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Full text of "Über Aussprache, Vokalismus und Betonung der lateinischen Sprache"

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LaL.Qr 


ÜBER 


AUSSPRACHE,  VOKALTSMUS 


UND 


BETONUNG 

DER  LATEINISCHEN  SPRACHE. 


VON  DEB  KÖNIGLICHEN  AKADEMIE  DEB  WISSENSCHAFTEN  ZU  BEItl.lX 
GEKBÖNTE  PBEISSCHBIFT 


T 


N 


W.    CORSSEN. 


gsfi&tsfSz 


ERSTER  BAND. 


LEIPZIG, 

DRUCK  UND  V ERLAG  VON  B.  G.  TEUBNER. 

1858. 


MulUqoc  in  In*  rebus  qaaerunliir,  mullaqu 

i  I  n  indumsl  .  \>\  i  "-• 


V  o  r  w  o  r  1 


Die  Preisfrage  der  Philosophisch -Historischen  Klasse  der  Kö- 
niglich -Preussischen  Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin  für  das 
Jahr  1857,  bekannt  gemachl  in  der  öffentlichen  Sitzung  am  Leibnizi- 
schen  Jahrestage  den  (>.  Juli  1854,  lautet  Iblgendennassen : 

eUeber  die  Aussprache  des  Lateinischen  im  Altcrthum 
selbst  ist  sowohl  in  früheren  Zeiten  als  von  den  neueren  Bearbeitern  <l«*i- 
Lateinischen  Sprache  vielfach  gehandelt :  meistentheils  bat  sich  jedoch 
die  Betrachtung  auf  die  phonetische  Bedeutung  der  einzelnen  Buch- 
staben beschränkt,  worüber  in  mehreren  Werken  reicher  Stoff  nie- 
dergelegt ist.  Dagegen  sind  die  \<»n  der  gewöhnlichen  Schreibweise 
abweichenden  Besonderheiten,  welche  theils  nach  anderen 
Spuren,  theils  nach  dem  Gebrauche  der  älteren  Römischen  Poesie, 
vorzuglich  der  komischen,  entweder  überhaupt  oder  ungemeinen 
Leben  in  der  Aussprache  vieler  Formen  oder  Wörter  stattgefunden 
haben.,  noch  nicht  erschöpfend  ermittelt,  begründe}  und  erklärt,  und 
das  Urtheil  über  manche  Stellen  in  den  altrömischen  Gedichten  und 
über  die  Gesetze  des  Versmasses  derselben,  welches  \<m  der  Aus- 
sprache der  Wörter  theilweise  abhängt .  isi  daher  noch  schwankend 
und  streitig. 

Da  sich  die  Philologie  jetzt  wieder  der  Römischen  Litteratur  mit 
erneutem  Eifer  zuwendet ,  hält  es  die  Philosophisch -historische  Klasse 
der  Akademie  für  angemessen .  eine  umfassende  und  zusammenhän- 
gende Erörterung  dieses  Gegenstandes  zu  veranlassen,  und  stellt  da- 
her folgende  Preisaufgabe :  % 


—      IV      — 


"Nachdem  über  die  antike  Aussprache  der  Vo- 
"  k a  1  e  u n d  C o n s o n a n t e n  u nd  i h r e r  V e r b  i nd  u n g e n  u n  »I 
"über  das  Accentsystem  der  Römer  je  nach  dem  Er  - 
"messen  des  Verfassers  kürzer  oder  ausführlicher 
"gehandelt  worden,  soll  untersucht  w  erden,  welche 
"Besonderheiten  der  Aussprache,  vorzüglich  Zu- 
"sammenziehungen  und  Abkürzungen  in  gewissen 
"Wortformen  uncheinz einen  Wörtern  entweder  all- 
gemein oder  in  der  Spräche  des  gewöhnlichen 
"Lebens,  namentlich  auch  der  geringeren  Volks  - 
"klassen,  stattgefunden  haben.  Hierbei  sollen  die 
"Etymologie,  die  Zeugnisse  der  Alten  selbst,  dir 
"verschiedenen  Schreibweisen  in  Inschriften  und 
^Handschriften,  die   Formen,   welche  die  Lateini- 


"  sehen  Wort  er  i  n  der  l'  che  r  I  r 


un 


n^  G riec  bische 


"erhallen  haben,  die  Altitalischen  Dialekte  und  die 
"aus  dem  Lateinischen  stammenden  neueren  Spra- 
"  cli  en  benutzt  werden,  endlich  besonders  die  A  1 1  - 
"römischen  Dichtungen,  vorzüglich  die  Komödien. 
"Dabei   isi    auch  auf  die  Accentuation   wie  auf  die 

"On  a  Uli  tat  Rücksicht  ZU  n  eh  ine  n.  Da  das  I  rlheil 
"über  die  Aussprache  zum  Theil  hiii  dem  Ge- 
brauche i\rv  Dichter  abhängt,  dieses  aber  Behr  rer- 
"schieden  ausfallen  kann,  je  nachdem  man  andere 
" metrische  Gesetze  zu  Grunde  I eg  I .  und  umgekehrt 
"das  l 'riheil  iiher  die  letzteren  in  manchen  Fällen 
"sich  anders  gestaltet,  wenn  eine  ander«'  Aus- 
sprache vorausgesetzt  w  ird,  so  muss  zugleich  das 
"der  Altrömischen  Poesie  zu  Grunde  liegende  me- 
trische System  in  dieUntersuchung  hineingezogen 

"werden,  und  namentlich  zur  Sprache  und  zur  Ent- 
" Scheidung  kommen,  ob  und  in  wie  weil  derSprach- 
"accent  auf  den  \  1 1  röm  i  s«  heu  Versbau  Einfluss  ge- 

"hah  t  ha  b  e.     E  udl  IC  h  sind  die  aus  de  r  ga  n  zen  Unter- 

"suchung    sich   ergebenden   Folgerungen    für   die 

"philologisch  -  kritische  Behandlung   der  Altrömi- 


—      V      — 

eeschen  Poesie  darzulegen.  Man  erwartet  eine 
cc  übersichtliche  und  möglichst  systematische  An- 
ordnung des  gesammten  S  toffes. " 


cc 


Die  vorstehende  Aufgabe ,  die  von  tiefer  und  eingreifender  Be- 
deutung für  die  Geschichte  der  Lateinischen  Sprache  und  Litteratur  ist, 
umfasst  drei  Hauptgegenstände:  einmal  die  Aussprache 
der  Lateinischen  Sprache,  und  zwar  sowohl  der  einzelnen 
Laute  und  Lautverbindungen,  als  ganzer  Wörter  und  Wortformen, 
namentlich  solcher,  die  durch Zusammenziehungen  und  Abkürzungen, 
also  durch  Schwächung,  Kürzung  und  Tilgung  \<>n  Vokalen  entstan- 
den sind;  zweitens  das  Ac cent System  der  Körner,  natürlich  im 
Verhältniss  zum  gesammten  Vokalismus  der  Sprache;  drittens 
das  Princip  der  altrömischen  Verskunst,  namentlich  das 
Verhältniss  desselben  zur  Wortbetonung  der  Sprache. 

Wer  über  Aussprache,  Vokalismus,  Betonung  und 
Verskunst  der  Römer  schreiben  will,  hat  sieb  vor  allem  klar  zu 
machen,  von  welcher  Seite  er  das  schwierige  Werk  anzugreifen  hat, 
um  es  sieber  zu  fördern  und  glücklich  zu  vollenden.  Um  von  einer 
sicheren  Grundlage  auszugehen  und  einen  strengen,  wissen- 
schaftlichen Beweis  zu  führen,  wird  man  sieb  an  Aristoteles  Wort  zu 
erinnern  haben,  dass  für  unsere  Erkennlniss  das  letzte  ist,  was  in 
Wesen  und  Entstehung  der  Dinge  das  erste  ist.  und  auch  diese  Un- 
tersuchung muss  von  dem  Bekannten  oder  leichter  Erkennbaren  zu 
dem  Unbekannten  oder  schwer  Erkennbaren  fortschreiten. 

Es  fragt  sieb  nun,  welcher  Tbeil  der  vorliegenden  Aufgabe  das 
leichter  Erkennbare  ist,  von  dem  aus  man  den  festen  Ansatz  nehmen 
'und  das  Entlegnere,  schwer  Erkennbare  linden  kann.  Den  Klang  des 
Altrömischen  Verses  hören  wir  nicht  mehr,  wir  finden  ihn  auch  nicht 
durch  sichtbare  Schriftzeichen  für  das  Auge  dargestellt.  Für  die 
Erkennlniss  des  Princips  der  Altrömischen  Verskunst  hat  die  kritische 
Forschung  der  neueren  Zeit  erst  den  Grund  aufgegraben  und  das 
Fundament  gelegt ;  aber  auch  diese  Arbeit  ist  noch  nicht  vollendet. 
Man  kann  unmöglich  vom  Vers  der  Altrömischen  Dichtung  ausge- 
hend, dessen  Lebensprincip  ja  eben  erforscht  werden  soll,  das  Be- 


—      VI      — 

tonungsgesetz  der  Lateinischen  Sprache  nachweisen.  Auch  die  La- 
teinische Betonung  hören  wir  nicht  mehr ,  wir  finden  sie  auch  nicht 
durch  Schriftzeichen  ausgedrückt,  wir  besitzen  nur  magere  Angaben 
der  Grammatiker  über  dieselben,  meist  aus  der  Zeit  des  Verfalls  der 
Lateinischen  Sprache  und  des  Römischen  Kaiserreiches,  wir  können 
sie  vielfach  nur  erkennen  an  den  Wirkungen  des  Hochtones  im  Wort- 
körper; es  gilt  auch  von  ihr  das  Wort  ean  den  Früchten  sollt  ihr  sie 
erkennen'.  Diese  Wirkungen  sind  nun  aber  gerade  Lautwandelun- 
gen im  Körper  des  Wortes  durch  Umlautung,  Schwächung,  Kürzung 
und  Tilgung  von  Vokalen. 

Auch  den  Vokalismus  der  Sprache  hören  wir  freilich  nicht  mehr 
im  Munde  des  Volkes  wiederklingen;  aber  wir  sehen  die  Laute  mit 
Augen,  wie  die  Schrift  Altrömischer  Urkunden  und  Sprachdenkmäler 
sie  darstellt,  und  die  Sprachforschung  li;il  auf  diesem  urkundlichen 
und  augenscheinlichen  Boden  sichere  Grundlagen  gelegt,  auf  denen 
man  weiter  bauen  kann.  Hier  isi  also  der  feste  Hoden  gegeben,  auf 
dem  man  fussen,  von  dem  ;uis  111,111  (\vw  Hebel  ansetzen  kann,  die 
Last  des  Stoffes  zu  heben.  Wenn  der  Physiologe  Rech!  hat ,  erst  die 
Gestaltung  des  Leibes  und  seiner  Glieder  zu  betrachten,  um  das  We- 
sen und  Leben  der  Seele  zu  erkennen,  s<>  isi  auch  hier  die  richtige 
Methode,  erst  die  augenfälligen  Erscheinungen  des  Vokalismus 
am  Wortkörper  zu  beobachten,  und  daraus  den  inneren  treibenden 
Grund  desselben,  jenes  Seelenleben  des  Wortes,  das  sich  vornehm- 
lich in  der  Betonung  bethätigt,  zu  erforschen.  Ist  aber  auf  die- 
sem Wege  eine  Erkenntniss  des  Worttones  aus  der  Untersuchung  i\cv 
Lautgestaltung  des  Wortkörpers  gewonnen,  dann  erst  kann  die  Lö- 
sung der  Frage  in  Angriff  genommen  werden,  ob  die  Betonung 
der  Sprache  auf  den  Altrömischen  Versbau  von  Einfluss  gewesen 
sei ,  und  nach  deren  Entscheidung  das  Princip  der  Altlateinischen 
Verskunst  festgestellt  werden. 

In  der  Ueberzeugung ,  dass  auf  diesem  Wege  allein  im  stätigen 
und  vorsichtigen  Fortschreiten  von  dem  Augenscheinlicheren  und 
Bekannteren  zu  dem  Entlegneren  und  schwerer  Erkennbaren  sich 
ein  wissenschaftlicher  Beweis  für  die  vorliegende  Aufgabe  führen  lässt, 

dass  auf  diesem  Wege  allein  eine   übersichtliche  und  systematische 


—      VII      — 

Anordnung  des  gesammten  Stoffes,  wie  sie  mit  Recht  gefordert  wird, 
erreicht  werden  kann,  dass  auf  diesem  Wege  allein  ein  klares  und 
sicheres  Ergehniss  in  einer  Frage  erzielt  werden  kann ,  die  mit  dein 
innersten  Lehen  und  Wehen  der  Lateinischen  Sprache  verflochten 
ist,  in  dieser  Ueherzeugung  ist  der  vorliegende  Stolf  so  geordnet, 
dass  nach  einander  die  A  n  s  s p  r  a  c  h  e ,  d  e  r  V  o  k  a  1  i  s  m u  s ,  d i  e  B  c  - 
tonung  der  Lateinischen  Sprache  in  die  Untersuchung  gezogen  wird 
und  nach  den  Ergebnissen  derselben  dann  das  Verhältniss  der 
Wortbetonung  zum  Vershau,  das  heisst  das  Princip  des  Altrö- 
mischen Versbaues  bestimmt  wird.  Gelingt  es  dieses  klar  zu  erken- 
nen ,  so  werden  sich  ans  demselben  die  F  o  1  g  e  run  g e n  für  die  phi- 
lologisch-kritische Behandlung  der  Altrömischen  Poe- 
sie von  seihst  ergehen.  Die  weitere  Eintheilung  des  Stoffes  nach 
jenen  Hauptabschnitten  ist  ans  der  nachstehenden  Inhaltsangabe  zn 
ersehen  und  wird  am  Anfange  jedes  Hauptabschnittes  gerechtfertigt 
werden. 

Wer  aber  ein  Werk  beginnen  will,  der  innss  vor  allem  erst  den 
Stoff  haben  und  kennen,  ans  dem  er  schaffen  will.  Von  alteren 
Deutschen  Gelehrten  ist  mit  gewissenhaftem  und  unermüdlichem 
Fleisse  eine  Fidle  sprachlichen  Stoffes  für  die  vorliegende  Frage  zn- 
sammengehäuft  worden,  und  die  Namen  Voss,  Seyffert,  Rams- 
horn,  Schneider  und  Struve  seien  hier  in  allen  Ehren  genannt. 
Aber  seit  ihrer  Zeit  ist  die  handschriftliche  und  in  schriftliche 
Grundlage,  ans  der  allein  alles  sprachliche  Material  zu  Tage  ge- 
fördert werden  kann,  in  der  That  eine  wesentliche  andere  ge- 
worden, und  die  Sprachwissenschaft  hat  seit  dem  letzten  Men- 
schenalter Fortschritte  gemacht,  die  hinter  dem  gewaltigen  Auf- 
schwünge der  Naturwissenschaften  nicht  zurückstehen. 

Das  sprachliche  Material  ist  ein  wesentlich  anderes  geworden,  wie 
es  noch  in  den  fleissigen  Sammlungen  von  Schneider  in  seiner  La- 
teinischen Grammatik  erscheint,  einmal  weil  der  Text  der  Lateinischen 
Schriftsteller  seitdem  vielfach  eine  gereinigtere  Gestalt  gewonnen  hat, 
namentlich  d nrch  Lachma n n s  und  Ritschis  h a n d s c h r i f 1 1  i c h e 
Forschungen,  deren  Spuren  eine  Schule  jüngerer  Gelehrter  ge- 
folgt ist,  eine  Menge  alter  und  ächter  Wortformen  zn  Tage  gefördert 


—      VIII      — 

sind,  andrerseits  weil  zahlreiche  Alllateinische  Inschriften  in 
zuverlässiger  Gestalt  durch  die  inschriftlichen  Untersuchungen  und 
Sammlungen  von  Mommsen,  R i t s c h  1,  H e n z e n und  anderen  dem 
Sprachforscher  zur  Benutzung  vorliegen. 

Aher  die  handschriftliche  und  inschriftliche  Forschung  ist  noch 
chen  in  heisser  Arhcit  begriffen.  Noch  ist  die  Wiederherstellung  des 
Plautus  hei  Weitem  nicht  vollendet;  noch  ist  der  Bemhinus  des 
Terenz  nicht  in  ähnlicher  Weise  ausgebeutet,  wie  der  Ambrosia- 
nische  Palimpsest  des  Plautus.  Neben  den  Fragmenten  der 
älteren  scenischen  Dichter  fehlt  noch  die  längst  erwünschte 
kritische  Ausgabe  der  Fragmente  des  Lucilius,  und  Jahre  werden 
noch  vorübergehen,  bis  durch  die  kritischen  Arbeiten  von  Keil  and 
Hertz  ein  gereinigter  Text  der  Grammatiker  vollständig  herge- 
stellt sein  wird;  für  die  Schriftsteller  der  nachaugusteischen  Zeit  ist 
überhaupt  noch  viel  zu  fluni  übrig.  Sind  alle  diese  Arbeiten  vollen- 
det, und  ist  das  grosse  inschriftliche  Werk  von  M  o  m  msen,  Hits  c  li  1 
und  Ilenlzen  ans  Lieht  der  OefVentlirlikeil  getreten,  dann  wird  ein 
reicheres  und  zuverlässigeres  Material  für  solche  Aufgaben  wie  die 
vorliegende  dem  Sprachforscher  zu  Gebote  stellen. 


Für  diese  Untersuchung  galt  esd;is  neugewonnene  noch  sehr  zer- 
streute Material  soweit,  als  es  nach  dein  gegenwärtigen  Sland- 
l>  ii  nk  t  der  kritisch  -  philologischen  Forschung  /  u  ^ä  ogli  eh  gewor- 
den ist,  zu  sammeln  und  zu  benutzen. 

Seit  den  Sammelwerken  jener  älteren  "Gelehrten  sind  mm  aber 
auch  durch  die  sprachvergleichenden  Forschungen  von  Fr.  15 < » j > | » 
und  seiner  Schule  die  wichtigsten  und  vielseitigsten  Aufschlüsse  über 
die  Lateinische  Lautlehre,  Wortbiegungslehre  und  Wortbildungslehre 
gewonnen  ;  die  Kennlniss  der  Italisch  e  n  I»  i  a  I  e  k  I  e  ist  durch  die 
Arbeiten  von  R.  Lepsius,  Mommsen.  Aufrecht  und  .Kirch- 
hof so  weil  vorgeschritten,  dass  eine  eingehende  Untersuchung  im 
Gebiete  der  Lateinischen  Lautlehre  und  Formenlehre  ohne  die  Be- 
nutzung jener  Ergebnisse  ebensowenig  mit  Erfolg  geführt  werden  kann, 
wie  die  Erforschung  des  Allischen  Dialektes  ohne  die  Vergleichung 
anderer  Griechischer  Mundarten  weitet-  gefördert  werden  kann.  End- 


—      IX      — 

lieh  ist  durch  Dietz  Grammatik  der  Romanischen  Sprachen  die 
Entwicklungsgeschichte  dieser  Sprachen  aus  der  Lateinischen  Mut- 
tersprache aufgehellt  worden,  und  daher  ist  auf  die  Aussprache  und 
die  Lautverhältnisse  des  Lateinischen  gar  mancher  helle  Lichtstrahl 
gefallen,  dem  man  das  Auge  nicht  verschliessen  kann. 

Nach  bestem  Wissen  sind  also  die  kritischen  und  sprachlichen 
Arbeiten  neuerer  Gelehrten  sowohl  auf  dem  engeren  Gebiet  der  La- 
teinischen Sprache  als  im  weiteren  Kreise  der  verwandten  Sprachen, 
so  weit  dies  für  die  Lösung  der  gestellten  Aufgabe  nothwendig  und 
erspriesslich  erschien ,  benutzt  und  verarbeitet  worden.  Es  galt  aber 
auch  zahlreiches  Material,  das  dem  Zweck  des  Ganzen  nicht  förder- 
lich erschien,  auszuscheiden,  und  sieh  nicht  in  zu  weilschichtigen  Un- 
tersuchungen und  Widerlegungen  über  sprachliche  und  metrische 
Einzelheiten  zu  ergehen,  damit  die  Schrift  nicht  aus  allen  Fugen  und 
Banden  ginge  und  unter  dem  Wust  von  Nebenuntersuchungen,  Zutha- 
ten  und  Anmerkungen  die  Hauptergebnisse  wie  die  Beweisführung 
sich  verdunkelten. 

Ob  auf  dem  schwierigen  Boden  voll  Klippen  und  Irrwegen,  auf 
dem  sich  die  nachstehenden  Untersuchungen  bewegen ,  mit  fremdem 
Kalbe  gepflügt  oder  im  Schweisse  des  Angesichts  gearbeitet  ist,  wird 
dem  Auge  des  Kundigen  nicht  entgehen. 

Weitere  theoretische  Erörterungen  über  die  Methode  der  For- 
schung und  Beweisführung  hier  im  Vorwort  sind  unfruchtbar  und 
entbehrlich;  wenn  nur  das  Werk  selbst  gerathen  ist,  dann  wird  es 
auch  die  Methode  und  den  Arbeiter  loben. 

Pforta,  den  27.  Februar  1857. 


Nachdem  die  Historisch  -  Philosophische  Klasse  der  Königlichen 
Akademie  der  Wissenschaften  zu  Berlin  in  der  Sitzung  vom  9.  Juli 
1857  der  hier  der  Oeffentlichkeit  übergebenen  Arbeit  den  Preis  zu- 
erkannt und  in  den  Monatsberichten  der  Akademie,  Juli  1 857.  S.  358  f. 
ihr  Urtheil  über  dieselbe  im  Auszüge  veröffentlicht  hat,  ist  auf  Grund 
desselben  diese  Untersuchung  einer  nochmaligen  Prüfung  und  Ueber- 


arbeitung  unterworfen  worden.  Diese  hat  jedoch  hauptsächlich  zur 
Sichtung  und  Sicherung  des  sprachlichen  Materials  und  zur  Verar- 
beitung der  neusten  auf  diesem  Felde  ans  Licht  getretenen  Forschun- 
gen, Monographien  und  Aufsätze  geführt,  wahrend  die  Hauptergeb- 
nisse nach  den  gewonnenen  (Jeberzeugungen  unverändert  geblieben 
sind,  wie  auch  die  ganze  Form  der  Behandlung  und  Darstellung,  ab- 
gesehen von  der  genaueren  Fassung  mancher  Einzelheiten,  so  beibe- 
halten ist,  wie  sie  zu  Anfang  des  vorigen  Jahres  der  Historisch -Phi- 
losophischen Klasse  der  Königlichen  Akademie  der  Wissenschaften 
zur  Beurtheilung  vorgelegt  wurde. 


Pforta,  den  20.  August  1858- 


I.  Aussprache. 


1)   Alphabet  und    Schrift. 


D 


'a  man  die  Aussprache  einer  im  Volksmunde  nicht  mein*  le- 
benden Sprache  nur  aus  der  Schrift ,  in  dw  sie  sieb  darstellt,  zu 
erkennen  vermag,  so  \>\  es  für  die  Erforschung  der  Lateinischen 
Aussprache  von  Bedeutung,  mV  Geschichte  des  Lateinischen  Alpha- 
bets zu  betrachten.  Durch  neuere  Funde,  namentlich  durch  Auf- 
findung der  Griechischen  Alphabete  und  Syllabarien  in  den  Etruri- 
schen  Gräbern  von  Caere  und  Siena,  so  wie  des  Etrurischen 
Alphabets  von  Bomarzo  und  der  Nordetrurischen  Alpha- 
bete sind  Herkunft,  Verwandtschaften  und  Verzweigungen  der  Ita- 
lischen  Alphabete  wesentlich  aufgebellt  worden,  und  es  sind  na- 
mentlich durch  die  Forschungen  Tb.  Mommsens  auf  diesem  Ge- 
biete  wesentliche  Aufschlüsse  gewonnen  worden,  deren  Ergebnisse 
hier  zusammengefasst  werden  sollen. 

Die  Thalsache,  dass  die  Italischen  Volker  die  Buchstaben- 
schrift nicht  unmittelbar  von  den  Phöniciern  erhalten  haben,  son- 
dern erst  durch  Vermittlung  der  Griechen,  stand  längst  fest  und 
erhellt  am  schlagendsten  aus  der  Thatsache,  dass  sich  neben  den 
Phonicischen  auch  die  erst  in  Griechenland  erfundenen  Buchstaben 
v,  £,  <P,  X  m  Italischen  Alphabeten  vorbilden.  Die  Art  und  Weise, 
wie  dies  geschehen ,  ist  noch  nicht  vollständig  bis  ins  Einzelne  klar  ; 
nach  dem  gegenwärtigen  Stand  der  Forschung  aber  erhellt  Folgendes. 

Alle  Italischen  Alphabete  ausser  dem  Lateinischen  scheinen 
einem  älteren  Griechischen  Alphabet  entsprossen,  das  zwei  Schrift- 
zeichen für  den  Zischlaut  s  hatte,  nämlich  C,  das  Phönicische 
Schin  und  Dorische  San  und  M,  das  Phönicische  Samech  und 
Ionische  Sigma,  hingegen  von  den  beiden  Zeichen  der  gutturalen 
Tenuis  Kappa  und  Koppa,  K  und  9i  das  letztere  eingebüsst  hatte. 

CoRSSEN.  1 


—     2     — 

Zu  der  Familie  von  dieser  Griechischen  Herkunft  gehurt  zuerst  das 
Sabellische  Alp  hau  et.  Die  beiden  Hauptinschriften  dieses 
Dialektes  auf  den  Steinen  von  Grecchio  und  Gupra  zeigen  eine 
auch  am  Ende  der  Zeilen  ununterbrochen  fortgeführte  schlangen- 
förmig  gewundene  Schrift,  die  älter  ist  als  das  gewöhnliche  Bustro- 
phedon,  und  sich  nur  noch  auf  alten  Cor cyräi sehen  und  Pelopon- 
nesischen  Inschriften  findet. 

Sie  scheiden  die  Vokale  0  und  V,  ein  Unterschied,  der  ande- 
ren Italischen  Buchstabenschriften  und  Sprachen  abhanden  gekom- 
men ist,  und  haben  die  zwei  Schriftzeichen  des  Zischlautes  ^  und 
M  (vgl.  Momms.  Unten'/.  Dial.  p.X).  14.  24.  TV//*.  II.  XVII.  Mit- 
theil  d.  Antiquar.  Gesellsch.  zu  Zürich:  die  Nordetrvrhchen  Alpha- 
bete VII,  8.  S.  222).  Denselben  Ursprung  haben  zweitens  die 
neuerdings  entdeckten  Nord  et  r  mischen  Alphabete,  welche 
auf  den  nördlich  vom  Apennin,  ausserhalb  des  eigentlichen  Etruri- 
schen  Sprachgebietes  bis  in  die  Alpentbäler  von  Tessin,  Tyrol, 
Provence,  Graubündten  und  Steiermark  gefundenen  Inschriften  er- 
scheinen. Unter  diesen  Inschriften  des  Salassi  sehen ,  Elina- 
neischen  und  Transalpinischen  Gebietes  find  ei  sicli  eine  mit 
schlangenformig  gewundener,  vier  in  gewöhnlichem  Bustrophedon 
geschriebene,  ausserdem  rückläufige  und  rechtläufige.  Die  Alpha- 
bete derselben  haben  die  beiden  Zeichen  für  Zischlaute  21  und  M, 
einige  die  beiden  Vokalzeichen  0  und  V,  andere  nur  das  0  oder 
nur  das  V  (Momms.  Nordetrur.  Alph.  a.  0.  S.  222.  221.  225), 
Nahe  verwandt  jenen  Nordetrurischen  Alphabeten  isl  das  eigent- 
lich Etrurische  Alphabet,  das  zunächst  ans  dem  Griechischen 
Alphabet  von  Caere  und  von  ('.olle  bei  Siena  nebsl  den  in  den- 
selben Gräbern  gefundenen  Syllabarien  hervorgegangen  i>t  [Momms. 
UnleriU  Mal.  S.  9.  40).  Dieses  AJphabel  zeigt  die  22  Allphönici- 
seben  und  die  vier  in  ältester  Zeit  in  Griechenland  erfundenen  Buch- 
staben *;,  £,  <p,  i,  um  die  das  Griechische  Alphabet  reicher  ist  als 
das  phönicische;  es  hal  die  beiden  Zeichen  für  die  Zischlaute  M 
(für  M)  und  £,  alter  kein  9  [Momms.  I'nlrrit.  Ihal.  &8 — 14. 
Taf.l,  12).  Diesem  ist  das  Etruski sehe  Alphabet  von  Borna rzo 
nachgebildet^/.  0.  S.  I.  '/'<//'.  |,  13),  das  neun/elin  Buchstaben  des 
Alphabets  von  Caere,  unter  ihnen  die  beiden  Zeichen  der  Zischlaute 
M  und  C  aufgenommen  und  ihnen  das  Zeichen  3  für  den  CODSO- 
nanlisebeu  Laut  f,    der  den  Italischen  Sprachen  eigenlhümlieh    ist. 

zugefügt  hat.     Da  die  Formen  der  Buchstaben  in  beiden  Alphabeten 


genau  übereinstimmen,  da  sich  zwischen  ihnen  keine  der  wesent- 
lichen Verschiedenheiten  findet,  welche  sich  zwischen  den  Griechi- 
schen Alphabeten  zeigen,  da  beide  das  Griechische  9  nicht  kennen, 
hingegen  beide  das  M  und  C  haben,  so  beweist  das  Vorkommen 
jenes  Griechischen  Alphabets  in  zwei  Etrurischcn  Gräbern  zur  Ge- 
niige, dass  das  Etrurische  Alphabet  von  Bomarzo  dem  Griechischen 
von  Caere  nachgebildet  ist  (Momms*  Unt.  Dlal.  S.  9 — 21).  Von 
diesem  Altetruskischcn  Alphabet  schieden  sich,  nachdem  im  Etru- 
lischen  das  Zeichen  für  0  verschwunden  war,  aus  das  Campa- 
nis c  h  - E  t r  u  s  k  i  s  c  h  e,  das  0  s  k  i  s  c h  e  und  das  U  m  b  r i  s  c h  e  Alpha- 
bet {Momms.a.O.  S.A. 5.0.  Nordetrur.  Alph.  VII,  8.  S.  225.  227), 
die  alle  die  Schreibweise  von  rechts  nach  links  gewahrt,  hingegen 
das  Schriftzeichen  0  verloren  haben  wie  das  jüngere  Etrurische. 
Das  Oskische  Alphabet  hat  von  den  beiden  Buchstaben  für  den  Zisch- 
laut s  nur  das  ^  gewahrt  wie  das  Lateinische. 

Es  ist  aber  noch  ein  zweites,  jüngeres  Griechisches  Alphabet 
nach  Italien  gekommen,  das  die  Zeichen  für  die  beiden  Tenues 
Kappa  und  Köppa,  K  und  9  gewahrt,  hingegen  den  Buchstaben 
M  für  den  Zischlaut  s  eingebüsst  und  für  die  ältere  Form  des  r  f>, 
t>,  P  eine  jüngere  V> ,  P  aufgenommen  hatte,  und  zwar  das  Dori- 
sc  he  derCu  manischen  und  Sicili sehen  Griechen.  Ganz  geson- 
dert von  der  übrigen  Italischen  Schriftfamilie  steht  nämlich  das  La- 
teinische Alphabet.  Die  •  Schreihart  von  links  nach  rechts  seit 
den  ältesten  Zeiten,  das  Erscheinen  des  Altphönicischen  9>  das 
Fehlen  des  Zeichens  M  für  den  Zischlaut  s,  das  Auftreten  des 
Zeichens  F  für  den  [talischen  (Konsonanten  f  stall  des  Etrurischen 
8,  das  sind  schlagende  Beweise  für  ().  Midiers  Ansicht,  dass  das 
Lateinische  Alphabet  nicht  vom  Etrurischen  stammt.  Der  Beweis, 
dass  das  Lateinische  Alphabet  ein  Abkömmling  des  Dorischen 
der  Cu  manischen  und  Sicilischen  Griechen  ist,  kann  nach 
Mommsens  Untersuchungen  schwerlich  angefochten  werden;  und 
die  enge  Verbindung,  in  welcher  im  Zeitalter  der  Tarquinier  Rom 
mit  Cumae  stand,  führt  zu  dem  einleuchtenden  Scbluss,  dass  die 
Römer  von  den  Cumanern  ihre  Buchstabenschrift  überkamen  (Om 
Müll.  FJrusk.  11,  312.  Clausen  Aen.  u.  Pen.  11,  890.  Momms.  Unt. 
Dlal.  S.  3.  9.  26.  /:  Taf.  I,  6.  8.  Nordetrvr.  Alphab.  VII,  8.  220. 
Rom.  Gesch.  I,  141). 

Von  den  24  Buchstaben  des  Dorisch -Cumanischen  Alphabets 
liess  das  Lateinische  drei ,   O—^,  (\)~~cp,    ty=%v  fallen,   weil 

1* 


—     4     — 

die  Lateinische  Sprache  die  Aspiraten  nicht  kannte,  und  verwandte 
das  Zeichen  F  zur  Bezeichnung  des  Italischen  Consonanten  f.  Es 
behielt  somit  21  Buchstaben,  deren  Formen  auf  den  ältesten  In- 
schriften folgende  sind: 

1)  a.  A,  A,  A,  A.      S)  h.  H.  15)  p.  P,  P. 

2)b.  £,  B.  9)i.   I.  16)  q.  Q. 

3)c,<,C,  C  10)  k.  K.  (t)  17>T.'fcR. 

4)d.   D.  11)1.  U,  A,  L.  18)  s.  £,  £,  S. 

5)e.  E,  II.  12)m.M,W,AV,llll.  19)  t.  T,  T. 

6)  f.   I',  F.  13)  n.  IM,  N.  20)  v,  (u).  V. 

7)  z.   Z.  14)o.  0,  O,  O,  o.       21)  x.  X. 

Dass  Z  im  ältesten  Römischen  Alphabet  sich  fand,  erhellt 
daraus,  dass  es  in  der  Schrift  des  Carmen  Saliare  vorkam  (/>/. 
Long.  p.  2217.  P.)  und  so  findet  es  sieh  noch  in  einem  Pragmenl 
bei  Varro  (/.  /.  VII,  20.  /!/.).  Auch  X  ist  hier  unter  den  ältesten 
Römischen  Buchstaben  aufgezählt,  weil  es  schon  auf  den  ältesten 
Romischen  Schriftdenkmalern,   die  uns  vorliegen,  erscheint    Das 


ss 


das  Zeichen  X  in  Römischer  Schrift  nur  j;,  nicht  %  bedeutet -habe, 
ist  zwar  vonMommsen  gegen  R.  Lepsius  richtig  erwiesen  (Unt.  I>i<tl. 
S.  .')!);  aber  der  Platz  des  \  hinter  v  spricht  doch  für  eine  etwas 
jüngere  Aufnahme  dieses  Schriftzeichens  in  das  Lateinische  Alpha- 
bet. Dieser  Platz  wird  dadurch  nicht  erklärt,  dass  auch  das  Grie- 
chische Alphabet  von  Caere  dem  |  diesen  Platz  angewiesen  bat,  da 
das  Romische  Alphabet  ja  mit  diesem  in  keiner  Verbindung  stand. 
Freilich  kann  eine  spatere  Aufnahme  des  \  uicht  erst  geschehen 
sein,  als  seit  dem  \rcli<mtai  des  Euclides,  -eil  dem  Ende  des  Fünften 
Jahrhunderts  die  jüngere  Form  H  für  £  allgemeine  Geltung  erlangte. 
Aber  zwischen  dieser  Zeit  und  der  Aufnahme  des  Dorischen  Alpha- 
bets von  Cumae  bei  den  Römern  liegen  Jahrhunderte,  und  da  die 
Römer  mit  Siculern  und  Cumanern  in  lebendigem  Verkehr  blieben 
auch  nach  der  Aufnahme  des  Alphabets ,  so  konnten  Bie  sehr  wohl 
das  X  später  aufnehmen,  ebenso  wie  sie  statt  der  Klieren  Buch- 
stabenformen  X  und  /W  später  die  jüngeren  S  und  M  einführten 
<  \fomms.  Roem.  Gesch.  I,  111).  Priscian  sagt  gani  bestimmt,  dass 
der  Buchstabe  X  erst  später  eingeführt  sei  und  deshalb  ans  Ende  des 
Lateinischen  Alphabets  gesetzt  sei  (I,  7.  I  1.  Hertz)y  und  diese  Aus- 
sage erhalt  dadurch  Gewicht,  dass  Nigidius  Figulus,  Varros  gelehr- 
ter Zeitgenosse,  das  \  gar  nicht  brauchte,  also  CS  oder  CS  und  <.^> 
dafür   schrieb,    und  dass  Varro  das  Lateinische  \  seinem  Wesen 


—     5     — 

nach  nicht  für  einen  Buchstaben  gelten  lassen  wollte  (Cassiod.  p. 
2286.  P).  Dass  diese  Grammatiker  noch  Sprachdenkmäler  kannten, 
in  denen  CS  geschrieben  wurde,  bestätigen  zwei  Glossen  hei  Festus. 
Die  erste/?.  166.  Müll,  lautet:  Nancitor  in  XII  e.nacius  erit, 
p r a e n d e r i t '.      Item  in  f o e d e r e  L a t i n o :  c  p  e  c  u  n  i  a  m  q u i s 
nancitor,  habeto',   et:  fsi    quis  pignoris  na  sei  seit  ur, 
s  i  b  i   habeto';    die  andere  p.  277  :    R  e  n  a  n  c i  t  u r   significat 
r e p r e h  e n (1  e r i t \     In  dem  Abschnitt  über  Vokalausstossung  wird 
gezeigt  werden ,  dass  etymologisch  in  beiden  Glossen  nanesitor, 
renanesitur,  das  ist  nanxitor,   renanxitur,   verlangt  wird, 
wenn  die  Erklärungen  praenderit,  reprehenderi  I  Sinn  haben 
sollen,  und  das  hat  auch  schon  0.  Midier  erkannt.    Da  in  der  ersten 
nancitor  und  nasciscitur  dasselbe  bedeuten   sollen,  da  auch 
in  der  zweiten  die  Form  renancilur  ein  C  zeigt,  so   führt  dies 
auf  den  Sehluss,   dass   nanesitor,   renanesitur  die  Schreib- 
weisen der  zwölf  Tafeln  und  der  Urkunde  des  Latinerltiimles  waren, 
da  nicht  au  den  vier  Stellen  die  handschriftliche  Schreibweise  C  aus 
dem  ganz  unähnlichen  X   entstanden  sein  kann.     Aus  den  beiden 
Schreibfehlern    nancitor   und    nasciscitur  wird    die   richtige 
nanesitor,  die  den  Abschreibern  fremdartig  und  unverständlich 
war,  erschlossen.     Ist  das  richtig,   dann  folgt  daraus,  dass  man 
zur  Zeit  der  zwölf  Tafeln  noch. GS  für  X  schrieb,    wie  sich  auch 
noch  auf  Inschriften   der   Kaiserzeit  geschrieben    findet   uesori, 
1.  Begn.Neap.  Momms.  5173.  lucserunt,  Grut.  544,  4.  biesit, 
/.  B.  N.  66.  biesit,    /.  B.  N.  6716,  dass  also  die  Zeit  zwischen 
der  Decemviralgesetzgebung  und  Vejis  Fall,  zwischen  Gimons  Tod 
und  dem  Archontat  des  Euclides  es  war,    in  der   die  Homer   das 
Schriftzeichen  X  zur  Bezeichnung  der  Gonsonantenverbindung  CS, 
GS  in  ihr  Alphabet  aufnahmen  und  demgemäss  an  das  Ende  desselben 
anfügten.    Die  älteste  sprachliche  Urkunde,  in  der  sich  X  geschrie- 
ben findet,   ist  das  Senatus  consultum  de  Baccanalibus; 
seit  der  Zeit  der  Gracchen  schreibt  man  für  X  auch  XS,   wovon  in 
dem  Abschnitt  über  den  Buchstaben  X  weiter  die  Rede  sein  wird. 

Nach  Aufnahme  des  Dorischen  Alphabets  von  den  Cumanischen 
Griechen  trat  eine  Zeit  in  der  Ent Wickelung  der  Lateinischen 
Sprache  ein ,  wo  der  Unterschied  zwischen  Gutturaler  T  e  n  u i  s 
und  M e d i a  sich  verw ischte  wie  im  Etrurische n  und  U m b r i - 
sehen,  so  dass  die  Buchstaben  G  und  K  denselben  Laut  bezeich- 
neten.   Da  gestaltete  sich  der  Schriftgebrauch  so,  dass  G  im  Allge- 


—     6     — 

meinen  zum  Ausdruck  der  T  e  n  u  i  s  und  M  e  d  i  a  gebraucht  wurde,  und 
dass  dies  schon  zur  Zeit  der  Abfassung  der  zwölf  Tafeln  der  Fall 
war,  ergiebt  sich  aus  der  Schreibweise  derselben:  ni  cum  eo  pacit 
{Fest.  v.  talionis  p. 363.  M.)  und:  ni  pacunt  {Ter.  Scaur.  p. 2253) 
neben  pango,  pegi,  pepigi  {Schneider  Lat.  Gr.  I.  271.  Anm.). 
Auf  alten  Römischen  Inschriften  finden  wir  es  nur  noch  in  den 
Schreibweisen : 

Macolnia,  Cisi.  Praenest.  Or.  2497.  Momms.  Unt.  Dial.  &29. 

.  .  cnatois,  Momms.  Unt.  Dial.  S.  364. 
für  Magulnia,  . .  gnatis.  Den  ^Yiederherstellern  der  Columna 
Rostratamuss  diese  Schreibweise  aus  alten  Sprachdenkmälern 
bekannt  gewesen  sein,  daher  schreiben  sie  leciones,  maci- 
st r  a  t  o  s ,  e  x  f  o  c  i  o  n  t ,  p  u  c  n  a  n  d  o  d ,  C  a  r  t  a  c  i  n  i  e  n  s  e  s  (vgl. 
Ritschi,  Inscriptio  rjiiae  fertur  Cohimnae  DudHanae.  Beroi.  1852) 
und  Marius  Victoriuus  erwähnt  aus  allen  Sprachdenkmälern  die 
Schreibweisen  Cabino,  leer,  aena  (p.  2459.  /'.).  Diese  Geltung 
behielt  das  SchriftzeicheB  C  auch  spater  in  den  Bezeichnungen 
durch  den  Anfangsbuchstaben  C  und  Cd  für  die  Namen  Gaius  und 
Gneus  (QmrUU.  I,  7.  2s.  Ter.  Maar,  p.  2402).  Das  K  erhielt  sich 
hingegen  durchgängig  seil  alten  Zeiten  nur,  wenn  die  Wörter  K.aeso, 
Kalendae,  kalumnia,  kapul  mii  dem  Anfangsbuchstaben  k 
bezeichnet  wurden  (Qumt.  I,  I.  '.».  Vel.  Long.  p.  22 18.  Terent. 
Scaur.  p.  22.V2.  Ter.  Mam\  p.  2  H>0)  und  ähnlich  lindel  sich  auf 
der  allen  Inschrift  des  Columbariums  der  Vigna  Somascbi  die  Ab- 
kürzung dekem  .  .  für  l>  e  ( e  in  bres  [Momms.  I'nl.  Ihn!.  &  32) 
und  auf  einer  sehr  allen  Volrrnlisclien  S<  h.iale  Keri  für  Ceri 
{Momms.  a.  0.  p.  I  13.  Ritschi  de  //'<•///.  litterat.  Latmor.  antio.  p, 
17).  hie  Theorie  mancher  Grammatiker  k  \or  folgendem  a  zu 
sehreilien  in  Wörtern  wie  Kar-t-hagO,  karus,  kanus  wird  zwar 
durch  die  Schreibweise  von  Inschriften  bestätigt  wie  karissimo, 
karissimae  {Momms.  I.  Regn.  Neap.  260.  813.  2158.  2456. 
3100.3293.  3942.  127:;.  1719.  5083.  7059.5111.6379),  karo 
(Or.  1041.  p.  Ch.  271).  arkarei  (/.  Ii.  \.  :>7<>:>.  p.  c/i.  172).  »r- 
karius  (/.  Ä.  N.  5707.  p.  eh.  58),  Kristna  (Or.  1955.  vgl. 
Schneid.  I.m.  Gr.  I.  295);  aber  diese  Schreibweise  ist  nie  vor- 
wiegend zw  Geltung  gelangt. 

Nachdem  so  der  Buchstabe  K  fthr  gewöhnlich  ausser  Gebrauch 
gekommen  war,   trat  (kr  I  utersetned  zwischen  Gutturaler  Tenui 
und  Media  im  Lateinischen  wieder  deuilieh  hervor,  gerade  sowie  dies 


im  jüngeren  Umbrischen  der  Fall  war,  und  nun  ward  aus  der  Buch- 
stabenform C  für  die  Media  ein  neuer  Buchstabe  (i  gebildet.  Dieser 
erscheint  schon  zur  Zeit  des  ersten  Punischen  Krieges  auf  dem  As 
von  Luceria  und  dem  Sarkophag  des  L.  Scipio  Barbatus  (Momtns. 
Unt.  Dial.  S.  32)  und  erhielt  von  einem  Freigelassenen  des  Sp. 
Carvilius  Ruga  im  Lateinischen  Alphabet  die  Stelle  zwischen  f 
und  h,  nachdem  das  alte  z  ausser  Gebrauch  gekommen  war  und 
entbehrlich  schien  {Phil.  Quaest.  Rom.  r.  .V.l.  Schneid.  Lat.  Gramm. 
I,  270.  Momms.  U.  D.  S.  33). 

So  kam  es,  dass  Cicero  ein  Lateinisches  Alphabet  von  21 
Buchstaben  vorfand  {Not,  deor.  II,  37.  Qumt.  I.  1.  9),  da  die 
Griechischen  Buchstaben  v  und  g  erst  während  seiner  Lebens- 
dauer in  Lateinischer  Schrift  allgemein  gebräuchlich  wurden,  etwa 
gleichzeitig  mit  der  Bezeichnung  der  Griechischen  Aspiraten  <p,  %, 
&  durch  ph,  ch,  th  (Ritschi  Monum.  Epigr.  tritt  p.  26.  Rh.  Mus.  IX, 
17.  164.  Momms.  Unt.  Dial.  S.  33.  Ribbeck  N.  Jhb.  LXXV  — 
L.W  VI,  316),  und  nachdem  sie  sieh  eingebürgert  hatten,  am 
Schlüsse  des  Lateinischen  Alphabets  angereiht  wurden. 

Wenn  hiermit  der  dauernde  Bestand  der  Buchstaben  des  La- 
teinischen Alphabets  festgestellt  war,  so  haben  doch  die  Römi- 
schen Gelehrten  verschiedener  /eilen  dahin  gestrebt,  auch  noch 
genauer  als  es  durch  jene  Buchstaben  möglich  war,  feinere  Laut- 
unterschiede zu  bezeichnen.  So  wollte  man  namentlich  die  Con- 
sonantenschärfung  und  die  Vokallänge  auch  in  der  Schrift  aus- 
drücken. Die  Lateinischen  Consonanten  hallen  im  Anlaut  und  In- 
laut der  Wörter  meislenlheils  einen  stärkeren,  volleren  und  dich- 
teren Laut  als  die  Griechischen,  was  si<h  sowohl  ;ms  Zeugnissen 
der  Alten  als  aus  dem  weitgreifenden  Einllnss,  den  sie  auf  benach- 
barte Vokale  üben,  ergiebt  und  weiter  unten  zur  Sprache  kommen 
wird.  Daher  trat  jene  Verschärfung  des  Lonsonantischen  Lautes, 
welche  durch  doppelte  Schreibung  desselben  ausgedruckt  zu  werden 
pflegt,  in  der  Altlateinischen  Sprache  weniger  deutlich  hervor,  so 
dass  in  der  Schrift  diese  doppelle  Schreibung  der  Consonänten 
nicht  Üblich  war.  Die  Bekanntschaft  mit  Griechischen  Schrift- 
werken führte  aber  auch  die  Lateinische  Schrift  zu  dieser  Bezeich- 
nung des  geschärften  konsonantischen  Lautes.  Es  war  Ennius, 
der  mit  dem  Griechischen  Hexameter  in  die  Römische  Dichtkunst 
die  Griechische  Schreibweise  geschärfte  Consonänten  doppelt 
zu  schreiben  in  den  Lateinischen   Schriftgebrauch  einführte  (Fest. 


—     8     - 

v.  solitaurilia  p.  293).  Eine  sorgfältige  Prüfung  der  Inschriften 
hat  ergeben,  dass  die  Consonantenverdoppelung  vor  Ennius  sich 
nur  ganz  vereinzelt  findet,  seit  Ennius  in  der  Schrift  bald  ange- 
wandt wurde,  bald  nicht,  dass  sie  etwa  seit  dem  Zeitalter  des 
zweiten  Macedonischen  Krieges  überwiegend  wurde  und  seit  den 
Zeiten  der  Gracehen  und  des  Jugurthinischen  Krieges  vollständig 
durchgeführt  wurde  {Ritschi  Tit.  Mumm.  p.  4.  Mon.  Epigr.  Irin, 
p.  10.  32,  tit.  Aletrinat.,  IV  — VI.  Rhein.  Mus.  IX,  12,  13).  Der 
Abkürzung  halber  bezeichnete  mau  die  Schärfung  der  Consonanten 
statt  der  doppelten  Schreibung  des  Buchstabens  auch  wohl  durch 
das  Zeichen  des  Sicilicus  °  Mar.  Victor. p.  2456 :  an t iq u i  —  s  u  p  r  a 
litt  er  am  quam  geminari  oportebat  scilicet  Sicilicum 
imponebant,  cujus  Figur a  haec  est  *',  quod  erat  Sig- 
num geminandi,  sicutapparel  in  mullis  adhuc  veteri- 
busita  scriptis  libris.  Isiftor.  Origg.l,  26:  ubi  litter ae 
consonan tes  geminabanl  in  .  sicilicum  su  pe  rponebant 
ut  seIDa,  ser'a,  as'eres.  Doch  kam  diese  Schreibweise 
später  ausser  Gebrauch  und  auf  Inschriften  öndel  sie  sieh  gar  nicht. 
Um  die  Vokallänge  durch  die  Schrift  auszudrücken,  erweiterten 
die  Griechen  ihr  alles  Alpbabel  durch  die  Buchstaben  H  und  D.\ 
es  war  natürlich,  dass  Römische  Gelehrte  darauf  dachten  nach  dem 
Vorbilde  des  Griechischen  auch  für  die  Lateinische  Schrill  diese  Ge- 
nauigkeit in  der  Bezeichnung  des  sprachlichen  Lautes  su  erzielen. 
Es  war  der  Tragiker  Aiiins,  der  zur  Bezeichnung  der  Vokal- 
länge die  do ppel le  Schreibung  des  Vokales  durchführen  wollte, 
Vel.  Lotig.  p.  2220'  Aerius  geminatis  vocalibus  Bcribi 
natura  longas  syllabas  roluit,  cum  alioquin  adjeeto 
vel  sul>lal o  apice  longitudinisel  brevitatis  nota  pos 
set  ostendi.  Ritsch!  weisl  in  einer  musterhaften  Unter- 
suchung nach,  dass  sich  diese  Schreibweise  auf  Inschriften  seil  dei 
Zeit  der  Gracchen  bis  etwa  zu  Ciceros  Consulal  limlei  (Montan. 
Epigr.  tria,  Ca/t.  IM:  tlr  vocalibus  geminatis  deque  L,  .Win  Gram- 
matico,  p.  22./)  und  zwar  für  die  drei  Vokale  ä,  e,  ü.  So  linden 
sich  geschrieben  die  Wortformen: 

Albaana,  Or.  12S7.  Ritschi  a.     Maarco,  t.  viae  Appiae,  Rhein. 
0.  p.  29.  Mut.  Vlll.   288.   (     / 

Vaarus,  /.  Aieirin.  Graec.  ."»'» 1 1. 

paastores,  mil.  Popiiian.  Maarcium,     C.    I.   Graec, 

haace,  tab.  B antin.  I  137. 


9     — 


MaccQxeAAog,    C.  1.  Graec. 

5644. 
CaLaasi,  /.  R.  N.  2480. 
faato,  Grill  1346,  6. 
naa  to,  n  aal  am,  a.  0. 
Paapus,  I.R.N.  3846. 
leege,  Or.  J287.  Ritschi  a.  0. 

p.  29. 
seedes,     /.     Aleirin.    I.    viae 

App. 
leegei,  lab.  R antin. 
ree,  Grul.  1346,  6. 
ee,  a.  0. 


Feelix,  Eckhel.  d.  num.  II,  5. 

p.  192  sq. 
luuci,  lab.  Rani. 
M  u  u  c  i  o ,   lab.  Genital.  I.  agr. 

(Thor.) 
arbitratuu,  lab.  Genital. 
Luuceius,  R.  Monum.  Epigr. 

Ir.  p.  28. 
pequlatuu,    /.    Com.   de   XX 

quaest. 
juus,  a.  0. 
mit  ei,  /.  Termes. 
R  u  u  b  i  u  s ,  R.  Mon.Ep.  Ir.  p.  29. 


Auch  in  der  einheimischen  Schrill  der  Osker  wurde  die  Vokal- 
länge durch  doppelte  Schreibung  des  Vokales  bezeichnet  (Momms. 
Unt.  Dial.  S.  211).  Ritschis  Schluss  ist  datier  sehr  einleuchtend, 
dass  Attius  diesem  Vorbilde  folgte,  dass  er  <»  nicht  doppelt  schrieb) 
weil  es  im  Oskischen  nicht  so  erscheint,  und  i  nicht,  weil  dafür  in 
seiner  Zeit  El  geschrieben  wurde.  Indessen  kam  doch  die  Schreib- 
weise des  Attius  ebenso  wenig  zur  allgemeinen  Geltung,  wie  die 
gleiche  Bezeichnung  des  langen  Vokales  in  der  Neuhochdeutschen 
Schrift  durchgedrungen  ist,  zumal  da  Lucilius,  der  Zeitgenosse 
des  Attius,  sich  gegen  dieselbe  erklärte  (Ter.  Scaur.  p.  2255.  P. 
Ritschi  a.  0.  p.  30.  fX 

Für  die  Bezeichnung  des  langen  Vokales  i  war  eine  doppelte 
Schreibung  auch  deshalb  wenigstens  in  älterer  Zeit  nicht  anwend- 
bar, weil  das  Schriftzeichen  U  häufig  die  Geltung  E  hatte  (Momms. 
Rhein.  Mus.  X,  142),  daher  ward  in  älterer  Zeit  El  nicht  bloss  für 
den  Mittellaut  zwischen  e  und  T,  sondern  auch  für  den  eigentlichen 
Laut  I  geschrieben.  Daneben  tritt  aber  schon  seit  der  Gracchen- 
zeit,  doch  wohl  in  der  Absicht  beide  Laute  in  der  Schrift  zu  schei- 
den, für  das  lange  I  als  Schriftzeichen  ein  längeres  über  die  Hohe 
der  anderen  Buchstaben  hinausragendes  1  ein  (Ritschi  Rhein.  Mus. 
VIII,  494.  Momms.  Rhein.  Mus.  X,  142).  So  finden  sich  geschrieben : 
PopIIlius,  Rhein. Mns.X,  141.      Tullis,  I.  N.  4322. 


Calld.  Eckhel.  Num,  V,  158. 
nive,  /.  Puleol.  I.  X.  4322. 
flent,  a.  0. 
felici,  /.  N.  6796. 


hlc,  I.N.  1658. 

Vibio,  /.  N.  418.. 

slgna,  Roiss.  Insc.  Lyon.p.  136. 

quinque,  Grut.  172.  2. 


-     10     - 

Q ulnc tili o,     Henz.    1.  Rom.      Vlpsania,  a.  0.  610. 

5970.  Vipsani,  ct.  0. 

lictor,  Grut.  33,  4.  tristior,  C.  I.Gr.  6268.  Grut. 

Vipstanio,  Grut.  74,  1.  607,  4. 

Als  zu  Augusts  Zeit  die  Schreibart  El  abkommt,  wird  das  hohe 
I  allgemeiner  gebräuchlich  und  findet  sich  so  in  den  vorzüglichsten 
und  ausführlichsten  Schriftdenkmälern  der  Augusteischen  Zeit,  wie 
in  den  Inschriften  der  Obelisken  {Or.  36)  auf  den  Cenotaphien  von 
Pisa  {Or.  642.  643),  den  beiden  Leichenreden  (Or.  4859.  4860)  und 
auf  den  Denkmälern  der  älteren  Kaiserzeit,  welche  die  anderen 
langen  Vokale  durch  den  darüber  gesetzten  Apex  bezeichneten. 

Seit  der  Augusteischen  Zeit  durch  die  beiden  ersten  Jahrhun- 
derte der  Kaiserzeit  kommt  nämlich  eine  dritte  Art  der  Bezeichnung 
langer  Vokale  wi  der  Schrift  auf,  durch  einen  über  das  Vokalzeichen 
gesetzten  Apex.  Nach  der  eingehenden  Untersuchung  von  Weil  und 
ß e n  1  o e  w  (Theorie generale  de  /' Accentuation  Laune  ( 'hap.  XII:  des 
insetiptions  accentuees,  p.  293  —  348)  ergiebt  sich,  dass  dieser  Apex 
(Quint.  J,  7,  2.  1,  4,  10.  VeL  Im,,;/,  p.  2220.  Ter.  Scaur.  [>.  2255) 
auf  Inschriften  gewöhnlich  die  Form  -',  selten  die  Formen  -,  ~ 
hatte  (W,  B.  a.  0.  p.  305.  310),  in  der  Btteherscbrifl  auch  die  Ge- 
stalt —  (hidor.  Orifj.  I,  4,  18),  die  in  Inschriften  nicht  angewendet 
wurde,  weil  hier  dies  Zeichen  zur  Unterscheidung  der  Ziffern  dient»'. 
Der  Apex  -  ersetzte  die  Stelle  des  /weilen  der  beiden  Vokalzeichen, 
wodurch  Attius  den  langen  Vokal  bezeichnete,  ähnlich  wie  der 
Apostroph  die  Stelle  eines  nicht  geschriebenen  Volles  andeutet, 
und  wird  so  der  Anzeiger  eines  langen  Vokales  ( //'.  />'.  n.  O.  />.  3  Kl. 
348).  Am  regelmässigsten  findet  er  sieh  angewandt  auf  Sprach- 
denkmälern der  Zeit  \on  AugUStUS  bis  Claudius,  namentlich  in 
öffentlichen  Urkunden  und  ähnlichen  mit  besonderer  Sorgfalt  abge- 
fassten  Schriftstücken,  die  meist  auch  das  hohe  I  zur  Bezeichnung 
der  Vokallänge  des  i  verwenden.  Aus  diesen  möge  hier  eine  \nzahl 
von  Beispielen  Platz  linden  (Or.  36.  84!  643.  1859.  1860.  WaHni 
Inscr.  Aiban.  />.  13.  136.  Boissieu  Tnscr.  <mi.  de  Lyon  />.  136. 
Momms.  I.  H.  Neap.  2391.  231)2.  3629.  vgl  WeH  //.  Bcntoew  />. 
298).  So  findet  ßieb  bezeichnet  das  lange  §  in 
actus,  casu,  trän s lata,         päcäto, 

exäctus,  ätri,  inäniter,  ämisi, 

red  acta,  Märtio,  fäma,  potestätem, 

mänibus(deis),  narr  ein  .  mal  er,  orbit  i  I  e. 


—    11    — 

necessitäs,      oppugnätri-  efficäcius,        famä  (Abi.), 

Asprenäte,  cem,  Aquilä  (Abi.),     Iuniäs, 

magisträtus,  Romäni,  victoria  (Abi.),  terrärum, 

orätioni,  naturalis,  pecunia  (Abi.),  t'eminärum 

das  lange  e  in: 


p  1  e  b  e  s , 

d  efui  t, 

m  a  n  e  s , 

v  e  n  i  e  ii  s , 

r  e"  g  e  s , 

d  e  r  u  n  t , 

p  e  d  e  s , 

difidens, 

r  e  g  n  i , 

A  s  p  r  e  n  a  t  e , 

re, 

nolens, 

lex, 

n  o  1 6  s  c  e  r  e  1 , 

ne, 

p  l  a  c  6  r  e , 

fämiuis, 

res, 

te, 

lenuere, 

e  d  i  c  t  i , 

A  u  g ;  u  s  t  a  1  e  s , 

publica, 

a  d  1  i  r  m  a  r  e  s ; 

6 1  o  c  u  l  a  , 

in  e  n  t  e"  s , 

d  e  f  i  c  i  e  n  s , 

das  lange  ö 

in: 

R  6  m  a  n  i , 

flöre  in , 

c  ö  n  s  t  o , 

a  n  n  u  6  s , 

N  ö  n  i  o , 

Oc  eanu m , 

c  6  n  s  e  c  r  a  t , 

c  r  e  a  1  ö  s , 

soli, 

öj dinis, 

gen  in, 

ni  e  ö  r  u  in , 

bösq  ue, 

ö  r  n  a  in  e  n  t  u  m 

,  verö, 

in  e  r  i  1 6  r  u  in , 

victoria, 

6  r  n  a  t  i  s  s  i  m  a , 

a  d  e  ö , 

cons  t  (i , 

j  a  c  t  a  t  i  ö  n  e  in , 

cönsecuta, 

Aegyptö, 
.1  ii  1 ia  nö, 

d  e  b  e  ö ; 

das  lange  Q 

in: 

J  ü  n  i  a  s , 

ins, 

for  I  i'ina, 

magistrat  ü  s 

1  u  c  t  i , 

i  u  s  t  i , 

i  ii  ssü, 

(A.Pt.), 

Ulli, 

11  s  s  u , 

motu, 

sensüs  (A.  IM.), 

ultra,  (cf.  ouls 

)  s  a  1  ü  t  e , 

g  r  a  d  u , 

casus  (A.  PI.), 

VarroLA.V,  50 

.  virlulibus, 

C  a  s  ii , 

s  piril  us(G.S.), 

rüsus, 

pecunia, 

fructus(IS.I 

M.),  parlus  (G.  S.), 

seiünctuni, 

importünani, 

Status  ((;.  S.). 

So  wenig  nun  aber  sonst  auf  Inschriften  eine  strenge  Conse- 
(juenz  in  der  Orthographie  stattfindet,  so  wenig  ist  auch  die  Be- 
zeichnung der  Vokallänge  durch  den  Apex  auf  den  Inschriften  einer 
Zeit  durchgeführt;  ja  es  ist  kaum  eine  oder  die  andere  Inschrift, 
wo  er  überall  und  immer  an  der  rechten  Stelle  gesetzt  wäre.  Als 
aber  seit  dein  dritten  Jahrhunderte  nach  Christus  das  Bewusstsein 
von  der  Länge  und  Kürze  der  Vokale  in  der  Volkssprache  zu  schwin- 
den begann,  wie  dies  im  Verlaufe  dieser  Untersuchungen  nachge- 
wiesen werden  wird,  so  konnte  es  nicht  fehlen,  dass  auch  der 
Apex,  das  Zeichen  der  Vokallänge,  mangelhaft  oder  falsch  verwandt 
wurde,  wenn  auch  höchst  wahrscheinlich  nicht  in  dem  Grade,  wie 


—     12     - 

die   bis  jetzt  vorliegenden   Texte  dieser    Inschriften  späterer  Zeit 
angeben. 

Die  früheren  Erklärungen  der  sogenannten  accentuierten  In- 
schriften sind  an  dieser  fehlerhaften  Verwendung  des  Apex  ge- 
scheitert, so  wie  an  dem  Umstand,  dass  dasselbe  Zeichen  gelegentlich 
auf  einer  und  derselben  Inschrift  die  Vokallänge  und  die  starke 
lnterpunction  am  Schlüsse  eines  Satzabschnittes  bezeichnet 
{W.  B.  a.  0.  p.  306.  p.  340).  Die  Bezeichnung  der  Tonlänge  durch 
den  Apex  in  Inschriften  der  besten  Zeit  giebt  uns  zugleich  den  Be- 
weis, dass  die  Tonhöhe  oder  die  Stelle  des  Hochtones  im  Worte 
niemals  im  Lateinischen  durch  die  den  Griechischen  verwandten 
Zeichen  -,  -,  -  bezeichnet  wurde,  da  diese  ja  zur  Bezeichnung 
der  Tonlänge  verwandt  wurden,  und  sich  auch  sonst  keine  Spur 
eines  Schriftzeichens  für  den  Hochton  in  Inschriften  und  Hand- 
schriften findet.  Da,  wie  weiter  unten  gezeigt  werden  wird,  die 
Stelle  des  Hochtones  im  Lateinischen  Worte  vjj'I  fester  bestimmt 
und  durch  die  Quantität  gebunden  war  als  im  Griechischen,  so  war 
durch  die  Angabe  der  Vokallänge  im  Wort  bei  der  Tieftonigkeit  der 
Endsilben  auch  die  Stelle  des  Hochtones  mitbestimmt,  und  daher 
ein  besonderes  Zeichen  für  den  Ort  des  Hochtones  entbehrlicher 
als  bei  dem  mannigfacheren  und  freieren  Griechischen  Betonungs- 
geseta. 

Alle  die  hier  besprochenen  Bestrebungen  nach  genauerer  Be- 
zeichnung der  Consonantenschärfung  und  der  Vokallänge  durch  die 
Schrift  fallen  in  das  Zeitalter  des  Emporblühens  der  Römischen 
Litteratur  von  E  n  n  i  u  s  bis  V  e  r  g  i  1  i  u  s. 

Aber  seit  der  Zeit  des  Augustus  tritt  auch  das  Bestreben  her- 
vor, für  hörbar  verschiedene  sprachliche  Laute  sich  nicht  mit  einem 
und  demselben  Buchstaben  zu  begnügen,  sondern  verschiedene 
Schriftzeichen  einzuführen.  So  wollte  Verri us  Flaccus,  Beben 
Varro  der  grösste  Philologe  und  Arterthumsforscher,  den  Rom  gehabt 
hat,  wenn  man  aus  dem  unschätzbaren  Werthe  der  Excerpte  des  Festus 
und  Pauilus Diaconus  auf  das  ganze  Werk  und  den  ganzen  Mannschlie- 
ssen  darf ,  für  den  dumpfen,  schwach  nachklingenden  Lauf  des  aus- 
lautenden in,  der  in  der  Altlateinischen  Schrift  häufig  gar  nicht 
geschrieben  wurde,  ein  besonderes  Schriftzeichen  einfuhren,  Vel. 
Long.  p.  2238:  Nonnulli  synaloephas  quoque  observan- 
das  circa  talem  scriptionem  existimavirunt,  sieul 
Verri  us   Flaccus,    ul    ubieunque   prima   vo\    m  litter a 


-     13     — 

finiretur,  sequens  a  vocali  inciperet,  Mnon  tota,  sed 
pars  illius  prior  (1^)  tan  tum  scriberetur,  ut  appareat 
exprimi  non  debere.  Der  Versucb  den  stumpfen  Laut  des  aus- 
lautenden m  im  Gegensatz  zu  dem  vollen  Laut  des  auslautenden 
und  inlautenden  m  auch  durch  das  verstümmelte  oder  halbe  Zeichen 
dieses  Buchstaben  auszudrücken  ist  sinnreich;  aber  keine  Spur 
fuhrt  darauf,  dass  das  vorgeschlagene  Schriftzeichen  |V  jemals  wirk- 
lich in  der  Schrift  zur  Anwendung  gekommen  wäre. 

Merkwürdig  ist  in  der  späteren  Geschichte  des  Lateinischen 
Alphabets  der  Versuch  eines  hochgestellten  Romischen  Philologen, 
des  Kaisers- Claudius,  die  Lateinische  Schrift  durch  drei  neue 
Buchstaben  zu  bereichern,  über  die  in  neuster  Zeit  eine  ein- 
gehende Specialuntersuchung  angestellt  worden  ist  (Fr.  Bueche- 
ler: De  TL  Claudio  Caesäre  Grammalico).  Tiberius  Claudius 
wollte  nämlich  einmal  für  den  Consonantischen  Laut  v,  um  ihn 
vom  Vokal  u  zu  unterscheiden,  das  Zeichen  des  Digamma  auf  den 
Kopf  gestellt  d  anwenden  [vgl.  Priscian.  I,  20.  //.  Gell.  XIV,  5,  2. 
//.  Diomed.  p.  416.  P.  Donat.p.  173(5.  Buecheler  a.  0.  p.  3  —  6), 
zweitens  für  die  Lautverbindung  bs,  ps  das  Antisigma,  0,  das 
dem  Griechischen  ip  entsprechen  sollte  (Prise.  I,  42.  //.  Isidor.  Orig. 
I,  20,  11.  Buecheler  a.  0.  p.  8  —  13],  dritten?  für  den  Mittelton 
zwischen  i  und  u,  von  dem  weiter  unten  die  Rede  sein  wird,  das 
Zeichen  des  Griechischen  Spiritus  h  (Tel.  Long.  p.  2235.  P. 
Buecheler  a.  0.  p.  13  —  20).  Kaiser  Claudius  hatte  über  das  Be- 
dürfhiss  und  die  Anwendung  dieser  Buchstaben  ein  Buch  geschrie- 
ben, als  er  noch  verachtet  und  verkommen  seinen  Studien  lebte; 
als  Kaiser  befahl  er  den  Gebrauch  seiner  neuen  Buchstaben  einzu- 
führen, und  dies  geschah  auch  nicht  bloss  in  öffentlichen  Urkunden, 
die  unter  Kaiserlicher  Controle  standen,  wie  den  Senatsprotocollen, 
den  auf  Erztafeln  geschriebenen  Plebisciten,  die  Tacitus  noch  sah, 
den  Verfügungen  von  Behörden  oder  den  Protocollen  von  Priester- 
schaften Wie  in  den  Inschriften  von  Bauwerken  und  Weihgeschenken, 
sondern  auch  in  vielen  Büchern  (Tacit.  Annal.  XI,  14.  Suet.  Claud. 
c.  41),  deren  Verfasser  sich  natürlich  durch  beifällige  Aufnahme 
seiner  erfundenen  Buchstaben  empfehlen  wollten.  Von  diesen 
Buchstaben  findet  sich  am  häufigsten  auf  Inschriften  das  umgekehrte 
Digamma  d  zur  Bezeichnung  des  Consonanten  v  in  den  Schreib- 
weisen wie : 
aldei,  LNeap.  2211.  Or. 2275.     didi,  Or.  650. 


—      14     — 

XV  dir,  a.  0.  disn,  a.  0. 

VII  dir,  a.  0.  del.,  (Velia  tribus)  Or.  3S12. 

judentuti,  ^.  0.  ampliadit,  Or.  710. 

pridatis,  Or.  3133.  termina  ditque,  a.  0. 

Serdiliae,   Or.  714.  diam,  /  N.  6256. 

Adiol.,  Or.  714.  daleriam,  7.  AT.  6256. 

{andere  vgl.  Buecheler  a.  0.  p.  5).  Für  den  Gebrauch  des  Anti- 
sigma  D  giebt  es  auf  Inschriften  kein  sicheres  Beispiel.  Das  Schrift- 
zeichen h  für  den  Mittelton  zwischen  u  und  i  findet  sich  auf  Denk- 
mälern aus  Claudius  Zeit  meist  zur  Bezeichnung  eines  Griechischen 
v  in  Wörtern  wie  Aeghpti,  Bathhllus,  Crcnns,  Gl  f- co- 
li is,  Mhro,  Nhinphius,  Pf- lad  es,  Zophrus;  die  Schreib- 
weisen ghber(nator)  und  b  hb(I  iotheca)  zeigen,  dass  beide 
Worter  zu  Claudius  Zeit  mit  dem  Mittelton  zwischen  u  und  i  ge- 
sprochen wurden  (vgl.  Buecheler  a.  (f.  p.  IS.  Rh.   Was.  XIII,  156). 

Man  wird  es  auch  wohl  den  antiquarischen  Neigungen  des 
Claudius  so  wie  seiner  Vorliebe  für  die  Griechische  Schreibweise 
zuzuschreiben  haben,  wenn  auf  denselben  Inschriften,  auf  denen 
die  neuen  Bachstaben  desselben  erscheinen,  wieder  die  Schreib- 
weise AI  für  den  damals  hingst  in  der  Sprache  zu  ae  abgeschwächten 
Laut  des  ehemaligen  Diphthongen  ai  besonders  häutig  hervortritt 
und  wieder  Mode  wird.  Aber  nach  dem  Tode  des  schreibseligen 
Kaisers  kamen  seine  neu  erfundenen  drei  Buchstaben  um  so  mehr 
wieder  ausser  Gebrauch  (/yo.sV  oblitteratae,  ine.  n.  0.),  da  sie  auch 
bei  seinen  Lebzeiten  keineswegs  eu  allgemeiner  Geltung  gelangt 
waren;  daher  tritt  denn  auch  in  Öffentlichen  Urkunden  die  alle 
Schreibweise  wieder  ein.  I'riscian  und  die  anderen  Grammatiker 
fanden  daher  nur  ein  Mphabet  von  23  Buchstaben  im  gewöhnlichen 
Gebrauch,  wie  es  sich  seil  der  Aufnahme  des  Griechischen  V  und 
%  zu  Ciceros  Zeiten  gestaltet  halle. 

Es  hat  auch  nicht  an  Grammatikern  gefehlt,  die  gewisse 
Buchstaben  aus  dem  Lateinischen  Alphabet  ganz  verweisen  woll- 
ten. So  wollte  schon  zu  Ciceros  Zeil  Lieinius  Calvus 
das  Q  aus  dem  Lateinischen  Alphabet  ausweisen  und  Varros 
Zeitgenosse  Nigidius  Pigulus  ausser  dem  Q  auch  X.  in- 
dem er  das  Q  im  Attischen  Alphabet,  das  \  auf  den  ältesten 
Lateinischen  Sprachdenkmälern  nicht  vorfand  [Mar,  Victorin.  />. 
2456.  vgl.  Schneider  tat.  Gr.  I,  :>'2v  Anm\).  Wenn  Marius  Vir- 
torinus  (p.  2458.  240S)  nur  die  sechzehn   Buchslaben  a,  b,  c,  »I 


—     15     — 

e,  i,  k,  1,  m,  n,  o,  p,  g,  r,  s,  t  als  ursprünglichen  Bestand 
des  von  den  Griechen  überkommenen  Lateinischen  Alphabets  rech- 
net, also  f,  g,  h,  v,  x,  y,  z  als  spatere  Erfindungen  ansieht, 
so  ist  das  eine  erklärliche  Theorie.  Das  G  war  ja  in  der  That  jünge- 
ren Römischen  Ursprunges,  die  Schriftzeichen  F,  H,  V  hatten 
lautliche  Bedeutung  oder  Stellung  im  Lateinischen  Alphabet  ver- 
glichen mit  dem  Griechischen  verändert,  X  sahen  schon  Varro  und 
Nigidius  Figulus  und  nach  ihnen  andere  Grammatiker  als  ein  ent- 
behrliches Sparzeichen  für  zwei  Buchstaben  CS  oder  GS  an  und 
hielten  es  für  jüngeren  Ursprunges  (vgl.  Schneid.  Lat.  Gramm.  I, 
eJ7r>./'.),  Y  und  Z  sind  erst,  seit  Ciceros  Zeit  in  Griechischen  Wörtern» 
die  ins  Lateinische  übertragen  wurden,  geschrieben  worden.  Jene 
sechzehn  Lateinischen  Buchstaben  aber  fand  Marius  Victorinus  an 
der  entsprechenden  Stelle  im  Dorischen  Alphabet  wieder,  sie  schie- 
nen ihm  also  als  die  ursprünglich  von  den  Griechen  überkommenen. 

Der  Schriftgebrauch  hat  sich  indessen  ebenso  wenig  an  die  puri- 
stischen Neigungen  und  Theorien  des  Licinius  Galvus  und  Nigidius  Fi- 
gulus gekehrt  und  das  0  oder  X  aus  dein  Alphabet  verwiesen,  als  er 
sich  auf  die  Dauer  von  Claudius  drei  neue  Buchstaben  aufnolhigen 
liess,  von  denen  doch  zwei,  das  d  und  das  h,  wirklich  nützlich  waren, 
indem  sie  die  Genauigkeit  der  Lautbezeichnung  durch  die  Schrift 
(orderten.  Es  blieb  also  das  Laieinisehe  Alphabet  im  Wesentlichen 
auf  dem  Standpunkte,  auf  dem  es  im  Blüthezeitalter  der  Römischen 
Litleratur  gestanden  hat.  Dass  von  den  Neuerungen  in  der  Schrift 
eigentlich  keine  zu  allgemeiner  und  dauernder  Geltung  kam,  die 
meisten  aber  ganz  scheiterten,  lag  in  der  Macht  des  Herkommens, 
welche  auch  den  staatlichen  und  kirchlichen  Formen  der  Römer 
die  zähe  Lebensdauer  verlieh.  Das  Andenken  an  die  Zeiten  der 
Grosse  und  des  Glanzes  der  Nation  ist  den  späteren  Römern  bis 
Boethius  und  Cassiodorus  hinab  immer  lebendig  geblieben;  hervor- 
ragende Geister  suchten  in  dieser  stolzen  und  wehmüthigen  Er- 
innerung Trost  und  Vergessenheit  für  eine  armselige  Gegenwart. 
Man  kann  sich  nicht  wundern,  dass  diese  Römer  more  major  um 
schreiben  wollten,  wie  sie  es  in  ehrwürdigen  Gesetzesurkunden 
ihrer  grossen  Ahnen,  in  den  Handschriften  des  Ennius  und  Vergilius, 
des  Cicero  und  Livius  vorfanden,  aus  denen  ihnen  das  Bild  jener 
besseren  Tage  ihres  Volkes  vor  die  Seele  trat. 

Wenn  aber  der  Werth  einer  nationalen  Schrift  darin  liegt,  dass 
sie  mit  möglichster  Genauigkeit  die  Unterschiede  der  im  Bereich 


—     16     — 

der  Sprache  vorhandenen  Laute  durch  augenfällige  Zeichen  darstellt, 
so  kann  man  sich  nicht  verhehlen ,  dass  die  Griechen  im  Vergleich 
mit  den  Römern  jene  überlegene,  bewegliche  und  schöpferische  Er- 
findungskraft auch  in  der  sinnreichsten  menschlichen  Erfindung  in 
der  Schrift  bewahren.  Diese  erreicht  den  Grad  der  Ausbildung  und 
Verfeinerung,  dass  sie  neben  der  Tonge staltung  und  der  Ton- 
färbung  die  Tonhöhe,  den  Tonhauch  und  zum  Theil  auch 
die  Tondauer  der  sprachlichen  Laute  durch  sichtbare  Schrift- 
zeichen ausdrückte,  während  die  gewöhnliche  Schrift  der  Römer 
nicht  nur  verschiedene  Laute  ihrer  Sprache  wie  den  Consonanten  v 
und  den  Vokal  u,  den  Consonanten  j  und  den  Vokal  i  in  der  Schrift 
nicht  unterschied,  sondern  auch  die  Tonhöhe  des  sprachlichen 
Lautes  gar  nicht,  die  Tonlänge  in  der  Regel  nicht  bezeichnete. 


2)  Aussprache  der  Consonanten. 

Nachdem  die  Geschichte   der  Lateinischen   Schriftzeichen  in 

Betracht  gezogen  ist,  wendet  sich  nunmehr  die  Untersuchung  zu 
der  Aussprache  der  Laute,  die  durch  jene  bezeichnet  worden  sind. 
Da  für  diese  Frage  insbesondere  die  Consonanten  von  hervorragen- 
der Wichtigkeit  sind,  wie  dies  der  Gang  der  Untersuchung  genug 
saiu  herausstellen  wird,  so  wird  liier  zutust  von  der  Aussprache  der 
Consonanten  die  Rede  sein,  dann  von  der  Aussprache  der  Vo- 
kale, indem  nach  einander  die  M  u  i  eu,  die  Liquiden,  die  Zisch- 
laute und  die  Halbvokale,  endlich  die  Vokale  der  Prüfung 
unterworfen  werden. 

G  uttu  ra  I  •'. 

K.  C. 
Es  ist  bereits  die  Rede  davon  gewesen,  dass  der  altere  Buch- 
stabe für  die  Gutturale  Tennis  K  ausser  Gebrauch  kam-,  als  in 
der  Altlateinischen  Sprache  der  I  nterschied  zwischen  der  Gutturalen 
Teuuis  und  .Media  sieh  für  eine  Zeit  lang  verdunkelte,  dann,  als  er 
wieder  deutlich  hervortrat,  C  die  Te  nuis  und  seil  der  Zeh  des  ersten 
Punisehen  Krieges  C  die  .Media  bezeichnete,  her  Laut  des  C  i>t 
im  Lateinischen  also  ursprünglich  derselbe  wie  der  K-Iaut  in  den 
verwandten  Sprachen.  Indessen  hat  derselbe  gerade  im  Lateinischen 
seine  ganz  eigentümliche  Entwicklungsgeschichte  durchgemacht. 


41 

Für  diese  ist  nicht  von  hervortretender  Bedeutung  das  Entstehen 
des  c  aus  g  und  h  unter  der  hekannten  assimilierenden  Einwir- 
kung einer  folgenden  tenuis  oder  des  scharfen  Zischlautes  s  in 
den  Bildungen  wie  auctum,  lectum,  flexi,  vexivon  augeo, 
lego,  fligo,  rego,  traxi,  tr actum,  vexi,  vectum  von 
traho,  vcho,  oder  das  durch  Assimilation  aus  d  entstandene  c 
in  ic circo,  quicquid,  quicquam,  nequicquam,  wie  die 
ältesten  Handschriften  schreiben.  Mehr  dem  Lateinischen  eigen- 
thümlich  ist  die  Zerstörung  der  gutturalen  Tenuis  vor  folgendem 
n  in: 

ara-nea,  vgl.  aQa%vy\,  dc-ni,  vgl.  decem 

c  c 

la-na,  la%vri,     qui-ni,       quinque. 

c  nc- 

lu-na,  luceo. 

c 
Ehenso  schwindet  das  c  vor   t,   wenn  ihm  ein    nasales  n  vorher 
geht,  in: 

quin-tus,  Quin-tius,         neben  Quinctius, 

c  c 

und  in  der  spateren  Volkssprache  in: 

„     s a n -ti  s s  . . ,  /.  Neap.  49 1 1 . 
c 
cin-tu(m),  I.N.  3030. 

c 
dehin-ti,  /.  N.  1986.  für  devincti. 
c 
Auf  einer  Christlichen  Inschrift  des  sechsten  Jahrhunderts  findet 
sich  (/.  N.  G9G)  regnancte,  ein  Schreibfehler,  der  daraus  ent- 
stand, dass  man  das  c  vor  t  nach  n  in  Wörtern  wie  einet o  saneto 
zum  Theil  noch  schrieb,  aber,  nicht  mehr  sprach,  also  auch  das 
auf  derselben  Inschrift  vorkommende  sanete  ehenso  ausklang  wie 
regnante.     Daher  wird  denn  im  Italienischen  santo,    cinto, 
giunto  gesprochen  und  geschrieben. 

Das  c  fällt  ferner  weg  nach  den  liquiden  r  und  1  vor  folgendem 
t  und  s  in  den  Wortformen  wie : 

artus,  vgl.  arceo,  tortus,      vgl.     torqueo, 

fartus,         farcio,  parsimonia,     parco, 

CORSSEN.  2 


—     18     — 

hört us,    vgl.    herctum,         mulsi,     vgl.     mulceo. 
co-hortes,  mulsum, 

cortis,  £Q%0S) 

Von  der  hervorragendsten  Wichtigkeit  aber  ist  hier  die  Frage, 
ob  das  C  in  gewissen  Fällen  seinen  ursprünglichen  K-laut  geän- 
dert hat  und  in  einen  Zischlaut  übergegangen  ist.  Zunächst 
wird  also  zu  untersuchen  sein,  ob  das  c  im  Lateinischen  vor  den 
vokalischen  Lauten  e  und  i  und  demgemäss  auch  vor  ae,  eu  zu 
dem  Ton  herabgesunken  ist,  den  das  Französische  c  vor  i 
und  e,  seltener  vor  anderen  Vokalen  hat,  oder  des  deutschen 
z,  wie  wir  ihn  bei  der  Aussprache  Lateinischer  Wörter  hören  las- 
sen, oder  zu  dem  Ton  des  Italienischen  c  vor  den  Vokalen  i 
und  e  (tsch),  mit  dem  die  Italiener  heut  zu  Tage  die  betreffenden 
Lateiniscben  Wörter  aussprechen.  Die  Erweichung  der  Tenuis  c 
zum  Zischlaut  findet  sich  unter  den  dem  Lateinischen  verwandten 
Sprachen  zunächst  im  Um bri sehen  Dialekt,  in  welchem  dasselbe 
vor  i  und  e  nicht  bloss  zu  Q,  einem  Laut  der  im  Umbrischen  durch 
einen  besonderen  Buchstaben  <J  ausgedrückt  wird,  sondern  auch 
zu  s  abgeschwächt  wird.    So  in: 

C,esna,     vgl.     Lat.     cena, 

isec,etes,  insectis, 

prosec/etis,  prosectis, 

d  e  s  e  n  d  u  f ,  d  u  o  d  e  c  i  m , 

curnase,  cornice, 

pasc,  p  a  c  e 

(vgl.  Umbrische  Sprachdenkmäler.  Aufr.  u.  Kirehh.  I  S.  71  f.). 
Indessen  ist  auch  hier  die  Assibilation  des  c  vor  e  und  i  nicht  völ- 
lig durchgedrungen,  wie  die  Umbrischen  Schreibweisen  Naharce, 
Tu  sc  er,  Puprike  zeigen.  Diese  Assibilation  im  Umbrischen  Dia- 
lekt ist  aber  doch  für  die  Aussprache  des  Lateinischen  c  vor  i  und  e 
nicht  beweisend.  • 

Aeltere  Gelehrte  haben  bereits  die  Gründe,  die  gegen  die  An- 
nahme einer  assibilierten,  dem  deutschen  z  ähnlichen  Aussprache 

des  c  vor  i  und  e  sprechen,  einer  sorgfältigen  Prüfung  unierzogen 
und  sich  gegen  die  Annahme  derselben  erklärt  {Scheller,  Ausführt. 
Sprachlehre  S.  6./.  Grotefend ,  Lat.  Gr.  §  \M.  Schneider,  Lat. 
Gramm.  I,  244  /'.);  indessen  sind  dabei  die  verschiedenen  Zeilen 
der  Lateinischen  Sprache  nicht  geschieden  und  manche  nicht  streng 


-     19     — 

beweisende  Gründe  angeführt  worden.  Dass  in  der  ältesten  Zeit  die 
Tenuis  vor  e  den  K-laut  hatte,  beweist  die  Aufschrift  eines  Alt- 
lateinischen Thongefä'sses : 

A  e  c  e  t  i  a  i  für  A  e  q  u i  t  i a  e ,  Ritschi,  de  ftctil.  litt.  Latin,  anliq.  p.  17. 

und  die  schon  erwähnte  Schreibweise: 

'dekem  (bres) 

auf  der  sehr  alten  Inschrift  des  Columbarium  von  Somaschi.  Dass 
die  Römer  in  der  Zeit,  wo  die  Griechen  zuerst  Lateinische  Wörter 
in  ihre  Sprache  und  Schrift  übertrugen,  das  c  auch  vor  e  und  i 
wie  k  sprachen,  ergiebt  sich  daraus,  dass  dieser  Laut  in  Griechi- 
scher Schrift  stets  durch  k  ausgedrückt  wird,  wofür  hier  einige  Bei- 
spiele Platz  finden  mögen: 

xrjvöov,  Corp.  Inscr.  Graec.  II,  3497.  3751. 

xrjvöag,  Lyd.  de  mag.  I,  39. 

Kyiv<5oq{l)vg),  C.  I.  Gr.  II,  2698b. 

Kevttfvtog,  Polyb.  111,  86." 

xEvrovQLcov £g,  Polyb.  VI,  24.    Lyd.  de  mag.  I,  9. 

KUaog,  C.  I.  Gr.  II,  2949.  3463. 

KeGziu,  C.  I.  Gr.  6245. 

axntY\<5iog,    Lyd.    d.    n\ag.    II   epit.  p.    164.      Athen.   VII, 

p.  294.  F. 
IICx£vt£q,  Strab.  M.  Polyb.  III,  86  u.  a. 
KQrjöxsvrtva,  Dion  Cass.  11 ,  p.  1302. 
z/  exevTLog,  Steph.  Byz.  p.  224.  M. 
IIovTiquxsQ,  Dion.  Halic.  A.  R.  II,  73. 
Ileöxsvvcog,  C.  I.  Gr.  II,  3669, 
Kix£Qcov ,  Plut.  Cic. 
KCiiivia,  Strab. 
Klqxcciov ,  Strab. 
7taxQixiov g,  Plut.  Rom.  c.  13. 
Mccqqovxlvcov,  Strab. 
Eiduxivov,  Strab. 
TiQiyxi'jtia,  Plut.  Galb.  c.  12. 

Ebenso  drücken  die  Römer,  seitdem  sie  Griechische  Wörter  in 
ihrer  Schrift  wiedergeben,  das  Griechische  x durch  c  aus,  sie  schrei- 
ben also: 

2* 


—     20     — 

Cecrops,  Cilix,  Cybele, 

c  e  d  r  i  n  u  s ,  C  i  m  o  n ,  C  y  g  n  u  s , 

cera,  Cineas,  Cylon, 

cerasus,  cithara,  Cyprusu.  a. 
c  e  t  u  s , 

Und  so  sind  diese  Schreibweisen  durch  alle  Zeiten  geblieben. 

Dass  in  den  Zeiten  des  Emporblühens  und  der  Blüthe  der  Rö- 
mischen Litteratur  das  c  seinen  ursprünglichen  Laut  vor  e  und  i 
wahrte,  zeigt  auch  der  Lautwechscl  des  c  mit  q,  g  und  ch  in  den 
Wortformen : 

Querquetulanus,   vgl.  quercetum, 

viginti,  vicensumus, 

triginta,  tricies, 

pul  eher,  pule  er, 

[Cic.  Oral.  c.  48.  Serv.  ad  Verg.  G.  III,  233.  Wagner,  Orthogr. 
Verg.  p.  421)  denn  ein  Zischlaut  c,  konnte  im  Lateinischen  niemals 
in  einen  Gutturalen  übergehn. 

Dass  auch  in  der  Kaiserzeit,  als  deutsche  Fürsten  nach  dem 
Römischen  Ehrentitel  prineeps  oder  magister  militum  trachteten, 
der  K-laut  des  c  vor  i  und  e  ungeschwächt  blieb,  zeigen  die  ins 
Gothische  übertragenen  Lateinischen  Wörter  und  überhaupt  diejeni- 
gen Wörter,  die  aus  dem  Lateinischen  frühzeitig  in  eine  Deutsche 
Mundart  übertragen  sind.    Man  vergleiche: 

Goth.  aikeits,  Lat.  acetum,    Nhd.  Kaiser,  Lät.  Caesar, 
a  Li  rk  e  i  s,         u  r  c  e  u  s ,  Keller,  cell  tri  u  m , 

karkara,         carcer,  Kerker,         carcer, 

lukarn,  lue  er  na,  Kerbel,         cerefolium, 

Kirsche,        cerasus, 
Rieh  er,         cic  er. 

[Grimm,  Deutsche  Gr.  I,  68.  Not.  Dietz,  Gramm,  d.  Rom.  Spr> 
I,  197.)  Erst  seit  in  den  Romanischen  Sprachen  und  im  mittelal- 
terlichen Latein  c  vor  c  und  i  assibilierl  gesprochen  wurde,  schrieb 
und  sprach  man  demgemäss  die  aus  jenen  Idiomen  aufgenommenen 

Wörter  mit  z,  wie  Zelle,  Zirkel,  Zither  u.a.  Auf  Inschriften 
der  älteren  Kaiserzeit  findet  sich  ferner  statt  c  bisweilen  g  oder  <| 
geschrieben ;  so : 


—     21     — 

Ceminius,  Grut.  p.  301.         Primicenius,  Gr.  107,  4. 
Cenialis,  Gr.  80,  6.  Vercilia,  Gr.  377,  1. 

Incenus,  Gr.  104,  8.  Cintus,  £r.  918,  20  (Quin  tu  s). 

liquebit,/.i?.^.460(licebit), 

Schreibweisen  aus  denen  sich  ergiebt,  dass  c  vor  e  und  i  noch 
eigentliche  Gutturale  Tenuis  war  und  dem  g  wie  dem  q  ähnlich 
klang.  Dasselbe  zeigen  für  die  späteste  Zeit  der  Römischen 
Volkssprache  die  Schreibweisen  auf  Christlichen  Grabschriften 
wie: 

requiesquet,  /.  N.  3491.  für  r e q u i e s c i t. 

quae  squen  ti,  /.  N.  7155.  (p.  Chr.  397.)  quiescenti. 

quesqui,  Fleetwood,  Syll.  Inscr.  Mon.  Chri-  quicscit. 

stian.  387,  1. 

cesquet,  a.  0.  459,  2.  Grut.  1057,  9.  quiescit. 

sicis,  Gr.  1056,  1.  siquis. 

Das  bisherige  Ergebniss  der  Untersuchung  wird  dadurch  be- 
stätigt, dass  die  Romischen  Grammatiker  des  vierten  und  fünften 
Jahrhunderts  dem  Schriftzeichen  C  so  vollkommen  dieselbe  lautliche 
Geltung  beilegen  wie  dem  K,  dass  sie  den  einen  von  beiden  Buch- 
staben für  überflüssig  zu  halten  geneigt  sind  (Terent.  Scaur.  p. 
2253.  P.),  und  dass  sie  von  einer  verschiedenen  Aussprache  des  c 
vor  verschiedenen  Vokalen  nichts  erwähnen.  Endlich  finden  sich 
noch  in  den  Urkunden  des  sechsten  und  siebenten  Jahrhunderts 
nach  Christus  die  Schreibweisen: 


d  sxsl, 

für  decem, 

cpEixueQoii,    fürfecerunt, 

Ö  £XI{1, 

- 

dovccTQixi,           donatrici, 

CpSXCT, 

fecit, 

xQovxsg,               cruces, 

CpLXST, 

ßixsöa^svog,     vicedomi- 

(prjTCLT, 

Marin. 

In- 

nus, 

scr. 

Alb.  HO. 

7taxst(p 

ixog, 

pacifi- 

cus, 

xißetaTS,               civitate. 

vevdst 

ql: 

KCCL. 

i 

v  e  n  d  i  - 

trici. 

{Dielz,  Gramm,  d.  Rom.  Spr.  I,  197.) 

Demnach  ist  erwiesen ,  dass  noch  bis  nach  Untergang  desWest- 
•ömischen  Reiches  das  c  vor  e  und  i  wie  ein  K-laut  gesprochen  wor- 


—     22     — 

den  ist,  die  Assibilation  desselben,  wie  sie  in  den  Romanisehen 
Sprachen  erscheint,  also  erst  nach  dem  siebenten  Jahrhundert  durch- 
gedrungen sein  kann. 

Eine  besondere  Erörterung  erfordert  nun  aber  der  Laut  des  c 
vor  i  mit  folgendem  Vokal  wegen  der  zwischen  ci  und  ti 
schwankenden  Schreibweise  zahlreicher  Wortformen.  Dass  ur- 
sprünglich Lateinisches  ci  mit  folgendem  Vokal  ki  gelautet  hat,  zei- 
gen die  Griechischen  Schreibweisen: 

z/£ZfcOg,      7tUT  QLXLOg  ,      KOQV  LfpCxtO  £,      IIoQxiog, 

Asvxiog,  <&aßQCxiog,    Ma^ieQxcog,         IloQxCa, 

und  zahlreiche  andere;  dass  Lateinisch  ti  mit  folgendem  Vokal 
dem  Griechischen  xi  gleichlautete,  ergiebt  sich  aus  Schreibweisen 
wie: 

MccQt  tog ,  Ovoxovriog,  Hixbvx  Ca,  OaovevTuu, 
Zl sxsvztog,    Boxovnog,        IlXaxevxCa,    OvalevrCa 

und  ähnlichen  bei  den  Griechischen  Schriftstellern  wie  in  Inschrif- 
ten. Wie  erklärt  sich  nun  dass  die  Römer  im  Laufe  der  Zeit  ci 
und  ti  vor  folgendein  Vokal  verwechseln?  Im  diese  Frage  zu  beant- 
worten, sind  also  Sprachdenkmäler  verschiedener  Zeilen  in  Betracht 
zu  ziehen,  und  zwar  können  dies  für  die  ältesten  Zeiten  nur  Inschrif- 
ten sein,  da  die  ältesten  Handschriften,  die  wir  besitzen,  wie  der 
Ambrosianische  Palimpsest  des  Plautus,  der  Mediceua  desVirgil  und 
die  Veroneser  Handschrift  des  Gaius,  höchstens  bis  ins  vierte  Jahr- 
hundert nach  Christus  hinaufreichen. 

In  Bezug  auf  diese  Frage  sind  neuerdings  die  Inschriften  einer 
kritischen  Prüfung  unterworfen  worden  von  E.  Unebner  (X  Jahrb. 
LXXVII,  339  f.  Bec.  Ferd.  Schulzii  orthographicarum  quaesiionum 
decas.  — Paderb.  1855.),  die  zu  dem  Ergebniss  führt,  <la>s  das 
Schwanken  der  Schreibweise  zwischen  ti  und  ci  mil  folgendem  Vo- 
kal nicht  so  häutig  ist,  als  man  nach  den  bisherigen  Texten  der  In- 
schriften glauben  konnte,  dass  vielmehr  auf  den  zuverlässigen 
Denkmälern  der  Republikanischen  und  der  älteren  Kaiseizeit  ge- 
wöhnlich für  ein  Wort  auch  nur  die  eine  der  beiden  Schreibweisen 
üblich  ist,  wenn  sich  auch  einzelne  Spuren  jenes  Schwankens  lin- 
den. Allein  verbürgt  durch  Inschriften  erscheint  zunächst  die 
Schreibweise : 

contio,  /.  Thor.  t.  Salpens.  Or.  Hotz.  7421. 


—     23     — 

und  auch  die  ältesten  Handschriften  des  Plautus  und  Gaius  kennen 
nur  diese  {Fleckeis.  Epist.  crit.  p.  7  f.    Gaius,  ed.  Laclim.  Praef. 
p.  36/.)-    Die  Vergleichung  von  contione  mit: 
coventionid,  Sc.  d.  Bacc. 

zeigt,  dass  contio  aus  conventio  entstand,  mithin  jene  Schreib- 
weise etymologisch  richtig  ist.  Schon  oben  (S.  73)  sind  aus  Inschrif- 
ten der  Gracchenzeit  angeführt: 

n  o n  t i a t a ,  Sc.  d.  Tiburt.  p  r o  n o  n  ti a  t  o ,  a.  0. 

(den)ontiari,  t.Bant.L  rep.(Serv.)  pronontiatum,  fr.Maf- 
pronontiarit,  a.  0.  fei,  Mus.  Ver.  p.  365. 

Auch  die  besten  Inschriften  aus  der  letzten  Zeit  der  Republik 
und  der  älteren  Kaiserzeit  bestätigen  die  Schreibart  mit  t  für: 

n  u  n  t  i  u  s , 

und  alle  abgeleiteten  und  zusammengesetzten  Wörter  dieses  Stam- 
mes, vgl.  /.  lul.  mun.  Cen.  Pis.  Or.  643.  Or.  3118.  1417.  /.  N. 
7143.  6886.  Or.  Henz.  6086.  6429.  I.  Medac.  Or.  Henz.  7421. 
Huelrn.  a.  0.  358,  womit  auch  die  ältesten  Handschriften  des  Plau- 
tus, Vergilius  und  Gaius  übereinstimmen.  Diese  Schreibweise  ist 
auch  etymologisch  die  richtige.  Wie  die  oben  erwähnte  alte  Form 
nountios  zeigt,  hängt  das  Wrort  mit  novus  zusammen;  vom 
Stamme  novo-  ward  ein  Verbum  novere  gebildet,  dessen  Partici- 
pialstamm  novent-  lautete,  und  mit  Anfügung  des  Suffixes  -io 
ward  von  diesem  noventius  gebildet,  gerade  so  wie  sich  verhalten 
Florus,  florere,  Florentia.  Aus  noventius  ist  mit  Ausfall 
des  Vokals  e  nountios  geworden  wie  aus  novendinae  noun- 
dinae. 

Durch  Inschriften  ist  ferner  allein  verbürgt  die  Schreibweise: 

setius,  /.  repet.  Or.  3121.  vgl  Bitschi,  Proll.  Irin.  p.  324. 

Unzweifelhaft  richtig  ist  die  Schreibung  mit  t  in : 

indutiae,  von  induitiae,  Gell.  I,  25.  H. 
fetialis,    vgl.  (pETialCav,  Dion.  Hai.  II,  72. 

cptTiaXiOL,  Plut.  Num.  c.  12. 
otium, 
negotium,  vgl.  Huebn.  a.  0.  357. 

Hingegen  geben  die  besten  Inschriften  die  Gewähr  für  die  Schreibart 


—     24     — 

condicio,  Grut.  126.  II.  574,  5  {p.  Ch.  93).  Or.  775  (p.  Ch. 
140.)  Or.  2417.  4360  {p.  Ch.  386).  /.  iV.  1504. 
6909.  5360.  U  Salpens.  t.  Malac.  Or.  Henz.  7421. 
Or.  Henz.  5593.  7321 , 

während  die  inschriftlichen  Beispiele  für  die  Schreibvveise  condi- 
tio nicht  sicher  zu  stehen  scheinen  {vgl.  Huebn.  a.  O.  354),  und 
so  schreibt  auch  der  Ambrosianus  des  Plautus  condicio  {Fleckeis. 
Rh.  Mus.  VIII,  23)  wie  die  Handschriften  des  Vergil,  Cicero 
de  republica  und  Gaius.  Etymologisch  aber  lässt  sich  nicht  sicher 
entscheiden,  ob  condicio  oder  conditio,  wie  andere  Hand- 
schriften haben,  von  condicere  herzuleiten  ist  oder  von  con- 
dere  {vgl.  Beiträge  zur  Lat.  Etymolog,  u.  Lexicogr.  Kaercher, 
p.  7  f.). 

Inschriftlich  verbürgt  ist  ferner: 

d  i  c  i  o  n  e ,  /.  rep.  {Serv.) 

während  in  Handschriften  neben  dicio  auch  ditio  erscheint  (vgl. 
Wagner,  Orthogr.    Verg.  p.  472.    Kaercher,a.  O.  p.  15/.). 

Indessen  bieten  doch  auch  die  Inschriften  Spuren  des  Schwan- 
kens der  Schreibweise  zwischen  ti  und  ci  mit  folgendem  Vokal.  So 
findet  sich : 

patritiorum,  Mon.  Ancyr.        vgl.  Gr.  TcatQtxiovg, 

wenigstens  nach  den  beiden  brauchbarsten  Copien  dieser  Inschrift*) 
und : 

t  r  i  1)  u  n  i  t  i  a  e ,  Or.  957.  Schoep/Iin ,  Alsat.   neben  t  r  i  b  u  n  i  c  i  a  e. 
I,  560  {p.  Ch.  222). 
Hingegen : 

m u n  d  i  c  i  e i ,  Or.  5  {p.  Ch.  1 36)       für  mundi tiei, 
dispo  sicioncm,  /.  N.  109  (sp&l )        d  i  sp  <>s  il  ionem. 

Thatsache  ist  ferner  das  Schwanken  der  Schreibweise  von  Inschrif- 
ten in  Namen  wie: 


*)  Nach  Franz,  Mon.  Anc.  p.   100,  haben  von  den  vier  Abschriften 

des  Monuments  die  beiden  besten,  die  von  Ohishull  (Tournefort)  und 
Paulus  Lucas  patritiorum;  nur  die  von  Bousbequius  hat  patri- 
ciorum,  die,  a.  O.  S.  12,  für  so  fehlerhaft  und  lückenhaft  erklärt 
wird ,  dass  sie  zur  Verbesserung  des  Textes  wenig  beitrage. 


—     25     — 

L a  r c i  u  s,  neben  L a r t ia ,  A b u c i u s ,  neben  A  b  u  t  i  u  s , 

Lacia,  Latia,  Caiacius,  Caiatius, 

Marcius,  Martia,  Munacius,  Munatius, 

Aucius,  Autius,  Neracius,  Neratius, 

Mucius,  Mutius,  Varacia,  Varatius, 

Accius,  Attius,  Volcaeius,         Volcatius. 

{Vgl.  Momms.  Inscr.  Regn.  Neap.  Ind.  Hnebner,  Qnaest.  Onom. 
p.  31.  39*).  Wenn  auch  einzelne  von  diesen  Namen  mit  verschie- 
denen Suffixen  -cio  und  -tio  gebildet  sein  können  wie  Marcius 
und  Marti us,  so  ist  dies  doch  für  andere  nicht  erweislich.  Auch 
konnte  der  Name  derselben  gens  oder  derselben  Person  nicht  ein- 
mal mit  c ,  das  andre  mal  mit  t  geschrieben  sein ,  wenn  nicht  eine 
Aehnlichkeit  des  Klanges  zwischen  ci  und  ti  mit  folgendem  Vokal  zu 
Grunde  lag. 

Auch  die  Autorität  der  besten  Handschriften  ist  für  die  vorlie- 
gende Frage  nicht  zu  verwerfen,  denn  bei  der  hervortretenden  Ue- 
bereinstimmung  in  der  Orthographie  zwischen  ihnen  und  den  In- 
schriften der  Augusteischen  und  der  besseren  Kaiserzeit  muss  man 
annehmen,  dass  in  Wörtern,  wo  jene  in  der  Schreibart  zwischen  ci 
und  ti  schwanken,  auch* im  Zeitalter  dieser  schon  ein  Schwanken 
hervortrat,  wenn  wir  diese  Wörter  auch  auf  Inschriften  nicht  ge- 
schrieben finden. 

Wenn  also  zum  Beispiel  der  Mediceus  des  Vergil  solacium 
schreibt,  der  Palatinus  solatia,  so  ist  man  zu  dem  Rückschluss 
berechtigt,  dass  ein  solches  Schwanken  schon  längere  Zeit  bestand. 
Ebenso  kommen  in  Handschriften  neben  einander  vor: 

convicium,  und  convitium,         secius,  und  setius, 
suspicio,  suspitio,  cocio,  cotio, 

doch  scheint  allerdings  die  Schreibweise  mit  t  handschriftlich  besser 
verbürgt.  Fleckeisen  {Rh.  Mus.  VIII,  221)  will  diese  Schreibart 
etymologisch  rechtfertigen,  indem  er  jene  Wortformen  von  ursprüng- 
lichen secitius,  cocitio,  convicitium,  suspicitio  ableitet; 
dem  stehen  aber  entschiedene  Bedenken  entgegen.    Da  c  zwischen 


*)  Hübner,  N.  Jahrb.  a.  0.  210,  verwirft  jetzt  die  Schreibarten 
Munacius,  Neracius,  Veracius,  Abucius,  Volcatius,  Minu- 
tius,  führt  jedoch  den  Beweis  dafür  nicht. 


—     26     — 

zwei  Vokalen  im  Lateinischen  nicht  ausfällt,  so  könnten  jene  abge- 
kürzten Formen  nur  durch  Ausfall  eines  i  entstanden  sein.  So  kann 
aber  nach  Lateinischen  Lautgesetzen  aus  secitius,  cocitio  wohl 
sectius,  coctio,  aber  nicht  setius,  cotio  entstehen.  Auch  aus 
convicitium,  suspicitio  konnte,  wenn  man  sich  das  zweite  i 
ausgefallen  denkt ,  nur  convictium  oder  convectium,  suspi- 
ctio  oder  suspectio  entstehen,  nicht  convitium,  suspitio. 
Dass  aber  das  erste  i  in  jenen  angenommenen  Grundformen  ausge- 
fallen wäre,  ist  deshalb  nicht  glaublich,  weil  die  Verba  specio  und 
voco  in  Zusammensetzungen  ihren  Stammvokal  sonst  nicht  ausfal- 
len lassen.  Erwägt  man  dazu ,  dass  amicitia,  pudicitia,  exer- 
citium  ihre  beiden  i  nach  c  und  nach  t  wahren,  so  erscheint  jene 
Vokalausstossung,  durch  die  convitium  aus  convicitium, 
suspitio  aus  suspicitio  geworden  sein  soll,  um  so  weniger  be- 
gründet. Man  wird  auf  den  Schluss  geführt ,  dass  der  ähnliche  Klang 
der  Endungen  -tio,  - 1  i  o  n ,  -tius  und  -cio,  -cion,  -cius  es  war, 
durch  den  die  etymologisch  unrichtige  Schreibweise  -tio  in  den  ge- 
nannten Wortformen  veranlasst  wurde,  da  ja  bekanntlich  die  Schrei- 
ber guter  Handschriften  schlechte  Etymologen  sein  konnten*). 

So  viel  erhellt  also,  dass  im  zweiten  Jahrhundert  nach  Christus 
bereits  ein  Schwanken  zwischen  der  Schreibweise  ci  und  ti  mit  fol- 
gendem Vokal  auf  Inschriften  hervortritt,  dass  wir  aus  Handschrif- 
ten einen  Rückschluss  machen  dürfen  auf  ein  höheres  Alter  dessel- 
ben, und  dass  es  im  Lauf  der  Zeiten  immer  mehr  zugenommen.  Es 
ist  nun  der  Grund  für  diese  Erscheinung  zu  suchen.  Ein  Umschla- 
gen der  gutturalen  tenuis  c  in  die  linguale  t  oder  umgekehrt,  wo 
diese  frei  zwischen  zwei  Vokalen  stehen,  ist  auf  dem  Boden  der  La- 
teinischen Sprache  unerhört ;  es  kann  auch  hier  nicht  angenommen 
werden.  Es  muss  vielmehr  in  der  Lautfolge  ia,  io,  iu,  ic  nach  t 
und  c  der  Grund  liegen,  wodurch  die  ursprünglich  ganz  verschie- 
denen Consonanten  ähnlich  zu  lauten  anfingen,  denn  nur  vor  diesen 
Laut  Verbindungen  erseheint  der  Wechsel  dieser  Schreibweise  zwi- 
schen t  und  c,  während  sich  nirgends  Schreibfehler  wie  milicis 
für  militis  oder  felitis  für  fei  ins  linden. 

Um  jenen  Grund  zu  erkennen  ist  zu  untersuchen  wie  die  1hm- 


•)  Auch  die  Ableitungen  Fleckeisens  litera  für  licitera  von  Skr. 
Wmrx.  likh  (schreiben)  und  nitor  von  gnicitor,  a.  0.  p.  229.  230 

erscheinen  aus  den  hier  angt führten  lautlichen  Gründen  nieht  haltbar. 


—     27     — 

den  in  Rede  stehenden  Lautverbindungen  in  der  Spätlateinischen 
Volkssprache  klangen.  Auf  Christlichen  Grabschriften  finden  sich 
die  Schreibvveisen: 

Consta ntso,  Fleetw.  Mon.  Christ,  p.  377,  2.  für  Constantio. 
Bincentce,  Mai,  Script.  Vet.  n.  c.  V,  423,  1.        Vincentiae. 

In  Italienischen  Urkunden  des  sechsten  und  siebenten  Jahrhunderts 
ist  geschrieben: 

dovat,iove^i ,    für   donationem,     cbcr£to,  für  actio. 
dov  a^vov  eg ,  donationes, 

(Bielz,  Gr.  d.  Rom.  Spr.  I,  198.)  Im  siebenten  Jahrhundert  sprach 
man  nach  dem  Zeugnisse  des  Isidor  (Orig.  I,  26) 

iustizia,      milizia,      malizia,      nequizia, 

und  nach  Consentius  (c.  13.  S.  12.  Cr.  u.  Buttm.  vgl.  Schneider, 
Lat.  Gr.  I,  356.    Hucbner ,  a.  0.  342.)  auch 
eziam. 

Die  Allgemeinheit  dieser  Aussprache  wird  bestätigt  durch  den  Gram- 
matiker Pomp  ei  iis,  in  Hb.  Donali  de  barbar.  et  metapl.  Lindem. 
S.  424  f.  (Hnebner,  a.  0.):  quotienscumque  post  ti  vel  di 
s y  1 1  a b a m  s e q u i t u r  vo c a  1  i  s ,  i  1 1  u d  t i  vel  d  i  in  s i b i  1  u  m 
vertendum  est,  doch  wird  diese  Assibilation  auf  den  Inlaut  be- 
schränkt und  unterbleibt  auch  wenn  dem  t  ein  s  vorhergeht.  Also 
der  Laut  des  t  vor  i  mit  folgendem  Vokal  ist  in  den  vorhergehenden 
Schriftdenkmälern  durch  ts,  tc,  t£,  %  und  z  dargestellt,  es  muss 
also  einen  zwischen  t  und  s  in  der  Mitte  liegenden  Laut  gehabt  haben 
wie  das  Italicnische  z  od^r  zz.  Die  Form  Constantso  verhält  sich 
zu  Constantio  wie  Italienisch  Arezzo,  palazzo  zu  Lateinisch 
Aretium,  palatium,  wie  Italienisch  Piacenza,  Firenza  zu 
Lateinisch  Placentia,  Florentia.  In  diesen  Formen  wurde  das 
t  assibiliert  zu  z  durch  das  folgende  i,  und  dieses  fiel  dann  aus; 
ging  aber  dem  z  ein  Vokal  voraus,  so  ward  dasselbe  durch  den 
Hochton  der  Silbe  verschärft,  also  doppelt  geschrieben.  In  Con- 
stantso ist  die  Assibilation  durch  das  Schriftzeichen  s  dargestellt 
und  das  folgende  i  wie  in  jenen  Italienischen  Wörtern  ausgefallen. 

In  einer  anderen  Christlichen  Inschrift  findet  sich  die  Schreib- 
weise : 

Urbitcius,  Grut.  1059,  3.     vgl.   urbicus. 


—     28     — 

Das  t  c  drückt  hier  entweder  den  zwischen  lingualer  und  gut- 
turaler Tenuis  in  der  Mitte  liegenden  assibilierten  Laut  aus,  den 
das  Italienische  c  vor  i  und  e  hat  in  Wörtern  wie  ufficio,  pa- 
tricio,  Mincio,  faccia,  Squillace,  oder  einen  dem  Italieni- 
schen z  ähnlichen  Laut. 

Beide  Laute  sind  in  der  Stärke  der  Assihilation  verschieden, 
hei  jenem  wird  der  dicke  volle  Zischlaut  seh,  bei  diesem  der  scharfe 
feine  Zischlaut  s  hörbar. 

Wenn  also  schon  in  der  älteren  Kaiserzeit  die  Lautverbindun- 
gen ci  und  ti  mit  folgendem  Vokal  sich  so  ähnlich  lauteten, 
dass  sie  mit  einander  verwechselt  werden  konnten,  wenn  in  der 
Spätlateinischen  Volkssprache  die  Assibilation  des  c  und  t  in  dieser 
Lautverbindung  schon  so  entschieden  ausgeprägt  war,  dass  dieselbe 
in  Lateinischer  wie  in  Griechischer  Schrift  durch  ein  besonderes 
Schriftzeichen  ausgedrückt  wird,  so  folgt  daraus,  dass  diese 
Assibilation  schon  begonnen  halte,  ehe  jene  Verwechselung 
in  den  Schriftgebrauch  eindrang,  dass  sie  es  war,  welche  die 
Aehnlichkeit  der  beiden  Lautverbindungen  ci  und  ti  mit  folgen- 
dem Vokale  bewirkte,  so  dass  tribiinitiac  und  tribuniciae, 
mundiciei  und  munditiei  in  der  Aussprache  nicht  wesentlich 
verschieden  klangen,  wenn  auch  ein  aufmerksames  Ohr  noch  den 
Ton  des  assibilierten  Gutturalen  vom  assibilierten  Lin- 
gualen unterscheiden  konnte.  Dieser  feine  Lautunterschied  blieb 
auch  im  Sprachbewusstsein,  wo  er  in  der  klar  vorliegenden  Etymo- 
logie des  Wortes  einen  Anhalt  fand,  also  in  Wortformen  wie  Lu- 
cius, Graecia,  artificium,  auspicium,  mendacia,  fas- 
cia,  atrocia  im  Gegensatz  zu  precantia,  audientium,  obe- 
dientia,  patientia,  namentlich  im  Munde  der  Gebildeten;  und 
dass  demgemäss  noch  Ulphilas  den  Klang  des  Lateinischen  faseia 
durch  die  Gothische  Schreibweise  faskja  am  angemessensten 
ausdrückte,  beweist  natürlich  nicht,  dass  das  Lateinische  c  vor  i 
mit  folgendem  Vokal  von  der  Assibilation  unberührt  geblieben  wäre. 
Spätere  Griechische  Schriftsteller  schrieben  aber  Romische  Wör- 
ter im  Ganzen  so,  wie  sie  dieselben  im  älteren  Griechischen  und 
Lateinischen  Schriftgebrauch  vorgefunden  hallen,  also  .Itvxiog, 
TtatQiXi  o  £,  KoQvicpixiog,  IIoqxicc  u.  a. 

Zur  Erklärung  der  Assibilation  in  den  besprochenen  Lautver- 
bindungen ist  es  noch     nothwendig  einen  Blick  auf  das  Auftreten 


—     29     — 

der  Assibilation  in  einigen  der  Lateinischen  nahe  verwandten  Spra- 
chen zu  werfen.  Dass  auf  dem  Boden  der  Italischen  Sprachen  die 
Assibilation  des  c  vor  i  mit  folgendem  Vokale  frühzeitig  begann, 
zeigt  der  Umbris  che  Dialekt.  Es  ist  schon  erwähnt,  wie  dieser 
überhaupt  den  K-laut  vor  e  und  i  zu  c  assibilierte,  und  mit 
Wegfall  des  gutturalen  Lautelements  zu  s  sinken  lassen  konnte; 
hierher  gehören  insbesondere  die  Wortformen  in  denen  c  vor  fol- 
gendem ia,  iu  sich  findet  wie: 

facja,  Lat.  faciat,  Italien,  faccia, 

vestiqi  a,  neben  vestisia,  vestisa, 

fac,iu,  Lat.  facere  (U?nbr.  Sprachd.  A.  K.  I,  S.  71  f.) 

Die  Form  vestisa  zeigt,  dass  auch  im  Umbrischen  das  i  aus- 
fallen konnte,  nachdem  es  den  vorhergehenden  Consonanten  assi- 
biliert  hatte  wie  im  Spätlateinischen  und  Italienischen.  Wenn  die 
nationale  Schrift  der  llmbrer  für  den  assibilierten  K-laut  ein  eigenes 
Schriftzeichen  erfand  d,  so  muss  derselbe  in  der  Sprache  schon 
entschieden  Platz  gegriffen  haben  und  den  Umbrischen  Schriftge- 
lehrten zum  Bewusstsein  gekommen  sein.  Es  erhellt  ferner  daraus, 
dass  jene  Assibilation  eingetreten  ist  lange  vorher,  ehe  in  Umbrien 
Römische  Schrift  und  Sprache  in  geschäftlichen  Gebrauch  gekom- 
men ist,  also  jedenfalls  vor  dem  Zeitalter  der  Punischen  Kriege. 
Dass  auch  im  Volski sehen  Dialekt  die  Assibilation  d"es  K- lautes 
Platz  gegriffen ,  lehrt  die  Form : 

fasia,  Lat.  faciat,  Umbr.  fac,ia,  Italien,  faccia, 

auf  der  Bronze  von  Vehtrae  (Momms.  Uni.  Dial  Taf.  XIV,  S.  324), 
eine  Form  die  den  ursprünglichen  Gutturalen  c  ganz  zu  dem  Zisch- 
laut s  assibiliert  hat. 

Dass  im  Oskischen  die  linguale  Tennis  t  vor  i  mit  folgendem 
Vokal  assibiliert  wurde,  zeigt  die  Form  des  Stadtnamens: 

Bansae  [iah.  Baut.  19.  23)  für  ßantia 

im  jüngeren  Oskischen  der  Urkunde  des  Stadtrechtes  von  Bantia. 
Die  Form  des  Einwohnernamens  Baut  ins,  Lat.  Bantinus 
(a.  0.  19)  zeigt,  dass  auch  im  Oskischen  wie  im  Lateinischen 
Bantia  die  ursprüngliche  Form  des  Stadtnamens  war.  Das  t 
ward  also  durch  das  folgende  i  assibiliert,  und  dann  fiel  das  i 
weg  wie  in  der  besprochenen  spätlateinischen  Form  Con- 
sta n  t  s  o. 


—     30a     ~ 

Auch  im  Griechischen  hat  die  Assibilation  der  Consonanten 
durch  ein  folgendes  i  frühzeitig  Platz  gegriffen.  So  in  den  Com- 
parativendungen  wie  Ttdööcov,  xrdööav^  [idööav  für  tc a- 
%lcov,  xa%Cc3V,  {LaxCav,  ß^dööcov,  xq  sööcöv,  xq£  l'ö- 
<5g)v  für  ßQccdCov ,  %q8tlcöv,  oIl^cjv,  {is^cov  für  0X1- 
yCav,  tieyCcov  u.  a.  Das  i  des  Comparativsuffixes  Griech. 
-lcjv,  -lov  Lat.  -iös7  -ior,  -ius  aus  Sanskr.  -Ijäns,  -Ijas 
entstanden,  ist  halbvokalischer  Natur.  Dieses  j  assibiliert  sich  im 
Griechischen  zum  Zischlaut  £  in  £vyov,  ^svxrog  neben  ju- 
gum,  junctus  u.  a.,  der  dem  Griechischen  Ohre  wie  öd  klang. 
Ebenso  nahm  die  Comparativendung  die  Lautgestalt  -t,cov  oder 
-ööcüv  an,  und  nun  assimilierte  sich  entweder  der  anlautende 
Sibilant  dieses  Lautes  öd  die  auslautenden  Consonanten  x,  y,  %•> 
r,  d  der  angeführten  Adjectivstämme  zu  s,  und  ward  dann  selbst 
ebenfalls  zu  s  in  allen  jenen  Comparativformen ,  die  6  6  zeigen,  oder 
der  ganze  assibilierte  Laut  £  des  Comparativsuffixes  t,iov  für  lcjv 
assimilierte  sich  vorhergehendes  y  der  Stämme  \Lty-,  oXiy-  zu 
£;  da  aber  doppeltes  £  im  Griechischen  nicht  gesprochen  wurde, 
so  schrieb  man  auch  mit  einfachem  £  oÄi£av,  ^ls^cjv.  Ganz 
ebenso  wie  die  Comparativbildungen  auf  -66cov  und  -fw^  sind  im 
Wege  der  Assibilation  eines  vorhergehenden  Consonanten  und 
der  Assimilation  die  Präsensbildungen  wie  jcgdööm,  xoqvö öco , 
ötd^co,  (pqd^co  durch  die  Mittelstufen  TtQay-^co ,  xoQvd'- 
£«,  öray-t,co ,  <pQud-£a  entstanden  ans  7tQccy-ja,  xo- 
p^fr-jca,  otay-'\cj ,  cpQccd-)co ,  indem  das Ableitungssuffix die- 
ser und  vieler  anderer  Griechischen  Verba,  das  im  Sanskrit  -ja  lau- 
tete, sich  im  Griechischen  zu  -£«  gestaltete  (vgl.  Neue  Jahrb.  <ls, 
243.  360). 

In  den  angeführten  Lateinischen  Bildungen,  in  denen  die 
Schreibweisen  ci  und  li  wechseln,  ist  das  i,  wie  durch  die  Sprach- 
vergleichung nachgewiesen  ist,  ursprünglich  halbconsonantischer 
oder  halbvokalischer  Natur,  denn  in  allen  findet  sich  das  Suffix  -io, 
-ia  theils  einfach,  theils  weiter  gebildet  durch  andere  Suffixe  wie- 
der, dem  im  Sanskrit  -ja  entspricht.  In  der  Lateinischen  Volks- 
sprache wie  zum  Tlieil  im  Gebrauche  der  Dichter  hat  dieses 
Lateinische  i  sich  im  Wege  der  Vokalverschmelzung  wieder  zu 
einem  consonantischen  j  verhärtet,  wie  in  dem  Abschnitt  von  den 
irrationalen  Vokalen  ans  Beispielen  wie  abjete,  irjete,  conub- 
jum  u.a.  naher  nachgewiesen  werden  soll.     Es  i> t  also  klar  dass 


— .    30b    — 

dieses  aus  j  entstandene  und  zum  Theil  wieder  inj  zurückkehrende  i 
auch  in  den  Altitalischen  Sprachen  wie  im  Griechischen  eine  assi- 
bilierende  Kraft  auf  die  vorhergehenden  Consonanten  t  und  k 
übte.  Weiterhin  wird  sich  herausstellen,  dass  anlautendes  j 
schon  in  der  spätesten  Lateinischen  Volkssprache  jenen  wie  dsch 
klingenden  assibilierten  Laut  hatte,  der  im  heutigen  Italieni- 
schen durch  gi  ausgedrückt  wird.  Wenn  im  Lateinischen  jugurn, 
j  im  et  us,  im  Italienischen  giogo,  giunto,  im  Griechischen  fi>- 
yöv ,  %£vxx6g  erscheint,  so  hat  die  Tochtersprache  wie  die  Schwe- 
stersprache des  Lateinischen  im  Wege  der  Assibilation  den  ur- 
sprünglichen Laut  des  anläutenden  j  umgestaltet. 

Absichtlich  ist  endlich  bis  hierher  noch  ein  etymologischer  Be- 
weis aufgespart  worden,  der  für  das  Alter  der  Assibilation  des  t  und 
c  vor  i  mit  folgendem  Vokale  spricht.  Die  Formen  der  multiplicati- 
ven  Zahladverbien  wie  viciens,  triciens  u.  a.  sind  zusammen- 
gezogen aus  vicentiens,  tricentiens  u.  a.,  da  viginti,  tri- 
ginta  ja  aus  dvi-centi,  tri-centa  entstanden  sind.  Diese  Zu- 
sammenziehung ist  nicht  erklärlich,  wenn  c  und  t  in  jenen  ur- 
sprünglichen Formen  ihren  reinen  K-  und  T-laut  behalten  haben; 
denn  durch  Ausfall  des  e  und  n  kann  aus  vicenties,  tricenties 
nach  Lateinischem  Lautgesetz  nur  victies,  tricties  oder  vecties, 
trecties  entstehen.  Auch  hier  hat  ein  halbvokalisches  i  assimi- 
lierende Kraft  auf  vorhergehendes  t  geübt.  Die  Endung -iens, 
-ies  jener  Zahladverbien  ist  nämlich  nichts  anderes  als  eine  Gestalt 
desComparativsuflixes  Sanskr.  -ij  äns,-ljas,  Griech.  -Cav,  -iov, 
Lat.  -iös,-ior,-ius  {Zcilsclir.f. vergleich.  Sprachf. III, 294  f.).  Es 
ist  also  begreiflich  wie  der  j- Laut  der  Endung  -iens,  -ies  assibilie- 
renden  Einlluss  auf  vorhergehendes  t  üben  konnte,  wie  das  i  der 
Griechischen  Comparativendung  - 1 a v ,  -tov.  Durch  diese  Einwir- 
kung ward  aus  vicentiens,  tricentiens  zunächst  v  i  c  e  n  s  i  e  n  s , 
tricensiens,  das  n  tiel  aus  wie  in  cesor,  m e s i s  und  zahlreichen 
ähnlichen  Formen,  und  nach  Ausfall  des  s  ward  aus  vice  sie  ns, 
t  r  i  c  e  s  i  e  n  s :  viciens,  triciens.  Gerade  ebenso  entstanden  aus 
den  vollen  Formen  Lucerenses,  Ramnenses  durch  die  Mittel- 
stufen Lucereses,  Ramneses  die  zusammengezogenen  Formen 
Luceres,  Ramnes,  indem  das  s  ausfiel  wie  in  Cerealia  für 
Ceresalia  u.  a. 

Ebenso  sind  natürlich  aus  den  alten  Formen  quadragen- 
tiens,  quinquagentiens  u.  a.  durch  die  Mittelstufen  quadra- 


—     30c    — 

gensiens,  quinquagensiens,  quadragesiens,  quinqua- 
gesiens  die  gewöhnlichen  quadragien  s,  qninquagiens  ent- 
standen. In  allen  diesen  Formen  hat  also  halbvokalisches  i  den  vor- 
hergehenden Consonanten  zu  s  assibiliert  wie  im  Umbrischen  vesti- 
sia  für  vesticia,  im  Oskischen  Bansae  für  Bantiae,  im  Vols- 
kischen  fasia  für  facia.  Also  die  Assibilation  eines  t  durch  halb- 
vokalisches i  mit  folgendem  Vokal  reicht  bis  in  die  Zeit  hinauf  bis  zu 
welcher  wir  die  Lateinische  Sprache  kennen,'  da  wir  nur  die  schon 
durch  Assibilation  und  Ausfall  von  Lauten  entstandenen  Formen 
viciens,  triciens,  vicies,  tricies  von  den  multiplicativen 
Zahladverbien  vorfinden*). 

Das  Ergebniss  der  Untersuchung  über  die  Aussprache  der  Laut- 
verbindung ci  und  ti  vor  folgendem  Vokal  ist  also  folgendes.  Wie 
in  der  Griechischen  Sprache,  wie  im  Oskischen,  Umbrischen  und 
Volskischen,  so  hat  auch  im  Lateinischen  Assibilation  des  vor- 
hergehenden Consonanten  durch  ein  halbvokalisches 
i,  den  einem  Zischlaut  nahe  verwandten  Laut,  zum  Theil  schon  früh- 
zeitig stattgefunden.  Und  zwar  wurde  t  und  c  in  der  besprochenen 
Lautverbindung  so  weit  assibiliert,  dass  die  Suffixe  -tio,  -tia,  -tion 
von  -cio,  -cia,-cion  und  ähnliche  in  der  Aussprache  nicht  mehr 
scharf  geschieden  und  daher  in  der  Schreibweise  vielfach  ver- 
wechselt wurden,  wo  Dicht  eine  klar  vorliegende  Etymologie  der 
Wortformen  den  Unterschied  der  Schreibweise  sicherte.  Diese  Assi- 
bilation war  zu  Anfang  nur  schwach  hörbar,  entwickelte  sich 
aber  schon  auf  dem  Boden  der  spätlateinischen  Volkssprache 
so  weit,  dass  ti  mit  folgendem  Vokal  1s  oder  z  klang  wie  in 
Constantso  für  Constantio,  und  ähnlich  ci  vor  folgendem 
Vokal,  nur  dass  der  gutturale  Lautbestandtheil  neben  dem  Zisch- 
laut  doch  noch  vernehmbar  blieb.  Jenen  Laut  entwickelte  das  Ita- 
lienische vollständig  zu  Z  oder  zz  in  Wörtern  wie  palazzo  Pia- 
cenza,  diesen  zu  dem  dicken  assibilierten  Laut  tsch  in  Wörtern 
wie  faccia  Lucia  u.  a. 


*)  Dass  in  den  Lautverbindungen  cii,  tii  die  hier  besprochene 
Assibilation  nicht  eintrat,  wird  daraus  wahrscheinlich,  weil  ii  in  In- 
schriften und  Handschriften  so  überaus  häufig  durch  einfaches  i  darge- 
stellt wurde,  mithin  im  Volksinundo  nur  ein  I-laut  gehört  ward  uud  die 
Schreibweise  ii  der  Etymologie  folgte.    Vgl.  8.311  f. 


—    81     — 

Q. 

Die  gutturale  Tenuis  ist  in  der  Geschichte  der  Lateinischen 
Laute  eigentümlich  fortgebildet  und  verschieden  ausgeprägt  wor- 
den, das  zeigt  auch  das  Lateinische  Q. 

Dass  dieses  Schriftzeichen  nichts  anderes  ist  als  das  Koppa  9 
des  Dorischen  Alphabets  von  Cumae,  ist  bereits  erwähnt;  der  Streit 
der  Römischen  Grammatiker,  ob  das  Q  ein  Altlateinischer  Buch- 
stabe war  oder  ein  später  hinzugekommener  {vgl.  Schneid.  Laf. 
Gr.  I,  323),  erledigt  sich  damit.  Das  Bestreben  des  Licinius  Cal- 
vus  und  Nigidius  Figulus,  den  Buchstaben  Q  aus  dem  Lateinischen 
Alphabet  zu  beseitigen  {Mar.  Victorin.  p.  2456),  setzt  voraus,  dass 
sie  ihn  durch  CV  umschreiben  wollten,  wie  dies  spätere  Grammati- 
ker thaten  (Vel.  Long.  p.  2218).  Auch  in  neuerer  Zeit  haben  Ge- 
lehrte das  Q  oder  OV  als  ein  blosses  Verbindungszeichen  zweier 
verschiedener  Laute  angesehen.  R.  Lepsius  hat  die  Ansicht  auf- 
gestellt, überall,  wo  in  den  Indogermanischen  Sprachen  k  und  p 
wechseln,  das  heisst  wo  im  Lateinischen  gewöhnlich  qu  an  der 
entsprechenden  Stelle  steht,  hätten  in  der  ursprünglichen  Wortform 
k  und  p  sich  nebeneinander  befunden,  und  eins  von  beiden  sei  dann 
ausgefallen  {lieber  d.  Urspr.  u.  d.  Verwandtschaft  der  Zahlwörter, 
p.  19).  Dietrich  (Comment.  de  quibusd.  consonae  v  in  lingua 
Latina  affectionibus  pari.  p.  3)  sieht  in  ähnlicher  Weise  das  0  als 
etymologisch  entstanden  aus  kv  an.  Diesen  Ansichten  widerspre- 
chen aber  die  sprachlichen  Thatsachen  ganz  bestimmt,  wie  nach- 
stehende Zusammenstellung  verwandter  Wörter  aus  dem  Sanskrit, 
Griechischen,  Lateinischen  und  den  Italischen  Dialekten  zeigt. 
( Vgl.  Bopp,  Vergl.  Gramm.  Ind.  AK.  Umbr.  Sprachd.  Gloss.  Momms. 
Unt.  Dial.  Gloss.) 

k.  q  u.  p. 


* 

Osk. 

Skr. 

kis, 

Z. 

q  u  i  s , 

Umbr. 

Sab. 

Volsk. 

>     pis, 

Skr. 

pim, 

L. 

q  uein, 

Osk. 

pim, 

Skr. 

kat, 

L. 

q  u  o  d , 

Osk. 

pod, 

Skr. 

kam, 

L. 

qua  m , 

Osk. 
Umbr. 

p  a  m , 
pan, 
pa, 

—     32 


k. 

qu. 

P- 

L. 

cuius, 

L. 

q  u  o  i  u  s , 

Osk. 

p  i  e  i  s , 

L. 

cui, 

L. 

q  uoiei, 

Osk. 

p  i  e  i , 

L. 

cum, 

1. 

quom, 

Osk. 

p  o  n , 

L.  - 

—  cumque, 

—  cuiique, 

L. 

—  quomque, 

Umbr. 

p  u  m  p  e , 

Gr. 

X  6  6  7]  , 

L. 

quanta, 

JJmbr. 
Gr. 

panta, 

71067], 

Skr. 

rat  var, 

L. 

quattuor, 

Umbr. 

p  e  t  u  r , 

• 

Osk. 

Gr. 

p  e  t  i  r  o , 

7ll6VQ8$, 

~~ 

L. 

q  U  i  u  q  u  e , 

Gr. 
Skr. 

7l8ll7te, 

p  a  n  c  a  n , 

— 

— 

L. 

q  u  i  n  t  u  m , 

Osk. 

p  o  in  t  i  s , 

L. 

cncus, 

L. 

c  o  q  u  o , 

L. 

popina, 

S/,r.  pa  c-, 

Gr. 

ninco , 

Skr. 

aqvas, 

L. 

e<|  uns, 

L. 

E  p  u  n  a , 

Gr. 

ixxog, 

Gr. 

L  7t  710  g, 

L. 

secundus, 
se  cut  us, 

L. 

sequoi , 

Gr. 

6  7CCJ  , 

L. 

relicuos, 

L. 

1  i  n  q  u  o , 

Gr. 

Af  LTta , 

L. 

t  o  r  c  u  1  u  in , 

L. 

1  orqaeo, 

Gr. 

TQSTtCJ, 

Gr. 

a-TQeTCTJg, 

L. 

o  c  u  1  u  s , 

— 

— 

Gr. 

OJTTC), 

L. 

insece, 

— 

— 

Gr. 

£  Vi:  71  t  , 

Gr. 

Avxog, 

Gr. 

A  v  Q  o  - 

L. 

lll  pH  S. 

d  6 >  q  x  a  g  , 
r.  I.  Gr.  I,  166. 
Skr.    vrkas. 

In  einem  einzigen  unter  allen  diesen  Wörtern  findet  sich  im 
Lateinischen  qu  an  der  Stelle,  wo  eine  Sprache,  das  Sanskrit, 
die  zwei  Lauie  cv  hat,  und  gerade  hier  tritt  im  Griechischen 
nicht  der  von  Lepsiüs  angenommene  Wegfall  der  gutturalen  Te- 
nnis oder  des  labialen  Lautes  ein,  vielmehr  assimiliert  sieh  der 
Laut  V  dem  K  und  aus  fxFog  wird  Ixxog  und  mit  Umse- 
tzung der  gutturalen  in  die  labiale  Tennis  X%% og.  Sonst  findet  sich 
unter  den  zwanzig  angeführten  Wörtern  n  eunzehnmal  neben 
qu  in  Lateinischen  Wörtern  in  den  verwandten  Sprachen  ein  ein- 
facher eunsunantischer  Laut;  und  zwar  hat  das  Sanskrit  entweder 


-     33     - 

die  gutturale  Tenuis  oder  einen  aus  derselben  entstandenen  assimi- 
lierten Laut  c  (tsch)  oder  9,  einmal  auch  p  dafür;  das  Lateinische 
zeigt  c  und  qu  nebeneinander,  selten  p;  die  Italischen  Dialekte  ha- 
ben durchweg  p,  auch  das  Griechische  meist  jr,  selten  x. 
Diese  sprachlichen  Thatsachen  zeigen,  dass  das  Lateinische  Q 
ebenso  wenig  wie  das  Dorische  9  em  blosses  Verbindungszeichen 
für  zwei  Laute  war,  sondern  ein  Buchstabe  für  einen  Laut. 

Es  ist  also  zu  untersuchen,  was  das  für  ein  Laut  gewesen  sei. 
Aeltere  und  neuere  Grammatiker  haben  bereits  bemerkt,  dass  jenes 
dem  Buchstaben  Q  gewöhnlich  folgende  Schriftzeichen  V  weder  ein 
Vokal  sein  könne,  da  es  sonst  mit  dem  folgenden  Vokal  zusammen 
die  Geltung  einer  Länge  für  die  Versmessung  haben  würde,  noch  ein 
Consonant,  weil  es  in  diesem  Falle  mit  dem  Q  zusammen  Positions- 
lange der  vorhergehenden  Silbe  bewirken  würde,  dass  also  entweder 
equites  oder  eqvites  gemessen  sein  würde.  Daher  erklarten 
denn  schon  Donat  und  Priscian  das  V  nach  Q  sei  an  jener  Stelle 
weder  Vokal  noch  Consonant  (Prise.  I,  37.  //.  Diomed. 
p.  416.  P.    Vgl.  Prise.  I,  12.  II,  1.  //.). 

Um  nun  zu  linden,  was  für  einen  Laut  QV  ausgedrückt  habe, 
sind  die  Schreibweisen  von  Inschriften  und  Handschriften  zu  prüfen. 
Auf  den  inschriftlichen  Denkmälern  seit  den  Funischen  Kriegen  bis 
Caesar  erscheint  die  Schreibweise  QV  besonders  in  Formen  des  Be- 
lativpronomens,  da  wo  sich  später  C  geschrieben  findet.  So  int 
quoius,  t.  Scip.  Barb.  I.  repet.     quomque,  /.  Termes. 

(Sem*)  1.  Corn.  de  XX  quaest.     quei  quomque,  /.  Genuat.  IL 

t.  Pislor.  Ann.  d.  Inst.  Ar  eh.         repelt.  L  agr.  (Thor.)  Sc.  d. 

1838.   p.  202.  Asclep.Claz.  I.  Tut.  munic.  I. 

q  u  0  i  u  s  q  u  e ,  /.  repet.  (Serv.)  Ruhr. 

quoiei,   /.  Scip.  Cn.  f.  Cn.  n.      quisque  quomq,  /.   Ruhr. 

I.  repet.  (Serv.)  quemquomque,     äed.     vic. 

([i\oi,  l.  repet.  (Serv.)  Für  f.    I.   Tut.   mun. 

quoiave,  /.  repet.  (Serv.)  quo    quomque,   /.  lul    mun. 

quoia,/.  Termes.  I.  Ruhr. 

quom,    /.  viae  App.  Rh.  Mus.      q  uosquomque, /.  Com.  d.W 

VIII,    28.     //.    repelt.  I.  agr.  quaest. 

(Thor.)  I.  Tut.  munie.  v.  a.  q  u o s q  u  equo m q  u e ,  a.  0. 

quonque,  Sc.  d.  Tiuurl. 
aber  auch  in  anderen  Wortformen  wie : 

0  q  u  o  1 1 0  d  ,  Sc.  d.  Baccan . 

COKSSEN.  3 


—     34     - 

a  e  q  u  o  m ,  Sc.  d.  Tiburt. 
in i quo m,   /.  Genuat. 

Daraus  folgt  nun  keineswegs,  dass  dieses  qu  sprachlich  älter 
wäre  als  c.  Dass  in  oquoltod  das  c  ursprünglich  war,  zeigt  die 
Abstammung  des  Wortes  von  der  Wurzel  des  Lateinischen  cal-ini 
für  clam  und  des  Griechischen  kccI-vtctcö;  für  aequoni  be- 
weist es  die  schon  angeführte  Form  Aecetiai  auf  einem  alten  Ton- 
gefässe  (Bitschi,  fictil.  Latin .  p.  17),  die  richtig  Aequitiae  er- 
klärt worden  ist.  Für  alle  vorstehenden  einfachen  und  abgeleiteten 
Formen  des  Relativpronomens  beweist  der  alte  Sanskrit  stamm  des- 
selben ka,  ki,  die  Griechischen  Formen  wie  xäg,  xoiog,  xoOog 
neben  den  Lateinischen  wie  cottidie  (/.  Ltd.  ?nitnic.),  cuius,  cui, 
ali-cubi,  ali-cunde,  dass  k  der  ursprüngliche  Anlaut  war. 
Ebenso  ist  auf  dem  Boden  des  Lateinischen  QV  aus  G  entwickelt  in 
Quirites,  inquilinus,  inquinare,  Tarquinius,  ster- 
q  u  i  1  i  n  i  u  in ,  Q  Ü  e  r  q  u  e  t  u  1  a  n  u  s  von  G  u  r  e  s  (  c  u  r  i  s ) ,  i  n  c  o  1  a , 
cunire,  Tarcon,  s  terms,  quere  et  um.  Dass  das  Alllatei- 
sche  vielfach  schon  verbildete  Formen  zeigt,  denen  ältere  vorher- 
gegangen sein  müssen,  dafür  weiden  sieh  im  Laufe  dieser  Unter- 
suchung noch  zahlreiche  Belege  linden. 

Für  QV  wii'd  schon  in  aller  Zeit  bloss  Q  geschrieben,  wenn  dem 
Laut  ein  Vokal  u  folgt,  besonders  seit  der  Zeit  der  Gracchen  und 
des  Tragikers  Attius ;  so  in: 

M  i  r  q  u  r  i  o  s ,  sjh'c.  Bern/.  Ritschi,     p  e  q  u  I  a  t  u ,  /.  Com.  de  \  X  quaest. 

fictil.  Latin.]).  24.  pequniam,    /.   Bantin.  t.   Ge- 

qura,  t.  viae  App.  Rhein.  Mus.         matt.  I.  N.  3559.  /.  Com.  d. 

VIII,  288.  XX  q. 

quin,  7.  N.  1119.  pequnia,    /.  repet,    (Serv.)    I. 

pequdes,  /.  agr.  (Thor.)  agr.  {Thor,)  I.  X.  2458.  277. 

persequtio,  /.  agr.  ( Thor.)  (>( ) 1 1 . 

Dass  dieser  Schreibgebrauch  in  allen  Schriftdenkmälern  vor- 
herrschend gewesen  sei,  sagt  der  Grammatiker  Sergius  ausdrück- 
lich,^. 1828.  /':  O  vi'i'ii,  quam  auliqui,  quoties\'  sequi1- 
batur  praeponebant  ct.  Auch  noch  in  späterer  Zeil  Rudel 
sich  diese  Schreibweise  (quin  /.  /»'.  N,  2521.  vgl.  Grat.  Ind.  rer. 
Gramm,:  qproc.  Eckhel,  dort.  num.  V,p.  ")>/'.  \'M  f.  Schneid. 
hat.  Gr.  I,  326).  Sie  ist  auch  im  sprachlichen  Laute  wohl  be- 
gründet, denn  dass  bei  der  Aussprache  von  qur.i,  pequnia,  pe- 
qudes der  V -klang  des  Q  mil  dem  folgenden  Vokal  u  zusammen- 


—     35     - 

tloss,  ist  nach  der  weitgreifenden  Macht  der  Vokalverschleifung  im 
Lateinischen,  die  weiter  unten  zur  Sprache  kommen  wird,  unzwei- 
felhaft.    Diese   seit  alter  Zeit  gebräuchliche  Schreibweise  wollten 
spätere  Grammatiker  dahin  ausdehnen,  dass  sie  überhaupt  nie  QV 
sondern    nur    Q    schrieben,    also    qis,    qae,    qid    (Vel.  Long, 
p.  2219),  und  so  finden  sich  denn  auch  auf  Inschriften  der  Kaiser- 
zeit Schreibweisen  wie: 
qaerella,  /.  N.  5290.     qa,  /.  N.  1745. 
qintae,   /.  N.  4480.         qe,  /.  N.  5273. 
qurpus,  Gr.  1056,  1.      qi,  Fleetw.  S.  I.  Mon.  Christ.  385,  1. 
Seitdem  das  kurze  o  des  Altlateinischen  in  Stammsilhen  und 
Ahleitungs-  oder  Beugungssilben  sich  zu  u  verdunkelt,  tritt  in  der 
Sprache  eine  Abneigung  hervor,  die  beiden  Laute  VV  aufeinander 
folgen  zu  lassen;  daher  erhält  sich  noch  bis  nach  Augustus  die  alte 
Aussprache  und  Schreibweise  VO  in  Wörtern  wie  novom,  acer- 
vom,  ingenuom  u.  a.,  und  für  QVV  wird  ebenso  OVO  geschrie- 
ben   und    gesprochen    in    Wörtern    wie    aequom,    iniquom, 
equom,  oder  es  tritt  dafür  die  Sehreibweise  CV  ein.     Dafür  bieten 
die  ältesten  Handschriften  des  Plaulus,  Vergilius  und  Garns  Belege. 
So  finden  sich  bei  IMautus  neben  den  Sehreihweisen  VO  und  OVO 
execuntur,  conlocuntur,  falsi  locus, 

pedisecus,  v  a  n  i  I  o  c  u  s ,  in  e  n  d  a  c  i  I  o  c  u  s , 

{Fleckeisen ,  Epist.  ('ritte,  p.  7.),  ebenso  bei  Vergil  neben  den 
Schreibvveisen  VO  und  OVO  häufig  GV,  bisweilen  auch  OV;  man 
vergleiche : 

a  r  e  u  s ,  a  r  q  u  i , 

anticum,  antiqum, 

aecus,  aequs,  a e q  u u s , 

ecus,  e q u s ,  e q  u u s , 

hircus,  hirquus, 

oblicum,  obliqus. 

Ausschliesslich  haben  die  ältesten  Handschriften  des  Vergil  die 
Schreibweise  CV  in: 

oblicum,       s  e  c  u  n  t  u  r ,  I  o  c  u  t  u  s , 

r e  1  i n c u n t ,     recoeunt,  ( c o  c  u  s ,  Or.  646)      s e c u  t  u  s , 

s  e  c  u  n  d  u  s 
[vgl.  Wagner,  Orthogr.  Vergil.  p.  452).     In  der  Veroneser  Hand- 
schrift des  Gaius  finden  sich  ebenso  geschrieben  (ed.  La  ehm.  Praef. 
p.  36./V): 

3* 


—     36     - 

aecum,  i nie  um,         relincuntur,  seeuntur, 

und   dieselbe  Schreibweise  findet   sieh   auch   sonst   in  den  besten 
Handschriften  wieder. 

Bis  hierher  hat  sich  also  ergeben,  dass  der  durch  das  Schrift- 
zeichen V  ausgedrückte  Nachklang  des  Q  sich  aus  C  (K)  ent- 
wickelt hat,  dass  er  weder  Consonant  noch  Vokal  war,  dass  er  vor 
folgendem  u  wieder  ganz  schwinden  konnte.  Es  ist  nun  in  Be- 
tracht zu  ziehen,  wie  fremde  Alphabete  den  Laut  des  Lateinischen 
qu  ausdrückten.  Das  Um  brise  he  und  üskische,  dem  das 
Zeichen  9  öder  Q  im  Alphabete  fehlte,  drückt  das  Lateinische  QV 
durch  die  Buchstaben  KV  aus;  so  in: 

Umbr.  kvestur,         Osk.  kvaisstur,         Lat.  quaeslor. 
{Umbr.    Sprachd.  AK.    Glossar.      Momms.    Uni.   Dial.    Glossa?\) 

Auf  den  jüngeren  Umbrischen  Denkmalern  mit  Lateinischer 
Schrift  ist  das  Q  ohne  folgendes  V  geschrieben  in: 

Neu  umbr.  dequrier,     Alt  umbr.  tekuries,     Lat.  decuriis, 
pequo,  pecua, 

p  e  i  q  u ,  pico; 

nur  einmal  findet  sich  auch  QV  geschrieben  in: 

P  i  q  u  i  e  r  ( Umbr.  Sprachd.  AK.  f,  81.). 
Vor  u  ward  also  im  Umbrischen  ganz  wie  zu  Attius  /eil  im  La- 
teinischen bloss  0  geschrieben,  vor  i  QV.  Wenn  nun  auf  Altoski- 
schen  und  Altumbrischen  Schriftdenkmälern  die  den  Konsonanten 
v  und  den  Vokal  u  durch  besondere  Schriftzeichen  scheiden  der 
Lateinische  Laut  QV  durch  KV  ausgedrückt  wird,  so  sprich!  das 
für  eine  mehr  consonantische  Natur  des  durch  V  nach  Q  bezeich- 
neten Lautes  etwa  wie  in  den  Neuhochdeutschen  Wörtern  quäl, 
quetschen,  quillt,  gequollen.  Allein  dagegen  erheben  sieh 
anderweitige  Bedenken. 

In  Griechischer  Schrift  ist  die  Bezeichnung  für  QV  nul  folgen- 
dem Vokal  schwankend  zwischen  KOT,  KO,  KT.  So  findet 
sich   O  V  in  Namen  wie: 

ToQxovarog,  C.  I.  Gr.  I,  'MW).    Appian,  bell.  Mlthr.  95. 

Kovadoi,  Dion  Cass.  LXXI,  II. 

Ko  vccQTlvog  ,  Herodian.  VII,  I,  0. 

KovudQavxCa,  Mut.  Cic.  29. 

Hr\xovavoi  ,  Phil.  Caes.  2(>. 

6  4,'sxovevreg,  Plut.  d.  fort.  Hont.  p.  322. 


—     37     - 

KoviQivog,  Sirab.  V,  234. 
Kovivtiltavog,  Mionel,  V,  453. 

Durch  KO  ist  Lateinisches  QV  ausgedrückt  in  Namen  wie: 
Ko'Cvx  og,       Koadoi,         Urjxbdvag,        Urjxoavo  i, 
(Koaöovoi) 
{vgl.  Strdb.  ind.  nom.  ed.  Meineke). 

Durch  KT  wird  die  Lateinische  Lautverbindung  QVI  in  der 
Regel  ausgedrückt  nach   der  handschriftlichen  Ueberlieferung  hei 
Strabo,  Plutarch,  Stephanus  von  Hyzanz  und  anderen  Griechischen 
Schriftstellern  in  Namen  wie: 
TccQxvvtog,  Dion.  KvQivog,  PL  'Axvlrjia,  Str.) 

Hat.  Kvqiv  tog,  Str.       'Axvl  eia ,  St.  B. 

TaQKwCa,  Sir.       KvQixag,  Sir.  'Axvlliog,  Str. 

TccQKWircu,  Str.  KvQitCa,Steph.B.'Axvtavla,  Str. 
TaQKvvevg,  Str.  'Höxvllvog,  Str. 

Vereinzelt  steht  KTI  in: 

Kvivxiliag,  C.  I.  Gr.  II,  3003. 

Axvt,7irjv6eQ,  Lyd.  d.  mag.  III,  36.  p.  257. 
Wenn  auch  die  Schreibvveise  KOT  nicht  zum  Beweise  dienen 
kann,  dass  das  Schriftzeichen  V  nach  0  im  Lateinischen  ein  vokali- 
scher Laut  gewesen  ist,  da  Griechisch  OTja  überhaupt  auch  zum 
Ausdruck  des  Lateinischen  V  dient,  so  sprechen  doch  die  beiden 
anderen  Schreibweisen  KO  und  KT  dafür,  dass  der  Laut  V  mehr 
vokalischer  Natur  war,  etwa  wie  das  Englische  W,  so  dass  also 
die  Römer  das  qu  so  aussprachen  wie  die  Engländer,  welche  die 
deutschen  Worter  quäl,  quelle  u.a.  sprechen. 

Dies  wird  nun  bestätigt  durch  Prisciaus  Aussage,  dass  das  V 
nach  Q  vor  c,  i,  ae  den  Ton  des  Griechischen  v  gehabt  habe: 
I,  6.  H:  u  autem  quam  vis  contr  actum,  eundem  tarnen 
[hoc  est  y]  sonum  habet  int  er  q  et  e  vel  i  vel  ae 
d  i  p h t h  o n g  u m  p o  s  i t  u  m  ,  u  t  e  q  u e ,  q  u a e ',  necnon  i n t e r  g 
et  easdem  vocales,  cum  in  una  syllaha  sie  invenitur, 
u  t  e p i n gue ,  s  a  n  g  u i  s ,  1  i  n  g  u a e '.  Die  Stellung  der  Sprachorgane 
beim  Aussprechen  zeigt,  dass  der  Laut  des  Griechischen  v  dem 
Lateinischen  ae,  e  und  i  näher  lag  als  der  Lateinische  Laut  u;  es 
fand  also  eine  Assimilation  des  Lateinischen  U-lautes,  der  dem  Q 
nachklang,  in  einen  wie  Griechisch  v  lautenden  Nachklang  durch 
Einwirkung  jener  Vokale  statt.     Ein  Beweis,  dass  Priscian  richtig 


—     38     — 

gehört  hat,  liegt  in  den  Griechischen  Schreibweisen  ?A%vt,7cq  v~ 
ösq,  KvQlvog  u.a.,  die  zeigen,  dass  die  Griechen  wenigstens 
vor  folgendem  i  den  Laut  ihres  v  nach  Q  nachklingen  hörten,  und 
diesen  mit  dem  folgenden  i  zusammen  daher  meist  nur  durch  den 
einen  Buchstaben  T  ausdrückten.  Es  folgt  aber  auch  aus  Priscians 
Worten,  dass  der  durch  V  ausgedrückte  Nachklang  des  Q  vor  a 
und  o  dem  Lateinischen  u  ähnlich  geklungen  haben  muss,  wie  es 
in  lingua,  tinguo,  unguo,  du  eil  um,  Duel  litis,  cluonus 
klang. 

In  der  Sprache  des  heutigen  Italiens  klingt  nach  dem  guttura- 
len Laut  des  Q  ein  ganz  entschiedener  U-laut  nach;  die  Italieni- 
sche Sprache  ist  aber  noch  weiter  gegangen,  indem  sie  auch  nach 
anderen  Consonanten  ein  solches  stummes  u  nachklingen  lässl  wie 
in  buon  o ,  f u o r i ,  suon  o ,  uonio  (für  h u o m o ). 

Nach  der  Stellung  der  Sprachorgane,  durch  die  der  Laut  er 
zeugt  wird,  liegt  der  Vokal  u  den  labialen,  i  den  lingualen, 
a  den  gutturalen  Consonanten  am  nächsten,  wovon  weiter  unten 
eingehender  gehandelt  werden  wird.  Man  kann  also  jenen  durch 
V  nach  Q  ausgedrückten  Laut  einen  labialen  vokalischen 
U-klang  nennen.  Ei' entsteht,  indem  bei  der  Aussprache  des  C  (k) 
zugleich  mit  dem  Andrücken  der  Zunge  gegen  den  hinteren  Theil 
des  Gaumens  die  Lippen  sieh  rundlich  zusammenziehen  und  vor- 
schieben wie  zur  Aussprache  eines  u.  Das  Lateinische  QV  drückt 
also  lautgeschichtlich  betrachtet  den  Moment  des  lins  chlage  ns 
der  gutturalen  Tennis  in  die  labiale  aus,  und  steht  demnach, 
wie  die  obige  Zusammenstellung  verwandter  Wörter  des  Sanskrit, 
Griechischen,  Lateinischen  und  der  Italischen  Dialekte  zeigt,  als 
Mittellaut  an  der  Stelle  der  Wort  formen,  wo  einerseits  das  ur- 
sprüngliche K,  C  sich  noch  vorfindet,  andererseits  das  aus  demsel- 
ben umgelatttcte  p,  it  eingetreten  ist. 

In  Uebereinslhnmung  mit  den  Ergebnissen  dieser  Unter- 
suchung weist  Graff  {Leber  den  Buchstaben  </.  Abhandle  der  Bert. 
Akad.  d.  Wissensch.  ls;>9)  nach,  dass  auch  das  deutsche  <|  ein 
einfacher  Consonant  ist,  und  zwar  eine  gutturale  Tenuis  mit 
einem  labialen  Hauch.  Somit  lassen  sich  denn  die  Ergebnisse 
dieser  Untersuchung  schliesslich  in  folgender  Weise  zusammen- 
fassen. 

Der  Buchslabe  Q  ist  aus  dem  Dorischen  9  entstanden.  Der 
Laut  UV   ist  etymologisch    aus  der  gutturalen  Tenuis   K.   C 


—     39     -- 

hervorgegangen.  Das  Schriftzeichen  V hinter  Q  bezeichnet  wedereinen 
vollen  Vokal  noch  einen  Consonanten,  sondern  einen  vokalischen 
1  a  b  i  a  1  e  n  N  a  c  h  k  1  a  n  g ,  der  vor  a  u  h  d  o  e  i  n  e  in  s  t  u  m  m  e  n  u , 
vor  a e ,  e ,  i  einem  stummen  v  gleich  klang,  m i t  folgen- 
dem u  aber  zu  einem  einfachen  u  zerfloss,  so  dass  beson- 
ders in  älterer  Zeit  seit  AU  ins  für  QVV  bloss  QV,  in  späterer 
Zeit  CV  gesprochen  und  geschrieben  wurde.  QV  ist  also  der 
D  urchgangs-  oder  Heber  gangslaut  von  der  gutturalen 
T e n  u  i s  k  in  die  1  a  b  i a  1  e  T e n u i s  p. 


G. 

Oben  ist  gezeigt  worden,  dass  die  gutturale  Media  im  Altlateini- 
schen wie  im  Dorischen  Alphabet  durch  C,  die  Tenuis  durch  K  be- 
zeichnet wurde,  dass  aber  K  ausser  Gebrauch  kam,  als  der  Unter- 
schied zwischen  jenen  beiden  Lauten  sich  in  der  Sprache  verwischt 
hatte.  Als  sich  dann  der  Unterschied  zwischen  gutturaler  Tennis 
und  Media  wieder  schärfte  und  verdeutlichte  in  der  Aussprache,  ward 
seit  den  Zeiten  des  ersten  Punischen  Krieges  das  aus  C  gebildete 
Schriftzeichen  G  zur  Bezeichnung  der  Media  verwandt,  und  durch 
Spur  ins  Carvilius  an  die  Stelle  des  in  Lateinischen  Wortern 
nicht  mehr  üblichen  Z  in  das  Lateinische  Alphabet  eingereiht. 
Wenn  die  gutturale  Media  und  Tenuis  im  Lateinischen  eine  Zeit  lang 
so  ähnlich  klangen,  dass  die  Schrift  nicht  mehr  für  nöthig  hielt  sie 
verschieden  zu  bezeichnen,  so  ist  doch  nicht  glaublich,  dass  sie  völ- 
lig zusammengefallen  sind ;  sonst  hätten  sich  beide  Laute  nicht  wie- 
der völlig  sondern  und  herstellen  können.  Es  ist  nicht  ohne  Be- 
deutung, dass  es  das  ursprüngliche  Zeichen  der  Media  war,  das  in 
jener  Zeit  der  Vergröberung  der  Aussprache  und  des  Lautgefühls 
für  die  Tenuis  mit  gebräuchlich  wurde,  es  weist  darauf  hin,  dass 
damals  die  Tenuis  sich  soweit  in  der  Aussprache  erweichte,  dass  sie 
der  M  e  d  i  a  ähnlich  klang. 

Dafür  spricht  auch  die  Thatsache,  dass  in  der  späteren  Sprache 
ein  ursprüngliches  Lateinisches  C  so  wie  das  Griechische  K  sowohl 
vor  Vokalen  im  Anlaut  und  Inlaut  als  auch  vor  den  liquiden  Con- 
sonanten I,  m,  n,  r  sich  zur  Media  G  erweicht  hat,  wie  folgende  Bei- 
spiele zeigen ; 
vor  a: 

S  i  g  a  m  b  r  i ,  für  S  i  c  a  m  b  r  i, 


—     40     — 

g  a  m  e  1  u  m  ,  für     camelu  in , 

gaunaceam,  caunaceam,     Ter.   Scaur.  p. 

2252; 
vor  o: 

gobius,  xaßiog, 

negotium,  nec-otium, 

c o n g o r d i a ,  /.  N.  4889.      concordia; 
vor  u : 

g  u  b  e  r  n  a  t  o  r ,  xvßsQvrjtrjg, 

gummi,  xoii[ti, 

g u r g u  1  i o ,  Prise.  V,  9.  H.     curculio,  Plaut. 

Curculio; 
{vgl.   Prise.   IIJ,   34.      Verg.   Georg.  I,  186.   Medic.  Serv.   a.  0. 
Fleckeisen,  Ep.  Cr  iL  p.  10.) 

Sag  un  tu  in,  für     Zdxvv&og; 

vor  i: 

t  r  i  g  i  n  t  a  ,  TQcdxovtcc, 

sexaginta  u.  a.  ££,rjxovzcc, 

m  u  g  i  o ,  iivxcco[lcci; 

vor  e: 

germal us,  Cer malus,  VarroL.L.V,hA.M. 

Fest.p.bh.  .)/.  Phil. 
Rom.  c.  3. 
pages,  /.  B.  N.    1302.        pacis; 
(p.  Ch.  508.) 
vor  1 : 

n  e  g  l  e  g  o ,  n  e  c  -1  e  go , 

Glanis,  Glanis, 

Clanius, 
gloria,  cluo,  xXvco. 

Vom  Verbalstamme  clu-ward  durch  das  Suffix  os,or  cluoi  ge- 
bildet, wie  bonos  honor  u.  a.,  dann  durch  ein  zweites  ia  erweitert 
zu  cluoria  wie  uxorius  von  uxor.  Durch  Verschleifuog  des  u 
wird  nun  cloria  aus  cluoria  wie  por  in  Marci-por  aus  einer 
alten  Form  puor  fürpuer,  wie  lingo  ungo  s avium  aus  lin 
guo  unguo  suaviuni,  endlich  aus  cloria  durch  Erweichung 
dos  c  zu  g  gloria;  das  Wort  bedeute!  also  wie  Griechisch  xXiog 
eigentlich  Gerücht  und  daher  Ruhm. 


—     41      — 

vor  r: 

grab at us,  xQdßatog  , 

Agrigentum,  *A  x  q  d  y  a  g ; 

Agragans  Verg.  Aen.  III,  703.  Meclic.  Wagner  Orth.    Verg. 
p.  457. 
vor  n: 

Gnossus,  KvaOöog, 

Gnosus,  Kvaöog, 

G dos i us,  Wagn.  Orth.  Verg.  V.  /;.  439. 

G  nidiu  s,  Grut.  304,1.         Cni d  ti s ,  Prise.  I,  6 1 .  ff. 

vgl.  Bach.  Ovid.  Metam.  X,  531. 
Progne,  Grut.  701,  1.         IIqokvt]; 
vor   m : 

Pyragmon,  IIvQcixiiav 

(vgl.  Brandt,  Quaesiion.  Horaüan.  p.  87.  Anm.  17.). 

Die  Sprech-  und  Schreibweise  ist  bei  manchen  dieser  Wörter 
schwankend;  aber  eine  Neigung  der  Sprache,  die  gutturale  Te- 
nuis  vor  Vokalen  und  Liquiden  in  die  Media  zu  erweichen,  geht 
doch  deutlich  daraus  hervor,  und  diese  Neigung  scheint  schon  in  al- 
ter Zeit  vorhanden  gewesen  zu  sein,  wie  die  Formen  der  Zahlworter 
triginta,  sexaginta  und  die  altrömische  Form  der  Namen 
A g r i g e n t u m  und  Saguntum  zeigen.  Daher  kam  es  also,  dass 
eine  Zeit  lang  die  Schrift  mit  gutem  Grunde  den  Buchstaben  der 
Media  auch  für  die  ähnlich  klingende  Tennis  gelten  liess. 

Wenn  dagegen  das  Altumbrische  für  die  gutturale  Media 
kein  Zeichen  hat  und  in  Wortern  wie : 

antakres,   neben    Lateinisch    integris, 
l  k  u  v  i  n  u  s ,  1  g  u  v  i  n  i , 

terkantur,  tergeantur, 

vestikatu,  vestigium 

(Umbr.  Sprachd.  AK.  I,  69.  73.)  k  an  der  Stelle  eines  Lateinischen 
g  zeigt,  so  ist  klar,  dass  das  Umbrische  im  geraden  Gegensalz  zum 
Lateinischen  die  gutturale  Media  so  weit  verhärtet  hat,  dass  sie 
der  Tenuis  sehr  nahe  kam,  und  somit  ebenfalls  mit  deren  Schrift- 
zeichen bezeichnet  wurde.  Völlig  zusammengefallen  können  aber 
auch  die  beiden  Uiiibrischcn  Laute  nicht  sein,  sonst  könnte  im  jün- 
geren Umbrischen  der  Unterschied  beider  nicht  so  deutlich  wieder 
hervorgetreten  sein,  dass  die  Media  durch  g,  die  Tenuis  durch  das 
C  der  Lateinischen  Schrift  bezeichnet  wurde. 


—     42     — 

In  dem  E  tr  uskisehen  Alphabet  einer  Nolanischen  Patere 
des  Museo  Burbonico  findet  sich  zweimal  das  Schrift  zeichen  C  an 
der  Stelle  des  Griechischen  T  und  des  K  (Momms.  ünt.  Bial.  S.  6. 
Taf.  I,  14  a).  Man  könnte  versucht  sein  zu  schliessen,  dass  im 
Etrurischen  wie  im  Lateinischen  das  ursprüngliche  Zeichen  der 
Media  für  die  Tenuis  mit  galt ,  als  die  Tenuis  der  Media  im  Laut 
ähnlich  wurde.  Da  aber  das  Etruskische  Alphabet  von  Bomarzo 
und  die  Campanisch -Etrurischen  Alphabete  auf  Nolanischen  Ge- 
fässen  («.  0.  T.  1 ,  13.  14.  15)  weder  für  die  labiale  noch  für  die 
linguale  Media  einen  Buchstaben  haben,  also  das  Etrurische  diese 
Laute  nicht  kannte,  so  muss  man  annehmen,  dass  auch  die  guttu- 
rale Tenuis  dem  Etrurischen  abhanden  gekommen  ist,  was  auch 
anderweitig  erhellt.  In  der  Geschichte  der  Gutturalen  ist  also  die 
Lateinische  Sprache  ihren  eigenen  von  den  Italischen  Dialekten  ab- 
weichenden Weg  gegangen,  das  zeigte  die  Entwickelang  des  Lau- 
tes QV,  das  bestätigt  sich  auch  in  der  Erweichung  der  gutturalen  Te- 
nuis zur  Media. 

Der  Laut  der  gutturalen  Siedia  wird  im  Lateinisches  vorzüglich 
durch  Einwirkung  folgender  Liquiden  und  Halbvokale  betroffen  und 
gebrochen.  Er  wird  in  manchen  Fällen  im  Anlaut  vor  folgendem  I 
und  n  zerstört.     So  vor  folgendem  1  in: 

lamentum,        neben  clamarc, 

I  a  c  l  i  s ,  y  d  k  a  x  t  o  g , 

lue uns,  ylvxvg; 

vor  folgendem  n  in: 

naliis,  gnatus  (Wagner  Urih.  V. p.  439.) 

na  vus,  i-gnavus, 

n  a  e  v  u  s  ,  G  n a  i  vod,  l.  Scip.  Barb. 

N  a  e  vi  u  s , 

n  a  r r a  r  e ,  g  n  a  r i g a vit,  Fest.  p.  95 . 

gna  ri  visse,  <(.  0. 
l;  nar  us, 

notus,  gnot  u.  Fest.  />.  1)6. 

no  sco,  co-güoßco, 

nitor,  gnit  us.  Fest.  [>.  (.»'i. 

nix  us,  g  n  ix  us,  a.  0. 

Die  beiden  letzten  dieser  Formen  sind  verschieden  entstan- 
den. Vom  Stamme  genu  ward  zunächst  ein  Verbum  genu-i-re, 
knien,  gebildet  und  davon  mit  dein  Suffix  das  Verbaladjectiv  ge- 


—     43     — 

nultus,  dann  mit  Ausfall  des  Stammvokales  gnnitns  wie  gna- 
vns  ans  genavus,  endlich  dnrcli  Vokalvcrschmelzung  gnilns  wie 
ans  nianu-ibiae  manibiac,  aus  suis  sis,  wie  sich  weiter  unten 
ergeben  wird.  Von  dem  Verbaladjectivnm  gnito-  ist  dann  ein 
neues  Verbum  gniti  gebildet,  wie  nictere  vom  Stamme  des  Ver- 
baladjeclivnm  nicto-  des  einfachen  nicere,  wie  plectere, 
nectere,  flectere,  durch  die  Vermittelung  von  den  Stämmen 
der  Verbaladjectiva  plecto-  (7iXext6g)  necto-  flecto-  von 
den  einfachen  Verbalwurzeln  plcc-,  nee-,  flcc-.  Hingegen  ist 
gnixus,  wie  es  scheint,  Particip  eines  Verbum  gnigo,  zusam- 
mengesetzt aus  genu-igo,  dessen  zweiter  Bestandteil  der  Ver- 
balstamm ag-  ist  wie  in  rem-igium,  rem -ex,  sen-cx,  also 
mit  der  Bedeutung  knie  -  handeln,  knie  -  machen,  daher 
knien;  von  gnigo  ist  natürlich  das  regelmässige  Parlicipium 
gnixus.  Aus  dem  ursprünglichen  Sinn  von  nitor  und  nixus 
die  Knie  stammen  entwickeln  sich  die  beiden  Hauptbedeutun- 
gen dieser  Worter  stützen,  anstrengen,  anstreben  und 
kreisen,  gebären.  Lachmann  {Lucr.  p.  136)  schliesst  aus  der 
Schreibweise  cönectere  cönubium,  dass  nectere  und  Ha- 
bere ebenfalls  im  Anlaut  ein  g  verloren  haben.  Da  jedoch  neben 
jenen  die  Sanskritwurzel  nah-  (binden)  und  Griechisch  vatpElr] 
keinen  anlautenden  Gutturalen  zeigen,  so  kann  man  denselben  auch 
für  nee  lere,  nuberc  nicht  als  erwiesen  ansehen. 

Vor  folgendem  s  wird  die  Media  g  zerstört,  wenn  ihr  eine  der 
liquiden  r  oder  1  vorhergeht,  in  den. Verbalformen : 

spar-si,  spar-sum,  al-si, 

ter-si,  ter-sum,  mul-si, 

ful-si; 
vor  t  schwindet  g  in:  au-tor, 

au-tumnus,  von  augere, 
assimiliert  sieh  aber  auch,  wie  die  Schreibweisen  au  clor,  aueto- 
r  i  t  a  s ,  a  u  et  um  n  u  s  zeigen  ,  dem  t  zu  c. 

