu Süßen und bat, er. möge fi) um Gnade für eine
fo ungluͤckliche Familie verwenden!
Die Prinzefjinn Anna ‚übernahm nebft ihrem Ge
mahle die Regierung und Muͤnnich war zunaͤchſt Ihe
A Rathgeber. Doch entftanden bald: Zweifel: ob
er fih in Gunft erhalten und mit feinem alten
Gegner Oſtermann ausfühnen werde”). Indeſſen hielt
man (wie fo oft in Rußland) die neue Macht, auch
1) Bericht vom ten Januar 1741.
2) Bericht vom 2öften November.
—
1710, Karı VI Pragmatiſche Sanktion. 61-
für eine wohlbegruͤndete, und überlegte, melde Maß:
regeln man nad) dem Tode Kaifer Karls VI, hinficht:
fich der auswärtigen Angelegenheiten zu ergreifen habe.
Achter Abſchnitt.
So anziehend nnd lehrreich das bisher Mitge⸗
theilte für den Liebhaber der Gefchichte auch ſeyn mag,
trägt doch. Alles den Charakter des Vereinzelten, Uns
zufammenhangenden. Erft mit Eröffnung ber oͤſter⸗
reichiſchen Erbfolge erzeugt ſich ein neuer Mittelpunkt
für die Betrachtung und Entwidelung der europdifchen
“ Angelegenheiten, und jeder andere Gegenfland tritt,
um biefes größeren willen, in den Hintergrund. Wo:
ber aber neue Anſpruͤche und Gefahren, an einer
Stelle wo Alles völlig entſchieden und über jeglichen
Zweifel hinaus- feftgeftellt zu feyn fhien?
Hinſichtlich der Vererbung ber ſpaniſchen Monar-
die, ſtand beim. Anfange des achtzehnten Jahrhun⸗
derts gar Vieles in Frage. Mochten naͤmlich bie
Bourboniden oder Habsburger das Ganze erhalten,
oder daſſelbe getheilt werden; immer ſchien die Staats⸗
klugheit hintangeſetzt, oder das Recht verletzt. Wenn
hingegen die oͤſterreichiſchen Staaten aus den Haͤnden
. 52 Achter Abſchnitt. ram
einer männlichen Linie, in bie Hände ber Tochter
Karls VI, ver Maria Thereſia kamen, fo mar damit
eher eine Schwächung, denn eine gefährliche Verſtaͤr⸗
tung der Macht verbunden; auch hatte ja fall ganz
Europa das natürliche, billige, unverfängliche Erb⸗
geſetz Karls VI, die pragmatifche Santtion angenom=
men und verbürgt. Daß ber Kaifer im Wege be
Rechts und der friedlichen Anerkennung fo an das
Ziel zu gelangen und allen Kriegen vorzubeugen
ſuchte, iſt durchaus preismuͤrdig; heſſer freilich für
ſeine Erbinn, er haͤtte zu dem Rechte auch die Macht
geſellt, ſowie umgekehrt die Macht — Mochtes
bebarf.
ESs iſt hier nicht der Dre machzuwelſen; in wol
cher Art jenes Erhgeſetz entworfen, geprüft, im Im
Iande und Auslande gebilligt und Maria Thereſig als
Univerſalerbinn ihreg Waters anerkannt ward, Die
Kenntniß dieſer Dinge vorausfegend geht mein Zwech
nur dahin, aus ben gefanbtichaftlichen Berichten bie
Betrachtungs⸗ und Handlungsweiſe der Könige, Fürs
ſten und Voͤlker, in mancher zeither bunkela Bezie⸗
bung aufzuhelſen.
Den 20ſten Oktober 1740 — Kaiſer Kar VI ).
V Friedrich II. war geboren 1712 u. zählte jest 28 Jahre
Maria Sheufiao . . . . 1717 — 28 —
Der Erzherzog Franz - . 1708 — 32 —
170. Tod Karıs VI. 08
Des Tages zuvor fihrieb der englifche Geſandte Re:
binfon nad) London; in Wien fürchtet mag Tuͤrken,
Sachſen, Baiern und Franzoſen). Der Großherzog
Franz ſagte zum preußifchen Geſandten Borcke: in dem
Augenblide mo der Kaifer flirbt, werde ich Ahnen
ſelbſt einen Brief fir Ihren Herrn geben, Denn ich
kann mih auf niemand verlaſſen als auf
Seine Majeftät den König von Preußen?)
und ben König von Grofbritanien,
Zwei Tage nach dem Tode Karls VI berichte
MRobinfon aus Wiesn: Von ber Zeit an wo bed Kai⸗
ferd Krankheit _ernfihaft ward, bemerkte ich nur au
wohl, wie fehr man bier einen Schlag fücchtete auf
welchen man nicht vorbereitet war, und wie man fi
in der äufßerften Verzweiflung ganz ber Gnade von Frank:
reich hingab. Bei Annäherung der Gefahr den Kaifer
“ Sabwig XV war gehoeren 1710 u. zählte jetzt 30 Jahre.
*
Georgu . 2.2... 1683 — —
Philippy.... 1688 — BE
Friedrich König von Echweden 176 — 4. —
Ghriftian VI von Dänemarf 1699 — 41 —
Eliſabeth von Rußland . . 1710 — 890 —
Karl Albert von Baiern 1697 — 48 —
Auguſt IE von Polen . . 1696 _ 4 —
1) Reichsarchiv, ſterreich Band 182.
2) There is no body but his Prussian Majesty and
_ the King of Great Britein, that I can rely on.
64 Achter Abſchnitt. 1740.
zu verlieren, fahen fie ſchon die Türken in Ungern, bie
Ungern in Waffen, die Sachſen in Böhmen, bie.
Baiern an den Thoren Wins und Frankreich als
die Seele. von dem Allem. Ich fah fie nicht allein
in Verzweiflung (in despair), fondem, (mas nody
übler), diefe Verzweiflung war nicht im Stande fie
wahrhaft und tapfer besperat (Srayery desperate) zu
machen.
Mit Bezug auf meine feliheren Berichte und die
mir ertheilten Anwelfungen , fagte ich kuͤhn: England
und das Haus Öfterreich find noch unverfehrt, fofern
es bie nur Männer giebt. — Graf Zinzendorf
antwortete feufzend: ach! wenn nur ber eine Eugen
noch- am Leben wäre. — Selbſterhaltung erfähelnt den
oͤſterreichiſchen Miniftern als das hoͤchſte und einzige
Biel, — ohne fih um das übrige Europa zu be⸗
kuͤmmern.
Maria Thereſia iſt ſchwanger, und war waͤhrend
der Krankheit ihres Vaters in Gefahr eine Fehlgeburt
mit dem Kinde zu thun, welches das letzte unſichere
Pfand dieſer Familie bildet. Jetzt iſt ſie beſſer und
konnte Mittags nach ihres Vaters Tode die vornehm⸗
ſten Behoͤrden zum Handkuß laſſen und, bis auf
neuen Befehl, In ihren Ämtern beſtaͤtigen. Sie ward
mit dem Titel einer Königinn begrüßt; der Großherzog
ftand in einer geringen Entfernung zue Linken unter
‚dem Thronhimmel. Sie nimmt fich der ‚Regierung
1740. Stimmung in Öfterreid. | | 65
ganz in derſelben Weile an, wie ein neuer König
thun wuͤrde. Dh! (tief der Kanzler gegen mich aus)
wäre fie nur ein Mann, mit benfelben Eigenfchaften,
welche fie befigt.
Was die Zukunft anbetrift (fuhr derſelbe fort),
fo werden Sie, ſchon der obmwaltenden Verhaͤltniſſe
halber gern glauben, daß wir für biefelbe fo viel als -
moͤglich und in jeder Richtung und Beziehung forgen
werden. Manche Dinge will man verbeffern, und
die Nothwendigkeit wird der Regierung neues Leben
ertheilen. Wir dürfen Frankreich nicht auftelzen, wir
wiſſen, daß England es nicht fordert. Im Übrigen
möchten wir, fogar wenn wir uns felbft überlaflen
wären, fo eifeig (forward) feyn als ihr — hätten
wir nur Geld! Mit einem Worte: laßt uns nur ein
wenig zu uns kommen, macht uns genauer mit euren »
Abſichten bekannt; wir hingegen wollen bie Plane
Frankreichs erforfchen und prüfen. Ihr werdet nicht,
ihe dürft nicht zümen, wenn wie. den Krieg auf einen
Seekrieg beichränten Finnen. Ihr begannet ihn plößs
lich (abruptly); .es war in der That ber tühnfte
Streich der in ber Gefchichte zu finden iſt. Wie
aber die Dinge einmal ſtehen, bebarf die allgemeine
‚Lage Europas, umd ber befondere Zuſtand unferer
eigenen Angelegenheiten, bie hoͤchſte Aufmerkfamteit
und Sefligkeit.
Die Dinge (fchlieft dee Gefandte) werben in Bes
66 Achter Abſchnitt. 1740.
gug auf bie auswärtigen Angelegenhaiten unverändert
bleiben, bis man fiehbt mas Balern, Sarhfen und
Frankreich thun ').
Vier Tage fpäter, den , 26flen Oktober fehreibt
der Gefandte: Es bat fih hier eine unbegreiflice
Meinung (unaccountable vation) in’ den Köpfen deß
gemiinen Volkes fefigefegt, und am: meiſten im der
Nähe diefer Stadt: dag namlich mit dem. Tode bei
Kaifers die ganze Regierung aufgelöfet fen, und ber
Kurfürit von Baiern kommen und von biefen Lane
fchaften Beſitz nehmen werde. Und doch hat Öfter
reich erit in den letzten Monaten vor bes Kalle
Zode, die Anſpruͤche Baierns volllommen widerlegt
und zuruͤckgewieſen. In der That legte der baierſche
Geſandte um dieſe Zeit die Anfprüche feines Herm
auf die ganze öfterreichifche Erbfchaft vor ?), und
leitete, biefelben aus dem Teſtamente Kaifer Ferdi⸗ |
nande I ab. |
Ich bemerke, daß dieſe Begründung durchaus um
genügend war: Erſtens, weil jenes Teſtament bie
Erbfchaft nicht bios den männlihen Nachkommen
zuficherte (wie die Baiern behaupteten) Iauvenm ben
ebelihen Nachkommen,
Zweitens, wenn Serdinand I eine Erbordnumg
1) Preußen ift in biefer Stelle wieder nicht erwähnt.
2) Bericht vom 29ften Oktober.
11
\
1740, ‚England, Rußland. 67
entwerfen durfte, dann eben ſo gut Karl VI, und
die neuere mußte den Vorrang haben vor der
"Niemals (berichtet Robinſon) ſah ich einen Mann
im ſolcher Leidenfhaft, als den Sfterveichifchen Kanzler
über dieſe haierfhen Forderungen. Er rief: welche
Unregelmäßigkeit, welcher Ehrgeiz, welche Ungerechtigs
keit, welche Grauſamkeit. Dies waren feine milde
fen Ausdruͤcke. — Der Hof will jedoch in anderer
Weiſe verfahren, mit gedrudten Widerlegungen bes
innen, zugleich aber unverzüglich andere Maaßregeln
vorbereiten.
In der That kam aber weit weniger darauf an,
welche Wuͤnſche Baiern hegte, als welche Unterſtuͤ⸗
tzung es bei den groͤßeren Maͤchten finden wuͤrde.
‚Unter dieſen war nur England (durch Rechtsgefuͤhl
und feine Stellung gleichmäßig. dazu verlaßt) feit ent-
ſchloſſen die pragmatiſche Sanktion unverletzt aufrecht
zu erhalten. Den Z31ſten Oktober ſchrieb Lord Hat-
rington an Robinſon: England und Holland wollen
im engen Einverſtaͤndniſſe mit Öfterreich bleiben. Auch
wird der König die kraͤftigſten Maaßregeln ergreifen
um die Mitwirtung und den Beiſtand des Königs
von Preußen ‚und der Gzarinn zu fichern.
. Den 26ften Oktober (kurz nad) dem Tode ber
Kaiferinn Anna) kam die Nachricht von bes Kaifers
_
ss AdterAbfhnit. 140.
Tode nah Petersburg '). Oſtermann (fchreibt
Find) war darüber, ſehr erfchroden und beforge. Er
meinte: alle Zürften Europas müßten, nun reiflich
überlegen, ob fie Öfterreich unverletzt aufrecht ers
halten,. oder verlaffen wollten. Es gebe fein
Drittes, oder einen Mittelweg. Vor Allem. wichtig
fen es: 0b Frankreich an ber Verblrgung bes Erbges
feges fefthalten wolle, oder nicht. Sollte es ſich zu
dem Legten entfchließen, glaube er daß England
-dennoch fich verbinden, Theil nehmen und mitwirken.
“ müffe, die pragmatifhe Santtion zum Vollzuge zus
bringen. — Ein anderer Grund der Sorge Oſter⸗
manns tft, daß der König von Preußen fein eige⸗
ner Dinifter zu ſeyn und Alles lediglich nach eigenene
Rathe zu befchließen fcheint. Jede Verhandlung zwi⸗
fchen England und Rußland fest immer voraus, daß
Preußen beitrete, midrigenfalls muͤſſe .ich (Finch)
ſelbſt fühlen, in welche Schwierigkeiten ber ruſſiſche
Hof gerathe, und zu welcher Behutſamkeit wer
gement) er gezwungen werden bürfte.
Kurze: Zeit nachher (den Iten November) berich⸗
tete der englifche Gefandte aus Paris?): der Kar⸗
binal Fleury fol dem Fuͤrſten Lichtenftein einen fehe
verbindlichen Brief gefchriebn umb ihm verfichert has
1) Find, Bericht vom erften November 1740.
2) Reichdarchiv, Frankreich, Band 88.
1740. Frankreich. 69
ben, der König von Frankreich werde allen Verpflich⸗
tungen hoͤchſt gewiſſenhaft nachkommen, welche er
gegen den Kaifer bei deſſen Lebzeiten übernommen
babe. — Man meint jedoch, Frankreich werde einen
anderen Weg einfchlagen, wobei es feine Zwede viel
beffer erreiche: nämlich indem es gewiffe Perfonen
ermuthige ihre verfchiedenen Anfprüche geltend zu ma⸗
hen, bis fie untereinander in Krieg gerathen. Dann
wolle Frankreich, unter dem fcheinbaren Vorwande
‚bie öffentliche Ruhe zu erhalten, fich mit ber Partei
von welcher es den größten Vortheil erlangen könne,
zur Unterbrüdung der Übrigen vereinen. Denn wenn
es fich jest für Einen entfcheide, möchte der Andere
ſogleich zu em und beffen Freunden hingetrieben-
werden.
Ä Um biefelbe Zeit erklärte Sachen’): es wolle im
beſten Verhättnifie mit der Koͤniginn von Ungern
‚leben, und alle feine Verpflichtungen gegen Diefelbe
erfüllen. Diefe Erklärung, fowie die manches ander
ven Hofes, lautete allerdihge beruhigend, doch ums
gingen die meiften eine Erneuung der Buͤrgſchaft für
das oͤſterreichiſche Exrbgefeg.
1) Bericht Robinfons aus Wien vom 12ten November.
Reichsarchiv, Öfterreich, Band 182.
!
70 . Neunter Abfhnitt. 1740.
Reunter Abfhnitt.
"Nach ber bisherigen Stellung der europäifchen
. Mächte, fpielte Preußen eine fo untergeordnete Rolle,
daß von ihm weder eine Bewegung ausgehen, noch
die Entfcheidung kommen konnte. Deshalb hatte der
Wiener Hof fih mit einer nur. bedingten An
nahme der pragmatifchen Sanktion durch Friedrich
Wilhelm I in der Hoffnung begnügt, mit dee Zeit
Die obwaltenden Bedenken leicht heben, oder die eins
tretenden Schwierigkeiten .befeitigen zu können. Bei
dem Allem waren jedoch hoͤchſtens die ſachlichen, ges
wiß aber nicht die perfönlichen Verhaͤltniſſe ins Auge
. gefaßt und beruͤckſichtigt werden; — und biefe hatten
ſich durch Friedrichs II Thronbeſteigung weit mehr
geändert, ais irgend jemand vorausſetzte.
Bu den Namen eines Könige dem Friedrich I
gewann, hatte Friedrich Wilhelm I fchon eine Mache
hinzugebildet; diefe zu erweitern und geltend zu ma=
shen, war der fefte Befchluß des neuen Königs. Nun boten
aber feine Anfprühe auf Juͤlich, Oſtfriesland und
Mecklenburg eine Gelegenheit zu erheblicher Thätig-
keit, und am wenigflen zu Erwerbung geſchichtlichen
Heldenruhms. Und doch war bdiefer das hoͤchſte
Ziel dem Friedrich nachſtrebte. Er fühlte ganz richtig,
“
130. Preußen. Friedrich II. rn
welche Möglichkeiten ihm der Tod Karls VI eröffnete.
Jene, nur bedingte Annahme der pragmatifchen Sant:
„tion, fowie alte Anfprüche auf einige fchlefifche Fürften:
thümer boten ihm eine erwünfchte Rechtfertigung feinen
eigenen Gang zu gehen. Doch können wir (auf. feine
. eigenen Bekenntniſſe geftügt) annehmen: daß. wenn
Öfterreich auch. früher diefe Dinge mit größter Vor⸗
ficht behandelte und alle Einveden befeitigt bitte, ber
König dadurch von feiner ergriffenen Laufbahn. nicht
wäre abgebradht worden. Sein Plan erwuchs aus -
feinem Millen- und erft hintennach wurden die Dex
duktionen und Manifefte, fuppletorifch, entworfen und
befannt gemacht. Deſſenungeachtet fland auf feiner
Seite auch mehr buchftäbliches Recht, als auf Seiten
der Baiern‘, Sachfen und Franzoſen; und Friedrichs
perfönliche Größe gab ihm ein Gewicht, was allen
anderen Gegnern der edlen. Maria. Therefin fehlte,
und in ber Weltgeſchichte, trog aller Einreden zulegt
insmerdar vollgültig ift — mehr erſchafft, denn
zerſtoͤrt.
Ich erwähnte ber Zeugniſſe Friedrichs II über fich
fetbft, und will wenigſtens einige an biefer Stelle
beibringen, bevor ich ben diplomatiſchen Briefwechſel
weiter vorlege. Den 26ften Oktober (fechd Tage nach‘
Karls VE Ableben) ') fchreibt er am Voltaire:. Cette.
1) Oenvres posthumes IX, 136.
72 Reunter Abſchnitt. 179.
mort derange toutes mes idées pacifiques, et je |
crois quil s’agira au mois de Juin. plutöt de pou-
dre a canon, de soldats, de tranchees, que,
d’actrices, de ballets et de theatre. — C'est le
moment du changement total de Vancien systeme
de politique; c’est ce rocher detach6 qui roule sur
la figure‘ des quatre metaux, que vit Nabuchodo-
nosor, et qui les detruisit tous.
Dem Briefwechfel mit Jordan find folgende
Stellen entnommen '): Enfin me voici dans une
des plus belles cirgonstances de ma vie, et dans
des eonjunctures gui pourront poser une Base so-
lide a ma réputation. — Laisse parler les en-
vieux et les ignorants; ce ne seront jamais ceux
qui serviront de boussole à mes desseins, mais
bien la gloire. — J’aime la guerre pour la —
mais si je n’etais pas prince ; je ne serais que
philosophe. Enfin il faut dans ce monde que
chacun fasse son metier, et j’ai la fantaise de ne
vouloir rien faire à — — Mon age, le feu des
. passions, le desir de la gloire, la curiesit€ me&me,
pour ne te rien cacher, enfin un instinet secret
m’ont arrach6 à la douceur du repos que je gon-
tais, et la satisfaction de voir mon nom dans les
gazettes et ‘en suite dans l’histeire m’a seduit. —
1) Oeuvr. posth, VIIT, 154, 155, 161, 168, 164, 210.
4
1840, Friedrichts Plane. 73
Sans ce mamcit penchant pour la gloire, je vas-
sure que je ne penserais qu’ a ma trangnillite. —
— Qu’est ce que la fatigue, les soins et le
danger en comparaison de la gloire? C’est une
passion si folle, que je ne concois point comme
elle ne tourne pas la töte à touf le monde.
So viel, als vorläufiger Fingerzeig. Was der
König felbit im Zuſammenhange über die Gründe
feiner Anfichten und Beſchluͤſſe, in der Gefchichte fei-
ner Zeit berichtet, mag man daſelbſt nachleſen; ich
laffe jet aus dem, in den legten Monaten des
Jahres 1740 ungemein lebhaften bipfomatifchen Brief:
wechſel nachftehende Auszüge folgen:
Den 29ften Oktober 1740 ‚zeigt ber Gefandte
Sup Dickens an '): der Tod des Kaiſers habe in
Berlin einen großen Eindrud gemacht, die Anfichten
gingen indeß fehr auseinander. inige erwarteten
große Vortheile für Preußen und fagten: gaudeant bene
armati! Den dten November giebt der Gefandte
fhon Nachrichten von Eriegerifchen Berathungen und
Vorbereitungen. — Es konnte ihm nicht lange ver:
borgen bleiben, daß Zriedrih auf Englands: Anficht
von der Untheilbarkeit der Öfterreichifchen Staaten
niche eingehe, und ſich für den Begriff des Gleich:
1) Reichsarchiv, Preußen, Band 51.
nl. 4
74 Neunter Abfhnitt, KR
gewicht s von Guropa (mo er Anrckamb untergeard⸗
net blieb) nicht opfern wollte.
Des halb ſchreibt Dickens ben 19en November: Mir
wünfden, daß das wiele Leſen (insbefondere: ſeines
Lieblingsbuches, der alten Geſchichte non Rollin) den
Kopf diefes Fuͤrſten nicht mit dem Gedanken erfülls
bat, Eyrus oder Alexander nachzuahmen. — Zwei:
felhaft blieb es jedoch, ob Friedrich ficd) gegen Kine
oder Schlefien wenden werde. |
Unterdeflen hatte Robinfon den Iten November
Nachſtehendes aus Wien gemeldet '): Wie ich here
bat der König von Preußen auf ben Brief des Groß⸗
berzogs, zu deſſen völliger Zufriedenheit geantwortet. .
Der preußifche Gefandte Herr Borde erhielt bei ber=
felben Gelegenheit von feinem Hofe einen Privatbrirf
und zeigte ihn mir im Vertrauen, Da er unchiffritt
war, fo theile ih das Nachftehende eben fo mit. Der
Inhalt druͤckte des Könige Zufriedenheit über bie
Sorafalt aus, mit welcher Borde fo raſch non bes
Kaifes Zode Nachricht gegeben. Er möge dem Groß—
herzoge und dem Wiener Hofe Verfiherungen erthei⸗
len, über des Königs von Preußen volllommene
Freundſchaft und Bereitwilligkeit ihnen in dieſer wich:
tigen Gelegenheit Dienfte zw leiften. Bei des Ko:
nigs Zuſtand in Beziehung auf Menfhen und Gel,
1) Keichtardhin, Oßernach, Band 182,
149, Maria Sherefie. 78
bey. feine Freundſchaft nicht zu vernachläffigen. Er wolle
feine Verbindungen .eingehen, bevor ex bie Abfichten
dieſes Hofes kenna. Man müfle aber in Wien, ber
von allen Seiten andringenden Gefahren halber, ras
ſchen Entſchluſſes feyn. Ja zufolge der Worte jenes
Briefes fey diefe Gefahr fo groß, daß (nad einem
Lieblingsausdrude des verflorbenen Koͤnigs von Preu:
fen) fein Mann feinen Kopf, ohne Helm, zum Jens
fer hinaus fleden könne — Es folgten bierguf Be⸗
trachtungen über bie obwaltenden pelitiſchen Verhaͤlt⸗
niſſe, und daß ein Angriff Sachſens und Baierns be⸗
vorſtehe, wenn man ihm nicht zuvorkomme und fie
bei Zeiten gewinne, Borde hatte bisfen Brief auch
dem Großherzoge mitgeteilt.
Den 1Gten November fügt Robinſon hinzu: bie
Koͤniginn Maria Thereſia gewinnt alle Herzen,
Sie zeigt eine ungemeine Gewandtheit im Sprechen,
gleiches Urtheil im Entwickeln und nicht weniger Ent:
ſchloſſenheit im Aufrechthalten (supporting) bes wid;
tiaften Staatsangelegenheiten. Öfterreich will "den
Frieden auf dem Feſtlande; aber wenn Frankreich für
Baiern eine Theilung vorfchlagen, oder das Geringſte
für ſich fordern follte, fo wird ber wiener Hof Alles
für Alles wagen). — Horde fagte mir im Vers
trauen (2): dee König vom Preußen ſey fehr aufges
1) Risk all for all! |
4 *
16° Reunter Abſchnitt. 10:
beacht Über die Spötterei und Spaßmacherel'), womit
ihn die Franzofen behandelten. — Man glaubt hier
Friedrich II werde blos die Erbſchaft ven Juͤlich und
Berg in Anregung bringen, ſein Anſpruch aber
ſchwer mit den Forderungen Sachſens auszuglei⸗
chen ſeyn.
Am WMſten November und am Iten December
Hagt Guy Didens: kein Menſch, weder groß noch
Hein, wagt bier dem jungen Könige Vorſtellungen
gegen die von ihm ergriffenen Maaßregeln zu machen,
obgleich Alle fühlen welche Verwirrung daraus hervor:
gehen muß. — Ein Zürft der die geringfte Ruͤckſicht
nähme auf Ehre, Wahrheit und Gerechtigkeit, könnte
die Rolle nicht übernehmen auf welche er losgeht;
aber es iſt Elar feine einzige Abficht war ung (England)
zu betruͤgen, und eine Zeit lang feine ehrgeizigen und
heillofen Plane zu verbergen. |
An demfelden Tage (den Zten December) berich:
tet Robinfon aus Mien: vor einiger Zeit fragte ber
feanzöfifche Gefandte den Herrn von Borde, ob es
wahr fey, daß fein Herr dem miener Hofe 40,000
Mann und feine Schäge angeboten habe? — Herr
von Borde fragte: und gegen wen, Herr Abgefandter?
Der König von Preußen billigte diefe Antwort und
empfahl ſeinem WBevollmächtigten gegen Herrn von
' 1) Railleries et goguenardes.
1740. Preußen, Öftlerreih und. England. 77
Mirepoir hoͤflich zu feyn, und ihn von Zeit zu. Beit
zu fehen, über gewilfe Punkte (welche er kenne)
jeboch ſtets zurüchzuhalten. Der König billigte ferner,
vote ich (laut Bordes Bericht) zu dem hiefigen Hofe
über die Art und Weiſe gefprochen mit Preußen im
beften Verſtaͤndniſſe zu bleiben: ich möge nur behar-
sen auf demfelben guten Wege. Er ') fuhr fort, and»
‚ eänanderzufegen wie Eindifch es von dem hieſigen Hofe
ſey, ſich mit Hoffnungen, franzöfifchen Complis
menten, und fchriftlichen Verſicherungen hinhalten zu
laſſen. Ja ein Brief, welchen Herr von Borde ges
fern erhielt, und mir heute zu leſen gab, ſchloß das
mit ihm zu eröffnen: daB der König von Preußen
auf bem Punkte ſtehe, eine dauernde und unaufloͤs⸗
liche Einigung mit Großbritannien zu treffen.
Vielleicht ward bied dem Seren von Borde ges
fchrieben um durch ihn den wiener Hof ebenfalls bei
guten Hoffnungen zu erhalten’; vieleicht glaubte auch
Friedrich II damals noch ſelbſt, es werde ihm moͤg⸗
lich werden feine Forderungen: und Anerbietungen dem
Öfterreichern und Engländern annehmlich zu machen.
Gewiß war er von einem vwoirklichen Abfchluffe mit
England fehr weit entfernt.
Den ten December fchrieb Lord Harrington aus
1) Das Er, geht glaube ich auf ben König.
78 Neunter Abſchnitt. 1740
London an Robinfon”): alle neueſten Briefe, welche wir
aus verſchiedenen Gegenden erhalten, ſtimmen in der
Meinung uͤberein, daß ber König von Preußen fen
Heer verfammelt habe um Schlefien anzugreifen umb
für fich zu behalten. Einige geben inbeffen zu verſte⸗
ben, daß diefee Schritt in Folge einer Übereinkunft
mis dem wiener Hofe gethan werde; Andere binge
gem fehließen (weil der König einen Theil feiner Mann⸗
ſchaft in ber Gegend von Kleve zuſammenzog) daß et
im Einverſtaͤndniſſe mit Frankreich ſey, und Schleſien
als einen Erſatz für Juͤlich und Berg nehmen wolle.
Einen Tag vor Entwerfung dieſes Briefes (am
Aten December) legte Friedrich II in einem amtlichen
Schreiben an ben König von England, feine Plane
ſchon deutlicher dar, und fügte als Anhang eigenhäns
big Folgendes hinzu”): J’aarais €crit de main propre
à Votre Majeste,. si je n’avais 6t6 charge d’aflai-
res. L’expedition que je vais d’entreprendre est
vive, mais c'est le seul meyen de sauver P’Alle-
magne que la cour de Vienne est pröte A prendre
avec la France, Jespere que Votre Majeste me
donnera dans «etie occasion des marques die son
amitie dont elle m’a fait tant d’assuranees «6. que
. 1) Reihsardiv, Öfterreich, Band 138,
2) Reichtarchiv, Royal letters, Vol. 17.
1740. Friedrichs Plane. 9
Pusion 'parfaite des -deux maisons se prütera en
tous les mains pour leurs eemmuns imterets.
Niemand kann wol daran zweifeln daß Fried⸗
eich U ſelbſt nicht an deu Plan glaubte, welchen er
in dieſer Nachſchrift des Höfim von Wion uud Ver⸗
failles unterſchiebt; es ift aber eben fo wenig zu be
greifen, wie er glauben. konnte daB eine foldhe, aus
der Luft gegriffene Anklage, in London die allergesingfte
Wirkung hervorbringen werde!
Sa denfelben Tagen erſtattete Robinſon mehre
Berichte aus Wien. Die Nachricht (ſchreibt er den
Hten December) daß Friedrich Schleſien angreifen
wolle, hat hier ſo großen Eindruck gemacht, daß der
Hof (ungeachtet der freundſchaftlichen Anerbietungen
des Könige von Preußen) einige Vorkehrungen ge:
troffen hat um in jener Kandfchaft nicht Aberrafcht
zu werden. Das heißt, man hat gerade fo viel
Mannfchaft zur Gränze ziehen laflen, als hinreichen
um gegen den berliner Hof Mißtrauen zu zeigen,
aber nicht genug um einem wirklihen Angriffe zu
widerfichen. Sch zweifele nicht, der König von
Preußen denkt an nichts weniger — als diefen Hof
‚anzugreifen ‘). Da Öfterreih ſich zu Frankreich hin⸗
1) Robinfon hatte feine Blicke N auf Eng:
land und die Niederlande gerichtet.
80 . Neunter Abſchnitt. 1730. _
neigt und Europas Wohlfahrt Preis giebt, ſo en
fi) Preußen mit England verbinden.
Des naͤchſten Tages (den Gten December) be-
merkt Nobinfon: die öfterreichifchen Miniſter Hätten
fehr bedenkliche Nachrichten aus Berlin erhalten; er
legt fi aber Alles auf feine Weiſe aus, als gelte es
Kurland und Rußland.
Der Großherzog fagte (10ten ER der Koͤnig
von Preußen ſey derjenige Fuͤrſt, welcher am meiſten
auf Ehre halte (se piquoit le plus d'honneur); er werde
feine böfen Abſichten wider die = Marta Te |
reſia hegen.
Mährend in Wien Hoffnungen unb Befoigniffe
abwechſelten, zogen Wolken auch aus anderen Gegenden
herauf. So erwähnt ber englifche Gefandte in Paris
Thompfon in einem Berichte vom G6ten December,
der Anfprüche Sachſens, Baleınd und Spaniens’)
Herr Wasner (fagt er an einer anderen Stelle) , der
öfterreichifche Gefchäftsträger, erzählt mir: in Wien
fen jeder im Entzüden über die neue Herrſcherinn;
- auch habe fie bereits über ihre Xhronbefteigung die
verbindlichften Gluͤckwuͤnſche erhalten, von den Könts
gen von Gardinien, Polen und Preußen. Doch
1) Reichsarchiv, Frankreich, Band 88.
1760, Frankreich, Spanien, Preußen. . 81
wundern fi, (fügt Thompſon hinzu), bier Viele über
die Bewegungen bed preußifchen Heeres und möchten
wiſſen was fie bedeuten follen.
Here Wasner (Beriht vom 7ten December) fagt
mir: er warne feinen Hof noch immer, auf ber Hut
zu feyn und ſich in Stand zu fegen bei eintretenden
Gelegenheiten. ſelbſt handeln zu koͤnnen, ohne ihren
Sreunden zur Laſt zu fallen. Er bat ihnen wieder
und wieder verſichert, es fey ungeachtet aller Betheue⸗
rungen kein Verlaß auf die Freundſchaft des franzoͤ⸗
ſiſchen Hofes; im Gegentheil habe er große Urſache
zu glauben, daß dieſer die oͤſterreichiſchen Plane ſo
viel als moͤglich vereiteln werde. Sie wiſſen hier,
daß der Großherzog die Franzoſen nicht leiden kann,
und zuͤrnen daß jemand der von einem jüngeren
Zweige ihrer Herrſcherfamilie abſtammt, dem älteren
follte vorgezogen werben, daß ein Herzog von Lothrins
gen, welcher fruͤher den Königen von Frankreich hul⸗
digte, künftig vor ihnen den Rang haben mürde,
Endlich zeige” fi des Großherzogs Parteilichkeit für
England (gleichwie einft in Livorno) fo offenbar, daß
man barüber Klage erheben muͤſſe. Zwar glaube. er
(Wasner). nicht, daß der Kardinal Fleury einen’ Krieg
beginnen. werde, wenn er ihn irgend vermeiden koͤnne,
denn er fey von Natur feige :(a:coward); im Fall
ee aber unter der Hand den Großherzog täufchen und.
— 4*
82 u Zehuter Abſchnitt. aꝛae
etwas für ſich dabei gewinnen koͤnne, fo werde er es
— thun.
Zehnter Aofänitt,
Sechs Wochen feit Karls VI Tode, batse König
Friedrich benugt um fich in jeder Meile zu einen
Kriege vorzubereiten. Sehe natürlich, daß die. uͤhri⸗
ger Mächte immer ernfllicher in ihm drangen ſich über
- feine Plane beflimmter auszufprechen, Dies‘ gefchah
unter Anderem in einer Audienz, über welche Guy
Dickens am Gten December Folgendes erzähle"): Als
ich den groͤßten Nachbrud auf die Lehre von der Uns
theilbarkeit der Öfterreichifchen Staaten Isgte, fragte
der König was ich darunter verſtehe? — Sch: Die
Erhaltung der pragmatifchen Sanktion! — Der 8b
nig: Wollt ihr dieſe aufrecht erhalten? Ich hoffe
nein, wenigſtens iſt es nicht meine Abſicht. — Sch:
England ift dazu verpflichtet und fo auch Sie! —
Der König: Ich habe Feine folche Verpflichtung über.
nommen, und wenn mein Vater es that, fo bis
ich nicht gebunden, noch will Ich mich durch etwas
» Reihsarchio, Preußen, Band 51.
1746. Sriedrih:a der engliſche Befandte 83
feſſeln Laſſen, was ich wicht ſelbſt einging und
vollzog.
Ich ſuchte (führt dee Geſandte fort) das Gegen⸗
theil zu ermeifen und bemerkte: England unb Hol:
and würden fi fiber die Maaßregeln wundern,
welche er in dem Augenblicke ergreife, wo er fich mit
ihnen verbinden wolle und freundfchaftliche Anträge
gemacht habe. Was’ ich hierüber nach England ſchrel⸗
ben foller Als ich dies geſagt Hatte, ward der König
roch im Gefichte und antwortete: Ich weiß, Sie
koͤnnen keine Anmwelfang erhalten haben, mir dieſe
Frage vorzulegen. Gollte es aber auf Befehl gefches
ben ſeyn, fo habe Ich eine Antwort bereit fuͤr Sie:
daß nämlich England Bein Recht zuſteht nach meinen
Planen zu forfihen (to emquire). Gleicherweiſe
late ich Euch nie eine Frage Aber eure Seeruͤſtungen
vor, und degnuͤgte mich zu wuͤnſchen, daß ihr nicht
moͤchtet von den Spaniern geſchlagen werden.
Ich erwiederte: nicht aus Neugler, oder Vorwitz
haͤtte Ich gefragt, ſondern aus aufrichtiger Theilnahme
an des Koͤnigs Wohlergehen, und weil es mir Sorge
verurſache zu ſehen, wie er ſich in ehr Unternehmen
einlaſſe, welches zu. dereuen er ſpaͤter Urſach haben
moͤchte. — Hierauf öffnete fi der König in etwas
umb fagte: ich habe nichts Im Auge als bie allges
weite Wohlfahrt. Meine Plane prüfte ich mit der
grtan Aufmerkfamkeit, wog alle Vottheile und Nach⸗
34°: 3ehnter Abſchnitt. 170.
theile ab, welche für mich und das Publikum daraus
entftehen dürften, und glaubte naͤchſtdem daß ich
nichts andres thun koͤnne, als ſie mit Al durchzu⸗
fuͤhren.
Nachdem der König Einzelnes über feine Diane
ind Forderungen gelagt hatte, fügte.er hinzu: Öfter:
reich iſt als Macht nöthig gegen bie Tuͤrken; aber
in Deutfchland braucht fie nicht größer. zu feyn, als
daß drei Kurfürflen ihr die Spige bieten können. —
Ih weiß (fuhr er. fort) es iſt die Abſicht ſowohl
Engiande als. Frankreichs, andere Fürften in Obhut
(tuition) zu nehmen; ich will aber durch Feine vom
‚ beiden geleitet. werden. Ihr ‚gleicht den Athenern,
welche, als Philipp von Macedonien bereit war fie
anzugteifen, ihre Zeit mit Reden hinbrachten. — Als
ich jegt in einer anderen Richtung auf Englands. Hälfe
und DVermitielung hindeutete., gab mir der König zu
verſtehen: feine Anfprüche gegen den. Rhein hin, Kir
gen ihm wenig am Herzen, : denn er fühle, daß jede
Vergrößerung in diefen Gegenden die Eiferſucht der
Holländer erregen werde; wogegen weder . biefe, noch -
England irgend einen Argwohn (umbrage) faſſen
fönnten, wenn er auf der anderen Seite etwas erwerbe.
. Man Tann nicht wiffen, wie ſich der König. viel
leicht im: Eifer des Geſpraͤchs tiber das Halten der
Staatsvertraͤge ausdruͤckte; daß er fie aber keinesmige
ausſchließlich vom Leben oder Sterben der Fuͤrſten
v
‚170. Staatsrechtliche Verträge. 35
‚abhängig machte, ergiebt ſich zur Genüge aus ande:
‚ven umſſtaͤndlichen Crörterungen in feinen Werten.
So wie im Privateechte Zälle vorkommen, wo man
von dem. Buchſtaben ber Verträge abgehen, ja fie
ganz auflöfen kann, fo auch im Staatsrechte. Mur
find dort. Behörden zur Hand, weiche die an fie ges
‚brachten Fragen nad) . allgemeinen Regeln entfcheiden,
die Graͤnzen der Abweichung feflfegen und denſelben
- eine Beglaubigung ertheilen: wogegen für Fuͤrſten und
‚Staaten kein. höheres Gericht befteht, weshalb fie fich
ihren. Gewiffen, oder ihrer Willkür gemäß, felbft
bie Losſprechung ertheilen. Erſt die Weltgefchichte
“ beftätigt, ober verwirft diefe Entfcheldungen, oder ſtellt
wenigſtens In zweifelhaften. Fällen Gruͤnde und Ge:
gengruͤnde :billigerroeife. .nebeneinder. Für das forgfäl-
tigſte Verfahren. gilt es hiebei oft, den. einzelnen in
Sage flehenden Fall. aus allem. Übrigen, ich. möchte
fagen herauszufshneiden und anatomifch zu praͤpariren;
meines Erachtens wird. aber. durch diefe Vereinzelung,
diefes. Aufheben. alles . Aufammenhanges, dieſes Abfes
hen. von. Urfachen und. Folgen, nur das. Untergeorb:
- nete, Unbebeutende und zulegt. Unmahre gefunden,
nicht aber das Lebendige, Belebende und Entſchei⸗
bende. Waͤre auch der Buchſtabe des Rechts für
Geßler gegen die. Schweizer, für Philipp TI gegm
bie Niederländer, für England gegen Nordamerika, für
Napoleon 1813 gegen bie Preußen geweſen; fo war dies
N
36 | Zehnter Abſchnitt. 1720.
eben nur der Buchſtabe welcher ertoͤdtete. Mit Recht
warf man ihn deshalb zur Seite und ergriff den Geiſt,
weicher Völkern und Jahrhunderten Leben einhaucht,
große Gefinnungen und Thaten hervortreibt, das
Recht zu wnabhängigem Dafeyn vollguͤltig nachweiſet,
und das Walten einer. höheren Vorſehung barthut,
Friedrichs I Benehmen ſtellte fich im Jahre 1740
ckeineswegs in fo klarem Lichte dar. Wollen wir
nämlich auch zugeben: bag die bebingte Annahme
der pragmatifchen Sanktion ihn zu einer Wirkfamkeit
für Öfterreich verpflichtete, diefe Macht ſich hinfiche-
Sich der jülicher Erbfolge zweideutig erklaͤrte und der
preußifche Anfprud auf ſchleſiſche Fuͤrſtenthuͤmer ge⸗
gelindet war; fo blieb der König doch nicht Innerhalb
dieſer Graͤnzen ftehen, -warb nicht von dieſen Grün:
ben beftimmt, und vor dem Erweiſe einer größer
Perſoͤnlichkeit, erſchien den Meiften fein Thun nur
als Folge bloßen Eooismus. Deshalb find wir weit
entfernt den Schmerz; und den Zorn ber bamaligen
oͤſterreichiſchen Patrioten zu tadeln und naßzudeuten;
obgleich andererfeits der Ruͤckblick auf die letztvergange⸗
nen hundert Jahre uns erwehfet: die Vorfehung babe
duch Friedrich und buch Preußens Aufſchwung
etwas Größeres (felbft zum Vortheile Öfterreiche) bes
zweckt, als man damals begreifen, oder auch nut
ahnden konnte. Alle Werke des aͤchten Genius in
in Kunft, Wiffenfchaft und Staat find Anfangs sie
199. Friedrich u Sſterre ich Anträge. 8
Geheinmiß, bie. verwandte. Geifter ausrufen numine
afllatur! und endlich das Unbegreifliche, Verworſene,
zum alltäglich Anerkannten und Bewunderten wird.
Niemand war damals über ben Gang der Dinge
ſchmerzlicher bewegt, als der oͤſterreichiſche Miniſter
Bartenſtein. Er ſagte (Robinſons Bericht vom
‚10ten December) zum hollaͤndiſchen Gefandten: nie:
mald gab es einen Charakter gleich dem des Koͤnigs
von Preußen! Ich habe es vorhergefehen und vorher:
gefagt, ſelbſt feit der Zeit wo Kaifer Karl VI mid
gebrauchte an de verftochenen König von Preußen
zu fehreiben, was dem Prinzen das Leben rettete.
Welche Verflellung, wel ein Herz! Und fi fo zu
benehmen in einer Zeit, wo Alles überall ſo friedlich
if. Mit einem Wort: die Königinn Maria Iherefia
bat keinen Feind zu fürdten, aufer ben Köniz von
Preußen!
Robinſon hielt: diefe Anfichten und Befürchtungen
noch immer für thoͤricht, ward aber bald eines An⸗
deren belehrt. Vier Tage ſpaͤter (dem 14ten Decem⸗
ber) ſchreibt er: der Großherzog ſagte mir: Sie werden
nun glauben, daß der Koͤnig von Preußen nach
Schleſien kommt? Ich antwortete: Ja, nur nicht
als Feind. — Kommt er ald Feind (fuhr der Große
herzog fort) fo wird er Nichts von uns erlangen,
und kommt er um uns zu zwingen mit ihm, für
feine Vergrößerung gemeinfchaftliche ' Maaßregeln zu
88 Zehnter Abſchnitt. 1740.
ergreifen, fo iſt dieſe Methode bie ſchlechteſto auf
‚welche er verfallen konnte.
Herr von Borde theilte mir nen Befehl vom
Tten December mit, des Inhalts: er folle eine
Audieng bei dem Großherzog verlangen, um den
wiener Höf feiner unbefchränkten ‚und gänzlichen
Sreundfchaft ') zu verfichern, und die Königinn nebſt
ihrem Gemahl zu befchwären, nicht beforgt (alarıned)
"zu ſeyn. Die Zeit würde die Ausdehnung feiner gu⸗
ten Abſichten enthüllen. Sein Einruͤcken in Schle
fien fey unvermeidlich, ja nothwendig für das Gleich⸗
gewicht Europas, für bie Erhaltung der Reichsver⸗
. faffung, und insbefondere für bie Sicherheit des
Haufes Dfterreih. Für all dieſe verfchiedenen - großem
Zwede, fey er bereit die paflendften Maaßregeln zu
verabieden mit dem. wiener Hofe, den Seemädhten
und Rußland. Um einen fernen Beweis feiner X:
fihten zu geben und die Unbehaglichkeit (uneasiness)
des wiener Hofes zu beruhigen, habe er zwei Briefe,
an die Königinn .und ihren Gemahl gefchrieben ei
überreichen laſſen.
‚As Borde (Beriht vom 17ten December) - dm
Königs Brief dem Großherzoge überreicht, ſagte dies
‚ fer: dies. ſey das größte Raͤthſel der Welt, und bes
ſchwor den König von Preußen, er möge nicht in
1) Most absolute and entire friendehip.
aa a En En a ——
a
-
13730. Friedrichs Anträge an Sſterreich. 80
dieſer Weiſe vorfchreiten. Manche glauben Alles be⸗
zwecke nur den wiener Hof zu gewiſſen Bewilligun⸗
gen uͤber Juͤlich und Berg zu vermoͤgen.
Der Verfaſſer des Antimacchiavel konnte nicht
glauben mit bloßen Worten und kleinen Kuͤnſten alle
Schwierigkeiten zu beſeitigen; er mußte auf die Sa⸗
chen eingehen. Deshalb hatte der preußiſche Geſandte
Gotter am 18ten Oktober eine lange Audienz bei dem
Großherzoge uͤber welche dieſer ſelbſt an Robinſon Fol⸗
gendes erzählte"). Here Gotter ſagte: er komme mit Si⸗
cherheit für das Haus ſterreich in einer, und mit. der
Kaiferkrone für den Großherzog in der anderen Hand.
Seines Herrn Heer und Geld ftehe der Königinn zu
Dienfte, welches beides ihr in einer Zeit um fo wills
kemmener feyn müffe, wo fie niemand teauen dürfe und
der König von Preußen ſich und andere Verbündete in
ihr Imtereffe bringen wolle. Diefe Verbündete wären
die Seemärhte unb Rußland, welches für die gemeine
Sadye zu gewinnen, er fich erbiete. Bet einer fol;
hen Verbindung von Preußen, ſterreich, England,
Holland und Rußland fen der König. (dieſer große
Befoͤrderer, diefe Seele der Verbindung) ber Einzige
welcher bei der Lage feiner Länder, etwas zu fürchten:
babe; fo daß, da er gewiß auf einer Seite verlieren
werde, es billig. fen, daB er auf ber anderen etwas
1) Bericht vom 2lften December 1740.
\
90 Zehnter Abſchnitt. 1240,
gewinne. Um ihm alfo Muth zu machen auf eine
fo große Unternehmung einzugehen, :Eönne Ihm Die
Königinn Maria Therefin nicht weniger geben, Als
— das ganze Herzogthum Schkefien!
Eure Herrlichkeit koͤnnen fi das Erſtaunen des
Großherzogs denken! Er ſagte mir und ich weiß von
Anderen, daß er gemaͤßigt blieb (kept his temper)
ungeachtet einiger ammaaßlichen und drohenden Erklaͤe
eungen, welche Seren Gotter in ber laͤrmenden, und
poltevnden Weife entfielen, welche die Haupteigenſchaft
diefed preußiſchen Großmarſchalls ausmachen. Schw ,
Erhebung zu bdiefer Stelle, war eine eben fo große
Überrafchung für diejenigen, welche ihn bier von
dem niedrigften Zuſtande des Lebens aufwaͤrts Fries
hen (ereep) ſahen, als bie jegige Botſchaft an den⸗
felben Hof, und bei einer fo außerordentlichen Gele⸗
genheit. — Wenn man ihn ſprechen hörte (fagte der
Großherzog) hätte: man glauben follen, fein Der ſey
mit einem unüberwindlichen Deere im vollen Marfche
gen Conſtantinopel. Niemand fey To feſt in feinen
Entſchluͤſſen als der König von Preußen, er weile '
und mühe In Schlefien einruͤcken; wenn einmal ehr:
geruͤckt werde, muͤſſe er weiter vorſchreiten; und
wenn nicht vberuhigt (Becured) durch Die unverzuͤg⸗
liche Abtretimg Schleſiens, werde daljetbe Geld und
Heer gleicherweiſe den Sachſen und Baiern zu Dien⸗
ſten ſtehen.
1740, Der Großherzog u. d. prenß. Geſandte. 91
Der Herzog antwortete: Nichts Ebnne hellfamer
ſeyn als des Könige Plan; aber das Ungluͤck ſey,
daß er aus fo guten Grundfägen, fo übel weiter
ſchließe. Er, der König ſelbſt, habe gar Nichts zu
fürchten, wenn er fo viele anfehnliche Mächte worte
nige; während bie Koͤniginn ſehr viel, wo nicht Allee
fürchten muͤſſe. Sie Ichne um deswillen nicht ab in
des Königs Plane einzugehen, fondern ‚Billige fie wiels
mehr eben aus dieſem Grunde,
Auf des Königs von Preußen erſte allgemeine
Erklaͤrung uͤber feine Freundſchaft, hat der biefige
Hof (fagt der Großherzog) auf beffen eigenes Anſu⸗
chen, fogleich einen vertrauten Miniſter an ihn abge
fandt, mit voller Anweifung in Berlin zu verhandeln
uͤber Alles was zur Befriedigung dieſes Türften ſich
vernuͤnftigerweiſe irgend thun ließe. Anſtatt abre mit
jenem Beauftragten in ein Geſchaͤft einzugehen, oder
die geringfie Forderung ober Auſpruͤche an die Könis
gin zu machen, 309 der König mit einem bedeutenden
Heede nach Schiefien und forberte dann erſt auf ums
bebingte (perenstory) Weife die befte Lanbfchafs, wel⸗
he ihr gehört und son welcher fie ſich (mern 48
irgend in ihrer Macht ſtaͤnde etwas aufzugeben) am
wenigſten trennen koͤnnte. Es ſey aber weder in ihl
rer Gewalt Das wegzugeben, was geſetzlich fo feſt als
untheilbar uͤberantwortet ſey; noch befinde fie ſich in
1
92, Behnter Abſchnitt. 174,
einer fo uͤbelen Lage, daß fie mit einem Feinde ver:
handeln muͤſſe, fo lange er in ihren Ländern flehe.
Von bier aus. verbreitete fich der Großherzog ge:
gen Herrn Gotter, über die weite Scene der Verwir⸗
rung, welche des Königs -Ungebuld eröffne Sie
buͤrfte leicht gleich verderblich werben für ihn und für
Andere, und hätte fich leicht vermeiden laffen, wenn
Friedrich „allein in den gewöhnlichen Gefchäftsformen
vorgefchritten wäre, oder ſich Zeit gelaffen hätte, bie
wahren Sefinnungen biefes Hofes über ihn kennen
zu lernen; — freifich nicht um ungerechte Abfichten
‚ zu befördern, wohl aber um ihm in Seglihem zu
dienen, was. vernünftig und möglich erfcheine.
Here Sotter antwortete hierauf: fo fen alfo bier
Nichts für ihn zu thun, und‘ er wolle deſſelben Ta⸗
ge8 zuruͤckkehren. — Iſt Euer Here (fragte jegt der
Großherzog) bereits in Schlefien eingeruͤkt? Er muß
(antwortete Gotter) gewiß ſchon dort fern. — &o
Eehren Sie (fchloß der Großherzog) zu Ihrem Deren
zuruͤck und fagen Sie ihm, daß fo lange nur noch ei⸗
‚ner feiner Soldaten in Schleſien fteht, wie ihm kein
einziges Wort zu fagen haben. Im all ee aber
noch nicht eingeruͤckt iſt, oder feinen Marfch unters
lafien, ober fih aus dem Lande fi wieder zurüds
ziehen will, wollen wir unverzüglich mit ihm in Ber⸗
lin unterhanden. Botta hat bereits Anweiſungen,
noch heute follen ihm andere geſchickt werden, und es
1740. Der Großherzog u. d preufß. Geſandte. 93
gibt Mittel, den König von Preußen zufrieden zu
fielen, ohne uns das abpreffen zu wollen, was zu
bewilfigen nicht in unferer Macht fiht.
Hierauf fehlen Here Gotter ein wenig weicher zu
werden, und unter dem Vorwande: er wolle fih bei
feinem Herrn entfchuldigen bag er einen Courier. fende,
ſtatt ſelbſt die Antwort zu überbringen, bat er dem
Großherzog, ihm das Geſagte ſchriftlich zu geben.
Diefe Forderung lehnte der Großherzog ab, weil fie
ſich mit der Königinn Würde nicht vertrage, fo lange
man vorausſetzen muͤſſe, Sriedrich ſtehe in ihren Laͤn⸗
dern. . Gotter verſprach hierauf einen Courier abzus
fenden, verficherte indeſſen zugleich, «8 führe zu Nichts.
So find nun zwei Eouriere nad) Berlin abgegangen,
einer Seitens des biefigen Dofes und einer (jedoch
erſt geſtern früh) von Gotter an ben König, wo er
ihn auch finden möge.
Der Großherzog fagte mir ferner: nie wären wol
eines Menfchen Hoffnungen fp unzeitig getäufcht wor⸗
den, als bie feinen. Er habe benfelben Gedanken ge:
habe, von dem König Friedrich fpreche: eine Vereini⸗
gung der Seemächte und befonders Preußens mit
Svſterreich. Jetzt fey die Gefahr groß. und den Hoff:
nungen von England und Holland her, trete nur zu
viel Beſorgliches gegenüber. Sollten alle Ausſichten
fehlfchlagen, fo werde bier jeder waffenfähige Mann
ind Feld ziehen, man werde die goldenen Gefäße vom
”
& 7 . Zehnten Abſchnitt. 14600
Altar nehmen, um dem. Angriffe des Koͤnigs entge⸗
genzutreten und nachmals ſich retten wo a. nd wie
man koͤnne.
Ich (Robinſon) ſuchte Borcke und Gotter durch
alle aur moͤgliche Gruͤnde von der Verkehrtheit jenes
Planes zu uͤberzeugen, und erwog und wandte bie.
Sachen mit ihnen, wol drei Stunden Iang, von als
len Seiten. Bei biefer Gelegenheit hörte ich von:
Herrn von Gotter taufend Einzelnheiten über Geift
und Stimmung feines Herrn. Sung, rafch, anma⸗
Bend, unlenkbar; mit einem Worte, die fonderbarfle
Mifhung von Ehrgeiz und Geiz, — und zwar (mas
bas Schlimmſte ift) diele beiden, gepfropft auf fo: viele:
gute Anlagen, baß fie dem Könige ſelbſt als Tugen⸗
den erſcheinen.
Gotter billist das Verfahren. deſſelben nicht, und
verfichert, er habe barüber mit dem Könige in Berlin
aufs Freimütbigfte geſprochen. Und in-der hat,
wenn er fo offen ſprach, als er fehrieb (ich babe alle
feine Berichte geſehen), ſo kann man Fein beſſeres
Bild eines guten Deren geben, welcher herlei. Vorſtel⸗
Lungen duldet, und keines befieren Dieners, als her
fihd fo benimmt. — Mit einem Worte: nichts iſt
von den beiden Miniftern (Borde und Gotter) unter⸗
iefien, um dem Könige die Übereiung, bie Ungerech⸗
tigßeit umd bie böfen Folgen zu zeigen, welche für ihn
NP, Friedrichs Anträge. 9%
web. fir gang CQuraya aus ſeinem jehigen Unterneh⸗
wem hervorgehen mirften,.
Auf eine. ꝓaenßiſche Andeutung: der. Koͤnige werde
wir einem Theile. Schleſiens zufrieden ſenn, ging man
“m Wim nicht ein, fo lange Friedrich von ſeinim An⸗
griffe wicht: abſtehe. Robinſon bot aus eigener, Macht
die Vermittelung dar Saemaͤchte an, was nbes den
weiteren Sana der Dinge nicht unterhrach.
Eilfter Abſchnitt.
- Bei näherem Prüfen ber vorfiebenden Erzählung,
draͤngen ſich zuvoͤrderſt einige Meinere Fragen und
Zweifel auf. Dat König Zriebukh (um zu ſchrecken,
zu imponiten) feinem Geſandten eime fo. kuͤhne, dro⸗
hende, anmaßliche Spracdye aufgetragen; oder gerieth
diefer (feinem eigenen. Charakter nad) ohne. befiimmte
Anweifung in dies Benehmen; oder hat der natuͤrlich
gereizse Großherzog das Gehoͤrte, noch ſchaͤrfer wies
dererzaͤhlt? Waren die Mittheilungen der preußiſchen
Geſandten an den engliſchen vollſtaͤndig und aufrich⸗
tig; ober wuͤnſchten fie. auch bier zu taͤuſchen und.
Zeit zu gewinnen u. f. w.?
96 Eitfter Abſchnitt. 178.
Jetzt, nachdem wir die Ereigniffe ber folgenden
Jahre kennen, ließe ſich in ber Hauptfacye voeiter fra⸗
gen: warum nahm HÖfterreich nicht freiwillig die Vor⸗
ſchlaͤge an, zu welchen es nachher gezwungen die Hand
bot? Warum erfparte es fich nicht fchwere ‚Kriege?
Warum gewann es nicht an Friedrich den mächtige -
fien Verbündeten? — Ich antworte: es gab damals
einen Propheten, welcher die Zukunft vorherfehen
Eonnte ; oder, wer ba geweiſſagt hätte, .voliche (mie
Kaſſandra) Beinen Glauben gefunden haben. Selbſt
der Furchtſamſte konnte, ohne ſich zu ſchaͤnden, nicht
dafür flimmen: eine ber fchönften Landfchaften folle
ohne Schwertfteeih von bem alten mächtigen Kaifer:
hauſe, dem neugefchaffenen Könige, dem ehemaligen
Markgrafen von Brandenburg abgetreten werben. -Und
wuͤrde nach fo unerwartet leichtem Erwerbe ber Ehr⸗
geizige nicht noch mehr gefordert, würde man nicht
alle Habgierigen hiedurch noch mehr aufgereist haben,
über das Erbe Karls VI wie über eine leichte Beute
herzufallen. Des Königs Äußerungen, als hange es
von ihm ab, große Bündniffe für Öfterreih zu Stande
zu bringen, als führe er bie erften Maͤchte gleichſam
im Schlepptaue hinter fi, wurden um fo mehr als
eitle Großfprechereien angenommen, als man .in
Wien auf England und Holland mit Sicherheit zäh:
Ien, und damals glauben konnte auch Ruflands und
Frankreichs ficher zu fern. So gingen von Rußland
“ 1940. Frankreich Spanien. Sſterreich. 97
aus, die dringendſten Vorſtellungen an Friedrich?),
von feinen Planen gegen ſterreich abzulaſſen, und
Zudwig XV fagte von ihm in biefer Beziehung gerade
‚heraus: dieſer Menſch iſt verrüdt!?)
In einem anderen Geſandſchaftsberichte aus Pa⸗
ris vom 17ten December heißt es: Jeder Menſch iſt
hier in Erſtaunen uͤber den Marſch der Preußen nach
Schleſien. Niemals hatte man von Anſpruͤchen Preu⸗
ßens auf die oͤſterreichiſche Erbſchaft gehoͤrt, Friedrich
Wilhelm I hatte dieſelbe verbuͤrgt, es war kein Streit
zwiſchen beiden Höfen, Friedrich IE erffärte nach Karls
VI Tode, er wolle deſſen Tochter in jeder Weiſe un-
terſtuͤtzen; kurz dieſer Schritt iſt und bleibt durchaus
unbegreiflich. Fuͤrſt Lichtenſtein und Wasner find
uͤberaus beſtuͤrzt, und ſcheinen das Ärgſte zu befuͤrch⸗
ten, ohne genau zu wiſſen warum.
Spanien bereitet ſich vor, einen Krieg wiber Öfter:
reich in Italien zu beginnen. Hier in Paris trat
man nicht den Anfprüchen an ſich entgegen, fondern
erklaͤrte blos die Unfähigkeit (inability) fie zu unter:
- fügen. Der Kardinal Fleury fagte dem fpanifchen
Geſandten: das — Heer ſey in ſchlechtem Zu⸗
1) Bericht and Petersburg v. Aſten December. Reihe:
archiv, Rußland, Band 28.
2) Cet homme la est fol! Bericht aus Paris vom
Ylten December. Reichsarchiv, Frankreich, Band 88.
IL . 5
98 EAiifter Abſchnitt. "100.
ftande, die Soldaten. nadt, und bie Officiere ben Kloͤ⸗
ſtern aufgelafte. — Campo Floxido vaͤumte ein, baf
dies gewiffermaßen der Ball fey, fügte aber Hinzu:
bei einem Verhaͤltniſſe, wie bas vorliegende, werde es
den Spantern nicht an Gelbe fehlen. — Hierauf ant:
wortete der Kardinal: Spanien mag fich ferbft in
Vertheidigungsſtand fegen; — et puis nous verroms!
— Jenes hatte aber allerdings große Schwierigkeiten;
benn als man ben Gedanken ausſprach in Spanien
einen neuen Zehnten aufzulegen'), gerieth dad Volk
in großen Zorn und Miele fprachen: ein Krieg fep
völlig nuplos für das Vaterland und bezwecke bios
dem nachgeborenen Sohne der Koͤniginn, Don Phi⸗
fipp, ein Unterkommen zu verfchaffen.
Unterbefien hatten die Preußen am 23ften: De
cember ben ſchleſiſchen Boden betveten?), unb zwar
wie fie fagten: ald Freunde. Sie bezahlen Anfangs
Korn und Brot, ſtellten Empfangſcheine aus, taͤuſch⸗
ten daburch Einige?), laͤhmten bie Thaͤtigkeit Ande⸗
rer, erzuͤrnten aber Diejenigen um ſo mehr, welche
hierin nur Taͤuſchung und Betrug ſahen.
Zu — Zeit ließ Friedeich H neue Torfandge
1) Reichsardhiv, Zrankreich ns 89, Beriht vom
4ten Sanuar 1741.
2) Oourr. postlı. I, 186,
8) Bericht aus Wien vom Zöften December,
‘
EL Reue Anträge Preußens. %0
machen, billiger als die erſten, und über welche man
ſich vielleicht geeinigt hätte, wenn fie fruͤher und in
gemaͤßigter Weiſe wären durch Unterhanblung ange
bracht worhen. Jetzt aber war man in Wien mit
Mecht erzlirut, und wollte fi ſchon der Ehre halber
Niches durch einen kriegeriſchen Anfall abtrotzen lafſen.
Naͤheren Aufſchluß giebt ein Wericht Robinſons aus
Bien vom Aten Januar 1741").
Here von Gotter (ſchreibt er) hat eine neue Aus
bienz beim. Großherzoge gehabt. Er bot im Al:
gemeinen: Geld, Menfchen, die Kaiſerkrone, andere
Vortheile (oomveniences) für Sſterreich, Buͤrgſchaft
für die pragmatiſche Sanklion und ein immerwaͤhren⸗
des Buͤndniß, verſtaͤrkt und bekräftigt durch ben Bei⸗
tritt von England und Rußland. — Machen Sie
(fragte der Großherzog) dies Anerbieten fuͤr ganz
Chefin? — Das (antwortete Gotter) duͤrfte zuviel
mb Schwiebus bürfte zu wenig ſeyn. — Wie in:
men wit uns (fagte ber Großherzog) bei fo großem
Abſtande einigen? . worauf Gotker fortfuhr: nicht für
garz Schleſien, nicht fuͤr halb Schlefien, ſondern
‚für einen guten Theil defſelben, welcher ben
preußifchen Staaten am naͤchſten liegt. Dieſen Theil
will der König uͤberdies begahlew, emtrweber durch eis
nen: unmittelbaren Kauf, ober duch ein Scheinans
1) Keichsarchiv, Öfterreich, Band 185. —
* ⸗ 5 |
«m
100. Eitfter Abſchnitt . 1941
lehn. Zur Erklärung bes letzteren Ausbruckes, ſchlug
der preußiſche Geſandte vor: jener angedeutete Theil
von Schlefien moͤge (um nicht als Bruch des Erb⸗
geſetzes zu erſcheinen) dem Koͤnige uͤberlaſſen werden
durch bie‘ Form. eines öffentlichen Antrags‘), und in
Kraft einer geheimen Bebingung. Durch bie legtere
folle der wiener Hof. verfprechen: daß wenn ber Groß⸗
herzog Kaifer geworden und Segliches völlig beruhigt
und im Frieden fen; — dann, und erft dann folle der
König von Preußen im Wege des Vertrages eine .
neue DVerficherung erhälten, vermoͤge welcher die kai⸗
ferliche Samitie fi anheifchig mache, jenen Theil von
Schlefin nie wieder einzulöfen (redeem), wofür ber
König eine Summe: von drei, vier Miltonen nieder
legen, und bafelbft nur eine Befagung von 500 —
600 Dann halten wolle,
Außer diefem Allem, fügte Gotter hinzu, möge
der wiener Hof von des Könige Macht zur Erhals
tung ber Ruhe im Reiche Gebrauch machen ; ber Ro:
nig wolle für den Fall des Beduͤrfniſſes in Italien,
oder in den Niederlanden, 10,000 Mann bereit bals
teu. Als die „Herren Gotter und Bord in ben Groß⸗
berzog drangen, er möge auf diefe Worfchläge eine
Antwort geben, und fie wiſſen laſſen: ob ber König
ganz darauf verzichten müfje? (to be despaired of),
1) Upon the foot of a public message?
I)
1731. Neue Vorſchlaͤge Friedrichß. 101
antwortete jener: er hoffe nicht, gewiß nichty. —
Als jene ferner fragten: ob ſie ſich an die Miniſter
wenden ſollten? willigte er ein daß ſie, wenn es ih⸗
nen gerathen ſchiene, ſich an den Grafen Zinzendorf
wenden moͤchten. |
Des nächften Morgens waten Binzendorf und
Stahremberg drei Stunden lang mit bem Großherzog
in feinem Gabinet verfchloffen, und bes Abends gin⸗
gen die preußifchen Abgeorbneten zum Grafen Zinzen⸗
dorf, wo fie nochmals bie erzählten Anträge machten.
Der Kanzler beftand darauf, daß fie diefelben fchrifte
lich übergeben follten, was fie verweigerten, aus Furcht
(vie .fie fagten) an Frankreich verrathen (betrayed) .
zu werben. Der Kanzler begnügte fich hierauf ſelbſt
Einiges nieberzufchreiben und. Gotter erbot fih des
naͤchſten Tages mit. feinen Vollmachten und gefchrie:
benen Anweiſungen zurüdzufehten, aus welchen ber
Kanzler, oder ein anderer betrauter Dann, bas aus:
ziehen möge, was jenem gefalle. Das gefchah num
geftern, obgleich jene fich weigerten, nad) Zinzendorfs
Sorberung genau anzugeben, was fie unter. „einem
guten Theile Schiefiens” verftänden, und «8 bem hie
figen Hofe überließen, von ber Kenntniß uͤber die wah⸗
ren Abfichten des Königs Gebrauch zu machen. Der
preußifche Gefandte theilte mie (Robinfon) Altes mit
ı) He hoped not so neither.
|
*
102 Eilfter Abſchnitt 154.
und fuchte meinen Beiſtand. Aus Zinzendorfs Aus
Berungen ſchließe ih, dab der wiener Hof durch die
preußifchen Anerbietungen ſehr erfchlittert (shaken) ift.
Bartenftein widerſpricht jeber Einigung mit Preu⸗
fen und verbreitet: ber König habe verlangt, dag man
ben Krieg an Frankreich erkläre, und boch babe der
biefige Hof Niemand auf den er fih verlaſſen (rely)
koͤnne, aufer Srankueid, — iſt toll fm
zoͤſiſch).
Weiten Auffisföfte gibt ein Bericht Robinſons x
vom Tten Januar, worin «6 heißt:
Der König iſt in Schleſien welter —
und Hat ſich in ben Bells von Breslau gefehlt. —
Dee Großberzog klagt 1) daß die Vollmachten der
preußifchen Geſandten ungenügend find; 2) dag fie
nicht gefagt was unter „einem guten Theile” Gchles
fiend zu verſtehen fey; 3) daß ber Gedanke von Daw
lehn und Pfand eigentlich nur von Gotter ausgehe;
4) daß jede Art vom Abtretung, bis pragmatiſche
Sanktion aufloͤſe und andere Anſpruͤche hervorrufe;
5) daß die Preußen innerhalb ber oͤſterreichiſchen Lande
‚ Ränden,
Vom Großherzoge ging ich zu — preußiſchen
Geſandten und erkannte nnc zu deutlich den Mangel
in Gotters Vollmachten, bie Ungereißhelt des Erfolges
1) He is french mad.
1791. Verhandlungen in Bien. 103
für feinen eigenen Pau von einer Verpfändung ')
und feine Unfähigkeit zu erklären: was unter ‚einem
guten Theil Schiefiens” zu verfichen ſey. Mit eis
nem orte: aus der Durchficht einer langen Anwei⸗
fung, welche er deſſelben Morgens von feinem Sofe
empfangen hatte, und wonach Manches von hier miß⸗
verſtanden und von dort falfch bargeftellt. war, ergab
fich die vollkommene Unmoͤglichkeit zu einer unmittel-
“ baren Unterhandlung vorzufchreiten.
Die legten Anweiſungen waren aus Breslau vom
Zoſten December zur Antwort. auf ben erflen Brief
Gotters aus Wien, und begleitet mit einem. kurzen
Briefe des Königs vom Iten Januar. Übel, daß ber
König keine Miniſter bei ſich hat und die Unterhand⸗
kungen, währen er raſch vorruͤckt, über Berlin faufen. .
Das Merkwändigſte in der Zuſammenkunft mit
ben öfterreichifchen Miniſtern war, daß man ſagee,
Herr von Bord habe bemerken laſſen (Iet appear)
feine erſte Anweiſung gang Schleſien zu fordern, fen
dactirt vom Löten November, ihm aber befohlen wor⸗
den, fie erft an einem gewiffen Rage zu öffnen. Dies
fer Tag traf aber mit ber Zeit zufammen, me ber
König bezweckte in Schlefien einzufallen. Herr von
Gotter berichtigte infofern Heren von Bord, als er
behauptete: biefer hätte niche fagen follen, oͤffnen,
1) Of his own project of mortgage.
104 Eiifter Abſchnitt. 124.
- fondern leſen. — Hierauf nahm ich mir die Freiheit
zu bemerken: diefe Entdeckung möge dienen, mancher
lei Gerüchte zu widerlegen. Wenn nämlich der Koͤ⸗
nig fhon am 1dten November feinem Gefandten bie
Abſicht eröffnet habe, Schlefien zu fordern und anzu-
greifen, fo muͤſſe er diefen Gedanken doch mindeftens
einige Tage früher gefaßt haben. Dann aber bleibe
vom 28ften Oktober (wo der König des Kaiſers Tod
erfuhr), nicht Zeit genug baß er feinen Plan mit
Öfterreih, Zrankreich ober England habe veräbreden
Eönnen.
Sn der neueften Verfügung vom 26flen Decems
ber fagt der. König: er wolle fi) begnügen mit ei⸗
nem guten Theile Schlefiens, ſchweigt aber von Dar⸗
lehn, Pfand u. f.w. Dem Herm von Gotter hat
er außerdem noch aufgetragen miünblih zu fagen:
_ qu’en toute occurrence oü il puisse aider la Beine
de Hongrie de conserver la grandeur de sa mai-
. son, etde’se dedommager de la bagatelle quelle
va perdre en cette occasion, il le fera de bon
eoeur!
Am 5ten Januar erging eine äfterreichifche Ants
wort bed mefentlihen Inhalts: Als der König in
Schleſien einbrach, war Alles ruhig und keine Gefahr
vorhanden; in einem folchen alle verpflichten aber
[hop bie Reichsgeſetze jedes Reichsglied zum Schuge
dev rechtswidrig Angegriffenen, wie viel mehr noch
1741. unterhandl. Friedrichs m. Öfterreid. 105
bie BVerbürgung der: pragmatifchen Sanktion. Ober
wenn bergleichen Bande nicht gültig find, auf welche
Sicherheit Eönnte das Haus Öfterreich dann rechnen?
Ein Bund mit den Seemaͤchten, ſterreich und Preu⸗
Ben beſteht ſchon; bie Abficht jener Verbündeten geht
aber nicht dahin der Königinn von Ungern einen Theil
ihrer Staaten zu nehmen, ſondern biefe ganz und un⸗
verlegt zu erhalten u. [. mw. — Die Königinn will
weder ganz Schlefien noch einen Theil deffelben ab»
treten, wohl aber ben Bund erneuen, voraudgefeßt,
daß die pragmatifche Sanktion weder unmittelbar noch
mittelbar beeinträchtigt, das Recht Eeines Dritten vers
legt werde, und das preußifhe Heer fogfeich ihre
Staaten verlaffe. Nach ihrer Überzeugung ift dies
die einzige Weiſe welche fich verträgt mit Gerechtig⸗
keit und Billigkeit, den Gründgefegen des Reiche, fo:
wie dem Wohle und Gleichgewichte von ganz Eu:
ropa. Ebendeshalb ift dies aber auc der einzige
Weg, welcher fid) mit dem wahren Ruhme des Koͤ⸗
nigs von Preußen verträgt, und die Königinn hegt
kein Bedenken, ihn dringend zu bitten darauf einzus
zugehen, ja fie beſchwoͤrt ihn mit allen den Gründen,
weiche auf das Herz eines großen Fürften Eindrud
machen koͤnnen.
Obgleich durch diefe Antwort alle preußifchen Vor-
fhläge in der That ganz zuruͤckgewieſen wurden, gab
fi) Robinfon doch alle Mühe, dem Herrn von Got:
5 **
106 Eilfter Abfhnitt. 1741.
ter zu erweiſen), wie bennoch wol weiter zu unter:
bandein und mas wol zu then fen. Gotter vers
zweifelte indeffen, daß er feinen Heren gu degend et
was werde vermögen Einnen: ohne einen unmittelba⸗
sen Vortheil, werde er ur Andere nur wie Wind
betrachten.
Sotter wollte am näcflen Tage sum Könige rei:
fen, aber feine Ütste erlaubten e8 ihm nicht, weil er
am Steine leide. Us die oͤſterreichiſchen Miniſter
von dem Auffchube Hörtem, hielten fie die Krankheit
wol für erfunden, und der Kanzler ließ bem Hetrn
. von Bor fagen:. er wuͤmſche ihn gu fpeechen. Die
fer bat, ihn zu entſchuldigen, weil er das Sieber habe;
worauf ihm der Kanzler fehrieb: er möge feine Maaß⸗
regeln fo treffen, daß er Wien nad) einigen Tagen
verlaffen- könne.
Mit diefer. Wendung ber Dinge war Robinſon
unzufrieben und meinte?) : Öfterreich hätte ſich deut⸗
licher ausfprechen, dem Könige von Preußen etwas
Pofitives bieten und (mie Gotter wuͤnſchte) den
Theil Schiefiens bezeichnen follen, welchen es füc an-
bere Vortheile abzutreten geneigt fey. Ja, als ber
Koͤnig, unter Vermittelung des Kurfürften von Mainz,
1) Bericht vom 11ten Januar I Reichdarchiv,
D) Bericht vom 17ten Januar.
11. Friedrich Hand. König dv. England. 107
nun Liegnis, Wohlau und Brieg verlangte, gab man
eine, ‘der obigen ähnliche Antwort, bot ihm eine Art
von Akte ber Vergefienheit und ein Verfprechen, nicht
auf Schadenerſatz zu beſtehen )
Mit Unrecht blieb man: in Wien nicht bei Dem
fliehen, was als buchſtaͤbliches Recht, oder auch als
Ehxenpunkt erſchien, umd vergaß uͤber bie, nicht ums
natuͤrtiche Aufreizung, das was die Staatsklugheit
in dieſem Angenblicke erforderte, oder aufzwang. Am
wenigſten war 23 gevachen einem Fuͤrſten wie Friedrich
gegenüber etwas auszuſprechen, was mie Spott und
Veruchtung ausſah. Deshalb ſagte er auch dem eng:
liſchen Geſandten in Berlin?): ich will cher umkem⸗
men, als von meinem Unternehnen abſtehen. Die
andern Maͤchte ſollen ſich nicht einbilden, daß ich mich
durch Drohungen einſchuͤchtern laſſe. Wer dies glaubt,
oder an wirkſamere Maßregeln denkt, dem werde ich
jeigen, daß ich bereiter bin als fie den erſten Schlag
ausgautheilen”). Rußerſten Falls werde Ip mich mit
KTrankreich vereinigen, nad allen Seiten um mid
1) Offering te the King. a kind. of an act of obli-
vion, and a promise not to insist upon damages!
2) Berichte vom 8ften Januar und Atan Februar 1741.
Reichsarchiv, Preußen, Baw 2.
3) He was readier Shen they to give the first box
on the ear.
. 108 Gilfter. Abſchnitt. 1741.
ſchlagen und beißen (kick and bi) und, Alles um
“ mich her verwüften.
Um biefelde Zeit (dem. 30ften Sanunr 1741)
fchrieb Sriedrich II aus. Berlin dem Könige von Eng:
fand‘). Je suis charme de voir par la lettre que
Vötre Majest6 vient de m’ecrire, que je ne me
' suis point tromp6 dans la confiance que j’ai mise
en elle par la. facon favorable quelle s’explique
au sujet de mon entreprise sur. la Silesie. N’ayant
eu aucune Alliance avec personne, je n’ai pu m'en
ouvrir avec personne; mais voyant les bonnes in-
tentions de Vötre Majeste, je la regarde comme
- stant deja comme mon allié, et comme devant ,
Pavenir n’avoir plus rien de cache ni de secret
pour elle.
Je dois dont P’informer que je me suis empare
de toute la Silesie. (except6 deux mauvaises bieo-
ques oü les Ofliciers de la reine de Böhtme ont
jette du monde tresimprudemment, et qui ne scauraient
tenir), que j'ai chasse Mer. Braun en Moravie et que
1) Reichsarchiv, Royal letters, Vol. 7. Ich habe zwar
nur eine Abfchrift in Händen gehabt, bin aber aus mehren
Gründen überzeugt, daß bie Urfchrift von Friedrich II ſelbſt
herruͤhrt. Auch weilen die. Verflöße gegen bie Rechtſchrei⸗
bung (melde wenigſtens an einigen Stellen in vorfighender
Abſchrift beibehalten iſt) darauf hin.
141. Friedrich Il and. König v. England. 109
‚si javais eu le moindre dessein d’abattre la maison
d’Autriche, qu'il n’aurait tenu qu’a moi de penetrer
jusqu’a Vienne. Mais n'ayant des droits que sur
une partie de la Silesie, je me suis arret6 oü
finissent ses frontieres. Bien loin de vouloir iron-
bler ’Eürope je ne pretens (pretans) rien, sinon
que l’on ait égard à la justesse de mes droits in-
contestables, ei que jastice me soit faite, sans que
je me verrai (verez) oblige de. pousser les choses
jusqu'à lextremit6 et de ne garder desormais
(desormets) -aucuns m6nagements avec la cour de
Vienne. |
Je fais un fond infini sur Yamitie de Vöire
Majest6 et sur les inter&is communs des princes
protestans qui demandent qu’on soutienne ceux qui
sont opprimes pour la religion. Le gouvernement
tyrannique sous lequel les Silesiens ont gemi
est affreux, et la Barbarie des Catholiques en-
vers eux inexprimable.e Si ces Protestans me
perdent, il n’y a plus de resseurce. pour eux. Je
erois que les raisons que je viens d’alleguer à
Vötre Majest& sont suflisantes, mais je crois en
wir de_plus fortes encore dans les interets de
Vötre Majeste; car si jamais elle se veut s'atta-
cher un allie fidele et d’une fermete inviolable,
est le moment (moman). Nos interets, notre re-
ligion, notre sang est le meme, et il serait triste
10: GEiftrifgniet 1m.
nens vor agir d’une facom contraire les uns
".anx autres; de quos d’aufres woisims jaleux ne
manqueraient pas de profiter. Il serait emcore
plus fach6 de m’obliger à concenrir aux grands
desseins de la France; ce: que je m’ai cependant
pas l’intention de faire, que si l’on m’y force, au
lien qu'à present Vötre Majest6 me trouve dass
les dispositions les plus avaniagenses ponr ses
inter&is, et pröt à ewirer dans ses vues et d’agir
en tout de concert par elle. Je anis avec la pkas
parfaite estime Monsieur mon frene, le tres bon et
tres fidele frere et ami
Federi«.
Fai oubli6 de Finformer que j'ai condu une
alliance defensive avec la Russie.
In feiner Antwort ermahnt der König von Eng:
land ‚zu balbiger Ausföhnung, und wolle er gerne
dafür wirken, fo meit es Bündnifle und Verfprechun:
gen erlaubten. — Die leichte undiplomatifche Weiſe
in welcher Friedrich IT feines Buͤndniſſes mit Ruß-
land ‚erwähnt, war ohne Zweifel in London aufge⸗
fallen. Deshalb heißt es nach dem — ber eı eng=
liſchen Antwort : Postseriptum. ‚la remercıe
aussi de Ja part quelle a voula me donner de son
alliance avec la Russie.
Mach der Abreiſe Gotters von Wien fehrieh König
1741. Englands Vermittelang. 111
Friedrich einen eigenhändigen Brief an ben Großherzog ')
(obgleich diefem unter einer andern Hand uͤberſandt),
weldyen er nad) wiederholten Berficherungen feiner
Freundſchaft für ihn und die Koͤniginn, damit ſchloß:
daß fein Herz Feinen Theil an dem übel habe, was
fein Deer diefens Hofe anthue. Der Großherzog ant-
wortete, daß, was and) ber Ausgang biefes Krieges.
feyn möchte, er immerdar des Königs Freund feyn
wuͤrde.
Herr Bartenſtein, faͤhrt der engliſche Geſandte
Robinſon fort, ſtellt es als erſten Grundſatz auf, daß
den Koͤnig auf den rechten Weg bringen wollen
„ohne ihn zu riffetn,“?) fo vergebliche Mühe ſey, als
einen Mohren weiß zu waſchen. Seines Waters,
Friedrich Wilhelms I, 12,000 Mann hätten am
Mheine mehr Schaden gethan, denn Gutes geftiftet,
Friedrichs Freundſchaft werde nachtheiliger feyn wie
feine Feindſchaft, beſonders in Bezug auf bie vorſte⸗
hende Kaiferwahl. Denn der Gewinn feiner Stimme
ziehe unfehlbar den Verluſt von Trier nad) ſich, und
die geringfte Ausföhnung mit ihm, führe zu einer
—
1) The King writ a Letter in his own hand to the
Grand Duke, though directed to his Higness by an
other hand. Robinfons Bericht vom 22ten Bebruar. Reichs⸗
archiv, Öfterreih, Band 185.
2) To rectify the King, without ruffling him.
112 Eilfter Abſchnitt. | 1741.
völligen Trennung vom. Könige von Polm. Man
müffe vielmehr Preußen ganz entwaffnen.
Dieſe Reden und Wünfhe kann man wohl
einem eifrigen Freunde feines. Vaterlandes zu - Gute
Halten; fie waren aber nidht einem Staatsmann an=
gemeffen, der bie. Gegenwart ertennen, in die Zukunft
Schauen und das Möglihe vom Unmöglichen ‚unters
fcheiden foll.
Zwar fchrieb Lord Harrington an Robinſon:
wenn Vorſtellungen nichts huͤlfen, wolle man den
Koͤnig mit den Waffen aus Schleſien vertreiben; aber
das Wollen war kein Vollbringen und unmittelbare
Huͤlfe von England aus gar nicht herbeizuſchaffen.
Auch fügte Harrington ſogleich hinzu: wenn Öfler-
reich ſich mit Preußen vergleichen wolle, ſey England
zur Vermittelung bereit.
Auf dieſen Weg ward die engliſche Regierung
immer mehr bingedrängt, je mehr fie die allgemeine
Stellung aller europäifhen Mächte ins Auge faßte,
wovon ich gleich nachher im Zuſammenhange fprechen
will. Schon im März gab fie in Wien den Rath
ſich mit dem Könige von Preußen zu fegen, wel:
cher Rath jedoch mit Abfchen zurüdgemiefen warb ').
Sede Abtretung an Preußen, führe zu allgemeinen
1) Be vom Lſten März. Reichsarchiv, ——
an
1741. ‚Englands Bermittelung. 113
Forderungen und einem allgemeinen Kriege. Mean
hoffte beftimme Preußen zu befiegen und aus den
Veränderungen in Rußland großen Vortheil zu ziehen.
Im April hob England nochmals in Wien drins
gend die Nothwendigkeit hervor‘), ſich mit Preus
fen auszuföhnen, weit fonft ein Krieg mit Frankreich
doppelt gefaͤhrlich ſey. — Vergebens.
Hierauf wandte ſich der engliſche Hof, durch Lord
Hyndford an den König von Preußen?). Dieſer gab
zue Antwort: Er wolle fehr gern mit Öfterreich auf
die fchon vorgefchlagene Weiſe abfchliegen, und ich
nächftdem aufs Eifrigſte über Alles verftändigen, was
e von Anfang an dargeboten babe, ſowol zur Bes
fefligung des Hauſes Öfterreih, als ber: Freiheiten
Europas. Da er ferner, ungeachtet der ihm gemach⸗
ten vortheilhaften Anerbietungen, gar Eeine Berbins
. bungen mit Frankreich eingegangen habe und ihm
voͤllig frei flehe vernünftige Bedingungen anzunehmen,
welche der König von England ihm beim wiener
Hofe auswirken könne, fo bitte er dringend in
dieſer Beziehung mit der groͤßt moͤglich en Schnel⸗
ligkeit vorzuſchreiten.
In Wien lebte man aber noch immer der überzeu⸗
gung, in Frankreich werde die friedliche Partei obſie⸗
1) Bericht vom 17ten April. |
2) Bericht vom März und Mai. Ebendaſelbſt.
114 Eitfter Abſchnitt. 1281.
gen; — ober wenn nicht, dann erſt fey es Arit mic
. Preußen abzufchliefen. — So blieben alle Vorſtel⸗
lungen Englands vergebens. — Den bten Mat lehnte
Sſterreich nochmals alle Abtretungen an Preußen ab
und König Friedrich erklaͤrte: er habe mit dem größten
Schmerze gefchehen, daß jene fo ernſtliche Bemuͤhun⸗
gen ohne Erfolg geblieben. Den 101m Mai ſchrieb
er an Lord Hpndford '): comme ce m'etait pas A
moi de faire plus d’avamces que j’ar fait, sans
&ire assurd des sentimens de la cour de Vienne;
Fatlendrai tranguillement ce qu’elle y vandra re-
pondre. -
Dies konnte Friedrich um To mehr — da er
am 10ten April die Schlacht bei Molwitz gewonnen
hatte, im Beſitze des größten Theile von Schlefien
war, und bei der ſteigenden Verwickelung der euror
päifchen Angelegenheiten, fein Gewicht zur Herbei⸗
führung eines Ausſchlags immer entſcheidender ward.
Am 12m Mai 1741 °) ſchrieb der König aus
Molwit an feinen Miniſter Podewils: Je vous en-
voye en {res mauvais francais, la lettre d’un tres
. bon allemand. Il y a da raisonnement d’un pa-
triote outre, mais je crois que ce sera une piece
1) Reichsarchiv, Ofterreich, Band 186.
2) Reichsarchiv, Preußen, Band 58. ri
131, . Zrisbrid an Pobewils. 114
capable de faire impression sur un plenipotentiaire.
— Nous avons à faire d’un coté aux gens les
plus tetus' de l’Europe, et de Yuutre aux plus
ambitieux. Comme-le röle d’honnete homme avec
des faurbes est chase bien perillense, ätre fin
avec des irompeurs est un parti desesper& dest
la reussite est fort «quivegue, que faire done?
La guerre, et la negociation. Voila "justement
ce que fait voire tres humble serviteur et son
mwinisiee. S’il y a A gagner à ötre honnéts hom-
me, nous le serons; et s’il faut duper, Boyons
dene fourbes. Je suis avec bien ‚Festime, mon
cher Podewils, votre très ſdele ami
Freilich lauten die letzten Worte nicht, ats wÄren
Are vom Verfaſſer des Antimacchiavel geſchrieben;
allein -einmal. find fie bios im Scherze hiugeworfen,
und die ernſte Stage war nur: auf welche Seite fich
Dreußen ia dieſem entſcheidenden Wendepunkt der Zeit
ſtellen, amd wie’ es die fruͤhere Abhaͤngigkeit von Ans
deren abſchuͤtteln, und ein. feibfländiges Daſeyn 3
winnen —
16. Bwölfter Abſchnitt. 1.
Zwölfter Abſchnitt.
Nachdem ich uͤber das Verhaͤltniß ſterriche und
Preußens bis zum Mai 1741 Mancherlei mitgeteilt
babe, erfcheint es nöthig uͤber andere europaͤiſche
Meiche Einiges nachzuholen. Beginnen wir mit den
Berichten aus Petersbürg.
Biron war geflürze, Anna nebft ihrem: Geniahl
an der Spige der Geſchaͤfte, Münnidy ber einfluf
reichſte Minifter, und die Prinzeffinn Elifabeth (me:
gen etwaniger Thronanſpruͤche) bewacht und gefchmel:
"helt zugleich. Den 20ſten December fchreibt der Ge
fandte Finch ): vorgeflern war der Geburtstag ber
Prinzeffinn Eliſabeth. Die Großfürftinn Anna fchenkte
ihe Armbänder, der Heine Czar - Iwan fandte ihr
eine goldene Schnupftabaksbofe mit dem ruſſiſchen
Adler darauf, und an. das Salzamt erging der Befehl
ihr 40,000 Rubel auszuzahlen. — Der König von
Preußen hat den Major Winterfeld hiehergeſchickt,
welcher Muͤnnichs Stieftochter geheirathet hat. Am
Zoſten December fährt der Sefandte fort: Muͤnnich
‚neigt fi) zu dem Gedanken: Öfterreich folle Preußen
in irgend einer Weiſe befriedigen und gewinnen. Außer
1) Reichsarchiv, Rußland, Band 28.
1m Rußland. Mäünnid. 117
den in ber. Bade liegenden Gründen, mögm auch
wol äußere mitgewirkt "haben, : gegen weiche der Feld⸗
marſchall nicht gleichgültig iſt. Seinen Schwiegerſohn
Malzahn ernannte der König von Preußen zum Ober
fien und ſchickte ihm einen Brilfantring, weichen er an
ber eigenen Hand getragen. hatte, feinem Sohne aber
fchentte ee Sieben (?), ein Gut an der Ober.
Der Prinz von Braunfchweig iſt dagegen unzu⸗
frieden, daß fein Generaliffimus nur als ein Titel
erfcheint, und er wenig gefragt und gehört wird, wäh:
rend der heftige, gehaßte Muͤnnich Alles leitet. Der
Prinz fagte'): er habe dieſem viel zu danken, daraus
folge aber nicht, daß er den Grofvezier ſpielen dürfe.
Wenn er lediglich feinem gränzenlofen Ehrgeize und
der natürlichen SHeftigkeit feines Temperaments folge;
fo werde dieſe, teine eigene Thorheit ihn ind Verder⸗
ben flürzen.
Se mehr fih Münnih zu Preußen Himneigte und
dem Könige Veranlaffung gab, bie oben mitgetheilte
Nachfchrift über einen Bund: mit Rußland feinem
Briefe an den König von England anzuhängen; um
fo Iebhafter ward von anderen Seiten her mwiber jenen.
gearbeitet, woruͤber Friedrich II in der Gefchichte ſei⸗
ner Zeit genügende Andeutungen giebt.
Den. * und 7ten Maͤrz berichtet Finch aus
9 Bericht vom 10ten Februar 1741.
188 Swötlfter Abſchnitt. A.
Petertburg: bee Feldmarſchall Muͤnnich iſt entlaſſen.
Als ihm Loͤwenwold die. Botfchaft brachte, antwortete
er: ich betrachte dieſe Entlaſſung als bie größte
Wohlthat, welche mie der Regent erzeigen konnte,
und ich nehme fie un mit der größten. Dankbarkeit
und Unterwerfung, Seine Zamitie war wicht fo ges
faßt wie ex, und als die Graͤfinn Muͤnnich von. ben
Prinzen von Braunſchweig mie Thraͤnen im den. Fugen
Abſchied nahm, fagte ihe Mann: Madam! Ich Hoffe
Sie werben kein Zeichen: ber Berrübniß geben, Aber
Seiner. Hoheit und bewieſene große Gnade und Guuſt,
welche und zu großer Freude und Genugthuung ge
seichen foll, — tie dies bei mir der Bau. iſt!
Die Regentinn duferte: Muͤnnich habe den Has
gog von Kurland mehr aus Ehrgeiz, denn aus Zu⸗
neigung zu: ihr geflürzt; weshalb ſie zwar die Fruͤchte
des Verraths aͤrndten, den Verraͤther jedoch nicht
achten boͤnne. Des Feldmarſchalls herrſchſuͤchtiges We⸗
ſen ſey nicht laͤnger zu ertragen, da er die Kuͤhnheit
babe bei mancher Gelegenheit ben: auodruͤcklichen und
wiederholten Befehlen: ihres Gemahls zu. widerfprechen.
Er babe zu viel Ehrgeiz, Unruhe und Unternehmungs
geift, als dag man ihm vertrauen. binfe. Ex falle
nad feinen Gütern in ber Ukraine gegen, umd feine
Zage bafelbft: (wem es ihm gefalle) in Ruhe endigen.
Die Nachrichten, daß man ben Herzog von Kur:
1441. Dünnids Bart. Bekudeff u Biron. 119
Sand aufs Hohefie Sehandele '), find bie zum lagen:
tm gebrungen, unb Männiche Ball bat jenem ben
erſten Troſt gewaͤhrt. Man erwartet ber Herzog
werde jetzt Beweiſe vorlegen, aus welchen fich deutlich
ergiebe, daß der Urheber feines Sturzes (Brünmich) ben
Plan: zu feiner Regentfchaft zuerſt entwarf, ihm allein
biefen Gedanken mittheitte, ihn zur Annahme ermun⸗
tete, zur Aucſuͤhrung antrieb und Beiſtand verfprach.
Bier Tage fpäter (ben 14ten März) fchreibt Finch:
daß Männic, noch immer in Petersburg und feine
Familie im ber Nähe des Megenten bleibt, erregt
Sorge unter feinen Segnem. Viele meinen: er werde
feinen Boden wieder gewinnen, ober noch mehr
verlieren.
Beſtucheff bat die aͤrgſten Befchulbigungen wider
den Herzog von Kurland vorgebradht, und fie find
fi) gegenüber geſtellt worden. Der Herzog leugnete
Altes und wich fo der Tortur aus *), weiche ſonſt im
gewoͤhnlichen Wege. wäre angewandt worben. Cr
fügte? ich will alles‘ wir zur Laſt Gelegte als wahr
anerkennen, wenn Herr VBeftucheff es jest fo bekraͤfti⸗
gen will, wie er es-am jüngften Tage wird vor Gott
verantworten muͤſſen. Der Herzog fprach in fo feier:
kicher.. Weife und mit fo fefler Haltung, daß alle
1) Bericht vom 10ten März.
2) So waving the ordinary method of .torture etc.
—
120 | Zwoͤlfter Abſchnitt. 1741.
Mitglieder der Commiſſion davon getroffen twaren.
Beitucheff hingegen ward ergriffen von. einem heftigen
und frampfhaften Zittern, fiel auf feine. Ante nieder
und rief aus: ich kann dem nicht widerſtehen, fon-
bern muß die Wahrheit fagen. und Gottes und bes
Herzogs Verzeihung erbitten. Hierauf befannte Be
fiucheff: er babe den "Herzog fälfhlic angeklagt auf
ben Grund von Anreizungen (insinuation) und Ber
fiherungen des Zeldmarfchalls, daß dies der einzige
Meg fey auf welchem er (Beftucheff) feine eigene
Ehre, Leben und Familie erretten inne. — Die
Sache hat ſich fo gewendet, daß der Prinz von
Braunfchweig fagte: der Herzog von Kurland iſt nicht
ſchuldiger als ich felbft bin, noch hat er etwas ges
than, was nicht: jeder in feiner Lage gethan haben
wuͤrde.
Neben all dieſen taken Umtrieben zogen die aus:
wärtigen Verhältniffe die Aufmerkſamkeit an fich, vor
Allem bie fleigenden Mißverhaͤltniſſe Rußlands zu
Schweden. Ich theile deshalb Folgendes aus den
geſandtſchaftlichen Berichten mit.
Am 14ten November 1740 klagt der engliſche
Gefandte in Stodholm!), über den zunehmenden Ein
fluß des franzöfifhen. Gefandten auf den König von
Schweden. Die englifhe Regierung war abgeneigt
1) Reichsarchiv, Schweden, Band 78.
—
1740. Rußland uw, Schweden. Reidhstag 121
in dieſem Augenblicke größere Summen ohne fichern
Erfolg auszugeben ; ja fie wollte nicht eine volle
Hälfte des zeither erforderlichen Geldes übernehmen,
weil ben Ruffen weit mehr daran liege einen Krieg
zu vermeiden, ihnen alfo auch die größere Ausgabe
obliege, -
Anm Iten December fchreibt der Gefandte: der
Sprecher bed Bauernflandes auf dem Reichstage hat
fi) verpflichtet für 100 Dulaten unfer Freund zu
ſeyn. Die Mehrheit. der Stimmm hängt ab von
Geldgeben, und die Forderungen fleigen allmälig.
Sn Berichten aus fpäteren Jahren!) finden fich
Nachweiſungen was Geiſtliche, Adelige, Bürger und
Bauen (Alle ohne Ausnahme) empfingen, ja der
Geſandte fchreibt: die Edelleute find bier für den
Meiftbietenden zu haben, fowie wir Vieh kaufen in
Smithfield; aber Schweden ift nicht fo viel Geld
werth! -
Unter den Abligen fteht kaum ein halbes Dusend
auf der Seite des Königs’). Guͤnſtiger fcheint jest die
Stimmung ber’ Geifklichkeit zu feyn, und von 25
Mitgliedern des engeren Ausfchuffes bezeichnet man
17 als feine Anhänger. Unter den Bauern mag
1) Bericht vom Siften Oftober 1746 und vom Bdten
Oktober 1747.
2) Bericht vom 2Sften December 1740.
II. 6
122 Su difter Ad ſehn it t. 1741,
eine betwächtliche: Mehrzahl aͤhnlichen Sinnes fen;
: aber biefer Stand hat kein Nacht. den geheimen; Aus⸗
ſchuͤſſen beizuwohnen. Unter den Binugern kanm des
König etwa auf: 30 rechnen; bie uͤbrigen, 80 an. der
Zahl find ſchwankend, oder in ber. Oppoſition, und
kaum ſitzt ein einziger von jenen im geheimen: Aus⸗
ſchuſſe.
Den: Sitzungen des: Reichstags, oder: irgend. einer
Berathung dürfen nur Mitglieder deſſelben heinahmen"),
weshalb es ſchwer iſt zu erfahren was daſelbſt vorgeht.
Zwei Edelleute haben ſich aber gegen mich erboten
mir, für 100, Pfund, während der: ganzen Dauer des
WMeichstags mitzuthellen was täglich in: ihrem Haufe
vorfaͤllt. Ich babe jedem bereits, als ein Dandgeid,
* einen Anzug. gefchenkt, deſſen ſie ſehr bedurften)t
„Die Kälte dee Koͤniginn von Schwedon gegen: Die
Senatoren, ben Grafen: Gyllenborg, Baron. Rofen: und
Herrn Sparre (Freunde des Fräulein Taube) ift jedem
bekannt, der an: dieſem Hofe lebt. jene: ſpricht nies
mals wmit ihnen, nimmt nicht die goringſte Ruͤckſicht
auf fies ja fie. verweigert ihnen den Handkuß wenn
— —
1) Bericht vom 2ten Zanuar 1741. Reichsarchiv,
Schweden, Vand 79.
2) I have made each of them a present already of
a suit of cloths, which they — wanted, br de
way of earnest,
Zn un
19411: Krieg zw tfchen Schweden wu Rußland. 123
andere‘ Senatoren und ſelbſt Perfonen geringeren Ran⸗
ges zu dieſer Ehre: gelaffen werben‘). Erblickt fie einen
von ihnen wenn fie bei. Öffentlichen Mittagsninhlen
erſcheint, ſo laͤßt fie ihr Eſſen, ſelbſt wenn es ſchon
aufgetragen: iſt, in ihr Zimmer bringen. Jene haben
nämlich. ein: Recht, ſogar uneingelnden, fo oft: an
der Löniglichen Tafel zu fpeifen, wie fie wollen:
Audienzen bei dem Könfge find unbedeutend 2), et
ſpricht meiſt nur von der Sagdı:
Die Bauern haben Vorftellungen gegen die Kriegs⸗
chftungen gemacht ?) ; dem! Abel fehr unerwartet, weil
biefee: ſich eimbifdete jene würden nie wagen, füh in’
foldye Angelegenheiten zu miſchen. Einige zweifein:
ob fie, nach der Verfaffung:, hiezu ein Recht haben.
Auf dem Reichstage giebt es viel Strettigkeiten *).
— Der Kaplan, weicher felbft: ein: Mitglied des ges
heimen Ausfchuffes ift und vor dem Hofe prebigte,.
wählte den Text: ein Wei was in ſich ſelbſt' un:
eine wird, geht zu Grunde. — Hievon nahm er
Gelegenheit dem Könige feine Laͤſſigkett (indolewee)
vorzuwerfen, bem Hauſe der Edelleute, daß: es aus’
higkoͤpfigen jungen Leuten beftehe, und: feinen: eigenen
1)- Bericht vom. 18ten Januar 1741.
D) Bericht vom 1ßten Februar-
3) Bericht: vom Aſten Februar.
4) Bericht vom 26ften Februar.
=
\
L Zur
124. Zwoifter Abſchnitt.— 10.
" Standedgenoffen, daß fie für den Side beteten, und -
den Krieg erflärten. — Manche derer die‘ befonmener
“und mwohlhabender find, Fangen an den Folgen’ eines
Krieges nachzudenken; aber bie jüngeren Leute, bie
Officiere, welche Nichts zu verlieren haben und auf
Beförderung hoffen, rufen in der Reichsverſammlung
nach Krieg.
So ſiegte zuletzt dieſe, von Frankreich üuͤberdies
aufgereizte Partei: am 21ften Julius entſchied ſich
der Reichstag für den Krieg. Später ſchrieb der engli⸗
ſche Geſandte: die Kriegserklärung iſt oberflaͤchlich, der
Streit grundlos, und ein uͤbermaͤßiger Einfluß Ruß⸗
lands hätte ſich auf andere Weiſe vermeiden laſſen.
Jedenfalls beſchaͤftigten dieſe Fehden jene beiden
Maͤchte dergeſtalt, daß ſie zunaͤchſt auf die Angele⸗
genheiten des mittleren Europas nicht un
tonnten. r
Kehren wir jegt nach Frankreich zuruͤck um zu:
‚fehen wie es feine Stellung behauptet, oder vielmehr
allmaͤlig verändert und feine Verpflichtungen umbeu:
tet. Am 31ſten December fchreibt der englifche Ge⸗
fandte aus Paris"): Die öfterreichifchen Bevollmaͤch⸗
tigten find fehr niebergefchlagen, und fürchten daß
Frankreich feine Bürgfchaft ber oͤſterreichiſchen Erbfolge
nicht halten werde. Sie erfinund über bad: Beneh⸗
1) Reichsarchiv, Frankreich, Band 88.
174. Plan Frankreichs und Spaniens. 1925
mien Reapels, Spaniens und Preußens. Hingegen
klagt der franzöfifche Miniſter Amelot: ſterreich habe
den Hof von Berfailles getäufcht, indem «6 ihn glau⸗
ben gemacht, daß die pragmatifche. Sanktion Nie
mand zu nahe trete, während jetzt faft ein jeder auf.
irgend einen Theil der Erbſchaft Anfpruch mache.
Dieſer Einwand war gewiß nicht erfchöpfend:
dem es Ing Ftankreich ob, vor Übernahme der Buͤrg⸗
haft zu prüfen, oder, wenn bies verabfäumt un.
es jest auf unparteiliche Weiſe nachzuholen.
Herr Wasner (fährt der Geſandte am UAten Ja⸗
auar 1741 fort) ') erinnerte den Kardinal Fleury
auf. bededte Weiſe an die Pflichten Frankreichs, und
dag von ihm abhange Ruhe und Ordnung zu erhal;
tm. — Sleury und. König Ludwig XV verfücherten:
fie wollten allen übernommenen Pflichten genügen.
Gleichzeitig fragte. der ſaͤchſiſche Bevollmaͤchtigte Herr
von. Bray, ben fennzöftichen Minifter der auswaͤrti⸗
gen Angelegenheiten Amelot: was er von dem fehle
ſiſchen Kriege halte? und dieſer antwortete: Anfangs
babe man geglaubt Alles fey mit dem wiener Hofe
verabredet, und. infofern ſich daruͤber nicht ſehr beun⸗
ruhigt; jetzt ſey ‚man dagegen hievon zuruͤckgekommen,
und Frankreich bereit ſich mit England und Holland
uͤber zu ergreifende Maaßregeln zu verſtaͤndigen.
1) Reichsarchiv, Frankreich, Band 89.
BE. -Bmdiiiae Ab ſhnitt. na.
Harr Wasner ſcheint uͤbengeugt, deß dito frei
nicht bie Hand im Spiele hat und etma ven König
von Preußen anfeunert; er glaubt im Gegeuthail mau
würde bier nicht amgufriebeg fern, wenn mes wüßte
wie er zuruͤckzuhalten fey. Denn mad) dem was uͤher
die Art ad Melfe verbreitet wird wie ſich ber Kaͤnig
verſtaͤrkt, dürfte er am Ende des Jahres werigſtens
20 Mana zuſawwengebracht haben. Es fdeint
bee Kaedinal ermuntert beide Theile, und die Det
wird offenbaren wen von Heihen er dunch feine Fein⸗
Heiten zuletzt saufen will,
In Spanien werben drei große Steuern onsfges
legt): erſtens, zehn aufs Hundert von Bände,
Häufern und allen andern Einnahmen, Zweitens,
Erhöhung der Alcavala um vier vom Dunbertz dukte
ns, Erhoͤhung der Salzſteuer von 40 und 53 _
Mealen, Eudlich will man Gehalte‘ uud Jahrgetber
um ein Deittel berabfegen, welchos Alles geoße Unzu⸗
feiebenheit erzeugt. Den Ducchmarfdy ber Spanier
dat Frankreich vor ber Hand abgelehnt ?),
Man weiß (Schreiben vom Bten Februar), daß
der Einfall des Könige von Preußen in Gcylefim
dem" mabriter Hofe fehr willkommen iſt und Gampo
1) Keichkardiie ; Bericht vom 1ten Sanuar 1741.
. 2) Bericht vom Melon Januar.
241 Spaniſche und frangöfifge Plane. 127
Fiorido dorthin fdjeieh '): dem Kardinal Fleuty ver:
urfachte dieſer Schritt große Freude, auch dürfte er
(Hiebur aufgeregt und ermmathigt) dahin gebracht
werben, bie ſpemiſchen Plane zu befördern. Jetzt koͤnne
inbefjen nody nichts gefihehen, man näfle die fen
furter Beſchluͤſſe abwarten, die Wahl auf Sachſen
“oder Baiern leiten, oder wenigſtens die Sachen ver
wien um Zeit zu gewinnen. Solch "ein Verzug
würde ben beiden Kronen nicht allein keinen Scha⸗
den thun, ſondern auch in fofern zu ihrem Vertheil
gereichen, als die Engländer mittlerweile ihre Schäge
sergenden und ihren Handel gu Grunde richten, bie
Stanzofen fi) aber aus den Schwierigkeiten hervor
arbeiten bimften, in weiche fie jcht der Mangel an
Lebensmitteln verſetze. |
Hierauf bemerkte der fpanifhe Miniſter: Geambs
reich gehe darauf aus Spanien zu täufchen, ſich
mit Öfterreih (etwa gegen Vortheile in den Nie:
derlamben) auszuföhnen, und gleichwie während des
legten Krieges den madriter Hof in Stich zu laſſen.
Laut eines Berichts som 1Aten April”), fagte
ber Kardinal Fleury um: diefe Zeit zum ruſſiſchen
% ‚
1) Dies ift die Anficht Campo Floridos über die Plane
der Franzoſen. Das Gegentheit ſteht jeboch In rinem ſpa⸗
nifchen Bevichte. —
2) Reichsarchiv, Frankreich, Band 90.
128 © Imwblfter Abſchnitt. N.
Geſandten Fürften: Cantemir: Frankreich habe gar
keine Verpflichtung bie pragmatifhe Sanktion auf
vecht zu halten, da der. legte Friede mit dem Kaifer
nicht. vom Meiche beftätigt ſey. Indeſſen erklärte der
Kardinal ungefähr um diefelbe Zeit: der König von
Frankreich werde keinen Krieg beginnen, — fofern er
nicht dazu gezwungen fen! Ä
In einem englifchen Berichte aus Paris vom. ,
ten Mat heißt es: der fpanifche Gefandte machte,
im Namen feines Königs, dem Karbinal Fleury he: -
tige Vorwürfe, welche dieſer zuvoͤrderſt höflich ablehnte,
und dann. mit folgendem —J—— eines u
hervortrat y
1) De Kurfürft von Balern wird Raifer.
2) Zum Kriege in Italien ſtellt Frankreich
80,000, Spanien 009: und Neapel 15,000
Mann.
3) Port Mahon und Gheultar erhaͤlt Spanien;
Toscana, Parma, Piacenza und einen Theil der Lom⸗
bardei bekommt ein ſpaniſcher Prinz.
4) Die Engländer werden für immer vom Aſſien⸗
tovertrage ausgeſchloſſen.
5) Cuba wird zwiſchen Frankreich und Spanien
————
1) Vericht aus Bien vom Sten Mai. Reichsardhiv,
Öfterreic, 8 Band 186. |
178. Gpanifde.n: frasgöfifge Plane. 129
" 6): Sparten woiberfegt ſich ben Planen wiche, wel⸗
che Frankreich auf die Miederlande heat, umd
- . T) eben fo wenig ben Maafregein zweier norbis
ſchen Maͤchte, weiche Frankreich unter ber Bedingung
auf feine Seite gebracht hat, daß Spanim auf dieſe
Übereinkunft eingeben: will.
- Diefe Vorfchläge: fanden in. Mabrit. keineswegs
den gehofften Beifall, vielmehr zuͤrnte die Koͤniginn
von Spanien (laut eines Berichts vom 23ſten Ju⸗
nius) 9) fo heftig über Frankreich, daß fie einem ihrer
Bertrauten fagte: fie wolle der Königinn von Ungern
große Summen zahlen um nur Parma und Pias
cenza zu. erhaltan, und die pragmatifche Sanktion
üuͤber und über verbürgen, blos um fi) an Frankreich
zu rächen. . .
Erſt am 22ften Julius (während deſſen füh in
ber Lage ber öffentlichen Angelegenheiten fo viel geaͤn⸗
dert hatte) ertheilte. Spanien auf obige Vorſchlaͤge
folgende Antwort:
Es fey gleichgültig für Spanien mer Kaifer werde,
wenn man nur die aufgeflellten Anſpruͤche anerkenne.
