Skip to main content

Full text of "Beiträge zur neuren geschichte aus dem Britischen museum und Reichsarchive"

See other formats




Google 





This ıs a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before ıt was carefully scanned by Google as part of a project 
to make the world’s books discoverable online. 


It has survived long enough for the copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject 
to copyright or whose legal copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books 
are our gateways to the past, representing a wealth of history, culture and knowledge that’s often difficult to discover. 


Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear ın this file - a reminder of this book’s long journey from the 
publisher to a library and finally to you. 


Usage guidelines 


Google ıs proud to partner with lıbraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the 
public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken steps to 
prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying. 


We also ask that you: 


+ Make non-commercial use of the files We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for 
personal, non-commercial purposes. 


+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google’s system: If you are conducting research on machine 
translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text ıs helpful, please contact us. We encourage the 
use of public domain materials for these purposes and may be able to help. 


+ Maintain attribution The Google “watermark” you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find 
additional materials through Google Book Search. Please do not remove it. 


+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just 
because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users ın other 
countries. Whether a book is still in copyright varies from country to country, and we can’t offer guidance on whether any specific use of 
any specific book is allowed. Please do not assume that a book’s appearance ın Google Book Search means it can be used in any manner 
anywhere in the world. Copyright infringement liability can be quite severe. 


About Google Book Search 


Google’s mission is to organıze the world’s information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers 
discover the world’s books while helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the full text of this book on the web 


atihttp: //books.gooqle.com/ 








‚ 








Digitized by Google 





Beiträge 
sur neneren Gefchichte 


aus bem 


britifchen Mufeum und Reichdarchive 


von 


Friedrich von Naumer. 


Zweiter Theil. 
König Friedrich u nnd feine Zeit (1740 — 1769). 


geipaig: 
| F. A. Brockhaus. 
1836. 


König Friedrich U 
und feine Zeit, 


(1740 — 1769.) 


Naͤch den geſandtſchaftlichen Berichten 
im | 


britiſchen Muſeum und Reichsarchive 


von. 


Friedrich von Raumer. 





Leipzig: 
%. U Brockhaus. 
1836. _ 





y% 
G | 
ä 11 ver. 1ypu 3 


vo, OF Or. 3 
RR y 


Vorwort. 


Man hat ſehr oft und laut uͤber die Mangel⸗ 
haftigkeit und Unwahrheit der Geſchichte Klagen 
erhoben. Zum Theil ſind dieſelben allerdings be⸗ 
gruͤndet und laſſen ſich (gleichwie vieles menſchlich 
Unvollkommene) nicht vollſtaͤndig beſeitigen; ande⸗ 
rerſeits koͤnnte man ſie aber großentheils abſtellen 
und ſich dem Ziele wenigſtens naͤhern, ſobald man 
dem Geſchichtſchreiber den Zutritt zu allen vorhan⸗ 
denen Quellen- in freiſinniger Weiſe eröffnete und 
nicht eine Geheimnißkrämerei mit dem triebe, bdef- 
fen Bekanntmachung fo unverfänglich, als lehr⸗ 
reich ſeyn würde. 

Daß in unferen. Tagen dad wahrhaft Weltbe⸗ 
ſtimmende nicht mehr bloßes Hof- und Cabinets⸗ 
geheimniß ſeyn und bleiben kann, daß Kniffe und 
Raͤnke, Vorurtheile und. Beftehungen, Beiſchlaͤfer 
und Beiſchlaͤferinnen, nicht mehr uͤber Krieg und 
Frieden, Leben und Richtung der Voͤlker auf die 


vi R Vorrede. 


Dauer entſcheiden; — dies iſt ein unleugbarer 
(hoffentlich nicht blos raſch voruͤbergehender) Fort⸗ 
ſchritt der Zeit. Die Gegenwart legt ſich offen 
der Beurtheilung der Mitwelt dar, und der Ge 
fchichtfchreiber kann das Wefentlichfte davon erfaf- 
fen, wenngleich) der neuefte diplomatiſche Brief⸗ 
wechfel zum Zheil verfchloffen und verfiegelt bleibt. 
Nicht fo hinſichtlich der früheren Zeiten, wo das 

Kundgemachte mit den wirkfameren, geheimen Trieb: 
federn oft im Widerfpruche ſteht und gar. mancher 
Berichtigung bedarf. Selbft für die Zeit König 
Friedrichs II von Preußen wurben Maaßregeln und 
Befchläffe (wenigſtens an einigen Höfen) in der 
fo eben bezeichneten, NE Meife herbeis 
geführt. 

Um fo größeres Lob * um ſo aufrichtigeren 
Dank verdient die engliſche Regierung, daß fie mir 
das Reichsarchiv mit ſeinen Schaͤtzen, nicht blos 
fuͤr die fruͤheren Zeiten, ſondern auch fuͤr ben Theil 

des achtzehnten Jahrhunderts eröffnete, auf wels 
chen fi) meine Forfehungen richteten. Und Ddiefe 
Eröffming war nicht verbunden mit hundert arg⸗ 
woͤhniſch beſchraͤnkenden, Zeit koſtenden und Ber: 
druß erwedenden Vorſichtsmaaßregeln; fondern fie 
war unbefchränft, und auch von Seiten der beim 
Archive angeftellten Männer fand ich die bereitwil: 
ligfte und freundſchaftlichſte Unterflügung. Es gin: 





"Borrede vn 


gen an gefandtſchaftlichen Berichten durch meine 
Hände: 
Aus Frankreich 37 Folianten. | 

— Preußen 5 — mit Einfhluß der * 
— Sſterreich 60 — piere des Geſandten 
— Rußland 5° — Michel. 

— Sachſen 3 — 

— Holland 16 — 

— Schweden 15 — 

Koͤnigliche Briefe — 

»In Summa 292 Folianten. 

Zuſicherungen aͤhnlicher Beguͤnſtigung habe ich 
von Paris empfangen; wenn anders meine Der: 
hältniffe nur erlauben wollten, Davon Gebrauch zu 
machen. - In. der Heimath gelten die vorwaͤrts, 
und bie ruͤckwaͤrts gekehrten Propheten (die Hiſto⸗ 
riker) gleich wenig; — mindeſtens find. wir in 
Deutfehland leider noch nicht bei der in London 
und Parts anerkannten preiswuͤrdigen Theorie und 
Praxis hinfichtlich der Benutzung geſchichtlicher 
Quellen angelangt. 

Unter dieſen Verhaͤltnifſen konnie ich kein viel⸗ 
ſeitiges, kritiſch vergleichendes Werk uͤber die Zeit 
Friedrichs I zu Stande bringen; ſondern mußte 
mich darauf befchränken, aus obigen Folianten das 
Wichtigſte und Lehrreichfte auszuziehen, ‚und in 
hberfichtliche Verbindung zu bringen. König Fried⸗ 


vn Borrede 


rich II bildet den Mittelpunkt des Ganzen; gleich 
wie er, fpiegelt fich aber auch feine Zeit in jenen 
Duellen ab, wodurch der Titel dieſes Buches, wo 
nicht gerechtfertigt, doch entſchuldigt wird. 

Nach manchem Zweifel, wie die Materialien zu 
ordnen und zu verarbeiten wären, fchien es mir 


zulegt. am Gerathenften, die urfprüngliche Form 


der Berichte im Wefentlichen beizubehalten, damit 


der englifche Standpunkt und die: englifche Betrach- 


tungsweife fo wenig ald möglid) verfhoben und 
getrübt werben. Um eine zu große. Berftücelung 
der, aus fo verfchiedenen Ländern herrührenden 
Berichte zu vermeiden, mußte ich bisweilen manche 


(jedody mit genauer Bezeichnung der Zeit) unter 


einer Hauptnummer zufammenfaflen. Auch Fonnte 
‚ich “mir nicht verfagen, an einigen Stellen Zufäge 
und, erläuternde Betrachtungen beizufügen. Eine 


umftändliche Einleitung über die Lage Europas zur 
Zeit der" Thronbefteigung Friedrichs II hielt ich da= . 


‚gegen für überflüffigz weil jeder Freund ber Ge- 
fchichte hierüber genligend unterrichtet iſt, oder in 
den Werken‘ bes: Königs nachlefen Tann, wie Dies 


4 


fer jenen: Zeitpunft: und feine m — ete. 


Berlin, 1836. 


Inhalt. 
Erſter Äbſchnitt. 


9 reußen. Berichte tes engliſchen Geſandten Guy 
Dickens aus Berlin. Krankheit und Tod Friedrich 
Wilhelms J, Benehmen und Anreden des neuen Kb: 
nigs. Betrachtungen über die Natur und Stellung 
Friedrichs H. Seine Plane. Lage Europas. 


Bweiter Abſchnitt. 


Schwediſche Angelegenheiten. Parteien. Berhält: 
niß zu Rußland. Kriegswefen. Einfluß ber Fran⸗ 


zofen. und Ruffen. Dev Reichstag. Beſtechlichkeit. 


Fraͤulein Taube. Der König und die Königinn. 
Kriegsluft. ©. * eo . . . . 


) 


Dritter Abſchnitt. 


Ruß Land. Allgemeine Berhältniffe. Der Herzog 
von Kurland. Krankheit ber Kaiferinn Anna. 


Seite 


= 


6 


x Inhalt. 


Unzufriedenheit. Verſchwoͤrungen und Strafe. Die 
DoloorudY. . > 2 00 


Vierter Abſchnitt. 


Frankreich und Spanien. Krieg zwiſchen Spa⸗ 
nien und England. Kraͤnklichkeit der Königinn 
von Spanien. Des Kardinal Fleury Anfichten. 
Seine Kiagen über Spanien. Zrübfinn Philipps V. 


Sein Plan abzubanten. Unzufriedenheit. Mißs 


verhältniß Frankreichs zu England. 


Fünfter Abſchnitt. 


Preußen. Friedrichs II Anfprüche auf Juͤlich, Oft: 
friesland und Mecklenburg. Verhältniß zu Frank⸗ 
reich und England. Neue Stellung Preußens. . 


Sechster Abſchnitt. 


Rußland. Tod der Kaiſerinn Anna. Iwan III. 

KRecgentſchaft des Herzogs von Kurland. Thron⸗ 
anſpruͤche. Erbrecht. Einwirkung des hohen Adels 
auf Annas letzte Beſchluͤſſe. Muͤnnich, Oſtermann, 
Beſtuchcf. Unzufriedenheit bes Prinzen von Braun 
ſchweig und feiner Gemahlinn ber Pringeffi nn Anna. 
Meuterifche Reden ber Officiere. ‘Biron und ber 
Prinz von Braunſchweig. Verhoͤr und Zurecht⸗ 
weifung des legten. Rechtfertigung und Kühnheit 
Birons, Gein Charakter, Wolinskois — 
rung. Die Prinzeſſinn Eliſabeth. 


Seite 


18 


35 


82 


35 


Inhalt. | x 
Seite 
Siebenter Abſchnitt. 


Rußland. Tätigkeit des Negenten. Sturz bes 
Regenten. Muͤnnichs Theilnahme und Lift. Anna 
und Ulrih von Braunſchweig Regenten für ihren 
Sohn Iwan IIII.. 52 


Achter Abſchnitt. 


Öfterreich. Pragmatiſche Sanktion. Tod Karls VI. 

Maria Thereſia. Niedergefhlagenheit in Wien. 
Hoffnung auf Preußen und England. Anſpruͤche 
Baierns, Born darüber in Wien. Betrachtunges 
weife in London, Petersburg, Paris und Dress 
Benz u sn vn 66666666 


Neunter Abfhnier 


Preußen. Friedrichs If neue Plane und Befchtüffe. 
Zeugniffe aus feinen Briefen. Schreiben des Groß⸗ 
herzogs Franz an den König, ımb deffen Antwort. 

Seine Anerbietungen an Öfterreich. Beliebtheit der _ 
Maria Therefia. Klagen des engtifchen Gefandten - 
über Friedrich II. Schreiben Friedrichs an den Kb 

nig von England, und deſſen Antwort. Zweifel und 
Erftaunen in Wien. Bedenkliche Nachrichten aus 
Paris. Trieblisbende und Eriegerifche Parteien das 

Telbitr 8. 20: ar er ee ren ie 70 


| Zehnter Abfhnitt. 


Friedrichs Kriegevorbereitungen. Ex und ber englie 
She Gefanbte über bie pragmatiſche Sanftion und 


u Snpalt. 


Seite 
das Gleichgewicht von Europa Über das Halten - 
ber Verträge. Anfprüche Friedrichs auf Schlefien. ‚ 
Zorn und Klagen der Öfterreichifchen Patrioten. 
Anerbietungen und Forderungen Friedrichs. Got: 
ters Audienz beim Großherzoge. Antwort deſſel⸗ 
‚ben. "Verhandlungen in Berlin. Erzaͤhlung des 
Großherzogs. Tchätigkeit un Vorftellun: 
gen an Friedrich U. . .- wet Br 


Eilfter Abſchnitt. 


Über Öfterreiche Benehmen. Anfichten in Petersburg. 
und Paris. Anfprüde Spaniens. auf. die dfterrels 
chiſche Erbſchaft. Einbruch. der Preußen: in Schle⸗ 
fin. Neue Vorfchläge Friedrichs. Gotters Au: 
dienz beim Großherzog. Berathungen und Ant: 
worten ber Öfterreicher. Abbrechen der Unterhand⸗ 
lungen. Schreiben Friedrichs IL an ben König von - 

“ England. Antwort. Zriebrih an ben Großherzog. 
Bartenfteins Grundfäge. Englands Vermittelung, 
zwifchen Öſterreich und Preußen. Friedrichs weis 
tere Vorſchlaͤge. Friedrich an Lord Hyndford. 
Schlacht bei Molwitz. Friedrid an. Podewils. 95 


- 


Zwölfter Abſchnitt. 


Rußland. Die Regenfinn Anna, der Czar Iwan. 
Winterfeld in Rußland. Muͤnnichs Macht, An: 
maßung und Entlaffung. Beftuchefs falfche Ans 
Hagen wider Biron. Schweden. Reichstag. 
Parteien. Beſtechlichkeit; die Königinn, Krieg 


' Inhalt. XIII 


Seite 
zwiſchen Schweden und Rußland. Frankreichs ver⸗ 
aͤnderte Erklaͤrungen uͤber die pragmatiſche Sank⸗ 
tion. Neue Plane Frankreichs und Spaniens. Ent⸗ 
wurf eines Vertrages zwiſchen beiden Maͤchten. Die 
Koͤniginn. Noth und Unzufriedenheit in Spanien. 116 


Dreizehnter Abfchnitt. 


Verhandlungen des Lords Hyndford mit Friedrich II. 
Gleichzeitige Verhandlungen Robinfons in Wien 
über eine Ausföhnung mit Preußen. Abneigung 
der Königian und des Großherzogs. Charakter _ 
Maria Therefias. Schreien in Wien über den 
Vertrag Preußens mit Frankreich. Pariſer Bee 
fchlüffe. Öfterreichifche Vorfchläge über Abtretuns 

‚gen in den Niederlanden an Preußen, abgelehnt 
von Friedrich. Robinſon und Hyndford im Lager 
bei Friedrich IL Mißtungene Unterhandfungen . 120 


Vierzehnter Abſchnitt. 


“ Hfterreich bietet Niederſchleſien. Anmarfch der Fran⸗ 
zofen. Friedrich II an Hyndford. Verhandlungen 
über einen Waffenftillftand. Zuſammenkunft in. 
Schnellendorf. Abſchluß. Geforbertes Geheimniß. 
Belanntwerbung. Fortfegung des Krieges. Hynd⸗ 
fords Klagen über Friedrich U. Neue Berathune. 
gen und Verhandlungen. .  « 2148 


Funfzehnter Abſchnitt. 


Neue Klagen Hyndfords uͤber Friedrich. Engliſche 
Vermittelung. Sieg bei Czaslau. Friede von 


xIV Inhalt. 
| | — Seite 
Breslau und Berlin. Klagen der Maria Thereſia. 


Schrecken in Paris. Friedrichs ———— ei⸗ 
nes Benehmens. 156. 


Sechzehnter a 


Rupland. Franzöfifche und ſchwediſche Umtriebe. 
Dftermanns Natur. Beforgniffe vor Eliſabeths 
Planen. Falfche Zuverfiht. Leſtocq. Chetarbie. 
Intriguen. Das Fräulein Julia Mengden. Cha⸗ 
rafter des Regenten unb feiner Gemahlinn. ns 
einigkeit derſelben. Eliſabeths Perſoͤnlichkeit und 
Vergnuͤgungsſucht. Sinnesart der alten Ruſſen. 
Geburtstag Iwans III. Der Anführer der doni⸗ 
ſchen Kofacten. Geburtstag Elifabeths. Geſchenke 
an dieſelbe Der perfifche Gefandte. Sturz des 
Regenten und Iwans III. Elifabeth Kaiferinn. 
Berhaftungen, Strafen. Erhebung Leflocgs. Eine 
fluß und Benehmen Chetardies. Belohnung und 
‚Anmaßung ber Leibwaͤchter. Prozeß gegen Oſter⸗ 
mann, Münnid u. |. w. Graufamkeit und Un« 
gerechtigkeit des Berfahrene. Theilnahme unb 
Rachſucht der Kaiferinn. Verurtheilung der. An« 
geflagten. Benehmen Oftermannd und Münnide. 
Ankunft des Herzogs von Holftein. Laufe befiee 
ben. Ernennung zum Thronfolger. Hofkabalen. 
Sitten Eliſabeths. PVernachläffigung der Regie⸗ 
zung. Beforgniffe für die uufmf. . - . 18 


Siebzehnter Abſchnitt. 


Friedrich IT und Lord Hyndford über die Lage ber. 
eöffntlichen Angelegenheiten. Hyndfords Vorurtheile. 


I» 


Inhalt. 


& 


Friedrichs Sparfamkeit. Das Heer, das Werbe⸗ 
foftem. Friedrich II, und Kari VII. Friedrich und 
Öfterreich. Hyndford gegen Friedrich. Des Kb 
nigs Spott, Ihätigkeit, en —— 
vorbereitungen. 


Achtzehnter Abſchnitt. 


Zweiter ſchleſiſcher Krieg. Frankreich und Spanien. 
Beiſchlaͤferinnen Ludwigs XV, Skandale. Tod 
Fleurys. Charakter der Franzoſen. Schweden. 
Rußland. Peter III und Katharina. Intriguen 
in Petersburg. Plan, Preußen an Polen zu geben. 
Traͤgheit Eliſabeths. Beſtechlichkeit ber Ruſſen. 
Geldnoth in Petersburg. Eliſabeth uͤber Fried⸗ 
rich IL Die Fuͤrſtinn von Zerbſt. — 
Schmeicheleien gegen bie Kaiferinn. . 


Neunzehnter Abfqnitt. 


Maria Thereſia. Friedrich II Verhaͤltniß zu Öfters 
reih. "Krieg Frankreichs und Englands. Maria 
Thereſias Klagen über England und Preußen. 
Verhandlungen mit Baiern. Zweiter fchlefifcher 
Krieg. Tod Karls VII. Friedrichs IL Schreiben 
über bie zu treffenden Maaßregeln. Ausföhnung 
Ofterreiche und Baierns. Englands Vermittelung 
zwifchen Preußen und Öfterreich. Sieg bei Ho— 


henfriebberg. Maria Thereſia für Fortfegung bes 


Krieges. Friedrichs Schreiben an feinen Geſand⸗ 
ten Anbrie. Vertrag von Hannover. Neue Um 


181 


195 


x 9. | Ind alt. 
j Seite 


— in Wien. Schlachten bei Sorr und 
Keſſelsdorf. Dresdener Friede. tn 205 


Zwanzigſter Abfhnite 
Mißvergnuͤgen Maria Thereſias uͤber England. Fried⸗ 
rich IE und’ Frankreich. Seine Verhandlungen 
mit England. Streit uͤber den Barrierevertrag. 
Newcaſtle über Preußen and Üfterreich. Legges 
, Unterhandlungen mit Friedrich. Friede von Aachen. 
„Newcaftles Rechtfertigung der englifhen Staats⸗ 
Zunft. Juden und Proteftanten in, Öfterreich. Fried⸗ 
richs IT Lebensweiſe und nr a 
Die Barbarini. . . er 225 


Einundzwanzigfter Abſchnitt. 


unruhen in Holland. Aufſtaͤnde in Groͤningen, in 
Friesland, Leyden, dem Haag, Amſterdam, Harlem. 
Oligarchie, Poͤbel, fhlechter Finanzhaushale . 240 


Zweiundzwanzigſter Abſchnitt. 


Über den Aachener Frieden. Verhaͤltniß der europaͤi⸗ 
fhen Mächte. England, Frankreich, Preußen, 
Öfterreich. Streit in Amerika. Erklärungen Enge 
lands und ſterreichs über und wider Brieduich II. 
Lord Marfhall. Englifche Handelsgefege. Schles 

ſiſche Schulden. Barrieretractat. Öfterreich und 
Spanien. Kaunis. Stimmung in Paris. Frank⸗ 
veich vertheidigt Friedrich II. Roͤmiſche Koͤnigs⸗ 

. wahl... Pfälzer Streitigkeiten. Mißverftänbniffe- 


Inhatt. XVII 


zwiſchen England und Öfterreich, und zwiſchen Eng⸗ 
land und Preußen. Yeinbfeligleit Englands unb 
Öfterreich8 wider Preußen. Europdifche Politik... 257 


Dreiundzwanzigfter Abſchnitt. 


Stellung der Mächte. Verhäftniffe zu Rußland. Miß⸗ 
verftändniffe zwifchen England und Öfterreich. Bers 
ſchiedenheit ihrer legten Plane. Englifche Unter⸗ 
handlungen in Peteröbung: Dix Hof, Günftlinge, 
Fefte, Ausfchweifungen, Gelbnoth. Schlechter Ger 
ſchaͤftsgang. Wachfende Streitigkeiten über Ame⸗ 
rika. Engliſche und Öfterreichifche Politik. Erklaͤ⸗ 

- rungen des Grafen Kaunig. Wirkfamkeit gegen 
Preußen. Beſtuchef, Worongow, Intriguen in 
Rußland. Abneigung der Kaiferinn Eliſabeth ge⸗ 
gen Frankreich und. Preußen. Beſtechlichkeit und 
Geldnoth in Petersburg. Vertrag zwiſchen Ruß⸗ 
land und England. Katharina, Peter. -. . .: 25 


Vierundzwanzigſter Abſchnitt. 


Lage der. europaͤiſchen Angelegenheiten, Friedrich IH, 
vereinzelt. Trennung zwiſchen der engliſchen und 
oͤſterreichiſchen Politik. Holderneß neue Erklaͤrun⸗ 
gen und Anweiſungen. Annaͤherungen Englands 
und Preußens. Fehler Englands. Vertrag zwi⸗ 

ſchen England und Preußen. Unzufriedenheit dar⸗ 
über in Petersburg und Wien. Neue Forderungen 
Rußlands, abgelehnt von England. Intriguen in 
Petersburg. Elifabeth wider Friedrich II. Krieges 
vorbereitungen in Öfterreih, Annäherungen an 


XV Indhalt. 
| · Seite 
Frankreich, Vertrag mit Frankreich; vergebliche 
Gegenbemuͤhungen Sardiniens und Englands. Thaͤ⸗ 
tigkeit der Großfuͤrſtinn Katharina. Kriegserflä 
rungen zwifchen England und Sranfreeid. . . 297 


Sünfundzwanzigfier Abſchnitt. 


Landkrieg und Seekrieg. Politik Preußens und Öfters 
reiche. Öfterreich über Englands. Verbindung mit 
Preußen. Keith und Gaunig. Graf Sollorebo. 
Antwort des wiener Hofes. Keiths Audienz bei 
Maria Therefia. Ihr Verhältni zu Frankreich. 
Die beiden Ktagen Keiths uͤber Kau⸗ 

nitz. Re ep CE 


Schsundzwanzigfter Abſchnitt. 


Mitchells Audienz bei Friedrich II. Der König über. 

die Rufen. Die Kurfürften von Pfalz und Köln. 

Der amerikanifche Krieg. Der Herzog von Ni 
vernois. Ruͤſtungen Rußlands. Eliſabeths Feinds 

ſchaft wider Friedrich. Deſſen Anſichten uͤber die 

Lage Europas. über die Vertraͤge Englands mit 
Preußen und Frankreichs mit ſterreich. Eng⸗ 
lands Vertrag mit Rußland. Neue Schwierigkei⸗ 

ten. Friedrichs Beforgniffe. Beſtuchef, Schuwa⸗ 

low: Katharina und Williams. Woronzow. Be⸗ 
ſtechlichkeit der ruffiihen Miniſfter.334 


Siebenundzwanzigſter Abſchnitt. 


Stand der Parteien in Schweden. Reichstag. Lage 
des Könige. Verſchwoͤrung yon Horn und Brahe. 


Snhalt. 


Lage und Behandlung ber — Folgen der 
Verfaſſung. Sinken Schwedens. 


Achtundzwanzigſter Abſchnitt. 


Holderneß über die Lage Europas. Kriegsrüftungen 
in Öfterreich. Friedliche Stimmung Friedrichs I. 
Frankreichs Benehmen. Friedrichs fleigende Bes 
forgniffe. Rußlands Verftändniffe mit‘ ſterreich 
Frage Über Krieg ober Frieden. Gnglands WBar« 
nungen. Friedrichs Anfragen in Wien. Öfterreiche 
ungenuͤgende Antworten. Friedrichs Schreiben an 
Klinggräf. Stellung und .n Englande, Be⸗ 
richte aus Rußland. ns Fer a 


Neunundzwanzigfier Abſchnitt. 


Friedrichs II Brief an Mitchell über. die Rothwendig⸗ 


keit des Zuvorkommens. Holderneß über die feind« 
lichen Abfichten des mwiener Hofes. Beſchluß Fried⸗ 
richs den Krieg zu beginnen. Ausmarſch der 
Preußen. . 


Dreißigſter Abichnitt. 


Gruͤnde des Krieges Sachſens Stellung und Klage. 
Friedrich IT an König Auguſt von Polen. Berichte 
aus Rußland. Verhandlungen mit Beftuchef. Ber 

ſtechungen. Apraxin. Katharina. Leidenfchaft Elis 


ſabeths. Schweden gegen Preußen. Holderneß ge⸗ 


gen den wiener Hof. Schlacht bei Eowoftg. Iwan 


XIX 
Setie 


850 


360. 


3793 


IH. Die Polen. Die Pompabour. Ihre Beinde - . 


“X - Inhalt. 


8 


ſchaft gegen Friedrich. Rußlands fruͤhere Plane 


gegen Preußen. Peter II und Katharina an Wil⸗ 
liams. Parteien in Rußland. . . » 


Einundbreifigfler Abſchnitt. 


Friedrichs uͤble Lage. Briefe an Mitchell. Klagen 
über die engliſchen Parteien. Thaͤtigkeit Friedrichs. 


unthaͤtigkeit Englands. Heer. in Riederſachſen. 


Ferdinand von Braunfchweig. Der Prinz von. 
Preußen. Weitere‘ Briefe Friedrichs II an Mits: 
chell. —— in ie le 


Uprarin -- -  .t . 


Zweiunddreißigſter — 

Die Preußen und Öfterreicher in Sachſen. Pitt über 
Friedrich I. Studium Friedrichs. Schlacht bei 
Prag. Schlacht bei Kollin. Friedrichs Erzaͤhlun⸗ 


gen über biefelbe. Neue zn deffelben..: 


Verhältniß. zu England. . . u 


Dreiunddreißigſter Abſchnitt. 


Tod der Mutter Friedrichs II. Deſſen Bericht uͤber 
ſeine Jugend und ſeine Familienverhaͤltniſſe. 


Vierunddreißigſter Abſchnitt. 


Friedrich über die Lage Europas. und Englands un⸗ 


thätigkeit. Beiftimmen Mitchelld.. Ungluͤck des Koͤ⸗ 
nigs. Sein Brief an Mitchell über die Kriegfuͤh⸗ 


©eite 


394 


421 


432 


zung :in Nieberfachfen. Mitchell an Holberneß. für . 


Inhalt. xx 
_ Geite 
Friedrich. Benehmen der Franzoſen. Neutralität 
Hannovers. Sieg bei Roßbach. Holderneß über 
die Parteien in England. Berföhnung Newcaſtles 
und Pitts. Berboppelte Thaͤtigkeit Englands. 
Sieg bei Leuthen. Krieg gegen die Schweden. 486 


Fünfunddreißigſter Abſchnitt. 


Peters III und Katharinas Briefe an Williams. 
Schlechtigkeit der ruſſiſchen Regierung. Englands 
Forderungen an Friedrich. Seine Gegenerklaͤrung. 
Beſtuchefs Sturz. Woronzows Benehmen. Katha⸗ 
rina und die Schuwalows. Katharina und Eli⸗ 
ſabeth in Streit. - Katharina will fi von Peter 
trennen und. Rußland verlaffen. Franzoͤſiſche In⸗ 
triguen. Eliſabeths Haß gegen Fried. . . 450 


Sechs unddreißigſter Abſchnitt. 


Klagen uͤber England. Abberufung Mitchells. Krieg 
in Niederſachſen. Schlacht bei Zorndorf. Bench 
men ber Ruffen unb Öfterreicher. Friedrich an die ı 
Markgraͤfinn von Batreuth und an d'Argens. Felde 
zug von 1759: Freibataillone. Verhältniffe Ruß: 
lands und Öfterreichs. Peter, Elifabeth, Guͤnſt⸗ 
linge. Anſichten Frankreichs. Lubwig XV, bie 
‚Yompabour. Friedensunterhandlungen. Üble Lage 
Sriedriche IT. Friedrich an den König von England. 
Forderungen Englands. Ferdinand von Braun 
ſchweig. Voltaire. Schlacht bei Liegnitz. Friedrich 
uͤber Vorſehung und Zufall. Friebriche Muth. . 460 


XI Snpalt. 


Siebenundbdreißigfter Abſchnitt. 

Lange Dauer des Krieges. Friedensunterhandiungen. 
Choiſeul. Muth der Maria Thereſia. Choiſeul, 
die Pompabour, Ludwig KV. Krieg. zwiſchen Spar 
nien und England. Tod Georgs II. Ruffen in Schle 
fien. Einnahme von Schweibnig. Friedrichs üble 
Lage. Todesbetrachtungen. Gelbfimords . .  - 


Achtunddreißig ſter Abſchnitt. 
Tod der Kaiſerinn Eliſabeth. Peter III und Katha⸗ 
rina. Regierungsmaaßregeln, Geſchaͤftagang. Eli⸗ 


fabeth. Worongow. Leſtocq. Lord Bute. Englands 


veränderte Politi Friedrich IT an Georg IL. 
riedrich und Peter III. Friedrichs Hoffnungen. 


Neununddreißigfter Abſchnitt. 

Rußland und Öfterreich. Peters Verehrung für Friede 
rih U. Iwan III. umwuͤrdige Günftlinge. Pe- 
terd Sturz und Tod. Katharina und Maris Stu: 
art. Unzufriedenheit in Rußland. Hoffeſte. ‚Regie: 
rungskunſt Katharinas. 


Vierzigſter Abſchnitt. 
Friedensunterhandlungen zwiſchen England und Franke 
reich. Friede von Paris und Hubertsburg. Fried⸗ 
richs weitere Regierung im Frieden. Klagen 
uͤber ihn; Muͤnze; Regie. Miniſter. Sparſamkeit. 
Verhandlungen mit England. Abſchied Mitchells. 
Rechtfertigung Friedrichs. Friedrichs religiöfe An⸗ 


Seite 


479 


#1 


507 


Inhalt. XXI 
Seite 


ſichten. Urtheile über Diderot und Helvetius. Ver⸗ 
bindung mit Rublan. . 2 2 288 


Einundvierzigſter Abſchnitt. 


Katharinas Regierung. Orlow, die Fuͤrſtinn Daſch⸗ 
kow. Panin, Gallitzin. Polen. fterreichs Stel 
lung. Koͤnig Stanislaus. Plan Polen zu theilen. 
Reichstage, Confoͤderationen. Noth und Elend. 
Bevorſtehende umwaͤlzungen. Ermordung Iwans 
I. Mirowiizzzz. 32 


N 


Anhang. 
Rußland von 1704 bis 1740. 


Whitworths Reiſe nach Rußland. Breslau, Wilna. 

Das ruſſiſche Heer. Kriegsleiden. Oginski. Cha⸗ 
rakter der Polen. Parteien. Ankunft in Moskau. 
Ruſſiſche Kriegsmacht. Koſacken. Peter J. Die 
Flotte. Landestracht. Mentſchikof. Karl XII. 
Koͤnig Auguſt. Polen. Friedensplane. Altruſſiſche 
Partei. Aufſtand in Aſtrakan. Baͤrte. Kleiderord⸗ 
nung. Aufruhr der Baſchkiren. Beſteuerung der 
Augen. Karls XII Zug nach Rußland. Das [we 
difche und ruſſiſche Heer. Scheremetef. Mentſchi⸗ 
kof. Niederlage Löwenhaupts. Abfall Mageppas. 
Schlacht bei Pultawa. Benehmen Peters. Tür 
kenkrieg. Unterfuchungen wider ungetreue Beamte. 
Mentichilof. Aprarin. Tod Peters J. Katharina I. 
Peter II. Die Prinzeffinn Natalia. Sturz Mens 
tſchikofs. Prinzeffinn Elifabeth. Dolgorudy. Graf 
Dftermann. Zod Peters II. Kaiferinn Anna. Plan 


—4 


xxiv | Inhalt | 
| F Seite 
einer veränderten Regierungsform. Ankunft der j 
Kaiferinn. Annahme und Umſturz der neuen Ver: 
faſſung. Golowkin, Oftermann, Jaguſchinsky. 

uUnumſchraͤnktheit der Kaiſerinn. Die Prinzeffinn 
Elifabeth. Leflorg. Biron. Pracht, Armuth, In: - 
teiguen, Beftechungen, Liederlichkeit. Birons Ein- 

fluß und Plane. Die Prinzeffinn Anna. Anton 

Ulrih von Braunfchweig. nn Die Dr 
zoger Kofadn. . “ 574 


Geſchlechtstafel der Falter und Kai: 
ferinnen von Rußland.. 615 











Eriter Abſchnitt. 


Seit dem Anfange bes Jahres 1740 tie fich mit 
Gewißheit der baldige Tod Friedrich Wilhelms I 
vorausfehen. Auch enthalten die Berichte des engli= 
fhen Gefandten in Berlin, Guy Didens, faft nur 
Nachrichten über des Königs Gefundheit. So fchreibt 
ee den dten Januar 1740'): Es giebt von’ hier nichts 
Neues zu: berichten. Der König iſt unwohl umd 
bleibt in feinem Zimmer. Dan fagt: er fey von fo 
fchredtich böfer Laune, daß ihm niemand nahe tom: 
men bürfe ohne: fehr übel behandelt zu merben. 

Den 12ten Ianuar meldet Dickens, daß Gefund: 
heit und Laume fich gebefjert haben; allein eilf Tage 
fpäter heißt e8 wiederum: Die Übel wachſen, und ge: 
hen gutentheils aus den lebhaften Gemüthsbewegun- 


1) Britifches Reichsarchiv: Preußen Band 50. 
II. . 1 


2 Erſter Abſchnitt. 1740. 


gen hervor, in welche ber König geräth, fo oft die 
Dinge nicht nad) feinem Sinn geben. 

Den 9Iten Februar, fährt der Gefandte fort: 
der König ift ſehr krank, doch fah er aus dem $en- 
fer einer Schlittenmasteradbe zu. Das linke Bein 
ift ungeheuer gefchwollen und die Bruft beengt. Ei- 
nige meinen: er ftelle fih nur fo [hlimm an, um 
das Benehmen bes Kromptinzen und derer zu beob⸗ 
achten , die eine Veränderung wünfchen. 

Der König, heißt es den 12ten März, ift unge 
Heuer gefchwollen und die Xrzte haben erklärt: es Ten 
auf Feine Herftelung zu redmen. — Der Kronprinz 
Ind einige Officiere ohne des Königs Erlaubnig nad) 
feinem Landhaufe '), und begünftige gegen deſſen 
deſſen Willen die Getreideeinfuhrt aus Medienburg. 
Dies ift ein Zeichen, daB er die Herftellung feines 
Vaters für unmöglich hält. Die Ärzte laſſen diefen 
tun, was er will. 

Den Aten Junius fhreibt Guy Didens: Am 
Ziften Mai farb der König. Den Officieren fagte 
ber neue König: er fey ihr Kamerab geweſen und 
wiffe, wie fehr fein Vater ihrem Fleiße und ihrer 
Anftvengung die gute Drdnung zu danken habe, in 
welcher das Heer ſich befinde. Er zweifele nit, fie 
würden in feinem Dienfte den nämlichen Eifer zeigen, 


1) Bericht vom 17ten Mai. 


% 


1740. Zod Friedr. Wilh. J. Friebr. Natur. 8 


nachdem die Vorfehung ihn auf den Thron berufen; 
ja fie würden (menn es möglich fey) diefen Eifer noch 
verſtaͤrken. Insbeſondere möchten ſich die hohen Offi⸗ 
ciere gegen die niedern nicht rauh benehmen, auch 
nicht erlauben, daß die Soldaten unvernuͤnftig behan⸗ 
delt wuͤrden. — Ähnliche Anreden und Dankſagungen 
hielt Sriedrich den Miniſtern. Insbeſondere wolle er 
ihmen vor der Hand zwei Dinge empfehlen: Erſtens, 
ſie ſollen niemals einen Unterſchied machen zwiſchen 
feinem Intereſſe und dem feiner Unterthanen. Zwei⸗ 
tens: in allen ihren Berichten getreu feyn und bie 
Dinge fo darſtellen, wie fie in Wayrheit wären... 

Er befahl ferner aus ben koͤniglichen Vorraths⸗ 
bäufern Getreide zu billigen Preifen zu verkaufen, 
und den Verkehr mit dem Nachbarſtaaten (da wo er 
geftört war) wieder herzuſtellen. 

Obgleich der Tod eines Könige von Preußen ſchon 
im Jahr 1740 kein ganz unbedeutendes Ereigniß 
war, ahndete doch niemand damals die wichtigen 
Folgen deſſelben. Sie gingen hervor theils aus der 
Perſoͤnlichkeit des Koͤnigs, theils aus den allgemeinen 
Verhältniffen Europas. Faſſen wir zuerft jene ins 
Auge. Strenge Erziehung, pedantifcher Unterricht und 
harte Schickſale hatten dem Charakter Friedrichs I 
eine frühe Zeftigkeit und Reife gegeben, gleichzeitig 
aber auch einen fcharfen Widerfpruch gegen vieles da⸗ 
mals SHergebrachte und hoch Verehrte hervorgetrieben, 

1* 


4 Erſter Abſchnitt. 1240 


und ihn der neufranzöfifhen Bildung zugewandt. 
Aus diefee Doppeltichtung gehen mancherlei entgegen- 
gefegte Erfcheinungen hervor: Tiefſinn und Leichtfinn 
dee Beobachtung und bes Urtheils, edle Entſchluüͤſſe 
und verlegender Win, Härte und Eleganz des‘ Be- 
nehbmens u. f. w. Daß aber ber Kern feines We: 
fens gefund war und ‚großartig, ergiebt fich fuͤr den 
forgfältigen Beobachter fhon aus fehr frühen Hufe: 
rungen; obwol er nicht jedem fein Herz öffnete umb 
hie vergaß zu wem und für welchen Zweck er ſprach 
und fchrieb. Neben. aller Bewunderung Woltalres 
z. B. wußte Friedrich ſchon im Jahre 1740 die 
Schattenſeite feines Charakters richtig zu würdigen '). 

Beſſer als Staatsfchriften und öffentliche Erklaͤ⸗ 
rungen, zeigen vertrauliche Äußerungen was und wie 
er fühlte und dachte, und aus diefen Gefühlen und 
Gedanken, wuchſen feine Befchlüffe und Thaten nicht 
minder hervor, als aus ben Äußeren Veranlaſſungen 
und Ereigniſſen. 

Die toͤdtliche Krankheit und: die Leiden feines 
Vaters machten auf ihn einen tiefen Eindrud. Des: 
halb fchreibe er den 26ſten Februar 1740 an Vol: 
taire?): 


1) Oeuvr. posthumes VIII, 149, 158. 
2) Oeuv. posth. IX, 9. 


170, -, Sriedrig II. 5 


— Je sons en moi la voix de la nature 

Plus &loquente encore que mon ambition, 

Et dans le triste cour de mon affliction 

De mon pere expirant je crois voir l’ombre obscure, 
Je ne vois que sa sepulture, 

Et le funeste instant de sa destruction. 

Oui, j’apprends en devenant maitre 

La fragilit& de mon £tre; 

Recevant les grandeurs, j’en vois la vanite. 


Ernfte Betrachtungen folcher Art ließen ben Kö: 
nig jedoch in keiner Weife ermatten; vielmehr ſtellten 
fie die Größe feiner Pflichten in neues und verbops 
peltes Licht, weshalb er an Voltaire fchreibt‘): Nach 
dem Tode meines Vaters gehöre ich ganz meinem 
Baterlande; und in, diefem Sinne habe ih aus allen 
Kräften gearbeitet, die zum allgemeinen Beften erforder: 
lichen Maaßregeln fo’ raſch als möglich zu ergreifen. 


Daß aber Friedrich das allgemeine Beſte nicht 
blos in ſtillem, friedlichem Fortwirken fah, daß er 
mit einem gefüllten Schage und einem fchlagfertigen 
Heere etwas Kühnered unternehmen, Macht und Ruhm 
erwerben und Gelegenheiten hiezu nicht blos henugen, 
fondern auffuchen wollte; — dafür find mehr und - 
[hlagendere Beweife zur Hand, als fich hier mittheilen 
laffen. 


1) Den 27ften Zunius 1740. Oeuvr. posth. IX, 112. 


6 Zweiter Abfhnitt. 1749. 


Eben fo leicht wäre es, bie taufendmal wieder: 
holten allgemeinen Gruͤnde gegen Anfichten und 
Plane folher Art, an biefer Stelle aufzuzählen. 
- Statt deffen will ich den Raum für bie Entwides 
lung ber befonderen Gründe und Verhältuiffe ‚auf 
fparen, aus welchen Beſchluͤſſe und Thaten hervor: 
wuchſen. Bon entfcheidender Wichtigkeit war ber 
Zod ber Kaiferinn Anna von Rußland, noch weit 
mehr aber der Tod Kaifer Karls VI. Ehe jedoch 
bievon bie Rede ſeyn kann, muß ich (wie es bie 
Zeitfolge und die Überficht der gefammten Verhaͤlt⸗ 
niſſe Europas verlangt) einige geſandtſchaftliche Be: 
richte aus Stodholm, Petersburg und Paris mits 


theilen. 





Zweiter Abſchnitt. 


Karls XII unverſtaͤndige Kriegsluſt, hatte nicht 
blos Schwedens Bedeutung in den europaͤiſchen Staats⸗ 
verhaͤltniſſen faſt vernichtet; ſondern auch Veranlaſ⸗ 
ſung gegeben, daß im Innern die Parteien einander 
immer ſchroffer gegenüber traten, und den fremden 
Mächten immer größere Einwirkung verftatteten. über 
diefe zugleich unglüdtihen und verbammilichen Ber: 





17406, Schweden. Berpättuiß zu Rußland. 7 


haͤltniſſe, gaben nachftehende Berichte des engliſchen 
Geſandten Burnaby nur zu viele Auskunft. Er ſchreibt 
den Aten Januar 1740 aus Stedholm'): 


Einige teitende Häupter tragen ein Bedenken ſich 
ſchon vor Eröffnung des Reichstags für einen Krieg 
gegen Rußland zu erklären, und viele Officiere, welche 
zum vorigen Reichstage gehörten, theilen diefelbe Ans 
fiht. Andere, welche weniger heftig find und mehr 
nachdenken, fehen, welchen Gefahren ihe Vaterland 
hieducch ausgeſetzt würde, und möchten gern ihre An« 
fihten zuruͤcknehmen, wenn bies nur anginge ohne 
ihren Einfluß bei ihrer eigenen Partei zu vermindern. 
Weit died aber ungemein fchwierig iſt, fo erklären 
fih auch diefe für einen Angriffskrieg, voiffen jedoch) 
feinen, andern Grund anzugeben, als das alte Sprich 
wort: le vin est tire, il faut le boire. 

Eine dritte Klaffe von Leuten widerfpricht unbe⸗ 
binge jebem Angriffe, erkläre ſich indeffen bereit für 
jede Maaßregel mitzuwirken, welche bezweckt, das 
Reich in Vertheidigungsſtand zu fegen. Dies fey 
nöthig in Betracht ber Aufreizungen, welche bie 
Gzarinn erfahren habe. 

Eine vierte Partei möchte. gern einen Geleg ver⸗ 
meiden und Alles mit Rußland vergleichen, weil ſie 


1) Reichsarchiv, Schweden, Band 77. 


8 3weiter Abſchnitt. 120. 


ihre eigene Schwaͤche fuͤhlen und auf wenig Beiſtand 
von Frankreich rechnen dürfen. Allein dieſe Partel 
erfcheine nicht fo zahlreich, als fie. wirklich iſt: Er⸗ 
ſtens, weil es in diefem Lande als fefter Grundſatz 
gilt daß, was gefchehen fey, wiederum: gefchehen koͤnne, 
daß folglich 8000 Schweden, nochmals 80,000 Mos⸗ 
kowiter fchlagen Eönnten. Kein Schwede, der fich 
nicht gewiffermaßen felbft für einen. Zeigen erklären 
will, wagt Öffentlich einzugeftehen, daß er anders denkt. 

Zweitens, befinden fih unter biefer Partei 
manche Perfonen von Anfehen und Gewicht, welche 
die offenbare Gefahr erkennen, jedoch bereit find ihr 
eine Weile entgegen zu treten, in ber Hoffnung bie 
jegige Verwaltung in Verlegenheit zu bringen, und 
fie durch die Unfälle verhaßt zu machen, welche uns 
fehlbar aus dem auf ihr Anftiften übermüthig begon⸗ 
nenen Kriege hervorgehen muͤſſen. 

Dieſe Aufzaͤhlung der verſchiedenen Denkungsart aller 
Parteien iſt nichts weniger als erfunden; und da 
nun ſo Viele aus verſchiedenen Gruͤnden ſich fuͤr 
einen Krieg, und ſo Wenige offen dagegen erklaͤren, 
ſo werden ſie (wenn die Vorſehung nicht dazwiſchen 
tritt) vor Eintritt des Junius einen Reichstag, und 
einen Krieg mit den Moskomiten haben. Für biefen 
werben Vorbereitungen getroffen, fo groß und zugleich 
fo geheim , als es die Verhaͤltniſſe irgend erlauben. 

Die Ruffen: (fährt der. Gefandte den erften Ze: 





n 


1740. Schweden und Rußland. 9 


bruar fort) fangen an, in einem höheren Zone mit‘ 
den Schmeben zu fprehen. Graf Oftermann fagte 
dem ſchwediſchen Sefandten in Petersburg : die Szarinn 
tönne nicht länger ihre Empfindlichleit über die Art 
und Weiſe verbergen, wie fie von Stodholm aus 
behandelt werde: Und zwar nicht allein durch das 
Überfenden vieler Mannfchaft nach Finnland, zu einer 
Beit wo fie in Frieden mit Schweden und im 
Kriege mit den Türken tebe, fondern auch weil ber 
ftodholmer Hof Bevollmaͤchtigte nach Conftantinopel 
ſchicke um bie Vollziehung des -bereitd abgefchloffenen 
Friedens zu. hintertreiben. 

Das fchwedifche Kriegsmefen (Bericht vom 26iten 
Februar) iſt ungenügend und unvolllommen. Solda⸗ 
ten und Matrofen find beidlebig (Amphibien) bis fie 
an den Det ihrer Beflimmung kommen. Hier erft 
entſcheidet fih, ob fie zu Lande oder zu Waſſer ſollen 
gebraucht werden. Weil man fie ferner jährlich nur 
einmal muftert, und fie im Frieden lediglich mit der 
Bebauung des ihnen angewiefenen Landes: befchäftigt; 
fo werden fie oft in einer Zeit zum Kriege aufgerufen, 
wo ihnen (Muth ausgenommen) alles zum Dienft 
Erforderliche mangelt. | 

- Während bie Franzofen in Unterhandlungen und 
Sefdbewitfigungen für ihre Zwecke thätig waren, be 
fhlofjen England und Rußland, wo möglich das jetzige 

1 .% 


30 Bweiter Ab ſchaitt. 1240. 


ſchwediſche Miniſterium auf dem nächften Reichstage 
zu ſtuͤrzen '). 

Am Iten Mai berichtet Burnaby: : noch 
nicht völlig entſchieden, ob der Reichstag zuſammen⸗ 
tritt. Im bejahenden Fall ſind 6000 Pfund und 
druͤber noͤthig, um auf den Wahltagen die Ernennung 
der beſtgeſinnten Geiſtlichen und Bürger darchzutrei⸗ 
ben. Eben ſo noͤthig iſt es, die Haͤupter gewiſſer 
adeligen Familien in Bewegung zu ſetzen, welche zwar 
wohl geſinnt, aber außer Stande ſind auf eigene 
Koſten dem Neichstage beizuwohnen. Sonſt ertheilen 
ſie Vollmachten an Verwandte, welche ſich etwa zu⸗ 
faͤllig in der Stadt befinden und nicht ſelten nah 
eigenem Belieben abftimmen, oder in Widerſpruch mit 
ber Neigung jener erſten Berechtigten. So blieben, 
während des vorigen Reichstages einige gewmaͤßigte 
Samilienhäupter auf dem Lande (aus Armuth ober 
Nachläffigkeit) und beauftengten ihre Söhne (junge 
higköpfige Dfficiere) welche an ee und Stelle lebten, 
fuͤr ſie abzuſtimmen. 

Herr Beſtucheff erklaͤrt: er Ai bereits bevoßimäche 
tigt die Hälfte jener 6000 Pfund auszuzahlen, welche 
Summe hinreichen dürfte die Wahl eines geeigneten 
Marſchalls, und einer Zahl von Freunden im gehei- 
men Ausſchuſſe durchzuſetzen: ſollen aber außerdem 


1) Harrington an Burnaby, den 15ten Kebruar. 


1740, Schwediſche Verhaͤltnifſe. 17 


andere Punkte gewonnen werden, ſo werden weitere 
Geldſendungen noͤthig ſeyn. 

Es waͤre ein Gluͤck fuͤr Schweden, wenn die 
Czarinn ſich durch Preisgebung (sacriſice) einiger 
Perſonen beruhigen wollte. Herr Beſtucheff verfichert, 
daß wenn dies nicht durchgehe, ſo werde ſeine Gebie⸗ 
terinn fuͤr den erlittenen Schimpf die gtoͤßte Rache 
nehmen. | 
Das ſchwediſche Miniſterium fieht aber bie Ge 
fahr nid ein‘). So jagte mir Graf Spare: Woht, 
mein Herr, Ihre Frennde die Moskowiter gehen 
. tapfer vorwärts, Verlaſſen Sie fid) jebech nicht zu 
viel auf unfere Zwiſtigkeiten, denn es fleht in umferer 
Gewalt und mit der Czarinn in jedem Augenblid zu - 
vergleichen, wo wir es gelegen finden. — Ich ant⸗ 
mwortete: als ein Freund Schwedens wünfche ich, daß 
Ihre Excellenz biefe Gelegenheit ergreifen — Biel: 
leicht, fuhr jener fort, thun wir es, vielleicht nicht; 
das hängt von uns ab?). 

Man follte glauben daß dein fo wäre: denn, ab: 
gefehen davon, daß fie 14000 Knappſaͤcke, einige 
Harnifhe und Zelte gekauft haben, finde ich nicht, . 
daß fie vorbereiteter find einen Angriff auszuhalten, 
denn vor vier Wochen. - Einige Geiſtliche in der Stadt 


1) Bericht vom 20ften Mat. 
2) That depends upon us. 


12 Zweiter Abfhnitt. 170. 
und auf dem Lande, . haben bereits wider eine Ver 
bindung ‘mit den Türken .gepredigt. . Einer von ben 
Hofkaplänen nahm fich in Gegenwart" des Königs 
und ber Königinn dieſelbe Freiheit"), und Bifchof 
Berzelius hörte zu feiner Kraͤnkung, diefelbe Lehre in 
feiner eigenen Gemeine, von einem feiner eigenen Ka⸗ 
pläne aufftellen. 

Den 17ten Sunius wies die englifche Regierung 
zu obigen. Ausgaben 4000 Pfund an?), und beffelben 
Tages berichtet Burnaby : der franzöfffche Gefandte 
hat dem Könige von Schweden angezeigt: Ludwig. XV 
wolle den beiden Söhnen, welche jener. von Fräulein 
Taube habe, Regimenter und Befigungen im Eifaß 
geben. — König. Friedrich) antwortete jedoch: Feine 
perſoͤnliche Ruͤckſicht koͤnne Einfluß auf feine öffentli: 
hen Belchlüffe haben. e 

Wenn wir (fchreibt Burnaby ben erften Auguft ?) 
fo gluͤcklich ſind die Mehrheit der Stimmen bei der 
Wahl eines Marſchalls, und des geheimen Ausſchuſ⸗ 
ſes auf unſere Seite zu bringen; fo wird es nad 





1) Friedrich, Sohn des Landgrafen von Heſſenkaſſel, 
"ward König den 2ten April 1720, und hatte ben Aten 
April 1715 Ulrike Eleonore geheirathet, die Schwefter 
Karls XL. 

2) Harrington an Burnaby., 

3) Reichsarchiv, Band 78. 


1740. Schwedifher Reichstag. 13 


meiner Meinung von dem Könige von England und 
der Czarinn abhangen, für eine Kleinigkeit von Aus: 
gabe (a trifie of expenee) den kuͤnftigen Beherrfcher 
dieſes Reiche nad) Belieben zu emennen. Daffelbe 
beabfichtigen die Franzoſen im Fall ihre Partei obfiegt. 

Bald darauf ward ber Reichetag zum Aten De 
cember 1740 einberufen und am 29ften Auguſt 
Schreibt Burnaby in diefer Beziehung: meine Tafel 
ift nicht weniger beſucht, als bie irgend eines der 
fremden Geſandten, welche außerordentliche Verguͤtun⸗ 
gen bekommen. Die ſteigende Zahl von Gaͤſten 
weiche, (damit fie feſt bleiben) während des Reichs⸗ 
tag. genährt und gefchmeichelt (fed and caressed) 
werden müflen, erhöht meine Ausgaben weit über das, - 
was meine Einnahmen ertragen Eönnen. 

Am A1ten Dktober fährt Burnaby fort: Au 
Folge der Nachrichten, welche unfere Freunde über 
die Wahlen zum Reichstage erhalten, innen wir in 
den Landfchaften auf fünf Achte. der Geiftlichen, Buͤr⸗ 
ger und Bauern rechnen, und haben Hoffnung unter 
dem Adel. da8 Gleichgewicht. zu. erhalten. Die Stadt 
Stodholm ift fo gleich getheilt, daß der Ausſchlag 
der Wahl ganz davon abhängt, ob man die alte, oder 
die neue Weife der Stimmenzählung anwendet. Die 
- Entfcheidung diefes weſentlichen Punktes Liegt jetzt 
dem Senate vor, wo fich die Anfichten aber eben: 
falls bergeftalt das Gleichgewicht halten, daß vielleicht 





14 2 Zweiter Abſchnitt. 1740, 


Alles auf die doppelte Stimme des Königs ankommt. 
Mas werben Eure Herrlichkeit aber denken oder fagen, 
wenn bie Entſcheidung ihrer ſchwediſchen Majeſtaͤt 
zum Vortheil unferer Gegner ausfallen follte? Ich 
geftehe, daß ich etwas dee Art argmöhne: denn dem 
Könige Friedrich liegt nichts mehr am Herzen als 
während des Neichstages das Kräulein Taube in 
dee Stadt zu behalten, gegen die emflm Forde⸗ 
‚ zungen ber Königian und ben Rath feiner treuſten 
Diener. Er iſt im Stande während einer verdrießli⸗ 
. gen Laune Alles aufs Spiel zu fegen, und ſich ganz 
in bie Arme des franzöfifhen Geſandten und ber 
franzoͤſiſchen Partei zu werfen, weiche verfprochen 
haben jenes Sräulein zu unterflügen. Die Koͤniginn 
gab ihrem Gemahl in diefer Beziehung fo offenbare 
Zeichen von Kälte, daß der König (um fie zuftie 
den zu ſtellen) verſprach: Fraͤulein Taube folle fort: 
gefchickt werden. Allein Graf Gyllenborg, Baron 
Sparre und Herr St. Severin find unaufhoͤrlich bei 
derfelben, rather ihr das Land nicht zu verlafien und 
verfichern, daß wenn fie es thue, Alles für immer. zu 
‚Ende fey. Jetzt bleibe es wenigftens zweifelhaft, weſ⸗ 
fen Einfluß zulegt obfiege, und ob nicht ein Fühner 
Beſchluß einen völligen Bruch zwifchen dem Könige 
und der Königinn herbeiführen werbe. 

Das günftigfte. Anzeichen für uns, ift bie Noth 
und Berwirrung welche zwifchen unferen Gegnern 


1790. König Friedr. v. Schweden. Rufgant. 15 


herrſcht und daß fie keine tadelnswerthe Maaßregel 
verſchmaͤhen, um ihr Übergewicht zu behaupten. So 
haben fie jetzt Befehle. nach Finnland gefchidt: es folle 
Fein Officier, ſalbſt wenn er Haupt einer Familie iſt, 
zum Reichstage kommen. Dies gilt, wie ich vers 
nahm, für einen außerordentlichen Eingriff in bie 
verfeffungsmäßigen Mechte des Adels, Einmal wers 
den hiedurch dieienigen vom Reichstage ausgeichloffen, 
welche die befte Auskunft über den Zuſtand des Hee⸗ 
ved geben Eönnten; und dann möchten wol auch 
mehre Cbelleute, vermöge ihres Geburtsrechts und 
ohne Beruͤckſichtigung jenes Verbots, auf dem Reichs⸗ 
tage erfcheinen und einigen Mitgliedern bes Minifte: 
riums ſehr laͤſtig werden. | 

Waͤhrend biefes unficheren Zuftandes ber oͤffentli⸗ 
hen Angelegenheiten, find bes Könige eigene Ents 
ſchluͤſe fo ſchwankend, daß er nicht weiß wohin er 
fidy wenden und welcher Partei er anhangen ſoll. 
Dies erzeugt in ihm von Zeit zu Beit eine folche 
Verzagtheit, daß er von Abdankung ſprach; ia ein- 
mal ging er fo weit, baf er feinem Stallmeifter Wie⸗ 
bel ein Verzeichniß der Perfonen gab, die ihn. nad) 
Gaffel begleiten und in feinem Wagen mit ihm 
fahren ſollten. 

Bei dieſem Gleichgewichte der Parteien mußte 
jedes aͤußere Ereigniß folgenreich ſeyn. Als die Nach⸗ 
richt von dem Tode der Kaiſerin Anna (28ſten Oktober) 


16 e Zweiter Abſchnitt.. 1740. 


in Stockholm einging, ſchrieb deshalb Burnaby '): 
Wenn dem Reichetage in einem fo Eritifhden Augen⸗ 
blide, eine günftige Gelegenheit in glänzenden Far⸗ 
ben bargeftellt wird; fo duͤrfte (mie ich ſehr Fichte) 
Baum ein Schwede, felbft inter unferen Freunden, 
fih nicht mit Hoffnungen ſchmeicheln, die verlor⸗ 
nen Landfchaften wieder zu gewinnen. Wir werden 
von Vielen verlaffen werden, auf welche wir jegt 
. rechnen. 


Vorftehende Auszüge, welche die Gefchichte Schwe⸗ 
dens bid zu einem entfcheidenden Zeitpunkte (bis zu 
dem Tode der Kaiferinn Anna und des Kaiferd Karl VD) 
binabführen, geben Veranlaſſung zu traurigen Be: 
merkungen. Nicht blos das politifche Übergewicht 
jenes Reichs ift verloren gegangen, fondern auch die 
- innere Einigkeit und das edle Gefühl, welches die 
Kraft und das Leben eines Volkes bezeugt und erhält. 
Altes acht Schwediſche ift verſchwunden, oder wenigftens 
auseinandergefallen in zwei entgegengefegte Parteien, 
welche lediglich vom Auslande geleitet, und durch die 
elendeften Mittel geflimmt und umgeflimmt werden. 
Die Beſchraͤnkung der Gewalt des Königs erfcheint 
fo groß, Laß er nirgends in Wahrheit entfcheiden, ja 
nicht einmal lenken Tann; und doch fpielt innerhalb 


1) Bericht vom "ten November. 


* 


1730, Gefhihte Schwedens. — 17 


dieſer Ohnmacht, das Maitreſſenweſen noch immer eine 
wichtige Rolle. Andererſeits erfuͤllen die ſcheinbar ſo ver⸗ 
ſtaͤndig gegliederten Stände (Geiſtlichkeit, Abel, Bürger 
und Bauern) keineswegs ihren großen Beruf; ſon⸗ 
dern der Werth und die Bedeutung der Form tritt 
zuruͤck vor der Gewalt der Armuth und des Eigen: 


nutzes. Selbſt der hervorbrechende Wunſch den altm 


Glanz Schwedens herzuſtellen, kann keine Freude und 
kein Vertrauen erwecken, weil er nicht mit Vorſicht 
und Staatöweisheit Hand in Hand geht. So. fühlt 
man im voraus: Schweden werde in ben fich vor 
bereitenden großen Ereigniffen nur eine. untergeorbnete 
Molle fpielen und mehr für. fremde Zwecke in Be: 


wegung gefegt werden, als zu Erreihung ber eigenen 


Zwecke hinreichende Mittel befigen. 





rg DDDritter Abſchnitt. 1730. 


Dritte Abſchnitt. 

An die —— ber ſchwediſchen Bechättnifte, 
fließen ſich am beflen die Nachrichten an, welche fi 
in den englifchen Gefandtfchaftsberichten uber Ru fs 
Land befinden. Der Anhang zu diefem Buche (wels 
hen ich vorher zu Lefen bitte) enthält mancherlei 
über die Geſchichte dieſes — fuͤr die Jahre 1704 
bis 1740. 

Ich nehme den Faden am der Stelle wieder auf, 
wo id ibn fallen ließ. Den 16ten Januar 1740 
giebt der Geſandte Bell, Nacheicht über die, Sefte 
und Belohnungen wegen des Tuͤrkenfriedens. Am 
29ften Februar erhält der neue engliſche Geſandte 
Sind, -eine Anweiſung!), vermöge welcher er insbeſon⸗ 
‚ dere die Freundſchaft Englands und Ruflands beförs 
dern, bie Schritte des franzöfifchen Gefandten Ches 
tardie bewachen, Öfterreih und Rußland auf guten. 
Suß bringen, und die franzöfifhe Partei in Schwe: 
den durch Geld flürzen fol. Oſtermann, ein großer 
Freund Friedrichs IL, wollte aber wiſſen wie Preußen 
fih ftellen werde, bevor er Verbindungen mit Eng: 
land wider Frankreich eingehe. Überdies war er we⸗ 





1) Reichsarchiv, Rußland Band 26. 


170. Ruplanb. 19 


gen der zu ergreifenden Maaßregeln mit Beſtucheff 
und dem Herzöge von Kurland nicht einig, und ein⸗ 
heimiſche oder fremde Parteien verzögerten (wie Finch 
klagt) den Abſchluß aller Verträge. Hiezu kam, daß 
Wolinskoi eine, nur zufällig entdedte und weit vers 
breitete Verſchwoͤrung angezettelt hatte '), am das 
Altruſſiſche herzuftellen und die Fremden zu vertreiben, 
daß er dem Derzoge von Kurland den legten Krieg wider 
Polen und bie Tuͤrkei zur Laft legte, und ber Geſund⸗ 
heits zuſtand der Katferinn Anna immer bebenklicher warb. 

Am 24ften Sunius 1740 berichtet der englifche 
GSefandte Finch aus Petersburg: 

Da ber Derzog von Kurland, wenn er bei guter 
Laune und aufgeräumt ift, fi in einer Stunde 
mehr mittheilt als Herr Oftermann in einem Vier⸗ 
teljahre, fo fagte er mir unter anderem: bie verwitte 
wete Königinn von Preußen habe ihren Sohn, den 
meuen König vermocht, den Gedanken einer Reiſe 
nah Parid ganz aufzugeben. Friedrich II fchrieb 
feinem Gefandten von Mardefeld in Petersburg: 
machen Sie Herr Chetarbie meine Empfehlung, dem 
ich in meiner jegigen Lage nicht mehr fo fchreiben 
£ann, pie früher. 

Herr von Mardefeld iſt thätiger als je. Er fieht 
Oftermann öfter, denn alle anderen fremden Minifter 


1) Bericht vom 17ten Junius 1740. 





20 ' Dritter Abfqhnitt. 1740. 


und erhaͤlt jederzeit Zutritt, ſelbſt wenn er den übrigen | 


verfagt wird ). 


« Rußland möchte Preußen, Dänemark uns Polen u 


in den Vertrag. mit England einfchliefen, was mit 
den Planen der britifchen Regierung nicht überein» 
. flimmt. : Unter biplomatifhen Formen können Beſtu⸗ 
heff und die Theilnehmer an ben Behandlungen, 
Geſchenke erhalten. | 

Was die Ärzte (Bericht vom ten: Oktober) 
für ein Geſchwuͤr im Schooße der Kaiferinn hielten, 
bat fi als den großen, kritiſchen Wendepunkt ihres 


N 


Geſchlechts erwieſen und ift mit heftigen,’ hyſteriſchen 


Zufällen verbunden. Insbeſondere ward fie die legte 
Nacht, während eines gewiſſen Gefchäftes, von einer 


fhmeren Ohnmacht ergriffen, fo daß man ihren au, 


"Rand für gefährlich haften muß. 

. Die Erbfolge beruht auf dem unfichern Leben 
eines Kindes ; ohne weitere Beftimmungen für ben 
Fall feines Todes?). Graf Oftermann, twelcher feit 
Sahren nicht aus dem Haufe getomnien ift (des wahr 
ven, ober vorgegebenen Zuſtandes feiner Gefunbheit 


1) Bericht vom erften Oktober 1740. Band 27. 

2) Iwan III, Sohn ber. Prinzeffinn Anna und bes 
Prinzen Anton Ulrih von Braunſchweig, geboren ben 
23ften Auguft 1740. Siehe bie Sefchlechtätafel am Ende 
des Buche. 


1740. Krankheit Annas. 21 


halber) ward geſtern Morgen auf befonderen Befehl 
in einem Xragftuhle nach Hofe gebracht, blieb bie 
Macht da und Lehrte erſt bisfen Morgen zurüd. Im 
Laufe des Tages hielt er Berathungen mit den Mi: 
aiftern und bem Herzoge von Kurland. Abende: 
fandte die Kaiferinn nad der Prinzeffinn Anna, ob: 
gleich diefe noch ſehr unwohl ift, und erklärte zu 
deren größter Überrafhung und Werdeuffe, daß fie 
Iheen Sohn Jwan zum Nachfolger ernenne. Diefe 
Beſtimmung ward heute Morgen vorläufig befannt 
gemacht, und bie Leibwachen, Regimenter und Be 
hoͤrden eingefchworen, dieſe Thronfolge anzuerkennen 
und aufrecht zu halten. Fuͤr denſelben Zweck wur⸗ 
den die Geiſtlichen nach der Hauptkirche berufen, und 
auf morgen ſind die Fremden angewieſen denſelben Eid 
zu leiſten. | 

Bevor ich die fpäteren gefandtfchaftlichen Berichte 
aus Petersburg mittheile, will ic den Brief ') eines 
angefehenen, wohlunterrichteten ruffifchen Dfficiers auf: 
nehmen, welcher über den damaligen Stand der Par: 
teien und die Bewegungen ber legten Jahre —— 
Auskunft giebt. 

über die letzten Verſchwörungen u und Hinrichtun⸗ 


1) Der Geſandte Burnaby ſendet ihn am en Auguft 
1740 nad) London. Reichsarchiv, Schweden, Band 78. 


| 22 | Dritter Abſchnitt. 1740. 
gen in Rußland (ſchreibt er) weiß ich Folgendes, und 


Sie können ſich darauf verlaflen. 
Es hat Feine Zweifel, daß das ganze Volk, umd 
vor Allem die Vornehmen mit der jegigen Megierung 


| Sehr unzufrieden find. Seit fünf, ſechs Jahren be- 


Hagt man fih: Erftens, über: die bimde Vorliebe 
der Kalferinn für den Herzog von Kurland. Zwei⸗ 
tens, über deſſen flolzes und unerträgliches Beneh⸗ 


men, indem er die Vornehmen (fagt man) wie Ca⸗ 


naillen behandelt. Drittens, über bed Herzogs 
Liebling, den jüdifchen Hofbankier Liepmann, weicher 
ben Handel zu Grunde richtet. Wiertens, über 
die Erpreſſung ungeheurer Summen, welche verfchwen- 
det werben theild in Weiberthorheiten, theils bie 


Guͤter des Herzogs frei zu-Faufen und ihm prächtige 


Schiöffer zu bauen. Fünftens, über die Aushebung 


von drei Vierteln der jungen Leute, um fie wie das 
Vieh binzuopfern, wodurch die Güter bes Adels ent: 


voͤlkert und außer Stand gefegt werben die oͤffentli⸗ 
hen Abgaben zu bezahlen. Sechstens, über das 


völlige Zerfallen ber Flotte, welche Peter I mit — 


ordentlichen Koſten gebildet hatte. 

Um alle dieſe Übel abzuſtellen und ihres eigenen 
Gluͤckes wegen, traten die Fuͤrſten Dolgorucky an die 
Spitze einer weitverbreiteten Verſchwoͤrung. Sie wur⸗ 
den uͤberdies hiezu aufgereizt durch den ſchlechten Aus⸗ 
gang des Feldzuges von 1738, den elenden Zuſtand 


1740. Berfhwörung der Dolgorudy. 23 


des Heeres, die Hoffnung Graf Muͤnnich werde in 
dee (für Peter I fo gefährlichen) Moldau umkommen, 
vor Allem aber durch die allgemeine Unzuftiedenheit 
des Volkes. Sie verftindigten fich hieruͤber mit 
Frankreich und Schweden '). Man mar kbereingelom: 
men, fobab ‚das ruffifche Heer zu Grunde gegangen, 
oder zerſtreut ſey, folle Schweden den Krieg erklaͤren 
und mit 30000 Mann in das Reich einfallen. 
Gleichzeitig wollen die Unzufriedenen das Banner er: 
heben, die Kaiſerinn in ein Kofler einfperren, dem 
Herzoge noch übeler mitfpielen, die Prinzeffinn Anna 
nebſt ihrem Gemahle aber einfchiffen und nach Deutſch⸗ 
land zurhdfenden. Eben fo wollte man alle Deutſche 
(nachdem man einige aufgehangen) fortjagen, und bie 
Drinzeffinn Elifaberh, Peters I Tochter zur Kat 
ferinn aussufen. 

Dies war der Plan ber Verſchwoͤrung, alle Maaß⸗ 
regeln waren genommen, und man erwartete nur bie 
Niederlage des Grafen Muͤnnich, um auf allen Gel: 
ten loßzubrehen. Weil aber Unternehmmgen folcher 
Art, wenn fie fih in die Laͤnge ziehen, niemals ganz 
tönnen verborgen bleiben, fo erhielt ber Hof Kunde 
von. derfelben. Man ließ die Verdaͤchtigen einziehen, 
deren Plane duch das Süd bes Grafen Muͤnnich 
fehl ſchlugen, und ſchloß Frieden mit den Tuͤrken fo 





1) Ils ont pris langus avec la Suede et la France. 


2 Dritter Abſchnitt. 174. 


gut als möglich und gegen die Abſicht Frankreich, 
welches nur den römifchen Kaifer von Rußland tren- 
nen wollte, um dies befto leichter zu erdruͤcken. Als 
es (Frankteich) aber die Entfchloffenheit der. Kaljerinn 
fah, legte es ſelbſt Hand ans Werk um die Ehre 
davon zu tragen und jeden Verdacht. zu entfernen. 
Deshalb machten die Schweden Halt, bie Gefangenen 
befannten und murden hingerichtet. 

In den Sffentlichen Bekanntmachungen des Hofes 
fagt man. von. dem Allem, Nichts ; fondern erwähnt 
als ‚Verbrechen ein Zeflament, welches die Dolgo: 
rucky zur Zeit Peters II gefchmiebet haben. follen. 
Dies iſt aber nur ein Vorwand; man will nicht, 
daß in fremden Ländern bie Schwäche der Regierung 
bekannt werde. —— 

Das Feuer iſt noch nicht ganz geloͤſcht, und man 
faͤhrt fort mit genauen und ſtrengen Unterſuchungen. 
Sie ſehen, wenn die Sache gelungen waͤre, haͤtte 
Frankreich einen großen Gewinn davon getragen, und 
die ruſſiſche Macht, gleichwie die ſchwediſche in ſeine 
Gewalt bekommen. Deshalb muͤſſen wir (?) gleich⸗ 
wie der Kaiſer und England, uns uͤber dieſe Ent⸗ 
deckung freuen. Die Veraͤnderung wuͤrde ſchreckliche 
Folgen im Abendlande gehabt haben. Vier oder fuͤnf 
Palatinate hatten ſich bereits verbindet um den König 
von Polen fortzujagen. Das Gefecht bei Chogim und 
ber Zürkenfriede, haben Alles vereitelt. 


1740, Frankreich und Spanien. 2 


Vierter Abſchnitt. 


Der vorftehende Brief ergiebt daß Frankreich, un⸗ 
geachtet der Friedliebenden Politik des Kardinals Fleury, 
bis nad) Stodholm, Petersburg "und Conftantinopel 
hin, ungemein thätig war. In näherer Beziehung 
zu feinem eigenen Intereffe fand der Krieg, welcher 
im Sahre 1739 Handelsangelegenheiten halber zwi⸗ 
fhen England und Spanien ausgebrochen war. Den 
Berichten bed englifhen Gefandten in Paris, des 
Strafen Waldegraven, und anderen aus Mabrit einges 
laufenen Schreiben, iſt Folgendes entnommen: " 

Der König Philipp V von Spanien ward auf 


"die Nachricht von der Einnahme Portobellos fo wis 


thend wie ein wilder Stier"), und verharrt feitdem in 


einer tiefen Schwermuth. Er fagte: man täufchte 


mid, indem man mid glauben machte, daß alle 
meine Häfen wohl verforgt und in gutem Vertheidi⸗ 


gungsftande feyen. Frankreich hat mich durch feine 


Verfprechungen in einen Krieg hineingeführe und 
nachher in Stich gelafien. Beſſer, ich hätte vor zwei 


1) As a wild bull. Schreiben vom Zulius 1740. 
Reichsarchiv, Frankreich, Band 88. 
I. 2 


25 Bierter Abſchnitt. 13. 


Jahren abgedanft, und meine Ehre nicht mit diefem 
Kriege befledt. 

Die Königinn gebraucht noch immer Bäder und 
andere Mittel wider ihre Kraͤnklichkeit; dieſe waͤchſt 
indefien bei dem Gedanken an eine Abdankung des 
Könige. Die Zwiftigkeiten der Miniflerien hindern 
jeden Beſchluß, fie verlieren blos Zeit mit nußlofen 
Berathungen. | 

Wenn Frankreich nicht den Krieg an England 
‚erklärt, wird man den König kaum hinhalten unb 
von feinem Entſchluſſe abbringen koͤnnen. Selbft die 
Königinn und ihre Partei halten fi für verloren, 
und eine Kataſtrophe für nahe. Mer ben inneren 
Zufland bed Hofes nicht kennt, kann ſich kaum von 
ftelfen in wie elendem Zuftande er ſich befindet. 

Der Kardinal Fleury ſprach offen und vertraulich 
(zum ‚Grafen Waldgeave) '), bejammerte den jegigen 
verroireten Zufland Europas in hoͤchſt pathetifchen 
Ausdrüden, und betrachtete ihn. mit doppelter Sorge 
weil er Eeinen Weg fehe, aus demfelben heraus zu 
kommen. Vorzüglich ſchmetzte ihn zu fehen in welche 
Leidenſchaft Engländer und Spanier gegeneinander 
gerathen wären. Spanien habe gewünfcht, daß Frank⸗ 
reich die Vermittelung übernehme, welchen Antrag er 
jedoch ſchlechthin ‚abgelehnt und dem Grafen Campo 


1) Bericht vom Alten Anguft 1740. 


! 


1799. Frankreich und Spanien. 27 


Sloride frei geſagt habe: dies fey eine Angelegenheit 
in welche er ſich nicht mifchen wolle, weil er vor- 
ausfehe, daß feine Bemühung nicht gelingen Eönne. 

Hierauf wandte der Kardinal das Geſpraͤch auf 
das Benehmen Spaniens gegen Frankreich, und ver 
fiherte (protested) mit allem Anfcheln der größten 
Aufrichtigkeit: im gegenwärtigen Augenblide, wo Spa⸗ 
nien ber Hülfe Frankreichs im jeder Weiſe bebürfe, 
wiffe er von ben Planen ded mabriter Hofes, in 
Bezug auf Europa und Weftindien, nicht mehr als der 
legte Mann in Frankreich. Er fügte Hinzu: dies fey 
allerdings kaum zu glauben, aber es fey wahr, fonft 
: würde er es mir nicht jagen. 

Er fuhr fort: weit entfernt, daß Spanien hätte 
die Neigung zeigen follen mit Frankreich auf gutem 
Fuße zu fiehen, ſey es demfelben in Dingen entgegen 
getreten, wo faum die gemeine Höflichkeit es verflatte. 
Hiefuͤr gab er mir zwei befondere Beiſpiele. Das 
erfte betraf die Papftwahl, in welcher Hinficht der 
Kardinal bemerkte: obgleich es in der That für Frank: 
reich eigentlich ganz gleichgültig erfcheine, wer Papſt 
. fen, halte er es doch (bei der Einmifchung anderer 
Mächte) der Würde des Könige von Frankreich ange 
meffen, eine Partei im Conclave zu befhügen. Zu 
diefens Zwecke habe man fi) an die Königinn von 
Spanien gewendet, und fie habe verfprochen daß Kar: 
dinal Aquaviva, welcher an ber Spige der ſpaniſchen 

2 % 


[4 


28 Vierter Abſchnitt. 1749. 


‚ Partei ftehe, mit den franzoͤſiſchen Kardinaͤlen und 
ihren Freunden Hand in Hand gehen folle. Anftatt 
dieſem Verfprechen irgend nachzukommen habe ſich 
Aquaviva, mit dem Oberfämmerling Albano , einem 
ſteten Feinde Frankreichs vereint. 


Die zweite Klage war: daß die Koͤniginn von 
Spanien ihren Vertrag mit der Pforte fuͤr das Koͤ⸗ 
nigreich Neapel” durch ihren Unterhaͤndler Fiſiochietti 
betrieben habe, ohne dem franzoͤſiſchen Bevollmaͤchtig⸗ 
ten Villeneuve daruͤber auch nur ein Wort zu ver⸗ 
goͤnnen. Fiſiochietti ſey ein Abenteurer der ſich ganz 
mit Bonneval verſtaͤndigt, und es bleibe unwuͤrdig 
(infamous) für einen Fürften aus dem Haufe‘ Bours 
bom, fich öffentlich diefes Kanals zu bedienen. a 

Fleury ift allen Kriegen abgeneigt i), klagt über 
innere Ungluͤcksfaͤlle, ſchechte Ärndten, Ausfaͤlle an 
den Einnahmen u. ſ. w. 

‘Deshalb hat der fpanifche Gefandte, Campo Flo⸗ 
eido am 8ten Auguft einen Courier nah Madrit 
gefchict und gemeldet ?): in dieſem Jahre koͤnne 
Frankreich für Spanien Nichts thunz follte der Krieg 
indeſſen bis zum naͤchſten Jahre fortdauern, ſo gebe 

man neue Hoffnungen daß jene Macht alsdann den 


1) Bericht vom 22ften Auguſt 1740. 
2) Schreiben aus Mabrit vom Zöften Augufl. 


1740. Sranfreih und Spanien. | 29 


Krieg an England erflären werde, weil die Verhaͤlt⸗ 
niſſe ſich bis dahin beſſern dürften. 

In der That lauteten die Berichte aus Madrit 
hoͤchſt Eläglich wie folgende Auszüge erweifen. 

Die Gefundheit des Koͤnigs von Spanien iſt fehr 
fhlecht und er von ber allerübelften Laune‘). Die Koͤ⸗ 
niginn hält ihn duch Hülfe Farinellis ein wenig in 
Drbnung, doch kann dies nicht lange vorhalten. Das 
Elend des Landes und Heeres laͤßt fich kaum befchreis 
ben: die meiften der niederen DOfficiere find (weil ihnen 
kein Sold gezahlt wird) dem Verhungern nahe und 
gezwungen zu fchmarogen (spunge) um Leib und 
Seele beifammen zu halten. Die gemeinen Soldaten 
(heiße e8 am einer anderen Stelle)?) find in Epanien 
nadt, und die Dfficiere fehen aus wie Bettler; 
fie find auch nicht viel, beffer. 

In Madrit ift Alles in’ großer Verwirrung und 
in Spottfchriften und Pasquinaden fpriht man fehr 
frei über die jegige Megierung ’)., Der König will 


abdanten. Ein Brief welchen Ludwig KV verganger 


nen Julius aus Compiegne fchrieb und worin er 
verſprach, im naͤchſten Jahre Spanien mit 50 fi: 
nienfchiffen zu unterftügen, bat ihm nicht genügt. 


3) Schreiben vom 29ften Auguft 
2), Schreiben vom 24ften September. 
3) Schreiben vom Bten September. 


30 Vierter Abſchnitt. 1740 


Vielmehr fagt er: dies fey nur eine neue Liſt (trick), 
“welche man gegen ihn anmende. Hierauf ift am 
erften September ein zweiter Brief bed Könige von 
Frankreich: eingelaufen um die Abdankung Philipps. 
zu hintertreiben. Im Fall der Noth (died wird ver⸗ 
fprochen) wolle Frankreich noch in, diefem Jahre eine 
Flotte ausfenden; — doch glaubt man in Madrit. 
nicht, daß es hiemit Ernft fen. . 

Am Hten September leugnete Fleury nicht, 
daß die breſter Flotte nielleicht bald auslaufen werde, 
ging aber auf Gründe und Zwecke nicht näher ein. 

Laut eines Berichts vom 11ten_September fagte 
Fleury: wenn ich eine Flotte ausfende, babe ich nicht 
den Zweck einen Krieg mit England zu beginnen, 
‚oder irgend ein britifches Schiff anzugreifen und zu 
beläftigen. Doc, liegt mir ob, den franzöftihen Hau⸗ 
del zu befchügen und fo viel als möglich zuvorzukom⸗ 
men, daß Engiand den ganzen meftindifchen Handel 
an ſich bringe, was nad) allen. Bewegungen zu fehlte: 
Ben, jest deſſen großer Hauptzweck iſt. Frankreich 
hat zu wichtige Intereſſen in jenem Theile der Welt, 
als daß es ruhig zuſehen kann, wie derſelbe von Eng⸗ 
land verſchlungen wuͤrde. Ich denke nicht daran einen 
Fuß breit Land von allem dem zu nehmen, was 
England in irgend einem Theile der Welt beſitzt; 
aber es iſt meine Pflicht (als Miniſter des Koͤnigs 
von Frankreich) ſo viel als moͤglich zu verhindern, 


140. Frankreich und England. 31 


daß die Englaͤnder nicht noch m werden, als 
fie bereits find. 

In einem Berichte vom 12ten Septeraber heißt . 
es: der Katdinal fagte, er höre in England fey kaum 
ein Menſch, der nicht einen Krieg mit Frankreich 
wuͤnſche. Er ftellte ſich friedliebend, und fchien einen 
Angriff voraus zu fegen und hervorloden zu wolkn. 
Doch kann er nicht glauben, daß wenn er und zwingt 
den erſten Streic, zu thun!), die Welt. uns beshalb 
als die Angreifenden betrachten wird. Er bezeugt 
feierlich: es beftche Bein Vertrag mit Spanien; Frank: 
reich aber könne nicht zugeben, daß bie fpanifchen Be⸗ 
fi gungen in englifhe Hände fielen. 

Die Franzofen behaupten: es fey nicht ihre Ab- 
ficht die Engländer zu befriegen, fondern fie dahin zu 
bringen Frieden zu ſchließen ?). 


1) Man vergteiche Hiemit Friedrichs IL Lage im Jahre 
1756. 

2) Robinfons Bericht aus Wien vom 18ten Oktober 
1740. Reichsarchiv, Öfterreich, Band 182. 


32 Fünfter Abſchnitt. 199. 


Fuͤnfter Abſchnitt. 


Die vorſtehenden Mittheilungen aus Stockholm, 
Petersburg, Paris und Madrit ergeben, daß die Ver: 
hältniffe Europas zur Zeit der Thronbeſteigung 
Friedrichs II, bereits fehr verwirrt und verwidelt 
waren. Doc boten fie eine Gelegenheit zu großen 
und Fühnen Unternehmungen, weshalb der König 
zuerft feine Gedanken auf das richtete was ihm das 
Naͤchſte und was erreichbar zu fein fchien. Hierüber 
giebt ein Bericht des englifchen Gefandten Guy Dickens 
aus Berlin vom 17ten Auguft 1740, Iehrreiche Aus: 
kunft '). 

Der König (fagt er im Wefentlichen) ging bei 
bee mir ertheilten Audienz ſogleich auf Gefchäfte ein 
und münfchte eine deutliche Antwort auf drei dem 
englifhen Hofe bereits mitgetheilte Punkte, näms 
ih: Sülih und Berg, Oflfriesiand und Medien: 
burg. Er betrachte den König von England als 
feinen natürlichften Freund und Verbündeten, wolle 


jedoch wiſſen wie weit er hinfichtlich diefer drei An= 


fprüche auf Englands Beiftand rechnen Einne Zu 


1) Reichsarchiv, Preußen, Band 51. 


x 
z : | 
nn Te 


1799. Friedrich IE u. ——— Plane. 33 


Gegendienſten ſey er bereit, die bis jetzt erhaltene Ant⸗ 
wort laſſe ihn aber im Dunkeln. 

Der Gefandte erwiederte: der König möge ſich 

beutlither (more explicit) erklaͤren; germ werde ihn. 
"England in Allem unterflügen, was gerecht und 
möglich fey. 
° Hierauf fuhr der König fort: ich hege eine wahre 
Freundſchaft für ben König von England. Weil ich 
aber fehr wohl weiß, daß Fuͤrſten hauptfächlich‘ durch 
ihre Intereſſen geleitet werden; fo wänfche ich (bevor 
id) Verpflichtungen irgend einer Art eingehe) deffen 
fiher zu feyn was ich thun foll und Bar einzufehen 
was die Mächte, mit denen: ich mich verbinde, für 
mich thun wollen. Gieicherweiſe bin ich entfchloffen 
an meinen Verpflichtungen feftzuhalten, ſoſern ich fie 
einmal eingegangen. 

Der Gefandte machte nunmehr ben König aufs 
merkſam: wie wichtig es fey, beim Anfange einer 
Regierung keinen falfchen Schritt zu thun. Die Aus 
gen aller proteftantifchen Mächte wären auf ihn ges 
richtet und- ihm liege ob das bedrohte Gleichgewicht 
Europas zu erhalten. Sobald er das allgemeine 
Beſte vertrete, handele er auch am Vortheilhafteſten 
für fein eigenes Beſtes; er. möge ſich nur vor frans 
zoͤſiſchem Einfluffe und franzöfifcher Politik hüten. 

Der König: erwiederte lächelnd: wer könnte mich 
tadeln wenn ich, ohne Krieg, ducch bie Hülfe Krank: 

2 “% j 


re Fünfter Aſchnitt. 1749. 


reichs meine Zwecke - erreichte; heſonders da ich noch 
‚nicht fehe, wie weit ich auf. Huͤlfe und Beiſtand an⸗ 
derer Mächte vertrauen kann. Genug, er verlangte 
zu wiſſen, was wir für ihn thun wollten, und was 
er dagegen für uns thun folle? — Auf die Frage: 
mas er fordere? antwortete Friedrich: meine Anſpruͤche 
auf Juͤlich, Berg und Oflfitestand find klar und 
unbeftreitbar. England möge mir dieſelben verbürgen, 
und erklären wie es dieſe Bürgfchaft geltend machen 
will, im Fall das Erbe eröffnet wird. über Med: 
lenburg (ein leichter Punkt) laͤßt fi das Nöthige 
ein andermal mit Muße ins. Klare bringen, 

Auf alte Verträge, oder einen bloßen Vertheidi⸗ 
gungsbund, will der König jest nicht zuruͤckkommen, 
fondern ganz von einer neuen Grundlage aus⸗ 
gehen. — Während der ganzen. Audienz war ber 
König außerordentlich guter Laune, und hörte nicht 
nur mit Aufmerffamkeit Allem zu was ich ſagte, 
ſondern zeigte fih au nicht im Mindeſten durch die 
Einwuͤrfe verlegt, voriche ich feinen Worten entgegen: 
ftellte. Es ift gewiß am beflen gegen ihn ein offenes 
. Verfahren zu beobachten. 

Am erfien und 15ten Oktober fegt jedoch Dickens 
hinzu: Friedrich hat den Franzoſen fagen laffen, er 
babe gute Zuficherungen aus London, unb die Eng⸗ 
länder ſucht er zw überzeugen, er ftehe gut mit den 
Franzoſen. Dies Doppelfpiel hilft ihm indeffen zu 


1730. Tod ber Kaiſerinn Anna. 38 


Nichts; auch beblirfen feine politiſchen Geunbfäte ze 
geoßer Berichtigung. 

Gewiß erlitten biefe Grundſaͤtze und Diane in dem, 
naͤchſten Wochen sine große Veränderung, dureh den 
Tod ber Kalferian Anna und. bes Kailer Karls VI. 





Schöter Abſchnitt. 


Am 1Bten Oktoher 1740 berichtet det — 
Geſondte Finch aus Petersburg ): Die Kalferian 
Anna ſtarb in. der Nacht vom 17ten auf den 
18ten Dktober. Das Ende ihres Lebens war mit 
fo außerordentlichen Leiden verbunden ?), daß feibft 
diejenigen, - weiche das groͤßte Intereſſe bei ihrer 
Erhaltuug hatten, doch Gott bitten. mußten fie von 
ſo vielem Elende zur befreien. Die Prinzeſſinnen Eli⸗ 
ſabeth und Anna nahmen zwei Stunden vor ihrem 
Tode Abſchied von ihr; der Herzog von Kurland war 
gegenwaͤrtig bis zu ihrem Ende. 

Am Morgen - verfündete Oſtermann ihren Willen: 
daß nämlich der Herzog von Kurland Megent feyn 


1) Reichsarchiv, Rußland, Band 27. 
2) Wie bei Friedrich Wilhelm I. 


36 Sechster Abſchnitt. 1700. 


fol, bis Iwan ſiebzehn Sabre alt. ſey. Alles ift 
ruhig, was man lediglich diefer Anordnung der Mes 
gentſchaft verdankt. Denn jedermann im Lande fühlt, 
daß man nichts. zu - fürchten. habe unter ber Berwals 
tung eines Kürften,, der ſchon fo- viele. Proben feiner 
Kuͤhnheit und feines Muthes gegeben hat. Die Ne 
gentſchaft iſt eingeſchworen. Alles iſt unterſchrieben 
und ſo vollkommen geordnet, als eine ſo neue Sache 
irgend ſeyn kann. 

Man darf. zweifeln ob vorſtehende. im Berichte 
‚undiffrirte Stelle, die wahre Anficht des Gefand: 
ten enthält, und ob-fie nicht ‚vielmehr gefchrieden war, 
nah Eröffnung des Briefes gelefen zu werden. Drei 
Tage ſpaͤter fährt ber Gefandte fort): der neue Katfer 
figt noch in dem Schooße Teinee Amme. Als legten 
Sonntag: Morgen der. Herzog Regent und feine Ge⸗ 
mahlinn die Gluͤckwuͤnſche empfingen, floffen feine 
Augen ſtets über von Thränen und er war. genötigt 
das Schnupftuch immerdar vorzuhalten: - Nie ſah ich 
eine folche Veränderung und eine ſo große Betruͤbniß 
als auf: den beiden — chtern des Herzogs und der - 
Herzoginn. | 

Diefe Semtitheftimmung dlape zum Theil hervor 
aus ber Anhänglicykeit an bie verftorbene Kafferinn; 
zum Theil aber auch aus dem ahnbungsvollen Ge: 


1) Bericht vom Ziften Oktober. 


10. Rufland. Biron. Ihronanfprüde 37 


fühle: noch fey keineswegs Alles wohl. georbnet und 
ber Boden unter Ihren Füßen fidyer. Hieruͤber giebt 
ein umſtaͤndlicher Bericht des Geſandten vom erfien 
November (den er aus Furcht vor dem Eroͤffnen mit 
einem befonderen Eifboten abfandte) nähere Auskunft. 
Es Heißt. .dafelbft: nach dem Geſetze Peters 1 hängt 
die jedesmalige Ernennung eines Thronfolgers, lediglich 
vom regierenden .Raifer, ober der Kaiferiun ab. Ans 
ſpruͤche konnten machen: 

1) Die Prinzeſſinn Eliſabeth als Tochter Pe⸗ 
ters des Großen '). 

2) Der nachmalige Kaiſer Peter III, ein Sohn 
der aͤlteren, verſtorbenen Tochter Peters des Großen, 
und des Herzogs Karl Friedrich von Holſtein⸗Gottorp. 

3) Ann, die Entelinn des Iwan Alexiewitſch, 
und Gemahlinn des Prinzen ann Weich von Braun: 
ſchweig. 

4) Deren neugeborener Sohn Swan HL 

Die allgemeinen Wünfche richteten füch fehe wahr: ' 
fcheinkicherweife auf Eliſabeth, theil® im Andenken an 
ihren Water, theild wegen ihrer eigenen "Beliebtheit. 
Die allgemeine Erwartung (auch der Gefandten) war 
hingegen: die Kaiferinn Anna werde bie Prinzeffinn 
Anna zu ihrer Nachfolgerinn erheben. 

Bor dem Tode der erften, berief der Herzog von 


1) Siehe die Tafel am Schluſſe des Bandes, 


38: — Sechster Abſchuitt. 190: 


Kurland die Haͤupter des ruſſiſchen Abel und eröffnete: 
ihnen, daß vielmeht die Abſicht der Kaiſerinn dahin 
gehe, Iwan zu’ ihrem Nachfolger zu ernennen. Die 
verſammelten Haͤupter (Beſtucheff, Czerkaski, Muͤn⸗ 
nich, Goloflin, Kurakin, Uſchakof, Trubehkoi und 
Andere) uͤbertrugen dem Herzoge: er möge bie Kaife⸗ 
rinn bitten ihre Abſichten näher auszuſprechen. Jene 
wurden hierauf zu dieſer berufen, und fie. machte 
ihnen dieſelben Eroͤffnungen, wie Abends zuvor der 
Prinzeſſinn Anna, zu deren großem Erſtaunen. 

Hiemit war aber die Sache nicht zu Ende ger 
bracht, denn es fragte fih: wer fol bie Vormund⸗ 
ſchaft führen, und was fol geſchehen im a Iwan 
ſtuͤrbe? 

Beſtucheff nahm deshalb in einer — Be⸗ 
rathung das Wort und ſagte: es hat ſehr große 
Schwierigkeit unter den Verwandten Iwans Vormim⸗ 
der auszuwaͤhlen, oder die Regierung einer zahlreichen 
Behörde zu uͤbertragen. Wollte man der Mutter 
Iwans die Vormundſchaft anvertrauen, fo wäre es 
beſſer ſie fogleich zur Kaiſerinn zu erheben; denn bie 
hoͤchſte Gewalt wird dann immer In ihren Händen, 
und fie im Stande feyn, biefe neue Erbfolgeerdnung 
umzuftoßen. Ferner tft zu befürchten, bie Prinzeſ⸗ 
finn werde rachſuͤchtigen Gemüche ſeyn und einen 
guten Theil von dem Eigenfinn ihres Vaters (des 
Herzogs Kart Leopold von Medienburg: Schwerin) 


190. Anne. Iwan II... 20. 


geerbt haben. Ja dieler Basen wuͤrde wahrſcheinlich 
ſogleich hierherkommen, durch Einfluß. anf feine Toch⸗ 
ter dies Land in alle feine Privatſtreitigkeiten ver 
wickeln und ed mit dem twiener Hofe, ſowie mit wie: 
lea Reichefürften entzmeien, deren Freundſchaft Ruß⸗ 
land unter ben gegenwärtigen Werhältniffen ſuchen 
mößte.. Von des ‚anderen Seite ber wuͤrden, durch 
den Einfluß ‚ihres Gemahls, Mathichläge von Wien 
oder Berlin her angegeben, zu viel Gewicht bei unſe⸗ 
rer Regierung erhalten. Denn «8 iſt ein merkwuͤrdi⸗ 
ger Unterfchieb: ob man ſich von dieſen Hoͤfen leiten 
laͤßt, ober Hände) mit ihnen. ‚anfängt. 

Überdies hat: die Prinzeffinn Anna keine Kennt: 
niffe von den innern oder auswaͤrtigen Angelegenheis 
ten dieſes Reiches, weshalh fie. mir aus all biefen 
Gruͤnden zuſammengenommen völlig unfaͤhig erſcheint 
eine fo ſchwere Aufgabe über ſich zu nehmen. Der 
größte, Theil diefen Gruͤnde, und meine. Behauptung 
von der Unfähigkeit, findet eben fo ſtarke Anwendung 
auf den Prinzen von Braunſchweig; weshalb. ich, 
für mein: Theil, ihn ebenfalls ‘ganz zug Seite ſtel⸗ 
ken muß. & de 

Mas endlich einen anzuordnenden vielkoͤpfigen 
Regentſchaftsrath ambeteifft, fo weiß-ein jeder, daf 
dies der Natur diefer Regierung und dem Genius 
unferes Volkes ganz zumiber iſt, wie Erfahrung: und 


5; Seqdhster Abſchnitt. 1740, 


Theorie vor eilf Fahren bei der Thronbeſteigung ber 
Kaiferinn bewies. 
Nachdem Beſtucheff fo alle andere Anfprüche zu: 


| ruͤckgewieſen hatte, fuchte er die Züchtigkeit bes‘ Ders 


zogs von Kurland zur Vormundſchaft - einleuchtend 


darzuthun. Er fen wöhl unterrichtet, im Acht ruffi⸗ 


ſchen Incereſſe, hoch geftellt, Bug und muthig. Ges 
nug er, Beſtucheff halte es dafür, daß man einem 
. Dann braude, und der Herzog von Kurland ber 
rechte Mann ſey. Wenn der Minifter Czerkaski der 
felben Meinung beitrete, wollten: fie (vereint mit an- 


deren Haͤuptern) die Kaiſerinn zu vermögen fuchen, 
ben. Herzog zum Vormund zu ernennen. Czerkaski 


ſtimmte bei,- und ale man den Plan: den Übrigen 
Mitgliedern: der Junta vorlegte, willigten fie ebens 
falls ein. 

Hierauf ging Beflucheff unmittelbar zum Herzoge, 
theilte ihm die gepflogene Berathung und den gefaßten 
Beſchluß mit und fragte ihn: ob er die Regentfchaft 
für den Fall annehmen wolle daß ihm, zufolge ihrer 
unterthänigen Vorſtellungen, die Kaiferinn dieſelbe 
übertragen wolle. Der Herzog entfchuldigte fih Ans 
fangs (nach dem Beifpiele der Biſchoͤfe: nolo episco- 
pari!) und fägte: er fey nicht fähig eine fo ſchwere 
Laft auf fich zu nehmen. — Ich wage nicht zu ent: 
feheiden, ob er dies that aus Beſorgniß über den Ers 
folg und Ausgang; ober aus Befcheibenheit um ſich 


1740: Regentfhaft. Biron. Beftucheff x. | 4 


nicht zu Außen, bevor der Kaiſerinn Wille fund 
ward; oder ob er deren Vorſatz bereits. kannte, ihn 
zum Regenten zu ernennen, und um fopiel ficherer 
den Antrag zurüdweifen Eonnte. 

Hierauf ſchickte Beſtucheff nach dem Fürften Czer⸗ 
kaski, damit er ebenfalls den Herzog zu bewegen ſuche, 
und ſagte dieſem rund heraus: Alles, was Euer Ho⸗ 
heit in der Welt beſitzen, verdanken Sie Rußland und 
find alſo dieſem Reiche mehr Dank ſchuldig, als daß 
Sie es in einem Augenblicke der Bedrängniß verlaffen 
dürften, wo. Sie demfelben einen großen Dienft leis 
fien koͤnnen, und von einer. Zahl der erſten Männer 
des Landes hiezu aufgefordert werden. Die Erhaltung 
des Wohles von Rußland und Ihres eigenen Herzog⸗ 
thums ftehen übrigens in engfter Verbindung, und 
Sie können in biefer Krifis Rußland weder dienen, noch 
es verlaffen, . ohne zugleich fich felbft zu nügen, oder 
zu Grunde zu richten. — Zuletzt woilligte der Her⸗ 
309 ein: die Verbuͤndeten möchten für die Beſchluͤſſe 
weiter wirken, welche fie für das Wohl bes Meiches 
am vortheihafteften hielten. 

So ftand die Sahe am dten Oktober. Den 
6ten Morgens früh berief man ‚(mährend bie Kaiſe⸗ 
rinn kraͤnker ward) den Grafen Oftermann nach Hofe 
und die Berbündeten theilten ihm Alles mit, was den Tag 
zuvor in Bezug .auf die Megentfchaft worgefallen war. 
" Er möge um fo mehr feine Meinung frei ausfpres 


42 Sechster Abſchnitt. 1740, 


chen, da noch Fein weiterer Scheitt gethan fey. Wie 
ich höre, hätten Seine Excellenz fich gar gern entſchul⸗ 
digt, irgend eine Meinung auszufprechen, vorgebend 
die Angelegenheit fey zu wichtig für ihn, einen Frem⸗ 
den, und gehöre durchaus zur Entfcheiduug ber Ein: 
geborenen. — Hierauf antwortete aber Beftucheff 
(denn Beide ftehen nicht gut zu einander) ohne Ber: 
zug: er fey uͤberraſcht wie der Graf fi einen Frem⸗ 
den nennen inne, ba er fü lange eine der erſten 
Stellen bekleide und faft alle dazu gehörige Angelo 
genheiten ausſchließend Leite. Deshalb halte er den 
Grafen nicht blos für einen Rufen, fondern für eis 
nen Ruflen der ſoviel werth fey wie 20,000 ander. 
Niemand bezwede, ihm eine Meinung aufzuzroingen, 
fondern man wuͤnſche nur die feinige fennen zu le: 
. nen. Wolle ee diefe nicht darlegen, fo könnten fie 
nicht einfehen, von welchem Nugen feine "Gegenwart 
in ihren Berathungen fern koͤnne. 

Aus diefee Rede erfah Graf Oftermann, ‚mie die 
Dinge fanden und wozu man entfchlofien war. Des⸗ 
halb deutete eu feine erſte Erklaͤrung um, behazptete, 
man habe ihn mißverflanden, und fügte hinzu: er 
glaube die Regentſchaft Eönne in keine befiere, als in 
des Herzogs Hände gelegt, noch eine für das Wohl 
Rußlands Hügere Maßregel ergriffen werben, im 
Hal man unglüdlicherweife die Kaiferinn verlieren 
ſollte. 


1740. Bormundfhaft. Biron Regent. 43 


Die Berfommelten baten hierauf ben Grafer 
Sflermann: er möge eine Urkunde entwerfen, wonach 
der Großfuͤrſt Iwan zum Xhronfolger, und eine 
zweite, wonach der Deriog zum Regenten erhoben 
werde. Dies war bald gethan, und num erfuchtem 
jene den Grafen: er möge beide der Kaiferinn beine 
gen und ihr die legte im Namen. Aller al -eine ges 
meinſchaftliche Bitte überreichen. — Er that bied an 
bemfelben Tage; die Kaiferinn unterfchrieb unverzüglich 
die Urkunde über die Thronfolge und Graf Oſtermann 
fügte das Siegel bei. Was die zweite Urkunde über 
die Regentſchaft anbetraf, fo fagte die Kaiferinn: er 
möge ihr dieſelbe dalaffen. 

In Bezug auf die Thronfolge warb jetzo das 
Noͤthige bekannt gemacht und die Eidesleiſtung vor: 
genommen. Wie es aber mit dem Herzoge flehe, ob 
die Kalferinn jene zweite Urkunde vollgogen habe oder 
nicht, war ben Berblindeten unbekannt. Unterdeſſen 
warb die Kaiſerinn immer kraͤnker, und hatte am 
Alten Dbtober eine ſchwere Ohnmacht; weghalb die 
Verbündeten vorſchlugen: Oftermann folle nochmals 
zur Kaiferinn gehen und zu entbeden ſuchen, ob fie 
die vorgetragene Bitte erfüllt babe. Der Graf er⸗ 
hielt aber. von ihr nur die allgemeine Antwort: man 
werbe Alles, was fich auf ihren legten Willen beziehe, 
nach ihrem Tode finden. — Die Verbündeten ſchlu⸗ 
gen hierauf vor: fie felbft und ein Jeder bis zu dem 


4 Sechs ter Abſchnitt. 1140. 


Range eines Oberſten hinab ſolle (ſofern er mit ih⸗ 
nen uͤber die Regentſchaft derſelben Meinung ſey) eine 
Schrift unterzeichnen, wodurch Alle erklaͤren: daß im 
Fall die Kaiſerinn nicht das Gegentheil feſtgeſetzt, oder 
ſich gar nicht ausgeſprochen habe, — fie den Herzog, 
während bee Minderjährigkeit Iwans, als Regenten 
anertennen wollten. - 

Ich glaube nicht baß dies gefchah, um eine Vor⸗ 
tehrung zu treffen (denn ber Herzog mußte willen, 
daf die Kaiferinn für ihm entfchieden hatte); ſondern 
aus Staatsllugheit, um dem Volke zu zeigen: bie 
Regentfchaft fey ihm eben fowohl nad) den Wünfchen 
der Vornehmften des Reiches Übertragen, "als: durch 
die beſtimmte Entfcheidung ihrer Kaiferinn. 

Am Aiten Oktober gingen bie brei Cabinetsmi⸗ 
niſter und der Feldmarſchall Muͤnnich, im Auftrage 
der Verbuͤndeten, zur Prinzeſſin Anna und fragten: 
wen ſie fuͤr den Geeignetſten halte, die Wuͤrde eines 
Regenten zu bekleiden? Am liebſten haͤtte ſie hier⸗ 
uͤber gar keine Meinung ausgeſprochen; weil ſie aber 
von den gefaßten Beſchluͤſſen ſehr wohl unterrichtet 
war und die Abgeordneten auf eine Erklaͤrung dran⸗ 
gen, ſo ſagte zuletzt Anna entweder: der Herzog duͤrfte 
der Geeignetſte ſeyn, oder jene verſtanden ihre Ant⸗ 
wort in dieſem Sinne, und hinterbrachten ſie dem 
gemaͤß. 

Den 17ten Oktober ſtarb die Kaiſerinn Anna 


130. Tod Annas. Biron Regent. 45 


und bes naͤchſten Morgens begaben fi Oſtermann 
und alle Vornehmen zu Hofe, wo.fie auch die Prin⸗ 
zeffinn Anna und den Prinzen von Braunfchweig fan- 
den. Dan befchloß Alles in den Gemächern der Kai⸗ 
ferinn zu verfiegeln. Mit dieſem Gefchäfte kam man 
auch an ein Gabinet, wo ihre Juwelen verwahrt 
wurden. In diefem Augenblide trat eine ihre Kam⸗ 
merfrauen hervor, welche viele Jahre bei ihr gedient 
und in großer Gunſt geftanden hatte und erklärte: 
die Kaiferinn hat in meiner Gegenwart ein Papier 
unterzeichnet, was Graf Oſtermann beim Anfange 
der Krankheit Ihrer Majeſtaͤt uͤberbrachte. Sie bes 
fahl ferner, daffelbe in dieſem Cabinet zu verfchließen 
und ihre die Schlüffel zu bringen, welche von jenen 
Augenblide an ſtets unter ihrem Haupte lagen. Zu 
gleicher Zeit fagte mir die Kaiferinn: jenes Papier 
fen von der hoͤchſten Wichtigkeit und ich folle davon 
nie ein Wort reden, bis fie todt fey; dann aber aus: 
fagen, daß und wo jenes Papier zu finden fey. 

Es ward nunmehr gefunden, eröffnet, gelefen, bes 
kannt gemacht, anerkannt und befchworen, 

Der zum Regenten ernannte Herzog, benimmt 
ſich feitdem fehr Höflich gegen die Prirzeffinn Anna 
und wies ihr 200,000 Rubel für ihren Hofſtaat an. 
Nicht minder artig zeigt ſich die Prinzeſſinn; doch 
betrachtet fie nebft ihrem Gemahle, den Herzog wie 
fhon früher, fo jetzt noch mehr als ihren Feind. 


46 Sechster Abſchnitt. 1240. 


Der Adjutant des Prinzen von Braunſchweig und 
einige andere Officiere des zweiten Regiments der 
ſemenowskiſchen Leibwache (bei welchem der Prinz 
Obriſtlieutenant iſt) ſollen ſehr frei geſprochen und in 
des Prinzen Gegenwart erklaͤrt haben, ihm komme es 
eigentlich zu Regent zu ſeyn. Sie gaben ferner zu 
verſtehen: die letzte Entſcheidung der Kafferinn über 
dieſen Gegenſtand ſey erfchlichen, ja vielleicht gefchmie 
‚det (forged) worden, und dürfte durch einen. Eräftie 
gen Beſchluß (a conp de vigueur) leicht zu befeitt: 
gen ſeyn. — Als der Regent dies erfuhr und daß 
der Prinz jenen Dfficieren weder Stillſchweigen gebo⸗ 
sen habe, noch, ihren übereilten und -meuterifchen Re 
den. entgegengetreten fey; fo ging er am 22ſten DE, 
ober ſelbſt zum Prinzen und erzählte ihm was er 
erfahren habe, wobei es zu den ſtaͤrkſten Erklaͤrungen 
Sam. Unter anderem fagte der Megent: obgleich der 
Drinz Bater des Kaifers fen, fo fey er doch zu glei- 
“cher Zeit ebenfo ſehr deſſen Unterthan wie jeber An: 
dere, und ihm zur Treue verpflichte. Da ich (fuhr 
ber Herzog fort) zum Regenten ernannt bin und da6 
Reich meiner Obhut anvertraut iſt, fo werbe ich Sorge 
tragen, Euer Durchlaucht zu überzeugen, daß Ge: 
ſchicklichkeit, Treue und Gehorfam, gegen ben Kaifer 
Ihren Sohn, von Ihnen ebenfo fehr erwartet werben, 
als von. jeder anderen Perfon im Reihe. — Der 
Prinz war Über diefe runde und feſte Erklärung ei- 


N 


1780. Biron u. db. Prinzv. Braunfhweig. 47 


ſchrocken, und fuchte ſich zu entſchuldigen, daß er fein 
Ohr den mühigen Reben junger Officiere geliehen. 
Ex habe (fuhr er fort) darauf gar nicht Acht gegeben, 
obgleich ed ein Fehler geweſen feyn möge, daß er ih⸗ 
nen nicht Stillfchweigen geboten. Deshalb bitte ex 
demuͤthig (kumbly) um Werzeihung und verfpreche 
dem Megenten: fein Benehmen folle timftig vorſich 
tiger ſeyn und nicht im geringflen zu Vorwürfen und 
Klagen Beranlaffung geben. 

Bom Prinzen ging ber Regent gerade zur Prins 
zeffinn Anna und theilte Ihe Alles mit, was vorge 
fallen. Ihre Hoheit erklärte: fie‘ habe nicht die ge 
ringſte Kenntwiß und noch weniger Antheil an eine 
Sache, welche fie fo ſehr mißbillige. Sie folgte dem 
Regenten ſogleich (den 22ften Morgens) zu Hofe, 
und war mit ihm beinahe zwei Stunden zufemmen, 
wahrſcheinlich um die Dinge zu befänftigen und fo 
gut als möglich in den rechten Weg zu bringen. | 

Desungeachtet ward dee Prinz des nackten. Ta⸗ 
ges (den 23ften) zu Hofe emtboten, wo fich bie Mi⸗ 
-nifter, dee Senat und die Generale verfammelt hats 
ten, und genöthigt eine Act von Verhoͤr auszuſtehen; 
die Franzoſen würden fagen: il fut mis sur la sel- 
lette. Der Regent ſetzte der Verfammlung die ganze 
Sache vom Anfang bis zu Ende auseinander, und 
fragte Hierauf den Prinzen: Was er für einen Ge: 
danken (idea) gehabt haben könne und was er be: 


48: | Sechster Abſchnitt. 1740 


treibe und bezwecke. Man fagt mir, er fen ſchwach 
genug- gewefen, mit Thränen in ben Augen zu ant 
worten: einen Aufltand (an insurrection), um bie 
Regentſchaft an fi zw bringen. (Ich gebrauche 
mildere Ausdruͤcke!), als er.) 

Hierauf ſagte General Uſchakoff (ein ſtrenger 
Mann, welcher zuvor an der Spitze der Behörde wie. 
der Staatsverbrecher ftand): Prinz von Braunfchweig! 
Ein Seber wird Sie, fofen es Ihr Benehmen 
nicht verhindert, als den Vater unferes Kaiſers be 
trachten; wenn Ihre Aufführung uns dazu zwingt, 
muͤſſen wir Sie dagegen als feinen Unterthban be 
handeln?). Bei Ihrer Jugend und geringen Erfah 
sung mag man Sie uͤberraſcht (surprised) und miß⸗ 
leitet haben. Wären Sie aber von reiferem Alter 
und nach Geift und Anlagen fähig einen Plan zu 
unternehmen und durchzuführen, wodurch Ruhe, Fries 
den und Wohlfahrt, ja das Daſeyn diefes Reiches 
hätte Eönnen geftdrt und in dußerfte Gefahr gebracht 
werden; fo muß ich Ihnen erklären, daß ich gegen 
Sie (obwohl mit dem größten Schmerze), wenn Sie 
bes KHochverrathes gegen Ihren Sohn und Herm 
fhuldig geweſen wären, mit derfelben Strenge würde 


1) Softer terms. 
. 2) Der Prinz warb 1714, feine Gemahlinn 1718 ges 
boren. 


1940, Biron und Braunſchweig. 20 


vorgeſchritten feyn, wie gegen irgend einen andern Un⸗ 
testban Seiner Majeftät Yon weit Ben Range 
und Stellung. 

Hierauf nahm bee Regent das Wort, feste ‚ben 
Hergang feiner Ernennung, fowie die Gründe ausein⸗ 
ander, weshalb Kein Zweifel wider die AÄchtheit der 
feierlichen Urkunde erhoben werben könne. Die Kai⸗ 
ferinn (fuhr er fort) hat mich durch ‚diefelbe zum Re⸗ 
genten ernannt, und ich danke diefe hohe Stelle 
zuerft ihr; dann aber zweitens (mie ich hoffe) ber 
guten Meinung und dem Zutrauen, welches bie hier 
wverſammelten erften Männer des Reiches in mid) fe: 
km Da jedoh Ihre Majeſtaͤt die Kaiferinn mie 
das Recht gelaflen haben, diefes hohe Amt niederzules 
gm, fo erkläre ich: daB wenn dieſe Verſammlung 
Eure Hoheit für daſſelbe tauglicher, oder in irgend 
einer Meife für fähig hält eö zu übernehmen, ich zu 
Eurem Beten in diefem Augenblicke abdanken will. 
. Solten jene dagegen wuͤnſchen daß ich meine Würde . 
behalte, fo verpflichtet mich meine Dankbarkeit gegen 
die verflochene Kaiferinn und gegen Rußland, dieſem 
Vunſche in der Hoffnung Folge zu leiſten, daß ich 
duch den Rath diefer Deren im. Stande ſeyn werde, 
der ſchweren Aufgabe zum Vortheile dieſes großen 
Reiches und meiner Verpflichtung gemäß zu genügen. 

Nach diefer Anrede erklärte einer von den Gegen- 

waͤrtigen: ſowie ſie vor dem Tode der Kaiſerinn ge⸗ 
ILII. 3 


508 Sechster Abſchnitt. 1240. 


beten hätten, daß der Herzog mit ber Regentſchaft 
bekleidet werde, fo baͤten fie jest, er möge fie zum 
Vortheil und zur Erhaltung des Reiches behalten. 
Der Regent forderte jegt den Grafen Oftermann auf 
zw bezeugen, ob die Urkunde (devem Ächtheit man. in 
Zweifel zu. ziehen fehlen) biefelbe fen, . weiche er der 
verſtorbenen Kaiſerinn überreicht habe. Der Graf er 
theilte die bejahende Erklärung, worauf .vorgefchlagen 
ward: jeder Gegenwärtige (worunter ſich alte Gene 
ralmajore befanden) folle die Urkunde unterzeichnen, . 
ihre Üchtheit anerkennen und fich anheifchig machen, 
biefelbe aufrecht zu halten. Dies gefchah unverzüglich 
und der Prinz von Braunſchweig unterzeichnete und 
unterfiegekte gleich den ‚Übrigen. 

‚Sowie der Regent unter der verflorhenen Kaife⸗ 
rinn immerdar der Pringeffinn Eliſabeth ſoviel Dienfle 
keiftete als in-feinen Keäften fland (obgleich fie füch 
damals unter einer Art von Ungunſt befand), fo 
fheint ex fie auch jetzt für fich gewinnen zu wollen, 
da er weiß daß fie ſehr beliebt iſt, ſowol ihrer ſelbſt, 
als ihres Vaters wegen. Er hat ihr Geld zur Bes 
zahlung ihrer Schulden und eine Zulage von 50,000 
Rubel angewiefen, welche Gunſtbezeuguug ſehr * 
ligt wird. 

überhaupt iſt Niemand ———— der ihm ent⸗ 
gegentraͤte, und er iſt beliebt, weil er Vielen gefaͤllig 
war und nur Wenige verlegte. Dieſes geſchah haupt⸗ 


1749. Biron Regent. Eliſabeth. 51 


fächlich durch eine gewiſſe Rauhheit feines Benehmens, 
was die Franzoſen beusque nennen. Ploͤtzliche Auf⸗ 
walungen biefer Art dauern jedoch niemals lange, 
auch hat er ſich nirgends unverſoͤhnlich gezeigt. Wenn 
feine Megentfchaft in Moskau (dee größen und volk⸗ 
reichen Hauptſtadt diefes. Landes) fo gut aufgenommen. 
wird, als im Peteröburg, fo kann ich bis jegt Nichts 
erblicken, was ihn hindern könnte fie ungeſtoͤrt fortzus 
führen. Und wenn er fortfährt wie er zu beginnen 
fheint, fo kann es zu umenblichem Vortheile diefes 
Reiches und nicht minder zu: feiner Ehre gereichen. 
Ein großes Gluͤck aber ift es für ihn, daß Wolins⸗ 
kois Plane entdeckt und diefer Gatilina Rußlands ver- 
nichtet wurde. Hätte er gelebt bis. zum Tode der 
Kaiferinn und wäre feine Verſchwoͤrung ein Geheim: 
nig geblieben, fo würde er nad) aller Wahrſcheinlich⸗ 
keit bei dieſer Gelegenheit Rußland an allen vier En- 
den in Brand geſteckt und eine allgemeine Metzelei 
der Fremden ducchgelegt haben. Ä 

Indeſſen ift die Zukunft nicht gunz gewiß: der 
Kaifer kann flerben, die Prinzeffinn Anna mehre Kin- 
der gebären u. f. w. Auch hat. diefe gefagt: es ſey 
nicht ihres Amtes, allein zur. — gehalten zu 
werden! * 


1) T be kept only for the breed. 
3”; 





52° Siebenter Abſchnitt. 179. 


Der franzöfifche Gefandte neigt ſich zu Eiifabeth ; 
der preußifche und öfterreichifche zu Anne. | 


Siebenter Abſchnitt. 


So ſchien fuͤr Rußland die Gefahr, welche ein 
ungewoͤhnlicher Thronwechſel mit ſich fuͤhrt, gluͤcklich 
voruͤbergegangen und eine feſte Regierung begruͤndet 
zu ſeyn. Am Sten November 1740 ſchreibt der eng⸗ 
liſche Geſandte aus Petersburg ’): 


Der Regent widmet fid) den Gefchäften mit gro⸗ 


ßem Steige. Er will genau wiffen wie er Alles ge 
funden habe, um bereinft zu zeigen wie er e8 hinter 
laffe. Die Prinzeſſinn Anna lebt mie ihm aͤußerlich 
auf einem guten Buße; fie fehen fich oft, aber ihr 
Gemahl bat fih feit feinem Verhoͤre nicht blicken laſ⸗ 
fen, fondern verweilt immer in den Gemaͤchern ber 
Prinzeffinn. 

Erſt geftern fagte der Herzog Regent zu einem 
meiner $reunde: das Bekenntniß des Prinzen: „er 
babe ein wenig tebelliten wollen” (fo bdrüdte jener 


1) Reichsarchiv, Rußland, Band 38. 


1740. Sturz des Regenten Biron. 53 


fi) aus), konnte keinen Zorn erregen, wohl aber Mit: 
leid über Seiner Hoheit Schwäche, daß er fih in 
eine fo unfinnige Unternehmung hineinziehen ließ. Er 

batte nur acht Gehülfen, darunter ben Narren des 
Hofkutfchers'), einen Lehriungen und einen Aufwaͤrter, 
weiche Drei bereits wieder frei gelaffen worden find., 

So ficher und gelaffen, ja faft uͤbermuͤthig war 
ber Herzog, fo wenig ahnete er und der Gefandte bie 
nächte Zukunft, fo fehe wurden bie Meiften über bie 
Lage ber Dinge getäufcht. - 

Den Iten November (alfo wenige Stunden nach 
Abfaſſung jenes Berichts), war das ganze Gebäude 
ber neuen Derrfchaft bereits völlig umgeftürzt. 

Den Iten November (fchreibt der Gefandte zwei 
Tage fpäter) zwifchen drei und vier Uhr des Morgens, 
begab fich der Feldmarſchall Muͤnnich an der Spige 
von 40 Leibwächtern vom ‚Winterpalafte zum Soms 
merpalafte und verhaftete, zufolge: eines muͤndlichen 
Befehles der Prinzeffinn Anna, den Regenten in fels 
nem ‚Bette... Etwa um ſechs Uhr warb er als Ges 
fangener in die Wachtſtube des Winterpataftes ge: 
bracht. Nicht minder ward General Biron nebſt als 
Im übrigen Gliedern diefer Familie, gleichwie Beftu: 
heff verhaftet und ebenfalls nach dem Winterpalafte 
geführt. Gleich darauf berief man alle Vornehmen 


1) The buffoon of this courts coachman. 


3: Biebenter Abſchnitt. 12. 


zu Hofe, erklärte die Prinzeffinn Anna zur Großher⸗ 
zoginn und übertrug ihr die Regierung während ber 
Minberjährigkeit ihres Sohnes. Die Gefangenen wur 
ben nach nerfchiedenen Feſtungen abgeführt, ein Te⸗ 
deum gefungen, Orben ausgetheilt, Beförderungen bes 
willigt, Geſchenke gemacht, Schulden ber Großen be 
‚ zahlt, und der Prinz von Braunſchweig zum Sane 
raliffimus ernannt. | 

Muͤnnich Iehnte- diefe Stelle ab und wuͤnſchte 
daß das Heer bie Ehre habe, vom Vater des Kaiſers 
befehligt zu werden. Doc ward Muͤnnich erfter Mi: 
nifter, Oftermann Großadmiral und Mintfter der aus: 
wärtigen Angelegenheiten, Czerkaski Großkanzler, Gr 
lofkin Vicekanzler. 

Dem gefangenen Herzoge nahm man alles Gelb 
und Gut, bis auf feine goldene Uhr und feine Kleider. 

Nähere Auskunft geben die folgenden Berichte dei 
Gefandten, insbeſondere einer vom 18ten November. 
Der Entſchluß, ſchreibt er, zu all dieſen Unterneh⸗ 
mungen, ward erſt den Tag zuvor gefaßt. Durch 
ein ſonderbares Schickſal, eigene Blindheit und fremde 
Schmeicheleien, hielt ſich der Herzog feſt uͤberzeugt, er 
ſey im hoͤchſten Grade beliebt und in vollem Befitze 
der Zuneigung allee Menfchen jedes Standes und 
Ranges. Die unbedingte Unterwerfung unter‘ feine 
Gewalt, legte er aus als treue en an feine 
Perfon. | 


1700. Sturz des Regenten. Muͤnnich. 65 


- Dee Prinz -von_ Braunſchweig hatte allen Am⸗ 
teen entfagt, um nicht untere dem Herzoge zu fie 
"sen, konnte ſich jedoch feiner „Aufficht keineswegs ent⸗ 
sieben. Mit der Prinzefiiun Anna kam der Regent 
öfter zuſammen, weshalb man wähnte fie feyen einig, 
während fie immer miteinander haberten. So fagte - 
biefer ihe (am 7ten November): ich kann Sie und 
Ihren Gemahl nach Deutfchland ſchicken, und es gibt 
einen Herzog non Holſtein“) in dee Welt, welchen 
ih, wenn man mid, dazu zwingt, nach Rußland bes 
rufen werde, — Nach ſolch einer Erklärung war ber 
Bruch‘ nie herftelbar: denn die Prinzeffinn mar 
klug und fein genug vorhergufehen, was ihr "bevor: 
fand, und befaß zuviel Much und Entſchloſſenheit 
als daß fie nicht verfuchen folte, jenem kuͤhnen und 
raſchen Plane zuvorzulommen. 

Nachdem der Feldmarſchall Münnich den Sten No: 
vember der Prinzeffinn einige Cadetten vorgeftellt hatte, 
blieb er mit ihe allein und es kam zu Erklärungen 
über die obmaltenden Verhaͤltniſſe. Sie befchwerte 
fidy über die Behandlung welche fie, nebft ihrem Ge 
mahle, vom Regenten erleibe, fodaß ihnen kaum ein 
“ anderer Ausweg bleibe, ald Rußland . zu verlafien. 


1) Peter IM, der Sohn der Anna und -des Herzogs 
Karl Friedrich von HolfteinsGottorp, der Enkel Peters deö - 
Großen. 


56 Siebenter Abſchnitt. 1740. 


Fuͤr dieſen Sal bitte fie den Feldmarſchall: er möge 
alles Anfehn und allen Einfluß, den er befige, an: 
wenden um den Regenten zu vermögen, daß er ih⸗ 
nen erlaube ihe Kind mitzunehmen, um es gegen 
all die Gefahr zu. fihern, welcher Rußlands Beherr⸗ 
ſcher ausgefegt fey, wenn er in den Händen feiner eigenen 
und ber tödtlichen Zeinde feiner Xitern bliebe. — 
Hierauf fragte Muͤnnich: ob fie fi fchon irgend Je⸗ 
mand mitgetheilt babe? — und fie antwortete: kei⸗ 
ner Seele! — Nach manchem Zweifel befchloß bie 
Prinzeſſinn, fih ihm allein anzuvertrauen. 

Obgleich Muͤnnich zur Erhebung des Regenten 
beigetragen hatte, fand doch Argwohn und Eiferſucht 
zwiſchen ihnen ſtatt, und dieſer hatte die Abſicht, den 
Feldmarſchall wo moͤglich zu beſeitigen. Deſſen eige⸗ 
ner Sturz ſtand alſo bevor. 

Zufolge einer zwiſchen Muͤnnich und Anna ge⸗ 
troffenen Verabredung ging Prinz Ulrich zum erſten 
Male aus und machte dem Regenten einen Beſuch 
im Sommerpalaſte. Beide begaben ſich jetzt zum 
jungen Kaiſer, dann zur Prinzeſſinn Anna, endlich in 
in die benachbarte Reitbahn des Regenten. Nachdem 
dies Alles vorbei war, kehrte der Prinz von Braun⸗ 
ſchweig zum Sommerpalaſte zuruͤck, der Regent aber 
ging (nachdem er unterwegs noch ſeinen Bruder den 
. General Biron geſprochen), nach dem Sommerpalaſte, 
um zu Mittag zu ſpeiſen. An dieſem Mittagmahle 


1140, Sturz d. Regenten. Anna. Münnid. 57 | 


nahmen außer feiner Familie Theil, ber Präfident 
Mengden und der Feldmarſchall Münnid, 
beide mit ihren Samilten. 

Man erzählt‘): an diefem Morgen Habe der Re: 
gent etwas bemerkt, was fo großen Eindruck auf ihn 
machte, daß er auch Mittags zu jener Gefellfchaft 
davon ſprach. Naͤmlich, es fen fo wenig Volt auf . 
den Straßen geweien, und Alte hätten fo melancho⸗ 
liſch, niedergefehlagen und finfter ausgeſehen, als ob 
fie nicht zufrieden wären. Der Herzog war ſchwach 
genug dies daher abzuleiten, daß man über bie Auf- 
führung des Prinzen von Braunſchweig mißvergnuͤgt 
ſey, und argmöhnte nicht, daß feine Regentſchaft dar 
an einigen Antheit haben koͤnne. — Die Gefellfchaft 
entgegnete (nie man fich denken Tann), daß entweder 
an dem Anfcheine Nichts ſey, oder daß er -entiiche 
durch des Volkes Schmerz über -den Tod der Kaife: 
rim. — Dennod war er Regent während der Mahl: 
zeit fehr nachdenklich und ſtill. 

Nachdem dies Alles voruͤber wae, blieb des Feld⸗ 
marſchalls Familie noch da, er ſelbſt ging nach Hauſe 
und Abends zur Prinzeſſinn Anna. Er fragte: ob 
ſie ihm Befehle zu ertheilen babe, denn fein Plan 
ſey entworfen und er wolle ihn in der naͤchſten Nacht 
vollfuͤhren. Die re war erſchrocken Über die 





1) Aus — Munde. 
3** 


588 Siebenter Abſchnitt. 200. 


Schnelligkeit und Wichtigkeit eines ſolchen Beſchluſſes 
und mollte nach den Mitteln der Ausfuͤhrung fragen. 
- Der Zeldmarfchall bat aber, fie möge beides verzeihen: 
daß er ſich jetzt hieruͤber nicht weiter erkläre, und daß 
fie naͤchſten Morgen um drei Uhe in ihrem Bette 
geweckt werde. Nach Eurzer Überlegung fagte die Prin- 
zeſſinn: ich übergebe mich, meinen -Gemahl.und mei 

"nen Sohn ganz Euren Händen unb vertraue Eurer 
Führung. - Gottes Vorſehung möge Eu keiten und 
und Alle befchügen! 

Von der Prinzeſſinn Anna kehrte Muͤnnich mit 
dem Grafen Loͤwenwolde zum Regenten zuruͤck, um 
bei ihm Abendbrot zu eſſen. Sie fanden ihn noch 
in Zweifeln, und er klagte uͤber eine Abſpannung des 
Geiſtes, eine Schwere und Unbehaglichkeit des Ge⸗ 
muͤths, wie er ſie nie im Leben gefuͤhlt habe. Jene 
Beiden ſagten ihm: es moͤge eine leichte Unpaͤßlichkeit 
ſeyn, welche eine gute Nachtruhe beſeitigen werde. 
Dennoch ſagte der Herzog (obgleich ſonſt geſpraͤchig 
genug) beim Eſſen und waͤhrend des uͤbrigen Abends, 
kaum irgend ein Wort. Um ihn zu beleben, oder 
das Geſpraͤch fortzufuͤhren, fing der Feldmarſchall an 
zu erzählen von ben Schlachten und. Gefechten wäh: 
rend feines. vierzigjährigen Dienfled. Zuletzt fragte . 
ihn der- Graf Loͤwenwolde ganz unfchuldig: ob er kei⸗ 
. ner Unternehmung während der Nacht beigewohnt 
babe. Die Sonderbarkeit diefer, in den augenblid- 





178. Sturz bes Negenten. 59 


lichen Barhälmifien fo ungeitigen Frage, traf ben 
Seldmarfhall; doch erholte er fih und antwortett wit 
guter Haltung und ſcheinbar großer Gleichguͤltigkeit: 
bei der großen Zahl von Unternehmungen, denen il) 
beigewohnt habe, muͤſſen auf iebe der 24 Stunden, 
etliche fallen. | 

Seine "Ercellenz der Feldmarſchall erzählte mir: 
ich bemerkte, daß ber Herzog, welcher auf feinem Bette 
lag, in dem Augenblicke wa ich dieſe Worte fagte, 
fi) etwas erhob, auf feinen Ellbogen flügte, feinen 
Kopf in ber Hand ruhen lieh, und eine gute Viertel: 
fiunde im diefen nachdenklichen Stellung verweilte. 

Um zehn Uhr gingen Alle auseinander und Dita: 
ni zu Wette; ohne jedoch (wie er ſagte) ein Auge 
zuzuthun. Um zwei Uhr fland er auf, lich feinen 
Adjutanten den General Manſtein rufen und verſtaͤn⸗ 
digte ſich mit ihm. Beide gingen nunmehr zum Pa⸗ 
laſte der Prinzeſſinn Anna, wo Muͤnnich Dffiriere 
und Soldaten anredete, und Auserwaͤhlte mit ſich zur 
Prinzeſſinn nahm. Dieſe klagte ihr Leid, und befahl 
daß der Regent verhaftet, ſowie dam Feldmarſchall in 
Jeglichem Folge geleiſtet werde. Niemand widerſprach; 
die Wachen im Winterpalaſte ließen Ale ungeſtoͤrt 
hindurch, Manftein drang bis im: das Zimmer des 
ſchlafenden Herzogs, ließ ihm (als er ſich wehrte) bin⸗ 
den und den Mund verſtopfen, und mit feiner Ge⸗ 
mahlinn unbelfeidet in bloßen Hemden fortichleppen. 