Auch  vor  m  schwindet  das  g  bisweilen,  wie  in: 

conta-minari,    von    tangere, 

e  x  -  a  m  e  n ,  e  x  a  g  e  r  e , 

IIa-  m  e  n  ,  vom  Stamm  f  1  a  g  -, 
in  flagrare  ,  cp  Xeysiv  ,  während  es  in  anderen  ebenso  gebildeten 
Wörtern  wie  a  g  m  e  n ,   t  e  g  m  e  n  unversehrt  bleibt. 


-     44     — 

Wie  im  Deutschen  hat  im  Lateinischen  der  Halbvokal  v  biswei- 
len das  ihm  vorbeigehende  g  aufgelöst.     80  in : 
coniveo,  neben    conixus,  vgl.  nico, 

flu  vi  um,  fluxi, 

confluges,  Liv.  Andron.  ap.  JSon.  1 
p.  44.  Gerl. 
nives,  ninguo, 

n  i  v  0 ,  nix, 

vivo,  vixi, 

v  i  c  t  u  s , 
fruor  (fruguor),         fruges, 

fr  u  c  t  u  s , 
f  i  v  e r  e ,  Fest.  p.  92.  M.    f  i  g  e  r  e. 

Nach  dem  Schwinden  des  (i  in  den  vorstehenden  Wortern  muss 
man  annehmen,  dass  auch  in  folgenden  Lateinischen  Wortformen 
g  vor  v  schwand : 

b  r  e  v  i  s  ,  vyl,  G riech,  ß  pagvs, 
levis,  ika%v$i  Skr.  lagbu, 

pravus,  Skr,  prahvas, 

malva,  (iald%ii. 

(vgl.  Dietrich,  de  quibusd,  cor.  u  affeci.  p.  3). 

Ein  ursprünglich  halbvokalisches  i  mil  folgendem  Vokal  übt 
auf  vorhergehendes  g  einen  erweichenden  Einfluss  ,01s,  ><>  dass  es 
wiej  lautete  und  dann  ausfiel.     So  in: 

maior,  neben  magis,      Mains  (dcüs,  Moeroh.  S<tl.  1,    12.) 
ma  ins,  mag  uns.  M  a  -ius; 

das  letztre  Wort  bezeichnel  den  Mai  als  Wachse-monat,  da  die 
ursprüngliche  Bedeutung  der  Wurzel  mag,  Sanskr.  mah,  wach- 
sen ist  {Zeil sehr.  f.  vgl.  Sprachf.  III,  278). 

a  i  0 ,  nehm  a  d  -a  g  i  11 111  von  Skr.  Wl.  a  li  (  inquam  ) , 
meio,         mingo, 
6p,£%G>. 
Von  dem  Verbalstamm  mig  ward  durch  die  Ableitungsendung 
i  ein  Verbum  migio  gebildet  wie  von  den  Wurzeln  cap-  rap- 
capio    rapio.     Dieses  ursprunglich    halbvokalische   i  erweichte 
diis  vorhergehende  £  zuj,  dieses  fiel  aus  und  aus  miio  ward  durch 
Dissimilation  der  Vokale,  von  der  weiter  unten  <lie  Rede  sein  wird, 
meio.     Aehnlicfa  verhall  sich 

pul  ei  um  zu  pulegium. 


-     45     — 

Ebenso  wird  durch  ein  halbvokalisches  i  mit  folgendem  Vokal 
auch  d  zerstört  in  I  o  v i s  für  D j  o  v i s ,  I a n  u s  für  D j  anus  neben 
Diana  und  der  Halbvokal  v  in  Gajus  für  Gavius. 

Im  Umbrischen  und  Oskischen  greift  die  Zerstörung  des  g  und 
der  Gutturalen  überhaupt  im  Inlaut  zwischen  zwei  Vokalen  weiler 
als  im  Lateinischen.     So  stehen: 

Osk.  m  a  i  s  ,  neben    tat.  m  a  g  i  s , 

in  a  i  m  a  s ,  maximus, 

M  a  e  s  i  u  s ,  Fest.  p.  1 3G.  M.         M  a  i  u  s , 

Umhr.  mestru,  magistro- 

(Zeitschr*  für  vergl.  Sprach/'.  III,  278). 
Die  letztere  Umbrische  Form  stimmt  also  schon  ganz  zu  den  For- 
men der  Romanischen  Sprachen  maestro  maitre,  der  Englischen 
mäste  r  und  der  Deutschen  meist  er,  m  est  er.  Es  mag  hier 
auch  bemerkt  werden,  dass  das  Umbrische  auch  in  der  Ausstossung 
der  gutturalen  Tenuis  c  zwischen  zwei  Vokalen  bereits  die  Bahn 
der  Komanischen  Sprachen  betreten  hat  in  Formen  wie  deitu  für 
d  i  c  i  l  o ,  f  e  i  t  u  für  f a  c  i  I  o ,  p  e  i  U  für  p  i  c  e  o  ( Umbr.  Sprache!. 
AK.  1,  73.),  die  mit  Italienischen  wie  falte,  dite  ganz  überein- 
stimmen. 

Es  bleibt  hiernach  zu  erwägen,  ob  schon  auf  dem  Hoden  der 
Lateinischen  Volkssprache  die  Assibilation  des  g  vor  e  und  i 
stattgefunden  hat,  wie  wir  sie  im  Italienischen,  Französischen  und 
anderen  Romanischen  Sprachen  finden. 

Auf  späten  Inschriften  linden  sich  die  Wortformen  : 
congiunta,  Flectw.  S.  I.  Mon.  Christ.  510,  2. 
Giove,   /.  .V.  695. 

Diese  Schreibweise  gi  für  den  Halbvokal  j  findet  sich  im  An- 
laut Italienischer  Worter  wie  gio co,  Giove,  giovane,  giogo, 
giunto,  giunco  für  jocum,  Jovem,  juvenem,  jugum, 
junetum,  juncuin;  sie  konnte  erst  eintreten,  wenn  j  bereits  den 
Ton  hatte  wie  im  Französischen  jeu,  Jeudie,  juge,  jeune, 
Joint,  oder  den  Italienischen  wie  dsch  klingenden  Ton,  der  durch 
gi  für  j  bezeichnet  wird.  Es  erhellt  aber  auch,  dass  die  Bezeichnung 
gi  für  den  assibilierlen  Ton  des  j  est  Platz  greifen  konnte,  nachdem 
g  vor  i  und  e  selbst  bereits  assibiliert  war,  und  so  klang  wie  in 
den  Italienischen  Worten  g  e  n  e  r  e  g  i  n  o  c  c  h  i  o  u.  a.  Also  war  in 
der  Zeit,  aus  der  jene  christlichen  Inschriften  stammen,  das  g  vor  i 
und  e  bereits  assibiliert. 


—     46     — 

Auf  einer  Christlichen  Inschrift  des  vierten  Jahrhunderts  findet 
sich  die  fehlerhafte  Schreibweise : 

fuiciantur,  /.  B.  N.  89  (p.  Ch.  344). 
Die  Form  scheint  fugentur  zu  bedeuten,  das  ia  aber  schon  der 
Italienischen  Conjunctivbildung  anzugehören  wie  in  regniaino, 
crediate  u.  a.  Jene  Schreibvveise  scheint  nur  erklärlich ,  wenn 
man  annimmt,  dass  jene  Verbalform  damals  so  gesprochen  wurde, 
wie  heut  zu  Tage  im  Munde  des  Italieners  fugiantur  gesprochen 
werden  würde,  das  heisst  also  dass  g  vor  i  mit  folgendem  Vokale  be- 
reits assibiliert  gesprochen  wurde.  Jedenfalls  stellt  sich  heraus,  dass 
diese  Assibilation  der  gutturalen  Media  schon  auf  dem  Boden  der 
Spätlateinischen  Volkssprache  stattfand,  dass  sie  aber  später  eintrat 
als  die  Assibilation  der  gutturalen  Tenuis  vor  i  mit  folgendem  Vokal. 

H. 

Der  blosse  Hauchlaut  h,  der  nur  ein  stärkeres  Ausstossen  des 
Athems  aus  der  Luftröhre  ausdrückt,  war  in  den  Indogermanischen 
Sprachen  ursprünglich  vorhanden  in  Verbindung  mit  den  festen 
Kehllauten,  Zungenlauten  und  Lippenlauten,  mit  denen  er  die  Aspi- 
raten bh,  ph,  gh,  ch  ,  tili,  th  bildete.  Durch  die  Stärke  des 
Hauches  ist  dann  oft  der  feste  Bestandteil  des  stummen  Consonan- 
ten  geschwunden  und  der  blosse  Hauchlaut  li  übriggeblieben.  Im 
Griechischen  erscheint  ein  solcher  Hauchlaut  nicht  selten  durch 
Verflüchtigung  des  Zischlautes  s  und  der  Halbvokale  j  und  w  ent- 
standen und  findet  sich  auch  unorganisch  vor  dem  Vokal  v;  er 
wird  in  diesen  Fällen  durch  ein  besonderes  Zeichen  hL  später  h  von 
der  gutturalen  Aspirata  X  geschieden. 

In  den  Italischen  Sprachen,  die  zur  Familie  der  Lateinischen 
gehören,  erschein!  diese  gutturale  Aspiration  nur  selten,  bauhg  hin- 
gegen der  blosse  Hauch  laut  h.  Im  Imbrischen  ist  h  gutturale 
Aspirata  nur  noch  vor  t  in  Wort  formen  wie: 

ahlu,  vgl.  Lut.  acto,  agito,  uhtur,  Lot.  an  clor, 

su  bah  tu,  subigito,  Ire  hin,  fr i et  um, 

r  e  h  t  e ,  r  e  c  t  e , 

(l'mhr.  Spracht/.  AK.  I,  p.  78). 

Im  Anlaut  wie  im  Inlaut  zwischen  Vokalen  laute!  Umbrisches  h 
wieder  Griechische  Spiritus  asper  und  schwinde!  leicht  ganz; 
ja  es  wird  oft  bloss  zur  Bezeichnung  des  gedehnten  Vokales 
zugefügt.     I  in  die  Länge  des  Vokales  zu  bezeichnen   schrieb  man 


_     47     - 

nämlich  im  Umbrischen  den  Vokal  doppelt  wie  im  Oskischen,  und 
seit  Attius  im  Lateinischen,  fügte  dann  aber  zwischen  beide  ein  h 
ein,  oder  man  schrieb  den  Vokal  nur  einlach,  fügte  aber  hinter  den- 
selben ein  h  ein  zur  Bezeichnung  der  Vokallänge  wie  zum  Theil  im 
Neuhochdeutschen.  So  finden  sich  nebeneinander  auf  Umbrischen 
Sprachdenkmälern  : 

s  t a  h a  m  u ,  stall m  u ,  st a m u , 

sehemeniar,         sehmenier,         semenies, 
persnihimu,         persnihmu,        persnimu  u.  a. 
(Umbr.  Sprachd.AK.  I,  p.  77). 

Als  die  Römer  von  Dorischen  Griechen  zu  Cumae  ihr  Alphabet 
bekamen,  muss  die  gutturale  Aspirata  der  Sprache  nicht  geläu- 
fig gewesen  sein,  daher  zeigt  das  Lateinische  keinen  besonderen 
Buchstaben  für  dieselbe,  der  sie  vom  blossen  Hauchlaute  unter- 
schiede, und  muss  später  seit  Ciceros  Zeitalter  das  Griechische  X 
in  Griechischen  Wörtern  durch  C II  umschreiben.  Indessen  ist 
doch  die  gutturale  Aspirata  nicht  ganz  aus  dem  Sprachbewusstsein 
geschwunden,  das  zeigen  die  Formen: 

t  r  a  x  i ,  t  r  a  c  1  u  m ,  von  t  r  a  h  o , 
vexi,     vectum,  veho, 

deren  h  vor  den  scharfen  Lauten  s  und  t  sich  nicht  zur  Tennis  hätte 
assimilieren  können,  wenn  nicht  noch  ein  gutturaler  Anklang  in 
demselben  vorhanden  gewesen  wäre.  Dies  ist  aber  auch  die  ein- 
zige Spur  der  gutturalen  Aspirata  im  Lateinischen ;  sonst  bezeich- 
net H  immer  denselben  Hauchlaut  wie  der  Griechische  Spiritus 
asper,  und  dass  dies  schon  in  sehr  alten  Zeiten  der  Lateinischen 
Sprache  so  der  Fall  war,  beweist  eben  die  Thatsache,  dass 
bei  der  Aufnahme  des  Alphabetes  die  Römer  das  Schriftzeichen 
des  Griechischen  Hauchlautes  zur  Bezeichnung  ihres  II -lautes 
wählten. 

Häufig  ist  nun  Lateinisches  h  entstanden  aus  dem  eigenthüm- 
lichen  Italischen  Laut  f,  von  dem  weiter  unten  die  Rede  sein  wird. 
So  in: 

bare  na,  neben  Sabinisch   fasena, 
h ed  u  s ,  e  d  u  s ,  a  e  d  u  s ,         f  e  d  u  s , 
hircus,  ircus,  fircus, 

F  i  r  c  e  1 1  i  li  s , 
Varro  L.  L.  V,  97.     Vel.  Long.  p.  2230.   2238.    Henop,  de  lingua 
Sab  in  a  p.  17. 


—    4S     - 

Ebenso  innerhalb  des  Lateinischen  in: 

hoedus,  für  foedus, 

h  o  1  u  s ,  f  o  1  u  s , 

hostis,  fostis, 

hostia,  fostia,  Fest.  p.  84.  M. 

Hormiac,       Formiae,  Plin.  H.  N.  HI,  5. 

hordus,         fordus, 

hordicalis,  fordicalis,   Varro  R.  R.  11,56. 

Hordicidia,  Fordicidia, 

horreum,      faire  um, 

h  o r  c t  u m ,      f  o  r  c  t  u  m ,  Fest.  p.  102.  M. 

hordeum,      fordeum,   Ter.  Scaur.  p.  2250.  2252.  2258.  P. 

h  a  b  a ,  f  a  b  a ,    Vel.  Long.  p.  2238. 

hanula,         fanula,  Fest  p.  103. 

h  a  r  i  o  1  u  s ,       f  a  r  i  o  1  u  s ,  Ter.  Scaur.  a.  0. 

h  e  b  r  i  s ,  f e  b  r  i  s ,  Serv.  Verg.  Aen .  VII,  695 . 

Ebenso  ward  im  Dialekt  der  Falisker  gesprochen: 

h  a  b  a  m ,     für  f  a  b  a  m ,   Ter.  Scaur.  p.  2252. 

II  a  1  e  s  u  s ,  für  F a  1  e  s  u s ,  vgl.  F a  1  i s c  u  s ,  F  a  1  e  r  i  i ,  Serv.  Verg. 
Aen.  VII,  693. 
Ebenso  ist  das  h  aus  f  entstanden  in: 

Lat  in  i  h  i ,   Umbr.  m  ehe,  vgl.  Lat  tibi,  s  i  l>  i ,  Ufribr.  t  e  fe  , 
wovon  beim  Buchstaben  f  weiter  die  Rede  sein  wird. 

Aus  dem  Halbvokal  j  ist  Lateinisches  h  entstanden  in: 
ahenum,  vgl.  Umbr.  ahesnes,  Sanskr.  aj a s  (Eisen) ; 
Mähest  in  us,  Fteetw.  S.  I.  Mon.  <  'hrist  347,  3.  für  M  ;i  j  es  tin  u  s. 

Ein  solches  aus  j  entstandenes  h  ist  dann  ausgefallen  wie  je- 
des andere  h  in: 
Lat  pio,  verglichen  mit  0$k.  piibioi,  Sanskr.  prija  (lieb), 
piu  m,  Volks,  p  i  ho  in, 

piavi,  l  //ihr.  piha  fei, 

piaclum,  Umbr.  piha  ein. 

{Umbr.  Sprachd.  AK.  I,  79.  Br.  v.  Velleiri.  litt.  hin/.  .)/.  Tab. 
XIV.  vgl.  Osfc.  Gloss.) 
Es  lag  in  der  Natur  der  Sache,  d.iss  der  Hauchlaut  h  sowohl 
im  Anlaut  der  Wörter  als  auch  im  Inlaut  leicht  gani  schwinden 
konnte.  Schon  im  Zeitalter  des  Syrischen  Krieges  leigt  die 
Sprache  ein  Schwanken    in  der  Beibehaltung  und  Abwerfung   des 


~     49    — 

anlautenden  h.     So    findet  sich  im  Senatusconsult  über  die  Bac- 
canalien  schon : 

a  b  u  i  s  s  e ,  für  h  a  b  u  i  s  s  e ,  hingegen  ha  renam,  für  arenam, 
und  Quintilian  führt,  nachdem  er  gesagt,  dass  die  Alten  selten  den 
Hauchlaut  h  gebraucht  hätten,  als  Beispiel  aus  älteren  Schriftdenk- 
mälern an : 

o  e d  o  s ,  für  h  o  e  d  o  s ,  und  i  r  c  o  s ,  für  h  i  r  c  o  s ,  Quint.  I,  5,  20. 
Varro  billigt  die  Formen : 

olera,  L.  L.  V,  108,  für  holera,  und 

asta,     L.  Z.  V,  115,  für  hasta; 
das  zeigen  seine  Ableitungen  von  oll a  und  astare. 
Verrius  Flaccus  schrieb: 

a  1  i  c  a  m  ,  Charts,  p.  75 ,  nicht  balle  a  m. 

Hingegen  sagt  Nigidius  Figulus  bei  Gell.  XIII,  6,  3.  ff:  rusti- 
cus  fit  sei* mo,  si  aspires  perperam,  woraus  zu  schliessen 
ist,  dass  die  Sprache  des  Landvolkes  seiner  Zeit  das  alte  h  vielfach 
noch  hören  liess,  wo  es,  in  der  Aussprache  der  gebildeten  Haupt- 
städter geschwunden  war. 

Auf  alten  Sprachdenkmälern  findet  sich  h  geschrieben  in: 
II  i n n a d ,  lil.  Claud.,  vgl.  Henna,  Eut.  Cassiod.  />. 231 3.  für  Enna, 
a  h  e  n  a  m ,  Sc.  de  Bacc. 
halicarius,  Lucil.  Charts. p.  75. 
harenato,  /.  Puieol.  1.  N.  2458.  ' 

Gellius  giebt  als  ältere  Schreibarten  an,  II,  3.  H.: 

ahenum,  für  die  j üngere  aenum,  ( J rerg.) 

vehemens,  v e m e n  s , 

.   i n c o h a r e  ,  incoare, 

helluari,  elluari, 

hallu  cinari,  ajluci  nari, 

honera,  onera, 

honustum,  onus  tum. 

Ebenso  stehen  : 

h  e  1  u  s , 

holus,  Fesi.p.  100..)/.  zu  olus, 

have,  Omni.  I,  6,  21.    /.  N.  147.  166.  ave. 

Soviel  erhellt  hieraus,  dass  die  Aussprache  schon  in  der  Augu- 
steischen Z-eit  und  früher  bei  diesen  und  ähnlichen  Wörtern  sehr 
schwankend  war,  und  dass  die  tüchtigsten  Grammatiker  Varro,  Ver- 
rius und  Nigidius  in  diesem  Schwanken  keinen  sicheren  Halt  mehr 


G 


ORSSEN. 


50 


fanden.  Dieses  Schwanken  ist  denn  auch  in  der  folgenden  Zeit  ge- 
blieben, wie  die  verschiedenen  Schreibweisen  der  Inschriften  und 
der  ältesten  Handschriften  verglichen  mit  den  sich  oft  geradezu 
widersprechenden  Angaben  der  Grammatiker  zeigen.  Zur  Ver- 
anschaulichung diene  hier  folgende  Zusammenstellung: 
h a r u n d o ,  Plaut.  Verg. Eutych.      arundo,  Agroet. p.  2272.   Isi- 


Cassiod.  p.  2313. 
haruspex,  Verg. Phoc. p.  1 723 . 

inscr.  Grut.  ind.  gramm. 
h  a  e  d  u  s ,  Eut.  Cassiod.  p.  23 1 2. 
hasta,    Ter.   Maar.  p.  2383. 

Eut.  Cass.p.  2313. 
h  a  r  e  n  a ,  Phoc.  p.  1723.    Mar. 

Victor,  p.  2467. 
h  e  d  e  r  a  ,      Verg.    Ter.    Maur. 

p.  2388.    2400.    Eut.   Cass. 

p.  2313. 
herciscere,    Gaj. 
h  e  r  e  s ,  Gaj.  Eut.  Cass.  p.  23 1 3. 
exheredatus,  Gaj. 


h  e  1  u  o ,  Eut.  Cass.  p.  23 1 2. 

hora,  Verg. 

h  o  1  u  s ,  Plaut.  Fest.  p.  100.  Eut. 

Cass.p.  2312. 
holitor,  Plaut. 
holitorium,  /.  It.  N.  6748. 
h ostia,   Verg. 
h ordern»,  Vel.  Long.  p.  2238. 

Ter.  Scaur.  p.  2250.  2258. 
humus,    Ter.    Maur.  p.  2400. 

Eut.  Cass.p.  2312. 


dor.  Orig.  XVII,  7. 
a  r  u  s  p  e  x ,  Plaut.  Inscr.  Grut. ind. 

gramm. 
oedos,  Quint.  I,  5,  20. 
asta,  Varro  L.  L.  V,  115. 

arena,  Serv.  Verg.  Jen.  I,  172. 

Vel.  Long.  p.  2230. 
edera,  Fest.  p.  82.  M. 


erciscere,  Gaj. 

eres,  Gaj. 

er us,  Haut.   Verg. 

er i  1  i s ,  Plaut. 

elleborus,  Plaut.  Verg. 

elluari,  Gell.  II,  3. 

ora,  Verg. 

olus,    Varro  L.  L.  V,  108. 


ostia,   Verg. 

o r  d  e  u  m  ,   Eut.   Cass.  p.  23 1 3. 


iiiiinr,  Verg. 
innen  s,  verg. 
uiiiidus,  Verg. 
umesco,   Verg. 
umecto,    Verg. 
u  m  e  r  u  s ,    /  'erg. 
Wenn  schon  in  einheimischen  Wörtern  die  Sehreihweise  si» 
schwankte,  so  kann  mau  sich  nicht  wundern,  wenn  dies  hei  Fremd- 


—     51     —  . 

Wörtern,  die  in  die  Sprache  aufgenommen  wurden,  ebenso  der  Fall 

war.     Man  vergleiche: 

Hammon,  Verg.  Eut. Cassiod.  p.  2312.    Amnion,  Verg. 

Halesus, 

H  a  1  a  e  s  u  s ,  Verg.  A 1  a  e  s  u  s ,   Verg. 

Hiberus,  Verg.  Phoc.  p.  1724.    Grut.    Iberus,  Verg. 

690,  5.  416,  16.  108,  7. 
H i s t e r  ,    Verg.    Ter.    Maur.    p.    2388.  "loxQog  , 

2400.    Eut.  Cass.  p.  2313. 
Hil urica,   Plaut.  Illyric. 

Inscr.  Grut.  ind.  gram?n. 
Hirpini,   Phoc.    p.    1721.    Eut.   Cass.    Irpini,  Fest.p.  lö&Jf. 

p.  2313.  irpum,  a.  0. 

Etymologisch  ebenso  unberechtigt  wie  Hister,  Hilurica, 
werden  auch  andere  aus  dem  Griechischen  entnommene  Wörter  mit 
anlautendem  h  geschrieben;  so: 

h  e  1  o  p  s ,  Quint.  V,  1 0,  2 1 .  Eni.  Cass.  />.  2312.     s  X  o  f , 

heben  um,  Verg.  eßevog, 

hibiscum,  Verg.  ißtOKog. 

Auch  das  inlautende  h  zwischen  zwei  Vokalen  war  ein  so 
flüchtiger  Laut,  dass  er  bald  iftrbar  blieb,  bald  verklang.  Am 
leichtesten  musste  wohl  das  Schwinden  des  h  und  die  Verschmel- 
zung der  sich  berührenden  Vokale  eintreten ,  wenn  vor  und  nach 
dein  h  derselbe  vokalische  Laut  erklang.  So  sprach  man  schon  in 
alten  Zeiten: 

für    n  ehe  mo,  nemo  ; 

aber  sonst  gehen  beide  Formen  ofl  nebeneinander,  die  ältere  mil  h 
und  die  jüngere  ohne  h  mit  Vokalverschmelzung;  so: 
Ahala,  Ala,  Cic.  orat.  45,   153. 

mehe,  Tragik.  Quint.  1,  5,  21.       me, 
veh  einen  s,   Cic.  Cor /tut.  Cass.      vemens,  Gell.  11,  3. 
p.  2286.    Quint.  a.  O.  Gell.  11,  Vel.  Long.  p.   2229.    2234. 

3.  Ter.  Scaur.  p.  2256. 

prehendo,  Cic.  a.  O.  Gaj.  prendo,  Gaj.  Quint.  IX,  4,  59. 

Vel.  Long.  a.  O.  Ter.  Scaur. 

.       a.  O. 

Von  den  beiden  letzteren  Wörtern  landen  sich  beide  Formen 

schon  in  alten  Cicerohandschriften;  hingegen  sprach  man  zur  Zeit 

des  Velius  Longus  und  des  Terentius  Scaurus  vemens,  prendo- 

4* 


—     52 


mihi,  Plaut. 

nihil,  Plaut.  Cic.  u.  a. 


m  i ,  Plaut. 

n  i  1 ,  Plaut.  Cic.  Cornut.  Cass. 
p.  2286. 

coors, 

cors,  Vel.  Long.  p.  2230.  2234. 
Ebenso  wird  h  zwischen  zwei  Vokalen  bald  geschrieben  bald  nicht ;  so  : 
a h e n a m, Sc. d. Bacc. cf. Gell. II, 3.  aenus,  Verg.  Serv.  Verg.  Am . 


c  o  h  o  r  s ,  Mar.  Victor,  p.  2467. 


Ahenobarbus, 
dehibeo,  Plaut. 
praehibeo,  Plaut. 
incohatam,   Plaut.  1.  R.    N. 
6268.  0.  Ch.  102).  Or.  783. 
incohat,    Verg.  Gell.  II,  3. 
incohavit,  Or.  780. 


I,  213.    Gell.W,  3. 
d  e  b  e  o ,  Plaut,  u.  a. 
p  r  a  e  b  e  o ,  Plaut,  u.  a. 
i  n  c  o  a  t  a  m ,    Plaut. 


n co a vi t,  /. 
Gell.  II,   3. 


N.  2509.   2510. 


Wenn  nun  aber  die  Gebildeten. und  Gelehrten  schon  seit  der 
Augusteischen  Zeit  so  in  Zweifel  waren,  ob  sie  anlautendes  oder 
inlautendes  h  noch  als  einen  Laut  bezeichnen  sollte»  oder  nicht, 
so  ist  in  der  Volkssprache  dieser  Laut  allmählig  ganz  verloren  ge- 
gangen. Das  zeigen  folgende  auf  Inschriften  der  spateren  Kaiser- 
zeit vorkommende  Formen : 

abuit,  I.  N.  2070.     /.  R.  tßkzen,  7418.   Fleetw.  S.  L  Mm, 

Christ.  516,  1.    abebat , /.  ,V.  5273.    abeto,  /.  N,  6736, 

abiat,    Or.  2541.    abeatis,  Grut.  1062,   1.     Fleetw.  a.  <>. 

517,  4.    ab  et,  Fleche,  a.   it.  131,  4.    abetis,  a.  0,  517,  4. 

abital,  /.  N.  5273. 

esit,  /.  N.  3902.    (p.  Ch.  367)  für  haesil, 
Erennio,  LR.  N.  6405. 
eu,   Grut.   1060. 

exametrum,  Fleetw.  L.  S.  Mon,  Chr.  527,  2. 
exibuit,  L.  N.  2455.     exibet,  J.    V.   109. 


iroum,  /.  N.  2988.  für  heroum. 
lppolylo,   Grut,  1059,  51. 
onori,  /.    V.  591.  (395  p.  Ch.) 

(367.  p.  Ch.) 
Onorio,   /.   .V.  5936.  (p.  Ch.  396) 

Grut.   1050,    12. 
oris,  /.  N.  1862.     oras,  /.  A.  6709.     ora,   Grut.  1053 

1054,  8.   Fleetw.   S.  L  Mon.   Chr.  413,  5.  (405  p.  Ch.) 
inospita,  /.  N.  2075. 


onoribus,  /.  R.   V.  3902. 

/.  .V.  7154.   (394  />.  (  //.) 

6. 


—     53     — 

Ortoriäe,  /.  N.  5230. 

Ortensio,  I.  N.  3156. 

Ostiliae,  /.  N.  3744.    5530. 

oc,  /.  N.  3491. 

omini,  Grut.  588,  9. 

upogaeo  ,  /.  N.  7131. 

Es  erhellt  aus  denjenigen  Inschriften  unter  den  hier  angeführ- 
ten, deren  Zeit  bestimmt  ist,  dass  zu  Ende  des  vierten  und  zu 
Anfang  des  fünften  Jahrhunderts  der  Abfall  des  Hauchlau- 
tes im  Anlaut  und  dessen  Ausfall  im  Inlaut,  den  die  Italienische 
Sprache  zeigt,  bereits  eine  vollendete  Thatsache  war,  so  dass  we- 
der die  Schreiber  der  ältesten  Handschriften,  die  wir  besitzen,  und 
der  gleichzeitigen  Inschriften,  noch  die  Grammatiker  dieser  Zeit  in 
der  Sprache  ihres  Volkes  noch  ein  Kriterium  vorfanden,  um  zu 
beurtheilen,  ob  ein  Wort  jnit  h  geschrieben  wurde,  oder  nicht. 
Daher  (inden  sich  denn  in  der  Veroneser  Handschrift  des  Gaius  die 
Schreibweisen  wie:  eres,  omi cid a,  onoratus,  abeo,  aec,  is 
(fiirhis),  und  daneben  Schreibfehler  wie  haditus,  hauctori- 
tas,  his  (für  is),  hü,  hisdem,  exhilus,  die  nur  möglich 
waren,  wenn  der  Hauchlaut  dem  Ohre  des  Schreibers  ganz  fremd 
geworden  war.  Daher  quälen  sich  denn  die  Grammatiker  Euty- 
chius  und  Phocas  vergebens  ab  Regeln  über  die  Schreibung  des  h 
ausfindig  zu  machen.  Schreibweisen  wie  eres,  erciscere,  ora, 
'ostium,  umor,  umerus  u.a.  inden  besten  Handschriften  des 
Plautns,  Vergil,  Gaius  und  der  Bücher  Giceros  de  republica  bewei- 
sen also  nur,  dass  man  im  fünften  Jahrhundert  diese  Wörter  ohne 
h  sprach,  nicht  dass  dies  zu  allen  Zeiten  der  Fall  war.  Das 
sprachgeschichtliche  Ergebniss  dieser  Untersuchung  ober  das  La- 
teinische h  ist  demnach  folgendes. 

Die  Lateinische  Sprache  hat  schon  sein'  frühzeitig  die 
gutturale  Aspirata  verloren  und  statt  dieser  und  statt  der 
Laute  f  und  j  den  blossen  Hauchlaut  gewahrt.  Auch  dieser 
Hauchlaut  ist  aber  nach  langem  Schwanken  in  der  Aussprache  all- 
mählig  der  Volkssprache  verloren  gegangen.  Daher  hat  ihn 
die  Italienische  Spraehe  nicht.  Die  Griechische  Sprache  hat  den- 
selben Entwickelungsgang  durchgemacht,  indem  sie  den  Zischlaut  s 
und  die  Halbvokale  j  und  w  zu  einem  blossen  Spiritus  asper  sinken 
Hess  Auch  dieser  dem  Lateinischen  h  entsprechende  Hauchlaut 
ist  in  der  Sprache  der  Neugriechen  völlig  geschwunden. 


—     54     — 

Labiale. 
P. 

Dass  der  Buchstabe  P  P  des  Römischen  Alphabets  denselben 
Laut  bezeichnete  wie  im  dorischen  Mutteralphabet,  das  heisst  den 
Laut  der  labialen  Tenuis,  wie  er  in  allen  verwandten  Sprachen  er- 
scheint, bedarf  keines  Beweises.  In  dem  Abschnitt  über  q  ist  ge- 
zeigt worden,  dass  die  gutturale  Tenuis  in  den  Indogermanischen 
Sprachen  in  p  umschlägt,  und  dass  das  Lateinische  qu,  die  guttu- 
rale Tenuis  mit  labialem  Nachida ng,  der  Uebergangs-,  oder  Durch- 
gangslaut zwischen  beiden  ist.  Ein  solches  p  zeigen  nament- 
lich die  Relativpronomina  der  Italischen  Dialekte  neben  Lateini- 
schem q;  so: 

p  i  s ,  Osk.  Umbr.  Sab.    Volsk.  q  u  i  s ,       p  o  n ,        Osk,       q  u  o  m , 
p i m ,  Osk.  q  u e in ,  -pumpe,  Umbr. -quonique, 

p  o  d ,  Osk.  q  u  o  d ,  -  c  u  m  q  u  e , 

p  a  m ,  Osk.  q  u  a  m ,  -ruiKpie, 

p  a  n ,  p  a  n  t  a ,  Umbr.    q  u  a  n  I  a  , 

pa  ,  Umbr.  u.  a.  (vgl.  AK.  Umbr.  Spr.  Gloss.) 

Selten  findet  sich  im  Lateinischen  ein  aus  k  durch  die  .Mittel- 
stufe q  u  entwickeltes  p ;  doch  erscheint  es  in : 
Epona,    von  equus, 
popina,  vgl.  coquo, 

318  71(0  , 

lupus,  Xvxog. 

Auch  mapalia  neben  magalia  (Sah.  Jxig.  18,  8)  ist  nur  er- 
klärlich, wenn  das  Wort  ursprünglich  ein  c  hatte,  das  sich  einer- 
seits zu  g  erweichte,  andrerseits  zu  p  umsetzte. 

Trat  die  Tenuis  p  in  den  Auslaut  des  Wortes  nach  Abfall  ei- 
nes Lautes,  so  erweichte  sie  sich  in  der  Regel  zu  b.     So  in: 
ab,         Griech.  an  o,         San  skr.  äpa, 
sub,  Gr.  vtco,  Skr.  üpa, 

ob,         Umbr.  up,  Skr.  üpa 

(N.  Jahrb.  68,  S.  481).  Das  ursprüngliche  p  von  ab,  ob,  sub 
blieb  erhalten,  oder  trat  wieder  deutlicher  hervor  in  der  Aus- 
sprache vor  folgenden  scharfen  Lauten  wie  s  und  t.  Lediglich  in 
der  Schreibweise  entsteht  Schwanken  zwischen  b  und  p  dalier. 
weil  die  einen  nach  der  Aussprache  ps,   pt  schrieben,  die  ande- 


—     55     — 

ren  bs,  bt  nach  der  Etymologie,  indem  sie  ab,  ob,  sub  auf  dem 
Boden    ihrer   Sprache    als  die    ursprünglichen    Formen    ansahen. 
Dies  zeigt  folgende  Zusammenstellung  von  Schreibweisen  aus  In- 
schriften bis  zur  Zeit  des  Auguslus: 
apstulit,  /.  B.  N.  4070. 
apstinere,  Or.  643.  2489. 
apsentis,   Or.  4859. 

opsignetur,  l.  repel.  (Serv.)     obsequens,  I.  N.  4070. 
o  p  s  1  r  u  i  t  o ,  /.  Pnteol. 
opservarique,  Or.  2489. 

o  p  s  i  d  i  o  n  e ,  c.  de  bell.  Acliac.    Egger  Lat.  serm.  vet.  reit.  p.  3 1 4 . 
opsessis,  a.  0. 

optinebit,  /.  agr.  {Thor.)  I.     Com.  de  XX  quaest. 
optinens,  Sc  d.  Ascl.  Claz. 
optinui,  /.  N.  4070. 
optenui,  t.  Scip.  Or.  554. 
supsignent,  l.  agr.  ( Thor.)     s u b s i g n a t o ,  /.  agr.  ( Thor.) 

subsignata,  a.  0. 
supstituta,  Or.  4860. 

Die  Schreibart  nach  der  Ausprache  war  also  in  diesen  Formen 
wahrend  der  beiden  letzten  Jahrhunderte  der  Republik  die  über- 
wiegende. Die  Grammatiker  folgen  bald  der  Aussprache  bald  der 
Etymologie  und  greifen  zu  allerhand  Unterscheidungen,  die  in  der 
That  nichtig  sind.  Man  vergleiche  folgende  Debersicht  ihrer  An- 
gaben über  hierjjergehörige  Schreibweisen: 

nach  der  Aussprache:  nach  der  Etymologie: 

apstinui,  abscondo, 

apscessi,  abscedo, 

apscondo,  Cassiod.  p.  2289.     a b s c i d o , 

obscurus, 

obscenus,    Prise.  II,   5.  H. 
apsorpsi,  Vel.  Long.  p.  2233.     ab s cedit, 

a  b  s  c  i  n  d  i  t , 
a  b  s  c  o  n  d  i  t , 
opscurus,  abstrahit, 

opservabo,  obstat, 

o p  s  i d  e  o ,  Ter.  Scaur.  p,  2252.     o  b  s t i  p u i  t ,  Mar.  Victor. p.  2466. 


2261. 


absorpsi,   Vel.  Long.  p.  2233. 

0 


56     — 


nach  der  Etymologie: 

o  b  s  c  u  r  u  s , 

o  b  s  i  d  e  o , 

observabo,  Ter.Scaur.p.22b2. 
2261. 

o  b  s  t  u  p  u  i , 

obstupeo, 

obstrepo,  Cassiod.  p.  2289. 
Varro,  der  in  der  Schreibweise  von  Wörtern  wie  urbs  und 
trabs  der  Etymologie  folgte,  hat  wahrscheinlich  auch  hier  in  Ue- 
bereinstimmung  mit  Priscian  dasselbe  Princip  befolgt,  und  daher 
ist  es  in  der  Orthographie  der  Grammatiker  vorherrschend  geblie- 
ben. Dass  b  vor  I  wie  p  gesprochen  wurde  erhellt  auch  aus 
Quintilians  Worten  [,  7,  7:  cum  d  ico  obtinu  i  t  secundam  b 
litt  er  am  ratio  poscit,  aures  magis  audiunl  p.  In  den 
ältesten  Handschriften  des  Plautus,  des  Vergil  und  der  Bücher  Ci- 
ceros  de  republica  hingegen  ist  die  Schreibart  nach  der  Aussprache 
ps,  pt  viel  häutiger  als  in  späleren  Handschriften;  so: 

Plaut.  Verg. 

apstinere,  neben  abstinere,    apsens,  neben 
apsente, 
apscessero, 
o  p  s  e  q  u  i , 
opsecravisset 
o  p  s  e  r  i , 
rjpsit, 

opscurasse. 
opsigna  tus, 


opsessis,          ob  sc  ui  us. 

opsidione,       obscenus, 

opstipui,           obstipescere, 

opservans, 

»bseq 

0  1 . 

opsuitur, 

optendere, 

optestemur, 

optulerat, 

o  p  t  u  si  s , 

optutu, 

supter,  neben  sub-  s-, 

sub-  t-,  ]£edii  . 

Trm. 

/'■ 

04.      Fleckeisen,   Ep.  Grit.  />•  10. 

Verg. 

P- 

111.  /'. )     Dieselben   Schreibweisen 

{vgl.   Ritschi   Profi 

Wagner,    Orfhogr. 

bieten  auch   die  schon   erwähnte  Yeroneser  G&iushandschrifl   lind 

die  ältesten  Cicerohandschriften,  die  wir  besitzen  {Nieb.  >id  Cic.  pro 

Font,  et  Räbir.  frag/n.  />.   L 10.     -i-    Mai.  Conspect.  Orthogr.  ad 

calcem  Ubror.  de  Republ.  />.  624.  ed.    Mose/).      Dass  man  vor  den 

scharfen  Lauten  1   und  s  p  sprach  erbellt  zur  Genüge,   so    sichei 


—     57     — 

wie  die  Präpositionen  ad,  con,  in  sich  in  bekannter  Weise  dein 
consonantischen  Anlaut  des  Wortes,  mit  dem  sie  zusammengesetzt 
waren,  assimilierten,  die  etymologische  Schreibweise  aber  auf  In- 
schriften der  besten  Zeit  und  in  den  ältesten  Handschriften  vielfach 
beibehalten  wurde. 

Im  Altlateinischen  ist  das  p,  als  es  in  den  Auslaut  trat,  auch 
zu  f  aspiriert  in  der  Form: 

af,  Sc.  d.  Tiburt.    Or.  3114.    /.  N.  6276.    Or.  3036,  für  ab; 
doch  hat   sich   das    auslautende   p   gehalten  in    der  Plautinischen 
Form : 

volup  für  volupe, 
von  der  weiter  unten  noch  die  Rede  sein  wird. 

Als  Vermittelungslaut  tritt  p  ein  zwischen  m  und  folgenden 
Zungenlauten.  So  nach  der  Ueberlieferung  der  besten  Hand- 
schriften in  : 

emptus,    vgl.   redemptus,  (/.  agr.  Thor.) 

c  o  m  p  t  u  s , 

sumptus,  s  u  m  p  s  i , 

conteinptus,    contempsi, 

contempnere, 

hiemps,  Cassiod.  p.  2292. 
Durch  Inschriften   und  Handschriften  verbürgt  ist  ferner  die 
Schreibweise : 

temptare,  vgl.  temptatae,  Or.  4859; 
aber  diese  Schreibweise  hat  weder  etymologisch  noch  phonetisch 
Sinn ;  denn  dass  tentare  von  tenlus,  dem  Particip  von  tendo 
stammt,  kann  doch  niemand  bezweifeln,  also  ist  hier  gar  kein  m 
vorhanden,  das  mit  folgendem  Zungenlaut  durch  einen  eingescho- 
benen Vermittelungslaut  p  zu  versöhnen  wäre.  Man  verwechselte 
das  Particip  temptus  von  temnere  und  das  Particip  tentus 
von  tendere  und  übertrug  irrig  die  Schreibweise  jenes  auf  das 
Verbuni  tentare. 

Im  Uebrigen  hat  der  Laut  des  p  in  der  Geschichte  der  Lateini- 
schen Sprache  und  ihrer  Tochtersprachen  keine  wesentlichen  Modi- 
fikationen erlitten,  sondern  ist  unverändert  geblieben,  wie  es  seit 
alter- Zeit  war*). 


*)  Dass  Lateinisch  p  aus  v   entstanden  wäre,  wie  Schneider  p.  321 
und  Dietrich,  Comment.  de  quibusd.  cons.  v.  affect.  p.   1.  f.  annehmen,  ist 


—     58     — 

B. 

Für  die  Aussprache  der  labialen  Media  entsteht  sogleich  die 
Frage,  ob  dieselbe  so  gesprochen  sei  wie  der  Laut  des  deutschen  b 
oder  wie  das  Neugriechische  /3,  das  heisst  als  ein  weicher  dem  w 
ähnlicher  labialer  Laut.  Man  könnte  versucht  sein  das  letztere 
anzunehmen  im  Hinblick  auf  den  Uebergang  des  b  in  v  und  um- 
gekehrt. Allein  hier  muss  man  sorgsam  die  lautlichen  Eintlüsse, 
unter  denen  dieser  Lautwechsel  eintritt,  und  das  Zeitalter  der 
Sprache,  in  dem  er  vorkommt,  beachten.  Die  Verhärtung  eines 
v  zu  b  lässt  sich  für  die  ältere  Sprache  mit  Sicherheit  nur  nach- 
weisen in  den  Wort  formen: 

bellum,   für   du  eil  um, 

b  e  1 1  i  c  u  s ,        d  u  e  1 1  i  c  u  s , 

Belli us,         Duellius,    Cic.  Orot.  45,    153.     vgl.  Quinl.  I, 

4,  15. 

bis,       für       duis,  Fest.  p.  66.     Cic.  a.  0. 
d  u  i  c  e  n  s  u  s ,  a.  0. 
duidens,  a.  0. 

bonus,    vgl.   duonoro,  /.  Scip.  Barb.  f. 

bene , 

belle. 
Die  beiden  Formen: 

viginti,   für  dviginti,    vgl.  duo, 

s u a v i s ,  s u a d  v i s ,  vgl.  s u a d e r e ,  Gr.  advg, 

zeigen  dass  durch  den  Halbvokal  v  der  vorhergehende  D-laut  zer- 
stört wurde;  dann  aber  erhielt  in  den  oben  stehenden  Formen  das 
nunmehr  anlautende  v  dieselbe  Lautdichtigkeit,  die  das  d  gehabt 
hatte,  das  heisst   es  verstärkte   sich    zur  labialen  Media  b.     Line 


nicht  glaublich.  Dass  üpilio  nicht  durch  Verhärtung  des  v  zu  p  aus 
ovilio  entstanden  ist ,  sondern  ein  Compositum  war,  wird  weiter  unten 
nachgewiesen  werden.  Das  Verhältniss  von  Lat.  daps  zu  Griech.  decig 
und  von  Lat.  lapis  zu  Xaccg  ist  völlig  problematisch:  ebenso  ist  die 
Etymologie  von  opillo,  opunculo,  opicerda  nicht  sicher  gestellt. 
Eine  Verhärtung  des  Halbvokales  v  zu  p  zwischen  zwei  Vokalen  würde 
mit  der  übrigen  Neigung  desselben  in  dieser  Lautverbindung  sich  auf- 
zulösen und  ganz  zu  schwinden  in  directem  Widerspruch  stehen  ,  müsste 
also  durch  sehr  bestimmte  und  unzweifelhafte  Thatsachen  nachgewiesen 
sein ,  ehe  man  sie  glaublich  finden  könnte. 


—     59     - 

weiche  dem  deutschen  oder  englischen  w  ähnliche  Aussprache  des 
Lateinischen  b  kann  also  aus  der  Vergleich ung  von  Wortformen  wie 
duicensus,  viginti,  bidens  nicht  geschlossen  werden,  son- 
dern nur  eine  Verdichtung  des  v  zu  b,  die  lautliche  Nachwirkung 
eines  schwindenden  d.     Ebenso  beweist 

Lat.  volo  neben  Gr.  ßovXo^ac;  Lat.  vicia  neben  Gr.  ßi%Ca 
nichts  für  die  Aussprache  des  Lateinischen  b,  sondern  nur  dass  im 
Griechischen   die  labiale  Media  so  weit   erweichte,   dass   sie  zum 
Ausdruck  eines  Griechischen   F  und  eines  Lateinischen  v  dienen 
konnte,  was  ja  auch  anderweitig  erhellt. 

Aber  es  giebt  auch  bestimmte  Beweise  dafür,  dass  das  Latei- 
nische b  den  gewöhnlichen  Ton  der  labialen  Media  gehabt  hat.  Die 
Römer  sprachen  im  Zeitalter  des  Fabricius  und  Curius  Dentatus  wie 
zur  Zeit  des  Scipio  Africanus  und  desEnnius: 
B ur r  u s  für  I1v$q o g ,  Enn.  ap.  Cic.  Orat.  48, 160.  Qidni.  1, 4, 15. 
Sie  konnten  nicht  so  sprechen  und  schreiben,  wenn  ihr  ein- 
heimischer B-laut  wie  w  klaug,  wenn  er  nicht  dem  Griechischen  it 
so  weit  ähnlich  lautete  wie  in  allen  verwandten  Sprachen  die  labiale 
Media  der  labialen  Tenuis.  Dasselbe  lehrt  die  Vergleichung  ande- 
rer aus  dem  Griechischen  in  die  Lateinische  Sprache  übertrage- 
ner Wörter,  wo  an  der  Stelle  des  Griechischen  %  Lateinisch  b  er- 
scheint; so: 

Lat.   c  a  r  b  a  s  u  s ,        Gr.   xaQjtaöog, 
buxus,  7tv%og, 

Buxen  tum,  nv£,ovg, 

bürg  us,  TCVQyog. 

Im  Garmen  Arvale  erscheint  die  Lateinische  Wortform : 
triumpe,  für  Gr.  ^QCa^iße. 
Vergleicht  man  zu  der  Form  tri  u  mpe  Wörter  wie  ambo,   lem- 
bus,  imber,  umbo,  Umbria,  so  sieht  man  dass  kein  zwingen- 
der lautlicher  Grund  vorhanden  war,  in  Folge  dessen  b  in  p   über- 
gehen musste  in  triumpe. 

Es  muss  also  doch  das  Altlateinische  b  dem  p  nahe  gestanden 
haben,  sonst  erscheint  das  p  in  triumpe  nicht  erklärlich.  Dies 
bestätigt  auch  die  Lateinische  Form: 
Ganopus  neben  der  Griechischen  Kavaßog,  Quintil.  1,5,  13. 
Dasselbe  zeigen  auch  die  Uebergänge  des  p  in  b  im  Altlateini- 
schen. So  stehen  schon  in  Voraugusteischer  Zeit  neben  einander 
die  Formen: 


—     60     - 

'poplico,  poublicus, 

poplicas,  /.  Genuat.  I.  N.  6276.    vgl.hlSZ.     publicus, 
Or.  3315.  3674.    (it.  Carthag.  Rhein. 
Mus.  VIII,  453. 
deren  Verhältniss  zu  einander  in  dem  Abschnitt  über  den  Diphthon- 
gen ou  noch  zur  Sprache  kommen  wird. 
Ebenso  steht  neben: 
Poplicola,  Grut.  480,  4.   eine  alte  Form  Boblicola,    Ter. 

Scaitr.  p.  2252. 
Ebenso  finden    sich  schon    in   Voraugusteischer   Zeit  neben- 
einander: 

h  a  p  e  a  l ,  /.  Inl.  mim .  a  b  u  i  s  e ,  Sc.  d.  Bacccm . 

Als  nebeneinander  gebräuchlich   werden  noch  angeführt: 

scapillum  und  scabillum,  Ter.  Scaur.p.  2252. 

s  c  a  p  r  e  s ,  Enn .  Pacuv.  Non .     s  c  a  b  r  e  s . 

li  p.  u.  59.  n. 

Auch  im  AI tumbri sehen  findet  sich  ein  Schwanken  zwi- 
schen b  und  p  in: 

abrum  neben  apruf,  vgl.  La/,  apro- 

kabru,  kaprum,  capro- 

subra,  supra,  supra, 

wo  die  Erweichung  (\i^  p  zu  b  durch  folgendes  r  bewirkt  ist;  aber 
auch   in: 

hapinaf  neben   ha  bin  a, 

ha  pinaru, 
(Umbr.  Sprachd.  AK.  1,  88). 

Dieses  Schwanken  der  Schreibweise  zwischen  b  und  p  genügt 
zum  Beweise,  dass  in  der  ältesten  wie  in  der  Blüthezeil  der  Latei- 
nischen Sprache  b  denselben  Laut  gehabt  hat,  wie  dir  Labiale  Me- 
dia im  Munde  der  Germanischen  und  Romanischen  Volker  heutigen 
Tages. 

Damit  steht  denn  im  vollen  Einklänge,  dass  der  Lauf  b  vor 
den  schallen  Lauten  s  und  t  überall  zu  p  assimiliert  wurde. 
Varro  und  nach  ihm  andere  Grammatiker  folgten  der  Etymolo- 
gie, wenn  sie  in  diesen  Fällen  zum  Theil  noch  b  vor  s  schrie 
ben,  wahrend  andere  Grammatiker  der  Aussprache  folgend  über- 
all p  vor  s  schrieben.  Daher  gehen  nebeneinander  die  Schreib- 
weisen : 


—     61     — 

Varro.  Ter. Scaur. p.22ß].  pieps, 

Prise.  I,  42.  58.  H.  urps, 

Mar.   Victor,  p.  2466.  c  a  e  1  e  p  s , 


p  1  e  b  s , 

u  r  b  s , 

caelebs, 

Ära  b  s  ,     I  Cassiod.  p.  2290. 

trabs,      )  traps, 


Ter.   Scaur. 

p.2252.2261 

Cassiod. 

p.   2291. 


während  die  Schreibweise  nach  dem  Klange  allgemeine  Anerken- 
nung fand  in  Verbalformen  wie : 

scripsi,  lapsus,  scripturus, 

nupsi,  nupturus 

(Prise.  I,  58.  H.  Cassiod.  /?.x2289),  ebenso  wie  die  Präpositionen 
ab,  ob,  sub  vor  folgendem  9  oder  t  ihren  ursprünglichen  Klang 
ap,  op,  sup  wiedererhielten. 

Die  ursprüngliche  Aussprache  der  labialen  Media  ist  nun  aber 
in  der  spateren  Sprachentwickelung  zum  Theil  getrübt  worden. 
In  der  Römischen  Volkssprache  der  späteren  Kaiserzeit  erweicht 
sich  nämlich  das  Lateinische  b  zu  einem  dem  v  oder  dem  Neu- 
griechischen ß  ähnliehen  Laut.  Daher  finden  sich  auf  Inschriften 
dieses  Zeitalters  die  Schreibweisen: 

devitum,  /.  R.  N.  2455. 

incomparaviki,  /.  N.  3228.  5284.  6436.  6491. 

venemerenti,  /.  N.  3321. 

Danuvio,  /.  N.  3331. 

Lesvia,  /.  N.  3405. 

liventer,  /.  N.  4063. 

verva,  /.  N.  591   (395  p.  Ch.)  für  verba, 

acerva,  /.  N.  1560.  acerba, 

miravili,  Or.  1070. 
Da  die  letzte  dieser  Formen  im  dritten  Jahrhundert,  die  Form 
verva  im  vierten  Jahrhundert  nach  Christus  so  geschrieben  wurde, 
so  ist  klar  dass  seit  jener  Zeit,  wo  überhaupt  der  Verfall  der  Römi- 
schen Volkssprache  schon  im  vollen  Zuge  ist,  auch  die  Erweichung 
des  b  zu  einem  dem  v  ähnlichen  Laute  vor  sich  gieng,  und  zwar  am 
häufigsten  im  Inlaut  zwischen  zwei  Vokalen,  seltener  im  Anlaut  und 
neben  Consonanten  im  Inlaut.  Indem  nun  der  R-laut  dem  V-Jaut 
ähnlich  wurde,  und  das  Rewusstsein  von  dem  Lautunterschiede  der- 
selben sich  verdunkelte,  schrieb  man  seit  diesem  Zeitalter  sehr 
häutig  b  für  v.  Es  genügt  für  den  vorliegenden  Zweck  hier  aus  der 
grossen  Menge  dieser  Schreibweisen  einige  anzuführen  auf  Inschrif- 
ten, deren  Abfassungszeit  sich  sicher  angeben  lässt.     Solche  sind: 


-     62     ~ 

• 

cibes,  7.  N.  89.  (344  p.  Ch.) 

berba,  ct.  0. 

fobere,  a.  0. 

lebaque,  /.  N.  2500.  (Arcad.  et  Honor.) 

fabente,  I.  N.  3902.  (p.  Ch.  367). 

Balentiniano,   I.  N.  6275.    7151. 

Bälenti,  /.  N.  7151.  (p.  Ch.  368). 

vibi,  /  N.  7153.  (p.  Gh.  386). 

atabisque,  ör.  1137.  (414  — 42J  p.  Ch.) 

bixit,  Fleetw.  S.  I.Mon.  Christ  461,  1 .  (409  p.  67*.) 

Bfaborti,  /.  M.  N.  428.  (528  jo.  67*.) 

Maburtis,  I.N.  696.  (530?  p.  CA.) 

octaba,  a.  0. 

Die  hier  angeführten  Inschriften  gehören  dem  vierten ,  fünften 
und  sechsten  Jahrhundert  nach  Christus  an,  und  demselben  Zeit- 
alter die  ganze  Masse  der  Inschriften,  auf  denen  die  Schreibweise  b 
für  v  nach  den  zuverlässigen  Texten  in  den  Neapolitanischen  In- 
schriften Tb.  Momnisciis  sein"  gewöhnlich  war.  Doch  kommt  auf 
Inschriften  derselben  Zeit  auch  die  alte  richtige  Schreibart  v  in  den- 
selben Wortern  vor,  ja  auf  ein  und  derselben  Inschrift  (laden  sich 
b  und  v  ohne  alles  Bewusstseio  ihres  lautlichen  Unterschiedes  will- 
kürlich nebeneinander  geschrieben.  Daher  linden  sich  denn  auch 
in  der  Veroneser  Handschrift  des  Gajus  überaus  häufig  nebeneinan- 
der Schreibweisen  wie  : 

devere,     venignior,     und     bidere,         sibe, 

pr ovare,  veneficium,  bivus,  badimoaium, 

vervum,    vienaium,  binum,         In  I  in  in. 

vona,         conn  avium,  u  übet  um,     bero, 

vcstia,  salb  us,  benennt, 

(vgl,  Gaj.  cd.  Lachm.  Praef.  p.  36 /f.  l 

Dass  nun  aber  in  der  Thal  der  B-laul  sich  erweicht  hatte  lind 
dem  V-laul  ahnlicher  geworden  war,  nicht  etwa  der  Y-Iaut  sich  EU 
lt  verhärtet  hatte,  lehrt  die  Vergleichuag  der  Spiillaleinis«  hen  und 
Italienischen  Formen,  wie : 

Silbanus,   /.  .V.  .MI.  vgl.  Italien,  selva, 
iic  t  aha,   /.    V.  696.  <»  ttavo, 

j  u  beni  s,  /.  A.  "ism;.  gioi  l  n  e, 

boluerit.  /.    V.  3030.  \  oglio, 

PrimUibo,  /.  N.  3654.  primitivo, 


,    _     63     - 

bibere,  I.  7^.  3137.  vivere, 

botum,  I.  N.  3416.  voto, 

biginti,  I.  N.  3493.  '   venti, 

biso,  I.  N.  3577.  vi  so, 

R  e  n  o b a t  u  s ,  I.  N.  3893.  r  i  n  o  v  a  t  o , 

B i ctoria,  I.  N.  6414.  vittoria, 

Sebera,  I.  N.  7153.  severa. 

Ueberall  erscheint  hier  im  Italienischen  das  ursprüngliche  ver- 
halten, doch  ist  auch  im  Italienischen  zuweilen  die  Absehwächung 
des  b  zu  v  durchgedrungen  wie  in  lavoro,  tavola  u.  a.,  eine  Ab- 
weichung, die  schon  im  dritten  Jahrhundert  nach  Christus  begonnen 
hat.  ]^ur  so  ist  es  begreiflich,  wenn  auf  späteren  Inschriften  neben- 
einander sich  Perle ctformen  finden  wie: 

laborabit,  I.  N.  984.  laborait,  L  N.  318. 

militabit,  L  K  2699.  2827.  2848. 

6811. 
posibit,  I.  N.  3390. 
juvaberit,  I.  N.  4342. 
potabi,  I.  N.  3090. 

In  der  einen  Form  ist  der  V-laut  durch  den  Buchstaben  b  ge- 
schrieben, in  der  Form  laborait  erscheint  er  bereits  ausgefal- 
len wie  in  den  Italienischen  Perfectformen  amai,  chiamai 
u.   a. 

F. 

Dass  in  der  Schrift  der  Etrusker,  Umbrer,  Osker  der  eigen- 
thümliche  Italische  Laut  F  durch  ein  eigenes  Zeichen  8  ausgedruckt 
wurde,  während  die  Lateinische  Schrift  für  denselben  das  Zeichen 
des  Aeolischen  Digamma  verwandte,  ist  schon  in  dem  Abschnitt 
über  Alphabet  und  Schrift  erwähnt  worden.  Vergleicht  man: 
Lateinisch    frango  mit  Griechisch  F  $r\yvv\ii, 

frigeo,  FQtyog, 

so  könnte  man  geneigt  sein,  das  Lateinische  f  für  den  dem  Digamma 
genau  entsprechenden  Laut  zu  halten.     Indessen  das  Lateinische  f 
steht  ebenso  neben  dem  Griechischen  cp  in  Wörtern  wie 
fama,  neben  dem  Griechischen  cprunfi, 
Pari,  cpavau, 

fero,  cpeQco, 


—     64     — 

fugio,  cpvyrj, 

f  rat  er,  (pQatQicc 

und  doch  wird  der  LauUmterschied  zwischen  Lateinischem  f  und 
Griechischem  cp  durch  bestimmte  Aussagen  der  Alten  hervorgeho- 
ben. Wenn  Cicero  einen  Griechen  aufzog,  dass  er  den  ersten 
Buchstaben  des  Namens  Fundanius  nicht  aussprechen  könne  {Quint. 
[,  4,  14),  weil  er  ein  Griechisches  cp  Statteines  Lateinischen  f  aus- 
gesprochen hatte,  so  muss  der  Unterschied  zwischen  beiden  Lau- 
ten sehr  hörbar  gewesen  sein.  Quinlilian  (XII,  10,  29)  findet  die 
Lateinischen  Laute  f  und  u  verglichen  mit  den  Griechischen  cp  und 
v  plump  und  rauh  und  fährt  hierauf  fort:  nam  et  illa  <juae 
est  sexta  nostrarum  paene  non  humana  voce,  vel 
omnino  non  voce  p o t i  u s  i n  t  e r  d i  s  c r  i m  i n a  d  e n  t  i  u m 
efflanda  est;  quae  etiani  cum  vocalem  proxima  acci- 
pit,  quassa  q  u  od  am  in  odo,  utique  quoties  aliquam 
consonantem  frangit,  ut  in  hoc  ipso  f f rangit',  multo 
fit  horridior  Bestimmter  giebt  Priseian  den  Lautunterschied 
zwischen  Griechischem  cp  und  Lateinischem  f  an:  I,  14.  //.  rhoe 
tan  tum  scire  debemus,  quod  non  fixis  la  bris  est  pro- 
nuntianda  f,  quo  modo  ph,  atque  hoc  solum  int  eres  f. 
Wenn  bei  der  Aussprache  der  labialen  Aspirata  sich  der  Hand  der 
Unterlippe  nicht  fest  gegen  den  Rand  der  Oberlippe  und  der,  Ober- 
zäbne  anschliesst,  so  dringt  zwischen  Zahne  und  Lippen  ein  stär- 
kerer, dickerer  Hauch  hervor;  diese  Stellung  der  Sprachorgane 
ist  durch  Quintilians  Ausdruck:  inter  discrimina  denlium 
efflanda  est,  und  durch  I'iiseians  Zeugniss:  non  fixis  labris 
est  pron  unt  ianda  bezeichnet.  Terentius  Scaurus  (p.  2252  P.) 
sagt  vom  h  und  f:  utraque  ut  flatus  est,  und  eben  wegen 
dieses  starken  Hauches  sah  ein  Theil  der  Grammatiker  das  1  als 
einen  Halbvokal  an  (Charts,  />.  4.  Diom.  />.  421.  Schneid.  Litt.  Gr. 
I,  215.  266).  Auch  im  Umbiischen  isl  das  hauchende  Element 
des  Lautes  f  sein"  stark  hervortretend  gewesen  (/'//ihr.  Sprächet. 
th.  I,  S.  90  f.  101). 

Es  "ist  nun  das  etymologische  Verhältniss  des  f  zu  den  ent- 
sprechenden Lauten  in  verwandten  Sprachen  zu  erwägen. 

Das  Lateinische,  1  tmbrische  und  Oskiscbe  f  entspricht  am 
gewöhnlichsten  der  labialen  Media -Aspirata  des  Sanskrit  bh, 
aber  auch  der  lingualen  d  li  und  der  gutturalen  gh«  Man  ver- 
gleiche: 


—     65     - 


Skr.    Wz.    bhä-, 

Lai.      fatum 
Umbr.  f  a  t  o , 

7 

Griech.    cpuxov, 

Lat.     fama, 

<PWV, 

fari, 

cpavcu , 

Skr.    Wz.   bhu-. 

Lat.      fuerit, 

cp  va , 

Osk.     fust, 

i 

Umbr.  fust, 

Skr.    Wz.    b  h  a  r  - 

-,         Lat.      fero, 
Umbr.  fert u, 

Cp  £003, 

Sab.      ferent 

er, 

Lat.      f  e  r  e  t  r 

um, 

<p«p£T0a, 

f  o  r  s , 

CpOQCC. 

Im  Lateinischen  wird   nun  das  in 

lau 

tend  e   f   in  der  Regel 

mit  Verlust  des  Hauches  zu  b.     So  vei 

halten  sich : 

Skr.  tu-bhj  am, 

Umbr.  tefe,     Lat. 

t  i  b  i , 

und  ebenso   ist  b 

aus  f  entstanden  in 

sib 

u 

üb 

i, 

ali  c  tibi, 

üb 

ique, 

üb 

i  c  u  n  q  u  e , 

Umbr.  ife, 

ibi 

i 

ibi 

que, 

' 

ibi 

d  e  m. 

Das  Suffix  Sanskr.  -hhjam  gesta 

ltet 

sich  in  diesen  Wortfor- 

men  Lateinisch  zu 

-bi  für  -fi,  Umbrisch 

zu  - 

-fe,  Griechisch  zu  -cpi. 

Ebenso  stehen  zu 

einander: 

* 

Skr.  pra-bhava 

,     Umbr.  prüfe, 

Lat.  probe, 

(excellens) 

Osk.     a  m  p  r  u  f  i  d 

"> 

i  m  p  r  o  b  e , 

Umbr.  tafla-, 

tabula-, 

p  u  r  t  i  f  e  1  e 

i 

portabile, 

Umbr.  alfer, 

albis  , 

Osk.     AI  fi  us, 

A 1  b  i  u  s , 

Osk.     Safino-, 

S  a  b  i  n  o  - , 

Umbr.  trifor, 

t  r  i  b  u  s , 

Osk.     am  fr  et, 

a  m  b  i  u  n  t , 

Gr.       ä{icpi, 

Gr.       a^icp  co , 

ämbo, 
u  m  b  o , 

Gr.       oyL(palo$, 

u  m  b  i  1  i  c  u  s , 

CORSSEN. 

5 

—     66     — 

Lat.  s  i  f  i  1  n  m ,  Prise,  s  i  b  i  1  u  m. 
I,  46.  H. 
{Vgl.  Umbr.  Sprächet.  AK.  I,  S.  90  f.  u.  Glossar.  Momms.  Unt. 
Dial.  Gloss.)  Ebenso  ist  das  b  aus  f  geschwächt  in  den  Bildun- 
gen des  Imperfekts  durch  die  Anfügung  -baut  und  des  Futurum  I 
durch  das  Suffix  -ho,  insofern  diese  alte  Formen  des  Imperfekts 
und  Futurum  vom  Hiilfsverbum  fuo  sind,  also  einmal  -fuam, 
-fuo  lauteten  und  zum  Stumm  fu-  in  demselben  Verhältniss  stan- 
den wie  er  am,  ero  zum  Stamme  es-.  Das  u  nach  f  fiel  in  jenen 
Formen  aus  wie  das  u  in  savium  für  suavium  u.  a.  geschwun- 
den ist.  In  der  Perfektbildung  mit  dem  Suffix  -vi  -ui  für  -fui  ist 
das  f  durch  den  folgenden  Halbvokal  v  zerstört  worden,  wie  das  d 
von  viginti,  das  g  von  nives,  Formen,  von  denen  oben  die  Bede 
gewesen  ist.  In  den  Umbrischen  Perfekten  wie  piha-fei  und  in 
den  Oskischen  wie  aikda-fed  hat  sieb  das  f  der  angefügten  Per- 
fektform fui  (fuei,  fuc)  der  Lautneigung  dieser  Dialekte  gemäss 
gehalten,  aber  das  folgende  u  ausgestossen.  Der  ganze  Stamm  des 
angefügten  Hiilfsverbum  fu-  bat  sieb  noch  erhalten  in  der  Umbri- 
schen Form  ambr-c-fu  reut,  Lat.  a  mb-i-  ve  rin  t  (Umbr. 
Sprachd.  AK.  I,  145). 

Üassder  labiale  Lautbestandtheil  des  f  nur  schwach  hörbar  war, 
ergiebl  sieb  auch  daraus,  dass  er  in  ComposHen  ein  n  vor  sieb  dul- 
dete wie  Lat.  eonfern,  infero,  i n fici o  ebenso  wie  in  den  Um- 
brischen Wertformen  an-ferener,  an-fehtaf  (Cmhr.  Sprachd. 
AK.  1,  S.  90),  während  sonst  Labiale  doch  vorhergehendes  m  weh- 
ren und  vorhergehendes  n  sieb  zu  m  assimilieren.  Haber  ist  das  f 
denn  auch  ganz  zum  Hauchlaut  geworden,  nachdem  der  schwache 
labiale  Lautbestandtheil  desselben  geschwanden  ist  in  den  schon 
nachgewiesenen  Formen : 

bare  na,  für  läse  na.  boedus,  für  foedus, 

haba,  faba,  holus,  fölus, 

bau  ula,         tan  ula,  lioslis,  fostis, 

hariolus,    fariolus,  hordus,       fordus,  u. a. 

(Vglp.  48.) 

Auch  im  Inlaut  sinkt  f  bisweilen  /um  blossen  llauehlaut  ;  so 
schon  in  alter  Zeil  in  : 

Lat.  mihi,  l  nihr.  in  e  li  e ,     Sanskr.  m a hj  a  m 

verglichen  mit : 

Lat.  tibi,  sibi,       Umbr.  tefe,      Sanskr.  tubhjam. 


—     67      — 

Ebenso  sind  die  localen  Adverbien  von  Pronomen  und  Pronominal- 
adjeetiven: 

i  1 1  i in ,         li i n c ,         ceteroquin,         u t r i n  s e c n s , 
istim,         illinc,       alioqnin,  in  Irin  sec  ns, 

o  1  i  in ,         i  s  t  i  n  c ,  extrinsecus, 

u  t r i m  q u e  ,  a  1 1 r i n 's e c u  s 

entstanden  ans  vorauszusetzenden  Formen  illo-fim,  isto-fim 
n.  a.,  deren  Suffix  -fim  dem  Sans  kr.  -blijani  entspricht;  das  f 
verflüchtigte  sieh  nun  zu  h,  so  entstanden  die  Formen  illo-him, 
isto-him,  das  li  zwischen  Vokalen  fiel  wie  gewöhnlich  ans  und 
so  wurde  durch  Vokalverschmelzung  ans  illo-im,  isto-im: 
illliii,  i stlm  (Zeitschr.  für  vergl.  Sprach/.  I,  83.  V,  119  —  133). 
Ebenso  entstanden  die  Locativformen  : 

e  x  i  m  ,  i  n  d  e ,  u  n  d  e , 

e  x  i  n ,  e  x  i  n  d  e ,  a  I  i  c .  u  n  d  e , 

dein,  deinde,  u  nqu  am, 

proin,  proinde,  nun  quam, 

])  er  i  nde  , 
su binde , 
durch  Zusammensetzung  mit  ursprünglichen  Italischen  Locativfor- 
men i-fim,  cu-fim  von  den  Pronominalstämmen  i-  und  cu- 
(qiio-),  indem  das  f  erst  zu  h  sank,  das  h  schwand  und  die  sieh 
berührenden  Vokale  verschmolzen.  Auch  das  Oskische  besitzt 
ebenso  entstandene  locativische  Adverbien  [a.  (f.  />.  124/".). 

Seltener  ist  Italisches  f  entstanden  aus  lingualer  Media -Aspi- 
rata dh;  so  entwickelte  sich: 

aus  Sanskr.  rudhira,  Gr.  iQv&Qog,  Umbr.mfra, 

ro  fu, 
Lat.  rutilus,     Lat.      Rufas,  ruber, 
Sanskr.  in  a  d  h  j  a ,  Lat.  m  e  d  i  a ,  Osk.     m  e  f  i  a  i , 

Umbr.  mefa, 
(Umbr.  Sprachd.  AK.  Unt.  Dial.  M.   Gloss.)  und  daher  entspricht 
Lateinisches  f  bisweilen  Griechischem  #;  so  in: 

Gr.  ftvQct ,         Lat.  fores  , 
&riQ  ,  fera. 

Nachdem  die  linguale  Aspirata  auf  Italischem  Sprachboden  in 
die  labiale  umgelautet  war,  ward  diese  im  Lateinischen  ebenfalls 
zu  b  in  ruber  (vgl.  G.  Curtius  Zeitschr.  für  vergl.  Sprach  f. 
II,  333). 

5* 


—     68     — 

Das  Italische  f  ist  also  jedenfalls  ursprünglich  aspirierte  Media 
bh  gewesen,  der  Hauch  dieser  Media -Aspirata  trat  aber  in  der 
Aussprache  so  stark  hervor,  dass  das  f  einem  Hauchlaute  ähnlich 
wurde ;  daher  verflüchtigte  sich  auch  sein  labialer  ßestandtheil 
im  Anlaut  und  im  Inlaut  ganz,  so  dass  oft  bloss  der  Hauchlaut  h 
übrig  blieb.  Im  Inlaut  Lateinischer  Wörter  schwand  aber  andrer- 
seits auch  der  Hauchlaut  des  f ,  so  dass  der  blosse  Labiale  b  übrig 
blieb.  So  verhält  sich  Lat.  mihi  zu  tibi,  indem  jene  Form  von 
"dem  ursprünglichen  f  des  Suffixes,  das  sich  noch  im  Umbrischen 
tefe  zeigt,  den  Hauchlaut,  die  zweite  den  Lippenlaut  gewahrt  hat. 

Wenn  die  Griechen  bei  der  Uebertragung  Lateinischer  Wörter 
in  ihre  Schrift  das  f  durch  <p  ausdrückten,  also: 
c&dßiog,  (PoQTOVva  ,  $ouptog,  7iovrt(pLX  ag ,  cpEQiQs 
u.  a.  schrieben,  so  folgt  daraus  weiter  nichts,  als  dass  sie  denjenigen 
Buchstaben  zur  Bezeichnung  des  Lateinischen  Lautes  verwandten, 
der  den  unter  ihren  einheimischen  Consonanten  dem  Lateinischen  f 
noch  immer  am  ähnlichsten  klingenden  Laut  bezeichnete.     Seitdem 
die  Aspiration   Griechischer  Wörter   im   Lateinischen  nachgeahmt 
wurde,  also  seit  Cieero's  Zeit ,  wird  für  Griechisches  (p  in  Lateini- 
scher Schrift  ph  geschrieben,    nicht  f.     Erst  auf  Inschriften  der 
späteren  und  spätesten  Kaiserzeit  wird  der  Lateinische  Buchstabe  f 
zur  Bezeichnung  des  cp  in  Griechischen  Wörtern  und  Namen  ver- 
wandt.     So  linden  sich  geschrieben: 
Symferusa,/.  tf.  679.  t#/.  7223.  Filoxeno,  /.  .V.  3349. 
Sofanisi,  /.  .V.  844.  Filargirus,  /.   V.  :üis;>. 

triumfatoris,  /.    V.  2498.         Neofito,  /.   \.  5469.  n/l.l'lX\. 
Naofylace,  /.  N.  270(1.  dendroforo,  /.  N..  5639.  5596. 

Filete,  /.  N.  270(>.  551)7. 

Afrodisia,  /.   V.  2936.  Epafrodito,  /.  .V.  (IUI. 

Afrodisus,   /.    V.  (iS4:i.  N  e  n  „  t  i  I  u  s,  /.    V    7221. 

Afrodite,  I.  N.  2985.  sarcofago,  Gr.  1060,   l. 

Filodespoto,   /.  X.  3097  l». 

Dieselbe  Schreibweise  zeigt  die  Veroneser  Gaiushandschrifl  in 
elefantes,  chirografis,  syngrafis.  Es  offenbart  sich  aber 
in  derselben  eine  Abstumpfung  des  Lautgefühles  und  Sprachbewusst- 
seins.  Der  Lautiinlersehied  zwischen  f  und  cp  verwischte  sich  in 
der  spateren  Volkssprache,  wie  nach  Erweichung  von  l>  sich  der 
Unterschied  zwischen  b  und  v  verdunkelte,  hie  spateren  Gramma- 
tiker  fühlten  den   Lautiinterschied   zwischen  Lat.   I    und   Griech.   p 


—     69     — 

noch  heraus,  nachdem  sie  durch  Cicero,  Quintilian  und  ältere  Gram- 
matiker darauf  hingewiesen  waren. 


■©' 


Linguale. 
T. 

Dass  der  Buchstabe  t  im  Lateinischen  ursprünglich  denselben 
Laut  der  lingualen  Tenuis  bezeichnet  wie  in  den  verwandten  Spra- 
chen, ist  nicht  zu  bezweifeln.  In  der  Untersuchung  über  die  guttu- 
rale Tenuis  c  ist  indessen  nachgewiesen,  dass  t  vor  i  mit  folgendem 
Vokal  schon  in  der  Bliithezeit  der  Römischen  Litteratur  assibiliert 
worden  ist,  und  in  der  spätlateinischen  Volkssprache  wie  z  klang. 
Dass  das  t  im  Inlaut,  mochte  es  assibiliert  sein  oder  nicht,  einen 
scharfen  festen  Ton  hatte,  zeigt  das  Schwanken  der  Schreibart  zwi- 
schen t  und  tt  in  den  auf  Inschriften  vorkommenden  Namen  wie: 
A  t i  l  i  u  s ,  neben  A 1 1 i  1  i  a ,  M  e  t i  u  s ,  neben  M  e 1 1  i  a , 

H a  t e r i u s ,        Hatterius,         S  u e  t i  u  s ,  S  u e 1 1 i a , 

Velulenus,      Vettulenus,      Tatius,  Tattia, 

Atiedi  us,         Attiedius,  Tel  ins,  Tettius, 

B  r  u  t  i  u  s ,  B  r  u  1 1  i  u  s ,  V  e  t  i  u  s  ,  V  e  1 1  i  u  s , 

L  u  t  i  u  s ,  L  u  1 1  i  a  ,  Statins,  S  t  a  1 1  i  s 

{vgl.  Momms.  Inscr.  Regn.  Neapol,  Ind.). 

Ebenso  schwanken  in  den  ältesten  Handschriften  die  Schreib- 
weisen zwischen : 

o  b  1  i  t  e  r  a  t  u  in  ,  Gaj.  1  i  1 1  e  r  a  s ,  Gaj. 

oblitteratus,  Gaj. 
cotidie,   Plaut.  cottidianus,    Gaj.,  vgl.  I.  R. 

cotidianus,  Plaut.  N.  6828. 

Atius,  Verg.  Alt  ins,  Verg. 

q  u  a  t  u  o  r ,  Gaj.  q  u  a  1 I  u  o  r ,  Plaut.  Verg. 

Die  bekannte  Assimilation  und  der  Wegfall  des  t  vor  folgendem 
s  in  Formen  wie: 

qua  ss  us,  fassus,  missus,  usus,  misi, 
fons,  mens,  pars,  sors,  Sarsinas,  Quirisu.  a. 
giebt  für  die  Aussprache  des  t  keine  weiteren  Aufschlüsse. 

.  Dass  das  t  im  Auslaut  einen  schwächeren  Ton  hatte  als  im  An- 
laut und  Inlaut,  dafür  spricht  schon  seine  Erweichung  zu  d  an  je- 
ner Stelle  der  Wortformen ,  von  der  bei  der  Erörterung  über  d  die 
Rede  sein  wird.     Ein  wichtiger  Beweis  dafür  ist  nun  aber  die  Ab- 


—     70     — 

werfung  des  Personalzeichens  der  dritten  Person  t  im  Auslaut  von 
Verbalformen  auf  Italischem  Sprachhoden  wie  im  Griechischen. 
Dieses  t  ist  schon  im  Alt  lateinischen  abgefallen  in  den  Formen  : 

dede,  /.  Pisaur.  Pitschl,  fictil  Latin,  p.  27. 

dedro,  /.  Pisaur.  iWa/fei,  Mus.  Veron.  470,  7. 

dederi,  Or.  143,3. 

censuere,  /.  N.  715.  716. 

Die  Formen  der  dritten  Person  Pluralis,  welche  die  Endung 
-nt  abgeworfen  haben  und  dann  das  auslautende  o  (u)  zu  e 
schwächten,  halten  sich  auch  in  der  Bliithezeit  der  Sprache  und 
finden  sich  bei  den  besten  Prosaikern  wie  bei  den  Dichtern.  In 
der  späteren  Lateinischen  Volkssprache  tritt  der  Abfall  des  aus- 
lautenden t  der  dritten  Person  Singularis  und  Pluralis  wieder  her- 
vor. So  linden  sich  auf  Christlichen  Inschriften  die  Formen  des 
Singularis : 

vixse,  Fleetw.  S.  I.  Mm.  Christ.  366,  4. 

fece ,  a.  0.  455,  4. 

quiesce,  Steiner,  Altchrisll.  In  sehr.  56. 
und  ebenso  finden  sich  auf  Inschriften  der  spätesten  Zeit  dir  For- 
men der  dritten  Person  Pluralis: 

fecerun,  /.  N.  2658. 

quiescun,  /.  N.  3528. 

Ebenso  wie  bei  den  Römern  fiel  das  auslautende  t  der  Verbal- 
formen im  Munde  der  Umbrer  leicht  ab.     So   in  den  Formen  der 
dritten  Person  Singularis  wie: 
Umbr.  habe,  LaL  ha  bei  , 

facia,  faciat, 

fuia,  fuat, 

portal a,  porl  et  , 

si ,  sit, 

benus  ,    für   benust,  \  e  uerit , 

fus ,  fust ,  fuer  ii  , 

covortus,      co  Vor  tust,  con  verteilt 

und  in  den  Formen  der  dritten  Person  Pluralis  wie: 
Umhr.  COYOrtusO,  Lot.  con  verlern  ul  , 

benuso ,  \ e  ne in  n  t , 

Formen  welche  die  Endung  -ni  abwarfen  wie  die  Altlateinische 
dedro.     {Umhr.  Spruclui.  AM.  I.  82,    I  13        I  16.) 


—     71      - 

Im  Volskischen  Dialekt  findet  sich  der  Abfall  des  auslautenden 
t  der  dritten  Person  Singularis  in: 

Volsk.  f  a  s  i  a  ,  Urnbr.  f  a  c  i  a  ,         Lot.  f  a  c  i  a  t 

(Momms.  Unt.  Dial.  T.  XIV,  p.  324). 

Hier  zeigt  sich  also,  wie  die  Romanischen  Sprachen  schon  von 
ihrer  gemeinsamen  Muttersprache  und  deren  Schwestern  den  Abfall 
des  auslautenden  Personalzeichens  t  ererbt  bähen.  Der  Altlateini- 
schen Form  dede  entspricht  die  Italienische  diede,  den  Spat- 
lateinischen vixse,  fecedie  Italienischen  risse,  fece,  den  Um- 
brischen  und  Volskischen  Conjunetiv formen  facia,  fasia,  habia 
die  Italienischen  faccia,  abbia  u.  a.,  die  Spätlateinischen  Plural- 
formen fecerun,  quiescun  sind  durch  angefügtes  o  fortgebildet 
in  den  Italienischen  Pluralformen  dicono,  amano,  amarono, 
crederono,  die  Altlateinische  Pluralform  dedro  findet  ihr  Eben- 
bild in  den  Italienischen  diedero,  stetlero,  fecero. 

Wie  in  diesen  Verbalformen,  so  fiel  auslautendes  t  ab  in  der 
Plautinischen  Form : 

hau    für  haut ,    band, 
von  denen  noch  einmal  die  Rede  sein  wird   {vgl.  Rhein.  Mus.  VII, 
593.    VIII,  155.    N.  Jahrb.  LX,  253). 

Aus  diesem  sprachgeschichtlich  wichtigen  Abfall  des  auslau- 
tenden t  in  der  Altlateinischen  wie  in  der  Spätlateinischen  Sprache 
ergiebt  sich,  dass  die  linguale  Tenuis  im  Auslaut  einen  matteren  und 
dumpferen  Ton  gehabt  haben  muss  als  im  Anlaut  und  Inlaut,  wie  in 
den  deutschen  Wörtern  t  ö d  t  e  t ,  I  h  a  I  e  I  ,  t  r  ö  s  t  e  I  das  auslau- 
tende t  viel  schwacher  lautet  als  das  anlautende  und  inlautende. 

D. 

Die  linguale  Media  ist  nicht  an  allen  Stellen  des  Wortes  gleich 
ausgesprochen  worden,  sondern  klang  im  Auslaut  der  Worter 
quid,  q  u  o  d ,  i  d ,  i  s  t  u  d ,  i  1 1  u  d ,  a  1  i  u  d  ,  a  d ,  a  p  u  d ,  s  e  d ,  h  a  u  d 
nach  Quintilians  Zeugniss  (XII,  10,  32)  harter,  also  der  Tenuis  t 
ähnlicher.  Wenn  Ouintilian  (I,  7,  5)  die  Conjunction  at,  die  Prä- 
position ad  schreiben  will,  wenn  andere  Grammatiker  vorschreiben, 
man  solle  zur  Unterscheidung  der  Bedeutung  die  neutralen  Prono- 
minalformen id,  quid,  quod  mit  d  schreiben  zum  Unterschiede 
von  it  (eo),  quit  (queo),  quot  (tot),  und  wenn  sie  uneinig 
sind,  ob  aput,  set,  haut,  oder  apud,  sed,  band  zu  schreiben 
sei  (Schneid.  Lat.  Gr.  I,  252),  so  zeigt  sich,  dass  das  Römische  Ohr 
und  die  Römische  Zunge  auslautendes  t  und  d  nicht  sicher  schied. 


—     72     — 

Dieses  Schwanken    der  Schreibweise   findet    sich  schon  auf  Vor- 
augusteischen Inschriften  ebenso  wie  auf  späteren;  so: 

aput,  /.  Iul.  munic.  I.  N.  6034.  neben  apud,  Cen.Pis.Or.642. 

Or.  4859. 
at  (Präp.),  /.  N.  6058.  adque,  a.O.I.NMU. 

quit,  /.  Rom.  Nenzen.  6086.  quid,  Henz.  a.  0. 

it,  I.  N.  6828.   Henz.  a.  0.  id. 

Die  ältesten  Handschriften   zeigen   ein  ähnliches  Schwanken. 
So  findet  sich  in  den  besten  Virgilhandschriften  nebeneinander: 
aput,  apud,  aliut,  aliud, 

at,  ad,  illut,  illud, 

haut,  haud,  quot,  quod, 

set,      "        sed,  aliquit,  aliquid, 

atque,         adque,  quotque,        quodque, 

quit,  quid,  quotannis,    quodannis. 

quit  quit,    quidquid, 

Ebenso  finden  sich   in  den  Plaut  US-  ttpd   (iatushandschriften : 
aliut,  und  aliud, 
illut,  illud, 

it,  id, 

quit,  quid, 

und    andere   Handschriften   zeigen    ein    ähnliches  Schwanken    der 
Schreibweise. 

Daraus  erhellt  die  Thatsache,  dass  seil  der  Blüthezeil  der  Rö- 
rnischen  Litteratur  bis  zu  Ende  des  Römischen  Reiches  das  aus- 
lautende d  einen  halten  dem  t  ähnlichen  Laut  balle.  Betrachtet 
man  die  vorstehenden  Wortformen  etymologisch,  so  ist  in  den  neu- 
tralen Formen  der  Pronomina  und  Pronominaladjectiva  quid, 
quod,  id,  istud,  illud,  aliud  und  allen  von  diesen  ;il»iielei- 
teten  das  l  das  ursprüngliche,  wie  sich  daraus  ergiebt,  dass  im 
Sanskrit  an  der  Stelle  desselben  in  neutralen  Pronominalformen  I 
sich  findet,  so  dass  zum  Beispiel  dem  Lateinischen  quod,  quot 
Sanskrit  kat  entspricht;  eben  dasselbe  beweist  fiir  das  Lateini- 
sche at,  ad  (Präpos.)  das  Sanskr.  ali.  Die  Erweichung  eines  ur- 
sprünglich auslautenden  i  zu  d  fand  auch  statt  in  den  Altlateini- 
schen  aufd  auslautenden  Ablativformen,  die  in  den  ältesten  Sprach- 
denkmälern vorkommen : 

Hinnad,  lil.  Claud.   Bullet.  <l.  inst.  1S45.  />.    17. 
praidad,  lil.  Für,  Momms.  U.  D.  />.  276. 


—     73     — 

sententiad,  Sc.  d.  Bacc. 

ext rad,  a.  0. 

s  u  p  r  a  d ,  a.  0. 

ead,  a.  0. 

Troiad,  Naev.  Bell  Pun.  v.  8.    V. 

su ad,  Fest.  p.  351. 

oquoltod,  Sc.  d.  Bacc. 

p  o  p  I  i  c  o  d  ,  a.  0. 

preivatod,  a.  0. 

meritod,  Bitschi,  fictil.  Latin,  ant.  p.  27. 

Gnaivod,  t.  Scip.  Barb. 

molticatod,  Or.  3147. 

Beneventod,  Momms.  Unt.  Dial.  S.  203. 

Ladinod,  a.  0. 

(|iiod,  /.  de  ponderib.  Fest.  v.  publica  pondera,  p.  246. 

airid,  Momms.  Unt.  D.  S.  366. 

coventionid,  Sc.  d.  Bacc. 

senatud,  /.  N.  715.     ( 

Die  Wiederhersteller  der  Columna  Rostrata  haben  daher  nach 
dem  Vorhilde  des  Originales  und  anderer  alten  Schriftdenkmäler 
geschrieben: 

p  u c n  a  n  d  od ,  a  1 1  o  d  ,   m  a  r  i d ,  d  i  c  t  a  I .  o  r  e d  ,  n  a  v  a  1  e  d 
{vgl.  Inscr.  q.  /*.  Col.  Bostr.  Duell,  ad  /id.  Marmor.  Capilol.  Com- 
mentari  p.  \.    Bitschi.    Tab.);  man  muss   also  diese  Formen  als 
wirklich  alte  Ablalivformen  ansehen. 

Das  Oskische  wahrte  das  auslautende  d  des  Ablativs  regel- 
mässig, zum  Beispiel  in: 

Osk.  s  u  v  a  d ,        Lal.  s  u  a ,  Osk.  m  a  lud,     Lat.  m  a  1  o , 

e  n  t  r  a  d ,  extra,  p  r  e  i  v  a  t  u  d ,    p  r  i  v  a  t  o , 

m  o  i  n  i  k  a  (I ,         c  o  m  -  m  u  n  i  ,         1  i  g  u  d ,  lege, 

toutad,  (dem  Sinnenach     praesen  tid,  praesente, 

civitate), 
contrud,  contro,  castrid,         Castro 

aragetud,         argento,  u.  a. 

dolud,  dolo,  {Momms.  Unt.  Dial.  p.  228.  230.) 

In  dem  Abschnitt  über  Vokalkürzung  wird  davon  die  Rede 
sein,  dass  auch  aput  oder  a  pud,  s  et  oder  s  cd,  red,postid-, 
antid-,  med,  ted,  sed,  -met,  prod-  Ablativformen  sind,  die 
sich    bis    in   spätere  Zeiten    gehalten    haben.     Dass   das   Ablativ- 


—     74     — 

zeichen  im  Lateinischen  und  Oskischen  aus  älterem  t  entstanden 
ist,  beweist  das  Sanskrit,  das  in  der  entsprechenden  Ablativform 
ein  t  zeigt  {Bopp,  vergL  Gramm.  S.  209/*.). 

Das  so  aus  t  erweichte  auslautende  d  des  Ablativs  ist  indessen 
schon  in  der  frühsten  Sprachperiode,  aus  der  wir  urkundliche 
Schriftdenkmäler  besitzen,  in  der  Zeit  der  Punischen  Kriege  im 
Schwinden  begriffen.  Das  zeigen  Ablativformen  auf  den  ältesten 
Inschriften  wie: 

mereto ,  /.  N.  5567. 

aire,  Or.  3147,    neben    molticatod, 

patre,  l.  Scip.  Barb.  neben  Gnaivod, 

promagistratuo,  Sc.  d.  Bacc. 

agro,  a.  0.  neben  den  angeführten  auf  d  auslautenden. 

In  der  Zeit  vom  Syrischen  Kriege  bis  zu  den  Gracchen  scheint 
das  d  für  gewohnlich  verschwunden   zu  sein.     Daher  finden  sich 
auf  Inschriften  dieses  Zeitalters  nur  Ablativlormen  wie: 
corde  sovo,  tit.  sep.  Or.  4848. 
sermone  lepido,  a.  0. 
ince  ssu  com  modo,  a.  0. 
re  sua  afleicta,  Epigr.    Sor.    I.   B.    N.  4495.  cf.     Bitschi. 

M<m.  epigr.  Irin.  Tab. 
voto  soluto  ,  a.  0. 
deciima  f  a  c  t  a  p  o  1  o  u  c  t  a  ,  a.  0. 
mereto,  a.  0. 
crebro,  a.  0. 

aetate  parva,    t.  Scip.  Cn.  f.    Cn.  ti.   Or.  555. 
honore,  a.  0. 
vir  tut  ei,  a.  0. 

Ein  aus  I  entstandenes  d  ist  im  Lateinischen  regelmassig  ab- 
gefallen in  den  Imperativformen  wie: 
esto,  neben  den  Oskisehen  Formen  estud, 
agito,  actud, 

facito,  In  <!ud, 

liceto  u.  a.  licitud  u.  a. 

(Kirchhof,  Stadirecht  r.  Baniia  S.  79). 

Der  Oskischen  Endung  -lud,  der  Lateinischen  -lo  entspricht 
im  Sanskrit  -täl ,  also  auch  hier  erweichte  sich  auslautendes 
pronominales  I  einer  Vcrhalloi  m  auf  llalisehem  Spraohhoden  EU  d 
und  dieses   d  liel  im  Lateinischen  ab.     Im   vorigen   Abschnitt  isl 


-      75     — 

vom  Abfall  des  auslautenden  t  der  Verbalformen  dritter  Person  die 
Rede  gewesen;  dass  dem  Abfall  dieses  t  eine  Erweichung  zu  d 
vorherging,  zeigen  Lateinische  und  Oskische  Formen. 

So  die  Lateinischen :  die  Oskischen  : 

f  e  cid,  eist.  Praenest.  Momms.         f  e  f  a  c  i  d  , 
U.  D.  p.  283.  29.  hipid, 

exe  ad,  /.  N.  2779.  pru  hipid, 

fuid 
{Kirehh.  a.  0.  'Momms.  Unt.  D.  Gloss.). 
Auch  von  den  drei  Formen  haut ,  haud,  hau  wird  man  hier- 
nach ha  ut  als  die  älteste  anzusehen  haben,  wenn  auch  der  Sprach- 
gebrauch sich  dahin  entschied  hau  vor  Lingualen  und  Labialen, 
haut  vor  Vokalen  und  Gutturalen  zu  schreiben  {vgl.  Ritschi,  Proll. 
Trin.  p.  99  f.  Rhein.  Mus.  VIII,  155.  Or.  4848.  Fleckeisen,  N. 
Jahrb.  LX ,  253). 

Aus  den  vorstehenden  sprachlichen  Thatsachen  ergiebt  sich 
also,  dass  auslautendes  d  in  Lateinischen  und  Italischen  Wortfor- 
men  nicht  ursprünglich  war  sondern  sich  aus  Voritalischem  t  er- 
weicht hat.  Diese  Erweichung  ist  nicht  völlig  durchgedrungen  in 
allen  den  Wortformen,  wo  die  Schreibweise  zwischen  d  und  t 
schwankte,  wie  in  den  neutralen  Pronominalformen  id,  quid, 
quod,  il lud,  istud,  in  den  ablativischen  Formen  wie  sed, 
apud,  ferner  in  band,  ad  u.a.;  sie  ist  durchgedrungen  in  den 
Altlateinischen  Ablativ  formen,  die  auf  d  auslauten,  sie  ging  dem 
Abfall  des  Personalzeichens  t  in  allen  Verbalformen  voraus.  In  der 
Blüthezeit  der  Lateinischen  Sprache  ist  auslautendes  d  als  Flexions- 
zeichen bis  auf  wenige  Ausnahmen  verschwunden ;  dieses  d  muss 
also  einen  schwachen  dumpfen  Laut  gehabt  haben.  Was  Quintilian 
als  härteren  D-laut  auffasste  im  Auslaut  von  id  quid  apud 
sed  u.  a.,  das  war  noch  der  ursprüngliche  T-laut  dieser  Formen, 
der  ja  auch  noch  so  bezeichnet  wurde.  Der  weichere  dumpfere 
Ton  des  auslautenden  t  war  Schuld  daran,  dass  il  (eo)  und  id 
(is),  quit  (queo)  und  quid  (quis)  im  Klang  nicht  unterschie- 
den wurden,  wie  in  der  neuhochdeutschen  Aussprache  von  Wörtern 
wie  Pferd,  Pfad,  Kleid  und  Schwert,  Stat,  Zeit  ein  Unter- 
schied der  auslautenden  Consonanten  nicht  mehr  hörbar  ist. 

Auch  im  Inlaut  Lateinischer  Wörter  tritt  ein  Schwanken  in  der 
Aussprache  und  Schreibweise  bisweilen  hervor,  namentlich  vor  r 
und  nach  n. 


—      76     — 

So  las  Quintilian  in  alten  Inschriften  1,  6,  30: 
AI  ex  anter  für  'jäXeZccvÖQog, 

Cassantra,  KuG  ccvöqcc. 

Ebenso  stehen  neben  einander: 

Triquetra,  Quinl.  I,  4,  16,  Triquedra, 
quatuor,  quadratus, 

quatriduo,  quadraginta, 

mentiri,  mendax. 

Oben  ist  davon  die  Rede  gewesen,  dass  die  gutturale  Tennis  c 
eine  Zeit  lang  mit  der  gutturalen  Media  g  fast  gleich  geklungen, 
dass  die  Romer  für  Griechisches  %  in  Wörtern  wie  Burrus 
buxus  u.  a.  b  sprachen;  wenn  nun  in  vorstehenden  Wortformen 
sich  auch  ein  Schwanken  zwischen  d  und  t  zeigt,  so  tnuss  man 
daraus  schliessen,  dass  die  Romer  für  die  Unterscheidung  der  Me- 
dia und  Tenuis  in  älterer  Zeit  eben  kein  feines  Ohr  hatten.  Das 
halten  auch  ihre  Nachbarn  die  Etrusker  nicht,  daher  ging  ihrem  Al- 
phabet ein  Schrift  zeichen  für  die  linguale  und  labiale  Media  ver- 
loren. Wie  dem  Munde  und  dem  Ohre  eines  Volkes  die  Unter- 
scheidung zwischen  Media  und  Tennis  abhanden  kommen  kann, 
zeigt  heut  zu  Tage  recht  deutlich  die  Sprache  des  Obersachsich- 
Thüringischen  Volksstammes.  Indessen  ist  die  Unterscheidung  des 
d  und  t  im  Anlaut  und  Inlaut  «loch  in  der  Blüthezeil  der  Lateini- 
schen Sprache  und  Litteratur  wieder  vollständig  hergestellt. 

Per  Uebergang  des  d  in  1  und  r  im  Anlaul  und  Inlaut  ist  für 
die  Aussprache  dieser  Laute  von  mehr  Bedeutung  als  für  das  d, 
wird  daher  bei  der  Behandlung  dieser  Buchstaben  zur  Sprache  kom- 
men. Die  Natur  der  beiden  Zungenlaute  brachte  es  mit  sieh,  dass 
die  linguale  Media  d  sich  einem  vorhergehenden  lingualen  n  leicht 
assimilierte  in  Wortern  wie: 

grunnio,    für    grundio,  Uiomed.  />.  'M9.   367. 

dispennile,       dispendite,  Plaut.  Mtl.  1107. 

distennitc,       distendite,  <t.  0. 

lennitur,  tendilur,   Donqi.   Ter.  Phorm.   II,  2,   16.  . 

Ebenso  ward  im  Oskischen: 

op  sann  am   aus  opsandam,  Afomms.  I  .  D.  p.  307, 
und  entspricht  dem  Lateinischen  aperandam,'  welches  das  s  ron 
opus  zu  r  sinken  liess,  wahrend  das  Oskische  den  Vokal  des  Suf- 
fixes ausstiess. 


—      77     — 

Im  Umbrischen  sind  die  Formen : 
p  a  n  e ,  Lat.  quamde,         a  n  f  e  r  e  n  e  r ,  Lat.  c  i  r  c  u  m  f  e  r  e  n  d  i , 
panupei,  quandoque,  pihaner,  piandi 

durch  die  Mittelformen  panne,  pannupei,  anferenner,  pi- 
hanner  ans  pande,  pandupei,  anferender,  pihander 
entstanden  (Umbr.  Sprachd.  I,  1 60  /*.  147.).  Für  die  Aussprache 
des  d  und  n  bietet  indessen  diese  Assimilation  keinen  neuen  Auf- 
sehluss. 

Die  Zerstörung  des  anlautenden  d  in  Wörtern  wie  bellum, 
bis,  bonus,  viginti  durch  den  folgenden  Halbvokal  v  wie  in  den 
Götternamen  Jovis,  Janus  durch  folgendes  j  ist  schon  oben  be- 
sprochen worden  (p.  58  f.). 

Wie  die  Tenuis  c  und  t,  die  Media  g,  so  erlitt  nun  auch  die 
Media  d  unter  gleichen  lautlichen  Einwirkungen  Assibilation.  Ser- 
vius  sagt  zur  Erklärung  der  Aussprache  des  Landnamens  Media, 
Verg.  Georg.  II,  216:  di  sine  sibilo  proferenda  est;  Grae- 
cum enim  nomen  est,  et  Media  provincia  est.  Aus  diesen 
Worten  ergiebt  sich  unzweifelhaft,  dass  das  Lateinische  Wort  me- 
dia in  der  späteren  Volkssprache  schon  mit  assibiliertem  d,  also 
ähnlich  wie  Italienisch  mezza  gesprochen  worden  ist,  ja  dass  über- 
haupt d  i  vor  folgendem  Vokal  damals  in  Lateinischen  Wörtern 
schon  assibiliert  lautete.  Senilis  Zeugniss  ist  um  so  sicherer,  als 
es  dem  Zeugen  unabsichtlich  nur  so  nebenher  entfallen  ist. 

So  erklären  sich  die  von  Schneider  {Lat.  Gramm.  1,  386)  aus 
Handschriften  der  spätesten  Lateinischen  Schriftsteller  wie  der 
Scriptores  historiae  Augustae  und  des  Ammianus  Marcellinus  oder 
der  Kirchenschriftsteller  wie  Lactantius,  Orosius  und  Isidorus  zu- 
sammengestellten Schreibweisen : 

zeta,     für    diaeta,  zaconus,  für  diac onus, 

zabolus,     diabolus,       zanium,  Dianium. 

z  a  b  u  1  n  s  , 
Diese  zeigen,  dass  das  anlautende  d  durch  ein  zu  j  verhärtetes  i 
mit  folgendem  Vokal  so  assibiliert  ward,  dass  es  wie  z  klang.  Aehn- 
lich  entstand  im  Oskischen  ziculud  im  Vergleich  zum  Lateini- 
schen dieculo  (AK.  Umbr.  Sprachd.  I,  p.  107)  und  im  Griechi- 
schen £«,  xaQ^cc ,  Zovvv^og  aus  dta,  xagdCa,  zIlovv- 
öog.  Daher  wurde  auch  Griechisches  £  in  jenem  Zeitalter  gele- 
gentlich durch  die  Buchstaben  di  ausgedrückt.  So  werden  aus  den 
Handschriften  eben  jener  Schriftsteller  angeführt: 


78      — 


obridia,         für         oßQv£a, 

glycyrridia,  ykvxvQQi^a, 

g  a  r  g  a  r  i  d  i  a  r  e ,  yaQyaQi^Etv , 

catomidiare,  xara^ii^siv 

(Schneid,  a.  0.  p.  385). 

Vgl.  Medientius,  Verg.  Cod.  Pal:    M e z e n t  i u s , 

A  m a d i o  n e s ,  Amazone«  (vgl.  0. Ribbek, 

Rhein. Mus.  XII;  419/".). 
Sollte  selbst  eine  otjer  die  andere  der  von  den  alteren  Heraus- 
gebern der  oben  genannten  Schriftsteller  verbürgten  Lesarten  die- 
ser Art  durch  spätere  handschriftliche  Forschungen  nicht  bestätigt 
werden,  Servius  Ausspruch  beweist,  dass  diese  Schreibweisen  nicht 
zufällig  waren.  Dass  zu  Anfang  des  siebenten  Jahrhunderts  diese 
Assibilation  eine  vollendete  Thatsache  war,  beweisen  die  Worte  des 
Bischofs  Isidorus,  Orig.  II,  9.  p.  627  (Lind.):  Mosizicia  quasi 
m o d i  c i a ,  u  n  d  e  e  t  m  o d  i  c  u  m ,  z  pro  d,  s  i  c u  t  s o  1  e n  t  1 1  a  1  i 
dicere  hozic  pro  ho  die.  So  entstanden  also  die  Italienischen 
Wortfonnen  orzo,  mezzo,  pranzo,  razzo  u.  a.  aus  den  Latei- 
nischen hordeuin,  medium,  prandium,  radium  durch  die 
schon  auf  dem  Boden  der  Spätlateinischen  Volkssprache  entstandene 
Assibilation  des  d  durch  ein  aus  i  oder  e  verhärtetes  j. 

Sprachgeschichtlich  merkwürdig  ist  das  Ergebniss  dieser  Un- 
tersuchungen, dass  die  Tenues  diese  Assibilation  durch  ,j  mit  fol- 
gendem Vokal  in  einer  viel  früheren  Sprachperiode  erlitten  als  die 
Mediae.  Der  Grund  dafür  scheint  darin  zu  liegen,  dass  die  scharfen 
Laute  c  und  t  zu  dein  Zischlaute  s  in  näherer  Verwandtschaft  ste- 
hen wie  die  weichen  g  und  d,  also  durch  den  Einfluss  des  dem 
Zischlaut  verwandten  und  daher  leicbl  selbst  zu  einem  assibilierten 
Laute  entartenden  llalhvokales  j  vor  folgendem  Vokal,  leichler  von 
der  Natur  des  Zischlautes  S  angesteckt  werden  als  die  weichen 
Laute  g  und  d,  die  sich  mit  s  so  schlecht  vertragen,  dass  sie  vor 
demselben  sich  zur  Tennis  assimilieren  müssen  oder  hinausgewor- 
fen werden. 

L  i  (|  n  i  d  e. 


Dass  das  I  nicht  an  allen  Stellen  und  in  jeder  Lautverbindung 
des  Wortes  gleich  ausgesprochen  wurde,  wissen  wir  aus  dem  Zeug- 
nisse des  Plinius,  Prise.  I,  38.  H.:   L  triplicem,  ut  Plinio  vi- 


—     79     - 

d'etur,  sonum  habet:  ex i lern,  quando  geminatur  se- 
cundoloco  p  o  s  i  t  a  u  t  c  i  1 1  e ,  M  e  t  e  1 1  u  s ' ,  plenum,  quando 
fruit  noniina  vel  syllabas,  et  quando  aliquam  habet 
ante  se  eadem  syllaba  consonantem,  ut  e  s  o  1 ,  silva,  f  1  a - 
vus,  clarus',  medium  in  aliis  ut  f  lectum  ,  lectus '.  Den 
vollsten  Ton  hatte  1  also  einmal  im  Auslaute  der  Wörter  wie  sal, 
fei,  mel,  consul,  vigil,  daher  fiel  es  an  dieser  Stelle  des  Wor- 
tes, wo  doch  sonst  die  Lateinischen  Consonanten  in  Folge  der  Tief- 
tonigkcit  der  Endsilben  am  schwächsten  tönen  und  am  leichtesten 
schwinden,  niemals  ab.  Denselben  vollen  Ton  hatte  1  aber  auch 
im  Inlaut  der  Wörter,  und  zwar  einmal  nach  anlautender  Muta  wie 
in  clarus,  gloria,  plenus,  pluo,  flavus.  Diesem  vollen 
Tone  ist  es  wohl  zuzuschreiben,  wenn  es  vorhergehendes  c,  t  und 
s  I  abstiess  in: 

1  a c t i s ,  neben  yccAaxTog,    latus,  für  1 1  a t u s  (tolatus), 

1  a  m  e  n  t  u  m ,    c  1  ama r  e ,         1  i  t  e  in  ,        s  1 1  i  t e  m ,  Fest.p.  3 1 3. 

314. 
locum,      stlocum,    Quint.    I, 
4,  16. 
Aus  demselben  Grunde  weil  der  volle  Ton  des  1  mit  vorher- 
gehender  Muta   dem   Römischen  Munde   im  Anlaute  nicht  bequem 
war,  erscheint  im  Lateinischen  das  1  durch  zwischenstehenden  Vo- 
kal von  der  vorhergehenden  Muta  gelrennt,  wahrend  es  im  Griechi- 
schen derselben  unmittelbar  folgt  in : 

d  u  1  c  i  s ,   neben  yivxvg,  für  d Xvxvg  (Ahrens ,  d.  dhtl.  Aeol. 

P-  73), 

pulmo,  Ttvsviiav, 

s  c  a  1  p  o ,  ykäcpca, 

sculpo,  yXvcpco, 

anderer  unsicherer  Beispiele  nicht  zu  gedenken  {vgl.  Dietrich,  de 
Hilerarum  in  lingua  Laiina  transpositione  p.  14  /.).  Ebenso  voll 
klang  das  l  aber  auch  am  Ende  der  Silben  vor  folgendem  Consonan- 
ten in  Wörtern  wie  albus,  p  nie  her,  algeo,  fulgeo,  pulmo, 
fulmen,  alvus,  ulva,  silva.  Die  Betrachtung  der  Formen  wie 
periclum,  vinclum,  templumü.  a.  in  dem  Abschnitte  über 
die  Vokalausstossung  wird  ergeben,  dass  das  volltönende  I  an  dieser 
Wortstelle  einen  dem  u  ähnlichen  vokalischen  Beiklang  hatte,  so 
dass  ein  stummes  u  hörbar  blieb,  auch  wenn  u  in  jenen  Wörtern 
nicht  geschrieben  wurde.    Dieser  dumpfe,  vokalische,  U-artige  Bei- 


—     80     — 

klang  des  1  hat  in  einer  Tochtersprache  des  Lateinischen  das  eon- 
sonantisehe  Element  des  1  so  überwogen,  dass  der  ganze  Laut  in  u 
übergegangen  ist.  So  ist  im  Französischen  au,  aux  entstanden 
aus  al,  als  für  ad  illum,  ad  illos,  chevaux,  gen  er  aux, 
cheveux  aus  chevals,  gen  er  als,  che  v  eis  für  caballos, 
generales,  ca pillos  u.  a.  und  auch  in  anderen  neueren  Spra- 
chen findet  sich  Aehnliches. 

Einen  leichteren  Ton  hatte  1  nach  Plinius  Angabe  im  Anlaut, 
wie  in  latere,  laetari,  lectus,  lotus,  lutus  u.  a.,  und  im  In- 
laut zwischen  Vokalen  und  Wortern  wie  t  a  1  i s ,  fidelis,  facilis, 
hos  tili s.  An  dieser  Stelle  des  Wortes  klang  das  mit  der  Zunge 
leicht  angeschlagene  1  dem  r  ähnlich  und  wechselt  daher  im  Inlaut 
mit  diesem  innerhalb  der  Lateinischen  Sprache.  Pott  hat  nach- 
gewiesen (Etymolog.  Forsch.  II,  97),  dass  die  Suffixe  -ali  und  -ari 
ein  und  dasselbe  sind,  dass  die  Sprache  um  den  Gleiehklang  zweier 
aufeinander  folgender  r  oder  I  zu  vermeiden,  die  Gestalt  -ari 
wählte,  wenn  der  Wortstainm  auf  I  auslautete,  -ali,  wenn  derselbe 
auf  r  ausging.     Man  vergleiche: 

australis,  Laralis,  neben  vallaris,  proeliaris, 

r  u  r  a  1  i  s ,  litoralis,  s  t  e  1 1  a  r  i  s ,        S  a  l  i  a  r  i  s , 

muralis,  lustralis,  solaris,  Apollinaris, 

decemviralis,   sepulcralis,       collaris,  saecularis, 

corporalis,        fulguralis,         talaris,  regularis, 

er  ur a 1 i  s }  f 1 o  r  a 1  i  s ,  a I a  r  i  s ,  e  p  u  I  a  r  i  s , 

ventralis,  Borealis,  capillaris,      articularis, 

pectoralis,        Cerealis,  pugillaris,      canicularis, 

überaus,  solearis,  m  axillaris,     naricolaris. 

lateralis , 

Ebenso  findet  sich  das  Sul'lix  -ali  neben  -ari  in  ro  sa  I  i  Im  s  .  /.    \ 
212.   neben    rosaria,  /.  ff.  V.  3571. 

Aus  demselben  Bestrebender  Dissimilation  entstand: 
caeruleus,  aus  eaeluleus,   von  caelum, 
Parilia,  Palilia ,  Pales. 

hie  Dissimilation  in  dem  letzteren  Worte  gab  zu  der  irrthüm- 
licben  Ableitung  des  Festnamens  der  alten  Hirtengottheil  Pales 
von  pario  Anlass  und  führte  die  Mytbologen  idter  die  Bedeutung 
des  alten  Hirtenfestes  irre.  Wo  das  Bestreben  der  Dissimilation 
nicht  statt  fand,   linden  sieh  die  Suffixgestaltungen  -ali  und    -ari 


-     81     — 

völlig  gleichbedeutend  nebeneinander.  Dass  dem  Lateinischen  1  in 
verwandten  Sprachen  ein  r  zur  Seite  stehen  konnte,  wirft  auf  die 
Aussprache  des  Lateinischen  1  kein  Licht.  Weil  das  1  im  Anlaut 
und  im  Inlaut  zwischen  Vokalen  nur  leicht  mit  der  Zunge  an- 
geschlagen wurde,  so  wechselt  es  auch  an  diesen  Wortstellen  mit 
dem  Zungenlaut  d.  So  ist  1  aus  d  entstanden  im  Anlaut  von : 
I  a  er  i m  a ,  für  d  a  c  r  i  m  a ,  Liv.  Andron.  Fest.  p.  68.  Mar.  Victor. 

p.  2470.     Griech.   däxQva. 
1  e  v  i  r  ,  tfß'F^, 

1  a  u  t i a ,  d  a  u  t  i  a  ,  Fest.  p.  08. 

Nach  Aufrecht  (Umbr.  Sprachd.  J,  86.  An?n.)  stammt  dautia 
von  Sanskr.  dfitä,  Bote,  (ie sandte; 

lingua,  dingua,  Goth.  luggo,  Ahd.  zunga; 

im  Inlaut  von : 

olere,  vgl.         odor,     Griech.  odeodec, 

olfacere,  odefacit,  Fest.  p.  178. 

olefacere. 

In  cassilam,  das  Verrius  Flaccus  (Fest.  p.  48)  bei  alten 
Schriftstellern  für  cassidem  fand,  ist  wohl  ein  anderes  Suffix  an- 
zunehmen wie  in  c  a  s  s  i  d  e  m. 

impelimenla  ,  Fes/,  p.  108.     impedimenta. 

Hingegen  ist  d  aus  1  geworden  in: 
cadamitas,  für  calamitas,  Mar.  Victor,  p.  2456. 
Capitodium,    Capitolium,  a.  0.  p.  2470. 

Den  schwächsten  Ton  hat  nach  Plinius  Angabe  das  zweite  1  ge- 
habt, wo  sich  im  Inlaut  der  Wörter  11  fand.  Daher  war  1  und  11  in 
der  That  so  wenig  von  einander  unterschieden,  dass  zwischen  bei- 
den Schreibweisen  ein  haltloses  Schwanken  statt  findet  ■  Nach  dem 
zuverlässigen  Text  von  Mommsens  Neapolitanischen  Inschriften  fin- 
den sich  nebeneinander  die  Schreibweisen  der  Namen: 

A  m  u  1  i  u  s  und  A  m  u  1 1  i  u  s ,  0  f  i  1  i  u  s  und  0  f  i  1 1  i  u  s , 


Aq  uili  us 

A  q  u  i  1 1  i  u  s , 

Olius 

Ollius, 

A  u  r  e  1  i  u  s 

A  u  r  e  1 1  i  u  s , 

Petilia 

Petillius, 

B  a  b  u  1  i  u  s 

B  a  b  u  1 1  i  a , 

Popilia 

Popillius, 

C  a  e  r  e  1  i  a 

Ca  er  elli  us, 

Sicilia     • 

Sicillius, 

Figelia 

Figellius, 

Silius 

Sillius, 

Folia 

Follia, 

Spelius 

S  p  e  1 1  i  u  s 

L  a  1  i  u  s 

L  a  1 1  i  u  s , 

Suilia 

Suilli  us, 

{vgl.  Momms.  Inscr.  Regn.  Neap.  Ind.). 

COKSSEN. 


—     82     — 

Mnn  vergleiche  hierzu  die  nach  den  schon  mehrfach  erwähnteis 
ältesten  Handschriften  schwankende  Schreibweise: 

mille,  Plaut.  Verg.     mile,   Verg.  Gaj.   vgl.  milliaria,  Or. 

Henz.  5442.  5456. 
m  i  1 1  i  a ,   Verg.  m  i  1  i  a ,   Plaut.  Verg. 

Allerdings  erscheint  die  Schreibweise  mille  und  milia  als  die 
gewöhnlichere  (Lachm.Lucr.  p.  33);  aber  die  Schreibart  millia  ist 
deshalb  ebensowenig  falsch  zu  nennen  wie  das  II  in  den  vorstehen- 
den Namen.  Da  .i  mit  folgendem  Vokal  häufig  seinem  Ursprung 
nach  halbvokalisch  war,  da  es  in  der  späteren  Lateinischen  Volks- 
sprache j  gesprochen  wurde  und  als  solches,  wie  gezeigt  ist,  die  as- 
sibilierende  Kraft  auf  vorhergehende  Gutturale  und  Linguale  geübt 
hat,  so  blieb  von  zwei  1  das  zweite  schwach  lautende  vor  dem  halb- 
vokalischen Laut  j  nur  so  schwach  hörbar,  dass  die  Lautverbin- 
dungen Uio,  llia  und  lio,  lia  nicht  genau  geschieden  wurden, 
sondern  beide  wie  ljo,  lja  lauteten  und  nun  bald  mit  einem  bald 
mit  zwei  1  geschrieben  wurden.  Daher  gestaltete  sich  im  Italieni- 
schen der  Schreibgebrauch  so,  dass  man  vor  halbconsonantischem 
i  oder  j  mit  folgendem  Vokal  nur  ein  1  schrieb  in  mila  für  milja, 
milione  u.  a.,  hingegen  sonst  zwei  1  in  mille,  millenario  u.  a. 
Aus  demselben  Grunde  schrieb  man  schon  im  Lateinischen  Kleist 
in  i  1 1  e ,  aber  daneben  mili  a. 

Dieser  lautliehe  Hergang  wird  noch  einbuchtender,  wenn  man 
erwägt,  dass  schon  in  sehr  alter  Zeit  ein  halbvokalis«  lies  i  oder  j  in 
Lateinischen  Verbalformen  sogar  soweit  zum  Consonanlen  verhärtet  ist, 
dass  es  sich  zu  vorhergehendem  1  assimilierte.     So  sind  Lateinisch: 
percello,    neben   perculi,   entstanden  aus  per  celj  o, 
pello,*  pepuli,  peljo, 

tollo,  leluli,  toljo, 

wie  Griechisch : 

GtaXXa,    neben    (Tro/los',  entstanden  austfrfAjo, 

/if'AAcu,  jifAjü, 

in  dem  das  Suffix,  mit  demdiese  Verba  gebildet  sind,  ursprünglich  -ja 
war  [vgl.  C.  ( 'urtius  Tempora  u.  Modi  S.  ü2.  Jahns  ./<////•//.  L\  VI  1 1,  360). 
Aber  auch  vor  anderen  Lauten  als  dem  lialhvokalisrhen  i  be- 
thätigt  sich  die  zwischen  1  und  II  schwankende  Schreibweise  nun 
Aussprache  darin,  dass  sich  nur  ein  1  geschrieben  findet,  wo  man 
zwei  erwarten  sollte  ;  so  in : 


—     83.    — 

v  i  1  i  e  u  s ,  neben  v i  1 1  a ,  Plant,  entstanden  ans  vi n  u  1  a , 
i  1  i c o ,  Plaut.  für  in  1  o  c o ; 

in  beiden  Wortformen  ist  n  durch  folgendes  1  zu  1  assimiliert  wor- 
den, also  müsste  man  villicus,  illico  erwarten,  wie  man  illicio, 
illecebrae,  col latus,  eollegium,  colloqui  sprach,  wenn 
man  auch  der  Etymologie  folgend  inlicio,  inlecebrae,  co n la- 
tus ,  c o  n  1  e  g  i  um ,  c  o  n  1  o  q  u  i  schrieb.  Ebenso  verhalten  sich  nun : 
pelex,  Plaut,  neben  pellicere, 
b  e  1  u  a ,    Verg.  bellum,  d  u  e  1 1  u  m , 

solemnis,  Born.  I.     solle mnis,  a.  0.  XIII,  3.  cf.  VII,  18. 

Zyow.VI,28.  VII,  18. 
sole nnis.  Gaj.  sollemnis,  Gaj.Or.  4859.   Or.  Benz. 

5388.  7392.  vgl.  6790.  6086. 
.    Dagegen  findet  sich  umgekehrt  II  geschrieben,  wo  man  nur  e  in 
I   erwarten  sollte;  so: 

loquella,  Verg.  neben     medela, 

q  u e  r  e IIa,  Verg  .Lachm.Lucr .  203  f.  Or.ffenz.7diS.  s  u a  d  e  1  a , 
quaerella,  I.  N.  491 1.  7108.  corruptela, 

r  e  1 1  i  g  i  o ,  relegere, 

r  e  1 1  i  q  u  i  a e ,  Lachm.  Lucr.  p.  377.  p.  281.  r  e  1  i  n  cuo, 

relicuos. 
Die  Erklärung,  das  erste  1  in  relligio  und  relliquiae  sei 
aus  d  von  red  entstanden,  ist  nicht  stichhaltig,  da  sich  niemals  rel- 
1  i  q  u  i  t ,  r  e  1 1 1  n  q  u  i  t ,  r  e  1 1  e  g  i  t  oder  r  e  11  i  g  a  t  geschrieben  findet . 
Ebenso  stehen  nebeneinander: 

p  a  u  1  u  m ,    Verg.    und    P  a  u  1 1  u  s ,    p  a  u  1 1  u  m , 
paulatim,    Verg.  paullatim, 

p  a  u  1  i  s  p  e  r ,    Verg.         p  a  u  1 1  i  s  p  c  r , 
indem  die  Entstehung  dieser  Formen  aus  pauculo-  beide  Schreib- 
weisen erklärlich  erscheinen  lässt,  je  nachdem  man  sich  das  c  nach 
Ausfall  des  u  ausgestossen  oder  assimiliert  denkt. 

Kurz  aus  diesen  Schwankungen  der  Schreibweise  erhellt, 
dass  11  im  Inlaut  Lateinischer  Worter,  da  das  zweite  1  nach  Plinius 
sehr  dünn  hütete,  dem  einfachen  1  ganz  ähnlich  klang.  Auch  im 
Griechischen,  namentlich  in  der  Homerischen  Sprache  findet  sich 
Schwanken  zwischen  XX  und  X  in  Aussprache  und  Schrift,  ohne 
dass  man  diesen  Wechsel  immer  etymologisch  erklären  könnte,  wenn 
auch  im  Griechischen  XX  vielfach  aus  Assimilation  hervorgegangen 
ist  wie  im  Lateinischen. 

6* 


—     84     - 

Auch  Schreibweisen  wie  muccidus,  buccina,  b  r  a  c  - 
chium,  futtilis,  cottidianus,  quattuor,  Juppiter  und 
andrerseits  o c u  1 1  u s ,  o q u o  1 1 o d ,  o p e r i o r ,  a p e r i o ,  coneius, 
conubium  sind  etymologisch  nicht  zu  rechtfertigen,  und  doch 
sind  diese  Schreibweisen  handschriftlich  und  inschriftlich  verbürgt. 
Der  härtere  und^  vollere  Ton  der  Lateinischen  Consonanten  im  An- 
laut und  Inlaut  im  Vergleich  zu  den  Griechischen  machte  ,  dass 
eine  geschärfte  Aussprache  derselben,  die  durch  Verdoppelung  der 
Schrift  ausgedrückt  wurde,  von  der  gewöhnlichen  Aussprache  sich 
nicht  so  hervortretend  schied;  daher  schrieb  erst  Ennius  die  Vo- 
kale doppelt,  und  daher  kommt  das  Schwanken  zwischen  einfacher 
und  doppelter  Schreibung  der  Consonanten  in  so  vielen  Lateinischen 
Schriftdenkmälern. 

Plinius  Angabe  von  der  dreifachen  Aussprache  des  I  hat  sich 
also  durch  sprachgeschichtliche  Thatsachen  bewährt  gegen  die  An- 
gaben anderer  Grammatiker  der  spätesten  Zeit,  die  nur  einen  zwie- 
fachen Ton  des  1  kennen  (Consent,  de  barbar.  et  metapl.  c.  1 2. 
Isidor.  Orig.  I,  31.  vgl.  Schneider,  Lat.  Gr.  I.  297).  Dafür  dass 
die  Lautunterschiede  des  1  in  der  Sprache  lebendig  gefühlt  wurden, 
spricht  auch  der  Name  Lambdacismus,  mit  dem  man  eine  fehler- 
•  hafte  Aussprache  des  Lautes  L,  namentlich  eine  zu  dicke,  volle 
Aussprache  am  unrechten  Ort  benannte  (Diom.  j>.  US.  Consent. a.  <>. 
Isidor.  a.  ().). 

R. 

Unter  den  Liquiden  und  Überhaupt  unter  allen  Consonanten  im 
Lateinischen  steht  r  den  Vokalen  am  nächsten.  Im  Sanskrit  giebl 
es  einen  vokalischen  R-laut,  der  durch  ein  besonderes  Schrift- 
zeichen vom  Cpnsonantischen  R  geschieden  ist.  das  Griechische 
kennt  ebenfalls  ein  doppeltes  y,  deren  eines  mit  starkem  Hauch  ge- 
sprochen wurde  im  Anlaut  der  Worter  und  nach  vorhergegangenem 
9,  das  andere  mit  schwachem  Hauch.  Auch  die  deutsche  Sprache 
kennt  ein  doppeltes  r  in  der  Aussprache,  das  eine  mehr  gutturaler 
Natur  und  dem  Griechischen  $  näher  stehend,  bei  dessen  Aus- 
sprache sich  der  hintere  Theil  der  Zunge  gegen  den  Gaumen  hebt, 
das  andere  mehr  lingualer  Natur  und  dem  Griechischen  o'  ähnlicher, 
indem  bei  dessen  Aussprache  die  Zungenspitze  vibrierend  gegen 
den  vordersten  Theil  des  Gaumens  unmittelbar  über  den  oberen 
Vorderzähnen  anschlägt. 


—     85     — 

Die  Römischen  Grammatiker  sagen  uns  nichts  über  einen 
zwiefachen  Klang  des  r  im  Lateinischen  und  überhaupt  nichts  We- 
sentliches zur  genaueren  Bestimmung  der  Aussprache  dieses  Lau- 
tes.    Es  sind  daher  die  Lautwechsel  des  r  zu  betrachten. 

Weit  verbreitet  ist  im  Lateinischen  das  Sinken  eines  ursprüng- 
lichen s  zwischen  zwei  Vokalen  zu  r,  und  es  sind  zahlreiche  Wort- 
formen aus  alten  Sprachdenkmälern  aufbewahrt,  die  dieses  s  noch 
zeigen. 

So  ist  altes  stammhaftes  s  zwischen  zwei  Vokalen  im  Inlaut  zu 
r  gesunken  in : 

La  res,     für      Lases,        Carm.  Arv.  QuinlA,  4,  13.     lasi- 

bus,    Fest.   p.  264.      Ter.    Scanr. 
p.  2252. 
ferias,  fesias,       Fest.    p.  86.     fesiae,    Vel.   Long. 

p.   2233. 
aras,  asas,  Ter.    Scaur.    p.    2252.      vgl.    Osk. 

a a s a i ,    Umbr.    asa,   Momms.    Uni. 
Dial.   Gloss.    Umbr.  Sprachd.    AK. 
Gloss. 
harena,  fasena,       Vel.  Long.  p.  2230.    2238. 

arenam,  äsen  am,    Carm.     Saliar.    Varro     L.    L.  VII, 

27.   M. 
Aurelii,  Auselii,    Fest.  p.  213.  23. 

Spur  ins,         Spusius,  Dion.  Halle.  III,  34:  Utcovölov. 
F  u r  i  u  s ,  F  u  s  i u  s ,      Pompqn.  Big.  I,  2,  2.  §  36. 

e  r  a  m ,  es«  m  ,        Varro  L.  L.  IX,  100. 

ero,  eilt,  Maer.  Sat.  I,  4. 

Auch  die  spätere  Sprache  zeigt  das  allere  stammhafte  s  noch 
neben  dem  jüngeren  r  in: 
q  u  a  e  r  o ,  q  u  a  e  s  o , 

naris,  nasus. 

Ebenso  entstanden: 
gero,      aus      geso,  vgl.     gestum, 

h  a  u  r  i  o ,  h  a  u  s  i  o ,  h  a  u  s  t  u  m , 

uro,  u s  o ,  ustum. 

heri,      vgl.      he  sternus,  Gr.  %&eg. 
a  e  r  i  s ,     von      a  e  s , 
c  r  u  r  i  s ,  c  r  u  s , 

juris,  jus, 


—     86     — 

thuris,  von  thus, 

moris,  mos, 

floris,  flos, 

r  o  r  i  s ,  r  o  s , 

s p  e r  e  s ,  Nom.  Acc.  PI.  s  p  e  s ,     vgl.  Enn.  Annal.  f.  410.  Vahlen. 

spero.  132. 

Ebenso  sinkt  das  s  zwischen  Vokalen  in  Suffixen   jeder  Art 
zu  r.     So  in: 

Valerii,  für  Valesii,       Fest.  p.  213.     Valesius, 

Pomp.  Big.  1,  2,  2.  §.  36. 
Pinarii,  Pinasi,         Fest.  p.  213. 

Papirius,  Papisius,    Cic.  Farn.  IX,    21.     Fest. 

p.  213. 
Veturius,  Vetusius,    Zw.  III,  8,2. 

veteres,  vetusti, 

N  u  m  e  r  i  u  s ,  N  u  m  i  s  i  u  s ,  Momms.  Inscr.  Regn .  Neap . 

Ind.  Unt.  Dial.  p.  282. 
Falerii,  vgl.  Halesus, 

Faliscus, 
E  t  r  u  r  i  a ,  E  t  r  u  s  c  i , 

liberum,  loebesum,  lex Numae,  Fest. p.  121. 

arborem,  arbosem,     Fest.  p.  15. 

robore,  r  ob  ose,        a.  0. 

holera,  belusa,         Fest.  #.  100. 

pignora,  pignosa,      Fest.  />.  "il.'l. 


f  o  c  d  e  r  u  m , 

foedcsum 

,  i'urm.  Saliar.  Varro  L.  L. 
VII,  27. 

In  demselben  Vei 

ball 

niss  stehen : 

funeris, 

zu 

fu  uns, 

funcstus, 

g  e  n  e  r  i  s , 

gen  us, 

vgl.  (ir.  ysveog, 

sceleris, 

scelus, 

scelesl  us, 

oneris, 

o  uns, 

onusttts, 

i  emporis, 

Ue  m  p  u  s , 

i 

t  e  in  p  e  r  i , 

i  em  pe st  as , 

V  e  n  e  r  i  s  , 

Venus, 

v  e  n  u  st  u  s , 

vc  uu  sl  as, 

C  e  r  e  r  i  s , 

Ceres, 

vgl.   (Irrealis« 

pulverig, 

pulvis, 

c  i  n  e  r  i  s , 

cinis. 

—     87     — 

Ebenso  ist  das  s  des  Comparativsuffixes  zu  r  gesunken  in : 
plouruma,      neben      plusima,     Carm.  Saliar.    Varro  VII, 

t.  Äquü.  Mural,  p.  658.  L.  L.   27.  M. 

ploirume,  t.  Scip.B.f.  plisima,      Fest.  p.  204. 

Diese  Formen  des  Superlativs  sind  wie  die  Comparativformen 
plous  (Sc.  de  Baccan.),  pleores  (Carm.  Arv.)  aus  den  ursprüng- 
lichen Comparativ-  und  Superlativformen  plo-ios  und  plo-ios- 
umo  entstanden  (Zeitschr.  für  vergl.  Sprach  f.  III,  280). 
m  a  j  o  r  i b  u  s ,  m  a j  o  s i b u s,  Fest.  p.  264. 

melioribus,  meliosibus,  a.  0. 

meliorem,  m  e  liosem,  Carm.  Sah  Varr.  L.  Z.  VII, 

27. 

In  der  Composition  sank  s  zu  r  in: 
d  i  r  i  m  e  r  e ,         für      -  d i  s i  m  e  r  e , 
d  i  r  i  b  e  r  e ,  d  i  s  h  i  b  e  r  e , 

Das  s  einer  Flexionsendung  sinkt  im  Inlaut  zwischen  Vokalen 
zu  r  in  der  Endung  des  Genetiv  Pluralis 

-rum,  für  -sum,  Sanskr.  -säm,  Bopp.  Vgl. 

Gramm.  S.  285. 
in  Wörtern  wie : 
faba-ru  m  , 
bono-r  u  m, 
d  i  e  -  r  u  m , 
bove-rum,  u.  a. 

Auch  auslautendes  s  sinkt  zu  r  in  : 
arbor,  für  arbos, 

labor,  labos, 

h  o  n  o  ]• ,  bonos, 

1  e  p  o  r ,  1  e  p  o  s  , 

veter,  vetus,  Varro  L.  L.  VII,  8. 

Ein  auslautendes  s  als  Nominativzeichen  sinkt  zu  r  in: 
q v irq uir,         für         q  u i  s q u  i s ,     Varro  L.  L.  VII,  8 , 
eine    vereinzelt    stehende    Form,    die   Varro     in    alten    Augural- 
formeln las. 

Dasselbe  gilt  von  dem  auslautenden  r  der  Lateinischen  Passiv- 
endungen, das  aus  dem  s  des  Pronomen  retlexivurn  se  entstanden 
ist  (Bopp,  Vergl.  Gramm.  S.  672/.  Polt,  Etym.  Forsch.  I,  32. 
N.  Jahrb.  LXVIII,  357  /.)• 


Die  vorstehenden  Wort  formen  sind  zum  Theil  ans  den  ältesten 
Sprachdenkmälern,  die  bis  in  die  Augusteische  Zeit  erhalten  waren, 
entnommen.  Varro  sagt  an  der  angeführten  Stelle,  dass  im  Carmen 
Saliare  die  Formen  mit  altem  s  sehr  häufig  gewesen  seien ;  leider 
ist  nur  das  aus  diesem  ehrwürdigen  Sprachdenkmal  von  Varro  da- 
selbst mitgetheilte  Bruchstück  kritisch  und  sprachlich  noch  zu  we- 
nig sicher  gestellt,  als  dass  man  mehr  derartige  Formen  wie  die 
angeführten  mit  Sicherheit  angeben  dürfte. 

Der  Zeitpunkt,  wo  das  s  zwischen  zwei  Vokalen  zu  r  zu  sinken 
anfing,  ist  durch  Cicero's  Bemerkung  angedeutet  {Ep.Fam.W,  21), 
dass  L.  Papirius  Crassus,  der  336  v.  Ch.  Consul  war,  zuerst  Papi- 
rius  genannt  wurde,  während  seine  Vorfahren  P apisii  hiessen. 
Dieses  Sinken  des  s  zu  r  hatte  also  schon  im  Zeitalter  der  Samniter- 
kriege  begonnen.  Weniger  ausgebreitet ,  ist  in  der  Lateinischen 
Sprache  das  Sinken  des  auslautenden  s  zu  r;.  da  jedoch  für  keine 
Passivform  mehr  aus  einem  alten  Sprachdenkmale  eine  Form  an- 
geführt wird,  die  das  ursprüngliche  s  für  r  gewahrt  hätte,  so 
muss  auch  diese  Abschwächung  schon  in  sehr  aller  Zeil  angefan- 
gen haben. 

Auch  in  den  anderen  Italischen  Dialekten  ist  s  an  der  ent- 
sprechenden Stelle  zu  r  gesunken.  Am  weitesten  hat  diese  Alt- 
schwächung im  Umbrisehen  um  sich  gegriffen.  Sie  findet  sieh 
schon  auf  den  Altumbrischen  Sprachdenkmälern,  ist  aber  viel  wei- 
ter vorgeschritten  im  jüngeren  Umbrisehen  {Umbr.  Sprachd.  AK.  I. 
102/*.).  Viel  seltener  und  nur  vereinzeil  sinkt  s  zu  r  im  Inlaut  zwi- 
schen Vokalen  und  im  Auslaut  Oskischer  Wörter,  doch  finden  sieh 
auch  in  diesem  Dialekte  Beispiele  dafür  (Zeiischr.  f.  vergl. Sprachf. 
II,  23  f.).  Das  Sinken  des  s  zu  r  in  der  Passivbildung  mittelst  des 
reflexiven  Pronomen  se  zeigt  sieh  schon  im  Altumbrischen  wie  im 
Oskischen  und  Sabellischen ;  man  vergleiche 
Umbr.  emantur,  mit   l.ni.  emantur, 

terkantur,  te  rgea  n  Mir, 

Osk.     sakarater,  sacratur,      sacrator, 

Sab:      ferenter,  ferenlur,       feranlur. 

feruntur, 
fern  nt  o  r 
(l'mhr.  Sprachd.  I,  105.    Momms.  C.  I>.  S.  292.    Br.  v.  Räpino, 
Taf.  XIV,  p.  336.  341).     Auch  auf  deutschem  Sprachbodei  sinkt 
Gothisehes  s  zwischen  zwei  Vokalen  wie  im  Auslaut   schon  im  All- 


—     89     — 

hochdeutschen  zu  r  und  auch  in  den  nordgermanischen  Sprachen 
ist  diese  Abschwächung  regelmässig  {Grimm.  D.  Gramm.  I,  64). 
Aehnlich  ist  im  Dorischen  Dialekt  p  aus  (5  entstanden.  Wenn  im 
Umbrischen,  Oskischen  und  Gothischen  s  zu  z  gewandelt  erscheint 
in  den  Lautverbindungen,  wo  es  zu  r  zu  sinken  pflogt,  so  ist  in  dem 
z  mit  Recht  eine  Uebergangsstufe  des  s  zu  r  erkannt  worden 
{Grimm  a.  0.  Umbr.  Sprachd.  AK.  1,  103). 

Da  nun  der  Zischlaut  s,  auch  wo  er  weich  gesprochen  wurde, 
doch  jedenfalls  mittelst  des  Anlehnens  der  Zunge  gegen  die  Wur- 
zeln der  oberen  Vorderzähne  und  den  vordersten  Theil  des  Gau- 
mens erzeugt  wird,  so  geht  aus  der  Lautschwächung  des  s  zu  r  im 
Lateinischen  hervor,  dass  das  zwischen  Vokalen  inlautende  und  das 
auslautende  r  jener  mit  dem  vorderen  Thcile  der  Zunge  gesprochene 
R-laut  war,  und  dasselbe  gilt  von  dem  r  der  Italischen  Dialekte  an 
der  entsprechenden  Stelle. 

Bezeichnend  für  die  Aussprache  ist  noch  der  Uebergang  des  d 
zu  r  in  der  Altlateinischen  Sprache.  Dieser  IrilTt  besonders  das  d 
der  Präposition  ad  in  Compositen,  und  zwar  zuerst  vor  v  in: 

arvenas,  Prise.  I,   45.  H.  für    advenas, 

arventores,  ct.  0.  adventores, 

arvocatos,  a.  0.  advocatos, 

arvolare,  a.  0.  ad  volare, 

a  r  v  0  r  s  u  m ,  Sc.  d.  Bacc.  a  d  v  0  r  s  u  m , 

arvorsus,  Vel.  Lang.  p.  T232.  a d vor s u s  , 

arvorsarius,  a.  0.  a d  v 0 r  s a r i  u  s , 

arvehant,  Cato  B.  B.  138,  1.  advehant, 

a  r  v  e  c  t  u  m ,  Cato  B.  B.  1 35,  7.  a  d  v  e  c  t  u  m , 
im  Inlaut  vor  f  in  : 

arfines,  Prise.  1,  45.  adfines, 

arfari,  a.  0.  adfari, 

a  r  f  u  i  s  s  e ,  Sc.  d.  Bacc.  a  d  f  u  1  s  s  e , 

arferia,  Fest.  p.   11.  adferia, 
vor  c  und  g  in : 

arcesso,  Prise.  1, 45.       •  adeessb, 

arger,  a.  0.  adger,  agger, 
vor  b  in : 

arbiter,  vgl.  adbitere, 

vor  folgendem  Vokal  in:  * 


—    90     — 

m  e  r  i  d  i  e  s ,  Solar.  Praenest.  Varro  L.  L.     für  m  e  d  i  d  i  e  s , 

VI,  4.  M.    Cic.orat.M^l. 

Quint.  I,  6,  30.     Prise.  IV, 

34.  H.   Vel  Long.  p.  2232. 
im  Auslaut  in: 

apor,  Fest.  p.  26.  apud,  aput, 

ar,  Prise.  I,  45.  H.  ad,  at. 

Im  Umbrischen  findet  sich  der  gleiche  Lautwechsel.  Dieser 
Dialekt  besitzt  nämlich  einen  eigentümlichen  Mittellaut  zwischen  r 
und  s,  der  in  der  einheimischen  Schrift  durch  das  Zeichen  q  aus- 
gedrückt, in  Römischer  Schrift  der  jüngeren  Iguvinischen  Tafeln 
durch  rs  umschrieben  wird,  ähnlich  wie  das  Romische  q  in  Umbri- 
scher  und  Oskischer  Schrift  durch  kv  wiedergegeben  wird ;  so  im 
Inlaut  vor  v  in: 

ar veitu,      vgl.     Lat.  a  d v  e h  i t  o , 
vor  f: 

a r f er t  u  r ,  Lat.  a d  f e r r e , 

vor  k  in : 

a  r  k  a  n  i ,  Lat.  a  c  c  i  n  i  u  m , 

vor  p  in : 

a  r p  u  t  r a  t i ,  Lat.  ar b i tr ar i,   a  d  b  i  t  e  r  e , 

im  Inlaut  zwischen  Vokalen  in : 

A  k  e  r  u  n  i e ,    vgl.    Osk.  A  k  u  d  un  n  i a  d 
(Lat.  A  q u i I o n i a ), 

T  a  r  i  n  a  1  e ,  T  a  d  i  n  a  t  c  s , 

Atlieriate,  Attidiates, 

t  e  r  u  s t ,  d  e  d  e  r  i  t , 

kapirus,  capidibus, 

k  a  1  e  r  u  f ,  c  a  1 1  i  d  o  s , 

per-e,  Osk.  pid-, 

pir-e,      m  Lat.  quid , 

cr-ek ,  Osk.  id-ik. 

I.nt.  id, 
im  Auslaut  der  Präposition  ad  in: 

asani-ar,     vgl.     Lat.  ad  aram. 
{I'mhr.  Sprachd.  AK.  I  S.  M       gÖ). 

Dieser  Millellaut  zwischen   r  und  s  wird  aber  auch  ganz  zu  r, 
das  zeigen  die  Schreibweiseu : 


—     91     — 

a  r  v  e  i  t  u ,  neben  a  r  v  e  i  t  u ,  vgl.  Lat.  a  d  v  e  h  i  t  o , 

arfertur,  arfertur,  adferre, 

und  zwar  gerade  vor  folgendem  r  und  f,  wo  besonders  im  Lateini- 
schen d  zu  r  wird.  Priscian  sagt  an  der  oben  angeführten  Stelle  : 
f  antiq  uissimi  vero  pro  ead'  frequentissime  car'  pone- 
bant',  fand  also  diesen  Wechsel  des  d  zu  r  auf  den  ältesten 
Schriftdenkmälern,  die  erkannte.  Von  den  auf  uns  gekommenen 
Schriftdenkmälern  hat  nur  noch  das  Senatusconsult  über  die  Bac- 
canalien  Beispiele  desselben  gewahrt;  auch  in  des  alten  Cato  Buch 
über  den  Landbau  finden  sich  solche  neben  manchen  andern  Leber- 
resten alter  volkstümlicher  Sprache.  Die  spätere  Sprache  aber  ist 
zu  dem  d  meistentheils  zurückgekehrt;  nur  die  Wortformen  ar bi- 
ter, arcesso,  m er i dies  sind  für  alle  Zeiten  geblieben.  Da 
dieser  Lautwechsel  in  jeder  Lautverbindung  im  Inlaut  wie  im  Aus- 
laut erscheint,  so  kann  er  nicht  durch  den  Einfluss  eines  bestimm- 
ten anderen  Lautes  hervorgebracht  sein. 

In  der  Stellung  der  Sprachorgane  unterscheidet  sich  das  lin- 
guale d  vom  lingualen  r  nur  dadurch,  dass  bei  der  Aussprache  des  d 
die  Zungenspitze  fest  gegen  die  oberen  Vorderzähne  und  den  vor- 
dersten Theil  des  Gaumens  gelegt  wird,  bei  der  Aussprache  des  r 
nur  lose  dagegen  anschlägt,  so  dass  sie  mittelst  des  aus  der  Brust 
hervordringenden  Lauthauches  in  vibrierende  Bewegung  geräth. 
Nur  die  weniger  energische  Thätigkeit  der  Zungenspitze  unter- 
scheidet das  linguale  d  vom  r.  Daraus  folgt,  dass  jener  Uebergang 
des  d  in  r  im  Lateinischen  und  Umbrischcn  eine  Schwächung  und 
Verweichlichung  des  Lautes  ist,  von  der  sich  die  Lateinische  Sprache 
in  ihrer  Blüthezcit  meist  wieder  erholt  Jiat,  wie  sich  ähnliche 
Beactioncn  und  Restaurationen  der  Laute  in  der  Sprachentwicke- 
lung weiterhin  noch  mehrfach  ergeben  werden.  Wenn  nun  oben 
nachgewiesen  ist,  wie  in  den  Italischen  Sprachen  r  alsAbschwächung 
eines  alten  s  erscheint,  so  ist  begreiflich,  wie  die  Umbrische  Spra- 
che ihr  d  zu  einem  unklaren  zwischen  s  und  r  liegenden  Mittelton 
erschlaffen  lassen  konnte,  der  aber  auch  zum  Theil  völlig  zu  r  ward 
wie*  im  Lateinischen.  Jedenfalls  zeigt  also  auch  dieser  Lautüber- 
gang des  lingualen  d  in  r,  dass  das  r  im  Lateinischen  lingual  war 
und  mit  der  Zungenspitze  gesprochen  wurde,  wie  dies  oben  aus 
dem  Uebergang  des  s  in  r  gefolgert  ist. 

Für  die  lautliche  Natur  des  r  ist  endlich  noch  von  Bedeutung, 
dass  es  mit  anlautenden  Muten  sich  nicht  besonders  verträgt,  mit 


—     92     — 

anlautendem  s  und  m  gar  nicht.  In  Folge  dieser  Abneigung  zieht 
es  sich  von  diesen  Lauten  gern  hinter  einen  Vokal  zurück,  oder 
wenn  es  hinter  demselben  ursprünglich  stand,  so  schob  es  sich 
nicht  vor  denselben  vor,  wie  dies  im  Griechischen  häufig  der  Fall 
ist  {vgl.  Dietrich,  de  litterarum  in  lingua  Latina  transpositione 
p\  4  f.  Bitschi,  Rhein.  Mus.  VIII,  150.  IX,  478).  So  stehen 
nebeneinander: 

cerno,  er  e  vi,  er  e  tum  ,  Gr.  kqlvco  , 

caro,  xQtag, 

cordis,  .  KQadla, 

cornus,  xgccvog , 

Cortona,  Kq  otcjv  , 

corcodilus,  Phaedr.  I,  25.  crocodilus,       xgoxod  etlog, 

Mart.  HI,  93, 7.  vgl.  Ritschi,  a.  0. 
s  c  i  r  p  u  s ,  y  q  l(p  o  g , 

yQlTiog, 
h  o  r  d  e  u  m ,  x  q  i  fr  rj , 

p  o  r  rji  m ,  itQaGov , 

p o r - ,  Kret.  Ttogri  ,  tc q ort,  Hom. 

bardus,       ßciQÖiGtog ,  ßQccdvg, 

tero,  tritus, 

torqaeo,  tqeticö, 

lorculum,  c<-TQexrjg,/Jom. 

tarpezita,  Plaut.  trapezita,         ryäne^ct, 

t  e  r ,  Iris, 

tert iu s,  Aeol.  T£^rog,  r  q Cr  o  g , 

terni,  trini,         Skr,  tritja, 

T  a  r  s  u  m  e  n  u s ,   Quinl.  I,  5,  113.  T r  a  s  u  m  e  n  u  s , 

her  Name  des  Trasimenischen  Sees  slammt  von  dem  Umbri- 
schen Ortsadverbium  tras,  /-'//.Irans,  von  dem  er»!  Tras-timo, 
dann   Tras-um'-enus  gebildet  wurde  mit  der  Bedeutung  jen- 
seits gelegen  (Zeitschr.  für  vergleich.  Spruch/'.  IM,  270/'.). 
Tuseus,  K-l  ruscus, 

AUumor.    Turskum,   TvQG-j}vog, 
Neuumbr.  Tu  scom. 

Im  Umbrischen  bedeutet  etru-  alter;  von  diesem  Stamme 
ist  Etru-s -c us  gebildet,  wie  pri-s-cus  vonpri,  prae,  prai, 
so  dass  das  s  Rest  des  Comparativsuffixes  tat.  ins  ist.  Etru  sei 
bezeichnete  also  im  Munde  der  alten  Umbrischen  Bevölkerung  am 


—     93     — 

Strand  des  Arnus  und  Urnbro  das  eingewanderte  Volk,  das  sich  Ra- 
senner  nannte,  als  exteri  oder  Fremdlinge.     Das   Lateinische 
hat  in  seiner  Forin  Etrusci  die  alte  Form  des  Namens  am  treu- 
sten bewahrt  (Zeitschr.  für  vergl.  Sprachf.  III,  272  f.). 
"Hierher  gehört  auch: 
sorbeo,  neben  Griech.  (jocpsa, 
indem  das  Griechische  Wort  das  anlautende  s  wie  so  häufig  zu  ei- 
nem blossen  Hauchlaute  erleichtert  hat, 

Oben  sind  d u  1  c i s,  pulmo,  scalpo,  s c u  1  p o  als  Beispiele 
angeführt,  dass  auch  1  im  Lateinischen  durch  einen  Vokal  von 
anlautender  Muta  oder  sc  gelrennt  erscheint,  während  es  in  den 
entsprechenden  Griechischen  Wortformen  jenen  Lauten  unmittel- 
bar folgte.  Auch  von  dem  Abfall  des  g  und  c  vor  anlautendem  1 
war  schon  die  Rede.  Darin  zeigt  sich,  dass  auch  1  sich  mit  an- 
lautender Muta  im  Lateinischen  nicht  so  gut  vertrug  wie  im  Grie- 
chischen. Es  liegt  in  dem  beweglichen  und  flüssigen  Klang  der 
liquiden  r  und  I,  dass  gerade  sie  im  Lateinischen  wie  in  anderen 
Sprachen  besonders  befähigt  sind,  nach  gewissen  Neigungen  den 
Platz  im  Worte  zu  wechseln.  Es  wird  weiter  unten  in  dem  Ab- 
schnitt über  Wahlverwandtschaften  von  Vokalen  zu  Consonanten 
der  Nachweis  geführt  werden,  dass  dem  r  ein  dem  E-laut  ähnlicher 
vokalischer  Beiklang  eigen  war,  wie  bei  dein  1  ein  vokalischer 
U-klang ,  bei  dem  s  ein  vokalischer  I-klang  hörbar  wurde,  und  dass 
gerade  in  dieser  halbvokalischen  Natur  der  Liquiden  und  des  Zisch- 
lautes s  ihr  mächtiger  und  weitgreifender  Einfluss  auf  die  Vokale 
liegt. 

Aber  auch  aus  dieser  Erörterung  über  die  Lmstellung  des  r 
kann  man  nicht  schliessen ,  dass  die  Lateinische  Sprache  einen  an- 
deren R-laut  gekannt  habe  als  jenes  einfache  mit  der  Zungen- 
spitze gesprochene  schwach  gehauchte  r  mit  seinem 
dem  E-laut  ähnlichen  vokalischen  Beiklang. 

N. 

Priscian  sagt  von  der  Aussprache  des  n,  I,  39.  H:  N  quoque 
p  1  e n i o r  in  p r i m i s  sonat  et  in  u  1 1 i m i s  p a r t i b u s  s y  1 1  a - 
b  a  r  u  m ,  u  t  c  n  o  m  e  n ,  s  t  a  m  c  n ' ,  e  x  i  l  i  o  r  i  n  m  e  d  i  i  s  u  t  c  a  n  - 
nis,  damnum\  An  dieser  Angabe  ist  unzweifelhaft  richtig,  dass 
das  n  im  Anlaut  der  Wörter  einen  stärkeren  Ton  hatte,  im  Inlaut 
einen    schwachen   nach  vorhergehendem  m;    dem  übrigen  Theile 


—     94     —      - 

der  Aussage  aber  stellen  sich  sprachliche  Thatsachen  entgegen,  de- 
ren Gewicht  entscheidend  ist. 

Dass  n  im  Anlaut  einen  scharf  ausgeprägten,  fest  ange- 
schlagenen Ton  hatte,  geht  daraus  hervor,  dass  es  kein  sicheres 
Beispiel  giebt  von  einer  Abschwächung  oder  einem  Lautübergange 
des  n  an  dieser  Stelle  des  Wortes  in  irgend  einen  anderen  Laut  in- 
nerhalb des  Gebietes  der  Lateinischen  Sprache.  Dass  hingegen  das 
auslautende  n  schwächer  tönte ,  zeigt  der  häufige  Abfall  desselben. 
So  zuerst  im  Nominativ  der  auf  on  auslautenden  Lateinischen 
Stämme  wie: 


c  a  r  d  o , 

t  u  d  o , 

virago, 

1  a  n  u  g  o , 

ordo, 

m  a  r  g  o , 

v  i  r  g  o , 

v  e  s  p  e  r  r  u  g  o  , 

liomo, 

imago, 

r  e  m  e  1  i  g  o  , 

s  e  r  r  u  g  o , 

n  e  m  o , 

i  n  d  a  g  o , 

vertigo, 

consue t  u d  o , 

t  u  r  b  o , 

farrago, 

caligo, 

valetudo  u.  a. 

ebenso  im  Auslaut  der  Formen: 
ceteroqui,  für  ccteroquin, 
alioqui,  alioquin. 

Der  schwache  Laut  des  auslautenden  n  ergiebt  sich  auch 
daraus,  dass  dasselbe  bisweilen  als  Abschwächung  des  schwachen 
auslautenden  m  auftritt,  wovon  in  dem  Abschnilt  über  diesen  Buch- 
staben die  Rede  sein  wird,  endlich  auch  aus  dem  Umstände,  dass 
das  auslautende  n  in  gewissen  Fällen  in  der  Versmessung  der  alten 
scenischen  Dichter  mit  anlautenden]  Konsonanten  des  folgenden 
Wortes  keine  Position  bildet,  wie  in  dein  Abschnitt  über  die  irra- 
tionalen Vokale  vor  Konsonanten  zur  Sprache  kommen  wird.  Der 
starke  entschiedene  Ton  des  anlautenden  n  neben  dem  schwachen 
dumpferen  Klang  dieses  Konsonanten  im  Auslaut  muss  in  Latei- 
nischen Wörtern  wie  Domen,  numen  ebenso  hörbar  hervor- 
getreten sein  wie  in  der  Aussprache  der  deutschen  Wörter  nen- 
nen,  nicken,   na  inen,  niere  n. 

Im  Inlaut  hat  n  den  starken  regelrechten  Ton  eines  lingualen 
n  gehabt,  wo  es  sich  aus  m  entwickelt  und  der  lingualen  Natur 
eines  folgenden  d  zu  n  assimiliert  hat,  wie  in: 

cor  undem,  j  and  u  dum,  verunt  am  e  11 , 

eandem,  pessu  min.  dunt  axat  , 

tandem,  venundo,  pedetentim, 

tan  tun  dem,  quandiu,  septentrio, 

seplendecim,      aliq  ua  nd  in,  quadantenus, 


—     95     — 

{vgl.  Brandt,  Quaesliones  Horatian.  p.  57),  oder  wo  es  überhaupt 
vor  den  lingualen  d  und  t,  steht.  Auch  sonst  hat  das  n  im  eigent- 
lichen Inlaut  der  Wörter  zwischen  Vokalen  als  Bestandteil  des 
Wortstammes  oder  Suffixes  in  der  Regel  einen  festen  entschieden 
ausgeprägten  Ton,  der  in  keinen  anderen  Laut  übergeht  Daher 
schwankt  an  dieser  Stelle  des  Wortes  die  Schreibweise  oft  zwischen 
einfachem  und  doppeltem  n.     So  in  den  Namen: 

Caecina,  Caecinna, 

Caesenius,      Caesennius, 

M  u  n  i  u  s ,  Munnius, 

P  e  s  c  e  n  i  a ,         P  e  s  c  e  n  n  i  u  s , 

V  i  n  i  u  s ,  V  i  n  n  i  u  s , 

S  a  b  i  n  a  ,  S  a  b  i  n  n  a  ,  (Momms.  Inscr.  Regn.  Neap.  ind.) 

Porsena,  Porsenna,  {Wagner,  Orlhogr.   Verg,  465.) 

In  den  ältesten  Handschriften  des  Plautus,  Vergil,  Lucrez  und 
Gajus  findet  sich  bisweilen  ein  einfaches  n,  wo  die  Etymologie  des 
Wortes  ein  doppeltes  verlangt;  so  in: 

c  o  n  e  c  t  e  r  e ,  Lucr.       c  o  n  u  b  i  u  m ,  Verg.  Gaj.  Lucr.    Or.  Benz. 

conexus,   Verg.         5418.    {Lachm.  Lucr.  p.  \'S§.) 
oder   wo    sich    sonst   auch   die    Schreibweise   mit   zwei  n  findet, 
wie  in: 

pinula,  Plaut.  anulus,  Plaut. 

Aus  dem  Schwanken  der  Schreibweise  zwischen  1  und  11  ist 
oben  geschlossen  worden,  dass  der  Ton  des  1  im  Inlaut  stark  war. 
Es  ergiebt  sich  also,  dass  der  Ton  des  einfachen  n  im  Inlaut  zwi- 
schen Vokalen ,  wo  es  Bestandteil  des  Wortstammes  oder  Suffixes 
ist,  ebenfalls  stark  war. 

Verfolgt  man  nun  das  inlautende  h  weiter,  so  zeigt  sich,  dass 
es  vor  den  weichsten  und  vokalähnlichsten  Lauten,  dem  Hauch- 
laut h,  den  Halbvokalen  j  und  v  und  dem  Zischlaut  s  häutig 
schwindet.  Und  zwar  zeigt  sich  vor  h,  j  und  v  dieser  Ausfall  nur 
an  dem  n  der  beiden  Präpositionen  con  für  com  und  in  als  Glie- 
der eines  Compositum; 

so  vor  h  in: 
cohaerere,  coli  eres,  cohibere,   cohors, 

cohortari. 

Da  vor  Gutturalen  com  sich  stets  zu  con  gestaltete,  so  muss 
dies  auch  vor  dem  gutturalen  Hauchlaute  h  der  Fall  gewesen  sein, 


—     96     — 

zumal  auch  die  Präposition   in  ihr  n  in  Compositen  wie  inhae- 
rere,  in  Innere,  inhonestus,  infitiari,  infelix,  infamis 
vor  den  Hauchlauten  h  und  f  unverändert  erhält. 
Ebenso  fällt  n  vor  j  aus  in : 
coicere,       neben  conicere,  connicere, 
coiectura 
[Lachm.  Lucr.  p.  136.    Gai  praef.  p.  36  f.    Wagner,  Orth.  Verg. 
p.  445.     Ribbeck,  tragic.  Bei.  p.  160.  173.   178.  249.     Lucil. 
Gell.  IV,  1 7  vgl.  a  d  i  c  e  r  e ,  a  b  i  c  e  r  e ,   d  e  i  c  e  r  e ,    p  r  o  i  c  e  r  e  , 
-    subicere,  inicere) 

und  in  den  auf  Grabdenkmälern  der  Kaiserzeit  vielfach  vorkommen- 
den Formen: 

cojunx,  I.  N.  614.    1134.     neben  conjunx,  /.  N.  53.   955. 
cojugi,  /.  N.    131.     211.  conjugi, 

343.387.574.772. 
616.   1020.    1557. 
u.    a. 
cojnci,  /.   N.   100.    2889.  eonj  uci,  I.N.  676.  1851. 

5696.  6689.  coi- 
ci,  5878.  coiu- 
ccs,  5514. 

Ebenso  ist  aus  conjuncti  durch  die  Mittelform 
cojuncti  entstanden  nach  Ausfall  des  j   enneti. 

Vor  v  erscheint  das  n  von  con  ausgefallen  in: 
c  o  v  e  n  t  i  o  n  i  d ,  Sc.  d.  Baccan . 
covenumis  ,    /.  N.  4139, 
Formen   die  der  Zeit  vor  den  Gracchen  angehören. 

Ebenso  erscheint  die  Präposition  im  Umbrischen  in  der  Ge- 
stalt ku,  co  nicht  nur  vor  v  in  Formen  \\\v: 

kuveitu,    vgl.  Lat.  convehito, 

k  u  v  e  r  t  u ,  c  o  n  v  e  r  t  i  t  o , 

c  o  v  o  r  t  u , 

co  vortust,  converterit, 

covortuso,  co  o  vei  t  crin  t. 

(Vgl  Umbr.  Spackdenk.  AK.  Gloss.)  I»ic  Präposition  zeigt  in  Um- 
brischen Gompositionen  überhaupt  immer  diese  abgestumpfte  Ge- 
stalt 


—     97     — 

Uebcraus  weit  verbreitet  ist  nun  aber  der  Ausfall  des  n  vor 
folgendem  s.  Dieser  erscheint  einmal  in  Zusammensetzungen  mit 
den  Präpositionen  con  und  in.  So  linden  sich  auf  Inschriften  der 
voraugusteischen  Zeit  wie  der  Kaiserzeit  die  Schreibweisen : 
cosoleretur,  Sc.  d.  Baccan.  coservac,  /.  N.  1725.  2103. 
cosol,  /.  Scip.  Or.  553.  Rhein.  21G7.  coserve,  5833. 

Mus.  IX,  \  f.  coservo,  /.  N.  3i57  u.  a. 

c  o  s  u  1  u  i  t ,  Or.  Henzen ,  6485.  C  o  s  t  a  n  t  i ,  /.  N.  263. 6274  (p.  Ch. 
cosulari,  I.  N.  1109.  313/4). 

Cosentiam,   Mil.  Pop.  I.   N.     Costa  n  tino,  /.  N.  6274.  681 1. 

6276.  costilulio,  /.  N.  5237. 

cosn mt a ,  Boiss.  I.  Ly.  XIV,  26.  c o s i  s  t e n t i u m ,  Boiss.  I.  Ly. 
Cosidiae,  I.N.  6050.  XIV,  26. 

So  ist  das  n  der  Präposition  in  vor  s  in  alten  (Kompositen  ge- 
schwunden : 

i  s  c  u  1  p  o  n  e  a  e ,  Naev.  Plaut.  Fulgent.  p.  393.  Gerl.  von  i  n  s  c  u  1  p  o , 
istega  (Deck),  Plaut.  Fuig.  p.  394.  G.  für  instcga, 

vgl.  Griechisch  atsyiq,  artyog  neben  rsyrj,  reyog  und 
Lateinisch  tegere,  tcgula.  Aehnlich  ist  das  n  vor  s  ausgefallen 
in  dem  Compositum: 

intresecus,  Or.  3327  für  intrinsecus. 

Besonders  häufig  erseheint  in  der  Schreibart  der  Handschrif- 
ten und  Inschriften  das  n  des  auf  nt  auslautenden  Participialstam- 
mes  geschwunden,  nachdem  das  t  des  Stammes  vor  dem  Nominativ- 
zeichen s  ausgestossen  war;  das  zeigen  folgende  in  Handschrif- 
ten des  Plautus  und  Lucrez  wie  in  Inschriften  vorkommende  For- 
men: 

animas,  Lucr.  1,  774.  praegnas,   Plaut.  Naev.  Ribb. 

transmutas,  II,  488.  Com.  r.p.  24. 

contra  ctas,  II,  853.  infas,  /.  N.   5376.   66.    Grut. 

instas,  III,  1064.  688,  2. 

metas,  V,  690.  lacrimas,  Gr.  517,  3. 

vacillas,  VI,  554.  negotias,  /.  N.  3646. 

curas,  Plaut.  Mit.  201.  dormies,  Plaut.  Mit.  272. 

cogitas,  a.  O.  obedies,  a.  O.  1129.  Koch,  a.O. 

accubas,  Plaut.  MiL  653.  doles,  /.  N.  1222.  2680.  4859. 

pandiculas,  Plaut.  Men.  832.   libes,  /.  N.  2598. 
p  os  tu  las,   Mostell.  Ärgum.   6.   pudes,  T.  N.  1582. 

Koch,  Rhein.  Mus.  IX,  305.    Vales,  /.  N.  7287. 

CORSSEN.  7 


-     98     - 

reveres,  Gr.  558,  7.  Cresces,  I.N.  291.5971.6198. 

Boiss.LLy.X,29,  14. 
ages,  Fabr.  309,  321.  Clemes,  /.  N.  2892. 

Am  häufigsten  zeigt  sich  also  der  Ausfall  des  n  vor  s  in  den 
Partioipialstämmen  der  A-conjugation  und  der  E-conjugation,  deren 
ä  und  e  von  Natur  lang  war. 

Das  n  vor  s  ist  ferner  ausgefallen  in  dem  Suffix  -iens  von: 

quoties,  für   quotiens,  Plaut. 

toties,  totiens,  Plaut. 

q  u  i  n  q  u  i  e  s ,  quinquiens,  Mon.Ancyr.  Egger.  />.34 1 . 

quadragies  u.  a.         q u a d r a g i e n s ,  a.  0. 
in  dem  Suffix  der  Ordinalzahlen  - e s i m u s  für  -cns« m u s : 

v  i  c  e  s  i  m  u  s  ,  vgl.  vicensumam,  lab.  Gen  um. 

q uadragesimus,         q u a d r a g e n s i m u m ,  Mon.  Ancyr. 

duodevicesimus         duo  de  vi  eins  um  um,  a.  0. 
u.  a. 
ehenso  in  dem  Suffix  -iens  i,  -ensi  der  Einwohnerflamen: 

A 1  h  e  s  i  a ,   Fest.  p.  4.  lii r  A 1  h  e  n  s  i  a  , 

Alliesis,  Fest.  p.  7.  Alliensis  u.  s.  w. 

Amneses ,  Fest.  p.  17. 

Apulesis,  Or.  Heu:.  517*5.    vgl.  0747. 

Alresis,  /.  R.  N.  2140. 

Caslresis,   /.  N.  251.  5369. 

Fortune  s es,  I.  N.  423. 

L  u  cer  es  e  s ,  Fest.  p.  119. 

0  s  t  e  s  e  s  ,  Or.  Henz.  7 1 78. 

N  a  r  b  o  n  e  s  i  u  m  ,  a.  0.  72 1  5 . 

Rfarteses,  /.  X.  1531.   1525.    Or.  ffenz.  7204. 

Megalesia,   (ic  a.  a. 

Pis a ur ese,  Mischt  fiel.  l.at.  />.  27. 

Picenesis,  /.  N.  1800. 

Teg  ianesis,  /.  A.  297. 

Ortesia,  /.  N.  2<is7. 
Das  Lateinische  Suffix  -oso  halle  eine  allere  Form  ons'o.    So 
entstand : 

form os us,  aus  formonsus,  Grat.  669,  10. 

grammosis,      grammonsis,  Caecil.  Hibb.  Com.  rel.  i>.\\:\. 

hie  Vergleichung  v.m  Lat.  vin-oso-,  silv-oso-  mit  Griech. 

oivo-evr ,    vltj-evr  heweisi ,   dass   die    Lateinische  Endung 


—     99 


-oso,-onso  aus  -ont-o  entstanden  ist,  und  dass  neben  dein  Grie- 
chischen Suffix  -fvr,  Sanskr.  -vant,  das  Lateinische  -ont  nur 
durch  ein  angefügtes  o  weiter  gebildet  ist  wie  Tarento-,  Agri- 
gento-  neben  den  Griechischen  Stämmen  Taqavx -,  Akqu- 
yavt-  {vgl.  N.  Jahrb.  LXVIII,  466). 

Auch  in  den  Stämmen  der  Wörter  fällt  das  n  vor  s  häufig  ge- 
nug weg;  so  in: 
C  e  s  o  r ,  t.  Scip.  Barb.  f.  Rhein. 

Mus.  IX,  1.    Or.  553. 
c  e  s  e  n  d  i ,  /.  Jul.  munic. 
defesori,  Fabreit.  p.  280,  178. 
consesu,    /.  N.  2342.    3528. 

consesu m,  Cen. Pis.  Or. 642. 
dispesator,  I.N.  6072.  Fabr. 

259,  248. 
meses,  mesibus,  /.  N.  131. 


404.      2699.     6736.     6996. 

6629.  7014.  7188. 
mesüra,  /.  N.  6879. 
mesorum,  /.  N.  3160.     me- 

soris,   I.  N.    1455. 
mesa,  Charts,  p.  43.  P. 
pe^mesi,   Wagn.  Orth.    Verg. 

p.  456. 
fesfram,  Enn.  p.  186.   V. 
fresa,    Fest.  p.  91.    vgl.  de- 

frensam. 


mostrum,   Wagn.  Orth.  Verg. 
mos  teil  um,  a.  0.       [p.  456. 
mostellaria,  a.  O. 
mostratur,  a.  0.  [V,  3. 

m  o  s  t  r  a  t  q  u e ,  Gar.  Inscr.  Pomp. 
c  o  n  s  p  o  s  o  s ,  Fest.  p.  4 1 . 
f r o  s ,  fr  u  s ,  Charts,  p.  1 05.  P. 
tosor,  Fabreti.  p.   214.    546. 

{vgl.  Rhein.  Mm.  X,  113.) 
t  o  s  u  s ,  Cassiod.  p.  2292. 
tusus,  a.  0. 
piso,   Wagn.  a.  0. 
p  r  a  s  u  s ,  a.  0. 

remasisse,  Or.  Henz.  6087. 
m  a  s  u  c  i  u  m ,  Fest.  p.  139.  Gar- 

ruec.  Inscr.  Pomp.XW,  5.  50. 

vgl.  Schmilz  Rh.  Mus.  XI,  300  f. 
trasis,   Or.  Henz.  7396. 
trastiberina,  Marin.Tscr.  Alb. 

p.  110, 


Dass  das  n  ehe   es   ganz  schwand  sich   dem    s  assimilieren 
konnte,  zeigen  Schreibweisen  wie: 
Ildaaag  ,  Plnt.  d.  fort.  Rom .      m e s  s o r , 


p.  319.    VII,  p.  268.  R. 
passum,  Gell.XY,  15. 
expassum,  a.  O. 
dispassus,  a.  O. 
dispessus,  a.  O. 
m  e  s  s  i  s  ,      Wagn.     O.      Verg. 

p.  457. 
infessi,  a.  O. 
fressum,  a.  0. 


Or.  3504. 
Decatressium,  /.  N.  2502. 

vgl.    Decatrenses,    /.    N. 

2504. 
formossa,  Os.Syll.töl.  189. 
cpdp,aaGcc,  Suid.  v.  Ioßtcc- 

vog. 
V  e  r  r  u  c o  s  s  u  s ,  Grut.  297.  Coh 

2.    Vgl.  Schmitz  Rh.  Mm.  XI, 

300  /. 

7* 


—     100    — 

Wirft  man  einen  Blick  auf  die  Zeit  aller  der  hier  angeführten 
Schriftdenkmäler,  so  zeigt  sich  schon  auf  einem  Stein  des  heiligen 
Haines  von  Pesaro,  einem  der  ältesten  Römischen  Schriftdenkmä- 
ler, die  wir  hcsitzen,  die  Form  Pisa urese,  auf  einem  der  beiden 
ältesten  Sarcophage  der  Scipionen  lesen  wir  cosol,  cesor  neben 
consol,  censor  und  so  gehen  nun  durch  alle  Zeiten  beide 
Schreibweisen  dieser  Wortformen  nebeneinander,  so  dass  sich  noch 
auf  einer  Inschrift  der  spätesten  Kaiseizeit  nebeneinander  co- 
stitutio  und  constitutione  finden  (/.  N.  5237).  Man  kann 
sich  daher  nicht  wundern,  wenn  die  Homer: 

thensaurus,    Platt/,    für    d-rjöavQog, 

0  n  e  n  s  i  m  u  s ,  I.  N.  5809,       o  v  rj  6 1  p  o  g 
schrieben,  da  sie  die  Lautverbindungen  ens  und   es  in  der  Aus- 
sprache nicht  deutlich  schieden. 