Zum italimifhen Kriege wollte es 30,000 Mann
fielen. Über die Vertheilung der Eroberungen koͤnne
ed ſich noch nicht ausfprechen, über ben Affientovers
trag nicht die Dane binden, franzöfifhe Eroberun-
1) —————— Frankreich, Vaud 90. ,
6*. *
130. Drrisehnter Abichnitt.. 128.
gem in den Niederlanden nicht billigen; VBaitens Recht
auf Böhmen ‚nicht zugeſtehen, von Cuba nichts ab⸗
treten, und auf die Plane der nordiſchen Maͤchte
‚nicht eingehen, bevor es erfahre vom welchen m.
und Planen die Node fen.
Über diefe Antwort war der Rapbinat Gieury fd
ungufrieden; fie kam indeffen zw ſpaͤt um für Erhal⸗
tung bed Friedens. etwmns bewirken zu Einen.
J
Dreizehnter Avſchnitt.
Obgleich der Kardinal Fleury gegen Ende des
Monats Mai 1741.) noch immer von feiner
Frledensliebe ſprach, gingen doch fo vlel Kriegsvorbe⸗
reitungen nebenher, daß die Englämber eine Ausfüh-
nung Preußens und Öfterreich® immer dringender
wuͤnſchen und betreiben mußten. Auch ließ fich
Friedtich I auf neue Werhandlungen ein; mehr ſedoch
um Beit zu gewinnen, als weil er an bie Moͤglich⸗
Bert eines gluͤcklichen Erfolge glaubte. Nachſtehende
Ansʒuͤge erläutern den Gang der Dinge
1) Bericht vom Yfien Mini ans Paris, Eberkaſetbſt.
114. Lord Hhabforb u. Keiebrih IL 131.
‚Den 13tn Mat 1741 berichtet Lord Hyndford
aus Breslau Über eine Aublenz Sei dem Könige von
Preußen). Diefer war fehr lebhaft und heftig uͤber
Englands Benehmen und die Erklärungen im Par:
Inmente. Auf Hyndfords Frage: was er fordere?
antwortete ber gegenwaͤrtige Minliſter von Podewils:
Niederſchleſien und Breslau; und ber King fügte
hinzu: die Koͤnigiun von Ungern kann fi gluͤcklich
fhägen fo gut davon zu kommen. Sie Tehen, «6
ſteht in meiner Macht mich von ganz Schlefim und
naͤchſtdem von Mähren Meiſter zu machen. Denn
bie. Heine, mmbebeutende Stadt Olmuͤtz kann mid)
wicht aufhalten und dann find alle Verbindumgen mit
Böhmen abgefhnitten. Ungeachtet meiner Siege, will
ich indeffen noch Immer gemäfige (reasenable) fen.
— Auf die Frage! ob er dann ben Übrigen Theil
der pragmatifchen Sanktien aufrecht erhalten und
feine Stimme zur Kaiferwahl geben wolle? — ant⸗
wortete er: Jal — Noch am 1iten Junius erklaͤrte
Friedrich“): er wolle fih mit vier, ihm bequem ge:
legenen Hetzogthuͤmern Schleſiens begnligen.
Ohne Zweifel mit Ruͤckficht auf dieſe Erklaͤrun⸗
gen, ſchrieb Lord Harrington den 21ften Junius an
1) Reichsarchiv, Preußen, Band 53.
2) Ebendaſelbſt.
132 Dreizehnter Abſchnitt. — 1741.
Robinfon nach Wien '): er folle alles Moͤgliche thun,
Maria Therefia zur Annahme ber fo ſehr verringer
ten Forderungen Preußens zu bewegen, und bann
zum Könige eilen um die Sache völlig. zu Stande
zu bringen. Man dürfe keinen Augenblick verlirem,
ſonſt einige ſich Preußen mit Frankreich und ein lan
ger, doppelt gefährlicher „Krieg fiehe bevor. — Nah
den inftänbdigften, dringendſten Empfehlungen: diefer
Angelegenheit, fährt Harrington fort: bei biefer lan
gen Reihe drohender Gefahren ftehen nicht bios eime
ober zwei Landſchaften, es ſteht die ganze Erbſchaft
der Koͤniginn von Ungern auf dem Spiele. Sollte
der wiener Hof länger berathen: ob er einen feiner
mächtigften Feinde durch Verpfaͤndung einer Bleineren
oder größeren Steede in Schlefien gewinnen ſolle,
follte er länger in dieſer Bethoͤrung (infatuation) bes
harten, fo müflen Sie fühlen Laffen, daß dem Könige
von England dies ald ein fchlechter Dank \ericheint,
für fo viele weſentliche und Eoftfpielige Beweiſe feiner
Neigung ſterreich beizuſtehen und es aufrecht zu er
halten. Es wird aber aus Eigenfinn und Thorheit
fih und England in einen gefährlichen Krieg ſtuͤrzen
u ſ. w.
So begannen am 24ften Junius neue Verhand⸗
lungen in Wien, über welche Robinfon den 27ften
9— Reichsarchiv, ſterreich, Band 197.
1741. Verhandlungen zwiſchen Preußen x. 133
Junius Beriht erflatte. — Die Meinungen, fagt
er, find getheilt. Bartenflein z. B. behauptet: man
müffe lieber alle italieniſche Befigungen dem: Könige
von Sardinien abtreten ’), als einen Fuß breit Land
an Preußen. Der Großherzog will der Koͤniginn
nicht einmal zur Abtretung von. Slogan rathen; aufs
Allerhoͤchſte möge man dies Herzogthum als ein eim -
loͤsbares Pfand weggeben; welche Worte er wie
der und wieber ausſprach. Ja, wollte er ſich heran
nehmen zu. empfehlen daß man mehr, oder irgend ”
etwas in anderer Weile abtrete, fo wuͤrde er (mie er
mir im Vertrauen fagte) nicht Einfluß genug haben,
es bei der Koͤniginn durchzuſetzen. Er fey aber ſehr
entfernt, felbft irgend weiter zu gehen, vielmehr
würde er jeden, ‚der es im Mathe der Koͤniginn
thäte, für den größten Verräther halten. Dies komme
nit aus Mangel an Achtung vor dem Rathe bed
Königs von England, ober weil man die für Öfters
veih und England obmaltenden Gefahren verfenne;
fondern es folge aus der: Natur der Dinge und meil
die Lage des von Preußen geforderten Landes jene
Bewilligung unmöglich made. Denn einmal im
Befige der vier Herzpathümer, fey der König nicht
blos Herr von ganz Schlefien, fondern auch von
- I) Ohne Zweifel war bier wiederum Leibenfchaft im
Spiele.
TA : Dreisehnter Abſqhaitt.
Mähren und Böhmen 1), fobatb «6 ihm gefallen follte
feine ehrgeifigm Plane weiter in Ausführung zu brin⸗
sen. Es find, fagte er, Eure auf Unmoͤglichkeiten
gegründete Berhanblungen, welche uns untergraben.
Der Großherzog gab zu: daß feine Rufchheit mög:
licherweiſe über ihn, die Koͤniginn und über England .
Berderben herbeiführen nme; z aber er fry außer Stande
den Sturm zu beſchwoͤren, und ich nicht hinreichend
mit feiner Stellung bekannt. Er hide mehr ats ich
wiſſe, im öffentlichen Urtheile, weil er mehr umd lau⸗
ger vom Könige von Preußen Gutes gehofft habe,
als dieſer es verdiene.
Ich ſagte ihm: England werde, feiner Zuge nach,
zutetzt von dem Verderben leiden, welches biefer Hof
über daſſelbe und fich herbeiziehe. Ja (antwortete
ec) dieſer verfluchte Graben?) trennt Euch von bem
Seſtlande. Welle Gert, Ihr gehörtet zu dieſem, dann
würdet Ihr fühlen gleichwie wir. Wäre der Kurs
fauͤrſt von Damnover König In der Mitte Deurfhlands,
und man forberte den beiten und metbwendigften Theil
feiner Länder, würde er ihn hergeben? — al. erwies
berte ich, wenn fein eigenes Schickſal und Einslande
Schickſal lediglich fo davon: abhinge, als das dev Koͤ⸗
niginn und Europas davon abhängt, etwas mehr ober
- 1) Diefe Auficht beſtaͤtigte fich nachmals auf Im Diele
2, That cursed ditch,
:
;
2233. Franz Lund Maria Thereſia. 135
weniger in Schleſien aufzuopfern. — Er wolle (ſchloß
der Großherzag) Lieber allen Kronen, auch ber Kaiſer⸗
krone entfogen, als fie auf ac feiner nn
erwerben. .
Waos die legte anbetrift, fo befigt fie alle nur denk⸗
bare, liebenswuͤrdige Eigenſchaften, amd in der That
mehr Anlagen als man nad ihrer geringen Erfah:
rung vermuthen ſollte. Desungenchtet wird fie bie:
willen von zu großer Lebhaftigkeit fortgeriſſen. Sie
bat genug Geiſt, und wird ihn immer Haben, fich
leiten gu laſſen; aber noch. nice: Kenntniß genug fethft
‚zu regieren. Sie veraut ber Aumuth ihres Beneh⸗
mans um Eindruck zu machenz und dles macht «8
ihe leichter und fie bereiter ihre Klagen gegen gewiſſe
Perfonen auszuſprechen, ſobatd fie es Aber fi ge
winnt Ihre Leidenſchaft zu bezaͤhmen. In biefer Weiſe
Usß fie vor einigen Wochen gegen ben paͤpſtlichen
Nuntius fallm: ihre Verbuͤndeten würden fie zwin⸗
gen einen nody ſchlechtern Frieden als den von Bes
geab abzuſchließen, werunter fie bie Abtretung Nieber
ſchleſiens nebſt Breslau. verflanb. ,
Den I7ften Junius wiederholte Robinfon (eine
Vorſtellungen beim KMroßherzoge und den Miniſtern;
gleich, vergeblih. Auf Glogau (fagt er) wäre man
vielleicht eingegangen, nicht aber auf mehr, welche
Ereigniſſe und welche Noth auch eintreten möchte. —
Die Königinn iſt ſchlechterdigs dagegen irgend etwdas
13% Dreizehnter Abſchnitt. 1.
“in Schlefien abzutreten, was in:-ihrem Rathe :wiel
Spaltung und. Benwirrung hervortreibt. Innerlich
iſt, der Großherzog wol anders geſinnt. Graf. Stah⸗
remberg erklärte mir: „er erwarte von Gottes höherer
&ingebung : was . zu. thun ſey;“ worauf ich ihn - der
Huͤlfe Gottes anempfahlt — Eine briste. Berathung
mit den. Miniftern. war gleich m. und. —
heit nun auch zu ſpaͤt.
Des langen Zoͤgerns muͤbe und durch ‚bie. Ba
bältniffe zu einem Beſchluſſe hingedraͤngt, hatte Fried⸗
rich II am 5ten Junins insgeheim einen Vertrag. mit
Frankreich abgeſchloſſen!), deſſen Daſeyn man indeſſen
ſchon den Aſten Julius ii in Konbon?), und wol gteich
darauf in Wien kannte.
Über eine Berathung mit ben. aſterreich iſchen pn
niftern, fchrieb Robinfon: als Tie von. dem: Vertrage
zwiſchen Preußen, Frankreich und Baiern hörten, fie
len fie ruͤckwaͤrts in ihren Stühlen nieber, gleichwie
Tobte. Es war zu fpät, und in der That weder
mehr. noch: weniger. gefchehen als fie. erwartet, — und
dennoch nicht gehandelt hatten. Maria Therefia amd
der Großherzog Magen laut über das Benehmen
und die Zweideutigkeit des Könige von. Preußen.
1) Valory Memoires I, 108, e
2), Schreiben Lord Harringtons vom 24ften —
Heigsardin, Vſterreich, Band 186 —
‘
1731. unterhbandlungen zwiſch. Öfterreih x. 13%
Noch immer hege ich einige Hoffnung dieſen von Frank⸗
reich abzuziehen. — In Folge einer Audienz bei Ma⸗
rin Therefia fchreibt der Geſandte weiter: die Koͤni⸗
ginn fcheint nicht fähig zu einer allgemeinen Betrach⸗
tung. Sie denkt nur an Schlefin, als ‚wäre dies
der einzige Gegenftand, weil er jegt am meheften thut.
Sie verrieth mehr die befchränkte Denkweiſe derer,
welche fie am meiften hört, als folcher welche mit der
Zeit (vie ich hoffe) beſſer das Ziel treffen werden.
Am erften Julius berichtet der englifche Geſandte
aus Paris'): Here Wasner erzählt aus guten Quel⸗
in: daß vor wenigen Tagen bier über Krieg und
Frieden berathen worden, und man fich für jenen ent:
fchieden habe, Aber wann, oder wo, wird nicht bes
richte. Als Wasner dem Karbinale Fleury fagte:
er Höre, daß Batern ein Heer fammeln und 40,000
Stanzofen zu bemfelben ftoßen würden, -Iachten Se. Emi⸗
nenz, ohne jedoch ein Wort zur Widerlegung gu äußern.
Den 2ten Julius betätigt der Geſandte, daß bie
Unterflügung Baierns und ein Zug nah Böhmen
befchloffen worden. Fleury fen gezwungen den Kriegs:
Iufligen nachzugeben.
Unterdefien hatte Lord Hyndford dem Könige von
Preußen bie erfie Antwort des wiener Hofes vorge
legt. Er nannte biefelbe (fchreibt Hyndford den 24ften
1) Rreichsarchiv, Frankreich, Band 90. ..
18 - Dreigepnter Abſchnitt. m.
Julius)) ine langweilige, thoͤrichte, verkehrte Ant: -
wort, wuͤrdig des wiener Hofe. Ach muß, fuhr er fort,
Apmen eine andere Schlacht liefern, denn fie werben
nie vernünftig werben, bevor ich fie ganz aus. biefem
Lande wertsieben babe. Als auf feine Enrſchaͤdigun⸗
gen ia Schleſten, oder in den Niederlanden die Rede
dam unb bemerft warb?): er möge nur fordern; fo
fagte er loͤcholnd: wenn ich dann foubern fol, fo will
ich genug ferbern, nuͤmlich Brabant, Flandern, Ober
gelbern, kurz Alles das was ſterreich in jenen Ge:
genden befist, und ich will Rieberfchleften fo lange
behalten, bis ih in am Befig jener Länder ge
fest bin
| Honbford irrte fee, wenn er ‚glaubte, der König
fey. über umbebeutenbe Anerbietungen in den Nieder⸗
landen erfreut. Ihm lag gar nichts daran, fich in
fernen Gegenden große Gefahren zu bereiten, flott ſich
in ber Nähe abzurunben.
Huf das Andringen: ſterreich folle genau ange:
ben, was es abtreten wolle? bet «8 für Buͤndniß
Stimme zur Kaiſerwahl und Raͤumung Schleſtens
1) Reichsarchiv, ſterreich, Band 187.
2) Undererfeits dachte Öfterreih auch daran, die Neus
tralität Frankreichs durch eine Abtretung in ben Niederlan⸗
den zu gewinnen. Reichgarchiv, Preußen, Band 53. We:
richt vom 2öften —
R
a0. Robinſon in Brrsien und Qrehlen. 48P
— Michts als :ba6-aftegreichifche Geldern, und nach⸗
txqͤglich im aͤrberſten Falle noch Rwbvg nd au
Millionen (Gulden?).
Dem Beſehle Harringtons gend, ilte ati
Mebiufen feibft van Wien nad) Schleſien. Den In
Anguſt [hmeikt er nus Breslau '):-MWir haben Nach
wiht, der König fen bis zum Item Auguſt nicht au:
bedingt an Frankreich werpichier, meshalb ss tie hoͤch⸗
fie Bess iſt mit ihm abzuſchleßen. Bew men Pode⸗
wils gab aber ſogleich zur Antwort: ae meinen
Heren in Schleſien zu befriedigen, tann und mich
nichts geſchehen.
Den Tin Auguſt hatten Robinſon und Hynd⸗
ford im Lager bei Stuehlen Audienz wer dem ‚Könige.
Als ich chreibt Robiaſan)) zuvorderſt am Algemeis
men ſeſthaltend, der zwei Millionen Gulden erwaͤhnte,
wofür 8 dem Koͤnige gefallen möge Schleflen zu rdas:
men; rief er ans: So Hält man mich alſp für einen
Bettler? Ich ſoll mich aus Schleſien zuruckziehen
und für Geld, nachdem ich zu doſſen Eroberung fo
viel Schaͤtze amd Blut verwandt habe. Nein, mein
Herr, daran iſt nicht au denken. Wenn Sie nichts
Beſſeres vorzuſcagen heben, fo lahnt 25 nicht ber
1) Reichsarchiv, Oſterreich, Band 187.
) Man vergleiche bie, Erzaͤhlung des Könige, in der
u Seſchichte ſeiner Zeit. |
14d Dreigannter Abſchnitt. ara.
Mühe. davon zu reden. — Diefe Worte waren be-
gleitet mit deohenden Bewegungen und Zehen *
ßen Zornes.
Laßt uns ſehen, fagte hierauf ber , König, was «6
‘weiter gibt. Ich bot. jegt das oͤſterreichiſche Geldern.
— Was fehle uns denn, ſagte der König (zu Pe:
dewils fich wendend) an Geldern? Faſt gar Nichts:
Auch Das IE nur Bettelkram (gueuseries), Wie,
ſolch Neft (bicoque) für alle meine gerechten Anſpruͤ⸗
che in Schlefin! — Sein Unmuth wuchs bier iR
dem Maaße, als Ich ein tiefes Stillſchweigen bebbath⸗
tete und es endlich nur bradh, um Seine Mujefkdt
zu erfuchen: er möge Das, was ich gefagt — —
niger AufmerMamleit wuͤrdigen.
Mylord! des Königs Verachtung-Deſſen, was Y
gefprochen, war fo groß und in fo heftigen Ausbru⸗
den: zu Tage gelegt, daB wenn jemäls, es ſetzt Bcit
war, ben letzten Verſuch zu machen, bucch das Anet⸗
bieten des ganzen Herzogthums Limburg. Werloren
wie einen Augenblick fo hätte Nichts den König. ab:
gehalten uns zu entlaffen. Ich lobte das Herzogthum
aufs Hoͤchſte, beſchrieb es aufs Beſte und fügte hin⸗
zu: der Kurflirſt von der Pfalz babe ganz Berg bi:
für hingeben wollen. — In dieſem Augenblick unter⸗
brach mich Herr von Podewils und ſagte: gerade das
Gegentheil ſey wahr, der Kurfuͤrſt habe ti aid
dafür. bingeben wollen. u
1. Friednich Ik und Mebinfod. - 141
Hierauf bemsgkte:der König: er koͤnne nicht be
geeifen, wie Öfterreih wage an die Verlegung einer
fo heitigen Pflicht zu denken, welche jeden Zell breit
Landes in Belgien unveraͤußerlich make! — Dies,
bemerkte ich, ift nur der Fall den Franzoſen gegen
über. — So lautet (fagte ber König) Eure jegige
Auslegung; aber die Franzofen behaupten, daß es
mehr eine Seftfegung zu ihrem Vortheile, als wider
fie war. Was mid ambetrifft, fo babe ich Feine Mei-
gung, mich im jenen Gegenden auf eine nuglofe Weife
zu vergrößern, viel weniger (bort) Geld auf neue Fe⸗
ſtungswerke zu verwenden, wie Sie mir anrathen.:
Habe ih hier nicht Feſtungen genug für Jemand,
der mit feinen Nachbarn in Frieden leben will? We
der Frankreich, noch Holland haben mid ‚beleidigt,
noch will ich fie befeidigen, was durch fo ungeſetzliche
Erwerbungen ſicherlich geſchehen wuͤrde. Überdies, wer
wuͤrde ſie mir verbuͤrgen? — Ich bemerkte: der Plan
ſey, auch Buͤrgſchaften herbeizuſchaffen. — Buͤrg⸗
. fhaften, entgegnete der König, wer denkt denn in die:
fer Zeit daran fie zu halten? Hat nicht Frankreich
und England bie pragmatifhe Sanktion verbürgt?
Warum fliegt Ahr nicht Alle herbei, der Königinn
Huͤlfe zu leiſten? — Ich fagte: ich könnte nicht Al⸗
les verantworten, aber die Gewalt der Umftände würde
gewiß die wahren Freunde ſterreichs und der euro:
fpiiſchen Freiheit ans Licht bringen. — Wer, mein
v2 | Desipefntes Abſ n itt a
Herr (ſagte der König), wer find denn dieſe?) —
Ich erwlederte: Rußland muͤfſe ſeden Falls taz ger
hoͤren, welche Macht in Brzug auf die. Türken nicht!
beſtehen koͤnne, ohne die Srtzaltung ſterreichs. —
Schön, ſchoͤn, mel Bew; die: Rufſen! Es paßt fick
nicht, daß ich mich dariiber ausfpreche, aber ich Habe
Mittel fürı Diefe?). — Hierauf fagte: ich: die Kuſſen
wären nicht die einzige Macht; welthet Verpflichtungen
gegen die Oſterreicher habe und «8: mit: Ihnen. halten!
muͤſſe; fo: daß, wie abganeigt: auch etne folder Macht
ſeyn moͤge, hier fit: mie‘ der König in die: Rede,
legte den Fingor an ſeine Nafe: und rieß aus: kekne
Drohungen, mein Herr:, wenn: es Ihnen gefaͤllt; rin
Drohungen! — Lorb Hyndford benierkte hiernuft ich
würde: gewiß · Michtsn Außen, was nicht weit: Dem mire
erthetiten: Anweifengen: uͤbereinſtiinme, und Her WO
Podewils warf etkons duzwiſchen, wad wie er. glaaubtey⸗
geeignet ſey, feinen Herrn zutuͤckzuhaltenn — CI;
fuhr ich jetzt forr, ich. ſage nicht, was die Anderen
thun wetbden, ſondern was ſich vorn: ſelbſt machen
wird. Und. wenn ich nur von Dem ſpreche, was
nicht musbleiten: kann, fo ſind dies feine Drohungen.
Mein. Eifer: für das: Publikum bracht mich’ hiehet
Das Publibam (fl6 der König. ein) wird Ihnen: Bas’
1) Qui dent, Metisieur, qui sont le: cewx laY"“-
I bave means for them. i
|
RL Krisbsih und Bebinfon. 3
für vist Dank wiſſen. Doch hoͤren Sie: was Ruß⸗
fand anbetrifft, fo wiſſen Cie wie es damit ſtrht;
vom Könige von Polen Habe ich Niches zu fuͤrchten,
und. dev König von England —, er iſt mein Wer
wandten, er if} mein Alles; wenn er mich nicht an⸗
geift, werde ich ihn. nicht: angreifen, und wenn eu es
tus fo wird der Fuͤrſt von Anhalt bie Sorge: üͤber⸗
wehmam (em aura sein).
Jetzt awaͤhnte ich der Nachricht, daß der König
nach dem Mvwen Auguſt fi. den: Franzoſen anſchlie⸗
ßen: wolle. Oſterreich ziehe feine Freunbſchaft vor,
warbe ſich aber, wenn em fie. verſchmaͤhe, ganz: in-
Frankreichs Hände: geben. Über diefen Punkt. fejwieg:
der König. ganz Ich liche: es nicht Vermuthungen
aufzuftellen, wenn. id aber eine machen ſollte, ſo wide
ih: ſie auf das Vewußtſeyn feiner. Schuld. gründen. —
Bon Zeit zu Belt hob er das Workheithafte feiner
jegigen Stellung hervor, au der Epige eines maͤchti⸗
gen und. (mie ex davon-fpricht). unuͤberwindlichen See:
res, binter ihm: das bereits eroberte Land; weiches: der.
einzige Gegenſtand ſeines ˖ Strebens- it, weiches er: ha⸗
bes: will und. Haben muß, aus welchen: ev. [ich nicht.
herauslaufen läßt, wo or lleber mit allen ſtiner Mann⸗
ſchaft zu Grunde geht. Mit. weichen Angeſicht: (fuhr
er. fort) fol ic meinen. Ahnherren entgegentreten,
wenn: ich, Rechte aufgebe die ic, von. ihnen: uͤbernom⸗
iz babe, mit welchem Rufe (reputation) koͤnnte ich
14% Dreigepater Abſchnitt. 1341.
leben, wenn ich leichtfinnig ein Unternehmen, die erſte
That meiner Regierung aufgabe, nachdem ich fie mit -
Überlegung begonnen‘, mit Seftigkeit ducchgeführt und
befchloffen habe, fie aufs Äußerſte zu behaupten. Be⸗
darf ich des Friedens? Laßt diejenigen, welche denſelben
bedürfen, mir geben was mir fehlt, oder laßt fie noch⸗
mals fechten und nochmals gefchlagen werben. Haben
fie nicht ganze Königreiche an Spanien gegeben, und
koͤnnen fie- nicht ein Paar unbedeutende Fürftenthi-
mer an mich wenden? Wenn die Königinn mir nicht
alles Verlangte bewilligt, fo werde ich nach vier Wo:
hen, vier Fuͤrſtenthuͤmer mehr fordern. est verlange .
ich ganz Niederfchlefien und Breslau, und mit biefer
Antwort mögen Sie nah Wien zurückkehren. —
Zweimal fragte ich den König: ob er dabei beharre?
und er antwortete: Fa! Dies ift meine Antwort und
ich werde nie eine andere geben.
Wir Beide fchlugen jegt vor: wir wollten. dem
Herrn von Podewils die wiener Vorfchläge zur Anz
nahme näher entwiden. Der König aber fagte:
meine Herren, meine Herren, es ift ganz unnüg daran
auch nur zu denken; — und hiemit nahm er feinen
Hut und begab fih plöglich hinter den Vorhang. in
den inneren Theil des Zeltes. Ich fagte zu Herrn
von Podewils: Frankreich werde Preußen aus Eigen:
nutz verlaflen; und er antwortete: Mein, nein, Frank⸗
3
1741: Berhandtungen zwiſch. Sſterreich x. 145
reich wird uns nicht täufchen ae), da wir es
nicht getäufcht haben.
Bierzehnter Abſchnitt.
Daß die auf vorſtehende Weiſe begonnenen Un:
terhandlungen, bei der Lage Friedrichs und aller an:
deren Mächte, nothwendig mißlingen mußten, hätten
die öfterreichifchen Miniſter und die englifchen Abge-
ordneten leicht vorherfehen Eönnen. Sie behielten je:
doch weniger die Mirklichkeit und das Ausführbare
im Auge, denn das was fie wünfchten; und felbft
Maria Therefia fagte (als ihr Robinfon in Wien
über den Ausgang Bericht erftattete): es Eönne nichts
weiter gefchehen'), fie Eönne und molle nichts anderes
thun, als fich fogfeich mit dem Kurfürften von Baiern
vergleichen (make up). Als nun aber Mitte Auguft
bereitö eine Abtheilung Franzofen über den Rhein
ging, vermochte Robinfon den wiener Hof nochmals
Unterhandlungen mit dem Könige ‚von Preußen ein:
zuleiten und ihni Niederfchlefien nach einer Linie an-
1) Reichsarchiv, Hſterreich, Band 138. Bericht vom
2aſten Auguft.
ll. 7
21 Vierzehnter Abſchnitt. um.
zubieten welche von Greifenberg über Wohlen quer
durch das Land ging. Breslau war gar nicht ers
wähnt, und Marin Thereſia wollte nur 14 Tage an
dies Erbieten gebunden feyn.
Den 29ften Auguft kam Robinfon zum zweiten
Male in Breslau an"): was jedoch vor vier Monaten
wol dankbar wäre angenommen worden, fand jest (fchon
der angehängten gefährlichen und läftigen Bebingungen
halber) feinen Eingang, und Robinfon Eehrte unver
rihteter Sache zurüd, Am Sten September bot end⸗
lich Öfterreich ganz Nieberfchlefien (ſowie e8 Friedrich II
verftand) nebſt Breslau; aber auch auf diefen Antrag
wollte der König nicht eingehen, weil bie Verhältniffe
ſich voefentlich verändert hätten?),. Er antwortete am
am 16ten September 1741 dem Lord Hyndford:
ai reeu le nouveau projet d’alliance que l’infati-
gable Robinson vous envoye, Je le trenve aussi
chimerique que le premier, et vous n’avez qu'à
repondre a la cour de Vienne, que !’Electeur de
Baviere sera Empereur et que mes engagements
avec le Roi tres-chretien et ’Electeur de Baviere
6taient si solennels, si indissolubles et inviolables,
que je ne quitterais ces fideles alli&s pour entrer
en liaison avec une cour, qui ne pent €tre ei ne
1) Bericht vom 2ten September.
2) Reichsarchiv, Preußen, Band 54.
Ä
MA, Weitere Berhandl. mit Friedrich IL 147
sera jamass quirresengiliahle envers moi, Qp'il
wätait plus temps de Ja seenurir, et quelle de-
vait se r&sondre a subir fpoyte la rignenr de sa. _
destänge, Deg gens, sont ils fols Mylord de s'ima-
giner que je eommise la trahisen de fourner en
leur fhreur mes armes eonire mes Amis, ei np
vAyez vous PAS vans mema, combien est grossiere
Eomoroe quiils we tandent? Je vons prie de ne
me plan faliguer avec de pareillos prapositions
et de me croire assez honnôte komme, paur ar
peint vialer mes engagements,
Ungeachtet diefer Verſicherungen war der König
keineaweges abgeneige fich mit dem wieng Hofe einſt⸗
weilen fo zu verffändigen, daß ihm fein Beſitz geſi⸗
het und die Kriegslaſt erleichtert werde, ohne einen
. Bench feiner anderweiten Verträge in ich zu ſchließen.
Ein Bericht Hyndforbe vom Aten Oktober ans Neiſſe,
handelt non einer neuen Aubienz’), bie ihm Fried⸗
rich II bewilligt hatte, Dieſer befchwerte ſich, daß
der Koͤnig von England und. der Kurfuͤrſt yon Hans
nover verfshieben fpräcen und handelten, buch ver,
fproche Er ihnen kein Leid anzuthun (To do no harm),
Der englifhe Plan gegen Osnabruͤck, Muͤnſter und
Hildesheim babe Köln erzuͤrnt und die Franzoſen auf⸗
gereizt, Theil zu nehmen und Hannover zu befegen.
1) Eberdaſelbſt.
7
148 Biergehnter Abſchnitt.“ II.
Doc wolle er Alles thun fie davon abzureben. Sach⸗
fen feb dem großen Buͤndniß beigetreten und werde
für feinen Theil Mähren und Oberfchlefien erhalten.
Der König fagte nochmals: ich will thun was:
ich kann; aber (unter une) iſt e8 nicht vernünftig
daß der König von: England mir: zu gleicher Zeit ver⸗
ſchafft, was mir bequem iſt? — Auf bie Srage: was
das fen, fuhr ee fort: er muß mir die Lehen in Meck⸗
lenburg geben und (unter und) die Bärgfihaft Ruß⸗
lands für Schlefien auswirken.
Dem Könige lag indeflen (wie gefagt) — nichts
daran, Maria Thereſia ganz zu Grunde zu richten,
weshalb der preußiſche Miniſter Graf Golz noch waͤh⸗
rend des Septembers an Lord Hyndford ſchrieb: Alles
was wir zum Beſten der Koͤniginn (welches uns kei⸗
neswegs gleichguͤltig iſt) thun koͤnnen, iſt, daß wir
ohne einen beſonderen Vertrag abzuſchließen, ihr Heer
von hier abziehen laſſen und uns in Schleſien die
Zeit vertreiben (amuser), ohne irgendwo gegen irgend⸗
wen thaͤtig zu werden. — In einem zweiten - Briefe
bes Grafen Golz an Hyndford vom’ 28ſten Septem⸗
ber heißt es: Sie werben: einfehen, daß der. König
keinen befonderen Frieden mit ſterreich abſchließen
kann; die Franzoſen wuͤrden es ihm in Weſtphalen
entgelten laſſen und dies den allgemeinen Frieden nur
weiter hinausſchieben. Ich habe Befehl Ihnen zu
ſagen: wenn Sie die Unterhandlung bis zum Winter
1741. Bertrag von Schnellenborf. 149
hinziehen Eönnen, fo wird man Mittel finden die Sa-
hen in Ordnung zu bringen (ajuster). Mittlerweile
müffen die Öfterreiher uns die Stadt Neiffe ohne
Verzug einnehmen faffen, und mögen dann mit ihrem
Heere hinziehen, wohin fie wollen. Mit Niederfchle:
fin und Meiffe will der König fi) begnügen. Go
wird der Krieg in Wahrheit, wenn aud nicht dem
Scheine nad beendet, und wie nehmen Winterlager
in Oberfchlefien, jedoch ohne Steuern beizutreiben.
Sir Folge -diefer vorläufigen Verhandlungen kam
ed am Sten Dftober") in Schnellendorf zu einer fehr
geheimen Zuſammenkunft des Königs, mit dem öfter:
reichiſchen Feldmarſchall Neipperg, voelcher der General
Lentulus, der Oberfte Golz und der englifche Befandte
Hyndford beimohnten. Dem Berichte des leßteren vom
14ten Dktober”) ift Kolgendes entnommen: Nach ei⸗
nigen Berathungen einigte fi) der König mit dem
Marfchalle. Jener war ungemein hoͤflich und zuver-
tommend und machte große Verficherungen feiner gu⸗
ten Wünfche und Abdfichten für bie Königinn und
den Großherzog, feltbem beide nicht mehr halsſtarrig
1) um diefe Zeit warb auch eine befondere Unterhand:
ung zwiſchen Öfterreich und Frankreich verfucht, welche
Maria Thereſia abbrach. Hyndfords Bericht vom 2ten
Februar 1742,
2) Staatsarchiv, Preußen, Band 54.
160 Biorzehnter Abſchnitt. m.
(obstinate) wären. Denn fonft, fügte er hinzu, waͤrde
er fie aufs Äußetſte verfolgt haben. Jetzt hingegen
ſey er durch die Unfälle der Koͤniginn wirklich betrofi
Ten (concerned) und wenn biefe Sache geheim
gehalten werde, wolle er zu Ihrem Beſten meht
thun, ald ihm jetzt zu fagen freiſtahe. Er gab zu
verfichen: et werde ſich bemühen (im Widerſpruch ge
gen Sachſen) der Koͤniginn Mähren und Oberſchleſien
zu. erhalten, und zu verhindern daß die Baiern nid
MWinterlager in Böhmen naͤhmen. Auch ließ ce durch
Golz 50,000 Dukaten für die in feinem Winterfage
erforderliche Verpflegung bieten.
Der König verweilte über zwei Stunden, ſprach
die ganze Zeit mit der gtöften Theilnahme für die
Königin und ben Großherzog, und gab dem Mar
ſchall Neipperg feinen Rath über den Feldzug gegen
- bie Verbündeten. Insbeſondere empfahl er dieſem,
ſich mit dem Fuͤrſten Lobkowitz zu wereinigen und fer
nen Schlag zu thun, bevor dies den Verbündeten ih
eerfeitö gelaͤnge. Für den Fall daß Neipperg glüd
lich fey, gab der König kaum weniger zw verſtehen,
als daß er auf die Seite ber Königinn treten wolle
(take part with the queen); wenn fie aber noch
ungluͤcklich fey, müffe er an fich felbft deuten.
Über Afles aber bat er Jedermann
das größte Geheimniß empfohlen, and (um
Heren von Valory zu taͤuſchen) auch gebeten ihm ei:
174. ° Vaffenſtiliſtand mit Öfterreih. HL
nen Brief zu fchreiben und in demſelben über ben
ſchlechten Erfolg meiner Bemühungen für eine Aus
ſoͤhnung zu Elagen. Diefer Brief folle im Lager mit
einem Trompeter anlangen, wenn er zu Tiſche fige
Er werde Sorge tragen, daß Here von Valory bei
ihm fpeife und ihm den Brief fogleich zeigen.
Die Bedingungen des Abkommens vom Iten Ok⸗
tober find: Neiffe ergibt fi nad) 14 Tagen und bie
Beſatzung erhält freien Abzug. Naͤchſtdem bleibt
der König ruhig und parteilos; und. begnägt fi mit
Niederfchlefin und Neiffe. Ein Theil de pteußiſchen
Heeres nimmt Winterlager in Oberſchleſien. Es fin:
den Feine Steuern und Werbungen, wohl aber Fou⸗
eagelteferungen flat. Won Zeit zu Zeit wird, des
Sceines halber, ein Heiner Krieg geführt. Man
wird, wo möglich, bis zu Ende des Jahres eimen
volftändigen Vertrag abfchließen.
Die Gründe, weshalb Friedrich diefen Waffen
ſtillſtand einging, Hat er in der Gefchichte Teiner Zeit
umftändlich dargelegt‘). Er wollte vor Allem nicht
durch Unterdruͤckung ſterreichs eine Überlegenheit
Frankreichs begründen, und dadurch aus einem ſelbſt⸗
ftändigen Verbündeten zu einem abhängigen Knechte
hinabfinten. "Er wollte die Zeit benugen, fein Heer
zu verftärken, und wußte daß geheime Unterhandlun-
1) Oeuvres posthumes J, 196.
182 Vierzehnter Abſchnitt. 1AL
gen Öfterreiche mit Frankreich, ſowie Ausplauden
‚des ſtreng anempfohlenen Geheimniffes ihm noͤthigen
Falls immer Gelegenheit und Vorwand geben wir:
den, andere Maaßregeln zu ergreifen. | |
Übrigens. drang Friedrich auf diefe Geheimhaltung
keineswegs blos um den Öfkerreichern eine Zalle zu
. Iegen (welche fie ohnedies hätten vermeiden Eönnen);
fondern fie war den Franzoſen und Baiern gegenuͤber
in der That durchaus nothwendig. Aber ſchon den
21ften Dftober war das Geheimniß ausgeplaudert').
Graf Khevenhiller fehrieb. es dem Grafen. Wratislaw
und dieſer machte in Dresden befannt: der Friede
zwiſchen Preußen und Öfterreich fey abgefchfoffen.
Friedrich II war hierüber Außerft erzuͤrnt umd drang
auf einen feierlichen Widerruf. Zugleich fehrieb Golz
n Hyndford: wenn Öfterreih nicht eiligft einm
vollen Frieden fchliege, werde es ſich felbft den groͤß⸗
ten Schaden thun und der König (dem feine Ver:
bündeten. täglich mehr böten) nicht Länger zuruͤckzu⸗
halten ſeyn. Auch aͤußerte dieſer bald nachher?): im
Fall die Koͤniginn nicht ſogleich abſchließe, werde er
vier Herzogthuͤmer mehr fordern, und davon nicht ab⸗
gehen, bevor er völlig geſchlagen fey.
| Endlich traf die Nachricht ein: Maria Thereſia
1) Hyndfords Berichte. Reichsarchiv, Preuhen, Bd. 54.
2) Bericht vom Iten November. 1741, Band 58.
1741. Hundforbs Verhandl. mit Friedrich. 153
habe. bie obigen Bedingungen vom Yten Oktober) ange:
nommen. Weil aber night gleichzeitige Schritte zum
Abſchluß eines völligen Friedens gefchahen. und. das
Geheimniß überall befannt ward, ‚während. die Sache
fen und Baten in Böhmen einruͤckten und Prag
am 26ften November eroberten; fo bielt fi auch
Friedrich nicht für verpflichtet, feinerfelts für den Frie⸗
den weiter zu wirken. Am 16ten ‚December erklärte
er: da der wiener Hof das Geheimniß- allen euro⸗
päifchen Höfen mitgetheilt habe, fo fey er duch dad
Abkommen vom Iten Dftober nicht länger gebunden.
Der wiener Hof leugnete alle unmittelbare Schuld .
und ſchob fie auf allgemeine Gerüchte und Gefpräche,
während Lord Hyndford (der, fidy in-feinen Hoffnungen
getaͤufcht ſah) die bitterſten Klagen uͤber — 1
erhob.
Der König (fagt er) geht nur darauf. aus kin
Intereffe wahrzunehmen”), ohne regelmäßigen Plan
und Spftem. — Diefer Nacfag ſteht jedoch in Wi:
derfpruch. mit dem Vorderfage.. Denn Preußens Wohl
und Größe, nicht dem Vortheile Öfterreichs, Frankreichs
oder Englands unterzuordnen, war das vom. Könige
unwandelbar und confequent . verfolgte . Syftem.. Alle
Anderen. thaten in ihrer Art aur. sum. ‚Theil:
1) Bericht v vom 1%ten November.
2, Esendafelbff.
2 7 * *
154 Vierzehnter Abſchnitt. 174,
mit andern Formen, Wendungen und nach herkoͤnm⸗
- Sich diplomatiſcher Weile. Daran nahm unter Mich:
ve Lord Hyndford, ein Diplomat der alten Gcuk,
den größten. Anſtoß: er konnte fich mit einem. Könige
‘von Preußen durchaus nicht verftändigen, er Eannte
ihn nicht begreifen, weil er keineswegs mehr wie ein
ehemaliger Markgraf von Btandenburg ſich von Krank
- reich ober Eungland wollte gängeln lafſen. — Keim
Bande, klagt deshalb Hyndford'), find ſtark genug,
den König gegen fein eigenes Intereſſe zu feffeln.
Doch verfuchte er dies durch neue - mündliche Vorſtel⸗
Immgen. Über dieſe Audienz berichtet ex den 26km
December im Wefentlichen Folgendes.
Dee König fagte: es thut mir leib, daß bie
ſterreicher es mir unmoͤglich gemacht haben, ibm
Dienfte zu leiſten. Wenn fie (mie es ihr eigene
Vortheil erforderte) das Geheimniß bewahet bästen,
würde ich ihnen Mähren und ſterreich erhalten ha⸗
ben; wogegen es nicht mein Vortheil iſt, wenn fie
Böhmen und Oberfchlefien befigen. Denn über kun
ober lang wuͤrden fie mir. fehe unruhige Nachbare
geworden ſeyn; waͤhrend es nicht fo leicht iſt, ven
Maͤhren aus heruͤberzukommen. Sie haben: aber ei⸗
nen doppelten Bed gehabt beit Verbreitung bes Ge⸗
heimniſſes: erſtens mid bei meinen Verbuͤndeten
> 1) Bericht vom 15ten December 1741.
2148. Hundfovis Werhandt. mil Friedrich. 155
verbächetg zu machen; zweitens, bei einigen Kurfuͤr⸗
fin in Bezug auf die Kaiſerwahl Zweifel zu erregen.
Ferner, Mylord, ich rede aufrichtig (maturellement‘)
mit Ihnen, haben jene eine andere Thorheit began⸗
gen, daß fie ſich Prag vor der Raſe (A leur barbe)
wegnehmen Beßen, ohne eine Schlacht zu tagen.
Wenn fie gluͤcklich geweſen waͤren, ich weiß nicht was
ich gethan haͤtte: jetzt aber haben wit 130,000 Mann,
gegen ihre 70,000, und es iſt zu vermmthen, daß
wir fie fchlagen und ihnen: dann nichts übrig bleibt,
ald einen Frieden zu ſchließen fo gut als es gehen
will. Seit der Ummälzung, welche die Franzoſen
durch: ihre Intriguen in Rußland zu Stande brachten,
haben. fie auch jebe Autficht ‚auf dieſer Seite verloren.
Als Hyndford bemerkte: Frankreich werde an ihm
keine gleich; große Macht, von einer verſchiedenen Re:
ligien gründen wollen; antwortete Friedrich: was hie
Religion ambetrifft, fo iſt fie die gerinafte Sorge ber:
Zürften ') — Mie (jagte Dyndford weiter), menu
Frankreich und Rußland einig: fern ſolllen; melde
Gefahr. fr: die beiden dazwiſchen Liegenden — Wenn
das geſchaͤhe (erwiebeste Ftledrich), müffen mir. und
weinen fo gut wir koͤnnen. — Wie (fuhr deu Ge⸗
ſandte fort) wenn ftereich die übereinkunft vom
2) As for the matter of Se that is the least
‚ ooncern of princen - -
156 Funfzehnter Abſchnitt. 2241
Iten Oktober bekannt. machte und im uͤbelſten Lichte
darſtellte? — Wenn fie bies thun (antwortete ‚ber
König) fo bringen fie nur die Thorheit und Schwaͤche
ans Tageslicht womit fie ihr eigenes Spiel verderben
— und vieleicht würde man ihnen nicht glauben.
Mit einem Worte, ſchließt Hyndford feinen Be
richt, man kann mit dieſem Könige Nichts anfangen,
fo lange feine Unternehmungen mit a —
begleitet ſind.
Bunfzehnter Abſchnitt.
"gm ben nächften Berichten Hyndfords, hält er
. am feinem einfeitigen Geſichtspunkte feft, und macht
* Luft in Klagen über Friedrich II). Es iſt un
begreiflich (fchreibt er den 2ten Januar 1742 aus
Berlin) wie fehr der König hier vom Volke aller
Stände, wegen feines Geizes und ſeiner Armuth ge⸗
haft wird. Er bezahlt Niemand, die vom Hofe ge
brauchten Kaufleute leiden bie größte Noth, er hat
die Hälfte dee Jahrgelder geftvichen, welche Friedrich
1) Reichsarchiv, Preußen, Band 56. ,
1742, Hynbforbs Klagen über Friedrich. 157
Wügem I feinen Kiadern und ben ‚Übrigen Prinzen
ausfegtes — und ſelbſt Die zweite Hälfte wird ſeht
untegtimähig ausgezahlt.
Dei jeder Gelegenheit (Bericht vom * Ja⸗
nuar) erklaͤrt der König feine Geringſchaͤtzung von
Verträgen und. Bürgfchaften, und feine Meinung,
daß Sein Verſprechen einen, Fuͤrſten länger binden
dürfe, fohatd er im Stande fen, es mit Vortheil zu
brechen). Sintretende Greigniffe, die wandelbaren
Neigungen bed. Könige und ‚feine Verzagtheit beim
geringfien Unfalle (1), laſſen jedoch einige Veraͤnde⸗
rung des Venehmens hoffen”). Bitten, Vorſtellungen,
und gerechte — werden niemals Wirkung auf
ihn machen Pr,
Allerdings A fi vielmehr, aus guten
Gründen"), die Hoffnungen dea Könige, und in einem
Berichte Hyndforde vom #2tem Fehruar iſt beweits
die Mede von einer Abtretung des ganzen Schleflens
1) Über feine Grundfäge, dieſen Punkt betreffend, hat
fh der König genügend ausgefprochen in ber Einleitung
zur Geſchichte ſeiner Zeit. Ich verweiſe darauf.
D The changeable dispomtion and the pusillanimity
‚of the King’ from the lenst misfextune 'etc. Bericht vom
Hften Janyar. |
5) Bericht vom 2ten —
5) Qeuvaps. pasih; VII, 170.
168 FJunfzehuter Abſchnitt. —X
"md: der Grafſchaft Gag. Im Taufe bei Monats
Mai find die Unterhandlungen niit dem wiener Hofe
wieder im vollem Gange und ber König B San
ford. 200,000 Thaler zuſichern, ‚wenn Ser < Seleden
erwünfchtermaßen zu Stande komme, Das Amerbie
sen: ward: jebsch zuruͤckgewlefen.
Den 17tın Mai ſcheelbt SHyndforb: ber —X
will nicht auf der oͤſtérreichtſhhen Plan eingehen, feine
ſeiheren Verbindeten ſogbeich zu bekriegen. — Auſtath
wie ein wahrer Staatsmanm, dies ſehr natürlich und
rechclich zu finden, laͤßt Fafor ſeiner uͤbeln Laune
abermals freien Lauf und rufe aus: Welcher Verlaß
{ft auf ehren Fuͤrfien, der weder Wahrheit, noch; Em,
noch Religion befige, der Staatsvertraͤge glekchwie
Ehewerträus betrachen um Natren daburch zu Ginden,
der die heilksften. Dinge laͤchetlich macht, deu keinen
Plan, Leinen. Cutſchluß Kat, keinen Nath vetlangt
ſondern alle Dinge nach feinem Kopfe einrichten wil
und den kleinſten gegenwaͤrtigen Vortheil vorzieht,
den wichtigſten und dauerndſten Vortheilen der Zu⸗
kunft.
Und derſelbe Hyndford, weichen glaubte hiemit
einen Mann wie Friedrich allſeitig gewürdigt, eder
vielmehr eutwuͤrdigt zu haben, ſchreibt im anderen
Berichten‘): da wir mit einem Hofe verlehren ber
1) Berichte vom Zöften Jalius any Doſten Wu 1733.
ma Friebe won Berlin. 189
befanntsich Leine anderen Brundfäge hat als Raͤnke und
Betruͤgereien, fo müflen wir. ihn in feiner eigenen
Delnize bezahlen. — Ich ſpiele den Kemöblanten, um
von dem Könige eine Are von Bekenntniß zu erpref-
fen, er habe Unrecht gehabt.
Den WMſten Mai theikte Lorb Gacteet, ben Ge:
ſandten Nobhtfen in Wien eine Stelle mit aus einer
geheimen Anweifung Friodrichs für ſeinen Geſandten
in Lendon). Es heißt daſelbſt wenn man die Koͤni⸗
ginn Maria Therefia dahin bringen kann die ginſti⸗
gen: Bedingungen zu bewilligen, welche ich ben Lord
Hondßord mitgetheilt habe (ohne var mir zu for⸗
dern, daß ide meine jetzigen Verbuͤndeten beftiege),
fo bin ich bexeit bie Hände gu bleten, und ein Ver⸗
theidigungsbuͤndniß zwiſchen mis um den ——
ten, wird bieven die «rfie Frucht ſeyn
Den 2äſten Mai, fuͤuf Tage nachdem Hondford
die Grundſoͤtze und bie. ucbertriebenen Forderuugen
Friedrichs fo hart getades hat, ſchreibt er?): die Se
nigiem von Uugern hat Unrecht, des Königs Forde⸗
tungen nicht zu bereilligen. Ich meine, ſie foßte' um
fo wenfger abgeneigt ſeyn dieſe einftmeiligen (tem-
porary) Abtretungen zu bewilligen, als fie durch Ge
walt erzwungen, und durch einen doppelten Treubruch
1) Reichsarchiv, ſterreich, Wand 142
2) Reichsarchiv, Preußen, Benh 56. .
160 Funfzehnter Abfhnitt. 170
von feiner Seite herbeigeführt find. Denn feine
Macht im Himmel und auf Erden kann das Haut
Hſterreich tadeln, wenn es das Wergeltungsredht (lex
talionis) anwendet, um: bei“ geeigneter Gelegenheit
biefe Landfchaften wieder zu erobern.
Friedrichs Sieg bei Czaslau (den 17ten Di
1742) trug nicht wenig dazu bei, Marla Thereſi
zur Nachgiebigkeit zu vermögen. Den 11ten :Imint
kam ber: vorläufige Friede zu Breslau und ben 28ſtn
Juülius bee völlige Friede zu Berlin, auf Abtretung
von Schleſien und Glatz zu Stande. — Der Schmet;
Maria Thereſias (fchreibt Robinſon ben 19tm Ir
nins) ’) ift fehr groß. Alle übel erfcheinen ihr ge
- einge im Verhaͤltniß zu ‚ber Abtretung . Schleim,
Der fchönfte Edelſtein ihrer Krone ſey ausgebrochen.
Sie vergißt die Koͤnigim und bricht, wenn fie. einem
Schlefier fieht , wie ein Weib in Thränen aus.
Gewiß war biefer Schmerz natkelicher, edler und
gerechter, als die Wehklage, welche franzöfifche Macht
haber erhoben daß Friedrich zu ihren Planen Europa
umzugeftalten, nicht mwillenlos die Hand bieten wollt.
Am: 4tm Julius 1742 ſchreibt der englifche. Vevol⸗
maͤchtigte aus Paris ?): die Machricht von dem zur |
[hen Preußen und ſterreich abgefchlofienen Frieden,
1) Reichsardjio, Öfterreidh, Wand 144.
2) Reichsarchiv, Frankreich, Banb 92,
1712. . Klagen in Paris. 161
hat. hier einen fehr flarden Eindruck gemacht. Man |
fagt: dag Herr von Belleisle in Ohnmacht fiel, und
der Kardinal in Xhränen ausbrady. Der König,
welcher fich. mehr in feiner Gewalt hat, als die Mei⸗
fen, konnte dech feine Sorge nicht verbergen, ja ber
ganze Hof war wie vom Donner gerührt; indeß fuchte
man Alles fo viel als möglich vor dev Welt zu ver
bergen, Sie fagen: es gefchah nicht mehr, ald was
man von Anfang an. beforgte. (apprehended).
Der Kardinal fiimmt lebhaft, aber faft allein für
den Srieden '); es fehlt an Gelbe und man greift zu
ſchlechten Mitteln es zu befommen.
Mit der englifhen Vermittelung warm die öfter:
reichifchen Minijter übrigens nicht zufrieden”) und
meinten: fie gehe darauf aus Preußen und Sarbinien
auf Koften Maria Thereſias zu erheben. Diefe aber
dachte jegt mehr als je daran, bie Franzoſen um
jeden Preis zu zuͤchtigen °).
Die Vorwürfe, welche man dem Könige über
ben Abſchluß des berliner Friedens machte, hat ber:
ſelbe in der Gefchichte feiner Zeit“) vollftändig zu widers
1) Bericht vom erſten Augufl.
2) Staatsarchiv, Öfterreih, Band 144, Bericht vom
Sten Julius.
3) Ehendafelbft, Bericht vom 26ften September
4) Oeuvres posthumes I, cap. 6 und 7.
162 Funfzehnter Abſchnitt. 1742,
legen gefucht. Hier mag nur folgende Stelle, ans
einem vertrauten Briefe an Jordan Plag finden '):
Je m’embarasse peu du jargen insense du public,
et j’en appelle à tous les Docteurs de la juris-
prudence et de .la morale politique, si après avoie
fait hamainement ce qui depend de ınoi pour fem-
plir mes 'engagemens, je suis oblige de ne m’en
point departir, lorsque je vois d’un cotö un allié
qui n’agit point, de l’autre un allie qui agit mal,
ei que pour sureroit j’ai l’apprehensien au pre-
mier mauvais succes. d’ötre abandenne, moyennant
une paix fourree, par celui de mes allies qui est
le plus fort et le plas puissant? — Je demande
si dans un cas ou je prevois la ruine de mon
armee, Vepuisement de mes tresors, la perte de
mes conquetes, le depeuplement de I’etat, et em
un mot toutes les mauvaises fortunes auxquelles
exposent le hazard des armes et la duplicits des
politiques; je demande si dans an cas semblable
un souverain n’a pas raison de se garantir par
une sage retraite d’un naufrage certain, on d’un
peril evident?
Chez un particulier, il ne s’agit gie del’avan-
tage de son individa, il le doit constamment sa-
1) Oeuvr. posth. VII, 198. und bie Klagen Aber
die Sranzofen, Seite 187.
3742. Friedrichs Recdgtfertigung. Rußland. 163
criüer au bien de la societ6; ainsi l’observation
rigide de la morale lui deyient un devoir, la regie
stant: il vawt mieux qu’un "komme souflre, que
si tout le peuple perissoit. Chez un zouverain
Yavantage d’une grande nation fait son objet, c’est
son devoir de le procurer; pour y parvenir, il
deit se sacrifier lui meme, à plus ferte raisons
ses engagemens lorsqu'ils conimencent a devenir
contraires au hien-ötre de ses. peuples ')!
Schzehnter Abſchnitt.
Nachdem ich meine Mittheilungen uͤber die Ge⸗
ſchichte bes mittleren Europa bis zu einem Ruhe⸗
punkte, dem berliner Frieden hinabgeführt habe, iſt es
nochmwendig nah dem Norden zurldzubehren, und
weitere Auszüge aus dem Berichten des englifchen
Gefandten Finch vorzulegen. Er ſchreibt am 2ten
Junius 1741 aus Petersburg *): ich machte bem
- D) Uhnliche Grände trennten 1813 Preußen von Frank⸗
reich. |
2) Reichsarchiv, Rußland, Band 30.
„
164 Schzehnter Abſchnitt. 2.
Scufm Oſtermann allerhand Eröffnungen über
ſchwediſche und franzöfifche Umtriebe. Er fpielte den
Unmiffenden, wie er fich ‘denn überhaupt im allen
ſchwierigen Augenbliden zurüdzieht. So befam er
z. 8. bie Gicht in ber rechten Hand als er, nach
Meters II Rode, bie Urkunde über die Beſchraͤnkung
der Kaiſerinn unterfchreiben follte. Er ift ein Steum
mann für gutes Wetter, der im Sturme unterkricht
und beilegt wenn bie Megierung nicht. feit ſteht.
Der Prinz von Braunfhweig war offener. Cr
bekannte, daß er großen Verdacht hege, es werde
etwas ‚betrieben von dem franzöfifchen Gefandten und
Herrn Nolken. Er geſtand: die enge Verbindung dei
Lesten mit dem Wundarzte der Prinzeffinn Erifaberh
dem Hannoveraner Leflocq (unter dem Vorwande diefer
fen fein Arzt) babe Aufmerkfamkeit erregt. — Kerne
gehe Herr Chetardie oft, felbft des Nachts, und ver
Heidet zur Prinzeffinn Eliſabeth; da ſich num feine
Anzeichen eines Liebesverhältniffes fanden, fo müßten
die Zriebfedern politifcher Art ſeyn. Der Prinz fügt
binzu, wenn die Prinzeffinn fich zweideutig benehmen
follte, würde fie in Rußland nicht die erſte fern,
welche man in ein Klofter einfperrte.
Died würde (meine ich) gefährlich feyn und ihe
unter allen Dingen auf Erden am wenigſten gefalm:
1743, Oftermann, Prinz untrich, Elifabeth. 165
denn fie iſt außerordentlich. beliebt, und hat auch nicht
einen Biſſen Ronnenfleiih an fh‘).
Es war Beit. ben unverträglichen Muͤnnich zu ents
laſſen, welcher auch ſchon wieder, der Prinzeffinn Eli⸗
ſabeth Beſuche abgeflattet hatte und an eine neue
Ummälzung dachte. Der Prinz erzählte: er habe den
Marſchall mehre Nächte: nad) feiner. Entlaffung genau
bewachen Laffen, und befohlen im Hall. er Abends zur
Prinzeffinn Elifabeth gehen. follte, ihm. lebendig ober
tode zum. greifen.
Endlich ging Oſtermann doch fo weit auf bie
Sache ein, mich zu fragen: ob ich es für rathſam
halte Leſtocq zu verhaftene Sch antwortete: er. muͤſſe
das beffer milfen und aud mehr Beweiſe zur Hand
haben. Denn ohne biefelben dürfte es bedenklich fen,
weil, Leſtocq als Leibarzt Eliſabeths fehr eng mit
biefer verbunden ſey. Gewiß würde deſſen Verhaf⸗
tung die Prinzeſſinn empfindlich kraͤnken und ihr viel⸗
leicht zu fruͤh die Gruͤnde ſolch eines Verfahrens ent⸗
decken. — Oſtermann ſtimmte dem Allem bei und
ich fuͤgte hinzu: um nicht Anſtoß zu geben, haͤtte ich
nähere Bekanntſchaft mit Leſtocq vermieden, ſey jedoch
ein Paar Mal bei ihm geweſen. Hierauf rieth Graf
Dftermann: ich folle jenen zu Tiſche bitten, er Liebe
ein gut Glas Wein, und gebe ſich dann vieleicht
1) Not one bit of nuns flesh-about 'her.
2306 Schaebnser Abfihnitt. | ur
kund. Hiezu ſchwieg ih; denn Ich glaube, wu
man Geſandte auch für Spione: ihrer Deren halt
find fie doch nit Spione für Andere; auch srlault
meine Geſundheit nicht jemand torsere mexo,.
Die Zubunft bieibe ungenif. Die. Megentim
Anna fcheint Verſtand, Urtheil und eine gute Natu
zu haben‘, aber fie hat gewiß ein zu zuruͤckgegogene
Benehmen (temper). Sie leidet wenn fie ſich öffent
lich zeigen muß, und bringt dem größten Theil ihm
Zeit in den Zimmern. des Fräulein Mengden m
unter deren Verwandten zu. Die Schwefter br
Mengben heivathete Muͤnmnichs Sohn; bie Favoritiw
ift ohne große Anlagen, ober Bosheit, die Megentian
aber dergeſtalt für fie eingenommen, daß die Leihen
(haft eines Liebhabers fr eine neue Geliebte, dagezen
nur als ein Scherz (jest) erfcheint.
Beſſer wenn bie Regentinn fi öfter und he
laſſender zeigte, woran man hier nom früheren Zeit
ber gewöhnt ift, und was man jetzt außerordentlihh
gut aufnehmen würde. — Hingegen iſt die Prinb
finn Eliſabeth ungemein verbindfih, und für. ih
Perſon außerordentlich beliebt. Außerdem hat fie den
Vorzug Peters I Xochter zu ſeyn. Ya. bei ber letzten
Verhaftung des Herzogs von Kurland, glaubten Bil
es gefchehe für ihre Mutter (Mataka) Eliſabech.
Sollte der junge Kaifer fterben und dann zwiſchen
Anna und Eliſabeth Streit ausbrechen; fo ſtaͤnde die |
1742. | Sinnesart der Ruffen. 167
Sache fehr bebenklich, und weil bie legte ihrer Be
leibtheit (fainess) halber wol nie Kinder bekommen
dürfte, wuͤrde ber Blick ſich anf ihren. Neffen Peter (HE)
richten. Jeden Falls follte man Eliſabeth vorfichtig
behandeln, ſie in keiner Weiſe verletzen und ihr hin⸗
reichendes Geld geben. Denn ba fie ihren Vergnuüͤ⸗
gungen ergeben ift, wird fie fo viel Gelb burchbrin-
gen als fie befommen kann; melches nicht allein ihren
Charakter herabbringen (lessen) und ihre Beliebtheit
vermindern dürfte; fondern man koͤnnte auch (fo
lange fie nur nicht in ihren Ausfchweifungen geftört -
wird) von ihr, wie Caͤſar im Shakeſpeare fagen:
ihre Hoheit find zu die um an einer Verſchwoͤrung
Theil zu nehmen.
Die Abeligen, welche etwas zu verlieren haben,
flimmen in bes Regel für das, was fo eben befteht
und ſchwimmen mit dem Strome. Die meiften unter
ihnen find noch Stodeuffen, und werben allein durch
Zwang nad überlegene Gewalt abgehalten in ben
alten Weg zuruͤckzufallen. Ja alle ohne Ausnahme
wünfchen, daß Petersburg im Meereögrunde laͤge
und alle eroberten Lanbfchaften zum Teufel wd:
ven; damit fie nach Moskau ziehen und in dee Nähe
ihrer Beſitzungen glänzender und wohlfeller leben
Eönnten. Mic Europa wollen fie nichts zu thun
haben. Sie haſſen alle Fremden und möchten fie.
hoͤchſtens im Kriege benugen, dann aber fortiagen.
.
168 Sechzehnter Abſchnitt. 22
Gleichmaͤßig haflen fie alle Seefahrten und wollen fic
lieber in den fchlechteften Theil Sibiriens, als au
bie Flotte ſchicken laſſen. — Die Geiſtlichkeit iſt be
deutend und giebt Zeichen, welche der jetzigen Regie
rung Unbequemlichkeit und Verlegenheit bereiten.
Dem Prinzen von Braunſchweig mangelt ein
gewiſſe Wuͤrde des Benehmens und Geſchaͤftserfah
. rung; doch lernt er in Oſtermanns Schule und zeig!
ſich jegt milder als zuvor 3. DB. gegen den Herzog
von Kurland.
Den 12ten Auguft?), am Geburtstage des jungen
Kaifers, war jeder ſchon des Morgens in Gala bei
Hofe, um dem Regenten fein Compliment zu machen
Endlich brachte Fräulein Julia Mengden den junge
Monarchen (welcher für fie eine große Zuneigung gr
faßt hat) auf ihren Armen herbei und trug ihn durd
alle Zimmer. Jedesmal, wenn fie fagte: Majeftät
ſtreckte er feine Eleine Hand aus um fie kuͤſſen ;:
laffen. Der ganze Hof. war außerordentlich erfreu
über feine Schönheit, Gefundheit und Benehmen
und eben fo fchien er an der Menge Menfchen bi
er fah, Gefallen zu finden. — Es felgte.ein Mit
tagsmahl, Ball, Feuerwerk u. f. m.
Zwiſchen europäifchen Feſten, Geremonien, ‚Rang
1) Bericht vom Sſten Auguſt.
J Pr
1442, Kofaden. Swan II. Elifabeth. 169.
ſtreitigkeiten und dergl. erſchien dann zue Abwechslung
auch ein Anführer der doniſchen Koſacken, Krasno
Tzokin, das heißt Rothbacke (reed cheeks). Er if
bereits ſiebenzig Jahre alt, befigt aber dennoch eine
große Portion verzweifelten, brutalen Muthes, Er
hat einigen Stiegen (several score) feiner Gefangenen
die Köpfe eingefchlagen, einige bei Ealtem Blute, an:
bere in ber Trunkenheit; immer jedoch (mie er ſagt) |
um bie Hand dabei zu haben (to keep his hand in).
Er ift an allm Theilen des Leibes verwundet worben,
und gebraucht alsdbann dußerlih Nichte als Men⸗
fchenfete, und innerlich Branntwein )).
Ich habe das Gefpräch wieder auf bie franzöfi-
fhen Umtriebe gebracht, und Oſtermann antwortete:
die Liebe und Zuneigung der Prinzeffinn Eliſabeth
für Rußland find zu groß, als daß fie irgend m
fothen Plane Gehör geben koͤnnte.
Man feierte der Prinzeſſinn Jahrestag 2). Die
Regentinn ſchenkte ihr, Namens des jungen Herr⸗
ſchers, einen ſehr ſchoͤnen Edelſtein zum Haarſchmuck,
und fuͤr ſich ſelbſt ein vollſtaͤndiges, goldenes Theezeug.
Die Regentinn iſt eiferſuͤchtig auf ihre Macht
1) Bericht vom 12ten September. Reichsarchiv, Ruß⸗
land Band 81. |
2) Bericht vom 16ten September.
I - 8
u Sechzehnter Abfhnitt. MM
und will ihrem Gemahle nichts. daven abtreten‘). So
herrſcht Uneinigkeit unter den Herrſchenden, Golovkin
wider Oftsemann- und bie, Fremden, Giſabeth wider
Dſtermann, die, Regentinn wider Oſtermann u. ſ. w.
As dee perſtſche Geſandte ber Prinzeſſinn Eliſa⸗
beth Beinen Beſuch machte, nahm fie dies ſehr uͤbel
und [hob die Schuld auf Oftermann, erklärte aber
zu gleicher Zeit ihre Anhänglichkeit an den Czaar und
die Megentinn. Die Wärme und Lebhaftigkeit mit
weicher fie bei dieſer Gelegenheit fprach, uͤberraſchte
und. feste. jeden in Erſtaunen. Auch nimmt man
an: der Beſuch, welchen ihr die Regentinn den. Uten
Oktober Nachmittags abſtattete, habe den Zweck ge⸗
habt ſie zu beruhigen.
Es bildet ſich hier, unter — des oͤſterreichi⸗
ſchen Geſandten Botta und des Grafen Golovfin,
eine ruſſiſche Partei: gegen Oſtermann und den Re
genten?), und die Regentinn iſt meiſt auf ihre
Seite.
Bet diefem Schwanfen, biefer inneren Uneinigkeit,
diefem Mangel an hervorragenden Charakteren,“ kam
ed nur auf ein kuͤhnes Wagen an, um eine neu
Umwaͤlzung (nach ruffifcher Weife) zu Stande zu
1) Bericht vom 13ten Oktober.
2) Beriht vom 14ten November.
1748. Eliſabeth Kaiferinn. 147
bringen. Hieruͤber berichtet der engliſche Geſandee
Finch den 26ften November, wie folgt. Die. Prin⸗
zeffiun Eliſabeth, weiche in diefem Lande allgemein
geliebte und amgebetet wird, ging geſtern Morgen um
ein Uhr in die Kaferne der preobraczenskifchen: Leib
mache, nur begfeltet von ihrem Kammerherrn Wo⸗
ronzow, Herrn Leſtocq und Herrn Swarz, der wie
ich glaube ihr Schreiber if. Sie feste ſich an bie
Spige von 300 Grenadieren, welche ihre Bajonette
auffehraubten . (sorewed), Granaten in die Taſchen
fledten und, ihr folgend, gerade nad) dem Schloſſe
zogen. Nachdem Elifabeth. hier die nöthigen Vorkeh⸗
rungen getroffen und alle Zugänge befegt hatte, bes
mächtigte fie fich des jungen Monarchen und feiner
Beinen Schwefter in ihren Wiegen, fowie des. Groß
fürften und ber Großfürftinn in ihren Betten und.
fandte Alle, nebft der Favoritinn Julia Mengden,
nach ihrem Haufe. Unmittelbar nachher befahl Die
Peinzeffinn zu verhaften: Münnich Vater und Sohn,
Oftermann, Golovkin und mehre Andere.
Nachdem dies Alles mit der größten Schnelligkeit
vollzogen war, kehrte die Prinzeffinn nach ihren eiges
nen Palaſte zuräd, wohin ſich faft jeder aus der
Stadt begab und vor welchem die reitende Leibwache
und drei Regimenter Fußvolk aufgeftellt waren. ‚Ein:
flimmig ward fie zur Beherrfcherinn Rußlands erklärt,
und ihre der Eid der Treue gefchworen. Dierauf
F 8*
172 Schzehnter Abſchnitt. IA,
nahm fie Beſitz vom Winterpalafle, die Kanonen
wurden abgefeuert u. f. mw.
An dieſe Ummälzung fchloß ſich eine ganze Reihe
von Emennungen und Verhaftungen, Befreiungen,
Berweifungen und Gütereinziehungen an. — De
- Unverfchämtheit der Leibwachen feit dem legten Exig
ni, laͤßt fich nicht: befchreiben, beſonders derer, welche
daran Xheil hatten. Der Hof wird ihnen gemadıt,
als wären fie die Herren; welches fie auch und bie |
leicht mit nur zu großem echte glauben.
Dftermann benimmt fih nicht mit fo viee
Standhaftigkeit als Münnid. — Der framzoͤfiſche
Geſandte Chetarbie iſt noch immer erſter Miniſter).
Man machte ihm ſehr den Hof; er ſelbſt kuͤßt öffent:
lich und wird gekuͤßt von den Janitſcharen in den
Hofzimmern.
Am Geburtstage ber Kaiſerinn war Ball, Ev
leudhtung u. f. w. Sie hat Herrn Leſtocq zu ihrem
Leibarzt mit 7000 Rubel’ jährlichen Gehaltes erktärt?),
und ihm das Amt eines wirklichen Geheimenrathes
übertragen, welches ihm den Rang eines Obergene:
rals (general in chief) giebt. Er wird die Lätung
des Medicinalcollegiums übernehmen. Die Kaiferinn
!
41) Bericht vom 15ten December.
2) Bericht vom 19ten December.
x
1712. Folgen ber ummwälzung. 173
gab ihm auch‘ ihr Bildniß in Diamanten gefaßt,
20,000 Rubel an Werth, welches ee um den Naden
an einem blauen Bande träge. Beine Frau war
diefen Morgen am Hofe in einem fteifleibigen Kleide
(stif bodied gown). Abende auf dem Balle war
jeber :außerorbdentlicy zufrieden, der die Ehre em
fonnte. mıit ihr zu tanzen.
Ihre Majeftät haben ’ die 300 Grenabiere zu
ihrer Leibfchaar erklärt. Die Semeinen erhielten ben
Rang von Lieutenants, die Corporale und Sergean-
ten von Hauptleuten und Majors, und die Teche,
welche ben größten Antheil an den legten Ereignifien
hatten, von Oberftlieutenante. Der Faͤhndrich wird
Brigadier, dee Secondlientenant Generalmajor, der
erſte Lieutenant aber Gmerallieutenant. Sie find in
Häufern einlogiet, welche die Kaiferinn zu dieſem
Zwede ganz nahe bei dem Palaſte gekauft hat. Sie
ſelbſt iſt ihr Hauptmann, und hat ſich eine Grena⸗
diermuͤtze und Amazonentracht beſtellt, um an ihrer
Spitze zu erſcheinen.
Die zum Verhoͤre der Staatsgefangenen beauftrag⸗
ten Perſonen, verſammeln ſich im Schloſſe. Die
Kaiſerinn iſt ſtets auf einer Tribune, wo ſie ſehen
und hoͤren kann, ohne geſehen zu werden, um (wie
fie ſagt) Beguͤnſtigung oder Ungerechtigkeit zu verhuͤ⸗
ten. Diefe Erklärung, und allgemeine Guͤtereinzie⸗
hungen, welche aller Unterfuchung und Bertheibigung
”
174 | Gehzehnter Abſchnitt. 178,
vorhergehen, laſſen fich nicht in Übereinftimmmung brin:
gen; doch verführt der Mefige Hof, bei ſolcher Bee
genheit, jedesmal in diefer Welle. Auch von Am:
wendung der Knute gegen bie Befangenen ift die
Rede.
Münnich war vor die Inquiſition geſtellt,
denn bei ſolchen Faͤllen, verdient keine Behoͤrde in
dieſem Lande den Namen eines Gerichtshofes. Er
ſagte den Beauftragten ins Geſicht: er ſey nicht
ſchuldiger als fie. — Leſtocq fpeicht mit ber größten
Eigentiebe nur von fi: ich ſchlug vor, ich befahl
a.fm So habe er auch einen Geſandten für
Eondon ernannt. |
Den Berichten des Jahres 1742 find folgende
Auszüge entnommen '). Die Unterfuchungen wider
bie Öefangenen dauern fort. Mean kann fidy Leinen
Begriff von der Grauſamkeit machen, mit weldyer fie
behandelt werben. Zäglih wird dies immer ſchlimmer
und fchlimmer, und zwar (mie man fagt) auf au:
brüdlichen Befehl derjenigen, welche gegenwärtig find
um Ungerehtigkeiten zu verhuͤten. Man muh fücchten,
daß Privathaß und perfönliche Mache ba vorwalten,.
wo man fie am wenigften erwarten follte und wo fie
ſich am wenigſten ſchicken.
1) Reichsarchiv, Rußland, Band 33. Bericht vom
Eten Januar 1742.
3242. Unterfuhungen Graufamteiten. 195
Einer der neuen Lieutenants behauptete: der
Feldmarſchall Münnic habe ihm bei der naͤchellchen
Unternehmung wider den ‚Herzog von Kurland Hefagt,
man molle bie Prinzeſſinn Eliſabeth auf dem Thron
heben, Muͤnnich leugnete dies, und bei der Ber
fammenftelung fagte jener: er wolle fi knuten laf-
fen, vorausgefegt daB, wenn er umter biefer Tortur
bei feiner Behauptung bleibe, ber alte Feldmarſchall
diefelbe Strafe keiten folle. Muͤnnich raͤumte jedoch
lieber die Anklage ein, als daß er fich janer Unwuͤr⸗
digkeit aruterwarf., ‚obgleich er darthat und Ale gewiß
wußten, daß die Großfuͤrſtinn Anna ſelbſt, die Offi⸗
ciere und Soldaten, welche den Marſchall begleiteten,
aufforderte ſeinen Befehlen zu gehorchen.
Die neuen Raͤthe ſind unter einander nicht einig)
und die Kaiſerinn denkt gebing von ihren Köpfen und
noch geringer von ihrem. Herzen. Ich Tenne hier
nicht einen, der in einem anderen Lande für einen
ertraͤglich ehrlichen Mann gelten koͤnnte.
Ein Unterofficier ward dem abgefegten Czar und
feinen AÄltern nachgeſchickt, um einer Kammerfrau det
Großfuͤrſtinn die Anute zu geben. Es geſchah ohne
daß fie erfuhe warum, und drauf Lehrte jener fogleich
zutuͤck
Nachdem die ſogenannte Unterſuchung gegen die
1) Bericht vom Steh Januar.
176 : Sechzehnter Abſchnitt. 1742.
Gefangenen zu Ende war, erzählt der Gefanbte am
19ten Januar. Graf Oftermann, Muͤnnich, Ge
lovkin, der Präfident Mengden, der Großmarſchall
Loͤwenwold und der. Schreiber Jakoblitz wurden geſtern
vor dem Collegienhauſe auf ein Blutgeruͤſt gebracht
Zuerſt, etwa um zehn Uhr ward Oftermann (den
Eliſabeth „am meilten hafte) in einem Stuhl herbei
getragen, und ein Schreiber las ihm die Aufzählung
feiner Verbrechen vor, fünf volle Bogen ſtark. Sein
Excellenz fand die ganze Zeit barhaupt, in. grauen
Haaren und langem Barte. Er hörte aufmerkfam
und mit feiter Haltung zu. Am Ende [prach man
das Urtheil: er folle gerädert werben. Zu biefer Strafe
waren indeß Eeine Vorbereitungen getroffen, wohl aber
Bloͤcke mit Beilen -zur Hand. Sogleich ward er
duch. Soldaten, von feinem Stuhle zu einem der
Bloͤcke hingefchleppt und fein Kopf darauf niedergelegt.
Nunmehr nahte der Henker, knoͤpfte des Grafen
Hemdkragen auf, [hob fein altes Nachtkleid zur Seite
und legte feinen Naden bloß. Diefe Ceremonie dauerte
wol eine Minute, und jest erft ward. erlärt: bie
Kailerinn habe die Todesſtrafe in lebenslaͤngliche
Verbannung verwandelt. Nachdem Dftermann hier
auf mit dem Kopfe eine. Art Verbeugung gemacht
hatte, fagte er (diefe Worte waren bie einzigen, wel:
he er ausſprach): ſeyd fo gut und gebt mir meine
Perüde und meine Müge wieder. Er feste diefe auf,
288. Berartheiluag Oftdismanäüs x. 177
unb kanoͤpfte Hemde, Kragen und Nachtkleid zu, ohne
die geringſte Beränderung in feiner Haltung (coun-
tenance).:
- Das Urcheil Über die: ſünf anderen, welche unten
fanden, ward eben fo vorgeleſen: Muͤmnich follte ges
viertheilt, die Übrigen geßöpft werden; boch warb die,
Verwandlung: ber Tobesſtrafe in Berbannung jedem
ſogleich bekannt gemacht. Vier hatten lange Birke;
aber der Marſchall war glatt geſchoren, wohl geklei⸗
det, und. zeigte eine. fo aufrechte, kuͤhne und unbe⸗
kuͤnmerte Haltung, als flehe' er an der Spige eines
Heeres, oder Iekte eine Kriegsübung. "Und in der
ſelbigen Weife bat er fi immerbar benommen, vor
feinen Richtern, und auf dem Wege von ber Burg
zum Gerichte und zuruͤck, während des "ganzen Pros
zeffes. Mit den Soldaten bie ihn: begleiteten, pflegte
er zu ſcherzen und fagte- ihnen: fo wie ihr mich vor
dem Feinde, wo ich die Ehre hatte Euch anzuführen,
ale einen braven Mann gefehen habt, fo follt ihr
mich auch bis zu Ende finden. — Dieſelbe Stand⸗
haftigkeit zeigte Muͤnnich beim Abſchiede von feiner,
Familie 9.
Manche, (deren Menſchlicheit und Großmuth ſie
vielmehr dahin fuͤhrt Nothleidende zu beſchimpfen, als
zu bemitleiden) gefallen ſich darin — von der Vor⸗
Bericht vom Aſten Januar.
8**
Br; Bechztehater Abſchnitt. zu
ſehung und den ‚göttlichen Gerichten gu reden. Meier,
meine ich, wuͤrde eB ſich Für fie ſchicken amgmbeten,
als fi) anzumaßen In Gottes Rathfchlüffe einzudrin
gen; nicht zu gedenken, daß es für fie natimicher
ſeyn wuͤrde ernſthaft nachzudenken, wen das Lens
wol das nuͤchſte Mal treffen duͤrfte!
Da bie hierauf folgenden Berichte des Geſauden
fich ſelten Iher wichtige Gegenſtaͤnde verbreiten, ſo fe
eb erlaubt einzelne kleine Nachrichten auszitheben,
weiche nicht ohne Interefſe zu ſeyn ſcheinen.
Am Sten Febenar langte der Herzog von Holſtein
hier on. Er iſt Hein fuͤr fein Alter, warb aber
feierlich empfangen umd der ganze Hof kuͤßte ihen die
Hand). — Die Kaiferian wird beherrfcht von In
denſchaften, Vorurtheilen und Rachſucht.
Wich, Ber Nachfolger des Geſandten Finch, ging
mit der Kalſerinn nach Moskau?), und nmennt dieſe
Stadt die unangenehmſte und ſchmuzigſte, Die er je
gefehen. Die Franzoſen, führt er fort, ſpenden vid
Geld in Rußland. Der Geoßkanzler Czetkaski If
traͤge, die beiben Bruͤder Beſtuchtff find furchtfam. —
Da die Kaiſerinn eine es der Jagd und Abends
1) Bericht — Stern Februar.
2) Berichte vom Laſten und m Wal, u und vom Tien
Junius.
172. | veter HI. 4
gewoͤhnlich muͤde dt; ſo haben bie Miniſter oft
keine Gelegenheit ihre Sachen vorzulegen ').
Am 7m November 1742 warb. ber Herzog von
Holflein In Moskau getauft und geſalbt, und erhielt
den ‚Kamen Pete Fedorowig. Der Erzbiſchof von
Nowgorod verrichtete, mit Huͤlfe einiger Biſchoͤfe, bie
Geremonie. Nachdem jener Praͤlat den Herzoge elite
kurze Anredo gehalten und feine Hoheit bad Glaubons⸗
bedenntniß wiederholt hatte, empfing er das Sakra⸗
ment, und die Czarinn ernannte ihn zum Großſur⸗
fin von Rußland und zu ihrem Nachfolger.
Den Antrag Peter ‘auf den ſchwediſchen Thron
zu fegen, hat man zurückgewieſen und fir ben Ser:
zog Abminfftrator von Holſtein gewirkt. |
Sch habe Leſtocq mit den Beſtucheffs ausgeſoͤhnt,
und ihn vermodt vom Könige von England ein
Jahrgehalt von 600 Pfund anzunehmen”). Ex war
ſehr zufrieden, verſprach viel, laͤßt ſich aber zu gleicher
Zeit auch von Frankreich bezahlen. — Die Kaiſerinn
haßt und fuͤrchtet den Koͤnig von Preußen.
Die ruſſiſchen Edelleute lieben uͤber Alles nach
ihrer Bequemlichkeit zu leben, und ihre elenden
1) Reichearchiv, Rußland, Band BI, Serichte vom
Zifen Okltobex unb 7tem Mopember.
2) Bericht vom 22ften Rovember und 15ften December
180 Sechrehnter Abſchnitt. MM
Bauern zu tyrannifiren. Dieſe find die größten
Sklaven in ber Wil. —
Mir iſt vertraut worden, daß man in Paris
beabfichtigt den ſchoͤnſten jungen Edelmann.’), ber in
ganz Frankreich zu finden iſt, auszumählen. und al
Geſandten bieher zu fehiden. Dies ift kein üble
Plan und fie mögen große Hoffnungen. darauf grüm
den. Ein jüngerer Dann und ein frifcheres Geſicht
als das meinige (fagt Wich) — an dieſem Hofe
vortrefflich wirken.
Die Kaiſerinn erſcheint oft in Mannskleidern und
ich bin gewiß ber Schmuck des Hoſenbandes wärhe
ihr über Altes gefallen?). — Die hieſige Regierung
hat weder einen gefunden Boden, nach iſt fie taug—⸗
lich eingerichtet; ſtets wird fie Schwankungen und
plöglihen Ummälzungen ausgefegt fern. Wenn bie
Kaiferinn ihren Wandel nicht ändert, und mehr als
bisher den inneren und aͤußern Angelegenheiten obliegt,
fo wird fie in der Meinung ihres Volks herabfinken
und im Auslande alle Bedeutung verlieren. Nie kam
eine Fürftinn auf den Thron mit größerem Anfchein
‚ eine ruhmvolle Rolle in Europa zu ſpielen; auch hat
1) Bericht vom 16ten December 1742, und ten Ius
lius 1748, Band 37.
2) Band 86, Berichte vom 2öften Januar und Z7ften
Aprit 1748.
1742. Lebensweife Etifabetye. Preußen. 181
ihr bie Vorſechüng alle Eigenſchaften und Talente ge:
geben fie in. der. Deimath und. ber Fremde beliebt und
geehrt zu machen. Aber die Anhaͤnglichkeit am: ihes
Vergnuͤgungen verdirbt Alles, und wish zulegt nicht
wieder gut zu machendes Unheit herbei führen.
Siebzehnter. Abſchnitt.
Durch bie . Friebensfchläffe. non Breslau. und
Berlin trat Friedrich U vom Kriegsſchauplatze ab;
doch. blieb. er ein ſehr aufmerkfamer Brobachter Dee
weiteren Creiguiffe, ‚und keineswegs ohne. allen Ein⸗
fiuß auf. dieſelben. Gewiß ſah er in vielen Punkten
ſchaͤrfer als Lord Hyndford, welcher noch immer nicht
bie rechte Stelle finden konnte den: König zu verſte⸗
ben,. und. fi mit ihm zu verſtaͤndigen. Sch theile
allerhand aus feinen. Berichten nad) der Zeitfolge mit.
Den. ten -Auguft 1742 fchreibt . er dem: neuen
Mintiter. der auswärtigen Angelegenheiten‘), Lord Cars
teret : Ich überreichte dena Könige die von England
verbürgten Friedenspraͤliminarien. Hieran reibten. fich
allerhand politifche Gefpräche und ich fagte:. Die Ads
1) Reichsardjio, Preifen, Bank 67.
182 . Sitebzehnter Abfhniet. 2788,
aigien Maria Thereſin wirb un Niemandem mehe
etwas abtreteit. — Dee. Koͤnig: Glauben Sie def
die Königinn Baiern Herflellen wird? — Ich. Dar
an zweifele ich nicht, ſobald der Kaifer bas franzoͤfiſche
Bündniß aufgeben und eden wie ein beutfcher Kaiſer
handeln will. — Hierdurch ſchien ber König ange:
nehm uͤberraſcht zu ſeyn und fragte nochmals: find
Sie defien gewiß? Ich antwortete: dies ſey außer
Zweifel, und fügte hinzu: wenn er Hülfe leiften wolle
den Frazoſen eimas abzunehmen, wörde (meine
Meinung nad) der König von England nebft ben
uͤbeigen deutſchen Fuͤrſten beuit ſeyn es dem Kaiſer
zw geben. — Mylord ich wagte fo weit zu gehen,
um zu pehfen ob ber König wol an dem Kriege
Thell nehmen würde; allein er umging den Weocicklag,
such fiheint.er zu fuͤrcheen, das Haus ſterreich werde
* ber kurz ober lang werfuchen Schleſten wieder zu erobern.
Michts war wel natuͤrlicher ais daß der König
weber auf jenen queren Vorſchlag einsing, noch au
wer: fich in fo ungeſchickter Weiſe aushotchen lich.
Noch wunderlicher ſchreibt Hyndſorb den 12tem Au:
guſt: wenn der Koͤnig zufrieden wär eine untergeoch⸗
nete Rolle zu ſpielen, wie dad Dans. Brandenbum
immer gethan hat, To würde er in bee Wagſchale
Europas fo wel wiegen ale er werth iſt.“) — Scheu
1) He would be wertky od his weight.
Kan Fr ie drich and Odudford 183
im Jahre 1740 waͤre es verkehet geweſan das unbe⸗
dingte Gewicht eines Markgrafen von Braudenbung
für alle Zeiten feſtſtelen und feſthalten zu wollen;
aber jetzt, nach Eroberung Schleſiens noch von bem .
verjährten Standpunkte aus bie Verhaͤltniſſe betrach⸗
ten umd abwuͤrdigen, mar sin gewaltiger Irrthum,
der auch für andere Dinge bie Mnbefangenheit des
Blickes truͤbte. So ſchreibt Hyndford weiter: ber
König vermehrt ſein Heer jeden Tag, und ſpart ſelbſt
an dem mas bie Hofhaltung, die gewoͤhnliche Groß⸗
much und Menſchlichkeit erfordert, um jeden Schill
ling feiner Kriegskaſſe zuzumenden. Was feine Mi⸗
niſter anbetrifft, fo mögen es vechtliche, geſchickte,
wohlmeinende Männer ſeyn; aber fie dürfen nichts
thun ohne befondere Anweifungen, ja bisweilen wird
ſelbſt das nicht anerkannt was fie auf Befehl fagten
oder thaten.
Graf Podewils (ſchreibt Hyndford den Sten Sep⸗
tember) ?) brauche Geld und wird es vorſichtig und
geheim dargeboten mohl annehmen, um ihn auf
dem rechten Wege des Denkens zu beitärken; auch
if dies der Weg, an biefem Hofe einzuwirken. —
Indem Hyndforb bier im Allgemeinen ſchwere Ankla⸗
1) Reichtarchiv, Preußen, Band 36.
184 Siebzehutor Abſchnitt. 1788,
gem ausſpricht, vergißt er / daß er werrige Tage zuvor
die Miniſter als rechtliche Maͤnner beſchrieben hat.
Schon den LOten September bewilligt der Koͤnig
von England 1000 Pfund, dem Herrn deſſen Sie
erwähnen. Da dies keine Antwort auf den Bericht
vom Sten September fern Farin, fo bleibt es zweifel⸗
haft wen bdiefe Summe beftimmt war. Ja nad
einem Schreiben vom 22ften Sunius 1743 f&heint Pr
dewils gar Nichts bekommen zu haben und ben 19ten
Julius 1743 wundert man ſich ſehr in London,
daß Hyndford jene Summe fo lange an ſich behalten
‚habe und fie jegt zu anderen Zweden verwenden wolle.
Daß ber König auf einer Kindtaufe bei einem
Adjutanten, der Amme nur acht Thaler gegeben
habe, findet Hyndford fehr kleinlich und geizig; als
ihm aber der König 10,000 Thaler ſchenkte, fand er
dies (ohne- Seitenblide) ganz angemeffen ).
Den 10ten September erflärte Friedrich. IT: wenn
England einen Angriffskrieg mit Frankreich beginne,
hatte er fich nicht für verpflichtet daran Theil zu neh
1) Bericht vom 16ten September und Gten Oktober.
Hier iſt eigentlih nur von Gefchenken die Rede, wie fit
Bei auswärtigen Verhandlungen vorzulommen pflegen. In
einem Berichte vom erften December erwähnt bagegen
Hyndford, daß er für ‚Gelb geheime Nachrichten über bie
preußifchen Finanzen bekommen habe.
1748, ' England und Preußen. 185
"men und die Hauptlaſt auf fi hinzulenken. —
Manche Engländer waren hierüber fehr böfe, denn
alsdann helfe ihnen das abzufchliehende Vertheidi⸗
gungebündnig zu gar Nichts, und den Gen Okto⸗
bee ſchrieb Hyndford dem englifchen Minifter der aus:
wärtigen Angelegenheiten: Sie fehen, wie weit man
fih auf dieſen treulofen und undankbaren Zürften
verlaffen kann. — War es denn aber nicht ganz na⸗
tuͤrlich, daß der König weder für Frankreich nod) Eng⸗
land, ſondern für ſich Krieg führen und fchließen,
ober Frieden halten wollte? Auch hatten feine Siege
ihm Schlefien erworben, nicht die englifche Großmuth.
In gleich mifvergnügter Stimmung ſchrieb Hynd⸗
ford den Zten Oktober und erften December: Der
König hat die Gehalte verringert; im ganzen Lande
iſt Nichts als Elend und Age. Das Heer beftcht
aus dem Wegwurf aller andern, und es herifcht all:
gemeine Unzufriedenheit daß der Sold nicht erhöht
worden. — Gewiß fehlte es damals fo wenig an
Klagen, ald in anderen Zeiträumen; mit Recht aber
verwarf Friedrich die Sinecuren und hielt feine nur
mäßigen Hülfsmittel zu allgemeinen, großen Zwecken
beiſammen. Kerner hat jedes Merbefuftem (wie Eng:
land noch jest erfährt) feine Schattenfeite; allein
hätte dem preußifchen Heere ein Kern einheimifcher,
Vaterland und König begeiftert Liebender Krieger ge:
1 77 Siebzehnter Abſchnitt. vie.
fehlt, wie wäre es der Heldenthaten faͤhig geweſen
welche ſelbſt Feinde beteumderten?
Über eine neue Audienz, berichtet Hyndford den
168ten December 1742. — Der König, ſagte er,
elagte uͤber die ſchlechte Lage des Kaiſers. eg
Frankteich moͤge England nad Belieben Krieg führen,
aber x müffe in Deutſchland weiterer Verwirrung
vorbeugen; und werm es nöthig fey das Schwert zu
ziehen, dann beffer heute wie morgen! Wuͤrde di,
dernerfte Friedrich H, nicht viel buffer für den Koͤniz
von England fen, nachdem er als Kurfuͤrſt fen
Stimme für die Wahl diefes Kalfers gab, wenn a
ihn von den Franzoſen abzöge, zu benen der De
drängte feine Zuflucht zu nehmen gezwungen iſt; —
als Krieg zu führen wiber das Haupt des Reiche?
Ich weiß, Karl VII wauͤrde jegt mit fehr semägigin
Bedingungen zufrieden feyn.
Nachdem Hyndford bie Gründe erörtert Hatte,
warum England den Öfterreichern beiftehe und bie
Franzoſen zu vertreiben ſuchr; fuhr der König for:
Hoͤren Sie, mein Here, ich bekuͤmmere mich nicht
darum was aus den Franzoſen wird; aber ich dam
nicht zugeben daß der Kaiſer zu Grunde gerichtet und
abgefegt werde. Will Ihr Herr fih in Begug auf
diefen mir eröffnen, fo weiß. ich er kann von ben
Franzoſen getrennt werden, und dann muͤſſen biefe
das Reich verlaffen, fo gut fie können. — Als Hynd⸗
1742. Friedrich U, Karl VE u. England 187
ford allerhand Schwierigkeiten schob, fagte ber König:
Baiern iſt beveit binnen 14 Tagen ohne bie Frauzo⸗
fen abzuſchließen. — Auf Hynbforbs Frage: Wie?
erwiederte der Koͤnig: ich ſchlage nicht vor daß die
Koͤniginn von Ungern irgend etwas abereten ſollz
ſondern daß der Kaiſer Baiern wieber erhalte und
daB Reich zu ſeinem Beſten in die Saͤcylariſation
einiger Bisthuͤmer willige. Denn fein Land iſt fo
verwärtet und er fo herabgebracht, daß er kaum etwas ‘
befige ſich ſelbſt zu erhalten! — Ic nahm mir ‚bie
Freiheit (ſchreibt Hyndford) hierauf zu bemerken: bag
der König in der That Sorge getragen habe, einen
Kaiſer wählen zu laſſen ber ihm bequem und aufer
Stande fey ihm Unruhe zu beveiten. Dies erzeugte
einige Heiterkeit (mirth) im Könige und er fagte: ber
Kaiſer ſey allen Fuͤrſten Deutſchlands chen fo de
quem (convenient) als ibm. — Fa, fügte ich hinzu,
wenn fie Alle gleich mächtig wodeen.
Der Käfer (fühet der Gefanbte fort) hatte bem
Könige durch den Ritter Roſen (Bosee?) im- did:
ſten Geheimniß Tagen laflen: er fey bereit ſich ganz
von Frankreich zu trennen, und dadurch ben Weg
zum allgemeinen Frieden zu bahnen.
Hyndforbd ſchließt feinen Bericht mit ber, zum we⸗
nigſten ſehr zweifelhaften, Bemerkung: wenn Fried⸗
rich TI einen Krieg für den Kaiſer und Frankreich
®
188 Siebzehnter Abſchnitt. 1722.
erhebe,. würde ihn ein großer Theil feiner Generate
und Soldaten, wegen uͤbler Behandlung und aus
Haß gegen Frankreich verlaffen.
In einem fpäteren Berichte vom 20ften Decem:
ber, ſchreibt dee Geſandte: ich ſprach den König auf
einem Balle, nachdem er (fo glaube ich) einen guten
Theil Wein getrunken. Er fagte: ich Höre engliſche
Mannfchaft zieht nach dem Rheine. In dieſem Falle
werben Sie mit mir zu thun befommen; denn ich will
nicht daß Fremde das Reich betreten um deſſen Ruhe
zu ſtoͤren. Sie mögen: bie Franzoſen in Lothringen,
oder fonft irgendwo befriegen; wenn Sie aber über ben
Rhein gehen, werde. ich genöthigt ſeyn mid zu. wi
.derfegen und alle Reichsfürften. werden daffelbe thun.
Wil Ihr Here den Kaifer bekriegen, fo.mag er be
‚denken, daß Hannover gar nicht weit von mir ifl,
und ich dafelbft einruͤcken kann, wenn es mir gefällt.
Es giebt Mittel die Angelegenheiten bes Kaiſers in
Ordnung zu bringen, wenn She Here nur kein Her
in das Meich einruͤcken läßt. J
Der König, fügt Hyndford hinzu, ſpricht über
" die Angelegenheiten des Kaifers wie ein "Aberwigiger
(a madman); er unternimmt (pretends) zwiſchen dem
Kaiſer und den Franzoſen einen Unterfehieb zu ma:
den. — Here von Pobewils fragte mich: ob ih
+ jenes Geſpraͤch mit dem Könige vor oder nach Tiſche
1748, Friedr. Über d. Krieg zwiſchen Englandxc. 189
gehabt Hätte? — Nach Tiſche. — Nun fo muß er
vol Weins gemein fen’). —
Es ift moͤglich, daß ber König in einer folchen
Aufregung ſich lebhafter und beftimmter als gewoͤhn⸗
ih ausbrüdte;s allein er beharrte nach ber kaltbluͤtig⸗
ften Überfegung bei jenen Erklärungen und ward durch
viele deutfche Fuͤrſten dazu aufgefordert.
So wie Hyndford an Obigem ben größten Anſtoß
nahm, fo bezeichneten es nun bie Stanzofen, ihrer
feits gleich einfeitig, als Verrath: daß Friedrich dem
Engländern verftatten wolle Frankreich außerhalb Deutſch⸗
lands - zus befriegen, ohne ihnen pflichtichuldigft Bei⸗
ftand zu leiſten.
Das Jahr 1743 verfloß für Friedrich ıumter man⸗
cherlei Überlegungen, gab jedoch noch keine Weranlafs
fung zu wichtigen Belchlüffen, und fo berühren denn
Hyndfords Berichte auch nur Einzeines.
Der König, fchreibt er z. B. am Sten Januar?),
ft ſehr artig gegen mih. Man hat bemerkt:
daß wenn er eine toichtige Antwort erwartet, oder
igend einen Plan im Kopfe hat; fo fehmeichelt er
dem Abgeſandten derienigm Macht, mit welcher er
glaubt am Meiften zu thun zu haben.
Hyndford war in Prag gewefen und hatte Die
4) He must have been in wine,
2) Staatsarchiv, Preußen, Band 59.
WM . Siebzehnter Abſchnitt. 18,
Söniginn,. den Großhotzog und den altın Gum
Stahremberg gefprochen. Den wiener Hof (ſchteibt m
den: ASt Mai 1743) hat gan nicht dia Abſicht mit
dem Könige von: Preußen: in befpndere Unterhandlun
“gen: zu. treten; und es: hat mir ein ſehr großes
Bergnügen gemacht. zu finden, daß alle vollſin
dig uͤber dieſes Fuͤrſten Charakter unterrichtet. fin,
und meinen es fey nothwendig ihn: hinzuhalten (0
amuse him). — Graf. Stahremberg ſagte mir: it
Koͤnig has ein: Anerbieten gemacht, Maria Theft
‚mit einiger Mannfchaft beizuſtehen, ohne: jedoch malt.
Vorfihläge und Bedingungen, hinzuzufuͤgen, ober ent
Antwort abzuwarten!) ; vielmehr verlangt er, daß M
wiener Hof: die Bedingungen. ausſprechtr. Wir wol
ſehr vorſichtig ſeyn beim- Vorſchlagen, ober. Annehmen
derſelben.
Je gluͤcklicher bie ſterreicher find: (ſagt Hyndfo
irrig weiſſagend)) deſto mehr wird: ſich der Koͤni
fuͤrchten und. deffo eher neutral bleiben.
Sowohl oͤffentlich (führt der. Votſchafter fort),’) a
in, Privatgeſellſchaften zu Potsdam, Hat der. Muh
- die Güte und Mannszucht. unferes Heeres fo hen
geſezt, daß er felbft Wecten anbot, wir tin
1) Or waiting for an answer?.
2) Bericht vom 20ften Mai.
3) Bericht vom Gten Julius, Band 60.
Mi Gyndforb.ung Friedrich M. 1
wicht fechten; ober. im Zall wir dies wagten, wuͤrden
wir geſchlagen werden. Als er das legte Mal in
Berlin; war, hatte, er. bie Unklugheit einem fremden
- Winifier zu. fagen: es ſolle ihm- lieh fein, wenn da@
engliſche und franzöfifche Heer fich eine Schlacht Lies
ferten, benn: es fen für. ihn“ gleich wer obſiege. Und
ſelbſt in diefen Rede: offenhart ſich fowel Seuchelei
als Thorheit, weil aus dem, was folgte gewiß iſt,
daß er den Franzoſen Gluͤck wuͤnſchte.
Drei. Tage nachdem Lord Hpnbforb ben König
ber Heuchelei und Thorheit beſchuldigt, und es ihm
ſo uͤbel nimmt, daß er nicht durchaus engliſch geſinnt
ſey, ſchreibt ex ſelbſt): der größte. Vortheil, weichen
Maria Thereſia von dem Frieden mit Baiern haben
wird, beſteht darin, daß ſie nun den Koͤnig von
Preußen erdruͤcken kann. Denn:abgefehen von der
unausweichbaren Nothwendigkeit, welche er allen ſei⸗
nen Nachbarn auflegen. wird, große Heere zu halten;
wird. er. ſich, bei jeder Gelegenheit wo ſich der ger
ringſte/ Vortheil für ihn abſehen laͤßt, mit dem
Allgemeinen. Feinde verbinden, um diejenigen zu ze
ſtoͤren, welche feine beſten Steunde fin. Denn er
achtet Peine. Macht im Himmel, oder auf Erden. weis
ter, als er ſich vor ihnen fürchtet.
In feiner Morgengefellfchaft (levee)- fpielte er ben
1) Bericht vom Iten Julius.
192 Siebzehnter Abſchnitt. 1738,
Satyr gegen alle fremden Botfchafter, fo daß kaum
ein Fürft Europas feiner böfen Bunge entging '). —
Er fcheint jegt mehr als einige Zeit zuvor mit Vor
bereitungen für Opern und Ballete befchäftigt zu fen.
Herr Voltaire ift hier wieder angekommen und fies
in Gefehfchaft des Koͤnigs?), welcher entfchloffen fcheint
ihm Stoff zu einem Gedichte zu geben über die Ver
gnügungen (diversions) Berlins. Man fpricht hie
von Nichts, als von Voltaire: er lieſet den Königix-
nen und Prinzeffinnen feine Trauerſpiele vor bis fe
meinen, und überbietet den König in Satyren und
übermüthigen Einfällen. Niemand gilt hier für ge
bildet, der nicht dieſes Dichters Werke im Kopf ober
in bee Taſche hat, ober in Reimen fpricht.
Ich war legt mit dem Könige in der Dper.
Der Vorhang ging nur ein Stüdchen in die Höhe‘),
fo daß man blos die Beine einiger franzöfifchen Taͤn⸗
zee fehen konnte, welche ſich übten. Dies flellt, fagte
mir der König, vollkommen das franzöfiihe Miniſte⸗
eium dar: Beine ohne Kopf! — Herr von. Valor
hatte diefe Worte doch gehört und flüflerte mir zu:
Zur diefen Abend ift dies mein Rn ich werde
es einfteden.
1) Bericht vom 15ten Julius.
2) Bericht vom Sten Oktober.
8) Bericht vom 29ften Oktober 1743.
—
. t
1744. Hyndforb über Friedrid. 193
Zum Anftoß der Steifleinenen, trägt Herr von
Balory ein Ohrgehenk der Prinzeffinn Czernicheff).
Noch größere Bewegung veranlaßte es, daß er’ ein
"Fräulein Kalkſtein als weiße Henne, und fih dazu
als fchwarzen Hahn in unſchicklicher Weiſe (indecent-
Iy) malen ließ. "
Friedrich IE ſchreibt feine Briefe an den Kaifer
und nad Paris mit eigener Hand, und behält Altes
unter eigenem feſten Verſchluſſe). Selbſt Podewils
erfaͤhrt davon Nichts. — Der Koͤnig hatte nie ein
gutes Syſtem und wird nie nach einem ſolchen han:
dein. Er weiß feldft nicht was er will, oder nicht
will; nie bleibt er, auh nur 24 Stunden Hang,
eines Sinnes. — Mit Baiern und Frankreich hat
er allerhand Unterhandlungen begonnen, und will den
Grafen: Rothenburg nad) Paris fenden ’). Um bdefz
fen Tuͤchtigkeit zu prüfen, übernahm der König. die
Nolte des franzoͤſiſchen Mintfters, hob alle nur moͤg⸗
lihen Schwierigkeiten und Gegengründe wider feine
eigenen Anträge hervor, ohne fich -felbft dabei zu ſcho⸗
nen. Rothenburg widerlegte Jegliches fo gefchickt,
daB ber König zulegt fagte: wenn Er fo gut fpricht
1) Bericht vom 3Often November.
2) Reichsarchiv, Preußen, Band 62, Merichte vom
Vöften Januar, 18ten Zebruar und 12ten Mai 1744.
8) Bericht vom 22ften Februar 1744.
I.
194 | Siebtehnter Abſchnitt. Utl.
und fo- gute Gruͤnde vocbeingt, wird Ihm gewiß der
Erfolg nicht fehlen.
Cs muß (fagt Hyndford) überall Zweck ber ung
liſchen Staatskunſt feun, dad Haus Brandenburg zu
erniedrigen‘). So lange biefem unerfättlich eb:
geizigen Fürften die Flügel nicht befchnitten find, ti
er für die Freiheiten Deutfchlande and bie Ruhe Ev:
ropas fo gefährlich bleiben, als felbit Frankreich. —
Er eriumert mid an eine gewille Sorte von Weiber
die ihren guten Ruf verloren haben und dann übe
ihre Nachbarinnen zuerst: Hure, Huve fchreien. Es
iſt in ihm mehr von einem chikanirenden Advokaten,
als von einem Helden?). Er fürchtet ſich mehr vor
. Rußland, als vor Gott.
Man bemerkt Vorbereitungen zus einem Kriege’);
aber aus der vom Könige vorfäglich angerichteten Ver
wirrung von Märfchen, Gegenmaͤrſchen m. |. m. kau
Niemand ‚Eng werden unb feiner errathen was m
eigentlich bezweckt. Man hörte, daß der König fage‘):
wenn er glauben koͤnnte, daß fein Hemde, ja fin
1) Bericht vom Bften April. |
2) Bericht vom 18ten Zutius. Hyndford ſpricht viel
von dem little evil spirit count Finkenstein. — dom
10ten Junius.
3) Bericht vom 28ſten Julius.
4) Bericht vom’ Aten Augufl.
04 Bpanien, Esantsei. 20
0
Haut, tens von dem wife mas er thum elle, fo
wuͤrde ex es zmreißen (fear ihem oil).
Sechs Tage nachher, den Mten Auguſt, brach
ber Koͤnig in Böhmen ein.
Achtzehnter Abſchnitt.
Es iſt nicht meine Abſicht die Gruͤnde des zweiten
ſchleſiſchen Krieges aus Friedeichs II Grſchichte feiner
Zeit und aus andern ‚bekannten Quellen hier aufzu⸗
zählen, unb noch mweniger die Wegebenheiten des Feld⸗
zuge von 1744 zu entwiden. Gewiß singen bed
Koͤnigs Erwartungen nicht in Erfüllung und der Tod
Karls VH (den 20ften Sanuar 1745) bringt erſt
neues Leben in die diplomatiſchen Unterhandlungen.
‚Hier fey es erlaubt Vereinzeltes aus ftuͤheren geſandt⸗
ſchaftlichen Berichten mitzutheilen, ohne den unnuͤtzen
Verſuch zu machen, es in einen engeren Luſammenhang
zu bringen. — Zuvoͤrderſt Einiges aus Feankreich
und Spanien. | 0
Schon am 14m Oktober 1741 war zwiſchen
beiden Mächten ein Vertrag geſchloſſen worden ’). Spa:
1) Reichsarchiv, Frankreich, Band 90.
5 i 9*
g f
196 Achtzehnter Abſchnitt. 1741 298
nien will 50,000 Sranzofen beſolden, und Frankreich
ihm dagegen einen vortheifhaften Frieden mit England
verfhaffen. Altes ift unbeflimmt und vieldeutig ge
halten. — Aus einem Berichte vom 28ſten Mäy
1742 geht hervor '), daß man in Paris darauf re:
nete, es werde in England zu keinen feſten Beſchluͤß
fen kommen. Für Geld erhielt der englifche Gefandte
Nachrichten die Fülle; nicht felten aber war ihm ber
Preis fuͤr das Dargebotene zu hoch. Es finden ſich
Klagen über die Noth in Frankreih und Spanien.
Insbeſondere will die Geiftlichkeit des legten Landes
nicht, der päpftlichen Bulle gemäß, acht vom Hun⸗
bert ihrer Einnahmen einzahlen. Sehr Taut find die
Befchwerden ber Spanier im Herbſte 1743 über bie
Langſamkeit und ungenägende Hülfe der Sranzofen ?).
Auch gingen in Paris allerhand Skandale neben
der Politik her und beflimmten diefelbe. So heißt es
(um wenigftens ein Beifpiel zu geben) in einem Bericht
vom 12ten November 1742?): allem Anfcheine nad,
bat der König fi eine neue Beilchläferinn angefchafft.
Madame de Mailly, welche einige Jahre ‚lang für
die alleinige Favorite galt (und nur elne Zeitlang
bie Sunft mit ihrer Schwefter der Frau von Binti:
1) Band 92.
2, Band 94, Bericht vom Sten Dätober 1748.
8) Band 92,
1282. Ludwigs XV Maitreffen. 197
mille theilte) fieht ſich jegt gezwungen den Sof. zu
verlaffen und ihren Pag einer dritten von ihren
Schweftern, der Frau von Tournelle einzurdumen.
Diefe Sache hat nicht wenig Schwierigkeiten gefun:
den: denn Frau von Kournelle, welche vor ihren
ältern Schweftern den großen Vorzug hat, daß fie
ehe ſchoͤn iſt, ſchien entfchloffen für ſich dem beften
Handel zu machen, der nur irgend möglich. Anfangs
lauteten ihre Bedingungen fehr hoch. Sie forderte:
daß fie für des Könige Veifchläferinn erklaͤrt werde,
mit welcher Würde ein großes Jahrgehalt verbinden
fl. Sie verlangte ferner ein eigenes Haus für ſich
und daß, fie nicht gehalten fen bes Könige Abend-
mablzeiten beizumohnen, fofern die Gefellfchaft nicht
nad) ihrer eigenen Wahl ſey. Sie Kürfe ferner. in
ihrem eigenen Haufe fehen wen fie wolle, und wenn
der König dahin komme um fie zu befuchen, fo folle
um deswillen ihre Gefellfchaft nicht geftört oder ver-
drängt werden; endlich (morohne alles Andere nicht
genüge) müfle. Stau. von Mailiy vom Hofe fortge:
ſchickt werden. Es ift noch nicht bekannt, welchen
Erfolg ihre anderen Forderungen gehabt haben; gewiß
aber iſt Frau von Mailiy in Paris angelangt, und
Stau von Xournelle mit dem Könige "nach Choify
gefahren. Man kann nicht annehmen, daß dieſer
Wechſel keine weiteren Folgen herbeiführen wich. Die
neue Herrinn, wird gewiß auch neue Favoriten. ihrer
[f
198 . Achtzehnter Abſchnitt⸗ 1788.
Wahl unter. Minen und Weibern haben mol,
und fo mag der Einfluß ſich ſelbſt bis auf bie Mr
nifter ecfteedden. -
Den Ion Januar 1743 ') Karb ber feiedliebene
Kardinal Fleury, wodurch die kriegliebende Partei am
Hofe ein entſcheidendes Übergewicht erhielt, obgleich
die Volksſtimmung hiemit keineswegs üuͤbereintraf.
Die Maſſe des Volks in Frankreich (heißt es in
einem Berichte vom Aten September 1743) °) war
von Anfang an einem Kriege wider Maria Thereſia
abgenelgt. Jeder Schritt gefhah nur mit Wide:
willen, und man bat gemeint die Unfälle ſeyen wohl
verdient. Sobald aber bie Rede darauf kommt, daf
man Ihnen Länder abnehmen wolle, fleigt ber Eifer
in einem unbefchreiblihem Maaße. Wenn ein Zehn
tel (Tagen fie) für den Staat nicht hinreicht, muß
‚der König ein Fünftel nehmen. Überhaupt, wer die
Natur der Sranzofen ſtudirt hat, wird finden: daß
fie wohl eine Niederlage ertragen koͤnnen,
nit aber eine Befhimpfung?).