0 GSiebenter Abſchnitt. 1340, 


Aus Mitleid warf man zwei ihrer Bettbeden Aber 
die Gefangenen. 

Als die Herzoginn hörte, wer bas Ganze leite, cef 
fie mit dem Ausdrucke des größten Erſtaunens aus: 
ich würde eher geglaubt haben, daß Gott der Allmäd- 
‚tige flerben. fönnte, als daß der Feldmarſchall uns ſo 
behandeln würde. | 
Meder ber Prinz, noch Oſtermann, nod) irgend 
ein Menſch hat von bem Allem etwas gewußt, ober 
geahnet').. 

Wolfrad, Muͤnnichs Adfutant, ein Mann, der 
bei dem Tode feiner Ältern (fo ſehr er fie auch lichte) 
keine Thräne vergoß, fagte fpäter:. ich konnte, als ih 
den Herzog und die Herzoginn in Schlüffelburg ſprach, 
eine ganze Fluth von Thraͤnen nicht zuruͤckhalten; fo 
beweglich war ber Anblid. . Die Herzoginn fiel ihm 
zu Süßen und bat, er. möge fi) um Gnade für eine 
fo ungluͤckliche Familie verwenden! 

Die Prinzefjinn Anna ‚übernahm nebft ihrem Ge 
mahle die Regierung und Muͤnnich war zunaͤchſt Ihe 
A Rathgeber. Doch entftanden bald: Zweifel: ob 

er fih in Gunft erhalten und mit feinem alten 
Gegner Oſtermann ausfühnen werde”). Indeſſen hielt 
man (wie fo oft in Rußland) die neue Macht, auch 


1) Bericht vom ten Januar 1741. 
2) Bericht vom 2öften November. 


— 


1710, Karı VI Pragmatiſche Sanktion. 61- 


für eine wohlbegruͤndete, und überlegte, melde Maß: 
regeln man nad) dem Tode Kaifer Karls VI, hinficht: 
fich der auswärtigen Angelegenheiten zu ergreifen habe. 


Achter Abſchnitt. 


So anziehend nnd lehrreich das bisher Mitge⸗ 
theilte für den Liebhaber der Gefchichte auch ſeyn mag, 
trägt doch. Alles den Charakter des Vereinzelten, Uns 
zufammenhangenden. Erft mit Eröffnung ber oͤſter⸗ 
reichiſchen Erbfolge erzeugt ſich ein neuer Mittelpunkt 
für die Betrachtung und Entwidelung der europdifchen 
“ Angelegenheiten, und jeder andere Gegenfland tritt, 
um biefes größeren willen, in den Hintergrund. Wo: 
ber aber neue Anſpruͤche und Gefahren, an einer 
Stelle wo Alles völlig entſchieden und über jeglichen 
Zweifel hinaus- feftgeftellt zu feyn fhien? 

Hinſichtlich der Vererbung ber ſpaniſchen Monar- 
die, ſtand beim. Anfange des achtzehnten Jahrhun⸗ 
derts gar Vieles in Frage. Mochten naͤmlich bie 
Bourboniden oder Habsburger das Ganze erhalten, 
oder daſſelbe getheilt werden; immer ſchien die Staats⸗ 
klugheit hintangeſetzt, oder das Recht verletzt. Wenn 
hingegen die oͤſterreichiſchen Staaten aus den Haͤnden 





. 52 Achter Abſchnitt. ram 


einer männlichen Linie, in bie Hände ber Tochter 
Karls VI, ver Maria Thereſia kamen, fo mar damit 
eher eine Schwächung, denn eine gefährliche Verſtaͤr⸗ 
tung der Macht verbunden; auch hatte ja fall ganz 
Europa das natürliche, billige, unverfängliche Erb⸗ 
geſetz Karls VI, die pragmatifche Santtion angenom= 
men und verbürgt. Daß ber Kaifer im Wege be 
Rechts und der friedlichen Anerkennung fo an das 
Ziel zu gelangen und allen Kriegen vorzubeugen 
ſuchte, iſt durchaus preismuͤrdig; heſſer freilich für 
ſeine Erbinn, er haͤtte zu dem Rechte auch die Macht 
geſellt, ſowie umgekehrt die Macht — Mochtes 
bebarf. 
ESs iſt hier nicht der Dre machzuwelſen; in wol 
cher Art jenes Erhgeſetz entworfen, geprüft, im Im 
Iande und Auslande gebilligt und Maria Thereſig als 
Univerſalerbinn ihreg Waters anerkannt ward, Die 
Kenntniß dieſer Dinge vorausfegend geht mein Zwech 
nur dahin, aus ben gefanbtichaftlichen Berichten bie 
Betrachtungs⸗ und Handlungsweiſe der Könige, Fürs 
ſten und Voͤlker, in mancher zeither bunkela Bezie⸗ 
bung aufzuhelſen. 
Den 20ſten Oktober 1740 — Kaiſer Kar VI ). 





V Friedrich II. war geboren 1712 u. zählte jest 28 Jahre 
Maria Sheufiao . . . . 1717 — 28 — 
Der Erzherzog Franz - . 1708 — 32 — 


170. Tod Karıs VI. 08 


Des Tages zuvor fihrieb der englifche Geſandte Re: 
binfon nad) London; in Wien fürchtet mag Tuͤrken, 
Sachſen, Baiern und Franzoſen). Der Großherzog 
Franz ſagte zum preußifchen Geſandten Borcke: in dem 
Augenblide mo der Kaifer flirbt, werde ich Ahnen 
ſelbſt einen Brief fir Ihren Herrn geben, Denn ich 
kann mih auf niemand verlaſſen als auf 
Seine Majeftät den König von Preußen?) 
und ben König von Grofbritanien, 

Zwei Tage nach dem Tode Karls VI berichte 
MRobinfon aus Wiesn: Von ber Zeit an wo bed Kai⸗ 
ferd Krankheit _ernfihaft ward, bemerkte ich nur au 
wohl, wie fehr man bier einen Schlag fücchtete auf 
welchen man nicht vorbereitet war, und wie man fi 
in der äufßerften Verzweiflung ganz ber Gnade von Frank: 
reich hingab. Bei Annäherung der Gefahr den Kaifer 


“ Sabwig XV war gehoeren 1710 u. zählte jetzt 30 Jahre. 
* 


Georgu . 2.2... 1683 — — 
Philippy.... 1688 — BE 
Friedrich König von Echweden 176  — 4. — 
Ghriftian VI von Dänemarf 1699 — 41 — 
Eliſabeth von Rußland . . 1710 — 890 — 
Karl Albert von Baiern 1697 — 48 — 
Auguſt IE von Polen . . 1696 _ 4 — 


1) Reichsarchiv, ſterreich Band 182. 
2) There is no body but his Prussian Majesty and 
_ the King of Great Britein, that I can rely on. 


64 Achter Abſchnitt. 1740. 


zu verlieren, fahen fie ſchon die Türken in Ungern, bie 
Ungern in Waffen, die Sachſen in Böhmen, bie. 
Baiern an den Thoren Wins und Frankreich als 
die Seele. von dem Allem. Ich fah fie nicht allein 
in Verzweiflung (in despair), fondem, (mas nody 
übler), diefe Verzweiflung war nicht im Stande fie 
wahrhaft und tapfer besperat (Srayery desperate) zu 
machen. 

Mit Bezug auf meine feliheren Berichte und die 
mir ertheilten Anwelfungen , fagte ich kuͤhn: England 
und das Haus Öfterreich find noch unverfehrt, fofern 
es bie nur Männer giebt. — Graf Zinzendorf 
antwortete feufzend: ach! wenn nur ber eine Eugen 
noch- am Leben wäre. — Selbſterhaltung erfähelnt den 
oͤſterreichiſchen Miniftern als das hoͤchſte und einzige 
Biel, — ohne fih um das übrige Europa zu be⸗ 
kuͤmmern. 

Maria Thereſia iſt ſchwanger, und war waͤhrend 
der Krankheit ihres Vaters in Gefahr eine Fehlgeburt 
mit dem Kinde zu thun, welches das letzte unſichere 
Pfand dieſer Familie bildet. Jetzt iſt ſie beſſer und 
konnte Mittags nach ihres Vaters Tode die vornehm⸗ 
ſten Behoͤrden zum Handkuß laſſen und, bis auf 
neuen Befehl, In ihren Ämtern beſtaͤtigen. Sie ward 
mit dem Titel einer Königinn begrüßt; der Großherzog 
ftand in einer geringen Entfernung zue Linken unter 

‚dem Thronhimmel. Sie nimmt fich der ‚Regierung 


1740. Stimmung in Öfterreid. | | 65 


ganz in derſelben Weile an, wie ein neuer König 
thun wuͤrde. Dh! (tief der Kanzler gegen mich aus) 
wäre fie nur ein Mann, mit benfelben Eigenfchaften, 


welche fie befigt. 


Was die Zukunft anbetrift (fuhr derſelbe fort), 
fo werden Sie, ſchon der obmwaltenden Verhaͤltniſſe 
halber gern glauben, daß wir für biefelbe fo viel als - 
moͤglich und in jeder Richtung und Beziehung forgen 
werden. Manche Dinge will man verbeffern, und 
die Nothwendigkeit wird der Regierung neues Leben 
ertheilen. Wir dürfen Frankreich nicht auftelzen, wir 
wiſſen, daß England es nicht fordert. Im Übrigen 
möchten wir, fogar wenn wir uns felbft überlaflen 
wären, fo eifeig (forward) feyn als ihr — hätten 
wir nur Geld! Mit einem Worte: laßt uns nur ein 
wenig zu uns kommen, macht uns genauer mit euren » 

Abſichten bekannt; wir hingegen wollen bie Plane 
Frankreichs erforfchen und prüfen. Ihr werdet nicht, 
ihe dürft nicht zümen, wenn wie. den Krieg auf einen 
Seekrieg beichränten Finnen. Ihr begannet ihn plößs 
lich (abruptly); .es war in der That ber tühnfte 
Streich der in ber Gefchichte zu finden iſt. Wie 
aber die Dinge einmal ſtehen, bebarf die allgemeine 
‚Lage Europas, umd ber befondere Zuſtand unferer 
eigenen Angelegenheiten, bie hoͤchſte Aufmerkfamteit 
und Sefligkeit. 

Die Dinge (fchlieft dee Gefandte) werben in Bes 





66 Achter Abſchnitt. 1740. 


gug auf bie auswärtigen Angelegenhaiten unverändert 
bleiben, bis man fiehbt mas Balern, Sarhfen und 
Frankreich thun '). 

Vier Tage fpäter, den , 26flen Oktober fehreibt 
der Gefandte: Es bat fih hier eine unbegreiflice 
Meinung (unaccountable vation) in’ den Köpfen deß 
gemiinen Volkes fefigefegt, und am: meiſten im der 
Nähe diefer Stadt: dag namlich mit dem. Tode bei 
Kaifers die ganze Regierung aufgelöfet fen, und ber 
Kurfürit von Baiern kommen und von biefen Lane 
fchaften Beſitz nehmen werde. Und doch hat Öfter 
reich erit in den letzten Monaten vor bes Kalle 
Zode, die Anſpruͤche Baierns volllommen widerlegt 
und zuruͤckgewieſen. In der That legte der baierſche 
Geſandte um dieſe Zeit die Anfprüche feines Herm 
auf die ganze öfterreichifche Erbfchaft vor ?), und 
leitete, biefelben aus dem Teſtamente Kaifer Ferdi⸗ | 
nande I ab. | 

Ich bemerke, daß dieſe Begründung durchaus um 
genügend war: Erſtens, weil jenes Teſtament bie 
Erbfchaft nicht bios den männlihen Nachkommen 
zuficherte (wie die Baiern behaupteten) Iauvenm ben 
ebelihen Nachkommen, 

Zweitens, wenn Serdinand I eine Erbordnumg 


1) Preußen ift in biefer Stelle wieder nicht erwähnt. 
2) Bericht vom 29ften Oktober. 


11 
\ 





1740, ‚England, Rußland. 67 


entwerfen durfte, dann eben ſo gut Karl VI, und 
die neuere mußte den Vorrang haben vor der 

"Niemals (berichtet Robinſon) ſah ich einen Mann 
im ſolcher Leidenfhaft, als den Sfterveichifchen Kanzler 
über dieſe haierfhen Forderungen. Er rief: welche 
Unregelmäßigkeit, welcher Ehrgeiz, welche Ungerechtigs 
keit, welche Grauſamkeit. Dies waren feine milde 
fen Ausdruͤcke. — Der Hof will jedoch in anderer 
Weiſe verfahren, mit gedrudten Widerlegungen bes 
innen, zugleich aber unverzüglich andere Maaßregeln 
vorbereiten. 

In der That kam aber weit weniger darauf an, 
welche Wuͤnſche Baiern hegte, als welche Unterſtuͤ⸗ 
tzung es bei den groͤßeren Maͤchten finden wuͤrde. 
‚Unter dieſen war nur England (durch Rechtsgefuͤhl 
und feine Stellung gleichmäßig. dazu verlaßt) feit ent- 
ſchloſſen die pragmatiſche Sanktion unverletzt aufrecht 
zu erhalten. Den Z31ſten Oktober ſchrieb Lord Hat- 
rington an Robinſon: England und Holland wollen 
im engen Einverſtaͤndniſſe mit Öfterreich bleiben. Auch 
wird der König die kraͤftigſten Maaßregeln ergreifen 
um die Mitwirtung und den Beiſtand des Königs 
von Preußen ‚und der Gzarinn zu fichern. 

. Den 26ften Oktober (kurz nad) dem Tode ber 
Kaiferinn Anna) kam die Nachricht von bes Kaifers 


_ 


ss AdterAbfhnit. 140. 


Tode nah Petersburg '). Oſtermann (fchreibt 
Find) war darüber, ſehr erfchroden und beforge. Er 
meinte: alle Zürften Europas müßten, nun reiflich 
überlegen, ob fie Öfterreich unverletzt aufrecht ers 
halten,. oder verlaffen wollten. Es gebe fein 
Drittes, oder einen Mittelweg. Vor Allem. wichtig 
fen es: 0b Frankreich an ber Verblrgung bes Erbges 
feges fefthalten wolle, oder nicht. Sollte es ſich zu 
dem Legten entfchließen, glaube er daß England 
-dennoch fich verbinden, Theil nehmen und mitwirken. 
“ müffe, die pragmatifhe Santtion zum Vollzuge zus 
bringen. — Ein anderer Grund der Sorge Oſter⸗ 
manns tft, daß der König von Preußen fein eige⸗ 
ner Dinifter zu ſeyn und Alles lediglich nach eigenene 
Rathe zu befchließen fcheint. Jede Verhandlung zwi⸗ 
fchen England und Rußland fest immer voraus, daß 
Preußen beitrete, midrigenfalls muͤſſe .ich (Finch) 
ſelbſt fühlen, in welche Schwierigkeiten ber ruſſiſche 
Hof gerathe, und zu welcher Behutſamkeit wer 
gement) er gezwungen werden bürfte. 

Kurze: Zeit nachher (den Iten November) berich⸗ 
tete der englifche Gefandte aus Paris?): der Kar⸗ 
binal Fleury fol dem Fuͤrſten Lichtenftein einen fehe 
verbindlichen Brief gefchriebn umb ihm verfichert has 


1) Find, Bericht vom erften November 1740. 
2) Reichdarchiv, Frankreich, Band 88. 


1740. Frankreich. 69 


ben, der König von Frankreich werde allen Verpflich⸗ 
tungen hoͤchſt gewiſſenhaft nachkommen, welche er 
gegen den Kaifer bei deſſen Lebzeiten übernommen 
babe. — Man meint jedoch, Frankreich werde einen 
anderen Weg einfchlagen, wobei es feine Zwede viel 
beffer erreiche: nämlich indem es gewiffe Perfonen 
ermuthige ihre verfchiedenen Anfprüche geltend zu ma⸗ 
hen, bis fie untereinander in Krieg gerathen. Dann 
wolle Frankreich, unter dem fcheinbaren Vorwande 
‚bie öffentliche Ruhe zu erhalten, fich mit ber Partei 
von welcher es den größten Vortheil erlangen könne, 
zur Unterbrüdung der Übrigen vereinen. Denn wenn 
es fich jest für Einen entfcheide, möchte der Andere 
ſogleich zu em und beffen Freunden hingetrieben- 
werden. 
Ä Um biefelbe Zeit erklärte Sachen’): es wolle im 
beſten Verhättnifie mit der Koͤniginn von Ungern 
‚leben, und alle feine Verpflichtungen gegen Diefelbe 
erfüllen. Diefe Erklärung, fowie die manches ander 
ven Hofes, lautete allerdihge beruhigend, doch ums 
gingen die meiften eine Erneuung der Buͤrgſchaft für 
das oͤſterreichiſche Exrbgefeg. 





1) Bericht Robinfons aus Wien vom 12ten November. 
Reichsarchiv, Öfterreich, Band 182. 


! 


70 . Neunter Abfhnitt. 1740. 


Reunter Abfhnitt. 


"Nach ber bisherigen Stellung der europäifchen 


. Mächte, fpielte Preußen eine fo untergeordnete Rolle, 

daß von ihm weder eine Bewegung ausgehen, noch 
die Entfcheidung kommen konnte. Deshalb hatte der 
Wiener Hof fih mit einer nur. bedingten An 
nahme der pragmatifchen Sanktion durch Friedrich 
Wilhelm I in der Hoffnung begnügt, mit dee Zeit 
Die obwaltenden Bedenken leicht heben, oder die eins 
tretenden Schwierigkeiten .befeitigen zu können. Bei 
dem Allem waren jedoch hoͤchſtens die ſachlichen, ges 
wiß aber nicht die perfönlichen Verhaͤltniſſe ins Auge 
. gefaßt und beruͤckſichtigt werden; — und biefe hatten 
ſich durch Friedrichs II Thronbeſteigung weit mehr 
geändert, ais irgend jemand vorausſetzte. 

Bu den Namen eines Könige dem Friedrich I 
gewann, hatte Friedrich Wilhelm I fchon eine Mache 
hinzugebildet; diefe zu erweitern und geltend zu ma= 
shen, war der fefte Befchluß des neuen Königs. Nun boten 
aber feine Anfprühe auf Juͤlich, Oſtfriesland und 
Mecklenburg eine Gelegenheit zu erheblicher Thätig- 
keit, und am wenigflen zu Erwerbung geſchichtlichen 


Heldenruhms. Und doch war bdiefer das hoͤchſte 


Ziel dem Friedrich nachſtrebte. Er fühlte ganz richtig, 


“ 


130. Preußen. Friedrich II. rn 


welche Möglichkeiten ihm der Tod Karls VI eröffnete. 
Jene, nur bedingte Annahme der pragmatifchen Sant: 


„tion, fowie alte Anfprüche auf einige fchlefifche Fürften: 


thümer boten ihm eine erwünfchte Rechtfertigung feinen 
eigenen Gang zu gehen. Doch können wir (auf. feine 


. eigenen Bekenntniſſe geftügt) annehmen: daß. wenn 


Öfterreich auch. früher diefe Dinge mit größter Vor⸗ 
ficht behandelte und alle Einveden befeitigt bitte, ber 
König dadurch von feiner ergriffenen Laufbahn. nicht 
wäre abgebradht worden. Sein Plan erwuchs aus - 
feinem Millen- und erft hintennach wurden die Dex 
duktionen und Manifefte, fuppletorifch, entworfen und 
befannt gemacht. Deſſenungeachtet fland auf feiner 
Seite auch mehr buchftäbliches Recht, als auf Seiten 
der Baiern‘, Sachfen und Franzoſen; und Friedrichs 
perfönliche Größe gab ihm ein Gewicht, was allen 
anderen Gegnern der edlen. Maria. Therefin fehlte, 
und in ber Weltgeſchichte, trog aller Einreden zulegt 
insmerdar vollgültig ift — mehr erſchafft, denn 
zerſtoͤrt. 

Ich erwähnte ber Zeugniſſe Friedrichs II über fich 
fetbft, und will wenigſtens einige an biefer Stelle 
beibringen, bevor ich ben diplomatiſchen Briefwechſel 
weiter vorlege. Den 26ften Oktober (fechd Tage nach‘ 
Karls VE Ableben) ') fchreibt er am Voltaire:. Cette. 


1) Oenvres posthumes IX, 136. 


72 Reunter Abſchnitt. 179. 


mort derange toutes mes idées pacifiques, et je | 
crois quil s’agira au mois de Juin. plutöt de pou- 
dre a canon, de soldats, de tranchees, que, 
d’actrices, de ballets et de theatre. — C'est le 
moment du changement total de Vancien systeme 
de politique; c’est ce rocher detach6 qui roule sur 
la figure‘ des quatre metaux, que vit Nabuchodo- 
nosor, et qui les detruisit tous. 

Dem Briefwechfel mit Jordan find folgende 
Stellen entnommen '): Enfin me voici dans une 
des plus belles cirgonstances de ma vie, et dans 
des eonjunctures gui pourront poser une Base so- 
lide a ma réputation. — Laisse parler les en- 
vieux et les ignorants; ce ne seront jamais ceux 
qui serviront de boussole à mes desseins, mais 
bien la gloire. — J’aime la guerre pour la — 
mais si je n’etais pas prince ; je ne serais que 
philosophe. Enfin il faut dans ce monde que 
chacun fasse son metier, et j’ai la fantaise de ne 
vouloir rien faire à — — Mon age, le feu des 
. passions, le desir de la gloire, la curiesit€ me&me, 
pour ne te rien cacher, enfin un instinet secret 
m’ont arrach6 à la douceur du repos que je gon- 
tais, et la satisfaction de voir mon nom dans les 
gazettes et ‘en suite dans l’histeire m’a seduit. — 


1) Oeuvr. posth, VIIT, 154, 155, 161, 168, 164, 210. 





4 


1840, Friedrichts Plane. 73 


Sans ce mamcit penchant pour la gloire, je vas- 
sure que je ne penserais qu’ a ma trangnillite. — 
— Qu’est ce que la fatigue, les soins et le 
danger en comparaison de la gloire? C’est une 
passion si folle, que je ne concois point comme 
elle ne tourne pas la töte à touf le monde. 
So viel, als vorläufiger Fingerzeig. Was der 
König felbit im Zuſammenhange über die Gründe 
feiner Anfichten und Beſchluͤſſe, in der Gefchichte fei- 
ner Zeit berichtet, mag man daſelbſt nachleſen; ich 
laffe jet aus dem, in den legten Monaten des 
Jahres 1740 ungemein lebhaften bipfomatifchen Brief: 
wechſel nachftehende Auszüge folgen: 

Den 29ften Oktober 1740 ‚zeigt ber Gefandte 
Sup Dickens an '): der Tod des Kaiſers habe in 
Berlin einen großen Eindrud gemacht, die Anfichten 
gingen indeß fehr auseinander. inige erwarteten 
große Vortheile für Preußen und fagten: gaudeant bene 
armati! Den dten November giebt der Gefandte 
fhon Nachrichten von Eriegerifchen Berathungen und 
Vorbereitungen. — Es konnte ihm nicht lange ver: 
borgen bleiben, daß Zriedrih auf Englands: Anficht 
von der Untheilbarkeit der Öfterreichifchen Staaten 
niche eingehe, und ſich für den Begriff des Gleich: 


1) Reichsarchiv, Preußen, Band 51. 
nl. 4 


74 Neunter Abfhnitt, KR 


gewicht s von Guropa (mo er Anrckamb untergeard⸗ 
net blieb) nicht opfern wollte. 

Des halb ſchreibt Dickens ben 19en November: Mir 
wünfden, daß das wiele Leſen (insbefondere: ſeines 
Lieblingsbuches, der alten Geſchichte non Rollin) den 
Kopf diefes Fuͤrſten nicht mit dem Gedanken erfülls 
bat, Eyrus oder Alexander nachzuahmen. — Zwei: 
felhaft blieb es jedoch, ob Friedrich ficd) gegen Kine 
oder Schlefien wenden werde. | 

Unterdeflen hatte Robinfon den Iten November 
Nachſtehendes aus Wien gemeldet '): Wie ich here 
bat der König von Preußen auf ben Brief des Groß⸗ 
berzogs, zu deſſen völliger Zufriedenheit geantwortet. . 
Der preußifche Gefandte Herr Borde erhielt bei ber= 
felben Gelegenheit von feinem Hofe einen Privatbrirf 
und zeigte ihn mir im Vertrauen, Da er unchiffritt 
war, fo theile ih das Nachftehende eben fo mit. Der 
Inhalt druͤckte des Könige Zufriedenheit über bie 
Sorafalt aus, mit welcher Borde fo raſch non bes 
Kaifes Zode Nachricht gegeben. Er möge dem Groß— 
herzoge und dem Wiener Hofe Verfiherungen erthei⸗ 
len, über des Königs von Preußen volllommene 
Freundſchaft und Bereitwilligkeit ihnen in dieſer wich: 
tigen Gelegenheit Dienfte zw leiften. Bei des Ko: 
nigs Zuſtand in Beziehung auf Menfhen und Gel, 


1) Keichtardhin, Oßernach, Band 182, 


149, Maria Sherefie. 78 


bey. feine Freundſchaft nicht zu vernachläffigen. Er wolle 
feine Verbindungen .eingehen, bevor ex bie Abfichten 
dieſes Hofes kenna. Man müfle aber in Wien, ber 
von allen Seiten andringenden Gefahren halber, ras 
ſchen Entſchluſſes feyn. Ja zufolge der Worte jenes 
Briefes fey diefe Gefahr fo groß, daß (nad einem 
Lieblingsausdrude des verflorbenen Koͤnigs von Preu: 
fen) fein Mann feinen Kopf, ohne Helm, zum Jens 
fer hinaus fleden könne — Es folgten bierguf Be⸗ 
trachtungen über bie obwaltenden pelitiſchen Verhaͤlt⸗ 
niſſe, und daß ein Angriff Sachſens und Baierns be⸗ 
vorſtehe, wenn man ihm nicht zuvorkomme und fie 
bei Zeiten gewinne, Borde hatte bisfen Brief auch 
dem Großherzoge mitgeteilt. 

Den 1Gten November fügt Robinſon hinzu: bie 
Koͤniginn Maria Thereſia gewinnt alle Herzen, 
Sie zeigt eine ungemeine Gewandtheit im Sprechen, 
gleiches Urtheil im Entwickeln und nicht weniger Ent: 
ſchloſſenheit im Aufrechthalten (supporting) bes wid; 
tiaften Staatsangelegenheiten. Öfterreich will "den 
Frieden auf dem Feſtlande; aber wenn Frankreich für 
Baiern eine Theilung vorfchlagen, oder das Geringſte 
für ſich fordern follte, fo wird ber wiener Hof Alles 
für Alles wagen). — Horde fagte mir im Vers 
trauen (2): dee König vom Preußen ſey fehr aufges 


1) Risk all for all! | 
4 * 


16° Reunter Abſchnitt. 10: 


beacht Über die Spötterei und Spaßmacherel'), womit 
ihn die Franzofen behandelten. — Man glaubt hier 
Friedrich II werde blos die Erbſchaft ven Juͤlich und 
Berg in Anregung bringen, ſein Anſpruch aber 
ſchwer mit den Forderungen Sachſens auszuglei⸗ 
chen ſeyn. 

Am WMſten November und am Iten December 
Hagt Guy Didens: kein Menſch, weder groß noch 
Hein, wagt bier dem jungen Könige Vorſtellungen 
gegen die von ihm ergriffenen Maaßregeln zu machen, 
obgleich Alle fühlen welche Verwirrung daraus hervor: 
gehen muß. — Ein Zürft der die geringfte Ruͤckſicht 
nähme auf Ehre, Wahrheit und Gerechtigkeit, könnte 
die Rolle nicht übernehmen auf welche er losgeht; 
aber es iſt Elar feine einzige Abficht war ung (England) 
zu betruͤgen, und eine Zeit lang feine ehrgeizigen und 
heillofen Plane zu verbergen. | 

An demfelden Tage (den Zten December) berich: 
tet Robinfon aus Mien: vor einiger Zeit fragte ber 
feanzöfifche Gefandte den Herrn von Borde, ob es 
wahr fey, daß fein Herr dem miener Hofe 40,000 
Mann und feine Schäge angeboten habe? — Herr 
von Borde fragte: und gegen wen, Herr Abgefandter? 
Der König von Preußen billigte diefe Antwort und 
empfahl ſeinem WBevollmächtigten gegen Herrn von 


' 1) Railleries et goguenardes. 


1740. Preußen, Öftlerreih und. England. 77 


Mirepoir hoͤflich zu feyn, und ihn von Zeit zu. Beit 
zu fehen, über gewilfe Punkte (welche er kenne) 
jeboch ſtets zurüchzuhalten. Der König billigte ferner, 
vote ich (laut Bordes Bericht) zu dem hiefigen Hofe 
über die Art und Weiſe gefprochen mit Preußen im 
beften Verſtaͤndniſſe zu bleiben: ich möge nur behar- 
sen auf demfelben guten Wege. Er ') fuhr fort, and» 
‚ eänanderzufegen wie Eindifch es von dem hieſigen Hofe 
ſey, ſich mit Hoffnungen, franzöfifchen Complis 
menten, und fchriftlichen Verſicherungen hinhalten zu 
laſſen. Ja ein Brief, welchen Herr von Borde ges 
fern erhielt, und mir heute zu leſen gab, ſchloß das 
mit ihm zu eröffnen: daB der König von Preußen 
auf bem Punkte ſtehe, eine dauernde und unaufloͤs⸗ 
liche Einigung mit Großbritannien zu treffen. 


Vielleicht ward bied dem Seren von Borde ges 
fchrieben um durch ihn den wiener Hof ebenfalls bei 
guten Hoffnungen zu erhalten’; vieleicht glaubte auch 
Friedrich II damals noch ſelbſt, es werde ihm moͤg⸗ 
lich werden feine Forderungen: und Anerbietungen dem 
Öfterreichern und Engländern annehmlich zu machen. 
Gewiß war er von einem vwoirklichen Abfchluffe mit 
England fehr weit entfernt. 

Den ten December fchrieb Lord Harrington aus 


1) Das Er, geht glaube ich auf ben König. 


78 Neunter Abſchnitt. 1740 


London an Robinfon”): alle neueſten Briefe, welche wir 
aus verſchiedenen Gegenden erhalten, ſtimmen in der 
Meinung uͤberein, daß ber König von Preußen fen 
Heer verfammelt habe um Schlefien anzugreifen umb 
für fich zu behalten. Einige geben inbeffen zu verſte⸗ 
ben, daß diefee Schritt in Folge einer Übereinkunft 
mis dem wiener Hofe gethan werde; Andere binge 
gem fehließen (weil der König einen Theil feiner Mann⸗ 
ſchaft in ber Gegend von Kleve zuſammenzog) daß et 
im Einverſtaͤndniſſe mit Frankreich ſey, und Schleſien 
als einen Erſatz für Juͤlich und Berg nehmen wolle. 


Einen Tag vor Entwerfung dieſes Briefes (am 
Aten December) legte Friedrich II in einem amtlichen 
Schreiben an ben König von England, feine Plane 
ſchon deutlicher dar, und fügte als Anhang eigenhäns 
big Folgendes hinzu”): J’aarais €crit de main propre 
à Votre Majeste,. si je n’avais 6t6 charge d’aflai- 
res. L’expedition que je vais d’entreprendre est 
vive, mais c'est le seul meyen de sauver P’Alle- 
magne que la cour de Vienne est pröte A prendre 
avec la France, Jespere que Votre Majeste me 
donnera dans «etie occasion des marques die son 
amitie dont elle m’a fait tant d’assuranees «6. que 


. 1) Reihsardiv, Öfterreich, Band 138, 
2) Reichtarchiv, Royal letters, Vol. 17. 


1740. Friedrichs Plane. 9 


Pusion 'parfaite des -deux maisons se prütera en 
tous les mains pour leurs eemmuns imterets. 


Niemand kann wol daran zweifeln daß Fried⸗ 
eich U ſelbſt nicht an deu Plan glaubte, welchen er 
in dieſer Nachſchrift des Höfim von Wion uud Ver⸗ 
failles unterſchiebt; es ift aber eben fo wenig zu be 
greifen, wie er glauben. konnte daB eine foldhe, aus 
der Luft gegriffene Anklage, in London die allergesingfte 
Wirkung hervorbringen werde! 


Sa denfelben Tagen erſtattete Robinſon mehre 
Berichte aus Wien. Die Nachricht (ſchreibt er den 
Hten December) daß Friedrich Schleſien angreifen 
wolle, hat hier ſo großen Eindruck gemacht, daß der 
Hof (ungeachtet der freundſchaftlichen Anerbietungen 
des Könige von Preußen) einige Vorkehrungen ge: 
troffen hat um in jener Kandfchaft nicht Aberrafcht 
zu werden. Das heißt, man hat gerade fo viel 
Mannfchaft zur Gränze ziehen laflen, als hinreichen 
um gegen den berliner Hof Mißtrauen zu zeigen, 
aber nicht genug um einem wirklihen Angriffe zu 
widerfichen. Sch zweifele nicht, der König von 
Preußen denkt an nichts weniger — als diefen Hof 


‚anzugreifen ‘). Da Öfterreih ſich zu Frankreich hin⸗ 


1) Robinfon hatte feine Blicke N auf Eng: 
land und die Niederlande gerichtet. 





80 . Neunter Abſchnitt. 1730. _ 


neigt und Europas Wohlfahrt Preis giebt, ſo en 
fi) Preußen mit England verbinden. 


Des naͤchſten Tages (den Gten December) be- 
merkt Nobinfon: die öfterreichifchen Miniſter Hätten 
fehr bedenkliche Nachrichten aus Berlin erhalten; er 
legt fi aber Alles auf feine Weiſe aus, als gelte es 
Kurland und Rußland. 


Der Großherzog fagte (10ten ER der Koͤnig 
von Preußen ſey derjenige Fuͤrſt, welcher am meiſten 
auf Ehre halte (se piquoit le plus d'honneur); er werde 


feine böfen Abſichten wider die = Marta Te | 


reſia hegen. 
Mährend in Wien Hoffnungen unb Befoigniffe 
abwechſelten, zogen Wolken auch aus anderen Gegenden 
herauf. So erwähnt ber englifche Gefandte in Paris 
Thompfon in einem Berichte vom G6ten December, 
der Anfprüche Sachſens, Baleınd und Spaniens’) 
Herr Wasner (fagt er an einer anderen Stelle) , der 
öfterreichifche Gefchäftsträger, erzählt mir: in Wien 
fen jeder im Entzüden über die neue Herrſcherinn; 
- auch habe fie bereits über ihre Xhronbefteigung die 
verbindlichften Gluͤckwuͤnſche erhalten, von den Könts 


gen von Gardinien, Polen und Preußen. Doch 


1) Reichsarchiv, Frankreich, Band 88. 


1760, Frankreich, Spanien, Preußen. . 81 


wundern fi, (fügt Thompſon hinzu), bier Viele über 
die Bewegungen bed preußifchen Heeres und möchten 
wiſſen was fie bedeuten follen. 

Here Wasner (Beriht vom 7ten December) fagt 
mir: er warne feinen Hof noch immer, auf ber Hut 
zu feyn und ſich in Stand zu fegen bei eintretenden 
Gelegenheiten. ſelbſt handeln zu koͤnnen, ohne ihren 
Sreunden zur Laſt zu fallen. Er bat ihnen wieder 
und wieder verſichert, es fey ungeachtet aller Betheue⸗ 
rungen kein Verlaß auf die Freundſchaft des franzoͤ⸗ 
ſiſchen Hofes; im Gegentheil habe er große Urſache 
zu glauben, daß dieſer die oͤſterreichiſchen Plane ſo 
viel als moͤglich vereiteln werde. Sie wiſſen hier, 
daß der Großherzog die Franzoſen nicht leiden kann, 
und zuͤrnen daß jemand der von einem jüngeren 
Zweige ihrer Herrſcherfamilie abſtammt, dem älteren 
follte vorgezogen werben, daß ein Herzog von Lothrins 
gen, welcher fruͤher den Königen von Frankreich hul⸗ 
digte, künftig vor ihnen den Rang haben mürde, 
Endlich zeige” fi des Großherzogs Parteilichkeit für 
England (gleichwie einft in Livorno) fo offenbar, daß 
man barüber Klage erheben muͤſſe. Zwar glaube. er 
(Wasner). nicht, daß der Kardinal Fleury einen’ Krieg 
beginnen. werde, wenn er ihn irgend vermeiden koͤnne, 
denn er fey von Natur feige :(a:coward); im Fall 
ee aber unter der Hand den Großherzog täufchen und. 

— 4* 


82 u Zehuter Abſchnitt. aꝛae 


etwas für ſich dabei gewinnen koͤnne, fo werde er es 
— thun. 





Zehnter Aofänitt, 


Sechs Wochen feit Karls VI Tode, batse König 
Friedrich benugt um fich in jeder Meile zu einen 
Kriege vorzubereiten. Sehe natürlich, daß die. uͤhri⸗ 
ger Mächte immer ernfllicher in ihm drangen ſich über 
- feine Plane beflimmter auszufprechen, Dies‘ gefchah 
unter Anderem in einer Audienz, über welche Guy 
Dickens am Gten December Folgendes erzähle"): Als 
ich den groͤßten Nachbrud auf die Lehre von der Uns 
theilbarkeit der Öfterreichifchen Staaten Isgte, fragte 
der König was ich darunter verſtehe? — Sch: Die 
Erhaltung der pragmatifchen Sanktion! — Der 8b 
nig: Wollt ihr dieſe aufrecht erhalten? Ich hoffe 
nein, wenigſtens iſt es nicht meine Abſicht. — Sch: 
England ift dazu verpflichtet und fo auch Sie! — 
Der König: Ich habe Feine folche Verpflichtung über. 
nommen, und wenn mein Vater es that, fo bis 
ich nicht gebunden, noch will Ich mich durch etwas 


» Reihsarchio, Preußen, Band 51. 


1746. Sriedrih:a der engliſche Befandte 83 


feſſeln Laſſen, was ich wicht ſelbſt einging und 
vollzog. 

Ich ſuchte (führt dee Geſandte fort) das Gegen⸗ 
theil zu ermeifen und bemerkte: England unb Hol: 
and würden fi fiber die Maaßregeln wundern, 
welche er in dem Augenblicke ergreife, wo er fich mit 
ihnen verbinden wolle und freundfchaftliche Anträge 
gemacht habe. Was’ ich hierüber nach England ſchrel⸗ 
ben foller Als ich dies geſagt Hatte, ward der König 
roch im Gefichte und antwortete: Ich weiß, Sie 
koͤnnen keine Anmwelfang erhalten haben, mir dieſe 
Frage vorzulegen. Gollte es aber auf Befehl gefches 
ben ſeyn, fo habe Ich eine Antwort bereit fuͤr Sie: 
daß nämlich England Bein Recht zuſteht nach meinen 
Planen zu forfihen (to emquire). Gleicherweiſe 
late ich Euch nie eine Frage Aber eure Seeruͤſtungen 
vor, und degnuͤgte mich zu wuͤnſchen, daß ihr nicht 
moͤchtet von den Spaniern geſchlagen werden. 

Ich erwiederte: nicht aus Neugler, oder Vorwitz 
haͤtte Ich gefragt, ſondern aus aufrichtiger Theilnahme 
an des Koͤnigs Wohlergehen, und weil es mir Sorge 
verurſache zu ſehen, wie er ſich in ehr Unternehmen 
einlaſſe, welches zu. dereuen er ſpaͤter Urſach haben 
moͤchte. — Hierauf öffnete fi der König in etwas 
umb fagte: ich habe nichts Im Auge als bie allges 
weite Wohlfahrt. Meine Plane prüfte ich mit der 
grtan Aufmerkfamkeit, wog alle Vottheile und Nach⸗ 


34°: 3ehnter Abſchnitt. 170. 


theile ab, welche für mich und das Publikum daraus 
entftehen dürften, und glaubte naͤchſtdem daß ich 
nichts andres thun koͤnne, als ſie mit Al durchzu⸗ 
fuͤhren. 

Nachdem der König Einzelnes über feine Diane 
ind Forderungen gelagt hatte, fügte.er hinzu: Öfter: 
reich iſt als Macht nöthig gegen bie Tuͤrken; aber 
in Deutfchland braucht fie nicht größer. zu feyn, als 
daß drei Kurfürflen ihr die Spige bieten können. — 
Ih weiß (fuhr er. fort) es iſt die Abſicht ſowohl 
Engiande als. Frankreichs, andere Fürften in Obhut 
(tuition) zu nehmen; ich will aber durch Feine vom 
‚ beiden geleitet. werden. Ihr ‚gleicht den Athenern, 
welche, als Philipp von Macedonien bereit war fie 
anzugteifen, ihre Zeit mit Reden hinbrachten. — Als 
ich jegt in einer anderen Richtung auf Englands. Hälfe 
und DVermitielung hindeutete., gab mir der König zu 
verſtehen: feine Anfprüche gegen den. Rhein hin, Kir 
gen ihm wenig am Herzen, : denn er fühle, daß jede 

Vergrößerung in diefen Gegenden die Eiferſucht der 
Holländer erregen werde; wogegen weder . biefe, noch - 
England irgend einen Argwohn (umbrage) faſſen 
fönnten, wenn er auf der anderen Seite etwas erwerbe. 
. Man Tann nicht wiffen, wie ſich der König. viel 
leicht im: Eifer des Geſpraͤchs tiber das Halten der 
Staatsvertraͤge ausdruͤckte; daß er fie aber keinesmige 
ausſchließlich vom Leben oder Sterben der Fuͤrſten 


v 





‚170. Staatsrechtliche Verträge. 35 


‚abhängig machte, ergiebt ſich zur Genüge aus ande: 
‚ven umſſtaͤndlichen Crörterungen in feinen Werten. 
So wie im Privateechte Zälle vorkommen, wo man 
von dem. Buchſtaben ber Verträge abgehen, ja fie 
ganz auflöfen kann, fo auch im Staatsrechte. Mur 
find dort. Behörden zur Hand, weiche die an fie ges 
‚brachten Fragen nad) . allgemeinen Regeln entfcheiden, 
die Graͤnzen der Abweichung feflfegen und denſelben 
- eine Beglaubigung ertheilen: wogegen für Fuͤrſten und 
‚Staaten kein. höheres Gericht befteht, weshalb fie fich 
ihren. Gewiffen, oder ihrer Willkür gemäß, felbft 
bie Losſprechung ertheilen. Erſt die Weltgefchichte 
“ beftätigt, ober verwirft diefe Entfcheldungen, oder ſtellt 
wenigſtens In zweifelhaften. Fällen Gruͤnde und Ge: 
gengruͤnde :billigerroeife. .nebeneinder. Für das forgfäl- 
tigſte Verfahren. gilt es hiebei oft, den. einzelnen in 
Sage flehenden Fall. aus allem. Übrigen, ich. möchte 
fagen herauszufshneiden und anatomifch zu praͤpariren; 
meines Erachtens wird. aber. durch diefe Vereinzelung, 
diefes. Aufheben. alles . Aufammenhanges, dieſes Abfes 
hen. von. Urfachen und. Folgen, nur das. Untergeorb: 
- nete, Unbebeutende und zulegt. Unmahre gefunden, 
nicht aber das Lebendige, Belebende und Entſchei⸗ 
bende. Waͤre auch der Buchſtabe des Rechts für 
Geßler gegen die. Schweizer, für Philipp TI gegm 
bie Niederländer, für England gegen Nordamerika, für 
Napoleon 1813 gegen bie Preußen geweſen; fo war dies 


N 


36 | Zehnter Abſchnitt. 1720. 


eben nur der Buchſtabe welcher ertoͤdtete. Mit Recht 
warf man ihn deshalb zur Seite und ergriff den Geiſt, 
weicher Völkern und Jahrhunderten Leben einhaucht, 
große Gefinnungen und Thaten hervortreibt, das 
Recht zu wnabhängigem Dafeyn vollguͤltig nachweiſet, 
und das Walten einer. höheren Vorſehung barthut, 
Friedrichs I Benehmen ſtellte fich im Jahre 1740 
ckeineswegs in fo klarem Lichte dar. Wollen wir 
nämlich auch zugeben: bag die bebingte Annahme 
der pragmatifchen Sanktion ihn zu einer Wirkfamkeit 
für Öfterreich verpflichtete, diefe Macht ſich hinfiche- 
Sich der jülicher Erbfolge zweideutig erklaͤrte und der 
preußifche Anfprud auf ſchleſiſche Fuͤrſtenthuͤmer ge⸗ 
gelindet war; fo blieb der König doch nicht Innerhalb 
dieſer Graͤnzen ftehen, -warb nicht von dieſen Grün: 
ben beftimmt, und vor dem Erweiſe einer größer 
Perſoͤnlichkeit, erſchien den Meiften fein Thun nur 
als Folge bloßen Eooismus. Deshalb find wir weit 
entfernt den Schmerz; und den Zorn ber bamaligen 
oͤſterreichiſchen Patrioten zu tadeln und naßzudeuten; 
obgleich andererfeits der Ruͤckblick auf die letztvergange⸗ 
nen hundert Jahre uns erwehfet: die Vorfehung babe 
duch Friedrich und buch Preußens Aufſchwung 
etwas Größeres (felbft zum Vortheile Öfterreiche) bes 
zweckt, als man damals begreifen, oder auch nut 
ahnden konnte. Alle Werke des aͤchten Genius in 
in Kunft, Wiffenfchaft und Staat find Anfangs sie 





199. Friedrich u Sſterre ich Anträge. 8 


Geheinmiß, bie. verwandte. Geifter ausrufen numine 
afllatur! und endlich das Unbegreifliche, Verworſene, 
zum alltäglich Anerkannten und Bewunderten wird. 

Niemand war damals über ben Gang der Dinge 
ſchmerzlicher bewegt, als der oͤſterreichiſche Miniſter 
Bartenſtein. Er ſagte (Robinſons Bericht vom 
‚10ten December) zum hollaͤndiſchen Gefandten: nie: 
mald gab es einen Charakter gleich dem des Koͤnigs 
von Preußen! Ich habe es vorhergefehen und vorher: 
gefagt, ſelbſt feit der Zeit wo Kaifer Karl VI mid 
gebrauchte an de verftochenen König von Preußen 
zu fehreiben, was dem Prinzen das Leben rettete. 
Welche Verflellung, wel ein Herz! Und fi fo zu 
benehmen in einer Zeit, wo Alles überall ſo friedlich 
if. Mit einem Wort: die Königinn Maria Iherefia 
bat keinen Feind zu fürdten, aufer ben Köniz von 
Preußen! 

Robinſon hielt: diefe Anfichten und Befürchtungen 
noch immer für thoͤricht, ward aber bald eines An⸗ 
deren belehrt. Vier Tage ſpaͤter (dem 14ten Decem⸗ 
ber) ſchreibt er: der Großherzog ſagte mir: Sie werden 
nun glauben, daß der Koͤnig von Preußen nach 
Schleſien kommt? Ich antwortete: Ja, nur nicht 
als Feind. — Kommt er ald Feind (fuhr der Große 
herzog fort) fo wird er Nichts von uns erlangen, 
und kommt er um uns zu zwingen mit ihm, für 
feine Vergrößerung gemeinfchaftliche ' Maaßregeln zu 


88 Zehnter Abſchnitt. 1740. 
ergreifen, fo iſt dieſe Methode bie ſchlechteſto auf 


‚welche er verfallen konnte. 

Herr von Borde theilte mir nen Befehl vom 
Tten December mit, des Inhalts: er folle eine 
Audieng bei dem Großherzog verlangen, um den 
wiener Höf feiner unbefchränkten ‚und gänzlichen 
Sreundfchaft ') zu verfichern, und die Königinn nebſt 
ihrem Gemahl zu befchwären, nicht beforgt (alarıned) 
"zu ſeyn. Die Zeit würde die Ausdehnung feiner gu⸗ 


ten Abſichten enthüllen. Sein Einruͤcken in Schle 


fien fey unvermeidlich, ja nothwendig für das Gleich⸗ 
gewicht Europas, für bie Erhaltung der Reichsver⸗ 
. faffung, und insbefondere für bie Sicherheit des 

Haufes Dfterreih. Für all dieſe verfchiedenen - großem 
Zwede, fey er bereit die paflendften Maaßregeln zu 
verabieden mit dem. wiener Hofe, den Seemädhten 
und Rußland. Um einen fernen Beweis feiner X: 
fihten zu geben und die Unbehaglichkeit (uneasiness) 
des wiener Hofes zu beruhigen, habe er zwei Briefe, 
an die Königinn .und ihren Gemahl gefchrieben ei 
überreichen laſſen. 


‚As Borde (Beriht vom 17ten December) - dm 


Königs Brief dem Großherzoge überreicht, ſagte dies 
‚ fer: dies. ſey das größte Raͤthſel der Welt, und bes 
ſchwor den König von Preußen, er möge nicht in 


1) Most absolute and entire friendehip. 


aa a En En a —— 


a 


- 


13730. Friedrichs Anträge an Sſterreich. 80 


dieſer Weiſe vorfchreiten. Manche glauben Alles be⸗ 


zwecke nur den wiener Hof zu gewiſſen Bewilligun⸗ 
gen uͤber Juͤlich und Berg zu vermoͤgen. 

Der Verfaſſer des Antimacchiavel konnte nicht 
glauben mit bloßen Worten und kleinen Kuͤnſten alle 


Schwierigkeiten zu beſeitigen; er mußte auf die Sa⸗ 


chen eingehen. Deshalb hatte der preußiſche Geſandte 
Gotter am 18ten Oktober eine lange Audienz bei dem 
Großherzoge uͤber welche dieſer ſelbſt an Robinſon Fol⸗ 
gendes erzählte"). Here Gotter ſagte: er komme mit Si⸗ 
cherheit für das Haus ſterreich in einer, und mit. der 
Kaiferkrone für den Großherzog in der anderen Hand. 
Seines Herrn Heer und Geld ftehe der Königinn zu 
Dienfte, welches beides ihr in einer Zeit um fo wills 
kemmener feyn müffe, wo fie niemand teauen dürfe und 
der König von Preußen ſich und andere Verbündete in 
ihr Imtereffe bringen wolle. Diefe Verbündete wären 
die Seemärhte unb Rußland, welches für die gemeine 
Sadye zu gewinnen, er fich erbiete. Bet einer fol; 
hen Verbindung von Preußen, ſterreich, England, 


Holland und Rußland fen der König. (dieſer große 


Befoͤrderer, diefe Seele der Verbindung) ber Einzige 
welcher bei der Lage feiner Länder, etwas zu fürchten: 
babe; fo daß, da er gewiß auf einer Seite verlieren 
werde, es billig. fen, daB er auf ber anderen etwas 


1) Bericht vom 2lften December 1740. 


\ 


90 Zehnter Abſchnitt. 1240, 


gewinne. Um ihm alfo Muth zu machen auf eine 
fo große Unternehmung einzugehen, :Eönne Ihm Die 
Königinn Maria Therefin nicht weniger geben, Als 
— das ganze Herzogthum Schkefien! 

Eure Herrlichkeit koͤnnen fi das Erſtaunen des 
Großherzogs denken! Er ſagte mir und ich weiß von 
Anderen, daß er gemaͤßigt blieb (kept his temper) 
ungeachtet einiger ammaaßlichen und drohenden Erklaͤe 
eungen, welche Seren Gotter in ber laͤrmenden, und 
poltevnden Weife entfielen, welche die Haupteigenſchaft 
diefed preußiſchen Großmarſchalls ausmachen. Schw , 
Erhebung zu bdiefer Stelle, war eine eben fo große 
Überrafchung für diejenigen, welche ihn bier von 
dem niedrigften Zuſtande des Lebens aufwaͤrts Fries 
hen (ereep) ſahen, als bie jegige Botſchaft an den⸗ 
felben Hof, und bei einer fo außerordentlichen Gele⸗ 
genheit. — Wenn man ihn ſprechen hörte (fagte der 
Großherzog) hätte: man glauben follen, fein Der ſey 
mit einem unüberwindlichen Deere im vollen Marfche 
gen Conſtantinopel. Niemand fey To feſt in feinen 
Entſchluͤſſen als der König von Preußen, er weile ' 
und mühe In Schlefien einruͤcken; wenn einmal ehr: 
geruͤckt werde, muͤſſe er weiter vorſchreiten; und 
wenn nicht vberuhigt (Becured) durch Die unverzuͤg⸗ 
liche Abtretimg Schleſiens, werde daljetbe Geld und 
Heer gleicherweiſe den Sachſen und Baiern zu Dien⸗ 
ſten ſtehen. 


1740, Der Großherzog u. d. prenß. Geſandte. 91 


Der Herzog antwortete: Nichts Ebnne hellfamer 
ſeyn als des Könige Plan; aber das Ungluͤck ſey, 
daß er aus fo guten Grundfägen, fo übel weiter 
ſchließe. Er, der König ſelbſt, habe gar Nichts zu 
fürchten, wenn er fo viele anfehnliche Mächte worte 
nige; während bie Koͤniginn ſehr viel, wo nicht Allee 
fürchten muͤſſe. Sie Ichne um deswillen nicht ab in 
des Königs Plane einzugehen, fondern ‚Billige fie wiels 
mehr eben aus dieſem Grunde, 

Auf des Königs von Preußen erſte allgemeine 
Erklaͤrung uͤber feine Freundſchaft, hat der biefige 
Hof (fagt der Großherzog) auf beffen eigenes Anſu⸗ 
chen, fogleich einen vertrauten Miniſter an ihn abge 


fandt, mit voller Anweifung in Berlin zu verhandeln 
uͤber Alles was zur Befriedigung dieſes Türften ſich 


vernuͤnftigerweiſe irgend thun ließe. Anſtatt abre mit 
jenem Beauftragten in ein Geſchaͤft einzugehen, oder 
die geringfie Forderung ober Auſpruͤche an die Könis 
gin zu machen, 309 der König mit einem bedeutenden 
Heede nach Schiefien und forberte dann erſt auf ums 
bebingte (perenstory) Weife die befte Lanbfchafs, wel⸗ 
he ihr gehört und son welcher fie ſich (mern 48 
irgend in ihrer Macht ſtaͤnde etwas aufzugeben) am 
wenigſten trennen koͤnnte. Es ſey aber weder in ihl 
rer Gewalt Das wegzugeben, was geſetzlich fo feſt als 
untheilbar uͤberantwortet ſey; noch befinde fie ſich in 


1 


92, Behnter Abſchnitt. 174, 
einer fo uͤbelen Lage, daß fie mit einem Feinde ver: 
handeln muͤſſe, fo lange er in ihren Ländern flehe. 

Von bier aus. verbreitete fich der Großherzog ge: 
gen Herrn Gotter, über die weite Scene der Verwir⸗ 
rung, welche des Königs -Ungebuld eröffne Sie 
buͤrfte leicht gleich verderblich werben für ihn und für 
Andere, und hätte fich leicht vermeiden laffen, wenn 
Friedrich „allein in den gewöhnlichen Gefchäftsformen 
vorgefchritten wäre, oder ſich Zeit gelaffen hätte, bie 
wahren Sefinnungen biefes Hofes über ihn kennen 
zu lernen; — freifich nicht um ungerechte Abfichten 
‚ zu befördern, wohl aber um ihm in Seglihem zu 
dienen, was. vernünftig und möglich erfcheine. 

Here Sotter antwortete hierauf: fo fen alfo bier 
Nichts für ihn zu thun, und‘ er wolle deſſelben Ta⸗ 
ge8 zuruͤckkehren. — Iſt Euer Here (fragte jegt der 
Großherzog) bereits in Schlefien eingeruͤkt? Er muß 
(antwortete Gotter) gewiß ſchon dort fern. — &o 
Eehren Sie (fchloß der Großherzog) zu Ihrem Deren 
zuruͤck und fagen Sie ihm, daß fo lange nur noch ei⸗ 
‚ner feiner Soldaten in Schleſien fteht, wie ihm kein 
einziges Wort zu fagen haben. Im all ee aber 
noch nicht eingeruͤckt iſt, oder feinen Marfch unters 
lafien, ober fih aus dem Lande fi wieder zurüds 
ziehen will, wollen wir unverzüglich mit ihm in Ber⸗ 
lin unterhanden. Botta hat bereits Anweiſungen, 
noch heute follen ihm andere geſchickt werden, und es 


1740. Der Großherzog u. d preufß. Geſandte. 93 


gibt Mittel, den König von Preußen zufrieden zu 
fielen, ohne uns das abpreffen zu wollen, was zu 
bewilfigen nicht in unferer Macht fiht. 

Hierauf fehlen Here Gotter ein wenig weicher zu 
werden, und unter dem Vorwande: er wolle fih bei 
feinem Herrn entfchuldigen bag er einen Courier. fende, 
ſtatt ſelbſt die Antwort zu überbringen, bat er dem 
Großherzog, ihm das Geſagte ſchriftlich zu geben. 
Diefe Forderung lehnte der Großherzog ab, weil fie 
ſich mit der Königinn Würde nicht vertrage, fo lange 
man vorausſetzen muͤſſe, Sriedrich ſtehe in ihren Laͤn⸗ 
dern. . Gotter verſprach hierauf einen Courier abzus 
fenden, verficherte indeſſen zugleich, «8 führe zu Nichts. 
So find nun zwei Eouriere nad) Berlin abgegangen, 
einer Seitens des biefigen Dofes und einer (jedoch 
erſt geſtern früh) von Gotter an ben König, wo er 
ihn auch finden möge. 

Der Großherzog fagte mir ferner: nie wären wol 
eines Menfchen Hoffnungen fp unzeitig getäufcht wor⸗ 
den, als bie feinen. Er habe benfelben Gedanken ge: 
habe, von dem König Friedrich fpreche: eine Vereini⸗ 
gung der Seemächte und befonders Preußens mit 
Svſterreich. Jetzt fey die Gefahr groß. und den Hoff: 
nungen von England und Holland her, trete nur zu 
viel Beſorgliches gegenüber. Sollten alle Ausſichten 
fehlfchlagen, fo werde bier jeder waffenfähige Mann 
ind Feld ziehen, man werde die goldenen Gefäße vom 


” 


& 7 . Zehnten Abſchnitt. 14600 


Altar nehmen, um dem. Angriffe des Koͤnigs entge⸗ 
genzutreten und nachmals ſich retten wo a. nd wie 
man koͤnne. 
Ich (Robinſon) ſuchte Borcke und Gotter durch 
alle aur moͤgliche Gruͤnde von der Verkehrtheit jenes 
Planes zu uͤberzeugen, und erwog und wandte bie. 
Sachen mit ihnen, wol drei Stunden Iang, von als 
len Seiten. Bei biefer Gelegenheit hörte ich von: 
Herrn von Gotter taufend Einzelnheiten über Geift 
und Stimmung feines Herrn. Sung, rafch, anma⸗ 
Bend, unlenkbar; mit einem Worte, die fonderbarfle 
Mifhung von Ehrgeiz und Geiz, — und zwar (mas 
bas Schlimmſte ift) diele beiden, gepfropft auf fo: viele: 
gute Anlagen, baß fie dem Könige ſelbſt als Tugen⸗ 
den erſcheinen. 

Gotter billist das Verfahren. deſſelben nicht, und 
verfichert, er habe barüber mit dem Könige in Berlin 
aufs Freimütbigfte geſprochen. Und in-der hat, 
wenn er fo offen ſprach, als er fehrieb (ich babe alle 
feine Berichte geſehen), ſo kann man Fein beſſeres 
Bild eines guten Deren geben, welcher herlei. Vorſtel⸗ 
Lungen duldet, und keines befieren Dieners, als her 
fihd fo benimmt. — Mit einem Worte: nichts iſt 
von den beiden Miniftern (Borde und Gotter) unter⸗ 
iefien, um dem Könige die Übereiung, bie Ungerech⸗ 
tigßeit umd bie böfen Folgen zu zeigen, welche für ihn 





NP, Friedrichs Anträge. 9% 


web. fir gang CQuraya aus ſeinem jehigen Unterneh⸗ 
wem hervorgehen mirften,. 

Auf eine. ꝓaenßiſche Andeutung: der. Koͤnige werde 
wir einem Theile. Schleſiens zufrieden ſenn, ging man 
“m Wim nicht ein, fo lange Friedrich von ſeinim An⸗ 
griffe wicht: abſtehe. Robinſon bot aus eigener, Macht 
die Vermittelung dar Saemaͤchte an, was nbes den 
weiteren Sana der Dinge nicht unterhrach. 


Eilfter Abſchnitt. 


- Bei näherem Prüfen ber vorfiebenden Erzählung, 
draͤngen ſich zuvoͤrderſt einige Meinere Fragen und 
Zweifel auf. Dat König Zriebukh (um zu ſchrecken, 
zu imponiten) feinem Geſandten eime fo. kuͤhne, dro⸗ 
hende, anmaßliche Spracdye aufgetragen; oder gerieth 
diefer (feinem eigenen. Charakter nad) ohne. befiimmte 
Anweifung in dies Benehmen; oder hat der natuͤrlich 
gereizse Großherzog das Gehoͤrte, noch ſchaͤrfer wies 
dererzaͤhlt? Waren die Mittheilungen der preußiſchen 
Geſandten an den engliſchen vollſtaͤndig und aufrich⸗ 
tig; ober wuͤnſchten fie. auch bier zu taͤuſchen und. 
Zeit zu gewinnen u. f. w.? 





96 Eitfter Abſchnitt. 178. 


Jetzt, nachdem wir die Ereigniffe ber folgenden 


Jahre kennen, ließe ſich in ber Hauptfacye voeiter fra⸗ 


gen: warum nahm HÖfterreich nicht freiwillig die Vor⸗ 


ſchlaͤge an, zu welchen es nachher gezwungen die Hand 
bot? Warum erfparte es fich nicht fchwere ‚Kriege? 


Warum gewann es nicht an Friedrich den mächtige - 


fien Verbündeten? — Ich antworte: es gab damals 
einen Propheten, welcher die Zukunft vorherfehen 
Eonnte ; oder, wer ba geweiſſagt hätte, .voliche (mie 
Kaſſandra) Beinen Glauben gefunden haben. Selbſt 
der Furchtſamſte konnte, ohne ſich zu ſchaͤnden, nicht 
dafür flimmen: eine ber fchönften Landfchaften folle 


ohne Schwertfteeih von bem alten mächtigen Kaifer: 


hauſe, dem neugefchaffenen Könige, dem ehemaligen 
Markgrafen von Brandenburg abgetreten werben. -Und 
wuͤrde nach fo unerwartet leichtem Erwerbe ber Ehr⸗ 
geizige nicht noch mehr gefordert, würde man nicht 
alle Habgierigen hiedurch noch mehr aufgereist haben, 
über das Erbe Karls VI wie über eine leichte Beute 
herzufallen. Des Königs Äußerungen, als hange es 
von ihm ab, große Bündniffe für Öfterreih zu Stande 
zu bringen, als führe er bie erften Maͤchte gleichſam 
im Schlepptaue hinter fi, wurden um fo mehr als 
eitle Großfprechereien angenommen, als man .in 
Wien auf England und Holland mit Sicherheit zäh: 
Ien, und damals glauben konnte auch Ruflands und 
Frankreichs ficher zu fern. So gingen von Rußland 


“ 1940. Frankreich Spanien. Sſterreich. 97 


aus, die dringendſten Vorſtellungen an Friedrich?), 
von feinen Planen gegen ſterreich abzulaſſen, und 
Zudwig XV fagte von ihm in biefer Beziehung gerade 
‚heraus: dieſer Menſch iſt verrüdt!?) 

In einem anderen Geſandſchaftsberichte aus Pa⸗ 
ris vom 17ten December heißt es: Jeder Menſch iſt 
hier in Erſtaunen uͤber den Marſch der Preußen nach 

Schleſien. Niemals hatte man von Anſpruͤchen Preu⸗ 
ßens auf die oͤſterreichiſche Erbſchaft gehoͤrt, Friedrich 
Wilhelm I hatte dieſelbe verbuͤrgt, es war kein Streit 
zwiſchen beiden Höfen, Friedrich IE erffärte nach Karls 
VI Tode, er wolle deſſen Tochter in jeder Weiſe un- 
terſtuͤtzen; kurz dieſer Schritt iſt und bleibt durchaus 
unbegreiflich. Fuͤrſt Lichtenſtein und Wasner find 
uͤberaus beſtuͤrzt, und ſcheinen das Ärgſte zu befuͤrch⸗ 
ten, ohne genau zu wiſſen warum. 

Spanien bereitet ſich vor, einen Krieg wiber Öfter: 
reich in Italien zu beginnen. Hier in Paris trat 
man nicht den Anfprüchen an ſich entgegen, fondern 
erklaͤrte blos die Unfähigkeit (inability) fie zu unter: 

- fügen. Der Kardinal Fleury fagte dem fpanifchen 
Geſandten: das — Heer ſey in ſchlechtem Zu⸗ 


1) Bericht and Petersburg v. Aſten December. Reihe: 
archiv, Rußland, Band 28. 
2) Cet homme la est fol! Bericht aus Paris vom 
Ylten December. Reichsarchiv, Frankreich, Band 88. 
IL . 5 


98 EAiifter Abſchnitt. "100. 


ftande, die Soldaten. nadt, und bie Officiere ben Kloͤ⸗ 
ſtern aufgelafte. — Campo Floxido vaͤumte ein, baf 
dies gewiffermaßen der Ball fey, fügte aber Hinzu: 
bei einem Verhaͤltniſſe, wie bas vorliegende, werde es 
den Spantern nicht an Gelbe fehlen. — Hierauf ant: 
wortete der Kardinal: Spanien mag fich ferbft in 
Vertheidigungsſtand fegen; — et puis nous verroms! 
— Jenes hatte aber allerdings große Schwierigkeiten; 
benn als man ben Gedanken ausſprach in Spanien 
einen neuen Zehnten aufzulegen'), gerieth dad Volk 
in großen Zorn und Miele fprachen: ein Krieg fep 
völlig nuplos für das Vaterland und bezwecke bios 
dem nachgeborenen Sohne der Koͤniginn, Don Phi⸗ 
fipp, ein Unterkommen zu verfchaffen. 

Unterbefien hatten die Preußen am 23ften: De 
cember ben ſchleſiſchen Boden betveten?), unb zwar 
wie fie fagten: ald Freunde. Sie bezahlen Anfangs 
Korn und Brot, ſtellten Empfangſcheine aus, taͤuſch⸗ 
ten daburch Einige?), laͤhmten bie Thaͤtigkeit Ande⸗ 
rer, erzuͤrnten aber Diejenigen um ſo mehr, welche 
hierin nur Taͤuſchung und Betrug ſahen. 

Zu — Zeit ließ Friedeich H neue Torfandge 


1) Reichsardhiv, Zrankreich ns 89, Beriht vom 
4ten Sanuar 1741. 


2) Oourr. postlı. I, 186, 
8) Bericht aus Wien vom Zöften December, 


‘ 





EL Reue Anträge Preußens. %0 


machen, billiger als die erſten, und über welche man 
ſich vielleicht geeinigt hätte, wenn fie fruͤher und in 
gemaͤßigter Weiſe wären durch Unterhanblung ange 
bracht worhen. Jetzt aber war man in Wien mit 
Mecht erzlirut, und wollte fi ſchon der Ehre halber 
Niches durch einen kriegeriſchen Anfall abtrotzen lafſen. 
Naͤheren Aufſchluß giebt ein Wericht Robinſons aus 
Bien vom Aten Januar 1741"). 

Here von Gotter (ſchreibt er) hat eine neue Aus 
bienz beim. Großherzoge gehabt. Er bot im Al: 
gemeinen: Geld, Menfchen, die Kaiſerkrone, andere 
Vortheile (oomveniences) für Sſterreich, Buͤrgſchaft 
für die pragmatiſche Sanklion und ein immerwaͤhren⸗ 
des Buͤndniß, verſtaͤrkt und bekräftigt durch ben Bei⸗ 
tritt von England und Rußland. — Machen Sie 
(fragte der Großherzog) dies Anerbieten fuͤr ganz 
Chefin? — Das (antwortete Gotter) duͤrfte zuviel 
mb Schwiebus bürfte zu wenig ſeyn. — Wie in: 
men wit uns (fagte ber Großherzog) bei fo großem 
Abſtande einigen? . worauf Gotker fortfuhr: nicht für 
garz Schleſien, nicht fuͤr halb Schlefien, ſondern 
‚für einen guten Theil defſelben, welcher ben 
preußifchen Staaten am naͤchſten liegt. Dieſen Theil 
will der König uͤberdies begahlew, emtrweber durch eis 
nen: unmittelbaren Kauf, ober duch ein Scheinans 


1) Keichsarchiv, Öfterreich, Band 185. — 
* ⸗ 5 | 


«m 





100. Eitfter Abſchnitt . 1941 


lehn. Zur Erklärung bes letzteren Ausbruckes, ſchlug 
der preußiſche Geſandte vor: jener angedeutete Theil 


von Schlefien moͤge (um nicht als Bruch des Erb⸗ 

geſetzes zu erſcheinen) dem Koͤnige uͤberlaſſen werden 
durch bie‘ Form. eines öffentlichen Antrags‘), und in 
Kraft einer geheimen Bebingung. Durch bie legtere 
folle der wiener Hof. verfprechen: daß wenn ber Groß⸗ 
herzog Kaifer geworden und Segliches völlig beruhigt 
und im Frieden fen; — dann, und erft dann folle der 


König von Preußen im Wege des Vertrages eine . 


neue DVerficherung erhälten, vermoͤge welcher die kai⸗ 
ferliche Samitie fi anheifchig mache, jenen Theil von 
Schlefin nie wieder einzulöfen (redeem), wofür ber 
König eine Summe: von drei, vier Miltonen nieder 
legen, und bafelbft nur eine Befagung von 500 — 
600 Dann halten wolle, 

Außer diefem Allem, fügte Gotter hinzu, möge 
der wiener Hof von des Könige Macht zur Erhals 
tung ber Ruhe im Reiche Gebrauch machen ; ber Ro: 
nig wolle für den Fall des Beduͤrfniſſes in Italien, 


oder in den Niederlanden, 10,000 Mann bereit bals 
teu. Als die „Herren Gotter und Bord in ben Groß⸗ 


berzog drangen, er möge auf diefe Worfchläge eine 
Antwort geben, und fie wiſſen laſſen: ob ber König 
ganz darauf verzichten müfje? (to be despaired of), 


1) Upon the foot of a public message? 


I) 


1731. Neue Vorſchlaͤge Friedrichß. 101 


antwortete jener: er hoffe nicht, gewiß nichty. — 
Als jene ferner fragten: ob ſie ſich an die Miniſter 
wenden ſollten? willigte er ein daß ſie, wenn es ih⸗ 
nen gerathen ſchiene, ſich an den Grafen Zinzendorf 
wenden moͤchten. | 
Des nächften Morgens waten Binzendorf und 
Stahremberg drei Stunden lang mit bem Großherzog 
in feinem Gabinet verfchloffen, und bes Abends gin⸗ 
gen die preußifchen Abgeorbneten zum Grafen Zinzen⸗ 
dorf, wo fie nochmals bie erzählten Anträge machten. 
Der Kanzler beftand darauf, daß fie diefelben fchrifte 
lich übergeben follten, was fie verweigerten, aus Furcht 
(vie .fie fagten) an Frankreich verrathen (betrayed) . 
zu werben. Der Kanzler begnügte fich hierauf ſelbſt 
Einiges nieberzufchreiben und. Gotter erbot fih des 
naͤchſten Tages mit. feinen Vollmachten und gefchrie: 
benen Anweiſungen zurüdzufehten, aus welchen ber 
Kanzler, oder ein anderer betrauter Dann, bas aus: 
ziehen möge, was jenem gefalle. Das gefchah num 
geftern, obgleich jene fich weigerten, nad) Zinzendorfs 
Sorberung genau anzugeben, was fie unter. „einem 
guten Theile Schiefiens” verftänden, und «8 bem hie 
figen Hofe überließen, von ber Kenntniß uͤber die wah⸗ 
ren Abfichten des Königs Gebrauch zu machen. Der 
preußifche Gefandte theilte mie (Robinfon) Altes mit 


ı) He hoped not so neither. 


| 


* 


102 Eilfter Abſchnitt 154. 


und fuchte meinen Beiſtand. Aus Zinzendorfs Aus 


Berungen ſchließe ih, dab der wiener Hof durch die 
preußifchen Anerbietungen ſehr erfchlittert (shaken) ift. 

Bartenftein widerſpricht jeber Einigung mit Preu⸗ 
fen und verbreitet: ber König habe verlangt, dag man 
ben Krieg an Frankreich erkläre, und boch babe der 
biefige Hof Niemand auf den er fih verlaſſen (rely) 
koͤnne, aufer Srankueid, — iſt toll fm 
zoͤſiſch). 


Weiten Auffisföfte gibt ein Bericht Robinſons x 


vom Tten Januar, worin «6 heißt: 


Der König iſt in Schleſien welter — 


und Hat ſich in ben Bells von Breslau gefehlt. — 
Dee Großberzog klagt 1) daß die Vollmachten der 
preußifchen Geſandten ungenügend find; 2) dag fie 
nicht gefagt was unter „einem guten Theile” Gchles 
fiend zu verſtehen fey; 3) daß ber Gedanke von Daw 
lehn und Pfand eigentlich nur von Gotter ausgehe; 
4) daß jede Art vom Abtretung, bis pragmatiſche 
Sanktion aufloͤſe und andere Anſpruͤche hervorrufe; 
5) daß die Preußen innerhalb ber oͤſterreichiſchen Lande 
‚ Ränden, 

Vom Großherzoge ging ich zu — preußiſchen 
Geſandten und erkannte nnc zu deutlich den Mangel 


in Gotters Vollmachten, bie Ungereißhelt des Erfolges 


1) He is french mad. 





1791. Verhandlungen in Bien. 103 


für feinen eigenen Pau von einer Verpfändung ') 
und feine Unfähigkeit zu erklären: was unter ‚einem 
guten Theil Schiefiens” zu verfichen ſey. Mit eis 
nem orte: aus der Durchficht einer langen Anwei⸗ 
fung, welche er deſſelben Morgens von feinem Sofe 
empfangen hatte, und wonach Manches von hier miß⸗ 
verſtanden und von dort falfch bargeftellt. war, ergab 
fich die vollkommene Unmoͤglichkeit zu einer unmittel- 
“ baren Unterhandlung vorzufchreiten. 

Die legten Anweiſungen waren aus Breslau vom 
Zoſten December zur Antwort. auf ben erflen Brief 
Gotters aus Wien, und begleitet mit einem. kurzen 
Briefe des Königs vom Iten Januar. Übel, daß ber 
König keine Miniſter bei ſich hat und die Unterhand⸗ 
kungen, währen er raſch vorruͤckt, über Berlin faufen. . 

Das Merkwändigſte in der Zuſammenkunft mit 
ben öfterreichifchen Miniſtern war, daß man ſagee, 
Herr von Bord habe bemerken laſſen (Iet appear) 
feine erſte Anweiſung gang Schleſien zu fordern, fen 
dactirt vom Löten November, ihm aber befohlen wor⸗ 
den, fie erft an einem gewiffen Rage zu öffnen. Dies 
fer Tag traf aber mit ber Zeit zufammen, me ber 
König bezweckte in Schlefien einzufallen. Herr von 
Gotter berichtigte infofern Heren von Bord, als er 
behauptete: biefer hätte niche fagen follen, oͤffnen, 


1) Of his own project of mortgage. 


104 Eiifter Abſchnitt. 124. 


- fondern leſen. — Hierauf nahm ich mir die Freiheit 
zu bemerken: diefe Entdeckung möge dienen, mancher 
lei Gerüchte zu widerlegen. Wenn nämlich der Koͤ⸗ 
nig fhon am 1dten November feinem Gefandten bie 
Abſicht eröffnet habe, Schlefien zu fordern und anzu- 
greifen, fo muͤſſe er diefen Gedanken doch mindeftens 
einige Tage früher gefaßt haben. Dann aber bleibe 
vom 28ften Oktober (wo der König des Kaiſers Tod 
erfuhr), nicht Zeit genug baß er feinen Plan mit 
Öfterreih, Zrankreich ober England habe veräbreden 
Eönnen. 

Sn der neueften Verfügung vom 26flen Decems 
ber fagt der. König: er wolle fi) begnügen mit ei⸗ 
nem guten Theile Schlefiens, ſchweigt aber von Dar⸗ 
lehn, Pfand u. f.w. Dem Herm von Gotter hat 
er außerdem noch aufgetragen miünblih zu fagen: 
_ qu’en toute occurrence oü il puisse aider la Beine 
de Hongrie de conserver la grandeur de sa mai- 
. son, etde’se dedommager de la bagatelle quelle 
va perdre en cette occasion, il le fera de bon 
eoeur! 

Am 5ten Januar erging eine äfterreichifche Ants 
wort bed mefentlihen Inhalts: Als der König in 
Schleſien einbrach, war Alles ruhig und keine Gefahr 
vorhanden; in einem folchen alle verpflichten aber 
[hop bie Reichsgeſetze jedes Reichsglied zum Schuge 
dev rechtswidrig Angegriffenen, wie viel mehr noch 


1741. unterhandl. Friedrichs m. Öfterreid. 105 


bie BVerbürgung der: pragmatifchen Sanktion. Ober 
wenn bergleichen Bande nicht gültig find, auf welche 
Sicherheit Eönnte das Haus Öfterreich dann rechnen? 
Ein Bund mit den Seemaͤchten, ſterreich und Preu⸗ 
Ben beſteht ſchon; bie Abficht jener Verbündeten geht 
aber nicht dahin der Königinn von Ungern einen Theil 
ihrer Staaten zu nehmen, ſondern biefe ganz und un⸗ 
verlegt zu erhalten u. [. mw. — Die Königinn will 
weder ganz Schlefien noch einen Theil deffelben ab» 
treten, wohl aber ben Bund erneuen, voraudgefeßt, 
daß die pragmatifche Sanktion weder unmittelbar noch 
mittelbar beeinträchtigt, das Recht Eeines Dritten vers 


legt werde, und das preußifhe Heer fogfeich ihre 


Staaten verlaffe. Nach ihrer Überzeugung ift dies 
die einzige Weiſe welche fich verträgt mit Gerechtig⸗ 


keit und Billigkeit, den Gründgefegen des Reiche, fo: 


wie dem Wohle und Gleichgewichte von ganz Eu: 
ropa. Ebendeshalb ift dies aber auc der einzige 
Weg, welcher fid) mit dem wahren Ruhme des Koͤ⸗ 
nigs von Preußen verträgt, und die Königinn hegt 
kein Bedenken, ihn dringend zu bitten darauf einzus 
zugehen, ja fie beſchwoͤrt ihn mit allen den Gründen, 
weiche auf das Herz eines großen Fürften Eindrud 
machen koͤnnen. 

Obgleich durch diefe Antwort alle preußifchen Vor- 
fhläge in der That ganz zuruͤckgewieſen wurden, gab 


fi) Robinfon doch alle Mühe, dem Herrn von Got: 
5 ** 


106 Eilfter Abfhnitt. 1741. 


ter zu erweiſen), wie bennoch wol weiter zu unter: 
bandein und mas wol zu then fen. Gotter vers 
zweifelte indeffen, daß er feinen Heren gu degend et 
was werde vermögen Einnen: ohne einen unmittelba⸗ 
sen Vortheil, werde er ur Andere nur wie Wind 
betrachten. 

Sotter wollte am näcflen Tage sum Könige rei: 
fen, aber feine Ütste erlaubten e8 ihm nicht, weil er 
am Steine leide. Us die oͤſterreichiſchen Miniſter 
von dem Auffchube Hörtem, hielten fie die Krankheit 
wol für erfunden, und der Kanzler ließ bem Hetrn 


. von Bor fagen:. er wuͤmſche ihn gu fpeechen. Die 


fer bat, ihn zu entſchuldigen, weil er das Sieber habe; 
worauf ihm der Kanzler fehrieb: er möge feine Maaß⸗ 
regeln fo treffen, daß er Wien nad) einigen Tagen 
verlaffen- könne. 

Mit diefer. Wendung ber Dinge war Robinſon 
unzufrieben und meinte?) : Öfterreich hätte ſich deut⸗ 
licher ausfprechen, dem Könige von Preußen etwas 
Pofitives bieten und (mie Gotter wuͤnſchte) den 
Theil Schiefiens bezeichnen follen, welchen es füc an- 
bere Vortheile abzutreten geneigt fey. Ja, als ber 
Koͤnig, unter Vermittelung des Kurfürften von Mainz, 


1) Bericht vom 11ten Januar I Reichdarchiv, 


D) Bericht vom 17ten Januar. 


11. Friedrich Hand. König dv. England. 107 


nun Liegnis, Wohlau und Brieg verlangte, gab man 
eine, ‘der obigen ähnliche Antwort, bot ihm eine Art 
von Akte ber Vergefienheit und ein Verfprechen, nicht 
auf Schadenerſatz zu beſtehen ) 

Mit Unrecht blieb man: in Wien nicht bei Dem 
fliehen, was als buchſtaͤbliches Recht, oder auch als 
Ehxenpunkt erſchien, umd vergaß uͤber bie, nicht ums 
natuͤrtiche Aufreizung, das was die Staatsklugheit 
in dieſem Angenblicke erforderte, oder aufzwang. Am 
wenigſten war 23 gevachen einem Fuͤrſten wie Friedrich 
gegenüber etwas auszuſprechen, was mie Spott und 
Veruchtung ausſah. Deshalb ſagte er auch dem eng: 
liſchen Geſandten in Berlin?): ich will cher umkem⸗ 
men, als von meinem Unternehnen abſtehen. Die 
andern Maͤchte ſollen ſich nicht einbilden, daß ich mich 
durch Drohungen einſchuͤchtern laſſe. Wer dies glaubt, 
oder an wirkſamere Maßregeln denkt, dem werde ich 
jeigen, daß ich bereiter bin als fie den erſten Schlag 
ausgautheilen”). Rußerſten Falls werde Ip mich mit 
KTrankreich vereinigen, nad allen Seiten um mid 


1) Offering te the King. a kind. of an act of obli- 
vion, and a promise not to insist upon damages! 

2) Berichte vom 8ften Januar und Atan Februar 1741. 
Reichsarchiv, Preußen, Baw 2. 

3) He was readier Shen they to give the first box 
on the ear. 





. 108 Gilfter. Abſchnitt. 1741. 


ſchlagen und beißen (kick and bi) und, Alles um 
“ mich her verwüften. 

Um biefelde Zeit (dem. 30ften Sanunr 1741) 
fchrieb Sriedrich II aus. Berlin dem Könige von Eng: 
fand‘). Je suis charme de voir par la lettre que 
Vötre Majest6 vient de m’ecrire, que je ne me 
' suis point tromp6 dans la confiance que j’ai mise 


en elle par la. facon favorable quelle s’explique 


au sujet de mon entreprise sur. la Silesie. N’ayant 
eu aucune Alliance avec personne, je n’ai pu m'en 
ouvrir avec personne; mais voyant les bonnes in- 
tentions de Vötre Majeste, je la regarde comme 


- stant deja comme mon allié, et comme devant , 


Pavenir n’avoir plus rien de cache ni de secret 
pour elle. 

Je dois dont P’informer que je me suis empare 
de toute la Silesie. (except6 deux mauvaises bieo- 
ques oü les Ofliciers de la reine de Böhtme ont 
jette du monde tresimprudemment, et qui ne scauraient 
tenir), que j'ai chasse Mer. Braun en Moravie et que 


1) Reichsarchiv, Royal letters, Vol. 7. Ich habe zwar 
nur eine Abfchrift in Händen gehabt, bin aber aus mehren 
Gründen überzeugt, daß bie Urfchrift von Friedrich II ſelbſt 
herruͤhrt. Auch weilen die. Verflöße gegen bie Rechtſchrei⸗ 
bung (melde wenigſtens an einigen Stellen in vorfighender 
Abſchrift beibehalten iſt) darauf hin. 


141. Friedrich Il and. König v. England. 109 


‚si javais eu le moindre dessein d’abattre la maison 
d’Autriche, qu'il n’aurait tenu qu’a moi de penetrer 
jusqu’a Vienne. Mais n'ayant des droits que sur 
une partie de la Silesie, je me suis arret6 oü 
finissent ses frontieres. Bien loin de vouloir iron- 
bler ’Eürope je ne pretens (pretans) rien, sinon 
que l’on ait égard à la justesse de mes droits in- 
contestables, ei que jastice me soit faite, sans que 
je me verrai (verez) oblige de. pousser les choses 
jusqu'à lextremit6 et de ne garder desormais 
(desormets) -aucuns m6nagements avec la cour de 
Vienne. | 
Je fais un fond infini sur Yamitie de Vöire 
Majest6 et sur les inter&is communs des princes 
protestans qui demandent qu’on soutienne ceux qui 
sont opprimes pour la religion. Le gouvernement 
tyrannique sous lequel les Silesiens ont gemi 
est affreux, et la Barbarie des Catholiques en- 
vers eux inexprimable.e Si ces Protestans me 
perdent, il n’y a plus de resseurce. pour eux. Je 
erois que les raisons que je viens d’alleguer à 
Vötre Majest& sont suflisantes, mais je crois en 
wir de_plus fortes encore dans les interets de 
Vötre Majeste; car si jamais elle se veut s'atta- 
cher un allie fidele et d’une fermete inviolable, 
est le moment (moman). Nos interets, notre re- 
ligion, notre sang est le meme, et il serait triste 





10: GEiftrifgniet 1m. 


nens vor agir d’une facom contraire les uns 
".anx autres; de quos d’aufres woisims jaleux ne 
manqueraient pas de profiter. Il serait emcore 
plus fach6 de m’obliger à concenrir aux grands 
desseins de la France; ce: que je m’ai cependant 
pas l’intention de faire, que si l’on m’y force, au 
lien qu'à present Vötre Majest6 me trouve dass 
les dispositions les plus avaniagenses ponr ses 
inter&is, et pröt à ewirer dans ses vues et d’agir 
en tout de concert par elle. Je anis avec la pkas 
parfaite estime Monsieur mon frene, le tres bon et 
tres fidele frere et ami 
 Federi«. 


Fai oubli6 de Finformer que j'ai condu une 
alliance defensive avec la Russie. 


In feiner Antwort ermahnt der König von Eng: 
land ‚zu balbiger Ausföhnung, und wolle er gerne 
dafür wirken, fo meit es Bündnifle und Verfprechun: 
gen erlaubten. — Die leichte undiplomatifche Weiſe 
in welcher Friedrich IT feines Buͤndniſſes mit Ruß- 
land ‚erwähnt, war ohne Zweifel in London aufge⸗ 
fallen. Deshalb heißt es nach dem — ber eı eng= 
liſchen Antwort :  Postseriptum. ‚la remercıe 
aussi de Ja part quelle a voula me donner de son 
alliance avec la Russie. 


Mach der Abreiſe Gotters von Wien fehrieh König 


1741. Englands Vermittelang. 111 


Friedrich einen eigenhändigen Brief an ben Großherzog ') 
(obgleich diefem unter einer andern Hand uͤberſandt), 
weldyen er nad) wiederholten Berficherungen feiner 
Freundſchaft für ihn und die Koͤniginn, damit ſchloß: 
daß fein Herz Feinen Theil an dem übel habe, was 
fein Deer diefens Hofe anthue. Der Großherzog ant- 
wortete, daß, was and) ber Ausgang biefes Krieges. 
feyn möchte, er immerdar des Königs Freund feyn 
wuͤrde. 

Herr Bartenſtein, faͤhrt der engliſche Geſandte 
Robinſon fort, ſtellt es als erſten Grundſatz auf, daß 
den Koͤnig auf den rechten Weg bringen wollen 
„ohne ihn zu riffetn,“?) fo vergebliche Mühe ſey, als 
einen Mohren weiß zu waſchen. Seines Waters, 
Friedrich Wilhelms I, 12,000 Mann hätten am 
Mheine mehr Schaden gethan, denn Gutes geftiftet, 
Friedrichs Freundſchaft werde nachtheiliger feyn wie 
feine Feindſchaft, beſonders in Bezug auf bie vorſte⸗ 
hende Kaiferwahl. Denn der Gewinn feiner Stimme 
ziehe unfehlbar den Verluſt von Trier nad) ſich, und 
die geringfte Ausföhnung mit ihm, führe zu einer 


— 


1) The King writ a Letter in his own hand to the 
Grand Duke, though directed to his Higness by an 
other hand. Robinfons Bericht vom 22ten Bebruar. Reichs⸗ 
archiv, Öfterreih, Band 185. 

2) To rectify the King, without ruffling him. 


112 Eilfter Abſchnitt. | 1741. 


völligen Trennung vom. Könige von Polm. Man 
müffe vielmehr Preußen ganz entwaffnen. 


Dieſe Reden und Wünfhe kann man wohl 


einem eifrigen Freunde feines. Vaterlandes zu - Gute 
Halten; fie waren aber nidht einem Staatsmann an= 
gemeffen, der bie. Gegenwart ertennen, in die Zukunft 
Schauen und das Möglihe vom Unmöglichen ‚unters 
fcheiden foll. 

Zwar fchrieb Lord Harrington an Robinſon: 
wenn Vorſtellungen nichts huͤlfen, wolle man den 
Koͤnig mit den Waffen aus Schleſien vertreiben; aber 
das Wollen war kein Vollbringen und unmittelbare 
Huͤlfe von England aus gar nicht herbeizuſchaffen. 
Auch fügte Harrington ſogleich hinzu: wenn Öfler- 
reich ſich mit Preußen vergleichen wolle, ſey England 
zur Vermittelung bereit. 

Auf dieſen Weg ward die engliſche Regierung 
immer mehr bingedrängt, je mehr fie die allgemeine 
Stellung aller europäifhen Mächte ins Auge faßte, 
wovon ich gleich nachher im Zuſammenhange fprechen 
will. Schon im März gab fie in Wien den Rath 
ſich mit dem Könige von Preußen zu fegen, wel: 
cher Rath jedoch mit Abfchen zurüdgemiefen warb '). 
Sede Abtretung an Preußen, führe zu allgemeinen 


1) Be vom Lſten März. Reichsarchiv, —— 
an 


1741. ‚Englands Bermittelung. 113 


Forderungen und einem allgemeinen Kriege. Mean 
hoffte beftimme Preußen zu befiegen und aus den 
Veränderungen in Rußland großen Vortheil zu ziehen. 

Im April hob England nochmals in Wien drins 
gend die Nothwendigkeit hervor‘), ſich mit Preus 
fen auszuföhnen, weit fonft ein Krieg mit Frankreich 
doppelt gefaͤhrlich ſey. — Vergebens. 

Hierauf wandte ſich der engliſche Hof, durch Lord 
Hyndford an den König von Preußen?). Dieſer gab 
zue Antwort: Er wolle fehr gern mit Öfterreich auf 
die fchon vorgefchlagene Weiſe abfchliegen, und ich 
nächftdem aufs Eifrigſte über Alles verftändigen, was 
e von Anfang an dargeboten babe, ſowol zur Bes 
fefligung des Hauſes Öfterreih, als ber: Freiheiten 
Europas. Da er ferner, ungeachtet der ihm gemach⸗ 
ten vortheilhaften Anerbietungen, gar Eeine Berbins 
.  bungen mit Frankreich eingegangen habe und ihm 
voͤllig frei flehe vernünftige Bedingungen anzunehmen, 
welche der König von England ihm beim wiener 
Hofe auswirken könne, fo bitte er dringend in 
dieſer Beziehung mit der groͤßt moͤglich en Schnel⸗ 
ligkeit vorzuſchreiten. 

In Wien lebte man aber noch immer der überzeu⸗ 
gung, in Frankreich werde die friedliche Partei obſie⸗ 


1) Bericht vom 17ten April. | 
2) Bericht vom März und Mai. Ebendaſelbſt. 


114 Eitfter Abſchnitt. 1281. 


gen; — ober wenn nicht, dann erſt fey es Arit mic 
. Preußen abzufchliefen. — So blieben alle Vorſtel⸗ 
lungen Englands vergebens. — Den bten Mat lehnte 
Sſterreich nochmals alle Abtretungen an Preußen ab 
und König Friedrich erklaͤrte: er habe mit dem größten 
Schmerze gefchehen, daß jene fo ernſtliche Bemuͤhun⸗ 
gen ohne Erfolg geblieben. Den 101m Mai ſchrieb 
er an Lord Hpndford '): comme ce m'etait pas A 
moi de faire plus d’avamces que j’ar fait, sans 
&ire assurd des sentimens de la cour de Vienne; 
Fatlendrai tranguillement ce qu’elle y vandra re- 
pondre. - 

Dies konnte Friedrich um To mehr — da er 
am 10ten April die Schlacht bei Molwitz gewonnen 
hatte, im Beſitze des größten Theile von Schlefien 
war, und bei der ſteigenden Verwickelung der euror 
päifchen Angelegenheiten, fein Gewicht zur Herbei⸗ 
führung eines Ausſchlags immer entſcheidender ward. 

Am 12m Mai 1741 °) ſchrieb der König aus 
Molwit an feinen Miniſter Podewils: Je vous en- 
voye en {res mauvais francais, la lettre d’un tres 
. bon allemand. Il y a da raisonnement d’un pa- 
triote outre, mais je crois que ce sera une piece 


1) Reichsarchiv, Ofterreich, Band 186. 
2) Reichsarchiv, Preußen, Band 58. ri 


131, . Zrisbrid an Pobewils. 114 


capable de faire impression sur un plenipotentiaire. 
— Nous avons à faire d’un coté aux gens les 
plus tetus' de l’Europe, et de Yuutre aux plus 
ambitieux. Comme-le röle d’honnete homme avec 
des faurbes est chase bien perillense, ätre fin 
avec des irompeurs est un parti desesper& dest 
la reussite est fort «quivegue, que faire done? 
La guerre, et la negociation. Voila "justement 
ce que fait voire tres humble serviteur et son 
mwinisiee. S’il y a A gagner à ötre honnéts hom- 
me, nous le serons; et s’il faut duper, Boyons 
dene fourbes. Je suis avec bien ‚Festime, mon 
cher Podewils, votre très ſdele ami 

Freilich lauten die letzten Worte nicht, ats wÄren 
Are vom Verfaſſer des Antimacchiavel geſchrieben; 
allein -einmal. find fie bios im Scherze hiugeworfen, 
und die ernſte Stage war nur: auf welche Seite fich 
Dreußen ia dieſem entſcheidenden Wendepunkt der Zeit 


ſtellen, amd wie’ es die fruͤhere Abhaͤngigkeit von Ans 


deren abſchuͤtteln, und ein. feibfländiges Daſeyn 3 
winnen — 


16. Bwölfter Abſchnitt. 1. 


Zwölfter Abſchnitt. 


Nachdem ich uͤber das Verhaͤltniß ſterriche und 
Preußens bis zum Mai 1741 Mancherlei mitgeteilt 
babe, erfcheint es nöthig uͤber andere europaͤiſche 
Meiche Einiges nachzuholen. Beginnen wir mit den 
Berichten aus Petersbürg. 
Biron war geflürze, Anna nebft ihrem: Geniahl 
an der Spige der Geſchaͤfte, Münnidy ber einfluf 
reichſte Minifter, und die Prinzeffinn Elifabeth (me: 
gen etwaniger Thronanſpruͤche) bewacht und gefchmel: 
"helt zugleich. Den 20ſten December fchreibt der Ge 
fandte Finch ): vorgeflern war der Geburtstag ber 
Prinzeffinn Eliſabeth. Die Großfürftinn Anna fchenkte 
ihe Armbänder, der Heine Czar - Iwan fandte ihr 
eine goldene Schnupftabaksbofe mit dem ruſſiſchen 
Adler darauf, und an. das Salzamt erging der Befehl 
ihr 40,000 Rubel auszuzahlen. — Der König von 
Preußen hat den Major Winterfeld hiehergeſchickt, 
welcher Muͤnnichs Stieftochter geheirathet hat. Am 
Zoſten December fährt der Sefandte fort: Muͤnnich 
‚neigt fi) zu dem Gedanken: Öfterreich folle Preußen 
in irgend einer Weiſe befriedigen und gewinnen. Außer 


1) Reichsarchiv, Rußland, Band 28. 


1m Rußland. Mäünnid. 117 


den in ber. Bade liegenden Gründen, mögm auch 
wol äußere mitgewirkt "haben, : gegen weiche der Feld⸗ 
marſchall nicht gleichgültig iſt. Seinen Schwiegerſohn 
Malzahn ernannte der König von Preußen zum Ober 
fien und ſchickte ihm einen Brilfantring, weichen er an 
ber eigenen Hand getragen. hatte, feinem Sohne aber 
fchentte ee Sieben (?), ein Gut an der Ober. 

Der Prinz von Braunfchweig iſt dagegen unzu⸗ 
frieden, daß fein Generaliffimus nur als ein Titel 
erfcheint, und er wenig gefragt und gehört wird, wäh: 
rend der heftige, gehaßte Muͤnnich Alles leitet. Der 
Prinz fagte'): er habe dieſem viel zu danken, daraus 
folge aber nicht, daß er den Grofvezier ſpielen dürfe. 
Wenn er lediglich feinem gränzenlofen Ehrgeize und 
der natürlichen SHeftigkeit feines Temperaments folge; 
fo werde dieſe, teine eigene Thorheit ihn ind Verder⸗ 
ben flürzen. 

Se mehr fih Münnih zu Preußen Himneigte und 
dem Könige Veranlaffung gab, bie oben mitgetheilte 
Nachfchrift über einen Bund: mit Rußland feinem 
Briefe an den König von England anzuhängen; um 
fo Iebhafter ward von anderen Seiten her mwiber jenen. 
gearbeitet, woruͤber Friedrich II in der Gefchichte ſei⸗ 
ner Zeit genügende Andeutungen giebt. 

Den. * und 7ten Maͤrz berichtet Finch aus 


9 Bericht vom 10ten Februar 1741. 


188 Swötlfter Abſchnitt. A. 


Petertburg: bee Feldmarſchall Muͤnnich iſt entlaſſen. 
Als ihm Loͤwenwold die. Botfchaft brachte, antwortete 
er: ich betrachte dieſe Entlaſſung als bie größte 
Wohlthat, welche mie der Regent erzeigen konnte, 
und ich nehme fie un mit der größten. Dankbarkeit 
und Unterwerfung, Seine Zamitie war wicht fo ges 
faßt wie ex, und als die Graͤfinn Muͤnnich von. ben 
Prinzen von Braunſchweig mie Thraͤnen im den. Fugen 
Abſchied nahm, fagte ihe Mann: Madam! Ich Hoffe 
Sie werben kein Zeichen: ber Berrübniß geben, Aber 
Seiner. Hoheit und bewieſene große Gnade und Guuſt, 
welche und zu großer Freude und Genugthuung ge 
seichen foll, — tie dies bei mir der Bau. iſt! 

Die Regentinn duferte: Muͤnnich habe den Has 
gog von Kurland mehr aus Ehrgeiz, denn aus Zu⸗ 
neigung zu: ihr geflürzt; weshalb ſie zwar die Fruͤchte 
des Verraths aͤrndten, den Verraͤther jedoch nicht 
achten boͤnne. Des Feldmarſchalls herrſchſuͤchtiges We⸗ 
ſen ſey nicht laͤnger zu ertragen, da er die Kuͤhnheit 
babe bei mancher Gelegenheit ben: auodruͤcklichen und 
wiederholten Befehlen: ihres Gemahls zu. widerfprechen. 
Er babe zu viel Ehrgeiz, Unruhe und Unternehmungs 
geift, als dag man ihm vertrauen. binfe. Ex falle 
nad feinen Gütern in ber Ukraine gegen, umd feine 
Zage bafelbft: (wem es ihm gefalle) in Ruhe endigen. 

Die Nachrichten, daß man ben Herzog von Kur: 


1441. Dünnids Bart. Bekudeff u Biron. 119 


Sand aufs Hohefie Sehandele '), find bie zum lagen: 
tm gebrungen, unb Männiche Ball bat jenem ben 
erſten Troſt gewaͤhrt. Man erwartet ber Herzog 
werde jetzt Beweiſe vorlegen, aus welchen fich deutlich 
ergiebe, daß der Urheber feines Sturzes (Brünmich) ben 
Plan: zu feiner Regentfchaft zuerſt entwarf, ihm allein 
biefen Gedanken mittheitte, ihn zur Annahme ermun⸗ 
tete, zur Aucſuͤhrung antrieb und Beiſtand verfprach. 

Bier Tage fpäter (ben 14ten März) fchreibt Finch: 
daß Männic, noch immer in Petersburg und feine 
Familie im ber Nähe des Megenten bleibt, erregt 
Sorge unter feinen Segnem. Viele meinen: er werde 
feinen Boden wieder gewinnen, ober noch mehr 
verlieren. 

Beſtucheff bat die aͤrgſten Befchulbigungen wider 
den Herzog von Kurland vorgebradht, und fie find 
fi) gegenüber geſtellt worden. Der Herzog leugnete 
Altes und wich fo der Tortur aus *), weiche ſonſt im 
gewoͤhnlichen Wege. wäre angewandt worben. Cr 
fügte? ich will alles‘ wir zur Laſt Gelegte als wahr 
anerkennen, wenn Herr VBeftucheff es jest fo bekraͤfti⸗ 
gen will, wie er es-am jüngften Tage wird vor Gott 
verantworten muͤſſen. Der Herzog fprach in fo feier: 
kicher.. Weife und mit fo fefler Haltung, daß alle 


1) Bericht vom 10ten März. 
2) So waving the ordinary method of .torture etc. 


— 


120 | Zwoͤlfter Abſchnitt. 1741. 


Mitglieder der Commiſſion davon getroffen twaren. 
Beitucheff hingegen ward ergriffen von. einem heftigen 
und frampfhaften Zittern, fiel auf feine. Ante nieder 
und rief aus: ich kann dem nicht widerſtehen, fon- 
bern muß die Wahrheit fagen. und Gottes und bes 
Herzogs Verzeihung erbitten. Hierauf befannte Be 
fiucheff: er babe den "Herzog fälfhlic angeklagt auf 
ben Grund von Anreizungen (insinuation) und Ber 
fiherungen des Zeldmarfchalls, daß dies der einzige 
Meg fey auf welchem er (Beftucheff) feine eigene 
Ehre, Leben und Familie erretten inne. — Die 
Sache hat ſich fo gewendet, daß der Prinz von 
Braunfchweig fagte: der Herzog von Kurland iſt nicht 
ſchuldiger als ich felbft bin, noch hat er etwas ges 
than, was nicht: jeder in feiner Lage gethan haben 
wuͤrde. 

Neben all dieſen taken Umtrieben zogen die aus: 
wärtigen Verhältniffe die Aufmerkſamkeit an fich, vor 
Allem bie fleigenden Mißverhaͤltniſſe Rußlands zu 
Schweden. Ich theile deshalb Folgendes aus den 
geſandtſchaftlichen Berichten mit. 

Am 14ten November 1740 klagt der engliſche 
Gefandte in Stodholm!), über den zunehmenden Ein 
fluß des franzöfifhen. Gefandten auf den König von 


Schweden. Die englifhe Regierung war abgeneigt 


1) Reichsarchiv, Schweden, Band 78. 


— 


1740. Rußland uw, Schweden. Reidhstag 121 


in dieſem Augenblicke größere Summen ohne fichern 
Erfolg auszugeben ; ja fie wollte nicht eine volle 
Hälfte des zeither erforderlichen Geldes übernehmen, 
weil ben Ruffen weit mehr daran liege einen Krieg 
zu vermeiden, ihnen alfo auch die größere Ausgabe 
obliege, - 
Anm Iten December fchreibt der Gefandte: der 
Sprecher bed Bauernflandes auf dem Reichstage hat 
fi) verpflichtet für 100 Dulaten unfer Freund zu 
ſeyn. Die Mehrheit. der Stimmm hängt ab von 
Geldgeben, und die Forderungen fleigen allmälig. 
Sn Berichten aus fpäteren Jahren!) finden fich 
Nachweiſungen was Geiſtliche, Adelige, Bürger und 
Bauen (Alle ohne Ausnahme) empfingen, ja der 
Geſandte fchreibt: die Edelleute find bier für den 
Meiftbietenden zu haben, fowie wir Vieh kaufen in 
Smithfield; aber Schweden ift nicht fo viel Geld 
werth! - 
Unter den Abligen fteht kaum ein halbes Dusend 
auf der Seite des Königs’). Guͤnſtiger fcheint jest die 
Stimmung ber’ Geifklichkeit zu feyn, und von 25 
Mitgliedern des engeren Ausfchuffes bezeichnet man 
17 als feine Anhänger. Unter den Bauern mag 





1) Bericht vom Siften Oftober 1746 und vom Bdten 
Oktober 1747. 

2) Bericht vom 2Sften December 1740. 

II. 6 


122 Su difter Ad ſehn it t. 1741, 


eine betwächtliche: Mehrzahl aͤhnlichen Sinnes fen; 
: aber biefer Stand hat kein Nacht. den geheimen; Aus⸗ 
ſchuͤſſen beizuwohnen. Unter den Binugern kanm des 
König etwa auf: 30 rechnen; bie uͤbrigen, 80 an. der 
Zahl find ſchwankend, oder in ber. Oppoſition, und 
kaum ſitzt ein einziger von jenen im geheimen: Aus⸗ 
ſchuſſe. 

Den: Sitzungen des: Reichstags, oder: irgend. einer 
Berathung dürfen nur Mitglieder deſſelben heinahmen"), 
weshalb es ſchwer iſt zu erfahren was daſelbſt vorgeht. 

Zwei Edelleute haben ſich aber gegen mich erboten 
mir, für 100, Pfund, während der: ganzen Dauer des 
WMeichstags mitzuthellen was täglich in: ihrem Haufe 
vorfaͤllt. Ich babe jedem bereits, als ein Dandgeid, 
* einen Anzug. gefchenkt, deſſen ſie ſehr bedurften)t 
„Die Kälte dee Koͤniginn von Schwedon gegen: Die 
Senatoren, ben Grafen: Gyllenborg, Baron. Rofen: und 
Herrn Sparre (Freunde des Fräulein Taube) ift jedem 
bekannt, der an: dieſem Hofe lebt. jene: ſpricht nies 
mals wmit ihnen, nimmt nicht die goringſte Ruͤckſicht 
auf fies ja fie. verweigert ihnen den Handkuß wenn 


— — 





1) Bericht vom 2ten Zanuar 1741. Reichsarchiv, 
Schweden, Vand 79. 

2) I have made each of them a present already of 
a suit of cloths, which they — wanted, br de 
way of earnest, 


Zn un 


19411: Krieg zw tfchen Schweden wu Rußland. 123 


andere‘ Senatoren und ſelbſt Perfonen geringeren Ran⸗ 
ges zu dieſer Ehre: gelaffen werben‘). Erblickt fie einen 
von ihnen wenn fie bei. Öffentlichen Mittagsninhlen 
erſcheint, ſo laͤßt fie ihr Eſſen, ſelbſt wenn es ſchon 
aufgetragen: iſt, in ihr Zimmer bringen. Jene haben 
nämlich. ein: Recht, ſogar uneingelnden, fo oft: an 
der Löniglichen Tafel zu fpeifen, wie fie wollen: 

Audienzen bei dem Könfge find unbedeutend 2), et 
ſpricht meiſt nur von der Sagdı: 

Die Bauern haben Vorftellungen gegen die Kriegs⸗ 
chftungen gemacht ?) ; dem! Abel fehr unerwartet, weil 
biefee: ſich eimbifdete jene würden nie wagen, füh in’ 
foldye Angelegenheiten zu miſchen. Einige zweifein: 
ob fie, nach der Verfaffung:, hiezu ein Recht haben. 

Auf dem Reichstage giebt es viel Strettigkeiten *). 
— Der Kaplan, weicher felbft: ein: Mitglied des ges 
heimen Ausfchuffes ift und vor dem Hofe prebigte,. 
wählte den Text: ein Wei was in ſich ſelbſt' un: 


eine wird, geht zu Grunde. — Hievon nahm er 


Gelegenheit dem Könige feine Laͤſſigkett (indolewee) 
vorzuwerfen, bem Hauſe der Edelleute, daß: es aus’ 
higkoͤpfigen jungen Leuten beftehe, und: feinen: eigenen 


1)- Bericht vom. 18ten Januar 1741. 
D) Bericht vom 1ßten Februar- 
3) Bericht: vom Aſten Februar. 
4) Bericht vom 26ften Februar. 


= 
\ 


L Zur 


124. Zwoifter Abſchnitt.— 10. 


" Standedgenoffen, daß fie für den Side beteten, und - 
den Krieg erflärten. — Manche derer die‘ befonmener 


“und mwohlhabender find, Fangen an den Folgen’ eines 
Krieges nachzudenken; aber bie jüngeren Leute, bie 


Officiere, welche Nichts zu verlieren haben und auf 
Beförderung hoffen, rufen in der Reichsverſammlung 


nach Krieg. 


So ſiegte zuletzt dieſe, von Frankreich üuͤberdies 


aufgereizte Partei: am 21ften Julius entſchied ſich 


der Reichstag für den Krieg. Später ſchrieb der engli⸗ 


ſche Geſandte: die Kriegserklärung iſt oberflaͤchlich, der 


Streit grundlos, und ein uͤbermaͤßiger Einfluß Ruß⸗ 


lands hätte ſich auf andere Weiſe vermeiden laſſen. 


Jedenfalls beſchaͤftigten dieſe Fehden jene beiden 


Maͤchte dergeſtalt, daß ſie zunaͤchſt auf die Angele⸗ 


genheiten des mittleren Europas nicht un 
tonnten. r 
Kehren wir jegt nach Frankreich zuruͤck um zu: 


‚fehen wie es feine Stellung behauptet, oder vielmehr 


allmaͤlig verändert und feine Verpflichtungen umbeu: 
tet. Am 31ſten December fchreibt der englifche Ge⸗ 
fandte aus Paris"): Die öfterreichifchen Bevollmaͤch⸗ 


tigten find fehr niebergefchlagen, und fürchten daß 


Frankreich feine Bürgfchaft ber oͤſterreichiſchen Erbfolge 
nicht halten werde. Sie erfinund über bad: Beneh⸗ 


1) Reichsarchiv, Frankreich, Band 88. 


174. Plan Frankreichs und Spaniens. 1925 


mien Reapels, Spaniens und Preußens. Hingegen 
klagt der franzöfifche Miniſter Amelot: ſterreich habe 
den Hof von Berfailles getäufcht, indem «6 ihn glau⸗ 
ben gemacht, daß die pragmatifche. Sanktion Nie 
mand zu nahe trete, während jetzt faft ein jeder auf. 
irgend einen Theil der Erbſchaft Anfpruch mache. 

Dieſer Einwand war gewiß nicht erfchöpfend: 
dem es Ing Ftankreich ob, vor Übernahme der Buͤrg⸗ 
haft zu prüfen, oder, wenn bies verabfäumt un. 
es jest auf unparteiliche Weiſe nachzuholen. 

Herr Wasner (fährt der Geſandte am UAten Ja⸗ 
auar 1741 fort) ') erinnerte den Kardinal Fleury 
auf. bededte Weiſe an die Pflichten Frankreichs, und 

dag von ihm abhange Ruhe und Ordnung zu erhal; 
tm. — Sleury und. König Ludwig XV verfücherten: 
fie wollten allen übernommenen Pflichten genügen. 
Gleichzeitig fragte. der ſaͤchſiſche Bevollmaͤchtigte Herr 
von. Bray, ben fennzöftichen Minifter der auswaͤrti⸗ 
gen Angelegenheiten Amelot: was er von dem fehle 
ſiſchen Kriege halte? und dieſer antwortete: Anfangs 
babe man geglaubt Alles fey mit dem wiener Hofe 
verabredet, und. infofern ſich daruͤber nicht ſehr beun⸗ 
ruhigt; jetzt ſey ‚man dagegen hievon zuruͤckgekommen, 
und Frankreich bereit ſich mit England und Holland 
uͤber zu ergreifende Maaßregeln zu verſtaͤndigen. 


1) Reichsarchiv, Frankreich, Band 89. 


BE. -Bmdiiiae Ab ſhnitt. na. 


Harr Wasner ſcheint uͤbengeugt, deß dito frei 
nicht bie Hand im Spiele hat und etma ven König 
von Preußen anfeunert; er glaubt im Gegeuthail mau 


würde bier nicht amgufriebeg fern, wenn mes wüßte 


wie er zuruͤckzuhalten fey. Denn mad) dem was uͤher 
die Art ad Melfe verbreitet wird wie ſich ber Kaͤnig 
verſtaͤrkt, dürfte er am Ende des Jahres werigſtens 
20 Mana zuſawwengebracht haben. Es fdeint 
bee Kaedinal ermuntert beide Theile, und die Det 
wird offenbaren wen von Heihen er dunch feine Fein⸗ 
Heiten zuletzt saufen will, 

In Spanien werben drei große Steuern onsfges 
legt): erſtens, zehn aufs Hundert von Bände, 


Häufern und allen andern Einnahmen, Zweitens, 


Erhöhung der Alcavala um vier vom Dunbertz dukte 


ns, Erhoͤhung der Salzſteuer von 40 und 53 _ 


Mealen, Eudlich will man Gehalte‘ uud Jahrgetber 
um ein Deittel berabfegen, welchos Alles geoße Unzu⸗ 
feiebenheit erzeugt. Den Ducchmarfdy ber Spanier 
dat Frankreich vor ber Hand abgelehnt ?), 

Man weiß (Schreiben vom Bten Februar), daß 
der Einfall des Könige von Preußen in Gcylefim 
dem" mabriter Hofe fehr willkommen iſt und Gampo 


1) Keichkardiie ; Bericht vom 1ten Sanuar 1741. 
. 2) Bericht vom Melon Januar. 


241 Spaniſche und frangöfifge Plane. 127 


Fiorido dorthin fdjeieh '): dem Kardinal Fleuty ver: 
urfachte dieſer Schritt große Freude, auch dürfte er 


(Hiebur aufgeregt und ermmathigt) dahin gebracht 


werben, bie ſpemiſchen Plane zu befördern. Jetzt koͤnne 
inbefjen nody nichts gefihehen, man näfle die fen 
furter Beſchluͤſſe abwarten, die Wahl auf Sachſen 
“oder Baiern leiten, oder wenigſtens die Sachen ver 
wien um Zeit zu gewinnen. Solch "ein Verzug 
würde ben beiden Kronen nicht allein keinen Scha⸗ 
den thun, ſondern auch in fofern zu ihrem Vertheil 
gereichen, als die Engländer mittlerweile ihre Schäge 
sergenden und ihren Handel gu Grunde richten, bie 
Stanzofen fi) aber aus den Schwierigkeiten hervor 
arbeiten bimften, in weiche fie jcht der Mangel an 
Lebensmitteln verſetze. | 

Hierauf bemerkte der fpanifhe Miniſter: Geambs 
reich gehe darauf aus Spanien zu täufchen, ſich 


mit Öfterreih (etwa gegen Vortheile in den Nie: 


derlamben) auszuföhnen, und gleichwie während des 
legten Krieges den madriter Hof in Stich zu laſſen. 

Laut eines Berichts som 1Aten April”), fagte 
ber Kardinal Fleury um: diefe Zeit zum ruſſiſchen 


% ‚ 


1) Dies ift die Anficht Campo Floridos über die Plane 
der Franzoſen. Das Gegentheit ſteht jeboch In rinem ſpa⸗ 
nifchen Bevichte. — 

2) Reichsarchiv, Frankreich, Band 90. 


128 © Imwblfter Abſchnitt. N. 


Geſandten Fürften: Cantemir: Frankreich habe gar 
keine Verpflichtung bie pragmatifhe Sanktion auf 
vecht zu halten, da der. legte Friede mit dem Kaifer 
nicht. vom Meiche beftätigt ſey. Indeſſen erklärte der 
Kardinal ungefähr um diefelbe Zeit: der König von 
Frankreich werde keinen Krieg beginnen, — fofern er 
nicht dazu gezwungen fen! Ä 


In einem englifchen Berichte aus Paris vom. , 


ten Mat heißt es: der fpanifche Gefandte machte, 


im Namen feines Königs, dem Karbinal Fleury he: - 


tige Vorwürfe, welche dieſer zuvoͤrderſt höflich ablehnte, 
und dann. mit folgendem —J—— eines u 
hervortrat y 

1) De Kurfürft von Balern wird Raifer. 

2) Zum Kriege in Italien ſtellt Frankreich 
80,000, Spanien 009: und Neapel 15,000 
Mann. 

3) Port Mahon und Gheultar erhaͤlt Spanien; 
Toscana, Parma, Piacenza und einen Theil der Lom⸗ 
bardei bekommt ein ſpaniſcher Prinz. 

4) Die Engländer werden für immer vom Aſſien⸗ 
tovertrage ausgeſchloſſen. 

5) Cuba wird zwiſchen Frankreich und Spanien 
———— 


1) Vericht aus Bien vom Sten Mai. Reichsardhiv, 
Öfterreic, 8 Band 186. | 


178. Gpanifde.n: frasgöfifge Plane. 129 


" 6): Sparten woiberfegt ſich ben Planen wiche, wel⸗ 
che Frankreich auf die Miederlande heat, umd 
- . T) eben fo wenig ben Maafregein zweier norbis 
ſchen Maͤchte, weiche Frankreich unter ber Bedingung 
auf feine Seite gebracht hat, daß Spanim auf dieſe 
Übereinkunft eingeben: will. 

- Diefe Vorfchläge: fanden in. Mabrit. keineswegs 
den gehofften Beifall, vielmehr zuͤrnte die Koͤniginn 
von Spanien (laut eines Berichts vom 23ſten Ju⸗ 
nius) 9) fo heftig über Frankreich, daß fie einem ihrer 
Bertrauten fagte: fie wolle der Königinn von Ungern 
große Summen zahlen um nur Parma und Pias 
cenza zu. erhaltan, und die pragmatifche Sanktion 
üuͤber und über verbürgen, blos um fi) an Frankreich 
zu rächen. . . 

Erſt am 22ften Julius (während deſſen füh in 
ber Lage ber öffentlichen Angelegenheiten fo viel geaͤn⸗ 
dert hatte) ertheilte. Spanien auf obige Vorſchlaͤge 
folgende Antwort: 

Es fey gleichgültig für Spanien mer Kaifer werde, 
wenn man nur die aufgeflellten Anſpruͤche anerkenne. 
Zum italimifhen Kriege wollte es 30,000 Mann 
fielen. Über die Vertheilung der Eroberungen koͤnne 
ed ſich noch nicht ausfprechen, über ben Affientovers 
trag nicht die Dane binden, franzöfifhe Eroberun- 

1) —————— Frankreich, Vaud 90. , 

6*. * 





130. Drrisehnter Abichnitt.. 128. 


gem in den Niederlanden nicht billigen; VBaitens Recht 
auf Böhmen ‚nicht zugeſtehen, von Cuba nichts ab⸗ 
treten, und auf die Plane der nordiſchen Maͤchte 
‚nicht eingehen, bevor es erfahre vom welchen m. 
und Planen die Node fen. 

Über diefe Antwort war der Rapbinat Gieury fd 
ungufrieden; fie kam indeffen zw ſpaͤt um für Erhal⸗ 
tung bed Friedens. etwmns bewirken zu Einen. 


J 





Dreizehnter Avſchnitt. 


Obgleich der Kardinal Fleury gegen Ende des 
Monats Mai 1741.) noch immer von feiner 
Frledensliebe ſprach, gingen doch fo vlel Kriegsvorbe⸗ 
reitungen nebenher, daß die Englämber eine Ausfüh- 
nung Preußens und Öfterreich® immer dringender 
wuͤnſchen und betreiben mußten. Auch ließ fich 
Friedtich I auf neue Werhandlungen ein; mehr ſedoch 
um Beit zu gewinnen, als weil er an bie Moͤglich⸗ 
Bert eines gluͤcklichen Erfolge glaubte. Nachſtehende 
Ansʒuͤge erläutern den Gang der Dinge 


1) Bericht vom Yfien Mini ans Paris, Eberkaſetbſt. 


114. Lord Hhabforb u. Keiebrih IL 131. 


‚Den 13tn Mat 1741 berichtet Lord Hyndford 
aus Breslau Über eine Aublenz Sei dem Könige von 
Preußen). Diefer war fehr lebhaft und heftig uͤber 
Englands Benehmen und die Erklärungen im Par: 
Inmente. Auf Hyndfords Frage: was er fordere? 
antwortete ber gegenwaͤrtige Minliſter von Podewils: 
Niederſchleſien und Breslau; und ber King fügte 
hinzu: die Koͤnigiun von Ungern kann fi gluͤcklich 
fhägen fo gut davon zu kommen. Sie Tehen, «6 
ſteht in meiner Macht mich von ganz Schlefim und 
naͤchſtdem von Mähren Meiſter zu machen. Denn 
bie. Heine, mmbebeutende Stadt Olmuͤtz kann mid) 
wicht aufhalten und dann find alle Verbindumgen mit 
Böhmen abgefhnitten. Ungeachtet meiner Siege, will 
ich indeffen noch Immer gemäfige (reasenable) fen. 
— Auf die Frage! ob er dann ben Übrigen Theil 
der pragmatifchen Sanktien aufrecht erhalten und 
feine Stimme zur Kaiferwahl geben wolle? — ant⸗ 
wortete er: Jal — Noch am 1iten Junius erklaͤrte 
Friedrich“): er wolle fih mit vier, ihm bequem ge: 
legenen Hetzogthuͤmern Schleſiens begnligen. 

Ohne Zweifel mit Ruͤckficht auf dieſe Erklaͤrun⸗ 
gen, ſchrieb Lord Harrington den 21ften Junius an 


1) Reichsarchiv, Preußen, Band 53. 
2) Ebendaſelbſt. 


132 Dreizehnter Abſchnitt. — 1741. 
Robinfon nach Wien '): er folle alles Moͤgliche thun, 


Maria Therefia zur Annahme ber fo ſehr verringer 


ten Forderungen Preußens zu bewegen, und bann 
zum Könige eilen um die Sache völlig. zu Stande 
zu bringen. Man dürfe keinen Augenblick verlirem, 
ſonſt einige ſich Preußen mit Frankreich und ein lan 


ger, doppelt gefährlicher „Krieg fiehe bevor. — Nah 


den inftänbdigften, dringendſten Empfehlungen: diefer 
Angelegenheit, fährt Harrington fort: bei biefer lan 
gen Reihe drohender Gefahren ftehen nicht bios eime 
ober zwei Landſchaften, es ſteht die ganze Erbſchaft 
der Koͤniginn von Ungern auf dem Spiele. Sollte 
der wiener Hof länger berathen: ob er einen feiner 
mächtigften Feinde durch Verpfaͤndung einer Bleineren 
oder größeren Steede in Schlefien gewinnen ſolle, 
follte er länger in dieſer Bethoͤrung (infatuation) bes 
harten, fo müflen Sie fühlen Laffen, daß dem Könige 
von England dies ald ein fchlechter Dank \ericheint, 
für fo viele weſentliche und Eoftfpielige Beweiſe feiner 
Neigung ſterreich beizuſtehen und es aufrecht zu er 
halten. Es wird aber aus Eigenfinn und Thorheit 
fih und England in einen gefährlichen Krieg ſtuͤrzen 


u ſ. w. 


So begannen am 24ften Junius neue Verhand⸗ 
lungen in Wien, über welche Robinfon den 27ften 


9— Reichsarchiv, ſterreich, Band 197. 





1741. Verhandlungen zwiſchen Preußen x. 133 


Junius Beriht erflatte. — Die Meinungen, fagt 
er, find getheilt. Bartenflein z. B. behauptet: man 
müffe lieber alle italieniſche Befigungen dem: Könige 
von Sardinien abtreten ’), als einen Fuß breit Land 


an Preußen. Der Großherzog will der Koͤniginn 


nicht einmal zur Abtretung von. Slogan rathen; aufs 
Allerhoͤchſte möge man dies Herzogthum als ein eim - 
loͤsbares Pfand weggeben; welche Worte er wie 
der und wieber ausſprach. Ja, wollte er ſich heran 
nehmen zu. empfehlen daß man mehr, oder irgend ” 
etwas in anderer Weile abtrete, fo wuͤrde er (mie er 


mir im Vertrauen fagte) nicht Einfluß genug haben, 


es bei der Koͤniginn durchzuſetzen. Er fey aber ſehr 
entfernt, felbft irgend weiter zu gehen, vielmehr 
würde er jeden, ‚der es im Mathe der Koͤniginn 
thäte, für den größten Verräther halten. Dies komme 
nit aus Mangel an Achtung vor dem Rathe bed 
Königs von England, ober weil man die für Öfters 
veih und England obmaltenden Gefahren verfenne; 
fondern es folge aus der: Natur der Dinge und meil 
die Lage des von Preußen geforderten Landes jene 
Bewilligung unmöglich made. Denn einmal im 
Befige der vier Herzpathümer, fey der König nicht 
blos Herr von ganz Schlefien, fondern auch von 


- I) Ohne Zweifel war bier wiederum Leibenfchaft im 


Spiele. 


TA  : Dreisehnter Abſqhaitt. 


Mähren und Böhmen 1), fobatb «6 ihm gefallen follte 
feine ehrgeifigm Plane weiter in Ausführung zu brin⸗ 
sen. Es find, fagte er, Eure auf Unmoͤglichkeiten 
gegründete Berhanblungen, welche uns untergraben. 

Der Großherzog gab zu: daß feine Rufchheit mög: 
licherweiſe über ihn, die Koͤniginn und über England . 
Berderben herbeiführen nme; z aber er fry außer Stande 
den Sturm zu beſchwoͤren, und ich nicht hinreichend 
mit feiner Stellung bekannt. Er hide mehr ats ich 
wiſſe, im öffentlichen Urtheile, weil er mehr umd lau⸗ 
ger vom Könige von Preußen Gutes gehofft habe, 
als dieſer es verdiene. 

Ich ſagte ihm: England werde, feiner Zuge nach, 
zutetzt von dem Verderben leiden, welches biefer Hof 
über daſſelbe und fich herbeiziehe. Ja (antwortete 
ec) dieſer verfluchte Graben?) trennt Euch von bem 
Seſtlande. Welle Gert, Ihr gehörtet zu dieſem, dann 
würdet Ihr fühlen gleichwie wir. Wäre der Kurs 
fauͤrſt von Damnover König In der Mitte Deurfhlands, 
und man forberte den beiten und metbwendigften Theil 
feiner Länder, würde er ihn hergeben? — al. erwies 
berte ich, wenn fein eigenes Schickſal und Einslande 
Schickſal lediglich fo davon: abhinge, als das dev Koͤ⸗ 
niginn und Europas davon abhängt, etwas mehr ober 


- 1) Diefe Auficht beſtaͤtigte fich nachmals auf Im Diele 


2, That cursed ditch, 


: 
; 


2233. Franz Lund Maria Thereſia. 135 


weniger in Schleſien aufzuopfern. — Er wolle (ſchloß 
der Großherzag) Lieber allen Kronen, auch ber Kaiſer⸗ 
krone entfogen, als fie auf ac feiner nn 
erwerben. . 

Waos die legte anbetrift, fo befigt fie alle nur denk⸗ 
bare, liebenswuͤrdige Eigenſchaften, amd in der That 
mehr Anlagen als man nad ihrer geringen Erfah: 
rung vermuthen ſollte. Desungenchtet wird fie bie: 
willen von zu großer Lebhaftigkeit fortgeriſſen. Sie 
bat genug Geiſt, und wird ihn immer Haben, fich 
leiten gu laſſen; aber noch. nice: Kenntniß genug fethft 
‚zu regieren. Sie veraut ber Aumuth ihres Beneh⸗ 
mans um Eindruck zu machenz und dles macht «8 
ihe leichter und fie bereiter ihre Klagen gegen gewiſſe 
Perfonen auszuſprechen, ſobatd fie es Aber fi ge 
winnt Ihre Leidenſchaft zu bezaͤhmen. In biefer Weiſe 
Usß fie vor einigen Wochen gegen ben paͤpſtlichen 
Nuntius fallm: ihre Verbuͤndeten würden fie zwin⸗ 
gen einen nody ſchlechtern Frieden als den von Bes 
geab abzuſchließen, werunter fie bie Abtretung Nieber 
ſchleſiens nebſt Breslau. verflanb. , 

Den I7ften Junius wiederholte Robinfon (eine 
Vorſtellungen beim KMroßherzoge und den Miniſtern; 
gleich, vergeblih. Auf Glogau (fagt er) wäre man 
vielleicht eingegangen, nicht aber auf mehr, welche 
Ereigniſſe und welche Noth auch eintreten möchte. — 
Die Königinn iſt ſchlechterdigs dagegen irgend etwdas 


13% Dreizehnter Abſchnitt. 1. 


“in Schlefien abzutreten, was in:-ihrem Rathe :wiel 
Spaltung und. Benwirrung hervortreibt. Innerlich 
iſt, der Großherzog wol anders geſinnt. Graf. Stah⸗ 
remberg erklärte mir: „er erwarte von Gottes höherer 
&ingebung : was . zu. thun ſey;“ worauf ich ihn - der 
Huͤlfe Gottes anempfahlt — Eine briste. Berathung 
mit den. Miniftern. war gleich m. und. — 
heit nun auch zu ſpaͤt. 

Des langen Zoͤgerns muͤbe und durch ‚bie. Ba 
bältniffe zu einem Beſchluſſe hingedraͤngt, hatte Fried⸗ 
rich II am 5ten Junins insgeheim einen Vertrag. mit 
Frankreich abgeſchloſſen!), deſſen Daſeyn man indeſſen 
ſchon den Aſten Julius ii in Konbon?), und wol gteich 
darauf in Wien kannte. 

Über eine Berathung mit ben. aſterreich iſchen pn 
niftern, fchrieb Robinfon: als Tie von. dem: Vertrage 
zwiſchen Preußen, Frankreich und Baiern hörten, fie 
len fie ruͤckwaͤrts in ihren Stühlen nieber, gleichwie 
Tobte. Es war zu fpät, und in der That weder 

mehr. noch: weniger. gefchehen als fie. erwartet, — und 
dennoch nicht gehandelt hatten. Maria Therefia amd 
der Großherzog Magen laut über das Benehmen 
und die Zweideutigkeit des Könige von. Preußen. 


1) Valory Memoires I, 108, e 
2), Schreiben Lord Harringtons vom 24ften — 
Heigsardin, Vſterreich, Band 186 — 





‘ 


1731. unterhbandlungen zwiſch. Öfterreih x. 13% 


Noch immer hege ich einige Hoffnung dieſen von Frank⸗ 
reich abzuziehen. — In Folge einer Audienz bei Ma⸗ 
rin Therefia fchreibt der Geſandte weiter: die Koͤni⸗ 
ginn fcheint nicht fähig zu einer allgemeinen Betrach⸗ 
tung. Sie denkt nur an Schlefin, als ‚wäre dies 
der einzige Gegenftand, weil er jegt am meheften thut. 
Sie verrieth mehr die befchränkte Denkweiſe derer, 
welche fie am meiften hört, als folcher welche mit der 
Zeit (vie ich hoffe) beſſer das Ziel treffen werden. 

Am erften Julius berichtet der englifche Geſandte 
aus Paris'): Here Wasner erzählt aus guten Quel⸗ 
in: daß vor wenigen Tagen bier über Krieg und 
Frieden berathen worden, und man fich für jenen ent: 
fchieden habe, Aber wann, oder wo, wird nicht bes 
richte. Als Wasner dem Karbinale Fleury fagte: 
er Höre, daß Batern ein Heer fammeln und 40,000 
Stanzofen zu bemfelben ftoßen würden, -Iachten Se. Emi⸗ 
nenz, ohne jedoch ein Wort zur Widerlegung gu äußern. 

Den 2ten Julius betätigt der Geſandte, daß bie 
Unterflügung Baierns und ein Zug nah Böhmen 
befchloffen worden. Fleury fen gezwungen den Kriegs: 
Iufligen nachzugeben. 

Unterdefien hatte Lord Hyndford dem Könige von 
Preußen bie erfie Antwort des wiener Hofes vorge 
legt. Er nannte biefelbe (fchreibt Hyndford den 24ften 


1) Rreichsarchiv, Frankreich, Band 90. .. 


18 -  Dreigepnter Abſchnitt. m. 


Julius)) ine langweilige, thoͤrichte, verkehrte Ant: - 


wort, wuͤrdig des wiener Hofe. Ach muß, fuhr er fort, 
Apmen eine andere Schlacht liefern, denn fie werben 
nie vernünftig werben, bevor ich fie ganz aus. biefem 
Lande wertsieben babe. Als auf feine Enrſchaͤdigun⸗ 
gen ia Schleſten, oder in den Niederlanden die Rede 
dam unb bemerft warb?): er möge nur fordern; fo 
fagte er loͤcholnd: wenn ich dann foubern fol, fo will 
ich genug ferbern, nuͤmlich Brabant, Flandern, Ober 
gelbern, kurz Alles das was ſterreich in jenen Ge: 
genden befist, und ich will Rieberfchleften fo lange 
behalten, bis ih in am Befig jener Länder ge 
fest bin 

| Honbford irrte fee, wenn er ‚glaubte, der König 
fey. über umbebeutenbe Anerbietungen in den Nieder⸗ 
landen erfreut. Ihm lag gar nichts daran, fich in 
fernen Gegenden große Gefahren zu bereiten, flott ſich 
in ber Nähe abzurunben. 

Huf das Andringen: ſterreich folle genau ange: 
ben, was es abtreten wolle? bet «8 für Buͤndniß 
Stimme zur Kaiſerwahl und Raͤumung Schleſtens 





1) Reichsarchiv, ſterreich, Band 187. 

2) Undererfeits dachte Öfterreih auch daran, die Neus 
tralität Frankreichs durch eine Abtretung in ben Niederlan⸗ 
den zu gewinnen. Reichgarchiv, Preußen, Band 53. We: 
richt vom 2öften — 


R 


a0. Robinſon in Brrsien und Qrehlen. 48P 


— Michts als :ba6-aftegreichifche Geldern, und nach⸗ 
txqͤglich im aͤrberſten Falle noch Rwbvg nd au 
Millionen (Gulden?). 

Dem Beſehle Harringtons gend, ilte ati 
Mebiufen feibft van Wien nad) Schleſien. Den In 
Anguſt [hmeikt er nus Breslau '):-MWir haben Nach 
wiht, der König fen bis zum Item Auguſt nicht au: 
bedingt an Frankreich werpichier, meshalb ss tie hoͤch⸗ 
fie Bess iſt mit ihm abzuſchleßen. Bew men Pode⸗ 
wils gab aber ſogleich zur Antwort: ae meinen 
Heren in Schleſien zu befriedigen, tann und mich 
nichts geſchehen. 