Auch  im  Umbrisehen  schwindet  n  vor  s  in  Formen  wie: 

etaia  s,  für  etaians, 

S  a  c,  e ,  S  a  n  c,  i  e , 

S  a  n  9  i , 

fos,  fons.  {AK.  Umbr.  Sprächet.  Gloss.) 

Fs  ist  schon  oben  erwähnt,  dass  das   c,  im  ömbrischen   ein 
assibilierter  Guttural  war,  der  also  auf  ein  vorher  gehendes  n  die- 
selbe Wirkung  übte  wie  derZischlaul  s  {Umbr.Sprachd,  Al\'.\,\ü). 
Vereinzelt  ist  vor  f  das  n  ausgefallen  in: 

iferos,  Or.  ffenz.  7341. 

Aus  der  Fidle  dieser  sprachlichen  Thatsachen  folgt,  dass  das  n 
vor  s  einen  überaus  schwachen,  unsicheren  Faul  halle  von  den  äl- 
testen bis  in  die  spätesten  Zeilen  der  Sprache,  einen  Laut  der  dem 
deulschen  n  in  Wörtern  wie  gaense,  sense,  binse,  /.ins  ne- 
ben gose,  seise,  biese,  ziese  ähnlich  geklungen  haben  muss, 
wie  im  Sanskrit  ein  m  und  n  vor  folgendem  Zischlaut  in  einen 
dumpfen  Nachklang  ,   Anuswara  genannt,  übergeht. 

Viel  seltener  zeigt  sich  ein  Ausfall  des  n  vor  t;  aber  er  finde! 
sich  doch  in* 

praegnatem,  Afr.  Bibb.  Com.  p.  lös. 

regnate,  /.  N.  3S98. 

Constati,  7.  N.  1S13. 

mereti,  I.  N.  2985.     Mund.    1123,  3. 

leslameto,  /.  N.  5084, 
Formen,  die  bis  auf  die  erste  der  späteren    Lateinischen  Sprache 


—     101     — 

angehören.    Noch  vereinzelter  ist  n  vor  folgendem  d  nicht  gesehrie- 
hen ;  so  in : 

facicdos,  Or.  Henz.  6593. 

Kaledag,  Garruc.  Inscr.  Pomp.  XXVI ,  21. 

Man  darf  nicht  behaupten  dass  dies  schwache  und  hinfällige  n 
der  französische  Nasal  in  Wörtern  wie  cnsemble,  penser, 
regnant  u.  a.  sei,  da  ja  die  Italienische  Tochtersprache  der  Latei- 
nischen Sprache  den  Nasal  in  diesen  und  ähnlichen  Wortformen 
nicht  kennt;  aber  jene  Erschlaffung  des  N-Iautes  vor  s,  t  und  d 
war  die  Vorstufe  zur  Nasalierung. 

Bemerkenswert]!  für  die  Aussprache  dieses  n  ist  nun  noch  die 
aus  dem  bestimmten  Zeugniss  der  Allen,  so  wie  aus  der  Schreibung 
Lateinischer  Wörter  im  Griechischen  und  der  Bezeichnung  durch 
den  Apex  hervorgehende  Thatsache,  dass  vor  ns  und  nf,  also  vor  n 
mit  folgendem  Zischlaut  oder  starkem  labialen  Hauchlaut  der  Vokal 
lang  gesprochen  wurde  (vgl.  Schmilz,  Quaestiones  Orthoepicae, 
p.  1  //*.  Rhein.  Mus.  1855,  p.  112  f.)  Dies  versichert  Cicero  für 
con  und  in  ausdrücklich,  Oral.  c.  48.  §.  159:  'indoctus'  di- 
eimus  brevi  prima  litlera,  cinsanus'  producta,  cin- 
humanus'  brevi,  eIn.felix'  longa;  et  ne  rnultis,  quibus 
in  v e r b i s  eae  primae  litter ae  sunt,  q u a e  i n  e s a pie n t e ' 
et  c  f e  1  i c e ' ,  productediciturMn',  in  c e t c  r i  s  o m n  i b u s 
breviter.  Itemque  cconposuit%  ccönsue  vi  I ' ,  ccön- 
crepuit,  cönsuevit.  (Vgl.  Gell.  II,  17.  IV,  17.  Max.  Victorin. 
p.  1954.  Diomcd.  p.  428.  Serg.  p.  1855.  P.) 
Wie  in: 

cönfecit,  cönsuetus, 

T  n  f  e  1  i  x ,  cönstituit, 

lnsanus, 
so  wurde  der  Vokal  vor  ns  nach  Ausweis  Griechischer  Schrift  ge- 
sprochen in : 

kodvöovI,  Kcovö  xavxlv  og, 

Kävöog,  Kcövötdvr  eca, 

Kcjvö evzicc,  KavöravTLog  u.a. 

Dieselbe  Aussprache  wird  bestätigt  durch  den  Apex  in: 

cönsecrat,   Marin,  her.  Alb.  p.  139. 

cönslö,    Fabr.   p.    168.       Or.   4859.     Maiin.   her.    Alban. 
p.    139. 

cönsecuta,  lab.  Cland.  Boiss.  Inscr.  Ly.  p.  136. 


—     102    — 

conscri..,  I.  N.  3629. 

consule,  Grui.  p.  637,  1.  cönsuli,  Momms.  I.  N.  2523. 
Ebenso  ist  das  e  lang  vor  dem  n  s  des  Nominativs  von  Partici- 
pien.  In  den  auf  ans  und  ens  auslautenden  Nominativen  von 
Participien  der  A-  und  E-conjugation  war  das  a  und  e  von  Natur 
lang;  aber  auch  für  die  Participien  der  consonantischen  und  der 
I-conjugation  wird  die  gedehnte  Aussprache  des  Vokales  vor  ns 
durch  die  Griechische  und  Lateinische  Schrift  verbürgt.  So  finden 
sich  die  Griechischen  Schreibweisen : 

Ttotrjvg,  Plut.  Num.  c.  9. 

6  an  er]  vg,  Plut.  Tib.  Gracch.  c.  8. 
und  die  Lateinischen : 

difidens,  Or.  4859.    Marini  her.  Alban.  p.   137. 

deficiens,  /.  N.   3629. 

veniens,  Tab.  Claud.  Boiss.  Inscr.  Ly.  p.  136. 

Auch  bei  anderen  auf  ns  auslautenden  Nominativen  wurde  der 
Vokal  vor  ns  gedehnt  gesprochen,  Beda,  p.  2352.  P:  Sunt  item 
syllabae,  quae  utroque  modo  et  natura  videlieel  et 
p  o  s  i  t  i  o  n  e  1  o  n  g  a  e  sunt  u  t  c  d  e  n  s ,  g  e  n  s ,  mens,  f  o  n  s , 
frons.'     {Vgl.  Vater.  Prob.  p.  1  144.  P.) 

Dass  der  Vokal  ursprünglich  kurz  war,  steht  fest  für  die  von 
Beda  angeführten  Nominative  der  Stämme  dent-,  gent-,  menl-, 
wie  die  Vergleichung  mit  odovrog,  yevog  ggnus,  ^is^iovcc 
memini  zeigt;  doch  wird  Beda's  Aussage  bestätigt  durch  die 
Schreibweise  : 

mens,  /.  N.  6546. 

Wenn  Valerins  Probus  sagt  p,  IUI.  /':  nain  eorrepla  an - 
te-ns  nulluni  nomen  reperitur,  so  uilt  dies  auch  tob  den 
Zahladverbien 

totiens,  quinquiens, 

quotiens,  sexiens  u.  a. 

und  das  bestätigt  die  Etymologie  dieser  Bildungen,  da  das  Suffix 
-irns  derselben  das  Comparaiivsuftix  Sanskr.  -Tjäns,  G riech. 
-lcüv,  Lat.  -iös  ist  (Zeitschr.  für  vergl.  Sprach/',  1,  121  123. 
III,    295  /'.). 

hie  Einwohner-  und  Völkernamen  mit  dem  Suffix  -iensi, 
-ensi  linden  sieh  in  Griechischer  Schrift  bei  Ptolemaens,  Strabo, 
Slephanus  von  llvzanz  und  anderen  so  wie  in  Griechischen  In- 
schriften immer  -ifv$4-  geschrieben;  so: 


—    103     — 

Pa[ivijv6r]g ,  KaLGccQrjvö  Ca, 

TariTJvGrjg ,  AovxtJvölol, 

AovxeQrjvörjg ,  TLi%y\v6ioi , 

Akovt]v0lol,  &Qsrr}vöia,  C.  I.  Gr.  5470. 
AXßoKrivö lo  i ,  «.    #. 

(  F>//.  Schmitz,  a.  0.) 

Auch  in  diesen  Wortformen  war  der  E-laut  von  Natur  lang, 
denn  die  Endung  -iens-i  ist  von  der  Gestalt  desComparativsuflixes 
-iens  durch  ein  angefügtes  i  weiter  gebildet.  So  werden  auch 
im  Griechischen  mit  dem  Comparativsuffix  -lcov  Personennamen 
von  Ortsnamen  gebildet  wie  z/ elcpicov ,  'E[ieö lcov ,  Ilalai- 
ötqlcov,  'EXovqlcdv  u.  a.  (Zeitschr.  für  vgl.  Sprach  f.  111, 
229.).  Ebenso  verhalten  sich  die  Lateinischen  Bildungen  foren- 
sis,  campensis  (Quint.  IX,  4,  85)  zu  Griechischen  wie 
'E<3%ctxicov ,   Ovqccvlcov ,  'Ttieqlcov  u.  a. 

Vor  ns,  das  nicht  im  Auslaute  steht,  erscheinen  Stammvokale 
gelängt  in: 
axtY\v<Sovs,  Lyd.  d.  mag.  1,  13.    vgl.     clttsvdeQE, 

TEVCO, 

tetova, 
pensus,  pendeo. 

pensito,  Gell.  IX,  ö. 

Oben  ist  gezeigt  worden,  dass  n  vor  s  im  Lateinischen  zu  ei- 
nem matten  dumpfen  Nachklang,  einem  Miltellaut  zwischen  Vokal 
und  Consonanten  erschlaffte.  So  muss  auch  in  den  Fällen,  wo 
ein  von  Natur  kurzer  Vokal  vor  s  und  f  gelängt  erscheint,  das  n 
in  Folge  des  Zischlautes  s  und  des  starken  labialen  Hauchlautes  f 
zu  solchem  halbvokalischen  matt  nachklingenden  N-laut  erweicht 
worden  sein.  Dieser  halbvokalische  Nachklang  verschmolz  mit  dem 
vorhergehenden  Vokal,  so  dass  dieser  nun  in  der  Aussprache  lang 
klang. 

Zu  den  Fällen,  wo  inlautendes  n  einen  schwachen  Ton  hatte, 
gehört  endlich  die  von  Priscian  (I,  39.  H.)  erwähnte  Lautverbin- 
dung, wo  es  nach  m  steht,  wie 

a  m  n  i  s ,  condemno,         a  er  u  m  n  a , 

danintim,      i  n  d  e  m  n  i  s  ,  c  o  1  u  m  n  a , 

scamnum,    omnis,  autumnus, 

Ranines,       alumnus,  V e r t u m n u s  u.  a. 


—     104     — 

% 

Wenn  hier  das  n  schwach  tönte,  so  liegt  das  darin,  weil  das  n 
der  tieftonigen  Silbe  neben  dein  vorhergehenden  m  der  hochtoni- 
gen  Silbe  weniger  deutlich  hervortrat. 

Zu    scheiden  von  den    bisher  besprochenen  Weisen  der  Aus- 
sprache des  inlautenden  n  ist  endlich  ein  gutturales  n,  das  im 
Lateinischen  wie   im  Griechischen    und  Deutschen  vor  Gutturalen 
erscheint  und  dem  nasalen  n   der  Franzosen  ähnlich  klang.     Bei 
Priscian,  1,39.  H.,  heisst  es:  Sequente  g  vel  c  pro  ea  (n)  g 
s c r i b u n t  G r a e c i  et  q u i d a m  t a m e n  v e t u s t i s s i m i  a u c t o - 
res  Romanoruin  euphoniae  causa  bene  hoc  facientes, 
u  t  c  A  g  c  h  i  s  e  s ,  a  g  c  e  p  s ,  a  g  g  u  1  u  s ,   a  g  g  e  n  s '  q  u  o  d  o  s  t  e  n  - 
dit   Varro     in   primo    de    origine   linguae   Latinae   bis 
v e r  1) i s :   u t  Ion    s c r i b i t ,  q  u  i  n  t  a  elvicesima  est  1  i t e r a , 
quam  vocant  agma,  cuj  us  forma  null a  est,  et  vox  com- 
munis est  Graecis  et  Latinis,  ut  bis  verbis  eaggulus, 
a  g  g  e  n  s ,  a  g  g  u  i  1 1  a  ,    i  g  g  c  r  u  n  t '.     in    ej  usmod  i  Grae  ci    et 
Acci  us  n  oster  bi  na  g  scri  bunt ,  aliin  et  g,  quod  in  hoc 
veiitatem    vidcre    facile    non    est.     similiter    cageeps, 
agcora'.    Die  zweite  wichtige  Stelle   für  die  vorliegende   Frage 
führt  Gellius  wörtlich  aus  dem  buche  des  Nigidius  Figulus,  Com- 
mentarii  grammatici,  an,  XIX,  4,  7.  //:  Inter  literam   n   e  I   g 
est  alia  vis,   ut    in  nomine  eanguis'  et   fangari'   et   fan- 
corae5   et   'increpat'   et  eincurritJ   et  c  in  gen  aus'.     In 
oronibus  his   non  verum  n,    sed   adulterinum  ponitur. 
Nam   n   non  esse  Lingua   indicio  est;    nain    si   ea    litera 
esset,  lingua   palatum  tangeret.     Ueber  den  Ton  dieses  n 
adulterinum  heisst  es,  Mar. Victor,  p.  2462:  non  ini  er  in  et  n 
medium  sonat  eunquam'  et  'nonnunqnam'  et  similia, 
sed  int  er  n  et  g.     {Vgl.    Mar.  Victoriiu  p.  2463.)     Mit  dem  so 
bezeichneten  Ton  des  n   vor  Gutturalen   sind  also   nach  d**r  aus- 
drücklichen Angabe  der  vorstehenden  Grammatiker  gesprochen  wor- 
den: vor  g: 

aggulus,  vgL  Gtiech.  ccyxvXog  , 

aggens,         angusluni.  ?yyvg, 

angina,  «VXl-> 

angari, 
anguis,  ^XLi-, 

agguilla,  §y%sXv$i 

iggeru nt , 


105 


vor  c: 

agceps,         anceps, 

agcora,         ancora,  äyuvQa 

a  n  c  i  1 1  a  , 


a  n  c  1 1 1  a , 

i  n  c  r  e  p  a 


vor  q: 


a  n  q  in  r  1 1 , 
U  n  q  u  a  m  , 
n  o  n  n  u  n  qua  m. 
Ebenso  sprach  man  also  den  N-laut  in  allen  Lateinischen  Win- 
tern, in  deren  Inlaut  sieh  die  Lautverbindung  nc,  ng,  nq  findet, 
wie  die  aus  dem  Griechischen  entlehnten,  die  yx,  yy^  y%  im  In- 
laut haben.  Dieser  N-laut  ward  von  Attius  wie  im  Griechischen 
durch  g  bezeichnet,  aber  diese  Schreibart  ist  wie  die  doppelte 
Schreibung  des  Vokalzeichens  zum  Ausdruck  des  langen  Vokales 
nicht  durchgedrungen.  Nigidius  Figulus  nennt  es  ein  un achtes  n, 
weil  hei  seiner  Aussprache  die  Zunge  den  Gaumen  nicht  berührt, 
gerade  wie  dies  bei  dem  französischen  nasalen  n  der  Fall  ist. 
Mari us  Victorinus  bezeichnet  es  als  einen  Mittelton  zwischen  n 
und  g,  wie  wir  jenes  französische  n  als  einen,  solchen  Mittelton  fas- 
sen, indem  wir  es  durch  ng  umschreiben,  um  dem  Anfänger  des 
Französischen  den  Laut  begreiflich  zu  machen. 

Auf  Inschriften  der  spätesten  Zeit   linden   sich   die  Schreib- 
weisen : 

prieipi,  /.  N.  3859. 

coque  (rendosque),  /.  N.  5237. 

Wenn  jener  gutturale  Nasal,  den  Nigidius   n  adulterinum 
nennt,  hier  in  der  Schrift  gar  nicht  ausgedrückt  isl ,  so  zeigt  sich 
darin,  dass  das  Ohr  in  demselben  einen  eigentlichen  N-Iaut  nicht 
mehr  deutlich  wahrnahm.     Derselbe  Laut  findet  sich   vor  q  und  x 
(es)  auf  Inschriften  der  Kaiserzeit  auch  durch  nc  ausgedrückt  in: 
co  nj  imex,  Grut.  529,  2. 
junexit,  Gr.  462,  1. 
extinexit,  Gr.  333,  4. 
nunequam,  £r.  948,10. 
und  auf  einer  Inschrift  der  spätesten  Zeil  vor  q  durch  blosses  c: 
n  ueq  u am,  Gr.  654,  6. 

Da  nun  der  nasale  Guttural  n  vor  c,  g,  q  schon  in  alter  Zeit  in 


—     106    — 

der  Lateinischen  Sprache  völlig  ausgebildet  war,  wie  Attius  Schreib- 
art beweist,  so  ist  es  erklärlich  wenn  man: 

ec-ce    schrieb  für  en-ce, 

ec-quis,  en-quis, 

ec-quando,  en-quando, 

wie  nucquam,  nunquam. 

Auch  im  Deutschen  findet  sich  ein  gutturales  n  vor  k  und  g 
in  Wörtern  wie  csank,  winken,  renken,  Unke,  dünken, 
bangen,  drängen,  sengen,  düngen,  Stellung  u.a.,  das 
also  dem  Sanskrit,  Griechischen,  Lateinischen,  Deutschen  und  den 
Romanischen  Sprachen  gemeinsam  ist*).  Folgendes  sind  also  die 
Ergebnisse  der  Untersuchung  über  den  Laut  des  Lateinischen  N. 

Das  N  hat  den  scharfen  festen  Zungenlaut  im  Anlaut 
der  Wörter  und  im  Inlaut  zwischen  zwei  Vokalen  und  mit  Aus- 
nahme der  späteren  Volkssprache  vor  lingualen  Muten. 

Das  N  hat  einen  matten  dumpfen  Ton,  der  dem  Sanskrit 
Anuswara,  dem  deutschen  n  in  Wörtern  wie  Gans,  Zins,  Sense 
ähnlich  war,  im  Inlaut  der  Wörter  vor  folgendem  s,  in  Compositen 
auch  vor  den  Halbvokalen  j  und  v  und  vor  dem  starken  labialen 
Hauchlaut  f;  es  hat  einen  matten  dämpfen  Ton  im  Inlaut  nach 
m  und  im  Auslaut,  der  dem  deutschen  auslautenden  n  verwandt 
war. 


*)  Schneider  Lat.  Gr.  1 ,  272  f.  scliliesst  aus  der  Schreibweise 
singnum,  Grut.  37,  13.  42,4.  54,8,  dass  auch  in  agnns,  magnus, 
abiegnus,  segnis,  ignis,  Signum,  gigno,  pugna  u.  a.  ein 
gutturaler  Nasal  gehört  worden  sei.  Diese  Vermuthnng  wird  widerleg! 
durch  das  Italienische ,  Französische  und  andere  Romanische  Sprachen, 
die  Lateinisches  gn  wie  nj  aassprechen  vermöge  einer  Erweichung  <l«s 
g  zu  j  und  Lautumstellung.  (Diel:  <ir.  Rom.  I,  218  /. )  Aus  jener 
Schreibweise  singnum  kann  man  daher  höchstens  schliessen,  dass  die 
Romanische  Aussprache  jener  Wörter  schon  in  der  Volkssprache  der 
späteren  Römischen  Kaiserzeit  anting  ,  und  daher  jene  Fehlerhafte 
Schreibweise  singnum  entstand,  die  das  n  vor  das  g  stellte,  wie  die 
Romanischen  Sprachen  es  hören  Hessen,  aber  es  auch  hinter  dem  g  bei- 
behielt, wie  die  alte  Schreibweise  war.  Wenn  die  Grammatiker  über 
eine  Lauteigenthümlichkeit  schweigen,  so  folgt  daraus  swar  keineswegs 
immer,  dass  dieselbe  nicht  vorhanden  gewesen  ist,  aber  au  dm  stellen, 
wo  sie  so  bestimmt  und  eingehend  über  das  n  adnlterinnm  handeln, 

würden   sie    auch   eins  der   Wörter   wie   si^imm   agnns    u.    a.  angeführt 
haben,  wenn  sie  mit  diesem  Laut  gesprochen  wären. 


—     107    — 

Das  IN  hat  einen  gutturalen  Klang  vor  den  Gutturalen  c, 
q,  g,  ch,  x,  den  die  Lateinische  Schrift  auch  durch  g,  nc,  c  aus- 
zudrücken versucht,  auch  wohl  gar  nicht  bezeichnet,  und  der  dem 
Französischen  nasalen  n  und  dem  gutturalen  n  in  den  deutschen 
Wörtern  Dank,  sinken,  Klang,  singen  und  ähnlichen  ent- 
spricht. 

M. 
Auch  der  Laut  des  m  ist  an  verschiedenen  Stellen  des  Wortes 
verschieden  gesprochen  worden.  Priscian  sagt  I,  38.  H.:  M  ob- 
scurumin  e  x  t  r  e  m  i  t  a  t  e  d  i  c  t  i  o  n  u  m  s  o  n  a  t  ut'templum', 
aper  tum  in  prineipio  ut  cmagnus',  medioere  in  mediis 
u  t  cumbra'.  Im  Anlaut  also  hat  m  (\en  starken  entschiedenen 
Ton  gehabt,  mit  dem  auch  in  verwandten  Sprachen  die  labiale  Li- 
quida gesprochen  wurde.  Dass  es  im  Inlaut  vor  labialen  Consonan- 
ten  schwächer  klang,  wie  aus  Priscians  Beispiel  umbra  erhellt, 
ist  begreiflich,  da  es  vor  Labialen  zum  Theil  als  blosser  labialer 
Vorklang  ohne  etymologische  Bedeutung  zur  Verstärkung  der  Silbe 
dient  wie  in  rumpo,  conrumptus  neben  rupes,  rupi,  ambi- 
neben  Sanskr.  abhi  in  ähnlicher  Weise  wie  dies  mit  gutturalen  n 
in  frango,  tango,  pango  neben  fregi,  tetigi,  pepigi  vor 
folgendem  Guttural  der  Fall  ist. 

Jedenfalls  lässt  der  folgende  stärkere  Labiale  b  den  vorher- 
gehenden schwächeren  m  nicht  zur  vollen  Geltung  kommen.  Ab- 
schvvächung  erlitt  der  Laut  m  ja  auch,  indem  er  vor  Gutturalen  c, 
q,  g  sich  zu  einem  gutturalen  n  assimilierte  wie  in  aneeps  (für 
ambieeps),  nunquis,  congero,  vor  Lingualen  d,  t  in  das  ge- 
wöhnliche linguale  n ,  wie  in  t a n  t  u  n  dem,  v e  r  un tarne n ,  e a  n - 
dem,  vor  s,  f ,  j ,  v  in  den  dumpfen  halbvokalischen  N-laut,  von 
dem  die  Bede  gewesen  ist,  wie  in  cönsul  (cösol),  cönfisus, 
conj  ux  (coj  ux),  conventione  (coven  tionid).  In  der  Com- 
position  schwindet  vor  vokalischem  Anlaut  des  zweiten  ßestand- 
theiles  das  anlautende  m  von  circum  in 

c  i  r  c  u  i  r  e  ,  c  i  r  c  u  i  t  u  s ,  c  i  r  c  u  a  g  o ,  Prise.  II,  3.  H. 

das  m  der  Präposition  com  in: 

c  o  a  g  u  1  u  m  ,       c  o  e  m  p  t  i  o ,  c  o  o  r  i  o  r , 

coactum,  c o e t u s ,  c o o r t u s  , 

coalescere,     c  o  i  m  e  r  e ,  c  o  o  p  t  a  r  e , 

coaptare,         c  o  i  r  e , 

coartare; 


—    108    — 

nur  in  dem  alten  Worte  comitium  von  com  -  ire  hat  es  sich  ge- 
halten. Am  schwächsten  klang  also  das  m  im  Auslaut  der  Worte*. 
Schon  in  dem  Abschnitt  über  das  Alphabet  ist  gezeigt  worden, 
dass  Verrius  Flaccus  den  Ton  des  auslautenden  m  für  so  schwach 
erklärte,  dass  er  zum  Ausdruck  desselben  in  der  Schrift  nur  das 
halbe  Schriftzeichen  |V  verwenden  wollte  (Vel.  Long.  p.  2238). 
Qu  in  tili  an  sagt  vom  auslautenden  m,  IX,  4,40:  parum  expri- 
mitur  und  neque  enim  eximitur,  sed  obscuratur,  was 
also  mit  Priscians  Ausdruck :  m  obscurum  in  extremitate 
dictionum  sonat  übereinstimmt.  Donat  sagt ,  Ter.  Adelph.  II, 
1 ,  53  :  m  1  i  1 1  e r  a  e  s  t  n  i  m  i  u m  p  r  e  s  s  a  e  v o  c  i  s  a  c  p  a  e  n  e  n  u  1  - 
1  i ii  s .  Die  Schwäche  des  auslautenden  m  bethätigt  sich  nun  ein- 
mal darin,  dass  es  sich  im  Zusammenhange  der  Rede  bisweilen 
dem  anlautenden  Consonanten  des  folgenden  Wortes  zu  n  assimi- 
liert, vor  dem  es  im  Inlaut  des  Wortes  dieselbe  Assimilation  erleiden 
würde.  So  sagen  Cicero  {Graf.  45,  145)  und  Quiniihan  (VIII,  3, 
45)  übereinstimmend,  dass  man  im  Zusammenhang  der  Hede 

(•im    nobis    sprach     für  cum    nobis, 
und  Velius  Longus  hörte: 

etian  nunc,  p.  2236.  füreliam  nunc. 
In  Uebereinstimmung  hiermit  ßndet  sieb  die  Angabe,  dass  Cato: 
a  n  termin  um,  Orig.  Macrob.  Sat.   für  circum  terminum 
I,    11. 
schrieb.     Die  Präposition  ambi  stumpfte  sieh  hier  so  ab.  dass  sie 
zuerst  (bis  auslautende  i  einbiisste  wie  ut  für  Uli,  dann  das  b  ab- 
fiel und  das  nun  in  den  Auslaut  getretene  m  sieh  vor  dem  anlau- 
tenden t  des  folgenden  Wortes  zu  n  assimilierte.     Hiermit  stimmen 
überein  die  Schreibweisen: 

per  de cen  dies,  Or.  Henz.  6183.  für  per  decem  dies, 
tan  Concorde,  Or.  //r/t:.  73S2,  für  tarn  Concorde. 

Hier  assimilierte  sieh  das  auslautende  m  von  I  a  m  vor  guttura- 
lem Anlaut  des  folgenden  Wortes  zu  gutturalem  n,  wie  inlautendes 
m  in  aneeps  oder  ageeps  (für  ambi-eeps)»,  Concors, 
iiiiuquam  diese  Assimilation  erlitt. 

Eine  ähnliche  Assimilation  des  auslautenden  m  zu  gutturalen 
n  fand  also  statt  in  i\cn  auf  Inschriften  der  spätesten  Zeit  wieder- 
holt vorkommenden  Schreibweisen 

co n  quo,  con  qua.   eon  que,  con  quem,  con  cojugi, 
die  weiter  unten  nachgewiesen  sind. 


—    109    — 

Das  auslautende  m  betbätigt  seinen  schwachen  und  matten 
Ton  aber  auch  darin,  dass  es  vielfach  ganz  schwindet.  Gerade  das 
Sehwinden,  Wiederauftauchen  und  Wiederverschwinden  des  in  ist 
nun  für  die  Geschichte  der  Lateinischen  Declination  und  Gon- 
jugation  von  Wichtigkeit. 

fn  der  Conjugation  ist  das  auslautende  in  der  ersten  Person 
Singularis  des  Indicativs  in  der  Regel  abgefallen,  während  es  sieh 
im  Conjunctiv  meist  erhalten  hat.  Da  sich  im  Griechischen  wie 
im  Lateinischen  der  Abfall  dieses  m  findet,  des  Restes  vom  Perso- 
nalpronomen -mi,  in  derjenigen  Conjugationsklasse,  welche  die 
Personalpronomina  mittelst  Bindevokales  an  die  Verbalstämme  fügt, 
also  in  Xeya  wie  in  lego,  in  Gxzyco  wie  in  tego,  so  muss  der 
Abfall  des  m  hier  sehr  frühzeitig  statt  gefunden  haben.  Während  aber 
das  Griechische  in  seiner  ^xt- Conjugation  das  ganze  Personalprono- 
men der  ersten  Person  fu  gewahrt  hat,  ist  im  Lateinischen  Indiealiv 
nur  noch  in  s-u-m  (es-u-m)  neben  Griechisch  £l-[il  {la-^a) 
der  Consonant  des  Personalpronomens  übrig  geblieben.  Es  sind  nun 
bestimmte  Angaben  vorhanden,  dass  der  Abfall  des  Personalzei- 
chens m  im  Altlateinischen  auch  die  erste  Person  des  Conjunctivs 
ergriffen  hat,  wie  dies  durchgehends  im  Griechischen  der  Fall  ist. 
Nach  Verrius  Flaccus  fanden  sich  bei  Gato  und  bei  anderen  älteren 
Schriftstellern  häufig  Gonjunctivformen  wie: 

a  1 1  i  n  g e ,  Fest  p.  26.  M.  für  a 1 1 i ng a  m  , 

d  i  c e ,  Fest.  p.72.  d ica m , 

ostende,  Fest.  p.  201.  ostendam, 

reeipie,  Fest.p.2S().  reeipiam. 

Die  Frage,  wie  dieses  in,  wenn  es  völlig  aus  dem  Reiche  der 
Töne  verschwunden  war,  späterhin  wieder  durchgängig  gesprochen 
werden  konnte,  wird  sich  weiter  unten  erledigen,  wenn  der  Abfall 
des  auslautenden  m  von  Nominalformen  in  Betracht  gezogen  sein 
wird  *). 


*)  Th.  Bergk  {Zeitschr.  für  AUhwissensch.  XIII,  297)  will  aus 
Schreibweisen  wiefaciom,  dicom,  ineipissom,  subigitom,  vi- 
el eom,  die  in  einzelnen  Plautushandscliriften  vorkommen,  alte  noch  zu 
Plautus  Zeiten  gebräuchlich  gewesene  Formen  der  ersten  Pers.  Sing. 
Praes.  Ind.  herstellen.  Ritschi  und  Fleckeisen  haben  wohl  gethan  sie 
als  Schreibfehler  zu  behandeln  und  nicht  in  den  Text  aufzunehmen. 
Abgesehen  von  kritisch-philologischen  Gründen  spricht  der  Abfall  des  m 
auch   in  Gonjunctivformen   der  ersten   Person   zu  Cato's  Zeit,    und  der 


-■•■ 


110     — 


Auf  den  Inschriften  aus  der  Zeit  der  Punischen  Kriege  findet 
sich  das  auslautende  m  von  Nominalformen  bald  geschrieben ,  bald 
nicht,  oft  auf  einer  und  derselben  Inschrift.     Man  vergleiche: 
dono,  /.  N.  5483.  5567.  Ritschi,     d onom,  l.  Flor.  Or.  1421. 
I.  Pis.  fictil.  Lat.  p.  26.  27.  Or. 
1500.  Gritt.52,  11.  Rhein.  Mus. 
IX,  466.    Or.  4309,  5. 
donu,  i.  Pis.  Ritschi ,  fictil.  Lat.     donum,  Ritschi,  ct.  0.  p.  27. 
p.  28. 

pocolom,  a.O.p.  8.  17.  18. 

Lucio  m,   /.    Scip.    Barh.  f. 

sa er om,    /.    N.   715.    716. 

Ritsch?,  fictil.  Lat.  p.  28.  Or. 

2714. 

sacrum,  /.   Rom.   Or.  1S50. 

Ritschi,  fiel.  Lat.  p.  26. 


viro  ,   t.   Scip.  Rarb.  f. 
o  i  n  o  ,  ct.  0. 
optumo,  ct.  0. 


Samnio,   t.  Scip.  Rarb. 

d  uonoro  ,  ct.  0. 

A  i  s  e  r  n  i  n  o ,   num.   Itah    .  Motu  ms. 

Uni.  Dial.  S.  204. 
Aquino,  ct.  O. 
C  a  i  a  l  i  n  o  ,    n  um .    Itah   Momms. 

U.  D.  S.  204. 
C  a  I  e  n  o  ,  a.   O. 
C  o  r  a  n  o ,  ct.  O. 
Cozano ,  a.  O. 
Paistano  ,  a.  O. 
Romano,  ct.  O. 
S  uesano  ,  it.  O. 
Tiano  ,  ct.  O. 
vice  sin  a  ,  Or.  1433. 
C  o  r  s  i  c  a  ,  t.  Scip.  Barb.  /'. 
Aleriaque,  a.  O. 
T  a  u r a  s i  a ,  /.  Scip.  Rarb. 


poublicom,  /.  N.  715.  716. 
I  (»com,  a.   O. 

cap  I  om  ,   Col.    rostr.  rest. 
Vol  k  anom  ,  num.  Hai.  a.  O. 
ol(or)om,  Col.  rast*  rest. 

V  i  se  rn  i  nom,  num.  Jtal.  a.  0. 
L  ad  i  nom  ,  a.  O. 


Lo  uc  an  am,  /.  Scip.  Barb. 


häufige  Abfall  des    m    in   der  älteren  Sprache    überhaupt,   wo    ihn    die 
jüngere  Sprache  wiederhergestellt  hat,  gegen  jene  Annahme,  und  über 
dies  weiss   kein  alter   Grammatiker    etwas  von  derartigen  Formen    »1er 
ersten  Pers.  Sing.  Ind.  Praes.     Sogar   das  auslautende  m   von  mm   laset 
eine  Inschrift  ganz  weg,  su,  Or.  Benz.  Till. 


—   111   — 

C  i  s  a  u  n  a  ,  a.  0.  f  a  c  i  o  n  d  a  m ,  Grul.  95,  6. 

S  c  i  p  i  o  n  e  ,  t.  Scip.  Bari),  f. 
aide,  a.  0. 
parti,  Or.  1433. 

Seit  der  Zeit  des  Senatusconsults  über  die  Baecanalien  findet 
sich  das  auslautende  m  der  Nominalformen  in  der  Regel  geschrie- 
ben mit  einzelnen  Ausnahmen  wie: 
A  n  t  i  o  c  o  ,  t.  Scip.  Or.  556. 

annoru,  i.  Scip.  L.  f.  L.  n.  Egger  Lai.  serm.  vet.  r.  p.  156. 
signu,  /.  Mummian.  Ritschi.    Or.  563. 

Daraus  erhellt,  dass  das  auslautende  m  in  früherer  Zeit  so 
malt  und  dumpf  gesprochen  wurde,  dass  man  zweifelhaft  war,  ob 
man  diesen  Laut  noch  durch  einen  Buchstaben  bezeichnen  solle, 
oder  nicht,  dass  aber  seit  der  Zeit  der  Macedonischen  und  Syrischen 
Kriege  also  des  lebendigen  Verkehres  mit  Griechenland  das  in  im 
Munde  der  Gebildeten  wieder  bestimmter  hervortrat-  Dass  es  aber 
in  der  Volkssprache  des  ersten  Jahrhunderts  nach  Christus  nur 
ein  matt  nachklingender  kraftloser  Laut  war,  zeigen  die  flüchtig 
eingekrazten  oder  aufgepinselten  Wandinschriften,  in  denen  sich 
der  Volkswitz  der  Pompejaner  erging.  In  diesen  fehlt  zum  Theil 
das  auslautende  m  des  Accusativs;  so  in: 
Maxi  in  o,  Bull.  Nap.  I.  p.  68.      Iota,  a.  0. 

O.Jahn,  Ber.  ä   sä'chs.  Ges.      Bombeiana,  Or.  2541. 
Dec.  1 857.   p.  193.  j>  u  e  1 1  a ,  Gar.  Inscr.  Pomp.  A.  2. 

Antiocu,  Jahn.  a.  0.  p.  194,      lau  data,    a.  0. 

15.  Maccone,  a.O.  XXIII,  2. 

1  u  s  c  u  ,  a.  0.  V  e  n  e  r  e ,  Henz.  Or.  7295.  Jahn. 

Dionysia,  a.  0.  a.  0.  p.  195. 

vi  ndemia  ,  a.  0.  p.  193. 
Vgl.  Bücheier,  Rh.  Mm.  XII,  241  —  260. 

In  dieselbe  Zeit  gehören  die  Formen : 
sin c e r  u ,  Or.  Henz.  2796.  f  u  n  d  o r  u  ,  Or.  Henz.  6085. 

ort  u  ,  a.  0. 

Seit  Ende  des  dritten  Jahrhunderts  nach  Christus  zeigt  sich 
der  Abfall  des  auslautenden  m  von  Nominalformen  auf  Inschriften 
vielfach,  weil  es  in  der  Volkssprache  dieser  Zeit  nicht  mehr  gehört 
und  gesprochen  wurde,  wie  folgende  Zusammenstellung  von  Beispie- 
len lehrt: 


—     112    — 

Casilino,   7.  TV.  3571   {p.  Oh.  maceria,  /.  N.  4076. 

387).  Tu  sei  a,  Or.  Henz.  5588. 

habituru,  Or.  4623.  urina,  a.  0.  7334. 

theatru,  Or.  4955.  poena,  a.  0.  7339. 

monimentu,  /.  N.  3119.  terra,  a.  0.  7396. 

monurae  n  t  u ,  Or.  Henz.  7338.  a  ni  m  a  ,  Boiss.  J.  Ly.  XVII,  1 9. 

vi nu,  a.  0.  7415.  eterna  ,  Marin.  Iscr.  Alb.  168. 

sinu,  I.  N.  5273.  eclesa,  «.  0.  172. 

sacru,  /.  N.  6916.  fronte,  Graf.  656,  5. 

initiu,  I.  N.  6746.  uxore,  Or.  4623. 

lucru,  /.  N.  6302,4.  ineursione,  I.  N.  2509. 

iinnu,   7.   JV.   6308,  2.    7233  berede,  7.  TV.  2863. 

(p.  Ch.  392).  dedicatione,  I.  N.  5792  (p. 

faustu,  7.7V.  6308,  3.  Ch.  338).    Or.  Henz.  7116. 

(I  e  e i  m  u ,  Marin.  Iscr.  Alb.  1 69.  f  e  1  i  c  i  t a  t e  ,  Or.  Henz.  7420.  rt. 

im  u,  7.  TV.  7233  (/>.  CA.  392).  w. 

Laru,  7.  TV.  5615.  Tebere,  Tto/w.  S.7.  Ufon.Chr. 

eonsolato,  Boiss,  7.  7.y.  XVII,  481,  7. 

34  (p.  67*.  510.)  dignitate,  Or,  Henz.  5580. 

a  n  n o  r o  ,  Fleetw.  S.  7.    7J7o;>.  so ci e t a t e ,  a.  0. 

Chris/.   i>.   503,    2.      Graf,  ciyitate,  a.  0.    ' 

1061,  3.  Harte,  a.  o.  7194. 

sepoltura,  7.  TV.  1942.  queadmodum,   a.  O.  7081. 

m ea,  7.  TV.  1942.  asse,  a.  0.  7116. 

olla,  Or.  Henz.  7341.  leve,  a.  O.  7306. 

vestra,7.  TV. 2558  (;;.67/. 289).  pane,  a.  0.  7415. 

Zu  derselben  Zeit  schwand  m  auch  im  Auslaut  aller  anderen 
Wörter  wie  in  den  Deelinationsendungen ;   so  in 

mecu,  7.  N.  6629. 

septe,  I.  N.  3293.     Boiss.  I.  Ly.  XVII,  7. 

dece,   I.N.  6687.     Boiss.  I.  a.  O. 

sedece  ,  a.  0.  10. 

a  u  t  e  ,  Or.  Henz.  7338 ; 
ferner  in: 

n  u  n  q  u  a ,    Marin.  Iscr.  Alb.  172.   für  n  n  n  q  U  a  in  , 

pride,  pride», 

ide,  ideni, 

passi,  passim, 

oli,  olim, 


-     113     - 

{Anal.  Gramm.  Eichenf.  u.  Endlicher  p.  444).  Wenn  die  For- 
men ohne  m  von  einem  Grammatiker  des  vierten  Jahrhunderts  be- 
kämpft und  als  fehlerhaft  verworfen  werden,  so  liegt  darin  eben  der 
Beweis,  dass  sie  im  Volksmnnde  gehört  wurden.  Ein  sicheres  Zei- 
chen, dass  das  m  des  Aecusativs  im  Volksmunde  seit  Ende  des  dril- 
len Jahrhunderts  nicht  mehr  gehört  wurde,  liegt  auch  darin,  dass 
die  Steinmetzen  nicht  mehr  wussten,  oh  das  m,  das  sie  noch  ge- 
schrieben fanden,  zum  Accusativ  oder  Ablativ  gehörte,  und  es  daher 
gelegentlich  auch  an  den  Ablativ  andickten,  da  es  ihnen  ein  wesen- 
loses und  klangloses  Zeichen  war.  So  finden  sich  denn  auf  In- 
schriften seit  dieser  Zeit  Äblativformen  wie  folgende: 
suam,  Grut.  4,  12.  amplitudinein,  Or.ffenz.b5H0. 

elysium,   7.  TV.  3528.  agnitionem,  Gr.  177,  7. 

einet  um,  Gr.  668,  6.  sa  Intern,    Gr.  4,  12. 

bibum,  7.  N.  6458.  partem,  Gr.  215,  2. 

lomolum,  Boiss.  I.  Ly.  XVII,     peccatorem,  Gr.  1062,  I. 

15  (p.  Gh.  428?  511?).  n.atrem,  7.  B.  N.  3137. 

un  um,  Marin,  her.  Alb.  16S.  .    conjugem,  Gr.  1139,   13. 
d  o  m  u  m ,  a.  0.  c  o  m  in  u  n  e  m ,  0.  ffenz.  6432. 

c  o  m  p  a  r  e  m  ,  7.  N.  6733.  I  s  e  m  ,  Gr.  3 1  2,  5. 

jussionem,  Gr.  164,  3.  quem,  7.  N.  1372,  4796.  6420. 

aedem,  Gr.  312,  7.  6605.  6940. 

Dass  der  Abfall  des  auslautenden  m  eine  Hauptursache  Ar> 
Untergangs  der  Lateinischen  Deklinationen  in  der  Volkssprache 
war,  wird  weiter  unten  im  Zusammenhange  mit  anderen  sprach- 
lichen Erscheinungen  dargethan  werden.  In  dem  Abschnitt  über 
die  irrationalen  Vokale  wird  davon  die  Hede  sein,  dass  die  auf  m 
auslautenden  Schlusssilben  der  Wörter  infolge  des  schwachen  Tones 
dieses  m  ganz  schwinden  konnten  und  dass  die  Silben  -am,  -em, 
-im,  -om,  -um  in  der  Verskunst  vor  vokalischem  Anlaut  des  fol- 
genden Wortes  als  stumme  oder  irrationale  Laute  gesprochen  und 
gehört  wurden,  denen  die  metrische  Geltung  einer  kurzen  Silbe 
nicht  mehr  beigelegt  wurde.  Eben  so  schwach  wie  in  der  Volks- 
sprache der  Römer  muss  das  auslautende  m  in  der  Mundart  der 
Umbrer  gelautet  haben,  da  es  in  der  Schrift  derselben  willkührlich 
bald  geschrieben  bald  weggelassen  wurde,  während  der  Oskische 
und  Volskische  Dialekt  wie  die  Sprache  der  gebildeten  Römer  das  m 
sorgsamer  wahrte  (AK.  Umbr.  Sprd.  I,  S.  92.  f.  Verf.  d.  Volscor. 
Ung.  p.  50.  f.). 

CORSSEN.  § 


114 


Sibilanten. 
S. 

Die  Geschichte  des  Lateinischen  Alphabets  zeigte,  dass  das 
Dorische  Alphabet  von  Cumae  nur  einen  Buchstaben  für  den  S-laUt 
halte,  das  Dorische  San  oder  Phonicische  Schin  C ,  und  dass  daher 
auch  das  Römische  Alphabet  nur  dieses  kennt,  während  andere  Ita- 
lische Alphabete  die  beiden  Formen  für  den  Zischlaut  ^  und  M 
überkommen  hatten.  Daraus  folgt  nun  keineswegs,  dass  das  Latei- 
nische s  an  allen  Stellen  des  Wortes  denselben  Ton  gehabt  hätte, 
denn  auch  die  verschiedenen  Klänge  des  1,  m,  n  werden  ja  durch 
einen  Buchstaben  ausgedrückt.  Die  Grammatiker  geben  uns  wenig 
Aufschluss  über  die  Aussprache  des  Lateinischen  S- lautes,  denn 
solche  Angaben  wie  Diomcä. p.  420  :  c  s  con sonans  sc m i  voc a - 
lis  suae  cujus  dam  potestatis'  und  Ter.  Maur.  p.  24<).'>: 
f  vi  vi  da  est  haec  inter  omnes  atque  densa  littera'  sind 
zu  allgemein  gehalten.  Die  Verschiedenheil  des  S -lautes  an  ver- 
schiedenen Stellen  des  Wortes  können  wir  nur  aus  den  Laut  Verbin- 
dungen und  Lautübergängen  des  s  in  den  Wertformen  erkennen. 

Im  Anlaute  vor  Consonanten  erscheint  s  nur  in  den  Lautver- 
bindungen  sp,  sc,  st,  ist  also  immer  ein  scharler  Zischlaut  ge- 
wesen in  Wörtern  wie  spargere,  scindere,  stare  u.  a. 

Das  anlautende  s  vor  Vokalen  nniss  ebenfalls  scharf  gelautet 
haben,  weil  es  in  den  Romanischen  Sprachen  diesen  Laut  hat,  und 
eine  Schärfung  desselben,  die  eist  in  diesen  Tochtersprachen  des 
Lateinischen  eingetreten  wäre,  nach  den  sonstigen  l.aiilverhällnissen 
derselben  nichl  glaublich  erscheint  Das  anlautende  s  in 
Lat.  sapere,  Italien. sapere,  Franz.  si roir, 
seeundum,         seeondo,  seconde, 

silenlium,  silen/io,  silence, 

sol-em,  sole,  soleil, 

su  um,  suo,  son 

hat  also  denselben  scharfen  Ton  gehabt. 

Im  Inlaut  wurde  das  s  scharf  gesprochen  vor  und  nach  ande- 
ren Consonanten.  Das  zeigt  einmal  der  Ueberganf  der  Media  vor 
s  in  die  Tennis  in  den  oben  besprochenen  Wortformen  wie  apsli- 
neo,  nupsi,  lapsus  n.  a.,  dann  aber  auch  der  Umstand,  dass  - 
sich  nur  vor  scharfen  Linien  im  Wortkörper  hält,  während  es  vor 
in,  n,  1  wie  vor  d  ausfällt,  wie  in  : 


—     115     — 

C a - m e n a  ,        po-no,  corpu-len-      j  u - d e x , 

t .  u  s  , 
Ca -m Ullis,      ce-na,  {Umbr.         qua-lum,  i-dem, 

q  e  s  n  a ) 
r e - m  u s ,  ahe-neus,  {Umbr.  di-d  n c o , 

a  h  e  s  n  e  s) 
trire -ums,      pe-na,  pcnna  tre-decim, 

o  -  in  e  n  ,  ca-ous,  (Osk.  ca  s  - 

n  a  r ) 
po-moerium,  vide-n  \ 
po-meridia-  sati-n\ 

n  US, 

du  -in os ns, 

[vgl.  Schneid.  Lat.  Gr.  I,  474  /".   Umbr.  Sprachä.  AK.  Gloss.   Uni. 

Mal.  M.  Gtoss.) 
oder  zu  r  wird,  wie  in: 

carnien,       ornare,  vetern us,  und  vor  v  in  furvus, 
Carmen  ta,  verna,      diurnus,  Minerva. 

hodiernus, 
Vgl.  Schneid,  a.  0.  342  /.   Pott  Etym.  Forsch.  I,  132  /'. 

Das  s  verlrug  sieli  seines  scharfen  Lautes  wegen  mit  diesen 
Lauten  ebensowenig  wie  im  Anlaut  mit  folgendem  f,  wie  fallo  lie- 
hen öcpalla,  fungus  neben  ocpoyyog ,  i'unda  neben 
Gcpsvdovr],   fidis    (Saite)  neben    öcptörj    zeigen. 

Im  Inlaut  zwischen  zwei  Vokalen  hingegen  muss  im  Lateini- 
schen das  s  einen  weicheren  Ton  gehabt  haben.     Dafür  sprechen 
einmal  die  Romanischen  Tochtersprachen  des  Lateinischen,  die  an 
der  besagten  Stelle  ein  solches  s  hören  lassen,  wie  neben: 
Latein,  rosa,    Italien,  rosa,    Franz.  rose, 

positio,  posizione,      position. 

Dafür  zeugt  aber  auch  der  Uebergang  des  s  zwischen  zwei  Vo- 
kalen in  r,  der  im  Lateinischen  wie  in  anderen  Altitalischen  Spra- 
chen nicht  so  weit  um  sich  gegriffen  haben  würde,  wenn  nicht 
das  s  der  weichere  und  schwächere  Zischlaut  gewesen  wäre  (vgl.  S. 
85/.).  Es  ist  schon  oben  darauf  hingewiesen  worden,  dass  Gothisches 
s  in  andern  deutschen  Mundarten  zu  r  geworden  ist;  das  Neuhoch- 
deutsche kiesen,  erkiesen  neben  küren,  willkürlich,  er- 
koren von  Got.h.  kiu san  zeigt,  dass  das  s,  aus  welchem  r  abge- 
schwächt wurde,  auf  deutschem  Sprachboden  ein  weicher  Zischlaut 


—    116    — 

war.  Man  muss  also  schliessen,  dass  Altlateinisch  asa  zu  Neulatei- 
nischem ara  lautlich  in  demselben  Verhältniss  stand  wie  Gothisch 
kiusan,  Neuhochdeutsch  er-kiesen  zu  Neuhochdeutschem  kü- 
ren, das  heisst,  dass  auch  im  Lateinischen  das  s  zwischen  zwei 
Vokalen,  das  sich  so  oft  zu  r  abschwächte,  der  weiche  Zischlaut 
war.  Dies  wird  auch  bestätigt  durch  den  Ausfall  des  s  in  dieser 
Lautverhindung,  zum  Beispiel  in: 
spei ,  für  spesi, 
diei,  diesi. 

Dass  das  s  von  spes  stammhaft  war  zeigt  die  schon  erwähnte 
Ennianische  Form  des  Nom.  und  Acc.  Plur.  speres;  dass  in  La- 
teinisch dies  das  s  dem  Wortstamme  angehorte,  nicht  Nominativ- 
zeichen war,  zeigen  die  abgeleiteten  und  zusammengesetzten  Bil- 
dungen  d  i u  r -  n  u  s  für  di u  s -n'u s ,  ho-d i er-n  ns  für  h  o  -d ies- 
nus,  Dies-piter  und  das  Sanskrit,  divas,  dessei  a  sich  in  den 
Lateinischen  Wortgestaltungen  dies-,  dier-,  diur-  nach  Ausfall 
des  v  regelmässig  zu  6  oder  zu  u  abgescbwächl  bat;  dies  and 
spcs  gingen  erst  nach  Ausfall  ihres  Btammhafteu  s  in  die  E-decli- 
nation  über.  Ebenso  ist  s  zwischen  Vokalen  ausgefallen  in: 
Olealis,  für  Ceresalis,  verglichen  mil  Ceres,  Gereris, 
Ramnes,  Ramneses, 

Tities«  Ti  t  ieses  , 

Lu  cere  s,  L  u  c  ereses. 

Der  Ansicht,  dass  s  /.wischen  Vokalen  weich  gesprochen  wurde, 
scheint  sich  in  den  Weg  zu  stellen,  dass  im  Lateinischen  für  s  im 
Inlaut  zwischen  Vokalen  so  oft  in  Inschriften  wie  in  Handschriften 
ss  geschrieben  ist.    So  auf  Inschriften  der  besten  Zeit: 
causam.  L  repet.  (Servil.)  caussa,    /.   repet.  (Serv.)   Or. 

causa,  7.  N.  2646.  5605.  460t.        3674.      2249.    I    Tut.    mun 
Or.  ffenz.  7168.  (häufig)  >■  Ruhr*  Or,  1859. 

causeis,     /.     hil.    muh.    MiiiiI.    RCCUSSasse,  /.////.  ///////. 

laud.  Or.   1860.  ussu,  Mwrd.laud.Or*  1860. 

(|  uae  SSO,    /.     \.   6  IS2. 
hassim,    /.     \.   4317. 
Ebenso   kommen    auf  Inschriften  nebeneinander  die  Schreib- 
weisen von  Namen  vor  wie: 
Gosinius,  Cossinius, 

Cosinia,  Cossinia 

Sosius ,  Sossia. 


—     117     — 

Nach  Quin tiliaris  Aussage  (1,  7,  20)  schrieb  man  zu  Cicero's 

Zeilen  und  noch  etwas  später  ss  auch  nach  langem  Vokal  in  Wör- 
tern wie:  c aussäe  , 

c  a  s  s  u  s , 
divissiones, 
und  Quintilian  fand  diese  Schreibweisen  in  Handschriften  des  Cicero 
und  Vergil.      Daher  erwähnt  auch  Marius  Victorinus  (p.  2456)  als 
alte  Schreibweisen:  aussus, 

c  a  u  s  s  a , 
fussus , 
od  iossus. 
In  Liebereinstimmung  mit  jenen  ältesten  Handschriften  des  Ci- 
cero  und  Vergil   haben  der  Ambrosianus  und  andere  Codices  des 
Plaut us  die  Schreibweisen  : 

caussa,  profussus,  abussos, 

excusses,       pertussum,         ussust, 
recusscm,      occassionem,     ussui, 
rissu,  comessum,  russum, 

delussistis,    in i s  s i ,  p r o s s  u in  , 

lussi,  promissi, 

(Ritschi  Prol.  Trut.  p.    104.     Lachm.  Lucr.  III,  44)  und  die  Ver- 
gilhandsctiriften  (Wagner  Orth.  Verg.  p.  469): 

caussa,  obcssis,    neben  causa, 

cassus,  ade ss us,  casus, 

Cressa,  seines  sus,  Cresia, 

Lyrnessus,     arabessa,  Lyrnesus, 

incussare,     cxessa, 
recussare,     perossus, 
cassuras,        p laus sus, 
occassus,        adhessis. 
Etymologisch  berechtigt  ist  diese  Schreibari  in  allen  den  Wort- 
formen, die  von  Verben  gebildet  sind,  deren  Stamm  auf  d  und  I 
auslautete  wie  c a  s  s u  s ,  a  u  s  s  u  s ,  f  u s  s  u  s ,  rissu,  1  u s  s i ,  missi 
u.  a.,  da  jene  Lingualen  sich  dem  folgenden  s  assimilierten,  ebenso 
in  russum,  prossum  für  rursum,  prorsum   wie    in    Sas- 
sina, dos sum,  dossuarius,  dossenus  für  Sarsina,  dor- 
sum   u.   a.    {Rhein.  Mus.  VIII,  156).     Nach  Quintilians  Zeugniss 
war  indcss  die  Schreibweise  s  s  nach  langem  Vokal  oder  Diphthon- 
gen seiner  Zeit  nicht  mehr  die  gewöhnliche,  und  die  meisten  Gram- 


—    118    — 

matiker  missbilligen  sie  {Ter.  Scaar.  p.  2257.  Cassiodor.  2283. 
VeL  Long.  p.  2237.  Prise.  III,  36.  H.).  Aus  dem  Schwanken  der 
Schreibweise  zwischen  ss  und  s  nach  langen  vokalischen  Lauten 
folgt,  dass  ein  wesentlicher  Unterschied  der  Aussprache  zwischen 
ss  und  s  in  dieser  Lautverbindung  nicht  statt  fand,  und  dass  eben 
die  Länge  des  Vokales  es  war,  welche  eine  entschiedene  Schärfung 
des  folgenden  Consonanten  nicht  zuliess,  wie  dies  im  Deutschen  der 
Fall  ist.  Daher  haben  denn  auch  die  Romanischen  Sprachen  in 
diesem  Falle  nur  ein  s  gewahrt,  wie  die  Italienischen  Wertformen 
cosa,  scusare,  caso,  divisione,  plauso,  luso,  profuse 
u.  a.  zeigen.  Das  s  in  allen  diesen  Wörtern  aber  ist  ein  sanfter 
Zischlaul.  Cicero's  Schreibart  ss  nach  langem  Vokal  folgte  der 
Etymologie,  indem  das  erste  s  der  Vertreter  eines  assimilierten 
Lautes  war,  seit  Quintilian  aber  schrieb  man  nach  der  Aus- 
sprache nur  ein  s;  man  hörte  also  in  den  angeführten  Wörtern 
nur  das  einfache  s,  wie  es  gewöhnlich  zwischen  zwei  Vokalen  klang, 
das  heisst  den  weichen  Zischlaut.  Wo  hingegen  sich  durch  alle 
Zeiten  stets  ss  geschrieben  findet,  seitdem  man  überhaupt  doppelte 
Consonanten  schrieb,  wie  in  den  vom  Perfectstamme  gebildeten 
Verbalformen  luis se,  de  1  esse,  clamasse,  Bosse,  luissem. 
delessem,  clamassein,  uossen  u.  a.,  wurde  auch  ein  geschärf- 
ter Zischlaut  gehört. 

Den  weichen  Laut  halte  das  s  auch  nach  jenem  mall  lautenden 
D,  das  häufig  gar  nicht  geschrieben  wurde,  also  in  consul,  ren- 
sor,  conservus,  Lucerenses  oeben  co so!,  cesor,  coser- 
vus,  Lucereses  u.a.,  da  das  s  Dach  jenem  schwachen  N-klang 
ganz  ähnlich  wie  zwischen  zwei  Vokalen  gestellt  war  {vgl.  s.\)l  /'.). 
Für  diese  Aussprache  giebt  die  Schreibweise 

lirj^eg,  I.  R.  N.  2143  für  incii.es 
einen  Beleg,  da  das  Griechische  £  ja  den  sanft  assibilierten  Ueber- 
gangslon  zwischen  ö  und  ö*  bezeichnet. 

Das  auslautende  s  hat  seil  alter  Zeil  im  Lateinischen  einen 
überaus  schwachen  Klang  gehabt.  Schon  in  Zeiten  die  weit  hinter 
dem  Zeitalter  der  ältesten  Schriftdenkmäler  zurückliegen  i>i  das 
Casuszeichen  s  vielfach  abgefallen.  So  im  Nominativ  Sing,  von 
Wörtern  wie  Numa,  poeta,  puer,  ngil;  im  Genetiv  der  \  . 
0-,  V-  und  E- stamme  waren  a-is,  o-is,  u-i^.  e-is  die  ur- 
sprünglichen Formen,  aus  denen  nach  Abfall  des  auslautenden  s 
die  späteren   ae,  i,  i,  ei   entstanden  sind,    ebenso  im  Nominativ 


—     119    — 

Pluralis  der  A-  und  O-stämme,  wo  a-is,  o-is  die  ursprünglichen 
Formen  waren  für  die  späteren  ae,  i.  Der  Beweis  für  diese  Ab- 
stumpfung der  Casusendungen  ist  von  der  vergleichenden  Sprach- 
forschung längst  geführt,  besondere  Belege  dafür  werden  sich  in 
den  Abschnitten  über  die  Trübung  der  Diphthonge  und  über  die 
Vokalverschmelzung  im  Inlaut  finden.  Alt  ist  auch  der  Abfall  des 
Personalzeichens  der  zweiten  Person  Imperat.  in  Formen  wie 
lege-,  mone-,  audi-,  das,  wie  in  dem  Abschnitt  über  die  Vo- 
kalkürzung  aus  der  alten  Form  prospiccs  für  prospice  erhel- 
len wird,  ein  s  war,  und  der  Abfall  des  Personalzeichens  s  der 
zueilen  Person  Sing.  Praes.  Ind.  und  Conj.  und  des  Im  per  f.  Ind. 
und  Conj.  wie  des  Fut.  1  Indieat.  in  Formen  wie  deleclare, 
laudare,  vi  debare,  loquerere,  v  er  eher  e,  petiere  u.  a. 
neben  den  gewöhnliehen  delectaris,  lau  d  a  r  i  s  u.  a.  Früh- 
zeitig fiel  auch  das  s  der  Adverbien  magis,  potis  ab  und  so 
entstanden  die  stumpfen  Formen  mage,  pote  ;  dass  dieses  s  der 
Lateinischen  Comparativendung  ins  angehorte,  ist  sehon  oben 
nachgewiesen  worden.  Eben  solches  s  büssten  auch  die  multipli- 
cativen  Zahladverbien  ter  und  quater  ein  mil  der  ganzen  Endung 
icns,  ies,  wie  sie  quin quiens,  sexiens  und  die  anderen  der- 
artigen Wortformen  zeigen  (Zcilschr.  für.vergl.  Sprach/'.  III, 
296.  f.). 

In  allen  diesen  Fällen  ist  das  auslautende  s  schon  abgefallen 
in  der  Zeit,  wo  unsere  Kenntniss  Lateinischer  Sprachdenkmäler  an- 
hebt. Aber  gerade  diese  ältesten  Sprachdenkmäler  zeigen  auch 
Abfall  des  auslautenden  s  von  Wortformen,  wo  es  in  der  Blülhezeit 
der  Sprache  wiederhergestellt  ist.  So  ist  in  den  ältesten  Inschrif- 
ten, die  auf  uns  gekommen  sind,  das  s  des  Nominativs  von  O-stäm- 
men  nicht  geschrieben : 

Tetio,  i.  Pis.  Rilschl,  fietü.  Lat.  p.  27. 

Popaio  ,  /.  Pis.  Momms.  U.  D.  p.  342. 

Furio,  /.  Für.  a.  0.  p.  276. 

Ovio,  ct.  0.  p.  306. 

P uli o ,  nwn.  Luc.  Bull.  d.  inst.  \  847.  p.  1 59.  Momms.  ct.  0.  p.  28. 

M  o  d  i  o  ,  a.  0. 

Terentio,  Or.  3147. 

Apr  ufenio  ,  ct.  0. 

Albanio,  ct.  0. 

Turpilio,  a.  0. 


—     120    — 

Munatio,  a.  0. 

Ravelio,  /.  N.  715. 

Cominio,  a.  0. 

Malio,  a.  0. 

Terebonio,  Ritschi  ficiü.  Lal.  p.27. 
{vgl.  Ritschi  Rhein.  Mus.  IX,  9.  Momms.  Rhein.  Mus.  IX,  460.) 
Diese  Inschriften  gehören  dem  Zeitalter  der  Punischen  Kriege 
an;  weder  auf  ihnen,  noch  auf  anderen  Voraugusteischen  Inschrif- 
ten wird,  abgesehen  von  den  oben  erwähnten  ältesten  Zerstörungen 
des  auslautenden  s,  ein  anderes  s  als  das  Nominativzeichen 
der  0 -stamme  in  der  Schrift  weggelassen;  Schreibweisen  wie 
facili,  senatu,  minu,  genu,  für  facilis,  senatus,  mi- 
nus, gen us  kommen  durchaus  nicht  vor.  Wenn  Cicero  das  Ab- 
werfen des  auslautenden  s  vor  eonsonantischem  Anlaut  des  folgen- 
den Wortes  subrusti cum  nennt  {Oral.  48,  161),  so  liegt  darin 
ausgesprochen,  dass  dieses  s  zu  seiner  Zeit  im  Munde  des  Landvol- 
kes denselben  schwachen  Ton  halte,  wie  dies  für  die  Zeiten  der  Pu- 
nischen Kriege  aus  den  Inschriften  erhellt.  In  den  Inschriften  der 
späteren  Kaiserzeil  wird  nun  das  s  des  Nominativs  von  O-släuiuien 
wieder  zum  Theil  durch  die  Schrift  nicht  bezeichnet  wie  im  All- 
lateinischen ;  so  in : 

filio,  /.  N.  2076. 

Longinu,  /.  N.  2119. 

Seppiu,  /.  N.  4911. 

Mariu,  /.  N.  5354. 

positu,  Roiss.  I.  Ly.  XVII,  11. 
ein  Reweis,  dass  in  der  späteren  Lateinischen  Volkssprache  das  aus- 
lautende s  verklang  wie  das  auslautende  m.  Ersl  auf  Inschriften 
der  spätesten  Kaiserzeit  ist  das  auslautende  s  auch  von  anderen 
('asusformen  als  dem  Nominativ  von  0- stammen  durch  die  Schrill 
nicht  ausgedrückt.    So  linden  sich  die  Schreibweisen: 

securitati,  Or.  1121.  creati,  Or.  ffenz.  5588. 

incomparabili,  GruL 318,  4.  qui,  a. o.  ~:>:>9. 

lovi,  GruL  -'507,  7.  ani,    Boiss.    I.    Ly.    WM.   8. 

Xepoti,   (hui.  594,  1.  (/>.  Ch.   V22.) 

aetati,  /.  N.  1764.  anni,    ,i.   0.    XVII,    II    (sehr 

Isidi  ,   Gr.  83,    15.  s/x//). 

religioni,  Gr,  721,   II.  saltuosa,  Or.Henz.b580. 

Nicomcdi ,  Gr,  318,  7. 


—     121     — 

Aber  auch  auf  Denkmälern  dieser  spätesten  Zeit  ist  das  auslau- 
tende s  des  Genitiv  Sing,  noch  geschrieben  in 
Caesar  es,  Gr.  76,  1. 
campestres,  c7r.  931,  6. 
pages,  /.  N.  1302  (p.  Ch.  508)  u.  ct. 

Also  in  der  Volkssprache  ist  schon  zu  Ende  des  vierten  Jahr- 
hunderts, zu  Theodosius  Zeiten,  der  Abfall  des  schliessenden  s  der 
Declinationsformen  eingerissen,  wie  schon  früher  auslautendes  in 
derselben  verklungen  war,  wenn  diese  Laute  auch  noch  nicht  ganz 
spurlos  aus  dem  Sprachbewusstsein  verschwunden  sein  mochten. 
Hiermit  war  der  Verfall  der  Lateinischen  Declinalionen,  wie  weiter- 
hin noch  näher  beleuchtet  werden  wird,  entschieden.  Noch  weiter 
wie  das  Lateinische  geht  das  Uinbrische  in  der  Abwerfung  des 
schliessenden  s ;  es  lässt  diesen  Laut  fast  überall  verklingen  ausser 
im  Genit.  Sing,  und  im  Nomin.  Dat.  Abi.  Plur.  der  A-Declination 
und  im  Dat.  Abi.  der  consonantischen  Declinalion,  wo  die  vorauf- 
gehenden langen  Vokale  ä,  e,  ii  dem  auslautenden  s  Halt  gaben 
(Umbr.  Sprache!.  AK.  1,  105.  106.). 

Die  älteren  Römischen  Dichter,  die  bis  in  die  Zeiten  des  Cicero 
und  Catull  das  auslautende  s  nicht  als  einen  vollen  Consonanlen 
sprachen  und  horten  und  ihm  daher  auch  nicht  die  Stärke  verlei- 
hen konnten  in  Verbindung  mit  dem  anlautenden  Consonanten  des 
folgenden  Wortes  den  vorhergehenden  Vokal  zu  einer  posilionslaugen 
Silbe  zu  ergänzen,  haben  sich  also  keine  poetische  oder  metrische 
Freiheit  erlaubt,  sondern  sie  sind  ganz  der  Aussprache  des  auslau- 
tenden s  in  der  Volkssprache  gefolgt.   In  dem  Abschnitt  über  die  irra- 
tionalen Vokale  wird  dieser  Gegenstand  wieder  zur  Sprache  kommen. 
Somit  hat  die  vorstehende  Untersuchung  über  die  Aussprache  des 
Lateinischen  s  zu  folgenden  Resultaten  geführt: 
S  wurde  scharf  gesprochen  im  Anlaut,  ebenso  wie  im  Inlaut  vor 
und  nach  anderen  Consonanten,  ausser  nach  n,  wie  in  den  Ro- 
manischen Sprachen  noch  heutzutage. 
S  wurde  weich    gesprochen  im   Inlaut  zwischen  zwei   Vokalen, 
wie  noch  jetzt  in  den  Romanischen  Sprachen ,  und  nach  dem 
schwach  lautenden  n. 
S  wurde  matt  und  dumpf  gesprochen  im  Auslaut  besonders  in 
der  älteren  und  jüngsten  Volkssprache,  bis  es  in  dieser  ganz  ver- 
klang und  daher  in  den  Romanischen  Sprachen  verschwunden  ist. 


—     122    —  m 

Z. 

Es  ist  schon  oben  darauf  hingewiesen,  dass  sich  das  Schrift- 
zeichen Z  im  ältesten  Römischen  Alphabet  vorfand  und  in  der 
Schrift  des  Carmen  Saliarc  vorkam  (Varro  L.  L.  VII,  26.  Vel 
Long.  p.  2217).  Aus  den  Zwölf  Tafeln  wird  es  nirgends  mehr  er- 
wähnt; wann  es  abgekommen  ist  lässt  sich  nicht  bestimmen,  nur 
hören  wir  dass  der  Tragiker  Attius  es  nicht  schrieb  (Mar.  Victor, 
p.  2456),  während  es  sich  schon  auf  der  Tafel  von  Bantia  in  der  La- 
teinischen Schrift  eines  Oskischen  Gesetzes  aus  der  Zeit  der  Grac- 
chen  findet.  Erst  seit  Cicero's  Zeit  kommt  es  wieder  in  Gebrauch, 
aber  auch  nur  in  Fremdwörtern,  namentlich  in  Griechischen.  Wenn 
sich  in  unseren  Pia utushand Schriften  die  Schreibweisen  zona,  zo- 
narius,  zainia,  Zeuxis,  Zacynthus,  badizo,  trapezila 
linden,  so  gehört  dieses  z  frühstens  der  Textesconstitution  an,  die 
im  ersten  Jahrhundert  nach  Christus  Valerius  Prolins  oder  ein  an- 
derer Grammatiker  vornahm,  um  den  Plaut  ns  für  seine  Zeil  lesbar 
zu  machen. 

Im  Oskischen  bezeichnet  z  einen  zwiefachen  Laut,  einmal 
im  Auslaut  einen  Doppelconsonanten,  der  etymologisch  aus 
ts  entstanden  ist,  so  in  horz,  tat.  holt  us  (Momms.  U.  D.  p.  128. 
131).  140),  dann  aber  im  Inlanl  einen  weichen  Zischlaut,  der 
den  Uebergang  vom  weichen  s  zu  r  ausdrückt  in  der  Endung  des 
Genitiv  Plnralis  der  A- stamme  -azurn,  entstanden  aus  -asnm, 
Lat.  -anim.  Ebenso  hat  das  Umbrische  diesen  zweifachen  Laut, 
im  Auslaut  das  harte  z,  den  Vertreter  von  ts  in  Wörtern  wie 
pihaz,  Lat.  piatus  (Ufribr.  Sprachä.  M\ '.  1,  108),  im  Inlaut  ein 
weiches  z,  wie  ausmenzaru,  tat.  mensarum  erhellt  Das 
umbrische  z  halte  an  dieser  Stelle  nach  n  denselben  weichen  Zisch- 
laut  den  nach  der  obigen  Untersuchung  das  S  nach  n  in  Lateinischen 
Wörtern  halle.  Ob  das  Altrömische  /.  mit  dem  Umhriscben  und 
Oskischen  übereingestimmt  habe,  lässl  sich  nicht  entscheiden;  liier 
kann  lediglich  in  Frage  kommen,  was  das  Griechische  £  solcher 
Fremdwörter,  die  in  die  Lateinische  Sprache  aufgenommen  sind,  für 
ein  Schicksal  gehabt  hat. 

Die  Homer  zu  Planlus  und  Pacuvins  Zeit  drückten  den  Grie- 
chischen Laut  z  im  Anlaut  durch  ihr  s  ans,  das  dein  deutseben  52 
gleichkam,  und  schrieben  und  sprachen  also  Sag  n  D  l  n  in.  Selb  us, 
sona;das  inlautende  Griechische  /.  drückten  sie  durch  >s  ans.  wie 
die  Plautinischen  Formen   badissas,  malacisso,  Atticisso, 


—     123     — 

comissor,  cyathisso  zeigen  {Fleckeisen ,  Episl.  Cr  it.  p.  1 3). 
Audi  in  spätererZeit  erscheinen  noch  Formen  mit  ss  für  Griechisch  £ 
geschrieben  wie  palrisso,  pytisso,  niassa  (Prise.  I,  31.  H.), 
c  r  o  1  a  1  i  s  s  o ,  h  i  1  a  r  i  s  s  o ,  m  o  e  c  h  i  s  s  o  (Schneid.  Lal.  Gr.  I  /;.  385) 
miil  nacli  dieser  Analogie  sind  gebildet  Graecisso,  tablisso.  Da 
nun  im  Lateinischen  ss  im  Inlaut  nach  kurzem  Vokal  und  s  im  An- 
laut denselben  scharfen  Zischlaut  ausdrückten,  so  ist  klar,  dass  den 
alten  Römern  der  Laut  des  Griechischen  £  ihrem  scharfen  Zischlaut 
am  ähnlichsten  klang.  Etrurisches  z  drückten  sie  ebenfalls  durch 
ss  aus,  indem  sie  den  Etruskischen  Namen  Mezentius  (Mez- 
zentius)  auch  Messentius  schrieben  (Diomed.  p.  417.  421. 
Vel  Long.  2217.  Prise.  I,  31.  H.  vgl.  Ter.  Scann  2257.). 
Dass  nun  aber  im  Römischen  Munde  der  dem  ss  ähnliche  Zisch- 
laut des  z  einen  D-ähnlichen  Beiklang  hatte,  geht  daraus  hervor, 
weil  der  Buchstabe  z  schon  in  der  späteren  Kaiserzeil  dazu  verwen- 
det wird,  das  durch  i  mit  folgendem  Vokal  assibilierte  d  aus- 
zudrucken in  Wörtern  wie  zabolus,  zaconus  u.  a.,  von  denen 
schon  oben  die  Rede  war,  und  weil  umgekehrt  der  Laut  des  Grie- 
chischen und  Etrurischen  z  in  den  Schreibweisen  wie  glycyrri- 
dia,  Medientius  u.  a.,  die  oben  besprochen  sind,  durch  di  be- 
zeichnet wird  (S.  77  /'.).  Ebenso  dient  das  z  dazu,  das  in  der  spa- 
teren Volkssprache  assibilierte  j  auszudrücken  in  der  Schreibweise: 

z  e  s  u  ,  Grul.  p.  1.058,  6.  für  Jesu; 
es  dient  hier  also  demselben  Zweck  wie  die  Italienischen  Buchsla- 
ben gi  in  Wörtern  wie  giogo,  gioco,  giovane  u.  a.  den  wie 
dsch  klingenden  Laut  des  assibilierten  j  zu  bezeichnen,  auch  ein 
Zeichen  dafür,  dass  im  Munde  der  Römer  das  z  jener  Mittellaut  zwi- 
schen D-laut  und  Zischlaut  war.  Und  diesen  Ton  hat  das  z  auch 
in  den  Romanischen  Sprachen  behalten.  Hiernach  ist  es  überflüs- 
sig auf  die  unfruchtbaren  Erörterungen  Römischer  Grammatiker 
einzugchen,  ob  z  wie  ds  oder  wie  sd  klang,  ob  es  ein  einfacher 
oder  ein  zusammengesetzter  Laut  war.  Beides  ist  nach  dem  vorher 
Gesagten  erledigt. 

X. 

Ob  man  den  Buchstaben  X  für  den  Doppellaut  es  zu  den  Gau- 
men- oder  Kehllauten  stellen  will,  oder  zu  den  Zischlauten,  ist  an 
sich  gleichgültig,  da  er  beide  Laute  verbunden  bezeichnet.  Er  ist 
hier  zu,  den  Zischlauten  gestellt,  weil,  wie  sich  sehr  bald  ergeben 


—    124    — 

wird,  der  Laut  in  der  Sprachentwickelung  mit  der  Zeit  ganz  zum 
Zischlaut  entartet  ist.  Dass  der  Buchstabe  X  nicht  von  vornherein 
mit  der  Aufnahme  des  Dorischen  Alphabets  von  Cumae,  sondern 
erst  später  in  das  Römische  Alphabet  aufgenommen  wurde,  aber 
doch  früher  als  die  ältesten  Inschriften,  die  wir  besitzen,  geschrie- 
ben sind,  ist  in  dem  Abschnitt  über  das  Alphabet  schon  gesagt 
worden  (S.  4  /.). 

Es  ist  ein  Zufall,  dass  auf  den  kurzen  Inschriften  der  ältesten 
Zeit,  die  noch  ö  und  e  als  Ableitungs-  und  Bindevokal  für  späteres 
ü  und  1  zeigen,  kein  x  vorkommt.  Das  Senatusconsult  über  die 
ßaccanalien  ist  die  älteste  Urkunde  auf  der  es  erscheint,  in  den 
Wortformen : 

exdeicendum,  e  x  t  r  a  d , 

exdeicatis. 

Seit  dem  Zeilaller  der  Gracchen,  das  heisst  also  seit  Lucilius 
und  Atlius  Zeit,  die  für  die  Feststellung  der  Orthographie  vielfach 
wirkten,  findet  sich  für  x  auch  xs  geschrieben;  so  zum  Beispiel  in: 

sax sum,  /.  Sci[).  Cn.  /*.  Cn.  n.  deduxsit,  /.  agr.  (Thor.) 

in  a  x  s  u  m  e ,  Epigr.  Sor.  I.  N,  1 1(. >.').     f  a  x  s  i  I ,  /.  agr.  ( T/ior.) 

t a  x  s a  l ,  /.  Bant.  n oxsha e ve ,  /.  Rubr. 

e x s i g i t o ,  u.U.  I.  repet.  vgl.  I. agr,    deixs er i t ve,  a.  0. 
(Thor.)  duxserit,  a.  0. 

proxsumeis,  a.  0.  vgl.  I.  repet,     Maxsuma,  /.  N.  2i)fJ. 
/.  agr.  (Thor.)  lexs,  /.  repet, 

pro  xsiinum,  (Jr.  3315. 

I'exsae,  a.  0. 

Diese  Schreibart  lindel  sich  auch  noch  auf  Denkmälern  dei 
Augusteischen  Zeit: 

defixso,  Ccn.  Tis.  <h\  (>42. 

inaxsimos,  a.  0. 

ui.ixsuiui,  Cen.  /'/>•.  013. 
und  noch  späler  liis  auf  die  Grabscbriflen  der  christlichen  Zeil,  vgl. 
1.  N.  328t.     Or.  lim:.  5129.  5400.   :.:>'.»:5.   Tills.  7(Ä9.  7231. 
7347.  7372.  7419.     Boiss.  Inscr.  /.//.  VI.  I.   VIIL  21.  \,  2.  2fi. 
XIV,  20.    XVII,  7.  03  u.  a. 

Wenn  auch  die  einfache  Schreibari  x  die  vorwiegende  blieb, 
sozeigl  sich  doch  in  der  Schreibweise  \s,  dass  der  Zischlaut  dea  i 
sehr  stark  vortönte.  Diesem  Vorwiegen  des  Zischlautes  ist  es  auch 
zuzuschreiben,  wenn  vor  folgenden  Consonanten  der  gutturale  Be- 


—     125    — 

standtheil  des  x  verloren  ging  und  nur  der  Zischlaut  s  übrig  blieb; 
so  in: 

sescent(as),  Mon.  Ancyr.  tob.  I. 
Sestius,   EckheL  d.  num.  V,  312. 
praetestati,  (Wut.  173,  5. 
Der  übriggebliebene  Zischlaut  s  fiel  dann  auch  aus  vor  denjenigen 
Consonanten  mit  denen  er  sich  nicht  vertrug,  vor  d,  n,  in,  v  in: 
se-decini,     se-ni,     se-mestris,     se-vir. 

Dass  diese  Auffassung  die  richtige  ist,  bestätigt  das  fernere 
Schicksal  des  Lautes  x  im  Römischen  Volksmunde.  Für  die  Er- 
kenntniss  desselben  sind  folgende  Schreibweisen  auf  Inschriften  von 
Bedeutung: 

visit,  IN.  1589.  Grut.  1059,4.  für  vi  xit,     bissit,  /.  N.  6697. 
bisit,  /.  N.  2967.  vissis,  /.  N.  7173. 

v i  s e  t,  I.  N.  71 56  (p.  Ch.  405).  ß € i<3 . . ,  1.  N.  21 43. 

u  n  s  i  t ,  Fleetw.  S.  f.  Mon.  Christ.  5 1 0,  2.      c oi u s ,  Grut.  559,  5. 
obstrinserit,  Grut.  408,  1. 

Aus  diesen  Schreibweisen  gebt  unzweifelhaft  hervor,  dass  in 
den  Zeilen,  als  Stilico's  Schwert  Italien  vor  den  Sehaaren  des 
Alarich  und  Radagais  rettete ,  zu  Anfang  des  fünften  Jahrhunderts, 
das  x  im  Römischen  Volksmunde  nach  Verflüchtigung  des  guttura- 
len Bestandteiles  sieb  im  Inlaut  der  Wörter  bereits  zu  s  oder  ss 
erweicht  hatte. 

Dass  man  s  und  ss  von  x  dem  Laute  nach  nicht  mehr  deutlich 
schied  ,  zeigen  auch  Schreibfehler  auf  Denkmälern  der  spätesten 
Zeit  wie: 

xaneto,  1.  N.  3491.  fürSancto, 

milex,  Grut.  38,  7.     I.  N.  6811.       miles, 
tigrix,  Gr.  940,  8.  tigris; 

so  wie  die  in  Handschriften  vorkommenden  Schreibweisen: 
frassinus,  für  fraxinus,         trissago,  für  trixago, 
t  o  s  s  i  e  u  m ,         t o  x  i  c  u  m ,         cos si m ,  c o x  i  m. 

{Schneid.  LaL  Gr.  1,  354.) 

Im  Italienischen  erscheint  daher  Altlateinisches  x  immer  zu  s 
oder  zu  ss  erweicht.     Man  vergleiche: 

Ital.  s  a  g  g  i  o ,  Lat.  e  x  a  g  i  u  m  ,  Kai.  m  a  s  s  i  m  o ,  Lat.  m  a  x  i  m  u  m , 
s  p  i  e  g  a  r  e ,      e  x  p  1  i  c  a  r  e  ,         p  r  o  s  s  i  m  o ,        p  r  o  x  i  m  u  m  , 
s  t  r  a  n  e  o ,        e  x  t  r  a  n  e  u  m ,       v  i  s  s  i ,  v  i  x  i , 

e  s  e  m p  i  o ,      e  x  e m  p 1 u  m ,         s  a  s  s o ,  s  a  x  u  m. 


—     126    — 

Halbvokale. 
J. 

Für  die  Aussprache  des  halbvokalischen  j  giebt,  die  eingehend- 
ste Bestimmung  Priscia  n,   1,    18.  //:    Et   i   quidem  modo   pro 
simplici    modo  pro  duplici  accipitur  consonante:   pro 
simplici,   quando    ab   eo    incipit  syllab  a   in   principio 
d  i  c  t  i  o  n  i  s  p  o  s  i  t  a  subsequentevocali  in  eadem  s  y  1 1  a  b  a  , 
u  t    cJuno,   J  u  p  p  i  t  e  r ' ,   pro   duplici    a  u  t  e  m ,    q  u  a  n  d  o    i  n 
m e dio  d  i  e  ti  o  n  i  s  ab  e o  incipit  s y  11  a b a  p o s t  vo c a  1  e m  ante 
se  positam   subscquente  quoque  vocali  in  eadem  syl- 
lab a ,  u  t ?  m  a  i  u  s ,  peius,  e i  u s ' ,  in  quo  1  o c o  a  n  t  i  q  u  i  s  o  1  e  - 
bant  ge  miliare  e  andern  i  litter  am  et  cmaiius,  peiius, 
e  i  i  u  s  '   s  c  r  i  b  e  r  e  ,  q  u  o  d   n  o  n  a  1  i  t  e  r  p  r  o  n  uu  ( i  a  r  i  p  o  s  s  e  t , 
quam   si  cum  superiore  syllaba  prior  i,  cum  sequente 
altera   proferretur,    ut    cpei-ius,    ei -ins,    mai-ius'; 
nam   quam  vis   sit   consonans,    in  eadem  syllaba  gemi- 
n ata  jungi  non  posset:   ergo  non  aliter  quam  c  teil us? 
mann us '  proferri  debu  it.  unde  'Pompeiii'  (|  u  oq  u  e  ge- 
netivum  per  tria  i  scribcbant,  quorum  duo  superiora 
loco  consonan  I  iuin    accipiebant,    ut    si    dicas    ePom- 
pelli';  nam  tribus  i  junctis  qualis  possit  syllaba  pro- 
nuntiari?  quod  Caesari  doctissimo  artis  grammaticae 
placitum  a  Victore  quoque  in  arte  grammatica  de  svl- 
labis    comprobatur.     pro     simplici    quoque    in    media 
dictione  invenitur,  sed  in  compositis  ut  c injuria,  ad- 
j  ungo,  cicctus,  reice'.     Vergilius  in  bucolico  [proce- 
1  e  n  s  m  a ti  c um  p  o s  u  i  t  p  r  o  d  a  1 1  y  1  o  ] : 

Tityre  pascentcs  a  fluniinc  reice  capellas; 
nunquam  autem  potcst  ante  eam  loco  positam  conso- 
nantis  aspiratio  inveniri,  sicul  ihm  ante  u  consonan- 
tem.    unde  ehiulcus'  tri  syllab  um  est,  nulla  enim  con- 
sonans ante  se  aspiratio  nein  recipit. 

Aus  diesen  Worten  folgt  zunächst,  dass  das  halbvokalische  j 
an  verschiedenen  Stellen  des  Wortes  verschieden  klang.  Den  ein- 
fachen Consonanten  bezeichnet  das  Schriftzeichen  I  im  Anlaut  der 
Wörter  mit  folgendem  Vokal,  wird  hier  also  ausgesprochen  wie  dasj 
in  den  verwandten  Sprachen.     Denselben  Lau!  hat  es  ii,i<  h  Priscia  11 


—     127    — 

auch  im  Inlaut  von  Compositen,  und  zwar  einmal  nach  Consonan- 
ten,  also  in: 

abjudico,  adjungo,        injungo, 

abj  ectus,  adjuro,  injuria, 

obj  ectus,  adjaceo,         injustus, 

subjaceo,         adjectus,      injectus, 

subj  ectus,  conjungo, 

subjungo,  conjurati, 

conj  ectus. 
Wenn  der  Halbvokal  j  vor  folgendem  i  nach  Consonanten  aus- 
geworfen wird  in  den  bereits  erwähnten  Formen  abicit,  obicil, 
subicit,  adicit,  inieil,  conicit,  so  ist  das  Slreben  nach 
Dissimilation  oder  Verschmelzung  der  gleichklingenden  oder  ähnlich 
klingenden  Laute  II  daran  schuld,  von  dem  an  seiner  Stelle  die  Hede 
sein  wird. 

Der  einfache  Ton  des  j  wird  aber  auch  gesprochen  im  Inlaut 
der  Composila  zwischen  Vokalen  die  verschiedenen  Composilions- 
gliedern  angehören,  also  in: 

e j  uro,  e  j  e  c  (  u  s ,  d  i  j  u  d  i  c o. 

pejero,  dej  ectus, 

rej  ectus, 
proj  ectus, 
daher  schwindet  das  j  auch  in  dieser  Lautverbindung  vor  folgen- 
dem i  in: 

e  i  c  i  I ,  p  r  o  i  c  i  t , 

reicit,  eoieit, 

und  der  Vokal  bleibt  vor  diesem  j   kurz  wie  vor  jedem  einfachen 
( konsonantischen  Laut  in  : 

bijugus,  quadrijugus, 

trijugus,  alttjugus. 

Da  bis  hierher  die  sprachlichen  Thatsachen  mit  Priscians  Aus- 
sage in  Uebereinslimmung  stehen,  so  kommen  die  abweichenden 
Meinungen  anderer  Grammatiker  dagegen  nicht  in  Betracht  {Mar. 
Victor,  p.  2477.  Tel.  Long.  p.  2219.  Serv.  Verg.  Äen.  X, 
473.). 

Anders  muss  nun  aber  der  Ton  des  j  geklungen  haben  im  In- 
laut einfacher  Wörter  zwischen  Vokalen,  wo  nach  Quintilians 
Worten ,  1 ,  4 ,  11:  s  c  i  a  t  e  n  i  m ,  C  i  c  e  r  o  n  i  p  I  a  c  u  i  s  s  e  c  a  i  i  o 
Maiiamqu  e'  geminata    i    scribere,    Cicero   ein  doppeltes  I 


—    128    — 

schrieb,  offenbar  weil  er  zu  jener  Zeit  einen  stärkeren  Laut  an  flie- 
ser Stelle  des  Wortes  sprechen  hörte  und  sprach,  als  das  einfache  j 
im  Anlaut  und  auf  der  Grenzscbeide  der  beiden  Glieder  eines  Com- 
positum hatte.  Man  vergleiche  hierzu  Priscians  Worte,  VII,  19..//: 
n a m  solebant  illi  non  soluminprincipio  s e d  e t i a m  i n 
fine  syllabae  ponere  i  loco  consonantis,  idque  in  ve- 
tustissimis  invenies  scripturis,  cfuotiens  int  er  duas 
v  o  c  a  1  e  s  p  o  n  i  t  u  r  u  t  c  e  i  i  u  s ,  P  o  m  p  e  i  i  u  s ,  V  u  1 1  e  i  i  u  s ,  G  a  i  - 
i u  s '  q u o  d  e t i a  m  omiies,  q  u i  de  1  i t e r a  c  n r i o s i u  s  s  c r i - 
pserunt,  affirmant,  so  ergiebt  sich  dass  diese  Schreibart  II  in 
den  ältesten  Handschriften,  die  Priscian  kannte,  üblich  war,  und 
dass  sie  wie  von  Cicero,  so  von  allen  grammatischen  Autoritäten 
gebilligt  war. 

Auf  Cicero  und  die  älteren  Grammatiker  stützten  sich  also  die 
Aussagen  späterer  Grammatiker  über  die  Schreibart  II  im  Inlaut 
einfacher  Wörter  {vgl.  Prise.  1,  50.  //.  p.  122(1.  P.  M<n\.  Victor, 
p.  1940.  P.  Ter.  Mm/r.  p.  2387.  2397  //.  «.)•  Häher  findet  sich 
denn  diese  Schieibart  auch  auf  Inschriften ;  so: 

Pompe iius,  Or.  4356. 

Opetreiiae,  I.N.  1502. 

Sa  bin  eii us,  Momms.  tnscr.  confc  Helv.  43. 
{Hübner  Ouaestion.  Onomatol.  tat.  p.  26.) 

Dieselbe  Schreibweise  find  ei  sieh  auch  auf  den  neuerdings  ans 
Licht  getretenen  spanischen  Inschriften  von  Salpensa  und  Malacca: 
eil  us,     neben     eins,     Tnscr.  Rom.  Henzen  7421. 
e  i  I  u  s  q  u  e  e  1  u  s  q  u  e  , 

eil  us  dem, 

C :  U  1 1 11  S  , 

cuilusque,       maloris, 

mailorum,        malorem , 
nur  dass  an  zweiler  Stelle  das  hohe  über  die  anderen  Buchstaben 
emporragende  I  geschrieben  steht. 

Thalsache  ist  nun.  dass  in  allen  Fällen,  wo  diese  Schreib- 
art angewandt  wurde,  der  Vokal  vor  II  lang  war;  daher  ist  denn 
die  Ansicht  älterer  und  neuerer  Grammatiker  gekommen,  dass  j  den 
vorhergehenden  Vokal  positionslang  mache.  Woher  gerade  j 
vor  allen  Consonanlen  diese  Kraft  haben  sollte,  und  weshalb  es  in 
bijugus  u.  a.  diese  Kraft  eingebüssl  haben  sollte,  blieb  bei  diesei 


—     129    — 

Annahme  unerklärt.  Neuerdings  ist  von  Aufrecht  der  Beweis  ge- 
führt worden,  dass  dieselbe  unhaltbar  sei,  dass  vielmehr  in  allen 
Fällen,  wo  vor  j  im  Inlaut  ein  langer  Vokal  stehe,  dieser  entweder 
von  Natur  lang  sei,  oder  in  Folge  des  Ausfalles  eines  Consonan- 
ten  zum  Ersatz  gedehnt  sei  (Zeitschr.  für  vergl.  Sprachf.  I, 
225  f.). 

Von  Natur  lang  war  der  Vokal  e  in  den  Römischen  und  Itali- 
schen Namen,  welche  das  Suffix  ejo  zeigen  wie: 
Acteius,  Aniceius,  Ateleius, 

Agneius,  Anteius,  Aveius, 

Ateius,  Ap peius,  Avoleius  u.  a. 

Atteius,  Arrunteius, 

Ameius,  Arteius, 

Aneius,  Alteius, 

Anneius, 
(vgl.   die  reiche  Beispielsammlung  bei  Ritschi,  Ind.  schol.  Bonn, 
hib.    1853 —  54   p.    1 — 4).     Die   ursprüngliche    Gestalt   dieses 
Suffixes  war  auf  Italischem   Sprachboden  -aijo,   aus   dem  durch 
Verschmelzung    des  Diphthonges   die    Gestaltungen    aejo,    eijo, 
ejo,  ijo,  und  mit  Ausfall  des  j  aio,  aeo,  eo,  lo,  lo,  10  her- 
vorgegangen   sind   (Zeitschr.  für   vergl.  Sprachf.  V,  87  /.).     In 
diesem  Verhältniss  stehen  also : 
Osk.  Pompaiians, 
Lal.  A  n  n  a  e  i  u  s ,  {Hübner  a.  0.) 
P  o  m  p  e  i  i  a , 
0  p  e  t  r  e  i  i  a , 

S  a  b  i  n  e  i  i  u  s ,  Osk.  v  e  r  e  i  i  a  i , 
Anneius,        Osk.  vereias,   Umbr.  Museiate, 
Opetreius,  Kureiate. 

Sabineius, 

Entweder  aus  Vokalverschmelzung  oder  durch  Ausfall  eines 
Consonanten  ist  auch  die  Vokallänge  vor  der  Genetivendung  ius  zu 
erklären  in: 

ejus,  hüjus, 
doch  ist  von  den  verschiedenen  Erklärungen  dieser  Formen  keine  so 
evident,  dass  sie  andere  Möglichkeiten  ausschlösse  (vgl.  Benfey 
Griech.  Wurzellexicon ,  II,  240.  Äufr.  a.  0.  S.  233.  N.  Jahrb. 
LXVIII,  237),  es  wird  daher  hier  von  einer  Entscheidung  der  Frage 
abgestanden. 

CORSSEN.  Q 


—     130     — 

Die  Fälle  wo  das  j  einen  Consonanten  vor  sich  ausstiess  und 
sich  der  Vokal  vor  j  zum  Ersatz  für  denselben  dehnte  sind  nicht 
selten.     So  ist  ein  Guttural  durch  folgendes  j  verdrängt  worden  in: 

major,  mäjus,  für  mägior, 

Mäjus,  Mägius, 

p  u  1  ej  u  m ,  p  u  1  e  g  i  u  m , 

äio,  ägio, 

von  Sanskr.  Wrz.  ah-(dicere),  ursprünglich  ein  Verbum 
der  I-conjugation.  {Fleckeisen,  zur  Kr  it.  Altlat.  Dichter  frag  m.  bei 
Gellius,  p.  8.) 

mejo,  für     migio,         vgl.     mingo, 

Gr.      0{ll%g),     mixerit,    Or. 

Benz.  7302. 

hier  ward  nach  Ausfall  des  g  durch  Dissimilation  aus  miio  meio; 

Seja,  für     Segia,  vgl.     seges. 

Ein  v  vor  j  fiel  aus  in  : 

Gäj  u  s ,  für     G  a  v  i  u  s ,  Or.  Henz.  7034.  vgl.  Osk.  G  a  a  v  i  i  s , 

ein  r  in: 

p e j  e r o,         für     p e r j  e r  o ,     vgl.     p er j  u r in m , 
ein  s  in : 

dljudico,     für     disjudico, 
ein  s  mit  vorhergehendem  n  in : 

trä-jicio,     für     transjicio, 
ein  s  mit  vorhergehendem  c  in : 

se-jugis,  für  sexjugis. 
Man  muss  daher  auch  für  Wörter,  deren  Etymologie  noch  nicht 
sicher  gestellt  ist  wie  bajulus,  cajare,  jejunus,  Majaiis, 
pejor,  Bajae,  Trajanus  die  Annahme  fallen  lassen,  dass  j  den 
vorhergehenden  Vokal  positionslang  gemacht  habe.  Im  Laute  desj 
lag  durchaus  nichts,  was  Positionslänge  des  vorhergehenden  Voka- 
les hätte  bewirken  können. 

Velins  Longus  giebt  nun  weiter  darüber  Aufschi uss,  was  für 
ein  Ton  es  war,  den  das  j  im  Inlaut  einfacher  Worter  zwischen  zwei 
Vokalen  hatte,  p.  T2W):  atque  ipsa  natura  j  lil  terae  e  s  iu  u  t 
interjeeta  vocalihus  Int  ins  enunlielur,  dum  et  prior 
eam  asserit  et  sequens  sibi  vindicat.  Es  war  also  ein 
breiter  lautender  Ton,  den  das  j  an  dieser  Stelle  halle,  darum 
war  es  aber  auch  ein  frei  eh  ere  r,  dem  Vo  kal  Ihn!  i  c  herer  Ton 
{Schneid,  tat.  Gr.  1,  282).     Wenn  in  Compositen  der  gewöhnliche 


—    131     — 

consonantische  Ton  des  j  sich  auflöste  und  schwand  wie  in  eicit, 
deicit,  reicit,  proicit,  coicit,  cuncti  für  cojuncti, 
biga  für  bijuga,  so  ist  es  nicht  befremdlich,  wenn  auch  der 
weichere  vokalähnlichere  Ton  des  j  zwischen  Vokalen  eines  ein- 
fachen Wortes  verklingen  konnte  wie  in: 

plotis,  Sc.  d.  Baccan.  für  plo-ius. 

Wiefern  die  einsilbige  Messung  von  ejus,  cujus,  hujus 
bei  den  scenischen  Dichtern  mit  der  weichen  vokalartigen  Aus- 
sprache des  j  an  dieser  Stelle  zusammenhängt,  wird  in  dem  Ab- 
schnitt über  die  irrationalen  Vokale  nachgewiesen  werden.  Die 
Griechen  bezeichneten  diesen  Laut  durch  i  in  Schreibweisen  wie: 
rdiov,  C.  I.  Gr.  2957.  IIo[i7iijiog,  Msoöovlriiov ,  C.  T. 
Ovskkdtoi,  (Strab.)         üstQ^og,  Gr.  2847. 

TgaiaV ®,C.I.Cfr. 3036.  IIo^7ty\ia,  MsöGovItjlccv ,  CT. 
MataQ,  (Suid.)  'Axvlrjta,  Gr.  2822. 

Griechische  Wörter,  die  in  der  Lateinischen  Sprache  heimisch 
geworden  sind ,  wieAchaja,  Grajus,  Ajax,  Maja  werden  mit 
dem  weichen  breiten  I-laut  gesprochen  wie  die  entsprechenden  La- 
teinischen Wolter;  die  nur  in  der  gelehrten  Dichtung  der  Römer 
vorkommenden  wie  Aglaia,  Laius,  Nai'as,  Pleias,  Teius, 
Ceius  u.  a.  behielten  die  Griechische  Aussprache  {Schneid,  a.  0. 
282.  f.). 

Das  j  hat  im  Lateinischen  das  Schicksal  gehabt,  das  es  vor- 
hergehenden Consonanten  bereitet  hat ,  es  ist  zum  assibilierten 
Laut  entartet.  Die  auf  einer  Inschrift  der  spätesten  Zeit  vorkom- 
mende Schreibweise : 

congiunta,  Fleetw.  Mon.  Christ.  510,  2.  für  conjuncta 
zeigt,  dass  schon  in  der  spätesten  Römischen  Volkssprache  j  den 
assibilierten  Laut  hatte,  der  in  Italienischen  Wörtern  wie  giunto, 
giovane,  giogo  von  junctum,  juvenem,  jugum  durch  gi 
ausgedrückt  wird  und  in  den  entsprechenden  französischen  Wörtern 
Joint,  jeune,  juge  hörbar  ist.  Könnte  darüber  noch  ein  Zwei- 
fel sein,  so  wird  dieser  gehoben  durch  die  Schreibart: 

xo£ov,  I.  N.  2143.  für  cuju(s), 
in  der  der  Laut  dsch,  den  heutzutage  das  Italienische  j  hat,  durch 
Griechisches  J,  den   Mittellaut  zwischen  d  und   s  bezeichnet  ist. 
Und  so  findet   sich  ebenfalls  auf  einer    sehr   späten  Inschrift   ge- 
schrieben : 

zesu,  Grat.  1 058,  6    für  Jesu, 

9* 


—     132    — 

wo  also  das  Lateinische  z  demselben  Zweck  dient  wie  in  %ot,ov 
das  Griechische  %. 

Diese  Assibilation  des  j  kommt  daher,  weil  dieser  Laut  durch 
die  Stellung   der  Organe  bei    seiner  Aussprache,  namentlich  der 
Zunge,   dem  dicken  Zischlaut  (seh)  sehr  nahe  steht  und  von  vorn 
herein  einen  zischenden  Anklang  hatte.     Daher  hat  er,  wie   oben 
gezeigt  ist,  frühzeitig  vorhergehendes  c  und  t,  später  d  und  g  assi- 
biliert,  wie  er  auch  in  der  Griechischen  Sprache  seine  assibilierende 
Kraft  mächtig  bewährt  hat.     Er  übt  überhaupt  auf  vorhergehende 
Consonanten  einen  auflösenden,  zerstörenden  Einfluss.     So  hat  er 
das  anlautende  d  in  Jovis,  Janus    zerstört,  so  das  inlautende  g 
in  major,  ajo,   mejo,    pulejum,    das  v  in   Gajus,  das  r  in 
pejero,   das   s    insejugis,    trajicit,  dijudico;   bei  diesem 
Zerstörungswerk  ist  er  dann  selbst  zu  einem  dicken  Zischlaut 
entartet  im  Lateinischen,  während  er  im  Griechischen  sehr  früh- 
zeitig ganz  zu  Grunde   gegangen  oder  zu  £  entstellt  ist.     Die 
Hauptergebnisse    für    die   lautliche   Bedeutung   des   Halbvokales  j 
sind    also: 
Das  j  im  Anlaut  einfacher  Wörter  und  im  Anlaut  des  zweiten  Glie- 
des der  Composita  klang  im  Römischen  Munde  wie  das  deut- 
sche j. 
Das  j  im  Inlaut  einfacher  Wörter  zwischen  Vokalen  nach  langem 
Vokal  hatte  einen  breiteren  ,  weicheren  und  vokalähn- 
licheren Lau  t,    den  die  Schritt   der  besten  Zeit    Dicht    sel- 
ten durch  die  Schreibweise  11  darstellte. 
Das  j,    dem  Zischlaut  seh   lautverwandt  durch   den  gut t malen 
Lautbestandtheil  in  beiden,  ist  schon  auf  dem  Boden  der  spät- 
lateinischen  Volkssprache  in  den  dicken   Zischlaut    über- 
gegangen (d seh),  den  es  im  Italienischen  und  Französischen 
hat.    Weil  es  selber  zum  Sibilanten  hinneigte,  bat  es  vorher- 
gehende Consonanten  a  s  s  i  b  i  1  i  e  r  t  und  ganz  z  e  r  s  t  ö  r  t. 


Cicero  rechnete  das  halbvokalische  v  zu  den  labialen  Con- 
sonanten {Mar.  VictOfin.  p.  2402).  Kaiser  Claudius  erfand,  wie 
oben  gesagt  ist,  für  diesen  Laut  das  Schriftzeichen  d.  das  aber 
nach  seinem  Tode  wieder  in  Vergessenheil  Kam.  hie  altere  Grie- 
chische Schritt  bezeichnete  den  Oskischen  Laut  v  durch  F ',  so  in: 


—     133     — 

zftovfei,,  Momms.  U.  D.  XXXVII.     vgl.  Osk.  Joveis, 
Klof  cctac,  a.  0.  p.  270.  Clovatius, 

rofto,  a.  0.  XXXIX.  tovtiks. 

Wenn  nun  Oskischcs  Joveis  und  Lateinisches  Jovis  den- 
selben Ton  hatte,  wenn  der  Name  Clovatius  im  Oskischen  und 
im  Lateinischen  gleich  lautete,  so  entsprach  das  Griechische  F  auch 
dem  Lateinischen  v  und  Priscian  hat  Recht,  wenn  er  sagt:  cvau, 
id  est  di gamma  (I,  46.  //.  vgl.  Quint.  XII,  10,  29.  I,  4,  7.  14). 
Die  spätere  Griechische  Schrift  bezeichnete,  nachdem  das  F  ab- 
gekommen war,  das  Lateinische  v  durch  OT  oder  durch  JB.  So 
kommen  nebeneinander  vor  die  Schreibweisen: 

OVCCQ  QOV  ,  BoCQQCOV  , 

Ovdkrjg,  Bdlqg, 

OvalsvrCa ,  Baliqx  Ca, 

Ov  aliQtog  ,  BaÄs Quavog  , 

OvaXeQiuvöq ,  Balsv  xiviocvo  g, 

Ovsvovöta ,  B £ v ovo  Ca  , 

Ov£oyiliog ,  BeQyilCa, 

BiQyiliog. 
In  Lateinischen  Wörtern,   die    nicht  Eigennamen  sind,  wird 
das   Lateinische    v   meist  durch   Griechisches    B  wiedergegeben; 
so  in : 

ßsQva,  C.  I.  Graec.  3095.  o"£o/3og,  Lyd.  d.  mag.  I,  11. 

ßtQvaxk  og,  Lyd.  d.  mens.  IV,  129. 

25.    65.  xoq ßovg,  Suid.v.  Kogßl- 

ß  eör  lccqlov ,  Suid.  v.  vog, 

ßet  sQavo  g  ,  Suid.  v.  x6{iߣvxog,  Lyd.  d.  mens. 

B£xqccv£,  C.  I.  Gr.  3112.  I,  26. 

ßri^tllov,    Lyd.  d.  mag.  I,    8,  dagegen: 

127.  ddov  evxog ,  Dion.  Cass.lS. 

ßri^illdQiog,  a.  0.  46,   157.  p.  1312. 

Vereinzelt  findet  sich  auch  OTB  geschrieben  um  den  Mittel- 
ton zwischen  ov  und  ß  auszudrücken  in: 
-  Mfjovßiavog  ,  C.  L.  Gr.  2930  (Mevianus). 

In  diesem  Schwanken  der  Schreibweise  zwischen  O  T  und  B 
zeigt  sich,  dass  der  Consonant  v  im  Lateinischen  zwischen  dem 
vokalischen  Laut  ov  und  dein  ß  der  Griechen  in  der  Mitte  lag, 
wie  dies  mit  dem  Altgriechischen  F  der  Fall  war.  Von  einem  ver- 
schiedenen Laut  des  v  an  verschiedenen  Stellen  des  Wortes  sagen 


—     134     — 

die  Grammatiker  nichts ;  es  sind  also  die  Wortformen  der  Sprache 
darüber  zu  befragen. 

Um  mit  dem  anlautenden  v  zu  beginnen,  so  hat  sich  dieses 
stets  unversehrt  gehalten  im  Gegensatz  zum  Griechischen  F  in 
Wortformen  wie: 


vomo, 

e[isa  , 

v  i  t  u  1  u  s  , 

i'x ako  g , 

voco, 

8  7t  CO  , 

ver, 

fo> 

volvo , 

Sil  CO  , 

vestis, 

sG&rjg , 

vinum, 

oivog , 

v  e  s  p  e  i  a , 

£Ö7l£QCC, 

v  i  o  1  a , 

10  v , 

V  e  s  t  a , 

'Eöxta  k.  a. 

Hingegen  hat  v  im  Lateinischen  niemals  im  Anlaut  der  Wörter 
vor  Consonanten  Bestand  gehabt.     So  fiel  es  ab  in : 
r  a  d  i  x  ,   vgl.  ß  o  C  £  a , 
rosa,  ßgodov , 

rugio,  ßQv%cco{icci  u.  a., 

denn  das  ß  in  diesen  und  ähnlichen  Wörtern  ist  bei  den  Aeolern 
und  Dorern  Vertreter  des  Digamma  (Ahrens  de  dial  Acut.  />.  34. 
Dietrich  de  quibusd.  com.  v.  affeetkmib.   p.  (>). 

Im  Inlaut  widerstrebt  das  v  der  Berührung  mit  einem  vorher- 
gehenden Consonanten  ausser  mit  den  flüssigsten  von  allen  r  und  1; 
daher  stösst  es  den  vorbeigehenden  Consonanten  entweder  ab, 
oder  es  löst  sich  nach  demselben  zu  u  auf,  oder  es  schwindet  ganz. 
£o  hat  es  vorhergehendes  d  abgeworfen  in  den  Wörtern  wie: 

bellum,  bis,  bonus,  suavis, 

B  e  1 1  i  u  s ,  b  i  c  e  p  s ,        v  i  g  i  n  t  i , 

Bellona,         bene,  vicesimus  u.a., 

vorhergehendes  g  in : 

conniveo,       vivo, 

nives,  fruor, 

flu  vi  um,         fivere, 
vorhergehendes  f,  das  sich  zuvor  in  li  verflüchtigte,  in  den  Perfekt- 
formen wie: 

pro  ha- vi,  für  proba-fui, 

mon-ui,  raone-fui. 

Sehr  alt  ist  hingegen  die  Auflösung  des  v  zu  u  nach  Consonan- 
ten ;  so  in : 

tui,     vgl.  Skr.  t  vam  (tu), 

tu  US, 


—     135 


s  ii  i ,            Skr. 

sva  s 

? 

SIU1S 

(Bopp  vergl.  Gramm. 

S. 

18.  467.  ff.) 

s  u  a  v  i  s ,      Skr. 

svad 

US. 

So  löst  sich  das  v 

des  Suffixes  -vo  auf  zu  -uo 

nach  den  Muten 

und  nach  n  in : 

v  a  c  u  u  s , 

p  e  r  p  e  tu  u  s , 

relicuos, 

a  s  s  i  d  u  u  s , 

perspicuus, 

c  a  e  d  u  u  s , 

e  x  i  g  u  u  s , 

v  i  d  u  a , 

fatuus, 

i  n  g  e  n  u  u  s , 

m  o  r  t  u  lt  s , 

nur  nach  1  und  r  behält  das  Suffix  vo  seine  Gestalt 

;  so  in : 

a  1  v  u  s , 

arvum,             furvus. 

calvus, 

larva, 

s  a  1  v  u  s , 

ervum, 

m  a  1  v  a , 

acervus, 

silva, 

u  r  viis, 

u  1  v  a , 

cur  viis. 

• 

Ebenso  verträgt  sich  v  auch  sonst  mit  diesen  voraufgehenden 
Consonanten.  Hiernach  sind  die  Auflosungen  wie  dissolüo, 
e  v  o  1  ii  a  m  ,  s  i  1  ü  a  ,  1  a  r  ü  a  ,  m  i  l  ü  o  s  bei  den  Dichtern  (Schneid. 
Lai.  Gr.  I,  363)  künstliche  Producte  der  gelehrten  Dichtung,  nicht 
aus  der  Volkssprache  entnommen,  ebenso  wie  tenvia,  genva  und 
ähnliche  Messungen,  von  denen  im  Abschnitt  über  die  irrationalen 
Vokale  die  Rede  sein  wird. 

Endlich  fällt  v  selbst  aus  nach  d,  t  und  s;  so  schon  in  alter 
Zeit  nach  t  und  s  in: 

te,  tibi,        neben        tu,     vgl.    Skr.  tvam, 

se,sibi,  sui,  Skr.  s v a s , 

s  u  u  s  , 
wie  im  Griechischen  F  nach  o*,  wo  dieses  aus  x  entstanden  ist;  in 
6o  v,  6  o  fc,  ö e ,  6 6g ,  und  nach  dem  rauhen  Hauchlaut,  der  aus  6 
abgeschwächt  ist,  in  ov,  o£,  £';    ebenso   in: 

sis  bei  Ennius,  Annal.  p.  180,  ed.  Vahl.  für  suis, 
so   dass   also  zu  Ennius  Zeiten   eine  Form    sus,    sa,    sum  für 
su us-,   sua,  su um    gebräuchlich  gewesen  sein  nuiss.     Derselbe 
Ausfall  des  v  findet  statt  in : 


—     136     — 

savium,  für       su  avium, 

quattor,  quattuor, 

q  u  a  t  u.o  r , 
suadere  (für  suad  vere),  sua  vi  s  (für  suadvis),  Skr,  sva- 

düs. 
Ebenso  ist  dem  v  die  Berührung  mit  einem  folgenden  Conso- 
nanten  verderblich;  denn  trifft  es  nach  Ausfall  eines  Vokales  mit 
demselben  zusammen,  so  löst  es  sich  zu  u  auf  und  verschmilzt  mit 
dem  vorhergehenden  Vokal  zu  einem  Diphthongen ,  der  sich  dann 
häufig  noch  zu  einem  einlautigen  Vokal  trübt.  So  löst  sich  av  nach 
Ausfall  eines  folgenden  Vokals  zu  a  u  auf  in : 
cautor,      naustibulum,  Opiter,  für  Aupi ter  von 

cautum,  vgl.  cavit  um,  /.  agr.  {Thor.)  avi-pater, 


fautor, 

aucella,                               Opetreiius, 

1  a  u  t  u  m  , 

auceps,                               Opetreius,. 

nauta, 

auspicium, 

n  a  u  f  r  a  - 

a  u  d  e  o ,            vgl.  a  v  i  d  u  s , 

gus, 

n  a  u  s  c  i  t , 

gaudium,              gavisus. 

Wenn 

nach   Cicero  {de  Div.  II,   40.     vgl.  P/in. 

19,  21) 

cave  ne  eas  wie  cauneas  lautete, 
so  hat  sich  nach  dem  Verklingen  des  auslautenden  e  von  cave  das  v 
vor  dem  Anlaut  dos  folgenden  Wortes  n  in  der  schnellen  Volksaus- 
sprache zu  u  aufgelöst,  und  so  wurden  die  drei  Wörter  mit  einander 
verschmolzen. 

Ebenso  löst  sich  ov  nach  Ausfall  eines  folgenden  Vokales  zum 
Diphthongen  ou  auf,  der  jedoch  spater  zu  der  einlautigen  Länge  u 
getrübt  wird  ;  so  in : 

n u p e r ,  für     noviim  per,     Nounas,  für No v e n a s , 

nunc,  n  o  v  u  m  c e  *),       /.  N.  3095 . 

Jupiter,  Jovipiter,        Nouceriain.  für  No- 

Juno,  J  o  vi  n  o  ,  v  i  c  e  r  i  a  m ,  /.  N.  6276. 

j  u  c  u  n  d  u  s ,  j  o  v  i  c  u  n  d  u  s , 

p  r  u d  e  n s  ,  providens, 


*)  In  nuper  für  novum-per  ist  die  Präposition  enklitisch  an- 
gefügt wie  in  parum-per,  sein -per,  paullis-per,  tantis-per, 
aliquantis-per;  ans  novum-ce  ward  zuerst  n  o  u  m  -  e  e  ,  n  u  in  -  c  e  , 
dann  aber  nun-c  wie  aus  hura-ce,  hun-c,    aus  tum-ce,  tun-c. 


—     137     — 

nundinum,  »ovendinum,  noundinum,    Sc.    d. 

upilio,  ovipilio,  Bacc. 

Wörter,  von  denen  noch  im  Abschnitt  über  dieVokalausstossüng  die 
Rede  sein  wird.  Ebenso  löste  sich  i  v  nach  Ausfall  eines  Vokales 
zu  i  u  auf  und  verschmolz  dann  zu  u  in : 

prugnus,  von  (  priugnus  )  privignus. 

Diese  Empfindlichkeit  des  Halbvokales  v  gegen  Berührung  mit 
den  festen  Consonanten  im  Inlaut  des  Wortes  ist  dem  Lateinischen 
eigenthümlich ;  der  Oskische  Dialekt  konnte  v  vor  folgendem  Con- 
sonanten unversehrt  erhalten  ;  so  in : 

J  o  v  k  i  i  o  i , 

Lovkanateis,  neben  Aovkkvoil, 

Lovkl,  Loucetius , 

Nuvkrinum,  Nouceriam, 

louvfreis, 

Novlanos , 

tovtiks,  "neben     touto. 

tcoFto 
(Momms.    Unt.   Dial.    Gioss.).       Doch    betrat,    wie  einige    neben- 
stehende Formen  zeigen  das  jüngere  Oskische  auch  denselben  Weg, 
wie   das   Lateinische,  das  v  vor  folgendem  Consonanten  zu  u  zu 
erweichen. 

Wäre  nun  das  v  an  den  Stellen,  wo  es  mit  einem  Consonanten 
im  Inlaut  eines  Wortes  zusammentrifft,  ein  weicher  vokalischer  Laut 
gewesen,  etwa  wie  jener  labiale  U- nachklang  nach  dem  Guttural 
von  QV,  so  würde  nicht  so  oft  der  Consonant  oder  v  selbst  zerstört 
worden  sein.  Demnach  hat  das  Lateinische  v  im  Anlaut  und  im  In- 
laut neben  Consonanten  denselben  consonantischen  Ton  gehabt 
wie  das  Deutsche  W,  nicht  wie  das  Englische. 

Im  Inlaut  zwischen  Vokalen  ist  v  der  Auflösung  durch  diesel- 
ben ausgesetzt  wie  h,  s  und  j.    So  fällt  es  einfach  aus  in  den  Wort- 


rmen: 
boum, 

petii, 

■Gnaeus, 

vgl.  Gnaivod,  t.  Scip. 

p  e  t  i  i  t , 

p  l  u  o  , 

Barb. 

a  u  d  i  e  r  u  n  t , 

C  1  U  0  , 

s  i  e  r  i  s , 

fui, 

sieri t, 

lui, 

sierint, 

nui, 

redierint, 

—     138     - 

rui,  juerint,  Cat.66, 18. u.a., 

sui, 
spui, 
Wörter  von  denen  auch  in  dem  Abschnitt  über  die  Vokalverschmel- 
zung die  Rede  sein  wird.     Das  Ausfallen  des  v  hat  dann  häufig  das 
Schwinden  des  folgenden  Vokales  zur  Folge  in  Wortformen  wie : 
praes,  für  pra  e  vides,  l.agr.{Thor.) 

praeco,  praevoco, 

nolo,  novolo, 

malo,  mavolo, 

commorunt,  com  mo  ver  unt, 

a.m  a  r  u  n  t,  amaverunt, 

a  e  t  a  s ,  '  a  e  v  i  t  a  s , 

d  i  t  i  o  r ,  d  i  v  i  t  i  o  r , 

vita,  vivita, 

nomus,  Enn.  Vahl.  p.  144.  für  novimus, 
o b  1  i  s  c  a  r ,  AU.  Ribb.  tr.  p.  1 09.     ob li visea  r1  u.  a. 

Die  spätere  Volkssprache  ist  in  der  Erweichung  und  Zerstörung 
des  zwischen  Vokalen  inlautenden  v  noch  weiter  gegangen ;  das  zei- 
gen folgende  Inschriften  der  Kaiserzeit : 

Faonius,  /.  N.  2471.  für  Favonius, 

Fluia,   I.  N.  211'y.  Flu  via, 

fluium,   (Ind.  100,5.  fluviuin, 

Klaus,  Gr.  755,  8.  Flavus, 

Bataus,     Or.    Henz.    7420,     Baiavus, 

a.  00. 
paimento,  Gr.  39,  4.  pavirneato. 

noum,  /.  N.  6308.  2.  3.  1. 
aunculus,  /.  N.  6554.  5327.     Or.  Henz.  7141. 
Juent(ius),  Gr.  876,  8. 

Merkwürdig  ist  noch  die  durch  Ausfall  des  v  schon  auf  dein 
Gebiet  des  Lateinischen  entstandene  Perfektform  der  A-conjugaüon, 
die  sich  zeig!  in: 

labora  i  t  ,  /.  V.  ;>  Is.       für      laboravil , 
probai,  probavi, 

probait,  probavit, 

probaimus,  probavimus. 

(Probus.  Anal.  Gramm*    Endlicher  u.  Eichenf.  />.  389.)    Diew  For- 
men gehören  der  Volkssprache  au,  weiden  daher  von  dem  (.lannna- 


—     139     — 

tiker  Probus  als  fehlerhaft  bezeichnet;  es  sind  schon  vollständig  die 
Italienischen  Perfektformen  wielavorai,  amai,  chiamai  u.  a. 

In  dem  Abschnitt  über  die  Vokalverschleifung  wird  sich  erge- 
ben, wie  aus  dieser  Neigung  der  Römischen  Volkssprache,  das  zwi- 
schen Vokalen  inlautende  v  zu  erweichen,  die  einsilbige  Geltung  von 
Worten  wie  o vis,  brevis,  novo  u.  a.  hervorgegangen  ist. 

Wenn  nun  der  Halbvokal  j  und  der  Zischlaut  s  jm  Inlaut 
zwischen  Vokalen  einen  weicheren  Ton  hatten  als  im  Anlaut, 
wenn  sie  deshalb  leicht  ganz  schwinden  konnten,  so  muss  man  auch 
für  das  v  aus  jener  Hinfälligkeit  und  Schwindsucht,  die  es  in  der 
Stellung  zwischen  zwei  Vokalen  befällt,  schliessen,  dass  sein  Laut 
hier  weicher  und  vokalartiger  war  wie  im  Anlaut,  also 
dem  Englischen  w  ähnlicher  als  dem  Deutschen. 


3)  Aussprache  der  Vokale. 

Die  Erörterung  über  die  Aussprache  der  Vokale  wirl  hier  kurz 
sein,  da  es  sich  an  dieser  Stelle  nicht  um  die  Pathologie  dersel- 
ben handelt,  um  die  Laut  Wechsel,  die  sie  unter  dem  Einfluss  der 
Consonanten  und  des  llochloncs  erlitten  haben,  sondern  lediglich 
darum,  welchen  Klang  jeder  Vokalbuchstabe  im  Lateinischen 
Alphabet  bezeichnete. 


Der  Vokal  a  ist  der  vollste,  lauteste  und  edelste  unter  allen 
Vokalen,  weil  bei  seiner  Aussprache  der  aus  Brust  und  Kehle  her- 
vordringende Luftstrom  am  freisten,  vollsten  und  ungehemmtesten 
durch  die  weitgeöffnete  Mundhöhle ,  p  a  t  u  1  o  maxime  o  r  e  ,  wie 
Quintilian  sagt.  (IX,  4,  34)  hervordringt.  Nur  die  Kehlmuskeln 
sind  bei  seiner  Aussprache  in  entschiedener  Thätigkeit,  während  die 
geöffneten  Lippen  sich  passiv  verhalten,  und  die  Zunge  sich  in  ru- 
hender Lage  befindet.  Daher  hat  der  Vokal  a  mit  den  Gut Iura- 
1  e  n  unter  den  Consonanten  die  nächste  Verwandtschaft.  In  neueren 
Sprachen  bezeichnet  der  Buchstabe  a  vielfach  nicht  mehr  den  rei- 
nen A-laut  sondern  einen  getrübten  dem  ae  oder  dem  o  ähnli- 
chen Mittellaut.  Im  Munde  des  Sächsisch-Thüringischen  Volksstam- 
mes lautet  das  a  in  sagen,  haben,  wagen  u.a.  dem  O-laut 
ganz  ähnlich ;  in  der  Sprache  des  Salons  klingt  es  häufig  an  ae  an. 


—     140     — 

Die  Englische  Sprache  hat  den  reinen  A-laiit  fast  ganz  verloren, 
während  der  Buchstabe  in  der  Schrift  geblieben  ist;  sie  spricht 
entweder  den  Laut  ae  in  Wörtern  wie  have,  man  oder  einen 
O-laut  in  Wörtern  wie  all,  sh  all  u.a.  Weder  die  Aussage  eines  al- 
ten Schriftstellers  noch  sonst  eine  Spur  führt  darauf,  dass  im  Lateini- 
schen, wo  der  Buchstabe  A  geschrieben  wurde,  jemals  ein  anderer 
Laut  als  das  volle,  reine  a  gesprochen  wurde.  Dass  das  kurze 
wie  das  lange  a  denselben  reinen  A-laut  hatte,  liegt  auch  in 
den  Versen  des  Lucilius  aus  seinen  Satiren  über  die  Orthographie 
ausgesprochen,  Ter.  Scaur.  p.  2255.  P: 

CA'  primum  longa,  brevis  syllaba,  nos  tarnen  unum 
Hocfaciemus,  etuno  eodemque  u t  dicimuspacto, 
Scribemus:    epacem,   placide,  Jan  um,    arid  um,  ace- 

tum', 
*"AQeg,  "Aqes9  Graeciutfaciunt. 

Wie  aber  dieser  A-laut  unter  Einwirkung  benachbarter  Con- 
sonanten  und  des  Hochtones  der  Wortform  sich  einerseits  zu  o  und 
u,  andrerseits  zu  e  und  i  abgeschwächt  hat,  wird  in  der  Ent Wicke- 
lung des  Lateinischen  Vokalismus  dargethan  werden. 

E. 

Der  E-laut  entsteht  verglichen  mit  dem  A-iaut,  indem  die 
Zunge  sich  mehr  gegen  den  Gaumen  emporhebt,  und  die  Mund- 
ötfnung  sich  verengt,  so  dass  der  ans  der  Kehle  bervorgestossene 
Hauch  durch  einen  schmaleren,  flacheren  Schallraum  zwischen  Gau- 
men und  Zunge  hindurchgeht.  Quintilians  Ausdruck,  |\,  4,  34-. 
e  planior  littera  est,  ist  also  für  den  Laut  bezeichnend. 

Weder  das  kurze  Bocb  das  lange  e  hat  im  Lateinischen 
überall  denselben  Laut  gehabt.  Das  kurze  e  der  Wörter  wie 
verber,  armiger,  gener,  pater,  inter  klang  ohne  Zweifel 
wie  das  e  in  den  deutschen  Wörtern  lieber,  I  i  ede  r,  va  ter,  e  1- 
zählen;  verschieden  davon  und  mehr  dem  i  ahnlich  klang  im  Alt- 
lateinischen  das  kurze  e  in  Wörtern  \\i»' : 

t em p e  s tat eb u s,  /.  Scip*  Barb.  /'. 

mereto,  /.  N.  5567.  4495. 

Menervai,  Or.  1421. 

f  amelia  i,  Bitschi  ftctil.  La  (in.  />.  26 ; 
das  sieht  man  daraus,  weil  es  in  der  Sprache  der  Gebildeten  wäh- 
rend der  Zeit  des  Emporblühen s  und  dw  Blüthe  der  Litteratur  in  i 


-     141      — 

übergegangen  ist,  in  der  späteren  Volkssprache  aber  wieder  zu  e 
wird.  Die  Belege  für  diese  Lautübergänge  sind  in  dem  Abschnitte 
über  die  Wahlverwandtschaft  von  Vokalen  zu  Consonanten  zu 
finden. 

Auch  das  lange  e  hat  nicht  überall  gleich  geklungen;  das 
eine  war  mehr  dem  Diphthongen  ae  ähnlich,  das  andere  neigte  sich 
dem  Klange  des  I  zu.  In  der  Untersuchung  über  den  Diphthongen 
ai  wird  sich  herausstellen,  dass  schon  in  der  ältesten  Volkssprache 
e  für  ae  gesprochen  wurde  in  den  Wortformen  questores,  Pe- 
stano,Cesula,Victorie,  Diane,  Fortune  u.  a.,  dass  das  Land- 
volk zu  Varro's  Zeiten  ebenso  sprach  in  den  Wörtern  edus,  Me- 
sius,  Cecilius,  pretorem,  und  dass  in  der  späteren  Volks- 
sprache die  Laute  ae  und  e  gar  nicht  mehr  geschieden  wurden  wie 
im  heutigen  Italienischen.  Man  vergleiche  dazu  das  Schwanken  der 
Schreibweise  in  Wörtern  wie  : 

caena,  cena,  caespes,     cespes, 

paenitet,     pena,  Gaj .  haedus,       edus, 

maerere,     merere,  paenuria,   p  enus  , 

maestus,  Muraena,   Murena 

{vgl.  Wagner,  Orlhogr.  Verg.  Ritschi  Prot.  Trin.  p.  97.  Lachm. 
lucr.p.  143.  271.  339.  384.  25.  Gai  Praef.  p.  36./.  Brandt, 
Quaestiones  Horatianae  p.  lli).  Nach  diesen  Schwankungen  der 
Schreibweise  muss  man  annehmen,  dass  das  lange  e  in: 

fenum,  läge  na,  cepa, 

ob  sc  enus,    Camena,        ceteri, 

fecund  us,    her  es,  ve! 

fetus,  frenum,         ne! 

pomerium,  levis, 

h  a  r  e  n  a ,        p  r  e  1  u  m , 
und  in  anderen  Wörtern  jenen  offenen  dem  ae  ähnlichen  Ton  ge- 
habt habe,  wie  er  in  den  deutschen  Wörtern  Meer,  meer,  speer, 
quer'  hörbar  ist. 

Hingegen  kennt  Quintilian  ein  anderes,  dem  I  ähnlich  klin- 
gendes e,  1,4,  18:  in  here  neque  e  plane  nequei  a  u  - 
ditur,  und  dieser  Mittelton  zwischen  e  und  I  ist  es,  den  in  vor- 
augusteischer Zeit  die  Schrift  durch  ei  ausdrückt,  wie  in  dem  Ab- 
schnitt über  das  Schwinden  der  Diphthonge  weiter  nachgewiesen 
werden  wird.     Diesen  Ton  des  e  wird  man  auch  für  die  Blüthezeit 


—     142     — 

der  Sprache  anzunehmen  haben  in  den  auf  e  auslautenden  Ablativen 
von  I-stämmen  wie : 

classe,  fine,  amne,         ave, 

colle,  orbe,  ungue,       sorte  u.  a., 

bei  denen  ja  auch  die  auf  i  auslautende  Ablativform  vorkommt, 
welche  die  Länge  des  auslautenden  Vokales  gewahrt  hat,  während 
das  auslautende  e  sich  kürzte;  ebenso  in  den  alten  auf  e  auslauten- 
den Dativendungen  wie  jure,  aere  u.  a.  von  denen  noch  weiter 
unten  die  Rede  sein  wird. 

I. 

Der  Vokal  i  entsteht,  indem  bei  der  Ausstossung  des  Laut- 
hauches der  hinlere  Theil  der  Zunge  sich  so  eng  gegen  den  Gau- 
men drängt,  dass  nur  ein  schmaler  Spalt  zwischen  Zunge  und  Gau- 
inen bleibt,  durch  den  der  Hauch  hindurchdringen  kann.  Da  die 
Zunge  bei  der  Aussprache  des  i  am  kräftigsten  angespannt  und  in 
Thätigkeit  ist,  so  ist  der  Vokal  i  seiner  Natur  nach  de  n  Zu  ngen- 
lauten  unter  den  Konsonanten  am  nächsten  verwandt. 

Das  kurze  i  hat,  wo  es  in  der  Schriftsprache  der  besten  Zeit 
geschrieben  erscheint,  auch  in  der  Sprache  der  Gebildeten  den 
eigentlichen,  dünnen  [-laut  gehabt;  wenigstens  wird  das  von  Lu- 
cilins  für  pilam  (Ball)  (Ter.  Scaur,  p.  2255.  /'.)  und  ?on  Velius 
Longus  (p.  2216)  für  prodit,  vincit,  condit  ausdrücklich 
gesagt,  und  die  Grammatiker  führen  kein  Heispiel  an  für  einen 
breiteren  etwa  mehr  zu  e  hinneigenden  Ton  des  kurzen  i. 

Dass  die  Volkssprache  aber  in  allerer  Zeil  für  dieses  i  viel- 
fach e  sprach,  und  die  jüngere  Sprache  dahin  zurückkehrte,  ist 
schon  bemerkt  worden.  Auch  der  Oskische  Dialekt  kennt  einen 
kurzen  I  -laut  der  nach  e  hinüberklingt  und  bezeichnet  dm  in  der 
einheimischen  Schrift  durch  ein  eigenes  Schriftzeicben  h  (vgt, 
Momms.  U.  1).   Taf,  VI.    Umbr.  Sprachd,  AK,  I,  22.  Asm.). 

Hingegen  bat  das  lange  I  auch  im  Munde  der  gebildeten  Kö- 
rner nicht  überall  gleich  gelautet. 

Lucilius  kannte  ein  dünnes  I  (tenue,  exile),  das  er  durch 
den  Buchstaben  1  ausdrücken  wollte,  und  ein  volleres,   breite- 
res (pingue,  plenum)  dem  L-Ianl  ähnlicheres,  für  das  er  die 
Bezeichnung  durch  El  vorschrieb.      Fei,  Long,  />.  2220: 
r  Hoc  Uli  fad  u  m  est  uni1:  tenue  h  oc  facies  I, 
c  Ilacc  iJli  fecere':  adde  E,  ut  pinguius  fiat. 


—     143    — 

Jenes  Zeichen  1  des  spitzen,  dünnen  i  will  Lucilius  ver- 
wenden für  die  Casus  des  Sing ularis  von  0 -stammen,  also  in 
den  Genetiven  wie: 

pupilli,   pueri,    Caeli,  Numeri,   Luci,    Corneli,   Cor- 

nifici,  Lucili  [Charts,  p.  60.    QuintA,  7,   15.) 
und  in  den  Dativen  wie : 

illi,    uni. 

In  den  Pluralformen  dieser  Stämme  hingegen  will  er  E I  schrei- 
ben, also : 

puerei,  pupillei,  illei. 

In  dieser  Unterscheidung  der  gleichlautenden  Singular-  und 
Pluralformen  stimmt  ihm  Varro  bei  ( Ter.  Scaur.  p.  2255).  Im 
Dativ  Singular is  von  conso nautischen  Stämmen  hingegen 
will  Lucilius  wieder  EI  schreiben,  also: 

f  u  r  e  i ,  m  e  n  d  a  c  e  i . 
(Quinl.  I,  7,  15),  wohl,  weil  bei  diesen  Stämmen  eine  Unterschei- 
dung von  gleich-  oder  ähnlichklingenden  Pluralformen  nicht  be- 
zweckt werden  konnte ;  das  aber  verwirft  Varro  als  eine  lnconse- 
quenz,  indem  er  die  Schreibweise  EI  nur  für  Pluralformen  gel- 
ten lassen  will  (Ter.  Scaur.  a.  0.).  Die  ganze  orthographische 
Regel  des  Lucilius  ist  niemals  zur  Geltung  gelangt  und  die  In- 
schriften bis  in  die  Augusteische  Zeit  zeigen  einen  völlig  ungeregel- 
ten Wechsel  zwischen  den  Schreibarten  I  und  El,  wie  dies  weiter 
unten  aus  einer  grossen  Zahl  von  Beispielen  erhellen  wird.  Daher 
verwerfen  Quintilian  und  andere  Grammatiker  jene  Theorie  mit 
Recht.  Wenn  indess  Lucilius  bestimmt  angiebt,  dass  pilum 
(mörserkeule)  mit  dünnem  i,  hingegen  mcile,  meilia, 
meiles,  meilitia,  peila  (speere)  mit  breitem  i  gesprochen 
worden  seien,  so  muss  man  ihm  glauben,  dass  zu  seiner  Zeit  aller- 
dings in  manchen  Lateinischen  Wörtern  ein  dünnerer,  schär- 
ferer, in  anderen  ein  breiterer,  dem  e  näher  stehender  Ton  des 
langen  I  gehört  worden  sei.  Doch  lassen  sich  die  Wörter  nicht 
mehr  unterscheiden  die  mit  jenem  und  die  mit  diesem  I-laut  ge- 
sprochen worden  sind. 

Die  Lateinische  Sprache  kannte  auch  einen  Mittel  vokal 
zwischen  i  und  ü,  der  den  Grammatikern  viel  zu  schaffen  macht. 
Sie  sagen  von  demselben:  Quini.  I,  4,  7:  medius  est  quidam 
interi  et  u  sonus,  Mar.  Victor,  p.  2465:  pinguius  q  uam  i, 
exilius  quam  u,    Vel.  Long.  p.  2235:  i  scribilur  et  paene 


—     144     — 

u  enuntiatur,  Prise.  I,  6.  H:    sonum  y  Graecae  videtur 
habere.     Dieser  Mittelton  wurde  nach  der  Aussage  der  Gramma- 
tiker in  folgenden  Wörtern  gehört: 
vor  m  in : 

maxumus,    pulcherruinus ,     sumus, 

i  i  i 

intumus,      acerrumus,  contumax, 

i  i  \\ 

extumus,      justissumus,         contumelia, 
lacrumae,     volumus,        .         existumat, 
optumus,      nolumus,  moniimentum,  • 

1  i  i 

minumus,     possumus,  alumenta, 

vor  b ,  p  und  f  in  : 

manubiae,    aueupium,  aurufex, 

lubido,  maneupium, 

intubus,        aueupare, 

1 1  * 

a  r  t  u  b  u  s ,       m  a  n  u  p  r  e  t  i  u  m  , 

manubus 
(vgl.  Quint.  I,  4,  7.    Prise.  I,  6.  H.    Ikmai.  />.  \~'.u).     Vel  Long. 
2216.  2228.  2235.     Mar.  Victor,  p.  2458.     C&rnut.  ap.  Camoä. 
p.  2284.)     Ausserdem  ward  nach  Priscians  ausdrücklicher  Ans- 
sage  dieser  Mittellaut  noch  gehört  nach  v  in: 

video,  vitium, 

vim,  vix; 

virtus, 
doch  finden  sich  diese  Wörter  nie  mit  u  geschrieben,  wohl,  weil  die 
Schreibweise  VV  bis  zur  Augusteischen  Zeit  überhaupt  gemieden 
wurde. 

Es  ist  also  klar,  dass  der  Mite  Maut  zwischen  u  und  i  meist 
vor  Labialen  erscheint,  hie  Erörterungen  der  Grammatiker,  ob  u 
oder  i  in  jedem  einzelnen  Falle  zu  schreiben  sei.  sind  vielfach  un- 
fruchtbar, es  wird  der  Sache  förderlicher  sein  die  Inschriften  Über 
den  in  Hede  siebenden  Laut  zu  befragen. 

Auf  den  Inschriften  der  ältesten  Zeit  bis  zur  Zeit  des  Cimbern- 
krieges  linden  sieh  die  rönnen: 

ploirume,   t,  Scip.  Barb.  /*.  vgl,  plusima ,  Curm,  Sal.  Varr- 

L.  L.  VII,  27. 

plurunie  ,  J.  rc\>.  (Scrr.) 
probisu  ma  ,  /.  N.  5820. 


-     145     — 

facilumed-,  Sc.  d.  Baccan. 
decuma,  /.  N.  4495.  5756. 
maxsume  ,  a.O.l.  agr.  {Thor.) 
proxsumeis ,  t.  Baut.  I.  repet.  I.  agr.  {Thor.) 
p r  o x  u  m  a ,  /.  Genuat.  p  r  o x  s  i  m  u  m ,  /.  N.  5753. 

infumum ,  t.  Genuat. 
infumo,  a.  0. 
vicensumam,  /.  Gen. 
v  i  c  e  n  s  u  m  o ,  /.  rep.  (Serv.) 

lest  u  ei  o  n  i  u  m ,  /.  repet.  t.  Bani.    t  e  s  Um  o  . .  /.  repet.  (Serv.) 
a  e  s  t  u  m  a  t  i  o ,  l.  repet.  (Servil.) 
exaestumavei  it,  a.  0. 
aestumatam,  a.  0. 
aestumandis,  a.  0. 

o  p  t  u  m  a  ,  l.  agr.  ( Thor.)  p  r  o  x  i  ni  u  w\ ,  /.  agr.  ( Thor.) 

v  a  d  i  m  o  n  i  u  m ,  /.  agr.  ( Thor.) 
Es  ergiebt  sich  aus  vorstehender  Uebersicht,  dass  in  alter  Zeit 
diese  Wortformen  in  der  Regel  mit  u,  selten  mit  i  geschrieben 
wurden,  dass  also  der  so  bezeichnete  Laut  noch  im  Wesentlichen 
der  U-laut,  oder  doch  demselben  sehr  ähnlich  war.  Es  ist  daher 
ein  Erbstück  aus  alter  Zeit,  wenn  die  Handschriften  des  Plautus 
überall  u  schreiben  in  Wortformen  wie: 

de  cum  us,         conlubitum,  carnufex, 

vicensumus,  lubet,  carnuficina, 

centensumus,  lubido,  manufestus, 

legitumus,      mancupium,  sacrufico, 

m  a  r  i  t  u  iiuig,  m  a  g  n  u  f  i  c  o , 

lacruma,  pontufex, 

victuma,  fumuficem, 

a  e  s  t  u  m  o ,  o  p  u  f  i  c  i  n  a , 

existumo,  spurcuficum, 

munufica, 
signuficem , 
pacuficari. 
(Ritschi  Plaut.  Prot/.  Trin.  p.  95.    Fleckeisen,  Epist.  crit.  p.  8.) 
Man  vergleiche  hiermit  Wortformen  auf  Inschriften  aus  dem 
Zeitalter  des  Cicero,  Caesar  und  Augustus: 
amanti  s s um ai ,  /.  N .  3714.       maxi m  u m  ,  /.  Jul.  mun. 
proxumeis,  /.  Jul.  mun.  maxi m  u m  v e  ,  a.  0 . 

CORSSEN.  10 


—     146     — 

proxuma,  a.  0.  vadimonium,    l.  Bnbr. 

maxumam,  a.  0.  plurimos,  Cen.  Pis.  Or.  642. 

proxume,/. Com. de XXquaest.  raaxsimos,  a.  0. 

I  Rübr.  maxsimis,   Cen.  Pis.  Or.  $43. 

lacrumas,  £rw/.  942,  2.  maxsimo,  a.  0. 

maritumeis,  /.  Termes.  Maximae,   /.  N.   1999. 

maxsumi,  Cen.  Pis.  Or.  643.     Maxim o,  Or.  2489. 
simi Humum,  a.  0.  infim  um,   a.  0. 

legitume,  a.  0.  firmissimo,  Or.  4859. 

acerbissumum,  Murd.  laud.  m  a  t .  r  i  m  o  n  i  a  ,    Or.  4860. 

Or.  4859.  patrimonio,  a.  0. 

fidissuma,    a.  0. 
nltumum,  a.  0. 
aestumatione,  Or.  4860. 

Nach  Ausweis  vorstehender  Schreibweisen  hat  sich  der  in  Rede 
stehende  Laut  dem  1-laut  im  Volksimimle  bereits  mehr  zugewandt. 
Daher  schreiben  denn  auch  Caesar  und  Cicero  solche  Worte*  mit  i: 
Cornut.  ap.  Cassiod.  p.  2284  :  T  e  r  e  n  t  i  u  s  V  a  r  r  o  t  r  a  d  i  d  i  I 
Caesarem  per  i  ejusinodi  verba  solitum  esse  enun- 
tiare  et  scribere.  Vel.  Long.  p.  2216:  optumus,  niaxn- 
mus,  in  quibus  annota  ndum  a'ntiquum  sermonem 
plenioris  sonus  fuisse,  et,  ut  ait  Cicero,  rnsticanum. 
Nach  Cicero's  Urtheil  also  war  der  U-laut  in  jenen  Wortern  im 
Munde  der  Gebildeten  abgekommen,  herrschte  aber  noch  in  der 
Volkssprache  vor.  Im  Gegensatz  zu  Cicero  und  Caesar  soll 
August us  wieder  u  geschrieben  haben:  Ycl.  Long.  p.  2228: 
Antiquis  varie  scriptitatum  est  mancupium,  aucu- 
pium,  man  ubiae,  siquidem  (].  Cae  sar  per  i  scripsit,  ut 
a  p  p  a  r  e  t  e  x  t  i  t  u  1  i  s  i  p  s  i  u  s ,  atAugustus  p  e  r  u ,  u  t  le  s  te  s 
sunt  ejus  inscr iptiones.  Andrerseits  wird  alter  doch  erzahlt, 
dass  Augustus  und  seine  Eiofleute  siinus  für  sunius  sprachen  und 
schrieben  {Sueton.  Aug.  v.  87.  Mar.  Victor,  />.  24^6).  l»ie  hohen 
Herren  und  Autoritäten  der  Augusteischen  Zeil  also,  von  denen  sich 
die  spateren  Grammatiker  über  die  vorliegende  Frage  Rath  holen 
wollten,  waren  unter  sich  und  mit  sich  tther  dieselbe  nicht  einig. 
Daher  ist  es  nicht  befremdlich,  wenn  sich  auch  in  den  Vergilhand- 
schriften  neben  einander  linden: 

maxumus,        ultimus, 

oj)tumus,  pessimus, 


—     147     — 

p  1  u  r  u  m  a , 

intuma, 

legumen 
(Wagner  Orthogr.  Verg.  p.  474),  ebenso  wie  in  den  Inschriften  der 
Augusteischen  Zeit  beide  Formen  neben  einander  vorkommen. 

Während  sich  auf  diesen  Inschriften  Formen  wie  acerbis Sil- 
in um  finden,  haben  die  besten  Handschriften  des  Cicero  und  Ver- 
gil  die  Schreibweise  -issimus  allein  oder  doch  ganz  vorwiegend 
(vgl  Halm,  Analecta  Tulliana,  Fase.  I,  p.  6.  Zur  Handschriften- 
kunde der  Ciceronischen  Schriften,  p.  6),  ebenso  die  Bamberger 
Handschrift  des  Plinius ,  die  in  der  Orthographie  genau  mit  dem 
Mediceus  des  Vergil  übereinstimmt  (Sillig,  Praef.  Plin.  p.  69.  70). 
Jedenfalls  also  fand  Kaiser  Claudius  diesen  Mittelton  zwischen 
i  und  u  vor  Labialen  in  den  angeführten  Wortformen  vor,  als  er  für 
die  Bezeichnung  desselben  seinen  neuerfundenen  Buchstaben  h  zu 
schreiben  befahl.  Bemerkenswert!]  ist  nun,  dass  sich  derselbe  in 
keiner  der  bisher  angeführten  Wortformen  auf  Inschriften  vorfindet, 
sondern  ganz  vorwiegend  zur  Bezeichnung  des  Griechischen  v;  so 
in:  Aeghpti,  Chcnus,  crh(pta),  Bathhllus,  Mhro, 
(C)hrhsao(r),  einmal  für  Griechisches  i  in  bhb(liotheca) 
und  nur  einmal  in  einem  Lateinischen  Worte:  ghbernator,  we- 
gen dessen  Verwandtschaft  mit  dem  Griechischen  xvßsQvrjTrjg 
(vgl  Buecheler  Claud.  Gramm,  p.  18). 

Dass  auch  in  späterer  Zeit  der  Mittelton  zwischen  u  und  i  un- 
entschieden blieb,  zeigen  Inschriften  der  Kaiserzeit. 

Auf  diesen  finden  sich  die  Schreibweisen: 
Maxuma,  /,  N.  1738.  maxsima,  I.  N.  3281. 

optumae,  7.^.2955.  3754.        Probimus,  /.  #.  3153. 
optumus,  7.  N.  5770.  2885. 
o  p  t  u  m  e ,  t.  Sälpens.  Or.  Henz.  742 1 . 
proxumus,  a.  0. 

m i s  er  r um u  m ,  /.  jV.  3281.  p  r  o  x  i  m  u  m ,  t.  Malac.  Or.  Hen z . 

d e  c  u  m  u  s ,  I.  N.  6582  (sehr  spät.)  742 1 . 

Decumio,  I.  N.  3713. 
Decumia,  a.  0. 
Decumedi,  I.  N.  6077. 
Postumia,  I.  N.  1738. 
Postumulenus,   I.  N.  6769. 

Pr ae t  u mens,  I. N. 362 (Christi.)  d o c i  m e n  t o ,  I. N.  1 137. 

10* 


—     148    — 

Pactumejae,/.^.  1924.  3739.    monimentum,  7.^.6837.6843. 

3119.  3642.4042. 
Septumius,  I.  N.  5723.  6229.   Septimius,  I.  JV.  1738. 

s i m u s  ( für  suinus),/. N. 605S. 
stupulae,  I.  N.  6746.  contibernalis,/.iV. 667. 4700. 

dissupatos,  I.  N.  5713.  5340.  5388.  5585.  6814. 

reciperavit,  I.  N.  3581.  vgl. 
5619.  6770. 
Da  einige  der  hier  angeführten  Inschriften  der  spatesten  Zeit 
angehören,  so  folgt  daraus ,  dass  der  Mittelton  zwischen  i  und  u  nie 
völlig  zu  i  geworden  ist.  In  der  Italienischen  Sprache  hat  er  sich 
allerdings  dann  meistenteils  zu  i  erleichtert  in  Formen  wie  ot- 
timo,  massimo,  prossimo,  intimo,  libidine  u.  a.  Doch 
hat  sich  in  m o n u m e n t o  und  document o  auch  der  U-laut  her- 
gestellt. 

Man  gelangt  demnach  zu  dem  Ergebniss,  dass  ein  Ursprung- 
licherU-Laut  der  alllateinischen  Sprache  sich  erst  dem  Laute  des 
Griechischen  v  näherte  und  so  Jahrhunderte  lang  gesprochen 
wurde;  dass  aber  in  der  Blüthezeit  der  Sprache  und  Litteratur  die 
gebildeten  Römer  nach  drin  Beispiel  ihres  grössten  Feldherrn 
Caesar  und  ihres  grössten  Redners  Cicero  diesen  Laut  dem  i 
sehr  ähnlich  sprachen  und  ihn  durch  den  Buchstaben  I  bezeich- 
neten, während  das  Landvolk  der  alten  Aussprache  Iren  blieb; 
dass  endlich  aber  nach  Roms  Untergange  auch  im  Volksmunde  die- 
ser Mittellaut  sich  meistenteils  zu  i  verdünnte. 

O. 
Der  Vokal  o  entsteht  aus  den  Sprachorganen,  indem  die  Lip- 
pen sich  rundlich  zusammenziehen  und  der  vordere  Theil  der  Zunge 
sich  nach  unten  zurückzieht,  so  dass  der  aus  der  Kehle  hervor- 
geslossene  Hauchlaut  durch  eine  runde  Höhlung  des  Mundes,  nach 
Quintilian  cavo  ore  (IX,  1,  3  1),  lündnrchschallt.  Das  o  wurde  im 
Ganzen  so  gesprochen,  wie  in  den  verwandten  Sprachen; 
nur  in  einem  Falle  scheint  dieser  Laut  etwas  anders  geklungen  zu 
haben. 

Im  Abschnitt  über  den  Diphthongen  au  wird  gezeigt  werden, 
dass  der  Diphthong  au  sich  schon  frühzeitig  zu  einein  0-l;ml  trübte 
in  Wortformen  wie  Polo,  Ciodia,  plostrum  u.  ;i.,  dass  dieser 
O-laut  dumpfer  und  voller  klang  wie  das  gewöhnliche  o  in 
pöto,  dönum,  honöre,  und  von  demselben  etwa  so  verschieden 


—     149     — 

war,  wie  der  O-Iaut  in  den  Niederdeutschen  Wörtern  wie  oge, 
globe,  bom  für  äuge,  glaube,  bäum  von  dem  helleren  O-laut 
in  Wörtern  wie  ton,  schon,  geboren  und  ähnlichen.  Von  der 
Umlautung  des  Vokales  o  zu  u,  e,  i  unter  dem  Einfluss  bestimmter 
Consonanten  und  des  Hochtones  wird  in  dem  Abschnitt  über  die 
Umlautung  die  Rede  sein. 

U. 

Die  Stellung  der  Sprachorgane  bei  der  Aussprache  des  U 
bleibt  im  Wesentlichen  dieselbe  wie  bei  der  Aussprache  des  0,  nur 
dass  sich  die  Lippen  fester  zusammenziehen  und  vorschieben,  so 
dass  durch  die  Verengung  des  Einganges  der  Mundhöhle  der 
dumpfere  Klang  des  U  entsteht. 

Da  bei  der  Aussprache  des  u  die  Lippen  am  angestrengtesten 
thätig  sind,  so  zeigt  es  unter  den  Consonanten  zu  den  Labialen 
eine  entschieden  hervortretende  Wahlverwandtschaft,  und  so  ist  u 
der  labiale  Vokal,  i  der  linguale  und  a  der  gutturale, 
während  e  der  Mittellaut  zwischen  dein  gutturalen  a  und 
dem  1  i n g u a  1  e n  i ,  o  der  Mil. tellauf  zwischen  dem  gutturalen 
a  und  dem  labialen  u  ist. 

Aeltere  und  neuere  Grammatiker  haben  die  Frage  aufgewor- 
fen, ob  das  Lateinische  kurze  u  nicht  gewöhnlich,  oder  doch  zum 
Theil  dem  Griechischen  v  gleich  geklungen  habe.  Man  hat  da- 
für folgende  Stelle  angeführt,  Vel.Long.p.  2215  :  Verrio  Flacco 
v  i  d  e  t  u  r  e  a  n  d  e  m  esse  a  p  u  d  n  o  s  u  1  i  1 1  e  r  a  m ,  q  u  a  e  a  p  u  d 
i \ r a e c o s  v ;  namqiie  bis  exemplisargumentatur:  q u o d 
illi  dieunt  *xviiviov9,  nos  ccuminum',  quam  *%v%a- 
qlööov*,  nos  e  eupressum',  illi  c  xvß  sQvrjrrjv9 ,  nos 
c  g u b e r n a t o r e m '.  Allein  Verrius  Flaccus  hat  nur  von  der  ety- 
mologischen, nicht  von  der  phonetischen  Gleichheit  des 
Griechischen  v  und  des  Lateinischen  u  gesprochen.  Jene  frühzeitig 
aus  dem  Griechischen  aufgenommenen  Wörter  sind  im  Römischen 
Munde  latinisiert  wie  die  bei  Ennius  und  den  älteren  sceni sehen 
Dichtern  vorkommenden  Formen  B  r  u g  e  s ,  B  u  r  r  u  s ,  E  u  r  u  d  i c a , 
Frugio  für  &Qvy£g,  TJ^ooog,  EvQvdcxr],  (DQvyiav 
(vgl  0.  Bibbek  N.  Jahrb.  LXXV  —  LXXVI,  316),  und  es  finden 
sich  daher  handschriftliche  Spuren,  dass  diese  alte  Schreibweise 
auch  zu  Tacitus  Zeit  noch  nicht  ganz  abgekommen  war  {a.  0.  319). 

Hätten  die  Griechen  den  Unterschied  des  kurzen  lateini- 
schen u  von  allen  kurzen  Lauten  ihrer  Sprache  nicht  bestimmt 


—     150     — 

gehört,  nimmermehr  würden  sie  jenen  kurzen  Vokal  an  allen  Stel- 
len der  Wörter  durch  das  Schriftzeichen  ihres  Diphthongen  ov 
dargestellt  haben,  wenn  sie  Lateinische  Wörter  schreiben  woll- 
ten wie : 

kovnug,  Plut.  Rom.  4.  To  le>v\iviov ,  Plut.  Rom.  16. 

Aov7tsQxog^  C.  Insc.  Graec.  Koq  ß  ovlav,  Dion.  Cass.  59 

2690.  p.  918. 

Jov7t8QKLavr] ,     C.    I.    Gr.  'EQxovliog,  Suid.v. 

3202.  AevtCxovXov ,  Dion.  C.  15, 

Aov7tsQxalia,Plul.  Anl.  12.  p.  450. 

Nov^iccg,  öTCOQtovXcDV,  Lyd.  d.  mag. 

EatovQri'Cog^Plut.Ti.Gracch.  111,  59. 

19.  xoQVLxovlaQiov ,  (l.  0.  4.6. 

OvolrovQvog,  GiyyovkaQioi,  a.  0.1. 

KaCxov  ßov ,  7icj7tovÄovs,P{i(t.Rom.c.  13. 

TCßovQa,  xcovGovlag,  a.  0.  c.  14. 

Bbtovqlov,  Plut.  Num.  13.  xaGovAe,  Mai.  a.  0.  448,  1. 

Mcc[iovqlov,  a.  0.  MaQXLOvg,  Mar.  her. Alban . 

&sßQovdQiog,P/)//.Xi<m.  19.  140. 

'lavovaQiog,  #.0.18.  TtTtovg,   a.  0. 

xiQxovttovii,  Mai.  seriplt.  'A  ÄccQLxovg .  . \fai\ a-  0. 329, 1 . 

vett.  n.  coli.  T.  V,  p.  329,  1.  AvQrjliovg,  I.  N.  21  13. 

tovoii,  a.  0.  448,  1.  Ivic stQarovg ,  a.O. 

uvvovoQCöii,  a.  0.  adiccxsvTLOvii,  a.  0. 

Gova,  Mar.  her.  Alban.  110.  o7t7tidcoQo  vp ,  a.  0. 

Ilo0TOV[iLog,  XccßoQov{i,  a.O. 
fl6GTov[iog , 

Seltener  drücken  die  ('.riechen   das  Lateinische  u  durch  das 
Schrift  zeichen  o  aus;  so  in: 

TIoTtlixolag,  Pful.e.  1  6  u.a.  ZoXxlxlccvo  ?\  Gi  I.  Gr.  2590. 

KoqvlxoXov,  DibttysAW,  50.  &oXöviog,  a.  0.  2905. 

'Amtokriia,  CA. Cr.  6270.  <?.  öokiö^uo,    ÖWWWl.   N////.   7. 

TotiroAa,  Pfltf.  /to///.  29.  186,   13. 

'EpxoAtov,    r.  /.  Gr.   1081.  0opv*as,  r.  /.  0r.  5851. 

'OxQixola,  Steph.  Byz.  4S8.  Zatoipvaivav,   «.  0.  2821. 

ffavUytfAag,  J9fon.  Om.  57.  vgl.  2885.  6286.  6719.  6594. 

T^pro/l/U,  r.  7.  £r.  2211.  KoQoyxavi'ovg.  /Wy/>.ll,s. 

Nopain  Ca.  Hsxovöög,    C.  f.  Gr.  5600. 

NoprixnQ,  rhu.  Rom.  3.  </.  83  1 1 .  59  12. 


—     151     — 

MofiiiLOv,    Dion.    Cass.    61,     Kkosytiog ,  App.  b.  civ.   I, 

p.   997.  50. 

IIoTtlLXLOs,   C.  I.  Gr.  6498.      llargoivog,  C.I.  Gr.  6649. 
IIoTtliov,  a.  0.  5807.  Q eßgoagin  v ,  a.  0.  2905. 

Bevoöxa,  a.O.  5139.  5140.     /lt%o\iov,  «.  0.  6673. 

So  viel  erhellt  aus  diesen  Schreibweisen,  dass  den  Griechen 
in  manchen  Lateinischen  Wortfonnen  das  Römische  u  ihrem  o  ähn- 
lich klang,  was  um  so  weniger  zu  verwundern  ist,  da  ja  in  zahlrei- 
chen Fällen  das  Lateinische  u  aus  älterem  o  entstanden  ist  und 
zwischen  beiden  Lauten  ein  Schwanken  in  der  Aussprache  auch  in 
Späterer  Zeit  geblieben  ist,  wie  dies  in  dein  Abschnitt  über  die 
Wandlung  der  Vokale  nachgewiesen  werden  wird. 

Noch  seltene]-  als  durch  o  wird  in  Griechischer  Schrift  durch 
v  der  Laut  des  Lateinischen  u  ausgedrückt;  so  in: 
0 avöxv log  ,  Plut.  Rom.  6.       Hvqqsvxov, 
'Pco^vlog,  a.  O.  KalitvQvig,  C.I.  Gr.  6674. 

ßcucvla,  a.O.  26.  OvI&vqvov,  Polyb.  III,  92. 

M a q v l a ,  Osann .  Syll.  I.  439.      Ua xvqv ivov,     C.     I.     Gr. 
MaQvliva,  C.  I.  Gr.  6255.  3313. 

Asvxv Aa?,  a.  O.  2943.  Uccxv q  rjl  o  g ,  Plul.Tib.Gracch. 

Tvllog,  Plut.  Nim.  22.  Cic.  19. 

I    u.  a.  Bevv  öxog ,   C.    I.    Gr.  266. 

Tvlliog,  a.  0.  cf.  3653. 

Zvllag,  Bq  vxxia,  C.  I.  Gr.  6707. 

dvlxLööLna,  Mur.  1297,  8.      lixvov,  Plut.  Rom.  22. 

Osann.  Syll.  I.  430,  62.  KctTtvrj. 

KolvyißuQiov ,  Plol.  I,  3,  4. 

Diese  Schwankungen  der  Schreibweise  zeigen  zur  Genüge, 
dass  den  Griechen  das  Lateinische  u  weder  wie  ihr  o  noch  wie  ihr  v 
klang,  sondern  wie  ein  Mittellaut  zwischen  beiden,  den  sie  gewöhn- 
lich durch  o  v  bezeichnen.  Dass  aber  die  Römer  den  Unterschied  zwi- 
schen ihrem  u  und  dem  Griechischen  v  hörten,  ergiebt  sich  aus  der 
Bezeichnung  des  v  durch  Lateinisches  i,  die  sich  schon  auf  Voraugu- 
steischen Inschriften  findet  in  S  t  i gio  (tit.Pic. Grut. 52, 1 1  .)für  Exv- 
y Ca  und  S i si p u s  für  Uiö vcpog  (Ritsch. Mon. ep.  fr.  p. 26).  Wenn 
aber  diese  Schreibweise  in  Handschriften  sehr  häufig  ist  (vgl.  O.Ribbek 
N.  Jahrb.  LXXV—  LXXVI,  316.  318),  so  folgt  daraus,  dass  schon 
die  spätere  Römische  Volkssprache  in  eingebürgerten  Griechischen 
Wörtern  das  v  wie  i  sprach,  also  sintbolo,  misteria,  tiranno, 


—     152     — 

giranasio,  Aegipto,  wie  Italienisch  simbolo,  misterio, 
tiranno,  ginnasio,  Egitto.  Weil  die  Römer  den  Unterschied 
zwischen  Griechischem  v  und  ihrem  u  genau  horten,  wie  dies 
Quintilian  entschieden  ausspricht  (XII,  10,  27),  deshalb  gaben  sie, 
um  Griechische  Wörter  zu  schreiben,  dem  V  das  Bürgerrecht  in 
ihrem  Alphabet. 

Die  Lateinische  Sprache  hat,  wie  gezeigt  ist,  einen  U-laut 
in  gewissen  Wörtern  vor  Labialen  zu  einem  Mittellaut  zwi- 
schen u  und  i  abgeschwächt,  allein  bei  jenen  Wörtern  ist  sie  stehen 
geblieben.  Auch  im  Griechischen  hat  das  Schriftzeichen  V,  Y  ur- 
sprünglich wie  das  Lateinische  V  den  reinen  U-laut  bezeichnet,  den 
die  verwandten  Indogermanischen  Sprachen  und  besonders  das  La- 
teinische an  der  Stelle  im  Worte  /eigen,  wo  die  Griechische  ein  v 
hat,  und  der  Aeolische  Dialekt  hatte  diesen  U-laut  noch,  wahrend 
er  anderen  Dialekten  schon  abhanden  gekommen  war.  Sonst  aber 
hat  die  Griechische  Sprache  in  der  Blüthezeil  der  INation  die 
Schwächung  des  U- lautes  zum  Mittellaut  zwischen  u  und  i  durch- 
weg eintreten  lassen  und  dieser  ist  in  iiw  Aussprache  des  Neugrie- 
chischen von  v  nicht  mehr  zu  unterscheiden. 

Für  die  Lateinische  Sprache  aber  hat,  abgesehen  von  den  oben 
besprochenen  Wörtern,  denen  der  Mittelton  zwischen  n  und  i  eigen 
war,  Mari us  Victorinus  vollkommen  recht  mit  seiner  Behauptung, 
p.  2454:  u  litt  er  am,  quam  nisi  per  ov  conjunetam. 
Gracci  scribere  ac  pronuntiare  non  possunt.  Demnach 
klang  das  Lateinische  u  wie  das  deutsche  in  unserem 
Munde. 

In  dem  Abschnitt  über  die  Umlautung  durch  Wahlverwandt- 
schaften von  Consonanten  und  Vokalen  wird  gezeigt  werden,  unter 
welchen  lautlichen  Einflüssen  u  zu  e  und  i  erleichtert  wurde 


IL    Vokalismus. 


Die  Sprachen  der  1  n  d  o  g  e  r  m  a  n  i  s  c  h  e  n  V  ö  1  k  c  r  zeigen 
in  ihrer  Jugendzeit,  so  weit  die  Forschung  sie  zurück  verfolgen 
kann,  eine  Blüthe  des  Vokalismus,  die  im  Laufe  der  Jahrhun- 
derte allmählig  hinwelkt.  Die  S prache  der  Arischen  Inder 
in  jenen  Zeiten,  als  sie  zuerst  im  Pendschah  dem  Indra  ihre  Hymnen 
sangen,  übertraf  alle  verwandten  Sprachen  an  Volltönigkeit  des 
Vokalismus;  zu  einerweichen,  vielstimmigen  Harmonie  und  Mannig- 
faltigkeit des  Vokalismus  ist  die  Griechische  Sprache  entwickelt 
in  dem  Zeitalter,  als  die  Hellenen  mil  ihren  Pflanzstädten  die  Küsten 
Kleinasiens  bedeckten ,  die  Seeherrschaft  der  Phönizier  brachen 
und  ihre  Lieder  sangen  von  Troja's  Fall  und  der  Heimfahrt  der  Hel- 
den;  die  Sprache  der  Gothen  zeigt  eine  klangreiche  Fidle  und 
Mannigfaltigkeit  des  Ablautes  in  der  Zeit,  da  dieser  Stamm  zuerst 
das  Vaterunser  beten  lernte.  Aber  von  den  Jugendklängen  der  Spra- 
chen ist  gar  viel  verklungen.  Die  Diphthongen  trübten  sich 
zu  e i n  1  a u t i g e n  Vokalen,  lange  Vokale  kürzten,  seh w e r e 
erleichterten  sich,  leichte  und  k  u  r  z  e  Vokale  wurden  s  t  u  m  m 
oder  v e r k  1  a n g e n  g anz,  die  z u s a in m e n t r e f f e n d e n  C o n s o - 
n  a  n  t  e  n  assimilierten  oder  zerstörten  sich :  das  ist  im  We- 
sentlichen der  Gang  der  Sprachentwickelung,  durch  den  aus  den  al- 
ten Muttersprachen  die  Tochtersprachen  entstanden  sind, 
die  noch  heute  im  Munde  der  Völker  erklingen. 

Die  Lateinische  Sprache  hat  denselben  Entwicklungs- 
gang durchgemacht;  aber  wir  können  sie  nicht  bis  in  ein  so  frühes 
Lebensalter  zurück  verfolgen  wie  jene  Sprachen,  bis  zu  einer  Zeit, 
wo ;  ihr  Vokalismus  noch  in  ungeschwächter  Kraft  blühte.  Im 
dritten  Jahrhundert  vor  Christus ,  wo ,  abgesehen  von  einzel- 
nen Nachklängen  einer  früheren  Zeit,  unsere  Kenntniss  der  Lateini- 
schen Sprache  beginnt,  finden  wir  den  Vokalismus  der  Sprache 
schon  im  Sinken,  schon  beherrscht  von  der  Neigung  D i - 
phthonge  zu  trüben,  lange  Vokale  zu  kürzen,  kurze 
lautlos  verklingen  zu  lassen,  in  einem  Zustande  der  Unruhe 


-.     J54     — 

und  des  Schwankens,  in  dem  ältere  vollere  und  jüngere  leichtere 
Sprachklänge  und  Wortformen  durcheinander  wogen ,  bis  die 
Sprache  in  der  Bliithezeit  ihrer  Litteratur,  nachdem  die  al- 
ten Klänge  und  Formen  veraltet  und  abgekommen  sind,  zu  Ruhe 
und  Festigkeit  gelangt.  Auf  diesem  Standpunkte  des  Vokalis- 
mus bleibt  die  Schriftsprache  im  Wesentlichen  stehen, 
aber  die  Volkssprache  geht  auf  dem  abwärts  führenden  Wege 
der  Abschwächung  desselben  weiter,  bis  ihre  Lautverhältnisse  die 
Gestalt  gewonnen  haben ,  welche  die  Romanischen  Sprachen 
zeigen.  Dieses  Sinken  und  Verfallen  des  Vokalismus  in 
allen,  seinen  Erscheinungen  und  Ursachen  darzustellen  ist  die  Auf- 
gabe des  zweiten  Theiles  dieser  Arbeit.  So  ist  es  denn  natürlich 
dass  sie  mit  der  Betrachtung  der  stärksten  und  vollsten  vokalischen 
Laute  beginnt,  mit  der  Geschichte  der  D  iphthouge. 


A.     Geschichte  der  Diphthonge. 
1)  Entstehung  der  Diphthonge. 

Diphthonge  oder  zwielautige  Vokale  entstehen  in  den  Indoger- 
manischen Sprachen  vornehmlich  durch  Vokalst cigerung.  Im 
Sanskrit  werden  die  einfachen  Vokale  i  und  u  durch  Vorschiebung 
eines  kurzen  A-Iautes  zu  e  und  ö  gesteigert,  durch  Verschiebung 
eines  langen  a  zu  ai  und  au,  so  dass  nicht  zwei  Vokale  nebenein- 
ander entstehen,  sondern  ein  cinlauliger  Uebergangsvokal  /wischen 
a  und  i  oder  u,  und  ein  zwielautiger  Uebergangsvokal  zwischen  ä 
und  i  oder  u.  Unter  denselben  Bedingungen,  unter  denen  i  und  u 
diese  Steigerung  erfahren,  wenn  der  Bau  der  Wort  form  es  verlangt, 
wird  im  Sanskrit  kurzes  ä  durch  blosse  Verlängerung  zu  ä  gestei- 
gert (Bopp  vergl.  Gramm*  S.2&.  Jacobi  Beitrage  %ur  Deutschen 
Grammatik  S.  28./'.).  Im  Griechischen  sind  die, Diphthonge 
av  und  at  aus  Vokalst  ei  gerung  durch  a  entstanden,  wo  niphl  ein 
anderer  Ursprung  nachweisbar  ist;  da  aber  in  dieser  Sprache  ur- 
sprüngliches a  vielfach  zu  £  und  o  abgeschwächt  ist,  so  sind  dies 
die  vokalischen  Anklänge,  durch  welche  i  und  v  zu  £/.  04,  SV, 
ol»  gesteigert  werden.  Ebenso  sind  im  Wesentlichen  die  lichten 
Lateinischen  Diphthongen  au,    ai,   du.  oi,  eu.  ei  durch 


—     155     — 

Vokal  Steigerung  entstanden,  wo  sie  nicht  mehr  mechanisch 
durch  Herantreten  eines  vokälisch  anlautenden  Suffixes  an  einen 
Ookalisch  auslautenden  Wortstamm  entstanden  sind ,  oder  nach 
Ausfall  eines  Consonanten  sich  zwei  Vokale  zu  einem  Diphthon- 
gen verbunden  haben,  oder  wo  der  Halbvokal  v  sich  vor  folgendem 
Consonanten  zu  u  auflöste  und  so  mit  vorhergchendenka  oder  o  zu 
einem  Diphthongen  verschmolz.  Die  Lateinische  Vokals  tei- 
ger ung  ist  vielfach  deshalb  unkenntlich  geworden,  weil  die 
Diphthongen  der  Lateinischen  Sprache  sieh  vielfach  zu  einlautigen 
langen  Vokalen  getrübt  haben;  aber  es  giebt  noch  Beispiele,  aus 
denen  sich  ersehen  lässt,  wie  in  der  alten  Sprache  kurzes  u  in  ge- 
wissen Wortformen  zu  ou  und  eu,  kurzes  i  zu  oi  und  ei  gestei- 
gert worden  ist,  spater  aber  die  so  entstandenen  Diphthongen  zu 
u  und  i  verschmolzen.  Man  vergleiche  folgende  Zusammenstel- 
lung, bei  der  zu  bemerken  ist,  dass  ou  vor  Vokalen  sich  zu  ov  ge- 
staltete. 