Wenden wir und jegt nach dem Norden, fo ma:
1) — vom Soſten Januar 1748. Frankreich—
Band 98.
2) Frankreich, Band 93., a
8) Though they may ver: a besting, they will not
bear being idsulted.
1744, Schweden, Preußen. 199
ren Schwedens Hoffnungen, früher verlorene Lands
fehaften den Ruſſen wieder abzunehmen, völlig fehl-
gefhlagen. Ste mußten im Frieden von Abo einen
Theil Finnlands abtreten und es erleben, daß ber
Herzog Peter von Holſtein die Ausficht auf den ruf
fiihen Thron, den ſchwediſchen Erbietungen vorzog.
Nach einer langen Reihe von Umtrieben, Beſtechun⸗
gen und fremden, Einmiſchungen ward Adolph Fried⸗
rich von Holftein- Gottorp zum Thronfolger erwählt.
Us ſich diefer im Jahre 1744 mit Ulrike Eleonore
der Schweſter König Friedrichs IL vermählte‘), ſchienen
freundfchaftfiche Verhaͤltniſſe zwiſchen Schweden und
Preußen auf laͤngere Zeit beguͤnſtigt zu ſeyn.
Gleicherweiſe ſchien viel gewonnen als, nach lan
gen Unterhandlungen, die Prinzeffinn von Zerbſt zur
Gemahlinn ded ruffifhen Zhronfolgers Peter beflimmt
war. Im Februar 1744 langte Katharina (damals
15 Sahre alt) in Petersburg an”), warb glänzend
aufgenommen, und ben erflen September 1745 mit
Peter vermaͤhlt. i
| Nach wie wor blieb der ruffifche Hof ein Schau:
plag mannichfacher Intriguen: es mißgluͤckten jedoch
die Bemühungen des oͤſterreichiſchen Geſandten Botta
(Auguft 1743) und des Franzoſen Chetardie (Ju⸗
1) Reichsarchiv, Schweden, Band 80, 81,
2) Bericht vom Ilten Februar 1744. Rußland, Band 38,
200 Achtzehnter Abſchnitt. 174.
nius 1744) ').. Der legte hatte anmaßlich einm
Briefwechfel mit der Mutter Katharinas angeknäpft,
und den. Plan entworfen. das ganze Minifterium um:
zugeflalten. In einer britten Richtung fuchte der
englifche Gefandte einzuwirken. Er fchreibt den 10tm
September 1744°): Der ruſſiſche Abel, die Geiſtlich—
keit und das Volk glauben, daß fie zu mächtig find
‚um in ihrem eigenem Lande angegriffen zu werden
und daß es für dies Reich völlig gleichgültig ift, was
in dem. übrigen Europa vorgeht. Dies ift ein fat
ſcher Grundfag den wir ausrotten muͤſſen, wen
wir koͤnnen, obgleich er tiefe Wurzeln gefaßt hat.
Auf feines Gefandten Mardefeldts Verſicherungen,
daß. jener Grundſatz unwandelbar feftftche, baut der
König von Preußen feine Plane.
Doch wurden um biefelbe Zeit Vorfchläge fehr entge
gengefegter Art berathen. Sch muß Euer Derrlichkit
(fchreibt der Gefandte am Sten Oktober 1744) im hoͤchſten
Vertrauen melden: daß Beſtucheffs Abficht ift die Kaife:
tinn Elifabech zu vermögen, Preußen dem Könige
Stiedrih abzunehmen und es den Polen
zu geben; wogegen biefe Pleskow und
Smolenst nebft Zubehör an Rußland ab
treten follen: und hiezu, hoffen wir, mie
1) Beriht Tyrawlys vom 6ten Iunius 1744.
2) Band 89.
1744. Katharina, Peter, Rußland. 201
Eliſabeth ſich verleiten laffen, aus Gründen der Re
figton! Sie trägt biefe naͤmlich ſehr zur Schau,
und wuͤrde durch jene Maßregel viele griechifche Chris
ſten unter ihre Herrſchaft bringen. Die Geiftlichkeit
wird den Plan gewiß billigen, und ich glaube dies
iſt der einzige Weg wie wir ‚bie Salem in den
Krieg verwideln koͤnnen.
Wie Vertheidiger von folcherlei Planen, über die
Diplomatit Friedrichs II den Stab brechen durften,
ift ſchwer zu begreifen; auch war Elifabeth allen Ge:
fhäften fo abhold '), und in der Megel (gleich wie
ihre Minifter) fo ganz von Gelde entblößt, daß nur
die neu eröffnete Ausſicht auf den Empfang fremder
Hülfsgelder zu wirken fchien.
Friedrich IL waren dieſe / Verhäftniffe gewiß nicht
entgangen, weshalb er feinem Gefandten Mardefeldt
viel Geld uͤberſchickte) und den beiden Kanzlen Be:
flucheff und Woronzow 25,000 Thaler anbieten ließ.
Denn (fagte Eliſabeth) der König von Preußen fo
viel Geld übrig dat, fo nehmt es ihm ab. — Viel:
leicht hierdurch ſah fih Maria Thereſia veranlaßt,
jenen nun ihrerfeits Diamantringe zu ſchenken.
1) Bericht vom fen September und 18ten Oktober
744,
2) Berichte vom Sten Januar und 19ten Januar 1745.
Band 40.
9**
202 Achtzehnter Abſchnitt. 178.
Am ten Februar 1745 ſchteibt ein engliſcher
Bevollmaͤchtigter Tyrawly aus Petersburg ') : dee König
don Preußen ſpricht nur deshalb von ber tuffilden
Vermittelung weil er völlig zu Grunde gerichtet iſt.
Die Kaiferinn thaͤte aber weit beffer das Baͤren
fell zu theilen, welches ihr vielleicht nicht wieder
fo geboten wird. Dem Kantnzler Beſtucheff gefaͤll
diefee Gedanke; auf Woronzow haben aber Die preu:
ßiſchen Gruͤnde (das Gelb) zu ſtarken Eindruck 96
macht.
Ich fuͤrchte (fügt der nach Petersburg vetſetzte
Hyndford fpäter Hinzu)?) Frankreich wird dem hieſigen
Hofe fo viel für die Neutralität bieten, als vote ihm
‚geben wollen um thätig einzuwirken, und es iſt leicht
abzufehen, welchen von beiden Vorfchlägen man an:
nehmen wird.
Acht Tage fpäter (den 2Aften Mai) heißt es:
die Kaiſerinn wird ſchwerlich dahin zu bringen ſeyn
mit Öfterreihh und Sachſen vereint, und noch went:
ger allein, gegen den König von Preußen aufzutreten.
Einige behaupten fogar: fie habe ihm dies insgeheim
eidlich verfprochen, und er fey vergangenen Jahres
1) Ebendafelbft.
2) Bericht vom 18ten Mai. Reichsarchiv, Rußland,
Band AL,
1743. Intriguen, Beſtechlichkeit. 203
mit ihrem Wiffen und ihrer Zuſtimmung in Boͤh⸗
men eingebrochen. — Obgleich die Kaiſerinn folche
Zaͤrtlichkeit gegen Friedrich IE zeigt, geht dieſelbe doch
nur hervor aus Abneigung (spite) gegen Marla The:
refia, und fie ift bereit fidy offen gegen Frankreich zu
erklaͤren (?).
Die Geldnoth dauert hier fort"), und hat ſich noch
erhöht ſeitbem Ellſabeth den Geiſtlichen 860,000 Ru:
bei zuruͤckgab, welche Peter I ihnen genommen hatte.
Es verſteckte fich ein Menſch Hinter einem Bor:
hange sum die Kaiſerinn zu ermorden; durch die härtefle
Marter war ihm jedoch Fein Wort abzuprefien. Eli⸗
faberh tft hierüber in ſolchem Schreden, daß fie felten
über zwei Tage an demſelben Drte bleibt, und we:
nige Perfonen willen wo fie fchläft.
Sm einem Berichte vom erſten Oktober 1745
erzählt der englifche Geſandte?) wie man allmälig die
Katferinn wider Friedrich II zu flimmen ſuche. Sie
fagte: er iſt gewiß ein boͤſer Fürft, ohne Gottesfurcht,
dreht jede Sache ins Lächerliche und geht niemals
in bie Kirche Er if bet Schah Nadir von
Preußen ).
Die aͤltere Fuͤrſtinn von Zabſt (Katharinas Mut⸗
23 Bericht vom ten Junius.
2) Rußland, Band 42.
8) Bericht vom ten November.
204 Achtzehnter Abſchnitt. 128,
tee) hatte ſich allerlei herausgenommen und war da:
durch in Mißverhaͤltniſſe zur Kaiferinn gerathen. Sie
nahm jegt Abſchied von ihr, und bat fie dabei fuf:
fällig und mit Thraͤnen um Verzeihung. Eliſabeth
anttwortete: jeut ſey es zu fpät hieran. zu denken; in
deß würde es befier für fie geweſen fen, wenn fie
“immer ſolche Demuth bezeigt hätte. Mit des Groß:
fürften Benehmen ift die Kaiſerinn keineswegs gan
zufrieden, und hält ihn unter genauer Aufficht; bie
Großfürftinn dagegen gefällt ihr bis jegt fehr wohl,
auch ſcheint diefe ein gutes Geſchoͤpf (a good crea-
ture) zu. feyn.
Nach wie vor wechſeln am ruſſiſchen Hofe Caba-
fen, Intriguen, Hoffnungen, Beforgniffe, Beftechun:
‚gen, Zuchtloſigkeiten. Es lohnt nicht der Mühe, dies
weiter ins Einzelne zu verfolgen. Nur noch -zwei
Proben; Beſtucheff forderte rund heraus Gelb vom
engliſchen Gefandten, zum mindeſten zinsfreie Dar:
lehn auf viele Jahre. Alle dagegen erhobenen Be
benten machten feinen Eindrud und der Gefandte
fagt am Schluffe feiner Erzählung‘): mein Freund
lebt gewiß in ber größten nur denkbaren Noth, er .ift
der ganzen Melt ſchuldig.
Mancher Bericht warb in der Abficht ohne Chif:
fern gefchrieben, daß er geöffnet. und von ber Kaife:
1) Bericht vom 27ften Gept. 1746. Band 44.
1785. Maria Therefia. 206
rinn gelefen werben follte. In einem ſolchen fchreibt
Lord Hyndford!): Ener Herrlichkeit koͤnnen fich nicht
vorftellen, wie ſchoͤn der Anzug eines Officiers der
Kaiferinn ftand! Ich bin uͤberzeugt, wer fie nicht
kannte, würde fie für einen. Officier gehalten haben,
wenn nur ihre Geſicht nicht fo ſchoͤn wäre. Im der
That, Ihre Majeſtaͤt haben das Herz eines Mannes
und die Schönheit eines Weibes, und verdienen von
der ganzen Welt betvundert zu werben!
Reungehnter Abſchnitt.
Wenn ein Lob vorſtehender Art über eine der
damaligen Herrfcherinnen ausgefprochen werden follte,
fo verdiente es nicht Elifabeth, fondern Maria The:
vefin. Nachdem der Haß verkiärt und Vorurtheile
zu Boden gefallen find, glänzt fie und Friedrich BI
durch die. Jahrhunderte; während Kart VII, Eud
ig XV, Philipp V, Georg II und Etifabech nur
als untergeordnetes Gefolge jener beiden Chorführer
erfcheinen.
Nicht unnatuͤrlich biieben in Sſterreich ſelbſt nach
1) Bericht vom 80ſten November 1745. Band 42.
206 Neunzgehnter Abſchnitt. 1748. 4
dem Abfchluffe des Breslauer Friedens, Beſorgniſſe
gegen Preußen zuruͤck. Deshalb fchteibt bee engfifche
Gefandte am 23ſten November 1743 aus Wien’):
Der König von Preußen giebt dent hiefigen Hofe die
beften Worte. In Betracht feines früheren Bench:
mens und. weil er Alles in ſteter Beteitſchaſt Hark,
. um, fobatd «8 ihm belebt, In dieſſeitige Landfchaften
einzufallen, meint man hier 08 fey noͤthig ſtets auf
der Hut zu ſeyn. — Außerdem fehlte es nicht an
Luͤgen, um ben Haß gegen Friedrich zu erhöhen. So
. erzählte man: er habe in Schlefien : 2000 Kinder
wegnehmen, und fie nach Preußen bringen laſſen?).
Als Frankreich am 15ten März 1744 den Krieg
an England erklaͤrte, war Marta Theteſla fehr erfreut
und fagte: Gott hat ein Wunder gethan zur Erhal⸗
‚ tung Suropas?), indem er verftattete, baß die Kran:
zofem im ihrer Blindheit und Anmaßung Krieg er
Härten. Ich bin nicht mehr als Haupttheilnehmerinn
allein auf dem Schauplage. Mein Gott, hätte ich
handeln wollen wie meine Verbündete!
Der legte Ausruf hing wol zufammen mit den
Klagen Marla Thereſias über England und Holland.
) Reichsarchiv, ſterreich, Band 158.
D Band 155. Bericht vom 26ſten Februar 1744,
3) Band 156. Bericht vom 27ften April 1744.
TE. Marta Iherefia über Ftiedrich. 7
Dan dat mie (ſprach fie)") den Frieden von Bres⸗
lau aufgezwungen unb bie barauf gegeimbeten Hoff:
nungen find nicht in Erfüllung gegangen. In der
letzten Hälfte des vorigen Jahres geſchah Nichte, ber
Vertrag von Worms kam nicht zur Vollziehung, Bein
einziges Schiff aus einer fo großen Flotte ward zu
meinem Dienfle aufgeſpatt, und jetzt (nachdem ich in
meiner Schwefter ein fo theures Pfand berchin ge:
hie) verläßt man die Miederlande, Ste enmahnte,
fie beſchwur uns (die Geſandten) deshalb aufs Drin:
gendfte nach London zu fehreiben. Es fey dabei nichts
noͤthig als ihre jegige Gemuͤthsbewegung (agitation)
und ihre Velhläffe in das vechte Licht zu ſtellen. —
Sene Bewegung ihres Gemuͤths Iegte fie wahrlich
mit der kraͤftigſten Lebhaftigkeit zu Tage, und ihr
Entſchluß als Färftinn ſey, ſich keinem unficheren, uns
ehrenvollen Frieden zu untermerfen, fo lange fie noch
irgend ein Heer befige; — was auch bie Plane Frank
teich®, oder derer feyn moͤchten, welche die Niederlande
preis gäben.
Ein andermal fagte Maria Therefia in Bezug auf
den breslauer Frieden?): Mic, bekümmert nit fo
fehr der Verluſt Schlefiens an fich, als daß ein Nach:
bar mit einem folhen Charakter es erwarb. Des:
1) Bericht vom Iften Mai.
2): Bericht vom ˖ 10ten Julius.
208 Neunzehnter Abfchnitt. 174.
ungeachtet will id; unter dieſer Unbequemlichkeit (in-
convenience) ſtill figen, dem Könige von Preußen
keinen Grund zum Argwohn geben, ober Gelegenheit
zum Bruche bes Vertrages fuchen. In Betrachtung
von Friedrichs Charakter fey es indeſſen dringend nd:
thig, an alle die Maaßregeln zu denken, welche
(ohne ihn zw beleidigen) zur Dedung gegen einen
feindlihen Anfall dienen koͤnnten. — Doch glaubte
man um fo weniger‘), daß der. König losſchlagen
werde, da er und Frankreich allen Einfluß in Ruf
(and verloren hätten.
Den 5ten Auguft 1744 (fünf Tage vor Freie:
richs Einbruch in Böhmen) fchreibt der englifche Ge:
fandte aus Wien?): Alle ohne Ausnahme fuchen bier
den Kaifer duch die Räumung Baierns zu gewin-
. nen, und Frankreich auf jede Weife in Noth zu brin-
gen; damit beide, Baiern und Franzoſen, den König
von Preußen der Möglichkeit aufopfern, einen allge:
meinen Frieden durch die Rüdgabe Schlefiens an
Öfterreich abzufchließen.
1) Bericht vom Aten Julius. Öfterreic, Band 157.
2) Ebendaſelbſt. In Sachſen hielt der König firenge
Mannszucht und ließ insbefondere kein Wild fchießen. Gr
habe in Potsdam gefagt: that his own sport should be
the hunting of the Saints in Bohemia. Preußen, Band
63, Bericht vom 18ten Auguft 1744.
1745. Tod Karls VII. Friedriche II Briefe. 9
Die bier ausgefprochenen Plane befkätigen Fried⸗
richs II Behauptung: er würde, durch längeres Stills
fiyen für feine Sicherheit nichts gewonnen haben.
Der Tod Kaifer Karls VII (am 20ften Sanuar
1745) fchien bie Auflöfung der verwidelten. Verhaͤlt⸗
niſſe fehe zu erleichtern. Deshalb ſchrieb Friedrich II
ben 26ften Sanuar feinem Gefandten Klinggräff in
Zonbon'): J’appris hier au soir par un courier que:
mon ministre a la cour imperiale m’a depeche, la
nouvelle que. l’empereur 6toit mort d’ane gautte
remontée a la poitrine. Voila encore un grand
evenement qui changera bien de choses.
Vons ne manguerez pas de parler incontinent
a Mylord Harringten, lui disant de ma part que
je souhaiterais de honne heure de ‚me concerter
avec l’Angleterre sur ce qu'il y avait à faire dans
cette eirconsfance par rapport & ce quil y aveit
a faire dans cet dvenement, pourvu que je troave
par elle ma sureie et ma convenience.
Ein zweiter Brief Friedrichs vom naͤchſten Tage
(27ſten Januar) lautet: Comme la mort de ’Em-
'pereur est un €venement qui changera considera-
blement la face des aflaires, non seulement en
Allemagne, mais en tout le reste de l’Europe, il
“est necessaire que sans perte de temps, Vous vous
. 1) Reichsarchiv, Volume Prassian Ministers No. 6. .
N
210 Neunzehnter Abfchnitt. 21345.
abbouchicz de ma part. avec. Mylord Harringten,
puisque selon qu'on s’y prendra, pourra ou faci-
liter. la paix, ou bien y faire naftre de plus grands
ohstacles. Vous direz dont de ma part à ce se-
eretaire d’6tat que faisant un cas infini de ses gran-
des Iumiöres et de ses sentimens justes et «qui
tables pour le retablissement de lu paix, surtont
en Allemagne, j’esperais qu’on voudrait bien 8’ou-
vrir conädenment à Voas sur la facon de penser
de la cour britannique sur cet @venement et sur
les veritables ‚sentimens qu’on pouvait aveir sur
un candidat pour la dignite imperiale, et comment
on se pourrait servir de la mort de ce dernier
empereur pour parvenir d’autant plus- facilement
à la paix sans laisser ecraser entierement la mai-
son de Baviere et en placant sur le trone impé-
rial un sujet qui fut agr6able à Sa Majesté bri-
tannique et A la nation angleise. Vous declareres
confidemment que si on voulait entrer sans perte
de temps dans le plan, que je Veus ai charge de
proposer au Lord Harringion, je me prôterais avec
plaisir aux idées de l’Angieterre pour: Y'election
d’un nouvel empereur, et que si nous dtions une
fois d’accord la dessus, il ne serait pas diflichke-
de faire entrer le reste du college electoral et de
faire cesser par la les troubles qui dechirent PAI-
lemagne et qui iräient toujours en augmentant si
135. Verhanklungen mit England. 211
Fon ne s’enlendait pas de bonne heure fü dessus. -
@ue men intentien &iait sincere de tirer la möme
vorde avec l’Angleterre des que la paix serait re-
tablie entre moi et ia reine d’Hongrie aussi bien
que la maison de Baviere sur le pied juste et
rsiseunable que j’avais- inanpe au rar eng:
ton par Vous,
Weit England viel zu Überlegen und mit feinen
Verbündeten Nedfprahe zn nehmen hatte, erhielt
Friedrich (fo ſcheint es) zunaͤchſt gar Leine befticdis
gende Antwort, ynd den 12ten April") ſchreibt dee
englifche Gefandte aus Wien: diefer Hof will
Sclefien wieder gewinnen, ſelbſt auf die Ges
fahr Italien verlieren. Die Kaiſerkrone ohne Schle-
fien ſey nicht des Tragens werth.
Bu einer folchen Hoffnung fehlen nach der Aus:
ſoͤhnung Oſterreichs mit Baiern?) (22fen April) dops
selte Hoffnung vorhanden zu feyn. Auch fagte ber
junge Kurfuͤrſt von Baiern zu einem oͤſterreichiſchen
Minifter: Frankreich hat meine Vorfahren ducch Jahr:
gelder unterjoht. Sie fehen, in welchem Zuſtande
ic hiedurch meine Länder wieder erhalte. Ich hoffe
ich werde an ben Sremchten ein anderes Frankreich
ish
1) Reichsarchiv, Öfterreich, Band 162.
2) Bericht vom Sten Zulius, Band 163.
212 Reungehnter Abſchnitt. 1748.
Unterdeſſen hatte Friedrich II, gegen oͤſterreichiſche
Erwartung, die Schlacht von Striegau, oder Hohen
friedberg gewonnen"), und zwar nicht in Wien, aber
doch in London Friebensgedanken hervorgerufen. Am
iiten Julius fehreibt deshalb Lord Harrington an
Robinfon?): wir muͤſſen die Stärke unferer Feinde
zu verringern fuchen, indem wir wo möglich Preußen
von feiner unnatürlichen und gefährlichen Verbindung
mit Frankreich trennen... Im Mär; hatte uns be
König Vorfchläge gethban, weigert fih aber feitdem
durchaus Ddiefelben zu erneuern, weil er behauptet:
man habe jene eriten den Franzoſen ‚mitgetheilt, wo⸗
durch er in Gefahr gerathe, von diefer Macht verlaf
fen zu werden. Doc hoffen wir, er. fey bereit auf
den Fuß des berliner Friedens abzufchließen, und id
fehe nicht ab, wie Seine Majeftät?) in der gegenwaͤr
tigen betrübten und hoffnungslofen Lage vermeiden
ann, ihm -dies vorzufchlagen. Sie mögen - diefen
Antrag in Wien machen und durchzuſetzen fuchen.
1) Den 4ten Junius.
2) Ebendafelbft.
3) His Majesty, was meines Erachtens auf den König
von England geht, wahrſcheinlich der Landung bes Präten-
denten in Schotland halber. Im Januar 1744 hatte bie
fer bereitd Rom verlaffen und ſich nach Frankreich begeben.
Reichsarchiv, Frankreich, Band 94, Bericht vom Januar.
‘
1965. Berhanslungen mit Öflerseih. 213
Robinſon entwidelte Hierauf die Lage der Dinge
und die Gründe diefes Antrags. Die Königinn Ma:
ria Thereſia (erzähle er im WBerichte- vom Aten Au:
:guft) babe ich nie fo zurückhaltend gefehen. Sie un:
terbrach mic) bei der Audienz nur felten, dankte für
Englands Freundſchaft und verſprach mit ‚ihren Mi-
‚niftern Alles zu überlegen‘). Was aber auch be
ſchloſſen wird (fuhr fie fort), ich kann feinen Mann
aus Friedrichs II Nachbarſchaft Hinmegziehen. Viel⸗
leicht iſts möglich, ein, zwei Regimenter Fußvolk und
ein, zwei Regimenter Reiterei nach Italien zu fenden;
alle übrige Mannfchaft ift im Frieden nicht minder
als im Kriege nöthig zur unmittelbaren Vertheidigung
meiner Perfon und Familie, gegen Diet König von
Preußen.
Sch bemerkte: 70,000 Mann — hiezu doch
nicht erforderlich, und fo argwoͤhniſche Schluͤſſe wider
den König bewieſen zu die. — Sie fragte hierauf:
ift denn weniger Hoffnung vorhanden, Frankreich ab:
zuziehen als Preußen? — Ich antwortete: der Koͤ⸗
nig wird leichter Frieden machen, wenn er behält was
er hat, als Zrankreih, wenn es herausgeben foll,
was es erwarb, während. ed auf dem beflen Wege
if, in den Niederlanden noch mehr zu eroben. — -
Prinz Karl (fagte Maria Therefin) iſt im Stande
1) Öfterreich, Band 163.
214 Reunzehnter Abſchnitt. 16.
dem Könige eine andere Schlacht zu liefern. — Bir
(entgegnete ich) dieſe Schlacht gemonnen, fo iſt She
fies nos) ‚nicht erobert; geht fie verloren, fo find Eun
Maijeftät in ihrer Heimat varloren. — Muͤßte ih
auch (fagte Marin Thereßa) morgen mit dem ‚König
abſchließen, würde ich doc, hente Abend eine Schlatht
liefern ').. Warum aber jest ſolch Drängen, fol ie
terbrechen ber Kriegsplane, an welchen zu verpreifeh
gar kein Grund iſt? Gebt mir nur den Oktober —
dann möget Ihr thun, was Ihr wollt. — Dr Di
tober, entgegnete ich, - wird den Foaldzug aller Diem
beenden, und ein fehr varhaͤngnißvoller Zeitpunkt fon;
denn es flieht zu fürchten, daß Frankreich und Pın
fen, wenn fie vereinigt bleiben, md zu Denjmigm
Bedingungen zwingen werden, die ihnen behagen. —
Das, bemerkte hierauf die Koͤniginn; waͤrde wah
feyn, wenn man nach Ihrem Vocſchlage biefe Zul
hinbraͤchte, um von Böhmen zum Rheine und vom
Rheine nach den Riederlanden zu marſchiren. Abe
ich kenne keinen meiner Senerale, ber sin ſolch mar
fehivendes, oder vielmehr unthätiges Heer führe
möchte; wenigſtens wirb ber - Großherzog, ader Prit
Karl es nicht thun. Jener iſt nicht fo begierig, mi
N
1) Dusse-je conclure avec lui le lendemain, je Wi
livrerais bataille ce soir,
1995. Friedrichs U Friedensvorſchlaͤge. 215
Sie glauhen, wach einer losen Ehre”), und am we
nigften mag er dieſelbe unter der Vormundſchaft deu
Könige von Preußen. IE die Kaiſerkrone wol ver:
träglich mit dem Verluſte Schleſiens? Guter Gert!
Gebt mir nur Zeit bis zum Oktober; dann werde
ich wenigſtens beſſere Bedingungen erlangen.
Zuletzt bemerkte Robinſon: ohne Frieden mis
Preußen koͤnne der Koͤnig von England weder auf
Bewilligungen des Parlaments, noch darauf rechnen,
Holland im Bunde zu erhalten. — Ungeachtet all
dieſer Vorſtellungen erhielt ber Geſandee eine lange,
ablehnende Antwort des wiemer Hofes.
England und Preußen liefen fü indefſen hiedurch
nicht abhalten ihre Plane weiter zu verfolgen und
den 5ten Auguſt 1745 ſchrieb Friedrich II aus dem
Rager bei Ehlum am feinen Gaſandten Andrie in
Hannover ?).
La relation que vous m’avez fake le 24icme
Juillet passe m’a &t6 rendue. Apres aroir vn ce
que Loml Harringtan veus a dit de la part du
Roi son maitre touchant ses intenGense A moyen-
ner une paix entre mei et la reine da la Hongrie,
ma volonté ent que vons röpondiez A Lord KHas-
ringten que jo narais a da vénité peipt liem d’ar
1) Die Kaiſerkrone.
2) Reichsarchiv, ‚prussiau Ministers.
216- Reunzehnter Abſchnitt., 1143.
voir une grande confance au Roi ‚d’Angleterre
Apres tont ce qui s’est passe, mais que pour mon-
trer & toute l’Eurepe la facilite que japportais de
mon coté pour appaiser les treubles qui la dechi-
rent et pour convainere Sa: Majeste britannique
du desir sincere qui n’avait jamais cesse aupres
de moi d’agir .avec elle en bon coneert, je von-
lais bien eneore entrer en negociation, ee que
le souvenir du passe m in a mu les —
tions suivantes : |
1) que je neme laisse amuser par rien, et que
je, pousserai mes op6rations de tout cot6 avec la
plus grande vigueur — la ——— des pre-
liminaires ;
2) que dans — semaines de temps, com-
pie depuis le jeur que ce depäche arrive A Han-
novre il faut convenir .de ces preliminaires, ei que
instrument de la paix les suite un mois apres.
Voici deux projets de ces preliminaires, dent
Lord. Hareington pourra — le quel lui con-
viendra le mienx:
.. a) que le Roi de Prasse conserve la Silesie
comme elle lui a &t6 cedee par le traité de Breslan,
y ajoutant Jes villes de Troppau, Jägerndorf et
Hotzenplots.
b) Condition sine qua non: V’Empire, l’Angle-
terre, la Hollande, la Saxe, et toutes les puis-
1483. Friedrichs I Friedens vorfchlaͤge. 217
sances de l’Europe garantiront ia en au Roi
de Prusse.
c) Le Roi de Pologne donnera au Roi de
Prusse un acte de eessien sur la Silesie,
: d) Le Roi s'engage de — sa voix éclecio-
rale au grand Duc.
e) Garantie mutuelle des états ——
entre les deux parties bellig6rantes.
f) Que l’on moyennera un schange entre quel-
ques parcelles de la Silesie, enclavees dans la
Lusace avec le — — — (ou la petite ville de
Fürstenberg avec sa Douane aitue a l’Oder) qui
reviendra au Roi de Prusse de sorte qu’aucun
des deux parties ne perd par ce troc.
) Tous les prisonniers seient incessament re-
laches sans rancon et 6changes avec bon — — ')
dans un terme dont on conviendra; les malades
et blesses’ dent on: donnera une liste, le seraient
d’aberl apres leur guerison.
h) La-ville de Cosel avec toutes ses fortili-
cations sera remise entre les mains du Roi, d’a-
bord: apres la’ signature des preliminaires avec ses
canens et munitions, tellc qu ki a ete ——
da tems qu'elle fut prise.
i) Le Roi de Prusse et la Reine de Hongrie
1) Die Worte fehlten in der Handſchrift.
u. | 10
218 Neungehnter Abſchnitt. EB,
s’engagent mutuellement de ne point meltre d’en-
trave ni de chicaner le commerce de leurs *
jets reeiproques.
Voici le second projet dont ie — ne
consiste que dans le premier article: La Silösie
sera sous la domination da Roi de Prusse teile
_qwelle Ini a &t6 cedee par la paix de Breslau;
‘ mais que pour indemniser le Boi des frais de Is:
. guerre, PAngleterre s'engage de lui payer un Mil-
Hon de livres Sterling. NB. Il y aura quelgme
. chose à rabatire de cette somme en eas que le
gros de ces propositions soit agıde; Mais en ons:
que Lord Harrington n’en voulat point da tom
entendre parfer, il: faudrait tacher de diriger set
article R, que je ne seis plus obligé à payer les
dettes qwi sont contraofees sur: la Silécie; mais
qu’eltes soient derenavant à la charge de la Reime
de Hongrie. En un mot il fhut negecier la des-
sus autant qu'on peut, et d&s que mes trpupes au-
ront alorg le pied en Saxe, fen se — a
Hanovre de conolare. |
Il faut que Vous declaries — que om
operatiens ne meitront aucun empöchement -& ka
negociation de la paix, et que toute 'hentilit6 ves-
sera de tous cot6s à la signature des prelimsinai-
res. Le principal point sur lequel il faut insister,
est celui des auretos. —
|
{
*
|
Friedrichs UFriedensworſchlaͤge. 019
%
t
- Voss pomsez. diaillemis dire a Myterd Bberriag-
jak ua tan sifaalion prösente.ost IMs ayarläartenne,
ek que. je ne m’embarassnuis pas 'antmeiusmt de -
Rölectsoa dus grand Duc; que si in Reine de Moni-
guie eomme menhre. de l’ompire nrmit Bis Ta
guerse A Kenperear, I. même zulun sa pour
mei qui emit pour elle, et que cela we chaugernit
ex riem-mes. rösolations. @us jiavals Wattendre
plus. d’Erimements heuveux et araninguux à ma
aamas que de contrniren, et ya :si.je nie prötais
x ses idöes, c’6tait pour Tamoue de In paix et de
bien. pnblo, mais qne je vevenmalftaie à present
par la facilite que l'Amgisterre meerzit dann ortle
negocintion jusqw’h quali ‚point ses intenhiors. sont
sinoeres. Wue diallisurs j’ötnis Sur et porgunde que
oerkte :peix. ait entre los mains du Roi d’Angle-
teure, sah temait ies ourllons de la bourep, et qas
par comnesttent. da our de Viesus .Ktait: bien oblir'
géo de se pröter a ses ‚inientionw. : Mais que je
ke ré pẽtnis emoure que. j'allans peusser nes op6-
meines plus virement que jamam; muis guc dela
wumpssherait point ia paix, et qua ai Fan: pour“
ralt convenir amr..ie projet qwe-je viens d’emyoyer,
len kastilitös ersneraient des: le moment, Sur quel
je prie Diau qu’il vous ait en sa sainte garde!
Die bier aufgeſtellten Orundiagen Fahrten den
2boſten Auguf zum Abfchluffe des Bertragts von
10*
Y
220 .:. Neungehater Abſchnitt. mi
Haunoger, wonach. Schlefien wor Neuem dem 8
nige von: Preußen überaffen und Buͤrgſchaft da
ontfprochen: renıcde.r Legen Sie (fchreibt Lord Har
ringtonian Mokinfon)'y Die Übereinkunft, dee Könige
Maria Therefia unter dem Werfprechen der Gehim
haltung, ald Grundlageeines Eünftigen Friedens ver
und.-fuchen Sie’ dieſelbe zur Annahme . zus betweget.
Man verlangt nichts von ihr als die. Herſtellung de
bisslauer Friedens; es hat uns aber: die größte Nik
gekoftst, den König von : Preußen dahin zu bringen,
daß er-fich mit. Diefen Bedingungen begnuͤgt. Be
hufs der: weiteren Unterhandlungen müßte man ſe
gleich einen: Waffenſtillſtand ſchließen.
In jenem Vertrage warb geſagt: die Koͤniim
Maria Theraſia hat ihrerſeits denſelben, fo weit e
fie in irgend einer Weiſe betrifft, angenonmmen m
iſt ihm ganz beigetreten; bach blieb ailerdings md
die Hauptſache uͤbrig —— —
wirklich gu erlangen.
Am Aten — bericeet — de
König von Preußen hat "den Shake des Bert
befannt gemacht und deshalb vom Prinzen von tr
thringen. einen Wefenfiliftand verlangt. ı Der Prin
bewilligte ihn. bis zud ins eines — and
ı» —** Sanduss, er vom a Kay
1% Me” 164. a
1345.. Unterkandlungen in Men. 21
Wim. Graf Uhlafrib fagte: mir: Frledrich IE Habe
erklaͤrt, :Borb :Barrlngton: habe: im Namen Maria
Thereflas unterzeichnet: Man. nahm dies: „Altes dem
Könige ſehr ſchel und ſchrieb denn Ptlazen von: Lo⸗
thringen, ev ſolle auf. ſtiner Baht brharren.
As Robinſon vom wirner Hoſe Tine Anwort
bekam), feagte er ben. Grafen Uhlefeld: "was .bes: Er⸗
folg feine neuen Worfchläge sind: Ungerfiunbiingee:
ſeyn wuͤrde? Und. diefer antwortete: '":das greußiſch⸗
Heer zu vernichten und dadurch für die Koͤnigkan ei⸗
nen wahrhaften Weiland gegen Friedrich U zu
finden. — Maria Thotefia ſagt⸗: ſowie Peinz Karl
von Lothringen ihre Kroͤnung in ·Prag mit einem
Siege gefelert; ſo habe fie ihm wiſſen laſſen, wie ſehr
fie ſich freuen wuͤrde, wenn er die Kaiſerkroͤnunge in
Frankfurt auf ähnliche Welle. verherrliche und. je' cher
defto beſſer. Alle vechnen Ger ar Een über
die Preußen. - . :
Mit dieſen Zoͤgerungen wat erid — ſehr
unzufrieden. Dieſe Ungewißheit, ſchreibt er den :13ten-
Septenaber, erregt unſer hoͤchſtes Etſtaunen und Miz⸗
vergnuͤgen. Dringen Sie aufs AÄußerſte darauf, daß
Maria Thereſia beſtimmt erklaͤro eb: fie ſich mit
Preußen ausſoͤhnen will, oder nicht.
Robinſon richtete “ine aß, RE —*
re |
1) Bericht vom Sten September.
203 » Nanugehnter Abſchnitt. 2208.
ihn un Die Mniſter gaben ungenügende Antwortin.
Erft Friedrichs Steg bet Sorr ober Trautenau (im
fen Ciptumber) weränbttte im Wim die Beim:
mathg: Die Zrauemef (ſchrribt Rokiafen)”) verlau⸗
tete bier den Atem. Okteher, gerade an dem Taze,
wo. Der Hof der Derittnnten Kaiſerinun, die Kroͤnung
beä Kalferh in Examffurt fee. Men erzahlt. Zei
uch H Habe. gaſagt⸗ da die ſterreicher acht nerſtan
den, mich diesmal ˖ zw. ſchlagen, ſo werden fie mid
niemals fdängen:
Br Bepua auf die Schlacht bei Sorr erzaͤhlt dee
engliſche Bevallmaͤchtigte Laurence”): ber König He
(ims. MWiberſpruch mit ber erſten Anordnung) beim
buerd) feinen. Adjutanten, alles Gepä fies auf den
linken Sohgel, auf don sehen bringen: die Dflsmeis
cher fulen daruͤber Her, uud durch hiefe Liſt warb bie
Schlacht Jemannen, Deo ſelgenden Tages Isugnnte
der König, jenen Befehl gegeben zu habenz weeabalb
bie Verlierenden darauf Brangen, daß der Adijnttant,
Herr von Podapies, ‚vor «in Kriegsgericht geſtellt
werde. Dee. Kaͤnig aber ſchuͤhtte ihn, befahl wiecht
mehr bayan zu reden, mad bezahlte cin Achtel der
verloren m Eeeiſtande.
| BER EN
2) Bericht vom ae a: 1206: —
1785. Sqlacht bei Keffeiborf. Dresdener Trieben. 223
Je graͤßer dad Ungluͤck Für ſteereich, deſto bitter
ver die Klagen. Graf Uhlefeld (ſchreibt Robinſon den
often Diteber) fagt: dieſe Unterhandlung gleiche ber
von Utrecht. Der Zweck fey: Brandenburg am bie-
Stelle von Öfterreich fegen, bie Königin hinopfern,
die Verhandlungen mit Balern und Miͤuſter umter-.
brechen, und Sachſen von Dfteweich objichen Ans
ftatt Preußen von Frankreich, wird man zulegt nur-
die Kaiſerian won England trennen.
Der Kaiſer erklärte: fo lange Friedrich II wicht
geſchwaͤcht ſey, koͤnne man auf keine Ruhe im: Meiche
zuͤhlen. Und ein andermal fagte Maria Thereßa:
mon dibesläßt mich der aͤußerſten Umgewißhelt, ich
lebe nur halb und mir flehe sine. Kataftuophe bevor,
gleichwie die vom Utrerht!
Mehr als alle dieſe Borfige und Drohungen,
wirkte der Steg der Preußen unter Leopold vom- Defe
fau bei Keffelsborf (den 15ten December), an
welchen fich ben 25ften December der Frieden von
Dresden anreihte, welcher in allem Welentlichen
den breslauer beftätigte.
Sm Sommer des Jahres 1746 drang Preußen
wieberhoft darauf, daß Öſterreich die Verbuͤrgung des
Dresdener Friedens duch das Reich herbeifchaffe ');
1) Bericht v. 27ften Auguft 1746. Öfterreich, Bd. 168.
224 Neungehnter Abfchnitt. 1246. 47.
wogegen Öfterreich die Buͤrgſchaft Preußens für die
pragmatifche Sanktion verlangte.
In Wien erfhien ein Buch, worin behauptet
ward: der dresdener Frieden ſey erzwungen und ver-
ppflichte nur fo lange, als die verfürzte Partei außer
Stanbe bleibe ihn zu brechen. König Friedrich ver
langte, baß jenes Buch burdy den Henker verbrannt
werde. Ein anderer Streit entſtand uͤber bie Frage:
ob Preußen einen Graf Henkel in bie —— Ver⸗
zeihung einſchließen muͤſſe?
Im September 1747 fand ˖ dagegen das beſte
Vernehmen ſtatt. Der preußiſche Geſandte Graf von
Podewils ging von Wien zum. Könige. nach Neiſſe,
und Fam mit fehr verbindlichen und genügenden Ei:
pfehlungen für den Kaiſer und die Kaiſerinn zuruͤck).
Beide antworteten fehr herzlich. und - bezeugten. ihre
Achtung und —— gegen — U.
1) — aus Wien vom l6ten — 1747.
Band 172.
1948, Maria Aherefia und Englanb,. 225
Zwangzis ſter Abſchnitt.
Der Krieg Sſterreichs gegen Frankrelich dauerte
fort. Maria Thereſia fuͤrchtete aber, daß England
einen beſonderen Frieden ſchließen wuͤrde), und be⸗
zeichmete dies als das groͤßte Ungluͤck. ſterreich wollte
nichts mehr. aufopfern, und wandte feine Macht mehr-
nach Italien als nach den ‚Niederlanden, weil Eng:
land und Holland ohnehin dieſe nicht den Franzofen
preis: geben duͤrften?). Wenn ſich die Kaiſerinn (ſagte
Bartenſtein) in ihe Schneckenhaus zuruckzieht (re-
coignor dams sa wgpille), fo. wird fie ‚über =
Ereigniſſe obfiegen.
- Im April 1748 „erhielt Robinſon den Auftrag:
Maria Thereſia behufs des Friedens. zu neuen Abtres
tungen zu ‚vermögen... „Sie. amtworkete?): Ihr, die
Ihr fonigl beitruget · ung Verluſto Schleſiens, bie. Ihr
mehr als irgend Jemand Theil hattet, bie Abtretun⸗
gen am den Koͤnig non. Sardinien durchzuſetgzn, —
glaubt Ihr mich. nochmals qu uͤberzeugen? Meint’ Ich,
bin wmeber «in Kind, noch ainr Mixinn: Fure Bes
—
1) Bericht: vom Sten Auguſt .
2) Bericht vom 12ten Junius 1746. Band 167. --
8) Bericht vom-Iken' Mai 1748: Öfterveich, Bd. 174,
10 .*
24 Zwa utz igſte r Abſchnit t. 198.
richte über die Holländer find Übertrieben. Noch kann
man Muth zeigen, und noch iſt Mächt vorhanden
den Muth zu underſtatzen. Wollt Sk eintn augen⸗
blicklichen Frieden, nun ſo ſchließt ihn! Ich kann
beitreten, fc kaun fuͤr mich ſelbſt anterkandeln. War⸗
um werde ich überall ausgeſchloſſen, in emeinen edge
nen Angelegenheiten gu umterhandein? Weine Feinde
werben mir beſſere Bedingungen einraͤumen, denn
meine Freunde. Wenigſtens werden ſir den Früedm
(deffen fie fo ſehr bebuͤrfen als ich) nicht zurlickweiſen
wegen eines Streits, der zwiſchen mir und dem Rs
nige von Sardinken Bleibt, Aber ein Seuͤckchen Lab
mehr ober weniger, oder uͤber die Auslegung eines
Vertrages. Wer ſagt Euch, daß Epamim fo ſehr
nah Parma und Piacenza trachtet? eß wlurde lieber
Savoyen nehmen. Belt mich im Itallen wie ich
vor dem Kolege ſtand, and ich will ben Infanten
verſorgen; ber Sum Koͤnig von Sardinien muß %s
les erhalten, ohne an mich zu denken und fuͤr mich
zu foogen. Der Wettrag zu Worms ward nicht fir
mich, fonbem 608 für ihr geſchloſſen. Guter Got,
wie bin Ich um "Eurem Hofe behandelt worden! —
Da iſt außerdem Eu König von. Preußen. Wahr
lich alle diefe Umftände zufammen, reißen zu viel alte
Wunden auf, und weronlaffen neue Wunden,
Bereitß einem Tag vor Abfaſſung dieſes Verichts
(den often April) waren in Aachen die Üxiebenepris
1798, England und Preußen 227
liminarien zwiſchen Frankreich, England und Holland
abgefchloffen worbenz an demfetben Tage aber (den
aftın Dai) Hatte der engltſche Bochſchafter Pegge
feine erſte Audienz bei Friedrich II*), über welche,
md über eine zweite vom 1itm Mai, er Folgendes
berichtet. Der König druͤckte feine Theilnahme aus fe
ben Koͤnig von England, und wuͤnſchte eine herzliche
Vereinigung. Friedrichs Herz iſt noch deutſch,
ungeachtet der franzdfifhen Verzierungen,
welche auf ber Oberftaͤche erfeinen?).
Dee König fagte (den Alten Mal): aus den von
nie mitgethellten Papieren habe er mit großer Theil⸗
nahme geleſen, wie freundliche Geſfinnungen der Koͤ⸗
nig von England gegen Hy hege. Friedrich leugnete
(utterly diselaimod) alle Verbindung mit Franukreich,
ſowie den Wunſch ‚Binftiger Einigung, und fügte
fiarte Gruͤnde für dieſe Meinung hinzu. So fagte
er 3. B. Frankreich fen zu entfernt, ihm in ge
faͤhrlichen Augenbliden raſch betzuſtehen; Niemand '
siehe auf die Dauer Vortheil -von einem Bunde
mit biefer Mache; er kenne zu gut die Weiſe des
1) Beichsarchio, Preußen, Band 67. .
2) The Kings heart is still german, notwithstan-
ding the french embroideries which appear upon the
surface. Legge erkannte Friebrichs Natur richtiger, als
der befangene Hyndford.
228 ‚wa ngigfter ——— 1748.
feanzöftichen Hofes, welcher an ſeine Verbuͤndeten ſtets
die. groͤßten Forderungen mache, und überhaupt: ein
Verbündeter der Sranzofen zu feyn, heiße
ihr Stlave feyn!),
‚ Umgekehrt, wären .die Seemaͤchte in einer Lage,
daß ſie ihm beiſtehen koͤnnten; vor Allem. aber wuͤr⸗
den die weſentlichen Grundlagen gleichen Jutereſſes,
ſowie die ſtarken Bande der Religion, der Staats⸗
kiugheit (poliey) und des Blutes, einen Bund (ins⸗
beſondere mit England) feſt und zuverlaͤſſig machen.
Obgleich alſo Umſtaͤnde ihn zufaͤllig zu
Frankreich hingeführt haͤtten, wiſſe er doch
wo die wahren und weſentlichen Interef:
fen feines Reiches laͤgen. Sobald ein allgemei⸗
ner, Srieden gefchloffen fey,. wodurch alle feine Wer
pflihtungen gegen Frankreich völlig ein Ende. nähmen,
fey er bereit in das engfle und eifrigſte Buͤndniß mit
ben Seemächten zu. treten, fir bie künftige Sicherung
ber Zreiheiten Europas.
. Hierauf gab mir der König die Hand, und wuͤnſcht
daß ich mir Vollmacht und Anweiſung erbitten ſollte,
zum Entwerfen eines Vertheidigungsbuͤndniſſes mit
England, ſobald der allgemeine Friede geſchloſſen ſey. —
Den Gedanken, daß er jetzt etwas fuͤr England thun
D To be the ally of France, was in effect to be
‘her slave. _
1788. Engtifhe Staatstunf. 299
und aus ber firengen Partellofigkeit heraustreten follte,
lehnte. der - König ab und fagte: Frankreich hat kein
Mittel unverfucht gelafien, mich für feine Zwecke in
Bewegung zu fegen, was ich. aber beharrlich abge:
lehnt habe und: ablehnen werte. Denn ob ich gleich
keinen. Grund habe, in jeglichem mit dem Benehmen
des Hofes von Verſailles gegen mich zufeieben . zu
feyn, fo habe ich ihm doch folche Verpflichtungen . und
in. ſchwieriger Lage dorther ſolchen Beiſtand erhalten,
daß es fuͤr mich eine Ehrenſache iſt, nicht wider den⸗
ſelben aufzutreten. Fuͤr einzelne Punkte koͤnnte ich
mich indeß verwenden und die Vermittelung uͤber⸗
nehmen. | u
Legge rieth: England möge den. Augenblid raſch
benutzen, bevor ‚Stankreich ben :König gewinne. Nun:
aber trat der ‚Friede dazmwifchen, wo :ihm.. Schlefieg
verbirgt ward. Er hielt ſich deshalb ruhig und wollte
ſich nicht uͤbereilt die Hände binden. Auch kam es
zu Streitigkeiten mit England über Handelsangele⸗
genheiten und ſchleſiſche Schulden, ſo daß erſt im:
Sahre 1756 eine neue fortlaufende diplomatiſche Ver⸗
bindung zwiſchen England und Preußen wieder beginnt).
1) Bon 1748 his 1756 finden ſich im britiſchen Reichs⸗
archive Keine Berichte aus Berlin, einzelne anderwaͤrts un«
tergeſteckte und unbebeutende Nachrichten ausgenommen.
Legge ward fchon im November 1748 abgerufen; Williams
230 | Zwanzigſter Abſchnitt. | 1788.
Ich kehre jedoch zu ben Verhandlungen zuiiden
England und Ofterreich zuruͤck. In einem Gched:
ben vom 16ten Julins 1748 an Robinſen)) ver
theidigt ber Herzog von Neweagſtle die engliſche Staatl
kunſt gegen die Vorwuͤrfe bee Maria Therefia mb
ſagt unter Anderem: wir haben für Sardinien un
Preußen nur in fo weit geſptochen, als Recht ober
Noth es erzwang. Jetzt mac Heiland in foscher Ve⸗
draͤngniß, daß man es nur durch Annahme ber Frie
denepraͤliminarien retten konnte.
Ich hoͤre: ber Miniſter Kaunitz hat geſprechs
von dem Richtdaſeyn (monexistenee) des Bar:
rierevertrages. Sie müffen hierüber ſehr mil
mit dee Kaiſerinn Koniginn und dem Minifter reden.
Wenn biefe Schlußfolge Pas greift, fo moͤgen Cie
bedenken, wohin dies zuletzt führen wird: naͤrlich ja
nichts Geringerem, als zur Auflöfung des gar
- zen Bünbniffes Deshalb moͤge Üfteronich am
England und Holland erklaͤren: ber Barrierenerting In
vorhanden, und man wolle dem Inhalte amd ben De
dingungen nachleden.
Der König von Preußen (führt Newcaſtle fu)
war (laut preußiſchen Notizen) vom Julius 1250 Bis Ja⸗
nuar 1751 (wahrfdeintich von Dresden aus), auch für Ber
lin thätig; MitcheU langte daſelbſt erſt im April 1756 an.
1) Sfterueilg, Bank 194.
—X Unterfandlungen in Wien. 233
sab feine Meigung zu ewleunen, in bad engſte Bünde
niß mit ben Seemaͤchten zu tretm. Hierauf warb
ihn geſagt: er werde die Vortheile uud die Moth:
wendigßeie tinfehen, ſich auch mit den übrigen
Werbiandeten deſſelben zu vereinigen. Der Koͤ⸗
zig nom Englaud fen feſt entſchloſſen das alte Sy⸗
kam. aufrecht zu halteün, und wenn der König vor
Preußen hiezju mitmiskt, wied er au ſeinen Vor⸗
tell dabei Finden. |
Englands Intereffe Heide, Bſternich zu ſtuͤtzen.
Wenn aber die Höfe vom Berlin umb Wien nicht in
Ireumhfcheft lebten, wuͤrde der König von Eagland
in die größten Schwierigkeiten gerathen. Friedeich U
habe mehr gewonnen als irgend ein Fuͤrſt in Europe,
und jenes Benehmen wuͤrde feine Erwerbungen am
beſtan ſicheen. Üenm er ferner die Bekraͤftigung der
Abtretungen von Mania Thexeſia und die Bärgichaft
der Übrigen Mächte erwartet; fo erfcheint es nice
mehr als billig, daß er die pragmatifdre Sanktion in
voller Ausdehmung (und nur mit Auonahme der flatt:
gefundenen Ahtretungen) feinerfeitä verbuͤrgt. |
Dee König von Preußen will. feine Buͤrgſchaft
nur auf bie deutſchen Beſitzungen Maria Therefias
und auf Ale Mieberlonde beſchraͤnken; doch hat er
ausadruͤcklich gſagt: er wolle ihre Beßtungen wider
franzoͤſiſche Angriffe vertheidigen. — Der Haupt⸗
punkt iſt: die Aufächtigkeit des Koͤnigs zu erpro⸗
282 | Zwanzigſter Abſchaitt. m.
ben, und weber zu leichtglaͤubig noch zu nachlaͤſſtg zu
Jehn Tage ſpaͤter (dem Wſten Julius 1748),
ſchreibt Lord’: Merocaftle an Lord Sandwich nach Hel⸗
‚ land '). Sie kennen bie Abneigung der Czarinn Ei
fabeth gegen. Alles was den König von‘ Preußen be
trifft, und : wie. außerordentlich beleidigt Fe
war, daß man ben: Punkt über die Verbürgung vom
Schlefien und Glatz in die Friebensprätininarien auf
genommen hatte. Ladet man den König von Praw
Ben ein beizutreten, die Czarinn daber nicht, fo wich
fie nicht allein ſich zurädziehen: (fly: dut) ſondern af
ihren Einfluß (dev. fehr groß ift) in Wien anmenden,
unfern. weiteren - an ai in da
Meg zu legen.
Herr Legge kam legten Mittwoch aus Varin hir
an. Es thut.mir Leid fagen zu muͤſſen, daß er keine
genuͤgende Auskunft bringt Aber die gegenwaͤrtige
Richtung des Königs von Preußen, keine deutliche
Erklaͤrung feiner. Abfichten. : Im Gegentheil als Her
Legge ihm. die: Vortheile entrideste, wenn. exı.fih
nicht blos mit den Seemaͤchten, ſondern . auch mit
deren Verbündeten einige; n antroortete Friedrich
in: allgemeinen . Ausdrüden: ſey ein neun
Punkt, — verdiene — * zu werben:
- 1) Reictackie, vouam, Band ZU.
1118. Rewcaftte über Preußen u. Dfterreih. 233
Indeſſen hätt e8 Gere Legge gar nicht für unmöglich
den König hiefuͤr zu gewinnen; boch zeigte er bei der
legten Audienz cher ben Wunſch das Geſpraͤch zu
endigen, als ‚deutlich . feine Abfichten darzulegen, ober
irgend heſtimmte Verſchlaͤge zu machen.
Herr Legge iſt deſſenungeqchtet ber Meinung:
nichts. fe fo gerecht oder fo. geeignet um bes Könige
wahre Abfichten zu entdecken und quf die einzig möge
lihe Weife eine Bereinigung ‚herbeizuführen, als wenn
man in den Hauptfrieden einen allgemeinen Artikel
aufnehme, woraus ber König erfehe unter welchen
Bedingungen er durch den Vertrag Vortheil zu ziehen
und die Buͤrgſchaft der Mächte für Schiefien und
Glatz erhalten könne. Das heißt: ſofern er gegenfeis
tig das verbürgt, was zum Beſten ber abſchließenden
Mächte feftgefegt ifl., Herr Legge glaubt, der König
werde zulegt dies nicht verweigern. Und in ber That,
wenn er es thäte, fo würde dies ein ſtarkes Anzeichen
feyn: daß alle feine Anerbietungen nur die Trennung
der Seemaͤchte von ihren uͤbrigen Verbuͤndeten bezwe⸗
cken, um ſich an die Stelle der letzten zu bringen. —
Die Buͤrgſchaft der Maͤchte fuͤr Schleſien und Glatz
verſteht ſich Übrigens auch nur unter ber Bedingung '),
dag der König von Preußen feiner Pflicht gegen Ma-
1) Ebendaſ., Band 222, Gchreiben vom Sten Oktober.
Zu 3wanzigfter Abſchnitt. 1348,
ria Thereſia in Bezug auf die ſchleſiſchen Anlehen
nachkomme.
Noch immer zoͤgerte ſterreich (gegen den Wunſch
Englands) mit dem Abſchluſſe des Friedens). Su
einen Schreiben Newcaſtles am Keith‘ in Wien kagt
jener Über die Verdrießlichkeit, Unzufkiebenhete und
üble Laune des wiener Hofes. Deshalb ſuchte und
erhielt Keith eine Audlenz über weile er am 27ſtin
September Bericht erſtattet. Der Kaifer (fchreibt e)
fagte mie: Remand kann behaupten, daB wie umfer
‚ Berpflichtangen gegen England nicht treulich erfüht
Hätten. Ich betrachte England und ſterreich al
miteinander verheitathet, deshalb find ihre Intereſſa
unzertrennlich und ich thue mir etwas bavauf zu
Gute ein ächter Engländer zu feyn?). Ä
Die Kalferinn fühlte fi) welt mehr verlegt als
der Kaifer, fie wich jedee Audienz und jedem Ge
fpräche mit Keith aus, und man hielt England in
Wien noch immer für parteilſch, jegt insbeſondere für
den König von Sardinien.
Dennoch kam den 18ten Oktober 1748 der
HReichsarchiv, Oſterreich, Band 178. Wertäht Keuhe
vom 15ten September 1748.
2) He piqued himself to be very national with re-
speot to Eingland.
N
10881 Friede von Lachen. 235
Friebe von:Kachen zu Stande, und Mewcaflie
ſchrieb dem Hten. Deremaber an Keith: man muß alle
wur. mbglche Mittel anwenden um ben wiener ‚Hef
von ſeiner ungerechten Eiferſucht und grumblofeee Arge
weh zu ‚heilen, und ihn dahin zu bringen von feis
wen baſſen Froumden und Bundesgenoffen angemeſſen
zu denken.
In einem Bexichte vom naͤchſten Tage (74en
December) meldet Keith: der preußiſche Miniſter in
Win, Herr von Pedewils, bat ſich an mich ge⸗
wandt um ein gutes Verſtaͤndniß zwiſchen ſeinernn wsib
dem hieſegen Hofe gu befoͤrdern, und dies um fo
mehr. da et in biefer Beziehung von König Friedrichs
ferundfchaftlihen. Geſiunungen fehr wohl unterrichtet
fen. No in der Abſchiedsaudienz babe ſich dieſer
ſtark wud Par. darüber ausgefpsochen, und nach dee
Aufnahme, webche er hier Bei den Miniſtern finde,
babe er Geund zu glauben daß fie glnflig, und ge⸗
gewiß beſſer geſimt wären, denn je zuvor.
Hlerauf Antworter Newcaſtle ben WMſten Decem
ber: äch -bin "erfreut über Stimmung und Benehmen
des ‚molöner. Hafes. . Die Erklärung des Deren von
Podewild über König Friedrichs freukbfchafetiche Ge⸗
fanung verdankt man ohne Zweifel ber Feſtigkeit des
Königs won England. Einerſeits naͤmlich hielt u
feft an feinen alten Verbündeten und wies des Koͤ⸗
nigs unvernünftige und verfängliche Forderungen zu:
236 Zwanzigſter Abſchnitt. u,
ruͤck); andererſeits gab er bem legten. keine VWeraulaß
fung - über Laͤſſigkeit in. Erfuͤllung der: uͤbernommenen
Berpflihtungen zu. Hagen; voraudgefegt, daß beu Ki
nig wit gleicher: Genauigkeit feinen : Verpflichtungen
gegen England und befien Werbindete nachkommt.
Ein gleich feſtes und kluges Benehmen, gegem. den
König von Preußen, wird das befte Mittel feyn ihn
von allen Mafregeln abzuhalten, welche bie oͤffentliche
Ruhe fldren könnten.
Es iſt ſehr zu bedauern, daß die gefanbefäjafttichen
‚Berichte. ſich felten über ‚die ‚inneren Verhaͤltniſſe der
Staaten verbreiten; und. daß, wenn es einmal. aus
nahmsweiſe geſchieht, die Wahrheit des Mitgecheilten
eine doppelt forgfältige Prüfung erfordert. Insbefon-
dere ſind jene. Berichte. während . ber... Sriebensjahre
meist mit Dingen angefülle, welche im Ablaufe ber
Beit alle Bebeutung: verlieren, und nur das was auf
größere. Exreigniffe hinweiſet und fie vorbereitet, ver:
dient eine Erwaͤhnung. Bevor ich dies. für den Zeit:
raum vom aachener Frieden bis um Ausbruche des
fiebenjährigen Krieges außzumählen.. verfuche, Hlelbt
nur noch Einiges nachzuholen, über Maria Therefia
und Friedrich U.
: Sa Srühlinge des Jahres 1745 warb den Ju⸗
den befohlen, die oͤſterreichiſchen Staaten binnen
1) Sie find nicht näher bezeichnet.
Ins: Juden u. Proteſtanten in Sſterreich. 2M
feche Monaten zu verlafim. Ale Vorftellungen. bee
Miniſter: (ſchreibt der engliſche Gefanbte) *) blieben
vergebens und Maria Thereſia antwortete: ſie werde
annehmen ihre Verwendung entſtehe aus Eigennutz
und für jüdifches Geld. Gleich vergeblich waren bie
Bemühungen des Großherzogs und: des Prinzen Karl.
Man kann dieſes fonderbare Verfahren kaum andere
erflären, als aus einem übersilten Gelübbe;- ober we⸗
nigſtens aus einem unbezoinglichen von früherer Er:
ziehung. herrührenden Vorurtheile. Der. Röniginn Wis
derwille beim Anblid. eines Juden ift fo groß, daß
fie ihn nicht verbergen konnte, al& fie in Preßburg
von der Stadt nad) ihrem Patafte durch eine Straße
fahren. mußte, welche mit jenem Volke angefüllt wer.
Eben fo verbot fie in Prag, daß ein Jude in den
Bezirk ihres Palafted komme. Gleichwie England,
verwandte fich. ber. KRurfürft von Mainz: ber König
von. Polen und andere. Sürften, ja. ſogar ber Papft
für. bie Juden. — Eine ähnliche: Zürfprache : legte
England :zum a der in Ungern verfolgten . Pro:
teftanten ein ?).
Ahnliche Rügen tonnten bei Beiebeig I nicht
1) Reichsarchiv, Bfereih, Band 161, Bei vom
Aſten März.
2) Ebendaſ., Band 168. Sqhrrelben Barringtons vom
16ten ——— 1746. J |
338 Bwanzigfter Abſchnitt. 128.
eintreten. Deſto genauer beaufſichtigte man feld
Lebensweiſe, und deſto argwoͤhniſcher war man übe
feine. Rechtglaͤubigkeit. Am 12tn Januar 1745
ſchreibt ber engliſche Bevollmaͤchtigte Laurence ans
Berkin '): der Koͤnig hat am bien bei dem Grafen
Rotheunburg mit ber Taͤnzerinn Barbarini und ei:
gen andern Perfonen diefer Art (de cette sondium)
zu Abend, gegefin. Ex affektirt Heiterkeit und. Au:
friodenheit und thut Nichte als fingen und Lachen;
diejenigen, welche genoͤthigt ſind, ihn allein (dam
son particuher) zu ſehen, koͤnnen ſich dagegen nicht
genug fiber feine äbele Laune: beklagen. Ex weiß jet
nicht was er thun amd wie er ſich aus ber boͤſen
Lage herauszichen foll, im vosiche er füch gebracht hat,
— Der Graf Rothenburg wird bier sen Allen toͤdt
(ih gehaßt?); dech bleibt er feines Herrn Liebling
sub Spion. — Man fagt daß die Barbarinf, weiche
ben Koͤnig gefangen bat, nicht allen don Neuem anf
drei Fahre angenommen ift, fandeen auch die Grlaub⸗
niß erhalten kat nach Italien zu seien’. — Roh
immer (Bericht vom 22ften Sanur 1746) iſt
1) Preußen, Band 64. u
®) Ebenbaſ., Bericht vom Z6ften Januar.
5) Bericht vom Iten März. Wenn bie Barbarini Gr
laubniß erhielt nach Bkaklen zu reiſen, hatte es mit der
Gefangenſchaft des Könige nicht viel auf ſich
!
1788, 47. . Friedrach il. 3%
Rothenburg ein Guͤnſtling des Könige, und fleis bei
dem gegenwärtig was bie Franzoſen parties fines
nennen. Dazu gehoͤren bie Taͤngerian Barba⸗
rini, Madam Brand, und die verwittwete Graͤfinn
Truchſeß ).
Des Koͤnigs Geſundheit hielt man fuͤr ſchwach
und weiſſagte ihm einen frühen Tod. In Berichten
aus dem Februar 1747 heißt es z. B.: er bat oft
Kolik, Anfälle von Steinfhmerzen, Verbärtungen in
der Leber, zweimal einen Anfall von Schlagfluß ?).
Er fpielt Flöte gegen den Rath feiner Ärzte, trinkt
fleißig Champagner, und trägt Feine Sorge für feine
Geſundheit. Sollte er bald fterben, fo würde die
gute Sache (the common cause) gewinnen; denn der
Kronprinz haft die Franzoſen toͤdtlich.
| 1) Preußen, Band 66.
Berichte vom Iften, Ziften u. eoſten gebruar.
240 Sinundzwanzigfler. Abſchnitt. 1748.
Einundzwanzigfter Abſchnitt.
Es iſt in den mitgetheilten Berichten oͤfter davon
die Rede, daß ein ſchleuniger Abſchluß des Friedens
für die vereinigten Niederlande ſchlechterdings noth
wendig geweſen ſey. Die folgenden Nachrichten be
weifen die Wahrheit diefer Behauptung. Drüdende
Steuern und Anmaßung der, meiſt gefchloffenen Art:
ſtokratien in ben Städten, erzeugtem die größte Unjr⸗
feiedenheit befonders im gemeinen Volke. Es hof
durch Verſtaͤrkung der Macht des Statthalters zu
gewinnen, und die Freunde des legten verfchmähten
wohl ein Buͤndniß mit den Unzufriedenen zu wenig;
oder hofften doc aus .den Unruhen zuletzt den beſten
Vortheil zu ziehen.
Den 22ften März 1748 ſchreibt ber engliſche
Bevollmaͤchtigte Dayrolly): An dem Tage wo man
in Sröningen die Nachricht erhielt, die Statthak
terinn habe einen Prinzen geboren, wollte der Me
giffrat unter diefem oder jenem. Borwande nicht leis
den, daß die Fahnen ausgebreitet und die Glocken
“ geläutet würden. Hieruͤber gerieth ber Poͤbel in folde
Wuth, daß er das Haus des erſten Buͤrgermeiſters
1) Holland, Band 282,
1238, - Unruhen in Holland. 241.
plünderte und Alles zerſtoͤrte was er antraf.. Im
Begriff daſſelbe bei einigen Anderem zu fhun, watb
die Dienge benachrichtigt: es haben: füch bie Magiſtrats
perfonen eiligſt im Rathhauſe verfammelt ımb ber
obwaltenden Stimmung halber einflimmis beſchlofſen,
die Erbfolge hinſichtlich der Statthalterſchaft eben fo
wie im Holland einzurichten. — Groͤningen will jedoch
(Bericht vom 26ſten Maͤrz) die Crbfolge nur für
männliche Erben bewilligen und die Befegung der
Ämter behalten.
In der Gegend von Gröningen (Bericht vom
19ten April) wurden mehrere Bauern fo meutetiſch,
dag die Stände zu deren Zerſtreuung eine Abtheilung
Reiterei binfandten. Allein biefe Unternehmung war
ungluͤcklich, da bie Bauern Mittel fanden die Nester
‚u entwoffnen, wodurch ihre Unverſchaͤmtheit fehr ges
wachfen if. — In Groͤningen trug der Buͤrgermei⸗
fier Here Giersma darauf an, baf ihm der im legten
Aufruhr zugefügte Schaden erſetzt werde. Obgleich
ihm die Stände dies Geſuch mit der geringen Mehr:
heit von drei. Stimmen abfchlugen, zog der Pöbel,
ald er hievon Kunde erhielt, nach des Buͤrgermei⸗
ſters Landhaus und beging dafelbft jede Act von Un:
gebühr.
Der Prinz von Dranien (Bericht vom Aten Ju⸗
nius) will in Groͤningen die Ordnung herſtellen,
wird nun aber auch in Frieskand zur thun bekom⸗
L. 11
—n--),0 0
und — —
242 Sinundzwanzigfter Abfhnitt. I.
men. Die Bauern verfchiedener Bezirke find bafılfl
meuterifch verfammelt und bedrohen ihre Obrigkeiten
mit dem Außerfien, wenn fie nicht dem Stattheite
diefelben Vorrechte und biefelbe Macht bewilligen,
welche ihm die ſechs anderen Landſchaften einraͤumten.
Die Stände von Friesland haben den Prinzen von
Oranien um: regelmäßige Soldaten gebeten, damit ft
in den Stand geſetzt würden, bie Aufruͤhrer zu jr
ſtreuen und. ſich gegen die Zügellofigkeiten des Bo
zu vertheidigen. :
Die friesländifchen Bauen (Bericht vom dm
Funius) haben große . Gemwaltthätigkeiten begangm.
Ale den Steuerpaͤchtern zugehörige Häufer find ge
plündert und niedergeriffen worden. Auch die Haufe
mancher Grietmaͤnner!), oder ſolcher Perfonen, wi
che man einer Regierungsveränderung für abgeneigt
hält, wurden niedergebrannt. . Eine anfehnliche Zahl
Srietmänner verfammelte fich ſeitdem und beratk
ſchlagte über die Erweiterung der Rechte und Er
rechte bes Statthalters. Se
Etwa 700 Bauern (Beriht vom 1iten .Yuntus)
aus all ben verfchiebenen Dörfern Frieslands begaben
fih nad Leumarben, und ſchickten acht Abgeordnete
an bie fo eben eröffnete Verſammlung der Ständ,
1) Grietmänner, Amtleute, Droften.
. X
1148, Un ruhen in Friesland u. Gröningen. 243
mit dem Gefuche, ihre: Beichwerben abzuflellen, und
mehre ihnen vorgelegten Anträge zu bewilligen. Die
wichtigften unter ben legten waren: die Ausdehnuug
des Erbrechts auf die weiblichen Nachkommen bes
Statthalters, die Verntehrung feiner Rechte, und die
Abſchaffing gewiſſer Steuern. Es war zu ſpaͤt als
da bie Stände hätten Widerfland Ieiften können, fie
waren vielmehr gezwungen verſchiedene beifällige Bes
ſchluͤſſe zu faflen und fogleich durch vier Abgeordnete
dem Prinzen von Oranien zu 'überfenden. — Auch in
Oberyſſel und Gröningen find Häufer von Steuer:
paͤchtern zerflört, und Forderungen über Abfchaffung
etlicher Steuern aufgeftellt worden.
Der Prinz von Dranien und bie Generalftaaten
(Bericht vom 14ten Sunius) haben aber erklärt:
man könne die Steuern nicht entbehren und fo kurz⸗
weg abfchaffen. Ale follten gefegliche Befchlüffe ab:
warten und bie Unruhſtifter beſtraft werden.
Unterdeß ift Friesland und Gröningen (Bericht
vom 18ten Junius) in völlige Anarchie gerathen.
Dort erzwangen die Bauern, daß zwölf ihrer Abge⸗
orbneten in die Verſammlung der Stände aufgenom:
men wurden, und dieferBorgang iſt auch anderwärts
nachgeahmt. — Im Haag hielten die Aufruͤhrer eine
Verſammlung umd wollten die Haͤuſer der Steuerpächter,
fowie bes Großpenſionairs und des Fiskals von We:
ſel ——— „ weil dieſe die Steuererhebung befoͤrdert
| 11* "
244 Ginundzwanzigfier Abſchmitt. 18.
hätten, um den Gewinn ber Erpteffungen mit im
Dächtern zu theilen. Bewaffnete Bürger hinderten
ec) die Ausftchrung diefer Plane. — Nice ſo leich
ward ein Aufruhr in Harlem befeitist, obgleich der
Prinz son Dranien den General Groveſtim Hisfchicte,
am bas Boll in’ feinem Namen zur Nahe zu er
mahnen. Trotz Groveftins Bemühungen wurden di
Pächterhäufer niedergeriffen, die vollen Gelbfäde in
den Kanal geworfen, bie Papiere verbrannt um
manche andere Ausfchweifungen begangen, wobei einge
aus dem Volle ums Leber kamen. Die Aufekhe
zerſtreuten fi erſt, ala die Obrigkeiten die einſtwei⸗
lige Aufhebung der Steuern bewilligten und verſpi
den, ber Prinz von Oranien werde ihre Veſchwerden
pruͤfen und abzuſtellen fuchen — Sobaid die Mr
giftratäperfonen des Volkes üble Abſichten erkannten
verſammelten ſich die Buͤrger und fragten: ob die
entſchloſſen waͤren fie gegen. bie Unbilden des Pöbes
zu fchügen? Die Bürger antworten ja, fofern von
ihren Perfonen und Guͤtern, aber vom Rachhault
die Mede fen; wogegen fie fi in Nichts milden
koͤnnten mas bie Steuerpächter betreffe.
Am 17ten. Junius wurben auch Haͤufer in 2er
den von Pöbel niedergeriſſen). — Ale biefe Um
)) Teichsarchiv, Frankreich, Band 86. Wolters Be
richt vom Löten und Zdflen Junius 1748.
1748. Anruhen im Haag. 245
hen verſetzen ben Prinzen von Oranien in die Noth⸗
wendigkeit, entweder zu thun was das Volk will,
oder daſſelbe nach denn Inhalte der erlaſſenen Verfü—
gungen ſſtreng zu beſtrafen; deren aber bereits To viele
erfchienen find, daß man nicht mehr barauf achtet.
Auch waren etliche ungeſchickt abgefaßt. Viele find
erzuͤrnt, dag ſeit 1679 Nichts zur Beſſerung ber Fi⸗
nanzen geihah; wenn aber die Steuern jest nicht
puͤnklich gezahlt werden, muͤſſen die Pächter natürlich
Abzüge machen. Mit Recht tadelt man bie Aus:
fchweifungen des Volks; wohl aber hätte man Maaß⸗
regeln zur Abftellımg der ohne Zweifel vorhandenen
Mißbraͤuche ergveifen ſollen. Thun die Obrigkeiten
Nichts, ſo will man den Prinzen zum Grafen von
Holland erheben; thut auch er alsdann Nichts, fo soil
man ihn fo fitrtzen, wie man ihn zuvor erhoben hat.
Vorigen Dienflag verfammeltn fi) im Daag
die Meuterer in größerer Zahl denn zuvor, erſtuͤrmten
‚alle von den Bürgern befegten Zugänge und plün-
derten das Haus des erſten Steuerpächters rein aus").
Man fandte Hierauf andere Abtheilungen der Bürger
gegen ben Pöbel, mir dem. Befehl zu feuern, wenn
er fich nicht zerſtreuen wolle, Es blieb kein anderes,
als dies — Mittel übrig, da die Anfrührer mit
1) Holland, Band — =. Dayroliys vom 2öften
Zunius.
—
246 : Einundzwanzigſter Abſchnitt 198 |
Steinen und einige felbft mit Feuergewehren beweff:
net und entfchloffen waren ihre Abfichten um jebm
. Preis durchzufegen. Deshalb griffen jene die Bürger
- an, welche ſich aud) nach einmaligem Losfchießen, auf di
Stucht begaben'). Unglüdlicherweife war bas Feun
nicht gegen die Meuterer, fondern gegen einen Hau
fen unfchuldigen Volkes gerichtet, welches nur au
Meugier ‚herbeigelommen war. Durch biefen Zufal
wurden fieben oder acht Perſonen getödtet und 25 Di
30 verwundet. Sobald man gewährte, daß der M.
bel über die Bürger obgefiegt hatte, trug man eine
Abtheilung der Scjweizerwache auf, die. Ordnung be:
zuftellen. Kaum. erfchien diefe, fo lief. der Janhage
eitigft davon. Als aber am naͤchſten Morgen bekannt
ward: die Wache habe keinen Befehl zum Schiren
gehabt, verfammelte fich ber Pöbel von Neuem, un
feine Wuth an den Häufern aller übrigen Steuer:
pächter auszulafien. Der Magiſtrat forderte hiernaͤch
die Dfficiere der Buͤrgerwehr auf ihre Schuldigkeit j
thun und all den Unordnungen ein Ende zu machen;
‚aber fie antworteten: ihre Leute wären entfchloffen fd
nicht mehr mit der Sache zu befafien, fo lange ft
bloß die Steuerpächter heträfe. Doc wollten Ju
Sorge tragen, daß keinem Anderen Leids gefchehe.—
Hiedurch erhielt der Pöbel freie Hand zu thun m‘
1) Took to their heels, .
1748. > Unruhen im Haag. 247
ihm gefiel, pluͤnderte den ganzen Tag hindurch die
Paͤchterhaͤuſer und that ungeftört fo viel Übles als
möglich. Doch fiel -feine Wuth allein auf jene Päd
tee. — Alle wurden deshalb: auf eine nothwenbige
Verftärtung der Gewalt des Prinzen von Dranien
bingedrängt, und bie abgeneigten Stände mußten
hiezu die Hand bieten. .
Ein zweiter Bericht Keiths von bemfelben Tage
(den 22ſten Zunius) ') über die Unruhen im Haag,
vervolfftändigt jene Angaben Dayrollys. Die Aufrüb-
rer fandten eine Botſchaft an Lady Stuart, welche
in dem Haufe eines Steuerpächtere wohnte, und ba>
ten fie unverzüglih mit allen ihren Gütern auszu:
ziehen , weil man befchlofjen habe das Haus nieberzu⸗
reißen. Das legte gefchah, fobald Lady Stuart jemer
Forderung nadigelommen war. Deſſelben Tages ga:
ben fie einem Steuerpächter eine Sicherheitswache,
welcher fo glüdlich war bei ihnen: in Gunſt zu ſtehen.
Während der ganzen Zeit flürmten fie ‚blos Haͤuſer
ber Pächter, Donnerstags aber fingen fie an aud)
andere. Perfonen zu ‚bedrohen, welche mit jenen ver
wandt oder befreundet find.
Es wurden Feine ernſte Maaßregeln zum Schuge
der Rechte der obrigkeitlichen Perfonen ergriffen, und
daß der Pöbel ſich feit geftern Nachmittag ruhig ver:
1) Holland, Band 283, | 2
248 Einundzwanzigfter Abſchnitt. 238,
hält, ſcheint mir mehr daher zu richren, daß er der
Sache uͤberdruͤßig, als weil man feine Unverfpänt
heit: zu bändigen entfihlofien if. Denn dies win
fehr leicht gewefen, da die. Meuserer meift aus Wei
been und Kindern beflanden; fo daß 100 Mann
segelmäßiger, angemefjen geführter Soldaten, im Stande
geweſen wären jeden Augenblid dem Aufruhr eins
Ende zu machen. Zum Ungluͤck ſah ſich aber de
Prinz von Dranien- duch Krankheit ‚gehindert thätig
zu ſeyn, und bei Zeiten das Übel ‘zu hemmen.
Dee Peinz fchlug den Ständen von Holland die
Abſchaffung der Steuerpächte, beſonders hinſichtlich
der Verzehrungsſteuern ver’). Alle Staͤdte willigtm
ein, blos mit Ausnahme von Amſterdam. Audi
noch nicht befchloffen, role man den entſtehenden Aak
fal an Emnahmen decken wolle. Zu gleicher Zei
‚hat der Peinz Änderungen bei Befegung der Ämter
und Benusung der Poſteinnahmen vorgefchlagen, m
zeither große Papteilichkeiten und Monopole flart für
den. Ämter find, dem :Eide zuwider, verbauft worden,
es giebt keine Controle gegen die oligarchiſchen Be
gifteäte. und den nachtheiligen Einfluß der Familien.
Ward do ein neumjähriges Mädchen zur Stadt
ü R z " s A
1) Bericht Wolters vom 28ſten Junius. Frankreiqh
Band 96.
1786. - Unruben in Amfterbam. 248
hebamme emannt, und ae Beifpiele ließen fich
in Denge anführen.
Su Amftlerdam war zeither Alles ruhig, und
man hoffte, die neuen Verfuͤgungen ber Regierung
über die Änderungen beim Steuerweſen würden bin
reihend beruhigen ). Aber vorigen Montag Abend
begann ein fo heftiger Aufftand, daß an 20 Pächter:
häufer zerſtoͤrt wurden; ja das eine dem Rathhauſe
gegenuͤber und vor ben Augen des verſammelten Ma:
giſtrats. — Es kam endlich zum Zeuern, wobei etwa
zwölf Perfonen erfcyoffen wurden. Die Bürger find
jedoch fo erzuͤrnt auf die Pächter, tole der Pöbel. In
der Angft und auf ben Vorſchlag des Prinzen von
Dranien, ward nun auch für Amfterdam eine Ver
änderung, des Pachtſyſtems und eine Verminderung der
Steuern befchloffen. Ähnlichesg eſchah in Ut recht um
Gewaltthaten zu vermeiden.
Spaͤter zeigte man neben dieſer Nachgiebigkeit,
doch auch Ernſt?). In Amſterdam warb ein Maun
und eine Frau, welche an der Spitze der Aufruͤhrer
ſtanden, zum Hängen verurtheilt. Der Poͤbel machte
Verfuche fie zu befreien, und die von den Bürgern
befegten Zugänge zu erftürmen. Endlich feuerten
1) Bericht Dayrollys vom 29ften Junius. Holland,
Band 232,
2) Bericht beffelben vom 2ten Iulius.
u 141**
250 Einundzwanzigſter Abſchnitt. 118.
diefe, wodurch zwiſchen 20 und 30 verwundet und
. getödtet. wurden. Die hiedurch veranlaßte Verwir
rung war aber fo uͤbergroß, daß: eine beträchtliche Zahl
Zuſchauer in die benachbarten Kandle gebrängt wur:
den, wo (mie man fagt) an 40 Perfonen ertrantın;
diejenigen . ungerechnet, welche erdruͤckt und todt gr:
treten wurden, — Geftern ward ein anderer, Raͤdels⸗
führer, - unter ſtarker Bedeckung und ohne Störung,
aufgehangen. — Die Finanzverwirrungen ſteigen,
dba es bis jetzt an Mitteln fehlt, die Ausfälle zu er
fegen. — Unter den alten Magiſtraͤten ſind die mei:
fien dem Prinzen von Oranien abgeneigt ').., — De
Magiftrat von Amfterdam fucht fein gutes Recht zu
erweiſen?). (Es war jedoch » damals nicht fomohl
vom buchftäblichen Rechte, als von zweckmaͤßiger An:
wendung befielben die Rede.)
In Friesland geht das Volk’), das fich in die
Regierung eingedrängt hat, fo mild vorwärts, daf ei
mehr Folge des Wahnfinns, als der Neigung zu
ſeyn fcheint, Übelftände -in folhem Wege abzufchaffen.
Die 72 Punkte zu deren Bewilligung fie die Stände
1) Bericht vom 18ten Julius, Holland, Band 233.
2) Wolters Bericht vom. 23ften. Julius. Frankreich
Band 96.
3) Bericht vom IPften Julius. Holland, Band 23.
148. . Unrupenin Holland. 1
zwangen, haben fie jegt auf 160 echöht. Sie haben
fi) gleichfalls des "Pulvermagazins und des Zeughaus:
ſes in Leumarden bemädhtigt, und erklärt fie: würben
ihre Maaßregeln durchfegen und fih im Fall eines
gewaltfamen Angriffes aufs Äußerſte vertheidigen.
Nahe ſich Kriegsvolk, fo wollten fie ihre Deiche durch⸗
ſtechen undrlieber mit Weibern und Kindern zu
Grunde gehen, als fich ber. alten — wie⸗
der unterwerfen.
Letzten Donnerstag ſtiegen die Unruhen in Ley⸗
den nochmals zu folcher Höhet), daß ein Theil des
Poͤbels ſich nach dem Rathhauſe begab, neue Horde:
tungen machte, und. jeben Widerfpruc, mit dem Tode -
und dem Niederreißen der Häufer zu beflrafen drohte.
Dan hat Mannfhaft nad der Stadt gefhidt und
einige Mädelsführer gefangen gefest.
An vielen Orten verlangt man die Abfegung der
Stadtobrigkeiten 2). Diefe find ſchwach, zer und
durch Geldmangel bedrängt.
Der Prinz von Dranien erhielt von ben holländis
— —— —— — —
1) Bericht ‚Wolters vom 9ten Augufl. —
Band 96. R
2) Bericht Sanders vom Alten Auguſt. Holland; '-
Band 225, | ae! ie:
252 Einundzwanzigſter Abſchnitt. 18
Ichen Ständen ben Auftrag '), die Bürger und tm
Magiftrat in Amfterdam zu. verföhnen und bem legten,
nöthigen Falls, zu verändern. Er ward feierlich von
den Vürgern empfangen. Jene Stände beſchloſſen
‚ferner die alten Steuern zwar beizubehalten, fie abe
künftig durch Beamte erheben zu laſſen und gewiſſ
Befveiungen abzufchaffen?). Beither hatten die Pd
ter gewöhnlich die Glieder ber Magiſtraͤte fehr be
günftigt.
Manche Beſchluͤſſe der Stände von Fries land,
z. B. über die Vermehrung der Macht des Statthal:
ters”), genügten den Unzufriedenen nicht und.es km
zu neuen Sewaltthaten. So ward eines der angee
henſten Mitglieder‘ der Stände, Here Leeume von
Aduwart, als er aus feiner Kutfche flieg, nieberge
voorfen und faft todt getreten, bevor man ihm zu
Hülfe kommen Eonnte. Zuletzt mußte er fich übt
bie Dächer der Häufer vetten, um der Muth de
Poͤbels zu entgehen.
Der Prinz von Oranien hat in Amſterdam die
3) Bericht Wolters vom 28ſten Auguſt. Frankreih⸗
Band 96.
2) Berichte vom 2iften Junius und 26ften Augıf.
- Holland, Band 235.
8) Bericht vom 7ten September. Band 232
1118. - Unruhen in Holland. 253
Bürgermeifter und einen Theil bes Rathes verändert‘).
Seitdem fleigen aber die Forderungen über Entfernung
aller: alten Schöppen, Beſetzung der Kriegsſtellen u. ſ. w.
Der Prinz fuchte Alles billig auszugleichen, konnte
es aber Keinem recht machen. Gemmid, einer von
den Abgeordneten der Buͤrgerſchaft?), welcher die Ver:
aͤnderung der Obrigkeiten mit in Antrag gebracht und
either beim Wolke in großem Anfehen geftanden hatte,
berichtete ben Hten September Nachmittags in ber
Buͤrgerverſammlung: auf ben :Antıng daß ein ganz
vom Magiftrat abhängiger Kriegsrath gewählt werbe,
habe der- Statthalter keine beifällige Antwort gegeben.
Hierauf ward er und feine Freunde nicht allein in
Morten aufs Ärgſte behandelt, fondern fie geriethen
ſelbſt im Lebensgefahr. Des naͤchſten Tages lichen fie
deshalb eine Necktfertigung drucken: daß fie nie mit bem
Prinzen ober feinen Hofleuten irgend eine Berathung,
oder den Zweck gehabt hätten, bie Rechte der Stabt
und die Freiheiten ihree Mitbürger preis zu geben,
oder zu verlaufen.
Deffenungeadjtet wurden jene Bevollmächtigten
abgefegt und neue erwählt, welche fogleich zu dem
1) Bericht vom 10ten September. Band 232. -
T) Bericht Wolters vom 18ten September. Frankreich,
‘ Band 96.
254 Einundbgwanzigfter Abfhnitt. 178.
Prinzen gingen und wiederholt darauf anteugen: daß
ein lediglich-aus Bürgern beſtehender Kriegsrath ermählt
werde, welcher alle Dfficiere vom Faͤhnrich bis zum
Oberſten ernenne. Der Prinz fchlug dies Geſuch noch⸗
mals aus ben ſtaͤrkſten Gründen ab, und zeigte wie
haltungslos, geſetzwidrig und thöricht eine ſolche, von
ben Mayifträten ganz. unabhängige Behörde fen
"würde. — Diefe Antwort ward von ben verſammel⸗
ten Bürgern fehr übel aufgenommen, weshalb ſie dm
10ten ‚September- um. drei Uhr‘ Morgens in große
Zahl zur Wohnung des Prinzen zogen. Sie wur
vom Grafen Bentint und Anderen empfangen, mi
che ihnen unter Anderem vorftellten, es fey völlig
umpaffend den Prinzen. um: diefe Stunde mit dei
Anträgen zu beheiligen. Bergebens! der Prinz muft
drei von ihnen in feine Schlaflammer aufnehmen,
welche ihm ihre Forderung in viel flärkeren Ausıri:
den, ald das erflemal, vortrugen. Durch biefe un
vernünftige Halsſtarrigkeit ebenfalld aufgeregt, ant⸗
wortete der Prinz: er wolle lieber in biefem Augen
blick die Stadt verlaffen, als irgend etwas feinem
Gewiſſen zuwider bemwilligen. Hierauf gaben ihm die
Abgeordneten zu verftehen: die Bürgerfchaft werde ihn
nicht zur Stadt hinauslaffen, bevor Alles zu ihre
vollen Zufriebenheit eingerichtet ſey. 6000 wären
zur, Hand alle Ausgänge zu befegen.
—
1350. Unruhen in Amfterdbam u. Harlem. 255
Als ber Prinz‘ fah, daß es unmöglich war ben |
wahnfinnigen Pöbel im Zaum zu halten, bewilligte
er das Geſuch, und dem gemäß ward am naͤchſten
Morgen eine Bekanntmachung erlaffen. Hiemit war
- aber bie Ruhe nicht hergeftellt: es gab neue Mip-
verftändniffe und Korderungen, bis der Prinz den
größten Theil des Rathes neu wählen ließ und beftd-
tigte. Einige fagten, Alles gehe von den Feinden bes
Prinzen aus; Andere fagten, feine Freunde hätten es
eingeleitet, um die Sache aufs Äußerſte zu treiben
und gewiffe Zwecke ducchzufegen.
As fih in Harlem neue Spuren von Unruhen
zeigten, wurden 50 Dragoner dahin gefande'), welche
aber der Magiſtrat (aus melden Gründen es fer)
bald wieber fortfchidte. Unmittelbar darauf fegte ſich
der Pöbel in Bewegung, ſchloß die Thore, befeste
den Marktplag, belagerte die Obrigkeit im Rathhaufe:
und machte die übertriebenften Forderungen, welche in
der That auf Abfchaffung aller Abgaben hinausliefen.
Als der Prinz von dem Allem Nachricht erhielt,
ſchickte er den General Cornabi mit Mannfchaft nach⸗
Harlem, um ven Magiſtrat in Ausübung ſeiner
Pflichten zu unterflügen. Der General war genöthigt'
_— — — — —
1) Bericht vom 6ten Januar 1750 » Holland, Band
237, | |
\
256 Einundzwanzigſter Abfihnitt. 17%.
die‘ verfehloffenen Thore zu fprengen, wobei die Mu:
terer zuerſt einen Sergeanten tobt ſchoſſen, dann
aber aͤhnlicher Weiſe verjagt wurden. Auf dem
Markte kam es zu einem zweiten Gefechte. Nachdem
vier oder fünf der. Unruhſtifter getoͤdtet, und 10—12
verwundet wurden, zogen ſich ade Übrigen in ie
Wohnungen zurkd.
« Deffelden Tages forberten er Abgeordnete auf
Harlem die Abſchaffung aller Steuern, nebſt andern
lächerlihen Dingen. Anftatt aber auf dieſe There
beiten eine Antwort zu geben, ließ der Prinz jm
Beauftragten ins Gefaͤngniß fegen. Auch ander
Rädetsführer find verhaftet, und. der Prinz iſt mt
ſchloſſen, ſowohl die Meuteser zu ſtrafen, als uͤbn
das Benehmen des Magiſtrats in Harlem und in
. anderen Städten , eine flrenge Unterfuchung ein
keiten.
Vorſtehende Mittheilungen erweiſen:
Erſtens, daß Holland‘ während fo großer Gefah⸗
von im SInuern, ‘die Laſt eines auswärtigen Krir
allerdings nicht länger tragen konnte.
Zweitens, daß eine Verpachtung der Staatkein
nahmen viel größere Unzufriedenheit erregt und mit
größerem Drude verbunden iſt, als die Erhebung
buch Beamte.
Drittens, daß bie vereinigten Niederlande nicht
⸗
150. Unruhen in Holland. Friedri I. 257
genug gethan Hatten, im Kaufe bes 18tem Jahrhun⸗
derts ihre Finanzen zu ordnen.
Viertens, daß die angeblich republikaniſche Regie⸗
rung, in vieler Beziehung nur eine oligarchiſche *
eigennuͤtzige war.
Fuͤnftens, daß wenn die Obrigkeit nicht zur —
ten Zeit vernünftig reformirt, dee Poͤbel unvernuͤnftig
zevolutioniet und in Wahrheit Beiner von beiden Thti⸗
In von der Schuld freigefprochen werden Tann.
Zweiundzwanzigſter Abſchnitt.
Mit Mecht behauptet Koͤnig Zeiebeich TI") der
aachener Friede habe keineswegs alle Streitpunkte und
noch weniger allen Argwohn beſeitigt. Der legte
richtete- ſich insbeſondere wider Ihn ſelbſt; und fogar
diejenigen Mächte fuchten ihn anzufchwärzen, zu vers
einzeln und als. hoͤchſt gefährlich darzuſtellen, welche
keineswegs waͤher dabei intereſſirt waren. Was man
bei ſterreich natuͤrlich finden muß, erſcheint bei Ruß⸗
land als bloße Leidenſchaft, und bei England als
1) Oeuvr. posth. III, 89.
258 Bweiundgwanzigfler Abfchnitt. 11
bloßes DVorurtheil. Während der Jahre 1749 bis
1755 bleibt jedoch Alles bei erfolglofem, oft in fid
widerfprechendem Sins und Herreden ftchen. Erf
mit dem legten Jahre bekommen: die Unterhandlun |
gen einen beflimmteren — ——— und fuͤhren
bis zu Thaten hinan.
Ich theile zuvoͤrderſt Bruchftüde aus dem geſandt
ſchaftlichen Berichten der fruͤheren Jahre mit.
Im Januar 1749 ward der engliſche Dberfe
Yorke nach Paris geſchickt. Ihm fagte dee franifi:
ſche Minifter der auswärtigen Angelegenheiten Her
von Pupfieur'): follte ein Verbuͤndeter des Könige
von Frankreich (und ich nenne namentlich den- Kin
von Preußen) ſich in irgend einer Weiſe bemühen un
zur Theilnahme an einem neuen Kriege zu bewegen;
fo würden wir ihm nicht blos gerabehin eine abfhli:
gige Antwort geben, fondern etwas. mehr thun um
die erften feyn die Sache in. einer Art. zu hemmen
die unferer würdig wäre. Krieg und Frieden bänst
in Europa von Frankreich und England ab.
Yorke bemerkte?): der König von Preußen fa
ein Projektenmacyer, un homme à projets; toorauf
Pupfienr antwortete: Frankreich gehe nicht auf alk
1) Bericht vom erflen März. Reichsarchiv, Frankrrih
Band 97.
2) Bericht vom 2Iften März.
1199, Verhaͤltniſſe der europ. Mächte. 250.
Plane beffelben ein, und Friedrich würde wol gern
fein Heer vermindern, wenn Öfterreich es thaͤte. Am
12ten April wiederholte Pupſieur das Obige über °
Preußen und fügte hinzu‘): Frankreich fey nicht bios
bereit mit England gegen Sriedbrih I gel
meine Sache zu machen (causs commune), fon;
dern auch mit. Öfterreih, im Fall Fried:
rih HI angreife Dies fey auch dem Könige von
Polen eröffnet werden. Um biefelbe Zeit hatte Bar:
tenftein bereits den Gedanken Öfterreih mit Frank:
reich gegen Preußen zu einigen’); was jedoch
der Herzog von Newcaſtle damals als ganz chimds
riſch bezeichnet. Noch im Anfange des Monats Au⸗
guft erklärt der franzöfifche Minifter ’): Frankreich
J
wiſſe, daß Friedrich IL geneigt ſey jede Gelegenheit zur
Erhöhung feiner Macht und Herrſchaft zu benus
gen. Man märe aber auf dee Hut und werde
ibn im Zaume halten.
Um dieſelbe Zeit ging Lord Albemarle nad) Paris
und die Verhandlungen über Tabago, Weftindien
und Akadien*) nahmen allmälig eine Wendung, welche
1) Bericht vom 12ten üpeii.
2) Bericht vom Iten März. Bſterreich Band 176.
9) Bericht vom Aten Auguſt aus Paris, Band 97.
4) Frankreich, Band 98. Auguft 1749.
N
v
0 3weinundzwanzigſter Abſchnitt. 178
den Hof von Verſailles auch in Hinſicht auf Preu⸗
‚sen umftimmten. Davon gleich nachher:
In Wien Hagten bie oͤſterreichtſchen Miniſter):
der preußifche Geſandte Podewils fende ungimflige
Berichte nach Berlin, und ſtelle Alles im uͤbelſten
Lichte bar; während Maria Thereſia erklaͤrte: fie wolk
das Vergangene vergeffen und mit allen Nachbam,
insbeſondere mit Preußen in Frieden leben. — Bel
feiner Anwefenheit in Dresden ging der Marſchal
von Sachſen zum sfterreichifchen Sefandten, dem Or
fen Sternberg, und fagte ihm’): er koͤrme nicht
begreifen, wie der wiener Hof irgend. einen A:
wohn wider den König von Preußen hegen Timm.
Diefer fey völlig zufrieden mit feinen Erwerbunger
amd feiner Lage und habe allen ehrgelzigen Planen
voͤllig entfagt, ums feinen natuͤrlichen Reigungen für
Wiſſenſchaften und Kümfte zu leben. ſterreich mig
entwwaffnen, Preußen werde es auch chun. — Dirt
wechfelfeitigen höflichen DVerficherungen führten jedoch
zu keinen heilſamen Befchlüffen, und ſelbſt der Gum
1) Berichte aus Wien vom 19ten März und 2ifen
Julius; Band 176. Den 27’ften Junius fchreibt Newcaſtle
an Keith: Preußen habe mit den Tuͤrken einen Vertrag
geſchloſſen; er folle das Geheinmiß aber nur dem Kaiſer
anvertrauen.
2) Bericht vom ten Anguft. Öfterreih, Band 377.
1730. 51: Üfterreih. u. England wider Preußen 201
mündficher usb fchriftlicher Unterhanblungen emattete,
und ſtand ſtill.
Erſt den 17ten Dtober 1750 ſchreibt ber Herzog
von Newcaſtle an Lord: Albemarle nach Paris‘): ber
laiſerliche Geſandte Baron Vorſter hat mich bes
nachrichtiget, Graf Kaunit habe von ſeinem Hofe
die gemeſſenſten Befehle, in Allem was bie allgex
meinen Angelegenheiten Europas anbetrifft, mit Ih⸗
nen in Ülbereinſtimmung zu handeln. Daſſelbe
wird in jeder Beziehung Ihre Pflicht ſeyn. Der
Koͤnig, unſer Herr, ſetzt großes Vertrauen in die Ge⸗
ſchicklichkeit und die guten Abſichten des Grafen Kau⸗
nig, wovon derſelbe bei Gelegenheit der letzten Ber:
handlungen in Wien ſehr ER Proben ge
geben hat.
Im, März 1751 gab * wisner Sof eine Art
von allgemeiner Erklärung über feine Anfichten?), bie
Lage Europas betreffend. ſterreich Hi bereit, Altes
zur Erhaltung bes Friedens zu than; ber franzoͤſiſche
Hof bat dies mehr anerdaunt, als iegend einer; allein
die falfchen Einflüfterungen des Königs von Preußen,
haben daſelbſt bei jeder Gelegenheit obgefiegt?). Die
37 Reichsarchiv, Frankreich, Band 100,
2) Bericht vom Aten März. Frankreich, Wand 106.
8, Worin die Ginflüfterungen beflanden, und morin
Friedrich, dadurch obgeſiegt hätte, iſt nirgends gefagt.
LS
262 3weiunbzwangigfier Abſchnitt. 181
Kniſerinn Königinn will alle. Verpflichtungen erfuͤllen,
‚ ‚welche fie mit ihren Verbündeten eingegangen; die
beziehen fich indeflen lediglich auf Wertheidigung. Die
- Kaiferinn hat Urſach zu erflaunen, daß der franzoͤſiſche
Hof (nachdem er die Falſchheit fo vieler Dinge nt
deckte, „welche der König von Preußen bekannt machte)
noch immer den Erfindimgen Glauben beimißt! we
che. er taͤglich vorbringt. Nach fo vielen Proben, fol:
ten wenigftens Einflüfterungen, welche von dieſer Seite
herkommen, gar keinen Eindrud mehr machen; und
um volllommene Ruhe in Europa zu’ begründen,
müßte man endlich alle Voruttheile bei Seite legen.
Die Kaiferinn Königinn iſt bereit, dem Hofe von
Verſailles ſelbſt eine fchriftliche Erklärung zu geben,
daß fie mit keiner Macht irgend ein. Angriffsbuͤndnij
(any offensive engagément) wider den König ven
Preußen geichloffen habe.
Bei weit geringeren, ober gar feinen - Gründen
des Zornes und: Argwohns, lauteten die englifcen
Erklärungen gegen Friedrich II noch heftiger, als de
Öfterreichs, welche Mißgriffe (wie wir fpäter fehen
werden) nicht ohne nachtheilige Folgen blieben.
Den 4ten März 1751 fchreibt der Herzog von
Bedford an Lord Albemarle nach Paris‘). Nur zu
oft, und mit Erbitterung und. Bosheit (ranconr and
1) Frankreich, Band 106.
mL. Englanb wider Preußen. 263
malice) bat ber König von Preußen verfucht, dem
franzöfifchen Hofe Argwohn und Einfluß gegen Eng
land und befien Verbündete einzüflößen.
Der König von Preußen (fchreibt Yorke den Zöften
Auguft 1751) ') gewinne in Frankreich täglich mehr
Boden, und macht fie glauben, was ihm gefällt.
Sie haben fich jegt bequemt etwas - für ihn zu
thun, was fie wol für keinen andern Sürften in Eu
ropa würben gethan haben.
Nach diefen Worten follte man glauben, Vorke
habe eine Entdeckung von geößter politifcher Wichtige
keit: gemacht; und was haben bie Franzofen bewilligt ?
— Daß der preußifche Gefandtfchaftfecretaie einſtwei⸗
Im bie Geſchaͤfte eines Gefandten übernahm,. bis
Sriedrich den Lord Marfchall ernannte, worüber man
englifcher Seits (weil er ein — fey) ‚von Neuem
die lauteften Klagen erhob.
Bon dieſem unbegründeten und — Ei⸗
fer zeugt ein anderer Bericht Vorkes?), worin es heißt:
ih fpeach ſehr ernſtlich zu Herrn v. Puyſieux über die
Plane bes‘ Königs von Preußen; ich bemuͤhte mich
darzuthun, wie behartlich er Streitigkeiten hervorzu⸗
rufen und Spaltungen zu erweitern fuche; wie Eugen
1) Frankreich, Band 107.
2) Bericht vom Iaten Geptenber 1751. Frankreich,
Band 107.
%
,
264 3weiundzwanzigſter Abſchnitt. 181.
Gebrauch man davon marken koͤnne, daß ex feine de⸗
kitte fo klar zu Tage lege; vote ſchwach es fey, Wi
jeder Gelegenheit auf feine Raͤnke (forgeries) einzuge
hen und feinen Maaßregeln beizutretrn; wie gefaͤhr⸗
lich feine Freundſchaft ſey, und wie kunſtvoll cc kim
Schlingen lege, am bdieionigen zu fangen, welche Wi
Augen über fein Benehmen nicht öffnen wollten. ©
möge Puyfieur bedeuten, wie ſchnell und geheimniß
nißvoll der König diefe Sache zu Stande gebraucht
habe, woraus feine fchlechten — — herdor⸗
gingen.
Wenn Friedbrich DI von dielen und ähnlichen Ge
fandfchaftsberichten. irgend Nachricht erhielt, fo mußt
er in eine üble Stimmung gegen England gevathen.
Die von Yorke mit Nachtrud wieder hervorgehoben
Sache kann nur die Ernennung des Lord Marſcal
zum. Gefandten fen, wodusch der König gewiß nick
Feindliches gegen das Haus: Hannover bezweckte. Für
all die andern Beſchuldigungen fehlt es am. jeden
Beweife; auch. antwortete Puyſieur (laut Yorke): er
koͤnne nicht anders als annehmen, daß wir (England)
den König von: Preußen zu ſehr anſchwaͤrzten und
daß feine Abfichten keineswegs fo Abel waͤren. — Jr
derſelbe Yorke fchreibt drei Tage ſpaͤter ): ats fih
einige Jakobiten an Lord Marfchait wandten, ſagt
1) Bericht vom 18ten &epteniber.
151.98. England und ſterreich 265
er ihnen: fein Herr habe ibm befohlen,. fi auf feine
Weife in al diefe Angelegenheiten zu mifchen.
Seibſt fpäter, als Friedrich II Veranlaffung be
kam, fi) über die Anmendung der englifchen Handels⸗
gefege zu befchweren und mit Bezahlung ber fchlefi:
[hen Anleihen inne zu halten, war dies kein. Grund
für England in ganz Europa wider Preußen. zu wir:
fm. Man koͤmmt deshalb natürlich auf den. Gedan-
een, eine uͤbergroße Freundſchaft für Öfterreich und
ein überwiegender Einfluß des wiener Hofes habe biefe
Abneigung herbeigeführt. Allein auch mit Öfterreich
fand England damals auf keinem freundlichen, zu⸗
traulichen Fuße, wie nachftehende — hinreichend
beweiſen.
Schon im Oktober 1748 — Streitigkeiten
uͤber den Barrierevertrag und andere Dinge ſtatt, bei
welcher Gelegenheit der Herzog von Newcaſtle an
Lord Sandwich ſchreibt!): es thut mic leid zu finden,
daß der wiener Hof Nichts auf eine angenehme Weife
(with a good grace) thun kann. . Bei den Ver:
handlungen über die römifhe Koͤnigswahl and die
Anfprüche bed Kurfürften von der Pfalz, finden ſich
andere Mißverfländniffe, und noch lauter klagt New:
1) Bericht vom 22ften Oktober 1748. Holland, Band
222.
IL “ 3 | 12
266 Zweiundzwanzigſter Abfchnitt. 191.
caſtle) uͤber den Mangel an Aufrichtigkeit Sſterreich
bei den Unterhandlungen mit Spanien. Ja
um dieſelbe Zeit mo Yorke in Paris fo heftig auf
Preußen fchalt, ſchreibt Newcaſtle?): ber wiener Hof
beharrt in feiner unbegreiflichen Zuruͤckhaltung und
feinem abſcheulichen (abommable) Stillſchweigen, und
dies Benehmen iſt um fo fchiechter, als er zu gleiche
Zeit immerdar davon fpricht, mie ſehr ee England |
liebe umd vorziehe.
Bald darauf (den 27ſten Dftober 1751) Han
Lord Albemarle in Paris über das Benehmen - von
Kaunig’). Ich fragte ihn (fchreibt Albemarle): ob
er gegen mic) fo zurüdhaftend feyn wolle, wie zuve?
Sch hoffte, er werde das Beiſpiel feines Hofes (im
Bezug auf die fpanifchen Angelegenheiten) „nicht nad
ahmen. Denn da der König von England in I;
lichen offen und in lbereinfiimmung mit fich fehl
verfahre; fo wuͤrde folk ein Rüdhalt ohne Grm
und fchlecht angebracht feyn. v
Den 26flen November ſchreibt Newceaſtle an
Keith nah Wien*): dringen Sie darauf, dag Of:
1) Schreiben an Keith vom 2ten Auguſt 1751. fe:
zeih, Band 182.
2) Schreiben vom Sten Oktober 1751. Ebendaſelbſt.
$) Frankreich, Band 107.
4) Öfterreich, Band 182. - er
1752, England und Öfterreid, 267
reich ſich Uber den Varrierevertrag mit Eng:
land und Holland verfbändige. Über die Grund:
füge kann Hein Zweifel fern. Die Bollziehung
des Vertrages von beiden Selten und eine freundliche
Einigung “über Alles was die vereinigten Mieberlande
betrifft, ift böchft nothwendig; denn fo lange dies
nicht gefchieht, werben Urſachen der Eiferfucht und
des Mißvergnügens übrig bleiben, welche die zwiſchen
Öfterreich und den Sermaͤchten fo unentbehrliche Eis
nigkeit und Harmonie flören dürften.
Daduch (fährt Newcaftle den Zten Januar 1752
fort)") daß. der wiener Hof, unter Ausfchluß aller uͤbri⸗
gen Mächte, einen Vertrag mit Spanien zu Stande
bringen wollte und ſich nirgends wittheilte, ging bie
Gelegenheit verloren, Spanien ganz von Frankreich
zu trennen. — Ich fehe mit Schmerz, daß bie Ant:
worten des wiener Hofes aufalle Vorflellungen Nichts
enthalten”); als große Lobeserhebungen für fich felbft
und über ihre Zreue in gewiſſenhafter Erfüllung ih:
ver Verpflihtungn; — während der Inhalt biefer
Antworten nur zu oft das Gegentheil erweiſet. Sie
ſollten bie Abgaben in den Niederlanden auf den Fuß
wie vor dem Kriege herabfegen und die Verträge auf:
recht erhalten. Solch ein Benehmen wird dereinſt,
1) fterreich, Band 183.
» Schreiben bom Ziften Februar 1752. Ebendaſelbſt.
12*
N
268 3weiundzwanzigſter Abſchnitt. 1758,
und vielleicht friiher ald man glaubt, jeden wahren
Freund des Haufes Öfterreich entftemden. Ich fürchte,
dies entfteht zumelft aus dem unglüdlichen Irrthume,
daß die öfterreichiichen Miniſter in ihren Antworten
mehr danach trachten, der Kaiferinn ben Hof zu ma
chen, als ihr dadurch wahre Dienfte zu leiften, daf
fie den gerechten Forderungen ihrer Verbündeten ge
bührende Aufmerkfamkeit fchenken.. |
Die Öfterreicher antworteten höflich, brachten aber
die Sachen nicht zu dem, von den Seemächten er
wünfchten Ziele. Jene trachteten vor Allem danach
- bei diefer Gelegenheit einen vernünftigen Handelsver⸗
trag (reasonable treaty of commerce) zu erlangen,
dann wollten fie auch den Barrierevertrag halten.
So blieb der Gang der öffentlichen Unterhand
lungen mehr fchrantend- und verdrießlich, als fol:
gerecht und großartig, wie. folgende Proben vielleicht
am beflen erweifen, wenn ich fie in chronologiſcher
Folge an einander reihe.
.. Den 22ften September 1751 ſchreibt Atbemarl
aus Paris"): der König und bie koͤnigliche Familie
‚ begaben ſich in die Kirche Notre Dame, um dem
Tedeum über die Geburt: des Herzogs von Bordeaur
beizuwohnen. Obgleich die ganze Stadt daſelbſt ver
fammelt war, und die Regierung nebft dem Mast:
1) Zrankreich, Band 107.
1952. Öfterrei, Preußen und England 269
firate Alles gethan hatten, was fie nur ausfinnen
tonnten, nm dem Volke ein wenig Geiſt, Leben und
Laͤrm einzuflößen, fo kam doch nichts von dem Allem
zum Vorſchein. Denn trog aller gegebenen Mühe
war das: Vive le Roi! kaum zu hören, und Seine
Majeftät fchien mit feiner Aufnahme in keiner Weife
zufrieden. Dieſer Hergang ift fo verfchieden von Allem,
was man. fi) über den Empfang des Monarchen in
diefem Lande vorftellt, daß er nothwendig auffallen
mußte. — Aber man verfchwendet und macht Anlei-
ben im Frieden, lebt im Streite mit Geiftlichkeit
und Parlamenten u. f. w.
Der franzöfiihe Miniſter Conteſt, ſagte mir’):
England folle das Vorurtheil ablegen, welches zum
Nachtheil des Könige von Preußen angenommen wor: _
den. Wir hätten uns buch, die Einflüflerungen ei-
niger Höfe beftimmen laſſen, welche man nicht ale
Freunde ber jegigen Ruhe betrachten koͤnnen.
Er (Conteft) wife, daß die wahren Gefinnungen des
Könige von Preußen ganz verfchieden von denen fenen,
welche wie aus ungerechter Eiferfucht ihm beimäßen.