Den Tin Auguſt hatten Robinſon und Hynd⸗ 
ford im Lager bei Stuehlen Audienz wer dem ‚Könige. 
Als ich chreibt Robiaſan)) zuvorderſt am Algemeis 
men ſeſthaltend, der zwei Millionen Gulden erwaͤhnte, 
wofür 8 dem Koͤnige gefallen möge Schleflen zu rdas: 
men; rief er ans: So Hält man mich alſp für einen 
Bettler? Ich ſoll mich aus Schleſien zuruckziehen 
und für Geld, nachdem ich zu doſſen Eroberung fo 
viel Schaͤtze amd Blut verwandt habe. Nein, mein 
Herr, daran iſt nicht au denken. Wenn Sie nichts 
Beſſeres vorzuſcagen heben, fo lahnt 25 nicht ber 





1) Reichsarchiv, Oſterreich, Band 187. 
) Man vergleiche bie, Erzaͤhlung des Könige, in der 
u Seſchichte ſeiner Zeit. | 


14d  Dreigannter Abſchnitt. ara. 


Mühe. davon zu reden. — Diefe Worte waren be- 
gleitet mit deohenden Bewegungen und Zehen * 
ßen Zornes. 

Laßt uns ſehen, fagte hierauf ber , König, was «6 
‘weiter gibt. Ich bot. jegt das oͤſterreichiſche Geldern. 
— Was fehle uns denn, ſagte der König (zu Pe: 
dewils fich wendend) an Geldern? Faſt gar Nichts: 
Auch Das IE nur Bettelkram (gueuseries), Wie, 
ſolch Neft (bicoque) für alle meine gerechten Anſpruͤ⸗ 
che in Schlefin! — Sein Unmuth wuchs bier iR 
dem Maaße, als Ich ein tiefes Stillſchweigen bebbath⸗ 
tete und es endlich nur bradh, um Seine Mujefkdt 
zu erfuchen: er möge Das, was ich gefagt — — 
niger AufmerMamleit wuͤrdigen. 

Mylord! des Königs Verachtung-Deſſen, was Y 
gefprochen, war fo groß und in fo heftigen Ausbru⸗ 
den: zu Tage gelegt, daB wenn jemäls, es ſetzt Bcit 
war, ben letzten Verſuch zu machen, bucch das Anet⸗ 
bieten des ganzen Herzogthums Limburg. Werloren 
wie einen Augenblick fo hätte Nichts den König. ab: 
gehalten uns zu entlaffen. Ich lobte das Herzogthum 
aufs Hoͤchſte, beſchrieb es aufs Beſte und fügte hin⸗ 
zu: der Kurflirſt von der Pfalz babe ganz Berg bi: 
für hingeben wollen. — In dieſem Augenblick unter⸗ 
brach mich Herr von Podewils und ſagte: gerade das 
Gegentheil ſey wahr, der Kurfuͤrſt habe ti aid 


dafür. bingeben wollen. u 


1. Friednich Ik und Mebinfod. - 141 


Hierauf bemsgkte:der König: er koͤnne nicht be 
geeifen, wie Öfterreih wage an die Verlegung einer 
fo heitigen Pflicht zu denken, welche jeden Zell breit 
Landes in Belgien unveraͤußerlich make! — Dies, 
bemerkte ich, ift nur der Fall den Franzoſen gegen 
über. — So lautet (fagte ber König) Eure jegige 
Auslegung; aber die Franzofen behaupten, daß es 
mehr eine Seftfegung zu ihrem Vortheile, als wider 
fie war. Was mid ambetrifft, fo babe ich Feine Mei- 
gung, mich im jenen Gegenden auf eine nuglofe Weife 
zu vergrößern, viel weniger (bort) Geld auf neue Fe⸗ 
ſtungswerke zu verwenden, wie Sie mir anrathen.: 
Habe ih hier nicht Feſtungen genug für Jemand, 
der mit feinen Nachbarn in Frieden leben will? We 
der Frankreich, noch Holland haben mid ‚beleidigt, 
noch will ich fie befeidigen, was durch fo ungeſetzliche 
Erwerbungen ſicherlich geſchehen wuͤrde. Überdies, wer 
wuͤrde ſie mir verbuͤrgen? — Ich bemerkte: der Plan 
ſey, auch Buͤrgſchaften herbeizuſchaffen. — Buͤrg⸗ 
. fhaften, entgegnete der König, wer denkt denn in die: 
fer Zeit daran fie zu halten? Hat nicht Frankreich 
und England bie pragmatifhe Sanktion verbürgt? 
Warum fliegt Ahr nicht Alle herbei, der Königinn 
Huͤlfe zu leiſten? — Ich fagte: ich könnte nicht Al⸗ 
les verantworten, aber die Gewalt der Umftände würde 
gewiß die wahren Freunde ſterreichs und der euro: 
fpiiſchen Freiheit ans Licht bringen. — Wer, mein 


v2 | Desipefntes Abſ n itt a 


Herr (ſagte der König), wer find denn dieſe?) — 
Ich erwlederte: Rußland muͤfſe ſeden Falls taz ger 
hoͤren, welche Macht in Brzug auf die. Türken nicht! 
beſtehen koͤnne, ohne die Srtzaltung ſterreichs. — 
Schön, ſchoͤn, mel Bew; die: Rufſen! Es paßt fick 
nicht, daß ich mich dariiber ausfpreche, aber ich Habe 
Mittel fürı Diefe?). — Hierauf fagte: ich: die Kuſſen 
wären nicht die einzige Macht; welthet Verpflichtungen 
gegen die Oſterreicher habe und «8: mit: Ihnen. halten! 
muͤſſe; fo: daß, wie abganeigt: auch etne folder Macht 
ſeyn moͤge, hier fit: mie‘ der König in die: Rede, 
legte den Fingor an ſeine Nafe: und rieß aus: kekne 
Drohungen, mein Herr:, wenn: es Ihnen gefaͤllt; rin 
Drohungen! — Lorb Hyndford benierkte hiernuft ich 
würde: gewiß · Michtsn Außen, was nicht weit: Dem mire 
erthetiten: Anweifengen: uͤbereinſtiinme, und Her WO 
Podewils warf etkons duzwiſchen, wad wie er. glaaubtey⸗ 
geeignet ſey, feinen Herrn zutuͤckzuhaltenn — CI; 
fuhr ich jetzt forr, ich. ſage nicht, was die Anderen 
thun wetbden, ſondern was ſich vorn: ſelbſt machen 
wird. Und. wenn ich nur von Dem ſpreche, was 
nicht musbleiten: kann, fo ſind dies feine Drohungen. 
Mein. Eifer: für das: Publikum bracht mich’ hiehet 
Das Publibam (fl6 der König. ein) wird Ihnen: Bas’ 


1) Qui dent, Metisieur, qui sont le: cewx laY"“- 
I bave means for them. i 





| 


RL Krisbsih und Bebinfon. 3 


für vist Dank wiſſen. Doch hoͤren Sie: was Ruß⸗ 
fand anbetrifft, fo wiſſen Cie wie es damit ſtrht; 
vom Könige von Polen Habe ich Niches zu fuͤrchten, 
und. dev König von England —, er iſt mein Wer 
wandten, er if} mein Alles; wenn er mich nicht an⸗ 
geift, werde ich ihn. nicht: angreifen, und wenn eu es 
tus fo wird der Fuͤrſt von Anhalt bie Sorge: üͤber⸗ 
wehmam (em aura sein). 

Jetzt awaͤhnte ich der Nachricht, daß der König 
nach dem Mvwen Auguſt fi. den: Franzoſen anſchlie⸗ 
ßen: wolle. Oſterreich ziehe feine Freunbſchaft vor, 
warbe ſich aber, wenn em fie. verſchmaͤhe, ganz: in- 
Frankreichs Hände: geben. Über diefen Punkt. fejwieg: 
der König. ganz Ich liche: es nicht Vermuthungen 
aufzuftellen, wenn. id aber eine machen ſollte, ſo wide 
ih: ſie auf das Vewußtſeyn feiner. Schuld. gründen. — 
Bon Zeit zu Belt hob er das Workheithafte feiner 
jegigen Stellung hervor, au der Epige eines maͤchti⸗ 
gen und. (mie ex davon-fpricht). unuͤberwindlichen See: 
res, binter ihm: das bereits eroberte Land; weiches: der. 
einzige Gegenſtand ſeines ˖ Strebens- it, weiches er: ha⸗ 
bes: will und. Haben muß, aus welchen: ev. [ich nicht. 


herauslaufen läßt, wo or lleber mit allen ſtiner Mann⸗ 


ſchaft zu Grunde geht. Mit. weichen Angeſicht: (fuhr 
er. fort) fol ic meinen. Ahnherren entgegentreten, 
wenn: ich, Rechte aufgebe die ic, von. ihnen: uͤbernom⸗ 
iz babe, mit welchem Rufe (reputation) koͤnnte ich 





14% Dreigepater Abſchnitt. 1341. 


leben, wenn ich leichtfinnig ein Unternehmen, die erſte 
That meiner Regierung aufgabe, nachdem ich fie mit - 
Überlegung begonnen‘, mit Seftigkeit ducchgeführt und 
befchloffen habe, fie aufs Äußerſte zu behaupten. Be⸗ 
darf ich des Friedens? Laßt diejenigen, welche denſelben 
bedürfen, mir geben was mir fehlt, oder laßt fie noch⸗ 
mals fechten und nochmals gefchlagen werben. Haben 
fie nicht ganze Königreiche an Spanien gegeben, und 
koͤnnen fie- nicht ein Paar unbedeutende Fürftenthi- 
mer an mich wenden? Wenn die Königinn mir nicht 
alles Verlangte bewilligt, fo werde ich nach vier Wo: 
hen, vier Fuͤrſtenthuͤmer mehr fordern. est verlange . 
ich ganz Niederfchlefien und Breslau, und mit biefer 
Antwort mögen Sie nah Wien zurückkehren. — 
Zweimal fragte ich den König: ob er dabei beharre? 
und er antwortete: Fa! Dies ift meine Antwort und 
ich werde nie eine andere geben. 
Wir Beide fchlugen jegt vor: wir wollten. dem 
Herrn von Podewils die wiener Vorfchläge zur Anz 
nahme näher entwiden. Der König aber fagte: 
meine Herren, meine Herren, es ift ganz unnüg daran 
auch nur zu denken; — und hiemit nahm er feinen 
Hut und begab fih plöglich hinter den Vorhang. in 
den inneren Theil des Zeltes. Ich fagte zu Herrn 
von Podewils: Frankreich werde Preußen aus Eigen: 
nutz verlaflen; und er antwortete: Mein, nein, Frank⸗ 


3 


1741: Berhandtungen zwiſch. Sſterreich x. 145 


reich wird uns nicht täufchen ae), da wir es 
nicht getäufcht haben. 


Bierzehnter Abſchnitt. 


Daß die auf vorſtehende Weiſe begonnenen Un: 
terhandlungen, bei der Lage Friedrichs und aller an: 
deren Mächte, nothwendig mißlingen mußten, hätten 
die öfterreichifchen Miniſter und die englifchen Abge- 
ordneten leicht vorherfehen Eönnen. Sie behielten je: 
doch weniger die Mirklichkeit und das Ausführbare 
im Auge, denn das was fie wünfchten; und felbft 
Maria Therefia fagte (als ihr Robinfon in Wien 
über den Ausgang Bericht erftattete): es Eönne nichts 
weiter gefchehen'), fie Eönne und molle nichts anderes 
thun, als fich fogfeich mit dem Kurfürften von Baiern 
vergleichen (make up). Als nun aber Mitte Auguft 
bereitö eine Abtheilung Franzofen über den Rhein 
ging, vermochte Robinfon den wiener Hof nochmals 
Unterhandlungen mit dem Könige ‚von Preußen ein: 
zuleiten und ihni Niederfchlefien nach einer Linie an- 


1) Reichsarchiv, Hſterreich, Band 138. Bericht vom 


2aſten Auguft. 


ll. 7 





21 Vierzehnter Abſchnitt. um. 


zubieten welche von Greifenberg über Wohlen quer 
durch das Land ging. Breslau war gar nicht ers 
wähnt, und Marin Thereſia wollte nur 14 Tage an 
dies Erbieten gebunden feyn. 

Den 29ften Auguft kam Robinfon zum zweiten 
Male in Breslau an"): was jedoch vor vier Monaten 
wol dankbar wäre angenommen worden, fand jest (fchon 
der angehängten gefährlichen und läftigen Bebingungen 
halber) feinen Eingang, und Robinfon Eehrte unver 
rihteter Sache zurüd, Am Sten September bot end⸗ 
lich Öfterreich ganz Nieberfchlefien (ſowie e8 Friedrich II 
verftand) nebſt Breslau; aber auch auf diefen Antrag 
wollte der König nicht eingehen, weil bie Verhältniffe 
ſich voefentlich verändert hätten?),. Er antwortete am 
am 16ten September 1741 dem Lord Hyndford: 
ai reeu le nouveau projet d’alliance que l’infati- 
gable Robinson vous envoye, Je le trenve aussi 
chimerique que le premier, et vous n’avez qu'à 
repondre a la cour de Vienne, que !’Electeur de 
Baviere sera Empereur et que mes engagements 
avec le Roi tres-chretien et ’Electeur de Baviere 
6taient si solennels, si indissolubles et inviolables, 
que je ne quitterais ces fideles alli&s pour entrer 
en liaison avec une cour, qui ne pent €tre ei ne 


1) Bericht vom 2ten September. 
2) Reichsarchiv, Preußen, Band 54. 


Ä 


MA, Weitere Berhandl. mit Friedrich IL 147 
sera jamass quirresengiliahle envers moi, Qp'il 
wätait plus temps de Ja seenurir, et quelle de- 
vait se r&sondre a subir fpoyte la rignenr de sa. _ 
destänge, Deg gens, sont ils fols Mylord de s'ima- 
giner que je eommise la trahisen de fourner en 
leur fhreur mes armes eonire mes Amis, ei np 
vAyez vous PAS vans mema, combien est grossiere 
Eomoroe quiils we tandent? Je vons prie de ne 
me plan faliguer avec de pareillos prapositions 
et de me croire assez honnôte komme, paur ar 
peint vialer mes engagements, 

Ungeachtet diefer Verſicherungen war der König 
keineaweges abgeneige fich mit dem wieng Hofe einſt⸗ 
weilen fo zu verffändigen, daß ihm fein Beſitz geſi⸗ 
het und die Kriegslaſt erleichtert werde, ohne einen 


. Bench feiner anderweiten Verträge in ich zu ſchließen. 


Ein Bericht Hyndforbe vom Aten Oktober ans Neiſſe, 
handelt non einer neuen Aubienz’), bie ihm Fried⸗ 
rich II bewilligt hatte, Dieſer befchwerte ſich, daß 
der Koͤnig von England und. der Kurfuͤrſt yon Hans 
nover verfshieben fpräcen und handelten, buch ver, 
fproche Er ihnen kein Leid anzuthun (To do no harm), 


Der englifhe Plan gegen Osnabruͤck, Muͤnſter und 
Hildesheim babe Köln erzuͤrnt und die Franzoſen auf⸗ 


gereizt, Theil zu nehmen und Hannover zu befegen. 


1) Eberdaſelbſt. 
7 


148 Biergehnter Abſchnitt.“ II. 


Doc wolle er Alles thun fie davon abzureben. Sach⸗ 
fen feb dem großen Buͤndniß beigetreten und werde 
für feinen Theil Mähren und Oberfchlefien erhalten. 

Der König fagte nochmals: ich will thun was: 
ich kann; aber (unter une) iſt e8 nicht vernünftig 
daß der König von: England mir: zu gleicher Zeit ver⸗ 
ſchafft, was mir bequem iſt? — Auf bie Srage: was 
das fen, fuhr ee fort: er muß mir die Lehen in Meck⸗ 
lenburg geben und (unter und) die Bärgfihaft Ruß⸗ 
lands für Schlefien auswirken. 

Dem Könige lag indeflen (wie gefagt) — nichts 
daran, Maria Thereſia ganz zu Grunde zu richten, 
weshalb der preußiſche Miniſter Graf Golz noch waͤh⸗ 
rend des Septembers an Lord Hyndford ſchrieb: Alles 
was wir zum Beſten der Koͤniginn (welches uns kei⸗ 
neswegs gleichguͤltig iſt) thun koͤnnen, iſt, daß wir 
ohne einen beſonderen Vertrag abzuſchließen, ihr Heer 
von hier abziehen laſſen und uns in Schleſien die 
Zeit vertreiben (amuser), ohne irgendwo gegen irgend⸗ 
wen thaͤtig zu werden. — In einem zweiten - Briefe 
bes Grafen Golz an Hyndford vom’ 28ſten Septem⸗ 
ber heißt es: Sie werben: einfehen, daß der. König 
keinen befonderen Frieden mit ſterreich abſchließen 
kann; die Franzoſen wuͤrden es ihm in Weſtphalen 
entgelten laſſen und dies den allgemeinen Frieden nur 
weiter hinausſchieben. Ich habe Befehl Ihnen zu 
ſagen: wenn Sie die Unterhandlung bis zum Winter 


1741. Bertrag von Schnellenborf. 149 


hinziehen Eönnen, fo wird man Mittel finden die Sa- 
hen in Ordnung zu bringen (ajuster). Mittlerweile 
müffen die Öfterreiher uns die Stadt Neiffe ohne 
Verzug einnehmen faffen, und mögen dann mit ihrem 
Heere hinziehen, wohin fie wollen. Mit Niederfchle: 
fin und Meiffe will der König fi) begnügen. Go 
wird der Krieg in Wahrheit, wenn aud nicht dem 
Scheine nad beendet, und wie nehmen Winterlager 
in Oberfchlefien, jedoch ohne Steuern beizutreiben. 
Sir Folge -diefer vorläufigen Verhandlungen kam 
ed am Sten Dftober") in Schnellendorf zu einer fehr 
geheimen Zuſammenkunft des Königs, mit dem öfter: 
reichiſchen Feldmarſchall Neipperg, voelcher der General 
Lentulus, der Oberfte Golz und der englifche Befandte 
Hyndford beimohnten. Dem Berichte des leßteren vom 
14ten Dktober”) ift Kolgendes entnommen: Nach ei⸗ 
nigen Berathungen einigte fi) der König mit dem 
Marfchalle. Jener war ungemein hoͤflich und zuver- 
tommend und machte große Verficherungen feiner gu⸗ 
ten Wünfche und Abdfichten für bie Königinn und 
den Großherzog, feltbem beide nicht mehr halsſtarrig 


1) um diefe Zeit warb auch eine befondere Unterhand: 
ung zwiſchen Öfterreich und Frankreich verfucht, welche 
Maria Thereſia abbrach. Hyndfords Bericht vom 2ten 
Februar 1742, 


2) Staatsarchiv, Preußen, Band 54. 





160 Biorzehnter Abſchnitt. m. 


(obstinate) wären. Denn fonft, fügte er hinzu, waͤrde 
er fie aufs Äußetſte verfolgt haben. Jetzt hingegen 
ſey er durch die Unfälle der Koͤniginn wirklich betrofi 
Ten (concerned) und wenn biefe Sache geheim 
gehalten werde, wolle er zu Ihrem Beſten meht 
thun, ald ihm jetzt zu fagen freiſtahe. Er gab zu 
verfichen: et werde ſich bemühen (im Widerſpruch ge 
gen Sachſen) der Koͤniginn Mähren und Oberſchleſien 
zu. erhalten, und zu verhindern daß die Baiern nid 
MWinterlager in Böhmen naͤhmen. Auch ließ ce durch 
Golz 50,000 Dukaten für die in feinem Winterfage 
erforderliche Verpflegung bieten. 

Der König verweilte über zwei Stunden, ſprach 
die ganze Zeit mit der gtöften Theilnahme für die 
Königin und ben Großherzog, und gab dem Mar 
ſchall Neipperg feinen Rath über den Feldzug gegen 
- bie Verbündeten. Insbeſondere empfahl er dieſem, 
ſich mit dem Fuͤrſten Lobkowitz zu wereinigen und fer 
nen Schlag zu thun, bevor dies den Verbündeten ih 
eerfeitö gelaͤnge. Für den Fall daß Neipperg glüd 
lich fey, gab der König kaum weniger zw verſtehen, 
als daß er auf die Seite ber Königinn treten wolle 
(take part with the queen); wenn fie aber noch 
ungluͤcklich fey, müffe er an fich felbft deuten. 

Über Afles aber bat er Jedermann 
das größte Geheimniß empfohlen, and (um 
Heren von Valory zu taͤuſchen) auch gebeten ihm ei: 


174. ° Vaffenſtiliſtand mit Öfterreih. HL 


nen Brief zu fchreiben und in demſelben über ben 
ſchlechten Erfolg meiner Bemühungen für eine Aus 


ſoͤhnung zu Elagen. Diefer Brief folle im Lager mit 


einem Trompeter anlangen, wenn er zu Tiſche fige 
Er werde Sorge tragen, daß Here von Valory bei 
ihm fpeife und ihm den Brief fogleich zeigen. 

Die Bedingungen des Abkommens vom Iten Ok⸗ 
tober find: Neiffe ergibt fi nad) 14 Tagen und bie 
Beſatzung erhält freien Abzug. Naͤchſtdem bleibt 
der König ruhig und parteilos; und. begnägt fi mit 
Niederfchlefin und Neiffe. Ein Theil de pteußiſchen 
Heeres nimmt Winterlager in Oberſchleſien. Es fin: 
den Feine Steuern und Werbungen, wohl aber Fou⸗ 
eagelteferungen flat. Won Zeit zu Zeit wird, des 
Sceines halber, ein Heiner Krieg geführt. Man 
wird, wo möglich, bis zu Ende des Jahres eimen 
volftändigen Vertrag abfchließen. 

Die Gründe, weshalb Friedrich diefen Waffen 
ſtillſtand einging, Hat er in der Gefchichte Teiner Zeit 
umftändlich dargelegt‘). Er wollte vor Allem nicht 
durch Unterdruͤckung ſterreichs eine Überlegenheit 
Frankreichs begründen, und dadurch aus einem ſelbſt⸗ 
ftändigen Verbündeten zu einem abhängigen Knechte 
hinabfinten. "Er wollte die Zeit benugen, fein Heer 
zu verftärken, und wußte daß geheime Unterhandlun- 


1) Oeuvres posthumes J, 196. 





182 Vierzehnter Abſchnitt. 1AL 


gen Öfterreiche mit Frankreich, ſowie Ausplauden 
‚des ſtreng anempfohlenen Geheimniffes ihm noͤthigen 
Falls immer Gelegenheit und Vorwand geben wir: 
den, andere Maaßregeln zu ergreifen. | | 
Übrigens. drang Friedrich auf diefe Geheimhaltung 
keineswegs blos um den Öfkerreichern eine Zalle zu 
. Iegen (welche fie ohnedies hätten vermeiden Eönnen); 
fondern fie war den Franzoſen und Baiern gegenuͤber 
in der That durchaus nothwendig. Aber ſchon den 
21ften Dftober war das Geheimniß ausgeplaudert'). 
Graf Khevenhiller fehrieb. es dem Grafen. Wratislaw 
und dieſer machte in Dresden befannt: der Friede 
zwiſchen Preußen und Öfterreich fey abgefchfoffen. 
Friedrich II war hierüber Außerft erzuͤrnt umd drang 
auf einen feierlichen Widerruf. Zugleich fehrieb Golz 
n Hyndford: wenn Öfterreih nicht eiligft einm 
vollen Frieden fchliege, werde es ſich felbft den groͤß⸗ 
ten Schaden thun und der König (dem feine Ver: 
bündeten. täglich mehr böten) nicht Länger zuruͤckzu⸗ 
halten ſeyn. Auch aͤußerte dieſer bald nachher?): im 
Fall die Koͤniginn nicht ſogleich abſchließe, werde er 
vier Herzogthuͤmer mehr fordern, und davon nicht ab⸗ 
gehen, bevor er völlig geſchlagen fey. 
| Endlich traf die Nachricht ein: Maria Thereſia 


1) Hyndfords Berichte. Reichsarchiv, Preuhen, Bd. 54. 
2) Bericht vom Iten November. 1741, Band 58. 





1741. Hundforbs Verhandl. mit Friedrich. 153 


habe. bie obigen Bedingungen vom Yten Oktober) ange: 
nommen. Weil aber night gleichzeitige Schritte zum 
Abſchluß eines völligen Friedens gefchahen. und. das 
Geheimniß überall befannt ward, ‚während. die Sache 
fen und Baten in Böhmen einruͤckten und Prag 
am 26ften November eroberten; fo bielt fi auch 
Friedrich nicht für verpflichtet, feinerfelts für den Frie⸗ 
den weiter zu wirken. Am 16ten ‚December erklärte 
er: da der wiener Hof das Geheimniß- allen euro⸗ 
päifchen Höfen mitgetheilt habe, fo fey er duch dad 
Abkommen vom Iten Dftober nicht länger gebunden. 
Der wiener Hof leugnete alle unmittelbare Schuld . 
und ſchob fie auf allgemeine Gerüchte und Gefpräche, 
während Lord Hyndford (der, fidy in-feinen Hoffnungen 
getaͤufcht ſah) die bitterſten Klagen uͤber — 1 
erhob. 

Der König (fagt er) geht nur darauf. aus kin 
Intereffe wahrzunehmen”), ohne regelmäßigen Plan 
und Spftem. — Diefer Nacfag ſteht jedoch in Wi: 
derfpruch. mit dem Vorderfage.. Denn Preußens Wohl 
und Größe, nicht dem Vortheile Öfterreichs, Frankreichs 
oder Englands unterzuordnen, war das vom. Könige 
unwandelbar und confequent . verfolgte . Syftem.. Alle 
Anderen. thaten in ihrer Art aur. sum. ‚Theil: 


1) Bericht v vom 1%ten November. 


2, Esendafelbff. 
2 7 * * 


154 Vierzehnter Abſchnitt. 174, 


mit andern Formen, Wendungen und nach herkoͤnm⸗ 
- Sich diplomatiſcher Weile. Daran nahm unter Mich: 
ve Lord Hyndford, ein Diplomat der alten Gcuk, 
den größten. Anſtoß: er konnte fich mit einem. Könige 
‘von Preußen durchaus nicht verftändigen, er Eannte 
ihn nicht begreifen, weil er keineswegs mehr wie ein 
ehemaliger Markgraf von Btandenburg ſich von Krank 
- reich ober Eungland wollte gängeln lafſen. — Keim 
Bande, klagt deshalb Hyndford'), find ſtark genug, 
den König gegen fein eigenes Intereſſe zu feffeln. 
Doch verfuchte er dies durch neue - mündliche Vorſtel⸗ 
Immgen. Über dieſe Audienz berichtet ex den 26km 
December im Wefentlichen Folgendes. 

Dee König fagte: es thut mir leib, daß bie 
ſterreicher es mir unmoͤglich gemacht haben, ibm 
Dienfte zu leiſten. Wenn fie (mie es ihr eigene 
Vortheil erforderte) das Geheimniß bewahet bästen, 
würde ich ihnen Mähren und ſterreich erhalten ha⸗ 
ben; wogegen es nicht mein Vortheil iſt, wenn fie 
Böhmen und Oberfchlefien befigen. Denn über kun 
ober lang wuͤrden fie mir. fehe unruhige Nachbare 
geworden ſeyn; waͤhrend es nicht fo leicht iſt, ven 
Maͤhren aus heruͤberzukommen. Sie haben: aber ei⸗ 
nen doppelten Bed gehabt beit Verbreitung bes Ge⸗ 
heimniſſes: erſtens mid bei meinen Verbuͤndeten 


> 1) Bericht vom 15ten December 1741. 





2148. Hundfovis Werhandt. mil Friedrich. 155 


verbächetg zu machen; zweitens, bei einigen Kurfuͤr⸗ 
fin in Bezug auf die Kaiſerwahl Zweifel zu erregen. 
Ferner, Mylord, ich rede aufrichtig (maturellement‘) 
mit Ihnen, haben jene eine andere Thorheit began⸗ 
gen, daß fie ſich Prag vor der Raſe (A leur barbe) 
wegnehmen Beßen, ohne eine Schlacht zu tagen. 
Wenn fie gluͤcklich geweſen waͤren, ich weiß nicht was 
ich gethan haͤtte: jetzt aber haben wit 130,000 Mann, 
gegen ihre 70,000, und es iſt zu vermmthen, daß 
wir fie fchlagen und ihnen: dann nichts übrig bleibt, 
ald einen Frieden zu ſchließen fo gut als es gehen 
will. Seit der Ummälzung, welche die Franzoſen 
durch: ihre Intriguen in Rußland zu Stande brachten, 
haben. fie auch jebe Autficht ‚auf dieſer Seite verloren. 

Als Hyndford bemerkte: Frankreich werde an ihm 
keine gleich; große Macht, von einer verſchiedenen Re: 
ligien gründen wollen; antwortete Friedrich: was hie 
Religion ambetrifft, fo iſt fie die gerinafte Sorge ber: 
Zürften ') — Mie (jagte Dyndford weiter), menu 
Frankreich und Rußland einig: fern ſolllen; melde 
Gefahr. fr: die beiden dazwiſchen Liegenden — Wenn 
das geſchaͤhe (erwiebeste Ftledrich), müffen mir. und 
weinen fo gut wir koͤnnen. — Wie (fuhr deu Ge⸗ 
ſandte fort) wenn ftereich die übereinkunft vom 


2) As for the matter of Se that is the least 
‚ ooncern of princen - - 





156 Funfzehnter Abſchnitt. 2241 


Iten Oktober bekannt. machte und im uͤbelſten Lichte 
darſtellte? — Wenn fie bies thun (antwortete ‚ber 
König) fo bringen fie nur die Thorheit und Schwaͤche 
ans Tageslicht womit fie ihr eigenes Spiel verderben 
— und vieleicht würde man ihnen nicht glauben. 
Mit einem Worte, ſchließt Hyndford feinen Be 
richt, man kann mit dieſem Könige Nichts anfangen, 
fo lange feine Unternehmungen mit a — 
begleitet ſind. 


Bunfzehnter Abſchnitt. 


"gm ben nächften Berichten Hyndfords, hält er 
. am feinem einfeitigen Geſichtspunkte feft, und macht 

* Luft in Klagen über Friedrich II). Es iſt un 
begreiflich (fchreibt er den 2ten Januar 1742 aus 
Berlin) wie fehr der König hier vom Volke aller 
Stände, wegen feines Geizes und ſeiner Armuth ge⸗ 
haft wird. Er bezahlt Niemand, die vom Hofe ge 
brauchten Kaufleute leiden bie größte Noth, er hat 

die Hälfte dee Jahrgelder geftvichen, welche Friedrich 


1) Reichsarchiv, Preußen, Band 56. , 





1742, Hynbforbs Klagen über Friedrich. 157 


Wügem I feinen Kiadern und ben ‚Übrigen Prinzen 
ausfegtes — und ſelbſt Die zweite Hälfte wird ſeht 
untegtimähig ausgezahlt. 

Dei jeder Gelegenheit (Bericht vom * Ja⸗ 
nuar) erklaͤrt der König feine Geringſchaͤtzung von 
Verträgen und. Bürgfchaften, und feine Meinung, 
daß Sein Verſprechen einen, Fuͤrſten länger binden 
dürfe, fohatd er im Stande fen, es mit Vortheil zu 
brechen). Sintretende Greigniffe, die wandelbaren 
Neigungen bed. Könige und ‚feine Verzagtheit beim 
geringfien Unfalle (1), laſſen jedoch einige Veraͤnde⸗ 
rung des Venehmens hoffen”). Bitten, Vorſtellungen, 
und gerechte — werden niemals Wirkung auf 
ihn machen Pr, 

Allerdings A fi vielmehr, aus guten 
Gründen"), die Hoffnungen dea Könige, und in einem 
Berichte Hyndforde vom #2tem Fehruar iſt beweits 
die Mede von einer Abtretung des ganzen Schleflens 





1) Über feine Grundfäge, dieſen Punkt betreffend, hat 
fh der König genügend ausgefprochen in ber Einleitung 
zur Geſchichte ſeiner Zeit. Ich verweiſe darauf. 

D The changeable dispomtion and the pusillanimity 
‚of the King’ from the lenst misfextune 'etc. Bericht vom 
Hften Janyar. | 

5) Bericht vom 2ten — 


5) Qeuvaps. pasih; VII, 170. 





168 FJunfzehuter Abſchnitt. —X 


"md: der Grafſchaft Gag. Im Taufe bei Monats 


Mai find die Unterhandlungen niit dem wiener Hofe 


wieder im vollem Gange und ber König B San 


ford. 200,000 Thaler zuſichern, ‚wenn Ser < Seleden 
erwünfchtermaßen zu Stande komme, Das Amerbie 
sen: ward: jebsch zuruͤckgewlefen. 

Den 17tın Mai ſcheelbt SHyndforb: ber —X 
will nicht auf der oͤſtérreichtſhhen Plan eingehen, feine 
ſeiheren Verbindeten ſogbeich zu bekriegen. — Auſtath 
wie ein wahrer Staatsmanm, dies ſehr natürlich und 
rechclich zu finden, laͤßt Fafor ſeiner uͤbeln Laune 
abermals freien Lauf und rufe aus: Welcher Verlaß 
{ft auf ehren Fuͤrfien, der weder Wahrheit, noch; Em, 
noch Religion befige, der Staatsvertraͤge glekchwie 
Ehewerträus betrachen um Natren daburch zu Ginden, 
der die heilksften. Dinge laͤchetlich macht, deu keinen 
Plan, Leinen. Cutſchluß Kat, keinen Nath vetlangt 
ſondern alle Dinge nach feinem Kopfe einrichten wil 
und den kleinſten gegenwaͤrtigen Vortheil vorzieht, 


den wichtigſten und dauerndſten Vortheilen der Zu⸗ 


kunft. 

Und derſelbe Hyndford, weichen glaubte hiemit 
einen Mann wie Friedrich allſeitig gewürdigt, eder 
vielmehr eutwuͤrdigt zu haben, ſchreibt im anderen 
Berichten‘): da wir mit einem Hofe verlehren ber 


1) Berichte vom Zöften Jalius any Doſten Wu 1733. 


ma Friebe won Berlin. 189 


befanntsich Leine anderen Brundfäge hat als Raͤnke und 
Betruͤgereien, fo müflen wir. ihn in feiner eigenen 
Delnize bezahlen. — Ich ſpiele den Kemöblanten, um 
von dem Könige eine Are von Bekenntniß zu erpref- 
fen, er habe Unrecht gehabt. 

Den WMſten Mai theikte Lorb Gacteet, ben Ge: 
ſandten Nobhtfen in Wien eine Stelle mit aus einer 
geheimen Anweifung Friodrichs für ſeinen Geſandten 
in Lendon). Es heißt daſelbſt wenn man die Koͤni⸗ 
ginn Maria Therefia dahin bringen kann die ginſti⸗ 
gen: Bedingungen zu bewilligen, welche ich ben Lord 
Hondßord mitgetheilt habe (ohne var mir zu for⸗ 
dern, daß ide meine jetzigen Verbuͤndeten beftiege), 
fo bin ich bexeit bie Hände gu bleten, und ein Ver⸗ 
theidigungsbuͤndniß zwiſchen mis um den —— 
ten, wird bieven die «rfie Frucht ſeyn 

Den 2äſten Mai, fuͤuf Tage nachdem Hondford 
die Grundſoͤtze und bie. ucbertriebenen Forderuugen 
Friedrichs fo hart getades hat, ſchreibt er?): die Se 
nigiem von Uugern hat Unrecht, des Königs Forde⸗ 
tungen nicht zu bereilligen. Ich meine, ſie foßte' um 
fo wenfger abgeneigt ſeyn dieſe einftmeiligen (tem- 
porary) Abtretungen zu bewilligen, als fie durch Ge 
walt erzwungen, und durch einen doppelten Treubruch 


1) Reichsarchiv, ſterreich, Wand 142 
2) Reichsarchiv, Preußen, Benh 56. . 





160 Funfzehnter Abfhnitt. 170 


von feiner Seite herbeigeführt find. Denn feine 
Macht im Himmel und auf Erden kann das Haut 
Hſterreich tadeln, wenn es das Wergeltungsredht (lex 
talionis) anwendet, um: bei“ geeigneter Gelegenheit 
biefe Landfchaften wieder zu erobern. 

Friedrichs Sieg bei Czaslau (den 17ten Di 
1742) trug nicht wenig dazu bei, Marla Thereſi 
zur Nachgiebigkeit zu vermögen. Den 11ten :Imint 
kam ber: vorläufige Friede zu Breslau und ben 28ſtn 


Juülius bee völlige Friede zu Berlin, auf Abtretung 


von Schleſien und Glatz zu Stande. — Der Schmet; 
Maria Thereſias (fchreibt Robinſon ben 19tm Ir 
nins) ’) ift fehr groß. Alle übel erfcheinen ihr ge 
- einge im Verhaͤltniß zu ‚ber Abtretung . Schleim, 
Der  fchönfte Edelſtein ihrer Krone ſey ausgebrochen. 
Sie vergißt die Koͤnigim und bricht, wenn fie. einem 
Schlefier fieht , wie ein Weib in Thränen aus. 
Gewiß war biefer Schmerz natkelicher, edler und 
gerechter, als die Wehklage, welche franzöfifche Macht 
haber erhoben daß Friedrich zu ihren Planen Europa 
umzugeftalten, nicht mwillenlos die Hand bieten wollt. 
Am: 4tm Julius 1742 ſchreibt der englifche. Vevol⸗ 
maͤchtigte aus Paris ?): die Machricht von dem zur | 
[hen Preußen und ſterreich abgefchlofienen Frieden, 


1) Reichsardjio, Öfterreidh, Wand 144. 
2) Reichsarchiv, Frankreich, Banb 92, 








1712. . Klagen in Paris. 161 


hat. hier einen fehr flarden Eindruck gemacht. Man | 


fagt: dag Herr von Belleisle in Ohnmacht fiel, und 
der Kardinal in Xhränen ausbrady. Der König, 
welcher fich. mehr in feiner Gewalt hat, als die Mei⸗ 
fen, konnte dech feine Sorge nicht verbergen, ja ber 
ganze Hof war wie vom Donner gerührt; indeß fuchte 
man Alles fo viel als möglich vor dev Welt zu ver 
bergen, Sie fagen: es gefchah nicht mehr, ald was 
man von Anfang an. beforgte. (apprehended). 

Der Kardinal fiimmt lebhaft, aber faft allein für 
den Srieden '); es fehlt an Gelbe und man greift zu 
ſchlechten Mitteln es zu befommen. 

Mit der englifhen Vermittelung warm die öfter: 
reichifchen Minijter übrigens nicht zufrieden”) und 
meinten: fie gehe darauf aus Preußen und Sarbinien 
auf Koften Maria Thereſias zu erheben. Diefe aber 
dachte jegt mehr als je daran, bie Franzoſen um 
jeden Preis zu zuͤchtigen °). 

Die Vorwürfe, welche man dem Könige über 
ben Abſchluß des berliner Friedens machte, hat ber: 
ſelbe in der Gefchichte feiner Zeit“) vollftändig zu widers 


1) Bericht vom erſten Augufl. 

2) Staatsarchiv, Öfterreih, Band 144, Bericht vom 
Sten Julius. 

3) Ehendafelbft, Bericht vom 26ften September 

4) Oeuvres posthumes I, cap. 6 und 7. 


162 Funfzehnter Abſchnitt. 1742, 


legen gefucht. Hier mag nur folgende Stelle, ans 
einem vertrauten Briefe an Jordan Plag finden '): 
Je m’embarasse peu du jargen insense du public, 
et j’en appelle à tous les Docteurs de la juris- 
prudence et de .la morale politique, si après avoie 
fait hamainement ce qui depend de ınoi pour fem- 
plir mes 'engagemens, je suis oblige de ne m’en 
point departir, lorsque je vois d’un cotö un allié 
qui n’agit point, de l’autre un allie qui agit mal, 
ei que pour sureroit j’ai l’apprehensien au pre- 
mier mauvais succes. d’ötre abandenne, moyennant 
une paix fourree, par celui de mes allies qui est 
le plus fort et le plas puissant? — Je demande 
si dans un cas ou je prevois la ruine de mon 
armee, Vepuisement de mes tresors, la perte de 
mes conquetes, le depeuplement de I’etat, et em 
un mot toutes les mauvaises fortunes auxquelles 
exposent le hazard des armes et la duplicits des 
politiques; je demande si dans an cas semblable 
un souverain n’a pas raison de se garantir par 
une sage retraite d’un naufrage certain, on d’un 
peril evident? 

Chez un particulier, il ne s’agit gie del’avan- 
tage de son individa, il le doit constamment sa- 


1) Oeuvr. posth. VII, 198. und bie Klagen Aber 
die Sranzofen, Seite 187. 


3742. Friedrichs Recdgtfertigung. Rußland. 163 
criüer au bien de la societ6; ainsi l’observation 
rigide de la morale lui deyient un devoir, la regie 
stant: il vawt mieux qu’un "komme souflre, que 
si tout le peuple perissoit. Chez un zouverain 
Yavantage d’une grande nation fait son objet, c’est 
son devoir de le procurer; pour y parvenir, il 
deit se sacrifier lui meme, à plus ferte raisons 
ses engagemens lorsqu'ils conimencent a devenir 
contraires au hien-ötre de ses. peuples ')! 


Schzehnter Abſchnitt. 


Nachdem ich meine Mittheilungen uͤber die Ge⸗ 
ſchichte bes mittleren Europa bis zu einem Ruhe⸗ 
punkte, dem berliner Frieden hinabgeführt habe, iſt es 
nochmwendig nah dem Norden zurldzubehren, und 
weitere Auszüge aus dem Berichten des englifchen 
Gefandten Finch vorzulegen. Er ſchreibt am 2ten 
Junius 1741 aus Petersburg *): ich machte bem 


- D) Uhnliche Grände trennten 1813 Preußen von Frank⸗ 
reich. | 
2) Reichsarchiv, Rußland, Band 30. 


„ 


164 Schzehnter Abſchnitt. 2. 
Scufm Oſtermann allerhand Eröffnungen über 
ſchwediſche und franzöfifche Umtriebe. Er fpielte den 
Unmiffenden, wie er fich ‘denn überhaupt im allen 
ſchwierigen Augenbliden zurüdzieht. So befam er 
z. 8. bie Gicht in ber rechten Hand als er, nach 
Meters II Rode, bie Urkunde über die Beſchraͤnkung 
der Kaiſerinn unterfchreiben follte. Er ift ein Steum 
mann für gutes Wetter, der im Sturme unterkricht 
und beilegt wenn bie Megierung nicht. feit ſteht. 


Der Prinz von Braunfhweig war offener. Cr 
bekannte, daß er großen Verdacht hege, es werde 
etwas ‚betrieben von dem franzöfifchen Gefandten und 
Herrn Nolken. Er geſtand: die enge Verbindung dei 
Lesten mit dem Wundarzte der Prinzeffinn Erifaberh 
dem Hannoveraner Leflocq (unter dem Vorwande diefer 
fen fein Arzt) babe Aufmerkfamkeit erregt. — Kerne 
gehe Herr Chetardie oft, felbft des Nachts, und ver 
Heidet zur Prinzeffinn Eliſabeth; da ſich num feine 
Anzeichen eines Liebesverhältniffes fanden, fo müßten 
die Zriebfedern politifcher Art ſeyn. Der Prinz fügt 
binzu, wenn die Prinzeffinn fich zweideutig benehmen 
follte, würde fie in Rußland nicht die erſte fern, 

welche man in ein Klofter einfperrte. 


Died würde (meine ich) gefährlich feyn und ihe 
unter allen Dingen auf Erden am wenigſten gefalm: 





1743, Oftermann, Prinz untrich, Elifabeth. 165 


denn fie iſt außerordentlich. beliebt, und hat auch nicht 
einen Biſſen Ronnenfleiih an fh‘). 

Es war Beit. ben unverträglichen Muͤnnich zu ents 
laſſen, welcher auch ſchon wieder, der Prinzeffinn Eli⸗ 
ſabeth Beſuche abgeflattet hatte und an eine neue 
Ummälzung dachte. Der Prinz erzählte: er habe den 
Marſchall mehre Nächte: nad) feiner. Entlaffung genau 
bewachen Laffen, und befohlen im Hall. er Abends zur 
Prinzeffinn Elifabeth gehen. follte, ihm. lebendig ober 
tode zum. greifen. 

Endlich ging Oſtermann doch fo weit auf bie 
Sache ein, mich zu fragen: ob ich es für rathſam 
halte Leſtocq zu verhaftene Sch antwortete: er. muͤſſe 
das beffer milfen und aud mehr Beweiſe zur Hand 
haben. Denn ohne biefelben dürfte es bedenklich fen, 
weil, Leſtocq als Leibarzt Eliſabeths fehr eng mit 
biefer verbunden ſey. Gewiß würde deſſen Verhaf⸗ 
tung die Prinzeſſinn empfindlich kraͤnken und ihr viel⸗ 
leicht zu fruͤh die Gruͤnde ſolch eines Verfahrens ent⸗ 
decken. — Oſtermann ſtimmte dem Allem bei und 
ich fuͤgte hinzu: um nicht Anſtoß zu geben, haͤtte ich 





nähere Bekanntſchaft mit Leſtocq vermieden, ſey jedoch 


ein Paar Mal bei ihm geweſen. Hierauf rieth Graf 
Dftermann: ich folle jenen zu Tiſche bitten, er Liebe 
ein gut Glas Wein, und gebe ſich dann vieleicht 





1) Not one bit of nuns flesh-about 'her. 


2306 Schaebnser Abfihnitt. | ur 


kund. Hiezu ſchwieg ih; denn Ich glaube, wu 
man Geſandte auch für Spione: ihrer Deren halt 
find fie doch nit Spione für Andere; auch srlault 
meine Geſundheit nicht jemand torsere mexo,. 

Die Zubunft bieibe ungenif. Die. Megentim 
Anna fcheint Verſtand, Urtheil und eine gute Natu 
zu haben‘, aber fie hat gewiß ein zu zuruͤckgegogene 
Benehmen (temper). Sie leidet wenn fie ſich öffent 
lich zeigen muß, und bringt dem größten Theil ihm 
Zeit in den Zimmern. des Fräulein Mengden m 
unter deren Verwandten zu. Die Schwefter br 
Mengben heivathete Muͤnmnichs Sohn; bie Favoritiw 
ift ohne große Anlagen, ober Bosheit, die Megentian 
aber dergeſtalt für fie eingenommen, daß die Leihen 
(haft eines Liebhabers fr eine neue Geliebte, dagezen 
nur als ein Scherz (jest) erfcheint. 

Beſſer wenn bie Regentinn fi öfter und he 
laſſender zeigte, woran man hier nom früheren Zeit 
ber gewöhnt ift, und was man jetzt außerordentlihh 
gut aufnehmen würde. — Hingegen iſt die Prinb 
finn Eliſabeth ungemein verbindfih, und für. ih 
Perſon außerordentlich beliebt. Außerdem hat fie den 
Vorzug Peters I Xochter zu ſeyn. Ya. bei ber letzten 
Verhaftung des Herzogs von Kurland, glaubten Bil 
es gefchehe für ihre Mutter (Mataka) Eliſabech. 


Sollte der junge Kaifer fterben und dann zwiſchen 
Anna und Eliſabeth Streit ausbrechen; fo ſtaͤnde die | 





1742. | Sinnesart der Ruffen. 167 


Sache fehr bebenklich, und weil bie legte ihrer Be 
leibtheit (fainess) halber wol nie Kinder bekommen 
dürfte, wuͤrde ber Blick ſich anf ihren. Neffen Peter (HE) 
richten. Jeden Falls follte man Eliſabeth vorfichtig 
behandeln, ſie in keiner Weiſe verletzen und ihr hin⸗ 
reichendes Geld geben. Denn ba fie ihren Vergnuüͤ⸗ 
gungen ergeben ift, wird fie fo viel Gelb burchbrin- 
gen als fie befommen kann; melches nicht allein ihren 
Charakter herabbringen (lessen) und ihre Beliebtheit 
vermindern dürfte; fondern man koͤnnte auch (fo 
lange fie nur nicht in ihren Ausfchweifungen geftört - 
wird) von ihr, wie Caͤſar im Shakeſpeare fagen: 
ihre Hoheit find zu die um an einer Verſchwoͤrung 
Theil zu nehmen. 

Die Abeligen, welche etwas zu verlieren haben, 
flimmen in bes Regel für das, was fo eben befteht 
und ſchwimmen mit dem Strome. Die meiften unter 
ihnen find noch Stodeuffen, und werben allein durch 
Zwang nad überlegene Gewalt abgehalten in ben 
alten Weg zuruͤckzufallen. Ja alle ohne Ausnahme 
wünfchen, daß Petersburg im Meereögrunde laͤge 
und alle eroberten Lanbfchaften zum Teufel wd: 
ven; damit fie nach Moskau ziehen und in dee Nähe 
ihrer Beſitzungen glänzender und wohlfeller leben 
Eönnten. Mic Europa wollen fie nichts zu thun 
haben. Sie haſſen alle Fremden und möchten fie. 
hoͤchſtens im Kriege benugen, dann aber fortiagen. 


. 





168 Sechzehnter Abſchnitt. 22 


Gleichmaͤßig haflen fie alle Seefahrten und wollen fic 
lieber in den fchlechteften Theil Sibiriens, als au 
bie Flotte ſchicken laſſen. — Die Geiſtlichkeit iſt be 
deutend und giebt Zeichen, welche der jetzigen Regie 
rung Unbequemlichkeit und Verlegenheit bereiten. 

Dem Prinzen von Braunſchweig mangelt ein 
gewiſſe Wuͤrde des Benehmens und Geſchaͤftserfah 
. rung; doch lernt er in Oſtermanns Schule und zeig! 
ſich jegt milder als zuvor 3. DB. gegen den Herzog 
von Kurland. 

Den 12ten Auguft?), am Geburtstage des jungen 
Kaifers, war jeder ſchon des Morgens in Gala bei 
Hofe, um dem Regenten fein Compliment zu machen 
Endlich brachte Fräulein Julia Mengden den junge 
Monarchen (welcher für fie eine große Zuneigung gr 
faßt hat) auf ihren Armen herbei und trug ihn durd 
alle Zimmer. Jedesmal, wenn fie fagte: Majeftät 
ſtreckte er feine Eleine Hand aus um fie kuͤſſen ;: 
laffen. Der ganze Hof. war außerordentlich erfreu 
über feine Schönheit, Gefundheit und Benehmen 
und eben fo fchien er an der Menge Menfchen bi 
er fah, Gefallen zu finden. — Es felgte.ein Mit 
tagsmahl, Ball, Feuerwerk u. f. m. 

Zwiſchen europäifchen Feſten, Geremonien, ‚Rang 


1) Bericht vom Sſten Auguſt. 


J Pr 


1442, Kofaden. Swan II. Elifabeth. 169. 


ſtreitigkeiten und dergl. erſchien dann zue Abwechslung 
auch ein Anführer der doniſchen Koſacken, Krasno 
Tzokin, das heißt Rothbacke (reed cheeks). Er if 
bereits ſiebenzig Jahre alt, befigt aber dennoch eine 
große Portion verzweifelten, brutalen Muthes, Er 
hat einigen Stiegen (several score) feiner Gefangenen 
die Köpfe eingefchlagen, einige bei Ealtem Blute, an: 


bere in ber Trunkenheit; immer jedoch (mie er ſagt) | 


um bie Hand dabei zu haben (to keep his hand in). 
Er ift an allm Theilen des Leibes verwundet worben, 
und gebraucht alsdbann dußerlih Nichte als Men⸗ 
fchenfete, und innerlich Branntwein )). 


Ich habe das Gefpräch wieder auf bie franzöfi- 
fhen Umtriebe gebracht, und Oſtermann antwortete: 
die Liebe und Zuneigung der Prinzeffinn Eliſabeth 
für Rußland find zu groß, als daß fie irgend m 
fothen Plane Gehör geben koͤnnte. 


Man feierte der Prinzeſſinn Jahrestag 2). Die 
Regentinn ſchenkte ihr, Namens des jungen Herr⸗ 
ſchers, einen ſehr ſchoͤnen Edelſtein zum Haarſchmuck, 
und fuͤr ſich ſelbſt ein vollſtaͤndiges, goldenes Theezeug. 


Die Regentinn iſt eiferſuͤchtig auf ihre Macht 


1) Bericht vom 12ten September. Reichsarchiv, Ruß⸗ 
land Band 81. | 

2) Bericht vom 16ten September. 

I - 8 


u Sechzehnter Abfhnitt. MM 


und will ihrem Gemahle nichts. daven abtreten‘). So 
herrſcht Uneinigkeit unter den Herrſchenden, Golovkin 
wider Oftsemann- und bie, Fremden, Giſabeth wider 
Dſtermann, die, Regentinn wider Oſtermann u. ſ. w. 

As dee perſtſche Geſandte ber Prinzeſſinn Eliſa⸗ 
beth Beinen Beſuch machte, nahm fie dies ſehr uͤbel 
und [hob die Schuld auf Oftermann, erklärte aber 
zu gleicher Zeit ihre Anhänglichkeit an den Czaar und 
die Megentinn. Die Wärme und Lebhaftigkeit mit 
weicher fie bei dieſer Gelegenheit fprach, uͤberraſchte 
und. feste. jeden in Erſtaunen. Auch nimmt man 
an: der Beſuch, welchen ihr die Regentinn den. Uten 
Oktober Nachmittags abſtattete, habe den Zweck ge⸗ 
habt ſie zu beruhigen. 

Es bildet ſich hier, unter — des oͤſterreichi⸗ 
ſchen Geſandten Botta und des Grafen Golovfin, 
eine ruſſiſche Partei: gegen Oſtermann und den Re 
genten?), und die Regentinn iſt meiſt auf ihre 
Seite. 

Bet diefem Schwanfen, biefer inneren Uneinigkeit, 
diefem Mangel an hervorragenden Charakteren,“ kam 
ed nur auf ein kuͤhnes Wagen an, um eine neu 
Umwaͤlzung (nach ruffifcher Weife) zu Stande zu 


1) Bericht vom 13ten Oktober. 
2) Beriht vom 14ten November. 





1748. Eliſabeth Kaiferinn. 147 


bringen. Hieruͤber berichtet der engliſche Geſandee 
Finch den 26ften November, wie folgt. Die. Prin⸗ 
zeffiun Eliſabeth, weiche in diefem Lande allgemein 
geliebte und amgebetet wird, ging geſtern Morgen um 
ein Uhr in die Kaferne der preobraczenskifchen: Leib 
mache, nur begfeltet von ihrem Kammerherrn Wo⸗ 
ronzow, Herrn Leſtocq und Herrn Swarz, der wie 
ich glaube ihr Schreiber if. Sie feste ſich an bie 
Spige von 300 Grenadieren, welche ihre Bajonette 
auffehraubten . (sorewed), Granaten in die Taſchen 
fledten und, ihr folgend, gerade nad) dem Schloſſe 
zogen. Nachdem Elifabeth. hier die nöthigen Vorkeh⸗ 
rungen getroffen und alle Zugänge befegt hatte, bes 
mächtigte fie fich des jungen Monarchen und feiner 
Beinen Schwefter in ihren Wiegen, fowie des. Groß 
fürften und ber Großfürftinn in ihren Betten und. 
fandte Alle, nebft der Favoritinn Julia Mengden, 
nach ihrem Haufe. Unmittelbar nachher befahl Die 
Peinzeffinn zu verhaften: Münnich Vater und Sohn, 
Oftermann, Golovkin und mehre Andere. 

Nachdem dies Alles mit der größten Schnelligkeit 
vollzogen war, kehrte die Prinzeffinn nach ihren eiges 
nen Palaſte zuräd, wohin ſich faft jeder aus der 
Stadt begab und vor welchem die reitende Leibwache 
und drei Regimenter Fußvolk aufgeftellt waren. ‚Ein: 
flimmig ward fie zur Beherrfcherinn Rußlands erklärt, 
und ihre der Eid der Treue gefchworen. Dierauf 

F 8* 





172 Schzehnter Abſchnitt. IA, 


nahm fie Beſitz vom Winterpalafle, die Kanonen 
wurden abgefeuert u. f. mw. 

An dieſe Ummälzung fchloß ſich eine ganze Reihe 
von Emennungen und Verhaftungen, Befreiungen, 
Berweifungen und Gütereinziehungen an. — De 
- Unverfchämtheit der Leibwachen feit dem legten Exig 
ni, laͤßt fich nicht: befchreiben, beſonders derer, welche 
daran Xheil hatten. Der Hof wird ihnen gemadıt, 
als wären fie die Herren; welches fie auch und bie | 
leicht mit nur zu großem echte glauben. 

Dftermann benimmt fih nicht mit fo viee 
Standhaftigkeit als Münnid. — Der framzoͤfiſche 
Geſandte Chetarbie iſt noch immer erſter Miniſter). 
Man machte ihm ſehr den Hof; er ſelbſt kuͤßt öffent: 
lich und wird gekuͤßt von den Janitſcharen in den 
Hofzimmern. 

Am Geburtstage ber Kaiſerinn war Ball, Ev 
leudhtung u. f. w. Sie hat Herrn Leſtocq zu ihrem 
Leibarzt mit 7000 Rubel’ jährlichen Gehaltes erktärt?), 
und ihm das Amt eines wirklichen Geheimenrathes 
übertragen, welches ihm den Rang eines Obergene: 
rals (general in chief) giebt. Er wird die Lätung 
des Medicinalcollegiums übernehmen. Die Kaiferinn 


! 


41) Bericht vom 15ten December. 
2) Bericht vom 19ten December. 


x 


1712. Folgen ber ummwälzung. 173 


gab ihm auch‘ ihr Bildniß in Diamanten gefaßt, 
20,000 Rubel an Werth, welches ee um den Naden 
an einem blauen Bande träge. Beine Frau war 
diefen Morgen am Hofe in einem fteifleibigen Kleide 
(stif bodied gown). Abende auf dem Balle war 
jeber :außerorbdentlicy zufrieden, der die Ehre em 
fonnte. mıit ihr zu tanzen. 

Ihre Majeftät haben ’ die 300 Grenabiere zu 
ihrer Leibfchaar erklärt. Die Semeinen erhielten ben 
Rang von Lieutenants, die Corporale und Sergean- 
ten von Hauptleuten und Majors, und die Teche, 
welche ben größten Antheil an den legten Ereignifien 
hatten, von Oberftlieutenante. Der Faͤhndrich wird 
Brigadier, dee Secondlientenant Generalmajor, der 
erſte Lieutenant aber Gmerallieutenant. Sie find in 
Häufern einlogiet, welche die Kaiferinn zu dieſem 
Zwede ganz nahe bei dem Palaſte gekauft hat. Sie 
ſelbſt iſt ihr Hauptmann, und hat ſich eine Grena⸗ 
diermuͤtze und Amazonentracht beſtellt, um an ihrer 
Spitze zu erſcheinen. 

Die zum Verhoͤre der Staatsgefangenen beauftrag⸗ 
ten Perſonen, verſammeln ſich im Schloſſe. Die 
Kaiſerinn iſt ſtets auf einer Tribune, wo ſie ſehen 
und hoͤren kann, ohne geſehen zu werden, um (wie 
fie ſagt) Beguͤnſtigung oder Ungerechtigkeit zu verhuͤ⸗ 
ten. Diefe Erklärung, und allgemeine Guͤtereinzie⸗ 

hungen, welche aller Unterfuchung und Bertheibigung 


” 


174 | Gehzehnter Abſchnitt. 178, 


vorhergehen, laſſen fich nicht in Übereinftimmmung brin: 
gen; doch verführt der Mefige Hof, bei ſolcher Bee 
genheit, jedesmal in diefer Welle. Auch von Am: 
wendung der Knute gegen bie Befangenen ift die 
Rede. 

Münnich war vor die Inquiſition geſtellt, 
denn bei ſolchen Faͤllen, verdient keine Behoͤrde in 
dieſem Lande den Namen eines Gerichtshofes. Er 
ſagte den Beauftragten ins Geſicht: er ſey nicht 
ſchuldiger als fie. — Leſtocq fpeicht mit ber größten 
Eigentiebe nur von fi: ich ſchlug vor, ich befahl 
a.fm So habe er auch einen Geſandten für 
Eondon ernannt. | 

Den Berichten des Jahres 1742 find folgende 
Auszüge entnommen '). Die Unterfuchungen wider 
bie Öefangenen dauern fort. Mean kann fidy Leinen 
Begriff von der Grauſamkeit machen, mit weldyer fie 
behandelt werben. Zäglih wird dies immer ſchlimmer 
und fchlimmer, und zwar (mie man fagt) auf au: 
 brüdlichen Befehl derjenigen, welche gegenwärtig find 
um Ungerehtigkeiten zu verhuͤten. Man muh fücchten, 


daß Privathaß und perfönliche Mache ba vorwalten,. 


wo man fie am wenigften erwarten follte und wo fie 


ſich am wenigſten ſchicken. 


1) Reichsarchiv, Rußland, Band 33. Bericht vom 
Eten Januar 1742. 





3242. Unterfuhungen Graufamteiten. 195 


Einer der neuen Lieutenants behauptete: der 
Feldmarſchall Münnic habe ihm bei der naͤchellchen 
Unternehmung wider den ‚Herzog von Kurland Hefagt, 
man molle bie Prinzeſſinn Eliſabeth auf dem Thron 
heben, Muͤnnich leugnete dies, und bei der Ber 
fammenftelung fagte jener: er wolle fi knuten laf- 
fen, vorausgefegt daB, wenn er umter biefer Tortur 
bei feiner Behauptung bleibe, ber alte Feldmarſchall 
diefelbe Strafe keiten folle. Muͤnnich raͤumte jedoch 
lieber die Anklage ein, als daß er fich janer Unwuͤr⸗ 
digkeit aruterwarf., ‚obgleich er darthat und Ale gewiß 
wußten, daß die Großfuͤrſtinn Anna ſelbſt, die Offi⸗ 
ciere und Soldaten, welche den Marſchall begleiteten, 
aufforderte ſeinen Befehlen zu gehorchen. 

Die neuen Raͤthe ſind unter einander nicht einig) 
und die Kaiſerinn denkt gebing von ihren Köpfen und 
noch geringer von ihrem. Herzen. Ich Tenne hier 
nicht einen, der in einem anderen Lande für einen 
ertraͤglich ehrlichen Mann gelten koͤnnte. 

Ein Unterofficier ward dem abgefegten Czar und 
feinen AÄltern nachgeſchickt, um einer Kammerfrau det 
Großfuͤrſtinn die Anute zu geben. Es geſchah ohne 
daß fie erfuhe warum, und drauf Lehrte jener fogleich 
zutuͤck 

Nachdem die ſogenannte Unterſuchung gegen die 


1) Bericht vom Steh Januar. 





176 : Sechzehnter Abſchnitt. 1742. 


Gefangenen zu Ende war, erzählt der Gefanbte am 
19ten Januar. Graf Oftermann, Muͤnnich, Ge 
lovkin, der Präfident Mengden, der Großmarſchall 
Loͤwenwold und der. Schreiber Jakoblitz wurden geſtern 
vor dem Collegienhauſe auf ein Blutgeruͤſt gebracht 
Zuerſt, etwa um zehn Uhr ward Oftermann (den 
Eliſabeth „am meilten hafte) in einem Stuhl herbei 
getragen, und ein Schreiber las ihm die Aufzählung 
feiner Verbrechen vor, fünf volle Bogen ſtark. Sein 
Excellenz fand die ganze Zeit barhaupt, in. grauen 
Haaren und langem Barte. Er hörte aufmerkfam 
und mit feiter Haltung zu. Am Ende [prach man 
das Urtheil: er folle gerädert werben. Zu biefer Strafe 
waren indeß Eeine Vorbereitungen getroffen, wohl aber 
Bloͤcke mit Beilen -zur Hand. Sogleich ward er 
duch. Soldaten, von feinem Stuhle zu einem der 
Bloͤcke hingefchleppt und fein Kopf darauf niedergelegt. 
Nunmehr nahte der Henker, knoͤpfte des Grafen 
Hemdkragen auf, [hob fein altes Nachtkleid zur Seite 
und legte feinen Naden bloß. Diefe Ceremonie dauerte 
wol eine Minute, und jest erft ward. erlärt: bie 
Kailerinn habe die Todesſtrafe in lebenslaͤngliche 
Verbannung verwandelt. Nachdem Dftermann hier 
auf mit dem Kopfe eine. Art Verbeugung gemacht 
hatte, fagte er (diefe Worte waren bie einzigen, wel: 
he er ausſprach): ſeyd fo gut und gebt mir meine 
Perüde und meine Müge wieder. Er feste diefe auf, 


288. Berartheiluag Oftdismanäüs x. 177 


unb kanoͤpfte Hemde, Kragen und Nachtkleid zu, ohne 
die geringſte Beränderung in feiner Haltung (coun- 
tenance).: 

- Das Urcheil Über die: ſünf anderen, welche unten 
fanden, ward eben fo vorgeleſen: Muͤmnich follte ges 
viertheilt, die Übrigen geßöpft werden; boch warb die, 
Verwandlung: ber Tobesſtrafe in Berbannung jedem 
ſogleich bekannt gemacht. Vier hatten lange Birke; 
aber der Marſchall war glatt geſchoren, wohl geklei⸗ 
det, und. zeigte eine. fo aufrechte, kuͤhne und unbe⸗ 
kuͤnmerte Haltung, als flehe' er an der Spige eines 
Heeres, oder Iekte eine Kriegsübung. "Und in der 
ſelbigen Weife bat er fi immerbar benommen, vor 
feinen Richtern, und auf dem Wege von ber Burg 
zum Gerichte und zuruͤck, während des "ganzen Pros 
zeffes. Mit den Soldaten bie ihn: begleiteten, pflegte 
er zu ſcherzen und fagte- ihnen: fo wie ihr mich vor 
dem Feinde, wo ich die Ehre hatte Euch anzuführen, 
ale einen braven Mann gefehen habt, fo follt ihr 
mich auch bis zu Ende finden. — Dieſelbe Stand⸗ 
haftigkeit zeigte Muͤnnich beim Abſchiede von feiner, 
Familie 9. 

Manche, (deren Menſchlicheit und Großmuth ſie 
vielmehr dahin fuͤhrt Nothleidende zu beſchimpfen, als 
zu bemitleiden) gefallen ſich darin — von der Vor⸗ 





Bericht vom Aſten Januar. 
8** 


Br; Bechztehater Abſchnitt. zu 


ſehung und den ‚göttlichen Gerichten gu reden. Meier, 
meine ich, wuͤrde eB ſich Für fie ſchicken amgmbeten, 
als fi) anzumaßen In Gottes Rathfchlüffe einzudrin 
gen; nicht zu gedenken, daß es für fie natimicher 
ſeyn wuͤrde ernſthaft nachzudenken, wen das Lens 
wol das nuͤchſte Mal treffen duͤrfte! 

Da bie hierauf folgenden Berichte des Geſauden 
fich ſelten Iher wichtige Gegenſtaͤnde verbreiten, ſo fe 
eb erlaubt einzelne kleine Nachrichten auszitheben, 
weiche nicht ohne Interefſe zu ſeyn ſcheinen. 

Am Sten Febenar langte der Herzog von Holſtein 
hier on. Er iſt Hein fuͤr fein Alter, warb aber 
feierlich empfangen umd der ganze Hof kuͤßte ihen die 
Hand). — Die Kaiferian wird beherrfcht von In 

denſchaften, Vorurtheilen und Rachſucht. 

Wich, Ber Nachfolger des Geſandten Finch, ging 
mit der Kalſerinn nach Moskau?), und nmennt dieſe 
Stadt die unangenehmſte und ſchmuzigſte, Die er je 
gefehen. Die Franzoſen, führt er fort, ſpenden vid 
Geld in Rußland. Der Geoßkanzler Czetkaski If 
traͤge, die beiben Bruͤder Beſtuchtff find furchtfam. — 
Da die Kaiſerinn eine es der Jagd und Abends 


1) Bericht — Stern Februar. 
2) Berichte vom Laſten und m Wal, u und vom Tien 
Junius. 





172. | veter HI. 4 


gewoͤhnlich muͤde dt; ſo haben bie Miniſter oft 
keine Gelegenheit ihre Sachen vorzulegen '). 

Am 7m November 1742 warb. ber Herzog von 
Holflein In Moskau getauft und geſalbt, und erhielt 
den ‚Kamen Pete Fedorowig. Der Erzbiſchof von 
Nowgorod verrichtete, mit Huͤlfe einiger Biſchoͤfe, bie 
Geremonie. Nachdem jener Praͤlat den Herzoge elite 
kurze Anredo gehalten und feine Hoheit bad Glaubons⸗ 
bedenntniß wiederholt hatte, empfing er das Sakra⸗ 
ment, und die Czarinn ernannte ihn zum Großſur⸗ 
fin von Rußland und zu ihrem Nachfolger. 

Den Antrag Peter ‘auf den ſchwediſchen Thron 
zu fegen, hat man zurückgewieſen und fir ben Ser: 
zog Abminfftrator von Holſtein gewirkt. | 

Sch habe Leſtocq mit den Beſtucheffs ausgeſoͤhnt, 
und ihn vermodt vom Könige von England ein 
Jahrgehalt von 600 Pfund anzunehmen”). Ex war 
ſehr zufrieden, verſprach viel, laͤßt ſich aber zu gleicher 
Zeit auch von Frankreich bezahlen. — Die Kaiſerinn 
haßt und fuͤrchtet den Koͤnig von Preußen. 

Die ruſſiſchen Edelleute lieben uͤber Alles nach 
ihrer Bequemlichkeit zu leben, und ihre elenden 


1) Reichearchiv, Rußland, Band BI, Serichte vom 
Zifen Okltobex unb 7tem Mopember. 
2) Bericht vom 22ften Rovember und 15ften December 








180 Sechrehnter Abſchnitt. MM 


Bauern zu tyrannifiren. Dieſe find die größten 
Sklaven in ber Wil. — 

Mir iſt vertraut worden, daß man in Paris 
beabfichtigt den ſchoͤnſten jungen Edelmann.’), ber in 
ganz Frankreich zu finden iſt, auszumählen. und al 
Geſandten bieher zu fehiden. Dies ift kein üble 
Plan und fie mögen große Hoffnungen. darauf grüm 
den. Ein jüngerer Dann und ein frifcheres Geſicht 
als das meinige (fagt Wich) — an dieſem Hofe 
vortrefflich wirken. 

Die Kaiſerinn erſcheint oft in Mannskleidern und 
ich bin gewiß ber Schmuck des Hoſenbandes wärhe 
ihr über Altes gefallen?). — Die hieſige Regierung 
hat weder einen gefunden Boden, nach iſt fie taug—⸗ 
lich eingerichtet; ſtets wird fie Schwankungen und 
plöglihen Ummälzungen ausgefegt fern. Wenn bie 
Kaiferinn ihren Wandel nicht ändert, und mehr als 
bisher den inneren und aͤußern Angelegenheiten obliegt, 
fo wird fie in der Meinung ihres Volks herabfinken 
und im Auslande alle Bedeutung verlieren. Nie kam 
eine Fürftinn auf den Thron mit größerem Anfchein 

‚ eine ruhmvolle Rolle in Europa zu ſpielen; auch hat 


1) Bericht vom 16ten December 1742, und ten Ius 
lius 1748, Band 37. 

2) Band 86, Berichte vom 2öften Januar und Z7ften 
Aprit 1748. 





1742. Lebensweife Etifabetye. Preußen. 181 


ihr bie Vorſechüng alle Eigenſchaften und Talente ge: 
geben fie in. der. Deimath und. ber Fremde beliebt und 
geehrt zu machen. Aber die Anhaͤnglichkeit am: ihes 
Vergnuͤgungen verdirbt Alles, und wish zulegt nicht 
wieder gut zu machendes Unheit herbei führen. 


Siebzehnter. Abſchnitt. 


Durch bie . Friebensfchläffe. non Breslau. und 
Berlin trat Friedrich U vom Kriegsſchauplatze ab; 
doch. blieb. er ein ſehr aufmerkfamer Brobachter Dee 
weiteren Creiguiffe, ‚und keineswegs ohne. allen Ein⸗ 
fiuß auf. dieſelben. Gewiß ſah er in vielen Punkten 
ſchaͤrfer als Lord Hyndford, welcher noch immer nicht 
bie rechte Stelle finden konnte den: König zu verſte⸗ 
ben,. und. fi mit ihm zu verſtaͤndigen. Sch theile 
allerhand aus feinen. Berichten nad) der Zeitfolge mit. 

Den. ten -Auguft 1742 fchreibt . er dem: neuen 
Mintiter. der auswärtigen Angelegenheiten‘), Lord Cars 
teret : Ich überreichte dena Könige die von England 
verbürgten Friedenspraͤliminarien. Hieran reibten. fich 
allerhand politifche Gefpräche und ich fagte:. Die Ads 


1) Reichsardjio, Preifen, Bank 67. 


182 . Sitebzehnter Abfhniet. 2788, 


aigien Maria Thereſin wirb un Niemandem mehe 
etwas abtreteit. — Dee. Koͤnig: Glauben Sie def 
die Königinn Baiern Herflellen wird? — Ich. Dar 
an zweifele ich nicht, ſobald der Kaifer bas franzoͤfiſche 
Bündniß aufgeben und eden wie ein beutfcher Kaiſer 
handeln will. — Hierdurch ſchien ber König ange: 
nehm uͤberraſcht zu ſeyn und fragte nochmals: find 
Sie defien gewiß? Ich antwortete: dies ſey außer 
Zweifel, und fügte hinzu: wenn er Hülfe leiften wolle 
den Frazoſen eimas abzunehmen, wörde (meine 
Meinung nad) der König von England nebft ben 
uͤbeigen deutſchen Fuͤrſten beuit ſeyn es dem Kaiſer 
zw geben. — Mylord ich wagte fo weit zu gehen, 
um zu pehfen ob ber König wol an dem Kriege 
Thell nehmen würde; allein er umging den Weocicklag, 
such fiheint.er zu fuͤrcheen, das Haus ſterreich werde 
* ber kurz ober lang werfuchen Schleſten wieder zu erobern. 

Michts war wel natuͤrlicher ais daß der König 
weber auf jenen queren Vorſchlag einsing, noch au 
wer: fich in fo ungeſchickter Weiſe aushotchen lich. 
Noch wunderlicher ſchreibt Hyndſorb den 12tem Au: 
guſt: wenn der Koͤnig zufrieden wär eine untergeoch⸗ 
nete Rolle zu ſpielen, wie dad Dans. Brandenbum 
immer gethan hat, To würde er in bee Wagſchale 
Europas fo wel wiegen ale er werth iſt.“) — Scheu 


1) He would be wertky od his weight. 


Kan Fr ie drich and Odudford 183 


im Jahre 1740 waͤre es verkehet geweſan das unbe⸗ 
dingte Gewicht eines Markgrafen von Braudenbung 
für alle Zeiten feſtſtelen und feſthalten zu wollen; 
aber jetzt, nach Eroberung Schleſiens noch von bem . 
verjährten Standpunkte aus bie Verhaͤltniſſe betrach⸗ 
ten umd abwuͤrdigen, mar sin gewaltiger Irrthum, 
der auch für andere Dinge bie Mnbefangenheit des 
Blickes truͤbte. So ſchreibt Hyndford weiter: ber 
König vermehrt ſein Heer jeden Tag, und ſpart ſelbſt 
an dem mas bie Hofhaltung, die gewoͤhnliche Groß⸗ 
much und Menſchlichkeit erfordert, um jeden Schill 
ling feiner Kriegskaſſe zuzumenden. Was feine Mi⸗ 
niſter anbetrifft, fo mögen es vechtliche, geſchickte, 
wohlmeinende Männer ſeyn; aber fie dürfen nichts 
thun ohne befondere Anweifungen, ja bisweilen wird 
ſelbſt das nicht anerkannt was fie auf Befehl fagten 
oder thaten. 


Graf Podewils (ſchreibt Hyndford den Sten Sep⸗ 
tember) ?) brauche Geld und wird es vorſichtig und 
geheim dargeboten mohl annehmen, um ihn auf 
dem rechten Wege des Denkens zu beitärken; auch 
if dies der Weg, an biefem Hofe einzuwirken. — 
Indem Hyndforb bier im Allgemeinen ſchwere Ankla⸗ 


1) Reichtarchiv, Preußen, Band 36. 


184 Siebzehutor Abſchnitt. 1788, 


gem ausſpricht, vergißt er / daß er werrige Tage zuvor 
die Miniſter als rechtliche Maͤnner beſchrieben hat. 
Schon den LOten September bewilligt der Koͤnig 
von England 1000 Pfund, dem Herrn deſſen Sie 
erwähnen. Da dies keine Antwort auf den Bericht 
vom Sten September fern Farin, fo bleibt es zweifel⸗ 
haft wen bdiefe Summe beftimmt war. Ja nad 
einem Schreiben vom 22ften Sunius 1743 f&heint Pr 
dewils gar Nichts bekommen zu haben und ben 19ten 
Julius 1743 wundert man ſich ſehr in London, 
daß Hyndford jene Summe fo lange an ſich behalten 
‚habe und fie jegt zu anderen Zweden verwenden wolle. 
Daß ber König auf einer Kindtaufe bei einem 
Adjutanten, der Amme nur acht Thaler gegeben 
habe, findet Hyndford fehr kleinlich und geizig; als 
ihm aber der König 10,000 Thaler ſchenkte, fand er 
dies (ohne- Seitenblide) ganz angemeffen ). 
Den 10ten September erflärte Friedrich. IT: wenn 
England einen Angriffskrieg mit Frankreich beginne, 
hatte er fich nicht für verpflichtet daran Theil zu neh 


1) Bericht vom 16ten September und Gten Oktober. 
Hier iſt eigentlih nur von Gefchenken die Rede, wie fit 
Bei auswärtigen Verhandlungen vorzulommen pflegen. In 
einem Berichte vom erften December erwähnt bagegen 
Hyndford, daß er für ‚Gelb geheime Nachrichten über bie 
preußifchen Finanzen bekommen habe. 





1748, ' England und Preußen. 185 


"men und die Hauptlaſt auf fi hinzulenken. — 
Manche Engländer waren hierüber fehr böfe, denn 
alsdann helfe ihnen das abzufchliehende Vertheidi⸗ 
gungebündnig zu gar Nichts, und den Gen Okto⸗ 
bee ſchrieb Hyndford dem englifchen Minifter der aus: 
wärtigen Angelegenheiten: Sie fehen, wie weit man 
fih auf dieſen treulofen und undankbaren Zürften 
verlaffen kann. — War es denn aber nicht ganz na⸗ 
tuͤrlich, daß der König weder für Frankreich nod) Eng⸗ 
land, ſondern für ſich Krieg führen und fchließen, 
ober Frieden halten wollte? Auch hatten feine Siege 
ihm Schlefien erworben, nicht die englifche Großmuth. 

In gleich mifvergnügter Stimmung ſchrieb Hynd⸗ 
ford den Zten Oktober und erften December: Der 
König hat die Gehalte verringert; im ganzen Lande 
iſt Nichts als Elend und Age. Das Heer beftcht 
aus dem Wegwurf aller andern, und es herifcht all: 
gemeine Unzufriedenheit daß der Sold nicht erhöht 
worden. — Gewiß fehlte es damals fo wenig an 
Klagen, ald in anderen Zeiträumen; mit Recht aber 
verwarf Friedrich die Sinecuren und hielt feine nur 
mäßigen Hülfsmittel zu allgemeinen, großen Zwecken 
beiſammen. Kerner hat jedes Merbefuftem (wie Eng: 
land noch jest erfährt) feine Schattenfeite; allein 
hätte dem preußifchen Heere ein Kern einheimifcher, 
Vaterland und König begeiftert Liebender Krieger ge: 


1 77 Siebzehnter Abſchnitt. vie. 


fehlt, wie wäre es der Heldenthaten faͤhig geweſen 
welche ſelbſt Feinde beteumderten? 

Über eine neue Audienz, berichtet Hyndford den 
168ten December 1742. — Der König, ſagte er, 
elagte uͤber die ſchlechte Lage des Kaiſers. eg 
Frankteich moͤge England nad Belieben Krieg führen, 
aber x müffe in Deutſchland weiterer Verwirrung 
vorbeugen; und werm es nöthig fey das Schwert zu 
ziehen, dann beffer heute wie morgen! Wuͤrde di, 
dernerfte Friedrich H, nicht viel buffer für den Koͤniz 
von England fen, nachdem er als Kurfuͤrſt fen 
Stimme für die Wahl diefes Kalfers gab, wenn a 
ihn von den Franzoſen abzöge, zu benen der De 
drängte feine Zuflucht zu nehmen gezwungen iſt; — 
als Krieg zu führen wiber das Haupt des Reiche? 
Ich weiß, Karl VII wauͤrde jegt mit fehr semägigin 
Bedingungen zufrieden feyn. 

Nachdem Hyndford bie Gründe erörtert Hatte, 
warum England den Öfterreichern beiftehe und bie 
Franzoſen zu vertreiben ſuchr; fuhr der König for: 
Hoͤren Sie, mein Here, ich bekuͤmmere mich nicht 
darum was aus den Franzoſen wird; aber ich dam 
nicht zugeben daß der Kaiſer zu Grunde gerichtet und 
abgefegt werde. Will Ihr Herr fih in Begug auf 
diefen mir eröffnen, fo weiß. ich er kann von ben 
Franzoſen getrennt werden, und dann muͤſſen biefe 
das Reich verlaffen, fo gut fie können. — Als Hynd⸗ 


1742. Friedrich U, Karl VE u. England 187 


ford allerhand Schwierigkeiten schob, fagte ber König: 
Baiern iſt beveit binnen 14 Tagen ohne bie Frauzo⸗ 
fen abzuſchließen. — Auf Hynbforbs Frage: Wie? 
erwiederte der Koͤnig: ich ſchlage nicht vor daß die 
Koͤniginn von Ungern irgend etwas abereten ſollz 
ſondern daß der Kaiſer Baiern wieber erhalte und 
daB Reich zu ſeinem Beſten in die Saͤcylariſation 
einiger Bisthuͤmer willige. Denn fein Land iſt fo 
verwärtet und er fo herabgebracht, daß er kaum etwas ‘ 
befige ſich ſelbſt zu erhalten! — Ic nahm mir ‚bie 
Freiheit (ſchreibt Hyndford) hierauf zu bemerken: bag 
der König in der That Sorge getragen habe, einen 
Kaiſer wählen zu laſſen ber ihm bequem und aufer 
Stande fey ihm Unruhe zu beveiten. Dies erzeugte 
einige Heiterkeit (mirth) im Könige und er fagte: ber 
Kaiſer ſey allen Fuͤrſten Deutſchlands chen fo de 
quem (convenient) als ibm. — Fa, fügte ich hinzu, 
wenn fie Alle gleich mächtig wodeen. 

Der Käfer (fühet der Gefanbte fort) hatte bem 
Könige durch den Ritter Roſen (Bosee?) im- did: 
ſten Geheimniß Tagen laflen: er fey bereit ſich ganz 
von Frankreich zu trennen, und dadurch ben Weg 
zum allgemeinen Frieden zu bahnen. 

Hyndforbd ſchließt feinen Bericht mit ber, zum we⸗ 
nigſten ſehr zweifelhaften, Bemerkung: wenn Fried⸗ 
rich TI einen Krieg für den Kaiſer und Frankreich 


® 


188 Siebzehnter Abſchnitt. 1722. 


erhebe,. würde ihn ein großer Theil feiner Generate 
und Soldaten, wegen uͤbler Behandlung und aus 
Haß gegen Frankreich verlaffen. 
In einem fpäteren Berichte vom 20ften Decem: 
ber, ſchreibt dee Geſandte: ich ſprach den König auf 
einem Balle, nachdem er (fo glaube ich) einen guten 
Theil Wein getrunken. Er fagte: ich Höre engliſche 
Mannfchaft zieht nach dem Rheine. In dieſem Falle 
werben Sie mit mir zu thun befommen; denn ich will 
nicht daß Fremde das Reich betreten um deſſen Ruhe 
zu ſtoͤren. Sie mögen: bie Franzoſen in Lothringen, 
oder fonft irgendwo befriegen; wenn Sie aber über ben 
Rhein gehen, werde. ich genöthigt ſeyn mid zu. wi 
.derfegen und alle Reichsfürften. werden daffelbe thun. 
Wil Ihr Here den Kaifer bekriegen, fo.mag er be 
‚denken, daß Hannover gar nicht weit von mir ifl, 
und ich dafelbft einruͤcken kann, wenn es mir gefällt. 
Es giebt Mittel die Angelegenheiten bes Kaiſers in 
Ordnung zu bringen, wenn She Here nur kein Her 
in das Meich einruͤcken läßt. J 
Der König, fügt Hyndford hinzu, ſpricht über 
" die Angelegenheiten des Kaifers wie ein "Aberwigiger 
(a madman); er unternimmt (pretends) zwiſchen dem 
Kaiſer und den Franzoſen einen Unterfehieb zu ma: 
den. — Here von Pobewils fragte mich: ob ih 
+ jenes Geſpraͤch mit dem Könige vor oder nach Tiſche 


1748, Friedr. Über d. Krieg zwiſchen Englandxc. 189 


gehabt Hätte? — Nach Tiſche. — Nun fo muß er 
vol Weins gemein fen’). — 

Es ift moͤglich, daß ber König in einer folchen 
Aufregung ſich lebhafter und beftimmter als gewoͤhn⸗ 
ih ausbrüdte;s allein er beharrte nach ber kaltbluͤtig⸗ 
ften Überfegung bei jenen Erklärungen und ward durch 
viele deutfche Fuͤrſten dazu aufgefordert. 

So wie Hyndford an Obigem ben größten Anſtoß 
nahm, fo bezeichneten es nun bie Stanzofen, ihrer 
feits gleich einfeitig, als Verrath: daß Friedrich dem 
Engländern verftatten wolle Frankreich außerhalb Deutſch⸗ 
lands - zus befriegen, ohne ihnen pflichtichuldigft Bei⸗ 
ftand zu leiſten. 

Das Jahr 1743 verfloß für Friedrich ıumter man⸗ 
cherlei Überlegungen, gab jedoch noch keine Weranlafs 
fung zu wichtigen Belchlüffen, und fo berühren denn 
Hyndfords Berichte auch nur Einzeines. 

Der König, fchreibt er z. B. am Sten Januar?), 
ft ſehr artig gegen mih. Man hat bemerkt: 
daß wenn er eine toichtige Antwort erwartet, oder 
igend einen Plan im Kopfe hat; fo fehmeichelt er 
dem Abgeſandten derienigm Macht, mit welcher er 
glaubt am Meiften zu thun zu haben. 

Hyndford war in Prag gewefen und hatte Die 


4) He must have been in wine, 
2) Staatsarchiv, Preußen, Band 59. 


WM  . Siebzehnter Abſchnitt. 18, 


Söniginn,. den Großhotzog und den altın Gum 
Stahremberg gefprochen. Den wiener Hof (ſchteibt m 
den: ASt Mai 1743) hat gan nicht dia Abſicht mit 
dem Könige von: Preußen: in befpndere Unterhandlun 
“gen: zu. treten; und es: hat mir ein ſehr großes 
Bergnügen gemacht. zu finden, daß alle vollſin 
dig uͤber dieſes Fuͤrſten Charakter unterrichtet. fin, 
und meinen es fey nothwendig ihn: hinzuhalten (0 
amuse him). — Graf. Stahremberg ſagte mir: it 
Koͤnig has ein: Anerbieten gemacht, Maria Theft 
‚mit einiger Mannfchaft beizuſtehen, ohne: jedoch malt. 
Vorfihläge und Bedingungen, hinzuzufuͤgen, ober ent 
Antwort abzuwarten!) ; vielmehr verlangt er, daß M 
wiener Hof: die Bedingungen. ausſprechtr. Wir wol 
ſehr vorſichtig ſeyn beim- Vorſchlagen, ober. Annehmen 
derſelben. 

Je gluͤcklicher bie ſterreicher find: (ſagt Hyndfo 
irrig weiſſagend)) deſto mehr wird: ſich der Koͤni 
fuͤrchten und. deffo eher neutral bleiben. 

Sowohl oͤffentlich (führt der. Votſchafter fort),’) a 
in, Privatgeſellſchaften zu Potsdam, Hat der. Muh 


- die Güte und Mannszucht. unferes Heeres fo hen 





geſezt, daß er felbft Wecten anbot, wir tin 


1) Or waiting for an answer?. 
2) Bericht vom 20ften Mai. 
3) Bericht vom Gten Julius, Band 60. 


Mi Gyndforb.ung Friedrich M. 1 


wicht fechten; ober. im Zall wir dies wagten, wuͤrden 
wir geſchlagen werden. Als er das legte Mal in 
Berlin; war, hatte, er. bie Unklugheit einem fremden 
- Winifier zu. fagen: es ſolle ihm- lieh fein, wenn da@ 
engliſche und franzöfifche Heer fich eine Schlacht Lies 
ferten, benn: es fen für. ihn“ gleich wer obſiege. Und 
ſelbſt in diefen Rede: offenhart ſich fowel Seuchelei 
als Thorheit, weil aus dem, was folgte gewiß iſt, 
daß er den Franzoſen Gluͤck wuͤnſchte. 

Drei. Tage nachdem Lord Hpnbforb ben König 
ber Heuchelei und Thorheit beſchuldigt, und es ihm 
ſo uͤbel nimmt, daß er nicht durchaus engliſch geſinnt 
ſey, ſchreibt ex ſelbſt): der größte. Vortheil, weichen 
Maria Thereſia von dem Frieden mit Baiern haben 
wird, beſteht darin, daß ſie nun den Koͤnig von 
Preußen erdruͤcken kann. Denn:abgefehen von der 
unausweichbaren Nothwendigkeit, welche er allen ſei⸗ 
nen Nachbarn auflegen. wird, große Heere zu halten; 
wird. er. ſich, bei jeder Gelegenheit wo ſich der ger 
ringſte/ Vortheil für ihn abſehen laͤßt, mit dem 
Allgemeinen. Feinde verbinden, um diejenigen zu ze 
ſtoͤren, welche feine beſten Steunde fin. Denn er 
achtet Peine. Macht im Himmel, oder auf Erden. weis 
ter, als er ſich vor ihnen fürchtet. 

In feiner Morgengefellfchaft (levee)- fpielte er ben 





1) Bericht vom Iten Julius. 





192 Siebzehnter Abſchnitt. 1738, 


Satyr gegen alle fremden Botfchafter, fo daß kaum 
ein Fürft Europas feiner böfen Bunge entging '). — 
Er fcheint jegt mehr als einige Zeit zuvor mit Vor 
bereitungen für Opern und Ballete befchäftigt zu fen. 
Herr Voltaire ift hier wieder angekommen und fies 
in Gefehfchaft des Koͤnigs?), welcher entfchloffen fcheint 
ihm Stoff zu einem Gedichte zu geben über die Ver 
gnügungen (diversions) Berlins. Man fpricht hie 
von Nichts, als von Voltaire: er lieſet den Königix- 
nen und Prinzeffinnen feine Trauerſpiele vor bis fe 
meinen, und überbietet den König in Satyren und 
übermüthigen Einfällen. Niemand gilt hier für ge 
bildet, der nicht dieſes Dichters Werke im Kopf ober 
in bee Taſche hat, ober in Reimen fpricht. 

Ich war legt mit dem Könige in der Dper. 
Der Vorhang ging nur ein Stüdchen in die Höhe‘), 
fo daß man blos die Beine einiger franzöfifchen Taͤn⸗ 
zee fehen konnte, welche ſich übten. Dies flellt, fagte 
mir der König, vollkommen das franzöfiihe Miniſte⸗ 
eium dar: Beine ohne Kopf! — Herr von. Valor 
hatte diefe Worte doch gehört und flüflerte mir zu: 
Zur diefen Abend ift dies mein Rn ich werde 
es einfteden. 


1) Bericht vom 15ten Julius. 
2) Bericht vom Sten Oktober. 
8) Bericht vom 29ften Oktober 1743. 


— 


. t 


1744. Hyndforb über Friedrid. 193 


Zum Anftoß der Steifleinenen, trägt Herr von 
Balory ein Ohrgehenk der Prinzeffinn Czernicheff). 
Noch größere Bewegung veranlaßte es, daß er’ ein 
"Fräulein Kalkſtein als weiße Henne, und fih dazu 
als fchwarzen Hahn in unſchicklicher Weiſe (indecent- 
Iy) malen ließ. " 

Friedrich IE ſchreibt feine Briefe an den Kaifer 
und nad Paris mit eigener Hand, und behält Altes 


unter eigenem feſten Verſchluſſe). Selbſt Podewils 


erfaͤhrt davon Nichts. — Der Koͤnig hatte nie ein 
gutes Syſtem und wird nie nach einem ſolchen han: 
dein. Er weiß feldft nicht was er will, oder nicht 
will; nie bleibt er, auh nur 24 Stunden Hang, 
eines Sinnes. — Mit Baiern und Frankreich hat 
er allerhand Unterhandlungen begonnen, und will den 
Grafen: Rothenburg nad) Paris fenden ’). Um bdefz 
fen Tuͤchtigkeit zu prüfen, übernahm der König. die 
Nolte des franzoͤſiſchen Mintfters, hob alle nur moͤg⸗ 
lihen Schwierigkeiten und Gegengründe wider feine 
eigenen Anträge hervor, ohne fich -felbft dabei zu ſcho⸗ 
nen. Rothenburg widerlegte Jegliches fo gefchickt, 
daB ber König zulegt fagte: wenn Er fo gut fpricht 


1) Bericht vom 3Often November. 

2) Reichsarchiv, Preußen, Band 62, Merichte vom 
Vöften Januar, 18ten Zebruar und 12ten Mai 1744. 
8) Bericht vom 22ften Februar 1744. 
I. 


194 | Siebtehnter Abſchnitt. Utl. 


und fo- gute Gruͤnde vocbeingt, wird Ihm gewiß der 
Erfolg nicht fehlen. 

Cs muß (fagt Hyndford) überall Zweck ber ung 
liſchen Staatskunſt feun, dad Haus Brandenburg zu 
erniedrigen‘). So lange biefem unerfättlich eb: 
geizigen Fürften die Flügel nicht befchnitten find, ti 
er für die Freiheiten Deutfchlande and bie Ruhe Ev: 
ropas fo gefährlich bleiben, als felbit Frankreich. — 
Er eriumert mid an eine gewille Sorte von Weiber 
die ihren guten Ruf verloren haben und dann übe 
ihre Nachbarinnen zuerst: Hure, Huve fchreien. Es 
iſt in ihm mehr von einem chikanirenden Advokaten, 
als von einem Helden?). Er fürchtet ſich mehr vor 
. Rußland, als vor Gott. 

Man bemerkt Vorbereitungen zus einem Kriege’); 
aber aus der vom Könige vorfäglich angerichteten Ver 
wirrung von Märfchen, Gegenmaͤrſchen m. |. m. kau 
Niemand ‚Eng werden unb feiner errathen was m 
eigentlich bezweckt. Man hörte, daß der König fage‘): 
wenn er glauben koͤnnte, daß fein Hemde, ja fin 


1) Bericht vom Bften April. | 

2) Bericht vom 18ten Zutius. Hyndford ſpricht viel 
von dem little evil spirit count Finkenstein. — dom 
10ten Junius. 

3) Bericht vom 28ſten Julius. 

4) Bericht vom’ Aten Augufl. 


04 Bpanien, Esantsei. 20 


0 


Haut, tens von dem wife mas er thum elle, fo 
wuͤrde ex es zmreißen (fear ihem oil). 

Sechs Tage nachher, den Mten Auguſt, brach 
ber Koͤnig in Böhmen ein. 


Achtzehnter Abſchnitt. 


Es iſt nicht meine Abſicht die Gruͤnde des zweiten 
ſchleſiſchen Krieges aus Friedeichs II Grſchichte feiner 
Zeit und aus andern ‚bekannten Quellen hier aufzu⸗ 
zählen, unb noch mweniger die Wegebenheiten des Feld⸗ 
zuge von 1744 zu entwiden. Gewiß singen bed 
Koͤnigs Erwartungen nicht in Erfüllung und der Tod 
Karls VH (den 20ften Sanuar 1745) bringt erſt 
neues Leben in die diplomatiſchen Unterhandlungen. 
‚Hier fey es erlaubt Vereinzeltes aus ftuͤheren geſandt⸗ 
ſchaftlichen Berichten mitzutheilen, ohne den unnuͤtzen 
Verſuch zu machen, es in einen engeren Luſammenhang 
zu bringen. — Zuvoͤrderſt Einiges aus Feankreich 
und Spanien. | 0 

Schon am 14m Oktober 1741 war zwiſchen 
beiden Mächten ein Vertrag geſchloſſen worden ’). Spa: 


1) Reichsarchiv, Frankreich, Band 90. 
5 i 9* 


g f 


196 Achtzehnter Abſchnitt. 1741 298 


nien will 50,000 Sranzofen beſolden, und Frankreich 
ihm dagegen einen vortheifhaften Frieden mit England 
verfhaffen. Altes ift unbeflimmt und vieldeutig ge 
halten. — Aus einem Berichte vom 28ſten Mäy 
1742 geht hervor '), daß man in Paris darauf re: 
nete, es werde in England zu keinen feſten Beſchluͤß 
fen kommen. Für Geld erhielt der englifche Gefandte 


Nachrichten die Fülle; nicht felten aber war ihm ber 


Preis fuͤr das Dargebotene zu hoch. Es finden ſich 
Klagen über die Noth in Frankreih und Spanien. 
Insbeſondere will die Geiftlichkeit des legten Landes 


nicht, der päpftlichen Bulle gemäß, acht vom Hun⸗ 


bert ihrer Einnahmen einzahlen. Sehr Taut find die 
Befchwerden ber Spanier im Herbſte 1743 über bie 
Langſamkeit und ungenägende Hülfe der Sranzofen ?). 

Auch gingen in Paris allerhand Skandale neben 
der Politik her und beflimmten diefelbe. So heißt es 
(um wenigftens ein Beifpiel zu geben) in einem Bericht 
vom 12ten November 1742?): allem Anfcheine nad, 
bat der König fi eine neue Beilchläferinn angefchafft. 
Madame de Mailly, welche einige Jahre ‚lang für 
die alleinige Favorite galt (und nur elne Zeitlang 
bie Sunft mit ihrer Schwefter der Frau von Binti: 


1) Band 92. 
2, Band 94, Bericht vom Sten Dätober 1748. 
8) Band 92, 


1282. Ludwigs XV Maitreffen. 197 


mille theilte) fieht ſich jegt gezwungen den Sof. zu 
verlaffen und ihren Pag einer dritten von ihren 
Schweftern, der Frau von Tournelle einzurdumen. 
Diefe Sache hat nicht wenig Schwierigkeiten gefun: 
den: denn Frau von Kournelle, welche vor ihren 
ältern Schweftern den großen Vorzug hat, daß fie 
ehe ſchoͤn iſt, ſchien entfchloffen für ſich dem beften 

Handel zu machen, der nur irgend möglich. Anfangs 
lauteten ihre Bedingungen fehr hoch. Sie forderte: 
daß fie für des Könige Veifchläferinn erklaͤrt werde, 
mit welcher Würde ein großes Jahrgehalt verbinden 
fl. Sie verlangte ferner ein eigenes Haus für ſich 
und daß, fie nicht gehalten fen bes Könige Abend- 
mablzeiten beizumohnen, fofern die Gefellfchaft nicht 
nad) ihrer eigenen Wahl ſey. Sie Kürfe ferner. in 
ihrem eigenen Haufe fehen wen fie wolle, und wenn 
der König dahin komme um fie zu befuchen, fo folle 
um deswillen ihre Gefellfchaft nicht geftört oder ver- 
drängt werden; endlich (morohne alles Andere nicht 
genüge) müfle. Stau. von Mailiy vom Hofe fortge: 
ſchickt werden. Es ift noch nicht bekannt, welchen 
Erfolg ihre anderen Forderungen gehabt haben; gewiß 
aber iſt Frau von Mailiy in Paris angelangt, und 
Stau von Xournelle mit dem Könige "nach Choify 
gefahren. Man kann nicht annehmen, daß dieſer 
Wechſel keine weiteren Folgen herbeiführen wich. Die 
neue Herrinn, wird gewiß auch neue Favoriten. ihrer 


[f 


198 . Achtzehnter Abſchnitt⸗ 1788. 


Wahl unter. Minen und Weibern haben mol, 


und fo mag der Einfluß ſich ſelbſt bis auf bie Mr 
nifter ecfteedden. - 

Den Ion Januar 1743 ') Karb ber feiedliebene 
Kardinal Fleury, wodurch die kriegliebende Partei am 


Hofe ein entſcheidendes Übergewicht erhielt, obgleich 


die Volksſtimmung hiemit keineswegs üuͤbereintraf. 
Die Maſſe des Volks in Frankreich (heißt es in 
einem Berichte vom Aten September 1743) °) war 
von Anfang an einem Kriege wider Maria Thereſia 
abgenelgt. Jeder Schritt gefhah nur mit Wide: 


willen, und man bat gemeint die Unfälle ſeyen wohl 


verdient. Sobald aber bie Rede darauf kommt, daf 
man Ihnen Länder abnehmen wolle, fleigt ber Eifer 
in einem unbefchreiblihem Maaße. Wenn ein Zehn 
tel (Tagen fie) für den Staat nicht hinreicht, muß 


‚der König ein Fünftel nehmen. Überhaupt, wer die 


Natur der Sranzofen ſtudirt hat, wird finden: daß 


fie wohl eine Niederlage ertragen koͤnnen, 


nit aber eine Befhimpfung?). 
Wenden wir und jegt nach dem Norden, fo ma: 


1) — vom Soſten Januar 1748. Frankreich— 
Band 98. 


2) Frankreich, Band 93., a 


8) Though they may ver: a besting, they will not 
bear being idsulted. 


1744, Schweden, Preußen. 199 


ren Schwedens Hoffnungen, früher verlorene Lands 
fehaften den Ruſſen wieder abzunehmen, völlig fehl- 
gefhlagen. Ste mußten im Frieden von Abo einen 
Theil Finnlands abtreten und es erleben, daß ber 
Herzog Peter von Holſtein die Ausficht auf den ruf 
fiihen Thron, den ſchwediſchen Erbietungen vorzog. 
Nach einer langen Reihe von Umtrieben, Beſtechun⸗ 
gen und fremden, Einmiſchungen ward Adolph Fried⸗ 
rich von Holftein- Gottorp zum Thronfolger erwählt. 
Us ſich diefer im Jahre 1744 mit Ulrike Eleonore 
der Schweſter König Friedrichs IL vermählte‘), ſchienen 
freundfchaftfiche Verhaͤltniſſe zwiſchen Schweden und 
Preußen auf laͤngere Zeit beguͤnſtigt zu ſeyn. 
Gleicherweiſe ſchien viel gewonnen als, nach lan 
gen Unterhandlungen, die Prinzeffinn von Zerbſt zur 
Gemahlinn ded ruffifhen Zhronfolgers Peter beflimmt 
war. Im Februar 1744 langte Katharina (damals 
15 Sahre alt) in Petersburg an”), warb glänzend 
aufgenommen, und ben erflen September 1745 mit 
Peter vermaͤhlt. i 
| Nach wie wor blieb der ruffifche Hof ein Schau: 
plag mannichfacher Intriguen: es mißgluͤckten jedoch 
die Bemühungen des oͤſterreichiſchen Geſandten Botta 
(Auguft 1743) und des Franzoſen Chetardie (Ju⸗ 


1) Reichsarchiv, Schweden, Band 80, 81, 
2) Bericht vom Ilten Februar 1744. Rußland, Band 38, 


200 Achtzehnter Abſchnitt. 174. 


nius 1744) ').. Der legte hatte anmaßlich einm 
Briefwechfel mit der Mutter Katharinas angeknäpft, 
und den. Plan entworfen. das ganze Minifterium um: 
zugeflalten. In einer britten Richtung fuchte der 
englifche Gefandte einzuwirken. Er fchreibt den 10tm 
September 1744°): Der ruſſiſche Abel, die Geiſtlich— 
keit und das Volk glauben, daß fie zu mächtig find 
‚um in ihrem eigenem Lande angegriffen zu werden 
und daß es für dies Reich völlig gleichgültig ift, was 
in dem. übrigen Europa vorgeht. Dies ift ein fat 
ſcher Grundfag den wir ausrotten muͤſſen, wen 
wir koͤnnen, obgleich er tiefe Wurzeln gefaßt hat. 
Auf feines Gefandten Mardefeldts Verſicherungen, 
daß. jener Grundſatz unwandelbar feftftche, baut der 
König von Preußen feine Plane. 
Doch wurden um biefelbe Zeit Vorfchläge fehr entge 
gengefegter Art berathen. Sch muß Euer Derrlichkit 
(fchreibt der Gefandte am Sten Oktober 1744) im hoͤchſten 
Vertrauen melden: daß Beſtucheffs Abficht ift die Kaife: 
tinn Elifabech zu vermögen, Preußen dem Könige 
Stiedrih abzunehmen und es den Polen 
zu geben; wogegen biefe Pleskow und 
Smolenst nebft Zubehör an Rußland ab 
treten follen: und hiezu, hoffen wir, mie 





1) Beriht Tyrawlys vom 6ten Iunius 1744. 
2) Band 89. 





1744. Katharina, Peter, Rußland. 201 


Eliſabeth ſich verleiten laffen, aus Gründen der Re 
figton! Sie trägt biefe naͤmlich ſehr zur Schau, 
und wuͤrde durch jene Maßregel viele griechifche Chris 
ſten unter ihre Herrſchaft bringen. Die Geiftlichkeit 
wird den Plan gewiß billigen, und ich glaube dies 
iſt der einzige Weg wie wir ‚bie Salem in den 
Krieg verwideln koͤnnen. 

Wie Vertheidiger von folcherlei Planen, über die 
Diplomatit Friedrichs II den Stab brechen durften, 
ift ſchwer zu begreifen; auch war Elifabeth allen Ge: 
fhäften fo abhold '), und in der Megel (gleich wie 
ihre Minifter) fo ganz von Gelde entblößt, daß nur 
die neu eröffnete Ausſicht auf den Empfang fremder 
Hülfsgelder zu wirken fchien. 

Friedrich IL waren dieſe / Verhäftniffe gewiß nicht 
entgangen, weshalb er feinem Gefandten Mardefeldt 
viel Geld uͤberſchickte) und den beiden Kanzlen Be: 
flucheff und Woronzow 25,000 Thaler anbieten ließ. 
Denn (fagte Eliſabeth) der König von Preußen fo 
viel Geld übrig dat, fo nehmt es ihm ab. — Viel: 
leicht hierdurch ſah fih Maria Thereſia veranlaßt, 
jenen nun ihrerfeits Diamantringe zu ſchenken. 


1) Bericht vom fen September und 18ten Oktober 
744, 


2) Berichte vom Sten Januar und 19ten Januar 1745. 


Band 40. 
9** 


202 Achtzehnter Abſchnitt. 178. 


Am ten Februar 1745 ſchteibt ein engliſcher 
Bevollmaͤchtigter Tyrawly aus Petersburg ') : dee König 
don Preußen ſpricht nur deshalb von ber tuffilden 
Vermittelung weil er völlig zu Grunde gerichtet iſt. 
Die Kaiferinn thaͤte aber weit beffer das Baͤren 
fell zu theilen, welches ihr vielleicht nicht wieder 
fo geboten wird. Dem Kantnzler Beſtucheff gefaͤll 
diefee Gedanke; auf Woronzow haben aber Die preu: 
ßiſchen Gruͤnde (das Gelb) zu ſtarken Eindruck 96 
macht. 

Ich fuͤrchte (fügt der nach Petersburg vetſetzte 
Hyndford fpäter Hinzu)?) Frankreich wird dem hieſigen 
Hofe fo viel für die Neutralität bieten, als vote ihm 
‚geben wollen um thätig einzuwirken, und es iſt leicht 
abzufehen, welchen von beiden Vorfchlägen man an: 
nehmen wird. 

Acht Tage fpäter (den 2Aften Mai) heißt es: 
die Kaiſerinn wird ſchwerlich dahin zu bringen ſeyn 
mit Öfterreihh und Sachſen vereint, und noch went: 
ger allein, gegen den König von Preußen aufzutreten. 
Einige behaupten fogar: fie habe ihm dies insgeheim 
eidlich verfprochen, und er fey vergangenen Jahres 


1) Ebendafelbft. 
2) Bericht vom 18ten Mai. Reichsarchiv, Rußland, 
Band AL, 








1743. Intriguen, Beſtechlichkeit. 203 


mit ihrem Wiffen und ihrer Zuſtimmung in Boͤh⸗ 
men eingebrochen. — Obgleich die Kaiſerinn folche 
Zaͤrtlichkeit gegen Friedrich IE zeigt, geht dieſelbe doch 
nur hervor aus Abneigung (spite) gegen Marla The: 
refia, und fie ift bereit fidy offen gegen Frankreich zu 
erklaͤren (?). 

Die Geldnoth dauert hier fort"), und hat ſich noch 
erhöht ſeitbem Ellſabeth den Geiſtlichen 860,000 Ru: 
bei zuruͤckgab, welche Peter I ihnen genommen hatte. 

Es verſteckte fich ein Menſch Hinter einem Bor: 
hange sum die Kaiſerinn zu ermorden; durch die härtefle 
Marter war ihm jedoch Fein Wort abzuprefien. Eli⸗ 
faberh tft hierüber in ſolchem Schreden, daß fie felten 
über zwei Tage an demſelben Drte bleibt, und we: 
nige Perfonen willen wo fie fchläft. 

Sm einem Berichte vom erſten Oktober 1745 
erzählt der englifche Geſandte?) wie man allmälig die 
Katferinn wider Friedrich II zu flimmen ſuche. Sie 
fagte: er iſt gewiß ein boͤſer Fürft, ohne Gottesfurcht, 
dreht jede Sache ins Lächerliche und geht niemals 
in bie Kirche Er if bet Schah Nadir von 
Preußen ). 

Die aͤltere Fuͤrſtinn von Zabſt (Katharinas Mut⸗ 


23 Bericht vom ten Junius. 
2) Rußland, Band 42. 
8) Bericht vom ten November. 





204 Achtzehnter Abſchnitt. 128, 


tee) hatte ſich allerlei herausgenommen und war da: 
durch in Mißverhaͤltniſſe zur Kaiferinn gerathen. Sie 

nahm jegt Abſchied von ihr, und bat fie dabei fuf: 
fällig und mit Thraͤnen um Verzeihung. Eliſabeth 
anttwortete: jeut ſey es zu fpät hieran. zu denken; in 
deß würde es befier für fie geweſen fen, wenn fie 
“immer ſolche Demuth bezeigt hätte. Mit des Groß: 
fürften Benehmen ift die Kaiſerinn keineswegs gan 
zufrieden, und hält ihn unter genauer Aufficht; bie 
Großfürftinn dagegen gefällt ihr bis jegt fehr wohl, 
auch ſcheint diefe ein gutes Geſchoͤpf (a good crea- 
ture) zu. feyn. 

Nach wie vor wechſeln am ruſſiſchen Hofe Caba- 
fen, Intriguen, Hoffnungen, Beforgniffe, Beftechun: 
‚gen, Zuchtloſigkeiten. Es lohnt nicht der Mühe, dies 
weiter ins Einzelne zu verfolgen. Nur noch -zwei 
Proben; Beſtucheff forderte rund heraus Gelb vom 
engliſchen Gefandten, zum mindeſten zinsfreie Dar: 
lehn auf viele Jahre. Alle dagegen erhobenen Be 
benten machten feinen Eindrud und der Gefandte 
fagt am Schluffe feiner Erzählung‘): mein Freund 
lebt gewiß in ber größten nur denkbaren Noth, er .ift 
der ganzen Melt ſchuldig. 

Mancher Bericht warb in der Abficht ohne Chif: 
fern gefchrieben, daß er geöffnet. und von ber Kaife: 


1) Bericht vom 27ften Gept. 1746. Band 44. 





1785. Maria Therefia. 206 


rinn gelefen werben follte. In einem ſolchen fchreibt 
Lord Hyndford!): Ener Herrlichkeit koͤnnen fich nicht 
vorftellen, wie ſchoͤn der Anzug eines Officiers der 
Kaiferinn ftand! Ich bin uͤberzeugt, wer fie nicht 
kannte, würde fie für einen. Officier gehalten haben, 
wenn nur ihre Geſicht nicht fo ſchoͤn wäre. Im der 
That, Ihre Majeſtaͤt haben das Herz eines Mannes 
und die Schönheit eines Weibes, und verdienen von 
der ganzen Welt betvundert zu werben! 





Reungehnter Abſchnitt. 


Wenn ein Lob vorſtehender Art über eine der 
damaligen Herrfcherinnen ausgefprochen werden follte, 
fo verdiente es nicht Elifabeth, fondern Maria The: 
vefin. Nachdem der Haß verkiärt und Vorurtheile 
zu Boden gefallen find, glänzt fie und Friedrich BI 
durch die. Jahrhunderte; während Kart VII, Eud 
ig XV, Philipp V, Georg II und Etifabech nur 
als untergeordnetes Gefolge jener beiden Chorführer 


erfcheinen. 
Nicht unnatuͤrlich biieben in Sſterreich ſelbſt nach 


1) Bericht vom 80ſten November 1745. Band 42. 


206 Neunzgehnter Abſchnitt. 1748. 4 


dem Abfchluffe des Breslauer Friedens, Beſorgniſſe 
gegen Preußen zuruͤck. Deshalb fchteibt bee engfifche 
Gefandte am 23ſten November 1743 aus Wien’): 
Der König von Preußen giebt dent hiefigen Hofe die 
beften Worte. In Betracht feines früheren Bench: 
mens und. weil er Alles in ſteter Beteitſchaſt Hark, 
. um, fobatd «8 ihm belebt, In dieſſeitige Landfchaften 
einzufallen, meint man hier 08 fey noͤthig ſtets auf 
der Hut zu ſeyn. — Außerdem fehlte es nicht an 
Luͤgen, um ben Haß gegen Friedrich zu erhöhen. So 
. erzählte man: er habe in Schlefien : 2000 Kinder 
wegnehmen, und fie nach Preußen bringen laſſen?). 
Als Frankreich am 15ten März 1744 den Krieg 
an England erklaͤrte, war Marta Theteſla fehr erfreut 
und fagte: Gott hat ein Wunder gethan zur Erhal⸗ 
‚ tung Suropas?), indem er verftattete, baß die Kran: 
zofem im ihrer Blindheit und Anmaßung Krieg er 
Härten. Ich bin nicht mehr als Haupttheilnehmerinn 
allein auf dem Schauplage. Mein Gott, hätte ich 
handeln wollen wie meine Verbündete! 
Der legte Ausruf hing wol zufammen mit den 
Klagen Marla Thereſias über England und Holland. 


) Reichsarchiv, ſterreich, Band 158. 
D Band 155. Bericht vom 26ſten Februar 1744, 
3) Band 156. Bericht vom 27ften April 1744. 


TE. Marta Iherefia über Ftiedrich. 7 


Dan dat mie (ſprach fie)") den Frieden von Bres⸗ 
lau aufgezwungen unb bie barauf gegeimbeten Hoff: 
nungen find nicht in Erfüllung gegangen. In der 
letzten Hälfte des vorigen Jahres geſchah Nichte, ber 
Vertrag von Worms kam nicht zur Vollziehung, Bein 
einziges Schiff aus einer fo großen Flotte ward zu 
meinem Dienfle aufgeſpatt, und jetzt (nachdem ich in 
meiner Schwefter ein fo theures Pfand berchin ge: 
hie) verläßt man die Miederlande, Ste enmahnte, 
fie beſchwur uns (die Geſandten) deshalb aufs Drin: 
gendfte nach London zu fehreiben. Es fey dabei nichts 
noͤthig als ihre jegige Gemuͤthsbewegung (agitation) 
und ihre Velhläffe in das vechte Licht zu ſtellen. — 
Sene Bewegung ihres Gemuͤths Iegte fie wahrlich 
mit der kraͤftigſten Lebhaftigkeit zu Tage, und ihr 
Entſchluß als Färftinn ſey, ſich keinem unficheren, uns 
ehrenvollen Frieden zu untermerfen, fo lange fie noch 
irgend ein Heer befige; — was auch bie Plane Frank 
teich®, oder derer feyn moͤchten, welche die Niederlande 
preis gäben. 

Ein andermal fagte Maria Therefia in Bezug auf 
den breslauer Frieden?): Mic, bekümmert nit fo 
fehr der Verluſt Schlefiens an fich, als daß ein Nach: 
bar mit einem folhen Charakter es erwarb. Des: 


1) Bericht vom Iften Mai. 
2): Bericht vom ˖ 10ten Julius. 


208 Neunzehnter Abfchnitt. 174. 


ungeachtet will id; unter dieſer Unbequemlichkeit (in- 
convenience) ſtill figen, dem Könige von Preußen 
keinen Grund zum Argwohn geben, ober Gelegenheit 
zum Bruche bes Vertrages fuchen. In Betrachtung 
von Friedrichs Charakter fey es indeſſen dringend nd: 
thig, an alle die Maaßregeln zu denken, welche 
(ohne ihn zw beleidigen) zur Dedung gegen einen 
feindlihen Anfall dienen koͤnnten. — Doch glaubte 
man um fo weniger‘), daß der. König losſchlagen 
werde, da er und Frankreich allen Einfluß in Ruf 
(and verloren hätten. 

Den 5ten Auguft 1744 (fünf Tage vor Freie: 
richs Einbruch in Böhmen) fchreibt der englifche Ge: 
fandte aus Wien?): Alle ohne Ausnahme fuchen bier 
den Kaifer duch die Räumung Baierns zu gewin- 
. nen, und Frankreich auf jede Weife in Noth zu brin- 
gen; damit beide, Baiern und Franzoſen, den König 
von Preußen der Möglichkeit aufopfern, einen allge: 
meinen Frieden durch die Rüdgabe Schlefiens an 
Öfterreich abzufchließen. 


1) Bericht vom Aten Julius. Öfterreic, Band 157. 

2) Ebendaſelbſt. In Sachſen hielt der König firenge 
Mannszucht und ließ insbefondere kein Wild fchießen. Gr 
habe in Potsdam gefagt: that his own sport should be 
the hunting of the Saints in Bohemia. Preußen, Band 
63, Bericht vom 18ten Auguft 1744. 





1745. Tod Karls VII. Friedriche II Briefe. 9 


Die bier ausgefprochenen Plane befkätigen Fried⸗ 
richs II Behauptung: er würde, durch längeres Stills 
fiyen für feine Sicherheit nichts gewonnen haben. 

Der Tod Kaifer Karls VII (am 20ften Sanuar 
1745) fchien bie Auflöfung der verwidelten. Verhaͤlt⸗ 
niſſe fehe zu erleichtern. Deshalb ſchrieb Friedrich II 
ben 26ften Sanuar feinem Gefandten Klinggräff in 
Zonbon'): J’appris hier au soir par un courier que: 
mon ministre a la cour imperiale m’a depeche, la 
nouvelle que. l’empereur 6toit mort d’ane gautte 
remontée a la poitrine. Voila encore un grand 
evenement qui changera bien de choses. 

Vons ne manguerez pas de parler incontinent 
a Mylord Harringten, lui disant de ma part que 
je souhaiterais de honne heure de ‚me concerter 
avec l’Angleterre sur ce qu'il y avait à faire dans 
cette eirconsfance par rapport & ce quil y aveit 
a faire dans cet dvenement, pourvu que je troave 
par elle ma sureie et ma convenience. 

Ein zweiter Brief Friedrichs vom naͤchſten Tage 
(27ſten Januar) lautet: Comme la mort de ’Em- 
'pereur est un €venement qui changera considera- 
blement la face des aflaires, non seulement en 
Allemagne, mais en tout le reste de l’Europe, il 
“est necessaire que sans perte de temps, Vous vous 


. 1) Reichsarchiv, Volume Prassian Ministers No. 6. . 


N 


210 Neunzehnter Abfchnitt. 21345. 


abbouchicz de ma part. avec. Mylord Harringten, 
puisque selon qu'on s’y prendra, pourra ou faci- 
liter. la paix, ou bien y faire naftre de plus grands 
ohstacles. Vous direz dont de ma part à ce se- 
eretaire d’6tat que faisant un cas infini de ses gran- 
des Iumiöres et de ses sentimens justes et «qui 
tables pour le retablissement de lu paix, surtont 
en Allemagne, j’esperais qu’on voudrait bien 8’ou- 
vrir conädenment à Voas sur la facon de penser 
de la cour britannique sur cet @venement et sur 
les veritables ‚sentimens qu’on pouvait aveir sur 
un candidat pour la dignite imperiale, et comment 
on se pourrait servir de la mort de ce dernier 
empereur pour parvenir d’autant plus- facilement 
à la paix sans laisser ecraser entierement la mai- 
son de Baviere et en placant sur le trone impé- 
rial un sujet qui fut agr6able à Sa Majesté bri- 
tannique et A la nation angleise. Vous declareres 
confidemment que si on voulait entrer sans perte 
de temps dans le plan, que je Veus ai charge de 
proposer au Lord Harringion, je me prôterais avec 
plaisir aux idées de l’Angieterre pour: Y'election 
d’un nouvel empereur, et que si nous dtions une 
fois d’accord la dessus, il ne serait pas diflichke- 
de faire entrer le reste du college electoral et de 
faire cesser par la les troubles qui dechirent PAI- 
lemagne et qui iräient toujours en augmentant si 


135.  Verhanklungen mit England. 211 


Fon ne s’enlendait pas de bonne heure fü dessus. - 
@ue men intentien &iait sincere de tirer la möme 
vorde avec l’Angleterre des que la paix serait re- 
tablie entre moi et ia reine d’Hongrie aussi bien 
que la maison de Baviere sur le pied juste et 
rsiseunable que j’avais- inanpe au rar eng: 
ton par Vous, 

Weit England viel zu Überlegen und mit feinen 
Verbündeten Nedfprahe zn nehmen hatte, erhielt 
Friedrich (fo ſcheint es) zunaͤchſt gar Leine befticdis 
gende Antwort, ynd den 12ten April") ſchreibt dee 
englifche Gefandte aus Wien: diefer Hof will 
Sclefien wieder gewinnen, ſelbſt auf die Ges 
fahr Italien verlieren. Die Kaiſerkrone ohne Schle- 
fien ſey nicht des Tragens werth. 

Bu einer folchen Hoffnung fehlen nach der Aus: 


ſoͤhnung Oſterreichs mit Baiern?) (22fen April) dops 


selte Hoffnung vorhanden zu feyn. Auch fagte ber 
junge Kurfuͤrſt von Baiern zu einem oͤſterreichiſchen 
Minifter: Frankreich hat meine Vorfahren ducch Jahr: 
gelder unterjoht. Sie fehen, in welchem Zuſtande 
ic hiedurch meine Länder wieder erhalte. Ich hoffe 
ich werde an ben Sremchten ein anderes Frankreich 
ish 


1) Reichsarchiv, Öfterreich, Band 162. 
2) Bericht vom Sten Zulius, Band 163. 


212 Reungehnter Abſchnitt. 1748. 


Unterdeſſen hatte Friedrich II, gegen oͤſterreichiſche 
Erwartung, die Schlacht von Striegau, oder Hohen 
friedberg gewonnen"), und zwar nicht in Wien, aber 
doch in London Friebensgedanken hervorgerufen. Am 
iiten Julius fehreibt deshalb Lord Harrington an 
Robinfon?): wir muͤſſen die Stärke unferer Feinde 
zu verringern fuchen, indem wir wo möglich Preußen 
von feiner unnatürlichen und gefährlichen Verbindung 
mit Frankreich trennen... Im Mär; hatte uns be 
König Vorfchläge gethban, weigert fih aber feitdem 
durchaus Ddiefelben zu erneuern, weil er behauptet: 
man habe jene eriten den Franzoſen ‚mitgetheilt, wo⸗ 
durch er in Gefahr gerathe, von diefer Macht verlaf 
fen zu werden. Doc hoffen wir, er. fey bereit auf 
den Fuß des berliner Friedens abzufchließen, und id 
fehe nicht ab, wie Seine Majeftät?) in der gegenwaͤr 
tigen betrübten und hoffnungslofen Lage vermeiden 
ann, ihm -dies vorzufchlagen. Sie mögen - diefen 
Antrag in Wien machen und durchzuſetzen fuchen. 


1) Den 4ten Junius. 
2) Ebendafelbft. 
3) His Majesty, was meines Erachtens auf den König 


von England geht, wahrſcheinlich der Landung bes Präten- 


denten in Schotland halber. Im Januar 1744 hatte bie 
fer bereitd Rom verlaffen und ſich nach Frankreich begeben. 
Reichsarchiv, Frankreich, Band 94, Bericht vom Januar. 


‘ 


1965. Berhanslungen mit Öflerseih. 213 


Robinſon entwidelte Hierauf die Lage der Dinge 
und die Gründe diefes Antrags. Die Königinn Ma: 
ria Thereſia (erzähle er im WBerichte- vom Aten Au: 
:guft) babe ich nie fo zurückhaltend gefehen. Sie un: 
terbrach mic) bei der Audienz nur felten, dankte für 
Englands Freundſchaft und verſprach mit ‚ihren Mi- 
‚niftern Alles zu überlegen‘). Was aber auch be 
ſchloſſen wird (fuhr fie fort), ich kann feinen Mann 
aus Friedrichs II Nachbarſchaft Hinmegziehen. Viel⸗ 
leicht iſts möglich, ein, zwei Regimenter Fußvolk und 
ein, zwei Regimenter Reiterei nach Italien zu fenden; 
alle übrige Mannfchaft ift im Frieden nicht minder 
als im Kriege nöthig zur unmittelbaren Vertheidigung 
meiner Perfon und Familie, gegen Diet König von 
Preußen. 

Sch bemerkte: 70,000 Mann — hiezu doch 
nicht erforderlich, und fo argwoͤhniſche Schluͤſſe wider 
den König bewieſen zu die. — Sie fragte hierauf: 
ift denn weniger Hoffnung vorhanden, Frankreich ab: 
zuziehen als Preußen? — Ich antwortete: der Koͤ⸗ 
nig wird leichter Frieden machen, wenn er behält was 
er hat, als Zrankreih, wenn es herausgeben foll, 
was es erwarb, während. ed auf dem beflen Wege 
if, in den Niederlanden noch mehr zu eroben. — - 
Prinz Karl (fagte Maria Therefin) iſt im Stande 


1) Öfterreich, Band 163. 





214 Reunzehnter Abſchnitt. 16. 
dem Könige eine andere Schlacht zu liefern. — Bir 
(entgegnete ich) dieſe Schlacht gemonnen, fo iſt She 
fies nos) ‚nicht erobert; geht fie verloren, fo find Eun 
Maijeftät in ihrer Heimat varloren. — Muͤßte ih 
auch (fagte Marin Thereßa) morgen mit dem ‚König 
abſchließen, würde ich doc, hente Abend eine Schlatht 
liefern ').. Warum aber jest ſolch Drängen, fol ie 
terbrechen ber Kriegsplane, an welchen zu verpreifeh 
gar kein Grund iſt? Gebt mir nur den Oktober — 

dann möget Ihr thun, was Ihr wollt. — Dr Di 
tober, entgegnete ich, - wird den Foaldzug aller Diem 
beenden, und ein fehr varhaͤngnißvoller Zeitpunkt fon; 


denn es flieht zu fürchten, daß Frankreich und Pın 


fen, wenn fie vereinigt bleiben, md zu Denjmigm 
Bedingungen zwingen werden, die ihnen behagen. — 
Das, bemerkte hierauf die Koͤniginn; waͤrde wah 
feyn, wenn man nach Ihrem Vocſchlage biefe Zul 
hinbraͤchte, um von Böhmen zum Rheine und vom 
Rheine nach den Riederlanden zu marſchiren. Abe 


ich kenne keinen meiner Senerale, ber sin ſolch mar 


fehivendes, oder vielmehr unthätiges Heer führe 
möchte; wenigſtens wirb ber - Großherzog, ader Prit 
Karl es nicht thun. Jener iſt nicht fo begierig, mi 


N 


1) Dusse-je conclure avec lui le lendemain, je Wi 
livrerais bataille ce soir, 





1995. Friedrichs U Friedensvorſchlaͤge. 215 


Sie glauhen, wach einer losen Ehre”), und am we 
nigften mag er dieſelbe unter der Vormundſchaft deu 
Könige von Preußen. IE die Kaiſerkrone wol ver: 
träglich mit dem Verluſte Schleſiens? Guter Gert! 
Gebt mir nur Zeit bis zum Oktober; dann werde 
ich wenigſtens beſſere Bedingungen erlangen. 

Zuletzt bemerkte Robinſon: ohne Frieden mis 
Preußen koͤnne der Koͤnig von England weder auf 
Bewilligungen des Parlaments, noch darauf rechnen, 
Holland im Bunde zu erhalten. — Ungeachtet all 
dieſer Vorſtellungen erhielt ber Geſandee eine lange, 
ablehnende Antwort des wiemer Hofes. 

England und Preußen liefen fü indefſen hiedurch 
nicht abhalten ihre Plane weiter zu verfolgen und 
den 5ten Auguſt 1745 ſchrieb Friedrich II aus dem 
Rager bei Ehlum am feinen Gaſandten Andrie in 
Hannover ?). 

La relation que vous m’avez fake le 24icme 
Juillet passe m’a &t6 rendue. Apres aroir vn ce 
que Loml Harringtan veus a dit de la part du 
Roi son maitre touchant ses intenGense A moyen- 
ner une paix entre mei et la reine da la Hongrie, 
ma volonté ent que vons röpondiez A Lord KHas- 
ringten que jo narais a da vénité peipt liem d’ar 


1) Die Kaiſerkrone. 
2) Reichsarchiv, ‚prussiau Ministers. 


216- Reunzehnter Abſchnitt., 1143. 


voir une grande confance au Roi ‚d’Angleterre 
Apres tont ce qui s’est passe, mais que pour mon- 
trer & toute l’Eurepe la facilite que japportais de 
mon coté pour appaiser les treubles qui la dechi- 
rent et pour convainere Sa: Majeste britannique 
du desir sincere qui n’avait jamais cesse aupres 
de moi d’agir .avec elle en bon coneert, je von- 
lais bien eneore entrer en negociation, ee que 
le souvenir du passe m in a mu les — 
tions suivantes : | 
1) que je neme laisse amuser par rien, et que 
je, pousserai mes op6rations de tout cot6 avec la 
plus grande vigueur — la ——— des pre- 
liminaires ; 
2) que dans — semaines de temps, com- 
pie depuis le jeur que ce depäche arrive A Han- 
novre il faut convenir .de ces preliminaires, ei que 
instrument de la paix les suite un mois apres. 
Voici deux projets de ces preliminaires, dent 
Lord. Hareington pourra — le quel lui con- 
viendra le mienx: 
.. a) que le Roi de Prasse conserve la Silesie 

comme elle lui a &t6 cedee par le traité de Breslan, 
y ajoutant Jes villes de Troppau, Jägerndorf et 
Hotzenplots. 

b) Condition sine qua non: V’Empire, l’Angle- 
terre, la Hollande, la Saxe, et toutes les puis- 





1483. Friedrichs I Friedens vorfchlaͤge. 217 


sances de l’Europe garantiront ia en au Roi 
de Prusse. 

c) Le Roi de Pologne donnera au Roi de 
Prusse un acte de eessien sur la Silesie, 

: d) Le Roi s'engage de — sa voix éclecio- 
rale au grand Duc. 

e) Garantie mutuelle des états —— 
entre les deux parties bellig6rantes. 

f) Que l’on moyennera un schange entre quel- 
ques parcelles de la Silesie, enclavees dans la 
Lusace avec le — — — (ou la petite ville de 
Fürstenberg avec sa Douane aitue a l’Oder) qui 
reviendra au Roi de Prusse de sorte qu’aucun 
des deux parties ne perd par ce troc. 

) Tous les prisonniers seient incessament re- 
laches sans rancon et 6changes avec bon — — ') 
dans un terme dont on conviendra; les malades 
et blesses’ dent on: donnera une liste, le seraient 
d’aberl apres leur guerison. 

h) La-ville de Cosel avec toutes ses fortili- 
cations sera remise entre les mains du Roi, d’a- 
bord: apres la’ signature des preliminaires avec ses 
canens et munitions, tellc qu ki a ete —— 
da tems qu'elle fut prise. 

i) Le Roi de Prusse et la Reine de Hongrie 


1) Die Worte fehlten in der Handſchrift. 
u. | 10 








218 Neungehnter Abſchnitt. EB, 


s’engagent mutuellement de ne point meltre d’en- 
trave ni de chicaner le commerce de leurs * 
jets reeiproques. 