Vokalsteigerung  des  u  zu  o  u  und  e  u : 

u,  ou,  eu,  ö,   ü. 

1  ü  c  e  r  n  a ,        L  o  u  c  i  n  a ,         L  e  u  c  e  s  i  c ,     lux, 
Avxaßccg ,     Loucetius,    Asvxog, 
kvxocpag,     lüiimen,  Aevxtog ,     lumen, 

aiiyilvKYi,  leuchten,     I ü n a  , 

Wz.  plü-  per-plo-       7ilev6o-      plörare, 

p  liiere,  vere,  [tat, 

Skr.Wz.dKv-,  Diove,  Zsvg,  Jupiter, 

dju-,     Osk.    Diovei,  Juno, 

Jovi,  (junior), 

Joventionem, 
(juvenis), 
fügio,  (pevya,  fugi, 

pöpulus,       poublicus,  pöplicus, 

p  Q  b  1  i  c  u  s , 
ruber,  .         i  q  s  v  &  a  ,         r  ü  f  u  s , 


r  ü  t  i  1  u  s , 


TJmbr.  röfa , 


SQV&QOg, 

düce,  abdoucit,  düco, 

jügum,  %£vyog,  jngera 

Ivyov. 


—     156     — 
Vqkalsteigerung  des  i  zu  oi,  oe  und  ei: 


*, 

oi,  oe, 

ei, 

I,  e. 

-ff  des , 

foidere, 

difeidens, 

confido, 

perfrdus, 

foideratei 

foedere, 

foederati, 

infldus, 

Itbet, 

Aot/3?f, 

leibe reis, 

Über, 

l¥bido, 

I  o  e  b  e  s  u  in  , 

1  e  i  b  e  r  l  i  n  i , 

Liber, 
llbare  , 

Jd  e  m, 

eis,  N.  S(j. 

e-eis, 

Yta, 

t'idem  ,N.Sg. 

e-ei,   - 

ttem, 

ci-ei, 

e  -  i  u  s , 

*bi, 

L'[l£V  , 

eitur, 

lz  e, 

a  d  e  i  t  nr , 

a  bei,' 

£  l  0  L  , 

div-  (spie 

nderc  ). 

dei?o, 

d  T\  U  B, 

d  eivae, 

d  iva, 

dei  vi  im  s. 

Osk. 

d  e  i  va  i,    1  "'//>/ . 

d  e  v  e  , 

Osk. 

dei  vau  in. 

i  ndl  CO, 

j  udYco, 

deixeris, 

d  i  c  o  . 

pra  (Mit  co, 

Osk. 

d  ei  eil  in, 

pra edl co, 

ca usidYc u 

s . 

Osk. 

die  11  St, 

fatidlcus, 

drei  us.  Geil.  XII,  3. 

(ygacpco),  coDScrei-        scribo. 

ptU8  , 

Die  Belege  für  die   hier  angefahrten   altlateiniscben  rönnen 
sind  in  der  Beispielsammlung  Im-  jeden  Diphthongen  weiterbin  zu 

linden. 

Die  Vokale   3  P   o  können   dnreli   einen  vorhelenden  A- klang 

nicht  zu  Diphthongen  gestalte!  werden,  sie  werden  daher  tu  ein- 
facben  Lungen  gesteigerl  in  solchen  Fällen,  wo  in  der  Wortbildung 
i  zu  ei  oder  oi,  n  zu  en  und  on  gesteigert  werden  würde,  ebenso 
wie  im  Sanskrit  a  durch  Vokalsteigerung  einfach  gelangt  winde. 


—     157     — 

Dieser  Fall  tritt  ein  bei  der  Ableitung  der  Nomina  von  ein- 
fachen Verben;  dabei  ist  zu  bemerken  dass  diese  letzteren  nicht  im- 
mer mehr  in  der  Sprache  in  dieser  einfachen  Gestalt  vorhanden 
sind,  sondern  durch  Anfügung  der  Ableitungsvokale -a  oder  -e  in  die 
A-  oder  E-conjugation    übergegangen   sind;   so  in  folgenden   Bil- 


düngen: 

p  a  c  u  n  t , 

päx, 

tego, 

tegula, 

päciscor, 

p  ä  c  o , 

lego, 

lex, 

1  ä  t  e  o  , 

I  ä  t  e  r  n  a , 

lego, 

e  o  1 1  e  g  a , 

v  ä  c  o , 

vägi  n  a , 

rego, 

rex, 

Jl'z.  frag-, 

su  ffrägi  um, 

seco,. 

s  I  c  a , 

frägor, 

v  ö  c  0 , 

vöx, 

sede  o, 

s  e  d  e  s , 

v  ö  in  o , 

vom  er. 

Dieselbe   Vokalst 

eigerung   tritt 

ein 

bei   der 

Bildung    abgeleiteter 

Verben  von  Nominalstämmen;  doch  ist  die  einfache  Form  der  No- 
minalstämme  der  Sprache  häufig  abhanden  gekommen,  kann  aber 
aus  einer  durch  ein  hinzugetretenes  Suffix  weiter  gebildeten  Form 
erschlossen  werden.     So  verhalt  sich  zu  : 

s  a  g  a  x ,  s  ä  g  i  r  e , 

vgl.  praesäg  us , 
von  einer  gemeinsamen  einfachen  Nominalform  der  Wurzel  sag-, 

p  15  c  i  d  u  s ,      p  1  ä  c  a  r  e , 

p  1  ä  c  e  r  e , 
ebenfalls  von  einer  einfachen  Nominalform  der  Wurzel  plac-  her- 
zuleiten, 

macer,  mäcero, 

söpor,  söpire. 

Diebeiden  letzten  verhalten  sich  wie  torpor  und  torpere, 
clamor  und  clamare,  indem  die  Verbalformen  von  einer  älteren 
einfachen  Form  der  Nominalstämme  gebildet  war.  Bei  clamor 
lind  clamare  lässt  sich  das  noch  verfolgen.  Von  dem  alten 
Verbum  calare  ward  nämlich  gebildet  cala-ma-,  cla-ma-,  und 
dann  das  Verbum  cla-ma-re,  wie  von  fa-ri  fa-ma,  in-fa- 
ma-re  und  durch  Anfügung  des  Suffixes  -or  an  den  Stamm 
cla-ma  cla-m-or.  Es  zeigt  sich  also,  dass  diese  Vokal  Verstärkung 
eintrat  bei  der  Bildung  abgeleiteter  Verba,  die  wie  sägire,  sö- 
pire, pläcare.  mäcerare  die  stärkere  transitive  Bedeutung  er- 
halten. 


—    158     — 

Etwas  anders  verhält  sich : 

trüdis  zu  trüdo; 
hier  ist  der  Vokal  der  Präsensform  des  Verbum  gesteigert  wie  im 
Griechischen  £sv yvv\ii^  cpsvycj  neben  t,vy6v,  cpvyyj;  man 
muss  also  schliessen,   dass  das  Verbum  im  Altlateinischen  einmal 
troudo  gelautet  hat,  obgleich  sich  diese  Form  nirgends  findet. 

Wie  die  oben  aufgeführten  Nomina  mit  Vokalsteigerung  von 
Verbalwurzeln  gebildet  sind,  so  wird  auch  im  Lateinischen  bisweilen 
dasjenige  Verbaladjectivum,  das  die  Griechischen  Grammatiker  ps  t  - 
o%r\  nannten,  die  Römischen  participium  übersetzten,  und  das 
von  den  Römischen  Grammatikern  supinum  genannte  mit  dem 
Suffix  -tu  abgeleitete  Verbalsubstantivum  mit  Vokalsteigerung  vom 
Verbalstamm  gebildet.  Während  nämlich  von  gero,  veho,  fa- 
cio,  rapio,  capio  die  Participia  gestus,  vectus,  factus, 
raptus,  captus  und  die  dazu  gehörigen  Supinn  ohne  Verände- 
rung des  kurzen  Wurzelvokales  gebildet  werden,  ist  in  einigen  Bil- 
dungen solcher  Verbalnomina  von  Verbis,  deren  Wurzel  auf  einen 
Guttural  auslautet,  der  Vokal,  der  in  der  Präsensform  kurz  ist, 
durch  Vokalsteigerung  gelängt.  Dies  berichtet  Gellius  IX,  0  und 
XII,  3.  //.  von  folgenden: 

Von: 

Sg o  ist  gebildet  äc t u s ,  ä etil  o. 
Diese  Angabe  wird  bestätigt  durch  den  Apex  als  Zeichen  der 
Vokallänge  in  folgenden  Formen : 

actis,  Marin,  her.  Alb.  p.  1 39.     ä  c  I  u  m ,  Fahrrtl .  p.  I  7(1,  324. 
ex ä etüs  i   tob.  Clavd.  Boissieu,     r  e  d  ä  c  t  a  ,  OrelL  36. 

inscr.  d.  Lyon.p.  136.     Grut. 

p.  502. 

Es  gab  indessen  auch  Gelehrte,  welche  actus,  actilo,  acu- 
ta vi  sprachen. 

Von: 

lego  ist  gebildet  lect  us,  lectito,  lector, 
ltestätigt  durch  die  Schreibweisen: 

adlectus,  /.  .V.  1999.  Or.  4109.     dileclae,   Murin.  All.fr.   irr. 
lectorque,  Jahn  Specm,  epigr,        />.  713. 

p.  109; 
dagegen  hat  die  Griechische  Sehreibweise  Exlexrog,  hiun.  Cmti 
72   p.  1206.  1220.  1222,  den  kurzen  Vokal  des  Präsens  l*go  bei 
behalten  (vffl.  Schnitt:   iihciu.  .Mus.  \.    115). 


—     159    — 

Von: 

üngo,  ünctus,  ünctito. 

Aus  der  Bezeichnung  durch  den  Apex  erhellt  dass  von: 

j  üngo  eben  so  gebildet  ist  j  uncta,  /.  N.  2535. 

vgl.   c  o  n j  ü g  i  s  ,  s  ej  ü  n  c  t  u  m ,  Or.  4859.  Marin. 

Inscr.  Alb  p.  137. 
j  ügum,  vgl.  jügera. 

Die  Formen  strüctus,  strüctor,  deren  langes  u  ebenfalls 
durch  Gellius  (XII,  3)  verbürgt  ist,  gehören  nicht  hierher,  weil  sie 
vom  Stamme  des  alten  Wortes  struices  (Fest.  p.  310.  M.)  abge- 
leitet sind,  das  exstructiones  erklärt  wird,  die  Länge  ihres  Voka- 
les u  also  durch  die  Vokalverschleifung  aus  u  i  entstanden  ist.  Die 
Verlängerung  des  Vokales  erscheint  also  in  den  Formen  des  Partici- 
pium  und  Futurum  und  der  davon  abgeleiteten  Wörter  von  solchen 
Verben,  deren  Stamm  auf  g  auslaute!,  und  Lachmann  schliesst  daraus 
(Lucr.p.  54),  dass  dies  in  den  entsprechenden  Bildungen  von  allen  Ver- 
ben deren  Stamm  so  auslautet  der  Fall  gewesen  sei.  Da  indess  einlaul- 
licher  Grund  nicht  ersichtlich  ist,  weshalb  man  dlctus,  vlctus, 
fuctus  neben  lec tu s  ,  actus,  ünctus  gesprochen  haben  sollte, 
da  auch  manche  Grammatiker  actus,  äctito,  äctor  sprachen, 
so  erscheint  es  rathsam  sich  nur  an  den  Thatsachen  zu  halten,  die 
Gellius  angiebt. 

Wenn  nun  aber  von  lego,ägo,üngo,  jüngo  durch  Vokal- 
steigerung die  Verbalnomina  I e c t  u s  ,  actus,  ünctus,  j ünctus 
gebildet  sind,  so  wird  man  auch  nicht  umhin  können  in  Perfekten  wie : 

s  c  ä  b  i ,    von    s  c  a  b  o  ,  s  e  d  i ,   von    s  e  d  e  o  , 

legi,  lßgo,  veni,  venio, 

emi,  emo,  födi,  födio 

Vokalsteigeruug  anzuerkennen.  Dies  wird  bestätigt  durch  folgende 
Angabe  des  Priscian,  VIII,  28.  H:  In  cxi'  terminantiapraete- 
rituraperfectum  secunrlacet  terliaeetquartaeconju- 
g a t i o n i s  i n v e n i u n t u r  ,  et  t u  n c  t a n t  u m  natura  q u o q u e 
produeunt  p  a  e  n  u  1 1  i  m  a  m  ,  q  u  a  n  d  o  s  i  t  e ,  u  t  c  r  e  g  o  r  e  x  i , 
tego  texi,  illtcio  illexi.  Dass  Priscians  Behauptung  für  die 
hier  angeführten  Beispiele  seine  Richtigkeil  hat,  wird  bestätigt  durch 
die  Vergleichung  von 

tSgo  texi,  mit      tegula, 

rego  rexi,  rex,   regula, 

illtcio      illexi,         llctor,  Gelt  XII,  3. 


—     160     — 

Es  erbellt  also,  dass  mit  Steigerung  eines  ä,  e,  Ö  zu  ä,  e,  ö  von 
Verbalstämmen  eigentliche  Nomina,  Participia  und  Perfekt  formen  ge- 
bildet sind.  Vergleicht  man  hiernach  die  Griechischen  und  Lateini- 
schen Bildungen: 

fugio,  fügi, 

ecpvyov,      itscpsvycc, 

rellcuos,    reliqui, 

so  muss  man  schliessen,  dass  auch  das  lange  u  und  i  der  Lateini- 
schen Perfekta  Vertreter  von  Diphthongen  sind,  die  aus  Vokalstei- 
gerung hervorgingen,  dann  aber  sich  zu  einlautigen  Vokalen  trübten. 
Noch  eine  andere  Art  von  Vokalsteigerung  oder  Vokalverstär- 
kung  tritt  im  Lateinischen  wie  in  verwandten  Sprachen  ein,  indem 
der  Stammvokal  gewisser  Wortformen  einen  nasalen  Nachklang 
erhält.     Man  vergleiche: 

frägor,  frango,  pQrjyvvtii . 

stfQayrjv , 

jiigum,  jungo,  t,8vyvvui . 

%vyov , 

rellcuos,  liinpio,  XsCjia, 

a'XiJtov , 

pago,  pango,  mjyvvtii, 

päciscor, 

rtdyog, 

llgula,  Hngo,  Aft^w. 

Wo  die  Griechische  Sprache  in  den  vorstehenden  Prlsens- 
formen  die  eigentliche  Vokal  Steigerung  eintreten  lässi. 
zeigt  die  Lateinische  die  Vokalverstärkung  durch  Nasa- 
lierung des  Stammvokales.  Eben  diese  Vokalverstarkung  ist  also 
auch   in : 

tangO,   neben    (actum,  fringO,   neben  l'ri  c  I  u  m, 

nanciscor,     nactus,  rumpo,  ni|>lum. 

nanetus,  pungo,  pupngi, 

pingo,  pictum,     vgl.    lay%c/.vb)*        ila%OV, 

fingo,  fictum,  fttyyccvco,       i&iyov  u   a. 

Die  Vokalsteigerung  hat  also  im  Lateinischen  wie  in  den  ver- 
wandten Sprachen  in  die  Quantitütsverhaltnisse  der  Laote  eingegril 
fen.  Da  aber  die  Lateinischen  Diphthongen  sich  iura  grossen  Tlieile 
zu  einlautigen  langen  Vokalen  trüben,  so  isl  sie  viel  unkenntlicher 


—     161     — 

geworden  und  erscheint  in  der  Blüthezeit  der  Sprache  fast  nur  in 
der  Gestalt  der  Vokalverlängerung.  Durch  die  Vokalsteigerung  er- 
klärt sich  also  vielfach  der  Quantitätswechsel  von  Stammvokalen  in 
verwandten  Wörtern,  der  sonst  willkührlich  und  regellos  erschei- 
nen muss. 

Schon  in  uralten  Zeiten  sind  aber  auch  Diphthonge  entstanden 
auf  eine  mehr  mechanische  Art,  indem  vokalisch  anlautende 
Suffixe  an  vokalisch  auslautende  Suffixe  traten.  So  entstand  der 
Diphthong  ai,  ae  in  den  Flexionsformen  der  A-Declination  in  For- 
men wie : 

vitae,  vi t ai ,       für  vita-is, 

pulchrae,      pulchrai,      pujehra-is, 
Mincrvae,      Minervai,     Mineiva-is; 
so  der  Diphthong  oi,  oe   in  den  Casusbildungen  der  Q- stamme 
wie : 

gnatois,  für  gnato-is, 
oloes,  olo-is, 

p r i v i c  1  o e s ,    priviclo-is; 
der  Diphthong  ei  in  Flexionsformen  der  E-deelination  wie: 
rei,  für  rc-is, 
spei,      spe-is, 
fidei,      fide-is, 
Formen  für  die  sieh  die  Nachweise  und  Belege  weiter  unten  finden 
werden. 

fn  ähnlicher  Weise  ist  der  Diphthong  eu  entstunden  durch 
(Komposition  in : 

n  eut  er,     für    ne-uter, 

n  e u  t i q  n  a m  ,     n  e-uti q  u  a  m. 

Diphthonge  entstehen   aber  auch  in  jüngeren  Sprachperioden 
wenn  nach  Ausfall  von  Consonanten  sich  die  zu  einander  passenden 
Vokale  begegnen  und  mit,  einander  verbinden.     So  entstanden  nach 
Ausfall  des  Halbvokales  j  die  Diphthonge  on  und  ei  in: 
plous,   für  ploius,  eicit,  für  eiieit, 
r  e  i  c  i  t ,       r  e  i  i  c  i  t , 
deicit,       d  eiieit. 
So  ward  erst  couneti   aus  coiuncli  und  verschmolz  dann 
zu  euneti.     Ebenso  entstand  durch  Ausfall  eines  g  der  Diphthong 
a  i ,  a  e  in  : 

CORSSEN.  j ] 


—     162     — 

Lat.  Maesius,  aus  Magisius, 
Osk.  Maesius, 

mais,  magis, 

maimas,  magimas, 

(Zeit sehr,  für  vergl.  Sprach  f.  III,  277  /".); 
durch  Ausfall  eines  v  entsteht  der  Diphthong  oi,  oe  in: 
Cloelius,  für  Clovilius,  vgl.  Cloul..,  7.  iV.  5882. 

Clovatio,  I.  N.  2377. 
clovaca  s,  I.  N.  4472. 
und  in  ähnlicher  Weise  sind  Diphthonge  sicher  noch  in  zahlreichen 
Wortformen  entstanden,  deren  Etymologie  sich  nicht  mit  Sicherheit 
nachweisen  lässt. 

Endlich  entstanden  die  Diphthongen  au  und  on  häufig,  indem 
zwischen  v  und  folgendem  Consonanten  ein  Vokal,  i  oder  e,  ausfiel, 
das  v  sich  durch  die  Berührung  mit  dem  Consonanten  zu  u  auflöste 
und  nun  mit  dem  vorhergehenden  Vokal  a  oder  o  zusammenlloss. 
So  entstand  der  Diphthong  au  in  den  schon  erwähnten  Wortformen: 
1  a  u  t  u  m ,  n  a  u  I  a  ,  n  a  u  s  t  i  h  u !  u  m ,  a  u  s pieiü  m  , 

cautor,    naufragus,      aucella,  gaudeo, 

fautor,     nauscit,  aueeps,  audeo; 

ebenso  entstand  der  Diphlhong  ou  in: 

n  o  u  n  d  i  n  u  m ,  Sc.  <l.  Bacc.  für  n  o  v  e  n  d  i  n  u  m , 
Nounai,  I.  N.  3095.  novenas, 

Nouceriam,  I.  N.  6276.  No vi cer i a m , 

und  ist  dann,  wie  schon  in  der  Erörterung  üher  v  gesagt  ist.  häufig 
zu  u  verschmolzen.     Durch  Erweichung  des  Consonanten  v,  nach- 
dem er  durch  den  Abfall  des  auslautenden  e  in  den  Auslaut  getreten 
war,  entstand  der  Diphthong  eu  in: 
scu  für   seve,     neu  für   neve. 

2)  Trübung  der  Diphthonge. 
Homer  und  Ulphilas  zeigen  uns,  dass  die  Sprache  der  Helle- 
nen wie  der  Deutsehen  in  dem  Jugendalter  dieser  Volker  von  einer 
reichen  Mannigfaltigkeit  voller  und  klangreicher  \okalisrher  Laute 
belebt  war.  Von  dem  Diphthongenreich ihum  der  Latei- 
nischen Sprache  in  ihrer  frühsten  .lugend  sind  nur  ganz  einzelne 
versprengte  B  r  u  chst  ü  ek  e  auf  uns  gekommen  durch  die  Anfüh- 
rungen späterer  Gelehrter.  Irkundliche  und  zusammenhängende 
Sprachdenkmäler  besitzen  wir  erst  aus  dem  Zeitalter,  als  llom  und 


—    163    — 

Karthago  den  Kampf  um  die  Herrschaft  des  Mittelmeeres  began- 
nen, nachdem  bereits  ein  halbes  Jahrtausend  im  Leben  des  Rö- 
mischen Volkes  verlaufen  und  eine  politische  Entwicklung  ab- 
geschlossen war.  Diese  Sprachdenkmäler  zeigen  schon  ein  ent- 
schiedenes Sinken  des  Vokalismus;  aber  sie  lassen  uns  er- 
kennen, dass  die  Sprache  in  der  Glanzzeit  der  kriegerischen  und 
politischen  Grösse  Roms  noch  diphthongische  Laute  besass,  die  in 
dem  Blüthezeitalter  ihrer  Litteratur  zu  einlautigen  Vokalen  ver- 
schmolzen waren.  Da  die  Sprache  des  Plautus  nicht  in  ihrer  ur- 
sprünglichen Lautgestalt  auf  uns  gekommen  ist,  sondern  erst  so, 
wie  sie  durch  die  Bearbeitung  eines  Gelehrten  des  ersten  Jahrhunderts 
nach  Christus  dem  Verständniss  der  damaligen  Zeil  zuganglich  ge- 
macht worden  ist,  und  da  wir  von  Livius  Andronicus,  Naevius  und 
Ennius  Gedichten  nur  vielfach  entstellte  und  modernisierte  Bruch- 
stücke besitzen,  so  muss  die  Untersuchung  über  die  Trübung  der 
Diphthonge  in  dem  Zeitalter  von  der  Eroberung  Italiens  bis  zum 
Sturze  der  republikanischen  Verfassung  Roms  vornehmlich  auf  Grund 
der  Inschriften,  derächten  sprachlichen  Urkunden  für  die  älteste 
Geschichte  der  Lateinischen  Sprache,  geführt  werden.  Mit  ihnen 
sind  die  Sprachformen  der  ältesten  Römischen  Schriftsteller,  wie 
sie  unsere  Texte  darbieten,  oder  die  Grammatiker  anführen,  zu 
vergleichen,  und  daraus  sprachgeschichtliche  Ergebnisse  für  die 
vorliegende  Frage  zu  ziehen. 

a  u. 
Der  Diphthong  au,  der  volltönigstc  und  gewichtigste  unter 
allen  ist  der  einzige,  der  sich  in  zahlreichen  Wortformen  durch  alle 
Zeiten  der  Lateinischen  Sprache  unversehrt  erhalten  hat  und  noch 
heute  im  Munde  der  Italiener  erklingt.  Aber  seine  Trübung  hat 
auch  in  anderen  Wortformen  schon  sehr  frühzeitig  begonnen,  in- 
dem er  zu  o,  seltener  zu  u  zusammenschmolz. 

Die  Trübung  des  au  zu  o  fand  schon  im  Zeitalter  der  Punischen 
Kriege  statt;  das  zeigt  die  Form: 

Pola,   Or.  1500.  für  Paula 
auf  einer  Inschrift  vonPesaro,  die  zu  den  ältesten  gehört,  die  auf 
uns  gekommen  sind.     In  demselben  Zeitalter  sprach  man: 
ploti,  Fest.  p.  238. 
Plotus ,  a.  0. 
semiplotia,  a.  0, 

11  * 


—     164     — 

da  sich  aus  Verrius  Flaccus  die  Angabe  erhalten  hat,  dass  man  An- 
fangs den  Dichter  PI  otus,  dann  Plaut us  nannte.  Cato  schrieb 
in  dem  Buche  über  den  Landbau: 

dehorito,  R.  R.  66.  für  dehaurito, 
Lucilius  und  Attius: 

rodus,  Fest.  p.  265.  für  raudus. 

Ebenso  ward  für  au  in  gewissen  Wortformen  o  gesprochen 
im  Zeitalter  des  Cicero  und  Caesar.     So: 

p  1  o  d  o ,  Cic.  de  gloria ,  Diom.  p.  378.  P. 

e  x  p  1  o  d  i  t  u  r ,  Cic.  parad.  Stoicor.   Diom .  p .  378. 

clodicat,  Cic.  de  orat.ll,  61.  neben  Claudicat, 

o  s p  i  c al  u r ,  Claud.  hist.  lib.  VIII ,  Diom.  p.  378. 

plostrum,    plostreis,    plostra,   /.   ////.  municip. 

Pola,  Or.  Henz.  7363. 

Ausdrücklich  als  der  allen  Sprache  ungehörig  werden  ferner 
bezeichnet: 

lotus,  Plaid.  Prise.  I,  52.  //. 

plostrum,  a.  (f. 

c  o  t  e  s ,  a.  0. 

oruin,  Fest.  p.  1 82  ( r u s t i c i  —  d  i c  e  b a  n  I ). 

orata,  a.  (f. 

Oratam ,  a.  o. 

o  r  i  c  u  1  a  s ,  a.O. 

Ebenso  gehören  den  alteren  Zeilen  an  die  Formen: 
Olus,  Gell.  XVII,  21,  17.     Or.   1943. 
p  o  1  u  1  i  s ,    Varro  L.  Z.  V,   1 67 . 
rodus,  Lucil.  Fest.  p.  265. 
Rodusculana,  Fest.  />.  275. 

Dass  aber  daneben  auch  die  Schreibweise  und  Aussprache  au 
in  der  alten  Zeil  der  Sprache  erhalten  blieb,  zeigen  zahlreiche 
Wortformen.  So  fand  Festus  bei  Verrius  Flaccus  als  alte  Formen 
erwähnt : 

raudus,   Varro  Z,  L.  163.  M. 

raiidiiscult),  a.   (t. 

Hauduscul  a,  it.  <>. 

anlas,  Fest.  />.  23.  für  ollas. 

aulicocia,  d.  <>. 

a  u  x  i  1 1  a  ,  (»IIa   p  a  r  v  u  I  a  ,    Fest.  p.  '2  1 . 


—     165     — 

Ebenso  sind  Plautinische  Formen : 

a  u  1  a , 

A  n  1  u  1  a  r  i  a ; 
ferner  erwähnte  Verrins  Flaccus  als  alle  Form: 

ausculari,  Fest.  p.  28.  vgl: 

a u sculum,  Prise.  I ,  52.  H. 

a  us t  r  u  m ,  a.  0. 

Ebenso  haben  auch  zahlreiche  Inschriften  den  Diphthongen  au 
in  Wortformen  erhalten  ;  so  : 

T a  u r  a  s  i  a ,  t.  Scip.  Barb.  A  u  r  e  l  i  o ,  I.  N.  3561. 

gaudia,  /.  N.  5882.  Laufeius,  /.  N.  4239. 

C  i  s  a  u  n  a ,  t.  Scip.  Barb.  c  1  a  u  s  u  in  v e ,  L.  Iul.  mun. 

p au  11  um,  Or.  4848.  Aafidiae,  I.  N.  1999. 

Claudius,  I.N. 6766.  ör.570.     causeis,  Or.  4860.  u.  a. 

auspicio,  t.  Mumm.  Or.  563. 
vgl.  Busch,  d.  tit.  Mumm. 

lau  dem,  til.  Scip.  Cn.  f.  Or.  554. 

lauslum,  Or.  4304.  4305.   ^.4306.  4307. 
■  Sauieius,  GnU.  129.  3.    Or.  5. 

Dass  in  der  Romischen  Kaiserzeit  o  für  a  u  gesprochen  wurde 
in  gewissen  Worlfonncn,  zeigen  die  Schreibweisen: 

p  1  o  s  t  r  a ,  Stiel.  Yesp.  22.  P 1  o  t  i  u  m ,  Or.  Hen  z.  1221 . 

loreto-,  /.  N.  6748.  olla,  a.  O.  7341. 

loreti,  Or.  5.  Poli,  Boiss.  I.  Lij.  X,  29,  2. 

Ploti,  a.  Ö.  Oli,  a.  0.  X,  29,  1. 

und  die  Formen  der  Namen: 

Clodius,  Opetrius  (von  au-piter), 

Clodia,  Ploti  us, 

L  o  r  i  u  s ,  P 1  o  t  i  a , 

Loreius,  Plotulena, 

Loren  us,  Polla, 

Lorentius,       Pollinus, 

0 1  i  u  s  ,  T  o  r  a  n  i  a , 

Opetreiia,       Toranius; 
{vgl.  Momms.  Inscr.  Begn.  Neapol.  ind.). 

Im    fünften  Jahrhundert  nach   Christus   sprach    man    neben- 
einander: 

clostra,    und    claustra, 

c  o  d  a  ,  c  a  u  d  a ; 


—     166    — 

Diom.  p.  378:   au  syllaba  cum  o  commercium    bebet,  ut 
cum  dicimus  cclaustra'  et  cclostra',  ccauda'  et  ecoda' 
et  similia.     Und  so  findet  sich  denn  in  zahlreichen  Wortformen 
bis  in  die  späteste  Kaiserzeit  der  Diphthong  a  u  unversehrt : 
Laurentis,  Z.  iV.  2211.  auxiliares,  Grut.164,  3. 

a  u  g  u  r ,  a.  0.  L  a  u  r  e  a  c  e  n  s  e  s ,  a.  0. 

auctis,  Or.  710.  gaudet,  Or.  4858  (chrisll.). 

T a  u  r  i  n  o  r  u  m ,  Or.  7 1 .  G  a  u  d  e  n  t  i ,  Or.  4955  (christl.) 

und  in  Namen  wie : 

A  u  d  a  s  i  u  s ,  A  u  1  e  n  a ,  A  u  t  r  o  n  i  u  s , 

A  u  d  e  i  a ,  A  u  1  i  u  s ,  Claudius, 

Audi  us,    -  Aulia,  Lau  fei  us, 

Aufe  llius,  Aulienus,  Lautinius, 

A  u  f  i  d  e  n  u  s ,  A  u  r  c  1  i  u  s  ,  L  a  u  t  i  n  i  a  , 

Aufidius,  Aurellius.  Paucius, 

Aufidienus,  Auruculeius,  Pausculanus, 

Au  fi  llius,  Aurunculciu  s,      P  laut  ins, 

Aufustius,  Ansidius,  Saufeins, 

A  u  g  u  s  t  u  s ,  A  u  s  t  i  u  s  ,  T  a  u  Lo  n  i  u  s , 

A  u  1  e  n  u  s  ,  A  u  t  i  d  i  u  s , 

Adauclula,  Fauste,  Gaudiosus, 

A  d  a  u  c  t  u  s ,  F  a  u  s  t  i  a  n  u  s ,  L  a  u  r  e  nti  a , 

.    Adaugendus,  Faust illus,  Laurilla, 

A  u  c  t  u  s ,  Fan  s  tilla ,  Laiirinas, 

Aucta,  Faustina,  Lauras, 

Alauda,  Faustinianus  La  usus. 

Auetor,  Faustio,  Lautus, 

Audax,  Faust  us,  Paulus, 

Anden  tius,  Fautio,  Paulinu6, 

A  u  g  e  n  d  a ,  Gaudentius,  Ta  uri  n  a , 

Glaudiane,  Gaudituru6,  Taurisc  as. 

C 1  a  u  d  i  a  n  u  s , 
[Vgl.  Momms.  Inscr.  Regn.  Nep,  Inda.) 

Soviel  erhell!  also,  dassdie  Aassprache  und  Schreibweise  /wi- 
schen au  und  o  sowohl  in  älterer  Zeit  vor  Augustut  als  auch  in 
der  Kaiserzeil  nielit  bloss  überhaupt  geschwankt  hat.  Bonden  auch 
in  einem  und  demselben  Worte  schwankend  gewesen  ist  Ihm  den 
Wort  rönnen,  die  sonst   noch  von  Grammatikern  ohne   nähere  l!e 


—    167    — 

Stimmung  der  Zeit  oder  in  den  Handschriften  der  Schriftsteller  vor- 
kommen, ist  also  weder  die  Schreibweise  mit  o,  noch  die  mit  u  ein 
Kriterium  ihres  Alters.     So  finden  sich  nebeneinander: 

c o p a ,  caupo,  corus,  «   caurus, 

codex,        c  a  u  d  e  x  ,  s  o  r  i  x  ,  s  a  u  r  i  x , 

codicula,  Caudex,  Serv.  Verg.  o r e a  ,  aurea, 

c  o  d  e  t  a ,  Georg.  II,  30.  o  r  i  c  h  a  1  c  u  m  ,     a  u  r  i  c  h  a  1  - 

rodus,        raudus,  oQti%a?iKog ,  cum, 

colis,  caulis, 

Po  II  um,     Pauli  um, 
P  o  1 1  u  1  u  m ,  P  a  u  1 1  u  1  u  m ,  Ter .  Scaur.  p.  2256. 

Die  Verschiedenheit  der  Zeit  also  macht  keinen  wesentlichen 
Unterschied  in  dem  Gebrauch  beider  Formen;  wohl  aher  lüssj,  sich 
noch  nachweisen,  dass  die  Wortformen  mit  au  mehr  der  Sprache  der 
Gebildeten,  die  mit  o  mehr  der  Volkssprache  angehören. 
Dass  in  der  älteren  Zeit  zum  Theil  ein  O-laut  gesprochen  winde, 
wo  man  AV  schrieb,  ist  aus  der  als  alt  überlieferten  Schreibweise 
ausculari  zu  schliessen.  In  diesem  Worte  war  der  O-laut  der 
ursprüngliche;  das  zeigt  die  Form  des  Stammwortes  os  wie  der  ab- 
geleiteten ostium,  Ostia,  die  nie  mit  AV  geschrieben  worden 
sind,  und  die  Form  des  Wortes  im  Sanskrit  asja  {PoU  EUjm. 
Forsch.  I,  38).  Da  aus  Lateinischem  o,  Sanskritischem  a  niemals 
au  entstehen  konnte,  so  kann  die  Schreibweise  AV  nur  aus  dem 
Grunde  auf  ausculari  übertragen  sein,  weil  man  öfter  AV  ge- 
schrieben fand  der  Etymologie  des  Wortes  angemessen,  wo  man  o 
sprach.  Dasselbe  lehrt  die  jedenfalls  schon  vor  Verrius  Flaccus 
übliche  Schreibweise  aurichalcum  für  das  Griechische  Wort 
oQ£C%alxog,  denn  nimmermehr  konnte  sich  aus  Griechischem  o 
ein  Lateinischer  Diphthong  au  entwickeln.  Die  falsche  Herleitung 
des  Wortes  von  aurum,  orum  hat  zu  der  falschen  Schreibweise 
denAnlass  gegeben.  Die  Schreibweisen  ausculari  und  aurichal- 
cum konnten  jedenfalls  nur  von  Gelehrten  ausgehen,  welche  der 
Schreibweise  mit  au  überhaupt  den  Vorzug  gaben. 

Mestrius  Florus  hofmeisterle  den  Vespasian,  weil  er  plostra, 
nicht  plaustra  sprach,  wie  Sueton  erzählt  {Vesp.  c.  22);  da 
persill'lierte  der  witzige  Kaiser  den  pedantischen  Consular,  indem 
er  ihn  des  anderen  Tages  Flaums  anredete.  Das  artige  Geschicht- 
chen  wirft  ein  Licht  auf  die  vorliegende  Frage.  Vespasian,  nichts 
weniger  als  ein  Mann  der  Etikette,  drückte  sich  überhaupt,  wie  he- 


—    168     — 

stimmt  erzählt  wird,  in  der  Weise  des  gern  einen  Mannes  aus; 
daher  sprach  er  plostra,  wie  das  Wort  im  Volksmunde  klang, 
Florus  vertrat  die  Aussprache  der  fein  Gebildeten  und  Gelehrten 
plaustra.  Vergleicht  man  hierzu  die  von  Verrius  Flaccus  her- 
rührende Angabe,  dass  es  das  Landvolk  war,  das  orum,  ora- 
tam,  Oratam,  oriculas  sprach,  dass  es  in  Cato's  Vorschriften 
über  den  Landbau  war,  wo  die  Wortform  dehorito  vorkam,  wo 
auch  sonst  Wortformen  und  Ausdrücke  aus  dem  Munde  des  Land- 
volkes beibehalten  sind,  so  ergiebt  sich,  dass  im  Munde  des  Vol- 
kes und  namentlich  des  Landvolkes  der  vokalische  Laut  in  den 
angegebenen  Wortern  vorwiegend  o  lautete,  während  die  Gebil- 
deten, wenigstens  in  der  älteren  Kaiserzeit,  der  Schreibweise  und 
Aussprache  au  den  Vorzug  gaben. 

Es  bleibt  nun  noch  genauer  zu  bestimmen,  was  für  ein  O-laut 
es  eigentlich  war,  der  in  plostra,  orum,  dehorio  u.  a.  ge- 
sprochen und  gehört  wurde.  Wenn  a  u  etymologisch  der  ursprüng- 
liche Laut  in  allen  jenen  Wortformen  war,  so  kann  man  sieh  das 
Nebeneinanderbestehen  der  Aussprache  au  und  o  oft  in  demsel- 
ben Worte  nicht  anders  erklären,  als  dass  es  einmal  einen  Mittel- 
laut gab,  einen  Uebergangslaut ,  der  zwischen  dem  ursprünglichen 
Laut  des  au  und  dem  O-laut  in  der  Mitte  stand.  Dass  dem  so  ist, 
zeigt  die  Schreibweise: 

Aor elius,  Grat,  95,  6. 
auf  einer  sehr  alten  Erztafel  von  Spoleto.  Hirse  Form  steht  in  der 
Mitte  zwischen  Aur elius  und  der  aus  der  Aassprache  orum  sieh 
ergebenden  Form  Ore  litis.  Fn  Aor  elius  hat  sich  das  u  des  Di- 
phthongen au  dein  vorhergehenden  a  bis  zu  o  assimiliert,  indem  die- 
ser Laut  nach  der  Stellung  der  Sprachorgane  bei  seiner  Aussprache 
dem  a  näher  liegt.  Dies  wird  lautlich  noch  erklärlicher,  wenn  mau 
beobachtet,  in  welcher  Lautrerbindung  sich  au  zu  o  gestaltet. 
Dies  geschieht,  wie  die  vorstehenden  Wortformen  zeigen,  in  der 
älteren  Sprache  nur  in  der  unmittelbaren  .Nachbarschaft  von  Zun- 
genlauten, nämlich  vor  den  Liquiden  I.  r,  dem  Zischlaut  s  und 
den  lingualen  Muten  d  und  t,  zumal  wenn  dem  Diphthongen  noch 
ein  1  vorhergehl.  Auch  später  erscheint  der  aus  au  entstandene 
O-laut  nur  vereinzelt  auch  vor  anderen  Consonanten.  Oben  ist  ge- 
zeigt worden,  dass  u  der  labiale  Vokal  isl  ;  da  dieser  zu  folgenden 
lingualen  Consonanten  jedenfalls  keine  Lautverwandlsehati  hatte, 
so  assimilierte  er  sich  um  so  leichler  dem  im  Diphthongen  au  ihm 


—     169    — 

vorhergehenden  a.  Indem  dann  andrerseits  der  A-laut  sich  dem 
folgenden  o  assimilierte ,  ward  a  o  zu  einem  O-laut  verschmolzen, 
gerade  so  wie  aus  amao  amo  geworden  ist,  oder  wie  man  das  ge- 
wöhnlich ausdrückt,  die  Vokale  wurden  contrahiert.  Die  Griechische 
Sprache  zeigt  denselben  Lautvorgang,  indem  sie  nicht  bloss  die 
Lautverbindung  ao  zu  ö  assimiliert  und  verschmilzt  in  Formen 
wie  ßoQsa,  ev^iiekico^  'E^pela,  Alvslo  neben  *A  td  a  o , 
'Atgsidcco,  TtolvaQtao ,  sondern  auch  die  Lautverbindung 
aov  in  Formen  wie  dpcatft,  neben  vaiBzdovG t,  rt^icoöa 
für  x  i^dovöa.  Diesen  letzten  Lautvorgang  erklären  Homerische 
Formen  wie  öqüimöl,  fjßaaöa  für  dQuovai,r]ßttOvGa, 
die  zeigen,  dass  ov  erst  dem  vorbeigehenden  a  lautähnlicher 
wurde,  also  zu  w,  dass  dann  aber  das  ursprüngliche  lange  a  sich 
dem  folgenden  o  zu  a  assimilierte.  In  den  gewöhnlichen  Formen 
öqcoöi,  rjßcjöi  sind  dann  die  beiden  co  zu  einem  verschmolzen. 
Als  sich  nun  bei  den  Römern  eine  Schriftsprache  und  ein 
Schriftgebrauch  bildete,  drang  die  Schreibweise  AO  für  den  Ueber- 
gangslaut  zwischen  au  und  o  nicht  durch,  sondern  man  schrieb 
entweder,  wo  man  denselben  hörte,  nach  der  Etymologie  au, 
oder  nach  der  Aussprache  o.  Diese  Scheidung  im  Schriftgebrauch 
wirkte  nun  auch  zurück  auf  Entscheidung  der  Aussprache,  so  dass 
zu  Cicero's Zeiten  die  einen  wirklich  Claudicat,  die  anderen  clo- 
dicat,  zu  Vespasians  Zeit  er  selbst  plostrum,  einer  seiner  Hof- 
leute plaustrum  sprach.  Dass  indess  dieses  aus  au  entstandene 
o  im  Volksmunde  einen  anderen  dein  ursprünglichen  Lautau  noch 
näher  liegenden  Klang  gehabt  haben  muss,  das  inuss  man  doch 
aus  dem  fortwährenden  Schwanken  zwischen  a  u  und  o  zu  allen 
Zeiten  schliessen.  In  der  Niederdeutschen  Sprache  giebt  es  ein  aus 
au  verschmolzenes  o  in  Wörtern  wie  gl  oben,  kofen,  lofen, 
oge,  ok,  knobloch,  bom,  tom  für  die  Hochdeutschen  Wörter 
glauben,  kaufen,  laufen,  äuge,  auch,  knoblauch, 
bäum,  zäum,  das  einen  dunkelern  Klang  hat  als  das  lange  o  in 
öne,  böne,  lön,  gehören,  erkören,  ge  st  ölen,  befölen. 
Auch  das  Französische  hat  einen  dumpferen,  volleren  O-laut,  der 
aus  au  hervorgegangen  ist,  in  Wörtern  wie  au,  aux,  aurore, 
aunc,  chevaux,  animaux  neben  einem  helleren  o  in  Wörtern 
wiealörs,  positi  ön,  o raison,  natiön.  Ein  solches  volle- 
r  e  s  d  u  n  k  l  e  r  e  s  o  muss  auch  in  Lateinischen  Wörtern  wie  p  1  o  d  o , 
clostra,    plostrum,  orum,   loretum,   codex   zu  hören  ge- 


—     170    — 

wesen  sein,  verschieden  von  dem  langen  0  in  flöre,  röre,  ho- 
nöre,  formösus,  amböbus,  pötö.  Das  Landvolk  der  Rö- 
mer sprach  in  der  älteren  Kaiserzeit:  plostra,  orum,  oricula 
u.  a.,  die  Gebildeten:  plaustra,  aurum,  auricula.  So 
spricht  das  Niederdeutsche  Landvolk  heutzutage  globe,  bom, 
oge,  der  gebildete  Norddeutsche,  seitdem  die  Neuhochdeutsche 
Mundart  Sprache  der  Gebildeten  geworden  ist,  glaube,  bäum, 
äuge. 

Der  Diphthong  a  u  ist  aber  auch  zu  einem  u  getrübt  worden, 
und  zwar  schon  in  alter  Zeit,  das  lehren  die  Formen: 


rudus,    aestim.    Censoria, 

neben 

r  o  d  u  s , 

r  a  u  d  u  s , 

Fest.  p.  205. 

r  u  d  u  s  c  u  1  u  m  ,    Cinc.   de 

neben 

R 

o  d  u  s  c  u  - 

R  a  u  d  u  s  c  u 

verb.  pris&t'  Fest. 

lana. 

la, 

p.  265.   274. 

ad  rudus,  a.  0.  265. 

de  fr  udo,  Prise.  I,  52.  H. 

neben 

fraudo, 

frustra. 

fraus. 

f  r  u  d  a  v  i ,  Plaut  Trin .  413. 

fr  au  da  vi. 

Ebenso  sieben: 

c  1  u  d  o , 

neben 

claudo, 

C 1  u  s  i  u  s , 

c  1  a usus, 

C 1  u  s  i  v  i  u  s , 

e  1 1  iisnra, 

clostrum,    claustrum. 
Der  Umbrische  Dialekt  lässt  ganz  in  derselben  Weise  au  zu  o 
und  zu  u  einschrumpfen.     Man  vergleiche  : 
Umbr.  uhtur,  tat.    an  clor, 

/'//ihr.  ot  e,  Osk.    au  I  i, 

La/,    a  u  t , 
Umbr.  r  u  f  r  u ,      Umbr.  r  o  f  a ,  Goth.  r  a  u  d , 

Umbr.  I  u  r  u  f ,       Umbr.  t  o  r  u ,  l  <tf.    lau  r  u  8 , 

La/.     T o r a  n  i u  s ,         ' kJc.   tccvQop 
(Umbr.  Sprach//.  AK.  1,  64).     Das  Oskißche  hingegen  bal  den  Vo- 
kal a  u  ungetrübt  erhallen. 

Auch  die  Italienische  Sprache  zeigt  noch  das  Erblheü  jenes 
Schwankens  zwischen  au  und  o  im  Lateinischen.  Sic  hal  die  For- 
men odo,  lodo,  oro,  loro.  Ircsoro,  oso  (audeo),  poao 
(pauso),  o  (aut),  povero  (pauper)  neben  laude,  au  in. 
lauro,  tesauro,  causa,  pausarc.  von  denen  die  Formen  mil 


—     171     — 

o  der  Volkssprache  angehören,  während  die  mit  au,  abgesehen  von 
causa  und  pausare,  die  eine  etwas  andere  Bedeutung  erhalten 
haben  wie  cosa,  posare,  der  gewählteren  Schriftsprache 
angehören  (Diez,  Rom.  Gr.  S.  149).  Auch  die  Verschmelzung 
des  a  u  zu  u  hat  die  Italienische  Sprache  fortgesetzt  in  : 
ucello  für  aucello,  avicello. 

Demnach  ergiebt  sich  aus  der  vorstehenden  Untersuchung 
über  die  Trübung  des  Diphthongen  au,  dass  sich  derselbe  schon  in 
alter  Zeit  besonders  vor  den  Zungenlauten  1,  r,  d,  t,  s  zu  einem 
dumpfen  vollen  O-laut  getrübt  hat,  der  dem  Niederdeutschen 
aus  au  entstandenen  o  in  Wörtern  wie  bom,  oge,  globe  ähnlich 
klang.  Doch  blieb  daneben  die  ursprüngliche  Aussprache  des 
Diphthongen  au  bestehen.  Nach  vollendeter  Ausbildung  der 
Schriftsprache  war  dieser  O-laut  besonders  der  Aussprache 
des  Volkes,  namentlich  des  Landvolkes  eigen,  während  die 
Gebildeten  in  der  älteren  Kaiserzeit  der  Aussprache  und  Schreib- 
weise au  den  Vorzug  gaben.  Da  sich  indess  auch  die  Gebildeten 
dem  Einfluss  der  Volkssprache  nicht  entziehen  konnten,  so  ist 
auch  in  die  Schriftdenkmäler  der  späteren  Zßit  das  Schwanken 
zwischen  der  Schreibweise  au  und  o  übergegangen  und  in  der 
Aussprache  durch  alle  Zeiten  bis  auf  die  heutige  Italienische  Sprache 
vererbt.  Ebenfalls  alt,  doch  viel  seltener  ist  die  Trübung  des  au 
zu  u. 

ou. 
Wie  oben  gezeigt  worden,  ist  der  Diphthong  ou  im  Lateini- 
schen auf  verschiedene  Weise  entstanden:  durch  Vokalsteigerung 
in  Loucina,  Loucetios,  loumen,  poublicom,  abdoucit, 
durch  Ausstossung  des  Halbvokales  i  und  Verschmelzung  eines 
stammhaften  o  mit  dem  u  eines  Comparativsuffixes  in  plous, 
plouruma,  durch  Auflösung  des  Consonanten  v  in  den  Vokal  u 
vor  folgendem  Consonanten,  mit  dem  es  nach  Ausfall  eines  e  oder  i 
in  Berührung  gekommen  vyar,  in  noundinum,  Nounas  für  no- 
vendinum,  Novenas,  Clouli  für  Clovili.  Der  Diphthong  ist 
jedoch  in  der  Blüthezeit  der  Römischen  Litteratur  überall  zu  einem 
einlautigen  u  getrübt  worden.  Ueber  die  Zeit,  wann  diese 
Trübung  eingetreten  ist,  und  welche  Mittelstufen  sie  durchgemacht 
hat,  geben  uns  die  Inschriften  Auskunft;  in  den  Textender  älte- 
ren Römischen  Schriftsteller,  namentlich  des  Plautus,  ist  infolge 
später  durchgeführter  Neuerungen  der  Schreibweise  der  Diphthong 


172     — 


ou  nicht  mehr  zu  finden.     Dieser  erscheint  in  folgenden  Wertfor- 
men auf  älteren  Inschriften : 
F  o  u  r  i  o ,  /.  Für.  Bull.  arch.  B. 


1847   p.  166.     Bitschi  Mtl. 

Pop.  4. 
Fouri,  a.   0. 

poublicom,  /.  N.  715.  716. 
Loucanam,  t.  Scip.  B. 
Jsoucina,   /.  N.  6762.   Maffei 

Mus.  Veron.  p.  470. 
Loucetios,    Mar.    Victor,  p. 

2459. 
loumen,  a.  0. 
abdoucit,  t.  Scip.  B. 
i  n  d  o  n  c  c  r  e ,  Sc.  d.  Tiburl.  Or. 

3114. 
indoueimus,  a.  0. 
indoucebamüs,  Bilschl  .  )///• 

Popil.  Man.  Lp.  fr.  p.  4. 
pfouruma,  /.  N.  5882. 
Cloul..,  a.  0. 
p  1  o  u  s ,  Sc.  d.  Bacc. 
jous,  /.   agr.  (Thor.)   I.  repet. 

(Serv.)  I.  Termcs. 
jour(e),  /.  N.  4239. 
joubeatis,  Sc.  d.  Bure. 
j  o  u  s  i  s  e  n  1 ,   a.  0.    cf.  I.  rep. 

(Serv.) 
jousit,  l.  Aleirin.  Mon.  Ep.  tr. 

Ritschi.  Or.  3892. 
j  o  u  s  e  r  ii  n  I ,  tob,  den.  I.  repet. 

(Serv.) 
j  o u «lex,  /.  Bant.  I.  repet.  l.  re- 

/>('/.  (Scrr.) 
joudicio,  /.  repet.    I.  repet. 


j  o  u  d  i  c  a  1 1  o ,  /.  repet.  (Serv.) 
joudicato,  /.  agr.  ( Thor.)  vgl. 

I.  rep. 
conjourase,  Sc.  d.  Bacc. 
jouranto,  t.  Bant.  I.  rep.  cf. 

I.  rep.  (Serv.) 
jouraverit,    t.   Bant.  I.  rep. 

(Serv.) 
injourias,  t.  Gen. 
jouret,  /.  rep.  (Serv.) 
n  o  u  n  d  i  n  u  m ,  Sc.  d.  Bacc. 
Nounas,  I.N.  3095  (p.Ch.b). 
Nouceriam,  Mit.  Pop.   1.  J. 

6276.    Bit  sc  hl  Mon.  ep.  tr. 
nountios,    Mar.     J'ictor.    p. 

2459. 
poloucta,  /.  N.  1195. 
couratoque,  /.  rep.  (Scrr.) 
Töutia,   Or.  1501. 
Titovr,  /.  V.  (559. 
Oufentina,  Or.  1497.    Lvcil. 

Fest.  p.  19  1.    Momms.  U.  D. 

p.  218. 
Oufen  i  e  ,  Lueü.  Fest.  a.  <>. 
s.tveis,  /.  N.  5882.  299. 
siivn,  Or.   Isis. 
elovacas,    /.  N.    1172.     cf. 

Mar.  Victor,  p.  2469. 
Clovatia,  Gm  f.   660,  3.    vgl. 

I.N.  1795. 
Glovatioi  I.  .V.  2377. 
Clo(vi u s),  tum.  Ritsch.  Epigr. 

ir.p.  35. 


(Serv.) 
Ritschi  hal  in  einer  eingebenden  Untersuchung  bereits  nach- 
gewiesen (Montan.  Epigraph,  tria:  de  Müiario  Popiliano^  p.  I  >. 
dass  die  Schreibweise  ou  auf  Inschriften  allgemein  nur  bis  in  die 


— •     173    — 

Zeit  des  Bundesgenossenkrieges  üblich  ist;  nur  in  dem  Worte  jous 
und  den  stammverwandten  Wörtern  hält  sie  sich  bis  in  die  Zeit 
des  Sertorianischen  und  des  Sklavenkrieges,  weil  man  in  Reehts- 
urkunden  die  alte  Schreibweise  jous,joubeatis,joudex,jou- 
dicio  nach  der  Sitte  der  Vorfahren  beibehielt.  Später  findet  sich 
die  Schreibweise  nur  noch  in  einzelnen  Siglen  und  Aufschriften  von 
Familienmünzen,  wo  man  ebenfalls  den  althergebrachten  Schreib- 
gebrauch  festhielt.  Allein  es  ist  schon  frühzeitig  ein  Schwanken 
eingetreten  zwischen  den  Schreibweisen  ou  und  u,  und  u  findet 
sich  bereits  auf  den  ältesten  Inschriften,  die  wir  besitzen,  wenn 
auch  seltener;  so: 

Junone,  t.  Pisaar.  Ritschi  fictil.  Tat.  p.  27. 
für  Jounone,  das  zwar  nirgends  vorkommt,  aber  durch  die  Ety- 
mologie sicher  erschlossen  wird.  Von  Jovi-  ward  Jovina,  dann 
durch  Anfügung  eines  neuen  Suffixes  -on  Jovinon  gebildet, 
woraus  nach  Ausfall  des  i  -J o  u  n  o  n ,  ,T  u  n  o n  ward. 
L u c i o m ,  t.  Scip.  Barb.  f.  neben  Loucanam,  /.  Scip.  Barb. 
Lucius,  t.  Scip.  Barb.  Loucina,  I.N.  6762. 

Hier  also  erscheint  u  für  ou  schon  auf  Sprachdenkmälern,  die 
bis  in  die  Zeil   des   ersten  Punischen  Krieges   hinaufreichen.     Im 
Zeitalter  der  Gracchen  beginnt  das  Schwanken  zwischen  ou  und  u 
allgemeiner  zu  werden.     Man  vergleiche: 
Publi,  /.  Scip.  P.  f. 
Publio,  a.  0. 
jusit,  t.  Ätesl.  et  Veic.  M\3110.     jousit,   t.   Aletr.    Mon.   Ep. 

fr.  R.  Or.  3892. 
juserunt,  tob.  Genua t.  jouserunt,  tab.  Genua/. 

j  u  d  i  o  01  u  r ,  /.  repet.  j  o  u  d  i  c  a  v  e  r  i  t ,  /.  repei. 

j  u  d  i  c  a  t  o ,  /.  agr.  ( Thor.)  j  o  u  d  i  c  a  nd  a  e ,  /.  agr.  ( Thor. ) 

jusit,  a.  0.  jous,  a.  <>. 

j  II  d  i  c  e  s ,  /.  repet.  {Serv.)  j  o  u  d  i  c  e  s ,  /.  repet.  (Serv.) 

j  u )"  a  r  i  t  v  e ,  /.  rep.  (Serv.)  j  o  u  r  e  t ,  /.  rep.  (Serv.) 

j  u  d  i  c  i  a ,  /.  d.  Termes.  jous,  /.  d.  Termes. 

Die  Verschmelzung  des  Diphthongen  ou  geschah,  indem  ent- 
weder sich  das  u  dem  vorhergehenden  o  assimilierte  und  beide  zu 
einem  langen  Laut  verschmolzen,  oder  das  o  sich  dem  u  assimilierte 
und  mit  demselben  zu  einem  langen  u  zusammenfloss.  Schon  in 
alter  Zeit  der  Sprache  zeigt  sich  die  Trübung  des  Diphthongen  ou 
zu  o;  dieses  o  verdunkelte  sich  dann,  wie  in  dem  Abschnitt  über 


—     174    — 

Wahlverwandtschaften  zwischen  Consonanten  und  Vokalen  gezeigt 
werden  soll,  vor  zwei  oder  mehreren  Consonanten  zu  u.  Man 
vergleiche : 

ou  ö  ü 

poublicom,  7.JV.715.  716.  pöplicod,  Sc.  ä.  Püblio,   i.  Scip. 

Bacc.  P.  f. 

poplico,  Mil.Po-  Publi,  a.  0. 

pil.  R. 
poplicas,  a.  0.   publi cns,  Lagr. 
p  o  p  1  i  c  e ,  /.  Bant.      ( Thor.)  I.  rep. 

I.  rep. 
poplici,  t.  Gen.     puplico,  /.  rep. 
poplicum,  a.  0.       (Serr.) 
p  o  p  1  u  c  u  m ,  a.ü.  publice,  /.  c. 
poplico,  a.    0. 
vgl.  1:  rep.    I. 
rep.  (Serr.)  1. 
u(jr.  (Thor.) 
Poplicola  (/.  R.  N.  4065)  gehört  nicht  zu  den  Formen  in  denen 
o  aus  ou  verschmolzen  ist,  da  dieses  Compositum  von  dem  Stamme 
pöpulo,   pöplo  ohne  Vokalsleigernng  gebildet  ist,  wie  die  grie- 
chische  Schreibweise    nonlixolag   zeigt.     Man  vergleiche 
ferner : 

n  o  u  n  t  i  o  s  ,    Mar.    Victor,     n  o  n  t  i  a  t  a ,  Sc.  ä.  n  u  n  t  i  u  s , 
//.  2459.  Tilnirt. 

(den)ontiari,  /.  de n u n ti a r e , 

Bant.  t.  rep.  (Srrr.) 
pronon  tiarit,  /.  pro  nun  t  in  r  ii . 

a.  (i. 
pronont  ia  t  o  ,       prondntiato, 

a.  <>. 
p  r  o  n  o  n  t  i  a  t  u  m ,  p  P  o  n  u  n  t  i  a  t  u  m, 
fr.  Ma/J'ei.  Mus. 
)'(')■ .  p.  365. 
Nu  unas,  /.  N*  B095.  nondin(um).       nun  diu  um. 

n ou n (1  in u m ,  Sc. d. Bacc.  tat/.  Bant. 

Nouceriam,  I.  N.  6276.  Nuceria, 

Osk.  N  u  v  k  r  i  n  u  m ,  MömtnS. 
U.  JK  p.  2%\\. 


-    175    - 

Osk.  Novlanum,  a.  0.  Nolae,  /.  N.  2513. 

2514. 
Die  Grundformen  der  beiden  letzteren  Städtenamen  waren 
INoviecria,  Novula  mit  der  Bedeutung  Nsaitokis, 

F  o  1  v  i  u  s ,  I.  N.      F  u  1  v  i  u  s. 
1094. 
Der  Diphthong  ou,  der  sich   vor  folgendem  Vokal  zu  ov  ge- 
staltete, ging  ober  auch  durch  Assimilation  des  o  zu  u,  also  durch 
die  Mittelstufen    im,    uv   in   u  über,    wie    folgende  Vergleichung 
lehrt: 

ov.  uv.  u. 

soveis,  1.  N.  5882.  299.       su vo,  7.^.3789.    suo. 
sovo,  Or.  4848. 

clovacas,  7.  N.  4471.  Cluvius,    7.  N.     Cluentius, 

2514. 
Cluvia,     a.  0. 
Clovatia,    GfUU  660,  3.       Clüventius,        Cluatiae,  7.  N. 

Momms.  I.  Neap.  689. 

Ind.  nom. 
flovio,  t.  Genitat.  fluvio,  /.  Gen.      con!fluont,A6Vv/. 

conflovont,  t.  Gen. 
.1  o  v  e  n  l  i  o  n  c  m ,  /.  Gen.         J  u  v  e  n  t  i  u  s , 
Vitrovius,  7.  N.  1957.         Vitruvius, 
Loucanam,  /.  Scip.  JBarb.     luuci,   /.  Bant.     luci,  l.  rep.    " 
L  o  u  c  i  n  a ,  I.  N.  6762.  L  u  u  c  i  a  e ,  7.  N.     L  u  c  i  o  m ,  /.  Scip. 

4304.  B.  f. 

Lucius, t.Scip.B. 
j  ous,  /.  agr.(Thor.)  I.  repet.  j  uns,  /.  Com.  de    j  u s. 
(Serv.)  L  Termes. . .  XX  q. 

Unter  den  Italischen  Dialekten  hat  die  Sprache  der  Osker,  so 
weit  wir  sie  aus  Denkmälern  kennen,  den  Diphthongen  ou  (ov) 
überall  gewahrt.  Ursprünglich  Oskische  Namen,  die  in  die  Latei- 
nische Sprache  übergingen,  oder  auch  von  vorn  herein  bei  den  Rö- 
mern vorkommen  wie  J u  v e  n  ti  u s ,  Cluvia,  Lucius,  L  u  c  e t i  u  s 
{Momms.  Unt.  Dial.  Glossar),  haben  natürlich  auch  die  Umgestal- 
tung nach  lateinischem  Lautgesetz  erfahren  und  beweisen  für  die 
Oskische  Sprache  nichts.  Im  Umbrischen  ist  der  Diphthong  ou 
(ov)  wie  im  Lateinischen  zu  o  verschmolzen  und  zu  u.  So  ent- 
stand aus: 


—     176    — 

Lat.  commovita,       Unibr.  comohota, 
Lat.     commota, 
Lat.  Nounas,  Urribr.  N o n i a r , 

N  o  n  i  a  e , 
Osk.  t  o  u  t  o ,  Urribr.  t  o  t  a,  Urribr.  t  u  t  a , 

Lat.  bovis,  Lat.     bubns, 

Umbr.  Iiue. 
Dass  auch  im  Umbrischen  ow  durch  Assimilation  des  o  zu  u 
verschmelzen  konnte  zum  Vokal  Ti  zeigen  neben: 

Jove  Jovie  die  Formen  Juve  Juvic 
{Umbr.  SprachcL  AK.  I,   56). 

Verschmelzung  des  ou  zu  o  fand  auch  in   der  Sprache  der 
Volsker  statt,  das  beweist  die  Form: 
toticu,  neben  Osk.  tovtiks, 
toutico 
(Tab.  Velletr.  Momms.  Unt.  U.  (.  XIV,   I.  p.  320.  304). 

Der  Dialekt  der  Sabeller  zeigt  die  Trübung  des  ou  zu  o  in: 
lotai,   neben  toutai , 

vgl.  Maroucai 
auf  der  Bronzetafel  von  Rapino  (Momms.  Unt  DiaL  T.  XIV.  p.  360). 
Auch  hier  zeigt  sich  also,  wie  die  verwandten  Italischen  Dialekte  den 
gleichen  Weg  einschlagen  in  der  Trübung  der  Diphthonge  zu  ein- 
lautigen  Längen.  {Vgl.  Verf.  De  Volscorum  lingua,  Profft,  1858. 
P.  36  ZV) 

e  u. 

Der  Diphthong    eu    erscheint  im  Lateinischen  am  seltensten. 
Schon  oben  ist  die  Form : 

Leu ce sie,  Carm.  Saliar.  Ter.  Scaur.  p.  2261. 
aus  dem  alten  Gesänge  der  Römischen  Marspriester,  die  im  März 
mit  Tanz  und  Gesang  den  Frühlingsanfang  feierten,  erwähnt  worden 
zum  Beweis,  dass  u  auch  im  Lateinischen  zu  eu  und  ou  gesteigert 
werden  könne.  Es  muss  aber  auch  der  Vorname  Lucius  einmal 
die  Form  und  den  Klang  Leucins  gebäht  haben,  es  ist  sonst  nicht 
begreiflich,  wie  die  (.riechen  zu  der  Schreibweise  Jevxiog  ge- 
kommen sein  sollten.  Seilen  findet  sich  sonst  noeb  der  Diphthong 
eu  in   der  Slanunsilhe  von  Wörtern.      So   in  den   Namen  : 

Teurano,   Sc,  d.  Bacc. 

Teurisci,  /.  N.  3689. 


—    177     — 

Leuvius,  /.  N.  441. 

Teudasio,  /.  N.  4672. 

Wie  durch  Zusammensetzung  der   diphthongische  Laut  ent- 
standen ist  in : 

Deuter,     für     ne-uter, 

neutiquam,      ne-utiquam, 

neu,  ne-ve, 

seu,  se-ve, 

davon  ist  schon  ohen  die  Rede  gewesen.  Sonst  erscheint  eu 
noch  in : 

ceu,      heu,      eheu. 

Für  die  frühzeitige  Verschmelzung  des  Diphthongen  eu  zu  u 
ist  ein  Beleg  die  Form: 

Lucetium,  Carm.  Saliar.  M aerob.  Sat.  II,  15, 
eine  andere  Form  des  Namens  Leucesie,  mit  dem  die  altromi- 
schen  Priester  zur  Zeit  des  Frühlingsanfangs  den  Jupiter,  den  Hirn - 
m e  1  v a t e r ,  als  Lichtspender  anriefen.  Beide  Formen  sind  wohl 
aus  einer  ursprünglichen,  Leucentius  entstanden,  die  vom  Parti- 
cipialstamm  leucenl-,  lucent-  des  Verbuni  (leucere)  lucere 
durch  das  Suffix  -io  gebildet  ist,  also  der  Leuchtende  bedeutet. 
Aus  Leucentius  ward  Leucensius  Leucesius,  wie  aus  vi- 
centies  die  Uebergangsformen  vicensies,  vicesies,  aus  de- 
nen vi  cies  hervorging.  Andererseits  wurde  aus  Leucentius 
Lucentius  wie  aus  Asvxtog  Lucius  und  dann  die  Form  Lu- 
cetius,  indem  das  n  vor  t  verklang  wie  in  praegnatem,  regnate, 
Costati,  mereti,  Formen  die  oben  besprochen  sind.  Sonst 
scheint  der  Diphthong  eu  noch  zu  u  verschmolzen  in: 
n u  1 1  u s ,  für  n e - u  1 1  u s ,  nusquam,  für  ne-usquam, 

nunquam,  ne-unquam,  nutiquam,       ne-utiquam; 

aber  dies  ist  nur  Schein ,  da  ein  wirklicher  Diphthong  in  diesen 
Wortformen  schwerlich  gesprochen  worden  ist.  Das  ne  lehnte  sich 
vielmehr  an  das  folgende  hochbelonte  Wort  und  verlor,  nachdem  es 
seinen  Hochton  eingebüsst,  seinen  auslautenden  Vokal,  wie  dies  in 
den  Verbindungen  sat  in',  audin',  viden'  der  Fall  ist,  wo  es 
sich  enklitisch  an  das  vorhergehende  Wort  gelehnt  hat.  Wo  wie 
in  Lucetius  neben  Leucesie  ein  wirklicher  Diphthong  zu  u  ver- 
schmolz, hat  man  diesen  Lautvorgang  so  aufzufassen,  dass  das 
schwache  e  sich  dem  stärkeren  u  assimilierte  und  dann  mit  dem- 
selben zusammenfloss. 

CORSSEN.  12 


178 


ai. 

Die  Lautgeschichte  der  Diphthongen  ai,  o'i,  ei  ist  deshalb 
für  die  Sprachgeschichte  von  besonderer  Wichtigkeit,  weil  sie  viel- 
fach entstanden  sind  durch  das  Herantreten  vokalisch  anlautender 
Casussuffixe  an  den  vokalisch  auslautenden  Stamm  des  Wortes, 
weil  somit  der  Verlauf  der  Trübung  jener  Diphthonge  zugleich  die 
Abschwächung  der  Flexionsendungen  in  sich  begreift.  Für  die 
Untersuchung  über  die  Aussprache  und  die  Verschmelzung  des 
Diphthongen  ai  ist  es  zunächst  zweckmässig  die  Formen,  in  de- 
nen derselbe  auf  Inschriften  und  älteren  Sprachdenkmalern  über- 
haupt vorkommt,  nach  der  Zeitfolge  geordnet  zusammenzustellen, 
und  zwar  zunächst  diejenigen  Wortformen,  wo  er  in  (}cv  Stamm- 
silbe erscheint: 

praidad,/.  Für. Momms.  U.  />.     aire,  Or.  3147. 

p.  276.  airid,  Momms.    U.  D.  p.  300. 

aidiles  (N.  PI.),  Ör.1433.  LN.     quaistores,   /.  N.  715.     Or. 


4102. 
a  i  d  i  1  i  s ,  /.  Scip.  B.  /'.    Rhein . 

Mus.  IX,  1.  12.  16.    (.  Scip. 

B.  1.  Scip.  ffisp.  Or.  554.  /. 

Baut. 
Maisie,ör.  4308,  5.  r#/.Mai- 

sius,  LN  4040  b.(p.Ch.  193) 

vgl.    Maesae,  /.   N.   4057. 

Maesiae,  I.  X.  5580. 
Aica  s,  T.  N.  57<>  l. 
praifectura,  I.  N.  4139. 
aiquom,  Sc,  </.  Bacc. 
q  u  a  i  r  a  t  i  s ,  /.  Scip.  Cn .  /'.    Cn. 

n.  Or.  555. 


3147. 
K  a  i  1  i  ,     /.    coiumb.     Smuus<-. 

Momms.  U.  J).  p.  32. 
aide  {Are.  S.),  /.  Scip.  B.  /'. 
<i  naivod,  /.  Scip.  />'. 
<•  onq uaei si vei,  Ml/.  Popil. '■) 

I.  N.  0270.     Mon.  Ep.  fr.  lt. 
Caicilio,  /.  viae  App.    Rhein. 

Mus.  NIM,  2Ss.  /.  Genuat. 
Aiiniliiis,    Grtti.  12*1,  2. 
C aei ci ,  /.  ( 'arth.  Momms.  /://. 

Mus.  I\.    153. 
Vi  -  i  us,  /.  N.   1  172. 


Auf  Inschriften  der  Kaiserzeil  erscheint  die  Sehreibweise  A  I 


ebenfalls   noch  häufig  in   \\  »Histaminen  : 


*)  In  den  Schreibweisen  conquaei  sivei,  Caeicins,  Caeicia 
nua,  Caeioilins,  Caeidia  ist  aei  ein  Vermittlungsrerancb  iwiaehen 
den  Schreibarten  ai  und  ac  (vgl.  li  Uschi,  Mon.  ep.  tr   p.H.  f.  Momms.  Rh. 
Mus.  IX,  453.) 


—     179    — 

praif(cctus), 7.^.2211. 3610.      (p)raidia,  Or.  3882. 
praisul,  L  N.  2211.    ,  aid  . .,  Gml.  464,  2.  468,  9.  69, 

Gaitul.,  a.  0.  11. 

Caisar,  Or.  656.    7.  TV.  6256.      Laitiliae,  Gr.  863,  1. 

Or.  54.  714.  710.  711.   730.      Nai via,  I.N.  1602.  (161  —180 
Grut.  1 09,  7.  7.  N.  2566.  2567  p.  6'/*.). 

u.  a.  Aimilia,  7.  N.  2930.  6407. 

Aidius,  Or.  714.  Caeidia,  7.  iV.  5434. 

Caicilio,0r.488.  £n//.  863, 1 .      Gaidio,  IN.  5441. 
C  a  i  c  i  I  i  a  i  ,  7.  JV.  4794.  M  a  i  s  i  u  s ,  7.  N.  4040  b.  (p.  Ch. 

Caiciliano,  Or.  488.  193.) 

Raitiai,  a.  0.  Caivisius,  7.  N.  2383. 

Der  spätesten  Kaiserzeit  nach  Ende  (\os  zweiten  Jahrhunderts 
gehören  an : 
Aimilins,   Or.  972.   (242;;.     aidiculam,  1.  N.  2444. 

Ch.).  Aiseidi,  7.  N.  4000. 

Ca  ib ins,  7/ TV7.  678. 

Als  Casusendung  oder  als  Theil  derselben  erscheint  der  Di- 
phthong ai  im  f.enetiv,  Locativ  und  Dativ  Singularis  und  im  Nomi- 
nativ Pluralis  der  A-stämme.     So  als  Endung  des  Genetiv  und  Lo- 
cativ wie  des  Dativ  Singularis  in  folgenden  Wortformen: 
.    Aus  der  Zeit  vor  August us: 

Genetiv  und  Locativ.  Dativ. 

fameliai,  R Uschi  fiel.  Latin,  p.  26. 
A  e  c  e  ti  a  i ,  a.  O.  p.  1 7.  Momms.  U.  D.  28. 
L  a  v  e  r  nai,  Bitschi,  a.  0.  p.  18. 
B  e  1  o  ( n )  a  i ,  a.  O. 
Me nerval,  Or.  1421. 

Locat.  Roma i,  Cist.  Pracn.  Or.2497. 
/.  Jnl.  mm. 
pulcrai,  Or.  4848. 

vitai,  7.  N.  3833.  Caesiai,  7.  N.  5825. 

Dvelonai,  Sc.  d.  Bacc.  Dia  nai,  Or.  1456.  1446. 

Feroniai,  7.  N.  5753. 
coloniai,  I.  N.  6149.  2249. 

restinetai,  7.  N.  2458.  Clodiai,  7.  N.  1590. 

Appiai,  7.  N.  3918.  ßlycerai,  a.  O. 

O  f  i  1 1  i  a  i ,  7.  AT.  1 956.  L  u  c  1  a  i ,  7.  N.  4393. 

Rufai,  a.  O.  a n j a n t i s s ii m a i , 7.7^.3 7 1 4 . 

12* 


—     180     — 

Auch  in  der  Zeit  des  August us  und  der  folgenden  Kaiser  finden 
sich  dieselben  Schreibweisen;  so  zum  Beispiel: 

Gen.  Local.  Dal. 

Agrippai,  1.  N.  1973. 

coloniai,  Griii.  227,  3. 

Beneventanai,  a.  0. 

Sentiai,  Gr.  1041,  4. 

Maxsumai,  a.  0. 

Uttediai,  I.N.  4429. 

Quartai,  a.  0. 
patriai,  Or.  650.  Antoniai,  Or.  650. 

Local.  Asiai,  /.  N.  2516.  Augustai,  a.  0. 

Syriai,  a.  0.  Juliai,  a.  0. 

Agrippinai,  a.  0. 

in  vi  et  ai,  Or.  714. 
provinciai,   Or.  488.  Picai,  Or.  488. 

Raitiai,  #.  0.  reipublicai,  Or.  3882. 

Romai,  ä.  0.  Octaviai,  Gr.  238,  6. 

Calidiai,    Gr.   725,    10. 
982,    10. 
divinai,  Gr.  1063,  2.  Priscai,  a.  O. 

Bonai,  Gr.  81,  1  11. 
viai,  Gr.  739,  4.  deai,  a.  O. 

Local.  Dertosai,  Gr.  402,  3.  Secundai,    Cr.  725,  10. 

Romai,  Gr.  739,  4.  742,8.  568,  2. 

Domitiai,  6Y.  742,  8. 

Cassiai,  Gr.  742,2. 

Maximal,  fl.  O. 

Statiai,  a.'O. 

Severai,  a.  O. 

Sextiliai,  /.   V.    1661. 

Chresl  ai,  a.  (f. 

Ulpiai,   Cr.  517,  3. 

S  c  i  l  a  i ,  a.   (k 

Piluraenai,  a.  o. 

Sem  pro  n  i  ;i  i.  Gr.  143,   I. 

Gallai,  a.  <>. 

Pei  rooiai,  Cr,  568,  *2. 

Tanniai,  a.  O. 


—     181     — 

Genetiv  und  Locativ.  Dativ. 

Terentiai,  a.  0. 

Pobliciai,  Gr.  815,  15. 

Atlicai,  a.  0. 

Rufriai,  Gr.  740,  4. 

Exoratai,  a.  0. 

Manliai,  /.  N.  1450. 

Didiai,  I.  N.  1603. 
Caiidiai,/.  N.  4501.  Egnatiai,/.  N.  3715. 

Fortunai,  7.^.4741.  Flav  iai,  /.  N.  3740. 

Nipiai,  I.  N.  5302.  IMiiluminai,  a.  0. 

Tintoriai,  /.  N.  3836.  Vitelliai,  /.  N.  3864. 

Nicostratai,  a.  0.  Siatiai,  a.  O. 

Cerriai,  I.  N.  5256. 

Magiai,  I.  N.  4999. 

Muniai,  /.  N.  5852. 

Prol)ai,  1.  N.  3809. 

Noch  in  der  spätesten  Kaiserzeit  kommen  vor: 
Gen.  u.  Loc.  Dat. 

coloniai,  Gr.  362,2.  (/;.  Cli.  32J.)     Artemai,  Gr.  816,  9. 

cojugai,  /.  N.  6699. 
Januariai,  I.  N.  5383. 
Mammulai,  I.  N.  7125. 
Zunächst  zeigt  diese  ßeispielsammlung,  dass  in  der  älteren  Zeit 
die  Genetivformen  auf  ai  viel  häufiger  vorkommen  als  die  Dativformen, 
hingegen  in  der  Zeit  seit  Cäsar  die  Dativformen  zahlreicher  erschei- 
nen.   Das  letzte  hat  wohl  hauptsächlich  darin  seinen  Grund,  dass  auf 
Weiheinschriften  und  Grabschriften  der  Dativ  der  Person,  derein 
Denkmal  oder  Kleinod  geweiht  ist,  der  Natur  der  Sache  nach  in  der 
Inschrift  vorkommen  muss,  während  für  den  Gebrauch  des  Genetiv 
die  Gelegenheit  nicht  so  oft  geboten  ist. 

Viel  seltener  findet  sich  der  Diphthong  AI  geschrieben  als  En- 
dung des  Nominativ  Pluralis  von  A-stämmen.  Doch  finden  sich  so 
auf  Inschriften  der  älteren  Zeit: 

haice,  Sc.   d.  Bacc.  (Acc.  Plur.  gleichlautend  dem  Nom.  wie 

haec.) 
tabelai,  a.  O. 
datai,  a.  O. 


—    182    — 

eai,  /.  JuL  mun. 

literai  ve,  /.  repet.  Egger,  Lat.  serm.  vet.  rel.  p.  282. 
auf  Inschriften  der  Kaiseizeit: 
quai,/.  N.  2211. 
arai,/.  N.  5750. 

Die  Schreibart  AI  erscheint  nun  aber  schon  seit  der  Zeit  des 
Senatusconsults  über  die  Baccanalien,  also  seit  dem  Zeitalter  des 
Syrischen  Krieges,  nicht  als  die  allein  gebrauchliche,  sondern  es  geht 
ihr  die  Schreibvveise  AE  vielfach  auf  derselben  Inschrift,  ja  in  dem- 
selben Worte  oder  an  derselben  Wortstelle  zur  Seite.  So  liest  man 
auf  denselben  Inschriften  nebeneinander: 

a  i  q  u  o  m ,  a  e  d  e  m ,  Sc.  d.  Bacc. 

pulcrai,  fcininae,  Or.  4848. 

a  i  d  i  1  i  s ,  q  u  a  c  s  t  o  r  q  u  e ,  /.  Baut. 

aerarium,  a.  0. 

Caicilio,  Gaecilio,  /.  Genuat. 

Ronrae , 

Aimili us ,  a e d i culam,  Gr.  1 92,  2. 

Romai ,  Roma e,  /.  JuL  munic. 

eai,  eaedem,  a.  n. 

Und  dasselbe  Schwanken  bleibt  auch  in  der  Kaiserzeit  (vgl, 
f/////.567,3.  454,2.  850,  3.  636,3.  Or.lM  u.a.).  insbesondere  isl 
aber  hervorzuheben,  dass  in  den  Gesetzurkunden  seil  der  Zeil  der 
Gracchen  bis  zu  Ende  der  Republik  sich  die  Schreibweise  AI  mir 
ganz  vereinzelt  findet,  und  dass  AE  die  regelmassige  Schreibweise 
dieser  Inschriften  ist,  die  etwa  von  Ti.  Gracchus  bis  Caesars  Zeil 
reichen.  Seit  dem  Augusteischen  Zeitalter  und  insbesondere  seil  der 
Zeit  des  Claudius  erscheint  dann  AI  wieder  häufig  auf  Weihe- 
inschriften und  Grabschriften  in  Dativformen,  seltener  in  Genetiv- 
formen und  äusserst  selten  in  anderen  Casusformen;  vereinzelt  rindet 
sich  AI  auch  noch  in  der  spätesten  Kaiserzeit.  Wenn  nun  seit  dem 
Zeitalter  der  Macedonischen  und  Syrischen  Kriege  die  Schreibari 
zwischen  AI  und  AE  schwankt,  wenn  von  der  Zeit  der  Grarclien  bis 
Caesar  auf  den  ausführlichsten  und  wichtigsten  Öffentlichen  Schrift- 
denkmälern die  Schreibari  AE  herrscht,  so  nmss  man  schon  seil 
Anfang  des  zweiien  Jahrhunderts  vor  Christus  angefangen  haben  ac 
zu  sprechen,  und  diese  Aassprache  nmss  in  der  Epoche  des  Empor- 
bliihcns  der  Römischen  Litteratur  vollständig  durchgedrungen  sein, 


—     183    — 

wenn  man  auch  in  einzelnen  Fällen  noch  nach  aller  Weise  A 1  schrieb. 
Was  hier  aus  Inschriften  erhellt,  wird  dadurch  bestätigt,  dass  Lucilius 
die  orthographische  Regel  aufstellte ,  man  solle  zur  Unterscheidung 
den  Genetiv  und  Dativ  Singularis  der  A-stämme  mit  AI  schreiben,  den 
Nominativ  Pluralis  mit  AE  {Quintil.  I,  7,  18  f.  Vcl.  Long.  p.  2222). 
Es  ist  bereits  gesagt  worden ,  dass  die  Schreibweise  AI  im  Pluralis 
auch  auf  den  ältesten  Sprachdenkmälern  sehr  selten  ist;  diesen 
schon  besiehenden  Schreibgebrauch  schärfte  Lucilius  noch  bestimm- 
ter ein.  Dass  aler  im  Uebrigen  die  orthographische  Regel  des  Lu- 
cilius im  Schreibgebrauch  ebenso  wenig  durchdrang  wie  die  Unter- 
scheidung von  EI  und  1,  das  zeigen  die  genannten  Gesetzesurkunden 
nach  Lucilius  Zeil,  die  mit  ganz  vereinzelten  Ausnahmen  auch  in  den 
Singularformen  AE  schreiben.  Klar  ist  aber,  dass  zu  Lucilius  Zeiten 
überall  ae  gesprochen  wurde;  Lucilius  wollte  für  das  Auge  durch  die 
Schrift  einen  Unterschied  dieser  Casusformen  sichern,  der  im  Klange 
für  das  Ohr  nicht  mehr  bestand.  {Vgl.  Vel.Long.  a.  0.) 

Dieselbe  Abschvvächung  des  Diphthongen  ai  zu  ae  wie  die  ange- 
führten gewöhnlichen  Casusformen  der  A-stämme  zeigen  nun  auch 
die  auf  -aes  auslautenden  Genetive  von  solchen,  besonders  von 
Frauemiamen,  die  nur  auf  Inschriften  vorkommen;  zum  Beispiel 
folgende : 
Pesceniaes,  /.  N.  3798.  (vor     Agrippinaes,  /.  N.  6306,  3. 

Aug.)  L  e  p  i  d  a  e  s ,  a.  0. 

L a u d i c aes,  a.  O.  M usaes,  /.  N.  6578. 

Her  aes,  /.  N.  2364.  {vor  Aug.)      Helen  aes,/.  N.  7019. 
Dianaes,    /.    N.    3789.    {vor     Sat  um  in  aes,  /.  N.  7038. 

Aug.)  Midaes,     Or.    2863.     RUschl 

Antoniaes,    Or.'  ffenz.   5376.  Anlhol.    Lal.     Coroll.    epigr. 

{Aug.)  p.  9. 

Statiliaes,^.  0.  5411.  Proculaes,  Or.  2869. 

Oclaviaes,/.  Ar.5i5.  Aquiliaes,  Gr.  20,  9.  25,5. 

Pylaes,  /.  N.  840.  Basillaes,  Gr.  25,  5. 

Faeniaes,  /.  N.  3103.  Decimiaes,  Gr.  360,  2. 

S  e  c  u  n  d  a  e  s ,  a.  O.  Pri  s  ca  e  s ,  ä.  O. 

Juliaes,  I.  N.  3181.  Or.  4537.      Faustinaes,  Gr.  600,  5. 
Flaviaes,  /.  #.5322.  Liciniaes,  Gr.  944,  11. 

Cerviaes,  /.  N.  5453.  Li  viilaes,  Gr.  312,  4. 

Corneliaes,  /.  N.  6305,  5.  S a b i d i a e s ,  Gr.  650,  3. 

Calaes,  I.  N.  6307,81.  Sextiliaes,  Cr.  961,  11. 


—     184    — 

Diese  Genetivformen  erscheinen  noch  in  der  spätesten  Kaiser- 
zeit, wie: 

Celerinaes,/.  N.  2957.  Sextiaes,  Gr.  828,6. 

dimid  iaes,  Or.  4376.  suaes,  Gr.  4,  12. 

Caediciaes,  Gr.  638,  7. 

Die  Bildung  dieser  Genetivformen  erklärt  sich,  wenn  man  die  hei 
den  ältesten  Dichtern  gebräuchlichen  Genetivformen  auf  as  mit  den 
schon  angeführten  alten  Genetivformen  auf  ai  vergleicht,  so: 
d  e  i  v  a  s ,  Ritsch,  ficlü.  Lal.  p.  26  *). 

Corniscas,  a.O.  neben  Aecetiai, 

e  s  c  a  s ,  Liv.  Odiss.  L  a  v  e  r  n  a  i , 

Monetas,^.  0.  Menervai, 

Latonas,  a.  0.  Dvelonai, 

t  e r r;is,  Narr.  bell.  P\in .  v  i  t  a  i , 

fortunas,  a.  0,  colonia  i, 

vias,  Enn.  Ann.  restinetai. 

famil  ia  s, 
vgl.  Priscian.  VI,  6.  // 

Die  ursprüngliche  Form,  aus  der  die  Genetivendungen  aes,  as, 
ai  hervorgingen,  war  im  Lateinischen -a-is,  indem  das  Geneüvzei- 
chen  s  mittelst  des  Bindevokales  i  an  den  Stamm  trat.  \\  i«*  in  dem 
Abschnitt  über  die  Vokalverschleifung  dargethan  werden  wird,  war 
die  ursprüngliche  Ausspräche  -ai»;  daraus  wurde  nach  Abfall  des  s 
die  Form  -äi,  wie  sie  hei  Ennius,  Planlos,  Terenz  und  Vergil  in  For- 
men wie  longäi,  aquäi,  terräi,  comoediäi,  materiai,au- 
räi,  picläi  u.  a.  erscheint,  und  mit  Vokalverschmelzung  -ai,-ae, 
oder  das  Genetivzeichen  s  winde  erbalten  und  die  Vokale  verschmol- 
zen zu  ae  in  den  Formen  wie  dimid  iaes,  oder  endlich  das  s 
blieb  gewahrt,  aber  der  Bindevokal  i  schwand,  und  so  entstanden  die 
auf -a  s  auslautenden  Genetive  wie  lerras,  eseas,  deivas. 

In  den  Dativen  und  Locativen  auf  -a  i  ist  das  an  den  Stamm  her- 
angetretene Casuszeichen  i  einfach  mit  a  zu  einem  Diphthongen  ver- 


*)  In  der  Aufschrift  deivas  Corniscas  s.icruin,  Or.  1850,  wird 
man  nicht  umhin  können  die  beiden  ersten  Formen  für  Genetive  Sin- 
gularis  au  halten,  solange  nicht  Formen  des  l>ati\  Pluralis  auf 
-as  für  -ais  nachgewiesen  sind.  Der  Singolaria  Corniscas  neben 
Corniscarum,  Feittp.  64,  ist  nicht  befremdlicher  wie  Bemo  neben 
Semones,  Lar  neben  Lar es,  Umbr.  Prestata,  Prestota  neben 
Lat.    Fracstites. 


—    185     — 

schmalzen,  dann  zu  ae  geschwächt.  Der  auf-ai,  -ae  auslautende 
Nominativ  Pluralis  der  A-deklination  hat  seit  aller  Zeit  das  Plural- 
zeichen  s  eingehüsst,  das  mittelst  des  Bindevokales  i  an  den  Stamm 
trat.  Dass  dies  s  wirklieh  einmal  vorhanden  war,  geht  daraus  her- 
vor, weil  die  auf  o  auslautenden  Stämme  das  Pluralzeichen  s  zum 
Theil  noch  his  in  die  Zeit  des  Bundesgenos^enkrieges  gewahrt  haben, 
wie  in  dem  Abschnitt  über  E  I  erhellen  wird,  und  alle  anderen  Stämme 
bis  in  die  spateste  Zeit  der  Sprache.  Das  bestätigen  auch  die  Mali- 
schen Dialekte,  da  im  Oskiscben  wie  im  Umbrischen  das  Pluralzeichen 
s  der  A- Stämme  gewahrt  isl,  daPBem  auslautenden  a  ohne  Bindevokal 
angefügt  erscheint.     So  verhallen  sich  zu  einander: 

Umty.  iven  gar,  eine  jüngere  Form  für  ivengas,  Lat.  juven<  ;ae 

Osk.  paß  Lat.  q  uai,  quae. 

(Umbr.  Sprachd.  I,  113.  AK.)  Audi  ans  den  verwandten  Spra- 
chen isl  der  Nachweis  dafür  geführt  worden  [Bopp,  vergl.  Gramm, 
I,  S.443/".   2(e  Ausg.). 

Wie  seit  dem  Zeilaller,  in  dem  Römische  Heere  znersl  Asiens 
Hoden  betraten,  sich  der  Diphthong  ai  in  der  Sprache  zu  ae  getrübt, 
wäre  somil  nachgewiesen.  Es  bleibt  noch  übrig  ZU  verfolgen,  wie 
der  Laut  ae  weiter  ZU  e  verschmolz.  Schon  auf  allen  Inschriften 
linde!  sich  diese  Trübung  des  ai,  ae  zu  e  in  Wortstämmen  wie  in 
Gasusendungen.     So  in  den  Stämmen: 

q  nes to res,  i.  Mars.  I.  N.  5567,  Momms.  II.  I).  p.  346.  Ritsch!, 
fictil  Lat.  p.  22. 

I* es  ta  no,  nttm.  Paesian.  Ritschi,  fict.  Lat.  p.  22. 

Gesula,  t.Pisaur.  a.  0.  Rhein.  Mus.  IX,  466. 
in  den  Dativen  Singularis: 

Victoric,  /.  Mars.  /.  N.  5567. 

V  e  s  ii  n  c ,  /.  Manruv.  I.  N.  5183. 
Erinie,  Momms.  Uni.  Dial.  p.  345. 

Diane,  /.  Pisaur.  Momms.  U.D.p.  365.  Riisehi,  fict.  Lat. p.  28. 

V  o  r  t  u  n  e ,  l.  Türe.  Momms.  U.  D.  p.  365. 
Diane  Tifatinc,  /.  N.  6310. 

Im  Ablativ  Pluralis: 

nuges,  /.  Amilern.  I.  N.  5882.  für  nugis 
ans  ursprünglichem  n  ii  gai  s. 

Der  Fundort  fast  aller  dieser  Inschriften  ist  der  Boden  eines  der 
von  dem  Römischen  Volke  unterworfenen  Italischen  Stämme,  wie 
das  Land   der    Uinbrer,    Marser,    Marruciner,    Sabincr, 


—    186     — 

Campaner.  Daraus  erhellt,  dass  die  Verschmelzung  des  ai,  ae  zu 
ein  den  vorstehenden  Wortformen  dem  provincialen  Latein 
angehört. 

Zu  Lucilius  Zeiten  sprach  das  Landvolk: 

Cecilius,  Lucil.  Varro  L.  L.  VII,  96.  M.  Diomed.  p.  447. 

pre  tor,  a.  0. 

Nach  Varro  gehörte  die  Aussprache : 

edus,  L.L.  V,  97. 

Mesius,  Z.Z.  VII,  96. 
der  Bauernsprache  an.     Daraus  ergeht  sich,  dass  in  allerer  Zeit  vor 
Angustus  die  Trübung  des  ai,  ae  zu  e  besonders  im  Munde  der 
Provincialen  und  des  Landvolkes  stattfand.     Varro  sagt,  dass 
man  zweifelhaft  gewesen  sei,  ob : 

faeneratricem,  oder  feneratricem 

s  c  a  e  p  l  r  a ,  s  c  e  p  t  r  a 

zu  schreiben  sei  (Z.  Z.  VII,  96),  ebenso,  ob : 

faenisicia,  oder  fen  isicia 

richtiger  sei  (a.  0.).  Wenn  nun  auf  der  Genueser  Tafel  (117 
v.  Ch.)  facnisicei  gesehrieben  sieht,  hingegen  die  Griechische 
Form  für  die  Schreibweise  seeptra  6xr\7tr§a  lautet  und  man 
konnte  dort  auch  e,  hier  auch  ae  sehreiben,  so  müssen  sieh  die 
Laute  ae  und  e  auch  in  der  Sprache  der  Gebildetes  zu  Augusts 
Zeiten  schon  sehr  nahe  gelegen  haben.  Uno  die  Zeil  zu  linden,  in 
der  die  völlige  Trübung  des  ae  zu  e  auch  im  Munde  der  Gebilde- 
ten und  Hauptstädter  entschieden  war,  folgt  hier  zunächst  eine  Zu- 
sammenstellung von  Wortformen,  wo  ae  in  Stammen,  Praeflxen 
oder  Ableitungs-  und  Beugungssilben  zu  e  getrübt  erscheint  Es 
sind  zudem  Zweck  solche  Inschriften  ausgewählt,  deren  Abfassungs- 
zeit genau  feststeht,  und  nach  der  Zeitfolge  der  Jahrhunderte  geordnet. 

J.  Jahrh.  n.  Ch. 
Stamm.     Praef.  Gen. 

Lelio,  m.Ancyr.  Gr.   Prime,  /.  N.  '222A.  (p. 

231,4.  d.3.) 

Ge  l  ulorum,  Or.  7  18. 

(79—81.)*) 


*)  Wo  hier  zwei  Zahlen  eingeklammert  stehen,  soll  nur  im  Allge- 
meinen die  Regierungszeit  oder  das  Zeitalter,  in  welches  <üe  betref- 
fende Inschrift  füllt  bezeichnet  werden,  da  die  Jahres grenaen  sich  nicht 

immer  ganz  scharf  bestimmen  lassen. 


—    187    — 

Stamm.     Praef.  Gen.  Dat.    Nom. 

2.  Jahrh. 

D.  condite,7.7V. 
2603  (144  p. 
Ch.). 

3.  Jahrh. 

prefectiis,  Or.  972.  aque,  l.N.  6242.  {p.  Ch. 
{p.Ch.1M.)vgl.  Or.       212.) 
Henz.  5596.  patrie,  Or.  957.  (p.  Ch. 

222.) 

presente,Or.988.(j9.  Furie,  Or.  972.  (p.  Ch. 
Ch.    246.)    ^/.   Or.       242.) 
Henz.  7383.    Tto/ss.  Tranquile,  a.  0. 
/.  Zy.  Vlll,   17.        tribunicie,   Or.    1033. 
0.  Ch.  275.) 

4.  Jahrh. 

Cesari,  Gr.  283,  3.  Amplie,  7. 7V.3571.  (p.  N.  S.  que,  7.7V. 
(p.  Ch.  337.)  6%.  387.)  7148    (p.    Ch. 

prefecto,  Gr.  28,  5.  Afre,  «.  ö.  330.) 

O  £Ä.  364—383.)  patrie,  7.  N.  3902.  (p. 
Cecine,  ».  0.  Ch.  367.) 

celo,  Or.  1097.  (p.£%.  nostre,  flf.  O. 

323  —  361.)  reipu])(li)ce,     7.     TV. 

es i t,  7. TV. 3902. (p.Ch.       6275.   (p.  C%.  379  — 
367.)  395.) 

inire,  l.N.  7152.  {p.  Ch. 

371.). 
Asie,  Gr.  28,  5.  (p.  <7ä. 

364  —  383.) 
Cecine,  a.  0. 
L  o  1  i  a  n  e ,  a.O. 

5.  Jahrh. 

sacre,  7.  TV.  2057.  (/?.  #.  S.  que,   7.  vV. 

6%.  461?  482?)  1294.    {p.  Ch. 

bone,    7.  JV.   2061   fp.       428?  511?) 

Ch.  490?)  7.  N.   1297  (p. 

£ß.  462.) 


—    188    — 

Stamm.    Praef.  Gen.  Dat.     Nom. 

6.  Jahrh. 

precepit,    Or.    1161.  que,  /.  N.  1300. 

(p.  Ch.  528.)  (p.  Ch.  503.) 

era,  Gr.  1054,  4.   (p.  L°  N.  1304  (p. 

Ch.  548.)  Ch.  515.) 

/.  N.  1306.  (/?. 
^.  546.) 

7.  Jahrh. 

era,  £r.  1053,    9.  (/?. 
67*.  604.) 

Diese  Zusammenstellung  zeigt,  dass  schon  zur  Zeit  des  Augu- 
stus  und  der  ersten  Kaiser  die  Schreibweise  E  für  AE  beginnt. 
Auf  Inschriften  des  ersten  Jahrhunderts  n.  Ch.  linden  sich  bereits 
nebeneinander  die  Formen 

Gaitul.,  7.7V.  2211.  und  Getulorum,  Or.  748. 

Seit  dem  dritten  Jahrhundert  wird  die  Schreibart  E  häufig 
und  bleibt  so  auch  in  den  folgenden  Jahrhunderten.  Es  werden 
sich  im  Verlaufe  dieser  Untersuchungen  noch  mehrfache  Beweise 
linden,  dass  im  dritten  Jahrhundert  der  Verfall  der  Lateinischen 
Sprache  im  Volksmunde  bereits  im  vollen  Zuge  war;  in  dieser  Zeil 
ist  also  auch  die  Aussprache  e   für  ae  durchgedrungen. 

Dass  in  dieser  Zeit  die  Schreibweisen  AI,  AE,  E  einen  und 
denselben  E  -  laut  ausdrücken,  zeigen  recht  deutlich  die  auf  einer 
und  derselben  Inschrift  dieses  Zeitalters  (p.  (7/.  212.)  vorkommen- 
den Formen: 

Aimilius,  Sabinae,  Kurie, 

Tranqui  le, 
prefeel  us,  Or.  972. 
Diesem  Zeitaller  gehören  auch  an  die  Genetivformen  auf  s  wie: 
provincies,  Or.  Henz.  6817.      Victories,   Gr.  715,  1. 
Restituier,  /.  n.  6309,  12.         Benignes,  Or.  158  d. 
Aginees,  Gr.  91,  3.  Egnalics,  I.  \.  7168. 

Brivines,  Gr.  558,4.  aeternes,  Gr.  527,  5. 

Julies,  Gr.  747,  5.  Minerbes,  Or.  3384. 

V  er  an  i  lies,  a.  0.  Faustines,  Or.  1617. 

Prisces,  Gr.  638,  7.  {Vgl.    Boissieu    Tnscr.    tmi.   d. 

Selen  tioses,   Botst.  I.   Ly.  Lyon  p.  543.) 

XVII,  2. 


—     189    — 

Doch  wird  der  E-laut  auf  gleichzeitigen  Inschriften  auch  noch 
AE   geschrieben,  und  zwar  findet  sich  oft  von  zwei  auf  einander 
folgenden  gleichen  Casusformen  die  eine  mitAE,  die  andere  mit 
E  geschrieben ,  wie  folgende  Zusammenstellung  zeigt  : 
Bai.  Geriet. 

Vejanae  Rumne,  I.  N.  1782. 
Impiae  Juste,  /.  N.  1926. 

Caesiae  Prime,  I.  N.  2223.  mire  sapientiae,  /.  N. 

Munatiae  Modestine,  L  N.  1672.         7152. 
filiae    dulcissime,    I.   N.   3152.     Coccejae  Severe,  7.  N. 

3402.  4299.  5829.  6921.  3701. 

Anniae  Victorine,  I.  N.  6413. 
Titiae  Lucide,  I.  N.  6653. 
bonae   fem  ine,  I.  N.  6340. 
Cominiae  felicissime,  I.  N.  41 17. 
Pifigiliae  Prime,  I.  N.  4739. 
Po.lliae  Prime,   a.  0. 
Otaciliae   Severe   sanctissime, 

Or.  Henz.  5532. 
Corneliae  Annianae,  a.  0.  7374. 
m  e m  o r  i  a  e  a  e t  er  n  e,  Boiss.  T.Ly.W II,  1 6. 
Enniae  Prisce,  7.  N.  4945. 
filiae  carissime,  I.  N.  5157. 
Raiae    fortunate,  7.  N.  5231. 
Datae  Julie,  1.  N.  6119. 
Similiae  Romane,  7.  N.  6826. 
filiae  pienti  ssime,  7.  N.  7012. 
Geneiae  Successe,  7.  N.  7017. 
Sabinae  Furie,  Or.  972.  (p.  Ch.lU.). 
Juliae  Rufine,    7.  N.  2785. 
Memmiae  Fortunate,  7.  N.  2800. 
Felicule  filiae,  7.  i\r.  4940. 

Elate  Juliae,  Or.  Henz.  5385.  vi  tae  nostr  e,  I.N.  6058. 

Turraniae  Sabine,  7.  #.  2966.         bone  memoriae,  Boiss. 
Fructose  filiae,  Gr.  1053,  1.  7.  Zy.  XVII,  \9.  (p.  Ch. 

Nepotille  filiae,  7.  JV.  6585.  454?) 23.30.(^.^.493.) 

35.39.  61.  65.  (christl.) 
CaediciaesPrisces,  Gr. 
638,  7. 


—     190     — 

Es  liegt  vielleicht  in  diesen  Schreibweisen  noch  ein  unbewuss- 
tes  Streben  die  Casusendung  nicht  in  beiden  Wörtern  zu  verwi- 
schen;  aber  auch  dieses  Bestreben  hält  doch  nicht  mehr  Stand; 
das  zeigen  folgende  Schreibweisen: 

Bat.  Geriet. 

Julie  felicissime,  I.  N.  1330.  sanctc  memorie,  I.  N.. 

Lucerine  juste,  J.  N.  1651.  696.  (p.  Ch.  530?) 

Primille  filie,  7.  N.  291.  vite  sue,  7. iV.2070  (sehr 

Tulliane  M a r c e  1 1  e ,  /.  N.  1 768.  spät,  chfislt.) 

Saccidie  Fortuna  te,  /.  N.  1730. 

filie  dulcissime,  7.  N.  3161.  benigniss  ime  femine, 

f i  1  i  e  b  e n  e m e r  e n  t i  s  s i m  e ,  Or.  Henz.        1.  N.  3701 . 

7323. 
Ulpie  Severine,  a.  O.  5552. 
femine  dulcissime,  Boiss.  I.  Ly.  XV,  2. 
Mucca  senie  Fortuna  te,  a.  Ö.VHI,  16. 
sanctissimc  p i en t i s si me ,  J.N. 5530. 
S  a  1  v  i  e  felicissime,  I.  N.  5702. 
pie  natc,  7.  N.  7017. 
D  e  c  i  m  i  n  e  a  1  u  m  n  e ,  7.  N.  3082  {spät.) 
D o m in e  f ili e ,  I.  N.  7 1 97  (spät.) 
mee  pudicissime,  Gr.  1057,  8  (chrisß.). 
Jovine  Domitie,  Gr.  704,  1. 
V a  r  e n  e  M ar  cell e ,  1.  N.  7114. 

Während  also  der  ehemalige  Diphthong  ai  in  der  Ausspraehe 
laugst  zu  e  getrübt  war,  gab  es  doch  noch  zu  Constantins  des 
Grossen  Zeit  Leute,  die  der  Etymologie  folgten  und  nach  aller 
Weise  AI  sehrieben  wie  in  eoloniai  (Gritt.  362,  2.  p.  Ch. 
321  ). 

Auch  die  dem  Lateinischen  verwandten  Italischen  Dialekte  ha- 
ben den  Diphthongen  ai  getrübt.  Im  älteren  Oskischen  macht 
sich  nur  eiuc  leise  Abschwächung  desselben  gellend,  dass  nämlich 
(\n-  ursprüngliche  entschiedene  1-laut  des  Diphthongen  zu  dem  Mil- 
telton  zwischen  i  und  e  wird,  den  die  Oskiscbe  Schrift  durch  das 
Zeichen  h  ausdrückt.  Diese  Gestall  (h^  Diphthongen  zeigen  die 
Dativformen  der  A-stännne  wie: 

gen  et  a  i  ,    Lat.   genel  im1, 

d  e  i  v  a  i ,  d  i  \  a  e , 


—     191     — 

Herukinai,  Lat.  Erycinae, 
F 1  ü  u  s  a  1 ,  F 1  o  r  a  e , 

und  die  Locativformen  der  A-stämme : 
viai,         Lat.     viae  (in  via), 
m  e  f i  a  i ,  m  e  d  i  a e  ( in  m  e  d  i  a ). 

Im  jüngeren  Oski sehen  erscheint  der  Diphthong  ai  auch 
schon  zu  a  e  geschwächt.     So  in  dem  Locativ : 

B ansäe,    Lat.  Baniiae,   vgl.  Romai,  Romae, 
ebenso  in: 

suac,  Altosk.  s v a i ,  (Lat.  s i ) , 

pr aese n  t i  d ,      p  r a e s  en  t  e , 
praefueus,       praefectus. 
{Vgl.  Momms.  Uni.  Mal.  Gloss.) 

Im    Umbri  sehen   sind    mit   wenigen   Ausnahmen    die    Di- 
phthonge ai,  oi,  ei  zu  e   getrübt  worden.     So  ist  e  aus  ai  ver- 
schmolzen in  den  Stämmen  der  Wortformen  : 
m  e  s  1 1*  u ,  vgl.  Osk.  m  a  i  s , 

Lat.  magistro-, 
k  v e  s  1  Li  r ,        Lat.  q  u  a  e  s  t  o  r ,  q  u  a  i  s t or, 

Osk.  k  vaisstur, 
in  den  Dativen  der  A-declination  wie: 
a  s  e ,  Lat.  a  r  a  e , 

Juvie,  Joviae, 

J  i  o  v  e  i  n  e ,  I  g  u  v  i  n  a  e , 

in  den  Formen  des  Ablativ  Pluralis  derselben  Declination  wie: 
tekuries,     Lat.  decuriis, 
asecetes,  insectis, 

die  den  Altlateinischen  wie  nuges  für  nugais  entsprechen; 
in  der  Präposition: 

p  r  e  - ,  Lat.  p  r  a  e ,      Altlat.  p r a  i-, 

Lat.  pre-,  Osk.  prae-, 

p r e - p a ,  Lat.  prae   q u a m , 

pre-habia,  Lat.  prae-hibeat; 

in  der  Conjunction: 

s  v  e ,  {Lat.  s  i )  Neuosk.  s  u  a  e ,  Altosk.  s  v  a  i  , 

svepis, (Zötf.siquis)  Neuosk.  s  uaepis, 
und  in  ähnlicher  Weise  verschmilzt  der  Diphthong  ai  noch  in  zahl- 
reichen Umbrischen  Wortformen  zu   e  {Umbr.  Sprächet.  AK.  I  p. 
46.  111.  114.  115.  161). 


—     192    — 

In  den  spärlichen  Resten  des  Volskischen  Dialektes  findet  sich 
die  Dativform: 

Vesune,  fiirVesunae,Vesunai 
und  die  Conjunction: 

se,  Urribr.  sve,  (Lai.  si)  Neuosk.  suae,  Allosk.  svai. 
sepis,       svepis,  suae  pis 

{Momms.  Uni.  Dial.  S.  320.  Verf.  d.  Volscor.  ling.  p.  31  /.). 
Diese  Formen  zeigen,  dass  der  Volskische  Dialekt  zu  derselben 
Verschmelzung  des  ae  zu  e  neigte,  wie  das  Umbrische  und  die  spät- 
lateinische Volkssprache. 

Wenn  diese  sich  auf  älterem  Italischen  Sprachboden  so  allge- 
mein zeigt,  so  ist  es  begreiflich,  dass  die  Italienische  Sprache  den 
Laut  ai  oder  ae  nicht  kennt,  sondern  an  deren  Stelle  immer  e  zeigt. 
Der  Lateinische  Dihpthong  ai  ist  aber  auch  zu  i  getrübt  worden. 
Dies  ist  der  Fall  gewesen  in  allen  auf  -is  auslautenden  Dativen 
und  Ablativen  Pluralis  von  A-stämmen,  wie  in : 
viis,  entstanden  aus  via-is, 
alis,  ala-is, 

maculis,  macula-is,  u.  a. 

Ebenso  ist  die  Präposition  prai  nicht  bloss  zu  prae  und  pre 
abgeschwächt,  wie  gezeigt  ist,  sondern  auch  zu  pri  getrübt.  Fest  t\ 
privignus,  p.  226 :  pri  enim  a n ti q u i  pro  prae  dixer im t.  1 1 ie- 
sespri  hat  sich  in  folgenden  abgeleiteten  und  zusammengesetzten 
Wintern  erhalten: 

pri- us,      für     prai-ius, 
pri-mus,  prai-mus, 

pri-scus,  prai-ius-cus, 

pri -die,  prai -die, 

pri-dem,  prai-deni, 

pri-vus,  prai- vus, 

Dieses  letzte  Wort  bedeutet  eigentlich  «'inen  Hervorragen- 
den, daher  Gesonderten  und  kommt  so  zu  der  Bedeutung 
E  i  n  z  e  1  b  ü  r  g  e  p 

pr  i  - v e  ras,  p  r  a  i - v e  r  a  s , 

pri-vatus,  prai -Tat us, 

pr  i-vi-gnus,  p  rai-vi-ge  uns; 

privignus  bedeutet  eines  Einzelnen  K  ind  ,  daher  das  Kind 
unreines  von  zwei  Gatten,  also  des  anderen  Stiefkind.  {Vgl. 
Zeitschr.f.  vergl  Spruch  f.  III,  283  f.) 


—     193    — 

Der  Stammlaut  ai  erleidet  in  Composilen  Schwächung  zu  i  wie: 
collido,  von    laedo, 

occido,  *  caedo, 

i  n  i  q  u  u  s ,  a  e  q  u  u  s , 

inquiro,  quaero, 

exquaero, 
e  x  i  s  t  u  m  o ,      •.  aestumo, 

exaestumo, 
di  stis  um ,  t  a  e  d  e  t , 

pertisum,  pertaesum. 

Dieser  I-laut,  zu  dem  ai  sich  trübte,  war  jener  hellere  an  e  an- 
klingende Laut,  der  im  Voraugusteischen  Schriftgebrauch  durch  EI 
ausgedrückt  wurde,  wie  aus  den  Formen  des  Dativ  und  Ablativ  Plu- 
ralis  vieis,  tabuleis,  incoleis,  causeis  und  andern,  die  in  dem 
Abschnitt  über  E 1  zusammengestellt  sind,  erhellt. 

Nach  diesen  Trübungen  des  Diphthongen  ai  zu  ae,  e,  ei,  I  er- 
klärt sich  auch,  dass  ein  ursprüngliches  Italisches  Suffix  aijo,  das 
im  Oskischen  Pompaiians  diese  Gestalt  noch  gewahrt  hat,  in  Ita- 
lischen Namensformen  zu  aejo,  eijo,  ejo,  Tjo,  ijo  wie  zu  aio, 
ai  o,  aeo,  eo,.  To,  io  zusammenschmelzen  konnte,  wofür  hier  nur 
die  Beispiele: 

Anna  ejus,  Anaia, 

Annaeus, 
Annejus,  Anneus, 

Annius, 
Annius 
angeführt  werden  mögen,  da  späterhin  von  diesen  Formen  noch  ein- 
mal die  Rede  sein  wird.  {Zeüschr.  für  vergl.  Sprachf.\,p.  87.  Ritschi, 
Ind.  schoL  Bonn.  Mb.  1853.  p.  5  f.  Hühner,  Quaest.  Onomatolog. 
p.  2l — 27.).  So  wird  denn  im  dritten  Jahrhundert  nach  Christus  der- 
selbe Name  geschrieben': 

Mamaeae,  Or.  953. 
Marne a  e,  Or.  955. 
Mamiae,  Or.  954. 
Es  zeigt  sich  also ,  dass  der  Diphthong  a  i  sogar  bis  zu  einem 
kurzen  i,  dem  leichtesten  und  dünnsten  aller  vokalischen  Laute  ein- 
schmelzen konnte. 

Die  Untersuchung  über  den  Diphthongen  a  i  hat  demnach  zu 
folgendem  Ergebniss  geführt : 

CORSSEN.  13 


—    194    — 

Der  Diphthong  ai  schwächte  sich  schon  seit  der  Zeit  des  Syri- 
schen Krieges  zu  ae  ab,  und  dieser  Laut  ist  seit  der  Gracchen- 
z  e  i t  in  der  Sprache  durchgedrungen.  Schon  in  alter  Zeit  trübte 
sich  dieses  ae  im  Munde  der  Provincialen  zu  e,  und  so  sprach 
das  Landvolk  im  Zeitalter  des  Lucilius  und  des  Varro  wie  in 
der  ganzen  folgenden  Zeit.  Dieser  E-laut  tritt  seit  der  ersten 
K  a  i  s  e r  z  e  i  t  in  der  ganzen  lebendigen  Volkssprache  immer  deut- 
licher hervor  und  ist  etwa  im  dritten  Jahrhundert  nach  Chri- 
stus zur  ausschliesslichen  Geltung  gelangt.  Weiter  hat  sich 
dieser  Diphthong  ai  in  manchen  Fällen  zu  einem  hellen  an  e  an- 
klingenden I-laut  getrübt,  der  sich  sogar  zu  i  kürzen  konnte. 


o  i. 

Wenn  der  vollste  und  schwerste  Diphthong  au  sich  zum  Theil 
zu  o  und  u  trübte,  ou  zu  u  verschmolz,  ai  zu  ae,  e,  ei,  i  herabsank, 
so  war  es  natürlich,  dass  auch  der  weniger  klangreiche  und  gewich- 
tige Diphthong  oi  von  der  Neigung  der  Sprache  die  Diphthonge  zu 
einlautigen  Längen  zu  verschmelzen  nicht  verschont  blieb.  Früh- 
zeitig ist  nun  zunächst  oi  zu  oe  gesunken  wie  ai  zu  ae.  Es  hat  sich 
indessen  noch  unversehrt  erhalten  in  der  älteren  Sprachperiode,  bis 
zu  welcher  die  auf  uns  gekommenen  Lateinischen  Inschriften  hinauf- 
reichen. Auf  diesen  Denkmälern  findet  es  sich  in  den  Stämmen  fol- 
gender Wortformen : 
oino,  t.  Scip.  Barb.  Rhein,   vgl.  oenus,  Cic.  Jegg.  III,  9. 

Mus.  IX,  2  f.  o  e n  i  g  e  n  o  s ,  Fest.  p.  1 95. 

oina,  l.ayr.  Thor.  noenuni,  Lucil.  Varr.  Son,  II 

oin vorsei,  Sc.  d.  Bctcc.  p.  98.  Gert. 

ploirume,  /.  Scip.  B.  f.  ploera,  Cic.  de  legg,  IM.  $.  (>. 

Kl. 
foideratei,  Sc.  d.  Bacc.  foedere,/.  agr.  (Thor.) 

foidere,  /.  Jul.  mun.  moeniundae,  LH.  N.  4627. 

m  o  e  n  io,  Plaut.  Fleckeis.  Ep. 
comoinero,  Sc.  d.  Bacc.  crit.  8.      . 

ad  moenio,  a.  0. 
moinic  ipieis,  l.  agr.  (Thor.)     cos  moenio,  a.  0. 
moi  nieipiove,  a.  <L  in  moe  ni  s,  (/.  0. 

Poinicia'i  u.  (f.  Pöeoicas,  Cai.  rostr.  rest.  ed. 

Ritschi. 


—     195     — 

poeniceo,    Plaut.    Ritd.   998. 

Fleck,  ct.  0. 
poeniceum,  ct.  0.  1000. 
aitile,  Sc.  d.  Tib.  Or.  31 14 .         o e t a d t u r ,  l  ägr.  ( Thor.) 

oeti,  I.  N.  6011. 
oeiier,  /.  tribun.  de  ponderib. 
Fest.  p.  246. 
oisus,  Matt.  Cr/p.  p.  53.  oesns,  Cic.  de  legg.  III,  §.  10. 

Kl. 
coiravit,  /.  Aletr.  Man.  ep.  tr.     coeravit,   Or.  31.  (78  a.  Ch.) 
Ritschi  Or.  570.  (76  a.  Ch.)  Grut.  14, 2. 

Momms.  U.  D.  p.  1 80.  Or.  50. 
(52  a.Ch.)I.  N.  2196.  2513. 
tyf.  2587.  1957.  277.  3538. 
4472.321.(57  a.  Ch.) 
coiraverunt,  /.  N.  1119.  /.  cocraverunt,  /.iV. 3560. (11 2? 
N.  3561 .  (108  a.  Ch.)  111?  a.  Ch.)  4421 .  Or.  3808. 

Rh.  Mus.  VJ,  614. 
coeraruDt,  I.  N.  4875.  4148. 
coiravere,  /.  X.  3562.  (106     coeravere,  I.  J.  3563.  (106 

a.  Gh.)  a.  Ch.) 

coiraver..,  7.  X.  3564.  (104      coeravcr.,/.AT.322.  (51  a.Ch.) 
a.  Ch.)  3565.  (99  a.  Ch.)  vgl.  1.  A. 

2249.  4473.  3569. 
c  o  e  r e  t ,  Cic.  de  legg.  I II,  §.  10. 

Kl. 
coeratori,  a.  O. 
coerandi,  a.  O. 
moiro,  I.  N.  1119.  moer(um),  I.  N.  322.  [a.  Ch. 

hnoiros,  a.  O.  51.) 

moeros,    Comm.    anq.    Serg. 

Yarr.L.L.  F7.91. 
moeris,  ct.  O.  92. 
coiperit,  /.  repel.  (Serv.)  loedos,    /.  N.  3563.  (106  a. 

Ioidos,/.if.3561.  (108^.0/?.)         Ch.) 

3562.  (106  ct.  Ch.)  loeberta  lern,  Fest.  p.  121. 

C  o  i  1  i  u  s ,  I.  N.  6973.  I  o  e  b  e  s  u  in ,  ct.  O. 

C  o  i  1  i  o ,  ct.  O.  o  I)  o  e  d  i  e  n  t  o  m ,  Cic.  d.  legg.  III, 

§.  6.  Kl. 

13* 


—     196     — 

Aus  dieser  Zusammenstellung  ergiebt  sich,  dass  schon  auf  alten 
Schriftdenkmälern  OE  für  Ol  geschrieben  wurde.  Die  Wiederher- 
sieller  der  Columna  Rostrata  des  Duellius,  die  sonst  nach  altcrlhüm- 
lichen  Wortformen  suchten,  hätten  sicher  nicht  Poenicas  ge- 
schrieben, wenn  sie  nicht  gewusst  hätten,  dass  diese  Form  im  Zeit- 
alter der  Punischen  Kriege  so  geschrieben  wurde.  Hingegen  zeigen 
die  beiden  ältesten  Scipionengrabschriften  und  das  Senat usconsult 
über  die  Bacchanalien  nur  die  Schreibweise  Ol.  Seit  der  Zeil  des 
Cimbernkrieges  und  des  Marius  erscheint  auch  in  Gesetzurkunden, 
in  Aufschriften  auf  Denkmälern  und  andern  öffentlichen  Schrift- 
stücken die  Schreibart  OE;  doch  hält  sich  daneben  auch  noch  Ol, 
eine  Schreibart,  die  dann  in  der  folgenden  Zeit  ausser  Gebrauch 
kommt ,  wenn  sie  auch  noch  ausnahmsweise  und  vereinzelt  in 
Schriftdenkmälern  aus  Cä'sars  Zeit  auftaucht.  Für  die  Aussprache 
ergiebt  sich  also,  dass  der  Diphthong,  oi  in  Stammsilben  schon  seit 
der  Zeit  der  Punischen  Kriege  dem  Laut  oe  so  ähnlich  klang, 
dass  man  zweifelhaft  war,  ob  man  Ol  oder  OE  schreiben  sollte.  Dies 
wird  bestätigt  durch  die  Schreibweisen  der  IMautushandschriflen: 

möenia,   inmoenis,  admoenio,  oboedjo, 

mocnio,  conmoenio,  poeniceo, 

moeni,  circummoenio,  poeniceum 
{/{Uschi,  Prol,  Tritt,  p.  !)(>.  Fleckeisen,  Epist.  crit.p.  9), 
während  Ol  sich  in  diesen  oder  ähnlichen  Wörtern  nirgends  linde  I. 
In  der  Volkssprache  wurde  oe  gesprochen,  während  man  in  Urkun- 
den und  auf  Denkmälern  noch  die  alte  Schreibweise  Ol  zum  Theil 
beibehielt,  wie  das  Scnatusconsnlt  über  die  Bacchanalien  und  die 
Scipionengrabschriften  zeigen.  Daher  schrieb  Lucilius  noenum*) 
(Non.  II,  98.  £.),  Allius  moeros,  inmoenes,  oboedire  (Ribb. 
Tnif/.rcll.  [>.  I57.  155.  16-J.) 

Einige  der  Wortformen,  in  denen  oe  Stammvokal  ist,  bedürfen 
noch  einer  Etymologischen   Erklärung,  damit   die  Entstehung  des 


•)  Die  Form  noenum  ist  von  Vahlen  dreimal  in  den  Teil  dei  En- 

nius  gesetzt  {Ann.  v.  J01.  311.  IM)  und  von  Ribbeck  in  ein  Fragment 
des  Afranius  aufgenommen  {Com.  ret.  p.  180);  die  Stellen,  wo  dies  £> 
.schielit ,  sind  verdorben  und  die  Abänderungen  an  denselben,  deren  erste 
von  Lachmann  herrührt,  nicht  unberechtigt.  Da  indes*  weder  die  hand- 
schriftliche Feberlief'erung  noch  die  Aussage  eines  Grammatiken  noe- 
nura  als  eine  Form  des  Bnnins  oder  Afranins  kennt,  sc  ist  sie  anch 
hier  nur  als   eine  Form    des    I.ueilius   angeführt    worden. 


Lautes  oe  klar  wird.     Die  Form  oeni-genos  für  uni-genitos 
ist  in  ihren  beiden  Bestandteilen  nicht  zu  verkennen.     Noenum 
für  non  ist   entstanden  aus   ne-oinom,   n'-oinoni,  noinonr 
wie  nemo  aus  ne-henio;  es  entspricht  also  in  der  Bedeutung  ge- 
nau   dem  Griechischen   ovd-ev.     Schwieriger  sind   die  Formen 
oboedire  und  coirare,  coerare  neben  audire  und  courato 
(L.  repet.  Serv.)  zu  erklären.     Was  zuerst   oboedire   anbetrifft 
[Plaut.  All.  Trag:  rel.  p.  Iö4.  Afran.  Com.  rel.  p.  162,  Ribbeck), 
so  kann  dessen  oe  nicht  aus  dem  Diphthongen  au  von  audire  ent- 
standen sein,   vielmehr  ist  seine  Entstehung  so   zu  fassen.     Zum 
Stamme  aus,  Ohr,  verhält  sich  ein  ursprüngliches  Verbum  aus- 
id-ire  wie  zum  Stamm  fastu-  fa  st-id-ire;  wie  von  fa st  u- durch 
das  Suffix  -ido  der  Adjectivstanim  fas t'-ido-,  dann  mittelst  der 
Endung  -io  der  Substantivstamm  fast'-id  '-io-   gebildet  und  von 
diesem  das  Verbum  l'a  st-id-ire  abgeleitet  wurde,  so  sind  von 
aus-  verloren  gegangene  Nominalstämme  aus -ido-,  aus-id-io- 
und  ein  Verbum  aus-id'-ire  gebildet.     Aus  ausidire  wurde  ei- 
nerseits aus  dir  e,   wie  aus  uvidus  durch  das  Mittelglied  uv-dus 
udus,  aus  stolidus  slullus,  und  nach  Wegfall  des  s  audire; 
andrerseits  ward  ausidire  zu  osidire,  wie  Altlateinisch  auspi- 
cari  zu  ospicari,  aber  bloss  im  Compositum  obosidire,  wie  ne- 
ben p  1  a  u  d  e  r  e ,  fa  u  x  die  Composita  e  \  p  I  o  d er e,  s  u  f  f  o  c a  r  e  das 
au  zu  o  verschmelzen.  Nun  fiel  das  s  aus,  wie  oben  für  Ccre-alia, 
spe-i,  Lucer -es  nachgewiesen  ist;  so  entstand  aus  obosidire 
oboidire,  oboedire^   Aehnlich  sind  die  beiden  Formen  courare 
und  coirare  entstanden  aus  einer  ursprünglichen  Form  covirare 
oder  covisare,  wie  die  beiden  Formen  Cloulius  und  Gloilius 
von  einer  ursprünglichen  Cloviiius  stammen,  die  durch  Clova- 
t  i  u  s  gesichert   ist ;  jenes  c  o  v  i  r  a  r  e  oder  covisare  ist  also  ein 
Compositum;  da  sich   für  die  Wurzel  dieses  Wortes  verschiedene 
Wege  der  Erklärung  bieten,  was  für  etymologische  Fragen  das  pein- 
lichste ist,  so  wird  hier,  wo  es  sich  nur  um  die  Entstehung  der 
Diphthonge  handeil,  von  einer  Entscheidung  der  Sache  abgestan- 
den.    Es   ist   nun  die  Gestaltung  des  Diphthongen  oi  in  Altlatei- 
nischen   Beugungsendungen    von  ö- Stämmen    und    seine  Trübung 
zu  verfolgen. 

Die  ursprüngliche  Form  des  Dativ  Singularis  der  O-stämme  ist 
erhallen  in  den  Bildungen: 

pop uloi,  Mar.  Victor,  p.  2463.  P. 


—     198     — 

Komanoi,  a.  0. 

(|  uoi,  /.  rep.  (Serv.)  L  agr.  (Thor.)  Plaut.  Pers.  470  u.  tf.  für  cui, 

h  o  i  -  c  c ,  tab.  Bant. 

h  o  i  -  c,  Mar.  Victor,  p.  2459  *)  !i  u i-c. 

Die  älteste  Form  des  Ablativ  und  Dativ  Huralis  der  O-stämme 
auf  Lateinischem  Sprachboden  ist  erhalten  in: 

. .  c  n  a  to  i  s ,  Morris.  Unt.  Bial.  p.  364. 

suois,  a.  0. 
Wortformen  aus  einer  sehr  alten  Inschrift.     Hingegen  zeigt  die  aus 
dem  uralten  Carmen  Saliare  angeführte  Form  des  Nominativ  Pluralis 
von  O-stämmen 

P i  1  u  m n  o  e  p  o p  1  o e ,  Fest.  p.  205.  M. 
die  erklärt  wird:  Romani-pilis  uti  as  sueti,  denDiphthongen  oi 
bereits  zu  oe  geschwächt  und  hat  auch  das  Pluralzcichen  s  eingebüssl. 
Eine  eben  solche  Form  des  Nominativ  Pluralis  ist: 

Fescemnoe,  Fest.  p.  86. 
wie  aus  Verrius  Flaccus  Erklärung  :  q u  i  d  e  p e  1 1  e  r  e   f a  sein  u  m 
putabantur,  zu  ersehen  i^t.     Aus  einem  anderen  alten  Schrift- 
denkmal kannte  Verrius  Flaccus  die  Formen  des  Dativ  und  des  Ab- 
lativ Pluralis: 

olocs,  Fest.  p.  19.  für  illis 

privicloes,  a. 0.  p.-205.  M.  priviculis  (privis), 
auch   in  dieser   erscheint   der   Diphthong  oi  schon   zu    oe   abge- 
schwächt. 

So  viel  erhellt  aus  diesen  Formen  von  Casusendungen  der 
O-stämme,  dass  seit  den  frühsten  Zeiten  des  Romischen  Volkes, 
von  denen  nur  eine  sagenhafte  Kunde  auf  uns  gekommen  ist,  die 
Abschvvächung  des  Diphthongen  oi  zu  oe  in  Flexionsendungen  bereits 
begonnen  hatte. 

Aber  die  Entstellung  dieses  Diphthongen  ist  noch  weiter  ge- 
gangen, indem  das  oi  in  Stämmen  auch  zu  u  und  i,  in  Casussuflixen 


*)  Als  Ennianische  Dativform  liest  man  jetzt  auch  gedruckt  Met- 
toi  Fubettoi;  diese  rührt  von  Vahlcn  her  {E?i?i.  poes.  rel.  Annal. 
v.  120.  not.).  Nach  der  Ueberlieferunjj:  dir  Handschriften  des  Quintilinn 
uarMcttieo  Fufettico  in  den  Text  zu  setzen  (vgl.  Quint.  I,  5,  12). 
Nach  den  oben  angeführten  Formen  Ann  ejus,  Anneus,  Annlus, 
Annlus  ist  jene  ältere  Form  für  Mcttio  Fufetio  erklärlich  und  passt 
auch  zu  der  Stelle  des  Quintilian. 


—     199    — 

zu  i  getrübt  worden  ist.  Aus  oi  ist  das  u  hervorgegangen  in  den 
Stämmen  folgender,  in  alleren  Sprachdenkmälern  vorkommender 
Wort  formen : 


u, 

oe, 

oi, 

I  u  d  u  n  t ,  t.  Äletr.  RilschU  Mon. 

I  o  e  d  o  s , 

1  o  i  d  o  s , 

ep.  tr. 

lud  eis,   /.  N.  4875.  /.  Jul. 

muri. 

n  n  um ,  /.  agr.  {Thor.)  1.  Com. 

oenus, 

o  i  n  o , 

deXX.q. 

p  1  u  r  e  s ,  Cic.  de  legg.  III.  6. 

p  I  o  e  r  a , 

p  l  o  i  r  u  m  e , 

municipii,f.iV.  1119.4322. 

i  n  in  o  e  n  i  s , 

moinicipi  um 

/.  Jul.  1.  Ruhr. 

m  u  n  i  c  i  p  i  u  in ,  /.  Jul.  mun. 

Osk. 

m  o  i  n  i  k  a  d , 

municipio,  a.  0. 

munipieis,  a.  0. 

conmunis,  Plaut. 

mun us,  1.  N.  4021.  vgl.  1. 

rep.  (Serv.)  1.  d.  Ascl.  Claz. 

Gölll.funfz.  Urk.p.  50. 

ularus,  7.^.733. 

uti er,  t.  Scip.  P.  f.  Or.  558. 

eetier, 

oitile, 

vgl.  1.  d.  Tennes.  Göltl.  a.  0. 

p.n.  Bhein.  Ä>.  VIII,  482. 

IX,  18.  Anm. 

qura,  t.  v.  App.  Rhein.  Mus. 

VIII,  288. 

curaruut,  I.  N.  2480.  vgl. 

c  o  e  r  a  v  i  t , 

c  o  i  r  a  v  i  1 , 

5351.  /.  d.  Ascl.  Claz.  1.  Jul. 

muri.  1.  Ruhr.  I.  N.  4102. 

Grut.  69.  1 1 . 

curatores,    Cic.    d.    legg. 

coeratores. 

) 

HI,  7. 

p  r  o  c  u  r  a  n  d  a  e,  /.  agr.  ( Thor.) 

m ur um,  I.N. 5351.3561  (a.      moerum,       moiro, 

Ca.  108),  3562  («.6V*.  106.). 

3563   {a.  Gh.  106.).  3564. 

3565  (a.Ch.  99.).  4102. 


oe 

Ol 

p  o  e  n  a , 

7t o  ivr\, 

P  o  e  n  i  c  u  s , 

P  o  e  n  u  s , 

P  o  i  n  i  c  i  a 

—     200 

u 

p  u  n  i  r  e , 

i  in  p  u  n  i  s , 

P  u  n  i  c  u  s , 

Also  in  der  Inschrift  von  Alatri  ans  der  Gracchenzeit  lesen  wir 
lud  mit  neben  coiravit,  während  auf  Inschriften  aus  den  Jahren 
des  Cimbernkrieges  noch  Ioidos  und  loedos  geschrieben  ist;  das 
gewöhnlich  lex  Thoria  genannte  Ackergesetz  aus  der  Zeit  um  den 
Anfang  des  Jugurthinisehen  Krieges  schreibt  oina,  oetantur  und 
zugleich  an  um,  unius;  in  einem  Repetundengesetze  derselben 
Jahre  ist  municipii  zu  finden,  während  jenes  Ackergesetz  noch 
moinicipieis,  in o i n i c i p i o  v e  gewahrt  hat ;  auf  Inschriften  aus 
den  Jahren  des  Jugurthinisehen  Krieges  finden  sich  die  drei  Formen 
vpro  cura  ndae,  coeraverunl,  coiraverunt;  zu  dieser  Zeit 
schrieb  man  auf  einem  Stein  von  Aeclanum  (/.  N.  1119)  municipii 
neben  nioiros,  moiro,  coiraverunt,  auf  Steinen  von  Capua 
mumm  neben  coiraver..,  Ioidos  (I.A.  3561.  3562.  Ü564) 
und  neben  coeraver..,  loedos  (/.  N.  3563);  auf  Inschriften  aus 
Cäsars  Zeit  lesen  wir  ludus,  munieipio  neben  moerum,  coe- 
ravere,  foedere  und  fo i der e  (7.  /«/.).  Also  seit  der  Zeit  der 
Gracchen  erscheint  in  Inschriften  neben  oi  und  oe  auch  u,  und 
im  Zeitalter  des  C im bern kriege s  ist  dieses  Schwanken  auf 
dein  Höhepunkt.  Bald  nach  dieser  Zeil  aber  erscheinen  die 
Schreibweisen  oi  und  oe  nur  noch  vereinzelt,  und  die  Sehreib- 
weise u  ist  die  herrschende.  Wenn  sich  aber  bei  Plaut us  neben 
inoeni,  inmoenis,  moenia  u.  a.  conmunis,  neben  poeua, 
punirc,  impune  findet,  so  kann  man  das  u  nicht  auf  Rechnung 
einer  späteren  Textreeension  setzen.  Diese  winde  consequenter 
Weise,  wenn  sie  den  Schreib-  und  Sprachgebraueh  des  ersten  Jahr- 
hunderts nach  Christus  hatte  wiedergeben  wollen,  auch  inunio. 
inmunis  u.  a.  in  den  Text  gebracht  haben,  wenn  sie  conmoenis 
in  conmunis  geändert  halte.  Man  muss  vielmehr  diese  Form 
conmunis  als  eine  ächte  Plaut  inisehe  ansehen  und  daraus 
schliessen,  dass  schon  zu  Plaulus  Zeil  der  Diphthong  oi  sieb  im 
zweiten  Theil  eines  Compositum  wie  conmunis  zu  u  trüben. 
aber  auch  unverändert  bleiben  konnte  .  wie  dies  mit  ;»  e  der 
Fall  ist  in  inquiro  neben  exquaero,  existimo  neben  exae- 
stumo,  distisuin  pertisum  neben  d  ist  ;i  e  s  u  in  pertaesum. 
Abgesehen  von  diesem  besonderen  Fall  hal  die  Trübung  des  Diph- 


—     201     — 

Ihongen  oi  zu  u  auch  in  einfachen  Wörtern  Platz  gegriffen  seit  der 
Zeit  der  Gracchen  und  des  Cimbernkrieges.  Diese  Formen 
mit  dem  U-Iaut  erlangen  bald  darauf  im  Sprachgebrauch  ganz  das 
Uebergewicht  über  die  Formen  mit  dem  Laut  oe;  doch  hielten  sich 
einzelne  dieser  letzteren  zu  allen  Zeiten  in  der  Sprache ;  so: 

moenia,  neben  munire, 

p  o  e  n  a , 

p  o  e  n  i  r  e ,  Cic.  d.  rep.  Mai  Praef.  35.   p  u  n  i  r  c , 

Poenus,  Punicus. 

Es  fragt  sich  nun,  in  welcher  Weise  man  sich  den  Uebergang 
des  oi  zu  u  zu  denken  bat.  In  einem  Gesetz  der  Königszeit  las 
Varro  die  Dativform: 

Janui,  Fest.  v.  opima  p.  189.  M. 
liier  erscheint  das  auslautende  0  des  Stammes  durch  das  folgende 
i  zu  u  assimiliert,  denn  der  U-laut  liegt  dem  i  nach  der  Stellung  der 
Sprachorgane  bei  der  Aussprache  näher  als  o.   Durch  dieselbe  Laut- 
annäherung ist  der  Dativ: 

hui-c   entstanden  aus  der  älteren  Form  hoi-c 
und  cui  aus  .  quoi. 

Die  Lautverbindung  ui  aber  verschmolz  leicht  zu  u;  das  zei- 
gen die  Genetive  der  U-stämme  wie  vi  c t  u s,  gr  ad  u s,  a  n  u  s ,  r  i  - 
tus,  quaestus  im  Vergleich  zu  den  älteren  Formen  victuis, 
graduis,  anuis,  riluis,  quaestuis,  von  denen  im  Abschnitt 
über  die  Vokalverschmelzung  die  Rede  sein  wird.  Aber  die  Assimi- 
lation der  Lautverbindung  oi  zu  ui  erscheint  nur  vereinzelt  in 
jenen  Dativformen  Janui,  huic,  cui;  in  der  Regel  ward  oi  erst 
zu  oe,  wie  die  angeführten  Sprachdenkmäler  zeigen,  das  heisst  das 
i  assimilierte  sich  dem  vorhergehenden  o  zu  e,  das  in  der  Stellung 
der  Sprachorgane  bei  der  Aussprache  dem  o  näher  und  bequemer 
liegt,  und  verschmolz  mit  demselben  zu  dem  Mittelton  zwischen  o 
und  e,  ö;  dieser  Mittelton  aber  verdunkelte  sich  erst  zu  ii,  ehe  er 
zu  u  werden  konnte.  Diesen  schwer  darzustellenden  Mittelton  ü 
sprach  und  hörte  man  im  Zeitalter  der  Gracchen  und  des  Cimbern- 
krieges und  deshalb  schwankte  man  in  der  Bezeichnung  zwischen 
Ol,  OE  und  V,  wie  man  den  Laut  des  Griechischen  v  nicht  blos 
durch  V  and  I  ausdrückte,  sondern  auch  durch  OE  in  Schreibweisen 
wie  Hoelas,  Sdephoerus  {Max.  Victor,  p.  1945),  Anta- 
m o e n i d e s  ( Ritschi ,  Sommerkatal.  1 856 ,  p.  6 ) .  soenephebis, 


—     202     — 

Froegiae  u.  a.  {Vgl.  0.  Ribbeck,  N.  Jahrb.  LXXV,  817.)     Man 
sprach  also  nach  einander : 

ploira,        ploera,        pliira,       plura,  vgl.Ital. plurale, 
o  i  s  u  s ,  oesus,  usus,        usus,  u  s  o , 

moiros,       moeros,       miiros,     muros,  muraglia, 

coiravit,     coeravit,     cüravit,  curavil,  cura. 

Dass  im  Augusteischen  Zeitalter  in  diesen  Wortern  ein  ent- 
schiedener U-laut  gesprochen  wurde,  geht  daraus  hervor,  dass  er 
sich  nur  durch  V  in  der  Schrift  dieser  Zeit  hezeichnet  findet;  so 
blieb  die  Aussprache  auch  später  und  vererbte  sich  auf  die  Italieni- 
sche Sprache. 

Der  Diphthong  oi  ist  nun  aber  auch  schon  in  den  ältesten  Zei- 
ten zu  i  eingeschmolzen.    So  in : 


ricus,                neben 

G  riech. 

olxo  g, 

rinum, 

otvog, 

Umbr.    v  i  n  u , 

Volks,   v  i  n  u , 

fidus,    Enn.    Varr 

.   L.  L. 

foed  us 

V,  86. 

flde,  Enn.  Vahl.  p.  120.  127. 

flda,  a.  0. 

Vergleicht  man  die  alten  Superlalivformen : 

pl-us-ima,  Varro  L.  L.  VII,  27.     pl-is-ima,  Fest.  p.  205. 

plo-ur-uma,  /.  N.  5882.  plo-ir-umc,  /.  Scip.. 

so  ist  bereits  darauf  hingewiesen  worden,  dass  sie  alle  von  einer  ur- 
sprünglichen Superlativform  plo-ius-uma  slaminen  durch  Laul- 
wandlungen,  die  schon  erklärt  sind.     Zunächst  ist  aber  die  Form: 

plisima,  entstanden  aus  ploisima 
durch  Verschmelzung  eines  oi  zu  i  wie  die  Form  ploirume  zeigt 
{Zeitschr.  für  vergl.  Sprach/.  III ,  281). 

Der  Diphthong  oi  wurde  aber  auch  schon  in  der  ältesten  Zeil. 
bis  zu  der  die  uns  erhaltenen  Sprachdenkmäler  reichen,  zu  i  getrubl 
in  Casusformen  der  O-slämme.  So  erscheinen  auf  Altlateinischen 
Thongefässcu,  deren  Anfertigung  bis  vor  die  Zeil  dvs  ersten  launi- 
schen Krieges  hinaufgerückt  wird ,  die  Genetivformen: 

Säet  um  i,   IUI  seh.  fiel  iL  tat  p.  17. 

Volcani,  a.  0, 

Keri,  a.  0.  Mumms.  Uni.  Dial.  p.  133. 

l*o mjp oni,  R.  a.  (J.  p.  10. 


—     203     — 

Ebenso  in  der  sehr  alten  Inschrift  des  Colunibarium  der  Vigna 
Somaschi : 

Kaili,  Momms.  Unt.  Dial.  p-  32.  Anm.  38. 
und  auf  einer  der  beiden  ältesten  Scipionengrabschriften : 

Barbati,  t.  Scip.  Bari),  f. 

Das  I  dieser  Formen  ist  der  Mittellaut   zwischen  dem  E-Iaut 
und  1-laut,  der  auch  durch  E I  bezeichnet  wurde.     Dieser  Mittellaut 
ist  also  aus  oi  entstanden   in  allen  Fällen,  wo  er  in  der  Casusen- 
dung von  O-stämmen  vorkommt,  also  in  den  Formen: 
Gen.  Sing,  p  o  p  u  1  e  i , 
Nom.    PL    oinvorsei,     ploirume,   plurimi, 

1  i  b  e  r  e  i  s ,        M  o  d  i  e  s ,       m  i  n  i  s  t  r  i  s , 
Dat.     PL    libreis,  liberis, 

Abi.     PL     soveis,  suis, 

die  mit  zahlreichen  anderen  im  folgenden  Abschnitt  zusammengestellt 
sind.  Man  vergleiche  diese  Casusformen  mit  den  oben  angeführten, 
die  das  ursprüngliche  o  i  unversehrt  erhalten ,  oder  nur  zu  o  e  ge- 
schwächt haben : 

oi,  oe,  e,  ei,  i, 

Nom.Plur.  pilumnoe,  ploirume,  oinvorsei,univer- 

p  o  p  1  o  e ,  s  i , 

Mo  dies,        libereis,  in  a  g  i - 

s  t  r  i  s , 
Dal.AbLPLsuois,  oloes,  soveis,       suis, 

cna-  privicloes, 
tois. 
So  wird  recht  anschaulich,  wie  mannigfache  Lautschwächungen  und 
Lautschwankungen  dieDeclinationsendungen  derO-stämme  seit  den 
ältesten  Zeiten  der  Sprache  durchmachten ,  ehe  sich  die  ursprüng- 
lichen Formen  derselben  auf  Italischem  Boden,  Gen.  Sing,  -o-i(s), 
Nom.  PL  -o-is,  Dat.  Abi.  PL  -o-is  bis  zu  den  Formen  -I,  -I, 
-Is,  -Is,  wie  sie  die  Blüthezeit  der  Litteratur  fixierte,  abgestumpft 
hatten. 

Die  Trübung  des  oi  zu  i  vollzog  sich,  indem  das  i  desselben 
das  vorhergehende  o  zu  u  assimilierte  wie  in  Janui,  cui,  huic, 
und  dann  ui  zu  i  zusammenschmolz  wie  in  quaesti,  senati, 
parti  für  quaestuis,  senatuis,  partuis;  auch  der  Laut  ui 
machte  den  Uebergangslaut  ü  durch,  ehe  er  völlig  zu  i  wurde.   Hier 


—     204     — 

(rüg  also  der  1-l.aut  über  das  vorhergehende  o   den   vollständigen 
Sieg  davon  wie  in  vicus  vinnm  u.  a. 

Ein  aus  o  i  entstandenes  o  e  konnte  nun  auch  zu  einem  ent- 
schiedenen hellen  e  geschwächt  werden;  so  in: 

obedire,  für  das  ältere  oboedire, 

pomerium,  für  pomoerium,  vgl.  moerus. 

Dasselbe  ist  auch  geschehen  in  manchen  Wörtern,  welche  die 
besten  Handschriften  mitae  schreiben,  während  der  durch  diese 
Schreibweise  ausgedrückte  Laut  doch  aus  oe  für  oi  entstanden  ist. 
Ein  sicheres  Beispiel  dafür  ist : 

paenitet,  das  zu  poena,  Gr.  Ttoivrj 
in  demselben  Verhältniss  steht  wie  fatetur  zum  Stamme  fa-.  Die 
Romische  Orthographie  verstiess  hier  so  sicher  gegen  die  Etymolo- 
gie wie  in  den  Schreibweisen  temptare,  cottidic,  quattuor, 
J  u  p  p  i  t  c  r ,  thensaurus,  s  c  a  e  n  a ,  a  u  s  c  u  1  a  r  i ,  a  u  r  i  c  h  a  1  c  u  in 
U.  a. 

Da  nun  die  Laute  ae  wie  oe  in  der  späteren  Lateinischen 
Volkssprache  sieh  zu  c  trübten,  und  demgeuräss  die  Italienische 
Sprache  die  Laute  oe  und  ae  gar  nicht  mehr  kennt,  so  vermengten 
die  Abschreiber  von  Handschriften  auch  die  drei  Schriftzeichen  AE. 
E,  OE,  und  es  entstand  jene  arge  Verwirrung  zwischen  diesen 
Schreibweisen,  die  besonders  seit  dem  zehnten  und  eilften  Jahrhun- 
dert in  den  Handschriften  hervortritt. 

Es  sei  nun  noch  vergönnt  einen  Blick  auf  die  Italischen 
Schwestern  der  Lateinischen  Sprache  zn  werfen. 

Das  Altoskischc  hat  insofern  eine  leise  Schwächung  des 
Diphthongen  oi  zugelassen  als  das  i  jenen  .Mittelton  zwischen  i  und 
e  erhalten  hat,  von  dem  schon  mehrfach  die  Rede  war.  So  in  den 
Stämmen  von: 

m  o  i n  i  k  o ,  vgl.  Alllal.  c  0  in  o  i  n  e  in  . 
oitiuf,  oitile,   oisus. 

Von  Casusformen  der  O-stämme  findet  sich  dieser  diphthon- 
gische Laut  erhalten  in  den  rönnen  des  Dativ  Singularis  wie: 

A  b e  1 1  a  n  o  i,    hat.   A  b  e  1 1  a  n  o ,  vgl.  .  Wlat.  p  o  p  u  I  o  i . 

hör  toi,  horto,  Romanoi, 

und  in  den  Dativ-  und  AMativtorinen  iW>  Dlurabs  wie: 

1  i g  at o  i  s ,      Lid.     I  e  g  a  t  i  s ,     vgl.    .  tlthtl.   c  n  a  to  i  s, 

Novlanois,  Nolanis,  suois. 


—     205    — 

In  anderen  Casusformen  der  O-stämme  ist  das  auslautende  o 
derselben  zu  e  gesunken,  so  dass  01  zu  ei  abgeschwächt  erscheint. 
So  in  den  Formen  des  Genit.  Sing.: 

soveis,        Lat.     sui, 

m  i  n  s  t  r  e  i  s ,  m  i  n  i  s  t  r  i , 

und  in  den  Locativformen  wie: 

alttrei,        Lat.     in  altero, 

p o t e r e i p  1  d ,  in  u t r o q u e  , 

thesavrei,  in  thesauro. 

(Vgl.  Momms.  Uni.  Dial.  Gloss.) 

Dass  der  Laul ,  den  das.Oskische  durch  h  bezeichnet,  in  allen 
diesen  Formen  dem  eigentlichen  I-laut  ganz  nahe  gestanden  hat, 
sieht  man  daraus,  dass  er  in  der  Lateinischen  Schrift  des  Oskischen 
Gesetzes  von  Bantia  durch  den  Lateinischen  Buchstaben  I  wieder- 
gegeben wird. 

Im  Sab  ellischen  Dialekt  konnte  sich  der  Diphthong  oi  zu 
e  trüben,  das  zeigt  die  Sabinische  Wortform: 

Leba'sium,  Serv.   Verg.  Georg.  I,  7  für  Liberum, 
vgl.  Altlal.  loebertatem,  Fest.  /;.  1 2 1 .         libertal e m , 

loebesum,  Fest.  p.  121.  liberum. 

Andere  Formen  dieses  Dialektes  stehen  iioch  zu  wenig  sicher. 

Der  Umbris  che  Dialekt  hat  den  Diphthongen  oi  nur  ganz 
vereinzelt  erhalten  im  Stamme  der  Namen : 

K  o  i  s  i  s ,  •  V  o  i  s  i  n  i  e  i\ 

Fr  hat  denselben  zu  u  getrübt  in : 

kuraia,         Lat.   cur  et,     vgl.  Alf  lat.  coeravit,  coiravit, 

kuratu,  curato. 

In  den  Casusformen  der  O-stämme  isl  oi  zu  e  und  dann  weiter 
zu  i  getrübt.     So  in  den  Formen  des  Daliv  Singularis: 

pople,  Lat.    populo, 

Martie,  Martio, 

in  den  Genetivformen  des  Singularis  wie : 

M  a  r  t  i  e  s ,  M  a  r  t  i  i , 

k  a  1 1  e  s ,  c  a  t  u  1  i , 

k  a  p  r  e  s ,  c  a  p  r  i , 

mit  Schwächung  des  s  zu  r : 

n  u mer,         Lau    n u m  i , 

t  r  i  p  1  e  r ,  t  r  i  p  1  i , 


—     206     - 

(1  u  p  1  e  r ,  d  u  p  1  i , 

popler,  popli, 

Tuscer,  T  u  s  c  i , 

mit  Abfall  des  s : 

katle,  catuli,  § 

agre,  agri, 

in  den  Formen  des  Dativ  und  Ablativ  Pluralis  wie: 
t  e  r  m  n  e  s ,     Lat.   t  e  r  m  i  n  i  s , 
veskles,  vasculis, 

s  e  p  1  e  s ,  s  i  m  p  u  1  i  s , 

a  1)  e  s  n  e  s  ,  a  h  e  n  i  s , 

prinvatir,  privatis, 

v  e  s  c  1  i  r ,  v  e  s  c  l  i  s , 

alfir,  albis, 

a  d  r  i  r ,  a  t  r  i  s. 

Als  Laut  des  Stammes  ist  llinbrisches  oi  zu  i  getrübt  in: 
vinu,  (ir.    olvog, 

Volsk.  vinu, 
Lat.      vinu  in 
(vgl.  Umbr.  Sprachd.  Ah'.  \  p.  117  f.  vgl.  Glossar). 

Aus  den  Resten  des. Volsk i sehen  Dialektes  ist  erkennbar, 
dass  der  Diphthong  oi  zu  e  verschmolzen  ist  in  den  Dativformen: 
dcve,  für    divo-i, 

Declune,  Decluno-i, 

und  zu  i  getrübt  wurde  im  Stamme  von: 
vinu,  Gr.    oiv  os, 

Umbr.  v  i  n  u , 
Lat.      v  i  n  u  in , 
wie  in  der  Ablativform : 
v  e  s  c  1  i  s , 
Umbr.  v  es  dir,    Umbr.  veskles, 
Lat.      vasculis 
(vgl.  d.  Bronze  v.  Rapino.    Momms.  U.  D.  Taf,  XIV.  p.  :>*20  /'. 
Verf.  (1.  Volscor.  ling.  p.  ,*>4.  35). 

Wie  das  Lateinische  so  halten  also  auch  die  verwandten  all- 
italischen Dialekte  die  Hahn  der  AbschwÜchung  des  Diphthongen  oi 
betreten;  das  Oskische  hat  in  den  Lautgestalten  oi  und  ei  die 
diphthongische  Natur  desselben  am  treusten  bewahrt,  das  Latei- 
nische eine  Mannigfaltigkeit  von  Lauten  aus  demselben  entwickelt  : 


—    207    - 

oe,  u,  e,  ei,  i;  das  Umbrisclie  ist  in  der  Trübung  des  oi  am 
weitesten  gegangen  und  kennt  mit  wenigen  Ausnahmen  nur  die 
einfachen  Vokale  u,  i,  e  an  seiner  Stelle;  das  Volskische  steht 
dem  Umbrischen  in  der  Verschmelzung  und  Trübung  der  Diphthonge 
gleich.  Im  Lateinischen  erscheint  der  Diphthong  oi  schon  seit 
den  frühsten  Zeiten  der  Lateinischen  Sprache  zu  oe  geschwächt 
in  Flexionsendungen,  seit  den  Zeiten  der  Punische n  Kriege 
auch  in  Stammsilben,  .Ehensoalt  ist  in  gewissen  Wortstäm- 
men und  Flexionsendungen  die  Trübung  des  oi  zu  dem  Mittel- 
laut  zwischen  e  und  i,  den  die  älteste  Schrift  durch  1  oder  E,  die 
jüngere  durch  E  I,  die  jüngste  durch  1  ausdrückt.  Jüngeren  Ur- 
sprungs ist  die  weitere  Verdunkelung  dieses  Diphthongen  zu  u  in 
Wort  stammen,  die  zu  Plautus  Zeit  schon  begonnen  hat,  im  Zeit- 
alter der  Graechen  und  des  Gimber  nkrieges  weiter  Platz  ge- 
griffen hat  und  bald  nach  dieser  Zeit  im  Sprachgebrauch  herrschend 
wird,  während  sich  das  oe  nur  in  einzelnen  Wortformen  hält.  Die 
j  ü  n  g  e  r  e  L  a  t  e  i  n  i  s  c h  e  V  o  1  k  s  s p r  a  c h  c  verwischt  dann  den  Laut 
oe  auch  zu  einem  hellen  e  und  so  haben  ihn  die  Romanischen 
Sprachen  ererbt. 

ei. 
Schon  in  dem  Abschnitt  über  den  Vokal  i  ist  darauf  hingewie- 
sen worden,  dass  die  Schreibart  EI  für  den  Mittel  ton  zwischen  e 
und  I  verwandt  wurde.  Hier  fragt  es  sich,  ob  El  überall  nur  die- 
sen Laut  bezeichnet,  oder  ob  dieses  Schriftzeichen  in  gewissen 
Wortformen  zu  irgend  einer  Zeit  auch  noch  einen  zwielautigen 
Vokal  dargestellt  habe,  bei  dessen  Aussprache  ein  anlautender 
E-laut  und  ein  auslautender  I-laut  gehört  wurde.  Auch  diese  Unter- 
suchung kann  nur  auf  Grund  der  Inschriften  geführt  werden, 
da,  wie  schon  erwähnt,  die  Handschriften  der  älteren  Römischen 
Dichter  infolge  späterer  Textrecensionen  die  Schreibweise  E  I  ent- 
weder gar  nicht  oder  doch  nur  zum  Theil  und  vereinzelt  gewahrt 
haben,  und  da  auch  die  neusten  Herausgeber  derselben  in  der  Auf- 
nahme dieser  und  anderer  alter  Schreibweisen,  die  sich  gelegent- 
lieh noch  in  den  Handschriften  gewahrt  fanden,  kein  gleichmässiges 
Verfahren  beobachteten.  Die  Schreibweise  E  I  in  den  Handschrif- 
ten kann  also  nur  gelegentlich  benutzt  werden  zur  Bestätigung 
dessen,  was  aus  Inschriften  schon  erhellt.  Die  Untersuchung 
wird  zunächst  ausschliesslich  sich  darauf  richten,  herauszustellen, 
was  in  Voraugusteischer  Zeit  die  Schreihart  El  bedeutet  habe. 


—    208    — 

Ist  das  gefunden,  so  wird  von  dem  vereinzelten  Vorkommen  der- 
selben in  späterer  Zeit  Erwähnung  geschehen.  Es  versteht  sich 
von  selbst,  dass  auch  hier  die  neusten  inschriftlichen  Spe- 
cial Forschungen,  namentlich  von  Mommsen  undRitschl, 
zu  Grunde  gelegt  werden  mussten,  die  auf  diesem  Gebiete  erst 
Bahn  gebrochen  haben  {vgl.  Ritschi  Rhein.  Mus.  VIII,  479  /. 
Momms.  Rhein.  Mus.  IX,  460  f.  467  /.). 

Es  ist  für  die  vorliegende  Frage  zweckmässig  und  nothwendig, 
die  Stellen  im  Worte  wo  E  I  vorkommt  zu  scheiden,  so  dass  zuerst 
das  EI  in  Stammsilben,  dann  in  Ableitungssilben,  endlich  in  Beu- 
gungssilben der  Conjugation  wie  der  verschiedenen  Declinationen 
in  Betracht  gezogen  wird.  Es  folgt  also  hier  zunächst  eine  Zusam- 
menstellung von  Wort  formen  aus  Voraugusteischen  Inschriften,  in 
deren  Stammsilbe  sich  EI  geschrieben  findet. 
deiv..,  T.Pis.  Mo.  Uni.  Z>.  342.  Seispitei,  /.  Basti.  Rh.  Mus. 
deivas,    Ritschi,  fiel.   hat.  p.  IX ,  450. 

26.  e  i  t  u  r ,  tab.  Aletr.  lii.  Mon.  Epigr. 

deivae,  /.  Rom.  Claus.  Aen.  u.  ir.  p.  2. 

Pen.  1085.    Or.  2135.  eire,  l.  repet.  {Servil.) 

deivinam,   Ded.v.  Für  f.  LS.      ab  ei,  Or.  4848. 

6011.  adeilur,   /.  X.  3889. 

e  i  d  u  s ,  Col.  Somasc.  Mo.  Uni.  D.  vgl.  eis ,   t  <urc.  V ,  2 ,   13. 

32.  /.  agr.  {Thor.)  t.  Genuat.  Ruä.  518. 

leibertus,/.  Bas. Rhein, Mus.  eit,    iu/ul.  11,2,  69. 

IX,  450.  eite,  Merc.  747. 

leibravit,  7.  X.  299.  abei,  Merc.  749, 

1  e  i  b  e  r  e  i  s ,    Epigr .  Sor.   7.  X.  a  b  e  i  s ,  Merc.  773  u.  a . 

4495.  lt.  Mon.  Ep.  (Ha.  deicerent,  Sc.  d.  Rare. 

leiberique.  (ab.  Gen,  deico,   Or.  4848. 

1  e  i  b  e  r  e  i ,  /.  agr.  { Thor. )  d  e  i  x  i  s  t  i  s ,    Sc  d.    Tihui  /.   Or. 

1  eiber i,  /.  <l.  Termes.  31 14. 

leiberorum,  /.  agr.  (Thor.)         deixerit,  /.  Ran/. 
leiberisvc,  Sa  ü.  Asch  Claz.     deixerint,  /.repet. 

I.  d.  Termes.  d  e  i  c  e  r  e .  I.  agr.  ( Thor),  l.  Jul. 

leib  er  eis,  a.  0.  a.  O.  /nun. 

I  eiber  os,  /.  <1.   Termes.  deicito,  /.  Rauf.  /.  agr.  {Thor.) 

leibertini,   l.X.  4086.  I.  Ruhr. 

leibertate,  I.XA01Q.  Eckhel.     deicet,  /.  repet.  [Serv.)  I.  Jul. 

d.  num.  V.  p.  73  f.  {fam.  Cass. )         mun.  1.  Ruhr. 


—     209     — 

d e  i  c u n  d  o ,  l.  repel.  (Serv.) ,  l.  p V e im u s ,  a.  0. 

Ruhr.  p r  e  im u m ,  a.  0.  vgl.  Rh.  Mus. 
deicunto,  /.  d.  Termes.  VIII,  482.  IX,  18.  Anm. 

deixserunt,  a.  0.  Preimae,  /.  N.  3676. 

deicei,  /.  Ruhr.  Preimus,  Eckhel.  d.  num.  V, 
deicit,  a.  0.  P-  73  f. 

deixseritve,  a.  0.  preivataque,  hd.  Termes* 

exdeicendum,  Sc.  d.  Racc.  preivatae,  a.  0. 

exdeicatis,  a.O.  veivos,  /.  N.  1591.  236. 

i  n  c e  i  d e r  e  t  i  s ,  Sc.  d.  Bacc.  v  e  i  v o  n  t ,  /.  N.  5223. 

difeidens,   Epigr.  Scr.  I.  N.  veixsit,  Or.  Henz.  7268. 

4495.    Rü  Mon.  Ep.  tr.  veitae,  /.  N.  4070. 

afleicta,  a.O.  veiginti,  I.  N.  4070. 

deilexit,  Or.  4848.  veicus,  I..N.  6011. 

Teiburtes,   /.  d.  Tiburt.   Or.  inveisa,  /.  N.  4070. 

3114.  feient,  /.  Jul.  munic. 

Veic(?ntinos,  Or.  3110.  dei vidunda,  /.  Ruhr. 

meilia,  Mil.  Pop.  1.  N.  6276.  erceiscunda,  a.  0. 

Ri.  Mon.  ep.  tr.  ameiserunt,  /.  d.  Termes. 

meilites,  /.  d.  Termes.  promeisserit,  a.  0. 

V e i t u r i o s ,  /.  Genuat.  remeisserit,  a.  0. 

feil(ius),  /.  N.  725.  repromeisserit,  a.  O. 

ceivi,  l.  agr.  (Thor.)  repromeississet,  a.O. 

c  e  i  v  i  s ,    Sc.  d.  Racc.     I.  agr.  eis,  t.  Baut.  ( i  s )  /.  rep.  Serv. 

(Thor.)   I.  repel.  (Servil.)  ei  ei,  /.  repet.  (Serv.  D.  S.) 

eei?<*s,  /.  ü.  Termes.  ei  dem,  /.  N.  6276.  2458.    Or. 
ceivi  täte,  /.  repet.  (Servil.)  1446.    I.  N.  1710.  5007. 

s  c  r  e  i  p  t  u  s ,  /.  agr.  ( Thor.)  e  i  d  e  m  q  u  e ,  /.  d.   Termes.  (N. 
conscreipteisve,  l.Jul.  mu-         S.  Neuir.) 

nie.  quei  (für  quis),  /.  N.  6011. 

eonscreiptumve,  a.  0.  quei  (für  qui),  l.  Scip.  Barb. 
proscreibeive,  /.  Ruhr.  t.  Scip.  Cn.  f.  Cn.  n.  t.  Scip. 

1  e  i  t  i  s  q  u  e ,  /.  repel.  (Serv.)  P.  f.  t.  Genual.  t.  B antin.  I.  re- 

1  e  i  s  v  e ,  /.  Ruhr.  pet.  (Serv.)  I.  agr.  ( Thor.)  I.  N. 

leiteras ve,  l.rep.  (Serv.)  6011.  5756. 

Teidia,  /.  N.  5485.  heic,  Or.  4848.  /.  N.  4495, 
Peisidae,  /.  d.  Termes. 

In  dem  Abschnitt  über  Vokalsteigerung   ist   gezeigt    worden, 
dass  die  Wortformen  deivo,  leibereis,  eitur,  deico,  difei - 

CORSSEN.  14 


—     210     — 

dens,  ei  dem  aus  Vokalsteigerung  entstanden  sind,  indem  das  i 
ihrer  ursprünglichen  Stämme  kurz  war  ;  auch  in  screiptu  s  neben 
Gr.  yQacpcj  ist  die  Länge  des  vokalischen  Lautes  der  Stammsilbe 
nur  so  verständlich.  In  P  r  e  i  m  a  e ,  P  r  e  i  m  u  s ,  p r  e  i  v  a  t  a  q  u  e 
ist  ei  aus  dem  ai  der  Präposition  prai  entstanden,  in  veicus  ent- 
spricht es  dem  Griechischen  Diphthongen  otvon  olxog.  Die  äl- 
testen unter  den  zusammengestellten  Formen  sind  deiv..  auf  ei- 
nem Stein  von  Pesaro,  deivas  auf  einer  sehr  alten  Römischen 
Inschrift,  eidus  in  der  Inschrift  des  Columbarium  von  Somaschi; 
also  erscheint  die  Schreibweise  ei  schon  im  Zeilaller  der  Panischen 
Kriege.  Dass  der  durch  die  Buchstaben  E  1  ausgedrückte1  Laut,  wo 
er  aus  Vokalsteigerung  entstanden  ist  oder  ;ms  Abschwaehung  eines 
volleren  Diphthongen,  ai  oder  oi,  ursprünglich  im  lateinischen  ein- 
mal ein  Diphthong  war,  lehren  die  verwandten  Sprachen,  namentlich 
die  Griechische,  Deutsche  und  Oskischc.  Zwei  Buchstaben  bezeich- 
neten ursprünglich  auch  einen  zwiefachen  Lauf ,  dann  griff  man  zu 
dem  Nothbehelfe,  Mitteltöne  jüngeren  Ursprungs  durch  zwei  Buch- 
staben auszudrücken,  zwischen  deren  Laut  sie  in  der  Mitte  lagen. 
Eine  ganz  andere  Frage  ist,  ob  das  Scbriftzeichen  Kl  zu  den  Zei- 
ten, bis  zu  welchen  die  auf  uns  gekommenen  Schriftdenkmäler 
hinaufreichen,  noch  die  Bedeutung  als  Diphthongzeichen  gewähr! 
hatte.  Schon  auf  den  ältesten  Inschriften  ßndel  sich  langes  i  ge 
schrieben  in  den  Stammsilben  folgender  Wörter: 

militare,   /.   /•'///•.    äfomms.     qui,  a.  0. 

Uni,  Diu/.  />.  270.  primos,  Col.  rost.  res/.  II. 

filea,    Cist.  Praenest.  <t.  0.     scriptum,  Sc,  d.  Bacc. 
l>.  2M>.  sc  iba  ums.  Sc.  d.   Tib. 

filios,  /.  Scip.  B.  /'.  Rhein,     per  scriptum,  /.  Bant. 
Mus.  I\,  22.  scito,  (i.  u. 

Scipione,  /.  Scip.  V>.  <i.  0,     primo,  /.  Genuat. 

Scipio,  <i.  (L  primus,  /.  .\.  < » 2 7 « '» 

hie,  u.a.  u  Scjjß:  Cn.  f,  Cn.     Vituriorum,  «.  0 
n.    Or.  555. 

Also  auf  dem  alten  Grabmal  der  Furier  schrieb  man  militare, 
ein  Jahrhundert  später  auf  einem  Meilenstein  der  Grarchen/eil  nie  i- 
lia,aufdenSarcophagenderScipionen  hie  und  hec  (i.Scip.Barb,f.\ 
auf  spateren  Inschriften  b  e  i  r,  in  einer  ScipioBengrabschrifl  (|  u  e  i  und 
auf  einer  Inschrift  desselben  Zeitalters  que  (/.  Ainilcrn.  1.  A  5882) 
auf  der  Gista  Von  I'raeiiesle  und  einem  der  ältesten  Sc  ipiuiiem 


—     211     — 

filea,  filios  und  über  ein  Jahrhundert  später  feil  ins.  Vergleicht 
man  nun  die  Nominative  h  i  -  c ,  h  e  i-c ,  b e- c,  q  u  i ,  q  u e  i ,  q  u e  mit 
ihren  Stämmen  lio-c,  quo-,  so  ergiebl  sich,  dass  diese  Nominativ- 
formen  entstanden,  indem  an  die  Stämme  der  demonstrative  Prono- 
minalstamm  i  antrat  wie  in  den  alten  Formen  cum-e  (Ter.  Scaur. 
p.  2261)  und  tam-e  (Fest.p.  360,1/.),  das  sich  in  diesen  Formen 
wie  gewohnlich  im  Auslaut  zu  e  schwächte,  und  wie  im  Griechi- 
schen ovtoö  C.  So  entstand  also  ho-i-c,  dieser  da  und  quo-i, 
wel  eher  da  und  aus  diesen  Formen  durch  Trübung  des  Diphthon- 
gen oi  hie  und  hec,  qui  und  que.  Die  beiden  Schreibweisen  qu  e  i 
und  que  im  Zeitalter  der  ältesten  Scipionengrabschriften  zeigen 
also,  dass  E  ganz  denselben  aus  dem  Diphthongen  oi  getrübten  Laut 
bezeichnete  wie  El;  da  nun  E  einen  einlachen  vokalischen  Laut  be- 
zeichnete, so  ist  dies  auch  für  El  gültig.  Daraus  folgt  der  Schluss, 
dass  auch  in  anderen  Wortformen,  in  deren  Stamm  EI  einen  durch 
Vokalsteigerung  oder  aus  den  Diphthongen  ai  oder  oi  entstandenen 
Laut  bezeichnet,  dieser  Laut  derselbe  war  wie  in  quei  neben  que, 
also  ein  zwischen  e  und  i  liegender  Mittelton.  Zu  Varro's  und  Quin- 
tiliaus  Zeit  sprach  das  Landvolk: 

leber,  Quint.  I,  4,  17.        vgl.  loebert  atem,        Aoißi], 

v e  n d  e  m  i  a  ,  /.  N.  357 1 .       für  v  i  n  d  e  m i  a ,        vgl.  o  l  vo  g , 

vella,  VarroB.R.  T,  2,  14. 
{,  48,  2. 

speca,  u.  <L 

Wenn  schon  in  den  ältesten  Zeilen  Provinzialen  und  Landvolk 
für  den  ursprünglichen  Diphthongen  ai  e  sprachen,  wie  oben  gezeigt 
ist,  so  muss  man  schliesscn,  dass  auch  seit  alter  Zeit  im  Munde  des 
Landvolkes  derE-laut  an  der  Stelle  eines  ursprünglichen  oi  der  bei- 
den ersten  unter  den  vorstehenden  Wortformen  heimisch  gewesen  ist, 
und  zwar  schon  in  dem  Zeitalter  der  Punischen  Kriege,  wo  man  h  i  c 
und  h  e  c  schrieb  und  sprach  für  h  o  i  c,  q  u  i  und  q  u  e  i  für  q  u  o  i.  Dass 
zu  Lucilius  Zeit  das  Schriftzeichen  E  1  nichts  anderes  als  den  Mittel- 
ton zwischen  i  und  e  bezeichnete,  ist  schon  nachgewiesen.  Da  nun 
die  grosse  Mehrzahl  der  Inschriften,  aus  denen  die  obige  Zusammen- 
stellung von  Wörtern,  in  deren  Stammsilbe  E  I  geschrieben  erscheint, 
entnommen  ist,  entweder  dem  Zeitalter  des  Lucilius  oder  einer  spä- 
teren Zeit  angehört ,  so  ergiebt  sich,  dass  man  in  keiner  derzeitigen 
Wortform  noch  eine  diphthongische  Aussprache  des  Schriftzeichens 
El   anzunehmen   berechtigt  ist.     Sollte   noch  ein  Zweifel  an   der 

14* 


—     212     — 

Richtigkeit  der  vorstehenden  Ansicht  obwalten,  so  wird  er  sich  durch 
die  folgende  Untersuchung  erledigen. 

Selten  erscheint  E  I  geschrieben  in  Ableitungssilben  der  No- 
mina ;  doch  findet  es  sich  in : 

mareitom,  Or.  4848. 

p  e  t  e  i  t  a ,  /.  Ruhr, 

fugiteivos,  MiU  Popil  I.  N.  6276.  Bitschi.  Mon.  Ep.  tr. 

a  m  e  i  c  o  r  u  m ,  Sc.  d.  Asch  Claz. 

Cisalpeina,  l.  Ruhr. 

peregreinos,  a.  0. 