Seiedrich II mwünfche nichts mehr, als die allgemeine
Ruhe Europas auf einer fiheren und dauernden
Grundlage befeftigt zu fehen. — Ich fuchte dies zu
Frankreich, Band
J
)) Bericht vom 15ten Maͤrz 1752.
109.
370 Zweiunbswanzigfier Abfhnitt. 10
yoiderlegen und barzuthun, daß des Könige Hank
lungen nicht mit feinen Worten übereinftimmten, Con:
teft aber ſchloß mit den Worten: id) hoffe, ihe wer
det des einen oder anderen Tages euren Argwohn
fallen Laffen !
Bald darauf erneuen ˖ſich die Mißhelligkeiten zwi:
ſchen England und Öfterreich über die Wahl Sofephi
zum tömifchen König und die pfälzer Angelegmbeit,
Deshalb ſchreibt Lord Holderneß den Gten Auguf
1752 an Albemarle’): Sie fehen wie ſchwach und
unverantwortlich ber wiener Hof ſowol in Hinfict
auf feine eigenen Intereſſen gehandelt bat, als in
Bezug auf ben König von England, welder in dt
Wahlangelegenheit fich fo thärig zeigte. Der wien
Hof würde die Einftimmigkeit der Kurfürften erlangt
haben, wenn er eine, im Vergleich mit der Wichtig:
keit des Gegenftandes, nur Eleine Summe Gele
hätte Daran wenden wollen. Sa fie hätten Anfangt
. ohne Gefahr und den Geſetzen gemäß, mit entſchei⸗
dender Mehrheit die Wahl durchfegen koͤnnen. In
den fie aber grundloſe Schwierigkeiten erhoben, tiefen
- fie dergleichen auch in Anderen hervor, und ermuthig⸗
‘ten durch Ungeſchick, Tigenfinn und Zoͤgerung di
Höfe von Berlin und Verſailles ſolchen Widerſpruch
%
1) Frankreich, Band 113.
158. Gngiand, Öfterreih, Prsusen, 271
zu erheben, daß die gunze HRENFOIMER, jest u
ſam erſcheint.
ſterreich ſuchte ſich gegen dieſe und ahnliche
Vorwuͤrfe zu rechtfertigen. Den ganz willkuͤrlichen
Forderungen von Pfalz habe man nicht nachgeben
koͤnnen; auch würden dadurch nur neue Auſpruͤche
hervorgetrieben ſeyn. — Fuͤr die Koͤnigswahl wollte
Öfterreich überhaupt nicht viel opfern, und lieber ab⸗
warten, als große Hinderniffe jest. befämpfen.
Gleichwie über öſterreich zuͤrnte Newcaſtle auch
uͤber Preußen, ja er war noch heftiger als ſelbſt der
wiener Hofe So ſchrieb er den 2Aſten Januat 1753 -
an Albemarle!): Preußen vereitelt die roͤmiſche Koͤ⸗
nigswahl und hat nur ungerechte, ehrgeizige und ger
waltſame Abſichten. Es hilft zu Nichts dies abzu⸗
leugnen, oder zu beweiſen es ſolle nicht ſo ſeyn; die
Thatſache iſt uͤber allen Widerſpruch einleuchtend?).
Wenn der wiener Hof die Dinge nicht in dieſem
Lichte ſehen will, ſo iſt er blinder uͤber ſein eigenes
Intereſſe, als ich geneigt bin zu glauben. F
In Wahrheit fehlt es aber an allen Thatſachen
und Beweiſen über Friedrichs II ungerechte, ehrgeizige
und gewaltſame Plane; denn daß er ſich ſeiner Untertha⸗
u‘
1) Frankreich, Band 116. *
2) The.fact is evident beyond all contradietion.
72 3weiundzwangigfter Abſchnitt. 1753.
nen‘), wegen‘ Belchlagnahme ihrer Schiffe durch eng:
liſche Handelsgerichte, annahm; kann doch unmoͤg⸗
lich als eine Stoͤrung der ———— sun bezeichnet
- werden.
Wenn der König von Preufen (fchreibt Meracafii
“den Iten März 1753 nach Wien) einen Schritt thut,
den Frieden zu brechen (wie er fchan Gewaltthaten
gegen die Unterthanen der Kaiferinn Königinn begon
nen hat)?), ſo will der König von Erigland den Ruf:
fen genügende Hülfögelder beroilligen. Sie Herr Bot:
fchafter, werden. der Kaiferinn anheimftellen (submit):
ob es nicht angemeſſen feyn dürfte, das oͤſterreichiſche
Heer dergeflalt zu -vertheilen, daß, im Fall eines pteu⸗
ßiſchen Angriffe, ſogleich etwas Wichtiges unternom⸗
men: werben. koͤnne.
Öfterreich ergriff dieſe Hußerung. und erbot fih
. zu: allen vertragsmäßigen Hülfsleiftungen; ja Maria
Therefia warf den Gedanken hin’): man möge ri:
- ften, und zwar nicht allein um fih im: Fall eins
Angriffs zu vertheidigen; ſondern man koͤnne auh
woll aud ein Mittel finden, dem Könige zu vorzu⸗
1) Schreiben vom 1Sten — 1753. Bfterreid,
Band 186:
2) Ebendafelbft. Welche Gewältthaten ?. ift ‚nicht, gefagt.
3) Bericht vom 14ten Auguft 1753.
\
1754. Europdäifhe Politik. 273
kommen, irgend etwas zur Störung des Friedens
beizutragen ).
Obgleich biefe Allgemeinheiten ungefähr mit den
früheren englifchen Xußerungen zufammentrafen, ging
man in London nicht näher darauf ein; weshalb
Öfterreich nun auch zuruͤckhielt, und that, ald wäre
der Gedanke von England ausgegangen. Sonſt fehlte
ed nicht an Höflichkeiten und Kaunig ſchrieb den 12ten
December von. Wien aus. an Albemarle?): Graf
Stahremberg hat Befehl, fi) gegen Sie mit: Herzlich⸗
keit (cordiality) zu benehmen, welche den Gefchäften
(bei der glücklichen und "vollen Übereinſtimmung bei⸗
dev Höfe) nur nüglich feyn kann. — Richt minder
ſprach Kaunig von dem gefährlichen Streben der Tran:
zofen nad) allgemeiner Herrſchaft und von der Noth-
wendigkeit ihnen auf alle Weiſe entgegenzutreten?).
. Den Engländern war: dies fehr willlommen, da-
ihre Mißhelligkeiten mit Frankreich über Amerika täg-
lich fliegen. Jeder fchob dem Andern die Schuld zu
und ſprach von Sriedenswünfchen, während beide Theile
ihon ruͤſteten.
1) Might even be a mean of prevent Prussia of at-
tempting any thing to disturb the peace.
2) Frankreich, Band 118.
1) Bericht aus Wien vom 23ften Oktober 17545 Öfter:
reich, Band 189.
ae‘
0274 Bweiundzgwanzigfter Abſchnitt. 1284.
Aus dem Wiremar der Diplomatie flellten fih
durch den Drang der Umftände allmälig zwei entge
gengefegte Zwecke heraus: naͤmlich Englands, ganz
Europa wider Frankreich; und ſterreichs, ganz Eu
ropa teider Preußen zu vereinigen. ine Beitlang
fchienen ſich beide Zwecke zu vertragen; dann ergab
ſich deren Unverteäglichkeit und die Frage war: wet
den Anderen in Unterhanblungen befiegen werde. Ohne
Zweifel trug ſterreich diefen Steg für feine Zwede
in Frankreich und Rußland 'bavon, und brachte Koͤ
nig Friedrich II zu den Berathungen und Beſchluͤſſen,
über welche die Welt bis auf den heutigen Tag ve:
fhieden urtbeil. Zur Aufllärung und Berichtigung
diefer Urtheile, dürften meine ferneren Mittheilungen
nicht unbedeutend beitragen, doch muß ich mehr ale
je Schritt vor Schritt gehen, weil der diplomatifce
- Briefwechfel von jegt an weit "zahlreicher wird und
immer mehr in einander greift.
"1754, Erropaͤiſche Politik. 275
Dreiundgwanzigfter Abſchnitt.
Je naͤher wir dem großen Kriege kommen, wel⸗
cher nicht blos durch ſeine Dauer, ſondern vor Allem
durch die Art ſeiner Fuͤhrung welthiſtoriſch ſo wichtig,
und für Friedrich II und Preußen ein Denkmal ewi⸗
gen Ruhmes war, deſto mehr Fragen treten hervor,
welche eine genaue Unterfuhung und Beantwortung
verdienen. So 3. B.: Konnte und Wollte man, im
Fall ein Seekrieg zwifchen England und Frankreich
ausbrach, den Frieden auf dem Fefllande erhalten?
Par insbefondere diefe Erhaltung des Friedens, oder
die Wiedereroberung Schlefiens der Hauptzweck der
oͤſterreichiſchen Staatskunſt? Ließ ſich vernünftiger:
weiſe auf Rußlands Parteiloſigkeit rechnen, oder nicht?
Welche Macht durfte am erſten auf deſſen Beiſtand
zaͤhien? Hatte Friedrich IL hinreichenden Grund zum
Kriege oder nicht? Muß fein Angriff ſterreichs als
Nothwehr, ober ald Irrthum, ober” als en Er:
oberungsluft bezeichnet ‚werden?
Ich werfe bdiefe, leicht zu vermehrenden, —
nicht auf, um ſie hier durch umſtaͤndliche Schlußfol⸗
gen ſo oder anders zu beantworten; ſondern weil ich
winmſche, daß man fie im Gedaͤchtniß feſthalte, um
276 Dreiundgwangigfter Abſchnitt. 138.
“aus ben folgenden. Mittheilungen die Beantwortung
“um fo leichter felbft abzuleiten.
Schon im Mat 1754 brang Kaunig aͤußerſt leb⸗
haft darauf, daß England feinen neuen Vertrag mit
Rußland zu Stande bringe‘). Ohne Zweifel wollte
Öfterreich ihn fuͤr fich gegen Preußen benugen,. und
vechnete richtiger. als das britifhe Minijterium. Kau-
nig (fährt der englifche Gefandte fork) erwähnte noch
einen anderen Umftand: nämlich daß bie Czarina ver:
langt (required) hätte, Öfterreic, ſolle ein anſehnliches
Heer an den preußifchen Gränzen aufftellen. Hierauf
babe Maria Thereſia geantwortet: ſie fey gluͤcklicher⸗
weife diefen Wünfchen zunorgelommen. Denn ihr
Mannfchaft ſei bereits. ſeit längerer. Zeit. fo- verteilt,
daß fie in fehr Eurzer Zeit ein fehr anfehnliches Her
an. jeber Stelle der preußiſchen Graͤnzen verfammeln
koͤnne. Ste babe ihre Einrichtungen der Verpflich⸗
tung gemäß getroffen, welche fie in dem vierten ge
heimen Artikel bes zwiſchen ‚Öfterreih und Rußland
gefchloffenen Vertrages. übernommen.
Kaunig fügte hinzu: wir. erwähnten mit Verſat
unſerer Verpflichtung zufolge. jenes geheimen Artikels,
um dadurch dem ruſſiſchen Hofe zu verſtehen zu ge
ben (let understand), die Kaiferinn fey bereits durch
1) Öfterreich, Band 188, Bericht aus Wien vom 26m
F Mai 1754,
1758. Stterre ich u.: Englands Politik. 277
einen. früheren Vertrag. (a former emgage- .
ment) verpflichtet, die Heeresabtheilung in Liefland
zu: halten, welche jet daſelbſt ſteht, und woruͤber fie
‚fie fo großen 2drm (noise) erhebt und wofür fie fo
große Summen fordert.
Ungeachtet der fcheinbar gleichen Beftvebungen und
Zwecke, hegten ſterreich und die Seemächte ſchon
jego insgeheim derſchiedene Abfichten und aus dem
fortdauernden Streite über .den Barrierevertrag ent:
tidelten ſich neue Mißverftändniffe. Deshalb fchreibt
Lord Holderneß den 7ten Januar 1755 an Keith
nah Wien‘): Konnte irgend Jemand annehmen, bes
kaiſerlichen Miniſteriums Verſicherungen uͤber die An-
haͤnglichkeit an das jetzige Syſtem Europas und den
Bund mit den Seemaͤchten, waͤren durchweg falſch
. (false) geweſen; oder das Miniſterium ſey ſchwach
genug vorauszuſetzen: das Haus. Öfterreich koͤnne ſich
nach einem anderen Plane aufrecht halten?): — fo
koͤnnte man auch wol glauben, ſie haͤtten ſich eines
niedrigen Kunſtſtuͤckes?) bedient, um die Seemaͤchte
hinſichtlich einer Frage zu. trennen, bei welcher ſie
1) Öfterreich, Band 190.
2) Maintain — upon any other plen. — Wol Hindeu⸗
tung auf. den no für unmdglich gehaltenen Bund mit
Frankreich.
5) Low artifice. -
—
>
278 Dreiuundzwanzigſter Abſchnitt. 178.
gleichmaͤßig betheiligt ſind, — indem man naͤmlich
dem Einem anbot, was man dem Andern verhehite,
zuletzt aber gar nicht die ernſte Abſicht hatte irgend
etwas zu erfüllen.
Der König von England wili noch einmal eim
legte Anftrengüng machen, das Suftem zu erhalten,
welches in fo großer Gefahr ift, aufgelöfet zu werden,
durch die falfche Staatskunſt, Ungerechtigkeit und Un
dankbarkeit des wiener Hofes.
Sie glauben nicht, wie Diele in Holland de
Meinung find: ein Buͤndniß mit Preußen, ſey dm
mit Öfterreich vorzuziehen; auch wird das jegige Be
F nehmen des wiener Hofes es jedem Miniſterium in
Holland unmöglich machen, dem Strome zu widerſtehen
Ich weiß nicht (fährt Holderneß ben 14m Se
bruar 1755 fort)), wo ich anfangen ſoll, die mißlei⸗
teten und undankbaren Rathſchlaͤge zu bejammern,
welche: der wiener Hof ſeit dem aachener Frieden un
feligerweife befolgt hat. Die Kälte und Zuruͤckhaltung
welche die Öfterreicher bei jeber Gelegenheit. gegen des
Könige Majeſtaͤt zeigten, die geringe Übereinftimmun
mit welcher ihre Gefandten in Bezug zu. den unferm
handelten, die Vorſicht, ja das Mißtrauen, mit we
chem ſie felbft auf diejenigen Maaßregeln eingingen
welche lediglich ihren eigenen Vortheil betrafen, bad
1 Ebendaſelbſt.
TE. England und Öfterreid. 279
gaͤnzliche Schweigen, weiches fie trog mehrer Vor⸗
theile uͤber ein zu bildendes Vertheidigungsſyſtem beobs
achteten, vor Allem aber ihe gar nicht zu rechtfertigen:
des Benehmen binfichtlih bes Barrierevertrages, —
zwangen den König von England zuletzt auch feiners
feits gu ungewöhnlichen Ruͤckhalt und Geheimniß.
Kaunig hat es unmöglich gefunden und wird «6
unmöglich finden, einen fo eitien Plan zur Wirklich
keit zu bringen. In ganz Europa ift keine Macht,
welche ſich mit Öfterreih in Maaßregeln einlaſſen
wird, bie ber König von England nicht unterſtuͤtzt.
Denn. Ale wiſſen ſehr wohl, daß ohne bes. Könige
Beiltand die Verpflichtungen: des wiener Hofes ohne
Wirkung bleiben müflen.
Schon an biefer Stelle werden wir zu einigen
Betrachtungen bingebrängt. England. und Holland
fahen in dem Barrierwertrag etwas Unabänberliches
und Ewiges; wogegen Öfterneich glaubte, es laſſe fich
an ben, für daſſelbe druͤckenden Beftimmungen, mit
der Zeit wol etwas Anden. Dies war um fo. nas
tirelicher, da England Öfterreiche Mitwirkung für feine
Zwede verlangte. Die amerikaniſchen Streitigkeiten
lagen ganz außerhalb ber Kreife feiner Intereſſen;
und wenn fi ein Landkrieg nicht vermeiden ließ, fo
mußte Öfterreich wuͤnſchen ihn wider Preußen zu er⸗
heben.” Mit Frankreich konnte es unmittelbar Leinen
Streit fuchen, oder herbeiführen. Wenn aber Öfter:
280 Dreiundzwanzigfter Abſchnitt. 17%.
reich von Erhaltung des alten Syſtemes in Europ
fprach, fo. dachte es (wenigſtens innerlich) am den Zu⸗
ftand vor 1740, England aber an den Zuftand nad
1748. Blieben nun England’ und Öfterreich‘ auf
ner, Srankreih und Preußen :auf. dee andern Seit,
fo fchien dies Gleichgewicht Keinem Vortheil zu ver
fprechen, und ‘der Ausſchlag von den Beſchluͤſſen Ruf-
lands abhängig. Mehr als je waren deshalb bie Di:
plomaten an biefem Hofe der Willkür. befchäftigt und
bedrängt, wie die nachftehenden Berichte ermeifen.
Der ruſſiſche Senat (fchreibt Williams ben 15ten
Sanuar 1755) hat, mit Rüdfiht anf des Königs
von Preußen gegenmärtige Lage und Eünftige Plane‘),
den einftimmigen Befhluß gefaßt: er fey bereits jegt
zu groß und ber 'geringfte weitere Zuwachs ſey jehr
(highly) gefährlich für die Intereffen Rußlands. —
Man hebt 60,000_Mecruten aus. —
Um: dieſelbe Zeit verhandelte Williams mit Brühl
über die Emeuung des Subfidienvertrags?).. Diele
leugnet, daß er irgendwo. und wie das franzöfiihe
und preußiſche Intereſſe befoͤrdert habe. Doch ſpricht
Williams von dem Geize, dem Ehrgeize und der Ei:
telkeit Bruͤhls. |
Beſtuchef klagt in einer Note, daß England den
1) Reichsarchiv, Sachſen, Band 64.
2, Bericht vom Loſten Januar.
1935. Rußland. 281
Rufen nicht genug Subfidien zahlen wolle‘), währmd
diefe doch ein Heer von 60,000 Mann verfammelt hätten,
welches ganz allein dem Könige von Preußen eine Dis
verfion machen folle, indem es zu Lande, und eine
Slotte zur See deffen Staaten angreife?),. Zu demfel-
ben Zwecke würden noch 60,000 Mann in Stand ge:
ſetzt. Mit Kleinigkeiten und aus Geiz hielten bie
. Engländer die Sachen hin, yerrüdten den Gang und
vereitelten. alle feine Anflvengungen. — Ich geftehe
(fährt Beſtuchef fort), daß ich faſt argwoͤhne, England
babe dies Alles nur gethan,. um ben Boden zu er
forſchen und die Geſinnungen ber Kalferinn Eliſabeth
gegen den König von Preußen zu entbeden.
Mit Übergehung all ber. Raͤnke und Beflehun:
gen, Feſte und Ausfchweifungen, Plane und Hoffnun⸗
gen am ruſſiſchen Hofe von: 1747 bis 1755, fpringe
ich gleich zum Anfange des legten Jahres über. Im
Februar 1755 wuͤnſcht der. englifche Gefandte Guy
Dickens zu Petersburg feine Abberufung und fchreibt ?):
der König von England follte an diefem Hofe einen
1) Bericht vom 24ften Januar.
2) Quit doit faire tout seul la ae au Roi de
Prusse, en attaquant ses &tats par terre, et par mer
par une-flotte etc.
8) Rußland, Band 62, Verichte vom 18ten und Leſten
Februar, Aten und 14ten März.
BL Dreiundzwanzigſter Abſchnitt. 17%.
Geſandten haben in voller Kraft und Bluͤte feine
Jahre. Denn nady ber biefigen Denkungsweiſe barf
er nie fehlen bei Hoftagen, Bällen, Mummerrien,
Schauſpielen, Opern, oder irgend einem öffentlichen
Vergnügen. Man hält diefes für den Hauptgegen⸗
ftand feiner Sendung, wozu ich aber bei meinem Al:
ger nicht mehr fähig bin, fo ſchlechterdings noth⸗
wendig es bier auch fern mag. Des Groflany
ler Abneigung gegen Arbeit und Geſchaͤfte, iſt eben
fo groß als die der Kaiferinn feiner Herrinn. Wollte
er meinem Rathe folgen, fo würde er, anftatt Ver⸗
ſtellungen nieberzufchreiben und bis Mittag im Bette
zu liegen, um zehn Uhr Morgens in den Zimmen
des alten Guͤnſtlingé feyn'), wo die Kaiſerinn
oft eins und ausgeht. Da. würde er Gelegenheit
finden, ihre Beſchluͤſſe über vorliegende Angelegenhei⸗
ten zu befchleunigen. — In Monaten nimmt fie fih
oft. feinen Augenblid Zeit, die Sachen anzufehen.
Seit legten Mittwoch hatten wir wicht wenige
als drei Maskeraden und eine Oper. überhaupt geht
in dieſer fogenannten Butterwoche kein Tag ohne eine
oder. mehr Vergnügungen vorüber. Mit der nächfen
Woche beginnt die Faftenzeit, we eben jeber faſtet
und betet; und in der dann folgenden Woche iſt gewoͤhn⸗
1) Bom- neuen Guͤnſtling wird bald geſprochen werben.
2) Bericht vom Iiten Märg 1755.
175. “ Rußland. 283
lich die halbe Stadt krauk in Folge des Übergangs
von der ansfchweifendften zur enthaltfamften Lebens:
weile. . Deshalb können wir nicht erwarten,. daß in
den nächften drei Mochen bier irgend ein Gebrauch
gemacht werde, von Papier, Feder und Tinte. —
Nachher hoffe id) die Sachen in Bewegung zu fegen ‘);
denn die Kaiferinn kann doch nicht immer auf den
Knieen liegen, und andere Ergögungen muͤſſen an bie
Reihe kommen.
Aber nach Ablauf jener Friſten, erneute ſich die
Klage des Geſandten). Nichts (ſchreibt er) geht
vorwärts; entweder weil ber Einfluß des Großkanz⸗
lers abnimmt, ober die Abneigung ber Kaiferinn wi:
der die Gefrhäfte zunimmt, oder (mas das Wahr:
ſcheinlichſte iſt) aus beiden Gründen zugleich. Der
Großkanzler fieht oder fpricht die Kaiſerinn niemals;
jebes Ding wird durch fcheiftliche Eingaben verhandelt,
welche jener dem jungen Günftling Iwan Schu:
walcf uͤberſendet, dieſer aber der Kaiferinn vorlegt, im
Tal er findet, daß fie des Humors iſt — Geſchaͤfte
abzunsachen, — liberal ftößt man auf Eleine ſchmu⸗
zige RFaͤnke 2).
Der Großkanzler ſelbſt — Geſchaͤfts⸗
1) Bericht vom 18ten März
2) Bericht vom 28ſten Maͤrz.
8) Little dirty: intrigues.
284 Dreiundgwanzigfter Abfhnitt. 1%
gang und biefe Zoͤgerungen). Solch ein Verfahren
ſtelle Ruf und Einfluß, in den Augen von Fremde
und Feinden an ben Pranger; aber er wiſſe nidt,
wie zu helfen fey! Seit meinem legten Bericht if
der junge Günftling (durch deſſen Hände alle Soden
von großem, oder geringem Belange gehen) ſehr kant
gewefen, weit er fich bei den Bacchanalien in ie
Woche vor Dftern übernommen hatte. Bevor f
nicht völlig hergeftelle ift, wird die Kaiſerinn an kit
Gefchäfte denken. — Die Krankheit des jungen Guͤnß
lings (Heißt es bald nachher)“) hat ſich in einen
Rheumatismus verwandelt, was die Sorge und I
"Gedanken des ganzen Hofes in Anfpruch ninmt.
Waͤhrend man fo in Petersburg nicht von ie
Stelle kam, wurden die Verhättniffe zwifchen England
und Frankreich immer deinglicher.
Am 12ten März fchreibt der englifche Bevolimäk
tigte Ruvigny de Cosne aus Paris’): Ich bin über
geugt, der Miniſter Rouills wünfcht für feine Perſo
die Erhaltung der Ruhe und auch ber. allgemein
Wunſch fpricht ſich für. den Frieden aus; insbeſondere bei
dieſer Gelegenheit, weil man zu glauben ſcheint, di
1) Bericht vom Aten April.
D) Bericht vom 5ten Aprit..
. 3) Frankreich, Band 119.
1755. "Rußland und England. | 285
franzöftfche Seemacht koͤnne ſich mit der engliſchen
nicht meſſen.
Ich kann mich hier nicht einmal barauf einlaſſen,
einen Auszug aus den unendlich weitlaͤufigen Ver⸗
handlungen uͤber Amerita zu geben. Beide Theile
machten Vorſchlaͤge und Gegenvorfchläge, von denen
jeder wechfelfeitig behauptete, fie feyen nicht anzuneh⸗
men, und keiner bürfe aufgeben, was ihm ohne Zwei⸗
fel gehöre. Die Franzofen wünfchten, daß alle Feind⸗
feligleiten in Amerika unterfagt, und dann die Unter:
bandlungen weiter geführt würden; fie fchienen, als
die Schwächeren, die billigften Vorſchlaͤge zu machen.
Die beffer geräfteten Engländer wollten dagegen Feine
Zeit verlieren ; fondern ihre Forderungen — in ir⸗
gend einer Weiſe durchfuͤhren.
| So lagen die Dinge als Williams, ber neue eng
liſche Geſandte in Petersburg, folgende Anweiſung von
Lord Holderneß empfing‘): Es iſt unwahrſcheinlich,
daß der Streit zwiſchen England und Frankreich fried⸗
lich ausgeglichen werde, und hieraus (fagen die franz
zöfifchen Gefandten laut in London und dem Haag)
folge ein allgemeiner Krieg. Deshalb und. weil ber
1742 mit Rußland gefchloffene Vertrag 1757 zu
Ende Läuft, muß ein neuer fchnell zu Stande gebracht
1) Inftruction vom Iiten April 1759. Rußland, Band
286 Dreiundzwangzigfter Abſchnitt. 28.
werden. Bel diefer Gelegenheit muß man die Ruſſen
überzeugett, daß fie nur eine afiatifhe Macht bleibe,
wenn fie ſtill figen und dem Könige von Preun
eine bequeme Gelegenheit laſſen, feine ehrgeizigen, ge
fährlichen und lang entworfenen Plane -ber Vergröfe
“zung durchzufkhren. Seine Majeflät der König (von
England) geben Ihnen Vollmacht und Anweiſung
Altes feinerfeits zu thun, um ſolch einem en
zuvorzufommen ').
Hätte Friedrih II in leinem Innerſten * den
Wunſch gehegt, ganz Europa zu erobern, fo legte m
ihn feit dem dresdener Frieden doch in einer Weil
zu Tage, und ftand Erineswegs zu alen übrigen Mit;
ten in ſolchem Verhaͤltniß, daB fich ihm ein leichtes
Spiel dacbot. Er hatte weit mehr’ zu fürchten als
zu hoffen, und mußte.fchon jegt weit mehr auf Ver
theidigung, als auf unbegruͤndeten Angriff bedacht
ſeyn. Jene Kußerungen von Holderneß waren mit
bin Worte, ohne Thatſachen und Beweiſe; haupt:
fachlich, weil er Friedrich MI als einen bloßen Gehit
fen Frankreichs betrachtete und nur das Allernaͤch
fie im Auge behielt. Vorſichtiger, zweckmaͤßiger und
natuͤrlicher, war die Politik des wiener Hofes.
Den 22ften Mai 1755 berichtet Keith aus Wim:
Der Graf Kaunig wuͤnſcht, dag England und Frank:
1) For preventing such a calamity.
17585. Sfterseidh und England. ° 87
veich fich vergleichen möchten ’);. beun aus dem See⸗
friege dürfte ein Landkrieg mit gar übeln Folgen ber:
vorgehen. Zu gleicher Zelt habe er aber ausdruͤck⸗
lichen Befehl, Ramens der Kaiferinn in den ſtaͤrkſten
und beitimmitellen Ausdrüden zu verfidern: daß fie
ihre Intereſſen von denen des Könige von England
für unzertrennlich halte, oder vielmehr daß dieſe ganz
diefelben wären. Die Kaiferinn hege bie Überzengung,
ihre eigene Sicherheit fen allein in der Sicherheit ih⸗
rer Verbuͤndeten insbefondere Englands zu finden;
und von dieſem Geſichtspunkte aus, fen fie entſchloſ⸗
fen, ihre - Verpflichtungen nicht blos nach dem Buch
fiaben, fonden nah bem Sinne?) ber Berträge
zu erfüllen und alle.. Kräfte aufs AÄußerſte zu en
Zwecke anzuflvengen.
Kaunis ſprach ferner von Frankreich als einer
feindlichen Macht und aͤußerte Beforgniffe für bie
oͤſterreichiſchen Niederlande. Wenn Maria Thereſia
durch Rußland gegen Prrußen geſichert ſey, ſo wolle
fie dem Könige von England in Flandern und dan
nover beiſtehen; — eher aber nicht.
Kaunig fügte hinzu: ex hoffe, daß England bie
Kaiferinn Maria Thereſia nicht blos als feine Ber:
bündete gegen ben König von Frankreich, fondern auch
1) Öfterreich, Band 191.
1) Not only to the letter, but to the sense ‘etc.
288 Dretundgwangigfker Abſchnitt. 1988.
gegen den König. von Preußen: betrachte, wei
cher, obgleich nicht fo mächtig, doch volllommen fo
gefährlich fen als der andere. Durch diefe neue Macht
(bemerkte Kaunitz) fey das alte Syſtem Europas gan
verändert, und nichts könne es wieder: in bie Richte
(to rights) bringen, als wenn vie und ber Ruſſen
verficherten.
Den 19ten Junius fagte Keith zu: Kaunitz '): es
ift fafl gewiß, daB uns ein ruffifhes Heer zu
Gebote ſteht, um fogleich einen. foihen Ar
geiff auf den König von Preußen zu ma:
hen, daß er fih zweimal wird bedenken müfle,
bevor er Krieg gegen die Kaiſerinn Köntginn erhebt.
Hier erfcheinen England und Öfterreih in feine:
licher Thätigkeit wider. Friedrich U, während Diele
weder allein noch mit Anbern in äpnticher Weiſe vor:
gerückt if. Doch wollte Öfterreich, ungeachtet jene
Verſicherungen Keiths, kein Heer nach Flandern fhis
den, Frankreich nicht dadurch reizen und ſich gegen Preu⸗
fen entblößen. Es Iegte die Gründe feines Verfah⸗
- rend in einer Mote vom erftien Junius ſehr verftän '
dig dar und fagte unter Anderem: lP’Angleterre n’ima-
gine pas sans doute que nous ne cempreniens
pas parfaitement la grand difference qu'il ya
d’un trait6 a faire, A un trait6 conclu ; de 60,000
1) | Ebenbafelbft.
175. Öfterreih, Frankre ich, Rußland. 289
Russes sur le papier, dans les quartiers très eloig-
nes les uns des autres, a 80,000 Prussiens, qui
penvent se rassembler dans quinze jours e fon-
dre sur les états de l’imperatrice.
Ungeachtet dieſer fcheinbar völligen Einigkeit Eng⸗
lands und Öfterreiche, fand ſich Keich doch veranlaßt,
über das Verhaͤltniß der letzteren Macht zu Frankreich
Erläuterungen zu fordern‘). KRaunig antwortete: bie
Stanzofen rühmen ihre Friedensliebe, fcheiten auf
England und fuchen -Öfterreich wider daſſelbe einzu⸗
nehmen. Sie koͤnnen jedoch glauben, daß ich den
franzoͤſiſchen Hof zu gut kenne, als daß deſſen kleine
Kuͤnſte mich taͤuſchen koͤnnten und daß ich der Wahr⸗
haftigkeit ſeiner Erklaͤrungen nicht mehr Gewicht bei⸗
lege als fie verdienen. Wir haben, obwol gehei⸗
me, doch wirkſame Maaßregeln ergriffen
und Alles ſo vorbereitet, daß wir (im Fall
es noͤthig iſt) ohne Verluſt eines Tatzes
ins Feld rücken koͤnnen.
Dieſe Kriegsluſt bezog ſich aber nicht auf einen
Krieg in Flandern, fondern auf einen Krieg in
Schiefien. Auch war Lord Holderneß hoͤchſt unzu⸗
frieben, - als er die oben erwähnte Mote empfing und
fchrieb an Keith”): es würde fehr leicht feyn, bie
1) Bericht v. 27ften Junius 1755. Öfterreich, Bb. 191.
2) Schreiben vom 6ten Auguft. Ebendafelbſt.
II. 13
BO Dreiundzwanzigſter Uhlhnitt ME
falſchen Schlußſelgen dieſes abgekbmadken Schein |
zu. widenlegen.
.. && warb: aber um fo nöthiger bie hier getabelten
Bedenken zu befeitigen, als die Franzoſen Die Eng
länder in Nordqmerika bedrängten, und dieſe wnge
kehrt jenen am tea Iumind dur Boscawer bei
Berreneune zwei Ltnienfchiffe (als Wiedervergeltung)
wegnohmen').. Die Franzoſen wollten dies nicht fü
din bloßes Verſehen gekten laflen, oder zu Werhand⸗
Inagm über eine etwanige Ruͤckgabe die Dank hieten;
ſondem hieften ſich zugleich für getaͤuſcht um beieh
bigt; fa daß bee. fuanzifiiche. Geſandte Londen verlich
ohne Abſchied zu nehmen.
Um nun Oſtarreich gegen FSrankreich im Bene
gung zu fegen, behastte England in dem Bemuͤhen
Rußland auf- jede Weiſe wider. Preußen aufzureizen.
Nie blos Beſtuchef Chaichter, Williams den Am
Sutine)?) iſt für einen Bund mit England, fonden
auh Woronzom hat feinen Irrthum eingefehen um
iſt jetzt uͤbergeugt: Rußland muͤſſe vor allen Dingn
auf den König von Preußen hoͤchſt eiferſuͤchtig fern,
als auf feinen natuͤrlichſten und furchtbariten Keim.
Man fühlt: ſich geneigt, die Thorheit zu wider
1) Berichte vom 2Often und 22ften Julius. Frankreich
Banb 119.
2) Rußland, Band 62.
185. Vertrag zwiſchen England und KRußland. UL
legen, daß Friedrich II einen Angriffskrieg gegen Ruß⸗
land bezweckt habe; dieſe Bemuͤhung erſcheint aber
ganz uͤberfluͤſſg, wenn man die Gründe jener über⸗
zeugung in dem Schreiben bes Geſandten näher ent:
wickeklt finder. Herr Dlfufiow (führe Williams
fort) ifE die Seele Woronzows, welcher nur ſpricht,
was jemer ihm eingiebt. Fuͤr 1500 Dukaten Baar,
und ein Jahrgeld von 500 Dukaten, kann ich Dls
ſufiow gewinnen und (mie ich glaube) großen Ge⸗
bdrauch von ihm machen. — Gleichen Einfluß hat
bee ſaͤchfiſche Geſandte Fu nk. Er dient feinem Hoft
treulich, hat aber ſeit neun Vierteljahren kein Gehalt
empfangen und iſt deshalb oft in großer Noch. Er
wird -dem Könige für dieſelbe Summe dienen, —
ih für Olſufiow vorgeſchtagen babe.
Die, dritte Perfon, weiche man gewinnen muß,
iſt Wolkow, dee Geheimſchreiber Beſtuchefs. Ein
Geſchenk von 500 Dukaten und ein Jahrgeld von
250, macht ihn zu dem meinigen!). Bis jetzt habe
ich jedoch une dem Difafiore vorkäufige Anerbietungen
gemacht. —
Den 24ftn Julius genehmigt Helberneß die Zah⸗
lung al bisfer Summen, und den Item Auguft mel:
det Williams?), daß endlich ein Vertrag mit Ruß⸗
1) Will make. this person my own.
1) Rußland, Band 63. Und die Berichte vom 1iten
Auguft und 2ten Oktober.
| = 13 *
DE Dreiundzwanzigſter Abfchniet. 18
land unterzeichnet worden, deſſen Hauptzweck iv:
Huͤlfe gegen Frankreich: und einſtimmige Wirkfamtet
mit ſterreich.
Außer den gewoͤhnlichen biplomatiſchen Geſchenlen
erhielt Beſtuchef 10,000 Pfund, und bat nun, ſchlar
genug, auch Weronzom eine außetordentliche Gabe u
bewilligen. Dlfufiom nahm das Dargebotene an um
dankte. Ob mit Funk wirklich .ein ähnliches Gefhift
zu Stande kam, ift nicht zu erfehen.
Das Gerd (fährt Williams fort), das "biefer Gef
zufolge des erfien-geheimen Artikels. cchält, geht ehn
Zweifel in die befondere Börfe der Kaiſerinn. Gi
baut jegt zwei, drei große Palaͤſte und bedarf his
viel Geld. Diss, hat wefentlich dazu beigetzagm
unferen Vertrag fobald zu Stande zu bringen !!
Der SKaiferinn Eliſabeth Widerwille (aversis)
gegen Frankreich und Preußen: wird tägsich flärte
und ihre Anhaͤnglichkeit an den König von England
und deffen Verbündete (Öfterreih) wächſt I
ſchnell, daß ich mich anheiſchig mache (mit Anwen
bung der Heinen Hülfsmittel, um welche ich gebeten
babe) den hiefigen Hof mehr in. die Haͤnde des 8
nigs zu bringen, als er zu irgend einer: Zeit von ir
- gend einem andern Herrſcher abhängig tar. Nicht
fou hier gefchehen, was den Wünfchen . Seiner Nr
jeftät zuwiderläuft, oder von dem abmeicht, was t
befiehlt.
1755. Geſchenke. 298
Bir werden fehen wie dieſe übergroße Zuverficht
ded Geſandten auch den englifhen Hof verführte.
Beide vergaßen, daß wo man ohne Gründe, oder
lediglich aus Nebengrüunden. Beichiüffe faht, Nie:
mand auf Sicherheit rechnen kann, und wo man bas
wahre Wohl des Staats dem Meifibietenden aufchlägt,
fi) leicht mehr Käufer einfinden. Und die um fo
mehr in. dem Fall, daß eine geoße Umſtellung ber
Staatsverhältniffe und der Politik, mühelos Vor⸗
wände und Ausfluͤchte berbeifährt.
Der Geſandte fährt fort: der Großkanzler Beſtu⸗
chef wirkte ſehr müglich für uns. Sein Geficht zeigte
die größte Sreude, ale er fand, daß meine Anerbies
tungen feiner, Gelze. genügten: .' Auch Woronzow
that das Seine. Moͤchten Seine Majeſtaͤt deshalb
Me Smwabe Haben und ihm über. feinen gewöhnlichen
kohn (above his ordinary fees) noch etwas geben,
wa ihm einen Ring zu kaufen. 500 Pfund, fo
berwandt, werben an dieſem Hofe fünftig große Wir:
kung thun. |
Zwei Tage ſpaͤter, denn 14ten Auguft, fchreibt ,
Wiliams'): der Großkanlzer verficherte mich in den
ſtaͤrk ſten Ausdrücken, daß eine Vermehrung der
im erften geheimen Artikel feftgefegten Zahlung, au:
berordentlich angenehm und eine Art von perfön-
%
1) Ebendaſelbſt.
294 Dreiundzwanzigſter Abfhnitt. 18.
licher Begünftigung ber Raiferinn ſeyn wuͤrde. Gold
eine Vermehrung werbe diefen Hof und bie Kalferian
ganz zum Dienſte des Koͤnigs ſtellen ). — Em
50,000 Pfund für die Woͤrſe bee Käiſerinn daft
großen Erfolg haben. Alles was man biöher gal,
follte den Beiſtand des ruſſiſchen Reiches erkaufn;
dieſe letzte Summe wird bie. Kalferien erkaufra!
Ze zufriedener und gluͤcklicher Willians war, dej
ihm der Abſchluß des fo Lang erſehnten Wertvages 1
lungen, deſto überrafihender und unamgenehmer muit
als ihm feyn, daß man an defſen Form ımb Inhal
fo manderlei in England auszufegen fand”). Bunte
derſt verlangte man, daß ein Epemplar, vom Köniz
von England allein unterzeichnet und fein Name in
demſelben vorangeſteilt werde; noch lebhafter befkitt
man bie mit dem erſten Entwurfe vorgeneramenn
Abaͤnderungen tiber den Aufbruch und Marſch W
. Heeres, die Zahlungsfeiften u. f; ie. Rn
Zufriedener war Raumig über jenen Vectrag))
weicher zunaͤchſt nicht den Franzoſen, fondern den
Preußen gefährlich werden mußte.
1) Put to His Majestys fmenagement.
2) en an Williams, den ZBften Auguſt Rußland
Band 6
8) — aus Wien vom ten September. — |
Band 191. |
1755. Krankheit e— Katharina. 205
Den 2ten Oktober bericheet Willens aus Pe
tersburg): dee Geſundheitszuſtand der KRalferine if
ſchlecht. Sie bat Bluiuß, Burgen Atgem, fieten
Huſten, geſchwollene Beine, Waſſer im Leibe; — bed
tanzte fie eine Blewwett mit mir”). — Am Hofe ift
große Aufregung. Peter verhehlt feine Feindſchaft ger
gen bie Schuwalofs nichts Katharina lebt auf gu⸗
tn Fuße mit Beſtuchef. — Weil Ihre Hoheit (Ras
tharina) diejenige Perfon iſt, welche im Fau gewiſſet
Bufühte, hier herrſchen wird; fo halte ich es für meine
Pflicht, dem Könige meine Beobachtumgen über die:
felbe vorzulegen. Diezu bin ich um fo eher im Stande,
als ich oft ſtundenlange Geſpraͤche mit ihr fähre;
ſchon weil mein Rang mir bei den Abendmahlzeiten
einen Platz neben iht anweiſet. Brit fie in bies
Land Bam, hat fie ſich duch alle ihr zu Gebete fies
henden Mittel bemüht, bie Liche der Ruſſen zu ge
winnen. Sie lernte ſehe fleißig ihre Sprache and
ſpricht fie jegt. (wie Rufen mir fagen) vollkemmen
gut. Auch hat, fie jenen Zweck erreicht, und wird
bier in hohem Grabe geliebt und geachtet. Ihr Äur
feves iſt ſehr vortheilhaft, und ihr Benehmen fehe .
einnehmend. Sie befigt guoße Kenntniſſe von Diefem
1) Rußland, Band 63,
2) Williams war ein Geſandter, wie ibn Buy Dickens
als paſſend in Petersburg, beſchrieben hatte!
26 Dreiundzwanzigſter Abihnitt. 178.
Reiche, und macht es zum Gegenſtand ihrer eifrigfen
Forſchung. Es fehlt ihr gewiß nicht an Anlagm |
(parts), und ber Großkanzler fagte mir, Niemand be
fige mehr Zeftigkeit und Entſchluß. — Bie bat fh
letzthin offen gegen mich über den König von Par
en erklaͤrt), und iſt nicht‘ allein überzeugt, er ſey
der natuͤrliche und furchtbare Feind Rußlands, for
den ich finde auch, daß fie ihm perfönlich Haft. Der
‚Prinz von Preußen (fagte fie mir) hat nicht bed 8:
nigs Verſtand; fein Herz kann aber nicht fo ſchlecht
ſeyn, als das des legteren, weil dies gewiß das ſchlech
teſte auf der Welt ift.
Sie erwähnt nie ben König von England, ald
mit der höchften Achtung und Ehrfurcht, iſt durde
drungen von dem Nugen der Einigung zwifchen Eng
land und Rußland, nennt ben König immerdar ber
Kaiſerinn größten Freund und Bundesgenoſſen, un
ſchmeichelt fich, er werde Freundſchaft und Schug auf
ide und dem Groffürften zu Theil werden laſſen.
Was dieſen anbeteifft, ſo iſt er ſchwach und heftig,
aber fein Vertrauen zur Großfuͤrſtinn iſt fo groß,
daß er bisweilen den Leuten ſagt: er ſelbſt verſtehe
zwar Nichts, feine Frau aber verſtehe Alles?).
1) Man darf zweifeln, ob Katharina ganz aufrichtig
ſprach.
2) He does not understand things himself, ya his
wife understands every thing.
1738, Lage Eüropas. 2097 °
Sollte die Kaiferinn (mie ich fuͤrchte) bald fterben,
würbe die Herrſchaft ruhig auf. Beide übergeben. .
As ein Herr Douglas aus Paris hier anlangte, °
fragte ihn der argwoͤhniſche oͤſterreichiſche Sefandte '):
was er in dieſem Lande wolle? und diefer antwortete:
er komme nach dem Rathe feiner Ärzte, um die
Wohlthaten eines kalten Klimas zu genießen.
Vierundzwanzigſter Abſchnitt.
Nach mannisfach erneuten Schwierigkeiten, wear
. endlich ber Vertrag zwifchen England und Rußland
abgefchloffen?), wenn. auch noch nicht von ber Kaiſe⸗
rinn volgogen worden. Alle Xheile. betrachteten dies
als ein wichtiges, vielleicht entſcheidendes Ereigniß. .
Wie flanden alfo die. Dinge? Der Seekrieg zwi:
ſchen Engiond und Frankreich war unvermeidlich,
oder vielmehr ſchon ansgebrochen.. “ England wünfchte
num entweber den Landfeieben zu erhalten, damit es
mit ungetbeilten Keäften: zue See wirken könne; ober -
den Landkrieg ai Huͤlfe Er und ge
1) Bericht vom Tien Oktober.
2) Bericht vom un Kovember. Rußland, Band 68.
, 13°
208 Vierundzwanzigſter Xbfhnitt. DA
fo zu führen, daß Preußen und Buaitkvei, übennil
tige würden. Bon ber Möglichkeit Frankreich m
Öfterreich hinuͤberzuziehen, ober Preußen von Frank
seich zu rennen, tft noch gar nicht bie Rede. Am
fand aber Preußen in gar keiner engen Verbindunz
mit Frankteich; vielmehr lief dee zwiſchen beiden ge
ſchloſſene Werting (teicher ohnehin unter ganz neun
Verhaͤltniſſen wenig ober nichts bedeutete) bald zu
Ende. Mithin war Friedrih I ganz vereinzelt,
und die dringendfle Beranlaffung vorhar
ben zu überlegen, was in fo.übler Lage zu
thun fey, Dan die vn Euglaud, Aufland un
Öfterreich her Preußen bedrohende Gefahr, erſchien weit
größer, als die erwa vom Fraulceich zu erwattende
‚Zur das Feſtiand Europas waͤre es ohne Aeifd
bes Heilſamſte und Weiſeſte geweſen, bie Boanzefm
‚von Deutſchland, md die Hſterveichet von . Pauken
abzuhalten (oder mit. einem orte) jeben Keitg zu
vermeiden. Das: war Friedrichs II erfier nad nid
fer Zwei, Obauch der übrigen Mächte? Dei
ſteht nad) den ſchon mitgetheilten Berichten ſehr zu
bezweifeln, umd nach Bern, was ich fogfeich vorlegen
woerde, darf man: ed gerabehin leugnen.
Auffallend iſt es zuerſt, daß die oͤſterreichiſchen
Miniſter vom Auguſt bie zum Movember 1755, oder
vielmehr bi6 zum Februar 1756 mit dem engliſchen
-
1355, umfellung ber Politik. m.
Geſandten Sci in Min‘), fo gut wie. gar nicht
über Geſchaͤfte ſprachen; und aͤhnlicher Weiſe verfuh⸗
ven wahrſcheinlich die engliſchen Miniſter in London:
Auch wird der Verdacht geäufert, daß fterreich in
Rußland Untechundiungen pflege, von denen Eugtand
nichts erfahre; ja Wiiliams ſchreibt?): der in Peters⸗
burg nen augelommene Graf Zinzendarf, erwecke bie
Eiferfucht ſelbſt des öfterreichifchen Geſaudten Eſterhazi.
Wahrſcheinlich ſtellte fi) aber ber wohlunterrichtete
Eſterhazi nur fo an, um Williams beſſer zu taͤuſchen.
In dieſe neblige Gegend fällt ein plögliches Licht
und laͤßt uns einen Blick thun bis in bie geheimſten
Riefen, an weiche man zeither kaum zu bmien, von
deuten man aber gewiß nicht zu fprechen wagte. Dem
10ten Obtober 1755 ſchreibt nämlich Holderneß eunb
heraus an Mitchellꝰ), den nachmaligen ongliſchen
Gerſandten m Beim: Unfer Gegenftand if
Frankreich, Öfterreihs Gegenſt aud iſt Prem
Bent Ste wollen uns wider jene Mache
krinen Beiſtand geben, wenn wir dieſe
nicht far. unfere Feindinn erklären, und
der Kalferiun Koͤnigian das wieber era:
bern heifen, was fie im legten Kriege ver
1) eichsarchtv, Oſterveich Want 191.
2) Bericht vom ten November. Rußland, Band 63:--
S) Mitchell papers, Vol. 39. a
399 Bierundzwangigfter Abſchnitt. 198.
lor. Und wahrlich in unferen jegigen Ber
bältniffen an fol einen Plan zu denken,
würde Wahnfinn (madness) gewefen feyn.
Zu. dieſem merkwürdigen Texte, giebt Die nem
Anweifung, welche Holderneß ben 26ften Decembet
1755 an Williams nad) Petersburg fandte‘), einen
fo umftändlihen als Ichrreichen "Commentar. Ei
beißt dafelbft im Wefentlichen: Der erſte Zwed be
engliſchen Unterhandlungen am ruſſiſchen Hofe wat
gegen Preußen gerichtet, für den Fall, daß die
Mißhelligkeiten zwiſchen dem Könige von England
und Friedrich I wären bis aufs AÄußerſte getrichen
worden. Hierauf. folgten zweiten, die viel wichtigere
ameritanifchen Streitigkeiten, und für größere Gegen
flände . vergrößerte man auch bie Anerbietungen von
Hülfsgeden. Der Dauptzwed war jebod,
ben Frieden von Europa zu erhalten. Dee
bald ‚haben wir den zwifchen Rußland und. England
abgeſchloſſenen Vertrag umter dem Bemerken an Prer⸗
Sen mitgetheilt: derfelbe fey auf keine Weiſe als ein
offenfive „oder feindliche Maaßregel wiber den Könis
von Preußen gemeint und zu betrachten, ſondern habe
lediglich den Zweck, ſich wider alle und jebe Angriffe
zu fichern. |
Sch darf Cabet Holderneß fort) — nicht we
1) Rußland, Band 68.
1758. England.und Preußen. 301
hehlen, daß ber hiefige oͤſterreichiſche Miniſter über bie
öffentliche Erklärung im Parlamente Beforgniffe (um-
brage) gefaßt hat. Sie argmöhnen eine Vorliebe
für den König von Preußen und deuten hin auf eine
Anderung .der Maaßregeln in England. Das letztere
jedoch aus keinem anderen Grunde, als weil ber Kö
nig von England. nidjt guttillig zugab, daß ber Kb:
nig von Preußen (vieleicht gegen feine jegige
Abſicht) von Frankreich zu feindiihen Mach
regeln gezwungen werde"); und zwar zu el⸗
ner Beit wo Feine andere Macht als Frankreich
und ‚England unmittelbar bei den 'obmwaltenden Steel:
tigfeiten- intereffirt. war. Die Weigerung bes berliner
Hofes. auf das franzoͤſiſche Syſtem einzugehen, dürfte
ein Mittel ſeyn, den Frieden in Europa zu’ erhalten,
welcher ſtets fo. wünfdenswoeth und jetzt ſo nothwen⸗
dig iſt.
So weit möchte es bieleicht nicht unangemeffen
ſeyn, geſpraͤchsweiſe etwas gegen die ruffifchen Miniſter
fallen zu laffen, um zu prüfen, inwiefern ber wiener Hof
fih) bemuͤht hat fie zu mißleiten, indem er aus Fan⸗
tomen. feiner eigmen Einbildungskraft Schlüffe ‚zieht,
ohne achte Kenntniß der Wahrheit deſſen was vor
geht.
Zu Ihrer eigenen Belahrung eheile ich Ahnen das
1) To be foreed in hostile measures,
HB Vierundzwanzigſter Abſchnett. 188.
gegen auf Befehl des Königs eine Thatſache vom der
hoͤchſten Wichtigkeit mit," weiche das größte Geheim⸗
niß erfordert. Bufolge deſſen nämlich, was zwiſchen
mic und dem preußiehen Geſandten Michel vos,
hat ee von ſeinem Hofe Befcht schalten, mie zu fe
gen: ber Konig fein Herr fey ſehr erfrrut deber die
Mittheilung des zuffichen Vertrages und bie bei bie
fer Gelegenheit vom Könige von England ausgeſpro⸗
denen Geſinnungen. Er wuͤnſche ben allgemeinen
Frieden in Eurepa zu erhalten, zu naͤchſt und vor
Allem aber den Frieden in Deutſchland ja
ſichern. Dieſer Zweck durfte ſich am beſten em
chen laſſen durch einen Neutrulttaͤtevertrug, weiche
"für das Reich während der gegenwaͤrtigen Mncuhen
in folcher Weiſe abgefaßt werde, daß er Teiner anbemm
WMacht Anſtoß geben koͤnne. Nädyfidern fpend; Ken
Michel auch Über einen Ausweg, die Mißverſtaͤndniſſe
Froiſchen Preußen und England zu befeitigem.
In dieſem Sime iſt mm bee Entwurf gu einen
Bertrage gemacht worben. Meint e6 ber König vom
Preußen aufrichtig, fo kann der Friede in Deutſch⸗
land ohne Zweifel erhalten werden; dean es kaͤßt fi
nidye denken, daß Frankreich ein Heer dorthin ſchicke
wird, wenn Preußen ernſthaft entſchloſſen iſt, es nicht
zu dulden. Sollte aber ber König: (mas nicht vor
auszuſetzen ift) bei feinen Anerbietungen uͤbele Ab
ſichten hegen, fo koͤnnte er vielleicht Eiferſucht in Pe⸗
2. GEnglanp und Preußen. 2308:
tessbarg zu erwecken ſuchen, alb vernachlaͤfſiggen wir
bad ruſſiſche Bimdniß, oder ats ergriffen wir gem
heime Maaßregeiln, es aufzuloͤſen (for defeating itj.
Gerade dad Gegenthell iſt der Fall. Der König von
England weiß, daß ber Abſchtuß bed WVertrages mis
Ruftond großentheils dis jegige Denkungséweiſe bei
inigs von Preußen hesbeigeführe Hat; er if uͤber⸗
zeugt, die Czarin werde (bei ihrer bekannten großar⸗
tigen Gefinnung) gleich befeiebigt Tem, daß fie für
ber Frieben und De Erhaltung Ihrer Verbuͤndeten
durch einen Federſtrich (ma comp de plume) fa
diel bewirdte, aid wenn fie. eine Gelrgenheit gehabt
hätte, die Tapferkeit ihrer Mannfchaft und ‚die En
ihcer Kolegsmacht zu weisen u. |. w.
Selten Sie aber nicht bie groͤßte Urſache —
zu glauben: ber König vom Preußen habe ins Ges
heinmiß bereits enthidit, ober fich bemüht, daraus her⸗
zuleiten, daß es dem völligen Bertrauen zu Rußland
und der engſten Verbindung Tnglands mit dieſer
Macht widerſpreche; — fo wären Sie. Miles, felbik
vor den Großkanzler Beſtuchef völlig geheim halten. :
Moch eine andere Warnung muß. ich. hiagufligen:
daß Sie naͤmbich ſelbſt dann fich nicht verleiten laſſen,
eine Mittheilung ſo wichtiger Art zu machen, wenn
der oͤſterreichiſche Geſunder ſich bemühen ſollte, in Per
tersburg Argwohn, vder Mißbehagen uͤber Muaſregeln
hervorzurufen, weiche ber Koͤnig zur Erhaltung des
—
3 Vierundzwanzigſter Abſchuitt. 8
Friedens und der Ruhe im Reiche für nothwendig
- hält, und weiche ber wiener Hof ſelbſt nur zu ſcht
vernachläffigt hat. — Vielleicht ift: der: oͤſterreichiſche
Geſandte in Petersburg angewieſen, dem Könige von
England üble. Dienfte zu: ergeigen;. doch follen Sie
ſich weder beklagen, noch bat: Benehmen des nice
Hofes ruͤgen (resent); ſondern:aͤußerſten Su 13
vertheidigungeweife verfahren.
So eröffnet ſich alfo am Schluffe des Jehen
1755 eine neue Welt wichtiger und folgenreicher Yes
haͤltniſſe. Was ergiebt ſich zunaͤchſt, ſchon aus der
bloßen Betrachtung der ſo eben — ..
Anweifung ?
Erſtens: England hätte, um untergeorbneter Siteeis
tigkeiten mit Preußen millen, ‘den ruſſiſchen Hef nicht
fo (man mödte fagen ins Blaue hinein) wider jene
Macht aufregen, es haͤtte beim Unterhandein dcher. den
Bertrag mit Rußland ben. Friedenszweck deutlicher ben
vorheben ſollen. Rußland und noch weit mehr. Öko
reich gebachten auf dieſem Wege nicht den Krieg ab:
zuwehren, fondern ihn herbeizuführen.
Zweitens, gewannen ohne Zweifel die Engländer,
wenn fie durch Rußland, Öfterreich und Preußen ben
Landfrieden erhalten, und ihre Übermacht zur Se
ungeftört geltend machen konnten.
Drittens, wuͤnſchte der König von Preußen un
ter. den damaligen Berhältniffen gewiß den. Frieden
176. Öfteireih und Englant. 305
‚aus vielen Gruͤnden; er war damals ber Friedliebendſte
von Alten. Was in biefer Beziehung von Rußs
land und Öfterreich zu fagen ift, wird fich ſogleich naͤ⸗
her ergeben.
Zunaͤchſt verzoͤgerte Rußland (welches gewiß von
jenen Geheimmiffen Kunde erhalten hatte) unter taus
fend Vorwaͤnden bie letzte Vollziehung bed Vertra⸗
ges mit England'). Das Schutzbuͤndniß zwiſchen
England und Preußen auf Erhaltung des Friedens
und gegen den Einmarſch fremder Mannſchaft in
Deutfchland, war dagegen am 16ten Januar 1756
wirktich abgeſchloſſen worden, und ließ ſich nun nicht
länger geheim halten. Da alle Parteien jenen Zweck
priefen, und ber Friedensbund keiner Mache zu nahe
trat, glaubte ſich Holderneß ſchon am Diele, und hielt
es für leicht, das Berfahren Englands und Preußens,
in Wim und Petersburg zu rechtfertigen.
Am Gten Februar ſchickte er eine Abfchrift des
Vertrages nach Petersburg und fügte im Wefentlichen
binzu?): Öfterreich hat either immer erklaͤrt, es koͤnne
nichts für England thun, fo lange. ed nicht gegem
Preußen geſichert fen; dies iſt jegt ber. Fall, und beſ⸗
fer als durch bloße Mitiel der Gewalt. Sohte aber
1) m vom 10ten Ianuar 2756. Rußland, Band
B Ebendaſelbſt.
806 Vierundzwanzigſter Avſq nitt. 18
der wiener Hof (was der König vom: England inf
nicht vorausſetzen will) jemals Hoffnungen geht
haben, Beine Majeſtaͤt würden die Hand gm dem
yoilden und ausfchmweifenden Plane bieten,. die Mat
des Rinigs von Preußen zu zeritösen, follte dad
Hans Öfterneich den Seemaͤchten zur umter bie
fer Bedingung Beiſtand leiften wollen; — ſo iſt e
hohe Zeit, daffelbe zu enttaͤnſchen und zu übergengm:
daß Beine Dtuͤckſicht jemals Seine Majeſtaͤt bewegen
wird, auf «ine fo unausfuͤhrbare umb ungerechte Uns
teenehmung einzugehen.
Es iſt leicht zu begreifen (fährt Holderneß fort)
daß ‚der wiener Hof vielleicht andere Hoffnungen uͤber
den ruffiſchen Vertrag hegte. Hätte. man aber von
demſelben amderen Gebrauch machen wollen, fo wün
er nicht laͤuger eine friebkiche, ober zuvorkommende
| Maaßregel geweſen fen, fonbern unmittelbar einen
hoͤchſt gefährlichen Krieg herbeigefuͤhrt Haben, Im
Fall einer gluͤcklichen Führung Hätte derſelbe aler
dings dem Haufe ſterreich nüglah werden, alemal⸗
aber dem Könige von England muhre Vorthelle bein
gen innen; oder wenigftens nice ſolche, welche mil
den unermeßlichen Koſten und ben Gefahren bes Un
ternehmens irgend in einem angemeſſenen Vechan
niſſe geſtanden hätten.
Will Öfterreich noch immer’ den König von Pre
ben als feinen unverföhnlichen Feind betrachten un)
‚ 158. Sugland nad Ausland. 97
ihn als. ſolchen behandeln, fo kann es ſich nicht wan⸗
dern, wenn der König von England es alblehnt, am
Planen Theil zu nehmen, weiche nothwendig Zerfid
rung und Untergang mit ſich fuͤhren.
Den 17ten Februar antwortet Willians): ich
denke und darf Cuer Herrlichkelt ernſtlich verſcchern,
daß der preußiſche Vertrag am hieſigen Hofe keine
übele Wirkung baden mir. Ich arbeite Tag und
Nacht daran, dies zu verhuͤten, und hoffe meine Bes
mühungen ſollen nicht ohne Wirkung ſeyn.
Zwei Tage ſpaͤter iſt ſein Marth ſchon geſunken,
obgleich er nach wie vor ſich felbft noch taͤuſcht und
von Autderen getäufcht wird. Er fchmeibt?): der Wer;
trag mit England diegt über fünf Wochen auf dem
Tiſche der Kaiſerinn, und ich muß mis Schmerz be:
merken, wie fie die beiden Kanzler in folcher Chrfurcht
erhält und mit ihnen auf einem folchen Fuß ſteht,
daß. diefe nicht wagen, fie an Unterzeichsung einer
Sache zu erinnem.
Mehre von den Haͤuptern find offenbar wider
England, fo Peter Schuwalof, weil er Bein Geſchenk
bekammen; und ex regiert wiederum ben jungen ar
ing Iwan Schuwalof.
Endlich vollzog die Kaiſerinn den — , fügte
1) Ebendaſelbſt.
2) Bericht vom 19ten Februar. KRußland, Band GR.
308 Vierundgwanzigfter Abſchnitt. 1B8
aber eine Bedingung hinzu, des Inhalts ): ex gelte
nur, inſofern der König von Preußen bie Staa⸗
tn bed Koͤnigs von England oder ſeiner Bundesge⸗
noffen angreife. — Weit nun -Dfterreich einſt de
Dauptbundesgenoffe Englands war und noch jekt
‚in Petersburg als folcher betrachtet warb, fo fi
buch jenen Zuſatz, bei ben jetzigen Verhaͤltniſſen
alle WBebeutung de Vertrages in ber That das
bin. Doc fuchte man bie Sache dem engliſchen
Geſandten in einem beſſeren Lichte darzuſtellen, und
er ſchreibt: die beiden Kanzler behaupten, jene Erklaͤ
rung ſey nicht Ihe Merk, hoffen aber, dieſelbe as be
fion zu vereiteln, wenn ich fie annehme und nah
Enstand ‚ fende. Sie ift in den Zimmern Iwan
Schuwalofs entworfen, ber Kaiferinn nn und
an Beſtuchef gefandt worden.
Daß diefer mit Iwan Schuwalof -in Screit ge
rathen, aͤndert die Verhaͤltniſſe an dieſem Hofe gar
ſehr. Des Letzteren Macht waͤchſt taͤglich, und es iſt
ſchlechterdings nothwendig Peter Schuwalof fuͤr Eng⸗
land zu gewinnen.
Nach Empfang des Vertrages mit Preußen ging
ich zu Beſtuchef, der mir zu dem neuen Berbuͤn—
beten Gluͤck wuͤnſchte. Doch fügte er hinzu: bie Kai:
ferinn würde es gewiß übel nehmen, daß jener Ver
1) Den i4ten Bebruar- alten Styls. Ebendaſelbſt.
1356. Ergland und Rufland. 899
trag eher dem Grafen Golloredo, als dem Juͤrſten
Gallitzin mitgetheilt worden; ja die neue Einigung
zwiſchen England und Preußen wuͤrbe ihr aͤberhauyt
ſehr unangenehm (very disagreable) ſeyn. Hier⸗
auf antwortete ich: Frankreich ausgenommen, koͤnne der
Bund Niemand verletzen, der nicht bereits geneigt
ſey, fich verletzt zu fuͤhlen. Ich hoffte, Beſtuchef
werde Alles anwenden, daß die Kaiſerinn den neuen
Bund nicht mißverſtehe und zu falſchen Anſichten
verleitet werde. Hierauf antwortete der Großlanzler:
aber was wird der wiener Hof hiezu ſagen) ? Worauf.
ich entgeguete: wenn das oͤſterreichifche Miniſterium
wahrhaft die Fortdauer des Friedens wuͤnſcht, kann
es moͤglicherweiſe nichts dagegen ſagen. — Ich hielt
es nicht fuͤr gerathen, dem Großkanzler auch nur eis
nen Wink zu geben, daß das Benehmen Öfterseichs
ein Hauptgrund geweien fey, welcher den König vom .
England zu diefem Schritte vermocht habe. |
Hierauf gab mir Beſtuchef einm ſtarken Wink:
ee habe das ihm verfprodyene Geld. noch nicht befome-
men; worauf ic) ihm verficherte, er werde es gewiß
erhalten. Im Kal er aber deſſelben beduͤrfe, und
dem Könige in biefem letzteren Falle aufrichtig dienen,
fowie die Eiferfucht befeitigen wolle, welche andere
Höfe in ber Bruft der Kaiferinn hervorrufen möchten;
1) Dies war feine Antwort auf Willieoms Forderung. ”
38 Vierundzwanzigſter Abſchnitt. 1786
fo woßte ich veranlafien, daß Baron Welff ihm au
genblicktich das. Verfprachene auszahle. Er verſprach
mir Alles zu. thun mas ich wuͤnſchen koͤmme, und in
üÜberrinſtimmumg mit dieſer Zuſtcherung ſandte er die
fo eben angelangten und entzifferten Berichte des Kür
ſten Gallitzin an die Katſerinn, nebſt einigen Rand
gloſſen, welche ich dictirte: daß naͤmlich ber Wertung
von Petersburg gewiß in dem Könige von Preußen
friedliche Geſinnungen herworgerufen und Ihr beſtimmt
hätte, diejenigen Schritte gegen ben König zu thun,
wodurch der neue Vertrag herbeigefährt worden. Es
fen deabalb eben fo glorreich für bie Kalſeriun, dm
Frieden Europas dadurch zu erhalten, daß le ihren
Mamen unterfchreibe, als ihn duch einen Sieg win
berzuflellen.
Woronzow sing Forumböich auf Alles ein, fagte
‚ser dann zu Williams (ohne daß dieſer die Zul
beutigkeit bemerkte, ober rlgte): weit bie Ruſſen nun
nicht gemöthigt wären, lange Maͤrſche zu unterneh⸗
men '), fo koͤnnte ich mich darauf verlaffen, daß, wenn
Ber König. von Preußen irgend etwas unten
nehme den Frieden zu fidren, die Kaiferinn
alsdann allen ihren Berpflihtungen ge
'nügen werde.
Diefe Worte erhielten neue Auslegung und 9
1) Etwa gegen Frankreich?
1358. England und Ruflanı. 2
ſtaͤtigung durch bie ſchon erwähnte Erklaͤrung: bie
Kaiſerinn wolle Richts them, als ben König von
Preußen in Auffidxe Halten (keep m.awe), und ihn
angreifen, im all er den Koͤnig ober einen feiner
Verbündeten angreife. — Diefe. Worte hatten für
England im der That gar keinen Stun mehr, waͤh⸗
tenb Rußland unter den Berblindeten ohne Zweiſel
Oſterceich verftand. Doc mar Williens fo verblen:
det. ſich zu freum, daß Rußland den Adnig von Press
ber zmingen werde, feiner neuen Werbindung treu
zu bfeiben, und ihn mit größerer Macht angreifen
wolts, als ſeldit ber Wertrag befkinme,
Auch Efiechazi (erzähle Wilians fehe vergnigt)
babe ihm, gleichwie Beſtuchef, treu und ‚ehrlich, beige
ſtanden, und Beſtuchef ſey ihm fo zugethan, daß er von
Wien nichts fuͤrchte. Peter Schuwalof muͤſſe man:
aber jedenfalls gewinnen und bes General Aprarin
ein Schwert ſchicken, wie es ihm Lord Hyndford vom
ſprochen habe: Apraxin thue Schaden und mach«
stoßen Laͤrm an einem Hofe, wo es oͤffentlich bekannt
ſey, daß faſt jeder Miniſter ſich erkaufen laſſe.
Nach erhielt Eſterhazi keine Anweiſungen aus
Wien und antwortete der Kaiſerinn Eliſabeth: er koͤnne
nur als Privatperſon uͤber den Vertrag mit Preußen
ſprechen, welcher die Erhaltung des Friedens bezwede.
Die Kaiferinn (erzählte Eiterhazi an Williams) fchien
ein wenig beleidigt duch den Vertrag und fagte: fie
Bierundgwanzgigfier Abſchnitt. 17.
hoffe, ber König von England und der wie
ner Hof würden einen, Plan entworfen ba
ben, ben König von Preufen zu reducs
rer, was zu thun fie jederzeit fehr bereit
und geneigt fey').
Es mag zweifelhaft bleiben im wie weit die ruß
ſiſchen Minifter und Eſterhazi damuf ausgingen, Wil
liams zu taͤuſchen: gewiß war das was fie fagten hin-
reichend, um ſich zu überzeugen, daß von Rußland
niemals das Geringſte fir Preußen zu erwarten wer.
Im Anfange bes Februars erhielt Reich in Win
. die Nachricht von dem zwiſchen Preußen und Eng:
land gefchlofienen Berteage?), und erwies gegen Kan:
nig,. er enthalte nichts Feindliches wider Hſterreich
und ſey die weiſeſte Munßregel jebem Kriege vorm:
beugen. Anfangs fagte Kaunig blos: dies ſey eim
Sache, welche fie Längft erwartet hätten; am Alten
Sebruar dankte er für bie Mittheilung und fügte
(ohne auf etwas mäher einzugehen) nur hinzu: er
hoffe, der König von England werde ben —
ten Vortheil erreichen.
Der meeußifche oe Klinggraͤf ſpuͤrte —
1) — Would have formed some system for reducing
the King of Prussia, which she was very ready and
desirous to do at all times.
2) Bericht vom Februar 1756. Öfterreich, Band 192
1736. Eliſabeth u. Marla Thereſia wiber Friedrich II. 313
aus: O ſterreich ſey über ben Vertrag hoͤchſt unzufrie⸗
den und werde ſich mit Frankreich verbinden. Keith
hielt aber (gleichwie Williams) fo feſt an dem alten
, Spfteme ber Politik, daß er fehrieb: der wiener Hof
werde. fi fchwerlich mit einer Maaßregel übereilen,
von welcher er (wenn es ihm nicht durchaus an Urs
theil, ja an gemeinem Menſchenverſtande fehle) ein-
fehen müßte, daß fie unfehlbar mit feinem —
Untergange enden werde.
Am 18ten Februar iſt deßungeachtet ſchon von
großen Kriegsvorbereitungen Öfterreich die Rede, und
am Gten März war Klinggraͤf über die pariſer Ver
haͤltniſſe befler unterrichtet, ald Keith. Wenigſtens
behauptete jener, man babe dort bereitd mit dem
öfterreichifchen Gefandten dem Grafen Stahremberg
über Kriegeplane am Rhein und in Schleſien ges
rathfchlagt.
Gewiß hatte England nicht geglaubt: es koͤnne
durch eine Annäherung an Preußen, etwa Öfterreich,
oder gar Rußland verlieren.
Sn Bezug auf dieſe legtere Macht hätte jedoch
Williams einen neuen Troſt zur Hand und fchrieb
den 19ten Februar‘): die Kafferinn Eliſabeth könne
ſchwerlich ein halbes Jahr überleben, und Katharina fey
ganz mit ihm über den Vertrag einig, — Das war
1) Rußland, Band 64. |
1. 14
⸗
P
314 Vierundzwangigfier Abſchnitt. 18
aber bie ſtets umgangene Hauptfrage, was der Ye
trag zwifchen Rußland und England unter den jehi⸗
gen Berhältniffen eigentlich bezwecke und bedeute.
Nach einem langen Gefpräche mit dem allmächtigen
Iwan Schumalof, fehreibt Williams’): wenn der Kb
- ng von Preußen irgend einen feindlichen Schritt ge
gen den König von England oder deſſen Bundes
genoffen thue, werde Die Kaiferinn gewiß. ohne
allen Verzug über ihn berfallen und ihn
angreifen. — AÄnßerungen biefer Art zeigten, dah
man in Petersburg von dem Vertrage Englande
mit Preußen gar Beine Kenntnig nahm und Fried⸗
eich II nicht zu den Werbündeten’ Georgs. IE zähle.
Schwerlich theilte man dies englifcherfeite -jenem mit,
obgleich er es wol auf anderem Wege erfuhr.
Den Gten und A6ten März ſchreibt Williams
in allzugutmuͤthiger Taͤuſchung?): fterreich hat
im Petersburg gar Nichts gegen ben preußilcen
Vertrag gethan. Efterhazi kommt freundlich zu mit,
und erzählt mir alle Nachrichten die er auftreibm
kann. Bon Wolkow (dem Geheimfchreiber Beſtu⸗
chefs) höre ich, daß der Verdruß der Kaiſerinn übr
jenen. Vertrag allmälig verfchwindet.
NReun Tage fpäter erfährt Hingegen Williams daß
1) Bericht vom 28ften Februar. Ebendafeibft.
2, Ebendafelbft.
1756. England und Rußland. .. 3165
in Petersburg große Berathungen gehalten worben”):
od nicht der ganze Vertrag mit England, um bed Ver:
trages mit Preußen willen, für nichtig zu erklären ſey?
Beſtuchefs Widerfpruch Habe obgefiegt; doch entſchuldigte
fic) diefer, daß er Williams nicht fehen könne, und fügte
als Troft hinzu: e8 werde noch Alles gut werben.
Unterdefien waren die ruſſiſchen Bedenken und
der Zuſatzartikel im London berathen, und befchloffen .
worden, ſich lediglich an ben Vertrag zu halten, —
von dem aber die Muffen nichts mehr wiflen wollten,
Den Z0Oſten März fchreibt Holderneß an Williams?):
Sch wundere mich Über die hiebei zuruͤckgehende neue
Erklärung, und halte den Vertrag an ſich für genuͤ⸗
gend. Jene Hi fo zarter Art (delicate a nature)
umb wuͤrde (wenn fie bekannt wuͤrde) dem Könige
von Preußen fo gerechten Anſtoß geben, daß der Rs
nig von England meint: je weniger man bavon fpres
che, deſto beſſer. Sorgen Sie, daß biefelbe im aller
Stille ganz unterdrückt werde.
Ich muß Ihnen im Vertrauen fagen, ba zu⸗
"folge einer Rahriht aus guter Quelle (of good
authority), man in Frankreich einen Plan entworfen
und angenommen hat, den König -von Preußen
in Eleve und den benachbarten Landſchaften anzugreis
1) Bericht vom 27ften März.
2) Rußland, Band 64
14*
| 316 Bierundzwanztgſter Abſchnitt. 1%.
fen, während ſterreich zu gleicher Zeit in Schle—⸗
fien eindbrechen ſolle. — Für diefen Fall würd
England Rußlands Hülfe in Anſpruch nehmen, fowie
eine Erklärung . forbern muͤſſen, was bie Kaiferiun
alsdann zu thun gefonnen fey.
Noch deutlicher ſpricht fich Holdernef in einem
zweiten Schreiben an Williams von demfelben Tage
aus. Der König (heißt es dafelbft) war fehr ver
wundert, daß, nad) dem was Sie über die guten Ab:
fichten der beiden Kanzler und ihren Entſchluß fehrie:
ben, den preußifchen Vertrag der Kalferinn in einem
- günftigen Lichte darzuftellen, - Fürft Galligin jegt An⸗
weifungen erhalten bat, weldye fehr weit von dem
verfchieden find, was ber König nach dem Inhalte
Ihrer Briefe zu erwarten berechtigt war. Jener Ge:
fandte kam vor einigen Tagen zu mir und las mir
die franzöfifhe Überſetzung einer langen Verfügung
vor, welche er von feinem Hofe erhalten hatte. Sie
war voll von Klagen, Verdrießlichkeiten und Eiferfüd-
teleien, hauptfächlih auf die Vorausfegung gegruͤndet:
dag zufolge des zweiten Punktes im legten Verttage,
Seine Majeftät kein Buͤndniß mit dem Könige von
Preußen abfchließen, ja nicht einmal fi mit ihm ic
gendwie vergleichen dürfe‘), ohne eine vorperige über⸗
einkunft mit der Czarinn.
1) Come to a ———
1356. England, Rußland, Öfterreih. 317
Sch fchmeichle mir jedoch Gallitzin von dee Falſch⸗
heit feiner Gründe überzeugt zu haben, und daß der
bezeichnete Artikel nur dann zur Anwendung kommen
tönne, wenn die Czarinn zufolge ber von ihe über:
nommenen Verpflichtung, fchon an einem wirklich aus:
gebrochenen Kriege. Theil genommen hätte. Jetzt aber
fey Sriede, und gar kein gemeinfamer Feind vorhan⸗
den. : Auch halte fich der König ducch den ruffifchen
Bertrag nicht für befchränke, mit welcher Macht es
auch fey, Schritte zur Abhaltung des Krieges zu ver:
abreden, zu welchem heilfamen Zwecke man ja die
ganze Unterhandlung mit Rußland eingeleitet habe.
Es war indeffen fat noch wichtiger Oſterreich,
als Rußland umzuflimmen. Der fardinifche Gefandte,.
Graf Canale, machte in Wien die lebhafteften Vor⸗
ftellungen für Beibehaltung des alten Epftems'),
und fuhte ben preußifchzenglifchen Vertrag in ein
günftiges Licht zu fielen. Weit entfernt ein Gegen⸗
fand der Eiferfucht zu ſeyn, folle man ihn unter
den jegigen Verhältniffen als eine fehr zweckmaͤßige
und nothwendige Maafregel betrachten, welche, recht
benutzt für die gemeine Sache, Fehr vortheilhaft wir:
ten müfle. — Der Kaifer und die Kaiferinn waren
jedoch zu keiner beftimmten Erklärung zu bringen,
fondern antworteten nur: fie hätten nie etwas gethan
1) Bericht Keiths vom ten April, Öfterreich, Bd. 192. i
"318 Vierundzwanzigfter Abſchnitt. 176.
‚und wärden nie etwas thun, morhber ihre Ber
bündeten fid) mit Necht beſchweren koͤnnten. Geof
Canale fagte: ich\Eonnte bemerken, daß fo oft bie
Mede auf den englifch = preuhifchen Vertrag kam,
eine lebhafte Bewegung im Gefichte ber Kaiferiun
hesvortrat, und als ich das Gerücht erwähnte über
die mit Frankreich angelnüpften Unterhanblungen,
wandte fie das Geſpraͤch auf etwas Anderes.
Acht Tage fpäter (den Aiten April) "berichtet
Williams aus Petersburg '): Vor drei Wochen erhielt
Eſterhazi neue Anweifungen, welche die große Bera
thung veranlaßten: ob man den Vertrag mit Eng
sand aufrecht erhalten folle oder nicht? . Woronzow
teug auf Vernichtung beffelben an; aber .die Schw
walofs waren gewennen, die Großfuͤrſtinn Katharina
gab ſich auf mein ernſtliches Andringen bie größte
Mühe, den Bund aufrecht zu erhalten, und Beſtu⸗
chef ſprach fo beflimmt dafür, daß bie Kaiferinn ihn
zurechtwies, ohne jedoch feinen Muth zu erfchüttern.
Sechs Stimmen gegen vier, entichieden für ums,
nämlich: der Großfuͤrſt Peter, Beftuchef, zwei Schu
walofs, Aprarin und der Admiral Galligin, gegen
Moronzow, Beftuchef II, Zeubegkoi und Butturlin.
Die Großfürftinn beharrt bei ihrer guten Denk
weife, und fuche die Gelegenheit, dem Könige alle ihr
1) Rußland, Band 64.
IE Rußland, England, Öfterreid. 819
nur möglichen guten Dienfle zu leiten. Sie geſtand
mir, fie fey Anfangs über den Vertrag mit Preußen
betroffen gewefen, feit meinen und bes Großkanzlers
Ertäuterungen, habe fie aber nichts mehr dagegen zu
erinnern. Doc hoffe fie, der Bund zwilchen Ruß⸗
land, England und Öfterreich werde feft und auch
kuͤnftig das Syflem der drei Mächte bieiben. —
Man gab mir eine Schrift zu lefen, des Inhalte:
bie Höfe von Mien und Petersburg müßten um fo
mehr ihr, Bedenken fortfegen, da der König von Preur
fen auch mit dem Herzoge von Nivemois unterhans
bele. Geſchehe dies mit Wiſſen Englands, defto ſchlim⸗
mer. Friedrich IT trachte nach der Rolle eines Ver⸗
mittlers, nach Ehre und einem Zuwachs an Land.
Der König von England möge ſich fehr hüten, jenen
einzumifchen und ihm diefe Ehre zu verfhaffen. Nie
möge England fein Jntereſſe einem Fürften an-
vertrauen, von folcher Parteilichkeit für Frankreich,
fo beharrliher Sorgfalt für feine eigene Vergroͤße⸗
rung, und auf deſſen Verſprechungen gar kein —
laß ſey.
Der wiener Hof beklagte ſich hier in ſehr flarten
Ausdruͤcken, daß der König von England 'ſterreichs
Intereſſen aufopfere, und gab felbft einen Wink, er .
dürfte genoͤthigt ſeyn andere Verbuͤndete aufzufuchen.
In einem Schreiben an die Großfürftinn, fagt ihe
der ——— Öfterreich ſey in J o uͤbler ——
320 Vierundzwanzigſter Abfhnitt. 19%.
mung gegen England, daß der ruſſiſche Hof genoͤthigt
geweſen, bie Kaiferinn Maria Thereſia für jegt zu be
ruhigen und ihr zu fehmeicheln, damit fie nicht veran-
laßt werde mit Frankreich Verbindungen einzugehen.
Katharinas Thätigkeit if fehr groß. Sie erklärte,
wer da unternehme, den Bund zwiſchen Rußland,
England und Öfterreich zu zerftören, fey kein Freund
Rußlands. Sie ift in diefem Lande beliebt und aud
ſchon gefürchtet, und felbft diejenigen, welche auf dem
beiten Fuße mit der Kaiferinn flehen, fuchen bennod
jede Gelegenheit, jener unter der Hand ben Hof zu
machen.
Der Katferinn Wiberwille gegen bie
Perſon und die Macht des Königs von
Preußen bricht [ehr oft hervor.
Ich fürchte, die oͤſterreichiſchen Minifter . richten
ihre Gedanken mehr auf das Wiedergewinnen
von Schlefien, als auf die Sicherheit ihrer Ver
bündeten und den Frieden von Europa. Deshalb
ſind fie über jeden Plan aufgebracht, der. zur Ruhe
führt. Sie wollen fih nicht erinnern, daß fie ſelbſt
die wahre Beranlaffung waren, daß der König von
England diefen Schritt mit Preußen that, und de
clamiren jetzt wider eine Maafregel, welche ihr eige:
nes übled Benehmen. durchaus nothiwendig machte.
Die Leidenfchaften der Kaiferinn Eliſabeth dauern
felten lange. Es iſt eine fehr ſchwere Unternehmung,
1956. Glifabety, Frie drich I, Frankreich. 321
fie zu einem Befchtuffe zu bringen, ein fehr Leichtes,
das Befchließen zu verhindern. Jenes kann kaum
das ganze Minifterium, dieſes aber das ſchwaͤchſte
Mitglied zu Stande bringen.
Der fchlehte Zuftand ihrer Geſundheit laͤßt ſie
Ruhe und Friede wuͤnſchen. Sie iſt melancholiſch
geworden und lebt ſehr zuruͤckgezogen, und waͤhrend
ſie ſonſt an jedem Tage ausfuhr, oder ausritt, hat
ſie den ganzen Winter hindurch ihren Palaſt
verlaſſen.
Unterdeſſen hatte der Herzog von Nivernois abe
Erfolg mit Friedrich U in Berlin unterhandelt, und
war den 2iften April nah Paris zurüdgelehrt‘).
Nur neun Tage fpäter, den erſten Mai 1756 kam
zu Derfailles ein Vertrag zwifchen Frankreich und
ſterreich zu Stande und zwar auf Neutralität bei
ben amerikanifchen Händeln mit England, gegenfeitige
Buͤrgſchaft der Befigungen und Bertheidigung wider
feindliche Angriffe. Den 17ten Mai erklaͤrte Eng:
land foͤrmlich den Krieg an Frankreich und den. Iten
Sunius Frankreich an England.
1) Valory II, 6- 14.
b
14**
323 - Zänfundzwanzgigfter Abfhnitt. 16
Fünfundzwanzigfter Abſchnitt.
Das Gegenſtuͤck zu dem Vertrage Englands mit
Preußen, war der Vertrag Öfterreichs mit Frankreich.
Beide bezweckten angeblich den Frieden zu erhalten
und hätten ihn beim ernflen Willen aller Theile er
halten koͤnnen. Allein fie fchloffen eine ſolche Um⸗
ftelung ber europäifchen Politik In ſich, trennten lang
Vereintes und vereinten lang Getrenntes, daß Schmerz,
Verdruß und Mißſtimmung nicht ausbleiben und
leicht bis zu einem Kriege führen konnten.
- Um fo nothwendiger war es und ft es, fich übe
bie damalige wirkliche Lage ber Dinge zu orienti⸗
ven, und nicht durch bloße Vorwaͤnde täufchen zu
laften.
England wollte den Landftieden gewiß ernftiid,
aus den ſchon öfter berührten Gründen. Indem &
aber den Landkrieg vorausfegte und Rußland wider
Preußen gewann, bereitete es fich felbft die ſchwere
Aufgabe, daffelbe nun von feinen Vorurtheilen gegen
Friedrich II wieder abzubringen. In der That be
ruhte aber die Handlungswelfe des petersburgek Ho:
fes lediglich auf Leidenfchaft, Haß, Eigennug und Un:
vernunft.
|
1756. ‚ Lage Europas. . 323
Frankreich ließ ſich einen Landkrieg gefallen, wenn
er Ausſicht auf Vortheile darbot, und ſuchte ſich, als
Preußen zuruͤcktrat, durch Öfterreich zu ſtaͤrken. Bis
hieher kann man fein Verfahren entfchuldigen; 3 es
ward ſo thoͤricht wie das ruſſiſche, von dem Augen⸗
blicke an, wo Haß gegen Friedrich I zu einem An⸗
griffskriege wider dieſen verleitete.
Friedrich I hatte (fofern er nicht ganz vereinzelt blei⸗
ben wollte) nur die Wahl, ſich an England oder
Frankreich anzuſchließen. Er zog den Vertrag mit
jener Macht vor, weil er nicht Krieg, ſondern Fries
den bezwedte. Er handelte diesmal deutſcher, als im
Jahre 1740.
Öfterreich ward durch ben Vertrag zwiſchen Eng:
land und Preußen in keiner Weife verlegt; — wohl
aber das ganze Syſtem feiner beharrlich verfolgten
Politik durchaus umgeſtuͤrzt. Sein ſteter und hoͤch⸗
ſter Zweck war naͤmlich ohne Zweifel, die Wiederobe⸗
rung Schlefiens, es wollte den Krieg. Man
kann es deshalb keineswegs unbedingt verdammen:
e8 that nur, was nicht allein oft gefchehen ift, fon=
dern was bisweilen (dem Buchſtaben zuwider) das
höchfte Recht und die hoͤchſte Pflicht feyn kann, wie
> B. das Jahr 1813 beweiſet. — Darauf; daß «6
an Veranlaffungen und Vorwänden zum Kriege nicht
fehlen wuͤrde, konnte ſterreich mit Sicherheit rechnen,
Schwieriger war es, das Übergewicht der Macht auf
324 guͤnfundzwanzigſter Abſchnitt 126
feine. Seite zu ziehen. Mehr als ed an England ver
for, glaubte e8 an Frankreich zu gewinnen und wenn
- (ein unleugbarer Triumph biplomatifcher Unterhands
ungen) außer Frankreich auch Rußland dahin ge
bracht werden. konnte, für Öſterreichs Zwecke das
Schwert zu ziehen; fo wäre es in der That eine
fehr große Thorheit gewefen, wenn man biefe, einzig
günftige Gelegenheit hätte ungenugt voruͤbergehen laſ⸗
fen. Daß die Unvernunft der Höfe von Verſailles
‚ und Petersburg fieben Jahre vorhalten wuͤrde, war
jedoch ohne Zweifel mehr als Kaunig damals hoffen
und Sriedrich II fürchten Eonnte.
Ich wende mich indeß von entbehrlihen Betrach⸗
tungen wieder zu gefchichtlichen Mittheilungen, und
zwar zuerft zu einigen anziehenden Berichten des Ge
fandten Keith aus Wien.
Den Tten April 1756 übergab Keith ben mit
Preußen gefchloffenen Vertrag dem Grafen Kammit
und bemerkte‘): fein Zweck fei Eeineswegs irgend Se:
mand zu verlegen, fondern lediglich den Frieden zu
erhalten. Selbſt der geheime Artikel, daB Preußen
nicht die oͤſterreichiſchen Befisungen in den Nieder:
landen und in Stalien verbürgen und ſchuͤtzen wolle,
fey ganz den früheren Vertraͤgen angemefien. Graf
1) Bericht vom 16ten Mai. ‚Öfterreich, Band 19.
Mitchell papers, Holderness despatches Vol. 8.
1756. Öfterreich über den Vertrag mit Preußen. 325
Kaunig (ſchreibt Keith) nahm das, was ich fagte,
höflich aber ſehr trocken auf; und als ich den gehei⸗
men Artikel erwähnte, fehlen er verwundert: baß ber
König von Preußen dem achten Punkte des bresbener
Friedens jenen Sinn beilegen wollte. Ich brachte
ihn aber zum Schweigen, indem ich ihm zeigte, daß
dieſer Sinn der währe und natürliche ſey: weil da⸗
mald wirklich Krieg in den Niederlanden geführt, und
niemal® daran gedacht ward, daß der König von
Preußen die Vertheidigung dieſer Landfchaften a
nehmen folle.
Graf Kaunig fragte mic) ‚hierauf: ob ich wirk
li glaube, Daß der Vertrag fo vortheilhaft fey, wie
wie ihn darftellten, und daß er die guten Folgen ha⸗
ben werde, welche wir erwarteten? — Sch fuchte Dies
zu beweiſen. Auch. habe ja öſterreich immer ſelbſt
gefagt: bevor es nicht gegen Preußen -gefichert: fey,
tönne es feine dorthin gerichteten Landſchaften nicht
entbloͤßen und anderswo einwirken. Es ſey beſſer den
Koͤnig von Preußen zu beruhigen, als gewaltſame
Mittel gegen ihn anzuwenden. Um jedoch wider alle
Ereigniſſe geſichert zu ſeyn, habe der Koͤnig von Eng⸗
land eine neue Übereinkunft mit Rußland geſchloſſen;
von welcher indeß, ohne bie Außerfte Nothwendigkeit,
kein Gebrauch zum Angriffe gemacht werben ſolle.
Vielleicht habe die Beſorgniß vor jener Übereinkunft
einigen Einfluß auf die Beſchluͤſſe des Könige von
326 Fuünfundzwanzigſter Abſchnitt. 126
Preußen gehabt; auch ſey dieſelbe ein gutes Pfand
für die Treue Friedrichs DI bei Erfuͤllung der neu
übernommenen Pflichten.
Was nun bie Eiferſucht anbetreffe, woeldje ber
swiener Hof haben koͤnne über Englands Vorliebe
für den neuen preußffchen Bund, ober daß derſelde
aus Empfindlichkeit und Mißſtimmung wider Öfter
reich gefchloffen worden; fo gäbe ich dem Grafen
Kaunig die allerbeftimmtefte Werficherung: daß der
König von England weit entfernt bleibe, die Anhaͤug⸗
lichkeit an feinen alten und natürlichen Bundesgenoſ⸗
fen zu Ändern oder zu vermindern. Vielmehr fe,
bei Abfchließung dieſes Vertrages, die Abſicht bes Ki
nigs von: England: ben großen Bruch herzuftelle,
welcher dem alten Syſteme durch ben Abfall des Han:
fe6 Brandenburg beigebracht ſey. Diefer Abfall habe,
(nad) dem eigenen Geſtaͤndniſſe bes wiener Hofes)
eine fo große Veränderung in dem Gleichgewichte Ex:
ropas herbeigeführt, daß er ohne: Sicherung wiber
Preußens Macht, keine Maaßregeln für biejenigen
Landfchaften ergreifen koͤnnte, welche den Seemächten
die wichtigften wären.
Ich ſchloß mit der Bemerkung: ber König von
England könne auf keine Weife dem Verdachte Raum
geben, Friedrich IL wolle feinen Verpflichtungen nicht
nahlommen, oder die Kaiferinn in Deutfchland beun-
ruhigen. Sollte aber ein folcher Argwohn fich ge
1758. Keithe Unterhandiungen in Wien. 327
geimbet finden, und der König von Preußen das Haus
Öfterreich angreifen, fo werde fig ber König von
England, ungeachtet des neuen Vertrages, für voll⸗
fommen frei halten, feine Verpflichtungen gegen Öfters
veich zu erfüllen und felbft den Beiſtand ber Czarinn
(zufolge der gefchloffenen Übereinkuuft) im Anſpruch
nehmen.
Ich hielt hier inne, und Graf Kaunig, der mid
bisher hatte fprechen laſſen, obme irgend in das Ges
ſpraͤch einzugehen, hielt fih an bdiefen legten Punkt
und fagte mit einiger Lebhaftigkeit: ich babe nie ge:
glaubt, daß der König von England durch den preus
Bifchen, oder irgend einen anderen Vertrag, bie Ders
pflichtungen fchmächen wollte, welche er durch fruͤ⸗
here Verträge gegen feine alten Verbündeten übermoms
men hatte.
Died aufgreifend, —— ich: ebenſo wenig
koͤnne England an Verbindungen öſterreichs mit
Frankreich glauben, was dem alten Syſteme Euro⸗
pas den letzten Stoß geben wuͤrde. Weil aber Be⸗
richte hieruͤber ſo haͤufig von allen Seiten einliefen,
baͤte ich um eine Erklaͤrung hinſichtlich dieſes Punk⸗
tes. — Ich ſah an des Grafen Mienen, daß er
ein wenig uͤberraſcht war, daß ich ſeine Worte und
Gruͤnde dergeſtalt gegen ihn wandte, und ich glaube,
es war ihm unlieb, daß er jenen Punkt beruͤhrt hatte.
Ohne in die = näher einzugehen, antwortete er:
828 . Bünfundzwanzigfter Abſchnitt. 1786.
Öfterreich hat nie etwas gethan und. wird Nichts thun,
was die Kaiferinn ſich ſelbſt vorwerfen müßte,. ober
worüber ihre alten. — ‚gerechte Klagen erhe⸗
ben koͤnnten.
Von . dem Grafen — ging ich unmittelbar
: zum Grafen Coloredo ‚und machte ihm ähnliche Mit:
theilungen. Er empfing fie in ganz verfchiedener Weife.
Anſtatt der alten und trockenen Höflichkeiten . des er
ften, drüdte er. fih mit der größten Herzlichkeit aus,
zeigte große Freude über Diejenigen. Stellen meine
Mede, welche feinem Hofe angenehm ſeyn könnten, ließ
ſich Ddiefelben. wiederholen, und ſchrieb ſich mancherlei
auf, um (mie ich uͤberzeugt bin) mit Huͤlfe derſelben
ſeinem Hofe die Augen zu oͤffnen und in auf den
techten Weg zurüdzubringen.
Die legte Hoffnung täufchte jedoch den. englifchen
Gefandten. Kaunitz ließ Nichts. von ſich hören und
gab nicht ‚die verfprochene Antwort. Erſt den legten
- Sonntag vor dem 16ten Mai (nachdem in Verſailles
. bereits Alles abgefchloffen worden) führte. er mid
"(fährt Keith fort) in fein Cabinet und fagte mir,
mit einer fehr minifteriellen Miene: jegt fey er im
Stande, mir die verfprochene Antwort zu geben. Ich
möge: dieſe ſchriftliche Verbalnote meinem Hofe fi
den, dann‘ hätten wir Beide unfere Pflicht gethan.
Diefelbe lautete: die Kaiſerinn koͤnne nicht verhehlen,
daß die Beſchraͤnkung ber Neutralität auf. die deut
176. Keithe Unterhandlungen in Bien. 329
fhen ‚Länder fie ein wenig überrafcht habe, weil fie
fi) 'anderwärts_ im fichtlicher Gefahr befinde. Doch
wünfche fie dem Könige von England ‘alles mögliche
Gute, und daß man aus bem Vertrage (befonbers
für das Kurfuͤrſtenthum Hannover) all den Vortheil
ziehen moͤge, welchen man erwarte.
Als ich uͤber dieſe Note in ein Geſpraͤch eingehen
wollte, ſagte mir Graf Kaunitz ſehr feierlich (magi-
sterially): er babe beſtimmte Befehle durchaus in
keine weitere Erörterung einzugeben. Als ich unter
Anderen bemerkte: die Antwort berühre einen Haupt
punkt gar nicht, nämlich die Unterhandlungen zwifchen
Öfterreich und Frankreich; entgegnete Kaunig: er habe
ganz befondere Befehle, über diefen Punkt in keiner
Weiſe auf Erläuterungen einzugehen.
Bei diefen Verhältniffen hielt ich es für gerathen,
um eine Aubienz bei der Kalferinn zu bitten. — Gie
wird (erwieberte Kaunitz) diefelbe gewiß nicht verwei⸗
gern, es iſt aber ein fehr unnüger Schritt, weil die
gegebene Antwort eben die Antwort ber Kaiferinn if,
und nad) gebührender und reifliches Überlegung von
allen ihren Miniftern beftätige und gebilligt war.
Am 13ten Mai, dem Geburtstage ber Kaiferinn,
ward Keith ihr vorgeftellt. und bemerkte: bie gegebene
Erklärung werde. feinem Hof als ein Aufgeben ber
alten Verhaͤltnifſſe erfcheinen.. Maria Xherefia ant⸗
wortete: es ift nicht meine Schuld, wenn dies der
330 Fuͤnfundzwanzigſter Abſchnitt. 18,
Fall iſt. Nicht ich habe das alte Syſtem aufgegehm;
fondern Ihr Hof hat zu gleicher Zeit das Syſtem
und mich verlaſſen, indem er den Vertrag mit dem
Könige von Preußen ſchloß. Die Nachricht von die
fem Vertrage hat mich fo getroffen, als Hätte mid
der Schlag gerührt. Denn 0b ich gleich von ver:
fchiedenen Orten mancherlei Nachrichten. erhielt, daß
ſolch ein Vertrag im Werke fey, konnte ich doch nie
mals bahin gebeacht werden es zu glauben. Sekt
aber, nachdem es gewiß iſt, betrachte ich das alte
Syſtem als nicht mehr vorhanden, und deshalb muf
ich auch entichuldigt fepn, wenn ic Maaßregeln m
greife, die zu meiner Sicherung nöthig erfcheinen.
Keith entgegnete hierauf: der neue Vertrag ver
nichte keinesweges das alte Syſtem, fonbern fey kr
beigefüher worden durch die Abgeneigtheit des mir
ner Hofes, den englifchen Plan der Vettheidigun
anzunehmen. Maria Thereſia erwiederte: Ohne auf
die Gründe einzugehen, welche den König von np
land vermocht haben, jene Maaßregel zu ergreifen, wil
ih Ihnen nur frei geftehen: ich und der König von
Preußen wir find zu einander : unverträglich (incom-
paüible together) und feine Rüdfiht kann mich je
vermögen in einen Bunb — an welchem et
Theil hat.
Keith antwortete: ein foldher Entſchluß muͤſſe dem
Vortheile und der Sicherheit der Kaiſerinn hoͤchſt nad
|
: 1956. Aubienz bei Maria Zherefie 331
theilig. ſeyn; denn er gebe dem Könige von Preußen
einen Vorwand, ja ex lege ihm gewiſſermaßen bie
Nothwendigkeit auf, fi durch ben Untergang des
Haufes ſterreich zu fihen. -
Maria Thereſia Ichnte alle Erklärungen über ihr
Verhättniß zu Frankreich ebenfalls ab, fügte indeß
hinzu: fie Eönne nicht einfehen, wie wie verwuns
dert ſeyn koͤnnten, daß fie Verbindungen mit Frank⸗
teich eingebe, nachdem wir ibe durch ben preußifchen
Vertrag ein Beiſpiel gegeben.
Nachdem Keith um die Exlaubniß gebeten und
fie erhalten hatte, al8 Privatmanın zu fprechen, fam
es. noch zu einigen angiehenden Erläuterungen. Mein
jegiges. Syſtem (fagte Marta Thereſia) ift, mich burch-
aus von jeden Kriege fern zu halten . Alle meine
Maaßregeln beziehen ſich auf diefen Zweck.
iiber ihr Verhaͤltniß zu Frankreich fagte fie: ich
bin weit davon entfernt, franzöfiich gefinnt zu feyn,
und weiß, daß jenet Dof mein Feind war; allein der -
Friede von Aachen und die damals fowie vorher von
mir erzwungenen Abtretungen, haben mir Arme und
Beine abgefchnitten, und mid in eine Lage gebracht,
wo ich wenig von Frankreich zu fürdten und nach
diefer Seite hin zu thun habe. Vielmehr muß ich
1) Doch wollte fie zwei Monate Tpäter, dem Könige
Friedrich II Keine Klare, beruhigende Verficherung geben. .
“-
332 Fuͤnfundzwanzigſter Abfſchnitt. "198.
die Maaßregeln ergreifen, welche nothwendig find, das
Wenige zu vertheidigen, was man mir gelaflen hat.
Keith, vertheidigte den Aachener Frieden , nannte
die Abtretungen unvermeidlich und erinnerte daran, daf
England zum Beften Öfterreichs Cap Breton aufge
opfert habe. — Wie können (fagte Keith) Euer Ma⸗
jeftät glauben, durch eine DBerbindung mit dem treu:
loſen feanzöfifchen Hofe Sicherheit zu finden? —
Und warum: follte ich nicht? erwiederte Maria The
reſia. — Nachdem Keith nochmals alle Gründe wi
der einen folhen Bund entwidelt hatte, fchloß er:
es ift unmöglich, daß eine Kaiferinn und Erzhetzo⸗
ginn von Öfterreih ſich fo ermiedrigen und im di
Arme Frankreichs werfen ſollte! — Raſch antwortete
Maria Therefia: ich werfe mich nicht in die Arm
Frankreichs, ich ftelle mic) ihm zur Seite. — Noch
ift nichts mit biefer Macht vollzogen, auch werde id
nichts wider England eingehen; aber eine Überein
kunft war nöthig und ich bin überzeugt, wenn Frank⸗
zeich fie annimmt, wird es fein Wort halten.
As Keith an bie pragmatifche Sanktion und
Englands Verdienſte um Öfterreih erinnerte, fagte
die Kalferinn: hätte Preußen nicht den Weg gezeigt,
würde Frankreich mic nicht angegriffen haben; aud
kam der König von England fehr fpät zu meine
Vertheidigung. Sch kann mich um entfernte Land:
fhaften wenig befümmern, muß mid auf Verthei⸗
3956. Audienz bei Maria Thereſia. 333
digung ber Erbſtaaten befchränten und habe nur
zwei Feinde zu fürchten: die Türken und Preußen.
Bei dem guten Verftänbniffe, was jedoch zwiſchen
ben beiden Katferinnen 'obmaltet, werben fie
zeigen, daß fie fich vertheibigen koͤnnen und felbft von
biefen mächtigen Feinden wenig zu fürchten haben.
Kaunig (fagt Keith)), und Kaunis allein ift
der Urheber all dieſes Unheils. So lange biefe Taͤu⸗
ſchung und die Gunft ber Kaiferinn dauert, Tann
hier nichts Gutes gefhehen; und es ift leider die
größte Wahrſcheinlichkeit vorhanden, daß er jenes Ver: .
trauen fo lange befigen wird, bis es nicht mehr mög:
ich ift, das zu Grunde Gerichtete wiederherzuftellen.
Die einzige Hoffnung ift, daß er durch Stolz und
Unverfhämtheit (insolence) ſich alle Welt zu Sein:
den gemacht hat. Denn ih kann mit Wahrheit fa:
gen, baf am Hofe und in der Stadt Niemand, we
der unter den Männern noch Weibern fein Freund
ift, fondern Alle ihn flürzen möchten.
4) Ein anderer Beriht vom 16ten Mai. Öfterreich,
Band 192.
[4
334 Sechsundzwanzigſter Abfhnitt. 1796.
Sechs undzwanzigſter Abſchnitt.
Die neuen Verhaͤltniſſe, in welche England zu
Preußen getreten war, machten es nothwendig, einen
neuen Geſandten nach Berlin zu ſchicken. Herr Mit
chell begriff weit mehr von dem Geiſte Friedrichs II
und wußte fich weit beſſer mit ihm zu verftändigen,
als Lord Hyndford.
Un demſelben Tage, wo Keith die fo eben mitge
theilten Geſpraͤche in Wien mit Maria Therefia hatte,
ertheilte Friedrich I die erfte Audienz an Mitchell
Den 14ten Mai eritattet diefer hierüber mehre Be
richte, denen ich Folgendes entnehme'): In Bezie
hung auf den Frieden innerhalb Deutfchlands, fagte
mir der König: in biefem Sabre wird Nichts gefche
ben, ich kann dies mit meinem Kopfe verbürgen’);
aber ich maaße mir nicht an zu fagen, was ſich in
dem naͤchſtfolgenden ereignen koͤnnte. Ich habe ver
ſchiedene Plane fertig; der Koͤnig von England mag
wählen, welcher ihm gefaͤllt. Ich will meine Xen
pflihtungen gegen ihn erfüllen, und im Fall, daß der
1) Mitchell papers, Vol. 1. Berichte an Holderneß.
2) I can answer for it with my head.
178. Mithells Audienz bei Kriebrid II. 385
Reichsfriede folite geftört werden, in Folge ber Ver
“ bindungen zwifchen Öfterreich und Frankreich, werbe
ich mit dem Koͤnige von England wider beide Mächte
gemeine Sache machen. Sind Sie aber auch ber
Ruſſen gewiß? — Ich antwortete: der König, mein
Herr, ‚glaube e8 (thought 0). — Der König von
England (fährt Friedrich IT fort) kann ſich auf das
verlaffen, mas ich ſage; aber ich Tege voraus, das. was
zwifchen uns vorgeht, bleibe geheim. — Dies ver:
ſprach ich auf die feierlichſte Weife.
Nachdem ber. König Aber die Verhaͤltniſſe zwiſchen
Frankreich und Öfterreich gefprochen hatte, fragte er
zum zweiten Date: feyd Ihr aud durchaus ber
Ruffen fiber? und ich antwortete: ich glaubte,
mir wären es!). Dee ruſſiſche Geſandte hat dem
wiener Hofe über den preußiſch⸗engtiſchen Vertrag
die ſtaͤrkſten und freundſchaftlichſten Vorſtellungen ges
macht. Dies, bemerkte der Koͤnig, mag auf Befehl
Beſtuchefs geſchehen ſeyn, der, wie ich BRD unfer
Freund iſt.
Der Koͤnig berechnet, welche Heere Frankrelch,
England und ſterreich ins Feld bringen koͤnnen?).
Er Habe ein Heer von 100,000 Mann, dann
aber fehlten nod 30,000 Ruffen, tm. deren
1) L believed we were.
2) Aus dem zweiten Berichte deffelben Tages
336 Schsundzwanzigftier Abſchnitt. 18.
Überkunft zu erleichtern, fehlüge er vor, daß fie fih
in den Häfen von Kurland und Liefland einfchifften,
für den Fall des Beduͤrfniſſes an dem preufifchen und
pommerfchen Küflen landeten, und in Roſtock audge
fhifft würten.
Der König fagte ferner, ben Kurfürften von der
Pfalz würde Frankreich nicht gewinnen, vielleicht aber
ben von Köln. Er meinte: man möchte einen fe
tholifhen Edelmann ohne amtlichen, Charakter an
defien Hof fhiden, um feine Gunft zu gewinnen.
Wenn diefer Edelmann kuͤhn, unverfchänt und en
Spaßmacher (bouffon) ſey, könne ber Erfolg nicht aus
bleiben, und ein wenig Gelb das Übrige thun. Zum
glaube er. (der König) nicht, daß man den Kurfuͤrſten
dahin bringe, gegen Frankreich zu handeln, aber es
ſey genug, wenn er ben Durchmarſch verweigere um
viel ſchreie). — Ein Edelmann wie ihn der Könk
befchreibe, dürfte fi) unter dem ſchottiſchen, oder ins
ſchen Abel finden.
Ich fagte dem Könige: ber Subfidienvertrag mi
Baiern fey nicht erneuert worden... Dann, antwortt:
er, werden die Franzoſen ben Kurfürften gewinnen.
Das franzöfiihe Miniſterium, bemerkte er fee,
fey ſchwach und wenig von ihm zu. fürchten; bob
1) Qu’il criat beauconp.
176. — Mitchell bei Friedrich I. 837
müßten. wir, der großen Macht Frankreichs halben,
auf unferer Hut feyn.
In Bezug auf ben amerifanifchen Krieg ſagte
Friedrich: ih muß mic über die Thorheit (absur-
‘dity) beider Völker wunderh, welche Kraft und Schi:
ge für einen Gegenſtand erfchöpfen, welcher mir deſſen
nicht werth zu ſeyn ſcheint. Wenn bis zum näcften
Sabre. fein Friede gefchloffen iſt, werden fie des dor⸗
tigen Haders müde fepn und ben Krieg nad) wurope
verfegen.
Aus den Zweifeln und der Beforgniß, welche ber
König zeigte bei feinen wiederholten Fragen über un⸗
fere Verhaͤltniſſe am zuffifchen Hofe, vermuthe ic,
daß er dorther Machrichten erhält, weiche diefelben nicht
fo vortheitpaft ſchildern, als ich .bei meiner Abreife
aus England zu vermuthen Urfache hatte. Deshalb
antwortete ich feſt, aber mit: Zurüdhaltung, als er
über diefen Punkt wieder und wieder in mid drang.
Allerdings war biefer Punkt auch ber wichtigfte,
und von ihm bingen -alle‘. weiteren Beichlüffe ab.
Scharffichtig genug, ſieht der. König die Wahrſchein⸗
lichkeit einer "Verfegung des Krieges aus Amerila
nach Europa; ' während er aber gewiffermaßen an:
nimmt, daß die Ruffen von Roftod aus in Überein⸗
flimmung mit ihm und England thätig werben foll-
ten, bezeichnet Maria Thereſia die Kaiferinn Eliſa⸗
beth als ihre Verbündete wider Preußen. Wie. der
I. - 15
338 Sechtundzwanzigſter Abfhnitt. ‚1306,
Friede Deutſchlands in beiden Hallen aufrecht zu er:
halten fey, ift ſchwer zu begreifen. Jedenfalls konm
ſolch eine Spannung und Berwicrung nicht lange
ohne Loͤſung bleiben, |
Zufelge eines zweien Beides von Micchell (vem
Tin Mai)) erhub der König neue Zweifel übe
die ſchwankende Politik des ruſſiſchen Hofes und die
geheimen Unterhandlungen der Franzoſen in ‘Petert:
burs.
In Bezug auf die Anmefenheit des Herzoge von
Miverndis fagte bee Koͤnig: ich wid Ihnen frei geſte⸗
ben, weiche Abfichten ich bei meinen Unterhandlunga
mit Frankreich hate. Mir lag daran, einem alle:
meinen Kriege vorzubeugen; ich hoffte damals die beiden
Völker zu einigen und zu verfländigen. Sie hattm
(wie ich glaube) ihre Intereſſen mißverſtanden, un
ich wollte den Krieg fern halten, fo fange als id ir
‚ gend konnte. — Sollte Deusfihland von fremden
Heeren angefallen werben, will ich meine Verpflich
tungen. gegen England erfüllen, und die Überbunft
son 30,000 Ruſſen erleichtern, damit fie in Hofled,
oder Stettin landen. — Doc, fügte Sriebeich hin,
wirche es mir ſehr unlieb feyn, fremde Mamnſchaft
(woher fie auch ſey) im Meiche zu ſehen, und ih
hoffe, die Ruften werden nicht kommen, fofern man
1) Bericht vom Tften Mai. Ebendaſelbſt.