Voici le second projet dont ie — ne 
consiste que dans le premier article: La Silösie 
sera sous la domination da Roi de Prusse teile 

_qwelle Ini a &t6 cedee par la paix de Breslau; 
‘ mais que pour indemniser le Boi des frais de Is: 
. guerre, PAngleterre s'engage de lui payer un Mil- 
Hon de livres Sterling. NB. Il y aura quelgme 
. chose à rabatire de cette somme en eas que le 
gros de ces propositions soit agıde; Mais en ons: 
que Lord Harrington n’en voulat point da tom 
entendre parfer, il: faudrait tacher de diriger set 
article R, que je ne seis plus obligé à payer les 
dettes qwi sont contraofees sur: la Silécie; mais 
qu’eltes soient derenavant à la charge de la Reime 
de Hongrie. En un mot il fhut negecier la des- 
sus autant qu'on peut, et d&s que mes trpupes au- 
ront alorg le pied en Saxe, fen se — a 
Hanovre de conolare. | 

Il faut que Vous declaries — que om 
operatiens ne meitront aucun empöchement -& ka 
negociation de la paix, et que toute 'hentilit6 ves- 
sera de tous cot6s à la signature des prelimsinai- 
res. Le principal point sur lequel il faut insister, 
est celui des auretos. — 


| 
{ 
* 


| 


Friedrichs UFriedensworſchlaͤge. 019 


% 


t 


- Voss pomsez. diaillemis dire a Myterd Bberriag- 
jak ua tan sifaalion prösente.ost IMs ayarläartenne, 
ek que. je ne m’embarassnuis pas 'antmeiusmt de - 
Rölectsoa dus grand Duc; que si in Reine de Moni- 
guie eomme menhre. de l’ompire nrmit Bis Ta 
guerse A Kenperear, I. même zulun sa pour 
mei qui emit pour elle, et que cela we chaugernit 
ex riem-mes. rösolations. @us jiavals Wattendre 
plus. d’Erimements heuveux et araninguux à ma 
aamas que de contrniren, et ya :si.je nie prötais 
x ses idöes, c’6tait pour Tamoue de In paix et de 
bien. pnblo, mais qne je vevenmalftaie à present 
par la facilite que l'Amgisterre meerzit dann ortle 
negocintion jusqw’h quali ‚point ses intenhiors. sont 
sinoeres. Wue diallisurs j’ötnis Sur et porgunde que 
oerkte :peix. ait entre los mains du Roi d’Angle- 
teure, sah temait ies ourllons de la bourep, et qas 
par comnesttent. da our de Viesus .Ktait: bien oblir' 
géo de se pröter a ses ‚inientionw. : Mais que je 
ke ré pẽtnis emoure que. j'allans peusser nes op6- 
meines plus virement que jamam; muis guc dela 
wumpssherait point ia paix, et qua ai Fan: pour“ 
ralt convenir amr..ie projet qwe-je viens d’emyoyer, 
len kastilitös ersneraient des: le moment, Sur quel 
je prie Diau qu’il vous ait en sa sainte garde! 
Die bier aufgeſtellten Orundiagen Fahrten den 
2boſten Auguf zum Abfchluffe des Bertragts von 
10* 


Y 


220 .:. Neungehater Abſchnitt. mi 


Haunoger, wonach. Schlefien wor Neuem dem 8 
nige von: Preußen überaffen und Buͤrgſchaft da 
ontfprochen: renıcde.r Legen Sie (fchreibt Lord Har 
ringtonian Mokinfon)'y Die Übereinkunft, dee Könige 
Maria Therefia unter dem Werfprechen der Gehim 
haltung, ald Grundlageeines Eünftigen Friedens ver 
und.-fuchen Sie’ dieſelbe zur Annahme . zus betweget. 
Man verlangt nichts von ihr als die. Herſtellung de 
bisslauer Friedens; es hat uns aber: die größte Nik 
gekoftst, den König von : Preußen dahin zu bringen, 
daß er-fich mit. Diefen Bedingungen begnuͤgt. Be 
hufs der: weiteren Unterhandlungen müßte man ſe 
gleich einen: Waffenſtillſtand ſchließen. 

In jenem Vertrage warb geſagt: die Koͤniim 
Maria Theraſia hat ihrerſeits denſelben, fo weit e 
fie in irgend einer Weiſe betrifft, angenonmmen m 
iſt ihm ganz beigetreten; bach blieb ailerdings md 
die Hauptſache uͤbrig —— — 
wirklich gu erlangen. 

Am Aten — bericeet — de 
König von Preußen hat "den Shake des Bert 
befannt gemacht und deshalb vom Prinzen von tr 
thringen. einen Wefenfiliftand verlangt. ı Der Prin 
bewilligte ihn. bis zud ins eines — and 


ı» —** Sanduss, er vom a Kay 
1% Me” 164. a 








1345.. Unterkandlungen in Men. 21 


Wim. Graf Uhlafrib fagte: mir: Frledrich IE Habe 
erklaͤrt, :Borb :Barrlngton: habe: im Namen Maria 
Thereflas unterzeichnet: Man. nahm dies: „Altes dem 
Könige ſehr ſchel und ſchrieb denn Ptlazen von: Lo⸗ 
thringen, ev ſolle auf. ſtiner Baht brharren. 

As Robinſon vom wirner Hoſe Tine Anwort 
bekam), feagte er ben. Grafen Uhlefeld: "was .bes: Er⸗ 
folg feine neuen Worfchläge sind: Ungerfiunbiingee: 
ſeyn wuͤrde? Und. diefer antwortete: '":das greußiſch⸗ 
Heer zu vernichten und dadurch für die Koͤnigkan ei⸗ 
nen wahrhaften Weiland gegen Friedrich U zu 
finden. — Maria Thotefia ſagt⸗: ſowie Peinz Karl 
von Lothringen ihre Kroͤnung in ·Prag mit einem 
Siege gefelert; ſo habe fie ihm wiſſen laſſen, wie ſehr 
fie ſich freuen wuͤrde, wenn er die Kaiſerkroͤnunge in 
Frankfurt auf ähnliche Welle. verherrliche und. je' cher 
defto beſſer. Alle vechnen Ger ar Een über 
die Preußen. - . : 

Mit dieſen Zoͤgerungen wat erid — ſehr 
unzufrieden. Dieſe Ungewißheit, ſchreibt er den :13ten- 
Septenaber, erregt unſer hoͤchſtes Etſtaunen und Miz⸗ 
vergnuͤgen. Dringen Sie aufs AÄußerſte darauf, daß 
Maria Thereſia beſtimmt erklaͤro eb: fie ſich mit 
Preußen ausſoͤhnen will, oder nicht. 

Robinſon richtete “ine aß, RE —* 
re | 


1) Bericht vom Sten September. 





203 » Nanugehnter Abſchnitt. 2208. 


ihn un Die Mniſter gaben ungenügende Antwortin. 
Erft Friedrichs Steg bet Sorr ober Trautenau (im 
fen Ciptumber) weränbttte im Wim die Beim: 
mathg: Die Zrauemef (ſchrribt Rokiafen)”) verlau⸗ 
tete bier den Atem. Okteher, gerade an dem Taze, 
wo. Der Hof der Derittnnten Kaiſerinun, die Kroͤnung 
beä Kalferh in Examffurt fee. Men erzahlt. Zei 
uch H Habe. gaſagt⸗ da die ſterreicher acht nerſtan 
den, mich diesmal ˖ zw. ſchlagen, ſo werden fie mid 
niemals fdängen: 

Br Bepua auf die Schlacht bei Sorr erzaͤhlt dee 
engliſche Bevallmaͤchtigte Laurence”): ber König He 
(ims. MWiberſpruch mit ber erſten Anordnung) beim 
buerd) feinen. Adjutanten, alles Gepä fies auf den 
linken Sohgel, auf don sehen bringen: die Dflsmeis 
cher fulen daruͤber Her, uud durch hiefe Liſt warb bie 
Schlacht Jemannen, Deo ſelgenden Tages Isugnnte 
der König, jenen Befehl gegeben zu habenz weeabalb 
bie Verlierenden darauf Brangen, daß der Adijnttant, 
Herr von Podapies, ‚vor «in Kriegsgericht geſtellt 
werde. Dee. Kaͤnig aber ſchuͤhtte ihn, befahl wiecht 
mehr bayan zu reden, mad bezahlte cin Achtel der 
verloren m Eeeiſtande. 


| BER EN 


2) Bericht vom ae a: 1206: — 








1785. Sqlacht bei Keffeiborf. Dresdener Trieben. 223 


Je graͤßer dad Ungluͤck Für ſteereich, deſto bitter 
ver die Klagen. Graf Uhlefeld (ſchreibt Robinſon den 
often Diteber) fagt: dieſe Unterhandlung gleiche ber 
von Utrecht. Der Zweck fey: Brandenburg am bie- 
Stelle von Öfterreich fegen, bie Königin hinopfern, 
die Verhandlungen mit Balern und Miͤuſter umter-. 
brechen, und Sachſen von Dfteweich objichen Ans 
ftatt Preußen von Frankreich, wird man zulegt nur- 
die Kaiſerian won England trennen. 

Der Kaiſer erklärte: fo lange Friedrich II wicht 
geſchwaͤcht ſey, koͤnne man auf keine Ruhe im: Meiche 
zuͤhlen. Und ein andermal fagte Maria Thereßa: 
mon dibesläßt mich der aͤußerſten Umgewißhelt, ich 
lebe nur halb und mir flehe sine. Kataftuophe bevor, 
gleichwie die vom Utrerht! 

Mehr als alle dieſe Borfige und Drohungen, 
wirkte der Steg der Preußen unter Leopold vom- Defe 
fau bei Keffelsborf (den 15ten December), an 
welchen fich ben 25ften December der Frieden von 
Dresden anreihte, welcher in allem Welentlichen 
den breslauer beftätigte. 

Sm Sommer des Jahres 1746 drang Preußen 
wieberhoft darauf, daß Öſterreich die Verbuͤrgung des 
Dresdener Friedens duch das Reich herbeifchaffe '); 


1) Bericht v. 27ften Auguft 1746. Öfterreich, Bd. 168. 


224 Neungehnter Abfchnitt. 1246. 47. 
wogegen Öfterreich die Buͤrgſchaft Preußens für die 
pragmatifche Sanktion verlangte. 

In Wien erfhien ein Buch, worin behauptet 
ward: der dresdener Frieden ſey erzwungen und ver- 
ppflichte nur fo lange, als die verfürzte Partei außer 
Stanbe bleibe ihn zu brechen. König Friedrich ver 
langte, baß jenes Buch burdy den Henker verbrannt 
werde. Ein anderer Streit entſtand uͤber bie Frage: 
ob Preußen einen Graf Henkel in bie —— Ver⸗ 
zeihung einſchließen muͤſſe? 

Im September 1747 fand ˖ dagegen das beſte 
Vernehmen ſtatt. Der preußiſche Geſandte Graf von 
Podewils ging von Wien zum. Könige. nach Neiſſe, 
und Fam mit fehr verbindlichen und genügenden Ei: 
pfehlungen für den Kaiſer und die Kaiſerinn zuruͤck). 
Beide antworteten fehr herzlich. und - bezeugten. ihre 
Achtung und —— gegen — U. 


1) — aus Wien vom l6ten — 1747. 
Band 172. 








1948, Maria Aherefia und Englanb,. 225 


Zwangzis ſter Abſchnitt. 


Der Krieg Sſterreichs gegen Frankrelich dauerte 
fort. Maria Thereſia fuͤrchtete aber, daß England 
einen beſonderen Frieden ſchließen wuͤrde), und be⸗ 
zeichmete dies als das groͤßte Ungluͤck. ſterreich wollte 
nichts mehr. aufopfern, und wandte feine Macht mehr- 
nach Italien als nach den ‚Niederlanden, weil Eng: 
land und Holland ohnehin dieſe nicht den Franzofen 
preis: geben duͤrften?). Wenn ſich die Kaiſerinn (ſagte 
Bartenſtein) in ihe Schneckenhaus zuruckzieht (re- 
coignor dams sa wgpille), fo. wird fie ‚über = 
Ereigniſſe obfiegen. 

- Im April 1748 „erhielt Robinſon den Auftrag: 
Maria Thereſia behufs des Friedens. zu neuen Abtres 
tungen zu ‚vermögen... „Sie. amtworkete?): Ihr, die 
Ihr fonigl beitruget · ung Verluſto Schleſiens, bie. Ihr 
mehr als irgend Jemand Theil hattet, bie Abtretun⸗ 
gen am den Koͤnig non. Sardinien durchzuſetgzn, — 
glaubt Ihr mich. nochmals qu uͤberzeugen? Meint’ Ich, 
bin wmeber «in Kind, noch ainr Mixinn: Fure Bes 
— 


1) Bericht: vom Sten Auguſt . 
2) Bericht vom 12ten Junius 1746. Band 167. -- 
8) Bericht vom-Iken' Mai 1748: Öfterveich, Bd. 174, 
10 .* 


24 Zwa utz igſte r Abſchnit t. 198. 


richte über die Holländer find Übertrieben. Noch kann 
man Muth zeigen, und noch iſt Mächt vorhanden 
den Muth zu underſtatzen. Wollt Sk eintn augen⸗ 
blicklichen Frieden, nun ſo ſchließt ihn! Ich kann 
beitreten, fc kaun fuͤr mich ſelbſt anterkandeln. War⸗ 
um werde ich überall ausgeſchloſſen, in emeinen edge 
nen Angelegenheiten gu umterhandein? Weine Feinde 
werben mir beſſere Bedingungen einraͤumen, denn 
meine Freunde. Wenigſtens werden ſir den Früedm 
(deffen fie fo ſehr bebuͤrfen als ich) nicht zurlickweiſen 
wegen eines Streits, der zwiſchen mir und dem Rs 
nige von Sardinken Bleibt, Aber ein Seuͤckchen Lab 
mehr ober weniger, oder uͤber die Auslegung eines 
Vertrages. Wer ſagt Euch, daß Epamim fo ſehr 
nah Parma und Piacenza trachtet? eß wlurde lieber 
Savoyen nehmen. Belt mich im Itallen wie ich 
vor dem Kolege ſtand, and ich will ben Infanten 
verſorgen; ber Sum Koͤnig von Sardinien muß %s 
les erhalten, ohne an mich zu denken und fuͤr mich 
zu foogen. Der Wettrag zu Worms ward nicht fir 
mich, fonbem 608 für ihr geſchloſſen. Guter Got, 
wie bin Ich um "Eurem Hofe behandelt worden! — 
Da iſt außerdem Eu König von. Preußen. Wahr 
lich alle diefe Umftände zufammen, reißen zu viel alte 
Wunden auf, und weronlaffen neue Wunden, 
Bereitß einem Tag vor Abfaſſung dieſes Verichts 
(den often April) waren in Aachen die Üxiebenepris 


1798, England und Preußen 227 


liminarien zwiſchen Frankreich, England und Holland 
abgefchloffen worbenz an demfetben Tage aber (den 
aftın Dai) Hatte der engltſche Bochſchafter Pegge 
feine erſte Audienz bei Friedrich II*), über welche, 
md über eine zweite vom 1itm Mai, er Folgendes 
berichtet. Der König druͤckte feine Theilnahme aus fe 
ben Koͤnig von England, und wuͤnſchte eine herzliche 
Vereinigung. Friedrichs Herz iſt noch deutſch, 
ungeachtet der franzdfifhen Verzierungen, 
welche auf ber Oberftaͤche erfeinen?). 

Dee König fagte (den Alten Mal): aus den von 
nie mitgethellten Papieren habe er mit großer Theil⸗ 
nahme geleſen, wie freundliche Geſfinnungen der Koͤ⸗ 
nig von England gegen Hy hege. Friedrich leugnete 
(utterly diselaimod) alle Verbindung mit Franukreich, 
ſowie den Wunſch ‚Binftiger Einigung, und fügte 
fiarte Gruͤnde für dieſe Meinung hinzu. So fagte 
er 3. B. Frankreich fen zu entfernt, ihm in ge 
faͤhrlichen Augenbliden raſch betzuſtehen; Niemand ' 
siehe auf die Dauer Vortheil -von einem Bunde 
mit biefer Mache; er kenne zu gut die Weiſe des 


1) Beichsarchio, Preußen, Band 67. . 

2) The Kings heart is still german, notwithstan- 
ding the french embroideries which appear upon the 
surface. Legge erkannte Friebrichs Natur richtiger, als 
der befangene Hyndford. 


228 ‚wa ngigfter ——— 1748. 


feanzöftichen Hofes, welcher an ſeine Verbuͤndeten ſtets 
die. groͤßten Forderungen mache, und überhaupt: ein 
Verbündeter der Sranzofen zu feyn, heiße 
ihr Stlave feyn!), 

‚ Umgekehrt, wären .die Seemaͤchte in einer Lage, 
daß ſie ihm beiſtehen koͤnnten; vor Allem. aber wuͤr⸗ 
den die weſentlichen Grundlagen gleichen Jutereſſes, 
ſowie die ſtarken Bande der Religion, der Staats⸗ 
kiugheit (poliey) und des Blutes, einen Bund (ins⸗ 
beſondere mit England) feſt und zuverlaͤſſig machen. 
Obgleich alſo Umſtaͤnde ihn zufaͤllig zu 
Frankreich hingeführt haͤtten, wiſſe er doch 
wo die wahren und weſentlichen Interef: 
fen feines Reiches laͤgen. Sobald ein allgemei⸗ 
ner, Srieden gefchloffen fey,. wodurch alle feine Wer 
pflihtungen gegen Frankreich völlig ein Ende. nähmen, 
fey er bereit in das engfle und eifrigſte Buͤndniß mit 
ben Seemächten zu. treten, fir bie künftige Sicherung 
ber Zreiheiten Europas. 

. Hierauf gab mir der König die Hand, und wuͤnſcht 
daß ich mir Vollmacht und Anweiſung erbitten ſollte, 
zum Entwerfen eines Vertheidigungsbuͤndniſſes mit 
England, ſobald der allgemeine Friede geſchloſſen ſey. — 
Den Gedanken, daß er jetzt etwas fuͤr England thun 


D To be the ally of France, was in effect to be 
‘her slave. _ 





1788. Engtifhe Staatstunf. 299 


und aus ber firengen Partellofigkeit heraustreten follte, 
lehnte. der - König ab und fagte: Frankreich hat kein 
Mittel unverfucht gelafien, mich für feine Zwecke in 
Bewegung zu fegen, was ich. aber beharrlich abge: 
lehnt habe und: ablehnen werte. Denn ob ich gleich 
keinen. Grund habe, in jeglichem mit dem Benehmen 
des Hofes von Verſailles gegen mich zufeieben . zu 
feyn, fo habe ich ihm doch folche Verpflichtungen . und 
in. ſchwieriger Lage dorther ſolchen Beiſtand erhalten, 
daß es fuͤr mich eine Ehrenſache iſt, nicht wider den⸗ 
ſelben aufzutreten. Fuͤr einzelne Punkte koͤnnte ich 
mich indeß verwenden und die Vermittelung uͤber⸗ 
nehmen. | u 

Legge rieth: England möge den. Augenblid raſch 
benutzen, bevor ‚Stankreich ben :König gewinne. Nun: 
aber trat der ‚Friede dazmwifchen, wo :ihm.. Schlefieg 
verbirgt ward. Er hielt ſich deshalb ruhig und wollte 
ſich nicht uͤbereilt die Hände binden. Auch kam es 
zu Streitigkeiten mit England über Handelsangele⸗ 
genheiten und ſchleſiſche Schulden, ſo daß erſt im: 
Sahre 1756 eine neue fortlaufende diplomatiſche Ver⸗ 
bindung zwiſchen England und Preußen wieder beginnt). 


1) Bon 1748 his 1756 finden ſich im britiſchen Reichs⸗ 
archive Keine Berichte aus Berlin, einzelne anderwaͤrts un« 
tergeſteckte und unbebeutende Nachrichten ausgenommen. 
Legge ward fchon im November 1748 abgerufen; Williams 


230 | Zwanzigſter Abſchnitt. | 1788. 


Ich kehre jedoch zu ben Verhandlungen zuiiden 
England und Ofterreich zuruͤck. In einem Gched: 
ben vom 16ten Julins 1748 an Robinſen)) ver 
theidigt ber Herzog von Neweagſtle die engliſche Staatl 
kunſt gegen die Vorwuͤrfe bee Maria Therefia mb 
ſagt unter Anderem: wir haben für Sardinien un 
Preußen nur in fo weit geſptochen, als Recht ober 
Noth es erzwang. Jetzt mac Heiland in foscher Ve⸗ 
draͤngniß, daß man es nur durch Annahme ber Frie 
denepraͤliminarien retten konnte. 

Ich hoͤre: ber Miniſter Kaunitz hat geſprechs 
von dem Richtdaſeyn (monexistenee) des Bar: 
rierevertrages. Sie müffen hierüber ſehr mil 
mit dee Kaiſerinn Koniginn und dem Minifter reden. 
Wenn biefe Schlußfolge Pas greift, fo moͤgen Cie 
bedenken, wohin dies zuletzt führen wird: naͤrlich ja 
nichts Geringerem, als zur Auflöfung des gar 
- zen Bünbniffes Deshalb moͤge Üfteronich am 
England und Holland erklaͤren: ber Barrierenerting In 
vorhanden, und man wolle dem Inhalte amd ben De 
dingungen nachleden. 


Der König von Preußen (führt Newcaſtle fu) 





war (laut preußiſchen Notizen) vom Julius 1250 Bis Ja⸗ 

nuar 1751 (wahrfdeintich von Dresden aus), auch für Ber 

lin thätig; MitcheU langte daſelbſt erſt im April 1756 an. 
1) Sfterueilg, Bank 194. 


—X Unterfandlungen in Wien. 233 


sab feine Meigung zu ewleunen, in bad engſte Bünde 
niß mit ben Seemaͤchten zu tretm. Hierauf warb 
ihn geſagt: er werde die Vortheile uud die Moth: 
wendigßeie tinfehen, ſich auch mit den übrigen 
Werbiandeten deſſelben zu vereinigen. Der Koͤ⸗ 
zig nom Englaud fen feſt entſchloſſen das alte Sy⸗ 
kam. aufrecht zu halteün, und wenn der König vor 
Preußen hiezju mitmiskt, wied er au ſeinen Vor⸗ 
tell dabei Finden. | 

Englands Intereffe Heide, Bſternich zu ſtuͤtzen. 
Wenn aber die Höfe vom Berlin umb Wien nicht in 
Ireumhfcheft lebten, wuͤrde der König von Eagland 
in die größten Schwierigkeiten gerathen. Friedeich U 
habe mehr gewonnen als irgend ein Fuͤrſt in Europe, 
und jenes Benehmen wuͤrde feine Erwerbungen am 
beſtan ſicheen. Üenm er ferner die Bekraͤftigung der 
Abtretungen von Mania Thexeſia und die Bärgichaft 
der Übrigen Mächte erwartet; fo erfcheint es nice 
mehr als billig, daß er die pragmatifdre Sanktion in 
voller Ausdehmung (und nur mit Auonahme der flatt: 
gefundenen Ahtretungen) feinerfeitä verbuͤrgt. | 

Dee König von Preußen will. feine Buͤrgſchaft 
nur auf bie deutſchen Beſitzungen Maria Therefias 
und auf Ale Mieberlonde beſchraͤnken; doch hat er 
ausadruͤcklich gſagt: er wolle ihre Beßtungen wider 
franzoͤſiſche Angriffe vertheidigen. — Der Haupt⸗ 
punkt iſt: die Aufächtigkeit des Koͤnigs zu erpro⸗ 


282 | Zwanzigſter Abſchaitt. m. 


ben, und weber zu leichtglaͤubig noch zu nachlaͤſſtg zu 
Jehn Tage ſpaͤter (dem Wſten Julius 1748), 
ſchreibt Lord’: Merocaftle an Lord Sandwich nach Hel⸗ 
‚ land '). Sie kennen bie Abneigung der Czarinn Ei 
fabeth gegen. Alles was den König von‘ Preußen be 
trifft, und : wie. außerordentlich beleidigt Fe 
war, daß man ben: Punkt über die Verbürgung vom 
Schlefien und Glatz in die Friebensprätininarien auf 
genommen hatte. Ladet man den König von Praw 
Ben ein beizutreten, die Czarinn daber nicht, fo wich 
fie nicht allein ſich zurädziehen: (fly: dut) ſondern af 
ihren Einfluß (dev. fehr groß ift) in Wien anmenden, 
unfern. weiteren - an ai in da 
Meg zu legen. 

Herr Legge kam legten Mittwoch aus Varin hir 
an. Es thut.mir Leid fagen zu muͤſſen, daß er keine 
genuͤgende Auskunft bringt Aber die gegenwaͤrtige 
Richtung des Königs von Preußen, keine deutliche 
Erklaͤrung feiner. Abfichten. : Im Gegentheil als Her 

Legge ihm. die: Vortheile entrideste, wenn. exı.fih 
nicht blos mit den Seemaͤchten, ſondern . auch mit 
deren Verbündeten einige; n antroortete Friedrich 
in: allgemeinen . Ausdrüden: ſey ein neun 
Punkt, — verdiene — * zu werben: 





- 1) Reictackie, vouam, Band ZU. 


1118. Rewcaftte über Preußen u. Dfterreih. 233 


Indeſſen hätt e8 Gere Legge gar nicht für unmöglich 
den König hiefuͤr zu gewinnen; boch zeigte er bei der 
legten Audienz cher ben Wunſch das Geſpraͤch zu 
endigen, als ‚deutlich . feine Abfichten darzulegen, ober 
irgend heſtimmte Verſchlaͤge zu machen. 

Herr Legge iſt deſſenungeqchtet ber Meinung: 
nichts. fe fo gerecht oder fo. geeignet um bes Könige 
wahre Abfichten zu entdecken und quf die einzig möge 
lihe Weife eine Bereinigung ‚herbeizuführen, als wenn 
man in den Hauptfrieden einen allgemeinen Artikel 
aufnehme, woraus ber König erfehe unter welchen 
Bedingungen er durch den Vertrag Vortheil zu ziehen 
und die Buͤrgſchaft der Mächte für Schiefien und 
Glatz erhalten könne. Das heißt: ſofern er gegenfeis 
tig das verbürgt, was zum Beſten ber abſchließenden 
Mächte feftgefegt ifl., Herr Legge glaubt, der König 
werde zulegt dies nicht verweigern. Und in ber That, 
wenn er es thäte, fo würde dies ein ſtarkes Anzeichen 
feyn: daß alle feine Anerbietungen nur die Trennung 
der Seemaͤchte von ihren uͤbrigen Verbuͤndeten bezwe⸗ 
cken, um ſich an die Stelle der letzten zu bringen. — 
Die Buͤrgſchaft der Maͤchte fuͤr Schleſien und Glatz 
verſteht ſich Übrigens auch nur unter ber Bedingung '), 
dag der König von Preußen feiner Pflicht gegen Ma- 


1) Ebendaſ., Band 222, Gchreiben vom Sten Oktober. 


Zu 3wanzigfter Abſchnitt. 1348, 
ria Thereſia in Bezug auf die ſchleſiſchen Anlehen 


nachkomme. 

Noch immer zoͤgerte ſterreich (gegen den Wunſch 
Englands) mit dem Abſchluſſe des Friedens). Su 
einen Schreiben Newcaſtles am Keith‘ in Wien kagt 
jener Über die Verdrießlichkeit, Unzufkiebenhete und 
üble Laune des wiener Hofes. Deshalb ſuchte und 
erhielt Keith eine Audlenz über weile er am 27ſtin 
September Bericht erſtattet. Der Kaifer (fchreibt e) 
fagte mie: Remand kann behaupten, daB wie umfer 
‚ Berpflichtangen gegen England nicht treulich erfüht 
Hätten. Ich betrachte England und ſterreich al 
miteinander verheitathet, deshalb find ihre Intereſſa 
unzertrennlich und ich thue mir etwas bavauf zu 
Gute ein ächter Engländer zu feyn?). Ä 

Die Kalferinn fühlte fi) welt mehr verlegt als 
der Kaifer, fie wich jedee Audienz und jedem Ge 
fpräche mit Keith aus, und man hielt England in 
Wien noch immer für parteilſch, jegt insbeſondere für 
den König von Sardinien. 

Dennoch kam den 18ten Oktober 1748 der 


HReichsarchiv, Oſterreich, Band 178. Wertäht Keuhe 
vom 15ten September 1748. 

2) He piqued himself to be very national with re- 
speot to Eingland. 


N 


10881 Friede von Lachen. 235 


Friebe von:Kachen zu Stande, und Mewcaflie 
ſchrieb dem Hten. Deremaber an Keith: man muß alle 
wur. mbglche Mittel anwenden um ben wiener ‚Hef 
von ſeiner ungerechten Eiferſucht und grumblofeee Arge 
weh zu ‚heilen, und ihn dahin zu bringen von feis 
wen baſſen Froumden und Bundesgenoffen angemeſſen 
zu denken. 

In einem Bexichte vom naͤchſten Tage (74en 
December) meldet Keith: der preußiſche Miniſter in 
Win, Herr von Pedewils, bat ſich an mich ge⸗ 
wandt um ein gutes Verſtaͤndniß zwiſchen ſeinernn wsib 
dem hieſegen Hofe gu befoͤrdern, und dies um fo 
mehr. da et in biefer Beziehung von König Friedrichs 
ferundfchaftlihen. Geſiunungen fehr wohl unterrichtet 
fen. No in der Abſchiedsaudienz babe ſich dieſer 
ſtark wud Par. darüber ausgefpsochen, und nach dee 
Aufnahme, webche er hier Bei den Miniſtern finde, 
babe er Geund zu glauben daß fie glnflig, und ge⸗ 
gewiß beſſer geſimt wären, denn je zuvor. 

Hlerauf Antworter Newcaſtle ben WMſten Decem 
ber: äch -bin "erfreut über Stimmung und Benehmen 
des ‚molöner. Hafes. . Die Erklärung des Deren von 
Podewild über König Friedrichs freukbfchafetiche Ge⸗ 
fanung verdankt man ohne Zweifel ber Feſtigkeit des 
Königs won England. Einerſeits naͤmlich hielt u 
feft an feinen alten Verbündeten und wies des Koͤ⸗ 
nigs unvernünftige und verfängliche Forderungen zu: 








236 Zwanzigſter Abſchnitt. u, 


ruͤck); andererſeits gab er bem legten. keine VWeraulaß 
fung - über Laͤſſigkeit in. Erfuͤllung der: uͤbernommenen 
Berpflihtungen zu. Hagen; voraudgefegt, daß beu Ki 
nig wit gleicher: Genauigkeit feinen : Verpflichtungen 
gegen England und befien Werbindete nachkommt. 
Ein gleich feſtes und kluges Benehmen, gegem. den 
König von Preußen, wird das befte Mittel feyn ihn 
von allen Mafregeln abzuhalten, welche bie oͤffentliche 
Ruhe fldren könnten. 

Es iſt ſehr zu bedauern, daß die gefanbefäjafttichen 
‚Berichte. ſich felten über ‚die ‚inneren Verhaͤltniſſe der 
Staaten verbreiten; und. daß, wenn es einmal. aus 
nahmsweiſe geſchieht, die Wahrheit des Mitgecheilten 
eine doppelt forgfältige Prüfung erfordert. Insbefon- 
dere ſind jene. Berichte. während . ber... Sriebensjahre 
meist mit Dingen angefülle, welche im Ablaufe ber 
Beit alle Bebeutung: verlieren, und nur das was auf 
größere. Exreigniffe hinweiſet und fie vorbereitet, ver: 
dient eine Erwaͤhnung. Bevor ich dies. für den Zeit: 
raum vom aachener Frieden bis um Ausbruche des 
fiebenjährigen Krieges außzumählen.. verfuche, Hlelbt 
nur noch Einiges nachzuholen, über Maria Therefia 
und Friedrich U. 

: Sa Srühlinge des Jahres 1745 warb den Ju⸗ 
den befohlen, die oͤſterreichiſchen Staaten binnen 


1) Sie find nicht näher bezeichnet. 





Ins: Juden u. Proteſtanten in Sſterreich. 2M 


feche Monaten zu verlafim. Ale Vorftellungen. bee 
Miniſter: (ſchreibt der engliſche Gefanbte) *) blieben 
vergebens und Maria Thereſia antwortete: ſie werde 
annehmen ihre Verwendung entſtehe aus Eigennutz 
und für jüdifches Geld. Gleich vergeblich waren bie 
Bemühungen des Großherzogs und: des Prinzen Karl. 
Man kann dieſes fonderbare Verfahren kaum andere 
erflären, als aus einem übersilten Gelübbe;- ober we⸗ 
nigſtens aus einem unbezoinglichen von früherer Er: 
ziehung. herrührenden Vorurtheile. Der. Röniginn Wis 
derwille beim Anblid. eines Juden ift fo groß, daß 
fie ihn nicht verbergen konnte, al& fie in Preßburg 
von der Stadt nad) ihrem Patafte durch eine Straße 
fahren. mußte, welche mit jenem Volke angefüllt wer. 
Eben fo verbot fie in Prag, daß ein Jude in den 
Bezirk ihres Palafted komme. Gleichwie England, 
verwandte fich. ber. KRurfürft von Mainz: ber König 
von. Polen und andere. Sürften, ja. ſogar ber Papft 
für. bie Juden. — Eine ähnliche: Zürfprache : legte 
England :zum a der in Ungern verfolgten . Pro: 
teftanten ein ?). 

Ahnliche Rügen tonnten bei Beiebeig I nicht 


1) Reichsarchiv, Bfereih, Band 161, Bei vom 
Aſten März. 

2) Ebendaſ., Band 168. Sqhrrelben Barringtons vom 
16ten ——— 1746. J | 


338 Bwanzigfter Abſchnitt. 128. 


eintreten. Deſto genauer beaufſichtigte man feld 
Lebensweiſe, und deſto argwoͤhniſcher war man übe 
feine. Rechtglaͤubigkeit. Am 12tn Januar 1745 
ſchreibt ber engliſche Bevollmaͤchtigte Laurence ans 
Berkin '): der Koͤnig hat am bien bei dem Grafen 
Rotheunburg mit ber Taͤnzerinn Barbarini und ei: 
gen andern Perfonen diefer Art (de cette sondium) 
zu Abend, gegefin. Ex affektirt Heiterkeit und. Au: 
friodenheit und thut Nichte als fingen und Lachen; 
diejenigen, welche genoͤthigt ſind, ihn allein (dam 
son particuher) zu ſehen, koͤnnen ſich dagegen nicht 
genug fiber feine äbele Laune: beklagen. Ex weiß jet 
nicht was er thun amd wie er ſich aus ber boͤſen 
Lage herauszichen foll, im vosiche er füch gebracht hat, 
— Der Graf Rothenburg wird bier sen Allen toͤdt 
(ih gehaßt?); dech bleibt er feines Herrn Liebling 
sub Spion. — Man fagt daß die Barbarinf, weiche 
ben Koͤnig gefangen bat, nicht allen don Neuem anf 
drei Fahre angenommen ift, fandeen auch die Grlaub⸗ 
niß erhalten kat nach Italien zu seien’. — Roh 
immer (Bericht vom 22ften Sanur 1746) iſt 


1) Preußen, Band 64. u 

®) Ebenbaſ., Bericht vom Z6ften Januar. 
5) Bericht vom Iten März. Wenn bie Barbarini Gr 
laubniß erhielt nach Bkaklen zu reiſen, hatte es mit der 
Gefangenſchaft des Könige nicht viel auf ſich 


! 





1788, 47. . Friedrach il. 3% 


Rothenburg ein Guͤnſtling des Könige, und fleis bei 
dem gegenwärtig was bie Franzoſen parties fines 
nennen. Dazu gehoͤren bie Taͤngerian Barba⸗ 
rini, Madam Brand, und die verwittwete Graͤfinn 
Truchſeß ). 

Des Koͤnigs Geſundheit hielt man fuͤr ſchwach 
und weiſſagte ihm einen frühen Tod. In Berichten 
aus dem Februar 1747 heißt es z. B.: er bat oft 
Kolik, Anfälle von Steinfhmerzen, Verbärtungen in 
der Leber, zweimal einen Anfall von Schlagfluß ?). 
Er fpielt Flöte gegen den Rath feiner Ärzte, trinkt 
fleißig Champagner, und trägt Feine Sorge für feine 
Geſundheit. Sollte er bald fterben, fo würde die 
gute Sache (the common cause) gewinnen; denn der 
Kronprinz haft die Franzoſen toͤdtlich. 


| 1) Preußen, Band 66. 
Berichte vom Iften, Ziften u. eoſten gebruar. 





240 Sinundzwanzigfler. Abſchnitt. 1748. 


Einundzwanzigfter Abſchnitt. 


Es iſt in den mitgetheilten Berichten oͤfter davon 
die Rede, daß ein ſchleuniger Abſchluß des Friedens 
für die vereinigten Niederlande ſchlechterdings noth 
wendig geweſen ſey. Die folgenden Nachrichten be 
weifen die Wahrheit diefer Behauptung. Drüdende 
Steuern und Anmaßung der, meiſt gefchloffenen Art: 
ſtokratien in ben Städten, erzeugtem die größte Unjr⸗ 
feiedenheit befonders im gemeinen Volke. Es hof 
durch Verſtaͤrkung der Macht des Statthalters zu 
gewinnen, und die Freunde des legten verfchmähten 
wohl ein Buͤndniß mit den Unzufriedenen zu wenig; 
oder hofften doc aus .den Unruhen zuletzt den beſten 
Vortheil zu ziehen. 

Den 22ften März 1748 ſchreibt ber engliſche 
Bevollmaͤchtigte Dayrolly): An dem Tage wo man 
in Sröningen die Nachricht erhielt, die Statthak 
terinn habe einen Prinzen geboren, wollte der Me 
giffrat unter diefem oder jenem. Borwande nicht leis 
den, daß die Fahnen ausgebreitet und die Glocken 
“ geläutet würden. Hieruͤber gerieth ber Poͤbel in folde 
Wuth, daß er das Haus des erſten Buͤrgermeiſters 


1) Holland, Band 282, 


1238, - Unruhen in Holland. 241. 


plünderte und Alles zerſtoͤrte was er antraf.. Im 
Begriff daſſelbe bei einigen Anderem zu fhun, watb 


die Dienge benachrichtigt: es haben: füch bie Magiſtrats 
perfonen eiligſt im Rathhauſe verfammelt ımb ber 


obwaltenden Stimmung halber einflimmis beſchlofſen, 


die Erbfolge hinſichtlich der Statthalterſchaft eben fo 
wie im Holland einzurichten. — Groͤningen will jedoch 
(Bericht vom 26ſten Maͤrz) die Crbfolge nur für 
männliche Erben bewilligen und die Befegung der 
Ämter behalten. 

In der Gegend von Gröningen (Bericht vom 
19ten April) wurden mehrere Bauern fo meutetiſch, 
dag die Stände zu deren Zerſtreuung eine Abtheilung 
Reiterei binfandten. Allein biefe Unternehmung war 
ungluͤcklich, da bie Bauern Mittel fanden die Nester 


‚u entwoffnen, wodurch ihre Unverſchaͤmtheit fehr ges 


wachfen if. — In Groͤningen trug der Buͤrgermei⸗ 
fier Here Giersma darauf an, baf ihm der im legten 
Aufruhr zugefügte Schaden erſetzt werde. Obgleich 
ihm die Stände dies Geſuch mit der geringen Mehr: 
heit von drei. Stimmen abfchlugen, zog der Pöbel, 
ald er hievon Kunde erhielt, nach des Buͤrgermei⸗ 
ſters Landhaus und beging dafelbft jede Act von Un: 
gebühr. 

Der Prinz von Dranien (Bericht vom Aten Ju⸗ 
nius) will in Groͤningen die Ordnung herſtellen, 
wird nun aber auch in Frieskand zur thun bekom⸗ 

L. 11 


—n--),0 0 


und — — 





242 Sinundzwanzigfter Abfhnitt. I. 


men. Die Bauern verfchiedener Bezirke find bafılfl 
meuterifch verfammelt und bedrohen ihre Obrigkeiten 
mit dem Außerfien, wenn fie nicht dem Stattheite 
diefelben Vorrechte und biefelbe Macht bewilligen, 
welche ihm die ſechs anderen Landſchaften einraͤumten. 


Die Stände von Friesland haben den Prinzen von 


Oranien um: regelmäßige Soldaten gebeten, damit ft 
in den Stand geſetzt würden, bie Aufruͤhrer zu jr 


ſtreuen und. ſich gegen die Zügellofigkeiten des Bo 


zu vertheidigen. : 

Die friesländifchen Bauen (Bericht vom dm 
Funius) haben große . Gemwaltthätigkeiten begangm. 
Ale den Steuerpaͤchtern zugehörige Häufer find ge 
plündert und niedergeriffen worden. Auch die Haufe 
mancher Grietmaͤnner!), oder ſolcher Perfonen, wi 
che man einer Regierungsveränderung für abgeneigt 
hält, wurden niedergebrannt. . Eine anfehnliche Zahl 
Srietmänner verfammelte fich ſeitdem und beratk 
ſchlagte über die Erweiterung der Rechte und Er 
rechte bes Statthalters. Se 


Etwa 700 Bauern (Beriht vom 1iten .Yuntus) 
aus all ben verfchiebenen Dörfern Frieslands begaben 
fih nad Leumarben, und ſchickten acht Abgeordnete 
an bie fo eben eröffnete Verſammlung der Ständ, 


1) Grietmänner, Amtleute, Droften. 


. X 


1148, Un ruhen in Friesland u. Gröningen. 243 


mit dem Gefuche, ihre: Beichwerben abzuflellen, und 
mehre ihnen vorgelegten Anträge zu bewilligen. Die 
wichtigften unter ben legten waren: die Ausdehnuug 
des Erbrechts auf die weiblichen Nachkommen bes 
Statthalters, die Verntehrung feiner Rechte, und die 
Abſchaffing gewiſſer Steuern. Es war zu ſpaͤt als 
da bie Stände hätten Widerfland Ieiften können, fie 
waren vielmehr gezwungen verſchiedene beifällige Bes 
ſchluͤſſe zu faflen und fogleich durch vier Abgeordnete 
dem Prinzen von Oranien zu 'überfenden. — Auch in 
Oberyſſel und Gröningen find Häufer von Steuer: 
paͤchtern zerflört, und Forderungen über Abfchaffung 
etlicher Steuern aufgeftellt worden. 

Der Prinz von Dranien und bie Generalftaaten 
(Bericht vom 14ten Sunius) haben aber erklärt: 
man könne die Steuern nicht entbehren und fo kurz⸗ 
weg abfchaffen. Ale follten gefegliche Befchlüffe ab: 
warten und bie Unruhſtifter beſtraft werden. 

Unterdeß ift Friesland und Gröningen (Bericht 
vom 18ten Junius) in völlige Anarchie gerathen. 
Dort erzwangen die Bauern, daß zwölf ihrer Abge⸗ 
orbneten in die Verſammlung der Stände aufgenom: 
men wurden, und dieferBorgang iſt auch anderwärts 
nachgeahmt. — Im Haag hielten die Aufruͤhrer eine 
Verſammlung umd wollten die Haͤuſer der Steuerpächter, 
fowie bes Großpenſionairs und des Fiskals von We: 
ſel ——— „ weil dieſe die Steuererhebung befoͤrdert 

| 11* " 


244 Ginundzwanzigfier Abſchmitt. 18. 


hätten, um den Gewinn ber Erpteffungen mit im 
Dächtern zu theilen. Bewaffnete Bürger hinderten 


ec) die Ausftchrung diefer Plane. — Nice ſo leich 


ward ein Aufruhr in Harlem befeitist, obgleich der 
Prinz son Dranien den General Groveſtim Hisfchicte, 
am bas Boll in’ feinem Namen zur Nahe zu er 
mahnen. Trotz Groveftins Bemühungen wurden di 
Pächterhäufer niedergeriffen, die vollen Gelbfäde in 
den Kanal geworfen, bie Papiere verbrannt um 
manche andere Ausfchweifungen begangen, wobei einge 
aus dem Volle ums Leber kamen. Die Aufekhe 
zerſtreuten fi erſt, ala die Obrigkeiten die einſtwei⸗ 
lige Aufhebung der Steuern bewilligten und verſpi 
den, ber Prinz von Oranien werde ihre Veſchwerden 
pruͤfen und abzuſtellen fuchen — Sobaid die Mr 
giftratäperfonen des Volkes üble Abſichten erkannten 
verſammelten ſich die Buͤrger und fragten: ob die 
entſchloſſen waͤren fie gegen. bie Unbilden des Pöbes 
zu fchügen? Die Bürger antworten ja, fofern von 
ihren Perfonen und Guͤtern, aber vom Rachhault 
die Mede fen; wogegen fie fi in Nichts milden 
koͤnnten mas bie Steuerpächter betreffe. 

Am 17ten. Junius wurben auch Haͤufer in 2er 
den von Pöbel niedergeriſſen). — Ale biefe Um 


)) Teichsarchiv, Frankreich, Band 86. Wolters Be 
richt vom Löten und Zdflen Junius 1748. 


1748. Anruhen im Haag. 245 


hen verſetzen ben Prinzen von Oranien in die Noth⸗ 
wendigkeit, entweder zu thun was das Volk will, 
oder daſſelbe nach denn Inhalte der erlaſſenen Verfü— 
gungen ſſtreng zu beſtrafen; deren aber bereits To viele 
erfchienen find, daß man nicht mehr barauf achtet. 
Auch waren etliche ungeſchickt abgefaßt. Viele find 
erzuͤrnt, dag ſeit 1679 Nichts zur Beſſerung ber Fi⸗ 
nanzen geihah; wenn aber die Steuern jest nicht 
puͤnklich gezahlt werden, muͤſſen die Pächter natürlich 
Abzüge machen. Mit Recht tadelt man bie Aus: 
fchweifungen des Volks; wohl aber hätte man Maaß⸗ 
regeln zur Abftellımg der ohne Zweifel vorhandenen 
Mißbraͤuche ergveifen ſollen. Thun die Obrigkeiten 
Nichts, ſo will man den Prinzen zum Grafen von 
Holland erheben; thut auch er alsdann Nichts, fo soil 
man ihn fo fitrtzen, wie man ihn zuvor erhoben hat. 

Vorigen Dienflag verfammeltn fi) im Daag 
die Meuterer in größerer Zahl denn zuvor, erſtuͤrmten 
‚alle von den Bürgern befegten Zugänge und plün- 
derten das Haus des erſten Steuerpächters rein aus"). 
Man fandte Hierauf andere Abtheilungen der Bürger 
gegen ben Pöbel, mir dem. Befehl zu feuern, wenn 
er fich nicht zerſtreuen wolle, Es blieb kein anderes, 
als dies — Mittel übrig, da die Anfrührer mit 


1) Holland, Band — =. Dayroliys vom 2öften 
Zunius. 


— 


246 : Einundzwanzigſter Abſchnitt 198 | 


Steinen und einige felbft mit Feuergewehren beweff: 
net und entfchloffen waren ihre Abfichten um jebm 
. Preis durchzufegen. Deshalb griffen jene die Bürger 
- an, welche ſich aud) nach einmaligem Losfchießen, auf di 
Stucht begaben'). Unglüdlicherweife war bas Feun 
nicht gegen die Meuterer, fondern gegen einen Hau 
fen unfchuldigen Volkes gerichtet, welches nur au 
Meugier ‚herbeigelommen war. Durch biefen Zufal 
wurden fieben oder acht Perſonen getödtet und 25 Di 
30 verwundet. Sobald man gewährte, daß der M. 
bel über die Bürger obgefiegt hatte, trug man eine 
Abtheilung der Scjweizerwache auf, die. Ordnung be: 
zuftellen. Kaum. erfchien diefe, fo lief. der Janhage 
eitigft davon. Als aber am naͤchſten Morgen bekannt 
ward: die Wache habe keinen Befehl zum Schiren 
gehabt, verfammelte fich ber Pöbel von Neuem, un 
feine Wuth an den Häufern aller übrigen Steuer: 
pächter auszulafien. Der Magiſtrat forderte hiernaͤch 
die Dfficiere der Buͤrgerwehr auf ihre Schuldigkeit j 
thun und all den Unordnungen ein Ende zu machen; 
‚aber fie antworteten: ihre Leute wären entfchloffen fd 
nicht mehr mit der Sache zu befafien, fo lange ft 
bloß die Steuerpächter heträfe. Doc wollten Ju 
Sorge tragen, daß keinem Anderen Leids gefchehe.— 
Hiedurch erhielt der Pöbel freie Hand zu thun m‘ 


1) Took to their heels, . 


1748. > Unruhen im Haag. 247 


ihm gefiel, pluͤnderte den ganzen Tag hindurch die 
Paͤchterhaͤuſer und that ungeftört fo viel Übles als 
möglich. Doch fiel -feine Wuth allein auf jene Päd 
tee. — Alle wurden deshalb: auf eine nothwenbige 
Verftärtung der Gewalt des Prinzen von Dranien 
bingedrängt, und bie abgeneigten Stände mußten 
hiezu die Hand bieten. . 

Ein zweiter Bericht Keiths von bemfelben Tage 
(den 22ſten Zunius) ') über die Unruhen im Haag, 
vervolfftändigt jene Angaben Dayrollys. Die Aufrüb- 
rer fandten eine Botſchaft an Lady Stuart, welche 
in dem Haufe eines Steuerpächtere wohnte, und ba> 
ten fie unverzüglih mit allen ihren Gütern auszu: 
ziehen , weil man befchlofjen habe das Haus nieberzu⸗ 
reißen. Das legte gefchah, fobald Lady Stuart jemer 
Forderung nadigelommen war. Deſſelben Tages ga: 
ben fie einem Steuerpächter eine Sicherheitswache, 
welcher fo glüdlich war bei ihnen: in Gunſt zu ſtehen. 
Während der ganzen Zeit flürmten fie ‚blos Haͤuſer 
ber Pächter, Donnerstags aber fingen fie an aud) 
andere. Perfonen zu ‚bedrohen, welche mit jenen ver 
wandt oder befreundet find. 

Es wurden Feine ernſte Maaßregeln zum Schuge 
der Rechte der obrigkeitlichen Perfonen ergriffen, und 
daß der Pöbel ſich feit geftern Nachmittag ruhig ver: 


1) Holland, Band 283, | 2 


248 Einundzwanzigfter Abſchnitt. 238, 


hält, ſcheint mir mehr daher zu richren, daß er der 
Sache uͤberdruͤßig, als weil man feine Unverfpänt 
heit: zu bändigen entfihlofien if. Denn dies win 
fehr leicht gewefen, da die. Meuserer meift aus Wei 
been und Kindern beflanden; fo daß 100 Mann 
segelmäßiger, angemefjen geführter Soldaten, im Stande 
geweſen wären jeden Augenblid dem Aufruhr eins 
Ende zu machen. Zum Ungluͤck ſah ſich aber de 
Prinz von Dranien- duch Krankheit ‚gehindert thätig 
zu ſeyn, und bei Zeiten das Übel ‘zu hemmen. 


Dee Peinz fchlug den Ständen von Holland die 
Abſchaffung der Steuerpächte, beſonders hinſichtlich 
der Verzehrungsſteuern ver’). Alle Staͤdte willigtm 
ein, blos mit Ausnahme von Amſterdam. Audi 
noch nicht befchloffen, role man den entſtehenden Aak 
fal an Emnahmen decken wolle. Zu gleicher Zei 
‚hat der Peinz Änderungen bei Befegung der Ämter 
und Benusung der Poſteinnahmen vorgefchlagen, m 
zeither große Papteilichkeiten und Monopole flart für 
den. Ämter find, dem :Eide zuwider, verbauft worden, 
es giebt keine Controle gegen die oligarchiſchen Be 
gifteäte. und den nachtheiligen Einfluß der Familien. 
Ward do ein neumjähriges Mädchen zur Stadt 


ü R z " s A 
1) Bericht Wolters vom 28ſten Junius. Frankreiqh 
Band 96. 


1786. - Unruben in Amfterbam. 248 


hebamme emannt, und ae Beifpiele ließen fich 
in Denge anführen. 

Su Amftlerdam war zeither Alles ruhig, und 
man hoffte, die neuen Verfuͤgungen ber Regierung 
über die Änderungen beim Steuerweſen würden bin 
reihend beruhigen ). Aber vorigen Montag Abend 
begann ein fo heftiger Aufftand, daß an 20 Pächter: 
häufer zerſtoͤrt wurden; ja das eine dem Rathhauſe 
gegenuͤber und vor ben Augen des verſammelten Ma: 
giſtrats. — Es kam endlich zum Zeuern, wobei etwa 
zwölf Perfonen erfcyoffen wurden. Die Bürger find 
jedoch fo erzuͤrnt auf die Pächter, tole der Pöbel. In 
der Angft und auf ben Vorſchlag des Prinzen von 
Dranien, ward nun auch für Amfterdam eine Ver 
änderung, des Pachtſyſtems und eine Verminderung der 
Steuern befchloffen. Ähnlichesg eſchah in Ut recht um 
Gewaltthaten zu vermeiden. 

Spaͤter zeigte man neben dieſer Nachgiebigkeit, 
doch auch Ernſt?). In Amſterdam warb ein Maun 
und eine Frau, welche an der Spitze der Aufruͤhrer 
ſtanden, zum Hängen verurtheilt. Der Poͤbel machte 
Verfuche fie zu befreien, und die von den Bürgern 
befegten Zugänge zu erftürmen. Endlich feuerten 


1) Bericht Dayrollys vom 29ften Junius. Holland, 

Band 232, 
2) Bericht beffelben vom 2ten Iulius. 
u 141** 





250 Einundzwanzigſter Abſchnitt. 118. 


diefe, wodurch zwiſchen 20 und 30 verwundet und 
. getödtet. wurden. Die hiedurch veranlaßte Verwir 
rung war aber fo uͤbergroß, daß: eine beträchtliche Zahl 
Zuſchauer in die benachbarten Kandle gebrängt wur: 
den, wo (mie man fagt) an 40 Perfonen ertrantın; 
diejenigen . ungerechnet, welche erdruͤckt und todt gr: 
treten wurden, — Geftern ward ein anderer, Raͤdels⸗ 
führer, - unter ſtarker Bedeckung und ohne Störung, 
aufgehangen. — Die Finanzverwirrungen ſteigen, 
dba es bis jetzt an Mitteln fehlt, die Ausfälle zu er 
fegen. — Unter den alten Magiſtraͤten ſind die mei: 
fien dem Prinzen von Oranien abgeneigt ').., — De 
Magiftrat von Amfterdam fucht fein gutes Recht zu 
erweiſen?). (Es war jedoch » damals nicht fomohl 
vom buchftäblichen Rechte, als von zweckmaͤßiger An: 
wendung befielben die Rede.) 


In Friesland geht das Volk’), das fich in die 
Regierung eingedrängt hat, fo mild vorwärts, daf ei 
mehr Folge des Wahnfinns, als der Neigung zu 
ſeyn fcheint, Übelftände -in folhem Wege abzufchaffen. 
Die 72 Punkte zu deren Bewilligung fie die Stände 


1) Bericht vom 18ten Julius, Holland, Band 233. 


2) Wolters Bericht vom. 23ften. Julius. Frankreich 
Band 96. 


3) Bericht vom IPften Julius. Holland, Band 23. 


148.  . Unrupenin Holland. 1 
zwangen, haben fie jegt auf 160 echöht. Sie haben 
fi) gleichfalls des "Pulvermagazins und des Zeughaus: 
ſes in Leumarden bemädhtigt, und erklärt fie: würben 
ihre Maaßregeln durchfegen und fih im Fall eines 
gewaltfamen Angriffes aufs Äußerſte vertheidigen. 
Nahe ſich Kriegsvolk, fo wollten fie ihre Deiche durch⸗ 
ſtechen undrlieber mit Weibern und Kindern zu 
Grunde gehen, als fich ber. alten — wie⸗ 
der unterwerfen. 


Letzten Donnerstag ſtiegen die Unruhen in Ley⸗ 
den nochmals zu folcher Höhet), daß ein Theil des 
Poͤbels ſich nach dem Rathhauſe begab, neue Horde: 
tungen machte, und. jeben Widerfpruc, mit dem Tode - 
und dem Niederreißen der Häufer zu beflrafen drohte. 
Dan hat Mannfhaft nad der Stadt gefhidt und 
einige Mädelsführer gefangen gefest. 


An vielen Orten verlangt man die Abfegung der 
Stadtobrigkeiten 2). Diefe find ſchwach, zer und 
durch Geldmangel bedrängt. 


Der Prinz von Dranien erhielt von ben holländis 


— —— —— — — 


1) Bericht ‚Wolters vom 9ten Augufl. — 
Band 96. R 

2) Bericht Sanders vom Alten Auguſt. Holland; '- 
Band 225, | ae! ie: 


252 Einundzwanzigſter Abſchnitt. 18 


Ichen Ständen ben Auftrag '), die Bürger und tm 
Magiftrat in Amfterdam zu. verföhnen und bem legten, 
nöthigen Falls, zu verändern. Er ward feierlich von 
den Vürgern empfangen. Jene Stände beſchloſſen 
‚ferner die alten Steuern zwar beizubehalten, fie abe 
künftig durch Beamte erheben zu laſſen und gewiſſ 
Befveiungen abzufchaffen?). Beither hatten die Pd 
ter gewöhnlich die Glieder ber Magiſtraͤte fehr be 
günftigt. 

Manche Beſchluͤſſe der Stände von Fries land, 
z. B. über die Vermehrung der Macht des Statthal: 
ters”), genügten den Unzufriedenen nicht und.es km 
zu neuen Sewaltthaten. So ward eines der angee 
henſten Mitglieder‘ der Stände, Here Leeume von 
Aduwart, als er aus feiner Kutfche flieg, nieberge 
voorfen und faft todt getreten, bevor man ihm zu 
Hülfe kommen Eonnte. Zuletzt mußte er fich übt 
bie Dächer der Häufer vetten, um der Muth de 
Poͤbels zu entgehen. 

Der Prinz von Oranien hat in Amſterdam die 


3) Bericht Wolters vom 28ſten Auguſt. Frankreih⸗ 
Band 96. 


2) Berichte vom 2iften Junius und 26ften Augıf. 
- Holland, Band 235. 


8) Bericht vom 7ten September. Band 232 


1118. - Unruhen in Holland. 253 


Bürgermeifter und einen Theil bes Rathes verändert‘). 
Seitdem fleigen aber die Forderungen über Entfernung 
aller: alten Schöppen, Beſetzung der Kriegsſtellen u. ſ. w. 
Der Prinz fuchte Alles billig auszugleichen, konnte 
es aber Keinem recht machen. Gemmid, einer von 
den Abgeordneten der Buͤrgerſchaft?), welcher die Ver: 
aͤnderung der Obrigkeiten mit in Antrag gebracht und 
either beim Wolke in großem Anfehen geftanden hatte, 
berichtete ben Hten September Nachmittags in ber 
Buͤrgerverſammlung: auf ben :Antıng daß ein ganz 
vom Magiftrat abhängiger Kriegsrath gewählt werbe, 
habe der- Statthalter keine beifällige Antwort gegeben. 
Hierauf ward er und feine Freunde nicht allein in 
Morten aufs Ärgſte behandelt, fondern fie geriethen 
ſelbſt im Lebensgefahr. Des naͤchſten Tages lichen fie 
deshalb eine Necktfertigung drucken: daß fie nie mit bem 
Prinzen ober feinen Hofleuten irgend eine Berathung, 
oder den Zweck gehabt hätten, bie Rechte der Stabt 
und die Freiheiten ihree Mitbürger preis zu geben, 
oder zu verlaufen. 

Deffenungeadjtet wurden jene Bevollmächtigten 
abgefegt und neue erwählt, welche fogleich zu dem 


1) Bericht vom 10ten September. Band 232. - 
T) Bericht Wolters vom 18ten September. Frankreich, 
‘ Band 96. 








254 Einundbgwanzigfter Abfhnitt. 178. 


Prinzen gingen und wiederholt darauf anteugen: daß 
ein lediglich-aus Bürgern beſtehender Kriegsrath ermählt 
werde, welcher alle Dfficiere vom Faͤhnrich bis zum 
Oberſten ernenne. Der Prinz fchlug dies Geſuch noch⸗ 
mals aus ben ſtaͤrkſten Gründen ab, und zeigte wie 
haltungslos, geſetzwidrig und thöricht eine ſolche, von 
ben Mayifträten ganz. unabhängige Behörde fen 
"würde. — Diefe Antwort ward von ben verſammel⸗ 
ten Bürgern fehr übel aufgenommen, weshalb ſie dm 
10ten ‚September- um. drei Uhr‘ Morgens in große 
Zahl zur Wohnung des Prinzen zogen. Sie wur 
vom Grafen Bentint und Anderen empfangen, mi 
che ihnen unter Anderem vorftellten, es fey völlig 
umpaffend den Prinzen. um: diefe Stunde mit dei 
Anträgen zu beheiligen. Bergebens! der Prinz muft 
drei von ihnen in feine Schlaflammer aufnehmen, 
welche ihm ihre Forderung in viel flärkeren Ausıri: 
den, ald das erflemal, vortrugen. Durch biefe un 
vernünftige Halsſtarrigkeit ebenfalld aufgeregt, ant⸗ 
wortete der Prinz: er wolle lieber in biefem Augen 
blick die Stadt verlaffen, als irgend etwas feinem 
Gewiſſen zuwider bemwilligen. Hierauf gaben ihm die 
Abgeordneten zu verftehen: die Bürgerfchaft werde ihn 
nicht zur Stadt hinauslaffen, bevor Alles zu ihre 
vollen Zufriebenheit eingerichtet ſey. 6000 wären 
zur, Hand alle Ausgänge zu befegen. 


— 


1350. Unruhen in Amfterdbam u. Harlem. 255 


Als ber Prinz‘ fah, daß es unmöglich war ben | 
wahnfinnigen Pöbel im Zaum zu halten, bewilligte 
er das Geſuch, und dem gemäß ward am naͤchſten 
Morgen eine Bekanntmachung erlaffen. Hiemit war 
- aber bie Ruhe nicht hergeftellt: es gab neue Mip- 
verftändniffe und Korderungen, bis der Prinz den 
größten Theil des Rathes neu wählen ließ und beftd- 
tigte. Einige fagten, Alles gehe von den Feinden bes 
Prinzen aus; Andere fagten, feine Freunde hätten es 
eingeleitet, um die Sache aufs Äußerſte zu treiben 
und gewiffe Zwecke ducchzufegen. 


As fih in Harlem neue Spuren von Unruhen 
zeigten, wurden 50 Dragoner dahin gefande'), welche 
aber der Magiſtrat (aus melden Gründen es fer) 
bald wieber fortfchidte. Unmittelbar darauf fegte ſich 
der Pöbel in Bewegung, ſchloß die Thore, befeste 
den Marktplag, belagerte die Obrigkeit im Rathhaufe: 
und machte die übertriebenften Forderungen, welche in 
der That auf Abfchaffung aller Abgaben hinausliefen. 
Als der Prinz von dem Allem Nachricht erhielt, 
ſchickte er den General Cornabi mit Mannfchaft nach⸗ 
Harlem, um ven Magiſtrat in Ausübung ſeiner 
Pflichten zu unterflügen. Der General war genöthigt' 


_— — — — — 


1) Bericht vom 6ten Januar 1750 » Holland, Band 
237, | | 





\ 


256 Einundzwanzigſter Abfihnitt. 17%. 


die‘ verfehloffenen Thore zu fprengen, wobei die Mu: 
terer zuerſt einen Sergeanten tobt ſchoſſen, dann 
aber aͤhnlicher Weiſe verjagt wurden. Auf dem 
Markte kam es zu einem zweiten Gefechte. Nachdem 
vier oder fünf der. Unruhſtifter getoͤdtet, und 10—12 
verwundet wurden, zogen ſich ade Übrigen in ie 
Wohnungen zurkd. 

« Deffelden Tages forberten er Abgeordnete auf 
Harlem die Abſchaffung aller Steuern, nebſt andern 
lächerlihen Dingen. Anftatt aber auf dieſe There 
beiten eine Antwort zu geben, ließ der Prinz jm 
Beauftragten ins Gefaͤngniß fegen. Auch ander 
Rädetsführer find verhaftet, und. der Prinz iſt mt 
ſchloſſen, ſowohl die Meuteser zu ſtrafen, als uͤbn 
das Benehmen des Magiſtrats in Harlem und in 
. anderen Städten , eine flrenge Unterfuchung ein 
keiten. 

Vorſtehende Mittheilungen erweiſen: 

Erſtens, daß Holland‘ während fo großer Gefah⸗ 
von im SInuern, ‘die Laſt eines auswärtigen Krir 
allerdings nicht länger tragen konnte. 

Zweitens, daß eine Verpachtung der Staatkein 
nahmen viel größere Unzufriedenheit erregt und mit 
größerem Drude verbunden iſt, als die Erhebung 
buch Beamte. 

Drittens, daß bie vereinigten Niederlande nicht 


⸗ 


150. Unruhen in Holland. Friedri I. 257 


genug gethan Hatten, im Kaufe bes 18tem Jahrhun⸗ 
derts ihre Finanzen zu ordnen. 

Viertens, daß die angeblich republikaniſche Regie⸗ 
rung, in vieler Beziehung nur eine oligarchiſche * 
eigennuͤtzige war. 

Fuͤnftens, daß wenn die Obrigkeit nicht zur — 
ten Zeit vernünftig reformirt, dee Poͤbel unvernuͤnftig 
zevolutioniet und in Wahrheit Beiner von beiden Thti⸗ 
In von der Schuld freigefprochen werden Tann. 


Zweiundzwanzigſter Abſchnitt. 


Mit Mecht behauptet Koͤnig Zeiebeich TI") der 
aachener Friede habe keineswegs alle Streitpunkte und 
noch weniger allen Argwohn beſeitigt. Der legte 
richtete- ſich insbeſondere wider Ihn ſelbſt; und fogar 
diejenigen Mächte fuchten ihn anzufchwärzen, zu vers 
einzeln und als. hoͤchſt gefährlich darzuſtellen, welche 
keineswegs waͤher dabei intereſſirt waren. Was man 
bei ſterreich natuͤrlich finden muß, erſcheint bei Ruß⸗ 

land als bloße Leidenſchaft, und bei England als 


1) Oeuvr. posth. III, 89. 





258 Bweiundgwanzigfler Abfchnitt. 11 


bloßes DVorurtheil. Während der Jahre 1749 bis 
1755 bleibt jedoch Alles bei erfolglofem, oft in fid 
widerfprechendem Sins und Herreden ftchen. Erf 
mit dem legten Jahre bekommen: die Unterhandlun | 
gen einen beflimmteren — ——— und fuͤhren 
bis zu Thaten hinan. 

Ich theile zuvoͤrderſt Bruchftüde aus dem geſandt 
ſchaftlichen Berichten der fruͤheren Jahre mit. 

Im Januar 1749 ward der engliſche Dberfe 
Yorke nach Paris geſchickt. Ihm fagte dee franifi: 
ſche Minifter der auswärtigen Angelegenheiten Her 
von Pupfieur'): follte ein Verbuͤndeter des Könige 
von Frankreich (und ich nenne namentlich den- Kin 
von Preußen) ſich in irgend einer Weiſe bemühen un 
zur Theilnahme an einem neuen Kriege zu bewegen; 
fo würden wir ihm nicht blos gerabehin eine abfhli: 
gige Antwort geben, fondern etwas. mehr thun um 
die erften feyn die Sache in. einer Art. zu hemmen 
die unferer würdig wäre. Krieg und Frieden bänst 
in Europa von Frankreich und England ab. 

Yorke bemerkte?): der König von Preußen fa 
ein Projektenmacyer, un homme à projets; toorauf 
Pupfienr antwortete: Frankreich gehe nicht auf alk 


1) Bericht vom erflen März. Reichsarchiv, Frankrrih 
Band 97. 


2) Bericht vom 2Iften März. 





1199, Verhaͤltniſſe der europ. Mächte. 250. 


Plane beffelben ein, und Friedrich würde wol gern 
fein Heer vermindern, wenn Öfterreich es thaͤte. Am 


12ten April wiederholte Pupſieur das Obige über ° 


Preußen und fügte hinzu‘): Frankreich fey nicht bios 
bereit mit England gegen Sriedbrih I gel 
meine Sache zu machen (causs commune), fon; 
dern auch mit. Öfterreih, im Fall Fried: 
rih HI angreife Dies fey auch dem Könige von 
Polen eröffnet werden. Um biefelbe Zeit hatte Bar: 
tenftein bereits den Gedanken Öfterreih mit Frank: 
reich gegen Preußen zu einigen’); was jedoch 
der Herzog von Newcaſtle damals als ganz chimds 
riſch bezeichnet. Noch im Anfange des Monats Au⸗ 
guft erklärt der franzöfifche Minifter ’): Frankreich 


J 


wiſſe, daß Friedrich IL geneigt ſey jede Gelegenheit zur 


Erhöhung feiner Macht und Herrſchaft zu benus 
gen. Man märe aber auf dee Hut und werde 
ibn im Zaume halten. 


Um dieſelbe Zeit ging Lord Albemarle nad) Paris 


und die Verhandlungen über Tabago, Weftindien 
und Akadien*) nahmen allmälig eine Wendung, welche 


1) Bericht vom 12ten üpeii. 

2) Bericht vom Iten März. Bſterreich Band 176. 
9) Bericht vom Aten Auguſt aus Paris, Band 97. 
4) Frankreich, Band 98. Auguft 1749. 


N 


v 


0 3weinundzwanzigſter Abſchnitt. 178 


den Hof von Verſailles auch in Hinſicht auf Preu⸗ 
‚sen umftimmten. Davon gleich nachher: 

In Wien Hagten bie oͤſterreichtſchen Miniſter): 
der preußifche Geſandte Podewils fende ungimflige 
Berichte nach Berlin, und ſtelle Alles im uͤbelſten 
Lichte bar; während Maria Thereſia erklaͤrte: fie wolk 
das Vergangene vergeffen und mit allen Nachbam, 
insbeſondere mit Preußen in Frieden leben. — Bel 
feiner Anwefenheit in Dresden ging der Marſchal 
von Sachſen zum sfterreichifchen Sefandten, dem Or 
fen Sternberg, und fagte ihm’): er koͤrme nicht 
begreifen, wie der wiener Hof irgend. einen A: 
wohn wider den König von Preußen hegen Timm. 
Diefer fey völlig zufrieden mit feinen Erwerbunger 
amd feiner Lage und habe allen ehrgelzigen Planen 
voͤllig entfagt, ums feinen natuͤrlichen Reigungen für 
Wiſſenſchaften und Kümfte zu leben. ſterreich mig 
entwwaffnen, Preußen werde es auch chun. — Dirt 
wechfelfeitigen höflichen DVerficherungen führten jedoch 
zu keinen heilſamen Befchlüffen, und ſelbſt der Gum 


1) Berichte aus Wien vom 19ten März und 2ifen 
Julius; Band 176. Den 27’ften Junius fchreibt Newcaſtle 
an Keith: Preußen habe mit den Tuͤrken einen Vertrag 
geſchloſſen; er folle das Geheinmiß aber nur dem Kaiſer 
anvertrauen. 


2) Bericht vom ten Anguft. Öfterreih, Band 377. 


1730. 51: Üfterreih. u. England wider Preußen 201 


mündficher usb fchriftlicher Unterhanblungen emattete, 
und ſtand ſtill. 

Erſt den 17ten Dtober 1750 ſchreibt ber Herzog 
von Newcaſtle an Lord: Albemarle nach Paris‘): ber 
laiſerliche Geſandte Baron Vorſter hat mich bes 
nachrichtiget, Graf Kaunit habe von ſeinem Hofe 
die gemeſſenſten Befehle, in Allem was bie allgex 
meinen Angelegenheiten Europas anbetrifft, mit Ih⸗ 
nen in Ülbereinſtimmung zu handeln. Daſſelbe 
wird in jeder Beziehung Ihre Pflicht ſeyn. Der 
Koͤnig, unſer Herr, ſetzt großes Vertrauen in die Ge⸗ 
ſchicklichkeit und die guten Abſichten des Grafen Kau⸗ 
nig, wovon derſelbe bei Gelegenheit der letzten Ber: 
handlungen in Wien ſehr ER Proben ge 
geben hat. 

Im, März 1751 gab * wisner Sof eine Art 
von allgemeiner Erklärung über feine Anfichten?), bie 
Lage Europas betreffend. ſterreich Hi bereit, Altes 
zur Erhaltung bes Friedens zu than; ber franzoͤſiſche 
Hof bat dies mehr anerdaunt, als iegend einer; allein 
die falfchen Einflüfterungen des Königs von Preußen, 
haben daſelbſt bei jeder Gelegenheit obgefiegt?). Die 


37 Reichsarchiv, Frankreich, Band 100, 

2) Bericht vom Aten März. Frankreich, Wand 106. 

8, Worin die Ginflüfterungen beflanden, und morin 
Friedrich, dadurch obgeſiegt hätte, iſt nirgends gefagt. 


LS 


262 3weiunbzwangigfier Abſchnitt. 181 


Kniſerinn Königinn will alle. Verpflichtungen erfuͤllen, 
‚ ‚welche fie mit ihren Verbündeten eingegangen; die 
beziehen fich indeflen lediglich auf Wertheidigung. Die 
- Kaiferinn hat Urſach zu erflaunen, daß der franzoͤſiſche 
Hof (nachdem er die Falſchheit fo vieler Dinge nt 
deckte, „welche der König von Preußen bekannt machte) 


noch immer den Erfindimgen Glauben beimißt! we 


che. er taͤglich vorbringt. Nach fo vielen Proben, fol: 
ten wenigftens Einflüfterungen, welche von dieſer Seite 
herkommen, gar keinen Eindrud mehr machen; und 
um volllommene Ruhe in Europa zu’ begründen, 
müßte man endlich alle Voruttheile bei Seite legen. 
Die Kaiferinn  Königinn iſt bereit, dem Hofe von 
Verſailles ſelbſt eine fchriftliche Erklärung zu geben, 
daß fie mit keiner Macht irgend ein. Angriffsbuͤndnij 
(any offensive engagément) wider den König ven 
Preußen geichloffen habe. 

Bei weit geringeren, ober gar feinen - Gründen 
des Zornes und: Argwohns, lauteten die englifcen 
Erklärungen gegen Friedrich II noch heftiger, als de 
Öfterreichs, welche Mißgriffe (wie wir fpäter fehen 
werden) nicht ohne nachtheilige Folgen blieben. 

Den 4ten März 1751 fchreibt der Herzog von 
Bedford an Lord Albemarle nach Paris‘). Nur zu 
oft, und mit Erbitterung und. Bosheit (ranconr and 


1) Frankreich, Band 106. 


mL. Englanb wider Preußen. 263 


malice) bat ber König von Preußen verfucht, dem 
franzöfifchen Hofe Argwohn und Einfluß gegen Eng 
land und befien Verbündete einzüflößen. 

Der König von Preußen (fchreibt Yorke den Zöften 
Auguft 1751) ') gewinne in Frankreich täglich mehr 
Boden, und macht fie glauben, was ihm gefällt. 
Sie haben fich jegt bequemt etwas - für ihn zu 
thun, was fie wol für keinen andern Sürften in Eu 
ropa würben gethan haben. 

Nach diefen Worten follte man glauben, Vorke 
habe eine Entdeckung von geößter politifcher Wichtige 
keit: gemacht; und was haben bie Franzofen bewilligt ? 
— Daß der preußifche Gefandtfchaftfecretaie einſtwei⸗ 
Im bie Geſchaͤfte eines Gefandten übernahm,. bis 
Sriedrich den Lord Marfchall ernannte, worüber man 
englifcher Seits (weil er ein — fey) ‚von Neuem 
die lauteften Klagen erhob. 

Bon dieſem unbegründeten und — Ei⸗ 
fer zeugt ein anderer Bericht Vorkes?), worin es heißt: 
ih fpeach ſehr ernſtlich zu Herrn v. Puyſieux über die 
Plane bes‘ Königs von Preußen; ich bemuͤhte mich 
darzuthun, wie behartlich er Streitigkeiten hervorzu⸗ 
rufen und Spaltungen zu erweitern fuche; wie Eugen 


1) Frankreich, Band 107. 


2) Bericht vom Iaten Geptenber 1751. Frankreich, 
Band 107. 


% 





, 


264 3weiundzwanzigſter Abſchnitt. 181. 


Gebrauch man davon marken koͤnne, daß ex feine de⸗ 
kitte fo klar zu Tage lege; vote ſchwach es fey, Wi 
jeder Gelegenheit auf feine Raͤnke (forgeries) einzuge 
hen und feinen Maaßregeln beizutretrn; wie gefaͤhr⸗ 
lich feine Freundſchaft ſey, und wie kunſtvoll cc kim 
Schlingen lege, am bdieionigen zu fangen, welche Wi 
Augen über fein Benehmen nicht öffnen wollten. © 
möge Puyfieur bedeuten, wie ſchnell und geheimniß 
nißvoll der König diefe Sache zu Stande gebraucht 
habe, woraus feine fchlechten — — herdor⸗ 
gingen. 

Wenn Friedbrich DI von dielen und ähnlichen Ge 
fandfchaftsberichten. irgend Nachricht erhielt, fo mußt 
er in eine üble Stimmung gegen England gevathen. 
Die von Yorke mit Nachtrud wieder hervorgehoben 
Sache kann nur die Ernennung des Lord Marſcal 
zum. Gefandten fen, wodusch der König gewiß nick 
Feindliches gegen das Haus: Hannover bezweckte. Für 
all die andern Beſchuldigungen fehlt es am. jeden 
Beweife; auch. antwortete Puyſieur (laut Yorke): er 
koͤnne nicht anders als annehmen, daß wir (England) 
den König von: Preußen zu ſehr anſchwaͤrzten und 
daß feine Abfichten keineswegs fo Abel waͤren. — Jr 
derſelbe Yorke fchreibt drei Tage ſpaͤter ): ats fih 
einige Jakobiten an Lord Marfchait wandten, ſagt 


1) Bericht vom 18ten &epteniber. 











151.98. England und ſterreich 265 


er ihnen: fein Herr habe ibm befohlen,. fi auf feine 
Weife in al diefe Angelegenheiten zu mifchen. 

Seibſt fpäter, als Friedrich II Veranlaffung be 
kam, fi) über die Anmendung der englifchen Handels⸗ 
gefege zu befchweren und mit Bezahlung ber fchlefi: 
[hen Anleihen inne zu halten, war dies kein. Grund 
für England in ganz Europa wider Preußen. zu wir: 
fm. Man koͤmmt deshalb natürlich auf den. Gedan- 
een, eine uͤbergroße Freundſchaft für Öfterreich und 
ein überwiegender Einfluß des wiener Hofes habe biefe 
Abneigung herbeigeführt. Allein auch mit Öfterreich 
fand England damals auf keinem freundlichen, zu⸗ 
traulichen Fuße, wie nachftehende — hinreichend 
beweiſen. 

Schon im Oktober 1748 — Streitigkeiten 
uͤber den Barrierevertrag und andere Dinge ſtatt, bei 
welcher Gelegenheit der Herzog von Newcaſtle an 
Lord Sandwich ſchreibt!): es thut mic leid zu finden, 
daß der wiener Hof Nichts auf eine angenehme Weife 
(with a good grace) thun kann. . Bei den Ver: 
handlungen über die römifhe Koͤnigswahl and die 
Anfprüche bed Kurfürften von der Pfalz, finden ſich 
andere Mißverfländniffe, und noch lauter klagt New: 





1) Bericht vom 22ften Oktober 1748. Holland, Band 
222. 
IL “ 3 | 12 


266 Zweiundzwanzigſter Abfchnitt. 191. 


caſtle) uͤber den Mangel an Aufrichtigkeit Sſterreich 
bei den Unterhandlungen mit Spanien. Ja 
um dieſelbe Zeit mo Yorke in Paris fo heftig auf 
Preußen fchalt, ſchreibt Newcaſtle?): ber wiener Hof 
beharrt in feiner unbegreiflichen Zuruͤckhaltung und 
feinem abſcheulichen (abommable) Stillſchweigen, und 


dies Benehmen iſt um fo fchiechter, als er zu gleiche 
Zeit immerdar davon fpricht, mie ſehr ee England | 


liebe umd vorziehe. 

Bald darauf (den 27ſten Dftober 1751) Han 
Lord Albemarle in Paris über das Benehmen - von 
Kaunig’). Ich fragte ihn (fchreibt Albemarle): ob 
er gegen mic) fo zurüdhaftend feyn wolle, wie zuve? 
Sch hoffte, er werde das Beiſpiel feines Hofes (im 
Bezug auf die fpanifchen Angelegenheiten) „nicht nad 
ahmen. Denn da der König von England in I; 
lichen offen und in lbereinfiimmung mit fich fehl 
verfahre; fo wuͤrde folk ein Rüdhalt ohne Grm 
und fchlecht angebracht feyn. v 
Den 26flen November ſchreibt Newceaſtle an 
Keith nah Wien*): dringen Sie darauf, dag Of: 


1) Schreiben an Keith vom 2ten Auguſt 1751. fe: 
zeih, Band 182. 


2) Schreiben vom Sten Oktober 1751. Ebendaſelbſt. 
$) Frankreich, Band 107. 
4) Öfterreich, Band 182. - er 


1752, England und Öfterreid, 267 


reich ſich Uber den Varrierevertrag mit Eng: 
land und Holland verfbändige. Über die Grund: 
füge kann Hein Zweifel fern. Die Bollziehung 
des Vertrages von beiden Selten und eine freundliche 
Einigung “über Alles was die vereinigten Mieberlande 
betrifft, ift böchft nothwendig; denn fo lange dies 
nicht gefchieht, werben Urſachen der Eiferfucht und 
des Mißvergnügens übrig bleiben, welche die zwiſchen 
Öfterreich und den Sermaͤchten fo unentbehrliche Eis 
nigkeit und Harmonie flören dürften. 

Daduch (fährt Newcaftle den Zten Januar 1752 
fort)") daß. der wiener Hof, unter Ausfchluß aller uͤbri⸗ 
gen Mächte, einen Vertrag mit Spanien zu Stande 
bringen wollte und ſich nirgends wittheilte, ging bie 
Gelegenheit verloren, Spanien ganz von Frankreich 
zu trennen. — Ich fehe mit Schmerz, daß bie Ant: 
worten des wiener Hofes aufalle Vorflellungen Nichts 
enthalten”); als große Lobeserhebungen für fich felbft 
und über ihre Zreue in gewiſſenhafter Erfüllung ih: 
ver Verpflihtungn; — während der Inhalt biefer 
Antworten nur zu oft das Gegentheil erweiſet. Sie 
ſollten bie Abgaben in den Niederlanden auf den Fuß 
wie vor dem Kriege herabfegen und die Verträge auf: 
recht erhalten. Solch ein Benehmen wird dereinſt, 





1) fterreich, Band 183. 
» Schreiben bom Ziften Februar 1752. Ebendaſelbſt. 
12* 


N 


268 3weiundzwanzigſter Abſchnitt. 1758, 


und vielleicht friiher ald man glaubt, jeden wahren 
Freund des Haufes Öfterreich entftemden. Ich fürchte, 
dies entfteht zumelft aus dem unglüdlichen Irrthume, 
daß die öfterreichiichen Miniſter in ihren Antworten 
mehr danach trachten, der Kaiferinn ben Hof zu ma 
chen, als ihr dadurch wahre Dienfte zu leiften, daf 
fie den gerechten Forderungen ihrer Verbündeten ge 
bührende Aufmerkfamkeit fchenken.. | 
Die Öfterreicher antworteten höflich, brachten aber 
die Sachen nicht zu dem, von den Seemächten er 
wünfchten Ziele. Jene trachteten vor Allem danach 
- bei diefer Gelegenheit einen vernünftigen Handelsver⸗ 
trag (reasonable treaty of commerce) zu erlangen, 
dann wollten fie auch den Barrierevertrag halten. 
So blieb der Gang der öffentlichen Unterhand 
lungen mehr fchrantend- und verdrießlich, als fol: 
gerecht und großartig, wie. folgende Proben vielleicht 
am beflen erweifen, wenn ich fie in chronologiſcher 
Folge an einander reihe. 
.. Den 22ften September 1751 ſchreibt Atbemarl 
aus Paris"): der König und bie koͤnigliche Familie 
‚ begaben ſich in die Kirche Notre Dame, um dem 
Tedeum über die Geburt: des Herzogs von Bordeaur 
beizuwohnen. Obgleich die ganze Stadt daſelbſt ver 
fammelt war, und die Regierung nebft dem Mast: 


1) Zrankreich, Band 107. 


1952. Öfterrei, Preußen und England 269 


firate Alles gethan hatten, was fie nur ausfinnen 
tonnten, nm dem Volke ein wenig Geiſt, Leben und 
Laͤrm einzuflößen, fo kam doch nichts von dem Allem 
zum Vorſchein. Denn trog aller gegebenen Mühe 
war das: Vive le Roi! kaum zu hören, und Seine 
Majeftät fchien mit feiner Aufnahme in keiner Weife 
zufrieden. Dieſer Hergang ift fo verfchieden von Allem, 
was man. fi) über den Empfang des Monarchen in 
diefem Lande vorftellt, daß er nothwendig auffallen 
mußte. — Aber man verfchwendet und macht Anlei- 
ben im Frieden, lebt im Streite mit Geiftlichkeit 
und Parlamenten u. f. w. 

Der franzöfiihe Miniſter Conteſt, ſagte mir’): 
England folle das Vorurtheil ablegen, welches zum 
Nachtheil des Könige von Preußen angenommen wor: _ 
den. Wir hätten uns buch, die Einflüflerungen ei- 
niger Höfe beftimmen laſſen, welche man nicht ale 
Freunde ber jegigen Ruhe betrachten koͤnnen. 
Er (Conteft) wife, daß die wahren Gefinnungen des 
Könige von Preußen ganz verfchieden von denen fenen, 
welche wie aus ungerechter Eiferfucht ihm beimäßen. 
Seiedrich II mwünfche nichts mehr, als die allgemeine 
Ruhe Europas auf einer fiheren und dauernden 

Grundlage befeftigt zu fehen. — Ich fuchte dies zu 


Frankreich, Band 


J 


)) Bericht vom 15ten Maͤrz 1752. 
109. 


370 Zweiunbswanzigfier Abfhnitt. 10 


yoiderlegen und barzuthun, daß des Könige Hank 
lungen nicht mit feinen Worten übereinftimmten, Con: 
teft aber ſchloß mit den Worten: id) hoffe, ihe wer 
det des einen oder anderen Tages euren Argwohn 
fallen Laffen ! 

Bald darauf erneuen ˖ſich die Mißhelligkeiten zwi: 
ſchen England und Öfterreich über die Wahl Sofephi 
zum tömifchen König und die pfälzer Angelegmbeit, 
Deshalb ſchreibt Lord Holderneß den Gten Auguf 
1752 an Albemarle’): Sie fehen wie ſchwach und 
unverantwortlich ber wiener Hof ſowol in Hinfict 
auf feine eigenen Intereſſen gehandelt bat, als in 
Bezug auf ben König von England, welder in dt 
Wahlangelegenheit fich fo thärig zeigte. Der wien 
Hof würde die Einftimmigkeit der Kurfürften erlangt 
haben, wenn er eine, im Vergleich mit der Wichtig: 
keit des Gegenftandes, nur Eleine Summe Gele 
hätte Daran wenden wollen. Sa fie hätten Anfangt 
. ohne Gefahr und den Geſetzen gemäß, mit entſchei⸗ 
dender Mehrheit die Wahl durchfegen koͤnnen. In 
den fie aber grundloſe Schwierigkeiten erhoben, tiefen 
- fie dergleichen auch in Anderen hervor, und ermuthig⸗ 
‘ten durch Ungeſchick, Tigenfinn und Zoͤgerung di 
Höfe von Berlin und Verſailles ſolchen Widerſpruch 


% 
1) Frankreich, Band 113. 


158.  Gngiand, Öfterreih, Prsusen, 271 


zu erheben, daß die gunze HRENFOIMER, jest u 
ſam erſcheint. 

ſterreich ſuchte ſich gegen dieſe und ahnliche 
Vorwuͤrfe zu rechtfertigen. Den ganz willkuͤrlichen 
Forderungen von Pfalz habe man nicht nachgeben 
koͤnnen; auch würden dadurch nur neue Auſpruͤche 
hervorgetrieben ſeyn. — Fuͤr die Koͤnigswahl wollte 
Öfterreich überhaupt nicht viel opfern, und lieber ab⸗ 
warten, als große Hinderniffe jest. befämpfen. 

Gleichwie über öſterreich zuͤrnte Newcaſtle auch 
uͤber Preußen, ja er war noch heftiger als ſelbſt der 
wiener Hofe So ſchrieb er den 2Aſten Januat 1753 - 
an Albemarle!): Preußen vereitelt die roͤmiſche Koͤ⸗ 
nigswahl und hat nur ungerechte, ehrgeizige und ger 
waltſame Abſichten. Es hilft zu Nichts dies abzu⸗ 
leugnen, oder zu beweiſen es ſolle nicht ſo ſeyn; die 
Thatſache iſt uͤber allen Widerſpruch einleuchtend?). 
Wenn der wiener Hof die Dinge nicht in dieſem 
Lichte ſehen will, ſo iſt er blinder uͤber ſein eigenes 
Intereſſe, als ich geneigt bin zu glauben. F 

In Wahrheit fehlt es aber an allen Thatſachen 
und Beweiſen über Friedrichs II ungerechte, ehrgeizige 
und gewaltſame Plane; denn daß er ſich ſeiner Untertha⸗ 


u‘ 


1) Frankreich, Band 116. * 
2) The.fact is evident beyond all contradietion. 


72 3weiundzwangigfter Abſchnitt. 1753. 


nen‘), wegen‘ Belchlagnahme ihrer Schiffe durch eng: 
liſche Handelsgerichte, annahm; kann doch unmoͤg⸗ 
lich als eine Stoͤrung der ———— sun bezeichnet 
- werden. 
Wenn der König von Preufen (fchreibt Meracafii 
“den Iten März 1753 nach Wien) einen Schritt thut, 
den Frieden zu brechen (wie er fchan Gewaltthaten 
gegen die Unterthanen der Kaiferinn Königinn begon 
nen hat)?), ſo will der König von Erigland den Ruf: 
fen genügende Hülfögelder beroilligen. Sie Herr Bot: 
fchafter, werden. der Kaiferinn anheimftellen (submit): 
ob es nicht angemeſſen feyn dürfte, das oͤſterreichiſche 
Heer dergeflalt zu -vertheilen, daß, im Fall eines pteu⸗ 
ßiſchen Angriffe, ſogleich etwas Wichtiges unternom⸗ 
men: werben. koͤnne. 

Öfterreich ergriff dieſe Hußerung. und erbot fih 
. zu: allen vertragsmäßigen Hülfsleiftungen; ja Maria 
Therefia warf den Gedanken hin’): man möge ri: 
- ften, und zwar nicht allein um fih im: Fall eins 
Angriffs zu vertheidigen; ſondern man koͤnne auh 
woll aud ein Mittel finden, dem Könige zu vorzu⸗ 


1) Schreiben vom 1Sten — 1753. Bfterreid, 
Band 186: 


2) Ebendafelbft. Welche Gewältthaten ?. ift ‚nicht, gefagt. 
3) Bericht vom 14ten Auguft 1753. 


\ 


1754. Europdäifhe Politik. 273 


kommen, irgend etwas zur Störung des Friedens 
beizutragen ). 

Obgleich biefe Allgemeinheiten ungefähr mit den 
früheren englifchen Xußerungen zufammentrafen, ging 
man in London nicht näher darauf ein; weshalb 
Öfterreich nun auch zuruͤckhielt, und that, ald wäre 
der Gedanke von England ausgegangen. Sonſt fehlte 
ed nicht an Höflichkeiten und Kaunig ſchrieb den 12ten 
December von. Wien aus. an Albemarle?): Graf 
Stahremberg hat Befehl, fi) gegen Sie mit: Herzlich⸗ 
keit (cordiality) zu benehmen, welche den Gefchäften 
(bei der glücklichen und "vollen Übereinſtimmung bei⸗ 
dev Höfe) nur nüglich feyn kann. — Richt minder 
ſprach Kaunig von dem gefährlichen Streben der Tran: 
zofen nad) allgemeiner Herrſchaft und von der Noth- 
wendigkeit ihnen auf alle Weiſe entgegenzutreten?). 

. Den Engländern war: dies fehr willlommen, da- 
ihre Mißhelligkeiten mit Frankreich über Amerika täg- 
lich fliegen. Jeder fchob dem Andern die Schuld zu 
und ſprach von Sriedenswünfchen, während beide Theile 
ihon ruͤſteten. 





1) Might even be a mean of prevent Prussia of at- 
tempting any thing to disturb the peace. 
2) Frankreich, Band 118. 
1) Bericht aus Wien vom 23ften Oktober 17545 Öfter: 
reich, Band 189. 
ae‘ 





0274 Bweiundzgwanzigfter Abſchnitt. 1284. 


Aus dem Wiremar der Diplomatie flellten fih 
durch den Drang der Umftände allmälig zwei entge 
gengefegte Zwecke heraus: naͤmlich Englands, ganz 
Europa wider Frankreich; und ſterreichs, ganz Eu 
ropa teider Preußen zu vereinigen. ine Beitlang 
fchienen ſich beide Zwecke zu vertragen; dann ergab 
ſich deren Unverteäglichkeit und die Frage war: wet 
den Anderen in Unterhanblungen befiegen werde. Ohne 
Zweifel trug ſterreich diefen Steg für feine Zwede 
in Frankreich und Rußland 'bavon, und brachte Koͤ 
nig Friedrich II zu den Berathungen und Beſchluͤſſen, 
über welche die Welt bis auf den heutigen Tag ve: 
fhieden urtbeil. Zur Aufllärung und Berichtigung 
diefer Urtheile, dürften meine ferneren Mittheilungen 
nicht unbedeutend beitragen, doch muß ich mehr ale 
je Schritt vor Schritt gehen, weil der diplomatifce 
- Briefwechfel von jegt an weit "zahlreicher wird und 
immer mehr in einander greift. 


"1754, Erropaͤiſche Politik. 275 


Dreiundgwanzigfter Abſchnitt. 


Je naͤher wir dem großen Kriege kommen, wel⸗ 
cher nicht blos durch ſeine Dauer, ſondern vor Allem 
durch die Art ſeiner Fuͤhrung welthiſtoriſch ſo wichtig, 
und für Friedrich II und Preußen ein Denkmal ewi⸗ 
gen Ruhmes war, deſto mehr Fragen treten hervor, 
welche eine genaue Unterfuhung und Beantwortung 
verdienen. So 3. B.: Konnte und Wollte man, im 
Fall ein Seekrieg zwifchen England und Frankreich 
ausbrach, den Frieden auf dem Fefllande erhalten? 
Par insbefondere diefe Erhaltung des Friedens, oder 
die Wiedereroberung Schlefiens der Hauptzweck der 
oͤſterreichiſchen Staatskunſt? Ließ ſich vernünftiger: 

weiſe auf Rußlands Parteiloſigkeit rechnen, oder nicht? 
Welche Macht durfte am erſten auf deſſen Beiſtand 
zaͤhien? Hatte Friedrich IL hinreichenden Grund zum 
Kriege oder nicht? Muß fein Angriff ſterreichs als 
Nothwehr, ober ald Irrthum, ober” als en Er: 
oberungsluft bezeichnet ‚werden? 

Ich werfe bdiefe, leicht zu vermehrenden, — 
nicht auf, um ſie hier durch umſtaͤndliche Schlußfol⸗ 
gen ſo oder anders zu beantworten; ſondern weil ich 
winmſche, daß man fie im Gedaͤchtniß feſthalte, um 


276  Dreiundgwangigfter Abſchnitt. 138. 


“aus ben folgenden. Mittheilungen die Beantwortung 
“um fo leichter felbft abzuleiten. 

Schon im Mat 1754 brang Kaunig aͤußerſt leb⸗ 
haft darauf, daß England feinen neuen Vertrag mit 
Rußland zu Stande bringe‘). Ohne Zweifel wollte 
Öfterreich ihn fuͤr fich gegen Preußen benugen,. und 
vechnete richtiger. als das britifhe Minijterium. Kau- 
nig (fährt der englifche Gefandte fork) erwähnte noch 
einen anderen Umftand: nämlich daß bie Czarina ver: 
langt (required) hätte, Öfterreic, ſolle ein anſehnliches 
Heer an den preußifchen Gränzen aufftellen. Hierauf 
babe Maria Thereſia geantwortet: ſie fey gluͤcklicher⸗ 
weife diefen Wünfchen zunorgelommen. Denn ihr 
Mannfchaft ſei bereits. ſeit längerer. Zeit. fo- verteilt, 
daß fie in fehr Eurzer Zeit ein fehr anfehnliches Her 
an. jeber Stelle der preußiſchen Graͤnzen verfammeln 
koͤnne. Ste babe ihre Einrichtungen der Verpflich⸗ 
tung gemäß getroffen, welche fie in dem vierten ge 
heimen Artikel bes zwiſchen ‚Öfterreih und Rußland 
gefchloffenen Vertrages. übernommen. 

Kaunig fügte hinzu: wir. erwähnten mit Verſat 
unſerer Verpflichtung zufolge. jenes geheimen Artikels, 
um dadurch dem ruſſiſchen Hofe zu verſtehen zu ge 
ben (let understand), die Kaiferinn fey bereits durch 


1) Öfterreich, Band 188, Bericht aus Wien vom 26m 


F Mai 1754, 








1758. Stterre ich u.: Englands Politik. 277 


einen. früheren Vertrag. (a former emgage- . 


ment) verpflichtet, die Heeresabtheilung in Liefland 
zu: halten, welche jet daſelbſt ſteht, und woruͤber fie 
‚fie fo großen 2drm (noise) erhebt und wofür fie fo 
große Summen fordert. 

Ungeachtet der fcheinbar gleichen Beftvebungen und 
Zwecke, hegten ſterreich und die Seemächte ſchon 
jego insgeheim derſchiedene Abfichten und aus dem 
fortdauernden Streite über .den Barrierevertrag ent: 
tidelten ſich neue Mißverftändniffe. Deshalb fchreibt 
Lord Holderneß den 7ten Januar 1755 an Keith 
nah Wien‘): Konnte irgend Jemand annehmen, bes 
kaiſerlichen Miniſteriums Verſicherungen uͤber die An- 


haͤnglichkeit an das jetzige Syſtem Europas und den 


Bund mit den Seemaͤchten, waͤren durchweg falſch 
. (false) geweſen; oder das Miniſterium ſey ſchwach 
genug vorauszuſetzen: das Haus. Öfterreich koͤnne ſich 
nach einem anderen Plane aufrecht halten?): — fo 
koͤnnte man auch wol glauben, ſie haͤtten ſich eines 


niedrigen Kunſtſtuͤckes?) bedient, um die Seemaͤchte 
hinſichtlich einer Frage zu. trennen, bei welcher ſie 


1) Öfterreich, Band 190. 

2) Maintain — upon any other plen. — Wol Hindeu⸗ 
tung auf. den no für unmdglich gehaltenen Bund mit 
Frankreich. 

5) Low artifice. - 


— 


> 


278 Dreiuundzwanzigſter Abſchnitt. 178. 


gleichmaͤßig betheiligt ſind, — indem man naͤmlich 
dem Einem anbot, was man dem Andern verhehite, 
zuletzt aber gar nicht die ernſte Abſicht hatte irgend 
etwas zu erfüllen. 

Der König von England wili noch einmal eim 
legte Anftrengüng machen, das Suftem zu erhalten, 
welches in fo großer Gefahr ift, aufgelöfet zu werden, 
durch die falfche Staatskunſt, Ungerechtigkeit und Un 
dankbarkeit des wiener Hofes. 

Sie glauben nicht, wie Diele in Holland de 
Meinung find: ein Buͤndniß mit Preußen, ſey dm 
mit Öfterreich vorzuziehen; auch wird das jegige Be 


F nehmen des wiener Hofes es jedem Miniſterium in 


Holland unmöglich machen, dem Strome zu widerſtehen 
Ich weiß nicht (fährt Holderneß ben 14m Se 
bruar 1755 fort)), wo ich anfangen ſoll, die mißlei⸗ 
teten und undankbaren Rathſchlaͤge zu bejammern, 
welche: der wiener Hof ſeit dem aachener Frieden un 
feligerweife befolgt hat. Die Kälte und Zuruͤckhaltung 
welche die Öfterreicher bei jeber Gelegenheit. gegen des 
Könige Majeſtaͤt zeigten, die geringe Übereinftimmun 
mit welcher ihre Gefandten in Bezug zu. den unferm 
handelten, die Vorſicht, ja das Mißtrauen, mit we 
chem ſie felbft auf diejenigen Maaßregeln eingingen 
welche lediglich ihren eigenen Vortheil betrafen, bad 


1 Ebendaſelbſt. 


TE. England und Öfterreid. 279 


gaͤnzliche Schweigen, weiches fie trog mehrer Vor⸗ 
theile uͤber ein zu bildendes Vertheidigungsſyſtem beobs 
achteten, vor Allem aber ihe gar nicht zu rechtfertigen: 
des Benehmen binfichtlih bes Barrierevertrages, — 
zwangen den König von England zuletzt auch feiners 
feits gu ungewöhnlichen Ruͤckhalt und Geheimniß. 

Kaunig hat es unmöglich gefunden und wird «6 
unmöglich finden, einen fo eitien Plan zur Wirklich 
keit zu bringen. In ganz Europa ift keine Macht, 
welche ſich mit Öfterreih in Maaßregeln einlaſſen 
wird, bie ber König von England nicht unterſtuͤtzt. 
Denn. Ale wiſſen ſehr wohl, daß ohne bes. Könige 
Beiltand die Verpflichtungen: des wiener Hofes ohne 
Wirkung bleiben müflen. 

Schon an biefer Stelle werden wir zu einigen 
Betrachtungen bingebrängt. England. und Holland 
fahen in dem Barrierwertrag etwas Unabänberliches 
und Ewiges; wogegen Öfterneich glaubte, es laſſe fich 
an ben, für daſſelbe druͤckenden Beftimmungen, mit 
der Zeit wol etwas Anden. Dies war um fo. nas 
tirelicher, da England Öfterreiche Mitwirkung für feine 
Zwede verlangte. Die amerikaniſchen Streitigkeiten 
lagen ganz außerhalb ber Kreife feiner Intereſſen; 
und wenn fi ein Landkrieg nicht vermeiden ließ, fo 
mußte Öfterreich wuͤnſchen ihn wider Preußen zu er⸗ 
heben.” Mit Frankreich konnte es unmittelbar Leinen 
Streit fuchen, oder herbeiführen. Wenn aber Öfter: 


280  Dreiundzwanzigfter Abſchnitt. 17%. 


reich von Erhaltung des alten Syſtemes in Europ 
fprach, fo. dachte es (wenigſtens innerlich) am den Zu⸗ 
ftand vor 1740, England aber an den Zuftand nad 
1748. Blieben nun England’ und Öfterreich‘ auf 
ner, Srankreih und Preußen :auf. dee andern Seit, 
fo fchien dies Gleichgewicht Keinem Vortheil zu ver 
fprechen, und ‘der Ausſchlag von den Beſchluͤſſen Ruf- 
lands abhängig. Mehr als je waren deshalb bie Di: 
plomaten an biefem Hofe der Willkür. befchäftigt und 
bedrängt, wie die nachftehenden Berichte ermeifen. 
Der ruſſiſche Senat (fchreibt Williams ben 15ten 


Sanuar 1755) hat, mit Rüdfiht anf des Königs 


von Preußen gegenmärtige Lage und Eünftige Plane‘), 


den einftimmigen Befhluß gefaßt: er fey bereits jegt 


zu groß und ber 'geringfte weitere Zuwachs ſey jehr 
(highly) gefährlich für die Intereffen Rußlands. — 
Man hebt 60,000_Mecruten aus. — 

Um: dieſelbe Zeit verhandelte Williams mit Brühl 
über die Emeuung des Subfidienvertrags?).. Diele 
leugnet, daß er irgendwo. und wie das franzöfiihe 


und preußiſche Intereſſe befoͤrdert habe. Doch ſpricht 


Williams von dem Geize, dem Ehrgeize und der Ei: 
telkeit Bruͤhls. | 
Beſtuchef klagt in einer Note, daß England den 





1) Reichsarchiv, Sachſen, Band 64. 
2, Bericht vom Loſten Januar. 


1935. Rußland. 281 


Rufen nicht genug Subfidien zahlen wolle‘), währmd 
diefe doch ein Heer von 60,000 Mann verfammelt hätten, 
welches ganz allein dem Könige von Preußen eine Dis 
verfion machen folle, indem es zu Lande, und eine 
Slotte zur See deffen Staaten angreife?),. Zu demfel- 
ben Zwecke würden noch 60,000 Mann in Stand ge: 
ſetzt. Mit Kleinigkeiten und aus Geiz hielten bie 
. Engländer die Sachen hin, yerrüdten den Gang und 
vereitelten. alle feine  Anflvengungen. — Ich geftehe 
(fährt Beſtuchef fort), daß ich faſt argwoͤhne, England 
babe dies Alles nur gethan,. um ben Boden zu er 
forſchen und die Geſinnungen ber Kalferinn Eliſabeth 
gegen den König von Preußen zu entbeden. 

Mit Übergehung all ber. Raͤnke und Beflehun: 
gen, Feſte und Ausfchweifungen, Plane und Hoffnun⸗ 
gen am ruſſiſchen Hofe von: 1747 bis 1755, fpringe 
ich gleich zum Anfange des legten Jahres über. Im 
Februar 1755 wuͤnſcht der. englifche Gefandte Guy 
Dickens zu Petersburg feine Abberufung und fchreibt ?): 
der König von England follte an diefem Hofe einen 


1) Bericht vom 24ften Januar. 

2) Quit doit faire tout seul la ae au Roi de 
Prusse, en attaquant ses &tats par terre, et par mer 
par une-flotte etc. 

8) Rußland, Band 62, Verichte vom 18ten und Leſten 
Februar, Aten und 14ten März. 





BL Dreiundzwanzigſter Abſchnitt. 17%. 


Geſandten haben in voller Kraft und Bluͤte feine 
Jahre. Denn nady ber biefigen Denkungsweiſe barf 
er nie fehlen bei Hoftagen, Bällen, Mummerrien, 
Schauſpielen, Opern, oder irgend einem öffentlichen 
Vergnügen. Man hält diefes für den Hauptgegen⸗ 
ftand feiner Sendung, wozu ich aber bei meinem Al: 
ger nicht mehr fähig bin, fo ſchlechterdings noth⸗ 
wendig es bier auch fern mag. Des Groflany 
ler Abneigung gegen Arbeit und Geſchaͤfte, iſt eben 
fo groß als die der Kaiferinn feiner Herrinn. Wollte 
er meinem Rathe folgen, fo würde er, anftatt Ver⸗ 
ſtellungen nieberzufchreiben und bis Mittag im Bette 
zu liegen, um zehn Uhr Morgens in den Zimmen 
des alten Guͤnſtlingé feyn'), wo die Kaiſerinn 
oft eins und ausgeht. Da. würde er Gelegenheit 
finden, ihre Beſchluͤſſe über vorliegende Angelegenhei⸗ 
ten zu befchleunigen. — In Monaten nimmt fie fih 
oft. feinen Augenblid Zeit, die Sachen anzufehen. 
Seit legten Mittwoch hatten wir wicht wenige 
als drei Maskeraden und eine Oper. überhaupt geht 
in dieſer fogenannten Butterwoche kein Tag ohne eine 
oder. mehr Vergnügungen vorüber. Mit der nächfen 
Woche beginnt die Faftenzeit, we eben jeber faſtet 
und betet; und in der dann folgenden Woche iſt gewoͤhn⸗ 


1) Bom- neuen Guͤnſtling wird bald geſprochen werben. 
2) Bericht vom Iiten Märg 1755. 


175. “ Rußland. 283 


lich die halbe Stadt krauk in Folge des Übergangs 
von der ansfchweifendften zur enthaltfamften Lebens: 
weile. . Deshalb können wir nicht erwarten,. daß in 
den nächften drei Mochen bier irgend ein Gebrauch 
gemacht werde, von Papier, Feder und Tinte. — 
Nachher hoffe id) die Sachen in Bewegung zu fegen ‘); 
denn die Kaiferinn kann doch nicht immer auf den 
Knieen liegen, und andere Ergögungen muͤſſen an bie 
Reihe kommen. 

Aber nach Ablauf jener Friſten, erneute ſich die 
Klage des Geſandten). Nichts (ſchreibt er) geht 
vorwärts; entweder weil ber Einfluß des Großkanz⸗ 
lers abnimmt, ober die Abneigung ber Kaiferinn wi: 
der die Gefrhäfte zunimmt, oder (mas das Wahr: 
ſcheinlichſte iſt) aus beiden Gründen zugleich. Der 
Großkanzler fieht oder fpricht die Kaiſerinn niemals; 
jebes Ding wird durch fcheiftliche Eingaben verhandelt, 
welche jener dem jungen Günftling Iwan Schu: 
walcf uͤberſendet, dieſer aber der Kaiferinn vorlegt, im 
Tal er findet, daß fie des Humors iſt — Geſchaͤfte 
abzunsachen, — liberal ftößt man auf Eleine ſchmu⸗ 
zige RFaͤnke 2). 

Der Großkanzler ſelbſt — Geſchaͤfts⸗ 


1) Bericht vom 18ten März 
2) Bericht vom 28ſten Maͤrz. 
8) Little dirty: intrigues. 





284 Dreiundgwanzigfter Abfhnitt. 1% 


gang und biefe Zoͤgerungen). Solch ein Verfahren 
ſtelle Ruf und Einfluß, in den Augen von Fremde 
und Feinden an ben Pranger; aber er wiſſe nidt, 
wie zu helfen fey! Seit meinem legten Bericht if 
der junge Günftling (durch deſſen Hände alle Soden 
von großem, oder geringem Belange gehen) ſehr kant 
gewefen, weit er fich bei den Bacchanalien in ie 
Woche vor Dftern übernommen hatte. Bevor f 
nicht völlig hergeftelle ift, wird die Kaiſerinn an kit 
Gefchäfte denken. — Die Krankheit des jungen Guͤnß 
lings (Heißt es bald nachher)“) hat ſich in einen 
Rheumatismus verwandelt, was die Sorge und I 
"Gedanken des ganzen Hofes in Anfpruch ninmt. 

Waͤhrend man fo in Petersburg nicht von ie 
Stelle kam, wurden die Verhättniffe zwifchen England 
und Frankreich immer deinglicher. 

Am 12ten März fchreibt der englifche Bevolimäk 
tigte Ruvigny de Cosne aus Paris’): Ich bin über 
geugt, der Miniſter Rouills wünfcht für feine Perſo 
die Erhaltung der Ruhe und auch ber. allgemein 
Wunſch fpricht ſich für. den Frieden aus; insbeſondere bei 
dieſer Gelegenheit, weil man zu glauben ſcheint, di 


1) Bericht vom Aten April. 
D) Bericht vom 5ten Aprit.. 
. 3) Frankreich, Band 119. 


1755. "Rußland und England. | 285 


franzöftfche Seemacht koͤnne ſich mit der engliſchen 
nicht meſſen. 

Ich kann mich hier nicht einmal barauf einlaſſen, 
einen Auszug aus den unendlich weitlaͤufigen Ver⸗ 
handlungen uͤber Amerita zu geben. Beide Theile 
machten Vorſchlaͤge und Gegenvorfchläge, von denen 
jeder wechfelfeitig behauptete, fie feyen nicht anzuneh⸗ 
men, und keiner bürfe aufgeben, was ihm ohne Zwei⸗ 
fel gehöre. Die Franzofen wünfchten, daß alle Feind⸗ 
feligleiten in Amerika unterfagt, und dann die Unter: 
bandlungen weiter geführt würden; fie fchienen, als 
die Schwächeren, die billigften Vorſchlaͤge zu machen. 
Die beffer geräfteten Engländer wollten dagegen Feine 
Zeit verlieren ; fondern ihre Forderungen — in ir⸗ 
gend einer Weiſe durchfuͤhren. 
| So lagen die Dinge als Williams, ber neue eng 

liſche Geſandte in Petersburg, folgende Anweiſung von 
Lord Holderneß empfing‘): Es iſt unwahrſcheinlich, 
daß der Streit zwiſchen England und Frankreich fried⸗ 
lich ausgeglichen werde, und hieraus (fagen die franz 
zöfifchen Gefandten laut in London und dem Haag) 
folge ein allgemeiner Krieg. Deshalb und. weil ber 
1742 mit Rußland gefchloffene Vertrag 1757 zu 
Ende Läuft, muß ein neuer fchnell zu Stande gebracht 


1) Inftruction vom Iiten April 1759. Rußland, Band 


286 Dreiundzwangzigfter Abſchnitt. 28. 


werden. Bel diefer Gelegenheit muß man die Ruſſen 
überzeugett, daß fie nur eine afiatifhe Macht bleibe, 
wenn fie ſtill figen und dem Könige von Preun 
eine bequeme Gelegenheit laſſen, feine ehrgeizigen, ge 
fährlichen und lang entworfenen Plane -ber Vergröfe 
“zung durchzufkhren. Seine Majeflät der König (von 
England) geben Ihnen Vollmacht und Anweiſung 
Altes feinerfeits zu thun, um ſolch einem en 
zuvorzufommen '). 

Hätte Friedrih II in leinem Innerſten * den 
Wunſch gehegt, ganz Europa zu erobern, fo legte m 
ihn feit dem dresdener Frieden doch in einer Weil 
zu Tage, und ftand Erineswegs zu alen übrigen Mit; 
ten in ſolchem Verhaͤltniß, daB fich ihm ein leichtes 
Spiel dacbot. Er hatte weit mehr’ zu fürchten als 
zu hoffen, und mußte.fchon jegt weit mehr auf Ver 
theidigung, als auf unbegruͤndeten Angriff bedacht 
ſeyn. Jene Kußerungen von Holderneß waren mit 
bin Worte, ohne Thatſachen und Beweiſe; haupt: 
fachlich, weil er Friedrich MI als einen bloßen Gehit 
fen Frankreichs betrachtete und nur das Allernaͤch 
fie im Auge behielt. Vorſichtiger, zweckmaͤßiger und 
natuͤrlicher, war die Politik des wiener Hofes. 

Den 22ften Mai 1755 berichtet Keith aus Wim: 
Der Graf Kaunig wuͤnſcht, dag England und Frank: 


1) For preventing such a calamity. 





17585.  Sfterseidh und England. ° 87 


veich fich vergleichen möchten ’);. beun aus dem See⸗ 
friege dürfte ein Landkrieg mit gar übeln Folgen ber: 
vorgehen. Zu gleicher Zelt habe er aber ausdruͤck⸗ 
lichen Befehl, Ramens der Kaiferinn in den ſtaͤrkſten 
und beitimmitellen Ausdrüden zu verfidern: daß fie 
ihre Intereſſen von denen des Könige von England 
für unzertrennlich halte, oder vielmehr daß dieſe ganz 
diefelben wären. Die Kaiferinn hege bie Überzengung, 
ihre eigene Sicherheit fen allein in der Sicherheit ih⸗ 
rer Verbuͤndeten insbefondere Englands zu finden; 
und von dieſem Geſichtspunkte aus, fen fie entſchloſ⸗ 
fen, ihre - Verpflichtungen nicht blos nach dem Buch 
fiaben, fonden nah bem Sinne?) ber Berträge 
zu erfüllen und alle.. Kräfte aufs AÄußerſte zu en 
Zwecke anzuflvengen. 

Kaunis ſprach ferner von Frankreich als einer 
feindlichen Macht und aͤußerte Beforgniffe für bie 
oͤſterreichiſchen Niederlande. Wenn Maria Thereſia 
durch Rußland gegen Prrußen geſichert ſey, ſo wolle 
fie dem Könige von England in Flandern und dan 
nover beiſtehen; — eher aber nicht. 

Kaunig fügte hinzu: ex hoffe, daß England bie 
Kaiferinn Maria Thereſia nicht blos als feine Ber: 
bündete gegen ben König von Frankreich, fondern auch 





1) Öfterreich, Band 191. 
1) Not only to the letter, but to the sense ‘etc. 


288 Dretundgwangigfker Abſchnitt. 1988. 


gegen den König. von Preußen: betrachte, wei 
cher, obgleich nicht fo mächtig, doch volllommen fo 
gefährlich fen als der andere. Durch diefe neue Macht 
(bemerkte Kaunitz) fey das alte Syſtem Europas gan 
verändert, und nichts könne es wieder: in bie Richte 
(to rights) bringen, als wenn vie und ber Ruſſen 
verficherten. 

Den 19ten Junius fagte Keith zu: Kaunitz '): es 
ift fafl gewiß, daB uns ein ruffifhes Heer zu 
Gebote ſteht, um fogleich einen. foihen Ar 
geiff auf den König von Preußen zu ma: 
hen, daß er fih zweimal wird bedenken müfle, 
bevor er Krieg gegen die Kaiſerinn Köntginn erhebt. 

Hier erfcheinen England und Öfterreih in feine: 
licher Thätigkeit wider. Friedrich U, während Diele 
weder allein noch mit Anbern in äpnticher Weiſe vor: 
gerückt if. Doch wollte Öfterreich, ungeachtet jene 
Verſicherungen Keiths, kein Heer nach Flandern fhis 
den, Frankreich nicht dadurch reizen und ſich gegen Preu⸗ 
fen entblößen. Es Iegte die Gründe feines Verfah⸗ 
- rend in einer Mote vom erftien Junius ſehr verftän ' 
dig dar und fagte unter Anderem: lP’Angleterre n’ima- 
gine pas sans doute que nous ne cempreniens 
pas parfaitement la grand difference qu'il ya 
d’un trait6 a faire, A un trait6 conclu ; de 60,000 





1) | Ebenbafelbft. 








175. Öfterreih, Frankre ich, Rußland. 289 


Russes sur le papier, dans les quartiers très eloig- 
nes les uns des autres, a 80,000 Prussiens, qui 
penvent se rassembler dans quinze jours e fon- 
dre sur les états de l’imperatrice. 

Ungeachtet dieſer fcheinbar völligen Einigkeit Eng⸗ 
lands und Öfterreiche, fand ſich Keich doch veranlaßt, 
über das Verhaͤltniß der letzteren Macht zu Frankreich 
Erläuterungen zu fordern‘). KRaunig antwortete: bie 
Stanzofen rühmen ihre Friedensliebe, fcheiten auf 
England und fuchen -Öfterreich wider daſſelbe einzu⸗ 
nehmen. Sie koͤnnen jedoch glauben, daß ich den 
franzoͤſiſchen Hof zu gut kenne, als daß deſſen kleine 
Kuͤnſte mich taͤuſchen koͤnnten und daß ich der Wahr⸗ 
haftigkeit ſeiner Erklaͤrungen nicht mehr Gewicht bei⸗ 
lege als fie verdienen. Wir haben, obwol gehei⸗ 
me, doch wirkſame Maaßregeln ergriffen 
und Alles ſo vorbereitet, daß wir (im Fall 
es noͤthig iſt) ohne Verluſt eines Tatzes 
ins Feld rücken koͤnnen. 

Dieſe Kriegsluſt bezog ſich aber nicht auf einen 
Krieg in Flandern, fondern auf einen Krieg in 
Schiefien. Auch war Lord Holderneß hoͤchſt unzu⸗ 
frieben, - als er die oben erwähnte Mote empfing und 
fchrieb an Keith”): es würde fehr leicht feyn, bie 





1) Bericht v. 27ften Junius 1755. Öfterreich, Bb. 191. 


2) Schreiben vom 6ten Auguft. Ebendafelbſt. 
II. 13 


BO Dreiundzwanzigſter Uhlhnitt ME 


falſchen Schlußſelgen dieſes abgekbmadken Schein | 
zu. widenlegen. 

.. && warb: aber um fo nöthiger bie hier getabelten 
Bedenken zu befeitigen, als die Franzoſen Die Eng 
länder in Nordqmerika bedrängten, und dieſe wnge 
kehrt jenen am tea Iumind dur Boscawer bei 
Berreneune zwei Ltnienfchiffe (als Wiedervergeltung) 
wegnohmen').. Die Franzoſen wollten dies nicht fü 
din bloßes Verſehen gekten laflen, oder zu Werhand⸗ 
Inagm über eine etwanige Ruͤckgabe die Dank hieten; 
ſondem hieften ſich zugleich für getaͤuſcht um beieh 
bigt; fa daß bee. fuanzifiiche. Geſandte Londen verlich 
ohne Abſchied zu nehmen. 

Um nun Oſtarreich gegen FSrankreich im Bene 
gung zu fegen, behastte England in dem Bemuͤhen 
Rußland auf- jede Weiſe wider. Preußen aufzureizen. 
Nie blos Beſtuchef Chaichter, Williams den Am 
Sutine)?) iſt für einen Bund mit England, fonden 
auh Woronzom hat feinen Irrthum eingefehen um 
iſt jetzt uͤbergeugt: Rußland muͤſſe vor allen Dingn 
auf den König von Preußen hoͤchſt eiferſuͤchtig fern, 
als auf feinen natuͤrlichſten und furchtbariten Keim. 

Man fühlt: ſich geneigt, die Thorheit zu wider 





1) Berichte vom 2Often und 22ften Julius. Frankreich 
Banb 119. 
2) Rußland, Band 62. 


185. Vertrag zwiſchen England und KRußland. UL 


legen, daß Friedrich II einen Angriffskrieg gegen Ruß⸗ 
land bezweckt habe; dieſe Bemuͤhung erſcheint aber 
ganz uͤberfluͤſſg, wenn man die Gründe jener über⸗ 
zeugung in dem Schreiben bes Geſandten näher ent: 
wickeklt finder. Herr Dlfufiow (führe Williams 
fort) ifE die Seele Woronzows, welcher nur ſpricht, 
was jemer ihm eingiebt. Fuͤr 1500 Dukaten Baar, 
und ein Jahrgeld von 500 Dukaten, kann ich Dls 
ſufiow gewinnen und (mie ich glaube) großen Ge⸗ 
bdrauch von ihm machen. — Gleichen Einfluß hat 
bee ſaͤchfiſche Geſandte Fu nk. Er dient feinem Hoft 
treulich, hat aber ſeit neun Vierteljahren kein Gehalt 
empfangen und iſt deshalb oft in großer Noch. Er 
wird -dem Könige für dieſelbe Summe dienen, — 
ih für Olſufiow vorgeſchtagen babe. 

Die, dritte Perfon, weiche man gewinnen muß, 
iſt Wolkow, dee Geheimſchreiber Beſtuchefs. Ein 
Geſchenk von 500 Dukaten und ein Jahrgeld von 
250, macht ihn zu dem meinigen!). Bis jetzt habe 
ich jedoch une dem Difafiore vorkäufige Anerbietungen 
gemacht. — 

Den 24ftn Julius genehmigt Helberneß die Zah⸗ 
lung al bisfer Summen, und den Item Auguft mel: 
det Williams?), daß endlich ein Vertrag mit Ruß⸗ 


1) Will make. this person my own. 

1) Rußland, Band 63. Und die Berichte vom 1iten 
Auguft und 2ten Oktober. 

| = 13 * 


DE Dreiundzwanzigſter Abfchniet. 18 


land unterzeichnet worden, deſſen Hauptzweck iv: 
Huͤlfe gegen Frankreich: und einſtimmige Wirkfamtet 
mit ſterreich. 

Außer den gewoͤhnlichen biplomatiſchen Geſchenlen 
erhielt Beſtuchef 10,000 Pfund, und bat nun, ſchlar 
genug, auch Weronzom eine außetordentliche Gabe u 
bewilligen. Dlfufiom nahm das Dargebotene an um 
dankte. Ob mit Funk wirklich .ein ähnliches Gefhift 
zu Stande kam, ift nicht zu erfehen. 

Das Gerd (fährt Williams fort), das "biefer Gef 
zufolge des erfien-geheimen Artikels. cchält, geht ehn 
Zweifel in die befondere Börfe der Kaiſerinn. Gi 
baut jegt zwei, drei große Palaͤſte und bedarf his 
viel Geld. Diss, hat wefentlich dazu beigetzagm 
unferen Vertrag fobald zu Stande zu bringen !! 

Der SKaiferinn Eliſabeth Widerwille  (aversis) 
gegen Frankreich und Preußen: wird tägsich flärte 
und ihre Anhaͤnglichkeit an den König von England 
und deffen Verbündete (Öfterreih) wächſt I 
ſchnell, daß ich mich anheiſchig mache (mit Anwen 
bung der Heinen Hülfsmittel, um welche ich gebeten 
babe) den hiefigen Hof mehr in. die Haͤnde des 8 
nigs zu bringen, als er zu irgend einer: Zeit von ir 
- gend einem andern Herrſcher abhängig tar. Nicht 
fou hier gefchehen, was den Wünfchen . Seiner Nr 
jeftät zuwiderläuft, oder von dem abmeicht, was t 
befiehlt. 











1755. Geſchenke. 298 


Bir werden fehen wie dieſe übergroße Zuverficht 
ded Geſandten auch den englifhen Hof verführte. 
Beide vergaßen, daß wo man ohne Gründe, oder 
lediglich aus Nebengrüunden. Beichiüffe faht, Nie: 
mand auf Sicherheit rechnen kann, und wo man bas 
wahre Wohl des Staats dem Meifibietenden aufchlägt, 
fi) leicht mehr Käufer einfinden. Und die um fo 
mehr in. dem Fall, daß eine geoße Umſtellung ber 
Staatsverhältniffe und der Politik, mühelos Vor⸗ 
wände und Ausfluͤchte berbeifährt. 

Der Geſandte fährt fort: der Großkanzler Beſtu⸗ 
chef wirkte ſehr müglich für uns. Sein Geficht zeigte 
die größte Sreude, ale er fand, daß meine Anerbies 
tungen feiner, Gelze. genügten: .' Auch Woronzow 
that das Seine. Moͤchten Seine Majeſtaͤt deshalb 
Me Smwabe Haben und ihm über. feinen gewöhnlichen 
kohn (above his ordinary fees) noch etwas geben, 
wa ihm einen Ring zu kaufen. 500 Pfund, fo 
berwandt, werben an dieſem Hofe fünftig große Wir: 
kung thun. | 

Zwei Tage ſpaͤter, denn 14ten Auguft, fchreibt , 
Wiliams'): der Großkanlzer verficherte mich in den 
ſtaͤrk ſten Ausdrücken, daß eine Vermehrung der 
im erften geheimen Artikel feftgefegten Zahlung, au: 
berordentlich angenehm und eine Art von perfön- 


% 


1) Ebendaſelbſt. 





294 Dreiundzwanzigſter Abfhnitt. 18. 


licher Begünftigung ber Raiferinn ſeyn wuͤrde. Gold 
eine Vermehrung werbe diefen Hof und bie Kalferian 
ganz zum Dienſte des Koͤnigs ſtellen ). — Em 
50,000 Pfund für die Woͤrſe bee Käiſerinn daft 
großen Erfolg haben. Alles was man biöher gal, 
follte den Beiſtand des ruſſiſchen Reiches erkaufn; 
dieſe letzte Summe wird bie. Kalferien erkaufra! 
Ze zufriedener und gluͤcklicher Willians war, dej 
ihm der Abſchluß des fo Lang erſehnten Wertvages 1 
lungen, deſto überrafihender und unamgenehmer muit 
als ihm feyn, daß man an defſen Form ımb Inhal 
fo manderlei in England auszufegen fand”). Bunte 
derſt verlangte man, daß ein Epemplar, vom Köniz 
von England allein unterzeichnet und fein Name in 
demſelben vorangeſteilt werde; noch lebhafter befkitt 
man bie mit dem erſten Entwurfe vorgeneramenn 
Abaͤnderungen tiber den Aufbruch und Marſch W 
. Heeres, die Zahlungsfeiften u. f; ie. Rn 
Zufriedener war Raumig über jenen Vectrag)) 
weicher zunaͤchſt nicht den Franzoſen, fondern den 
Preußen gefährlich werden mußte. 





1) Put to His Majestys fmenagement. 
2) en an Williams, den ZBften Auguſt Rußland 
Band 6 


8) — aus Wien vom ten September. — | 
Band 191. | 








1755. Krankheit e— Katharina. 205 


Den 2ten Oktober bericheet Willens aus Pe 
tersburg): dee Geſundheitszuſtand der KRalferine if 
ſchlecht. Sie bat Bluiuß, Burgen Atgem, fieten 
Huſten, geſchwollene Beine, Waſſer im Leibe; — bed 
tanzte fie eine Blewwett mit mir”). — Am Hofe ift 
große Aufregung. Peter verhehlt feine Feindſchaft ger 
gen bie Schuwalofs nichts Katharina lebt auf gu⸗ 
tn Fuße mit Beſtuchef. — Weil Ihre Hoheit (Ras 
tharina) diejenige Perfon iſt, welche im Fau gewiſſet 
Bufühte, hier herrſchen wird; fo halte ich es für meine 
Pflicht, dem Könige meine Beobachtumgen über die: 
felbe vorzulegen. Diezu bin ich um fo eher im Stande, 


als ich oft ſtundenlange Geſpraͤche mit ihr fähre; 


ſchon weil mein Rang mir bei den Abendmahlzeiten 
einen Platz neben iht anweiſet. Brit fie in bies 
Land Bam, hat fie ſich duch alle ihr zu Gebete fies 
henden Mittel bemüht, bie Liche der Ruſſen zu ge 
winnen. Sie lernte ſehe fleißig ihre Sprache and 
ſpricht fie jegt. (wie Rufen mir fagen) vollkemmen 


gut. Auch hat, fie jenen Zweck erreicht, und wird 


bier in hohem Grabe geliebt und geachtet. Ihr Äur 
feves iſt ſehr vortheilhaft, und ihr Benehmen fehe . 
einnehmend. Sie befigt guoße Kenntniſſe von Diefem 


1) Rußland, Band 63, 


2) Williams war ein Geſandter, wie ibn Buy Dickens 
als paſſend in Petersburg, beſchrieben hatte! 


26 Dreiundzwanzigſter Abihnitt. 178. 


Reiche, und macht es zum Gegenſtand ihrer eifrigfen 
Forſchung. Es fehlt ihr gewiß nicht an Anlagm | 
(parts), und ber Großkanzler fagte mir, Niemand be 
fige mehr Zeftigkeit und Entſchluß. — Bie bat fh 
letzthin offen gegen mich über den König von Par 
en erklaͤrt), und iſt nicht‘ allein überzeugt, er ſey 
der natuͤrliche und furchtbare Feind Rußlands, for 
den ich finde auch, daß fie ihm perfönlich Haft. Der 
‚Prinz von Preußen (fagte fie mir) hat nicht bed 8: 
nigs Verſtand; fein Herz kann aber nicht fo ſchlecht 
ſeyn, als das des legteren, weil dies gewiß das ſchlech 
teſte auf der Welt ift. 

Sie erwähnt nie ben König von England, ald 
mit der höchften Achtung und Ehrfurcht, iſt durde 
drungen von dem Nugen der Einigung zwifchen Eng 
land und Rußland, nennt ben König immerdar ber 
Kaiſerinn größten Freund und Bundesgenoſſen, un 
ſchmeichelt fich, er werde Freundſchaft und Schug auf 
ide und dem Groffürften zu Theil werden laſſen. 
Was dieſen anbeteifft, ſo iſt er ſchwach und heftig, 
aber fein Vertrauen zur Großfuͤrſtinn iſt fo groß, 
daß er bisweilen den Leuten ſagt: er ſelbſt verſtehe 
zwar Nichts, feine Frau aber verſtehe Alles?). 


1) Man darf zweifeln, ob Katharina ganz aufrichtig 
ſprach. 

2) He does not understand things himself, ya his 
wife understands every thing. 


1738, Lage Eüropas. 2097 ° 


Sollte die Kaiferinn (mie ich fuͤrchte) bald fterben, 
würbe die Herrſchaft ruhig auf. Beide übergeben. . 

As ein Herr Douglas aus Paris hier anlangte, ° 
fragte ihn der argwoͤhniſche oͤſterreichiſche Sefandte '): 
was er in dieſem Lande wolle? und diefer antwortete: 
er komme nach dem Rathe feiner Ärzte, um die 
Wohlthaten eines kalten Klimas zu genießen. 


Vierundzwanzigſter Abſchnitt. 


Nach mannisfach erneuten Schwierigkeiten, wear 
. endlich ber Vertrag zwifchen England und Rußland 
abgefchloffen?), wenn. auch noch nicht von ber Kaiſe⸗ 
rinn volgogen worden. Alle Xheile. betrachteten dies 
als ein wichtiges, vielleicht entſcheidendes Ereigniß. . 
Wie flanden alfo die. Dinge? Der Seekrieg zwi: 
ſchen Engiond und Frankreich war unvermeidlich, 
oder vielmehr ſchon ansgebrochen.. “ England wünfchte 
num entweber den Landfeieben zu erhalten, damit es 
mit ungetbeilten Keäften: zue See wirken könne; ober - 
den Landkrieg ai Huͤlfe Er und ge 


1) Bericht vom Tien Oktober. 
2) Bericht vom un Kovember. Rußland, Band 68. 
, 13° 





208 Vierundzwanzigſter Xbfhnitt. DA 


fo zu führen, daß Preußen und Buaitkvei, übennil 
tige würden. Bon ber Möglichkeit Frankreich m 
Öfterreich hinuͤberzuziehen, ober Preußen von Frank 
seich zu rennen, tft noch gar nicht bie Rede. Am 
fand aber Preußen in gar keiner engen Verbindunz 
mit Frankteich; vielmehr lief dee zwiſchen beiden ge 
ſchloſſene Werting (teicher ohnehin unter ganz neun 
Verhaͤltniſſen wenig ober nichts bedeutete) bald zu 
Ende. Mithin war Friedrih I ganz vereinzelt, 
und die dringendfle Beranlaffung vorhar 
ben zu überlegen, was in fo.übler Lage zu 
thun fey, Dan die vn Euglaud, Aufland un 
Öfterreich her Preußen bedrohende Gefahr, erſchien weit 
größer, als die erwa vom Fraulceich zu erwattende 


‚Zur das Feſtiand Europas waͤre es ohne Aeifd 
bes Heilſamſte und Weiſeſte geweſen, bie Boanzefm 
‚von Deutſchland, md die Hſterveichet von . Pauken 

abzuhalten (oder mit. einem orte) jeben Keitg zu 
vermeiden. Das: war Friedrichs II erfier nad nid 
fer Zwei, Obauch der übrigen Mächte? Dei 
ſteht nad) den ſchon mitgetheilten Berichten ſehr zu 
bezweifeln, umd nach Bern, was ich fogfeich vorlegen 
woerde, darf man: ed gerabehin leugnen. 

Auffallend iſt es zuerſt, daß die oͤſterreichiſchen 
Miniſter vom Auguſt bie zum Movember 1755, oder 
vielmehr bi6 zum Februar 1756 mit dem engliſchen 


- 


1355, umfellung ber Politik. m. 


Geſandten Sci in Min‘), fo gut wie. gar nicht 
über Geſchaͤfte ſprachen; und aͤhnlicher Weiſe verfuh⸗ 
ven wahrſcheinlich die engliſchen Miniſter in London: 
Auch wird der Verdacht geäufert, daß fterreich in 
Rußland Untechundiungen pflege, von denen Eugtand 
nichts erfahre; ja Wiiliams ſchreibt?): der in Peters⸗ 
burg nen augelommene Graf Zinzendarf, erwecke bie 
Eiferfucht ſelbſt des öfterreichifchen Geſaudten Eſterhazi. 
Wahrſcheinlich ſtellte fi) aber ber wohlunterrichtete 
Eſterhazi nur fo an, um Williams beſſer zu taͤuſchen. 