Vergleicht  man  hiermit  die  auf  viel  älteren  Inschriften  vorkom- 
menden Formen : 

aidiles,  Or.  1433.  i.  Scip.  L.  f.  Rhein.  Mus.  IX,  12. 

aidilis,  t.  Scip.  Barb.  t.  Scip.  B.  f. 

Q  u  i  r  i  ( n  a ) ,  Bitschi,  ficlil.  Lal.  p.  16. 

parisuma,  t.  Scip.  B., 
so  ergiebt  sich,  dass  man  zur  Zeit  des  ersten  Puniscben  Krieges  in 
den  Suffixen  -ili,  -ino,-isumo  einen  einfachen  Hau!  sprach, dass 
also  auch  in  den  Suffixen  jener  Wortformen  einer  jüngeren  Zeit  das 
EI  nur  einen  Anklang  des  1  an  den  E-laul  ausdrückt.  Dieser  muss 
jedoch  für  gewohnlieh  in  derartigen  Suffixen  nichl  deutlich  gehört 
worden  sein,  da  die  Schreibart  I  für  den  Vokal  derselben  die  gewöhn- 
liche und  regelmässige  ist. 

Es  ist  nun  die  Schreibweise  E  I  in  Flexionsendungen  zu  betrach- 
ten, und  es  sind  zu  dem  Zweck  zu  nach  sl  eine  Anzahl  von  Verbalformen 
zusammengestellt,  in  denen  dieselbe  vorkommt. 

Zte  Pers.  Sing.  Conj.Praes.         res  tili  st  ei,  /.  vi.  App.  Rhein. 
seit,  d.  vic.  Für  f.  I.  N.  6011.  Mus.  VIII,  288. 

2le  Pers.  Sing.  Ind.  Per  f.  \ste  Pers.  Sing.  Verf. 

p  o  s  e  i  t ,  /.  N.  5409.  petiei,    T.  Scip.   ffisp.   Hin  in . 

redieit,    /.    Mumm.     Riisckl.  Mus.  VIII,  491.  IX,  6. 

Or.  563.  fecei,  Mü.  Popil.  Rüschi.  Mon 

posedeit,  lab.  Genxtat.  Ep.  tr.  1.  N.  6276. 

venieit,/.  agr.(Thor.  Wimtl.)         poseivei,  u.  0. 

2(e  Pers.  Sing.   Ind.  Perf.  c  o  n  q  u  a  e  i  s  i  v  e  i ,  <i.  0. 

interieisli,  /.  N.  3833.  red  ide  ique,  a.  0. 

gessislei,  t.  Scip.  P.  f.    Or.         die  Pers.  Flur.  Per/. 

558.  c  o  in  |»  o  s  c  i  \  e  r  u  ifl  ,  J  Genua t. 


—    213 


Inf.     Praes.     Act. 
a  u  d  e  i  r  e ,  /.  repet.  (Serv.) 
e  i  r  e ,  a.  0. 
veneire,  Sc.  d.  Ascl.  Claz.  I. 

Rabr. 

Inf.     Praes.     Pass. 
sol  vei,  l.  Genuat. 
mittei,  t.  Gen  l.  Jul.  mun. 
dar  ei,  /.  repet.  {Serv.)  I.  Com. 

d.  XX  q.  I.  Ruhr. 
1  e  g  e  i ,  /.  rep.  (Serv.)  I.  Com.  d. 

XX  q. 
accipei,  /.  Com.  d.  XX  q. 
utei,  /.  d.  Termes.  I.  Jnl.  mun. 
fruei,  /.  d.  Termes.  I.  Jnl.  muri. 
p  r  o  f  i  t  e  r  e  i ,  /.  Jul.  mun. 
fierei,  a.  0.  I.  Ruhr. 

Keine  der  Inschriften,  auf  denen  diese  Wort  formen  vorkommen, 
ist  aller  alsLucilius;  dass  indess  die  Schreibweise  EI  in  der  Bücher- 
schrift älter  war,  bezeugen  Plautinische  Verbalformen  wie: 
v  e  i  s ,  Plaut.  Merc.  5 1 0.  R.  c  o  m  ed  er  ei  $,Menaechm.b%  1  .R. 

c  u  r a  b  e  i  s ,  Merc.  526.  r  e  d  i  e  i  t ,  Merc.  530. 

Aber  die  ältesten  Inschriften  seit  der  Zeit  des  ersten  I'unischen 
Krieges  schreiben  in  diesen  Verbalformen  1  oder  E;  so  in: 
feeid,  Cist.  Praen.  Or.  2497.      fuise,  U  Scip.  B.  /*. 


dvehe.i,  /.  Jul.  mun. 
d  u  c  e  i ,  a.  0.  L  Ruhr. 
mittei,  /.  Jul.  mun. 
a  g  e  i ,  a.  0. 1.  Rubr. 
exportarei,/.  Jul.  mun. 
renuntiarei,  a.  0. 
legarei,  a.  0. 
t  u  e  r  e  i ,  a.  0. 
restip.ularei,  /.  Rubr. 
i n c  1  u d  e i,  a.  0. 
concipei,  a.  0. 
iudicareique,  a.  O. 
praeslarei,^.  0. 
possiderei,  a.  0. 
proscreibei,  a.  0. 
reddeive,  a.  0. 
deicei,  a.  0. 


Momms.  U.  D.  p.  238. 
cepit,   /.  Scip.  Rarb.  I.  Scip 

R.f. 
fuit,  t.  Scip.  R. 
f  e  c  i  t ,  Ritschi.  fiel.  Lal.  p.  28. 
dedit,0.  ().l.Pic.Grut.h%\\. 

wie  in  den  Präsensformen  s  u  b  i  g  i  1 ,  a  b  d  o  u  c  i  t  (/.  Scip.  Rarb.),  hin 
gegen  e  in : 


compromesise,  Sc.  d.  Racc. 
d  e  d  i  s  e ,  a.  0. 
feei  se,  a.  0, 
arfuise,  a.  0. 
iousisent,#.  0. 


dedet,    /.   N.    5567.    I.  Scip. 

R.f. 
dede,  l.  Pisaur.  R.  fictil.  hat. 

p.  27. 


fuet,  /.  Scip.  R.f. 
exemel,  Col.  Roslr. 
cepet,  a.  0. 
o  r  n  a  v  e  t ,  a.  0, 


-est.  R. 


und  auch  noeh  nach  der  Zeit  des  Lucilius  und  der  Gracchen  finden 
sich  Schreibweisen  wie : 


—     214     — 

posedet,  /.  Genuat. 
fecet,  /.  Jul.  mim. 
i  u  s  e  t ,  a.  0. 
dixet,#.  0. 

Die  Schreibweisen  I  und  E I  in  Verbalformen  gehen  bis  August 
neben  einander  her,  doch  so,  dass  in  allen  auf  t  auslautenden  Formen 
die  erstere  bei  weitem  die  vorherrschende  ist. 

Wenn  das  Schwanken  der  Schreibweise  zwischen  cepit,  fuit 
und  dedet,  fuet  auf  den  Sarkophagen  der  ältesten  Scipionen  zeigt, 
dass  in  diesen  Verbalformen  der  Mittelton  zwischen  e  und  i  ausge- 
prägt war,  so  ist  anzunehmen,  dass  im  Munde  des  Landvolkes  der 
E-laut  vorherrschend  war  wie  in  1  eb er,  v e  1 1  a ,  s  p  e c  a  u.  a.  Daher 
erscheint  der  E-laut  in  diesen  Verbalformen  wieder  in  der  Volks- 
sprache der  spätesten  Zeit,  namentlich  auf  Inschriften  des  fünften' 
und  sechsten  Jahrhunderts;  so  in: 

vixet,   Fleetw.   Sylt.   Inscr.     obiet,  Boiss.  Inscr.  Ly.  XVII, 
Mon.  Christ.  385,  1.  30.  (p.  Ch.  493.)  33.  (/;.  Ch. 

vixset,    Boiss.    Inscr.    Ly.         507.) 

XVII,  63.  ovict,  a.  0.  XVII,  59. 

v  i  x s  e ,  Fleclw.  366,  4.  f e  c  e  I ,  /.  N.  574. 

vixet, I.N. 696. {hW.p.Ch.?)     fece,  Fleetw.  155,  5. 
viset, /.TV.  7156.  (405. y>. <"//.)      mililavel,  a.  <>.  396,  2. 
cmet,  Fleetw.  386,  4.  c u r a v c t ,  I.  N.  1 586. 

wie  in  den  PrSsensfbrmen: 

scribet,  Grit/.  1050,  12.  requiesquet,  /.  V.  3491. 

q  uiescet,  Fleetw.  S.  I.  Mon.     requiecset,  /.   V.  3509. 
Chr.  311,  2.  Steiner   Ali-      requiiescet,    Fleetw.    a.    0. 
rhristl.  Insrhr.  31.  5  1.  63.  195,  i.  Boiss.  I.  Ly.  XVII,  41. 

quescet,  Fleetw.  503,  2.  (p.  Ch.  525.)  XVII,  59. 

cesquet,  a.  O.  459,  2. 
qu  iesce,  Stein,  a.  0.  56. 

Daher  zeigt  auch  die  Italienische  Sprache  ein  e  in  diesen  For- 
men, und  die  Italienischen  Perfectformen  wie  visse,  fece  sind  schon 
in  den  spätlateinischen  vixse,  fece  vorhanden.  Dass  übrigens  in 
der  Sehreibweise  poseil ,  redieit,  posedeil  (bis  ei  wirklich  einen 
von  Natur  langen  Laut  bezeichnet,  wird  in  dem  Abschnitt  über  die 
Kürzung  der  Vokale  nachgewiesen  weiden. 

Für  die  Betrachtung  der  Schreibweise  VA  in  Flexionsendungen 
der  Declinationen  ist  es  nothwendig  die  Formen  der  consonantischen 


-     215     — 

und  der  I-declination  von  den  Formen  der  A-  und  O-declination  zu 
trennen,  weil  nur  in  den  beiden  letzteren  E  I  an  der  Stelle  eines  frü- 
heren Diphthongen  ai  und  ei  erscheint. 

So  finden  sich  von  consonantischen  und  i-slämmen  zunächst 
die  Dativformen : 
virtutei,/.  Scip.  Rarb.  IX,  460.  /.iV.3566.  tfr.3674. 

M a r  t  e  i ,  I.  N.  6766.  Ri.  ficlil.         Jahn.  eist.  Ficor.  p.  58. 

Lal.p.Tl.  heredeive,  /.  agr.  {Thor.)  I. 

lunonci,  /.  N.  6762.  1351.         Jul.  mun. 
Q ü ir i t  e i ,  a.  0.  o p e re i ,  /.  agr.  ( Thor.) 

II  e r  c  o  1  e  i ,  Epigr.  Sor.  I.  N.      fr a  u  d  c  i ,  /.  repet.  (Serv.) 

4495.  Ru  Mon.  epigr.  (r.         maiorei,  a.  0. 
Herculei,  1.  N.  2473.  actione!,  a.  0. 

Sispitei,    l.    BasiL    Rhein,     praecon ei,  /.  Com.  d.  XX  q. 

Mus.  IX,  450.  .     redemtorei,  /.  Jul. 

V  e  d  i  o  v  e  i ,  ara  Jul.  Or.  1 287.      u  r  b  e  i ,  a.  0. 
p  a  t r  c  i ,  Or.  1287.  i  u  r  e  i ,  /.  Ruhr. 

1  e e g e i ,  t. Rani. Momms.  U.R.     c a p ti o n e i ,  a.  0. 

p.  149.  /.  repet.  Venerei,  /.  N.  5013. 

lovei,  /.  Quir.  Rhein.  Mus. 
Unter  diesen  reichen  nur  die  Formen  vir  tu  tei  und  Mar  tei  bis 
in  das  Zeitalter  des  ersten  I'uuischen  Krieges  hinauf.    Neben  diesen 
gleichzeitig  finden  sich  aber  auf  Inschriften  auch  auf  i  auslautende 
Dativformen;  so: 
M  a  r  t  i ,  lam.  Spolel.  Grul.  95,  6. 
lovi,  t.  Picen.  Grul.  52,  11. 

Ganz  überwiegend  sind  aber  für  diese   älteste  Zeit  die  auf  e 
auslautenden  Dativformen  von  Stämmen  der  consonantischen  und 
der  I-Dcclination.     So    finden    sich   auf  Inschriften   der   ältesten 
Epoche : 
patre,/.  N.  5483. 

I  u  n  o  ne,  /.  Pisaur.  Ri.  ficlil.  Lat.  p.  27.  /.  Basti.  Rhein.  Mus.  IX, 
459.  (neben  Seispitei,  Malri.) 
Matre,  /.  Pis.  Or.  1500. 
Diove,  Bullet,  d.  Inst.  1846.  p.  90.    vgl.  Diiove,0umf.I,4,l7. 

Momms.  U.  D.  p.  253.  V  ei o  v  e ,  a.  O. 

Pisaurese,  /.  Pis.  Ri.  fiel  iL  Lat.  p.  27. 
(Nov)esedc,  Momms.  U.  D.  p.  342. 
Mavrte,  l.  Für.  a.  O.  p.  276. 


—     216     — 

Marte,  Or.  2714.  Ri.  fiel.  Lat.  p.  28. 
Salute,  a.  0.  p.  25.  Momms.  Rh.  Mus.  IX,  459. 
Hercle,  t.  spec.  Gerhard,  laf.  147. 
und  aus  jüngerer  Zeit: 

Victore,  t.  Quir.  Rhein.  Mus.  IX,  400.  (neben  Jovei.) 

iure,  /.  repet.  (Serv.)  I.  N.  4627.  Or.  643.  (August.) 

Hercule,  t.  Praen.  Momms.  Rhein.  Mus.  IX,  460. 

love,  Grut.  16,  8. 

lictore,  Fabretl.  348,  15. 

Pilemone,  Gua fluni,  Man.  med.  p.  SS. 

fruge,  Marin.  Alti  d.  fr.  Are.  p.  270.    Vgl.  Momms.  Fl  lt.  Mus. 

IX,  459.  f. 
n  a  r  e  n  t  e  v  e ,  /.  rep.  (Serv.) 

Vergleicht  man  die  alleren  unter  diesen  Dativformen,  wie  sie 
namentlich  auf  den  Steinen  von  Pesaro  um]  den  all  lat  iniseben  Thon- 
gefässen  vorkommen,  mit  den  viel  selteneren  Schreibweisen  Marti, 
lovi  und  Martei,  rirtutei  auf  Inschriften  der  ältesten  Zeit,  >«» 
folgl  daraus,  dass  hier  der  Mittelton,  der  durch  E  I  ausgedrückt  ist,  und 
überhaupt  in  allen  Dativformen  der  consonantiseben  und  der  l-de- 
clination  einem  entschiedeneu  E-laul  fast  gleich  geklungen  balle, 
und  dass  eisi  die  spätere  Sprache  ihn  zu  einem  Maul  gestaltete. 
Auch  in  der  Blilthezeil  der  Römischen  Litteratur  linden  sich  aber  muh 
die  auf  e  auslautenden  Dative  dieser  Stamme: 
a  cic  und  in  re. 

Auch  für  die  gewöhnliche  Dalivendung  i  \<in  I  -stammen  und 
von  O-stammen,  die  den  Genetiv  auf  -ins  bilden,  findel  sich  die 
Schreibari  E  I ;  so  in  : 

senatuei,  /.  d.   Tiburl.  Or,     quoiei,  t.  Scip.  Or.  555. 
3114.  q  iioiei<|  ii e.  /.  Thor.  \  2 mal.) 

eiei,  /.  rep.  {Serv.) 
i psei ,  /.  rep.  [Serv.) 
alei  ve,  /.  .////.  ?nun. 
i  e  i ,  /.  Rühr. 
Ablative  von  consonantiseben  und  1-sUUnmen,  in  denen  >nli  die 
Schreibweise  E  I  /ei^i.  sind ; 
virtutei,  i.  Scip.  Cn.  /'.  Cn.     partei,/.  Jul.  muhieip. 

n.  Or.  5."».*).  <»m  nei,  h  Ruin 

fönte i,  /.  Genuat. 
*)  Audi  bei  Enntas  und  Kfaevias  kommen  Sparen  solcher  Schreib 


—     217     — 

von  denen  keine  über  die  Zeit  des  Lucilius  hinaus  liegt.    Die  älteren 
Inschriften  schreiben  in  solchen  Ablativ  formen  I  oder  E;  so  in: 

m  a  r  i  d ,  Col.  Roslr.  restaur.        in  i  1  i  t  a  r  e ,  /.  Fitr.  Momms.  U. 

airid,    Momms.    Uni.    Dial.  D.  p.  276. 

p.  366.  patre,  /.  Scip.  B.  f. 

dictatored,  Col.  roslr.  resl.      a i r e , Mus.  Veron. Majfei, pA69. 

n  a  v  a  1  e  d ,  a.  0.  Rhein.  Mus.  IX,  19, 

und  in  Inschriften  der  späteren  Zeit  finden  sich  neben  der  Schreib- 
weise mit  EI  dieselben  Ablative  mil  E  und  mit  I  geschrieben;  so: 

G  e  n  u  a  t  i ,  /.  Genital.  c  o  n  t  i  o  n  e ,  /.  rep.  Serv. 

1  u  u  c  i ,  /.  repel.  in  e  n  se ,  /.  N.  6Q1 1 . 

luci,  a.  0.  Flusare,  a.  0. 

sa n c tion i,  /.  repet.  (Sern.)       parle,  /.  Jul.  mun. 

d  e  (I  i  l  i o  n  i ,  /.  ar/r.  ( Thor.)  longitudine,  a.  0. 

he  red  itati,  a.  0.  latiludine,  a.  Ü. 

h  er e d  i  v e .  a.  0. 

portioni,  /.  Jul.  mun. 

con  t  inen  li,  a.  0. 

Wenn  also  zu  Cäsars  Zeiten  in  der  lex  Julia  noch  con  tinenti, 
partei,  parle  geschrieben  wurde,  so  war  auch  jetzl  noch  wie  im 
Zeilaller  der  Punischen  Kriege  El  der  Mittelton  zwischen  T  und 
e;  daher  kommt  denn  das  Schwanken  der  Ablative  auf  i  und  E  von 
consonantischen  und  [-stammen  in  der  Augusteischen  und  der  spä- 
leren  Zeit,  nachdem  die  Bezeichnung  EI  für  jenen  Mittelton  ausser 
Gebrauch  gekommen  war. 

Für  den  Genetiv  Singularis  von  consonantischen  und  I- 
stainmen  isl  kein  Beispiel  der  Schreibweise  E  IS  auf  alleren  Inschrif- 
ten aufgefunden  worden.  Die  ältesten  Inschriften  zeigen  die  Sehreib- 
art ES  in  folgenden  Formen: 

Salutes,/?/,  fiel  iL  Laiin.  p.  18. 

Apolones,  Or.  1433. 
sonst  ist  -is  zu  allen  Zeilen  die  gewöhnliche  Form;  doeh  kehrt  die 
spätlateinische  Volkssprache  zu  den  alten  Formen  zurück  wie: 

Caesar  es,  Gral.  76,  1. 

campe  stres,  Gral.  931,  6. 


weisen  vor,    doch   stehen  dieselben    nicht    unzweifelhaft    sieher,    vgl.  0. 
Ribbeck,  N.  Jahrb.  LXXV  —  LXXVI,  314. 


218 


pages,/.  N.  1302  (p.  Ch.  508)  fiirpacis. 
mare,  Or.  4583.  maris. 

Im  A  c  c  u  s  a  t  i  v  und  seltener  im  Nominativ  IM  u  r  a  1  i  s  von 
consonantischen  und  I-Stämmen  erscheint  EI  geschrieben  in  fol- 
genden Formen : 

claseis,  Col.  Rostr.  rest. 
n  a  v  e  i  s ,  Col.  Roslr.  rest. 
p  o  n  t  e  i  s  ,Mil.Popil.I.N.627ß. 

Ri.  Mon.  Epigr.  tr. 
o  m  n  e  i  s,  a.  O.t.  Genital.  I.  Com. 

de  XX  q.  t.  Gen. 
turreis,  I.  A".  1.119.  4148. 

1855.  1856. 
Genuateis,    /.    Gen. 


f  i  n ei  s,  t.  Genital.  {Nom.  it.  Äcc.) 

I.  d.  Termes.  {Acc.) 
cMe\s,l.agr.(Thor.) 
Decembreis,  /.  Com.  deXX  q. 
p  r  a  e  c  o  n  e  i  s ,  a.  0. 
civeis,  /.  d.  Termes. 
tristeis,  7.  N.  1623. 
Quin  til  eis,  d.  vic.  Für  f.   I. 

N.  6011. 
pell  eis,  a.  0. 
A 1  p  e  i  s ,  /.  Ruhr. 
Doch  findet  sich  auf  gleichzeitigen  Denkmälern  die  Schreibweise 
I  in  den  Formen  von  [-stammen: 

f i  n  i  s ,  /.  (tfjr.  ( Thor.)  S  c  x  1  i  1  i  s ,  /.  Gen ual. 

o  m  n  i  s ,  /.  Maffei)  Egger  La/.      I  u  r  r  i  s ,  f.  N,  4875. 
serm.vet.reLp.282.l.repet.     0 ctobris,  /.  agr.  (  Thor.) 
(Serr.) 
und  die  Schreibweise  I«]  in  consonantischen  wie  in  [-stammen: 


opsides,  /.  Scip.  Barb. 
na  \  a  les,  Col.  rostr.  rest. 
clasesque,  a.  0. 
Ireiones,  a.  O. 
lubentes,  L  N,   1495. 
praecones,/.  ( 'orn.  de  X  X  q. 
Dass  in  der  Blüthezeil  dei 


(|  uaestores,  a.  0. 
v  i  ;i  I  or  es,  a.  0. 
Decembres,  a.  0. 

ceives,  /.  d.    Ter  nies. 

stipite sq  ue,  /.  N.  601  l . 
dec  uriones,  l  Jui.  mim. 
Litteratur  sowohl  im  Nominativ 


als  im  Accusativ  Pluralis  von  consonantischen  und  von  [-stam- 
men der  Mittellaut  zwischen  i  unde  gehört  wurde,  der  bald  mehr 
wie  i,  bald  mehr  wie  e  klang,  beweisen  die  Aussagen  der  Gramma- 
tiker wie  die  schwankende  Schreibweise  der  besten  Handschriften. 
Varro's  Feiner,  Aelius  Siilo,  der  sieb  viel  mii  iWv  Erklärung  altlatei- 
nischer'Sprachdenkmäler  beschäftigte,  wollte  die  Accusative: 

feri  enteis,  doc  enl  e  is,  sa  1 1  a  n  I  ei  s  ,  fa  e  il  ioreis  u.   a, 
schreiben  (C/iar/s.  p.  101),  und  Varro  sagt,  dass  nun  seiner  Zeil 
die  Accusative : 


—     219     — 

montes  und  *    montis 

f  o  n  t  e  s ,  f  o  n  t  i  s  sprach  (  Varr.  L.L.  VIII,  66). 

Die  besten  Handschriften  des  Vcrgil ,  schreiben  den  Accusativ 
Plüralis  schwankend -is  und -es  {Wagner  Orlhogr.  Verg.  384 — 
404.  vgl.  Gell.  XIII,  20).  In  denselben  Vergilhandschriften  fin- 
det sich  auch  für  den  Nominativ  Plüralis  der  besagten  Stämme  die 
Schreibart  -is  {Wagner  a.  0.  404),  und  Varro  sagt  ausdrücklich 
(a.  0.),  dass  das  Volk  seiner  Zeit  die  Nominativa  Plüralis : 

p  u  p  p  i  s ,  und  daneben  p  u  p  p  c  s , 

restis,  restes  sprach. 

Auch  durch  die  ältesten  Cicerohandschriften  wird  dieses  Schwan- 
ken der  Schreibweise  und  Sprechweise  des  Nominativ  Plüralis  bestä 
tigt  (vgl.  Freund.  Cic.  pr.  Milon.  p.  14). 
Von  den  Locativformen: 

heicei,  /.  N.  5882. 

suavei,  a.  0. 
wird  in  den  Abschnitten  über  Umhüllung  und  Kürzung  der  Vokale  die 
Rede  sein.  In  keiner  der  vorstehenden  Formen  also,  die  der  conso- 
nan  tischen  oder  der  I  -  D  c  c  1  i  n  a  t  i  o  n  angehören,  hat  die  Schreib- 
weise E I  zu  irgend  einer  Zeit  etwas  anderes  bedeutet,  als  den  Mittel- 
ton,  zwischen  i  und  e.  Im  Zeitalter  des  ersten  Punischen  Krieges 
wird  dieser  Laut  in  den  Genetiven  und  Dativen  gewöhnlich  durch  E  aus- 
gedrückt, seltener  durch  I  und  E 1,  muss  also  demE-Iaut  in  diesen  Ca- 
susformen damals  näher  gelegen  haben.  In  den  Ablativen  zeigen  die 
ältesten  Formen,  die  das  auslautende  d  noch  gewahrt  haben,  wie 
airid,  marid,  die  Schreibweise  I,  wo  der  I-laut  bei  den  [-stammen 
sicher  der  ursprüngliche  war,  wie  die  verwandten  Sprachen  zeigen;  die 
abgestumpften  Formen,  wo  nach  Abfall  des  d  der  Vokal  in  den  Aus- 
laut tritt  wie  militare,  aire,  haben  E  nicht  ohne  (Sund,  da,  wie 
unten  gezeigt  werden  wird,  nicht  bloss  i,  sondern  auch  andere  Vokale 
im  Auslaut  sich  leicht  zu  e  verflachen. 

Auch  in  dem  Dativ  Plüralis: 
vobeis,  Sc.  d.  Baccan.  Sc.  d.  Tib.  Or.  3114. 
bezeichnet  EI  den  Mittelton  zwischen  i  und  e  wie  in  sibei,  tibei, 
ibei,  üb  ei,  von  denen  noch  weiterhin  die  Rede  sein  wird. 

Es  sind  nun  die  Formen  von  0- stammen  in  Betracht  zu  zie- 
hen, in  denen  EI  einen  aus  dem  Diphthongen  oi  entstandenen  Laut 
ausdrückt,  wie  in  mehreren  der  oben  angeführten  Worlslämme.     In 


220     — 


der  Untersuchung  über  den  Diphthongen  oi  ist  die  alte  Form  des 
Nominativ  PI u raus  von  0 -stammen  aus  dem  Carmen  Saliare 
pilumnoe  poploe  besprochen  worden,  die  das  o  des  Stammes  ge- 
wahrt, aber  den  Diphthongen  zu  oe  abgeschwächt  und  das  Plural- 
zeichen s  eingebiisst  hat.  Hingegen  zeigen  uns  Voraugusteische  In- 
schriften auf -eis  auslautende  Formen  des  Nominativ  Pluralis,  die 
das  o  des  Stammes  zu  e  abgeschwächt,  aber  das  Pluralzeichen  s  ge- 
wahrt haben.  Sie  stehen  gleichzeitig  neben  den  gewöhnlichen  auf 
ei  auslautenden  Formen,  die  das  s  des  Plurals  verloren  haben,  wie 
folgende  Zusammenstellung  von  Beispielen  zeigt : 


e  e  i  s ,  Sc.  de  Baccan. 

eis,  t.  Baut.  I.  repet  (Serv.) 

eis  dem,  /.  repet.  (Serv.)  I.  N. 

4102.  Or.  3808. 
ieis,  /.  N.  2458. 
Vertuleieis,    /.     N.     1495. 

lüisrhl,  Epigr.  Sor. 
1  eibereis,  a.  0, 
M  i nur  ieis,  /.  Genuat 
Rufeis,  a.  0. 
Ca val  urineis,  0.  0. 
CDL  vi  reis,  /.  rep.  (Serv.   ne- 
ben leel  ei.) 
g  nateis,  a.  0. 
facl  eis,  /.  agr.  [Thor.) 
hei sce,  /.  Carth.  Rhein.    Uns. 

I\,  453.  /.  N.  3560.  (a.  Ch. 

1 1 1?  1127)3561. (a.Ch.  108.) 

3562.(ö.0*.tO6.)3563.(«.Cfc. 

L06.)  35^5.(0.  £%.  99.)  Rhein. 

Uns.  IX,   L56. 
niagislreis,  /.   V.  3560.  3561. 

3562. 
Ileirennieis,   /.  AT.  5618.  (a. 

Ch.  100—90.) 
La verneis,  /.  N.  5351.  (beben 

ma  giß  tri.) 
Freis,  /.  N.  1909.  (neben  li- 

liei.) 


iei,  I.N.  715,/.  Com.  <l.  \\  q. 

I.  d.    Ter m es.    I.    Jnl.  m.  I. 

Rubr. 
ei,  /.  agr.  [Thor.)  I.  JnI.  mun. 
eidem,  t.  Banlin.   I.  repet.  I. 

66m.  d.  \\  q.    I.  \.   1221. 

4148.3562.3563.  1472.3918. 

Grui.  69,  1 1. 
filiei,  T.   V.  4984.  1909. 
nu  nie  i.  Cot.  ms/r.  res/. 
(|  u  e  i ,  Sc.  d.  Bacc.  /.  Bant.  t.  Ge- 
nuat. I.  agr.  j  Thor.)  i.  rep, 

(Servil.)  '.  rep.  &,  d.  Tiburt. 

Or.  31 11./.  Com.  de  \\  q. 

I.  d.  Termes.  I.  \.  276.601  I 

/.  ./////.  ///////. 
foideratei,  Sc.  d.  Baccan. 
o  i  n  vor  sei,  n.  O. 
Uli  vir  ei,  a.  O.  /.  V.   I  -2 :  i « *  . 
magistrei,  /.  V.  3563.  3559 

(a.  Ch.94.)  Grui.  129,2. 
luliei,  Or.  1287. 
invitei,  tob.  Genuat. 
Poppaeei,  /.  V.  61  19. 
colon  ei,  /.  agr.  {  Thor.) 
pu  blicei,  a.  O. 
solui  ei,  (i.  0. 
lectei,/.  repet.  (Serv.) 
datei,  /.  repet.  (Serv.) 


—     221     — 

R o s c i e is,  /.  Carlh.  Rhein.  Mus.      i  ur e i ,  ct.  0. 

IX,  453.  R o m ane i,  l.  Com.  de  XX  q. 

To s s i e i  s ,  /.  Borg.  Rhein.  Mus-      c e  t e r  e  i ,  a.  0. 

IX,  454.  lectei,  a.  0. 

1 1 r  vireis,  I.  N.  4322.  sublectei,  a.  0. 

I  ta  I  i  c  e  i  s ,  CT.  Gr.  1137.  s  oli  tei ,  a.  0. 

institutei,  a.  0. 
f  a  c  t  e  i ,  /.  d.  Termes. 
postereiqu e ,  u.  0. 
a  m  i  c  e  i ,  a.  0. 
s  o  c  i  e  i  q  u  e ,  a.  0. 
agrei,  a.  O. 
s  c  r  i  p  t  e  i ,  a.  0. 
ipsei,  ct.  0. 
hei,  a.  0. 
publicanei,  a.  0. 
illei,  /.  R.  N.  4070. 
und  aus  der  Kaiserzeit:  createi,  /.  Jim.  /nun. 

S  e  p  I  u  in  i  e  i  s,  Maff.  Mus.  Veron.      des  ig  na  tei,  a.  0. 

267,  3.  faetei,  a.  0. 

Vgl.  tt/ischl  Mon.  epigr.  (r.  p.     leg a tei,  a.  0. 
18.  /'.  Rhein.  Mus.  IX,  150  /'.      reliquei,  a.  0. 

1  i b rar  e i ,  u.  0. 
duo  virei,  Or.  1497. 
patronei,  /.  N.  1855.  1850. 
unguentariei,  /.  N.  2897. 
Auf  den  ältesten  Inselniften  aber  wird  statt  VA  in  Pluralformed 
wie  die  vorstehenden  E  geschrieben;  so: 

Mo  dies,  /.  Amilern.  I.  N.  5758.  ploirume,  /.  Scip.  R.  /'.  Rh. 
ques,  Sc.  d.Racc.  Vgl.  Pacuv,  Mus.  IX,  2. 

Ribbeck.  Tr.  rel.  p.  87. 
es,  a.  O. 

und  der  Schreibweise  El  steht  auch  noch  nach  der  Gracchenzeit 
gleichzeitiges  E  in  denselben  Nominal ivfonnen  zur  Seite ;  so  in 
den  Formen  : 

V  e  t  u  r i e  s ,  /.  Genital.  p  1  ur u  m  e ,  /.  repet.  (Serv. ) 

Mentovines,  ct.  0. 
Cavaturines,  a.  0. 
duo  in  vires,  Or.  3808. 


—     222     — 

Atilies,  /.  Vindob.  Rhein.  Mus. 

IX,  156./. 
Sara nes,  a.  0. 
magistres,  a.  0. 

Zu  diesen  Formen  des  Nominativ  Pluralis  von  O-stämmen  ge- 
hören auch: 

matrimes,  Fest.  p.  126. 
patrimes,  a.  0. 
dieVerrius  Flaccus  aus  irgend  einem  älteren  Sprachdenkmal  kannte, 
da  sich  das  s  der  Pluralformen  von  O-stämmen  nach  der  Zeit  des 
Marserkrieges  nicht  mehr  findet.       Kurz  nach  dem  Zeitalter  der 
Gracchen  erscheinen  auf  Inschriften  auch  noch  solche  Nominative 
Pluralis,  die  das  auslautende  s  gewahrt  haben,  mit  I  geschrieben;  so: 
V  e  t  u  r  i  s ,  lab.  Gen. 
hisce,  /.  R.N.  3569. 
m  i  n  i  s  t  r  i  s ,  a.  0. 
magistris,  /.  Carth.  Rhein.  Mus.  IX,  453.*) 

Vergleicht  man  diese  Formen  mit  den  auf  den  ältesten  In- 
schriften vorkommenden  Mo  dies,  ploirume,  so  ergieht  sich, 
dass  die  ältere  Schrift  in  Fol  inen  des  Nominativ  Pluralis  von  O-stäm- 
men I  oder  E  schrieb,  und  seit  der  Zeit  des  Senatshesc  hlusses  über 
die  Bacchanalien  derselhe  Laut  auch  durch  F  I  ausgedruckt  wurde, 
dass  also  der  aus  dem  Diphthongen  oi  entstandene  Fant  in  allen 
diesen  Formen  ein  Mittellaul  zwischen  I  und  e  war. 

Man  vergleiche  nun  folgende  Zusammenstellung  von  Geneti- 
ven Singular is  derselhen  Stämme: 
Roman  ei,   /.  ayr.  {Thor.)  .1.      colonei,  a.  0, 

Rnbr.  stipe  nd  ia  rei,  a.  <>. 

populei,  /.  ayr.  {Thor.)  I.  rc-      leiberei,  a.  (>, 
pct.  (Serv.)  I.  (I.  Termes.  I.     suei,  /.  rep.  [Serv.) 
Ruhr.  ostiei,  /.  .V.  2458. 

locei,  /.  ayr.  {Thor.)  compagei,  /. //.  tfercvl.   I.  \. 

publicei,  a.  0.  3559. 

agrei,  a.  O.  '  rnagis  t  rei ,  a.  (>. 

vinei,  a.  O.  pa  geiei,  a.  (K 


t:)  Zweifelhaft   sind   die  Spuren   solcher  Pluralformeii    bei    Plantns, 
Mil.  (ihr.  374.  Pers.    684.  Ritschl,  /;//.  Mus,  l\,  158. 


—     223     — 

vicei,  t.  Vatic.  Momms.  Rhein,     habitandei,  ct.  0. 

Mvs.  IX,  455.  utendei,  a.   0. 

S  ul p i c  e i ,  •  a.  0.  m  u  n  i  c  i  p  i  e  i ,  /.  Ruhr. 

fanei,    ded.  vic.  Für  f.    T.  N.     damnei,  a.  0. 

601  1.  infectei,  ct.  0. 

faciumdei,  1.  Jul.  mun.  praefecteive ,  ct.  0. 

exportandei,  ct.  0.  M a r c e i ,  /.  pistor,  Ann.  d.  Inst. 

d a  m  n  a t e  i  v  e ,  ct.  0.  1 838.  p.  202. 

furtc i,  ct.  0.  Vergilei,    ct.  0. 

mandatei,  ct.  0. 

Statt  des  EI  dieser  Genetivformen  findet  sieb  auf  den  älte- 
sten Inscbriften  bis  zur  Zeit  des  Senatsbeseblusses  über  die  Bae- 
ebanalien  I  geschrieben ;  so '. 

S  a  e  t.  u  r  n  i ,  Ritschi,  ftetü.  Lctl.  p.8.    L  a  t i n  i,  Sc.  d.  Bacc. 
Volcani,  a.  0.  p.  17.  urbani,  ct.  0. 

Keri,  a.  0.  p.  17.  Momms.  U.  I).  p.  32. 
Kaili,  Cohtmb.  Somasc.  Momms.  U.  D.  p.  32. 
Barbati,  /.  Scip.  B.  f. 

und  auch  in  den  Gesetz  Urkunden  und  sonstigen  Sprachdenkmälern 
bis  zur  Zeit  des  Augustus  geben  diese  Können  des  Genetivs  neben 
denen  auf  ei  lier. 

Also  auch  liier  war  der  Diphthong  oi  der  ursprünglichen  Ge- 
netivform o-is  zu  einem  einlautigen  breiteren  i  getrübt,  bevor  die 
Schreibweise  EI  eintrat. 

Es  sind  nun  noch  die  Formen  des  Dativ  und  Ablativ  IMu- 
ralis  von  O-stammen  in  Betracht  zu  ziehen,  die  EI  an  der  Stelle 
des  Diphthongen  oi  der  in  suois,  gnatois  noch  aufbewahrten 
ursprünglichen  Endung  dieser  Casus  auf  Lateinischem  Sprachboden 
in  Voraugusteischer  Schreibweise  zeigen.  Solche  Dative  sind: 
libreis,  /.  N.  299.  cetereis,  ct.  0. 

soveis,  a.  0.  leibereis,  Sc.  d.  Asc.  Claz. 

eeis,  Sc.  d.  Beter.  *   pos  terei  sque  ,    ct.  0.     I.  N. 

ieis,  /.  d.   Termes.  1917.  4074. 

eis,  /.    ctgr.   {Thor.)   i.   repet.      Pisideis,  /.  d.  Termes. 

{Serv.)    I.  Com.  d.  XX  q.  Sc.      portorieis,  a.  0. 

d.  Asc.  Claz.  Ded.  vic.  Fnrf.      mar  Rum  ei  sque,  ct.  0. 
coloneis,  7.  N.  6149.  2249.        capiundeis,  ct.  0. 
vic  an  eis,  /.  ctgr.  {Thor.)  amieeis,    /.   N.  3662   (neben 

oll  ei  sque,  ct.  0.  bonis). 


224 


liberteis,  /.  N.  2364. 
sueis,  /.  N.  1917.  5223.  1658. 

4393.  /.  Jul.  mun. 
boneis,  /.  N.  4070. 
dumineis,  a.  0. 
vi  eis,  /.  Jul.  mun. 
purgandeis,  a.  0. 
certeis,  a.  0. 
loceisque,  /.  Jul.  mun. 

Ablative  dieser  Art  sind: 
c  a  s  t  r  e  i  s  ,  Col.  rostr.  rest.     l. 

Jul.  mun. 
s  o  c  i  e  i  s ,  Col.  rost.  rest. 
eeis,  Sc.  d.  Bacc.   L  Ruhr. 
ei  eis,  Sc.  iL  Tiburt.  Or.  3114. 
eis,  lab.  Genuut.  I.  agr.  {Thor.) 

I.    Com.   de  XX  q.     I.   Jul. 

mun. 
eisdem,  l.  Jul.  mun.  l.d.  Ter- 
mes. 
ieis,  Sc.  d.  Tiburt.  I.  Com.  de 

XX   q.    I.   Termes,     l.    Jul. 

mun.  I.  Ruhr. 
in  ieis,   /.  Scip.  Hisp.  Or.  554. 
pi  oxsumeis,  /.  Baut.  I.  repet. 

I.  agr.  {Thor.)  I.  repet.  {Serv.) 

I.  Jul.  mun. 
invitcis,  a.  0.  Heu:.  Or.  7363. 

/.  Jul.  man. 
vinculeis,  lab.  Gen. 
a  mi  eeis,  /.  N.  733. 
sn eis,  /.  N.  733.  /.  Termes, 
viasieis,  l.  agr.  [Thor.) 
agbeis,  a.  0.  Sc.  iL  Termes. 
public  eis,   /.  agr.    (Thor.)   I. 

Jul.  mun. 
nioinicipieis,  /.  agr.  Thor. 
singoleis,  Tab.  Maff.  Egger, 

p.  282.   Rhein,  J///.V.VIII,  lv_> 


publiceis,  a.  0. 
tributeis,  a.  0. 
fruendeis,  a.  0. 
conscreipteis,  a.  0. 
serveis,  a.  0. 
Caedicianeis,  /.  N.  4023. 
Pap  ieis,  a.  0.  (neben  culu- 

nis,  S  enuisanis). 
fileis,  /.  N.  4166. 

lieisce,  /.  rep.  {Serv.) 

a  n  n  e  i  s  ,  a.  0. 

vi  reis,  a.  0. 

conciliaboleis,  a.  0. 

legundeis,  a.  0. 

oppedeis,  /.  rep.  {Serv.) 

foreis ,  a.  0.  L  Jul.  m. 

rost  reis,  /.  rep.  {Serv.) 

abiegnieis,/.  Put.  f.  N.  2458. 

crasseis,  a.  0. 

seneis,  a.  0. 

aesc  ulnieis  ,    a.  0. 

Puteoleis,  a.  0. 

primeis,  a.  0.  l.Corn.  iL  XX  q. 

pageis,  /.   Vatic.  Rhein.    Mus. 

JX,  455. 
n un eis ,  /.  Com.  (I.  \\  q. 
w\  ereis,  a.  o. 
se  eun  «Ieis  ,  a.  0. 
tertieis,  a.  (L 
legundeis,  a.  0. 
sii  1)1  eg  n  ndeis,   a.  (f. 
I  oo  eis,  /.  Term.  L  Jul.  /nun. 
aedificieis,  /.  Termes. 
uppideie ,  a.  (f. 
lud  eis,  /.  X.  4875.  /.  Jul.  /nun. 
comulateis ,  bcd.  r.  Für/    I 

.V.  601 1. 
olleis.  a.  0. 


—     225     — 

illeis,#.  0.  -      iumenteisve,   fl.  0. 

p  e  r  p  e  t  u  e  i  s  ,  /.  Jul.  mun.  m  u  n  i  c  i  p  i  e  i  s  ,  a.  0. 

i  n  t  e  g ;  r  e  i  s  ,  a.  0.  s  i  n  g  u  1  e  i  s  ,  a.  0. 

eerteis,ä?*0.  c o n c i  1  i a b u  1  e i s ,  a.  0. 

libreis,  a.  0.  castreis,   a.  0. 

iurateis,  #.  0.  conscreipteisve,«.  0. 

c  o  m  i  t  i  e  i  s  ,    a.  0.  1  e  g  a  t  e  i  s ,  a.  0. 

anneis,  #.  0.  iudicieis,  /.  Ruhr. 

a  n  n  u  e  i  s  ,    a.  0.  d  a  t  e  i  s ,  a.  0. 

c  o  1  o  n  e  i  s ,   a.  0.  i  u  s  s  e  i  s ,  a.  0. 

p  lost  reis,  a.  0.  raeriteis,  Or.  4641. 

Neben  der  Schreibart  EIS  dieser  Formen  erscheint  gleichzei- 
tig wenn  auch  seltener  auf  denselben  Inschriften  die  später  allein 
herrschend  gewordene  IS,  in  einzelnen  Fällen  auch  ES;    so  in: 
invitis,   t.  Genuat.     neben     vicanesve,  l.  agr.  {Thor.) 
lanuaris,  a.  0. 
secundis,  a.  0. 
hisce,  a.  0. 
terminis,  a.  0. 
con  trover  sis,  a.  0. 

f i  s  c  i  s ,  /.  rep.  (Serv.)  s  c r  i  p  t  e  s ,  /.   rep.  (Serv.) 

puplicis,   a.  0. 
proxumiis,  /.  Jul.  mun. 

iisdem,  a.  0.  con  Script  es,  /.  Jul.  mun. 

isdem,  a.  0. 

Also  kann  E  I  in  allen  diesen  Casusformen  von  O-stämmen 
keinen  Diphthong  bezeichnet  haben. 

EI  erscheint  nun  auch  in  den  Dativen  und  Ablativen 
Pluralis  von  Stämmen  der  A-declination  als  Ausdruck  eines  aus 
dem  Diphthongen  ai  entstandenen  Lautes. 

So  in  den  Dativen :  in  den  Ablativen : 

incoleis,  /.  N.  6149.  soveis,  /.  N.  5882. 

scribeisve,  l.Corn.deWq.      taboleis,    /.   repet.     I.    repet. 
i  n  f  e  r  i  e  i  s ,  /.  N.  1 623.  (Serv.)  I.  Bant. 

vieis,  /.  Jul.  mun.  tableis,  /.  agr.  (Thor.) 

purgandeis,  a.  0.  tabuleis,  a.  0. 

contr oversieis,  t.  Gen. 

CORSSEN.  15 


—     226     — 

in  den  Ablativen: 
decurfeis,  /.  Com.  d.  XX  q. 
c  aus  eis,  /.  Jul.  mim. 
praefe ctu reis,  ct.  0. 
Die   schon  erwähnte  ältere  Form  nuges    (/.  N.  5758)  für 
nugais   und   die   dein  EI   der  vorstehenden  Wortformen   gleich- 
zeitige Schreibvveise  I  zeigt,  dass  auch  hier  EI  die  Bedeutung  eines 
Diphthongen  verloren  hat  und  nur  den  Mittelton  zwischen  e  und  I 
bezeichnet. 

So  erklärt  sich  nun  das  Schwanken  der  Schreibweise  auch  in 
folgenden  Wort  formen : 

e ,  ei,  i , 

die   quarte,    Po/n-  die  quinti,  a.  0.  6. 

pon.  Gell.X,  24,  5.  die  noni,  a.  0.  3. 

die     s  e  p  t  i  m  e  i  ,  die  c  r  a  s  t  i  n  i ,  Plaut. 
Plaut.  Pers.  260.         Most.  v.  881. 
here,  Quint.  1,  4,  8.  he r ei,  Plaut.. EffV. 59.  heri, 
peregre,  peregri, 

praefi  seine,  praefiscini 

{vgl.  Fleckeisen,  zur  Krit.  alilat.  Dichterfr.  hei  fiel/.  j>.  31.  /.). 
Die  Formen  qua rti,  quinti,  septimei,  noni,  crastini, 
heri,  herei,  here,  peregri,  peregre  sind  Locativendungen 
wie  domi,  humi,  vesperi  u.  a;  in  die  ist  die  Locativendung  i 
abgefallen  wie  nicht  seilen  das  i  des  Genetivs  von  Wörtern  der  E- 
declination;  die  Casusform  von  praefiscine  bleibt  dahingestellt. 
Ebenso  schwankt  die  Schreibweise  <\(^  auslautenden  Vokales 
in  folgenden  Pronominalformen  und  Conjunctionen: 

e,  ei,  i, 

sibe,  Quint.  I,  7,  24  (in     sibei,  Sc.  <1.  Bacc.    1.     sibi, 
multorum  libris).        agr.  (Thor.)    I.  rep. 

[Sei  r.)   t.  Sc//>.  Hisp. 
Or,  554.   /.   \.    1994. 
3928.     5223.     I  :>!»<>. 
4  l(i().    /.  Ruhr. 
tibe,  /.  Seil).  /'.  f.  Or.     ti bei,  /.  Mumm.  Rhein,     tibi, 

558.  Mus.  VIII,  UM.  IV  Mi. 

Umbr.  tefe, 

Umbr.  mehe,  mihei,   /.   Rom.   Heu:,     mihi, 

7268. 


—     227     — 

e,  ei,'  i, 

übe,  Or.  732  (p.  Ch. 65).     ubei,  Sc.   d.   Bacc.    t.     ubi, 
4805  l(spät).    I.    N.         Aleir.  lab.Gen.  l.rep. 
5607  {spät).  (Serv-)Sc.d.Asc.Claz. 

Umbr.  pufe,  /.  Jul.  mun. 

i  f  e ,  i  b  e  i ,  Sc.  d.  Bacc.  lab.     i  b  i ,  t.  Genuat. 

Gen.  Sc.  d.Asc.  Claz. 
l.d.  Term.  I.  Jul. mun. 
I.   Ruhr. 
ne,  nei,  ni. 

Ritscbl  hat  nachgewiesen  (Bhein.  Mus.  VIII,  483  /*.),  dass  auf  den 
Inschriften  der  ältesten  Zeit  ne  vorwog,  dann   nei  und  ni  mehr 
hervortraten,  endlich  aber  ne  wieder  das  ge wohnliche  wurde.    Vgl. 
Donat.   Ter.  Eun.  III,  3.  2.  Lachm.     Lucr.  II,  734. 
Umbr.  s  v  e ,  s  e  i ,  Sc.  d.  Bacc.  Or.  558.     s  i , 

Volsk.  se,  t.  Bant.  t.  Genuat.   I.     si-ve,  /.  Jul. 

rep.  (Serv.)  I.  Com.  mun.  B.  v. 
d.  XX  q.  /.  Jul.  mun.  Für  f.  I.  N. 
I.  Ruhr.  6011. 

ni-se,  /.    Ruhr.  ni-sei,  Sc.  d.  Bacc.  1.     ni-si,  t.  ße- 

rep.  (Serv.)  I.  d.  Term.         nuat. 
I.  Ruhr.   I.  Jul.  mun. 
n  e  -  s  e  i ,  /.  repet.  I.  rep. 
[Serv.) 
qua-se,  Quint.  I,  7,  24     qua  -  sei,  /.  repet.  t. Bant.     qua   si, 
(in    m  u  1 1  o  r  u  m    1  i  -         /.  rep.  (Serv.)  I.  Com. 
bris).  d.  XX  q. 

q  ua  n-  sei,  l.agr.(Thor.) 
u  t  e  i ,  Sc.  d.  Bacc.  t.  Ge-     u  t  i ,     t.    Ge- 
nuat.   I.  Tiburt.  nuat. 
Wie  wenig  nun  das  Bestreben  des  Lucilius,  in  die  Schreib- 
weisen EI  und  I  Regel  und  Princip  zu  bringen,  Erfolg  gehabt  hat, 
das  erhellt  aus  folgender  Zusammenstellung  schwankender  Schreib- 
weisen in  den  wichtigsten  Gesetzurkunden  seit  der  Zeit  der  Grac- 
chen  bis  auf  Caesar. 

e,  ei,  i, 

lab.  B antin.  nei,  ni, 

plebeive,  plebive, 

15* 


—    228     — 

e,  ei,  i, 

lab.  Genuat.  Veturis,     Veiturios,  Vit ui  iorum, 

dum-ne,  nei,  ni. 

posedet,  posedeit, 

ibei,  ibi, 

utei,  uti, 
con  troversieis;    controversis, 


inviteis, 

invitis, 

fönte, 

fönt  ei, 

/.  repei.  (Serv.)  p  a  r  e  n  - 

major  ei, 

parti , 

teve, 

rostreis, 

rostris, 

/.  repet. 

plebeive, 

p  1  e  b  i  v  e , 

1  u  c  e  i , 

luci, 

1.  agrar.  (Thor.) 

locei, 

loci , 

p  o  p  u  1  e  i , 

popnli, 

agrei, 

;  i  o  v  i 

screiplus, 

scriptus. 

1.  Com.  de  XX  quaest. 

1)  e  c  e  ni  b  res, 

Decembreis, 

praecones, 

praeconeis, 

Sc.  d.  Asclep.  Claz. 

v  e  n  e  i  r  e , 

venire, 

leibe reisve, 

1  e  i  b  e  r  i  s  v  e , 

1.  d.  Termes. 

Peisidae, 

Pisidae, 

ceives, 

civeis, 

p  o  p  u  1  c  i , 

p  o })  u  1  i , 

1.  Jal.  mun. 

eö  nscrei  pi  u  mye 

,cons  eri  j»i  um  ■ 

deicet, 

dicere, 

tuerei, 

t  u  e  r  i , 

a  d  v  e  h  e  i , 

advebi, 

exportarei , 

portari, 

par  le, 

p  a  r  t  e  i , 

co n t  inen  1  i , 

" 

u  bei, 

ii  l»i. 

seive, 

sive, 

L.Rubr.  ceis, 

ieis, 

repromeisser  ii. 

repromi  ssio, 

dirceique, 

duci, 

])  ossidcrci, 

possideri, 

d  e  i  c  c  l . 

i  n  i  erdi  i  cd  \  e 

nise, 

oisei. 

—     229     — 

Im  Augusteischen  Zeitalter  ist  für  gewöhnlich  die  Schreibart  E I 
abgekommen;  aber  der  Mittelton  blieb,  von  dem  Qm'ntilian  (1,  4,  8) 
sagt:  neque  e  plane  neque  i  auditur.  Man  bezeichnete 
ihn  seit  der  Zeit  häufig  durch  ein  höheres  über  die  anderen 
Buchstaben  emporragendes  I  (Ritschi  Mon.  Epigr.  tria  p.  31. 
Momms.  Rhein.  Mus.X,  142/.).  Aber  auch  auf  den  besten  Schrift- 
denkmälern dieser  Zeit  findet  sich  noch  vereinzelt  die  Schreibvveise 
EI;  so  in: 

mer\te\s,Murd.laud.  Or.4860.      p  leb  ei,  Mon.  Ancyr. 
praeeepteis,  a.  0.  quadrigeis,  a.  0. 

cetereis,  a.  0.  postereis,  Or.  3693. 

probeis,  a.  0.  sueis,  a.  0. 

Ebenso  erscheint  E  i  noch  vereinzelt  bis  in  die  spätere  Kaiser- 
zeit ;  so  in : 
eidem,/.  TV.  2909.5007.  2428.      Venerei,  /.TV.  5013. 

2241.  1147.  Herculei,  /.TV.  5613. 

sei,  /.  TV.  3329.  sibei,  /.  TV.  5225.  2043. 

deivi,  /.  TV.  5014.  auxsiliarei,  /.  TV.  5778. 

veivos,  /.  TV.  5225.  arkarei,  /.  TV.  5705. 

Veidius,  LN.  5902.  sueis,  /. '  N.  1615.  2909.  3773. 

niquei,  /.  N.  5468.  4721. 

heic,  /.  TV.  767  (spät).  3874.        inmeriteis,  /.  N.  6141. 
plebeis,  7.TV.455  (p.Ch.2Q8.)     infirmeis,  a.  O. 
patrei,  /.  N.  5700.  fileis,  I.  N.  6222. 

Das  späte  Vorkommen  dieser  Schreibweise  erklärt  sich  dar- 
aus, dass  man  in  Aufschriften  von  Weihegeschenken  und  Grab- 
mälern  in  gewissen  wiederkehrenden  Formeln  auch  die  altherge- 
brachte Schreibart  festhielt.  Wenn  so  Jahrhunderte  lang  noch 
EI  geschrieben  wurde,  nachdem  dieses  Schriftzeichen  aufgehört 
hatte  einen  Diphthongen  zu  bedeuten,  so  bestätigt  das  die  Rich- 
tigkeit des  oben  geführten  Beweises,  dass  lange  schon  ae  und  oe 
gesprochen  wurde,  als  man  noch  AI  und  Ol  schrieb. 

Auch  im  Umbrischen  Dialekt,  der  in  der  Trübung  der  Diphthon- 
gen noch  weiter  gegangen  ist  wie  das  Lateinische,  bezeichnet  das 
Schriftzeichen  EI  keinen  Diphthongen  mehr,  sondern  einen  zwi- 
schen e  und  T  schwankenden  langen  Laut,  der  auch  durch  E  und 
I  bezeichnet  wird.    Man  vergleiche  die  Schreibweisen: 

pehaner,  peihaner,  pihaner, 

poe,  poei,  poi, 


—     230     — 

ape,  apei,  api, 

Fise,  Fisei,  Fisi 

{Aufr.  u.  Kirchh.  Umbr.  Sprachd.  I,  31.  41.  vgl.  Glossar). 
Wenn  im  Oskischen  Gesetz  von  Bantia  dasselbe  Wort  in  Lateini- 
scher Schrift: 

ne,  nei,  ni 

geschrieben  wird,  so  bezeichnet  El  hier  wie  in  dem  Lateinischen 
nei  den  Miltelton  zwischen  e  und  i.  Somit  aber  hat  das  Oskische 
mit  den  anderen  Diphthongen  au,  ou,  ai,  oi  auch  den  Diphthon- 
gen ei  gewahrt. 

Folgendes  stellt  sich  demgemäss  als  Hauptergebniss  dieser 
Untersuchung  heraus.  Der  durch  E 1  ausgedrückte  Laut  ist  ausser 
in  Casusformen  von  E-stämmen  hervorgegangen  aus  den  Di- 
phthongen ai,  oi,  ei,  und  aus  eigentlichem  langen  I;  er  ist 
aber  nirgends  mehr,  so  weit  unsere  Kenntniss  der  Altlateini- 
schen Sprache  hinaufreicht,  ein  Diphthong,  bei  dem  ein  Ton- 
übergang von  anlautendem  e  zu  auslautendem  i  hörbar  wäre,  son- 
dern ein  einfacher  Mittellaut  zwischen  e  und  i,  daher 
auch  in  der  ältesten  Schrift  durch  E  oder  I  bezeichnet.  Inder 
älteren  Sprache  neigte  sich  dieser  Vokal  mehr  dem  E-laut  zu 
und  so  klang  er  noch  in  der  Augusteischen  Zeit  und  später 
im  Munde  des  Landvolkes.  Im  Munde  der  Gebildeten  aber 
während  der  Glanzzeit  der  Römischen  Litteratur  lautete  er  dem 
I-laut  ähnlicher  als  dem  E-laut  und  ward  daher  auch  durch  1 
bezeichnet. 

Dass  die  Schreibweise  EI  dazu  gedient  halte  auch  einen  kur- 
zen Mittelton  zwischen  e  und  i  anzudeuten  kann  nach  den  hier  zu- 
sammengestellten sprachlichen  Thatsachen  weder  aus  vereinzelten 
Schreibfehlern  wie  seibi,  faceiu(n  dum),  Or.  1710,  noch  aus 
der  Messung  sTbeT,  /.  Scip.  Cn.  f.  Or.  554,  wo  man  nach  alter 
Weise.schrieb,  während  man  schon  sibii  sprach,  mit  irgend  einer 
Folgerichtigkeit  geschlossen  werden.  Die  vorstehend«  Untersu- 
chung hat  die  Richtigkeit  der  Ritschi  sehen  Ansicht 
durchaus  bestätigt. 

Die  spätere  Römische  Volkssprache  liess  jenen  Mittelton,  wie 
sich  in  dem  Abschnitt  über  Wahlverwandtschaften  der  Vokale  zu 
Consonanlen  weiter  herausstellen  wird,  zum  Theil  zu  e  werden,  und 
so  ging  er  denn  auch  in  die  Italienische  Spracht4  Über. 


au 

zu 

ou, 

ai, 

ae, 

oi, 

oe, 

—     231     — 

Die    Lateinischen  Diphthonge   haben   sich   also   in  folgender 
Weise  getrübt: 

ö,  ü, 

ö ,  ü', 

e 

e,  e,  i,  I, 

ü,  e,  e,  i,  I, 

ei,  e,  i,  I, 

Der  Anfang  dieser  Trübungen  fällt  zum  Theil  in  vorge- 
schichtliche Zeiten  hinauf;  in  der  Zeit ,  wo  unsere  inschiiftli- 
chen  Denkmäler  beginnen,  sind  sie 'schon  im  vollen  Zuge,  und  die 
Diphthongzeichen  sind  zum  Theil  nur  noch  Denkzeichen  verbliche- 
ner Diphthonge.  In  der  Augusteischen  Zeit  ist  nur  noch  der 
Diphthong  au  lebendig  geblieben,  und  nur  dieser  hat  sich  aus  der 
Römischen  Volkssprache  auf  die  Romanischen  Tochtersprachen  ver- 
erbt. Das  Absterben  der  Diphthonge,  das  in  der  Lateinischen 
Sprache  schon  in  der  Zeit  Romischer  Kraft  und  Grösse  eingetre- 
ten war,  hat  auch  den  Vokalismus  der  Griechischen  Sprache  er- 
griffen, aber  erst  nachdem  die  Rlüthe  des  Heltenenthums  verwelkt 
war.  Am  frühsten  trübte  sich  der  Diphthong  cu  zu  ae;  so  er- 
scheint er  schon,  als  die  Griechen  den  aus  ai  geschwächten  Römi- 
schen Laut  ae  durch  das  Schriftzeichen  AI  bezeichneten  in  Wort- 
formen wie  Aiiilliog,  Küvvai,  AaCliog  {vgl.  Melhorn,  Gr. 
Gramm,  p.  22).  In  der  späteren  Römischen  Kaiserzeit  klingt  er 
vom  E  schon  nicht  mehr  verschieden,  das  zeigen  die  Schreibwei- 
sen wie: 
xElte,    Grut.  1052,  6  (p.  Ch.      neben  avxXy\<5uxai ,  Mai  a. 

409).  0.  180,  2. 

xrjts,  Boss,  Inscr.  Gr.  ined.  III,  av  a  £&  rj  %  av ,  a.O.  183, 

n.  246.  d.  2.  p.  10.  2. 

%£lvt£,  a.  0.  n.  246.  5.  p.  9. 
xf,  Mai,  script.  vett.  n.  coli.  V, 

p.  27,  4.    160,  4.   194,  4. 
TQoit  £ov%og  ,    a.    O.  357,  4 

(Justinian). 

Aber  auch  die  anderen  Diphthonge  werden  in  dieser  Zeit  von 
derselben  Lautverderbniss  ergriffen ;  daher  findet  sich  auf  christli- 
chen Grabschriften  i  für  ei  wie  für  r\  geschrieben;  so  in: 


—  232 


Kits,    C.  I.   Gr.   4103.  4107. 

4636.  5713.  5720.  5746. 

Boss,    Reisen    d.    Griechenl. 

p.U.  Fleetw.  S.  Insc.  375,4. 

Mai  a.  0.  p.  416,  5. 
xivze,  C.  I.  Gr.  5710. 
ßaöill,  Mai  a.  0.  27,  4. 
nQoaaticjv,  a.  0.  236,  2. 
livrj[ii,G)v,  a.  0.  416,  11. 
iQr\vr\,  a.  0.  416,  4. 

svipvxh  a-  0.  416,  7. 

ovdog,  a.  0. 

ebenso  £i  und  tj  für  l,  r\  für  £t  und  £i  für  ?y  in  Schreibweisen 

wie  : 


iroum,  1.  N.  2988  (neben  he- 

roum ). 
XQiötov,  Ross,a.  0.  p.  44. 
[ILTIQ  ,  jü/ä/,  #.   0.  8,   6. 
sv^tg,  #.  0.   19,  1. 
ßoi&r],  ct.  0.  27,  4. 
/',  a.  0.  29,  2. 
ötqcct  tyov ,  a.  0.  160,  4. 
yvt,6iov,  a.  0.  194,  4. 
t?£,  #.  0.  356,  3. 
Xi\jliv  ,  #.  0.  359,  5  ; 


livtfö  frorst,  Mai  a.    0.  28, 

4. 
tQ£i6okßCov,  a.  0.  194,  2. 
EiccKcoß,  a.  0.  4. 
fffpoftapTvpofv),    a.     0. 

236,  2. 
TeQsvtscavov ,   ff.  ^V.   415, 

10. 
ftoVw,  tf.  0.  416,  11. 


%aQrjv,  a.  0.  29,  2. 
rjQilve,  Fleetw.  S.  Insc.  p.375, 4. 
^o^i/ojroto'g,  7f/tf/,  ff.  0.  194, 
4. 

ßoi&rj,  Mai,  a.  0.  p.  27,  4. 
«ti%,  a.  ö.  29,  2. 
£7ioi£i6a,  a.  0.  194,  4. 


Vergleicht  man  mit  diesen  Formen  die  Schreibart  des  Griechi- 
schen Sprichwortes:  xov  Ogavxov  cpikov  £%iS->  yixova 
ovx  £%ig,  bei  Einhard  (Vit.  Carol.  Magn.  Mon.  Germ.  Pertz, 
II,  452),  so  ergiebt  sich,  dass  bis  zum  Anfange  des  neunten  Jahr- 
hunderts die  Trübung  der  altgriechischen  Laute  ai  zu  £,  ot,  £  t,  r] 
zu  t  im  Volksmunde  eine  vollendete  Thatsacbe  geworden  war,  die 
sich  schon  Jahrhunderte  lang  vorher  vollzog.  Nimml  man  hinzu, 
dass  auch  der  Diphthong  av  sich  im  Neugriechischen  zu  aF  ver- 
härtet hat,  so  ist  klar,  dass  der  Vokalismus  dieser  Sprache,  der  ab- 
gesehen von  einzelnen  Resten  der  alleren  Aussprache  für  die  allen 
Laute  oi,  £t,  tu,  17,  t,  v  ein  wenig  modilicierles  i  und  für  cu 
nur  noch  ein  £  hören  lasst,  sich  in  einem  Zustande  ärgerer  Zerrüt- 
tung und  Verarmung  befinde!  als  in  den  neueren  Germanischen  und 
Romanischen  Sprachen.  Wenn  aber  Schreibweisen  wie  die  oben 
angeführten  den  alteren  Inschriften  fremd  sind,  so  ist  das  ein  neuer 
Beleg  dafür,  wie  grundlos  die  Einbildung  ist,  dass  ein  so  verkom- 


—     233     — 

mener  Vokalismus  im  Munde  der  Homerischen  Sänger  zu  finden  ge- 
wesen sei,  dass  das  geistvollste  aller  Völker  mit  sechs  verschiede- 
nen einfachen  oder  doppelten  Schriftzeichen  zur  Bezeichnung  ei- 
nes I- lautes  einen  zwecklosen  und  widersinnigen  Luxus  getrieben 
habe.  Im  Ganzen  ist  die  Griechische  Sprache  also  in  der  Trübung 
der  Diphthonge  denselben  Weg  gegangen  wie  die  Lateinische,  aber 
noch  weiter  wie  diese,  bis  sie  auch  den  letzten  diphthongischen 
Klang  eingebiisst  hatte. 


B.     Wandlung    der    Vokale. 

1)  Ablaut. 

Schon  ehe  die  Italischen  Völker  in  die  Halbinsel  des  Mittelmee- 
res  einwanderten,  hat  die  Geschichte  der  Sprache ,  aus  der  die  La- 
teinische hervorging,  begonnen.  Deshalb  muss  zu  Anfang  dieser  Un- 
tersuchung über  d:e  Wandelung  der  Vokale  auf  das  Ergebniss  der 
vergleichenden  Sprachforschung  hingewiesen  werden,  dass  ein  ur- 
sprüngliches a,  wie  es  sich  am  häufigsten  im  Sanskrit  erhalten 
hat,  im  Lateinischen  und  Griechischen  vielfach  zu  e  und  o  abge- 
schwächt erscheint.     Man  vergleiche: 

a,  e,  o, 

&fo\_padäs,  pedis,  Ttodog, 

bharatas,  ferentes,  cpeQOVtag, 

nävas,  ve'og,  novus, 

Skr.  vähanam,  vehiculum,  ^-ö%avov , 

m  änas,  mens,  moneo, 

M  e  n  e  r  v  a  , 
pak'täs,  7t£7tt6g,  coctus, 

p  ä  k  t  i  s ,  7teil>ig,  c  o  c  t  i  o , 

g'änitär,  yevetTJQ ,  genitör 

(Bopp  Vergl.  Accentuationssystem  des  Sanskrit  und  Griechischen 
p.  5  f.  179  /.).  Es  wird  sich  im  Laufe  der  Untersuchung  heraus- 
stellen, dass  unter  der  Einwirkung  bestimmter  Consonanten  das  so 
entstandene  e  und  o  auf  dem  Boden  der  Lateinischen  Sprache  zu 
i  und  u  geworden  ist.     t    ■ 


—    234     — 

Dass  schon  in  dieser  frühsten  Sprachperiode  die  Consonanten 
bei  der  Vokalwandelung  nicht  ohne  allen  mitwirkenden  EinQuss  ge- 
wesen sind,  dafür  sind  wenigstens  noch  einzelne  Spuren  erkennbar, 
die  im  folgenden  Abschnitt  zur  Sprache  kommen  werden.  Aber  in 
den  meisten  Fällen  ist  ein  lautlicher  Grund  nicht  erkennbar,  wes- 
halb ursprüngliches  a  im  Lateinischen  und  Griechischen  einmal  zu  e, 
dann  zu  o,  im  Gothischen  bald  zu  i  bald  zu  u  ablautete.  Im  Grie- 
chischen und  noch  weit  entschiedener  im  Deutschen  sind  diese 
Laute,  also  das  a  und  die  aus  demselben  abgeschwächten  oder  abge- 
läuteten Vokale  vom  Sprachgeist  verwandt  worden  zur  Unterschei- 
dung der  einfachen  Tempora  der  Verba  und  zur  Wortbildung. 
Man  vergleiche  zunächst: 

exTova,  Ktevcj, 

e<37tOQCC,  ÖTtSQCÖ, 

tSt  QOCpK  ,  TQS71CÖ, 

stulans,  stila, 

s-tolaner,  stilu, 

h  u  1  p  a  n  s ,  h  i  1  p  a , 

holfaner,  hilfu. 

Im  Lateinischen  ist  von  dieser  Verwendung  des  Ablautes  in- 
nerhalb der  Verbalbildung  keine  Spur  mehr  übrig  geblieben,  denn  in 
pello,  pepuli,  pulsum,  percello,  perculi,  perculsum, 
tollo,  tetuli  ist,  wie  weiter  unten  nachgewiesen  werden  wird,  der 
Vokal  durch  den  phonetischen  Einfluss  des  folgenden  consonanti- 
schen  Lautes  umgelautet  worden.  Aber  eine  Spur  des  Ablautes 
hat  sich  im  Lateinischen  noch  erhalten  in  der  Wortbild  ung.  Man 
überblicke  folgende  Zusammenstellung : 


Griech. 

exrccvov, 

EÖJtCCQOV, 

EXQCCTIOV  , 

Goth. 

stal, 

Althochd. 

stal, 

Goth. 

halp, 

Althochd. 

half, 

Lai.       fero, 

fors, 

cello, 

co  11  i  s  , 

tego, 

toga, 

t  u  g  u  r  i  u  m , 

p  e  n  d  o , 

p  o  n  d  u  s , 

Griech.  tq  ecpco , 

TQOtpij, 

l  e  y  co , 

koyog, 

XQ£  7TC3, 

XQOTLCilOV  , 

Goth.     m  i  1  a  n , 

Dl  u  1  d  a , 

fr  i  m  a  n , 

fruma, 

li  i  1 1  h  a  n , 

h  u  1 1  h  s  ; 

so  zeigt  sich,  dass 

d; 

IS 

e 

in  fach«*,  star 

ke  Verbu  m  in   den  drei 

verwandten  Sprachen 

d< 

■li 

leichteren  V 

Oka  1  e  oder  i.  das  davon 

—    235     — 
gebildete  Nomen  den    schwereren  Vokal  o  oder    u 


wählt  hat.     Ebenso  lasse] 

[i  sich  vergleichen: 

Lal.       m  e  m  i  n  i , 

m  o  n  e  o , 

m  ens, 

d  i  d  i  c  i , 

doceo, 

nex, 

noceo,  (Pott  Et.  F.  I,  267.) 

terra, 

t  o  r  r  e  o  , 

e  x  t  o  r  r  i  s , 

Griech.  xhsTtta, 

TcXöTtSCO  , 

k  leitog , 

%  l  o  it  e  v  co , 

%lo7tsvg , 

TQSCpCO, 

X  0  0  (p  b  CO  , 

TQ  8(p  0  g, 

TQocpCag , 

CpBQCO, 

<pOQS  CO  , 

(pOQSTQOV, 

(poQL[iog  , 

Goth.     hilan, 

huljan  , 

t  i  n  d  a  n , 

t  u  n  d  n  a  n , 

silan, 

gasuljan, 

s  u  1  j  a   {vgl  Ulfilas,  ed.  Gabi.  u.  Loeb. 

Gloss.   T.  IL  Gramm.  Wortbil- 

dung slehre). 

In  diesen  Bildungen 

der  drei   Sprachen    hat  das  einfache 

Verb  um  oder  Nomen  den  seh  wacheren  Vokal  e  oder  i ,  das 

abgeleitete  den  stärk 

eren  Vokal  o  oder  u.     Aehnlich  verhal- 

ten  sich  auch  zu  einander : 

Lal.              pars, 

portio, 

m  a  r  t  u  1  u  s , 

mors,  (Pott  Etym.  Forsch.  I,  221.) 

Griech.        TQcccpeQog, 

tqc  cpniog, 

CpUQdTQU, 

CpOQSTQOV  , 

Goth.           dragk, 

af-drugkja, 

Neuhochd.   trank,  trunk. 

Nebeneinander  zeigen  sich  die  Ablautungsvokale  o  und  e  in  der 
Lateinischen  Sprache  auch  in: 

h  o  1  u  s ,  h  e  1  u  s , 

convollere,  convellere, 

Charis.  p.  174. 
amplocti,  Prise.  I,  32.  //.  amplecti,  Cassiod.p. 2283. 
compos,  compes,  Prise.  I,  34.  ff. 


—     236     — 

v  o  t  o ,  {Plaut.  Asin.  789  u.a.)  v  e  t  o , 

V  o  t  u  r  i  o  s ,  Charts,  a.  0.     V  e  t  u  r  i  o  s , 

volim,  Prise.  VIIT,  8.  H.     velim, 

v o r r o ,  Plaut. Ritschi,  Prot,  verro, 
Trin.  p.  95. 

vorto,  verto, 

voster,  vester. 

Unter  diesen  Formen  gehören  helus  und  comp  es  der  alte- 
ren Sprache  an,  sonst  giebt  die  spätere  Sprache  dem  leichteren  Vo- 
kal e  vor  dem  schwereren  o  den  Vorzug,  wie  denn  Quintilian  sagt, 
man  habe  erst  seit  Scipio  Africanus  vester  gesprochen  (l,  7,  5). 
Ein  Einfluss  eines  benachbarten  Consonanten  auf  diese  verschie- 
dene Vokalfärbung  lässt  sich  nicht  mit  Sicherheit  nachweisen. 
Ebenso  stehen  nebeneinder: 

ollus  und  ille, 

o  1  i  m ,  i  1 1  i  m , 

oloes,         Ulis, 
ohne  dass  man  eine  Einwirkung  eines  benachbarten  Vokales  oder 
des  Hochtones  wahrnähme. 

Verglichen  mit  dem  Griechischen  und  Deutschen  ist  aber  die 
Verwendung  des  Ablautes  zur  Wortbildung  im  Lateinischen  doch 
nur  in  einzelnen  Wortformen  sichtbar,  während  die  lautliche 
Einwirkung  der  Consonanten  auf  die  Färbung  der  Vokale 
viel  mächtiger  und  mannigfacher  ist  als  in  jenen  beiden 
Sprachen. 


2)     Umlaut   durch  Wahlverwandtschaften   von  Consonanten  zu 

Vokalen. 
Sprachliche  Laute,  die  in  unmittelbare  Nähe  zu  einander  tre- 
ten, wirken  auf  einander  ein  wie  lebende  Wesen,  die  gleich- 
gestimmten z i e  h  e  n  sich  an,  die  u  n g  1  e i  c h  a  r  t  i  g  e  n 
meiden  sich.  Das  Recht  des  Stärkeren  gilt  auch  hier; 
der  schwächere  muss  sich  anbequemen  und  fügen,  oder 
er  muss  den  Platz  räumen.  Dem  weichen  flüssigen  Vokal  ge- 
genüber ist  der  feste  starre  Consonant  der  stärkere;  er  stimmt 
daher  in  zahlreichen  Fällen«  den  benachbarten  Vokal  nach  seiner 
lautlichen  Eigentümlichkeit  um,  während  er  seilen  unter  dem 
Einflüsse  von  Vokalen  leidet. 


—   m   — 

Es  sind  im  Lateinischen  nur  die  Hauchlaute  h  und  f,  der  Zisch- 
laut s  und  die  Halbvokale  v  und  j,  also  die  vokalähnlichsten  Laute, 
die  dem  erweichenden  Einfluss  zweier  Vokale,  zwischen  denen  sie  ste- 
hen, ausgesetzt  sind,  so  dass  sie,  wie  oben  gezeigt  ist,  geschwächt 
werden  oder  ganz  schwinden.  Für  die  Geschichte  des  Lateinischen 
Vokalismus  wird  also  zuerst  der  E  i n  f  1  u  s  s  der  C  o  n  s  o  n  a  n  t  e  n 
auf  die  Umlautung  benachbarter  Vokale,  dann  die  Ein- 
wirkung benachbarter  Vokale  auf  einander  zu  unter- 
suchen sein,  lieber  diese  Pathologie  der  Lateinischen  Laute  sind 
von  Dietrich  eingehende  und  scharfsinnige  Untersuchungen  ange- 
stellt worden  {vgl.  Commentalionis  de  quibusdam  consonae  v  in 
lingua  Latina  affeclionibus  parlicula.  1843.  Commenlationes  gram- 
maticae  dnae,  I :  De  literarum  in  lingua  Latina  Iransposiliofte,  II : 
De  vocalibus  Latinis  subjecta  litera  L  affeclis.  1846.  De  vocaiium 
quibusdam  in  lingua  Laiina  affeclionibus.  1  855.) ;  mit  Benutzung 
derselben  wird  die  vorliegende  Frage  in  Angriff  genommen  werden. 
Es  werden  also  nach  der  Reihe  die  Vokale  a,  o,  u,  e,  i  in  Betracht 
gezogen  werden  und  aus  der  Stellung,  die  sie  factisch  vor  gewissen 
Consonanten  und  Consonantenverbindungen  finden,  ein  Sehluss  ge- 
zogen werden,  durch  welche  consonantische  Einwirkungen  sie  zu 
jener  Stellung  gelangt  sind. 


Der  Vokal  a  als  der  vollste  und  edelste  Vokal  hat  mit  den 
Consonanten  am  wenigsten  gemein;  bei  seiner  Aussprache  geratheil 
Zunge  und  Lippen  am  wenigsten  in  diejenige  Bewegung,  wie  sie  die 
Aussprache  von  Consonanten  erfordert.  Daher  tritt  er  nicht  als  der 
stätige  Begleiter,  als  der  unterthänige  Lautgenosse  eines  Consonan- 
ten auf;  wo  wir  ihn  finden,  da  hat  er  auch  seit  unvordenklichen 
Zeiten  gestanden;  er  ist  im  Lateinischen  so  wenig  jemals  aus  einem 
anderen  Vokal  durch  lautliche  Einflüsse  irgend  welcher  Art  ent- 
standen, als  die  weisse  Farbe  auf  dem  Gemälde  aus  der  Mischung 
anderer  Farben  entsteht ;  er  ist  durchaus  vom  ältesten  Adel.  Aber 
eben  weil  er  keine  ausgeprägte  Wahlverwandtschaft  zu  irgend  einem 
der  Consonanten  hat,  musste  er  häufig  den  Platz  leichteren  Vokalen 
überlassen,  fügsameren  Lautgesellen,  die  vermöge  ihrer  näheren 
Lautverwandtschaft  zu  gewissen  Consonanten  sich  mit  denselben 
mundrechter  aussprachen  und  verbanden.  So  ist  insbesondere  das 
k  u  r  z  e  a  im  Lateinischen  vermöge  des  durchgreifenden  Einflusses 


—     238     — 

der  Conson an ten  auf  die  vorhergehenden  Vokale  aus  den 
Suffixen  verdrängt  und  zu  u,  e,  i  erleichtert  worden,  wäh- 
rend das  Sanskrit  und  das  Griechische  an  der  entsprechenden  Stelle 
ihr  a  gewahrt  haben.  Die  ganze  folgende  Untersuchung  wird  für 
diese  Thatsache  zahlreiche  Belege  bieten. 

o. 

Der  Vokal  o  zeigt  seit  alter  Zeit  eine  Neigung  sich  mit  vorher- 
gehendem oder  folgendem  v  zu  verbinden.    Man  erkennt  dies  dar- 
aus, dass  er  vor  oder  nach  v  im  Lateinischen  erscheint,  wo  das  Grie- 
chische £  oder  a,  das  Sanskrit  a  zeigt. 
So  in: 
ovis,  Skr.  avi-, 

oF Lg,  Goth.  avi-, 

novus,  vefog,  Skr.  nävas, 

quattuor,  Gr.  reCOagsg, 

>  Skr.  catvaras, 

v  o  m  o ,  F  i{L  £  «,  Skr.  Wz.  v  am-, 

voco,  p£7ta,  Skr.  Wz.  vac-, 

vox,  peTiog,  Skr.  vacas, 

volvo,  F£t^£G55  Goth.  valvja. 

Innerhalb  des  Lateinischen  tritt  o  als  Abschwächung  von  a  auf  in: 
v  o  c  u  u  s,  Or.4859.fiir  v  a  c  u  u  s, 
vocivus,  vacivus, 

vocatio,  vacatio. 

(Vgl.  Plaut.  Cas.  Prol.  29.  Fleckchen,  J.  Jahrb.  L\,  p.  252.) 
Weiterhin  wird  die  Rede  davon  sein,  wie  sich  das  o  der  0-stämme 
nach  u  und  v  noch  lange  hält,  nachdem  es  sich  sonst  zu  u  verdunkelt 
hat,  dass  man  indess  aus  dieser  Thatsache  weniger  die  Wahlverwandt- 
schaft des  o  zu  v  und  u  als  eine  Abneigung  der  Lateinischen  Sprache 
vor  der  Lautverbindung  vu  und  uu  ersehen  kann.  Im  Uebrigen  tritt 
eine  entschiedene  lautliche  Neigung  und  Verwandtschaft  zu  irgend 
einem  der  Consonanten  nicht  hervor.  Es  ist  dies  begreiflich,  da 
nach  a  dieser  Vokal  die  erste  Stelle  einnimmt  in  Beiug  auf 
Lautfülle  und  Lautgewicht  und  somit  vielfach  den  leichteren  Vo- 
kalen u,  e  i  weichen  niusste,  die  namentlich  in  den  Suffixen  durch- 
gehend s  durch  bestimmte  Consonanten  bedingt  sind. 


—     239     — 

u. 
Der  Vokal  u  ist  in  Lateinischen  Stammsilben ,  Ableitungssilben 
und  Flexionssilben  entstanden  aus  a,  o,  e  oder  i  durch  Einfluss  eines 
folgenden  s,  m,  1,  oder  einer  labialen  Muta  und  durch  zwei  oder 
mehrere  auf  einander  folgende  Consonanten,  deren  erster 
einer  der  Liquiden  1,  m,  n,  r  oder  der  Zischlaut  s  ist. 

Die  ältere  Lateinische  Sprache,  wie  sie  etwa  zu  Zeiten  des 
Pyrrhusund  der  Punischen  Kriege  war,  zeigt  denVokaloin 
Suffixen  vor  auslautendem  s,  wo  die  spateren  Römer  u  sprachen 
und  schrieben.  So  wahren  die  O-stämme  den  Vokal  o  vor  dem  aus- 
lautenden s  des  N  o  m  i  n  a  t  i  v  S  i  n  g  u  1  a  r  i  s  in  : 
t  r  i  b  u  n  o  s ,  t.  Für.  Momms.  U.     F  o  u  r  i  o ,  /.  Für.  Mo.  U.  D.  p.  276. 

D.p.  276.  Ovio,  a.  0.  p.  306. 

Mindios,  Or.  1433.  Pulio,   num.  Lucer.  Bull.   d. 

Condetios,  a.  0.  inst.  1847.  p.  159.  Mo;  U.  D. 

Specios,  Or.  1421.  p.  28. 

Novios,  Cisl.  Praen.  Or.  2489.      Modio,  a.  0. 

Mo.  U.  D.  p.  283.  Terentio,  Or.  3147. 

Plautios,  a.  0.  A prüfe nio,  a.  0. 

Placentios,  Ritschi,  ftclil.  Lat.      Turpilio,  a.  0. 

p.  28.  Albanio,  a.  0. 

f i  1  i  o  s ,  t.  Scip.  B.  f.  M  u  n  a  t  i  o ,  a.  0. 

primos,  Col.  rostr.  resl.  R.  Ra  velio,  /.  N.  715. 

T  e  t  i  o ,  l.  Pisaur.  R.  fiel.  Lat.      C  o  m  i  n  i  o ,  a.  0. 

p.Ti.  Malio,  a.  0. 

Popaio,  /.  Pisaur.  Mo.   U.  D.      Terebonio,  R.  fictil.Lat.p.11. 

p.  342.  Cornclio,  /.  Scip.  L.  f. 

{Vgl.  Ritschi,  Rhein.  Mus.  IX,  9.  12.  Momms.  a.  0.  IX,  460.) 

Eine  sehr  alte  Vasenaufschrift  zeigt  die  Wortform : 

opos,  Ri.  fiel.  Lat.  p.  16. 

Diese  beweist,  dass  das  Suffix  neutraler  Nominalstämme  im 
Lateinischen  ursprünglich  -os  lautete  wie  im  Griechischen  und  ein 
Lateinisches  genos  dem  Griechischen  yavog  einst  völlig  gleich 
lautete.  Dann  ward  dieses  Suffix  im  Nominativ  zu  -us,  in  den 
Casus  obliqui  sank  das  s  zwischen  zwei  Vokalen  zu  r  und  lautete 
dann  den  vorhergehenden  Vokal  häufig  zu  e  um,  während  im  Grie- 
chischen das  6  ausfiel  und  die  Vokale  verschmolzen.  So  trennten 
sich  aus  einer  ursprünglich  gemeinsamen  Dativform  genosi  Lat. 
generi  und  Griech.  yivu.    Es  setzen  also  auch  folgende  Bildungen 


—     240     — 

von  Nomen  auf  -us  eine  ältere  auf  -os  auslautende  Form  des  Nomi- 
nativs voraus,  wie  auch  aus  dem  Vocal  o  in  den  Casus  obliqui  erhellt: 

corpus,  lepus,  pignus, 

decus,  littus,  robus, 

dedecus,  nemus,  stercus, 

facinus,  pectus,  tempus, 

fenus,  pecus,  tergus, 

f  r  i  g  u  s ,  penus, 

Ebenso  ist  das  o  aus  u  verdunkelt  in: 

ebur,  femur,  jecur,  robur, 

deren  Suffix  -ur  eine  abgeschwächte  Form  von  -os,  -us  ist.     Das 
selbe  gilt  von : 

foedus,  latus,  vetus, 

funus,  munus,  Venus, 

gen  us,  onus, 

holus,  scelus, 

die  wie  opos,  opus  in  den  Casibus  obliquis  den  Vokal  vor  dem  zu  r 
gesunkenen  s  zu  e  abschwächen. 

Dass  das  Comparati vsuffix  -ior,  -ins  einst  -iös,  -iös 
lautete,  Gricch.  -lov,  -lov,  Sans  Ar.  -ijäns,  -Ijas,  ist  schon 
oben  aus  den  Formen  maiosibus,  meliosem  (S.  bl)  nachge- 
wiesen; auch  die  neutrale  Nominativform  muss  ursprünglich  einen 
langen  Vokal  gehabt  haben,  da  das  ö  in  den  obliquen  Casus  lang  ist. 
Also  ist  ö  zu  ü  geschwächt  vor  folgendem  s  in : 

maius,  melius,  peius,  minus  u.  a. 

Die  älteste  Form  der  Endung  des  Ge netiv  Singular i a  im  La- 
teinische]] -os  hat  sich  erhalten  an  U-stäminen  in  den  alten  Formen  : 

senat uos,  Sc.  d.  Baccan. 

magis  trat  uos,  /.  N.  3901. 

dorn  uos,  Sud.  üct.  c.  87.  Mar.  Victor,  245(5.  Ritschi,  L  Aietr. 
M.  Epigr.  tr.  p.  7, 
deren  letzte  noch  Augustus  brauchte.  Diese  Endung  entsprich!  der 
Griechischen  Endung  -os,  und  wahrte  das  o  vor  s,  weil  dem  o  ein 
u  vorherging.  Bis  in  die  Zeiten  des  Marius  findet  sich  nämlich  auf 
Inschriften  eine  andere  alte  Genetivform  us  in : 

nominus,  Sc.  d.Bacch. 

Kastorüs,  Sc.  d.  Tibttri. 

Ca  stör  us,  /.   Haut. 

pari  us,  /.  Baal.  /.  rcpcl. 


Venerus,  /.  N.  4227.  3561  {a.  Ch.  108.)  Or.  1364. 

Cerer  us,  /.  N.  3564  («.  CA.  104.)  3562. 

honorus,  /.  Puteol.  (a.  Ch.  105.). 

Das  Senatusconsult  über  die  Bacchanalien  zeigt  sonst  durch- 
weg schon  die  Endungen  -us,  -um  für  die  älteren  -os,  -om;  wenn 
es  also  senatuos  neben  no minus  hat,  so  ist  der  Uebergang  des 
o  zu  u  in  der  ersteren  Form  deshalb  nicht  erfolgt,  weil,  wie  sich 
weiter  unten  ergeben  wird,  die  Lateinische  Sprache  den  Gleichklang 
uu  mied.  Die  auf  u,  i  oder  einen  Consonanten  auslautenden  Stämme 
fügten  sich  also  wie  die  entsprechenden  Griechischen  das  s  des 
Genetivs  mittelst  des  Bindevokals  o  an;  dieses  o  trübte  sich  aber 
erst  zu  u,  dann  weiter  zu  i,  wie  die  Vergleichung  von  Äatfrooog, 
Castorus,  Castoris  zeigt. 

Den  auf  der  restaurierten  Inschrift  der  Golumna  Rostrata  vor- 
kommenden Formen  Abi.  Plur  navebos  und  Acc.  Plur.  macis- 
tratos  kann  man  neben  tempesta  tebus  (t.  Scipion.  B.  /*.),  se- 
natud  (t.  Venus.  I.  N.  716),  eidus  {Col.  Somasc.  Mo.  U.  D. p.  32. 
Acc.  Plur.),  Formen,  die  auf  den  ältesten  Inschriften  vorkommen, 
nicht  recht  trauen.  Es  scheint,  als  ob  die  Wiederhersteller  der  In- 
schrift zu  Claudius  oder  Hadrians  Zeit  in  ihrem  Bestreben  überall 
das  altlateinische  o  für  späteres  u  in  den  Ableitungs-  und  Flexions- 
silben herzustellen  zu  weit  gegriffen  hätten.  Jedenfalls  kann  man 
auf  jene  Formen  navebos,  macist  ratos  nicht  sicher  bauen,  so 
lange  sie  nicht,  durch  ähnliche  Formen  aus  alten  Originalinschriften 
bestätigt  sind. 

Wie  vor  dem  s  des  Nominativs,  so  zeigen  die  O-stämme  vor  dem 
auslautenden  schwach  tönenden  m  des  Accusativ  Singularis  o 
statt  des  späteren  u,  mag  das  m  in  der  Schrift  ausgedrückt  sein  oder 
nicht;  so  in: 

d  o  n  o ,  c  a  p  t  o  m , 

d  an  o  m ,  o  i  n  o , 

pocolom,  optumo, 

sacrom,  viro, 

poublicom,  Luciom, 

locom,  Samnio, 

Volcanom,  vgl.  oben  S.  110. 
Vereinzelt  in  späterer  Zeit  findet  sich  so : 
inmolitomve,  /.  Jul.  munic. 

CORSSEN.  16 


—     242     — 

Vor  dem  ebenfalls  schwach  tönenden  auslautenden  m  des  Ge- 
netiv Pluralis  der  O-stämme  findet  sich  das  alte  o  für  späteres  u 
ebenfalls  noch  erhalten  in : 

duonoro, 

olorom,  vgl.  S.,110  f. 

Auch  die  dem  Griechischen  Genetiv  auf  -ior  entsprechende 
Form  des  Genetiv  Pluralis  -um  lautete  Altlateinisch  -öm  und  findet 
sich  so  in  den  Münzaufschriften: 

Aiserninom,  Caiatino,  Paistano, 

Ladinom,  Caleno,  Romano, 

Aisernino,  Corano,  Suesano, 

Aquino,  Cozano,  Tiano.     Vgl.  S.  110. 

Wann  das  o  vor  s  und  m  in  der  Sprache  sich  zu  u  verdunkelte, 
darüber  geben  die  Inschriften  Auskunft*). 

Die  ältesten  Inschriften,  die  auf  uns  gekommen  sind,  wie  die 
Inschriften  des  heiligen  Haines  von  Pesaro  und  von  Venusia,  die 
Aufschriften  auf  Altlatinischen  Thongefässen,  Bronzen  und  Münzen, 
auf  der  Cista  von  Präneste,  der  Florentiner  Base  und  ähnliche  zeigen 
sehr  vorwiegend  die  Schreibweise  -os,  -om;  doch  findet  sich  da- 
neben vereinzelt  schon  -us,  -um  auf  eben  so  alten  Schriftdenk- 
mälern ;  so  in : 

Aprunnius,  t.  Spol.  Grut.  95,  6. 

Vibonus,  a.  0. 

Aorelius,  a.  0. 

Placentius,i?/.  Rh.  Mus.  IX,  19. 

donu,  t.Pisaur.  Ri.  fiel.  litt.  Lat.  p.  28.  Rh.  Mm.  IX,  19. 

donum,  /.  Flor.  Ri.  a.  0.  p.  27.  Momms.  Rhein.  Mus.  IX,  460. 


*)  Eingehende  Untersuchungen  über  diese  Frage  sind  von  Ritsehl 
(Rhein.  Mus.  IX  p.  10)  und  Mommsen  (Jahn.  Ficorun.  Cist.  S.  43  f. 
Rhein.  Mus.  IX,  464)  angestellt.  Kitschi  nimmt  drei  Perioden  der 
Schreibweise  und  Aussprache  an:  die  erste,  wo  o  und  e  allein  statt 
des  späteren  u  und  i  geschrieben  wurde,  die  zweite,  wo  die  Schreib- 
weise zwischen  o,  e  und  u,  i  schwankt,  die  dritte,  in  der  u  und 
i  zur  Herrschaft  gelangt  ist.  Mommsen  weist  nach,  dass  diese  Drei- 
theilung  nach  den  uns  vorliegenden  Schriftdenkmälern  nicht  gerechtfer- 
tigt sei,  dass  man  auf  Grund  derselben  nur  zu  dem  Ergebniss  gelangen 
könne:  bis  zur  Mitte  des  sechs  ten  Jahrhunderts  der  Stadt  überwiegt 
o,  e  in  der  Flexion,  doch  einzeln  erscheint  u  daneben;  Beit  dem  Sc.  de 
Baccan.  ist  u,  i  zur  Herrschaft  gelangt  (Rhein.   Mus.   IX,    1C.4—  407). 


—     243     - 

Auf  den  beiden  ältesten  Scipionengrabschriften*)  hat  sich  das 
o  vor  m  noch  gewahrt,  während  es  vor  s  schon  in  der  Mehrzahl  der 
Fälle  zu  u  umgelautet  ist.     Man  vergleiche  : 

Luciom,  filios,  Cornelius, 

oino,  Cornelio,  Lucius, 

optumo,  Barbatus, 

viro,  prognatus, 

Samnio,  quoius, 

duonoro. 

Auf  den  Weiheinschriften  der  Claudier  aus  der  Zeit  des  zweiten 
Punischen  Krieges  findet  sich  schon  die  jüngere  Schreibweise  in 
dem  Namen : 

Claudius,  /.  N.  6766.  Rilschl.  fiel.  Lat.  p.  27. 
aber  -om  erhält  sich  noch  in  Aufschriften  auf  Kupfermünzen  bis  in 
die  Zeit  des  zweiten  Punischen  Krieges  {Momms.  Rhein.  Mus.  IX,  465). 
Da  das  Senatusconsult  über  die  Bacchanalien  durchweg  die  Schreib- 
weise -us  -um  hat,  so  folgt  daraus,  dass  zur  Zeit  des  Syrischen 
Krieges  in  der  Aussprache  das  alte  o  vor  s  und  m  in  Endsilben 
sich  zu  u  verdunkelt  hatte. 

Doch  hielt  sich  das  alte  o  vor  auslautendem  m  und  s  überall, 
wo  ihm  ein  vokalisches  oder  consonantisches  V  vorherging,  bis 
in  die  erste  Kaiserzeit.  Quint.  1,7,  26:  Nostripraeceptores 
ccervomque'  cv*  et  co'  literis  scripserunt,  quia  sub- 
jeeta  sibi  vocalis  in  unum  sonum  coalescere  et  con- 
fundi  nequiret,  nunc  cv'  geminata  scribuntur.  Velius 
Longus  sagt  p.  2222  P.:  nam  cum  per  o  scriberent,  per  u 
tarnen  enuntiabant,  auch  hier  änderte  sich  also  die  Aussprache 
früher  als  die  Schreibweise.  Alle  Voraugusteischen  Inschriften 
zeigen  bis  auf  ganz  vereinzelte  Ausnahmen  die  Schreibweise  VO; 
vo,  uo  sprach  und  schrieb  man  zu  Plautus  Zeit  und  der  Ambro- 
sianus hat  diese  Schreibweise  erhalten.  Man  vergleiche  folgende 
Nominativ-  und  Accusati  vformen: 

auf  Inschriften :  bei  Plautus  und  Lucretius  : 

mortuos,  t.  Scip.  Or.  556.  servos, 

compaseuos,  /.  Genuat.  I.  agr.  {Thor.)      mortuos, 


*)  Ritschis  Ansicht  ,  dass  die  Grabschrift  des  L.  Scipio  Barbatus 
jünger  sei  als  die  seines  Sohnes  {Rhein.  Mus.  IX,  9),  ist  von  Mommsen 
widerlegt  {Rhein.  Mus.  IX,  461). 

16* 


—     244     — 

auf  Inschriften:  bei  Plauius  und  Lucretius: 

veivos,  /.  N.  1591.  236.  perpetuos, 
vivos,  /.  N.  2043.  1917. 
abavos,  IN.  3983. 

aiquom,  Sc.  d.  Bacc.  novom, 

aequom,  Sc.  d.  Tiburt.  Sc.  d.  Ascl.  Claz.  mutuom, 

arduom,  /.  Aletr.  Mon.  ep.  tr.  Ritsch.  miluom, 

i  n  i  q  u  o  m ,  i.  Genuat.  i  n  g  e  n  u  o  m , 

perpetuom,  /.  N.  6149.  /.  repet.  (Serv.)  triduom, 

/.  Puteol. 

equom,  /.  repet.  (Serv.)  aevom, 

compascuom,  /.  agr.  (Thor.)  rivom, 

p  a  r  v  o  m , 

suora,  /.  Jul.  mun.  Or.  4848.  nativom, 

q  u  o  m,  auf  allen  grösseren  Vor  augusteischen  quom, 

Inschriften,  vgl.  Quint.  I,  7,  5. 
quomque,  aa.    00. 
und  die  G  enetivformen  : 

duomvires,  Or.  3808.  divoin. 
(Eilschi,  Proll.  Trin.  94.  Fleckeisen  Epist.  Crit.  p.  8.) 

Auch  für  die  Zeit  des  Augustus  und  seiner  nächsten  Nachfol- 
ger wird  diese  Aussprache  und  Schreibweise  bestätigt  durch  In- 
schriften und  Handschriften.     So  finden  sich  : 

in  Inschriften-.  in  Vergithandschriften. 

parvos, 


1  vos 


n  o  v  o  s , 
t  o  r  v  o  s  , 
vivos 
perpetuom,  Cenot.  Pis.  Or.  643.  2489.         vivo  in , 
arduom,  Murd.laud.  Or.  4860.  acervom, 

tuom,  laud.  fun.  Or.  4859.  laevom, 

rivom,  /.  N.  4602.  cavom, 

d  i  v  o  m ,   t.  Salpens,  Malacil.  Or.  Henz.        c  la  vo  mq  u  e, 

p.  7421. 
suom,  i.  Salp.  aevom, 

reliquom,  /.  Malac.  a.  0. 
vacuom,  /   Malac.  alvom, 


—     245     — 

in  Inschriften:  in  Vergilhandschriften . 

quora,  Or.  4859.  4860.  ignavom, 

Achivöm, 
di  vom,  u.  a. 
{Vgl.   Wagner,  Orthogr.  Vergil.  p.  445.     Lachm.  Lucr.  p.   172. 
220.  398.     SilKfft  Praef.  Plin.  p.  72.) 

Ganz   geschwunden   scheint  diese   Aussprache    und   Schreib- 
weise nie  zu  sein,  da  Terentius  Scaurus  (p.  2251.  P.)  noch: 
avos,     , 
a  vom 
als  gebräuchlich   anführt.     Die  alte  Aussprache    des   quom   hielt 
sich  in: 
, quoniam,  für  quom  i am. 

Der  Lateinischen  Sprache  war  die  Aufeinanderfolge  der  gleich- 
oder  ähnlich  klingenden  vokalischen  oder  halbvokalischen  Laute  v  u, 
u  u  an  allen  Stellen  des  Wortes  in  älterer  Zeit  wie  in  der  Blüthe- 
zeit  der  Litteratur  ebenso  zuwider  wie  die  Aufeinanderfolge  der  glei- 
chen Laute  ii,  von  der  weiterhin  die  Rede  sein  wird;  deshalb  hielt 
sie  dort  die  Aussprache  und  Schreibweise  VO  lange  fest,  hier  dissi- 
milierte sie  vielfach  ii  zuie  oder  verschmolz  es  zu  I. 

Die  spätere  Römische  Volkssprache,  die  zu  vielen  Eigenthüm- 
lichkeiten  des  Altlateinischen  zurückkehrt  und  namentlich  6  und  o 
vielfach  die  Stelle  wiedergiebt,  die  es  im  Altlateinischen  für  i  und  u 
einnahm,  zeigt  auch  das  o  vor  auslautendem  m  und  s.  So  finden 
sich  auf  Inschriften  der  späten  Kaiserzeit  die  Wortformen : 
Votivos,  /.  N.  2558  (p.  Ch.  289). 
populos,  Or.  Henz.  5171. 

vivos,  Grul.  1056,  2.   /.  B.  N.  5607.    Boiss.  L  Ly.  X,  18. 
tuom,  Grut  1055,  1. 

bonom,  Fleetw.  S.  I.  Mon.  Christ.  473,  2.  Boiss.  I.  Ly.  XVII,  58. 
memoriom*),  a.  O. 


*)  Diese  Inschrift  gehört  der  Zeit  an  ,  wo  nach  Abfall  der  auslau- 
tenden Consonanten  m  und  s  der  Unterschied  des  Casus  schon  erloschen 
war;  bonom  memoriom  bedeutet  dem  Zusammenhange  nach  bonae 
memoriae  oder  bona  memoria";  memoriom  ist  in  die  O-declina- 
tion  übergetreten  wie  Italienisch  festuco,  orecchio,  olivo  von  La- 
teinisch festuca,  auricula,  oliva  (Dietz,  Gramm,  d.  Rom.  Spr.  II, 
15  f.). 


_  246  — 

con,  /.  N.  1020.  1655.  3487.  68Q0.  5420.  4796.  für  cum, 

quon,  /.  N.   5801. 

annoro,  Grut.  1061,  3.  Fleetw.  S.L  Man. Christ.  503,  2. 

Die  Spätlateinische  Genetivform  annoro  stimmt  also  genau 
zu  der  Form  duonoro  auf  der  alten  Scipionengrabschrift.  So  er- 
scheint es  natürlich,  dass  das  Italienische  und  andere  Romanische 
Sprachen  auf  dem  Wege  der  Spätlateinischen  Volkssprache  weiter 
gegangen  sind  und  nach  Abfall  der  Casusendungen  das  alte  o  der 
O-stämme  wieder  erhalten  haben,  ja  es  auch  für  das  auslautende  u 
der  Lateinischen  U-stämme  eintreten  lassen.  Die  alte  Form  des 
Genetiv  Pluralis  der  O-stämme,  die  das  auslautende  m  abgeworfen 
hat,  ist  noch  erhalten  in  den  Italienischen  Formen  loro,  co-loroi 
co-storo,  cot-estoro.  Diese  Genetivformen  loro  für  illor um 
und  in  Zusammensetzungen  storo  und  estoro  für  istorum  ent- 
sprechen also  genau  der  Spätlateinischen  annoro  und  der  Altlatei- 
nischen duonoro;  der  Bauer  der  Römischen  Campagna  spricht 
also  noch  heutigen  Tages  diese  Genetivendung  ebenso  aus,  wie  sie 
im  Munde  der  gewaltigen  Römer  klang,  die  vor  ein  und  zwanzig 
Jahrhunderten  auf  den  Sarkophag  des  Lucius  Cornelius  Scipio 
schrieben,  dass  er  der  beste  der  guten  Männer  gewesen  sei. 

Zur  Aufhellung  dieses  Lautwechsels  zwischen  <>  und  u  ist  es 
erspriesslich,  auf  die  Schwesterdialekte  des  Lateinischen,  nament- 
lich das  Umbris  che  und  Oskische,  einen  Rück  zu  werfen. 

Das  Oskische  stösst  meistenteils  das  auslautende  o  seiner 
O-stämme  im  Nominativ  ab.  Doch  findet  sich  im  älteren  Oski- 
schen  die  Nominativform : 

P  e  r  k  e  n  o  s ,  Momms.  U.  3.  XXXVIII. 

Vor  dem  auslautenden  m  des  Accusativs  hat  das  Oskische 
das  o  seiner  O-stämme  meist  gewahrt ;  so  in : 
donom,    Leu.   donum,  taurom,    Lat.    taurum, 

hortom,  bor  tum,         thesavrom,         t  he  säum  m, 

dolom,  dolum,  malom,  mal  um, 

ion-c,  eiiiii,  kom,  cum, 

censtom-en,  in-censum,  com, 
s  a  a  h  t  o  m  ,  sanetum,  con, 
sakoro,  sacrum,  pon,  .  quom 

{Momms.  U.  D.  Gloss.) 
doch  finden  sich  auch  Reispiele ,    wo  das   o  zu    u  verdunkelt    ist; 
so  in : 


—    247     — 

veru,      Umbr.  veru,   dem  Sinne  nach  portam, 

Sarin ü,    Lat.  Sarnum, 
{Zeüschr  .mfür  vgl.  Sprachf.  V,  130.) 

d  o  1  u  m ,  Lat.  d  o  1  u  m , 

nesimum,  dem  Sinne  nach     Lat.  proximum 
{Kirchhof,  Stadtrecht  von  Bantia,  S.  39). 

Das  jüngere  Oskische  hat  die  Formen  des  Genetiv  Pluralis 
-um  von  Consonantischen  und  I-stämmen  und  -azurn  Lat.  -arum 
Sans/er.  -ä  säm  von  A-stämmen  in  den  Wortformen  wie : 

n  e  r  u  m ,  vgl.  Sabinisch  N  e  r  o  n  u  m , 
das  nach  Sucton  {Tib.  c.  J)  als  Beiname  der  Claudier  fortium  be- 
deutet {Zeitschr.  für  vergl.  Sprachf.  V,  118.) 

Tiiatium,  Lat.  Teatium, 

egmazum, 

eizazun-c 
{Momms.  U.  D.  Gloss.  Kirchhof  Stadlr.  v.  Banl.  p.  35). 

Genetivformen,  die  das  o  vor  m  gewahrt  hätten,  weisen  die  Os- 
kischen  Sprachdenkmäler  nicht  auf. 

Der  dem  Griechischen  -av  entsprechende  Genetiv  Plur.  von 
Oskischen  O-stämmen  lautet  stets  -um,  wie  in  den  Lateinischen 
Formen  de  um,  numüm,  sestertiüm.  So  in  den  Münzaiff- 
Schriften: 

Kupelternüm,  Lat.  Compulteri  norum, 

Ma{iEQtLvovii,       Mamertinorum, 

Abellanüm,  Ahellanorum, 

A 1  a  f  a  t  e  r  n  ü  m ,  A 1  a  f  a  t  e  r  n  o  r  u  m. 

{Momms.  a.  0.) 

Das  Oskische  braucht  als  Infinitiv  den  Accusativ  eines  Verbal- 
substantivs, das  durch  Anfügung  des  Suffixes  -o  gebildet  ist.  Dieses 
o  erscheint  aber  überall  zu  u  verdunkelt;  so  in: 

censa-um,  Lat.  censere,  akum,  Lat.  a g e r e , 

molta-um,         multare,  deicum,      dicere, 

e  z  u  m,  Umbr.  e  r  o  m ,  Lat.  esse 
{Umbr.  Sprachd.  AK.  II,  330.  Kirchh.  Stadtr.  v.  B.  S.  53.  Momms. 
U.  D.  Gloss.). 

Das  Lateinische  hat  einzelne  Ueberbleibsel  solcher  Infinitiv- 
bildung in  den  Zusammensetzungen: 

venum-ire,  venum-dare. 


—    248    — 

In  der  Verdunkelung  des  langen  o  zu  u  ist  das  Oskische  noch 
weiter  gegangen  als  das  Lateinische.  Neben  den  auf  -od  auslau- 
tenden Ablativformen ,  welche  den  Altlateinischen  wie  molticatod, 
oquoltod,  die  schon  oben  zusammengestellt  sind,  entsprechen, 
finden  sich  zahlreiche  auf  -ud  auslautende.  So  stehen  neben 
einander: 

Bovaianod,     Lat.  B o v i a n ö ,  aragetud,  Lat.  a r g e n t o , 
sakaraklod, vgl.Lai. sacello,  tristamentud,testamento, 

Tiianud,  Teano, 

atrud,  altero, 

amiricatud,      immercato, 
preivatud,         privato, 
contrud,  contro, 

ligud;  lege, 

malud,  malo. 

(Momms.  U.  D.  Gloss.  Kirclih.  Stadtr.  v.  Baut.  p.  39.) 

Der  Lateinischen  Imperativendung  -to  entspricht  Oskisch 
immer  -tud  in  den  Verbalformen  wie: 
e  s  t  u  d ,    Lat.    e  s  t  o , 
likitud,  liceto, 

actud,  agito, 

factud,  facito, 

Auch  das  Suffix  -tör,  -sör  verdunkelt  das  Oskische  zum  Theil 
zu  -tur.     So  stehen  neben  einander: 

V e r s o r e i ,     Lat.    Versori,      embratur,  Lai.  imperator, 
kenzsor,  Censor,       kvaisstur,  quaestor, 

c  e  n  s  t  u  r ,  censor. 

Es  ist  hiernach  ersichtlich,  wie  die  Oskische  Sprache  in  der 
Zeit,  aus  der  die  uns  vorliegenden  Schriftdenkmäler  stammen,  sich 
in  demselben  Zustande  des  Schwankens  und  des  Ueberganges 
von  o  zu  u  befunden  hat,  wie  das  Altlateinische  in  der  Zeit  des 
zweiten  Puni sehen  Krieges.  Die  ältesten  Oskiscben  Sprach- 
denkmäler, die  auf  uns  gekommen  sind,  Griechiscb-Oskische  Auf- 
schriften auf  Silbermünzen,  reichen  hinauf  bis  in  die  Zeiten  kurz 
nach  der  Eroberung  von  Campanien  durch  die  Samniten,  die  Brut- 
tischen und  Lukanischcn  Inschriften  in  Griechischer  Schrift  bis  in 
die  Zeit  der  Samniterkriege,  die  ältesten  Inschriften  in  Oskiscber 
Schrift,  die  Capnanische  Inschrift,  die  noch  einen  meddi*  von  Capua 
nennt,  und  der  Cippus  von  Abella  können  nicht  jünger  sein  als  der 


—    249    — 

Kannibalische  Krieg,  die  jüngsten  Sprachdenkmäler  wie  die  Tafel 
von  Bantia  und  die  Aufschriften  auf  den  Münzen  der  Italiker  reichen 
bis  ins  Zeitalter  der  Gracchen  und  den  Bundesgenossenkrieg  hinab 
(Momms.  Unt.  Dial.  S.  113).  Also  um  die  Zeit  der  Punischen 
Kriege  schwankt  in  der  Lateinischen  wie  in  der  Oskischen  Sprache 
die  Aussprache  vielfach  zwischen  o  und  u  in  den  besprochenen 
Endsilben. 

Im  scharfen  Gegensatz  zu  diesen  Dialekten  scheint  das  Um- 
bris che  zu  stehen.  Das  Alt  umbris  ch  e  zeigt  an  der  Stelle  des 
Altlateinischen  o  im  Inlaut  vor  einfachen  wie  vor  gehäuften  Conso- 
nanten,  in  Endsilben  vor  auslautenden  Consonanten  und  im  Auslaut 
selbst  durchweg  u.  Im  IN  e  u  u  m  b  r  i  s  c  h  e  n  tritt  an  die  Stelle  dieses 
u  mit  wenigen  Ausnahmen  o  {Umbr.  Sprachd.  AK.  I,  53.  54). 
Man  vergleiche: 

Lat. 
p  o  p  u  1  u  m , 
picum, 
Tuscum, 
cum, 
p  r  i  m  u  m , 
scriptum, 
piaculorum, 
f  r  a  t  r  u  m , 
esse, 

(ambi-ferre) 
circumferre. 
{Umbr.  Sprachd.  AK.  1,51—53.  1 16.  120.  128. 148.  vgl.  Wortverz.) 
Das  u  bleibt  auch  im  Neu  umbr  i  sehen  im  Ablativ  der  0- 
stämme  nach  Abfall  des  auslautenden  d;  so  in: 
v i n u ,  Lat.  v i n o ,      termnu,  Lat.  t er m i n o , 
p  i  h  a  c  1  u ,    p  i  a  c  u  1  o 
eben  so  in  den  Imperativformen: 

e n e t u ,  Lat.  inito,  deitu,  Lat.  d i c i t o , 

fetu,  facito,  pihatu,       piato, 

in  der  aus  -ifus  {Lat.  -ibus)  durch  die  Mittelstufe  -ihus  entstan- 
denen Ablativendung  -us  der  Wortformen  wie  : 

f  r  a  t  r  u  s  Lat.  fratribus,      karnus  Lat.  c  a  r  n  i  b  u  s , 
in  der  Umbrischen  Passivendung  der  Formen  wie : 

emantur,  Lat.  emantur,        terkantur,  Lat.  tergeantur, 


Altumbr. 

Neuumbr. 

p  u  p  1  u  m , 

p  o  p  1  o  m  , 
peico, 
T  u  s  c  o  m , 

kum, 

com, 

p  r  u  m  u  m , 

promom, 
s  c  r  e  h  t  o , 

pihaclo, 

• 

fratru, 

f  r  a  t  r  o  m , 

e  r  o  m , 

Osk.  ezum, 

a  f  e  r  o  m , 

—     250     — 

in  dem  Suffix  -tör  -tür  von: 

kvestur,  Osk.  kvaistur,  Lai.  quaestor. 

Der  Volskische  Dialekt,  der  dem  Umbrischen  überhaupt  im 
Vokalismus  gleich  steht,  zeigt  ein  o  an  derselben  Stelle  wie  das  Neu- 
umbrische  und  Altlateinische  in: 

d u n o m ,  Lai.  donum,       V  e  1  e  s  tr  o  m ;  Lai.  Veliternorum, 

statom,  st  a  tum; 

p  i  h  o  m ,  p  i  u  m , 

er  hat  wie  das  Neuumbrische  das  o  zu  u  verdunkelt  in  den  Abla- 
tivformen: 

v  i  n  u ,  Umbr.  v  i  n  u ,  Lai.  v  i  n  o , 

toticu,  dem  Sinne  nach  publico, 

s  e  p  u ,  vgl.  Osk.  s  i  p  u  s ,  Lai.  s  i  b  u  s , 
und  in  den  Imperativformen  wier 

e  s  t  u ,  Osk.  e  s  t  u  d ,  Lai.  e  s  t  o 
{vgl.  d.  Bronzen  von  Vellelri  und  Civiia  d'Anlino,  Momms.  U.  D. 
Taf.  XIV,  1.  2.  /;.  320  /.  Verf.  d.  Volscor.  ling.  p.  41  /.40.25.39). 
Aus  paläographischen,  sprachlichen  und  historischen  Gründen 
setzt  R.  Lepsius  (de  iabulis  Eugubinis,  p.  33.  41.  85.  93)  die  Ab- 
fassung der  Lateinisch  geschriebeneu  Tafeln  von  Ig  u  vi  um  ge- 
gen das  Ende  des  zweiten  Punischen  Krieges,  und  rückt  die 
Abfassung  der  Umb'risch  geschriebenen  Tafeln  um  zwei  Jahr- 
hunderte hinauf  bis  in  die  Zeit,  wo  die  Macht  der  Etrusker  ge- 
brochen wurde  in  der  Poebene  durch  die  Gallier,  in  Südetrurien  Bach 
Veji's  Fall  durch  die  Romer,  in  Campanien  durch  die  Samniten,  und 
wo  die  Senonen  Rom  in  Asche  legten,  also  bis  in  die  Zeit,  aus  der 
die  ältesten  Griechisch -Oskischen  Aufschriften  auf  Silbernninzcn 
stammen.  Daraus  erhellt,  dass  ungefähr  in  demselben  Zeit- 
alter, wo  im  Munde  der  Latiner  und  Osker  der  Vokalische  Laut 
in  Endsilben,  von  dem  hier  die  Rede  ist,  entschieden  nach  o  hin- 
neigte, also  in  der  Schrift  ganz  vorwiegend  darcb  e  bezeichnet 
wurde,  im  Munde  der  Umbr  er  derselbe  Laut  sich  vorwiegend  als 
u  darstellte,  und  dass  gerade  in  derselben  Zeit,  wo  im  Lateinischen 
in  Aussprache  und  Schrift  u  für  o  eintrat,  im  Ne  u  um  bri  sehen 
ein  jüngeres  o  für  ein  älteres  u  Plat«  gegrillen  hatte  ebenso 
wie  im  Volskischen.  Dieser  Gegensatz  zwischen  den  Schwester- 
dialekten führt  auf  die  Frage,  welcher  Laut  denn  nun  auf  Italischem 
Sprachboden  der  ältere  war,  das  Altlateinische  o  oder  dal  Altuin- 
brische  u.     An  allen  Stellen,  die  oben  in  Betracht  gekommen  sind, 


—    251    — 

entspricht  das  AI  tläleinische  ö  einem  Griechischen  o  und 
Sanskritischen  ä,  das  Altlateinische  ö  einem  Griechi- 
schen cj  und  Sanskritischen  ä,  und  auch  sonst  wird  aus  a  des 
Sanskrit  oft  Griechisch  und  Lateinisch  o,  niemals  u  ohne  die  Zwi- 
schenstufe o.  Es  war  ein  Gemeingut  der  Grae  co-Italiker, 
als  sie  sich  von  den  übrigen  Indogermanen  getrennt  hatten,  jenes 
aus  a  abgeschwächte  o;  so  sank  auch  das  ursprünglich  lange  a  der 
femininen  A-stämme  im  Oskischen  zu  o  in  vio,  Lat.  via,  molto, 
Lat.  multaw.  a.  Das  Altlateinische  bewahrte  jenes  den 
Griechen  und  Italikern  gemeinsame  aus  a  entstandene  o,  bis  in  die 
Zeit,  wo  Rom  nach  Niederwerfung  Garthagos  die  erste  Gross- 
macht wurde;  dann  tritt  in  der  Sprache  der  G  e bildeten  für  dieses 
o  in  Endsilben  vor  s  und  m  u  auf.  Aber  aus  der  Volks-  und 
Bauern  spräche  ist  das  alte  o  nie  völlig  verschwunden;  daher 
tritt  es  nach  dem  Verfall  der  Römischen  Litteratur  in  der  späteren 
Volkssprache  w  i  e  d  e  r  h  e  r  v  o  r  und  vererbt  sich  auf  die  Roma- 
nischen Sprachen.  Das  Umbris  che  hat  diesen  Process  meh- 
rere Jahrhunderte  früher  durchgemacht.  Schon  die  älte- 
sten Sprachdenkmäler  dieses  Dialektes  zeigen  die  Verdunkelung 
des  ursprünglichen  Itfdiscji-Griechischen  o  zu  u  Aber  dieses  o 
trat  im  j  ü  ngeren  Umbrischen  wie  in  der  Spätla  teinischen 
Volkssprache  wieder  hervor,  nachdem  die  Römische  Schrift 
bei  den  Umbrern  die  einheimische  verdrängt  hatte,  und  der  Provin- 
cialdialekt  seit  der  Unterwerfung  der  Umbrer  dem  Einfluss  der  herr- 
schenden Sprache,  die  in  dem  ersten  Jahrhundert  nach  Besiegung 
der  Italiker  noch  das  o  wahrte,  ausgesetzt  war.  Das  Neuumbri- 
sche  geht  dann  noch  weiter  wie  die  Spätlateinische  Volkssprache, 
indem  es  auch  das  u  von  U-stämmen  zu  o  wandelt,  wie  dies 
im  Italienischen  und  anderen  Romanischen  Sprachen  ge- 
schehen ist. 

Die  Umbrische  Sprache  ist  also  in  der  Verdunkelung  des  o  zu  u 
und  in  der  Rückkehr  zu  dem  alten  o  der  Lateinischen  um  einige 
Jahrhunderte  zuvorgekommen. 

Damit  steht  im  vollsten  Einklang,  dass  alle  Symptome  des 
Verfalls  im  Umbrischen  Dialekt  ein  paar  Jahrhunderte  früher 
eintreten  wie  in  der  Römischen  Volkssprache  der  späteren 
Kaiserzeit,  die  Trübung  der  Diphthonge,  die  Ausstossung  der  Vokale, 
die  Assibilation  und  der  Abfall  der  auslautenden  Consonanten,  Laut- 
schwächungen, die  theils  schon  besprochen  sind,  theils  noch  weiter 


—    252    — 

unten  zur  Sprache  kommen  werden.  In  Zeiten,  wo  das  politische 
und  kriegerische  Leben  der  Hauptvölker  Italiens  beginnt,  ist  die 
Macht  der Umbrer  bereits  gesunken;  so  erscheint  auch  ihre  Sprache 
schon  gealtert  und  im  Absterben  begriffen,, als  die  Sprache  der  Latiner 
und  Sabeller  noch  in  voller  Lautfalle  blühte.  . 

Es  ist  nun  weiter  die  Umlautung  der  Vokale  zu  u  im  Inlaut 
der  Wortstämme  zu  betrachten. 

Die  Labialen  b,  p,  f  und  m  zeigen  eine  natürliche  Wahlver- 
wandtschaft zu  demjenigen  Vokal,  bei  dessen  Aussprache  die  Lippen 
am  meisten  in  Thätigkeit  sind,  zu  u.  Diese  bethäligt  sich  einmal  in 
der  Abschwächung  eines  ursprünglichen  a  zu  u  im  zweiten  Gliede 
der  Composita  vor  Labialen,  von  der  weiter  unten  die  Rede  sein  wird; 
aber  auch  ausserdem  tritt  sie  deutlich  genug  hervor. 

Dies  gilt  zunächst  vom  m,  das  vor  sich  den  Vokal  u  herbeizieht. 
So  entsteht: 

g  1  a u c u m a  aus  yXavKco^ia 
{Ritschi,  Prot.  Irin.  p.  95.  Fleckeis.  Ep.  Cht.  Plaut,  p.  9). 

Aus  demselben  Grunde  ist  der- Bindevokal  der  ersten  Person 
Pluralis  -mus,  der  im  Sanskrit  a,  im  Griechischen  o  ist,  im  Latei- 
nischen zu  u  verdunkelt  in: 

s-u-mus,  vgl.  Griech.  eti-o-iieda, 
vol-u-mus,  ßovk-o-iLS&a, 

n  o  1  -  u  -  m  u  s , 
mal-u-mus, 
in  den  anderen  Verbalformen  hat  sich  dieses  u  zu  i  erleichtert.    Aus 
demselben  Grunde  erscheint  im  Altlateinischen  u  vor  den  mit  m  an- 
lautenden Suffixen;  so  vor  dem  Suffix  -mo  in  den  schon  besproche- 
nen Wortformen  wie : 

d  e  c  u m  a ,  i  n  f  u m u  in ,  la  er  u  m  a  s  u.  a.;  vgl.  S.  1 45  /'. 
ferner  in  dem  zusammengesetzten  Suffix,  das  im  Sanskrit  -tania 
lautet,  im  Altlateinischen  sich  zu  -tumo,  -sumo  gestaltet,  also  in 
Wortformen  wie: 

inaritumeis,     probisuma,     vicensumam,     ploiruinc 
optuma,  maxsume,  facilumed, 

proxsumeis, 
vgl.  S.  145/. 

In  der  späteren  Sprache  hat  der  Hang  zur  Vokalerleichterung 
in  Suffixen  über  die  Wahlverwandtschaft  des  m  zu  u  gesiegt  und  d,i> 
u  erst  zu  dem  Mittellaut  ü  dann  meist  zu  i  erleichtert. 


-    253    - 

Das  anlautende  m  der  zusammengesetzten  Suffixe  -monio  und 

-mento  hat  auslautendes  i  und  e  von  Stämmen,  an  welche  es  trat, 

sich  zu  u  assimiliert  in : 

testumonium,  /.  repet.  vom  Nominalstamm  testi-, 
monumentum,  vom  Verbalstamm     mone-, 

documentum,  doce-; 

auch  dieses  u  erleichterte  sich  zu  i;  in  der  spätesten  Volkssprache 

erscheint  für  dasselbe  o  in: 

monomentum,  /.  N.  2988*). 

Bezeichnend  für  die  Wahlverwandtschaft  des  m  zu  u  sind  die 
Plautinischen  Formen  (Ritschi  Rhein.  Mus.  VIII,  47(5.  XII,  100): 
d  räch  um  a,  für  Griechisch  dQu%{iYj, 
Alcumena,  'Al%\ay\vy\, 

Alcumaeo,  'Aln^aCav^ 

Tecumessa,  Tsz^Tjööa. 

Da  die  Lautverbindung  cm  dem  Römischen  Munde  unbequem 
war,  so  entwickelte  das  m  seinen  vokal i sehen  Beiklang  zu  ei- 
nem stummen  u  gerade  so  wie  1  in  den  Formen  Hercules, 
Aescülapius 

Wahlverwandtschaft  zu  u  zeigt  auch  der  labiale  Hauchlaut  f. 
In  den  Zusammensetzungen: 

sacrosanetus,    sacrovir,    vico maxister,    vicocapitis 
[Eichenf.  u.  Enal.  Anal.  Gramm,  p.  445) 

hat  sich  das  auslautende  o  der  O-stämme  erhalten.  Lautete  das 
zweite  Glied  des  Compositum  mit  f  an,  so  assimilierte  sich  in  der 
älteren  Sprache  das  o  demselben  zu  u.  So  überliefern  die  Plautus- 
hand  Schriften : 

sacrufico,  fumuficem,  signuficem, 

magnuficus,  spureuficum. 

In : 
pontu-fex,   vom  Stamme  ponti-, 
munu-ficus,  muni- 

(immunis) 


*)  Auch  in  den  Formen  marmur,  Quint.  I,  6,  23,  für  marmor, 
hurainera,  Prise/ 1,35.  ff.,  für  hominem  hat  das  benachbarte  m  die 
.Verdunkelung-  des  o  zu  u  bewirkt. 


—    254    — 

ist  das  i  von  I-stämmen  durch  f  zu  u  umgelautet;  in: 

op-u-fex, 

pac-u-ficari, 

carn-u-fex,  Prise.  I,  33.  carn-u-ficina, 
wählte  das  f  ein  u  vor  sich  als  Bindevokal,  da  es  an  consonantisch 
auslautende  Stämme  trat;  in: 

manu-festus 
blieb  daher  das  u  des  Stammes  vor  f  unverändert  (vgLRilschl,  Prot. 
Trin.  p.  90.    Fleckeis.  Ep.  Crü.  PL  p.  8). 

Ebenso  erscheint  u  durch  folgendes  b  aus  o  verdunkelt  in: 
bubus  für  bobus,     rubeus  neben  robeus, 
rubustis,  Or.  642,  für  robustis. 

Griechisches  a  ist  im  Lateinischen  vor  b  erst  zu  o,  dann  zu  u 
umgelautet  in : 

Hecuba,  alt  He c ob a,  Quint.  I,  4,   16,  für 'Ex aß rj, 
nachdem  der  Vokal  durch  das  Zurücktreten  des  Hochtones  im  La- 
teinischen tieftonig  geworden  war.     In : 

e b u r  neben  ebor,         robur  neben  r o b o r 
scheint  das  b  die  Umlautung  des  folgenden  o  zu  dem  labialen  Vo- 
kal u  bewirkt  zu  haben,  in 

tubulustrium,  Varro  L.L.W,  14,vontuba 
die  Umlautung  des  a  zu  u,  zumal  du  dem  u  ein  1  folgte.  Vor  ein- 
fachem 1  wandeln  sich  die  Vokale  a,  o,  e,  i  leicht  zu  u.  Vor 
folgendem  I  verdunkelt  sich  Altlateinisches  o  in  Stammsilben 
wie  in  den  Suffixen  -ulo,  -bulo,  -culo  und  deren  Fortbil- 
dungen zu  u.  Auf  den  älteren  Inschriften  findet  sich  diese  alte 
o  noch  vielfach  erhalten  (vgl.  Dietrich:  de  vocalibus  subjeetck  lit- 
ter a  L  affeclis)\  so  in: 
pocolom,    Bitschi   fiel  iL  Lat.      co  nsoluerun  t,  a.  0. 

p.  8,  17,  18.  Canoleiu»,  fiitschL  /ict.  Lat. 

cosol,  i.  Scip.  L.  f.  p.  28. 

c  o  n  s o  1 ,  t.  Scip.  B.  f.  t.  Scip.  B.      ta  b  o  1  a m  ,    Sc,    d.    Bacc.    fr. 

7.7V.  6766.  1381.  Maffei,     Rhein.    Mus.   VIII, 

consolve,  /.  agr.  (Thor.)  482. 

consolibus,  /.  d.  Termes  (ne-     taboleis,  /.  J'xittt.  L  repet.    L 

ben  consulib  ns).  repet.  (Sc/r.) 

cosoleretur,  Sc.  d.  Bacc.  Septunolena,  Ur.  4309,  5. 


—     255     — 


Hercolei,    Epigr.  Sor.   I.  N. 

4495.   Ri.  Mon.  Epigr.  tr. 
Hercolem,  Prise.  I,  35.  H. 
semol,  Epigr.  Sor.  a.  0. 
p  o  p  o  1  u  m ,  l.rep.  Mar.  Victor. 

p.  2458. 
s ingolos,  t.  Genuat. 
singoleis,  fr.  Maff. 
conciliaboleis,  l.rep. (Serv.) 


tolerint,  a.  0. 

d  e  t.o  1  er  i  t ,  /.  repet.  {Serv.) 

angolaria,  /.  Puteol. 

Sodola,  /.  N.  5409. 

Vgl.  p  i  a  c  o  1  u  m ,  Mar.  Viel.  p. 

2458. 
exolatum,    Rhein.    Mus.   IX, 

17. 
colin a,  a.O. 


Sorticolis,  fr.  Maff. 

Auf  Inschriften  der  Kaiserzeit  findet  sich  dieses  o  noch  in: 
Caesolenus,  /.  iV^.  5645.  parvolo,  I.  N.  3093. 

famola,  I.  N.  6305,  2. 

Die  ältesten  Spuren  der  Verdunkelung  des  o  zu  u  zeigen  sich 
schon  frühzeitig;  so: 

Cesula,  t.  Pisaur.  Ri.  fiel.  Lat.  p.  28.  Rhein.  Mus.  IX,  466. 
adulescens,  Ri.  Prot.  Trin.  96.     von     adoleo, 

Fleck  eis.  Ep.  Grit.  8. 
epistula,  a.O.  I.  N.  6828.  6851. 

2558. 4916.  Or.  HenzMtt,  a.b.c. 

7215. 


iTtiOroliq,    * 
e  p  i  s  t  o  1  a ,  Roiss.  1.  Ly. 
VII,  18. 


Um  die  Zeit  des  Lucilius  und  Attius  fängt  die  Schreibweise 
auf  denselben  Schriftdenkmälern  zwischen  u  und  o  zu  schwanken 
an.     So  stehen  nebeneinander  auf  der  Tafel  von  Bantia: 

postulabit,  popolum, 

t  a  b  o  1  e  i  s ; 
in  dem  Repetundengesetz,    das  man   das   Servilische    zu   nennen 
pflegt : 

tabu  las,  taboleis, 

d  e  t  u  1  e  r  i  t ,  detolerit, 

populus,  singolos, 

postulaverit,  sorticolas, 

conciliaboleis; 
in  dem  Plebiscit  über  die  Termessier: 

consulibus,  consolibus; 

p  o  p  u  1  e  i , 
in  dem  Dedicationsgesetz  des  L.  Aienus  und  Q.  Baebatius  (Or.  2488. 
a.  Ch.  58): 


—    256     — 

tabulamentaque,      comolateis. 

piaculo. 
{Vgl.  Dietr.  voc.  subj.  litt.  L  äff:  p.  31.) 

In  der  ältesten  Zeit  also  klang  der  hier  in  Rede  stehende 
Laut  vor  1  vorwiegend  wie  o,  um  Attius  und  Lucilius  Zeit 
scheint  es  nach  dem  Schwanken  der  Schreibweise  zu  urtheilen  ein 
Mittelton  zwischen  o  und  u  gewesen  zu  sein,  in  der  letzten 
Zeit  der  Republik  prägt  er  sich  im  Munde  der  Gebildeten 
zu  u  aus,  doch  ist  der  O-laut  in  der  Volkssprache  nicht  ganz 
verschwunden. 

Resondere  lautliche  Einwirkungen  haben  indess  die  Umlautung 
des  o  zu  u  durch  folgendes  1  verhindert;  so  der  Einfluss  eines 
dem  o  vorhergehenden  i,  das  dem  O-laut  näher  stand  als  dem 
U-laut  in: 

sciolus,  filiola,  Capriolus,        Potiolana, 

viola,  patriciolus,        Corioli,  Anniolenus, 

violo,  senariolus,        Publiolus,         Appiolena, 

violentus,  Apiola,  Principio-       Didiolenus, 

gladioius,         Apiolae,  la,  Oviolenus, 

unciola,  Aviola,  Tulliola,  Medioleius, 

negotiolum,       Capriola,  Coriolanus, 

Martiola,  Boiss.  I.  Zy.  X,  19.        E  unomiola,  a.  0.  55. 
Viventiolus,  a.  0.  XVII,  38. 

{vgl.  Momms.  Inscr.  Regn.  Neap.  ind.  nom.); 
ebenso  hielt  sich  das  o  vor  1  durch  Einwirkung  eines  vorhergehen- 
den e  in: 

corneolus,     lineola,      horreolum,     Gapreolus, 

luteola,  alveolus,  helveolus,       Carseoli; 

desgleichen  durch  den  Einfluss  eines  vorhergehenden  u  oder  v,  da 
•  die  Lateinische  Sprache  die  Lautfolge  VO  scheute,  in: 

contuoli,  Fest.  p.  42.     Scaevola,      helvolus, 

conivola,  Fest. p.  6].     frivolus,        Caivola,  Steiner,  Alt- 
christi. Inschr.  23. 
Ein  i  der  vorhergehenden  Silbe  scheint  denselben  Einfluss  auf 
Erhaltung  des  o  vor  1  geübt  zu  haben  in  : 

vinolentus,  sa  nguinolentus; 

ebenso  o  der  vorhergehenden  Silbe  in : 

somnolentus,  obolus; 


—     257     — 

doch  zeigen  die  Formen  vinulus,  spicula,  spinula,  Stimu- 
lus, hi nullius,  virulent us,  pisculentus,  florulentus, 
opulentus,  corpulentus,  potulentus,  poculentus,  dass 
dieser  Einfluss  des  Vokales  der  vorhergehenden  Silbe  kein  durch- 
greifender war  (Dietrich,  a.  0.  p~  38). 

Da  nun  das  alte  o  vor  1  in  der  Sprache  nicht  ganz  geschwun- 
den war,  so  konnte  es  in  der  späten  Volkssprache  entschie- 
den wieder  hervortreten.  Das  zeigen  Wortformen  auf  Inschrif- 
ten der  spätesten  Zeit  wie: 

facoletatem,  Grut.  1056,  2.   Fleetw.  S.  I.  Mon.  Chr.  513,  3. 

tomolo,  Fleetw.  Mon.  Chr.  515,  2.  508,  2.  Steiner,  Altchristi. 
Inschr.  86.  Boiss.  I.  Ly.  XVII,  7.  XVII,  18  (p.  Ch.  453? 
524?).    29.  35.  36.  39  (p.  Ch.  529).  65.  67. 

tomolum,  Boiss.  XVII,  15  (p.  Ch.  428?  511?). 

tetolum,  Steiner,  Allchr.  I.  5.  12.  22.  23.  83.. 

titolo,  a.O.  79.  80. 

cingola,  Fleetw.  Mon.  Chr.  508,  2. 

Merola,  Boiss.  T.  Ly.  XVII,  5. 

vocabokrm,  a.  0.  34  (p.  Ch.  510). 

consolato,  a.  O.  (für  consulatum). 

console,  a.  O.  35.  43. 

famolus,  a.  O.  (p.  Ch.  526). 

consolis,  a.  O.  45  {p.  Ch.  553). 

Wenn  also  das  Italienische  und  andere  Romanische  Sprachen 
an  der  entsprechenden  Stelle,  namentlich  in  dem  Suffix  -olo,  vor  1 
das  o  zeigen,  so  haben  sie  nur  die  Erbschaft  der  Spätlateinischen 
Volkssprache  übernommen.  Die  Ursache  der  Umlautung  des  o  zu  u 
vor  1  in  der  Blüthezeit  der  Römischen  Litteratur  liegt  in  der  Wahl- 
verwand tschaft  des  Consonanten  1  und  des  V o k a  1  e s  u.  Wie 
oben  gezeigt  ist,  hatte  das  1  im  Anlaut  und  nach  1  einen  dünneren 
leichteren,  sonst  einen  volleren  dickeren  Ton;  dieser  letz- 
tere entsteht  bei  der  Aussprache  des  1  durch  das  Zurückbiegen  der 
Zunge  gegen  den  Gaumen,  wie  dies  auch  bei  der  Aussprache  des  u 
stattfindet.  So  erhält  der  Consonant  i  jenen  u-ähn liehen  voka- 
lischen Beiklang,  und  dieser  assimilierte  sich  vorherge- 
hende Vokale  zu  u.  Das  Griechische  A  hat  im  Gegensatz  zum 
Lateinischen  1  immer  nur  den  helleren  leichteren  Laut,  daher  wählt 

CORSSEN.  17 


—     258     — 

das  X  vor  dem  Suffix  -Xo  neben  o,  u,  t  auch  die  heütönendsten  Vo- 
kale ä  und  £,  während  das  Lateinische  1  in  der  klassischen  Zeit  der 
Sprache  und  Litteratur  mit  wenigen  Ausnahmen  nur  den  Bindevokal 
u  vor  dem  Suffix-  lo  duldet,  wenn  nicht  besondere  lautliche  Einwir- 
kungen eines  vorhergehenden  Vokales  das  o  bedingen.  Wurden 
also  Griechische  Wörter  mit  diesem  Suffix  ins  Lateinische  übertragen, 
so  erhielt  im  Munde  des  Römers  das  leichte  flüssige  Griechische  X 
den  volleren  dumpferen  Ton  des  Lateinischen  1  mit  seinem  u-ähnlichen 
vokalischen  Beiklang,  und  dieser  assimilierte  sich  dann  auch  vorbei- 
gehendes of,  s ,  o,  v  zu  u.     So  in : 

pessulus,     für     TtäöaaXog,     Siculus     für    UixsXog, 
vitulus,  pttaXog,         nebula  vscpäXi], 

crapula,  xqcclticcIi],      paenula,  (pcuvoXrjg, 

scutula,  GxvrdXrj ,        triobulus,       oßaXog, 

spatula,  (jTtaxulri,  Plaid.  Fleck.  Ep.  er.  p.  8. 

scopulus,  Gnom  log ,      condulus,       xovdvXog; 

vereinzelt  steht  Menolaus,  /.  N.  4798,  neben  MevsXaog. 

Die  Wahlverwandtschaft  des  1  zu  u  tritt  recht  klar  hervor,  wenn 
bei  der  Uebertragung  Griechischer  Wörter,  in  denen  die  Consonanten- 
verbindung  xX  vorkommt,  auf  Lateinischem  Sprachboden  der  Laut  1 
seinen  u -ähnlichen  vokalischen  B  e  i  k  l a  n  g  zu  einem  s t.  u  m  - 
men  u  entwickelt;  so  in: 
Hercules  von  'Hq axXr\g. 

Im  Oskischen  lautete  der  Name  im  Genetiv  Herekleis,  halte 
also  das  a  zu  e  geschwächt,  das  Lateinische  bildete  mit  Ausstossung 
dieses  Lautes  Herdes,  aus  dieser  Form  aber  entwickelte  sich  in 
angegebener  Weise  älteres  Hercoles,  jüngeres  Hercules.  Eben- 
so verhält  sich : 

Aesculapius,  vgl.  1.  AT.  6752.  075 1 .  Prise.  iw'Aöxl  i'{  wog, 

1,  37.  H. 
Patricoles,  Plaut.  IlaVQokArJQ. 

Sehr  entschieden  ist  im  Lateinischen  die  Umlautung  des  o  in 
geschlossener  Silbe  vor  den  Liquiden  I  und  n,  wenn  denselben 
ein  Consonant  folgte,  durchgedrungen,  seltener  vor  r  und  s  mit 
folgendem  Consonanlen. 

0  vor  1  mit  folge  ade  in  Conso  nan  t  e  n  hat  sich  erhalten  in 
alleren  Wortforinen  wie: 


—     259     — 

molticatod,  Or.  3147.  Folvius,  I.  N.  1094. 

consoltu,  /.  N.  716.  polchrum,  Prise.  I,  35.  H. 

o  q  u  o  1 1  o  d ,  Sc.  d.  Bacc.  c  o  1  p  a  m ,    a.    0.    vgl.   Cassiod. 

Macolnia,  Cist.  Praen.  Mo.  U.         p.  2290.  P. 

D.  p.  283. 
und  in  Griechischen  Schreihweisen  wie : 
Zo X Ti l x  ta v o  v,  C. I.  Gr. 2590.      ®olovcog,C.I.Gr.  2905. 

Dann  aber  weicht  das  o  der  Wahlverwandtschaft  des  1  zu  u  in 
den  Wortformen  wie: 
hui  1 1  a ,  c  u  1 1  u  s ,        von  c  o  l  o , 

consultiim,      adultus,  adoleo, 

o  c  c  u  1 1  o ,  s  t  u  1 1  u  s ,  s  t  o  l  i  d  u  s , 

pul  eher,  ultra,  olus, 

culpa,  (oloes), 

p  u  1  s ,  ti  6  X  x  o  g , 

pulmentuin, 
s ulcus,  neben  oXxog, 

Culchis,  Quint.  f,  4,  15.  KoX%ug, 

bulbus,  ßoXßog, 

imbulbilo,  ßoXßirov, 

u  1  n  a ,  et  X  s  v  y\ , 

pulvis,  pollen,    TtdXrj. 

Denselben  Einfluss  Übt  1  mit  einem  anderen  folgenden  Conso- 
nanten  auch  auf  vorhergehendes  e  in: 
p u  1  s u s,  von  p  e  1 1  o ,  <  v u  1  s  u s ,  von  ve  1 1  o , 

p  u  I  s  a  r  e ,  mulsuin,      m  e  1 , 

perculsus,  cello,  promulsis, 

ferner  in : 

m  u  1  g  e  o ,  vgl.      d-^ieXyo^ 

p r o m u  1  c o ,  Fest.  p.  224.  p  r o m  e  1 1  e r  e ,  Fest.  p.  253. 

remuleus,  Fest,  p.224.  remeligines,  Fest.  p.  277. 

remulcare,  Fest.  p.  277. 

Compailteria,  Osk.  K u  p e  1 1 e r  n  u m  ,  Momms . 

sepultus,  U.  P.p.  200. 

s^pulcrum,  sepelio, 

catapulta,  Kata7ieXt7]g. 

Auch  a  ist  vor  1  mit  folgendem  Consonanten  zu  u  getrübt  in: 
f  u  1  m  e  n  neben  f  1  a  g  r  o ,  f  u  1  v  u  s  neben  f J  a  v  u  s  -> 

f  u  1  g  o  r , 

17* 


—     260    — 

nachdem  das  1  hinter  den  Vokal  zurückgetreten  war  {Dietrich,  a.  0. 
p.  47). 

Auch  hier  hielt  sich  das  alte  o,  wenn  demselben  ein  v  vorher- 
ging, bis  zur  Zeit  des  Quintilian;  das  bestätigen  die  Schreibweisen 
der  besten  Handschriften  des  Plaut us,  Lucretius,  Vergilius  und  Ci- 
cero in  Formen  wie: 

volt,  Volcanus,  Volcens, 

voltis,  volnus,  voltur, 

voltus,  avolsa,  Vo  I  turnus  u.  a. 

volgus,  divolsa, 

volgivagaque,  r e v o  1  s u m , 

volpes,  convolsum, 

(Bitschi,  Pro!.  Irin.  94.  Fleckeis.  Ep.  Crit.  PI.  p.  8.  Cic.  d.  rep.  Mai, 
ed. Moser,  p.  17.  28.  117.  Lachm.  Lucrez.  vgl.  volneribus,  Ceti. 
Pis.  Or.  643). 

Die  spätere  Lateinische  Volkssprache  kehrte  auch  hier  zu 
dem  alten  o  zurück.    Das  zeigt  die  Form : 

sepoltura,/.  N.  1942  (p.  Ch.  558). 
auf  einer  Inschrift  der  spätesten  Kaiserzeit;  daher  behält  die  Ita- 
lienische Sprache  dieses  o  in  VVortformen  wie : 

sepolcro,  fo  Igore,  ascolto     (ausculto), 

dolee,  molto,  colmo     (culmen). 

Eine  weitgreifende  Verdunkelung  des  o  zu  u  hat  auch  stattge- 
funden vor  n  mit  folgendem  Consonanten. 

Frühzeitig  trat  diese  ein  vor  dem  SufRx  der  dritten  Person 
Pluralis  -nti,  -nl. 

In  den  Schriftdenkmälern,  deren  Alter  über  die  Kl  testen 
Scipionengrabschriften  hinaus  geht,  findet  sich  der  alle 
Vokal  o  vor-  nt  erhalten;  so  in  der  von  Verrius  Flaceus  aus  dem  car- 
me  Saliare  aufbewahrten  merkwürdigen  Form: 

tr  e  m  o  n  t  i ,  Fest.  p.  205,  für  t  r  e  in  u  n  t , 
die  schon  0.  Midier  richtig  mit  der  Dorischen  tgt^iovri  für  rof - 
{lovac  verglichen  hat,  auf  Lateinischem  Sprachboden  die  älteste 
und  vollste  Form  der  dritten  Person  Pluralis. 

Auf  den  ältesten  Inschriften  finden  sich  die  Formen: 

dederont,  /.  Veron.  Or.  3147,  vgl.  Qumi.  I,  1.  I<>. 

e  x  f  o  c  i  o  n  t ,  Col.  rostr.  res/. 

d  e  d  r  o  t,  /.  Pisaur.  Pitschl,  jict.  Lat.  p.  11. 

dedro,  /.  Pisaur.  Or.  1500. 


<  __     261     — 

Vereinzelt  findet  sieb  noch  auf  einer  Inschrift  der  Graechenzeit: 
sont,  /.  Aletr.  Btlschl,  Mon.  Epigr.  Ir. 
Aus  Livius  Andronicus  Uehersetzung  der  Odyssee  wird 
angeführt :  * 

nequinont,  Fest,  p.  1 62,  für  n  e  q  u  e  u  n  t , 
und   Quintilian   kennt   aus    einem    älteren    Sprachdenkmal    neben 
dederont: 

probaveront,  a.  0. 

Stellt  man  die  Formen  t  r e  m o -n  t i ,  <1  e  d  e  r  o  - n  t ,  d  e  d  r  o  - 1 , 
dedro-  zusammen,  so  erklärt  sich  ihre  stufenweise  Abschwächung 
aus  dem,  was  oben  über  den  Ausfall  des  n  vor  t  (S.  100)  und  den  Ab- 
fall des  auslautenden  t  (S.  70  f.)  gesagt  ist. 

Schon  frühzeitig  sind  indess  diese  Formen  im  Lateinischen 
abgekommen;  auf  einer  der  beiden  ältesten  Scipionengrab- 
schritten  ist  geschrieben : 

consentiunt,  /.  Scip.  B.  /)  , 

und  diese  Form  der  dritten  Person  Pluralis  herrscht  in  den  späteren 
Inschriften,  während  noch  einmal  sont  ganz  vereinzelt  auf  einem 
Denkmal  der  Graechenzeit  vorkommt.  Im  Allgemeinen  muss  also 
auch  hier  seit  Ende  des  ersten  Punischen  Krieges  sich  die 
Aussprache  dem  u  entschieden  zugewandt  haben.  Vorhergehendes 
u  oder  v  erhielt  das  o  noch  bis  ins  Augusteische  Zeitalter  in  For- 
men wie: 

conflovont,  t.  Genital,  vivont,  Plaut.       vivont,  Lucr. 

confluont,  a.  0.  ruont,  a.  0.  loquontur,  a.  0. 

\  eivont,  /.  N.  5223.  abnuont,  #.0.  dissoluont,  a.  0. 
[Vgl  Büschl,  Proll.  Tritt,  p.  94.  Fleck.  Ep.  Cr.  p.  8.  Lucr. 
ed.  Lachm.) 

Da  im  Sanskrit  die  Endung  der  dritten  Person  Pluralis  ur- 
sprünglich -anti  lautete,  so  ergiebt  sich,dass  auch  hier  die  Griechen 
und  Italiker  in  ihren  entsprechenden  Endungen  -ovti,  -onti, 
-ont  ein  solches  aus  a  geschwächtes  o  gemeinsam  haben,  wie  das 
aus  a  entstandene  o  der  O-stämme,  von  dem  oben  die  Rede  ge- 
wesen ist. 

Auch  sonst  verdunkelt  sich  o  zu  u  vor  folgendem  nt;  so  in: 
n  u  n  t  i  u  s , 

n  u  n  t  i  a  r  e ,  vgl.  Altlat.  n  o  n  t  i  a  t  a , 

p r o n u n t i a r e ,  u,  a.  pronouliatu m, u.a.vgl.S.  1 74 /'. 


—     262     — 

A  c  h  e  r  u  n  t e  in,  Ri.Prol.  7Vm.96.     9A %  &  o  o  v  t  a  , 
A  c  h  e  r  u  n  t  e,  Lucil. Prise.  1, 3  5  .ZT. 
frunte,  1.  TV.  4671.  fronte, 

Fruntoni,  Gr.  413,  4.  Frontoni, 

funte,  Prise.  I,  35.  H.  vgl.  Vel.     fönte, 

Long.  2216. 
{> romuntorium,  Mss. Liv.  Tac.     p r o m o n t o r i u m , 

Plin.  Meter  ob. 
2Js7t TOfiowrtfi),  Plut. Quaest.    S e p t i m o n tio , 

Rom.  VII,  p.  131.  .ß. 
Muntanus,  Grw*.  892,  11.  ^/.  .Ztfon.  Cass.  p.  988.  7.  iV.  4284. 

Schmitz,  Rhein;  Mus.  XI,  149. 

In  der  späteren  Sprache  taucht  auch  hier  wieder  o  auf;  so  in: 
Legontia,  Siebter,  Altchr.  Inschr.  50. 

Vor  folgender  Consonantenverhindung  nd  verdunkelt  sich  o  zu 
ii  in  der  Endung  -undo  des  Gerundium,  wie  die  noch  erhaltene 
alte  Form : 

faciondam,  Grul.  95,  6.  für  faciundam 

zeigt;  dass  sich  das  u  dann  weiter  zu  e  erleichterte,  davon  wird  wei- 
ter unten  die  Hede  sein.     Ebenso  is!  o  vor  nd  zu  u  umgelautet  in: 

fr u  n d e s ,  Prise.  1, 35. ff.  Enn.  Ann.  für  fr ondes, 

v.  266.  V.  Vel.  Long.  2216. 

dupundi,  Lucil.  Fest.  p.  298.         für  dupondi, 

di7tovvdtOL ,  Lyd.  d.  mens.  1 Y,  JJee.  1 . 

In  gleicherweise  scheint  e  zu  u  umgelautet  in: 

Brundusimn,  neben  Griechisch  Bqsvt eo i  o  /'  . 

ßrundisium, 
(vgl.  Bruttii  neben  Griech.  Bqsvtloi,  Bqexxiol). 

Vorns  erseheint  o  zu  u  verdunkelt  in: 
procunsul,  Or.  ffenz.  5195.  für        proconsul, 
f o  r in  u  n  s  u  s ,   Anal.    Gramm .   Li-         f o  r m  o  s u  8 , 

chenf.  u.  Enal.  p.  415. 
fr us,   Enn.  Annal.  v.  562.    Cka-        frons. 

vis.  I,  p.  105.  P. 
Denselben  Eintluss  übt  auch  die  Consonantenverhindung  oc   auf 
vorhergehendes  o  in : 
hunc,  für  hone,  t.  Scip.  B,  /'. 

ses c uncia  m ,  s e  s  c  o n  c  i  a  m,  0^.4563. 


—    263     — 

und  in  den  Wortbildungen,  in  denen  an  die  Suffixe  -011,  -tion  ein 
zweites  -  c  u  1  o  gefügt  ist.     So  verhalten  sich  : 
carunculus,  zum  Stamm  caron-, 
tirunculus,  tiron-, 

cafbunculüs,  c  a  r  b  o  n - , 

h o m  u  n  c  u  1  u  s ,  liomo  n  - , 

avunculus,  avon-,  von  avu-  durch  das  Suflix 

-on  abgeleitet, 
quaestiuncula,  quaestion-, 

ratiuncula,  ration-, 

cantiuncula,  cantion-, 

portiuncula,  p  o  r  t  i  o  n  - , 

p  r  a  e  f  a  t  i  u  n  c  ul  a,  praefation-. 

Aehnlich  ist  vor  ng  und  nch  o  zu  u  umgelautet  in  den  alten 
Formen : 

g u n g r um ,  PHsc.lfib.ff. für  gongrum, 
cunchin,  a.  0.  conchin. 

Tritt  an  die  Ableitungssilbe  -on  das  Üeminutivsuflix  -ulo,  so 
wird  häufig  das  u  desselben  ausgeworfen,  das  n  dem  folgenden  I 
assimiliert  und  das  o  vordem  aus  nl  entstandenen  11  zu  u  verdun- 
kelt ;  so  in : 
lenullus,  vom  Stamme  lenon-,   Ponipullius,##/.l'ompoii- 

ius, 
homullus,  vom  Stamme  hoinon-,  Aprulli  us,      vgl.    Apron- 
H  o  m  u  1 1  u  s ,  i  a  n  u  s  , 

V i b  u  1 1  i  u s ,  Vibon-,  Ferullus,  F e r o  n  - 

Catullus,  Ca  ton-,  ia, 

Marullus,  Mar  od-,  Vocullius,  Vocon- 

ius. 
Aehnlich  kürzte  sich : 
ampullaaus  amporula  von  aitipora. 

Die  spätere  Lateinische  Volkssprache  kehrt  auch  zu  dem  alten 
o  zurück  vor  n  mit  folgendem  Consonanten  in: 
avomculus,  /.  N.  3815. 
vereeondus,  Grut  1061,  1. 
mo ndo,  Fleetw.  S.  I.  Mon.  Chr.  508,  2. 
fondamina,  Grut.  1051,  2. 
und  dieses  o  ist  dann  in  die  Romanischen  Sprachen  übergegangen. 
Man  vergleiche : 


—     264     — 

Spätlateinisch ,  Italienisch ,  Französisch, 

avonculus,  oncle, 

moDtlo,  mondo,  m  oncle, 

fondamina,  fondamento,  fondament. 

Vor  in  mit  folgendem  Gonsonanten  lautet  o  zu  u  um  in : 
u m b o ,  vgl.  Gr.  d{i cp a 1 6 g.  i n c u m p a r a b i I i , /. N.  1 549.  incom- 
umbilicus.  parabili. 

Griechiscbes  a  wird  vor  dieser  Lautverbindung  zu  u  in: 
triumpe,  Carm.  Arval.      vgl.  Gr.  d'Qta^ißog. 

Hierher  gebort  auch  das  u  des  Lateinischen  Suffixes  -umno, 
das  ein  u  vor  mn  zeigt,  verglichen  mit  dem  entsprechenden  media- 
len Participialsuffix  -o{ievo  im  Griechischen;  so  in  den  Wort- 
formen : 

a  1  u m n u s ,  von  a  1  e r e ,  Picumnus, 

Verturanus,  v  e  r  t  e  r  e ,  P  i  1  u  m  n  u  s , 

pilumnoe,  Fest.  />.  205.     pilati,  Tolum  n'-ius, 

auct u m n u s  ,  vgl.  av%6[ievog,      columna, 

V o  1  u m n ' - i a , "  ßov  Ao[i£vrj,     aerumna, 

calumn'-ia,  xaXso-fisvrj. 

Die  spätere  Sprache  zeigt  auch  hier  ein  o  in : 
colomna,  Anal.  Gramm.  Eich.  Ena.  p.  143. 
wie  (bis  Italienische  colonna  u.  a. 

Auch  vor  r  mit  folgendem  n  wird  o  und  e  zu  u  getrübl  in: 

e  b  u  r  n  e  u  s ,    vgl.    e  b  o  r  i  s  , 

Saeturni,  Bit  seh.  fiel.  La/,  p.  8. 

Saturnus, 

Saturninus,  vgl.  Zu r o o v £ i v a v ,  S.  1 4<>. 

n  o c t  u r n  u s  ,  vvxtco  q  , 

'  di urn us,  hodiernus. 

Dass  dies  der  ursprüngliche  Lateinische  Stamm  in  diuraus  und 
hodiernus  war, ist  schon  obenausDiespiter  undSanskril  divas 
nachgewiesen.     Aehnlich  steht : 

diuturnus     zu    beste r uns; 
das  - tur  dieser  Wortbildung  ist  das  Comparativsuffii  -tcro,  OsJc. 
- 1 o r  o  ( t r o  ) ,    Umbr.  -  I  r  u  ,  Gr.  -  r  ego.  Skr.  -  ( a  r  a  (Zeil sehr, 
für  vergt.  Sprach/'.  III,   251  —  2(il). 

Ebenso  verhalten  sich: 
furnacator(es),  Boiss.  I.  Ly.  V  p.379.  zu  fornacalores, 


—     265 

G>ovQVL7taAioLg,  Piut.  Quaest    Rom.  zu  (DoQviog,  C.  I.  Gr. 

VII,  p.  150.  5851, 

Kovqvovtov,  Grul.  633,  9.  Cornuti. 

Auch  vor  r  c  ,  r t ,  r  v,  rm  verdunkeil  sich  o  zu  u  in : 
amurca,  vgl.   d^ioQyrj. 

furcepem,    Grul.  711,   3.  forcipe. 

Maburtis,  /.  N.  696  (p.  Ch.  530?)  Mavortis. 

KovQovlvog,  Dlon.  C.  p.  962.  Corvinus*). 

furmica,  Anal.  Gramm.  Eich.  Enal.  p.  443.    form i ca. 

Vor  s  mit  folgendem  Consonanten  ist  o  zu  u  getrübt  in: 
arb u st um„  von  a r b o s  ,  minusculus,  von  m i n o s  , 
a r b u s c u  1  a  ,  maiusculus,  in a i o s  , 

Griechisches  a  zu  u  umgelautet  in: 
aplustre,     Gr.    aylaGtov. 

e. 
Unter  ähnlichen  Einwirkungen  benachbarter  Conso- 
nanten wie  das  u  erscheint  im  Lateinischen  das  e  umgelautet  aus 
a,  o,  u  und  i,  einmal  in  Endsilben  vor  auslautenden 
Consonanten  m  n  s  und  im  Auslaut  nach  Abfall  eines 
schliessenden  Consonanten  wie  m ,  n,  s,  d,  t,  dann  aber 
auch  im  Inlaut  der  Wortstämme,  in  Ableitungssilben  vor  folgen- 
dem r  und  in  zahlreichen  Wortbildungen,  wo  es  in  geschlos- 
sener Silbe  durch  die  Consonantenverbindungen  es,  gs,  ps,  bs, 
ts,  ds,  st,  nt,  nd,  11  (nl)  bedingt  ist. 

In  Endsilben  erscheint  das  e  abgeschwächt  aus  a,  o,  i 
vor  den  beiden  Liquiden  m  und  n,  die  beide  im  Auslaut  einen 
schwachen,  dumpfen  Ton  hatten.  So  ist  vor  auslautendem  m 
e  aus  a  abgeschwächt  in: 

septem,  Gr.  i 7t  t  d ,  Skr.  s  a  p  t  a  n , 
novem,  ivvea,         na  van, 

decem,  dexa,  dapan. 

Ein  grosser  Theil  der  Lateinischen  I-stämme  hat  ihren  Vokal 


*)  Ob  auch  die  Schreibweisen  Kov  q§o  vi  eo  v  ,  Tov  qkovccto  g  bei 
Dion.  C.  zuverlässig  sind,  Rhein.  Mus.  XI,  149,  bleibt  dahingestellt,  da 
Sturz,  IV,  p.  210.  I,  p.  38,  Ko  q  ßovlcovo  g ,  ToQY.ovatog  in  den 
Text  aufgenommen  hat. 


—    266     — 

i  vordem  auslautenden  111  des  Accusatives  zu  e  sinken  lassen. 
Die  ältere  Sprache  hat  dieses  i  noch  treuer  gewahrt.    Die  Formen : 

parti,  Or.  1433. 

clavim,  Plaut.  Most.  425. 

sementim,  Cato  R.  R.  27.  30. 

cratjm,  Plaut.  Poen.  V,  2,  65. 

lentim,  Cal.  R.  R.  35.  116. 
gehören  der  alten  Sprache  an;  die  jüngere  bildet  von  diesen  Wör- 
tern die   Accusative   auf  em.     Immer  erhalten  hat   sich  die  alte 
Form  in : 

amussiin,       cucumim,        tussim, 

burim,  sitim,  vim. 

Bei  andern  Wörtern  der  I-declination  wie  classis,  cutis, 
febris,  navis,  pelvis,  puppis,  restis,  securis,  strigilis, 
turris  schwankt  der  Sprach-  und  Schreibgebrauch  zwischen  -im 
und  -em  des  Accusatives  (Schneid.  Lal.  Gr.  II,  206  —  210). 

Hingegen  hat  die  Lateinische  Sprache  eine  grosse  Menge  auf 
-im  auslautender  Accusative  von  Substantiven  abgeleitet,  die  mit 
dem  Suffix  -ti,  -si  von  einfachen  oder  abgeleiteten  Verben  ge- 
bildet sind,  zu  Adverbien  verbraucht.  Solche  sind  zum  Bei- 
spiel : 

conj  un c tim,  praesertim,  gregatim, 

strictim,  ubertim,  acervatim, 

punetim,  cautiin,  cumulatim, 

efflictim,  viritim,  oppidatim, 

cunctiin,  tollitim,  saltuatim, 

jux  tim,  proprium,  p  au  IIa  (im, 

niixtim,  tributim,  lumultuatim, 

raptim,  luatim,  vicissatini, 

carptim,  catervatiin,  propriatim, 

partim,  sicatim,  singulatim, 

pedetentim,  bovatim,  privatim, 

p  er  p  c  t  i  m , 

Das  Suffix  -ti  hat  sich,  wenn  es  ao  auslautenden  Lingualen 
oder  Liquiden  trat,  zu  si  geschwächt  in: 

passim,      divisim,       cusim,  vicissim, 

caesim,      sensim,        expulsim,         cubitissim. 
incisim,     sparsim, 


—    267     — 

Aber  auch  dieser  adverbiale  Accusativ  findet  sich  zu  em  ge- 
schwächt in: 
saltem. 

Vor  auslautendem  n  wird  i  zu  e  geschwächt  in  den  Bildungen 
mit  dem  Suffix  -min   und  -in.     So  in : 
a  g  in  e  n ,  vgl.  a  g  m  i  n  i  s      f  e  m  e  n ,         t  e  g  i  m  e  n ,      1  u  m  e  n  , 
sag  nie  n,  u.a.         semen,         regimen,     flumen, 

Carmen,  s  übt  einen,  limen,  numen. 

flamen,  leniinen,     bi  turnen, 

examen,  nomen,  r  innen, 

gramen,  omen,  sinnen, 

stamen,  a  b  d  o  m  e  n ,  cacumen, 

filamen,  pecten, 

sa  nguen. 
Die  Form  des  Suffixes  -men  blieb,  wenn  es  durch  ein  zweites 
Suffix  -to  erweitert  wurde,  in  Bildungen  wie  momentum,  tegi- 
mentum,  stramentum  u.  a.,  weil  der  Vokal  hier  vor  zwei  Con- 
sonanten  in  geschlossener  Silbe  stand.  In  den  Compositen 
von  cano 

oscen,  cornicen,  tibicen,  fidicen 
ist  die  gewöhnliche  Schwächung  von  a  zu  i  im  zweiten  Theile  des 
Compositum  nicht  eingetreten,  weil  das  auslautende  n  das  e  vor 
sich  verlangte. 

Im  Auslaut  findet  sich  e  aus  o,  a  und  i  abgeschwächt,  sei 
es  dass  ursprünglich  der  Vokal  im  Auslaut  stand,  oder  dass  er 
nach  Abfall  eines  d,  t,  s  oder  m  in  den  Auslaut  gerückt  war. 

Das  Lateinische  geht  mit  dem  Griechischen  Hand  in  Hand,  in- 
dem es  im  Vocativ  seiner  0- stamme  das  auslautende  o  zu  e 
sinken  lässt.     Man  vergleiche : 

Lat.  taure,  Griech.  xccvqs, 

eque,  Zitjce , 

lupe,  kvxe. 

Diese  Abschwächung  ist  frühzeitig  auch  in  den  Nominativ  gedrun- 
gen, indem  von  den  zusammengesetzten  Pronominalstänimen  illo-, 
ipso-,  isto-  das  s  des  Nominativs  abfiel  und  das  o,  u  sich  zu  e 
schwächte.     So  entstanden  die  Nominative: 
i  11  e     aus     ollus, 
i  p  s  e ,  i  p  s  u  s , 

iste,  istus. 


—    268     — 

Aehnlich  ward  nach  Abfall  des  m : 
necesse  aus  necessum. 

Die  spätlateinische  Volkssprache  geht  auf  diesem  Wege  weiter, 
indem  sie  auslautendes  o  zu  e  schwächt. 

Dies  geschieht  mit  dem  o  des  Ablatives  vom  relativen  Prono- 
minalstamm quo,  das  sich  kürzt  und  zu  e  sinkt.     So  steht 

que,  /.  N.  1665.  Grut.  779,  9.  für  quo, 
wie  der  Zusammenhang  lehrt:  M.  Metilio  Emineo  Valeria 
Prima  coiux,  cum  que  vixit  etc.  Nachdem  im  Volksmunde 
das  auslautende  in  des  Accusativ  Singularis,  wie  oben  (S.  110  f.) 
nachgewiesen  ist,  nicht  mehr  gesprochen  wurde,  derselbe  somit  für 
die  O-stämme  dem  Ablativ  gleichlautend  geworden  war,  schrieb 
man  das  todte  m  noch  zum  Theil,  übertrug  es  aber  gelegentlich 
auch  irrig  auf  die  Ablativform.  So  erklärt  sich  quem  als  Ablativ- 
form für  quo  in : 

cum  quem,  I.  N.  1372.    6605.  6940.     Grut.  1061,  9. 
con  quem,  Grut.  325,  7.  757,  1.  L  N.  6420. 
con  quen,  Grut.  762,  10.    Vgl.  S.  112.    113. 

Auch  das  a  des  Ablativ  Fem.  vom  Pronominalslamm  quo- ist 
zu  e  abgeschwächt.     So  steht: 

cum  que,  I.  N.  495 1 ,  für  c u m  qua. 

cun  quen ,   Grut.  527,  4. 

con  quem,  /.  N.  4796. 

cum  quem,  Boiss.I.  Lij.  VI,  42. 

Nach  Abfall  eines  schliessenden  d,  m  und  s  ist  das  so  in  den 
Auslaut  gerückte  i  von  consonantischen  und  [-stammen  vielfach 
zu  e  gewandelt. 

Dies  gilt  zunächst  von  den  Ablativformen  dieser  Stämme. 
Schon  in  dem  Abschnitt  über  das  Diphthongzeichen  ist  nachgewie 
sen  dass  die  Ablativendung  dieser  Stämme  Id  (cid,  ed)  nach  Abfall 
des  auslautenden  d  sich  zu  e  kürzte  und  abstumpfte  in  Formen  wie  : 
a  e  r  e,  für     a  i  r  i  d  , 

conventione,  coventionid, 

mense, 
classe  u.  a. 
Der  Nominativ  und  Acc  usativ  Sing,  der  neutralen  [-stamme 
hat  das  auslautende  i  des  Stammes  zu  e  sinken  lassen  in  Formen  wie  : 
m  a  r  e  , 
facile. 


—     269    — 

Der  Accusativ  Sing,  der  I-stämme  verlor  in  der  Spätlateinischen 
Volkssprache,  wie  in  dem  Abschnitt  über  den  Buchstaben  m  dar- 
gethan  ist,  sein  auslautendes  m  {vgl.  S.  112)  wie  alle  anderen 
Stämme.  Das  in  den  Auslaut  gerückte  i  sank  dann  auch  zu  e, 
zum  Beispiel  in: 

Tebere,  Fleetw.  Mon.  Christ.  481,  7.  für  Tiber  im. 

Ueber  den  Abfall  des  auslautenden  s  von  Genetivformen 
der  consonantischen  und  der  I-stämme  in  der  Spätlateinischen 
Volkssprache  ist  in  dem  Abschnitt  über  den  Buchstaben  s  gehandelt 
{vgl.  S.  119).  Die  so  entstandenen  Genetivformen  wie  incom- 
parabili,  securitati,  Iovi,  Nepoti,  aetati,  religioni 
u.  a.  Hessen  das  in  den  Auslaut  getretene  i  dann  auch  zu  e  sinken. 
Ein  Beispiel  dafür  ist : 

m  a  r  e  ,  Or.  4583  :    q  u  i  in  senu  mare  p  e  ri  e  r  vtn  t. 

Der  Genetiv  ward  so  gleichlautend  mit  dem  Ablativ  und 
dem  Accusativ,  deren  Endung  ebenfalls  zu  e  abgestumpft  war. 
Als  man  nun  in  der  Aussprache  diese  Casus  nicht  mehr  schied, 
flickten  die  Steinmetzen  das  accusativische  m  gelegentlich  auch  an 
eine  abgestumpfte  Genetivform.  So  erklärt  sichals  Genetiv  gebraucht: 

pietatem,  /.  N.  5607:  Valete  et  memo  res   este  pieta- 

tem  patris. 
Von  den  auf  e,   e"i,  I  auslautenden  Dativ  formen  der  con- 
sonantischen   und  der  I-stämme    ist    in  dem  Abschnitt  über  das 
Diphthongzeichen  E  I  gehandelt  und  darauf  hingewiesen ,  dass  sich 
die  alten  Dativformen: 

a  e  r  e ,      iure 
auch  in  der  Augusteischen  Zeit  in  gewissen  Formeln  gehalten  ha- 
ben.    Schon  in  der  älteren  Kaiserzeit  taucht  in  Inschriften  diese 
Dativform  wieder  auf;  so  in: 

coniuge,  Grut.  588,  8. 

Lacone,  Gr.  162,  1. 

Nerorie,  Gr.  936,  6. 
und  aus  der  spätesten  Zeit  finden  sich: 

patre,  Gr.  741,  9. 

felice,  Fleetw.  Mon.  Chr.  512,  3. 

Auch  an  solche  abgestumpfte  Dativformen  ward  gelegentlich  je- 
nes für  die  Aussprache  bedeutungslos  gewordene  Schriftzeiehen  m 
des  Accusativs  geflickt.     So  erscheint  als  Dativ : 

mortem,  *Grut.  770,  9 :   n  a  t  i  mortem  n  o  n  i  n  t  e  r  f  u  i  t. 


—     270     — 

Vor  dem  s  des  Nominativs  findet  sich  das  i  eines  [-Stammes 
zu  e  geschwächt  in  der  alten  Form: 

aidiles,  t.  Scip.  Barb.  f.  für  aidilis. 

In  der  spätesten  Volkssprache  verlor  der  Nominativ  auch  dieser 
Stämme  das  auslautende  s,  zum  Beispiel: 
qui,  /.  N.  1942.  für  quis. 