4
12356. Rußlandé Potitik. 339
ihrer nicht wahrhaft bedarf. Sie mögen dann als-
ein Pfand für die Trene Rußlands dienen, und verhin:
bern, daß dies Roeich nicht Partei gegen uns ergreife.
"Einen. Tag nach Erſtattung dieſes Berichtes (den
ten Mai‘) giebt Holberneß dem Geſandten Wil⸗
liams Nachricht, daB (ungeachtet aller Gegenvorſtel⸗
Jungen von England, Spanien, Neapel und Secilien)
Öfterreich mit Frankreich einem Vertrag abgeſchloſſen
habe. Dee komme Alles darauf an, Rußland in
der rechten Bahn zu erhalten.
Des naͤchſten Tages (don 29ſten Mai) ſchreibe Wi⸗
Hams an Helderneß”): von allen Seiten zieht Mann⸗
ſchaft nach Liefland, und KWBefehle find gegeben, das -
Heer zu verſtaͤrlen. Es beſteht aus etwa 440,000
Mann, 35. RMegimenter Fußoold, 3. ſchwere Reiterei,
5 Huſaren, 20,000 Koſaken und eine verhaͤltnißmaͤ⸗
zige Anzahl von Geſchutz. Einige Generate find —
reits nach Riga abgegangen.
Da nun England noch gar keinen Beiftand ge⸗
fordert und Mußkemd erklaͤrt hatte, der Vertrag mit
dem Könige. von England verpflichte fie, nirgends
hinzuziehen, als gegen ben König von Preus
en, — fo waren befien Beſorgniſſe nur zu ſehr
begruͤndet.
. 4) Rußland, Band 64.
2, Ebenpafelöft.
340 . Schsundgwanzigfter Abfchnitt. m,
- Die perfönliche Seindfchaft der Kaiferinn Eliſabeth
(fährt Williams den Iten Junius fort) ‘) gegen den
König von Preußen iſt fo wenig verſteckt, daß fie bei
jeder Gelegenheit hervorbricht. Jeder Punkt der wi
der ihn gerichtet iſt, findet ‚die eifrigſte Unterftägun
bei der Gzarinn und allen ihren Miniſtern.
Bier Tage fpäter fchreibt Keith aus Wien an
Holderneß?): ich höre von angeblich wohl untreridte
ten Leuten: daß Rußland und ſterreich aufs Engſte
verbunden find, und hinſichtlich aller Dinge. in Übeo
einftimmung handen. Ste wollen England
nur täufhen und in den Schlaf Lulten, bis
alle Plane zwifhen ihnen reif find und Ab
les voubereiter iſt. ‚Zünf Tage ſpaͤter, den Län
Sunius, — der Geſandte nochmals we.
gaben.
Bei diefen Berhäftniffen ſchrieb Friedrich II den
7ten Sunius?): Toute cette afſairo roule sur deux
points. L'on est de.gagner la Bussie; ces
ce que le Roi d’Angleterre se propose de faire.
Sl yreuissit, ’Allemagne demeurera tran
quille, et nous n’aurons rien à craindre. Lau
tre est (supposant que les nouvelles qui sont ve-
1) Ebendaſelbſt, Band 65.
.2) Bericht vom 7ten Iunius. Öfterreich, Band 19.
8) Mitchell papers Vol, I. Fuͤr Mitchell beftimmt.
⁊
N
1966. Friedrich II über bie Lage der Dinge 341
nues de ia Haye. se confirment et l’on persunde
Fimperatrice de Bussie de renoncer 'aux enga-
gements quelle a.pris avec l’Angleterre) de se
retourner à cöt6 des Turcs et d’y r&pundre de
P’argent pour. s’assarer- d’une diversion de leur
part, et en m&me temps de ‚faire des deux cöt6s-
le Roi d’Angleterre et moi toutes les. augmenta-
tions specifides dans le Gros.de. la depäche, ‚pour
nous mettre en .6tat de resister a toutes les entre-
prises de nos ennemis. - Je crois qu'il n’y a.pas
de tems & perdre pour tout veci, et que si on ne
prend pas ses mesures d’avance a Constantnople
au cas que. nous.:@chouons à Petersbourg , il
. nous. arrivera de prendre nos mesures trop tard.
Le ‘meilleur. de. tous les partis’sera
celui de la paix. En cas quil n’y a pas..mo-
yen de la ‚faire entre ceci. et la .fin de l’annee, . il
iaudra penser de hanne 'heure aux moyens de- se
defendre et de ne rien n&liger ‚pour notre mu-
tuelle conservation, et dites a Mer. Mitchell qu'il
ne s’agit pas de .pommes, mais des intereis les
plus gräves de la Prusse et de PAngleterre, et
“que la moindre nsgligenee dans nos mesures pré-
sentes pourra causer avec le temps notre ruine
mutnelle. :
Diefe Iegtere Beſorgniß war, wenn auch zunaͤchſt
nicht für das britifche Inſelreich, doch für Preußen
BD Sechsſsundzwanzigſter Ab ſchnitt. III
vollkommen begruͤndet, fein Daſeyn ſand auf dem
Spiele, und es hatte die hoͤchſte Schwiarigkeit, bie
rechten Beſchluͤſſe zur suchten Zeit zu faſſen. Dies
wird fi) zur Gnuͤge aus dem bipfomarifchen Briefwech.
ſel ergeben, welcher fuͤr die Manate Junius bis Ob
tober zahlteicher und wichtiger wird, als Jahre lang
zuvor und nachher.
Den 12tn Junsus meldete, Kounit dem engl
ſchen Gefambten'): es fey gwifchen Öfernich mb
Frankreich ein. Neutralitaͤts⸗ und Dafenfinuetrag er
fehlofien werden. Da man deu weſtphaͤliſchen Frie
den biebei zu Grunde gelegt, "Tine von einen
Umſturze der Reichsverfaſſung nicht die Rede feyn.
Die öfterreichifchen Befigungen wären varbuͤrgt, zu
der jegige Krieg ſey hei dem. Punkte der wech⸗
ſelſeitigen Huͤlfsleiſtungen ausgeſchloſſen. — dinte
Anderem bemerkte Keith hierauf: es erſcheine ſonder
bar, daß Kaunig bebaupe, bie Streitigkeiten Es
lands gingen Öfterwich Nichts an, da dach ber Kö—
zig von England niemals die. Steritigleiten fee
reichs als ihm gleichguͤltig betrachtet hätte.
Einen Tag fruͤher (ben 14ten Junius) ſchrieb
Holderneß an Keith’): Der Berteag Englands mit
Preußen kann ſterwich gar nicht beieibigen; man
1) Sſterreich Bmd I. =
2 Ebendaſelbſt.
1958. Rußlan d. | 848
müßte ed denn eine Belelbigung neunen, daß wir dee
Anstührung eines hoͤchſt ‚umgerechten Planes entgegen:
treten (useichen inbeß bes wiener Hof mie +inzugeftes
ben wagte), nämlich dem Könige von Preußen das
mit Gewalt zu nehmen, was ihm auf bie feierlichſte
Weiſe abgetreten warn — Nach biefer Exdeterung
folgen Klagen über die Undankbarkeit bed wiener Das
fed and feiner verblaudeten (infatuated) Miniſter
Einen Tag faster (deu 121m Juniug) ſchreibt
MWiliense aus Petersburg!): Beſtuchef iſt krank, bach
vertheidigt er die Sache Englands. Die kriegeriſchen
Vorbereitungen werden in Nichts endigen. Selbſt
General Apraxin, welcher das Heer befehligen ſoll,
und vor vierzehn Togen große Vorbereitungen für
feine Reiſe aa Riga traf, geht nach ſeinem Land⸗
fige in ber Nähe von Peteräburg, um ben Sommer
dafelbſt zuzubringen. — Der wiener Hof foͤhrt jedoch
fort durch jedes Mittel das gute Vernehmen zwiſchen
England und Rußland zu untergraben. — Man wird
hier (heißt «6 an einer anderen Stelle)?) allmaͤlig
der Kriegsplane müde und Beine Befehle find ober -
merben in diefem Jahre an die Kofaden der Uktaine
erlaffen. — |
Trotz diefee Verſicherungen, fchreibt Williams nur
1) Mitchell papers, Band 9,
2) Rußland, Band 65. Schreiben vom Iäten Sen
344 Sechsundzwanzigſter Abfchnitt. 176,
drei Tage ſpaͤter an Mitchell"): durch die undankbaren
Bemühungen Öfterreiche und bie heimlichen Ränk
des Douglas, ift hier (im Vergleiche mit dem vol:
gen Jahre) die Lage der Dinge gänzlich verän
‘dert, und ben Schweden warb auf Befragen zur
‚Antwort: die ruſſiſchen Ruͤſtungen wären nicht ge
gen fie gerichtet
Eine nähere und wiederholte "Erläuterung dicht
Dinge giebt Lord Holderneß in-einem Schreiben vom
21ften Junius an. Keith”). Er fagt: Nachdem ve
Verttag zwifchen England und Rußland :umterzeicht
war, fand fich unerwartet eine- wichtige Schwierigkeit
‚ ber Sinn und Bebentung. Die ruſſiſchen Minife
zwangen Herrn Williams eine Erklaͤrung auf, welche
der König von England auf Feine Weiſe annehme
. Tann, "weil fie bezweckt, den Eintritt des Werfprecdend,
ben casus foederis, ganz allein für den Fall feſtzu
fegen, wo ber König von Preußen England oh
deffen Verbündete angreift, in welchem einzigen
alle wir laut des Vertrages vom 3Often Septembe
1755 Hülfe fordern koͤnnten.
Den 25ſten Junius ſcheieb Holderneß an Wit
2
1) Mitchell papers Vol. 21. Correspond. of Peter
burg. Schweben, Band 92.
2) Öfterreich, Band 192.
1738. Friedrichs Beforgniffe 35
liams): der ruffifche Gefandte, Fuͤrſt Gallizin "habe
Befehl erhalten, bei diefer befhräntenden Aus:
legung des Vertrages zu bebarren;
Friedrich 11 fah -fehr wohl, wie die Gefahren im⸗
mer 'näher ruͤckten, und brüdte gegen Mitchell bie
große Beſorgniß aus?): Rußland fey verloren, und
forderte eine Erklärung, was England für ihn thun
wolle? Sb ich gleich (Tagte der König) keinen neuen
Bertrag in Bezug auf bie neuen Verhaͤltniſſe abge:
ſchloſſen babe, verteaue ich doch der Meblichkeit des
Könige von England und feinem wirkfamen Beiſtan⸗
de, da meine Übereinkunft mit ihm mic) allein- in
dieſe Gefahr geflürze hat. — Friedrich (fchreibt Mit-
heil) wuͤnſcht ohne allen Zeitverluft zu wilfen, auf
welchen Beiſtand von Seiten Englands er bei
ben jetzigen Umfländen ‚und in dem Falle rechnen
dürfe, daß er von irgend einer Macht -angegriffen
werde. Die Ezaeinn fagte dem Grafen Eſterhazy:
wenn Maria Therefia von Preußen oder
Frankreich angegriffen werde, wolle fie
derfelben mit aller ihrer. Macht Hr Hülfe
tommen.
Der König äußerte 2): er wundere fi), wie. bie
1) Rußland, Band. 65.
2) Bericht vom 22ften Junius. Mitchell papers Vol, L.
3) Bericht vom Iten- Iulius. Cbendaſelbſt.
15**
x
5 Schsundzwanzigiter Abfhnitt. NIE
- Kalferhm von Rußland eine folche Abneigung wide
ibn haben koͤnne, da er nie etwas gethan, wodurch
er diefelbe verdiente, Er fchreibe es dem Einflufi
und den Künften des wiener Hofes zu.
Unm dieſelbe Zeit flellten fich die Ruſſen an, als
fürchteten fie Friedrichs Müflungen in Pommern)
und es fehlte überhaupt nicht an fchlechten und vie
vollen Mitteln, wiber ihn aufzureizen. So berich⸗
tete der ruſſiſche Gefandte Groß in Dresden Keindii:
ches über ihn, ohne daß Gegenvorftellungen bes en;
chen Geſandten, Lord Stormont, Eindruck auf ihn
machten.
Den Iten Jullus fchreibt Williams aus Peter
burg an Holberneß?): Die Rathſchlaͤge des hieſigen
Hofes find ſchwankend, und die Perfonen, welche jett
auf die Kaiſerinn Einfluß haben, ungeſchickt und be
fischen. — An alle ruffifhe Sefandte find Befehle
geſchickt worden, ‚auf guten Fuß mit den franzöfifdyen
zu leben. — Beſtuchef fügte: unfer Unglaͤck ift, daß
wir jege einen jungen Günftting (Graf Schuwalof)
* haben, der franzoͤſiſch ſprechen kann, die Franzoſen und
ihre Moden liebt und gern fähe, wenn ein franzöfis
ſcher Geſandter mit zahlreichen Gefolge hieher kaͤme.
1) Bericht vom Aten Jullus. Sachſen, Band 65.
2) Mitchell papers Vol, 9.
1750. Ä Katharina. 407
Seine Macht iſt jatzt ſo groß, daß man ihr nicht
widerſtehen kann. ie uni
Beſtuchef klagt): die Kaiferiun gebe ihm jaͤhr⸗
ih nur 7000 Rubel, davon koͤnne er nicht unabs
haͤngig leben. Dex König ven England möge ihm
ein Jahrgehalt von 2500 Pfund anweiſen, dann
wolle er ihm tünftig dienen und ganz anhangen.
Diefe Forderung ward den Sten Auguft bewilligt.
Die Anhanglichkelt der Großfuͤrſtinn Katharina
an ben König von England?), die Wahrfcheinlichkeit
ihrer baldigen Thronbeſteigung, die Gewißheit, daß fie
dereinft wolllgmmen auf dem rechten Mege beharren
merde, macht jebed ihrer Worte wichtig unb folgen:
reich. Sie iſt fehr unzufrieden über bie Gerüchte,
daß Rußland mit Frankreich verhandele und «in franz
zöfifcher Geſandter hieher kommen werde Sie erbot
ſich Alles zu thun, was ich ihre zur Hintertreibung dieſer
Dinge angeben koͤnne. Ich machte fie aufmerkfam,
wie auch fie fie und ihren Gemahl hieraus Gefahr
entipringe;. denn ohne franzöfifche Hülfe wären ihre
Gegner (die Schumalofs) nicht im Stande bie Erb⸗
folge umzuſtoßen. Sie dankte mir zehnmal für dieſe
Winke und fagte: fie fehe die Gefahr und wolle den
1) Zweiter Bericht vom 9Iten Julius. Rußland, Band
65,
2) Dritter Bericht vom ten Julius. Cbendaſelbſt.
348 Sech sundzwanzigſter Abſchnitt. 17%.
Großfürften anfeuern, fein Außerſtes in biefer —
zu thun. Viel mehr wuͤrde fie ausrichten koͤnnen,
wenn ſie Geld haͤtte, ohne welches hier nichts anzu⸗
fangen ſey. Sehe ſie ſich doch genoͤthigt, ſelbſt die
Kammermäbchen der Kaiſerinn im Solde zu: halten,
und habe Niemand, an den fie fich in dieſer Beziehung
wenden koͤnne. Im Fall ihr der König von England
freundfchaftlic und großmüthig eine Summe zu ki
hen geneigt fey, wolle fie darüber einen Empfang
Tchein ausftellen, Altes in dem erften Augenblicke zu
ruͤckzahlen, wo es ihr möglich werde, und ihr Ei
venwort geben, daß jeder Pfennig zu dem ver
wandt werden folle, was ihren, wie fie hoffte, ge
meinfamen Nugen befördere. Sie wuͤnſche, daß id
- ihre Denk: und Handlungsweife verbürge. 20,000
Dufaten, welche fie forderte, wurden den u Auguſt
bewilligt.
Es iſt ſehr auffallend, aber es ſt gewiß ): daß
der Beſchluß, Schritte zu thun, um mit dem Hofe
von Verſailles auf einen beſſeren Fuß zu ‚kommen,
lange vorher gefaßt wurden, als von einem Der
trage zwifchen England und Preußen bie Mede war.
Und dies Alles geſchah lediglich um ben jungen: Sta
fen Schumalof zu befriedigen, welcher einen fran⸗
zoͤſiſchen Gefandten bier haben will. — Von vielen
1) Vierter Bericht vom Iten Julius. Ebenbafelbft.
1756, Beftuchel. Worongow. 349
biefer Schritte wußte Beſtuchef Nichts, ober bot
nur die Hand, ſoweit es die Kaiſerinn ausdruͤcklich
befahl.
Ein Abgeordneter Woronzows fagte mir’):
alles Vergangene muͤſſe man vergeffen; die Sachen
fländen aber nicht fo ſchlecht, daß ‚fie nicht koͤnnten
gebefjert werden. Ich hätte mich nie an ben Vice
tanzler in ber paflenden (proper) Weiſe gewendet.
Der Bau feines Haufes in der Stadt ſey mit eng:
liſchem Gelde begonnen, feit fünf, fechs Jahren aber
nicht fortgefegt worden; ed muͤſſe mit englifchem Gelbe
beendigt werden. Ich antwortete: der Vicekanzler
habe ſich zeithee fo. benommen, daß ee doch irgend
einen Beweis feiner Aufrichtigkeit geben müffe, bevor
ich einen Vertrag mit ihm eingehen könne. — Hier
"auf antwortete der Abgeordnete: wenn ich Fein Geld
geben wolle, würden e8 Andere thun; ja Herr Dou:
glas ‚habe bereits mehren Perfonen viel gezahlt. —
Nochmals antwortete ich: ich könne und wolle nur
das Obige wiederholen. — Des folgenden Tages kam
der Bevollmächtigte wieder und fagte: der Vicekanzler
wünfche mit mir eine befondere Zuſammenkunft zu
haben. Ich entgegnete: hoffentlich habe Woronzow
etwas vorzufchlagen, weil ich erſt naͤchſtdem ihm et⸗
was vorſchlagen koͤnne.
H Fuͤnfter Bericht vom Oten Zulius: Ebendaſelbſt.
39 Siebenundswangigfter Abfhaitt. 1088,
Unter fo geringhaltigen Geſichtspunkten wurden ia
Petersburg die europaͤiſchen Angelegenheiten betrachtet
durch fo veraͤchtliche Perſonen und Mittel betrieben.
Betrachten wir jetzt (bevor wir zum Mittelpunkt und
zur Entſcheidung ber vorliegenden großen ragen zu
ruckkehren), wie jich gleichzeitig bie Vechaͤltniſſe in dem
zweiten nordifchen Reiche, in Schwehen, geſtalteten
L)
Siebenundzwanzigſter Abfchnitt.
Den 7ften November 1753 giebt ein Unbekann⸗
ter dem englifchen Mintfterium folgende Nachrichten
über den Stand der Parteien in Schweden"). De
Mehrzahl der Anhänger des Königs find dem
franzoͤſiſchen Syſteme zuwider; die geringe Minden
zahl war Hingegen fonft demfelben zugethan, und if
es im Herzen vielleicht noch. Die letzteren haben ſich
unter dem Vorwande auf die Seite des Könige ge
ſtellt, feine gefeglichen Vorrechte zu erhaften; im Wahr
heit aber wollen fie ſich nur an einigen Senatoren
“ rächen, und wo möglich unter dem Schuge ber ver
mehrten Eöniglichen Gewalt zu Ämtern, Geld und
.1) Reichsarchiv, Schweden, Band 90.
1738. J Schweden. 851
Gunſt gefangen. Hinge Alles von dieſen letzteren ab,
fo würben fie neben der groͤßeren Koͤnigsmacht das
franzoͤfiſche Syſtem aufrecht erhalten. Nur Cinzeime
baben hieruͤber wirklich ihre Anfichten geändert. Wie
dem auch fep, fo koͤnnten biefe verehrten umd eigens
nübigen Anhänger des Könige doch (meil fie fich ſchon
zu weit vorgetwagt) gezwungen werben, dem Streme
ihrer Partei zu folgen.
Die Mehrzahl der Partei des Senats iſt den
Franzoſen zugethan. "Unter, dem Vorwande, bie Frei⸗
heit und Verfaſſung zu erhalten, fesen fie im In:
lande und Auslande Alles in Bewegung, ‚um dem
König und feine Vorrechte verbächtig zu machen; im
Wahrheit aber bezwecken fie nur, ihre Partei fo
zu verſtaͤtken, daß für ihre Perfonen und das
franzoͤſiſche Syftem Nichts zu fuͤrchten ſey. (is
nige aus dieſer Partei wuͤnſchen wahrhaft: bie Ver:
faffung zu erhalten, und warten nur auf eine gute
Gelegenheit das frangöfifche Zoch abzufhütteln. An⸗
dere find demſelben zwar auch zumiber, halten «6
aber für zu feft begründet, mißtrauen dem Könige,
und glauben mehr mit dem Senate, dem Reichstage
und dem Volke auszurichten.
Dieſer Überdruß am franzoͤſiſchen Syſteme, Furcht
vor dem Könige (oder vielmehr vor der Koͤniginn) '),
1) In einem Berichte vom. 14ten Sumius 1764 (Banb
352 Siebenundzwanzigſter Abſchnitt. 1788.
Hoffnung, Ungewißheit, Übelnehmeret, Leidenfchaft,
verſchiedene Richtungen und Zwede u. f. w. verwir⸗
"ren die Dinge und führen zu häufigen übergaͤngen
von einer Partei zur andern. Einſtweilen halten ſich
bie Parteien faft das "Gleichgewicht: Die Gründe,
ober vielmehr bie Vorwaͤnde der Trennung find Tot
cher Art, daß fie bie Aufreizung lange erhalten und
im Lande allgemein machen können. Der Furcht vor
dem übermaaße der Eöniglichen Gewalt tritt die
Surcht vor ariſtokratiſcher Tyrannei gegenüber.
Die Partei des Königs ſcheint das Übergewicht
zu haben in’ den Landfihaften, ſowie "unter: ben Prie
fiern und Bauern. Doch ift dies Übergewicht nick
fo groß, daß’ die Franzofen ‘und "ihr Geld nicht auf
dem naͤchſten Reichstage' obfiegen Eönnten, für welchen
Zeitpunkt Frankreich alle feine Kräfte ſammelt und
beifammen hält. Zwar ſpricht man fi in den Land⸗
ſchaften nicht fo laut und ‘offen wider dem König
aus, als in Stockholm; doch verhalten ſich die Dinge
91) Heißt es, die Koͤniginn fen nicht vorzeitig in Moden
gekommen in Folge einer Reife nach Drottningholm, ſondern
weil fie ſich übermäßig ereifert, daß ein Dfficier einer ihrer
Kammermädchen Geſchenke geſchickt habe (2). Cette prin-
cesse en cela, comme en bien d’autres &gards, continue
de trahir son caractere à la anal, haut, inquiet
et emport£.
1755, Schweden. 353
auf die erzählte Weife, fofern es nicht zu einem gro⸗
Ben Aufftande im Reiche kommt.
In einem anderen Berichte vom 3Often Septems
bee 1755 heißt e8'): Obgleich man noch nicht mit
Gewißheit fagen kann, auf welcher Seite während des
neuen Reichstages die Mehrzahl und das Gtüd ſeyn
werde, iſt es doch nur zu wahrſcheinlich, daß bie
Partei des Senats obfiegen werde, in Folge ber
Raͤnke und Beſtechungen Frankreichs, ſowie ‘der ges
ringen Unterſtuͤzung, welche der Koͤnig nebſt ſeinen
Freunden im Auslande findet. Zwar find Prieſter
und Bauern nicht fuͤr den Senat; weil man aber
nach einem' mißbraͤuchlichen Herkommen .faft alle
wichtigen Angelegenheiten im geheimen Ausſchuſſe
prüft und emtfcheidet, fo koͤnnen jene ben Senat nicht
hindern, zu thun was ihm belebt. Weil naͤm⸗
lich nur die drei erſten Stände am Ausfchuffe Theil
nehmen, fo braucht man fich blos bes Adels und
der Bürgerfchaft zu verfichern. Doch bleibt ein Mit:
tel fich gegen die Mehrzahl diefer beiden Stände ba:
duch zu fihern, daß die Anhänger des Königs feſt
darauf beharren, jede Änderung oder. Auslegung, wel:
he ſich auf die Verfaffung beziehe, müfle an den
Reichstag gebracht werden. Dann wären wenig '
1) Schweden, Band 92.
258 Sichenundzwanzigfler Abfchnitt. 13%.
find zwi Stände ben zwei anderen Staͤnden ent⸗
gegentreten, unb ſchaͤdliche Nenerungen abgehalten
wexben.
Den: fen Januar 1786 tiagt derſelbe Bericht:
erſtatter, daß die Partei des Senats wub Frankteich⸗
im Allem obgeſtegt hate’), Der Reichsmarſchall, der
geheime Ausſchuß, bie haben Würden find nach ib
sen Wuͤnſchen befeht, der Scuat vervoſſſtaͤndigt. deſ⸗
fon Sereit mit dem Koͤnige weiber dieſen ensfchisden,
feine Einnahmen verbirgt, der Meiner der Baum
gewonnen, biefee ganze Stand völlig eingeſchüchtert,
bie Mehrzahl Der Geiſſlichen umgellimunt; mic einen
Worte, alle vier Stände dem Senate, bein Hafe von
Verſailles nad bem fusszöfäichen Geſandten ergeben
und unterworfen.
| Gewiß wären hierans Im Norden wichtige Kosgen
heworgegangen, hätte ſich nicht in dieſer Zeit die
sanze ſranzoͤſiſche Politik umgeſtellt, und mit. ber ruf
fifchen verſtaͤndigt.
Im Berichte vom 2aſten Maͤrz 1756 teift a
weiter: Die Stände haben entſchieden, der König
mäſſe ſtets der Mehrheit der Senateren beitreter
und ex dürfe durch dieſe Meheheit- beſchloſſene Ange
legenheiten nicht aufichieben, ober verhindern. Ja de
Stände haben noch außerdem entſchieden: der Wile
1) Shendafelbft.
1986. Schweden. 335
des Könige heißt nichts Anderes, als die Meinung
und Entfheibung dee Stände ober (mern dieſe nicht
verfammelt find) die Mehrheit des Senats; und
überall, wo mach der Veafafiung von Meilttumung
des Königs die Nede if, gilt dies nur für sine Hoͤf⸗
lichkeiteformel. Jene Beiſtimmung wird als vorhan⸗
ben angenemmen, wo die Staͤnde, oder die Mehrheit
des Senuus ſich ausgeſprochen haben. a
Mar wrdet duvon, dem Könige aud diejenigen
Rechte zu nehmen, welche ihm Die Merfaffung sur
ſpricht, und feige ſich hiebei darauf, daß biefe
Rechte keinen Theil der Grundgeſetze ausmachen, fon:
dern ganz allein vom Gutbefinden bee Stände abhan⸗
gen. Der Rönig ven Schweden wird alfe ‚auf einen
bloßen Darſteller der iuferen Majeſtoͤt herabgebracht
fepn, ohne daß er etwas seinuern, nusgleichen, verzoͤr⸗
gen, anordnen kann. Die monarchiſch⸗ariſtokratiſch⸗
demofratifche Verfaſſung, entartet is ein widerſpre⸗
chendes unhaltbares Gemiſch ven Ariſtokratie unb
Demobratie.
Viele ſprechen von der Uabequecalichkeit, die Zu⸗
flimmung bed Könige in gewiſſen Fällen für noth⸗
wenbig gu erklaͤren; dis heiße eine CEolliſſen herbei⸗
führen, um bie Angelegenheiten zum Stillſtande zu
bringen. Ais wenn ein ſolches Iufemmenficfen, eins
ſolche Collifion überall den Grundgefegen zumiberliefe,
als wenn fie nicht ſtattfaͤnde, wonn z. B. zwei Staͤnde
356 Siebenundzwanzigſter Abſchnitt. 186.
zweien Ständen entgegentreten, als ob -fie nicht in
gewiſſen Faͤllen beilfam, und eine gute Colliſion nicht
einer fchlechten Deeifion vorzuziehen wäre! Ä
Es fcheint, man vergißt ganz daß die Verfaſſung
fpriht von Rechten und Freiheiten ber Könige, de
Stände, des Senats, und daß der Vertrag. von eine
Seite fo heilig zu halten Hit, wie von ber anderm. —
Der König bat fi) dadurch eine Bloͤße gegeben (me
che aber nur durch franzöfifche Raͤnke und Wendur
gen zu benugen iſt), daß er in allen feinen Streitig
keiten mit ben Ständen und dem Senate ſtets wr
fiherte: er habe Nichts gegen die Perfonen; daß «
ferner oft nur einen Theil der Gründe fuͤr fich aus
fprach, weiche er aus den Reichsgrundgeſetzen hend:
men konnte; ja daß er bisweilen gar Leine Grunde
beibrachte. Die Stände, oder vielmehr die Anhänge
Frankreichs im Senate, haben hievon Gelegenheit ber
genommen, den König in einen Gegenfag zu da
Brundgefegen zu bringen, und Ihe (von franzoͤſiſchen
Gelde veichlih unterflügtes) Spiel vorwärts zu brir
gen. Nicht minder haben bie Senatoren fich wechſe⸗
feitig ſelbſt große Gelbſummen bewilligt ').
Sdo unheilbringende Verhaͤltniſſe trieben die Gm
fen Horn ‚und Brahe an, fih mit Anderen fir
eine Veränderung in der Verfaffung und eine Erb
3) Bericht vom Sten Julius 1756,
2236. Berfhwörung von Horn u Brahe 357
bung ber koͤniglichen Gewalt zu verfchwören'). Ihre
Plane wurden von einem, dafür hochbelobten Cor⸗
poral Schebvin entdeckt unb beide in der Nacht vom
22ften auf den 2iften Junius verhaftet. König
und Königinn (erzählt der Berichteritatter) erklaͤr⸗
ten, baß fie von all den Planen nichte wüßten und
fie verabfheuten. Der König und fein Anhang
ift mithin völlig zu Boden gelchlagen, die herr:
ſchende Partel und the Syſtem völlig gefichert, jeder
wer bemfelben nicht angehört, vernichtet, ober außer
Stand geſetzt, irgend: etwas zu unternehmen. Viele
Perfonen, und aus den erfien Ständen, werben un⸗
gluͤcklich oder enden ihr Leben auf dem Blutgerüft,
weil fie in der Verzweiflung, auf weiche fie herabge⸗
bracht waren, fich übereilten und zu gewaltfamen
Maaßregein. ihre Zufudt nahnien.
Geftern den 26ften Julius (heißt es in einem
anderen Berichte)?) ‚ward. Graf Brahe hingerichtet.
Er ſtarb wie ein großer Mann, und mit ber beften
Saffung unter Allen. Man verliert an ihm einen
der erſten Ebdelleute des Reichs, einen Mann von
Kopf, :Ehre und Herz, der ſehr viel verfprah, den
1) Berichte vom 2öften und SIften Junius und Iten
Julius. Ebendaſelbſt.
2) Bericht vom Aſten Zulius, Seweden Band 92.
368 BStebenundzwanzigfier Abſchnitt. AB.
größten Feind des franzoͤſiſchen Soſtems, und der
jerigen ungluͤcklichen Verknechtung Schwedens
As Hom (lautet ein anderes Schreiben) fein
Haupt ſchon auf dem Blocke niedergetegt hatte, erhob
er ſich wieder und verlangte auf eine halbe Stunde
Friſt, weil er bei dee Unruhe die ihn bewege, feine
Seele nicht aufs Spiel ſetzen koͤnne. Aber der Be
fehlshaber der gegenwaͤrtigen Leibwaͤchter und die Prie
ſter ſagten ihm: da er den Augenblick vor der Himrich⸗
tung zum Sterben wohl vorbereitet geweſen, fo koͤn
dieſelbe nicht aufgeſchoben werden. Hiecauf faßte er
fh wieder und empfing zwei Streiche.
Brahe und Horn werden für ihre Perſonen alk
gemein bebauektz das Verbrechen wird dagegen. von
jedem verabſcheut. Man beſchuldigt ben erſten der
Anmaßung und des Stolzes; doch wäre er wohl wit
fo weit gegangen, wenn man ihn nicht burch alle:
band Zuruͤckſetzungen aufgereist hätte, Ex wollte zw
legt nur den Staat, bie Achte Verfaſſung und die
rechtſchaffenen Leute erretten. Wäre fein Vorhaben
gelungen, würbe er für ben Befreier feines Vaterlan⸗
des gelten; weil es mißgluͤckte, betrachtet man ihn
wie einen Verraͤther deſſelben Vaterlandes.
Man rathſchlagt über die Königinn '). Ob fie
durch eidliche Erklaͤrung anerkennen folle, fie fey nur
4) Berichte v. 6ten Anguft u. 14ten September 1756.
1786. Berihwödrung von Horn u. Brahe. 0
die erfie Unterthaninn des Könige? Ob man fie
fortfchiden, ober in einem Schloſſe einfperren Tolle?
— Der König ſelbſt umterwirft fi allen Forberun⸗
gen, und ift eine bloße Null!
So weis weine ſehr abgekuͤrzten Mittheilungen
über Schweden. Manchem erfcheinen fie vielleicht
ſchon zu weitläufig um ben Gaben der Hauptentwicke⸗
‚ lung unnüuͤtz zu unterbrechen. Verdient es benn aber
nicht eine ernfle Betrachtung: daß ungezlgelte Kriegs⸗
luſt der Könige, und babfüchtiger Ehrgeiz der Ariſto⸗
traten ein Reich, welches hundert Sabre zuvor im
allen europaͤiſchen Angelegenheiten eine entſcheidende
Stimme hatte, fo herabbrachten, daß es jetzt mie ein
gervichtlofer Spielball fremden Antrieben gemaͤß bin
und hergeworfen wird, und zulegt, ald bie Gegner
(Rufland und Frankreich) fich einigen, sinen Beſchluß
faffen muß, der feinen eigenen Jutereſſen zumiderläuft
und dem ehemaligen Markgrafen von Brandenburg
weniger zu Beſorgniſſen ale zu Spott Gelegenheit
giebt! |
SED . Ahtundgwanzigfier Abſchnitt. 17%.
+
Achtundzwanzigſter Abſchnitt.
Den Iten Julius 1756 ſchreibt Holderneß an
Mitchell): England ging von dem Gedanken aus,
ber Eontinentalfriede werde in dieſem Jahre nicht
unterbrochen. Sollte aber der König von Preußen
(rote er in der letzten Aublenz aͤußerte) Grund haben
einen Angriff der beiden Kaiferinnen (im Vertrauen
auf Frankreich) zu fürchten, oder vielmehr im Fall fih
diefe Furcht beftätigen follte (be verified), fo fe
England bereit, einen Vertrag mit Preußen auf wech
felfeitige Vertheidigung abzufchließen.
Doc iſt es fehr rathſam jeden Schritt zu we:
meiden, welcher die uͤbel begruͤndete Eiferfucht Ruf:
lands erhöhen Könnte. Es iſt von ber höchften Wich
tigkeit biefen Hof zu gewinnen, und wie entgegenge
fegt auch der Anfchein ft, der König von England
verzweifelt durchaus nicht, man werde die Gzarinn zu
einer vichtigeren Denkweiſe vermögen. Andere Ma:
fhinen find in Bewegung, als die melche Öffentlih
hervortreten.
Die Kenntniß welche ber König von Preußen
von den Eleinen geheimen Raͤnken befigt, welche in
1) Mitchell papers Vol. I, i
1756. Holderneß über bie Lage Europas. 361
Petersburg immerwaͤhrend im Gange find, wird einen
Zürften vom feinem Scharffinne hinreichend überzeu:
gen, daß. wir mehr bie Intriguen, als die politiſchen
Grundſaͤze Rußlands zu fürdten haben. Solchen
Runftmitteln (artiices) muͤſſen andere ähnlicher Art
gegenübergeftellt werden, in welchen ber Kanzler fo
gewandt iſt als irgend einer von feinen Gegnern. Er
befige überdies weit größere Gefchäftsfenntnig und
wahrhaften Einfluß (real ascendant) auf die Kai-
ferinn. — —
Deshalb. kann man ben Abſchluß eines Vertrags
noch verfchieben ; doch will England den Koͤnig von
Preußen nachdruͤcklichſt unterflügen, im Fall man
feine Beſitzungen angreift. Ungeachtet der Aufftellung
(parade) oͤſterreichiſcher und ruſſiſcher Lager, iſt Seine
Majeſtaͤt der König von England dennoch geneigt zu
glauben: ‚König Friedrichs frühere Meinung fey die
richtige, daß nämlich in Deutfchland während diefes
Jahres nichts Feindliches werbe unternommen wer:
den. In Bezug auf die Nachrichten, welche der Koͤ⸗
nig von Preußen empfing, geben Sie indeß die obige
Erklärung.
Bon Spanien ſteht Nichts zu "befürchten. Es
iſt der Schiedsrichter aller füblichen Höfe geworden;
ein Einfluß, welcher nur durch feine Unabhängigkeit
von franzöfifhem Einfluffe begründet und erhalten
wird. Die. Verwaltung des Herrn von Carvajals
ll. 16
362 Achtundzwanzigſter Abſchniit. 105M
bet den Grund zu dieſer gluͤcklichen Wendung de
ſpaniſchen Staatskanſe gelegt. Herr Wall- verfolge
mit Geiſt und größerer Waͤrme dies Syſtem de
Freundſchaft gegen England, und bie Eatlaſſung des
Marcheſe Enſeñada und des Vaichtnaters Rauagn hat
daſſelhe befeſtigt.
Aun demfelhen Tags (dem 9een Julius)) ſchrieb
Keith aus Wien am Heolderneß: Die Morbsraitungen
zum Kriege werben bier wis großem (tfer. betrieben,
Jedes Regiment Reiterei fol bis zum erſten Oktober
won. 800 auf 1000. Mann gabrad key — Nach
anderen Mittheilungen über Anfalten, Maͤrſcho und
dergleichen, fährt Keish fort: dennoch entkärt.der. wiene
Hof, man babe Feine. feindlichen. Abſichten und woll⸗
wenigjtens (at least) nicht der angreifende Theil feyn.
Die Bewegungen im preußifchen Heere, die Luger
welche Friedrich M an. den äflerreichifchen Graͤnzen zu
‚bilden: gedenfe. (imtends to- form) noͤthigten fie fih
bereit zu halten und in Vertheidigungsſtand du ſetzen.
Aush. muß ich hinzufuͤgen, daß einige Perſonen,
weiche fich für gut unterrichtet ausgeben.- und gewiß
die Fortdauer des Friedens mwünfhen, zu glauben
ſcheinen, der wiener Hof meine es ernſtlich mit die
ſen Erklaͤrungen. Deßungeachtet muß man, nach
meiner Meinung, befuͤrchten, daß wenn. fo große Dee
1) Mitchell papers Vol. 9. und Öfterreidh, Bd. 192.
1758. Kriegsrhftungen. 868
einander fe nahe ftchen, und fo viel Aufregung und
üble Laune unter ben Hoͤfen obwaltet, bee eine oder.
obere ungluͤckliche Bufalt ein Feuer entzuͤnden duͤrfte,
welches man. nicht fo leicht wird loͤſchen koͤnnen.
Es mangelt bier uͤbrigens an Gelde für den Krieg,
und das Volk kann kaum die jegigen Steuern ber
zahlen. |
Drei Tage ſpaͤter (den 14ten Jullus) füge Keith
binzu ’): die Vordsreitungen zum Kriege werden hier
mit mehr Eifer und Nachdruck betrieben, benn je zu:
vor. Aus Ungorn und Yon anderen Orten zieht Mauss
fhaft herbei, täglich; finden Beratungen ber Miniſter
flatt über Rectuten, Geld u. ſ. w. Doch fagen fie:
gewiß werden wir nicht die Angreifenden ſeyn. Ich
din jedoch überzeugt, fie würden nicht betruͤbt
feyn (not Borry), wenn ber König von Preu
ßen don erften Schtag thun wollte, damit
fie vertragsmäßig Frankreichs und Ruf:
tands Beiſtand forbern koͤnnten.
Man muͤht ſich mit Finanzplanen ?). Die Stände
der verſchiedenen Landſchaften Toller gerifle Summen
zu Sünf vom ‚Hundert darleihen und fich aus den
laufenden Einnahmen bezahlt machen u. f. w.
Um diefelbe Zeit fchreibt Mitchell an Lord Stor:
1) Mitchell papers Vol. 9.
2) Bericht vom 2lften Julius. Ebendaſeibſt
16*
—
364 Achtundzwanzigſter Abſchnitt. 178.
mont: Wundern Sie fih nicht, wenn ich über bie
hiefigen Plane Nichte melde... Sie liegen allein in
des Könige Bruft verborgen. Nur das weiß ih:
er iſt vorbereitet auf Alles was gefchehen kann;
obgleih er hoͤchſt aufrichtig den Frieden
wünfdt‘).
Sorgenvoll über bie wachfenden Gefahren ſchreibt
Holderneß den 13ten Julius an Mitchell: Jede Maaß
regel des Koͤnigs von Preußen, welche irgend auf das
Heer Bezug hat, wird vom wiener Hofe feindlich
ausgelegt und als eine Folge des Vertrages mit Eng⸗
land betrachtet). So ungerecht dieſe Einfluͤſterungen
auch find, Lönnten fie doc auf einige Mächte Ein
fluß haben, welche in der neuen und bedenlichen Lage
der Dinge noch Feine Partei ergriffen haben. Seine
Majeftät der König von England giebt deshalb dem
Könige von Preußen den emnfttichiten Rath Höchft von
ſichtig beim Faſſen feindlicher Beſchluͤſſe zu feyn; ob:
gleich man jede Sicherheitömaaßregel billigen muß. Nur
möge man dieſe nicht mit Vorſatz zur Schau flellen.
— Wir brauchen dem Könige von Preußen nicht zu
fagen, daß Öfterreicy jeden kriegeriſchen Anfchein alten
europäifchen Mächten im übeliten Lichte darftellen und
1) Thbough he most sincerely wishes for peace.
Mitchell papers Vol. 1, Schreiben vom 10ten Julius.
2) Mitchell papers Vol. 9.
1756. Kriegsvorbereit. u. Beſchläſfſe. 365
ſich deffelben bedienen wird, um die Batholifchen Fürs
fien auf feine Seite zu bringen. — In Petersburg
behaupten Manche verleumbderifch: Friedrich wolle Ruß:
land‘ angreifen; um fo mehr mag er feine Geneigtheit
darlegen «einen Bund mit England und Rußland ein
zugehen. : |
Um biefelbe Zeit behauptete der franzoͤſiſche Hof
hoͤchſt irrig!): es fey ein Hauptplan Englands, daß der
König von Preußen ſterreich angreife. Man be:
fahl dem Gefandten Balory in Berlin zu erklären,
daß Frankreich. in diefem Falle der Kaiferian Koͤniginn
Die vertragsmäßige Huͤlfe leiften werde. — Der preufi:
Ihe Minifter Podewils fragte. hierauf den Geſandten
Valory: iſt man bei Euch ficher über die Abſichten
des wiener Hofes gegen uns, und will der Koͤnig von
Frankreich uns die Erhaltung der Ruhe verbuͤrgen?
Valory ſchreibt in dieſer Beziehung dem franzöfifchen
Minifter: Sie fühlen, mein Herr, baß meine Ant:
wort nur unbeſtimmt und nihtsfagend feyn
konnte. — Auch gefteht Valory an einem anderen
Drte ?), daß der franzöfifche Hof auf jene wichtige
Frage. nie eine Antwort gegeben habe. Deſto be⸗
flimmter waren die. durch Valory ausgelprochenen
franzöfifhen Forderungen; weshalb Friedrich II zu
1) Valory Memoires II, 101.
2) Mem. p. 310.
366 Achtandzwanzigſter Abſchnitt. 178.
Mitchell fagte '): Je ne vonx pas que cas Mes-
‚sienrs. me purlent,. onmme on parle aux Hoellan-
dais, et-qu’ils.me disent. ei traite je deis rem-
plir, ou nen.
Sdo waͤden wir. denn an einem Beitpunfte ‚ange
langt, der auf viele Fahre für die Gefchichte Mreußeng,
ja Europas entſchied; mod; bis auf den heutigen Tag
gehen aber die Anſichten Uber Recht ober Unrecht,
Meishelt oder Thorheit der verſchiedenen Mächte, ink
- befondere Zriebriche IL, weit. auscinander. Betrachten
avir die bisher zugänglichen: Quellen, insbeſondere
Herzbergs reiche Sammlung von Urkunden , fo dürfte
- fi dem unparteiiſchen Beobachter ergeben:
1) Friedrich hat nicht erwiefen und. nicht erweiſen
koͤnnen, daß ein foͤrmliches Angriffsbundniß zwiſchen
Hſterreich, Rußland und Sachſen gegen ihn geſchloſſen
worden. Er Hatte Unrecht hierauf Anfangs vorzuͤg⸗
lichen Nachdruck zu legen, weil jene Maͤchte dies
leugnen und die Aufmerkſamkeit von ihren, ohne
Awelfel feindſeligen Geſinnungen ablenken konnten.
2) Öſterreich hegte den natuͤrlichen Wunſch Schle
‚fin wieder zu erobern und Friedrich U zum. Angriff
aufzureizen; meil ‚es. alsdann. den unfchägbaren Ber
theil hatte, Rußland umd — fuͤr ſeine Zweck⸗
benutzen zu koͤnnen.
1) Mitchell Vol. 1, Schreiben vom SOften Julims.
3756. Friedrichs Aufichten. 367
3) Dem Könige war dicſe Gefahr keintswegs ver⸗
vorgen. Denn er fo dennoch den Schein des Anı
griffs auf ſich zog, To werfahe er entweder hoͤchſt leicht⸗
finnig und unverſtaͤndig; vder er befand ſich im Falle
der Nothwehr und lebte dee Überzengung: er koͤnnr
dem voͤlligen Untergange nur durch Zuvorkommen ent-
gehen. Ä |
Ohne das Bekannte fuͤr dieſe Behauptungen. noch
mals atizuſuͤhren, wird eine chronologiſche Znſammen⸗
ſtellung der engliſchen Berichte und der eigenen Äuße⸗
zungen Friedrichs IL beitragen, insbeſondere die zuletzt
erwähnten Fragen in ein helleves Licht zu flellen.
Anm 23ſten Julius Schreibt Mitcheli '): der Koͤ⸗
nig von Berufen glaubt daß Rußland ‚ganz für uns
verloren .äft. — Die Abfichten des wiener Hofes ha=
ben füh ouͤbber alle Erwartung offenbart, durch bie
großen Kriegsvorbereitungen in Boͤhmen und Mähren,
fo mie durch die unbervachten Äußerungen ‚einiger ihe
‚wer Miniſter und Generate. — König Friedrich II
fagte: er wuͤnſche ben Frieden, wie es fein Intereſſe
auch erfochere. j
In einen umſtaͤndlichern Berichte Mitchells, aus
derſelben Beit heißt es 3 der Murich — Mann⸗
1) Mitchell papers Vol. 1.
2) Ohne Datum. (Ebendafelbft, Band 67, ©, 29) Der
Beriht iſt mol etwas a ———— betrifft
— dieſe ne
368 Achtundzwanzigſter Abſchnitt. 1788.
Schaft nach Böhmen, bat bie preußifchen Beamten
und Officiere in Beſorgniß gefegt, und, es ift wahe
ſcheinlich daß ihre Berichte vergrößert und übertrieben
waren.. Der König zog hieraus den Schluß: für ihn
fey Feine. Rettung, als im Zuvorkommen. Er hofft:
im al gluͤcklichen Erfolge werde biefe furchtbare
Verſchwoͤrung fih in Rauch auflöfen. Sobald. näm
lich die Haupttheilnehmerinn fo ſehr bebrängt fen,
daß fie. den Krieg im nächften Jahre nicht im Gange
erhalten koͤnne, würde die ganze Lafl. auf die Ver
bünbeten fallen, welche (nach feiner Meinung) nicht
geneigt ſeyn würden, biefelbe zu tragen.
In folder Stimmung fand ich den König. Er
erklärte mir nochmals (fowie ſchon oft zuvor): . daß
er Nichts fo ſehr wünfhe als den Frieden
und zu behalten was er befige; daß er bin:
gegen gar keine Ausfiht habe.neue Er:
werbungen zu. maden.
Ich erinnere mich, daß unter anderen Nachrichten
und Berichten, welche der König mir bei biefer Gele:
genheit zeigte, einige, und ich glaube übertriebene, aus
Schleſien waren, bes Inhalts: die Öfterreicher woll⸗
ten ein Lager auf einer böhmifchen, von Schlefien ein
geſchloſſenen Landzunge errichten. Der König ſtellte
diefe Nachricht mit anderen ihm zugefommenen in
Verbindung und ſchloß daraus daß ſterreich ihn ge
wißlich angreifen wolle. — Ich nahm mir die Frei:
1738. Friedrihs Anfragen in Wien. 369
beit ihm vorzuftellen, daß aus folchen Lägern in ihs
rem eigenen Lande bie Abficht der Öfterreicher keines⸗
wegs mit Sicherheit hervorgehe. Vielleicht hätten fie
nur den Zweck ihn aufzureljen, damit er dem erften
Schlag thue, und fie fo berechtige den für biefen Fall zuge
fiherten Beiftand Rußlands und Frankreichs in Anfpruch
zu nehmen. Hierauf fah mich der König fcharf an und
antwortete abgerifien (abraptly) und mit einiger Bewe⸗
gung: Comment, -Monsieur, qu’est ce que Vous voyez
dans mon visage? Croyez Vous que. mon ’nez
est fait pour recevoir des chiquenaudes? Par
Dieu, je ne les souffrirai point!
Ich antwortete: Niemand wuͤrde, nad meiner
Meinung, fo tühn feyn ihn zu befchimpfen: (affrent);
und wenn man es thäte, fo fey fein Charakter in -
Europa zu gut bekannt, um einen Zweifel zu laſſen,
in welcher Weife es würde vergolten werden. — Auch
bätte.ich unter allen feinen großen. Eigenfchaften noch
nicht. Geduld und. nachgiebiges Exrtragen (forbearance) _
aufzählen hören. — Er nahm diefe Bemerkung wohl _
auf und lachte; doch biieb er bei feiner Anficht, ob:
gleich ich ihm meine Gegengruůnde ut aus⸗
einanderſetzte.
Endlich ſchlug ich vor: er moͤge vor weiteren
Maaßregeln eine Erklärung (é6claircissoment) fordern:
ob Öfterreich ihn angreifen wolle. Ihm ſchien biefer
Vorſchlag nicht zu behagen und er ſprach mit großer
16 **
37Q Achtundzwanzigsſter Abſchnitt. X
Märme über Stolz. und Anmaßung des wiener He
fed. Solch eine Anfrage werde bie Sachen nur wen
ſchlimmern unb ihn einer anmaßenden und beleidi⸗
genden Antwort ausſetzen. — Ich machte hiegegen
geltend: je hochmuͤthiger die Antwort fen, deſto beffe.
Auch meinte ich nicht daß er fie ertragen. fondern
nur daß er Europa von feinen friedlichen und ſter
reichs feindlichen Gefinnungen überzeugen foll. —
Er hoͤrte Alles geduldig an, erwicherte aber wit
Waͤrme: Nein, das hilft Nichts, und kann die Sack
leicht verſchlimmern. Sie kennen diefe Leute nicht,
es wird fie nur flolger machen, und ich — ihnen
nicht nachgeben.
So des Mittags; Abends nach der Burletta erklärte
. ber König: ice habe über Ihren Rath nachgedacht
‚und werbe ihn befolgen, Doch ecklaͤre ich Ihnen um
voraus, daß ich von dem Allem Nichte erivarte, und,
bei Gott, ich werde dieſen Leuten nicht weichen ').
Hierauf ließ der König auf eine freundſchaftliche
und hoͤfliche Welle in Wien um eine Erklärung um
Aufklaͤrung uͤber die Kriegsruͤſtungen bitten, und Marin
Thereſia gab mit Vorſatz eine unklare und ungenuͤ⸗
gende Antwort. Der fächfifche Gefandte Graf Flem
wing berichtete hierüber am 28ften Jullus an Vruͤhlꝰ).
1) Par Dieu, je ne oedersi pas à cas gens la.
2) Recueil de Herzberg I, 60
‘
“
1738. Krledeiche Anfragen in Wien. 371
Graf Raunig fagte mir: der König von Preußen hatte
einen doppelten Zweck, welchen wir hier gleichmäßig
vermeiden wollten: erftens, zu Eroͤrterungen und Auf:
Härungen zu gelangen, weldye eine Unterbrechung ber
Maaßregeln veranlaffen konnten, deren kraͤftige Forts
fegung wie für nötbig hielten. Zweitens, die Sache
weiter zu führen, zu anderen Vorfchlägen und weſent⸗
licheren Verpflichtungen. Deshalb hielt ich dafür: die
Antwort müffe von der Art feyn, daß fie die Frage
bed Königs ganz umgehe, zu roeiteren Erläuterungen
feinen Maum gebe, und feft und höflich, zugleich aber
feiner günftigen, oder abgänftigen Deutung fähig fen.
Dem gemäß habe es ihm angemefien gekhienen, wenn
die Kaiſerinn füch begnüge, einfach zu fagen: in dee
arten Kılfis, in welcher ſich Europa befinde, erfors
bere ihre Pflicht und die Ehre ihrer Krome, zur eige
wen Sicherheit, ſowie zur Sicherheit ihrer Freunde
und Verbündeten, hinreichende Maaßregeln zu ergrei:
fen. — Bald nachher fügt Graf Flemming Hinzu:
man vwünfche, daß dee König durch fortbauernde Ruͤ⸗
kungen ſich erfchöpfe ‘und an langfamen Feuer ver
jehre; oder (um dem zuvorzulommen) einen übereiften
Entfhluß faffe: — und gerade an diefer- -
Stelle, fo fheint es mir, erwartet man
ibn’).
1) Et c’est precisdment J— ou il me semble, qu’
on Vattend.
372 Achtundzwanzigſter Abfchnitt. 178.
Kehren wir, nach biefer erlaͤuternden Abfchreeifung,
zu, den britiſchen Mittheilungen zurüd. Den -27ften
Julius ſchreibt . Mitchell: . der .preußifche Gefanbte
Klinggräf erhielt. in Wim aus ben Haͤnden ber
Maria Thereſia die folgende Antwort’): @ue les
aflaires presentes 6tant en crise, .elle avait juge
& propos de prendre des mesures pour sa propre
surete, et celle de ses Allies, et qui ne ten-
draient au prejudioe de personne. — Drei Tage
fpäter fügt Mitchell hinzu ?): ber König will der Kai:
ferian bie Nacheichten vorlegen, daß fie mit Ruf:
Land ein- Angriffsbuͤndniß wider ihn eingegangen bat,
und daß bie Ausführung. biefes Plans ‚nur bis zum
nächften Jahre verfchoben ward, weil die Ruſſen nod
nicht in WBereitfchaft find. Deßungeachtet will ber
König begnügt fenn, wenn bie Kaiferinn eine Verſiche⸗
- zung ertheilt, daß fie ihn in biefem und dem nächften
Jahre nicht. angreifen werde. . Seinerfeits iſt er zu
gleichen Berficherungen bereit. Ä
. Zu einem. Berichte Keiths aus Wien vom ‚23m
Julius heißt e& *): Klinggraͤf erhielt ben -Aufteng, in
1) Mitchell papers .Vel. 1,
2) Ebendaſ., Bericht vom ZOften Julius.
8) Öfterreich, Band 192.
- 2306. Friedrichs Anfragen in Wien 373
den hoͤflichſten und: verbindlichfien Kormen um eine
Erklärung über die Kriegsvorbereitungen zu bitten.
Kaunig ſchob dieſe Schuld auf bie Preußen zurüd
umd: brach das Geſpraͤch ploͤtzlich ab, als der Geſandte
auf das Einzelne eingehen. wollte. — Die Vorbereis
- tungen zum Kriege, meldet Keith den Aten Auguſt
aus Wien"), nehmen bier zu. Anfang September wer:
den in Böhmen und Mähren (ohne die Huſaren
und 11— 12000 Mann Werasdiner) 60000. Man.
regelmaͤßiger Soldaten verfammelt: feyn. .
As König Friedrich IE. (fährt Mitchell. in der
ſchon oben erwähnten Erzählung fort )) bie erſte
Antwort aus Wien erhalten hatte, war er mit ihr
nicht zufrieden und fragte mich um meine Meinung.
Ich antwortete: ich wuͤnſchte, fie wäre beutlicher, freue
mic, aber. daß fie nichts Beleidigendes enthalte. Hier⸗
auf gab er. mir. den Auszug. eines Beiefes. (mit. Be
zeihung des Tages, aber nicht des Ortes ‚woher er
kam) und erfuchte mich ‚ihn forgfältig zu leſen. Diefer
Auszug ‚berichtete. über ein Gefpräch, welches ein ven.
trauter Freund des Grafen Kaunig mit ihm uͤber
die, dem Könige zu gebenbe Antwort gehabt hatte. —
Sch 106 und lächelte. Dies. bemerkend, fragte ber
König: . warum ich lache? — Ich fuchte eine. Aus⸗
| 1) Ebendaſelbſt. |
2) Mitchell papers Vol. 67, p. 28, _
376 2 Achtundzwanzigſter Abfhnitt. 118
fincht, mußte aber auf fein Anbringen zuletzt geflchen:
ich Lächele, weit mir die Nachricht zu gut und zu ge
nau erfcheine. Ich keunte den Grafen Kaunitz und
biefte ihn für zu ug, irgend einen Freunde ſolch
Geheimniß anzuvertrauen. Nachdem ich mich ums
ſtaͤndlich und aufrichtig uͤber des Grafen Charakter
ausgelaſſen, ſagte dee König: ich geſtehe, Ihre Bemer
kung iſt richtig, aber die Kunde kommt von einn
guten Hand, und man kann ſich darauf verlaſſen.
. Mitchell erfuhr nachher daß der Bericht vom Gea
fen Flemming herruͤhre, auch iſt es ohne Zweifel be
fo eben im Auszuge mitgetheilte. Es laͤßt fich nicht
annehmen, daß Flemming jenen Bericht geſchrieben
babe, damit er im des Könige Hände komme md
ihn reie. Wenigftens hätte der Nachſatz: man wol
. ihm arglifiig reizen, den Vorberfah aufgehoben. Gewij
kannte Friedrich jetzt den ganzen Inhalt des Br
richtes.
Den ?ten Anguſt ſchrieb Friedrich ſeinem Geſand⸗
ten Klinggräf'): die Antwort des wiener Hofes ſey um
fo weniger deutlich und genägend, da er Beweiſe von
den Angtiffsplanen Rußlands und Öflerreichs erhal⸗
ten, und dag man biefelben nur verfchoben, weil Die
Ruffen nicht vorbereitet feyen. Er fährt fort: Je
me crois en droit d’exiger de l’imp6ratrice une
1) Mitchell papers Vol. 1.
|
|
18 Lriedrichs Anfragen ia Bien 875
deelaraßun formelle et cathegarigue, oensistant
dans une assurance verbale ou par dcrit, qu' ella
n’a aucune intention de m’ailaquer ni cette annde,
ri oelle qui vient. Soit que cette deelaration me
fasse par 6erit, om verbalement en presence des
ministres de France et d’Angleterre, cela mies
egal et depend du han plaisir de limpératrice. MI
faut savoir si nous Sommes en guerre, su em
'paix, J’en renda limperatrice arbitre. Si ses in-
tentions sont puren, voici le moment de les mettre
au jone. Mais si on me denne une reponse en
style d’oraele, incartaine ou nen cnmelmante, Fim-
pöratrice aura A sa reprocher tontes les suiles qu’
attrera la facon tacite dont elle me confirmera par
lA les projets dangerenx qn’ elle a formes avec ia
Russie contre moi, Et j’atteste Je ciel queje mis
Muocent des malbenrs qui n’en surrront. .
Sp Lagen bereitd die Dinge, ale Holderneß den
Gten Auguſt an Mitchelt fehrieb "):. Wenn ber König
von Preußen zeigt daß er für England, gegen Frank⸗
reich thätig fern will, fo kann er hier fo bellebt wer⸗
ben, ala. es jemals das Haus Öfterreih mar. Aber
dies iſt der Pruͤfſtein, Frankreich it unfer Ziels
nunkt. Ge muß den Entſchluß zeigen und gegen uns
1) Mitchell papers Vol. 29.
376 Achtundzwanzigſter Abſchnitt. 56.
fern. natürlichen Feind beizuftehen; das Übrige wird
: fi dann finden. |
Diefe Betrachtungsweiſe war zum mindeften hoͤchſt
einſeitig. Daß Friedrich blos für England einen
Krieg wider Frankreich unternehmen, blos für Eng⸗
land wirken follte, ordnete ihn und "fein Reich in di:
ner Weife fremden Zwecken unter, wie man es for
dern mag, aber nicht bewilligen darf. Hiezu kam,
daß jede Schülberhebung gegen Frankreich, nothwendig
jego einen Krieg mit Öfterreich in ſich fchloß, und
Schlefien dem Könige von Preußen doch natuͤrlich
. mehr am Herzen liegen ‚mußte, wie Hannover.
Eher. zum. Ziele treffen zwei andere Schreiben
von Holderneß, worin es heißt‘): die Feinde Eng⸗
lands werden bie Czarinn nicht dahin bringen, koͤpf⸗
lings auf die Plane der Höfe von Wien und Ber
ſailles einzugeben; ſobald nur Friedrich ihnen durch
einen Angriff auf — nicht ſcheinbare Vorwaͤnde
in die Hand giebt. Ein ſolcher Angriff (ſofern der
Koͤnig dazu nicht unbedingt durch das Benehmen des
wiener Hofes gezwungen wird), muß boͤſe Folgen ha⸗
ben. Wir hoffen deshalb, der König. werde nichts
überellen, während man durch ein menig Geduld bie
Gefahren, voo nicht vermeiden, doch vermindern, kann.
Die Abfiche Friedrichs, feinen Feinden zuvorzu-
1) Den 6ten Augufl. An Mitchell, ehendaſelbſt Bd. 9.
1336. Holbernek Schreiben. Rußland. 377
kommen, IR gruͤndlich und gewichtig (menn er ein⸗
mal von ihrem Plane ihn anzugreifen uͤberzeugt iſt);
nur muß ber König zu gleicher Zeit einſehen, daß ei
hiedurch bie Kaiferinn von Rußland zwingt, ummits
telbar Partei ‚für Öfterreich zu nehmen, was. durch
Temporiſiren — vielleiht — kann vermicben
werden. R
Den 10ten Auguft wiederholt Holderneß!): was
fuͤr Nachrichten der Koͤnig von Preußen auch uͤber
einen gemeinſamen Angriff Rußlands und öſterreichs
mag erhalten haben, der Koͤnig von England kann
ſich nicht uͤberzeugen, daß jene Nachrichten wohl be⸗
gründet find. Gewiß weiß Beſtuchef Nichts davon,
und- obgleich deffen Anſehen bei der Kaiferinn gefun:
Sen iſt, würbe fie folch einen Schritt doch nicht ohne
defien Kenntniß befchliegen. Der. König von Preu:
Ben muß überlegen: ob ber Vortheil, welchen er da⸗
ducch zu ‚gewinnen hofft, daß er feinen Feinden zu:
vorkommt, dem gleichſteht, daß er Rußland alsdann
gewiß verliert.
In ſeinen Berichten aus Rußland ſagt Williams
den 14ten Auguſt?): der Anſchein iſt hier gut, Nies
mand aber kann fuͤr den Ausgang ſtehen. Traͤgheit
1) Ebendaſelbſt.
2) Rußland, Band 65.
378 Achtundzwanzigſter Abfgnitt. 3756.
amd Zögerung find dem hiefigen Hofe eigenthuͤmlich
In diem Augenblile (174m Auguſt) uͤberwiegt Ber
ſtuchefs Einfluß. Wenn er fo handelt, wie er ver⸗
ſpricht, wird Alles gut gehm. We nicht, fo wirb er
Alles hinhalten, weiches fein Lieblingsverfahren ift. —
Und dennoch ſchreibt Willlams nur eine Woche ſpaͤ⸗
ter (den 24ſten Auguſt): die Ruſſen wollen auf den
Grund des mit England geſchloſſenen Vertrages we⸗
der Geld nehmen, noch irgend etwas thun. Sie ſa⸗
gen: naͤchſtens wuͤrden fie neue. Vorfchläge machen,
amd baden einen Geſandten nach Parts ernannt).
So war alfo Rußland bereitd ganz von England
getrennt und zu feinen Feinden übergetveten, bevor
Friedrich II irgend eine feindliche Maaßregel wider
Öfterveich unternommen hatte. Fuͤr den Fall daß ir⸗
gendwo und wie ein Landktieg ausbrechen ſollte, blieb
uͤber Ellſabeths Stellung und Theilnahme in Wahr
heit kaum ein Zweifel uͤbrig. Wir werden hieruͤber
Weiter unten noch naͤhere Beweiſe fünden.
1) Bericht vom 17ten Auguſt. Ebendafelbſt.
2) Ebendaſelbſt, Bericht vom Zäften Auguſt.
.
17 Rußland. Friedrich Il an Mithell. 378
Reunundzwanzigfter Abſchnitt.
Vor Allem wichtig iſt es, zu wiſſen wie Fried⸗
rich II die Lage und Entwidelung der Dinge betrach⸗
tete? Hieruͤber giebt ein eigenhändiger Brief deſſel⸗
ben an Mitchell vom Yten Auguft 1756 die lehr⸗
reichfte Auskunft‘): Par les nouvelleg qui nous re-
viennent il parait que la France vent tenter en-
core cette annee une descente sur les trois ro-
yaumes britanniques. Il faut esperer que les bon-
nes mesures qu’a prises le gouvernement anglais,
feront &chouer cette expedition. On sait que
l’Escadre du Bailly de Conflans est de treize
vaisseaux de ligne, auxquels se doivent joindre
douze de l’escadre de Brest, le tout faisizıt 25
vaisseaux, Comme l’on sait que la flotte an-
glaise de la Manche est bien superieure à celle -
des Francais, que les meilleurs amiraux les com-
mandent, qu'ils sont avertis des desseins de leurs
ennemis, et quils pourront les ruiner, on croit
pouvoir ôtre en repos sur cet article,
Ceaopendant on prie le ministere de ne point
1) Mitchell papers Vol. 1; Letter 66.
338 KReunundzwanzigſter Abſchnitt. 1756
negliger l’avis qu’on leur a domae d’intelligences
secretes que le marechal de Belleisie a en An-
gletorre, et qui si. sent telles que les Francais
les debitent sous main, elles. seraient enpables
de meittre le Roi d’Angleterre dans d’harribles. em-
karras.
Les affaires de terre ne sent pas dans wz
moindre 6tat de crise. La Prusse a communiqué
à la eour- de Londres en quels termes elle se
trouve avec Pimperatrice reine. Selom tous les
meilleurs avis de Vienne la rupture parait inevi-
table. On s’em rapporte d’ailleurs & la reponse
de la cour de Vienne qui. decıdera ou de la. pam
ou de. la guerre, et qui sera eommuniqnee fidele-
ment à Sa Majesté britannique, de meme que
tout.ce qui se passera ulterieurement.
‘ L’on peut prevoir que les troubles de I’Alle-
magne et peut-tre.lexpelition des. Francais man-
quee sur l’Angleterre obligeront la France de
transporter l’annee qui suit la guerre sur le con-
tinent, ce qui (doit) donner la plus grande aiten-
ton aux eours de Londres et de Berlin, pour
n’etre presses au depourvü de ce cöt& la.
On se. rapellera sans doute qu’on avait prope-
se de faire une allianee avec la ‚‚spablique de
Hollande, et de P’encourager en m&me tems à se
metire dans ume situation plus respectable, qu’elle
1786. Friedrich Man Mitchell. 381
me se trouve & prösent. Puis denc que ces deux
cours sont €galement interensdes a cet objet, len
se persuade .que le meoyen le "plus efhcaee d’y
parvenir sernit d’instruire les ministres des deux
osuronnes du dessein qu’elles ont de faire une al-
liance defensive avec la r&publigque, de la porter
de faire une augmentation de 30,000 hommes
(de tronpes de terre, et par rapport a l’Angleterre
d’exiger le secours d’un nombre de vaisseaux.
Que l’on ne gemerait peint ce ministres quant au
choix de moyens qu’ils jageront & propos d’em-
ployer pour cette fin, mais que se serait a eux
de ee concerter avec.les Hollandais bien inten-
tionnes pour arranger leur plan, sur leurs avis
et pour le metire de concert en execution. Il est
A creire qui des personnes qui voyent par leur
yeux, savent la facen de penser de la nation oü
Hs se trouvent, et qui se servent de la heussele
de gens biens intentionnes pour se gaider, reus-
siront infailliblement dans leurs desseins.
On a appris par un. 6missaire revenu de la
Lombardie que les Autriekiens et les Francais
y sont extremement altentifs aux mouvements du
Roi de Sardaigne. Qui fait croire que si ce
prince debitait simplsment la nouvelle de queljue
"augmentation dans son militaire (quand meme il
ne le fernit pas) cela retiendrait les troupes Au- .
382 Neunundzwanzigſter Abfchnitt. 12298.
wichienues de ia Lombardie et les trempes fram-
eaites du Dauphins et de’ ia Provence en ochec,
et- preduirait ce biem qui ne: sersit A craindre
pear V’Allemagne.
H resulte de toutes les nemvelles —
de Petersbeurg que le grand ehancellier aura pout-
$tre asser. de credit pour empecher la conciasieh
d’an traité entre Sa Majesté et la Framos; mais
ih parat sür qu’ils se meleront de la guerre que
la Beine d’Hongrie veut faire a. ia Prusse. . Dans
ceite siiuation l’Angleterre m’a aucuns espeoe de
secowrs à aitendre de la Russie. Elle agprendra
meme que la Russie fait la guerre aux Allise
d’Angleterre; ce qui fait penser, que.si les sub-
sides destings pour eeite cour étaient röpandus &
Brunsvie, Cassel, Gotha. et chez le prince de
Darmstadt, que l’Angleterre em retirersit dans la
esise presente un: avanlage plas reel penr ia de-
fonze des &isis de Haunevre.
On a fit um oalcul par. loquel il est clrar
(’augınentatien et PAllianev- conelue en Hollande)
que le Roi dAngleterre 'pourea disposer dans
- Kempire d’une armee de. pres de 80,000 hommes.
Ce sent des efforts qui temberomt sur le Gouver-
mement anglais; mais les Frangais en feraient ils
moms? On est str qu’äs eraignent la guerre de
terre, d’une purt ‚par la depense immense que
170 Zrietrihllan Mitchell. W
leur conte deur fette et celie armée dent Fentre-
ttem senait Urs oowlenx; d’auire part par des rai-
sons de esur et des imierets partieuliars de cer-
innen personnes qua Gsaignent ume la guere
eant sur le eemiänent, le Bes de France voulut
encare se prisenter à la töte de ses armdes.
Mais malgr6 oea raisens qu’en went d’alie-
guer ıl m’ess pas douleux que si la France essuye
un grand echec par mer, elle ne zeprenden ves
desseina sur Felectorat. de klannovre, à qani elle
est axeil6e par la eous de Vienne, qui desirant
les trouhles de l’Allemagne n’öpargaera rien pour
y embarguer Ia France le plus avant qu’elle pouxra.
On se rappelle a cette oceasion qu'il avait été
fait mention de la perte Ottomnnne dans le der-
nier mmoire, que comme il parait qua le deliea-
iesse de Sa Majesis Brisnmnique sesait blessé
des. insinaations que le Sieur Perter peurrais faixe _
a Consiantineple contre la eaur de Betersbourg;
il pasait qui) y auca un auire chemia. A prendre
sur. lequel on parviendrait &..la meme fin: qui
serait de representer au grand: Vexir tout le dan-
ger qui resulte pour Pempire Ottomum de Fetroite
Alliance qui. subaiste musuellement entre la cour
de Vienne et celle de France, Et nu cas que la
Suerre survint en Allemagne om pourrait y ajou-
ter que’ ce serait le moment propre pour les Tures
384 Reunundzwanzigker Abſchnitt. 178,
de profiter de .cet evenemeut pour les metire à
l’abri des suites funestes que cette: alliance pour-
rait leur causer. Il .serait a souhniter qwapres
‘ tous les ménagemens ei tous les bons procedes
que la cour de Londres a eus pour celle .de Pr-
tersbourg, elle put y faire quelque progres; mas
il parait que ce sera peine perdue.
On ajoute encore une reflexion & ceci, soumel-
tant le tout aux lumieres superieures de Sa Mr
jeste Britannique, c’est que voyant le nouvean
triamvirat forme en Europe, bien loin de .conser-
ver quelque menagement, pour ses 'anciens allies,
g’achemine tout droit à Fexeoution de ses dange-
reux projets. Il parait juste que l’Angleterre ei
la Prusse, bien loin de se laisser amuser par em,
travaillent avec la même vigilance pour s’epposer.
Les anciens systemes 'ne sont plus, ce serait 70%
loir ceurir apres un ombre que les vouloir reis
blir. My a des engagemens trop ferts qui liest
A pfesent oes puissances diclatricees da sort des
Reis; il ne reste aux puissances qui veulent s’ep-
poser a leur tyrannie et aux presomptioms qu’elles
meditent, qu’a former un systeme nouveau de lea
coté , pourgu ’un nouveau €quilibre se forme er
Europe et que la force puisse reprimer la vie
-lenee, et rompre des desseins pernicieux à few
186. Friedrichs Überlegungen. 385
veux qni aiment leur patrie, leur liberie et le
bien de toute l'Rurope.
uUnterdeſſen waren Friedrichs erneute Anfragen in
Wien angekommen. Die öſterreicher verlangten aber
fon um Zeit zu gewinnen) deren ſchriftliche Mit⸗
theilung') , wozu ſich Klinggraͤf ohne befonderen Be:
fehl nicht für ermächtigt hielt, fondern deshalb in
Bertin anfragte.
Den 14ten Auguft fügte Friedrich I einem Schreiben
an Mitchell eigenhändig hinzu”): Vous verrez par tou-
tes c&s nouvelles que je n'ai d’autre parti a prendre
pour ma surete qne de prevenir mes ennemis,
qui se serviraient du temps qui reste enire ci et
ce printemps pour angmenter la conspiration qu'ils
ent forme contre moi et me mettre. A l’impossibilite
de lear resister alors.
Und den 17ten ſchreibt er’): Vous verrez pur
le billet. ci joint tous ‚les mechants .projets de mes
ennemis. Vous verrez lindispensable necessite
ou je.suis de les prevenir, et pour denouer ce
noend Gordien, il n’y a d’autre remede que de
eouper avec P’epte.
1),Beriät aus Wien vom Uten Auguſt. ſterreich,
Band 192.
2) Mitchell papers Vol. 40.
3) Ebendaſelbſt.
u. 17
"386 Neunundzwanzigſter Abfhnitt. 2178.
Den 18ten Auguft meldet Keith aus Wien '):
felbft die Belagung diefer Hauptſtadt -fey ausgeruͤckt
und das ganze oͤſterreichiſche Heer in Bewegung.
Des folgenden Tages fchreibt Friedrich an Mit:
chell?): Pour Vous 'repondre, Monsieur, sur les
differents points dont Vous m’avez parl& aujourd’-
nhui, je dois Vous dire:
1) Que les uffaires sont ‚si avanetes avec la
Reine de Hongrie, qu'il faut attendre la reponse,
et que si elle ne se trouve pas entierement claire
et satisfaisante, je ne puis sans sacnfier la süre-
té de mes elats et mon henneur meme, lui lais-
ser le temps d’exdcnter la neirceur de ses den-
seins. -: Et que sachant bien que cette demarche
pourra m’attirer sur les bras une guerre avec ia
Russie, je m’y suis prepare d’autant plas, que de
longue main je mattendais quil en faudrait un
jour venir la. J’atteste le ciel que je ne
connais d’autre moyen de me tirer d’um
‘pas aussi difficile, qu’en le pr&venant.
2) Quant au secours qae le Roi d’Angleterre
exige de moi pour ses 6tats d’Allemagme, je deis
Vous avertir, que si j’avais assez de troupes pour
faire face seul contre toute ’Europe, que j’aurais
1) Öfterreich, Band 192.
2) MitcheH papers, Vol. 2.
155" Friedrich an Mitchell. 387
envey& une arınde dans le pays de Cleve pour le
garantir contre l’invasion de mes ennemis; mais
qu’äyant besoin de toutes mes forces pour me
maintenir conire les ‚deux imperatrices, je suis .
oblig€ d’exposer mes previnces voisines da Rhin
au hazard. des evenements; que cependant je fe- .
rais Timpossible pour prouver au Roi d’Angleterre
que je suis de ses amis. Pour cet efl&t en cas que
les Francais fassent marcher des troupes vers le
Rhin, il. pourra disposer d’un corps de troupes
de. 11,000 . hommes ‘que jai en Pomeranie, qui
dans 18 — 20 jours peuvent ötre aupres de Han-
nover,. en passant par Tangermünde et le pays
de Zell; au lien que les Francais auront plus de
40 marches pour arriver de la Normandie sur le
Weser. Que ces troupes pourront en cas de be-
soin etre employ6es pour la defense du. pays d’Han-
nover jusqu'à la fin de Férrier; bien entendu que
le .Roi d’Angleterre leur fournira le pain, la vian-
de et le fourage-pendant le sejour qu’ils seraient
obliges de faire (en cas de marche des Francais)
“ dans ses &ats. Mais que pass6 le mois de Fe-
vrier, je serais oblige de les mettre en chemin
pour la Prusse, pour quils s'y trouvent vers le
. mi May à moins que (contre toute attente) la
Russie se deelare neutre. Je sacrifie mes propres
interets dans ce moment pour cause du Roi d’An-
; 17 *
388 Neunundzwanzigſter Abfhnitt. 1706.
gleterre, -mais il m’est impossible d’aller. plus lin.
Si ce prince veut faire une paix qui la soit avan-
tageuse, j'en serai charme, pourrü qu il n’en ex-
elue pas ses alliee. Mes ennemis me for-
‚cent de faire la guerre, je —— le
jour qui y mettra fin.
Steihen Sinnes fagte Friedrich zu Mitchell *
nicht der kann als Angreifender betrachtet werden, der
den erſten Schlag giebt, ſondern der welcher dieſen
Schlag nothwendig und unvermeidlich machte.
An demſelben Tage, wo der Koͤnig Vorſtehendes
zu Mitchell ſagte (den 2Often Auguſt), ſchrieb ihm Lord
Holderneß?): - Preußen möge nicht angreifen, weil
ſolch ein Schritt Eliſabeth unmittelbar. für Maria
Thereſia entfcheiden würde. Noc immer (fährt Hol⸗
derneß fort) beharrt der König von England. bei der
Meinung, daß diefer Verſuch nur zu wagen fep,
wenn alle anderen Mittel, den Koͤnig von Preußen
zu fichern, fehlgefchlagen find, und feine weitere Dülfe
übrig bleibt.
Umftändlicher und aufrichtiger erklärt ſich Bord
Holderneß in einem Schreiben an Williams von dem⸗
felben Tage’). Er räumt zuvörderft ein: für gewiſſe
1) Ebendaſelbſt. Schreiben vom 2Often Auguft.
“-, 2) Mitchell papers Vol.. 9.
3) Schreiben vom 20Often Auguſt. Ebendaſelbſt.
1356. Holberneß über Krieg u. Frieden. 389
Fälle und Verhaͤltniſſe koͤnne man "nicht erwarten,
daß der König von Preußen, als der beffer Gerliftete,
abwarte; bis man’ ihn angreife. Dann⸗ fährt, Hol:
derneß fort: der König von England meiß'), daß ſich
die oͤſterreichiſchen Miniſter gerade jegt aufs Äußerſte
bemühen, den. franzöfifchen Hof zu einem Angriff auf
die deutfchen Beſitzungen defjelben zu vermoͤgen. Nicht
minder geben der diplomatiſche Briefwechſel, gleichwie
andere Quellen den Beweis: daß zu derſelben Zeit
(das heißt im Sommer 1756) dem wiener Hofe
Nichts ſo ſehr am Herzen lag, als eine Ge⸗
legenheit Friedrich U anzugreifen. Alle
ihre Abſichten zielen auf dieſen Lieblings—
puntt. Weil der Koͤnig von England ablehnte in
dieſen Plan einzugehen, ward ihm der Beifland ver:
weigert, welchen. er aus fo vielen Gründen zu er:
wärten beeeihtigt war ”).
Öfterreich hingegen, ale es fah, daß England zu
fo ungerechten und "gefährlichen Unternehmungen die
Hand nicht bieten wollte, wandte ſich an Frankreich,
welches (meniger aͤngſtlich über bie Mittel, feine Zwecke
zu erreichen) dem großen Bruche öffentlichen Glau⸗
bene, an welchen jene fchon fo lange dachten, bei⸗
ſtimmte oder ihn wenigſtens duldete (comnived).
1) Has reason to know.
2). Daffetbe:geftcht Valory I, 150. °
390 Reunundzwanzigfter xbſchnitt. 178.
- Bei diefm Umftänden, bei fo großer Gewißheit
über die Natur ber: öfterreichifchen Politik, kann man
fi) da verwundern, daß Friedrich der drohenden Ge
fahr zuvortommen will? Oder kann irgend ein De
fchluß, den er in dieſen Verhaͤltniſſen und unter He: |
ausforderungen ſolcher Art faßt, mit Recht für ein
Beginnen ber Feindfeligkeiten gehalten werben? Do |
baben wir ihm vom Angriffe abgerathen.
Sollte aber der wiener Hof beharrlich Erktärun:
gen ſolcher Art vermweigeen, daß fie ben King
von Preußen beruhigen koͤnnen, follte biefer Kirk
fid) deshalb gezwungen fehen, angemefiene Schritte ju
- feiner eigenen Sicherheit zu thun; fo kann der Könk
von England nicht zugeben, daß Üfterreich bie
Schritte halben ein Recht habe, ben Beiſtand ſeiner
Verbündeten in Anfpruch zu nehmen.
Seine Majeſtaͤt will nad) wie vor bem König
von Preußen Maͤßigung anempfehlen, aber fie kam
(wenn fie gegen ihn und gegen fich felbft gerecht mr
fahren will) diefen Rath nicht fo weit treiben, ihr
den Gefahren eines Angriffs auszufegen, weicher übe
ihn herbeigezogen wird, weil er in Verbindungen mil
dem Könige von England trat.
Der König von Preußen (heift es am einer at
dern Stele)*), obgleich gerüftet, einen Angriff zurud
8) Säjreiben vom 2Often Xuguft, Rußland, Band 65
1756. Gnglifche Anſichten. Friedrichs Beſchlafſe. 301
zuſchlagen, oder ihm zuvorzukommen, hat es nach
dem Rathe des Koͤnigs von England fuͤr angemeſſen
gehalten, von ber Kalſerinn Koͤniginn eine Erklärung
zu verlangen. Dies gefchab in der allerſchicklich⸗
fin umd gemäßigeften Weile, hat aber bis jegt zu
Nichts geführt, als zu einer trodenen, ungenüs
genden Antwort.
Der König von Preußen hat dem wiener Hofe
deshalb nee Kragen vorgelegt und gegen uns etklaͤrt:
er wolle gern Frieden halten, wenn es nur mit its
gend einer Hoffnung auf Sicherheit für ihn ſelbſt ges
ſchehen koͤnne. Sollte fi aber ein Gegentheil aus
. den Vorbereitungen feiner Feinde ergeben, daß fie ent:
ſchloſſen find als foldye offen aufzutreten, foliten fie
eine genligende Erklärung verweigern über bie. Abſich⸗
ten, welche fie bei Verſammlung einer fo großen
Kriegsmacht hegen; fo koͤnne man nicht verlangen,
daß er auf irgend eine einzefne That warte, um-ihn
von ihren feindlichen Abfüchten zu überzeugen. Biel
mehr will er alsdann von feinen befieren Rüftungen
Gebrauch machen und wo möglid, den Kriegsfchaus
plag von feinem eigenen Befigungen entfernen. Sollte
er zu ſolch einem Beſchluſſe gezwungen werden, fo
jehe er nicht .ein, wie man ihn dann gerechterweife als
den angreifenden Theil bezeichnen könne. J
In einem anderen Schreiben des Korb Holderneß an
ben Geſandten Titley in Holland heißt es: die Bor:
392 NReunundzwangigfter Abſchnitt. 17.
ſchlaͤge, welche ber. engliſche Hof: dem oͤſterreichiſchen im
Srühlinge 1755 wegen eines‘ Vertheidigungsbuͤndniſſes
machte, wurden verworfen '). Als mun. Keith in den
Grafen Kaunig drang zu erklären, auf welche ander
Grundlagen man fich. einigen‘ Tönne, antwortete dieſer
mit großer Wärme ‚und Bewegung: Mon Dien,
en attaquant le Roi de Prusse! Some.
ten Englands Unterhandlungen in Wien.
Den 24iten Auguft ſchreibt Friedrich IE .an Mit
chell?): Wenn die aus Wien ftündlich erwartete Ant:
wort fo ſey, daß er fich dabei beruhigen koͤnne, male
man über die Abfendung eines preußifchen Gefandten
| nach Petersburg rathfchlagen. -
. An bemfelben Tage fehreibt Mitchell: ber Couriet
aus Wien iſt noch nicht angelangt. Die Ungeduld
mit welcher man ihn erwartet iſt unbeſchreiblich?)
Die Soldaten, ſtolz auf das Andenken früheren Er
folgs, ziehen aus mit der vollen ‚Überzeugung dei
Siegens. Im ber That überrafcht es zu fehen, mit
welchem Eifer und welcher Sreubigkeit fie auf dm
erften Wink von der Ärndte zu ihren Fahnen gr
eilt, find.
| |
1) Schreiben vom Aten Januar 1757. Mitchell pı-
pers Vol. 11.
2). Mitchell papers Vol. 40.
8) Mitchell papers Vol. 2.
1756. Englifche Anfichten. Friedrichs Wefchläffe.e 303 |
Unterbeffen ertheilte ber wiener Hof am 2Iften
Auguft eine Antwort‘), in welcher das Dafeyn eines
Angriffsbuͤndniſſes zwiſchen ſterreich und Rußland
gegen Preußen geleugnet, aber nicht ein Wort
über die Hauptfrage Friedrichs geſagt wird: ob
Maria Therefia ihn in diefem, ober dem nächften
Jahre anzuareifen gedenke.
Den 27ften Auguſt fagte Friedtich zu Mitchell: ich
bin fo fehr zum Frieden geneigt, daß jede Erklärung
mir. genügt "hätte, wenn ich darin nur irgenb eine -
Zuficherung für meine Sicherheit gefunden hätte. Ich
las die legte Antwort mehre Male, aber ich kann ba-
felbft nichts der Art entdecken?) — Obgleich der König
(fährt Mitchell fort) volltommen zum Kriege vorberei-
tet iſt, will er doch ruhig bleiben, wenn er nur ſicher
feyn kann. Auch ſtimmt dies mit dem ganzen In⸗
halte unferes Geſpraͤchs: daß, er nämlich ſelbſt
im Falle: des ‚Erfolges Nichts gewinnen
tönne, mithin heides, ſowohl Neigung als
Nusgen, ihn den Frieden ſelbſt bann werde
wünfcden laffen, wenn er bereits ins Feld
gezogen fen. .
1) Ebendafelbft und Bericht aus — vom 21ſten Au⸗
guſt. Öfterreich, Band 192,
2) Mitchell papers Vol. 2. Berict vom Ofen Au⸗
guſt.
4 27
39 Dreißigfter Abſchnitt. u
Den 28ften Auguft fchreibt Meitchell '): da die
neue Öfterreichifche Antwort gar Leine Sicherheit
gewährt, fegt ber König fein Heer in Bewegung
jedoch mit der Abficht zuckdzugehen, wenn Mars
Thereſia die verlangte Zuficherung ertheilt. — Diefn
Morgen zwiſchen vier und fünf nahm ich Adbdſchitd
vom Könige von Preußen. Unmittelbar damuf ging
er zur Heerſchau, flieg zw Pferde, ſtellte ſich nah
einer fehr Eurzen Übung am, die Spige der Regime
ter und führte fie gen Belitz. Alte find- froh um
hoben Muthes.
/
Dreißigſter Abſchnitt.
Je mehr ich bie alten und bie neu gefundenem
MNachrichten errodge und miteinander vergleiche, beflo
fefter wird meine Überzeugung, daß bei fortdauerndem
Seekriege zwiſchen England und Frankreich, ein Land:
krieg nicht zu vermeiden war. Frankreich wollte ihn,
um England hier feine Überlegenheit fühlen zu laſſen,
Ofterreih um Schlefien zu erobern, und Rußland um
feine Leidenfchaften‘ zu befriedigen. Nur der König
1) Mitchell papers Vol. 1.
1750. Gründe des Krieges, 895
von Preußen wünfchte ohne Zweifel den Frieden, denn '
fe ibn war (wie er ſehr richtig - einſah) unter den
obwaltenden Umftänden gar Feine Yusfiht auf Ge:
winn. Fuͤr ſterreich flellten ſich dagegen (durch eis
gene Ktugheit und fremde Thorheit) die Verhaͤltniſſe
fo unerwartet und beiſplellos günftig, daß es bie ge⸗
vechtefte Hoffuung hegen konnte, das Werlome toies
der zu gewinnen. Wenn alfo der wiener Hof auf
bes bedrohten und ſchwaͤcheren Könige fo natürliche
und leicht zu beantwortende Fragen ungenligende
Antworten gab, fo war dies nicht Zufall, nder Feige,
bloßen Stolzes, Tondern bes beſtimmten Vorfages und
der gang richtigen Einficht: er werde hiedurch den
Schein des Angriffs auf Friedrich hinuͤberwerfen. Ein
Sjterreichifcher Patriot konnte damals wuͤnſchen, daß
der Krieg in folcher Weife herbeigefuͤhrt werde. Hätte
der toiener Hof dem emtgegengefegten Vorſatz gehabt,
(6 Toflete eß nur ein deutliches Wort, und der Srieg
war vermieden.
Darin, Daß dies Wort (ehrlicherweife) nicht außs
geſprochen ward, lag in Wahrheit eine Kriegsertläs
ung,‘ und man muß ed, Alles zu Allem gerechnet,
hoͤchſt natuͤrlich finden, wenn Friedrich Die zweite Ant:
wort, oder Nichtantwort, fo aufnahm. Bloßes Ab:
warten hätte ruſſiſche Heere nad) Preußen, franzöfifche
nach Weſtphalen geführt, der König aber, für die
Verſaͤumniß des rechten Augenblicks, nicht das min-
306 ODreißigſter Abſchnitt. 1.
defte Mitleid, nicht den geringften Beiſtand in Eu—
zopa gefunden. Wie dem auch: fen, er iſt und bieibt
der Held des denkwuͤrdigen Krieges, und auch Öfter
‚reich verdient das Lob der Standhaftigkeit und Auk
dauer; während Frankreich und Rußland (Preußen
gegenüber) nur unwuͤrdige, Schweben und das deut:
fche Reich nur elagliche Rollen in der großen Tragi⸗
die ſpielen.
Nochmals erklaͤrte Friedrich II: ſobald vſtemrih
jene ſichernde Erklärung gebe '), wolle er zuruͤckgehen,
entwaffnen und alle Gruͤnde des Argwohns beſeitigen.
Es war aber nicht die allergeringſte Wahrſcheinlichkeit,
daß ſterreich, welches ſich jest. am Ziele ſeinet
Wuͤnſche ſah, durch ſolch eine Erklärung alle erlang
ten Vortheile preisgeben werde. |
Zunaͤchſt erhub der fächfiiche Hof laute Klage: mit
Recht, fofern: die Leiden bes Krieges hereinbrachen; mit
Unrecht, ſofern Sachſen bei einem Kriege zwiſchen ſter
reich und Preußen unmöglich ganz neutral und wo
fchont bleiben kann. Daß es fih-aber, in die Noth:
wendigkeit einer Wahl verfegt, an Öfterreich und Ruf
land anſchließen wolle und werde, geht aus be
Verhandlungen genuͤgend hervor”), und ließ ſich auf
u 1) Bericht vom Aten September Öfterreich, Bd. 19.
D) Berichte vom 16ten und 26ften Junius, und 2iften
Julius. — Bd. 65.
1786. Friedrich in Sachfen, ſchreibt an Auguſt. 397
aus dem Benehmen waͤhrend des weiten ſcheſi ſchen
Krieges folgern.
Als Koͤnig Auguſt die Räumung Sachſens ver⸗
langte, antwortete ihm Friedrich II den 5ten Septem⸗
ber aus Lomnitz): Quelque envie et quelque inelina-
tion que j'aie d’obliger Votre Majesté, je me vois
dans limpossibilit6 d’evacuer ses états, à cause
de cent raisons de guerre, qu’ il serait -ennuyeux
- de Jui allöguer, et qui cependant m’en empöchent;
dont la principale est la sürete de.mes vivres. Je
‚voudrais que le chemin de la Boh&me passat par
la Thuringe, pour que je n’eusse pas-lieu de mo-
lester les &tats de Votre Majeste; mais comme des
raisons de guerre m’obligent de me: servir de la
riviere de l’Elbe,. je ne.puis, a moins. de faire des
miracles,. choisir d’autres moyens, que ceux que
j’employe à present. . Fassure Votre Majest6 que
je fais tote Ia diligence imaginable;. mais malgre
cela il. est impossible aux troupes de voler. Quant
à ce que jai avance A Votre Majeste des mauvai-
ses. intenfions et des procedes tres contraires à
esprit da trait€ de Dresde de son ministre, je
suis tres en 6tat de le pronver, et je le ferais
° des aujourdhui si des menagements que je me crois
oblig6 de garder ne m’en empechaient. Cela ce-
1) Mitchell papers Vol. 61.
32087 Dreißisſter Abihnite NEE
pendant ne me fera jamnis oublier ce que je dois
aux tetes couronnedes, A un prince mon voisin,
qui n’est que söduit .et pomr lequel, ainsi que pour
toute sa famille royale, je conserverai dans toutes
les oecasions, fut il möme mon cruel ennemi, la
plus haute consideration et la plus parfaite estime.
Mehrere Berichte von Williams aus Petersburg
behaupten:
1) Rußland würde, * Friedrichs Angriff, neu⸗
tral geblieben ſeyn, und habe kein Angriffsbundai
mit Hſterreich geſchloſſen ).
2) Eliſabeth fey entſchloſſen ben König zu befie
gen, das Heer ſey aben noch nicht im Stande, und die
Sefinnung der Vornehmſten über die zu ergreifenden
Maaßregeln keineswegs übereinftinsmend.
Um Beſtuchef zu: gewinnen, lleß ihm Zilk
drich IL 100000 Thaler ambieten *}.
Den Alten und idten September fchreibt Bil
liams): ich wuͤnſchte vom Herzen, daß ber Kiniz
von Preußen nie von einem Angriffsouͤndniſſe mi
hen Rußfland und Djterreich gefprochen haͤtte; dem
1) Mitchell papers Vot. 2f. Bericht von Williams
vom Aten, 7ten, Ziften September. Rußland, Bo. 66.
2) Mitchels Bericht vom’ Zten und Aten u
Band 2.u. 4.
3 Mitchell papers — 21. Rußland, Band 66,
1250 RNußland. 309
ich bin vollkommen uͤberzeugt, daß ein ſolches nicht
vorhanden iſt, und man den Koͤnig nur boshafter
Weiſe taͤuſchte, indem man ihm aus Wien derlei
Nachrichten zukommen ließ. Seine Feinde ſind hier
ſehr zahlreich und entſchloſſen. Sie ſprechen täglich
wider ihn; und alle ihre Soldaten haben Befehl er⸗
halten fich in Bereitfhaft zu fegen. — Die Kaiferinn
lehnt eine Vermittelung ab, Sie fagt '): der König
von Preußen habe den-Streit allein begonnen und möge
ihn mit der Koͤniginn Kalferinn ausmachen, während
ſie gegen dieſe allen dbernonsmenen Berpflichtungen
nachkommen werbe.-
SH fuchte (meldet Williams den 28ſten Septem⸗
ber) den Großkanzler Beſtuchef für Preußen zu ges
winnen ?). Die erfien zwei, drei Male fand ich ihn
unberoeglich ; je deutlicher aber meine Winke über die
Größe der Summe wurden, deſto mehr gab ex nach.
Zuletzt reichte er mir bie Hand umd fagte: von dieſer
Stunde an, bin ich ded Königs Freund, Doch fehe
ich nicht, wie ich ihm jetzt dienen kann. Hätte ip
dies zwei Monate früher gewußt, möchte fi Vieles
haben thun Inffen. Aber er hat ben Krieg begonnen,
und nichts kann die Kaiferinn hindern ſterreich bei:
zuftehen; alle Befchlüffe find. darüber gefapt. Es iſt
1) Bericht vom 18ten September. Rußland, Bd. 66.
2) Ebendaſelbſt.
400 Dreißigfter Abſchnitt. 176.
wahr, er findet uns etwas unvorbereitet, und Sie
wiffen, unfere Bewegungen find langſam. Ich kann
nicht verſprechen jetzt etwas zu thun, weil es außer
meiner Macht liegt; doch moͤgen Sie dem Könige
von Preußen verfichern: Alles was Mardefeld gegen
mich mag unternommen haben, iſt durchaus vergefien
und ich bin bereit, fobald fich die Gelegenheit darbie
tet, dem Könige durch mehr als bloße, Worte zu be
weifen, daß ich zu feinen Dienften fiehe. — Belt
chef. ſchloß mit den Morten: er hoffe diefe Veraͤnde—
‚rung und Erklärung würden ale das größte Geheim-
niß behandelt werben.
Auch für andere Perfoneh — ich noch Geld
und hoffe, der Koͤnig von Preußen werde mir, ſobald
als moͤglich, 10000 Dukaten ſchicken.
| Die Ruffen haben menig Geld und nicht zehn
gute Dfficiere in ihrem ganzen Heere. Sie ziehen in
den Krieg aus Nothwendigkeit, und: mehr 'aus kb
benfchaft, denn Ehrgefüht. Ich hoffe, König Friedrich
- Siege werden den Frieden mit Rußland herſtellen;
denn im Bunde mit England ift er der natüchidfe
Verbündete für Rußland, aber im Bunde mit‘ Frank:
reich dee gefährlichfte Feind. u
Apraxin iſt vor Kurzem zum Feldmarſchall m
-hoben worden und fol das Heer anführen. Er if
der faulfte aller Menfchen und ein arger Feigling
(rank coward). So’ ward er von dem Hetmann der
®
1756. Rußland. England über Öfterreih. A401
Koſaken grob behandelt und faſt mit Füßen getreten‘
(almost kick’d), ohne es zu rügen. — Apraxin
(heißt es an einer andern Stelle)") ift eim fehr dicker,
fquler, ſchwelgeriſcher Mann, und gewiß nicht brav.
Er hat nie ein feindliches Heer gefehen, auch nicht
gebient, außer in Muͤnnichs türkifchen Feldzuͤgen. Ich
weiß, er ift feines Oberbefehls überdrüßig; auch findet
man hier bereits, daß es leichter ift vom Ausmarfche
eined "großen Heeres zu fprechen, ald es wirklich in
Bewegung zu fegen. Alle fremden Officiere, die in
den legten Jahren. zuruͤckgeſetzt wurden, haben allmaͤ⸗
lig ihren ‚Abfchied genommen.
Die Großfürftinn Katharina mißbillige das Beneh⸗
men des wiener Hofes gegen England’ und meint: ein
Buͤndniß zwifchen England, Rußland, Holland, Preu:
Ben und. einigen deutfchen Fuͤrſten, Eönne allein Eu:
ropa retten. — Die Ruſſen weiſen die legten eng⸗
liſchen Subfidien zuruͤck, und erklaͤren Nichts über
die Vertheidigung Hannovers gegen bie Franzoſen.
Saft noch Leidenichaftlicher und gewiß noch thoͤ⸗
richter als in Petersburg, war bie Stimmung in
Stodholm. Es giebt Nichts fo :Arges (heißt es
in einem Berichte vom 24flen September) ?) was
man hier nicht vom Könige von Preußen und feinem:
1) Bericht vom 28ſten September, Rufland, Band 66.
402 Dreißigſter Abſchnitt. 1286.
Seldzuge fagte. . Altes zerreißt fich gegen ihn, mar
möchte ihn faſt vernichtet ſehen. Daß ex Englande
Berbündeter iſt, erhoͤht feine Schuld, und mean trium-
phirt im voraus, daß ſich Rußland wider ihn eilla⸗
ven werde. oe.
Nachdem man in England die Nachricht von
Friedrichs letzten Beſchluͤſſen erhalten hatte, fchreibt
Lord Holderneß den Wten September an Lord Ste
mont!): die Politik des. wiener Hofes ging dahin,
ben König von Peeußen zu zwingen, fich durch bie
Waffen Recht zu verfchaffen. — Möge ber Koͤnig
von Polen durch ein angemeflenes Benehmen gegen
Preußen, übele Folgen vermeiden. Welche Unannehm⸗
lichkeiten aber auch für ihn entitchen mögen, fie find
allein dem umzeitigen Stolze des wiener Hofes zupr
fchreiben. Wären. deſſen Abfichten in bee That fried⸗
lich geweſen, fo fieht der König von England keinm
Grund, warum man bied nicht außsfprechen wollte?
Er kann nicht begreifen, wie die Ehre eines Herrſchers
dadurch gemindert werde, daß man dies demjenigen
gefteht, welcher dabei hauptſaͤchlich betheiligt iſt, und
deſſen Abfichten, wie man vorgiebt, der alleinige Grund
der öfterreichifchen - Rüftungen find. Wenn fie dee
Welt aufreden wollen, fie famnteln nur deshalb Dee
an den preußifchen Grängen, und in Folge feiner Vorbde⸗
ee ee
1) Mitchell papers Vol. 9, Rußland, Band 65.
1398. Schlacht bei Eoweflg. Rußland, Frankreich. 408 -
reitungen, warum zögern fie, bem Könige die Genugs
thuung zu geben, welche zu erwarten er fo berechtigt if?
Englands Bertrag mit Preußen bezweckte lediglich
den Friedrn!). Nichts aber konnte den erheuchelten
Argwohn (affected suspieion) des wiener Hofes bes
ruhigen, ober feine Begierde hemmen, das Abgetretene
mit Gewalt wieder zu gewinnen. Daher feine Be:
waffnung, der Bertrag von Verſailles, die unverdau⸗
. ten (undigested) Rathſchlaͤge von Kaunitz u. |. w.
So dat die Nothwendigkeit den König von Preußen
gezwungen, für feine Sicherheit zu forgen: er greift
nicht an, er vertheibigt fich. . :
Unterdeſſen hatte Friedrich IE Dresden beſetzt, ben
erften Oktober bie Schlacht bei Lowoſitz gewonnen
und ben Löten Oktober das fächfifche Heer zur Über:
gabe gezwungen. Die Königinn von Polen ſchickte
beshalb einen ihrer Rammerheren nach Petersburg,
‚um fi über die ihe perfönlic, widerfahrne Behand:
lung zu beſchweren?), und Mitleiden wie Zorn der
Kakferinn hervorgerufen. Im ruffiihen Staatsrathe
ward (in aͤhnlicher Abſicht) erzähle: menn Rußland
ihm den Krieg erkläre, wolle Friedrich mit aller Macht
dahin ziehen und Swan IH auf den Thron fegen ’).
1) Holderneß an Stormont Sachſen, Band 66.
2) Williams Bericht vom Iten Oktober. Rußland, Band 66.
3) Bericht vom SOften Oktober. CEbendaſelbſt.
®
404 Dreibigfter Abſchnitt. 1786.
Als die Raiferinn dies hörte, fagte ſie: an dem Tag
wo: fi jener Plan offenbart, laſſe ih Iwan de
Kopf abfchlagen.
Am Widerſpruche mit. biefem allem ſteht folgende
Nachricht vom Yten Oktober!): Am 2bſten vorigen
Monats (neuen Styls) ging der franzoͤſiſche Geſandte
in Warſchau Herr Durand zu dem erſten polniſchen
Miniſter und erklaͤrte ihm: der Koͤnig von Frankreich
ſey außerordentlich erſtaunt uͤber die verbreitete Nach⸗
richt: daß ein ruſſiſches Heer, durch Polen. hindurch,
den Öfterreichern zu Hilfe ziehen werde. Er fordere
daß die Republik fich folch einem Marſche im jebr
Weife vwiberfegn werde. — Die Ruſſen find ehr
verwundert über biefe Erklärung; doch ‘giebt es ein
große Partei am peterburger Hofe, welche eine Gr
legenheit, ober einen Borwanbd herbeiwuͤnſcht, dem
Kriege zu entgehen.
- Vielleicht ftanden hiemit bie Hoffnungen in I:
bindung , melche die preußifchen Miniſter gegen: Mit
. hell Außerten?): es werde nie zu vollem Bruche mit
Frankreich kommen. Es könne zwiſchen Frankreiq
und ſterreich zu keinem herzlichen Verhaͤltniß "kom:
men. — Aber freilich, gefchichtliche und politiſche Be
1) — papers Vol.21. Petersburger Briefwechſi
2), Mitchell an Newcaſtle, ben” Aten November. Mit-
chell papers Vol. 28.
4
⸗
1758. Schiacht bei Lowoſih. Rußland, Frankreich. 405
trachtungen und Erfahrungen ſolcher Art verloren
altes Gewicht vor den Launen und dem Eiufluſſe
einer Beifchtäferinn. Dee. preufifche Gefandte, Baron
Kniphauſen (erzählt. Valory)!) war der einzige, wel⸗
cher. auf Befehl feines Deren die Pompadour nicht
ſah, während die Kaiferinn Koͤniginn ihr. die ſchmei⸗
cheihafteften Briefe. fchrieb. — Ferner erzähle Mit:
chell?): im Jahre 175% (fo höre ih) ward.dem Könige.
von Preußen der Antrag. gemacht, er möge das.
Fuͤrſtenthum NReufchatel auf Lebenszeit mit allen Eins
nahmen, der Pompadour überlafieen. Sie folle. in
den Sürftenfiand erhoben, der Koͤnig aber mit einer
Geldſumme entſchaͤdigt werden. ‚Er wies den Antrag
mit Verachtung zurüd, was vielleicht ein Grund >
res Haſſes wider. ihn. ift:
Nach der Schlacht ‚bei Lowoſitz klagte der öflerei- i
chiſche Gefandte in Peteröburg laut über die Lang:
ſamkeit der. ruſſiſchen Huͤlfsmaaßregeln“). Deshalb
erzuͤtnt, ſagte Beſtuchef zu Williams: Anſtatt die
ruſſiſchen Miniſter zu tadeln, weil die Mannſchaft
nicht bereit ſey, ſolltm die oͤſterreichiſchen Miniſter be⸗
1) Valory I, 820. i
2) Mitchells Schreiben vom eoſten Ottober 1757.
Band 64.
3) Berichte vom 19ten und 2Often Oktober. Mitchell
papers Vol. 21.
406 Dreißigfter Abſchnitt. 136,
benten daß es in meiner Macht fteht, fie zu dem Ge
ftändniffe zu bringen: es fey allein ihr Fehler,
daß nicht fhon vor zwei Monaten 40008
in, nad Sachſen zogen.
Abs ich dies hörte, wuͤnſchte ich gar ſche daß der
Großkanzler ſich naͤher erklaͤre, welches er auch that.
Im vergangenen Monat Junins, ſagte ex, benach
tichtigte der fächfifche Gefandte den hiefigen Hof: man:
fen volldommen überzeugt daß der König von Preu⸗
fen den Plan babe, in das Kucfürſtenthum ein
sücden, weshalb Sachſen die 12000 Mann zur Hält
‚verlange, welche Rußland im Fall eines Angriffs we
tragsmaͤßig zu fielen verpflichtet fen. Nach Empfang
diefer Nachrichten - und Forderungen, ward’ eine Rathk
verſammlung gehalten und befchloffen: nicht allein fe
gleich 12000 Mann abzuſchicken, fondern 40000 .
anzubieten, fofeen man nur für alte Lebensmittel un
Quartier finden koͤnne. Diefe Beſchluͤſſe waren be
reits von der Kaiferinn unterzeichnet, und Graf Eko
hazi (dem man fie mitthellte) warb zur Berathun
gezogen. Uber er wiberfegte fid) dem -Abfenden eine
Heeres nah Sachen, und der Vicekanzler (Woron
zow) unterftügte diefen Widerſpruch fo wirkfam, dab
der Plan zur Seite gelegt ward.
Aus diefer merkwürdigen Erzählung geht zur Be
ftätigung meiner oben —— ——
hervor:
=
1758. Öfterreid, Sadfen und Ruflant. 407
Erſtens, Rußland war fo feindlicd gegen Preusen
gefinnt, daß «8 auf bie bloße Möglichkeit eines kuͤnf⸗
tigen Angriffs von Seiten des Könige, ſchon ein gro⸗
ßes Heer nad) Sachſen fenden wollte.
Zweltens, Deſterreichs Kriegeluſt ward nothwen⸗
dig durch dieſe Gewißheit erhoͤht: und wenn es ſich
dem Anmarſche der Ruſſen widerſetzte, oder vielmehr
der uͤbereilten Erklaͤrung, daß ſie auszichen wollten,
fo geſchah dies hoͤchſt wahrſcheinlich, weit ihre eigenen
Kriegsvorbereitungen noch nicht weit genug vorgeruͤckt
waren, und Friedrich auf der Stelle den Krieg mit Erfolg
begonnen haͤtte. Vor Allem aber wollten fie, kluger⸗
weiſe, den Schein des Angriffs von ſich abwenden.
Williams fährt fort in ſeinem Berichte: Aprarins
Abreife ift nochmals aufgefchoben, umd ber. Großkanzler
geftand mir frei heraus, daß er dieſe Zögerung her:
beigeführt habe und fortfahren wolle, ‚feinen Freunden
zu dienen. Iſt doch Aprarin ſelbſt vermocht worben,
feiner Abreife alle nur maͤglichen Hinderniffe in ben
Weg zu legen. Sie ift noch nicht feſtgeſetzt, auch
fpricht man in dieſem Augenblide nur wenig davon.
Wenn Friedrich II (im. Zah er mit Sachſen
Frieden ſchtoͤſſe) der Königin von Polen einige befon-
dere Hoͤflichkeiten erzeigte und fich einigermaßen dar⸗
uͤber entſchuldigte, was die Noth ihn zu thun zwang,
ſo wuͤrde dies hier eine gute Wirkung haben.
Der König von Preußen kann ſich darauf verlafs
408 Dreißigfter Abſchnitt. 1756.
fen '), daß der Großkanzler einen Pfennig erhalten
foll, bevor er. weientliche Dienfte geleifter hat. Der
Großfuͤrſt und ‚die. Großfuͤrſtinn find fuͤr Preußen ge⸗
ſtimmt und lagen. über. die Raͤnke der allmaͤchtigen
Schuwalofs für. Srantreih. Den Iten November
ſchrieb mir die. Großfuͤrſtinn?): Ich erhielt heute eine
Botfihaft der Schuwalofs, ed ſey ihnen fehr leid
zu. hören, daß das. neue Buͤndniß zwiſchen Rußland
und Frankreich den Großfüriten und mir mißfalk.
Sie nennen e8 ihr Syſtem und ‚meinen, es fey ein
guttes. Sie erbieten fich, mir ganz anzugehören, mid
auf. den beſten Fuß mit der Kaiferinn. zu fegen, um
mir während dem Leben derſelben Alles zu verfchaffen,
was mic.irgend angenehm ſeyn koͤnne. Diefür fol
ich ihnen. meinen Eünftigen Schutz verfprechen, und
ihe politifches Spftem annehmen und vertheidigen. —
Ich antwortete: , in fo weit als ich mid; mit Polict
befaßte, mißbilligte ich durchaus ihr neues Syſtem.
Immerdar waͤre ich fuͤr ein engliſches, und gegen ein
franzoͤſiſches Buͤndniß geweſen; — aobgleich meine
Meinung in dieſen Dingen. kein großes Gewicht habe.
Doch wollte ich aufrichtig gegen ſie ſeyn und ihnen
deshalb verſichern: daß ber Großfuͤrſt nicht allein die}
. Spftem niemals annehmen, fondern. auch, fobald es
1) Bericht vom ilten November. Ebendaſelbſt.