In dieſe neblige Gegend fällt ein plögliches Licht 
und laͤßt uns einen Blick thun bis in bie geheimſten 
Riefen, an weiche man zeither kaum zu bmien, von 
deuten man aber gewiß nicht zu fprechen wagte. Dem 
10ten Obtober 1755 ſchreibt nämlich Holderneß eunb 
heraus an Mitchellꝰ), den nachmaligen ongliſchen 
Gerſandten m Beim: Unfer Gegenftand if 
Frankreich, Öfterreihs Gegenſt aud iſt Prem 
Bent Ste wollen uns wider jene Mache 
krinen Beiſtand geben, wenn wir dieſe 
nicht far. unfere Feindinn erklären, und 
der Kalferiun Koͤnigian das wieber era: 
bern heifen, was fie im legten Kriege ver 


1) eichsarchtv, Oſterveich Want 191. 
2) Bericht vom ten November. Rußland, Band 63:-- 
S) Mitchell papers, Vol. 39. a 


399 Bierundzwangigfter Abſchnitt. 198. 


lor. Und wahrlich in unferen jegigen Ber 
bältniffen an fol einen Plan zu denken, 
würde Wahnfinn (madness) gewefen feyn. 
Zu. dieſem merkwürdigen Texte, giebt Die nem 
Anweifung, welche Holderneß ben 26ften Decembet 
1755 an Williams nad) Petersburg fandte‘), einen 
fo umftändlihen als Ichrreichen "Commentar. Ei 
beißt dafelbft im Wefentlichen: Der erſte Zwed be 
engliſchen Unterhandlungen am ruſſiſchen Hofe wat 
gegen Preußen gerichtet, für den Fall, daß die 
Mißhelligkeiten zwiſchen dem Könige von England 
und Friedrich I wären bis aufs AÄußerſte getrichen 
worden. Hierauf. folgten zweiten, die viel wichtigere 
ameritanifchen Streitigkeiten, und für größere Gegen 
flände . vergrößerte man auch bie Anerbietungen von 
Hülfsgeden. Der Dauptzwed war jebod, 
ben Frieden von Europa zu erhalten. Dee 
bald ‚haben wir den zwifchen Rußland und. England 
abgeſchloſſenen Vertrag umter dem Bemerken an Prer⸗ 
Sen mitgetheilt: derfelbe fey auf keine Weiſe als ein 
offenfive „oder feindliche Maaßregel wiber den Könis 
von Preußen gemeint und zu betrachten, ſondern habe 
lediglich den Zweck, ſich wider alle und jebe Angriffe 
zu fichern. | 
Sch darf Cabet Holderneß fort) — nicht we 


1) Rußland, Band 68. 





1758.  England.und Preußen. 301 


hehlen, daß ber hiefige oͤſterreichiſche Miniſter über bie 
öffentliche Erklärung im Parlamente Beforgniffe (um- 
brage) gefaßt hat. Sie argmöhnen eine Vorliebe 
für den König von Preußen und deuten hin auf eine 
Anderung .der Maaßregeln in England. Das letztere 
jedoch aus keinem anderen Grunde, als weil ber Kö 
nig von England. nidjt guttillig zugab, daß ber Kb: 
nig von Preußen (vieleicht gegen feine jegige 
Abſicht) von Frankreich zu feindiihen Mach 
regeln gezwungen werde"); und zwar zu el⸗ 
ner Beit wo Feine andere Macht als Frankreich 
und ‚England unmittelbar bei den 'obmwaltenden Steel: 
tigfeiten- intereffirt. war. Die Weigerung bes berliner 
Hofes. auf das franzoͤſiſche Syſtem einzugehen, dürfte 
ein Mittel ſeyn, den Frieden in Europa zu’ erhalten, 
welcher ſtets fo. wünfdenswoeth und jetzt ſo nothwen⸗ 
dig iſt. 

So weit möchte es bieleicht nicht unangemeffen 
ſeyn, geſpraͤchsweiſe etwas gegen die ruffifchen Miniſter 
fallen zu laffen, um zu prüfen, inwiefern ber wiener Hof 
fih) bemuͤht hat fie zu mißleiten, indem er aus Fan⸗ 
tomen. feiner eigmen Einbildungskraft Schlüffe ‚zieht, 
ohne achte Kenntniß der Wahrheit deſſen was vor 
geht. 

Zu Ihrer eigenen Belahrung eheile ich Ahnen das 


1) To be foreed in hostile measures, 





HB Vierundzwanzigſter Abſchnett. 188. 


gegen auf Befehl des Königs eine Thatſache vom der 
hoͤchſten Wichtigkeit mit," weiche das größte Geheim⸗ 
niß erfordert. Bufolge deſſen nämlich, was zwiſchen 
mic und dem preußiehen Geſandten Michel vos, 
hat ee von ſeinem Hofe Befcht schalten, mie zu fe 
gen: ber Konig fein Herr fey ſehr erfrrut deber die 
Mittheilung des zuffichen Vertrages und bie bei bie 
fer Gelegenheit vom Könige von England ausgeſpro⸗ 
denen Geſinnungen. Er wuͤnſche ben allgemeinen 
Frieden in Eurepa zu erhalten, zu naͤchſt und vor 
Allem aber den Frieden in Deutſchland ja 
ſichern. Dieſer Zweck durfte ſich am beſten em 
chen laſſen durch einen Neutrulttaͤtevertrug, weiche 
"für das Reich während der gegenwaͤrtigen Mncuhen 
in folcher Weiſe abgefaßt werde, daß er Teiner anbemm 
WMacht Anſtoß geben koͤnne. Nädyfidern fpend; Ken 
Michel auch Über einen Ausweg, die Mißverſtaͤndniſſe 
Froiſchen Preußen und England zu befeitigem. 

In dieſem Sime iſt mm bee Entwurf gu einen 
Bertrage gemacht worben. Meint e6 ber König vom 
Preußen aufrichtig, fo kann der Friede in Deutſch⸗ 
land ohne Zweifel erhalten werden; dean es kaͤßt fi 
nidye denken, daß Frankreich ein Heer dorthin ſchicke 
wird, wenn Preußen ernſthaft entſchloſſen iſt, es nicht 
zu dulden. Sollte aber ber König: (mas nicht vor 
auszuſetzen ift) bei feinen Anerbietungen uͤbele Ab 
ſichten hegen, fo koͤnnte er vielleicht Eiferſucht in Pe⸗ 





2.  GEnglanp und Preußen. 2308: 


tessbarg zu erwecken ſuchen, alb vernachlaͤfſiggen wir 
bad ruſſiſche Bimdniß, oder ats ergriffen wir gem 
heime Maaßregeiln, es aufzuloͤſen (for defeating itj. 
Gerade dad Gegenthell iſt der Fall. Der König von 
England weiß, daß ber Abſchtuß bed WVertrages mis 
Ruftond großentheils dis jegige Denkungséweiſe bei 
inigs von Preußen hesbeigeführe Hat; er if uͤber⸗ 
zeugt, die Czarin werde (bei ihrer bekannten großar⸗ 
tigen Gefinnung) gleich befeiebigt Tem, daß fie für 
ber Frieben und De Erhaltung Ihrer Verbuͤndeten 
durch einen Federſtrich (ma comp de plume) fa 
diel bewirdte, aid wenn fie. eine Gelrgenheit gehabt 
hätte, die Tapferkeit ihrer Mannfchaft und ‚die En 
ihcer Kolegsmacht zu weisen u. |. w. 

Selten Sie aber nicht bie groͤßte Urſache — 
zu glauben: ber König vom Preußen habe ins Ges 
heinmiß bereits enthidit, ober fich bemüht, daraus her⸗ 
zuleiten, daß es dem völligen Bertrauen zu Rußland 
und der engſten Verbindung Tnglands mit dieſer 
Macht widerſpreche; — fo wären Sie. Miles, felbik 
vor den Großkanzler Beſtuchef völlig geheim halten. : 

Moch eine andere Warnung muß. ich. hiagufligen: 
daß Sie naͤmbich ſelbſt dann fich nicht verleiten laſſen, 
eine Mittheilung ſo wichtiger Art zu machen, wenn 
der oͤſterreichiſche Geſunder ſich bemühen ſollte, in Per 
tersburg Argwohn, vder Mißbehagen uͤber Muaſregeln 
hervorzurufen, weiche ber Koͤnig zur Erhaltung des 


— 


3 Vierundzwanzigſter Abſchuitt. 8 


Friedens und der Ruhe im Reiche für nothwendig 


- hält, und weiche ber wiener Hof ſelbſt nur zu ſcht 


vernachläffigt hat. — Vielleicht ift: der: oͤſterreichiſche 


Geſandte in Petersburg angewieſen, dem Könige von 


England üble. Dienfte zu: ergeigen;. doch follen Sie 
ſich weder beklagen, noch bat: Benehmen des nice 
Hofes ruͤgen (resent); ſondern:aͤußerſten Su 13 
vertheidigungeweife verfahren. 

So eröffnet ſich alfo am Schluffe des Jehen 
1755 eine neue Welt wichtiger und folgenreicher Yes 
haͤltniſſe. Was ergiebt ſich zunaͤchſt, ſchon aus der 
bloßen Betrachtung der ſo eben — .. 
Anweifung ? 

Erſtens: England hätte, um untergeorbneter Siteeis 
tigkeiten mit Preußen millen, ‘den ruſſiſchen Hef nicht 
fo (man mödte fagen ins Blaue hinein) wider jene 
Macht aufregen, es haͤtte beim Unterhandein dcher. den 
Bertrag mit Rußland ben. Friedenszweck deutlicher ben 
vorheben ſollen. Rußland und noch weit mehr. Öko 
reich gebachten auf dieſem Wege nicht den Krieg ab: 
zuwehren, fondern ihn herbeizuführen. 

Zweitens, gewannen ohne Zweifel die Engländer, 
wenn fie durch Rußland, Öfterreich und Preußen ben 
Landfrieden erhalten, und ihre Übermacht zur Se 
ungeftört geltend machen konnten. 

Drittens, wuͤnſchte der König von Preußen un 
ter. den damaligen Berhältniffen gewiß den. Frieden 


176. Öfteireih und Englant. 305 


‚aus vielen Gruͤnden; er war damals ber Friedliebendſte 
von Alten. Was in biefer Beziehung von Rußs 
land und Öfterreich zu fagen ift, wird fich ſogleich naͤ⸗ 
her ergeben. 

Zunaͤchſt verzoͤgerte Rußland (welches gewiß von 
jenen Geheimmiffen Kunde erhalten hatte) unter taus 
fend Vorwaͤnden bie letzte Vollziehung bed Vertra⸗ 
ges mit England'). Das Schutzbuͤndniß zwiſchen 
England und Preußen auf Erhaltung des Friedens 
und gegen den Einmarſch fremder Mannſchaft in 
Deutfchland, war dagegen am 16ten Januar 1756 
wirktich abgeſchloſſen worden, und ließ ſich nun nicht 
länger geheim halten. Da alle Parteien jenen Zweck 
priefen, und ber Friedensbund keiner Mache zu nahe 
trat, glaubte ſich Holderneß ſchon am Diele, und hielt 
es für leicht, das Berfahren Englands und Preußens, 
in Wim und Petersburg zu rechtfertigen. 

Am Gten Februar ſchickte er eine Abfchrift des 
Vertrages nach Petersburg und fügte im Wefentlichen 
binzu?): Öfterreich hat either immer erklaͤrt, es koͤnne 
nichts für England thun, fo lange. ed nicht gegem 
Preußen geſichert fen; dies iſt jegt ber. Fall, und beſ⸗ 
fer als durch bloße Mitiel der Gewalt. Sohte aber 


1) m vom 10ten Ianuar 2756. Rußland, Band 


B Ebendaſelbſt. 


806 Vierundzwanzigſter Avſq nitt. 18 


der wiener Hof (was der König vom: England inf 
nicht vorausſetzen will) jemals Hoffnungen geht 
haben, Beine Majeſtaͤt würden die Hand gm dem 
yoilden und ausfchmweifenden Plane bieten,. die Mat 
des  Rinigs von Preußen zu zeritösen, follte dad 


Hans  Öfterneich den Seemaͤchten zur umter bie 


fer Bedingung Beiſtand leiften wollen; — ſo iſt e 


hohe Zeit, daffelbe zu enttaͤnſchen und zu übergengm: 
daß Beine Dtuͤckſicht jemals Seine Majeſtaͤt bewegen 
wird, auf «ine fo unausfuͤhrbare umb ungerechte Uns 


teenehmung einzugehen. 

Es iſt leicht zu begreifen (fährt Holderneß fort) 
daß ‚der wiener Hof vielleicht andere Hoffnungen uͤber 
den ruffiſchen Vertrag hegte. Hätte. man aber von 
demſelben amderen Gebrauch machen wollen, fo wün 
er nicht laͤuger eine friebkiche, ober zuvorkommende 


| Maaßregel geweſen fen, fonbern unmittelbar einen 


hoͤchſt gefährlichen Krieg herbeigefuͤhrt Haben, Im 
Fall einer gluͤcklichen Führung Hätte derſelbe aler 
dings dem Haufe ſterreich nüglah werden, alemal⸗ 
aber dem Könige von England muhre Vorthelle bein 
gen innen; oder wenigftens nice ſolche, welche mil 
den unermeßlichen Koſten und ben Gefahren bes Un 
ternehmens irgend in einem angemeſſenen Vechan 
niſſe geſtanden hätten. 

Will Öfterreich noch immer’ den König von Pre 
ben als feinen unverföhnlichen Feind betrachten un) 


‚ 158. Sugland nad Ausland. 97 


ihn als. ſolchen behandeln, fo kann es ſich nicht wan⸗ 
dern, wenn der König von England es alblehnt, am 
Planen Theil zu nehmen, weiche nothwendig Zerfid 
rung und Untergang mit ſich fuͤhren. 

Den 17ten Februar antwortet Willians): ich 
denke und darf Cuer Herrlichkelt ernſtlich verſcchern, 
daß der preußiſche Vertrag am hieſigen Hofe keine 
übele Wirkung baden mir. Ich arbeite Tag und 
Nacht daran, dies zu verhuͤten, und hoffe meine Bes 
mühungen ſollen nicht ohne Wirkung ſeyn. 

Zwei Tage ſpaͤter iſt ſein Marth ſchon geſunken, 
obgleich er nach wie vor ſich felbft noch taͤuſcht und 
von Autderen getäufcht wird. Er fchmeibt?): der Wer; 
trag mit England diegt über fünf Wochen auf dem 
Tiſche der Kaiſerinn, und ich muß mis Schmerz be: 
merken, wie fie die beiden Kanzler in folcher Chrfurcht 
erhält und mit ihnen auf einem folchen Fuß ſteht, 
daß. diefe nicht wagen, fie an Unterzeichsung einer 
Sache zu erinnem. 

Mehre von den Haͤuptern find offenbar wider 
England, fo Peter Schuwalof, weil er Bein Geſchenk 
bekammen; und ex regiert wiederum ben jungen ar 
ing Iwan Schuwalof. 

Endlich vollzog die Kaiſerinn den — , fügte 


1) Ebendaſelbſt. 
2) Bericht vom 19ten Februar. KRußland, Band GR. 


308 Vierundgwanzigfter Abſchnitt. 1B8 


aber eine Bedingung hinzu, des Inhalts ): ex gelte 
nur, inſofern der König von Preußen bie Staa⸗ 
tn bed Koͤnigs von England oder ſeiner Bundesge⸗ 
noffen angreife. — Weit nun -Dfterreich einſt de 
Dauptbundesgenoffe Englands war und noch jekt 
‚in Petersburg als folcher betrachtet warb, fo fi 
buch jenen Zuſatz, bei ben jetzigen Verhaͤltniſſen 
alle WBebeutung de Vertrages in ber That das 
bin. Doc fuchte man bie Sache dem engliſchen 
Geſandten in einem beſſeren Lichte darzuſtellen, und 
er ſchreibt: die beiden Kanzler behaupten, jene Erklaͤ 
rung ſey nicht Ihe Merk, hoffen aber, dieſelbe as be 
fion zu vereiteln, wenn ich fie annehme und nah 
Enstand ‚ fende. Sie ift in den Zimmern Iwan 
Schuwalofs entworfen, ber Kaiferinn nn und 
an Beſtuchef gefandt worden. 

Daß diefer mit Iwan Schuwalof -in Screit ge 
rathen, aͤndert die Verhaͤltniſſe an dieſem Hofe gar 
ſehr. Des Letzteren Macht waͤchſt taͤglich, und es iſt 
ſchlechterdings nothwendig Peter Schuwalof fuͤr Eng⸗ 
land zu gewinnen. 

Nach Empfang des Vertrages mit Preußen ging 
ich zu Beſtuchef, der mir zu dem neuen Berbuͤn— 
beten Gluͤck wuͤnſchte. Doch fügte er hinzu: bie Kai: 
ferinn würde es gewiß übel nehmen, daß jener Ver 


1) Den i4ten Bebruar- alten Styls. Ebendaſelbſt. 


1356. Ergland und Rufland. 899 


trag eher dem Grafen Golloredo, als dem Juͤrſten 
Gallitzin mitgetheilt worden; ja die neue Einigung 
zwiſchen England und Preußen wuͤrbe ihr aͤberhauyt 
ſehr unangenehm (very disagreable) ſeyn. Hier⸗ 
auf antwortete ich: Frankreich ausgenommen, koͤnne der 
Bund Niemand verletzen, der nicht bereits geneigt 
ſey, fich verletzt zu fuͤhlen. Ich hoffte, Beſtuchef 
werde Alles anwenden, daß die Kaiſerinn den neuen 
Bund nicht mißverſtehe und zu falſchen Anſichten 
verleitet werde. Hierauf antwortete der Großlanzler: 
aber was wird der wiener Hof hiezu ſagen) ? Worauf. 
ich entgeguete: wenn das oͤſterreichifche Miniſterium 


wahrhaft die Fortdauer des Friedens wuͤnſcht, kann 


es moͤglicherweiſe nichts dagegen ſagen. — Ich hielt 
es nicht fuͤr gerathen, dem Großkanzler auch nur eis 
nen Wink zu geben, daß das Benehmen Öfterseichs 
ein Hauptgrund geweien fey, welcher den König vom . 
England zu diefem Schritte vermocht habe. | 
Hierauf gab mir Beſtuchef einm ſtarken Wink: 
ee habe das ihm verfprodyene Geld. noch nicht befome- 
men; worauf ic) ihm verficherte, er werde es gewiß 
erhalten. Im Kal er aber deſſelben beduͤrfe, und 
dem Könige in biefem letzteren Falle aufrichtig dienen, 
fowie die Eiferfucht befeitigen wolle, welche andere 
Höfe in ber Bruft der Kaiferinn hervorrufen möchten; 


1) Dies war feine Antwort auf Willieoms Forderung. ” 


38 Vierundzwanzigſter Abſchnitt. 1786 


fo woßte ich veranlafien, daß Baron Welff ihm au 
genblicktich das. Verfprachene auszahle. Er verſprach 
mir Alles zu. thun mas ich wuͤnſchen koͤmme, und in 
üÜberrinſtimmumg mit dieſer Zuſtcherung ſandte er die 
fo eben angelangten und entzifferten Berichte des Kür 
ſten Gallitzin an die Katſerinn, nebſt einigen Rand 
gloſſen, welche ich dictirte: daß naͤmlich ber Wertung 
von Petersburg gewiß in dem Könige von Preußen 
friedliche Geſinnungen herworgerufen und Ihr beſtimmt 
hätte, diejenigen Schritte gegen ben König zu thun, 
wodurch der neue Vertrag herbeigefährt worden. Es 
fen deabalb eben fo glorreich für bie Kalſeriun, dm 
Frieden Europas dadurch zu erhalten, daß le ihren 
Mamen unterfchreibe, als ihn duch einen Sieg win 
berzuflellen. 

Woronzow sing Forumböich auf Alles ein, fagte 
‚ser dann zu Williams (ohne daß dieſer die Zul 
beutigkeit bemerkte, ober rlgte): weit bie Ruſſen nun 
nicht gemöthigt wären, lange Maͤrſche zu unterneh⸗ 
men '), fo koͤnnte ich mich darauf verlaffen, daß, wenn 
Ber König. von Preußen irgend etwas unten 
nehme den Frieden zu fidren, die Kaiferinn 

alsdann allen ihren Berpflihtungen ge 
 'nügen werde. 

Diefe Worte erhielten neue Auslegung und 9 


1) Etwa gegen Frankreich? 








1358. England und Ruflanı. 2 


ſtaͤtigung durch bie ſchon erwähnte Erklaͤrung: bie 
Kaiſerinn wolle Richts them, als ben König von 
Preußen in Auffidxe Halten (keep m.awe), und ihn 
angreifen, im all er den Koͤnig ober einen feiner 
Verbündeten angreife. — Diefe. Worte hatten für 
England im der That gar keinen Stun mehr, waͤh⸗ 
tenb Rußland unter den Berblindeten ohne Zweiſel 
Oſterceich verftand. Doc mar Williens fo verblen: 
det. ſich zu freum, daß Rußland den Adnig von Press 
ber zmingen werde, feiner neuen Werbindung treu 
zu bfeiben, und ihn mit größerer Macht angreifen 
wolts, als ſeldit ber Wertrag befkinme, 

Auch Efiechazi (erzähle Wilians fehe vergnigt) 
babe ihm, gleichwie Beſtuchef, treu und ‚ehrlich, beige 
ſtanden, und Beſtuchef ſey ihm fo zugethan, daß er von 
Wien nichts fuͤrchte. Peter Schuwalof muͤſſe man: 
aber jedenfalls gewinnen und bes General Aprarin 
ein Schwert ſchicken, wie es ihm Lord Hyndford vom 
ſprochen habe: Apraxin thue Schaden und mach« 
stoßen Laͤrm an einem Hofe, wo es oͤffentlich bekannt 
ſey, daß faſt jeder Miniſter ſich erkaufen laſſe. 

Nach erhielt Eſterhazi keine Anweiſungen aus 
Wien und antwortete der Kaiſerinn Eliſabeth: er koͤnne 
nur als Privatperſon uͤber den Vertrag mit Preußen 
ſprechen, welcher die Erhaltung des Friedens bezwede. 
Die Kaiferinn (erzählte Eiterhazi an Williams) fchien 
ein wenig beleidigt duch den Vertrag und fagte: fie 








Bierundgwanzgigfier Abſchnitt. 17. 


hoffe, ber König von England und der wie 
ner Hof würden einen, Plan entworfen ba 
ben, ben König von Preufen zu reducs 
rer, was zu thun fie jederzeit fehr bereit 
und geneigt fey'). 

Es mag zweifelhaft bleiben im wie weit die ruß 
ſiſchen Minifter und Eſterhazi damuf ausgingen, Wil 
liams zu taͤuſchen: gewiß war das was fie fagten hin- 
reichend, um ſich zu überzeugen, daß von Rußland 
niemals das Geringſte fir Preußen zu erwarten wer. 
Im Anfange bes Februars erhielt Reich in Win 
. die Nachricht von dem zwiſchen Preußen und Eng: 
land gefchlofienen Berteage?), und erwies gegen Kan: 
nig,. er enthalte nichts Feindliches wider Hſterreich 
und ſey die weiſeſte Munßregel jebem Kriege vorm: 
beugen. Anfangs fagte Kaunig blos: dies ſey eim 
Sache, welche fie Längft erwartet hätten; am Alten 
Sebruar dankte er für bie Mittheilung und fügte 
(ohne auf etwas mäher einzugehen) nur hinzu: er 
hoffe, der König von England werde ben — 
ten Vortheil erreichen. 

Der meeußifche oe Klinggraͤf ſpuͤrte — 


1) — Would have formed some system for reducing 
the King of Prussia, which she was very ready and 
desirous to do at all times. 


2) Bericht vom Februar 1756. Öfterreich, Band 192 








1736. Eliſabeth u. Marla Thereſia wiber Friedrich II. 313 


aus: O ſterreich ſey über ben Vertrag hoͤchſt unzufrie⸗ 
den und werde ſich mit Frankreich verbinden. Keith 
hielt aber (gleichwie Williams) fo feſt an dem alten 
, Spfteme ber Politik, daß er fehrieb: der wiener Hof 
werde. fi fchwerlich mit einer Maaßregel übereilen, 
von welcher er (wenn es ihm nicht durchaus an Urs 
theil, ja an gemeinem Menſchenverſtande fehle) ein- 
fehen müßte, daß fie unfehlbar mit feinem — 
Untergange enden werde. 

Am 18ten Februar iſt deßungeachtet ſchon von 
großen Kriegsvorbereitungen Öfterreich die Rede, und 
am Gten März war Klinggraͤf über die pariſer Ver 
haͤltniſſe befler unterrichtet, ald Keith. Wenigſtens 
behauptete jener, man babe dort bereitd mit dem 
öfterreichifchen Gefandten dem Grafen Stahremberg 
über Kriegeplane am Rhein und in Schleſien ges 
rathfchlagt. 

Gewiß hatte England nicht geglaubt: es koͤnne 
durch eine Annäherung an Preußen, etwa Öfterreich, 
oder gar Rußland verlieren. 

Sn Bezug auf dieſe legtere Macht hätte jedoch 
Williams einen neuen Troſt zur Hand und fchrieb 
den 19ten Februar‘): die Kafferinn Eliſabeth könne 
ſchwerlich ein halbes Jahr überleben, und Katharina fey 
ganz mit ihm über den Vertrag einig, — Das war 


1) Rußland, Band 64. | 
1. 14 


⸗ 


P 


314 Vierundzwangigfier Abſchnitt. 18 


aber bie ſtets umgangene Hauptfrage, was der Ye 
trag zwifchen Rußland und England unter den jehi⸗ 
gen Berhältniffen eigentlich bezwecke und bedeute. 
Nach einem langen Gefpräche mit dem allmächtigen 
Iwan Schumalof, fehreibt Williams’): wenn der Kb 
- ng von Preußen irgend einen feindlichen Schritt ge 
gen den König von England oder deſſen Bundes 
genoffen thue, werde Die Kaiferinn gewiß. ohne 
allen Verzug über ihn berfallen und ihn 
angreifen. — AÄnßerungen biefer Art zeigten, dah 
man in Petersburg von dem Vertrage Englande 
mit Preußen gar Beine Kenntnig nahm und Fried⸗ 
eich II nicht zu den Werbündeten’ Georgs. IE zähle. 
Schwerlich theilte man dies englifcherfeite -jenem mit, 
obgleich er es wol auf anderem Wege erfuhr. 

Den Gten und A6ten März ſchreibt Williams 
in allzugutmuͤthiger Taͤuſchung?): fterreich hat 
im Petersburg gar Nichts gegen ben preußilcen 
Vertrag gethan. Efterhazi kommt freundlich zu mit, 
und erzählt mir alle Nachrichten die er auftreibm 
kann. Bon Wolkow (dem Geheimfchreiber Beſtu⸗ 
chefs) höre ich, daß der Verdruß der Kaiſerinn übr 
jenen. Vertrag allmälig verfchwindet. 

NReun Tage fpäter erfährt Hingegen Williams daß 





1) Bericht vom 28ften Februar. Ebendafeibft. 
2, Ebendafelbft. 


1756. England und Rußland. .. 3165 


in Petersburg große Berathungen gehalten worben”): 
od nicht der ganze Vertrag mit England, um bed Ver: 
trages mit Preußen willen, für nichtig zu erklären ſey? 
Beſtuchefs Widerfpruch Habe obgefiegt; doch entſchuldigte 
fic) diefer, daß er Williams nicht fehen könne, und fügte 
als Troft hinzu: e8 werde noch Alles gut werben. 

Unterdefien waren die ruſſiſchen Bedenken und 
der Zuſatzartikel im London berathen, und befchloffen . 
worden, ſich lediglich an ben Vertrag zu halten, — 
von dem aber die Muffen nichts mehr wiflen wollten, 
Den Z0Oſten März fchreibt Holderneß an Williams?): 
Sch wundere mich Über die hiebei zuruͤckgehende neue 
Erklärung, und halte den Vertrag an ſich für genuͤ⸗ 
gend. Jene Hi fo zarter Art (delicate a nature) 
umb wuͤrde (wenn fie bekannt wuͤrde) dem Könige 
von Preußen fo gerechten Anſtoß geben, daß der Rs 
nig von England meint: je weniger man bavon fpres 
che, deſto beſſer. Sorgen Sie, daß biefelbe im aller 
Stille ganz unterdrückt werde. 

Ich muß Ihnen im Vertrauen fagen, ba zu⸗ 
"folge einer Rahriht aus guter Quelle (of good 
authority), man in Frankreich einen Plan entworfen 
und angenommen hat, den König -von Preußen 
in Eleve und den benachbarten Landſchaften anzugreis 


1) Bericht vom 27ften März. 
2) Rußland, Band 64 
14* 





| 316 Bierundzwanztgſter Abſchnitt. 1%. 


fen, während ſterreich zu gleicher Zeit in Schle—⸗ 
fien eindbrechen ſolle. — Für diefen Fall würd 
England Rußlands Hülfe in Anſpruch nehmen, fowie 
eine Erklärung . forbern muͤſſen, was bie Kaiferiun 
alsdann zu thun gefonnen fey. 

Noch deutlicher ſpricht fich Holdernef in einem 
zweiten Schreiben an Williams von demfelben Tage 
aus. Der König (heißt es dafelbft) war fehr ver 
wundert, daß, nad) dem was Sie über die guten Ab: 
fichten der beiden Kanzler und ihren Entſchluß fehrie: 
ben, den preußifchen Vertrag der Kalferinn in einem 
- günftigen Lichte darzuftellen, - Fürft Galligin jegt An⸗ 
weifungen erhalten bat, weldye fehr weit von dem 
verfchieden find, was ber König nach dem Inhalte 
Ihrer Briefe zu erwarten berechtigt war. Jener Ge: 
fandte kam vor einigen Tagen zu mir und las mir 
die franzöfifhe Überſetzung einer langen Verfügung 
vor, welche er von feinem Hofe erhalten hatte. Sie 
war voll von Klagen, Verdrießlichkeiten und Eiferfüd- 
teleien, hauptfächlih auf die Vorausfegung gegruͤndet: 
dag zufolge des zweiten Punktes im legten Verttage, 
Seine Majeftät kein Buͤndniß mit dem Könige von 
Preußen abfchließen, ja nicht einmal fi mit ihm ic 
gendwie vergleichen dürfe‘), ohne eine vorperige über⸗ 
einkunft mit der Czarinn. 


1) Come to a ——— 


1356. England, Rußland, Öfterreih. 317 


Sch fchmeichle mir jedoch Gallitzin von dee Falſch⸗ 
heit feiner Gründe überzeugt zu haben, und daß der 
bezeichnete Artikel nur dann zur Anwendung kommen 
tönne, wenn die Czarinn zufolge ber von ihe über: 


nommenen Verpflichtung, fchon an einem wirklich aus: 


gebrochenen Kriege. Theil genommen hätte. Jetzt aber 
fey Sriede, und gar kein gemeinfamer Feind vorhan⸗ 
den. : Auch halte fich der König ducch den ruffifchen 
Bertrag nicht für befchränke, mit welcher Macht es 
auch fey, Schritte zur Abhaltung des Krieges zu ver: 
abreden, zu welchem heilfamen Zwecke man ja die 
ganze Unterhandlung mit Rußland eingeleitet habe. 

Es war indeffen fat noch wichtiger Oſterreich, 


als Rußland umzuflimmen. Der fardinifche Gefandte,. 


Graf Canale, machte in Wien die lebhafteften Vor⸗ 
ftellungen für Beibehaltung des alten Epftems'), 
und fuhte ben preußifchzenglifchen Vertrag in ein 
günftiges Licht zu fielen. Weit entfernt ein Gegen⸗ 
fand der Eiferfucht zu ſeyn, folle man ihn unter 
den jegigen Verhältniffen als eine fehr zweckmaͤßige 
und nothwendige Maafregel betrachten, welche, recht 
benutzt für die gemeine Sache, Fehr vortheilhaft wir: 
ten müfle. — Der Kaifer und die Kaiferinn waren 
jedoch zu keiner beftimmten Erklärung zu bringen, 
fondern antworteten nur: fie hätten nie etwas gethan 





1) Bericht Keiths vom ten April, Öfterreich, Bd. 192. i 


"318 Vierundzwanzigfter Abſchnitt. 176. 


‚und wärden nie etwas thun, morhber ihre Ber 
bündeten fid) mit Necht beſchweren koͤnnten. Geof 
Canale fagte: ich\Eonnte bemerken, daß fo oft bie 
Mede auf den englifch = preuhifchen Vertrag kam, 
eine lebhafte Bewegung im Gefichte ber Kaiferiun 
hesvortrat, und als ich das Gerücht erwähnte über 
die mit Frankreich angelnüpften Unterhanblungen, 
wandte fie das Geſpraͤch auf etwas Anderes. 

Acht Tage fpäter (den Aiten April) "berichtet 
Williams aus Petersburg '): Vor drei Wochen erhielt 
Eſterhazi neue Anweifungen, welche die große Bera 
thung veranlaßten: ob man den Vertrag mit Eng 
sand aufrecht erhalten folle oder nicht? . Woronzow 
teug auf Vernichtung beffelben an; aber .die Schw 
walofs waren gewennen, die Großfuͤrſtinn Katharina 
gab ſich auf mein ernſtliches Andringen bie größte 
Mühe, den Bund aufrecht zu erhalten, und Beſtu⸗ 
chef ſprach fo beflimmt dafür, daß bie Kaiferinn ihn 
zurechtwies, ohne jedoch feinen Muth zu erfchüttern. 
Sechs Stimmen gegen vier, entichieden für ums, 
nämlich: der Großfuͤrſt Peter, Beftuchef, zwei Schu 
walofs, Aprarin und der Admiral Galligin, gegen 
Moronzow, Beftuchef II, Zeubegkoi und Butturlin. 

Die Großfürftinn beharrt bei ihrer guten Denk 
weife, und fuche die Gelegenheit, dem Könige alle ihr 


1) Rußland, Band 64. 





IE Rußland, England, Öfterreid. 819 


nur möglichen guten Dienfle zu leiten. Sie geſtand 
mir, fie fey Anfangs über den Vertrag mit Preußen 
betroffen gewefen, feit meinen und bes Großkanzlers 
Ertäuterungen, habe fie aber nichts mehr dagegen zu 
erinnern. Doc hoffe fie, der Bund zwilchen Ruß⸗ 
land, England und Öfterreich werde feft und auch 
kuͤnftig das Syflem der drei Mächte bieiben. — 

Man gab mir eine Schrift zu lefen, des Inhalte: 
bie Höfe von Mien und Petersburg müßten um fo 
mehr ihr, Bedenken fortfegen, da der König von Preur 
fen auch mit dem Herzoge von Nivemois unterhans 
bele. Geſchehe dies mit Wiſſen Englands, defto ſchlim⸗ 
mer. Friedrich IT trachte nach der Rolle eines Ver⸗ 
mittlers, nach Ehre und einem Zuwachs an Land. 
Der König von England möge ſich fehr hüten, jenen 
einzumifchen und ihm diefe Ehre zu verfhaffen. Nie 
möge England fein Jntereſſe einem Fürften an- 
vertrauen, von folcher Parteilichkeit für Frankreich, 
fo beharrliher Sorgfalt für feine eigene Vergroͤße⸗ 
rung, und auf deſſen Verſprechungen gar kein — 
laß ſey. 

Der wiener Hof beklagte ſich hier in ſehr flarten 
Ausdruͤcken, daß der König von England 'ſterreichs 
Intereſſen aufopfere, und gab felbft einen Wink, er . 
dürfte genoͤthigt ſeyn andere Verbuͤndete aufzufuchen. 
In einem Schreiben an die Großfürftinn, fagt ihe 

der ——— Öfterreich ſey in J o uͤbler —— 


320 Vierundzwanzigſter Abfhnitt. 19%. 


mung gegen England, daß der ruſſiſche Hof genoͤthigt 
geweſen, bie Kaiferinn Maria Thereſia für jegt zu be 
ruhigen und ihr zu fehmeicheln, damit fie nicht veran- 
laßt werde mit Frankreich Verbindungen einzugehen. 

Katharinas Thätigkeit if fehr groß. Sie erklärte, 
wer da unternehme, den Bund zwiſchen Rußland, 
England und Öfterreich zu zerftören, fey kein Freund 
Rußlands. Sie ift in diefem Lande beliebt und aud 
ſchon gefürchtet, und felbft diejenigen, welche auf dem 
beiten Fuße mit der Kaiferinn flehen, fuchen bennod 
jede Gelegenheit, jener unter der Hand ben Hof zu 
machen. 

Der Katferinn Wiberwille gegen bie 
Perſon und die Macht des Königs von 
Preußen bricht [ehr oft hervor. 

Ich fürchte, die oͤſterreichiſchen Minifter . richten 
ihre Gedanken mehr auf das Wiedergewinnen 
von Schlefien, als auf die Sicherheit ihrer Ver 
bündeten und den Frieden von Europa. Deshalb 
ſind fie über jeden Plan aufgebracht, der. zur Ruhe 
führt. Sie wollen fih nicht erinnern, daß fie ſelbſt 
die wahre Beranlaffung waren, daß der König von 
England diefen Schritt mit Preußen that, und de 
clamiren jetzt wider eine Maafregel, welche ihr eige: 
nes übled Benehmen. durchaus nothiwendig machte. 

Die Leidenfchaften der Kaiferinn Eliſabeth dauern 
felten lange. Es iſt eine fehr ſchwere Unternehmung, 





1956. Glifabety, Frie drich I, Frankreich. 321 


fie zu einem Befchtuffe zu bringen, ein fehr Leichtes, 
das Befchließen zu verhindern. Jenes kann kaum 
das ganze Minifterium, dieſes aber das ſchwaͤchſte 
Mitglied zu Stande bringen. 

Der fchlehte Zuftand ihrer Geſundheit laͤßt ſie 
Ruhe und Friede wuͤnſchen. Sie iſt melancholiſch 
geworden und lebt ſehr zuruͤckgezogen, und waͤhrend 
ſie ſonſt an jedem Tage ausfuhr, oder ausritt, hat 
ſie den ganzen Winter hindurch ihren Palaſt 
verlaſſen. 

Unterdeſſen hatte der Herzog von Nivernois abe 
Erfolg mit Friedrich U in Berlin unterhandelt, und 
war den 2iften April nah Paris zurüdgelehrt‘). 
Nur neun Tage fpäter, den erſten Mai 1756 kam 
zu Derfailles ein Vertrag zwifchen Frankreich und 
ſterreich zu Stande und zwar auf Neutralität bei 
ben amerikanifchen Händeln mit England, gegenfeitige 
Buͤrgſchaft der Befigungen und Bertheidigung wider 
feindliche Angriffe. Den 17ten Mai erklaͤrte Eng: 
land foͤrmlich den Krieg an Frankreich und den. Iten 
Sunius Frankreich an England. 


1) Valory II, 6- 14. 


b 


14** 


323 - Zänfundzwanzgigfter Abfhnitt. 16 


Fünfundzwanzigfter Abſchnitt. 


Das Gegenſtuͤck zu dem Vertrage Englands mit 
Preußen, war der Vertrag Öfterreichs mit Frankreich. 
Beide bezweckten angeblich den Frieden zu erhalten 


und hätten ihn beim ernflen Willen aller Theile er 


halten koͤnnen. Allein fie fchloffen eine ſolche Um⸗ 
ftelung ber europäifchen Politik In ſich, trennten lang 
Vereintes und vereinten lang Getrenntes, daß Schmerz, 
Verdruß und Mißſtimmung nicht ausbleiben und 
leicht bis zu einem Kriege führen konnten. 

- Um fo nothwendiger war es und ft es, fich übe 
bie damalige wirkliche Lage ber Dinge zu orienti⸗ 
ven, und nicht durch bloße Vorwaͤnde täufchen zu 
laften. 

England wollte den Landftieden gewiß ernftiid, 
aus den ſchon öfter berührten Gründen. Indem & 
aber den Landkrieg vorausfegte und Rußland wider 
Preußen gewann, bereitete es fich felbft die ſchwere 
Aufgabe, daffelbe nun von feinen Vorurtheilen gegen 
Friedrich II wieder abzubringen. In der That be 
ruhte aber die Handlungswelfe des petersburgek Ho: 
fes lediglich auf Leidenfchaft, Haß, Eigennug und Un: 
vernunft. 


| 





1756. ‚ Lage Europas. . 323 


Frankreich ließ ſich einen Landkrieg gefallen, wenn 
er Ausſicht auf Vortheile darbot, und ſuchte ſich, als 
Preußen zuruͤcktrat, durch Öfterreich zu ſtaͤrken. Bis 
hieher kann man fein Verfahren entfchuldigen; 3 es 
ward ſo thoͤricht wie das ruſſiſche, von dem Augen⸗ 
blicke an, wo Haß gegen Friedrich I zu einem An⸗ 
griffskriege wider dieſen verleitete. 

Friedrich I hatte (fofern er nicht ganz vereinzelt blei⸗ 
ben wollte) nur die Wahl, ſich an England oder 
Frankreich anzuſchließen. Er zog den Vertrag mit 
jener Macht vor, weil er nicht Krieg, ſondern Fries 
den bezwedte. Er handelte diesmal deutſcher, als im 
Jahre 1740. 

Öfterreich ward durch ben Vertrag zwiſchen Eng: 
land und Preußen in keiner Weife verlegt; — wohl 
aber das ganze Syſtem feiner beharrlich verfolgten 
Politik durchaus umgeſtuͤrzt. Sein ſteter und hoͤch⸗ 
ſter Zweck war naͤmlich ohne Zweifel, die Wiederobe⸗ 
rung Schlefiens, es wollte den Krieg. Man 
kann es deshalb keineswegs unbedingt verdammen: 
e8 that nur, was nicht allein oft gefchehen ift, fon= 
dern was bisweilen (dem Buchſtaben zuwider) das 
höchfte Recht und die hoͤchſte Pflicht feyn kann, wie 
> B. das Jahr 1813 beweiſet. — Darauf; daß «6 
an Veranlaffungen und Vorwänden zum Kriege nicht 
fehlen wuͤrde, konnte ſterreich mit Sicherheit rechnen, 
Schwieriger war es, das Übergewicht der Macht auf 


324 guͤnfundzwanzigſter Abſchnitt 126 


feine. Seite zu ziehen. Mehr als ed an England ver 
for, glaubte e8 an Frankreich zu gewinnen und wenn 
- (ein unleugbarer Triumph biplomatifcher Unterhands 
ungen) außer Frankreich auch Rußland dahin ge 
bracht werden. konnte, für Öſterreichs Zwecke das 
Schwert zu ziehen; fo wäre es in der That eine 
fehr große Thorheit gewefen, wenn man biefe, einzig 
günftige Gelegenheit hätte ungenugt voruͤbergehen laſ⸗ 
fen. Daß die Unvernunft der Höfe von Verſailles 
‚ und Petersburg fieben Jahre vorhalten wuͤrde, war 
jedoch ohne Zweifel mehr als Kaunig damals hoffen 
und Sriedrich II fürchten Eonnte. 

Ich wende mich indeß von entbehrlihen Betrach⸗ 
tungen wieder zu gefchichtlichen Mittheilungen, und 
zwar zuerft zu einigen anziehenden Berichten des Ge 
fandten Keith aus Wien. 

Den Tten April 1756 übergab Keith ben mit 
Preußen gefchloffenen Vertrag dem Grafen Kammit 
und bemerkte‘): fein Zweck fei Eeineswegs irgend Se: 
mand zu verlegen, fondern lediglich den Frieden zu 
erhalten. Selbſt der geheime Artikel, daB Preußen 
nicht die oͤſterreichiſchen Befisungen in den Nieder: 
landen und in Stalien verbürgen und ſchuͤtzen wolle, 
fey ganz den früheren Vertraͤgen angemefien. Graf 


1) Bericht vom 16ten Mai. ‚Öfterreich, Band 19. 
Mitchell papers, Holderness despatches Vol. 8. 


1756. Öfterreich über den Vertrag mit Preußen. 325 


Kaunig (ſchreibt Keith) nahm das, was ich fagte, 
höflich aber ſehr trocken auf; und als ich den gehei⸗ 
men Artikel erwähnte, fehlen er verwundert: baß ber 
König von Preußen dem achten Punkte des bresbener 
Friedens jenen Sinn beilegen wollte. Ich brachte 
ihn aber zum Schweigen, indem ich ihm zeigte, daß 
dieſer Sinn der währe und natürliche ſey: weil da⸗ 
mald wirklich Krieg in den Niederlanden geführt, und 
niemal® daran gedacht ward, daß der König von 
Preußen die Vertheidigung dieſer Landfchaften a 
nehmen folle. 

Graf Kaunig fragte mic) ‚hierauf: ob ich wirk 
li glaube, Daß der Vertrag fo vortheilhaft fey, wie 
wie ihn darftellten, und daß er die guten Folgen ha⸗ 
ben werde, welche wir erwarteten? — Sch fuchte Dies 
zu beweiſen. Auch. habe ja öſterreich immer ſelbſt 
gefagt: bevor es nicht gegen Preußen -gefichert: fey, 
tönne es feine dorthin gerichteten Landſchaften nicht 
entbloͤßen und anderswo einwirken. Es ſey beſſer den 
Koͤnig von Preußen zu beruhigen, als gewaltſame 
Mittel gegen ihn anzuwenden. Um jedoch wider alle 
Ereigniſſe geſichert zu ſeyn, habe der Koͤnig von Eng⸗ 
land eine neue Übereinkunft mit Rußland geſchloſſen; 
von welcher indeß, ohne bie Außerfte Nothwendigkeit, 
kein Gebrauch zum Angriffe gemacht werben ſolle. 
Vielleicht habe die Beſorgniß vor jener Übereinkunft 
einigen Einfluß auf die Beſchluͤſſe des Könige von 


326 Fuünfundzwanzigſter Abſchnitt. 126 


Preußen gehabt; auch ſey dieſelbe ein gutes Pfand 
für die Treue Friedrichs DI bei Erfuͤllung der neu 
übernommenen Pflichten. 

Was nun bie Eiferſucht anbetreffe, woeldje ber 
swiener Hof haben koͤnne über Englands Vorliebe 
für den neuen preußffchen Bund, ober daß derſelde 
aus Empfindlichkeit und Mißſtimmung wider Öfter 
reich gefchloffen worden; fo gäbe ich dem Grafen 
Kaunig die allerbeftimmtefte Werficherung: daß der 
König von England weit entfernt bleibe, die Anhaͤug⸗ 
lichkeit an feinen alten und natürlichen Bundesgenoſ⸗ 
fen zu Ändern oder zu vermindern. Vielmehr fe, 
bei Abfchließung dieſes Vertrages, die Abſicht bes Ki 
nigs von: England: ben großen Bruch herzuftelle, 
welcher dem alten Syſteme durch ben Abfall des Han: 
fe6 Brandenburg beigebracht ſey. Diefer Abfall habe, 
(nad) dem eigenen Geſtaͤndniſſe bes wiener Hofes) 
eine fo große Veränderung in dem Gleichgewichte Ex: 
ropas herbeigeführt, daß er ohne: Sicherung wiber 
Preußens Macht, keine Maaßregeln für biejenigen 
Landfchaften ergreifen koͤnnte, welche den Seemächten 
die wichtigften wären. 

Ich ſchloß mit der Bemerkung: ber König von 
England könne auf keine Weife dem Verdachte Raum 
geben, Friedrich IL wolle feinen Verpflichtungen nicht 
nahlommen, oder die Kaiferinn in Deutfchland beun- 
ruhigen. Sollte aber ein folcher Argwohn fich ge 


1758. Keithe Unterhandiungen in Wien. 327 


geimbet finden, und der König von Preußen das Haus 
Öfterreich angreifen, fo werde fig ber König von 
England, ungeachtet des neuen Vertrages, für voll⸗ 
fommen frei halten, feine Verpflichtungen gegen Öfters 
veich zu erfüllen und felbft den Beiſtand ber Czarinn 
(zufolge der gefchloffenen Übereinkuuft) im Anſpruch 
nehmen. 

Ich hielt hier inne, und Graf Kaunig, der mid 
bisher hatte fprechen laſſen, obme irgend in das Ges 
ſpraͤch einzugehen, hielt fih an bdiefen legten Punkt 
und fagte mit einiger Lebhaftigkeit: ich babe nie ge: 
glaubt, daß der König von England durch den preus 
Bifchen, oder irgend einen anderen Vertrag, bie Ders 
pflichtungen fchmächen wollte, welche er durch fruͤ⸗ 
here Verträge gegen feine alten Verbündeten übermoms 
men hatte. 

Died aufgreifend, —— ich: ebenſo wenig 
koͤnne England an Verbindungen öſterreichs mit 
Frankreich glauben, was dem alten Syſteme Euro⸗ 
pas den letzten Stoß geben wuͤrde. Weil aber Be⸗ 
richte hieruͤber ſo haͤufig von allen Seiten einliefen, 
baͤte ich um eine Erklaͤrung hinſichtlich dieſes Punk⸗ 
tes. — Ich ſah an des Grafen Mienen, daß er 
ein wenig uͤberraſcht war, daß ich ſeine Worte und 
Gruͤnde dergeſtalt gegen ihn wandte, und ich glaube, 
es war ihm unlieb, daß er jenen Punkt beruͤhrt hatte. 
Ohne in die = näher einzugehen, antwortete er: 





828 . Bünfundzwanzigfter Abſchnitt. 1786. 


Öfterreich hat nie etwas gethan und. wird Nichts thun, 
was die Kaiferinn ſich ſelbſt vorwerfen müßte,. ober 
worüber ihre alten. — ‚gerechte Klagen erhe⸗ 
ben koͤnnten. 

Von . dem Grafen — ging ich unmittelbar 
: zum Grafen Coloredo ‚und machte ihm ähnliche Mit: 
theilungen. Er empfing fie in ganz verfchiedener Weife. 
Anſtatt der alten und trockenen Höflichkeiten . des er 
ften, drüdte er. fih mit der größten Herzlichkeit aus, 
zeigte große Freude über Diejenigen. Stellen meine 
Mede, welche feinem Hofe angenehm ſeyn könnten, ließ 
ſich Ddiefelben. wiederholen, und ſchrieb ſich mancherlei 
auf, um (mie ich uͤberzeugt bin) mit Huͤlfe derſelben 
ſeinem Hofe die Augen zu oͤffnen und in auf den 
techten Weg zurüdzubringen. 

Die legte Hoffnung täufchte jedoch den. englifchen 
Gefandten. Kaunitz ließ Nichts. von ſich hören und 
gab nicht ‚die verfprochene Antwort. Erſt den legten 
- Sonntag vor dem 16ten Mai (nachdem in Verſailles 

. bereits Alles abgefchloffen worden) führte. er mid 
"(fährt Keith fort) in fein Cabinet und fagte mir, 
mit einer fehr minifteriellen Miene: jegt fey er im 
Stande, mir die verfprochene Antwort zu geben. Ich 
möge: dieſe ſchriftliche Verbalnote meinem Hofe fi 
den, dann‘ hätten wir Beide unfere Pflicht gethan. 
Diefelbe lautete: die Kaiſerinn koͤnne nicht verhehlen, 
daß die Beſchraͤnkung ber Neutralität auf. die deut 


176. Keithe Unterhandlungen in Bien. 329 


fhen ‚Länder fie ein wenig überrafcht habe, weil fie 
fi) 'anderwärts_ im fichtlicher Gefahr befinde. Doch 
wünfche fie dem Könige von England ‘alles mögliche 
Gute, und daß man aus bem Vertrage (befonbers 
für das Kurfuͤrſtenthum Hannover) all den Vortheil 
ziehen moͤge, welchen man erwarte. 

Als ich uͤber dieſe Note in ein Geſpraͤch eingehen 
wollte, ſagte mir Graf Kaunitz ſehr feierlich (magi- 
sterially): er babe beſtimmte Befehle durchaus in 
keine weitere Erörterung einzugeben. Als ich unter 
Anderen bemerkte: die Antwort berühre einen Haupt 
punkt gar nicht, nämlich die Unterhandlungen zwifchen 
Öfterreich und Frankreich; entgegnete Kaunig: er habe 
ganz befondere Befehle, über diefen Punkt in keiner 
Weiſe auf Erläuterungen einzugehen. 

Bei diefen Verhältniffen hielt ich es für gerathen, 
um eine Aubienz bei der Kalferinn zu bitten. — Gie 
wird (erwieberte Kaunitz) diefelbe gewiß nicht verwei⸗ 
gern, es iſt aber ein fehr unnüger Schritt, weil die 
gegebene Antwort eben die Antwort ber Kaiferinn if, 
und nad) gebührender und reifliches Überlegung von 
allen ihren Miniftern beftätige und gebilligt war. 

Am 13ten Mai, dem Geburtstage ber Kaiferinn, 
ward Keith ihr vorgeftellt. und bemerkte: bie gegebene 
Erklärung werde. feinem Hof als ein Aufgeben ber 
alten Verhaͤltnifſſe erfcheinen.. Maria Xherefia ant⸗ 
wortete: es ift nicht meine Schuld, wenn dies der 


330 Fuͤnfundzwanzigſter Abſchnitt. 18, 


Fall iſt. Nicht ich habe das alte Syſtem aufgegehm; 


fondern Ihr Hof hat zu gleicher Zeit das Syſtem 


und mich verlaſſen, indem er den Vertrag mit dem 


Könige von Preußen ſchloß. Die Nachricht von die 
fem Vertrage hat mich fo getroffen, als Hätte mid 
der Schlag gerührt. Denn 0b ich gleich von ver: 
fchiedenen Orten mancherlei Nachrichten. erhielt, daß 
ſolch ein Vertrag im Werke fey, konnte ich doch nie 
mals bahin gebeacht werden es zu glauben. Sekt 
aber, nachdem es gewiß iſt, betrachte ich das alte 
Syſtem als nicht mehr vorhanden, und deshalb muf 
ich auch entichuldigt fepn, wenn ic Maaßregeln m 
greife, die zu meiner Sicherung nöthig erfcheinen. 

Keith entgegnete hierauf: der neue Vertrag ver 
nichte keinesweges das alte Syſtem, fonbern fey kr 
beigefüher worden durch die Abgeneigtheit des mir 
ner Hofes, den englifchen Plan der Vettheidigun 
anzunehmen. Maria Thereſia erwiederte: Ohne auf 
die Gründe einzugehen, welche den König von np 
land vermocht haben, jene Maaßregel zu ergreifen, wil 
ih Ihnen nur frei geftehen: ich und der König von 
Preußen wir find zu einander : unverträglich (incom- 
paüible together) und feine Rüdfiht kann mich je 
vermögen in einen Bunb — an welchem et 
Theil hat. 

Keith antwortete: ein foldher Entſchluß muͤſſe dem 
Vortheile und der Sicherheit der Kaiſerinn hoͤchſt nad 





| 


: 1956. Aubienz bei Maria Zherefie 331 


theilig. ſeyn; denn er gebe dem Könige von Preußen 
einen Vorwand, ja ex lege ihm gewiſſermaßen bie 
Nothwendigkeit auf, fi durch ben Untergang des 
Haufes ſterreich zu fihen. - 

Maria Thereſia Ichnte alle Erklärungen über ihr 
Verhättniß zu Frankreich ebenfalls ab, fügte indeß 
hinzu: fie Eönne nicht einfehen, wie wie verwuns 
dert ſeyn koͤnnten, daß fie Verbindungen mit Frank⸗ 
teich eingebe, nachdem wir ibe durch ben preußifchen 
Vertrag ein Beiſpiel gegeben. 

Nachdem Keith um die Exlaubniß gebeten und 
fie erhalten hatte, al8 Privatmanın zu fprechen, fam 
es. noch zu einigen angiehenden Erläuterungen. Mein 
jegiges. Syſtem (fagte Marta Thereſia) ift, mich burch- 
aus von jeden Kriege fern zu halten . Alle meine 
Maaßregeln beziehen ſich auf diefen Zweck. 

iiber ihr Verhaͤltniß zu Frankreich fagte fie: ich 


bin weit davon entfernt, franzöfiich gefinnt zu feyn, 


und weiß, daß jenet Dof mein Feind war; allein der - 
Friede von Aachen und die damals fowie vorher von 
mir erzwungenen Abtretungen, haben mir Arme und 
Beine abgefchnitten, und mid in eine Lage gebracht, 
wo ich wenig von Frankreich zu fürdten und nach 
diefer Seite hin zu thun habe. Vielmehr muß ich 


1) Doch wollte fie zwei Monate Tpäter, dem Könige 
Friedrich II Keine Klare, beruhigende Verficherung geben. . 


“- 


332 Fuͤnfundzwanzigſter Abfſchnitt. "198. 


die Maaßregeln ergreifen, welche nothwendig find, das 
Wenige zu vertheidigen, was man mir gelaflen hat. 

Keith, vertheidigte den Aachener Frieden , nannte 
die Abtretungen unvermeidlich und erinnerte daran, daf 
England zum Beften Öfterreichs Cap Breton aufge 
opfert habe. — Wie können (fagte Keith) Euer Ma⸗ 
jeftät glauben, durch eine DBerbindung mit dem treu: 
loſen feanzöfifchen Hofe Sicherheit zu finden? — 
Und warum: follte ich nicht? erwiederte Maria The 
reſia. — Nachdem Keith nochmals alle Gründe wi 
der einen folhen Bund entwidelt hatte, fchloß er: 
es ift unmöglich, daß eine Kaiferinn und Erzhetzo⸗ 
ginn von Öfterreih ſich fo ermiedrigen und im di 
Arme Frankreichs werfen ſollte! — Raſch antwortete 
Maria Therefia: ich werfe mich nicht in die Arm 
Frankreichs, ich ftelle mic) ihm zur Seite. — Noch 
ift nichts mit biefer Macht vollzogen, auch werde id 
nichts wider England eingehen; aber eine Überein 
kunft war nöthig und ich bin überzeugt, wenn Frank⸗ 
zeich fie annimmt, wird es fein Wort halten. 

As Keith an bie pragmatifche Sanktion und 
Englands Verdienſte um Öfterreih erinnerte, fagte 
die Kalferinn: hätte Preußen nicht den Weg gezeigt, 
würde Frankreich mic nicht angegriffen haben; aud 
kam der König von England fehr fpät zu meine 
Vertheidigung. Sch kann mich um entfernte Land: 
fhaften wenig befümmern, muß mid auf Verthei⸗ 


3956. Audienz bei Maria Thereſia. 333 


digung ber Erbſtaaten befchränten und habe nur 
zwei Feinde zu fürchten: die Türken und Preußen. 
Bei dem guten Verftänbniffe, was jedoch zwiſchen 
ben beiden Katferinnen 'obmaltet, werben fie 
zeigen, daß fie fich vertheibigen koͤnnen und felbft von 
biefen mächtigen Feinden wenig zu fürchten haben. 

Kaunig (fagt Keith)), und Kaunis allein ift 
der Urheber all dieſes Unheils. So lange biefe Taͤu⸗ 
ſchung und die Gunft ber Kaiferinn dauert, Tann 
hier nichts Gutes gefhehen; und es ift leider die 
größte Wahrſcheinlichkeit vorhanden, daß er jenes Ver: . 
trauen fo lange befigen wird, bis es nicht mehr mög: 
ich ift, das zu Grunde Gerichtete wiederherzuftellen. 
Die einzige Hoffnung ift, daß er durch Stolz und 
Unverfhämtheit (insolence) ſich alle Welt zu Sein: 
den gemacht hat. Denn ih kann mit Wahrheit fa: 
gen, baf am Hofe und in der Stadt Niemand, we 
der unter den Männern noch Weibern fein Freund 
ift, fondern Alle ihn flürzen möchten. 





4) Ein anderer Beriht vom 16ten Mai. Öfterreich, 
Band 192. 


[4 





334 Sechsundzwanzigſter Abfhnitt. 1796. 


Sechs undzwanzigſter Abſchnitt. 


Die neuen Verhaͤltniſſe, in welche England zu 
Preußen getreten war, machten es nothwendig, einen 
neuen Geſandten nach Berlin zu ſchicken. Herr Mit 
chell begriff weit mehr von dem Geiſte Friedrichs II 
und wußte fich weit beſſer mit ihm zu verftändigen, 
als Lord Hyndford. 

Un demſelben Tage, wo Keith die fo eben mitge 
theilten Geſpraͤche in Wien mit Maria Therefia hatte, 
ertheilte Friedrich I die erfte Audienz an Mitchell 
Den 14ten Mai eritattet diefer hierüber mehre Be 
richte, denen ich Folgendes entnehme'): In Bezie 
hung auf den Frieden innerhalb Deutfchlands, fagte 
mir der König: in biefem Sabre wird Nichts gefche 
ben, ich kann dies mit meinem Kopfe verbürgen’); 
aber ich maaße mir nicht an zu fagen, was ſich in 
dem naͤchſtfolgenden ereignen koͤnnte. Ich habe ver 
ſchiedene Plane fertig; der Koͤnig von England mag 
wählen, welcher ihm gefaͤllt. Ich will meine Xen 
pflihtungen gegen ihn erfüllen, und im Fall, daß der 


1) Mitchell papers, Vol. 1. Berichte an Holderneß. 
2) I can answer for it with my head. 


178. Mithells Audienz bei Kriebrid II. 385 


Reichsfriede folite geftört werden, in Folge ber Ver 
“ bindungen zwifchen Öfterreich und Frankreich, werbe 
ich mit dem Koͤnige von England wider beide Mächte 
gemeine Sache machen. Sind Sie aber auch ber 
Ruſſen gewiß? — Ich antwortete: der König, mein 
Herr, ‚glaube e8 (thought 0). — Der König von 
England (fährt Friedrich IT fort) kann ſich auf das 
verlaffen, mas ich ſage; aber ich Tege voraus, das. was 
zwifchen uns vorgeht, bleibe geheim. — Dies ver: 
ſprach ich auf die feierlichſte Weife. 

Nachdem ber. König Aber die Verhaͤltniſſe zwiſchen 
Frankreich und Öfterreich gefprochen hatte, fragte er 
zum zweiten Date: feyd Ihr aud durchaus ber 
Ruffen fiber? und ich antwortete: ich glaubte, 
mir wären es!). Dee ruſſiſche Geſandte hat dem 
wiener Hofe über den preußiſch⸗engtiſchen Vertrag 
die ſtaͤrkſten und freundſchaftlichſten Vorſtellungen ges 
macht. Dies, bemerkte der Koͤnig, mag auf Befehl 
Beſtuchefs geſchehen ſeyn, der, wie ich BRD unfer 
Freund iſt. 

Der Koͤnig berechnet, welche Heere Frankrelch, 
England und ſterreich ins Feld bringen koͤnnen?). 
Er Habe ein Heer von 100,000 Mann, dann 
aber fehlten nod 30,000 Ruffen, tm. deren 


1) L believed we were. 
2) Aus dem zweiten Berichte deffelben Tages 


336 Schsundzwanzigftier Abſchnitt. 18. 


Überkunft zu erleichtern, fehlüge er vor, daß fie fih 
in den Häfen von Kurland und Liefland einfchifften, 
für den Fall des Beduͤrfniſſes an dem preufifchen und 
pommerfchen Küflen landeten, und in Roſtock audge 
fhifft würten. 

Der König fagte ferner, ben Kurfürften von der 
Pfalz würde Frankreich nicht gewinnen, vielleicht aber 
ben von Köln. Er meinte: man möchte einen fe 
tholifhen Edelmann ohne amtlichen, Charakter an 
defien Hof fhiden, um feine Gunft zu gewinnen. 
Wenn diefer Edelmann kuͤhn, unverfchänt und en 
Spaßmacher (bouffon) ſey, könne ber Erfolg nicht aus 
bleiben, und ein wenig Gelb das Übrige thun. Zum 
glaube er. (der König) nicht, daß man den Kurfuͤrſten 
dahin bringe, gegen Frankreich zu handeln, aber es 
ſey genug, wenn er ben Durchmarſch verweigere um 
viel ſchreie). — Ein Edelmann wie ihn der Könk 
befchreibe, dürfte fi) unter dem ſchottiſchen, oder ins 
ſchen Abel finden. 

Ich fagte dem Könige: ber Subfidienvertrag mi 
Baiern fey nicht erneuert worden... Dann, antwortt: 
er, werden die Franzoſen ben Kurfürften gewinnen. 

Das franzöfiihe Miniſterium, bemerkte er fee, 
fey ſchwach und wenig von ihm zu. fürchten; bob 


1) Qu’il criat beauconp. 


176. — Mitchell bei Friedrich I. 837 


müßten. wir, der großen Macht Frankreichs halben, 
auf unferer Hut feyn. 

In Bezug auf ben amerifanifchen Krieg ſagte 
Friedrich: ih muß mic über die Thorheit (absur- 
‘dity) beider Völker wunderh, welche Kraft und Schi: 
ge für einen Gegenſtand erfchöpfen, welcher mir deſſen 
nicht werth zu ſeyn ſcheint. Wenn bis zum näcften 
Sabre. fein Friede gefchloffen iſt, werden fie des dor⸗ 
tigen Haders müde fepn und ben Krieg nad) wurope 
verfegen. 

Aus den Zweifeln und der Beforgniß, welche ber 
König zeigte bei feinen wiederholten Fragen über un⸗ 
fere Verhaͤltniſſe am zuffifchen Hofe, vermuthe ic, 
daß er dorther Machrichten erhält, weiche diefelben nicht 
fo vortheitpaft ſchildern, als ich .bei meiner Abreife 
aus England zu vermuthen Urfache hatte. Deshalb 
antwortete ich feſt, aber mit: Zurüdhaltung, als er 
über diefen Punkt wieder und wieder in mid drang. 

Allerdings war biefer Punkt auch ber wichtigfte, 
und von ihm bingen -alle‘. weiteren Beichlüffe ab. 
Scharffichtig genug, ſieht der. König die Wahrſchein⸗ 
lichkeit einer "Verfegung des Krieges aus Amerila 
nach Europa; ' während er aber gewiffermaßen an: 
nimmt, daß die Ruffen von Roftod aus in Überein⸗ 
flimmung mit ihm und England thätig werben foll- 
ten, bezeichnet Maria Thereſia die Kaiferinn Eliſa⸗ 
beth als ihre Verbündete wider Preußen. Wie. der 

I. - 15 





338 Sechtundzwanzigſter Abfhnitt. ‚1306, 


Friede Deutſchlands in beiden Hallen aufrecht zu er: 
halten fey, ift ſchwer zu begreifen. Jedenfalls konm 
ſolch eine Spannung und Berwicrung nicht lange 
ohne Loͤſung bleiben, | 

Zufelge eines zweien Beides von Micchell (vem 
Tin Mai)) erhub der König neue Zweifel übe 
die ſchwankende Politik des ruſſiſchen Hofes und die 
geheimen Unterhandlungen der Franzoſen in ‘Petert: 
burs. 

In Bezug auf die Anmefenheit des Herzoge von 
Miverndis fagte bee Koͤnig: ich wid Ihnen frei geſte⸗ 
ben, weiche Abfichten ich bei meinen Unterhandlunga 
mit Frankreich hate. Mir lag daran, einem alle: 
meinen Kriege vorzubeugen; ich hoffte damals die beiden 
Völker zu einigen und zu verfländigen. Sie hattm 
(wie ich glaube) ihre Intereſſen mißverſtanden, un 
ich wollte den Krieg fern halten, fo fange als id ir 
‚ gend konnte. — Sollte Deusfihland von fremden 
Heeren angefallen werben, will ich meine Verpflich 
tungen. gegen England erfüllen, und die Überbunft 
son 30,000 Ruſſen erleichtern, damit fie in Hofled, 
oder Stettin landen. — Doc, fügte Sriebeich hin, 
wirche es mir ſehr unlieb feyn, fremde Mamnſchaft 
(woher fie auch ſey) im Meiche zu ſehen, und ih 
hoffe, die Ruften werden nicht kommen, fofern man 


1) Bericht vom Tften Mai. Ebendaſelbſt. 


4 


12356. Rußlandé Potitik. 339 


ihrer nicht wahrhaft bedarf. Sie mögen dann als- 
ein Pfand für die Trene Rußlands dienen, und verhin: 
bern, daß dies Roeich nicht Partei gegen uns ergreife. 

"Einen. Tag nach Erſtattung dieſes Berichtes (den 
ten Mai‘) giebt Holberneß dem Geſandten Wil⸗ 
liams Nachricht, daB (ungeachtet aller Gegenvorſtel⸗ 
Jungen von England, Spanien, Neapel und Secilien) 
Öfterreich mit Frankreich einem Vertrag abgeſchloſſen 
habe. Dee komme Alles darauf an, Rußland in 
der rechten Bahn zu erhalten. 

Des naͤchſten Tages (don 29ſten Mai) ſchreibe Wi⸗ 
Hams an Helderneß”): von allen Seiten zieht Mann⸗ 
ſchaft nach Liefland, und KWBefehle find gegeben, das - 
Heer zu verſtaͤrlen. Es beſteht aus etwa 440,000 
Mann, 35. RMegimenter Fußoold, 3. ſchwere Reiterei, 
5 Huſaren, 20,000 Koſaken und eine verhaͤltnißmaͤ⸗ 
zige Anzahl von Geſchutz. Einige Generate find — 
reits nach Riga abgegangen. 

Da nun England noch gar keinen Beiftand ge⸗ 
fordert und Mußkemd erklaͤrt hatte, der Vertrag mit 
dem Könige. von England verpflichte fie, nirgends 
hinzuziehen, als gegen ben König von Preus 
en, — fo waren befien Beſorgniſſe nur zu ſehr 
begruͤndet. 


. 4) Rußland, Band 64. 
2, Ebenpafelöft. 


340 . Schsundgwanzigfter Abfchnitt. m, 


- Die perfönliche Seindfchaft der Kaiferinn Eliſabeth 
(fährt Williams den Iten Junius fort) ‘) gegen den 
König von Preußen iſt fo wenig verſteckt, daß fie bei 
jeder Gelegenheit hervorbricht. Jeder Punkt der wi 
der ihn gerichtet iſt, findet ‚die eifrigſte Unterftägun 
bei der Gzarinn und allen ihren Miniſtern. 

Bier Tage fpäter fchreibt Keith aus Wien an 
Holderneß?): ich höre von angeblich wohl untreridte 
ten Leuten: daß Rußland und ſterreich aufs Engſte 
verbunden find, und hinſichtlich aller Dinge. in Übeo 
einftimmung handen. Ste wollen England 
nur täufhen und in den Schlaf Lulten, bis 
alle Plane zwifhen ihnen reif find und Ab 
les voubereiter iſt. ‚Zünf Tage ſpaͤter, den Län 
Sunius, — der Geſandte nochmals we. 
gaben. 
Bei diefen Berhäftniffen ſchrieb Friedrich II den 
7ten Sunius?): Toute cette afſairo roule sur deux 
points. L'on est de.gagner la Bussie; ces 
ce que le Roi d’Angleterre se propose de faire. 
Sl yreuissit, ’Allemagne demeurera tran 
quille, et nous n’aurons rien à craindre. Lau 
tre est (supposant que les nouvelles qui sont ve- 


1) Ebendaſelbſt, Band 65. 

.2) Bericht vom 7ten Iunius. Öfterreich, Band 19. 
8) Mitchell papers Vol, I. Fuͤr Mitchell beftimmt. 
⁊ 


N 


1966. Friedrich II über bie Lage der Dinge 341 


nues de ia Haye. se confirment et l’on persunde 

Fimperatrice de Bussie de renoncer 'aux enga- 
gements quelle a.pris avec l’Angleterre) de se 
retourner à cöt6 des Turcs et d’y r&pundre de 
P’argent pour. s’assarer- d’une diversion de leur 
part, et en m&me temps de ‚faire des deux cöt6s- 
le Roi d’Angleterre et moi toutes les. augmenta- 
tions specifides dans le Gros.de. la depäche, ‚pour 
nous mettre en .6tat de resister a toutes les entre- 


prises de nos ennemis. - Je crois qu'il n’y a.pas 


de tems & perdre pour tout veci, et que si on ne 
prend pas ses mesures d’avance a Constantnople 
au cas que. nous.:@chouons à Petersbourg , il 


. nous. arrivera de prendre nos mesures trop tard. 


Le ‘meilleur. de. tous les partis’sera 
celui de la paix. En cas quil n’y a pas..mo- 
yen de la ‚faire entre ceci. et la .fin de l’annee, . il 
iaudra penser de hanne 'heure aux moyens de- se 
defendre et de ne rien n&liger ‚pour notre mu- 
tuelle conservation, et dites a Mer. Mitchell qu'il 
ne s’agit pas de .pommes, mais des intereis les 
plus gräves de la Prusse et de PAngleterre, et 


“que la moindre nsgligenee dans nos mesures pré- 


sentes pourra causer avec le temps notre ruine 
mutnelle. : 

Diefe Iegtere Beſorgniß war, wenn auch zunaͤchſt 
nicht für das britifche Inſelreich, doch für Preußen 


BD Sechsſsundzwanzigſter Ab ſchnitt. III 


vollkommen begruͤndet, fein Daſeyn ſand auf dem 
Spiele, und es hatte die hoͤchſte Schwiarigkeit, bie 
rechten Beſchluͤſſe zur suchten Zeit zu faſſen. Dies 
wird fi) zur Gnuͤge aus dem bipfomarifchen Briefwech. 
ſel ergeben, welcher fuͤr die Manate Junius bis Ob 
tober zahlteicher und wichtiger wird, als Jahre lang 
zuvor und nachher. 

Den 12tn Junsus meldete, Kounit dem engl 
ſchen Gefambten'): es fey gwifchen Öfernich mb 
Frankreich ein. Neutralitaͤts⸗ und Dafenfinuetrag er 
fehlofien werden. Da man deu weſtphaͤliſchen Frie 
den biebei zu Grunde gelegt, "Tine von einen 
Umſturze der Reichsverfaſſung nicht die Rede feyn. 
Die öfterreichifchen Befigungen wären varbuͤrgt, zu 
der jegige Krieg ſey hei dem. Punkte der wech⸗ 
ſelſeitigen Huͤlfsleiſtungen ausgeſchloſſen. — dinte 
Anderem bemerkte Keith hierauf: es erſcheine ſonder 
bar, daß Kaunig bebaupe, bie Streitigkeiten Es 
lands gingen Öfterwich Nichts an, da dach ber Kö— 
zig von England niemals die. Steritigleiten fee 
reichs als ihm gleichguͤltig betrachtet hätte. 

Einen Tag fruͤher (ben 14ten Junius) ſchrieb 
Holderneß an Keith’): Der Berteag Englands mit 

Preußen kann ſterwich gar nicht beieibigen; man 


1) Sſterreich Bmd I. = 
2 Ebendaſelbſt. 


1958. Rußlan d. | 848 


müßte ed denn eine Belelbigung neunen, daß wir dee 
Anstührung eines hoͤchſt ‚umgerechten Planes entgegen: 
treten (useichen inbeß bes wiener Hof mie +inzugeftes 
ben wagte), nämlich dem Könige von Preußen das 
mit Gewalt zu nehmen, was ihm auf bie feierlichſte 
Weiſe abgetreten warn — Nach biefer Exdeterung 
folgen Klagen über die Undankbarkeit bed wiener Das 
fed and feiner verblaudeten (infatuated) Miniſter 
Einen Tag faster (deu 121m Juniug) ſchreibt 
MWiliense aus Petersburg!): Beſtuchef iſt krank, bach 
vertheidigt er die Sache Englands. Die kriegeriſchen 
Vorbereitungen werden in Nichts endigen. Selbſt 
General Apraxin, welcher das Heer befehligen ſoll, 
und vor vierzehn Togen große Vorbereitungen für 
feine Reiſe aa Riga traf, geht nach ſeinem Land⸗ 
fige in ber Nähe von Peteräburg, um ben Sommer 
dafelbſt zuzubringen. — Der wiener Hof foͤhrt jedoch 
fort durch jedes Mittel das gute Vernehmen zwiſchen 
England und Rußland zu untergraben. — Man wird 
hier (heißt «6 an einer anderen Stelle)?) allmaͤlig 
der Kriegsplane müde und Beine Befehle find ober - 
merben in diefem Jahre an die Kofaden der Uktaine 
erlaffen. — | 
Trotz diefee Verſicherungen, fchreibt Williams nur 


1) Mitchell papers, Band 9, 
2) Rußland, Band 65. Schreiben vom Iäten Sen 


344 Sechsundzwanzigſter Abfchnitt. 176, 


drei Tage ſpaͤter an Mitchell"): durch die undankbaren 
Bemühungen Öfterreiche und bie heimlichen Ränk 
des Douglas, ift hier (im Vergleiche mit dem vol: 
gen Jahre) die Lage der Dinge gänzlich verän 
‘dert, und ben Schweden warb auf Befragen zur 
‚Antwort: die ruſſiſchen Ruͤſtungen wären nicht ge 
gen fie gerichtet 
Eine nähere und wiederholte "Erläuterung dicht 
Dinge giebt Lord Holderneß in-einem Schreiben vom 
21ften Junius an. Keith”). Er fagt: Nachdem ve 
Verttag zwifchen England und Rußland :umterzeicht 
war, fand fich unerwartet eine- wichtige Schwierigkeit 
‚ ber Sinn und Bebentung. Die ruſſiſchen Minife 
zwangen Herrn Williams eine Erklaͤrung auf, welche 
der König von England auf Feine Weiſe annehme 
. Tann, "weil fie bezweckt, den Eintritt des Werfprecdend, 
ben casus foederis, ganz allein für den Fall feſtzu 
fegen, wo ber König von Preußen England oh 
deffen Verbündete angreift, in welchem einzigen 
alle wir laut des Vertrages vom 3Often Septembe 
1755 Hülfe fordern koͤnnten. 


Den 25ſten Junius ſcheieb Holderneß an Wit 


2 





1) Mitchell papers Vol. 21. Correspond. of Peter 
burg. Schweben, Band 92. 
2) Öfterreich, Band 192. 


1738. Friedrichs Beforgniffe 35 


liams): der ruffifche Gefandte, Fuͤrſt Gallizin "habe 
Befehl erhalten, bei diefer befhräntenden Aus: 
legung des Vertrages zu bebarren; 

Friedrich 11 fah -fehr wohl, wie die Gefahren im⸗ 
mer 'näher ruͤckten, und brüdte gegen Mitchell bie 
große Beſorgniß aus?): Rußland fey verloren, und 
forderte eine Erklärung, was England für ihn thun 
wolle? Sb ich gleich (Tagte der König) keinen neuen 
Bertrag in Bezug auf bie neuen Verhaͤltniſſe abge: 
ſchloſſen babe, verteaue ich doch der Meblichkeit des 
Könige von England und feinem wirkfamen Beiſtan⸗ 
de, da meine Übereinkunft mit ihm mic) allein- in 
dieſe Gefahr geflürze hat. — Friedrich (fchreibt Mit- 
heil) wuͤnſcht ohne allen Zeitverluft zu wilfen, auf 
welchen Beiſtand von Seiten Englands er bei 
ben jetzigen Umfländen ‚und in dem Falle rechnen 
dürfe, daß er von irgend einer Macht -angegriffen 
werde. Die Ezaeinn fagte dem Grafen Eſterhazy: 
wenn Maria Therefia von Preußen oder 
Frankreich angegriffen werde, wolle fie 
derfelben mit aller ihrer. Macht Hr Hülfe 
tommen. 

Der König äußerte 2): er wundere fi), wie. bie 





1) Rußland, Band. 65. 
2) Bericht vom 22ften Junius. Mitchell papers Vol, L. 
3) Bericht vom Iten- Iulius. Cbendaſelbſt. 

15** 








x 


5  Schsundzwanzigiter Abfhnitt. NIE 


- Kalferhm von Rußland eine folche Abneigung wide 
ibn haben koͤnne, da er nie etwas gethan, wodurch 
er diefelbe verdiente, Er fchreibe es dem Einflufi 
und den Künften des wiener Hofes zu. 

Unm dieſelbe Zeit flellten fich die Ruſſen an, als 
fürchteten fie Friedrichs Müflungen in Pommern) 
und es fehlte überhaupt nicht an fchlechten und vie 
vollen Mitteln, wiber ihn aufzureizen. So berich⸗ 
tete der ruſſiſche Gefandte Groß in Dresden Keindii: 
ches über ihn, ohne daß Gegenvorftellungen bes en; 
chen Geſandten, Lord Stormont, Eindruck auf ihn 
machten. 

Den Iten Jullus fchreibt Williams aus Peter 
burg an Holberneß?): Die Rathſchlaͤge des hieſigen 
Hofes find ſchwankend, und die Perfonen, welche jett 
auf die Kaiſerinn Einfluß haben, ungeſchickt und be 
fischen. — An alle ruffifhe Sefandte find Befehle 
geſchickt worden, ‚auf guten Fuß mit den franzöfifdyen 
zu leben. — Beſtuchef fügte: unfer Unglaͤck ift, daß 
wir jege einen jungen Günftting (Graf Schuwalof) 
* haben, der franzoͤſiſch ſprechen kann, die Franzoſen und 
ihre Moden liebt und gern fähe, wenn ein franzöfis 
ſcher Geſandter mit zahlreichen Gefolge hieher kaͤme. 





1) Bericht vom Aten Jullus. Sachſen, Band 65. 
2) Mitchell papers Vol, 9. 


1750. Ä Katharina. 407 


Seine Macht iſt jatzt ſo groß, daß man ihr nicht 
widerſtehen kann. ie uni 
Beſtuchef klagt): die Kaiferiun gebe ihm jaͤhr⸗ 
ih nur 7000 Rubel, davon koͤnne er nicht unabs 
haͤngig leben. Dex König ven England möge ihm 
ein Jahrgehalt von 2500 Pfund anweiſen, dann 
wolle er ihm tünftig dienen und ganz anhangen. 
Diefe Forderung ward den Sten Auguft bewilligt. 
Die Anhanglichkelt der Großfuͤrſtinn Katharina 
an ben König von England?), die Wahrfcheinlichkeit 
ihrer baldigen Thronbeſteigung, die Gewißheit, daß fie 
dereinft wolllgmmen auf dem rechten Mege beharren 
merde, macht jebed ihrer Worte wichtig unb folgen: 
reich. Sie iſt fehr unzufrieden über bie Gerüchte, 
daß Rußland mit Frankreich verhandele und «in franz 
zöfifcher Geſandter hieher kommen werde Sie erbot 
ſich Alles zu thun, was ich ihre zur Hintertreibung dieſer 
Dinge angeben koͤnne. Ich machte fie aufmerkfam, 
wie auch fie fie und ihren Gemahl hieraus Gefahr 
entipringe;. denn ohne franzöfifche Hülfe wären ihre 
Gegner (die Schumalofs) nicht im Stande bie Erb⸗ 
folge umzuſtoßen. Sie dankte mir zehnmal für dieſe 
Winke und fagte: fie fehe die Gefahr und wolle den 





1) Zweiter Bericht vom 9Iten Julius. Rußland, Band 
65, 


2) Dritter Bericht vom ten Julius. Cbendaſelbſt. 








348 Sech sundzwanzigſter Abſchnitt. 17%. 


Großfürften anfeuern, fein Außerſtes in biefer — 
zu thun. Viel mehr wuͤrde fie ausrichten koͤnnen, 
wenn ſie Geld haͤtte, ohne welches hier nichts anzu⸗ 
fangen ſey. Sehe ſie ſich doch genoͤthigt, ſelbſt die 
Kammermäbchen der Kaiſerinn im Solde zu: halten, 
und habe Niemand, an den fie fich in dieſer Beziehung 
wenden koͤnne. Im Fall ihr der König von England 
freundfchaftlic und großmüthig eine Summe zu ki 
hen geneigt fey, wolle fie darüber einen Empfang 
Tchein ausftellen, Altes in dem erften Augenblicke zu 
ruͤckzahlen, wo es ihr möglich werde, und ihr Ei 
venwort geben, daß jeder Pfennig zu dem ver 
wandt werden folle, was ihren, wie fie hoffte, ge 
meinfamen Nugen befördere. Sie wuͤnſche, daß id 
- ihre Denk: und Handlungsweife verbürge. 20,000 
Dufaten, welche fie forderte, wurden den u Auguſt 
bewilligt. 

Es iſt ſehr auffallend, aber es ſt gewiß ): daß 
der Beſchluß, Schritte zu thun, um mit dem Hofe 
von Verſailles auf einen beſſeren Fuß zu ‚kommen, 
lange vorher gefaßt wurden, als von einem Der 
trage zwifchen England und Preußen bie Mede war. 
Und dies Alles geſchah lediglich um ben jungen: Sta 
fen Schumalof zu befriedigen, welcher einen fran⸗ 
zoͤſiſchen Gefandten bier haben will. — Von vielen 


1) Vierter Bericht vom Iten Julius. Ebenbafelbft. 


1756, Beftuchel. Worongow. 349 


biefer Schritte wußte Beſtuchef Nichts, ober bot 
nur die Hand, ſoweit es die Kaiſerinn ausdruͤcklich 
befahl. 
Ein Abgeordneter Woronzows fagte mir’): 
alles Vergangene muͤſſe man vergeffen; die Sachen 
fländen aber nicht fo ſchlecht, daß ‚fie nicht koͤnnten 
gebefjert werden. Ich hätte mich nie an ben Vice 
tanzler in ber paflenden (proper) Weiſe gewendet. 
Der Bau feines Haufes in der Stadt ſey mit eng: 
liſchem Gelde begonnen, feit fünf, fechs Jahren aber 
nicht fortgefegt worden; ed muͤſſe mit englifchem Gelbe 
beendigt werden. Ich antwortete: der Vicekanzler 
habe ſich zeithee fo. benommen, daß ee doch irgend 
einen Beweis feiner Aufrichtigkeit geben müffe, bevor 
ich einen Vertrag mit ihm eingehen könne. — Hier 
"auf antwortete der Abgeordnete: wenn ich Fein Geld 
geben wolle, würden e8 Andere thun; ja Herr Dou: 
glas ‚habe bereits mehren Perfonen viel gezahlt. — 
Nochmals antwortete ich: ich könne und wolle nur 
das Obige wiederholen. — Des folgenden Tages kam 
der Bevollmächtigte wieder und fagte: der Vicekanzler 
wünfche mit mir eine befondere Zuſammenkunft zu 
haben. Ich entgegnete: hoffentlich habe Woronzow 
etwas vorzufchlagen, weil ich erſt naͤchſtdem ihm et⸗ 
was vorſchlagen koͤnne. 





H Fuͤnfter Bericht vom Oten Zulius: Ebendaſelbſt. 


39 Siebenundswangigfter Abfhaitt. 1088, 


Unter fo geringhaltigen Geſichtspunkten wurden ia 
Petersburg die europaͤiſchen Angelegenheiten betrachtet 
durch fo veraͤchtliche Perſonen und Mittel betrieben. 
Betrachten wir jetzt (bevor wir zum Mittelpunkt und 
zur Entſcheidung ber vorliegenden großen ragen zu 
ruckkehren), wie jich gleichzeitig bie Vechaͤltniſſe in dem 
zweiten nordifchen Reiche, in Schwehen, geſtalteten 


L) 


Siebenundzwanzigſter Abfchnitt. 


Den 7ften November 1753 giebt ein Unbekann⸗ 
ter dem englifchen Mintfterium folgende Nachrichten 
über den Stand der Parteien in Schweden"). De 
Mehrzahl der Anhänger des Königs find dem 

franzoͤſiſchen Syſteme zuwider; die geringe Minden 
zahl war Hingegen fonft demfelben zugethan, und if 
es im Herzen vielleicht noch. Die letzteren haben ſich 
unter dem Vorwande auf die Seite des Könige ge 
ſtellt, feine gefeglichen Vorrechte zu erhaften; im Wahr 
heit aber wollen fie ſich nur an einigen Senatoren 
“ rächen, und wo möglich unter dem Schuge ber ver 
mehrten Eöniglichen Gewalt zu Ämtern, Geld und 


.1) Reichsarchiv, Schweden, Band 90. 


1738. J Schweden. 851 
Gunſt gefangen. Hinge Alles von dieſen letzteren ab, 
fo würben fie neben der groͤßeren Koͤnigsmacht das 
franzoͤfiſche Syſtem aufrecht erhalten. Nur Cinzeime 
baben hieruͤber wirklich ihre Anfichten geändert. Wie 
dem auch fep, fo koͤnnten biefe verehrten umd eigens 
nübigen Anhänger des Könige doch (meil fie fich ſchon 
zu weit vorgetwagt) gezwungen werben, dem Streme 
ihrer Partei zu folgen. 

Die Mehrzahl der Partei des Senats iſt den 
Franzoſen zugethan. "Unter, dem Vorwande, bie Frei⸗ 
heit und Verfaſſung zu erhalten, fesen fie im In: 
lande und Auslande Alles in Bewegung, ‚um dem 
König und feine Vorrechte verbächtig zu machen; im 
Wahrheit aber bezwecken fie nur, ihre Partei fo 
zu verſtaͤtken, daß für ihre Perfonen und das 
franzoͤſiſche Syftem Nichts zu fuͤrchten ſey. (is 
nige aus dieſer Partei wuͤnſchen wahrhaft: bie Ver: 
faffung zu erhalten, und warten nur auf eine gute 
Gelegenheit das frangöfifche Zoch abzufhütteln. An⸗ 
dere find demſelben zwar auch zumiber, halten «6 
aber für zu feft begründet, mißtrauen dem Könige, 
und glauben mehr mit dem Senate, dem Reichstage 
und dem Volke auszurichten. 

Dieſer Überdruß am franzoͤſiſchen Syſteme, Furcht 
vor dem Könige (oder vielmehr vor der Koͤniginn) '), 





1) In einem Berichte vom. 14ten Sumius 1764 (Banb 


352 Siebenundzwanzigſter Abſchnitt. 1788. 
Hoffnung, Ungewißheit, Übelnehmeret, Leidenfchaft, 


verſchiedene Richtungen und Zwede u. f. w. verwir⸗ 


"ren die Dinge und führen zu häufigen übergaͤngen 
von einer Partei zur andern. Einſtweilen halten ſich 
bie Parteien faft das "Gleichgewicht: Die Gründe, 
ober vielmehr bie Vorwaͤnde der Trennung find Tot 
cher Art, daß fie bie Aufreizung lange erhalten und 
im Lande allgemein machen können. Der Furcht vor 
dem übermaaße der Eöniglichen Gewalt tritt die 
Surcht vor ariſtokratiſcher Tyrannei gegenüber. 

Die Partei des Königs ſcheint das Übergewicht 
zu haben in’ den Landfihaften, ſowie "unter: ben Prie 
fiern und Bauern. Doch ift dies Übergewicht nick 
fo groß, daß’ die Franzofen ‘und "ihr Geld nicht auf 
dem naͤchſten Reichstage' obfiegen Eönnten, für welchen 
Zeitpunkt Frankreich alle feine Kräfte ſammelt und 
beifammen hält. Zwar ſpricht man fi in den Land⸗ 
ſchaften nicht fo laut und ‘offen wider dem König 
aus, als in Stockholm; doch verhalten ſich die Dinge 


91) Heißt es, die Koͤniginn fen nicht vorzeitig in Moden 
gekommen in Folge einer Reife nach Drottningholm, ſondern 
weil fie ſich übermäßig ereifert, daß ein Dfficier einer ihrer 
Kammermädchen Geſchenke geſchickt habe (2). Cette prin- 
cesse en cela, comme en bien d’autres &gards, continue 
de trahir son caractere à la anal, haut, inquiet 


et emport£. 





1755, Schweden. 353 


auf die erzählte Weife, fofern es nicht zu einem gro⸗ 
Ben Aufftande im Reiche kommt. 

In einem anderen Berichte vom 3Often Septems 
bee 1755 heißt e8'): Obgleich man noch nicht mit 
Gewißheit fagen kann, auf welcher Seite während des 
neuen Reichstages die Mehrzahl und das Gtüd ſeyn 
werde, iſt es doch nur zu wahrſcheinlich, daß bie 
Partei des Senats obfiegen werde, in Folge ber 
Raͤnke und Beſtechungen Frankreichs, ſowie ‘der ges 
ringen Unterſtuͤzung, welche der Koͤnig nebſt ſeinen 
Freunden im Auslande findet. Zwar find Prieſter 
und Bauern nicht fuͤr den Senat; weil man aber 
nach einem' mißbraͤuchlichen Herkommen .faft alle 
wichtigen Angelegenheiten im geheimen Ausſchuſſe 
prüft und emtfcheidet, fo koͤnnen jene ben Senat nicht 
hindern, zu thun was ihm belebt. Weil naͤm⸗ 
lich nur die drei erſten Stände am Ausfchuffe Theil 
nehmen, fo braucht man fich blos bes Adels und 
der Bürgerfchaft zu verfichern. Doch bleibt ein Mit: 
tel fich gegen die Mehrzahl diefer beiden Stände ba: 
duch zu fihern, daß die Anhänger des Königs feſt 
darauf beharren, jede Änderung oder. Auslegung, wel: 
he ſich auf die Verfaffung beziehe, müfle an den 
Reichstag gebracht werden. Dann wären wenig ' 


1) Schweden, Band 92. 


258 Sichenundzwanzigfler Abfchnitt. 13%. 


find zwi Stände ben zwei anderen Staͤnden ent⸗ 
gegentreten, unb ſchaͤdliche Nenerungen abgehalten 
wexben. 

Den: fen Januar 1786 tiagt derſelbe Bericht: 
erſtatter, daß die Partei des Senats wub Frankteich⸗ 
im Allem obgeſtegt hate’), Der Reichsmarſchall, der 
geheime Ausſchuß, bie haben Würden find nach ib 
sen Wuͤnſchen befeht, der Scuat vervoſſſtaͤndigt. deſ⸗ 
fon Sereit mit dem Koͤnige weiber dieſen ensfchisden, 
feine Einnahmen verbirgt, der Meiner der Baum 
gewonnen, biefee ganze Stand völlig eingeſchüchtert, 
bie Mehrzahl Der Geiſſlichen umgellimunt; mic einen 
Worte, alle vier Stände dem Senate, bein Hafe von 
Verſailles nad bem fusszöfäichen Geſandten ergeben 
und unterworfen. 
| Gewiß wären hierans Im Norden wichtige Kosgen 

heworgegangen, hätte ſich nicht in dieſer Zeit die 
sanze ſranzoͤſiſche Politik umgeſtellt, und mit. ber ruf 
fifchen verſtaͤndigt. 

Im Berichte vom 2aſten Maͤrz 1756 teift a 
weiter: Die Stände haben entſchieden, der König 
mäſſe ſtets der Mehrheit der Senateren beitreter 
und ex dürfe durch dieſe Meheheit- beſchloſſene Ange 
legenheiten nicht aufichieben, ober verhindern. Ja de 
Stände haben noch außerdem entſchieden: der Wile 


1) Shendafelbft. 





1986. Schweden. 335 


des Könige heißt nichts Anderes, als die Meinung 
und Entfheibung dee Stände ober (mern dieſe nicht 
verfammelt find) die Mehrheit des Senats; und 
überall, wo mach der Veafafiung von Meilttumung 
des Königs die Nede if, gilt dies nur für sine Hoͤf⸗ 
lichkeiteformel. Jene Beiſtimmung wird als vorhan⸗ 
ben angenemmen, wo die Staͤnde, oder die Mehrheit 
des Senuus ſich ausgeſprochen haben. a 

Mar wrdet duvon, dem Könige aud diejenigen 
Rechte zu nehmen, welche ihm Die Merfaffung sur 
ſpricht, und feige ſich hiebei darauf, daß biefe 
Rechte keinen Theil der Grundgeſetze ausmachen, fon: 
dern ganz allein vom Gutbefinden bee Stände abhan⸗ 
gen. Der Rönig ven Schweden wird alfe ‚auf einen 
bloßen Darſteller der iuferen Majeſtoͤt herabgebracht 
fepn, ohne daß er etwas seinuern, nusgleichen, verzoͤr⸗ 
gen, anordnen kann. Die monarchiſch⸗ariſtokratiſch⸗ 
demofratifche Verfaſſung, entartet is ein widerſpre⸗ 
chendes unhaltbares Gemiſch ven Ariſtokratie unb 
Demobratie. 

Viele ſprechen von der Uabequecalichkeit, die Zu⸗ 
flimmung bed Könige in gewiſſen Fällen für noth⸗ 
wenbig gu erklaͤren; dis heiße eine CEolliſſen herbei⸗ 
führen, um bie Angelegenheiten zum Stillſtande zu 
bringen. Ais wenn ein ſolches Iufemmenficfen, eins 
ſolche Collifion überall den Grundgefegen zumiberliefe, 
als wenn fie nicht ſtattfaͤnde, wonn z. B. zwei Staͤnde 


356 Siebenundzwanzigſter Abſchnitt. 186. 


zweien Ständen entgegentreten, als ob -fie nicht in 
gewiſſen Faͤllen beilfam, und eine gute Colliſion nicht 
einer fchlechten Deeifion vorzuziehen wäre! Ä 

Es fcheint, man vergißt ganz daß die Verfaſſung 
fpriht von Rechten und Freiheiten ber Könige, de 
Stände, des Senats, und daß der Vertrag. von eine 
Seite fo heilig zu halten Hit, wie von ber anderm. — 
Der König bat fi) dadurch eine Bloͤße gegeben (me 
che aber nur durch franzöfifche Raͤnke und Wendur 
gen zu benugen iſt), daß er in allen feinen Streitig 
keiten mit ben Ständen und dem Senate ſtets wr 
fiherte: er habe Nichts gegen die Perfonen; daß « 
ferner oft nur einen Theil der Gründe fuͤr fich aus 


fprach, weiche er aus den Reichsgrundgeſetzen hend: 


men konnte; ja daß er bisweilen gar Leine Grunde 
beibrachte. Die Stände, oder vielmehr die Anhänge 
Frankreichs im Senate, haben hievon Gelegenheit ber 
genommen, den König in einen Gegenfag zu da 
Brundgefegen zu bringen, und Ihe (von franzoͤſiſchen 
Gelde veichlih unterflügtes) Spiel vorwärts zu brir 
gen. Nicht minder haben bie Senatoren fich wechſe⸗ 
feitig ſelbſt große Gelbſummen bewilligt '). 
Sdo unheilbringende Verhaͤltniſſe trieben die Gm 
fen Horn ‚und Brahe an, fih mit Anderen fir 
eine Veränderung in der Verfaffung und eine Erb 


3) Bericht vom Sten Julius 1756, 


2236. Berfhwörung von Horn u Brahe 357 


bung ber koͤniglichen Gewalt zu verfchwören'). Ihre 
Plane wurden von einem, dafür hochbelobten Cor⸗ 
poral Schebvin entdeckt unb beide in der Nacht vom 
22ften auf den 2iften Junius verhaftet. König 
und Königinn (erzählt der Berichteritatter) erklaͤr⸗ 
ten, baß fie von all den Planen nichte wüßten und 
fie verabfheuten. Der König und fein Anhang 
ift mithin völlig zu Boden gelchlagen, die herr: 
ſchende Partel und the Syſtem völlig gefichert, jeder 
wer bemfelben nicht angehört, vernichtet, ober außer 
Stand geſetzt, irgend: etwas zu unternehmen. Viele 
Perfonen, und aus den erfien Ständen, werben un⸗ 
gluͤcklich oder enden ihr Leben auf dem Blutgerüft, 
weil fie in der Verzweiflung, auf weiche fie herabge⸗ 
bracht waren, fich übereilten und zu gewaltfamen 
Maaßregein. ihre Zufudt nahnien. 

Geftern den 26ften Julius (heißt es in einem 
anderen Berichte)?) ‚ward. Graf Brahe hingerichtet. 
Er ſtarb wie ein großer Mann, und mit ber beften 
Saffung unter Allen. Man verliert an ihm einen 
der erſten Ebdelleute des Reichs, einen Mann von 
Kopf, :Ehre und Herz, der ſehr viel verfprah, den 


1) Berichte vom 2öften und SIften Junius und Iten 
Julius. Ebendaſelbſt. 


2) Bericht vom Aſten Zulius, Seweden Band 92. 





368 BStebenundzwanzigfier Abſchnitt. AB. 


größten Feind des franzoͤſiſchen Soſtems, und der 
jerigen ungluͤcklichen Verknechtung Schwedens 

As Hom (lautet ein anderes Schreiben) fein 
Haupt ſchon auf dem Blocke niedergetegt hatte, erhob 
er ſich wieder und verlangte auf eine halbe Stunde 
Friſt, weil er bei dee Unruhe die ihn bewege, feine 
Seele nicht aufs Spiel ſetzen koͤnne. Aber der Be 
fehlshaber der gegenwaͤrtigen Leibwaͤchter und die Prie 
ſter ſagten ihm: da er den Augenblick vor der Himrich⸗ 
tung zum Sterben wohl vorbereitet geweſen, fo koͤn 


dieſelbe nicht aufgeſchoben werden. Hiecauf faßte er 


fh wieder und empfing zwei Streiche. 

Brahe und Horn werden für ihre Perſonen alk 
gemein bebauektz das Verbrechen wird dagegen. von 
jedem verabſcheut. Man beſchuldigt ben erſten der 
Anmaßung und des Stolzes; doch wäre er wohl wit 
fo weit gegangen, wenn man ihn nicht burch alle: 
band Zuruͤckſetzungen aufgereist hätte, Ex wollte zw 
legt nur den Staat, bie Achte Verfaſſung und die 
rechtſchaffenen Leute erretten. Wäre fein Vorhaben 
gelungen, würbe er für ben Befreier feines Vaterlan⸗ 
des gelten; weil es mißgluͤckte, betrachtet man ihn 
wie einen Verraͤther deſſelben Vaterlandes. 

Man rathſchlagt über die Königinn '). Ob fie 
durch eidliche Erklaͤrung anerkennen folle, fie fey nur 


4) Berichte v. 6ten Anguft u. 14ten September 1756. 


1786. Berihwödrung von Horn u. Brahe. 0 


die erfie Unterthaninn des Könige? Ob man fie 
fortfchiden, ober in einem Schloſſe einfperren Tolle? 
— Der König ſelbſt umterwirft fi allen Forberun⸗ 
gen, und ift eine bloße Null! 

So weis weine ſehr abgekuͤrzten Mittheilungen 
über Schweden. Manchem erfcheinen fie vielleicht 
ſchon zu weitläufig um ben Gaben der Hauptentwicke⸗ 
‚ lung unnüuͤtz zu unterbrechen. Verdient es benn aber 
nicht eine ernfle Betrachtung: daß ungezlgelte Kriegs⸗ 
luſt der Könige, und babfüchtiger Ehrgeiz der Ariſto⸗ 
traten ein Reich, welches hundert Sabre zuvor im 
allen europaͤiſchen Angelegenheiten eine entſcheidende 
Stimme hatte, fo herabbrachten, daß es jetzt mie ein 
gervichtlofer Spielball fremden Antrieben gemaͤß bin 
und hergeworfen wird, und zulegt, ald bie Gegner 
(Rufland und Frankreich) fich einigen, sinen Beſchluß 
faffen muß, der feinen eigenen Jutereſſen zumiderläuft 
und dem ehemaligen Markgrafen von Brandenburg 
weniger zu Beſorgniſſen ale zu Spott Gelegenheit 
giebt! | 


SED . Ahtundgwanzigfier Abſchnitt. 17%. 


+ 


Achtundzwanzigſter Abſchnitt. 


Den Iten Julius 1756 ſchreibt Holderneß an 
Mitchell): England ging von dem Gedanken aus, 
ber Eontinentalfriede werde in dieſem Jahre nicht 

unterbrochen. Sollte aber der König von Preußen 
(rote er in der letzten Aublenz aͤußerte) Grund haben 
einen Angriff der beiden Kaiferinnen (im Vertrauen 
auf Frankreich) zu fürchten, oder vielmehr im Fall fih 
diefe Furcht beftätigen follte (be verified), fo fe 
England bereit, einen Vertrag mit Preußen auf wech 
felfeitige Vertheidigung abzufchließen. 

Doc iſt es fehr rathſam jeden Schritt zu we: 
meiden, welcher die uͤbel begruͤndete Eiferfucht Ruf: 
lands erhöhen Könnte. Es iſt von ber höchften Wich 
tigkeit biefen Hof zu gewinnen, und wie entgegenge 
fegt auch der Anfchein ft, der König von England 
verzweifelt durchaus nicht, man werde die Gzarinn zu 
einer vichtigeren Denkweiſe vermögen. Andere Ma: 
fhinen find in Bewegung, als die melche Öffentlih 
hervortreten. 

Die Kenntniß welche ber König von Preußen 
von den Eleinen geheimen Raͤnken befigt, welche in 


1) Mitchell papers Vol. I, i 


1756. Holderneß über bie Lage Europas. 361 


Petersburg immerwaͤhrend im Gange find, wird einen 
Zürften vom feinem Scharffinne hinreichend überzeu: 
gen, daß. wir mehr bie Intriguen, als die politiſchen 
Grundſaͤze Rußlands zu fürdten haben. Solchen 
Runftmitteln (artiices) muͤſſen andere ähnlicher Art 
gegenübergeftellt werden, in welchen ber Kanzler fo 
gewandt iſt als irgend einer von feinen Gegnern. Er 
befige überdies weit größere Gefchäftsfenntnig und 
wahrhaften Einfluß (real ascendant) auf die Kai- 
ferinn. — — 

Deshalb. kann man ben Abſchluß eines Vertrags 
noch verfchieben ; doch will England den Koͤnig von 
Preußen nachdruͤcklichſt unterflügen, im Fall man 
feine Beſitzungen angreift. Ungeachtet der Aufftellung 
(parade) oͤſterreichiſcher und ruſſiſcher Lager, iſt Seine 
Majeſtaͤt der König von England dennoch geneigt zu 
glauben: ‚König Friedrichs frühere Meinung fey die 
richtige, daß nämlich in Deutfchland während diefes 
Jahres nichts Feindliches werbe unternommen wer: 
den. In Bezug auf die Nachrichten, welche der Koͤ⸗ 
nig von Preußen empfing, geben Sie indeß die obige 
Erklärung. 

Bon Spanien ſteht Nichts zu "befürchten. Es 
iſt der Schiedsrichter aller füblichen Höfe geworden; 
ein Einfluß, welcher nur durch feine Unabhängigkeit 
von franzöfifhem Einfluffe begründet und erhalten 
wird. Die. Verwaltung des Herrn von Carvajals 

ll. 16 


362 Achtundzwanzigſter Abſchniit. 105M 


bet den Grund zu dieſer gluͤcklichen Wendung de 
ſpaniſchen Staatskanſe gelegt. Herr Wall- verfolge 
mit Geiſt und größerer Waͤrme dies Syſtem de 
Freundſchaft gegen England, und bie Eatlaſſung des 
Marcheſe Enſeñada und des Vaichtnaters Rauagn hat 
daſſelhe befeſtigt. 

Aun demfelhen Tags (dem 9een Julius)) ſchrieb 
Keith aus Wien am Heolderneß: Die Morbsraitungen 
zum Kriege werben bier wis großem (tfer. betrieben, 
Jedes Regiment Reiterei fol bis zum erſten Oktober 
won. 800 auf 1000. Mann gabrad key — Nach 
anderen Mittheilungen über Anfalten, Maͤrſcho und 
dergleichen, fährt Keish fort: dennoch entkärt.der. wiene 
Hof, man babe Feine. feindlichen. Abſichten und woll⸗ 
wenigjtens (at least) nicht der angreifende Theil feyn. 
Die Bewegungen im preußifchen Heere, die Luger 
welche Friedrich M an. den äflerreichifchen Graͤnzen zu 
‚bilden: gedenfe. (imtends to- form) noͤthigten fie fih 
bereit zu halten und in Vertheidigungsſtand du ſetzen. 
Aush. muß ich hinzufuͤgen, daß einige Perſonen, 
weiche fich für gut unterrichtet ausgeben.- und gewiß 
die Fortdauer des Friedens mwünfhen, zu glauben 
ſcheinen, der wiener Hof meine es ernſtlich mit die 
ſen Erklaͤrungen. Deßungeachtet muß man, nach 
meiner Meinung, befuͤrchten, daß wenn. fo große Dee 


1) Mitchell papers Vol. 9. und Öfterreidh, Bd. 192. 


1758. Kriegsrhftungen. 868 


einander fe nahe ftchen, und fo viel Aufregung und 
üble Laune unter ben Hoͤfen obwaltet, bee eine oder. 
obere ungluͤckliche Bufalt ein Feuer entzuͤnden duͤrfte, 
welches man. nicht fo leicht wird loͤſchen koͤnnen. 

Es mangelt bier uͤbrigens an Gelde für den Krieg, 
und das Volk kann kaum die jegigen Steuern ber 
zahlen. | 

Drei Tage ſpaͤter (den 14ten Jullus) füge Keith 
binzu ’): die Vordsreitungen zum Kriege werden hier 
mit mehr Eifer und Nachdruck betrieben, benn je zu: 
vor. Aus Ungorn und Yon anderen Orten zieht Mauss 
fhaft herbei, täglich; finden Beratungen ber Miniſter 
flatt über Rectuten, Geld u. ſ. w. Doch fagen fie: 
gewiß werden wir nicht die Angreifenden ſeyn. Ich 
din jedoch überzeugt, fie würden nicht betruͤbt 
feyn (not Borry), wenn ber König von Preu 
ßen don erften Schtag thun wollte, damit 
fie vertragsmäßig Frankreichs und Ruf: 
tands Beiſtand forbern koͤnnten. 

Man muͤht ſich mit Finanzplanen ?). Die Stände 
der verſchiedenen Landſchaften Toller gerifle Summen 
zu Sünf vom ‚Hundert darleihen und fich aus den 
laufenden Einnahmen bezahlt machen u. f. w. 

Um diefelbe Zeit fchreibt Mitchell an Lord Stor: 
1) Mitchell papers Vol. 9. 

2) Bericht vom 2lften Julius. Ebendaſeibſt 
16* 





— 





364 Achtundzwanzigſter Abſchnitt. 178. 


mont: Wundern Sie fih nicht, wenn ich über bie 
hiefigen Plane Nichte melde... Sie liegen allein in 
des Könige Bruft verborgen. Nur das weiß ih: 
er iſt vorbereitet auf Alles was gefchehen kann; 
obgleih er hoͤchſt aufrichtig den Frieden 
wünfdt‘). 

Sorgenvoll über bie wachfenden Gefahren ſchreibt 
Holderneß den 13ten Julius an Mitchell: Jede Maaß 
regel des Koͤnigs von Preußen, welche irgend auf das 
Heer Bezug hat, wird vom wiener Hofe feindlich 
ausgelegt und als eine Folge des Vertrages mit Eng⸗ 
land betrachtet). So ungerecht dieſe Einfluͤſterungen 
auch find, Lönnten fie doc auf einige Mächte Ein 
fluß haben, welche in der neuen und bedenlichen Lage 
der Dinge noch Feine Partei ergriffen haben. Seine 
Majeftät der König von England giebt deshalb dem 
Könige von Preußen den emnfttichiten Rath Höchft von 
ſichtig beim Faſſen feindlicher Beſchluͤſſe zu feyn; ob: 
gleich man jede Sicherheitömaaßregel billigen muß. Nur 
möge man dieſe nicht mit Vorſatz zur Schau flellen. 
— Wir brauchen dem Könige von Preußen nicht zu 
fagen, daß Öfterreicy jeden kriegeriſchen Anfchein alten 
europäifchen Mächten im übeliten Lichte darftellen und 





1) Thbough he most sincerely wishes for peace. 
Mitchell papers Vol. 1, Schreiben vom 10ten Julius. 


2) Mitchell papers Vol. 9. 


1756. Kriegsvorbereit. u. Beſchläſfſe. 365 


ſich deffelben bedienen wird, um die Batholifchen Fürs 
fien auf feine Seite zu bringen. — In Petersburg 
behaupten Manche verleumbderifch: Friedrich wolle Ruß: 
land‘ angreifen; um fo mehr mag er feine Geneigtheit 
darlegen «einen Bund mit England und Rußland ein 
zugehen. : | 

Um biefelbe Zeit behauptete der franzoͤſiſche Hof 
hoͤchſt irrig!): es fey ein Hauptplan Englands, daß der 
König von Preußen ſterreich angreife. Man be: 
fahl dem Gefandten Balory in Berlin zu erklären, 
daß Frankreich. in diefem Falle der Kaiferian Koͤniginn 
Die vertragsmäßige Huͤlfe leiften werde. — Der preufi: 
Ihe Minifter Podewils fragte. hierauf den Geſandten 
Valory: iſt man bei Euch ficher über die Abſichten 
des wiener Hofes gegen uns, und will der Koͤnig von 
Frankreich uns die Erhaltung der Ruhe verbuͤrgen? 
Valory ſchreibt in dieſer Beziehung dem franzöfifchen 
Minifter: Sie fühlen, mein Herr, baß meine Ant: 
wort nur unbeſtimmt und nihtsfagend feyn 
konnte. — Auch gefteht Valory an einem anderen 
Drte ?), daß der franzöfifche Hof auf jene wichtige 
Frage. nie eine Antwort gegeben habe. Deſto be⸗ 
flimmter waren die. durch Valory ausgelprochenen 
franzöfifhen Forderungen; weshalb Friedrich II zu 


1) Valory Memoires II, 101. 
2) Mem. p. 310. 


366 Achtandzwanzigſter Abſchnitt. 178. 


Mitchell fagte '): Je ne vonx pas que cas Mes- 
‚sienrs. me purlent,. onmme on parle aux Hoellan- 
dais, et-qu’ils.me disent. ei traite je deis rem- 
plir, ou nen. 

Sdo waͤden wir. denn an einem Beitpunfte ‚ange 
langt, der auf viele Fahre für die Gefchichte Mreußeng, 
ja Europas entſchied; mod; bis auf den heutigen Tag 
gehen aber die Anſichten Uber Recht ober Unrecht, 
Meishelt oder Thorheit der verſchiedenen Mächte, ink 
- befondere Zriebriche IL, weit. auscinander. Betrachten 
avir die bisher zugänglichen: Quellen, insbeſondere 
Herzbergs reiche Sammlung von Urkunden , fo dürfte 
- fi dem unparteiiſchen Beobachter ergeben: 

1) Friedrich hat nicht erwiefen und. nicht erweiſen 
koͤnnen, daß ein foͤrmliches Angriffsbundniß zwiſchen 
Hſterreich, Rußland und Sachſen gegen ihn geſchloſſen 
worden. Er Hatte Unrecht hierauf Anfangs vorzuͤg⸗ 
lichen Nachdruck zu legen, weil jene Maͤchte dies 
leugnen und die Aufmerkſamkeit von ihren, ohne 


Awelfel feindſeligen Geſinnungen ablenken konnten. 


2) Öſterreich hegte den natuͤrlichen Wunſch Schle 
‚fin wieder zu erobern und Friedrich U zum. Angriff 
aufzureizen; meil ‚es. alsdann. den unfchägbaren Ber 
theil hatte, Rußland umd — fuͤr ſeine Zweck⸗ 
benutzen zu koͤnnen. 


1) Mitchell Vol. 1, Schreiben vom SOften Julims. 


3756. Friedrichs Aufichten. 367 


3) Dem Könige war dicſe Gefahr keintswegs ver⸗ 
vorgen. Denn er fo dennoch den Schein des Anı 
griffs auf ſich zog, To werfahe er entweder hoͤchſt leicht⸗ 
finnig und unverſtaͤndig; vder er befand ſich im Falle 
der Nothwehr und lebte dee Überzengung: er koͤnnr 
dem voͤlligen Untergange nur durch Zuvorkommen ent- 
gehen. Ä | 
Ohne das Bekannte fuͤr dieſe Behauptungen. noch 
mals atizuſuͤhren, wird eine chronologiſche Znſammen⸗ 
ſtellung der engliſchen Berichte und der eigenen Äuße⸗ 
zungen Friedrichs IL beitragen, insbeſondere die zuletzt 
erwähnten Fragen in ein helleves Licht zu flellen. 

Anm 23ſten Julius Schreibt Mitcheli '): der Koͤ⸗ 
nig von Berufen glaubt daß Rußland ‚ganz für uns 
verloren .äft. — Die Abfichten des wiener Hofes ha= 
ben füh ouͤbber alle Erwartung offenbart, durch bie 
großen Kriegsvorbereitungen in Boͤhmen und Mähren, 
fo mie durch die unbervachten Äußerungen ‚einiger ihe 
‚wer Miniſter und Generate. — König Friedrich II 
fagte: er wuͤnſche ben Frieden, wie es fein Intereſſe 
auch erfochere. j 

In einen umſtaͤndlichern Berichte Mitchells, aus 
derſelben Beit heißt es 3 der Murich — Mann⸗ 


1) Mitchell papers Vol. 1. 

2) Ohne Datum. (Ebendafelbft, Band 67, ©, 29) Der 
Beriht iſt mol etwas a ———— betrifft 
— dieſe ne 


368 Achtundzwanzigſter Abſchnitt. 1788. 


Schaft nach Böhmen, bat bie preußifchen Beamten 
und Officiere in Beſorgniß gefegt, und, es ift wahe 
ſcheinlich daß ihre Berichte vergrößert und übertrieben 
waren.. Der König zog hieraus den Schluß: für ihn 
fey Feine. Rettung, als im Zuvorkommen. Er hofft: 
im al gluͤcklichen Erfolge werde biefe furchtbare 
Verſchwoͤrung fih in Rauch auflöfen. Sobald. näm 
lich die Haupttheilnehmerinn fo ſehr bebrängt fen, 
daß fie. den Krieg im nächften Jahre nicht im Gange 
erhalten koͤnne, würde die ganze Lafl. auf die Ver 
bünbeten fallen, welche (nach feiner Meinung) nicht 
geneigt ſeyn würden, biefelbe zu tragen. 

In folder Stimmung fand ich den König. Er 
erklärte mir nochmals (fowie ſchon oft zuvor): . daß 
er Nichts fo ſehr wünfhe als den Frieden 
und zu behalten was er befige; daß er bin: 
gegen gar keine Ausfiht habe.neue Er: 
werbungen zu. maden. 

Ich erinnere mich, daß unter anderen Nachrichten 
und Berichten, welche der König mir bei biefer Gele: 
genheit zeigte, einige, und ich glaube übertriebene, aus 
Schleſien waren, bes Inhalts: die Öfterreicher woll⸗ 
ten ein Lager auf einer böhmifchen, von Schlefien ein 
geſchloſſenen Landzunge errichten. Der König ſtellte 
diefe Nachricht mit anderen ihm zugefommenen in 
Verbindung und ſchloß daraus daß ſterreich ihn ge 
wißlich angreifen wolle. — Ich nahm mir die Frei: 


1738. Friedrihs Anfragen in Wien. 369 


beit ihm vorzuftellen, daß aus folchen Lägern in ihs 
rem eigenen Lande bie Abficht der Öfterreicher keines⸗ 
wegs mit Sicherheit hervorgehe. Vielleicht hätten fie 
nur den Zweck ihn aufzureljen, damit er dem erften 
Schlag thue, und fie fo berechtige den für biefen Fall zuge 
fiherten Beiftand Rußlands und Frankreichs in Anfpruch 
zu nehmen. Hierauf fah mich der König fcharf an und 
antwortete abgerifien (abraptly) und mit einiger Bewe⸗ 
gung: Comment, -Monsieur, qu’est ce que Vous voyez 
dans mon visage? Croyez Vous que. mon ’nez 
est fait pour recevoir des chiquenaudes? Par 
Dieu, je ne les souffrirai point! 

Ich antwortete: Niemand wuͤrde, nad meiner 
Meinung, fo tühn feyn ihn zu befchimpfen: (affrent); 








und wenn man es thäte, fo fey fein Charakter in - 


Europa zu gut bekannt, um einen Zweifel zu laſſen, 
in welcher Weife es würde vergolten werden. — Auch 
bätte.ich unter allen feinen großen. Eigenfchaften noch 
nicht. Geduld und. nachgiebiges Exrtragen (forbearance) _ 
aufzählen hören. — Er nahm diefe Bemerkung wohl _ 
auf und lachte; doch biieb er bei feiner Anficht, ob: 
gleich ich ihm meine Gegengruůnde ut aus⸗ 
einanderſetzte. 

Endlich ſchlug ich vor: er moͤge vor weiteren 
Maaßregeln eine Erklärung (é6claircissoment) fordern: 
ob Öfterreich ihn angreifen wolle. Ihm ſchien biefer 
Vorſchlag nicht zu behagen und er ſprach mit großer 

16 ** 


37Q Achtundzwanzigsſter Abſchnitt. X 


Märme über Stolz. und Anmaßung des wiener He 
fed. Solch eine Anfrage werde bie Sachen nur wen 
ſchlimmern unb ihn einer anmaßenden und beleidi⸗ 
genden Antwort ausſetzen. — Ich machte hiegegen 
geltend: je hochmuͤthiger die Antwort fen, deſto beffe. 
Auch meinte ich nicht daß er fie ertragen. fondern 
nur daß er Europa von feinen friedlichen und ſter 
reichs feindlichen Gefinnungen überzeugen foll. — 
Er hoͤrte Alles geduldig an, erwicherte aber wit 
Waͤrme: Nein, das hilft Nichts, und kann die Sack 
leicht verſchlimmern. Sie kennen diefe Leute nicht, 
es wird fie nur flolger machen, und ich — ihnen 
nicht nachgeben. 

So des Mittags; Abends nach der Burletta erklärte 
. ber König: ice habe über Ihren Rath nachgedacht 
‚und werbe ihn befolgen, Doch ecklaͤre ich Ihnen um 
voraus, daß ich von dem Allem Nichte erivarte, und, 
bei Gott, ich werde dieſen Leuten nicht weichen '). 

Hierauf ließ der König auf eine freundſchaftliche 
und hoͤfliche Welle in Wien um eine Erklärung um 
Aufklaͤrung uͤber die Kriegsruͤſtungen bitten, und Marin 
Thereſia gab mit Vorſatz eine unklare und ungenuͤ⸗ 
gende Antwort. Der fächfifche Gefandte Graf Flem 
wing berichtete hierüber am 28ften Jullus an Vruͤhlꝰ). 


1) Par Dieu, je ne oedersi pas à cas gens la. 
2) Recueil de Herzberg I, 60 





‘ 
“ 


1738. Krledeiche Anfragen in Wien. 371 


Graf Raunig fagte mir: der König von Preußen hatte 
einen doppelten Zweck, welchen wir hier gleichmäßig 
vermeiden wollten: erftens, zu Eroͤrterungen und Auf: 
Härungen zu gelangen, weldye eine Unterbrechung ber 
Maaßregeln veranlaffen konnten, deren kraͤftige Forts 
fegung wie für nötbig hielten. Zweitens, die Sache 
weiter zu führen, zu anderen Vorfchlägen und weſent⸗ 
licheren Verpflichtungen. Deshalb hielt ich dafür: die 
Antwort müffe von der Art feyn, daß fie die Frage 
bed Königs ganz umgehe, zu roeiteren Erläuterungen 
feinen Maum gebe, und feft und höflich, zugleich aber 
feiner günftigen, oder abgänftigen Deutung fähig fen. 
Dem gemäß habe es ihm angemefien gekhienen, wenn 
die Kaiſerinn füch begnüge, einfach zu fagen: in dee 
arten Kılfis, in welcher ſich Europa befinde, erfors 
bere ihre Pflicht und die Ehre ihrer Krome, zur eige 
wen Sicherheit, ſowie zur Sicherheit ihrer Freunde 
und Verbündeten, hinreichende Maaßregeln zu ergrei: 
fen. — Bald nachher fügt Graf Flemming Hinzu: 
man vwünfche, daß dee König durch fortbauernde Ruͤ⸗ 
kungen ſich erfchöpfe ‘und an langfamen Feuer ver 
jehre; oder (um dem zuvorzulommen) einen übereiften 
Entfhluß faffe: — und gerade an diefer- - 
Stelle, fo fheint es mir, erwartet man 
ibn’). 

1) Et c’est precisdment J— ou il me semble, qu’ 
on Vattend. 


372 Achtundzwanzigſter Abfchnitt. 178. 


Kehren wir, nach biefer erlaͤuternden Abfchreeifung, 
zu, den britiſchen Mittheilungen zurüd. Den -27ften 
Julius ſchreibt . Mitchell: . der .preußifche Gefanbte 
Klinggräf erhielt. in Wim aus ben Haͤnden ber 
Maria Thereſia die folgende Antwort’): @ue les 
aflaires presentes 6tant en crise, .elle avait juge 
& propos de prendre des mesures pour sa propre 
surete, et celle de ses Allies, et qui ne ten- 
draient au prejudioe de personne. — Drei Tage 
fpäter fügt Mitchell hinzu ?): ber König will der Kai: 
ferian bie Nacheichten vorlegen, daß fie mit Ruf: 
Land ein- Angriffsbuͤndniß wider ihn eingegangen bat, 
und daß bie Ausführung. biefes Plans ‚nur bis zum 
nächften Jahre verfchoben ward, weil die Ruſſen nod 
nicht in WBereitfchaft find. Deßungeachtet will ber 
König begnügt fenn, wenn bie Kaiferinn eine Verſiche⸗ 
- zung ertheilt, daß fie ihn in biefem und dem nächften 
Jahre nicht. angreifen werde. . Seinerfeits iſt er zu 
gleichen Berficherungen bereit. Ä 
. Zu einem. Berichte Keiths aus Wien vom ‚23m 
Julius heißt e& *): Klinggraͤf erhielt ben -Aufteng, in 


1) Mitchell papers .Vel. 1, 
2) Ebendaſ., Bericht vom ZOften Julius. 
8) Öfterreich, Band 192. 


- 2306. Friedrichs Anfragen in Wien 373 


den hoͤflichſten und: verbindlichfien Kormen um eine 
Erklärung über die Kriegsvorbereitungen zu bitten. 
Kaunig ſchob dieſe Schuld auf bie Preußen zurüd 
umd: brach das Geſpraͤch ploͤtzlich ab, als der Geſandte 
auf das Einzelne eingehen. wollte. — Die Vorbereis 
- tungen zum Kriege, meldet Keith den Aten Auguſt 
aus Wien"), nehmen bier zu. Anfang September wer: 
den in Böhmen und Mähren (ohne die Huſaren 
und 11— 12000 Mann Werasdiner) 60000. Man. 
regelmaͤßiger Soldaten verfammelt: feyn. . 

As König Friedrich IE. (fährt Mitchell. in der 
ſchon oben erwähnten Erzählung fort )) bie erſte 
Antwort aus Wien erhalten hatte, war er mit ihr 
nicht zufrieden und fragte mich um meine Meinung. 
Ich antwortete: ich wuͤnſchte, fie wäre beutlicher, freue 
mic, aber. daß fie nichts Beleidigendes enthalte. Hier⸗ 
auf gab er. mir. den Auszug. eines Beiefes. (mit. Be 
zeihung des Tages, aber nicht des Ortes ‚woher er 
kam) und erfuchte mich ‚ihn forgfältig zu leſen. Diefer 
Auszug ‚berichtete. über ein Gefpräch, welches ein ven. 
trauter Freund des Grafen Kaunig mit ihm uͤber 
die, dem Könige zu gebenbe Antwort gehabt hatte. — 
Sch 106 und lächelte. Dies. bemerkend, fragte ber 
König: . warum ich lache? — Ich fuchte eine. Aus⸗ 


| 1) Ebendaſelbſt. | 
2) Mitchell papers Vol. 67, p. 28, _ 


376 2 Achtundzwanzigſter Abfhnitt. 118 


fincht, mußte aber auf fein Anbringen zuletzt geflchen: 
ich Lächele, weit mir die Nachricht zu gut und zu ge 
nau erfcheine. Ich keunte den Grafen Kaunitz und 
biefte ihn für zu ug, irgend einen Freunde ſolch 
Geheimniß anzuvertrauen. Nachdem ich mich ums 


ſtaͤndlich und aufrichtig uͤber des Grafen Charakter 


ausgelaſſen, ſagte dee König: ich geſtehe, Ihre Bemer 
kung iſt richtig, aber die Kunde kommt von einn 
guten Hand, und man kann ſich darauf verlaſſen. 

. Mitchell erfuhr nachher daß der Bericht vom Gea 
fen Flemming herruͤhre, auch iſt es ohne Zweifel be 
fo eben im Auszuge mitgetheilte. Es laͤßt fich nicht 
annehmen, daß Flemming jenen Bericht geſchrieben 
babe, damit er im des Könige Hände komme md 
ihn reie. Wenigftens hätte der Nachſatz: man wol 
. ihm arglifiig reizen, den Vorberfah aufgehoben. Gewij 

kannte Friedrich jetzt den ganzen Inhalt des Br 
richtes. 

Den ?ten Anguſt ſchrieb Friedrich ſeinem Geſand⸗ 
ten Klinggräf'): die Antwort des wiener Hofes ſey um 
fo weniger deutlich und genägend, da er Beweiſe von 
den Angtiffsplanen Rußlands und Öflerreichs erhal⸗ 
ten, und dag man biefelben nur verfchoben, weil Die 
Ruffen nicht vorbereitet feyen. Er fährt fort: Je 


me crois en droit d’exiger de l’imp6ratrice une 


1) Mitchell papers Vol. 1. 





| 
| 


18 Lriedrichs Anfragen ia Bien 875 


deelaraßun formelle et cathegarigue, oensistant 
dans une assurance verbale ou par dcrit, qu' ella 
n’a aucune intention de m’ailaquer ni cette annde, 
ri oelle qui vient. Soit que cette deelaration me 
fasse par 6erit, om verbalement en presence des 
ministres de France et d’Angleterre, cela mies 
egal et depend du han plaisir de limpératrice. MI 
faut savoir si nous Sommes en guerre, su em 
'paix, J’en renda limperatrice arbitre. Si ses in- 
tentions sont puren, voici le moment de les mettre 
au jone. Mais si on me denne une reponse en 
style d’oraele, incartaine ou nen cnmelmante, Fim- 
pöratrice aura A sa reprocher tontes les suiles qu’ 
attrera la facon tacite dont elle me confirmera par 
lA les projets dangerenx qn’ elle a formes avec ia 
Russie contre moi, Et j’atteste Je ciel queje mis 
Muocent des malbenrs qui n’en surrront. . 

Sp Lagen bereitd die Dinge, ale Holderneß den 
Gten Auguſt an Mitchelt fehrieb "):. Wenn ber König 
von Preußen zeigt daß er für England, gegen Frank⸗ 
reich thätig fern will, fo kann er hier fo bellebt wer⸗ 
ben, ala. es jemals das Haus Öfterreih mar. Aber 
dies iſt der Pruͤfſtein, Frankreich it unfer Ziels 
nunkt. Ge muß den Entſchluß zeigen und gegen uns 


1) Mitchell papers Vol. 29. 


376 Achtundzwanzigſter Abſchnitt. 56. 


fern. natürlichen Feind beizuftehen; das Übrige wird 
: fi dann finden. | 

Diefe Betrachtungsweiſe war zum mindeften hoͤchſt 
einſeitig. Daß Friedrich blos für England einen 
Krieg wider Frankreich unternehmen, blos für Eng⸗ 
land wirken follte, ordnete ihn und "fein Reich in di: 
ner Weife fremden Zwecken unter, wie man es for 
dern mag, aber nicht bewilligen darf. Hiezu kam, 
daß jede Schülberhebung gegen Frankreich, nothwendig 
jego einen Krieg mit Öfterreich in ſich fchloß, und 
Schlefien dem Könige von Preußen doch natuͤrlich 
. mehr am Herzen liegen ‚mußte, wie Hannover. 

Eher. zum. Ziele treffen zwei andere Schreiben 
von Holderneß, worin es heißt‘): die Feinde Eng⸗ 
lands werden bie Czarinn nicht dahin bringen, koͤpf⸗ 
lings auf die Plane der Höfe von Wien und Ber 
ſailles einzugeben; ſobald nur Friedrich ihnen durch 
einen Angriff auf — nicht ſcheinbare Vorwaͤnde 
in die Hand giebt. Ein ſolcher Angriff (ſofern der 
Koͤnig dazu nicht unbedingt durch das Benehmen des 
wiener Hofes gezwungen wird), muß boͤſe Folgen ha⸗ 
ben. Wir hoffen deshalb, der König. werde nichts 
überellen, während man durch ein menig Geduld bie 


Gefahren, voo nicht vermeiden, doch vermindern, kann. 


Die Abfiche Friedrichs, feinen Feinden zuvorzu- 


1) Den 6ten Augufl. An Mitchell, ehendaſelbſt Bd. 9. 


1336. Holbernek Schreiben. Rußland. 377 


kommen, IR gruͤndlich und gewichtig (menn er ein⸗ 
mal von ihrem Plane ihn anzugreifen uͤberzeugt iſt); 
nur muß ber König zu gleicher Zeit einſehen, daß ei 
hiedurch bie Kaiferinn von Rußland zwingt, ummits 
telbar Partei ‚für Öfterreich zu nehmen, was. durch 
Temporiſiren — vielleiht — kann vermicben 
werden. R 

Den 10ten Auguft wiederholt Holderneß!): was 
fuͤr Nachrichten der Koͤnig von Preußen auch uͤber 
einen gemeinſamen Angriff Rußlands und öſterreichs 
mag erhalten haben, der Koͤnig von England kann 
ſich nicht uͤberzeugen, daß jene Nachrichten wohl be⸗ 
gründet find. Gewiß weiß Beſtuchef Nichts davon, 
und- obgleich deffen Anſehen bei der Kaiferinn gefun: 
Sen iſt, würbe fie folch einen Schritt doch nicht ohne 
defien Kenntniß befchliegen. Der. König von Preu: 
Ben muß überlegen: ob ber Vortheil, welchen er da⸗ 
ducch zu ‚gewinnen hofft, daß er feinen Feinden zu: 
vorkommt, dem gleichſteht, daß er Rußland alsdann 
gewiß verliert. 

In ſeinen Berichten aus Rußland ſagt Williams 
den 14ten Auguſt?): der Anſchein iſt hier gut, Nies 
mand aber kann fuͤr den Ausgang ſtehen. Traͤgheit 


1) Ebendaſelbſt. 
2) Rußland, Band 65. 