Das  so  in  den  Auslaut  getretene  i  sanß  dann  auch  zu  e;  so  in: 
quisque,  /.  N.  3037,  für  quis  quis 
in  dem  Zusammenhang:  quisque  Manes  inquetaherit,  ha- 
hebit  illas  iratas.  Wenn  so  quae  und  qui  sich  zu  que  ab- 
schwächte, so  erklärt  sich,  wie  man  im  sechsten  Jahrhundert  qui 
für  quae  schreiben  konnte  (Boiss.  I.  Ly.  XVII,  41:  Necteria, 
qui  vixit  annosXXV.  p.   Ch.  525). 

So  haben  sich  also  schon  in  der  Volkssprache  alle  Casus 
des  Singularis  von  I -stammen  in  ihren  Endungen  bis  zu  e 
abgestumpft;  ebenso  die  Casus  des  Singularis  consonan ti- 
scher Stämme  mit  Ausnahme  des  Nominatives.  Dann  ward  auch 
die  alte  Nominativform  vergessen  und  die  abgestumpfte  Accu- 
sativform  als  Nominativ  verwandt.  So  findet  sich  die  Accusa- 
tivform 

f  u  r  c  e  p  e  m ,  Grid.  711,  3. 
bereits  für  forceps  als  Nominativ  gebraucht.    Ein  späterer  Gram- 
matiker {Anal.  Gramm.  Eichenf.  u.  Enal.  p.  444)  führt  unter  an- 
deren Formen  der  Volkssprache  seiner  Zeit,  die  er  tadelt,  auch  an : 
carcer  non  carcerc.    Daraus  ergiebt  sich,  dass: 
carcere 

im  Volksmunde  als  Nominativ  gebraucht  wurde,  sicher  eine  aus 
carcerem  abgestumpfte  Accusativform,  die  nominativische  Gel- 
tung erhalten  hat.  Da  nun  auch  die  Casus  formen  der  0- 
stämmc  nach  Abfall  des  auslautenden  d,  s  und  m  des  Ablativ,  .No- 
minativ und  Accusativ  sich  verwischten,  so  ergiebt  sich,  dass 
die  Lateinische  Declination  in  der  Volkssprache  bereits  zer- 
stört war  ehe  der  Stoss  der  Germanen  das  morsche  Röinerreich 
zertrümmerte. 

Die  Tochtersprachen  des  Lateinischen  haben  schon  von  der 
gealterten  und  hinsterbenden  Mutter  jenes  stumme  und  todte  e  als 
Auslaut  aller  Singularendungen  der  consonantischen  und  der 
[-stamme  ererbt.  So  stumpfte  sich  Lateinisches  front  ein  zu 
Spätlai.    fr o  n  t  e  ,    Hallen,    fr  o  Dt e,    Span,    fr  e  nie,     //  Wach, 


—     271     — 

f  r  u  n  t  e ,  Franz.  fr  o  n  t ,  Provenz.  f  r  o  n  und  das  Römische  n  a  t  i  o  - 
nem  spricht  der  Engländer  naschen.  Es  erhellt  aus  dem  oben 
Gesagten,  dass  que  in  der  Spätlateinischen  Volkssprache  aus  qua e, 
qua,  quis,  qui,  quem,  quo  abgeschwächt  ist.  So  war  das 
Italienische  che,  Franz.  que  also  längst  vorbereitet.  In  den  Fran- 
zosischen Mundarten  stumpfte  sich  das  auslautende  a  und  o  aller 
Stämme  zu  e  ab,  wozu  die  spätlateinische  Volkssprache  mit  dem 
Relativstamm  Masc.  quo,  Fem.  qua  den  Anfang  gemacht  hatte,  den 
sie  in  den  verschiedensten  Casus  zu  que  abstumpfte. 

Durch  Abwerfung  des  schliessenden  s  und  Sinken  des  auslau- 
tenden i  zu  e  entstanden  die  Formen  der  Adverbien: 

mage,  für  mag  is, 

pote,  potis, 

über  deren  Entstehung  aus  dem  Comparativsuffix  -ins  bereits  ge- 
sprochen ist. 

Die  enclitische  Anfügung  ce  in: 

hi  ce,  illice,  istice,  ecce 
ist  von  dem  demonstrativen  Pronominalstamme  abzuleiten ,  der  im 
Sanskrit  -ka  lautet.  Dass  dies  -ce  aus  -ci  entstanden  ist,  zeigen  die 
Bildungen  mit  angehängtem  ne: 

i s  1  i c i - n e ,  illici-ne,  hici-ne,  t u n  c i - n e. 

Die  älteste  Form  dieses  -ci,  -ce  aber  ist  in  der  alten  ftrab- 
schrift  von  Aquila  erhalten: 

heicei,  /.  N.  58S2. 

In  den  Anfangsworten  derselben  :  Proto genes  Clou  1.  sua- 
vei  heicei  situst  mimus,  kann  suavei  heicei  nur  bedeuten: 
hocsuavi  loco*).  Suavei  ist  also  Locativform  vom  Stamme 
suavi-;  heicei  ist  eine  doppelte  Locativform,  die  erste  Silbe 
hei  vom  Pronominalstamme  ho-,  die  zweite  vom  Pronominalstamm 
co-,  Sanskr.  ka-.  Aus  heicei  ward  durch  Kürzung  des  durch 
EI  bezeichneten  langen  Mitteltones  zwischen  i  und  e  hlce 
(heice,  hece),  durch  Abfall  hie  (heic,  hec).  Eben  solche 
Locativformen  sind  illic,  istic  von  den  Pronominalstämmen  illo-, 
isto-**). 


*)  Für  die  Inschrift  von  Aquila  vermuthet  Th.  Mommsen  a.  O. : 
Suavei  bedeute  Suavi  servus,  zweifelt  aber  doch  an  seiner  Ver- 
muthung,    da  ein  Name  Suavus  oder  Suavis  sonst  unerhört  sei. 

**)  Durch  alles  bisher  Gesagte  über  das  auslautende  e  wird  die  An- 


—     272    — 

Auch  im  Auslaut  von  Verbalformen  nach  Abfall  eines  s,  t 
oder  11 1  schwächt  sich  der  in  den  Auslaut  getretene  Vokal  zu  i.    So 
sprach  Cicero: 
delectare,        vocabare,  experirere, 

arbiträre,        videbare,  aspernabere, 

laudare,  quaerebare,       verebere, 

videare,  existimarere,     sequere, 

utare,  viderere,  patiere  u.  a. 

largiare,  1  o  querere, 

(vgl.  Ramshorn  Lat.  Gr.  p.  138)  für  die  vollen  auf -is  auslauten- 
den Formen.  Wenn  der  fein  gebildete  Römer  selbst  solche  Gleich- 
klänge wie  das  e  in  drei  auf  einander  folgenden  Silben  von  vide- 
rere, lo querere  nicht  scheute,  so  zeigt  sich  darin,  wie  stark  die 
Neigung  der  Sprache  war  auslautende  Silben  zu  e  abzuschwächen. 
Schon  in  dem  Abschnitt  über  E I  ist  die  Rede  gewesen  von  den 
spätlateinischen  Verbalformen  wie  fecet,  emet,  scribet,  qui- 
escet,  fecet,  militavet,  ornavet  u.  a.  und  mit  Abwerfung 
des  dumpf  und  schwach  tönenden  t  vixse,  fece,  quiesce. 
Auch  hier  treffen  wir  also  vor  dem  schwachen  auslautenden  (Kon- 
sonanten oder  im  Auslaut  selbst  wieder  ein  e,  dem  in  der  Blüthe- 
zeit  der  Sprache  ein  i  voranging. 

Von  dem  Abfall  des  auslautenden  nt  der  dritten  Person  Plu- 
ralis  in  Formen  wie  d e d r o ,  d e d er i ,  censuere  ist  in  der  Unter- 
suchung über  den  Ruchstaben  t  die  Rede  gewesen  (vgl.  S.  70). 
Vergleicht  man  hierzu  die  gewöhnlichen  Formen  dederunt, 
eensuerunt,  so  ergiebt  sich,  dass  das  alle  o  dieser  Verbal- 
endung  -onti,    -ont   stufenweise    zu    u,   i  und  eherabsank. 


sieht  Ritschis  widerlegt,  dass  im  Lateinischen  i  niemals  zu  e  würde 
(Rh.  Mus.  VIII,  p.  479),  und  dass  illicine,  isticine  aus  illecene, 
istecene  u.  a.  entstanden  seien,  weil  in  Compositen,  deren  erster  Be- 
standteil auf  e  auslautete,  dieses  zu  i  umlauten  müsse  [Rhein.  Mus. 
VII,  576 — 580).  Auch  indidem,  undique  neben  inde,  unde  be- 
weisen dafür  nichts,  denn  ihr  Bestandteil  -di  ist  wahrscheinlich  aus 
-die  geworden  (Ztitschr.  für  vcrgl.  Sprachf.V,  123).  In  quippini  neben 
quippe  ist  das  i  der  vorletzten  Silbe  durch  das  i  der  letzten  aus  e 
assimiliert,  ebenso  in  tutin  für  tutini  neben  tute.  In  servirine, 
wenn  die  Lesart  zuverlässig  ist,  assimilierte  sich  das  erste  i  das  zweite, 
in  faciline  hielt  sieh  das  alte  i  des  I- Stammes,  das  auslauttMid  zu  e 
sank. 


—     273     — 

Die  Abstumpfung  dieser  Form  bis  zur  letzten  Stufe  ist  schon  früh- 
zeitig eingetreten ,  wie  namentlich  das : 

censuere,  /.  N.  715.  716. 
in  den  sehr  alten  Venusiner  Inschriften  zeigt.  Mögen  diese  leich- 
teren Formen  dem  Ohre  Cicero's  {Orat.  47,  157)  und  Quintilians 
(I,  5,  4)  angenehmer  geklungen  haben  als  die  volleren  auf  -nt 
auslautenden,  vom  sprachgeschichtlichen  Standpunkt  kann  man 
sie  nur  als  verkrüppelt  und  entstellt  ansehen;  denn  sie  haben 
die  Bezeichnung  der  Person  und  der  Mehrzahl  eingebüsst,  und 
das  auslautende  e  ist  auch  hier  wieder  der  letzte  matte  Nachklang, 
der  Denkstein  einer  verstorbenen  Flexionsendung. 

Es  ist  ersichtlich,  wie  sich  der  E-laut  überall  in  die  End- 
silben einschleicht,  nicht  bloss  im  Lateinischen,  sondern  auch  in 
anderen  Sprachen.  Es  muss  also  in  der  Natur  dieses  Vokales 
etwas  liegen,  das  ihn  dazu  geeignet  macht.  Der  dünnste  und  leich- 
teste Vokal  ist  e  im  Lateinischen  nicht,  das  sieht  man  besonders 
daraus,  dass  er  sich  im  zweiten  Theile  eines  Compositum  noch  zu  i 
erleichtern  kann;  aber  er  ist  für  die  Aussprache  der  bequemste 
Vokal,  denn  bei  derselben  kommen  die  Sprachwerkzeuge  am  wenig- 
sten aus  der  Stellung  heraus,  die  sie  im  Zustande  der  Ruhe  einneh- 
nfen.  Es  ist  also  natürlich,  dass  er  sich  im  Auslaut  und  vor 
schwach  auslautenden  Consonanten  einfindet,  kurz  vor- 
her, ehe  sich  die  Sprachwerkzeuge  aus  der  Bewegung,  in  die  sie 
bei  der  Aussprache  eines  Wortes  versetzt  werden,  zur  Ruhe  bege- 
ben. Es  ist  die  Macht  der  Trägheit,  die  das  vielfarbige  muntere  Le- 
ben der  Vokale  in  den  Endsilben  einschläfert  und  dem  charakter- 
losen schlaffen  und  bequemen  e  die  Herrschaft  einräumt,  die  es  in 
den  Endsilben  unserer  deutschen  Muttersprache  erlangt  hat. 

Es  ist  nun  das  e  im  Inlaut  der  Stämme  zu  betrachten,  in 
wiefern  es  durch  benachbarte  Consonanten  hervorgerufen 
wird. 

Eine  überaus  scharf  hervortretende  und  weitgreifende  Wahl- 
verwandtschaft zu  dem  Vokal  e  zeigt  der  flüssigste  liquide 
Laut    r. 

Vor  dem  Suffix  -ro  zeigt  die  Lateinische  Sprache  fast  durch- 
gehends  e,  während  das  Griechische  in  mannigfachem  Wechsel  vor 
demselben  als  auslautenden  Vokal  vom  Stamme  des  Grundwortes 
oder  als  Bindevokal  a,  17,  v,  s  aufweist.  Bildungen  wie  %aAcc~ 
po'g,  {ilcc  QOSi  ku&ccqo  g ,  wie  TtovrjQog,   AvitrjQog,   v  0- 

CORSSEN.  18 


—     274     — 

GniQog,  wie  o%VQog,  aX^ivQog^  ykacpvQog,  aqyvQog 
kennt  die  Lateinische  Sprache  nicht,  sie  hat  nur  den  Griechischen 
wie  cp&ovsQog,   cpoßeQog  ,   ylvusQog  ihre  Bildungen  wie: 

tener,  lacer,  liber,   asper,  gener,  socer  u.  a. 
an  die  Seite  zu  setzen.     Diese  Eintönigkeit  des  Vokales  vor  dem 
Suffix  -ro  kam  daher,  weil  das  r  den  Vokal  vor  sich  bedingte  und 
andere  Vokale  zu  e  umlautete.     Wie  unwiderstehlich  diese  Einwir- 
kung war,  zeigt  insbesondere  die  Umwandlung  des  Griechischen  a 
zu  Lat.  e  in  Wörtern,  die  aus  dem  Griechischen  ins  Lateinische 
übertragen  sind.     So  wurden  auf  Lateinischem  Sprachboden : 
%a\LC(.Qu,    zu    camera, 
cpukuQu,  phalera, 

r  e<5  GuQu,  tessera, 
ölöccqov,  siserum, 
xuqxccqov  ,      carcer, 

xl&ccqcc,  c  i  t  e  r  a  ,  {Anal.  Gramm.  Eich.  Enal.  p.  444). 

Lateinisches  a  ward  durch  folgendes  r  zu  e  geschwächt  in: 
Caeserini,  I.  N.  1544.  von  Caesar, 
C  a  c  s  e  r  i  a  n  e  n  s  i ,  I.  N.  1 39 1 . 
S  i  1  e  r  u  s ,  S  i  1  a  r  u  s , 

Sil  er. 
Der  Vokal  e  herrscht  ausschliesslich   in  den  Suffixen  -her, 
-cer,   -tero.     Man  vergleiche: 

-her  in  Bildungen  wie  candelaber, 

saluber , 
-cer,  v  o  1  u  c  e  r , 

a  1  a  c  e  r , 
-tero,  d ext er, 

exter  i,  u.  a. 
Das  Suffix   -her  ist    entstanden    aus  SansJcr.    Jf':.   b har- 
ttrage n),  -cer  aus  Sanskr.  Wz.kur-  (machen),  -tero  ent- 
spricht dem  Sanskr.    tara-    von   Wz,   tar-    (durchdringen). 
(Bojjp,  vcnjl.  Gramm.    Poti,  Ehjm.  Forsch,  indd.) 

Die  Neutra  auf  -os,  -us  lassen  in  den  Casus  obliqui  ihr   s 
zwischen  zwei  Vokalen  regelmässig  zu  r  sinken.     Dieses   r  lautet 
dann  das  vorhergehende  o,  u  zu  e  um.     So  in: 
foederis,      foederalus,    von   foedus,  u.a. 
vulneris,      vulnerare, 
sceleris,      seeleratus, 


—     275    — 

V  e  n  e  r  i  s  ,      veneror, 

o  p  e  r  i  s ,  o  p  e  r  a  r  e , 

glomeris,    conglomerare, 

generis,       generare, 

p  o  n  (1  e  r  i  s ,    ponderare, 

p  e  n  e  r  i  s ,  neben  p  e  n  o  r  i  s , 

p  i  g  n  e  r  i ,       p  i  g  n  e  r  o ,  p  i  g  n  o  r  i , 

(vgl.  Plaut.  Capt.  655.  Cato  R.  R.  149.  /.  N.  5452:  pigneribus) 

temperi,      tempero,     neben  tempori, 

faeneris,      faenero,  faenoris, 

facineris,  Vel.  Long,  p.2233,     facinoris; 
ebenso  verhalten  sieb: 

veter,     veter is   zu  vetus. 

Die  Schwächung  des  s  zu  r  und  die  dadurch  bewirkte' Umlau- 
tung des  u  zu  e  ist  in  veter,  das  Varro  aus  alten  Auguralformeln 
anführt  (L.  L.  VII,  9)  auch  in  den  Nominativ  gedrungen. 
Ebenso  entstand  das  e  vor  r  in : 

j  o  c  i  n  e  r  i  s  neben  j  o  c  i  n  o  r  i  s , 
j  e  c  i  n  o  r  i  s , 

auger,  Prise.  I,  36.  ff.;  alte  Formen  füraugur, 

augeratus,  a.  0.  auguratus, 

fulgeratoris,  Grut.  21,  3.  fulgur. 

Ein  i  wird  zu  e  umgelautet,  nachdem  das  folgende  s  zu  r  ge- 
sunken ist,  in: 

cineris,  einer,    neben   cinis, 

cueumeris,      cueumer,      ,  cucumis, 

pulveris,  pulver,  pulvis, 

vomeris,  vomer,  vomis, 

P  a  p  e  r  i  u  s ,  /.  N.  1 094.  P  a  p  i  s  i  u  s , 

Numeri  us,  Numisius. 

(Vgl.  Momms,  Inscr.  Regn.  Neap.  Ind.  nom.  Unt.  Dial.  S.  282.) 

In  der  Conjugaüon  wird  der  Charaktervokal  des  Perfekts  I, 
nachdem  das  folgende  s  zu  r  gesunken,  zu  e  assimiliert.  Von  den 
Perfekt  stammen  wie  dedi,  scripsi,  delevi  wurde  die 
3te  Pers.  Plur.  im  Altlateiuischen  gebildet,  indem  die  3te  Person 
Plur.  des Verbum  esse,  sont,  herantrat.  Aus  ursprünglichen  For- 
men wie  dedisont  entwickelten  sich  dann  durch  Sinken  des  s  zu  r, 
Umlautung  des  T  zu  e  und  Kürzung  zu  e,  Verdunkelung  des  o  zu  u, 
Ausfall  des  e,  Abfall  des  -nt  und  Erleichterung  des  in  den  Auslaut 

18* 


—     276     — 

getretenen  u  zu  e  alle  Formen  der  dritten  Person  Pluralis  im  La- 
teinischen, wie  folgende  Zusammenstellung  zeigt: 

de dl -sont 

I 
dede-ront 


dederunt  dederunt 


I 
d  e  d  r  o  t 

i 


dederunt  .     X   . 

d  e  d  e  r  1 


ded;0  deaere*)^.Ä70. 

In  derselben  Weise  ist  i  durch  folgendes  aus  s  abgeschwäch- 
tes r  zu  e  umgelautet  im  Ind.  Plusq.  Fut.  II.  und  Conj.  Per  f., 
so  dass  also : 

dederam  aus  dedi-sam, 

dedero,  dedi-so, 

d  e  d  e  r  i  m ,  d  e  d  i  -  s  i  m 

geworden  sind  und  ebenso  alle  entsprechenden  Verbalformen. 

Der  Grund,  weshalb  r  den  vorhergehenden  Vokal  zu  e  um- 
lautete, liegt  wieder  in  der  Wahlverwandtschaft  beider  Laute. 
In  der  Stellung  der  Sprachorganc  Ihm  der  Aussprache  liegt  das  e 
unter  allen  Vokalen  dem  mit  der  Zungenspitze  gesprochenen  r  am 
nächsten.  Das  r  hat  einen  E- ähnlichen  Anklang  oder  Bei- 
klang, dessen  Bedeutung  bei  der  Ausstossung  des  e  vor  r,  von  der 
unten  die  Bede  sein  wird,  sehr  bestimmt  hervortritt,  und  dieser  ist 
es,  der  sich  den  vorhergehenden  Vokal  assimiliert. 

Ein  i  im  Auslaut  des  ersten  Bestand  theiles  von  Compositen  ist 
zu  e  geworden   in: 
beneficus,  Ör.4040,  für  beni  ficu  s,  Plaut.  HitschU  Rh.  Afitf.VlL, 

580. 
beneficium,  a.  0.  benificio,   Or.  3239.  4859. 

m  a  1  e  f  i  c  u  s  ,  m  a  1  i  f  i  c  u  s ,  NtSUS.  /  'et.  Long.  p.  2235.  P. 


*)  Es  ist  eine  durch  nichts  gestützte  sprachvergleichende  Hypothese, 
wenn  Weil  und  B  e  n  1  o  e  w  ,  Theorie  generale  de  l'A  c  c  e  n  t.  L  a  t. 
p.  187  aus  den  schon  in  alter  Zeit  gekürzten  Formen  dederunt, 
steterunt  für  das  Lateinische  ein  altes  dem  Griechischen  und  Sanskri- 
tischen entsprechendes  redupliciertes  Perfekt  annehmen.  Da,  wie  sich 
jn  dem  Abschnitt  über  die  Betonung  ergeben  wird,  ursprünglich  <1  >'  <1 1  - 
sont,  de'dcrunt  betont  wurde,  so  ist  der  ganze  lautliche  Hergang,  wie 
er  angegeben  ist,  vollkommen  erklärlich. 


—     277     — 

benevolus,  für     benivol  us  ,  Eulych.  p.  2152. 

(be)nivolenti,  /.  N.  3962. 
benivolentia,  Afran.  Com.  Ribb.pA  5 1 . 
Att.  Trag.  Ribb.  p.  125.    /.  N.  1423. 
1882.  4151.  6034.     Or.  4040. 
malevolus,  malivolus,  Plaut.  Eulych.  jt?.  2152. 

Das  beweisen  auch  die  Wortformen  malifactorem,  m  a  1  i  - 
volentia,  malisuada,malivolens,  benivolens,  malig- 
nus,  benignus  {Ritschi,  Mein.  Mus.  VII,  580  —  582)*). 
Ebenso  wurde  : 

ceremonia,  aus    caerimonia,   Or.  844.  2188. 

ponleficum,  Grut. 835,  8.         p o n t i f i c u m  , 
(sac)refici  um,  Grut.  328,  1.    sacrificium. 

In  allen  diesen  Fällen  ist  e  aus  dem  i  entstanden  ,  das  sich 
am  Schlüsse  des  ersten  Compositionsgliedes  regelmässig  findet  und 
entweder  aus  dem  a  o  u  der  so  auslautenden  Stämme  ab- 
geschwächt ist  wie  in  a  q  u i  1  i f e r ,  magnificus,  m a n i p  u  I  u  s  , 
oder  als  Bindevokal  zwischen  den  consonantisch  auslautenden  und 
consonantisch  anlautenden  Stamm  des  Compositum  tritt  wie  in 
paeificus,  legirupa.  So  schwächten  sich  die  Adjectivstämme 
malo-,  beno-  im  ersten  Theil  der  angeführten  Composita  zu 
beni-,  mali-  ab;  sie  sind  nicht  Adverbien,  sondern  drücken  das 
Object  der  Handlung  aus,  die  das  Verbum  als  zweiter  Theil  des 
Compositum  bezeichnet.  Die  Verbindung  der  Adverbien  bene-> 
male  mit  den  Participien  factum,  dictum  veranlasste  wohl  die 
Auffassung,  dass  in  jenen  Compositen  auch  Adverbien  zu  suchen 
seien. 

Sehr  durchgreifend  und  weit  verbreitet  ist  im  Lateinischen  die 
Umlautung  eines  i  ine,  wenn  der  Vokal  in  geschlossene  Silbe  vor 
gehäufte  Consonanten  versetzt  wird.  Dies  geschieht  häufig 
durch  Anfügung  des  Nominativzeichens  s  an  einen  consonantischen 


*)  Ritschi  meint,  man  müsse  entweder  getrennt  schreiben  bene 
facta,  male  facta,  bene  dieta,  male  dieta,  bene  facere, 
male  facere,  bene  dicere,  male  dicere  oder  verbunden  beni- 
faeta,  malifaeta  u.  a.,  was  ohne  Zweifel  richtig  ist.  Weshalb  aber 
die  Annahme,  das  e  sei  in  allen  obenstehenden  Compositis  das  ur- 
sprüngliche gewesen  und  habe  im  Inlaut  der  Composita  zu  i  umlauten 
müssen,  unhaltbar  ist,  ist  theils  schon  früher  gesagt,  theils  wird  es  so- 
gleich aus  dem  Folgenden  weiter  erhellen. 


—     278    — 

einfachen  oder  zusammengesetzten  Stamm.  So  ist  i  zu  e  umgelau- 
tet in  folgenden  Nominativen  von  Stämmen,  die  auf  einen  Gutturalen 
oder  Labialen  auslauten: 

vertex,         opifex,         rem  ex,         supellex, 
culex,  artifex,        senex, 

pulex,  aurifex,      extispex,    particeps, 

pollex,  versifex,    auspex,       menceps, 

frutex,         obex,  vindex,         manceps, 

pumex,         aquilex,      judex,  auceps,  «.  «. 

und  im  Nominativ  von  Stämmen,  deren  auslautender  Lingual  vor 
dem  s  des  Nominativs  wegfallen  musste  wie: 

ales,  comes,         merges,        sospes,        praestes, 

am  es,  eques,         miles,  stipes,  an  t  ist  es, 

caeles,         fomes,  palmes,       termes,       deses, 

Caeres,       gurges,        pedes,  trames,        obses, 

cespes,        hospes,       poples,        tudes,  praeses, 

Codes,        lim  es,  satelles,     veles,  reses. 

In  ähnlicher  Weise  wird  i,  u,  o  zu  e  abgeschwächt,  wenn  <'in 
auf  t  anlautendes  Suffix  an  einen  auf  s  oder  t  anlautenden  Stamm 
tritt.  Dies  geschieht  durch  Anfügung  desComparalivsuffixes  -tero  in  : 
m  e n e s  t e  r ,  /.  N.  6308 ,  23.  vgl.  minus,  minister, 

menestrator,  Gral.  315,  2. 
admenestrationis,  Or.  1 1 20 (375 p. Ch.) 
a d  m  e  n  e  s t r  a  r  u  n  t ,  Or.  Henz.  643 1  (/;.  C/t.362) 
admenestre(nt),  a.  0. 

ma gester,  Quint.  1,  4,  17.  vgl.  magis,  magister, 

macesteri,  Grut.  1065,  9. 
sinest(ram),  /.  N.  3180.  sin  ister. 

Von  diesen  Formen  hal  Quintilian  ma  gester  ans  einem  alten 
Sprachdenkmal  entnommen,  die  andern  gehören  der  Sprache  der 
späteren  Kaiserzeil,  die  auch  hier  auf  die  Spuren  der  Alt- 
lateinischen Sprache  zurücklenkt;  die  Schriftsprache  der  besten 
Zeit  wählte  die  rönnen  mit  i.  Ebenso  wie  die  vorstehenden  Wort- 
formen entstand  : 

Nemestrinns,     aus  neinus. 
Pas  Comparativsuffix  -i  ero  ward abgeschwächl  zu  -teri,  -t  ri, 
als  es  an  Dem us  herantrat,  und  durch  ein  neues  Suffix  -im  erwei- 
tert.   Mit  derselben  abgeschwächten  Gestalt  des  Comparativsuflixes 
-tri  sind  gebildet : 


—     279     — 

pedester,  vom  Stamme  pedit-, 

equester,  equit-, 

ter rester,  vom  vorauszusetzenden  Stamm  territ-, 

Silvester,  silvit-. 

Dieselbe  Umlautung  erfolgt,  wenn  die  Suffixe  -tat,  -to,  -ti  an 
Stämme  treten ,  die  auf  s  oder  t  auslauten  ;  so  in : 
honestas,  von  honos, 

majestas,        majus,       caelestis,  vom  Stamme  caelit. 
tempestas,      tempus,    domesticus,  (domit-) 

scelestus,        scelus,  vgl.  Doinitius. 

funestus,         funus, 

So  findet  sich  auch  sonst  vor  s  mit  folgendem  Consonanten  i 
zu  e  geschwächt,  wie  in: 

Antestius,  neben  A n t i s t i u s ,  Momms.  I.  N.  ind.  nom. 

Themestocleti,  GruL  360,  1. 

fescu,  Grut.  1056,  1. 

cupre ss u s,  neben  KVTtttQtööog, 

dulcessima,  /.  N.  1302  {p.  Ch.  508.) 

d  u  1  c  e  si  m  e ,  Steiner,  Allchr.  Inschr.  8. 

piessiino,  Mai.  scr.  veU.  n.  c.  V.  273,  4. 

Es  ist  die  Spätlateinischc  Volkssprache,  in  der  sich 
besonders  diese  Formen  finden,  nur  cupressus  gehört  schon  einer 
frühen  Zeit  an.  Auch  hier  ergiebt  sich  also,  dass  das  Italieni- 
sche seine  Wortformen  wie  funesto,  honesta,  tempestä, 
maestro,  minestra,  dolcessima  u.  a.  aus  der  späten  Volks- 
sprache der  Römer  überkommen  hat*). 

Auch  vor  den  Lautverbindungen  -nt  und  -nd  entsteht  e  in 
geschlossener  Silbe  namentlich  aus  o  und  u. 

Vergleicht  man  die  P  a  r  t  i  c  i  p  i  a  1  b  i  1  d  u  n  g  e  n  der  verwandten 
Sprachen : 

Skr.  bhar-ant-am,    Gr.  cpeQ-ovz-cc,   Lat.  fer-ent-em, 
Golh.  b a i r-  a  n d  -a m , 

so  erhellt,  dass  Griechisches  o  und  Lateinisches  e  in  denselben  aus 
ursprünglichem  a  abgelautet  sind.  Dass  die  Lateinische  Sprache 
ursprünglich  das  Participialsufnx  zu  -ont  gestaltete,  in  demselben 


*)  Auch  sonst  zeigt  sich  e  für  i  auf  späten  Inschriften;  so  in  le- 
cuerunt,  Fleelw.  S.  1.  515,  3.  oreginem,  Or.  Henz.  6429.  baseli- 
cam,  a.  0.  6736."  vigelia,  Boiss.  I.  Ly.  XVII,  16  (p.  Ch.  447).  Se- 
len tios  es,  Boiss.  I.  Ly.  XVII,  2  (p.  Ch.  334). 


—     280     — 

Verhältniss  zu  Sanskr.  -ant  wie  die  Endung  der  dritten  Pers.  Plur. 
-onti,  -ont  zu  Sanskr.  -anti,  muss  man  schliessen  aus  dem 
Participialstamme  der  Form : 

e-unt-em , 
die  auf  eine  ältere  e-ont-em,  entsprechend  der  Griechischen 
i-ovt-a,  zurück  führt,  deren  o  sich  zu  u  verdunkelte  wie  in  de- 
d e r u n t  für  dederont.  In  e-unt-em  blieb  wohl  das  Participial- 
suflix  deshalb  dann  ungeändert  und  ward  nicht  zu  e  erleichtert,  weil 
die  Sprache  den  Gleichklang  e-ent-  scheute. 

Von  der  ältesten  Form  des  zusammengesetzten  Verbaladjectivs, 
das  die  Lateinischen  Grammatiker  Gerundium  nannten,  -ondo, 
legt  nur  noch  die  Wortform: 

faciondam,  Grut.  95,  6. 
Zeugniss  ab.  Das  o  dieser  ursprünglichen  Lateinischen  Form  ver- 
dunkelte sich  frühzeitig  zu  u,  und  dann  erleichterte  sich  dies  u 
ebenfalls  schon  in  alten  Zeiten  zu  e.  Von  dem  Schwanken  der 
Sprache  zwischen  den  beiden  Formen  des  Gerundiums  -undo  und 
-endo  giebt  folgende  Zusammenstellung  eine  Anschauung: 

-undo  -endo 

f  a  c  i  u  n  d  u  m ,  /.  N.  1 1 19.  e  x  d  e  i  c  e  n  d  u  m ,  Sc.  d.  Bacc. 

1  e  g  u  n  d  e  i  s ,  /.  repet.  f  a  c  i  e  n  d  a  m ,  a.  0. 

legundis,  a.  0.  colendi,  t.  Genua/. 

quaerundae,  «.  Ö.  facienda,  t.  Aletr. 

scribundi,  a.  0.  tribuendei,  1.  repet. 

deicundo,  a.  0.  fruen du m,  1.  agr.  {Thor.) 

de  f  er  undo,  a.  0.  deducendae,  a.  0. 

vendundeis,  l.  agr.  (Thor.)  faciendam,  Or.  3808.  I.A. 
faciundum,  /.7\r.3564.  3563.  2196.  5351. 

3562.  2458. 

Diese  Inschriften  fallen  etwa    in  die  Zeil   zwischen  dem  Syri- 
schen und  dem  Ende  des  Cimbernkrieges.    Aul  Inschriften  aiifi  dein 
Zeitalter  der  Bürgerkriege  linden  sich  die  Formen: 
repetundis,  Or.  5^9.  faciendum,  I.  N.  3565.  3569. 

sternundis,  a.  0.  2196. 

leg  und  eis,  /.  Com.  de  XX  q.       einen  dum,  /.  T.  3565. 
s  u  1)  1  e  g  u  n d  e  i  s ,  a.  0.  i  ef  i  cien  d  a  in ,  /.  paff.  Herr. 

r ef^ er undos,  Sc*  d,  Asc.Claz-     restituendos,  Or.  570.  /.  V. 

/.  Jul.  man.  4221. 

capiundis,  l.  d.  Termes.  sternendeis,  I.  Jul.  man. 


—    281     — 

faciundum,  Or.  31.  Grutt69,     fruendeis,  a.  0. 
11.  160,  3.  J.  iV.  321.   322.     tu  endeisve,  a.  0. 
4102.  4221.  /.  Juh  mun.  utendei,  a.  0. 

reficimid(am),  I.  N.  3538. 
reficiund(as),  /.  Juh  mun. 
erceiscunda,  /.  Rubr. 
dei  vidunda,  a.  0. 
moeniundae,  /.  N.  4627. 
i  uredeicundo,  a.  0. 

Diese  Beispiele  zeigen,  dass  in  den  letzten  zwei  Jahrhunderten 
der  Republik  die  Sprache  zwischen  den  beiden  Bildungen  des  Ge- 
rundium -undo  und  -endo  schwankte,  und  dass  die  ältere  -  undo 
nur  wenig  überwog.  Auch  in  den  Handschriften  der  älteren  Dich- 
ter findet  sich  dasselbe  Schwanken,  und  mit  Recht  verwirft  daher 
Ritschi  (d.  lab.  Aletr.  Man.  Ep.  tr.  p.  17)  das  Verfahren,  in  den 
Texten  des  Plautus  und  Terenz  gegen  die  handschriftliche  Ueber- 
lieferung  überall  die  ältere  Form  -undo  herstellen  zu  wollen. 
Die  Sprache  der  Gebildeten  hat  zwar  in  der  Augusteischen  Zeit 
der  Form  -endo  den  Vorzug  gegeben,  aber  ohne  dass  die  Form 
-undo  verschwindet.  Die  geschäftliche  und  amtliche  Sprache 
der  Gerichte  und  Staatsbehörden  behielt  dieselbe  bei,  besonders 
in   solchen  feststehenden  Formeln  wie: 

sacris  faciundis,  agro  clividundo, 

foederis  faciundi,  familiae  erciscundae, 

legibus  scribundis,  decumas  vendun  das, 

finium  regundorum,  viam  stein  und  am. 

iure  die undo, 
und  ähnlichen,  die  dem  Ohr  der  feinen  Welt  am  kaiserlichen 
Hofe  etwas  Altfränkisch  klingen  mochten.  Die  Scheu  vor  dem 
Gleichklang  VV  bewirkte,  dass  die  auf  u  auslautenden  Verbalstämme 
die  Gerundivform  von  -ondo  unmittelbar  zu  -endo  schwächten; 
daher  kommen  nur  die  Formen  wie  acuendus,  fruendus, 
metuendus,  restituendus,  t  u  e  n  d  u  s  vor ,  ebenso  wie  aus 
der  Scheu  vor  dem  Gleichklang  EE  sich  die  Form  e  und  um 
hielt,  oder  wenn  das  u  zu  e  sank,  das  erste  e  sich  zu  i  dissi- 
milierte, so  dass  -iendum  gesprochen  wurde. 

Der  Vokal  e  erscheint  endlich  aus  vorhergehendem  i,  o, 
oder  u  abgeschwächt  durch  folgendes  11  in  der  zusammengesetz- 
ten   Deminutivendung    -ello,    die    durch    das   Herantreten    der 


—    282     — 

Deminutivend  ung  -  u  1  o  an  andere  Suffixe  entstanden  ist. 
Trat  diese  an  das  Suffix  -ino,  so  fiel  das  u  aus,  das  n  assi- 
milierte sich  dem  1  und  in  geschlossener  Silbe  vor  dem  doppel- 
ten 1  lautete  i  zu  e  um. 

So  entstanden: 
a  s  e  1 1  u  s ,  von  a  s  i  n  u  s  ,        1  a  m  e  1 1  a ,  von  1  a  m  i  n  a , 
ge  melius,      ge  minus,     pagella,         pagina, 
femella,         femina,        columella,     columna,  für  colu- 

m  i  n  a  , 
fiscella,        fiscina,       scamella,      scamnum,    fürsca- 

miniim. 
Ebenso  verhalten   sich  zu  einander  die  Namen: 

Gemellina,      Geminus,         Ofellius,  Ofinius, 

Gemellianus,  Ru  feile  ins,       Rufinus, 

Ob  eil  Jus,         Obinius,  Sa  belli  us,         Sabina. 

Durch  Herantreten   des    Diminutivsuffixes    -ulo    an   die  En- 
dung -ob  ist  in  ähnlicher  Weise  o  zu   e   umgelautet  in: 
Na  selli  us  von  Na  so  n. 

Durch    Anfügung    der    zweiten    Deminii  t  ivcml  u  n  g    au 
Stamme,  die  schon  mit  demselben  gebildet  sind,  lautet,  nachdem 
das  zweite  u  ausgefallen  ist,  das  eiste  zu  e  um;    so  in: 
avicella,  von  avicula,  Figellius,  von  Figulus, 

capitellum,     capitulum,     Vitellius,  vilulus, 

catellus,  catulus,  Trebellius,        Trebula, 

occllus,  oculus,  Vag  eil  ins,  vagulus, 

popellus,  populus,  Gerellanus,      geiulus, 

tabella,  tabula, 

C a er e  11  i u s,  vgl,  c  a  e  r.ul e  u  s. 

Indessen  ist  der  Einlluss  auf  den  vorhergehenden  Vokal  dm 
11  ausübte  doch  kein  durchgreifender  gewesen,  denn  vor  11  er- 
scheinen auch  die  anderen  Lateinischen  Vokale  in  Diininulivbil- 
dungen  wie  Messalla,  corolla,  po  eil  In  in,  lenullus,  von 
denen  in  dem  Abschnitt  über  die  Vokalausstossung  noch  einmal 
die  Rede  sein   wird. 

i. 
In  dem  Abschnitt  über  die  Trübung  der  Diphthongen  ist  nach- 
gewiesen, wie  das  lange  i,  dessen  breiter  an  e  anklingender Laul  lange 
Zeit  in  der  Schrill  durch  EI  ausgedrückt  wurde,  häufig  hervorge- 
gangen ist  aus  einem  früheren  Diphthongen  ai,  oi,  ei.     Hier  wird 


—     283     — 

insbesondere  das  kurze  i  in  Betracht  zu  ziehen  sein,  und  es  fragt 
sich,  unter  welchen  eonsonantischen  Einflüssen  dasselbe  aus  den 
Vokalen  a,  o,  u,  e  umgelautet  erscheint.  Die  Consonanten,  die  zu 
dem  Vokal  i  eine  hervortretende  Wahlverwandtschaft  zeigen, 
sind  die  Liquida  n,  die  L i n g u a  1  e n  t  und  d  und  der  Zischlaut  s. 
Diese  sind  also  nach  der  Reihe  durchzugehen. 

Das  Suffix  -no  duldet  vor  sich  alle  langen  Vokale  a,  o,  u,  e  und 
i,  hingegen  unter  den  kurzen  nur  i,  indem  es  andere  kurze  Vokale 
zu  i  abschwächt,  oder  das  i  als  Bindevokal  vor  sich  zur  Anfügung  an 
consonantisch  auslautende  Stamme  wählt.  Diese  Neigung  des  n  tritt 
besonders  scharf  hervor,  indem  es  das  a  Griechischer  Wörter ,  die 
in  die  Lateinische  Sprache  aufgenommen  sind,  zu  i  abschwächt; 
so  in: 

b a  1  i n e u m ,  von  ßalav elov , 

bucina,  ßvxavT], 

Gatina  neben  Catana,  Katdvrj , 

mach  in  a,  {ia%avd,   [ir]%avij, 

patina,  ita%dvY\, 

r u n  c i n a ,  qvk  avr\, 

trutina,  TQvtdv?]. 

In  demselben  lautlichen  Verhältniss  zu  einander  stehen: 

fa  sc  in  um,  ßdö  xavov; 

doch  ist,  wie  der  Anlaut  f  zeigt,  das  Lateinische  Wort  dem  Grie- 
chischen nur  verwandt,  nicht  aus  dem  Griechischen  ins  Lateini- 
sche übertragen. 

Unverändert  bleiben  dagegen  bei  ihrer  Uebertragung  in  die 
Lateinische  Sprache  solche  Griechische  Adjectiva,  die  vor  dem 
Suffix  -no  schon  im  Griechischen  ein  i  zeigten,  wie: 

adam  antin  us,  cedrinus, 

amygdalinus,  cerasinus, 

b  o m b  y ci n  u  s  ,  ei  e  ph  a n  t  i  n  u  s  , 

coccinus,  coccineus,  murrhinus, 

crocinus,  tartarinus, 

cry  stallin  us. 

Aber  auch  in  einheimischen  Lateinischen  Bildungen  er- 
scheint unter  allen  kurzen  Vokalen  n  u  r  i  vor  der  Endung  -n  o ;  so  in: 

dominus,  duracinus, 

M-miaos-,  faginus,  fagineus, 

aesculinus,  ferruginus,  ferrugineus, 


—    284     — 

laurinus,  fuscina, 

pampineus,  pagina, 

prasinus,  sarcina, 

succinum,    succineus,  parietinae. 

fisci  na, 

Das  Griechische  zeigt  hingegen  auch  sonst  a  vor  dem  Suf- 
fix -v o  ;  so  in: 

iKctvog,         ovndavog,         oQyavov,         egavog, 
TU&ccvog,     'EQydvf],  ICßav  og,         ysQavog. 

Das  mediale  Participialsuffix  Sanskr.  -mana,  Griechisch 
-fisvo  gestaltet  sich  Lateinisch  zu  -mino,  indem  das  i  durch  das 
folgende  n  bedingt  wurde;  so  in: 

lamina,  dem  Griechisch  ela-^ievYi  entsprechen  würde, 
t  e  r  m  i  n  u  s 
von  Wurzel  -tar  (durchdringen),  von  der  trans,  intrare  u.  a.  ge- 
bildet sind. 

Pilurnina,  /.  N.  3783.  vgl.  Filumine,  /.  N.  6845. 
P  h  ilum  in  a,  #.0.3801. 3795.  &iAov[i8vr]; 
das  i  wird  dann  ausgestossen  in  den  schon  erwähnten  Bildungen 
wie  aliimnus,    a  u  c  t  u  m  n  u  s ,    Vertumnus,    columna,    a  e  - 
rumna  u.  a. 

Das  zusammengesetzte  Suffix  Sanskr.  -tana,  durch  das  Ad- 
jectiva  zur  Zeitbestimmung  gebildet  sind,  lautet  Lateinisch  -tino, 
indem  das  i  durch  das  folgende  n  bedingt  war;  so  in: 
an  notin  us,         diutinus,         pristinus, 
crastinus,  hornotinus,     serotinus. 

Das  Suffix  -on,  Sanskr.  -an,  lautet  in  den  Casus  obliqui-in, 
indem  das  o  durch  folgendes  n  zu  i  geschwächt  wurde,  wenn  der 
Stamm  durch  die  herangetretene  Casusendung  einen  Zuwachs  er- 
hielt. Im  Nominativ  blieb  die  Endung  -on  unversehrt,  da  die  Laut- 
verbindung in  im  Auslaut  der  Lateinischen  Sprache  überhaupt  zu- 
wider ist.  So  entstand  also  i  vor  n  in : 

cardinis,     tudinis,  viraginis,       lanuginis, 

ordinis,        rnarginis,        virginis,  vesperruginis, 

hominis,       imaginis,       remeliginis,     fermginis, 
neminis,       indaginis,       vertiginis,       eon  sue  t  ndinis, 
turbinis,      farraginis,     caliginis,        valetudinisu.a. 
Auch  in  Stammsilben  gehl  e  durch  den  Kinllnss  eines  folgenden 
n  in  i  über.     So  wurde : 


—    285    — 

Minerva  aus  älterem  Menerva,  Quint.  I,  4,  17. 

in,  en,  Col.  roslr.rest.     Gr.iv, 

in  du,  endo,  svdov, 

intus,  ivtog, 

vi  n  d  i  c  o ,  v  e n  d  i  c  o ,  vgl.  venia. 

Doch  ist  schon  ohen  darauf  hingewiesen  worden,  dass  die 
Bauernsprache,  das  heisst  die  Volkssprache,  zum  Theil  den  breiteren 
E-laut  liebte,  wo  die  Gebildeteren  i  sprachen,  wie  in  speca,  vea, 
vella  {VarroB.  B.  I,  48,  2.  1,  2,  14).  Daher  tritt  denn  in  der 
späteren  Volkssprache  auch  vor  n  zum  Theil  wieder  e  statt  i  ein; 
so  in: 

vendemia,  I.  N.  3571.  admenestre(nt),  a.  0. 

menus,    I.   N.    1291    (p.  Gh.     dornen  o,   Fleetw.    S.  I.   Mon. 

389?    459?).     Steiner,   Alt-         Chr.  508,  2. 

christl.  Inschr.   5.  57.  gemeno,  ö.  ö. 

menester,  I.  N.  6308,  23.  Domenecus,    Boiss.    I.    Ly. 

admenestrationes,  Or.1120  XVII,  7. 

(375  p.  67*.).  uomene,   Boiss.  I.  Ly.  XVII, 

senu,  Or.  4583.  60. 

a  d  m  e  n  e  s  t  r  a  r  u  n  t ,  Or.  Henz. 

6431  (p.  Ch.  362). 
und  so  ging  dieses  e  in  die  Italienische  Sprache  über,  wie  seno, 
meno  u.  a.  zeigen. 

Die  Wahlverwandtschaft  des  lingualen  n  zu  demjenigen  Vokal, 
bei  dessen  Aussprache  die  Zunge  am  entschiedensten  thätig  ist,  zeigt 
sich  besonders  darin,  dass  der  I-ähnliche  vokalische  Beiklang  des  n 
sich  bei  mehreren  aus  dem  Griechischen  in  die  Lateinische  Sprache 
übertragenen  Wörtern  zu  einem  stummen  i  entwickelt  hat.  So  er- 
klären sich  die  Schreib-  und  Sprech  weisen  : 
mina,  Lycinia,  Or.  2931. 

hyminis,  D  aphine,  /.  N.  2368. 

gyminasium,  Daphino,  /.  N.  5996. 

C  u  c  i  n  u  s ,  D  a  p  h  i  n  rd  i  s ,  Renier,  Inscr.  de 

Pro  ein a,  Plaut.  V Alger.  2506. 

Pro  eine,  Ari  ad  ine,  7.  N.  5195.      Vgl. 

t  e  c  h  i  n  a  ,  Plaut.  Rilschl,  Bhein.  Mus.  X,  447  f. 

lucinus,  XII,  m  f.    An  f.    639/. 

Die  Consonantenverbindungen  \iv ,  xv,  %v,  yv,  dv  im  An- 
laut und  Inlaut  waren  der  Lateinischen  Sprache  unbequem.  Eine  ahn- 


—     286    — 

liehe  sprachliche  Antipathie  hat  also  in  techina,  mina  den  I-ähn- 
lichen  Beiklang  des  n  zu  1  entwickelt,  wie  in  drachuma,  Al- 
cumena,  Alcumaeo,  Tecumessa  den  U-ähnlichen  voka- 
lischen Beiklang  des  m  zu  ü. 

In  sehr  entschiedenen  Zügen  tritt  die  Wahlverwandtschaft 
des  Zischlautes  s  zum  Vokal  i  hervor. 

Schon  in  dem  Abschnitt  über  das  Schwinden  der  Diphthonge 
ist  nachgewiesen,  wie  die  Flexionssilben  der  Declinationen  -ais, 
-ois,  -eis  zu  -is  verschmolzen.  Ebenso  ist  bereits  besprochen, 
wie  in  senatuos,  magistratuos  sich  die  alte  der  Griechischen 
entsprechende  Endung  -os  des  Genetivs  gewahrt  hat,  und  wie  diese 
erst  zu  - u s  wurde ,  dann  sich  zu  - i s  erleichterte ,  wie  Castorus, 
Vener  us  neben  Ca  stör  is,  Vener  is  zeigten.  Denselben  Laul- 
übergang  eines  o  durch  u  zu  i  finden  wir  nun  in  der  Spät  lateini- 
schen Volkssprache  wieder,  welche  die  Endung  des  Accusativ 
IM ur aus  -os  erst  zu  -us  getrübt,  dann  zu  -is  erleichtert  hat.  Man 
sieht  dies  daraus,  dass  aufzahlreichen  Grabschriften  zur  Bezeichnung 
der  Lebensdauer  die  Formen  annos,  annus,  annis  zu  derselben 
Zeit  und  an  derselben  Stelle  gebraucht  sind,  ja  nach  Abfall  des  aus- 
lautenden s  auch  a nno,  a n n i.  Man  vergleiche : 
annos,  I.  N.  1299(p.  Ch.  494).  1233. 
anno,  Boiss.  I.  Ly.  VII,  2. 

annus,  /.  N.   1057  {p.  Ch.  389—459).  1291  (p.  Ch.  384—459). 

1302  (p.  Ch.  508).  1303  (p.  Ch.  509).  1304  {p.  Ch.  515).  3891 

O.  Ch.  517).  1305  (p.  Ch.  529).  1306  (p.  Ch.  546).  1846  [p. 

Ch.  542).  1307.  1308.  1350. 

annis,  /.  TV.  2527  (p.  Ch.  176).  1294  (p.  Ch.  428?  511  ?).  1295 

(p.  Ch.  434).  1298  (p.Ch.  484).  1300  {p.  Ch.  503).  1301  (/>. 

Ch.  504).  1349  (p.  Ch.  358).  1589. 1618.  6939.  6940. 

anni,  J.JV.  1248. 

Nun  zeigt  zwar  gelegentlich  die  beistehende  Form  me  n  s  i  Im  s ,  d  ie  - 

bus,  dass  annis  vom  Schreiber  als  Ablativ  gefasst  ist;  aber  gerade 

weil  sich  Ablal  iv-  und  Accusati  vform  in  der  Aussprache  nicht 

mehr  deutlich  schieden,  kam  dieser  A  blat  i  v  dazu,  wie  der  Accusativ 

zur  Bezeichnung   der  Zeitdauer   verwandt  zu    werden.     Ebenso 

brauchte  man  dann  auch  mensib us  und  diebus;  daher  findet  sieh 

/.  N.  6940.  neben  einander  auf  derselben  Inschrift  anis,  mens  es, 

diebus.      Dass  das  o  der  Endung  (\('s  Aecusaliv  IMuralis  einmal  zu 

i  wurde  und  das  auslautende  s  einbüsste  ebenso  wie  dieses  von  der 


—     287    — 

Ablativ-  und  Dativendung  is  abfiel,  beweistauch  der  Italienische 
Pluralis  der  O-stämme,  der  in  Folge  dessen  in  allen  Casus,  im 
Nom.,  Acc,  Abi.,  Dativ  i  zeigt  und,  nachdem  die  alte  Genetivendung 
-omni  in  Vergessenheit  gerieth,  diese  Form  auch  auf  den  Genetiv 
übertrug. 

Für  se  vivis  als  Ablativus  absolutus  findet  sich  auf  späten  In- 
schriften geschrieben : 

se  vivi,  Grut.  608,4.  1114,  1. 

se  vibi,  Gr.  877,  6. 

se  vibos,  Gr.  799,3. 

Diese  Schreibvveisen  geben  den  besten  Beweis  für  die  Richtig- 
keit der  vorstehenden  Ansicht.  Sie  zeigen,  dass  der  Unterschied  der 
Casusformen  vivis,  vivi,  vivos  nicht  mehr  im  Bewusstsein  war, 
dass  die  Form  des  Dativs  und  Ablativs  in  der  Aussprache  bereits  ihr 
s  eingebüsst,  die  Accusativform  schon  ihr  s  verloren  und  das  o  zu  i 
geschwächt  hatte.     Dasselbe  wird  bestätigt  durch  die  Schreibweisen : 

in  suis,  Grut.  460,  10.  für  in  suos, 

natus,  Mai.  Script,  veit.  n.  coli.  V,  p.  271,  3.  für  nati  s, 
Fehler,  die  nicht  vorkommen   konnten,  wenn  nicht  -os,  -us,  -is 
in  der  volkstümlichen  Aussprache  zu  Anfang  des  fünften  Jahrhun- 
derts bereits  gleich  klangen ,  das  heisst  statt  ihres  ursprünglichen 
Lautes  bereits  das  pluralische  i  des  Italienischen  gehört  wurde. 

In  der  Spätlateini  sc  henVolkssp  räche  tritt  auch  für  die 
Endung  -es  des  Nominativ  Sing,  von  consonantischen  und  I- 
stämmen  -is  ein  durch  den  Einfluss  des  schliessenden  s  auf  den  vor 
hergehenden  Vokal.  Ein  alter  Grammatiker  würde  nicht  darauf  kom- 
men, diese  Formen  zu  verwerfen,  wenn  er  sie  nicht  im  Volksmunde 
gehört  hätte  {Anal.  Gramm. cd.  Eichenf.  und  EndL  p.  444).  Es  sind : 

aus. 


c  a  u  t  i  s , 

s  u  b  o  1  i  s , 

c  1  a  d  i  s , 

famis, 

vatis, 

v  u  l  p  i  s , 

Syrtis, 

p  1  e  b  i  s 

fabis, 

p  a  1  u  m  b  i  s , 

a  e  d  i  s , 

obsis, 

apis, 

suis, 

senis, 

d  e  s  i  s , 

n  u  b  i  s , 

vepris, 

prolis, 

resis. 

Hier  hat  also  der  Einfluss  des  Zischlautes  s  auf  den  vorhergehenden 
Vokal  über  die  Neigung  der  Volkssprache,  e  für  i  zu  sprechen,  gesiegt. 
Noch  sind  hier  die  Fälle  zu  erwälmen,  wo  eine  Endung  -  i  s  sich 
aus  -i us  erleichtert  hat,  indem  die  Vokale  i u  vor  s  zu  i  verschmolzen. 
Dies  findet  zuerst  statt  in  den  Dativ-  und  A  b  1  a  t  i  v  f o  r m  e  n : 
nobis,     vo.bis. 


—     288     — 

Neben  der  gewöhnlichen  Endung  dieser  Casus  des  Pluralis  auf 
-bus  ist  das  i  von  nobis,  vobis  ebenfalls  unter  Einwirkung  des  s 
entstanden.  Aus  der  Endung  des  Sanskrit-bhja  s  (vgl.  Bopp,  Vgl. 
Gr.  2.  Ausg.  I,  S.  421  f.  484  /.)  wurde  im  Lateinischen  ursprünglich 
-bj  u  s,  und  aus  dieser  Form  durch  Vokalverschleifung  einerseits  -bus, 
andererseits -bis. 

Ebenso  erleichtert  sich  die  Comparativendung  -ios,  -ius  durch 
Vokalverschmelzung  einerseits  zu -us  in  minus,  plus,  andrerseits 
zu  -is  in  den  zu  Adverbien  verwandten  Comparativformen : 
magis,  aliquantisper, 
satis,    paullisper, 
potis,   pauxillisper, 
nimis,  tantisper, 
ultis  (Zeitschr.  für  vergl.  Sprachf.  III,  277  f.). 

Ebenso  in  den  mit  dem  Comparativsuffix  -tero  erweiterten 
Bildungen : 

magister,     minister,     sinister 
und  in  den  von  prius  abgeleiteten  Adjectivformen : 
priscus,  pr  istin  us. 

Dasselbe  findet  auch  statt  in  der  Endung  des  Superlativ  -iss  i- 
mus,  die  zusammengesetzt  ist  aus  dem  Comparativsuffix  -ios,  -ius 
und  der  Anfügung  -timo.     Beweisend  dafür  sind  die  Formen: 
s o  1 1  i  s  t  i  m  u  m ,  Fest.  p.  289.  Superlativ  von  s  o  1 1  u  s  , 
sinistimum,  Fest  p.  74.  Superlativ  zu  der  comparativischen 
Form  sinister,   wie  de xt  im  um  zu   dexter  (Zeitschr.   für 
vergl.  Sprachf.  III,  280). 

Dass  das  s  in  allen  diesen  Formen  auf  die  Gestaltung  des  vor- 
hergehenden Vokales  zu  i  eingewirkt  habe,  lässt  sich  Dicht  in  Ab- 
rede stellen. 

Aus  eben  dieser  Wahlverwandtschaft  des  s  zu  i  ist  es  zu  er- 
klären, wenn  Griechisches  a  bei  der  Uebertragung  Griechischer 
Worter  ins  Lateinische  vor  st  und  ss  in  i  abgeschwächt  wird. 
So  wird  : 

KavaötQov  zu    canistrum,  xco^lcc^co     zu     comissor, 

ÄSTtaötTJ,  lepista,         MaOavaO G i]g,  Masinissa. 

Der  Zischlaut,  und  Zungenlaut  s  lag  dem  lingualen  Vokal  i  in 

der  Stellung  der  Sprachorgane  bei  der  Aussprache  dieser  Laute 

nahe.      Es  gieht  ein  schlagendes  Zeugniss  dafür,   dass  das  B  einen 


—     289     — 

I-ähnlichen  vokalischen  Anklang  hatte.  Schon  seit  dem 
vierten  Jahrhundert  nach  Christus  finden  sich  auf  Inschriften  die 
Schreibweisen: 

istatuam,  Or.  1120  (375  p.  Ch.)  für  statuam, 

Ispartacus,  /.  iV.  6532.  Spartacus, 

Istaverius,  I.  N.  3409.  Staverius, 

Istaver ia,  a.  0. 

ispirito,  /.  N.  1851.  spirito; 

damit  stimmen  überein  die  in  Handschriften  vorkommenden  Schreib- 
weisen : 

iscevas  für  sce  vas, 

i  s  t  r  u  i  s ,       s  t  r  u  i  s , 

istares,       Stares, 

I  stic  ho,       Sticho, 

I  s  t  a  s  i  m  e ,     S  t  a  s  i  in  e 
{Lachmann,  Lacr.  p.  231.  p.  232). 

Der  I-ähnliche  vokalische  Anklang  des  s  hat  sich  also  schon  in 
der  Spätlateinischen  Volkssprache  im  Anlaut  der  Wörter  zu  einem 
stummen  Vokal  i  entwickelt.  Zu  e  gestaltet  geht  dieser  so  entwickelte 
Anlaut  dann  in  die  Romanischen  Sprachen  über,  wie  das  Französische 
espri  t,  espece  u.  a.  zeigen. 

Um  den  Einfluss  eines  vorhergehenden  s  auf  folgenden  Vokal 
zu  erweisen,  dazu  steht: 

s i m u  1     für     semul,  Plaut. 

semol,  J.  N.  4495. 
zu  vereinzelt,  denn  ein  e  in  der  älteren  Volkssprache  erscheint  für  i 
der  späteren,  auch  ohne  dass  man  Einfluss  eines  Consonanten  dabei 
nachweisen  könnte,  wie  schon  oben  erwähnt  ist. 

Wahlverwandtschaft  zwischen  i  und  den  Lingualen  t  und  d 
bethätigt  sich  in  folgender  Weise : 

Das  t  im  Anlaut  der  Suffixe  wählt  vor  sich  mit  Vorliebe 
den  Vokal  i.  In  den  ältesten  Zeiten  war  diese  Neigung  der  Sprache 
noch  nicht  so  entschieden  ausgeprägt,  denn  es  finden  sich  auf  Vor- 
augusteischen Inschriften  Wortbildungen,  die  ein  e  vor  t  an  der  Stelle 
zeigen,  die  später  ein  i  einnimmt;  so: 
m er eto,/.JV. 5567.5483.  neben     meritod,  Ri.  fictil  Lat.  p.  27. 

t.  Scip.  B.  f.  Epigr.  Sor.  Rhein.  Mm.  IX,  19.  460. 

Ritschi.  Mon.  Ep.  tri. 

CORSSEN.  19 


—     290     — 

mereta,  iäb.  Äletr.  Ri.  Mon. 

Ep.  tr. 
Aecetiac,   Ri.  ficäl  Latin,     neben    Aequitia  e ,  Aequitatis, 

p.  17. 
Condetius,  Or.  1433.  vgl.         conditus, 

apparetoris,    Ann.   d.   Inst.  apparitoris, 

1838.  p.  202. 
habetabatur,  /.  Jul.  mun.  habitabatur, 

sineto,  a.  0.  sinito, 

i n t e r c e d e t o ,  a.  0.  intercedito. 

Einige  dieser  Wortformen  bedürfen  einer  Erklärung.  Ans  den 
Formen  sineto,  intercedeto  muss  man  schliessen,  dass  e  als 
Bindevokal  vor  den  mit  t  anlautenden  Flexionsendungen  desVerbnm: 
-tis,  -te,  -to,  -tote  in  der  alteren  volkstümlichen  Sprache  weitere 
Ausdehnung  halte  und  erst  nach  und  nach  allgemein  in  i  überging, 
dass  also  Formen  wie: 
Lat.  legeto,  und  Griech.  Isyetcö, 
legetis,  leyste, 

legete,  leysxe, 

mit  demselben  Bindevokal  gesprochen  wurden.     Auch  die  Singular- 
formen der  Altlateinischen  Sprache  wie: 

possedeit  entsprachen  den  Griechischen  wie  xa&e^ei 
in  Bezug  auf  den  der  Personalendung  vorhergehenden  Vokal,  ebenso 
wie  die  Endungen  der  dritten  Person  Pluralis: 

Alllat.  legonti,  Bor.  Xiyovti  (vgl.  S.  200.) 
hinsichtlich  dieses  Vokales  übereinstimmen. 

Aus  der  handschriftlich  verbürgten  Schreibnil  : 
genetivus  folgt  eine  Participialform  genetus  für  genitus. 
Ebenso  entstand  ge  nitr  ix  durch  Einfluss  des  t  aus  gen  et  i  i  \, 
Griech.  ysv ExeuQa 

Das  e  von  apparetoris  unter  den  oben  verzeichneten  Wort- 
formen ist  als  Abschwächung  des  a  von  apparare  anzusehen  und 
wird  in  der  späteren  Sprache  weiter  tu  i  geschwächt  So  wird  der 
Charaktervokal  a  von  Verben  der  A-Conjugation  zu  i  geschwächt  in 

den  Bildungen : 

e  ubitum,  sonitum,  sonitare,  rogitare, 
plicilum,  crepitum,  crepilare,  minitari. 
domitum,     vetitum,        clamitare. 


—    291     — 

In  mereto  hat  sich  das  auslautende  e  des  Verbalstammes  raere- 
erhalteu ,  aber  wie  das  Versmass  der  Scipionengrabschrift  und  des 
Epigramms  vonSora  zeigt,  schon  zu  e  gekürzt;  mereto  verhalt  sich 
also  zum  Stamme  mere-  wie  vegetus  zum  Stamme  vege-.  Die 
spätere  Sprache  hat  das  charakteristische  e  von  Verben  der  E-Con- 
jugation  häufig  nicht  bloss  zu  e  gekürzt,  sondern  auch  durch  Einfluss 
des  folgenden  t  zu  1  umgelautet.  So  in: 
habitum,    habitus,  praebitum, 

m  e  r  i  t  u  m ,  t  e  r  r  i  t  u  m , 

m  o  n  i  t  u  m,  m  o  n  i  t  u  s,  m  o  n  i  t  i  o,  m  o  n  i  t  o  r,  a  b  o  1  i  t  u  m,  a  b  o  1  i  t  i  o, 
d  e  b  i  t  u  m ,  d  e  b  i  t  o  r ,  c  a  v  i  t  u  m ,  t  a  c  i  t  u  s , 

n  o  c  i  t  u  m  ,  m  i  s  e  r  i  t  u  m , 

p  1  a  c  i  t  u  m  ,  p  u  d  i  t  u  in , 

e  x  e  r  c  i  t  u  m ,  exercitus,  e  x  e  r  c  i  t  i  u  m ,     1  i  c  i  t  u  m  u.a. 

In  Aecetiae  für  Aequitiae  ist  das  edes  Suffixes  abgeschwächt 
aus  dem  o  des  Stammes  aeco-,  a  e q  u o -. 

In  den  gewöhnlichen  Bildungen  mit  den  Suffixen  -tia,  -tie, 
-tio  von  O-slämmen  ist  das  o  vor  folgendem  t  zu  i  geschwächt. 
So  in : 

amicitia,  laetitia,   notitia,        calvitium, 

planitia,  planities,   malitia,  mundities,  capillitium. 

Auch  vor  dem  Suffix -tat,  Gricch. -r^r,   findet   dieselbe  Ab- 

schwächung  eines  stammhaften  o  zu  u  durch  folgendes  t  statl.  So  in  : 

bonitas,     humanitas,     tardilas, 

Caritas,      pravitas,         vanitas, 

claritas,4*  sanitas,  veritas. 

fatuitas,     serenitas, 

Im  Gegensatz  dazu  wahrt  das  Griechische  vor  dem  Suffix  rrjt- 
das  auslautende  o  und  v  von  Adjectivstämmen.     So  in: 

äyQLOtrjg,     7iaÄcci6trjg,     öxXrjQorrjg ,     ßaQvtrjg, 

ßaßccLOTTjg,  TtoöOTTjg,  vyQotrjg,         oZvrrjg, 

dsilotrjg,       GeyLVOTrig,        iqy\6 i\LÖxr\g,  xa%vTv\g. 

6%VQOTr]g, 

Auch  hier  hat  das  Griechische  in  der  Suffixbildung  seinen  Voka- 
lismus ungetrübter  und  mannigfaltiger  erhalten.  Ebenso  ist  im  La- 
teinischen o  zu  i  abgeschwächt  vor  dem  Suffix  -tudo  in: 

a  1 1  i  t  u  d  o ,       c  r  a  s  s  i  t  u  d  o ,      c  1  a  r  i  t  u  d  o , 

amplitudo,  magnitudo,     servi  t udo  u.  a. 

1  a  t  i  t  u  d  o , 

19* 


—     292     — 

und  vor  der  Endung  -tus  in: 

funditus,  caeli  tus,  publicitus  u.  a., 
die  wie  intus,  radicitus  gebildet  sind,  doch  von  den  O-stämmen 
fundo-,  caelo-,  publico-. 

In  allen  diesen  Fällen,  wo  i  aus  älterem  e  der  Volkssprache  her- 
vorgegangen ist,  das  entweder  aus  a,  e,  ö  entstanden  ist  oder  dem 
Griechischen  e  als  Bindevokal  entspricht,  scheint  die  Spatlateinische 
Volkssprache  auf  die  Bahn  des  Altlateinischen  zurückgekehrt  zu  sein: 
So  findet  sich: 

primetivus,  I.N.  3344. 
auf  einer  Inschrift  der  Kaiserzeit,  und  auf  christliehen  Grabschriften 
der  spätesten  Zeit  liest  man: 

condetus,  Fleetw.  S.  I.  Mon.  Chr.  515,  3. 

place  tus,  Fleetw.  S.  1.  Mon.  Chr.  508,  2. 

penetentia,  Boiss.  I.  Ly.  XVII,  33  (p.  Gh.  507). 

karetate,  a.  0.  XVII,  67. 

Vor  anlautendem  d  des  Suflixes  -do  erscheint  der  auslautende 
Vokal  des  Verbal- oderNominalstammes,  an  den  es  tritt,  regelmässig 
zu  i  geschwächt  in  der  Blüthezeit  der  Litteratur.  Im  Altlateinischen 
war  das  nicht  durchgängig  der  Fall.  Zu  Naevius  Zeit  sprach  man 
zum  Beispiel: 

t  i m  e  d  u  s ,  Com.  Ribb.  p.  1 0.  für  t i  m  i  d  u  s , 
wie  mereto  für  merito,  indem  sich  das  e  des  Verbalstammes  time- 
zwar  gekürzt  aber  nicht  zu  i  umgelautet  hatte.     Dies  letztere  findet 
statt  bei  den  von  Verbis  der  E-conjugation  mit  dem  Suftix  -do  abge- 
leiteten Adjectiven: 

pavidus,  rubidus,  squalidus, 

fervidus,  sordidus,  avidus, 

languidus,         stupid  us,  foetidus, 

madidus,  algidus,  humid  us, 

nitidus,  fulgidus,  albidus, 

pallidus,  turgidus,  nitidus, 

r i  g i d  us,  f r ig id u s ,  viridis  (fü r  viri d  u s). 

Ein  auslautendes  a  ist  vordem  Suffix  -do  zu  i  erleichtert  in: 

h  e  r  bi  d  u  s ,     t  u  r  b  i  d  u  s ,     von     h  er  b  a ,     tu  r  b  a , 
auslautendes  u  in: 

gelidus  von  gelu. 

Auslautendes  o erscheint  vordem  Suffix  -do  auf  einer  Insehril'l 
der  Gracchenzeit  zu  e  geschwächt  in: 


—     293     — 

s  o  1  e d  u  s ,  t.  Aletr.  Bitschi,  Mon.  Ep.  tri,  später  zu  i  in  s  o  1  i  d  u  s 
vom  Stamme  solo-. 

Das  Griechische  hat  in  den  Adverbien  auf  -dov  und  -dtjv  mas- 
culine  und  feminine  Accusative  von  eben  solchen  Adjectivstämmen  er- 
halten, die  mittelst  des  Suffixes  -do  abgeleitet  sind,  wahrt  aber  vor 
demselben  die  auslautenden  Vokale  a,  r\,  v,  so  in: 
£7tt6taö6v,  tlridov,         ßo% qv  dov  , 

%v6tadov,  aye  lydov, 

xv  vrj  dov, 
6toL%r]d6v, 
ßovöt  Qocprjdov, 
ßccdrjv, 
Xoyddrjv , 
6  iroQccdrjv, 
£7titQ0%ddr]V. 

Die  Formen  xvvrjdov ,  6xoi%7\döv  ^  ßovtiTQoyrjdov 
entsprechen  in  ihrer  Ableitung  von  Verben  der  E-eonjugation  den 
Lateinischen  wie  timedum,  fervidum,  nitidum  u.  a.,  aber  sie 
haben  die  Länge  ihres  r\  unversehrt  erhalten  Das  Griechische  hat 
auch  hier  den  reichen  Schatz  seiner  Vokale  gewahrt,  während  die 
Mannigfaltigkeit  der  Vokale  im  Lateinischen  zu  i  verarmte. 

Die  Lateinische  Sprache  ist  reich  an  Eigen  na  men  mit  dem  zu- 
sammengesetzten Suffix  -idio  gebildet,  deren  i  vor  d  aus  andern  Vo- 
kalen, namentlich  dem  auslautenden  o  von  O-s  t  ä  m  m  e  n,  abgeschwächt 
ist.     Im  provinicalen  Latein  der  Kaiserzeit  finden  sich  die  Namen  : 
C  a  1  e  d  i  u  s    M  u  r  e  d  i  u  s  V  e  i  1»  e  d  i  u  s 

C a  1  v e d i u s  S u  1 1 e d i u s  Vettedius (Momms. I.R.Ncap. Ind. Nom). 
Unter  diesen  setzen  Caledius  und  Calvedius  alte  Adjectiv- 
formen  caledus,  calvedus  voraus,  die  sich  zu  calere,  calvere 
ebenso  verhalten  wie  limedus  zu  timere;  auch  hier  findet  sich 
also  eine  altlateinische  Suffixgestaltung  im  späteren  provincialen  La- 
tein wieder. 

Das  kurze  i  drängt  sich  nun  im  Lateinischen  überall  vor 
die  Suffixe  ein,  auch  ohne  dass  man  eine  Lautverwandtschaft  mit 
folgendem  Consonanten  wahrnehmen  könnte.  Auch  vor  dem  Suffix 
-co  liebt  sie  es  den  auslautenden  Vokal  von  vokalischen  Stämmen  zu 
T  sinken  zu  lassen,  oder  diesen  Vokal  als  Bindevokal  zwischen  con- 
sonantisch  auslautende  Stämme  und  eonsonantisch  anlautende  Suffixe 
zu  schieben.     So  zum  Beispiel  in : 


—    294     — 

villicus,  Persicus,  Hispanicus, 

j)  o  p  1  i  c  u  s ,  N  u  m  i  d  i  c  u  s  ,  L  a  c  o  n  i  c  a  , 

famelicus,        Macedonicus,       tribunic-ius, 

fl  amini  c  us,     Galliens,  patric-ius. 

Die  Griechische  Sprache  liebt  zwar  auch  vor  der  Endung  -xo 
den  leichtesten  Vokal  v ;  sie  wahrt  indessen  doch  auch  auslautendes 
a  und  v  des  Stammes  in  Bildungen  wie : 

[laviccxog,  ftrjXvxog , 

'OlvyLTtiaxos,  Atßvnog. 

KoQiv&iaxog, 

Das  Suffix  -co  ist  erweitert  durch  das  zusammengesetzte  Suf- 
fix -und  o,  das  zur  Bildung  des  sogenannten  Gern  n  d  i  u  m  verwandt 
wird  in: 

r üb i cu nd us ,  von  den  Verbalstämmen  ruhe-, 

verieundo,  /. R. JV.2522.  vere-, 

und  auch  hier  erscheint  i  aus  e  gekürzt  und  geschwächt,    y  . 

Das  kurze  i  zeigt  sich  als  der  dünnste  und  schwächste  Vokal 
auch  vor  den  schweren  mit  den  Labialen  1)  und  in  anlautenden  Suf- 
fixen, obwohl  es  mit  denselben  keine  Tonverwandtschaft  hat. 

So  vor  dem  schweren  Suffix  -bundo,  das  nichts  anderes  ist, 
als  das  Gerundium  vom  Vcrbalstamme  fu-,  also  aus  fuundo  ent- 
standen, indem  f  wie  gewöhnlich  im  Inlaut  zu  b  sank  und  die  Vo- 
kale uu  verschmolzen,  in: 

pudibundus,  von  den  Verbalstämmen  päd 5-, 

ridibundus,  ride-. 

Ebenso  in  dem  Suffix  -bulo  in: 

patibulum,  pale-, 

latibulum,  lal< 

während  vor  demselben  Suffix  in  der  Gestalt  -bro,  -bra  wegen  der 
zwei  folgenden  (Konsonanten  br  in  geschlossener  Silbe  e  stehen 
muss  in: 

illccebrae,      tenebrac,      vertebra, 

palpcbra,         terebra,         cerebrum. 

Ebenso  ist  e  zu  i  geworden  vor  dem  Suffil  -bero  in: 

Mulcibcr,     Or.   1382.   vom  Stamme   mulee-. 

Vor  der  Endung  des  Dal.  Abi.  Plur.  -bus  bat  sidi  das 
auslautende  u  der  U- stamme  vielfach  zu  i  erleichtert.  So 
in  : 


—     295     — 

domibus,  artibus,         fructibus,     versibus, 

nuribus,  portibus,      fluctibus,     lusibus  w.  a. 

Die  I-stämme  bcballen  an  dieser  Stelle  natürlich  ihr  i,  conso- 
nantiscbe  zeigen  regelnlässig  i  als  Bindevokal. 

Im  Altlateinischen  erscheint  statt  i  vor  der  Endung  -bus  bis- 
weilen e  in: 

tempestatebus,  t.  Scip.  Barb.  f. 
n  a  v  e  b  o  s ,  col.  Rosir.  rest. 
D  i  c  t  u  n  i  n  e  b  u  s ,  t.  Genital . 
und  in  der  Volkssprache  der  spätesten  Zeit  kommt  auch  dieses  e 
wieder  zum  Vorschein  in: 

o  m  n  c  b  u  s ,  Fleeiw.  S.  I.  Mon.  Chr.  342 ,  3. 

Langes  e  erscheint  vor  dem  schweren  Doppelsuffix  -mento 
gekürzt  und  durch  das  m  zu  jenem  Mittellaut  zwischen  i  und  u  um- 
gelautet, von  dem  oben  die  Rede  war,  in: 

documentum,     doeimento,  I.N.Wtf.        vgl.  doce-re, 
m o n u m e n t u m ,    monimentum,  /.  N.  6837.  m o ne- r e, 

6843.  6916.  7088.  2044. 
2346.  3030.  3119.  3642. 
4042. 
Als  der  dünnste  und  leichteste  Vokal  zeigt  sich  i  dadurch, 
dass  in  Compositen  der  auslautende  Vokal  des  ersten  Be- 
standteiles sich  zu  i  erleichtert  und  consonantisch  auslautender 
Stamm  mit  consonantisch  anlautendem  durch  den  Bindevokal  i  ver- 
bunden wird.   So  ist  i : 
aus  a  abgeschwächt  in  :  aus  u  abgeschwächt  in  : 


'O' 


stellige 


aquilifer,  arcitenens, 

causidicus,  luctificus, 

t  u  b  i  c  e  n ;  c  o  r  n  i  c  e  n  , 

fruetifer, 
fluetivagus; 
aus  o  abgeschwächt  in:  i  bleibt  ungeändert  in: 

arniipo  tens,  artifex, 

fatidicus,  partieeps, 

aurifex,  Marticola, 

magnificus,  mortiferus, 

amplificus, 
viripotens; 


—     296    — 

es  tritt  als  Bindevokal  .zwischen  Compositionsglieder  in: 

homicida,  opifex, 

parricicla,  lucifer, 

fratricida,  florifer, 

sororicida,  Prise.  I,  33.  H. 

Diese  Erleichterung  des  Vokales  in  der  Fuge  der  Composita 
geht  im  Lateinischen  aus  der  Neigung  hervor  die  Glieder  der  Com- 
posita eng  und  unauflöslich  an  einander  zu  schweissen,  sie  in  straffer 
Einheit  und  möglichst  knapper  Form  unter  einem  Hochton  zusam- 
men zu  hinden.  Daher  macht  sich  die  Sprache  auch  Griechische 
Composita  mundrecht,  indem  sie  das  o  in  der  Fuge  der  Composita 
zu  u  erleichtert.     So  wird : 

Dionusidorus    aus    /} LowGodagog, 

tragicomoedia,  tgayo  xcö{i<pdicc, 

thermipolium  ,  d'BQ^ioTCcoXtov 7 

Lemniselene,  Arj^voöelrjvi], 

Demipho,  Arj^ioqxav, 

Calidorus,  KaXoöcjQog, 

Patricoles,  IlaTQoxXrjg. 

{Fleckehen,  Rhein.  Mus.  VIII,  221 .) 
Desgleichen  ist: 

Mithridates      aus      Mtd-Qccddt  rjg 
geworden,  indem  wie  in  st  eil  ig  er  das  auslautende  a  des  Stammes 
tii&Qcc-  zu  i  sank. 

Wenn  die  vorstehende  Untersuchung  ergehen  hat ,  dass  der 
Vokal  i  mit  s,  n,  d,  t  entschiedene  Wahlverwandtschaft 
zeigt,  dass  er  sich  als  der  leichteste  Vokal  vor  consonantischem 
Anlaut  schwerer  Suffixe  wie  in  der  Wortfuge  der  Compo- 
sita findet,  so  muss  hier  noch  einmal  darauf  hingewiesen  werden, 
dass  in  der  Volkssprache  aller  Zeiten  das  i  nielit  so  vorwiegend 
gewesen  ist,  als  in  der  Sprache  der  Gebildeten  zu  Augustus  Zei- 
ten; das  zeigen  die  angeführten  Wortformen  aus  Altlateinischen 
Sprachdenkmälern,  aus  der  Bauernsprache  zu  Varro's  Zeil,  aus  der 
Spätlateinischen  Volkssprache,  die  statt  i  e  halten.  Es  isl  nach- 
gewiesen, dass  in  den  Formen  der  älteren  Sprache  wie  Menerra 
(neben  mens),  en,  endo,  Aecetiae,  apparetores,  habe- 
tahatur,  timedus,  sineto,  intercedeto  das  e  auch  etymo- 
logisch hetrachtet  der  ältere  Laut  isl  als  i,  und  dass  die  Lateini- 
sche Volkssprache  der  spätesten  Zeit  zu  diesem  allen  e  wieder 


—     297     — 

zurückkehrt.  Ein  solches  Schwanken  zwischen  e  und  i  wie  die 
Lateinische  Sprache  zeigt  auch  der  Umbrische  Dialekt.  Schon 
im  Umbrischen  der  älteren  Epoche  tritt  dieses  Schwanken  sichtbar 
hervor,  während  in  der  jüngeren  Sprachperiode  ähnlich  wie  in  der 
Sprache  der  Gebildeten  in  der  Entwickelungs  -  und  Blüthezeit  der 
Römischen  Litteratur  das  e  viel  häufiger  zu  i  abgeschwächt  erscheint. 
Es  genügt  aus  zahlreichen  Wortformen  der  Art  hier  nur  folgende 
Beispiele  zusammen  zu  stellen: 


Aliumbr. 

Neumbr. 

Lat. 

s  teplatu, 

s  t  i  p  1  a  t  u , 

stipulator, 

p  e  h  a  t  u  , 

p  i  h  a  t  u , 

piato, 

trefi, 

trifo, 

tribu-, 

vea, 

via , 

via, 

t  a  c,  e  z , 

tac,is, 

tacitus. 

(Umbr.  Sprachd.  A.  K.  [,  27.   28). 

Im  provincialen  Latein  Süditaliens  tritt  im  Gegensatz 
zu  der  Bauernsprache  der  Römischen  Campagna  eine  Neigung  zum 
I-laut  hervor.      Das  muss  man  aus  folgenden  Schreibweisen  von 
Inschriften  Süditalischen  Fundorts  annehmen : 
ris,   /.  Jul.  muri.  tdb.  Her  ad.      dibito,  a.  0. 
Rhein.  Mus.  VIII,  480.  sedito,  a.  0. 

rim,  a.  0.  fruminto,  /.  N.  2464. 

ist,  a.  0.  venirandae,  /.  N.  3359. 

sinatum,  a.  0.  ditulit,  /.  N.  6582. 

eins  um,  a.  0.  ein  er  im,  /.  N.  6582. 

cinsuerint,  a.  0.  sicund(o),  I.  N.  6779  (p.  Ch. 

habiet,  a.  0.  41). 

habibit,  a.  0. 

Die  Spätlateinische  Volkssprache  zeigt  neben  Formen  wie: 
menus,  menester,  fescu,  senu,  dulcessima,  lecue- 
r  u n  t ,  o r  e  g  i n em  und  anderen ,  die  oben  angeführt  sind ,  auch 
Formen  wie: 

rinovato,  Or.  1017  (saec.  3.  p.  Ch.). 

dipositus,  Grut.  1058,  2.  1050,  12, 
deren  erste  dem  Italienischen  rinovato  genau  entspricht.     Ja  es 
lindet  sich  schon  im  Spätlateinischen  die  Brechung  des  e  zu  ie  in 
hochbetonter  Silbe,  welche  die  Romanischen  Sprachen  in  Formen 
wie  Hai.  t  i  e  n  e ,  v  i  £  n  e ,  Franz.  v  i  e  n  t ,  t i  e  n  t  zeigen  neben  Ital. 


—     293     — 

tegnämo,    vegnämo    oder   teniämo,   veniämo,  Franz.  ve- 
nöns,  tenöns.     Das  bedeuten  die  Schreibweisen: 

beneincrienti,  /.  N.  3509. 

Lievrio,  /.  N.  4034. 

fieccerunt,  /.  N.  1650. 

Dass  fieccerunt  in  der  spätlateinischen  Sprache  gesprochen 
wurde  wie  stetem  nt,  dederunt  schon  in  alter  Zeit,  ergiebt 
sich  aus  den  Italienischen  Formen  fecero,  diedero,  stettero. 
Ein  Schwanken  zwischen  i  und  e,  I  und  e  ist  in  der  Lateini- 
schen Sprache  also  immer  geblieben,  bedingt  durch  verschiedene 
Zeilen,  verschiedene  Gegenden  und  verschiedene  Bildungssturen 
der  Menschen,  ein  Schwanken  das  sich  durch  die  Einwirkung  be- 
nachbarter Consonanten  nicht  immer  erklärt. 


Blickt  man  nun  noch  einmal  zurück  auf  die  vorstehende  Unter- 
suchung, so  stellen  sich  folgende  Hauptergebnisse  heraus.  Ine 
Umlautung  der  Vokale  durch  Wahlverwandtschaf  I  zu  Con- 
sonanten trifft  viel  häufiger  kurze  als  lange  Vokale,  viel  häuti- 
ger auslautende  Stammvokale1  und  Ableitungs-  oder 
Bindevokale  als  Wurzelvokale,  gewöhnlich  tieftonige, 
selten  hochbetonte  Vokale.  Der  reinste  und  vollste  Vokal  a  ist 
niemals  durch  Einwirkung  eines  Consonanten  für  einen  anderen 
eingetreten,  der  nächstgewichtige  o  ist  nur  in  einigen  Fällen 
durch  v  bestimmt.  Hingegen  bekunden  die  drei  leichteren  Vo- 
kale u,  c,  i  entschiedene  Wahlverwandtschaft  zu  Conso- 
uanten,  und  zwar  am  hervorstechendsten  u  zu  1,  e  zu  r,  i  zu  n 
und  s,  eine  Wahlverwandtschaft  die  in  der  ähnlichen  Stellung  der 
Sprachorgane  bei  der  Aussprache  dieser  Laute  ihren  Grund  hat. 
Alle  Umlautung  der  Vokale  durch  folgende  Consonanten  beruht  auf 
einer  mehr  oder  minder  vollständigen  Assimilation  des  Voka- 
les au  den  Consonanten.  Der  U-ähnliche  vokaliscbe 
Beiklang  des  1  assimilierte  sieb  vorhergehende  Vokale  zu  u,  dei 
E-ähnliche  vokalische  Anklang  des  r  vorhergehende  Vokale  zu  e, 
der  [-ähnliche  Anklang  des  n  und  s  vorhergehende  Vokale  zu  i. 
Die  Vokale  o  und  e  erleiden  in  der  Entwicklungsgeschichte  der 
Sprache  ein  ähnliches  Schicksal. 

Das  Altlateinische  zeigt  in  Bild ungss üben  bis  zur  Zeil  des 
Syrischen  Krieges   e   und  o,  wo   die    gebildete  Sprache   in  der 


—     299     — 

Bliithezeit  der  Römischen  Litteratur  i  und  u  sprach;  die  Volks- 
sprache der  späteren  Zeit  kehrt  vielfach  zu  dem  e  und  o  zu- 
rück und  vererbt  diese  Vokale  so  auf  ihre  Tochtersprachen.  In 
geschlossener  Silbe  vor  gehäuften  Consonanten  wählt  die  La- 
teinische Sprache  mit  Vorliebe  die  Vokale  u  und  e.  Die  Vokale  e 
und  i,  die  Proletarier  unter  den  Lateinischen  Vokalen,  die  füg- 
samsten L  a  u  t  u  n  t  e  r  t  h  a  n  e  n  benachbarter  Consonanten, 
haben  in  den  Bildungssilben  der  Wörter  vielfach  die  Plätze  ein- 
genommen, aus  denen  vollere  und  edlere  Vokale  gewichen  sind. 
Der  Vokal  e  drängt  sich  häufig  in  den  Auslaut  und  in  die  End- 
silben vor  schwach  auslautenden  Consonanten  an  die 
Stelle  von  a,  o,  u,  i,  weil  er  der  bequemste  Vokal  für  die  Aus- 
sprache ist,  unmittelbar  bevor  sich  die  Sprachorganc  am  Schluss 
eines  Wortes  in  Ruhe  setzen.  Der  dünnste  und  leichteste  Vo- 
kal i  erscheint  an  der  Stelle  von  a,  o,  u,  c  am  häutigsten  in  den 
tief  ton  igen  Silben  vor  den  Suffix  en  und  als  Bindevokal, 
als  der  allgemeine  lautliche  Kitt  zwischen  Stamm  und  Suffix  wie 
zwischen  Wort   und  Wort  im  Compositum. 

Durch   die    angegebenen    consonantischen   Einflüsse    wandelt 


sich 

also: 

a 

zu     0, 

", 

<N 

i, 

0 

z  u 

n, 
u 

z  u 

e, 

"e, 
e 

z  u 

i, 

n, 

* 

i 

z  u 

e. 


3)    Umlaut  durch  Wahlverwandtschaft  zwischen  Vokalen. 

» 
Sprachen  wie  Menschen  werden  mehr  durch  vorwiegende  Nei- 
gungen als  durch  unumstössliche  Regeln  und  Grundsätze  bestimmt. 
Gleich  und  gleich  gesellt  sich  gern,  das  gilt  von  sprach- 
lichen Lauten  wie  von  Menschen  bis  zu  einer  gewissen  Grenze ; 
aber  ganz  gleiche  Laute  vertragen  sich  andrerseits  oft  eben  so 
schlecht  nebeneinander  wie  ganz  gleiche  Charaktere.  Zwei  Nei- 
gungen wirken  sich  also  in  der  Sprache  entgegen;  die  eine  sucht 
verschiedenartige  Laute  auszugleichen,  um  Härten  zu 
vermeiden,  die  andere  sucht  gleiche  Laute  zu  differenzieren 
aus  Widerwillen  gegen  Eintönigkeit.     So  giebt  es  im  Lateinischen 


—     300     — 

eine  Assimilation  wie  eine  Dissimilation  der  Vokale  und 
Consonanten.  Für  die  vorliegende  Untersuchung  über  den  Vokalis- 
mus sind  es  die  Vokale,  um  die  es  sich  handelt;  es  wird  also  erst 
von  der  Assimilation,  dann  von  der  Dissimilation  der  Vo- 
kale die  Rede  sein  mit  Benutzung  der  neueren  Specialforschungen 
über  diesen  Gegenstand  von  Pott  (Etymol.  Forsch.  Assimilation. 
Dissimilation,  Ind.  761.  765)  und  insbesondere  von  Dietrich  (de 
vocalium  quibusdam  in  lingua  Laiina  affectionibns,  Progr.  Hirsch- 
berg. 1855). 

a)    Assimilation  der  Vokale. 

Die  assimilierende  Einwirkung  der  Vokale  auf  einander  ist 
eine  doppelte,  je  nachdem  sie  sich  u  n  m  i  tt  e  1  b  a  r  berühren 
oder  noch  durch  die  Scheidewand  eines  Consonanten  von  einan- 
der getrennt  sind.  Vokale,  die  sich  unmittelbar  berühren, 
werden  sich  in  ihrer  Lautgestalt  oder  Lautfärbung  ähnlicher, 
doch  ohne  sich  völlig  auszugleichen.  Vokale,  die  durch  einen  zwi- 
schenstehenden Consonanten  gelrennt  sind,  wirken  aufein- 
ander, indem  dereine  durch  die  consonantische  Scheidewand  hin- 
durch den  Nachbarn  auf  der  andern  Seite  derselben  umlautet  und 
sich  selber  völlig  gleich  macht. 

Es  soll  zuerst  die  erste  Art  der  Assimilation  betrachtet  werden, 
die  lautliche  Annäherung  zweier  sich  anmittelbar  berühren- 
den Vokale.  Bei  dieser  wird  entweder  der  erste  Vokal  durch 
den  zweiten  oder  der  zweite  durch  d  en  erst  en  umgelautet. 
Die  rückwärts  wirkende  Assimilation,  die  Umlautung  des 
eisten  Vokales  durch  den  zweiten  trifft  nur  den  Vokal  i 
Dieser  wird  durch  folgendes  a,  o  oder  u  zu  e  umgelautet;  so  in: 
queam,  neben  quire,  mea,     neben    mihi, 

q  u  e  o ,  nioo,  m  i , 

queunt,  mens,  mius. 

Die  Form  mius  erwähnt  Velins  Longus  (p.  2236. P.)  als  allere 
Form,  und  so  findet  sich  mieis  (/.  Scip.  <>r.  554);  dazu  stimmen 
auch  Oskisch  siom,  Lat.  se,  und  Umbr.  tiom,  Lat,  te  {Kirchhofe 
Sladlr.  v.  Bantia  S.  79.     Umbr.  Sprachtl.  AK.  U'orlirrz.). 
Aehnlich  verhalten  sich: 
eamus,  neben  i  in  us. 
eo,  i  s  , 

e u n  I  ,  it. 


—     301     — 

Dass  dieses  e  ursprünglich  durch  Vokalsteiger ung  entstanden, 
ist  oben  nachgewiesen  (S.  156).     Es  hielt  sich  aber  nur  da,  wo  die 
folgenden  Vokale  a,  o,  u  es  stützten,  sonst  ging  es  in  der  Augustei- 
schen Zeit  in  i  über.     Genau  ebenso  stehen  zu  einander : 
dea     und     divus,  ea     und     is, 

deo,  eo,  id; 

d  e  u  s ,  eura ; 

das  e  ist  ursprünglich  durch  Vokalsteigerung  entstanden,  dann  durch 
die  folgenden  Vokale  a,  o,  u  gehalten. 

Ebenso  wird  Griechisches  i  durch  folgendes  a  auf  Lateinischem 
Sprachboden  zu  e  umgelautet  in : 

Cochlea,         noxkiag,  nausea,         vavöCcc. 

In  der  späteren  Volkssprache  vermengen  sich  die  Suffixbildun- 
gen -io  und  -eo  aus  einem  Grunde,  der  in  dem  Abschnitt  über  die 
irrationalen  Vokale  zur  Sprache  kommen  wird.    So  in  : 
fereae,    Vel.  Long.  p.  2233.  neben  feriae, 
a  1 1  e  u  m ,  Chans,  p.  54 .  al  1  i  u  m , 

doleum,^.  0.  dolea,  I.N.  6746.      dolium, 
p a  1 1  e  u m ,  a.  0.  pall i u m , 

s  o  b  r e  u  s ,  Caper,  p.  2245.  s o  b r i  u  s , 

colligcus,  /.  N.  2502.  collegium, 

collegius,  /.  N.  5602. 
vicea,  /.  N.  6746.  vicia, 

noxeos,  I.N.  6036.  noxios, 

soleum,  /.  N.  6916.  solium. 

Aehnlich  ist  schon  Altlateinisch : 
filea,  Or.  2497.  filia. 

Ebenso  gehen  die  Lautverbindungen  ia  und  ea  nebeneinan- 
der in: 

Deanae,  /.  N.  6746.    Or.  Henz.     Dianae,  Or.  Henz.  5707. 

5704.     5706.     5708.     5710  a.         5709. 

7302.  Dianai,  Or.  Henz.  5710. 

Wenn  die  Vokale  a,  o,  u  in  diesen  Bildungen  das  e  vor  sich 

wählen  statt  des  i,  so  ist  das  eine  Art  von  Assimilation,  weil  in  der 

Stellung  der  Sprachorgane  bei  der  Aussprache  jene  Vokale  alle  drei 

dem  e  näher  liegen  als  dem  i. 

Die  späteste  Volkssprache,  namentlich  im  südlichen  Italien, 
liebt  wieder  die  Lautverbindungen  ia  und  io,  wo  die  Schrift- 
sprache, der  besten  Zeit  ea,   eo  zeigt,  wie    im  vorhergehenden 


—     302     — 

Abschnitte  Beweise  beigebracht  worden  sind ,  dass  im  provincialen 
Latein  Süditaliens  eine  Neigung  zum  I-laut  herrscht.     So  erschei- 
nen auf  meist  Süditalischen  Inschriften  spater  Zeit  die  Formen: 
Cerialis,    /.   R.  N.  2605.   449G.  4910.   5006.  5255.  5326- 

6787.    Or.  988  (p.  Ch.  246). 
marmorias,  /.  N.  2225  (p.  Ch.  44). 
Herculiam,  /.  N.  6297  {p.  Ch.  311). 
hordiar(iae),  /.  N.  6746. 
oblaquiatio,  a.  O. 

viniae,  Or.  3261  (p.  Ch.  75).     Cassiod.  ap.  Cornvt.  2284. 
e x  t  r  a  n  i  u  s ,  /.  N.  6458  {sehr  spül). 

Auch  das  e  der  E-conjugation  wird  in  der  Volkssprache  zu  i. 
So  in: 

liciat,  /.  N.  6036. 
exiat,  /.  N.  6916. 
abiat,  Or.  2541. 
abias,  Or.  2566  (p.  Ch.  177). 
Der  Umbris  che  Dialekt  schlug  schon  frühzeitig  diesen  Weg 
ein  in: 

habia,     Lat.  liabea  t 
(Umbr.  Sprachdenkm.  A.  K.  I,  141.  27). 

Die  Italienische  Sprache  bat  ans  <lcr  spätesten  Lateinischen 
Volkssprache  diese  Bildung  der  Conjunctive  der  .dien  E-coDJugation 
beibehalten.     .Man  vergleiche: 

Italien .  a b b i a ,     Späilat.  abiat,       /  mhr.  habia,     Lat.  h  ab e  a t, 
ebenso: 
Halten,  p  i  a  c  c  i  a ,       Lat.  pl  a  cea t,   llal.     v  a  l  i  a  I  e  .  I.al.  ?a  1  e  a 

lis, 
giaccia,  iaceat,  teniate,        te.nea- 

rimaniamo,       remaneamus,  lis. 

luden  Ilalienischen  Formen  isi  der  Laul  vor  a  nicht  mehr  Vo- 
kal sondern  j.  Dass  schon  int  Umbris  chen  ähnliches  der  Fall  war, 
ist  zu  schliessen  aus  der  Tonn  arhabas,  I.al.  adhibeanl 
(/'//ihr.  Sj/rd.  A.  K.  I,  III),  die  ans  arhabias  wurde,  indem  das  i 
sich  zu  j  verbal  tele  und  dann  ausfiel;  ebenso  erklären  sich  Plaulini- 

sche  Formen  wie  evenat,  convenat,  pervenam  für  eveniat. 
convenial  ,  peryeniat.  So  isi  auch  in  den  Spfitlateiniscben 
Conjunctivformen  wie  habia  der  Vokal  vor  a  luj  verhallet,  und 
eine  ähnliche  Aussprache  muss  für  den  ursprünglichen  E-laul   in 


—     303     — 

den  anderen  aufgeführten  Formen  eingetreten  sein,  die  ihn  durch  I 
bezeichnen.  Im  Abschnitt  über  die  Vokalverschmelzung  werden 
sich  weitere  Beweise  für  diese  Ansicht  finden.  Die  Neigung  der 
Volkssprache,  e  und  i  nach  Consonanten  vor  folgendem  Vokal  wie 
j  zu  sprechen,  wirkte  also  hier  der  Neigung  für  Assimilation  ent- 
gegen. 

Einen  assimilierenden  Einfluss  auf  den  folgenden  Vokal  üben 
i  und  e. 

Der  Vokal  e  verhindert  folgendes  o  sich  dem  folgenden  1  anzu- 
bequemen und  zu  u  zu  verdunkeln  in : 
aurcolus,         c  e  r  c  o 1 u  s , 
c  o  r  n  e  o  1  u  s ,       1  u  t  e  o  1  u  s , 
caseolus,  b  a  1  n  e  o  1  u  s. 

Ein  i  übt  denselben  erhaltenden  Einfluss  auf  folgendes  o  in : 
sciolus,         negotiolum,     Corioli,  Anniolenus, 

viola,  patri  ciolas,     Puhliolus,         Appiolena, 

v  i  o  l  o ,  s  e  n  a  r  i  o  1  u  s ,      Principiola,      Didiolenus, 

vi  ölen  t  us,     Apiola,  Tulliola,  Oviolena, 

gladiolus,     Aviola,  Coriolanus,      Medioleius 

u  n  c  i  o  1  a ,         C  a  p  r  i  o  1  a ,  P  o  t  i  o  1  a  n  a  , 

{vgl.  Momms.  Jnscr.  Rcgn.  Neap.  Ind.  ?wm.). 

Häufig  ist  im  Lateinischen,  dass  der  Vokal  i  ein  folgendes  a  sich 
zu  e  assimiliert. 

So  sind  aus  den  auf  -ia  auslautenden  Substantiven  gleichbe- 
deutende auf -ie-s  gebildet,  die  nun  der  E-conjugalion  angehören. 
Gleich  gebräuchlich  stehen  so  nehm  einander: 
barbaries  und  barbaria,        planities    und    planitia, 
durities,  duritia,  mundities,  munditia, 

luxuriös,  luxuria,  pigrities,  pigritia, 

materies,  materia,  scabrities,  scabritia. 

m  o  1 1  i  t  i  e  s ,  m  o  1 1  i  t  i  a , 

Nach  Plinius  (Charts,  p.  94  P.)  waren  die  auf  -ies  auslauten- 
den Formen  der  alteren  Sprache  noch  geläufiger,  und  so  finden  sich 
denn  theils  bei  älteren  Schriftstellern,  theils  bei  späteren,  welche 
die  alten  Formen  wieder  hervorsuchten,  neben  den  gebräuchlicheren 
Formen  auf  a  : 

amiciti'es,         desidies,         notities,         saevities, 
avarities,  fallacies,        prosapies,      segnities, 

blandities,       maceries,       puerities,      spurcities. 


—     304     — 

Gebräuchlicher  als  die  entsprechenden  Formen  auf  -ia  sind: 
canities,         effigies,         pauperies. 

Wenn  Charisius  p.  41  sagt:  canities  autem  poeticode- 
core  in  lenitatem  soni  corruptum  est,  so  hat  er  das  rich- 
tige Sprachgefühl,  dass  die  Lautfolge  ie  sich  sanfter  aneinander 
fügte  als  ia.  Die  Assimilation  des  -ia  zu  -ie  bewirkte  also  den 
Uebertritt  zahlreicher  Wortstämme  in  die  E-declination,  denen  dann 
im  Nominativ  -ie-s  für  -ia  ein  Nominativzeichen  s  angefügt  wurde, 
wie  es  sonst  in  dieser  Declination  erscheint  {Bopp,  VergL  Gramm. 
I,  147  /.  2.  Ausg.  Umbr.  Sprachd.  AK.  I,  31-  Anm.  2). 

Ebenso  hat  das  i  ein  folgendes  a  zu  e  assimiliert  in  den 
Zahladverbien : 

totiens,  multiens,  centiens, 

quotiens,  quinquiens,  milliens  u.  a., 

über  deren  Entstehung  durch  Anfügung  des  aus  Sankr.  -ijäns 
entstandenen  Comparativsuffixes  schon  gesprochen  ist. 

Ebenso  ist  ursprüngliches  a  durch  vorhergehendes  i  zu  e 
umgelautet  in  allen  Fällen,  wo  -ie  auf  Italischem  Sprachboden 
als  Conj  unetivzeichen  auftritt,  dem  im  Griechischen  -£>;, 
im  Sanskrit  -ia  entspricht.  Im  Umbrischcn  hat  sich  -ia  noch  er- 
halten in  den  Conj unclivformen  wie  fuia,  Lat.  fuat,  potaia, 
Lat.  portet  u.  a.  {Umbr.  Sprcl.  AK.  I,  141.)  So  sind  also 
durch  Assimilation  von  -ia  zu  -ie  die  Altlateinischeu  Conjunctiv- 
formen : 

siem,         sies,         siet,         sient 
entstanden. 

Dasselbe  gilt  natürlich  von  denjenigen  Conjunctivformen,  die 
zu  Futuren  verwandt  sind,  wie : 

audies,         audiet,         facies,         faciet   u.a. 

Noch  weiter  gegriffen  hat  die  Assimilation  in  den  All  lateini- 
schen Conjunctivformen : 

faciem,  Cato,  Quin!.  I,  7,  23.    für  laciam, 
reeipie-,  Fest.  p.  286.  rccipiaui, 

und  in  den   alten  Formen  wie: 

d  i  c  e  m ,  Cato,   Quint.  1 ,  7 ,  23.   für   d  i  c  a  m  , 
attinge-,   Fest.  p.  26.  attingam. 

Hier  ward  aus  den  ursprünglichen  Conjunctivformen  diciam, 
attingiam  einerseits  durch  Wegfall  des  i  wie  in  den  IMautini- 
schen  Formen  e  v e na t ,  c o  n venat ,  t»  e  r  v  e  n a  m ,  d  icam ,  a  1 1  i  n  - 


—    305     — 

gam,  andrerseits  erst  durch  Assimilation  diciem,  attingiem, 
dann  dicem,  attingem  (vgl.  Neue  Jahrb.  LXVIU,  370.  371). 
Ebenso  entstand : 

essem  aus  es-siem, 
nachdem  das  ursprüngliche  Conjunctivzeichen  -ia  zu  -ie  assimiliert 
worden  war. 

Es  ist  nun  die  zweite  Art  der  Assimilation  in  Betracht 
zu  ziehen,  durch  die  ein  Vokal  einen  anderen,  der  von  ihm  durch 
einen  Consonanten  getrennt  ist,  umlautet  und  sich  gleich 
macht.  Diese  Assimilation  ist  meist  eine  rückwärts  wirkende, 
so  dass  der  Vokal  der  vorhergehenden  Silbe  durch  den  Vokal  der 
folgenden  bestimmt  wird.  Am  entschiedensten  und  häufigsten  übt 
diesen  Einfluss  der  Vokal  i  aus,  indem  er  vorhergehendes  o,  u,  e  zu 
i  umlautet. 

Der  Vokal  o  oder  u  vor  1  wird  durch  das  i  der  folgenden  Silbe 
zu  i  assimiliert  in  Namen  wie: 

Avilius,  neben  Avoleius,  Tanlilius,  neben  Tantuleius, 

Canilius,         Canuleius,         Titilius,  Tituleius, 

Pacilius,  Paculeius,         Venilius,  Venuleius, 

Pontilius,        Pontuleius,       Vinilius,  Vinuleius, 

Procilius,        Proculeius,       Vetilius,  Vetuleius, 

Sextilius,        Sextuleius,      (vgl.    Rilschl ,   Ind.    Lect.  Bonn. 

1853  —  54) 
C  a  e  c  i  1  i  u  s ,  neben  Caeculus,      Aemilius,  neben  aemulus, 
Mamilius,  Mamula. 

Dieselbe  Assimilation  findet  statt  in : 
consilium,  neben  consul,  similis,      neben    simulem, 

exsilium,  exsul,  Or.ffenz.129L 

dissilio,  dissulio,  simul, 

prosilio,  u.  a.,       prosulio,      familia,  famulus, 

u.  a.  vgl.  f  ameliai , 

facilis,  facul,  Ritsch.  fict.Lat. 

facultas,  p.  26.  28. 

difficilis,  difficul,  super-cil-iu  m,     oc-cul-o, 

difficultas,     domi-cil-ium. 
domicilium  und  supercilium  stammen  von  der  Wurzel  cal-, 
wie  sieincalim,  kuIvtcto  erscheint;  supercilium  bezeich- 
net   also    die  Augenbrauen   als  Ob  er  hülle,    domicilium  die 
Wohnstätte    als  Haus  hülle. 

CORSSEN.  20  "• 


—     306     — 

Denselben  umlautenden  Einfluss  übt  bisweilen  das  lange  i  der 
Endung  -ino.     So  in: 

inquilinus,  neben  incola, 
Tarquinius,  Tarchon, 

sterqtiilinium,       Sterculus, 
Stercutus, 
Quirites,  Cures, 

c  u  r  i  s. 
Ebenso  verhallen  sich : 
S i s p i t a  neben  S o s p i t a.     B r u n d i s i u m  neben  Brundusium, 

Brinnius,  Brennius. 

Ein  e  vor  dein  Consonanten  wird  durch  ein  i  nach  dem  Con- 
sonanten assimiliert  in : 
nihil,   für  ne-hilum, 

nimis,  vgl.  nemis,  Fleetiv.  I.  I.  Non.  Chr.  459,  I. 
nimium. 

Aehnlich  ward  in : 
mihi,     tibi,     sibi 
das  erste  i  durch  das  zweite  geschützt,  während  es  im  r//^/'.meho, 
tefe  zu  e  sank. 

Selten  üben  andere  Vokale  als  i  den  assimilieren- 
den Einlluss  auf  den  Vokal  der  vorhergehenden  Silbe,    von  dein 
sie  durch  einen  Consonanten  getrennt  sind,     hoch  finden  sich  Bei- 
spiele davon.     So  bewahrt  der  Vokal  e  diese  Kraft  in: 
i  1 1  e  c  c  b  r  a  e  neben  i  1 1  i  c  i  o  , 
bene,  bonus. 

Der  Vokal  o  hat  einen  Vokal  der  vorhergehenden  Silbe  zu  o 
assimiliert  in: 

so  hol  es,    für    suboles, 
socordia,         secordia, 
der  Vokal  u  üble  diese  assimilierende  Kraft  in: 
tugurium,  für  tegurium,  vgl.  tego, 
oder  für  togurium,  vgl.  toga. 
Manche  andere  Beispiele,    die   für  diese   Art  der  Assimilation 
beigebracht  sind,  können  als  gesicheil  nicht  angesehen  werden  *). 


*)  Weil  und  Benloew  (Accent.  Lal.  p.  147)  irren  mehrfach  über  die 
Assimilation.  In  nominis  soll  das  erste  i  das  zweite  assimiliert  haben 
aus    dem    u  der  alten  Form  no  minus.     Aber  amdi   Cereris,     Vene- 


-     307    — 

Der  Vokal  i  ist  es  also  ganz  vorwiegend,  der  im  Lateinischen 
den  Vokal  der  vorhergehenden  Silbe  umlautet,  und  zwar  die  Vokale  o, 
u,  e  sich  assimiliert,  das  a  aber  unangetastet  lä'sst.  Ebenso  ist 
in  der  Deutschen  Sprache  der  Vokal  i  der  Endsilbe  durch  sei- 
nen umlautenden  Einfluss  auf  den  Vokal  der  vorhergehenden  Silbe 
von  weitgreifender  und  verderblicher  Bedeutung  für  den  Vokalismus 
der  Sprache  geworden.  Er  hat  aber  nicht  vermocht  den  Vokal  der 
vorhergehenden  Silbe  sich  völlig  gleich  zu  machen,  sondern  ner 
ihn  sich  lautlich  näher  zu  bringen,  indem  er  a,  o,  u  zu  ä,  o,  ü 
umlautet.  Dass  nun  gerade  i  im  Deutschen  wie  im  Lateinischen 
diesen  umlautenden  Einfluss  auf  den  Vokal  der  vorhergehenden 
Silbe  übt,  ist  aus  seiner  lautlichen  Natur  begreiflich.  Er  ist  zwar 
der  spitzeste  und  dünnste  Vokal,  aber  seine  Aussprache  erfordert 
eine  entschiedene  Anstrengung  der  S  p  r  a  c  h  o  r  g  a  n  e  ,  nament- 
lich das  Heben  der  Zunge  gegen  den  Gauinen,  und  er  steht  in  die- 
ser Hinsicht  in  bestimmtem  Gegensalz  zu  dem  schlaffen  und  beque- 
men e.  Indem  der  Sprecher  den  Vokal  der  vorhergehenden 
Silbe  aussprechen  will,  fangen  seine  Sprachorgane  schon  an  un- 
willkührlich  die  Anstrengung  zur  Aussprache  des  folgenden  i 
zu  machen.  So  erhalt  jener  Vokal  einen  I -ähnlichen  Klang; 
das  i  spukt  vor  im  Munde  des  Sprechers,  und  so  wird  der  vor- 
hergehende Vokal  entweder  getrübt  wie  im  Deutschen,  oder  ganz 
zu  i  umgestimmt  wie  im  Lateinischen.  In  ahnlicher  Weise,  aber 
viel  seltener,  kamen  bei  der  Aussprache  Lateinischer  Wörter  auch 

ris,  Castoris,  quaestuis,  magistratuis  entstanden  aus  Cere- 
rus,  Venerus,  Castorus,  quaestuos,  m  a  gis  tratuos  ,  ohne 
dass  in  der  vorhergehenden  Silbe  ein  i  war.  Portio  soll  aus  pars 
durch  Assimilation  entstanden  sein;  aber  weder  erstreckt  sich  die  As- 
similation je  weiter  als  bis  auf  die  nächst  vorhergehende  Silbe,  noch 
wird  a  vor  einem  Consonanten  je  durch  Assimilation  eines  Vokales 
der  folgenden  Silbe  umgelautet;  schon  oben  ist  nachgewiesen,  dass 
portio  aus  pars  durch  Ablaut  entstanden  ist.  tenebrae  (TV.  B. 
148)  ist  kein  sicheres  Beispiel,  Aveil  der  Vokal  in  der  ersten  Silbe  im 
Lateinischen  ursprünglich  gewesen  sein  kann;  dass  solvo  aus  seluo 
durch  Assimilation  entstanden  sei,  ist  sehr  zweifelhaft;  es  bleibt  bei 
der  Annahme  unerklärt,  wie  solvis,  solvit,  solvebam,  solvi  aus 
seluis,  seluit  u.  a.  assimiliert  sein  sollen,  da  diese  und  andere  Formen 
des  Verbum  gar  kein  o  in  der  Suffixsilbe  haben.  Die  unrichtigen  An- 
sichten derselben  Gelehrten  über  Einwirkungen  des  Umlautes  bei  der 
Bildung  reduplicierter  Perfectformen  werden  weiter  unten  zur  Sprache 
kommen. 

20* 


—     308     — 

die  Vokale  o,  u,  e  um  eine  Silbe  zu  früh  zur  Welt,  indem  sie  den  Vo- 
kal der  vorhergehenden  Silbe   umlauteten. 

b)  Dissimilation  der  Vokale. 
Die  Lateinische  Sprache  zeigt  eine  entschiedene  Abneigung, 
zwei  gleiche  Vokale  aufeinander  folgen  zulassen,  eine  na- 
türliche Scheu  vor  Eintönigkeit  des  Vokalismus.  Sie  vermied  na- 
mentlich in  der  älteren  Zeit  die  Aufeinanderfolge  der  Laute  VV  und 
II,  mag  nun  je  einer  derselben  Halbvokal  sein  oder  beide  Vokale. 
Daher  kam  es,  dass  sich  nach  V  das  alte  o  der  0  stamme  bis 
ins  Augusteische  Zeitalter  hielt  in  Formen  wie: 
servos,  mortuos,  novom,  triduom,  divom,  Achivom, 
während  doch  sonst,  wie  oben  nachgewiesen  ist,  das  alte  o  schon 
seit  dem  Ende  des  zweiten  Punischen  Krieges  zu  u  verdunkelt  war. 
Derselbe  Abscheu  vor  dem  Gleichklang  vo,  uo  verhinderte  das  1, 
vorhergehendes  o,  wie  sonst  immer,  zu  u  zu  assimilieren  in: 

contuolus,         frivolus,         Scaevola, 

c  o  n  i  v  o  1  a ,  li  c  1  v  o  1  u  s 

und  stützte  das  o  in  geschlossener  Silbe  vor  1  mit  folgendem  Conso- 
nanten  bis  Quintilians  Zeit  in  Formen  wie: 

volt,  voltus,  volpes,  volnus,  Volcanus  u.  a, 
wo  es  sonst  zu  u  sich  verdunkelte,  und  in  den  Verbalformen: 

vivont,  l'uont,  loquontur  u.  a.; 
während  sonsl  schon  seit  Ende  des  eisten  Punischen  Krieges  sich 
die  Endung  der  dritten  Person  Pluralis  zu  -iml  gestaltet,  wie  dies 
alles  schon  oben  dargethan  ist.     (Vgl.  S.  '2:\\)  /'.) 

Ebenso  ist  darauf  hingewiesen,  dass  von  den  auf  u  auslauten- 
den Stämmen  der  Verba  die  Form  des  Gerundiums  -undo  nicht  ge- 
bräuchlich gewesen  sei,  um  den  Gleichklang  im  zu  vermeiden,  son- 
dern nur  die  Form  endo  in: 

restituendos,  fruendeis,  tuendeisu.  t. 

Endlich  ist  in  dem  Vliscliniti  über  den  Consonanteu  e  darauf 
hingewiesen,  dass  man,  um  den  Gleichklang  QVY  IU  meiden,  in  al- 
terer Zeit  entweder  OVO  schrieb  oder  CV,  also: 
quom    oder   cum,  quaequomque  oder  quaecumque, 

loquontur,  locuntur,  aequom,  aecum 

(RitschL  Prall,  p.  94.  Flecken.  Ep.  <  rit.  />.  9.  Müller,  <t<l.  Varr.  p.38 
Lachm.Lucr.  p.  172.  220.  398.     Wagner,  Am.  I\.  299.    Siliig, 
Praef.  Plin.  p.  72). 


—     309     — 

Eben  deshalb  lauteten  die  Composita  von  quatio  : 
concutio,     excutio,     incutio,     percutio. 

Nur  als  Zeichen  eines  langen  u  erscheint  uu  auf  alteren  Sprach- 
denkmälern wie  in  luuci  (t.  Bani).  iuus  (/.  Com.  d.  XX  q.). 

Weniger  unerträglich  war  der  Lateinischen  Sprache  der  Gleich- 
klang uv;  daher  finden  sich  schon  auf  Voraugusteischen  Inschriften 
die  Schreibweisen : 

fluvio,  t.  Genuat.  Cluvius,  /.  N.  2514, 

suvo,  /.  N.  3789. 
und  für  Wörter  wie: 

uvidus,  pelluvium,      exuviae,      impluvium, 

m  a  1 1  u  v  i  u  m ,        i  1 1  u  v  i  e  s ,  r  e  d  u  v  i  a , 

wie  für  die  Namen : 

Vesuvius,  Pacuvius,        Ig  u  vi  um,     Marruvium, 

L  a  n  u  v  i  u  m 
sind  uns  die  Schreibweisen  mit  ov  nicht  überliefert. 

Noch  entschiedener  ausgeprägt  wo  möglich  ist  im  Lateinischen 
die  Abneigung  gegen  den  Gleichklang  II.  Dieser  konnte  im  AU- 
lateinischen  schon  um  dessentvvülen  selten  vorkommen,  weil  statt 
des  späteren  I  in  Stämmen  wie  in  Endungen  noch  vielfach  ei  oder 
e  gesprochen  wurde;  erst  in  der  jüngeren  Sprache  der  Augustei- 
schen Zeit  machte  sich  dieser  Gleichklang  störend  bemerklich.  Man 
vergleiche  die  älteren  und  die  jüngeren  Formen: 


p  e  t  i  e  i , 

peti  i, 

luliei , 

lulii , 

redieit, 

r  e  d  i  i  t , 

vieis  , 

viis, 

ostiei, 

ostii, 

portorieis, 

portoriis, 

m  u  n  i  c  i  p  i  e  i , 

municipii, 

controver- 

controver- 

Roscieis , 

Roscii, 

sieis, 

siis, 

M  o  d  i  e  s  , 

Modii, 

tertieis,    x 

tertiis,  u.  a. 

Nachdem  in  der  Augusteischen  Zeit  die  Schreib-  und  Sprech- 
weise I  für  EI  und  E  die  herrschende  geworden  war,  konnte  der 
Gleichklang  in  solchen  Wörtern,  wie  die  angeführten,  nicht  mehr 
ganz  vermieden  werden.  Doch  schlug  die  Sprache  noch  drei  ver- 
schiedene Wege  ein  um  dem  II  zu  entgehen;  sie  dissimilierte 
II  zu  IE,  selten  zu  EI,  sie  verschmolz  II  zu  I,  oder  wenn  der 
erste  der  beiden  Laute  II  der  Halbvokal  j  war,  so  stiess  sie 
denselben  aus. 

Die  Dissimilation  des  ii  zu  ie  trat  ein  in  folgenden  Fäl- 
len: 


—     310     — 

Im  Senatsbeschluss  über  die  Baccanalien  finden  sich  die  For- 
men: 

a  diese,         a  diese  nt,         adieset, 
in  denen  die  Dissimilation  zu  e  den  Charaktervokal  I  des  Perfects  traf. 
Ferner  findet  sich: 

conieciant,    /.   repel.  (Serv.)   für   coniiciant. 

Dieselbe  Dissimilation  zeigt  sich  in  den  Bildungen: 
societas,      ebrietas,  verglichen  mit  a  uctoritas, 
pietas,  varietas,  veritas, 

anxietas,     appietas,  dignitas, 

satietas,  vanitas  u.  a. 

Der  auslautende  Vokal  der  Stämme  socio-,  pio-,  anxio- 
u.  a.  wurde  nach  Herantreten  des  Suffixes  -tat,  weil  ihm  ein  i  vor- 
herging, nicht  wie  gewöhnlich  zu  i,  sondern  zu  e  geschwächt. 

Die  mit  dem  Suffix  -ion  gebildeten  Nomina  schwächen  das  o 
zu  i,  falls  sie  es  überhaupt  abschwächen.  Hingegen  finden  sich  die 
Genetive 

N  e  r  i  e  n  i  s  von  N  e  r  i  o ,     A  n  i  e  n  i  s  von  A  n  i  o , 
in   denen    o    wegen   des   vorhergehenden    i   sich   zu  e   schwächte 
(Zeilschr.  für  vergl.  Sprach/.  I,  307.     Fleckeisen,  zur  Krii.  altiat. 
Dichterfr.  b.   Gell.    S.   33).     Ebenso   lautet    zur  Vermeidung   des 
Gleichklanges  der  Genetiv  von  lien: 

lieni  s, 
während  sonst  die  Nomina,  deren  Nominativ  auf -en  ausgeht,  dieses 
e  in  den  Casus  obliqui  niemals  zeigen,  sondern  die  Gestall  des  Suffi- 
xes  -in   bleibt.     Aus  demselben  Grunde   scheinen  die  Genetivbil- 
dungen : 

a  b  i  e  t  i  s  ,         a  r  i  e  t  i  s  ,         p  a  r  i  e  t  i  s 
gewählt,  nicht  ab  litis  u.  a.  {Pott,  Et.  Forsch.  I,  64). 

Von  den  Nominalstammen ,  die  auf  o  auslauten,  werden 
häufig  Adjectiva  mit  dem  Suffix  -Ino  gebildet.  Nach  dieser 
Analogie  müsste  man  von  Norninalstämmen  auf  -io,  -ia,  wenn  das 
Suffix  -Ino  an  sie  herantrat,  Bildungen  mit  der  zusammengesetz- 
ten Endung  -iino  erwarten;  diese  giebt  es  aber  nicht,  sondern  das 
Suffix  gestaltet  sich  immer  zu  -ieno;  so  in: 

a  1  i  e  n  u  s  ,         Ia  n  i  e  n  a , 
und  in  zahlreichen  Namen  wie: 


—     311     — 

Aienus,  Aulienus,      Lartienus,    Salvidienus, 

Albienus,         Betiliena,      Mamienus,    Satrienus, 
Allienus,  Catienus,      M  e  t  i  d  i  e  n  a  7     Septiiniena, 

A  n  n  i  e  n  u  s ,        G  e  v  i  e  n  a ,        M  u  s  s  i  e  n  u  s ,  T  e  1 1 i  e  n  u  s , 
Aufidienus,     Corienus,     Passien  us,    Titienus, 
Avidienus,       Didienus,      Peticienus,  Trebelliena, 
Avillienus,       Labienus,      Sallienus,     Vettienus. 
( Vgl.  Momms.  Inscr.  Regn.  Neap.  Ind.  nom.) 

Ebenso  ist  die  Vermeidung  des  Gleichklanges  -ii  der  Grund, 
weshalb  von  Namen  auf  -io  abgeleitete  Namen  mit  dem  zusammen- 
gesetzten Suffix  -iedio  (niemals  -iidio)  gebildet  werden  wie: 
A  i  e  d  i  u  s ,  A  a  t  i  e  d  i  u  s ,     N  u  m  i  e  d  i  u  s ,  T  e  i  e  d  i  u  s , 

Anaiedius,        Attiedius,     Petiedius,     Vibiedius. 
( Vgl.  Momms.  a.  0.) 

Ebenso  erklären  sich  die  Verbalbildungen: 
variegare,     hietare    neben  levigare,     clamitare, 

clarigare,   rogitare. 
(Pott,  Elym.  F.  I,  64.) 

Seltener  wählte  die  Sprache  den  zweiten  Weg,  den  Gleichklang 
ii  zu  meiden,  indem  sie  ihn  zu  ei  dissimilierte. 
So   entstand: 
me-io  aus  migio,    vgl.  mingo, 

nach  Ausfall  des  g  (Dietrich,  a.  0.  15), 

peior   aus  piior, 
wie  von  Aufrecht  nachgewiesen  ist  (Zeitschr.  f.  vgl.  Sprach/".  III, 
202). 

Die  Fo*rmen  ii,  iis,  dii,  diis  scheint  die  Sprache  in  ihrer 
guten  Zeit  gar  nicht  gekannt  zu  haben,  dafür  sprechen  Handschrif- 
ten und  Inschriften  (Proll.  Trin.  p.  98.  Bitschi.)  und  die  Lautlehre, 
sondern  nur: 

ei,     eis,     dei,     deis, 
oder  mit  Vokalverschmelzung  I,  Is,   dl,  dls. 

Durch  Verschmelzung  des  ii  zu  i  vermeidet  die  Sprache  den 
Gleichklang  im  Genetiv  der  mit  dem  Suffix  -io  gebildeten  Stämme 
wie: 

compendi,     praemi,      Septimi, 

mancipi,         Vergili,     Aureli  u.  a. 


—     312    — 

und  zwar  ist  dies  die  Regel  noch  im  Augusteischen  Zeitalter ,  ob- 
wohl sich  auch  ausnahmsweise  ii  findet;  später  greift  die  Schreib- 
weise ii  weiter  um  sich  (vgl.  Zachmßnn,  Lucr.  p.  325  f.  Rilschl, 
Proll.  Trin.  p.  89.  Brandt,  Quaestiones  Horatianae,  p.  113.  Momms. 
Rhein.  Mus.  X,  143.).  Auch  in  anderen  Casusformen  ist  die  Schreib- 
weise i  für  ii  häufig  {Hübner,  N.  Jahrb.  77,  353). 

Durch  Ausstossung  des  Halbvokales  j  ist  ein  ähnlicher  Gleich- 
klang vermieden  in  den  schon  erwähnten  Formen: 

adicio,     obicio,         inicio,  coicio,         eicio, 

subicio,       conicio,       deicio,         reicio. 
Zur  Vermeidung  des  Gleichklanges  ii  bleibt   endlich    in   den 
Compositen : 

viocurus,      strioporcus 
das  o  des  ersten  Wortstammes  unverändert  und  schwächt  sich  nicht, 
wie  sonst  gewöhnlich,  zu  i. 

Aus  demselben  Grunde  hielt  sich  die  alle  Form  des  Cenetivs 
-us,  wie  sie  in  Vener  us,  Castorus  u.a.  nachgewiesen  ist,  in  den 
Genetiven  wie: 

cuius,~     eins,  ipsius,  istius, 

unius,      utrius,         alius,  tolius  u.a. 

Auch  den  Gleichklang  ee  oder  eei  hat  die  Sprache  in  ein- 
zelnen Fällen  vermieden.  Ohen  ist  «gezeigt  worden,  wie  der 
Pronominalstamm  i  durch  Vokalsteigerung  zu  e  wurde;  an  die- 
sen verstärkten  Stamm  trat  das  Suffix  o,  und  nun  ward  d<vs  Prono- 
men wie  ein  Wort  der  O-declination  flectiert.  Durch  Dissimilation 
tritt  nun  in  manchen  Fällen  das  i  wieder  an  die  Stelle  des  e;  So  im 
Nom.  Plur.: 
iei,  /.  N.  715.  /.  d.  Termes.  I.  Com.     neben     eeis,i&c.  d.  Bucc. 

de  XX  q.  I.  Jul.  mun.  I.  Rubr. 
ieis,  /.  N.  2458. 
im  Bat.  Abi.  Plur.: 
ieis,  Sc.  d.  Tiburt.  L  Com.  d.  XX  q.     neben     eeis,  Sc.  d.  Bacc. 

l.d.  Termes.   I.  Jul.  mun.   I.  Rubr.  eieis,  Sc.  d.   Ti- 

'burt.  Or.  3114. 
Oder  die  Sprache  schlug  den  anderen  Weg  ein,  den  Gleichklang  des 
ee  zu  vermeiden,  indem  sie  die  beiden  e  zu  einem  verschmolz. 

So  in  den  Formen  des  Nom.  Plur. . 
eis  ,  /.  Bant.  I.  repcl.  (Scrv.)  ei.  /.  agr.  (  Thor.)  I.  Jul.  mun. 


—     313     — 

eisdem,  /.  repet.  (Serv.)  I.  N.     eidem,    t.    Bank     l.    repet. 
4102.  Or.  3808.  /.  Com.  d.  XX  q.    1.  N.  4221. 

4148.     3562.     3563.    4472. 
3918. 
Ebenso  in  den  Formen  des  Dat.  AU.  Plur. : 
eis,  /.  agr.  (Thor.)    I.  repet.  (Serv.)    I.  Com.  de  XX  q.    ded.  vic. 

Furf.  Sc.  d.  Äse.  Claz.   t.  Gen.  I.  Jul.  mun. 
eisdem,  /.  N.  2458.  I.  Jul.  mun.   I.  d.  Termes. 
So  findet  sich  zu  Cäsars  Zeit  auf  der  lex  Julia: 
ieis  und  iei, 
die   alte  Form    eeis   des  Senatusconsults  über  die    Bacchanalien 
aber  ist  abgekommen. 

In  der  alten  Form  des  Dat.  Abi.  Plur. 
mieis,  t.  Scip.  Hisp.  Or.  554. 
hielt  sich  die  alte  Stammform  des  Personalpronomens  mi,   um  den 
Gleichklang  eei  zu  meiden.    Als  nun  in  den  Flexionsendungen  i  für 
ei  Platz  griff,  ward  durch  Dissimilation: 
meis  aus  miis. 

Erst  behielt  die  Sprache  das  alte  i  um  den  Gleichklang  eei  zu 
meulen,  dann  lautete  sie  ihn  um  aus  demselben  Grunde.  Wenn  sie 
die  beiden  Formen  des  Gerundium: 

eund  u  m  und  iendum 
bildet ,  niemals  aber  e  e  n  d  u  m  wie  fr  u  e  n  d  um,  d  i  c  e  n  d  u  m   u.  a., 
so  liegt  der  Grund  dafür  in  der  Scheu  vor  dem  Gleichklang  ee. 

Der  Gleichklang  oo  scheint  wmigstens  in  der  Zusammen- 
setzung der  Sprache  nicht  zuwider  gewesen  zu  sein,  dafür  spre- 
chen Formen  wie  c  o  o  r  t  u  s ,  c  o  o  p  e  r  a  r  e ,  c  o  o  r  d  i  n  a  t  u  s. 


4)  Umlaut  durch  Vokalerleichterung  im  zweiten  Gliede  der 
Composita. 

Die  vorstehende  Untersuchung  hat  den  Weg  gebahnt  zur  Be- 
urtheilung  der  dem  Lateinischen  eigenthümlichen  Tonschwä- 
chung, dass  der  S  ta  mm  vokal  im  zweiten  Gliede  der  Com- 
posita eine  Erleichterung  erfährt.  Ausser  der  Zusammen- 
setzung verschiedener  Wortstämme  ist  auch  die  Reduplication 
eine  Art  der  Composition,  insofern  der  Stamm  des  Wortes  Ursprung- 


—     314     — 

lieh  mit  sich  selbst  zusammengesetzt  wurde;  daher  zeigen  sich  im 
zweiten  Gliede  reduplicierter  Wortformen  dieselben  Vokalerleichte- 
rungen wie  im  zweiten  Gliede  der  Composila.  Doch  kommen  bei 
der  Betrachtung  jener  Lautverhältnisse  zur  Sprache,  die  eine  ge- 
sonderte Behandlung  derselben  am  Schlüsse  dieses  Abschnittes 
zweckmässig  erscheinen  lassen.  Es  soll  also  zunächst  untersucht 
werden,  welche  Einbusse  an  Tongewicht  jeder  vokalische  Laut  im 
Stamme  des  zweiten  Compositionsgliedes  erleidet. 

Das  a  als  Stammvokal  im  zweiten  Compositionsgliede  erleidet 
Tonschwächung  zu  u,  i,  e. 

Das  a  sinkt  an  dieser  Stelle  zu  u  vor  den  Labialen  p,  b,  m,  v  in: 
o  c  c  u  p  o ,  d  e  r  u  p  i  o , 

aueupor,  surrupio, 

aueupium,  surruptitiae, 

maneupium,  surruptus, 

o  c  c  u  p  i  o-,  Fleckeis.  N.  Jhb.  LX,     e  r  u  p  t  u  s , 

252.  Plaut,  vgl.  Fleckeis.    N.  Jahrb. 

LX,  252  f.    Rh.  Mus.  VIII,  194. 
451.  155.  vgl.  dedic.  vic.  Für  f. 
Or.  2488.    /.  Alin.  Gell.  XVII,  7. 
enubro,     i  n  h  i  b  e  n  t  e  ,     Fest,     i  1 1  u  vi  e  s , 

p.  76)  für  i  n h  i b r o ,  d il u vi u m, 

c o  n t  u  b  e  r  n  i  u  m  ,  m a  11  u vium , 

condumnare,  t.  Baut.  p e  1 1  u v i  u m. 

Ebenso  sinkt  a  zu  u  vor  einfachem  1  und  vor  1  mit  folgendem 
Consonanten  in : 

desulio,        insulio, 

d  i s  s  u  1  i  o ,      p  r  o  s  u  1  i o  (Lucr.  IV,  604.  Bilschl,  a.  0.   Fleckei*. 

a.  0.\ 
o  c  c  u  1  o ,  vgl.  c  a  1  i  m ,      Gr.  k  eck  vitro, 
exsulto,       desultor.      coaculco, 
insulto,       insultura,    insulsu>. 

Auch  hier  bethätigt  sich  also  die  Wahlverwandtschaft  der  La- 
bialen und  des  1  zu  u.     Ebenso  ist  a  zu  u  geschwächt  in: 
conditio,    percutio, 
ineutio,        diseutio. 

Hier  wurde  unter  Mitwirkung  des  dem  QV  anhaftenden  labialen 
U-klanges  a  zu  o  gestaltet  in  c  o  n  (|  uoti  o  für  <  o  nq  U  ;i  t  i  o .  wie  in 
voeivus   für    vaeivus.     Als  das  o  im  späteren  Lateinischen  zu  u 


—     315     — 

überging,  schrieb  man  nicht  QVV,  sondern  stattdessen  CV,  also 
conditio  für  conquotio,  wie  cum  für  quom,  cumque  für 
quomque  u.  a. 

Vereinzelt  steht  noch: 
absurd us  von  sardare,  Fest.p.  322. 

Das  a  als  Stammvokal  des  zweiten  Gliedes  eines  Compositum 
erleidet  eine  stärkere  Abschwächung  zu  i  vor  einfachen  Consonanten 
jeder  Art;   so: 

vor  Labialen  in  :  vor  Lingualen  in:  vor  Gutturalen  in: 

accipio,  confiteor,  displiceo, 

incipio  u.  a.;  profiteor  u.  a.;  inficetus, 

mancipium,  irritus,  conticeo, 

occipitium,  delitesco,  reticeo, 

sinciput,  opstitrix,      Plaut,    conficio, 

desipio,  Capl.    629.      Mil.    deficio  u.  a., 

insipio  u.  a.,  695.  magnificus, 

insipidus,  institor,  beni  ficus  u.  a.; 

eripio,  Prnestites,  artificium, 

surripio  u.  a.;  constituo,  opificium  u.  a., 

inhibeo,  restituo  u.  a.,  difficilis, 

prohibeo   u.  a.,         lupiter,  conicio, 

contibernalis,         Diespiter,  deicio  u.  a., 

M  a  s  p  i  t  e  r ,  p  r  o  d  i  g  u  s , 

0  p  i  t  e  r ,  r  e  d  i  g  u  s , 

c o n d i t u s  ( Wz.  da-,    p r o d i g i u m , 
Gr.&e-,Skr.(\hä-)    illicio, 
p  e  1 1  i  c  i  o , 
aquilicium  ; 
vor  den  Liquiden  m  und  n  in: 
recino,  inimicus, 

concino,  eni  m,  vgl.  nam, 

com  in  us,  etenim. 

erainus, 
inimineo, 

Vor  1  schwächt  sich  a  in  Folge  der  Composition  nur  zu  u;  aber 
in  Wörtern  wie  dissilio,  insilio,  exsilium,  domicilium, 
supercilium  ist  das  u  durch  das  i  der  folgenden  Silbe  zu  i  assi- 
miliert. Hierher  gehört  auch  üpilio,  ein  Compositum,  zunächst 
entstanden  aus  ovi-pil-io  von  der  Wurzel  pal-,  hüten,  die  in 


—     316     — 

dem  Namen  der  Hirtengöttin  Pales,  wie  der  Griechischen  Com_ 
posita  al-itoXog,  ßov  -itoXog  steckt;  wie  Pales  die  Hüterin 
bedeutet,  also  üpilio  Schaafhiiter;  die  Kürzung  von  üpilio  zu 
öpilio  ist  nicht  befremdlicher  wie  die  von  joubeo  zu  jübeo. 
Vor  dem  Zischlaut  s  ist  a  zu  i  abgeschwächt  in: 

semis,     semissis,     von  a s ,    a s s i s. 

In  zahlreichen  Fällen  sinkt  nun  aber  a  auch  zu  e.  Dies  ge- 
schieht zunächst  in  geschlossener  Silbe  vor  gehäuften  Con- 
sonanten  jeder  Art; 

so  vor  Muta  und  Liquida  in: 
ambiegnus,  vgl.  agnus, 

nebrae,  Fest.  p.  109.         inhibere,  habere, 

peregrinus,  ager, 

consecro,  s a c e r  ; 

obsecro, 

vor  Liquida  und  Muta  in  : 
a  s  c  e  n  d  o  ,  i  m  p  e  r  t  i  o  ,  a  s  p  e  r  g  o , 

descendo  u.  a.,  confertus,  inspergo, 

commendo,  refertus,  rederguo,   Fest.  p. 

ommento,    vgl.  refercio,  273. 

manto,  c  o  n  f  e  r  c  i  o ,  discerpo, 

sollers,  aber ce OjFest. p.25.  imberbis, 

i  n  e  r  s  ,  c  o  e  r  c  e  o ,  i  n  e  r  m  i  s ; 

quinquertium,  e  x  e  r  c  e  o , 

e  x  p  e  r  s ,  L  u  p  -  e  r  c  u  s    ( 1  u  - 

a  n t  e p e r t a  ,    Plaut.        p u m  arcens), 

Irin.  643.  conspergo, 

vor  zwei  Liquiden  in: 
condemno,  biennium,  refello, 

indemnis  u.  a.,  triennium  u.  a., 

Interemnia,   vgl.  amnis,     dispenno,  Plaut.  Mit.  1407.  vgl. 
Antemnae,  pando; 

vor  Muta  und  Muta  in: 
abiectus,  detrecto,  abreptus, 

coniectus  u.  a. ,  obtrecto  u.  a.,  correptus, 

confcctus,  ineptus; 

infectus  u.  a., 

vor  Liquida  und  s  in  : 
conspersus,  dispersus,  inspersus  ; 


—     317    — 

vor  Muten  und  s  in  : 

anceps,  obex  (ob-iex), 

biceps,  remex  (remum-agens), 

praeceps  u.  a.,  pontifex, 

auceps,  artifex  u.  a., 

particeps,  aquilex; 

vor  s  und  Muten  in : 

incestus,  compescere, 

dispescere; 

vor  doppeltem  s  in  : 

bessis,  perpessus, 

quinquessis,  dispessus,  Plaut.  Mit.  1407. 

Das  a  vor  gehäuften  Consonanten  ist  ausnahmsweise  zu  i  ge- 
schwächt in: 

praefi  seine,  vgl.  fa  sein  um,     semissis,  vgl.  a  s. 
Sowohl  das  folgende  s  als  der  Vokal  i  der  folgenden  Silbe   trugen 
hier  dazu  bei,  den  Stammvokal  des  zweiten  Compositionsgliedes  zu  i 
umzulauten. 

In: 

i  m  p  i  n  g  o  ,  c  o  n  t  i  n  g  o ,  p  e  r  f  r  i  n  g  o , 

c  o  m  p  i  n  g  o,  a  1 1  i  n  g  o ,  i  n  f  r  i  n  g  o , 

refringo  u.  a., 
ist  der  zur  Vokalstärkung  der  Präsensform  hinzugetretene  Nasal  kein 
voller,  ausgeprägter  Consonant,  wie  oben  nachgewiesen  ist,  kann 
also  auch  nicht  auf  den  vorhergehenden  Stammvokal  des  zweiten 
Compositionsgliedes  den  Eiutluss  einer  vollgültigen  Liquida  vor 
folgender  Muta  üben. 

Das  r  hat  seine  Wahlverwandtschaft  zu  e  auch  im  zweiten  Theile 
der  Composita  gewahrt.    So  in  : 

aeguiperare,  Ritschi,  vipera  (dvi-pera),  i  ngredi, 

Proll.  Irin.  p.  83. 
aequi-perabile, Plaut,  puerpera,  progredi, 

Cure.  1öS. 
i  m  p  e  r  a  r  e ,  p  a  u  p  e  r  (p  a  u  c  i-p  er),  r  e  g  r  e  d  i  u.a. 

Vor  t  wird  a  zu  e  geschwächt  in: 
d e f e t i g o, Plaut. Fleck-  perpetior, 

eis.ep.  crit.p.  7. 
defetiscor; 


—     318    — 

vor  c  in: 

depeciscor,  imbecillus, 

ohne  dass  sich  in  den  Consonanten  t  und  c  ein  zwingender  Grund 
für  diese  Vokalfärbung  angeben  Hesse. 

Vor  auslautendem  n  erscheint  a  zu  e  geschwächt  in  den  Nomi- 
nativen : 

c  o  r  n  i  ce  n ,  t  i  b  i  c  e  n ,  oscen; 

tubicen,  fidicen, 

vor  auslautendem  m  in: 

autem,  vgl.  tarn,         idem,  vgl.   quidam, 
item,  q  u  i  d  e  m ,     quondam, 

pridem.      vgl.  S.  265  /*. 

Nach  dem  a  trifft  das  e  am  häufigsten  an  der  betreffenden  Stelle 
Vokalschwächung;  und  zwar  kann  es  nur  in  den  einzigen  leichteren 
Vokal,  in  i  übergehen.     So  in: 

colligo,        assideo,  red  im  o,  contineo, 

deligo,         resideo.  coimo,  retineo, 

diligo,  pro  tin  us, 

i  n  d  i  g  e  o  ,  p  r  o  t  i  n  a  m , 

pertinax , 

Der  Vokal  i  offenbart  sich  darin  als  der  leichteste  und 
dünnste  Vokal,  dass  er  im  Stamm  des  zweiten  Composhionsgliedes 
niemals  in  e i n e n  a  n d e r e  n  Vokal  übergeht . 

Es  war  bisher  nur  von  kurzen  Vokalen  die  Rede;  mein 
Widerstand  setzen  natürlich  die  langen  Vokale  der  Abschwächung 
entgegen. 

Doch  findet  sich  a  zu  e  abgeschwächt  in : 
anhelo,  von  hälo, 

e  zu  I  in: 

s  üb  Ulis,  von  tela, 

delmire,  lenis. 

Zu  der  Gewichtsverminderung  durch  Umlautung  tritt  bisweilen 
noch  Kürzung  hinzu.     So  in: 
a  g  n  i  t  u  s  ,  g  n  ö  t  u  s , 

cognitu  s , 

deiero,  iüro. 

peiero, 


—     319     ~~ 

Die  Diphthonge  ai,  ae  und  au  folgen  ihrer  besprochenen  Nei- 
gung sich  zu  einlautigen  Längen  zu  trüben  auch  im  zweiten  Gliede 
der  Composita.     So  verschmilzt  ae  zu  i  in: 

i  n  q  u  i  r  o ,  i  n  i  q  u  u  s  ,  c  o  1 1  i  d  o  , 

requiro  u.  a.,  homicida,  illido, 

existimo,  parricida,  pertisum, 

concido  u.  a.;  d i s t i s u m  ,     Cic. 

Oral.  48,  159; 
au  verschmilzt  zu  o  in. 

suffoco,  explodo, 

c  o  m  p  1  o  d  o ; 
au  zu  u  in: 

accuso,  includo,  defrudo. 

incuso  u.  a.,  concludou.  av 

Indessen  ist  doch  diese  Vokalerleichterung  im  zwcilen 
Compositionsgliede  keine  in  allen  Fällen  dur oh  greifende  und 
zu  allen  Zeiten  in  der  Lateinischen  Sprache  gleich  verbreitete  gewe- 
sen, sondern  der  Stammvokal  des  zweiten  Compositionsgliedes 
konnte  auch  unverändert  bleiben,  und  zwar  aus  verschiedenen  An- 
lässen; einmal  in  blossen  Nebeneinand  erstellungen  zweier 
Worter,  die  entweder  zusammen  gesprochen  oder  geschrieben 
werden  konnten,  wenn  man  nur  eins  von  beiden  mit  dem  Hochton 
sprach,  oder  auch  getrennt  und  jedes  mit  seinem  eigenen  Hoch- 
ton, die  also  nicht  zu  einem  Wortleib  in  unauflöslicher  Einheit  zu- 
sammengewachsen sind.     Solche  Nebeneinanderstellungen  sind: 

I  a  n  u  s  -  p  a  t  e  r  , 

Saturn us -pater, 

Mars  -  pat  er. 

In  ähnlicher  Weise  unterblieb  die  Vokalschwächung,  wo  die  bei- 
den Bestandtheile  der  Zusammensetzung  der  Sprache  noch  lebendig 
als  getrennte  selbständige  Wortformen  im  Bewusstsein  geblieben 
sind,  wie: 

posthabere,  satagere,  assuefacere, 

antec  apere,  satisfacere,  perfacilis, 

circumdare,  calefacere,  permagnus, 

venumdare,  tepefacere,  perplacet, 

pessumdare,  olefacere,  perfacetus  u.  a. 

satisdare,  consuefa  cere, 


—     320     — 

Mitunter  schwankte  die  Sprache,  indem  sie  dieselben  Wort- 
glieder einmal  als  bloss  enklitische  Wortverbindung,  oder  auch  als 
wirkliches  Compositum  fasste.     So  in: 

circumcalcare,    neben  circumculcare, 

cir  cumiacere ,  circumicere, 

circumspargere,  circumspergere. 

Mitunter  unterbleibt  die  gewöhnliche  Abschwächung  des  a  zu 
i  oder  e,  um  Verwechselungen  von  verschiedenen  Wortern  zu 
vermeiden.     So  in: 

d  e  p  a  n  g  o ,  zum  Unterschied  von  d  e  p  i  n  g  o , 

r  e  p  a  n  g  o ,  r  e  p  i  n  g  o , 

expando,  expendo, 

contactum,  contectum. 

In: 

coarguo,  coalesco,  coactus, 

coarto,  coaptare 

unterblieb  die  Abschwächung  des  a  zu  e  und  i,  um  die  Bedeutung 
dieser  Composita  kenntlich  zu  erhalten,  die  sich  verwischte,  wenn  oa 
in  diesen  Wörtern  sich  zu  oi,  oe  verschmolz. 

Aber  auch  ohne  solche  besondere  Gründe  unterbleibt  die  Vo- 
kalschwächung zu  verschiedenen  Zeiten.  Im  Altlateinischen 
war  wie  im  Griechischen  und  Deutschen  die  Präposition  nicht 
untrennbar  mit  dem  Verbum  verbunden,  sondern  sie  konnte  noch 
zu  Lucretius  Zeit  durch  zwischengestellte  Wörter  von  demselben 
getrennt  werden,  eine  Freiheit  die  sich  auch  üoraz  noch  gelegent- 
lich nimmt.  Es  war  naturgemäss,  dass,  so  lange  diese  lose  Verbin- 
dung zwischen  Präposition  und  dem  Verbum  in  der  Volkssprache 
dauerte,  auch  der  Stammvokal  des  Verbum  umgeändert  blieb.  So  las 
daher  Verrius  Flaccus  in  alten  Gebeten: 

ob    vos   sacro,    für    obsecro    vos, 

subvosplaco,  supplico    vobis. 

Fest.  p.  190.  M. 

Aber  auch  in  der  Blüthe  zeit  der  Lateinischen  Sprache  unter- 
bleibt bisweilen  die  in  Rede  stehende  Vokalerleichterung  ohne  er- 
sichtlichen besonderen  Grund ;  so  in : 

impar,  permaneo, 

c  o  m  p  a  r  o ,  c  o  n  t  r  a  h  o , 

redarguo,  neben  rederguo,  convalesco. 

peragro, 


—     321     — 

Häufiger  aber  erscheint  diese  Vokalschwächling  vermieden  in 
der  späteren  Schriftsprache;  so  in  : 

compatior,      infarcio,       praecarpo, 

dehabeo,  obcanto,        praeiaciow.  a. 

desacro,  per anno, 

Solche  Bildungen  sind  Ergebnisse  der  reflektierenden 
Etymologie,  die  richtiger  zu  verfahren  meinte,  wenn  sie  den 
zweiten  TJieil  des  Compositum  ungeänclert  liess. 

Ebenso  wenig  ist  die  Abschwächung  des  e  zu  i  in  der  Wurzel 
des  zweiten  Compositionsgliedes  ohne  Ausnahme  erfolgt,  Sie  unter- 
blieb in: 

congemo,         q  u  a  t  e  n  u  s ,      protenam, 

ingemo,  protenus, 

ebenso  nach  Ausweis  der  besten  Handschriften  in : 

perlego,  peremo, 

praelego,        interemo, 

neglego,  coemo 

neglegentia, 

i  n  t  e  1 1  e  g  o , 
{vgl.  Lachmann,  Lucr.  ind.  Bitschi,  Proll.  Trin.  p.  97.  Sillig,  Plin. 
Praef.  p.  71.   intelleges,  Or.  Henz.  7346),  ohne  dass  sich  dafür 
ein  zwingender  lautlicher  Grund  abgeben  liesse. 
In: 

confero,         consero,         congero,         contero, 

inferou.a.,  inserou.a.,  ingerou.a.,  detero  u.  a. 
war  natürlich  das  r  der  Halt,  der  die  Abschwächung  des  engver- 
wandten und  befreundeten  e  zu  i  verhinderte.  Die  spätere  Volks- 
sprache ist  vermöge  ihrer  Neigung  zu  e  nicht  selten  zu  dem  ur- 
sprünglichen Wurzelvokal  im  zweiten  Theile  des  Compositum  zu- 
rückgekehrt.    So  in: 

vigenti,  7.  N.  3293.  für  viginti,  entstanden  aus  dvi-centi. 

abstenentissimo,  I.  N.  4880. 

substenendi,/.  N.  6310.  206. 

compremo,  Vel.  Long.  p.  2235. 

adsedue,  Fleetrv.S.L  Mon.  Christ.  342,  2. 

concepis,  a.  0.  459,  1. 

Der  Vokal  u  als  Wurzelvokal  bleibt  im  zweiten  Gliede  eines 
Compositum  immer  unverändert ;  so   in  : 

CORSSEN.  21 


—     322     — 

incubo,  concupisco,  contumax. 

e  r  u  b  e  o  , 

s  u  b  r  u  b  i  d  u  s , 

Von  Abschwächimg  des  o  zu  i  im  zweiten  Theile  eines  Com- 
positum ist  ein  sicheres  Beispiel  nur 

illico  für  in  loco; 
in  der  Regel  bleibt  auch  o  unverändert. 

Auch  der  Diphthong  ae  erleidet  die  angegebene  Trübung  nicht 
immer;  das  zeigen  die  Formen: 

c o n q u a e r e  r e ,  /.  repet.  (Serv.)  neben  con q u i r e r e , 
requaereres,  Plaut.  Merc.  633.  requirere, 

exquaero,  PL  Stich.  111.  e x  q u i r o , 

exquaesitum,  Stich.  107. 

pertaesum,  pertisum, 

distaesum,  distisum, 

exaestumo,?/«!//.  ex i st  um o. 

e  x  a  e  s  t  u  m  a  t i  o ,  /.  repet.  (Serv.) 

Im  Oskischen  und  Umbrischcn  scheint  die  A b s c h w ä - 
chung  des  Wurzelvokales  im  zweiten  Composit  ionsgiiede 
nur  selten  durchgedrungen  zu  sein.  So  bleibt  im  Umbrischcn 
a  an  jener  Stelle  unverändert  in: 

a  r  k  a  n  i ,     vgl.  Lat.  a  c  c  i  n  e  r  e ,     P  ro  p  a  r  t  i  e ,  Lat.  P  r  o  p  e  r  t  i  u  s. 
prukanurent,         procinere, 
s  u  b  a  h  t  u ,  s  u  b  i  g  e  r  e , 

a  r  h  a  b  a  s ,  a  d  h  i  b  e  r  e , 

I  u  p  a  t  e  r ,  [  u  p  i  t  er 

(Umbr.  Sprachd.  A.  K. I,  19). 

Im  Oskischen  unterbleibt  die  Abschuä'chung  des  a  in  den  Kom- 
positen 
aamanaffed, 

anters  latai,     vgl.   Ltd.  inter  stiti  um  , 

Praestites, 
(Momms.  Unk  Dial.  Gloss. )     aatisti  tarn. 

Es  finden  sich  wohl  einzelne  Spuren,  dass  die  Yokalerleichte- 
rung  im  zweiten  Compositionsgliede  auch  in  diesen  Dialekten  nicht 
unerhört  war;  doch  sind  dieselben  noch  nicht  unzweifelhaft  sicher 
gestellt. 

Also  folgendes  sind  die  Ergebnisse  der  bisherigen  Unter- 
suchung. 


—     323     — 

A  sinkt  zu  u  vor  den  Labialen  b,  p,  v,  m,  vor  einfachem  1  und  vor  1 

mit  folgendem  Consonanten. 
A  sinkt  zu  e  in  geschlossener  Silbe  vor  gehäuften  Consonanten  und 

vor  r. 
A  wird  zu  i  abgeschwächt  vor  allen  anderen  einfachen  Consonanten 

ausser  den  genannten. 
E  sinkt  oft  zu  i. 

0  bleibt  in  der  Regel  unverändert. 
U  bleibt  stets  ungeändert. 

1  als  der  dünnste  und  leichteste  Vokal  ist  keiner  weiteren  Erleich- 
terung fähig. 

Diese  Vokalschwächung  im  zweiten   Theil    der  Composita  ist 
indessen  im  Lateinischen  nur  zum  Theil  durchgedrungen. 

Es  bleibt  nun  die  Frage   nach  dem  (I  runde   dieser  Vokal- 
schwächung zu  beantworten.     Die  auf  den  Vokal  folgenden  Conso- 
nanten haben  sie  nicht  veranlasst,  denn  sonst  hätte  dieselbe  Ab- 
schwächung  auch  im  einfachen  Worte  stattgefunden,  wo  der  Vokal 
in  der  Nachbarschaft  derselben  Consonanten  stand.    Diese  wirkten 
nur  mit  in  sofern  sie,  nachdem  die  Bedingung  und  der  Anstoss  zur 
Vokalschwächung  gegeben  war,  bestimmten,  ob  a  zu  u,  e  oder  i 
geschwächt  werden  sollte.     Potts  Ansicht  (Eiym.  Forsch.  I,  65), 
dass  der  Vokal  im  Compositum  sich  zuspitze,   weil  die  Bedeutung 
des  Compositum  eine  engere  geworden  sei  als  die  des  Simplex,  setzt 
ein  Sprachgesetz  voraus,  als  ob  die  Wesen  und  Begriffe  von  weiter 
Bedeutung  auch  durch  Wortformen  mit  vollen,  schweren  Vokalen, 
die  von  enger  Bedeutung  auch  durch  Wörter  mit  spitzen  und  leich- 
ten Vokalen  bezeichnet  würden.     Da  es  aber  ein  solches  Sprach- 
gesetz nicht  giebt,  so  ist  auch  jene  Ansicht  nicht  begründet.     Den 
Grund  der  in  Rede  stehenden  Lautschwächung  hat  Dietrich  {Zur 
Geschichte  des  Accenis  im  Lateinischen,  Zeitschr.  für  vergL  Sprach/. 
I,  543  f.)  richtig  erkannt.     Er  liegt  darin,  dass  nach  der  älteren 
Lateinischen  Betonungsweise  in  allen  Compositen  der  zweite  Be- 
standteil derselben  den  Hochton  verlor,  also  nicht  bloss  in 
Formen  wie  cöneipit,  pröhibet,  liippiter,  sondern  auch  in 
solchen   wie   defendi,    inermis,    diluvium,  conditio   u.   a. 
Der  Hochfon  wird  nach  diesem  Betonungsgesetz,  von  dem  weiter 
unten  im  Zusammenhange  die  Rede  sein  wird,  auf  den  die  Bedeu- 
tung genauer  bestimmenden  und  begrenzenden  Theil  des  Compo- 
situm gelegt,  und  das  ist  der  erste.     Oben  ist  gezeigt  worden,  wie 

21* 


—     324     — 

a  in  tieftonigen  Ableitungssilben  im  Lateinischen  so  vielfach  zu  an- 
deren Vokalen  geschwächt  wurde.  Dazu  stimmt  es,  dass  a  auch  im 
zweiten  Theile  der  Composita  mit  dem  Hochton  am  häufigsten 
sein  edles  Selbst  verlor  und  zu  u,  i,  e  herabsank,  je  nachdem  die 
benachbarten  Consonanten  es  bedingten,  die  ihm,  so  lange  es  vom 
Hochton  getragen  ward,  nichts  hatten  anhaben  können.  Den  an- 
deren minder  edlen  Vokalen  ging  der  Verlust  des  Hochlones  nicht 
so  sehr  ans  Leben,  weil  sie  mehr  geeignet  und  gewöhnt  waren  in 
tieftonigen  Silben  zu  stehen  und  allerhand  Wahlverwandtschaften 
mit  benachbarten  Consonanten  hatten,  von  denen  sie  gehalten  wur- 
den, wie  dies  bereits  dargelegt  ist. 

Eine  andere  Art  der  Vokalschwächung  trifft  den  auslauten- 
den Stammvokal  des  zweiten  Theiles  der  Composita,  der  zum 
Theil  zum  leichtesten  und  dünnsten  Vokal,  zu  i  herabsinkt. 

So  schwächen  sich  die  Vokale  a,  o,  u  der  einfachen  Stämme, 
durch  welche  ihre  Declination  bestimmt  wird,  zu  i  ab,  wenn  die- 
selben als  zweites  Glied  eines  Compositum  auftreten.    So: 


a  in: 

o  in : 

u  in : 

bilinguis, 

e  x  a  n  i  m  i  s , 

b  i  c  o  r  n  i 

e  1  i  n  g  u  i  s , 

s  e  m  i  a  n  i  m  i  s , 

i  in  b  e  r  b  i  s , 

b  i  e  n  n  i  s , 

b  i  c  o  r  n  i  s , 

t  r  i  e  n  n  i  s , 

biformis, 

bilustris, 

triformis, 

bi  ine  m  bris, 

multiformis, 

b  i  r  e  m  i  s , 

- 

b  i  p  e  n  n  i  s , 

i  n  s  i  g  n  i  s , 

s üb  tili s, 

i  n  e  r  m  i  s, 

Das  Zurücktreten  des  II  och  ton  es  auf  das  die  Bedeutung 
bestimmende  erste  Glied  der  Compositum  und  die  Entfernung  des- 
selben von  der  Endsilbe  veranlasste,  dass  der  Vokal  in  der  End- 
silbe sich  erleichterte  und  schwächte.  Schon  oben  ist  geieigl 
worden,  wie  die  Lateinische  Sprache  in  der  Nichtachtung  und 
Schwächung  ihrer  Endsilben  so  weil  ging,  dass  sie  ihre  Deelin.itio- 
nen  darüber  verlor.  In  dem  Abschnitt  über  die  Kürzung  und  über 
das  Schwinden  der  Vokale  werden  sich  weitere  Belege  dafür  linden. 

Oben  ist  gesagt  worden,  dass  die  Beduplication  Compo- 
sitio'n  des  Wortstammes  mit  sich  seihst  sei.  wovon  ja 
auch  die  Lateinische  Sprache  inWortformen  wie  furfur,  lurtur, 
cincinnus,tinti  nnire  u.a.  noch Zeugniss ablegt  Seit  unvordenk 


—     325    — 

liehen  Zeiten  aber  tritt  die  Reduplication  der  Verbalstämme  in  der 
abg'eschwächteren  Form  auf,  dass  nur  der  anlautende  Con so- 
tt a  n  t  mit  dem  ihm  folgenden  V  o  k  a  1  dem  einfachen  Wortstamme 
vorgesetzt  erscheint.  In  diesem  Falle  erleidet  nun  sowohl  der  Vo- 
kal der  R  e  d  u  p  l  i  c  a  t  i  o  n  s  s  i  1  b  e  als  der  Wurzelvokal  des  Stam- 
mes häufig  in  den  Indogermanischen  Sprachen  Schwächungen. 
Was  zunächst  den  Vokal  der  Reduplicationssilbe  anbelangt,  so 
erlitt  derselbe  schon  im  Sanskrit  Kürzung  oder  Gewichts- 
verminderung, trotzdem  dass  er  in  dieser  Sprache  doch  immer 
in  hochbetonter  Silbe  stand.  Wenn  diese  Vokalerleichterung  im 
Griechischen  und  Lateinischen  noch  weiter  griff,  so  dass  wir  in  den 
meisten  Fällen  einen  der  leichtesten  Vokale  e  in  der  Reduplications- 
silbe finden,  wie  in  Tdra%a,  n e x Xocpa,  pepuli,  tetigi,  so  ist 
das  erklärlich,  einmal  weil  beide  Sprachen  ja  oft  hochbetontes  a  des 
Sanskrit  zu  hochbetontem  e  sinken  lassen,  dann  aber,  weil  in  die- 
sen beiden  Sprachen  der  Hoch  ton,  gebunden  durch  die  Silben- 
zahl, wie  weiter  unten  erhellen  wird,  nicht  fest  auf  der  Redupli- 
cationssilbe blieb,  sondern  durch  das  Herantreten  von  Suffixen  an 
den  Wortstamm  vorgerückt  wurde. 

Aus  dem  Streben  nach  Erleichterung  der  Redupli- 
cationssilbe folgtf  dass  der  schwerste  und  vollste  Vokal  a  in  den 
Italischen  Sprachen  am  wenigsten  geeignet  war,  in  derselben  Stand 
zuhalten,  also  immer  zu  e  geschwächt  erscheint.  Wie  die  Oski- 
schen  Formen: 

fefacust,  fefaeid  (3/omms.  Unt.  Dial.  Gloss.) 
zeigen,  die  vom  Stamme  fac-  reduplicirt  sind,  lauteten  also  auch  die 
Lateinischen  Praeterita  der  Stämme  pag-,   tag-,    cad-,    can-, 
fall-,  p  a  r  c  - ,  p  a  r  -  ursprünglich : 

pepagi,  cecadi,  cecani,  fefalli,  peparci,  pepari, 

tetagi. 
und  daraus  wurde  durch  die  Abschwächung  des  a  zu  e  und  i  in  der 
Wurzelsilbe  des  zweiten  Compositionsgliedcs: 

pepigi,  cecidi,  cecini,  fefelli,  peperci,  peperi 

tetigi 
Auch  vom  Stamme  caed-  lautete  ursprünglich  die  red  uplicirte  Form: 

c  e  c  a  e  d  i ; 
wie  aber  pertaesum  zu  pertisum,   exquaero  zu  exqulro 
u.  a,,  so  ward  cecaedi  zu: 

cecidi. 


—     326     — 

Die  nächst  schweren  Vokale  nach  a,  nämlich  o  und  u,  waren  in 
der  Reduplicationssilhe  schon  erträglich ;  das  zeigen  die  Formen : 

poposci,  spopondi,  totondi,  momordi 
und : 

pupugi,  tutudi,  cucurri. 

Doch  war  die  Sprache  auf  dem  Wege,  auch  in  solchen  Perfec- 
ten  den  Vokal  der  Reduplicationssilhe  zu  erleichtern;  wie  die  allen 
Formen : 

p e p o  s c i ,    s p e s p o n d i ,   memordi, 

pepugi,      tetuli,  cecurri 

zeigen,  die  sowohl  zu  Ennius  und  Plautus  als  zu  Cäsar s  und 
Cicero's  Zeit  vorkommen.    (Gell.  VI,  9.) 
Das  i  der  Reduplicationssilhe  von: 

didici  und  sciseidi  (Naev.  Enn.  AU.  Prise.  X,  24.  H.) 
hielt  sich  um  so  eher,  als  sich  auch  im  Lateinischen  ein  stellvertre- 
tendes i.der  Reduplicationssilhe  findet  in  den  Formen: 

sisto,  bibo,  gigno, 
wie  so  oft  im  Griechischen. 
In: 

tetendi,  pependi 
erlitt  das  e  des  Stammes  auch  in  der  RedupftVationssilbe  natürlich 
keine  Veränderung;  in: 

pepedi 
kürzte  es  sich. 

Wie  ist  nun  der  Abfall  der  hochbetonten  Reduplicationssilhe  in: 

Ulli,  seidi,  hihi 
und  wahrscheinlich  noch  in  manchen  anderen  Verben  zu  erklären, 
von  denen  uns  keine  bestimmte  Kunde  mehr  geblieben  ist?  Die 
Composita  der  rcduplicierlen  Verba  geben  uns  darüber  Aul'schluss. 
deren  Perfecta  mit  Ausnahme  derer  von  curro  wie  decueurri 
u.  a.  sämmtlich  die  Reduplicationssilhe  einbttssten.  Nach  Alilatei- 
nischem  Betonungsgesel/  wurde  betont  cöntetigit,  fmpepigit, 
cöncecinit,  ineeeidit,  cöntutudit.  Als  nun  die  Sprache  zu 
dem  Gesetz  zu  neigen  begann,  den  Accenl  an  die  drei  letzten  Silben 
ZU  binden,  sliess  sie  den  Reduplicationsvokal  aus;  das  zeigen  am 
deutlichsten  die  Perfectformen: 

r  e  c  C  idit,      r  e  I  I  u  1  i  I ,     r  e  p  p  u  1  i  I ,     r  e  p  p  e  r  i  I 
für    reeeeidil,  reletuUt,  repepul  iL    rgpeperit.       St»     ge- 
wöhnte sich  das  Ohr  in  Gompositen  Perfectformen  wie  luli,  seidi 


—     327     — 

u.  a.  zu  hören.  Sobald  nun  das  neue  Betonungsgesetz  im  Latei- 
nischen zur  Geltung  kam,  musste  der  Hochton  in  den  reduplicierten 
Formen,  die  mehr  als  drei  Silben  hatten,  vorrücken,  wie  in  tetu- 
listi,  tetulistis,  sei  seid  er  unt,  und  nun  konnte  in  der  tief- 
tonigen  Silbe  der  Vokal  e  dieser  Formen  ausfallen.  Dem  Beispiel 
dieser  Formen  folgten  dann  auch  dreisilbige  Formen  mit  kurzer  Pen- 
ultima  und  so  gewöhnte  man  sich  statt  sei  seid  i,  tetuli  auch 
seidi,  tuli  zu  sprechen. 

Es  bleibt  nun  noch  der  Grund  zu  erklären,  weshalb  sich  der 
Vokal  a  in  der  Stammsilbe  der  reduplicierten  Praetcrita  zu  i  und  e 
abschwächte.     Man  vergleiche  nur: 

impingo,  p  e  p  i  g  i , 

c  o  n  t  i  n  g  o ,  tetig  i , 

coneido,  cecidi, 

t  üb  i  ein  es,  cecini, 

refello,  fefclli, 

p  u  e  r  p  e  r  a ,  p  e  p  e  r  i , 

c  o  n  t  e  n  d  o ,  t  e  t  e  n  d  i , 

suspendeo,  pependi, 

und  man  wird  nicht  verkennen  können,  dass  in  dencomponierten  wie 
in  den  reduplicierten  Formen  das  Z  u  r  ii  c k  t r  c  t e  n  des  H  o  c  h  - 
tones  von  der  Stammsilbe  infolge  des  vorgetretenen  Präfixes  die 
Vokalschwächung  im  Wurzelvokal  herbeigeführt  wurde,  und  dass  die 
Natur  des  ursprünglichen  Vokales  wie  die  benachbarten  Consonanten 
die  Art  der  Schwächung  bestimmten,  wie  dies  Dietrich  richtig  er- 
kannt hat.  In  der  Reduplication  der  Praeterita  ist  also  dasselbe 
Lautschwächungsgesetz  wirksam  wie  in  der  vollständigen  Redupli- 
cation der  Subslantiva,  wie: 

Mamers,  neben  Marmar,  (Carm.  Arv.) 

c  a  r  c  e  r  %  d  q  k  a  q  o  g , 

farferus,  farfarus, 

und  in  diesen  Formen  liegt  eine  Bestätigung  für  die  Richtigkeit  der 
vorstehenden  Auffassung  *). 


*)  Weil  und  Benloew  ,  Th.  gen.  de  C Accent.  Lat.  p.  144  f.  nehmen 
irrig  an,  das  auslautende  I  des  Perff  habe  in  den  reduplicierten  Perfect- 
formen  zuerst  den  Stammvokal  umgelautet,  und  dann  auch  den 
Reduplicationsvokal,  also  aus  tatagi  sei  erst  tatigi,  dann 
tetigi  geworden.  Dagegen  ist  erstens  zu  sagen,  dass  im  Lateinischen 
i  ein  a  einer  vorhergehenden  Silbe  niemals  zu   i  umgelautet  hat.     Aber 


—    328     — 

angenommen  auch  aus  tatagi  könne  tatigi  umlauten:  warum  unter- 
blieb denn  der  Umlaut  in  pupugi,  tutudi?  Dass  das  u  gerade  em- 
pfänglich war  für  den  Umlaut,  zeigen  ja  die  Formen  wie  consilium, 
familia,  Tricipitinus  (caput).  In  pepuli,  tetuli  soll  die  Vor- 
liebe des  1  für  u  den  Umlaut  verhindert  haben.  Man  vergleiche  aber 
Siculus,  famulus,  consul,  facultas,  simultas  mit  Sicilia, 
familia,  consilium,  facilitas,  similitudo,  und  man  sieht,  wie 
wenig  diese  Vorliebe  den  Umlaut  hindern  konnte.  Inmomordi,  po- 
posci,  spopondi,  cucurri  soll  wieder  die  Position  die  Wirksamkeit 
des  Umlautes  gehindert  haben.  Dann  müsste  sie  auch  fefalli,  pe- 
parci  vor  Umlautung  zu  fefelli,  peperci  gewahrt  haben.  Wo  wäre 
endlich  in  der  Lateinischen  Lautlehre  erhört,  dass  ein  I  der  letzten 
Silbe  ein  a ,  o  ,  u  der  drittletzten  zu  e  wandeln  könnte ,  und  vollends, 
wie  ist  es  auch  nur  denkbar,  dass  dies  i  z.  B.  in  memordi,  tetondi 
den  Vokal  der  vorhergehenden  Silbe  unangetastet  lassen,  den  der  dritt- 
letzten umlauten  sollte  ?   Der  Irrthum  jener  Gelehrten  liegt  auf  der  Hand. 


G.     Kürzung    der    Vokale. 

In  den  vorhergehenden  Ahsehnitten  ist  dargethan  worden,  wie 
D  iphtho  nge  der  Lateinischen  Sprache  sich  zu  eintönigen  Längen 
trübten,  wie  einfache  Vokale  umlauteten,  sich  erleich- 
terten und  schwächten,  wie  die  Mannigfaltigkeit  und  das  Gewicht 
der  Vokale  in  der  Entwicklung  der  Sprache  dahinschwand.  Es  ist 
nun  zu  zeigen,  wie  die  Vokale  auch  in  ihrer  Tondauer  verküm- 
merten wie  in  Tonfärbung  und  Tongewicbt,  wie  lange  Vokale 
sich  im  Laufe  der  Zeit  kürzten,  und  daher  jenes  Schwanken  in 
der  Messung  der  Vokale  entstanden  ist ,  das  wir  in  der  lUüthe- 
zeit  der  römischen Litteratur  wahrnehmen,  so  dass  die  Hegeln  über 
die  Quantität  derselhen,  wie  sie  in  Grammatiken  and  Lehrbüchern 
aufgestellt  sind,  als  ein  Gemengse!  von  Willkührlichkeiten  und  Zu- 
fälligkeiten erscheinen.  Lud  doch  hat  die  Sprache  auch  hier  in 
ihrer  Entwickelung  keine  Böckssprünge  gemacht,  sondern  sie  ist 
auch  hier  einem  stiitig  wirkenden  organischen  Triebe  gefolgt.  Frei- 
lich ist  dieses  ein  organisches  Leiden  der  Lateinischen  Sprache,  ein 
Theil  jener  Auszehrung  des  Vokalismus,  deren  Symptome  ja  über- 
haupt hier  verfolgt  werden. 

liier  soll  nur  die  Kürzung  der  Vokale  vor  Con  sonan  I  en 
in  Betracht  gezogen  werden,  da  die  Kürzung  der  Vokale  vor  Voka- 
len von  der  Vokalverschmelzung  so  sehr  bedingt  ist,  dass  sie  ers(  in 


—     329     — 

Verbindung  mit  dieser  in  ihrem  Wesen  erkannt  werden  kann.  In 
dem  Abschnitt  von  den  irrationalen  Vokalen  vor  Vokalen  also  wird 
die  Kürzung  derselben  in  dieser  Lautverbindung  besprochen  werden. 