- 2) Bericht vom Iten November. Rußland, Band 66.
1956, # Rußland... Polen. Katharina. 409:
in feiner Macht ftehe, die Urheber deſſelben fireng- be:
ſtrafen werde.
Man tadelt Sie (naͤmlich Williams, faͤhrt Ka⸗
tharina fort) wegen Ihrer Parteilichkeit flir den Kö:
nig von Preußen: ich aber tadele Sie deshalb nicht;
denn. wir denken jetzt, und ich hoffe auch ˖immerdar
in der Zukunft, uͤbereinſtimmend.
Als der Großfuͤrſt im Rathe — den Verein
mit Frankreich und den Beitritt zum verſailler Ber:
trage fprechen wollte‘), fagte bie. Kaiferinn mit einiger
Warme: was man getban hat, geichab auf meinen
Befehl, und ich will nicht, daß man darüber disputire.
— Worauf der Großfürft antwortete: dann bleibe
ihm Nichts übrig ald zu ſchweigen und zu gehorchen:
Ginunddreißigfter Abſchnitt.
Durch feinen. raſchen Angriff hatte Friedrich Sach⸗
ſen gewonnen, das ſaͤchſiſche Heer zu Gefangenen ge⸗
macht und: die Öfterreicher bei Lowoſitz beſiegt. Doc
- Eonnte er ſich in Boͤhmen nicht halten, und die Noth
des Krieges zeigte fih, trog aller Vorſicht, auch in
1) Bericht vom 2öften December. Ebendaſelbſt.
U. 18
410 Einundbreißigfter Abſchnitt. 135.
- dem preußifchen Lager. Deshalb ſchreibt Mitchell (mer
cher dem Könige gefolgt war) den Atem Movember
aus Selig"): daB preußifche Lager ift kein Vergnuͤ⸗
gungsort. Hier wohnen weder Bequemlichkeit, ach
Aufwand; Sie find mit Allem wohl verforgt, wen
Ste Alles mitbringen. Ich muß meine Vorfehrun
gen erhöhen, oder Noth leiden. Zwar efje ich an du
Königs Tafel, aber meine Leute fehen aus wie Ge:
ſpenſter. |
Die Ausſichten fürs nächfte Jahr waren aber ned
weit dunkeler, und England that Leinestorgs Fe vie,
als man erwartete, Deshalb fürchtete felbft Holder:
neß: Feiebeich werde Uber die inneren Bewegungen und
die Parteien in England ängfllih werden. Sagen
Sie ihm (fchreibt Holderneß den Zten November an
Mitchell)“) was Sie bier gefehen und was Cie vu
den Sitten und Einwohnern dieſes Landes fennn.
Laffen Sie ihn aber nicht in Sorge gerathen ob um
ferer wilden uͤbereilten Handlungsweiſe. Wir hadım
(squabble) nicht über Maaßregeln, fondern über N:
fen; und unfer Bund mit ihm wird und muf von
jeder Seite her aufrecht erhalten werden:
Dennoch jagte Friedrich zu Mitchell’): Ouire la
1) Mitchell papers Vol. 28.
2) Ehentafeldft, Band 9.
3) Schreiben yom Iten December. Ebendaſelbſt, Band 2.
1756. Friedrich Man Mitchell. al
erise generale de P’Europe, il s’agit de Pexi-
stenece de ma maison. J’ai raison d’ätre un
peu imeaiet de n’svoir point de repemse de V’An- .
gleterre. Fui sur moi l’Autriche, la France et
peut-&tre la Russie, — et l’Angleterre ne se re- _
mue point, — MWolte die Kalſerina von Rußland
(fügte der König Hinzu) ſterben, oder ruhig bleiben,
fo fürchte ich Michts von meinen Feinden. — Nach
der Ruͤckkehr feines Gefandten von Paris warb er
jedoch unruhlger '), und was auch Mitchell zur Ent:
ſchuldigung der Zögerungen Englands vorbrachte, es
machte Beinen. Eindrud.
Deshalb fchrieb Friedrich H an. Mitchell ?): Je
suis tnes fache, mon cher Monsiear Mitchell, d’ap-
prendre la division qui s’est mise dams votre gou-
vormement d’Angleterre. Mon Dieu, il me semble
gae duns je moment pr6sent, tout homme bien in-
tenttonne pour les intereis de sa nution et pour
ceux de l’Europe, devrait quitter tout intérèt per-
sonnel, pour ne songer qu’a un interet devant le-
“quel tous les autres devraient se taire, celui da
soutien de la cause protestunte et de ja Jiberte u
!’Europe.
1) Schreiben vom Iten December. Ebendafelbft, Band.
2), Eigenhändig, um diefe Zeit, ohne Datum.
Mitchell papers Vol. 40.
18 *
42 Einunddreibigſter Abfhnitt. 1956.
J’avoue que je n'ai appris qu’avec la plus vive
douleur la mesintelligence. de vötre gouvernement.
Se peut il que tant de gens, qui cependant pen-
sent bien pour l’interet de leur pätrie, veuillent
‚denner gain de cause aux ennemis 6ternels de leur
gouvernement par des divisions intestines?_ Com-
ment le Roi d’Angleterre et la nation peuvent ils
prendre de .bonnes mesures vis a vis de leurs en-
nemis? Je troure chez la nation m&me des per-
sonnes qui quoique ennemies des Francais, leurs
rendent les plus grands services en emp6chant
l’etat de prendre A tems des mesures contre les
entreprises de nos ennemis communs.
Pour Dien, que l’amour de Ja pätrie se reveille
chez Vos coneitoyens et que Yon envisage les ob-
jets en grand, et non pas par le microscope du
bien personnel. Pour moi, je ne pense. dans le
moment present qu’a l’Earope, et je n’ai vis & vis
de moi que le Duumvirat dangereux aux libertes.
de V’Angleterre, comme à celles de l’Allemagne,
surtout a la cause protestante. Je vois que l’hiver
approche, et en mèêème tems ce mament de treve,
que lFintemperie de l’air met à la fureur des hom-
mes. ‘Je crois qu’on ne doit pas laisser échapper
ce moment precieux de prendre de tous cotés les
mesures convenables sur terre et sur mer, pour
1736. Friedrich Man Mitchell. 413
rösister aux puissants efforts, que feront les mai-
sons d’Autriche et de Bourben contre nous.
Jai bien de choses à vous’ proposer, que je
suspends Avant de voir que Votre orage interieur
se soit calme. Je suis peut-Etre comme l’abbt St.
Pierre, qui revait pour le bonheur de l’Europe,
mais je ne sais à qui proposer mes reves. Ü’est
un pr&alable que de voir retabli le calme a Lon-
dres et je pense que les honndtes gens y travail-
leront. Qu'on se dispute sur des avantages per-
' sonnels, quand on n’a rien de mieux à faire, A
la bonne heure; mais à present, mon cher Monsieur
“ Mitchell, oü il s’agit si Yon conservera la liberte
de disputer pour des charges, il me semble que
tous les partis’ se doivent 'r&unir contre l’ennemi
' eommun, et laisser les disputes de misere a des
tems * commodes et plus oiseux pour de pa-
reils debats.
| Je vous parle en citoyen d’Europe, qui a
fort a coeur le bien de ses allies et Pindependance
de sa pätrie, qui hait la tyrannie de quel côté
qu’elle vienne, et qui ne veut que le bien de P’Eu-
rope. Je souhaiterais que tous vos compatriotes
fussent aussi senses que Vous, et quils fussent
aussi bon citoyens, et nous viendrions ensemble &
bout de toutes les conspirations que les eaprits am-
v
414 Einunddreißigſter Abfhnitt. 1756.
bitieux pourraient former contre. la tranquilliee de
l’Europe. Adieu, men cher Mitehell!
Zum Troſte ſchrieb Holden an Mischell "I: bie
Umrifſe unferer großen Plane ſtehen feſt. Alle Stände
und Parteien find von dem Mugen, ja von ber Moth:
wendigkeit überzeugt, an ber engften Verbindung mit
dem Könige von Preußen feflzuhalten, welcher jegt
ber Abgott (Idol) des Volkes gemorben iſt.
Mit gleichem Lobe ſpricht Mitchell in feinen Be
tichten vom Könige”). Er ift (heißt es z. B. in
‚ ginem Schreiben vom 25tan Decemher) ungemein. this
tig die Höfe. zu gewinnen und insbefondere die Türken
gegen Rußland in Bewegung zu fen. Sein Ge
fündter in Gonftantinopel hat Anmweifungen auf 60000
Pfund in Händen. General Branidi, Bruͤhls Feind,
widerfetzt ſich dem Marfche der Ruſſen durch Polen.
— Die ruſſiſchen Miniſter wollen nicht zugeftchen,
daß fie Geld nehmen’), und ſuchen deshalb dies ums
ter allerhand Vorwänden zu verbeden. Ich habe dem
Könige von Preußen einen Theil bed Berichtes von
. Williams mitgetheilt. Er ift nie entmuthigt, und
meint wir follten nicht verzweifeln. Den plöglichen
| 1) Schreiben vom 7ten December 1755. Mitchell pa-
pera Vel, 29,
2) Mitebell papers Vel: 8.
9) Schreiben vom 26ften December. Ebenbafelbft.
1756. Preußen und Engtand. | 415
Wechſel ins rufſiſchen Miniſterium ſchreibt er oͤſter .
reichiſchem Gelde zu. So bald dies durchgebracht ſey,
müffe man den alten Angriff wiederholen.
Der König von Preußen (heißt es am einer an⸗
dern Stelle) ') iſt mißvergnuͤgt über das Ungenuͤgende
der englifchen Antworten und Maaßregeln. Wenn ich
bedenke, was für ihn auf dem Spiele ſteht, "und Die
Gefahren denen er ausgeſetzt iſt, fo bemumbere ich
feine Geduld, Gemuͤthsruhe und Großherzigkelt. Er
ſagte mir: wonn des Koͤnigs von England Heer zur
Vertheidigung Deutſchlands gebildet iſt und Magazine
gefuͤllt find, bin ic, in feiner Sorge wegen des Übri⸗
gen. Sie werden ſehen, daB Rußland und Frankreich
feine Sprache ändert, fobald fie wiffen, zwiſchen Eng:
Sand und mir fey ein Uebereinkommen getroffen.
Diebe kam es zur Sprache: wer das englifchs
deutſche Heer in Niederſachſen anfuͤhren foile?)? Frie⸗
drich II ſagte in dieſer Beziehung zu Mitchell: der
Prinz Ferdinand von Braunſchweig iſt ein ſehr
guter und tapferer Officier, doch muß ich ganz frei
zu Ihnen ſprechen. Ich glaube nicht daß er ſolch
eines Oberbsfehle gewachfen ift: ihm fehlt ein ent⸗
ſcheidender Geil’). Wäre der Prinz von Preußen nicht
1) Schreiben vom 29ften December. Ebendaſelbſt.
2) Schreiben vom 13ten December. Ebend.
8) Il n’a pas l’esprit decisif.
416 Einunbbreigigfter Abſchnitt. 197.
mein Bruder, fo würde ich, wagen ihn zu empfehlen
und für ihn einzuftehen. Er hat viel geſehen, ſich
mit unferem Sache große. Mühe gegeben, und ich halte
ihn in aller Weiſe für jene, ja felbft für eine größere
Stelle. geeignet. Ich will daß der König von Eng:
land in ber. Wahl feines Feldherrn völlig frei fep,
meine jedoch, daß Prinz Ludwig von Braunſchweig
der Tauglichfte if, das Heer zu befehligen. Ich wuͤrde
ihn den‘ beiden vorziehen ‚. von welchen wir fprachen.
. Dee Prinz von Preußen (hatte Mitchell ſchon
früher berichtet) ') ift ein vortrefflicher Officier, wach⸗
fam, vorfichtig , thaͤtig. Er befige jede .Eigenfchaft,
welche zur Führung eines Heeres erforderlich iſt.
Alle diefe Reden und Überlegungen führten jedoch
nicht ' fonderlich vorwärts, weshalb Mitchell den -2ten
Sanuar 1757 an Holberneß fchreibt ?): der König
von Preußen fagte mir, er fürchte, von feinen: Wer
bündeten fey kein Beiſtand zu erwarten; er fey ent
fchloffen, felbft fo viel zu thun als möglid. — Sch
. darf Euer Herrlichkeit nicht verhehlen, daß die ſehr
‚langen Zoͤgerungen im Gemüthe des Könige (mie ich
fücchte) folh ein Mißtrauen erzeugt haben, daß es
nur ; vertilgt werden: kann durch die" herzlichften und
kraͤftigſten Befchlüffe, welche unmittelbar zur Ausfuͤh⸗
1) Bericht vom 20ften. November. Ebendaſelbſt.
2), Mitchell papers Vol, 3.
1757. Friedrich über England. ‚Heer in Niederſachſen. 417
rung gebracht werden. Gefchieht dies nicht, fo brauche
ih, Euer Herrlichkeit Feineswegs zu fagen, mas die
Seibfterhaltung dem Könige an die Hand geben muß,
— Er macht die größten Anftrengungen und fpannt
jeben Nerv an’). Sein Heer wird ſich in naͤchſtem
Feldzuge (mit Einfluß der Mannſchaft m Preußen)
auf 168,000 Mann belaufen.
Der König (führe Mitchell den 15ten Januar
fort) ?) verließ Iegten Mittwoch Berlin nach kurzem
Aufenthalte, in fo guter Gefundheit und mit ſolchem
Muthe (spirits), als ich ihn jemals ſah. Obgleich er
fo außerordentlich viel thut, ſcheint er doch nie bes
fhäftigt (busy).
Dooch fehlte e8 dem mannhaften Könige ſchon da⸗
mals nicht an ſchweren Sorgen, fo 5. B. über die
Furchtſamkeit des hannöverfchen Miniſteriums, welches
thn preisgeben. und eine Neutralität für Hannover
auswirken wolle. Dies (fchrieb er) würde eine ſchwarze
und: unwuͤrdige Verſchwoͤrung feyn®), um mich der
Muth meiner Feinde preis zu geben, welche ich größe
tentheitd über mich herbeigezogen habe, weil ich mich
mit England verband, um. die Ruhe Banmovers zu
fichern. | |
1) Ehendafelbft, Bericht vom Sten Januar 1757. -
d) Ebendaſelbſt.
3) Ebendafelbft Band 40. Schreiben vom Iten Februar.
| 18**
48 2 Sinunppreigigfier Abſchaitt. MM.
Bald darauf, den L7/ten Februar, ſchrieb er eie
genhändig an Mitchell '): Le Roi d’Angleierre a
connu le piege qui Ini temdaient les Autrichiens,
et il a généreusement refuse In neutralät6 trom-
peuse quils Aui omt oflem. Je ne «rains à prö-
sent que Yon ne 4arde top d’assemhler cette .ar-
mee d’observation qui & mon avis ne pent ätre
portee trop wite A Lippstadt, Enfin Ia crise des
affaires est terrible, mnis je ne desespere de
xien, et ponawu que les Hannovriens passenf la
zier & tems, mous mn a notne konnenr &
hout de mas ennamis.
In einem anderen Schreiben Friedrichs an Mit:
chell heißt 66”): Comme an m’a commnnigm6 une
piece assez singuliäare, et dont on nn guüre d’6-
xemples, par ra Zrossiereiß em «spreäniens, ei
par los noipes culomnies qui J nat meaiprises, je
ai hesite sependant de vors en feise mart, me
It ze que pour da xamis du fait et ponr vom
preuver jusqwon An ferocité des Ministres de Ia
Ruasie peut aller, et comhien do mennanges et de
enlamnies les cours Antnichiennes et Sawonnes
leur a fait impudemment accroire.
1) ‚Ebenbafetöft.
2) Vom 22ften Februar, aus Dresten (nicht eigent aͤn⸗
Kia). Ebeendafelhbſt.
131. Rußland. og
Uülbereinſtimmend hiemit fchreibt Mitchell (mit Be⸗
zug auf die Berichte von Willtams) '): alle Luͤgen
und Berleumbimgen, welche die Höfe von Wien,
Dresden und Warſchau mit jeder Poft über den Kb:
nig von Preußen nat Petersburg fenden, haben eine
Art von Wuch wider ihn ergeugt. Mas man ander:
waͤrts verlachen wuͤrde, wird daſelbſt ohne ae Prü-
fang geglaubt, Der petersburger Hof iſt ſchwach und
verderbt.
Mit dem Anfange des Jahres 1757 kam Sta⸗
nislaus Ponlatowski als polniſcher Bevollmaͤch⸗
nigter nach Petersburg, obgleich Üfterreich und Frank
reich feiner Abfendung widerſprachen). Aber er war
ſchon ernannt, und feine mächtige Kamille erklaͤrte laut:
fein Charakter ſey unverbächtig, und fie wollten für
feine Treue bürgen. Miemand, fihreibt Willtans,
fteht auf einem beſſern Buße mit Beſtuchef als er;
aus Gründen, welche ich dem Könige erzählen werde,
wenn dh mich ihm perſoͤnlich zu Fihen werfe. —
Diefe nur muͤndlich vorzutragenden Gruͤnde bezogen
fih ohne Zweifel auf das Verhaͤltniß Poniatowskis
zur Groffuͤrſtinn. Sie verabfcheut (ſagt am)
1) Berichte vom 1öten und m Januar wud Bien
Zebruar. Mitchell papers Vol. 8.
2) Berichte vom 2dften December 1756, &ten danuar
und 22ften März 1787. Rußland, Wand 66, 67.
-
420 Einunddreißigſter Abſchnitt. MM.
die Franzoſen, und noch mehr thut dies ber Gro⸗
fürft. Zwiſchen diefem und dem Könige von Preufen
batte Williams einen nüslichen - Briefwechfel einge
leitet. | |
General Apraxin (heißt e8 in einem anderen Be
richte) ift der Großfürftinn ganz zugethan, ober giedt
dies wenigftens vor‘). Er ift kein Soldat und hat
eine geringe Meinung von dem Heere welches er an
führt. Man glaubt deshalb, daß er nicht wuͤnſcht den
Preußen im Felde zu begegnen. Apraxin ift außer
. dem fehe ausfchweifend (extravagant) und fehr dirf:
‚tig, ungeachtet der großen Geſchenke, welche ihm bie
Kaiferinn macht. Aus ‚diefem Grunde glaubt de
König von Preußen, man folle ihm eine Summe
. Geldes ſchicken, damit er den Marſch des Heeres wr:
zögere, wozu ein Oberfeldhere leicht Vorwaͤnde finde.
Man: müßte fi ber Sroßfürftinn hiebei bedienen,
wenn fie die Sache unternehmen wil. ..
Apraxin bat einen Abdjutanten nad) : Peserdbug
gefhidt, um ihm zwoͤlf voliftändige Anzüge aus fi
‚ner Kleiderkammer zu holen”). Hienach ſcheint es, alt
wolle er feinen Sommerfelbzug unter, ben Damen van
1) Beriht vom 8ten Sanuar 1757. Mitchell paper
"Vol, 8. — |
2). Bericht Williams vom 22ften März. Mitchell ps-
pers Vol, 21.
1757. Baden. 421
Riga machen. Denn obgleich er einer der dickſten
und plumpften (clumsy) Menfchen ift, die ich jemals
fah, tft er doch hinficktlich der Kieldung ein fo großer
Geld, wie Graf Brühl.
Zweiunddreißigſter Abſchnitt.
Die Beſetzung Sachſens zog bekanntlich dem Koͤ⸗
nige viele Vorwuͤrfe zu: andererſeits brachte ſie ihm
aber auch große Vortheile; ja ſie war, wie geſagt, zu
ſeiner Erhaltung und zur Kriegfuͤhrung ſchlechterdings
nothwendig. Über das Benehmen der Preußen in
Sachſen und die Behandlung des Landes ſchreibt
Mitchell den 26ften Februar 1757):
Allerdings iſt dafelbft unvermeidliche Noth,- aber
der König hätt die ſtrengſte Mannszucht, die Solda:
ten erhalten pünktlich ihre Löhnung und fie bezahlen
Alles was fie verbrauchen (consume). Die Sad:
fen behaupten: von 20000 Öfterrefchern würden
fie mehr gelitten haben; ja einige gehen noch weiter
und meinen, das Land werde fi) durch das vom
preußifchen Heere ausgegebene Geld bereichern.
- 4) Mitchell papers Vol. 8.
422 Zweiunddreißigſter Abſchnitt. BE.
Es iſt Beine neue Steuer aufgelegt worden: ſie
bezahlen blos dem Könige von Preußen, was fie ſonſt
ders Könige von Polen bezahlten, und jener hat zur
Erleichterung des unglüdlichen Volkes mehe Steuw
füge bei der Acciſe und ben Zöllen verringet. —
Das Werben der Mannſchaft ift allerdings eine Luft,
aber man hat die Stände babei zugezogen und es in
‚ möglihft milder Weife zu Stande gebracht; auch muß
man ed als ein den Krieg nothwendig begleitendes
Übel betrachten. Die größte Klage warb erhoben übe
das Einftellen aller Zahlungen für die bürgerliche Ver
waktung. - Dies warb aber dadurch herbeigefuͤhrt, def
Graf Brühl alles banre Geld aus den Öffentlichen
Kaſſen hinwegnahm, nachdem er alle Rechnungen In
folhe Verwirrung gebracht, daß es ſchwer, ja vir⸗
leicht unmöglich fen wird, fie abzufchließen. De
König von Preußen halt fih nun nicht für verpflich
tet, mit feinem Gelbe bie färhfifhen Schiuben zu br
zahlen, und noch weniger die Raͤubereien und Plin
derungen bed. Grafen Brühl wieder gut zu machen.
Frau von Ögilvie'), bie Oberhofmeifterinn der
Koͤniginn von Polen, bat, unter dem Vorwande
Blutwürfte aus Prag zu bekommen, einen Briefwech⸗
fel geführt, voeichem die Hungrige Neugier ber ſchwar
jen Huſaren ein Ende gemacht hat.
1) Ebendaſelbſt, Bericht vom Aſten Mär.
28, Pitt. Krisgävochersitungen. 423
Selbſt in Verlin zeigte Sch von Neuem eine fu:
söfiiche Partei und man ſprach von England ale bem
wreuloſeſten Verbündeten’), welcher zuerit Den ‚König
son Preußen in dem Krieg hineingezogen habe und ihm
nun beu brei Großmaͤchten Eurapas gegenliber allein
laſſe. — Seit den einſtimmigen Beſchliffen bes
Parlaments aͤnderte ſich dieſe Stimmung, und der Koͤnig
dankt Heren Pitt für feine Rede nam 1Sten Februm.
Du 31ſten März 1757 ſchreibt Pitt an Mit
chell?): Des Königs amendliche Herablaſſung und dank
bare Guͤte gegen mid, fühle, ich wie ih ſoll, und
form deshalb zur fehr ungenuͤgend die Gefinnungen
des Dankes, der Berehrung amd des Eifers für einen
Fuͤrſten ausſprechen, weicher daſteht als daB mer
ſchuͤtterte Bollwerk Europas wider die maͤchtigſte und
boshafteſte Verbindung, bie jemals ber Menſchen Un⸗
abhoͤngigket bedrohte.
Unterbeilen haste Friedrich alle Vorbereitungen gu
dem mewen Feldzage getroffen, sınb Mitchell ſchreibt dar⸗
über am ten April: Die preußifihen Springſedern
ſind fo geſchickt und genau gefteilt, daß fie ‚alle zu
gleicher Zeit fpielen koͤnnen. Ein anderer geofier Ver:
theil beſteht harin?), daß ber König Alles ſelbſt be:
1) Bericht vom Sten März.
2) Mijtcheh papers Vol, S0.
3) Mitchell papers Vol. 28.
424 3weiundbreißigfter- Abfhnitt. 1987.
lebt und befehligt, und eine größere- Wahrſcheinlichkeit
für" pünktliche Befolgung feiner Vorfchriften vorhanden
tft, als vielleicht je einem Feldherrn zu Gebote ftand.
Die Mühe, welche ſich der König in dieſem Winter
während feiner Mußeflunden gegeben hat, die Feld:
züge von Turenne, Eugen und Marlborough zu flus
diren (welche er für Meifter in ber Kriegskunſt hält)
giebt mir die Sicherheit, fein Plan fey nach reifticher
Überlegung entworfen. Niemand Eennt feine Geheim—
niffe; er führt aus, bevor man erfährt, daß er be
fchlofien hat’). Noch Eins muß ich erwähnen, bas
mir großes Vertrauen zum Könige giebt. Ich habe
nämlih mit Bewunderung bie Standhaftigkeit und
Teftigkeit des Geiſtes geſehen, mit welcher er- unan⸗
'genehme Nachrichten empfängt und die größten Unfälle
ertraͤgt. Er ift nie außer Faſſung oder entmuthigt,
‚ fondern denkt fogleih an Gegenmittel. Sein Her
haͤlt fi für unuͤberwindlich, fo lange er es anfühıt.
Den Am Mai, zwel Tage vor ber Schlacht
bei Prag, fchreibt.- Michel?) : ich aß mit dem X
nige, er war ſehr muthig. und heiter. Vor ein ober
> zwei Tagen fagte er mir: die Schlacht bei Pharfalus
zwifchen dem Haufe Öfterreich und Brandenburg mäffe
gefchlagen werden. Er erinnerte mich daran, baf er
1) Bericht vom 17ten Mai: hend. Band 3.
2) Ebendaſelbſt, Band 64.
1737. Schlacht bei Prag - 225
öfter behauptet: Brown fey nicht der Mann, wofuͤr
man ihn halte; jegt fey es offenbar.
Schon den 6ten Mai, am Tage der Schlacht
von Prag, ſchreibt Mitchell‘): das ganze Heer ift in
Zhränen, über den Berluft des Marſchalls Schwe-
rin. Er mar einer der größten Officiere, welche die:
ſes oder vielleicht irgend ein Land hervorgebracht hat,
und zugleich einer der beſten Menfchen.
Ich hatte bie Ehre (fahrt Mitchell den 10ten
Mai’ fort)?) dem Könige Gluͤck zu wuͤnſchen. Er war
voller Muth, zugleich aber gemäßigt in’ der Mitte
feiner großen Erfolge. Ex fagte: fein Bruder Hein:
ih habe fi auf dem rechten Flügel außerordentlich
wohl genommen; ihm danke man den dortigen Sieg.
Eben fo habe Prinz Serdinand von Braunfchweig ſich
auf bem linken Fluͤgel gezeigt und bie Öfterreicher in
die Slanke genommen, während fie mit dem preußi⸗
fchen rechten Slügel im Gefechte gewefen wären’). Auch
der Prinz von MWürtemberg habe fich ausgezeichnet,
und Prinz Stanz von Braunfchweig, welcher ein gros
Ber Officer werben würde. Im Gefpräche gab ber
König dem Prinzen Karl von Lothringen ald General
den Vorzug vor Herrn von Brown. Bei Friedberg
1) Mitchell papers Vol. 3.
2) Mitchell papers Vol. 64.
$) While they were engaged at our right..
\
—
420 3weiunddreißigſter Abſchnitt. 1137.
habe der Prinz übel gethan (did ill), aber bei Sorr
fey feine Anordnung bewundernswuͤrdig geweſen, jedoch
wicht befolgt worden. Prinz Karl billigte die Maaß⸗
regeln nicht, melde Brown bei Prag traf. Jener
fagte: man werde in die Flanke genommen werben,
was auch geihah, -
In einem anderen Berichte vom Liten Mai wie
derholt Mitchell das Lob ber Maͤßigung bes Könige ').
Sch wuͤrde, fagte diefer, den Prinzen Heinrich nod
mehr erheben, wenn es nicht „mein Bruder waͤre
Auch vom Generallientenaut von Ziethen ſprach mar
allgemein mit großem Xobe.
Die Zahl der bei Prag Verwundeten iſt auf bei⸗
den Seiten ſehr groß °. As es bald mach der
Schlacht an Wundaͤrzten und Wagen. fehlte, Lie der
König von Preußen bie Behörden in Prag auffordern,
beides für die öfterreichifchen Verwundeten zu fenden,
mas man indeffen abfihiug *). &o blieben fie einige
Zage auf dem Cichlachtfelde, wurden aber dann auf
diefe Seite. des Fluſſes gebracht umd in derſelben Art
vote die preußiſchen Verwundeten behandelt.
Nah Empfang der Berichte Über die Prager
1) Mitchell papers Vol. 8. |
2), Ehendafelöft. Bericht vom 18ten Mai.
8) Wahrfcheinlich, weit in Prag ſelbſt alle Wunbaͤrzte
mit den Verwundeten übermäßig befchäftigt waren.
1957. Snoland Schlacht bei Kollin. 437
Schlacht, ſchreibt Holderneh '); die Bewunderung,
welche wir bereits für den König besten, ift auf den
hoͤchſten Grad geftiegen. Männer, Weiber und Kin:
der fingen fein Lob, die ausſchweifendſten Freuden⸗
bezeugungen ſieht man in ben "Straßen u. f. m.
Bloße Bewunderung half dem König aber nicht
aus feinen Bedraͤngniſſen. Deshalb fagte ex zu Mit
hell: Ich fehe, ich habe von Eugland Nichts zu
hoffen ). Die Engländer find nicht mehr baffelbe
Vo. Euer Mangel an Einigkeit und Beharrlichkeit
bat eure natürlichen Kräfte zerftreut, und wenn bafs
felbe. Benehmen fortdausrt, wird England feine Bedeu⸗
tung in Europa verlieren.
Sechs Tage nach dieſen Kußerungen, den 18ten
Junius, ging die Schlacht bei Kollin verloren. Den
Morgen nach der Schlacht (fchreibt Mitchell) ?) 309
fi) das preußifche Heer im volllommen guter Ord⸗
nung mit Gepaͤck und Geſchuͤt nad Nimburg. Man
lieb nur einige wenige Kanonen zuruͤck, deren Wagen
im Gefechte Schaden gelitten hatten. Nach der ein-
flinamigen Meinung alter Officiere die. ich) geſprochen,
wäre der Sieg gewiß geweſen, wenn die Reiterei ihre
1) Den 3Often Mai. Mitchell papers Vol. 29.
2) Schreiben vom 12ten Sunius. Mitchell papers
Vol. 3.
8) Bericht vom 2äften Junius. Ebendaſelbſt.
x
428 Zweiunddreißigfter Abſchnitt. 1157.
Schuldigkeit gethan, oder man nur zehn Bataillone
Fußvolk mehr gehabt Hütte.
In einem zweiten Schreiben von bemfelben Tage
heißt es!): die Urſachen der Miederlage waren: der
Wunſch des Königs ſchleunige Hülfe nady Nieder:
fachfen zu fenden, fein flürmifches Temperament (his
impetuosity of temper), und vor Allem die Verach⸗
tung welche er gegen den Feind hegte. Er hätte mehr
Fußvolk mit’ fich nehmen koͤnnen, und es war feine
Notywendigkeit vorhanden, die Öfterreicher in dieſer
Stellung anzugreifen. x
Den 29ften Sunius fährt Mitchell fort”): Vorge⸗
flern kam der König von Preußen in Leitmeritz an
mit 14 Bataillonen; fo daß wir hier ein Heer haben
von 50: Bataillonen und- 75 Schwabronen, alk
in volllommen guter Ordnung und ‚hohen Muthes.
Als der König vor dem Lager entlang ritt, traten die
Soldaten aus ihren Zelten hervor und riefen: geben
Ste uns nur eine Gelegenheit und wir wollen rächen
was gefchehen if. — Ein öfterreichifher Officier
fagte: wir haben den Sturm zurhdgefehlagen, aber
nicht die Schlacht gewonnen.
Der König trägt fein Unglüd groß, obgleich es
das erfte diefer Art. ift, was ihm zuſtoͤßt. Seit fer
1) Ebendaſelbſt, Band 28.
2) Shendafelöft, Band 3.
1757. Schlacht bei Kollin. 429
nee Ankunft bier, war er fo gütig mir die ganze
Schlacht zu befchreiben. Er fagte: die Stellung ber
Sſterreicher war in der That zu feſt, doch glaube ich
nit daß fie feiter war als die,. aus welcher ich fie
bei Prag vertrieb. Ich hatte zu wenig Fußvolk, und
es waren nicht die feindlichen Soldaten , fondern dag
wohl geftellte Geſchuͤtz (an 250 Kanonen) was meine
Leute zum Weichen brachte,
Der König fchreidt den Verluſt der Schlacht —
Eifer ſeiner Soldaten zu, welche den Feind (gegen ſei⸗
nen Befehl) in der Fronte angriffen. Denn nach ſei⸗
ner Anordnung ſollte allein der linke preußiſche Fluͤgel
den rechten der Öfterreicher in der Seite angreifen.
Dies gefhah mit großem Erfolge: man nahm einige
Batterien, rüdte 200 Schritt darüber hinaus vor,
gewann fo die Seite der Feinde und. brachte fie in
große Verwirrung. Des Königs Abſicht war:. im
Fall des Bedürfniffes Mannſchaft .von feinem rechten
Fluͤgel nach dem linken hinzuziehen, und wenn jener
in der ihm angemiefenen Stellung blieb, würde er
den linken oͤſterreichiſchen Fluͤgel in Achtung erhalten
haben, fo daß er nicht wirkfam werden konnte. Allein
die guten Wirkungen dieſer Anordnung wurden gänz-
lich vereitelt, durch den großen Eifer feiner Soldaten
gegen. das Centrum hin (towards the.centre). Als
diefe namlich die. Sortfchritte des linken Flügels fahn,
vourden fie begierig auch Theil an dem, für gewiß.
. 430 Zweiundbreißigfter Abſchnitt. 1387.
gehaltenen Stege zu haben, und griffen zuerſt vn
Dorf an, welches ein wenig zur Linken dis oͤſterrei⸗
chiſchen Centrums lag. Sie nahmen es, wodurch abet
der ganze premfifche rechte Fluͤgel ins Gefecht gezogen,
und dem furchtbaren Feuer der mit Kartaͤſchen gela⸗
denen Batterien ausgeſetzt ward.
Die Haupturſache dieſer Unfälle") iſt der große
Erfolg, welchen der König von Preußen in acht wer:
ſchiedenen Schladhten, und vor allem bei Prag über
die Öfterreicher Hatte. Dies brachte ihn zu der Mei
nımg: er Eönne fie aus den vortheilhafteſten Stets
lungen verbeängen, und im ber That müßte jemand
mehr feyn als ein Menſch, wenn er nach folch eine
Reihe von Stegm, ganz ohne alle uns blei⸗
ben ſollde.
Ich vernehme daß der Koͤnig, an Unfälte nich
gewöhnt, nad der Schlacht ziemlich niedergeſchlagen
was. est bat er feinen Mutb wieder gewonnen,
und treibt ſeine Geſchaͤfte wie gewöhnlich. ch hatte
geftern ein langes Geſpraͤch mie ihm. Er fpricht ſeht
vernünftig und kaltbluͤtig über das ungluͤckliche Ereig:
niß. Er füeht in voller Ausdehnung was für ihn,
fein Haus und ganz Europa daraus hervorgehen kann,
aber er fuͤrchtet diefe ne nit und hat feine Par
1) Anderer Bericht Mitchells von BemleleeN Tage. Chen:
daſelbſt.
195%. Schlacht bei Kollin 431
ti ergriffen. Eine zweite verlorne Schlacht (meint
er) muͤſſe mit ſeinem Untergange enden; deshalb will
er ſich huͤten eine ſolche zu wagen, ſie aber nicht
ſcheuen, ſobald ſich eine guͤnſtige Gelegenheit darbietet.
Vor Allem kuͤmmert ihn die Zahl ſeiner Feinde und
die Angriffe, mit welchen ſie ihn in den verſchiedenen
Theilen ſeiner ausgedehnten Staaten bedrohen.
Der Koͤnig ſagte mir: ich will jetzt mit Ihnen
ſprechen, wie ein Privatmann. Sie wiſſen, ich habe
einen folchen Widerwillen gegen alle Hütfögelder, daß
ich fie flets ablehnte. Ich dachte und denke noch jegt,
dies fey für mich eine zu geringe Stellung, um dats
auf zu fußen. Bei den groben Kortfcheitten meiner
Seinde wünfche ich jedoh zu wiſſen: ob und auf
weiche Huͤlfe ich beim Verluſte meiner Einkuͤnfte rech⸗
nen koͤnne? Roch Habe ich gute Hoffnung, - ohne
ale Geldunterfihgung zu Stande zu kommen, und
ic, gebe Ihnen mein Wort, bag nur umbedingte und
unmiderfiehliche Nothwendigkeit mich dahin bringen
wird, meinen Verbänderen zur Laſt zu fallen, und je
feeumdlicher deren Geſinnungen find, deſto vorfichtiger
werde ich ſeyn um fie nicht zu mißbrauden.
Neun Monate lang (fügt Michel Hinzu) hat
man bei der inneren Uneinigkeit Englands, den Kr
nig mit ſchoͤnen Worten hingehalten. In der Lage
in welcher er ſich jegt befindet, darf man feine Zeit
®
‚432 Dreiunddreißigfter Abſchnitt. 187.
verlieren: will England nicht verfuchen ihn zu ut
ten, muß er ſich retten, — ſo gut er kann.
Dreiunddreißigfter Abſchnitt.
Zehn Tage nach der Schlacht bei Kollin, den
28ſten Junius, ſtarb Sophia Dorothea, die Mutter
König Friedrichs. Über feinen fo wahren al tiefen
Schmerz, verbreitet fih Mitchell in mehreren Be
chen.
Der König (fchreibt er den 2ten Julius) ') bat Nie:
mand feit der Trauerpoſt gefehen, und: ich höre, er
ſey tief betrubt. Gewiß ift fein Schmerz aufrich
tig; denn nie hat irgend ein Menſch mehr Beweiſe
feiner Pflihe und Liebe gegeben, als ‘er bei "jeder
Gelegenheit feiner Mutter darlegte, und Eeine Mutter
bat ſich mehr als fie um alle ihr Kinder verbient
gemacht.
Geſtern (führt Mitchell den Aten Julius fort)?)
ließ mich der König rufen. .ES war das erſte Mal
1) Mitchell papers Vol. 8.
2) Ebendaf. Band 61. Zum erften (2?) Julius.
175%. $amilienverhältniffe Friedrichs IL 433
daß er feit jener Tobesnachricht jemand ſprach. Ich
hatte die Ehre einige Stunden mit ihm in feinem
Cabinet zu bleiben, und muß Euer Herrlichkeit gefte:
ben: ich war aufs Tiefſte bewegt zu fchen, wie er .
ſich im Schmerze gehen ließ und den zärtlichften, kind⸗
lichen Gefühlen Raum gab, indem er fi) der man-
nigfaltigen Verpflichtungen erinnerte, welche er gegen
feine Mutter habe, und mir wiederholte, wie fie Litt,
wie fie ihr Leiden ertrug, wie viel Gutes fie jeder⸗
mann erzeigte, und wie «6 ihn tröfte daß er dazu
beigetragen ben legten Theil Ihres Lebens leicht und
angenehm zu machen.
Es gefiel dem Könige mir einen großen Theil ber
Privatgefchichte feines Hauſes zu erzählen und wie er
erzogen worden. Er gefland hiebei daß er den Verluſt
einer geeigrieten Erziehung fühle, und tabelte feinen
Vater, doch mit großer Biederkeit (candour) und
Höflichkeit. Zugleich räumte er ein: in feiner Jugend
fen er fehr Etourdi geweſen und habe feines Vaters
Zorn verdient; nur fen diefer durch bie Heftigkeit fei-
nes Temperaments zu weit fortgeriffen worden. Er“
fagte mie: auf Zureden feiner Mutter und feiner
Schroefter von Baireuth, habe er eine eigenhändige Er-
klaͤrung ausgeftellt, er wolle niemals eine andere Perſon
heirathen, als die Prinzeffinn Emilia von England.
Dies ſey unrecht geweſen, und habe feinen Water
aufgebracht. Ich kann (fagte der König) dies nur.
nl. 19
438 Dreiundbreißigfier Abſchnitt. 1737.
mit meiner Jugend und meinem Mangel an Erfahrung
entſchuldigen. Unglücticherweife ward jenes Verſprechen
entdedtt. Die verfiorbene Koͤniginn Karoline von Eng
fand, welcher es mitgetheilt ward, zeigte daſſelbe oder
fprach davon zu dem General Diemar; dieſer verrieth
"es an Seckendorſ, und Gedenderf hinterbrachte «4
dem Könige meinem Water. Hieraus, und aus dem
Plane zu entfliehen, entfianden meine Ungluͤcksfaͤlle.
An Bezug auf feine Flucht, fagte mir der König:
ich mar lange unglüdiidy und ward von meinen Ba
ter hart behandelte Zur Reife aber kam mein Ent
fhluß dadurh, daß mich mein Vater eines Tages
ſchlug und bei den Haaren riß): und in diefem auf:
gelöfeten (dishevelled) Zuftande ward ich gezwungen
über die Parade zu gehen. Von diefem Augenbiid
an war ich. enefehloffen, ed um jeden Preis (coute
qui coute) zu wagen.
Waͤhrend meiner Gefangenfchaft in Kuͤſtrin war
ich aufs Härtefte behandelt und nah dem Fenfter ge
bracht, um Katts Hinrichtung mit anzufehen, wor
“über ih in Ohnmacht fiel.
....) hätte entfliehen und ſich retten können (da
„ihm der daͤniſche Geſandte eine Nachricht gab); aber
1) Pulled by the hair.
2) Eine Lüde für den Namen ift in ber Handſchrift
offen.
181. Zamilienderhaältniſſe Friedrichs IL 495
er zögerte, ich glaube, eines Mädchens halber, in die
er verliebt war.
Die gluͤcklichſten Jahre meines Lebens (fuhr ber
König fort) brachte ih in... . ") zu, einem Haufe, .
welches ich meinem Bruder Heinrich gab. Dahin zog
ih mich nad; meiner Wiederbefreiung zuruͤck und blieb
bort bis zum Tode des Königs. Mein Hauptzeit⸗
vertreib war zu ſtudiren und durch Lefen die Lücken
meiner Erziehung auszufüllen. Sch machte Auszüge,
und hatte Umgang mit Männern von Geiſt und Ge:
(mad. -
Der König ſprach viel von den Verpflichtungen,
die er gegen feine Mutter Yabe und der Liebe, welche
er gegen feine Schweſter von Baireuth hege, mit wel⸗
her er erzogen worden. Ble Eintracht weiche in ſei⸗
ner Familie berrfche, ſeh großentheils aus ber Erzie⸗
hung hervorgegangen, welche (obgleich unvolllommen
und mangelhaft in manchem Punkte) doc, in diefer
Beziehung gut gewefen. Alle Geſchwiſter wären nicht
wie Prinzen, fendern wie Kinder von Privatperfonen
erzogen worden. -
1) Ohne Zweifel Rheinsberg. -
19*
436 Vierunddreißigfter Abfchnitt. 17.
Bierunddreißigfter Abſchnitt.
Über König Friedrichs Stimmungen, Wünfce,
Hoffnungen und Beforgniffe, in ber zweisen Hälfte
des verhängnißvollen Jahres 1757 geben Mitchells
. Berichte lehrreiche Auskunft. Ich theile deshalb zu
nächft einige Auszüge in chronologifcher Folge mit.
Der König fagte‘): id bin der Meinung, daß
man, um einen ermwünfchten Frieden herbeizuführen,
auf allen Seiten die größten Anſtrengungen machen
muß. Sch bin entfchloffen dies zu thun, und hofft,
der König von England wird eben fo verfahren. —
Die Franzoſen gehen darauf aus, die Dinge fo zu
handhaben, daß ihnen die Eatſcheidung der europät
fhen Angelegenheiten verbleibt. Deshalb werden fit
ben Krieg zum Schein und zurn Parade, ohne Nach⸗
druck führen, bis die anderen Mächte ſich erſchoͤpft
haben; dann aber die Sache auf fi nehmen und
Alten Gefege vorfchreiben.. Es iſt gewiß das Intereſſe
Englands, durch zeitgemäße Unterhandlungen bies zu
verhindern. Sch fehmeichle mir, dag England in die
fer Eritifchen und entfcheidenden Zeit alle Kräfte auf:
bieten wird, um. fich und die Freiheiten Europas zu
1) Bericht vom 9ten Julius. Mlitchell papers Vol. 3.
1937, Friedrichs üble Lage. - 437
vetten. Allerdings wird es zuletzt an die Reihe kom:
men, aber fein Untergang iſt nicht weniger gewiß, als
der Untergang der Mächte auf dem feften Lande. Nah
den großen und ebein Anftrengungen, welche England
zur Zeit des Herzogs. von Marlborough machte, um
das europdifche Gleichgewicht zu erhalten und Frank⸗
reichs Ehrgeiz zu beugen, kann ich mich nicht über:
zeugen, es werde feige (tamely) ſtill figen und das
aufgeben, wofür es fo lange und e glorreich
kaͤmpfte.
Der. König hatte jedoch Grund aber Englands
Läffigkeie zu klagen. Er fagte wenige Tage fpäter'):
Es ift mein Ungluͤck, daß ich mid, mit England zur
Zeit feines Verfalls (decadence) verbündete, und be
handelt ward, wie nie ein anderer feiner Bundesge⸗
noffen. Vergleiche ich jedoch die Anftrengungen Groß:
britanniens im fpanifchen und öfterveichifhen Erbfol⸗
gekriege, fo muß ich fehließen, daß fein befremdendes,
ja (wie ich glaube) nicht zu zechtfertigenbes Beneh⸗
men, niche fomohl hervorgeht aus Mangel an Macht,
als aus einem Hinneigen en) zu dem alten
Spfteme.
Selbſt Mitchell war mit dem Benehmen der eng⸗
liſchen Regierung ſo unzufrieden, daß er um ſeine
Abberufung einkam. Ich habe, ſchreibt er den 28ſten
1) Bericht vom 11ten Julius. Ebendaſelbſt.
1885 Bierunddreißigſter Abſchnitt. IM.
Julius’), den König geoß gefehen im Gluͤcke, aber
noch größer im Unglucke. Sch kenne des Königs Ge
muͤth. Seine Angelegenheiten find in einer hoͤchſt
gefährlichen Lage?). Er verachtet das Leben, web
mag. deshalb werleitet werden, etwas Verzweifeltes zu
unternehmen.
Nachdem Mitchell (en Alten Auguft)’) Fried⸗
richs Verhaͤltniſſe zu Öfterreich,, Frankreich, Rußland
- und dem Reichsheere entwickelt hat, führt er for:
Dies ift ein wahres Gemälde ber höchft gefaͤhrlichen
und faft verzweifelten Lage des Könige, welche wahr
fheinfidy mit dem Untergange des Hauſes Branden
burg endigen wird, womit aber auch die Freiheit ber
Menſchheit zu Boden. fallt... Freilich die Wahl bieibt
'noh, ob man ein Sklave Öfterreich® oder Frankreich
ſeyn will; weich ein jämmerlicher Wechfelfal! -
In der That dringten ſich die Umfülle- in dieſen
Monaten. Am 2bſten Julius ſiegten die Franzeſen
bei Haſtenbeck uͤber Cumberland, den 28ſten ergab
ſich Hameln, den Z0oſten Auguſt ſchlug Aprarin bei
Großjaͤgerndorf den Marſchall Lehwald, den 7ten Sep
tember Nadasdi bei Goͤrlitz den General Winterfeld,
den 13ten fielen die Schweden in Pommern ein, und
1) Ebendaſeibſt.
2) Bericht vom 7ten: Auguſt. ————
3) Ebendaſelbſt.
|
175%. Zriedrich und Mitchell uber die Lage ber Dinge- 439
den Sten September warb unter Lynars Bermittlung
dee ſchmachvolle Vertrag von Kloſter⸗Seven gefrhloffen,
wodurch ganz Deutſchland ben Sranzofen bis zur Elbe
preiß gegeben ward.
In dieſer Zeit fchrieb König Friedrich an Mits
heil‘): Fai appris, mon cher Monsieur, tous.les
details de la malheureuse affaire de Hameln. Cela
justiſie assez les propositions que je Vous ai fai-
. tes à Lentmeritz. Les Anglais ne veulent souie-
nir ni leurs aflaires de mer, ni la guerre de terre
ferme.. Je me trowre comme le dernier champion
de la Ligue, pret à combatire s’il le fallnit meme
sur les ruines de ma patrie. Il nous faudra en-
eore quelgue peu de patience pour voir le resultirt
de ce que deit arriver iei. Ce n'est pas moi cer-
tainement qui arröte les aflaires, mais il y a des
dificultes a vaincre dent om ne peut venir A bont
qu’avec un ‚pen de palience. Je suis dans le cus
de dire: la fortune est poar. Cesar (Cesart), mais
Caton (Catten) sait Pompée. Pour & present il
me faut la fortune de Cesar, ei mulgre cela tous
leg. obstacles ne seront-ils pas loves. J’espere
Vous &crire dans pen en termes moins vagnes et
des nouvelles plus precises et plus decisives.
1) — ohne Datum, aus Dresden. Mitchell
papers Vol. 40,
448 Bierunddreißigſter Abfchnitt. 1797.
Den 28ften Auguft fchrieb Mitchell an Holder
neß: England iſt betrogen und feine Miniſter find
zum Beften gehabt (daped) von den Haunoveranern.
Welch eine klaͤgliche Figur werden jene in England
machen. Der vffenbarfte Treubruch iſt -Feichtfertiger
Weife begangen, um eine ſchwache, unverftändige und
wirkungsloſe Maaßregel aufrecht zu halten. Sie wik
fen was gefchehen if. Warum ward ber König von
Preußen nicht befragt? Ich kann mit. meinem Ke
pfe dafür ſtehen: er würde jebem vernünftigen Bor:
ſchlage zur Sicherung Hannovers beigetreten fern.
Was wird die Nachwelt zu einer Verwaltung fage,
welche den Vertrag von Weſtminſter zur Sicherung
Hannovers ſchloß, und offen duldete, daß die hannk
verfhen Minifter fagen: fie hätten keinen Vertrag
mit dem Könige von Preußen. Ja man duldet, daß
biefe den Sürften betrügen, welcher Alles gewagt hat,
fie zu retten, und deſſen Unfälle entfpringen aus fer
ner Großmuth und feinem treuen Worthalten.
. Mit dem Unterhandein bat es ein Ende! Nah
bem was gefchehen ıft, wird uns fein Menfch mehr
trauen. Ic weiß nicht wie ich dem Könige von Preu:
Sen ins Geficht fehen fol; und. Ehre, Mylord, wird
nicht für Geld erkauft.
Nichts als ein Wunder, ober eine vollfommene
Unterwerfung unter Frankreich, kann den König ret⸗
1787, : Beiedrihs Lage. 441
tn’). Der Verluſt einer Schlacht wird den Verluft
feiner Lande bios um wenige Wochen befchleunigen;
der Gewinn berfelben Tann ihn nicht retten. Sch
verliere mich ſelbſt, wenn ich an feine Lage bene;
ih fehe eine Rettung für ihn, als in den Armen
Frankreichss. Der König zeigt eine Heiterkeit umd
Leichtigkeit, welche weder ‚natürlich, noch feiner Lage
angemefien iſt. Doc kann ich eine merklich Veraͤn⸗
derung feinee Stimmung darin erfennen, baß er ef-
nige harte Dinge gethan hat?). Er fagte: J’ai com-
meneé In campagıre en General, je vais la finir
en partisan. |
Niemals ift der König emtmuthigt, ober aufee
Faſſungꝰ). Wo er fich öffentlich zeigt, flieht man
ihn heiter und aufgeräumt, was unter ſolchen Um:
fländen ſehr ſchwer if. -
Die Franzoſen fchreiben überall Kriegsſteuern aus,
und bezwecken Feinde und Freunde gleichmaͤßig zu
Grunde zu richten. So haben ſie die Unterthanen
1) Schreiben vom BIſten Auguſt. Ebendaſelbſt.
2) Schreiben vom SOften Auguſt. Mitchell papers
Vol.64. Zu biefen harten Dingen laͤßt fich auch die Pluͤn⸗
derung des Bruͤhlſchen Palaftes in Graswitz zählen, welche
Mitchell mißbilligt. Schreiben vom erflen November.
Vol. 8,
19**
8) Schreiben vom 17ten September. . Mitchell. papers
— — — —
442 Bierunddreißigſter Abſchnitt. 1282.
des Kurfuͤrſten von Mulnz nicht: befiee behandelt als
andere. Ja man erzählt‘), als Bürger diefer Stadt
die Ruͤckzahlung dargeliehener Gelder forderten, fo ga
ben die Frunzoſen unveeſchaͤmt zus Antwort: com-
ment, ces beugres In fomt ils aussi des
comptes ?
Der König: fagte: bie Neutralitaͤt Hannovers if
ſchaͤndlich und ward dur Dänemark unterhambelt?).
Die bannöverfchen Ganaillen haben ihr Vaterland
nicht gerettet und ihren Beſchuͤtzer betragen. Die
Schweden nahmen in Pommern die Ämter, weiche
bem Könige von England gehören (belonging to your
master). Ich machte dem‘ Könige von Preußen be
merklich: dag kein englifcher Miniſter in jener Sache
befragt worben ſey); und er antwortete: ich glaube
6, aber der Schaden für mich und die gemeinfame
Sache bleibt derſelbe, und Sie. find ein Beuge ber
Aufrichtigkeit gewefen, mit welcher ich handelte,
Holderneß ſtimmte biefen Klagen über das Janıık
verfhe Minifterium und über die Dummheit und
ZTreulofigkeit feiner Geſchaͤfsfuͤhrung beit). Die erſte
1) Zweites Schreiben vom 17ten September. ben
ER.
2), Schreiben vom 39tm September. Ebendaſ., Band b⸗
3) Schreiben vom 1Sten Oktober. Ebendaſelbſt, Wand 28.
%) Mitohell papers Vol. 89. Schreiben vom 16ten
September.
157. Friedrichs Loge Roßbah 443
Hilfe kam jedoch nicht aus England, fondern durch
ben König ſelbſt. Sein Sieg bei Roßbach ( ten No:
vember) übertraf alle Erwartungen, und rief felbft in
vielen feiner Gegner ein Gefühl der Deutfchheit und
des beusfchen Vaterlandes hervor, welches aller eins
heimiſchen Stantstunft zu ſtetem Leitfterne dienen follte.
Die innere Zerwuͤrfniß det Deutſchen ift unter allen
Schattenfeiten des fiebenjährigen Krieges die dunkeiſte
und wibermartigfie.
Friedrich (ſagt Mitcheh) ’) ‚habe ſchon um dei
willen die Franzoſen nicht weiter verfolgen koͤnnen,
. weil dieſe alle Wagen und Pferde mitgenommen und
das Land zu Grunde gerichtet hatten. F
Entſcheidender jedoch als diefer Umſtand war es:
daß Friedrich auf anderen Seiten von groͤberen Ge
fahren bebrdngt ward, und der eine Sieg bei Roß⸗
bach nur über einen der vielem Feinde erfochten war.
Dm 16@n Dftober brandſchatzte Haddick Berlin, den
42m November eroberte Nadasdi Schweidnitz, und
den 22ften fiegten Prinz Karl non Lothringen und
Daun bei Breslau über Bevern. wi
Deshalb pries Mitchell von Neuem Friedrichs
Thaͤtigkeit, beklagte bitserlidy feime Lage und fchalt anf _
1) Bericht vom 16ten Rovember. Mitchell papers
Vol. 4.
2) Schreiben vom 28ften November. Ebendaſelbſt.
Eu n2 Bierunddreißigſter Abſchnitt. 1957.
England, deflen Kraft durch bie Umtriebe der Par
teien völlig vernichtet fey. -
Über die legten ſchreibt Holderneß am dten De:
cember 1757’): Die beiden Hauptparteien biefed Lan:
des beflehen aus ber Hofpartei unter dem Herzöge von
Merocaftle, und der Oppofition unter Herrn Pitt und
feinen Sreunden. Unterabtheilungen ber Hofpartei bil:
ben die alten Whigs, Überbleibſel der Freunde Mobert
Walpoles und perfönliche Anhänger des Derzoge. Die
‚ DOppofition befteht aus den zu Leiceflechoufe gehörigen
Perſonen, ben Üiberreften der alten Oppofition und den
Tories. Diefe zweite Partei hatte beim Wolke ein
fotches Übergewicht gewonnen und der Verwaltung ale
Schuld der fchlechten Kriegführung dergeſtalt zur Lafl
gelegt, daß der Herzog von Newcaſtle dem Strome
nicht mehr widerſtehen konnte, fondern mit dem Lord
Kanzler abbanten wollte. Ich war geneigt, biefem
Beifpiele zu folgen; die mir entgegengeftellten Gründe
waren aber fo gewichtig, daß ich fie berüuͤckſichtigen
mußte. Ih fey der einzige, dem einige Geſchaͤfts⸗
tenntniß beimohne, ich follte als eine Art von Geiſel
dienen, um Manfregein burchzufegen, die dem Koͤ⸗
nige am. Herzen lagen, ber Partei einen Zugang zum
Parlament offen erhalten und die neuen Glieder in
Baum halten, fo fern fie (im Vertrauen auf ih
1) Mitchell papers Vol. 29,
I Parteien in England. ° 445
Beliebtheit) die Krone über Gebuͤhr zu ermjebrigen '
dachten. Es ward deshalb von meinen Sreunden bes
fthloffen: ich moͤge im Amte bleiben, jedoch ohne mit
den neum Machthabern in Verbindung zu treten,
oder das enge Verhältniß zum Herzoge von Newcaſtle
und ſeiner Partei aufzuloͤſen.
So blieb ich und vertrug mich mit Pitt, eines
Sinnes wenigſtens uͤber das Buͤndniß mit Preußen.
Doch blieb eine bunte Verwaltung, ohne entſchiedene
Mehrzahl im Parlament, und ohne Vertrauen bei
_ Dofe. Deshalb begannen nochmals Unterhandlungen
über die Bildung einer neuen Verwaltung. Der Herz
308 von Newcaſtle wollte: fidy aber nicht mit Kor ver⸗
einigen, und konnte ſich Uber die Bedingungen: nicht
mit Pitt verftändigen; weshalb zulegt. beſchloſſen wurde,
For ſolle fih an die Spige der Verwaltung fellen.
Aus mehren Gruͤnden trat ich aber nunmehr zurud,
und Manche vermutheten, bie ganze Kraft des Vol⸗
kes werde fich jetzo wider fie vereinigen. Diefe Ben
muthung mar gegründet; dennoch hielten fie des. fol
genden Tages eine Berathung, und. einige warme
Köpfe unter ihnen beſchloſſen einen Verſuch zu wagen
und Sonnabends das Minifterium zu übernehmen.
Ein. Zufall gab indeſſen . Gelegenheit, dem Könige
Vorftellungen zu machen und ihm zu zeigen, wie fehr
er fey mißleitet tworden. Unverzüglich. ward hierauf
eine Botſchaft an den Herzog von Newcaſtle -gefandt,
446 Vierandbreifigfter Ab ſchnitt. 1287.
und Die gegenwärtige Verwaltung auf das Intereſſe
der beiden Dauptführer gegruͤndet. Keiner kann
segieren ohne ben Beiſtand des Anden; fo lange
aber zwiſchen beiden Einigkeit berricht, werben bie
Reichöangelegenheiten mit Kraft und Übereinſtimmmung
geführt werben.
Diefe Verſoͤhnung Newraſtles und Pitts Hatte fo
tueffliche Folgen, daß Lord Barrington bald Darauf au
Mitchell ſchreibt): Niemals fah ich unler Vaterland
fo einig über feine Politik und ſo wohl zufrieben imit
den Miniſtern. Weide, Parlament und Volt, find
bereit ihren legten Heller für den Krieg in Deutide
land Ginzugeben: fie vertrauen dort bem Könige von
Preußen und hier der Regierung, Alles werbe gut
perwandt werben.
Sc mu eemuthigt, weiſet Holderneß den Ge
fandten Mitchell über feine Miebergeichlagenbeit zu
ehe’. Wie, wenn feine Briefe den Parlament:
vorgelegt werben mehfeen, wo er (mit fich ſelbſt im
Widerſpruch) fage: Niches könne den König von Preu⸗
Gen retten, und dann wiederum verlange, daß Eng
fand- für biefen boppelte — — ans Selle?
1) Sähreiden vom 11ten December 1757. Mitchell
' papers Vol. 81,
2) Schreiben vom Ziften December. Mitchell papers
Vel. 29.
1387, Berhäitniffe in Eagtand. Hr
Die Regierung eines Dolls (fährt Holderneß fort) -
kann nicht nad Aufwallungen foldyer Art geführt wer⸗
ven. Jetzt haben wir. eine Verwaltung und einem
Plan. MDisfer Plan wird befolgt und aufrecht erhal
ten werden, nicht aber verändert nach Maaßgabe klei⸗
ner Zufaͤle zum Vortheil oder Nachtheil des ange:
nommesen Syſtems. Der Vorſchlag, jegt englifche
Manuſchaft nah dem Feſtlande zu ſchicken, mürbe
unpopulair ſeyn und die Verwaltung auflöfen. Eng
land -Anfivngungen, welche Sie Nichts nem,
find in Wahrheit unermeßlich. Wir übernehmen bie
Unterhaltung des koͤniglich⸗ kurfuͤrſtlichen Heeres von-
49— 50000 Dann, wir. wollen dem Könige. von
Preußen ein Huͤlfsgeld bis vier Millionen Kconen
auszahlen, wir betreiben einen Bund mit Dänemark,
und wenn Geld die Ruffen in Ruhe erhalten und
De Turken in Bewegung ſetzen En fo fol es nicht
geipaxt werden.
Gewiß brachten dieſe wichtigen ——— in |
England auch Friedrich II Vortheil; doch ſteigerten
ſich mit den britiſchen Anſtrengungen auch ebenfalls
die brichfchen Forderungen, weshalb der Koͤnig eined Tages
zu Mitchell ſagte: ich will mir, da ich Koͤnigen Bieles
abſchlug, von Herrn Pitt Nithtꝛ vorſchteiben laſſen).
1) Schreiben vom Gten Januar 1758. Mitchell pa-
pers Vol. 64.
48 Vierundbreigigfter Abfchnitt. 1387.
— Eben fo wenig Eonnte Friedrich es dahin bringen,
daß, feinem natürlihen Wunfche gemäß, eine engliſche
Flotte in die Oftfee fegeln und. durch ernſtliche Maaß⸗
regeln die von Rußland her drohende Gefahr ab:
wenbe '). Ä ZZ
Entfcheidenber als dies Alles war Friedrichs gro:
Ser Sieg bei Leuthen (dem 5ten December); denn
wenn er auch zunaͤchſt nur den Befig Schlefiens wie
ber verfchaffte, hob er doch den Kriegeruhm bes Kl
nigs auf bie hoͤchſte Spige, und begruͤndete die Über
zeugung, heibenmüthige Ausdauer trage beffere Früchte,
als feiges Nachgeben.
Den .25ften December fchreibt Mitchell?) : da ber
König in dieſem Kriege an Feine Eroberungen denkt,
Eönnten andere Gründe ihn wohl bewegen, mitten im
Gluͤck an feine Sicherheit zu denken... Er muß füh:
len, baß er durch den letzten Sieg den Gipfel bei
Kriegeruhme erreicht hat und neue Stege denfelben
nicht erhöhen, eine Niederlage den König aber vernich⸗
: ten Bann. Deshalb muß England eingreifen und thaͤ
tig feyn. Bedenken Sie, Mylorb, den unglüuͤcklichen
Zuſtand Europas. Die beiten Hauptmaͤchte Deutſch⸗
dands haben ſich wechfelfeitig faſt zu Grunde gerichtet,
während Frankreich mit heimlicher Freude zuficht, dem
1) Mitchell papers Vol. 12.
2) Mitchell papers Vol. 4,
1758, Schlacht bei Leuthen. - 849
Einen fcheinbar beiſteht, und den Anbern vielleicht
aufrelzt, um das Werderben beider zu befchleunigen.
Wenn ich dieß betrachte, wird mein Gemüth mit den
traurigſten Beſorgniſſen angefüllt, und ich bin über
zeugt: die Verwuͤſtung Deutſchlands ift nur ein
Punkt des franzöfifchen Syftems. Wäre ed nur mög:
lich, Preußen und Öfterreich auszuföhnen und wider
Frankreich zu richten! So unfinnig und unmöglich
dieſer Plan auch feheinen mag, billigte ibn doch
Friedrich II in einem. Sefprädhe vor der
Prager Schlacht, und noch jegt glaube ich, würde
man bei ihm. mehr. SR finden, al& bei
Maria Therefia.
Den i1ten Januar 1758 fihet Mitchell fort:
Ich hatte in Breslau eine Audienz beim Koͤnige.
Ich fand ihm vergnuͤgt und glüdtich, aber nicht ſtolz
(elated), über den großen und faft unglaublichen Er:
folg feiner Waffen. Er fpriht von dem Siege bei
Leuthen und deſſen Folgen mit der Befcheidenheit,
welche einem Helden gebührt, deſſen größer Sinn
nihe durch das Lächeln oder die finftern Blicke des
Gluͤcks überwältigt wird.
Die Schlachtorönung bei Leuthen ruͤhrte allein
vom Könige ber, umd feine Befehle wurden pünktlich
befolgt. Einige Dfficiere von der größten Erfahrung
fagen mir: es war unmöglich etwas Beſſeres anzu:
geben, Die Soldaten gingen dem Zeinde mit einer
450 Fünfundbreißigfter Abſchnitt. 1352:
Haltung entgegen, ale wäre es eime bloße Her
ſchau.
Der König tft ſehr zufrieden mit dem Benehmen
feiner Generate Lehwald und Holfkein in der Krieg⸗
. führung wider die Schweden. In Stockholm be
ginnt das Volk zu murren, dee Parteigeift zafer, de
Faktionen reißen füh in Stüden, und da ber Kg
ohne Beiftimmung der Stände unternommen. wad
und leicht unglüdtic ausfallen Tönnte, fo wuͤrden |
alle Vorwuͤrfe diejenigen treffen, welche biefe Masf
regel anempfahlen.
Fuͤnfunddreißigſter Abſchnitt.
Am Schluſſe des Jahres 1757 hatte Friedtich
duch Thaͤtigkeit und Heldenmuth feine, faſt verzwei⸗
fetten Angelegenheiten dergeſtalt wieder hergeſtellt, dei
er allen Feinden im naͤchſten Feldzuge ſiegreich wider
ſtehen konnte, — ſobald es gelang, fernerhin die
Ruſſen zuruͤckzuhalten. Dieſe lang gehegte Heffnung
verſchwand aber gänzlich. Weder ber abgerufene un
"oft geräufchte englifche Geſandte, noch fein Nachfoiger
Keith, waren im Stande ihe Biel zu erreichen : dem
von unbefangener Überlegung war nie bie Rede, und
1787. Rubiand, Katharina. 451
werin ſchlechte Diittel (etwa Beſtechung) die Dinge
ins Gleichgewicht gebracht hatten, entſchied Tue .
blinde: Leidenfchaft wider Preußen.
Beim Abſchiede von Metershurg erhielt Williams
ben 19m Auguſt 1757 zwei eigenbändige Briefe vom
Peter und Katharina. Der erfte Inutet’): je ne deute
peint de voise. atiachement a mes interäts. Ils
sont Hés A.cenx du Rei d’Angleterre de plus d’um
ceie. J’espere que lennemi commun des _—
royanmes s'en ressenlira um jour.
Katharina ſchreibt: J’ai pris la resolution de
vous €crire, me pouvant vous veir pour vous faire
mes. adieux. Les regreis les plus sinceres ac-
compagnent celui que je regarde comme un de
mes meilleurs amis, et dont la .conduite w’est at- .
tirde toute mon éstime et mon amitie. Je n'ou-
blierai jamais les ohligations que je vons ai. Pour
vous recgmpenser d’une maniere conforme à ia
noblesse de vos semiimens, vaici ce que je ferai.
Je saisirai (saisires) toutes. les octasions imagi-
nables ‚pour ramener ia Russie à ee que je re-
connais pour son vrai interet; qui est d’etre id
inlim&ment a l’Angleterre, de dommer à celle-ei
partout le. secours humain, et l’ascendant qu’nlis
doit avoir pour le bien de toute l’Europe et plus
— — —
1) Mitchell papeca, Vol. 61
458 Fuͤnfunddreißigſter Abſchnitt. 2572.
en partieulier pour celui .de.ia Russie sur \ear
ennemi commun la France, dost la grandeur est
la honte de la Russie. Je m’etudierai à mettre
en usage ces sentimens, j’en batirai (battiral) ma
gloire, et en prouverai (prouveres) la- solidite au
roy votre maitre ete. — Soyes persunde quune
des choses au monde que je souhaite le plus,
est. de vons ramener ici en triomphe. J’espere
qu’un jour le Roi votre maitre ne me refusera
pas la grace que. je kui demanderai de voms re-
voir. Il ne lui.en reviendra: que du proßt.
Bei diefer unverhohlenen Gefinnung ber Thron
folgee war es ſehr natuͤrlich, daß Aprarin zuruͤckging
als ev vernahm, die Kaiſerinn ſey krank, und daß
man umgekehrt ” abfegte, als ſie wieder geſund
warb'). .
lider die —— Verhaͤltniſſe des petersbutger
Hofes giebt ein umſtaͤndlicher Brief des hollaͤndiſchen
Abgeordneten de Swart Auskunft, aus welchem ich
Folgendes aushebe?). Im Anfange des vergaugenm
Winters warb Iwan IH nad Schluͤſſelburg, und
dann nach Peteröburg in ein. ehrbares Haus gebracht,
welches der Witwe eines Schreiberö bei der geheimen
Polizei (Inquisition .secrete) gehört... Man beach
1) Rußland, Band 67. —
. 2) Som 16ten Oktober 1757, "Mitchell papers Vol. 12.
1798. Rußlands innere Verbältniffe. 453
ihn genau. Die Kaiferinn ließ ibn zu fi nad) dem
Winterpatafte bringen und fah ihn. Sie war als -
Mann ‚verkleidet. Man. zweifelt: ob der Großfürft
‘und die Großfuͤrſtinn den Thron befleigen werden,
oder Swan, oder ob Schumalof (dev alle Gewalt und
ungeheure Schäge an ſich gebracht hat) für fich ſelbſt
wirkt.
Die Aufloͤſung, Unordnung und Willkir in Ruß:
land ift furchtbar. Die Kaiferinn hört und fiehe
niemand als die Schumalofs, fie unterrichtet ſich über
nichts, fährt fort in ihrer alten Lebensweiſe, und hat
buchſtaͤblich das Reich der Plünderung eines: jeden
preisgegeben. Niemals war Rußland in einem vers
wirrteren, gefährlicheren, beiammernewertheren Zuſtande.
Es iſt nicht der geringſte Schatten mehr uͤbrig von
Treue, Ehre, Vertrauen, Scham oder Billigkeit: man
ſieht nichts als unbeſchreibliche Eitelkeit und Ver⸗
ſchwendung, welche zum Untergange führen. Die ak
ten Familien und daB gemeine Volk find aufs Grau:
famfte unterdrädt durch alle diefe, aus dem Nichte
emporgehobenen Leute. Die Kinder der angelehenften
Häufer werden gezwungen, Perfonen der niebeigiten
Herkunft zu heirathen, welche gerade in Gunft ſte⸗
ben. Die Kaiferinn kennt die Umtriebe und Liebes:
gefhichten Katharinas und Poniatowskis. Sie hegt
gegen dieſe und den Großfürften eine unbegränzte Ver:
achtung (souverain mepris) u. f. w.
256 FJuͤnfunddreißigſter Abfchnitt. 1758.
Us nun bie Ruffen fi), ungeachtet diefer elen⸗
den Werhältniffe, wieder in Bewegung. fegten, klagt
Friedrich II von. Neuem, daß England keine Flott
nah ber Oſtſee geſandt, ober in Petersburg Eruſt
gezeigt, und hiedurch die Gefahr abgewandt habe‘).
As ih (ſprach er) einen Vertrag mit dem Könige
von England abſchloß, glaubte ich, daß fein Einfluf
in Petersburg der flärhere fey, fo wie man ihn aud
befier Hätte erhalten und befefligen koͤnnen.
Der Forderung des Königs: man folle engliſche
Mannſchaft nah Deutſchland ſchicken, entgegnete Bir
Hell: man koͤnne nicht mehr Soldaten ausheben, ohne
die Fabriken zu Grumde zu richten. Hierauf bemerkte
ber König lachend: es fey eine fonderbare Betrad⸗
tungsweife, Handel und Manufaltusen ber Unabhaͤn⸗
gigkeit und Sicherheit voranzuftellen. Es fdyeine, als
wären wie nicht feharffichtig genug einzuſehen, welche
Gefahr auch England ausgefegt fey, wenn die Dinge
auf dem Feſtlande fchlecht gingen. Wieviel habe Eng
land in den Jahren 1702. und 1740 gethan; er
‚ allein koͤnne der vereinten Macht Europas nicht we
derſtehen. Die Korberung Ihres Miniſteriums (fuhe
er fort), daß ih Mannſchaft nad Hannover ſenden
fol, während die Ruſſen gegen mich anräden, if
1) Bericht vom Iten Zebruar 1758. Mitchell papers
Vol. 4.
1388. Friedrich u. England Rußland, Beftucpefs Kal. 255
ungerecht und thöricht. Lieber will ich gar keine
Huͤlfsgelder haben. Überhaupt bin ich entichloffen,
diefelben nur in der Außerfien Noth anzunehmen.
Meine Lage iſt jegt beſſer als fie war, und ich wuͤrde
gluͤcklich ſeyn, wenn ich fie ohne jene Hülfe ganz her _
ftellen koͤnnte. Dennoch bleiben meine Verpflichtungen
gegen den König vom England, und ih will ihm
jeden Belftand .leiften, der in meinen Kräften ficht.
Diefer edie und großmuͤthige Entſchluß (fährt Mit⸗
hell fort), welchem in der ganzen Gefchichte der Sub⸗
ſidien nichts aͤhnlich it, wird bis zum Romanhaften
echöbt, mean man bedenkt, welche Ausfälle an den
Staatseinnahmen ftattfinden, und daß alle: Civilaus⸗
gaben eine Zeitlang zu Berlin in Papier ausgezahlt
wurden. In keinem Falle will der König durch eis
nen. Vertrag mit England etwas verfprehen, was er
vielleicht nicht im Stande wäre zu erfüllen; er will
vor Allem den freien und unconteolirten Gebraudy
ſeines Heeres behalten. j
In Bezug auf die Ruffen glaubte Sriedrich noch
immer, es werde mit ders Hauptmittel (prevailing.
argament), mit Gelde, wohl etwas durchzuſetzen, und
befonders Beſtuch ef's Thaͤtigkeit zu ermeuen fepn').
Allein den 2bften Sebruar ward —— nebſt Frau,
1) Keithe Bericht vom 27ften Januar 1758. Rußland,
Band 68.
456 Zünfundbreißigfter Abfhnitt. 178.
Sohn und Schreiber verhaftet, und feine Papiere
wurden verfiegelt *)., Der erfle Grund lag im dm
Kriegeverhältniffen, dee zweite darin, daß Beſtuchef
ein Freund Peters war, welchen die andere Partei
damals vom Throne auszufchließen winfchte.
Mähere Auskunft über dies wichtige Ereigniß giebt
Keithe Bericht vom 14ten Mir?) Es heißt dw
ſelbſt: der naͤchſte Vorwand für Beſtuchefs Verhaftung
war, daß er ſich in eine Intrigue mit Katharina ein:
gelaffen hatte, wofür man Beweiſe in Aprarins Pa
pieren fand. Üftechagy und Hospital (der oͤſterreichi⸗
ſche und franzöfifche Gefanbte) geben dem Hofe und
der Stadt Gelege. Sie. haben gleichertweife den Groß
fürften Peter ganz in ihre Hände befommen und von
feiner Gemahlinn entfremdet, welche großen Einfluf
auf ihn ausübe. Mean glaubt, daß ein gerifle
Broddorf das Werkzeug biefer Veränderung gewefen
iſt, welcher fih beim Großfürften einfchmeichelte, in:
dem er ihn zu allen Arten von Ausfchweifungen er
munterte. Die Großfürftinn bat fich hierüber vor
einiger Zeit bei der Kaiferinn beklagt; man bat aber
unglüdtlicherweife auf dieſe Beſchwerden keine Ruͤch
fit genommen. Katharinens Feinde haben Gorge
‚getzagen, der Kaiferinn durch falfche Einflüfterungen
1) Bericht vom 8ten März. Mitchell papers Vol. 24.
. 2) Rußland, Band 68 und Mitchell papers Vol. 22
155. Rußland, Katharina, Peter. 457
üble Eindrüde von. ihr beizubringen, fo daß fie jegt
nichts weniger ald gut mit dem Hofe ſteht.
Als die Nachricht: in. Petersburg anfangte (ſchreibt
Keith den ZOſten Maͤrz)) dab ich. in Warfchau ein:
‚gettoffen ſey, ging der fennzäfifche Gefandte zu bem
Vicekanzler Woronzow und ſtellte ihm vor, es fen
durchaus nothwendig, daß: er und feine Freunde un:
verzuͤglich den Iegten: Angriff auf Beſtuchef machen
müßten. Wolle Woronzow hiezu nicht die Hand
bieten, fo werde er fogleich zu Beſtuchef gehn, ihm
alles zeither Gethane entdecken und fih mit ihm zum
Sturze Woronzows vereinigen. Eingefchüchtert ging
biefer auf jenen. Plan xin, und der franzöfifche Ge⸗
fandte wußte ber Kaiferinn.:großen: Verdacht wider
Beſtuchef einzuflößen. . Diefer: (fo ſagt man). trägt
fein Ungläd mit Much und fordert feine Feinde her⸗
aus, irgend etwas. Exhebliches. wider ihn zu erweifen,
Mit Katharina. (Bericht. vom 18ten April) ſteht
noch nicht Alles gut?). Doch erzählt man, der
Guͤnſtling Schumalof habe: fie verfichern laffen: Die
Kaiſerinn werbe fie. bald fehen, und wenn ihre Ho:
beit eine Kleine Entfepulbigung: (submission) machen
wollten, wuͤrde Alles: nach ihrem Wunfche ausfallen.-
Die Großfuͤrſtinn (Bericht vom 28ften April) iſt
2) Eenteſant
IL 20
458 Bunfunddreißigſter Abſchnitt. AB.
die Zeit der in der uͤbelſten Lage geweſen. Sie fand
ſchlecht mit der Kaiſerinn, ud noch übeler zeit ihren
Gemahle. Wer Kurzem erlitt fie uͤberdies bie em⸗
pfindiiche Kraͤnkung, daß man ihre liebſte Kammer:
frau von ihr wegnahm amd einſperrte. Wie ich hoͤcc,
gab dies vor vier Tagen Beranlaffung zu einer Zu:
-fammentunft der Kaiſerinn und Geoffinftiiem, wo nah
einigen ſcharfen Ausdruͤcen von jener, und einer war⸗
men Vertheidigung von dieſer Seite, die Großfirſtinn
der Kaiſerinn zu Füßen fiel und fagte: ich bin fo
ungluͤcklich geweſen, Fur Majeſtaͤt Mißfallen unſchal⸗
digerweiſe auf mich zu laden. Hiedurch ſind ſo viek
und empfindliche Kraͤnkungen uͤber mich eingebrochen,
und fo viel Familienſtreit hat ſich hinzugefellt, daß
mir das Leben eine Lo iſt. Deshalb bitte ich wm
um. bie eine Ganft: Daß Euer Majeſtaͤt mir erlauben,
Nußland zu verlaffen und den überreſt meines Leben
mit meiner Mutter zuzubringen. Zugleich verfichen
ich: wenn Euer Majeflät es für das Wohl dus Re
ches ſollten angemeflen finden, daß der Großfürft ein
- andere Fran heicathe, fo werde weber ich, moch wird
: weine Familie den geringfien Einwand machen. —
Die Kaiſerinn (erzählt man) war Über diefe Rede fehr
bewegt, ſprach jegt mit viel, guößerer Milde als zu:
vor, und ging mit mehr Theilnahme auf manches
Einzelne ein, als ſeit langer Bei: Als die Groffuͤr
U ſtinn jetzt einige Dinge in Bezug auf ihres Gemahle
1788. England und Preußen 459
Unfreundlichkeit (unkindness) berührte, welcher die
ganze Zeit hindurch gegenwärtig war, machte ihr die
Kaiſerinn ein Zeichen zu fehweigen, und fagte leiſe:
fie muͤſſe mit ihr allein und bald ein Gefpräch ha⸗
ben. — Man hofft, daß zwifchen beiden bald eine
Ausföhnung zu Stande komme, da Katharina viele
Freunde erſten Ranges bat.
Sie hatte ſich eine Zeitlang ganz zuruͤckgezogen,
erſchien aber nad) Gliſabeths Wuͤnſchen voisber öffent:
lich, wie es heißt, auf erhaltene guͤnſtige Verſprechun⸗
gen’). Der franzoͤſiſche Geſaudte ſuchte ſich anf alle
Weiſe in dieſe Dinge miſchen; aber —— wies
ihn immerbar zuruͤck.
Ich Höre (ſchreibt Keith den 14ten Julius) ®) der
Sroffärft und feine, Gemahllun find volftändig aus
gelöhnt, auf Koften des franzoͤfiſchen Geſandten, deſſen
übte Dienſte zwiſchen beiden — an das Tages⸗
licht kamen.
Leider entBand fuͤr Friedrich II aus all dieſen
Zaͤnkereien und Ausſoͤhnungen gar kein Gewinn.
Schumalof erzählte zwar an Keith’): die Kalferinn
babe einen Abſchen vor dem Blutvergießen; auf deffen
— Antwort: nichts fey alsdann leichter, als
1) Bericht vom 2öften Mai. Mußland, Band 68.
2), Ehendafelbft, auch der Bericht vom 12ten December.
3) Bericht vom 12ten Mai. Ebendaſelbſt.
20*
'460 Schsundbreißigfter Abfchnitt. 1768.
nach den Wuͤnſchen des Könige von Preußen Frieden
zu fchließen, geſchahen aber Keine weiteren Schritte
Schöunddreißigfter Abſchnitt.
Die Thätigkeit Englands war, feit der Einigum
der Parteien, allerbings weit größer denn zuvor; fie
richtete fich indeſſen weſentlich gegen Frankreich, und
dem Könige von Preußen kam davon kaum mittelbar
etwas zu Gute. Deshalb ſchrieb der Marſchall Keith
den 10ten Februar 1758 an Mitchell“): Wenn die
Engländer zu Ehren Friedrichs an feinem Geburtstage
zehn Bouteillen Bier getrunken haben, fo glauben
fie, es fen Alles gefchehen, was die Ehre für eine
ſolchen Verbündeten zu thun verlange. Sie waͤnſchen
lieber mit ihrem Beutel, als mit ihrer Haut zu zb
In. Was für eine verächtlie (shamefull) Meimmg
muß die Welt von ihnen haben; auch find ihre K |
pfe nicht beſſer ald ihre Derzen. Zehntaufend Mam
bätten in diefem Jahre vielleicht gerettet, was de
ganzen Macht Großbritanniens im nächften unmög
ih faͤllt. Denn wenn Preußen erft zu Grunde ge
1) Mitchell papers Vel. 33.
1258. Mitchells Abberufung. Schlacht bei Zorndorf. 461
richtet iſt, wird die, Reihe bald: auch an England
fommen.. , Geben die Dinge befler als ‘ich erwarte,
fo werben wir die Engländer gerettet Ban) nicht
fie une... : Zr
Im. Maͤrz 1758 a Mitchell — blicb
jedoch nach berichtigten Beſchluͤſſen. Keith ſchreibt
daruͤber“): die engliſchen Miniſter find: toll (mad) Sie
abzurufen. Jene fuͤrchten jemand, der mit Eifer und
Aufrichtigkeit handelt, und gebrauchen lieber Leute,
welche: ihrer. Unthaͤtigkeit ſchmeicheln und ihre. Gunſt
höher achten als bie Wohlfahrt Preußens. Armes
Englandı Was kann id; von einer Verwaltung er:
warten, bie teinen rechtlichen: Mann 'anzuftellen wagt,
ans Furcht, daß die Verſchiedenheiten zwiſchen J
und ihm an den Tag kommen.
Als Friedrich II die Nachricht erhielt, daß Mit⸗
chell in, Folge feiner Berichte abgerufen ſey, fagte er
hm): Savez’ Vous, mon ami, que vous ôtes rap-
pelloꝛ Je crois que votre ME ‚est de- .
venn fon!
Die Forderung, Mannfchaft nad) Sieberfachfen
zu ſchicken, mußte der König nochmals, und mit
Recht, ablehnen. Er fagte — ſollte ich ſo gluͤcklich
1):Den WOften März, benbofeis Ä
2) Im April. Mitchell papers Vol, a p. 12.
3) Den Alten April. Ebendaſelvſt. :
488 Sehsundpreifigker Kofänite. 1988,
fen, die Öftervecher zu ſchlagen, fo ſchließen fie vll
leicht einen befonberen Frieden, In dieſem Kalle babe
er nichts dagegen, ſich angriffeweiſe wider Frankreich
zu wenden: et qu'il serait heureux avant de meu-
sir, de. pouvoir porter le Aambenu à Paris!
Diefe Neigung konnte hervorgehen aus Liebe zum
Ruhme und zu Deutſchland; ſowie aus Zorn übe
die Willkuͤr der Franzoſen. Gagten fie doch aber
‚ wisig'): bie Eimwohne von Halberſtadt haben ſich
des Hochverraths ſchuldig gemacht, weil fie preußliche
Mannihaft in ihre Stadt aufnahmen!
Gleichzeitig ſtiegen die Befahren von den Ruſſen
ber. Sie eroberten Preußen, und durchzogen, ohne
alle Rüdficht auf Gegenvorſtellungen, das Gediet de
Republik Polen?). Deshasb fingen die Üfberveider
(argwöhnifc ober eigennhgig) vor: das ruſſtſche Her
ſolle Preußen nur im Namen der Marla There
befegen ?); denn dies erleichtese ihnen bie Sache, fer
feen ja von Rußland nur eine Hälfsielftung erwartet
werde, Eliſabeth anttwortete aber: fie betrachte ſich,
nach den Erklärungen Friedrichs, als eine Haupttheil⸗
nehmerinn des Krieges.
| Erſt ber ſchwer I Sieg sei ——
1) Bericht vom Leſten Jannar. Mitchell papers Vol.
2) Mitchell papers Vol. 24. Bericht vom Löten April.
8) 17ten April. Ebenbaſelbſt.
188. Sqchlacht bei Zorndorf. 463
(ten Bſten Auguſt 1758) draͤmgte bie Kuffen zum. .
chf, Mitchell laͤßt in feinem Berichte‘) der Tapferkeit
ver Ruſſen Gerechtigkeia widerfahren, Bagt daß der
linke preußiſche Fluͤgel nicht genug gethan, und die
Grauſamkeit der Koſaken und Kalmyken die Soldaten
veranlaßt habe ſelten Quartier zu geben. Der König
(fährt er fort) ſetzte ſich den größten Gefahren aus,
wovon ich zum Theil Zeuge mar, und man. berichtet
mie, daß er, als bes Fußoeik anfing zu weichen, .
ſelbſt eine Fahne in feine Hand nahm und daſſelbe
anfuͤhrte.
Nach dieſem ſchweren Siege und ale die ſter⸗
reicher bereits in der Laufis ſtanden, mußte Mitchell,
feiner Anmeifung gemäß, die unausführbaren Forde⸗
tungen über Abfendung einer Deeresabtheilung nad)
Niederfachfen wiederholen. Mit Recht ward ber Koͤ⸗
nig hieruͤber ungeduldig und ſtellte ſeine Lage ſo uͤber⸗
zeugend dar, daß Mitchell ſchwieg. Doch ſchrieb Fried⸗
rich dem. Prinzen Ferdinand von Braunſchweig?):
er wolle ihm die Reiterei laſſen, ſofern eine Schlacht
bevorſtehe, er ſolle ſie aher ſenden, ſofern der Feldzug
blos unter Maͤrſchen und Lagerungen verfließe.
In Mitcells Berichten’) finden fi nur zu viele
1) Bericht vom 26ften Auguſt. Mitchell papers Vol. 4.
2) Bericht vom 6ten Oktober. Ebenbafelbft.
3) Mitchell papers Vol. 4.
464 Sechsunddreißigſter Abſchnitt. 1758
Zeugniſſe über die Grauſamkeit der Ruſſen, Verwuͤ⸗
ſten des Landes, Verbrennen der Dörfer u. ſ. w.
Die Öfterreicher (heißt es an einer anderen. Stelle)
find zwar nicht fo arg, wie die Muffen, doch find die
Sachſen ſehr unzufrieden : mit ihnen. “Einige ihrer
Generate haben die Bauern in. der Laufitz fehe hart
behandelt '), und nicht begnügt fie auszupluͤndern,
Ihnen unverſchaͤmterweiſe vorgeworfen, fie wären Keger.
Dies hat einen außerordentlihen Eindruck auf das
niedere Voll gemacht, welches überhaupt mehr preus
ßiſch, denn Öfterreichifch. gefinnt ift.
- Sehr gern hätte Friedrich II Frieden geſchloſſen;
doch hegte er wol die Meinung, es fey- unkfug ihn
deingend. zu fuchen umd dadurch unter feinen: Feinden
den Verdacht: der DVerzagtheit zu erzeugen. Deshalb
antwortete er feiner Schweftee, der Markgräfinn von .
Baireuth auf einen Brief politiſchen Inhalts?): J’ap-
plaudis fort à vos bonnes intentions, -mais je dois
vous dire que je-suis comme une carpe. Si les
Francais, Autrichiens et Russes ont quelque chose
A dire, ils n’ont qu’& parler, mais pour moi je
. me borne ä les battre et a-me-faire. : Veuille le
ciel que j’apprenne de bonnes nouvelles de. ma
\ 1) Bericht vom 17ten Geptember. Ebendaſelbſt
2) Brief vom 2aſten Auguſt. Ebendaſelbſt.
1758. Ruſſen, Öfterreicher, Friedrichs Klagen. 465
soeur. Cela- minteresse plus “que toutes les’ ne-
gociations de I’nnivers. — Gleichen Muthes äußerte
Pitt: kommt es zu Unterhandlungen, ſo foll wenig:
ſtens kein Utrechter Friede zum zweiten Male. Be
Sahrbücher Englands befleden ). RIESE
Dennoch Eonnte ber feſte Mille dee Königs, ſich
keinen unwuͤrdigen Bedingungen zu unterwerfen, ben
Frohſinn und die heitere Kühnheit der Jugend nicht
wieder hervortreiben. Der Ruhm,' dem leidenſchaft⸗
lich und thöricht "wider ihn verbundenen: Europa zu
widerſtehen, ‚hatte auch feine bitteren Schmerzen; wie
des Könige Briefe‘ an b’Argens°) auf rührende Weiſe
darlegen. So. fchreibt er: Enfin, 'mon ‘cher Marquis,
je suis vieux, triste et chagrin.’ Quelques lueurs
de mon ancıienne bonne humeur reviennent de tems
en tems; mois. ce sont ‘des 6tincelles’ qui’ s’eva-
nonissent, faute d’un brasier'qui les nonrrisse ;: ee
sont des eclairs qui percenf ‘des nuages orageux
et sombres. Je vous’ parle vrai; si vous me voyiez,
vous ne reconnaitriez plus les traces de ce que:je
fus autrefois, Vons verriez un‘ vieillard 'grison-
1) Pitt an Mitchell, den 12ten Sunius 1759, Mitchell
papers Vol. 30
2) Briefe von 1759 und 1760, ‚Oeuvres posthumes X,
<00, 204, 210, 213, enge er
« . 0 x*
466 Gehsunnpreifigker Abfiänitt. 170
nant, priv6 de la maitie de ses dents, sans gaiet;
sans fen, sans imnginatien. - Depuis quatre ass
je fais mon purgateire; s'il y a une autre vie, il
faudra que le pere éternel me tienne compte de
ce que j'ai souffert dans celle-ci. — Je vous sou-
haite tout ce qui me manque pour être keureux:
tranquillite, repos, cententement et sanfte. Je ws
plus rien. Mon temperament suse, la fortune, is
sante, la gaiet6 et la jeunesse m’abandennent; je
ne suis plus bon que pour peupler le pays de
Proserpine. — Ah que l’6cole de ladversit6 rend
dage, modere, endurant et doux! C’est ume ter-
rible &epreure; mais qunnd on l'a surmontee, elle
est utile pour le reste de la vie.
Der König konnte im Jahre 1759 faſt nur ver
theidigungsweiſe verfahren '), und die Miederlage bei
Kunersdorf beachte ihn dem völligen Umdergamg nahe.
Es fey erlaubt die bürftigeen Geſandtſchaftobericht
im ihrer Zerſtreutheit, ohne innere Verbindung neben
einander gu ſtellen.
Der König hat diefen Feldzug nach eines Ben
theidigungsplam begonnen. Bei Ausführung defjefben
1) In Bezug auf die Zuchtlofigkeiten der Ruffen, Magtt
bee König über die brigands d’Astracan et de Cam-
chapka. Gigenhändige Zeilen an Mitchell, den 15ten Ro:
vember 1760. Mitchell papers Vol. 40.
rt
»
1150. Zelbzug von 1759. Öfterreicher, Kuſſen. 467
zeigt er fich alten feinen Feinden eben fo uͤberlegen),
wie er es anerfannterweife im Angriffskriege iſt. —
An der Spitze eines mehr als doppelt ſo ſtarken
Heeres hat Daun Nichts gethan: feine Magazine
wurben zerflört, feine Plane vereitelt u. f. w.
Die. zehn Freibataillone, welche. der König anwarh, -
beſtehen freitich aus dem Miffeaff deutfcher und fran⸗
söffcher Ausceißer ?); aber fie haben beim Deden ber
Hügel, fowie des Müdens der Heere teeffliche Dienfle
geleiſtet. Da ihr Dienf Hart ift, nehmen fie es
freifich nicht fehr genau mit ber Kriegszucht. |
Ich bim gut unterrichtet daß die ruſſiſchen Gene
rale duch das Benehmen. ber Öfterreicher hoͤchlich
beleldigt find. Auch braucht man nur einen Blick
auf die Karte zu werfen’), um fich von dee Thor:
heit (absurdity), ja faft hätte ich gefagt ber Berräthe:
wi Dauns zu überzeugen, ber mit einem zahlceichen,
trefflich ausgeſtatteten Deere, dem Felbzuge von ben
Hügeln ber Laufig zugefehen Hat. Zulett, nachdem
er diefe Landſchaft ganz zu Grunde geriitet, hat er
geduldet daß Prinz. Heinrich in das Herz von Bach:
fen eindrang und den Kriegsſchauplatz dahin verlegte,
1) Berichte vom 2Sften u. Aſten Iunins 1759. Mit-
chell pap. Vol. 4.
2) Aten Mat, Ebendaſelbſt.
8) Den 18ten Oktober. Gbenbafetbft, Band 5.
4
468 Sechsunddreißigſter Abfchnitt.. MM
Hieraus ergiebt fih klaͤrlichſt daß. der wiener Hof nur
an fi) denkt, und feinen Verbündeten die Ehre um
den Ruhm: überläßt,. für ihn zu fliegen, ober ſich
für ihn zu: Grunde zu richten. -
Der König wünfcht. Seleden .mit. Nußland zu
ſchließen. Er meint, man muͤſſe zuerſt dee ruſſiſchen
Eitelkeit ſchmeicheln und von ihren Erfolgen fprechen'),
naͤchſtdem Eiferfuche : zwiſchen ihnen. und ihren Ber
bündeten :erregen, und überall bie Anwendung von
Geldmitteln nicht verſaͤumen. Er bat zu a.
Zwecke 150000 Thaler angewieſen ).
Die Ruſſen find des Krieges uͤberdruͤffig, * in
Mißverſtaͤnbniſſen zu Sſterreich. Im. Sunem des
Hofes iſt großer Zank zwiſchen dem alten Guͤnſtling
Raſumowsky ;und: bem: neuen. Guͤnſtling Schuwalof).
Der Großfuͤrſt Peter hat der Kaiſerinn durch eine
Botſchaft vorſtellen laſſen: er: ſey nun: zu einem. fol
chen Alter gekommen, daß man ihn fuͤr fähig . halten
duͤrfe ſelbſt zu; urtheilen“). Deshalb koͤnne er ſich
nicht mehr dem Zwange einer. Echensreife unterwerfen,
weiche Ihre Majeftät hinſichtlich feiner angeorduet
1) Den 1öten. November. Cbend.
‚2, Den 29ften Januar 1760. Ebend.
8) Bericht aus Petersburg ben Sten — 1759. Ruf:
land, Band .69.
4) Deögleichen ten Sten eh 1739. Ebend.
17. ge Rußland; Frankreich. 200
pätten, Er. bitte vielmehr daß fie ihm erlaube ih
feine Heimath zuruͤckukehren. Anfangs war die Kai⸗
feeinn durch. diefen Schritt aͤußerſt verletzt, und ver:
langte, er. folle feine Gründe ſchriftlich einzeichen ; nach⸗
mals tft jedoch, wie ich höre, die Sache beruhigt und
vertufeht worden. — Die Kalfein iſt oft unwohl,
und man fpricht von epileptifchen Zufaͤllen.
Alle Friedenshoffnungen welche die ruſſiſchen Mi⸗
niſter erregen, all. ihr Gerede führt zu Nichts. Die
Kaiferinn fagte dem oͤſterreichiſchen Gefandten: ich bin
zwar fehr langſam im Beſchließen, aber flambhaft im
Feſthalten des Befchlofienen '). So wende ich für alle
Fälle den- Krieg wider Preußen mit meinen Bundes:
genoffen fortfegen, ſollte ich auch)‘ genäthigt feyn de;
bald meine Kleider und Juwelen zu verkaufen. ga
So wie. MWeibersigenfinn und Laune der, Guͤnſt
Ulinge in Rußland über alle Gruͤnde vernuͤnftiger Po⸗
litik obfiegte, fo. im Weſentlichen auch): in Frankreich.
Laut aller Nachrichten die ich dekomme (ſagte Trier
drich II) ?) wird der verſailler Hof lediglich durch Lei⸗
denſchaft und Sapricen regiert. Die Danphine und
die are a an ber re der ——
N Bericht aus Petersburg, vom iften Januar 1760.
Rußland, Band 70...
2) Bericht vom 12ten Zebruar. - Miteliell: papers
Vol. 5. | . J
s* ZZ
wo Sechsunddreißigſter Abfhnitt. IWO.
Herzog von Choiſeul tft ein volltommener Öfterreicher
und der Marſchall Belleisle veraftet.
Der franzöfiiche Geſandte im Daag, b’Affen, hatte
gefagt '): wir mäffen unfere eigenen Angelegeisheitm
bei dem Unterhandfungen von denen unferer Verbim⸗
deten trennen, und naͤchſtdem diefe anhalten ſich auch
zu vergleichen. Auf anderem Wege, mit einer Laſi
. von Berhündeten in umferem Gefolge, -enbigen wir
niemals. — Im Auftrage von Lord Holderneß, fragte
hierauf der englifche Gefandte Vorke den franzoͤſiſchen
Geſandten d'Affry· angenommen England und Frank
reich verglichen ſich uͤber ihre Streitigkeiten, glaube
Sie daß biefe Macht ben Krieg alsdann in Deutſch⸗
land wider die Könige von England -und Preufen
: fortfegen wirbt — Mn antwortete: Glauben Sie
daß wir. fo naͤrriſch find in folcher Weiſe unfer Geld
wegzumwerfen und unfer Heer zu Grunde zu richten?
Au gleicher Zeit ließ er indeß fallen: er wiſſe nicht wie
‚man bierüber in Paris benfe, wo Friedensgedanlen
wenig Beifall faͤnden.
In einem namenloſen Bei a aus Paris heit 8°):
bez König verändert ſich augenfälllg, er wirb alt,
ſchwach und melancholiſch. Dee Dauphin amuͤſitt
1} Berichte vom 2öften Januar und Aten MRärg Mit-
hell papers Vol. 15.
2) Brief vom 2Often Februar 1760. Ebendaſelbſt.
N)
100. Kußland, Frankreich ari
ſich mit Frau von Marſan Meſſe zu ſingen, weiche
hiedurch ſehr in Gunſt ſteht. Frau von Pompadour
regiert nach wie vor Alles. Die Kaiſerinn Koͤniginn
ſchreibt ihr fortdauernd Briefe, welche dem Stolz und
der Eitelkeit der Beiſchlaͤferinn ſchmeichein, und die
Freundſchaft erhöhen follen, weiche fo gluͤcklicher Weife
zwifchen ihnen zum Beften beider Staaten
beſtehe. Diefe Ausdrüde find vorfäglich gewaͤhlt
werden, umb es gefällt bem Könige eben fo wohl, wit
bee Madam Pompadour. Durch ſolche Mittel umd
die knechtiſche Aufwartung, weiche Ihr Graf Stahrem⸗
berg macht, beharrt fie in dem oͤſterreichiſchen Inte⸗
fe. — Alles wird hier durch Raͤnke und Schliche
zu Gtande gebracht. Jeder denkt nur baran, wie er.
fich erheben und feine Gegnet zu Grunde richten
witz Niemand liegt dagegen * Öffenttiche Wohl
am Herzen.
England hatte ſich nicht — berviefen, nanifche
Vermittelung zur Beilegung bes Streites mit Frank
ceih anzunehmen '). Hierauf fagte ber ſpaniſche Dis
niftee Wal dem Grafen Briftol: er nehme mit großer
Kraͤnkung wahr, daß man glaube, ber König von
Spanien ſey dem feanzöfiichen Intereſſe geneigt. Er
1) Between them for the good of the two states.
D) Bericht vom Iiten Februar 1760, Mitchell pagers
Vol. 18.
472, Schsunbbreißigfter Abſchnitt. 170.
babe bei dem Anbieten feiner Vermittlung nur dieſe
münfchenswerthe Herftellung des Friedens im Auge
behalten, ohne ‚irgend .einer ber beiden Maͤchte etwas
vorſchreiben zu wollen.
Laut einem Schreiben bes Herzogs von Choiſeul
an d' Affry!) war Frankreich geneigt. den Landkrieg gleich
dem Seekriege zu beenden; aber bald nachher =
Härte er: wenn der König ‚von England babei be
bare, den König von Preußen in den Srieden ein
zufchließen, fo wuͤrde dies alle Unterhandlungen, zum
Verdruß des allerchriftitchen Königs unmöglich machen.
— Bünftiger lautet eine. geheime Erklaͤrung, welche
‚Seledri I am. 19ten Maͤrz aus Paris erhielt;
ſchwer aber bleibt es bei dieſem zweibeutigen Beneh⸗
men zu entſcheiden, ob.der Hof von Verſailles mehr
Preußen und England, oder Rußland und Öfterreich
-Binhalten und täufchen wollte. — Lord Holderneß ließ
Hierauf duch Yorke an d'Affry fagen: ‚jeden. Kalls
muͤſſe der König von. Preußen in die Verhandlungen
und' den Frieden mit eingefchloffen "werden.
. Der König (fchreibt Mitchell)) thut Alles. was ir
- gend moͤglich iſt, aber fein Land tft erfchöpft, Kriegs⸗
. mittel: fehlen, .feine beften Dfficiere find tobt ‚oder ges
fangen, und (mit dem tiefften Schmerze muß id) es
1) Berichte vom Ziften März u. liten April. Ebend.
2, Bericht vom 16ten Sanuar. Ebend., Band 5.
1900. Friedrich II an ‚ben König von England. 473.
fagen) es herrſcht im ganzen Heere eine ällgemieine
Entmuthigung, von welcher vielleicht nur der König
frei iſt. Wenn England Beine Mittel findet Frauk⸗
reich bald vom Bunde zu trennen, und Rufland zu
ſchrecken, fo fürchte ich, geht die Gelegenheit den Kos
nig von Preußen zu retten, — ver⸗
loren.
Am 20ften Mai fchrieb Friedrich II — —
von England aus dem Lager bei Meißen '): Mon-
sieur mon frere! 1] est commu A Votre Majeste
combien la fortune m’a pen favorisee l’annde pré-
cedente, et eombien je me suis vu pres d’ötre ac-
ceabléẽ par un nombre infiniment superiear d’enne-
mis; et quelgue peine qu’ on ait' pris, il’a ei6 im-
possible de reparer les pertes considerables, que
jai fait la campagne precedente. Le nombre de
mes ennemis n’a point dimimme; j’apprends zu
contraire .qu’ ils font les derniers efforis pour se
rendre plus redoutables cette annee. J’ai eis ob-
lige par ces fortes raisons qui regardent immedi-
atement .la conservation de mes 6iats, de rappeler
une partie de la cavalerie, qui a servi dans l’ar-
mee.des Allies, et. encore ce.nombre n’est il pas
suffisant pour me garantir contre les malheurs’
dont je suis menac‘; mais je serais toutefois' tres
1), Ebendaſelbſt, Band 15.
na Sechsunddreißig ſter Abſchnitt, 19.
condamuable, si je n’emplayais: pas tous les meyens
que he viel m’a donne pour .me defenire, Ce sum
d’smssi fortes raisous qui m'ont oblige de prendre
oe parti. Pour pew que les comjenctures changent
d’une facen favorable, oe qu'il arrive quelgue evo-
nement heurenx, je n’anrai rien de plus presse,
‚que de renvoyer un meme nombre de troupes &
Varmee allice. Les allies sont treis contre quatre,
savoir 90,000 hommes contra 120,000;- je me
trouve à prösent comme un contre deux, et je
prevois trep le mal qui pourrait mwarriver, si jo
n’y Apportais a tems les fajbles remedes que j’y
psis opposer. Üeci ne derangera en rien les me-
sures du Prince Ferdinand, et les interets de
Voire Majest6 n’en sonffriront peint. : Je swis aveo
la plus haute considsratien etc. Ä
- Über den jungen Erbprinzen —— von
Braunfihtoeig ſchreibt Mitchell den 124m Febeuar
1760 '): Durch Beſcheidenheit, maͤunliches Bench⸗
men, Unempfindlichkeit gegen Schmeichelei, und eine
Herablaſſung welche allein aus einem guten Herzen
hervorgehen kann, hat dieſer junge Heid die allge⸗
meine Achtung und Liebe gewonnen, vom Koͤnige bis
zum geringſten Officier. Jener ſagte von ibm: Ha
ie jugement et le bon sens d’an homme de qua-
1) Mitchell papers Vol. 5
1900. Berbinand v. Brauſchw. Preußen u. End. 473
raste, et il a fait tant de progres dans In science
militaire que je powrrais lui oenfier le commande-
ment de mes arımdes,
Dee König (heißt es weiter) geftand - mit großer
Aufrichtigkeit: fein Heer fey dem wicht gleich, weiches
ee in fruͤheren Jahren ins Feid geflbre ‚habe. Ein
heit der Mannſchaft fey nur tauglich dem Feinde
von ferne gezeigt zu werden, um ihn wo möglich zu
ſchrecken (iipose); der anbere ſey durch bie Unfälle
des letzten Feldzuges entmuthigt: doch werde dr.fich bes
muͤhen fie allmaͤlig zur fruͤheren Feſtigkelt und Kuͤhn⸗
beit zuruckzubringen. Im vergangenen, Jahre ſey er
dem völligen Umtergange nur durch Die. Fehler feiner
Zeinde entgangen '). Dſt aber lerne man Fehler
durch Erfahrung vermeiden, und er dürfe für bie Bus
kunſt niche auf Ähnliche Vortheil⸗ rechnen.
As Mitchell immer wieder darauf drang, der Koͤ⸗
nig folle fhr England wirken, denn es fen ein tremer
Bundesgenoffe und ein großmuͤthiges, wohlgefinntes
WVolk, gab Friedrich mit einiger Lebhaftigkeit zur Ant⸗
wort: obgleich ich keinem Parlamente Rechenfchaft
ſchuldig bin, bin ich doch verpflichtet meine Untertha⸗
nen aus allen Kräften zu vertheidigen. Sie könnten
fich mit Recht beklagen, wenn ich fie in dieſem gefäße-
lichen Augenblick dieſes Schutzes zum Theil beraubte.
1) Ebendaſelbſt, Zöften Mai 1760.
478 Sechsunddreißigſter Abſchnitt. 10.
Obgleich ‚der- Erfolg des Feidzuges hoͤchſt . zweifelhaft
ift, will ich (was auch gefchehen möge) wenigſtens
von gerechten Vorwürfen meines — ee frei
bleiben.
Die engliſche —— war ſo klug und biuig
zu erklaͤren: das Buͤndniß mit Preußen ſey und bleibe
in voller Kraft und man werde jeder ——
Verpflichtung wie bicher nachkommen '). .
Im Sommer 1760 verhandelte Voltaire mit dem
Koͤnige uͤber Krieg, Frieden und, dergleichen. Wenig⸗
ſtens ſchreibt Mitchell in dieſer Beziehung?): ich glaube,
der franzoͤñſche Hof bedient ſich der kunſtvollen Feder
Voltaires, um dem Könige Geheimnifle. zu entlocken.
Denn wenn jener..ald ein mwigiger Dann. einem am
deren wigigen Manne fopreibt, iſt er geoßer Unbeſon⸗
‚nenheiten (indisoretions) fähig. Was mich aber noch
mehr: vertoundert, ift, daß ſo oft Voltaires Name, ge.
nannt wird, der König nie unterläßt ihm die Bei⸗
namen ‚zu geben, welche er verdienen mag, z. B.: ek.
babe. das fchlechtefte Herz und fen der. größte. Schurke
(rascal) auf Erben. Deßungeachtet dauert fein Brigfe
mechſel mit ihm. fort. So ſehr wünfcht dieſer Fuͤrſt
von einen großen und eleganten Schriftſteller geprie⸗
en gu, werden. Zuletzt wird er fich aber dennoch ge⸗
1) Den 28ſten Oktober 1760. Mitchell pap. Vol. 15.
2) Den 3iften Julius. Gbend,, Band 5.
1768 Voltaire, Schlacht 6. Liegnig. Fried üb. Borfeh. 477
taͤuſcht ſehen; denn nad) :dem was: ich aus gaten
Quellen: aͤber Boltaires Charakter höre, wird ex fi
zwar verftellen, :aber dem Könige nie — was
zwiſchen Ihnen vorgefallen iſt.
‚Nach, der glänzenden Schlacht bei. Liegnig rahmte
Friedrich gar ſehr das Benehmen ſeines Heeres. Er
machte (faͤhrt Mitchell in ſeiner Erzählung fort))
einige treffliche Bemerkungen uͤber die Unvolllemmen⸗
heit jeder menſchlichen Vorausſicht, und fügte zulett:
Sie fehen, wie ich mich angeſtrengt habe, das nun⸗
mehr eingettetene Ereigniß herbeizuführen... Ich danke
den gewonnenen Sieg ganz der Zapferkeit meiner Sol:
daten. Blieb ich; im Lager von Liegnig., ward ich
von allen Seiten umeingt; kam ich nur eine Viertel:
ſtunde ſpaͤter auf dem Schlachtfelde an, fo waͤre der
Erfolg: ausgeblieben und wenige Tage würden ber gan:
in Sache ein’ Ende gemacht haben. Der Hauptvor⸗
theil, den ich über den Feind hatte, befand darin,
daß, mein Heer aufgeſtellt war, bevor das feine voll:
ſtaͤndig geordnet worden, umd daß ich bei meiner Kennt:
niß der oͤrtlichen Berhaͤltniſſe von den rechten ae
Veſit ergriff...
Ich habe‘ (ſchreibt Mitchell bald Larauf) ?) — dem
Könige mancherlei Streitigkeiten über die Vorfehung.
1) Den oſten Auguft.- Band 28.
2) Den 10ten Rovember.: Ebend.
AB Sechtunddreißigſter Abſchnitt. M.
Die letzte war auf dem Schlachtſelde bei Liegnitz, a
er fagte: diefen Sieg verdanke er dem Zuſalle. Ih
nahm mir die Freiheit einzuwenden: fuͤr mich babe
es Leinen Zweifel, daß wenn ihm die Vorſehumg nicht
mehr Verſtand gegeben hätte als feinen Feinden, fo
würde er an jenen Tage nicht geflegt haben. Er antwor⸗
tete mit heiterer Laune: je sais que nous ne Som-
mes pas tout à fait d’acenrd 'sar ce peint In; mais
zeit à prösemt, pinsgue vous le venlez, aimsi.