378 Achtundzwanzigſter Abfgnitt. 3756. 


amd Zögerung find dem hiefigen Hofe eigenthuͤmlich 
In diem Augenblile (174m Auguſt) uͤberwiegt Ber 
ſtuchefs Einfluß. Wenn er fo handelt, wie er ver⸗ 
ſpricht, wird Alles gut gehm. We nicht, fo wirb er 
Alles hinhalten, weiches fein Lieblingsverfahren ift. — 
Und dennoch ſchreibt Willlams nur eine Woche ſpaͤ⸗ 
ter (den 24ſten Auguſt): die Ruſſen wollen auf den 
Grund des mit England geſchloſſenen Vertrages we⸗ 
der Geld nehmen, noch irgend etwas thun. Sie ſa⸗ 
gen: naͤchſtens wuͤrden fie neue. Vorfchläge machen, 
amd baden einen Geſandten nach Parts ernannt). 
So war alfo Rußland bereitd ganz von England 
getrennt und zu feinen Feinden übergetveten, bevor 
Friedrich II irgend eine feindliche Maaßregel wider 
Öfterveich unternommen hatte. Fuͤr den Fall daß ir⸗ 
gendwo und wie ein Landktieg ausbrechen ſollte, blieb 
uͤber Ellſabeths Stellung und Theilnahme in Wahr 
heit kaum ein Zweifel uͤbrig. Wir werden hieruͤber 
Weiter unten noch naͤhere Beweiſe fünden. 


1) Bericht vom 17ten Auguſt. Ebendafelbſt. 
2) Ebendaſelbſt, Bericht vom Zäften Auguſt. 


. 


17 Rußland. Friedrich Il an Mithell. 378 


Reunundzwanzigfter Abſchnitt. 


Vor Allem wichtig iſt es, zu wiſſen wie Fried⸗ 
rich II die Lage und Entwidelung der Dinge betrach⸗ 
tete? Hieruͤber giebt ein eigenhändiger Brief deſſel⸗ 
ben an Mitchell vom Yten Auguft 1756 die lehr⸗ 
reichfte Auskunft‘): Par les nouvelleg qui nous re- 
viennent il parait que la France vent tenter en- 
core cette annee une descente sur les trois ro- 
yaumes britanniques. Il faut esperer que les bon- 
nes mesures qu’a prises le gouvernement anglais, 
feront &chouer cette expedition. On sait que 
l’Escadre du Bailly de Conflans est de treize 
vaisseaux de ligne, auxquels se doivent joindre 
douze de l’escadre de Brest, le tout faisizıt 25 
vaisseaux, Comme l’on sait que la flotte an- 
glaise de la Manche est bien superieure à celle - 
des Francais, que les meilleurs amiraux les com- 
mandent, qu'ils sont avertis des desseins de leurs 
ennemis, et quils pourront les ruiner, on croit 
pouvoir ôtre en repos sur cet article, 
Ceaopendant on prie le ministere de ne point 





1) Mitchell papers Vol. 1; Letter 66. 


338 KReunundzwanzigſter Abſchnitt. 1756 


negliger l’avis qu’on leur a domae d’intelligences 
secretes que le marechal de Belleisie a en An- 


gletorre, et qui si. sent telles que les Francais 


les debitent sous main, elles. seraient enpables 
de meittre le Roi d’Angleterre dans d’harribles. em- 
karras. 

Les affaires de terre ne sent pas dans wz 
moindre 6tat de crise. La Prusse a communiqué 
à la eour- de Londres en quels termes elle se 
trouve avec Pimperatrice reine. Selom tous les 
meilleurs avis de Vienne la rupture parait inevi- 
table. On s’em rapporte d’ailleurs & la reponse 
de la cour de Vienne qui. decıdera ou de la. pam 
ou de. la guerre, et qui sera eommuniqnee fidele- 
ment à Sa Majesté britannique, de meme que 
tout.ce qui se passera ulterieurement. 

‘ L’on peut prevoir que les troubles de I’Alle- 
magne et peut-tre.lexpelition des. Francais man- 
quee sur l’Angleterre obligeront la France de 
transporter l’annee qui suit la guerre sur le con- 
tinent, ce qui (doit) donner la plus grande aiten- 
ton aux eours de Londres et de Berlin, pour 
n’etre presses au depourvü de ce cöt& la. 

On se. rapellera sans doute qu’on avait prope- 
se de faire une allianee avec la ‚‚spablique de 
Hollande, et de P’encourager en m&me tems à se 
metire dans ume situation plus respectable, qu’elle 


1786. Friedrich Man Mitchell. 381 


me se trouve & prösent. Puis denc que ces deux 
cours sont €galement interensdes a cet objet, len 
se persuade .que le meoyen le "plus efhcaee d’y 
parvenir sernit d’instruire les ministres des deux 
osuronnes du dessein qu’elles ont de faire une al- 
liance defensive avec la r&publigque, de la porter 
de faire une augmentation de 30,000 hommes 
(de tronpes de terre, et par rapport a l’Angleterre 
d’exiger le secours d’un nombre de vaisseaux. 
Que l’on ne gemerait peint ce ministres quant au 
choix de moyens qu’ils jageront & propos d’em- 
ployer pour cette fin, mais que se serait a eux 
de ee concerter avec.les Hollandais bien inten- 
tionnes pour arranger leur plan, sur leurs avis 
et pour le metire de concert en execution. Il est 
A creire qui des personnes qui voyent par leur 
yeux, savent la facen de penser de la nation oü 
Hs se trouvent, et qui se servent de la heussele 
de gens biens intentionnes pour se gaider, reus- 
siront infailliblement dans leurs desseins. 

On a appris par un. 6missaire revenu de la 
Lombardie que les Autriekiens et les Francais 
y sont extremement altentifs aux mouvements du 
Roi de Sardaigne. Qui fait croire que si ce 
prince debitait simplsment la nouvelle de queljue 
"augmentation dans son militaire (quand meme il 
ne le fernit pas) cela retiendrait les troupes Au- . 


382 Neunundzwanzigſter Abfchnitt. 12298. 


wichienues de ia Lombardie et les trempes fram- 
eaites du Dauphins et de’ ia Provence en ochec, 
et- preduirait ce biem qui ne: sersit A craindre 
pear V’Allemagne. 

H resulte de toutes les nemvelles — 
de Petersbeurg que le grand ehancellier aura pout- 
$tre asser. de credit pour empecher la conciasieh 
d’an traité entre Sa Majesté et la Framos; mais 
ih parat sür qu’ils se meleront de la guerre que 
la Beine d’Hongrie veut faire a. ia Prusse. . Dans 
ceite siiuation l’Angleterre m’a aucuns espeoe de 
secowrs à aitendre de la Russie. Elle agprendra 
meme que la Russie fait la guerre aux Allise 
d’Angleterre; ce qui fait penser, que.si les sub- 
sides destings pour eeite cour étaient röpandus & 
Brunsvie, Cassel, Gotha. et chez le prince de 
Darmstadt, que l’Angleterre em retirersit dans la 
esise presente un: avanlage plas reel penr ia de- 
fonze des &isis de Haunevre. 

On a fit um oalcul par. loquel il est clrar 
(’augınentatien et PAllianev- conelue en Hollande) 
que le Roi dAngleterre 'pourea disposer dans 
- Kempire d’une armee de. pres de 80,000 hommes. 
Ce sent des efforts qui temberomt sur le Gouver- 
mement anglais; mais les Frangais en feraient ils 
moms? On est str qu’äs eraignent la guerre de 
terre, d’une purt ‚par la depense immense que 


170 Zrietrihllan Mitchell. W 


leur conte deur fette et celie armée dent Fentre- 
ttem senait Urs oowlenx; d’auire part par des rai- 
sons de esur et des imierets partieuliars de cer- 
innen personnes qua Gsaignent ume la guere 
eant sur le eemiänent, le Bes de France voulut 
encare se prisenter à la töte de ses armdes. 
Mais malgr6 oea raisens qu’en went d’alie- 
guer ıl m’ess pas douleux que si la France essuye 
un grand echec par mer, elle ne zeprenden ves 
desseina sur Felectorat. de klannovre, à qani elle 
est axeil6e par la eous de Vienne, qui desirant 
les trouhles de l’Allemagne n’öpargaera rien pour 
y embarguer Ia France le plus avant qu’elle pouxra. 
On se rappelle a cette oceasion qu'il avait été 
fait mention de la perte Ottomnnne dans le der- 
nier mmoire, que comme il parait qua le deliea- 
iesse de Sa Majesis Brisnmnique sesait blessé 
des. insinaations que le Sieur Perter peurrais faixe _ 
a Consiantineple contre la eaur de Betersbourg; 
il pasait qui) y auca un auire chemia. A prendre 
sur. lequel on parviendrait &..la meme fin: qui 
serait de representer au grand: Vexir tout le dan- 
ger qui resulte pour Pempire Ottomum de Fetroite 
Alliance qui. subaiste musuellement entre la cour 
de Vienne et celle de France, Et nu cas que la 
Suerre survint en Allemagne om pourrait y ajou- 
ter que’ ce serait le moment propre pour les Tures 


384 Reunundzwanzigker Abſchnitt. 178, 


de profiter de .cet evenemeut pour les metire à 
l’abri des suites funestes que cette: alliance pour- 
rait leur causer. Il .serait a souhniter qwapres 
‘ tous les ménagemens ei tous les bons procedes 
que la cour de Londres a eus pour celle .de Pr- 
tersbourg, elle put y faire quelque progres; mas 
il parait que ce sera peine perdue. 

On ajoute encore une reflexion & ceci, soumel- 
tant le tout aux lumieres superieures de Sa Mr 
jeste Britannique, c’est que voyant le nouvean 
triamvirat forme en Europe, bien loin de .conser- 
ver quelque menagement, pour ses 'anciens allies, 
g’achemine tout droit à Fexeoution de ses dange- 
reux projets. Il parait juste que l’Angleterre ei 
la Prusse, bien loin de se laisser amuser par em, 
travaillent avec la même vigilance pour s’epposer. 
Les anciens systemes 'ne sont plus, ce serait 70% 
loir ceurir apres un ombre que les vouloir reis 
blir. My a des engagemens trop ferts qui liest 
A pfesent oes puissances diclatricees da sort des 
Reis; il ne reste aux puissances qui veulent s’ep- 
poser a leur tyrannie et aux presomptioms qu’elles 
meditent, qu’a former un systeme nouveau de lea 
coté , pourgu ’un nouveau €quilibre se forme er 
Europe et que la force puisse reprimer la vie 
-lenee, et rompre des desseins pernicieux à few 


186. Friedrichs Überlegungen. 385 


veux qni aiment leur patrie, leur liberie et le 
bien de toute l'Rurope. 

uUnterdeſſen waren Friedrichs erneute Anfragen in 
Wien angekommen. Die öſterreicher verlangten aber 
fon um Zeit zu gewinnen) deren ſchriftliche Mit⸗ 
theilung') , wozu ſich Klinggraͤf ohne befonderen Be: 
fehl nicht für ermächtigt hielt, fondern deshalb in 
Bertin anfragte. 

Den 14ten Auguft fügte Friedrich I einem Schreiben 
an Mitchell eigenhändig hinzu”): Vous verrez par tou- 
tes c&s nouvelles que je n'ai d’autre parti a prendre 
pour ma surete qne de prevenir mes ennemis, 
qui se serviraient du temps qui reste enire ci et 
ce printemps pour angmenter la conspiration qu'ils 
ent forme contre moi et me mettre. A l’impossibilite 
de lear resister alors. 

Und den 17ten ſchreibt er’): Vous verrez pur 
le billet. ci joint tous ‚les mechants .projets de mes 
ennemis. Vous verrez lindispensable necessite 
ou je.suis de les prevenir, et pour denouer ce 
noend Gordien, il n’y a d’autre remede que de 
eouper avec P’epte. 





1),Beriät aus Wien vom Uten Auguſt. ſterreich, 
Band 192. 


2) Mitchell papers Vol. 40. 
3) Ebendaſelbſt. 
u. 17 


"386 Neunundzwanzigſter Abfhnitt. 2178. 


Den 18ten Auguft meldet Keith aus Wien '): 
felbft die Belagung diefer Hauptſtadt -fey ausgeruͤckt 
und das ganze oͤſterreichiſche Heer in Bewegung. 

Des folgenden Tages fchreibt Friedrich an Mit: 
chell?): Pour Vous 'repondre, Monsieur, sur les 
differents points dont Vous m’avez parl& aujourd’- 
nhui, je dois Vous dire: 

1) Que les uffaires sont ‚si avanetes avec la 
Reine de Hongrie, qu'il faut attendre la reponse, 
et que si elle ne se trouve pas entierement claire 
et satisfaisante, je ne puis sans sacnfier la süre- 
té de mes elats et mon henneur meme, lui lais- 
ser le temps d’exdcnter la neirceur de ses den- 
seins. -: Et que sachant bien que cette demarche 
pourra m’attirer sur les bras une guerre avec ia 
Russie, je m’y suis prepare d’autant plas, que de 
longue main je mattendais quil en faudrait un 
jour venir la. J’atteste le ciel que je ne 
connais d’autre moyen de me tirer d’um 
‘pas aussi difficile, qu’en le pr&venant. 

2) Quant au secours qae le Roi d’Angleterre 
exige de moi pour ses 6tats d’Allemagme, je deis 
Vous avertir, que si j’avais assez de troupes pour 
faire face seul contre toute ’Europe, que j’aurais 


1) Öfterreich, Band 192. 
2) MitcheH papers, Vol. 2. 


155" Friedrich an Mitchell. 387 


envey& une arınde dans le pays de Cleve pour le 
garantir contre l’invasion de mes ennemis; mais 
qu’äyant besoin de toutes mes forces pour me 
maintenir conire les ‚deux imperatrices, je suis . 
oblig€ d’exposer mes previnces voisines da Rhin 
au hazard. des evenements; que cependant je fe- . 
rais Timpossible pour prouver au Roi d’Angleterre 
que je suis de ses amis. Pour cet efl&t en cas que 
les Francais fassent marcher des troupes vers le 
Rhin, il. pourra disposer d’un corps de troupes 
de. 11,000 . hommes ‘que jai en Pomeranie, qui 
dans 18 — 20 jours peuvent ötre aupres de Han- 
nover,. en passant par Tangermünde et le pays 
de Zell; au lien que les Francais auront plus de 
40 marches pour arriver de la Normandie sur le 
Weser. Que ces troupes pourront en cas de be- 
soin etre employ6es pour la defense du. pays d’Han- 
nover jusqu'à la fin de Férrier; bien entendu que 
le .Roi d’Angleterre leur fournira le pain, la vian- 
de et le fourage-pendant le sejour qu’ils seraient 
obliges de faire (en cas de marche des Francais) 
“ dans ses &ats. Mais que pass6 le mois de Fe- 
vrier, je serais oblige de les mettre en chemin 
pour la Prusse, pour quils s'y trouvent vers le 
. mi May à moins que (contre toute attente) la 
Russie se deelare neutre. Je sacrifie mes propres 
interets dans ce moment pour cause du Roi d’An- 
; 17 * 


388 Neunundzwanzigſter Abfhnitt. 1706. 


gleterre, -mais il m’est impossible d’aller. plus lin. 
Si ce prince veut faire une paix qui la soit avan- 
tageuse, j'en serai charme, pourrü qu il n’en ex- 
elue pas ses alliee. Mes ennemis me for- 
‚cent de faire la guerre, je —— le 
jour qui y mettra fin. 

Steihen Sinnes fagte Friedrich zu Mitchell * 
nicht der kann als Angreifender betrachtet werden, der 
den erſten Schlag giebt, ſondern der welcher dieſen 
Schlag nothwendig und unvermeidlich machte. 

An demſelben Tage, wo der Koͤnig Vorſtehendes 
zu Mitchell ſagte (den 2Often Auguſt), ſchrieb ihm Lord 
Holderneß?): - Preußen möge nicht angreifen, weil 
ſolch ein Schritt Eliſabeth unmittelbar. für Maria 
Thereſia entfcheiden würde. Noc immer (fährt Hol⸗ 
derneß fort) beharrt der König von England. bei der 
Meinung, daß diefer Verſuch nur zu wagen fep, 
wenn alle anderen Mittel, den Koͤnig von Preußen 
zu fichern, fehlgefchlagen find, und feine weitere Dülfe 
übrig bleibt. 

Umftändlicher und aufrichtiger erklärt ſich Bord 
Holderneß in einem Schreiben an Williams von dem⸗ 
felben Tage’). Er räumt zuvörderft ein: für gewiſſe 


1) Ebendaſelbſt. Schreiben vom 2Often Auguft. 
“-, 2) Mitchell papers Vol.. 9. 
3) Schreiben vom 20Often Auguſt. Ebendaſelbſt. 


1356. Holberneß über Krieg u. Frieden. 389 


Fälle und Verhaͤltniſſe koͤnne man "nicht erwarten, 
daß der König von Preußen, als der beffer Gerliftete, 
abwarte; bis man’ ihn angreife. Dann⸗ fährt, Hol: 
derneß fort: der König von England meiß'), daß ſich 
die oͤſterreichiſchen Miniſter gerade jegt aufs Äußerſte 
bemühen, den. franzöfifchen Hof zu einem Angriff auf 
die deutfchen Beſitzungen defjelben zu vermoͤgen. Nicht 
minder geben der diplomatiſche Briefwechſel, gleichwie 
andere Quellen den Beweis: daß zu derſelben Zeit 
(das heißt im Sommer 1756) dem wiener Hofe 
Nichts ſo ſehr am Herzen lag, als eine Ge⸗ 
legenheit Friedrich U anzugreifen. Alle 
ihre Abſichten zielen auf dieſen Lieblings— 
puntt. Weil der Koͤnig von England ablehnte in 
dieſen Plan einzugehen, ward ihm der Beifland ver: 
weigert, welchen. er aus fo vielen Gründen zu er: 
wärten beeeihtigt war ”). 

Öfterreich hingegen, ale es fah, daß England zu 
fo ungerechten und "gefährlichen Unternehmungen die 
Hand nicht bieten wollte, wandte ſich an Frankreich, 
welches (meniger aͤngſtlich über bie Mittel, feine Zwecke 
zu erreichen) dem großen Bruche öffentlichen Glau⸗ 
bene, an welchen jene fchon fo lange dachten, bei⸗ 
ſtimmte oder ihn wenigſtens duldete (comnived). 





1) Has reason to know. 


2). Daffetbe:geftcht Valory I, 150. ° 


390 Reunundzwanzigfter xbſchnitt. 178. 


- Bei diefm Umftänden, bei fo großer Gewißheit 
über die Natur ber: öfterreichifchen Politik, kann man 
fi) da verwundern, daß Friedrich der drohenden Ge 
fahr zuvortommen will? Oder kann irgend ein De 
fchluß, den er in dieſen Verhaͤltniſſen und unter He: | 
ausforderungen ſolcher Art faßt, mit Recht für ein 
Beginnen ber Feindfeligkeiten gehalten werben? Do | 
baben wir ihm vom Angriffe abgerathen. 

Sollte aber der wiener Hof beharrlich Erktärun: 
gen ſolcher Art vermweigeen, daß fie ben King 
von Preußen beruhigen koͤnnen,  follte biefer Kirk 
fid) deshalb gezwungen fehen, angemefiene Schritte ju 
- feiner eigenen Sicherheit zu thun; fo kann der Könk 
von England nicht zugeben, daß Üfterreich bie 
Schritte halben ein Recht habe, ben Beiſtand ſeiner 
Verbündeten in Anfpruch zu nehmen. 

Seine Majeſtaͤt will nad) wie vor bem König 
von Preußen Maͤßigung anempfehlen, aber fie kam 
(wenn fie gegen ihn und gegen fich felbft gerecht mr 
fahren will) diefen Rath nicht fo weit treiben, ihr 
den Gefahren eines Angriffs auszufegen, weicher übe 
ihn herbeigezogen wird, weil er in Verbindungen mil 
dem Könige von England trat. 

Der König von Preußen (heift es am einer at 
dern Stele)*), obgleich gerüftet, einen Angriff zurud 





8) Säjreiben vom 2Often Xuguft, Rußland, Band 65 


1756. Gnglifche Anſichten. Friedrichs Beſchlafſe. 301 


zuſchlagen, oder ihm zuvorzukommen, hat es nach 
dem Rathe des Koͤnigs von England fuͤr angemeſſen 
gehalten, von ber Kalſerinn Koͤniginn eine Erklärung 
zu verlangen. Dies gefchab in der allerſchicklich⸗ 
fin umd gemäßigeften Weile, hat aber bis jegt zu 
Nichts geführt, als zu einer trodenen, ungenüs 
genden Antwort. 

Der König von Preußen hat dem wiener Hofe 
deshalb nee Kragen vorgelegt und gegen uns etklaͤrt: 
er wolle gern Frieden halten, wenn es nur mit its 
gend einer Hoffnung auf Sicherheit für ihn ſelbſt ges 
ſchehen koͤnne. Sollte fi aber ein Gegentheil aus 
. den Vorbereitungen feiner Feinde ergeben, daß fie ent: 
ſchloſſen find als foldye offen aufzutreten, foliten fie 
eine genligende Erklärung verweigern über bie. Abſich⸗ 
ten, welche fie bei Verſammlung einer fo großen 
Kriegsmacht hegen; fo koͤnne man nicht verlangen, 
daß er auf irgend eine einzefne That warte, um-ihn 
von ihren feindlichen Abfüchten zu überzeugen. Biel 
mehr will er alsdann von feinen befieren Rüftungen 
Gebrauch machen und wo möglid, den Kriegsfchaus 
plag von feinem eigenen Befigungen entfernen. Sollte 
er zu ſolch einem Beſchluſſe gezwungen werden, fo 
jehe er nicht .ein, wie man ihn dann gerechterweife als 
den angreifenden Theil bezeichnen könne. J 

In einem anderen Schreiben des Korb Holderneß an 
ben Geſandten Titley in Holland heißt es: die Bor: 


392 NReunundzwangigfter Abſchnitt. 17. 


ſchlaͤge, welche ber. engliſche Hof: dem oͤſterreichiſchen im 
Srühlinge 1755 wegen eines‘ Vertheidigungsbuͤndniſſes 

machte, wurden verworfen '). Als mun. Keith in den 
Grafen Kaunig drang zu erklären, auf welche ander 
Grundlagen man fich. einigen‘ Tönne, antwortete dieſer 
mit großer Wärme ‚und Bewegung: Mon Dien, 
en attaquant le Roi de Prusse! Some. 
ten Englands Unterhandlungen in Wien. 

Den 24iten Auguft ſchreibt Friedrich IE .an Mit 
chell?): Wenn die aus Wien ftündlich erwartete Ant: 
wort fo ſey, daß er fich dabei beruhigen koͤnne, male 
man über die Abfendung eines preußifchen Gefandten 


| nach Petersburg rathfchlagen. - 


. An bemfelben Tage fehreibt Mitchell: ber Couriet 
aus Wien iſt noch nicht angelangt. Die Ungeduld 
mit welcher man ihn erwartet iſt unbeſchreiblich?) 
Die Soldaten, ſtolz auf das Andenken früheren Er 
folgs, ziehen aus mit der vollen ‚Überzeugung dei 
Siegens. Im ber That überrafcht es zu fehen, mit 
welchem Eifer und welcher Sreubigkeit fie auf dm 
erften Wink von der Ärndte zu ihren Fahnen gr 
eilt, find. 





| | 


1) Schreiben vom Aten Januar 1757. Mitchell pı- 
pers Vol. 11. 


2). Mitchell papers Vol. 40. 
8) Mitchell papers Vol. 2. 


1756. Englifche Anfichten. Friedrichs Wefchläffe.e 303 | 


Unterbeffen ertheilte ber wiener Hof am 2Iften 
Auguft eine Antwort‘), in welcher das Dafeyn eines 
Angriffsbuͤndniſſes zwiſchen ſterreich und Rußland 
gegen Preußen geleugnet, aber nicht ein Wort 
über die Hauptfrage Friedrichs geſagt wird: ob 
Maria Therefia ihn in diefem, ober dem nächften 

Jahre anzuareifen gedenke. 

Den 27ften Auguſt fagte Friedtich zu Mitchell: ich 
bin fo fehr zum Frieden geneigt, daß jede Erklärung 
mir. genügt "hätte, wenn ich darin nur irgenb eine - 
Zuficherung für meine Sicherheit gefunden hätte. Ich 
las die legte Antwort mehre Male, aber ich kann ba- 
felbft nichts der Art entdecken?) — Obgleich der König 
(fährt Mitchell fort) volltommen zum Kriege vorberei- 
tet iſt, will er doch ruhig bleiben, wenn er nur ſicher 
feyn kann. Auch ſtimmt dies mit dem ganzen In⸗ 
halte unferes Geſpraͤchs: daß, er nämlich ſelbſt 
im Falle: des ‚Erfolges Nichts gewinnen 
tönne, mithin heides, ſowohl Neigung als 
Nusgen, ihn den Frieden ſelbſt bann werde 
wünfcden laffen, wenn er bereits ins Feld 
gezogen fen. . 


1) Ebendafelbft und Bericht aus — vom 21ſten Au⸗ 
guſt. Öfterreich, Band 192, 
2) Mitchell papers Vol. 2. Berict vom Ofen Au⸗ 
guſt. 
4 27 


39 Dreißigfter Abſchnitt. u 


Den 28ften Auguft fchreibt Meitchell '): da die 
neue Öfterreichifche Antwort gar Leine Sicherheit 
gewährt, fegt ber König fein Heer in Bewegung 
jedoch mit der Abficht zuckdzugehen, wenn Mars 
Thereſia die verlangte Zuficherung ertheilt. — Diefn 
Morgen zwiſchen vier und fünf nahm ich Adbdſchitd 
vom Könige von Preußen. Unmittelbar damuf ging 
er zur Heerſchau, flieg zw Pferde, ſtellte ſich nah 
einer fehr Eurzen Übung am, die Spige der Regime 
ter und führte fie gen Belitz. Alte find- froh um 
hoben Muthes. 


/ 


Dreißigſter Abſchnitt. 


Je mehr ich bie alten und bie neu gefundenem 
MNachrichten errodge und miteinander vergleiche, beflo 
fefter wird meine Überzeugung, daß bei fortdauerndem 
Seekriege zwiſchen England und Frankreich, ein Land: 
krieg nicht zu vermeiden war. Frankreich wollte ihn, 
um England hier feine Überlegenheit fühlen zu laſſen, 
Ofterreih um Schlefien zu erobern, und Rußland um 
feine Leidenfchaften‘ zu befriedigen. Nur der König 


1) Mitchell papers Vol. 1. 





1750. Gründe des Krieges, 895 


von Preußen wünfchte ohne Zweifel den Frieden, denn ' 
fe ibn war (wie er ſehr richtig - einſah) unter den 
obwaltenden Umftänden gar Feine Yusfiht auf Ge: 
winn. Fuͤr ſterreich flellten ſich dagegen (durch eis 
gene Ktugheit und fremde Thorheit) die Verhaͤltniſſe 
fo unerwartet und beiſplellos günftig, daß es bie ge⸗ 
vechtefte Hoffuung hegen konnte, das Werlome toies 
der zu gewinnen. Wenn alfo der wiener Hof auf 
bes bedrohten und ſchwaͤcheren Könige fo natürliche 
und leicht zu beantwortende Fragen ungenligende 
Antworten gab, fo war dies nicht Zufall, nder Feige, 
bloßen Stolzes, Tondern bes beſtimmten Vorfages und 
der gang richtigen Einficht: er werde hiedurch den 
Schein des Angriffs auf Friedrich hinuͤberwerfen. Ein 
Sjterreichifcher Patriot konnte damals wuͤnſchen, daß 
der Krieg in folcher Weife herbeigefuͤhrt werde. Hätte 
der toiener Hof dem emtgegengefegten Vorſatz gehabt, 
(6 Toflete eß nur ein deutliches Wort, und der Srieg 
war vermieden. 

Darin, Daß dies Wort (ehrlicherweife) nicht außs 
geſprochen ward, lag in Wahrheit eine Kriegsertläs 
ung,‘ und man muß ed, Alles zu Allem gerechnet, 
hoͤchſt natuͤrlich finden, wenn Friedrich Die zweite Ant: 
wort, oder Nichtantwort, fo aufnahm. Bloßes Ab: 
warten hätte ruſſiſche Heere nad) Preußen, franzöfifche 
nach Weſtphalen geführt, der König aber, für die 
Verſaͤumniß des rechten Augenblicks, nicht das min- 


306 ODreißigſter Abſchnitt. 1. 


defte Mitleid, nicht den geringften Beiſtand in Eu— 
zopa gefunden. Wie dem auch: fen, er iſt und bieibt 
der Held des denkwuͤrdigen Krieges, und auch Öfter 
‚reich verdient das Lob der Standhaftigkeit und Auk 
dauer; während Frankreich und Rußland (Preußen 
gegenüber) nur unwuͤrdige, Schweben und das deut: 
fche Reich nur elagliche Rollen in der großen Tragi⸗ 
die ſpielen. 

Nochmals erklaͤrte Friedrich II: ſobald vſtemrih 
jene ſichernde Erklärung gebe '), wolle er zuruͤckgehen, 
entwaffnen und alle Gruͤnde des Argwohns beſeitigen. 
Es war aber nicht die allergeringſte Wahrſcheinlichkeit, 
daß ſterreich, welches ſich jest. am Ziele ſeinet 
Wuͤnſche ſah, durch ſolch eine Erklärung alle erlang 
ten Vortheile preisgeben werde. | 

Zunaͤchſt erhub der fächfiiche Hof laute Klage: mit 
Recht, fofern: die Leiden bes Krieges hereinbrachen; mit 
Unrecht, ſofern Sachſen bei einem Kriege zwiſchen ſter 
reich und Preußen unmöglich ganz neutral und wo 
fchont bleiben kann. Daß es fih-aber, in die Noth: 
wendigkeit einer Wahl verfegt, an Öfterreich und Ruf 
land anſchließen wolle und werde, geht aus be 
Verhandlungen genuͤgend hervor”), und ließ ſich auf 


u 1) Bericht vom Aten September Öfterreich, Bd. 19. 
D) Berichte vom 16ten und 26ften Junius, und 2iften 
Julius. — Bd. 65. 


1786. Friedrich in Sachfen, ſchreibt an Auguſt. 397 


aus dem Benehmen waͤhrend des weiten ſcheſi ſchen 
Krieges folgern. 

Als Koͤnig Auguſt die Räumung Sachſens ver⸗ 
langte, antwortete ihm Friedrich II den 5ten Septem⸗ 
ber aus Lomnitz): Quelque envie et quelque inelina- 
tion que j'aie d’obliger Votre Majesté, je me vois 
dans limpossibilit6 d’evacuer ses états, à cause 
de cent raisons de guerre, qu’ il serait -ennuyeux 
- de Jui allöguer, et qui cependant m’en empöchent; 
dont la principale est la sürete de.mes vivres. Je 
‚voudrais que le chemin de la Boh&me passat par 
la Thuringe, pour que je n’eusse pas-lieu de mo- 
lester les &tats de Votre Majeste; mais comme des 
raisons de guerre m’obligent de me: servir de la 
riviere de l’Elbe,. je ne.puis, a moins. de faire des 
miracles,. choisir d’autres moyens, que ceux que 
j’employe à present. . Fassure Votre Majest6 que 
je fais tote Ia diligence imaginable;. mais malgre 
cela il. est impossible aux troupes de voler. Quant 
à ce que jai avance A Votre Majeste des mauvai- 
ses. intenfions et des procedes tres contraires à 
esprit da trait€ de Dresde de son ministre, je 
suis tres en 6tat de le pronver, et je le ferais 
° des aujourdhui si des menagements que je me crois 
oblig6 de garder ne m’en empechaient. Cela ce- 


1) Mitchell papers Vol. 61. 


32087 Dreißisſter Abihnite NEE 


pendant ne me fera jamnis oublier ce que je dois 
aux tetes couronnedes, A un prince mon voisin, 
qui n’est que söduit .et pomr lequel, ainsi que pour 
toute sa famille royale, je conserverai dans toutes 


les oecasions, fut il möme mon cruel ennemi, la 


plus haute consideration et la plus parfaite estime. 

Mehrere Berichte von Williams aus Petersburg 
behaupten: 

1) Rußland würde, * Friedrichs Angriff, neu⸗ 
tral geblieben ſeyn, und habe kein Angriffsbundai 
mit Hſterreich geſchloſſen ). 

2) Eliſabeth fey entſchloſſen ben König zu befie 
gen, das Heer ſey aben noch nicht im Stande, und die 
Sefinnung der Vornehmſten über die zu ergreifenden 
Maaßregeln keineswegs übereinftinsmend. 

Um Beſtuchef zu: gewinnen, lleß ihm Zilk 

drich IL 100000 Thaler ambieten *}. 

Den Alten und idten September fchreibt Bil 
liams): ich wuͤnſchte vom Herzen, daß ber Kiniz 
von Preußen nie von einem Angriffsouͤndniſſe mi 
hen Rußfland und Djterreich gefprochen haͤtte; dem 


1) Mitchell papers Vot. 2f. Bericht von Williams 
vom Aten, 7ten, Ziften September. Rußland, Bo. 66. 


2) Mitchels Bericht vom’ Zten und Aten u 
Band 2.u. 4. 


3 Mitchell papers — 21. Rußland, Band 66, 





1250 RNußland. 309 


ich bin vollkommen uͤberzeugt, daß ein ſolches nicht 
vorhanden iſt, und man den Koͤnig nur boshafter 
Weiſe taͤuſchte, indem man ihm aus Wien derlei 
Nachrichten zukommen ließ. Seine Feinde ſind hier 
ſehr zahlreich und entſchloſſen. Sie ſprechen täglich 
wider ihn; und alle ihre Soldaten haben Befehl er⸗ 
halten fich in Bereitfhaft zu fegen. — Die Kaiferinn 
lehnt eine Vermittelung ab, Sie fagt '): der König 
von Preußen habe den-Streit allein begonnen und möge 
ihn mit der Koͤniginn Kalferinn ausmachen, während 
ſie gegen dieſe allen dbernonsmenen Berpflichtungen 
nachkommen werbe.- 

SH fuchte (meldet Williams den 28ſten Septem⸗ 
ber) den Großkanzler Beſtuchef für Preußen zu ges 
winnen ?). Die erfien zwei, drei Male fand ich ihn 
unberoeglich ; je deutlicher aber meine Winke über die 
Größe der Summe wurden, deſto mehr gab ex nach. 
Zuletzt reichte er mir bie Hand umd fagte: von dieſer 
Stunde an, bin ich ded Königs Freund, Doch fehe 
ich nicht, wie ich ihm jetzt dienen kann. Hätte ip 
dies zwei Monate früher gewußt, möchte fi Vieles 
haben thun Inffen. Aber er hat ben Krieg begonnen, 
und nichts kann die Kaiferinn hindern ſterreich bei: 
zuftehen; alle Befchlüffe find. darüber gefapt. Es iſt 


1) Bericht vom 18ten September. Rußland, Bd. 66. 
2) Ebendaſelbſt. 


400 Dreißigfter Abſchnitt. 176. 


wahr, er findet uns etwas unvorbereitet, und Sie 
wiffen, unfere Bewegungen find langſam. Ich kann 
nicht verſprechen jetzt etwas zu thun, weil es außer 
meiner Macht liegt; doch moͤgen Sie dem Könige 
von Preußen verfichern: Alles was Mardefeld gegen 
mich mag unternommen haben, iſt durchaus vergefien 
und ich bin bereit, fobald fich die Gelegenheit darbie 
tet, dem Könige durch mehr als bloße, Worte zu be 
weifen, daß ich zu feinen Dienften fiehe. — Belt 
chef. ſchloß mit den Morten: er hoffe diefe Veraͤnde— 
‚rung und Erklärung würden ale das größte Geheim- 
niß behandelt werben. 

Auch für andere Perfoneh — ich noch Geld 
und hoffe, der Koͤnig von Preußen werde mir, ſobald 
als moͤglich, 10000 Dukaten ſchicken. 

| Die Ruffen haben menig Geld und nicht zehn 
gute Dfficiere in ihrem ganzen Heere. Sie ziehen in 
den Krieg aus Nothwendigkeit, und: mehr 'aus kb 
benfchaft, denn Ehrgefüht. Ich hoffe, König Friedrich 
- Siege werden den Frieden mit Rußland herſtellen; 
denn im Bunde mit England ift er der natüchidfe 
Verbündete für Rußland, aber im Bunde mit‘ Frank: 
reich dee gefährlichfte Feind. u 
Apraxin iſt vor Kurzem zum Feldmarſchall m 
-hoben worden und fol das Heer anführen. Er if 
der faulfte aller Menfchen und ein arger Feigling 
(rank coward). So’ ward er von dem Hetmann der 


® 


1756. Rußland. England über Öfterreih. A401 


Koſaken grob behandelt und faſt mit Füßen getreten‘ 
(almost kick’d), ohne es zu rügen. — Apraxin 
(heißt es an einer andern Stelle)") ift eim fehr dicker, 
fquler, ſchwelgeriſcher Mann, und gewiß nicht brav. 
Er hat nie ein feindliches Heer gefehen, auch nicht 
gebient, außer in Muͤnnichs türkifchen Feldzuͤgen. Ich 
weiß, er ift feines Oberbefehls überdrüßig; auch findet 
man hier bereits, daß es leichter ift vom Ausmarfche 
eined "großen Heeres zu fprechen, ald es wirklich in 
Bewegung zu fegen. Alle fremden Officiere, die in 
den legten Jahren. zuruͤckgeſetzt wurden, haben allmaͤ⸗ 
lig ihren ‚Abfchied genommen. 

Die Großfürftinn Katharina mißbillige das Beneh⸗ 
men des wiener Hofes gegen England’ und meint: ein 
Buͤndniß zwifchen England, Rußland, Holland, Preu: 
Ben und. einigen deutfchen Fuͤrſten, Eönne allein Eu: 
ropa retten. — Die Ruſſen weiſen die legten eng⸗ 
liſchen Subfidien zuruͤck, und erklaͤren Nichts über 
die Vertheidigung Hannovers gegen bie Franzoſen. 

Saft noch Leidenichaftlicher und gewiß noch thoͤ⸗ 
richter als in Petersburg, war bie Stimmung in 
Stodholm. Es giebt Nichts fo :Arges (heißt es 
in einem Berichte vom 24flen September) ?) was 
man hier nicht vom Könige von Preußen und feinem: 





1) Bericht vom 28ſten September, Rufland, Band 66. 





402 Dreißigſter Abſchnitt. 1286. 


Seldzuge fagte. . Altes zerreißt fich gegen ihn, mar 
möchte ihn faſt vernichtet ſehen. Daß ex Englande 
Berbündeter iſt, erhoͤht feine Schuld, und mean trium- 
phirt im voraus, daß ſich Rußland wider ihn eilla⸗ 
ven werde. oe. 

Nachdem man in England die Nachricht von 
Friedrichs letzten Beſchluͤſſen erhalten hatte, fchreibt 
Lord Holderneß den Wten September an Lord Ste 
mont!): die Politik des. wiener Hofes ging dahin, 
ben König von Peeußen zu zwingen, fich durch bie 
Waffen Recht zu verfchaffen. — Möge ber Koͤnig 
von Polen durch ein angemeflenes Benehmen gegen 
Preußen, übele Folgen vermeiden. Welche Unannehm⸗ 
lichkeiten aber auch für ihn entitchen mögen, fie find 
allein dem umzeitigen Stolze des wiener Hofes zupr 
fchreiben. Wären. deſſen Abfichten in bee That fried⸗ 
lich geweſen, fo fieht der König von England keinm 
Grund, warum man bied nicht außsfprechen wollte? 
Er kann nicht begreifen, wie die Ehre eines Herrſchers 
dadurch gemindert werde, daß man dies demjenigen 
gefteht, welcher dabei hauptſaͤchlich betheiligt iſt, und 
deſſen Abfichten, wie man vorgiebt, der alleinige Grund 
der öfterreichifchen - Rüftungen find. Wenn fie dee 
Welt aufreden wollen, fie famnteln nur deshalb Dee 
an den preußifchen Grängen, und in Folge feiner Vorbde⸗ 
ee ee 


1) Mitchell papers Vol. 9, Rußland, Band 65. 








1398. Schlacht bei Eoweflg. Rußland, Frankreich. 408 - 


reitungen, warum zögern fie, bem Könige die Genugs 
thuung zu geben, welche zu erwarten er fo berechtigt if? 
Englands Bertrag mit Preußen bezweckte lediglich 
den Friedrn!). Nichts aber konnte den erheuchelten 
Argwohn (affected suspieion) des wiener Hofes bes 
ruhigen, ober feine Begierde hemmen, das Abgetretene 
mit Gewalt wieder zu gewinnen. Daher feine Be: 
waffnung, der Bertrag von Verſailles, die unverdau⸗ 
. ten (undigested) Rathſchlaͤge von Kaunitz u. |. w. 
So dat die Nothwendigkeit den König von Preußen 
gezwungen, für feine Sicherheit zu forgen: er greift 
nicht an, er vertheibigt fich. . : 
Unterdeſſen hatte Friedrich IE Dresden beſetzt, ben 
erften Oktober bie Schlacht bei Lowoſitz gewonnen 
und ben Löten Oktober das fächfifche Heer zur Über: 
gabe gezwungen. Die Königinn von Polen ſchickte 
beshalb einen ihrer Rammerheren nach Petersburg, 
‚um fi über die ihe perfönlic, widerfahrne Behand: 
lung zu beſchweren?), und Mitleiden wie Zorn der 
Kakferinn hervorgerufen. Im ruffiihen Staatsrathe 
ward (in aͤhnlicher Abſicht) erzähle: menn Rußland 
ihm den Krieg erkläre, wolle Friedrich mit aller Macht 
dahin ziehen und Swan IH auf den Thron fegen ’). 


1) Holderneß an Stormont Sachſen, Band 66. 
2) Williams Bericht vom Iten Oktober. Rußland, Band 66. 
3) Bericht vom SOften Oktober. CEbendaſelbſt. 


® 
404 Dreibigfter Abſchnitt. 1786. 


Als die Raiferinn dies hörte, fagte ſie: an dem Tag 
wo: fi jener Plan offenbart, laſſe ih Iwan de 
Kopf abfchlagen. 

Am Widerſpruche mit. biefem allem ſteht folgende 
Nachricht vom Yten Oktober!): Am 2bſten vorigen 
Monats (neuen Styls) ging der franzoͤſiſche Geſandte 
in Warſchau Herr Durand zu dem erſten polniſchen 
Miniſter und erklaͤrte ihm: der Koͤnig von Frankreich 
ſey außerordentlich erſtaunt uͤber die verbreitete Nach⸗ 
richt: daß ein ruſſiſches Heer, durch Polen. hindurch, 
den Öfterreichern zu Hilfe ziehen werde. Er fordere 
daß die Republik fich folch einem Marſche im jebr 
Weife vwiberfegn werde. — Die Ruſſen find ehr 
verwundert über biefe Erklärung; doch ‘giebt es ein 
große Partei am peterburger Hofe, welche eine Gr 

legenheit, ober einen Borwanbd herbeiwuͤnſcht, dem 
Kriege zu entgehen. 

- Vielleicht ftanden hiemit bie Hoffnungen in I: 
bindung , melche die preußifchen Miniſter gegen: Mit 
. hell Außerten?): es werde nie zu vollem Bruche mit 
Frankreich kommen. Es könne zwiſchen Frankreiq 
und ſterreich zu keinem herzlichen Verhaͤltniß "kom: 
men. — Aber freilich, gefchichtliche und politiſche Be 
1) — papers Vol.21. Petersburger Briefwechſi 


2), Mitchell an Newcaſtle, ben” Aten November. Mit- 
chell papers Vol. 28. 





4 
⸗ 





1758. Schiacht bei Lowoſih. Rußland, Frankreich. 405 


trachtungen und Erfahrungen ſolcher Art verloren 
altes Gewicht vor den Launen und dem Eiufluſſe 
einer Beifchtäferinn. Dee. preufifche Gefandte, Baron 


Kniphauſen (erzählt. Valory)!) war der einzige, wel⸗ 


cher. auf Befehl feines Deren die Pompadour nicht 
ſah, während die Kaiferinn Koͤniginn ihr. die ſchmei⸗ 
cheihafteften Briefe. fchrieb. — Ferner erzähle Mit: 
chell?): im Jahre 175% (fo höre ih) ward.dem Könige. 
von Preußen der Antrag. gemacht, er möge das. 
Fuͤrſtenthum NReufchatel auf Lebenszeit mit allen Eins 
nahmen, der Pompadour überlafieen. Sie folle. in 
den Sürftenfiand erhoben, der Koͤnig aber mit einer 
Geldſumme entſchaͤdigt werden. ‚Er wies den Antrag 
mit Verachtung zurüd, was vielleicht ein Grund > 
res Haſſes wider. ihn. ift: 

Nach der Schlacht ‚bei Lowoſitz klagte der öflerei- i 
chiſche Gefandte in Peteröburg laut über die Lang: 
ſamkeit der. ruſſiſchen Huͤlfsmaaßregeln“). Deshalb 
erzuͤtnt, ſagte Beſtuchef zu Williams: Anſtatt die 
ruſſiſchen Miniſter zu tadeln, weil die Mannſchaft 
nicht bereit ſey, ſolltm die oͤſterreichiſchen Miniſter be⸗ 


1) Valory I, 820. i 
2) Mitchells Schreiben vom eoſten Ottober 1757. 


Band 64. 


3) Berichte vom 19ten und 2Often Oktober. Mitchell 


papers Vol. 21. 


406 Dreißigfter Abſchnitt. 136, 


benten daß es in meiner Macht fteht, fie zu dem Ge 
ftändniffe zu bringen: es fey allein ihr Fehler, 
daß nicht fhon vor zwei Monaten 40008 
in, nad Sachſen zogen. 

Abs ich dies hörte, wuͤnſchte ich gar ſche daß der 
Großkanzler ſich naͤher erklaͤre, welches er auch that. 
Im vergangenen Monat Junins, ſagte ex, benach 
tichtigte der fächfifche Gefandte den hiefigen Hof: man: 
fen volldommen überzeugt daß der König von Preu⸗ 
fen den Plan babe, in das Kucfürſtenthum ein 
sücden, weshalb Sachſen die 12000 Mann zur Hält 

‚verlange, welche Rußland im Fall eines Angriffs we 
tragsmaͤßig zu fielen verpflichtet fen. Nach Empfang 
diefer Nachrichten - und Forderungen, ward’ eine Rathk 
verſammlung gehalten und befchloffen: nicht allein fe 
gleich 12000 Mann abzuſchicken, fondern 40000 . 
anzubieten, fofeen man nur für alte Lebensmittel un 
Quartier finden koͤnne. Diefe Beſchluͤſſe waren be 
reits von der Kaiferinn unterzeichnet, und Graf Eko 
hazi (dem man fie mitthellte) warb zur Berathun 
gezogen. Uber er wiberfegte fid) dem -Abfenden eine 
Heeres nah Sachen, und der Vicekanzler (Woron 
zow) unterftügte diefen Widerſpruch fo wirkfam, dab 
der Plan zur Seite gelegt ward. 

Aus diefer merkwürdigen Erzählung geht zur Be 
ftätigung meiner oben —— —— 
hervor: 


= 


1758. Öfterreid, Sadfen und Ruflant. 407 


Erſtens, Rußland war fo feindlicd gegen Preusen 
gefinnt, daß «8 auf bie bloße Möglichkeit eines kuͤnf⸗ 
tigen Angriffs von Seiten des Könige, ſchon ein gro⸗ 
ßes Heer nad) Sachſen fenden wollte. 

Zweltens, Deſterreichs Kriegeluſt ward nothwen⸗ 
dig durch dieſe Gewißheit erhoͤht: und wenn es ſich 
dem Anmarſche der Ruſſen widerſetzte, oder vielmehr 
der uͤbereilten Erklaͤrung, daß ſie auszichen wollten, 
fo geſchah dies hoͤchſt wahrſcheinlich, weit ihre eigenen 
Kriegsvorbereitungen noch nicht weit genug vorgeruͤckt 
waren, und Friedrich auf der Stelle den Krieg mit Erfolg 
begonnen haͤtte. Vor Allem aber wollten fie, kluger⸗ 
weiſe, den Schein des Angriffs von ſich abwenden. 

Williams fährt fort in ſeinem Berichte: Aprarins 
Abreife ift nochmals aufgefchoben, umd ber. Großkanzler 
geftand mir frei heraus, daß er dieſe Zögerung her: 
beigeführt habe und fortfahren wolle, ‚feinen Freunden 
zu dienen. Iſt doch Aprarin ſelbſt vermocht worben, 
feiner Abreife alle nur maͤglichen Hinderniffe in ben 
Weg zu legen. Sie ift noch nicht feſtgeſetzt, auch 
fpricht man in dieſem Augenblide nur wenig davon. 

Wenn Friedrich II (im. Zah er mit Sachſen 
Frieden ſchtoͤſſe) der Königin von Polen einige befon- 
dere Hoͤflichkeiten erzeigte und fich einigermaßen dar⸗ 
uͤber entſchuldigte, was die Noth ihn zu thun zwang, 
ſo wuͤrde dies hier eine gute Wirkung haben. 

Der König von Preußen kann ſich darauf verlafs 


408 Dreißigfter Abſchnitt. 1756. 
fen '), daß der Großkanzler einen Pfennig erhalten 
foll, bevor er. weientliche Dienfte geleifter hat. Der 
Großfuͤrſt und ‚die. Großfuͤrſtinn find fuͤr Preußen ge⸗ 


ſtimmt und lagen. über. die Raͤnke der allmaͤchtigen 


Schuwalofs für. Srantreih. Den Iten November 
ſchrieb mir die. Großfuͤrſtinn?): Ich erhielt heute eine 
Botfihaft der Schuwalofs, ed ſey ihnen fehr leid 
zu. hören, daß das. neue Buͤndniß zwiſchen Rußland 
und Frankreich den Großfüriten und mir mißfalk. 
Sie nennen e8 ihr Syſtem und ‚meinen, es fey ein 
guttes. Sie erbieten fich, mir ganz anzugehören, mid 
auf. den beſten Fuß mit der Kaiferinn. zu fegen, um 
mir während dem Leben derſelben Alles zu verfchaffen, 
was mic.irgend angenehm ſeyn koͤnne. Diefür fol 
ich ihnen. meinen Eünftigen Schutz verfprechen, und 
ihe politifches Spftem annehmen und vertheidigen. — 
Ich antwortete: , in fo weit als ich mid; mit Polict 
befaßte, mißbilligte ich durchaus ihr neues Syſtem. 
Immerdar waͤre ich fuͤr ein engliſches, und gegen ein 
franzoͤſiſches Buͤndniß geweſen; — aobgleich meine 
Meinung in dieſen Dingen. kein großes Gewicht habe. 
Doch wollte ich aufrichtig gegen ſie ſeyn und ihnen 
deshalb verſichern: daß ber Großfuͤrſt nicht allein die} 
. Spftem niemals annehmen, fondern. auch, fobald es 


1) Bericht vom ilten November. Ebendaſelbſt. 
- 2) Bericht vom Iten November. Rußland, Band 66. 


1956, # Rußland... Polen. Katharina. 409: 


in feiner Macht ftehe, die Urheber deſſelben fireng- be: 
ſtrafen werde. 

Man tadelt Sie (naͤmlich Williams, faͤhrt Ka⸗ 
tharina fort) wegen Ihrer Parteilichkeit flir den Kö: 
nig von Preußen: ich aber tadele Sie deshalb nicht; 
denn. wir denken jetzt, und ich hoffe auch ˖immerdar 
in der Zukunft, uͤbereinſtimmend. 

Als der Großfuͤrſt im Rathe — den Verein 
mit Frankreich und den Beitritt zum verſailler Ber: 
trage fprechen wollte‘), fagte bie. Kaiferinn mit einiger 
Warme: was man getban hat, geichab auf meinen 
Befehl, und ich will nicht, daß man darüber disputire. 
— Worauf der Großfürft antwortete: dann bleibe 
ihm Nichts übrig ald zu ſchweigen und zu gehorchen: 


Ginunddreißigfter Abſchnitt. 


Durch feinen. raſchen Angriff hatte Friedrich Sach⸗ 
ſen gewonnen, das ſaͤchſiſche Heer zu Gefangenen ge⸗ 
macht und: die Öfterreicher bei Lowoſitz beſiegt. Doc 
- Eonnte er ſich in Boͤhmen nicht halten, und die Noth 
des Krieges zeigte fih, trog aller Vorſicht, auch in 





1) Bericht vom 2öften December. Ebendaſelbſt. 
U. 18 








410 Einundbreißigfter Abſchnitt. 135. 


- dem preußifchen Lager. Deshalb ſchreibt Mitchell (mer 
cher dem Könige gefolgt war) den Atem Movember 
aus Selig"): daB preußifche Lager ift kein Vergnuͤ⸗ 
gungsort. Hier wohnen weder Bequemlichkeit, ach 
Aufwand; Sie find mit Allem wohl verforgt, wen 
Ste Alles mitbringen. Ich muß meine Vorfehrun 
gen erhöhen, oder Noth leiden. Zwar efje ich an du 
Königs Tafel, aber meine Leute fehen aus wie Ge: 
ſpenſter. | 
Die Ausſichten fürs nächfte Jahr waren aber ned 
weit dunkeler, und England that Leinestorgs Fe vie, 
als man erwartete, Deshalb fürchtete felbft Holder: 
neß: Feiebeich werde Uber die inneren Bewegungen und 
die Parteien in England ängfllih werden. Sagen 
Sie ihm (fchreibt Holderneß den Zten November an 
Mitchell)“) was Sie bier gefehen und was Cie vu 
den Sitten und Einwohnern dieſes Landes fennn. 
Laffen Sie ihn aber nicht in Sorge gerathen ob um 
ferer wilden uͤbereilten Handlungsweiſe. Wir hadım 
(squabble) nicht über Maaßregeln, fondern über N: 
fen; und unfer Bund mit ihm wird und muf von 
jeder Seite her aufrecht erhalten werden: 

Dennoch jagte Friedrich zu Mitchell’): Ouire la 





1) Mitchell papers Vol. 28. 
2) Ehentafeldft, Band 9. 
3) Schreiben yom Iten December. Ebendaſelbſt, Band 2. 





1756. Friedrich Man Mitchell. al 


erise generale de P’Europe, il s’agit de Pexi- 
stenece de ma maison. J’ai raison d’ätre un 
peu imeaiet de n’svoir point de repemse de V’An- . 
gleterre. Fui sur moi l’Autriche, la France et 
peut-&tre la Russie, — et l’Angleterre ne se re- _ 
mue point, — MWolte die Kalſerina von Rußland 
(fügte der König Hinzu) ſterben, oder ruhig bleiben, 
fo fürchte ich Michts von meinen Feinden. — Nach 
der Ruͤckkehr feines Gefandten von Paris warb er 
jedoch unruhlger '), und was auch Mitchell zur Ent: 
ſchuldigung der Zögerungen Englands vorbrachte, es 
machte Beinen. Eindrud. 

Deshalb fchrieb Friedrich H an. Mitchell ?): Je 
suis tnes fache, mon cher Monsiear Mitchell, d’ap- 
prendre la division qui s’est mise dams votre gou- 
vormement d’Angleterre. Mon Dieu, il me semble 
gae duns je moment pr6sent, tout homme bien in- 
tenttonne pour les intereis de sa nution et pour 
ceux de l’Europe, devrait quitter tout intérèt per- 
sonnel, pour ne songer qu’a un interet devant le- 
“quel tous les autres devraient se taire, celui da 
soutien de la cause protestunte et de ja Jiberte u 
!’Europe. 





1) Schreiben vom Iten December. Ebendafelbft, Band. 
2), Eigenhändig, um diefe Zeit, ohne Datum. 
Mitchell papers Vol. 40. 
18 * 


42 Einunddreibigſter Abfhnitt. 1956. 


J’avoue que je n'ai appris qu’avec la plus vive 
douleur la mesintelligence. de vötre gouvernement. 
Se peut il que tant de gens, qui cependant pen- 
sent bien pour l’interet de leur pätrie, veuillent 
‚denner gain de cause aux ennemis 6ternels de leur 
gouvernement par des divisions intestines?_ Com- 
ment le Roi d’Angleterre et la nation peuvent ils 
prendre de .bonnes mesures vis a vis de leurs en- 
nemis? Je troure chez la nation m&me des per- 
sonnes qui quoique ennemies des Francais, leurs 
rendent les plus grands services en emp6chant 
l’etat de prendre A tems des mesures contre les 
entreprises de nos ennemis communs. 

Pour Dien, que l’amour de Ja pätrie se reveille 
chez Vos coneitoyens et que Yon envisage les ob- 
jets en grand, et non pas par le microscope du 
bien personnel. Pour moi, je ne pense. dans le 
moment present qu’a l’Earope, et je n’ai vis & vis 
de moi que le Duumvirat dangereux aux libertes. 
de V’Angleterre, comme à celles de l’Allemagne, 
surtout a la cause protestante. Je vois que l’hiver 
approche, et en mèêème tems ce mament de treve, 
que lFintemperie de l’air met à la fureur des hom- 
mes. ‘Je crois qu’on ne doit pas laisser échapper 
ce moment precieux de prendre de tous cotés les 
mesures convenables sur terre et sur mer, pour 


1736. Friedrich Man Mitchell. 413 


rösister aux puissants efforts, que feront les mai- 
sons d’Autriche et de Bourben contre nous. 

Jai bien de choses à vous’ proposer, que je 
suspends Avant de voir que Votre orage interieur 
se soit calme. Je suis peut-Etre comme l’abbt St. 
Pierre, qui revait pour le bonheur de l’Europe, 
mais je ne sais à qui proposer mes reves. Ü’est 
un pr&alable que de voir retabli le calme a Lon- 
dres et je pense que les honndtes gens y travail- 
leront. Qu'on se dispute sur des avantages per- 
' sonnels, quand on n’a rien de mieux à faire, A 
la bonne heure; mais à present, mon cher Monsieur 
“ Mitchell, oü il s’agit si Yon conservera la liberte 
de disputer pour des charges, il me semble que 
tous les partis’ se doivent 'r&unir contre l’ennemi 
' eommun, et laisser les disputes de misere a des 
tems * commodes et plus oiseux pour de pa- 

reils debats. 
| Je vous parle en citoyen d’Europe, qui a 
fort a coeur le bien de ses allies et Pindependance 
de sa pätrie, qui hait la tyrannie de quel côté 
qu’elle vienne, et qui ne veut que le bien de P’Eu- 
rope. Je souhaiterais que tous vos compatriotes 
fussent aussi senses que Vous, et quils fussent 
aussi bon citoyens, et nous viendrions ensemble & 
bout de toutes les conspirations que les eaprits am- 


v 


414 Einunddreißigſter Abfhnitt. 1756. 


bitieux pourraient former contre. la tranquilliee de 
l’Europe. Adieu, men cher Mitehell! 

Zum Troſte ſchrieb Holden an Mischell "I: bie 
Umrifſe unferer großen Plane ſtehen feſt. Alle Stände 
und Parteien find von dem Mugen, ja von ber Moth: 
wendigkeit überzeugt, an ber engften Verbindung mit 
dem Könige von Preußen feflzuhalten, welcher jegt 
ber Abgott (Idol) des Volkes gemorben iſt. 

Mit gleichem Lobe ſpricht Mitchell in feinen Be 
tichten vom Könige”). Er ift (heißt es z. B. in 
‚ ginem Schreiben vom 25tan Decemher) ungemein. this 
tig die Höfe. zu gewinnen und insbefondere die Türken 
gegen Rußland in Bewegung zu fen. Sein Ge 
fündter in Gonftantinopel hat Anmweifungen auf 60000 
Pfund in Händen. General Branidi, Bruͤhls Feind, 
widerfetzt ſich dem Marfche der Ruſſen durch Polen. 
— Die ruſſiſchen Miniſter wollen nicht zugeftchen, 
daß fie Geld nehmen’), und ſuchen deshalb dies ums 
ter allerhand Vorwänden zu verbeden. Ich habe dem 
Könige von Preußen einen Theil bed Berichtes von 
. Williams mitgetheilt. Er ift nie entmuthigt, und 
meint wir follten nicht verzweifeln. Den plöglichen 





| 1) Schreiben vom 7ten December 1755. Mitchell pa- 
pera Vel, 29, 


2) Mitebell papers Vel: 8. 
9) Schreiben vom 26ften December. Ebenbafelbft. 





1756. Preußen und Engtand. | 415 


Wechſel ins rufſiſchen Miniſterium ſchreibt er oͤſter . 
reichiſchem Gelde zu. So bald dies durchgebracht ſey, 
müffe man den alten Angriff wiederholen. 

Der König von Preußen (heißt es am einer an⸗ 
dern Stelle) ') iſt mißvergnuͤgt über das Ungenuͤgende 
der englifchen Antworten und Maaßregeln. Wenn ich 
bedenke, was für ihn auf dem Spiele ſteht, "und Die 
Gefahren denen er ausgeſetzt iſt, fo bemumbere ich 
feine Geduld, Gemuͤthsruhe und Großherzigkelt. Er 
ſagte mir: wonn des Koͤnigs von England Heer zur 
Vertheidigung Deutſchlands gebildet iſt und Magazine 
gefuͤllt find, bin ic, in feiner Sorge wegen des Übri⸗ 
gen. Sie werden ſehen, daB Rußland und Frankreich 
feine Sprache ändert, fobald fie wiffen, zwiſchen Eng: 
Sand und mir fey ein Uebereinkommen getroffen. 

Diebe kam es zur Sprache: wer das englifchs 
deutſche Heer in Niederſachſen anfuͤhren foile?)? Frie⸗ 
drich II ſagte in dieſer Beziehung zu Mitchell: der 
Prinz Ferdinand von Braunſchweig iſt ein ſehr 
guter und tapferer Officier, doch muß ich ganz frei 
zu Ihnen ſprechen. Ich glaube nicht daß er ſolch 
eines Oberbsfehle gewachfen ift: ihm fehlt ein ent⸗ 
ſcheidender Geil’). Wäre der Prinz von Preußen nicht 


1) Schreiben vom 29ften December. Ebendaſelbſt. 
2) Schreiben vom 13ten December. Ebend. 
8) Il n’a pas l’esprit decisif. 





416 Einunbbreigigfter Abſchnitt. 197. 


mein Bruder, fo würde ich, wagen ihn zu empfehlen 
und für ihn einzuftehen. Er hat viel geſehen, ſich 
mit unferem Sache große. Mühe gegeben, und ich halte 
ihn in aller Weiſe für jene, ja felbft für eine größere 
Stelle. geeignet. Ich will daß der König von Eng: 
land in ber. Wahl feines Feldherrn völlig frei fep, 
meine jedoch, daß Prinz Ludwig von Braunſchweig 
der Tauglichfte if, das Heer zu befehligen. Ich wuͤrde 
ihn den‘ beiden vorziehen ‚. von welchen wir fprachen. 
. Dee Prinz von Preußen (hatte Mitchell ſchon 
früher berichtet) ') ift ein vortrefflicher Officier, wach⸗ 
fam, vorfichtig , thaͤtig. Er befige jede .Eigenfchaft, 
welche zur Führung eines Heeres erforderlich iſt. 
Alle diefe Reden und Überlegungen führten jedoch 
nicht ' fonderlich vorwärts, weshalb Mitchell den -2ten 
Sanuar 1757 an Holberneß fchreibt ?): der König 
von Preußen fagte mir, er fürchte, von feinen: Wer 
bündeten fey kein Beiſtand zu erwarten; er fey ent 
fchloffen, felbft fo viel zu thun als möglid. — Sch 
. darf Euer Herrlichkeit nicht verhehlen, daß die ſehr 
‚langen Zoͤgerungen im Gemüthe des Könige (mie ich 
fücchte) folh ein Mißtrauen erzeugt haben, daß es 
nur ; vertilgt werden: kann durch die" herzlichften und 
kraͤftigſten Befchlüffe, welche unmittelbar zur Ausfuͤh⸗ 


1) Bericht vom 20ften. November. Ebendaſelbſt. 
2), Mitchell papers Vol, 3. 


1757. Friedrich über England. ‚Heer in Niederſachſen. 417 


rung gebracht werden. Gefchieht dies nicht, fo brauche 
ih, Euer Herrlichkeit Feineswegs zu fagen, mas die 
Seibfterhaltung dem Könige an die Hand geben muß, 
— Er macht die größten Anftrengungen und fpannt 
jeben Nerv an’). Sein Heer wird ſich in naͤchſtem 
Feldzuge (mit Einfluß der Mannſchaft m Preußen) 
auf 168,000 Mann belaufen. 

Der König (führe Mitchell den 15ten Januar 
fort) ?) verließ Iegten Mittwoch Berlin nach kurzem 
Aufenthalte, in fo guter Gefundheit und mit ſolchem 
Muthe (spirits), als ich ihn jemals ſah. Obgleich er 
fo außerordentlich viel thut, ſcheint er doch nie bes 
fhäftigt (busy). 

Dooch fehlte e8 dem mannhaften Könige ſchon da⸗ 
mals nicht an ſchweren Sorgen, fo 5. B. über die 
Furchtſamkeit des hannöverfchen Miniſteriums, welches 
thn preisgeben. und eine Neutralität für Hannover 
auswirken wolle. Dies (fchrieb er) würde eine ſchwarze 
und: unwuͤrdige Verſchwoͤrung feyn®), um mich der 
Muth meiner Feinde preis zu geben, welche ich größe 
tentheitd über mich herbeigezogen habe, weil ich mich 
mit England verband, um. die Ruhe Banmovers zu 
fichern. | | 


1) Ehendafelbft, Bericht vom Sten Januar 1757. - 

d) Ebendaſelbſt. 

3) Ebendafelbft Band 40. Schreiben vom Iten Februar. 
| 18** 


48 2 Sinunppreigigfier Abſchaitt. MM. 


Bald darauf, den L7/ten Februar, ſchrieb er eie 
genhändig an Mitchell '): Le Roi d’Angleierre a 
connu le piege qui Ini temdaient les Autrichiens, 
et il a généreusement refuse In neutralät6 trom- 
peuse quils Aui omt oflem. Je ne «rains à prö- 
sent que Yon ne 4arde top d’assemhler cette .ar- 
mee d’observation qui & mon avis ne pent ätre 
portee trop wite A Lippstadt, Enfin Ia crise des 
affaires est terrible, mnis je ne desespere de 
xien, et ponawu que les Hannovriens passenf la 
zier & tems, mous mn a notne konnenr & 
hout de mas ennamis. 

In einem anderen Schreiben Friedrichs an Mit: 
chell heißt 66”): Comme an m’a commnnigm6 une 
piece assez singuliäare, et dont on nn guüre d’6- 
xemples, par ra Zrossiereiß em «spreäniens, ei 
par los noipes culomnies qui J nat meaiprises, je 
ai hesite sependant de vors en feise mart, me 
It ze que pour da xamis du fait et ponr vom 
preuver jusqwon An ferocité des Ministres de Ia 
Ruasie peut aller, et comhien do mennanges et de 
enlamnies les cours Antnichiennes et Sawonnes 
leur a fait impudemment accroire. 


1) ‚Ebenbafetöft. 
2) Vom 22ften Februar, aus Dresten (nicht eigent aͤn⸗ 
Kia). Ebeendafelhbſt. 





131. Rußland. og 


Uülbereinſtimmend hiemit fchreibt Mitchell (mit Be⸗ 
zug auf die Berichte von Willtams) '): alle Luͤgen 
und Berleumbimgen, welche die Höfe von Wien, 
Dresden und Warſchau mit jeder Poft über den Kb: 
nig von Preußen nat Petersburg fenden, haben eine 

Art von Wuch wider ihn ergeugt. Mas man ander: 
waͤrts verlachen wuͤrde, wird daſelbſt ohne ae Prü- 
fang geglaubt, Der petersburger Hof iſt ſchwach und 
verderbt. 

Mit dem Anfange des Jahres 1757 kam Sta⸗ 
nislaus Ponlatowski als polniſcher Bevollmaͤch⸗ 
nigter nach Petersburg, obgleich Üfterreich und Frank 
reich feiner Abfendung widerſprachen). Aber er war 
ſchon ernannt, und feine mächtige Kamille erklaͤrte laut: 
fein Charakter ſey unverbächtig, und fie wollten für 
feine Treue bürgen. Miemand, fihreibt Willtans, 
fteht auf einem beſſern Buße mit Beſtuchef als er; 
aus Gründen, welche ich dem Könige erzählen werde, 
wenn dh mich ihm perſoͤnlich zu Fihen werfe. — 
Diefe nur muͤndlich vorzutragenden Gruͤnde bezogen 
fih ohne Zweifel auf das Verhaͤltniß Poniatowskis 
zur Groffuͤrſtinn. Sie verabfcheut (ſagt am) 


1) Berichte vom 1öten und m Januar wud Bien 
Zebruar. Mitchell papers Vol. 8. 


2) Berichte vom 2dften December 1756, &ten danuar 
und 22ften März 1787. Rußland, Wand 66, 67. 


- 


420 Einunddreißigſter Abſchnitt. MM. 


die Franzoſen, und noch mehr thut dies ber Gro⸗ 
fürft. Zwiſchen diefem und dem Könige von Preufen 
batte Williams einen nüslichen - Briefwechfel einge 
leitet. | | 
General Apraxin (heißt e8 in einem anderen Be 
richte) ift der Großfürftinn ganz zugethan, ober giedt 
dies wenigftens vor‘). Er ift kein Soldat und hat 
eine geringe Meinung von dem Heere welches er an 
führt. Man glaubt deshalb, daß er nicht wuͤnſcht den 
Preußen im Felde zu begegnen. Apraxin ift außer 
. dem fehe ausfchweifend (extravagant) und fehr dirf: 
‚tig, ungeachtet der großen Geſchenke, welche ihm bie 
Kaiferinn macht. Aus ‚diefem Grunde glaubt de 
König von Preußen, man folle ihm eine Summe 
. Geldes ſchicken, damit er den Marſch des Heeres wr: 
zögere, wozu ein Oberfeldhere leicht Vorwaͤnde finde. 
Man: müßte fi ber Sroßfürftinn hiebei bedienen, 
wenn fie die Sache unternehmen wil. .. 
Apraxin bat einen Abdjutanten nad) : Peserdbug 
gefhidt, um ihm zwoͤlf voliftändige Anzüge aus fi 
‚ner Kleiderkammer zu holen”). Hienach ſcheint es, alt 
wolle er feinen Sommerfelbzug unter, ben Damen van 





1) Beriht vom 8ten Sanuar 1757. Mitchell paper 
"Vol, 8. — | 

2). Bericht Williams vom 22ften März. Mitchell ps- 
pers Vol, 21. 





1757. Baden. 421 


Riga machen. Denn obgleich er einer der dickſten 
und plumpften (clumsy) Menfchen ift, die ich jemals 
fah, tft er doch hinficktlich der Kieldung ein fo großer 
Geld, wie Graf Brühl. 


Zweiunddreißigſter Abſchnitt. 


Die Beſetzung Sachſens zog bekanntlich dem Koͤ⸗ 
nige viele Vorwuͤrfe zu: andererſeits brachte ſie ihm 
aber auch große Vortheile; ja ſie war, wie geſagt, zu 
ſeiner Erhaltung und zur Kriegfuͤhrung ſchlechterdings 
nothwendig. Über das Benehmen der Preußen in 
Sachſen und die Behandlung des Landes ſchreibt 
Mitchell den 26ften Februar 1757): 

Allerdings iſt dafelbft unvermeidliche Noth,- aber 
der König hätt die ſtrengſte Mannszucht, die Solda: 
ten erhalten pünktlich ihre Löhnung und fie bezahlen 
Alles was fie verbrauchen (consume). Die Sad: 
fen behaupten: von 20000 Öfterrefchern würden 
fie mehr gelitten haben; ja einige gehen noch weiter 
und meinen, das Land werde fi) durch das vom 
preußifchen Heere ausgegebene Geld bereichern. 


- 4) Mitchell papers Vol. 8. 


422 Zweiunddreißigſter Abſchnitt. BE. 


Es iſt Beine neue Steuer aufgelegt worden: ſie 
bezahlen blos dem Könige von Preußen, was fie ſonſt 
ders Könige von Polen bezahlten, und jener hat zur 
Erleichterung des unglüdlichen Volkes mehe Steuw 
füge bei der Acciſe und ben Zöllen verringet. — 
Das Werben der Mannſchaft ift allerdings eine Luft, 
aber man hat die Stände babei zugezogen und es in 
‚ möglihft milder Weife zu Stande gebracht; auch muß 
man ed als ein den Krieg nothwendig begleitendes 
Übel betrachten. Die größte Klage warb erhoben übe 
das Einftellen aller Zahlungen für die bürgerliche Ver 
waktung. - Dies warb aber dadurch herbeigefuͤhrt, def 
Graf Brühl alles banre Geld aus den Öffentlichen 
Kaſſen hinwegnahm, nachdem er alle Rechnungen In 
folhe Verwirrung gebracht, daß es ſchwer, ja vir⸗ 
leicht unmöglich fen wird, fie abzufchließen. De 
König von Preußen halt fih nun nicht für verpflich 
tet, mit feinem Gelbe bie färhfifhen Schiuben zu br 
zahlen, und noch weniger die Raͤubereien und Plin 
derungen bed. Grafen Brühl wieder gut zu machen. 

Frau von Ögilvie'), bie Oberhofmeifterinn der 
Koͤniginn von Polen, bat, unter dem Vorwande 
Blutwürfte aus Prag zu bekommen, einen Briefwech⸗ 
fel geführt, voeichem die Hungrige Neugier ber ſchwar 
jen Huſaren ein Ende gemacht hat. 


1) Ebendaſelbſt, Bericht vom Aſten Mär. 





28, Pitt. Krisgävochersitungen. 423 


Selbſt in Verlin zeigte Sch von Neuem eine fu: 
söfiiche Partei und man ſprach von England ale bem 
wreuloſeſten Verbündeten’), welcher zuerit Den ‚König 
son Preußen in dem Krieg hineingezogen habe und ihm 
nun beu brei Großmaͤchten Eurapas gegenliber allein 
laſſe. — Seit den einſtimmigen Beſchliffen bes 
Parlaments aͤnderte ſich dieſe Stimmung, und der Koͤnig 
dankt Heren Pitt für feine Rede nam 1Sten Februm. 

Du 31ſten März 1757 ſchreibt Pitt an Mit 
chell?): Des Königs amendliche Herablaſſung und dank 
bare Guͤte gegen mid, fühle, ich wie ih ſoll, und 
form deshalb zur fehr ungenuͤgend die Gefinnungen 
des Dankes, der Berehrung amd des Eifers für einen 
Fuͤrſten ausſprechen, weicher daſteht als daB mer 
ſchuͤtterte Bollwerk Europas wider die maͤchtigſte und 
boshafteſte Verbindung, bie jemals ber Menſchen Un⸗ 
abhoͤngigket bedrohte. 

Unterbeilen haste Friedrich alle Vorbereitungen gu 
dem mewen Feldzage getroffen, sınb Mitchell ſchreibt dar⸗ 
über am ten April: Die preußifihen Springſedern 
ſind fo geſchickt und genau gefteilt, daß fie ‚alle zu 
gleicher Zeit fpielen koͤnnen. Ein anderer geofier Ver: 
theil beſteht harin?), daß ber König Alles ſelbſt be: 





1) Bericht vom Sten März. 
2) Mijtcheh papers Vol, S0. 
3) Mitchell papers Vol. 28. 


424 3weiundbreißigfter- Abfhnitt. 1987. 


lebt und befehligt, und eine größere- Wahrſcheinlichkeit 
für" pünktliche Befolgung feiner Vorfchriften vorhanden 
tft, als vielleicht je einem Feldherrn zu Gebote ftand. 
Die Mühe, welche ſich der König in dieſem Winter 
während feiner Mußeflunden gegeben hat, die Feld: 
züge von Turenne, Eugen und Marlborough zu flus 
diren (welche er für Meifter in ber Kriegskunſt hält) 
giebt mir die Sicherheit, fein Plan fey nach reifticher 
Überlegung entworfen. Niemand Eennt feine Geheim— 
niffe; er führt aus, bevor man erfährt, daß er be 
fchlofien hat’). Noch Eins muß ich erwähnen, bas 
mir großes Vertrauen zum Könige giebt. Ich habe 
nämlih mit Bewunderung bie Standhaftigkeit und 
Teftigkeit des Geiſtes geſehen, mit welcher er- unan⸗ 
'genehme Nachrichten empfängt und die größten Unfälle 
ertraͤgt. Er ift nie außer Faſſung oder entmuthigt, 

‚ fondern denkt fogleih an Gegenmittel. Sein Her 
haͤlt fi für unuͤberwindlich, fo lange er es anfühıt. 
Den Am Mai, zwel Tage vor ber Schlacht 
bei Prag, fchreibt.- Michel?) : ich aß mit dem X 
nige, er war ſehr muthig. und heiter. Vor ein ober 
> zwei Tagen fagte er mir: die Schlacht bei Pharfalus 
zwifchen dem Haufe Öfterreich und Brandenburg mäffe 
gefchlagen werden. Er erinnerte mich daran, baf er 


1) Bericht vom 17ten Mai: hend. Band 3. 
2) Ebendaſelbſt, Band 64. 





1737. Schlacht bei Prag - 225 


öfter behauptet: Brown fey nicht der Mann, wofuͤr 
man ihn halte; jegt fey es offenbar. 

Schon den 6ten Mai, am Tage der Schlacht 
von Prag, ſchreibt Mitchell‘): das ganze Heer ift in 
Zhränen, über den Berluft des Marſchalls Schwe- 
rin. Er mar einer der größten Officiere, welche die: 
ſes oder vielleicht irgend ein Land hervorgebracht hat, 
und zugleich einer der beſten Menfchen. 

Ich hatte bie Ehre (fahrt Mitchell den 10ten 
Mai’ fort)?) dem Könige Gluͤck zu wuͤnſchen. Er war 
voller Muth, zugleich aber gemäßigt in’ der Mitte 
feiner großen Erfolge. Ex fagte: fein Bruder Hein: 
ih habe fi auf dem rechten Flügel außerordentlich 
wohl genommen; ihm danke man den dortigen Sieg. 
Eben fo habe Prinz Serdinand von Braunfchweig ſich 
auf bem linken Fluͤgel gezeigt und bie Öfterreicher in 
die Slanke genommen, während fie mit dem preußi⸗ 
fchen rechten Slügel im Gefechte gewefen wären’). Auch 
der Prinz von MWürtemberg habe fich ausgezeichnet, 
und Prinz Stanz von Braunfchweig, welcher ein gros 
Ber Officer werben würde. Im Gefpräche gab ber 
König dem Prinzen Karl von Lothringen ald General 
den Vorzug vor Herrn von Brown. Bei Friedberg 


1) Mitchell papers Vol. 3. 
2) Mitchell papers Vol. 64. 
$) While they were engaged at our right.. 


\ 


— 


420 3weiunddreißigſter Abſchnitt. 1137. 


habe der Prinz übel gethan (did ill), aber bei Sorr 
fey feine Anordnung bewundernswuͤrdig geweſen, jedoch 
wicht befolgt worden. Prinz Karl billigte die Maaß⸗ 
regeln nicht, melde Brown bei Prag traf. Jener 
fagte: man werde in die Flanke genommen werben, 
was auch geihah, - 

In einem anderen Berichte vom Liten Mai wie 
derholt Mitchell das Lob ber Maͤßigung bes Könige '). 
Sch wuͤrde, fagte diefer, den Prinzen Heinrich nod 


mehr erheben, wenn es nicht „mein Bruder waͤre 


Auch vom Generallientenaut von Ziethen ſprach mar 
allgemein mit großem Xobe. 

Die Zahl der bei Prag Verwundeten iſt auf bei⸗ 
den Seiten ſehr groß °. As es bald mach der 


Schlacht an Wundaͤrzten und Wagen. fehlte, Lie der 


König von Preußen bie Behörden in Prag auffordern, 
beides für die öfterreichifchen Verwundeten zu fenden, 
mas man indeffen abfihiug *). &o blieben fie einige 
Zage auf dem Cichlachtfelde, wurden aber dann auf 
diefe Seite. des Fluſſes gebracht umd in derſelben Art 
vote die preußiſchen Verwundeten behandelt. 

Nah Empfang der Berichte Über die Prager 


1) Mitchell papers Vol. 8. | 
2), Ehendafelöft. Bericht vom 18ten Mai. 


8) Wahrfcheinlich, weit in Prag ſelbſt alle Wunbaͤrzte 
mit den Verwundeten übermäßig befchäftigt waren. 


1957. Snoland Schlacht bei Kollin. 437 


Schlacht, ſchreibt Holderneh '); die Bewunderung, 
welche wir bereits für den König besten, ift auf den 
hoͤchſten Grad geftiegen. Männer, Weiber und Kin: 
der fingen fein Lob, die ausſchweifendſten Freuden⸗ 
bezeugungen ſieht man in ben "Straßen u. f. m. 

Bloße Bewunderung half dem König aber nicht 
aus feinen Bedraͤngniſſen. Deshalb fagte ex zu Mit 
hell: Ich fehe, ich habe von Eugland Nichts zu 
hoffen ). Die Engländer find nicht mehr baffelbe 
Vo. Euer Mangel an Einigkeit und Beharrlichkeit 
bat eure natürlichen Kräfte zerftreut, und wenn bafs 
felbe. Benehmen fortdausrt, wird England feine Bedeu⸗ 
tung in Europa verlieren. 

Sechs Tage nach dieſen Kußerungen, den 18ten 
Junius, ging die Schlacht bei Kollin verloren. Den 
Morgen nach der Schlacht (fchreibt Mitchell) ?) 309 
fi) das preußifche Heer im volllommen guter Ord⸗ 
nung mit Gepaͤck und Geſchuͤt nad Nimburg. Man 
lieb nur einige wenige Kanonen zuruͤck, deren Wagen 
im Gefechte Schaden gelitten hatten. Nach der ein- 
flinamigen Meinung alter Officiere die. ich) geſprochen, 
wäre der Sieg gewiß geweſen, wenn die Reiterei ihre 

1) Den 3Often Mai. Mitchell papers Vol. 29. 


2) Schreiben vom 12ten Sunius. Mitchell papers 
Vol. 3. 


8) Bericht vom 2äften Junius. Ebendaſelbſt. 


x 


428 Zweiunddreißigfter Abſchnitt. 1157. 


Schuldigkeit gethan, oder man nur zehn Bataillone 
Fußvolk mehr gehabt Hütte. 

In einem zweiten Schreiben von bemfelben Tage 
heißt es!): die Urſachen der Miederlage waren: der 
Wunſch des Königs ſchleunige Hülfe nady Nieder: 
fachfen zu fenden, fein flürmifches Temperament (his 
impetuosity of temper), und vor Allem die Verach⸗ 
tung welche er gegen den Feind hegte. Er hätte mehr 
Fußvolk mit’ fich nehmen koͤnnen, und es war feine 
Notywendigkeit vorhanden, die Öfterreicher in dieſer 
Stellung anzugreifen. x 

Den 29ften Sunius fährt Mitchell fort”): Vorge⸗ 
flern kam der König von Preußen in Leitmeritz an 
mit 14 Bataillonen; fo daß wir hier ein Heer haben 
von 50: Bataillonen und- 75 Schwabronen, alk 
in volllommen guter Ordnung und ‚hohen Muthes. 
Als der König vor dem Lager entlang ritt, traten die 
Soldaten aus ihren Zelten hervor und riefen: geben 
Ste uns nur eine Gelegenheit und wir wollen rächen 
was gefchehen if. — Ein öfterreichifher Officier 
fagte: wir haben den Sturm zurhdgefehlagen, aber 
nicht die Schlacht gewonnen. 

Der König trägt fein Unglüd groß, obgleich es 
das erfte diefer Art. ift, was ihm zuſtoͤßt. Seit fer 





1) Ebendaſelbſt, Band 28. 
2) Shendafelöft, Band 3. 


1757. Schlacht bei Kollin. 429 


nee Ankunft bier, war er fo gütig mir die ganze 
Schlacht zu befchreiben. Er fagte: die Stellung ber 
Sſterreicher war in der That zu feſt, doch glaube ich 
nit daß fie feiter war als die,. aus welcher ich fie 
bei Prag vertrieb. Ich hatte zu wenig Fußvolk, und 
es waren nicht die feindlichen Soldaten , fondern dag 
wohl geftellte Geſchuͤtz (an 250 Kanonen) was meine 
Leute zum Weichen brachte, 

Der König fchreidt den Verluſt der Schlacht — 
Eifer ſeiner Soldaten zu, welche den Feind (gegen ſei⸗ 
nen Befehl) in der Fronte angriffen. Denn nach ſei⸗ 
ner Anordnung ſollte allein der linke preußiſche Fluͤgel 
den rechten der Öfterreicher in der Seite angreifen. 
Dies gefhah mit großem Erfolge: man nahm einige 
Batterien, rüdte 200 Schritt darüber hinaus vor, 
gewann fo die Seite der Feinde und. brachte fie in 
große Verwirrung. Des Königs Abſicht war:. im 
Fall des Bedürfniffes Mannſchaft .von feinem rechten 
Fluͤgel nach dem linken hinzuziehen, und wenn jener 
in der ihm angemiefenen Stellung blieb, würde er 
den linken oͤſterreichiſchen Fluͤgel in Achtung erhalten 
haben, fo daß er nicht wirkfam werden konnte. Allein 
die guten Wirkungen dieſer Anordnung wurden gänz- 
lich vereitelt, durch den großen Eifer feiner Soldaten 
gegen. das Centrum hin (towards the.centre). Als 
diefe namlich die. Sortfchritte des linken Flügels fahn, 
vourden fie begierig auch Theil an dem, für gewiß. 


. 430 Zweiundbreißigfter Abſchnitt. 1387. 


gehaltenen Stege zu haben, und griffen zuerſt vn 
Dorf an, welches ein wenig zur Linken dis oͤſterrei⸗ 
chiſchen Centrums lag. Sie nahmen es, wodurch abet 
der ganze premfifche rechte Fluͤgel ins Gefecht gezogen, 
und dem furchtbaren Feuer der mit Kartaͤſchen gela⸗ 
denen Batterien ausgeſetzt ward. 

Die Haupturſache dieſer Unfälle") iſt der große 
Erfolg, welchen der König von Preußen in acht wer: 
ſchiedenen Schladhten, und vor allem bei Prag über 
die Öfterreicher Hatte. Dies brachte ihn zu der Mei 
nımg: er Eönne fie aus den vortheilhafteſten Stets 
lungen verbeängen, und im ber That müßte jemand 
mehr feyn als ein Menſch, wenn er nach folch eine 
Reihe von Stegm, ganz ohne alle uns blei⸗ 
ben ſollde. 

Ich vernehme daß der Koͤnig, an Unfälte nich 
gewöhnt, nad der Schlacht ziemlich niedergeſchlagen 
was. est bat er feinen Mutb wieder gewonnen, 
und treibt ſeine Geſchaͤfte wie gewöhnlich. ch hatte 
geftern ein langes Geſpraͤch mie ihm. Er fpricht ſeht 
vernünftig und kaltbluͤtig über das ungluͤckliche Ereig: 
niß. Er füeht in voller Ausdehnung was für ihn, 
fein Haus und ganz Europa daraus hervorgehen kann, 
aber er fuͤrchtet diefe ne nit und hat feine Par 





1) Anderer Bericht Mitchells von BemleleeN Tage. Chen: 
daſelbſt. 








195%. Schlacht bei Kollin 431 


ti ergriffen. Eine zweite verlorne Schlacht (meint 
er) muͤſſe mit ſeinem Untergange enden; deshalb will 
er ſich huͤten eine ſolche zu wagen, ſie aber nicht 
ſcheuen, ſobald ſich eine guͤnſtige Gelegenheit darbietet. 
Vor Allem kuͤmmert ihn die Zahl ſeiner Feinde und 
die Angriffe, mit welchen ſie ihn in den verſchiedenen 
Theilen ſeiner ausgedehnten Staaten bedrohen. 

Der Koͤnig ſagte mir: ich will jetzt mit Ihnen 
ſprechen, wie ein Privatmann. Sie wiſſen, ich habe 
einen folchen Widerwillen gegen alle Hütfögelder, daß 
ich fie flets ablehnte. Ich dachte und denke noch jegt, 
dies fey für mich eine zu geringe Stellung, um dats 
auf zu fußen. Bei den groben Kortfcheitten meiner 
Seinde wünfche ich jedoh zu wiſſen: ob und auf 
weiche Huͤlfe ich beim Verluſte meiner Einkuͤnfte rech⸗ 
nen koͤnne? Roch Habe ich gute Hoffnung, - ohne 
ale Geldunterfihgung zu Stande zu kommen, und 
ic, gebe Ihnen mein Wort, bag nur umbedingte und 
unmiderfiehliche Nothwendigkeit mich dahin bringen 
wird, meinen Verbänderen zur Laſt zu fallen, und je 
feeumdlicher deren Geſinnungen find, deſto vorfichtiger 
werde ich ſeyn um fie nicht zu mißbrauden. 

Neun Monate lang (fügt Michel Hinzu) hat 
man bei der inneren Uneinigkeit Englands, den Kr 
nig mit ſchoͤnen Worten hingehalten. In der Lage 
in welcher er ſich jegt befindet, darf man feine Zeit 


® 


‚432 Dreiunddreißigfter Abſchnitt. 187. 


verlieren: will England nicht verfuchen ihn zu ut 
ten, muß er ſich retten, — ſo gut er kann. 


Dreiunddreißigfter Abſchnitt. 


Zehn Tage nach der Schlacht bei Kollin, den 
28ſten Junius, ſtarb Sophia Dorothea, die Mutter 
König Friedrichs. Über feinen fo wahren al tiefen 
Schmerz, verbreitet fih Mitchell in mehreren Be 
chen. 

Der König (fchreibt er den 2ten Julius) ') bat Nie: 
mand feit der Trauerpoſt gefehen, und: ich höre, er 
ſey tief betrubt. Gewiß ift fein Schmerz aufrich 
tig; denn nie hat irgend ein Menſch mehr Beweiſe 
feiner Pflihe und Liebe gegeben, als ‘er bei "jeder 
Gelegenheit feiner Mutter darlegte, und Eeine Mutter 
bat ſich mehr als fie um alle ihr Kinder verbient 
gemacht. 

Geſtern (führt Mitchell den Aten Julius fort)?) 
ließ mich der König rufen. .ES war das erſte Mal 


1) Mitchell papers Vol. 8. 
2) Ebendaf. Band 61. Zum erften (2?) Julius. 


175%. $amilienverhältniffe Friedrichs IL 433 


daß er feit jener Tobesnachricht jemand ſprach. Ich 
hatte die Ehre einige Stunden mit ihm in feinem 
Cabinet zu bleiben, und muß Euer Herrlichkeit gefte: 
ben: ich war aufs Tiefſte bewegt zu fchen, wie er . 
ſich im Schmerze gehen ließ und den zärtlichften, kind⸗ 
lichen Gefühlen Raum gab, indem er fi) der man- 
nigfaltigen Verpflichtungen erinnerte, welche er gegen 
feine Mutter habe, und mir wiederholte, wie fie Litt, 
wie fie ihr Leiden ertrug, wie viel Gutes fie jeder⸗ 
mann erzeigte, und wie «6 ihn tröfte daß er dazu 
beigetragen ben legten Theil Ihres Lebens leicht und 
angenehm zu machen. 

Es gefiel dem Könige mir einen großen Theil ber 
Privatgefchichte feines Hauſes zu erzählen und wie er 
erzogen worden. Er gefland hiebei daß er den Verluſt 
einer geeigrieten Erziehung fühle, und tabelte feinen 
Vater, doch mit großer Biederkeit (candour) und 
Höflichkeit. Zugleich räumte er ein: in feiner Jugend 
fen er fehr Etourdi geweſen und habe feines Vaters 
Zorn verdient; nur fen diefer durch bie Heftigkeit fei- 
nes Temperaments zu weit fortgeriffen worden. Er“ 
fagte mie: auf Zureden feiner Mutter und feiner 
Schroefter von Baireuth, habe er eine eigenhändige Er- 
klaͤrung ausgeftellt, er wolle niemals eine andere Perſon 
heirathen, als die Prinzeffinn Emilia von England. 
Dies ſey unrecht geweſen, und habe feinen Water 
aufgebracht. Ich kann (fagte der König) dies nur. 

nl. 19 


438 Dreiundbreißigfier Abſchnitt. 1737. 


mit meiner Jugend und meinem Mangel an Erfahrung 
entſchuldigen. Unglücticherweife ward jenes Verſprechen 
entdedtt. Die verfiorbene Koͤniginn Karoline von Eng 
fand, welcher es mitgetheilt ward, zeigte daſſelbe oder 
fprach davon zu dem General Diemar; dieſer verrieth 
"es an Seckendorſ, und Gedenderf hinterbrachte «4 
dem Könige meinem Water. Hieraus, und aus dem 
Plane zu entfliehen, entfianden meine Ungluͤcksfaͤlle. 
An Bezug auf feine Flucht, fagte mir der König: 
ich mar lange unglüdiidy und ward von meinen Ba 
ter hart behandelte Zur Reife aber kam mein Ent 
fhluß dadurh, daß mich mein Vater eines Tages 
ſchlug und bei den Haaren riß): und in diefem auf: 
gelöfeten (dishevelled) Zuftande ward ich gezwungen 
über die Parade zu gehen. Von diefem Augenbiid 
an war ich. enefehloffen, ed um jeden Preis (coute 
qui coute) zu wagen. 
Waͤhrend meiner Gefangenfchaft in Kuͤſtrin war 
ich aufs Härtefte behandelt und nah dem Fenfter ge 
bracht, um Katts Hinrichtung mit anzufehen, wor 
“über ih in Ohnmacht fiel. 
....) hätte entfliehen und ſich retten können (da 
„ihm der daͤniſche Geſandte eine Nachricht gab); aber 


1) Pulled by the hair. 
2) Eine Lüde für den Namen ift in ber Handſchrift 
offen. 





181. Zamilienderhaältniſſe Friedrichs IL 495 


er zögerte, ich glaube, eines Mädchens halber, in die 
er verliebt war. 

Die gluͤcklichſten Jahre meines Lebens (fuhr ber 

König fort) brachte ih in... . ") zu, einem Haufe, . 
welches ich meinem Bruder Heinrich gab. Dahin zog 
ih mich nad; meiner Wiederbefreiung zuruͤck und blieb 
bort bis zum Tode des Königs. Mein Hauptzeit⸗ 
vertreib war zu ſtudiren und durch Lefen die Lücken 
meiner Erziehung auszufüllen. Sch machte Auszüge, 
und hatte Umgang mit Männern von Geiſt und Ge: 
(mad. - 
Der König ſprach viel von den Verpflichtungen, 
die er gegen feine Mutter Yabe und der Liebe, welche 
er gegen feine Schweſter von Baireuth hege, mit wel⸗ 
her er erzogen worden. Ble Eintracht weiche in ſei⸗ 
ner Familie berrfche, ſeh großentheils aus ber Erzie⸗ 
hung hervorgegangen, welche (obgleich unvolllommen 
und mangelhaft in manchem Punkte) doc, in diefer 
Beziehung gut gewefen. Alle Geſchwiſter wären nicht 
wie Prinzen, fendern wie Kinder von Privatperfonen 
erzogen worden. - 


1) Ohne Zweifel Rheinsberg. - 


19* 


436 Vierunddreißigfter Abfchnitt. 17. 


Bierunddreißigfter Abſchnitt. 


Über König Friedrichs Stimmungen, Wünfce, 
Hoffnungen und Beforgniffe, in ber zweisen Hälfte 
des verhängnißvollen Jahres 1757 geben Mitchells 
. Berichte lehrreiche Auskunft. Ich theile deshalb zu 
nächft einige Auszüge in chronologifcher Folge mit. 
Der König fagte‘): id bin der Meinung, daß 
man, um einen ermwünfchten Frieden herbeizuführen, 
auf allen Seiten die größten Anſtrengungen machen 
muß. Sch bin entfchloffen dies zu thun, und hofft, 
der König von England wird eben fo verfahren. — 
Die Franzoſen gehen darauf aus, die Dinge fo zu 
handhaben, daß ihnen die Eatſcheidung der europät 
fhen Angelegenheiten verbleibt. Deshalb werden fit 
ben Krieg zum Schein und zurn Parade, ohne Nach⸗ 
druck führen, bis die anderen Mächte ſich erſchoͤpft 
haben; dann aber die Sache auf fi nehmen und 
Alten Gefege vorfchreiben.. Es iſt gewiß das Intereſſe 
Englands, durch zeitgemäße Unterhandlungen bies zu 
verhindern. Sch fehmeichle mir, dag England in die 
fer Eritifchen und entfcheidenden Zeit alle Kräfte auf: 
bieten wird, um. fich und die Freiheiten Europas zu 


1) Bericht vom 9ten Julius. Mlitchell papers Vol. 3. 





1937, Friedrichs üble Lage. - 437 


vetten. Allerdings wird es zuletzt an die Reihe kom: 
men, aber fein Untergang iſt nicht weniger gewiß, als 
der Untergang der Mächte auf dem feften Lande. Nah 
den großen und ebein Anftrengungen, welche England 
zur Zeit des Herzogs. von Marlborough machte, um 
das europdifche Gleichgewicht zu erhalten und Frank⸗ 
reichs Ehrgeiz zu beugen, kann ich mich nicht über: 
zeugen, es werde feige (tamely) ſtill figen und das 
aufgeben, wofür es fo lange und e glorreich 
kaͤmpfte. 

Der. König hatte jedoch Grund aber Englands 
Läffigkeie zu klagen. Er fagte wenige Tage fpäter'): 
Es ift mein Ungluͤck, daß ich mid, mit England zur 
Zeit feines Verfalls (decadence) verbündete, und be 
handelt ward, wie nie ein anderer feiner Bundesge⸗ 
noffen. Vergleiche ich jedoch die Anftrengungen Groß: 
britanniens im fpanifchen und öfterveichifhen Erbfol⸗ 
gekriege, fo muß ich fehließen, daß fein befremdendes, 
ja (wie ich glaube) nicht zu zechtfertigenbes Beneh⸗ 
men, niche fomohl hervorgeht aus Mangel an Macht, 
als aus einem Hinneigen en) zu dem alten 
Spfteme. 

Selbſt Mitchell war mit dem Benehmen der eng⸗ 
liſchen Regierung ſo unzufrieden, daß er um ſeine 
Abberufung einkam. Ich habe, ſchreibt er den 28ſten 


1) Bericht vom 11ten Julius. Ebendaſelbſt. 


1885 Bierunddreißigſter Abſchnitt. IM. 


Julius’), den König geoß gefehen im Gluͤcke, aber 
noch größer im Unglucke. Sch kenne des Königs Ge 
muͤth. Seine Angelegenheiten find in einer hoͤchſt 
gefährlichen Lage?). Er verachtet das Leben, web 
mag. deshalb werleitet werden, etwas Verzweifeltes zu 
unternehmen. 

Nachdem Mitchell (en Alten Auguft)’) Fried⸗ 
richs Verhaͤltniſſe zu Öfterreich,, Frankreich, Rußland 
- und dem Reichsheere entwickelt hat, führt er for: 
Dies ift ein wahres Gemälde ber höchft gefaͤhrlichen 
und faft verzweifelten Lage des Könige, welche wahr 
fheinfidy mit dem Untergange des Hauſes Branden 
burg endigen wird, womit aber auch die Freiheit ber 
Menſchheit zu Boden. fallt... Freilich die Wahl bieibt 
'noh, ob man ein Sklave Öfterreich® oder Frankreich 
ſeyn will; weich ein jämmerlicher Wechfelfal! - 

In der That dringten ſich die Umfülle- in dieſen 
Monaten. Am 2bſten Julius ſiegten die Franzeſen 
bei Haſtenbeck uͤber Cumberland, den 28ſten ergab 
ſich Hameln, den Z0oſten Auguſt ſchlug Aprarin bei 
Großjaͤgerndorf den Marſchall Lehwald, den 7ten Sep 
tember Nadasdi bei Goͤrlitz den General Winterfeld, 
den 13ten fielen die Schweden in Pommern ein, und 


1) Ebendaſeibſt. 
2) Bericht vom 7ten: Auguſt. ———— 
3) Ebendaſelbſt. 








| 


175%. Zriedrich und Mitchell uber die Lage ber Dinge- 439 


den Sten September warb unter Lynars Bermittlung 
dee ſchmachvolle Vertrag von Kloſter⸗Seven gefrhloffen, 
wodurch ganz Deutſchland ben Sranzofen bis zur Elbe 
preiß gegeben ward. 

In dieſer Zeit fchrieb König Friedrich an Mits 
heil‘): Fai appris, mon cher Monsieur, tous.les 
details de la malheureuse affaire de Hameln. Cela 
justiſie assez les propositions que je Vous ai fai- 
. tes à Lentmeritz. Les Anglais ne veulent souie- 
nir ni leurs aflaires de mer, ni la guerre de terre 
ferme.. Je me trowre comme le dernier champion 
de la Ligue, pret à combatire s’il le fallnit meme 
sur les ruines de ma patrie. Il nous faudra en- 
eore quelgue peu de patience pour voir le resultirt 
de ce que deit arriver iei. Ce n'est pas moi cer- 
tainement qui arröte les aflaires, mais il y a des 
dificultes a vaincre dent om ne peut venir A bont 
qu’avec un ‚pen de palience. Je suis dans le cus 
de dire: la fortune est poar. Cesar (Cesart), mais 
Caton (Catten) sait Pompée. Pour & present il 
me faut la fortune de Cesar, ei mulgre cela tous 
leg. obstacles ne seront-ils pas loves. J’espere 
Vous &crire dans pen en termes moins vagnes et 
des nouvelles plus precises et plus decisives. 


1) — ohne Datum, aus Dresden. Mitchell 
papers Vol. 40, 





448 Bierunddreißigſter Abfchnitt. 1797. 


Den 28ften Auguft fchrieb Mitchell an Holder 
neß: England iſt betrogen und feine Miniſter find 
zum Beften gehabt (daped) von den Haunoveranern. 
Welch eine klaͤgliche Figur werden jene in England 
machen. Der vffenbarfte Treubruch iſt -Feichtfertiger 
Weife begangen, um eine ſchwache, unverftändige und 
wirkungsloſe Maaßregel aufrecht zu halten. Sie wik 
fen was gefchehen if. Warum ward ber König von 
Preußen nicht befragt? Ich kann mit. meinem Ke 
pfe dafür ſtehen: er würde jebem vernünftigen Bor: 
ſchlage zur Sicherung Hannovers beigetreten fern. 
Was wird die Nachwelt zu einer Verwaltung fage, 
welche den Vertrag von Weſtminſter zur Sicherung 
Hannovers ſchloß, und offen duldete, daß die hannk 
verfhen Minifter fagen: fie hätten keinen Vertrag 
mit dem Könige von Preußen. Ja man duldet, daß 
biefe den Sürften betrügen, welcher Alles gewagt hat, 
fie zu retten, und deſſen Unfälle entfpringen aus fer 
ner Großmuth und feinem treuen Worthalten. 

. Mit dem Unterhandein bat es ein Ende! Nah 
bem was gefchehen ıft, wird uns fein Menfch mehr 
trauen. Ic weiß nicht wie ich dem Könige von Preu: 
Sen ins Geficht fehen fol; und. Ehre, Mylord, wird 
nicht für Geld erkauft. 

Nichts als ein Wunder, ober eine vollfommene 
Unterwerfung unter Frankreich, kann den König ret⸗ 





1787, :  Beiedrihs Lage. 441 


tn’). Der Verluſt einer Schlacht wird den Verluft 
feiner Lande bios um wenige Wochen befchleunigen; 
der Gewinn berfelben Tann ihn nicht retten. Sch 
verliere mich ſelbſt, wenn ich an feine Lage bene; 
ih fehe eine Rettung für ihn, als in den Armen 
Frankreichss. Der König zeigt eine Heiterkeit umd 
Leichtigkeit, welche weder ‚natürlich, noch feiner Lage 
angemefien iſt. Doc kann ich eine merklich Veraͤn⸗ 
derung feinee Stimmung darin erfennen, baß er ef- 
nige harte Dinge gethan hat?). Er fagte: J’ai com- 
meneé In campagıre en General, je vais la finir 
en partisan. | 

Niemals ift der König emtmuthigt, ober aufee 
Faſſungꝰ). Wo er fich öffentlich zeigt, flieht man 
ihn heiter und aufgeräumt, was unter ſolchen Um: 
fländen ſehr ſchwer if. - 

Die Franzoſen fchreiben überall Kriegsſteuern aus, 
und bezwecken Feinde und Freunde gleichmaͤßig zu 
Grunde zu richten. So haben ſie die Unterthanen 





1) Schreiben vom BIſten Auguſt. Ebendaſelbſt. 

2) Schreiben vom SOften Auguſt. Mitchell papers 
Vol.64. Zu biefen harten Dingen laͤßt fich auch die Pluͤn⸗ 
derung des Bruͤhlſchen Palaftes in Graswitz zählen, welche 
Mitchell mißbilligt. Schreiben vom erflen November. 


Vol. 8, 
19** 


8) Schreiben vom 17ten September. . Mitchell. papers 


— — — — 





442 Bierunddreißigſter Abſchnitt. 1282. 


des Kurfuͤrſten von Mulnz nicht: befiee behandelt als 
andere. Ja man erzählt‘), als Bürger diefer Stadt 
die Ruͤckzahlung dargeliehener Gelder forderten, fo ga 
ben die Frunzoſen unveeſchaͤmt zus Antwort: com- 
ment, ces beugres In fomt ils aussi des 
comptes ? 

Der König: fagte: bie Neutralitaͤt Hannovers if 
ſchaͤndlich und ward dur Dänemark unterhambelt?). 
Die bannöverfchen Ganaillen haben ihr Vaterland 
nicht gerettet und ihren Beſchuͤtzer betragen. Die 
Schweden nahmen in Pommern die Ämter, weiche 
bem Könige von England gehören (belonging to your 
master). Ich machte dem‘ Könige von Preußen be 
merklich: dag kein englifcher Miniſter in jener Sache 
befragt worben ſey); und er antwortete: ich glaube 
6, aber der Schaden für mich und die gemeinfame 
Sache bleibt derſelbe, und Sie. find ein Beuge ber 
Aufrichtigkeit gewefen, mit welcher ich handelte, 

Holderneß ſtimmte biefen Klagen über das Janıık 
verfhe Minifterium und über die Dummheit und 
ZTreulofigkeit feiner Geſchaͤfsfuͤhrung beit). Die erſte 


1) Zweites Schreiben vom 17ten September. ben 
ER. 

2), Schreiben vom 39tm September. Ebendaſ., Band b⸗ 
3) Schreiben vom 1Sten Oktober. Ebendaſelbſt, Wand 28. 

%) Mitohell papers Vol. 89. Schreiben vom 16ten 
September. 


157. Friedrichs Loge Roßbah 443 


Hilfe kam jedoch nicht aus England, fondern durch 
ben König ſelbſt. Sein Sieg bei Roßbach ( ten No: 
vember) übertraf alle Erwartungen, und rief felbft in 
vielen feiner Gegner ein Gefühl der Deutfchheit und 
des beusfchen Vaterlandes hervor, welches aller eins 
heimiſchen Stantstunft zu ſtetem Leitfterne dienen follte. 
Die innere Zerwuͤrfniß det Deutſchen ift unter allen 
Schattenfeiten des fiebenjährigen Krieges die dunkeiſte 
und wibermartigfie. 

Friedrich (ſagt Mitcheh) ’) ‚habe ſchon um dei 
willen die Franzoſen nicht weiter verfolgen koͤnnen, 
. weil dieſe alle Wagen und Pferde mitgenommen und 
das Land zu Grunde gerichtet hatten. F 

Entſcheidender jedoch als diefer Umſtand war es: 
daß Friedrich auf anderen Seiten von groͤberen Ge 
fahren bebrdngt ward, und der eine Sieg bei Roß⸗ 
bach nur über einen der vielem Feinde erfochten war. 
Dm 16@n Dftober brandſchatzte Haddick Berlin, den 
42m November eroberte Nadasdi Schweidnitz, und 
den 22ften fiegten Prinz Karl non Lothringen und 
Daun bei Breslau über Bevern. wi 

Deshalb pries Mitchell von Neuem Friedrichs 
Thaͤtigkeit, beklagte bitserlidy feime Lage und fchalt anf _ 





1) Bericht vom 16ten Rovember. Mitchell papers 
Vol. 4. 
2) Schreiben vom 28ften November. Ebendaſelbſt. 


Eu n2 Bierunddreißigſter Abſchnitt. 1957. 


England, deflen Kraft durch bie Umtriebe der Par 


teien völlig vernichtet fey. - 

Über die legten ſchreibt Holderneß am dten De: 
cember 1757’): Die beiden Hauptparteien biefed Lan: 
des beflehen aus ber Hofpartei unter dem Herzöge von 
Merocaftle, und der Oppofition unter Herrn Pitt und 
feinen Sreunden. Unterabtheilungen ber Hofpartei bil: 
ben die alten Whigs, Überbleibſel der Freunde Mobert 
Walpoles und perfönliche Anhänger des Derzoge. Die 


‚ DOppofition befteht aus den zu Leiceflechoufe gehörigen 


Perſonen, ben Üiberreften der alten Oppofition und den 
Tories. Diefe zweite Partei hatte beim Wolke ein 
fotches Übergewicht gewonnen und der Verwaltung ale 
Schuld der fchlechten Kriegführung dergeſtalt zur Lafl 
gelegt, daß der Herzog von Newcaſtle dem Strome 
nicht mehr widerſtehen konnte, fondern mit dem Lord 
Kanzler abbanten wollte. Ich war geneigt, biefem 
Beifpiele zu folgen; die mir entgegengeftellten Gründe 
waren aber fo gewichtig, daß ich fie berüuͤckſichtigen 
mußte. Ih fey der einzige, dem einige Geſchaͤfts⸗ 
tenntniß beimohne, ich follte als eine Art von Geiſel 
dienen, um Manfregein burchzufegen, die dem Koͤ⸗ 
nige am. Herzen lagen, ber Partei einen Zugang zum 
Parlament offen erhalten und die neuen Glieder in 
Baum halten, fo fern fie (im Vertrauen auf ih 


1) Mitchell papers Vol. 29, 


I Parteien in England. ° 445 


Beliebtheit) die Krone über Gebuͤhr zu ermjebrigen ' 
dachten. Es ward deshalb von meinen Sreunden bes 
fthloffen: ich moͤge im Amte bleiben, jedoch ohne mit 
den neum Machthabern in Verbindung zu treten, 
oder das enge Verhältniß zum Herzoge von Newcaſtle 
und ſeiner Partei aufzuloͤſen. 

So blieb ich und vertrug mich mit Pitt, eines 
Sinnes wenigſtens uͤber das Buͤndniß mit Preußen. 
Doch blieb eine bunte Verwaltung, ohne entſchiedene 
Mehrzahl im Parlament, und ohne Vertrauen bei 
_ Dofe. Deshalb begannen nochmals Unterhandlungen 
über die Bildung einer neuen Verwaltung. Der Herz 
308 von Newcaſtle wollte: fidy aber nicht mit Kor ver⸗ 
einigen, und konnte ſich Uber die Bedingungen: nicht 
mit Pitt verftändigen; weshalb zulegt. beſchloſſen wurde, 
For ſolle fih an die Spige der Verwaltung fellen. 
Aus mehren Gruͤnden trat ich aber nunmehr zurud, 
und Manche vermutheten, bie ganze Kraft des Vol⸗ 
kes werde fich jetzo wider fie vereinigen. Diefe Ben 
muthung mar gegründet; dennoch hielten fie des. fol 
genden Tages eine Berathung, und. einige warme 
Köpfe unter ihnen beſchloſſen einen Verſuch zu wagen 
und Sonnabends das Minifterium zu übernehmen. 
Ein. Zufall gab indeſſen . Gelegenheit, dem Könige 
Vorftellungen zu machen und ihm zu zeigen, wie fehr 
er fey mißleitet tworden. Unverzüglich. ward hierauf 
eine Botſchaft an den Herzog von Newcaſtle -gefandt, 


446 Vierandbreifigfter Ab ſchnitt. 1287. 


und Die gegenwärtige Verwaltung auf das Intereſſe 
der beiden Dauptführer gegruͤndet. Keiner kann 
segieren ohne ben Beiſtand des Anden; fo lange 
aber zwiſchen beiden Einigkeit berricht, werben bie 
Reichöangelegenheiten mit Kraft und Übereinſtimmmung 
geführt werben. 

Diefe Verſoͤhnung Newraſtles und Pitts Hatte fo 
tueffliche Folgen, daß Lord Barrington bald Darauf au 
Mitchell ſchreibt): Niemals fah ich unler Vaterland 
fo einig über feine Politik und ſo wohl zufrieben imit 
den Miniſtern. Weide, Parlament und Volt, find 
bereit ihren legten Heller für den Krieg in Deutide 
land Ginzugeben: fie vertrauen dort bem Könige von 
Preußen und hier der Regierung, Alles werbe gut 
perwandt werben. 

Sc mu eemuthigt, weiſet Holderneß den Ge 
fandten Mitchell über feine Miebergeichlagenbeit zu 
ehe’. Wie, wenn feine Briefe den Parlament: 


vorgelegt werben mehfeen, wo er (mit fich ſelbſt im 


Widerſpruch) fage: Niches könne den König von Preu⸗ 
Gen retten, und dann wiederum verlange, daß Eng 
fand- für biefen boppelte — — ans Selle? 


1) Sähreiden vom 11ten December 1757. Mitchell 


' papers Vol. 81, 


2) Schreiben vom Ziften December. Mitchell papers 
Vel. 29. 


1387, Berhäitniffe in Eagtand. Hr 


Die Regierung eines Dolls (fährt Holderneß fort) - 


kann nicht nad Aufwallungen foldyer Art geführt wer⸗ 
ven. Jetzt haben wir. eine Verwaltung und einem 
Plan. MDisfer Plan wird befolgt und aufrecht erhal 
ten werden, nicht aber verändert nach Maaßgabe klei⸗ 
ner Zufaͤle zum Vortheil oder Nachtheil des ange: 


nommesen Syſtems. Der Vorſchlag, jegt englifche 


Manuſchaft nah dem Feſtlande zu ſchicken, mürbe 
unpopulair ſeyn und die Verwaltung auflöfen. Eng 
land -Anfivngungen, welche Sie Nichts nem, 
find in Wahrheit unermeßlich. Wir übernehmen bie 


Unterhaltung des koͤniglich⸗ kurfuͤrſtlichen Heeres von- 


49— 50000 Dann, wir. wollen dem Könige. von 
Preußen ein Huͤlfsgeld bis vier Millionen Kconen 
auszahlen, wir betreiben einen Bund mit Dänemark, 
und wenn Geld die Ruffen in Ruhe erhalten und 
De Turken in Bewegung ſetzen En fo fol es nicht 
geipaxt werden. 


Gewiß brachten dieſe wichtigen ——— in | 
England auch Friedrich II Vortheil; doch ſteigerten 


ſich mit den britiſchen Anſtrengungen auch ebenfalls 
die brichfchen Forderungen, weshalb der Koͤnig eined Tages 
zu Mitchell ſagte: ich will mir, da ich Koͤnigen Bieles 
abſchlug, von Herrn Pitt Nithtꝛ vorſchteiben laſſen). 


1) Schreiben vom Gten Januar 1758. Mitchell pa- 
pers Vol. 64. 





48 Vierundbreigigfter Abfchnitt. 1387. 


— Eben fo wenig Eonnte Friedrich es dahin bringen, 
daß, feinem natürlihen Wunfche gemäß, eine engliſche 
Flotte in die Oftfee fegeln und. durch ernſtliche Maaß⸗ 
regeln die von Rußland her drohende Gefahr ab: 
wenbe '). Ä ZZ 
Entfcheidenber als dies Alles war Friedrichs gro: 
Ser Sieg bei Leuthen (dem 5ten December); denn 
wenn er auch zunaͤchſt nur den Befig Schlefiens wie 
ber verfchaffte, hob er doch den Kriegeruhm bes Kl 
nigs auf bie hoͤchſte Spige, und begruͤndete die Über 
zeugung, heibenmüthige Ausdauer trage beffere Früchte, 
als feiges Nachgeben. 
Den .25ften December fchreibt Mitchell?) : da ber 
König in dieſem Kriege an Feine Eroberungen denkt, 
Eönnten andere Gründe ihn wohl bewegen, mitten im 
Gluͤck an feine Sicherheit zu denken... Er muß füh: 
len, baß er durch den letzten Sieg den Gipfel bei 
Kriegeruhme erreicht hat und neue Stege denfelben 
nicht erhöhen, eine Niederlage den König aber vernich⸗ 
: ten Bann. Deshalb muß England eingreifen und thaͤ 
tig feyn. Bedenken Sie, Mylorb, den unglüuͤcklichen 
Zuſtand Europas. Die beiten Hauptmaͤchte Deutſch⸗ 
dands haben ſich wechfelfeitig faſt zu Grunde gerichtet, 
während Frankreich mit heimlicher Freude zuficht, dem 


1) Mitchell papers Vol. 12. 
2) Mitchell papers Vol. 4, 





1758, Schlacht bei Leuthen. - 849 


Einen fcheinbar beiſteht, und den Anbern vielleicht 
aufrelzt, um das Werderben beider zu befchleunigen. 
Wenn ich dieß betrachte, wird mein Gemüth mit den 
traurigſten Beſorgniſſen angefüllt, und ich bin über 
zeugt: die Verwuͤſtung Deutſchlands ift nur ein 
Punkt des franzöfifchen Syftems. Wäre ed nur mög: 
lich, Preußen und Öfterreich auszuföhnen und wider 
Frankreich zu richten! So unfinnig und unmöglich 
dieſer Plan auch feheinen mag, billigte ibn doch 
Friedrich II in einem. Sefprädhe vor der 
Prager Schlacht, und noch jegt glaube ich, würde 
man bei ihm. mehr. SR finden, al& bei 
Maria Therefia. 

Den i1ten Januar 1758 fihet Mitchell fort: 
Ich hatte in Breslau eine Audienz beim Koͤnige. 
Ich fand ihm vergnuͤgt und glüdtich, aber nicht ſtolz 
(elated), über den großen und faft unglaublichen Er: 
folg feiner Waffen. Er fpriht von dem Siege bei 
Leuthen und deſſen Folgen mit der Befcheidenheit, 
welche einem Helden gebührt, deſſen größer Sinn 
nihe durch das Lächeln oder die finftern Blicke des 
Gluͤcks überwältigt wird. 

Die Schlachtorönung bei Leuthen ruͤhrte allein 
vom Könige ber, umd feine Befehle wurden pünktlich 
befolgt. Einige Dfficiere von der größten Erfahrung 
fagen mir: es war unmöglich etwas Beſſeres anzu: 
geben, Die Soldaten gingen dem Zeinde mit einer 


450 Fünfundbreißigfter Abſchnitt. 1352: 


Haltung entgegen, ale wäre es eime bloße Her 
ſchau. 

Der König tft ſehr zufrieden mit dem Benehmen 
feiner Generate Lehwald und Holfkein in der Krieg⸗ 
. führung wider die Schweden. In Stockholm be 
ginnt das Volk zu murren, dee Parteigeift zafer, de 
Faktionen reißen füh in Stüden, und da ber Kg 
ohne Beiftimmung der Stände unternommen. wad 
und leicht unglüdtic ausfallen Tönnte, fo wuͤrden | 
alle Vorwuͤrfe diejenigen treffen, welche biefe Masf 
regel anempfahlen. 


Fuͤnfunddreißigſter Abſchnitt. 


Am Schluſſe des Jahres 1757 hatte Friedtich 
duch Thaͤtigkeit und Heldenmuth feine, faſt verzwei⸗ 
fetten Angelegenheiten dergeſtalt wieder hergeſtellt, dei 
er allen Feinden im naͤchſten Feldzuge ſiegreich wider 
ſtehen konnte, — ſobald es gelang, fernerhin die 
Ruſſen zuruͤckzuhalten. Dieſe lang gehegte Heffnung 
verſchwand aber gänzlich. Weder ber abgerufene un 
"oft geräufchte englifche Geſandte, noch fein Nachfoiger 
Keith, waren im Stande ihe Biel zu erreichen : dem 
von unbefangener Überlegung war nie bie Rede, und 


1787. Rubiand, Katharina. 451 


werin ſchlechte Diittel (etwa Beſtechung) die Dinge 
ins Gleichgewicht gebracht hatten, entſchied Tue . 
blinde: Leidenfchaft wider Preußen. 

Beim Abſchiede von Metershurg erhielt Williams 
ben 19m Auguſt 1757 zwei eigenbändige Briefe vom 
Peter und Katharina. Der erfte Inutet’): je ne deute 
peint de voise. atiachement a mes interäts. Ils 
sont Hés A.cenx du Rei d’Angleterre de plus d’um 
ceie. J’espere que lennemi commun des _— 
royanmes s'en ressenlira um jour. 

Katharina ſchreibt: J’ai pris la resolution de 
vous €crire, me pouvant vous veir pour vous faire 
mes. adieux. Les regreis les plus sinceres ac- 
compagnent celui que je regarde comme un de 
mes meilleurs amis, et dont la .conduite w’est at- . 
tirde toute mon éstime et mon amitie. Je n'ou- 
blierai jamais les ohligations que je vons ai. Pour 
vous recgmpenser d’une maniere conforme à ia 
noblesse de vos semiimens, vaici ce que je ferai. 
Je saisirai (saisires) toutes. les octasions imagi- 
nables ‚pour ramener ia Russie à ee que je re- 
connais pour son vrai interet; qui est d’etre id 
inlim&ment a l’Angleterre, de dommer à celle-ei 
partout le. secours humain, et l’ascendant qu’nlis 
doit avoir pour le bien de toute l’Europe et plus 
— — — 


1) Mitchell papeca, Vol. 61 


458 Fuͤnfunddreißigſter Abſchnitt. 2572. 


en partieulier pour celui .de.ia Russie sur \ear 
ennemi commun la France, dost la grandeur est 
la honte de la Russie. Je m’etudierai à mettre 
en usage ces sentimens, j’en batirai (battiral) ma 
gloire, et en prouverai (prouveres) la- solidite au 
roy votre maitre ete. — Soyes persunde quune 
des choses au monde que je souhaite le plus, 
est. de vons ramener ici en triomphe. J’espere 
qu’un jour le Roi votre maitre ne me refusera 
pas la grace que. je kui demanderai de voms re- 
voir. Il ne lui.en reviendra: que du proßt. 

Bei diefer unverhohlenen Gefinnung ber Thron 
folgee war es ſehr natuͤrlich, daß Aprarin zuruͤckging 
als ev vernahm, die Kaiſerinn ſey krank, und daß 
man umgekehrt ” abfegte, als ſie wieder geſund 
warb'). . 

lider die —— Verhaͤltniſſe des petersbutger 
Hofes giebt ein umſtaͤndlicher Brief des hollaͤndiſchen 
Abgeordneten de Swart Auskunft, aus welchem ich 
Folgendes aushebe?). Im Anfange des vergaugenm 
Winters warb Iwan IH nad Schluͤſſelburg, und 
dann nach Peteröburg in ein. ehrbares Haus gebracht, 
welches der Witwe eines Schreiberö bei der geheimen 
Polizei (Inquisition .secrete) gehört... Man beach 


1) Rußland, Band 67. — 
. 2) Som 16ten Oktober 1757, "Mitchell papers Vol. 12. 


1798. Rußlands innere Verbältniffe. 453 


ihn genau. Die Kaiferinn ließ ibn zu fi nad) dem 
Winterpatafte bringen und fah ihn. Sie war als - 
Mann ‚verkleidet. Man. zweifelt: ob der Großfürft 
‘und die Großfuͤrſtinn den Thron befleigen werden, 
oder Swan, oder ob Schumalof (dev alle Gewalt und 
ungeheure Schäge an ſich gebracht hat) für fich ſelbſt 
wirkt. 

Die Aufloͤſung, Unordnung und Willkir in Ruß: 
land ift furchtbar. Die Kaiferinn hört und fiehe 
niemand als die Schumalofs, fie unterrichtet ſich über 
nichts, fährt fort in ihrer alten Lebensweiſe, und hat 
buchſtaͤblich das Reich der Plünderung eines: jeden 
preisgegeben. Niemals war Rußland in einem vers 
wirrteren, gefährlicheren, beiammernewertheren Zuſtande. 
Es iſt nicht der geringſte Schatten mehr uͤbrig von 
Treue, Ehre, Vertrauen, Scham oder Billigkeit: man 
ſieht nichts als unbeſchreibliche Eitelkeit und Ver⸗ 
ſchwendung, welche zum Untergange führen. Die ak 
ten Familien und daB gemeine Volk find aufs Grau: 
famfte unterdrädt durch alle diefe, aus dem Nichte 
emporgehobenen Leute. Die Kinder der angelehenften 
Häufer werden gezwungen, Perfonen der niebeigiten 
Herkunft zu heirathen, welche gerade in Gunft ſte⸗ 
ben. Die Kaiferinn kennt die Umtriebe und Liebes: 
gefhichten Katharinas und Poniatowskis. Sie hegt 
gegen dieſe und den Großfürften eine unbegränzte Ver: 
achtung (souverain mepris) u. f. w. 


256 FJuͤnfunddreißigſter Abfchnitt. 1758. 


Us nun bie Ruffen fi), ungeachtet diefer elen⸗ 


den Werhältniffe, wieder in Bewegung. fegten, klagt 
Friedrich II von. Neuem, daß England keine Flott 
nah ber Oſtſee geſandt, ober in Petersburg Eruſt 
gezeigt, und hiedurch die Gefahr abgewandt habe‘). 
As ih (ſprach er) einen Vertrag mit dem Könige 
von England abſchloß, glaubte ich, daß fein Einfluf 
in Petersburg der flärhere fey, fo wie man ihn aud 
befier Hätte erhalten und befefligen koͤnnen. 

Der Forderung des Königs: man folle engliſche 
Mannſchaft nah Deutſchland ſchicken, entgegnete Bir 
Hell: man koͤnne nicht mehr Soldaten ausheben, ohne 
die Fabriken zu Grumde zu richten. Hierauf bemerkte 
ber König lachend: es fey eine fonderbare Betrad⸗ 
tungsweife, Handel und Manufaltusen ber Unabhaͤn⸗ 


gigkeit und Sicherheit voranzuftellen. Es fdyeine, als 


wären wie nicht feharffichtig genug einzuſehen, welche 
Gefahr auch England ausgefegt fey, wenn die Dinge 
auf dem Feſtlande fchlecht gingen. Wieviel habe Eng 
land in den Jahren 1702. und 1740 gethan; er 
‚ allein koͤnne der vereinten Macht Europas nicht we 
derſtehen. Die Korberung Ihres Miniſteriums (fuhe 
er fort), daß ih Mannſchaft nad Hannover ſenden 
fol, während die Ruſſen gegen mich anräden, if 


1) Bericht vom Iten Zebruar 1758. Mitchell papers 
Vol. 4. 





1388. Friedrich u. England Rußland, Beftucpefs Kal. 255 


ungerecht und thöricht. Lieber will ich gar keine 
Huͤlfsgelder haben. Überhaupt bin ich entichloffen, 
diefelben nur in der Außerfien Noth anzunehmen. 
Meine Lage iſt jegt beſſer als fie war, und ich wuͤrde 
gluͤcklich ſeyn, wenn ich fie ohne jene Hülfe ganz her _ 
ftellen koͤnnte. Dennoch bleiben meine Verpflichtungen 
gegen den König vom England, und ih will ihm 
jeden Belftand .leiften, der in meinen Kräften ficht. 
Diefer edie und großmuͤthige Entſchluß (fährt Mit⸗ 
hell fort), welchem in der ganzen Gefchichte der Sub⸗ 
ſidien nichts aͤhnlich it, wird bis zum Romanhaften 
echöbt, mean man bedenkt, welche Ausfälle an den 
Staatseinnahmen ftattfinden, und daß alle: Civilaus⸗ 
gaben eine Zeitlang zu Berlin in Papier ausgezahlt 
wurden. In keinem Falle will der König durch eis 
nen. Vertrag mit England etwas verfprehen, was er 
vielleicht nicht im Stande wäre zu erfüllen; er will 
vor Allem den freien und unconteolirten Gebraudy 
ſeines Heeres behalten. j 
In Bezug auf die Ruffen glaubte Sriedrich noch 
immer, es werde mit ders Hauptmittel (prevailing. 
argament), mit Gelde, wohl etwas durchzuſetzen, und 
befonders Beſtuch ef's Thaͤtigkeit zu ermeuen fepn'). 
Allein den 2bften Sebruar ward —— nebſt Frau, 





1) Keithe Bericht vom 27ften Januar 1758. Rußland, 
Band 68. 


456 Zünfundbreißigfter Abfhnitt. 178. 


Sohn und Schreiber verhaftet, und feine Papiere 
wurden verfiegelt *)., Der erfle Grund lag im dm 
Kriegeverhältniffen, dee zweite darin, daß Beſtuchef 
ein Freund Peters war, welchen die andere Partei 
damals vom Throne auszufchließen winfchte. 

Mähere Auskunft über dies wichtige Ereigniß giebt 
Keithe Bericht vom 14ten Mir?) Es heißt dw 
ſelbſt: der naͤchſte Vorwand für Beſtuchefs Verhaftung 
war, daß er ſich in eine Intrigue mit Katharina ein: 
gelaffen hatte, wofür man Beweiſe in Aprarins Pa 


pieren fand. Üftechagy und Hospital (der oͤſterreichi⸗ 


ſche und franzöfifche Gefanbte) geben dem Hofe und 
der Stadt Gelege. Sie. haben gleichertweife den Groß 
fürften Peter ganz in ihre Hände befommen und von 
feiner Gemahlinn entfremdet, welche großen Einfluf 
auf ihn ausübe. Mean glaubt, daß ein gerifle 
Broddorf das Werkzeug biefer Veränderung gewefen 
iſt, welcher fih beim Großfürften einfchmeichelte, in: 
dem er ihn zu allen Arten von Ausfchweifungen er 
munterte. Die Großfürftinn bat fich hierüber vor 
einiger Zeit bei der Kaiferinn beklagt; man bat aber 
unglüdtlicherweife auf dieſe Beſchwerden keine Ruͤch 
fit genommen. Katharinens Feinde haben Gorge 
‚getzagen, der Kaiferinn durch falfche Einflüfterungen 


1) Bericht vom 8ten März. Mitchell papers Vol. 24. 
. 2) Rußland, Band 68 und Mitchell papers Vol. 22 


155. Rußland, Katharina, Peter. 457 


üble Eindrüde von. ihr beizubringen, fo daß fie jegt 
nichts weniger ald gut mit dem Hofe ſteht. 

Als die Nachricht: in. Petersburg anfangte (ſchreibt 
Keith den ZOſten Maͤrz)) dab ich. in Warfchau ein: 
‚gettoffen ſey, ging der fennzäfifche Gefandte zu bem 
Vicekanzler Woronzow und ſtellte ihm vor, es fen 
durchaus nothwendig, daß: er und feine Freunde un: 
verzuͤglich den Iegten: Angriff auf Beſtuchef machen 
müßten. Wolle Woronzow hiezu nicht die Hand 
bieten, fo werde er fogleich zu Beſtuchef gehn, ihm 
alles zeither Gethane entdecken und fih mit ihm zum 
Sturze Woronzows vereinigen. Eingefchüchtert ging 
biefer auf jenen. Plan xin, und der franzöfifche Ge⸗ 
fandte wußte ber Kaiferinn.:großen: Verdacht wider 
Beſtuchef einzuflößen. . Diefer: (fo ſagt man). trägt 
fein Ungläd mit Much und fordert feine Feinde her⸗ 
aus, irgend etwas. Exhebliches. wider ihn zu erweifen, 

Mit Katharina. (Bericht. vom 18ten April) ſteht 
noch nicht Alles gut?). Doch erzählt man, der 
Guͤnſtling Schumalof habe: fie verfichern laffen: Die 
Kaiſerinn werbe fie. bald fehen, und wenn ihre Ho: 
beit eine Kleine Entfepulbigung: (submission) machen 
wollten, wuͤrde Alles: nach ihrem Wunfche ausfallen.- 
Die Großfuͤrſtinn (Bericht vom 28ften April) iſt 


2) Eenteſant 
IL 20 


458 Bunfunddreißigſter Abſchnitt. AB. 


die Zeit der in der uͤbelſten Lage geweſen. Sie fand 
ſchlecht mit der Kaiſerinn, ud noch übeler zeit ihren 
Gemahle. Wer Kurzem erlitt fie uͤberdies bie em⸗ 
pfindiiche Kraͤnkung, daß man ihre liebſte Kammer: 
frau von ihr wegnahm amd einſperrte. Wie ich hoͤcc, 
gab dies vor vier Tagen Beranlaffung zu einer Zu: 
-fammentunft der Kaiſerinn und Geoffinftiiem, wo nah 
einigen ſcharfen Ausdruͤcen von jener, und einer war⸗ 
men Vertheidigung von dieſer Seite, die Großfirſtinn 
der Kaiſerinn zu Füßen fiel und fagte: ich bin fo 
ungluͤcklich geweſen, Fur Majeſtaͤt Mißfallen unſchal⸗ 
digerweiſe auf mich zu laden. Hiedurch ſind ſo viek 
und empfindliche Kraͤnkungen uͤber mich eingebrochen, 
und fo viel Familienſtreit hat ſich hinzugefellt, daß 
mir das Leben eine Lo iſt. Deshalb bitte ich wm 
um. bie eine Ganft: Daß Euer Majeſtaͤt mir erlauben, 
Nußland zu verlaffen und den überreſt meines Leben 
mit meiner Mutter zuzubringen. Zugleich verfichen 
ich: wenn Euer Majeflät es für das Wohl dus Re 
ches ſollten angemeflen finden, daß der Großfürft ein 
- andere Fran heicathe, fo werde weber ich, moch wird 
: weine Familie den geringfien Einwand machen. — 
Die Kaiſerinn (erzählt man) war Über diefe Rede fehr 
bewegt, ſprach jegt mit viel, guößerer Milde als zu: 
vor, und ging mit mehr Theilnahme auf manches 
Einzelne ein, als ſeit langer Bei: Als die Groffuͤr 


U ſtinn jetzt einige Dinge in Bezug auf ihres Gemahle 


1788. England und Preußen 459 


Unfreundlichkeit (unkindness) berührte, welcher die 
ganze Zeit hindurch gegenwärtig war, machte ihr die 
Kaiſerinn ein Zeichen zu fehweigen, und fagte leiſe: 
fie muͤſſe mit ihr allein und bald ein Gefpräch ha⸗ 
ben. — Man hofft, daß zwifchen beiden bald eine 
Ausföhnung zu Stande komme, da Katharina viele 
Freunde erſten Ranges bat. 