1)  Vokalkürzung  in  Endsilben. 
Insbesondere  hat  die  Kürzung  der  Vokale  die  Endsil- 
ben der  Wörter  betroffen,  diese  ist  also  zuerst  zu  behandeln.     Die 
Vergleichung  der  Lateinischen  Declinationsformen  und  Conjugations- 
endungen  unter  sich  und  mit  den  entsprechenden  Bildungen  in  ver- 
wandten Sprachen  Hess  über  die  Thatsache  im  Ganzen  längst  keinen 
Zweifel,  musste   aber  doch  dahingestellt  sein  lassen,   in  welchem 
Zeitalter    der  Lateinischen  Sprache    diese  Vokalkürzungen  ein- 
gerissen  seien.     Die  handschriftliche  und  kritische  Forschung  hat 
über  diesen  Punkt  in  neuester  Zeit  Licht  verbreitet,  indem  sie  nach- 
wies, wie  zahlreiche  Vokale  in  Endsilben  bei  den  älteren  Römi- 
schen Dichtern  lang  gemessen  vorkommen,  welche  die  Vers- 
kunst der  Augusteischen  Zeit  entweder  nur  als  Kürzen  kennt, 
oder  doch  nur  unter  Mitwirkung  metrisch-rhythmischer  Bedingun- 
gen wie  Cäsur  und  Vershebung  in  einzelnen  Fällen  als  Län- 
gen duldet.    Ritschis  kritischem  Scharfsinn  verdankt  es  die  Wis- 
senschaft zunächst  für  P laut  us  diese  Thatsache  aus  der  Fundgrube 
des  Ambrosianischen  Palimpsestes  ans  Licht  gestellt  und  früheren 
verkehrten  Auffassungen  gegenüber  zur  Geltung  gebracht  zu  haben 
(Proli.  Trin.  Cap.  XIII  p.  165  f.).  Die  Ergebnisse  dieser  Forschung 
sind  von  Fleckeisen  in  erheblicher  Weise  erweitert  und  gefördert 
worden    (Recension  des   Ritschlschen  Pläutus,    Neue  Jahrb.  XLI, 
p.  17  ff.)  nicht  bloss  für  Plautus,  sondern  auch  für  die  spätere  Rö- 
mische Dichtung.    Lachmanns  feine  Beobachtungen  im  Commen- 
tar  zum  Lucrez  brachten  neue  Beiträge,  die  zu  den  gewonnenen  Re- 
sultaten trefflich  stimmten.    Seitdem  sind  durch  die  Herausgabe  der 
Fragmente  älterer  Römischer  Dichter  neue  Belege  für  die  vorliegende 
sprachliche  Thatsache  ans  Licht  getreten.     Die  folgende  Untersu- 
chung wird  auf  diesen  Forschungen  weiter  bauen  und  den  Umfang 
und  die  Bedeutung  der  Vokalkürzung  in  Endsilben  vom  sprach - 
geschichtlichen  Standpunkte  aus  erörtern. 

Lange  Vokale  der  Endsilben  werden  inr Lateinischen  gekürzt, 
sowohl  wenn  sie  im  Auslaut  stehen ,  als  wenn  sie  den  auslau- 
tenden Consonanten  t,  s,  r,  1,  m,  n  unmittelbar  vor- 
her gehen.     Es  ist  für  die  Beweisführung  erspriesslich  den  Stoff 


—     330     - 

so  zu  ordnen,  dass  zuerst  die  Vokalkürzung  im  Auslaut,  dann 
vor  jedem  der  genannten  Consonanten  der  Reihe  nach  der 
Prüfung  unterzogen  wird.  Zunächst  sollen  hier  also  die  Fälle  be- 
sprochen werden,  wo  a,  e,  i,  o  im  Auslaute  sich  gekürzt  haben. 
Auslautendes  a  kürzte  sich  in  folgenden  Fällen. 
Das  a  der  femininen  A-stämme  in  den  Indogermanischen  Spra- 
chen war  ursprünglich  lang.  So  hat  das  Sanskrit  stets  gewahrt, 
im  Griechischen  am  häufigsten  der  Dorische  Dialekt,  im  Allge- 
meinen wurde  es  aber  in  dieser  Sprache  ausser  nach  Vokalen  und 
dem  vokalähnlichsten  Laut  o  in  der  Regel  zu  rj  getrübt  oder  zu  ä 
verkürzt.  Die  Lateinische  Sprache  hat  die  Länge  dieses  a  überall 
im  Ablativ  gewahrt;  im  Nominativ  erscheint  es  in  der  Sprache 
der  letzten  Zeit  der  Republik  und  des  Augustus  überall  zu  ä  ge- 
kürzt. Aber  in  den  Dichtungen  aus  der  Zeit  der  Punischen  und 
Macedonischen  Kriege  findet  sich  das  a  auch  im  Nominativ  noch 
in  seiner  ursprünglichen  Lange. 

So  sind  bei  Ennius  gemessen  die  Nominative: 
aquilä:  Enn.  p.  rell.  Vahlen,  Annal.  v.  148: 

Et  d e n s i s  a q u i  1  ä  p e n n  i  s  o b n i x a  v o  1  a b a t. 
ageä.    Annal.  v.  484: 

M u  1 1 a  f o r o  p o n i t  et  ageä  longa  r  e  p  1  e  t  ur. 

Nach  der  handschriftlichen  Ueberlieferung  findet  sich  die  Lange 
dieses  a  bei  Plautus  gewahrt  in  den  Nominativen : 
epist  ulä  ,  Asin.  762  : 

N e  e p i s t u I a  q u i d  e m  ü  1 1  a  s i t  in  a cd ib u s. 
Lunä,  Bacch.  255: 

Volcänus,  Sol,  Luna,  Dies,  di  quättuor. 
liberä,  Epid.  III,  4,  62: 

Po  tuit;  plus  iam  sinn  libcni  q  uinqu  ni  ni  um. 

Eben  so  sind  gemessen  in  einem  Salurnischen  Vers  des  Li- 
v  i  u  s  A  n  d  r  o  n  i  c  u  s : 
sanetä,  Prise.  VI,  42.  //. 
filiä,  a.  0.: 

Sa n  eta,  p  u  e r  S a t  ü  r  n  i ,  füii  regina. 

So  gemessen  erscheint  hier  ein  regelrechter  Saturnischer  Vers, 
wie  die  alten  Grammatiker  das  Schema  überliefern.  Fand  sich  das 
lange  a  des  Nominativs  noch  bei  Ennius,  sc»  war  es  natürlich, 
dass  es  auch  hei  Livius  Andronicus  wie  bei  Plautus  so  vorkam,  und 
Aenderungen  der  handschriftlichen  Ueberlieferung  im  Plautus,  um  es 


—     331      — 

zu  beseitigen,    müssen  daher  jedenfalls  als  bedenklich  erscheinen. 
In  den  Grabschriften  der  Scipionen  erscheinen  eben  so  gemessen: 
vitä,  T.  Com.  Scip.  Cn.f.  Cn.  n.: 

Quoieivitadefecit,  nön  honös,  honöre. 
famä,  t.  P.  Com.  Scip.  P.  f.: 

Honös  famävirtüsque  g  1 6  r  i  a  ä  t  q  u  e  i  n  g  e  n  i  u  m. 
tuä,  a.  0.: 

Mors  perfecit  tua,  ut  essent  ömnia  brövia. 

Misst  man  diese  Verse  so,  dann  stimmen  sie  ebenfalls  zu  dem 
von  den  Grammatikern  überlieferten  Schema  des  Satlirnischen  Ver- 
ses, und  man  ist  nicht  genöthigt  zu  der  Annahme  seine  Zuflucht  zu 
nehmen,  dass  in  diesen  Versen  Thesen  ganz  ausgefallen  seien,  eine 
Annahme,  die  man  doch  als  eine  unumstössliche  Thatsache  durchaus 
noch  nicht  ansehen  kann.  Sind  auch  djese  beiden  Scipionenin- 
schriften  jünger  als  Ennius,  so  gehören  sie  doch  derselben  Zeit- 
epochc  in  der  Sprachentwickelung  an,  und  es  war  natürlich,  dass  in 
dem  alten  volkstümlichen  Versmasse  derselben  auch  die  alte  Mes- 
sung des  femininen  a  beibehalten  wurde,  dass  das  a  noch  lang  ge- 
nug tönte,  um  eine  Vershebung  tragen  zu  können. 

Später  erscheint  das  a  des  Nominativs  der  femininen  Stämme 
überall  gekürzt.     Auch  das  auslautende  a  des  Ablativs  hat  sich 
bisweilen  gekürzt;   so  in: 
contra, 

eine  Ablativform  wie  ex  trad,   suprad  (Sc.  d.  Baccari).     Diese 
findet  sich  bei  Ausonius,  Epigr.  Theod.  v.  16: 
contra  geinessen: 

Saepe  mora  est,  quoties  contra  parem  dubites. 
Dass  die  Kürze  des  a  in : 
itä 

nicht  ursprünglich  ist,  erweist  dasselbe  Wort  im  Sanskrit  ithä. 
So  erscheint  denn  das  a  von  ita  noch  lang  gemessen  unter  der  Vers- 
hebung in  der  Grabschrift  des  Naevius,  die  er  sich  selbst  gesetzt, 
Gell.  N.  A.  I,  24: 

Itäque  pöstqu  a  m  est  örchi  tradi  tu  s  thensaüro. 

Misst  man  den  Vers  so,  dann  wird  man  nicht  zu  der  Annahme 
des  Wegfalls  einer  These  genöthigt,  wie  dies  bei  den  Messungen  von 
Hertz  (a.  0.).  'Itaque  pöstqu  am  st  örchi,  und  von  Fleckeisen 
(Krit.  Ältlat.  Dichter  fr.  b.  Gell.  p.  12):  Itäque  postquämst 
örchi,  der  Fall  ist.    Diese  Annahme  erscheint  um  so  bedenklicher, 


—     332    — 

als  sonst  in  der  aus  vier  Versen  bestehenden  Grabschrift  keine  ein- 
zige These  wegfällt.  Ita  ist  nun  seinem  Ursprünge  nach  eine 
Ablativform ,  zusammengesetzt  aus  den  beiden  Pronominalstämmen 
i-  und  ta-  (to-);  tä-  für  tad  ist  Ablativ  desselben  femininen 
Stammes  ta-,  von  dem  tarn  Accusativ  ist,  zu  dessen  masculinem 
Stamme  to-tum  die  Accusativform  ist.  Wie  tam-quam,  tum- 
cum  so  entsprachen  sich  tä,    so,   und  qua,  wie. 

Die  auf  a  auslautenden  Zahlwörter  wie  triginta,  quadra- 
ginta  u.  a.  zeigen  bei  den  älteren  Dichtern  ein  langes  a,  man 
muss  daher  auf  dem  Boden  der  Lateinischen  Sprache  diese  Quanti- 
tät für  die  ursprüngliche  halten,  so  wenig  das  auch  mit  den  ver- 
wandten Sprachen  in  Einklang  zu  bringen  ist.  Bei  späteren  Dich- 
tern erscheint  dies  a  auch  kurz.  So  in : 
triginta,  Manil.  II,  321. 
septuaginta,  Anthol.  Lat.  IV,  283.   314. 

Das  auslautende  a  der  A-conjugation  hat  sich  sonst  lang  erhal- 
ten selbst  in  da,  während  es  in  dät,  dahat  schon  zu  Plautus  Zeit 
gekürzt  erscheint.     Aber  in  der  iambischen  Wortform: 

rogä 
ist  es  bei  Plautus  wie  die  auslautende  Silbe  anderer  iambischer 
Wortformen  gekürzt  (Bitschi,  Proll.  Trin.  p.  1  65). 
Auslautendes  e  wird  gekürzt  in  folgenden  Fällen. 
Der  Ablativ  Singular is  der  I-stämme  und  der  consonanti- 
schen  Stämme  erscheint  in  der  Verskunst  der  Augusteischen  Zeit 
kurz  gemessen;  aber  sowohl  Inschriften  als  die  Messung  bei  älteren 
Dichtern  verbürgen  die  ursprüngliche  Länge  dieses  e.    Auf  Inschrif- 
ten älterer  Zeit  ist  dasselbe  durch  Ei  wiedergegeben  in: 
p  a  r  t  e  i ,  /.  Jul.  munieip. 
fontei,  tob.  Genua L 

vir t ute i,  t.  Scip.  Cn.  f.  Cn.  n.  Or.  555. 
I s  h i c  si t u s  qu i  nünqu a m  vi ctus  est  virtii tei. 
Lang  erscheint  diese  Ablativendung  noch  bei  Ennius  in 
montei,  Annal.  Vahl.  v.  420.     Fest  p.  343.    MuelL:  monte, 
vgl.  Hertz,  Prise.  VI,  p.  260.   Serr.  \  .  Aen.  VII,  568: 
Tumcavasub  m o ntei  late  specus  intua  patebat 
Ebenso  ist  das  e  noch  laug  gemessen  in  einer  der  beiden  älte- 
sten Scipionengrabschriften. 
p  a  t  r  e ,  T.  Scip.  Barb.  :■ 
G  naivöd  patre  prognätus,  förtis  vir  sapiensqu  e. 


—    333     — 

Zur  Erklärung  des  langen  Vokales  in  diesen  Ablativformen  ist 
folgendes  anzuführen.  Dass  sie  sämmtlich  ein  auslautendes  d  ein- 
gebiisst  haben,  zeigen  die  schon  erwähnten  Ablativformen: 

A-stämme,  O-slämme,  1-stämme,  U-stämme,  Com -stamme, 
Lat.  Hin n ad,    oquoltod,      marid,     senatud,    airid, 

extrad,     poplicod,  coventio- 

suprad,     molticatod,  nid, 

ead,r  Gnaivod, 

sententiad, 
(M\suvad,       contrud,    praesentid,    castrid,    ligud, 

entrad,     dolud,- 
malud, 
preivatud. 
{Vgl.  Momms.  Uni.  Dial.p.  228.  230.  Gloss.) 

Dass  der  Vokal  in  allen  diesen  Formen  vor  dem  auslautenden  d 
lang  war,  zeigt  das  Sanskrit,  das  vor  dem  Ablativzeichen  t,  aus 
welchem  d  auf  Italischem  Boden  abgeschwächt  ist,  das  kurze  a  sei- 
ner A-slämme,  die  den  Griechischen  und  Lateinischen  0- stammen 
entsprechen,  gelängt  hat.  Das  Griechische  hat  diese  Ablativform 
gewahrt  in  den  Adverbien  auf-cag  für  -gjt,  und  auch  hier  erscheint 
der  Vokal  vor  dem  Ablativzeichen  gelängt,  wie  o^icjg  vom  Stamme 
o{io-  zeigt  {Bopp,  Vergl.  Gr.  S.  345.  Ite  Ausg.)  Demnach  sind 
auch  die  langen  Vokale  ä,  ö,  ü,  F,  ei,  e  der  Lateinischen  Ablative 
von  Stämmen,  die  auf  ä,  Ö,  ü,  i  auslauten,  schon  vor  Abfall  des 
auslautenden  d  lang  gewesen.  Die  Ablativformen  virtutel, 
patre  aber  von  den  Stämmen  vir  tut-,  pater-  zeigen,  dass  das 
ablativische  d  (t)  an  consonantisch  auslautende  Stämme  im  Lateini- 
schen mittels  eines  langen  Bindevokales  -e,  -ei  angetreten  ist, 
der  in  früherer  Zeit  noch  lang  blieb,  auch  nachdem  das  d  abgefal- 
len war. 

Das  Lateinische  hat  auf  d  auslautende  Ablativformen  auch  noch 
in   späterer  Zeit  gewahrt;    so  in  den  Ablativen  von  den  Stämmen 
der  Personalpronomen  mi-,  ti-,  si-,  wie  sie  sich  in  mihi,  tibi, 
sibi  zeigen,  in: 
m  e  d , 
ted, 
sed, 

Die  Länge  dieser  Ablativformen  ergiebt  sich  aus  der  Messung 
der  älteren  Dichter  ;  so : 


—     334     — 

Plaut.  Men.  492 :  Fecisti  funus  med  absenteprändio. 

Plaut.  Asin.  111 :  Apstedaccipiat... 

Caecü.  Com.  Ribb.  p.    31:   Sed    e  g  o    s  t  o  1  i  d  u  s ,   g  r  ä  t  u  1  a  t  u  m 

med  oportebät  prius. 
Caecü.  a.  O.p.  40:  Filius  in  med  incedit .  .  . 
Enn.  frag.  Ribb.  p.  28.     Vahl.  p.  114:  Ted   exposco  ut   höc 

consilium... 

Wenn  nun  med  und  ted  lang  waren,  ehe  sie  durch  Abfall  des 
d  zu  me  und  te  wurden,  so  war  auch  sed  lang,  ehe  es  sich  zu  se 
abstumpfte.  Wie  frühzeitig  übrigens  die  Formen  med,  sed,  ted 
auch  für  den  Accusativ  gebraucht  wurden,  zeigt  neben  dem  Gebrauch 
der  älteren  Dichter  die  Form  med  als  Accusativ  auf  der  Cista  von 
Praeneste  (Or.  2497)  und  intersed  im  Senatusconsult  über  die 
Baccanalien. 

Aus  Ablativen  .sind  im  Lateinischen  Adverbien  und  Conjunctio- 
nen  geprägt  worden.  Einige  derselben  beweisen  schlagend  die 
Länge  des  Vokals  vor  dem  schlicssenden  d  des  Ablativs.  Man  ver- 
gleiche das : 

sed,  se  in  seditio,  secerno,  secedo  u.  a.  mit  der  Conjunction 
sed; 

in  beiden  Wortbildungen  liegt  der  Begriff  abgesondert,  der  in 
der  Conjunction  zu  sondern,  alter  ausgeprägt  ist.  Die  ursprüng- 
liche Form  scmI  kürzte  sich  in  der  Conjunction  zu  sed,  ward  durch 
Abfall  des  d  in  Compositen  zu  se.  Die  Richtigkeit  der  Erklä- 
rung, dass  sed  Ablativ  des  Pronomen  Reflexivum  ist  {Bopp,  Vgl. 
Gramm.  S.  214),  liegt  auf  der  Hand.  Es  bedeutet  ursprünglich  für 
sich,  daher  in  der  Zusammensetzung  gesondert)  abseits,  als 
einfache  Conjunction  sondern,  aber. 
Auch: 

r  e  d  - 
muss  ursprünglich  eine  Ablativform  gewesen  sein,  doch  hat  sich  ans 
den  etymologischen  Erklärungsversuchen   noch   kein   zuverlässiges 
Ergebniss  herausgestellt. 
Die  Präposition : 

p  r  ö  d 
wie  sie  in  den   Compositen    prödeo,  prödigus,  prödigo  er- 
scheint ist  ein  Ablativ,  mascul.  eines  Siiiiiiines   pro-   (für   pero-, 
Sans  kr.  para-),  zu  dem  die  Präposition  prai,  prae  «'in  femininer 
Locativ  ist,  der  wie  Romai,  Romae  gebildet  ist. 


—     335     — 

Auch 
apud,   aput 
scheint  Ablativ  eines  Verbalsubstantivs  apo-  vom  einfachen  Verbum 
apere,  von  dem  aptus,  apex,  apiscor,  coepi  stammen ;  es  be- 
deutet eigentlich  in  Anfügung,  daher  bei,  und  kürzte  den  langen 
Vokal  des  Ablativs  wie  sed. 

Nach  diesen  Vorgängen  muss  man  auch  die  von  adjectivischen 
O-stämmen  gebildeten  Adverbien  auf  e  für  ursprüngliche  Ablative 
halten,  die  ihr  d  eingebüsst  haben.  Dafür  zeugt  die  sprachgeschicht- 
lich wichtige. Form 

facilumed,  Sc.  d.  Baccan. 

Die  Ablative  facilumed  und  facillume  verhallen  sich  zum 
Stamme^facillumo-  wie  sed-,  s e -  zum  Pronominalstamme  so- 
für  svo-  (Sanskr.  sva-,  Bopp,a.O.).  An  den  Stamm  facillumo- 
trat  das  ablativische d  (t)  mittelst  eines  Bindevokales  e,  ei,  i,  wie  ihn 
die  Ablative  der  consonan  tischen  Stämme  patre,  vir  tut  ei  zeigen, 
der  mit  dem  auslautenden  o  des  Stammes  erst  zu  o  e ,  dann  zu  e 
verschmolz.  So  trat  ja  auch  das  s  des  Nominativ  Pluralis  mittelst 
des  Bindevokales  e,  ian  O-stämme,  und  so  entstanden,  wie  in  dem 
Abschnitt  über  die  Diphthongen  nachgewiesen  ist,  die  Formen  des 
Nominativ  Pluralis  oe-  ,  es,  eis,  Is,  e,  ei,  I;  die  Form  des  Nom. 
Plur.  ploirume  ist  also  durch  dieselbe  Vokalverschmelzung  vom 
Stamme  p  1  o i  r u  m o  -  entstanden  wie  fa  c il  um e d  von  f a  c  i  1  u m  o -. 
In  den  gewöhnlichen  Ablativformen  der  O-stämme  hingegen  war  die- 
ser Bindevokal,  mit  dem  das  ablativische  d  an  den  Wortstamm  trat,  o. 
Dieser  zeigt  sich  noch  erhalten  in  dem  alten  Ablativ  eines  U-stammes 
promagistratuo  (Sc. d. Baccan.),  entstanden  aus  promagistra- 
tuod,  verschmolz  aber  sonst  mit  dem  auslautenden  ü  und  ö  der 
Stämme  zu  ü  und  ö.  In  den  Ablativformen  f  a  c  i  1  u  m  e d  neben  m  u  1 1  i - 
catod  machen  also  die  Bindevokale  e,  ei,  i  und  o  den  Unterschied 
wie  in  sena  tuis  neben  senatuos.  Eine  Bestätigung  für  diese  Ent- 
stehung der  Adverbien  auf  e  bietet  die  0  s  k  i  s  c  h  e  Form  a  m  p  r  u  f  i  d, 
Lai.  improbe  (Momms,  U.D.  Gloss.),  die  sich  zumAdjectivstamme 
a  m  p  r  u  f  o  -  verhält  wie  facilumed  zu  f a  c  i  1  u m  o  -. 

Demnach  hat  sich  ein  ursprünglich  langes  ablativisches  e  nach 
Abfall  des  schliessenden  d  schon  bei  den  älteren  scenischen 
Dicht  er  n  in  zweisilbigen  Wortformen  mit  kurzem  Stamm- 
vokal gekürzt  in: 


—     336     — 
bene, 


male, 

probe,  Poen.  V,  5,  1.    Fleckeisen,  N.  Jahrb.  LXI,  43. 

Schon  seit  Lucrez  ist  auch  in  mehrsilbigen  Wortformen  die- 
selbe Kürzung  eingetreten;  so  in: 

superne,   Lucr.  IV,  437.  VI,  544.  597.     Hör.  C.  II,  20,  11. 

PrudenL  Calhem.  3,  20.  Perist.  12,  39. 
inferne,  Lucr.  VI,  597.  764. 

Noch  weiter  ausgedehnt  ist  diese  Kürzung  bei  den  spätesten 
Dichtern;  so: 

in  ferne,  Auson.  Urb.  14,  14.   Ep.  5,  21. 
amice  ,  Auson.  Sept.  Sap.  Thal.  fi. 
inimice,  a.  0. 

Auch  in : 
pone 
ist  die  Kürzung  des  auslautenden  e  eingetreten.  Das  Adverbium  ist 
gebildet  vom  Stamm  pono-für  post-no-,  pos-no-,  also  von  der 
Präposition  post,  pos  durch  das  Suffix  -no  wie  pronus,  deni- 
que,  internus,  sypernus,  infernus  von  den  Präpositionen 
pro,  de,  inter,  super,  infra.  So  lange  man  keinen  bestimm- 
ten Grund  hat  superne,  in  ferne,  interne,  pone  von  den  übri- 
gen auf  e  auslautenden  Adverbien  zu  trennen,  inuss  man  auch  ihren 
a  l»l  a  ti  vi  sehen  Ursprung  annehmen. 

Hiernach  ist  auch  die  Entstehung  der  enklitischen  Conjunction 
-que 
zu  beurtheilen. 

Das  zur  Conjunction  verwandte  Adverbium  que  verhall  sich 
zum  Relativstamme  qui-  wie  die  Ablative  marid,  navalcd  zu 
den  I-stammen  mari-,  navali-,  bedeutet  also  ursprünglich  das- 
selbe wieder  Ablativ  qui,  also  wie  und  daher  und.  Wenn  nun 
qui  das  auslautende  d  eingebt! sst  bat,  so  gilt  dies  auch  von  que. 
Noch  im  Gebrauche  der  Dichter  zu  Augustus  Zeiten  ist  que  mit 
Hülfe  der  Vers  heb  u  ng  wieder  zur  Geltung  einer  langen  Sill»e  ge- 
hoben  worden,  nämlich  an  erster  Stellt'  wenn  es  an  zwei  aufeinan- 
der folgende  Worter  gefügt  ist.  So  /um  Beispiel  : 
Ovid.  Metam.  V,  4M  : 

Sideraque  ventique  nocent  .  . 
Verg.  Aen.  III,  91  : 
Liminaq ue laur u  s q u e  d  e i  .  . 


—    337    ~~ 

In  der  älteren  Dichtung  sind  deutliche  Spuren,  dass  es  noch 
lang  gebraucht  wurde  unter  der  Vershebung,  auch  wenn  es  nur 
an  ein  Wort  gefügt  war. 

So  bei  N  a  e  v  i  u  s  ,  Prise.  VI,  6.  H: 

.  .  inerant  signa  exprßssa,  quo  modo  Titäni, 

Bicörpores  Gigäntes  mägniquö  Atläntes. 
Fest.  v.  sagmina,  p.  320.  M. : 

Scopäsatque  verbßnas  sagmina  assumpserunt 
und  bei  LiviusAndrouicus,  Odiss.  Gell.  VI,  7,11: 

Ibidemquö  vir  siimmus  ädprimüs  Patricoles. 

Auch  an  diesen  Stellen  werden  durch  diese  Messung  regelrechte 
Saturniniscbe  Verse  hergestellt*). 

Auch  durch  die  Italischen  Dialekte  wird  die  Länge  des  Vokales 
von  que  und  seine  Entstehung  aus  dem  ablativischen  qued  be- 
stätigt. Oskisch  nämlich  lautet  die  dem  Lateinischen  que  ent- 
sprechende Conjunction  pid,  Umbris ch  pe,  pei,  beide  Formen 
sind  also  aus  ursprünglichem  ped,  peid,  pid  entstanden,  das 
Lateinischem  qued,  queid,  quid  entspricht,  wie  die  Form  des 
Pronominalstammes  po-  jener  Dialekte  dem  Lateinischen  Pronomi- 
nalstamme quo-  (vgl.  Ebel,  Zeitschr.  für  vergl.  Sprachf.  V,  415). 
Daher  ist  Umbrisches  p  a  n  u  p  e  i  für  pandupei  genau  dasselbe 
Wort  wie  Lateinisch  quandoque  (AK.  Umbr.  Sprachd.  II,  414). 

Alte  Ablativformen  sind  auch : 
ante, 

postS,  Enn.  Fest  v.  tonsam  p.  356.  Vahl.  Ann.  v.  235.  Flatä. 
Ritschi,  Rhein.  Mus.  VII,  566.^ 
entstanden  aus  antid,  postid,  wie  die  Zusammensetzungen  an- 
tid-ea,  antid-eo,antid-hac,  postid-ea,postid-hac  zei- 
gen (Zeitschr.  für  vergl.  Sprachf.  V,  105),  ebenso  wie  aus  coven- 
tionid,  airid  conventione,  aere  wurden.  Eine  späte  Spur 
von  der  ursprünglichen  Länge  des  e  von  ante  hat  sich  noch  auf 


*)  Dass  que  wirklich  ursprünglich  einen  langen  Vokal  gehabt  hat, 
und  dieser  als  Länge  noCh  bis  in  Cäsars  Zeiten  nicht  aus  dem  Sprach- 
bewusstsein  ganz  geschwunden  ist,  dafür  spricht  auch  die  Schreibweise 
eumquei,  /.  Jul.  munic.  (Goeltl.  15.  Rom.  Urk.)  für  e  um  que;  man  kann 
dieselbe  indessen  nicht  als  sicher  ansehen,  da  sich  die  Variante  eum- 
que  daneben  findet.  (Egger,  Lat.  serin.  vet.  rell.  p.  299.) 
Corssen.  22 


-     338     — 

einer  Grabschrift  der  Kaiserzeit  erhalten  unter  der  Vershebung  vor 
der  Caesur,  /.  N.  6656: 

Debuithicantemiseros  sepelire  parentes, 
während  sonst  das  e  von  ante   und   poste  stets  kurz  erscheint, 
poste  sich  sogar  zu  post  und  pos  abstumpft. 

Schon  oben  ist  nachgewiesen,  dass  das  angefügte  -ce  in: 
hi-ce,     illi-ce, 
ec-ce,     isti-ce 
gekürzt  ist  ans  einer  Locativform  -cei  vom  demonstrativen  Prono- 
minalstamme co-,  Sanskr.  ka-,  und  sich  diese  Form  noch  erhalten 
hat  in : 

hei-cei,/.  N.  5882. 

Der  späten  Zeit  gehört  die  Verkürzung  eines  Griechischen  r\  an 
in  dem  Namen: 

Calpe  für  KuXicr},  luven.  14,  279. 

Das  auslautende  e  des  Verbalstammes  von  Verben  der  E-con- 
jugation  kürzt  sich  häufig  in  zweisilbigen  Wortformen  mit  kurzem 
Wurzelvokal  schon  bei  den  ältesten  scenischen  Dichtern  wie  bei  spä- 
teren ;  so  in  den  Imperativen : 
iube,  Ritschi,  Prot.  p.   165  f.     cave, 

Naev.  Rib.  Trag.ind.    Caecil.     mane,  Cot.  in,  27. 
Rib.  Com.p.  60.  fave,  Ov.  Am.  II,   13,  21. 

vide,  have,  Ov.  Am.U,  6,  62. 

Spätere  Dichter  dehnen  diese  Messung  auch  auf  andere  Wert- 
formen aus.     So: 

extorque,  l'rud.  Perist.  V,  60. 

percense,  Prud.  Harnart.  624. 

Wenn  dieser  Vokal  bis  in  die  späteste  Zeit  auch  lang  gemessen 

erscheint,  so  muss  er  im  Volksmunde  lange  eine  mittelzeitige  T<>n- 

dauer  gehabt  haben. 

Verrius  Flaccus  fand  in  einem  sehr  alten  Sprachdenkmal  die 
Verbal  form  : 

pro  spie  es  für  pro  spiee,  Fest.  p.  2(17), 
aus  der  sich  ergiebt,  dass  p ro spiee  s  eine  alte  Imperativform 
war,  dass  mithin  die  gewöhnliche  Form  der  /weilen  IVis.  Sing.  Imp. 
das  pronominale  s,  das  Zeichen  der  zweiten  Person,  eingebüssl  hat. 
Ebenso  haben  dieses  Personalzeichen  verloren  l'c-t-.  r/tK*/-,  di- 
dov-,  %gzy\-,  deCxvv-.  Wenn  nun  diese  Griechischen  Impera- 
tivformen einen  langen  vokalischen  Laut  zeigen,  der  ehemals  vor 


y  formen  aus.     So: 
s/lve,  Mart.W,  108,  4. 
misce,  Anth.  Lat.  V,  135,  18. 


-    339    — 

der  Personalendung  stand,  wenn  auch  in  den  Lateinischen  Präsens- 
formen wie  legis,  legit  der  Vokal  vor  der  Personalendung  ur- 
sprünglich lang  war  wie  im  Griechischen  Xeystg,  Xaysi,  wovon 
weiter  unten  die  Rede  sein  wird,  so  ist  der  Schluss  gerechtfertigt, 
dass  auch  in  prospices  der  Vokal  ursprünglich  lang  war  und 
auch  nach  Ahfall  des  s  zuerst  noch  lang  blieb,  dass  also  überhaupt 
das  e  der  2ten  Pers.  Imperat.  Act.  Sing,  der  conso- 
nan tischen  Verbalstämme  erst  mit  der  Zeit,  wie  so  viele 
auslautende  Vokale,  gekürzt  ist. 

So  findet  sich  denn  auch  ein  solches  e  noch  lang  gemessen  un- 
ter der  Vershebung  im  ersten  Verse  der  Odissia  des  L  i  v  i  u  s  A  n  - 
d  r  o  n i  c  u  s  in  der  Form : 
insece,  Gell.  XVIII,  9: 

V i r ü m  mihi  Camena-inseceversütum. 
Wenn  man  folgenden  Vers  des  Plaulus, 
Trin.  289 : 

Quo  manus  apstineant:  cetera  rape,  trahe,  fuge, 
latc 
so  liest,  wie  ihn  die  Handschriften  geben,  ohne  das  tene,  das 
Ritschi  hinter  trahe  eingeschoben  hat,  so  erscheint  mindestens 
auch  in  fuge  noch  die  ursprüngliche  Länge  des  e  unter  der  Vers- 
hebung ihre  alte  Geltung  erhalten  zu  haben. 

Auslautendes  i  hat  sich  im  Lateinischen  meist  als  Länge 
gehalten  und  findet  sich  fast  nur  in  jambischen  Wortformen 
gekürzt. 

Das  lange  i  des  Dativs  cui,  dessen  Länge  aus  den  alten  For- 
men q  u  o  i  e  i  (t.  Scip.  Or.  555),  q  u  o  i  e  i  q  u  e  (/.  agr.  ( Thor.))  erhellt, 
wird  gewöhnlich  mit  vorhergehendem  u  verschmolzen,  so  dass  cui 
einsilbig  gemessen  erscheint.     Spätere  Dichter  messen  auch  : 
cüi,  Hart.  VIII,  52,  3.  XII,  49,  3. 

Das  i  hat  sich  gekürzt  in  den  mit  dem  Suffix  -bi  gebildeten 
Formen : 

mihi,  tibi,  sibi,  ibi,  ubi, 
wie  die  schon  nachgewiesenen  Altlateinischen  Formen  mihei,  ti- 
bei,  sibei,  ibei,  interibei,  üb  ei  zeigen,  während  ihr  auslau- 
tendes i  schon  bei  Plautus  kurz  und  lang  gemessen  erscheint 
{Ritschi;  Prot.  Trin.  p.  169).  Auch  auf  der  Grabschrift  des  Cn. 
Scipio  Hispanus  (Com.  176.  v.  Ch.,   Or.  554)   findet   sich    sibei 

22* 


—     340     — 

pyrrhichisch  gemessen,  während  noch  die  alte  Schreibweise  beibe- 
halten wird : 

Maiorumoptenui  laudem,  utsibeimeesse  creatum. 
Die  Kürzung  dieses  Vokales  war  keine  vollständige,  sondern  er 
ward  nur  bis  zu  einer  zwischen  voller  Länge  und  gewöhnlicher 
Kürze  in  der  Mitte  liegenden  Tondauer  vermindert;  er  ward  nur 
mittelzeitig,  und  da  er  als  solcher  für  die  Metrik  unmessbar 
oder  irrational  war,  so  wurde  er  von  den  Dichtern  der  Augustei- 
schen Zeit  und  ihren  Nachahmern  kurz  und  lang  gebraucht. 

Die  ursprüngliche  Länge  des  Vokales  i  in  dem  Suffix  -bi, 
-bei  erklärt  sich  aus  dem  Sanskr.  -bhjam,  das  sich  auf  Itali- 
schem Boden  regelrecht  zu  -fiem  gestaltete.  Daraus  wurde  dann 
durch  Vokalverschmelzung  Umbrisch  -fem,  Lateinisch  bim, 
beim,  bem,  dann  mit  Abfall  des  m  Umbrisch  -fe  in  den  Können 
tefe,  pufe,  Lateinisch  -bi,  -bei,  -be  in  tibi,  tibei,  tibe, 
ubi,  u  bei,  übe  (Zeilschr.  für  vergl.  Sprach  f.  V,  121  f.). 

Das  i  der  Locativendung  eines  zweisilbigen  Wortes  mit 
kurzem  Wurzelvokal  verkürzt  sich  bei  den  Komikern  in: 

dornt,  Plaut  Mit.  194.J/otf.  281.  Pompon.  Ribb.  Com.p. 201. 

herl,  Af ran.  Ribb.  Com.  p.  157.   Caecil.  a.  0.  p.  58. 
ein  i  des  Genetivs  in: 

er*,  Jf#.362. 
aber  diese  Kürzung  ist  auf  den  engen  Kreis  dieser  ursprünglich 
Jambischen  Wortformen  beschränkt  geblieben. 
Das  lange  i  von  si  ist  gekürzt  in: 

nlsl,  quasi. 

In  ni si  kürzte  sich  zuerst  der  Vokal  der  ersten  Silbe,  wie  man 
daraus  sieht,  dass  dieser  in  der  Zusammensetzung  auf  Inschriften 
niemals  durch  E  I  bezeichnet  ist.  Der  Vokal  der  zweiten  Silbe  ward 
noch  lang  geschrieben  inMarius  Zeil,  wie  die  Sehreibweisen:  nisei, 
(Sc.  d.  Baccan.  I.  rep.  (Serv.)  I.  ä.  Tcrm.  I.  Ruhr.  /.  Jtü,  mun.) 
und  nes ei  (/.  repet.  I.  rep.  (Serv.))  beweisen;  da  es  aber  damals 
schon  kurz  gemessen  wird,  so  zeigt  sieh,  dass  es  auch  eine  Zeit  lang 
im  Volksmunde  eine  mittel  zeitige  Tondauer  hatte.  Für  das 
Schwinden  des  Vokalismus  in  der  Lateinischen  Sprache  ist  D i si  ein 
lehrreiches  Beispiel,  wenn  man  es  mit  dein  entsprechenden  Oski- 
schen  neisuae  (lab.  Baut.  2S.)  vergleicht.  Die  ursprüngliche 
Italische  Form  des  Lateinischen  si  zeigt  das  Oskische"  svai 
(c.  Abel/.  41.),  ein   femininer  Locativ  des  reflexiven  Pronominal- 


—     341     — 

Stammes  sva-,  dem  Sanskrit,  sve  entsprechend  (Bopp,  Vergl.  Gr. 
S.  341).  Aus  svai  ward  nach  Lautwandelungen,  die  alle  schon 
besprochen  sind,  Osk.  svae,  Umbr.  sve,  VoJsk.  se  (Verf.  d.  Vols- 
cor.  ling.  p.  51.),  Lal.  se,  sei,  sT  endlich  durch  Vokalkiirzung 
nis¥. 

In  q uäsü  war  das  a  kurz,  denn,  wie  quansei  (/.  agr.  Thor.) 
zeigt,   ist  es  aus  quam-si  entstanden.      Das  i  wird  wie  in  nisei 
zu  Marius  Zeit   noch  als  Länge  bezeichnet  in  qua  sei   (/.  repel.), 
quansei  (l.  agr.),  dann  gekürzt  in  quasi  wie  in  nisi. 
Ebenso  erscheint  i  gekürzt  in : 

slquidem,  Plaut.  Poen.  V,  2,  85.     Ter.  Em.  50.  445.   1019. 

Andr.  465.    Plaut.  Pers.  579.  787.  Ter.  Heaut.  324.  331. 
Das   auslautende   i  von   zweisilbigen  Verbalformen 
mit  kurzem  Wurzelvokal  kürzt  sich  in  der  Messung  der  Komi- 
ker in  den  Infinitiven : 

dar*,  Plaut.  Pud.  960.  Ter.  Ad.  311.  Phorm.  261. 

patt,  Plaut.  Aul.  IV,  9,  16. 

loqul,  Bacch.  1 104.  Ritschi,  Prot.  p.  168. 
und  in  den  Perfe  et  formen: 

de  dl,   Trin.  728.  Mit.  131.  Capt.  364.  Poen.  I,  3,  7.    Cist.  II, 
3,  29. 

bibt, 

stet!,  Ritschi,  a.  0.  Fleckeisen,  N.  Jahrb.  LX1,  17; 
ebenso  in  den  Imperativformen: 

veni,  Plaut.  Pers.  30. 

abi,  Plaut.  Most.  66. 

Auch  hier  ist  der  Vokal  i  nicht  vollständig  bis  zu  einer  Kürze 
gesunken  in  der  Sprache;  sonst  würde  er  in  der  späteren  Dichtung 
nicht  durchaus  als  Länge  erscheinen.  Er  wurde  im  Volksmunde 
zu  Plautus  Zeit  mittelzeitig  gesprochen,  daher  im  Vers  der 
Comödie  zu  einer  Kürze  herabgedrückt,  durch  die  spätere  Metrik 
wieder  zur  Länge  emporgehoben. 

Der  Vokal  o  kürzt  sich  im  Auslaut  von  Nominal  formen 
und  Verbalformen,  zuerst  bei  Plautus  und  anderen  scenischen 
Dichtern  in  zweisilbigen  Wort  formen  mit  kurzer  Stamm- 
silbe, später  auch  in  Wörtern  von  anderer  Messung  und  Sil- 
benzahi,  während  er  ursprünglich  an  allen  Stellen  des  Auslautes 
lang  war  (Diomed.  p.  430.  P.). 


—     342     — 

So  kürzt  sich  das  auslautende  o  des  Ablativs  nach  Abfall  des 
Ablativzeichens  d  in: 

modo,  Plaut.  Aulul.W,  1,  11.    PseudoI.bßQ. 

Doch  findet  sich  dieser  Vokal  auch  noch  lang  gemessen  bei  Pia  u- 
t  u  s ,  L  u  c  i  1  i  u  s ,  L  u  c  r  e  t  i  u  s  und  Cicero  (Lachm.  Lucr,  p.  1 40. 
Wagner,  Verg.  Aen.  I,  389.  Cic.  nat.  Deor.  II,  42,  107).  In  spä- 
terer Zeit  erscheint  es  immer  kurz ,  natürlich  auch  wo  das  Wort 
sich  an  das  vorhergehende  enklitisch  anschliesst  wie  in: 
dum  modo,  postmodö,  quo  modo. 

Ebenso  findet  sich  schon  bei  Plautus  der  Ablativ: 
cito 
gekürzt  (Bitschi,  Proll.  Trin.p.  179.  Fleckeisen,  ep.  crit.p.  25,  N. 
Jahrb.  LXI,  42  gegen  Ritschi,  Praef.  Stich,  p.  17). 

Die  Kürzung  des  ablativischen  o  greift  nun  immer  weiter  um 
sich.   Schon  in  den  Dichtern  der  Augusteischen  Zeit  zeigen  ein  kur- 
zes o: 
immo, 
illicö; 
und: 

ergo, 
Griech.  egya,  erscheint  mit  kurzem  o  seit  Ovid.,  vgl. Heroid. V, 59. 
v.  Lennep.  Martial.  Epigr.  II,  9,  2.  IX,  5,  4.  luven.  1,  109. 
V,  15.  VI,  620.  XII,  126.  XI,  129. 
Bei  den  späteren  Dichtern  finden  sich  dann  zahlreiche  Ablative 
mit  gekürztem  o;  so: 
serö,  luv,  I,  169.     Stat.  Thcb.  I,  596.    Mar/.  Epigr,  I,  31,  8. 

Prise,  XV,  3.  11.  16. 
porro,  luv.  VII,  98.  verö,  Juso//.  Epigr,  115,  1. 

postremö,  luv.  XI,  91. 
profectö,  Ter.  Maur.  d.  Mcfr. 

2598. 
und  die  Ablative  der  Gerundien: 
mulcendö,  Calpurn. Ecl,  VIII,     manendö,  Aus,  sept.  sap.  Chil. 

53.  2. 

vigilandö,  luven.  III,  232.  manandö,  Seren.  Summ.  350. 

solvendö,  SenJr.  Oedip, 942.       removendö,  a.  O.  -Vrl. 
vincendä,  Sen.tr.Troad.26$.      cessandö,  u.  0.  905. 

Hrspniniilich.ablalivisches  o  ward  auch  gekürzt  in  den  Kom- 
positen: 


—     343     — 

quandö,  Marl.  III,  4,  7.  VII,  9,  2.  X,  14,8.70,14.  V,  19,  3.  4, 
luv.  III,  173.  V,  40.  127.  VIII,  80.  XI,  182.  XV,  160- 
aliquando,  luv.  IX,  28. 

Das  zweite  Glied  -do  dieser  Zusammensetzungen  ist  aus  dio- 
entstanden  und  Ablativ  von  dius,  Tag  (vgl.  nu-dius  tertius). 
Dieses  immer  weitere  Umsichgreifen  der  Kürzung  des  auslau- 
tenden o  des  Ablativs  zeigt,  wie  das  Sprachgefühl  für  die  Quantität 
der  tieftonigen  Endsilben  sich  allmählig  abstumpfte  und  die  ge- 
lehrte Dichtung  den  Verfall  derselben  nicht  aufhalten  konnte,  son- 
dern in  späteren  Zeiten  demselben  Zuge  folgte  wie  die  Volks- 
sprache. 

Das  o  eines  ursprünglichen  Dualis  im  Lateinischen  hat  sich 
bis  auf  wenige  Ausnahmen  gekürzt  in: 

düö,  vgl.  Gr.  dvco,  ovo,  dvoxaidsxcc; 
bei  späteren  Dichtern  auch  bisweilen  in: 

ambö,  Auson.  Epigr.  XL,  2.     vgl.  Gr.  cc^icpco. 

Ebenso  ist  in  späterer  Zeit  kurz  gemessen  das  auslautende  o 
von  : 

oetö,  luv.  VI,  229.  vgl.  Gr.  6xt(6. 

Dieses  o  ist  entstanden  aus  dem  Diphthongen  au,  der  sich  in 
oetavus  vor  dem  vokalischen  Suffix  o,  das  herantrat,  zu  av  gestal- 
ten musste. 

Die  mit  dem  Suffix  -  o  n  gebildeten  Nomina  werfen  das 
schliessende  n  im  Nominativ  ab.  Das  so  in  den  Auslaut  getretene 
o  fängt  allmählig  an  seine  volle  Länge  einzubüssen.  Die  erste  Spur 
davon  ist  die  Plautinische  Messung: 

hömö,  Bitschi,  Prol.  p.  166.  vgl.  Laber.  Ribb.  Com.  fr.  239. 
Auch  in  der  Augusteischen  Zeit  bleibt  sonst  dieses  auslautende 
o  lang  bis  Ovid;  von  da  ab  finden  sich  vereinzelte  Beispiele  von  Ver- 
kürzung desselben  wie: 
Curiö,   Ov.Fasl.  II,  525. 

Nasö,  Amor.  I,  11,  27.  II,  1,  2.  A.  Am.  II,  744.  III,  812.  Rem. 
A.  72 ; 
und  zwar  ist  die  Kürzung  hier  schon  auf  zweisilbige  Wörter  mit 
langer  Stammsilbe  und  mehrsilbige  ausgedehnt.  Allgemeiner  tritt 
dieselbe  jedoch  erst  später  auf,  und  zwar  in  der  Dichtungsart,  die 
der  Sprache  des  gewöhnlichen  Lebens  am  nächsten  stand,  in  der 
Satire  und  dem  Epigramm.     So  in: 


—     344     — 

mucrö,  Mart.  IV,  18,  6.  mentiö,  a.  0.  III,  114. 

lunö,  Marl.  IX,  37,  6.    Stal.  ganeö,  a.  0.  XI,  58. 

Theb.1,250.  luv. VI,  619.627.  auctiö,  a.ö.  VI,  255. 

nemo,  Ifarf.I,  40,2.  XI,  12,2.  ultiö,  a.O.  XIII,  2. 

83,  2.    ^wow.  JFp^r.  112,  1.  Polliö,  a.  O.VI,  387.  IX,  7.X,43. 

/www.  IV,   8.  119.    III,  46.  lanugö,  a.O.  XIII,  59. 

VII,  17.     VIII,  45.     XIII,  3.  caligö,  a.O.  VI,  556. 

131.  XIV,  59.  207.  XV,  8.  fuligö,  a.O.  VII,  227. 

Marö,  J/ar*.  XI,  47,  2.    67,  2.  sartagö,  a.  0.  X,  64. 

virgö,  Mart.W,  78,  12.  ^wsow.  obliviö,  «lö.  VI,  613. 

^p^r.  102,  2.  103,  2.    £fa*.  homunciö,  a.O.  V,  133. 

/%<?&.  VII,  279.   Zwtf.  III,  110.  cenatiö,  a.O.  VII,  183. 

IX,  72.  occasiö,  Mart.  VIII,  9,  3.  luv. 
latrö,  Mart.Xl,  58,  8.  XIII,  183.  XV,  39- 
Frontö,  a.  O.  XIV,  106,  2.  libidö,  jlfarf.  IX,   9,  8.    luv. 
Catö,Zw«w.IX,226./w.II,40.  II,  14. 

pulmo, luv.  III,  138.  muliö,  Mart.  X,  2,  10.  /w.  III, 

sermo,  a.  O.  VI,  193.  317. 

Pedö,  «.ö.  VII,  129.  imagö,7T/tfrMI,66,8.  XI,102,8. 

Mathö,  a.  O.  VII,  129.  XI,  31.  vespillö,  «.  O.  I,  47,  1. 

Nero,  Marl.  Ep.  IX,  27,  9.  luv.  Apollo,  a.  O.  VIII,  6,  6. 

X,  308.  XII,  129.  indignatiö,  luv.  I,  79. 
gobio,  a.  O.  XI,  37.  d esper atiö,  a.  O.  VI,  367. 
portiö,  «.  (9.  IX,  128.  permutatiö,  a.O.  VI,  653, 
potiö,  a.O.  VI,  624.  dcclamatiö,«.0.X,  167. 

Auch  hier  sehen  wir  die  Sprache  auf  dem  Wege  der  Kürzung 
ihrer  Endsilben  allmählig  weiter  fortschreiten;  doch  ist  dies  o  nicht 
so  kurz  geworden,  dass  es  nicht  durch  die  Vershebung  zu  dem  alten 
Werth  einer  Länge  wieder  erhoben  werden  könnte. 
Das  auslautende  <»  von: 
e  g  ö ,    vgl.  Gr.  iycov,   Skr.  a  h  a  m , 
ist  nachAbfall  seines  scbliessenden  n  schon  bei  den  alleren  seeni- 
schen  Dichtern  häufig  kurz  gemessen  (Jli/srhL  Prot.  Trin.  />.  169. 
Afran.  Ribb.  Com. p.  154,  Pompon.  a.  O.  p.  198.  199.),  ebenso  er- 
schein! es  bei  Catull,  Vergil,  Iloraz  ausschliesslich  und  bei  den 
Übrigen  Dichtern   dieser  Zeit  meistentheils.     Nur  unter  der  Vers- 
hebung kann  der  Vokal  auch  bei   späteren   Dieblern  zu  seiner   ur- 
sprünglichen Geltung  als  Längt4  hergestellt  werden: 
egö,  luv.  XVII,  357.   Jason.  Kpigr.  54,  6.  SepU  Sap.  Thal.  (>.  10. 


—     345     — 

Das  auslautende  o  der  ersten  Person  Sing.  Präs. 
und  Fut.  Act.,  das  nach  Abfall  des  Personenzeichens  der  ersten 
Person  -  m'  in  den  Auslaut  getreten  ist,  erleidet  ebenfalls  unter  Um- 
ständen V  er  kür  z  u  n  g. 

In  der  Sprache  der  Komiker  geschieht  dies  in  zweisilbi- 
gen Wort  form  en  mit  kurzer  S  tamsilb  e.     So  bei  Plautus: 

eö,  sinö,  Pseud.  62. 

agö,  negö, 

v  o  1  ö ,  dabo, 

sciö,  erö 

(Bitschi,  Pro!,  p.  166  f.  vgl.  Irin.  821.  Bacch.  422.  Tritc.  372. 

Trin.  655.  666.  Bacch.  103.) 
und  bei  anderen  Komikern: 

cedö,  Naev.  Bibb.  Com.  p.  14. 

volö,  Nov.  a.  0.  79.228. 

Bei  Caecilius  findet  sich  auch  schon  eine  solche  zweisilbige 
Verbalform  mit  langem  Stammvokal  ebenso  gekürzt: 

Ibö,  Caec.  Bibb.  Com.  p.  56. 

Bei  den  Dichtern  aus  der  Blüthezeit  der  Romischen  Litteratur 
erscheint  dieselbe  Kürzung  besonders  in  Dichtungen,  deren  Ton  der 
Umgangs-  oder  Volkssprache  sich  nähret;  zum  Beispiel  in: 

volö,  Cat.  6,  16.  Hör.  Sat.  I,     petö,  Ov.  A.  Am.  II,  10. 

9,  17.  puto,  Ov.  Met.\h\,  60.  III,  266. 

vetö,  Hör. Sat.  I,  1,  104.  XI,  425.  Art.  A.  I,  370. 

e ö,  a.  O.  I,  6,  1 19.  scio,  Oviol.  Trist.  V,  4,  46. 

Schon  in  dieser  Zeit  wird  die  Kürzung  dieses  o  auch  auf  zweisil- 
bige Verba  mit  langem  Stammvokal  und  auf  mehrsilbige  ausgedehnt? 
wie  : 

tollö,  Oviol.  Am.  III,  2,  26. 

nesciö,  Hör.  Satir.J,  9,  2.   Oviol.  Bern.  Am.  760.  Tib.  I,  6,  55. 

rependö,  Ov.  Her.  XV,  32. 

desinö,  Tib.  II,  6,  41. 
und  auf  Formen  des  Fut.  II.  wie : 

dixero,  Hor.SatA,  4,104.  ' 

odero,  Ov.  Am.  III,  11,  35. 

Am  weitesten  hat  diese  Kürzung  um  sich  gegriffen  in  dem  Epi- 
gramm und  der  Satire  der  sp  ä  testen  Zeit,  deren  Sprache  der 
volkstümlichen  besonders  bei  Martial  nahe  steht.  Hier  erscheint 
das  o  überwiegend  kurz  in  Wortformen  jeder  Art ;  so  in : 


—     346     — 

putö,    Mart.  Epigr.  I,  27,  2.  cantö,  Mart.  Ep.  XII,  40,  2. 

III,  67,  1 0.  IV,  69,  4.  V,  1 1 ,  4  c  u  r  r  ö ,  Sulpic.  Sat.  4. 

u.  a.    Anson.   Epigr.   57,  2.  qua  erö,  luv.  III,  296. 

58,  2.  cedö,  a.O.  VI,  57. 

amö,  Mart.  Epigr.  I,  32,  2.  IV,  orö,  a.  0.  X,  250. 

42,  8.  cernö,  a.O.  XIII,  64. 

vetö,  a.  0.  1,34,  10.  luv.  XIII,  praestö,  a.  0.  XIV,  212. 

128.  so\\ö,  Aus. Ep.  4,  5. 

volö,  Mart.Ep.  1,57,4.111,45,  mittö,  a.  0.  4,  6. 

6.  VI,  87,  2.   Anson.  Epigr.  3,  gestö,  a.  0.  53,  4. 

5.  13,  8.  39,  1.  8.    Iuv.M  dicö,  «.  0.55,1. 

223.  sumö,  r/.  0.  105,  7. 

rogö,  J/tfr/.^.II,  14, 18.25,2.  vadö,  a.  0.  105,3. 

III,  52,  3.  V,  82,  3.  cedö,  luv.  VI,  57. 

petö,**. 0.11,30,6.  eruö,  Mart.  Ep.YÜ,  92,2. 

legö,  a.  0.  VII,  29,6.  indieö,  a.  0.  IV,  90,  3. 

sciö,  «.0.  VII,  86,  6.  luv.  IX,  praeferö,  tf.  0.  VII,  34,  10. 

97.  VII,  158.  censeö,  a.O.Y, 49, 12. XI, 99, 8- 

emö,  Mart.  Ep.  IX,  101,  6.  gaudeö^,  a.  0.  XI,  107,  3. 

ferö,  Aus.  Epigr.  Ml.  dormiö*,  a.  0.  XII,  101,  2. 

cedö,  luv.  XIII,  210.  anteambulö,  a.  0.  1,  18,3. 

cluö,  Aus.  S.  S.  Cleob.  2.  imputö,  luv.  II,  17. 

c r e d ö ,  Mart. Ep.\ 51 ,  15  Spetf.  e x e ö ,  a.  0.  III,  17. 

Xu!,  4. luv.  VI,  504.  aestuö,  a.O.  III,  103. 

capto,  Marl.  Ep.  11,18,1.  transeö,  a.O. X,  273. 

nolö,  tf.  Ö.IT,  18,  7.  36,2.  4.  colligö,  «.  0.  XI,  106. 

III,  45,  6.   XIII,  53,  2.  XIV,'  comparö,  a.  0.  XUI,  66. 

1,   12.    ^sorc.  ^?^r.   12,  7.  colligö,  a.  0.  XI,  198. 

39,  8.  audio,  a.O.  X,  81. 

iurö,  Mart.Ep.Wl  12,9.  nesciö,  «a.O.  111,41.  XVI,  30. 

mandö,  a.  0.  VII,  99,  8.  praeponö,  a.O.  111,  5. 

fiö,  a.  0,'X,  42,6.  vapulö.  a.O.  111,289. 

malö,a.  O.XH,  26,14.7t*t;.VI,  senti«,  a.O.  VII,  56. 

167.  inte  rrogä ,  <t.  (f.  X,  72. 
Wie  bei  Plautus  das  Futurum  dabo  findet  sieb  in  der  Sprache 
der  sj)äteren  Dichter  gemessen  : 

putabo,    Auson.  S.  S.  praef.  dabo,  Mari. Ep.  XI,  29,5. 

Drcp.  14.  recita  b  ö ,  <t.  0.  XI,  52,  1 6. 
properabÖ,  luv.  III,  59. 


-    S47     - 

Wie  die  Futura  dixero,  oderö  bei  den  Augusteischen  Dich- 
tern linden  sich : 

prenderö.,  Mari.  III,  96;  3. 
impleverö,  luv.  IX,  90. 

Wie  schwankend  indessen  die  Messung  des  auslautenden  o  von 
Verbalformen  auch  noch  in  diesen  späten  Dichtungen  war,  zeigen 
folgende  Verse  : 

Marl.  Epigr.  II ,  18,  1 :  Capto  tuam,pudetheu, sed  capto, 

Maxime,  cenam. 
a.O.  IV,  69,  4:  Nee  putö  nee  credö,  Papiie,  nee 

s  i  t  i  ö. 
a.  0.  XI,  107,  3 :  Omnia  legisti,    credö,  sciö,  gau- 
deö,  verum  est. 
luven.   VI,    223:  Hoc  volö,  sie  iubeö .  . 
Auson.  Epigr.  105,3:  Vadö  tarnen,   sed  dimidius,  vadö 

minor  ipso. 

Die  Kürzung  des  auslautenden  o  hat  also  frühzeitig  begonnen, 
das  o  ist  aber  lange  ein  mittelzeitiger  Vokal  gewesen,  den  man 
als  .Länge  oder  als  Kürze  messen  konnte.  Dass  aber  in  der  Volks- 
sprache des  vierten  Jahrhunderts  dieses  o  völlig  kurz  geworden  war, 
sagt  Diomedes  mit  den  für  diese  Untersuchung  bezeichnenden 
Worten,  p.  430.  P.:  Paullatim  «intern  usus  inval  uit,  ut  in 
sermone  nostro,  ut  cscribö,  dico'  et  in  ceteris  eiusmodi 
o  non  solum  correpta  ponatur,  sed  etiam  ridiculus  sit, 
q  u i  e a m  produxerit.  M i r  u m  i gi tur  non  est,  s i  consuetu- 
d  i  n  e  m  s  e  q  u i  t  ur  versus,  n i  s  i  sit,  u b  i  p  o  e  t  a  m  a  i o r  e  m  s  i b  i 
licentiam   vindieavit. 

Das  auslautende  o  des  Imperativs  erscheint  gekürzt  bei  Plau- 
tus  in  : 

dato,  Bacch.  84.  Ritschi,  a.  O.p.  168. 

Der  Stammvokal  des  Verbum  dare  ist  erst  auf  Lateinischem 
Boden  gekürzt  (vgl.  Skr.  da-,  Gr.  da-),  aus  der  Jambischen  Wort- 
form wurde  dann  leicht  eine  pyrrhichisehe.  Beispiele  ähnlicher  Kür- 
zungen bei  späteren  Dichtern  sind  : 

estö,  luv.  VII,  79. 

respondetö,  Marl.  Epigr.  III,  4,  7 ; 
auch  hier  hat  dieselbe  in  einer  Wortform  mit  langer  Stammsilbe  und 
in  einer  mehrsilbigen  Platz  gegriffen. 


—     348     — 

Ursprünglich  lange  Vokale  kürzten  sich  in  der  Endsilbe  vor 
auslautendem  t  regelmässig.  Die  Sprache  der  älteren  Dichter 
aber  hat  die  Länge  dieser  Vokale  zum  Theil  noch  gewahrt,  und  noch 
bei  den  Dichtern  der  Augusteischen  Zeit  und  ihren  Nachahmern  fin- 
den sich  Spuren  davon. 

Der  Vokal  a  vor  dem  auslautenden  t  der  dritten  Person 
Sing.  Indic.  von  Verben  der  A-conj  ugation  ist  bei  Plautus  zum 
Theil  noch  lang  gemessen;  so  in: 

adflictat,ü/m\  648: 
Cur  istuc   captäs   consilium?     Ouia  enim  me   adflictät 

amor. 
Ritschi,  a.  0.  p.  184. 

Derselbe  Vokal  erscheint  schon  gekürzt  in  zweisilbigen  Verbal- 
formen mit  kurzer  Stammsilbe  wie: 
ämät,  Mtl.  998.  Rud.  466. 
creät,  Mit.  33. 
cübSt,  Amph.  290.  Feckeisen,  N.  Jahrb.  LX1,  18,  35. 

Sonst  hat  er  seine  Länge  wenigstens  in  Versmassen  des  Dia- 
loges gewahrt.    Daher  kann  dieses  a  auch  bei  Horaz  unter  der  Vers- 
hebung  noch  als  Länge  auftreten  in: 
arät,  Hör.  c.  III,  16,  26. 

Dass  das  a  der  A-conjugation  ein  langer  Vokal  ist,  zeigen  so- 
wohl die  Endungen  -  äs,  -ämu  s,  -ätis  als  die  Entstellung  dieses 
a  aus  Sanskr.  -aja  (Ropp.,  Vgl.  Gr.  S.  727.  N.  Jahrb.  LWIII. 
360). 

Das  a  kürzt  sich  vor  t  auch  in  Endungen  des  Imperfecls. 
So  findet  sich  dasselbe  schon  kurz  bei  Plautus  in: 

erat,  Mit.  15.  Bacch.  421.  563; 
dassdieses  a  von  Natur  lang  war.  beweisen  die  Kormen-eräs,  -erä- 
mus,   -erätis.     Hingegen  ist  das    a  vor  dem  t  der   dritten    Pers. 
Sing.  Ind.  ImpeiT.  lang  geblieben  bei  Ennius  in: 

ponebät ,  Ann.  V.  v.  314: 
Noenum  rumor  es  ponebät  ante  Bai  utero. 
und  erscheint  noch  bei  Dichtern  der   Augusteischen  Zeil  lang  ge- 
messen in : 

revocabät,    Ycrtj.  Acn.  V,    167: 
Cum  clamorc   Gyas   revocabät:  cece   Cloanthum. 


—     349    — 

amittebät,   Verg.  Aen.  V,853: 
Nusquamamittebät,  oculosque  sub  astra  tenebat. 

Den  ersten  der  Vergilischen  Verse  geben  die  Handschriften  so 
{Fleckeisen,  a.  0.  32.),  im  zweiten  steht  der  Vokal  a  unter  der 
Vershebung  vor  der  Cäsur,  wodurch  seine  lange  Geltung  um  so  eher 
wieder  aufgefrischt  werden  konnte.  An  derselben  Versslelle  er- 
scheint die  Messung: 

erat,  Bor.  Sal.  II,  2,  47. 
ebenfalls  eine  Herstellung  der  alten  Länge  des  a.  Die  ursprüng- 
liche Länge  des  a  in  der  Imperfectendung  -bat  ergiebt  sich  für  das 
Lateinische  aus  den  Formen  -bä  s,-  -bämus,  -bätis;  nach  Bopp 
(Vergl.  Gramm.  S.  762)  ist  -bä  in  allen  diesen  Formen  durch 
Ausstossung  eines  v  aus  -bava  entstanden  und  die  lateinische  Im- 
perfectendung -bam  aus  dem  Sanskr.  Imperf.  a-bhavam  von 
der  Wurzel bhu-,  Lat.  fu-,  herzuleiten.  Das  lange  a  in  eräs,  erä- 
mus  hingegen  ist  vom  sprachvergleichenden  Standpunkt  noch  nicht 
genügend  erklärt. 

Gekürzt  hat  sich  a  vor  t  auch  in  der  dritten  Person  Sing. 
Conj.  Präs.  Doch  findet  sich  die  Länge  desselben  noch  ge- 
wahrt bei  Plautus  in: 

fuät,  Capt.  260. 

sciät,  Fleckeisen,  N.  Jahrb.  LX1,   18. 

und  bei  Terenz  in : 

a  u  g  e  ä  t ,    Adelph.  25 : 
P o e t a e  a d  scribendum  ä u g e ät  i n d u s t r i a m. 

Daher  findet  sich  noch  bei  Horaz  unter  der  Vershebung  vor  der 
Cäsur  gemessen: 

soleät,  Hör.  Sat.  1,  5,  90. 

Indessen  hat  die  Kürzung  dieses  a  schon  bei  Plautus  in  zwei- 
silbigen Wortformen  mit  kurzer  Stammsilbe  begonnen  wie : 
eät,  Rud.  54. 
ferät,    Trin.  114.  Fleckeisen,  a.  0.  p.  35. 

Auch  hier  ist  die  ursprüngliche  Länge  dieses  Vokales  für  das  Latei- 
nische durch  die  Formen  der  Conj  untivendungen  -äs,  -ämus  erwie- 
sen. Dassdies  Conj unctivis che  aaus  Sanskr.  -ja,  Umbr.-iä,  Griech. 
-LT]  entstanden  ist  durch  Ausfall  eines  i,  und  somit  seine  Länge  vom 


—     350    — 

ältesten  Herkommen  ist,  darauf  wurde  schon  oben  hingewiesen. 
{Vgl  N.  Jahrb.  LXVJII,  3.) 

Auch  langes  e  hat  sich  vor  dem  pronominablen  t  der  dritten 
Per san  Sing.  Ind.  gekürzt.  Doch  findet  sich  die  Länge  des- 
selben noch  gewahrt  bei  Plautus  in : 

solet,  Merc.  696. 

lubet,   Rud.  1333. 

habet,  Trin.  206. 

eget,  Trin.  330. 

perl  übet,  Capt.  833. 

a 1 1  i  n  et ,  Bacch.  229  u.  a. 
(Vgl.   Ritschi,   Prot.    Trin.  p.    184.  Fleckeisen,   N.  Jahrb.   LXI, 
18.  35). 

Auch  bei  späteren  Dichtem  hat  sich  die  Lauge  dieses  e  ge- 
wahrt unter  der  Vershebung  meist  vor  der  Cäsur 

f tilget,     Lucr.  II,  27. 

ridet,  Hör.  c.  II,  6,  14. 

timet,  a.  0.  II,  13,  16. 

man  et,  a.  0.  I,  13,  6. 
,  videt,   Verg.  Aen.  I,  308. 

solet,  Ov.  Metam.  III,  184. 

Dass  das  e  der  E  -  conjngation  lang  ist,  zeigen  auf  dem  Boden 
der  Lateinischen  Sprache  die  Formen  -es,  -emus,  -etis,  und  die 
verwandten  Sprachen  bestätigen  es  (G.  Cur  aus,  Temp.  u.  Modi,  I, 
259.  263). 

Das  e  als  Conj  unctivzeichen  vor  dein  Personalzeichen  t 
der  dritten  Person  Sing.  Conj.  hat  sich  in  der  Regel  gekürzt. 
Doch  hat  es  seine  ursprüngliche  Länge  noch  gewahrt  in  den  Con- 
junctiven  der  A  -conjngation  bei  Piautas: 

det,  Pers.  68.  327. 

quaeritet,  Mtl.  1244. 

d  e  s  i  d  e  r  e  t ,  a.  0.  Riischl ,  <t.  0. 
und  in  Conjunctiven  der  consonantischen  und  der  I -conjugation, 
die  zu  Futuren  verwandt  sind,  wie: 

rediget, 

audiet,  Fleckeisen,  X.  Jahrb.  LXI,  18.  35. 

Ebenso  war  die  Länge  des  e  vor  (  im  Conj.  Imperf.  noch 
unversehrt  zu  Plautus  und  Ennius  Zeil. 


—     351    — 

So  bei  Enn.  Ann.  v.  86.  V: 
esset, 

Omnibus  curaviris  uter    esset  induperator, 
wo  die  auslautende  Silbe  von  esset  sogar  in  der  Verssenkung  steht, 
{vgl.  Fleckeisen  a.  0.  p.  18.). 

Und  so  findet  sich  bei  Horaz  noch  handschriftlich  überliefert : 
periret,  c.  III,  5,  17.: 

Si  non  periret  inmiserabilis. 

Die  Herkunft  dieses  conjunctiviscben  e  von  ~iä,  -ie,  die  schon 
besprochen  ist,  erweist,  dass  seine  Länge  eine  ursprüngliche  war. 
Die  Kürzung  des  langen  e  tritt  nun  aber  schon  frühzeitig  ein,  beiPlau- 
tus  in  zweisilbigen  Verbalformen  mit  kurzer  Stammsilbe;  so  in: 
habet,  Mtl.  215.  1251.  olct,  Amph.  321. 

placet,  Mtl.  255.  983.  lubet,    Trin.  907.  932.  1007. 

solet,  Bacch.  80.  1041.    Bacch.  923. 

decet,  Rud.  702.     AmphMl.     feret,  Mtl.  151. 
Mtl.  616.  aget,  Mtl.  811. 

timet,  Amph.  295.  foret,  Mtl.  53. 

{Fleckeisen  a.  O.  p.  35.)     Dann  drang  diese  Kürzung  des  e  vor  t 
auch  in  alle  anderen  Verbalformen  derselben  Art. 

Auch  der  Vokal  I  hat  sich  vor  dem  pronominalen  t  der  drit- 
ten Person  Sing,  in  der  Blüthezeit  der  Römischen  Litteratur  in 
der  Regel  gekürzt.  Bei  den  älteren  Dichtern  hat  er  seine  Länge 
noch  vielfach  gewahrt  und  noch  bis  in  die  Augusteische  Zeit  sind 
Spuren  davon  übrig. 

Das  I  vor  t  in  der  dritten  Pers.  Sing,  Ind.  Präs  der 
I-conjugation  hat  sich  lang  erhalten  in: 

fit,  Plant.  Capt.  Prol.  25. 
ebenso  wie  in  flo,  fiunt  u.  a.    Das  Verbum  fio  ist  entstanden  aus 
fuio  durch  Vokalverschmelzung  wie  senati  aus  senatuis,   und 
fuio  entstand  vom  Stamme  fu-,  indem  der  Bildungsvokal  der  I- 
conjugation  an  denselben  herantrat  wie  aio  für  agio  vom  Stamme 
ag-,  Sanskr.  ah-(sagen),  wie  c  apio  ,  rapio  u.  a.  von  cap  -,  rap-. 
Der  Vokal  i  war  also  in  allen  Bildungen  von  fio  ursprünglich  lang. 
So  erscheint  denn  auch  noch  bei  Ennius: 
in  fit,  Ann.  v.  386.    F.- 
Infi t  o  cives,  quae  me  fort  im  a  ferocem, 
und  zwar  in  der  Verssenkung  die  Länge  des  I  gewahrt. 


—     352     — 


Dasselbe  zeigt  sich  in  den  Messungen ; 


It,  Cure.  489. 

init,  Lucr.  IV,  337: 
Ater  init  oculos  prior  et  possedit  a pertos. 

Die  Länge  des  I  ergiebt  sich  daraus,  dass  der  Verbalstamm  i- 
im  Lateinischen  und  Griechischen  zu  ei-  gesteigert  worden  ist, 
wie  die  Formen  der  Inschriften  eitur,  eire,  abeire,  adeitur 
und  die  in  Plautinischen  Handschriften  noch  erhaltenen  Schreibwei- 
sen eis,  eit,  ei,  eite  {Fleckeisen,  a.  0.  p.  18.)  schon  oben  er- 
wiesen haben.    Langes  I  hat  sich  auch  erhallen  in: 

alt,  Irin.  1179. 

Das  Verbum  gehörte  im  Altlateinischen  der  I-conjugation  an 
und  lautete  einst  äiö  für  agio;  das  zeigen  die  Messungen  ai,  ai- 
bant,  als  bei  älteren  Dichtern.  Das  lange  ä,  das  sich  noch  in  äin 
{Asin.  901.  Cure.  323.),  äiunt  {Pacuv.  Iiibb.  tr.  v.  369.)  erhalten 
hat,  ward  vor  folgendem  Vokal  in  äis,  ait,  äin  gekürzt,  und 
in  der  so  entstandenen  jambischen  Wortform  kürzte  sich  auch  die 
Endsilbe,  gerade  so  wie  nisi  diesen  Kürzungsprocess  durchge- 
macht hat.  (  Vgl.  Prise.  X,  52.  H.  Fleckeisen,  Kr  it.  aelt.  Pichte)  fr. 
b.  Geil.p.  7.  N.  Jahrb.  LXI,  19.  Zeitschr.  f.  vgl,  Sprachf.  I,  231.) 
Durch  Vokalverschmelzung  winden  dann  jene  Formen  auch  ein- 
silbig {Plaut.  A?nph.  284.  344  u.  a.).  Lang  erhalten  ist  ein  i  der 
I-conjugation  vor  t  auch  bei  Ennius  in: 

tinnlt,  Ann.  v.  434.  V : 
Gonfigunt  parmam,  tinnlt  haslilibu  s  iimbo. 

Die  Länge  des  i  der  I-conjugalion  beweisen  auf  dem  Bo- 
den der  Lateinischen  Sprache  die  Endungen  -  Is,  -Im  u  s ,  -Itis, 
die  Vergleichung  verwandter  Sprachen  hat  gezeigt,  dass  auch 
dieses  i  aus  Vokalverschmelzuug  entstanden  ist  und  dem  Sanskr. 
-aja  entspricht  {Popp,  Vcryl.  Cr.  727.  X  Jahrb.  LXVI1L  300.). 

Sprachgeschichtlich  von  Wichtigkeit  ist  die  Entdeckung  von 
Fleckeisen  (TV.  Jahrb.  LXI,  34  f.),  <fass  sich  in  Piautu8  und  spate- 
ren Dichtern  noch  Beispiele  dv\-  ursprünglichen  Länge  des  i  vor 
dem  t  der  dritten  Person  Sing.  Ind.  I'räs.  Act.  der  conso- 
uantischen  Conjugation  linden.     So  in: 

pereipit,    Plaut.  Men.  921: 
Pötionis  illiquid    peius   quam    pereipit  insänia. 

Ein  weiterer  lleleg  für  diese  Erscheinung  hat  sich  neuerdings 
bei  Ennius  herausgestellt  in  der  Messung: 


—    353    — 

ponit,  Ann.  AM.  VahL: 

Multa  foro  ponit  et  ageä  longa  repletur. 
Daher  findet  sich  dieses  i  auch  bei  den  Dichtern  der  Augustei- 
schen Zeit  unter  der  Vershebung  noch  als  lang  gemessen  in: 
sinit,  Verg.Aen.  X,  433.  defendit,  Hör.  Sat.  I,  4,  82. 

agit,  Hör.  Sat.  II,  3,  260.  faclt,    Verg.  Ed.  7,  23. 

figlt,  Hör.  c.  III,  24,  5.  petit,    Verg.  Äen.  IX,  9. 

Gegen  die  ursprüngliche  Länge  dieses  i  scheint  die  Kürze  die- 
ses Bindevokales  in  den  Pluralformen  der  dritten  Conjugation 
-Kmus,  -Itis  zu  sprechen;  aber  das  ist  nur  scheinbar.  Das  Grie- 
chische und  das  Sanskrit  zeigen  in  den  drei  Personen  des  Singular 
Präs.  Ind.  vor  den  Personalendungen  einen  langen  Vokal.  So  in  der 
ersten  Pers.  Skr.  dadämi,  Gr.  dtdcö^iL,  Lat.  dö,  in  der  zweiten 
Pers.  Skr.  dadäsi,  Gr.  didag,  rt'-O^s,  %GTt\q,  Homerisch 
TLxrTjöd'cc,  (prjö&a,  s&elrjöd'u  neben  £%8tGd'a,  dCdoi- 
ö&a,  in  der  dritten  Person  Skr.  dadäti,  Gr.  ölöcjöl,  xl- 
&r]6[,,  Töxrjai,.  Diese  Griechischen  Formen  zeigen,  dass  auch 
der  Diphthong  sc  in  der  zweiten  und  dritten  Pers.  Sing.  Ind.  Präs. 
der  Verba  barytona,  welche  die  Personalendung  mittelst  Bindevokal 
an  den  consonautischen  Verbalstamm  hängen,  wie  leyzig,  leyat, 
ein  langer  Vokal  vor  der  Personalendung  war,  was  durch  die  Dori- 
sche Form  dcö ccKKTj  für  dcddöxsL  bestätigt  wird  (vgl.  Dietrich, 
Zeiischr.  für  Alt&rihw .1847.  No.  89.  N.  Jahrb.  LXVIII,  554).  Wie 
also  Lat.  legö  dem  Griechischen  leyco,  so  entsprach  legis,  Alttat. 
legeis,  Gr.  kayetg  und  leglt,  Alllat.  legeit,  Gr.  leysi  für 
keys ix.  Somit  ist  die  Länge  des  in  Rede  stehenden  i  sprachlich 
gerechtfertigt. 

Häufiger  findet  sich  die  Länge  des  Charaktervokales  i  des  La- 
teinischen Perfects  vor  dem  auslautenden  t  der  dritten  Pers.  Sing. 
Ind.  gewahrt.  So  sind  nach  Fleckeisen  folgende  Messungen  bei  Plau- 
tus  handschriftlich  verbürgt : 

vendidlt,  Capi.  9.  emit,  Poen.V,  2,  99. 

optiglt,  Stich.381.  optiglt,  Rud.921. 

astitit,  Mil.  213.  iit,  Cisl  IV,  2,  35. 

vixlt,  Pseud.SW.  iussit,  Merc.  358. 

respexit,  Poen.  I,  2,  197.  potult,  Mil.  1076*). 


*)  Nicht   streng    erweislich    ist  die  lange   Messung  der  Endsilbe  in 
repperit,  Stich.  462.  746,  und  vicit;  Amph.  643. 

Corssen.  23 


—    354     — 

Eine  Anzahl  ähnlicher  Perfectformen  stellt  Fleckeisen  durch 
leichte  Emendationen  her  {N.  Jahrb.  LXI,  23).  Die  alte  Plautinische 
Schreibweise : 

redieit,  Merc.  530. 
die  Ritschi  aus  den  Handschriften  in  den  Text  aufgenommen  hat, 
zeigt,  dass  in  allen  vorstehenden  Perfectformen  einst  ei  geschrieben 
wurde.    Nur  in  zweisilbigen  Wortformen  mit  kurzer  Stammsilbe  hat 
sich  bei  Plautus  das  i  der  3ten  Pers.  Sing.  Ind.  Perf.  gekürzt  {Fleckeis. 
a.  0.).   Lang  erscheint  es  auch  noch  bei  Terenz  in  den  Messungen : 
profult,  Hec.  463. 
stetlt,  Phorm.  9*). 
So  kann  es  denn  nicht  befremdlich  sein,  dieses  I  auch  noch  in  den 
alteren  Versen  des  Livius  Andronicus  und  der  Scipionengrabschriften 
zu  finden  in : 
docui  t, 

Liv.  Andr.,  Ribb.  Trag.  v.  33 : 

Haut  ut  quem  Chiro  in  Pelio  docult  oeri. 
fuet,  fult, 
t.  Scip.  Barb. : 

Consöl,  censör,  aedilis  hie  fui  t  apüd  vos. 
t.  Scip.  Barb.  f. : 

Consöl,  censör,  aedilis  hie  fuet  apud  vos. 
So  gemessen  ergeben  sich  auch  hier  drei  regelrechte  Saturnisehe 
Verse,  und  die  Annahme  von  ausgefallenen  Thesen  ist  überflüssig. 
Der  letzte  dieser  Verse  hat  also  zwei  alte  Vokallängen  bewahrt  wir 
der  Ennianiscbe :  Malta  f o r o  p o n 1 1  et  ageä  longa  rcpletu r. 
Auch  bei  den  Dichtern  aus  Cäsars  und  Augustus  Zeit  findet  sieh  dies 
lange  i  meist  unter  der  Vershebung,  häufig  vor  der  Cäsur  des  Ver- 
ses, aber  auch  in  der  Verssenkung  erhalten ;  so  in: 
e  n  i  t  u  1 1 ,   Verg.  Georg.  II,  2 1 1 . 

petilt,   Verg,  Am. X, 67.    Prep. 1, 10, 23.     Ovid.  Met.  IX,  612. 
Uli  sit,  Verg.  Aen.  V,  480.  {Fleckeis.  a.  0.  p.  32): 

Arduus  effractoque  illisit  ossa  cerebro. 
Die  Messung  illisit,  bei  der  die  Endsilbe  unter  der  Verssen- 
kung  steht,  zeigt,  dass  nicht  die  Vershebung  allein  das  i  an  ähnli- 
chen Stellen  gelängt  hat;  sie  schützte  nur  den  schon  sicehen   und 


*)  Weniger   sicher   stehen    andere  von  A,  Kielte ,    Excreitationes  Te- 
renlianae,  p.   5  f.  beigebrachte  Beispiele. 


-     355     — 

zur  Kürzung  geneigten  langen  Vokal  gelegentlich  in  seiner  alten  Gel- 
tung.    Ebenso  sind  gemessen: 

subiit,  Verg.Aen.YM,363.  Hör. Sat. I,  9,  2 1 .  Ep.PonlA,  4,  46. 

adift,  Ov.Metam.\X,§\\.  Ep.PonlA,  3,74. 

i  m  p  c  d  i  1 1 ,   Ov.  Met.  XII,  392.    Valer.  Flacc.  VIII,  259. 

perrupit,  Hör.  c.  I,  3,  36. 

occubult,  Ov.  Her.  IX,  141. 

prosiluit,  Ov.Mel.Nl,  658. 

Auch  auf  Inschriften  findet  sich  die  Länge  dieses  i  durch  die 
Schreibvveise  EI  ausgedrückt  bis  nach  der  Gracchenzeit;  so  in: 
p  o  s  e  d  e  i  t ,  l.  Genuat. 
venieit,  /.  agr.  {Thor.) 
r  e  d  i  e  i  t ,   T.  Mumm.  Ritschi,  Or.  563. 

dedeit,  Marini.  All.  d.  fr.  Arval.  p.  607.     Zumpt,  Comment. 
epigr.  p.  33. 

Auf  einer  Inschrift  der  Augusteischen  Zeit  ist  derselbe  Laut 
durch  das  hohe  über  die  anderen  Buchstaben  emporragende  I  als 
lang  bezeichnet  in: 
periit,  /.  N.  3868. 

Natürlich  blieb  das  i  lang  vor  t,  wenn  von  Perfecten  der  I-con- 
jugation  auf  -ivi  das  v  ausgefallen  und  die  beiden  sich  berühren- 
den i  verschmolzen  sind,  wie  in : 
poseit,  /.  N.  5409. 
perft,  I.N.  3868. 
obit,  Or.  643. 

Auch  das  i  des  Conjunctivs  vordem  Personalzeichen  der 
dritten  Pers.  Sing,  t  hat  sich  gekürzt,  aber  namentlich  in  der  älte- 
ren Dichtung  seine  Länge  noch   vielfach  gewahrt;   so  bei  Plautus 
(Ritschi.  Prot.  Irin.  p.  183  f.)  in  : 
slt,  Asin.  762.  Men.  1045.  Mtl.  242. 
\e\lt,  Men.  52. 
mavellt,  Trin.  306. 

Auf  einer  Voraugusteischen  Inschrift  ist  die  Länge  dieses  i 
durch  ei  bezeichnet  in  : 

seit,  Dedic.  vic.  Für  f.  I.  N.  6011. 

Durch  Verschmelzung  des  ie  von  siet  entstand  der  lange  Mit- 
telton zwischen  i  und  e,  der  hier  wie  gewöhnlich  durch  ei  bezeichnet 
wurde  und  sich  in  si  t  zu  i  gekürzt  hat    Ebenso  sind  dieConjunctive 

23* 


—     356     — 

velim,  duim,  etlim,  verberint,  temperint,  carint,  finit 
durch  Verschmelzung  der  Conjunctivbezeichnung  ie  zu  i  entstanden 
(N.  Jahrb.  LXVIII,  370.). 

Seltener  hat  sich  das  lange  i  vor  dem  Personalzeichen  t  im  Fu- 
turum bei  Dichtern  erhalten.  Doch  ist  bei  Plautus  handschriftlich 
überliefert 

vaenibit,  Most.  1160 
wo  Fleckeisen  (a.  0.  p.  34)  mit  Recht  Ritschis  Umstellung  verwirft. 
Die  Länge  des  i  vom  Futurum  erscheint  daher  gewahrt  unter 
der  Vershebung  vor  der  Cäsur  noch  bei  Vergil  und  Horaz  in : 

erit,  Verg.  Ed.  3,  97,    Aen.  XII,  883. 

condiderlt,  Hör.  Sat.  11,  1,  82. 

In  der  Spanischen  Inschrift  von  Malacca  aus  der  Zeit  des  Do- 
mitian  finden  sich  Formen  der  dritten  Pers.  Sing.  Ind.  Fut.  I  und  II 
und  Conj.  Perf.  so  geschrieben,  dass  der  I-laut  vor  t  durch  das  em- 
porragende I  als  langer  Vokal  bezeichnet  wird;  so: 

habeblt,  iura?  erit, 

e  r  1 1 ,  tractaverlt, 

fecerlt,  cooptaverlt, 

con  fecerlt,  cavcrlt, 

d c s i e r  1 1 ,  explcverlt;*.  Mal.  Or.  Hen z. 

pervenerlt,  7421. 

steterlt, 
eine  Andeutung,  dass  der  Vokal  dieser  Formen  einmal  lang  war,  liegt 
wenigstens  in  diesen  Schreibweisen,  wenn  er  auch  zu  Domitiaus Zeit 
nicht  mehr  so  gesprochen  wurde. 

Es  fragt  sieh  nun,  wie  die  Lauge  des  i  in  Futurformen  wie  ve- 
niblt,  erit  zu  erklären  ist,  da  doch  die  Pluralformen  venibi- 
mus,  er  Im  us,  venibltis,  eritis  einen  kurzen  Vokal  zeigen. 
Die  Bildung  des  Futurum  in  verwandten  Sprachen  giebt  darüber 
Aufschluss.  Das  Sanskrit  bildet  sein  Futurum  durch  die  Anfügung 
-sja,  das  im  isolierten  Gebrauch  verschwundene  Futurum  vonWri. 
as-,  Gr.  ££-,  Lat.  es-,  in  welchem  -ia  die  Futurbezeichnung  ist. 
Dem  Sanskr.  -sja  entspricht  Griechisch  -tf*o  (-a i8)  in  den  Dori- 
schen Futuren  wie  7tQa%L0ii£g,  ßoad-^Oi'co.  Auch  im  Lateini- 
schen muss  das  Futurum  von  esse  ursprünglich  esio.  esies, 
esiet  gelautet  haben,  und  io,  ie  ist  Futur/eichen  gewesen;  dann 
entstand  mit  Sinken  des  s  zu  r  und  Ausfall  des  i  ero,  wie  minor 
aus  mini os  und  eris,  erit  wie  sis,  sit  aus  sieg,   Biet  {Hopp. 


—     357     — 

VergL  Gramm.  S.  903  /.).  Einen  Beweis  für  die  Richtigkeit  dieser 
Erklärung  geben  die  Pluralformen  des  Fut.  II  mit  langem  i  wie  : 

dixerltis,   Plaut.  Mit.  862. 

ded  erltis,  Enn.  Ann.  v.  200.  V.  Ov.  Met.  VI,  357. 

transierltis,   Ov.  Ep.  Pont.  IV,  5,  6. 

contigerltis,  a.  0.  IV,  5,16. 

fecerimus,  Cat.  5,  10. 

An  die  Perfectstämme  dieser  Verba  ist  nämlich  das  Futurum  von 
esse,  also  erlmus,  erltis  für  esiemus,  esietis  getreten, 
und  das  I  somit  lang  geblieben.  Auch  für  venibit  ergiebt  sich 
hieraus  die  Erklärung.  Wie  von  Wz.  es-  das  Futurum  esio, 
esies,  esiet,  ist  von  Wz.  fu-  ursprünglich  das  Futurum  fuio, 
fuies,  fuiet  mit  dem  Futurcharakter  io,  ie  gebildet.  Dieses 
ward  als  Suffix  zur  Futurbildimg  vokalischer  Verbalstämme  ver- 
wandt, und  gestaltete  sich  als  solches  regelrecht,  wie  schon  bespro- 
chen ist,  zu  bio,  bies,  biet  und  durch  Verschmelzung  des  ie  zu  i 
wie  in  sies,  siet  u.  a.  zu  bö,  bis,  bit.  In  allen  mit  diesem 
Suffix  gebildeten  Futurformen  ist  also  das  i  ein  langer  aus  Vokal- 
verschmelzung entstandener  Vokal,  der  seinem  Ursprünge  nach  ver- 
wandt ist  dem  £i  in  Griechischen  Futurformen  wie  Grshstg, 
Ktsvelg  {Curtius,  Temp.  u.  Mod.S.  315.  N.  Jahrb. LXVM,  369); 
das  1  der  später  gewöhnlichen  Formen  ist  also  gekürzt.  Diese  Kür- 
zung des  i  vor  t  in  allen  besprochenen  Verbalformen  zeigt  sich  zuerst 
in  zweisilbigen  Wortformen  mit  kurzer  Stammsilbe  bei  Plautus  wie : 
fuit,  Trin.  174. 331.^^^.550.  venit,  Pseud.  134. 
dedit,  Trin.  874.894.  M/.576.     velit,  Merc.  457  u.  a. 

Capt.  19.    Most.  978. 

Die  Sprache  folgte  dann  ihrem  Hange  zur  Kürzung  der  tief- 
tonigen  Endsilben  weiter,  so  dass  die  Kürze  des  i  vor  t  mit  der  Zeit 
durchweg  Platz  griff*). 


*)  Ein  lang  gemessenes  u  vor  t,  wo  es  sonst  kurz  erscheint,  nimmt 
Fleckeisen,  a.  O.  ^.31,  nach  der  handschriftlichen  Ueberlieferung  an  in 
sinciput,  Plaut.  Men.  506;  die  Länge  des  u  von  caput,  sinciput 
ist  aber  sprachlich  unerklärbar.  Ritschi  hat  doch  wohl  Recht ,  wenn  er 
an  jener  Stelle  sinciput  in  sincipitium  ändert.  Das  capüt  bei 
Vergil,  Aen.  X,  394,  Thymbre  capu't  Evandrius,  wo  die  Silbe  put 
unter  der  Vershebung  vor  der  Cäsur  vor  einem  Griechischen  Worte  steht, 
reicht  nicht  aus,  um  die  Länge  des  Vokales  u  gegen  die  Etymologie  zu 
beweisen.     Mit  der  Fleckeisenschen  Ansicht  über  die  Länge  der  Endun- 


—     358     — 

Vor  auslautendem  s  hat  sich  bisweilen  der  Vokal  e  gekürzt, 
häufiger  ist  dies  der  Fall  gewesen  mit  I  und  ü;  doch  haben  sich  im 
Gebrauche  der  Dichter  Spuren  ihrer  Länge  erhalten. 

Der  Vokal  e  vor  dem  s  der  zweiten  Person  Sing,  findet 
sich  in  zweisilbigen  Wortformen  mit  kurzer  Stammsilbe  bei  Plautus 
verkürzt  in : 
vides,  Rud.  942.    Stich.   714.     iubes,  Capt.  835. 

Most.  811.  1  o  c  e  s ,  Aulul.  III,  6,  32. 

h  a  b  e  s ;  Pseud.  161.  v  o  1  e  s ,  Bacch.  83. 

Aber  diese  Kürzung  hat  nicht  weiter  um  sich  gegriffen,  und  die 
spätere  Verskunst  hat  die  Geltung  des  e  auch  in  den  vorstehenden 
Verbalformen  überall  wieder  hergestellt. 

Das  i  hat  sich  häufig  gekürzt  vor  dem  s  der  zweiten  Person 
Sing.  Per  f.  Conj.  u.  Fut.  II.  Die  Dichter  der  Augusteischen 
Zeit  brauchen  die  Endung  i  s  dieser  Verbalformen  lang  und  kurz. 
So  erscheint  sie  lang  gemessen  in : 

placaris,  Hör.  c.  III,  23,  3.  reddideris,  Ov.  Am.  I,  4,  31. 

dedcris,  Hör.  c.  IV,  7,20.  Ov.     biberls,  a.0.32. 

Fast.  I,  17.    A.  Am.  I,  447.       nescierls,  Ov.  Her.  VII,  53. 
occiderls,  Hör.  c.  IV,  7,  21.       respueris,  Tib.  IV,  1,  8. 
fueris,  Hör.  Ep.  1,  6,  40.  tulerls,  Stat.Silv.  IV,  7,  40. 

a  u d  i  e  r  T  s ,  Hör.  Sat.  II,  5,  1 01 .     i  u  ver I s,  a.  0.  IV,  9,  5 1 . 
m i s cueris,  Hör.  Sat.  II,  2,  74. 

Hingegen  findet  sich  dasselbe  i  kurz  gebraucht  unter  der  Vers- 
senkung in: 

vitaveris,  Hör.  Sat.  II,  2,  54.       dixcris,  Hör.  A.  P.  47, 
detorseris,  a.  0.  II,  2,  55. 
und  bei  späteren  Dichtern  in  : 

iusseris,  luv.  IH,  78.  vidcris,  Mari.  III,  5,  10. 

egeris,  Marl  Epigr.  II,  30,5.     porrexeris,  a.  O.  V,  6,  10. 

Es  scheint  auch  hier  den  Dichtungsarten,  die  in  ihrer  Sprache 
der  Volks-  und  Umgangssprache  näher  standen,  wie  der  Satirc  und 
dem  Epigramm  die  Kürze  der  Endsilben  geläufiger  gewesen  zu  Bein 
als  den  strengeren  und  gemesseneren  Dichtungsarten.  Die  Länge 
dieses  i  ist  schon  oben  sprachlich  begründet. 


gen  -at,  -et,  -it  von  Verbalformen  hat  sich  übrigens  auch  Kitschi 
neuerdings  (Prol.  Pseud.  p.  14.  Rhein.  Mus.  VIII,  492)  einverstanden  er- 
klärt. 


-     359     — 

Ebenso  ist  nachgewiesen,  dass  die  Endung  -Is  der  2ten  Pers. 
Sing.  Ind.  Präs.  Act.  ursprünglich  ein  langes  i  hatte.     Daher  findet 
sich  bei  Horaz  unter  der  Cäsar  noch  geinessen : 
scribis,  Sat.  II,  3,  1 : 

Si  raro  scribis,  ut  toto  non  quater  anno. 

Auch  der  Vokal  u  ist  vor  s  in  Flexionsendungen  gekürzt  wor- 
den; doch  hat  sich  die  ursprüngliche  Länge  desselben  noch  gele- 
gentlich hei  Plautus  und  unter  günstigen  metrischen  Einwirkungen 
bei  den  Dichtern  der  Augusteischen  Zeit  erhalten*). 

Flcckeisen  (a.  0.  p.  34)  weist  die  Länge  des  u  in  dem  Suffix 
-bus  aus  folgenden  Messungen  nach: 

omnibüs,  Plaut.  Aulul.  II,  8,  8.    Merc.  919**). 
pectoribus,  Verg.Aen.  IV,  64. 

Dass  die  Endung  -büs,  wie  bis  in  nobls,  vobTs,  durch 
Vokalverschmelzung  aus  -bius,  Sanskr.  -bhjas,  entstanden  ist, 
davon  war  schon  oben  die  Rede;  also  war  das  u  von  -bus  ursprüng- 
lich lang  wie  das  i  von  -bis.  Gerade  so  entstanden  die  beiden 
Formen  partüs  (7.  repet.)  und  partls  aus  einer  ursprünglichen 
parti-us. 

Griechisches  ov  ist  Lateinisch  zu  ü  gekürzt  in: 
polypus,  Hör.  Epoä.  12,  5. 
indem  die   Lateinische   Sprache   die    Wortausgänge   -us   als   der 


*)  Fleckeisen,  a.  0.  p.  33,  glaubt  Spuren  gefunden  zu  haben,  dass 
die  Endung  der  2ten  Pers.  Plur.  -tis  lang  war.  Es  misst  nämlich  vi- 
deritis  MiL  157  als  Choriambus,  weil  ein  Paeon  primus  die  Vershe- 
bung nicht  auf  der  letzten  Silbe  habe  tragen  können.  Weshalb  dieser 
Grund  unhaltbar  sei ,  wird  sich  weiter  unten  ergeben.  In  dem  Verse 
des  Vergil,  Aen.  XI,  111:  Oratis?  equidem  et  vivis  concedere 
vellem,  steht  das  -tis  von  oratis  unter  der  Vershebung  vor  dem 
Verseinschnitt  nach  der  Hebung  des  zweiten  Versfusses,  vor  der  Pause 
der  Frage;  allein  kann  also  dieser  Vers  für  die  Länge  des  i  in  oratis 
nichts  beweisen.  Der  entscheidende  Grund  gegen  Fleckeisens  Annahme 
ist  aber,  dass  alle  verwandten  Sprachen  in  dieser  zweiten  Person  Plu- 
ralis  einen  kurzen  Bindevokal  nach  dem  T-laut  zeigen;  das  Sanskrit 
hat  für  Lat.  -tis  -tha,  das  Griechische  -t8,  das  Gothische  bloss 
-th;  ein  langer  Vokal  wäre  also  in  der  Lateinischen  Endung  uner- 
klärlich. 

**)  Für  auribus,  Most.  1118,  und  lampadibus,  Men.  842,  ist 
die  lange  Messung  der  Endsilbe  nicht  unzweifelhaft  erwiesen. 


—     360     — 

O-declination  zugehörige  Nominative  fasste  und  danach  die  Wörter 
flectierte.     U  erscheint  ferner  gekürzt  vor  s  in : 
p  a  1  ü  s ,  Hör.  A.  P.  65  : 

regis  opus,  sterilisve  diu  palüs  aptaque  remis, 
eine  Kürzung  einer  zweisilbigen  Wortform  mit  kurzer  Stammsilbe, 
für  die  sich  weiter  keine  ganz  gleiche  Beispiele  aufweisen  lassen. 

Auch  die  Endung  der  ersten  Pers.  Plur.  -mus  findet  sich  als 
Länge  gemessen  in: 

v  e  n  i m  u  s ,  Plaut.  Cure.  438 : 

Q  u  i  a  n  ü  d  i  u  s  quartusv^nimiis  in  C  ä  r  i  a  m ; 
so  lautet  der  Vers  in  den  Handschriften  und  Fleckeisen  (a.  0.  p.  33) 
widerruft  seine  in  den  Text  gesetzte  Umstellung  desselben.    Ebenso 
ist  die  Endung  -mus  lang  gemessen  bei  Vergil  und  Ovid  in: 
fatigamüs,    Verg.  Aen.  IX,  610. 
n  e g  a  b  a  m  ü  s ,  Ov.  Metam.  XIV,  250 , 
freilich  an  beiden  Stellen  unter  der  Vershebung  vor  der  Hauptcäsur 
des  Verses.     Vergleicht  man  in  den  verwandten  Sprachen  die  En- 
dungen der  ersten  Person  Pluralis  in  Verben  wie  Skr.  bibhrmas, 
Gr.  cpsQotisg ,  Goth.  bairam,  Althoclid.  berames,  Lat.  feri- 
mus,    so  erhält  die  Länge  der  Endung  -mus  nur  durch  die  Alt- 
hochdeutsche -mes  eine  Stütze;  wie  aber  diese  beiden  Sprachen  zu 
dem  langen  Bindevokal  e,  ü  kommen,  ist  noch  nicht  sicher  nachge- 
wiesen ( Vgl.  Bopp,  vgl.  Gr.  p.  626  f.   Polt,  Et.  F.  II,  711.    G.  Cur- 
tius,  Temp.  u.  Modi  S.  26.   N.  Jahrb.  LXVIII,  354). 

In  dem  Abschnitt  über  irrationale  Vokale  vor  Consonanten 
wird  noch  von  Kürzungen  der  Endsilben  mit  auslautendem  s  von 
zweisilbigen  Wörtern  mit  kurzer  Stammsilbe  die  Bede  sein. 

Häufig  sind  im  Lateinischen  die  Vokale  a,  e,  o,  u  vor  aus- 
lautendem r  gekürzt  in  Nominalformen  wie  in  Verbalformen. 

Der  Vokal  a  kürzte  sich  in  der  lsten  Pers.  Präs.  Cooj.  Pass.  vor 
dem  auslautenden  r,  das  der  Passivbildung  dient.     Poch  hat  sich 
bei  Plautus  dieses  a  noch  lang  erhalten  in: 
loquär,  Amph.  559. 

o  p  p  r i  m  ä r ,  Amph.  1 056  *).      •  \ 

(vgl.  Ritschi,  Proll.  Irin.  p.  80.  1). 

Pass  das  aus  -iä  entstandene  Conjunctivzeichen  ä  auch  in 
Passivformen    ursprünglich   lang  war,    versteht   sich  von    sellist. 


:)  Zweifelhaft  bleibt  die  Messung  von  addicar,  roen.   V,  6,  4. 


—    361     — 

Bei  Ovid  findet  sich  dieses  a  noch  lang  gemessen  in : 
ferär,  Ov.  Met.  VII,  61. 
Die  Stellung  des  Vokales  a  unter  der  Vershebung  vor  der  Hauptcäsur 
des  Verses  trug  auch  hier  dazu  bei ,  die  noch  nicht  ganz  aus  dem 
Sprachbewusstsein  geschwundene  Länge  derselben  wieder  geltend 
zu  machen. 

Ebenso  kürzte  sich  das  a  in  den  neutralen  auf  r  auslautenden 
Nominativen  von  Adjectivstämmen,  die  das  auslautende  i,  e  des  Suf- 
fixes -ari  abgeworfen  haben,  wie: 

calcSr,  lupanär,  lucär, 

torcular,  cochleär,  soliär, 

pulvinär,  exemplär,  Apollinär. 

n  u  b  i  1  ä  r,  1  a  c  u  n  ä  r , 

Ebenso  ist  in  dem  Punischen  Namen: 
Ha  milcär 
das  a  ursprünglich  lang  gewesen  und  ward  so  noch  zu  Ennius  und 
Plautus  Zeit  gesprochen  {Gell.  IV,  7)*). 

Der  Vokal  e  vor  r  hat  sich  gekürzt  in  der  1  st  en  Pers.  Sing. 
Conj.  Präs.  und  lmp.  Pass.  vor  dem  r,  das  der  Bezeichnung  des 
Passivums  dient,  in  Formen  wie : 
amer, 
teger&r  u.  a. 

Wenn  auch  dieses  e  bei  Dichtern  nicht  mehr  lang  gemessen  er- 
scheint, so  ist  es  doch  einmal  lang  gewesen,  da  es  als  Conjunctiv- 
bezeichnung  aus  -iä,  -ie  entstanden  ist. 

Vereinzelt  steht  die  Verkürzung  des  e  vor  r  in: 
Celtiber  neben  Griech.  KsXtißrjQ,  Marl.  X,  20,  1**). 


*)  Die  Messung  jubar  bei  Ennius,  Annal.  547.  Fahl,  unter  der  Vers- 
hebung, vor  der  Cäsur  und  vor  einem  Griechischen  Worte  reicht  zum 
Nachweis  für  die  Naturlange  des  a  nicht  aus,  da  dieselbe  sprachlich 
nicht  zu  begründen  ist. 

**)  Fleckeisen  (a.  0.  p.  32)  nimmt  ursprüngliche  Länge  des  e  von 
pater  an,  gestützt  auf  drei  Stellen  des  Vergil: 

Äen.  V,  521:  Ostentant   artemque    pater  arcumque   sonan- 

t  e  m. 
XII,  13:  Congredior;  fer  sacra  pater,  et  coneipe  foe- 

dus. 
XI,    469:  Consilium  ipse   pater,    et   magna    ineepta  La  - 

t  inus. 


—     362     — 

Der  Vokal  o  hat  sich  in  der  Endsilbe  vor  r  gekürzt  in  Verbal- 
und  Nominalendnngen ;  doch  hat  die  ältere  Römische  Dichtung  noch 
in  zahlreichen  Fällen  seine  Länge  gewahrt. 


An  einer  Stelle  des  Plautus  findet  sich  nach    der  handschriftlichen 
Ueberlieferung  pater  ebenso  gemessen, 

Aulul.lY,  10,  49:  Me'us  fuitpate'r  Antimachus:  ego  vocor  Lucö  - 

nides. 
Für  den  Plautinischen  Vers  ist  Ritschis  Umstellung  pater  fuit 
sehr  leicht  und  ansprechend,  in  den  Vergilischen  Versen  steht  die  Silbe 
ter  von  pater  immer  unter  der  Vershebung  vor  der  Hauptcäsur.  Das 
Griechische  naxr\q  beweist  nichts  für  die  Länge  des  e  von  Lat.  pa- 
ter, da  das  Lateinische  im  Gegensatz  zum  Griechischen  einen  kurzen 
Vokal  in  der  Endsilbe  des  Nominativs  liebt,  also  sermö,  pastor  ne- 
ben sermönis,  pastöris,  während  im  Griechischen  der  Nominativ 
langen  Vokal  zeigt,  die  Casus  obliqui  kurzen,  in  qtJtcoq,  7col[17]v  ne- 
ben Qjjzo  Qog ,  no  ifiEvog.  Im  Widerspruch  mit  seinen  sonstigen  No- 
minativbildungen würde  also  das  Lateinische  nach  Fleckeisens  Annahme 
im  Nominativ  einen  Vokal  gelängt  haben,  den  es  in  allen  anderen  Fällen 
der  Casusbildung  ausstiess.  Man  kann  nicht  umhin ,  anzunehmen ,  dass 
das  Lateinische  auch  im  Nominativ  den  kurzen  Vokal  von  pater  von 
je  her  hatte,  und  auch  diesen  im  Gegensatz  zu  den  obliquen  Casus  nur 
beibehielt,  weil  die  Lautverbindung  tr  im  Auslaut  unerträglich  war. 
Dafür  spricht  auch  der  Sanskrit-Nominativ  pitr,  der  ebenfalls  nach  t 
einen  kurzen  vokalischen  Laut  zeigt.  Die  Messung  pater  ist  also  bei 
Vergil  dem  Griechischen  7iccttJq  nachgebildet,  und  wie  in  aether, 
aer  das  Griechische  r\  im  Lateinischen  lang  geblieben. 

Auch  die  Ansicht  Fleckeisens,  dass  Iuppiter  ein  langes  e  in  der 
Endsilbe  gehabt  habe,  ist  nicht  haltbar,  wenn  pater  stets  pyrrhichisch 
gesprochen  wurde.     Sie  stützt  sich  auf  den  Vers: 

Amph.  94:  Hanc  fdbulam,    in  quam,  hie  Iuppiter  hodie  fpse 

aget. 

Iuppiter  soll  hier  als  Creticus  gemessen  sein,  weil  ein  daktyli- 
sches Wort  die  Vershebung  nicht  auf  der  Schlusssilbe  tragen  könne. 
Die  Unnahbarkeit  dieser  metrischen  Regel  wird  im  letzten  Abschnitt 
dieser  Arbeit  dargethan  werden;  dann  aber  wird  auch  jeder  Schein  eines 
Beweises  für  die  Länge  des   e   in  Iuppiter  wegfallen. 

Aus  demselben  Grunde  nimmt  Fleckeisen  Cretische  Messung  für  in- 
super  in  Anspruch: 

Merc.  693:    Ni  sumptuosus  insuper  etiam  siet. 

Auch  hier  ist  aber,  wie  sich  unten  ergeben  wird,  die  Versbetonung 
Insuper  ganz  in  der  Ordnung;  ebenso  wenig  ist  die  Länge  des  e  in 
semper,  propter,  inter,  super  irgend  erwiesen  oder  nachweislich. 
Semper,  Lucr.  III,  21,  ist  von  Beruays  beseitigt  durch  die  Lesart: 
cana  cadens  violat,  semperque  innubilus  aether;  propter, 


—     363     — 

Schon  Acidalius  wies  nach,  dass  die  Nominative  der  Substan- 
tiva  auf  -tor,  welche  die  handelnde  Person  bezeichnen,  bei  Plau- 
tus  ihr  langes  o  noch  gewahrt  haben,    das  später  stets  kurz  er- 


Ter.  Andr.  439,  ist  Fleckeisen  selbst  zweifelhaft;  Ritschi,  Prol.  Trin. 
p.  327,  stellt  den  Vers  so  um:  Huiusce  propter  consuetudinem 
hospitae,  und  so  ist  er  jetzt  von  Fleckeisen  in  den  Text  des  Terenz 
aufgenommen;  nach  Bentley  lautet  er:  Propter  hospitai  huiusce 
consuetudinem.  Es  bleiben  die  Messungen  inter  und  super 
übrig,  die  handschriftlich  gesichert  sind: 

Prop.  III,  24,  29  (K.)  :  Ettib.iMaeonias  inter  h  er  oidas  omni  s. 
Verg.  Aen.  VI ,  254 :  Pingue  super  oleum  infundens  ardenti- 

bus  extis. 

Dass  aber  der  Vokal  in  inter  kurz  war,  lehrt  seine  Bildung  mit 
dem  Suffix  - 1  e  r  o  ,  Skr.  - 1 S  r  a ,  Gr.  - 1  e  q  o  ,  dass  es  in  super  kurz  war, 
zeigt  Sanskr.  upari,  Gr.  vtzbq,  Goth.  ufar,  Ahcl.  ubar.  Man  musp 
also  annehmen,  dass  Properz  und  Vergil  die  Griechischen  Dichter  nach- 
ahmten, welche  der  auslautenden  Silbe  der  Präposition  durch  die  Vers- 
hebung die  Geltung  einer  Länge  gaben  in  Verbindungen  wie  Y,atd 
qoov,  dvä  qoov,  V718LQ  a  X  a  u.  a.  Dem  vnstQ  aXa  sieht  das 
Vergilische  super  oleum  sehr  ähnlich.  Solche  Nachbildungen  Griechi- 
schen Versbaues  erklären  doch  allein  Messungen  wie  Ovid.  Met.  II,  247 : 
Taenariüs  Eurotas,  Ovid.  Metam.'Vll,  365:  Phoebeamque  Rho- 
don  et  Ialysios  telchinas,  Cat.  66,  11:  auetüs  hymenaeo» 
Verg.  Bucol.  VI,  53:  fultijs  hyacintho,  Verg.  Georg.  II,  5:  gravi- 
dils  autumno,  Verg.  Aen.  X,  720:  profugus  hymenaeos,  Aen.  XI, 
69:  languentis  hyacinthi,  und  vor  der  Cäsur  der  Verse,  Itb.  I,  5, 
33:  Et  tantum  venerata  virum,  —  hunc.  .  Prop.  III ,  6 ,  1 : 
O  me  felicem!  —  o.  .  111,30,  45:  Haec  eadem  ante  illä'm  — 
impune  .  .  .  Manu.  I,  791:  Emeritus  caelGm  —  et  .  .  Mart.  III, 
3,  4:  Aut  aperi  faciem  —  aut  .  .  Aehnlich  stehen  Ov.  Met.  X,  98: 
myrtus,  Verg.  Aen.  X,  394  capüt  u.  a. ,  vgl.  Schneid.  Lat.  Gr.  I 
p.  750. 

Dass  das  u  der  Endung  -tur  in  der  dritten  Pers.  Passiv,  lang  ge- 
wesen sei,  will  Fleckeisen  aus  Dichterstellen  nachweisen,  wo  er  agitür, 
reddetür,  conseetantür  misst.  Allein  alle  diese  Stellen  sind  kri- 
tisch zweifelhaft  oder  nicht  streng  beweisend  für  die  Länge  des  u.  So 
zuerst  Pscud.  645:  Ät  illic  nunc  negotiosust:  res  agitur  aput 
iüdicem;  hier  kann  agitur  Tribrachys  sein,  die  Länge  seines  u  ist 
also  nicht  erwiesen.  Stich.  528  liest  Fleckeisen:  Quid  agitur  [mi] 
Epignome?  Quid  tu?  quämduduminportümvenis,  Ritschi 
hingegen  mit  den  Handschriften:  Quid  agitur  Epignome  .  .  .  Auch 
dieser  Vers  giebt  also  keine  Gewähr  für  die  Länge  des  u  in  agitur. 
Most.  580  ist  die  verderbte  handschriftliche  Ueberlieferung  :  Redde- 
turne  igitur  faenus?  reddetür  nunc  abi.     Ritschi  emendiert  den 


—     364     — 

scheint  {vgl.   Ritschi,   Prol.    Trin.  p.  174.   Fleckeis.  a.    0.  26). 
So  in: 

exercitör,  Trin.  226.   1016. 
gubernatör,  Rad.  1014. 
imperatör,  Amph.  223. 
amatör,  Racch.  1163. 

Die  Casus  obliqui  bezeugen  die  ursprüngliche  Länge  dieses  o 
im  Nominativ.  Dem  Lateinischen  Suffix  -tör  entspricht  Sanskr. 
-tär,  Griech.  -tcoq ,  -t^o,  und  Sanskr.  d ä t ä (r) ,  Gr.  dor^p, 
Zötf.  dator  sind  dieselben  Wörter.  Diesen  Bildungen  schliessen 
sich  an: 

censör  für  censitor, 
t.  Scip.  Rarb.  f: 
Consöl,    censor,   aedilis  hie   fuet  apüd  vos. 
sorör,  Poen.  J,  2,  151. 
1    uxör,  Stich.  140.  Asin.^Ti. 

deren  Casus  obliqui  ebenfalls  die  Länge  des  o  im  Nominativ  beweisen. 

Die  Kürzung  des  o  dieser  Nominalendungen  -tor  und  -or  begann 

bei  Plautus  in  zweisilbigen  Wortformen  mit  kurzer  Stammsilbe  wie : 


Schluss :  reddetur  tibi,  Fleckeisen:  reddetur  abi;  also  auch  hier 
ist  die  Länge  des  u  der  Endung  -tur  nicht  gesichert.  Bacch.  1093: 
Orania  rae  mala  conseetantfir,  omnibus  exitiis  interii.  Die 
Stellung  der  Endung  -tur  vor  der  Cäsur  des  Anapästischen  Octonars 
kann  für  sich  allein  nicht  erweisen,  dass  in  den  Versmaassen  des  Dia- 
logs der  Vokal  in  derselben  lang  gebraucht  worden  sei.  Im  Plautus 
ist  also  keine  sichere  Stelle  für  die  Länge  desselben  nachgewiesen.  In 
den  Vergilischen  Versen:  Aen.  V,  281:  Olli  serva  datür  —  ope- 
rum..  Georg.  III,  76:  Altius  ingreditür  —  et...  Aen.  IV, 
'222:  Tum  sie  Mercurium  adloquitfir  —  ac...  steht  die  Silbe  t  ur 
unter  der  Vershebung  vor  der  Cäsur  des  Verses,  und  diese  Stellung  kann 
ohne  anderweitige  Beweise  die  Länge  des  u  nicht  verbürgen.  Eine 
sprachliche  Erklärung  aber  für  diese  Annahme  ist  durchaus  problema- 
tisch. Eben  so  wenig  ist  ein  Beweis  geführt,  dass  igitür  einmal  ein 
langes  u  gehabt  habe.  Der  Vers  Plaut.  Amph.  719:  Verum  non  est 
püero  gravida.  Quid'igitur?  Insani,  ist  nicht  beweisend  da- 
für, weil  auf  ig i tur  die  Pause  nach  der  Frage  und  der  Wechsel  der 
redenden  Person  eintritt.  Die  handschriftliche  Ueberlieferung  Most. 
1093:  Quid  igitur,  ego  accersam  homines  ....  ändert  Bitschi 
leicht  in:  Quid  igitur,  si  ego  .  .  In  den  beiden  Versen  Hacek.  89. 
Amph.  409  ist  igitur  als  Tribrachys  zu  messen.  Sprachlich  fehlt  es  ganz 
an  einer  Erklärung   der  Länge  des  u  von  igitur. 


—     365     - 

soror,   Trin.  374. 

amör,   Trin.  264.  267. 

pudör,  Stich.  323. 

labör,  Capt.  196.    {vgl.  Fleckeis.  N.  Jahrb.  LXI,  44). 

Dann  griff  auch  hier  die  Kürzung  weiter  um  sich  in  allen  ande- 
ren derartigen  Wortformen. 

Nach  der  Analogie  dieser  Wörter  wird  auch  das  a  in : 

Hector,  Nestor,  Castor 

gekürzt,  während  im  Gegentheil  Ennius  nach  der  Analogie  von  prae- 
töres,praetörem:  Hectöris,  Hectörem  sprach  (Ribb.  Trag. 
Enn.  p.  23,  51.  Vahl.  Enn.  p.  93.  105)  für  Griechisches  "Ekto - 
Qog,  "Ektoqcc.  In  beiden  Fällen  folgte  das  Griechische  Wort  im 
Romischen  Munde  der  Analogie  Lateinischer  Worter. 

Der  Vokal  o  kürzte  sich  in  dem  aus  -os  entstandenen  Suffix 
-or;  so  in : 

lepör,  labör,  clamor, 

honör,  colör,  odör  u.  a. 

Das  o  der  Gompar ativen düng  -ior  erscheint  in  der  späte- 
ren Sprache  stets  kurz;  bei  Plautus  hat  es  sich  noch  lang  erhalten  in : 

stultiör,  Bacch.  123. 

auctiör,  Capt.  782. 

longiör,  Amph.  548. 

vorsutiör,  Epid.  III,  2,  35.   Ritschi.  a.  0.  p.  175. 

Diese  Nominative  stehen  also  den  Casus  obliqui  stultiörem, 
auctiörem  und  der  Nominativendung  Sanskr.  Tjäns,  Gr.  -lcjv 
mit  langem  Vokal  zur  Seite. 

Der  Bindevokal  ö  der  ersten  Per s.  Sing.  Ind.  Präs.  und 
F  ut.  I,  der  sich  in  der  activen  Form  erst  spät  kürzle,  hat  sich  früher 
gekürzt  im  Passivum  vor  dem  auslautenden  r,  das  der  Passivbil- 
dung dient.  Fleckeiseft  (a.  0.  p.  26)  weist  nach,  dass  sich  die  Länge 
dieses  o  bei  Plautus  noch  in  zahlreichen  Formen  gewahrt  hat;  so  in: 
fateör,    Asin.  62.  Pseud.  848.     mirör,  Poen.  I,  2,24. 

Cure.  255.  Epid.  V,  1,  48.         opinör,  Amph.  574. 
morör,  Rud.  1248.  852.  Bacch.     arbiträr,  Aulul.  II,  2,  39. 

1118.  regrediör,C^.  1023. 

sequör,  Poen.  III,  4,  7.  speculör,  Cas.  IV,  2,  12. 

perpetiör,  Most.  621  *). 

*)  Andere  nicht  sicher  stehende  Beispiele  sind  hier  absichtlich  nich 
erwähnt. 


—     366     — 

Bei  Tibull  findet  sich  unter  der  Vershebung  vor  der  Cäsur  das 
o  in  langer  Geltung  in : 

trahör,  Tib.  I,  10,  13. 
Ebenso  gemessen  erscheint  die  Futurform: 
fatebor,  Plaut.  Rud.  285. 

Vor  auslautendem  1  haben  sich  die  Vokale  a  und  u  in  der 
Endsilbe  gekürzt. 

Ein  a  vor  1  kürzte  sich  an  dieser  Stelle  in  dem  Nominativ  der 
mit  dem  Suffix  -ali  gebildeten  Nomina,  nachdem  das  auslautende  (i)e 
derselben  abgefallen  war,  wie: 

cervical,         animal,  Bacanäl,        Lupercäl, 

toräl,  minutäl,  Minerväl,      fagutäl  u.  a. 

Ebenso  kürzte  sich  a  vor  1  in  den  Punischen  Namen 
Hannibal,  Hasdrubal,  Adherbal,  Maharbalu.a; 
während  Ennius  und  die  älteren  Dichter  noch  Hannibälis,  Ha n- 
nibälem,  Hasdrubälem  sprachen  und  massen  (Gell.  IV,  7). 
Da  alle  diese  Namen  Composita  mit  dem  Namen  des  Phönicischen 
Gottes  baal  sind,  so  war  ihr  a  ursprünglich  lang.  Das  Zurückziehen 
des  Hochtones  von  der  Endung,  wo  ihn  die  Punischen  Namen  trugen, 
hatte  im  Römischen  Munde  auch  die  Kürzung  der  tieftonigen  End- 
silbe zur  Folge,  und  dann  drang  die  Kürzung  vom  Nominativ  auch 
in  die  Casus  obliqui.  In  daktylische  Verse  passte  der  Name  Hanni- 
bal nur  mit  kurzem  a. 

Der  Vokal  i  vor  auslautendem  1  hat  sich  gekürzt  in  : 
nihil  für  ne  hilum,  Fest.  p.  175.  101.      Varro  L.  L.  IX,  54. 
Charts,  p.  79, 
das  so  seit  Catull  vorkommt.     Doch  erscheint  das  i  noch  lang  bei 
älteren  und  späteren  Dichtern;  so: 

nihil,  Plaut.  Poen.  III,  2,  10.  Ov.  Ep.  P*nl.  III,  1,  113.  Mctam. 
VII,  644. 
Ovid  braucht  daneben  auch  nll  und  nihil,  die  scenischen 
Dichlerdie  zusammengezogenen  Formen  nll,  nilum,  nllo  (Lachm. 
Lucr.  p.  21  f.  Ind.  lect.  Berol.  1848.  p.  5.  Fleckciscu  ,  ff.  Jahrb. 
LXI,  58.  zur  Krit.  Altlat.  nicht,  b.  Gell.  S.  37).  In  nihil  für  ni 
hilum  kürzte  sich  neben  dein  Abfall  der  schwach  tonenden  Silbe  -um 
erst  das  ursprüngliche  lange  i  von  ni,  nei,  ne,  dann  in  der  nun- 
mehr jambisch  gewordenen  Wortform  nach  Zurücktreten  des  Hoch- 
tones von  der  Endsilbe  auch  diese,  ähnlich  wie  aus  nisi  nTsi  wurde. 


—     367     — 

Scheinbar  vor  n  sind  verkürzt  die  Vokale  a,  e,  i  in  den  Jam- 
bischen Wortformen: 

rogän, 

vidSn, 

abtn  u.  a, 
nur  scheinbar  vor  n,  denn  wie  Fleckeisen  richtig  bemerkt  (a.  0. 
p.  40),  hatte  sich  das  a,  e,  i  schon  in  den  Formen  rogäs,  vi  des, 
ab is  gekürzt,  ehe  dasne  angefügt  wurde. 

Ursprünglich  langes  i  und  o  vor  auslautendem  njist  bei  Plautus 
und  Terenz  kurz  geworden  in  den  zweisilbigen  Wortformen  mit  kur- 
zer Stammsilbe: 

utin,  Rud.  1063.   Epid.  II,  2, 41.   Ter.Hec.  199.  Phorm.%14. 

dedin,  Epid.Y,  %  38. 

iocön,  Bacch.  75.  Fleckeis.  a.  0.  43.  45. 

Vor  auslautendem  m  endlich  erleiden  die  Vokale  a,  e,  i,  u 
Kürzung  in  Declinations-wie  Conjugationsendungen. 

Der  Vokal  a  hat  sich  in  der  A-declination  vor  auslautendem  m 
des  Accusativs  überall  gekürzt,  und  während  das  ä  des  Nominativs 
bei  den  ältesten  Dichtern  sich  noch  in  einzelnen  Fällen  erhalten  hat, 
findet  sich  von  einem  ä  des  Accusatives  keine  Spur  mehr.  In  den 
Accusativen  der  E-declination  kürzte  sich  das  e  vor  m,  wie  spe- 
ciem  neben  speciei,  species  u.  a.  zeigen.  Vor  dem  auslauten- 
den m  des  Genetiv  Pluralis  kürzte  sich  der  Vokal  u  in  Formen  wie: 

matr  um, 

partium, 
da  der  Lateinischen  Endung  dieser  Genetive  im  Sanskrit  -am,  im 
Griechischen  -ov  entspricht  (Bopp,  Vgl.  Gr.  I  S.  487.  2le  Aufl.)) 
lang  blieb  hingegen  das  u  im  Genetiv  Pluralis  der  O-stämme 

numüm, 

d  e  ü  m , 

sestertiüm,  also  auch  das  o  der  Altlateinischen  Formen: 

Aiser  ninöm,      Ladin  öm,      Aquinö,       Caiatinö, 

Aiserninö,  Calenö,  Coranö,       Cozanö, 

Paistanö,  Romano,        Suesanö, 

von  denen  schon  die  Rede  gewesen  ist.  In  allen  diesen  Formen 
verschmolz  das  ö  des  Stammes  mit  dem  ö,  ü  der  Genetivendung 
-öm,  -um  zu  einem  langen  Vokal,  der  sich  hielt,  indem  er  eigent- 
lich eine  Tondauer  von  drei  Moren  vertrat. 


—    368     — 

In  Verbalformen  kürzen  sich  die  Vokale  a,  e,  i  vor  auslauten- 
dem m  durchweg  schon  in  alter  Zeit. 
Also  a  in  Formen  wie : 
tegam,  eram,  tegebam, 

audiam,  texeram, 

e  in  Formen  wie : 

siem,  dicem,  essem, 

faciem,  texissem, 

amem,  extinxem, 

i  in  Formen  wie : 

velim,  faxim. 

nolim, 

m  a  1  i  m , 

edim, 

d  u  i  m , 

Die  ursprüngliche  Länge  der  Vokale  vor  diesem  auslautenden  m 
ergiebt  sich  aus  den  oben  gegebenen  Nachweisen  für  die  Länge  der- 
selben Vokale  in  den  zu  diesen  ersten  Personen  gehörenden  formen 
der  dritten  Person  Singularis,  die  auf  t  auslauten. 

MancheKürzungen  vonEndsilben  können  erst  in  dem  Abschnitt 
über  die  irrationalen  Vokale  zur  Sprache  kommen. 

Auch  hier  ist  es  nun  an  der  Stelle  die  Ergebnisse  der  vorste- 
henden Untersuchungen  für  die  Geschichte  der  Lateinischen  Sprache 
zusammenzustellen. 

In  der  Zeit  der  Puni sehen  Kriege  war,  wie  im  Leben  des 
Römischen  Volkes  so  im  Vokalismus  der  Sprache  noch  mehr  Krall 
und  Jugend  fris  che  als  in  den  Tagen  des  divus  Augustus.  Die 
Sprache,  in  der  C.  Duellius  Siegesbericht  auf  der  Columna  rostrata 
und  die  Grablieder  auf  den  Särgen  der  Scipionen  geschrieben  wur- 
den, in  dcrNaevius  und  Ennius  die  Grossthaten  ihres  Volkes  feier- 
ten und  Plautus  Prologus  in  der  Bretterbude  die  Zuschauer  anre- 
dete, diese  Sprache  zeigte  in  ihren  Flexionsendungen  noch  lange 
und  volle  Vokale  in  Wortformen  wie  aquilä,  virtutei,  facilu- 
med,  omnibüs,  Hamilcär,  imperatör,  censör,  longiör, 
llannibäl,  nihil,  ponebät,  solet,  esset,  in  fit,  fuTt. 
posedelt,  velil,  seit,  loqufir,  conspicör.  Das  eiserne 
Geschlecht,  dessen  Wallen  Ilannibals  Genie  erlag,  sprach  Doch 
aus  vollerer  Brust,  in  kräftigeren  Tönen  ;»ls  seine  entarteten  Nach- 
kommen mit  ihrem  Wahlspruch:   panem  et  Circenses.     Aber 


—     369     — 

wenn  jene  Vokale  der  Endsilben  schon  bei  Plautus  und  den  al- 
ten scenischen  Dichtern  überhaupt  unter  gewissen  Bedingun- 
gen als  Kürzen  gemessen  werden  können,  so  crgiebt  sich  daraus, 
dass  die  Volkssprache  bereits  dahin  neigte  ihre  Tondauer  zu 
kürzen.  Nachdem  die  Sprache  durch  zwei  Jahrhunderte  dieser 
Neigung  gefolgt  war,  ist  die  Kürzung  dieser  Vokale  so  weit  durch- 
gedrungen,  dass  die  kunstmässige  Dichtung  der  Augustei- 
schen Zeit  dieselben  in  der  Regel  als  Kürzen  darstellt.  Sie 
that  das  um  so  lieber,  als  das  daktylische  Versmaass  dringend  nach 
kurzen  Endsilben  verlangte.  Wenn  sie  nun  jenen  Endsilben  doch 
noch  an  hervorragenden  Stellen  im  Verse,  namentlich  unter 
der  Vershe biuig  und  vor  der  Cäsur,  die  alte  Geltung  als  Län- 
gen lässt,  so  zeigt  sich  darin,  dass  die  Vokale  derselben  auch  in  der 
Sprache  noch  nicht  völlig  bis  auf  die  Tondauer  von  Kürzen  ein- 
geschrumpft waren,  dass  in  der  Sprache  noch  ein  Nachklang  ihrer 
früheren  Lange  lebte.  Solche  Vokale,  die  in  der  That  eine  mittlere 
Tondauer  zwischen  Länge  und  Kürze  hatten,  waren  im  Versbau 
mit  der  Toneinheit  einer  More  nicht  messbar,  ohne  dass  ein  Bruch- 
theil  ihrer  Tondauer  übrig  blieb,  sie  mussten  auf  dem  Prokrustes- 
bett der  Metrik  entweder  zu  vollen  Längen  ausgedehnt  oder  zu  Kür- 
zen verschnitten  werden.  So  haben  denn  nicht  wenige  Vokale  die 
mittelzcitige  Tondaucr  dauernd  behalten  und  wurden  je 
nach  dem  Versbedürfniss  lang  oder  kurz  gebraucht.  Indessen  setzte 
doch  die  Metrik  der  Augusteischen  Zeit  die  Norm  fest,  dass  der  Vo- 
kal von  Endsilben,  die  auf  einen  anderen  Consonanten  als 
auf  s,  namentlich  auf  t,  r,  1,  m,  n  auslauteten,  kurz  zu  messen 
seien,  und  bestimmte  die  gleiche  Geltung  auch  für  bestimmte  aus- 
lautende Vokale.  In  der  späteren  Zeit  sind  dann  diejenigen  Dich- 
tungsarten, die  der  Umgangssprache  des  gewöhnlichen  Lebens 
am  nächsten  standen,  wie  das  Epigramm  und  die  Satire,  in  der 
Kürzung  dieser  auslautenden  Vokale  noch  einen  Schritt  weiter  gegan- 
gen. Siemassen  interne,  octö,ambö,  postremö,  solvendö, 
occasiö,  misce,  respon  detö,  das  heisst,  dieselbe  Kürzung  aus- 
lautender Vokale,  die  bei  den  alten  scenischen  Dichtern  in  zweisilbi- 
gen Wortformen  mit  kurzer  Stammsilbe  begonnen  hatte,  in  Mes- 
sungen wie  bene,  modo,  cito,  homo,  vide,  dato,  wurde  nun 
auch  auf  Wörter  von  jeder  Silbenzahl  und  Tonlage  ausge- 
dehnt. Bei  ihren  Vorbildern  aus  der  Augusteischen  Zeit  fanden  die 
späteren  Dichter  solche  Kürzungen  gar  nicht  oder  nur  ganz  aus- 

COESSEN.  24 


—     370     — 

nahmsweise  vor,  wohl  aber  in  der  Volkssprache  ihrer  Zeit. 
Die  Volkssprache  war,  unbekümmert  um  den  metrischen  Canon  einer 
gelehrten  Dichtung,  die  dem  Volksleben  völlig  fremd  geworden  war, 
ihrem  Hange  zur  Kürzung  der  Endsilben  unvermerkt  weiter  gefolgt, 
und  die  Dichter  konnten  sich  dem  Einfluss  der  Volkssprache,  so 
gern  sie  auch  wollten,  doch  nicht  ganz  entziehen. 

Das  allmählige  stätige  und  unaufhaltsame  Umsichgreifen 
der  Vokalkürzung  in  Endsilben  von  den  ältesten  bis  in  die 
spätesten  Zeiten  ist  aber  auch  ein  Beweis  dafür,  dass  nichtrhyth- 
misch-metr  isch  e  Bedingungen  oder  Verlogenheiten  wie  der 
Fall  der  Vershebung  und  der  Verssenkung  auf  die  Wortsilben,  oder 
dasBedürfniss  von  kurzen  Endsilben  für  die.  daktylischen  Versmaasse 
der  letzte  treibende  Grund  jener  Vokalkürzungen  gewesen 
sind,  wenn  auch  eine  Mitwirkung  solcher  Nebeneinflüsse  für  die 
Festsetzung  des  prosodischen  Canons  schwerlich  ganz  in  Abrede 
zu  stellen  ist.  Die  Betonung  der  Lateinischen  Sprache,  welche 
den  Hochton  in  den  Wortleib  zurückzog  und  die  Endsilben  des 
Ilochtoncs,  abgesehen  von  einzelnen,  bestimmten  Ausnahmen, 
niemals  für  würdig  erachtete,  war,  wie  an  seinem  Orte  naher  er- 
örtert werden  wird,  der  letzte  treibende  Grund,  weshalb  diese  tief- 
tonigen  Endsilben  Tonlänge  und  Klanggewicht  ein- 
büssten,  sieh  kürzten,  erleichterten  oder  ganz  verklingen  und 
verstummten. 


2)  Vokalkürzung  in  inlautenden  Silben. 

In  viel  engeren  Grenzen  hält  sich  im  Lateinischen  die  Kürzung 
der  Vokale  in  Stammsilben  und  Suffixsilben,  die  nicht  im  Wortschluss 
stehen,  sie  ist  daher  von  viel  geringerer  Bedeutung  für  die  Geschichte 
der  Lateinischen  Sprache.  In  dem  Abschnitt  über  die  Vokalsteige- 
rung ist  nachgewiesen  worden,  wie  ein  kurzer  Vokal  in  gewissen  Fäl- 
len zu  einem  einlautigen  langen  Vokal  gesteigert  werden  konnte. 
also  der  lange  Vokal  nicht  immer  der  ursprüngliche  war,  und  wie 
daher  manche  Schwankungen  der  Quantität  in  Stammsilben  ent- 
standen sind.  Diese  müssen  also  von  der  hier  vorliegenden  Frage 
natürlich  ganz  fern  gehalten  werden.  So  beschrankt  sich  denn  die 
Vokalkürzung  in  allen  Silben  die  nicht  Endsilben  sind  auf  einen  ziem- 
lich engen  Kreis. 


—    371     — 

Langes  a  solcher  Silben  ist  gekürzt  in: 
däbam   u.   a.  neben  da,  Sanskr.  Wrz.  da-,  Gr.  da-, 
s  tä t i m ,  s t ä t i m ,  Sanskr.  Wrz.  s t h ä -,  Gr.  örrj-, 

nätare,  näre, 

läbare,  läbi, 

äcerbus,  äcer, 

Grädivus,  Ov.Mel.     Grädivus,    Verg.  Äen.  III,  35.  X,  534. 

VI,  427.  Sil.  XV,  15.  327. 
S  ä b  i  n  u  s ,  S  ä  b  u  s ,  Sil.  Fun.  VIII,  422. 

Hannibälis,  Hannibälis,  wie  oben  gezeigt  ist; 

e  kürzt  sich  in  den  Verbalformen  wie: 
dederunt,  dederunt, 

steter  unt,  stetem  nt; 

ebenso  wie  in; 
dederim, 

d  e  d  e  r  i  n  t ,  ~ 

d  e  d  e  r  a  m , 
dederant 
und  allen  ähnlichen  vom  Perfect  gebildeten  Formen ;  e  kürzt  sich 
ferner  in : 

Porsena,  Sil.  VIII,  389 ,  neben  P o r s e n n a ,  vgl.  II o Qß^vag. 
X,  478.  Marl.  XIV,  98, 2.  Verg.  Aen.  VIII,  646. 

und  in  den  Zusammensetzungen  : 

neque,  neben  ne, 

nequeo,  nequam, 

nefas,  nequicquam, 

n  e  f  a  s  t  u  s ,  nequaquam, 

nefarius, 
nefandus, 
und  in  den  Compositen  mitfacio  und  fio  wie: 
liquefacere,  vgl.   liquefaciens,  Cat.  90,  6. 

liquefit,  Lucr.  VI,  965. 
patefacere,  patefecit,  Lucr.  IV,  343. 

patefactis,  Calp.  I,  39. 
patefiet,  Lucr.  VI,  999. 
tepefacere,  tepefaciet,  Cat.  62,  360. 

vacefit,  Lucr.  VI,  1003. 
..Ein  langes  i  ist  verkürzt  in  den  Casus  obliqui  der  mit  dem 
Suffix  -on  gebildeten  Nomina  wie: 

24* 
I 


—     372     — 

hominis,  vgl.  hemonis,     und      in  den  Compositen: 

ordinis,  coxendices,  vgl.coxendice  s, 

v  i  r  g  i  n  i  s ,  Rüschl,  Plaut.  Proll.  p .  1 9  7 . 

libidinis,  nihil  um,  vgl.  nihil  um; 

caliginis  u.  a.; 
ferner  in  den  Verbalformen,  die  vom  Perfectum  gebildet  sind,  dessen 
Charaktervokal  ein  langes  I  ist.     Also  in  den  Formen  wie: 

dedimus, 

stetimus, 
in  den  Conjunctivformen,  die  ein  i  als  Charakter  zeigen,  wie: 

dederimus,  vgl.  capsimus, 

steterim  us, 

dederitis,  dederltis, 

steteritis, 
Formen,  die  schon  oben  besprochen  sind.     Ebenso  in : 

morimur,  neben  morlmur,  Enn.  Vahl.  p.  58. 

lieber  die  Participien  und  Supinen  wie : 

dorn  i  tum,  von  domäre, 

vctitum,  vetäre, 

monitum,  monere, 

pl  acutum,  placere 

wird  im  nächsten  Abschnitte  die  Rede  sein.  Sic  zeigen  Kürzung 
und  Erleichterung  des  Vokales  zugleich,  ebenso  wie  T  und  e  aus  Kür- 
zung und  Erleichterung  des  Vokales  entstehen  in : 

cognitus,  vgl.  g  n  ö  t  u  s , 

agnitus,  ig  not  us, 

conditus,  Skr.  Wz.  d h ä -,  Gr.  & rj - , 

deiero,  iiiro, 

peiero,  coniüro. 

Kurzes  o  entstand  aus  langem  in : 

m  ö  1  e  s  t  u  s  ,  m  ö  1  e  s , 

nötare,  nötus, 

n  o  t  a , 

adoris,  adöris, 

o  p  i  1  i  o ,  ü  p  i  1  i  o , 

Orion  is,  Oriönis*), 


*)  Ueber  die  Kürzung  von  der  Präposition  pro  für  prod  in  Zusam- 
mensetzungen ist  schon  im  vorigen  Abschnitto  das  nötliige  bemerkt. 


—     373    — 

püsillus,  püsus, 

püsio. 
Der  Vokal  u  ist  gekürzt  in: 

b  ü b  u  s ,  Auson.Epigr.  62,2.  für  b  ü b  u s , 

bübulcus,  Verg.Ecl.\,\%    büb uli,  Plaut.  Trift.  101. 

diu  turn  us,  diu. 

Verwandt  mit  dieser  Kürzung  eines  langen  Vokales  ist  die  Kür- 
zung einer  langen  Silbe,  die  dadurch  entstellt,  dass  statt  des  ge- 
schärften Consonanten  hinter  dem  Vokal  derselben  nur  ein  einfacher 
Consonant  gesprochen  wird.     Dies  geschieht  in: 

Öfella,  vgl.  offa, 

mämilla,  ,         mamma, 

färina,  farris, 

äperio,  für  abperio, 

öperio,  obperio, 

Ö  m  i  1 1  o  ,  o  b  m  i  1 1  o , 

o c  u  1 1  o,  Plaut.  o  b  c u  1 1 o  , 

oquoltod,  Sc.  d.  Bacc. 

In  den  zuletzt  genannten  Compositen  assimilierte  sich  der  aus. 
lautende  Consonant  der  Präposition  dem  anlautenden  Consonanten 
des  Verbalstammes  und  schwand  dann.  Es  ist  schon  in  dem  Ab- 
schnitt über  die  Aussprache  der  Consonanten  erwähnt  worden,  dass 
wegen  des  vollen  starken  Lautes  der  Lateinischen  Consonanten  im 
Inlaut  die  Consonantenschärfung,  die  durch  doppelte  Schreibung  des 
Consonanten  ausgedrückt  zu  werden  pflegt,  weniger  hörbar  hervor- 
trat, daher  auch  in  der  ältesten  Schrift  die  doppelte  Schreibung 
der  Consonanten  nicht  üblich  war  und  auch  späterhin  in  manchen 
Wörtern  die  Schreibung  schwankend  blieb  zwischen  einfachen  und 
doppelten  Consonanten.  So  entschwand  in  den  vorstehenden  Com- 
positen seit  alter  Zeit  das  Bewusstsein  von  der  aus  Assimilation  ent- 
standenen Consonantenschärfung;  man  hörte,  sprach  und  schrieb 
nur  den  einfachen  stark  lautenden  Consonanten  und  natürlich  konnte 
der  vorhergehende  Vokal  nun  nicht  positionslang  werden.  In  dem 
Abschnitt  über  irrationale  Vokale  vor  Consonanten  wird  von  der  Ver- 
nachlässigung der  Positionslänge  vor  doppelten  Consonanten  in  der 
Versmessung  der  scenischen  Dichter  die  Rede  sein. 

Dass  diese  Kürzung  von  Vokalen  in  Stammsilben  und  in  Suffix- 
silben, die  das  Wortende  nicht  berühren,  im  Verlauf  der  Sprache  im 
Zunehmen  begriffen  ist,  zeigt  sich  darin,  dass  die  Formen  Grädi- 


—     374     — 

vus,  Porsenna,  coxendlces,  üpilio  die  älteren,  die  mit  kur- 
zem Vokal  die  jüngeren  sind.  Die  Kürzung  geht  vor  sich  in  tief- 
tonigen  Silben  von  den  Wortformen  Grädivus,  patefäcere  u.a. 
und  wenn  die  hochtonige  Silbe  durch  Verrückung  des  Hochtones 
tieftonig  wird  wie  in  äcerbus,  molestus,  diütürnus,  Hänni- 
bäl  und  mit  Beseitigung  der  Positionslänge  in  öfölla,  mämilla, 
färina;  aber  in  den  Formen  däbam  u.  a.,  stätim,  nefas,  nota, 
das  heisst  in  zweisilbigen  Wörtern,  wo  der  Hochton  unbedingt  auf 
der  vorletzten  Silbe  gebunden  war,  ist  doch  auch  der  hochbetonte 
Vokal  einer  Kürzung  erlegen.  Ein  zwingender  Grund  ist  für  diese 
Vokalkürzung  nicht  ersichtlich,  man  kann  sie  nur  als  eines  der 
vielen  Symptome  des  sinkenden  Vokalismus  ansehen  und  sie  an  die- 
selben anreihen. 

Wie  es  die  Macht  und  der  Nachdruck  des  Hochtones  war,  der 
in  der  späteren  Lateinischen  Volkssprache  den  Untergang  der  Vokal- 
länge in  tieftonigen  Silben  und  die  Geltung  aller  hochtonigen  als 
Längen  herbeiführte  und  somit  die  Quantitätsverhältnisse  der  Latei- 
nischen Sprache  zertrümmerte,  kann  erst  nach  der  Behandlung 
des  Lateinischen  Betonungsgesetzes  genügend  nachgewiesen  werden. 


Berichtigungen   und  Nachträge. 


S.    5,  Z.    7.     Statt  277  zu  lesen  276. 

S.    9 ,  Z.  37.     Zu  tilgen  1.  N.  4322. 

S.  13,  Z.    4.     Statt  auslautenden  zu  lesen  anlautenden. 

S.  35.  Z.  10.     Vgl.  neqidem,  Or.  Henz.  6183.    qur  arum,  «.  0.  6431. 

Q  aesicianum  ,  a.  0.  6085.   quius,«.0.    pequarius, 

a.  0.6825.    pequnia,  «.  0.  7215.    /.  N.  836.  2204. 
S.  36,  Z.    3.     So   schreibt  auch   der  Palimpsest  des  Cicero  de  republica 

aecum,    secuntur. 
S.  46,  Z.    3  f.  Das  zur  Erklärung  des  Schreibfehlers  fuicia  ntur  für  ful- 

c  i  a  n  t  u  r  Gesagte  ist  zu  streichen. 
S.  53,  Z.    6.     Vgl.  abere,  Or.  Henz.  6087.   7201.     omines,  a.  0.  6085. 

astato,  a.  0.  6747,  abitatori,  a.  0.  7087.     oc,  a.  0. 

7201.    a  b  e n  t ,  Boiss.  Insc.  Ly.  XVII,  66.  c o  e  re  d  e  s ,  a.  0. 

XV,  116;  hingegen:  have,  Or.  Henz.  7394.   hossa,  Boiss. 

a.O.  XVII,  67.  Hitalia,  I.  N.  526.    Hiesu,  a.  0.  696. 

holitorium,ff.  0.  6748.  Hegyptum,  a.O.  6846.  ahe- 

neas,  Or.  Henz.  7171. 
S.  55,  Z.  18.     Vgl.  aus  Inschriften    verschiedener   Zeiten:   apstinere, 

Or.   Cen.  Pis.  643.    apsens,  I.  N.  6802.    apstulit,  a.O. 

3133.     opscurum,  /.  N.  6482.    opses ,  Or.  629.    opti- 

nuit,  l.  Claud.  Boiss.  Inscr.  Ly.  IV,  p.  136. 
S.  61,  Z.    9.     Vgl.  pieps,  Or.Henz.  5439.  /.  N.  202.  649.  2416.  6786. 

643;    hingegen:    scribtura,  Or.Henz.  7408.     scribta, 

a.O.  7215.   scribsi,  a.O.    scribsirmis,  Boiss.  Insc.  Ly. 

XIV,  31. 
S.  63,  Z.    8.     Statt  verhalten  zu  lesen  v  erhalten. 
S.  69,  Z.  24.     Vgl.  cottidie,  Or.  Henz.  5593  und  cotidie,  a.  0.7081- 

7168. 
Z.  27.     quattuor,  Or.  Henz.  5428.  5442.  6086.  6929.  Boiss.  Insc. 

Ly.  VII,  8.  XVII,  17.     /.  N.  56.  5789. 
S.  72 ,  Z.    3.     Vgl.  aput,f.  Salpens.  t.  Malac.  Or.  Henz.  7421.  5593.  6114. 

5580.  7154.  7168.  7382.     Boiss.  Insc.  Ly.  XVII,  66;   hin- 
gegen apud  schon  t.  Scipion.  Barb.  f. 
Z.    4.     Vgl.   atque,  Or.  Henz.  7168.  neben  adque,  a.  0.  6086. 

6148.  7168.  Boiss.  Insc.  Ly.  XVII ,  66  und:  atplicitum, 

/.  N.  6916.      atplicitis,  /.  N.  6537,    atvixsit,  a.  0. 

atfuere  ,  Or.  Henz.  7167.    at  quaesie  runt ,  a.  0.  7360. 


S.  72,  Z.  5.  Vgl.  quit,  t.  Medac.  Or.  Benz.  7421.6086.  7297.  siquit, 
a.  0.  6087.  quit  quit,  a.  0.  7420  a.  vv.  I.  N.  6916. 
q  u  i  t  q  u  a m ,  /.  N.  6058.  q u  o  t  für  quo d ,  Or.  Henz.  6087. 
quotsi,  a.  0.7116:  hingegen  für  q  u  o  t :  q u  o  d ,  t.  Malac. 
Or.  Henz.  7421.  Boiss.  Insc.  Ly.  IV,  p.  136.  vgl.  quod- 
annis,  Or.  Henz.  7116. 
Z.    6.     Vgl.  illut,   Or.  Henz.  7168.     aliut,  t.  Malac.  Or.  Henz. 

7421.  6428.  7168.     set,  Or.  Henz.  7411. 
Z.  23.     Vgl.  Pal.  Cic.  d.  rep.  die  Schreibweisen:   set,  at,  atque, 
atqui,  quot,  illut  neben:  sed,  ad,  adque,  adqui, 
quod ,  ill  ud. 
S.  75,  Z.    8.     Vgl.  reliquid,  Or.  Henz.  6669.   (zweimal)  und  inquid, 

Pal.  Cic.  d.  rep.  Moser,  p.  68.  147.  164. 
S.  76,  Z.    7.  '  Vgl.  quadriduo,  1.  N.  2518. 

S.  82,  Z.    7.     Auf  den  Inschriften  nach  der  Zeit,  wto  die  doppelte  Schrei- 
bung der  Consonanten  aufkam,  ist  millia  die  häufigere 
Schreibweise,  F.  fychultz,Orthograph.  quaest.  decas,  p.44— 47, 
während  die  Grammatiker  sich  für  milia  erklären,  Pom- 
pei.  p.  172.  202.  Lind.  Cledon.  p.  1901.  P.  Cassiod.  p.  2295. 
P.  Beday   p.  2339.  P.  vgl.  Huebner,   X  Jahrb.  77,  361.  A 
S.  83,  Z.    1.     Die  grosse  Mehrzahl  der  Inschriften  hat  die  Schreibweise 
vilicus,  vgl.  Huebner,  a.O.  362.     Ob  villa  von  vicula 
oder  von  vinula  herzuleiten  ist,  bleibt  zweifelhaft. 
S.  86,  Z.  13.     Für  5388  zu  lesen  5381. 
S.  94,  Z.  18.     Vgl.  alioqui,  Or.  Henz.  5593. 

S.  95,  Z.    2.     Schreibweisen  wie  dumtaxat,  Or.  Henz.  5531.  6428.  6857 
u.  a.  ,  jamdudum,  Boiss.  Insc.  Ly.  XVII,  32  u.  a.  sind 
der  Etymologie  gefolgt. 
Z.  14.     Vgl.   Cerennius  neben  Cerenius,   Or.  Henz.   7421.  £. 
Z.  18.     Vgl.  conubium,  Or.  Henz.  5534.  6857.  5418. 
S.  96,  Z.  10.     Vgl.coicito,*.M«Z.  Or.Henz.  7421.  deicie  ntes,/.AT.  6746. 
S.  116,  Z.  32.     Vgl.  causa,  t.  Sulp.  t.  Mal.  Or.Henz.  7421.  (oft  und  aus- 
schliesslich) a.  O.  6428.6086.,  hingegen  c aus  sa,  1.  N.  1514. 
Z.  39.     Vgl.  Sossius,Or.//ewz.6897.  Volussianus,  «.0.5541. 
S.125,  Z.29.     Vgl.  xesus,  Or.  Henz.  7173  für  sexus.. 
S.128,  Z.  22.     Vgl.  Atpuleiius,  /.  X  432. 
S.  147,  Z.  31.     Vgl.  legitumis,  a.  0. 

S.  210,  Z.  36.     Vgl.  hec  auf  einer  späten  Inschrift,  Or.  Henz.  7411. 
S.  214,  Z.  29.     Vgl.  vevet,  Boiss.  Insc.  Ly.  VI,  42. 
S.244,  Z.  36.     Vgl.  servom,   t.  Salp. 

S.255,  Z.  17.     Vgl.  adulescens,  Or.Henz.llG8.  Agricula.  /.  V.2775. 
S.259,  Z.    7.     Vgl.  Folvius,    Or.   Heiz.  (Hill. 
S.  260,  Z.  10.     Vgl.  v  o  lg  o ,    I.  N.  0482. 

Z.  30.     Statt  carme  zu  lesen  carm  en. 
S.263,  Z.  34.     Vgl.  secondi,  Or.  Henz.  7215.  neben  seeundi,  seeun- 
dus,  a.  O. 


S.279.  Anm.  Vgl.  reddedisse,  Or.  Henz.  6087.  reddedi  sset,  a.  0. 
Treverorum,  a.  0.  6740.     sed  ec  em  ,  a.  0.  7215. 

S.281,  Z.20.  Vgl.  dicundo,  t.  Salp.  Or.  Henz.  7421.  demoliun- 
dumve,  a.  0. 

S.285,  Z.  23.     Vgl.  Apollenaris,  Or.  Henz.  6336. 

S.  290,  Z.    7.     Vgl.  acetare,  Fest.  p.  23,  für  agitare. 

S.289,  Z.  19.     Vgl.  superistltem,   Marin.  Inse.  Alb.  p.  168. 

S.297,  Z.  27.  Vgl.  siptim,  1.  N.  7153  (p.  Ck.  386)  und  auf  späten 
Lyoner  Inschriften:  quin  qui ,  Boiss.  XVII ,  7.  violin- 
tia,  a.  0.  44  (p.  Ck.  551).  septim,  «.0.11.  decim, 
a.  0.     Disderius,  a.   0.  35. 

S.  306,  Z.20.  Dieselbe  Assimilation  zeigt  die  Schreibweise  der  Namen: 
Brittius,  /.  N.  400.  107.  3001.  4851.  5458.  Vicirius, 
/.  N.  1872.  6141.  Vicirrius,  /.  N.  3169.  Bilisari, 
1.  N.  2064.    Siminius,  /.  N.  3369.  Deciri,  /.  N.  3711. 

S.312,  Z.  6.  Beispiele  für  die  Verschmelzung  des  ii  zu  i  aus  Inschrif- 
ten sind  in  dem  Abschnitt  über  Vokalverschleifung  zu- 
sammengestellt. 

S.316,  Z.  12.     statt  nebrae  zu  lesen  inebrae. 

S.318,  Z.  20.  Auch  in  den  zusammengesetzten  Zahlwörtern  wie  un- de- 
cim, duo-decim  u.  a.  neben  decem  und  tri-ginta, 
quadra-ginta  u.  a. ,  deren  zweiter  Bestandtheil  aus 
centa  für  decenta  entstand,  zeigt  sich  Abschwächung- 
des  e  zu  i  im  zweiten  Compositionsgliede. 

S.321,Z.  36.  Vgl.  sedecem,  Or.  Henz.  7215.  /.  N.  6687.  octugenta, 
Boiss.  Insc.  Ly.  XVII,  65. 

S.322,  Z.  17.     Vgl.  atquaesierunt,  Or.  Henz.  7360. 

S.340,  Z.  29.  neisi,  auf  einer  provincialen  Inschrift  der  Kaiserzeit, 
Or.  Henz.  7215,  ist  ein  Schreibfehler  ohne  Bedeutsamkeit. 


Inhalt. 


I.  Aussprache. 

1)  Alphabet  und  Schrift S.    1 

2)  Aussprache  der  Consonanten 16 

Gutturale 16 

Labiale 54 

Linguale 69 

Liquide 78 

Sibilanten 114 

Halbvokale 126 

3)  Aussprache  der  Vokale 130 

II.  Vokalismus 153 

A.  Geschichte  der  Diphthonge 154 

1)  Entstehung  der  Diphthonge 154 

2)  Trübung  der  Diphthonge 162 

B.  Wandlung  der  Vokale 233 

1)  Ablaut       .     . 233 

2)  LTmlaut   durch  Wahlverwandtschaften  von  Consonanten   zu 
Vokalen 236 

3)  Umlaut  durch  Wahlverwandtschaft  zwischen  Vokalen     .     .  299 

a)  Assimilation  der  Vokale 300 

b)  Dissimilation  der  Vokale 308 

4)  Umlaut    durch    Vokalerleichterung    im    zweiten   Gliede   der 
Composita 313 

C.  Kürzung  der  Vokale ' 328 

1)  Vokalkürzung  in  Endsilben 320 

2)  Vokalkürzung  in  inlautenden  und  anlautenden  Silben     .     .  370 


ÜBER 

AUSSPRACHE,  VOKALISMUS 

UND 

BETONUNG 

DER  LATEINISCHEN  SPRACHE. 

VON  DEB  KÖNIGLICHEN  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN  ZU  BERLIN 
GEKRÖNTE  PREISSCHRIFT 

\o\ 

W.    COESSEN. 


ZWEITER  BAND. 


LEIPZIG, 

DRUCK  UND  VERLAG  VON  B.  G.  TEUBNER. 
1859. 


D.     Tilgung    der    Vokale. 

In  dem  bisherigen  Gange  der  Untersuchung  ist  gezeigt  wor- 
den, wie  Diphthonge  sieh  zu  einlautigen  Vokalen  trübten,  einfache 
Vokale  durch  Wahlverwandtschaften  von  Consonanten  zu  Vokalen, 
von  Vokalen  zu  Vokalen  umlauteten,  durch  Tonschwächung  sich  er- 
leichterten, lange  Vokale  sich  kürzten.  Es  ist  die  Aufgabe  des  fol- 
genden Abschnittes,  das  Absterben  des  Vokalismus  in  der  Sprache 
einen  Schritt  weiter  zu  verfolgen,  dos  Schwinden  und  Verklin- 
gen der  Vokale  im  Wortkörper  zu  betrachten.  Da  die  Endsilben 
in  der  Lateinischen  Sprache  eine  ei g e  n  t  h  ü m  1  i  c  h  e  Geschichte  der 
Verkümrae  r  u  n  g  und  Abstumpfung  haben,  so  ist  es  für  die  vor- 
liegende Untersuchung  erspricsslich  dieselben  gesondert  zu  betrach- 
ten. Es  wird  also  zuerst  die  Rede  sein  von  dem  Ausfalle  der  Vo- 
kale im  Inlaut  der  Wortstämme  zwischen  Consonanten,  dann  von 
dem  A  b f a  1 1  der  Vokale  in  der  auslautenden  Silbe,  mögen  die- 
selben unmittelbar  im  Auslaute  stehen  oder  vor  den  schwach  tönen- 
den auslautenden  Consonanten  s  und  m.  Das  Schwinden  der  Vokale 
vor  Vokalen  hängt  wie  die  Kürzung  von  Vokalen  vor  Vokalen  mit  der 
Vokalverschmelzung  so  eng  zusammen,  dass  es  erst  in  dem  Abschnitt 
über  die  Vokalverschmelzung  zu  behandeln  sein  wird. 

§ 

1)   Ausfall  der  Vokale. 

Um  die  Fülle  der  sprachlichen  Thatsachen  zu  übersehen  und 
de-n  Umfang  und  die  Bedeutung  des  Vokalausfalles  in  der  Geschichte 
der  Lateinischen  Sprache  zu  erkennen,  erscheint  es  angemessen 
den  Stoff  so  zu  ordnen,  dass  die  Wortformen,  die  durch  den 
Ausfall  von  Vokalen  eingeschrumpft  sind,  nach  den  Vokalen,  die 
sie  eingebüsst  haben,  geordnet  und  besprochen  werden. 
Cörssen  II.  1 


-     2     - 

a. 
Die  Fälle,  wo  a  im  Körper  des  Wortes  ausgefallen  ist,  sind 
äusserst  selten,  und  auch  dieser  Ausfall  ist,  wie  sich  ergeben  wird, 
nur  ein  scheinbarer. 

Zunächst  kommt  hier  die  Perfektbildung  einer  Anzahl  von 
Verben  der  A-Conj  ugation   in  Betracht,   die  vor  der  Perfekt- 
endung-vi,  -ui  ihren  Charaktervokal  ä  eingebüsst  haben ,  wie: 
crepui,  tonui,  fricui, 

cubui,  vetui,  necui, 

domui,  secui,  plieui. 

sonui, 

Nach  dem  Belonungsgesetz,  das  in  der  Blüthezeit  der  Lateini- 
schen Sprache  zur  Geltung  gelangt  war,  hatte  der  Vokal  ä  in  Wert- 
formen wie  secävi  und  ähnlichen  Perfekten  den  Ilochfon.  Wie 
kommt  es  nun,  dass  der  lange  hoebbetonte  Vokal  in  der  Wortform 
so  ohne  Weiteres  schwinden  konnte,  während  leichte,  kurze  Vokale 
desselben  Wortes  sich  unversehrt  erhallen  haben  in  tieftonigen 
Silben? 

Per  Hergang  der  Sache  bedarf  einer  Erklärung.  Die  beiden 
Infransiliva  unter  den  vorstehenden  Verben,  sonare  und  tonare, 
sind  von  den  übrigen  zu  trennen,  weil  in  der  älteren  Sprache  statt 
ihrer  die  einfachen Verba  der  consonantischen Conjugation  sonere, 
ton  er  e  vorkommen,  von  denen  die  Perfekt  a  sonui  und  tonui  um 
so  eher  gebildet  sein  können,  als  sich  gerade  die  auf  einen  liquiden 
auslautenden  Verbalstämme  ausser  den  vokalisch  auslautenden  die 
Perfektbildung  -vi,  -ui  besonders  angeeignet  haben.  Von  den 
übrigen  lässt  sich  eine  ältere  einfachere  Form  in  der  Sprache 
nicht  nachweisen ,  von  der  das  Perfecturu  -  u  i  sieh  herleiten 
Hesse.  Für  den  lautliehen  Vorgang,  durch  welchen  aus  den  vollen 
Perfektformen  dorn a vi,  vetavi,  seeavi  die  gebräuchlichen  For- 
men domui,  vetui,  secui  geworden  sind,  weisen  die  Participia 
domitum,  vetitum  den  Weg.  Vor  dem  angetretenes  Suffix -tu 
und  -to  des  Supinum  und  Parlicipimn  hat  sich  das  ä  derselben 
wie  das  ursprüngliche  lange  ä  von  d  are,  stare  in  edil  um,  con- 
Stitum  zu  T  geschwächt  und  gekürzt.  Zwischen  seeätum,  fri- 
cätum,  neeätum  und  sc  et  um,  tri  et  um.  eiieelum  gab  es 
also  einmal  eine  Uebergangsform  secitum,  fricitum,  necitum. 
So  können  auch  crepävi,  cubävi  nur  durch  die  Zwischenstufe 
creplfvi,   Cuhivi  ZU  crepui,   cubui  herabgesunken  sein.      Eine 


—     3     — 

solche  Kürzung  des  volltönendsten  Vokales  ä  zu  dem  dünnsten  1  und 
das  gänzliche  Schwinden  dieses  Epigonen  ist  nur  möglich,  wenn  der 
Vokal  a  ursprünglich  nicht  in  der  hochhelonten  Silhe  stand,  wenn 
die  ursprüngliche  Betonung  der  in  Rede  stehenden  Formen  im  La- 
teinischen e ü bä vi  j  c  r  e p  ä  v i ,  c üb ät  u m ,  c  r  e  p  ä  t  u m  war.  Dass 
aber  nach  Altlateinischer  Betonung  die  vorletzte  lange  Silhe  eines 
Wortes  nicht  immer  den  Ilochton  an  sich  band,  wird  in  der  Unter- 
suchung Über  dieselbe  weiter  unten  nachgewiesen  werden. 

Aelmlich  verhalt  es  sich  mit  dem  höchst  seltenen  Ausfall  des  a 
in  Suffixen  der  Nomina. 

Virgo,  für  virägo 
kann  nur  in  derselben  Weise  entstanden  sein  wie  f riet  um  aus  fri- 
ca  tum,  so  dass  virägo  die  ursprüngliche  Betonung  der  vollen  Form 
und  virig o  die  Uehcrgangsform  war. 

Ein  Schlaglicht  auf  die  Richtigkeit  dieser  Erklärung  wirft  die 
Vergleichüng  der  Lateinischen  Form  zweier  Griechischen  Wörter, 
die  ein  kurzes  a  einbüsste,  mit  der  ursprünglichen  Griechischen, 
nämlich: 

p a  1  m a  ,       von     itaXä^iq  , 

cupressus,         %vitaQi(5  6  og. 

In  beiden  Wörtern  hat  die  Lateinische  Form  den  Ilochton  auf 
eine  andere  Silhe  gerückt  und  erst  dadurch  ist  der  Ausfall  des  a  er- 
möglicht. Aber  auch  dieser  scheint  nicht  so  unmittelbar  statt  ge- 
funden zu  haben.  Vergleicht  man  mit  Griech.  'ExttßTj,  d-Qtcc{i- 
ßog  Lat.  Ilecuha,  triunipus,  wovor  folgendem  Labialen  a  sich 
zu  u  verdunkelt  hat,  so  wird  man  geneigt  sein  anzunehmen,  dass 
auch  im  Lateinischen  das  Griechische  7taXa\ii]  sich  erst  zu  pa- 
luma  abschwächte,  ehe  es  zu  palma  gekürzt  ward  wie  vicesuma 
zu  vicesma.  Aelmlich  verhält  es  sich  mit  cupressus.  Bei  der 
Uebertragung  der  Griechischen  Worter  xcchvqcc,  (pulaga,  aC- 
occqov  ward  durch  die  besprochene  Wahlverwandtschaft  des  rzu  e 
im  Lateinischen  camera,  phalerae,  siserum.  So  ist  auch 
k  vjtaQi  6  oog  im  Lateinischen  durch  die  Mittelstufe  cuperessus 
zu  cupressus  gekürzt  worden. 

Sind  diese  Erklärungen  richtig,  so  ergieht  sich,  dass  der  vollste 
und  stärkste  der  Vokale  a  nicht  unmittelbar  wie  vom  Schlage 
getroffen  in  den  angegebenen  Wortformen verstummte;  von  lautlicher 
Abzehrung  befallen,  nachdem  er  tieftonig  geworden,  ward  er  viel- 
mehr erst  zu  u,  T  oder  e  entkräftet,  und  erst  diese  Schwächlinge 

1* 


—     4     — 

starben  lautlos  ab.     So  ist  also  der  Ausfall  des  a  in  der  Thal  nur  ein 
scheinbarer. 

o. 
Der  Ausfall  des  nächst  schweren  Vokales  o  beschränkt  sich  in 
einfachen  Wörtern  auf  wenige  Fälle;    weiter  verbreitet  ist  er  im 
zweiten  Theile  von  Compositen,  von  denen  weiter  unten  besonders 
die  Rede  sein  wird. 

Der  Vokal  o  fiel  aus  in  dem  femininen  Suffix  -trix,  das  von 
dem  männlichen  -tor  mittelst  der  Anfügung  -ic  hergeleitet  ist. 
So  in : 

v  i  c  t  r  i  x ,  v  e  n  a  t  r  i  x , 

textrix,  aecusatrix, 

actrix,  '  altrix, 

genetrix,  nutrix 

monitrix, 

Als  an  die  Stämme  wie  vietör-  das  Suffix  -ic  trat,  kürzte 
sich  das  o  der  vorletzten  Silbe,  weil  die  Ton  länge  der  tieftonigen 
vorletzten  neben  dem  Hochton  der  drittletzten  Silbe  nicht  aus- 
dauern  konnte.  Das  o  von  vietör  ix  ward  dann  ausgestossen, 
wahrscheinlich  nachdem  es  zuvor  zu  e  gesunken  war  wie  in  tem- 
peri,   pigneri  u.  a- 

Ebenso  fiel  o  aus  in  den  Bildungen: 
textrina,         tonstrina,         pistrina,         latrina, 
in  denen  das  Suffix  -tor  die  handelnde  Person,  das  Suffix  -ina 
die  Werkstätte,    wo  sie  zu   handeln    pflegt,    bezeichnet.     ELenso 
schwand  das  o  in  dem  Namen: 
Autronius     von     au  tor, 
wie  das  dem  Lateinischen  o  entsprechende  u  in  den  Umbrischen 
Bildungen: 

uhtretie,      von       uhtur,       Lat.  auetor, 
kvestretie,  kvestur,  quaestor 

(Umbr.  Sprachd.  AK.   Wortverz.). 
Das  Lateinische : 
co mix  neben  Griechisch  xoqcovt] 
ist  wieder  für  die  vorliegende  Krage  bedeutsam.     Entweder  die  La- 
teinische Sprache  zog  den  Hochton  auf  die  Wurzelsilbe  (\v.>  Wortes 
zurück  und  beschwerte  den  Stamm  Corona  mit  einem  neuen  femi- 
ninen Suffix  -ic.     Zwischen  der  hochtonigen  Wurzelsilbe  o  und  der 


Endsilbe  des  schweren  Suffixes  -  i  c  kürzte  sieh  nun  erst  das  tiefto- 
nige  o  der  Mitlelsilhe  und  fiel  dann  aus;  oder  die  Lateinische  Sprache 
schlug  einen  anderen  Weg  ein,  indem  sie  bei  Bildung  des  Stammes 
coro  nix-  den  Hochton  stehen  liess;  wo  ihn  das  (iiiechische  Wort 
hatte,  das  tieftonige  o  der  ersten  Silbe  aussliess  und  er o nix  zu 
cor  nix  umstellte,  was  durch  cor,  porium  neben  XQccdir], 
7tQaöov  und  ähnliche  schon  besprochene  Umstellungen  des  r 
([,  92)  gerechtfertigt  erscheint.  Da  Zurückziehung  des  Hochtones 
gerade  bei  Anfügung  eines  neuen  Suffixes  auffallend  ist,  so  dürfte 
die  zweite  Erklärung  den  Vorzug  verdienen. 
Durch  Ausstossung  eines  o  ward  ferner: 

neptis  aus  nepos, 

proneptis,  /.  N.  4755. 

Hier  kürzte  und  erleichterte  sich  das  ö  erst  zu  ¥,  so  dass  ne- 
p  ö t i  s  zu  n  e  p  1 1 i  s  geschwächt  ward  wie  h ö m ö n i s ,  A  p  ö  1 1  ö  n  i  s , 
cögnötiis,  ägnötus  zu  hominis,  Apöllinis,  cögnitus, 
ägnitus,  dann  aber  fiel  das  i  von  nepitis  aus.  Alle  diese  Kür- 
zungen sind  nur  denkbar,  wenn  der  Hochton  trotz  der  Länge  der 
vorletzten  Silbe  einstmals  auf  der  drittletzten  stand.  Von  dem  Aus- 
fall des  Vokales  o  in  Compositen  wird  weiterhin  die  Hede  sein. 
Als  das  Tongewicht  der  Vokale  besprochen  wurde,  ist  dem  o  die 
zweite  Stelle  in  der  Sealader  Lateinischen  Vokale  augewiesen  (1,238.); 
das  o  wahrt  auch  darin  diese  lautliche  Winde,  dass  es  nach  a  am 
seitesten  ausfiel,  und  zwar  in  Lateinischen  Wörtern  nicht  unmit- 
telbar, sondern  nachdem  es  vorher  zu  e  oder  i  abgeschwächt  wor- 
den war. 

u. 

Es  ist  ausführlich  nachgewiesen  worden,  wie  Alllateimsches  o 
sich  zu  u  verdunkelte  (1,  239/.).  Dies  geschah  vielfach  vor  einfa- 
chem 1  im  Inlaut  der  Wörter.  In  zahlreichen  Fällen  ist  nun  dieses 
aus  o  entstandene  u  in  Suffixen  vor  1  ausgefallen  sowohl,  wenn  eine 
der  Muten  c,  g,  p,  b,  t,  d  vorherging  als  auch  nach  den  Liqui- 
den 1,  n,  r.  Es  sollen  hier  zunächst  die  Wortformen  besprochen 
werden,  in  denen  durch  Ausfall  eines  u  die  Consonantenver- 
bindungen  cl,  gl,  pl.  J)l,  fl  im  Inlaut  des  Wortes  erwach- 
sen sind. 