Der Sieg dei Liegnig hatte aber die Feinde wit
abgehatten bis Wittenberg, ja bis Berlin vorgubrie
genz weshalb Friedrich, die Groͤße der ihn bedrohenden
Gefahren richtig wuͤrdigend, wenige Tage vor der
Schlacht Hei Torgau an d'Argens fchrieb '): Jamuis
je ne vermi je ‚moment qui m’obligera A faire une
prix desarantageuse ; .ancune persuasiun, Aucune
&ioquence me pomrrent' mengager à sigwer me
‚ döskonneur. Ou je ıne laisserai enserelir sous les
zmines de na patrie, ou si ceite osmselation parais-
_ sait encore irop deune Au Jestin quime perscenie,
je sımrai mettre fin à mes infertanes lorsqwll ne
sera plus possible de les soutenir. J’ai agi et je
comtinne d’agir suiwant cette ralson intérienre et
le point #’honnenr qui dirigent ions. mes pas; ma
1). Brief vom 28ften Oktober. Oeuvres posthames X,
221. Schlacht bei Zongan den ten Ropember
A760. Friedensunterbandinngen. 430
conduite sera en ons tems oonforme A oes prin-
eipes. Apres aveir sacrike ma jeundser A man
"pere, mon age mär a ma paisie, je erois areir
soquis le dreit de disposer de ma vieillesse. Je
Vous Yai dit et je le r&pöte, jamtais ma. main ne
sSignera une pnix humiliante. — —
Quand on a tout perdu, quand ou a’a plus
d’espoir, la vie est un opprobre et In mert- un
devoir.
Siebenunddreiß igſter Abſchnitt.
Selbft diejenigen, weiche die J— nicht
. theilen, Friedrich MH fen zum Kriege gezwungen wor⸗
den, muͤfſen zugeſtehen, daß die längere Dauer ihm
uicht zur Laft faͤlt. Im Sahre 1764 fanden aller
dings einige Friedensnuterhandiungen flatt: hen ‚Ads
nig von Preufen- ausgenommen, meinte es damit
aber kaum einer ernſtlich; denn in Üfterreich dauer:
ten die Kriegsboffnungen, in Rußland die Leidens
fchaften fort, und Frankreich fuchte dadurch feine
neuen Srtindangen mit Spanim wol nur zu ver:
ſtecken.
430 Siebenunddreißigſter Abſchnitt. 1.
überall (ſchreibt Mitchell) ') zeigt Friedrich daf er
den Jrieden wuͤnſchtz nur mag er nicht Anträge ma:
chen, welche man vielleicht zuruͤckweiſen und als Zei:
chen. feiner Schwäche betrachten dürfte. Er ſendet
einen gerefffen Badrnhaupt nad Petersburg, deſſen
Bruder Schuwalofs Arzt. war, um ihn wo möglid
gu getoihnen. ,
Im März 1761 — von Öfterreih, Ruf
land, Frankreich und Polen allgemeine Anträge auf
Abſchluß eines Friedens, welche England annahm ’).
Friedrich erklärte fi ich bereit auf den Befisftand von
1756 beizutreten und einen allgemeinen. Waffenſtil⸗
ſtand einzugehen. In den Verhandlungen welche bier:
auf im April zwiſchen Frankreich und England ge
pflogen wurden, wollten ſich Anfangs beide Theile bie
Unterflägung Marin Thereſias und Friedrichs vorbe
halten, was kaum zu einem halben Frieden geführt
hätte. ‚, Dann heißt e8 ’): jeder folle feine. Verbünde
ten nur mit.Gelde unterftügen duͤrfen; — aber. alle
Entwürfe führten nicht vorwärts, während Frankreich
feine Thaͤtigkeit in Mabeit verdoppelte. Die Kunde
1) Den 2iften December 1760. Mitchell pap. Vol. 5.
2) Berichte vom. 26ften März und Sten April 1761.
Frankreich, Band 121. Berichte vom 2ften April u. ISten
Mai. . Mitchell. papers Vol. 5.
4) Mitchell papers Vol, 16.
1761. Friedensunterhandt. Choiſeul. Maria Thereſia. 481
von dieſer Unaufrichtigkeit und neuen Gefahr brachte
England wahrſcheinlich dahin beſtimmter aufzutreten.
In der Anweiſung für den engliſchen Gefandten vom
18ten Mai heißt es wenigftens '): wenn der Herzog
von Choifeul den Krieg des Königs von Preußen be:
rührt, ja felbft wenn er darüber ſchweigt, follen Sie‘
ihm fagen, die englifche Regierung ſey feft entfchloffen
ihre Verpflichtungen gegen jenen Fuͤrſten zu erfüllen,
und feine Intereffen fo herzlich und wirkfam zu unter:
ftügen, wie es einem —— und treuen Bundes⸗
genoſſen gebuͤhre.
Einem Berichte Stanleys vom Sten Zunius 1761
ift Folgendes entnommen: Ic machte dem Herzöge
von Choiſeul eine Etklaͤrung über die Beſchluͤſſe Sei⸗
ner Majeftät in Bezug auf den König von Preußen
und zwar. in den. flärkiten Ausdrüden. Er nahm fie
unter der Bedingung an, baß fein Herr in: Bezug
auf die Kaiferinn, Königinn eben fo verfahren werde.
Beim weiteren Geſpraͤche über das öfterreichifche Buͤnd⸗
niß,. fagte Choifent: ich bin es nicht, der es zußtane
gebsacht hat.
Seit dem Ereigniß. mit Damiens ift der König:
nicht wieder ruhig in feinem Gemüthe geweſen. Wenn
er auf der Jagd, ober fonft wo jemand begegnet, den-
zu fehen.er nicht gewohnt iſt, fo erſchrickt er und iſt
- 41) Frankreich, Band 121.
11. J 21
432 Siebenunddreißbigſter Abſchnitt. 178.
außerordentlich bewegt. — In den Landſchaften herrfcht
großes Elend, und obgkih man im Paris großen
Aufwand fieht, find Ale doch ſehr verſchuldet.
Cboiſeul ift ein Monn ven, guten Gaben (lively
parts), aber ohne Erziehung für die Geſchaͤfte. Er
. fagt. frei genug was er im Augenblide Denkt, aber er
it veraͤnderlich, unvorfichtig (indiseret) und behanbelt
ſelbſt die wichtigſten Angelegenheiten als Gegenſtaͤnde
des Spaßes. Er bat beim Könige einen, von de
Pompadour ganz, unabhängigen Einfluß gewonnen,
behandelt fie oft leicht, bismeilen rauh, fagt ihn (wenn
fie von Geſchaͤften ſpricht), fie fen fo ſchoͤn mie ein
“Engel, und bat fie legten Tages «ine darauf bezuͤg⸗
liche Dentfchrift ins Feuer zu nfrfen, Nicht er, for
dern Kardinal Bernis ſchloß das oͤſterreichiſche, hier
im Allgemeinen gehaßte Buͤndniß. Es ging zum Theil
hervor aus den unvorſichtigen (indiscret) Xuferungen
Koͤnig Friedrichs uͤber die Beiſchlaͤferinn und gewiß
aus feiner Geringſchaͤtzung der Verſe des Kardinals.
Der Herzog von Choiſeul erzählte"): als ich zu
Zeit ber Belagerung von Olmuͤtz in Wien war, fügte
mir Maria Thereſia: fie wolle fi aufs Kußerſte ver
theidigen und fid) von, Stadt zu, Stabt zuruͤckziehen,
bies fie in das legte ungerifhe Dorf komme. Sie
fragte: wollen Sie. mir bis dahin folgen? Ich ante
1) Ebendafelbft, 12ten Junius. '
N
1761: Frievensunterhandt. kudwig XV, Ghoiſeul. 483
wortete:. meine perfönlichen. Dienfte flehen. Euer Ma-
jeftät bie zum AÄußerſten zu Gebote; ich kann aber
nicht bafür fliehen, ob der König mein Here fo weit
mit Ihnen gehen möchte. Was würden Euer Ma-
jeſtuͤt aber, thun, wenn Sie zu jenem Außerſten ge⸗
trieben waͤren? — Ich wuͤrde (antwortete fie) dem
Koͤnige von Preußen eine Ausforderung ſchicken, er
möge mich in: einem Poſtwagen mit Piſtolen, Pulver
und Blei auffuchen, wo wir. in Perfon. unferen Streit
entfcheiden: wollten. — Sie würde, fügte. Choffeul
binzu, the Wort gehakten haben. — Ich fagte: fie
iſt eine große Frau, eine fihöne, bezaubernde Frau;
aber ihre Gunft komme denen, welche fie damit bes
ehre,. theuer zu. fliehen. England könne eine Red
nung von 40 Millionen aufzeigen. Choiſeul lachte
und äußerte: Frankreichs Abſchluß fen ebenfalls: fehr
ſchwer.
Des Herzogs enge Verbindung mit der Pompa⸗
dour, und ſeine erſte Einfuͤhrung in das Miniſterium
des Kardinals Bernis), beruht darauf daß jener
eine andere Dame aufopferte, welche im Begriff war
mit dem Koͤnige abzuſchließen und die Stelle der
Maitreſſe einzunehmen. Ich habe gehoͤrt, daß ihm
der König in gewiſſen Augenblicken die Rolle wicht
vergeben kann, welche Choifeul in dieſer Angelegenheit:
1) Bericht vom Loſten Auguſt. Frankreich, Band: 128,
| 21*
484. Giebenundbreihigfter Abſchnitt. 18.
fpielte, und baß jenen . bisweilen die Vertraulichkeit
. (familiarity) verdrieft, mit welcher ihn diefer behan-
keit. Drei Dinge wirken aber fehr sum Vortheile
des Herzogs:
Erſtens, bedarf kein Menſch auf Erden fo fehr bes
Zeitvertreibes als der König von Frankreich. Nun
befigt aber der Herzog von Choiſeul die Gabe ihn zu.
unterhalten, und iſt der lebhaftefte und. angenehmſte
Geſellſchafter, den ich je gefunden habe.
Zweitens, verfteht er die Geſchaͤfte fo zu führen,
dag für Seine Majeftät den König die allergeringfte
perfönlihe Unruhe und Anftrengung damit verbun⸗
den iſt.
Drittens, handelt er in Seglichem was feine Macht:
und feinen Einfluß betrifft, in fo entfchloffener Weiſe,
daß er Allen die fih ihm widerfegen wollen, kuͤhn ent:
gegentritt und fie unterwirft.
Die Kaiferinn Königinn fchreibt der Pompadour
. Privatbriefe und. nennt fie darin. (da fie zur Herzo⸗
ginn erhoben worden) ihre Couſine. Als Graf Kaunig
diefen Briefſtyl der Kaiferinn vorfchlug und einige.
‚ Entfchuldigungen machte daß er eine fo große. Derab-
lafjung wünfche, gab fie zur Antwort: warum follte
ich Bedenken tragen? Dabr ih nicht Sara ge:
ſchmeichelt?
Eines Tages als Shoifeut mit der Pompadour
über den englifchen Frieden ſprach, fagte fie: fie habe
1761, Friebensunterhanbl. Lubwig XV. Gpoifeul. 485
über 'einen gewillen Punkt der Kaiſerinn Königinn
An Berfprechen gegeben, und er. antwortete: guet,
Weiberverfprehungen (Bon, "promesses de femmes).
In Wahrheit rückten aber die Sriedensunterhand:
lungen gar nicht vorwärtd; vielmehr hatten Spanien.
und Frankreich bereits am 15ten Auguft ein Angriffe:
und Vertheidigungsbiindnig gefchloffen , weiches jedoch
zunaͤchſt als ein tiefes Geheimniß betrachtet und bes
bandelt wurde. Deßungeachtet bemerkte die englifche
Megierung daß Spaniens Benehmen immer kälter und
gweideutiger werde; weshalb Lord Briftol dem fpani: '
fchen Minifter Wal die Frage vorlegte‘): ob der Hof
von Madrit fih mit den: Sranzofen vereinigen und
feindlih wider Großbritannien auftreten, oder in
irgend einer Weiſe von der Neutralität abweichen
wole. Man erwarte eine beftimmte Antwort, deren
Verweigerung man als einen Angriff und eine Kriegs-
erklaͤrung betrachten werde. |
Wall antwortete”): der Geift des Hochmuths und
Zwiſtes, melcher zum Unglüd der Menfchheit, noch
immer fo fehr in ber britifchen Regierung vorherrfcht,
hat jenen unbefonnenen Schritt herbeigeführt, des -
Könige Würde angegriffen und zugleich die Kriegser-
1) Bericht vom 29flen‘ Deeember 1761. Mitchell pa-
pers Vol. 16.
2) Ebendafelbft, Bericht vom 3Often December.
45 Siebenunddreißigſter Abſchnitt. 781.
Mörung ausgeſprochen. Ener Groellenz mögen fih
- fortbegeben , wann. und wie es Ihnen bequem ifl.
Dies. ift die einzige. Antwort, welche (ohne fie zuruͤck⸗
zuhalten) Seine Majeſtaͤt befohlen hat, Ihnen zu
ertheiln. — In London: erklärte der Tpanifche Ge
jandte: man verweigere Auskunft über den Vertrag
mit Frankveich, weit fie in flolzer Weiſe ſey geforbent
worden ; auch ‚enthalte er . ee ir.
England u. [ w.
. Unterbeffen hatte - ber portjefe Geſaudte in
London, auf den Grund genauerer Kunde über den
Inhalt jenes Vertrages '), bereits Hälfe geſucht, und
den ten Sanuar 1762 erklärte England den Krieg
an Spanien. — Mit vollem Rechte: denn bie Vor
nehnthuerei, die Borwände und Kleinigkeiten wurden
von dem mabriter Hofe nur bervorgefucht, um bie
eigene feindfelige Geſinnung, ia die. feinbfeligen Thaten
zu verdeden. Jene Weigerung auf die engliſche Au
frage eine Antwort zu geben, erinnert an ſterreichs
Benehmen im Jahre 17565 mu füßte der wiener
Hof feine Worte geſchickter, und ne, bei gleicher
Kriegstuft, doch nicht einen foͤrmlichen Bertrag wider
Preußen, ſowie Spanien in Mehrheit wider England,
selhleien.
Sp gerecht der: Krieg Englands —* Spanien
1) Bericht vom 2m Deceinber.
1761. Krieg zwiſchen Spanien und England. 487
auch ſeyn mochte, mittelbar tier König Friedrich FI
darunter; ſofern er immer weniger auf britiſche Hüte
in Deutfhiaud vehnen durfte, während bie Kriegsge⸗
fahr von Rußland amd Öfterreich her ihn immer ſtaͤr⸗
der umdrängte und das Mißverhaͤltniß feiner Außeten -
Kriegsmittel zu denen feiner Sende immer mehr an
den Tag kam. Einige vereinzelte Stellen aus Mit
chells Papieren, mögen zu en Etlaͤuterung hier
Pag finden.
Dee Tod Beorgs II (er flach den 2bften Okto⸗
ber 1760) war für König Ftiedrich kein Gluͤckefall.
Nachdem re jenen gegen Mitchell gelobt. hatte, fügte
ee hinzu: Mais vous ne savez pas peut-ttre que
feu Sa Mnjrste a eu la bonté et la magaanimite
de me pardonner des sottises que j’avais fait en
ers contre lui').
Die Ruſſen haben in Schieften alle Arten von
Braufantfeiten und Abſcheulichkeiten begangen”). —
Dan erzählt, es hätten Mißverſtaͤndniſſe und Eifer:
ſucht zwifhen dem Sfterreichifchen und ruffifchen Gene:
ralen obgemaltet; theils über die Theilung der fchleit:
ſchen Kriegsſteuernz theils aus allgemeiner Abneigung
der ruſſiſchen Officiene gegen die oͤſterreichiſchen, weil
1) Den Sten Januar 1761. Mitchell pap. Vol. 28.
2) Den 1öten — 1761. Mitchell papers
Vol. 5.
‘488 Siebenunddreißigſter Abſchnitt. 136.
die letzten eine Art von Überfegenbeit, affectiren, welche
jene nicht ertragen koͤnnen.
Am erften Oktober warb Schweidnig überrums
pet. Was dies fir Folgen haben kann, läßt ſich
gar nicht berechnen; aber ich ‚fchmeichele mir, daß der
König (deſſen Genius duch das Unglüd neue Kraft
:gu. gewinnen fcheint) im Stande feyn wird, die Ans
-gelegenheiten in Schlefien herzuſtellen.
Sm pretiifchen Heere kennt jeder Befehlshaber
eines Regiments genau die Stärke deſſelben ?). Hier:
über gehen die Nachrichten an ben König und kom⸗
‚men dann in die Hände des-Oeneraladjutanten. Den
übrigen Generalen bleiben fie hingegen ein Geheimniß;
jo daß der König und fen Adjutant allein die wahre
Stärke des ganzen Heeres genau kennen. — Der
König hat immerdar den Briefwechfel über Kriegsan⸗
‚gelegenheiten zu befchränten gefucht. Die Briefe wers
den oft angehalten, geprüft, und die Officiere für
Unvorfichtigkeiten geftraft.
Don allen Seiten kommen Nachrichten über die
großen Verwüftungen und das Elend ꝰ), welches durch
Ruſſen und Öftereeicher in Pommern, Schlefien und
ber Mark herbeigeführt if. Nicht minder erzeugen
* 1) den 10ten Oktober. CEbendaſelbſt. e
2), Den Zöften Rovember.
3) Den 2öften November.
1761: Ruſſen, Öfterreicher, riegsnoth, Friedr. Lage. 489. |
die Münzverfchlechterungen in Deutſchland unendlich
viel Streit '), Betrug und Raͤnke, gleich verderblich
‚für Herrſcher und Unterthanen.
Friedrich fühlte die ganze Schwierigkeit, ja das
faſt Verzweifelte feinde Lage, gedachte ernſtlich des
Todes, und ſchrieb am erſten December 1761 eine
Rede Kaiſer Othos nach der Schlacht bei Bedriacum
und. am achten December eine Rede Catos vor. ſei⸗
nem Zode?). — Wir find berechtigt anzunehmen : daß,
wenn er den Zod auf bem Schladhtfelde nicht gefun⸗
ven hätte, er aͤußerſten Falls ie war, ihn fi %
felbft zu geben.
Es iſt nicht nöthig .die — Gruͤnde des
Chriſtenthums wider den Selbſtmord hervorzuheben
und anzuempfehlen. Diejenigen aber, welche bie
Schande eined unmürdigen Lebens mit großer Ge⸗
müthsruhe ertragen, ‚dürfen fich in biefer Beziehung
keineswegs. ald. gute Chriften darftellen. Ja auch dies
jenigen, welche den Faden ihres inhalts⸗ und bedeu⸗
tungslofen Lebens in Ewigkeit fortfpinnen möchten,
haben kein Recht hier ein Verdammungsurtheil aus-
zuiprechen; denn fie begreifen nicht, wovon eigentlich
die Rede ift, und meſſen wefentlich Verſchiedenes mit
dbemfelben Maaße. Duo cum faciunt idem, non est
1) Den Sten December.
2) Oeuvres posthumes VIII, 26, 36.
21**
\
490 Siebenunddreißigſter Abſchnitt. 1781.
'idem. Wenn ein Spieler, ein Bankercttirer, ber
feinen fihmelgerifchen, nichtsnutzigen Lebenswandel fort:
zufegen außer Stande ift, in widerwärtiger Verzweif⸗
Iung feinem Leben ein Ende macht, fteht denn ber
auf derfelben Stelle wie Otho, Cato und Friedrich 11?
Des Königs Aufgabe war zu Ende, fobald er
nicht mehr ein König, und nicht mehr ein großer
König ſeyn Eonnte. Fuͤr feine Perfoͤnlichkeit war
ein Leben in Unehren eine vollftändige Unmoͤglichkeit.
Liegt in diefer Behauptung: daß feine Lebensrichtung
nicht vollkommen mit der chriftlichen‘ Betrachtungs⸗
und Handlungsweife zufammenfiel, fo mögen Hei:
lige deshalb über ihn zu Gerichte figen und ihn ver
urtheilen, nicht aber alte Weiber beiderlei Geſchlechts.
Wäre es der Wille Gottes geweſen daß Preußen auf
ein Meines Kurfuͤrſtenthum ohne Geiſt und Kraft
haͤtte herabgebracht werben follen, fo war Friedrich
nicht der Dann, das ewige Einerlei der engen Be
wegung zu leiten; ein Anderer nur konnte dieſe Auf:
gabe Löfen. Deshalb Iegt er Cato die Worte in den
Mund: .
Le sage avec me£pris voit la mort sans la craindre.
Louez mon action, gardez vous de me plaindre.
Quand on voit sa patrie et ses amis perir,
Un lache y peut survivre, un heros doit mourir!
Do, in den Büchern ‚des Schickſals war es
anders befchloffen. Der edle König, der fein ganzes
-
na Tod Elifabeths, 91
Reben feinem Wolke widmete, dee es ihm opfern wollte,
foute nicht unbelohnt von dem Schauplage feiner Thaͤ⸗
tigkeit abtreten; fondern diejenige ward endlich abge⸗
rufen, weiche nur zu lange nicht nur ein unmürdiges
Leben für ihre Perfon gefuͤhrt, fondern auch ihr Volt
unverfiändig beherrſcht, und Preußen thörichterweife
befriegt hatte. Den 5ten Januar 1762 ftarb bie
Kaiferinn Eliſabeth von Rußland.
Achtunddreißigſter Abſchnitt.
Die Kaiſerinn Eliſabeth (ſchreibt Keith den Sten
Januar)!) ward letztvergangenen Sonnabend bes Abende
unit einem heftigen Blutfluß, oben und unten, bes
fallen, und von dem Augenblide, verzweifelte men
an ihrem Leben. So ſchwach fie auch war, behielt
fie doch ihre Sinne; als fie geſtern aber fuͤhlte, daß
es mit ihr zu Ende gehe, ſchickte ſie nach dem Groß⸗
fuͤrſten und der Großfuͤrſtinn, nahm von ihnen mit
geoßer Zärtlichkeit Abſchied, und ſprach zu ihnen über
einige Gegmflände, mit großer Geiftesgegenwart und
1) Rußland, Band 71.
\
—
— -
492 Achtunddreißigſter Abfhnitt. 1762.
Ergebung. Sobald fie diefen Nachmittag um zwei
Uhr geſtorben war, ſchwuren die bereits verfammelten
Senatoren und Neichsbehörden, fowie die Leibwachen
dem Kaifer Peter II. Alles ging vorüber mit der
größten Ordnung und Ruhe.
Drei Tage fpäter fährt Keith fort‘): ſchon dem
7ten Januar ‚nahmen die neuen Herefcher die Gluͤck
wünsche der Gefandten an, worauf ein Mittagsmahl
von 100 Perfonen folgte, zu welchem Alle (mit Ein:
fhluß des Kaiſers und der Kaiferinn) die Pläge zo⸗
gen. Der Kaifer kam zu mir und fagte mir: Lächelnd
ins Ohr: ich hoffe, Ste werben jegt mit mir zufties
den feyn, denn ich habe in der Nacht Couriere zu
den verfchiedenen Heeresabtheilungen abgefchidt, mit
dem Befehle, nicht weiter in das preußifche Gebiet
einzuchden und ſich aller Feindſeligkeiten zu enthalten.
Auf die Bemerkung Keith: er brauche Geld;
ftelite die englifche Regierung 100,000 Pfund zu ſei⸗
ner Verfügung und ließ ihn muͤndlich wiffen, wozu
er fie verwenden folle ”).
Den 12ten Januar fährt Keith fort”): Alles gebt
gut. Der. Kaifer macht Fein Geheimniß daraus, daf
er mit Preußen Frieden fchließen will, legt feine Ab:
1) Bericht vom Sten Januar. Ebendaſelbſt.
2) Den 6ten Februar. Ebendaſelbſt
3) Ehbendafelbft.
1962. - Peters I Regierung. ° 493
neigung gegen Frankreich, fowie gegen Alles zu Tage,
was Ddorther kommt. Deshalb hat er auch die fräns
zoͤſiſchen Schaufpieler ganz aus feinen Dienften ente
laffen. Was die innere Regierung des Meiches ans
betrifft, fo benahm ſich der Kaifer bis jegt fo, daß
gr mit Recht die Liebe und Achtung feiner Untertha⸗
nen gewann. Er hat feine Gunft würdigen Perfonen
geſchenkt und niemand beftraft. Selbft die Wenigen,
weiche ihre Stellen verloren, wurben dabei aufs Hoͤf⸗
lichfte behandelt. Der alte Leſtocq, gleichwie einige
Andere, find frei gelaffen worden. Der Kanzler Wo⸗
vonzom ſteht in hoͤchſter Gunſt, und Graf Gallizin
iſt zum Vicekanzler ernannt.
Alte Geſchaͤfte gehen hier jest ſchneller denn zu⸗
vor). Der Kaiſer nimmt ſelbſt daran Theil und
ertheilt die Beſcheide auf den Grund von Berichten
der verfchiedbenen Negierungshehörden. Auch auf die
auswärtigen Verhandlungen läßt er fi, ein und ent:
ſcheidet. Lesten Donnerstag ging er zum erften Male.
feierlich in ben Senat und erklärte: der ruffifche Adel
folle frei und eben fo- geftellt ſeyn, wie der Adel in
anderen Laͤndern Europas, mit der Erlaubniß, nach
Belieben in Dienſte zu treten oder nicht, und ohne.
irgend einen Zwang irgend. einer Art. Nur zum Ein⸗
tritt in fremde Dienfte fey die Erlaubniß des Kaifers
1) Bericht vom 3Often Januar. Ebendaſelbſt.
494 Achtunddreißigſter x*bfſchnitt. 1162,
oder feiner Nachfolger erforderlich — - Euer Herr⸗
kichkeit koͤnnen fich vorflellen, mit weiches Erflaunen
und Vergnügen der Adel diefe unerwartete, koͤnigliche
Gabe empfing, und mit welcher innera Genugthuung
er ſich plöglich aus Sklaven in freie Leute, ja in
wirkliche Adelige (gentlemen) verwandelt fah.
" Auch für die Armen hat ber Kaifer duch Dem
. minderung ber Salzpreife geforst. .Diefe Handlungen
des Edelmuths und der Großherzigkeit muͤſſen ihm
die Herzen der Unterthanen gewinnen, und zugleich
dem Charakter des Kaiſers in den Augen von ganz
Europa die böchfte Achtung erwerben.
Über den König von Polen ſprach der Kaifer ge
ringſchaͤtzzig und fehr beleidigend gegen ben Grafen
Brühl, Er nannte Kaunitz, Beſtuchef und Bruͤhl
die drei großen Branbftifter ia Europa.
Es ſcheint nicht, daß die Kaiferinn irgend großen
Einfluß beſitzt), und die Graͤfim Eliſabeth Weron⸗
zow (die Nichte des Kanzlers) miſcht ſich, wie ich
glaube, nicht in die Geſchaͤfte, obgleich ſie auf dem
Fuß einer erklaͤrten Beiſchlaͤferinn des Kaiſers lebt.
Graf Leſtocq (obgleich 74 Jahr alt und 14 Jahre
lang ein Verbannter und Gefangener)?) hat die Leb-
baftigkeit eines Mannes von 25 Jahren - zurüdige:
1) Den 30Often Sanuar. Ebendaſelbſt.
2) Den 12ten Februar. Ebendaſelbſt
\
1762, Rußland, Preußen, Englant. 495
bracht. Auch Muͤnnich, Vater und Sohn, find frei
gelaffen,;, und man faßt Hoffnung Be bie Familie
der Biron.
Die Thronbeſteigung Peters UL war für Fries.
deich II, ein’ unfchägbarer Gewinn. Doc, blieb dieſer
im erſten Augenblick uͤber den Gang der ruſſiſchen
Politik in einigem Zweifel, und gerieth faſt um bie
felbige Zeit in Mißverbältniffe zu England. Das
Nähere ergeben folgende Auszüge aus Mitchells Be
sichten und Papieren.
Nach Pitts Abgang, unter der Leitung des Lords
Bute, beginnen unangenehme Verhandlungen über
Zahlung der Hülfsgelder, Separatfrieden u. f. w.').
So 3. B. that das englifhe Minifterium, als habe
Friedrich U befondere Friedensunterhandlungen mit
Öfterreic angefangen; wofür ſo gar keine Beweiſe vor:
liegen, daß man es wie einen bloßen Vorwand be=
trachten darf. Deshalb fchreibt Mitchell den Z1ften
Januar: bed Könige Abneigung. gegen ben wiener
Hof ſteigt mit feinem Unglüde fo fehr, daß manche
feiner Handlungen mehr aus Leidenfchaft und Rad:
fucht, als aus Vernunft und in herzu⸗
ruͤhren ſcheinen.
Waͤre ich weniger bekannt mit dem Charakter des
1) Berichte vom 12ten und 21ften Januar. Mitchell
papers Vol. 6.
4060 Achtunddreißigſter Abſchnitt. 1982
Koͤnigs von Preußen, und naͤhme ich blos Ruͤckſicht
auf die verzweifelte Lage feiner Angelegenheiten, ſo
müßte ich nothwendig ſchließen: er werde durch jedes
Mittel ſuchen Frieden zu ſchließen, um ſich und ſeine
Familie von den drohenden Gefahren zu erretten. Ob⸗
gleich ich ferner den König von Preußen keineswegs
für fo. überängftfich halte, daß er ſich (wenn es zu
feinen Zwecken dient) nicht auf die obmaltende Nothe
wendigkeit berufen follte, befigt er. doch zu viel. Ver
fand, als daß er den Verluſt feines einzigen Ver
bündeten, feiner einzigen Stüge wagen follte, um eines
thörichten Verſuches willen: — nämlich, ohne Kennt:
niß und unter Ausfchliefung Englands, mit ſter⸗
reich - zu. unterhanbeln..
Unnterdeſſen war. die Nachricht von dem Tode der
Kaiferinn Elifabeth eingegangen, und Mitchell fchreibt:
Graf Zintenftein hält es für unmöglich zu beftims
men, welchen Weg der ruſſiſche Hpf einfchlagen würde.
Der Großfürft und die Großfuͤrſtinn hätten zeither
‚ freundfchaftlihe Gefinnungen gegen den. König von
Preußen dargelegt; ob aber biefelben nad) ihrer Thron⸗
befteigung fortdanern wuͤrden, koͤnne man noch nicht
wiſſen. — Ich muß fürdten (füge Mitchell hinzu),
daß des Königs lebhafte Einbildungskraft (welche ihn
gewöhnlich zu weit führe) ihn bei diefer Gelegenheit
‚dahin -biingen wird, alle Friedensgedanken aufzugeben,
wenn er anders fie in Bezug auf Öfterreich hatte.
1762. - Preußen und Rußland. 497
‚Der englifhe Gefandte Keith in Petersburg er:
bielt wiederholt den Befehl, für Preußen: zu wirken.
Seyn Sie (fchreibe ihm Mitchell), wenn Sie hieher
berichten, fo genau und umſtaͤndlich als meglich, fos
wol über Dinge als Perfonen. Sie Eennen bie un⸗
erfättliche Neugier des Königs von Preußen.
Dieſe Neugier war, bei feiner Lage, in ber That
hoͤchſt natürlich. Denn die von ihm ertheilten An:
weifungen ergeben, wie gefagt,. daß er nicht mußte, .
welche Wege. der ruffifche Hof einfchlagen werde. Zu
den Gluͤckwuͤnſchen find bios allgemeine. Wünfche und
Vorfchläge hinzugefügt, den Krieg zu enden. Le roi
(heißt e8 unter Anderem) souhaiterait que Monsieur
Keith faisant ce compliment à l’Empereur y ajou- .
tait adroitement que Sa Majests le regardait tou-
jours comme son ancien ami qui m’avait pris au-
cune part à l’origine des troubles presens, et que
les sentiments da Roi n’ayant jamais varie A son
égard, il serait charmé de pouveir mettre fin aux
differens -etc. Que Sa Majeste desirerait que Mon-
sieur Keith fit non seulement le möme compli-
ment à l’Imperatrice de Russie, mais qu'il s’eten-
dit encore plus particulierement envers cette prin-
cesse sur les sentimens personnels d’amitie et de
confiance pour elle sur le fonds que Sa Majests
faisait toujours sur les siens, et sur la persua-
sion od le Roi était, quelle se ferait un plaisir
208 Achtunddreüßigſter Abſchnitt. 1362.
de ooncowir sux meycm *e tenniner cette pre-
sent guerre.
Um dieſelbe Zeit ſchricb griedeich U (ten 22ften
ZJannar 1762) dem Könige von Enyand'): Men-
sieur mon frere! La iongueer de la campagne
derniere et differentes fatalites surrenus Je suite,
mont empeche d’6crire plıwöt a Votre Maujeste.
A present voila VInmeratrice de Bussie morte et
le Grad Duc, yui m’a temoigue en tonte oe-
casion de Yamitie, est sur le troue (tremne). Je
suis persuad6 que pour pea que Monsieur Keith
sache profiter de ces circonstances, il en pourta
tirer um parti avantageux. Pour moi je ne deufe
pas que cette annde ci ne soit plus. heurense que
les pr6o6dentes et ne mous mette en «tal d’obliger
nos ennemis à des comditiens de paix plus hono-
rables pour nous, que des lois arrogantes qu’elles
veulsient nous pröscrire, La declaration de guerre
des Espagnols est, selon moi, avantageusp a l’An-
gleterre, en ce que la grande superieriie de ia
flotte britannique triemphera des Kspagneis, comme
_ des Frangais,
Quelle gloire pour le regne de Votre Majentt
de rendre par ia sa nation dominairice (domina-
trisse) des mers, sans confralietions, ei à nous
1) State Paper office. Royal letters Vol. 17.
1762. Peter MI und Friedei DM. 43
tous d’avoir resiste et de nous: ötre somtenns con-
tre les forces reunies de toute !’Europe. 1 n’mst
question que d’un peu de constance et de fermete
pour terminer cette Tuneste guerre à l’avaninge de
V’Angleterre et de ses allies. Mais ıl faut pers⸗
zerer jasqu’au bout. de veis eneere des difhoultes
sans nombre. Klles m’encouragent au ken de me
. rebater, par l’esperanee de les vainere. Personne
“se premd plus dintsret que moi à la gleire et à
da prospert6 de Votre Majeste. Je In prie d’en
&re oonvaincue, aussi que de ia haste estime
avec laquelle je suis’ etc,
Endlich langte ein Schreiben Reiche und ein
Screiben Peters I fir Friedrich am, woraus die
völlige Umſtelluug der cuffifchen Politik und des Kai⸗
fees Freundſchaft für den Koͤnig hervorging '). Ich
hätte (Schreibe Michel) gegenwaͤrtig ſeyn mögen, als
der Koͤnig Keiths Brief las, um zu fehen, welche
Wirkung er auf ihn hervorbrachte. Ich glaube, dies
iſt der einzige Brief, den er vielleicht je erhielt,
welcher feine Erwartung übertraf und ſeldſt Uber Die
Macht feiner Einbildungskraft hinausging. Sch be
trachte dieſe große und unerwartere Begebenheit als
einen Beweis, daß bie Worſehung in biefer Stunde
1) Beriht vom a und 3iften Ranuar 1762. Mit-
chell papers Vol. 6,
500 Achtunddreißigſter Abfchnitt. 1762.
der hoͤchſten Gefahr — iſt, den König zu
erretten.
Den Aten Februar ſchrieb Friedrich u dem Gra⸗
fen $intenftein '): Monsieur Mitchell est prie d’a-
vertir Monsienr Keith de ne pas trop reidir eontre
le .nouvel Empereur :dans ses’ vues qu'il fait re-
‘margner contre les Danois. Vous savez qu'il n'y
a rien plus pressant. que de nous reconcilier au
plus promptement avec la Russie, pour nous reti-
.* rer da bord da preeipicee. Si Monsieur Keith
s’opposerait trop dans ce moment aux vues de
l’Emperear à cet egard, on le revolterait et ris-
querait a l’aigrir et de gäter tout des le commen-
cement, et nos ennemis profiteraient pour len-
trainer dans leur parti en. lui prometfant tout. H
y a des moments pour fout; pour le present nos
alfaires sont ce qu'il y a de plus pressant, le
temps pourra amener le. reste.
Einem anderen Briefe an Mitchell über die rufs
fiihen Angelegenheiten, hatte Sriedrih eigenhändig
hinzugefügt ?): Voila un cheralier (Kaifer Peter
batte den ſchwarzen Adlerorden gewünfcht und bekom⸗
men) bien singulier qui nourrit 80000 hommes &
mes .depens. C’est le seul de mes chevaliers qui
1) Ebendaſelbſt.
2) Den 17ten Februar. Cbenbafelbft.
1362. Butes Politik. .- 501
se. domne cetie libert& la, Si chacun de ceux de
la jarretiere en faisait autant, votre Angleterre
(toute l’Angleterre quelle est) .seroit mängee. Je
vous. prie de rendre mon chevalier. plus docile, et
de. lui apprendre que c’est contre linstitut de Vor-
dre, qu'un chevalier mange son grand maitre.
Diefer Scherz zeigt Friedrichs gute Laune; doch
klagt Mitchell") daß der König: nicht immer! vorfichtig
fehreibe und bisweilen in Briefen an Gelehrte (be
ſonders an d'Argens), welche umhergezeigt wuͤrden,
politiſche Mittheilungen - made. Die preußiſchen
Miniſter wären (ungeachtet Mitchells Andringen) . zu
futchtſam, dem Könige hierüber Vorftellungen zu machen.
Nachdem Bute und Örenville an ber. Spige ber
englifhen Verwaltung flanden, zeigte fich meniger:
Kriegsmuth und Standhaftigkeit ale zuvor. Man.
machte den König von Preußen darauf aufmerkfam,.
wie. nöthig es fen. ſich mit Öfterreich auszufähnen 2).
Hiezu bot fih, fo lange Eliſabeth Iebte, gar keine.
“ Gelegenheit. Kaum aber hatte deren Tod den König
aus. der größten Moth geriffen,- fo fehrieb Bute bereits
an Keith nach Petersburg’): Mitten unter dieſen
1) Den 2Sften Februar Ebendaſelbſt.
2) Schreiben vom dten Januar und 6ten I BSLUNE: Mit-
a papers Vol. 17,
" 3) Den 26ften Februar. Rußland, Band 71.
502 Achtunddreißigſter Abſchnitt. 1762.
gluͤcklichen Erfcheinungen kann der. König von Eng⸗
kond aur eine Beſorgniß hegen, daß naͤmlich Peters
geoße Freundſchaft für Friedrich jenen zu Maaußregeln
vorleiten wied, weiche dieſen kriegeriſchen und: ehrgei⸗
zigen Fuͤrſten zum Fortfetzung ber: Feindſeligkeiten er⸗
muthigen koͤnnten, waͤhrend England uͤber Alles wuͤnſcht,
ihnen ein: baldiges Ende zu machen. — Ihre Mei:
nung, daß die Kaiferinn umten der gegenwärtigen Ne⸗
gierung keinen guoßen Einfluß: haben. dürfte, war une
bier. fehr unermartat J
Die Art und Weiſe, wie Bute unbiplomatiſch
feine Sriedenafehnfucht darlegte, gab den: Gegnern: nur
neuen Much; ja Öflerreih lehnte darauf: bezuͤgliche
Mittheitungen ganz a Die Kaiſerinn Koͤniginn
(ſchrieb Kaunitz)) und: ihre Miniſter können nicht,
begreifen, was die fogenannte vertrauliche Wittheilung
Engtands eigentlich bedeuten ſoll; weshalb leicht zu.
begreifen, daß man ſich bier außer Stande befinde,
darauf eine Antwort zu ertheilen.
Unter diefen Verhaͤltniſſen ſchrieb Friedrich, den
12tn Mir; 1762, aus Breslau dem Könige vor .
Engtand: Momsieur mon fvere! Les newvelles qui
‚viennent de Petersbourg depuis la mert de P’lm-
peratrice sont si favorables que je les commmni-
que avec joie a Votre Majeste.. Le nouvel Empe-
1) Den 3ten März 1762. Mitchell papers Vol. 17.
_
1762. ‚Friedrich N on der König von Englem. 503
reur est entierement. dispese à Ian paix. Les seine
de. Mansieur Keith omt beaucoup contribue à en-
tretenir cette dispesitien avantagense. Jai envey&
ke Baron Goltz & Petersbourg peur cemplimenter
ce prince sur san avenement au trone, et il est
en me£me tems charge de plein pouveir pour si-
guoer la paix, si PEmpereur y consent. Cette ne-
geeiation passe par les mains de Monsieur Keith.
Kängleterre n’a point et& en: guerre avec la Rus-
sie, ei les imterets de Votre Majesté ne penvent
rien souffrir de cette paix; de sorfe que je: n'’ai
aucun reproche a me faire, et je me suis meme
perenade qu’elle sera bien aise de cei @venement.
Vailä la guumde allianee separdey c’ent un wem’
grand artiele, si avec cela nous parrenons it pous-
ser la. oaur de Vienne vigoureusement; it faudra
hien quelle prenme enfin des sentimens plus ma-
deres, quelle wien a marqué jusqu'iei, ef son can-
aentiment & la paix entrainera infaillöblemens eelle
de e Frane.
Yai negarde de tout temis ia Reine d’Hongrie
pour la premotrice de. la guerre presente, et Vetre
Majeste verra que la guerre ne finira que lorsque .
cette princesse commencera à craindre pour ses
propres 6tats. — Je souhaite d’aveir toujours des
nouvelles agreables a marquer à Vortre Majeste;
je la prie cependant de eroire que persenne ne
504: Achtunddreißigſter Abfchnitt. - 1968.
prend plus que moi.de part a ses interöts, etant
avec le plus grand attachement, Monsieur mon
‚frere, de Votre Majeste le bon fröre, Federic.
Diefe und ähnliche Vorftellungen Friedrichs ſtimm⸗
ten jeboch das englifhe Minifterium nicht günftiger.
Bute beklagte fih, daß der König in Petersburg
unterhandele, ohne England genau in Kenntniß zu
fegen '). Daffelbe hatte England indeffen hinſichtlich
Frankreichs gethan; auch war es natürlich, daß Fried:
rich vor Allem feine perſoͤnlichen Verhättnifie zu ‚Pe-
ter benugen und von Bute ſich nicht wollte Richtung,
Maaß und Biel vorfchreiben laſſen.
Hierauf erklärte Bute?): das. Parlament werde
dem Könige in diefem Jahre kein Gelb bewilligen;
doch fey dies nicht Folge böfen Willens, ſondern der
Nothwendigkeit. Auch Hätten fich die Verhaͤltniſſe
Friedrichs fo gebeffert, daß man ihn an feine frühere
Erklärung erinnern koͤnne: er wolle nur im dußerften
Falle der Noth Geld nehmen und feinen Verbündeten
zur Loft fallen’). Überhaupt babe Frankreich nur
wegen Friedrichs Schildechebung, den Krieg wider
Deutfchland begonnen; England habe den deutfchen
‘
1 Schreiben vom 9ten April. Mitchell papers Vol. 17.
9 Schreiben vom 26ften Mai. 'Ebendafetbft.
3) Schreiben vom Siften Auguft. Ebendaſelbſt.
‚1762. Friedrich II und Englant. 505
Krieg nur für Preußen geführt und die größeren das
fie getragen u. f. w.
In Bezug auf diefe Behauptungen lͤßt ſich bes
merken:
Erſtens, war Friedrichs Lage keineswegs ſo ge⸗
beſſert, daß um deswillen nicht jedes Mittel fuͤr den
Krieg waͤre zu benutzen geweſen.
Zweitens, beruhte Friedrichs Forderung der Sub:
fidien auf Verträgen, und was Bute unmöglich oder
nothwendig nannte, hätte Chatham wol nicht fo be:
zeichnet.
Drittens, ben Krieg in Deutſchland fuͤhrte Frank⸗
teich weſentlich gegen Hannover und ‚England, und
Preußen trug fieben Jahre lang verhältnigmäßig die
größeren Laſten. |
Sn diefer Lage ſchrieb Friedrich den 17ten April
1762 an Mitchell): Les rois, les princes’et les
empereurs sont, je crois, convenus de faire tour-
ner ma pauvre tôte; avec cela, mon cher Monsieur,
on ne pense ni librement ni gajement, mais tri-
stement et misanthropiquement.
Er ſchrieb an d’Argens*): tout ce qui se passe -
en Russie n’a pu ôtre prevu par le comte de
1) Mitchell papers Vol. 40.
2) Den 19ften Junius 1762. Oeuvres posthumes
X, 258. *
II. 22
506 Ahtundbreißigiter Abſchnitt. . 1762.
‘ Kaunitz; tout ce qui s’est passe_en Angleterre, et
dont Vous ignorez ce qu'il y a de plus odieux,
.n’a pas pu entrer dans mes combinaisons.
Den 20ften Mai 1762 fchrieb der König weiter
an Mitchell‘): Je ne donte point de vos bons et
‚konnetes sentimens, mon cher Monsieur Mitchell.
Je souhaiterais que tout le monde pensait de meme;
le monde n’en serait que plus heureux et les,
hommes plus vertueux. La fortune commence à
ebanger à mon &gard, je souhaite quelle continue
jusqu’a la fin de Fannee. Alors nous parviendrons
cet hiver ä une paix honorable et, il plait à
Dieu, durable..
Ob diefe Hoffnung in Erfüllung gehen werde,
hing wefentlich von Rußland ab. Hier aber ereigne:
ten fih Dinge, welche Friedrich fowenig wie Kaunitz
vorherfehen konnte.
PIE ISERRERN:
1) Mitchell papers Vol. 40.
1762. ; Rußland. Peter II 57
Neununddreißigſter Abſchnitt.
Zur Erläuterung der wichtigen ruſſiſchen Begeben⸗
heiten gebe ich Auszuͤge in chronologiſcher Folge, welche
ſelbſt durch ihren bunten Wechſel doppelt lehrreich
werden.
Des Kaiſers Geburtstag (ſchreibt Keith)“) ward
am 21ften Februar prachtvoll gefeiert. Man zaͤhlte
140 Säfte. Nur die Kaiferinm fehlte, fie hat einen
Fluß im Geficht und ein leichtes Fieber.
Der wiener Hof bezeichnete Peters Maaßregeln
gegen Preußen als einen übereilten Schritt, und
nannte Friedrich U den Erbfeind Rußlands ?).
Der Kaiſer ſagte: dieſer Ausdruck ſey in Bezug auf
Rußland thoͤricht, auch habe er feine Meinung nicht
geaͤndert, ſondern dieſelbe von jeher ausgeſprochen. —
Öfterreich bot ferner Gerd und Hülfe gegen Däne-
mark. Der Kaifer antwortete: Geld brauche er nicht,
und feine Fehden hoffe er allein zu beenden, ober er
wolle lieber wo anders als in Wien Beiltand ſuchen.
— So weit ih ein Uetheil Über des Kaiferd Natur
fällen kann, iſt es nicht rathſam, ihm bei feiner Leb⸗
1) Bericht vom 28ſten Februar. Rußland, Band 71.
2) Bericht von demſelben Tage. Ebendaſelbſt.
22 *
°
608 Neununddreißigfter Abſchnitt. 1762.
haftigkeit zu toiderfprechen, fondern durch ſcheinbare
Beiſtimmung vielmehr Zeit zu gewinnen. Da der
Kaiſer vernünftigen Gründen (befonders wenn fie von
Freunden kommen) Gehör giebt, fo kann man ihn
auf diefe Weife wol von übereilten und heftigen
Maafregein abhalten. — Die Kaiferinn bat wenig
Einfluß. Ja es iſt jegt allgemein befannt, daß fie
nicht, allein in Gefchäften nie befragt wird, fondern
daß es auch in Privatfachen kein erfolgreicher Weg
ift, wenn man fi an fie wendet’).
Des Kaiſers Freundfchaft, ja ich muß fagen,- feine
Leidenſchaft für den König von Preußen geht über
allen Ausdrud, und er wuͤrde ſich augenblids ganz
abwenden, wenn er ben geringften Schein einer Gleich:
guͤltigkeit gegen deſſen Intereſſen gewahrte ?).
Der Kaiſer hat alle Kloſterlaͤndereien im Reiche
der Krone zugeſprochen, und zum Erſatz den Erzbi⸗
ſchoͤfen, Bifchöfen und Äbten gewiffe Summen an:
gewiefen, fowie Jahrgelder zum Unterhalte der Moͤnche
ausgefegt ). Der Kaifer hat ferner die berühmte
(famous) Leibcompagnie aufgelöfet und den Gliedern
die Wahl gelaffen, mit ihrem Range ins Heer ein»
1) Bericht vom 19ten März. Ebend.
2) Beriht vom 19ten März. Ebend. Mitchell pa-
pers Vol. 22. "
3) Bericht vom Iten März. Rußland, Band 71.
U
\
ı 1762. Peters Sturz. 500
zutreten, ober ſich auf halben Sold zutüchusiehen.
Nicht ein halbes Dugend bat den erften Vorſchlag
Angenommen.
Der Kaiſer fah Iwan I, und fand ihn zu einem
Manne herangewachſen, aber in einem Zuſtande von
Geiſtesſchwaͤche (Imbecihity) '). - Sein Gefpräch war
unzufammenhängend und’ wild. Er fagte unter an:
desen Dingen: er fen nicht der, wofür man ihn aus:
gebe. Jener Prinz fey Yängft in ben Himmel auf:
‚genommen; doch wolle er bie Anfprüche ber Perfon
aufrechthalten, deren Namen er trage.
Unwürdige Günftlinge, meiſt den Franzoſen erge:
ben, gewinnen bei dem. Katfer immer mehr Einfluß‘).
— . Die Wegnahme der - Kirchenländerelen bat im
Reiche die größte Unzufriedenheit erzeugt. Die Kai:
ferinn zeigte ſich an ihrem Geburtötage (den 2ten
Mai) umd nahm Cour an, kam aber nicht in eine
Abendgefelfichaft beim Kaifer. Den 11ten Mat aßen
jedoch beide zufammen in einer großen Gefellfchaft ’).
Der oft kranke Woronzow verliert an Einfluß,
und fein Gehülfe Wolkow. erhätt ſchon deshalb alle
1) Bericht vom 16ten Xpril. . Mitchell papers Vol. 22.
2) Berichte vom -23ften April und 6ten Iunius. Ebene
daſelbſt.
3) Bericht vom Aten Mai. Den 20ften April galt die
Kaiferinsi noch für krank. Rußland, Band 71.
SO Neununddreißigſter Xbfhnitt. 17962.
Geyalt, weil er dem Kaiſer nie widerfpriht '). Die
Klagen über Einziehung ber Klofterlänbereien verbops
pein ſich, ſeitdem der Kaiſer befohlen bat, die Söhne
der Priefter im Deere anzuflellen. Kloſtergeiſtliche
und Weltgeifttiche ſtimmen überein in ihren Be:
ſchwerden.
Den 22ften Junius hielt der Kaiſer eine par:
Heerſchan und befehligte mit dem Sponton in bes
Hand 2). Die Kaiferinn fah aus einem — zu;
ein großes Feſt beſchloß das Ganze.
Obgleich diefe Bruchſtuͤcke das anderweit Bekannte
betätigen, wird man body (gleichiwie ber Geſandte Reich)
duch die nächften Ereigniffe uͤberraſcht. Er fchreibe
den 12ten Julius: Vergangenen Freitag Morgens um
neun Uhr, als ich mic, vorbereitete zum Kaifer nad)
Deterhof zu gehen, flürzte einer von meinen Dienern er
ſchrocken in.mein Zimmer und fagte: am anderen Ende ber
Stadt fen ein großer Aufruhr, und die verfammelten Leibs
wächter fprächen von nichts Geringerem, als den Kais
fer abzufegen. Eine Biertelftunde fpäter erhielt ich
- die Nachricht: die Kaiferinn fey in der Stadt unb
von aller Mannfchaft zu ihrer Herrfcherinn ausgerus
fen worden. Sie befinde fich in der Kaſanskaikirche,
um ein deshalb angeflimmtes Tedeum anzubscen.
1) Bericht vom Tten Junius. Ebendaſelbſt, Band 72.
2) Bericht vom 22ften Junius. Ebendaſelbft
N
. 2362, Peters Sturz. sl
Die Soldaten und bie Ben bitten ihr ſchon
ſaͤmmtlich geſchworen.
Dieſe uͤberraſchende Revolution iſt in weniger als
zwei Stunden zu Stande gebracht worden, ohne alle
Gewaltthaten und ohne einen Tropfen Bluts zu vere
gießen. Alle Theile der Stade (insbefondere diejeni⸗
gen, welche nicht dem Palofte ganz nahe liegen) blie⸗
ben fo ruhig, als fey gar nichts gefchehen. Das
einzig Neue wad man fah, maren einige Poflen an
den Brüden aufgeftellt, und einige Reiter, welche zur
Erhaltung der Ordnung durch die Strafen ritten.
Sobald die Leibwachen des Morgens verfammelt
waren, ſchickte man einige Abtheilungen auf ben Weg
nach Peterhof, damit dem Kaifer gar keine Nachricht
zukomme; welcher Befehl auch fo genau vollzogen
ward, daß niemand hindurchkam, den Stallmeifter
Nariſchkin ausgenommen.
Ewa um zehn Uhr Abends ſtellte ſich die Kaiſe⸗
tinn- zu Pferde. ‚an die Spige von zwölf bis vierzehn
taufend Mann und einer großen Zahl Kanonen, und
ſchlug den Weg gen Peterhof ein, um den Kaifer
dafelbft oder in Dranienbaum anzugreifen, oder wo
fie ihn fonft finden würden. Des folgenden Wache
mittags traf die Botfchaft ein: er habe feine Perfon
ergeben und ohne irgend Widerſtand zu leiſten, der
Krone entfagt.
dolgende Nachrichten über diefe — Begebenheit
512 Neununddreißigſter Abſchnitt. 1762.
find mir als authentiſch mitgetheilt worden, obgleich
ih nicht jeden einzelnen Umſtand verbuͤrgen kann.
Schon feit längerer Zeit warb der Anſchlag betrieben,
die Ausführung aber befchleunigt, indem einer der
Verſchworenen zwei Tage zuvor war verhaftet worden,
weil er einige übereilte Worte. ausgefprochen hatte.
Aus Furcht, entdeckt zu werben, befchloffen die Übri⸗
gen fogleih Hand ans Werk zu legen. Sie fchidten
deshalb Heren Orlow (einen von drei Brüdern, welche
als Dfficiere bei der Leibwache ftehen) zu der Kaifes
tinn, um ihr jenes Ereigniß zu erzählen und ihr die
Nothwendigkeit ihrer eiligen Nückunft nad) Peters:
burg vorzuftellen. Orlow langte zwifchen drei und
vier Uhr des Morgens in Peterhof an, erhielt Zutritt
zue Schlaflammer der Kaiferinn und gab ihr Nach⸗
ticht von ber fie bebrohenden Gefahr. Sobald fie
. angekleidet war, entwich fie unter Orlows Leitung
aus einer Hinterthüre des Palaſtes, umbegleitet von
irgend einem Diener oder einer Dienerinn. Nach ei:
nigen Bufällen und mit höchft ermübdeten Pferden
tamen ſie um ſechs Uhr zur Stadt, und gingen um:
mittelbar zu der ismailomwfchen Leibwache, welche ber
reits unter Waffen fland und mit dem Oberſten Ras
ſumowsky an der Spige, die Kalferinn ‚gern aufnahm.
Sie. fand diefelbe Bereitwilligkeit bei dem ſemenows⸗
kyſchen und preobrafinstyfchen Regimente, und führte
Ale zu dem Palaſte, wo das ſchon Erzaͤhlte geſchah.
1762, Peters Sturz. 2 513
Das Regiment der Reiterwache, beffen Oberft
Prinz Georg war, gehörte zu den erflen welche fich
empörten und zeigte den größten. Haß wider feinen
Befehlshaber und _die vorige Regierung. Die gefammte
Mannfchaft leiftete ohne alle Zögerung bie neuen Eibe,
einige Dfficiere von dem Küraffierregimente des Kal
ſers allein ausgenommen, welche ſich Anfangs deffen
weigerten. Auch find, wie ich höre, Einzelne noch
in, Arreft, weiche auf ihrem Widerſpruche beharren.
Der Kaifer hatte nicht die geringfle Nachricht und
nicht den geringflen Verdacht über bie ganze Sache.
Erſt zwifchen eilf und zwölf, als er auf dem Wege
von Oranienbaum nach Peterhof war, . traf ihn ein
Bote Nariſchkins, der ihm Kunde gab, wie die Sa:
hen in der Stabt fländen. Peter begab ſich nach
Peterhof und hörte bier, daß die Kaiferinn entwichen
fey ; welcher Umſtand bis dahin verheimliht war,
weil ihre Kammerfrauen behaupteten, fie fey unwohl
und liege zu Bette. : Don diefem Augenblid gab ſich.
der Kaifer ſelbſt für verloren, und unter ber geringen
‚Baht feiner Umgebungen war nichts ald Verwirrung
und Verzweiflung. Erſt Abends fpär ward. ein Ber
ſchluß gefaße: der Kaifer beftieg mit all feinem Ge-
folge, Männern und Frauen, eine Galeere, welche
vor Peterhof lag, und man ruderte nach Kronftadt
hinüber, in dee Hoffnung, man werde dafelbft freund⸗
liche Aufnahme finden.
a
514 Reunundbreißigfier Xhfhnitt. ITEZ,
Beauftragte der Admiralität aus Petersbutg wa⸗
ven bafelbft aber bereits angelangt. Deshalb vermei-
gerten die Befehlshaber dem Kaiſer (obgleich er fid
namenkundig gab) nicht allein die Aufnahme, fondern
drohten auch, fein Schiff in den. Grund zu fchiefen.
Dies erhöhte die Verwirrung. und Verzweiflung, und
die Galeere begab ſich mit. anderen Booten auf den
Ruͤckweg. Einige ſchlugen den Weg ein nach Peter:
hof, Andere nah Dranienbaum, unter den legten
. war der Kaifer nebft wenigen Begleitern. Sonnabend
Morgen ſchickte er den Vicekanzler Galligin und den
Generalmajor Ismailow mit einigen Vorfehlägen an
die Kaiferinn. Mach einiger Zeit kehrte Ismailow
mit der Entfagungsurkunde zurüd, welche ber Kaiſer
ſogleich unterzeichnete, und mit jenem General den
Weg nad) Petechof einſchlug. Seitdem hat män ihn
sticht gefehen, und ich kann nicht erfahren, wohin men
ihn gebraht hat. Man fagt, in der Entfagungsurs
kunde fey ihm die Erlaubniß gegeben, nach Holſtein
zuruͤckzukehren.
Nachdem die Kaiſerinn bie Nacht in einem Lands
baufe des Fuͤrſten Kurakin zugebracht hatte, kehrte fie
geftern Morgen zu Pferde nach Petersburg zurüd,
hörte Meffe in ber neuen Admiralitaͤtskirche (melde
an dem Tage eingeweiht ward) und ging dann mit
ihrem Sohne nad) dem Sonmimerpalafte, wo Leute
7762. Peters Stur. 515
aller Art einige Stunden lang zum Handkuſſe gelafs
fen wurden.
In der äffentlichen Erttärung über die Gründe
der Zhronveränderung mar ber fchlechte Friede mit
Preußen als ein Grund der Beſchwerde angeführt;.
doch: Tieß die Kaiferinn dem preußifchen Gefandten fo:
gleich fagen: fie fey auf jede Weiſe geneigt, die Freund⸗
Schaft des Königs zu erhalten.
Sch höre: der Hetman, Herr Villebois und Pa:
nin (des Großfürften Erzieher) waren die Hauptper⸗
fonen,. um dieſe Umwälzung zu Stande zu bringen,
und naͤchſt ihren waren die Brüder Orlow die
Zhötigften und Betrauteften. Der fonderbarite Um:
Hand von Allem aber ift: daß der Ort für die Zu⸗
fammentünfte das. Haus der Sürftinn Daſchkow war;
eine junge Dame, nicht über zwanzig Jahre alt, Toch⸗
ter des Grafen Roman Woronzow, Schweſter der
Savoritinn Peters, der Elifabeth, und Nichte des
Kanzlers. Gewiß hatte fie, von Anfang bis zu Ende,
einen Hauptantheil am Erfinden und — der
Verſchwoͤrung.
Unter allen Menſchen ſchien der Hetman den
größten Antheil zu beſitzen an der Gunſt des ungluͤck⸗
lichen Kaiſers. Zwei Tage vor deſſen Sturz aß er
auf dem Landhauſe des Marſchalls Raſumowsky, ward
von beiden Bruͤdern mit den groͤßten Zeichen der Pflicht
und Anhaͤnglichkeit aufgenommen, — und gleich dar⸗
516 Reunundbreißigfter Abſchnitt. 18
auf begab er ſich nach Peterhof, um mit der Kaiſe⸗
rinn Alles zu verabreden.
Was die Gruͤnde dieſer — — anbetrifft,
fo war der hauptſaͤchlichſte die Wegnahme der Kir⸗
chenlaͤndereien und die Vernachlaͤſſigung der Geiſtlich⸗
keit. Dee naͤchſte Grund war, daß der Kaifer ſich
bemühte, im Heere und beſonders unter ben Leib⸗
wachen, welche an. große Faulheit und Willkür ge
wöhnt waren, eine firenge Zucht einzuführen. Die
Unzufriedenheit unter bdenfelben ward durch des Kai:
ſers Beſchluß erhöht, einen großen Theil derſelben
nach Deutſchland und gegen die Daͤnen zu fuͤhren.
Überhaupt mißfiel dieſer Plan dem ganzen Volke,
Es zürmte, daß man es in neue Ausgaben und Ge
fahren fürzen wollte, um bed Herzogthums Schles⸗
wig willen, welches an ſich ein geringfügiger Gegen:
fand und für Rußland ganz gleichgäftig fen. - Und
dies in einem Augenblide, wo ber Kaiſer die Erobe
rungen, welche für das Reich von großer Wichtigkeit
ſeyn Eonnten, feiner Freundfchaft zu dem Könige von
Preußen aufopferte. Bei der allgemeinen Friedens⸗
tiebe hätte man fich jedoch diefe Maaßregel gern ge
fallen laſſen.
Einige eine umftaͤnde, die man ſehr vergroͤßerte,
ſowie kuͤnſtlich darſtellte und umgeſtaltete, haben ſehr
zum Sturz dieſes ungluͤcklichen Fuͤrſten beigetragen.
Er hatte manche- vortreffliche Eigenſchaften, und ließ
172 . Peters Stu. . 317
fi) während feiner kurzen Regierung feine heftige oder
graufame That zu Schulden kommen. Allein feine...
Abneigung gegen Sefchäfte, welche aus einer ſchlech⸗
ten Erziehung hervorging, und bie unglüdlihe Wahl
feiner Günftlinge, welche ihn. hierin beſtaͤrkten, ließen
Alles in Verwirrung gerathen. Auch lebte der Kai:
fee in dem falfchen Glauben: er habe fich die Liebe
des Volks durch die Wohlthaten erworben, welche er
ihm fo ebelmüthig erzeigte. Nach feiner Thronbeſtei⸗
gung verfiel er in eine Unthätigkeit und Sicherheit,
welche ihm verderblich ward.
Nicht blos ih, fondern mehre verfländige und
ſcharfſichtige Perfonen bemerkten an dem SKaifer eine
große Veränderung im Vergleiche mit dem, was er
wenige Monate zuvor war. Die flete Zerſtreuung
(hurry) in’ welcher er lebte, fowie die Schmeichelelen
der verächtlichen Perfonen, welche ihn umgaben, hats
ten in gewiſſer Weife feinen Verſtand angegriffen
(affected his understanding). . Der Vater und bie
Schwefter der Daſchkow find‘ noch verhaftet. Man
erzählt, der Kaifer habe nur drei Dinge gewuͤnſcht:
fein. Leben, ſowie Gnade für feine Geliebte und für
- feinen Adjutanten Godowig. .
Bon dem Mißverhältniffe Peters zu feiner Ge:
mahlinn ift in dem Berichte des vorfichtigen Ge> -
fandten nicht weiter die Rede, und wenn. die Erwaͤh⸗
nung der Eliſabeth Woronzow audy darauf hindeutet,
518 Neununddreißigſter Abſchnitt. 1782.
fo tritt e8 doch night als ein Hauptbeſtimmungsgrund
bervor.
- Den 20ften Julius fchreibt Keich '): ich bekam
von dem ruffiihen Miniflerium ein Schreiben bes
Inhalts, fie hielten ſich für verpflichtet, bie fremden
Sefandten zu benachrichtigen: daß der ehemalige Kai:
fer geflern an einer heftigen Kolik geftorben fey, vers
anlaßt durch Haͤmorrhoiden, die v ſchon oft geplagt
haͤtten.
Der Kaiſer ſtarb in einem kleinen Landhauſe,
welches der Krone gehoͤrte; ſeine Leiche ward in der
Nacht vom Sonntag zum Montag in das Newsky⸗
Hofter gebracht, wo er jegt Öffentlich ausgeſtellt iſt
und Taufende hingehen, ihn zu ſehen?). Mittwoch
Morgen ward der: Kaifer ohne Ceremonien im News⸗
kykloſter beerdigt. Nur Perfonen der erften fünf Klaſ⸗
fen waren angetviefen, dem Begraͤbniſſe beizumonnen.
Ob und in welcher Weife man den Leichnam
geigte, geht aus diefer Nachricht keineswegs genuͤgend
hervor; .ja weil Keith im Begriff war, nach London
zuruͤckzukehren, behielt er alles Nähere einer münd:
Lihen Berichtserflattung vor. Wie diefe ames
‚gefallen, ift unbefannt;_ und fo giebt das engliſche
Reichsarchiv Feine Auskunft. über den Hergang und
!) Rußland, Band 72, ;
2) Bericht vom 28ſten Julius. ——
1762. Peters Tod. 519
die Schuld oder Unſchuld Katharinas. Was Ruls
biere darüber erzähle, ift bekannt, jedoch nicht über
allen Zweifel erhaben.
Friedrich IE fchrieb an dD’Argens '): Quant a cette
revolution, je lai apprehendie; j’ai meme averfi
Vempereur de prendre ses mesures: mais sa s6-
curit6 a été trop grande; il se fachait quand on kai
parlait de precautions, et j’ai encore la lettre qu'il
m’a écrite en reponse aux avis que je lui avais
donnes. Son malheur vient de ce qwil a voulu
prendre certains biens ‘au clerge; les pretres ont
tram6 la revolution, qui s’est. exécutée tout de
“suite. Ce prince possedant toutes les qualites du
coeur qu'on peut desirer, n’avait pas autant de
prudence, et il en faut beaucoup pour gouverner
cette nation. On m’annonce aujourd’hui qu'il est
ınort de la colique. |
Dem Grafen Segur fagte Friedrich U: Catha-
rine courennee et libre a cru, comme une jeune
femme sans experience, que tout &tait fini; unen-
nemi si pusillanime ne lui paraissait' pas dange-
reux. Mais les Orlofis, plus audacieux et plus
clairvoyans, ne voulant pas qu’on fit conire eux
de ce prince un €tendart, Vont abattu. L’impe-.
ratrice ignorait ce fait, et Papprit avec un deses-
1) Oeuvres posthnnes X, 806.
a
520 Neununddreißigſter xbſchnitt. 108,
peir qui n’etait pas feint; elle pressentait juste-
ment le jugement que teut le monde porte anjour-
d'hui contre elle, car Perreur de ce jugement est,
et doit-etre ineffacable, puisque dans sa position
elle a recueilli les fruits de cet attentat, et s’est
va obligee pour avoir des appuis, non seulement
de menager, mais m&me de conserver pres d’elle
les auteurs du crime, puisqu’eux seuls avaient
pu la sauver.
Darnley und Maria Stuart, Peter und Katha⸗
rina erinnern aneinander und geben zu merkwuͤrdigen
Vergleichungen Veranlaſſung. Alle viere trifft zunde
derſt der gleichmaͤßige Vorwurf, daß ſie es mit der
ehelichen Treue nichts weniger als genau nahmen;
Maria hatte indeſſen von Darniey Nichts, Katharina
hingegen von Peter fehr viel zu befürchten. Bei dies
fer alfo kann man allerdings von einer Art von Noth⸗
wehr fprechen, während jene das Äußerſte muͤhelos
vermeiden konnte. Die unmittelbare Zuſtimmung zum
Morde ift überdies bei Maria viel klarer erwieſen,
als bei Katharina; und in welchem Verhaͤltniſſe dife
auch zu Orlow fiehen mochte, hat fie ihm doch nie
ihre Hand gereicht und ihn neben ſich auf ben Thron
gelegt. Deshalb fkürzte auch Marias Herrfchaft, trob
aller fonftigen Berechtigung, ſogleich ganz zur Boden;
während die nach Erbgeſetzen völlig unberechtigte Ka:
tharina lebenslang den Thron behauptete, Zu biefen
*
1762. “Unruhen in Rußland. 521
perfönlihen Thaten und Beziehungen traten aber. frei:
ih in Schotland amdere äußere Berhältnifle hinzu,
als in Rußland.
So fchreibt Keith den 20ften Auguft '): Es hat
ſich hier, felbft nach der Regierungsveränderung, Unzus
friedenheit und eine übele Stimmung unter der Leib:
wache gezeigt, welche, allmälig fteigend, in einer
Nacht der vergangenen Woche in eine Urt. "offenen
Aufruhrs überging. Die Soldaten- bed Regiments
Inſemonowsky griffen um Mitternacht zu den Wafs
fen und murden von ihren Dfficieren nur mit großer
Mühe zur Vernunft zurüdgebracht. " Derfelbe Geift
‚ teigte ſich (obwol in einen geringeren Grade) ' wäh:
\
rend der zwei folgenden Nächte, und machte der Re⸗
gierung viel Sorge. Doch wurden, theild durch gute,
theils durch fehlechte Mittel, viele Soldaten und Of:
ficiere ergriffen und aus dem Wege geſchafft?). Die
Sachen find für jest fo geordnet, daß bie Gefahr
vorüber zu ſeyn fcheint. | |
Den : 21ften Oktober fchreibt Keiths Nachfolger,
Budingham, von ähnlichen Meutereien, doch fehle ein
Haupt, und man werde ihrer wol Here werben ?). ,
1) Rußland, Band 72.
2) Partly By fair means, and partly by foul, great
number of soldiers and- officers have been taken up;
and carryed out of the way.
3) Rußland, Band 72.
322 Neununddreißigſter Abſchnitt. IA
Gleich nach der Thronveraͤnderung ſchickte die Kai⸗
ſerinn einen Eilboten an Poniatowsky und verbot
ihm nach Rußland zu kommen, verſicherte ihn aber
ihrer fortdauernden Achtung und Freundſchaft'). Im
Fall der polniſche Thron erledigt wuͤrde, wolle fie ſich
- aufs Beſte bemühen, ihm die Krone. zu verſchaffen,
oder (fofern dies nicht möglich, feyn follte) doch Einem
aus dem Haufe der Czartorisky.
Den 2ften Oktober fchreibt. Buckingham aus
Moskau: auf dem Gefichte der Kaiferinn ‚zeigt fi
(fo fcheint es) eine bleibende Melancholie‘). Sie fagte
mie den legten Abend im Gefpräche: fie habe ſich vor
Kurzem in Gefellfhaft abweſend (absent) gefunden,
und diefe Gewohnheit nehme bei ihr unmerflich übers
hand, fie wiffe nicht warum (she. knew not why).
Sch Dfficiere von ber Leibwache, welche zu frei
gefprochen hatten, wurben zum Tode verurtheile?).
Katharina fchenkte ihnen das Leben; doch wurden fie
mit Schande entfegt und. für. immer nad) entfernten
Landfchaften geſchickt.
So weit meine RE reichen, ift bie
-1) Bericht vom Iten Oktober. Ebendaſeibſt.
2) The empress seems to have a settled melancholy
upon her -countenance.
8) Bericht vom 8ten November, aus Moskau. Ruß
land, Band 72,
1268, Katharinas Regierung. Hoffeſte. 523
Kaiſerinn an Kenntniſſen, Fleiß und Anlagen, allem
Herfonen in biefem Lande weit überlegen ').
wied duch die Dienfte, welche ihr vor Kurzem ges
teiftet wurden, befchränkt, kennt die Schwierigkeiten
ihrer Lage und fürchtet die Gefahren, von welchen
fie bisher glauben mußte umringt zu ſeyn; deshalb
darf ſie noch nicht wagen, offen nad) eigenem Willen
zu handeln und fi von Manchen loszumachen, des
ven Geift und Charakter fie verachten muß. Sie
wendet jedes Mittel an, Zutrauen und Liebe ihrer
Unterthanen zu erwerben, und wenn ihr dies gelingt,
wird fie die gewonnene Herefhaft zur Ehre und zum
Vortheile des Reiches” üben. |
Die Kaiferinn (heißt es in einem fpäteren Be:
richte aus Moskau vom Iten Februar 1763) be:
nimmt. fi, als Lebe fie in vollkommener Sicherheit.
Sie fährt ded Nachts in einem offenen-Schlittn mit
ſehr geringer Begleitung und hat, wenn ſie zum Se:
nate fährt, oft nur zwei Bedienten auf dem Wagen”).
Meben Sorgen und Politik gingen Vergnuͤgungen
mancherlei Art ber. Vorige Nacht (ſchreibt Bucking⸗
ham ben 1Öten Februar) ward im Palaſte ein ruffis
ſches Trauerſpiel vor der Kalferinn aufgeführt. Man
hatte zu biefem Iwede in einer hoͤchſt prächtigen Halle
1) Bericht vom „Zöften November. Ebendaſelbſt.
2) Rußland, Band 78.
524 Neunundbreisigfter Abfhnite.e NIE. '
eine Schaubühne, nebft Decorationen und allem Zu:
behör eingerichtet. Der Gegenfländ des Dramas war
eine ruffifhe Gefchichte, und fo weit ich nad) dem
Lefen einer: franzöfifchen Überfegung urtheiten darf, die
ſich ſelbſt fuͤr unvollkommen giebt, ſind die Gefuͤhle
und der Dialog ſolcher Art, daß ſie jeden Schrift⸗
ſteller in jedem Lande ehren wuͤrden. Die Graͤfinn
Bruce ſpielte die Hauptrolle mit ſo viel Geiſt, Leich⸗
tigkeit und Angemeſſenheit, wie man fie ſelten unter
denen findet, welche für die. Bühne. erzogen find,
Zwei andere. Charaktere ' wurden bewundernswuͤrdig
dargeftellt durch den Grafen Orlow und einen Sohn
des ehemaligen Marfchalls Schuwalow. Graf Orlows
Geſtalt iſt fehr ausgezeichnet (striking); er hat ei:
nige Ähnlichkeit mit dem Grafen Errol.
Auf das Echaufpiel folgte ein Tanz, aufgeführt
von den Hoffräulein und einigen des erſten Adels,
Ich glaube, fo viel fhöne Frauen hat man nie auf
einer Bühne gefehen, und wenige Känder würden fie
erzeugen. Die Sräfinnen Stroganow, Nariſchkin und
ein Fräulein Sievers zeichneten ſich vorzüglih aus.
Das Orcheſter befland aus Edelleuten. Die Pracht
und Eleganz bes Ganzen war fo, daß man eine ers
tünftelte Befchreibung zu geben feheint, während man
‚ nur Gerechtigkeit widerfahren: läßt. . Wenn wir be
denken, wie wenige. Jahre verfloffen find, feit die fei⸗
nen Künfte in dieſes Land eingeführt wurden, und
1762. England und Frankreichs Friedensſchuußß 525
daß fie ſeitdem im gewiſſen Zeitabfchnitten fehr wenig
geübt wurden, fo erfcheint es fehr außerordentlich,
daß ſich eines Darfielung” diefee Art binnen wenigen
Wohen entwerfen und ausführen lieh.
So gern man auch den Fortfchritten Rußlands
in den vorerwähnten Beziehungen Gerechtigkeit wider:
fahren laͤßt, fällt der Lobpreifende Ton des vorftchen:
den Geſandtſchaftsberichts? doch auf. Au, giebt .ein
anderes "Schreiben vom 14ten Februar eine Erklaͤ⸗
rung, indem Buckingham dafelbft fagt: ich würde
jene Beichreibung nicht fo gefaßt, haben, wenn idy
nicht wüßte, daß alle Briefe geöffnet würden. Sie
war zunaͤchſt für die Katferinn beſtimmt. F
=
Bierzigfter Abſchnitt.
Obgleich) Friedrichs Plane, Öfterreih mit ruſſiſcher
Huͤlfe zu einem ehrenvallen Frieden zu zwingen, durch
Peters Abfegung ganz babinfielen, huͤtete fich doch
Katharina. den unvernünftigen Krieg wider Preußen
fortzufegen, und das Bündniß der drei großen Mächte
(deſſen Folgen Friedrich beim Anfange des Krieges fo
ſehr fürchtete) war hiemit aufgelöfet, Durch den
526 Bierzigfier Abſchnitt. 10.
Kriedensfchluß zwiſchen England und Frankreich, trat
die legte Macht ebenfalis vom Schauplag zurüd.
In der Anweifung zur ‚Friedensunterhandlung für
den Herzog von Bebforb vom Aten September 1762
Heißt es fchon '): es ift von Seiten Englands und
Frankreichs angenommen worben, daß wir über die
Intereſſen unſerer beiberfeitigen WBerbündeten nicht
ohne deren Theilnahme untechandeln follten. Damit
übereinftimmend (?) ſchlagen wir vor, bei diefen
Praͤliminarien in Feine Erörterung einzugehen, melde
“irgendwie die Rechte unferes guten Bruders und Ver
bündeten, des Königs von Preußen, auf Wefel und
Geldern verlegen (affeet) könnte. Es ift deshalb un⸗
fere Abfiht: 1) daß, wenn die englifchen und fran⸗
zoͤſiſchen Deere ſich in die Länder ihrer Heren zuräd:
ziehen, auch jene Städte und Landſchaften von fran-
zöfifcher Mannfchaft geräumt werden. 2) daß weder
England noch Frankreich feine Verbündeten in’ Deutſch⸗
land unterftügen folle, und zwar weder mit Gelde
noh Mannſchaft.
Die Franzoſen erwiederten ?): zu Kolge ihrer Ver:
pflichtungen gegen den wiener Hof, koͤnnten fie diefe
Borfchläge hinſichtlich der Geldhülfe nicht annehmen;
worauf der emglifche Gefandte daffelbe Recht für Eng:
1) Frankreich, Band 124.
2) Bericht vom 24ften September. Gbendaſelbſt
1363. Srieden von Paris und Yubertsburg- . 3927
lands Verbündete in Anfpruh nahm. Bald aber
ließen beide Mächte dieſen fcheinbaren Ehrenpunft fat
len, ſo daß Preußen und Öfterreich allein auf dem
Kriegsſchauplatze übrig blieben. Gewiß flanden bie
Verhaͤltniſſe für Preußen günftiger denn zuvor, und
Öfterreich konnte weniger als je auf eine Wiedererobe⸗
sung Schlefiens rechnen. Aber aud) der kriegsmuͤde
König bot gern zu: Unterhandlungen die Hand. Mit
Unrecht wundert ſich Mitchell über plögliche Veraͤnde⸗
ung in ber Gefinnung Preußens und Öfterreiche,
und die Reichtigkeit Frieden zu fchließen '). Jene Ber-
ünberung umd dieſe Leichtigkeit gingen aus der Um:
ſtellung aller europäifchen Berhältniffe hervor. Sm
mehreren feiner Briefe druͤckte Friedrich feine größte
Zufriedenheit aus, über die offene. und aufrichtige
Weife, mit welcher ſterreich unterhandele.
Audy war ber König damals ungehaltener über
das Benehmen des zuricdtretenden Freundes, als des
verföhnten Feindes. Doc, erklärt er in etlichen Brie⸗
fen höflicher Weiſe feine Zufriedenheit mit England ?).
Den Iten November 1762 wurden. die Stiebens:
“ präliminarien zu Fontainebleau, und. den 10ten Fe
i) Schreiben vom Sten März 1763. Mitchell papers
Vol. 6.
2, Schreißen vom Ofen März * iſten April 1768,
Ebendaſelbſt, Band’ 40.
528 Vierzigſter Abſchnitt. 1763.
bruat 1763 der Friede von Paris zwiſchen England
und Frankreich geſchloſſen. Den 30ſten December
1762 begannen die Unterhandlungen zu Huberts⸗
burg, und. ben 15ten Februar kam der Friede zu
Stande. Sieben lange Kriegsjahre änderten Nichts
binfichtljch der Rechte und Befisungen; Werth und
Bedeutung bed Krieges Liegt alfo in der Führung
felbft, in ber Größe ober Kleinheit, welche Könige,
Staatömänner , Feldherrn und Deere zeigten, ober
nicht zeigten. |
Allerdings kamen dem. Könige Friedrich Ungefchid
unb Uneinigkeit feiner vielen Seinde, ſowie oft bas
zu Gute, was wir in gewöhnlicher Sprachweile Zus
fol nennen; ihm um beswillen aber politiſche und
Feldherrngroͤße abfprechen, gehört zu ben thoͤrichten
Einfällen, womit Eleine Leute großen Männern gegen:
über fich gern breit machen. Friedrich II iſt und
bleibt die größte Geſtalt der ganzen Zeit! er und
Preußen hatten ein weltgefchichtliches Dafeyn, einen
Kern ewigen Ruhmes gewonnen, an welchem fich in
Zeiten fpäterer Erniedrigung die Flammen einer fieg:
reichen Begeifterung wieder entzuͤndeten.
Mährend des Krieges hatte man fih daran ge:
wöhnt, von ihm faft. das Unmoͤgliche zu erwarten;
noch mehr forderte man nad) Abſchluß des Friedens,
Und als nicht fogleich jeder Wunſch erfüllt, jedes übel
befeitige ward, fehlte es nicht. an bitteren Klagen
1768, Friedrichs Regierung. 529
mancherlet Art. iniges davon ift in die gefandt:
fhaftlihen Berichte Mitchells- übergegangen, wie fol
gende Auszüge erweifen. - |
Dee König wendet fi) mit großer Ausdauer und
Kraft zu ber inneren Regierung, welche, während ſei⸗
ner Abmefenheit in Verwirrung und Anarchie gefun-
ten war). — Es thut mir leid, daß er noch nichts
zur Abftelung der Übel gethan hat, welche aus ber
Verſchlechterung der-Münze entftehen ?). Einige Zu:
den und Banker, welche an dem Münzen Theil nah⸗
men, erwarben dadurch unermeßliche Summen; " aber
der ehrliche und gewerbliche Theil des Volkes verlor
-außerorbentlih. — Juden und Chriften wetteifern
über den Antheit an ber Plünderung bed Volkes °).
Durch Nichts hat der König fo viele verſtimmt und
die Zuneigung des Volkes von ſich abgemandt,” als
durch feine raſchen unüherlegten Schritte: hinfichtlich
bee Minze. Doc hofft man, feine Weisheit, Tuͤch⸗
tigkeit und fein Scharflinn werben bie fchändlihen .
Diane ber Wucherer aller Art vereiteln. |
Einige Kaufleute und andere durch ben Krieg be:
reicherte Perfonen haben Zriumphbogen errichtet, koſt⸗
1) Bericht vom 9Iten Aprit 1763. Mitchell papers
Vol. 6. }
2) Bericht vom 19ten April. Ebendaſelbſt.
3) Berichte dv. 19ten Aprit 1763 und 7ten Zanuar 1764.
II. 23
530 Bierzigfter Abſchnitt. 1764,
brre Feuerwerke abgebrannt und lobpreiſende Inſchrif⸗
ten auf den König beigefügt. Gleichzeitig wird das
Bolt (dem Brot fehle und das fo lange bie Leiden
des Krieges gefühlt hat), meuteriſch und Beleidigend.
Bor einigen Tagen waren in einigen Hauptſtraßen
Berlins gefchriebene Zettel angefchlagen, worin ber
König als ein Tyrann behandelt wird, der das Schid:
fat Peters IE verdin. Dan klagt über Unter⸗
druͤckung, und fordert Abſtellung ber Beſchwerden,
welche (mie fie fügen) von ber Menfchlichkeie Prinz
Heinrichs zu erwarten ſey. Dies hat man bisher
weistich vor dem Könige verbergen gehalten, deſſen
Empfindlichkeit gegen Beleidigungen ihn weiter. führen
duͤrfte. Es iſt feine Unterfuchung nach ben Urhebern
jener Schmähfchriften eröffnet worden. — Die Mis
nifter haben keinen Muth, dem Könige das zu bie
terbeingen, was ihnen gefagt, wird, und noch weniger
über die Kolgen falſcher Schritte Verſtellungen zu
maden '). Er ift ungeduldig gegen Widerfpeuch, und
.. ‚nimmt fo leicht Eindrüde auf, welche mit feinen au:
genblicklichen Leihenfchaften übereinflimmen, daß es
ſchwer fällt, felbft unbegründete Vorustheile auszurot⸗
ten. - Von Natur ift er argwmöhnifch, und obgleich. er
bisweilen über alle Foͤrmlichkeiten lacht, fa hält doch
1) Berichte vom 27ften März, Sten Mai und 26ften
Junius 1764. Mitchell papers Vol. 7.
1784. Friedrichs Regierung, £ 531
kein Menſch an bdemfelben fo fe ats er, im Fall er
glaubt, «6 betreffe feinen Rang und feine Wuͤrde).
Graf Bord, dee Hofmeifter des Prinzen von
Preußen, fprady in einer Geſellſchaft über die Natur
and die Wirkungen des Krieges, und das Unheil,
was im Allgemeinen baraus für die Menfchheit her⸗
vorgehe ?).. Dem Könige warb dies in uͤbertriebener
Meife wiedererzaͤhlt, weshalb er bei Zifche das Ges
ſpraͤch darauf hinlenkte. Obgleich Bord ſich hier ge⸗
maͤßigt aͤußerte, ſagte ihm der Koͤnig mit großer Hef⸗
tigkeit: bei ſolchen Anſichten ſey er nicht wuͤrdig, den
Rod eines Generalmajors zu tragen und noch weni:
ger bei feinem Neffen zu bleiben. Go warb er ents -
en. |
Des Königs Sparfamkeit nimmt täglich fo zu,
daß fie einen anderen Namen verdient?) Sie er
ſtreckt ſich bis auf die geringſten Kleinigkelten *). Ex
iſt nicht ſelten herbe und verdrießlich. Aber freilich
feine Befigungen find in ſolch einem Grade erſchoͤpft,
daß die einfache Beſchreibung das härtefte Herz ruͤh⸗
1) Bericht vom Ziften Auguft. Ebendafelbft.
2) Bericht vom Aſten März. Ebendafetbft.
3) Berichte vom 21ften Aprit und 23ften Sunius. Ehen:
dafelbft. i
4) Berichte vom Sten Mai 1762 und Iten Mai 1763.
Mitchell papers Vol. 6. 7.
23*
532 Bierzigfier Abſqchnitt. 1766.
ten, und bad Mitleid des Unempfinbichften hervorru⸗
fen muͤßte.
“Der König hat wegen nen aͤffentli—
“cher Gelder Unterſuchungen anſtellen laſſen. Da fi
diefelben hauptfächlicy wider Fremde, Abenteurer und
Leute: ‚richten, welche Entwürfe : zu neuen Steuern
überreichten und hoͤchſt verhaßt find, fo ruft das Volk
laut um Rade'.
Durch die vielen Beränderungen ‚ welche. der Ki:
nig vor einiger Zeit wegen ‚Erhebung und Erhöhung.
der. Steuern gemacht hat, find viel Berwirrungen. ent
fanden. Mancherlei Plane von "Abenteurern und
Projectenmachern find gefährlih und unausführbar
befunden worden. Dies Miblingen liege dem Könige
fhwer im Sinne und wirkt auf feine Stimmung. —
Die Vorftellungen feiner Unterthanen ‚(obgleich fie ge:
gründet: find und aufs ehrfurchtvollſte abgefaßt und
in der demuͤthigſten Weiſe überreicht wurden) haben
bis jest noch keine Wirkung gehabt, ja ihn vielmehr
in dem Entfchluffe beſtaͤrkt, Maaßregeln durchzujegen,
welche, nad) der. Meinung berer, die am Velten bar:
über unterrichtet find, unfehlbar für Handel, Gewerbe
und Credit nachtheilig feyn werden. — Nur für die
hoͤchſt unzufriedenen weftphälifchen Landfchaften iſt
1) Berichte vom 6ten September, 17ten September und
iften November 1766. Mitchell papers Vol. 7.
1766. Friedrichs Regierung, Regie. 533
die neue Regie, gegen Übernahme einer anderweiten
Zahlung, aufgehoben, worden ').
Die Directoren der neuen Regie (meift, wie man
fagt, von Helvetius empfohlen)?) find ſaͤmmtlich Krane
zofen ‘geringer Herkunft und. völlig unwiffend der
Sprache, Sitten und Gebräuche diefes Landes. Drei .
von ihnen, darunter Herr von Candi, waren Ban⸗
Eerottirer. Diefer gerieth in Streit mit Launay und
ward von ihm. erfhoffen. Nach wie vor. bieibt. die
Regie verhaßt, und hat dem Könige die Liebe feiner
Unterthanen in einem Grabe geraubt, den man faum
befchreiben Tann ?).
Diefen Nachrichten über die innere Verwaltung
ftehen einige.andere gegenüber, bie politifchen Verhaͤlt⸗
niffe betreffend. So fuchte England ſich mit Ruß:
land und Preußen. zu verbinden, und dem bourbenis
ſchen Familienvertrage gegenuber zu treten *),. Friedrich
bemerkte in bdiefer Beziehung: Buͤndniſſe, geſchloſſen
mit Hinficht auf entfernte Creigniffe, find meift blos
Segenftände Außerer Schauftellung (ostentation) und
bringen felten eine andere Wirfung hervor, als die
Gegenpartei auf eine kurze Zeit zu täufchen (impo-
1) Bericht vom 15ten November. Ebendaſelbſt.
2) Bericht vom 27ften. December 1766. Ebend.
8) Bericht vom &ten Junius 1768, Ebend.
4) Bericht vom 17ten September 1766. Ebend
834 Vierzigſter Abſchnitt. 1006.
sing). Er wiederholte hiebel ein italieniſches Sprich⸗
‘wort: Chi sta bene, non si move. Mitchell antwortete:
Chi sta sole, non sta bene. Dann gab ber König
einige Winke uͤber die Art, wie er beim legten Frie⸗
bensichluffe von England behandelt worden, und [prad
Aber die Unbeftändigkeie der englifchen Maaßregeln und
den plöglichen Wechſel der Miniſterien, welcher es faſt
anmöglic made, mit irgend einer Sicherheit Ger
fchäfte mit uns gu betreiben. Ich antwortete (fchreibt
Mitchell) To gut als ich konnte. |
Auf einen im December 1766 wiederholten An-
trag Englands, jenes dreifache Buͤndniß abzufchließen,
antwortete der König: Anſtatt daß der vorgefchlagene
"Bund die Öffentliche Ruhe befeftigen follte *), koͤnnte
er ſie leicht und ſelbſt piöglich unterbrechen ; fofern er
unfehlbar die Eiferfucht der uͤbrigen europälfchen Mächte
erregen, und fie vieleicht veranlaffen duͤrfte, ſich enger
gu verbinden als bisher. Jetzt tft Alles ruhig, und
ich wuͤnſche, es möge lange fo bleiben. Verbindungen
verſchiedener Mächte nad) einem allgemeinen Plan
(upon a general plan) dauern felten lange und ba
ben felten gute Folgen. Die Umflände wechfen fo
fhnell, daß es faft unmöglich ift, in einem ganz all
gemeinen Vertrage, für dasjenige Vorkehrung zu tref-
fen, was fich etwa ereignen dürfte. Menn man ficht
1) Bericht vom Aten December. Mitchell pap. Vel. 7.
17686. Friedrich und England. 585
wie in Sturm fich erhebt und Wolken heraufzichen,
dann, und erft dann iſt es Zeit ſich zu verbinden
und Maafregein wider die drohende Gefahr zu vere
abreden. Ich bin deshalb abgeneigt auf Plane ein⸗
gugehen, welche neuen Krieg herbeiführen Eünnten.
In Bezug auf Frankreich ſagte der König: obr
gleich ich nicht zweifele, daß die Franzoſen darauf denken
die Ehre mieder zu gewinnen welche fie zulegt im.
Felde und duch Verträge eingebüßt haben, find fie
doch noch keineswegs im Stande diefe Plane bei ber
Verwirrung ihrer Angelegenheiten auszuführen. Eben
fo wenig kann ich mid) überzeugen, daß fie Deutſch⸗
land zum Sige der Fehde machen wollen. Sie find
diefes Landes herzlich überbrüßig, nicht allein ihrer Uns
fälle halber, fondern auch wegen der unermeßlichen
Ausgaben welche deshalb während bes legten Krieges
für. fie entfanden find. Überdies können fie ben In⸗
terefjen und dem Handel Englands wirkfameren Schar
den thun, wenn fie ihre Waffen anderswohin wen-
‚den. Auch wird, aller Wahrfiheinlichkeit nach, der
erſte Krieg in einem Xheile der Welt ausbrechen, wo .
ich von wenig Nutzen ſeyn kann.
Als ich Mitchell) auf die Gefahr anſpielte, welche
ben König von Öfterreich her bedrohe, antwortete er:
Sch will verfteher, worauf Sie anfpiefen. Werde ich
angegriffen, fo bir ich bereit mich zu vertheidigen, und
Sie haben gefehen was ich thun kann. — Ich ant:
%
x
536 Biergigfter Abſchnitt. 1766.
wortete: Site ich bin ein. Zeuge Ihrer Thaten ges
wefen, und ich glaube daß feiner, außer Sie, biefelben
vollbringen konnte; dennoch wäre es fehr gefährlich den
Verſuch zu wiederholen.
Das Leste ließ ſich indeffen auch. für Sſterreich
ſagen, und gerade in dieſen gleichartigen Erfahrungen
und Beforgniffen lag bie Bürgfchaft längeren Srie:
dene. So führten die englifcherfeits verfuchten Anne
handlungen zu einem Ergebniß.
Schon früher, als Mitchell Berlin verlaffen follte,
fehrieb ihm der König '): Je suis bien fache, mon
eher Mitchell, que votre rappel nous separe en-
tierement. Cependant la memoire de vos bons
procedes et de. votre merite ne perira pas ici.
Undererfeitd bezeugt der. Gefandte?): Friedrich ift
ungemein gewandt. und befigt im hoͤchſten Grabe
das. Talent diejenigen einzunehmen, welch er gewin⸗
nen will.
Es ſey erlaubt dieſen Berichten Michells einige
Bemerkungen hinzuzufuͤgen: J
Erſtens, war die Herabſetzung der Muͤnze an
ſich eine uͤbele und mit nachtheiligen Felgen verknuͤpfte
Maaßregel; allein es iſt leichter zu taleln, als zu ſa⸗
gen, in welcher beſſeren Weiſe ſich der Koͤnig aus ſei⸗
1) Mitchell. papers Vol. 40, ven Aſten Junius 1765,
2) Den Iten September 1769. Mitchell. pap. Vol. 7.
Friedrichs Regierungsmeife. 537
nen furchtbaren Berlegenheiten herausreißen konnte.
Die Lehre von Credit und Staatsfchulden war da⸗
mals noch nicht fo ausgebildet, wie jegt; mer würde
ihm freiwillig, wer gezwungen etwas geliehen haben?
Aber hat die uͤbertriebene Mehrung mwerthlofen Papier-
geldes nicht .eben fo böfe Folgen, als die Verfchlechte:
rung des Metallgeldes ?
Zweitens, hatte der König, bei der Verwuͤſtung
und Erfhöpfung feines Reiches nur zu viel Gruͤnde,
die hoͤchſte Sparſamkeit zu üben. Es iſt bekannt, in
wie reichlicher- Weiſe er eben deshalb die einzelnen
Landſchaften unterftügen Eonnte.
Drittens, hielt Friedrich II allerdings fireng auf
feine Eönigliche Stellung und Würde, Ihr vertrauend,
verfchmähte er aber Keinliche Unterfuchungen gegen ein⸗
zelne Raifonneure und Pasquillanten, und that als
wiſſe er nicht daß auch fein Bruder Heinrich den
Unguftiedenen fpielte. Bon diefem fagt Mitchell: ber
Prinz ift ſehr eitel und haßt feinen Bruder, auf deſſen
Größe: er eiferflchtig erfcheint '). Er befigt Talente,
- jedoch mehr DVerfchlagenheit als wahre Tiefe?), und
iſt durch und durch franzoͤſiſch gefinnt.
Viertens, feheuten ſich die Beamten ohne Zwei⸗
fel dem Könige oft zu widerfprechen; wo es aber galt,
1) Den 19ten December’ 1757. Ebendaſelbſt, Band 28.
. 2) More cunning than real parts.
23”
38 Vierzigſter Abſchnitt.
blieben ſie (wie die Geſchichte zeigt) nicht hinter
ihrer Pflicht zuruͤck, ſondern ſetzten lieber ihre aͤußere
Stellung aufs Spiel. Auch wußte Friedrich ſehr
wohl, daß bie beiden in Frankreich abwechſelnd here:
fchenden Spfteme, nämlich die Verkäuflichkeit der Stel:
‚ ten und bie Abfegbarkeit der Beamten, gleich wenig
——— |
$ünftens, war die religidfe Duldung und die
Drudfreieit größer in Preußen, als in ben meiften
europäifchen Staaten, keineswegs aber umbedingt, wie
ſchon Leffing mit Recht bemerkt har ). Insbefondere
würde man öffentlichen Tadel der Regierungsmaaßre⸗
geln nicht fo geduldet haben, wie die Angriffe auf
kirchliche und religiöfe Anfichten. Mit Unrecht bat
man aber aus dem legten Umftande Friedrichs völlige
Steichgültigkeit in Neligionsfachen, oder gar feinen
Atheismus zu erweifen gefucht. Die Art und Weife
wie ihm in der Beit feiner Jugend die proteſtantiſche
Dogmatik aufgedraͤngt wurde, ſowie das was er von
katholiſcher Unduldſamkeit z. B. in Frankreich erblickte,
konnte ſeinem Geiſte nicht genuͤgen; auch lag in bei⸗
dem das wahre Chriſtenthum nicht zu Tage. Obgleich
ex, ſelbſt in fpäteren Jahren nicht bis zu dieſem durch⸗
drang, fo xichteten fich feine Gedanken und Forſchun⸗
gen doch immer: wieder auf biefe größten Tragen, und
-1) Werke XXVII, 256.
Friedrichs religtäfe Anſichten. 580 |
er mißbilligte, wenn’s ihm Ernſt ward, rund herans
die flachen Anfichten der fegenannten Framzöflichen
Philoſophen. Siefür nur einige Beweiſe aus ſei⸗
nen Werken ').
In einem Briefe an Micchell fagte er:
Ua systeme li6 par la sagesse et l’art,
Dont l’ordre, le rapport, lo but se manifeste,
Demontre ouvertement un. ouvrier oeleste.
Le hazard n’est qu’un mot sans rien signifier
A Vorgueil insignifiant, qui sert de bouclier —
Poar sontenir ce monde et pour le protöger
Un Dieu suffit, son bras ne peut se partager.
Hi est dit dans P’Evangile: ne faites pas aux
antres, ce que vous ne voulez pas qu’on vous fasse,
Or ce precepte est le resumö de tonte la merale;
“ est done ridicule, et c’est une exageration outree
d’avancer que cette religien ne fait que des scele-
rats, Il ne faut jamais confondre ia loix et Pabus.
— Si je defends in morale da Christ, je defends
celle de tous les philosophes, et je vons sacrifie
tous les dogmes qui ne sont pas deydai. — Quand
-on veut donc se recrier conire cette religim, il
faut designer les lemps dont on yarle et distinguer
les abus de l'institution.
Laut erflärt fich der König am mehten Stellen
1) Oeuvres posthumes VIII, 11; XI, 79, 94,
5409 Bierzigfter xvſchnitt.
gegen das Systeme de la nature und ſagt z. B.): il
n’a point de dialectique dans ce hivre, il ny.aque
des paralogismes et des cercles de raisonnemens
vicieux, des 'paradoxes et des folies completes, à
la tete desgnelles il faut placer la r&publique fran-
caise. — Il regne dans les livres de Diderot un
ton 'suffisant et une arrogance, qui revolte Vinstinet
de la liberte. La modestie va bien & tout le monde,
mais ne pas decider imperieusement.
Weiſſagend äußerte der König”): Je suis persuade
qu’un. Philosophe fanatique est le plus grand des
monstres possibles et en m&me tems -lanimal le
plas inconsequent que. la,terre ait produit. — Je
desespere de mon peu de capacit& pour monter un
gouvernement sur le pied, que vos savans legisla-
teurs (qui n’ont jamais gouverne) preserivent. —
Sechstens, erkannte der König fehr richtig, welche
reichliche Quelle für die Stäatseinnahmen in den Zoͤl⸗
ten und PVerzehrungsfleuern fliege; andererſeits fand
ſich das Volk mit Recht durch die Formen und den
Inhalt der franzöfifchen Regie verlegt. Die über
Handel, Gewerbe, Einfuhr, Ausfuhr u. T. w. das
mals aufgeftellten und befolgten Grundſaͤtze unterlie-
gen gewiß den erheblichften Einwendungen; doch. wa-
1) Ebendafetbft IX, 150, 207; XI, 81, 180, 181.
2) XI, 118, 161.
Friedrich, Rußland. 541
ren fie in jener Zeit nicht fo thöricht, als fie in uns -
feren Tagen feyn würden. Wenn daher Friedrich das
franzöftfche Verfahren damals überfchägte und in falfche
Nachmacherei verfiel, fo bat umgekehrt Preußen jegt '
das größere Verdienft, durch das Aufheben des Golberts
fhen Sperrungs= und Mercantilfptems den übrigen
Staaten, und insbefondere Frankreih ein tadelfreieres
Vorbild hingeftellt zu haben. Was endlich
Siebentens die auswärtigen Angelegenheiten ans -
betrifft, fo würde ein engerer Bund mit Frankreich
oder England, immer die eine der beiden Mächte ver:
feindet und Öfterreich zu ihe hingedrängt haben. In
diefee Lage war Friedrich genäthige vor Allem mit
Rußland engere Verbindungen anzufnlpfen, und zu
manchen Planen SKatharinas die. Hand zu bieten,
welche er unter anderen Verhaͤltniſſen vieleicht bes
kaͤmpft hätte.
5342 Eihundpvierzigfler Abfchnitt. - 1768.
Einundvierzigfter Abſchnitt.
Obgleich meine Forſchungen und deren Ausbeute
weſentlich mit dem pariſer und hubertsburger Frieden
ſchließen, ſey es doch erlaubt, einige Bruchſtuͤcke aus
den naͤchſtfolgenden Jahren, beſonders uͤber Rußland
und Polen vorzulegen.
Ungeachtet äußeren Glanzes war aatharinas Ru
gierung weder. vollkommen beruhigt, noch untadelhaſt.
Die Parteilichkeit der Kaiſerinn (ſchreibt Buckingham)
für. den Grafen Orlow wird taͤglich größer und für
Viele beleidigend ). Es würde Leine übele Wirkung
thun, wenn man ihm eine mit Diamanten - befehte
Uhr, etwa 500 Pfund an Werch ſchenkte. — Man
hat hier wenig Geld, giebt aber. viel aus. Die innere
Regierung ift in großer Verwirrung. Der Smat
macht heute- Verfügungen bekannt, bie er morgen auf-
hebt. Man -bemerkt nicht mehr die allgemeine Zufrie⸗
denheit und, Heiterkeit, gleichwie zwei Donate zuvor,
und Manche wagen ihre Mißbilligung der Regierungs:
maaßregeln anzudeuten.
Die Ungewißheit aller Dinge und ber hiefige fchnelle
1) Bericht vom Ziften Februar und 26ften März 1763.
Rußland, Band 73.
1763. Orlow, Galigin, Panin, die Kaiferimn. 543.
Mechfel der Gunft, machen es für jeden Fremden fehr
fhwer am ruffifchen Hofe gut zu ftehen, und fall
unmöglich feinem eigenen Hofe zu genügen ’).
Diele Soldaten find unzufrieden, und die Fuͤrſtinn
Daſchkow ward mit ihrem Gemahle nach Riga ge
ſchickt. Durch anmaßendes Benehmen verlor fie geoßens
theild die Achtung der Kaiferinn. Sie war zu flolz
deren Beruhigung zu verfuchen, oder fich ihrer Uns
gnade zu unterwerfen. Man hegt den Verdacht daB.
fie die mit der Regierung Unzufriedenen aufgeregt und
angefeuert habe.
Die Perfonen ?), weiche an ben letzten Unruhen
Theil nahmen, behaupteten daß fie gegen bie Kaiſe⸗
rinn Nichts hätten unternehmen wollen, und ihr ein:
zigee Zweck geweien fey den Grafen Drlow aus feis
ner begünftigten- Stellung zu entfernen. Man be
trachtet ihn an biefem Hofe als einen Emporkoͤmm⸗
Ing und, nur mit Ausnahme feiner Familie, find
foft alle. Übrigen feine Feinde. Am meiſten aber
baflen ihn die, weiche mit ihm an ber legten Umwaͤl⸗
zung Theil nahmen, und ihre Anfprüche Uber die ſei⸗
nigen hinauffegen. Daß er nad Peterhof gefandt
warb, um ben Kaifer zu holen (to fetch)), war ein
— — —
1) Berichte vom 17ten u. 28ften Junius. Ebendaſelbſt,
Band 74. |
2) Bericht vom eoſten Auguſt. Ebendaſelbſt.
544 Ginunsiergigker Xofhnitt 1763,
bloßer Zufall (2), und doch nimmt man an daß ee
feine jegige Größe diefem Umſtande danke.
Sn dem moskauer Aufftande riefen die Garden
nad) dem Großfuͤrſten Paul, und bdrüdten Beſorg⸗
niffe aus daß fein Leben in Gefahr ſtehe. Doch hats
ten fie fehr wenig Grund zu fol einem Argwohne,
da die Kaiferinn fühlen muß ihres Sohnes Leben
gewähre ihr, während deſſen Minderjaͤhrigkeit, die
groͤßte Sicherheit.
Über Swan lauten bie Nachrichten verfchieben:
Einige fagen, er ſey ein nollfommener Thor; Andere,
ihm fehle nur Erziehung und er verberge-feine Eigens
ſchaften.
| Das Leben ber Kaiſerinn iſt eine Miſchung von
unbedeutendem Zeitvertreib und angeſtrengtem Fleiße
in Geſchaͤften. Weil ihr aber oft mit Vorſatz Hinder⸗
niſſe in den Weg gelegt werden, oder die Unterneh⸗
mungen an ſich eitel ſind, ſo iſt zeither nichts her⸗
vorgegangen. Ihre Plane find groß und mannig—⸗
faltig; aber die Mittel, weiche u zu Gebote ſtehen,
unangemeſſen.
Panin iſt hier der erſte, wo nicht der einzige
Minifter ). Ohne ‚ihn wird feine Berathung gehal⸗
ten, ER Beſchluß gefaßt; —— einheimiſche, als
Macartney an Mitchell, den 22ften Julius 1766.
Mitchell papers Vol. 23.
1763. Orlow, Gallitzin, Panin, die Kaiferinn. 545
auswärtige Angelegenheiten gehen durch : feine Hände.
Er ift gewiß ein ehrlicher (uncorrupted) Dann, und
obgleich nicht ohne mandye Fehler (fo z. B. Stolz,
Unbeugfamteit, Langſamkeit), doch, meiner Meinnng
nah, für fein hohes Amt der en in
diefem Lande.
Der Vicekanzler Fürft Saltisin, ift ungemein
höflich und wohl erzogen, befigt aber von Natur keine
geoßen Anlagen und hat fi auch nicht viele. Muͤhe
gegeben, die wenigen auszubilden welche fie ihm
ſchenkte. Er bat geringen Einfluß und Vertrauen,
und ift mehr ein Minifter zur Parade. |
Die Kaiferinn felbit iſt eine ganz außerorbent:
fiche Frau, und ein Mufler von Fleiß .und Kennt:
niffen. In beidem bleibt fie allen ihren, Unterthanen
unendlich überlegen. — Graf. Orlom.ift ihre erfler
Günftling, und ſcheint vor Kurzem einen. Beichluß
gefaßt zu haben, der eines. weiferen Mannes würdig
wäre: nämlich fi nicht in die. Gefchäfte,, . befonbers
nicht in die auswärtigen, zu mifchen, (?) fondern ion
gegenwaͤrtiges Gluͤck ruhig zu -genießen. |
: Die polniſchen Sachen ‚lagen. der Kaiferinn außer
ordentlih am Herzen '). Den 9ten Dftober 1763
erwähnt Mitchell des Gerüchtes daß Preußen und Ruß⸗
land Polen theilen wollten, glaubt aber nicht daß: es
— —
1) Den Sten April 1763. Rußland, Band .73.
346 Einundvierzigſter Abſchnitt. 1726.
— gegruͤndet fey ). Der oͤſterreichiſche Geſandte hegte
die entgegengeſetzte Überzeugung, und Maria Thereſia
aͤußerte in derſelben Beziehung: ich wuͤnſche bis ans
Ende meiner Tage in Frieden zu leben und zittere bei
jedem Funken, er moͤge zur Flamme emporwachſen?).
Auf dem polniſchen Reichsſstage von 1762 ſteigerte
ſich der Streit ſo, daß die Parteien das Schwert ge⸗
geneinander zogen, beſonders über die Frage °): ob
der Sohn des Grafen Brühl auf demfelben das Recht
“ Habe mitzuflimmen. Katharina unterflügte Die Gegner
des Hofes, bis die Gzartorisfis obfiegten. Im Ja⸗
nuar 1764 dußerte Panin ’): ed wären in Polen
ſchon zwei Millionen Mubel verausgabt worden, und
ihre Freunde forderten neue Summen um bie Fran:
sofen zu überbieten. An eine Theilung der Republik
fey nicht aufs Entferntefle gedacht worben.
Sm Mai 1764 verlangte Maria Thereſia ): der
König von Preußen folle erklären, er werde feine
Mannfchaft in Polen einrüden laſſen, ſofern fie es
“ 1) Mitchell papers Vol, 6.
2) Den 19ten November 1763, Stormonts Bericht
Hſterreich, Band 194.
$) Den 16ten Dftober 1762 und 2* Junius 1764
Mitchell papers Vol. 24.
4) Den 17ten Zanuar 1764. Rußland, Band, 75.
‚ 5) Den WIften Mai 1764. Mitchell papers Vol. 7.
"16 Rußland. Polen. 547
nicht thue. Friedrich antwortete: ſolch eine Erklaͤrung
koͤnne er ohne vorherige Ruͤckſprache mit der Kaiſerim
von Rußland nicht ausftellen.
England hatte damals keinen Einfluß mehr in _
Petersburg. Wenigſtens ſchreibt Macartny an
Mitchell"): ich muß Ihnen im Vertrauen fagen, daß
Nichts der Seringfchägung gleich kommt, in welche
“Hier bie britifche Staatskunſt, nicht blos bei der Kai⸗
ferinn und ihren Minifteen, ſondern bei allen Diplo⸗
maten ſteht. So meife und nothwendig auch ber haͤu⸗
fige Wechſel der Verwaltung für das Imere ſeyn
mag, iſt es doch gewiß daß er uns im Auslande
laͤcherlich und veraͤchtlich macht.
Der König von Preußen zeigt (affects) die feſteſte
Anbängtichkeit an die Perfon der Kaiferinn und die
hoͤchſte Berounderung fuͤr ihre Tugenden und Moll:
fommenheiten ?). Gleichzeitig giebt er bie hoͤchſte Ach-
tung vor Panins Anlagen und Meinungen zu erkennen.
Derfelde Panin fagte im Vertrauen zu Macartney?):
der König von Preußen hat häufige Anfälle von Truͤb⸗
finn (spleen), weiche in gewiffen Zeiten. feinen Ver:
fand völlig zerchtten.. Dies wird jedoch fehr geheim
1) Den 19ten Sebruar 1766. Mitchell pap. ‚Vol. 28,
2) Macartney an Mitchell, den 17ten November 1766. ı
Ebendaſelbſt.
5) Den Aten September 1766. Ebenbaſelbſt.
548 "Einundvierzigfter Abfchnitt. 1766.
gehalten und wird, obgleich nichts gewiſſer iſt, mit
einem anderen Namen zugebedt. Panin fügte hinzu:
wenn-Rußland ihn nicht im Zaume hielte, wäre er
ſehr fähig große Thorheiten zu begehen ').