Sie hatte ſich eine Zeitlang ganz zuruͤckgezogen, 
erſchien aber nad) Gliſabeths Wuͤnſchen voisber öffent: 
lich, wie es heißt, auf erhaltene guͤnſtige Verſprechun⸗ 
gen’). Der franzoͤſiſche Geſaudte ſuchte ſich anf alle 
Weiſe in dieſe Dinge miſchen; aber —— wies 
ihn immerbar zuruͤck. 

Ich Höre (ſchreibt Keith den 14ten Julius) ®) der 
Sroffärft und feine, Gemahllun find volftändig aus 
gelöhnt, auf Koften des franzoͤfiſchen Geſandten, deſſen 
übte Dienſte zwiſchen beiden — an das Tages⸗ 
licht kamen. 

Leider entBand fuͤr Friedrich II aus all dieſen 
Zaͤnkereien und Ausſoͤhnungen gar kein Gewinn. 
Schumalof erzählte zwar an Keith’): die Kalferinn 
babe einen Abſchen vor dem Blutvergießen; auf deffen 
— Antwort: nichts fey alsdann leichter, als 





1) Bericht vom 2öften Mai. Mußland, Band 68. 

2), Ehendafelbft, auch der Bericht vom 12ten December. 
3) Bericht vom 12ten Mai. Ebendaſelbſt. 
20* 


'460 Schsundbreißigfter Abfchnitt. 1768. 


nach den Wuͤnſchen des Könige von Preußen Frieden 
zu fchließen, geſchahen aber Keine weiteren Schritte 


Schöunddreißigfter Abſchnitt. 


Die Thätigkeit Englands war, feit der Einigum 
der Parteien, allerbings weit größer denn zuvor; fie 
richtete fich indeſſen weſentlich gegen Frankreich, und 
dem Könige von Preußen kam davon kaum mittelbar 
etwas zu Gute. Deshalb ſchrieb der Marſchall Keith 
den 10ten Februar 1758 an Mitchell“): Wenn die 
Engländer zu Ehren Friedrichs an feinem Geburtstage 
zehn Bouteillen Bier getrunken haben, fo glauben 
fie, es fen Alles gefchehen, was die Ehre für eine 
ſolchen Verbündeten zu thun verlange. Sie waͤnſchen 
lieber mit ihrem Beutel, als mit ihrer Haut zu zb 
In. Was für eine verächtlie (shamefull) Meimmg 
muß die Welt von ihnen haben; auch find ihre K | 
pfe nicht beſſer ald ihre Derzen. Zehntaufend Mam 
bätten in diefem Jahre vielleicht gerettet, was de 
ganzen Macht Großbritanniens im nächften unmög 
ih faͤllt. Denn wenn Preußen erft zu Grunde ge 


1) Mitchell papers Vel. 33. 





1258. Mitchells Abberufung. Schlacht bei Zorndorf. 461 


richtet iſt, wird die, Reihe bald: auch an England 
fommen.. , Geben die Dinge befler als ‘ich erwarte, 
fo werben wir die Engländer gerettet Ban) nicht 
fie une... : Zr 

Im. Maͤrz 1758 a Mitchell — blicb 
jedoch nach berichtigten Beſchluͤſſen. Keith ſchreibt 
daruͤber“): die engliſchen Miniſter find: toll (mad) Sie 
abzurufen. Jene fuͤrchten jemand, der mit Eifer und 
Aufrichtigkeit handelt, und gebrauchen lieber Leute, 
welche: ihrer. Unthaͤtigkeit ſchmeicheln und ihre. Gunſt 
höher achten als bie Wohlfahrt Preußens. Armes 
Englandı Was kann id; von einer Verwaltung er: 
warten, bie teinen rechtlichen: Mann 'anzuftellen wagt, 
ans Furcht, daß die Verſchiedenheiten zwiſchen J 
und ihm an den Tag kommen. 

Als Friedrich II die Nachricht erhielt, daß Mit⸗ 
chell in, Folge feiner Berichte abgerufen ſey, fagte er 
hm): Savez’ Vous, mon ami, que vous ôtes rap- 
pelloꝛ Je crois que votre ME ‚est de- . 
venn fon! 

Die Forderung, Mannfchaft nad) Sieberfachfen 
zu ſchicken, mußte der König nochmals, und mit 
Recht, ablehnen. Er fagte — ſollte ich ſo gluͤcklich 





1):Den WOften März, benbofeis Ä 
2) Im April. Mitchell papers Vol, a p. 12. 
3) Den Alten April. Ebendaſelvſt. : 


488 Sehsundpreifigker Kofänite. 1988, 
fen, die Öftervecher zu ſchlagen, fo ſchließen fie vll 
leicht einen befonberen Frieden, In dieſem Kalle babe 
er nichts dagegen, ſich angriffeweiſe wider Frankreich 


zu wenden: et qu'il serait heureux avant de meu- 


sir, de. pouvoir porter le Aambenu à Paris! 

Diefe Neigung konnte hervorgehen aus Liebe zum 
Ruhme und zu Deutſchland; ſowie aus Zorn übe 
die Willkuͤr der Franzoſen. Gagten fie doch aber 
‚ wisig'): bie Eimwohne von Halberſtadt haben ſich 
des Hochverraths ſchuldig gemacht, weil fie preußliche 
Mannihaft in ihre Stadt aufnahmen! 

Gleichzeitig ſtiegen die Befahren von den Ruſſen 
ber. Sie eroberten Preußen, und durchzogen, ohne 
alle Rüdficht auf Gegenvorſtellungen, das Gediet de 
Republik Polen?). Deshasb fingen die Üfberveider 
(argwöhnifc ober eigennhgig) vor: das ruſſtſche Her 
ſolle Preußen nur im Namen der Marla There 
befegen ?); denn dies erleichtese ihnen bie Sache, fer 
feen ja von Rußland nur eine Hälfsielftung erwartet 
werde, Eliſabeth anttwortete aber: fie betrachte ſich, 
nach den Erklärungen Friedrichs, als eine Haupttheil⸗ 
nehmerinn des Krieges. 
| Erſt ber ſchwer I Sieg sei —— 


1) Bericht vom Leſten Jannar. Mitchell papers Vol. 
2) Mitchell papers Vol. 24. Bericht vom Löten April. 
8) 17ten April. Ebenbaſelbſt. 











188. Sqchlacht bei Zorndorf. 463 


(ten Bſten Auguſt 1758) draͤmgte bie Kuffen zum. . 
chf, Mitchell laͤßt in feinem Berichte‘) der Tapferkeit 


ver Ruſſen Gerechtigkeia widerfahren, Bagt daß der 
linke preußiſche Fluͤgel nicht genug gethan, und die 
Grauſamkeit der Koſaken und Kalmyken die Soldaten 
veranlaßt habe ſelten Quartier zu geben. Der König 
(fährt er fort) ſetzte ſich den größten Gefahren aus, 
wovon ich zum Theil Zeuge mar, und man. berichtet 


mie, daß er, als bes Fußoeik anfing zu weichen, . 


ſelbſt eine Fahne in feine Hand nahm und daſſelbe 
anfuͤhrte. 

Nach dieſem ſchweren Siege und ale die ſter⸗ 
reicher bereits in der Laufis ſtanden, mußte Mitchell, 
feiner Anmeifung gemäß, die unausführbaren Forde⸗ 
tungen über Abfendung einer Deeresabtheilung nad) 
Niederfachfen wiederholen. Mit Recht ward ber Koͤ⸗ 
nig hieruͤber ungeduldig und ſtellte ſeine Lage ſo uͤber⸗ 
zeugend dar, daß Mitchell ſchwieg. Doch ſchrieb Fried⸗ 
rich dem. Prinzen Ferdinand von Braunſchweig?): 
er wolle ihm die Reiterei laſſen, ſofern eine Schlacht 
bevorſtehe, er ſolle ſie aher ſenden, ſofern der Feldzug 
blos unter Maͤrſchen und Lagerungen verfließe. 

In Mitcells Berichten’) finden fi nur zu viele 





1) Bericht vom 26ften Auguſt. Mitchell papers Vol. 4. 
2) Bericht vom 6ten Oktober. Ebenbafelbft. 
3) Mitchell papers Vol. 4. 





464 Sechsunddreißigſter Abſchnitt. 1758 


Zeugniſſe über die Grauſamkeit der Ruſſen, Verwuͤ⸗ 
ſten des Landes, Verbrennen der Dörfer u. ſ. w. 
Die Öfterreicher (heißt es an einer anderen. Stelle) 
find zwar nicht fo arg, wie die Muffen, doch find die 
Sachſen ſehr unzufrieden : mit ihnen. “Einige ihrer 
Generate haben die Bauern in. der Laufitz fehe hart 
behandelt '), und nicht begnügt fie auszupluͤndern, 
Ihnen unverſchaͤmterweiſe vorgeworfen, fie wären Keger. 
Dies hat einen außerordentlihen Eindruck auf das 
niedere Voll gemacht, welches überhaupt mehr preus 
ßiſch, denn Öfterreichifch. gefinnt ift. 

- Sehr gern hätte Friedrich II Frieden geſchloſſen; 
doch hegte er wol die Meinung, es fey- unkfug ihn 
deingend. zu fuchen umd dadurch unter feinen: Feinden 
den Verdacht: der DVerzagtheit zu erzeugen. Deshalb 
antwortete er feiner Schweftee, der Markgräfinn von . 
Baireuth auf einen Brief politiſchen Inhalts?): J’ap- 
plaudis fort à vos bonnes intentions, -mais je dois 
vous dire que je-suis comme une carpe. Si les 
Francais, Autrichiens et Russes ont quelque chose 
A dire, ils n’ont qu’& parler, mais pour moi je 
. me borne ä les battre et a-me-faire. : Veuille le 
ciel que j’apprenne de bonnes nouvelles de. ma 


\ 1) Bericht vom 17ten Geptember. Ebendaſelbſt 
2) Brief vom 2aſten Auguſt. Ebendaſelbſt. 


1758. Ruſſen, Öfterreicher, Friedrichs Klagen. 465 
soeur. Cela- minteresse plus “que toutes les’ ne- 
gociations de I’nnivers. — Gleichen Muthes äußerte 
Pitt: kommt es zu Unterhandlungen, ſo foll wenig: 
ſtens kein Utrechter Friede zum zweiten Male. Be 
Sahrbücher Englands befleden ). RIESE 
Dennoch Eonnte ber feſte Mille dee Königs, ſich 
keinen unwuͤrdigen Bedingungen zu unterwerfen, ben 
Frohſinn und die heitere Kühnheit der Jugend nicht 
wieder hervortreiben. Der Ruhm,' dem leidenſchaft⸗ 
lich und thöricht "wider ihn verbundenen: Europa zu 
widerſtehen, ‚hatte auch feine bitteren Schmerzen; wie 
des Könige Briefe‘ an b’Argens°) auf rührende Weiſe 
darlegen. So. fchreibt er: Enfin, 'mon ‘cher Marquis, 
je suis vieux, triste et chagrin.’ Quelques lueurs 
de mon ancıienne bonne humeur reviennent de tems 
en tems; mois. ce sont ‘des 6tincelles’ qui’ s’eva- 
nonissent, faute d’un brasier'qui les nonrrisse ;: ee 
sont des eclairs qui percenf ‘des nuages orageux 
et sombres. Je vous’ parle vrai; si vous me voyiez, 
vous ne reconnaitriez plus les traces de ce que:je 
fus autrefois, Vons verriez un‘ vieillard 'grison- 


1) Pitt an Mitchell, den 12ten Sunius 1759, Mitchell 

papers Vol. 30 
2) Briefe von 1759 und 1760, ‚Oeuvres posthumes X, 
<00, 204, 210, 213, enge er 
« . 0 x* 


466 Gehsunnpreifigker Abfiänitt. 170 


nant, priv6 de la maitie de ses dents, sans gaiet; 

sans fen, sans imnginatien. - Depuis quatre ass 
je fais mon purgateire; s'il y a une autre vie, il 
faudra que le pere éternel me tienne compte de 
ce que j'ai souffert dans celle-ci. — Je vous sou- 
haite tout ce qui me manque pour être keureux: 
tranquillite, repos, cententement et sanfte. Je ws 
plus rien. Mon temperament suse, la fortune, is 
sante, la gaiet6 et la jeunesse m’abandennent; je 
ne suis plus bon que pour peupler le pays de 
Proserpine. — Ah que l’6cole de ladversit6 rend 
dage, modere, endurant et doux! C’est ume ter- 
rible &epreure; mais qunnd on l'a surmontee, elle 
est utile pour le reste de la vie. 

Der König konnte im Jahre 1759 faſt nur ver 
theidigungsweiſe verfahren '), und die Miederlage bei 
Kunersdorf beachte ihn dem völligen Umdergamg nahe. 
Es fey erlaubt die bürftigeen Geſandtſchaftobericht 
im ihrer Zerſtreutheit, ohne innere Verbindung neben 
einander gu ſtellen. 

Der König hat diefen Feldzug nach eines Ben 
theidigungsplam begonnen. Bei Ausführung defjefben 


1) In Bezug auf die Zuchtlofigkeiten der Ruffen, Magtt 

bee König über die brigands d’Astracan et de Cam- 
chapka. Gigenhändige Zeilen an Mitchell, den 15ten Ro: 
vember 1760. Mitchell papers Vol. 40. 


rt 











» 


1150. Zelbzug von 1759. Öfterreicher, Kuſſen. 467 


zeigt er fich alten feinen Feinden eben fo uͤberlegen), 
wie er es anerfannterweife im Angriffskriege iſt. — 
An der Spitze eines mehr als doppelt ſo ſtarken 
Heeres hat Daun Nichts gethan: feine Magazine 
wurben zerflört, feine Plane vereitelt u. f. w. 
Die. zehn Freibataillone, welche. der König anwarh, - 
beſtehen freitich aus dem Miffeaff deutfcher und fran⸗ 
söffcher Ausceißer ?); aber fie haben beim Deden ber 
Hügel, fowie des Müdens der Heere teeffliche Dienfle 
geleiſtet. Da ihr Dienf Hart ift, nehmen fie es 
freifich nicht fehr genau mit ber Kriegszucht. | 
Ich bim gut unterrichtet daß die ruſſiſchen Gene 
rale duch das Benehmen. ber Öfterreicher hoͤchlich 
beleldigt find. Auch braucht man nur einen Blick 
auf die Karte zu werfen’), um fich von dee Thor: 
heit (absurdity), ja faft hätte ich gefagt ber Berräthe: 
wi Dauns zu überzeugen, ber mit einem zahlceichen, 
trefflich ausgeſtatteten Deere, dem Felbzuge von ben 
Hügeln ber Laufig zugefehen Hat. Zulett, nachdem 
er diefe Landſchaft ganz zu Grunde geriitet, hat er 
geduldet daß Prinz. Heinrich in das Herz von Bach: 
fen eindrang und den Kriegsſchauplatz dahin verlegte, 


1) Berichte vom 2Sften u. Aſten Iunins 1759. Mit- 
chell pap. Vol. 4. 
2) Aten Mat, Ebendaſelbſt. 
8) Den 18ten Oktober. Gbenbafetbft, Band 5. 


4 


468 Sechsunddreißigſter Abfchnitt.. MM 


Hieraus ergiebt fih klaͤrlichſt daß. der wiener Hof nur 
an fi) denkt, und feinen Verbündeten die Ehre um 
den Ruhm: überläßt,. für ihn zu fliegen, ober ſich 
für ihn zu: Grunde zu richten. - 

Der König wünfcht. Seleden .mit. Nußland zu 
ſchließen. Er meint, man muͤſſe zuerſt dee ruſſiſchen 
Eitelkeit ſchmeicheln und von ihren Erfolgen fprechen'), 
naͤchſtdem Eiferfuche : zwiſchen ihnen. und ihren Ber 
bündeten :erregen, und überall bie Anwendung von 
Geldmitteln nicht verſaͤumen. Er bat zu a. 
Zwecke 150000 Thaler angewieſen ). 
Die Ruſſen find des Krieges uͤberdruͤffig, * in 
Mißverſtaͤnbniſſen zu Sſterreich. Im. Sunem des 
Hofes iſt großer Zank zwiſchen dem alten Guͤnſtling 
Raſumowsky ;und: bem: neuen. Guͤnſtling Schuwalof). 
Der Großfuͤrſt Peter hat der Kaiſerinn durch eine 
Botſchaft vorſtellen laſſen: er: ſey nun: zu einem. fol 
chen Alter gekommen, daß man ihn fuͤr fähig . halten 


duͤrfe ſelbſt zu; urtheilen“). Deshalb koͤnne er ſich 


nicht mehr dem Zwange einer. Echensreife unterwerfen, 
weiche Ihre Majeftät hinſichtlich feiner angeorduet 


1) Den 1öten. November. Cbend. 
‚2, Den 29ften Januar 1760. Ebend. 


8) Bericht aus Petersburg ben Sten — 1759. Ruf: 
land, Band .69. 


4) Deögleichen ten Sten eh 1739. Ebend. 








17. ge Rußland; Frankreich. 200 


pätten, Er. bitte vielmehr daß fie ihm erlaube ih 
feine Heimath zuruͤckukehren. Anfangs war die Kai⸗ 
feeinn durch. diefen Schritt aͤußerſt verletzt, und ver: 
langte, er. folle feine Gründe ſchriftlich einzeichen ; nach⸗ 
mals tft jedoch, wie ich höre, die Sache beruhigt und 
vertufeht worden. — Die Kalfein iſt oft unwohl, 
und man fpricht von epileptifchen Zufaͤllen. 

Alle Friedenshoffnungen welche die ruſſiſchen Mi⸗ 
niſter erregen, all. ihr Gerede führt zu Nichts. Die 
Kaiferinn fagte dem oͤſterreichiſchen Gefandten: ich bin 
zwar fehr langſam im Beſchließen, aber flambhaft im 
Feſthalten des Befchlofienen '). So wende ich für alle 
Fälle den- Krieg wider Preußen mit meinen Bundes: 
genoffen fortfegen, ſollte ich auch)‘ genäthigt feyn de; 
bald meine Kleider und Juwelen zu verkaufen. ga 

So wie. MWeibersigenfinn und Laune der, Guͤnſt 
Ulinge in Rußland über alle Gruͤnde vernuͤnftiger Po⸗ 

litik obfiegte, fo. im Weſentlichen auch): in Frankreich. 

Laut aller Nachrichten die ich dekomme (ſagte Trier 

drich II) ?) wird der verſailler Hof lediglich durch Lei⸗ 
denſchaft und Sapricen regiert. Die Danphine und 
die are a an ber re der —— 


N Bericht aus Petersburg, vom iften Januar 1760. 
Rußland, Band 70... 


2) Bericht vom 12ten Zebruar. - Miteliell: papers 
Vol. 5. | . J 


s* ZZ 


wo Sechsunddreißigſter Abfhnitt.  IWO. 


Herzog von Choiſeul tft ein volltommener Öfterreicher 
und der Marſchall Belleisle veraftet. 

Der franzöfiiche Geſandte im Daag, b’Affen, hatte 
gefagt '): wir mäffen unfere eigenen Angelegeisheitm 
bei dem Unterhandfungen von denen unferer Verbim⸗ 
deten trennen, und naͤchſtdem diefe anhalten ſich auch 
zu vergleichen. Auf anderem Wege, mit einer Laſi 
. von Berhündeten in umferem Gefolge, -enbigen wir 

niemals. — Im Auftrage von Lord Holderneß, fragte 
hierauf der englifche Gefandte Vorke den franzoͤſiſchen 
Geſandten d'Affry· angenommen England und Frank 
reich verglichen ſich uͤber ihre Streitigkeiten, glaube 
Sie daß biefe Macht ben Krieg alsdann in Deutſch⸗ 
land wider die Könige von England -und Preufen 
: fortfegen wirbt — Mn antwortete: Glauben Sie 
daß wir. fo naͤrriſch find in folcher Weiſe unfer Geld 
wegzumwerfen und unfer Heer zu Grunde zu richten? 
Au gleicher Zeit ließ er indeß fallen: er wiſſe nicht wie 
‚man bierüber in Paris benfe, wo Friedensgedanlen 
wenig Beifall faͤnden. 
In einem namenloſen Bei a aus Paris heit 8°): 
bez König verändert ſich augenfälllg, er wirb alt, 
ſchwach und melancholiſch. Dee Dauphin amuͤſitt 


1} Berichte vom 2öften Januar und Aten MRärg Mit- 
hell papers Vol. 15. 


2) Brief vom 2Often Februar 1760. Ebendaſelbſt. 
N) 





100. Kußland, Frankreich ari 


ſich mit Frau von Marſan Meſſe zu ſingen, weiche 
hiedurch ſehr in Gunſt ſteht. Frau von Pompadour 
regiert nach wie vor Alles. Die Kaiſerinn Koͤniginn 
ſchreibt ihr fortdauernd Briefe, welche dem Stolz und 
der Eitelkeit der Beiſchlaͤferinn ſchmeichein, und die 
Freundſchaft erhöhen follen, weiche fo gluͤcklicher Weife 
zwifchen ihnen zum Beften beider Staaten 
beſtehe. Diefe Ausdrüde find vorfäglich gewaͤhlt 
werden, umb es gefällt bem Könige eben fo wohl, wit 
bee Madam Pompadour. Durch ſolche Mittel umd 
die knechtiſche Aufwartung, weiche Ihr Graf Stahrem⸗ 


berg macht, beharrt fie in dem oͤſterreichiſchen Inte⸗ 


fe. — Alles wird hier durch Raͤnke und Schliche 
zu Gtande gebracht. Jeder denkt nur baran, wie er. 
fich erheben und feine Gegnet zu Grunde richten 
witz Niemand liegt dagegen * Öffenttiche Wohl 
am Herzen. 

England hatte ſich nicht — berviefen, nanifche 
Vermittelung zur Beilegung bes Streites mit Frank 
ceih anzunehmen '). Hierauf fagte ber ſpaniſche Dis 
niftee Wal dem Grafen Briftol: er nehme mit großer 
Kraͤnkung wahr, daß man glaube, ber König von 
Spanien ſey dem feanzöfiichen Intereſſe geneigt. Er 


1) Between them for the good of the two states. 


D) Bericht vom Iiten Februar 1760, Mitchell pagers 
Vol. 18. 


472, Schsunbbreißigfter Abſchnitt. 170. 


babe bei dem Anbieten feiner Vermittlung nur dieſe 
münfchenswerthe Herftellung des Friedens im Auge 
behalten, ohne ‚irgend .einer ber beiden Maͤchte etwas 
vorſchreiben zu wollen. 

Laut einem Schreiben bes Herzogs von Choiſeul 
an d' Affry!) war Frankreich geneigt. den Landkrieg gleich 
dem Seekriege zu beenden; aber bald nachher = 
Härte er: wenn der König ‚von England babei be 
bare, den König von Preußen in den Srieden ein 
zufchließen, fo wuͤrde dies alle Unterhandlungen, zum 
Verdruß des allerchriftitchen Königs unmöglich machen. 
— Bünftiger lautet eine. geheime Erklaͤrung, welche 
‚Seledri I am. 19ten Maͤrz aus Paris erhielt; 
ſchwer aber bleibt es bei dieſem zweibeutigen Beneh⸗ 
men zu entſcheiden, ob.der Hof von Verſailles mehr 

Preußen und England, oder Rußland und Öfterreich 
-Binhalten und täufchen wollte. — Lord Holderneß ließ 
Hierauf duch Yorke an d'Affry fagen: ‚jeden. Kalls 
muͤſſe der König von. Preußen in die Verhandlungen 
und' den Frieden mit eingefchloffen "werden. 

. Der König (fchreibt Mitchell)) thut Alles. was ir 
- gend moͤglich iſt, aber fein Land tft erfchöpft, Kriegs⸗ 
. mittel: fehlen, .feine beften Dfficiere find tobt ‚oder ges 
fangen, und (mit dem tiefften Schmerze muß id) es 
1) Berichte vom Ziften März u. liten April. Ebend. 
2, Bericht vom 16ten Sanuar. Ebend., Band 5. 








1900. Friedrich II an ‚ben König von England. 473. 


fagen) es herrſcht im ganzen Heere eine ällgemieine 
Entmuthigung, von welcher vielleicht nur der König 
frei iſt. Wenn England Beine Mittel findet Frauk⸗ 
reich bald vom Bunde zu trennen, und Rufland zu 
ſchrecken, fo fürchte ich, geht die Gelegenheit den Kos 
nig von Preußen zu retten, — ver⸗ 
loren. 

Am 20ften Mai fchrieb Friedrich II — — 
von England aus dem Lager bei Meißen '): Mon- 
sieur mon frere! 1] est commu A Votre Majeste 
combien la fortune m’a pen favorisee l’annde pré- 
cedente, et eombien je me suis vu pres d’ötre ac- 
ceabléẽ par un nombre infiniment superiear d’enne- 
mis; et quelgue peine qu’ on ait' pris, il’a ei6 im- 
possible de reparer les pertes considerables, que 
jai fait la campagne precedente. Le nombre de 
mes ennemis n’a point dimimme; j’apprends zu 
contraire .qu’ ils font les derniers efforis pour se 
rendre plus redoutables cette annee. J’ai eis ob- 
lige par ces fortes raisons qui regardent immedi- 
atement .la conservation de mes 6iats, de rappeler 
une partie de la cavalerie, qui a servi dans l’ar- 
mee.des Allies, et. encore ce.nombre n’est il pas 
suffisant pour me garantir contre les malheurs’ 
dont je suis menac‘; mais je serais toutefois' tres 


1), Ebendaſelbſt, Band 15. 


na Sechsunddreißig ſter Abſchnitt, 19. 


condamuable, si je n’emplayais: pas tous les meyens 
que he viel m’a donne pour .me defenire, Ce sum 
d’smssi fortes raisous qui m'ont oblige de prendre 
oe parti. Pour pew que les comjenctures changent 
d’une facen favorable, oe qu'il arrive quelgue evo- 
nement heurenx, je n’anrai rien de plus presse, 
‚que de renvoyer un meme nombre de troupes & 
Varmee allice. Les allies sont treis contre quatre, 
savoir 90,000 hommes contra 120,000;- je me 
trouve à prösent comme un contre deux, et je 
prevois trep le mal qui pourrait mwarriver, si jo 
n’y Apportais a tems les fajbles remedes que j’y 
psis opposer. Üeci ne derangera en rien les me- 
sures du Prince Ferdinand, et les interets de 
Voire Majest6 n’en sonffriront peint. : Je swis aveo 
la plus haute considsratien etc. Ä 
- Über den jungen Erbprinzen —— von 
Braunfihtoeig ſchreibt Mitchell den 124m Febeuar 
1760 '): Durch Beſcheidenheit, maͤunliches Bench⸗ 
men, Unempfindlichkeit gegen Schmeichelei, und eine 
Herablaſſung welche allein aus einem guten Herzen 
hervorgehen kann, hat dieſer junge Heid die allge⸗ 
meine Achtung und Liebe gewonnen, vom Koͤnige bis 
zum geringſten Officier. Jener ſagte von ibm: Ha 
ie jugement et le bon sens d’an homme de qua- 


1) Mitchell papers Vol. 5 


1900. Berbinand v. Brauſchw. Preußen u. End. 473 


raste, et il a fait tant de progres dans In science 
militaire que je powrrais lui oenfier le commande- 
ment de mes arımdes, 

Dee König (heißt es weiter) geftand - mit großer 
Aufrichtigkeit: fein Heer fey dem wicht gleich, weiches 
ee in fruͤheren Jahren ins Feid geflbre ‚habe. Ein 
heit der Mannſchaft fey nur tauglich dem Feinde 
von ferne gezeigt zu werden, um ihn wo möglich zu 
ſchrecken (iipose); der anbere ſey durch bie Unfälle 
des letzten Feldzuges entmuthigt: doch werde dr.fich bes 
muͤhen fie allmaͤlig zur fruͤheren Feſtigkelt und Kuͤhn⸗ 
beit zuruckzubringen. Im vergangenen, Jahre ſey er 
dem völligen Umtergange nur durch Die. Fehler feiner 
Zeinde entgangen '). Dſt aber lerne man Fehler 
durch Erfahrung vermeiden, und er dürfe für bie Bus 
kunſt niche auf Ähnliche Vortheil⸗ rechnen. 

As Mitchell immer wieder darauf drang, der Koͤ⸗ 
nig folle fhr England wirken, denn es fen ein tremer 
Bundesgenoffe und ein großmuͤthiges, wohlgefinntes 


WVolk, gab Friedrich mit einiger Lebhaftigkeit zur Ant⸗ 


wort: obgleich ich keinem Parlamente Rechenfchaft 
ſchuldig bin, bin ich doch verpflichtet meine Untertha⸗ 
nen aus allen Kräften zu vertheidigen. Sie könnten 
fich mit Recht beklagen, wenn ich fie in dieſem gefäße- 
lichen Augenblick dieſes Schutzes zum Theil beraubte. 





1) Ebendaſelbſt, Zöften Mai 1760. 


478 Sechsunddreißigſter Abſchnitt. 10. 


Obgleich ‚der- Erfolg des Feidzuges hoͤchſt . zweifelhaft 
ift, will ich (was auch gefchehen möge) wenigſtens 
von gerechten Vorwürfen meines — ee frei 
bleiben. 

Die engliſche —— war ſo klug und biuig 
zu erklaͤren: das Buͤndniß mit Preußen ſey und bleibe 
in voller Kraft und man werde jeder —— 
Verpflichtung wie bicher nachkommen '). . 
Im Sommer 1760 verhandelte Voltaire mit dem 
Koͤnige uͤber Krieg, Frieden und, dergleichen. Wenig⸗ 
ſtens ſchreibt Mitchell in dieſer Beziehung?): ich glaube, 
der franzoͤñſche Hof bedient ſich der kunſtvollen Feder 
Voltaires, um dem Könige Geheimnifle. zu entlocken. 
Denn wenn jener..ald ein mwigiger Dann. einem am 
deren wigigen Manne fopreibt, iſt er geoßer Unbeſon⸗ 
‚nenheiten (indisoretions) fähig. Was mich aber noch 
mehr: vertoundert, ift, daß ſo oft Voltaires Name, ge. 
nannt wird, der König nie unterläßt ihm die Bei⸗ 
namen ‚zu geben, welche er verdienen mag, z. B.: ek. 
babe. das fchlechtefte Herz und fen der. größte. Schurke 
(rascal) auf Erben. Deßungeachtet dauert fein Brigfe 
mechſel mit ihm. fort. So ſehr wünfcht dieſer Fuͤrſt 
von einen großen und eleganten Schriftſteller geprie⸗ 
en gu, werden. Zuletzt wird er fich aber dennoch ge⸗ 

1) Den 28ſten Oktober 1760. Mitchell pap. Vol. 15. 

2) Den 3iften Julius. Gbend,, Band 5. 


1768 Voltaire, Schlacht 6. Liegnig. Fried üb. Borfeh. 477 


taͤuſcht ſehen; denn nad) :dem was: ich aus gaten 
Quellen: aͤber Boltaires Charakter höre, wird ex fi 
zwar verftellen, :aber dem Könige nie — was 
zwiſchen Ihnen vorgefallen iſt. 

‚Nach, der glänzenden Schlacht bei. Liegnig rahmte 
Friedrich gar ſehr das Benehmen ſeines Heeres. Er 
machte (faͤhrt Mitchell in ſeiner Erzählung fort)) 
einige treffliche Bemerkungen uͤber die Unvolllemmen⸗ 
heit jeder menſchlichen Vorausſicht, und fügte zulett: 
Sie fehen, wie ich mich angeſtrengt habe, das nun⸗ 
mehr eingettetene Ereigniß herbeizuführen... Ich danke 
den gewonnenen Sieg ganz der Zapferkeit meiner Sol: 
daten. Blieb ich; im Lager von Liegnig., ward ich 
von allen Seiten umeingt; kam ich nur eine Viertel: 
ſtunde ſpaͤter auf dem Schlachtfelde an, fo waͤre der 
Erfolg: ausgeblieben und wenige Tage würden ber gan: 
in Sache ein’ Ende gemacht haben. Der Hauptvor⸗ 
theil, den ich über den Feind hatte, befand darin, 
daß, mein Heer aufgeſtellt war, bevor das feine voll: 
ſtaͤndig geordnet worden, umd daß ich bei meiner Kennt: 
niß der oͤrtlichen Berhaͤltniſſe von den rechten ae 
Veſit ergriff... 

Ich habe‘ (ſchreibt Mitchell bald Larauf) ?) — dem 
Könige mancherlei Streitigkeiten über die Vorfehung. 





1) Den oſten Auguft.- Band 28. 
2) Den 10ten Rovember.: Ebend. 


AB Sechtunddreißigſter Abſchnitt. M. 


Die letzte war auf dem Schlachtſelde bei Liegnitz, a 
er fagte: diefen Sieg verdanke er dem Zuſalle. Ih 
nahm mir die Freiheit einzuwenden: fuͤr mich babe 
es Leinen Zweifel, daß wenn ihm die Vorſehumg nicht 
mehr Verſtand gegeben hätte als feinen Feinden, fo 
würde er an jenen Tage nicht geflegt haben. Er antwor⸗ 
tete mit heiterer Laune: je sais que nous ne Som- 
mes pas tout à fait d’acenrd 'sar ce peint In; mais 
zeit à prösemt, pinsgue vous le venlez, aimsi. 
Der Sieg dei Liegnig hatte aber die Feinde wit 
abgehatten bis Wittenberg, ja bis Berlin vorgubrie 
genz weshalb Friedrich, die Groͤße der ihn bedrohenden 
Gefahren richtig wuͤrdigend, wenige Tage vor der 
Schlacht Hei Torgau an d'Argens fchrieb '): Jamuis 
je ne vermi je ‚moment qui m’obligera A faire une 
prix desarantageuse ; .ancune persuasiun, Aucune 
&ioquence me pomrrent' mengager à sigwer me 
‚ döskonneur. Ou je ıne laisserai enserelir sous les 
zmines de na patrie, ou si ceite osmselation parais- 
_ sait encore irop deune Au Jestin quime perscenie, 
je sımrai mettre fin à mes infertanes lorsqwll ne 
sera plus possible de les soutenir. J’ai agi et je 
comtinne d’agir suiwant cette ralson intérienre et 
le point #’honnenr qui dirigent ions. mes pas; ma 


1). Brief vom 28ften Oktober. Oeuvres posthames X, 
221. Schlacht bei Zongan den ten Ropember 











A760. Friedensunterbandinngen. 430 


conduite sera en ons tems oonforme A oes prin- 
eipes. Apres aveir sacrike ma jeundser A man 
"pere, mon age mär a ma paisie, je erois areir 
soquis le dreit de disposer de ma vieillesse. Je 
Vous Yai dit et je le r&pöte, jamtais ma. main ne 
sSignera une pnix humiliante. — — 

Quand on a tout perdu, quand ou a’a plus 
d’espoir, la vie est un opprobre et In mert- un 
devoir. 


Siebenunddreiß igſter Abſchnitt. 


Selbft diejenigen, weiche die J— nicht 
. theilen, Friedrich MH fen zum Kriege gezwungen wor⸗ 
den, muͤfſen zugeſtehen, daß die längere Dauer ihm 
uicht zur Laft faͤlt. Im Sahre 1764 fanden aller 
dings einige Friedensnuterhandiungen flatt: hen ‚Ads 
nig von Preufen- ausgenommen, meinte es damit 
aber kaum einer ernſtlich; denn in Üfterreich dauer: 
ten die Kriegsboffnungen, in Rußland die Leidens 
fchaften fort, und Frankreich fuchte dadurch feine 
neuen Srtindangen mit Spanim wol nur zu ver: 
ſtecken. 


430 Siebenunddreißigſter Abſchnitt. 1. 


überall (ſchreibt Mitchell) ') zeigt Friedrich daf er 
den Jrieden wuͤnſchtz nur mag er nicht Anträge ma: 
chen, welche man vielleicht zuruͤckweiſen und als Zei: 
chen. feiner Schwäche betrachten dürfte. Er ſendet 
einen gerefffen Badrnhaupt nad Petersburg, deſſen 
Bruder Schuwalofs Arzt. war, um ihn wo möglid 
gu getoihnen. , 

Im März 1761 — von Öfterreih, Ruf 
land, Frankreich und Polen allgemeine Anträge auf 
Abſchluß eines Friedens, welche England annahm ’). 
Friedrich erklärte fi ich bereit auf den Befisftand von 
1756 beizutreten und einen allgemeinen. Waffenſtil⸗ 
ſtand einzugehen. In den Verhandlungen welche bier: 
auf im April zwiſchen Frankreich und England ge 
pflogen wurden, wollten ſich Anfangs beide Theile bie 
Unterflägung Marin Thereſias und Friedrichs vorbe 
halten, was kaum zu einem halben Frieden geführt 
hätte. ‚, Dann heißt e8 ’): jeder folle feine. Verbünde 
ten nur mit.Gelde unterftügen duͤrfen; — aber. alle 
Entwürfe führten nicht vorwärts, während Frankreich 
feine Thaͤtigkeit in Mabeit verdoppelte. Die Kunde 


1) Den 2iften December 1760. Mitchell pap. Vol. 5. 

2) Berichte vom. 26ften März und Sten April 1761. 
Frankreich, Band 121. Berichte vom 2ften April u. ISten 
Mai. . Mitchell. papers Vol. 5. 

4) Mitchell papers Vol, 16. 











1761. Friedensunterhandt. Choiſeul. Maria Thereſia. 481 


von dieſer Unaufrichtigkeit und neuen Gefahr brachte 
England wahrſcheinlich dahin beſtimmter aufzutreten. 
In der Anweiſung für den engliſchen Gefandten vom 
18ten Mai heißt es wenigftens '): wenn der Herzog 
von Choifeul den Krieg des Königs von Preußen be: 
rührt, ja felbft wenn er darüber ſchweigt, follen Sie‘ 
ihm fagen, die englifche Regierung ſey feft entfchloffen 
ihre Verpflichtungen gegen jenen Fuͤrſten zu erfüllen, 
und feine Intereffen fo herzlich und wirkfam zu unter: 
ftügen, wie es einem —— und treuen Bundes⸗ 
genoſſen gebuͤhre. 

Einem Berichte Stanleys vom Sten Zunius 1761 
ift Folgendes entnommen: Ic machte dem Herzöge 
von Choiſeul eine Etklaͤrung über die Beſchluͤſſe Sei⸗ 
ner Majeftät in Bezug auf den König von Preußen 
und zwar. in den. flärkiten Ausdrüden. Er nahm fie 
unter der Bedingung an, baß fein Herr in: Bezug 
auf die Kaiferinn, Königinn eben fo verfahren werde. 
Beim weiteren Geſpraͤche über das öfterreichifche Buͤnd⸗ 


niß,. fagte Choifent: ich bin es nicht, der es zußtane 


gebsacht hat. 

Seit dem Ereigniß. mit Damiens ift der König: 
nicht wieder ruhig in feinem Gemüthe geweſen. Wenn 
er auf der Jagd, ober fonft wo jemand begegnet, den- 
zu fehen.er nicht gewohnt iſt, fo erſchrickt er und iſt 


- 41) Frankreich, Band 121. 
11. J 21 


432 Siebenunddreißbigſter Abſchnitt. 178. 


außerordentlich bewegt. — In den Landſchaften herrfcht 
großes Elend, und obgkih man im Paris großen 
Aufwand fieht, find Ale doch ſehr verſchuldet. 
Cboiſeul ift ein Monn ven, guten Gaben (lively 
parts), aber ohne Erziehung für die Geſchaͤfte. Er 
. fagt. frei genug was er im Augenblide Denkt, aber er 
it veraͤnderlich, unvorfichtig (indiseret) und behanbelt 
ſelbſt die wichtigſten Angelegenheiten als Gegenſtaͤnde 
des Spaßes. Er bat beim Könige einen, von de 
Pompadour ganz, unabhängigen Einfluß gewonnen, 
behandelt fie oft leicht, bismeilen rauh, fagt ihn (wenn 
fie von Geſchaͤften ſpricht), fie fen fo ſchoͤn mie ein 
“Engel, und bat fie legten Tages «ine darauf bezuͤg⸗ 
liche Dentfchrift ins Feuer zu nfrfen, Nicht er, for 
dern Kardinal Bernis ſchloß das oͤſterreichiſche, hier 
im Allgemeinen gehaßte Buͤndniß. Es ging zum Theil 
hervor aus den unvorſichtigen (indiscret) Xuferungen 
Koͤnig Friedrichs uͤber die Beiſchlaͤferinn und gewiß 
aus feiner Geringſchaͤtzung der Verſe des Kardinals. 
Der Herzog von Choiſeul erzählte"): als ich zu 
Zeit ber Belagerung von Olmuͤtz in Wien war, fügte 
mir Maria Thereſia: fie wolle fi aufs Kußerſte ver 
theidigen und fid) von, Stadt zu, Stabt zuruͤckziehen, 


bies fie in das legte ungerifhe Dorf komme. Sie 


fragte: wollen Sie. mir bis dahin folgen? Ich ante 


1) Ebendafelbft, 12ten Junius. ' 








N 


1761: Frievensunterhandt. kudwig XV, Ghoiſeul. 483 


wortete:. meine perfönlichen. Dienfte flehen. Euer Ma- 
jeftät bie zum AÄußerſten zu Gebote; ich kann aber 
nicht bafür fliehen, ob der König mein Here fo weit 
mit Ihnen gehen möchte. Was würden Euer Ma- 
jeſtuͤt aber, thun, wenn Sie zu jenem Außerſten ge⸗ 
trieben waͤren? — Ich wuͤrde (antwortete fie) dem 
Koͤnige von Preußen eine Ausforderung ſchicken, er 
möge mich in: einem Poſtwagen mit Piſtolen, Pulver 
und Blei auffuchen, wo wir. in Perfon. unferen Streit 
entfcheiden: wollten. — Sie würde, fügte. Choffeul 
binzu, the Wort gehakten haben. — Ich fagte: fie 
iſt eine große Frau, eine fihöne, bezaubernde Frau; 
aber ihre Gunft komme denen, welche fie damit bes 
ehre,. theuer zu. fliehen. England könne eine Red 
nung von 40 Millionen aufzeigen. Choiſeul lachte 
und äußerte: Frankreichs Abſchluß fen ebenfalls: fehr 
ſchwer. 
Des Herzogs enge Verbindung mit der Pompa⸗ 

dour, und ſeine erſte Einfuͤhrung in das Miniſterium 
des Kardinals Bernis), beruht darauf daß jener 
eine andere Dame aufopferte, welche im Begriff war 
mit dem Koͤnige abzuſchließen und die Stelle der 
Maitreſſe einzunehmen. Ich habe gehoͤrt, daß ihm 
der König in gewiſſen Augenblicken die Rolle wicht 
vergeben kann, welche Choifeul in dieſer Angelegenheit: 





1) Bericht vom Loſten Auguſt. Frankreich, Band: 128, 
| 21* 


484. Giebenundbreihigfter Abſchnitt. 18. 


fpielte, und baß jenen . bisweilen die Vertraulichkeit 
. (familiarity) verdrieft, mit welcher ihn diefer behan- 
keit. Drei Dinge wirken aber fehr sum Vortheile 
des Herzogs: 

Erſtens, bedarf kein Menſch auf Erden fo fehr bes 
Zeitvertreibes als der König von Frankreich. Nun 
befigt aber der Herzog von Choiſeul die Gabe ihn zu. 
unterhalten, und iſt der lebhaftefte und. angenehmſte 
Geſellſchafter, den ich je gefunden habe. 

Zweitens, verfteht er die Geſchaͤfte fo zu führen, 
dag für Seine Majeftät den König die allergeringfte 
perfönlihe Unruhe und Anftrengung damit verbun⸗ 
den iſt. 

Drittens, handelt er in Seglichem was feine Macht: 
und feinen Einfluß betrifft, in fo entfchloffener Weiſe, 
daß er Allen die fih ihm widerfegen wollen, kuͤhn ent: 
gegentritt und fie unterwirft. 

Die Kaiferinn Königinn fchreibt der Pompadour 
. Privatbriefe und. nennt fie darin. (da fie zur Herzo⸗ 
ginn erhoben worden) ihre Couſine. Als Graf Kaunig 
diefen Briefſtyl der Kaiferinn vorfchlug und einige. 
‚ Entfchuldigungen machte daß er eine fo große. Derab- 
lafjung wünfche, gab fie zur Antwort: warum follte 
ich Bedenken tragen? Dabr ih nicht Sara ge: 
ſchmeichelt? 

Eines Tages als Shoifeut mit der Pompadour 
über den englifchen Frieden ſprach, fagte fie: fie habe 





1761, Friebensunterhanbl. Lubwig XV. Gpoifeul. 485 


über 'einen gewillen Punkt der Kaiſerinn Königinn 
An Berfprechen gegeben, und er. antwortete: guet, 
Weiberverfprehungen (Bon, "promesses de femmes). 

In Wahrheit rückten aber die Sriedensunterhand: 
lungen gar nicht vorwärtd; vielmehr hatten Spanien. 
und Frankreich bereits am 15ten Auguft ein Angriffe: 
und Vertheidigungsbiindnig gefchloffen , weiches jedoch 
zunaͤchſt als ein tiefes Geheimniß betrachtet und bes 
bandelt wurde. Deßungeachtet bemerkte die englifche 
Megierung daß Spaniens Benehmen immer kälter und 
gweideutiger werde; weshalb Lord Briftol dem fpani: ' 
fchen Minifter Wal die Frage vorlegte‘): ob der Hof 
von Madrit fih mit den: Sranzofen vereinigen und 
feindlih wider Großbritannien auftreten, oder in 
irgend einer Weiſe von der Neutralität abweichen 
wole. Man erwarte eine beftimmte Antwort, deren 
Verweigerung man als einen Angriff und eine Kriegs- 
erklaͤrung betrachten werde. | 

Wall antwortete”): der Geift des Hochmuths und 
Zwiſtes, melcher zum Unglüd der Menfchheit, noch 
immer fo fehr in ber britifchen Regierung vorherrfcht, 
hat jenen unbefonnenen Schritt herbeigeführt, des - 
Könige Würde angegriffen und zugleich die Kriegser- 


1) Bericht vom 29flen‘ Deeember 1761. Mitchell pa- 
pers Vol. 16. 


2) Ebendafelbft, Bericht vom 3Often December. 


45 Siebenunddreißigſter Abſchnitt. 781. 


Mörung ausgeſprochen. Ener Groellenz mögen fih 
- fortbegeben , wann. und wie es Ihnen bequem ifl. 
Dies. ift die einzige. Antwort, welche (ohne fie zuruͤck⸗ 
zuhalten) Seine Majeſtaͤt befohlen hat, Ihnen zu 
ertheiln. — In London: erklärte der Tpanifche Ge 
jandte: man verweigere Auskunft über den Vertrag 
mit Frankveich, weit fie in flolzer Weiſe ſey geforbent 
worden ; auch ‚enthalte er . ee ir. 
England u. [ w. 

. Unterbeffen hatte - ber portjefe Geſaudte in 





London, auf den Grund genauerer Kunde über den 


Inhalt jenes Vertrages '), bereits Hälfe geſucht, und 
den ten Sanuar 1762 erklärte England den Krieg 
an Spanien. — Mit vollem Rechte: denn bie Vor 


nehnthuerei, die Borwände und Kleinigkeiten wurden 


von dem mabriter Hofe nur bervorgefucht, um bie 
eigene feindfelige Geſinnung, ia die. feinbfeligen Thaten 
zu verdeden. Jene Weigerung auf die engliſche Au 
frage eine Antwort zu geben, erinnert an ſterreichs 
Benehmen im Jahre 17565 mu füßte der wiener 
Hof feine Worte geſchickter, und ne, bei gleicher 
Kriegstuft, doch nicht einen foͤrmlichen Bertrag wider 
Preußen, ſowie Spanien in Mehrheit wider England, 
selhleien. 

Sp gerecht der: Krieg Englands —* Spanien 


1) Bericht vom 2m Deceinber. 








1761. Krieg zwiſchen Spanien und England. 487 


auch ſeyn mochte, mittelbar tier König Friedrich FI 
darunter; ſofern er immer weniger auf britiſche Hüte 
in Deutfhiaud vehnen durfte, während bie Kriegsge⸗ 
fahr von Rußland amd Öfterreich her ihn immer ſtaͤr⸗ 
der umdrängte und das Mißverhaͤltniß feiner Außeten - 
Kriegsmittel zu denen feiner Sende immer mehr an 
den Tag kam. Einige vereinzelte Stellen aus Mit 
chells Papieren, mögen zu en Etlaͤuterung hier 
Pag finden. 

Dee Tod Beorgs II (er flach den 2bften Okto⸗ 
ber 1760) war für König Ftiedrich kein Gluͤckefall. 
Nachdem re jenen gegen Mitchell gelobt. hatte, fügte 
ee hinzu: Mais vous ne savez pas peut-ttre que 
feu Sa Mnjrste a eu la bonté et la magaanimite 
de me pardonner des sottises que j’avais fait en 
ers contre lui'). 

Die Ruſſen haben in Schieften alle Arten von 
Braufantfeiten und Abſcheulichkeiten begangen”). — 
Dan erzählt, es hätten Mißverſtaͤndniſſe und Eifer: 
ſucht zwifhen dem Sfterreichifchen und ruffifchen Gene: 
ralen obgemaltet; theils über die Theilung der fchleit: 
ſchen Kriegsſteuernz theils aus allgemeiner Abneigung 
der ruſſiſchen Officiene gegen die oͤſterreichiſchen, weil 


1) Den Sten Januar 1761. Mitchell pap. Vol. 28. 


2) Den 1öten — 1761. Mitchell papers 
Vol. 5. 


‘488 Siebenunddreißigſter Abſchnitt. 136. 


die letzten eine Art von Überfegenbeit, affectiren, welche 
jene nicht ertragen koͤnnen. 

Am erften Oktober warb Schweidnig überrums 
pet. Was dies fir Folgen haben kann, läßt ſich 
gar nicht berechnen; aber ich ‚fchmeichele mir, daß der 
König (deſſen Genius duch das Unglüd neue Kraft 
:gu. gewinnen fcheint) im Stande feyn wird, die Ans 
-gelegenheiten in Schlefien herzuſtellen. 

Sm pretiifchen Heere kennt jeder Befehlshaber 
eines Regiments genau die Stärke deſſelben ?). Hier: 
über gehen die Nachrichten an ben König und kom⸗ 
‚men dann in die Hände des-Oeneraladjutanten. Den 
übrigen Generalen bleiben fie hingegen ein Geheimniß; 
jo daß der König und fen Adjutant allein die wahre 
Stärke des ganzen Heeres genau kennen. — Der 
König hat immerdar den Briefwechfel über Kriegsan⸗ 
‚gelegenheiten zu befchränten gefucht. Die Briefe wers 
den oft angehalten, geprüft, und die Officiere für 
Unvorfichtigkeiten geftraft. 

Don allen Seiten kommen Nachrichten über die 
großen Verwüftungen und das Elend ꝰ), welches durch 
Ruſſen und Öftereeicher in Pommern, Schlefien und 
ber Mark herbeigeführt if. Nicht minder erzeugen 


* 1) den 10ten Oktober. CEbendaſelbſt. e 
2), Den Zöften Rovember. 
3) Den 2öften November. 


1761: Ruſſen, Öfterreicher, riegsnoth, Friedr. Lage. 489. | 


die Münzverfchlechterungen in Deutſchland unendlich 
viel Streit '), Betrug und Raͤnke, gleich verderblich 
‚für Herrſcher und Unterthanen. 

Friedrich fühlte die ganze Schwierigkeit, ja das 
faſt Verzweifelte feinde Lage, gedachte ernſtlich des 
Todes, und ſchrieb am erſten December 1761 eine 
Rede Kaiſer Othos nach der Schlacht bei Bedriacum 
und. am achten December eine Rede Catos vor. ſei⸗ 
nem Zode?). — Wir find berechtigt anzunehmen : daß, 
wenn er den Zod auf bem Schladhtfelde nicht gefun⸗ 
ven hätte, er aͤußerſten Falls ie war, ihn fi % 
felbft zu geben. 

Es iſt nicht nöthig .die — Gruͤnde des 
Chriſtenthums wider den Selbſtmord hervorzuheben 
und anzuempfehlen. Diejenigen aber, welche bie 
Schande eined unmürdigen Lebens mit großer Ge⸗ 
müthsruhe ertragen, ‚dürfen fich in biefer Beziehung 
keineswegs. ald. gute Chriften darftellen. Ja auch dies 
jenigen, welche den Faden ihres inhalts⸗ und bedeu⸗ 
tungslofen Lebens in Ewigkeit fortfpinnen möchten, 
haben kein Recht hier ein Verdammungsurtheil aus- 
zuiprechen; denn fie begreifen nicht, wovon eigentlich 
die Rede ift, und meſſen wefentlich Verſchiedenes mit 
dbemfelben Maaße. Duo cum faciunt idem, non est 


1) Den Sten December. 


2) Oeuvres posthumes VIII, 26, 36. 
21** 


\ 


490 Siebenunddreißigſter Abſchnitt. 1781. 


'idem. Wenn ein Spieler, ein Bankercttirer, ber 
feinen fihmelgerifchen, nichtsnutzigen Lebenswandel fort: 
zufegen außer Stande ift, in widerwärtiger Verzweif⸗ 
Iung feinem Leben ein Ende macht, fteht denn ber 
auf derfelben Stelle wie Otho, Cato und Friedrich 11? 
Des Königs Aufgabe war zu Ende, fobald er 
nicht mehr ein König, und nicht mehr ein großer 
König ſeyn Eonnte. Fuͤr feine Perfoͤnlichkeit war 
ein Leben in Unehren eine vollftändige Unmoͤglichkeit. 
Liegt in diefer Behauptung: daß feine Lebensrichtung 
nicht vollkommen mit der chriftlichen‘ Betrachtungs⸗ 
und Handlungsweife zufammenfiel, fo mögen Hei: 
lige deshalb über ihn zu Gerichte figen und ihn ver 
urtheilen, nicht aber alte Weiber beiderlei Geſchlechts. 
Wäre es der Wille Gottes geweſen daß Preußen auf 
ein Meines Kurfuͤrſtenthum ohne Geiſt und Kraft 
haͤtte herabgebracht werben follen, fo war Friedrich 
nicht der Dann, das ewige Einerlei der engen Be 
wegung zu leiten; ein Anderer nur konnte dieſe Auf: 
gabe Löfen. Deshalb Iegt er Cato die Worte in den 
Mund: . 
Le sage avec me£pris voit la mort sans la craindre. 
Louez mon action, gardez vous de me plaindre. 
Quand on voit sa patrie et ses amis perir, 
Un lache y peut survivre, un heros doit mourir! 
Do, in den Büchern ‚des Schickſals war es 
anders befchloffen. Der edle König, der fein ganzes 





- 


na Tod Elifabeths, 91 


Reben feinem Wolke widmete, dee es ihm opfern wollte, 
foute nicht unbelohnt von dem Schauplage feiner Thaͤ⸗ 
tigkeit abtreten; fondern diejenige ward endlich abge⸗ 
rufen, weiche nur zu lange nicht nur ein unmürdiges 
Leben für ihre Perfon gefuͤhrt, fondern auch ihr Volt 
unverfiändig beherrſcht, und Preußen thörichterweife 
befriegt hatte. Den 5ten Januar 1762 ftarb bie 
Kaiferinn Eliſabeth von Rußland. 


Achtunddreißigſter Abſchnitt. 


Die Kaiſerinn Eliſabeth (ſchreibt Keith den Sten 
Januar)!) ward letztvergangenen Sonnabend bes Abende 
unit einem heftigen Blutfluß, oben und unten, bes 
fallen, und von dem Augenblide, verzweifelte men 
an ihrem Leben. So ſchwach fie auch war, behielt 
fie doch ihre Sinne; als fie geſtern aber fuͤhlte, daß 
es mit ihr zu Ende gehe, ſchickte ſie nach dem Groß⸗ 
fuͤrſten und der Großfuͤrſtinn, nahm von ihnen mit 
geoßer Zärtlichkeit Abſchied, und ſprach zu ihnen über 
einige Gegmflände, mit großer Geiftesgegenwart und 


1) Rußland, Band 71. 


\ 


— 


— - 


492 Achtunddreißigſter Abfhnitt. 1762. 
Ergebung. Sobald fie diefen Nachmittag um zwei 
Uhr geſtorben war, ſchwuren die bereits verfammelten 
Senatoren und Neichsbehörden, fowie die Leibwachen 
dem Kaifer Peter II. Alles ging vorüber mit der 
größten Ordnung und Ruhe. 

Drei Tage fpäter fährt Keith fort‘): ſchon dem 
7ten Januar ‚nahmen die neuen Herefcher die Gluͤck 
wünsche der Gefandten an, worauf ein Mittagsmahl 
von 100 Perfonen folgte, zu welchem Alle (mit Ein: 
fhluß des Kaiſers und der Kaiferinn) die Pläge zo⸗ 
gen. Der Kaifer kam zu mir und fagte mir: Lächelnd 
ins Ohr: ich hoffe, Ste werben jegt mit mir zufties 
den feyn, denn ich habe in der Nacht Couriere zu 
den verfchiedenen Heeresabtheilungen abgefchidt, mit 
dem Befehle, nicht weiter in das preußifche Gebiet 
einzuchden und ſich aller Feindſeligkeiten zu enthalten. 

Auf die Bemerkung Keith: er brauche Geld; 
ftelite die englifche Regierung 100,000 Pfund zu ſei⸗ 
ner Verfügung und ließ ihn muͤndlich wiffen, wozu 
er fie verwenden folle ”). 

Den 12ten Januar fährt Keith fort”): Alles gebt 
gut. Der. Kaifer macht Fein Geheimniß daraus, daf 
er mit Preußen Frieden fchließen will, legt feine Ab: 


1) Bericht vom Sten Januar. Ebendaſelbſt. 
2) Den 6ten Februar. Ebendaſelbſt 
3) Ehbendafelbft. 





1962. - Peters I Regierung. ° 493 


neigung gegen Frankreich, fowie gegen Alles zu Tage, 
was Ddorther kommt. Deshalb hat er auch die fräns 
zoͤſiſchen Schaufpieler ganz aus feinen Dienften ente 
laffen. Was die innere Regierung des Meiches ans 
betrifft, fo benahm ſich der Kaifer bis jegt fo, daß 
gr mit Recht die Liebe und Achtung feiner Untertha⸗ 
nen gewann. Er hat feine Gunft würdigen Perfonen 
geſchenkt und niemand beftraft. Selbft die Wenigen, 
weiche ihre Stellen verloren, wurben dabei aufs Hoͤf⸗ 
lichfte behandelt. Der alte Leſtocq, gleichwie einige 
Andere, find frei gelaffen worden. Der Kanzler Wo⸗ 
vonzom ſteht in hoͤchſter Gunſt, und Graf Gallizin 
iſt zum Vicekanzler ernannt. 

Alte Geſchaͤfte gehen hier jest ſchneller denn zu⸗ 
vor). Der Kaiſer nimmt ſelbſt daran Theil und 
ertheilt die Beſcheide auf den Grund von Berichten 
der verfchiedbenen Negierungshehörden. Auch auf die 
auswärtigen Verhandlungen läßt er fi, ein und ent: 
ſcheidet. Lesten Donnerstag ging er zum erften Male. 
feierlich in ben Senat und erklärte: der ruffifche Adel 
folle frei und eben fo- geftellt ſeyn, wie der Adel in 
anderen Laͤndern Europas, mit der Erlaubniß, nach 

Belieben in Dienſte zu treten oder nicht, und ohne. 
irgend einen Zwang irgend. einer Art. Nur zum Ein⸗ 
tritt in fremde Dienfte fey die Erlaubniß des Kaifers 





1) Bericht vom 3Often Januar. Ebendaſelbſt. 


494 Achtunddreißigſter x*bfſchnitt. 1162, 


oder feiner Nachfolger erforderlich — - Euer Herr⸗ 
kichkeit koͤnnen fich vorflellen, mit weiches Erflaunen 
und Vergnügen der Adel diefe unerwartete, koͤnigliche 
Gabe empfing, und mit welcher innera Genugthuung 
er ſich plöglich aus Sklaven in freie Leute, ja in 
wirkliche Adelige (gentlemen) verwandelt fah. 

" Auch für die Armen hat ber Kaifer duch Dem 
. minderung ber Salzpreife geforst. .Diefe Handlungen 
des Edelmuths und der Großherzigkeit muͤſſen ihm 
die Herzen der Unterthanen gewinnen, und zugleich 
dem Charakter des Kaiſers in den Augen von ganz 
Europa die böchfte Achtung erwerben. 

Über den König von Polen ſprach der Kaifer ge 
ringſchaͤtzzig und fehr beleidigend gegen ben Grafen 
Brühl, Er nannte Kaunitz, Beſtuchef und Bruͤhl 
die drei großen Branbftifter ia Europa. 

Es ſcheint nicht, daß die Kaiferinn irgend großen 
Einfluß beſitzt), und die Graͤfim Eliſabeth Weron⸗ 
zow (die Nichte des Kanzlers) miſcht ſich, wie ich 
glaube, nicht in die Geſchaͤfte, obgleich ſie auf dem 
Fuß einer erklaͤrten Beiſchlaͤferinn des Kaiſers lebt. 

Graf Leſtocq (obgleich 74 Jahr alt und 14 Jahre 
lang ein Verbannter und Gefangener)?) hat die Leb- 
baftigkeit eines Mannes von 25 Jahren - zurüdige: 





1) Den 30Often Sanuar. Ebendaſelbſt. 
2) Den 12ten Februar. Ebendaſelbſt 





\ 


1762, Rußland, Preußen, Englant. 495 


bracht. Auch Muͤnnich, Vater und Sohn, find frei 
gelaffen,;, und man faßt Hoffnung Be bie Familie 
der Biron. 

Die Thronbeſteigung Peters UL war für Fries. 
deich II, ein’ unfchägbarer Gewinn. Doc, blieb dieſer 
im erſten Augenblick uͤber den Gang der ruſſiſchen 
Politik in einigem Zweifel, und gerieth faſt um bie 
felbige Zeit in Mißverbältniffe zu England. Das 
Nähere ergeben folgende Auszüge aus Mitchells Be 
sichten und Papieren. 

Nach Pitts Abgang, unter der Leitung des Lords 
Bute, beginnen unangenehme Verhandlungen über 
Zahlung der Hülfsgelder, Separatfrieden u. f. w.'). 
So 3. B. that das englifhe Minifterium, als habe 
Friedrich U befondere Friedensunterhandlungen mit 
Öfterreic angefangen; wofür ſo gar keine Beweiſe vor: 
liegen, daß man es wie einen bloßen Vorwand be= 
trachten darf. Deshalb fchreibt Mitchell den Z1ften 
Januar: bed Könige Abneigung. gegen ben wiener 
Hof ſteigt mit feinem Unglüde fo fehr, daß manche 
feiner Handlungen mehr aus Leidenfchaft und Rad: 
fucht, als aus Vernunft und in herzu⸗ 
ruͤhren ſcheinen. 

Waͤre ich weniger bekannt mit dem Charakter des 





1) Berichte vom 12ten und 21ften Januar. Mitchell 
papers Vol. 6. 


4060 Achtunddreißigſter Abſchnitt. 1982 


Koͤnigs von Preußen, und naͤhme ich blos Ruͤckſicht 
auf die verzweifelte Lage feiner Angelegenheiten, ſo 
müßte ich nothwendig ſchließen: er werde durch jedes 
Mittel ſuchen Frieden zu ſchließen, um ſich und ſeine 
Familie von den drohenden Gefahren zu erretten. Ob⸗ 
gleich ich ferner den König von Preußen keineswegs 
für fo. überängftfich halte, daß er ſich (wenn es zu 
feinen Zwecken dient) nicht auf die obmaltende Nothe 
wendigkeit berufen follte, befigt er. doch zu viel. Ver 
fand, als daß er den Verluſt feines einzigen Ver 
bündeten, feiner einzigen Stüge wagen follte, um eines 
thörichten Verſuches willen: — nämlich, ohne Kennt: 
niß und unter Ausfchliefung Englands, mit ſter⸗ 
reich - zu. unterhanbeln.. 
Unnterdeſſen war. die Nachricht von dem Tode der 
Kaiferinn Elifabeth eingegangen, und Mitchell fchreibt: 
Graf Zintenftein hält es für unmöglich zu beftims 
men, welchen Weg der ruſſiſche Hpf einfchlagen würde. 
Der Großfürft und die Großfuͤrſtinn hätten zeither 
‚ freundfchaftlihe Gefinnungen gegen den. König von 
Preußen dargelegt; ob aber biefelben nad) ihrer Thron⸗ 
befteigung fortdanern wuͤrden, koͤnne man noch nicht 
wiſſen. — Ich muß fürdten (füge Mitchell hinzu), 
daß des Königs lebhafte Einbildungskraft (welche ihn 
gewöhnlich zu weit führe) ihn bei diefer Gelegenheit 
‚dahin -biingen wird, alle Friedensgedanken aufzugeben, 
wenn er anders fie in Bezug auf Öfterreich hatte. 








1762. - Preußen und Rußland. 497 


‚Der englifhe Gefandte Keith in Petersburg er: 
bielt wiederholt den Befehl, für Preußen: zu wirken. 
Seyn Sie (fchreibe ihm Mitchell), wenn Sie hieher 
berichten, fo genau und umſtaͤndlich als meglich, fos 
wol über Dinge als Perfonen. Sie Eennen bie un⸗ 
erfättliche Neugier des Königs von Preußen. 

Dieſe Neugier war, bei feiner Lage, in ber That 
hoͤchſt natürlich. Denn die von ihm ertheilten An: 
weifungen ergeben, wie gefagt,. daß er nicht mußte, . 
welche Wege. der ruffifche Hof einfchlagen werde. Zu 
den Gluͤckwuͤnſchen find bios allgemeine. Wünfche und 
Vorfchläge hinzugefügt, den Krieg zu enden. Le roi 
(heißt e8 unter Anderem) souhaiterait que Monsieur 
Keith faisant ce compliment à l’Empereur y ajou- . 
tait adroitement que Sa Majests le regardait tou- 
jours comme son ancien ami qui m’avait pris au- 
cune part à l’origine des troubles presens, et que 
les sentiments da Roi n’ayant jamais varie A son 
égard, il serait charmé de pouveir mettre fin aux 
differens -etc. Que Sa Majeste desirerait que Mon- 
sieur Keith fit non seulement le möme compli- 
ment à l’Imperatrice de Russie, mais qu'il s’eten- 
dit encore plus particulierement envers cette prin- 
cesse sur les sentimens personnels d’amitie et de 
confiance pour elle sur le fonds que Sa Majests 
faisait toujours sur les siens, et sur la persua- 
sion od le Roi était, quelle se ferait un plaisir 


208 Achtunddreüßigſter Abſchnitt. 1362. 
de ooncowir sux meycm *e tenniner cette pre- 
sent guerre. 

Um dieſelbe Zeit ſchricb griedeich U (ten 22ften 
ZJannar 1762) dem Könige von Enyand'): Men- 
sieur mon frere! La iongueer de la campagne 
derniere et differentes fatalites surrenus Je suite, 
mont empeche d’6crire plıwöt a Votre Maujeste. 
A present voila VInmeratrice de Bussie morte et 
le Grad Duc, yui m’a temoigue en tonte oe- 
casion de Yamitie, est sur le troue (tremne). Je 
suis persuad6 que pour pea que Monsieur Keith 
sache profiter de ces circonstances, il en pourta 
tirer um parti avantageux. Pour moi je ne deufe 
pas que cette annde ci ne soit plus. heurense que 
les pr6o6dentes et ne mous mette en «tal d’obliger 
nos ennemis à des comditiens de paix plus hono- 
rables pour nous, que des lois arrogantes qu’elles 
veulsient nous pröscrire, La declaration de guerre 
des Espagnols est, selon moi, avantageusp a l’An- 
gleterre, en ce que la grande superieriie de ia 

flotte britannique triemphera des Kspagneis, comme 
_ des Frangais, 

Quelle gloire pour le regne de Votre Majentt 
de rendre par ia sa nation dominairice (domina- 
trisse) des mers, sans confralietions, ei à nous 


1) State Paper office. Royal letters Vol. 17. 











1762. Peter MI und Friedei DM. 43 


tous d’avoir resiste et de nous: ötre somtenns con- 
tre les forces reunies de toute !’Europe. 1 n’mst 
question que d’un peu de constance et de fermete 
pour terminer cette Tuneste guerre à l’avaninge de 
V’Angleterre et de ses allies. Mais ıl faut pers⸗ 
zerer jasqu’au bout. de veis eneere des difhoultes 
sans nombre. Klles m’encouragent au ken de me 
. rebater, par l’esperanee de les vainere. Personne 
“se premd plus dintsret que moi à la gleire et à 
da prospert6 de Votre Majeste. Je In prie d’en 
&re oonvaincue, aussi que de ia haste estime 
avec laquelle je suis’ etc, 

Endlich langte ein Schreiben Reiche und ein 
Screiben Peters I fir Friedrich am, woraus die 
völlige Umſtelluug der cuffifchen Politik und des Kai⸗ 
fees Freundſchaft für den Koͤnig hervorging '). Ich 
hätte (Schreibe Michel) gegenwaͤrtig ſeyn mögen, als 
der Koͤnig Keiths Brief las, um zu fehen, welche 
Wirkung er auf ihn hervorbrachte. Ich glaube, dies 
iſt der einzige Brief, den er vielleicht je erhielt, 
welcher feine Erwartung übertraf und ſeldſt Uber Die 
Macht feiner Einbildungskraft hinausging. Sch be 
trachte dieſe große und unerwartere Begebenheit als 
einen Beweis, daß bie Worſehung in biefer Stunde 





1) Beriht vom a und 3iften Ranuar 1762. Mit- 
chell papers Vol. 6, 


500 Achtunddreißigſter Abfchnitt. 1762. 


der hoͤchſten Gefahr — iſt, den König zu 
erretten. 

Den Aten Februar ſchrieb Friedrich u dem Gra⸗ 
fen $intenftein '): Monsieur Mitchell est prie d’a- 
vertir Monsienr Keith de ne pas trop reidir eontre 
le .nouvel Empereur :dans ses’ vues qu'il fait re- 
‘margner contre les Danois. Vous savez qu'il n'y 
a rien plus pressant. que de nous reconcilier au 
plus promptement avec la Russie, pour nous reti- 


.* rer da bord da preeipicee. Si Monsieur Keith 


s’opposerait trop dans ce moment aux vues de 
l’Emperear à cet egard, on le revolterait et ris- 
querait a l’aigrir et de gäter tout des le commen- 
cement, et nos ennemis profiteraient pour len- 
trainer dans leur parti en. lui prometfant tout. H 
y a des moments pour fout; pour le present nos 
alfaires sont ce qu'il y a de plus pressant, le 
temps pourra amener le. reste. 

Einem anderen Briefe an Mitchell über die rufs 
fiihen Angelegenheiten, hatte Sriedrih eigenhändig 
hinzugefügt ?): Voila un cheralier (Kaifer Peter 
batte den ſchwarzen Adlerorden gewünfcht und bekom⸗ 
men) bien singulier qui nourrit 80000 hommes & 
mes .depens. C’est le seul de mes chevaliers qui 

1) Ebendaſelbſt. 

2) Den 17ten Februar. Cbenbafelbft. 








1362. Butes Politik. .- 501 


se. domne cetie libert& la, Si chacun de ceux de 
la jarretiere en faisait autant, votre Angleterre 
(toute l’Angleterre quelle est) .seroit mängee. Je 
vous. prie de rendre mon chevalier. plus docile, et 
de. lui apprendre que c’est contre linstitut de Vor- 
dre, qu'un chevalier mange son grand maitre. 
Diefer Scherz zeigt Friedrichs gute Laune; doch 
klagt Mitchell") daß der König: nicht immer! vorfichtig 
fehreibe und bisweilen in Briefen an Gelehrte (be 
ſonders an d'Argens), welche umhergezeigt wuͤrden, 
politiſche Mittheilungen - made. Die preußiſchen 
Miniſter wären (ungeachtet Mitchells Andringen) . zu 
futchtſam, dem Könige hierüber Vorftellungen zu machen. 
Nachdem Bute und Örenville an ber. Spige ber 
englifhen Verwaltung flanden, zeigte fich meniger: 
Kriegsmuth und Standhaftigkeit ale zuvor. Man. 
machte den König von Preußen darauf aufmerkfam,. 
wie. nöthig es fen. ſich mit Öfterreich auszufähnen 2). 
Hiezu bot fih, fo lange Eliſabeth Iebte, gar keine. 
“ Gelegenheit. Kaum aber hatte deren Tod den König 
aus. der größten Moth geriffen,- fo fehrieb Bute bereits 
an Keith nach Petersburg’): Mitten unter dieſen 


1) Den 2Sften Februar Ebendaſelbſt. 


2) Schreiben vom dten Januar und 6ten I BSLUNE: Mit- 
a papers Vol. 17, 


" 3) Den 26ften Februar. Rußland, Band 71. 


502 Achtunddreißigſter Abſchnitt. 1762. 


gluͤcklichen Erfcheinungen kann der. König von Eng⸗ 
kond aur eine Beſorgniß hegen, daß naͤmlich Peters 
geoße Freundſchaft für Friedrich jenen zu Maaußregeln 
vorleiten wied, weiche dieſen kriegeriſchen und: ehrgei⸗ 
zigen Fuͤrſten zum Fortfetzung ber: Feindſeligkeiten er⸗ 
muthigen koͤnnten, waͤhrend England uͤber Alles wuͤnſcht, 
ihnen ein: baldiges Ende zu machen. — Ihre Mei: 
nung, daß die Kaiferinn umten der gegenwärtigen Ne⸗ 
gierung keinen guoßen Einfluß: haben. dürfte, war une 
bier. fehr unermartat J 

Die Art und Weiſe, wie Bute unbiplomatiſch 
feine Sriedenafehnfucht darlegte, gab den: Gegnern: nur 


neuen Much; ja Öflerreih lehnte darauf: bezuͤgliche 


Mittheitungen ganz a Die Kaiſerinn Koͤniginn 
(ſchrieb Kaunitz)) und: ihre Miniſter können nicht, 


begreifen, was die fogenannte vertrauliche Wittheilung 


Engtands eigentlich bedeuten ſoll; weshalb leicht zu. 


begreifen, daß man ſich bier außer Stande befinde, 


darauf eine Antwort zu ertheilen. 
Unter diefen Verhaͤltniſſen ſchrieb Friedrich, den 


12tn Mir; 1762, aus Breslau dem Könige vor . 


Engtand: Momsieur mon fvere! Les newvelles qui 
‚viennent de Petersbourg depuis la mert de P’lm- 
peratrice sont si favorables que je les commmni- 
que avec joie a Votre Majeste.. Le nouvel Empe- 


1) Den 3ten März 1762. Mitchell papers Vol. 17. 


_ 


1762. ‚Friedrich N on der König von Englem. 503 


reur est entierement. dispese à Ian paix. Les seine 
de. Mansieur Keith omt beaucoup contribue à en- 
tretenir cette dispesitien avantagense. Jai envey& 
ke Baron Goltz & Petersbourg peur cemplimenter 
ce prince sur san avenement au trone, et il est 
en me£me tems charge de plein pouveir pour si- 
guoer la paix, si PEmpereur y consent. Cette ne- 
geeiation passe par les mains de Monsieur Keith. 
Kängleterre n’a point et& en: guerre avec la Rus- 
sie, ei les imterets de Votre Majesté ne penvent 
rien souffrir de cette paix; de sorfe que je: n'’ai 
aucun reproche a me faire, et je me suis meme 
perenade qu’elle sera bien aise de cei @venement. 
Vailä la guumde allianee separdey c’ent un wem’ 
grand artiele, si avec cela nous parrenons it pous- 
ser la. oaur de Vienne vigoureusement; it faudra 
hien quelle prenme enfin des sentimens plus ma- 
deres, quelle wien a marqué jusqu'iei, ef son can- 
aentiment & la paix entrainera infaillöblemens eelle 
de e Frane. 

Yai negarde de tout temis ia Reine d’Hongrie 
pour la premotrice de. la guerre presente, et Vetre 
Majeste verra que la guerre ne finira que lorsque . 
cette princesse commencera à craindre pour ses 
propres 6tats. — Je souhaite d’aveir toujours des 
nouvelles agreables a marquer à Vortre Majeste; 
je la prie cependant de eroire que persenne ne 


504: Achtunddreißigſter Abfchnitt. - 1968. 


prend plus que moi.de part a ses interöts, etant 
avec le plus grand attachement, Monsieur mon 
‚frere, de Votre Majeste le bon fröre, Federic. 


Diefe und ähnliche Vorftellungen Friedrichs ſtimm⸗ 


ten jeboch das englifhe Minifterium nicht günftiger. 
Bute beklagte fih, daß der König in Petersburg 
unterhandele, ohne England genau in Kenntniß zu 
fegen '). Daffelbe hatte England indeffen hinſichtlich 
Frankreichs gethan; auch war es natürlich, daß Fried: 


rich vor Allem feine perſoͤnlichen Verhättnifie zu ‚Pe- 


ter benugen und von Bute ſich nicht wollte Richtung, 
Maaß und Biel vorfchreiben laſſen. 
Hierauf erklärte Bute?): das. Parlament werde 


dem Könige in diefem Jahre kein Gelb bewilligen; 


doch fey dies nicht Folge böfen Willens, ſondern der 
Nothwendigkeit. Auch Hätten fich die Verhaͤltniſſe 
Friedrichs fo gebeffert, daß man ihn an feine frühere 
Erklärung erinnern koͤnne: er wolle nur im dußerften 
Falle der Noth Geld nehmen und feinen Verbündeten 
zur Loft fallen’). Überhaupt babe Frankreich nur 
wegen Friedrichs Schildechebung, den Krieg wider 
Deutfchland begonnen; England habe den deutfchen 


‘ 


1 Schreiben vom 9ten April. Mitchell papers Vol. 17. 
9 Schreiben vom 26ften Mai. 'Ebendafetbft. 
3) Schreiben vom Siften Auguft. Ebendaſelbſt. 





‚1762. Friedrich II und Englant. 505 


Krieg nur für Preußen geführt und die größeren das 
fie getragen u. f. w. 

In Bezug auf diefe Behauptungen lͤßt ſich bes 
merken: 

Erſtens, war Friedrichs Lage keineswegs ſo ge⸗ 
beſſert, daß um deswillen nicht jedes Mittel fuͤr den 
Krieg waͤre zu benutzen geweſen. 

Zweitens, beruhte Friedrichs Forderung der Sub: 
fidien auf Verträgen, und was Bute unmöglich oder 
nothwendig nannte, hätte Chatham wol nicht fo be: 
zeichnet. 

Drittens, ben Krieg in Deutſchland fuͤhrte Frank⸗ 
teich weſentlich gegen Hannover und ‚England, und 
Preußen trug fieben Jahre lang verhältnigmäßig die 
größeren Laſten. | 

Sn diefer Lage ſchrieb Friedrich den 17ten April 
1762 an Mitchell): Les rois, les princes’et les 
empereurs sont, je crois, convenus de faire tour- 
ner ma pauvre tôte; avec cela, mon cher Monsieur, 
on ne pense ni librement ni gajement, mais tri- 
stement et misanthropiquement. 

Er ſchrieb an d’Argens*): tout ce qui se passe - 
en Russie n’a pu ôtre prevu par le comte de 


1) Mitchell papers Vol. 40. 

2) Den 19ften Junius 1762. Oeuvres posthumes 
X, 258. * 
II. 22 


506 Ahtundbreißigiter Abſchnitt. . 1762. 


‘ Kaunitz; tout ce qui s’est passe_en Angleterre, et 
dont Vous ignorez ce qu'il y a de plus odieux, 
.n’a pas pu entrer dans mes combinaisons. 

Den 20ften Mai 1762 fchrieb der König weiter 
an Mitchell‘): Je ne donte point de vos bons et 
‚konnetes sentimens, mon cher Monsieur Mitchell. 
Je souhaiterais que tout le monde pensait de meme; 
le monde n’en serait que plus heureux et les, 
hommes plus vertueux. La fortune commence à 
ebanger à mon &gard, je souhaite quelle continue 
jusqu’a la fin de Fannee. Alors nous parviendrons 
cet hiver ä une paix honorable et, il plait à 
Dieu, durable.. 

Ob diefe Hoffnung in Erfüllung gehen werde, 
hing wefentlich von Rußland ab. Hier aber ereigne: 
ten fih Dinge, welche Friedrich fowenig wie Kaunitz 
vorherfehen konnte. 

PIE ISERRERN: 
1) Mitchell papers Vol. 40. 


1762. ; Rußland. Peter II 57 


Neununddreißigſter Abſchnitt. 


Zur Erläuterung der wichtigen ruſſiſchen Begeben⸗ 
heiten gebe ich Auszuͤge in chronologiſcher Folge, welche 
ſelbſt durch ihren bunten Wechſel doppelt lehrreich 
werden. 

Des Kaiſers Geburtstag (ſchreibt Keith)“) ward 
am 21ften Februar prachtvoll gefeiert. Man zaͤhlte 
140 Säfte. Nur die Kaiferinm fehlte, fie hat einen 
Fluß im Geficht und ein leichtes Fieber. 

Der wiener Hof bezeichnete Peters Maaßregeln 
gegen Preußen als einen übereilten Schritt, und 
nannte Friedrich U den Erbfeind Rußlands ?). 
Der Kaiſer ſagte: dieſer Ausdruck ſey in Bezug auf 
Rußland thoͤricht, auch habe er feine Meinung nicht 
geaͤndert, ſondern dieſelbe von jeher ausgeſprochen. — 
Öfterreich bot ferner Gerd und Hülfe gegen Däne- 
mark. Der Kaifer antwortete: Geld brauche er nicht, 
und feine Fehden hoffe er allein zu beenden, ober er 
wolle lieber wo anders als in Wien Beiltand ſuchen. 
— So weit ih ein Uetheil Über des Kaiferd Natur 
fällen kann, iſt es nicht rathſam, ihm bei feiner Leb⸗ 





1) Bericht vom 28ſten Februar. Rußland, Band 71. 
2) Bericht von demſelben Tage. Ebendaſelbſt. 
22 * 


° 


608 Neununddreißigfter Abſchnitt. 1762. 


haftigkeit zu toiderfprechen, fondern durch ſcheinbare 
Beiſtimmung vielmehr Zeit zu gewinnen. Da der 
Kaiſer vernünftigen Gründen (befonders wenn fie von 
Freunden kommen) Gehör giebt, fo kann man ihn 
auf diefe Weife wol von übereilten und heftigen 
Maafregein abhalten. — Die Kaiferinn bat wenig 
Einfluß. Ja es iſt jegt allgemein befannt, daß fie 
nicht, allein in Gefchäften nie befragt wird, fondern 
daß es auch in Privatfachen kein erfolgreicher Weg 
ift, wenn man fi an fie wendet’). 

Des Kaiſers Freundfchaft, ja ich muß fagen,- feine 
Leidenſchaft für den König von Preußen geht über 
allen Ausdrud, und er wuͤrde ſich augenblids ganz 
abwenden, wenn er ben geringften Schein einer Gleich: 
guͤltigkeit gegen deſſen Intereſſen gewahrte ?). 
Der Kaiſer hat alle Kloſterlaͤndereien im Reiche 
der Krone zugeſprochen, und zum Erſatz den Erzbi⸗ 
ſchoͤfen, Bifchöfen und Äbten gewiffe Summen an: 
gewiefen, fowie Jahrgelder zum Unterhalte der Moͤnche 
ausgefegt ). Der Kaifer hat ferner die berühmte 
(famous) Leibcompagnie aufgelöfet und den Gliedern 
die Wahl gelaffen, mit ihrem Range ins Heer ein» 


1) Bericht vom 19ten März. Ebend. 


2) Beriht vom 19ten März. Ebend. Mitchell pa- 
pers Vol. 22. " 


3) Bericht vom Iten März. Rußland, Band 71. 





U 
\ 


ı 1762. Peters Sturz. 500 


zutreten, ober ſich auf halben Sold zutüchusiehen. 
Nicht ein halbes Dugend bat den erften Vorſchlag 
Angenommen. 

Der Kaiſer fah Iwan I, und fand ihn zu einem 
Manne herangewachſen, aber in einem Zuſtande von 
Geiſtesſchwaͤche (Imbecihity) '). - Sein Gefpräch war 
unzufammenhängend und’ wild. Er fagte unter an: 
desen Dingen: er fen nicht der, wofür man ihn aus: 
gebe. Jener Prinz fey Yängft in ben Himmel auf: 
‚genommen; doch wolle er bie Anfprüche ber Perfon 
aufrechthalten, deren Namen er trage. 

Unwürdige Günftlinge, meiſt den Franzoſen erge: 
ben, gewinnen bei dem. Katfer immer mehr Einfluß‘). 
— . Die Wegnahme der - Kirchenländerelen bat im 
Reiche die größte Unzufriedenheit erzeugt. Die Kai: 
ferinn zeigte ſich an ihrem Geburtötage (den 2ten 
Mai) umd nahm Cour an, kam aber nicht in eine 
Abendgefelfichaft beim Kaifer. Den 11ten Mat aßen 
jedoch beide zufammen in einer großen Gefellfchaft ’). 

Der oft kranke Woronzow verliert an Einfluß, 
und fein Gehülfe Wolkow. erhätt ſchon deshalb alle 





1) Bericht vom 16ten Xpril. . Mitchell papers Vol. 22. 

2) Berichte vom -23ften April und 6ten Iunius. Ebene 
daſelbſt. 

3) Bericht vom Aten Mai. Den 20ften April galt die 
Kaiferinsi noch für krank. Rußland, Band 71. 


SO Neununddreißigſter Xbfhnitt. 17962. 


Geyalt, weil er dem Kaiſer nie widerfpriht '). Die 
Klagen über Einziehung ber Klofterlänbereien verbops 
pein ſich, ſeitdem der Kaiſer befohlen bat, die Söhne 
der Priefter im Deere anzuflellen. Kloſtergeiſtliche 
und Weltgeifttiche ſtimmen überein in ihren Be: 
ſchwerden. 

Den 22ften Junius hielt der Kaiſer eine par: 
Heerſchan und befehligte mit dem Sponton in bes 
Hand 2). Die Kaiferinn fah aus einem — zu; 
ein großes Feſt beſchloß das Ganze. 

Obgleich diefe Bruchſtuͤcke das anderweit Bekannte 
betätigen, wird man body (gleichiwie ber Geſandte Reich) 
duch die nächften Ereigniffe uͤberraſcht. Er fchreibe 
den 12ten Julius: Vergangenen Freitag Morgens um 
neun Uhr, als ich mic, vorbereitete zum Kaifer nad) 
Deterhof zu gehen, flürzte einer von meinen Dienern er 
ſchrocken in.mein Zimmer und fagte: am anderen Ende ber 
Stadt fen ein großer Aufruhr, und die verfammelten Leibs 
wächter fprächen von nichts Geringerem, als den Kais 
fer abzufegen. Eine Biertelftunde fpäter erhielt ich 
- die Nachricht: die Kaiferinn fey in der Stadt unb 
von aller Mannfchaft zu ihrer Herrfcherinn ausgerus 
fen worden. Sie befinde fich in der Kaſanskaikirche, 
um ein deshalb angeflimmtes Tedeum anzubscen. 


1) Bericht vom Tten Junius. Ebendaſelbſt, Band 72. 
2) Bericht vom 22ften Junius. Ebendaſelbft 


N 


. 2362, Peters Sturz. sl 


Die Soldaten und bie Ben bitten ihr ſchon 
ſaͤmmtlich geſchworen. 

Dieſe uͤberraſchende Revolution iſt in weniger als 
zwei Stunden zu Stande gebracht worden, ohne alle 
Gewaltthaten und ohne einen Tropfen Bluts zu vere 
gießen. Alle Theile der Stade (insbefondere diejeni⸗ 
gen, welche nicht dem Palofte ganz nahe liegen) blie⸗ 
ben fo ruhig, als fey gar nichts gefchehen. Das 
einzig Neue wad man fah, maren einige Poflen an 
den Brüden aufgeftellt, und einige Reiter, welche zur 
Erhaltung der Ordnung durch die Strafen ritten. 

Sobald die Leibwachen des Morgens verfammelt 
waren, ſchickte man einige Abtheilungen auf ben Weg 
nach Peterhof, damit dem Kaifer gar keine Nachricht 
zukomme; welcher Befehl auch fo genau vollzogen 
ward, daß niemand hindurchkam, den Stallmeifter 
Nariſchkin ausgenommen. 

Ewa um zehn Uhr Abends ſtellte ſich die Kaiſe⸗ 
tinn- zu Pferde. ‚an die Spige von zwölf bis vierzehn 
taufend Mann und einer großen Zahl Kanonen, und 


ſchlug den Weg gen Peterhof ein, um den Kaifer 


dafelbft oder in Dranienbaum anzugreifen, oder wo 
fie ihn fonft finden würden. Des folgenden Wache 
mittags traf die Botfchaft ein: er habe feine Perfon 
ergeben und ohne irgend Widerſtand zu leiſten, der 
Krone entfagt. 

dolgende Nachrichten über diefe — Begebenheit 


512 Neununddreißigſter Abſchnitt. 1762. 


find mir als authentiſch mitgetheilt worden, obgleich 
ih nicht jeden einzelnen Umſtand verbuͤrgen kann. 
Schon feit längerer Zeit warb der Anſchlag betrieben, 
die Ausführung aber befchleunigt, indem einer der 
Verſchworenen zwei Tage zuvor war verhaftet worden, 
weil er einige übereilte Worte. ausgefprochen hatte. 
Aus Furcht, entdeckt zu werben, befchloffen die Übri⸗ 
gen fogleih Hand ans Werk zu legen. Sie fchidten 
deshalb Heren Orlow (einen von drei Brüdern, welche 
als Dfficiere bei der Leibwache ftehen) zu der Kaifes 
tinn, um ihr jenes Ereigniß zu erzählen und ihr die 
Nothwendigkeit ihrer eiligen Nückunft nad) Peters: 
burg vorzuftellen. Orlow langte zwifchen drei und 
vier Uhr des Morgens in Peterhof an, erhielt Zutritt 
zue Schlaflammer der Kaiferinn und gab ihr Nach⸗ 
ticht von ber fie bebrohenden Gefahr. Sobald fie 
. angekleidet war, entwich fie unter Orlows Leitung 
aus einer Hinterthüre des Palaſtes, umbegleitet von 
irgend einem Diener oder einer Dienerinn. Nach ei: 
nigen Bufällen und mit höchft ermübdeten Pferden 
tamen ſie um ſechs Uhr zur Stadt, und gingen um: 
mittelbar zu der ismailomwfchen Leibwache, welche ber 
reits unter Waffen fland und mit dem Oberſten Ras 
ſumowsky an der Spige, die Kalferinn ‚gern aufnahm. 
Sie. fand diefelbe Bereitwilligkeit bei dem ſemenows⸗ 
kyſchen und preobrafinstyfchen Regimente, und führte 
Ale zu dem Palaſte, wo das ſchon Erzaͤhlte geſchah. 











1762, Peters Sturz. 2 513 


Das Regiment der Reiterwache, beffen Oberft 
Prinz Georg war, gehörte zu den erflen welche fich 
empörten und zeigte den größten. Haß wider feinen 
Befehlshaber und _die vorige Regierung. Die gefammte 
Mannfchaft leiftete ohne alle Zögerung bie neuen Eibe, 
einige Dfficiere von dem Küraffierregimente des Kal 
ſers allein ausgenommen, welche ſich Anfangs deffen 
weigerten. Auch find, wie ich höre, Einzelne noch 
in, Arreft, weiche auf ihrem Widerſpruche beharren. 

Der Kaifer hatte nicht die geringfle Nachricht und 
nicht den geringflen Verdacht über bie ganze Sache. 
Erſt zwifchen eilf und zwölf, als er auf dem Wege 
von Oranienbaum nach Peterhof war, . traf ihn ein 
Bote Nariſchkins, der ihm Kunde gab, wie die Sa: 
hen in der Stabt fländen. Peter begab ſich nach 
Peterhof und hörte bier, daß die Kaiferinn entwichen 
fey ; welcher Umſtand bis dahin verheimliht war, 
weil ihre Kammerfrauen behaupteten, fie fey unwohl 
und liege zu Bette. : Don diefem Augenblid gab ſich. 
der Kaifer ſelbſt für verloren, und unter ber geringen 
‚Baht feiner Umgebungen war nichts ald Verwirrung 
und Verzweiflung. Erſt Abends fpär ward. ein Ber 
ſchluß gefaße: der Kaifer beftieg mit all feinem Ge- 
folge, Männern und Frauen, eine Galeere, welche 
vor Peterhof lag, und man ruderte nach Kronftadt 
hinüber, in dee Hoffnung, man werde dafelbft freund⸗ 
liche Aufnahme finden. 


a 


514 Reunundbreißigfier Xhfhnitt.  ITEZ, 


Beauftragte der Admiralität aus Petersbutg wa⸗ 
ven bafelbft aber bereits angelangt. Deshalb vermei- 
gerten die Befehlshaber dem Kaiſer (obgleich er fid 
namenkundig gab) nicht allein die Aufnahme, fondern 
drohten auch, fein Schiff in den. Grund zu fchiefen. 
Dies erhöhte die Verwirrung. und Verzweiflung, und 
die Galeere begab ſich mit. anderen Booten auf den 
Ruͤckweg. Einige ſchlugen den Weg ein nach Peter: 
hof, Andere nah Dranienbaum, unter den legten 
. war der Kaifer nebft wenigen Begleitern. Sonnabend 
Morgen ſchickte er den Vicekanzler Galligin und den 
Generalmajor Ismailow mit einigen Vorfehlägen an 
die Kaiferinn. Mach einiger Zeit kehrte Ismailow 
mit der Entfagungsurkunde zurüd, welche ber Kaiſer 
ſogleich unterzeichnete, und mit jenem General den 
Weg nad) Petechof einſchlug. Seitdem hat män ihn 
sticht gefehen, und ich kann nicht erfahren, wohin men 
ihn gebraht hat. Man fagt, in der Entfagungsurs 
kunde fey ihm die Erlaubniß gegeben, nach Holſtein 
zuruͤckzukehren. 

Nachdem die Kaiſerinn bie Nacht in einem Lands 
baufe des Fuͤrſten Kurakin zugebracht hatte, kehrte fie 
geftern Morgen zu Pferde nach Petersburg zurüd, 
hörte Meffe in ber neuen Admiralitaͤtskirche (melde 
an dem Tage eingeweiht ward) und ging dann mit 
ihrem Sohne nad) dem Sonmimerpalafte, wo Leute 








7762. Peters Stur. 515 


aller Art einige Stunden lang zum Handkuſſe gelafs 
fen wurden. 

In der äffentlichen Erttärung über die Gründe 
der Zhronveränderung mar ber fchlechte Friede mit 
Preußen als ein Grund der Beſchwerde angeführt;. 
doch: Tieß die Kaiferinn dem preußifchen Gefandten fo: 
gleich fagen: fie fey auf jede Weiſe geneigt, die Freund⸗ 
Schaft des Königs zu erhalten. 

Sch höre: der Hetman, Herr Villebois und Pa: 
nin (des Großfürften Erzieher) waren die Hauptper⸗ 
fonen,. um dieſe Umwälzung zu Stande zu bringen, 
und naͤchſt ihren waren die Brüder Orlow die 
Zhötigften und Betrauteften. Der fonderbarite Um: 
Hand von Allem aber ift: daß der Ort für die Zu⸗ 
fammentünfte das. Haus der Sürftinn Daſchkow war; 
eine junge Dame, nicht über zwanzig Jahre alt, Toch⸗ 
ter des Grafen Roman Woronzow, Schweſter der 
Savoritinn Peters, der Elifabeth, und Nichte des 
Kanzlers. Gewiß hatte fie, von Anfang bis zu Ende, 
einen Hauptantheil am Erfinden und — der 
Verſchwoͤrung. 

Unter allen Menſchen ſchien der Hetman den 
größten Antheil zu beſitzen an der Gunſt des ungluͤck⸗ 

lichen Kaiſers. Zwei Tage vor deſſen Sturz aß er 
auf dem Landhauſe des Marſchalls Raſumowsky, ward 
von beiden Bruͤdern mit den groͤßten Zeichen der Pflicht 
und Anhaͤnglichkeit aufgenommen, — und gleich dar⸗ 


516 Reunundbreißigfter Abſchnitt. 18 


auf begab er ſich nach Peterhof, um mit der Kaiſe⸗ 
rinn Alles zu verabreden. 

Was die Gruͤnde dieſer — — anbetrifft, 
fo war der hauptſaͤchlichſte die Wegnahme der Kir⸗ 
chenlaͤndereien und die Vernachlaͤſſigung der Geiſtlich⸗ 
keit. Dee naͤchſte Grund war, daß der Kaifer ſich 
bemühte, im Heere und beſonders unter ben Leib⸗ 
wachen, welche an. große Faulheit und Willkür ge 
wöhnt waren, eine firenge Zucht einzuführen. Die 
Unzufriedenheit unter bdenfelben ward durch des Kai: 
ſers Beſchluß erhöht, einen großen Theil derſelben 
nach Deutſchland und gegen die Daͤnen zu fuͤhren. 
Überhaupt mißfiel dieſer Plan dem ganzen Volke, 
Es zürmte, daß man es in neue Ausgaben und Ge 
fahren fürzen wollte, um bed Herzogthums Schles⸗ 
wig willen, welches an ſich ein geringfügiger Gegen: 
fand und für Rußland ganz gleichgäftig fen. - Und 
dies in einem Augenblide, wo ber Kaiſer die Erobe 
rungen, welche für das Reich von großer Wichtigkeit 
ſeyn Eonnten, feiner Freundfchaft zu dem Könige von 
Preußen aufopferte. Bei der allgemeinen Friedens⸗ 
tiebe hätte man fich jedoch diefe Maaßregel gern ge 
fallen laſſen. 

Einige eine umftaͤnde, die man ſehr vergroͤßerte, 
ſowie kuͤnſtlich darſtellte und umgeſtaltete, haben ſehr 
zum Sturz dieſes ungluͤcklichen Fuͤrſten beigetragen. 
Er hatte manche- vortreffliche Eigenſchaften, und ließ 


172 . Peters Stu. . 317 


fi) während feiner kurzen Regierung feine heftige oder 
graufame That zu Schulden kommen. Allein feine... 
Abneigung gegen Sefchäfte, welche aus einer ſchlech⸗ 
ten Erziehung hervorging, und bie unglüdlihe Wahl 
feiner Günftlinge, welche ihn. hierin beſtaͤrkten, ließen 
Alles in Verwirrung gerathen. Auch lebte der Kai: 
fee in dem falfchen Glauben: er habe fich die Liebe 
des Volks durch die Wohlthaten erworben, welche er 
ihm fo ebelmüthig erzeigte. Nach feiner Thronbeſtei⸗ 
gung verfiel er in eine Unthätigkeit und Sicherheit, 
welche ihm verderblich ward. 

Nicht blos ih, fondern mehre verfländige und 
ſcharfſichtige Perfonen bemerkten an dem SKaifer eine 
große Veränderung im Vergleiche mit dem, was er 
wenige Monate zuvor war. Die flete Zerſtreuung 
(hurry) in’ welcher er lebte, fowie die Schmeichelelen 
der verächtlichen Perfonen, welche ihn umgaben, hats 
ten in gewiſſer Weife feinen Verſtand angegriffen 
(affected his understanding). . Der Vater und bie 
Schwefter der Daſchkow find‘ noch verhaftet. Man 
erzählt, der Kaifer habe nur drei Dinge gewuͤnſcht: 
fein. Leben, ſowie Gnade für feine Geliebte und für 
- feinen Adjutanten Godowig. . 

Bon dem Mißverhältniffe Peters zu feiner Ge: 
mahlinn ift in dem Berichte des vorfichtigen Ge> - 
fandten nicht weiter die Rede, und wenn. die Erwaͤh⸗ 
nung der Eliſabeth Woronzow audy darauf hindeutet, 


518 Neununddreißigſter Abſchnitt. 1782. 


fo tritt e8 doch night als ein Hauptbeſtimmungsgrund 
bervor. 

- Den 20ften Julius fchreibt Keich '): ich bekam 
von dem ruffiihen Miniflerium ein Schreiben bes 
Inhalts, fie hielten ſich für verpflichtet, bie fremden 
Sefandten zu benachrichtigen: daß der ehemalige Kai: 
fer geflern an einer heftigen Kolik geftorben fey, vers 
anlaßt durch Haͤmorrhoiden, die v ſchon oft geplagt 
haͤtten. 

Der Kaiſer ſtarb in einem kleinen Landhauſe, 
welches der Krone gehoͤrte; ſeine Leiche ward in der 
Nacht vom Sonntag zum Montag in das Newsky⸗ 
Hofter gebracht, wo er jegt Öffentlich ausgeſtellt iſt 
und Taufende hingehen, ihn zu ſehen?). Mittwoch 
Morgen ward der: Kaifer ohne Ceremonien im News⸗ 
kykloſter beerdigt. Nur Perfonen der erften fünf Klaſ⸗ 
fen waren angetviefen, dem Begraͤbniſſe beizumonnen. 

Ob und in welcher Weife man den Leichnam 
geigte, geht aus diefer Nachricht keineswegs genuͤgend 
hervor; .ja weil Keith im Begriff war, nach London 
zuruͤckzukehren, behielt er alles Nähere einer münd: 
Lihen Berichtserflattung vor. Wie diefe ames 
‚gefallen, ift unbefannt;_ und fo giebt das engliſche 
Reichsarchiv Feine Auskunft. über den Hergang und 





!) Rußland, Band 72, ; 
2) Bericht vom 28ſten Julius. —— 





1762. Peters Tod. 519 


die Schuld oder Unſchuld Katharinas. Was Ruls 
biere darüber erzähle, ift bekannt, jedoch nicht über 
allen Zweifel erhaben. 
Friedrich IE fchrieb an dD’Argens '): Quant a cette 
revolution, je lai apprehendie; j’ai meme averfi 
Vempereur de prendre ses mesures: mais sa s6- 
curit6 a été trop grande; il se fachait quand on kai 
parlait de precautions, et j’ai encore la lettre qu'il 
m’a écrite en reponse aux avis que je lui avais 
donnes. Son malheur vient de ce qwil a voulu 
prendre certains biens ‘au clerge; les pretres ont 
tram6 la revolution, qui s’est. exécutée tout de 
“suite. Ce prince possedant toutes les qualites du 
coeur qu'on peut desirer, n’avait pas autant de 
prudence, et il en faut beaucoup pour gouverner 
cette nation. On m’annonce aujourd’hui qu'il est 
ınort de la colique. | 
Dem Grafen Segur fagte Friedrich U: Catha- 
rine courennee et libre a cru, comme une jeune 
femme sans experience, que tout &tait fini; unen- 
nemi si pusillanime ne lui paraissait' pas dange- 
reux. Mais les Orlofis, plus audacieux et plus 
clairvoyans, ne voulant pas qu’on fit conire eux 
de ce prince un €tendart, Vont abattu. L’impe-. 
ratrice ignorait ce fait, et Papprit avec un deses- 





1) Oeuvres posthnnes X, 806. 


a 


520 Neununddreißigſter xbſchnitt. 108, 


peir qui n’etait pas feint; elle pressentait juste- 
ment le jugement que teut le monde porte anjour- 
d'hui contre elle, car Perreur de ce jugement est, 
et doit-etre ineffacable, puisque dans sa position 
elle a recueilli les fruits de cet attentat, et s’est 
va obligee pour avoir des appuis, non seulement 
de menager, mais m&me de conserver pres d’elle 
les auteurs du crime, puisqu’eux seuls avaient 
pu la sauver. 

Darnley und Maria Stuart, Peter und Katha⸗ 
rina erinnern aneinander und geben zu merkwuͤrdigen 
Vergleichungen Veranlaſſung. Alle viere trifft zunde 
derſt der gleichmaͤßige Vorwurf, daß ſie es mit der 
ehelichen Treue nichts weniger als genau nahmen; 
Maria hatte indeſſen von Darniey Nichts, Katharina 
hingegen von Peter fehr viel zu befürchten. Bei dies 
fer alfo kann man allerdings von einer Art von Noth⸗ 
wehr fprechen, während jene das Äußerſte muͤhelos 
vermeiden konnte. Die unmittelbare Zuſtimmung zum 
Morde ift überdies bei Maria viel klarer erwieſen, 
als bei Katharina; und in welchem Verhaͤltniſſe dife 
auch zu Orlow fiehen mochte, hat fie ihm doch nie 
ihre Hand gereicht und ihn neben ſich auf ben Thron 
gelegt. Deshalb fkürzte auch Marias Herrfchaft, trob 
aller fonftigen Berechtigung, ſogleich ganz zur Boden; 
während die nach Erbgeſetzen völlig unberechtigte Ka: 
tharina lebenslang den Thron behauptete, Zu biefen 


* 


1762. “Unruhen in Rußland. 521 


perfönlihen Thaten und Beziehungen traten aber. frei: 
ih in Schotland amdere äußere Berhältnifle hinzu, 
als in Rußland. 

So fchreibt Keith den 20ften Auguft '): Es hat 
ſich hier, felbft nach der Regierungsveränderung, Unzus 
friedenheit und eine übele Stimmung unter der Leib: 
wache gezeigt, welche, allmälig fteigend, in einer 
Nacht der vergangenen Woche in eine Urt. "offenen 
Aufruhrs überging. Die Soldaten- bed Regiments 
Inſemonowsky griffen um Mitternacht zu den Wafs 
fen und murden von ihren Dfficieren nur mit großer 
Mühe zur Vernunft zurüdgebracht. " Derfelbe Geift 


‚ teigte ſich (obwol in einen geringeren Grade) ' wäh: 


\ 


rend der zwei folgenden Nächte, und machte der Re⸗ 
gierung viel Sorge. Doch wurden, theild durch gute, 
theils durch fehlechte Mittel, viele Soldaten und Of: 
ficiere ergriffen und aus dem Wege geſchafft?). Die 
Sachen find für jest fo geordnet, daß bie Gefahr 
vorüber zu ſeyn fcheint. | | 
Den : 21ften Oktober fchreibt Keiths Nachfolger, 
Budingham, von ähnlichen Meutereien, doch fehle ein 
Haupt, und man werde ihrer wol Here werben ?). , 


1) Rußland, Band 72. 

2) Partly By fair means, and partly by foul, great 
number of soldiers and- officers have been taken up; 
and carryed out of the way. 

3) Rußland, Band 72. 


322 Neununddreißigſter Abſchnitt. IA 


Gleich nach der Thronveraͤnderung ſchickte die Kai⸗ 
ſerinn einen Eilboten an Poniatowsky und verbot 
ihm nach Rußland zu kommen, verſicherte ihn aber 
ihrer fortdauernden Achtung und Freundſchaft'). Im 
Fall der polniſche Thron erledigt wuͤrde, wolle fie ſich 
- aufs Beſte bemühen, ihm die Krone. zu verſchaffen, 
oder (fofern dies nicht möglich, feyn follte) doch Einem 
aus dem Haufe der Czartorisky. 

Den 2ften Oktober fchreibt. Buckingham aus 
Moskau: auf dem Gefichte der Kaiferinn ‚zeigt fi 
(fo fcheint es) eine bleibende Melancholie‘). Sie fagte 
mie den legten Abend im Gefpräche: fie habe ſich vor 
Kurzem in Gefellfhaft abweſend (absent) gefunden, 
und diefe Gewohnheit nehme bei ihr unmerflich übers 
hand, fie wiffe nicht warum (she. knew not why). 

Sch Dfficiere von ber Leibwache, welche zu frei 
gefprochen hatten, wurben zum Tode verurtheile?). 
Katharina fchenkte ihnen das Leben; doch wurden fie 
mit Schande entfegt und. für. immer nad) entfernten 
Landfchaften geſchickt. 

So weit meine RE reichen, ift bie 


-1) Bericht vom Iten Oktober. Ebendaſeibſt. 
2) The empress seems to have a settled melancholy 
upon her -countenance. 


8) Bericht vom 8ten November, aus Moskau. Ruß 
land, Band 72, 








1268, Katharinas Regierung. Hoffeſte. 523 


Kaiſerinn an Kenntniſſen, Fleiß und Anlagen, allem 
Herfonen in biefem Lande weit überlegen '). 
wied duch die Dienfte, welche ihr vor Kurzem ges 
teiftet wurden, befchränkt, kennt die Schwierigkeiten 
ihrer Lage und fürchtet die Gefahren, von welchen 
fie bisher glauben mußte umringt zu ſeyn; deshalb 
darf ſie noch nicht wagen, offen nad) eigenem Willen 
zu handeln und fi von Manchen loszumachen, des 
ven Geift und Charakter fie verachten muß. Sie 
wendet jedes Mittel an, Zutrauen und Liebe ihrer 
Unterthanen zu erwerben, und wenn ihr dies gelingt, 
wird fie die gewonnene Herefhaft zur Ehre und zum 
Vortheile des Reiches” üben. | 
Die Kaiferinn (heißt es in einem fpäteren Be: 
richte aus Moskau vom Iten Februar 1763) be: 
nimmt. fi, als Lebe fie in vollkommener Sicherheit. 
Sie fährt ded Nachts in einem offenen-Schlittn mit 
ſehr geringer Begleitung und hat, wenn ſie zum Se: 
nate fährt, oft nur zwei Bedienten auf dem Wagen”). 
Meben Sorgen und Politik gingen Vergnuͤgungen 
mancherlei Art ber. Vorige Nacht (ſchreibt Bucking⸗ 
ham ben 1Öten Februar) ward im Palaſte ein ruffis 
ſches Trauerſpiel vor der Kalferinn aufgeführt. Man 
hatte zu biefem Iwede in einer hoͤchſt prächtigen Halle 


1) Bericht vom „Zöften November. Ebendaſelbſt. 
2) Rußland, Band 78. 


524 Neunundbreisigfter Abfhnite.e NIE. ' 


eine Schaubühne, nebft Decorationen und allem Zu: 
behör eingerichtet. Der Gegenfländ des Dramas war 
eine ruffifhe Gefchichte, und fo weit ich nad) dem 
Lefen einer: franzöfifchen Überfegung urtheiten darf, die 
ſich ſelbſt fuͤr unvollkommen giebt, ſind die Gefuͤhle 
und der Dialog ſolcher Art, daß ſie jeden Schrift⸗ 
ſteller in jedem Lande ehren wuͤrden. Die Graͤfinn 
Bruce ſpielte die Hauptrolle mit ſo viel Geiſt, Leich⸗ 
tigkeit und Angemeſſenheit, wie man fie ſelten unter 
denen findet, welche für die. Bühne. erzogen find, 
Zwei andere. Charaktere ' wurden bewundernswuͤrdig 
dargeftellt durch den Grafen Orlow und einen Sohn 
des ehemaligen Marfchalls Schuwalow. Graf Orlows 
Geſtalt iſt fehr ausgezeichnet (striking); er hat ei: 
nige Ähnlichkeit mit dem Grafen Errol. 

Auf das Echaufpiel folgte ein Tanz, aufgeführt 
von den Hoffräulein und einigen des erſten Adels, 
Ich glaube, fo viel fhöne Frauen hat man nie auf 
einer Bühne gefehen, und wenige Känder würden fie 
erzeugen. Die Sräfinnen Stroganow, Nariſchkin und 
ein Fräulein Sievers zeichneten ſich vorzüglih aus. 
Das Orcheſter befland aus Edelleuten. Die Pracht 
und Eleganz bes Ganzen war fo, daß man eine ers 
tünftelte Befchreibung zu geben feheint, während man 
‚ nur Gerechtigkeit widerfahren: läßt. . Wenn wir be 
denken, wie wenige. Jahre verfloffen find, feit die fei⸗ 
nen Künfte in dieſes Land eingeführt wurden, und 








1762. England und Frankreichs Friedensſchuußß 525 


daß fie ſeitdem im gewiſſen Zeitabfchnitten fehr wenig 
geübt wurden, fo erfcheint es fehr außerordentlich, 
daß ſich eines Darfielung” diefee Art binnen wenigen 
Wohen entwerfen und ausführen lieh. 

So gern man auch den Fortfchritten Rußlands 
in den vorerwähnten Beziehungen Gerechtigkeit wider: 
fahren laͤßt, fällt der Lobpreifende Ton des vorftchen: 
den Geſandtſchaftsberichts? doch auf. Au, giebt .ein 
anderes "Schreiben vom 14ten Februar eine Erklaͤ⸗ 
rung, indem Buckingham dafelbft fagt: ich würde 
jene Beichreibung nicht fo gefaßt, haben, wenn idy 
nicht wüßte, daß alle Briefe geöffnet würden. Sie 
war zunaͤchſt für die Katferinn beſtimmt. F 


= 


Bierzigfter Abſchnitt. 


Obgleich) Friedrichs Plane, Öfterreih mit ruſſiſcher 
Huͤlfe zu einem ehrenvallen Frieden zu zwingen, durch 
Peters Abfegung ganz babinfielen, huͤtete fich doch 
Katharina. den unvernünftigen Krieg wider Preußen 
fortzufegen, und das Bündniß der drei großen Mächte 
(deſſen Folgen Friedrich beim Anfange des Krieges fo 
ſehr fürchtete) war hiemit aufgelöfet, Durch den 


526 Bierzigfier Abſchnitt. 10. 


Kriedensfchluß zwiſchen England und Frankreich, trat 
die legte Macht ebenfalis vom Schauplag zurüd. 

In der Anweifung zur ‚Friedensunterhandlung für 
den Herzog von Bebforb vom Aten September 1762 
Heißt es fchon '): es ift von Seiten Englands und 
Frankreichs angenommen worben, daß wir über die 
Intereſſen unſerer beiberfeitigen WBerbündeten nicht 
ohne deren Theilnahme untechandeln follten. Damit 
übereinftimmend (?) ſchlagen wir vor, bei diefen 
Praͤliminarien in Feine Erörterung einzugehen, melde 
“irgendwie die Rechte unferes guten Bruders und Ver 
bündeten, des Königs von Preußen, auf Wefel und 
Geldern verlegen (affeet) könnte. Es ift deshalb un⸗ 
fere Abfiht: 1) daß, wenn die englifchen und fran⸗ 
zoͤſiſchen Deere ſich in die Länder ihrer Heren zuräd: 
ziehen, auch jene Städte und Landſchaften von fran- 
zöfifcher Mannfchaft geräumt werden. 2) daß weder 
England noch Frankreich feine Verbündeten in’ Deutſch⸗ 
land unterftügen folle, und zwar weder mit Gelde 
noh Mannſchaft. 

Die Franzoſen erwiederten ?): zu Kolge ihrer Ver: 
pflichtungen gegen den wiener Hof, koͤnnten fie diefe 
Borfchläge hinſichtlich der Geldhülfe nicht annehmen; 
worauf der emglifche Gefandte daffelbe Recht für Eng: 


1) Frankreich, Band 124. 
2) Bericht vom 24ften September. Gbendaſelbſt 








1363. Srieden von Paris und Yubertsburg- . 3927 


lands Verbündete in Anfpruh nahm. Bald aber 
ließen beide Mächte dieſen fcheinbaren Ehrenpunft fat 
len, ſo daß Preußen und Öfterreich allein auf dem 
Kriegsſchauplatze übrig blieben. Gewiß flanden bie 
Verhaͤltniſſe für Preußen günftiger denn zuvor, und 
Öfterreich konnte weniger als je auf eine Wiedererobe⸗ 
sung Schlefiens rechnen. Aber aud) der kriegsmuͤde 
König bot gern zu: Unterhandlungen die Hand. Mit 
Unrecht wundert ſich Mitchell über plögliche Veraͤnde⸗ 
ung in ber Gefinnung Preußens und Öfterreiche, 
und die Reichtigkeit Frieden zu fchließen '). Jene Ber- 
ünberung umd dieſe Leichtigkeit gingen aus der Um: 
ſtellung aller europäifchen Berhältniffe hervor. Sm 
mehreren feiner Briefe druͤckte Friedrich feine größte 
Zufriedenheit aus, über die offene. und aufrichtige 
Weife, mit welcher ſterreich unterhandele. 

Audy war ber König damals ungehaltener über 
das Benehmen des zuricdtretenden Freundes, als des 
verföhnten Feindes. Doc, erklärt er in etlichen Brie⸗ 
fen höflicher Weiſe feine Zufriedenheit mit England ?). 

Den Iten November 1762 wurden. die Stiebens: 
“ präliminarien zu Fontainebleau, und. den 10ten Fe 


i) Schreiben vom Sten März 1763. Mitchell papers 
Vol. 6. 

2, Schreißen vom Ofen März * iſten April 1768, 
Ebendaſelbſt, Band’ 40. 


528 Vierzigſter Abſchnitt. 1763. 


bruat 1763 der Friede von Paris zwiſchen England 
und Frankreich geſchloſſen. Den 30ſten December 


1762 begannen die Unterhandlungen zu Huberts⸗ 


burg, und. ben 15ten Februar kam der Friede zu 
Stande. Sieben lange Kriegsjahre änderten Nichts 
binfichtljch der Rechte und Befisungen; Werth und 
Bedeutung bed Krieges Liegt alfo in der Führung 
felbft, in ber Größe ober Kleinheit, welche Könige, 
Staatömänner , Feldherrn und Deere zeigten, ober 
nicht zeigten. | 

Allerdings kamen dem. Könige Friedrich Ungefchid 
unb Uneinigkeit feiner vielen Seinde, ſowie oft bas 
zu Gute, was wir in gewöhnlicher Sprachweile Zus 
fol nennen; ihm um beswillen aber politiſche und 
Feldherrngroͤße abfprechen, gehört zu ben thoͤrichten 
Einfällen, womit Eleine Leute großen Männern gegen: 
über fich gern breit machen. Friedrich II iſt und 
bleibt die größte Geſtalt der ganzen Zeit! er und 
Preußen hatten ein weltgefchichtliches Dafeyn, einen 
Kern ewigen Ruhmes gewonnen, an welchem fich in 
Zeiten fpäterer Erniedrigung die Flammen einer fieg: 
reichen Begeifterung wieder entzuͤndeten. 

Mährend des Krieges hatte man fih daran ge: 
wöhnt, von ihm faft. das Unmoͤgliche zu erwarten; 
noch mehr forderte man nad) Abſchluß des Friedens, 
Und als nicht fogleich jeder Wunſch erfüllt, jedes übel 
befeitige ward, fehlte es nicht. an bitteren Klagen 











1768, Friedrichs Regierung. 529 


mancherlet Art. iniges davon ift in die gefandt: 
fhaftlihen Berichte Mitchells- übergegangen, wie fol 
gende Auszüge erweifen. - | 
Dee König wendet fi) mit großer Ausdauer und 
Kraft zu ber inneren Regierung, welche, während ſei⸗ 
ner Abmefenheit in Verwirrung und Anarchie gefun- 
ten war). — Es thut mir leid, daß er noch nichts 
zur Abftelung der Übel gethan hat, welche aus ber 
Verſchlechterung der-Münze entftehen ?). Einige Zu: 
den und Banker, welche an dem Münzen Theil nah⸗ 
men, erwarben dadurch unermeßliche Summen; " aber 
der ehrliche und gewerbliche Theil des Volkes verlor 
-außerorbentlih. — Juden und Chriften wetteifern 
über den Antheit an ber Plünderung bed Volkes °). 
Durch Nichts hat der König fo viele verſtimmt und 
die Zuneigung des Volkes von ſich abgemandt,” als 
durch feine raſchen unüherlegten Schritte: hinfichtlich 
bee Minze. Doc hofft man, feine Weisheit, Tuͤch⸗ 
tigkeit und fein Scharflinn werben bie fchändlihen . 
Diane ber Wucherer aller Art vereiteln. | 
Einige Kaufleute und andere durch ben Krieg be: 
reicherte Perfonen haben Zriumphbogen errichtet, koſt⸗ 


1) Bericht vom 9Iten Aprit 1763. Mitchell papers 
Vol. 6. } 
2) Bericht vom 19ten April. Ebendaſelbſt. 
3) Berichte dv. 19ten Aprit 1763 und 7ten Zanuar 1764. 
II. 23 


530 Bierzigfter Abſchnitt. 1764, 


brre Feuerwerke abgebrannt und lobpreiſende Inſchrif⸗ 
ten auf den König beigefügt. Gleichzeitig wird das 
Bolt (dem Brot fehle und das fo lange bie Leiden 
des Krieges gefühlt hat), meuteriſch und Beleidigend. 
Bor einigen Tagen waren in einigen Hauptſtraßen 
Berlins gefchriebene Zettel angefchlagen, worin ber 
König als ein Tyrann behandelt wird, der das Schid: 
fat Peters IE verdin. Dan klagt über Unter⸗ 
druͤckung, und fordert Abſtellung ber Beſchwerden, 
welche (mie fie fügen) von ber Menfchlichkeie Prinz 
Heinrichs zu erwarten ſey. Dies hat man bisher 
weistich vor dem Könige verbergen gehalten, deſſen 
Empfindlichkeit gegen Beleidigungen ihn weiter. führen 
duͤrfte. Es iſt feine Unterfuchung nach ben Urhebern 
jener Schmähfchriften eröffnet worden. — Die Mis 
nifter haben keinen Muth, dem Könige das zu bie 
terbeingen, was ihnen gefagt, wird, und noch weniger 
über die Kolgen falſcher Schritte Verſtellungen zu 
maden '). Er ift ungeduldig gegen Widerfpeuch, und 


.. ‚nimmt fo leicht Eindrüde auf, welche mit feinen au: 


genblicklichen Leihenfchaften übereinflimmen, daß es 
ſchwer fällt, felbft unbegründete Vorustheile auszurot⸗ 
ten. - Von Natur ift er argwmöhnifch, und obgleich. er 
bisweilen über alle Foͤrmlichkeiten lacht, fa hält doch 


1) Berichte vom 27ften März, Sten Mai und 26ften 
Junius 1764. Mitchell papers Vol. 7. 











1784. Friedrichs Regierung, £ 531 


kein Menſch an bdemfelben fo fe ats er, im Fall er 
glaubt, «6 betreffe feinen Rang und feine Wuͤrde). 

Graf Bord, dee Hofmeifter des Prinzen von 
Preußen, fprady in einer Geſellſchaft über die Natur 
and die Wirkungen des Krieges, und das Unheil, 
was im Allgemeinen baraus für die Menfchheit her⸗ 
vorgehe ?).. Dem Könige warb dies in uͤbertriebener 
Meife wiedererzaͤhlt, weshalb er bei Zifche das Ges 
ſpraͤch darauf hinlenkte. Obgleich Bord ſich hier ge⸗ 
maͤßigt aͤußerte, ſagte ihm der Koͤnig mit großer Hef⸗ 
tigkeit: bei ſolchen Anſichten ſey er nicht wuͤrdig, den 
Rod eines Generalmajors zu tragen und noch weni: 
ger bei feinem Neffen zu bleiben. Go warb er ents - 


en. | 

Des Königs Sparfamkeit nimmt täglich fo zu, 
daß fie einen anderen Namen verdient?) Sie er 
ſtreckt ſich bis auf die geringſten Kleinigkelten *). Ex 
iſt nicht ſelten herbe und verdrießlich. Aber freilich 
feine Befigungen find in ſolch einem Grade erſchoͤpft, 
daß die einfache Beſchreibung das härtefte Herz ruͤh⸗ 


1) Bericht vom Ziften Auguft. Ebendafelbft. 
2) Bericht vom Aſten März. Ebendafetbft. 
3) Berichte vom 21ften Aprit und 23ften Sunius. Ehen: 
dafelbft. i 
4) Berichte vom Sten Mai 1762 und Iten Mai 1763. 
Mitchell papers Vol. 6. 7. 
23* 


532 Bierzigfier Abſqchnitt. 1766. 


ten, und bad Mitleid des Unempfinbichften hervorru⸗ 
fen muͤßte. 

“Der König hat wegen nen aͤffentli— 
“cher Gelder Unterſuchungen anſtellen laſſen. Da fi 
diefelben hauptfächlicy wider Fremde, Abenteurer und 
Leute: ‚richten, welche Entwürfe : zu neuen Steuern 
überreichten und hoͤchſt verhaßt find, fo ruft das Volk 
laut um Rade'. 

Durch die vielen Beränderungen ‚ welche. der Ki: 
nig vor einiger Zeit wegen ‚Erhebung und Erhöhung. 
der. Steuern gemacht hat, find viel Berwirrungen. ent 
fanden. Mancherlei Plane von "Abenteurern und 
Projectenmachern find gefährlih und unausführbar 
befunden worden. Dies Miblingen liege dem Könige 
fhwer im Sinne und wirkt auf feine Stimmung. — 
Die Vorftellungen feiner Unterthanen ‚(obgleich fie ge: 
gründet: find und aufs ehrfurchtvollſte abgefaßt und 
in der demuͤthigſten Weiſe überreicht wurden) haben 
bis jest noch keine Wirkung gehabt, ja ihn vielmehr 
in dem Entfchluffe beſtaͤrkt, Maaßregeln durchzujegen, 
welche, nad) der. Meinung berer, die am Velten bar: 
über unterrichtet find, unfehlbar für Handel, Gewerbe 
und Credit nachtheilig feyn werden. — Nur für die 
hoͤchſt unzufriedenen weftphälifchen Landfchaften iſt 


1) Berichte vom 6ten September, 17ten September und 
iften November 1766. Mitchell papers Vol. 7. 





1766. Friedrichs Regierung, Regie. 533 


die neue Regie, gegen Übernahme einer anderweiten 
Zahlung, aufgehoben, worden '). 

Die Directoren der neuen Regie (meift, wie man 
fagt, von Helvetius empfohlen)?) find ſaͤmmtlich Krane 
zofen ‘geringer Herkunft und. völlig unwiffend der 
Sprache, Sitten und Gebräuche diefes Landes. Drei . 
von ihnen, darunter Herr von Candi, waren Ban⸗ 
Eerottirer. Diefer gerieth in Streit mit Launay und 
ward von ihm. erfhoffen. Nach wie vor. bieibt. die 
Regie verhaßt, und hat dem Könige die Liebe feiner 
Unterthanen in einem Grabe geraubt, den man faum 
befchreiben Tann ?). 

Diefen Nachrichten über die innere Verwaltung 
ftehen einige.andere gegenüber, bie politifchen Verhaͤlt⸗ 
niffe betreffend. So fuchte England ſich mit Ruß: 
land und Preußen. zu verbinden, und dem bourbenis 
ſchen Familienvertrage gegenuber zu treten *),. Friedrich 
bemerkte in bdiefer Beziehung: Buͤndniſſe, geſchloſſen 
mit Hinficht auf entfernte Creigniffe, find meift blos 
Segenftände Außerer Schauftellung (ostentation) und 
bringen felten eine andere Wirfung hervor, als die 
Gegenpartei auf eine kurze Zeit zu täufchen (impo- 


1) Bericht vom 15ten November. Ebendaſelbſt. 
2) Bericht vom 27ften. December 1766. Ebend. 
8) Bericht vom &ten Junius 1768, Ebend. 

4) Bericht vom 17ten September 1766. Ebend 


834 Vierzigſter Abſchnitt. 1006. 


sing). Er wiederholte hiebel ein italieniſches Sprich⸗ 
‘wort: Chi sta bene, non si move. Mitchell antwortete: 
Chi sta sole, non sta bene. Dann gab ber König 
einige Winke uͤber die Art, wie er beim legten Frie⸗ 
bensichluffe von England behandelt worden, und [prad 
Aber die Unbeftändigkeie der englifchen Maaßregeln und 
den plöglichen Wechſel der Miniſterien, welcher es faſt 
anmöglic made, mit irgend einer Sicherheit Ger 
fchäfte mit uns gu betreiben. Ich antwortete (fchreibt 
Mitchell) To gut als ich konnte. | 
Auf einen im December 1766 wiederholten An- 
trag Englands, jenes dreifache Buͤndniß abzufchließen, 
antwortete der König: Anſtatt daß der vorgefchlagene 
"Bund die Öffentliche Ruhe befeftigen follte *), koͤnnte 
er ſie leicht und ſelbſt piöglich unterbrechen ; fofern er 
unfehlbar die Eiferfucht der uͤbrigen europälfchen Mächte 
erregen, und fie vieleicht veranlaffen duͤrfte, ſich enger 
gu verbinden als bisher. Jetzt tft Alles ruhig, und 
ich wuͤnſche, es möge lange fo bleiben. Verbindungen 
verſchiedener Mächte nad) einem allgemeinen Plan 
(upon a general plan) dauern felten lange und ba 
ben felten gute Folgen. Die Umflände wechfen fo 
fhnell, daß es faft unmöglich ift, in einem ganz all 
gemeinen Vertrage, für dasjenige Vorkehrung zu tref- 
fen, was fich etwa ereignen dürfte. Menn man ficht 


1) Bericht vom Aten December. Mitchell pap. Vel. 7. 





17686. Friedrich und England. 585 


wie in Sturm fich erhebt und Wolken heraufzichen, 
dann, und erft dann iſt es Zeit ſich zu verbinden 
und Maafregein wider die drohende Gefahr zu vere 
abreden. Ich bin deshalb abgeneigt auf Plane ein⸗ 
gugehen, welche neuen Krieg herbeiführen Eünnten. 

In Bezug auf Frankreich ſagte der König: obr 
gleich ich nicht zweifele, daß die Franzoſen darauf denken 
die Ehre mieder zu gewinnen welche fie zulegt im. 
Felde und duch Verträge eingebüßt haben, find fie 
doch noch keineswegs im Stande diefe Plane bei ber 
Verwirrung ihrer Angelegenheiten auszuführen. Eben 
fo wenig kann ich mid) überzeugen, daß fie Deutſch⸗ 
land zum Sige der Fehde machen wollen. Sie find 
diefes Landes herzlich überbrüßig, nicht allein ihrer Uns 
fälle halber, fondern auch wegen der unermeßlichen 
Ausgaben welche deshalb während bes legten Krieges 
für. fie entfanden find. Überdies können fie ben In⸗ 
terefjen und dem Handel Englands wirkfameren Schar 
den thun, wenn fie ihre Waffen anderswohin wen- 
‚den. Auch wird, aller Wahrfiheinlichkeit nach, der 
erſte Krieg in einem Xheile der Welt ausbrechen, wo . 
ich von wenig Nutzen ſeyn kann. 

Als ich Mitchell) auf die Gefahr anſpielte, welche 
ben König von Öfterreich her bedrohe, antwortete er: 
Sch will verfteher, worauf Sie anfpiefen. Werde ich 
angegriffen, fo bir ich bereit mich zu vertheidigen, und 
Sie haben gefehen was ich thun kann. — Ich ant: 


% 
x 


536 Biergigfter Abſchnitt. 1766. 


wortete: Site ich bin ein. Zeuge Ihrer Thaten ges 
wefen, und ich glaube daß feiner, außer Sie, biefelben 
vollbringen konnte; dennoch wäre es fehr gefährlich den 
Verſuch zu wiederholen. 

Das Leste ließ ſich indeffen auch. für Sſterreich 
ſagen, und gerade in dieſen gleichartigen Erfahrungen 
und Beforgniffen lag bie Bürgfchaft längeren Srie: 
dene. So führten die englifcherfeits verfuchten Anne 
handlungen zu einem Ergebniß. 

Schon früher, als Mitchell Berlin verlaffen follte, 
fehrieb ihm der König '): Je suis bien fache, mon 
eher Mitchell, que votre rappel nous separe en- 
tierement. Cependant la memoire de vos bons 
procedes et de. votre merite ne perira pas ici. 

Undererfeitd bezeugt der. Gefandte?): Friedrich ift 
ungemein gewandt. und befigt im hoͤchſten Grabe 
das. Talent diejenigen einzunehmen, welch er gewin⸗ 
nen will. 

Es ſey erlaubt dieſen Berichten Michells einige 
Bemerkungen hinzuzufuͤgen: J 

Erſtens, war die Herabſetzung der Muͤnze an 
ſich eine uͤbele und mit nachtheiligen Felgen verknuͤpfte 
Maaßregel; allein es iſt leichter zu taleln, als zu ſa⸗ 
gen, in welcher beſſeren Weiſe ſich der Koͤnig aus ſei⸗ 


1) Mitchell. papers Vol. 40, ven Aſten Junius 1765, 
2) Den Iten September 1769. Mitchell. pap. Vol. 7. 











Friedrichs Regierungsmeife. 537 


nen furchtbaren Berlegenheiten herausreißen konnte. 
Die Lehre von Credit und Staatsfchulden war da⸗ 
mals noch nicht fo ausgebildet, wie jegt; mer würde 
ihm freiwillig, wer gezwungen etwas geliehen haben? 
Aber hat die uͤbertriebene Mehrung mwerthlofen Papier- 
geldes nicht .eben fo böfe Folgen, als die Verfchlechte: 
rung des Metallgeldes ? 

Zweitens, hatte der König, bei der Verwuͤſtung 
und Erfhöpfung feines Reiches nur zu viel Gruͤnde, 
die hoͤchſte Sparſamkeit zu üben. Es iſt bekannt, in 
wie reichlicher- Weiſe er eben deshalb die einzelnen 
Landſchaften unterftügen Eonnte. 

Drittens, hielt Friedrich II allerdings fireng auf 
feine Eönigliche Stellung und Würde, Ihr vertrauend, 
verfchmähte er aber Keinliche Unterfuchungen gegen ein⸗ 
zelne Raifonneure und Pasquillanten, und that als 
wiſſe er nicht daß auch fein Bruder Heinrich den 
Unguftiedenen fpielte. Bon diefem fagt Mitchell: ber 
Prinz ift ſehr eitel und haßt feinen Bruder, auf deſſen 
Größe: er eiferflchtig erfcheint '). Er befigt Talente, 
- jedoch mehr DVerfchlagenheit als wahre Tiefe?), und 
iſt durch und durch franzoͤſiſch gefinnt. 

Viertens, feheuten ſich die Beamten ohne Zwei⸗ 
fel dem Könige oft zu widerfprechen; wo es aber galt, 


1) Den 19ten December’ 1757. Ebendaſelbſt, Band 28. 


. 2) More cunning than real parts. 
23” 


38 Vierzigſter Abſchnitt. 


blieben ſie (wie die Geſchichte zeigt) nicht hinter 
ihrer Pflicht zuruͤck, ſondern ſetzten lieber ihre aͤußere 
Stellung aufs Spiel. Auch wußte Friedrich ſehr 
wohl, daß bie beiden in Frankreich abwechſelnd here: 
fchenden Spfteme, nämlich die Verkäuflichkeit der Stel: 
‚ ten und bie Abfegbarkeit der Beamten, gleich wenig 
——— | 

$ünftens, war die religidfe Duldung und die 
Drudfreieit größer in Preußen, als in ben meiften 
europäifchen Staaten, keineswegs aber umbedingt, wie 
ſchon Leffing mit Recht bemerkt har ). Insbefondere 
würde man öffentlichen Tadel der Regierungsmaaßre⸗ 
geln nicht fo geduldet haben, wie die Angriffe auf 
kirchliche und religiöfe Anfichten. Mit Unrecht bat 
man aber aus dem legten Umftande Friedrichs völlige 
Steichgültigkeit in Neligionsfachen, oder gar feinen 
Atheismus zu erweifen gefucht. Die Art und Weife 
wie ihm in der Beit feiner Jugend die proteſtantiſche 
Dogmatik aufgedraͤngt wurde, ſowie das was er von 
katholiſcher Unduldſamkeit z. B. in Frankreich erblickte, 
konnte ſeinem Geiſte nicht genuͤgen; auch lag in bei⸗ 
dem das wahre Chriſtenthum nicht zu Tage. Obgleich 
ex, ſelbſt in fpäteren Jahren nicht bis zu dieſem durch⸗ 
drang, fo xichteten fich feine Gedanken und Forſchun⸗ 
gen doch immer: wieder auf biefe größten Tragen, und 


-1) Werke XXVII, 256. 











Friedrichs religtäfe Anſichten. 580 | 


er mißbilligte, wenn’s ihm Ernſt ward, rund herans 
die flachen Anfichten der fegenannten Framzöflichen 
Philoſophen. Siefür nur einige Beweiſe aus ſei⸗ 
nen Werken '). 

In einem Briefe an Micchell fagte er: 

Ua systeme li6 par la sagesse et l’art, 

Dont l’ordre, le rapport, lo but se manifeste, 

Demontre ouvertement un. ouvrier oeleste. 

Le hazard n’est qu’un mot sans rien signifier 

A Vorgueil insignifiant, qui sert de bouclier — 

Poar sontenir ce monde et pour le protöger 

Un Dieu suffit, son bras ne peut se partager. 

Hi est dit dans P’Evangile: ne faites pas aux 
antres, ce que vous ne voulez pas qu’on vous fasse, 
Or ce precepte est le resumö de tonte la merale; 
“ est done ridicule, et c’est une exageration outree 
d’avancer que cette religien ne fait que des scele- 
rats, Il ne faut jamais confondre ia loix et Pabus. 
— Si je defends in morale da Christ, je defends 
celle de tous les philosophes, et je vons sacrifie 
tous les dogmes qui ne sont pas deydai. — Quand 
-on veut donc se recrier conire cette religim, il 
faut designer les lemps dont on yarle et distinguer 
les abus de l'institution. 

Laut erflärt fich der König am mehten Stellen 


1) Oeuvres posthumes VIII, 11; XI, 79, 94, 


5409 Bierzigfter xvſchnitt. 


gegen das Systeme de la nature und ſagt z. B.): il 
n’a point de dialectique dans ce hivre, il ny.aque 
des paralogismes et des cercles de raisonnemens 
vicieux, des 'paradoxes et des folies completes, à 
la tete desgnelles il faut placer la r&publique fran- 
caise. — Il regne dans les livres de Diderot un 
ton 'suffisant et une arrogance, qui revolte Vinstinet 
de la liberte. La modestie va bien & tout le monde, 
mais ne pas decider imperieusement. 

Weiſſagend äußerte der König”): Je suis persuade 
qu’un. Philosophe fanatique est le plus grand des 
monstres possibles et en m&me tems -lanimal le 
plas inconsequent que. la,terre ait produit. — Je 
desespere de mon peu de capacit& pour monter un 
gouvernement sur le pied, que vos savans legisla- 
teurs (qui n’ont jamais gouverne) preserivent. — 
Sechstens, erkannte der König fehr richtig, welche 
reichliche Quelle für die Stäatseinnahmen in den Zoͤl⸗ 
ten und PVerzehrungsfleuern fliege; andererſeits fand 
ſich das Volk mit Recht durch die Formen und den 
Inhalt der franzöfifchen Regie verlegt. Die über 
Handel, Gewerbe, Einfuhr, Ausfuhr u. T. w. das 
mals aufgeftellten und befolgten Grundſaͤtze unterlie- 
gen gewiß den erheblichften Einwendungen; doch. wa- 


1) Ebendafetbft IX, 150, 207; XI, 81, 180, 181. 
2) XI, 118, 161. 


Friedrich, Rußland. 541 


ren fie in jener Zeit nicht fo thöricht, als fie in uns - 
feren Tagen feyn würden. Wenn daher Friedrich das 
franzöftfche Verfahren damals überfchägte und in falfche 
Nachmacherei verfiel, fo bat umgekehrt Preußen jegt ' 
das größere Verdienft, durch das Aufheben des Golberts 
fhen Sperrungs= und Mercantilfptems den übrigen 
Staaten, und insbefondere Frankreih ein tadelfreieres 
Vorbild hingeftellt zu haben. Was endlich 
Siebentens die auswärtigen Angelegenheiten ans - 


betrifft, fo würde ein engerer Bund mit Frankreich 


oder England, immer die eine der beiden Mächte ver: 
feindet und Öfterreich zu ihe hingedrängt haben. In 
diefee Lage war Friedrich genäthige vor Allem mit 
Rußland engere Verbindungen anzufnlpfen, und zu 
manchen Planen SKatharinas die. Hand zu bieten, 
welche er unter anderen Verhaͤltniſſen vieleicht bes 
kaͤmpft hätte. 


5342 Eihundpvierzigfler Abfchnitt. - 1768. 


Einundvierzigfter Abſchnitt. 


Obgleich meine Forſchungen und deren Ausbeute 

weſentlich mit dem pariſer und hubertsburger Frieden 
ſchließen, ſey es doch erlaubt, einige Bruchſtuͤcke aus 
den naͤchſtfolgenden Jahren, beſonders uͤber Rußland 
und Polen vorzulegen. 
Ungeachtet äußeren Glanzes war aatharinas Ru 
gierung weder. vollkommen beruhigt, noch untadelhaſt. 
Die Parteilichkeit der Kaiſerinn (ſchreibt Buckingham) 
für. den Grafen Orlow wird taͤglich größer und für 
Viele beleidigend ). Es würde Leine übele Wirkung 
thun, wenn man ihm eine mit Diamanten - befehte 
Uhr, etwa 500 Pfund an Werch ſchenkte. — Man 
hat hier wenig Geld, giebt aber. viel aus. Die innere 
Regierung ift in großer Verwirrung. Der Smat 
macht heute- Verfügungen bekannt, bie er morgen auf- 
hebt. Man -bemerkt nicht mehr die allgemeine Zufrie⸗ 
denheit und, Heiterkeit, gleichwie zwei Donate zuvor, 
und Manche wagen ihre Mißbilligung der Regierungs: 
maaßregeln anzudeuten. 

Die Ungewißheit aller Dinge und ber hiefige fchnelle 


1) Bericht vom Ziften Februar und 26ften März 1763. 
Rußland, Band 73. 








1763. Orlow, Galigin, Panin, die Kaiferimn. 543. 


Mechfel der Gunft, machen es für jeden Fremden fehr 
fhwer am ruffifchen Hofe gut zu ftehen, und fall 
unmöglich feinem eigenen Hofe zu genügen ’). 

Diele Soldaten find unzufrieden, und die Fuͤrſtinn 
Daſchkow ward mit ihrem Gemahle nach Riga ge 
ſchickt. Durch anmaßendes Benehmen verlor fie geoßens 
theild die Achtung der Kaiferinn. Sie war zu flolz 
deren Beruhigung zu verfuchen, oder fich ihrer Uns 
gnade zu unterwerfen. Man hegt den Verdacht daB. 
fie die mit der Regierung Unzufriedenen aufgeregt und 
angefeuert habe. 

Die Perfonen ?), weiche an ben letzten Unruhen 
Theil nahmen, behaupteten daß fie gegen bie Kaiſe⸗ 
rinn Nichts hätten unternehmen wollen, und ihr ein: 
zigee Zweck geweien fey den Grafen Drlow aus feis 
ner begünftigten- Stellung zu entfernen. Man be 
trachtet ihn an biefem Hofe als einen Emporkoͤmm⸗ 
Ing und, nur mit Ausnahme feiner Familie, find 
foft alle. Übrigen feine Feinde. Am meiſten aber 
baflen ihn die, weiche mit ihm an ber legten Umwaͤl⸗ 
zung Theil nahmen, und ihre Anfprüche Uber die ſei⸗ 
nigen hinauffegen. Daß er nad Peterhof gefandt 
warb, um ben Kaifer zu holen (to fetch)), war ein 
— — — 

1) Berichte vom 17ten u. 28ften Junius. Ebendaſelbſt, 
Band 74. | 

2) Bericht vom eoſten Auguſt. Ebendaſelbſt. 


544 Ginunsiergigker Xofhnitt 1763, 


bloßer Zufall (2), und doch nimmt man an daß ee 
feine jegige Größe diefem Umſtande danke. 

Sn dem moskauer Aufftande riefen die Garden 
nad) dem Großfuͤrſten Paul, und bdrüdten Beſorg⸗ 
niffe aus daß fein Leben in Gefahr ſtehe. Doch hats 
ten fie fehr wenig Grund zu fol einem Argwohne, 
da die Kaiferinn fühlen muß ihres Sohnes Leben 
gewähre ihr, während deſſen Minderjaͤhrigkeit, die 
groͤßte Sicherheit. 

Über Swan lauten bie Nachrichten verfchieben: 
Einige fagen, er ſey ein nollfommener Thor; Andere, 
ihm fehle nur Erziehung und er verberge-feine Eigens 
ſchaften. 
| Das Leben ber Kaiſerinn iſt eine Miſchung von 

unbedeutendem Zeitvertreib und angeſtrengtem Fleiße 
in Geſchaͤften. Weil ihr aber oft mit Vorſatz Hinder⸗ 
niſſe in den Weg gelegt werden, oder die Unterneh⸗ 
mungen an ſich eitel ſind, ſo iſt zeither nichts her⸗ 
vorgegangen. Ihre Plane find groß und mannig—⸗ 
faltig; aber die Mittel, weiche u zu Gebote ſtehen, 
unangemeſſen. 

Panin iſt hier der erſte, wo nicht der einzige 
Minifter ). Ohne ‚ihn wird feine Berathung gehal⸗ 
ten, ER Beſchluß gefaßt; —— einheimiſche, als 


Macartney an Mitchell, den 22ften Julius 1766. 
Mitchell papers Vol. 23. 














1763. Orlow, Gallitzin, Panin, die Kaiferinn. 545 
auswärtige Angelegenheiten gehen durch : feine Hände. 
Er ift gewiß ein ehrlicher (uncorrupted) Dann, und 
obgleich nicht ohne mandye Fehler (fo z. B. Stolz, 
Unbeugfamteit, Langſamkeit), doch, meiner Meinnng 
nah, für fein hohes Amt der en in 
diefem Lande. 

Der Vicekanzler Fürft Saltisin, ift ungemein 
höflich und wohl erzogen, befigt aber von Natur keine 
geoßen Anlagen und hat fi auch nicht viele. Muͤhe 
gegeben, die wenigen auszubilden welche fie ihm 
ſchenkte. Er bat geringen Einfluß und Vertrauen, 
und ift mehr ein Minifter zur Parade. | 

Die Kaiferinn felbit iſt eine ganz außerorbent: 
fiche Frau, und ein Mufler von Fleiß .und Kennt: 
niffen. In beidem bleibt fie allen ihren, Unterthanen 
unendlich überlegen. — Graf. Orlom.ift ihre erfler 
Günftling, und ſcheint vor Kurzem einen. Beichluß 
gefaßt zu haben, der eines. weiferen Mannes würdig 
wäre: nämlich fi nicht in die. Gefchäfte,, . befonbers 
nicht in die auswärtigen, zu mifchen, (?) fondern ion 
gegenwaͤrtiges Gluͤck ruhig zu -genießen. | 

: Die polniſchen Sachen ‚lagen. der Kaiferinn außer 
ordentlih am Herzen '). Den 9ten Dftober 1763 
erwähnt Mitchell des Gerüchtes daß Preußen und Ruß⸗ 
land Polen theilen wollten, glaubt aber nicht daß: es 


— — 


1) Den Sten April 1763. Rußland, Band .73. 


346 Einundvierzigſter Abſchnitt. 1726. 


— gegruͤndet fey ). Der oͤſterreichiſche Geſandte hegte 


die entgegengeſetzte Überzeugung, und Maria Thereſia 
aͤußerte in derſelben Beziehung: ich wuͤnſche bis ans 
Ende meiner Tage in Frieden zu leben und zittere bei 
jedem Funken, er moͤge zur Flamme emporwachſen?). 

Auf dem polniſchen Reichsſstage von 1762 ſteigerte 
ſich der Streit ſo, daß die Parteien das Schwert ge⸗ 
geneinander zogen, beſonders über die Frage °): ob 
der Sohn des Grafen Brühl auf demfelben das Recht 
“ Habe mitzuflimmen. Katharina unterflügte Die Gegner 
des Hofes, bis die Gzartorisfis obfiegten. Im Ja⸗ 
nuar 1764 dußerte Panin ’): ed wären in Polen 
ſchon zwei Millionen Mubel verausgabt worden, und 
ihre Freunde forderten neue Summen um bie Fran: 
sofen zu überbieten. An eine Theilung der Republik 
fey nicht aufs Entferntefle gedacht worben. 

Sm Mai 1764 verlangte Maria Thereſia ): der 
König von Preußen folle erklären, er werde feine 
Mannfchaft in Polen einrüden laſſen, ſofern fie es 


“ 1) Mitchell papers Vol, 6. 
2) Den 19ten November 1763, Stormonts Bericht 
Hſterreich, Band 194. 


$) Den 16ten Dftober 1762 und 2* Junius 1764 
Mitchell papers Vol. 24. 


4) Den 17ten Zanuar 1764. Rußland, Band, 75. 
‚ 5) Den WIften Mai 1764. Mitchell papers Vol. 7. 








"16 Rußland. Polen. 547 


nicht thue. Friedrich antwortete: ſolch eine Erklaͤrung 
koͤnne er ohne vorherige Ruͤckſprache mit der Kaiſerim 
von Rußland nicht ausftellen. 

England hatte damals keinen Einfluß mehr in _ 
Petersburg. Wenigſtens ſchreibt Macartny an 
Mitchell"): ich muß Ihnen im Vertrauen fagen, daß 
Nichts der Seringfchägung gleich kommt, in welche 
“Hier bie britifche Staatskunſt, nicht blos bei der Kai⸗ 
ferinn und ihren Minifteen, ſondern bei allen Diplo⸗ 
maten ſteht. So meife und nothwendig auch ber haͤu⸗ 
fige Wechſel der Verwaltung für das Imere ſeyn 
mag, iſt es doch gewiß daß er uns im Auslande 
laͤcherlich und veraͤchtlich macht. 

Der König von Preußen zeigt (affects) die feſteſte 
Anbängtichkeit an die Perfon der Kaiferinn und die 
hoͤchſte Berounderung fuͤr ihre Tugenden und Moll: 
fommenheiten ?). Gleichzeitig giebt er bie hoͤchſte Ach- 
tung vor Panins Anlagen und Meinungen zu erkennen. 
Derfelde Panin fagte im Vertrauen zu Macartney?): 
der König von Preußen hat häufige Anfälle von Truͤb⸗ 
finn (spleen), weiche in gewiffen Zeiten. feinen Ver: 
fand völlig zerchtten.. Dies wird jedoch fehr geheim 





1) Den 19ten Sebruar 1766. Mitchell pap. ‚Vol. 28, 
2) Macartney an Mitchell, den 17ten November 1766. ı 
Ebendaſelbſt. 
5) Den Aten September 1766. Ebenbaſelbſt. 


548 "Einundvierzigfter Abfchnitt. 1766. 


gehalten und wird, obgleich nichts gewiſſer iſt, mit 
einem anderen Namen zugebedt. Panin fügte hinzu: 
wenn-Rußland ihn nicht im Zaume hielte, wäre er 
ſehr fähig große Thorheiten zu begehen '). 

Die polnifchen Angelegenheiten blieben der Mittel: 
punkt der euffifchen Staatskunſt. Im Februar 1766 
fchreibt Macartney ?): Beim Anfange des legten poL 
nifchen Reichsſstages machte der twiener ‘Hof. dem Kb: 
nige Stanislaus einige ernſthafte Exröffnungen durch 
feinen Bruder den Prinzen Poniatowski. Man rieth 
ihm die unangenehme Abhängigkeit von Rußland ab: 
zuſchuͤtteln und Öfterreiche Freundfchaft anzunehmen. 
Es ward ihm eine Erzherzoginn zur Gemahlinn an: 
geboten und felbft ein Plan vorgelegt um diefe Bor: 
fchläge durchzuführen und aufrecht. zu erhalten. Des 
Könige Bruder ſtimmte Teidenfchaftlich dafuͤr Öfter: 
reichs Erbietungen anzunehmen; Stanislaus ſelbſt 
widerfprady Anfangs lebhaft, zeigte ſich dann gemäßigs 
ter und weniger abgeneigt, kam aber zu feinem Be 
ſchluſſe. Diefe Nachrichten find fehr gewiß, 

Der warfchauer Hof bemüht fi aufs Außerfte ’) 
daß die Fragen über Steuern und Kriegsweſen kuͤnftig 
auf dem Reichstage durch Mehrheit der Stimmen 


1) N etait tr&s capable de faire de grandes settises.- 
2) Den 27ften Februar. Chbendafelbft. 
3) Bericht vom 26ften Novemer 1766. Chenbafelbft. 


1767. 68. Rußland. Polen. -. 54 


entfchieden: werden; aber Preußen und Rufland mir 
derfprechen. 

. Die Bifhöfe haben 24 ae lang berathen, 
was den verfolgten Diffidenten zu bemilligen fey, und 
geftern einftimmig beſchloſſen: alle wider dieſelben ge: 
richteten Geſetze ſollten beſtaͤtigt werden. Man fuͤrchtet 
die weiteren Plane und Beſchluͤſſe Preußens und Ruß⸗ 
lands in Bezug auf dieſen unduldſamen Schritt. 

Es erneuern ſich die Geruͤchte von einer Theilung 
Polens ). Die Confoͤderation iſt unzeitig und ver⸗ 
kehrt begonnen worden?), bevor die Ruſſen fortzogen, 
und giebt nun neuen Vorwand zu ihrem Verweilen. 
- Der Hauptgrund der allgemeinen Unzufriedenheit in 
Dolen, iſt das Benehmen der Ruſſen, weldhe überall 
tauben, 'plündern und mit der größten Grauſamkeit 
und Willkür verfahren *). Repnin vollziehet ‘die er= 
haltenen Befehle in tyrannifcher Weife. Der Hoch⸗ 
muth und die Unverfchämtheit, mit weldyen er den 
polniſchen Adel behandelt, hat in diefem Wolfe einen 
"allgemeinen Abſcheu gegen die Ruſſen erzeugt. 

Kaunig giebt fein Ehrenwort *): Öfterreih habe . 
die Türken nicht wider Rußland 'aufgereizt. 

1) Den 14ten Februar 1767. Mitchell papers Vol. 7. 
2) Den 26ften Märg 1768. Mitchell papers -Vol. 28. 
8) Den Iten Julius 1768. Ebendaf., Band 7. 
4) Den Sten December 1768. Ebendaſ., Band 25. 


550 Einundvierzigſter Abfhnitt. MICH | 


Den 19ten Xprit 1769 fchreibt der Oberſt Cocceji 
aus Warfchau '): der König von Polen iſt in bes 
größten Verlegenheit. Die Unruhen dauern fort, das 
xand wird verwuͤſtet, Blut fließt auf allen Sets 
ten, bie öffentlichen Einnahmen bieiben aus, bie 
Rechtspflege iſt unterbrochen, — mit einem "Wort, 
alles nur Mögliche ift über uns hereingebrochen, ohne 
dag man irgend ein Ende abfehen. kann. Außerdem 
erhöht ſich das Übel dadurch, daß dis Kaiſerinn von 
Rußland vorgiebt, fie. wirkte nur zum Heile Polens, 
während ihre Mannfchaft das Land plünbert, und die 
Einwohner erwuͤrgt. 

Stanislaus iſt von Kummer niedergedruͤckt 2). Au 
feine Vorftellungen antwortete die Kalferinn: nicht die 
Diffipenten erzeugen die Unruhen, fondern fie entſte⸗ 
ben aus dem Haſſe des Volkes gegen Ste. — Die 
Mäthe des Königs laſſen ihn falfche Schritte thun ”), 
um fein Anſehn bei der Katferinn zu Grunde zu rich⸗ 
ten; feine Oheime verrathen ihn, und der ungluͤckliche 
Fürft ift verloren, wenn ein Gott ihn nicht errettet. 
— Mir leben am Vorabend einer großen Revolution. 

Es ift nicht meine Abficht, über diefen Wende: 


1) Mitchell papers Vol. 46. 
2) Den 10ten Mai 1769. Ebendaſelbſt. 
$) Den 4ten und 17ten Oftober 1769.. Ebendaſelbſt. 





‘ 


1708, 64. . Iwans Ermordung. ‚sl 


"punkt der Zeit hinaus diesmal meine Mittheilungen 
fortzuführen, fondern nur noch zum Schluffe derſelben 
an das Schickſal Iwans TU zu erinnern. 

Waͤhrend Panin an Buckingham erzählte‘): der 
Prinz fey völlig verwirrten Geiftes, behaupteten Anz 
dere das Gegentheil. Über fein Ende berichtet der 
Sefandte den 20ften Julius 1764): ber Lieutenant 
Miromig, weicher in Schlüffelburg (wo man Iwan 
gefangen hielt) angefleit war, verführte zuerft die 
ihm untergebenen Soldaten,. ging dann zum Com⸗ 
mandanten und forderte die augenblickliche Loslaſſung 
des , Prinzen. Als jener dieſe Forderung abfchlug, 
ward er gebumben und der Auficher bes Pulvervor: 
raths gezwungen den Soldaten Pulver zu geben. Der . 
hiedurch entfiandene Laͤrm erfchtedte den Hauptmann 
und Lieutenant, welche fich in der Schlafkammer und in 
dem Vorzimmer des Prinzen befanden: Micowig drang, 
nachdem er feine Leute von Neuem ermuntert hatte, 
bis zur Wohnung Iwans und forderte, unter dem 
beftigften Drohungen, daß der Kaifer (wie er ihn 
nannte) herausgefuͤhrt werde. Als, nach einigem 
Widerfiande, der Hauptmann und Lieutenant fahen, 
daß fie in Gefahr waren überwältigt zu werden, ſag⸗ 


1) Bericht vom Sten Auguft 1764. Rußland, Bd. 75. 
2) Ebendaſelbſt. 


U 2 


952 .  Einunbviergigfier Abſchnitt. 1764. 


ten fie dem Miromig: wenn er barauf beharre, fege 
er das Leben des Prinzen in Gefahr; denn ihre 
"Dienftanweifung laute: fofern fie außer. Stand gefegt 
würden ihn zu bewahren, follten fie ihn augenblicklich 
tödten. Micowig, taub gegen alle Borftellungen, 
brauchte Gewalt gegen die Thür, was jepe in bie 
unglüdliche Nothwendigkeit verfegte, die erhaltenen 
Befehle zu vollziehen. 

Der erite Stoß Uchtinskois erweckte den ungluͤck 
lichen Süngling, welcher in feinem Bette fchlief. Er 
vertheidigte fi) fo tapfer, ‚daß er eins der Schwerter 
zerbrach und acht Wunden erhielt bevor er ſtarb. Die 
Officiere uͤbergaben nunmehr die Leiche an Miromwig 
und deffen Soldaten, und fagten:. fie möchten nun 
mit. ihrem Katfer anfangen was ſie wollten! Mirowig 
brachte die Leiche vor die Wache, bededite fie mit ben _ 
Fahnen, warf fi) ‚dann. mit allen feinen Soldaten 
vor ihr nieder und. küßte feine Hand. Hierauf nahm 
er fih Ringkragen, Feldbinde und Schwert ab, legte 
fie bei der Leiche. hin, -wandte fi) zu Korſakow dem 
Oberſten des Regiments Smolensko, welcher unterdef 
angelangt war, und fagte auf den Leichnam hinzei⸗ 
gend: das iſt Euer Kaifer. Mit mir. thut was Euch 
gefaͤllt. in widriges Geſchick hat meinen Plan zer: 
för. Sch. Enge ‚nicht. über mein eigenes Scyidfal, 
fondern über das Elend meiner Kameraden, und das 

















1764. JIwans Ermordung. 953 


nnfhulbige Opfer meines Unternehmen! — Hieräuf 
umarmte er die Unterofficiere und gab. fih mit feinen 
„Soldaten gefangen. | 

Man hat gedruckte Erklärungen zur Rechtfertigung 
der Unternehmung gefunden, und argwöhnt daß die 
Fuͤrſtinn Daſchkow an derfelben Theil. habe. 


1. 0.0 F 24 


Anhang. 
Rußland von 1704 bis 1740, 


In dem britiſchen Reichsarchive Befinden fid über 
den Zeitraum der Gefchichte Rußlands von 1704. bis 
1740, fünfundzwanzig Folianten gefandefchaftlicher Be⸗ 
richte. Nachſtehende Auszüge aus denfelben dircften 
um fo anziehender feyn, da bei dem Mangel zuver⸗ 
läffiger Quellen für die Kenntnig jenes Reiche, ſelbſt 
Nachrichten geringeren Gewichts ungewöhnlid großen 
Werth erhalten. 

In feinem erfien Berichte vom, 7ten December 
4704 fchreibt der Geſandte Whitworth aus Bres⸗ 
lau’): Karl XII ſcheint fih um Liefland fehr we: 
nig zu kümmern, und zwar weder um den Untergang 
des Landes, noch das Elend der Einwohner. Er fagte 
dem Prinzen Alerander: es: fey ihm nicht unlieb (be 
was not sorry), daß der Czar ſolche Sortfchritte mache, 


1) Band 3. 








1704. 05. Karı XII, Preußen, Wilna. 555 


und ihm neue Arbeit für feine Waffen zubereite; denn 
fonft würde er fie am Ende des polniſchen Krieges 
haben niebderlegen, und zu einem ruhmlofen Privat: 
leben in fein eigenes Königreich zuruͤckkehren müffen. 
Krieg iſt die einzige Freude und Leidenfchaft dieſes 
jungen Monarchen; auch folgt er in ben meiften 
Fällen feiner eigenen Meinung, ohne auf den Rath 
feinee Minifter und ae die geringſte Ruͤckſicht 
zu nehmen. | 
Bon Breslau begab fich der Geſandte nach Wilna, 
und erzählt den ZOften Januar 1705 Folgendes über 
feine Reife: Ich brauchte 5 Tage um 22 Meilen 
im Gebiete des Könige von Preußen zurüdzulegen. 
Auf dem Wege bis Wilna fand ich überall ſolch 
Elend, daß ich es gar nicht genügend beſchreiben kann. 
Die Verwuͤſtungen des gegenwaͤrtigen Krieges haben 
das noch verdoppelt, was die Einwohner ſelbſt in 
Friedenszeiten erleiden durch den Stolz und die Faul⸗ 
heit des niedern ˖ Adels, To wie durch bie niedrige 
(abject) Sklaverei des übrigen Lanbvolks. | 
Auch diefe Stadt hat durch die gegenwärtigen Un⸗ 
ruhen ihren Antheil am Elende bekommen. Die Edel: 
leute welche fonit gewöhnlich hier wohnten, folgten 
entweder einer Kriegspartei, oder fuchten Zuflucht in 
fremden Ländern, ober ‚zogen fich auf ihre Kandfige 
zurüd, um allen Streitenden fo weit als möglich aus 


dem Wege zu gehen... Deshalb find die fleinernen 
24* 


- 556 Anhang 7.1908. 


Häufer welche fie hatten, ganz verfallen, umd die ge: 
woͤhnlichen Bürger behelfen ſich mit Kleinen hölzernen 
Hütten ohne Werth, Nur die Kirchen, die drei Je⸗ 
fuitercollegien und bie übrigen Klöfter find fehr gut 
erhalten, und zeigen duch ihre Bauart daß. diefe 
Stadt ehemals in einem fehe blühenden Zuftande war. 

"Das wmoskowitiſche Fußvolk wird allgemein fehr 
gerühmt, und ein Negiment das ich vor wei Tagen 
zuruͤckkommen fah, marfchirte in fehr ‚guter Ordnung. 
Die Dfficiere waren alte im deuffcher. Kleidung und 
die gemeinen Soldaten wohl bewaffnet mit Musketen, 
Schwertern und Bajonetten (Bajonets), ‚aber nad 
Landesfitte in eine Art grober Sackleinewand gekleidet. 
Sie ertragen leicht alle Arten von Steapagen und find 
on Hunger ‚und Kälte gewoͤhnt; ‚zwei Eigenfchaften 
in diefen Gegenden unentbehrlih, fowohl für Solda⸗ 
ten als für Reifende.. So daß, "wären fie erſt an 
ben Krieg gemöhnt und von. guten Officieren (woran 
es fehlt) eingehbt, fo würden fie ein viel gefährlicherer 
Feind feyn, als fie jegt find, ober von ihren Nach⸗ 
barn gehalten werden. 

General Oginsky ſagte mir: König Auguft ward 
und wird betrogen durch "feine eigene Willfährigkeit 
(easiness) dem Rathe der Polen zu folgen, welche um 
ihm find. Unter Alten, ſowohl Geiftlichen, als Laien, 
find nicht drei feine aufrichtigen Freunde; fie benutzen 
blos feinen Namen und fein Anfehn, um ihren eigenen 














1706. Rufffches Heer. Oginsky. Die Polen. 557 


Bortheil und ihre Rachſucht zu befriedigen. Zu diefen 
rechnet er. bie meiſten Potockis, und die” ganze Familie 
der Lubomirsky, welche von Neuem mit dem Könige 
abgeſchloſſen haben; nicht aus Neigung für. feine Pers 
fon, fondern aus Neid gegen den erwählten Stanis- 
(aus, und aus Haß gegen die Schweden, weil. fie die 
Krone nicht dem Großfeldherrn übertrugen. Deshalb, 
glaubt. Oginsey dürfe man ihnen nicht trauen,. weil 
fie bereit ſeyn duͤrften bei. jeder. neuen Ausſicht auf 
eigenen Vortheil ihre. Grundfäge zu vertauſchen. 

: Abgejehen von derUnbefltändigkeit und dem Leicht: 
finne, welchen die. Polen. überall zeigen, find fie. Höchft 
‚unzufrieden. mit dem gebieterifchen Benehmen und. den 
Erpreffungen ihrer neuen Säfte"), welche fie jegt als 
Freunde betrachten follen, währenb..fie. nicht fobald 
vergeffen Eönnen, daß jene ihre alten, ja fall‘ ihre 
Erbfeinde waren. So fprachen alle vom niedern Abel, 
nait. welchen ich hier, oder auf.der Reife zu fprechen 
Gelegenheit hatte. Denn da fie durch ihre Worrechte 
von allen. Steuern frei find, ſofern fie. diefelben. nicht 
auf ihren Berfammlungen -felbft bewilligen; fo halten 
fie es für, eine. große. Befchwerde, daß fie den Mos⸗ 
kowitern von.jebem Haufe monatlih fünf Thaler 
zahlen. follen, wie die Generale.unter dem Vorwande 


1) Unter diefen Gäften find wie das Folgende zeigt, 
die Ruſſen verftanden. 


\ 
= 


GB. Anhang. 1765. 


von Fourage und Proviant gefordert haben und beteits 
eintreiben. Zu diefer allgemeinen Unzufriedenheit has 
ben bie Ausfchweifungen einiger Dfficiere und Solda⸗ 
‚ten nicht menig beigetragen. — Die. Ausfühnung ber 
fteeitenden Parteien wird taͤglich fehroieriger, und die 
legte Entſcheidung durch Gewalt iſt jegt zum minde 
ſten fo zweifelhaft, als beim . Anfange des Streites. 
Bei dem ‚Einteitte in das Gebiet des Czaren kam 
der Vorſteher von Toſuhofe (2) ') nebit ſechs lang: 
bärtigen Bauern dem Gefandten entgegen, brachten 
ihm ihren Gluͤckwunſch dar und uͤberreichten ihm große 
Stüde-[hwarzen mit Salz- beftreuten Brotes. 

Defto feierlich war der Einzug in Moskau und 
die Audienz bei dem Gzaren, obgleich Nichts beſondere 
Erwähnung verdient. Der Thronerbe Alexius (be 
merkt Whitworth) ?) iſt ein ‚großer, fchöner Prinz, 
etwa 16 Jahr alt. Er fpriht gut hochdeutſch, und 
- war bei der Zufammenkunft mit dem erften Minifter 
Golowkin gegenwärtig. E 

Bon der ruffiihen Kriegsmacht "handelt ein Be: 
siht vom 25ſten März 1705. Die Fußgänger find 
im Ganzen fehr wohl eingeubt und die. Officiere fa 
gen mir, fie koͤnnen die Sorgfalt nicht genug bewun⸗ 
. dern, weldje die gemeinen Soldaten zeigen, bie fie 


1) Bericht aus Smolensk vom 18ten Februar. 
2) Bericht aus Moskau vom Iiten März. 





1709. Moskau, Alexius, das ruſſiſche Her. 659 


ihre Pflichten gelernt haben. Der Czar hat vor Kun 
zem 16 Regimenter Deagoner gebildet, voelche meiſt 
aus den Adeligen und Landinhabern beſtehen. Cinige 
von ihnen find verpflichtet als Gemeine und aufeigene 
Koften zu dienen. Sie reiten leichte tatarifche Pferde, 
und haben in Liefland mit den Schweden einige glüds . 
liche Gefechte gehabt; doch glaubt man nicht, daß fie 
in einer geordneten Schlacht den ſchwediſchen Kuͤraſ⸗ 
fieren gegenüber treten Binnen, weil biefe binfichtlich 
ihrer Waffen und Pferde große Vorzüge befigen. 

- Die Kofaden haben Ähnlichkeit mit den Huſaren 
des Kaiſers, und fcheinen gefchicdter zu Plänkeleien 
und Überfällen, als zu regelmäßigen Gefechten. Sie 
find mit. kurzen Gewehren (short rafled guns), oder 
auch mit Bogen und Pfeiln bewaffne. Das Ge 
ſchuͤtz iſt jest außerorbentlih gut bedient, und General 
Ogilvy ſagte mir, daß es nie Kanonen und Mörfer 
beffer handhaben ſah, als das vergangene (last) Jahr 
von den Ruſſen bei Narwa. Sie haben 100 eherne 
(brass) Kanonen von verfchledener Größe neu gegoffen, - 
fowie mehrere Mörfer, und fehr viele Bomben und 
Granaten. An Pulver und anderem Kriegsbedarf iſt 
hier Vorrath genug; in den legten Jahren find einige 
ſehr gute Eifenminen entdeckt worden, und Circaſſien 
kiefert mehr Salpeter als fie brauchen. Eben fo ha⸗ 
ben fie angefangen Musketen und Piflolen zu. machen, 


560 Andbang 1705. 


nachdem fie fich einige Waffenſchmiede aus Berg von 
dem Pfalzgrafen fenden ließen. 

Die Erhaltung feines Heeres koſtet dem Czaren 
nicht über zwei Drittheile deffen, was andere euros 
päifche Mächte für dieſelbe Zahl ausgeben müßten; 
weil die ruſſiſchen Grundeigenthümer unentgeltlich, 
ober für einen geringen. Sofd: dienen müffen; fo daß 
nur die fremden Dfficiere und bie gewoͤhnlichen 
gaͤnger zu. bezahlen bleiben. 

‚Bei. dem Heere iſt der Czar noch nicht als Seh: 
herr, fondern bios als Hauptmann. der Bombardieree 
aufgetreten, und fein Sohn ift Faͤhnrich (cadet) bei 
der preobraseenslifchen Leibwache. Dies geſchieht mit 
Vorſatz um den hohen Adel anzuhalten, ſolchem Bei⸗ 
fpiele zu folgen und: fich. kriegswiſſenſchaftliche Kennt: 
niſſe zu erwerben; benn früher hielten- fie ſich für ge 
borene Feldherren, ſo wie fuͤr geborene Fuͤrſten und 
Edelleute. 

Nachdem der Geſandte uͤber die Bildung der Flotte 
Einiges beigebracht hat, faͤhrt er fort: der Czar hat 
für. Gruͤndung einer Land⸗ und Seemacht große Fort: 
ſchritte gemacht; es iſt ihm. durch. feinen. Gentus und 
faft ohne allen fremden Beiftand über alle Erwartung 
gelungen, und wird eines Tages fein Reich allen 
Nachbaren und une den Türken — 
machen. 


v 


175. Kleidung. Peter l. 561 


Der Czar hat ferner eine gänzliche Veränderung 
der Landestracht durchgeführt. Ich ſehe in diefer 
geoßen Stadt keinen Dann von Bedeutung anders 
ale in deutſchen Kleidern. Eine der ſchwierigſten Un: 
ternehmungen tvar, fie zu vermögen ihre lungen Baͤrte 
abzulegen '). Die meiften Glieder des hohen Adels 
verloren den ihrigen im Peters Gegenwart, wo fein 
Raum war Über feine- Befehle zu flreiten. Das ge 
meine Volk Ließ ſich aber nicht fo leicht dahin brin⸗ 
gen ber neuen Mode zu folgen, bis eine Abgabe auf. 
jeden gelegt ward, der mit einem Barte zum Xhore 
herein und hinaus ging.‘ Dies hat fie zuletzt zur 
Nachgiebigkeit vermodht. 

Der Czar hat einige andere große einer 
zum unausfprechlihen Vortheile feines Meiches vorge: 
nommen, und obgleich das gute Merk noch nicht zur 
Vollkommenheit gebracht ward, fo bleibt doch zu ver: 
wundern, wie weit ee in fo Eurzer Zeit ohne Störung 
gefommen. iſt. Dies muß allein dem gluͤcklichen Ge⸗ 
nius diefes Fuͤrſten beigemeffen werden ; denn er iſt 
ſehr wißbegierig und-thätig, und hat ungeachtet feiner 
vernachläffigten Erziehung mannigfaltige Kenntniffe er- 
worben, durch eigene Anftrengung und Beobachtung”). 


1) Siehe nachher den Bericht vom Sten März 1706. 


2) Der Czar verſtand ſehr gut deutſch. Bericht vom 
Lten 1706: 


Dr * 


562 Anhang. 2 1706. 


Des Czaren Liebling Mentſchikof hat eine große 
praktiſche Geſchicklichkeit und eine Verwandtſchaft des 
Geiſtes zu feinem Herrn); aber feine Herkunft und 
Erziehung iſt gering, er kann weder leſen noch ſchrei⸗ 
ben, zeigt ſich halsſtarrig und laſterhaften Neigungen 
(vicious inclinations) ergeben. 

Über die Barbareien des nordiſchen Krieges, die 

Kriegs: oder Friedensliebe, ſowie über „die Hoffnungen 
und Beforgniffe der verfchiedenen Partein, enthalten 
WpitworthE Berichte mancherlei Nachrichten, aus wel⸗ 
chen ich beifpielaweife Folgendes mittheile. 

Die Schweden nahmen 45 Ruffen gefangen ?), 
ſchnitten ihnen einige Monate fp&ter mit kaltem Bluse 
die beiden erſten Finger der rechten Hand ab, und 
ſchickten fie nach diefer ſchaͤndlichen Verflummlung in 
ihre Heimath zuruͤckk. Der Czar war Außerft aufge 
bracht über diefes Benehmen und erflärte öffentlich: 
obgleich die Schweden ſich bemühen durch falſche Be 
richte. mich, und mein. Volt ald Barbaren und Uns 
chriſten barzuftellen, fo berufe id) mic dennoch auf 
die ganze Welt und insbefondere auf mehre taufend 
fchroedifche Gefangene, ob ich fie jemals fo unwuͤrdig 
behandelt hade. Leid thut es mir allerdings um jene 

armen verflümmelten Krieger, doch werde ich aus 


1) Bericht vom 13ten Junius. 2 
2) Bericht vom 2ten Mai 1705. 





1765. 06. Kriegsbarbarei. Parteien. 563 


jener Barbarei großen Vortheil ziehen. Denn id 
will bei jedem Regimente einen von ihnen anftellen, 
zum lebendigen Beugniffe für ihre Kameraden, was . 
fie von diefen graufamen Feinden zu erwarten haben, 
im Fall fie fich befiegen, oder gefangen nehmen lafien. 
Den Z1ften November 1705 fchreibt Whitworth: 
ber Czar ift ernfllicher als je geneigt, aus verfchiedenen 
Gründen mit ben Schweden zu unterhandein; wenig⸗ 
ſtens über eine allgemeine Auswechfelung dee ungluͤckti⸗ 
chen Gefangenen, oder eine Entlaffung derfelben gegen 
das Verſprechen im jegigen Kriege nicht wieder zu 
dienen. | 
Der König Auguft ift gleich Aberbrüffig des Krie⸗ 
ged mit Schweden), bes ruffifchen Schuges und der 
polniſchen Krone. Er behält diefe nur der Ehre und 
des Mufes halber und fagte mir felbft: er wollte lie⸗ 
bee als ein bloßer Bürger in Leipzig leben, denn uͤber 
fosch ein Volk herrfchen. Er und ber Czar haben ges 
ſtrebt ſich durch befondere Verträge auseinanderzufegen 
(to shift); aber Karls XII Abneigung gegen ben Frie⸗ 
den bat dieſe Iöblichen Abfichten bis jege vereitelt und 
fie bei. ihrem Bunde feft gebakten. Doc kennt Einer 
bes Anderen Plane und Abfichten, weshalb ich glaube: 
‚ was fchon einmal da war, mag wiederkehren, fobald 
fie es ihrem Vortheile gemäß halten, oder neutrale 


I) Bericht vom Sten Februar 1706. 


664 Anhang. 1708. 


Mächte ein Interefie dabei finden einen. von ihnen zu 
. diefem. Schritte zu beivegen. | 
Freilich ift noch eine vierte Partei dabei intereffirt, 
nämlich die. Polen ')! Wer Gelb hat zu .beftechen, 
ober Macht zu zwingen, wird anerkannt und ihm ge: 
horfamt; die Gefchlagenen werben aber jedenfalls Feinde 
- und Rebellen heißen. . Denn dieſes ungeorbnete Volt 
gleicht dem Meere:. obgleich” es ſchaͤumt und tobt, 
rührt: e8 fi doch nur,. wenn. es von. einer höheren 
Madıt in Bewegung geſetzt wird 2). 

.. Ich kann !nicht einſehen, welche Bedingungen den 
Czar und den Koͤnig von Schweden wechſelſeitig zu⸗ 
frieden ſtellen koͤnnten, bei der Lage in welcher ihre 
Anlegenheiten ſich jetzt befinden. Der Eine iſt ent⸗ 
ſchloſſen Petersburg zu behalten; waͤhrend der Andere 
ihm am baltiſchen Meere gar keinen Hafen bewilligen 
will, weil Handel und Einnahme Lieflands ſich da⸗ 
durch hinwegziehen würden. Ich maße mir nicht an 
zu entſcheiden, in wiefern es das Intereſſe Englands 
und Hollands ſey, den Czar durch dieſe Thuͤre in den 
Handel und die Angelegenheiten Europas einzulaſſen. 
Die Meinung, daß ihre (der Schweden) Rachbarn 





N Außer Peter, Karl XM und Auguſt. 

: 2) This unsettled nation likes the sea: though it 
foams and roars, only moves as it is agitated by some 
superior power. h — 


1306.: Holen, Aufſt. in Aſtrachan. Altruſſi ſche Partei. 866 


ihnen dereinſt dieſe Landſchaft wiedergewinnen muͤßten, 
hat die Vernachlaͤſſigung derſelben zum Theil herbei⸗ 
gefuͤhrt, und der Czar ſelbſt ſcheint vor dieſem Grund⸗ 
ſatze beforge zu feyn. — Die Ausdehnung der preußi⸗ 
fhen Küften am baltifhen Meere verpflichtet. ben 
König. von Preußen, Sorge zu tragen, daß feine furcht⸗ 
„bare Macht ſich dafelbfi ausbreite.- 

über die alteuffifche Partei in Rußland und einen 
Aufſtand in Aſtrachan giebt der Geſandte lehrreiche 
Auskunft. Des letzten erwaͤhnt er ſchon in einem 
Berichte vom 7ten Oktober 1705 und ſtellt ihn mit 
Finanzmaaßregeln in Verbindung. Der Czar (ſagt 
Whitworth) hat es fuͤr gut gefunden, die Fiſchereien 
und den Salzhandel an der Wolga in ſeine eigene 
Hand zu nehmen, was ſonſt die vornehmſte Beſchaͤfti⸗ 
gung und Erwerbsquelle der Umgegend ausmachte. 

Umſtaͤndlicher lautet ein Bericht vom Iten März 
1706. &s giebt bier eine, über ‚ganz Rußland ver: 
breitete Volksart (set of people) ‚. welche ‚auf eine 
größere Heiligkeit Anſpruch macht, denn alle ihre 
Mitbürger. Ste halten ſtreng feft an ihrer alten Un- 
wiſſenheit und ihren Cäremonien; von welchen legtern 
einige als fo gottlos brfchrieben werden, daß ich kaum 
glauben kann, daß irgend eine menſchliche Gefellfchaft 
jemals ſolcher Schändlijkeiten unter dem Vorwande 
der Meligion: fchuldig gemefen ſey. Vor etwa 30 Jah⸗ 
ren wurde jene Sekte von dem Patriarchen Nikon 





. 566 Anhang. ne 1706, 


verdammt und bei den harteflen Strafen verboten. 
Ungeachtet diefer Verurtheilung, follen Viele aus den 


. „mittleren Klaſſen (eifrige Vertheidiger der langen Baͤrte 


und Kleider) in. der Stile noch berfelben Überzen⸗ 
gung leben. 

Ich habe erzaͤhlt, mit — Schwierigkeit ſich 
das ganze Volk dem Scheermeſſer unterwarf. Alle 
waren durch Gewohnheit und Religion dawider ein⸗ 
genommen. Ihre Vorfahren lebten ungeſchoren; ihre 
Prieſter, Heilige und Maͤrtyrer erſchienen ihrer Baͤrte 
halber verehrungswuͤrdig; jene wurden angewieſen die⸗ 
fen nachzuahmen, und die Unwiſſenden meinten, ein 
Theil der Mürde liege im Barte, wie Simſons 
Stärke im Haare. Selbſt die Weiber nahmen Por 
tet, und Fonnten Anfangs kaum dahin gebracht wer⸗ 
den, an ihren Männern eine ſolche Reformation zu 
dulden. Seitdem aber der Hof und die angefehenften 
Perſonen den Wünfchen des Czaren nachgegeben, hielt 
man es für den kluͤgſten und gemäßigtften Meg dag 
übrige Volk zu bändigen, wenn man eine Steuer auf: 
alle Bärte lege, fo oft fie durch die Thore irgend 
einer angefehenen Stadt aus und ein gingen. Doc 
. verfiattete man fire eine gewiſſe Geldfumme diefe Er 
laubniß auf ein Jahr zu löfen; was auch Viele ge 
than haben. Wenn fie ihren Steuerfchein (deffen 
Stempel einen langen Bart darftellt) im Thore vor⸗ 
zeigen, laͤßt man fie ungehindert weiter gehen. 














1706, Kleiderordnung. Aufſtand in Aſtrachan. 567 


Einige Zeit nachher, erſchien ein anderes Geſetz, 
welches den Weibern bei denſelben Strafen gebot, Un: 
terroͤcke (petticoats) zu tragen; waͤhrend ihre frühere 
Kleidung in einem lofen Gewande beſtand, mas bis 
zur Ferſe reichte und vorn zugeknöpft war. — 

Sch bin in dieſer Erzählung umſtaͤndlicher geweſen: 
denn fo umbebeutend diefe.Dinge zu ſeyn feheinen, ga; 
ben’ fie doch keine geringe Veranlaffung zu den gegen» 
wärtigen Unruhen. Der Statthalter von Aſtrachan 
nämlich (ein graufamer, unkluger Mann) begnügte 
fich nicht mit der Strafe welche ber Czar den Unger 
horfamen auferlegt "hatte; fondern war entichloffen eine 
vollftändige Veränderung durchzufegen. Deshalb ſtellte 
er, nachdem die gefegte Gnadenfriſt abgelaufen war, 
feine Beamte (ofücers) au alle Kirchthuͤren, welche 
die langen Roͤcke der Weiber in. der Mitte megfchnits 
ten, unb bie Bärte einiger Männer mit den Wurzeln 
ausriſſen. Dieſe Gemwaltthaten verfegten. alle Einwoh⸗ 
ner (welche meift der oben erwähnten Sekte zugethan 
waren) in den größten Zorn. Sie erwählten einen 
der Eiftigften, einen Untereinnehmer bei den Steuern, 
zu ihrem Hauptmann, fiberfielen den Statthalter in der . 
Nacht und hieben ihn nebft 300 fremden Familien 
in Stüde, meiſt Kaufleute ober ſchwediſche Gefangene. 
In einem Haufe fanden fie einen Perrüdenkopf, mit 
Nafe, Mund und Augen verfehen,, deſſen fie ſich for 
gleich bemächtigten und ihn triumphirend durch bie 








568 „Anhang. 1708. 


Straßen trugen. Der Pöbel ſchrie binterher: „ſeht 
„den Wott der Fremden, den wir zuiegt anzubeten ge . 
zwungen werden, wenn wir uns nicht felbft von ihren 
Gebraͤuchen und diefer SElaverei befreien.” Die An: 
führer verftanden ohne Zweifel die Pofle gut genug; 
aber fie diente in ihren Kram und galt bei dem Jans 
bagel für voll, welcher gewohnt war, fo rohe Abbil⸗ 
dungen ‚täglich angebetet zu fehen, von’ ihren heidni⸗ 
ſchen Nachbarn in der Tatarei und in Sibirien. 

Die naͤchſten anziehenden Berichte find vom Jahre 
1708. Am 2iften März ſchreibt der Gefandte '): 
Ich babe des Czars Anerbieten, dem großen Bunde 
‚(gegen Frankreich) beizutreten, immerdar ald einen 
Vorſchlag betrachtet, der unter den gegenwärtigen Ver⸗ 
bältniffen nachtheilig und unausführbar,, ja von dem 
ruſſiſchen Hofe. ſelbſt nicht wohl verftanden fey. Gleich 
ertrinkenden Menſchen fehen. fie-nicht viel um fich, ſon⸗ 
bern ergreifen begierig jebes Ding. was ihnen hulf⸗ 
reich erſcheint. 

Die Mannſchaft Mentſchikofs hat auf ihrem Rüd: 


zuuge von Wilna die Dörfer geplündert, und die Ma: 


gazine verbrannt. Vor einer Heinen Partei Schweden 
und Wallachen liefen fie mit folcher Schnelligkeit da: 
von, wie ein völlig gefchlagenes Heer. 

„Den 2boſten vorigen Monats war der Geburtstag 





1) Band 4. 











1708. Aufruhr der Baſchkiren. 569 


des Prinzen Alexlus, der eine Zeitlang als Befehls⸗ 
haber in Moskau wirkte, den Rathsverſammlungen 
beiwohnte, und mit großer Thaͤtigkeit fuͤr die Befeftts 
gung der. Stadt forgte. 

Die baſchkiriſchen Zataren find in offenem. Auf 
ruhr. Diefes fehr reihe und zahlreiche Volk hat 
mandye. anfehnliche Dörfer. gegen. den- Fluß Uſta bin; 
und iſt viel gebildeter als die Kalmüden, ober: andere 
Horden der großen Tatarei. So lange. Fürft Gallitzin 
Gtatthalter von Kaſan war, lebten fie- ruhig; ſeitdem 
aber bie Prebolſchiks über fie- gefegt wurden, ward 
das. ganze Land durch deren Unterbrüdungen in Zorn 
gebracht. Die wefentlichfte.- war, daß an 12000 ges. 
zwungen wurden fich moskowitiſch taufen zu. laflen; 
bie unverfchämtefte war, daß man auf alle ſchwarzen 
Augen: (die Schönheit des Landes) eine Abgabe legte. 
und auch die Übrigen Augen nach Verhaͤltniß beſteuerte. 
Auch konnte das arme Volt nicht die mindefle Ge 
rechtigkeit erlangen, bevor es die Waffen ergriff. Jetzt 
aber find, nad) großem Streite, feine Peiniger entfernt, 
und Prinz Galligin in feinem Amte mit dem Befehle 
bergeftellt, ihre Befchwerden zu unterſuchen und ihnen 
Senugthuung zu: verfchaffen. 

Unterdeffen nahte bie Gefahr von dem Schweden 
her, und der Geſandte berichtet den 28ſten Mai 1708: 
Ein ruſſiſcher Officier, welcher von Mentſchikoſs Heere 
kommt, ſagt aus: man habe beſchloſſen den Übergang 


4 


' 


870 ‚Anhang. : 2708. 


über die Berefina ftreitig zu machen. Diefer Fluß 
iſt fchmat, aber ſchwer zu Überfchreiten und trennt 
jegt die ſchwediſchen und ruffifchen Heert. Nach dem 
Berichte jenes Officiers find die Moskowiter ſtarken 
Körpers, gut eingeuͤbt, bie Regimenter vollzählig und 
nach Kampf begierig; aber die Sußgänger haben fchlechte 
Feuergewehre, die Dragoner fchlechte Pferda und das 
ganze Heer nicht drei. gute Generafe; fo daß fich, 
wenn es zu einge Schlacht kommen follte, ein hefti⸗ 
ger Anfang und: ein fchlechter Ausgang erwarten laͤßt. 

Den 28ften September 1708 fehreibt der Ge: 
fandte: Seit der Czar vom Könige Auguft verlaſſen 
ward, bieft man feine Lage faft für verzweifelt; bis 
feines Feindes beharrliche Abneigung gegen alle Unter 
handlung, und bie feinem ehemaligen Berbündeten 
auferlegten ſo harten Bedingungen, dem Czar zeigten, 
was er zu erwarte babe, und daß ihm nur die Wahl 
bieibe zwifchen einer entfchloffenen Vertheibigung und 
gänzlichem Untergange. Deshalb befeitigte er die eis 
nem AUngeiffe am meiften ausgefegten Graͤnzplaͤtze, 
verſtaͤrkte ſein Heer, hob zahlreiche Mecruten aus, ver 
ſchaffte ſich viele fremde Dfficiere und erneuerte, waͤh⸗ 
vend Karls langem Aufenthalte in. Sachſen, feine 
Verträge mit: den verbundenen (eonfederate) Polen. 
. Ein jeder erwartete daß König Karl, nad). feiner Ruͤck⸗ 
kehr in dies Land, fich zuerft bemühen würde, biefe 
Spaltung durch einen Friedensreichstag zu .befeitigen, 


» 





1708. Karls XII Zug gen Rußland. . 571 


oder Heren Seniaufski (?) und andere große Familien 
duch einige Nachgiebigkeit mit ihren Intereſſen zu 
gewinnen. Dieſe duͤrfte ſeiner Haͤnde Werk befeſtigt 
und die Polen unmerklich in den jetzigen Krieg hinein⸗ 
gefuͤhrt haben. Denn ihre Mannſchaft waͤre am mei⸗ 
ſten geeignet, ſeinen Ruͤcken und ſeine Zuͤge von Le⸗ 
bensmitteln gegen ploͤtzliche Anfaͤlle der Koſacken und 
Tataren zu decken; waͤhrend der Mangel ſolchen 
Kriegsvolkes jetzt ſeine groͤßte Noth verurſacht. Aber 
alle milden Mittel find verachtet, und doch auch nichts 
getban worben, um die. unzufriedene Partei zur Un- 
terwürfigkeit zu bringen. | 
Wenn ruffiiche Berichte über die Ausſagen ſchwe⸗ 
difcher Ausreißer und Gefangenen, über den Mangel 
an. Lehensmitteln in Karls Lager nur halb wahr find, 
fo findet er hier das größte Hinberniß aller feiner 
Plane. Beither hat er eine gänzliche Vernachläffigung 
der Magazine und des Gefchüges zur Schau getra⸗ 
gen (aflected) und bis jetzt ohne dieſe Loftfpieligen 
und unbehälflihen Kriegslaſten Erfolg gehabt, gleiche 
wie fein großer Vorfahr Karl Guſtav, deſſen Leben 
und Thaten (tie man mir früher fagte) fein einziges 
Studium und Vorbild find. Aber dies gefchah im 
Polen, einem reihen Lande, und bei einer ausgelaſſe⸗ 
nen (licentious) Megierung, wo jebem Manne frei 
fteht feinen eigenen Weg zum Untergange zu wählen; 
auch hat keiner. daſelbſt die nothwendige Macht, einen 


372: _ Anhang. 008. 
allgemeinen Brand ‚aufzuhalten, indem er feines Nach⸗ 
bars Haus nieberreißt. Hier in Rußland find hinge⸗ 
gen die Grundſaͤte durchaus verfchieden, das Geſetz 
tft unbedingt, und Bein Privatinterefie darf in Be 
tracht kommen, dem allgemeinen Wohle, ober dem 
Willen des Herrfchers gegenüber. Außerdem. ift das 
Land nicht fo gut bebaut, der Dörfer. find nur wenige, 
die hölzernen Häufer von geringem, und das Beſitz⸗ 
thum darinnen meift von gar. keinem Werth. So 
daß wenn. irgend ein Feind. naht, die Einwohner ge 
warnt werben, zu tetten-mas fie koͤnnen; worauf bie 
Kofaden das ‚Übrige in Brand. fieden. Dies ift be 
reits. mehre Male im Angefichte des ſchwediſchen Hee⸗ 
res gefchehen, welches Altes vor fich wuͤſt findet. und 
mit jedem Schritte vorwärts, tiefer in. Noth und 
Kälte hinein geräth. 

Auch bat man bemerkt, daß fie auf dem kuͤrze⸗ 
ſten, aber ſchwierigſten Wege gen Moskau ziehen, wo 
bie Städte am weiteflen von einander entfernt, und 
die Fluͤſſe, Moräfte und Wälder am wenigſten zu 
gänglich. find. Wären fie‘ dagegen nad; ber Ukraine 
binabgezogen, fo hätten fie gefunden ein treffliches 
Land, Überfluß an Lebensmitteln, reiche Staͤdte der 
Kofaden und ein freies, der vuffifchen Regierung wicht 
fo zugethanes Bolt, daß es ihtetwillen eine völlige 
Verwüftung leiden möchte. Der alte Hetmann Ma 
zeppa hat. genug zu.thun, fie in ihrer jegigen Pflicht 


» 





1708. Lage ber Schweden und Ruffen. Berrfi ine. 573 


feft zu erhalten. — Über hätte ber König von Lief⸗ 
land aus angegtiffen, fo wäre fein Rüden geſic chert 
und der Bedarf an Lebensmittel leicht aus dem eige⸗ 
nen Lande und zu Schiffe herbeigeſchafft worden. 

Die beiden Heere ſtehn jetzt einander nahe gegen⸗ 
uͤber, und obgleich der Herbſt ſehr ſchoͤn iſt, muß 
doch in fünf, ſechs Wochen Kälte und Schnee für 
fünf Monate eintreten, und fein Heer kann länger 
das Feld halten. Wo aber die Schweden mit Sicher - 
- heit ihre Winterlager nehmen Einnten, ohne eine als 
- gemeine Schlacht, das iſt nicht leicht vorauszufehen; 
fo daß biefer Ausweg, obgleich ‚hart, doch ber befle 
zu feyn ſcheint. Denn follten - fie genöthigt tuerden 
über den Dniepr nad Lithauen zurüdzugehen unb 
bafelbft bis zum nächften Fruͤhlinge zu verweilen; fo 
dürfte der Krieg fo lange dauern als der polnifche, 
und die Sriedensbedingungen fehr ungewiß ſeyn. Koͤnn⸗ 
ten die Schweden indeß das Kronheer auf ihre Seite 
bringen, ſo wuͤrde dies kein veraͤchtlicher Gewinn ſeyn. 
Was nun den Gzar anbetrifft, fo bat er dem: 
Vorzug eines zahlreichen Heeres, welches naͤchſten Fruͤh⸗ 
ling an 80000 Dann zählen wird; obgleich es jetzt 
ſehr zuſammengeſchmolzen iſt durch Entweichung, Ge⸗ 
fechte, Krankheiten und Mangel an Sorgfalt. Das 
Heer beſteht aus friſchen, tuͤchtigen Leuten (lusty, 
well made fellows), die Kriegsuͤbung iſt gut, das 
Anfehn ſeit den polnifchen Feldzuͤgen ganz veränbert. 


‚ - 


574 Anhang. 1708, 
Viele Negimenter werden ohne Zweifel gut fechten, 
wenn man fie gut anfuͤhrt; aber Ihre Waffen find 
ſchlecht, ihre Pferde noch fehlechter; auch find fie nicht 
geübt, wenn einmal gerorfen, ſich wieder mit Orb 
nung zu vereinigen. Durch ihre Testen Erfolge er: 
muthigt, werden fie tapfer und kuͤhn angreifen: aber 
fie find nicht geeignet einen anhaltenden Stoß zu 
überfiehen; und wenn einmal tuͤchtig geſchlagen, wird 
man fie kaum wieder zum Stehen bringen. Denn es 
ift die Sinnesart des Landes, vom Hödften bis zu 
dem Gerinagften, - daß fie beim geringften Erfolge fich 
gar fehr erheben, und x iedent ee fih ganz 
fallen laffen. 

Das größte Unglüd des Cars iſt der Mangel: 
guter Generale. Der Feldmarſchall Scheremetef 
ift ein Mann von unzweifelhafter perfönlicher Tapfer⸗ 
keit, ſehr glüdlich In feinen Zügen wider die Tataren, 
außerordentlich beliebt im Lande und bei den gemeinen 
"Soldaten: aber er iſt noch nie gegen einen vegelmd- 
ßigen Feind gebraucht worden, und ermangelt der nd: 
thigen Erfahrung; was für den einzigen Grund gilt, 
daß bie Schlacht. in Kurland verloren ging. 

Fürft Mentſchikof, General der Reiterei, if — 
Range nach der zweite, an Einfluß aber der erſte; 
- denn fein Übergewicht iſt fo groß, daß ſeine Befehle 
in bürgerlichen und Priegerifchen Angelegenheiten gleich 
unbedingt find, und ber Czar gewoͤhnlich deſſen Ent 








- 


1908. Scheremetef, Mentſchikof. Das ruſſiſche Beer. 575 . 


fheidungen folgt, bismellen felbft gegen feine eigene 
Meinung. Doch heißt es, Mentfchikofs Einfluß fey im 
Sinken. Sein ganzer Charakter iſt fehr tadelnswerth 
(disadvantageeus), um nicht. Schlinnmered zu fagen. 
Was den Krieg anbetrifft, ſo hat er weder Erfahrung | 
zum Erkennen, noch Fähigkeit zum Lernen, noch Muth 
auszuführen; wie. man beutlich bei dem legten un: 
geordneten Ruͤckzuge von ber Weichſel zum Dpiepr 
fah, ‚welcher wenig Grund gab zu vermuthen, dab 
die Nufien nunmehr den Boden fo gut ſtreitig ma⸗ 
chen wuͤrden. 

Was die Mannſchaft anbetrifft, ſo kann ſie er 
Gzar nicht fehlen, da Leben und Güter aller feiner 
Untertanen ihm zu Gebote fliehen. Gleich menig 
wird ihm Geld mangeln, fo lange feine Feinde außer 
halb feines Gebietes ftehn und nuglofe Ausgaben un: 
terbleiben. "Deshalb hat er nicht nöthig, Alles auf 
einen Wurf zu. fegen, und findet es zwedimäßiger, 


feine Feinde in Noth (starving) zu bringen und 


ducd) vielfache Unternehmungen zu ſchwaͤchen. Zwar 
find viele Edelleute, ja die Meiften feiner Untertha: 
nen unzufrieden; allein er bat die Moskowiter fo nie 
dergedruͤckt, daß er keine Empoͤrung fürchtet, fo lange 
fein. Heer auf den Beinen iſt. Auch können die wit 
den Aufflände der Koſacken und Tataren nur durdy“ 
Zeitumftände bedeutend werden. ; 

Wie man fagt, ift die, = cht der — nach 


576 -- Anbang 4708. 


Smolenet vorzudringen, in, der Hoffnung, bafelbft 
Überfluß von Lebensmitteln zu finden. Sie find aber 
außerordentlich uͤberraſcht und getäufcht, da fie ſehen, 
baß die Ruſſen ihr eigenes Land verbremmen, "was 
man nicht habe glauben können. 

Die beiden näcften Ereigniſſe von "großer Wich⸗ 
tigkeit ‘waren der Sieg der Ruſſen über den General 
Loͤwenhaupt und der Abfall Mazeppas zu 
Karl XI Der legte (berichtet Whitworth am 2iften 
Nevember 1708) ift fait 70 Jahr wit, und hat kei 
nen Sohn, fondern nur einen Neffen. Er fammelte 
in bee veichen Landfchaft, welche er fo lange faft wie 
ein unumfchränkter Fuͤrſt beherefchte, große Summen 
Geldes, und ftand bei dem Czar im ungemein gro: 
Sem Anfehn und Vertrauen. Daher weiß ich nicht, . 
welche Zuruͤckſetzung ober weiche Hoffnungen ihn, bei 
fo hohem After, in neue Entfchläffe und Bahnen 
bineingeteieben haben. 

Den 28ften November fährt der Gefandte fort: 
- Einige Tage vor feinem Abfalle ſtellte fi Mazeppa 
fo krank, :ald gebe er alle Hoffnung ber Herſtellung 
auf. Deshalb traf der Hof Vorbereitungen zu einer 
neuen Wahl. Als aber Mentfchitof mit Mannſchaft 
vor Bathurin, Maseppas Burg, anlangte, fand er fie 
verfchloffen und den Hetman entflohen. Der Verrath 
"ward offenbar und die, Burg erflürmt. E 

Ereigniffe folcher Art ſcheinen jedoch den gemöhn- 





1709. Mazeppas Abfall. 577 


lichen Gang des ruſſiſchen Lebens nicht unterbrochen 
zu haben; wenigſtens berichtet der Geſandte ben 2dften 
Januar 1709 '): bei. einem großen Feſte ſchlug ber. 
Czar feinen Liebling (Mentſchikof) gar fehr (very se- 
verely); ging aber des naͤchſten Tages zu ihm und 
föhnte fi) wieder mit ihm aus. | 

Unterdeffen zog fich der Krieg in die Gegend von 
Pultawa. Den 19ten Sunius 1709 fchreibt Whit⸗ 
worth: Pultawa liegt auf einem Heinen Hügel in 
ber Nähe des Fluſſes Worskla und ift eine der ans 
gefehenften Städte der Ukraine, fowohl in Hinfiht - 
auf Größe und Einwohnerzahl, als in Hinfiht auf 
die Vorzüge feiner Lage. Derin fie deckt die Sapo⸗ 
roger Kofaden und eröffnet eine Verbindung mit den 
donifchen und den Tataren. Sie war gegen bie ploͤtz⸗ 
lichen Einfälle ber legten blos mit einem Erdwalle 
und Paliffaden verfehen; bei der Beſorgniß, daß fich 
die Schweden im legten Winter dafelbft feftfegen 
möchten, ward General Wolchonsky mit einer anfehn: 
lichen Beſatzung dahin gefandt, um den Plag in 
Bertheibigungsfland zu fegen. Dies geſchah durch 
- Errichtung einiger Außenwerke, welche jeboch zu un: 
bebeutenb waren, einem Deere zu woiberfiehen, das 
mit Gefhüs und Kriegsbedarf irgend verfehen war. 
Man fagt aber, der Mangel an Pulver im fehwebis 





1) Sand 5. . 
1. 25 


578 Anhang. 19. 
ſchen Lager ſey ſo groß, daß ſie nicht Breſche ſchießen 
koͤnnen, ſondern ſich auf andere Arten des Angriffs 
beſchraͤnken muͤſſen. 

Sie hatten einſt eine Mine unter dem Walle an: 
gebracht und zehn Faͤſſer Pulver hinein gelegt. Die 
Belagerten entdeckten jedoch die Gefahr, das Pulver 
ward (es feheint von ben Ruſſen) in dem Augenblide 
vor dem Anzinden herausgenommen und die Schaar 
ber Stürmenden mit Verluſt zuruͤckgeſchlagen. Bald 
darauf gelang es einer ruſſiſchen Verſtaͤrkung von 
1200 Mann, ohne Verluft in die Stadt zu ‚bringen. 
Jeder trug ein Pud Pulver und. ein halbes Pad 
Blei. Der Beigadier Golowin (Mentſchikofs Schwa⸗ 
ger) und ber Oberfi Uho, ein Däne, hatten die Sache 
angeordnet; bei dem nächflen Ausfalle ward aber ber 
erſte gefangen und der letzte getoͤdtet. 

Das ruffifche Heer ift jetzt auf der anderen Seite 
der Worskla zufammtengezogen, und man meint, nad), 
der Ruͤckkunft des Czats von Aſof merde er, dem 
Mathe einiger Gmerele gemäß, eine allgemeine Schlacht 
wagen; boch haben derlei Nachrichten oft feinen Grund 
gehabt. Unterdeffen fuchen die Ruſſen eine. Berbin- 
dung mit der Stabt zu gewinnen, und die Schwe⸗ 
den führen eine Gegenlinie auf (dräwing up another 
line) fie daran zu. hindern. 

Die Schweden (fügt der Gefandte am oſtn 
Junius hinzu) machen wenig Fortſchritte, und haben 








1709. Yultama . 579 


in der legten Zeit aus ihrem Gefchlige faft gar nicht . 
gefeuert. Ihe Hauptbeftzeben iſt die Verbindungslinie 
mit ber Stadt zu verhindern, welche bie Moskowiter 
bis jetzt vergeblich zu Stande bringen wollten. Dan 
fagt: die Lebensmittel find Enapp in ihrem Lager, 
das Waſſer ſchlecht, und an 4000 Ihrer Pferde wur⸗ 
den nad) und nad durch die Koſacken und andere 
Streifſchaaren hinweggetrleben. Das Druͤckendſte ift 
aber der Mangel an Pulver, und die Überlaͤufer ers 


zaͤhlen, man fpreche allgemein davon, uͤber den Dniepr 


zuruͤckzugehen. Der Czar kam den ten Junius beim 
Heere an, fand es zahlreich und in gutem Stande 
und ſchrieb nach Moskau, er werde bald eine Schlacht 
wagen, wozu bie nöthigen Votbereitungen mit großer 
Sorgfalt getvoffen werden. 

So kam es zur Schlacht bei Pultawa, über 
weiche der Geſandte, nach dem’ Berichte von Augen: 
zeugen, Folgendes fchreibt. Der Czar ging über bie 
Wroskla und ſtellte fein Heer ganz nahe bei dem 
fchreebifchen auf. Fünf age lang gefchah nichts 
Erheblihes; fondern die Schweben zogen fich bei der 
"Annäherung ber Ruffen in ihr Lager zurüd, in ber 
Hoffnung, fie gegen einen liberfall ficher zu machen, 
Am Abend bes 26ften Junius befehligte der Generals 
lieutenant Roͤnne die Vorhut des ruffifchen Heeres, 
und ritt in der Nacht mit einem Begleiter bis in 
die Naͤhe der ſchwediſchen Außenwerke. Von hier aus 

25° 


580 .  AÄnheong. me. 


hörte er im Lager fteten Laͤrm, ſchloß daraus, es fey 
irgend etwas im Merke, und befahl fogleid der Rei: 
terei aufzufigen und ſich eines Paſſes zwiſchen beiden 
Heeten zu bemächtigen. Kaum aber war feine Schaer 
geordnet, als die ſchwediſche Meiterei ihn bereits am 
geiff.e Er vertheidigte ſich faft eine Stunde lang, bie 
er Nachricht befam, das Fußvolk fey aufgeftellt und 
Alles in Bereitſchaft; dann zog er. fih mit feinen 
Leuten nad) beiden Slügeln des Heeres zuruͤck. Die 
Schweden folgten, in der Hoffnung, fie in Unordnung 
zu bringen, ‚wurden aber von 70 ſchweren Kanonen 
ſo warm empfangen, daß fie felbft in Unordnung ge 
: riethen. Ihr Fußvolk kam ihnen zu Huͤlfe, ward 
aber von dem moskowitiſchen, nad) einmaligem Ab 
‚ feuern, mit dem Schwerte. in ber Hand angegriffen 
und gleichfalls zum Ruͤckzuge gezwungen, Hier tra⸗ 
fen fie auf ben General Bauer, der fie mit einer 
ſtarken Schaar umgangen hatte und fie von hinten 
anfiel. So von zweien Seiten bedrängt, warfen die 
Meiften ihre Waffen weg, und das Übrige war 
blos Flucht und Verfolgung. 
Der erfte Officier von Bedentung, welcher, und 
zwar vom Czar felbit, gefangen warb, war ber Gene 
talmajor Schlippenbach; bald darauf brachte der Feld: 
marfchall Scheremeteff den Feldmarſchall Rönnfchildt. 
Mährend der ganzen Schlacht zeigte ſich der Czar 
ſehr thätig, erhieft einen Schuß durch den Hut, und 


1709, Yultama. 581 


ritt vier Pferde nieder (rid down). Um acht Uhr 
des Morgens war Alles vorbei. Der Czar lud die ' 
fchmwebifchen Generale zu Tifche ein, behandelte fie fehr 
höflich und fragte unter Anderem den General Rönns 
ſchildt: wie ſtark das ſchwediſche Heer am Tage ber 
Schlacht geweſen ſey. Dieſer antwortete: weder er, 
noch irgend jemand. im Heere könne dieſe Frage beant⸗ 
worten, fondern nur ber König, dem allein die Liften 
gebracht würden und ber fie niemand mittheile. Doch 
glaube er, es möchten ‚überhaupt 30000 Mann. ges 
weſen feyn; darunter 19000 regelmäßige Soldaten 
und die Übrigen Kofaden. Auf die weitere Frage: 
“wie fie fih mit einem fo wenig zahlreichen Heere fo 
weit in einem fo großen Lande vormagen konnten? 
gab er zur Antwort: dies fey nicht gefchehen ‘auf ih- 
ven Rath, denn als treue Diener wären fie verpflich 
tet, ihres Deren Befehlen zu gehocchen ohne Wider: 
rede! Dierauf nahm der Car fein eigenes Schwert 
von feiner Seite, überreichte es dem Feldmarſchall 
und fagte ihm: da er ein fo treuer Diener fey, folle 
er es tragen als ein Angedenken. | | 
Der König von Schweden war wenige Tage zus 
vor in einem Gefechte mit dem General Rönne vers 
wundet worden, und fuhr während der Schlacht in 
einer Kutfche (a caleah) vor dem Deere her. Weil 
biefelbe durch eine Kanonenkugel zerfchmettert und fein 


682 Anhang. 100. 


Bette biutig auf dem Boden gefunden wurde, fe ver: 
mutbete man, er fey getödtet: | 

Die Schweden hatten Fleiſch und Brot genug: im 
Lager, aber keinen Branntwein und kein Bier, und 
fo wenig Pulver, daß befohlen ward, man folle da⸗ 
von nicht [prechen. 

Haft noch mehr als über bie Niederlage der Schwe⸗ 
den 'bei Pultawa, erſtaunte man über bie fich daran 
weihende Capitulation des Generals Loͤwenhaupt. Als 
Grund -dafle (fchreibe Whitworth den Aten Septem: 
ber) erzählt man, daß, mit Ausnahme von drei alten 
ſchwediſchen Regimentern, alle anderen Soldaten fi 
weigerten zu fechten. Sie waren ganz entmuthigt 
durch ihre fruͤheren Strapagen und ſorglos ſowol fuͤr 
ſich als ihren Ruf. 

Am 19ten September voteberhoft Whitworth: koͤ⸗ 
wenhaupts Freunde fuͤhren an, daß die meiſten Re⸗ 
gimenter ſich weigerten zu fechten; wogegen bie Offi⸗ 
ciere, welche in ruſſiſche Dienſte gegangen find, zu - 
ihrer Rechtfertigung fagen: ſowohl fie, als die Sol⸗ 
daten wären bereit geweſen ihre Schuldigkeit zu thun, 
und hätten von der Gapitulation gar nichts gewußt, 
bis man ihnen befohlen. habe, die Waffen nieder zu 
legen. Andere bemerkten: . e6 waren ‚keine. zweckmaͤßi⸗ 
gen Vorkehrungen getroffen. kein Schutzwall aufge: 
worfen, Gepäd und Geſchlitz nicht geordnet, noch 
. irgend etwas zu einem Kampfe vorbereitet, obgleich 


\ 





1710. Pultawa. Löwenhaupt, Gefangene. 593 


fie dazu genug Zeit hatten, bevor ihnen bie Heeres⸗ 
abtheilung des Fuͤrſten Mentfchilof nahe Eam. 

So hoͤflich ſich auch ber Czar gegen die fehmebi: 
fhen Gefangenen, benahm, gab es doc nachmals 
Grunde genug zu Hagen. Die fehwedifchen Generale 
(fchreibe Whitworth den Gten Sebruar 1710) befchwer= 
ten fih bei dem Gzar, daß ihre gemeinen Soldaten 
vor Hunger flerben und man nicht einmal Sorge 
trägt, ihre Leichname zu begraben. Hieruͤber war. 
Peter fehr erzuͤrnt: er ließ den Befehlshaber von Mose 
kau den Fürften Gagarin .und einen feiner erften Mi- 
niftee in ihren Häufern verhaften. Sie wurden erſt 
geftern auf Vorbitte der verwittweten Kaiferinn und 
der Prinzeffinnen kosgelaffen. Der zweite Befehls: 
haber, Fuͤrſt Bogdan Gagarin, warb in dem gemeis 
nen Gefaͤngniß mit einer filbernen Kette um den m 
an einen großen Klotz fellgelegt. 

Wenn Maaßregein ſolcher Strenge ſchrectten, io 
erweckten fie andererſeits auch wohl Rachluſt. Gewiß 
hinderten ſie nicht alle Unbilden, wenigſtens ſchreibt 
der Geſandte den Iten Oktober 1710: unter dem 
Vorwande Schweben anzugreifen, hält man in Moss 
. Eau alle Fremden feſt und aͤngſtigt fie fo lange, bie 
fie Geld bezahlen. 

Über den Krieg Peters wider die Tuͤrken im Jahre⸗ 
1711 findet ſich nur folgende bemerkenswerthe Stelle 
in einem Berichte vom Iten September: Der Ta⸗ 


584 ° Anhang. ım1. 


tarchan widerſprach bem Srieben, aber der Vezir ward, 
fo fagt man, mit 300,000 Rubeln gewonnen. — 
Acht Tage lang hatte die ruffifche Reiterei weder 
Gras noh Heu, fondern lebte allein von Blättern 
und Wurzeln, was die Pferde fo herunterbrachte, daß 
fie kaum geben Eonnten. Überhaupt war Mangel an 
Nahrungsmitteln aller Art, und kein Mittel, keine 
Möglichkeit zu entlommen. Als der Czar fich in fo 
großer Gefahr‘ fah, weinte er, und war entfchlofien 
mit feiner neuen Kaiſerinn und wenigen Begleitern 
lieber zu Pferde zu entfliehen, als fich den Feinden 
.in dem alle zu übergeben, daß der Sropvegier den 
Srieden nicht annehme. 

Bon 1711 bis 1719 und von 1719 bie 1728 
finden fich keine oder unerbebliche Berichte, und uns 
ter benen bes Sefandten Sefferies vom Jahre 1719 
verdient nur einer vom Iten Sanuar bier eine Mit: 
theitung ). — Derjenigen nicht zu gedenken (heißt 
es dafelbft) welche in dieſem Lande zu verichiebenen 
‚ Beiten Berfchwörungen wider den Czar und feine Re 
gierung ‚angezettelt haben, giebt es Andere (felbft vom 
erften Range) welche unter dem Vorwande einer un 
verleglichen Treue dem Staate nicht weniger gefährlich 
vourden, indem fie ſich in ihren Ämtern ungebührlic 
auf Koften ihres Herrn zu. bereichern fuchten. Der 





1) Band 11, 


1719. unterfuhungen wider Beamte. 2 585 


Ezar' war von Ihrem ſchlechten Benehmen wohl un: 
terrichtet, hielt e8 aber für gerathen zu fchmweigen, bis _ 
die Strafen wegen ber legten Verſchwoͤrung vollzogen 
waren. Bald nachher berief er aber den Senat und 
fagte: es fey Bett, das Benehmen der angefehenften 
Beamten zu unterfuchen, zu welchem Ende er einen 
Serichtshof ernannt habe. In demſelben figen einige - 
Generale und einige andere Perfonenz General Weide 
iſt Praͤſident. Die Unterſuchung . begann mit dem 
Sürften Mentſchikof. Er warb befchuldigt, in feiner 
Statthalterfchaft Ingermannland mehr feinen als des 
Czars Vortheil bedacht, und insbefondere drei Bruͤder 
Satofiofd begünftige zu haben, welche mit verbotenen 
Waaren handelten. Auch fey von ihm ein geheimer 
Briefwechſel mit einem ſchwediſchen Minifter geführt 
vöorden. Der Fürft warb auf Befehl des Czars ver 
haftet, nad einigen Zagen aber wieder freigelaflen; 
auch verfprad) ihm Peter, das Geſchehene zu vergef: 
fen. Doc fagt man, der Fürft Habe 200000 Rubel 
als eine Entfchädigung für den Verluft geboten,. welche 

der Czar durch jenen betrüglichen Handel gelitten. 
Der Großadmiral Aprarin ward hinfichtlid der 
Flotte mancher Veruntreuung (mismanagement) ſchul⸗ 
‚dig gefunden und deshalb verhaftet, fowie des St. 
Andreasordens beraubt. Doch hatte er das gute Gluͤck, 
ebenfo wie Fürft Mentfchikof, für eine große Summe 
ded Czaren Gunft wieder zu erlangen. In gleicher - 
2 5 * x 


| 986 Anhang. 1728. 


Weiſe wurden andere Verhaftete gefchast, und dem 
Salofiofs allein 700000 Rubel abgenommen. 

Peter der Große ſtarb den Sten Februar 1725, 
feine Gemahlinn, Katharina I, den 17ten Mat 
1727. She folgte Peter U, der Sohn des un⸗ 
glüdlichen Alerius, der Enkel Peters L Er war ge 
‚boren den 12ten Oktober 1715, feine ältere Schwe⸗ 
fier Natalia den 12ten Zulius 1714. | 

Erft mit dem Jahre 1728 beginnen wieberum 
die Berichte des Sefandten Rondeau. Er fchreibt 
den 7ten Auguft: Graf Luthol, ein fehr ſchoͤner 
Mann, war ein. großer Günftling unter ber Regies 
ung der verſtorbenen Kaiſerinn Katharina, Richt 
minder ftand bei ihe in Gunſt Anna Crama, eine 
ſehr inteiguirende Frau, welche um alle Luftpartien 
der Kaiferinn mußte, bei melder Graf Luthol ein 
Daupttheilnehmer war. 

Mentſchikof ſtellte Luthol und bie Erama bei ber 
Prinzeſſinn Natalia an. Beide gewannen bie Zu⸗ 
neigung ihrer neuem Gebieterinn, geriethen aber in 
Mißverſtaͤndniſſe mit dem Fuͤrſten; fo daß fie ſich mit 
dee Prinzeffinn Eliſabeth, Aprarin, Goloflin, Ofter: 
mann und Andern zum Sturze Mentſchikofs verban- 
den, was ihnen auch gefang. Jetzt find Luthol und 
die Crama die einzigen Günftlinge bee Prinzeſſiun 
Natalia, und lenken fie nach Belieben. Beim Ans 
fange der Regierung ihres Bruders hatte Natalia, 








1728. Katharina I, Peter IE, Dolgorucki. 587 


als deflen erſte Freundinn, großen Einfluß am Hofe. 
As fie ſich aber ein wenig zu viel herausnahm und 
. Ihren Bruder von feinem unordentlichen Leben abzu: 
bringen fuchte, wurden ihre Tiebevollen Ermahnungen 
ihm unbequem und fie verlor deshalb einen großen . 
Theil des Einfluſſes, welchen fie auf ihn” hatte. 
Jetzt ſteht die Pringeffinn Eliſabeth (Peters I 
Tochter) in großer Gunſt. Sie ift ſehr ſchoͤn und 
fheint alles zw Heben, was dem Czaren gefällt, ſo 
Ranzen und Sagen, welches legte feine herrſchende 
Leidenfchaft iſt; denn einiger ‚anderer zu erwähnen, halte 
ih. für unpaffend. Jene Prinzeffinn fcheint ſich in⸗ 
deſſen nicht in Staatögefchäfte zu miſchen, ſondern 
lediglich dem Vergnuͤgen zu leben. Sie folgt dem 
jungen Fuͤrſten, wohin er nur geht. | 
Peters großer Guͤnſtling iſt jege der junge, etwa 
zwanzigjährige Fürft Dolgorudi. Sie find Tag 
und Nacht unzertvennlih, und er nimmt an allen 


Seften ber Schweigerei (debauch) Theil, deren nur. 


zu ‚viele find. Die, gewaltigen Unternehmungen feines 
Großvaters werben bald in Nichts verfchwinden. ' 
Der Czar (Bericht vom 11ten September: 1728) 
ift fehr unbeftändig in feinen Entfhlüffen: denn heute. 
will er dies, und morgen ‚gerade: das Gegentheilz mas 
feinen Miniftern große Sorge bereitet. Baron Oſter⸗ 
mann bat die alleinige Leitung aller Gefchäfte und 
den Weg gefunden, fich fo unentbehrlic, zu machen, 


588 Anhang. | 1729. 


daß fie ohne ihn nichts thun können. Im Fall ihm 
etwas nicht behagt, giebt er vor, er ſey krank, um. 
fein Außenbleiben im Rathe zu entfchuldigen. Wenn 
alsdann die beiden Dolgorudi, .Aprarin, Golofkin 
und Gallitzin dafelbft zufammenkfommen und Oſter⸗ 
mann fehlt, fo Eönnen Alte nicht von der Stelle 
Sie figen eine. Weile, fie trinken einen Schluck, und 
find zulegt genöthigt, dem Baron ihre Aufmwartung 
zu machen und ihn in gute Laune zu verfegen. Durch 
diefe Mittel bringt er fie dahin, Alles zu bewilligen, 
was er wünfcht; doch glaubt man, Biel, Weg werde 
“ nicht immer zum .Biele führen. 

Dolgorudis Rathfchläge erfchtenen mittlerweile ſo 
verkehrt und ſeine Ausſchweifungen ſo unwuͤrdig, daß 
er auf die dringenden Vorſtellungen Natalias und 
Oſtermanns entfernt wurde); aber ſehr kurze Zeit 
nachher, den Mſten November 1728, ſtarb jene, und 
bed zuruͤckgekehrten Guͤnſtlings Einfluß. flieg noch hoͤ⸗ 
her als zuvor. Gegen Oſtermanns und Anderer Wuͤn⸗ 
fhe ward bes Czaren Verlobung mit der Schwelle 
Dolgorudis .(Beriht vom 20ften November 1729) 
erklaͤrt. Sie war etwa 18 Jahre alt, ſehr ſchoͤn und 
mit vielen guten Eigenfchaften verfehen. 

Alte zeitherigen Plane fielen aber zu. Boben, weil 
Deter I den 19m Januar 1730 ſtarb. Der 





. D) Bericht vom 28ſten November 1728. 








1730. Peter. Oftermann. Anna. Regierungsform. 589 


große Rath (ſchreibt Rondeau an demſelben Tage) ) hat 
fogleich Anna, die Tochter des Iwan Alexriewitſch, 
die verwittwete Herzoginn von Kurland, einſtimmig 
zur Nachfolgerinn erwaͤhlt. Ich hoͤre, daß die Ange⸗ 
ſehenſten des ruffifchen Adels damit umgehen, bie Form 
ber Regierung zu verändern. Man: verfichert, daß 
zur Beſchraͤnkung der unbedingten Gewalt Bebingun: 
gen entworfen find, welche die Kaiferinn unterzeichnen 
muß, widrigenfalls man einen Andern erwählen will. 

Über diefen merkwürdigen. Plan, die monarchiſche 
Form der Verfaffung zu ändern und. einem. Theile 
des höheren Adels entfcheidenden Einfluß zu verfchafs 
fen, geben die Berichte Rondeaus Iehrreiche Auskunft. 
Er fchreibt den 2ten Februar 1730: wie man fagt; 
find die entworfenen Bedingungen folgende: 

Erftens, die Kaiferinn erhält eine beftimmte 
Summe zur Beftreitung ihrer Ausgaben, und befeh⸗ 
ligt vom..Deere nur denjenigen: Theil, weldyer als 
Leibwache den Dienft in ihrem Palafte verfieht. 

Zweitens, zwölf Männer, aus dem angefehen- 
“fen Adel, bilden den hoͤchſten Rath und leiten alle 
wichtigen Angelegenheiten, fo Krieg, Trieben, Buͤnd⸗ 
niffe u. dgl. Es wird ein Keonfchagmeifter ernannt, 
welcher dem böchften Rathe über die Finanzverwaltung 
Rechenſchaft ablegt. 





1) Band 18. 





590 Anhang. 1730. 


Drittens, ein Senat von 36 Perfonen prüft 
die Gegenflänbe, bevor fie an den hoͤchſten Rath ges 
bracht werden. | 

Viertens, eine Verfammiung von 200. Män: 
neen aus dem niedern Adel vertheidigt deffen echte, 
im Fall der hohe Rath denſelben zu nahe treten 
ſollte. | — 

Fuͤnftens, eine Verſammlung von Buͤrgern 
und Kaufleuten (gentlomen and merehants) ſorgt, 
daß das Volk nicht unterdrückt werde. 

Dies ift im Allgemeinen der Entwurf, mit wel 
hem man ſich beichäftige. Sie find über denfelben 
zwar keineswegs einverflanden, aber doch bereits zu 
weit vorgefchritten, als daß fie (mie man glaubt) nicht 
wichtige Veränderungen machen follten.. 

Den i6ten Sebruae 1730 berichtet Rondeau: 
der Adel kann ſich über die neuen Formen nicht vers 

einigen. Ich habe verfehiedene Diane .gefehen, welche 
dem höchften Rathe vorgelegt wurden; allein fie ſchie⸗ 
nen ſehr übel entworfen (digested) zu feyn, und kei⸗ 
nee ift allgemein gebilligt worden, obgleich jeder von 
verſchiedenen angefehenen Familien unterfchrieben war. 
Weil diefe Edelleute immerdar einem unbefchräntten 
Monarchen zu gehorchen gewöhnt waren, fo haben fie 
keine richtigen infichten über eine gemifchte Regie 
rungsform. Der hohe Adel möchte gern alle Gewalt 
in feine Hände bringen; der niebere Adel und bie 





1780: Anna. Regierungsform. 591 


Bürger find dagegen ſehr eiferfüchtig und würden lies . 
ber einen Deren, als viele haben; fofern nicht ein - 
Weg aufgefunden wird, fie zu beruhigen und wider 
die Zprannei der großen Familien zu ſchuͤtzen. 

Täglich hören wir verſchiedene Berichte. Einige 
verfihern: 28 würden große Veränderungen eintreten ; 
Andere behaupten mit gleicher. Beftimmtheit, es wuͤr⸗ 
den eine ftattfinden. 

Sobald ihre Majeſtaͤt in. Fſcasweatzk (einem lei⸗ 
nen Dorfe, etwa ſechs Meilen von Moskau) ankam, 
erklärte fie ſich ſelbſt zum Oberſten der preobraſzenski⸗ 
ſchen Leibwache und zum Hauptmann der Edelwache 
(chevalier gards); fie gab mit eigenen Haͤnden je: 
dem Officier und jedem Soldaten ein Glas Wein. 
oder Branntwein, was deren Herzen gewann. 

Der hoͤchſte Rath und der Senat begaben ſich 
vereint nach Fſcasweatzk. Der Großlanzier, Graf 
Gotoflin, überreichte der Kaiſerinn den St. Andreas: 
orden, und Galligin fagte im Namen jener beiden Bes 
hoͤrden: fie dankten ihrer Majeſtaͤt demüthigft (hum- 
bly), daß fie fo gnaͤdig geweſen, die Krone anzuneh⸗ 
men und die ihr nach. Mitau äberfchidten Punkte zu 
unterfchreiben. Die Kaiferinn antwortete: ich danke 
euch, daß ihre mich erwähle habt. : Die Punkte uns 
terſchrieb ich euch zu gefallen und bin entfchloffen, fie 

lebenslang zu halten. Ich wuͤnſche, ihe moͤgt Sorge 
tragen, daß jedem ohne Ausnahme Recht zu Theil - 


592 Anhang. 1730. 


werde, will euch nach meinen Kraͤften fo guten Rath 
geben, als ich irgend vermag, und hoffe, ihr werdet 
enrerfeitd Alles thun, was zum Nutzen * Lan⸗ 
des gereichen kann. 

Die Hauptbedingungen find: regieren — dem 
Gutachten des hoͤchſten Rathes; nicht ohne deſſen 
Beiſtimmung heirathen, Krieg erklaͤren, Frieden ſchlie⸗ 
ßen, Steuern ausſchreiben, hohe Ämter beſetzen, Kron⸗ 
laͤndereien veräußern, oder else ohne vollen Beweis 

verurtbeilen. 

| Seftern (fchreibt — den 26ſten Februar) 
verſammelte ſich der hohe Rath und beſchloß, der 
Kaiſerinn eine Bittſchrift zu uͤberreichen, daß ſie den 
vom Fürften ..... entworfenen Plan genehmigen 
möge. Sie gingen demnach zu ihr, der Entwurf 
ward vorgelefen, gebilligt und unterzeichnet. Hierauf 
Tehrten jene in ihren Sieungsfaal zurkd, wo man 
vorſchlug: in Betracht der Güte ihrer Majeftät, ſollte 
‚man doch etwas für fie thun. . Hierauf fagte der 
Knaͤs Youfopoff: er fey der Meinung, man folle ihr 
die unumfchränfte Gewalt anbieten, forte ihre Vor⸗ 
gänger biefelbe befeffen hätten... Alle willigten ein, 
Eehrten zur Kaiſerinn zuruͤck und machten. ihr das 
Anerbieten, welches fie auch ohne Zögern annahm; 
— fo daß die große Sache zu Ende und Anna jest 
fo unumſchraͤnkt ift, als der verftorbene Gar. 

Umftändlicher handelt vom Hergange ein gleichzeis 


130. . Anno. Regierungsform. 593 


tiger namenlofer Brief, welcher den Geſandtſchaftsbe⸗ 
richten beigefügt if. Als Baron Oſtermann von dem 
neuen Reg’erungsplan hörte, glaubte er, feine Macht 
würde dadurch fehr vermindert und er vom hoͤchſten 
Rathe ganz abhängig werben. Deshalb gab er vor, 
er fey unwohl und von ber Gicht ergriffen. Aber 
die Dolgoruckys und Galligins kamen in fein Haus 
und nöthigten ihn, wider feine Neigung zu unter: 
fchreiben. V 

General Jaguſchinsky, den man, waͤhrend der 
Plan in Bewegung war, vorſaͤtzlich vernachlaͤſſigte 
und vom Geheimniſſe ausſchloß, gerieth daruͤber nach 
ſeiner Weiſe in Wuth, und ſchickte einen ſeiner Die⸗ 
ner an die Herzoginn von Kurland und rieth ihr: 
die vorgelegten Bedingungen nicht zu unterzeichnen, 
weil dieſelben fuͤr ſie ſehr nachtheilig waͤren, und ſie 
ohne Zweifel die Krone ſo erhalten koͤnne, wie ſie ſelbſt 
es wuͤnſche. Der hohe Rath, welcher von dieſer 
Sendung einige Kunde erhielt, ließ den Boten un⸗ 
terwegs anhalten, bei dem man die ſo eben erwaͤhn⸗ 
ten Schreiben fand. Jaguſchinsky ward deshalb des 
blauen Bandes beraubt und in Feſſeln gelegt, um 
ihm den Prozeß zu machen. 

Das Volk freute ſich uͤber die Ankunft der Kai⸗ 
ſerinn und ‚Alles ging ruhig vorüber; zum großen Ers 
ftaunen aller derer, welche von der Freiheit rechte Eins 
fiht haben, erfolgte. aber ein vafcher Wechfel, Die 











594 . Anbang. | 1790. 


Fuͤrſten Trubehzky, Gzerkasty und Soltikof, welche die 
große Macht der Dolgorudy und Gatligin fücchteten, 
und daß diefelben im großen Rathe vicheicht dem 
Übrigen Adel Gefege vorfchreiben würden, fuchten ind 
geheim unter dem niederen Adel eine große Partei zu 
gewinnen, und zwar, wie man glaubte, mit Oſter⸗ 
manns und des Großkanzlers Golowkin Br Zus 
flimmung. 

. Eines Morgens, als auf Befehl — General⸗ 
lieutenants Soltikof die Wachen verdoppelt waren, 
gingen Trubetzky und Czerkasky an der Spitze von 
300 Edelleuten in den Kreml, um der Czarinn Na⸗ 
miens des ruſſiſchen Adels eine Bittſchrift zu uͤberrei⸗ 
hen: fie moͤge die Souverainetaͤt, welche ihre Vor⸗ 
gaͤnger nach allen Rechten der Welt geuͤbt haͤtten, 
wieder an ſich nehmen und die neue Verfaſſung, welche 
ihrem und dem Vortheile des Reiches durchaus zu⸗ 
wider laufe, ganz vernichten. Der Großkanzler Go⸗ 
lowkin, welcher ſeinem Amte gemaͤß, die in Mitau 
von der Kaiſerinn unterzeichnete Urkunde in Verwah—⸗ 
rung hatte, verfehlte nicht, an dem Morgen wo jene 
Abgeordneten anlangten, gegenwärtig‘ zu feyn. - Er 
zog die Urkunde aus ber Taſche hervor, und als die 
Katferinn die Souverainetät annahm, riß er biefelbe 
vor den Augen bes hoben Rathes in Stüden. So 
ward die Böftliche Freiheit, von welcher wir kaum eine 

Dämmerung erbfidten und die wir eine Zeit lang in 








1730, Anna enumföräntt 895 


Ruhe zu genießen hofften, plöglich ganz verdunkelt. 
an erfchien. uns wie ein Zrauım. 

Jaguſchinsky, von dem man erwartete, er werde 
aufs Argfte behandelt werden, erfchien vorgefordert bei _ 
Hofe, befam Amt, Schwert und Ordensband aus 
ben eigenen Händen der Kaiferinn, als ein Verthei⸗ 
diger ihrer Rechte zurüd, und hat jest fo großen 
heil an ihrer Gunft, daß er fich fchmeichelt, bald 
Setdmarfchall zu werden. 

Die Galligin und Dolgorucky gelten für Gegner 
der kaiſerlichen Rechte, obgleich fie in der That die 
Werkzeuge waren, ber Kaiferinn die Krone zu- ver 
Schaffen. — Oſtermann hütet aus politifchen Gruͤn⸗ 
den noch immer das Bette, weshalb die Kaiferinn, auf 
Jaguſchinskys Zureben, eines Tages zu ihm ging, fei⸗ 
nen Rath uͤber die jegigen Verhältniffe zu hören, und ' 
feitdem heißt e6: ein Senat folle, wie zur Zeit Pe 
ters I, gebildet werden. — Die Edelleute, welche 
wegen obiger Beichränkungen uͤbereinkamen, halten 
ſich ſehr ruhig, doch cabaliren- fie in dee Stille für 
bie Prinzeffinn Elifabeth, welcher (im Angedenken an 
ihren Vater) viele Officiere zugethan. find.. Der Haupts 
zweck ift: daß Anna bie Prinzeffinn Elifabeth zu 
ihrer Nachfolgerinn erklaͤre; während fie geneigt ift, 
den Thron ihrer Nichte zuzumenden, der Tochter der 
Herzoginn von Medienburg. 


| 596 Anhang. N - 1780. 


Von dem Verfaſſer diefes Briefes find auch fol: 
gende Charakterfchilderungen einiger ruffifchen Großen. 

Der Großkanzler Golowkin ift der Sohn eis 
ned armen Landedelmanns, welcher zur Zeit des Czars 
Alexius Michailowitſch, erſter Jäger (huntsman) beim 
Prinzen Chawansky war. Zuerft kam Golowiin in 
bie Dienfte des Fürften Alerei Galligin, warb baun, 
während ber Regierung dee Prinzeffinn Sophia, Hof: 
meifter oder Auffeher ihres jungen Bruders ‚Peter, 
brachte diefem von Zeit zu Zeit genaue Kunde über 
Sophias Vorhaben, erhielt hiefuͤr die Stelle eines 
Kammerjunkers, und fpäter für feine treue Anhang: 
lichkeit zur Zeit des Aufruhrs und der — 
Sophias, die Stelle eines Kammerherrn. 

Seine Unverdroſſenheit im taͤglichen Dienſte er⸗ 
warb ihm allmaͤlig die Gunſt und das Zutrauen des 
Czaren, ſo daß er ihn nach einiger Zeit zum Ober⸗ 


kammerherrn und bald darauf, nach dem Tode bed Gra⸗ 


fen Gollowik, zum Großkanzler ernannte, obgleich er 
wußte, daß Golowkin ein einfacher, ununterrichteter 
Mann ſey, und fuͤr jenes hohe Amt keine beſſeren 
Eigenſchaften beſitze, denn eine hoͤchſt unterwuͤrfige und 
knechtiſche Gefaͤlligkeit. Sein dienſtfertiges und an⸗ 
genehmes Benehmen (ſeine beſte Eigenſchaft) ſo wie 
ſein Eifer und Schein von Froͤmmigkeit haben ihm 
unter den altruſſiſchen Froͤmmlern (bigots) und bei 
der Geiſtlichkeit großes Anſehn verſchafft. Er iſt im 











1780. Golowkin. Oftermann. .. 597 


hoͤchſten Grade furchtſam, und fucht- auf jedem nur 
benkbaren Wege ein ungeheured Vermögen zuſammen⸗ 
zubringen, was ihm auch fo gut gelang, baß er für 
ben reichſten Mann in ganz Rußland gilt. 


Baron Oftermann, geboren zu Effen in Well: 


phalen, ift ber Sohn eines armen Landpredigers, ward 
im Sabre 1703 Kammerdiener beim bolländifchen 


Viceadmiral Cruys, umd naͤchſtdem, weil er ſehr fleis 


- Big ruſſiſch lernte, deffen Schreiber. Cruys empfahl 


ihn dem Staatsfecretair. Baron Schapbiroff, um im 
Minifterium ber auswärtigen Angelegenheiten gebraucht 


zu. werden. Dur Schaphiroffs Gunft warb er Doll: 
metfcher, Älberfeger, Unterſecretair, und zulegt Rath 


im Minifterium der. auswärtigen Angelegenheiten. Er 
bat eine gründliche Kenntniß der neueren Sprachen, 
aber nur. eine ſehr oberflaͤchliche Bekanntſchaft mit 


dem Lateinifchen. Sein Verſtand und feine Geſchick⸗ 


lichkeit find gewiß in keiner Weife zu verachten; aber 
er iſt voller Feinheiten und Künftlichkeiten, falſch und 
verraͤtheriſch, binfichtlich feines Benehmens demüthig, 
und einfchmeichelnd mit tiefem Büden und Kriechen, 
mas für daB kluͤgſte Benehmen unter den Ruſſen 


gilt, und worin er ‚alle Eingebornen übertrifft. Er _ 


ift ein Lebemann (bonvivant) und Epikuraͤer, und 
hat bisweilen etwas von Großmuth, aber wenig von 
Dankbarkeit. Denn als am: Hofe ein Streit ent: 


fand, zwiſchen dem Fuͤrſten Mentſchikof und dem Groß- 


2 / 
598 . Anhang. 1780. 


kanzler Golowkin einerfeits und bem Baron Scha⸗ 
phiroff andererfeitd, fo verließ er nicht nur feinen 
Beſchuͤtzer und Wohlchäter, fonbern vereinigte fich auch 
mit: den Anderen wider ihn. So ward Schaphicoff 
geftärzt und nad) Archangel verbannt, und weil nie 
mand ba war,-ber fremde Sprachen gut verfiand, er 
hielt Oftermann einige Zeit nachher, auf Mentſchikofs 
Antrag, das Amt eines Vicekanzlers. Diefen Dienft 
vergalt Dftermann, wie die Welt weiß, damit, daß 
er. unter der vorigen Regierung ben Sturz Mentſchikofs 
beteieb. * 

General Jaguſchinsky, iſt der Sohn eines 
Organiſten an der lutheriſchen Kirche zu Moskau, 
und dankte anfangs al fein Gluͤck feinem huͤbſchen 
Geſichte. Denn der Großkanzler Golowkin, befammt 
wegen feiner unnatürlichen Leidenfchaften, machte ihn 
"als einen ſchoͤnen jungen Menſchen zu: feinem. Pagen, 
mußte ihn aber nach zwei Jahren zu bemfeiben Zwecke 
(for the same purpose) bem Czar Peter I, unter 
dem Titel eines Kammerpagen uͤberlaſſen. Jenes 
Derdienft, verbunden mit einem thätigen, lebendigen 
und heiteren Geiſte, hob ihn bald und vermochte ben 
Czar, ihn erft zum Hauptmann in ber preabraczens⸗ 
kiſchen Leibwacde und dann zum Generaladjutanten 
zu ernennen. Diefe Beförderung, verbunden mit vies 
len Zeichen der fleigenden Zuneigung des Gzaren, gas 
ben. dem Fuͤrſten Mentſchikof Gelegenheit zu Mißver⸗ 


® 


_ 


1708. - Zagufdinsti. - 599 


gnügen und Eiferfuht. Als der Gzar, deſſen frühere 
Gewogenheit gegen den Fürften fehr abgenommen 
hatte, dies, gewahrte, fuchte er ihm täglid neue Krän- 
tungen zu bereiten, durch wiederholte Begünftigung 
Jaguſchinskys; — ja, zuletzt erklärte Peter diefen für 
feinen Favoriten. Er befigt Leine außerordentlichen 
Geiftesgaben, aber im Hofleben hat er gelernt ſich 
höflich zu benehmen, und feine gute Natur würde ihm 
beliebt machen, wenn ihn. nicht fein leidenfchaftliches, 
durch uͤbermaͤßiges Trinken oft noch mehr entflamms 
tes Temperament alles Gebrauchs der Vernunft bes 
raubte. Dann mißhanbelt er oft feine beiten Freunde 
auf die unverfchämtefle Weife, und verbreitet die wichs 
tigften Geheimniſſe. Er ift feige wie. feiner, und vers 
ſchwenderiſch im hoͤchſten Grade. Go hat er das 
geoße Vermögen feiner Weiber durchgebracht, nebſt 
all den. ungeheuren Geſchenken, welche er hier und 
vom Auslande empfing. — 

Nachdem Rondeau nochmals genaue Erkundigun: 
gen eingezögen hatte über die bei Annas Thronbe⸗ 
fteigung bezweckte Veränderung der Verfaffung, er 
ftattete er den 12ten Mär; 1730 einen neuen Bericht. 
Sobald die Kaiferinn (erzählt er) in Moskau ankam, 
that der hohe Rath alles Mögliche, zu verhindern, 
daß fie nicht insgeheim mit feinen Feinden fpreche. 
Ja, Waſilei Dolgorudy (einer von: denen, welche bie 
Wahlbedingungen zur Unterzeichnung. nach Mitau 


“ * 


600 | Anhang. "2780. 


uͤberbrachten) bezog eine Wohnung im: Palafle, damit 
bie Kaiferinn niemand fehe, den er nicht vorftehe. 
Died verdroß mehrere große Samilien und dem ge: 
fammten niederen Adel, welche befchloffen, fich ihrer 
Weiber zu bedienen, um bie Gefinnungen ber Kaifes 
rinn kennen zu fernen. Die Gemahlinnen der Für: 
fien Czerkasky, Gzerntfcheff und die Generalinn Sol 
tikof wurden deshalb von ihren Männern und ans 
beren Freunden gebeten, auszufpären: ob die Kaiferinn 
das was fie. thue, freiwillig thue; oder ob fie vom 
hohen Rathe dazu genöthigt werde? Jene Frauen 
entledigten fich diefes Auftrages fo gut und fo geheim, 
daß fie fanden: Ihre Majeftät fey mit dem Gefche: 
benen nicht zufrieden, und würde die unbeſchraͤnkte 
Gewalt gern annehmen, im Fall man Mittel ent: 
decke, fie ihre zu verfchaffen. Sobald der niebere 
Adel hievon Nachricht, erhielt, verfammelte er fich, 
tathfchlagte und faßte Beſchluͤſſe für den genannten 
Zweck. 
Den 25ſten Februar 1730 ging der. niedere Abel, 
den Fürften Czerkasky an feiner Spige, in großer 
Zahl zum Palafl. Sie wurden eingelaffen, und ba- 
ten bie Kaiferinn in Gegenwart des hohen Rathes, 
eine feſte Regierungsform einzuführen; weil der hohe 
Rath dies bis jegt zu thun noch nicht für gut bes 
funden, ja fich geweigert habe das anzuhören, was 
ſie zum Beſten ihres Vaterlandes vortragen wollten, 


1730. Neue Regierungsform. 601 


Nachdem die Bittfchrift vorgelefen worden, flug Wa⸗ 
- hei Dolgorucky voͤr: die Kaiferinn möge in ihr Ca: ' 
binet gehen und überlegen, was zu thun ſey, bevor 
fie das Verlangte bewillige. Ihm antwortete die Her: 
zoginn von Medienburg, der Kaiſerinn Schweſter: 
es fey Nichts’ zu Überlegen, benn diefe Herren for: 
derten nur das wahrhaft Vernänftige. Sie fügte ber 
Kaiferinn: fie habe Feder und Tinte zur Hand, und 
fo unterfchrieb jene ohne Verzug. — Sobald bies 
gefchehen war, begaben ſich alle Bittfteller in ein be: 
nachbartes Zimmer, kehrten aber bald zurüd und 
“ überreichten, duch Juſupoff und Baratinsky, der 
Kaiſerinn eine neue Vorftellung, welche fie dem Fuͤr⸗ 
ften Czerkasky zum Vorlefen gab. Im bderfelben bank: 
ten fie zuoörderft, dag Anna ihre erfte Bittfchrift uns 
terzeichnet habe, und begehrten naͤchſtdem die Abfchaf- 
fung des hohen Rathes und des Senats. An beider 
Stelle folle ein neuer Senat von 21 Stiedern treten, 
aber nicht mehr als .ein Glied aus einer Familie. 
Alte follten für jetzt und kuͤnftig durch Kugelung er⸗ 
waͤhlt werden, die Kaiſerinn aber, nach Weiſe ihrer 
Vorfahren, die unumſchraͤnkte Gewalt wieder an ſich 
nehmen. Anna ftellte ſich uͤber dieſe Bitte ſehr ver: 
wundert und fagte ihnen: ich glaubte either immer, 
daß ihre und der hohe Rath. meine Macht zu be: 
Schränken wuͤnſchtet. Endlich aber ward fie vermocht, 
das Erbieten anzunehinen, ließ ſich ſogleich die zu 

II 26 


2. Anhang. 1930. 


Mitau angenommenen Bedingungen geben, und ep 
fie in allee Gegenwart in Stuͤcken. 

Zum ziveiten Mode ging der niedere Abel in ein 
anderes Zimmer, entwarf ein Dankſagungsſchreiben 
für die angenommene Souverainetät und füßte der 
Kaifeeinn die Hand. Die Glieder des hohen Rathes, 
weiche mit ihr gefpeifet hasten, thaten daffelbe und 
ftellten ſich wohl zufrieden, obgleich fie über ben 


Hergang wie vom Donner gerührt waren, 


Die Kaiferinn "zeigte viel Much und Kraft 9, 
fonft würde fie einer weſentlichen Beſchruͤnkung ihrer 
Macht nicht entgangen ſeyn. 

Obige Plane und Entwuͤrfe zu einer Veraͤnderung 


der Regierungsform erſcheinen allerdings unceif, und 


4 


nicht unnatürlich fuͤrchteten Viele die unbeſchraͤnkte 
Gewalt weniger Familien (die Adelsoligarchie) noch 
mehr, als einen, uͤber den Kreis geringerer Leidenſchaf⸗ 
ten, emporgehobenen Herrſcher. Andererfeits iſt man 
in hundert Jahren auf den ſtaatsrechtlichen Bahnen um 
keinen Schritt in Rußland vorgeruͤckt, und bald ergab 
ſich, daß im überweiſen der Unumſchraͤnktheit noch keine 
Buͤrgſchaft fuͤr den guten Gebrauch derſelben liege. 
Den 11ten Mai 1730 ſchreibt Rondeau: der Adel 


iſt ſehr unzufrieden daß die Kaiſerinn fo viele Kremde 


um ihre Perfon anſtellt. Biron, der aus Kurland 


1) Bericht vom 20ften April 1780. 


N 
⸗ 


1730, Anna unumfchräntt, Die Prinzeffinn Euſabeth. 603 


mit ihr kam, ward Oberkammerherr, und viele ſeiner 
kandsleute ſtehen in großer Gunſt, zum Verdruß ber 
alten Ruſſen, welche auf den Vorzug rechneten. Man 
glaubt, Baron Oſtermann habe ſich dieſer neuen Guͤnſt⸗ 
linge bedient, um die Leitung aller Angelegenheiten 
in ſeine Haͤnde zu bekommen, werde aber (ſobald er 
ſich feſtgeſetzt) dieſelben aufopfern, oder wenigſtens 
nach Kurland zuruͤckſenden. 

Die Prinzeſſinn Eliſabeth iſt, oder ſtellt ſich 
feit einiger Zeit krank. Einige erzählen"), es geſchehe 
weil ſie nicht ſtatt der gegenwaͤrtigen Kaiſerinn er⸗ 
waͤhlt worden; Andere, weil ſie von einem Grenadier, 
in welchen ſie verliebt iſt, ſchwanger ſey, und nicht 
in Hofkleidern erſcheinen koͤnne, ohne ihren Zuſtand 
zu entdechen. Ob dies der Grund ſey oder nicht, 
kann ich wicht behaupten: gewiß aber iſt es, daß fie 
ein fehr unregelmäßiges Leben führt, welches der Kai: 
ferinn (damit jene ihren Ruf untergrabe) nicht zu 
mißfallen ſcheint. Wenigſtens hat fie den beguͤnſtig⸗ 
ten Grenadier (welcher indeß ein Edelmann if) nicht. 
fortgeſchickt, fondern von feinen Pflichten entbunden, 
damit er fletö der Prinzeffinn zu Befehle ſtehe. Wahr- 
ſcheinlich wirb er fie bad ganz zu Grunde richten. 


Wenn ich den Geiſt (mit) und die Schönheit biefer 


jungen Peinzeffinn betrachte, fo betrübe es mich zu 





1), Bericht vom 1dten Mai 1730. Band 18, 
26 * 


wa Anhang 10.3. 


ſehen, daß fie ſich in folder Weile preisgiebt, denn 
über Eurz oder lang muß es bekannt werden. Dies 
hat mir in großem Vertrauen der Arzt (surgeon) 
Here Leftocg erzählt, welcher in Hannover gebo= 
ten ward. ve 
Der Kaifer Karl VI’) hat dem Oberfammerhern 
und Günftling. der Kaiferinn, Biron, jein mit 
Diamanten befegtes Bild gefchenkt, welches wenig⸗ 
ſtens 5000 Pfund werth if. Gleichzeitig hat er. ihn 
zum Reichsgrafen ernannt, obgleich er zuvor ein ganz 
unbetannter Menic war. Ich glaube nicht daß Graf 
Biron fi) lange erhalten wird; denn ich bin geneigt 
anzunehmen, Baron Oftermann habe eingewilligt, ihn 
mit allen Reichthümern zu überhäufen, um ihn den 
Ruſſen verhaßt zu machen. und‘ allmälig zu Grunde 
zu richten, wie er es feit mehren Jahren allen Guͤnſt⸗ 
lingen angethan hat. 
Sie koͤnnen ſich nicht vorſtellen, wie prachtvoll 
dieſer Hof ſeit der letzten Regierung iſt?), obgleich fie 
keinen Schilling im Schaͤtze haben und deshalb ' nie: 
mand bezahlen, mas zu allgemeinen Klagen viel bei⸗ 
trägt. Ungeachtet dieſes Geldmangels geben alle Hof: 
(eute große Summen für Kleider zur naͤchſten Mas: 
ferade aus, und eine Schaar Schaufpieler wird täglich 


1) Bericht vom 22ften Junius 1730. 
2) Bericht vom 4ten Sanuar 1731. 


1731. 4. Biron, Pradht und Armuth. 605 


aus Warſchau erwartet, welche der- König. von Polen 
ſchickt, um der Kaiferinn die‘ Zeit zu vertreiben Sie 
denkt nur: hieran, und voie. fie auf. den Strafen Biron 
(und auch auf feinen Bruder) Ehren und Reichthuͤ⸗ 
mer häufen koͤnne. 

Hier iſt eine große Intrigue im Gange geweſen, 
um den Günftling der Prinzeffinn Eliſabeth, den 
großen Grenadier, bei Seite zu fchieben und den 
Major Biron an feine Stelle zu bringen. Immer: 
während ift diefer bei ihr, und der Grenadier ward, 
nachdem man ihm alle Geſchenke der Prinzeſſinn ab: 
genommen, nah Sibirien gefchidt. Dies hat jedoch 
die Hergoginn von Medienburg fehr verdroffen, weil 
fie. fürchtet daß Eliſabeth, um der Birons willen, 
mehr ‚von der Ezarinn werde begünftigt werden, als 
fie und ihre Tochter. Die Herzoginn iſt jedoch fehr 
kraͤnklich und wird ſchwerlich davon kommen; denn 
fie hat feit Jahren fehr viel Branntwein getrunken. 

Es fehle hier nad) wie vor an Gelde!), und nie 
mand kann fich vorflellen, welch ein theurer Ort Pe: 
tersburg iſt, beſonders für fremde Gefandten. 4 «Sie 
bedürfen ſchoͤne Wagen und Pferde, fowie an- allen 
großen Feſttagen neue und preachtvolle Kleider; was ſo 
viel koſtet als in ‚London und -Paris, Da die Kaife: 
tinn liebt, jeden fo ausgefhmüdt zu fehen, muß id 


4) Bericht vom 2iften September 1784. Band 19. 


600 Anhang. 1787. 38. 


mid, gleich allen übrigen, dieſem Gebrauche unters 
werfen. 

Die Republikaner des Jahres 1730 (mie man fie 
nannte) ') wurden zum. Theil unmittelbar nach Sibis 
rien oder anderen entfernten Orten verbannt; oder die⸗ 
.  jenigen,. welche damals davon kamen, find fpäter, um 

der leichteſten Verſehen willen, fortgefhidt worden. 

Undeffen war Biron zum Herzoge von Kurland 
erhoben worden, und trachtete in bern Maaße, als ihm 
Unerwarteted gelang, nach noch Höheren: Dingen, 
Hieruͤber geben folgende Berichte nähere Auskunft: 
Man fagt?): der Herzog von Kurkand habe den Plan 
feinen Sohn mit der jungen Herzoginn Anna von 
Medtenburg (der Nichte der Kaiſetinn) zu verheirarhen, 
Bedenkt man, was jenen noch nor wenig Jahren wear, 
fo erfcheint das Unternehmen fehr kuͤhn; jetzt aber iſt 
er ein ſouverainer Fuͤrſt und allmaͤchtig durch bie Gunſt 
der Kaiſerinn, fo daß Niemand vorausſehen kann, 
wie weit ihn fein unbegraͤnzter Ehrgeiz treiben wich, 
fofern er im Stande bleibt jener fortwährend zu ges 
falten. Gin Haupthinderniß iſt das Alter, beiden Per- 
fonen: denn die Pringeffinn ſteht bereits im 2Ofien, 
Prinz Peter aber erfi im Aöten Jahre; doch duͤrfte 
biefe rn mit der Zeit verſchwinden. Die 





» Bericht ı vom. isten Januar 1737. Band 23, 
2) Bericht vom 2oſten Seytember 1738. Band 2. 


1738 39. Birons Gunft und Plan. 607 i 


Prinzeſſinn iſt keineswegs fehe ſchoͤn, aber doch paſſa⸗ 
„ bet genug. Ä 

Der Herzog war Willens nach Warfchau zu ges 
ben‘), die Kaiferinn wollte aber auf Beine Weiſe zuge: 
ben daß er Moskau verlaſſe; ja man behauptet daß 
fie bei diefee Gelegenheit Thraͤnen vergoffen habe. Died 
bewog den Herzog feinen Plan aufzugeben und zu 
zu verfuchen, ob er nicht auch abweſend die Belehnung 
von Kurland erlangen koͤnne. 

Sch glaube (fchreibt der Gefandte den 13ten Ja⸗ 
mear 1739)2) daß der Herzog die Abſicht hat, dem 
suffiihen Thron feinem Daufe zuzuwenden. Vor 
vierzehn Tagen ging er zur Prinzeſſinn von Mecklen⸗ 
burg und fagte ihr: einige Zeute bilden fih ein, daß 
ich die Kalferinn abhalte ihre Einwilligung zur Hei⸗ 
rath zwiſchen Ihnen und dem Prinzen von Bevern 
zu geben, weil id, bezwedte Sie mit meinem Sohne 
zu vermählen. Sch denke nicht daram, biefen wider 
feinen Willen zu verheirathen, welchen Wortheil auch 
meine Familie dadurch gewinnen koͤnnte. Kaffee, Karl 
bat mie vor Kurzem für meinen Sohn eine beutfche 
Prinzeffinn mit einem jährlichen Cinkommen von 
200,000 Kronen veegeſchlagen ; aber ich fand nicht 


I) Bericht vom 16ten December. 
2) Bam 5. 


608 Anhang. 1739. 


paffend dies Erbieten anzunehmen, da ich entfchloffen 
.. bin daß mein Sohn felbft wählen fol. 

Hierauf fragte der Herzog die - Prinzeffinn : was 
ſie vom Prinzen von Bevern denke? worauf fie ant⸗ 
wortete: fie flehe der Kaiferinn ganz zu Dienfle, und 
fey bereit. ihren Befehlen zu gehorchen; im Fall man 
‚ fie aber um ihre Neigung beftage, fo geftehe fie, der 
Prinz gefalle ihe nicht! . . 

Sch finde nicht, daß der Herzog biefen Schritt auf 
Befehl der Kaiferinn that; welches mid) überzeugt, er 
wolle die Abfichten der Peinzeffinn Eennen lernen, bes 
vor er feinen Plan feſtſtellt. Irre ich nicht, fo geht 
diefee dahin feinen Sohn mit der Prinzeffinn, und 
feine Zochter mit dem Prinzen von Bevern zu verhei⸗ 
rathen; womit dieſer (mie der Herzog hofft) zufrieden 


feyn wird, im Fall er ihm die Würde eines Feldmar 


[halle verſchafft. 
Dieſer Plan mißlang indeſſen. Den 14ten April 


1739 .fagte der Herzog-dem Geſandten: die Kaiſerinn 
fey entfchloffen; ihre Nichte Anna mit dem Prinzen 
von Bevern zu vermählen; und ben 12ten Mai ee: 
ſtattet der Gefandte zur Aufklärung: diefer — 
und Widerſpruͤche folgenden Bericht. 

Sm Jahre 1732 kam man überein: daß der Prinz 
Anton Ulrich von Braunſchweig-Bevern hieher kom: 
men und dereinſt die Prinzeſſinn Anna heirathen ſolle, 
welche man als die kuͤnftige Nachfolgerinn der Kaiſe⸗ 


\ 


1739. Anton Ulrich von Braunſchweig und Anna. 609 


rinn betrachtete. Dem gemäß langte er den ten 
Februar 1733 in Petersburg an. Ich war zugegen, 
als er zum erfien Male dem SHerzoge von Kurland 
vorgeftellt wurde, und bemerkte leicht, wie fich der legte 
über deffen Kleinheit verwunderte; woraus ich ſchloß, 
dee wiener Hof. habe ihn in einem vortheilhafteren 


Lichte befchtieben, als er fich jet darſtellte. Deßun⸗ 


geachtet empfing ihn die Kaiferinn mit vieler Höflich- 
keit, trug Sorge daß er feinem Stande gemäß mit 
allen Dingen verfehen werde, und beftritt zeither Teine 
Ausgaben. Einige Jahre lang ward er indeß fo we: 


nig geachtet, daß jeder glaubte: der hiefige Hof wuͤrde 


gern ‚einen anfländigen Vorwand finden, feiner los zu 
vöerden. 

Nachher zeigte er Muth im Tuͤrkenkrieg und er: 
warb ben Beifall des Marſchalls Münnid. Der 
Prinzeffinn behagten uͤbrigens Bevern und Biron gleich 
wenig. Weil e8 aber jebem fein Vaterland liebenden 
Ruffen hohe Zeit. ſchien, daß man die Pringeffinn 
verheirathe (melche Neigung hat di zu werden), fo 
wagte es der Herzog von Kurland wol nicht, dem 
allgemeinen Wunfche entgegen zu treten. Vielleicht 


"fand er die Prinzeffinn (meil ſich Bein anderer paſſen⸗ 


der Gemahl darbot) doch geneigter den Prinzen von . 
Bevern zu heitathen, als drei, vier Fahre auf Birons 
Sohn zu warten. 

Einige glauben: die Kafferinn habe: ihrer Nichte 


610 — Anhang. | 1739, 


befohlen einen von beiden zu wählen, und fie habe 
fig fie den Prinzen erlärt, welcher auch ohne Zwei⸗ 
fet in Hmficht auf Abkunft und Alter vorzuziehen 
war. Sch muß hinzufügen, dag ber Prinz während 
der beiden legten Feldzuͤge ſehr gewachſen ft, und man 
jetzt ohne Schmeichelei fagen kann: er fey ein ſchoͤner 
Mann (a handsome person), Wahrfcheinlich leitete 


ber Herzog dieſe wichtige Sache und ficherte dadurch 


Kurland feiner Familie für immer: Denn man zweis 
fett nicht, daß der Prinz verfprochen habe-eine feiner 
Schweitern mit dem Sehne Birons zu verheirathen. 
So wurden denn Anna und Bevern (Bericht vom 
3ten Zulins) von einem ruffifhen Erzbifchofe getraut, 
‚wobei in jeder Beziehung die größte Pracht in Klei⸗ 
dern, Wagen, Pferden u. f. w. ftattfand. 

Seitdem ſchien Alles fr Gegenwart und Zukunft, 
es ſchien insbeſondere die ſchwierige Frage uͤber die 
Thronfolge vorſichtig und gluͤcklich geordnetz wie ſehr 
jedoch dieſe Hoffnungen taͤuſchten, wird an anderer 
Stelle umſtaͤndlich erzählt: Hier mag als Anhang 
zum Anhange noch ein Bericht Piag finden‘), weichen: 
Rondeau über die Saporoger Koſacken erftattete. 

Die Saporoger Kofaden (erzählt er) find eim flar« 
kes und unermuͤdliches Voll. Ihr Eaſhevoy oder 
General hat eine Stube (a room) für ſich, etwa 


1) Bericht vom 2ften Xprlı 1736. Band’ 21. 


- 


1739, Saporoger Kofaken. 6 


410 Fuß ins Gevierte; die Anderen ben zufammen in 


geoßen Raͤumen Kuraveis genannt, Deren jeder etwa 
600 bis 700 Perſonen begreift. Jeder, dem es gefällt, 
mag in den Kuravei hineingehen, ſich einlagern umd 
efien, ohne daß man ihn fragt, und ohne daß er für 
das Genoſſene dankt, Da der ganze Stamm meht 
gewöhnt iſt im freien Felde, als in feſten Wohnun⸗ 
gen zu leben, fo liegen gewöhnlich 400 bis 500 zu 
einem Kuravei gehörige Perfonen im Freien, ' haben 
‚ aber das Recht in ben (bedeckten) Raum einzutreten 
wann fie wollen. Die Saporöger find eine Art von 
Rittern, die keine Weiber unter fich leiden ; Denn im 
Fall man entdedt, daß einer fi, ein Weib hält, wird 
er zu: Tode gefleinigt. Sie haben Leine gefchriehenen 


Befoge, fondern alle Rechtsfachen werden von ſechs oder 


fieben dazu erwaͤhlten Perfonen entfchleden: bes Spruch 
kann jebody nicht vollgogen werden, bevor er von bee 
Brüderfchaft (fraternity) gebilligt iſt. Diebe werben 
bei den Rippen aufgehangen. Der entdedite Mörder 
wird. zu dem Ermorbdeten in ein Grab gelegt und mit 
ifm begraben. Sie bekennen fi zur griechifhen Re⸗ 
ligion und wurden (fo Lange fie unter tuͤrkiſchem 
Schuge fanden) vom dem Patriarchen von Conſtan⸗ 
tinopel nait Geiftlichen verfcheri; feit zwei Jahren, wo 
fie unter dem Schuge der Czarinn ſtehen, gefchieht 
bie® durch ben Erzbifſchof von Kiew: Sie haben nur 


eine Kicche,, an weicher ein Abt, nebſt wenigen Prier 





612 | Anhang. 4739. 


fteen ſteht, die fich aber in weltliche Gefchäfte nicht 
einmifchen dürfen. Doch mögen fie für Verbrecher 
ein Vorwort einlegen, fo wie auch Kirchenbußen füt 
deichte Vergehen in ihrer Gegenwart flattfinden. 

Die Saporoger nehmen in ihre Brüderfchaft alle 
Leute aus allen Völkern auf, fobald fie den griechi⸗ 
chen Stauben bekennen und ſich einer fiebenjährigen - 
Prüfung unterwerfen, bevor fie Ritter (knights) wer- 
den. Läuft einer aus ihrer Bruͤderſchaft davon, fo 
laſſen fie ihn unverfolgt laufen, und halten ihn fuͤr 
ein unmürbiges Mitalied. Ihre Reichthuͤmer beftehen 
in Vieh; befonders in Pferden. Einige haben deren 
über 100, und die meiften zehen bis zwanzig. Mehre 
taufend Pferde laufen durcheinander in ben offenen 
Feldern umher. Sehr felten wird eins geftohlen, bern 
die Strafe folgt unwiderruflich -der That. Sie fin 
kein Getraide. Im Kriege fuchen fie durch Pluͤnde⸗ 
rung Alles zu erlangen was fie brauchen, und im 
Frieden taufhen fie das Nöthige für Pferde und Fiſche 
ein. Die legten fangen fie. huuptfächtlih im Dniepr. 

Ihre Dengfte find tuͤrkiſcher und cherkaffifcher Herkunft. 
Ihre Waffen beftehen in gezogenen Gewehren und in 
Säbeln welche fie felbft verfertigen. 

Niemand‘ wird in ihre Gefelifchaft' ald Ritter auf: 
genonimen, der nicht fehr ſtark und mwohlgebaut ift; 
‚jeder wird dagegen als. Cholopps oder Diener aufge: 
nommen, deren Mancher zwei, drei befigt. Sie er⸗ 


173% | Saporoger Kofaden. 613 


wähnen nie, wie viele Ritter zu ihrer Gefellfchaft ge: 
hören; und wenn man fie darüber fragt, fo antwor: 
ten .fie: das laſſe' fi nicht angeben, weil die Zahl 
20000 überfteige. Gewiß befteht ber größte Theil 
diefes Volkes aus Kofaden, die aus der Ufraine ent: 
weichen; die Cholopps oder Diener find dagegen meift 
Dolen. "Jene theilen fid in 30 Kuraveis, deren jedes 
feinen befonderen Befehlshaber oder Attaman hat, 
welche alle jedoch dem Caſhevoy oder Feldheren unter- 
worfen find. Jeder Ritter bat Stimmrecht bei der 
Wahl des legten. Wenn er ſich nicht gut benimmt, 
wird er abgefegt und ein neuer erwählt. Died ges 
ſchah vor einigen Fahren dem jegigen Caſhevoy; nach 
dem Tode feines Nachfolger ward er indefjen mieder 
gewaͤhlt. Wenn ein Saporoger ftirbt, kann er feine 
Pferde und. fonftigen Güter hinterlaffen wen er will; 
das Meifte erhält jedoch in der Negel die Kirche zur 
Erhaltung ber Priefter. 








Geſchlechtstafel der Kaifer und Kaiferinnen von Rußland. 


1) Alerius Michailowicz. — 





Iwan Alexiewicz | 2) Peter der Große, + 1725. 
w | Gemahlinz 3) Katharina I, + 17ten Mai 1727. 
Katharina 5) Anna Alexei Anna 7) Eliſabeth. 
G. Karl Leo⸗ Kaiſerinn 1780 77ten Julius ©. Karl Fried: Kaiferinn 1741 
pold von Med: + öften Oft. 1u8. rich von Hol: + 5ten Ian. 1762. 
lenb. ⸗Schwe⸗ 1740. 4 ftein Gottorp. 
rin. — — — — —— 
Natalia 4) Peter II 8) Peter III 
‚Anna Kaifer 17ten ’ Kaifer Iten San. 
G.Anton Ulrich Mai 1727. 1762. + Aäten 
v. Braunihm. + “ En ‚Julius 1762, 


Kaiſer Bften . | 
— u 

sten Augu 
1764, 2 r | . 


*.