Die polnifchen Angelegenheiten blieben der Mittel:
punkt der euffifchen Staatskunſt. Im Februar 1766
fchreibt Macartney ?): Beim Anfange des legten poL
nifchen Reichsſstages machte der twiener ‘Hof. dem Kb:
nige Stanislaus einige ernſthafte Exröffnungen durch
feinen Bruder den Prinzen Poniatowski. Man rieth
ihm die unangenehme Abhängigkeit von Rußland ab:
zuſchuͤtteln und Öfterreiche Freundfchaft anzunehmen.
Es ward ihm eine Erzherzoginn zur Gemahlinn an:
geboten und felbft ein Plan vorgelegt um diefe Bor:
fchläge durchzuführen und aufrecht. zu erhalten. Des
Könige Bruder ſtimmte Teidenfchaftlich dafuͤr Öfter:
reichs Erbietungen anzunehmen; Stanislaus ſelbſt
widerfprady Anfangs lebhaft, zeigte ſich dann gemäßigs
ter und weniger abgeneigt, kam aber zu feinem Be
ſchluſſe. Diefe Nachrichten find fehr gewiß,
Der warfchauer Hof bemüht fi aufs Außerfte ’)
daß die Fragen über Steuern und Kriegsweſen kuͤnftig
auf dem Reichstage durch Mehrheit der Stimmen
1) N etait tr&s capable de faire de grandes settises.-
2) Den 27ften Februar. Chbendafelbft.
3) Bericht vom 26ften Novemer 1766. Chenbafelbft.
1767. 68. Rußland. Polen. -. 54
entfchieden: werden; aber Preußen und Rufland mir
derfprechen.
. Die Bifhöfe haben 24 ae lang berathen,
was den verfolgten Diffidenten zu bemilligen fey, und
geftern einftimmig beſchloſſen: alle wider dieſelben ge:
richteten Geſetze ſollten beſtaͤtigt werden. Man fuͤrchtet
die weiteren Plane und Beſchluͤſſe Preußens und Ruß⸗
lands in Bezug auf dieſen unduldſamen Schritt.
Es erneuern ſich die Geruͤchte von einer Theilung
Polens ). Die Confoͤderation iſt unzeitig und ver⸗
kehrt begonnen worden?), bevor die Ruſſen fortzogen,
und giebt nun neuen Vorwand zu ihrem Verweilen.
- Der Hauptgrund der allgemeinen Unzufriedenheit in
Dolen, iſt das Benehmen der Ruſſen, weldhe überall
tauben, 'plündern und mit der größten Grauſamkeit
und Willkür verfahren *). Repnin vollziehet ‘die er=
haltenen Befehle in tyrannifcher Weife. Der Hoch⸗
muth und die Unverfchämtheit, mit weldyen er den
polniſchen Adel behandelt, hat in diefem Wolfe einen
"allgemeinen Abſcheu gegen die Ruſſen erzeugt.
Kaunig giebt fein Ehrenwort *): Öfterreih habe .
die Türken nicht wider Rußland 'aufgereizt.
1) Den 14ten Februar 1767. Mitchell papers Vol. 7.
2) Den 26ften Märg 1768. Mitchell papers -Vol. 28.
8) Den Iten Julius 1768. Ebendaf., Band 7.
4) Den Sten December 1768. Ebendaſ., Band 25.
550 Einundvierzigſter Abfhnitt. MICH |
Den 19ten Xprit 1769 fchreibt der Oberſt Cocceji
aus Warfchau '): der König von Polen iſt in bes
größten Verlegenheit. Die Unruhen dauern fort, das
xand wird verwuͤſtet, Blut fließt auf allen Sets
ten, bie öffentlichen Einnahmen bieiben aus, bie
Rechtspflege iſt unterbrochen, — mit einem "Wort,
alles nur Mögliche ift über uns hereingebrochen, ohne
dag man irgend ein Ende abfehen. kann. Außerdem
erhöht ſich das Übel dadurch, daß dis Kaiſerinn von
Rußland vorgiebt, fie. wirkte nur zum Heile Polens,
während ihre Mannfchaft das Land plünbert, und die
Einwohner erwuͤrgt.
Stanislaus iſt von Kummer niedergedruͤckt 2). Au
feine Vorftellungen antwortete die Kalferinn: nicht die
Diffipenten erzeugen die Unruhen, fondern fie entſte⸗
ben aus dem Haſſe des Volkes gegen Ste. — Die
Mäthe des Königs laſſen ihn falfche Schritte thun ”),
um fein Anſehn bei der Katferinn zu Grunde zu rich⸗
ten; feine Oheime verrathen ihn, und der ungluͤckliche
Fürft ift verloren, wenn ein Gott ihn nicht errettet.
— Mir leben am Vorabend einer großen Revolution.
Es ift nicht meine Abficht, über diefen Wende:
1) Mitchell papers Vol. 46.
2) Den 10ten Mai 1769. Ebendaſelbſt.
$) Den 4ten und 17ten Oftober 1769.. Ebendaſelbſt.
‘
1708, 64. . Iwans Ermordung. ‚sl
"punkt der Zeit hinaus diesmal meine Mittheilungen
fortzuführen, fondern nur noch zum Schluffe derſelben
an das Schickſal Iwans TU zu erinnern.
Waͤhrend Panin an Buckingham erzählte‘): der
Prinz fey völlig verwirrten Geiftes, behaupteten Anz
dere das Gegentheil. Über fein Ende berichtet der
Sefandte den 20ften Julius 1764): ber Lieutenant
Miromig, weicher in Schlüffelburg (wo man Iwan
gefangen hielt) angefleit war, verführte zuerft die
ihm untergebenen Soldaten,. ging dann zum Com⸗
mandanten und forderte die augenblickliche Loslaſſung
des , Prinzen. Als jener dieſe Forderung abfchlug,
ward er gebumben und der Auficher bes Pulvervor:
raths gezwungen den Soldaten Pulver zu geben. Der .
hiedurch entfiandene Laͤrm erfchtedte den Hauptmann
und Lieutenant, welche fich in der Schlafkammer und in
dem Vorzimmer des Prinzen befanden: Micowig drang,
nachdem er feine Leute von Neuem ermuntert hatte,
bis zur Wohnung Iwans und forderte, unter dem
beftigften Drohungen, daß der Kaifer (wie er ihn
nannte) herausgefuͤhrt werde. Als, nach einigem
Widerfiande, der Hauptmann und Lieutenant fahen,
daß fie in Gefahr waren überwältigt zu werden, ſag⸗
1) Bericht vom Sten Auguft 1764. Rußland, Bd. 75.
2) Ebendaſelbſt.
U 2
952 . Einunbviergigfier Abſchnitt. 1764.
ten fie dem Miromig: wenn er barauf beharre, fege
er das Leben des Prinzen in Gefahr; denn ihre
"Dienftanweifung laute: fofern fie außer. Stand gefegt
würden ihn zu bewahren, follten fie ihn augenblicklich
tödten. Micowig, taub gegen alle Borftellungen,
brauchte Gewalt gegen die Thür, was jepe in bie
unglüdliche Nothwendigkeit verfegte, die erhaltenen
Befehle zu vollziehen.
Der erite Stoß Uchtinskois erweckte den ungluͤck
lichen Süngling, welcher in feinem Bette fchlief. Er
vertheidigte fi) fo tapfer, ‚daß er eins der Schwerter
zerbrach und acht Wunden erhielt bevor er ſtarb. Die
Officiere uͤbergaben nunmehr die Leiche an Miromwig
und deffen Soldaten, und fagten:. fie möchten nun
mit. ihrem Katfer anfangen was ſie wollten! Mirowig
brachte die Leiche vor die Wache, bededite fie mit ben _
Fahnen, warf fi) ‚dann. mit allen feinen Soldaten
vor ihr nieder und. küßte feine Hand. Hierauf nahm
er fih Ringkragen, Feldbinde und Schwert ab, legte
fie bei der Leiche. hin, -wandte fi) zu Korſakow dem
Oberſten des Regiments Smolensko, welcher unterdef
angelangt war, und fagte auf den Leichnam hinzei⸗
gend: das iſt Euer Kaifer. Mit mir. thut was Euch
gefaͤllt. in widriges Geſchick hat meinen Plan zer:
för. Sch. Enge ‚nicht. über mein eigenes Scyidfal,
fondern über das Elend meiner Kameraden, und das
1764. JIwans Ermordung. 953
nnfhulbige Opfer meines Unternehmen! — Hieräuf
umarmte er die Unterofficiere und gab. fih mit feinen
„Soldaten gefangen. |
Man hat gedruckte Erklärungen zur Rechtfertigung
der Unternehmung gefunden, und argwöhnt daß die
Fuͤrſtinn Daſchkow an derfelben Theil. habe.
1. 0.0 F 24
Anhang.
Rußland von 1704 bis 1740,
In dem britiſchen Reichsarchive Befinden fid über
den Zeitraum der Gefchichte Rußlands von 1704. bis
1740, fünfundzwanzig Folianten gefandefchaftlicher Be⸗
richte. Nachſtehende Auszüge aus denfelben dircften
um fo anziehender feyn, da bei dem Mangel zuver⸗
läffiger Quellen für die Kenntnig jenes Reiche, ſelbſt
Nachrichten geringeren Gewichts ungewöhnlid großen
Werth erhalten.
In feinem erfien Berichte vom, 7ten December
4704 fchreibt der Geſandte Whitworth aus Bres⸗
lau’): Karl XII ſcheint fih um Liefland fehr we:
nig zu kümmern, und zwar weder um den Untergang
des Landes, noch das Elend der Einwohner. Er fagte
dem Prinzen Alerander: es: fey ihm nicht unlieb (be
was not sorry), daß der Czar ſolche Sortfchritte mache,
1) Band 3.
1704. 05. Karı XII, Preußen, Wilna. 555
und ihm neue Arbeit für feine Waffen zubereite; denn
fonft würde er fie am Ende des polniſchen Krieges
haben niebderlegen, und zu einem ruhmlofen Privat:
leben in fein eigenes Königreich zuruͤckkehren müffen.
Krieg iſt die einzige Freude und Leidenfchaft dieſes
jungen Monarchen; auch folgt er in ben meiften
Fällen feiner eigenen Meinung, ohne auf den Rath
feinee Minifter und ae die geringſte Ruͤckſicht
zu nehmen. |
Bon Breslau begab fich der Geſandte nach Wilna,
und erzählt den ZOften Januar 1705 Folgendes über
feine Reife: Ich brauchte 5 Tage um 22 Meilen
im Gebiete des Könige von Preußen zurüdzulegen.
Auf dem Wege bis Wilna fand ich überall ſolch
Elend, daß ich es gar nicht genügend beſchreiben kann.
Die Verwuͤſtungen des gegenwaͤrtigen Krieges haben
das noch verdoppelt, was die Einwohner ſelbſt in
Friedenszeiten erleiden durch den Stolz und die Faul⸗
heit des niedern ˖ Adels, To wie durch bie niedrige
(abject) Sklaverei des übrigen Lanbvolks. |
Auch diefe Stadt hat durch die gegenwärtigen Un⸗
ruhen ihren Antheil am Elende bekommen. Die Edel:
leute welche fonit gewöhnlich hier wohnten, folgten
entweder einer Kriegspartei, oder fuchten Zuflucht in
fremden Ländern, ober ‚zogen fich auf ihre Kandfige
zurüd, um allen Streitenden fo weit als möglich aus
dem Wege zu gehen... Deshalb find die fleinernen
24*
- 556 Anhang 7.1908.
Häufer welche fie hatten, ganz verfallen, umd die ge:
woͤhnlichen Bürger behelfen ſich mit Kleinen hölzernen
Hütten ohne Werth, Nur die Kirchen, die drei Je⸗
fuitercollegien und bie übrigen Klöfter find fehr gut
erhalten, und zeigen duch ihre Bauart daß. diefe
Stadt ehemals in einem fehe blühenden Zuftande war.
"Das wmoskowitiſche Fußvolk wird allgemein fehr
gerühmt, und ein Negiment das ich vor wei Tagen
zuruͤckkommen fah, marfchirte in fehr ‚guter Ordnung.
Die Dfficiere waren alte im deuffcher. Kleidung und
die gemeinen Soldaten wohl bewaffnet mit Musketen,
Schwertern und Bajonetten (Bajonets), ‚aber nad
Landesfitte in eine Art grober Sackleinewand gekleidet.
Sie ertragen leicht alle Arten von Steapagen und find
on Hunger ‚und Kälte gewoͤhnt; ‚zwei Eigenfchaften
in diefen Gegenden unentbehrlih, fowohl für Solda⸗
ten als für Reifende.. So daß, "wären fie erſt an
ben Krieg gemöhnt und von. guten Officieren (woran
es fehlt) eingehbt, fo würden fie ein viel gefährlicherer
Feind feyn, als fie jegt find, ober von ihren Nach⸗
barn gehalten werden.
General Oginsky ſagte mir: König Auguft ward
und wird betrogen durch "feine eigene Willfährigkeit
(easiness) dem Rathe der Polen zu folgen, welche um
ihm find. Unter Alten, ſowohl Geiftlichen, als Laien,
find nicht drei feine aufrichtigen Freunde; fie benutzen
blos feinen Namen und fein Anfehn, um ihren eigenen
1706. Rufffches Heer. Oginsky. Die Polen. 557
Bortheil und ihre Rachſucht zu befriedigen. Zu diefen
rechnet er. bie meiſten Potockis, und die” ganze Familie
der Lubomirsky, welche von Neuem mit dem Könige
abgeſchloſſen haben; nicht aus Neigung für. feine Pers
fon, fondern aus Neid gegen den erwählten Stanis-
(aus, und aus Haß gegen die Schweden, weil. fie die
Krone nicht dem Großfeldherrn übertrugen. Deshalb,
glaubt. Oginsey dürfe man ihnen nicht trauen,. weil
fie bereit ſeyn duͤrften bei. jeder. neuen Ausſicht auf
eigenen Vortheil ihre. Grundfäge zu vertauſchen.
: Abgejehen von derUnbefltändigkeit und dem Leicht:
finne, welchen die. Polen. überall zeigen, find fie. Höchft
‚unzufrieden. mit dem gebieterifchen Benehmen und. den
Erpreffungen ihrer neuen Säfte"), welche fie jegt als
Freunde betrachten follen, währenb..fie. nicht fobald
vergeffen Eönnen, daß jene ihre alten, ja fall‘ ihre
Erbfeinde waren. So fprachen alle vom niedern Abel,
nait. welchen ich hier, oder auf.der Reife zu fprechen
Gelegenheit hatte. Denn da fie durch ihre Worrechte
von allen. Steuern frei find, ſofern fie. diefelben. nicht
auf ihren Berfammlungen -felbft bewilligen; fo halten
fie es für, eine. große. Befchwerde, daß fie den Mos⸗
kowitern von.jebem Haufe monatlih fünf Thaler
zahlen. follen, wie die Generale.unter dem Vorwande
1) Unter diefen Gäften find wie das Folgende zeigt,
die Ruſſen verftanden.
\
=
GB. Anhang. 1765.
von Fourage und Proviant gefordert haben und beteits
eintreiben. Zu diefer allgemeinen Unzufriedenheit has
ben bie Ausfchweifungen einiger Dfficiere und Solda⸗
‚ten nicht menig beigetragen. — Die. Ausfühnung ber
fteeitenden Parteien wird taͤglich fehroieriger, und die
legte Entſcheidung durch Gewalt iſt jegt zum minde
ſten fo zweifelhaft, als beim . Anfange des Streites.
Bei dem ‚Einteitte in das Gebiet des Czaren kam
der Vorſteher von Toſuhofe (2) ') nebit ſechs lang:
bärtigen Bauern dem Gefandten entgegen, brachten
ihm ihren Gluͤckwunſch dar und uͤberreichten ihm große
Stüde-[hwarzen mit Salz- beftreuten Brotes.
Defto feierlich war der Einzug in Moskau und
die Audienz bei dem Gzaren, obgleich Nichts beſondere
Erwähnung verdient. Der Thronerbe Alexius (be
merkt Whitworth) ?) iſt ein ‚großer, fchöner Prinz,
etwa 16 Jahr alt. Er fpriht gut hochdeutſch, und
- war bei der Zufammenkunft mit dem erften Minifter
Golowkin gegenwärtig. E
Bon der ruffiihen Kriegsmacht "handelt ein Be:
siht vom 25ſten März 1705. Die Fußgänger find
im Ganzen fehr wohl eingeubt und die. Officiere fa
gen mir, fie koͤnnen die Sorgfalt nicht genug bewun⸗
. dern, weldje die gemeinen Soldaten zeigen, bie fie
1) Bericht aus Smolensk vom 18ten Februar.
2) Bericht aus Moskau vom Iiten März.
1709. Moskau, Alexius, das ruſſiſche Her. 659
ihre Pflichten gelernt haben. Der Czar hat vor Kun
zem 16 Regimenter Deagoner gebildet, voelche meiſt
aus den Adeligen und Landinhabern beſtehen. Cinige
von ihnen find verpflichtet als Gemeine und aufeigene
Koften zu dienen. Sie reiten leichte tatarifche Pferde,
und haben in Liefland mit den Schweden einige glüds .
liche Gefechte gehabt; doch glaubt man nicht, daß fie
in einer geordneten Schlacht den ſchwediſchen Kuͤraſ⸗
fieren gegenüber treten Binnen, weil biefe binfichtlich
ihrer Waffen und Pferde große Vorzüge befigen.
- Die Kofaden haben Ähnlichkeit mit den Huſaren
des Kaiſers, und fcheinen gefchicdter zu Plänkeleien
und Überfällen, als zu regelmäßigen Gefechten. Sie
find mit. kurzen Gewehren (short rafled guns), oder
auch mit Bogen und Pfeiln bewaffne. Das Ge
ſchuͤtz iſt jest außerorbentlih gut bedient, und General
Ogilvy ſagte mir, daß es nie Kanonen und Mörfer
beffer handhaben ſah, als das vergangene (last) Jahr
von den Ruſſen bei Narwa. Sie haben 100 eherne
(brass) Kanonen von verfchledener Größe neu gegoffen, -
fowie mehrere Mörfer, und fehr viele Bomben und
Granaten. An Pulver und anderem Kriegsbedarf iſt
hier Vorrath genug; in den legten Jahren find einige
ſehr gute Eifenminen entdeckt worden, und Circaſſien
kiefert mehr Salpeter als fie brauchen. Eben fo ha⸗
ben fie angefangen Musketen und Piflolen zu. machen,
560 Andbang 1705.
nachdem fie fich einige Waffenſchmiede aus Berg von
dem Pfalzgrafen fenden ließen.
Die Erhaltung feines Heeres koſtet dem Czaren
nicht über zwei Drittheile deffen, was andere euros
päifche Mächte für dieſelbe Zahl ausgeben müßten;
weil die ruſſiſchen Grundeigenthümer unentgeltlich,
ober für einen geringen. Sofd: dienen müffen; fo daß
nur die fremden Dfficiere und bie gewoͤhnlichen
gaͤnger zu. bezahlen bleiben.
‚Bei. dem Heere iſt der Czar noch nicht als Seh:
herr, fondern bios als Hauptmann. der Bombardieree
aufgetreten, und fein Sohn ift Faͤhnrich (cadet) bei
der preobraseenslifchen Leibwache. Dies geſchieht mit
Vorſatz um den hohen Adel anzuhalten, ſolchem Bei⸗
fpiele zu folgen und: fich. kriegswiſſenſchaftliche Kennt:
niſſe zu erwerben; benn früher hielten- fie ſich für ge
borene Feldherren, ſo wie fuͤr geborene Fuͤrſten und
Edelleute.
Nachdem der Geſandte uͤber die Bildung der Flotte
Einiges beigebracht hat, faͤhrt er fort: der Czar hat
für. Gruͤndung einer Land⸗ und Seemacht große Fort:
ſchritte gemacht; es iſt ihm. durch. feinen. Gentus und
faft ohne allen fremden Beiftand über alle Erwartung
gelungen, und wird eines Tages fein Reich allen
Nachbaren und une den Türken —
machen.
v
175. Kleidung. Peter l. 561
Der Czar hat ferner eine gänzliche Veränderung
der Landestracht durchgeführt. Ich ſehe in diefer
geoßen Stadt keinen Dann von Bedeutung anders
ale in deutſchen Kleidern. Eine der ſchwierigſten Un:
ternehmungen tvar, fie zu vermögen ihre lungen Baͤrte
abzulegen '). Die meiften Glieder des hohen Adels
verloren den ihrigen im Peters Gegenwart, wo fein
Raum war Über feine- Befehle zu flreiten. Das ge
meine Volk Ließ ſich aber nicht fo leicht dahin brin⸗
gen ber neuen Mode zu folgen, bis eine Abgabe auf.
jeden gelegt ward, der mit einem Barte zum Xhore
herein und hinaus ging.‘ Dies hat fie zuletzt zur
Nachgiebigkeit vermodht.
Der Czar hat einige andere große einer
zum unausfprechlihen Vortheile feines Meiches vorge:
nommen, und obgleich das gute Merk noch nicht zur
Vollkommenheit gebracht ward, fo bleibt doch zu ver:
wundern, wie weit ee in fo Eurzer Zeit ohne Störung
gefommen. iſt. Dies muß allein dem gluͤcklichen Ge⸗
nius diefes Fuͤrſten beigemeffen werden ; denn er iſt
ſehr wißbegierig und-thätig, und hat ungeachtet feiner
vernachläffigten Erziehung mannigfaltige Kenntniffe er-
worben, durch eigene Anftrengung und Beobachtung”).
1) Siehe nachher den Bericht vom Sten März 1706.
2) Der Czar verſtand ſehr gut deutſch. Bericht vom
Lten 1706:
Dr *
562 Anhang. 2 1706.
Des Czaren Liebling Mentſchikof hat eine große
praktiſche Geſchicklichkeit und eine Verwandtſchaft des
Geiſtes zu feinem Herrn); aber feine Herkunft und
Erziehung iſt gering, er kann weder leſen noch ſchrei⸗
ben, zeigt ſich halsſtarrig und laſterhaften Neigungen
(vicious inclinations) ergeben.
Über die Barbareien des nordiſchen Krieges, die
Kriegs: oder Friedensliebe, ſowie über „die Hoffnungen
und Beforgniffe der verfchiedenen Partein, enthalten
WpitworthE Berichte mancherlei Nachrichten, aus wel⸗
chen ich beifpielaweife Folgendes mittheile.
Die Schweden nahmen 45 Ruffen gefangen ?),
ſchnitten ihnen einige Monate fp&ter mit kaltem Bluse
die beiden erſten Finger der rechten Hand ab, und
ſchickten fie nach diefer ſchaͤndlichen Verflummlung in
ihre Heimath zuruͤckk. Der Czar war Außerft aufge
bracht über diefes Benehmen und erflärte öffentlich:
obgleich die Schweden ſich bemühen durch falſche Be
richte. mich, und mein. Volt ald Barbaren und Uns
chriſten barzuftellen, fo berufe id) mic dennoch auf
die ganze Welt und insbefondere auf mehre taufend
fchroedifche Gefangene, ob ich fie jemals fo unwuͤrdig
behandelt hade. Leid thut es mir allerdings um jene
armen verflümmelten Krieger, doch werde ich aus
1) Bericht vom 13ten Junius. 2
2) Bericht vom 2ten Mai 1705.
1765. 06. Kriegsbarbarei. Parteien. 563
jener Barbarei großen Vortheil ziehen. Denn id
will bei jedem Regimente einen von ihnen anftellen,
zum lebendigen Beugniffe für ihre Kameraden, was .
fie von diefen graufamen Feinden zu erwarten haben,
im Fall fie fich befiegen, oder gefangen nehmen lafien.
Den Z1ften November 1705 fchreibt Whitworth:
ber Czar ift ernfllicher als je geneigt, aus verfchiedenen
Gründen mit ben Schweden zu unterhandein; wenig⸗
ſtens über eine allgemeine Auswechfelung dee ungluͤckti⸗
chen Gefangenen, oder eine Entlaffung derfelben gegen
das Verſprechen im jegigen Kriege nicht wieder zu
dienen. |
Der König Auguft ift gleich Aberbrüffig des Krie⸗
ged mit Schweden), bes ruffifchen Schuges und der
polniſchen Krone. Er behält diefe nur der Ehre und
des Mufes halber und fagte mir felbft: er wollte lie⸗
bee als ein bloßer Bürger in Leipzig leben, denn uͤber
fosch ein Volk herrfchen. Er und ber Czar haben ges
ſtrebt ſich durch befondere Verträge auseinanderzufegen
(to shift); aber Karls XII Abneigung gegen ben Frie⸗
den bat dieſe Iöblichen Abfichten bis jege vereitelt und
fie bei. ihrem Bunde feft gebakten. Doc kennt Einer
bes Anderen Plane und Abfichten, weshalb ich glaube:
‚ was fchon einmal da war, mag wiederkehren, fobald
fie es ihrem Vortheile gemäß halten, oder neutrale
I) Bericht vom Sten Februar 1706.
664 Anhang. 1708.
Mächte ein Interefie dabei finden einen. von ihnen zu
. diefem. Schritte zu beivegen. |
Freilich ift noch eine vierte Partei dabei intereffirt,
nämlich die. Polen ')! Wer Gelb hat zu .beftechen,
ober Macht zu zwingen, wird anerkannt und ihm ge:
horfamt; die Gefchlagenen werben aber jedenfalls Feinde
- und Rebellen heißen. . Denn dieſes ungeorbnete Volt
gleicht dem Meere:. obgleich” es ſchaͤumt und tobt,
rührt: e8 fi doch nur,. wenn. es von. einer höheren
Madıt in Bewegung geſetzt wird 2).
.. Ich kann !nicht einſehen, welche Bedingungen den
Czar und den Koͤnig von Schweden wechſelſeitig zu⸗
frieden ſtellen koͤnnten, bei der Lage in welcher ihre
Anlegenheiten ſich jetzt befinden. Der Eine iſt ent⸗
ſchloſſen Petersburg zu behalten; waͤhrend der Andere
ihm am baltiſchen Meere gar keinen Hafen bewilligen
will, weil Handel und Einnahme Lieflands ſich da⸗
durch hinwegziehen würden. Ich maße mir nicht an
zu entſcheiden, in wiefern es das Intereſſe Englands
und Hollands ſey, den Czar durch dieſe Thuͤre in den
Handel und die Angelegenheiten Europas einzulaſſen.
Die Meinung, daß ihre (der Schweden) Rachbarn
N Außer Peter, Karl XM und Auguſt.
: 2) This unsettled nation likes the sea: though it
foams and roars, only moves as it is agitated by some
superior power. h —
1306.: Holen, Aufſt. in Aſtrachan. Altruſſi ſche Partei. 866
ihnen dereinſt dieſe Landſchaft wiedergewinnen muͤßten,
hat die Vernachlaͤſſigung derſelben zum Theil herbei⸗
gefuͤhrt, und der Czar ſelbſt ſcheint vor dieſem Grund⸗
ſatze beforge zu feyn. — Die Ausdehnung der preußi⸗
fhen Küften am baltifhen Meere verpflichtet. ben
König. von Preußen, Sorge zu tragen, daß feine furcht⸗
„bare Macht ſich dafelbfi ausbreite.-
über die alteuffifche Partei in Rußland und einen
Aufſtand in Aſtrachan giebt der Geſandte lehrreiche
Auskunft. Des letzten erwaͤhnt er ſchon in einem
Berichte vom 7ten Oktober 1705 und ſtellt ihn mit
Finanzmaaßregeln in Verbindung. Der Czar (ſagt
Whitworth) hat es fuͤr gut gefunden, die Fiſchereien
und den Salzhandel an der Wolga in ſeine eigene
Hand zu nehmen, was ſonſt die vornehmſte Beſchaͤfti⸗
gung und Erwerbsquelle der Umgegend ausmachte.
Umſtaͤndlicher lautet ein Bericht vom Iten März
1706. &s giebt bier eine, über ‚ganz Rußland ver:
breitete Volksart (set of people) ‚. welche ‚auf eine
größere Heiligkeit Anſpruch macht, denn alle ihre
Mitbürger. Ste halten ſtreng feft an ihrer alten Un-
wiſſenheit und ihren Cäremonien; von welchen legtern
einige als fo gottlos brfchrieben werden, daß ich kaum
glauben kann, daß irgend eine menſchliche Gefellfchaft
jemals ſolcher Schändlijkeiten unter dem Vorwande
der Meligion: fchuldig gemefen ſey. Vor etwa 30 Jah⸗
ren wurde jene Sekte von dem Patriarchen Nikon
. 566 Anhang. ne 1706,
verdammt und bei den harteflen Strafen verboten.
Ungeachtet diefer Verurtheilung, follen Viele aus den
. „mittleren Klaſſen (eifrige Vertheidiger der langen Baͤrte
und Kleider) in. der Stile noch berfelben Überzen⸗
gung leben.
Ich habe erzaͤhlt, mit — Schwierigkeit ſich
das ganze Volk dem Scheermeſſer unterwarf. Alle
waren durch Gewohnheit und Religion dawider ein⸗
genommen. Ihre Vorfahren lebten ungeſchoren; ihre
Prieſter, Heilige und Maͤrtyrer erſchienen ihrer Baͤrte
halber verehrungswuͤrdig; jene wurden angewieſen die⸗
fen nachzuahmen, und die Unwiſſenden meinten, ein
Theil der Mürde liege im Barte, wie Simſons
Stärke im Haare. Selbſt die Weiber nahmen Por
tet, und Fonnten Anfangs kaum dahin gebracht wer⸗
den, an ihren Männern eine ſolche Reformation zu
dulden. Seitdem aber der Hof und die angefehenften
Perſonen den Wünfchen des Czaren nachgegeben, hielt
man es für den kluͤgſten und gemäßigtften Meg dag
übrige Volk zu bändigen, wenn man eine Steuer auf:
alle Bärte lege, fo oft fie durch die Thore irgend
einer angefehenen Stadt aus und ein gingen. Doc
. verfiattete man fire eine gewiſſe Geldfumme diefe Er
laubniß auf ein Jahr zu löfen; was auch Viele ge
than haben. Wenn fie ihren Steuerfchein (deffen
Stempel einen langen Bart darftellt) im Thore vor⸗
zeigen, laͤßt man fie ungehindert weiter gehen.
1706, Kleiderordnung. Aufſtand in Aſtrachan. 567
Einige Zeit nachher, erſchien ein anderes Geſetz,
welches den Weibern bei denſelben Strafen gebot, Un:
terroͤcke (petticoats) zu tragen; waͤhrend ihre frühere
Kleidung in einem lofen Gewande beſtand, mas bis
zur Ferſe reichte und vorn zugeknöpft war. —
Sch bin in dieſer Erzählung umſtaͤndlicher geweſen:
denn fo umbebeutend diefe.Dinge zu ſeyn feheinen, ga;
ben’ fie doch keine geringe Veranlaffung zu den gegen»
wärtigen Unruhen. Der Statthalter von Aſtrachan
nämlich (ein graufamer, unkluger Mann) begnügte
fich nicht mit der Strafe welche ber Czar den Unger
horfamen auferlegt "hatte; fondern war entichloffen eine
vollftändige Veränderung durchzufegen. Deshalb ſtellte
er, nachdem die gefegte Gnadenfriſt abgelaufen war,
feine Beamte (ofücers) au alle Kirchthuͤren, welche
die langen Roͤcke der Weiber in. der Mitte megfchnits
ten, unb bie Bärte einiger Männer mit den Wurzeln
ausriſſen. Dieſe Gemwaltthaten verfegten. alle Einwoh⸗
ner (welche meift der oben erwähnten Sekte zugethan
waren) in den größten Zorn. Sie erwählten einen
der Eiftigften, einen Untereinnehmer bei den Steuern,
zu ihrem Hauptmann, fiberfielen den Statthalter in der .
Nacht und hieben ihn nebft 300 fremden Familien
in Stüde, meiſt Kaufleute ober ſchwediſche Gefangene.
In einem Haufe fanden fie einen Perrüdenkopf, mit
Nafe, Mund und Augen verfehen,, deſſen fie ſich for
gleich bemächtigten und ihn triumphirend durch bie
568 „Anhang. 1708.
Straßen trugen. Der Pöbel ſchrie binterher: „ſeht
„den Wott der Fremden, den wir zuiegt anzubeten ge .
zwungen werden, wenn wir uns nicht felbft von ihren
Gebraͤuchen und diefer SElaverei befreien.” Die An:
führer verftanden ohne Zweifel die Pofle gut genug;
aber fie diente in ihren Kram und galt bei dem Jans
bagel für voll, welcher gewohnt war, fo rohe Abbil⸗
dungen ‚täglich angebetet zu fehen, von’ ihren heidni⸗
ſchen Nachbarn in der Tatarei und in Sibirien.
Die naͤchſten anziehenden Berichte find vom Jahre
1708. Am 2iften März ſchreibt der Gefandte '):
Ich babe des Czars Anerbieten, dem großen Bunde
‚(gegen Frankreich) beizutreten, immerdar ald einen
Vorſchlag betrachtet, der unter den gegenwärtigen Ver⸗
bältniffen nachtheilig und unausführbar,, ja von dem
ruſſiſchen Hofe. ſelbſt nicht wohl verftanden fey. Gleich
ertrinkenden Menſchen fehen. fie-nicht viel um fich, ſon⸗
bern ergreifen begierig jebes Ding. was ihnen hulf⸗
reich erſcheint.
Die Mannſchaft Mentſchikofs hat auf ihrem Rüd:
zuuge von Wilna die Dörfer geplündert, und die Ma:
gazine verbrannt. Vor einer Heinen Partei Schweden
und Wallachen liefen fie mit folcher Schnelligkeit da:
von, wie ein völlig gefchlagenes Heer.
„Den 2boſten vorigen Monats war der Geburtstag
1) Band 4.
1708. Aufruhr der Baſchkiren. 569
des Prinzen Alexlus, der eine Zeitlang als Befehls⸗
haber in Moskau wirkte, den Rathsverſammlungen
beiwohnte, und mit großer Thaͤtigkeit fuͤr die Befeftts
gung der. Stadt forgte.
Die baſchkiriſchen Zataren find in offenem. Auf
ruhr. Diefes fehr reihe und zahlreiche Volk hat
mandye. anfehnliche Dörfer. gegen. den- Fluß Uſta bin;
und iſt viel gebildeter als die Kalmüden, ober: andere
Horden der großen Tatarei. So lange. Fürft Gallitzin
Gtatthalter von Kaſan war, lebten fie- ruhig; ſeitdem
aber bie Prebolſchiks über fie- gefegt wurden, ward
das. ganze Land durch deren Unterbrüdungen in Zorn
gebracht. Die wefentlichfte.- war, daß an 12000 ges.
zwungen wurden fich moskowitiſch taufen zu. laflen;
bie unverfchämtefte war, daß man auf alle ſchwarzen
Augen: (die Schönheit des Landes) eine Abgabe legte.
und auch die Übrigen Augen nach Verhaͤltniß beſteuerte.
Auch konnte das arme Volt nicht die mindefle Ge
rechtigkeit erlangen, bevor es die Waffen ergriff. Jetzt
aber find, nad) großem Streite, feine Peiniger entfernt,
und Prinz Galligin in feinem Amte mit dem Befehle
bergeftellt, ihre Befchwerden zu unterſuchen und ihnen
Senugthuung zu: verfchaffen.
Unterdeffen nahte bie Gefahr von dem Schweden
her, und der Geſandte berichtet den 28ſten Mai 1708:
Ein ruſſiſcher Officier, welcher von Mentſchikoſs Heere
kommt, ſagt aus: man habe beſchloſſen den Übergang
4
'
870 ‚Anhang. : 2708.
über die Berefina ftreitig zu machen. Diefer Fluß
iſt fchmat, aber ſchwer zu Überfchreiten und trennt
jegt die ſchwediſchen und ruffifchen Heert. Nach dem
Berichte jenes Officiers find die Moskowiter ſtarken
Körpers, gut eingeuͤbt, bie Regimenter vollzählig und
nach Kampf begierig; aber die Sußgänger haben fchlechte
Feuergewehre, die Dragoner fchlechte Pferda und das
ganze Heer nicht drei. gute Generafe; fo daß fich,
wenn es zu einge Schlacht kommen follte, ein hefti⸗
ger Anfang und: ein fchlechter Ausgang erwarten laͤßt.
Den 28ften September 1708 fehreibt der Ge:
fandte: Seit der Czar vom Könige Auguft verlaſſen
ward, bieft man feine Lage faft für verzweifelt; bis
feines Feindes beharrliche Abneigung gegen alle Unter
handlung, und bie feinem ehemaligen Berbündeten
auferlegten ſo harten Bedingungen, dem Czar zeigten,
was er zu erwarte babe, und daß ihm nur die Wahl
bieibe zwifchen einer entfchloffenen Vertheibigung und
gänzlichem Untergange. Deshalb befeitigte er die eis
nem AUngeiffe am meiften ausgefegten Graͤnzplaͤtze,
verſtaͤrkte ſein Heer, hob zahlreiche Mecruten aus, ver
ſchaffte ſich viele fremde Dfficiere und erneuerte, waͤh⸗
vend Karls langem Aufenthalte in. Sachſen, feine
Verträge mit: den verbundenen (eonfederate) Polen.
. Ein jeder erwartete daß König Karl, nad). feiner Ruͤck⸗
kehr in dies Land, fich zuerft bemühen würde, biefe
Spaltung durch einen Friedensreichstag zu .befeitigen,
»
1708. Karls XII Zug gen Rußland. . 571
oder Heren Seniaufski (?) und andere große Familien
duch einige Nachgiebigkeit mit ihren Intereſſen zu
gewinnen. Dieſe duͤrfte ſeiner Haͤnde Werk befeſtigt
und die Polen unmerklich in den jetzigen Krieg hinein⸗
gefuͤhrt haben. Denn ihre Mannſchaft waͤre am mei⸗
ſten geeignet, ſeinen Ruͤcken und ſeine Zuͤge von Le⸗
bensmitteln gegen ploͤtzliche Anfaͤlle der Koſacken und
Tataren zu decken; waͤhrend der Mangel ſolchen
Kriegsvolkes jetzt ſeine groͤßte Noth verurſacht. Aber
alle milden Mittel find verachtet, und doch auch nichts
getban worben, um die. unzufriedene Partei zur Un-
terwürfigkeit zu bringen. |
Wenn ruffiiche Berichte über die Ausſagen ſchwe⸗
difcher Ausreißer und Gefangenen, über den Mangel
an. Lehensmitteln in Karls Lager nur halb wahr find,
fo findet er hier das größte Hinberniß aller feiner
Plane. Beither hat er eine gänzliche Vernachläffigung
der Magazine und des Gefchüges zur Schau getra⸗
gen (aflected) und bis jetzt ohne dieſe Loftfpieligen
und unbehälflihen Kriegslaſten Erfolg gehabt, gleiche
wie fein großer Vorfahr Karl Guſtav, deſſen Leben
und Thaten (tie man mir früher fagte) fein einziges
Studium und Vorbild find. Aber dies gefchah im
Polen, einem reihen Lande, und bei einer ausgelaſſe⸗
nen (licentious) Megierung, wo jebem Manne frei
fteht feinen eigenen Weg zum Untergange zu wählen;
auch hat keiner. daſelbſt die nothwendige Macht, einen
372: _ Anhang. 008.
allgemeinen Brand ‚aufzuhalten, indem er feines Nach⸗
bars Haus nieberreißt. Hier in Rußland find hinge⸗
gen die Grundſaͤte durchaus verfchieden, das Geſetz
tft unbedingt, und Bein Privatinterefie darf in Be
tracht kommen, dem allgemeinen Wohle, ober dem
Willen des Herrfchers gegenüber. Außerdem. ift das
Land nicht fo gut bebaut, der Dörfer. find nur wenige,
die hölzernen Häufer von geringem, und das Beſitz⸗
thum darinnen meift von gar. keinem Werth. So
daß wenn. irgend ein Feind. naht, die Einwohner ge
warnt werben, zu tetten-mas fie koͤnnen; worauf bie
Kofaden das ‚Übrige in Brand. fieden. Dies ift be
reits. mehre Male im Angefichte des ſchwediſchen Hee⸗
res gefchehen, welches Altes vor fich wuͤſt findet. und
mit jedem Schritte vorwärts, tiefer in. Noth und
Kälte hinein geräth.
Auch bat man bemerkt, daß fie auf dem kuͤrze⸗
ſten, aber ſchwierigſten Wege gen Moskau ziehen, wo
bie Städte am weiteflen von einander entfernt, und
die Fluͤſſe, Moräfte und Wälder am wenigſten zu
gänglich. find. Wären fie‘ dagegen nad; ber Ukraine
binabgezogen, fo hätten fie gefunden ein treffliches
Land, Überfluß an Lebensmitteln, reiche Staͤdte der
Kofaden und ein freies, der vuffifchen Regierung wicht
fo zugethanes Bolt, daß es ihtetwillen eine völlige
Verwüftung leiden möchte. Der alte Hetmann Ma
zeppa hat. genug zu.thun, fie in ihrer jegigen Pflicht
»
1708. Lage ber Schweden und Ruffen. Berrfi ine. 573
feft zu erhalten. — Über hätte ber König von Lief⸗
land aus angegtiffen, fo wäre fein Rüden geſic chert
und der Bedarf an Lebensmittel leicht aus dem eige⸗
nen Lande und zu Schiffe herbeigeſchafft worden.
Die beiden Heere ſtehn jetzt einander nahe gegen⸗
uͤber, und obgleich der Herbſt ſehr ſchoͤn iſt, muß
doch in fünf, ſechs Wochen Kälte und Schnee für
fünf Monate eintreten, und fein Heer kann länger
das Feld halten. Wo aber die Schweden mit Sicher -
- heit ihre Winterlager nehmen Einnten, ohne eine als
- gemeine Schlacht, das iſt nicht leicht vorauszufehen;
fo daß biefer Ausweg, obgleich ‚hart, doch ber befle
zu feyn ſcheint. Denn follten - fie genöthigt tuerden
über den Dniepr nad Lithauen zurüdzugehen unb
bafelbft bis zum nächften Fruͤhlinge zu verweilen; fo
dürfte der Krieg fo lange dauern als der polnifche,
und die Sriedensbedingungen fehr ungewiß ſeyn. Koͤnn⸗
ten die Schweden indeß das Kronheer auf ihre Seite
bringen, ſo wuͤrde dies kein veraͤchtlicher Gewinn ſeyn.
Was nun den Gzar anbetrifft, fo bat er dem:
Vorzug eines zahlreichen Heeres, welches naͤchſten Fruͤh⸗
ling an 80000 Dann zählen wird; obgleich es jetzt
ſehr zuſammengeſchmolzen iſt durch Entweichung, Ge⸗
fechte, Krankheiten und Mangel an Sorgfalt. Das
Heer beſteht aus friſchen, tuͤchtigen Leuten (lusty,
well made fellows), die Kriegsuͤbung iſt gut, das
Anfehn ſeit den polnifchen Feldzuͤgen ganz veränbert.
‚ -
574 Anhang. 1708,
Viele Negimenter werden ohne Zweifel gut fechten,
wenn man fie gut anfuͤhrt; aber Ihre Waffen find
ſchlecht, ihre Pferde noch fehlechter; auch find fie nicht
geübt, wenn einmal gerorfen, ſich wieder mit Orb
nung zu vereinigen. Durch ihre Testen Erfolge er:
muthigt, werden fie tapfer und kuͤhn angreifen: aber
fie find nicht geeignet einen anhaltenden Stoß zu
überfiehen; und wenn einmal tuͤchtig geſchlagen, wird
man fie kaum wieder zum Stehen bringen. Denn es
ift die Sinnesart des Landes, vom Hödften bis zu
dem Gerinagften, - daß fie beim geringften Erfolge fich
gar fehr erheben, und x iedent ee fih ganz
fallen laffen.
Das größte Unglüd des Cars iſt der Mangel:
guter Generale. Der Feldmarſchall Scheremetef
ift ein Mann von unzweifelhafter perfönlicher Tapfer⸗
keit, ſehr glüdlich In feinen Zügen wider die Tataren,
außerordentlich beliebt im Lande und bei den gemeinen
"Soldaten: aber er iſt noch nie gegen einen vegelmd-
ßigen Feind gebraucht worden, und ermangelt der nd:
thigen Erfahrung; was für den einzigen Grund gilt,
daß bie Schlacht. in Kurland verloren ging.
Fürft Mentſchikof, General der Reiterei, if —
Range nach der zweite, an Einfluß aber der erſte;
- denn fein Übergewicht iſt fo groß, daß ſeine Befehle
in bürgerlichen und Priegerifchen Angelegenheiten gleich
unbedingt find, und ber Czar gewoͤhnlich deſſen Ent
-
1908. Scheremetef, Mentſchikof. Das ruſſiſche Beer. 575 .
fheidungen folgt, bismellen felbft gegen feine eigene
Meinung. Doch heißt es, Mentfchikofs Einfluß fey im
Sinken. Sein ganzer Charakter iſt fehr tadelnswerth
(disadvantageeus), um nicht. Schlinnmered zu fagen.
Was den Krieg anbetrifft, ſo hat er weder Erfahrung |
zum Erkennen, noch Fähigkeit zum Lernen, noch Muth
auszuführen; wie. man beutlich bei dem legten un:
geordneten Ruͤckzuge von ber Weichſel zum Dpiepr
fah, ‚welcher wenig Grund gab zu vermuthen, dab
die Nufien nunmehr den Boden fo gut ſtreitig ma⸗
chen wuͤrden.
Was die Mannſchaft anbetrifft, ſo kann ſie er
Gzar nicht fehlen, da Leben und Güter aller feiner
Untertanen ihm zu Gebote fliehen. Gleich menig
wird ihm Geld mangeln, fo lange feine Feinde außer
halb feines Gebietes ftehn und nuglofe Ausgaben un:
terbleiben. "Deshalb hat er nicht nöthig, Alles auf
einen Wurf zu. fegen, und findet es zwedimäßiger,
feine Feinde in Noth (starving) zu bringen und
ducd) vielfache Unternehmungen zu ſchwaͤchen. Zwar
find viele Edelleute, ja die Meiften feiner Untertha:
nen unzufrieden; allein er bat die Moskowiter fo nie
dergedruͤckt, daß er keine Empoͤrung fürchtet, fo lange
fein. Heer auf den Beinen iſt. Auch können die wit
den Aufflände der Koſacken und Tataren nur durdy“
Zeitumftände bedeutend werden. ;
Wie man fagt, ift die, = cht der — nach
576 -- Anbang 4708.
Smolenet vorzudringen, in, der Hoffnung, bafelbft
Überfluß von Lebensmitteln zu finden. Sie find aber
außerordentlich uͤberraſcht und getäufcht, da fie ſehen,
baß die Ruſſen ihr eigenes Land verbremmen, "was
man nicht habe glauben können.
Die beiden näcften Ereigniſſe von "großer Wich⸗
tigkeit ‘waren der Sieg der Ruſſen über den General
Loͤwenhaupt und der Abfall Mazeppas zu
Karl XI Der legte (berichtet Whitworth am 2iften
Nevember 1708) ift fait 70 Jahr wit, und hat kei
nen Sohn, fondern nur einen Neffen. Er fammelte
in bee veichen Landfchaft, welche er fo lange faft wie
ein unumfchränkter Fuͤrſt beherefchte, große Summen
Geldes, und ftand bei dem Czar im ungemein gro:
Sem Anfehn und Vertrauen. Daher weiß ich nicht, .
welche Zuruͤckſetzung ober weiche Hoffnungen ihn, bei
fo hohem After, in neue Entfchläffe und Bahnen
bineingeteieben haben.
Den 28ften November fährt der Gefandte fort:
- Einige Tage vor feinem Abfalle ſtellte fi Mazeppa
fo krank, :ald gebe er alle Hoffnung ber Herſtellung
auf. Deshalb traf der Hof Vorbereitungen zu einer
neuen Wahl. Als aber Mentfchitof mit Mannſchaft
vor Bathurin, Maseppas Burg, anlangte, fand er fie
verfchloffen und den Hetman entflohen. Der Verrath
"ward offenbar und die, Burg erflürmt. E
Ereigniffe folcher Art ſcheinen jedoch den gemöhn-
1709. Mazeppas Abfall. 577
lichen Gang des ruſſiſchen Lebens nicht unterbrochen
zu haben; wenigſtens berichtet der Geſandte ben 2dften
Januar 1709 '): bei. einem großen Feſte ſchlug ber.
Czar feinen Liebling (Mentſchikof) gar fehr (very se-
verely); ging aber des naͤchſten Tages zu ihm und
föhnte fi) wieder mit ihm aus. |
Unterdeffen zog fich der Krieg in die Gegend von
Pultawa. Den 19ten Sunius 1709 fchreibt Whit⸗
worth: Pultawa liegt auf einem Heinen Hügel in
ber Nähe des Fluſſes Worskla und ift eine der ans
gefehenften Städte der Ukraine, fowohl in Hinfiht -
auf Größe und Einwohnerzahl, als in Hinfiht auf
die Vorzüge feiner Lage. Derin fie deckt die Sapo⸗
roger Kofaden und eröffnet eine Verbindung mit den
donifchen und den Tataren. Sie war gegen bie ploͤtz⸗
lichen Einfälle ber legten blos mit einem Erdwalle
und Paliffaden verfehen; bei der Beſorgniß, daß fich
die Schweden im legten Winter dafelbft feftfegen
möchten, ward General Wolchonsky mit einer anfehn:
lichen Beſatzung dahin gefandt, um den Plag in
Bertheibigungsfland zu fegen. Dies geſchah durch
- Errichtung einiger Außenwerke, welche jeboch zu un:
bebeutenb waren, einem Deere zu woiberfiehen, das
mit Gefhüs und Kriegsbedarf irgend verfehen war.
Man fagt aber, der Mangel an Pulver im fehwebis
1) Sand 5. .
1. 25
578 Anhang. 19.
ſchen Lager ſey ſo groß, daß ſie nicht Breſche ſchießen
koͤnnen, ſondern ſich auf andere Arten des Angriffs
beſchraͤnken muͤſſen.
Sie hatten einſt eine Mine unter dem Walle an:
gebracht und zehn Faͤſſer Pulver hinein gelegt. Die
Belagerten entdeckten jedoch die Gefahr, das Pulver
ward (es feheint von ben Ruſſen) in dem Augenblide
vor dem Anzinden herausgenommen und die Schaar
ber Stürmenden mit Verluſt zuruͤckgeſchlagen. Bald
darauf gelang es einer ruſſiſchen Verſtaͤrkung von
1200 Mann, ohne Verluft in die Stadt zu ‚bringen.
Jeder trug ein Pud Pulver und. ein halbes Pad
Blei. Der Beigadier Golowin (Mentſchikofs Schwa⸗
ger) und ber Oberfi Uho, ein Däne, hatten die Sache
angeordnet; bei dem nächflen Ausfalle ward aber ber
erſte gefangen und der letzte getoͤdtet.
Das ruffifche Heer ift jetzt auf der anderen Seite
der Worskla zufammtengezogen, und man meint, nad),
der Ruͤckkunft des Czats von Aſof merde er, dem
Mathe einiger Gmerele gemäß, eine allgemeine Schlacht
wagen; boch haben derlei Nachrichten oft feinen Grund
gehabt. Unterdeffen fuchen die Ruſſen eine. Berbin-
dung mit der Stabt zu gewinnen, und die Schwe⸗
den führen eine Gegenlinie auf (dräwing up another
line) fie daran zu. hindern.
Die Schweden (fügt der Gefandte am oſtn
Junius hinzu) machen wenig Fortſchritte, und haben
1709. Yultama . 579
in der legten Zeit aus ihrem Gefchlige faft gar nicht .
gefeuert. Ihe Hauptbeftzeben iſt die Verbindungslinie
mit ber Stadt zu verhindern, welche bie Moskowiter
bis jetzt vergeblich zu Stande bringen wollten. Dan
fagt: die Lebensmittel find Enapp in ihrem Lager,
das Waſſer ſchlecht, und an 4000 Ihrer Pferde wur⸗
den nad) und nad durch die Koſacken und andere
Streifſchaaren hinweggetrleben. Das Druͤckendſte ift
aber der Mangel an Pulver, und die Überlaͤufer ers
zaͤhlen, man fpreche allgemein davon, uͤber den Dniepr
zuruͤckzugehen. Der Czar kam den ten Junius beim
Heere an, fand es zahlreich und in gutem Stande
und ſchrieb nach Moskau, er werde bald eine Schlacht
wagen, wozu bie nöthigen Votbereitungen mit großer
Sorgfalt getvoffen werden.
So kam es zur Schlacht bei Pultawa, über
weiche der Geſandte, nach dem’ Berichte von Augen:
zeugen, Folgendes fchreibt. Der Czar ging über bie
Wroskla und ſtellte fein Heer ganz nahe bei dem
fchreebifchen auf. Fünf age lang gefchah nichts
Erheblihes; fondern die Schweben zogen fich bei der
"Annäherung ber Ruffen in ihr Lager zurüd, in ber
Hoffnung, fie gegen einen liberfall ficher zu machen,
Am Abend bes 26ften Junius befehligte der Generals
lieutenant Roͤnne die Vorhut des ruffifchen Heeres,
und ritt in der Nacht mit einem Begleiter bis in
die Naͤhe der ſchwediſchen Außenwerke. Von hier aus
25°
580 . AÄnheong. me.
hörte er im Lager fteten Laͤrm, ſchloß daraus, es fey
irgend etwas im Merke, und befahl fogleid der Rei:
terei aufzufigen und ſich eines Paſſes zwiſchen beiden
Heeten zu bemächtigen. Kaum aber war feine Schaer
geordnet, als die ſchwediſche Meiterei ihn bereits am
geiff.e Er vertheidigte ſich faft eine Stunde lang, bie
er Nachricht befam, das Fußvolk fey aufgeftellt und
Alles in Bereitſchaft; dann zog er. fih mit feinen
Leuten nad) beiden Slügeln des Heeres zuruͤck. Die
Schweden folgten, in der Hoffnung, fie in Unordnung
zu bringen, ‚wurden aber von 70 ſchweren Kanonen
ſo warm empfangen, daß fie felbft in Unordnung ge
: riethen. Ihr Fußvolk kam ihnen zu Huͤlfe, ward
aber von dem moskowitiſchen, nad) einmaligem Ab
‚ feuern, mit dem Schwerte. in ber Hand angegriffen
und gleichfalls zum Ruͤckzuge gezwungen, Hier tra⸗
fen fie auf ben General Bauer, der fie mit einer
ſtarken Schaar umgangen hatte und fie von hinten
anfiel. So von zweien Seiten bedrängt, warfen die
Meiften ihre Waffen weg, und das Übrige war
blos Flucht und Verfolgung.
Der erfte Officier von Bedentung, welcher, und
zwar vom Czar felbit, gefangen warb, war ber Gene
talmajor Schlippenbach; bald darauf brachte der Feld:
marfchall Scheremeteff den Feldmarſchall Rönnfchildt.
Mährend der ganzen Schlacht zeigte ſich der Czar
ſehr thätig, erhieft einen Schuß durch den Hut, und
1709, Yultama. 581
ritt vier Pferde nieder (rid down). Um acht Uhr
des Morgens war Alles vorbei. Der Czar lud die '
fchmwebifchen Generale zu Tifche ein, behandelte fie fehr
höflich und fragte unter Anderem den General Rönns
ſchildt: wie ſtark das ſchwediſche Heer am Tage ber
Schlacht geweſen ſey. Dieſer antwortete: weder er,
noch irgend jemand. im Heere könne dieſe Frage beant⸗
worten, fondern nur ber König, dem allein die Liften
gebracht würden und ber fie niemand mittheile. Doch
glaube er, es möchten ‚überhaupt 30000 Mann. ges
weſen feyn; darunter 19000 regelmäßige Soldaten
und die Übrigen Kofaden. Auf die weitere Frage:
“wie fie fih mit einem fo wenig zahlreichen Heere fo
weit in einem fo großen Lande vormagen konnten?
gab er zur Antwort: dies fey nicht gefchehen ‘auf ih-
ven Rath, denn als treue Diener wären fie verpflich
tet, ihres Deren Befehlen zu gehocchen ohne Wider:
rede! Dierauf nahm der Car fein eigenes Schwert
von feiner Seite, überreichte es dem Feldmarſchall
und fagte ihm: da er ein fo treuer Diener fey, folle
er es tragen als ein Angedenken. | |
Der König von Schweden war wenige Tage zus
vor in einem Gefechte mit dem General Rönne vers
wundet worden, und fuhr während der Schlacht in
einer Kutfche (a caleah) vor dem Deere her. Weil
biefelbe durch eine Kanonenkugel zerfchmettert und fein
682 Anhang. 100.
Bette biutig auf dem Boden gefunden wurde, fe ver:
mutbete man, er fey getödtet: |
Die Schweden hatten Fleiſch und Brot genug: im
Lager, aber keinen Branntwein und kein Bier, und
fo wenig Pulver, daß befohlen ward, man folle da⸗
von nicht [prechen.
Haft noch mehr als über bie Niederlage der Schwe⸗
den 'bei Pultawa, erſtaunte man über bie fich daran
weihende Capitulation des Generals Loͤwenhaupt. Als
Grund -dafle (fchreibe Whitworth den Aten Septem:
ber) erzählt man, daß, mit Ausnahme von drei alten
ſchwediſchen Regimentern, alle anderen Soldaten fi
weigerten zu fechten. Sie waren ganz entmuthigt
durch ihre fruͤheren Strapagen und ſorglos ſowol fuͤr
ſich als ihren Ruf.
Am 19ten September voteberhoft Whitworth: koͤ⸗
wenhaupts Freunde fuͤhren an, daß die meiſten Re⸗
gimenter ſich weigerten zu fechten; wogegen bie Offi⸗
ciere, welche in ruſſiſche Dienſte gegangen find, zu -
ihrer Rechtfertigung fagen: ſowohl fie, als die Sol⸗
daten wären bereit geweſen ihre Schuldigkeit zu thun,
und hätten von der Gapitulation gar nichts gewußt,
bis man ihnen befohlen. habe, die Waffen nieder zu
legen. Andere bemerkten: . e6 waren ‚keine. zweckmaͤßi⸗
gen Vorkehrungen getroffen. kein Schutzwall aufge:
worfen, Gepäd und Geſchlitz nicht geordnet, noch
. irgend etwas zu einem Kampfe vorbereitet, obgleich
\
1710. Pultawa. Löwenhaupt, Gefangene. 593
fie dazu genug Zeit hatten, bevor ihnen bie Heeres⸗
abtheilung des Fuͤrſten Mentfchilof nahe Eam.
So hoͤflich ſich auch ber Czar gegen die fehmebi:
fhen Gefangenen, benahm, gab es doc nachmals
Grunde genug zu Hagen. Die fehwedifchen Generale
(fchreibe Whitworth den Gten Sebruar 1710) befchwer=
ten fih bei dem Gzar, daß ihre gemeinen Soldaten
vor Hunger flerben und man nicht einmal Sorge
trägt, ihre Leichname zu begraben. Hieruͤber war.
Peter fehr erzuͤrnt: er ließ den Befehlshaber von Mose
kau den Fürften Gagarin .und einen feiner erften Mi-
niftee in ihren Häufern verhaften. Sie wurden erſt
geftern auf Vorbitte der verwittweten Kaiferinn und
der Prinzeffinnen kosgelaffen. Der zweite Befehls:
haber, Fuͤrſt Bogdan Gagarin, warb in dem gemeis
nen Gefaͤngniß mit einer filbernen Kette um den m
an einen großen Klotz fellgelegt.
Wenn Maaßregein ſolcher Strenge ſchrectten, io
erweckten fie andererſeits auch wohl Rachluſt. Gewiß
hinderten ſie nicht alle Unbilden, wenigſtens ſchreibt
der Geſandte den Iten Oktober 1710: unter dem
Vorwande Schweben anzugreifen, hält man in Moss
. Eau alle Fremden feſt und aͤngſtigt fie fo lange, bie
fie Geld bezahlen.
Über den Krieg Peters wider die Tuͤrken im Jahre⸗
1711 findet ſich nur folgende bemerkenswerthe Stelle
in einem Berichte vom Iten September: Der Ta⸗
584 ° Anhang. ım1.
tarchan widerſprach bem Srieben, aber der Vezir ward,
fo fagt man, mit 300,000 Rubeln gewonnen. —
Acht Tage lang hatte die ruffifche Reiterei weder
Gras noh Heu, fondern lebte allein von Blättern
und Wurzeln, was die Pferde fo herunterbrachte, daß
fie kaum geben Eonnten. Überhaupt war Mangel an
Nahrungsmitteln aller Art, und kein Mittel, keine
Möglichkeit zu entlommen. Als der Czar fich in fo
großer Gefahr‘ fah, weinte er, und war entfchlofien
mit feiner neuen Kaiſerinn und wenigen Begleitern
lieber zu Pferde zu entfliehen, als fich den Feinden
.in dem alle zu übergeben, daß der Sropvegier den
Srieden nicht annehme.
Bon 1711 bis 1719 und von 1719 bie 1728
finden fich keine oder unerbebliche Berichte, und uns
ter benen bes Sefandten Sefferies vom Jahre 1719
verdient nur einer vom Iten Sanuar bier eine Mit:
theitung ). — Derjenigen nicht zu gedenken (heißt
es dafelbft) welche in dieſem Lande zu verichiebenen
‚ Beiten Berfchwörungen wider den Czar und feine Re
gierung ‚angezettelt haben, giebt es Andere (felbft vom
erften Range) welche unter dem Vorwande einer un
verleglichen Treue dem Staate nicht weniger gefährlich
vourden, indem fie ſich in ihren Ämtern ungebührlic
auf Koften ihres Herrn zu. bereichern fuchten. Der
1) Band 11,
1719. unterfuhungen wider Beamte. 2 585
Ezar' war von Ihrem ſchlechten Benehmen wohl un:
terrichtet, hielt e8 aber für gerathen zu fchmweigen, bis _
die Strafen wegen ber legten Verſchwoͤrung vollzogen
waren. Bald nachher berief er aber den Senat und
fagte: es fey Bett, das Benehmen der angefehenften
Beamten zu unterfuchen, zu welchem Ende er einen
Serichtshof ernannt habe. In demſelben figen einige -
Generale und einige andere Perfonenz General Weide
iſt Praͤſident. Die Unterſuchung . begann mit dem
Sürften Mentſchikof. Er warb befchuldigt, in feiner
Statthalterfchaft Ingermannland mehr feinen als des
Czars Vortheil bedacht, und insbefondere drei Bruͤder
Satofiofd begünftige zu haben, welche mit verbotenen
Waaren handelten. Auch fey von ihm ein geheimer
Briefwechſel mit einem ſchwediſchen Minifter geführt
vöorden. Der Fürft warb auf Befehl des Czars ver
haftet, nad einigen Zagen aber wieder freigelaflen;
auch verfprad) ihm Peter, das Geſchehene zu vergef:
fen. Doc fagt man, der Fürft Habe 200000 Rubel
als eine Entfchädigung für den Verluft geboten,. welche
der Czar durch jenen betrüglichen Handel gelitten.
Der Großadmiral Aprarin ward hinfichtlid der
Flotte mancher Veruntreuung (mismanagement) ſchul⸗
‚dig gefunden und deshalb verhaftet, fowie des St.
Andreasordens beraubt. Doch hatte er das gute Gluͤck,
ebenfo wie Fürft Mentfchikof, für eine große Summe
ded Czaren Gunft wieder zu erlangen. In gleicher -
2 5 * x
| 986 Anhang. 1728.
Weiſe wurden andere Verhaftete gefchast, und dem
Salofiofs allein 700000 Rubel abgenommen.
Peter der Große ſtarb den Sten Februar 1725,
feine Gemahlinn, Katharina I, den 17ten Mat
1727. She folgte Peter U, der Sohn des un⸗
glüdlichen Alerius, der Enkel Peters L Er war ge
‚boren den 12ten Oktober 1715, feine ältere Schwe⸗
fier Natalia den 12ten Zulius 1714. |
Erft mit dem Jahre 1728 beginnen wieberum
die Berichte des Sefandten Rondeau. Er fchreibt
den 7ten Auguft: Graf Luthol, ein fehr ſchoͤner
Mann, war ein. großer Günftling unter ber Regies
ung der verſtorbenen Kaiſerinn Katharina, Richt
minder ftand bei ihe in Gunſt Anna Crama, eine
ſehr inteiguirende Frau, welche um alle Luftpartien
der Kaiferinn mußte, bei melder Graf Luthol ein
Daupttheilnehmer war.
Mentſchikof ſtellte Luthol und bie Erama bei ber
Prinzeſſinn Natalia an. Beide gewannen bie Zu⸗
neigung ihrer neuem Gebieterinn, geriethen aber in
Mißverſtaͤndniſſe mit dem Fuͤrſten; fo daß fie ſich mit
dee Prinzeffinn Eliſabeth, Aprarin, Goloflin, Ofter:
mann und Andern zum Sturze Mentſchikofs verban-
den, was ihnen auch gefang. Jetzt find Luthol und
die Crama die einzigen Günftlinge bee Prinzeſſiun
Natalia, und lenken fie nach Belieben. Beim Ans
fange der Regierung ihres Bruders hatte Natalia,
1728. Katharina I, Peter IE, Dolgorucki. 587
als deflen erſte Freundinn, großen Einfluß am Hofe.
As fie ſich aber ein wenig zu viel herausnahm und
. Ihren Bruder von feinem unordentlichen Leben abzu:
bringen fuchte, wurden ihre Tiebevollen Ermahnungen
ihm unbequem und fie verlor deshalb einen großen .
Theil des Einfluſſes, welchen fie auf ihn” hatte.
Jetzt ſteht die Pringeffinn Eliſabeth (Peters I
Tochter) in großer Gunſt. Sie ift ſehr ſchoͤn und
fheint alles zw Heben, was dem Czaren gefällt, ſo
Ranzen und Sagen, welches legte feine herrſchende
Leidenfchaft iſt; denn einiger ‚anderer zu erwähnen, halte
ih. für unpaffend. Jene Prinzeffinn fcheint ſich in⸗
deſſen nicht in Staatögefchäfte zu miſchen, ſondern
lediglich dem Vergnuͤgen zu leben. Sie folgt dem
jungen Fuͤrſten, wohin er nur geht. |
Peters großer Guͤnſtling iſt jege der junge, etwa
zwanzigjährige Fürft Dolgorudi. Sie find Tag
und Nacht unzertvennlih, und er nimmt an allen
Seften ber Schweigerei (debauch) Theil, deren nur.
zu ‚viele find. Die, gewaltigen Unternehmungen feines
Großvaters werben bald in Nichts verfchwinden. '
Der Czar (Bericht vom 11ten September: 1728)
ift fehr unbeftändig in feinen Entfhlüffen: denn heute.
will er dies, und morgen ‚gerade: das Gegentheilz mas
feinen Miniftern große Sorge bereitet. Baron Oſter⸗
mann bat die alleinige Leitung aller Gefchäfte und
den Weg gefunden, fich fo unentbehrlic, zu machen,
588 Anhang. | 1729.
daß fie ohne ihn nichts thun können. Im Fall ihm
etwas nicht behagt, giebt er vor, er ſey krank, um.
fein Außenbleiben im Rathe zu entfchuldigen. Wenn
alsdann die beiden Dolgorudi, .Aprarin, Golofkin
und Gallitzin dafelbft zufammenkfommen und Oſter⸗
mann fehlt, fo Eönnen Alte nicht von der Stelle
Sie figen eine. Weile, fie trinken einen Schluck, und
find zulegt genöthigt, dem Baron ihre Aufmwartung
zu machen und ihn in gute Laune zu verfegen. Durch
diefe Mittel bringt er fie dahin, Alles zu bewilligen,
was er wünfcht; doch glaubt man, Biel, Weg werde
“ nicht immer zum .Biele führen.
Dolgorudis Rathfchläge erfchtenen mittlerweile ſo
verkehrt und ſeine Ausſchweifungen ſo unwuͤrdig, daß
er auf die dringenden Vorſtellungen Natalias und
Oſtermanns entfernt wurde); aber ſehr kurze Zeit
nachher, den Mſten November 1728, ſtarb jene, und
bed zuruͤckgekehrten Guͤnſtlings Einfluß. flieg noch hoͤ⸗
her als zuvor. Gegen Oſtermanns und Anderer Wuͤn⸗
fhe ward bes Czaren Verlobung mit der Schwelle
Dolgorudis .(Beriht vom 20ften November 1729)
erklaͤrt. Sie war etwa 18 Jahre alt, ſehr ſchoͤn und
mit vielen guten Eigenfchaften verfehen.
Alte zeitherigen Plane fielen aber zu. Boben, weil
Deter I den 19m Januar 1730 ſtarb. Der
. D) Bericht vom 28ſten November 1728.
1730. Peter. Oftermann. Anna. Regierungsform. 589
große Rath (ſchreibt Rondeau an demſelben Tage) ) hat
fogleich Anna, die Tochter des Iwan Alexriewitſch,
die verwittwete Herzoginn von Kurland, einſtimmig
zur Nachfolgerinn erwaͤhlt. Ich hoͤre, daß die Ange⸗
ſehenſten des ruffifchen Adels damit umgehen, bie Form
ber Regierung zu verändern. Man: verfichert, daß
zur Beſchraͤnkung der unbedingten Gewalt Bebingun:
gen entworfen find, welche die Kaiferinn unterzeichnen
muß, widrigenfalls man einen Andern erwählen will.
Über diefen merkwürdigen. Plan, die monarchiſche
Form der Verfaffung zu ändern und. einem. Theile
des höheren Adels entfcheidenden Einfluß zu verfchafs
fen, geben die Berichte Rondeaus Iehrreiche Auskunft.
Er fchreibt den 2ten Februar 1730: wie man fagt;
find die entworfenen Bedingungen folgende:
Erftens, die Kaiferinn erhält eine beftimmte
Summe zur Beftreitung ihrer Ausgaben, und befeh⸗
ligt vom..Deere nur denjenigen: Theil, weldyer als
Leibwache den Dienft in ihrem Palafte verfieht.
Zweitens, zwölf Männer, aus dem angefehen-
“fen Adel, bilden den hoͤchſten Rath und leiten alle
wichtigen Angelegenheiten, fo Krieg, Trieben, Buͤnd⸗
niffe u. dgl. Es wird ein Keonfchagmeifter ernannt,
welcher dem böchften Rathe über die Finanzverwaltung
Rechenſchaft ablegt.
1) Band 18.
590 Anhang. 1730.
Drittens, ein Senat von 36 Perfonen prüft
die Gegenflänbe, bevor fie an den hoͤchſten Rath ges
bracht werden. |
Viertens, eine Verfammiung von 200. Män:
neen aus dem niedern Adel vertheidigt deffen echte,
im Fall der hohe Rath denſelben zu nahe treten
ſollte. | —
Fuͤnftens, eine Verſammlung von Buͤrgern
und Kaufleuten (gentlomen and merehants) ſorgt,
daß das Volk nicht unterdrückt werde.
Dies ift im Allgemeinen der Entwurf, mit wel
hem man ſich beichäftige. Sie find über denfelben
zwar keineswegs einverflanden, aber doch bereits zu
weit vorgefchritten, als daß fie (mie man glaubt) nicht
wichtige Veränderungen machen follten..
Den i6ten Sebruae 1730 berichtet Rondeau:
der Adel kann ſich über die neuen Formen nicht vers
einigen. Ich habe verfehiedene Diane .gefehen, welche
dem höchften Rathe vorgelegt wurden; allein fie ſchie⸗
nen ſehr übel entworfen (digested) zu feyn, und kei⸗
nee ift allgemein gebilligt worden, obgleich jeder von
verſchiedenen angefehenen Familien unterfchrieben war.
Weil diefe Edelleute immerdar einem unbefchräntten
Monarchen zu gehorchen gewöhnt waren, fo haben fie
keine richtigen infichten über eine gemifchte Regie
rungsform. Der hohe Adel möchte gern alle Gewalt
in feine Hände bringen; der niebere Adel und bie
1780: Anna. Regierungsform. 591
Bürger find dagegen ſehr eiferfüchtig und würden lies .
ber einen Deren, als viele haben; fofern nicht ein -
Weg aufgefunden wird, fie zu beruhigen und wider
die Zprannei der großen Familien zu ſchuͤtzen.
Täglich hören wir verſchiedene Berichte. Einige
verfihern: 28 würden große Veränderungen eintreten ;
Andere behaupten mit gleicher. Beftimmtheit, es wuͤr⸗
den eine ftattfinden.
Sobald ihre Majeſtaͤt in. Fſcasweatzk (einem lei⸗
nen Dorfe, etwa ſechs Meilen von Moskau) ankam,
erklärte fie ſich ſelbſt zum Oberſten der preobraſzenski⸗
ſchen Leibwache und zum Hauptmann der Edelwache
(chevalier gards); fie gab mit eigenen Haͤnden je:
dem Officier und jedem Soldaten ein Glas Wein.
oder Branntwein, was deren Herzen gewann.
Der hoͤchſte Rath und der Senat begaben ſich
vereint nach Fſcasweatzk. Der Großlanzier, Graf
Gotoflin, überreichte der Kaiſerinn den St. Andreas:
orden, und Galligin fagte im Namen jener beiden Bes
hoͤrden: fie dankten ihrer Majeſtaͤt demüthigft (hum-
bly), daß fie fo gnaͤdig geweſen, die Krone anzuneh⸗
men und die ihr nach. Mitau äberfchidten Punkte zu
unterfchreiben. Die Kaiferinn antwortete: ich danke
euch, daß ihre mich erwähle habt. : Die Punkte uns
terſchrieb ich euch zu gefallen und bin entfchloffen, fie
lebenslang zu halten. Ich wuͤnſche, ihe moͤgt Sorge
tragen, daß jedem ohne Ausnahme Recht zu Theil -
592 Anhang. 1730.
werde, will euch nach meinen Kraͤften fo guten Rath
geben, als ich irgend vermag, und hoffe, ihr werdet
enrerfeitd Alles thun, was zum Nutzen * Lan⸗
des gereichen kann.
Die Hauptbedingungen find: regieren — dem
Gutachten des hoͤchſten Rathes; nicht ohne deſſen
Beiſtimmung heirathen, Krieg erklaͤren, Frieden ſchlie⸗
ßen, Steuern ausſchreiben, hohe Ämter beſetzen, Kron⸗
laͤndereien veräußern, oder else ohne vollen Beweis
verurtbeilen.
| Seftern (fchreibt — den 26ſten Februar)
verſammelte ſich der hohe Rath und beſchloß, der
Kaiſerinn eine Bittſchrift zu uͤberreichen, daß ſie den
vom Fürften ..... entworfenen Plan genehmigen
möge. Sie gingen demnach zu ihr, der Entwurf
ward vorgelefen, gebilligt und unterzeichnet. Hierauf
Tehrten jene in ihren Sieungsfaal zurkd, wo man
vorſchlug: in Betracht der Güte ihrer Majeftät, ſollte
‚man doch etwas für fie thun. . Hierauf fagte der
Knaͤs Youfopoff: er fey der Meinung, man folle ihr
die unumfchränfte Gewalt anbieten, forte ihre Vor⸗
gänger biefelbe befeffen hätten... Alle willigten ein,
Eehrten zur Kaiſerinn zuruͤck und machten. ihr das
Anerbieten, welches fie auch ohne Zögern annahm;
— fo daß die große Sache zu Ende und Anna jest
fo unumſchraͤnkt ift, als der verftorbene Gar.
Umftändlicher handelt vom Hergange ein gleichzeis
130. . Anno. Regierungsform. 593
tiger namenlofer Brief, welcher den Geſandtſchaftsbe⸗
richten beigefügt if. Als Baron Oſtermann von dem
neuen Reg’erungsplan hörte, glaubte er, feine Macht
würde dadurch fehr vermindert und er vom hoͤchſten
Rathe ganz abhängig werben. Deshalb gab er vor,
er fey unwohl und von ber Gicht ergriffen. Aber
die Dolgoruckys und Galligins kamen in fein Haus
und nöthigten ihn, wider feine Neigung zu unter:
fchreiben. V
General Jaguſchinsky, den man, waͤhrend der
Plan in Bewegung war, vorſaͤtzlich vernachlaͤſſigte
und vom Geheimniſſe ausſchloß, gerieth daruͤber nach
ſeiner Weiſe in Wuth, und ſchickte einen ſeiner Die⸗
ner an die Herzoginn von Kurland und rieth ihr:
die vorgelegten Bedingungen nicht zu unterzeichnen,
weil dieſelben fuͤr ſie ſehr nachtheilig waͤren, und ſie
ohne Zweifel die Krone ſo erhalten koͤnne, wie ſie ſelbſt
es wuͤnſche. Der hohe Rath, welcher von dieſer
Sendung einige Kunde erhielt, ließ den Boten un⸗
terwegs anhalten, bei dem man die ſo eben erwaͤhn⸗
ten Schreiben fand. Jaguſchinsky ward deshalb des
blauen Bandes beraubt und in Feſſeln gelegt, um
ihm den Prozeß zu machen.
Das Volk freute ſich uͤber die Ankunft der Kai⸗
ſerinn und ‚Alles ging ruhig vorüber; zum großen Ers
ftaunen aller derer, welche von der Freiheit rechte Eins
fiht haben, erfolgte. aber ein vafcher Wechfel, Die
594 . Anbang. | 1790.
Fuͤrſten Trubehzky, Gzerkasty und Soltikof, welche die
große Macht der Dolgorudy und Gatligin fücchteten,
und daß diefelben im großen Rathe vicheicht dem
Übrigen Adel Gefege vorfchreiben würden, fuchten ind
geheim unter dem niederen Adel eine große Partei zu
gewinnen, und zwar, wie man glaubte, mit Oſter⸗
manns und des Großkanzlers Golowkin Br Zus
flimmung.
. Eines Morgens, als auf Befehl — General⸗
lieutenants Soltikof die Wachen verdoppelt waren,
gingen Trubetzky und Czerkasky an der Spitze von
300 Edelleuten in den Kreml, um der Czarinn Na⸗
miens des ruſſiſchen Adels eine Bittſchrift zu uͤberrei⸗
hen: fie moͤge die Souverainetaͤt, welche ihre Vor⸗
gaͤnger nach allen Rechten der Welt geuͤbt haͤtten,
wieder an ſich nehmen und die neue Verfaſſung, welche
ihrem und dem Vortheile des Reiches durchaus zu⸗
wider laufe, ganz vernichten. Der Großkanzler Go⸗
lowkin, welcher ſeinem Amte gemaͤß, die in Mitau
von der Kaiſerinn unterzeichnete Urkunde in Verwah—⸗
rung hatte, verfehlte nicht, an dem Morgen wo jene
Abgeordneten anlangten, gegenwärtig‘ zu feyn. - Er
zog die Urkunde aus ber Taſche hervor, und als die
Katferinn die Souverainetät annahm, riß er biefelbe
vor den Augen bes hoben Rathes in Stüden. So
ward die Böftliche Freiheit, von welcher wir kaum eine
Dämmerung erbfidten und die wir eine Zeit lang in
1730, Anna enumföräntt 895
Ruhe zu genießen hofften, plöglich ganz verdunkelt.
an erfchien. uns wie ein Zrauım.
Jaguſchinsky, von dem man erwartete, er werde
aufs Argfte behandelt werden, erfchien vorgefordert bei _
Hofe, befam Amt, Schwert und Ordensband aus
ben eigenen Händen der Kaiferinn, als ein Verthei⸗
diger ihrer Rechte zurüd, und hat jest fo großen
heil an ihrer Gunft, daß er fich fchmeichelt, bald
Setdmarfchall zu werden.
Die Galligin und Dolgorucky gelten für Gegner
der kaiſerlichen Rechte, obgleich fie in der That die
Werkzeuge waren, ber Kaiferinn die Krone zu- ver
Schaffen. — Oſtermann hütet aus politifchen Gruͤn⸗
den noch immer das Bette, weshalb die Kaiferinn, auf
Jaguſchinskys Zureben, eines Tages zu ihm ging, fei⸗
nen Rath uͤber die jegigen Verhältniffe zu hören, und '
feitdem heißt e6: ein Senat folle, wie zur Zeit Pe
ters I, gebildet werden. — Die Edelleute, welche
wegen obiger Beichränkungen uͤbereinkamen, halten
ſich ſehr ruhig, doch cabaliren- fie in dee Stille für
bie Prinzeffinn Elifabeth, welcher (im Angedenken an
ihren Vater) viele Officiere zugethan. find.. Der Haupts
zweck ift: daß Anna bie Prinzeffinn Elifabeth zu
ihrer Nachfolgerinn erklaͤre; während fie geneigt ift,
den Thron ihrer Nichte zuzumenden, der Tochter der
Herzoginn von Medienburg.
| 596 Anhang. N - 1780.
Von dem Verfaſſer diefes Briefes find auch fol:
gende Charakterfchilderungen einiger ruffifchen Großen.
Der Großkanzler Golowkin ift der Sohn eis
ned armen Landedelmanns, welcher zur Zeit des Czars
Alexius Michailowitſch, erſter Jäger (huntsman) beim
Prinzen Chawansky war. Zuerft kam Golowiin in
bie Dienfte des Fürften Alerei Galligin, warb baun,
während ber Regierung dee Prinzeffinn Sophia, Hof:
meifter oder Auffeher ihres jungen Bruders ‚Peter,
brachte diefem von Zeit zu Zeit genaue Kunde über
Sophias Vorhaben, erhielt hiefuͤr die Stelle eines
Kammerjunkers, und fpäter für feine treue Anhang:
lichkeit zur Zeit des Aufruhrs und der —
Sophias, die Stelle eines Kammerherrn.
Seine Unverdroſſenheit im taͤglichen Dienſte er⸗
warb ihm allmaͤlig die Gunſt und das Zutrauen des
Czaren, ſo daß er ihn nach einiger Zeit zum Ober⸗
kammerherrn und bald darauf, nach dem Tode bed Gra⸗
fen Gollowik, zum Großkanzler ernannte, obgleich er
wußte, daß Golowkin ein einfacher, ununterrichteter
Mann ſey, und fuͤr jenes hohe Amt keine beſſeren
Eigenſchaften beſitze, denn eine hoͤchſt unterwuͤrfige und
knechtiſche Gefaͤlligkeit. Sein dienſtfertiges und an⸗
genehmes Benehmen (ſeine beſte Eigenſchaft) ſo wie
ſein Eifer und Schein von Froͤmmigkeit haben ihm
unter den altruſſiſchen Froͤmmlern (bigots) und bei
der Geiſtlichkeit großes Anſehn verſchafft. Er iſt im
1780. Golowkin. Oftermann. .. 597
hoͤchſten Grade furchtſam, und fucht- auf jedem nur
benkbaren Wege ein ungeheured Vermögen zuſammen⸗
zubringen, was ihm auch fo gut gelang, baß er für
ben reichſten Mann in ganz Rußland gilt.
Baron Oftermann, geboren zu Effen in Well:
phalen, ift ber Sohn eines armen Landpredigers, ward
im Sabre 1703 Kammerdiener beim bolländifchen
Viceadmiral Cruys, umd naͤchſtdem, weil er ſehr fleis
- Big ruſſiſch lernte, deffen Schreiber. Cruys empfahl
ihn dem Staatsfecretair. Baron Schapbiroff, um im
Minifterium ber auswärtigen Angelegenheiten gebraucht
zu. werden. Dur Schaphiroffs Gunft warb er Doll:
metfcher, Älberfeger, Unterſecretair, und zulegt Rath
im Minifterium der. auswärtigen Angelegenheiten. Er
bat eine gründliche Kenntniß der neueren Sprachen,
aber nur. eine ſehr oberflaͤchliche Bekanntſchaft mit
dem Lateinifchen. Sein Verſtand und feine Geſchick⸗
lichkeit find gewiß in keiner Weife zu verachten; aber
er iſt voller Feinheiten und Künftlichkeiten, falſch und
verraͤtheriſch, binfichtlich feines Benehmens demüthig,
und einfchmeichelnd mit tiefem Büden und Kriechen,
mas für daB kluͤgſte Benehmen unter den Ruſſen
gilt, und worin er ‚alle Eingebornen übertrifft. Er _
ift ein Lebemann (bonvivant) und Epikuraͤer, und
hat bisweilen etwas von Großmuth, aber wenig von
Dankbarkeit. Denn als am: Hofe ein Streit ent:
fand, zwiſchen dem Fuͤrſten Mentſchikof und dem Groß-
2 /
598 . Anhang. 1780.
kanzler Golowkin einerfeits und bem Baron Scha⸗
phiroff andererfeitd, fo verließ er nicht nur feinen
Beſchuͤtzer und Wohlchäter, fonbern vereinigte fich auch
mit: den Anderen wider ihn. So ward Schaphicoff
geftärzt und nad) Archangel verbannt, und weil nie
mand ba war,-ber fremde Sprachen gut verfiand, er
hielt Oftermann einige Zeit nachher, auf Mentſchikofs
Antrag, das Amt eines Vicekanzlers. Diefen Dienft
vergalt Dftermann, wie die Welt weiß, damit, daß
er. unter der vorigen Regierung ben Sturz Mentſchikofs
beteieb. *
General Jaguſchinsky, iſt der Sohn eines
Organiſten an der lutheriſchen Kirche zu Moskau,
und dankte anfangs al fein Gluͤck feinem huͤbſchen
Geſichte. Denn der Großkanzler Golowkin, befammt
wegen feiner unnatürlichen Leidenfchaften, machte ihn
"als einen ſchoͤnen jungen Menſchen zu: feinem. Pagen,
mußte ihn aber nach zwei Jahren zu bemfeiben Zwecke
(for the same purpose) bem Czar Peter I, unter
dem Titel eines Kammerpagen uͤberlaſſen. Jenes
Derdienft, verbunden mit einem thätigen, lebendigen
und heiteren Geiſte, hob ihn bald und vermochte ben
Czar, ihn erft zum Hauptmann in ber preabraczens⸗
kiſchen Leibwacde und dann zum Generaladjutanten
zu ernennen. Diefe Beförderung, verbunden mit vies
len Zeichen der fleigenden Zuneigung des Gzaren, gas
ben. dem Fuͤrſten Mentſchikof Gelegenheit zu Mißver⸗
®
_
1708. - Zagufdinsti. - 599
gnügen und Eiferfuht. Als der Gzar, deſſen frühere
Gewogenheit gegen den Fürften fehr abgenommen
hatte, dies, gewahrte, fuchte er ihm täglid neue Krän-
tungen zu bereiten, durch wiederholte Begünftigung
Jaguſchinskys; — ja, zuletzt erklärte Peter diefen für
feinen Favoriten. Er befigt Leine außerordentlichen
Geiftesgaben, aber im Hofleben hat er gelernt ſich
höflich zu benehmen, und feine gute Natur würde ihm
beliebt machen, wenn ihn. nicht fein leidenfchaftliches,
durch uͤbermaͤßiges Trinken oft noch mehr entflamms
tes Temperament alles Gebrauchs der Vernunft bes
raubte. Dann mißhanbelt er oft feine beiten Freunde
auf die unverfchämtefle Weife, und verbreitet die wichs
tigften Geheimniſſe. Er ift feige wie. feiner, und vers
ſchwenderiſch im hoͤchſten Grade. Go hat er das
geoße Vermögen feiner Weiber durchgebracht, nebſt
all den. ungeheuren Geſchenken, welche er hier und
vom Auslande empfing. —
Nachdem Rondeau nochmals genaue Erkundigun:
gen eingezögen hatte über die bei Annas Thronbe⸗
fteigung bezweckte Veränderung der Verfaffung, er
ftattete er den 12ten Mär; 1730 einen neuen Bericht.
Sobald die Kaiferinn (erzählt er) in Moskau ankam,
that der hohe Rath alles Mögliche, zu verhindern,
daß fie nicht insgeheim mit feinen Feinden fpreche.
Ja, Waſilei Dolgorudy (einer von: denen, welche bie
Wahlbedingungen zur Unterzeichnung. nach Mitau
“ *
600 | Anhang. "2780.
uͤberbrachten) bezog eine Wohnung im: Palafle, damit
bie Kaiferinn niemand fehe, den er nicht vorftehe.
Died verdroß mehrere große Samilien und dem ge:
fammten niederen Adel, welche befchloffen, fich ihrer
Weiber zu bedienen, um bie Gefinnungen ber Kaifes
rinn kennen zu fernen. Die Gemahlinnen der Für:
fien Czerkasky, Gzerntfcheff und die Generalinn Sol
tikof wurden deshalb von ihren Männern und ans
beren Freunden gebeten, auszufpären: ob die Kaiferinn
das was fie. thue, freiwillig thue; oder ob fie vom
hohen Rathe dazu genöthigt werde? Jene Frauen
entledigten fich diefes Auftrages fo gut und fo geheim,
daß fie fanden: Ihre Majeftät fey mit dem Gefche:
benen nicht zufrieden, und würde die unbeſchraͤnkte
Gewalt gern annehmen, im Fall man Mittel ent:
decke, fie ihre zu verfchaffen. Sobald der niebere
Adel hievon Nachricht, erhielt, verfammelte er fich,
tathfchlagte und faßte Beſchluͤſſe für den genannten
Zweck.
Den 25ſten Februar 1730 ging der. niedere Abel,
den Fürften Czerkasky an feiner Spige, in großer
Zahl zum Palafl. Sie wurden eingelaffen, und ba-
ten bie Kaiferinn in Gegenwart des hohen Rathes,
eine feſte Regierungsform einzuführen; weil der hohe
Rath dies bis jegt zu thun noch nicht für gut bes
funden, ja fich geweigert habe das anzuhören, was
ſie zum Beſten ihres Vaterlandes vortragen wollten,
1730. Neue Regierungsform. 601
Nachdem die Bittfchrift vorgelefen worden, flug Wa⸗
- hei Dolgorucky voͤr: die Kaiferinn möge in ihr Ca: '
binet gehen und überlegen, was zu thun ſey, bevor
fie das Verlangte bewillige. Ihm antwortete die Her:
zoginn von Medienburg, der Kaiſerinn Schweſter:
es fey Nichts’ zu Überlegen, benn diefe Herren for:
derten nur das wahrhaft Vernänftige. Sie fügte ber
Kaiferinn: fie habe Feder und Tinte zur Hand, und
fo unterfchrieb jene ohne Verzug. — Sobald bies
gefchehen war, begaben ſich alle Bittfteller in ein be:
nachbartes Zimmer, kehrten aber bald zurüd und
“ überreichten, duch Juſupoff und Baratinsky, der
Kaiſerinn eine neue Vorftellung, welche fie dem Fuͤr⸗
ften Czerkasky zum Vorlefen gab. Im bderfelben bank:
ten fie zuoörderft, dag Anna ihre erfte Bittfchrift uns
terzeichnet habe, und begehrten naͤchſtdem die Abfchaf-
fung des hohen Rathes und des Senats. An beider
Stelle folle ein neuer Senat von 21 Stiedern treten,
aber nicht mehr als .ein Glied aus einer Familie.
Alte follten für jetzt und kuͤnftig durch Kugelung er⸗
waͤhlt werden, die Kaiſerinn aber, nach Weiſe ihrer
Vorfahren, die unumſchraͤnkte Gewalt wieder an ſich
nehmen. Anna ftellte ſich uͤber dieſe Bitte ſehr ver:
wundert und fagte ihnen: ich glaubte either immer,
daß ihre und der hohe Rath. meine Macht zu be:
Schränken wuͤnſchtet. Endlich aber ward fie vermocht,
das Erbieten anzunehinen, ließ ſich ſogleich die zu
II 26
2. Anhang. 1930.
Mitau angenommenen Bedingungen geben, und ep
fie in allee Gegenwart in Stuͤcken.
Zum ziveiten Mode ging der niedere Abel in ein
anderes Zimmer, entwarf ein Dankſagungsſchreiben
für die angenommene Souverainetät und füßte der
Kaifeeinn die Hand. Die Glieder des hohen Rathes,
weiche mit ihr gefpeifet hasten, thaten daffelbe und
ftellten ſich wohl zufrieden, obgleich fie über ben
Hergang wie vom Donner gerührt waren,
Die Kaiferinn "zeigte viel Much und Kraft 9,
fonft würde fie einer weſentlichen Beſchruͤnkung ihrer
Macht nicht entgangen ſeyn.
Obige Plane und Entwuͤrfe zu einer Veraͤnderung
der Regierungsform erſcheinen allerdings unceif, und
4
nicht unnatürlich fuͤrchteten Viele die unbeſchraͤnkte
Gewalt weniger Familien (die Adelsoligarchie) noch
mehr, als einen, uͤber den Kreis geringerer Leidenſchaf⸗
ten, emporgehobenen Herrſcher. Andererfeits iſt man
in hundert Jahren auf den ſtaatsrechtlichen Bahnen um
keinen Schritt in Rußland vorgeruͤckt, und bald ergab
ſich, daß im überweiſen der Unumſchraͤnktheit noch keine
Buͤrgſchaft fuͤr den guten Gebrauch derſelben liege.
Den 11ten Mai 1730 ſchreibt Rondeau: der Adel
iſt ſehr unzufrieden daß die Kaiſerinn fo viele Kremde
um ihre Perfon anſtellt. Biron, der aus Kurland
1) Bericht vom 20ften April 1780.
N
⸗
1730, Anna unumfchräntt, Die Prinzeffinn Euſabeth. 603
mit ihr kam, ward Oberkammerherr, und viele ſeiner
kandsleute ſtehen in großer Gunſt, zum Verdruß ber
alten Ruſſen, welche auf den Vorzug rechneten. Man
glaubt, Baron Oſtermann habe ſich dieſer neuen Guͤnſt⸗
linge bedient, um die Leitung aller Angelegenheiten
in ſeine Haͤnde zu bekommen, werde aber (ſobald er
ſich feſtgeſetzt) dieſelben aufopfern, oder wenigſtens
nach Kurland zuruͤckſenden.
Die Prinzeſſinn Eliſabeth iſt, oder ſtellt ſich
feit einiger Zeit krank. Einige erzählen"), es geſchehe
weil ſie nicht ſtatt der gegenwaͤrtigen Kaiſerinn er⸗
waͤhlt worden; Andere, weil ſie von einem Grenadier,
in welchen ſie verliebt iſt, ſchwanger ſey, und nicht
in Hofkleidern erſcheinen koͤnne, ohne ihren Zuſtand
zu entdechen. Ob dies der Grund ſey oder nicht,
kann ich wicht behaupten: gewiß aber iſt es, daß fie
ein fehr unregelmäßiges Leben führt, welches der Kai:
ferinn (damit jene ihren Ruf untergrabe) nicht zu
mißfallen ſcheint. Wenigſtens hat fie den beguͤnſtig⸗
ten Grenadier (welcher indeß ein Edelmann if) nicht.
fortgeſchickt, fondern von feinen Pflichten entbunden,
damit er fletö der Prinzeffinn zu Befehle ſtehe. Wahr-
ſcheinlich wirb er fie bad ganz zu Grunde richten.
Wenn ich den Geiſt (mit) und die Schönheit biefer
jungen Peinzeffinn betrachte, fo betrübe es mich zu
1), Bericht vom 1dten Mai 1730. Band 18,
26 *
wa Anhang 10.3.
ſehen, daß fie ſich in folder Weile preisgiebt, denn
über Eurz oder lang muß es bekannt werden. Dies
hat mir in großem Vertrauen der Arzt (surgeon)
Here Leftocg erzählt, welcher in Hannover gebo=
ten ward. ve
Der Kaifer Karl VI’) hat dem Oberfammerhern
und Günftling. der Kaiferinn, Biron, jein mit
Diamanten befegtes Bild gefchenkt, welches wenig⸗
ſtens 5000 Pfund werth if. Gleichzeitig hat er. ihn
zum Reichsgrafen ernannt, obgleich er zuvor ein ganz
unbetannter Menic war. Ich glaube nicht daß Graf
Biron fi) lange erhalten wird; denn ich bin geneigt
anzunehmen, Baron Oftermann habe eingewilligt, ihn
mit allen Reichthümern zu überhäufen, um ihn den
Ruſſen verhaßt zu machen. und‘ allmälig zu Grunde
zu richten, wie er es feit mehren Jahren allen Guͤnſt⸗
lingen angethan hat.
Sie koͤnnen ſich nicht vorſtellen, wie prachtvoll
dieſer Hof ſeit der letzten Regierung iſt?), obgleich fie
keinen Schilling im Schaͤtze haben und deshalb ' nie:
mand bezahlen, mas zu allgemeinen Klagen viel bei⸗
trägt. Ungeachtet dieſes Geldmangels geben alle Hof:
(eute große Summen für Kleider zur naͤchſten Mas:
ferade aus, und eine Schaar Schaufpieler wird täglich
1) Bericht vom 22ften Junius 1730.
2) Bericht vom 4ten Sanuar 1731.
1731. 4. Biron, Pradht und Armuth. 605
aus Warſchau erwartet, welche der- König. von Polen
ſchickt, um der Kaiferinn die‘ Zeit zu vertreiben Sie
denkt nur: hieran, und voie. fie auf. den Strafen Biron
(und auch auf feinen Bruder) Ehren und Reichthuͤ⸗
mer häufen koͤnne.
Hier iſt eine große Intrigue im Gange geweſen,
um den Günftling der Prinzeffinn Eliſabeth, den
großen Grenadier, bei Seite zu fchieben und den
Major Biron an feine Stelle zu bringen. Immer:
während ift diefer bei ihr, und der Grenadier ward,
nachdem man ihm alle Geſchenke der Prinzeſſinn ab:
genommen, nah Sibirien gefchidt. Dies hat jedoch
die Hergoginn von Medienburg fehr verdroffen, weil
fie. fürchtet daß Eliſabeth, um der Birons willen,
mehr ‚von der Ezarinn werde begünftigt werden, als
fie und ihre Tochter. Die Herzoginn iſt jedoch fehr
kraͤnklich und wird ſchwerlich davon kommen; denn
fie hat feit Jahren fehr viel Branntwein getrunken.
Es fehle hier nad) wie vor an Gelde!), und nie
mand kann fich vorflellen, welch ein theurer Ort Pe:
tersburg iſt, beſonders für fremde Gefandten. 4 «Sie
bedürfen ſchoͤne Wagen und Pferde, fowie an- allen
großen Feſttagen neue und preachtvolle Kleider; was ſo
viel koſtet als in ‚London und -Paris, Da die Kaife:
tinn liebt, jeden fo ausgefhmüdt zu fehen, muß id
4) Bericht vom 2iften September 1784. Band 19.
600 Anhang. 1787. 38.
mid, gleich allen übrigen, dieſem Gebrauche unters
werfen.
Die Republikaner des Jahres 1730 (mie man fie
nannte) ') wurden zum. Theil unmittelbar nach Sibis
rien oder anderen entfernten Orten verbannt; oder die⸗
. jenigen,. welche damals davon kamen, find fpäter, um
der leichteſten Verſehen willen, fortgefhidt worden.
Undeffen war Biron zum Herzoge von Kurland
erhoben worden, und trachtete in bern Maaße, als ihm
Unerwarteted gelang, nach noch Höheren: Dingen,
Hieruͤber geben folgende Berichte nähere Auskunft:
Man fagt?): der Herzog von Kurkand habe den Plan
feinen Sohn mit der jungen Herzoginn Anna von
Medtenburg (der Nichte der Kaiſetinn) zu verheirarhen,
Bedenkt man, was jenen noch nor wenig Jahren wear,
fo erfcheint das Unternehmen fehr kuͤhn; jetzt aber iſt
er ein ſouverainer Fuͤrſt und allmaͤchtig durch bie Gunſt
der Kaiſerinn, fo daß Niemand vorausſehen kann,
wie weit ihn fein unbegraͤnzter Ehrgeiz treiben wich,
fofern er im Stande bleibt jener fortwährend zu ges
falten. Gin Haupthinderniß iſt das Alter, beiden Per-
fonen: denn die Pringeffinn ſteht bereits im 2Ofien,
Prinz Peter aber erfi im Aöten Jahre; doch duͤrfte
biefe rn mit der Zeit verſchwinden. Die
» Bericht ı vom. isten Januar 1737. Band 23,
2) Bericht vom 2oſten Seytember 1738. Band 2.
1738 39. Birons Gunft und Plan. 607 i
Prinzeſſinn iſt keineswegs fehe ſchoͤn, aber doch paſſa⸗
„ bet genug. Ä
Der Herzog war Willens nach Warfchau zu ges
ben‘), die Kaiferinn wollte aber auf Beine Weiſe zuge:
ben daß er Moskau verlaſſe; ja man behauptet daß
fie bei diefee Gelegenheit Thraͤnen vergoffen habe. Died
bewog den Herzog feinen Plan aufzugeben und zu
zu verfuchen, ob er nicht auch abweſend die Belehnung
von Kurland erlangen koͤnne.
Sch glaube (fchreibt der Gefandte den 13ten Ja⸗
mear 1739)2) daß der Herzog die Abſicht hat, dem
suffiihen Thron feinem Daufe zuzuwenden. Vor
vierzehn Tagen ging er zur Prinzeſſinn von Mecklen⸗
burg und fagte ihr: einige Zeute bilden fih ein, daß
ich die Kalferinn abhalte ihre Einwilligung zur Hei⸗
rath zwiſchen Ihnen und dem Prinzen von Bevern
zu geben, weil id, bezwedte Sie mit meinem Sohne
zu vermählen. Sch denke nicht daram, biefen wider
feinen Willen zu verheirathen, welchen Wortheil auch
meine Familie dadurch gewinnen koͤnnte. Kaffee, Karl
bat mie vor Kurzem für meinen Sohn eine beutfche
Prinzeffinn mit einem jährlichen Cinkommen von
200,000 Kronen veegeſchlagen ; aber ich fand nicht
I) Bericht vom 16ten December.
2) Bam 5.
608 Anhang. 1739.
paffend dies Erbieten anzunehmen, da ich entfchloffen
.. bin daß mein Sohn felbft wählen fol.
Hierauf fragte der Herzog die - Prinzeffinn : was
ſie vom Prinzen von Bevern denke? worauf fie ant⸗
wortete: fie flehe der Kaiferinn ganz zu Dienfle, und
fey bereit. ihren Befehlen zu gehorchen; im Fall man
‚ fie aber um ihre Neigung beftage, fo geftehe fie, der
Prinz gefalle ihe nicht! . .
Sch finde nicht, daß der Herzog biefen Schritt auf
Befehl der Kaiferinn that; welches mid) überzeugt, er
wolle die Abfichten der Peinzeffinn Eennen lernen, bes
vor er feinen Plan feſtſtellt. Irre ich nicht, fo geht
diefee dahin feinen Sohn mit der Prinzeffinn, und
feine Zochter mit dem Prinzen von Bevern zu verhei⸗
rathen; womit dieſer (mie der Herzog hofft) zufrieden
feyn wird, im Fall er ihm die Würde eines Feldmar
[halle verſchafft.
Dieſer Plan mißlang indeſſen. Den 14ten April
1739 .fagte der Herzog-dem Geſandten: die Kaiſerinn
fey entfchloffen; ihre Nichte Anna mit dem Prinzen
von Bevern zu vermählen; und ben 12ten Mai ee:
ſtattet der Gefandte zur Aufklärung: diefer —
und Widerſpruͤche folgenden Bericht.
Sm Jahre 1732 kam man überein: daß der Prinz
Anton Ulrich von Braunſchweig-Bevern hieher kom:
men und dereinſt die Prinzeſſinn Anna heirathen ſolle,
welche man als die kuͤnftige Nachfolgerinn der Kaiſe⸗
\
1739. Anton Ulrich von Braunſchweig und Anna. 609
rinn betrachtete. Dem gemäß langte er den ten
Februar 1733 in Petersburg an. Ich war zugegen,
als er zum erfien Male dem SHerzoge von Kurland
vorgeftellt wurde, und bemerkte leicht, wie fich der legte
über deffen Kleinheit verwunderte; woraus ich ſchloß,
dee wiener Hof. habe ihn in einem vortheilhafteren
Lichte befchtieben, als er fich jet darſtellte. Deßun⸗
geachtet empfing ihn die Kaiferinn mit vieler Höflich-
keit, trug Sorge daß er feinem Stande gemäß mit
allen Dingen verfehen werde, und beftritt zeither Teine
Ausgaben. Einige Jahre lang ward er indeß fo we:
nig geachtet, daß jeder glaubte: der hiefige Hof wuͤrde
gern ‚einen anfländigen Vorwand finden, feiner los zu
vöerden.
Nachher zeigte er Muth im Tuͤrkenkrieg und er:
warb ben Beifall des Marſchalls Münnid. Der
Prinzeffinn behagten uͤbrigens Bevern und Biron gleich
wenig. Weil e8 aber jebem fein Vaterland liebenden
Ruffen hohe Zeit. ſchien, daß man die Pringeffinn
verheirathe (melche Neigung hat di zu werden), fo
wagte es der Herzog von Kurland wol nicht, dem
allgemeinen Wunfche entgegen zu treten. Vielleicht
"fand er die Prinzeffinn (meil ſich Bein anderer paſſen⸗
der Gemahl darbot) doch geneigter den Prinzen von .
Bevern zu heitathen, als drei, vier Fahre auf Birons
Sohn zu warten.
Einige glauben: die Kafferinn habe: ihrer Nichte
610 — Anhang. | 1739,
befohlen einen von beiden zu wählen, und fie habe
fig fie den Prinzen erlärt, welcher auch ohne Zwei⸗
fet in Hmficht auf Abkunft und Alter vorzuziehen
war. Sch muß hinzufügen, dag ber Prinz während
der beiden legten Feldzuͤge ſehr gewachſen ft, und man
jetzt ohne Schmeichelei fagen kann: er fey ein ſchoͤner
Mann (a handsome person), Wahrfcheinlich leitete
ber Herzog dieſe wichtige Sache und ficherte dadurch
Kurland feiner Familie für immer: Denn man zweis
fett nicht, daß der Prinz verfprochen habe-eine feiner
Schweitern mit dem Sehne Birons zu verheirathen.
So wurden denn Anna und Bevern (Bericht vom
3ten Zulins) von einem ruffifhen Erzbifchofe getraut,
‚wobei in jeder Beziehung die größte Pracht in Klei⸗
dern, Wagen, Pferden u. f. w. ftattfand.
Seitdem ſchien Alles fr Gegenwart und Zukunft,
es ſchien insbeſondere die ſchwierige Frage uͤber die
Thronfolge vorſichtig und gluͤcklich geordnetz wie ſehr
jedoch dieſe Hoffnungen taͤuſchten, wird an anderer
Stelle umſtaͤndlich erzählt: Hier mag als Anhang
zum Anhange noch ein Bericht Piag finden‘), weichen:
Rondeau über die Saporoger Koſacken erftattete.
Die Saporoger Kofaden (erzählt er) find eim flar«
kes und unermuͤdliches Voll. Ihr Eaſhevoy oder
General hat eine Stube (a room) für ſich, etwa
1) Bericht vom 2ften Xprlı 1736. Band’ 21.
-
1739, Saporoger Kofaken. 6
410 Fuß ins Gevierte; die Anderen ben zufammen in
geoßen Raͤumen Kuraveis genannt, Deren jeder etwa
600 bis 700 Perſonen begreift. Jeder, dem es gefällt,
mag in den Kuravei hineingehen, ſich einlagern umd
efien, ohne daß man ihn fragt, und ohne daß er für
das Genoſſene dankt, Da der ganze Stamm meht
gewöhnt iſt im freien Felde, als in feſten Wohnun⸗
gen zu leben, fo liegen gewöhnlich 400 bis 500 zu
einem Kuravei gehörige Perfonen im Freien, ' haben
‚ aber das Recht in ben (bedeckten) Raum einzutreten
wann fie wollen. Die Saporöger find eine Art von
Rittern, die keine Weiber unter fich leiden ; Denn im
Fall man entdedt, daß einer fi, ein Weib hält, wird
er zu: Tode gefleinigt. Sie haben Leine gefchriehenen
Befoge, fondern alle Rechtsfachen werden von ſechs oder
fieben dazu erwaͤhlten Perfonen entfchleden: bes Spruch
kann jebody nicht vollgogen werden, bevor er von bee
Brüderfchaft (fraternity) gebilligt iſt. Diebe werben
bei den Rippen aufgehangen. Der entdedite Mörder
wird. zu dem Ermorbdeten in ein Grab gelegt und mit
ifm begraben. Sie bekennen fi zur griechifhen Re⸗
ligion und wurden (fo Lange fie unter tuͤrkiſchem
Schuge fanden) vom dem Patriarchen von Conſtan⸗
tinopel nait Geiftlichen verfcheri; feit zwei Jahren, wo
fie unter dem Schuge der Czarinn ſtehen, gefchieht
bie® durch ben Erzbifſchof von Kiew: Sie haben nur
eine Kicche,, an weicher ein Abt, nebſt wenigen Prier
612 | Anhang. 4739.
fteen ſteht, die fich aber in weltliche Gefchäfte nicht
einmifchen dürfen. Doch mögen fie für Verbrecher
ein Vorwort einlegen, fo wie auch Kirchenbußen füt
deichte Vergehen in ihrer Gegenwart flattfinden.
Die Saporoger nehmen in ihre Brüderfchaft alle
Leute aus allen Völkern auf, fobald fie den griechi⸗
chen Stauben bekennen und ſich einer fiebenjährigen -
Prüfung unterwerfen, bevor fie Ritter (knights) wer-
den. Läuft einer aus ihrer Bruͤderſchaft davon, fo
laſſen fie ihn unverfolgt laufen, und halten ihn fuͤr
ein unmürbiges Mitalied. Ihre Reichthuͤmer beftehen
in Vieh; befonders in Pferden. Einige haben deren
über 100, und die meiften zehen bis zwanzig. Mehre
taufend Pferde laufen durcheinander in ben offenen
Feldern umher. Sehr felten wird eins geftohlen, bern
die Strafe folgt unwiderruflich -der That. Sie fin
kein Getraide. Im Kriege fuchen fie durch Pluͤnde⸗
rung Alles zu erlangen was fie brauchen, und im
Frieden taufhen fie das Nöthige für Pferde und Fiſche
ein. Die legten fangen fie. huuptfächtlih im Dniepr.
Ihre Dengfte find tuͤrkiſcher und cherkaffifcher Herkunft.
Ihre Waffen beftehen in gezogenen Gewehren und in
Säbeln welche fie felbft verfertigen.
Niemand‘ wird in ihre Gefelifchaft' ald Ritter auf:
genonimen, der nicht fehr ſtark und mwohlgebaut ift;
‚jeder wird dagegen als. Cholopps oder Diener aufge:
nommen, deren Mancher zwei, drei befigt. Sie er⸗
173% | Saporoger Kofaden. 613
wähnen nie, wie viele Ritter zu ihrer Gefellfchaft ge:
hören; und wenn man fie darüber fragt, fo antwor:
ten .fie: das laſſe' fi nicht angeben, weil die Zahl
20000 überfteige. Gewiß befteht ber größte Theil
diefes Volkes aus Kofaden, die aus der Ufraine ent:
weichen; die Cholopps oder Diener find dagegen meift
Dolen. "Jene theilen fid in 30 Kuraveis, deren jedes
feinen befonderen Befehlshaber oder Attaman hat,
welche alle jedoch dem Caſhevoy oder Feldheren unter-
worfen find. Jeder Ritter bat Stimmrecht bei der
Wahl des legten. Wenn er ſich nicht gut benimmt,
wird er abgefegt und ein neuer erwählt. Died ges
ſchah vor einigen Fahren dem jegigen Caſhevoy; nach
dem Tode feines Nachfolger ward er indefjen mieder
gewaͤhlt. Wenn ein Saporoger ftirbt, kann er feine
Pferde und. fonftigen Güter hinterlaffen wen er will;
das Meifte erhält jedoch in der Negel die Kirche zur
Erhaltung ber Priefter.
Geſchlechtstafel der Kaifer und Kaiferinnen von Rußland.
1) Alerius Michailowicz. —
Iwan Alexiewicz | 2) Peter der Große, + 1725.
w | Gemahlinz 3) Katharina I, + 17ten Mai 1727.
Katharina 5) Anna Alexei Anna 7) Eliſabeth.
G. Karl Leo⸗ Kaiſerinn 1780 77ten Julius ©. Karl Fried: Kaiferinn 1741
pold von Med: + öften Oft. 1u8. rich von Hol: + 5ten Ian. 1762.
lenb. ⸗Schwe⸗ 1740. 4 ftein Gottorp.
rin. — — — — ——
Natalia 4) Peter II 8) Peter III
‚Anna Kaifer 17ten ’ Kaifer Iten San.
G.Anton Ulrich Mai 1727. 1762. + Aäten
v. Braunihm. + “ En ‚Julius 1762,
Kaiſer Bften . |
— u
sten Augu
1764, 2 r | .
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