So  entsteht  im  Ausgange  der  Wortstämme  -clo  aus  -culo, 
sei  es  dass  das  c  der  Wortwurzel  angehört  und  -ulo  das  Suffix 


—     6     — 

ist,  sei  es  dass  -eulo  die  Anfügung  ist,  die  der  Pcminutivbildung 
dient,  oder  eine  Nebenform  des  Suffixes  -er  o  ist,  welche  das  Werk- 
zeug bezeichnet. 

In  der  Sprache  der  älteren  Römischen  Dichter  von  Piatitas  bis 
Altius  ,  das  heisst  also  in  der  Volkssprache  von  der  Zeit  der  Pani- 
schen und  Macedonischeu  Kriege  bis  zu  den  Gracchen  und  zum  Zeit- 
alter der  bürgerlichen  Kriege  erscheint  u  in  der  Hegel  ausgestossen 
aus  dem  Suffix  -clo  (vgl.  Rilschl,  Monum.  Epigr.  tria,  p.  X).  Bei- 
spiele dafür  sind: 

vi n cl um,  Plaut.  Lucr. 

periclum,  a.  0. 

poelum,  Plaut.  Pers.  IIb.     Cure.  359. 

oraclum,  Plaut.  Men.  841  u.  a.  AU.  Trag.  Ribb.  p.  18").  Inc. 
a.  0.  p.  201. 

sacclum,  Caccil.  Com.  Ribb.  p.  59.    Lucr.  I,  4(37.  469.  B. 

g  u  b  e  r  n  a  c  1  u  in ,  Lucr.  IV ,  90 1 . 

meraclum,  Plaut.  Cas.  11 1,  5,  15. 

mir a dum,  iAicr.  IV,  417. 

tabernaclum,  Plaut.  Ampk.  120. 

vehicliim,  Plaut.  Pers.  7v_>. 

Herde,  Plaut.  Naev.  com.  Ribb.  p.  23.  Enn.  l'ultt.  p.  15  1. 
In  der  ausgebildeten  Schriftsprache  zu  Cäsars  und  Augustus 
/eil  ist  -culo  die  gewöhnliche  Form;  aber  die  Dichter  dieses  Zeit- 
alters kehrten  zu  der  Form  -clo  der  älteren  Dichtersprache  zurück, 
und  manche  gaben  ihr  sogar  den  Vorzug  (Rilschl,  //.  O.)  in  For- 
men wie: 

g  u  b  e r n a c  1  u  in ,  o  r a  c  I  u m ,   s  p  e  c  t a cl  u  m ,    p  e  ri cl  u  in  u.  a. 
Auch  in  der  Prosa  der  besten  Zeit  linden  sich  Formen  wie: 

vinclum,  assecla   u.   a. 

Auch  die  späteren  und  spätesten  Dichter  gebrauchten   diese 
Formen  ihren  Vorbildern  der  Augusteischen  Zeil  folgend;  so: 
Asclum,  SU.  Hat.  VIII,  438.      anicla,  Prudent.  flsrwf.  VI,  I  19. 

poelum,  Prud.  Culhcm.  Vi ,    10. 
Daneben  erscheinen  auf  Inschriften  verschiedener  Zeilen: 

spedator,   /.  V.  2119. 

aedicla,  T.  V.5997.  6151. 

cubicla,  /.  N.  0s7;>. 

per i cl is,  /.  Rom.  Henz.  0259. 
und  ebenso  gebildete  Namen  wie: 


Herclanius,  Aclenius,  Meclonius, 

Vesclarius,  A c  1  u  t i  u s ,  0 c  1  an i u s , 

M  a  r  c  1  e  i  u  s ,  A  e  c  1  a  n  i  n  s ,  8  a  e  c  I  a  r  i  s , 

Staclenus,  Bucla,  Proclus, 

Staclena,  Bucleia,  Procia, 

0  sei u  s ,  F  id  i  c  1  an  i  u  s,  D  e  c  li  a. 
( Vgl.  Momms.  Inser.  Regn.  Neap.  Ind.  nom.) 

Der  späteren  Volkssprache  war  die  Form  -clo  des  Suffixes 
geläufig.  Ein  späterer  Grammatiker ,  der  eine  grosse  Anzahl  von 
Formen  der  Volkssprache  aufzählt  und  dieselben  unter  Beifügung 
der  entsprechenden  Formen  der  Schriftsprache  verwirft  (Appendix 
ad  Prdbi  ariem  minorem,  Anna!.  Gramm.  Eichenf.  u.Endl.  pA43), 
führt  aus  der  Volkssprache  auch  folgende  Bildungen  auf  -  clo  an: 

articlus,  oricla,  nepticla, 

ha  eins,  facta,  anicia. 

So  viel  erhellt  aus  dieser  Zusammenstellung,  dass  in  der  Volks- 
sprache der  älteren  wie  der  späteren  Zeit  das  Suffix  -clo  lau- 
tete, dass  aber  die  Sprache  der-Gebildeten  in  der  Bliilhezcit  der  Bei- 
mischen Lilteratur  der  Form  -culo  den  Vorzug  gab. 

Viel  seltener  ist  der  Ausfall  der  u  zwischen  g  und  1;  so  tin- 
det  sich : 

f  i  g  1  i  n  u  s , 
und  in  der  Volkssprache  der  späteren  Zeit: 

in  gl  us,  Anal.  Gramm,  a.  0.  p.  443. 

an  gl  us,  a.  0. 

c  o  a  g  1  a  v  i ,  /.  Rom.  Henz.  7412; 
u  fällt  aus  zwischen  p  und  1  in : 

poplo,  Or.  3674. 

poplares,  /.  N.  3054,   vgl.   Plaut.  Rud.  740. 

poplicus,  I,  147. 

P  o  p  l  i  c  o  1  a , 

t  e  in  p  1  u  m ,  lern  p  u  1  i ,  I.  N.  2475  (spät). 

extemplo,  extempulo,  Plaut. 

d i s c  i p li n a ,  di s cip uli na ,  Plaut.  Most.  1 54. 

coplata,  Lucr .  VI,  1086. 

cap  lato  res,  Or.  3765. 

scriptum, 

simplum, 


maniplus,  bei  Dichtern. 

maniplario,  I.  N  2814.         manipulario,  /.  N.  2825; 
die   beiden   letzten   Worlformen   finden  sich   auf  südilalischen  In- 
schriften derselben  Zeit  und  desselben  Fundortes. 
In: 

simplus, 

du  plus, 

triplus  u.  a. 
ist  wie  in  maniplu  s  der  zweite  Wortstamm  der  Zusammensetzung, 
plo-  für  pul o-,  von  der  Verbalwurzel  -pul  (füllen)  herzuleiten, 
von  der  Lat.   -pl-e-o,  po-pul-us,  Gr.  7il-ii]-&cd ,  nol-vs, 
TtoÄ-tg  u.  a.  stammen. 

Zwischen  b  und  1  fällt  das  u  bisweilen  aus  in  dem  Suffix  -b  ulo, 
eine  Nebenform  von  -bro,  durch  welches  ein  Werkzeug  oder  eine 
Werkstätte  bezeichnet  wird.     So  in  : 

fibla         für       fig-bula, 

t abieis,  /.  agr.  [Thor.) 

tablinus    für    tabulinus, 
und  in  der  späten  Volkssprache  in: 

tabla, 

s  t  a  b  1  u  m , 

tri  hl  a,  Anal.  Krumm,  a.  0.  p.   113. 

Nur  im  Volksmunde,  nicht  in  der  Schriftsprache  scheint  die 
Ausstossung  des  u  zwischen  t  und  I  vorzukommen;  so  in: 

Fostlus,  Rifsclil,  Mon.  Epigr.  fr.,  p.  XI.  vgl.  Kaust  ulus, 

Patlacius,  I.  N.  1119.  patulus, 

crustlum,  Or.  686. 
und  in  der  späteren  Volkssprache: 

v  e  1 1  u  s , 

v  i  1 1  u  s , 

capitlum,  Anal.  Gr.  a.  0.  p.  443. 

Die  Wörter  sind  dort  geschrieben  veclus,  viel  US,  capi- 
clum;  ist  c  für  t  nicht  Schreibfehler,  sondern  wurden  sie  wirklieh 
so  gesprochen,  so  gingen  ihnen  doch  die  Formen  v  et  Ins,  vi  t  lus, 
capitlum  vorher. 

Fragt  man  nun  nach  dem  Grunde  dieses  häufigen  Ausfalles 
des  u  zwischen  Muten  und  1,  so  kann  derselbe  nicht  aus  dem  Be- 
streben zu  lange  Wortformen  zu  kürzen  hervorgegangen  sein,  denn 
er  findet  sich  ja  auch   in   so   kurzen  Wortformen  wie  vinelum. 


—     9     — 

poclum,  saeclum,  anglus,  labla,  v  et  las,  vitlus,  die  mit 
dem  u  nur  drei  oder  vier  Moren  ausfüllten.  Der  Hochton  hat  zu 
diesem  Ausfall  nur  im  Allgemeinen  mitgewirkt,  insofern  die  auf  die 
hochbetonte  Silbe  folgende  tieflonige  Silbe  überhaupt  leicht  Scha- 
den nimmt  an  ihrer  Seele,  ihrem  Vokal,  wie  weiter  unten  nachgewie- 
sen werden  wird.  Dass  gerade  vor  1  dieser  Ausfall  so  häufig  ist, 
liegt  in  der  Eigen thümlichkeit  dieses  Lautes,  dessen  vo kali- 
scher Beiklang  u,  von  dem  die  Rede  gewesen  ist  (I,  79.  257.), 
das  1  allein  tauglich  machte  den  Laut  -ul  zu  ersetzen.  Wenn  also 
in  den  Formen  der  älteren  Volkssprache  wie  saeclum,  poclum, 
kein  volles  ü  zwischen  c  und  1  mehr  durchklang  und  daher  auch 
von  den  Griechen  in  Schreibweisen  wie  Prjylog,  Kar  log, 
AivtXog,  rirlog,  axovtXa  u.  a.  sich  nicht  durch  die  Schrift 
ausgedrückt  findet,  so  blieb  doch  immer  jener  U-ähnliche  Vorklang 
des  1  hörbar,  ein  U-laut,  der  kürzer  war  als  ein  kurzes  u,  aber 
doch  noch  nicht  ganz  verklungen  war.  Für  die  Metrik  war  dieser 
L-laut  mit  der  Einheit  einer  More  nicht  messbar,  da  er  die 
Zeitdauer  derselben  nicht  ausfüllte  sondern  nur  ein  Bruchtheil  der- 
selben, die  Dichter  behandelten  daher  für  die  Vermessung  diesen 
U-laut  entweder  als  nicht  vorhanden,  oder  sie  gaben  ihm  die 
volle  Geltung  einer  Kürze,  wie  sie  mittelzeitige  Vokale  entweder 
zu  Längen  erhoben  oder  zu  Kürzen  herabdrückten.  Ebenso  war 
die  Schrift  schwankend,  ob  sie  dem  stummen  U-Iaut  noch  die  Ehre 
eines  Schriftzeichens  gewähren  sollte  oder  nicht,  daher  schwankt  die 
Schreibweise  zwischen  saeclum,  vinclum,  poplus,  mani- 
plarius  u.  a.  und  saeculum,  vinculum,  populus,  mani- 
pularius. 

Wie  die  Lateinische  Volkssprache  so  zeigen  auch  andere  Ita- 
lische Dialekte  die  Neigung  zwischen  Muten  und  1  den  Vokal  u 
ausfallen  zu  lassen,  wie  folgende  Zusammenstellung  von  Beispie- 
len zeigt: 

JJnxbr.      vgl.      Lat.  Utribr.      vgl.      Lat. 

T  r  e  b  1  a  n  e  i  r ,         T  r  e  b  u  1  a  n  i  s ,  p  i  h  a  c  1  u ,      p  i  a  c  u  1  u  m , 

p  o  p  I  o  m ,  p  o  p  u  1  u  m ,  v  e  s  c  1  i  r ,       v  a  s  c  u  1  i  s. 

s  e  p  1  e  s ,  s  i  m  p  u  1  i  s  ,  m  u  n  e  k  l  u , 

s  t  i  p  1  o ,  s  t  i  p  u  1  a  r  i ,  e  h  v  e  1  k  1  u , 

fondlire,  fontulis,  kumnakle, 

k  a  1 1  e  s ,  c  a  t  u  1  i ,  m  a  n  d  r  a  k  1  u , 

vitlaf,  vitulas,  persclu, 


—      10     — 

Osk.  Umbr. 

pestlum,  suferaklu, 

fistlois.  oserclome, 

anglome. 
Osk. 
sakaraklom. 
{Vgl.   Umbr.  Sprachd.  AK.  Wortverz.  Momms.  Uni.  Dial.  Gloss.) 

Ein  aus  früherem  o  entstandenes  u  ist  nun  ferner  häufig  aus- 
gefallen vor  folgendem  l  nach  den  liquiden  n,  1,  r,  bisweilen  auch 
nach  d.  So  sind  die  zahlreichen  Diminutiv»  entstanden,  deren 
Stämme  die  Ausgänge -u II o,  -ollo,  -cllo,  -illo  zeigen,  indem 
die  Consonanten  n,  1,  r,  d  nach  Ausfall  des  u  sich  dem  folgenden  1 
assimilierten. 

Der  Ausgang  -ullo  entstand  durch  Ausfall  eines  u  und  Assi- 
milation eines  n  zu  1  in  folgenden  Bildungen: 

lenullus,    für  lcnonulus,    vom  Stamm  Ienon-, 
ho  muH  us,  homon-, 

H  o  m  u  1 1  u  s ,     . 

Po  in  pull  ins,  vgl.      I'ompon-ius, 

V  ihn  llius,  Vibon-, 

A  p  rull  a ,  A  p  r  o  n  -  i  u  s , 

Gatullus,  Ca  ton-, 

Marullus,  Maron-, 

Ferullus,  Feron-ia, 

Vocul  litis,  Yoeon-ius, 

Ta  muH  ins,  Tamun-ius, 

ullus,  für  unulus,  iiiio-. 

Das  Suflix  -ullo  entstand  durch  Ausfall  eines  u  vor  1  und  As- 
similation eines  r  zu  folgendem  1  in: 
ampulla,     für    amporula,    aus    ampora, 
s  a  t  u  1 1  u  s ,  s  a  t  u  r , 

8  a  t  u  1 1  a , 

Tib  ullus,  Tibur, 

Tit ullus,  vgl.     Tilur-ius. 

Aehnlich  nmss  also  dasselbe  Suflix  in  einer  Anzahl  ebensolcher 
Wortbildungen  entstanden  sein,  wenn  auch  das  Grundwort  von  dein 
sie  gebildet  waren  in  der  Sprache  entweder  nicht  mehr  vorhanden 
oder  nicht  mehr  sicher  erkennbar  ist ,  wie  : 


-    1 1    — 

caesulla,  Torullius,        MaguIIia,        Lucullus, 

caepulla,  Torullia,  Tagullia,        Vistullns, 

uiedulla,  Aeriillius,       Vesuilia,        Tertullus, 

Alu llius,  Vi  nullius,      Vosullica. 

Selten  ist  der  Wortausgang ; -u IIa  ebenso  wie  -ullo  entstan- 
den in: 

coro  IIa,    für    coronula,    von    coro  na, 
p  eis  o  IIa,         personula,  persona. 

Ebenso  entstand  die  Endung  -illo  durch  Ausfalleines  u  und 
Assimilation  eines  n  zu  1  in: 
p  u  g  i  1 1  u  s ,   für  p  u  g  i  n  u  1  u  s ,  vgl.  p  u  g  -  n  u  s , 
s  i  g  i  1 1  u  m ,  vgl.  s  i  g  -  n  u  in ,  L  a  u  r  i  1 1  a  ,  vgl.  L  a  u  r  i  n  u  s , 


t  i  g  i  1 1  u  m , 

t  i  g  -  n  u  in , 

L  u  c  i  1 1  a , 

L  u  c  i  n  a , 

a  n  g  u  i  1 1  a , 

a  n  g  u  i  n  a , 

Maxi  ini  IIa, 

Maxi  mi  na, 

c  a  t  i  1 1  u  s , 

c  a  t  i  n  u  1  u  s , 

Primillus, 

Primin  us, 

villu  m , 

vi  n  um, 

Primi  IIa, 

pistrilla, 

p  i  s  I  r  i  n  a  , 

P  r  i  s  c  i  1 1  a , 

Priscinus, 

p  u l  villus, 

pul  vi  nul  u  s, 

Q  u  a  r  t  i  1 1 a , 

Quaf  (in us, 

Popillius, 

p  o  p  i  n  a , 

11  e  g  i  1 1  u  s , 

R  e  g  i  n  u  s , 

Ofillius, 

0  finius, 

Regula, 

Regina, 

Petillius, 

Pctinius, 

Rufillus, 

R  ufinus, 

A  r  g  e  n  t  i  1 1  a , 

A  r  g  e  n  t  i  n  u  s , 

Rufilla, 

R  u  f  i  n  a , 

C  r  e  s  c  e  n  t  i  1 1  a , 

Crescentinus 

,  Secu  ndilla, 

Secundinus 

l)  c  c  i  in  i  1 1  a , 

Deciminia, 

Seeundina, 

Faustillus, 

Faustinus, 

Telesilla, 

Telesinus, 

Firrail Ia, 

F  i  r  m  i  n  u  s , 

Varilla, 

V  a  r  i  11  i  u  s , 

G  r  a  t  i  1 1  a , 

G  r  a  t  i  n  a , 

Vestilla, 

Ve  stin  us. 

1  u  c  u  n  d  i  1 1  a , 

I  u  c  u  n  d  i  n  a , 

{Vgl.  Motu  ms.  Inscr.  Regn.  Neap.  Ind.  Nom.) 

Die  Endung  -illo  entstellt  durch  Ausfall  des  u  und  Assimila- 
tion eines  r  zu  1  in: 

stilla  für  stirula  von  stira, 
diese  Herleitung  ergiebt  sich  a us :  s t i r i c i d i u m  quasi  stillici- 
dium:  Fest.  p.  344. 

Häutig  ist  das  Suffix  -illo  entstanden,  indem  von  einem  auf 
-ulo  ausgehenden  Wortstamme  durch  Anfügung  eines  zweiten  Suf- 
fixes -ulo  ein  Deminutivumgebildet  wurde,  das  u  zwischen  den  bei- 
den 1  ausfiel,  und  das  nunmehr  vor  doppeltem  u  stehende  1  zu  i  sank. 
So  sind  gebildet: 


—     12     — 

bacillus,   für  hacululus   von  baculus, 

p  u  p  i  1 1  u  s ,  p  U'p  u  1  u  s , 

o  s  c  i  1 1  u  m ,  o  s  c  u  1  u  m , 

pocillum,  poculum, 

tantillus,  La  d  tu  Ins, 

f  u  r  c  i  1 1  a  ,  f  u  r  c  u  1  a , 

a  u  r  i  c  i  1 1  a ,  a  u  r  i  c  u  1  a , 

Nepotilla,  nepotulus, 

Bassilla,  Bassulus, 

Procilla,  Proculus, 

Regillus,  Regulus, 

Romanilla,  Roman  ula. 

Von  einer  ganzen  Anzahl  solcher  Deminuliva  auf-illa  sind  die 
einfachen  Formen  auf -ulo  in  der  Sprache  nicht  gebräuchlich  gehlie- 
hen, oder  die  Sprache  fasste  auch  -illo  als  ein  Suffix  und  hing  die- 
ses an  Wortstämme  an,  ohne  immer  vorher  Formen  auf  -ulo  zu 
bilden. 

Solche  Bildungen  sind: 
a  r  m  i  1 1  a ,  <j  u  a  s  i  1 1  u  s  ,        S  u  i  1 1  i  u  s ,  M a  r s il  1  u  s , 

codi  eil  Ins,       taxillus,  Tu  rill  ins,        Quadratilla, 

axilla,  ton  si  IIa,  Vecillius,        Ouintillus, 

auxilla,  vexillum,         Camillus,        Quintilla, 

m  axilla,  Avillius,  Dasumilla,      Romanilla, 

p  axilla,  Avilledius,      luvencilla,      Salvillus, 

p  a  u  x  i  1 1  u  s ,        A  v  i  1 1  i  e  n  u  s ,      L  a  e  t  i  1 1  a ,  Ursula, 

persillum,        Pavillius,         Mari  Mi  na,        Vettilla. 
in  u  r  m  u  r  i  1 1  u  m , 

Verha  von  derartigen  Nomen  gebildel  sind : 
cantillo,  vacillo,  coli  scrib  illo,     furcillo, 

cavillor,  tilillo,  focillo,  murmurillo. 

g  r  a  c  i  1 1  o , 

Das  Suffix  -illo  isi  durch  Ausfall  eines  u  und  Assimilation  ei- 
nes d  zu  I  entstanden  in: 

lapillus   für  lapidulus,  läpid-, 
Aufi  llius,  Aufidius. 

In  derselben  Weise  bildete  sich  die  Endung  -ello,  indem  ein 
u  ausfiel,  n  sich  zu  1  assimilierte  und  i  in  geschlossener  Silbe  vor  II 
zu  e  ward  in  folgenden  Wintern  : 


_     j3     — 

a  seil  us,     von   asinus,  As  eil  ins,   vgl.  As  in  ins. 

femella,  emna, 

fiscella,  fiscina, 

1  a  m  e  1 1  a ,  1  a  m  i  n  a , 

pagella,  pagina, 

columella,       colum-na, 

scamellum,      scam-num, 

gerne  11  us,         gern  in  us, 

G  e  m  e  1 1  i  n  a , 

G  e  m  e  1 1  i  a  n  u  s , 

Ofellius,  Ofinius  (Ofonius?), 

Rufe  Heins,      Rufin  us, 

Obellius,  Obinius  (Obidius?). 

Ein  o  ward  in  solchem  Diminutiv  zu  e  in: 

N  a  s  e  1 1  i  u  s ,  vgl.  N  a  s  o , 

N  a  s  o  n  i  u  s  ( IN  u  s  i  d  i  u  s  ?  ). 
Das  e  war  schon  ursprünglich  in : 

b  e  1 1  u  s ,     vgl.     b  e  n  e , 

catella,  catena, 

Caesellius,      Caesena. 

Ein  r  ward  nach  Ausstossung  des  u  zu  1  assimiliert  in: 
Stella,       vgl.      äcrijg,  scabcllum,  vgl.  scaber, 

opella,  opera,  libellus,  über, 

puella,  puera,  Atella,  ater, 

a  gell  us,       'm    ager,  Camellus,  camera, 

misellus,  miser,  Rubellius,  ruber, 

tenellus,  tener,  Satellius,  satur, 

cultellus,  culter,"  Cerellianus,       Cereris  (?). 

sa  cell  um,  sacer, 

Mehrfach  zeigt  das  so  gebildete  Deminutivum,  dass  das  Grund- 
wort ein  e  vor  r  eingebüsst  hat: 

fene Stella,   vgl.  fenestra,        Rufellius,  Rufrius, 

cerebellum,        cerebrum, 
flagellum,  flagrum, 

lucellum,  In  er  um. 

Ein  d  wurde  nach  Ausstossung  des  u  zu  1  assimiliert  in : 
sella,         vgl.       sedes, 
s  e  d  i  1  i  a , 


—     14     —      . 

A u f e  1 1  i u s,  vgl.  A  u fi das, 

Au  fiel  ins, 
V e s u  c  1 1  i a ,       VesUedius, 
V  i  b  e  1 1  i  u  s ,        V  e  i  b  e  d  i  u  s , 
Vibidius. 

Aus  -ululo,  -ulula  entstand  das  Suffix  -ello,  -ella  in: 
a  vice  IIa,   von  avicula,  Figellius,    von    figulus, 

c  a  p  i  t  e  1 1  u  m ,     capitulum,        V  i  t  e  1 1  i  u  s ,  v  i  t  u  1  u  s , 

catellus,         catulus,  Trebellius,         Trebula, 

o  c  e  1 1  u  s ,  o  c  u  1  u  s ,  Trebellianus, 

p  o  p  e  1 1  u  s ,         p  o  p  u  1  u  s ,  V  a  g  e  1 1  i  u  s  ,  v  a  g  u  1  u  s , 

tabella,  tabula,  Gerellanus,         gern  Ins. 

Aehnliche  Bildungen  sind : 
Av  eil  ins,.        Cascellius,       Va  cell  ins,  Vecellanus, 

B  i  v  e  1 1  i  u  s  ,       P  u  r  e  1 1  i  u  s ,  G  e  1 1  i  u  s  ; 

doch  hissen  sich  für  diese  keine  auf -ulo  auslautenden  Wortstämme 
als  Grundwörter  angeben,  von  denen  sie  gebildet  sind.  Nachdem 
die  Sprache  sich  gewöhnt  balle  -  ello  im  Ausgang  von  Diminutiven 
zu  sprechen,  konnte  sie  auch  dieses  wie  -illo  als  ein  untrennbares 
Suffix  auffassen  und  an  beliebige  Wortstämme  fügen,  so  dass  sie 
zum  Beispiel  von  cascus  unmittelbar  cascellus  und  dann  Cas- 
cellius, von  purus  unmittelbar  purelius,  dann  Purellius 
bilden  konnte.  So  isl  die  Endung  -ensumo,  -esimo  von  Ordi- 
nalzahlenursprünglich kein  Suffix;  vicensumus  isl  entstanden  ;uis 
d  vi  -  cen  ti  -  tum  us  ,  indem  an  die  alte  Form  dvi-centi  fürvi- 
ginti  das  Suffix  -tumo  (-sumo)  trat;  nach  Ausfall  des  i  wurde 
aus  dem  Ausgange  des  Wortes  -enl-tumus,  ensumus  und  die- 
ser Ausgang  ward  nun,  obwohl  er  ;»us  einem  Stück  Worlslamm  und 
einem  Suffix  bestand,  als  ein  untrennbares  Suffix  angesehen  und 
ohne  Bewusstsein  seiner  ursprünglichen  Bedeutung  auch  an  die 
Stämme  der  Hundertzahlen  gefügt  in  cent-esi  mu  s,  ducen  l  -esi- 
mii  s  n.  a. 

Durch  Ausstossung  eines  u  entstanden  endlieb  auch: 
M  e  s  s  a  1 1  a ,  für  M  e  s  s  a  n  u  1  a ,  von  M  e  s  s  a  n  a , 
11  ispall  us,  Hispanus, 

vallus,  van  uns, 

palliuni,  pann  us. 

Bei  der  Bildung  aller  «lieser  Worl formen  verklang  der  l  -l;ml 
vor  1  vollständig,  daher  liudei   kein  Schwanken  der  Schreibari  in 


—     15     — 

diesen  Wörtern  wie  zwischen  -cnlo,  -clo,  -bulo,  -Mo  u.a.  stall, 
wo  das  u  nur  zu  einem  stummen  Vokal  herabgesunken  war. 

Selten  ist  der  Ausfall  eines  u  vor  anderen  Consonanten    als 
vor   1. 

Vor  r  ist  ein  u  ausgefallen  in  den  Namen: 
S  a  t  r  i  u  s ,  vgl.  s  a  t  u  r  , 
Satria, 
S  a  t  r  i  e  n  u  s , 
vor  s  in  den  Namen  : 

Volsci,   vgl.   OvlovöKOi , 

0  p  s  i  u  s ,  opus,  Altlal.  o  p  o  s , 

Opsidius. 

Auch  im  Oskischen  opsed,   Lat.  operavit,    op  sann  am, 
Lal.  operandam  (Momms.  U.  D.  Gloss.)  fiel  derselbe  Vokal  aus. 


Sehr  verbreitet  ist  im  Lateinischen  wie  in  anderen  Sprachen 
der  Ausfall  eines  kurzen  e,  und  zwar  am  häufigsten  vor  r,  wodurch 
die  Consonantenverbindungen  br,  pr,  fr,  tr,  er,  gr  im  Inlaut 
Lateinischer  Wörter  überaus  häufig  werden. 

Das  Suffix  -bero  von  Wurzel  fer-,  Sanskr.  bhar-  schwächt 
sich  im  Lateinischen  durch  Ausfall  des  e  zu  -bro,  -bri  in: 
crebro,  cribrum,  pollubrum, 

_p  a  1  p  e  b  r  a ,         p  r  o  b  r  u  m ,  in  a  n  u  b  r  i  u  m , 

salebra,  candelabrum,        ludibrium, 

latebra,   ^        velabrum,  Mulcibri    (Genet.)   Mulci- 

terebra,  volutabrum,  Mulcibris,  ber, 

vertebra,  ven  tilabrum,         eclebris, 

scatebra,        cerebrum,  muliebris, 

dolabra,  delubrum,  salubris, 

1  ugubris. 
Das  e  zwisclien  b  und  r  schwand  in:  Septembri, 

0  c  t  o  b  r  i , 

N  o  v  e  m  b  r  i , 

Decembri. 
Auch  sonst  fällt  das  e  zwischen  b  und  r  häufig  aus,  wenn  das  b 
dem  Stamme  gehört  und  das  Suffix  -ero  war,  namentlich  wenn 
Casusendungen  oder  wortbildende  Suffixe  an  das  Suffix  -ero  antra- 
ten.    So  in: 


-.    )6    — 

L  e  b  r  o ,  Mon.  Ep.  tr.  Ritschi,  p.  VII.  f  a  b  r  i , 

libi  eis,  LN.  299.  fabrica, 

leibravit, «.  X).  Fabricius, 

rubrum,  scabri, 

Rubrius,  Babrius, vgl. B a b e r i u s  , 

Rubren  us,  Vibrius,         Vibius, 

Rubrianus,  Vibronia." 

e  n  u  b  r  o ,  für  e  n  -  h  u  b  -  e  r  o  , 

inebrae,       in-heb-erae, 

Häufig  ist  auch  der  Ausfall  des  e  zwischen  p  und  r  in  Wertfor- 
men wie: 

capri,  Apria,  aspri, 

capra,  Apronius,       Asprenas, 

Caprius,  Apronia,  Aprilis, 

Capriolus,        Apronianus,   scalprum, 

Capriola,         Aprucia,  suprad,  Sc.  d.  Bacc.  - 

Capreola,        Aprulla, 

a  p  r  i ,  A  p  r  i  c  u  1  u  s , 

Supra  ist  die  gewöhnliche  Form,  doch  findet  sich  bei  Lucrez  oft 
supera(V,  326.  VI,  61.  537.  561.  855.  IV,  670.  V,  1405.  vgl.  Cic. 
nal.  deor.  II,  42.  Prise.  XIV  ^.980,  1001.  P.). 
Zwischen  f  und  r  fiel  e  aus  in: 

infra,     neben    infera  {Ritschi,  Mm.  Eptgr.  tr.  t.  Alctr.  Grut. 

vafri,  1046,6. 

Rufrius,  Tetafrenus, 

Rufrena,  Venafrum, 

Rufrania,         Venafranus, 

Safronius,       Vcnafranius. 

Ueberaus  häufig  ist  der  Ausfall  des  e  zwischen  t  und  r.  So  zu- 
erst im  Comparalivsuffix  -tero,  Skr.  -tara,  Gr.  -r£po,  Osk. 
-toro,  Umbr.  -tro  in  den  Bildungen: 

intra,  retro, 

contra,  intro-, 

contrarius,      dextra,  neben  de  \tera. 

coni  ro-, 

Bei  Mautus  ist  dextera  die  gewöhnliche  Form  (Ritschi.  Mint. 
Epigr.  tr.  p.  X.  /*.),  doch  findet  sich  auch  dexlram  Mcrc.  S79; 
auch  bei  Lucrez  und  spülereu  Dichtern  kommt  die  Form  dextera 


—     17    — 

noch  vor.  Luer.IV,  290.  V,  85.  Verg.  Prise.  II,  68.  H.  Prop.  IV,  8. 
58.  Sil.  XV,  385. 

altrius,  Plaut.  Capi.  306. 

a  1 1  r  i  m  s  e  c  u  s ,  Pseud.  357. 

altrovorsum, 

extrad,  Sc.  d.  Bacc. 

extra, 

s  i  n  i  s  t  r  i , 

magistri, 

ministri,  Osk.  minstreis, 

Maestri  us, 

Mestrius. 
Zu  -tri  abgeschwächt  erscheint  das  Comparativsuffix  -lero  in: 

equestris,        semestris, 

pedestris,       procestria, 

terrestris,      palustris, 

s  i  I  v  e  s  t  r  i  s ,  s  e  q  u  e  s  t  r  i  s ,  vgl.  sequestro,  s  e q  u  e  s  tr  a, 
(Ueber  die  Bildung  dieser  Adjecliva  vgl.  Zeitschr.  für  vergl.  Sprach  f. 
III,  253.  f.) 

Das  e  fallt  ferner  aus  in  dem  Suffix  -tro  für  -tero  von  Sanskr. 
Wrz.  tar-,  durchdringen,  vollenden,  in: 

vitrum,  fulgetrum, 

rastrum,  fulgetra, 

lustrum,  castra. 

In  tonitru  scheint  an  das  Suffix  -o  ein  zweites  Suffix  -u  gefügt. 
Ausfall  des  e  zeigt  sich  auch  in  dem  Suffix  -ter  von : 

p  a  t  r  i  s ,  I  u  p  i  t  r  i  s ,  in  a  t  r  i  c  u  1  a , 

Opitris,  aeeipitris,      Matrius, 

Opetrius,         matris,  Matralia, 

Opetreius,      matrona,         fratris. 
In  allen  diesen  Wörtern  hält  sich  das  e  vor  r,  sobald  das  r  nach  Ab- 
fall  eines  Vokales,  o  oder  i,  in  den  Auslaut  gerückt  wird,  wie  in  in- 
ter,  mag  ister,  equestern.a.,  weil  eine  Muta  mit  folgendem  r 
im  Auslaut  nicht  gesprochen  werden  konnten. 

Auch  sonst  fällt  das  e  zwischen  t  und  r  weg,  welchen  Ursprung 
diese  Consonanten  auch  haben  mögen ;  so  in: 

a  t r i ,  Atratinus,     •  c u  1 1 r  i , 

atrium,  Atrista,  ventris, 

a  t  r  a  r  e ,  a  s  t  r  u  m ,  V  e  n  t  r  i  o  , 

CoRSSEiN   II.  2 


-    18  — 

filiastro,  /.  N.     Hatreius  ,  vgl.  Ha-     Ae  Iritis,    vgl.    Aete- 

4367.  terius,  rius, 

Cacastro,  Litrius,  Frentranus, 

Calatro,  Mutronius,  Suetrius, 

Caetronius,         Gallatronius,  vetrani,  /.   N.  2824. 

Getronius,  Sitrius,  vgl,  Siter-  6345. 

nia, 
Ausfall  eines  aus  dem  langen  I  des  Perfekts  entstandenen  e  fand 
statt  zwischen  d  und  r  in: 

d  ed  r  o  t ,  t.  Pisaur.  Ritschi,  fict.  Lat.  p.11. 
dedro,  a.  0., 
Formen,  von  denen  bereits  wiederholt  die  Rede  gewesen  ist.  Ebenso  in : 
vendrit,  Or.  3882. 

Zwischen  c  und  r  ist  im  Lateinischen  vielfach  ein  e  ausgefallen. 
So  in  dem  Suffix  -cero,  das  sich  zu  -cro,  -cri  abgeschwächt,  von 
Sanskr.  Wrz.  k  a  r-,  m  a  c  h  e  n ,  in  : 
s  e  p  u  1  c  r  u  m , 

lavacrum,  ludicrus, 

simulacrum,      alacris, 
molucrum,  volucris. 

fulcrum , 

Ebenso  fällt  e  nach  stammhaftem  c  vor  dem  Suffix    -  ro  ,   -  r  i 
weg.     So  in: 

sacrum,  Sacranus,  Acria, 

s  a  c  r  a  r  e ,  D  e  c  r  i  u  s ,  A  c  r  a  uns, 

S  a  c  r  i  u  s ,  D  e  c  r  i  a  n  u  s  ,  M  a  c  r  i  u  s , 

Sa  er oni us,  Sucrinus,  Macrinus, 

Sacra  toria,  acris,  soerus. 

Seltener  fällt  e  nach  stammhaftem  g  vor  dem  Suffix  -ro  ab.  So  in  . 
agri,  aegrotus,  flagrum, 

E  g ;  r  i  l  i  u  s ,  i  u  g  r  a  ,  /.  agr.  ( Thor. ) 

nigri.  Mag  rius. 


Ag 

r  i  u  s , 

ag 

rarius, 

Ag 

r  i  c  o  1  a , 

ae 

gri, 

Weil  und  breit  hat  also  der  Atisfall  des  e  vor  r,  wenn  eine  Muli 
vorherging,  um  sich  gegriffen.  Es  ist  oben  nachgewiesen,  wie  das  i 
im  Lateinischen  von  seiner  alten  halbvokalischen  Natur  nocli 
einen  Rest  bewahrt  hat,  wie  der  vokalische  Anklang  desselben  ein 
E  -ähnlicher  Ton  war,  durch  den  sich  das  r  die  vorhergehenden 


-     19     - 

Vokale  a,  o,  u,  i  zu  e  assimilierte.  So  konnte  ein  blosses  r  nach  ei- 
ner Muta  die  Lautverbindung  er  nach  einer  Muta  vertreten,  wie  im 
Sanskrit  das  vokalische  r  in  zahlreichen  Formen  die  Lautverbindung 
ar  vertritt.  Mochte  man  d extra  oder  dextera,  infra  oder  in- 
fera  sprechen  wollen,  in  beiden  Fällen  hörte  man  mehr  oder  minder 
ausgeprägt  einen  E-klang  zwischen  der  Muta  und  dem  r  durchklin- 
gen.  Beide  Sprechweisen  und  Schreibweisen  verhalten  sich  gerade 
so  zu  einander  wie  saeculum  und  saeclum;  das  e  in  jenen  Wort- 
formen war  ein  ebenso  stummer  für  die  Metrik  unmessbarer  Laut 
wie  das  u  zwischen  Muta  und  1.  Die  ältere  Sprache  zeigt  ein 
Schwanken  zwischen  den  Schreib-  und  Sprech  weisen  dextera  - 
dextra,  al  t  erius  -  allrius  ,  infera- infra  ,  der  Sprach- 
gebrauch der  Augusteischen  und  der  späteren  Zeit  hat  der  Tilgung 
des  e  in  diesen  Formen  sich  entschiedener  zugewandt  als  der  Aus- 
stossung  des  u  in  Formen  wie  pericluin  ,  vi n dum  u.  a. 

Nach  Ausfall  eines  c  treffen  zwei  r  zusammen  in: 
f  e  r  r  e ,  c  o  m  p  e  r  r  i  t ,  /.  agr.  ( Thor. ) 

f  e  r r  e m ,  ce r r, i  t u s ,  Fest.  p.  54.  vgl.  C  e r  e  r  i  s. 

gerre,  /.  N.  G058  [spät)     Cerrinius,    /.  N.  1480.  5213. 

für  g e r er e ,  C e r  r i ni  a e  ,    /.  N.  1 9 1 4.  3856. 

Ein  Beispiel  von  Ausfall  eines  e  zwischen  m  und  r  bietet  der 
Name : 

C  a  m b  r  i  a  n  u  s  ,   /.  N.  2383  verglichen  mit   c  a  m  e  r  a , 

Cameria, 
C  a  in  e  r  t  e  s ; 
nach  Ausfall  des  e  ist  nämlich  der  Lautvermittelung  halber  zwischen 
m  und  r  ein  b  eingeschoben  wie  im  Griechischen  peG rj {ißgca  , 
7j[i ßgorov.  In  einer  Tochtersprache  der  Lateinischen,  im  Fran- 
zosischen, findet  sich  dieser  Laut  Vorgang  in  den  Wortformen  cha  in- 
nre,  nombre  von  Lat.   camera,   numerus. 

Nach  Ausfall  eines  v  des  V  e  r  fekt siiffixes  -vi  schwindet  das 
aus  I  gekürzte  e  in  unzähligen  Verbalformen,  die  in  der  Prosa  des 
Cicero  wie  im  Sprachgebrauch  der  classischen  Dichter,  in  älterer  wie 
in  neuerer  Zeit,  gleich  gewöhnlich  sind,  wie: 

o  p  t  a  r  a  m ,  d  e  v  i  t  a  r  i  m , 

noram,  requierim, 

admoram,  a  d  i  u  r  o , 

speetaras,  levaris, 

decreras,  expleris, 


—     20     - 

occ u parat,  s u e  1 1 1 , 

consuerat,  cognorit, 

consueramus,  norimus, 

nominarant .,  condemnarint, 

noraiit,  norint, 

decrerant,  suerint  u.  a. 
confi  rinarunt, 
f ler u  n  t , 

Ebenso  ist  durch  Ausfall  der  Lautverbindung  v  e  entstanden  : 
plo-rare,        für      ploverare. 

Die  Wurzel  pl  u-,  fliesse  n  ,  die  in  pluere  erscheint,  ward 
wie  oben  gezeigt  ist  durch  Vokalsteigerung  zu  plov-  in  perplo  - 
vere,  Fest.  p.  250,  durchflies sen ;  von  der  Verbalwurzel 
plov-  bildete  sieb  ein  Adjectivstannn  plovero-,  wie  von  Wz. 
sac-sacero,  und  von  plovero  -  das  Verbum  ploverare,  wie 
von  sacero-saerare;  ploverare,  zusammengezogen  plorare 
beisst  also  l'liessen  machen  wie  sacrare  beilig  machen 
und  erbalt  dann  die  Bedeutung  Tbränen  fli essen  inaeben  oder 
weinen. 

Selten  ist  der  Ausfall  des  e  vor  anderen  Consonanten.  Ver- 
einzelt steben: 

iunior,  für  iuvenior, 

i u nix,  iuvenil,  Fleckeis.  Ep.  L 'rit  p.  1 2. 

In  Compositen  werden  sieb  weiter  unten  mehr  derartige  Beispiele 
linden. 

Ein  langes  e  scheint  ausgefallen,  nachdem  es  sieb  zuvor  zu  i 
gekürzt,  in  den  auf  -ui  auslautenden  Perfekten  der  E-conju- 
gation   wie: 

d  e  b  u  i ,  verglichen  mit  debitum,  von  de  bore, 
habui,  babituin,         habere, 

licui,  licitum,  licere, 

placui,  placit  um ,       placcre, 

merui,  raeritum,         meiere, 

in  ähnlicher  Weise  wie  das  a  der  A-eonjugation  sich  eist  zu  i  kürzte 
und  erleichterte  und  dann  ausfiel  in  den  besprochenen  Perfekten  w  e 
so nui,  doniui,  secui  u.  a. 

Aebnlieb  schwand  langes  e,  nachdem  es  zuvor  zu  i  ein- 
geschrumpft war  in: 


—     21      - 

f  r  u  t  e  c  tum,     neben    f  r  u  t  i  c  e  t  u  m  , 

(iiimectum,  d u m i c e  t u  m , 

carectum,  c a r i c e t  u m  , 

sali  et  um,  salieetum. 

Dieser  Ausfall  des  e  muss  schon  in  alter  Zeit  stall  gefunden  ha- 
lten, als  noch  nach  dem  alteren  Betonungsgesetz,  von  dem  unten  die 
Hede  sein  wird,  f  r  u  c t  i  c e  t u  m ,  d  u  m  i  c  e t  u  m  betont  wurde.  Ver- 
gleicht man  zu  diesen  Wortformen  die  ahnlichen  Bildungen  wie 
a c e t u m ,  aspretum,  dumetum,  s a b u  1  e t u m ,  arund inetum, 
c i t r e t u m ,  coryletum,  i u n c e  t u m ,  v e p r e  t u m ,  v i m  i  n e t  u m , 
fimetum,  so  ergiebt  sich,  dass  dieselben  Bildungen  von  Verbal- 
stämmen der  E-conj  ugation  sind,  die  ausdrücken  ein  Vollsein 
von  dem  Gegenstande,  den  das  Grundwort,  von  dem  sie  gebildet 
sind,  bezeichnet.  Diese  Verba  wie  ac er e,  asprere,  d  innere 
u.  a.  sind  aber  der  Sprache  abhanden  gekommen  wie  die  Verba 
consulare ,  magistrare,  pontificare,  senare  u.  a.,  von  de- 
nen die  Verbalsubstantiva  co ns u latus,  magistratus,  ponti- 
f  i  c  a  t  u s  ,  s  e n a  t  u  s  gebildet  sind. 

Der  weitgreifende  Ausfall  des  e  in  Compositen  wird  weiter  un- 
ten zur  Sprache  kommen. 


Der  dünnste  und  leichteste  unter  den  Lateinischen  Voka- 
len, i,  ist  sohaltlos  und  schwächlich,  dass  er  last  aus  jeder  Stellung, 
die  er  im  Inlaut  der  Wörter  zwischen  Consonanten  einnehmen  kann, 
gelegentlich  hinausge w o r f e n  wird. 

So  ist  er  ausgefallen  vor  c  in : 


Ofincius,    für 
Patulcius,  fiii 


vor  2  in : 


c  a  1  x  , 

vgl. 

calicala,   Fest.  p.  47.    59. 

Gr.  %ali%. 
c  a  1  e  c  a  n  d  a  m  ,  tob.  Alelr. 

Ritschi,  Mon.  Epigr.  tr. 

Ofinicius, 

vgl. 

Ofinius, 

P  a  t  u  1  i  c  i  u  s 

i 

Patlacius, 
Patulacius; 

narrare, 

von 

g  n  a  r  i  g  a  r  e , 

purgare, 

vgl. 

e  x  p  u  r  i  g  a  t  i  o  n  e  m  ,      Plaut. 
Merc.  960. 

iurgium, 

für 

i us -igiu m,  vgl.  r ein -i gi u m , 

—     22     — 

diese  drei  Wörter  sind  eigentlich  Composita,  in  deren  zweitem  Be- 
standteil die  Wurzel  ag-  von  agere  enthalten  ist;  aber  ihre  ge- 
kürzte Form  und  ihre  Bedeutung  hat  den  Charakter  von  (Komposi- 
ten verloren.  Dnsselbe  ist  ja  auch  in  Bildungen  wie  furibundus, 
saluber,  ludicrus  und  anderen  der  Fall  gewesen,  die  auch,  wie 
schon  gelegentlich  bemerkt  ist,  Composita  waren. 

Häufiger  aber  ist  der  Ausfall  des  i  in  Suffixen  vor  d  und  t.  So 
wird  es  ausgeworfen  vor  dem  Suffix  -do  und  den  davon  abgeleiteten 
Bildungen  in: 

Ofdius,  /.  .V.  5765.  vgl.  Obidius, 

Aufidius  , 

c  a  1  d  u s  ,   Or.  Henz.  6086.     Quini.     c  alid  u  s , 
I,  6,  10.    Anal.  Gramm. 
E.E.p.  444. 

v  a  l  d  e  ,  v  a  1  i  d  e  , 

ca  Idaria  m,  /.  N.  367.'>. 

sohl us,  /.  lul.  man.  solidus, 

J  a  r  d  u  in ,  1  a  r  i  d  u  m , 

a  r  d  u  m,  Lucil.  ap.  Non.  II,  p.  53.  G.     a r  i  d  u m, 

raudus,  ravis, 

udus,  uvidus, 

audeo,  avidus, 

gaudeo,  gavisus  ( für  ga vidsus). 

fr  ig  dar  ia,  Lucil.  Prise.  \,  57.  //.     fri-gidaria. 
Aus  der  späten  Volkssprache  werden  angefühlt : 

fric'da,  Anal.  Gramm.  E.  E.  p.  444.  446. 

virdis,  a.  0. 

Vor  t  ist  ein  i  ausgefallen  in  zahlreichen  Bildungen  vonPartici- 
pien  und  Supinen  wie: 

m  e r  t o  ,  /.  TV7.  2024  für  m  e  r  i  t  o ,         p  i  s  t  u  m . 
mereto,        pexum, 

misertum,  pars  um, 

postum,  LNA03l.Lucr.il  1059.     fruetum, 

opposta,  Lucr.  IV,   14S.  cautum,   vgl.   cavitum, 

disposta  ,  Lucr.  II,  64 1.  l.agr.  (  Thor.) 

praeposta,  Lucr.  VI,  997.  ca  vit  ion  ein  . 

comp os tum,  Verg.  //.  a.  Fes/,  p.  61. 

repostus,  faul  u  m.  vgl.  favitorum, 

replietae,  Slal.Sitv.W,  (.i,  29.  Plaut Amph.  Prol.lS. 


—     23     — 

a  1 1  um ,  motum, 

adultum,  tot  um. 

recens  u  m , 

In  zahlreichen  anderen  Bildungen  von  Participien  und  Supinen 
oder  von  diesen  abgeleiteter  Wörter  ist  nicht  sicher  zu  erkennen, 
ob  sie  vor  dem  t  einen  Bindevokal  i  verloren  haben,  oder  ob  sie  das 
Suffix  -to,  -tu  von  vorn  herein  ohne  Bindevokal  an  denWortstamm 
fügten. 

Ein  i  ist  ausgefallen  vor  dem  Suffix  -tor  in: 
i  m  p  o  s  t  o  r , 
quaestor, 
und  vor  andern  mit  t  auslautenden  Suffixen  in : 
puertiae,  Hör.  c.  I,  36,  8. 
a  u  d  a  c  t  e  r , 
propter, 

hör  tor,     vgl.    horiturque,  Enn.    Fahl.  p.  52. 
nauta,  navita, 

m  o  t  a  r  e ,  m  o  v  i  t  a  r  e  , 

o p  t  u m  u  s ,  o  p  i  t  u  m  a  e  ,  Or.  Henz.  5434. 

Als  Bindevokal  in  Verben   schwindet  i  vor  t  in  den  Perfekt- 
formen: 

f  e  c  t ,  Momms.  U.  D.  p.  306. 
und  in  den  Formender  späteren  Kaiserzeit: 
vixt,  /.  iV.  2795.  3395.  3447. 
expensavt,  I.  N.  2800. 

Ebenso  ist  die  Ausstossung  des  Bindevokales  schon  in  den  Prä- 
sensformen: 
fert, 
vult. 
Für 
est  gebrauchten  Livius  Andronicus,  Plaulus   und  Lucilius  noch 
edit,  Prise.  X,  30.  H. 
Sehr  alt  ist  die  Ausstossung  des  Bindevokales  i  in  den  Plural- 
formen d<  r  Vcrba  mit  den  Suffixen  -tis,  -te.     Das  zeigt  die  Form: 
cante,  Carm.  Saliar.  Varr.  L.  L.  VII,  27  für  canite. 
cette, 
ferte, 
voltis  , 
noltis ,  Caecil.  Com.  Ribb.  p.  30. 


—     24     — 

Auch  vor  Labialen  fällt  der  Bindevokal  i  in  der  Wortbiegung 
wie  in  der  Wortbildung  bisweilen  aus.     So  in: 

senatorbus,  Sc.  d.  Baccan. 

b  u  b  u  s. 

Häufiger  geschieht  dies  vor  den  Suffixen,  die  mit  ni  anlauten; 
so  in: 

vicesma,  Or.  1433.    vgl.   vicesimam, 
i    Decmus,  Decimus, 

Dasmus,  D  a  s  i  m  i  u  s , 

D  a  s  i  m  i  a  n  u  s , 

summus,  s  u  p  i  m  u  s , 

b  r  u  m  a  ,  b  r  e  v  i  m  a , 

im  us,  für  infimus, 

das  letztere  durch  die  Mittelstufen  ifimus,  ihimus. 

Ebenso  ist  der  Bindevokal  i  ausgefallen  vor  den  Suffixen  -men 
und  -mcnto  in: 

tegmen,  für  t  cgi  men, 

t  c  gm  e  n  tum,  t  e  g  i  m  e  n  t  u  m , 

p  r  o })  a  g  m e  n  ,  Enn.  Ann.  v.  458.  V.     pr op a g i  m  e  n. 
Auch  die  Bildungen 

fla-men, 

exa-men, 

s  u  b  t  c  -  m  e  n 
halten    wohl   ursprünglich   einen   Bindevokal    vor   dein    Suffix    und 
büssten  erst  nach  Ausfall  desselben  den  auslautenden  Consonanten 
des  Stammes  gein,  als  er  mit  folgendem  m  zusammenprallte. 
Vor  dem  Suffix  -no  fiel  i  aus  in: 

scamnum,  scamelium, 

signum,  sigillum, 

tignuni,  tigillum, 

pugnus,  pugillus, 

L icn  i a ,  Ritschi,  Mon.  epigr.  tr.  IX. 

balneum,  balineum. 

a  c  s  c  u  1  n  i  u  s  ,  /.  Puleol.  I.  N.  245S.     a  e  s  c  u  1  i  n  u  s  , 

domnae,  /.  N.  4079. 

d o m n o r u m ,  /.  N.  357 1  u.a. 

Faun  us.  vgl,  favitor, 

P a  g  n  i  us , 

Furnia,  furina. 


-     25     — 

Während  unter  diesen  Formen  Licnia  der  ältesten  Zeit  an- 
gehört, sind  domnae,  domnorum  Formen  der  späteren  Volks- 
sprache, aus  denen  dann  in  Romanischen  Sprachen  den  na  und 
duenna   entsteht. 

Es  ist  schon  oben  gesagt  worden,  dass  das  mediale  Parlicipium, 
das  im  Griechischen  -{isvo  lautete^im  Lateinischen  terminus,  von 
Wrz.  tar-,  ter-,  durchdringen,  sich  zu  -mino  gestaltete,  dass 
das  i  dieses  Suffixes  aber  ausfiel  in  den  Bildungen  wie: 


a  1  u  m  11  u  s , 

P  i  c  u  m  n  u  s , 

Volumna, 

a  u  t  u  m  n  u  s , 

p  i  1  u  m  n  o  e , 

c  o  1  u  m  n  a , 

V  o  1  u  m  n  u  s , 

Pilu  m  n  u  s, 

a  e  r  u  m  n  a , 

Vitumn  us  , 

P  o  r  t  u  m  n  u  s , 

c  a  1  u  m  n  i  a , 

Vertumnus, 

C I  i  t  u  m  n  u  s , 

Volumnia. 

Neptumnus, 

Grul. 

V  o  1 1  u  m  n  a , 

460,  3. 

Selten  fiel 

i  weg  vor  den  liquiden  1  und  r 

.     So  in : 

Sestlia,  /. 

N.  5199 

für  S  e  s  1  i  1  i  a , 

.Manlius, 

M  a  n  i  1  i  u  s , 

Mallius, 

A  filli os , 

vgl. 

A  fini  us, 

Aufillius, 

A  u  f  i  d  i  u  s , 

Turpleius, 

t.  Far. 

turpis, 

striglibus,  luv.  HI,  263. 
Vieri  us,  neben        Vicirius, 

V  i  c  i  r  r  i  u  s. 

Am  häufigsten  aber  fällt  i  vor  dem  Consonanten  aus,  zu 
dem  es,  wie  oben  gezeigt  ist,  die  meiste  Wahlverwandtschaft  hat, 
vor  s. 

So  zuerst  in  dem  Suffix  -isio  von  Namen: 
Numpsius,  /.  N.  3783. 
Numsius,  /.  N.  1685.  3929.  für  Numisius, 
vgl.  Osk.  Niumsieis  (Mo?nms.  Unt.  D.  Gloss.). 

Die  Lateinische  Comparativendung  -ios,  -ior,  -ius 
schrumpfte,  wie  schon  bemerkt  ist,  zu  is  ein,  in  Formen  wie  ma- 
gis,  ultis,  satis,  potis,  paullisper,  tantisperu.  a.  wie 
in  m a g i s t e r,  minister,  s o  1 1  i s t i m  u  m,  s i n i  s t  i  m u m  (Zeitschr. 
für  vergl.  Sprachf.  III,  277.  f.).  Auch  dieses  comparativische  i 
fällt  dann  aus  in: 


—     26     — 

iuxta ,      für      iug-is  -ta, 
exta,  ec-is-ta, 

p  r  a  e  s  t  u  s , 
praesto,  prai-is-to. 

Das  aus  -isto  entstandene  -slo  dieser  Bildungen  ist  das 
Superlativsuffix  Sanskr.  istha-,  Gr.  coro-,  Goth.ist'-,  ost'-, 
Neuhochd.  -ste,  -st  (erst,  fürst,  einst  u.  a.)  (a.  0.  III,  285/.). 
Auch  das  auslautende  s  in: 

mox,  vix,  uls, 

und  in  den  Formen  der  Pronomina : 

ex,     ans,     obs-,     sus-     für     subs-,     Irans 
ist  das  auslautende   s  ein  Rest  des  Comparativsuffixes  und  hat  vor 
sich  ein  i  eingebüsst  (a.  0.  p.  288  f.). 

Insbesondere  hat  nun  der  Ausfall  eines  i  vor  s  in  Verbalformen 
weitgreifenden  Einflnss  auf  die  Gestaltung  derselben  geübt.     Hier 
mögen,  um  die  Verbalformen,  in  denen  ein  i  vor  s  schwand,  zusam- 
men zu  haben,  die  Formen: 
e  s ,         für         e  d  i  s , 
fers,  feris, 

vis,  velis, 

s  i  r  s,  Carm.Arv.  s  i  r  i  s ,  s  i  v  e  r  i  s , 
sers, 
erwähnt  werden,  obwohl  hier  das  Schwinden  des  i  in  der  Endsilbe 
statt  findet. 

Insbesondere  merkwürdig  für  die  Geschichte  des  Vokalausfalles 
wie  für  die  Gestaltung  der  Lateinischen  Conjugation  sind  nun  aber 
eine  Anzahl  von  Formen  des  Perfekts  oder  vom  Perfekt  ab- 
geleiteter Tempora,  in  denen  der  Ausfall  des  ursprünglich 
langen  Charakter  vokales  i  stattgefunden  hat.  Es  möge  hier 
zunächst  eine  Zusammenstellung  von  Beispielen  solcher  syncopierter 
Formen  Platz  finden. 

Ausstossung  dieses  i  mit.  folgendem  s  findet  ?tatt  Inder  zweiten 
Person  Ind.  Perf.    So  in: 

dixti,  Plaut.  Capi.  155.  Ästo.  s*23.  Trin.  602.  665.  MercaL 
164.  659.  //.  a.  dixtin,  Mit.  365.  Pacuv.  li/hl>.  Trag. 
p.  89.  Terent.  And.  III,  2,  38.  III,  5,  15.  V,  2,  I  I.  Eun.  I, 
2,  85.  87.  II,  3,  85.  III,  I,  Gl.  III,  2,  44.  IV,  7,  23.  Hcaul. 
11,3,  100.  IV,  7,  2.  Adelpk.  III,  3,  69.  IV,  3,  s.  13.  V,  s. 
30.     Hecyr.  III,  1,  12.  IM.  5,  I.  IV,  4,  49.  r»:>.  V.  I.  2:.. 


—     27     - 

Phorm.  II,  1,  72.    III,  3,  4.    MartiaU  IV,  61,  4.  Cic.  Tusc. 

II,  3,  10. 
addixti,  Matt.  X,  31,  1.  XII,  16,  I. 
duxti,  Cat.  91,  9.   Pro/?.  I,  3,  27. 
a  b  d  u  x  t  i ,  /to//.  Cure.  614. 
ad  duxti,  Tir.  £wtt.  IV,  7,  24,  V,  4,  27.  Heaul.  IV,  6,  15.   Phorm. 

IV,  1,  2. 
induxti,   Ter.  Andr.  III,  3,  40.  V,  3,  12.    Heeyr.  III,  1,  12. 
subduxti,  Ter.  Fun.  IV,  7,25. 
d  e  v i  n  x  l  i ,  Plaut.  Asin.  850. 
depinxti,  Poen.  \,  2,  154. 
e  m  u  n  x  t  i ,  Plaut.  Most.  1109. 

intellexti,  Plaut.  Pud.  1103.  Tfcr.  ^«rfr.  I,  2,  30.  III,  2,  20.  26. 
eircumspexti,  Ter.  Ad.  IV,  5,  55. 
prospexti,  a.  0. 
direxti,  Verg.  Aen.  VI,  57. 
surrexti,  Marl.  V,  79,  1. 
avexti,  Plaut.  Bud.  S62. 
advexti,  PI.  Merc.  390. 
luxti,  Cat.  66,  21. 

extinxti,  Pacuv.  Ribb.  tr.  p.  100.    Verg.  Aen.  IV,  682. 
instruxti,  PI.  Mit.  981. 
inmersti,  PI.  Bacch.  677. 
occlusti,  PI.  Trin.  188. 
discesti,  PI.  Asin.  251. 
evasti,  Hör.  Sal.  IT,  7,  68.   Sil.  XV,  793. 
s  e  n  s  t  i ,  Ter.  Andr.  V,  3,  1 1 . 
misti,  Cat.  14,  4. 

promisti,  Plaut.  Cure.  705.  709.    Cat.  110,  3. 
a misti,  Ter.  Eun.  II,  2,  10.  Heeyr.  II,  2,  9.  &Y.  XVII,  353. 
percusti,  Hör.  Sat.  II,  3,  273. 
mansti,  Lucil.  Gell.  XVIII,  8,  2. 
s  c  r  i  p  s  t i ,  Plaut.  Asin.  802. 
cönscripsti,  /Y.  Asin.  746. 
praescripsti,   7Vr.  ^^?r.  I,  1,  124. 
a  c  c  e  p  s  t i ,  PI.  Trin.  964. 
subrepst  i,  Cat.  11,  3. 
consumpsti,  Prop.  I,  3,  37. 
coepsti,  Caecil.  Ribb.  Com.  fr.  p.  38 


—     28     — 

Ebenso  ist  is  ausgefallen  in  der  zweiten  Person  Plur.  Ind.  Perf. 
So  in  : 

protraxtis,  Sil.  XVI,  84. 
a  c  c  e  s  t  i  s ,  Verg.  Aen.  I,  201. 
scripstis,  Enn.  Ribb.  trag.  p.  32. 

Dieselbe  Vokalausstossung  findet  statt  in  der  ersten  Pers.  Sing. 
Conj.  Perf.: 
fax  im,  PL  Pers.  73.    Poen.  V,  2,  131.  133.   Aulul.  11J,  5,  20  u.  a. 

Ter.  Ad.\,  5,  6.    V,-6,  8. 
axim,  Paciw.  Ribb.  trag-  P>  96. 
transaxim,  a.  0.  p.  85. 
c  o n  d  u  x  i  m ,  PL  Merc.  758. 
obiexim,  PL  Poen.  I,  3,  37. 
in  sp  ex  im,  PL  Menaech.  597. 
confexim,  PL  Trnc.  IV,  4,  39. 
a  n  s  s  i  m ,  PL  Racch.  1056. 

ausim,  Liter.  II,  178.  V,  196.   Ter.  Fun.  V,  2,  15.  65.   Verg.  Eel. 
III,  32.    Georg.  II,  289.    Tib.  IV,  1,  193.    Prop.  II,  5,  24. 
II,  19,  21.     Oviol.  Am.  II,  4,  1.     Liv.  I.  praef.  Tac.  Agr. 
43  u.  a. 
iussim,  PL  Mm.  185. 
lusim,  PL  Rad.  1248. 

Ebenso  in  der  ersten  Person  Sing.  Fut.  II: 
faxo,  PL  Amph.  355.  589.  Capt.  80t.  Asm.  876.  902.  Cure.  5s7. 
Menaech.  113.326.540.  562.644.  661.  791.  950.  050. 
Pseud.  49.  303.  706.   1039.   1043.  1328.     Racch.  506. 
J//V.  #/o/\  1367.    Most  68.  1133.     7'rr.v.  195.  446.  161. 
Rad.  365.  578.  800  u.  a.  Afran.  Com   Jlihh.  p.  148.   Ter. 
Andr.  V,  2,    13.     £tm.  II,   2,  54.    IV,  3,  21.   II,  3,  100. 
Adelph.  II,  2,  1.  V,  3,  61.    Pharm.  II,  1,  78.     Pfery.  Aen. 
IX,  151.    XII,  316.     Ov.Meiam.  XII,  501.     >'/^.  77/r/y. 
V,  658.  VIII,  78.     Zü\  VI,  35.     Petrm.  95.     .////>„/.  .)/,■/. 
VIII,  161. 
oecoepso,  Haut.  Cos.  V,  4,  22. 
capso,  PL  Racch.  712. 
oeeepso,  PL  Amph.  673. 
aeeepso,  Pacuv.  Trag.  Ribb.  />.  00. 
reeepso,  Cat.  44,  10. 
iusso,   Verg.  Aen.  XI,   167.    St/.  XII,  175. 


—     29     — 

ulso,   All.  ap.  Non.  Ribbek,  trag.  p.  147  schreibt  so  mit  Yossius 
richtig  für  das  überlieferte  ullo. 
In  der  zweiten  Person  Sing.  Conj.  Perf.  u.  Ind.  Fut.  II : 

faxis,  Plaut  Pseud.  533.  Mit.  624.  1245.  1417.  Most.  518.  808. 
1115.  Men.  113.  Asin.  612.  613.  Stich.  610  u.  a.  Enn. 
Vahl.  p.  147.  Pacuv.  Ribb.  trag.  p.  76.  Naev.  Ribb. 
Com.  p.  11.  Ter.  Andr.  IV,  4,  14.  Heaul.  I,  2,  13.  Hör. 
Serm.  II,  6,  5.  II,  3,  38.     faxseis,  Grut.  96,  7. 

effexis,  Pto/.  Ca«.  III,  5,  63.     Poem.  I,  3,  19. 

dixis,  Plaut.  Aulul.  IV,  10,  14.  Merc.  484,  Capt.  149.  695.  /fcw. 
839.   Ml.  285. 

in  d  u x i  s ,  Pto/.  6^.  149. 

taxis,  Varr.  Non.  p.  122.  G. 

o  b  i  e  x  i  s ,  Plaut.  Gas.  II,  6,  52. 

respexis,  PI.  MoStb23.    Rad.  678.   Aul.  1,  1,  19. 

parsis,  PI.  Racch.  910.  993.     /^utf.  79. 

ausis,  All.  Ribb.  trag.  p.  130.  Lucr.  II,  982.  Fest.  p.  21. 

sponsi  s  ,  precat.  augur.  Fest.  p.  351 . 

e  x c e  s  s  i  s ,  Ter.  Andr.  IV,  4,21. 

amissis,P/.  Racch.  1188.  1194.    Mil.glor.  700. 

In  der  dritten  Person  Sing.  Conj.  Perf.  u.  Ind.  Fut.  II: 

faxit,  PL  Amph.  461.  Most.  398.  Men.  861.  Enn.  Epigr.  Vahl. 
p.  162.  Pacuv.  Ribb.  trag.  p.  112.  Atta.  O.p.  177.  Te- 
relit. Hemd.  1,  2,  24.  Phorm.lU,  3,  21  t^/.  faxsit,  faxit, 
/.  agr.  (Thor.).  Fest.  v.  publica  pondera ,  p.  246.  Liv. 
XXII,  10.  Cic.  legg.  II,  8,  19.  Macrob.  III,  9.  Pers.  I,  112. 

axit,  antiq.-Fest.  v.  axitiosi,  p.  3. 

noxit,  Lucil.  Fest.  v.  lama,  p.  360. 

iniexit,  PL  Pers.  70. 

extinxit,  PL  Truc.  II,  6,  43.         insexit,  Enn.  Vahl.  p.  180. 

incensit,  Fest. p.  107. 

occisit,  /.  XII  lab.  Macrob.  Sat.  I,  4,  6. 

au sit,  Gatull.  66,  28.  6^.  Ä/.  VI,  465.  Stal.  Theb.  XII,  101. 
Achill.  I,  544.  £«;.  V,  3  u.  a. 

excussit,  PL  Racch.  598. 

i  us  sit,  Fest.  v.  publica  pondera,  p.  246. 

capsit;  PL  Pseud.  1022.  Att.  trag.  Ribb.  p.  165.  Enn.  Vahl. 
p.  49. 

iueepsit ,  Fest.  p.  107. 


—     30     - 

occepsit,  PL  Asm.  794. 
subrepsit,  PL  Mit.  333. 
serpsit,  anliq.  Fest.  p.  348. 
adempsit,  Plaut.  Epid.  III,  2,  27. 

In  der  ersten  Person  Plur.  Conj.  Perf.  u.  Ind.  Fut.  II: 
faximus,  Plaut.  Truc.  I,  1,  40. 
caps im us,  PI.  Rud.  304. 

In  der  zweiten  Person  Plur.  Conj.  Perf.  u.  Ind.  Fut.  II: 
f a  x i t  i  s ,  form,  comprec.  Liv.  VI,  4 1 .  XXIX,  27.  XXV,  1 2.   Macrob. 

Sat.  III,  9. 
auxitis,  form,  comprec.  Liv.  XXIX,  27. 

In  der  dritten  Person  Plur.  Conj.  Perf.  u.  Ind.  Fut.  II: 

faxint,  PL  Amph.  632.     Capt.   320.    Bacch.  626.    Pseud.  315. 

Cure.  13t.     Mostelt.  463.     Pers.  652.     Mercat.  285  u.  a. 

Terent.  Heaut.  I,   1,  109.     Hec.  1,  2,  27.  III,  2,  19.     Cic. 

Verr.  III,  35,  81.   Ep.  Farn.  XIV,  3.   Alt.  XV,  29.  XVI,  1. 

adaxint,  Plaut.  Aulul.  1,  1,  11.     Son.  II  p.  53.  G.     Fest.  p.  28. 

ausint,  Slat.  Ttieb.  XI,  126. 

In  der  ersten  Person  Sing.  Conj.  Plusq.: 
exstinxem,  Verg.  Acn.  IV,  606. 
abscessem,  &/.  VI11,  109. 

In  der  zweiten  Person  Sing.  Conj.  Plusq.: 
intcllexes,  PL  Cist.  II,  3,  81. 

In  der  dritten  Person  Sing.  Conj.  Plusq.: 
v  i  x  e  t ,   Verg,  Acn.  XI,  118. 
confluxet,  Liter.  I,  987. 
af fixet,  &V.XIV,  536. 
pereepset,  trag,  inceri.  Ribb.  p.  207. 

In  der  ersten  Person  Plur.  Conj.  Plusq.: 
e  r e  p  s  e  m  u  s ,  Hör.  Sat.  1 ,  5,  79. 

Im  Infinitiv  Perfecti: 
dixe,  Pl.Poen.W  2,  I. 
advexe,  PL  Mac.  333. 
despexc,  PL  Mtl.    553. 
adduxe,  PL  Pud.  1017. 
subduxe,    Varr.  IL  R.  II,  1,  6. 
obduxe,  PL  Merc.  Arg  um   7. 
produxe,  Ter.  Adelph.  IV,  2,  22. 
surr  exe,  Hör.  Sat.  I,  9,  73. 


31     — 

inlexc,  PI.Merc.i7.  Alt.  Ribb.  trag.p.  137. 

traxe,    Verg.  Aen.  V,  786. 

abstraxe,  Lucr.  III,  648. 

detraxe,  PL  Trin.  743. 

pro  traxe,  Lucr.  V,  1157. 

i u  s  s  e ,  Ter.  Heaut.  V,  2 ,  48. 

comesse,  PL  Men.  627.   Most.  14.    Pompon.  Ribb.   Com.  p.  200. 

p  r  o  c  e  s  s  e ,  Purp.  Ribb.  Com.  p.  87. 

admisse,  PL  Mit.  1287. 

promisse  ,  CaL  110,  5. 

invasse,  Lucil.  Non.  IV  ;;.  200.  G. 

sumpse,  Naev.  Ribb.  Com.  p.  20. 

consumpse,  Lucr.  I,  233. 

scripse,  Auson.  Sept.  Sap.  Lud.  1. 

Aehnlich  wie  diese  synkopierten  Perfektformen  consonantischer 
Stämme  haben  Perfektformen  von  vokalischen  Stämmen  der  A-,  E- 
und  I-Conjugation  sich  gekürzt,  indem  sie  nicht  bloss  i  sondern 
auch  vorhergehendes  v  auswarfen,  also  die  ganze  Perfektendung  vi 
einbüssten;  so  die  erste  Person  Sing.  Conj.  Pcrf. : 
1  o  c  a  s  s  i  m  ,  Plaut.  Aul.  II,  2,  51. 
negassim ,  Asin.  503; 

die  erste  Person  Sing.  Ind.  Fut.  II: 
reconciliasso,  PL  Capt.  576. 
e  n  i  c  a  s  s  o  ,  Most.  223. 
servasso,  Most.  228. 
1  i  b  e  r  a  s  s  o  ,  Most.  223. 
commonstrasso,  Epid.  111,  4,  5. 
indicasso,  Poen.  IV,  2,  66. 
peccasso,  PL  Rud.  1348. 
amasso,  PL  Cas.  V,  4,  22.   Fest.  p.  28. 
op servasso,  PL  Mit.  328. 
1  e  v a  s  s  o  ,  Enn.  Vahl.  p.  5 1 ; 

die  zweite  Pers.  Sing.  Conj.  Perf.  u.  Fut.  II: 
o c c u  1 1 a s s i s ,  PL  Trin.  627.  prohibessis,  Aulul.  IV, 

mutassis,   Aul.  III,  6,  49.  2,4.  comprec.  Marl.  CaL 

curassis,  Poen.  III,  1,  50.  Pseud.  R.  R.  141,  2. 

232,  Most.  526. 
inritassis,  PL  Amph.  454.  Pers.  828.  SföeÄ.  345. 
supplicassis,  PL  Asin.  467 


—     32     — 

indicassis,  Rud.  1028.  Aulul.  IV,  2,  1. 

defraudassis,  Rud.  1345. 

celassis,  Stich.  149. 

peccassis,  Stich.  725.  7^7.   1150. 

orassis,  Plaut.  Epid.  V,  2,  63. 

a  m  a  s  s  i  s  ,  H.  ^f#.  1 007.  1 

occupassis,  iY.  jü/osf.  1097. 

i  n  t  r  a  s  s  i  s ,  PL  Menaechm .  416. 

adcurassis,  PL  Pseud.  942.  Pers.  393. 

o p  t a s  s  i  s  ,  P/.  Jf//.  669. 

turpassis,  Pacuv.  Ribb.  trag.  p.  76. 

limassis,  Caecü.  Com.  Ribb.  p.  85. 

appellassis,  Ter.  Phorm.  \\  1,  15. 

acclarassis,  comprec.  Liv.  I,  18. 

servassis,  comprec.  Mart.  Cut.  R.  B.  141,  2; 

die  dritte  Pers.  Sing.  Conj.  Perf.  u.  Fut.  II: 
decollassit,  PL  Cas.  II,  4,  28.  prohibessit,  PL  Pseud. 

adsudassit  ,  a.  0.  11,  6,  9.  14.    /.  auf.  Cic.  leyy.  IM, 

comparassit,  PI.  Epid.  I,  2,  19.  3,  6. 

pcccassit,  PL  Cas.  IV,  4,  6.  habessit,  /.  auf.  Cic.  d. 

servassit,  PL  Cist.  IV,  2,  76.  legg.  II,  8,  19. 

occupassit,  PL  Asin.  818.  lieessit,  Pt.Asin.G03. 

ab i ur a ssi t ,  Pers.  478.  a  in  1»  i  s  s  i  t ,  Ampk.  7 1 . 

o  c  c  e  p  t  a  s  s  i  t ,  Rud.  776. 
cenassil,  Stich.  192. 
dem  Utas  sit,  a.  0.  723. 
iudicassit,/.  antiq.  Cic.  d.  legg.  III,  3,  6. 
inrogassit,  a.  0. 
imperassit,  a.O. 
creassit,  a.  0.  111,  3,  9. 
migrassit,  a.  0.  III,  4,  1 1. 

plorassit,  /.  Servii  Tullii,  Fest.  v.  plorare,  />.  "230. 
propriassit,  Fest.p.  229. 
di  cas  sit,  a.  0.  p.  75. 

excantassit,  Plin.  ff.  N.  XWUI,  2,  §  17.  S. 
incantassit,  a.  0.; 

die  zweite  Person  Plur.  Conj.  Perf.  u.  Ind.  Fut.  II: 
exoeulassitis,  PL  Rud.  73 1 . 
invitassitis,  a.  0. 811. 
inulcassilis,  PL  Mit.  163; 


—    33     — 

die  dritte  Pers.  Plur.  Conj.  Perf.  u.  Ind.  Fut.  II: 
curassint,  Poen.  Prot.  27. 
servassint,  Trin.  384.    Asin.  654.    Cas.  II,  5,  16.    Stich.  505. 

Pseud.  37. 
m acta ss int,  Em.  Ribb.  trag.  p.  46.  Afran.  Ribb.  com.  p.  168. 

Pomp.  a.  0.  p.  208. 
aspor tassint ,  Amph.  207. 
averruncassint,  Pacuv.  Ribb.  Trag.  p.  74. 
perpetuassint,  Enn.  Vahl.  p.  48. 
fortunassint,  Afran.  Com.  Ribb.  p.  150. 
rogassint,  /.  ant.  Cic.  d.  legg.Wl,     prohibessint,  /. ant. Cic. 

3,  9.  legg.  III,  3,  9. 

locassint,  a.  0.  III,  4,  1 1 .  a m b i s s i n t ,  Amph.  69. 

occentassint ,  antiq.  Fest.  p.  181. 
cooptassint,  Carmen  rog.  tribun.  Liv.  III,  64,  10.  *) 

Es  ist  nun  über  die  Bildung  der  hier  zusammengestellten  Verbal- 
formen ein  Wort  zu  sagen,  und  zwar  zuerst  über  diejenigen,  welche 
der  consonantischen  ,  dann  über  diejenigen,  welche  der  vokalischen 
und  zwar  zumeist  der  A  -  Conj  ugation  angehören.  Die  synko- 
pierten Perfektformen  der  consonantischen  Verbalstämme  gehören 
grossentheils  der  Perfektbildung  auf  -si  an;  dieses  -si  ist  aber,  wie 
die  vergleichende  Sprachforschung  längst  dargethan  hat,  entstanden 
aus  -esi,  einem  veralteten  Praeteritum  von  der  Wurzel  es-  des 
Verbum  esse. 

Von  der  zweite  n  Person  Sing.  Ind.  solcher  Perfektformen 
wie  dic-si-sti,  scrip-si-sti,  eva-si-sti  ward  das  i  zwischen 
den  beiden  s  ausgestossen,  und  so  entstanden,  da  vor  folgendem  Con- 
sonanten  nur  eins  gesprochen  und  geschrieben  werden  konnte,  die 
angeführten  Formen  wie  d i x t i ,  scripsti,  evasti,  deren  Perfekt- 
charakter  -si  ganz  verwischt  ist. 

Der  Conjunctiv  desPerfekts  ist  gebildet  durch  Anfügung 
des  Conj  unetiv  Praesentis  von  esse  -sim,  -sis-,  situ.a.an  den  Per- 
fektcharakter-si.  Die  ursprünglichen  Formen  desselben  waren  also 
conduc-si-sim,  aug-si-sis,  exting-si-sit.  Aus  diesen  wurden 


*)  Die  Glosse  bei  Pauli.  Diacon.  p.  26.  M. :  Astasint,  steterint, 
ist  kritisch  sehr  unsicher;  man  kann  auf  die  Richtigkeit  der  Schreibweise 
sich  nicht  verlassen,  so  dass  die  Form  nicht  in  das  vorstehende  Verzeich- 
niss  aufgenommen  werden  kann. 

Cokssen  II.  3 


—     34     — 

durch  die  gewöhnliche  Schwächung  des  s  zu  r  zwischen  zwei  Vo- 
kalen und  durch  die  vom  r  veranlasste  Umlautung  des  i  zu  e  die 
gewöhnlichen  Formen  conduxerim,  auxeris,  extinxerit. 
Andrerseits  entstanden  aus  jenen  ursprünglichen  Formen  durch  Aus- 
stossung  des  i  zwischen  den  beiden  Zischlauten  s  die  synkopierten 
condux-sim,  aux-sis,  extinx-sit,  die  dann  conduxim, 
auxis,  extinxit  geschrieben  und  gesprochen  wurden.  Wie  durch 
diese  Vokalausstossung  die  Durchsichtigkeit  und  Bestimmtheit  der 
Sprachformen  gelitten  hat,  ergiebt  sich  daraus,  dass  durch  sie  die 
dritte  Pers.  Sing.  Conj.  mit  der  dritten  Pers.  Sing.  Ind.  des  Perfekts 
gleichlautend  wurde  und  Formen  wie  ausit,  extinxit  u.  a.  beides 
bedeuten  konnten. 

Ebenso  sind  natürlich  die  durch  Anfügung  eines  Conj.  Imperf.  von 
esse:  -ssem  für  essem  u.a.  entstandenen  Plusquamperfekt- 
formen zu  erklären,  also  extinxem  aus  extinxissem,  intel- 
lexes  aus  intellexisse  s  u.  a.  Es  ist  klar,  dass  der  gleiche 
Anlaut  zweier  aufeinanderfolgenden  Silben  mit  dem  Zischlaut  s  der 
Ausstossung  des  Perfektcharakters  i  förderlich  war,  wie  die  Lateini- 
sche Sprache  gleichen  Anlaut  zweier  aufeinander  folgenden  Silben 
auch  in  den  Compositen  c  o  r  -  d  o  1  i  u  m  für  c  o  r  d  i  -  d  o  1  i  u  m  , 
sti-pendium  für  stipi-pendi  um ,  veni-ficium  für  veneni- 
f  i  c  i  u  in  ,  se-modius  für  s  e  in  i  -  m  o  d  i  u  s  durch  Ausstossung 
eines  i  mied. 

Seltener  sind  die  synkopierten  Perfekt-  und  Plusquamperfekt- 
formen von  einfachen  oder  red  up  licierten  Perfekten  auf  i 
wieaeeepi,  oeeepi,  ineepi,  reeepi,  emi,  inicci,  oeeidi. 
Wenn  hier  die  Ausstossung  des  i  in  Formen  wie  obiexim  für  ob- 
i c c i - s i m ,  i n c c p s i t  für  ineepi-sit,  occisit  für  o  c  c  i  d  i  -  s  i  t 
vor  sich  ging,  ohne  dass  zwei  Silben  hintereinander  mit  dem  Zisch- 
laut s  anfangen,  so  ergiebt  sich  daraus,  dass  eben  diese  Laut  Stellung 
nicht  der  letzte  treibende  ('.rund,  sondern  ein  mitwirkendes  Förde- 
rungsmiltcl  der  Ausstossung  des  i  war.  In  dein  Abschnitt  ober  die 
Betonung  wird  gezeigt  werden,  dass  der  hier  ausgeslossene  Vokal  i 
nach  der  Altlateinischen  Betonungsweise  immer  in  der  tieftonigen 
Silbe  stand,  die  der  hochbetonten  folgte,  und  dass  durch  die  Macht 
des  Hochtones  die  hoch  tonige  Silbe  die  folgende  tieftonige  so  über- 
tönte, dass  deren  selbständiger  vokalischer  Ton  ganz  verstummte. 

Es  fragt  sich  nun,  wie  die  Formen  derVerba  facere,  agere, 
caperc:    fax  im,   faxis,   faxit,   faximus,   faxitis,   fax  int, 


—     35    — 

axim,  transaxim,  axit,  adaxint,  capsit,  capsimus  zu 
erklären  sind.  Von  den  gewöhnlichen  Perfekten  feci,  egi,  cepi 
konnten  nur  synkopierte  Formen  wie  fexit,  exit,  cepsit  für  fe- 
cisit,  egisit,  cepisit  gebildet  werden.  Man  muss  daher  an- 
nehmen, dass  neben  den  Perfekten  feci,  egi,  cepi  die  alte 
Sprache  von  denselben  Verben  auch  die  Perfekta  auf  -si:  faxi, 
axi,  capsi  hatte,  wie  auch  neben  pepigi  und  pegi  panxi,  ne- 
ben peperci  und  parcui  (Naev.  Ribb.  Com.  ^.16.)  parsi  ge- 
bräuchlich geblieben  sind. 

Von  den  Infinitiven  wie  advexe,  disp  exe,  ad  misse  u.a. 
und  der  ersten  Person  Sing.  Fut.  II  wie  faxo,  occepso,  ist 
noch  besonders  zu  reden,  weil  über  dieselben  unhaltbare  Ansichten 
aufgestellt  worden  sind.  Was  zunächst  die  Infinitive  anbetrifft,  so 
ist  behauptet  worden  (Struve,  Lat.  Decl.  u.  Conj.  p.  178.  Bopp, 
vgl.  Gramm.  S.  1223)  sie  seien  nicht  aus  den  gewöhnlichen  Infiniti- 
ven Perfecti,  die  auf  -isse  auslauten,  entstanden,  ihre  Endung  -sc 
entspräche  vielmehr  der  Griechischen  Infinitivendung  des  Aorists 
-6cu  und  sei  unmittelbar  an  den  Verbalslamm  gehängt  worden. 
Aber  die  Vergleichung  dieser  Infinitivformen  mit  den  oben  behan- 
delten Indicativ-  und  Conjunctivformen  zeigt  überzeugend,  dass 
auch  sie  durch  Ausfall  des  Perfektcharakters  -  s  i  Entstanden  sind. 
Wer  kann  es  glaublich  finden,  dass  advexe,  Plaut.  Merc.  333, 
zu  advexisse,  Plaut.  Merc.  401  in  einem  anderen  Abstammungs- 
verhältniss  steht  wie  emunxti,  Most.  1109,  zu  emunxisti, 
Most.  1110. 

Ebenso  unhaltbar  ist  die  Ansicht,  dass  die  Futura  wie  faxo, 
occepso  Futura  I  seien,  eben  so  gebildet  wie  die  Griechischen 
Futura  auf  -  ö co  (Madwig ,  opusc.  alt.  p.  60.  Bopp,  a.  0.). 
G.  Hermann  hat  bereits  aus  dem  Gebrauch  dieser  Futurformen 
nachgewiesen,  dass  sie  Futura  II  sind  (Ind.  lecl.  Lips.hib.  1843) 
und  das  sagt  auch  ein  Lateinischer  Grammatiker  an  den  betref- 
fenden Stellen  ganz  bestimmt,  wenn  er  ulso  erklärt  ultus  fuero 
(Non.  II  p.  126.  G.).  Mit  Recht  ist  daher  jene  Ansicht  schon  von 
anderen  Sprachforschern  verworfen  worden  {G.  Curüus ,  de  Verbi 
Latini  futuro  exacto  et  perfecti  conjunclivo.  Progr.  Dresd.  1844. 
Weil  u.  Benloew,  Accent.  Latin,  p.  125).  Die  Bildung  jener  Latei- 
nischen Futnrformen  darf  von  der  grossen  Klasse  Altlateinischer 
synkopierter  Verbalformen  nicht  getrennt  werden ,  einer  zufälligen 
Aehnlichkeit  mit  dem  Griechischen  Futurum  zur  Liebe.    Die  beiden 

3* 


—     36     — 

Lateinischen  Futurformen  a  c  c  e  p  s  o  und  a  c  c  e  p  e  r  o  sind  also  ebenso 
unzweifelhaft  aus  einer  ursprünglichen  Form  accepiso  entstanden 
wie  o  cce  psit  und  occeperit  aus  occepisit,  und  capso,  faxo 
für  capsi-so,  facsi-so  sind  von  den  alten  Perfekten  capsi, 
faesi  gebildet  wie  die  Conjunctivformen  capsit,    fax  it. 

Wenn  man  übrigens  sieht,  wie  bei  Plautus  oft  kurz  hinterein- 
ander und  fast  in  einem  Athem  die  vollen  und  die  synkopierten  For- 
men gebraucht  sind,  wie  e m  u n  x  i s  t  i,'  Most.  1110,  neben  e m  u  nx  t  i , 
Most.  1109,  dixisti,  Merc.  658,  neben  dixti,  Merc.  658,  ad- 
v  e x  i  s  s  e ,  Merc.  40 1 ,  neben  advexe,  Merc.  333  vorkommen ,  so 
wird  man  der  unten  näher  dargelegten  Ansicht  beizutreten  geneigt 
sein,  dass  das  i  dieser  Formen  im  Volksmunde  zeitweilig  ein  stum- 
mer oder  unmessbarer  Vokal  war,  den  die  ältere  Dichtung  bald  zur 
Geltung  einer  vollen  Kürzung  steigerte,  bald  als  niehtsbedeutend  für 
die  Versmessung  überging  und  die  Schrift  bald  schrieb,  bald  nicht. 

Fragt  man  nun  nach  dem  Zeitalter  der  Lateinischen  Sprache, 
in  dem  die  vorstehenden  Formen  gebräuchlich  waren,  so  erhellt  zu- 
nächst, dass  dieselben  in  sehr  ferne  Zeiten  zurückweisen.  Aus  den 
Anführungen  der  Grammatiker  wissen  wir,  dass  sie  in  den  ältesten 
Urkunden  der  Lateinischen  Sprache  vorkamen,  in  Satzungen  die 
man  König  Numa  zuschrieb,  in  den  Gesetzen  der  zwölf  Tafeln,  in 
alten  Gebeten  und  Weiheformeln,  in  Priesterbüchern  und  Augur- 
sprüchen (vgL  oben  oc  eis  it,  sponsis  ,  faxit ,  faxitis).  Dass 
sie  in  der  Volkssprache  der  Punischen  und  Ma  cedonischen 
Kriegsjahre  gänge  und  gäbe  waren ,  zeigt  ihr  häufiges  Vorkommen 
bei  Plautus  und  bei  den  seenischen  Dichtern  desselben  Zeit, 
alters;  aber  schon  bei  Terenz  erscheinen  sie  bei  weitem  selte- 
ner als  bei  Plautus.  Auch  die  volkstümliche  Satire  des  Lucil  ins 
brauchte  diese  Formen  der  Volkssprache,  und  so  finden  sie  sich  noch 
vereinzelt  in  den  Satiren  des  Horaz  und  Persius  vor.  Die  dakty- 
lische Poesie  desEnnius  und  Lucretius  hat  diese  Formen 
nicht  verworfen,  und  daher  kommen  sie  noch  bei  Vergil  mein  fach 
vor.  Catuli  bewährt  auch  in  dem  verbältnissmässig  baldigen  Ge- 
brauche dieser  Formen  der  Volkssprache  das  volksthümlich  Römi- 
sche Gepräge  seiner  Dichtungen.  Nach  dein  Beispiel  der  Dichter 
der  Augusteischen  Zeit  brauchen  auch  spätere  Dichter  wie  Per- 
sius und  Ausonius  noch  gelegentlich  diese  alten  Formen  wie  ei- 
nen Roccocozierralh  für  ihre  Verse.  Die  Tochtersprache  des  Latei- 
nischen, die  Italienische  hat  solche  synkopierte  Perfekt  formen 


—     37     - 

unmittelbar  aus  der  Römischen  Volkssprache  ererbt.  Die  Italieni- 
schen Formen  desti,  deste  sind  aus  den  Lateinischen  dedisti, 
dedistis  durch  das  Mittelglied  der  synkopierten  Formen  ded'sti  , 
ded'stis  geworden,  ebenso  wie  stesti,  steste  durch  die  synko- 
pierten Lateinischen  Formen  stet'sti,  stet'stis  von  den  ur- 
sprünglichen stetisti,  stetistis  sich  herleiten.  Es  erhellt  also, 
dass  manche  der  oben  behandelten  Perfektformen  in  allen  Zeitaltern 
der  Lateinischen  Sprache  gebräuchlich  gewesen  sind. 

Es  sind  nun  die  oben  angeführten  Verbalformen  der  vokal i- 
schen  Conjugationen  wie  negassim,  peccasso,  celassis, 
prohibessis,cenassit,habessit,  mulcassitis,  maetas  - 
s  i n  t ,  p  ro  h  i  b  e  s  s i  n  t  in  Betracht  zu  ziehen.  Man  könnte  versucht 
sein  sie  von  alten  auf -si  gebildeten  Perfektformen  herzuleiten,  als 
solche  Hessen  sie  sich  lautlich  sehr  wohl  erklären;  aber  es  ist  keine 
Spur  zu  finden,  dass  die  abgeleiteten  Verba  der  A-,  E-  und  I-Conju- 
gation  jemals  ihr  Perfekt  so  gebildet  hätten.  Allen  ist  durchgehends 
die  Perfektbildung  auf -vi,  -ui  eigen;  aus  dieser  muss  man  also 
die  in  Rede  stehenden  Formen  zu  erklären  suchen.  Die  Formen 
negassim,  peccasso,  celassis  sind  abgekürzt  aus  ursprüngli- 
chen negavi-sim,  pecca-vi-so,  celavi-sis.  Aus  diesen  wur- 
den nach  den  schon  besprochenen  Laulwandelungen  einerseits  ne- 
gaverim,  peceavero,  celaveris,  andererseits  aber  fiel  das  v 
wie  so  häufig  aus  zwischen  zwei  Vokalen,  und  das  hatte  wie  gewöhn- 
lich den  Ausfall  des  folgenden  Vokales  zur  Folge.  So  entstanden 
also  die  Formen  n  e  g  ä  s  i  m ,  p  e  c  c  ä  s  o ,  c  e  1  a  s i  s.  Der  Hochton  hat 
im  Lateinischen,  worauf  schon  in  dem  Abschnitt  über  die  Aussprache 
hingewiesen  ist,  die  Wirkung  gehabt  dem  consonantischen  Bestand- 
teil der  hochbetonten  Silbe  eine  verschärfte  Aussprache  zu  verlei- 
hen, wie  sie  durch  doppelte  Schreibung  des  Consonanten  aus- 
gedrückt wird.  So  ist  die  Aussprache  und  Schreibweise  quat- 
tuor,  Iuppiter,  querel\a  u.  a.  zu  fassen,  so  wurde  für  clasis, 
ein  Verbal  substantivum  das  vom  Verb  um  calare  durch  das  Suffix 
-si  (-ti)  ebenso  gebildet  ist  wie  messis  von  metere  und  eigentlich 
A  u -f r  u  f ,  Aufgebot  bezeichnet,  mit  verschärfter  Aussprache  c  1  a s  - 
sis  gesprochen;  so  findet  sich  für  basim  die  Schreibweise  bas- 
sim;  causa  ist  von  der  Verbalwurzel  cav-  von  cavere  gebildet 
wie  pausa  von  dem  Stamme  pav-,  der  in  ttccvco  erscheint,  und 
bedeutet  eine  gehütete  oder  gewahrte  Sache,  daher  die  ange- 
fochtene und  vertheidigte  Sache  vor  Gericht  und  infolge  dessen  die 


-     38    — 

Ursache ;  für  causa  findet  sich  aber  schon  auf  alten  Schriftdenkmälern 
caiissa  geschrieben.  Dieselbe  Schärfung  und  Verdoppelung  des  s 
zu  s  s  durch  Einwirkung  des  Hochtones  fand  nun  auch  in  jenen 
Verbalformen  negäsim,  peccäso,  celäsis  statt  und  so  erhielten 
sie  die  Gestaltung  negassim  ,  peccasso,   celasso. 

Auch  diese  Formen  waren  nur  in  sehr  alten  Zeiten  gebräuch- 
lich. Verrius  Flaccus  las  plorassit  in  einem  Gesetz  des  Servius 
Tul  litis,  und  Cicero  führt  eine  ganze  Anzahl  solcher  Formen  aus 
A  Uro  mischen  Gesetzen  an.  Zur  Zeit  des  Pia  u  tu  s  und  der 
älteren  scenischen  Dichter  überhaupt  waren  dieselben  noch  im 
Volksmunde  lebendig  und  finden  sich  daher  häufig  bei  diesen  Dich- 
tern. Aber  schon  bei  Terenz  kommen  sie  nur  ganz  vereinzelt 
vor  und  aus  dem  späteren  Dichtergebrauch  sind  sie  ganz  ver- 
schwunden. Da  sich  auch  auf  Inschriften  keine  Spur  weiter  von 
diesen  Formen  findet,  so  muss  man  glauben,  dass  sie  schon  ge- 
raume Zeit  vor  Augustus  ausser  Gebrauch  gekommen  sind. 

Es  bleiben  nun  noch  einige  sehr  merkwürdige  synkopierte 
Formen  zu  besprechen  übrig,  Reste  einer  alten  Passivbildung 
des  Perfekts  und  der  davon  abgeleiteten  Formen  mittelst  Anfü- 
gung des  reflexiven  Pronomens  -se  an  die  activen  Formen,  wie  dies 
im  Präsens,  Imperfectum  und  Futurum  I  der  Fall  ist.  Die  erste 
dieser  Formen  ist 

faxitur,  Liv.  XXII,  10,  6.  ed.  Weisscnb. 

In  einem  Pontificalgesetz  über  das  vor  sacrum  heissl  es  an 
dieser  Stelle:  si  antidea  senatus  populusque  iusseril  fieri 
a  c  faxitur,  eo  popul  us  solutus  über  est  o.  Es  ist  klar,  dass 
faxitur  hier  die  Bedeutung  von  factum  fuerit,  factum  erh 
hat,  und  ebenso  deutlich,  dass  es  aus  faxit  gebildet  ist,  in  dem  das 
aus  dem  reflexiven  Pronomen  -se  abgeschwächte  -r  als  Passivzeh  heu 
mittelst  des  Bindevokales  u  angefügt  wurde  wie  agitur  aus  agit. 

Die  zweite  dieser  sprachgeschichtlich  wichtigen  Formen  ist . 
nanesitor,  Fest  p.  166,. 

Die  handschriftliche  Ueberlieferung  der  Stelle  ist  folgende: 
Nancitor  in  XII  r  na  et  us  erit',  'praeno  erit'.  Item  in 
föedere  Latin  o  epecuniam  quis  nancitor,  habeto',  et: 
esi  quid  pignoris  na scis ci  t ur,  sibi  habeto'.  Die  Emenda- 
tion  praenderit  bedarf  keiner  Rechtfertigung.  Die  Erklärung 
des  Verrius  Flaccus  cnactus  erit,  praenderit9  zeigt,  dass  es 
sich  in  allen  drei  Gesetzstellen  um  eine  und  dieselbe  dritte  Pers. 


-r-  39  ~ 

Sing.  Fat.  II  von  nancisci  handelt  und  diese  auf  -tur,  -tor 
auslautete  nie  eine  Form  des  passiven  Präsens;  dass  diese  nicht 
zweimal  nancitor  und  einmal  nasciscitur  lauten  kann,  und 
dass  diese  Schreibweisen  unmöglich  als  Formen  des  passiven  Futu- 
rum II  sprachlich  erklärt  werden  können,  ist  ebenfalls  klar.  0.  Mül- 
ler hat  also  für  alle  drei  Stellen  die  passive  Futurform  nanxitor 
unzweifelhaft  richtig  angenommen,  die  vom  Stamme  nanc-  genau 
ebenso  gebildet  ist  wie  faxitur  vom  Stamme  ,fac-,  das  heisst  aus 
na  nc-si-sit-ur  durch  Ausfall  des  Perfektcharakters  c  entstanden 
ist.     Dies  wird  bestätigt  durch  die  Form: 

r  e  n  a  n  c  s  i  t  u  r ,  Fest.  p.  227 : 
renancitur  Verrius  significare  ait  c  repr ehenderit'. 
Unde  adhuc  nos  dieimus  *nanci  s  eitur5  et  'nactus'  id 
est  fadeptus'.  Auch  re  nanc  itur  kann  unmöglich  eine  Form 
der  dritten  Person  Sing.  Ind.  Fut.  II  bezeichnen,  auch  hier  ist  re  - 
n  a  n  c  s  i  t  u  r  oder  r  e  n  a  n  x  i  t  u  r  die  Form  gewesen,  die  Verrius  Flac- 
cus  vorfand.  Aus  der  Zusammenstellung  der  fehlerhaften  Schreib- 
weisen nancitor,  nancitur,  nasciscitur,  renancitur  ist 
schon  oben  der  Schlnss  gezogen  worden,  dass  nicht  an  vier  Stellen 
durch  denselben  Schreibfehler  für  x  c  geschrieben  sein  könne,  dass 
das  c  vielmehr  in  jenen  alten  Sprachdenkmälern  wie  die  Gesetze  der 
zwölf  Tafeln  und  die  Urkunde  des  Latinerbundes,  die  Verrius  Flac- 
cus  vorlagen,  wirklich  geschrieben  stand,  und  in  denselben  durch 
es  noch  diejenige  Lautverbindung  bezeichnet  wurde,  für  welche  die 
ältesten  uns  vorliegenden  Lateinischen  Schriftdenkmäler  schon  den 
Buchstaben  x  oder  xs  schreiben.    {Vgl.  I,  5.) 

Auch  von  einem  Verbum  der  A-Conjugation  ist  uns  eine  eben 
solche  Form  der  dritten  Person  Sing.  Ind.  Fut.  II  erhalten  in: 

turbassit u r,  Cic.  legg.  III,  4,11. 

Der  Text  des  alten  Gesetzes  in  dem  die  Form  vorkommt  lautet 
nach  der  Ueberlieferung  der  besten  Handschriften:  Ast  quid  tur- 
bassit ur  in  agendo  frans  auctoris  esto  (vgl.  Feldhügel, 
Cic.  de  legg.  p.  113).  Nach  dem  ganzen  Zusammenhange  der  Stelle 
scheint  die  in  den  Text  aufgenommene  Verbesserung  actoris  für 
auctoris  unzweifelhaft.  Der  Sinn  jener  Worte  ist  demnach:  Was 
wider  die  Ordnung  beim  Tagen  der  Versammlung  unternom- 
men wird,  soll  dem  Vorsitzenden  zur  Last  fallen.  Jedenfalls  ist 
sicher,  dass  t  u  r  b  a  s  s  i  t  u  r :  t  u  r  b  a  t  u  m  e  r  i  t  bedeutet  und  von  t  u  r- 


-     40     — 

bassi  t  ebenso  gebildet  ist  wie  faxitur  von  faxit,  wie  nancsi  - 
tor  von  nancsit. 

Diese  vier  Formen  faxitur,  nancsitor,  renancsitur,  tur- 
bassitur  beweisen,  dass  in  alten  Zeiten  die  Lateinische  Sprache 
sich  durchgehends  der  Passivbildung  mittelst  Anfügung  des 
r e  f  1  e  x i  v  e  n  Pronomens  -  s  e  bediente,  auch  in  den  P  e r  f  e  k t  e  n 
und  den  davon  abgeleiteten  Tempusformen,  dass  die  Umschrei- 
bung des  Perfekts  durch  das  Participium  mit  dem  Hülfsverbum 
esse  zur  Bezeichnung  der  passiven  Bedeutung  nicht  von  je  her  in 
der  Sprache  herrschend  war,  dass  zu  Zeiten  der  Decemviral- 
gesetz gebung  die  alte  Passivbildung  noch  gebräuchlich  war, 
dass  sie  aber  in  der  Zeit,  wo  die  auf  uns  gekommenen  Lateinischen 
Schriftdenkmäler  beginnen,  schon  aus  der  lebendigen  Sprache  ver- 
schwunden war,  mochte  sie  auch  in  einzelnen  Gesetzesformeln  nach 
herkömmlicher  Weise  vielleicht  später  noch  geschrieben  werden. 
Wann  die  umschreibenden  Perfektformen  wie  factum  est, 
n  an  et  um  est  u.  a.  angefangen  haben  in  der  Sprache  Platz  zu 
greifen,  lässt  sich  nicht  ermessen.  Das  ist  aber  der  Entwickelungs- 
gang  der  Sprachen,  dass  sie  für  alle  organische  durch  Suffixe  gebil- 
dete Flexionsformen,  wenn  dieselben  sich  abgestumpft  und  abgenutzt 
haben,  neue  durch  Umschreibung  hergestellte  einsetzen.  Das  Latei- 
nische hat  für  eine  allere  mit  einem  Suffix  gebildete  Passivform  zum 
Thcil  eine  Umschreibung  mit  dem  Hülfsverbum  esse  eintreten  las. 
sen,  seine  Tochtersprachen,  die  Romanischen,  brauchen  habere 
und  esse  als  Ilülfsverba  auch  zur  Umschreibung  des  activen  Per- 
fekts und  der  von  demselben  abgeleiteten  Formen,  nachdem  die  al- 
ten Conjugationsendungen  durch  Abi, dl  auslautender  Consonanten 
und  Schwächung  auslautender  Vokale  verwischt  und  abgestorben 
waren,  wie  sie  mittelst  des  Pronomens  i  11  e  und  der  Präpositionen 
d  e  und  a  sich  eine  umschreibende  Declination  schufen,  nachdem 
die  Flexionsendungen  der  Lateinischen  Declination,  wie  urczci^i  ist, 
schon  in-der  Spätrömischen  Volkssprache  zertrümmert  worden  waren. 

Vergleicht  man  mit  den  hier  besprochenen  Lateinischen  Ver- 
balformen, die  durch  Ausfall  eines  i  gekürzt  sind,  Oskische  und 
Umbrischc  Formendes  Conjunetiv  Perfecti  und  Indicativ  Fut.  II,  so 
tritt  ein  merkwürdiger  Gegensatz  heraus. 

Gleichbedeutend  neben  einander  sieben  folgende  Oskische 
und  La t ein i  sehe  Formen  der  drillen  Person  Sing.  Conj,  Perf.  und 
Ind.  Fut.  II  Aclivi : 


—    41    — 

Osk.  Lat.  Altlat 

dicust,  dixerit, 

fefacust,  fecerit,  faxit, 

fust,  fuerit, 

h  i  p  u  s  t ,  h  a  b  u  e  r  i  l ,  h  a  b  e  s  s  i  t , 

p  r  u  h  i  p  u  s  t ,       p  r  o  h  i  b  u  e  r  i  t ,     p  r  o  h  i  b  e  s  s  i  t ; 
ebenso  verbalten  sich : 

TJmbr.  Lat.      • 

covortust,  Converter  it. 
( Vgl.Momms.  Uni.  Dial.  Gloss.  U?nbr.Sprachd.  Wortverz.  I,  145.  /'.) 
Während  die  Altlateinischen  synkopierten  Formen  das  cha- 
rakteristische i  des  Perfekts  einbüssten,  schwand  im  Oski- 
schen  der  Vokal  zwischen  s  und  t  der  Endsilbe,  ie,  I  oder  e,  der  in 
der  angefügten  Conjunctivform  -siet,  -sit  oder  -set  von  Wurzel 
-es  die  Conjunctivbezeichnung  war. 

Das  Umbrische  wirft  von  den  Formen  wie  covortust  auch 
noch  das  auslautende  t  ab,  und  so  entsprechen  sich: 
Umbr.  Lat. 

fus,  fuerit, 

h  a  b  u  s ,  h  a  b  u  e  r  i  t , 

c o v o r t u s  ,         converterit 
(Umbr.  Sprächet.  AK.  I,  146). 

Das  Volskische  hat  dasselbe  t  abgestossen  in  der  Form : 

atahus,  Verf.  d.  Volscor.  ling.  p.  Ib.  f. 

Vergleicht  man  die  Oskische  Form  hipus  t  mit  der  Umbrischen 
habus  und  der  Lateinischen  ha  b es  sit,  so  zeigt  sich,  dass  die 
Umbrische  und  Oskische  Form  zwei  Vokale  eingebüsst  haben, 
das  charakteristische  i  des  Perfekt  um  und  das  Con- 
junetiv zeichen  i ,  e.  Die  Lateinische  Form  h a b e s s i t  hat  zwar 
das  ganze  Perfekt  zeichen  -vi  eingebüsst,  aber  in  dem  verschärf- 
ten und  doppelt  geschriebenen  ss  ist  ein  Denkzeichen  des  ge- 
schwundenen Suffixes  geblieben  und  das  Conjunctivzeichen  i  ist  un- 
versehrt erhalten.  Die  gewöhnliche  Lateinische  Form  habuerint 
steht  der  ursprünglichen  habe-vi-sint  darin  am  nächsten,  dass 
sie  die  bezeichnenden  Bestandteile  gewahrt  hat,  wenn  auch  in 
etwas  geschwächter  Gestalt,  und  nur  den  Classenvokal  e  eingebüsst 
hat,  was  der  Durchsichtigkeit  der  Form  am  wenigsten  Eintrag  thut. 
Wenn  nun  Durchsichtigkeit  und  Deutlichkeit  der  Wortbestandtheile 
in  Wortbildung  und  Wortbiegung  ein  Vorzug  ist,  so  kommt  dieses 


—     42     — 

unter  den  nebeneinander  stehenden  Italischen  Formen  der  gewöhn- 
lichen Lateinischen  Form  h ab u er int  zu.  Und  wenn  ein 
verschwommenes  Antlitz,  ein  verkrüppelter  Leih  hässlich  ist,  dann 
darf  man  wohl  solche  verknorpelte  und  bis  zur  Unkenntlichkeit 
verstümmelte  Formen  wie  Umbrisch  habus,  Volskisch  atahus 
hässlich  nennen. 

Dass  in  den  Italischen  Dialekten  sonst  der  Vokalausfall 
gewohnlich  an  derselben  Stella  des  Wortes  und  zwischen 
denselben  Consonanten  stattfindet  wie  im  Lateinischen, 
wird  in  dem  Abschnitt  über  jilie  Betonung  der  Italischen  Dialekte 
durch  eine  Zusammenstellung  von  Beispielen  dargethan  werden. 


b)   Vokalausfall  in  der  Composition. 

Ist  schon  in  einfachen  Wortern  das  Schwinden  und  Verküm- 
mern des  Wortkörpers  in  Folge  von  Vokalausfall  häufig,  so  greift 
dies  noch  weiter  in  zusammengesetzten  Wörtern  der  La- 
teinischen Sprache,  deren  Bestandtheilc  durch  Vokalausfall  oft  so  in 
einander  verwachsen  und  verknöchert  sind,  dass  sie  sich  schwer 
wieder  herausfinden  lassen. 

Für  den  unmittelbaren  Ausfall  eines  a  in  einem  der  beiden  Com- 
positionsglieder  giebt  es  kein  Beispiel;  denn  dass  cogo  nicht  aus 
coago  sondern  aus  coigo,  cogito  nicht  aus  coagito  sondern 
aus  coigito  zusammengezogen  ist,  bedarf  keines  Beweises  mehr. 
Auch  in  der  Form  der  späteren  Volkssprache  coctus  für  coactus, 
die  Caper  {Orthogr.  2210)  tadelt,  assimilierte  sich  das  a  dem  vor- 
hergehenden o,  ehe  es  mit  demselben  verschmolz.  Dass  in  den  Bil- 
dungen dar us,  clamor,  clamare,  classis  von  calare  das 
wurzelhafte  azu  u  sich  verdunkelte  ehe  es  ausfiel,  ist  aus  i\vv  Form 
n  o  m  c  n  c  u  1  a  t  o  r  {Marl.  Kp.  X,  30,  23)  st  alt  n  o  m  e  n  c  1  a  t  o  r  für 
nomenealator  zu  schliessen. 

Ein  o  im  zweiten  Theile  eines  Compositum  ist  häutig  ge- 
schwunden, nachdem  ein  v,  j  oder  h  ausgefallen  war.     So  in: 

quo-rsum,  d  e  x  t  r  o  -  r  s  u  m , 

ho-rsum,  sini  st  ro-rsum, 

illo-rsum  ,  ext  ro-rsum  , 

pro-rsus,  i  n  t  r  o - r  s  u  m  , 

isto-rsum,  ret  ro-rsum. 


—    43     — 

Bloss  das  o  schwand  in : 
rursus,  für         revorsus. 

Nach  Ausfall  des  o  erweichte  sich  v  vor  folgendem  Consonan- 
ten  zu  u  ,  und  e  u  verschmolz  zu  u  wie  in  nutiqjuam  für  neuti  - 
q  mm,  n  u  1 1  u  s  für  n  e  u  1 1  u  s  u.  a. ;  -ferner  in  : 

sursum,         für         s  üb  vors  um; 
aus  subv-rsum  mussten  nach  Ausfall  des  o  auch  bv  vor  folgendem 
r  schwinden. 

Indem  nach  dem  o  vor  s  noch  das  r  sich  assimilierte  und  dann 
schwand,  ging  die  ganze  Stammsilbe  des  Verbum  vor  lere  verlo- 
ren in : 

pro-ssum,  Plaut.       ru-ssum,  Plaut. 
pro-sa,  ru-sum,  su-sum, 

und  dies  Schwinden  eines  bedeutungsvollen  Worttheiles  veranlasste 
zur  Wiederverdeutlichung  die  neue  Composition:    • 
su  so -vors  um. 
Der  Vokal  o  ist  ferner  ausgestossen  in: 
Ma-urtc,  l.  Für.  Momms.  U.  D.  p.  276. 
Mä-rs, 
ma-lo, 

n  o  - 1  o  ,  ,  • 

mox,  für  movox  von  movere  (vgl.  velox  u.  a.)- 

Durch  Ausfall  eines  n  und  Uebertragung  des  Hauchlautes  h  auf 
das  anlautende  c  verschmolz : 

chortis,  /.  N.  3619.  6S18  zu  cohortis; 
durch  Ausfall  des  n  mit  folgendem  j : 

cuncti  zu  co-iuncti 

durch  die  Mittelstufe  Co uncti. 

Durch  blossen  Ausfall  eines  j  entstand: 
hörn  um,         für         hoiornum. 

Nonius  erklärt  ß.  83.  G.:  hörn  um,  ipsius  anni. 

Da  nun  das  Jahr  im  Goth.  jer,  Althochd.  jär  heisst ,  dem 
Griechisch  cjqo-  (Hesych.  v.  coQoyQacpot)  entspricht ;  so  ist 
man  berechtigt  auch  für  das  Lateinische  ein  altes  Wort  iöro-  der- 
selben Bedeutung  anzunehmen.  Von  diesem  ist  hoiornum  ge- 
bildet wie  ho  die  rn  um  von  dies  und  hoiornum  zu  hörn  um 
verschmolzen  wie  im  Althochdeutschen  hiujaru  zu  hiuru 
(heuer,  Graff,  Althochd.  Sprachsch.  IV,  694). 


—    44     — 

Durch  blossen  Ausfall  des  m  der  Präposition  com  verschmolz: 
copi,  aus  co-opi, 

copia,  co-opia, 

copiosus,  co-opiosus, 

wo  das  m  von  com    ausfiel  wie  in    cooperare,    coopertus, 
-  cooptare  u.  a. 

Von  dem  Hauptzahlwort  quatuor,  Sanskr.  catvar,  Goth. 
fidvor,  das  gegen  die  Etymologie  gewöhnlich  quattuor  geschrie- 
ben wurde ,  kommen  die  Composita : 

quadra-ginta,   für  quatuora-ginta. 

Hier  fiel  das  u  aus,  wie  die  Form  quattor  zeigt,  die  dem 
Sanskr.  catur  entspricht,  das  o  sank  zu  e  wie  in  quaterni,  qua- 
ternio,  quater  für  quatuor-ies,  das  e  fiel  aus  und  das  t  er- 
weichte sich  vor  folgendem  r  zu  d.  Ebenso  sind  durch  Ausfall  von 
-uo  im  ersten  Gliede  des  Compositum  gekürzt: 

quadra-gies,  quadri-ngenties, 

q  u  a  d  r  a  - g  e  n  a  ,  qua dri- n  gent eni. 

quadri-ngenti , 

Ueber  den  zweiten  Theil  dieser  Zusammensetzungen,  der  seit 
uralten  Zeiten  vor  der  Sprachtrennung  durch  Vokalausfall  mannig- 
fach verstümmelt  ist,  wird  noch  weiter  unten  die  Rede  sein.  Ebenso 
sind  durch  Ausfall  des  u  o  gekürzt  q  u  a d  rare,  q  u  a  d  r  a  I  u  s  aus 
quatuorare,  quatuoratus  ;  am  stärksten  aber  verstümmelt  er- 
scheint die  Hauptzahl  in  der  Ordnungszahl  quartus  für  q  uatuor- 
t  u  s ,  durch  die  Mittelstufen  q  u  a  t  o  r  t  u  s ,  q  u  a  t  e  r  t  u  s ,  q  u  a  t  r  t  u  s. 

Die  Accusativcndung  -um,  alt  -om,  von  0-stämmen  ist  ausge- 
fallen in  den  Zusammensetzungen: 

ven-do,  ven-eo,  anim-ad  ve  rt  o, 

wie  dieselbe  Endung  in  nihil  für  nihil  um  verschollen  ist. 

Das  o  des  angefügten  Adverbium  pote  für  potis  fiel  aus  in : 
m  e  -  p  l  c  ,  Plaut.  Neu.  1  059,  vgl.  u  t  -  p  o  I  e , 
mihi-pte,  Cato  pro 'mihi  ipsi',  Fest, p.  152.  151. 
e  o  -  p  t  c , 

meo-pte,  tuo-pte,  suo-pte, 

vo-pte,  pro  cvos  ipsi',  Ca(<K  Fest  p.  ^79. 

Das  pt  dieser  Anfügung  assimilierte  sich  dann  zu  pp  in: 
q  n  i  -  p  p  c  , 
ipsi-ppe,  ipsineque  alii,  Fesl.p.\Qb. 


~    45     — 

Viel  seltener  als  o  ist  u  ausgefallen.  So  in  den  Zusammen- 
setzungen, deren  erster  Bestandteil  manu-  ist,  also  in: 

man-suetus,  man-tele, 

man-datum,  mal-luvium. 

man-cipium, 

Ein  aus  a  entstandenes  u  fiel  im  zweiten  Compositionsgliede  aus 
von : 

nomen-clator,  vgl.  nomenculator,  Marl.  Ep.  X,  30,  23, 
da  das  a  von  calare  sich  im  zweiten  Gliede  des  Compositum  zu  u 
schwächte  wie  in  occulo ,  occultus  neben  coli m,  %akvitTG3. 
Von  der  Ausstossung  des  u  in  den  Compositen  : 

m  a  n  i  -  p  1  u  s  ,     s  i  m  -  p  1  u  s ,     d  u  -  p  1  u  s ,     t  ri  -  p  l  u  s 
ist  schon  ohen  die  Rede  gewesen. 

Viel  häufiger  ist  der  Ausfall  des  e  in  einem  der  beiden  Composi- 
tionsglieder. 

So  ist  das  erste  Glied  der  Composition  durch  Ausfall  eines  e 
verstümmelt  in: 

ben-ficio,  /.  N.  5237. 

ol-facio, 

ar-facito,  Cato  R.  R.  69.  125. 

ma-volo,         für       mage-volo, 

nun-dinae,  novendinae, 

nun-cupo,  nomen  cupo, 

indem,  nach  Ausfall  des  e,  m  sich  zu  n  assimilierte  vor  folgendem 
Consonanten ,  aber  nur  ein  n  geschrieben  wurde. 

pos-se,  fürpot-esse,  Plaut,     vgl.  pote-esse, 

Most.  1015.  p o  t i-si t ,  Sc.  d.  Racc. 

Vielfach  sind  die  Formen  der  Zahlwörter  und  der  von  ihnen  ge- 
bildeten Wörter  durch  Ausfall  eines  e  im  ersten  Gliede  der  Composi- 
tion verstümmelt ;  so  in : 

quinq-ennium, 

quinc-unx, 
und  mit  Ausfall  des.c  in: 

quin  -decim  , 

quin  -  tus, 
mit  Wegfall  der  ganzen  Silbe  -ein  in: 

dec-unx,  sept-unx, 

dec-ussis,  sept-ussis, 

dec  -  uria , 


—     46     — 

dec-ennium,  sept-ennium, 

dec-ies,  sept-ies, 

dec-imus,  sept-imus. 

In  den  Formen  septua -ginta  ,  septua-gies,  septua- 
gesimus,  septu-ennis,  septu-ennium  steckt  hingegen 
eine  Nebenform  von  Septem:  septnm,  die  ihr  auslautendes  m 
eingebüsst  hat  wie  Griechisch  S7ttcc. 

Ebenso  ward  nov em  durch  Ausfall  der  Laute  ve  oder  vem  ver- 
stümmelt im  ersten  Gliede  der  Composition  in : 
no-n-genti, 
no-na-ginta,  vgl.  no-nus,     nov-ies. 

In  nonaginta  ist  also  nona  Ordinalzahl  wie  eßdo[i7]  im 
Griechischen  ißdo[H]'xovtcc;  die  Romer  sagten  die  neunten 
Zehner  wie  die  Griechen  die  siebenten  Zehner  statt  neun- 
zig, sieben-zig. 

Ebenso  häufig  ist  der  Vokal  e  im  zweiten  Gliede  von  Composi- 
ten  geschwunden,  und  vielfach  steckte  er  durch  seine  Auszehrung 
den  folgenden  Consonanten  an,  so  dass  auch  dieser  wegfiel. 
So  fiel  das  c  der  Reduplicationssilbe  aus  in: 
reccidi,     verglichen  mit    cecidi, 
repperi,  peperi, 

r  e  p  p  u  1  i ,  p  e  p  u  1  i  , 

rettuli,  tetuli. 

In  dem  Abschnitt  über  den  Buchstaben  c(1, 30G.)  ist  schon  nach- 
gewiesen, wie  die  Zahladverbien  : 

vic-ies,  entstanden  sind  aus  vicent-ies, 
tric-ies,  tricent-ies, 

q  u  a  d  r  a  g  -  i  e  s ,  quadragcnt-ics, 

sexag-ies,  sexagent-ies , 

septuag  -  ies  tu  a.  sept  uagent  -  ies. 

Die  Vcrgleichung  der  Zahlworter  in  den  verwandten  Sprachen 
lehrt,  dass  die  Endung  -ginti ,  -ginta  in  den  Zehnern  aus  de  - 
cenli,  deccnta  entstanden  ist.  Wie  Sanskr..vin  - sali,  Griech. 
Ffi-xart,  p€c-xo6t,  Lat.  vi -ginti,  Goth.  tvai-tigjus 
zeigen,  haben  diese  Sprachen  meist  den  ersten  Bestandtheü  des  Wor- 
tes, das  zehn  ausdruckt,  da-  oder  de-,  verloren  und  nur  den  zwei- 
ten -san,  -com,  wie  er  in  Sanskr.  das'an  ,  1.;»!.  decem  sich 
zeigt,  in  irgend  einer  Gestall  bewahrt.  Nur  das  Gothjschc  hat 
intig-  den  ersten  Bestandtheü  bewahrt,   der  Sanskr.  das-,   Lat. 


—     47     — 

dec-,  Gr.  dsx-  lautet,  und  in«diesem  tig-  liegt  der  sichere  Be- 
weis, dass  Lateinisch: 

vi-ginti ,  entstanden  sind  aus  dvi-decenti, 

tri-ginta,  tri-decenta 

und  zwei  Zehner,  drei  Zehner  bedeuten,  so  sicher  wie  zwan- 
zig, drei-ssig,  Goth.  tvai-tigjus,  threis  -  tigj  us  {vgl. 
N.  Jahrb.  LXVIII,  247.  /.).  Der  Ausfall  des  e,  durch  den  aus  dvi- 
decenti  viginti  wurde,  stammt,  wie  die  verwandten  Sprachen 
zeigen,  aus  Voritalischer  Zeit. 

Der  Stammvokal  des  zweiten  Compositionsgliedes  ist  geschwun- 
den in : 

p  r  a  e  -  d  a ,  für  p  r  a  e  -  h  e  n  d  a , 

prae-dium,  prae-hendium; 

die  Beute  und  das  eroberte  Landgut  werden  also  als  etwas  er- 
griffenes bezeichnet,  wie  der  Knecht  durch  maneeps  als  der 
mit  der  Hand  Gefangene  bezeichnet  wird.  Ebenso  fiel  e 
aus  in  : 

s u  r-p t a,  PL Pers.  1 50  u.  a.,  für  s  u  r  r  e p  t a , 
denn  das  u  der  Plautinischen  Form  subrupta  schwächte  sich  zu  e, 
bevor  es  ausfiel. 

p  o  r  -  c  e  t ,  Enn.  Fahl.  p.  138.     por-ercet,  vgl.  ab-ercet, 

co -er cet , 

co-nlio,  für  conventio',  vgl.  co-ventionid ,  Sc.  d.  Bacc. 

re-friva,  Fest.  p.  277,     für   referiva, 
und  in  allen  Compositen,  deren  zweites  Glied  von  dem  Verbalstamme 
gen-  in  g  e  n  u s  ,  g  e  n  s  abzuleiten  ist,  wie  : 

pro-gnatus,     privi-gn'us,  I,  192.  vgl.  oenigenos,  I,  195. 

E  -  g  n  a  t  i  u  s ,     m  a  1  i  -  g  n  u  s  , 

bi-gnae,  beni-gnus, 

Peli  -  gnus. 

Das  e  der  Wurzel  gen  -  fiel  auch  aus  in  den  einfachen  Wörtern 
gn-a-vus  für  gen-a-vus,  Gn-a-ivus  (Gnaivod,  t.  Scip. 
Barb.)  für  G  e n  -  a  -  i  v  u  s,  beide  von  einem  alten  Verbum  g  e  n  - a  - r  e 
durch  die  Suffixe  -vo,  -ivo  gebildet.  Das  Participium  dieses 
Verbum,  gnatus,  büsste  nach  Ausfall  des  Stammvokales  e  auch 
das  anlautende  g  ein  und  so  entstand  natus,  wie  aus  gna- 
sci   nasci. 

Noch  häufiger  als  e  ist  i  in  Compositen  ausgefallen. 


—     48     — 

Das  auslautende  i  des  ersten.Compositionsgliedes,   sei  es  dass 
es  einem  I-stamme  angehört  oder  aus  dem  o  eines  O-stammes  abge- 
schwächt ist,  fiel  aus  in: 
a  u  -  s  p  e  x , 
au  -  ceps, 
nau-fragus, 

nau-stibulum,  Fest.  p.  169.  vgl.  na  u  seit,  für  na  vi  seit,  Fest. 

na  uta,  navita.       a.o. 

Iu-piter,         für       Iovi-piter, 
o-piter,  avi-piter, 

u-pilio,  ovi-pilio  ,  I,  315. 

pru-gnus,  privi-genus, 

das    durch   die    Mittelstufen    priugenus,    priugnus    sich    zu 
prugnus  kürzte, 

sacer-dos,      vgl.      sacri-ficium, 
sacri-legium, 
o  i  n  -  v  o  r  s  e  i ,  Sc.  d.     o  e  n  i  -  g  e  n  o  s ,     u  n  i  -  v  e  r  s  i , 

Bacc. 
un-orsum,  Liter.  IV,  260. 
u  n  -  d  e  c  i  m , 
un-deviginti, 

nas-turtium,     für   nasi  -  tor  c  -  tiu  m     (torquere); 
dieses  Wort   bezeichnet   die  Kresse   wegen  ihres  scharfen   und 
beissenden  Geruches  als  N  a  s  e  n q u ä  1  e r  oder  Na s  e  n  k  r  ä  t  z  e  r. 

Nach  Ausfall   eines   solchen   i    tritt    Consonantenassimilation 
ein  in  : 

sin-eiput,      für      semi-cip.ut, 
pr in -ceps,  primi-eeps, 

of-ficina,  opi-ficina, 

pel-luvium,  pedi -luvium. 

Der  Consonant  vor  i  fiel  mit  diesem  aus  in : 
-nien -ceps,       für      menti-eeps, 
se-libra,  semi-libra, 

se-stertius,  s  e  m  i  s  - 1  e  r  t  i  u  s  , 

s  i n - c  i n  i  a m  ,  Fest,     s in gi  -  ci niam. 
p.  337. 
Verrius  Flaccus  erklärte  das  Wort :  c  a  Dtione  m  s  o  1  i  l  a  r  i  a  m  ; 
die  Bedeutimg  Ein  zeige  sang   ist  in  dem  Compositum  ausgeprägt 
durch  das  Grundwort  von  singulus,  singus. 


—     49     — 

h  o  m  i  -  c  i  d  i  U  m  ,     für    h  o  m  i  n  i  -  c  i  d  i  u  m  , 

s a  n g u  i  -  s u g a  ,  san guin i  -  s u g a  , 

pau-per,  pauci-per,     vgl.     puer-pera, 

v  i  -  p  e  r  a  ; 
der  Anne  wird  durch  dies  Wort  als  der  Wenig-schaffende  oder 
W  e  n  i  g  -  e  r  w  e  r h  e  n  d  e  bezeichnet. 

s t i  -  p  e n  d  i um  ,  s t i p i  -  p c n  d i  u m  , 

cor-dolium,  c  o  r  d  i  -  d  o  1  i  u  m  , 

v  e  n  i  -  f  i  c  i  u  m ,  v  e  n  e  n  i  -  f  i  c  i  u  m. 

Noch  mehr  entstellt  und  undurchsichtig  geworden  sind  diejeni- 
gen 'Composita,  die  im  zweiten  Gliede  das  i  ihres  Stammes  eirigebüsst 
haben,  wie : 

su-rgo,  für      sub-rigo, 

e  x  p  e  r  r  g  i  s  c  o  r ,  e  x  p  e  r  -  r  i  g  i  s  c  o  r , 

por-gere,  por-rigere, 

Enn.  Vahl.  p.  178.  cf.  Serv.  Verg.  Aen.  I,  2G.  Verg.  Aen.  VIII,  274. 

s  u  -  rpio  ,  sub  -ripio. 

So  bei  Plautus,  RitscM,  Prot  Trin.  p.  95;  vgl.  surpite,  Hör. 
Sat.M,  3,  283. 

Anlautendes  i  des  zweiten  Compositionsgliedes  fiel  aus  in  fol- 
genden Compositcn  von  emo  und  ago: 

co-mo,         co-go;         nar-ro,  von  g  nar-igo,  Fest. p. 9b, 

s  u  -  m  o  ,        c  o  -  g  i  t  o  ,      p  u  r  -  g  o  ,        p  u  r  -  i  g  o  , 

d  e  -  m  o  ,         d  e  -  g  o  ,         i  u  r  -  g  i  u  m  ,     i  u  s  -  i  g  i  u  m  , 

p  r  a  e  -  m  i  u  m  ; 
co-mo  und  sumo  haben  die  Perfecta  com  psi,   sumpsi  gebildet 
neben  d  emi,  wie  p a n x i ,  p  a  r  s i  neben  p e p i gi ,  p  e p e r c i  stehen . 

p  r  a  e  - 1  o  r 
bedeutet  eigentlich  Vorgänger,  Führer  im  Kriege,  dann  den 
obersten  Staatsbeamten  überhaupt,  endlich,  nachdem  das  Richter- 
amt vom  Consulat  abgezweigt  war,  Oberrichter,  ähnlich  wie  das 
deutsche  Fürst  aus  der  Bedeutung  Vorderster  zu  dem  jetzigen 
Sinn  gekommen  ist. 

in d u  -  l i a e 
bezeichnet  den  Waffenstillstand  als  Einziehen  in  das  Lager 
oder  in  die  Vaterstadt.     Hierher  gehören  auch  : 

de- curia,         für         decemviria, 

cen- 1  u  ria,  ^e  n  t  ü  m  vir  ia. 

CORSSEN    II.  4 


—     50     — 

Nach  Abfall  der  Endung  -em  von  den  Zahlwörtern  löste  sich 
v  nach  c  und  t  zu  u  auf  und  ui  verschmolz  zu  u  wie  in  senatus 
für  senatuis. 
prudens,  für  prö-videns, 

p  r  a  c  s  ,  prae-vides,/.  agr.  ( Thor.) 

Nach  Ausfall  eines  h  schwand  das  i  im  zweiten  Compositions- 
gliede  in: 

de-beo,  für  de-hibeo, 

p  r  a  e  -  b  e  o ,  p  r  a  e  -  h  i  b  e  o. 

Noch  zu  Plan lus  Zeit  waren  die  vollen  Formen  in  Gebrauch 
(Bitschi,  Prot.  p.  104.  Vgl  Cure.  570.  723.  Bacch.  260.272.  Trin. 
426.  Pseucl.  182  w.o.). 

prae-biae,  prae-hibiae , 

pro-bet,  Lucr.,  Lachm.     pro-hibet, 
Cqpm.p.  134.188. 

pro- b e a t ,  a.  0.  pro-hibeat, 

m  a  n  u  -  b  i  a  e ,  m  a  n  u  -  h  i  b  i  a  e  , 

m  a  n  u  -  b  r  i  u  m ,  m  a  n  u  -  h  i  b  r  i  u  m , 

i  u  -  b  e  o ,  ious-hibeo; 

tuber  e  heisst  für  Recht  hallen,  wie  rat  um  habere  für 
gültig  halten;  in  dem  Rechtsstaale  der  Römer  konnte  nur  die 
Volksversammlung  etwas  für  Recht  erklären,  daher:  populus  iu- 
bet,  velitis  iubeatis  Quirites;  was  aber  die  höchste  Siaais- 
gcwalt  für  Rechtens  ball,  das  beßehlt  sie  und  so  komnil  iubere  zu 
dein  allgemeinen  Sinn  befehlen.  Aus  ious-hibeo  ward  durch  die 
Mittelstufen  iousibeo,  iousbeo,  ioubeo,  iübeo  endlich 
i  üb  e  o. 

Aehnlich  entstand: 
ape,    Fest.  p.  22.       aus      ab-bibe,  • 

die  Erklärung:  ape  apud  antiquos  direbalur  'prdhibe, 
conipesce',  zeigl,  dass  das  Worl  abhalten  bedeutete;  der 
Wechsel  von  p  für  b  isi  oben  besprochen  (I,  60). 

In  der  spätem  Volkssprache  findet  sieb  noch  Ausstossung  eines  i 
im  zweiten  Theil  ?on  Compositen  in: 

Restuta,  /.  .V.  5655.  vgl.  Restilutus,  /.  .V.  4966. 

Resl  ulus,  /.  .V.  1322. 

1619.   1712.  « 

17  is.  4969. 


-     51     — 

Das  i  der  Reduplicationssilbe  ist  ausgefallen  in: 
constit,  /.  N.  3528,    für    constitit, 
praesti,  I.  N.  6313,  praestiti. 

Dass  in  allen  diesen  Compositen  es  niemals  die  hoch- 
betonte Silbe  war,  die  ihren  Vokal  einbüsste  oder  ganz  unter- 
ging, während  tieftonige  Silben  erhalten  blieben,  sei  hier  vorläufig 
bemerkt.  Weiter  unten  wird  der  Nachweis  dafür  geführt  werden. 
In  der  Altlateinischen  Betonungsweise,  die  den  Hoch  ton  auf  dies 
erste  Compositionsglied  legte,  wurzelt  der  in  der  Lateinischen 
Sprache  so  entschieden  hervortretende  Trieb  die  Compositionsglie- 
der,  namentlich  das  zweite  Composition  sglied ,  zu  schwä- 
chen und  zu  kürzen.  Die  schwachlautenden  Consonanten  j,  v,  h 
zwischen  Vokalen  in  der  Wortfuge  der  Composita  verstummten  vor 
diesem  Trieb,  die  nach  ihrem  Ausfall  sich  berührenden  Vokale  ver- 
schmolzen oder  stiessen  einander  aus,  so  verwuchsen  die  Composita 
in  einander  bis  zur  Unkenntlichkeit. 

Am  Schluss  dieser  Untersuchung  über  den  Vokalausfall  sind 
hier  besonders  zwei  sprachgeschichllich  wichtige  Ergebnisse  ins 
Auge  zu  fassen. 

In  dem  Abschnitt  über  die  Kürzung  der  Vokale  in  Endsilben  ist 
gezeigt  worden,  dass  die  ältere  Sprache  zahlreiche  lange  Vokale  in 
denselben  kannte,  welche  in  der  Sprache  der  Augusteischen  Zeit  kurz 
erscheinen.  Hier  finden  wir  schon  die  Altlateinische  Sprache 
auf  dem  Wege  ihren  Vokalismus  zu  verkümmern  durch  Aus- 
stossung  vokalischer  Laute  und  infolge  dessen  durch  Assimila- 
tion, Trübung  und  Tilgung  zusammenprallender  Consonanten  die 
Fidle,  Durchsichtigkeit  und  Bestimmtheit  ihrer  Ableitungs-  und  Beu- 
gungsendungen wie  ihrer  Wortzusammensetzungen  zu  verwischen. 
Das  zeigen  solche  verkrüppelte  Verbalformen  wie  cante  im  Car- 
men Saliare,  sirs  im  Carmen  arvale,  faxit,  faxitis,  sponsis? 
o  c  c  i  s  i  t ,  n  a  n  c  s  i  t  o  r ,  r  e  n  a  n  c  s  i  t  u  r ,  f  a  x  i  t  u  r ,  t  u  r  b  a  s  s  i  l  u  r , 
prohibessit  in  alten  Gesetzen  und  Gebetformeln,  die  abgestumpf- 
ten Verbalformen  d  e  d  ro  t ,  de  d  r  o,  f  e  et  auf  alten  Weihegeschen- 
ken und  die  durch  Vokalausstossung  gekürzten  Nominalformen  wie 
Lebro,  leibreis,  Fostlus,  Numsius,  senatorbus  auf 
den  frühsten  der  uns  erhaltenen  Inschriften.  Das  beweisen  so  arge 
Wortverstümmelungen  wie  pol  für  Polydeuces,  die  schon  in 
der  ältesten  uns  bekannten  Sprache  heimisch  sind.  Das  zeigt 
ebenso   die   Masse  der   synkopierten  Verbalformen   in   der   älteren 

4* 


—     52     — 

scenischen  Dichtung  und  die  Menge  der  Composita ,  die  durch 
Vokalausfall  eingeschrumpft  und  unkenntlich  geworden  sind  wie 
ape,  iuheo,  prosa,  praes,  praeda,  surpio,  surgo, 
sumo.  In  dem  Abschnitt  über  die  Betonung  wird,  gezeigt  werden, 
dass  der  Vokalausfall  immer  nur  die  tieftonige  Silbe  treuen 
konnte,  und  dass  es  die  Gewalt  des  Hochton-cs  war,  die  das  Ton- 
gewicht und  die  Tondauer  der  nächstfolgenden  lieftonigen  Silbe 
schwächte  und  ganz  verklingen  liess. 

Ein  Rückschlag  gegen  diese  einreissende  Verderbniss  der  Vokal- 
ausslossung  trat  ein,  als  die  Römische  Kunstdichtung,  na- 
mentlich die  daktylische  Poesie,  nach  dem  Muster  der  Griechi- 
schen der  Tondauer  oder  der  Quantität  der  Silben  sorgsame 
Aufmerksamkeit  zuwandte  und  eine  Menge  halbverklungener  voka- 
lischer  Laute  wieder  in  ihr  altes  Hecht  als  volle  Kürzen  einsetzte. 

Es  ergiebt  sich  zweitens  aus  der  geführten  Untersuchung,  dass 
schwere  und  lange  Vokale  nicht  plötzlich  und  unmittelbar 
wie  mit  einem  Schlage  aus  dem  Wortkörper  hinausge stossen 
worden,  dass  vielmehr  schwere  Vokale  sieb  im  Volksmunde  erst  er- 
leichterten, lange  sich  erst  kürzten,  ehe  sie  ganz  abstarben.  Oben 
ergab  sieh,  dass  die  Reihenfolge  der  Vokale  nach  ihrem  Gewichte  in 
absteigender  Staffel  a,  o,  u,  e,  i  war.  Die  eben  geführte  Unter- 
suchung über  die  Ausstossung  der  Vokale  fuhrt  zu  dem  Ergebniss, 
dass  der  A  u  s  f  a  II  de r  V o  k a  1  e  i  n  g e n a u  e  m  Verhall  n i  s s  z  u 
ihrer  Schwere  steht.  Für  einen  unmittelbaren  Ausfall  des 
schwersten  und  vollkommensten  Vokales  a  hat  sich  kein  sicheres 
Beispiel  gefunden;  es  ward  immer  vorher  zu  u,  e,  i  erleichtert. 
Seilen  fallt  der  nächste  schwere  Vokal  0  aus;  alter  auch  er 
schwächte  sich  vielfach  er/t  zu  e  oder  i.  ehe  er  schwand;  viel 
häufiger  ist  die  Tilgung  des  u  in  Ableitungssilben  wie  in  Com- 
positionen.  Noch  weitgreifender  und  mannigfacher  ist  das 
Schwinden  des  e  in  Wortformen  jeder  Art ;  die  zahlreichsten 
und  auffallendsten  Verstümmelungen  des  VYorlköTpers  sind  aber 
durch  den  Ausfall  des  leichtesten  und  dünnsten  Vokals  i  in  der  La- 
teinischen Sprache  veranlasst,  der,  ein  wahrer  Hans  in  allen  Gassen, 
überall  da  Platz  genommen  hatte,  wo  vollere  Vokale  durch  benach- 
barte (Konsonanten  verdrängt  sind,  und  den  nun  das  Schicksal  traf 
wie  ein  zudringlicher  nichtssagender  Geselle  überall  hinausge- 
w  orte  n  zu  werden.  Also  je  s  ch  W  e  re  r  der  Vokal  war,  desto  sel- 
ten er  fiel  er  aus,  und  je  leicht  er  der  Vokal  war,  desto  ha  u  I  i'~ ,i  i 


—     53     — 

verklang  er  ganz.  Das  Hess  sich  freilich  auch  von  vorn  herein  den- 
ken ;  aber  wenn  ein  solches  Postulat  der  Vernunft  durch  eine  Fülle 
sprachlicher  Thatsachcn  sich  schlagend  bestätigt  findet,  so  legt  das 
Zengniss  ah  von  einem  organischen  und  vernünftigen  Wallen  des 
Sprachgeistes,  der  nach  innerer  Notwendigkeit  bildete  und  webte, 
lange  bevor  der  einzelne  Mensch,  der  die  Sprache  redete,  sich  des- 
sen bewusst  wurde  und  somit  eine  Grammatik  und  Spracbphiloso- 
phie  entstehen  konnte. 


2)     Abfall    der    Vokale. 

Es  ist  schon  besprochen  worden,  dass  in  diesem  Abschnitte 
über  den  Abfall  der  Vokale  nicht  bloss  das  Schwinden  der  Vokale, 
wenn  sie  seihst  u  n  m  i  I  1  e  1  b  a  r  a  u  s  1  a  u  t  e  n  ,  erörtert  werden  soll, 
sondern  auch,  wenn  sie  vor  denjenigen  Consonanten  stehen, 
die  im  Auslaut  so  schwach  lauteten,  dass  sie  vielfach  ganz  abfielen 
und  verklangen,  vor  m  und  vor  s.  Die  Anordnung  des  vorliegenden 
Stoffes  geschieht  nach  demselben  Gesichtspunkt,  der  für  den  Vokal- 
ausfall als  maassgebend  angenommen  worden  ist.  Es  ist  ralhsam 
auch  hier  die  betreffenden  Composita  schliesslich  zusammenzustellen, 
zumal  da  sich  vielfach  nicht  sicher  entscheiden  lässt,  ob  der  Vokal, 
den  ihre  Schlusssilbe  eingebüsst  hat  o  (u)  oder  i  (e)  gewesen  ist. 

a. 
Für  den  Abfall  des  a  ist  ein  Beispiel  nicht  nachweisbar. 

u  ,    o. 
Das  auslautende  o  von   0-  Stammen  fallt,   wenn   ihm  ein  r 
vorhergeht ,   samml  dem  Nöminativzeichen  s  fort  in  folgenden  Bil- 
dungen : 

Alexander,   vgl.  *A ki^avö^og ,  gener,        niger, 

Fvander,               Evavd  Qog ,  capei\        vafer, 

E  van  dr  us  ,  a  per,          piger. 

M  e  n a  n  d  e r,            Msv ccvöqo g,  L i be r,         pul  c h e r, 

conger,                ydyyQog,  gibber,      aeger, 

gonger,  lber,  Prise.  VII,  12.  //. 

vgl.  Anal.  Gramm.  E.  E.  p.  80.  223.  Celli  her,   sacer, 

presbyter,    vgl.   TrysGßvtsQog,  rasier,       integer, 

vesper,                   eGitegog,  ad  u  Her,     uter, 


-     54     — 

cancer,      vgl.      KayxQog,  ar  biter,    alter, 

carcer,  kuqxccqos  ,  auster,      neuter, 

ager,  aygog,  teuer,        alteruter, 

socer,       neben     socerus,  asper,        sin  ister, 

uter,  uterus,  miser,        d  ext  er 

p  u  e  r,  p  u  e  r  u  s,  Caec.  Afran .    1  a  c  e  r.  u.a. 

Com.Ribb.p.  14. 160.  über, 
p  r  o  s  p  e  r ,  p  r  o  s  p  e  r  u  s  , 

t  e  t  e  i*j  Anal.  Gr.     t  e  t  r  u  s , 

E.  E.  p.  445. 
exte  r,  a.  0.  neben  e  x  t e r  u  s , 
c  a  n  d  e  1  a  b  er,         c  a  n  tl  e  1  a  b  r  u  iu  , 
scalper,  scalprum, 

M  u  leib  er,     Gen.  Mulciberi,        neben     Mulciberis, 

Mulcibri,  Mulcibris, 

calam  ister,         calamistrus, 

calamis  tru  m. 

Derselbe  Abfall  des  o  mit  dem  Nominativzeichen  s  zeigt  sich  in 
den  Formen: 

vir,  s  a  t  u  r. 

Dasselbe  gilt  von  der  Form  der  späteren  Volkssprache : 

b  a  r b  a  r,  Anal.  Gr.  E.  E.  p.  111 

In  Folge  dieses  Verlustes  des  Klassenvokales  im  Nominativ  gin- 
gen einzelne  der  angeführten  Wörter  in  manchen  Casus  in  die 
consonantische  oder  die  I-Declination  über.  So  verhallen  sieh  die 
Genetive  canceris,  Mulciberis,  Mulcibris,  Iberis,  se- 
questris  zu  cancri,  Mulciberi,  Mulcibri,  Iberi,  seque- 
slri  Wenn  man  in  der  späteren  Volkssprache  acrum,  pau- 
pera,  tristus  neben  acre,  pauper,  hisiis  sprach  {Anal. 
Gramm.  Eich.  Enal.  p.  444),  s<»  ist  dies  Schwanken  in  einer  Zeil 
erklärlich,  wo  die  Lateinischen  Declinationen,  wie  oben  gezeigt  ist, 
bereits  im  Untergang  begriffen  waren. 

Ebenso  isi  bei  vorhergehendem  1  das  o  eines  O-slammes  mit 
dem  Nominativzeichen  s  weggefallen  in: 

l'ainul,  Enn.  Ann.  r.  317  für  famuliis. 

Aus  der  späteren  Volkssprache  sind  zwei  merkwürdige  Formen 
der  Art  aufbewahrt : 


—     oo     — 

figel,  für  figulus, 

m  a  s  c  e  1 ,  in  a  s  c  u  1  u  s 

(Anal.  Gramm.  Eich.  Enal.  p.  413),  die  der  Oskischen  Form  famel, 
für  famulus,  genau  entsprechen. 

Nur  vereinzelt  ist  vor  dem  auslautenden  s  des  Nomiuatives  das 
o  der  O-stämme  weggefallen,  wahrend  das  s  sich  hielt,  wie  dies  im 
Umhrischen  und  Oskischen  vielfach  der  Fall  war.     So  in  : 

damnas,         für        damnatus, 

sanas,  s  a  n  a  t  u  s , 

Camp  ans,  Plaut.     Campanus, 
Trin.  545. 

11  aus,  Anal.  Gramm.  E.  E.  444. 

Ein  aus  o  entstandenes  u  eines  O-stammes  ist  sammt  dem  aus- 
lautenden m  des  Accusatives  abgefallen  in: 

nihil,  für  nihil  um, 

no  n,  n'-unum,  n'-oen  um,  I,  11)7. 

In  dem  Abschnitte  idterden  Diphthongen  oe  ist  gezeigt,  wie 
noenum  aus  ne-oinum  entstanden,  aus  noc  num  ward  nun  um 
wie  aus  poena  punire;  nachdem  nun  die  Endung  -um  abgefallen 
war  wie  in  nihil,  lautete  nun  zu  non  um  wie  die  Präposition 
cum  in  der  späteren  Volkssprache  durch  cuii  zu  cou  wird,  da 
die  Lautverhindung  -im  im  Auslaute  dein  Lateinischen  fremdar- 
tig ist. 

donec,  für        donicum. 

Das  do  in  diesen  Formen  ist  entstanden  aus  dio,  dem  Ablativ  von 
d  ius,  Ta  g  (vgl.  nu-di  us),  der  sich  auch  in  q  u  u  ndo,  aliqua  ndo 
zeigt,  indem  das  i  sich  versehlilV  wie  in  minus  für  in  in  ius. 
Der  ebenso  entstandene  Accusativ  dum  für  diurn  hedeutel  eigent- 
lich den  Tag  lang,  daher  während.  Demnach  war  der  Sinn  der 
Zusammensetzung  do-ni-c  um  ursprünglich  an  dem  Tage  nicht 
wann,  dann  allgemeiner  zur  Zeit  nicht  wann.  Das  Wort  be- 
zeichnet also  eigentlich  nur  die  Zeit  wo  etwas  nicht  ist ,  dann  auch 
den  Anfangspunkt  des  Seins  oder  des  Werdens,  der  in  bis 
ausgedrückt  liegt,  und  mit  Verdunkelung  der  negativen  Bedeutung 
auch  die  Zeit  wo  etwas  ist  im  Gegensalz  zu  einem  Anderen  das 
später  eintreten  wird,  also  solange. 

S  e  d  soll  nach  Charisius  p.  87.  {vgl.  Mar.  Vicl.p.  2458)  aus  s  e  d  u  m 
entstanden  sein;  allein  es  ist  schon  oben  nachgewiesen,  dass  sed 
Ablativ  eines  Pronominalstammes  war.     Sc -du  m  inuss  durch  Zu- 


—     56    — 

saromensetzung  entstanden  sein  wie  vix-d um,  nc-dum  und  heisst 
eigentlich  a b g e s o n d ort  indessen,  daher  aber,  son d e r n . 
Ebenso  wie  donec  aus  donicum  entstand  die  alte  Forin 
sus-,  Fest.  p.  290,  aus  susu  m,  surs  u  ra 
in  der  Formel  susque  deque,  die  nach Verrius  Flaccus  ursprüng- 
lich surs  u m  deorsumque  dann  plus  in i n  u s v e  bedeutet.  Die 
Endung  um  fiel  ferner  ab  in: 

ven-do,  neben     venum    do, 

ven-eo,  venum    eo, 

a n i m - a d v e r t o ,  aninnim    a d v e r t o , 

tri-nuridinum,  trinuin    n  und  in  um. 

Ueber  das  Verklingen -der  schwach  tönenden  Silbe  -um  im 
Auslaut,  vor  vokalischem  Anlaut  des  folgenden  Wortes  und  ihre 
Nichtigkeit  für  die  Versmessung  wird  weifer  unten  die  Rede  sein. 

Die  Ennianischen  Formen  im  Versausgange,:  cacl,  Ann.  v. 
561.  V.  gau,  d.O.  v.  451,  do,  a.O.  563,  für  caelum,  gaudiuin, 
dorn  um,  lassen  sich  sprachlich  nicht  rechtfertigen.  Schwerlich 
sind  sie  etwas  anderes  als  eine  freilich  übel  gerathebe  Nachahmung 
des  Homerischen  öcj  im  Versschluss  für  dcj[i«. 

In  allen  vorstehenden  Fällen  war  es  das  schwache  auslautende 
in,  das  zuerst  abfiel,  so  dass  das  u,  o  in  der  That  im  Auslaute  stand 
ehe  es  abfiel. 

Ein  auslautendes  o  isl  abgefallen  in  den  Präpositionen 
ab,  vgl.  Gr.  ex it o,  Skr.  ;ipa, 
sub,  vit  6,  u  pa. 

Wie  das  o  der  O-stämme  im  Lateinischen  und  im  Griechischen 
einem  Sanskrit,  a  entspricht,  so  muss  man  annehmen,  dass  im  Latei- 
nischen im  Auslaut  jener  Präpositionen  ein  »>  stand,  wie  im  Griechi- 
schen, das  aus  dem  a  der  Sanskritformen  abgeschwächt  war, 

i. 

Eine  Anzahl  ursprünglicher  [-stamme,  sei  es  dass  sie  Nomina- 
tivformen auf  es  oder  auf  is  bildeten,  haben  den  auslautenden  Vo- 
kal des  Stammes  i  (e)  vordem  Nominativzeichen  s  eingebilsst  und 
sind  so  scheinbar  oder  wirklich  in  die  Consonantische  Con- 
jugation  übergetreten;  bei  weitem  die  Mehrzahl  aber  wahrt 
im  Genetiv Pluralis  auf -i um  ihren  Klassenvokal  i. 

Hierher  gehören  zunächst  du*  von  Nominalstämmen  gebildeten 
Adjectiva  auf  -ati,  -eti,  -ili,  -ti,  welche  die  Angehörigkeil  an 


—     57     — 

einen  Ort  bezeichnen,  daher  meist  Völkernamen  sind.  Zu  Nae- 
vius,  Ennius,  Plautus  und  Cato's  Zeiten  liaben  sie  noch  ihre 
vollen  Nominativformen  -atis,  -ctis,  -itis,  -tis  bewahrt,  später 
das  auslautende  i  des  Stammes  vor  dem  Nominativzeichen  s  schwin- 
den lassen,  was  den  Ausfall  des  t  vor  s  zur  Folge  hatte;  so: 
Jüngere  Formen.  Aeltere  Formen. 

p  r  i  m  a  s ,  p  r  i  m  a  t  i  s , 

o  p  t  i  m  a  s ,  o  p  t  i  m  a  t  i  s, 

A  r  p  i  n  a  s ,  A  r  p  i  n  a  t  i  s , 

C  a  p  e  n  a  s ,  Capenatis, 

A  r  d  e  a  s ,  A  r  d  e  a  t  i  s , 

F  e  r  e  n  t  i  n  a  s ,  F  e  r  e  n  t  i  n  a  t  i  s , 

Ravennas,  Ravennatis, 

Ca pen as,  Capena  tis, 

Arpinas,        .*  Arpinatis, 

Cr ol  onias,  Croto  uiatis, 

Larinas,  Larinatis, 

summas,  summ  atis, 

infimas,  infi  m  atis, 

no  s  I  ras,  nostra  I  i  s, 

p  e  n  a  s,  Prise.  IV,  21  .VII,  60.  p  e  n  a  l  i  s , 

cuias,  u.  a.  cuiatis,  Alt.  (rag.  Ribb.  p.  185. 

Samnis,  Sa  in  11  itis, 

0  u  i  r  i  s ,  Q  u  i  r  i  t  i  s , 
C a er e s ,  Prise.  IV,  29.  H.  C a er e ti s , 

C  a  e  r  i  t  i  s , 
Laurens,  Lauren  tis, 

T  i  h  11  r  s ,  Prise,  a.  0.  T  i  h  u  r  t  i  s ,  u.  a. 

Nach  l'riscian  hatten  die  jüngeren  abgestumpften  Formen  den 
Hochton  auf  der  Silbe,  wo  ihn  die  vollen  gehabt  hallen,  die  jetzt  ans 
Ende  des  Wortes  gerückt  war. 

An  diese  Wortformen  schliessen  sich  zunächst  eine  Anzahl  mit 
dem  Suffix  -ti  meist  von  einer  Verbalwurzel  gebildeter  Nomina,  die 
ebenfalls  das  i  vor  dem  s  des  Nominativs  abgeworfen  halten.  Solche 
sind : 

1  e  n  s ,  für  lentis, 
mens,  mentis, 
amens,  am  cutis, 

sors,  Pris.  VII,  64.  sortis,  Plaut.  Cas.  Prise.  VII,  30. 


—     58     — 

Ebenso  haben  das  i  vor  dem  s  des  Nominativs  eingebiisst: 
den s,  fons,  ars,  Mars    ((Jen.  PI.  M ar- 

gen s,  mons,  pars,  tium),  Anal.Gr. 

i  n  g  e  n  s ,  p  o n  s ,  m  o  r  s,  E.  E.  p.  136. 

libripens,      sons,  coliors, 

Ausserdem  findet  dieser  Abfall  des  i  aber  noch  in  zahlreichen 

anderen  Nominativen  statt.     So  in: 

f  r  o  n  s ,  fr  o  n  d  i  s,  Serv.  Verg.  Georg.  II,  372. 

Concors,  Concor dis,  Prise.  VII,  64. 

gians, 

trabs,  trabes,  Enn. Prise.  VII,  40.  F.yy.Sü. 

124. 
p  1  e  b  s ,  p  1  e  b  e  s ,  Prise,  a.  0. 

scobs,  Anal.  Gr.E.E.pA35.  scobis,  Prise.  VII,. 40. 
scrobs,«.  0.  scrobis,  a.  0.  fyrf.  Prob.  p.  1462. 

n  n  b  s,  a. 0.  /  ral.  Prob.  p.  1 4 6 2.  n  u  b  c  s  , 
corbs,  a.  0.  cor  bis  , 

orbs,  ct.  0.  orbis, 

seps,  sepes, 

0  p  s,  0  p  i  s , 

S  t  i  p  s,  s  t  i  p  e  s ,        s  t  i  p  i  s  , 

stirps,  stirpes,     slirpis, 

adeps,  adipis,  Prise,  VII,  41. 

Tax,  t'aees,  Fest.  p.  87. 

as,  assis, 

bes,  be  ssis,  tiirdn-e  ssis, 

gros,  g  r  n  i  s ,  Pltacilr.  f.  I,  8,  7.  .  inal.  Gr. 

/•'.  E.  />.  445. 
Gehl  dem  i  eine  Liquida  vorher,  so  ward  nach  Ausfall  ih's  i 

auch  das  s  des  Nominativs  abgeworfen.    So  in: 

vom  er,  vomeris,  Cat.  //•  /»'•  135. 

caro(n),  carni s,  Prise,  VI,  17. 

Die  ursprüngliche  Form  des  letzteren  Wortes  muss  also  caro- 

n  i  s  gewesen  sein. 

baccar,  ßc'cxxaQtg, 

zingiber,  £iyy£ß£Qi>S, 

\  rar,  A  ra  ris,  Prise,  V,   13. 

vnltiir,  villi  iiris, 


Dar 


paris,  Prise,  VII,  64. 


-    59    - 

1  i  e  n ,  ,  1  i  e  n  i  s , 

pecten,  pectinis,  Ann.  Gr.  E.  E.  p.  443. 

Die   mit   der    abgeschwächten   Form    des    Comparativsuffixes 
-teri,  -tri  für  -tero,  -tro  gebildeten-Adjectiva  behalten  entweder 
im  Nominativ  das  i,  dann  fällt  wie  in  denCasibus  obliquis  das  e  vor  r 
aus,  oder  sie  werfen  das  i  mit  dem  Nominativzeichen  ab  und  behal- 
ten das  e.     So  stehen  nebeneinander  die  mannlichen  Nominative: 
pedester,     pedestris,     campester,   c a m p e s t r i s , 
cq  uest  er,     equestris,     palustcr,      palustris. 
Silvester,     silvcstris, 

Ganz  ebenso  verhalten  sieh  die  mit  dem  Suffix  -beri,  -bri  für 
-bero,  -bro  gebildeten  Nomina  in  ihrer  Nominativbildung;  das 
zeigen : 

celeber,  neben  celebris, 

salubcr,,  salubris. 

Immer  warfen  die  Endung  -is  im  Nominativ  ab  die  Monats- 
namen: 

September,  November, 

0  c  l  o  her,  D  e  c  e  m  b  e  r. 

Die  mit  dem  Suffix  -  cei  i,  -  cri  für  -cero  ,  -  ero  gebildeten 
Adjectiva  zeigen  die  volle  und  die  stumpfe  Endung  des  Nomina- 
tivs in : 

,    alaeer,  neben  alacris, 

volucer,  volucris. 

In  ähnlicher  Weise  sieben  nebeneinander  die  Nominative: 
acer,  aeris, 

c e  1  er ,  c  e  1  e r  i s ,  AU.  tr.  Ribb.  p.  175. 

Die  Adjectiva  unter  den  hier  aufgeführten  Nominalformen  be- 
wahren im  Femininum,  das  überhaupt  in  den  Indogermanischen 
Sprachen  lange  Vokale  liebt  und  an  Vokalfülle  dem  Masculinuin 
voransteht,  die  vollen  auf  -i  s  auslautenden  Nominative. 

Auch  nach  1  fällt  die  ganze  Nominalivendung ,  is  ab  in: 
mugil,  für  niugilis, 

pugil,  pugilis, 

-  vigil*),  vigilis. 


*)  Kritisch  nicht  ganz  sicher  stehen  die  von  Ribbeck  in  den  Text  der 
Komiker  aufgenommenen  Formen  simil,  p.  223,  fürsimilis  und  per-, 
mil,  Tilin.  p.  119,  für  persimilis. 


-     60    - 

Ebenso  entstand  durch  das  Seilwinden  des  Auslautes  -is  die 
Conjunclion: 

vel 

aus  der  zweiten  Pers.  Sing.  Ind.  volis,  velis,  indem  wie  in  vul-t, 
fer-s,  fer-t,  es-,  es-t  füredis,  edit  der  Bindevokal  i  ausfiel, 
dann  aber  das  auslautende  s  nach  I  abfiel  wie  das  Nominativzeichen  s 
der  vorstehenden  Nominative. 

Im  Auslaut  ist  i  abgefallen  von  Nominalformen  wie  von 
Verbal  formen. 

Es  ist  abgefallen  im  Nominativ  neutraler  S lamme,  beson- 
ders nach  den  liquiden  1  und  r,  nachdem  es  zuvor  in  e,  den  gewöhn- 
lichen Vokal  des  Auslautes  umgelautet  worden  war.  So  im  Nomi- 
nativ der  mit  dem  Suffix  -ari  gebildeten  Neutralen  Stämme: 

p  u  1  vi  n  a  r,  neben   p  ul vi  n  a  r  e ,  Anal.  Gr.  E.  E.  p.  87. 

cochlear,  cochleare,  a.  0.  p.  444. 

t  o  r  c  u  1  a  r,  t  o  r  c  u  1  a  r  e ,  «.  0.  p.  87, 

exe  mplar,  exemplare, 

lacunar,  lacunare, 

calca r, 

I  ucar, 

soliar, 

ii  ubila  r, 

« 

Aehnlich  fällt  das  i  eines  Neutralen  Stammes  ab  in: 

piper,  7T87t£Ql. 

Nach  l  findel  sich  derselbe  Abfall  bei  den  neutralen  Stämmen, 
die  mit  dem  Suffix  -ali  gebildet  sind,  welches  nur  eine  etwas  andere 
Gestall  von  -ari  ist.    Also  in : 

animal,      neben     a  n  i  in  a  le,  Anal.  <ir.  E.E      penelral, 

p.  87.  Nata!,A'//Vr.'«W/. 

I  ribu  nal  ,  I  rib  u  na  I  e  ,  XVI,  7,  9. 

I  oral ,  l  ora le,  lanual , 

1>  u  tea  I ,  pu  l  eale  ,  >!  i  nerva  I , 

vectig  a  I,  L  ii  per  cal, 

capital,  capitale,  Baccanal, 

«•ervi  cal,  I' aguLal. 

Das  Avjectivsuffix  -ili  ist  vielfach  erst  durch  Assimilation  des 
ersten  u  zu  i  durch  das  zweite  i  aus  einer  alleren  Form  -uli  sewor- 


—    61     — 

den.  Von  der  neutralen  Form  mancher  mit  diesem  Suffix  gebildeten 
Adjectiva  finden  sich  Adverbien  ,  die  das  auslautende  i  abgeworfen 
haben;  so: 

faeul,  semol  , 

per  faeul,  sem  ul  , 

diffieul,  simul. 

'{Fest.  p.%1.  214.  Non.  p.  111.  Gert.  Ritschi,  Rh.  Mus.  VII,  319. 
Afran.  com.  Ribb.  p.  142.) 

Sonst  ist  nach  1  ein  in  e  umgelautetes  i  abgeworfen  in: 
sal,  für  sale,  Enn.  Prise.  V,  45.  Varr.  Non.  p.  152.  9. 
subtel. 
Das  Wort  ist  von  talus  abgeleitet.  Jn  der  Composition  schwächte 
sich  wahrscheinlich  das  o  des  Stammes  lalo-  zu  i  wie  in 
exanimis,  perennis  u.  a.  von  animo-,  anno-,  dann  fiel 
das  i  ab. 

Nach  anderen  Consonanten  fiel  das  i ,  e  von  einem  neutralen 
Stamme  im  Nominativ  ab  in  : 

lac,  lacte,  vgl.  Ritschi,  Rhein.  Mus. '.VII,  585.  606. 

os,  os'se,  Charts. p.  40.  Vgl.  ossum,  ossu. 

volup. 

Nach  Rilschl  (Bh.  Mus.  VIT,  319)  ist  nur  die  Form  volup 
»nachweislich  aus  Ilandschrifteir,  nicht  volup e.  Da  p  nicht  ur- 
sprünglich im  Auslaut  eines  Lateinischen  Wortes  gestanden  haben 
kann,  so  muss  ein  Vokal  abgefallen  sein,  und  da  auslautendes  a 
oder  o  von  Adverbien. nicht  abfallt,  so  kann  es  nur  i,  e  gewesen 
sein  wie  in  semul,  faeul  u.  a.;  volupe  setzt  dann  eine  mas- 
culine  Form  volupis  voraus,  wie  semul,  simul:  semulis, 
simu  lis. 

Sonst  ist  i  noch  abgefallen  in  den  mit  der  demonstrativen  Par- 
tikel -ti  zusammengesetzten  Wortformen: 

tot,   vgl.   Skr.  tati, 

q  u  o  t ,         Skr.  k  a  t  i , 

u  t ,  ii  t  i , 

s  i  c  u  t ,  s  i  c  u  t  i , 

v  e  1  u  t ,  v  e  1  u  t  i , 

a  ii  t ,  Osk.  a  u t i ,       Umbr.  o  t  e. 

(Bopp,  vgl.  Gr.  Ind.     Umbr.  Sprache!.  Woriverz.) 


—     62     — 

Dass  auch: 
post, 
pos 
ein  i  eingebüsst  hat,  das  sicherst  zu  e  schwächte,  ist  schon  oben 
(I,  337)  nachgewiesen;  aus  dem  Ablativ  postid- wurde  durch  die 
Mittelstufe  poste  (Plaut.  Stich.  380.  383.  387.  623.    Merc.  370 
u.  a.    Ritschi,  Rh.  Mus.  VII ,  567)  post  -  und  dieses  weiter  zu  pos 
abgestumpft  (Curtius,  Zeitschr.  für  vergl.  Sprach f.  I,  269.  N.  Jahrb. 
LXVIII,  48). 

Die  Vergleichung  des  Lateinischen  mit  den  verwandten  Spra- 
chen hat  gelehrt,  dass  die  Personalendungen  des  Verbum  -m,  -s, 
-t  durch  Abfall  eines  auslautenden  i  verstümmelt  sind  aus  -mi,  -si, 
-ti,  die  den  Griechischen  -ftt,  -ö"t,  -xi  entsprachen.  Eine  Spur 
dieser  verschollenen  volleren  Personalcndungen  hat  sich  noch  erhal- 
ten in  der  schon  besprochenen  Form  des  Carmen  Saliare  tremonti 
für  tremunt  (vgl.  I,  260). 

Aber  schon  auf  den  ältesten  Inschriften  erscheint  auch  in  der 
dritten  Pcrs.  Plur.  die  Personalendung  -ti  zu  -t  abgestumpft  in  For- 
men wie: 
d  e  d  e  r  o  n  t , 
dcdcrot,  u.  a.  I,  260. 

c. 
Abfall  des  e  findet  in  folgenden  Fällen  statt. 
Vor  auslautendem  s   fiel  ein  ursprünglich  langes  e  ab  in  den 
Griechischen  Namen: 

Pol  lux,     für     Polin  ccs,  alt  Poloces. 

P 1 1 a r oax,  P h arnaccs,  Prise.  V I,  \)\ .  II. 

Wie  Pollux  durch  die  Mittelstufen  Pollx,  Pol!  zu  Pol  sich 
abstumpfte,  ist  schon  erwähnt. 

Per  spateren  Volkssprache  gehört  an: 
facs,     für     facies,  Anal.  Gramm.  E.  F..  />.  444. 

Von  Verbalformen  fiel  auslautendes  e  ab  in  den  Imperativ- 
formen: 

die,  fer,      ^ 

(lue,  inger,  Cat.11,  2. 

fac, 
Inder  alten  Form  prospices  für  prospiee,  die  oben  (I. 
p.  338)  besprochen  ist,  hatte  sieh  das  Personalzeichen  (\^v  /weiten 
Person  Singularis  Imperal.  -s  noch  gehalten,  sonst  aber  erscheint  ps 


—     63     — 

überall  abgefallen.  Zu  Plautus  Zeit  sprach  man  noch  dice,  duce, 
face  neben  den  stumpfen  Formen  die,  duc,  fac;  später  tarnen 
jene  Formen  ab.  In  der  späteren  Volkssprache  greift  der  Abfall  des 
auslautenden  e  von  Imperativformen  noch  weiter  um  sich;  man 
sprach : 

olfac , 

d  e  d  u  c , 

reic , 

luc(?) 
Anal  Gramm.  E.  E.  p.  428. 

Auslautendes  e  in  einer  Verbalform  ist  auch  abgefallen  in  : 


n  e  -  u  , 

für 

n  e  -  v  e  , 

ce-u, 

ce-ve , 

se-u, 

se-ve. 

Aus  der  zweiten  Person  Singularis  vis  wurde  ve  wie  aus  ama- 
beris  amabere,  dann  fiel  das  e  ab,  und  da  v  nicht  im  Auslaut 
Lateinischer  Wörter  slchen  konnte ,  so  löste  es  sich  zu  u  auf.  In 
diesem  u  ist  also  der  letzte  Rest  der  Verbalform  volis,  velis  zu 
finden,  die  in  absteigender  Stufenfolge  einerseits  zu  vels,  vel, 
andrerseits  zu  v'lis  (oder  vil's),  vis,  vi,  ve,  v,  u  verstümmelt 
wurde.  Der  Grund  dieser  argen  Verstümmelung  lag  darin,  dass 
dieses  Verbum,  wie  sich  unten  ergeben  wird,  enklitisch  war, 
und  da  es  vielfach  seinen  eigenen  Hochton  einbüssle  auch  an  seinem 
Leibe  tödllichen  Schaden  nahm. 

Vereinzelt  steht  die  Infinitivform : 
biber,  Titin.  Charts. p.  99.  Ribb.  Com.  p.  124. 

Sonst  ist  ein  e  von  Verbalformcn  noch  abgefallen  in  don  Pas- 
sivendungen, deren  auslautendes  r,  wie  oben  besprochen  ist,  aus 
dem  Reflexivpronomen  se  entstand.  Dieser  Abfall  muss  sehr  all 
gewesen  sein,  da  er,  wie  die  Form  nanesitor  zeigt,  schon  zur 
Zeit  der  Abfassung  der  Zwölf  Tafeln  vollendet  war. 

Das  c  der  enklitischen  Anfügung  -ce,  die  oben  als  Lo- 
cativform  des  Pronominalstammes  -co  erklärt  ist,  fiel  ab  in: 
hie,  hie,  h  u  c ,  h  i  n  c , 

hacc,  illic,  illuc,  illinc, 

hoc,  istic,  istuc,  istinc,  u.  a. 

Doch  auch  hier  zeigt  die  Lateinische  Sprache  grosses  Schwan- 
ken. Während  nämlich  in  den  Inschriften  aus  der  Zeit  der  Puni  - 
sehen  u nd  M  a  c  e  d  o  n  i  s  c h  e  n  Kriege  vorwiegend  die  e  i  n  s  i  1  b i  - 


—     64    — 

gen  Formen  gebräuchlich  sind  wie  hone,  hoc  [til.  Scipion.),  ge- 
ben die  Inschriften  der  Grac  eben  zeit  den  vollen  Formen  wie 
hince  {Mil.  PopiL)  hance,  hace,  hoce  (f.  Baut.)  den  Vorzug 
{vgl.  Bitschi,  Mon.  Epigr.  tr.  Epigr.  Sor.  p.  16.  Fleckeisen,  Bhein. 
Mus.  VII,  271);  später  sind  die  abgestumpften  vorwiegend  im 
Gebrauch. 

Ebenso  ist  si-ce  abgestumpft  zu: 

sie. 

Das  si-  verhält  sich  zum  demonstrativen  Pronominalstamme 
so-,  von  dem  Ennius  noch  sum,  sam,  sos,  sas  brauchte  (VaJü. 
incl.  p.  229)  wie  das  i  1 1  i  - ,  h  i  - ,  i  s t  i  -  von  i  1 1  i  c ,  hie,  i  s  t i  c  zu  den 
Stämmen  illo-,  ho-,  isto-;  auch  si-c  ist  eine  Locativform; 
seine  ortliche  Bedeutung  d  a  ist  aber  in  die  modale  so  übergegangen. 
Im  Sanskrit  lautet  jener  Pronominalstamm  sva-  und  der  findet 
sich  treu  bewahrt  in  dem  Altlateinischen  Adverbium  suad,  einem 
feminincn.Ablativ,  mit  der  "Bedeutung  so,  wie  aus  Verrius  Flaccus 
Erklärung  erhellt ,  Fest*  p.  351:  'suad  t  e  d '  i  de  m  a  i  t  esse 
csic  te'. 

Wie  das  enklitische  -ce  sind  auch  die  ebenfalls  enklitischen 
Anfügungen  -que,  -ne,  -psc  durch  Abfall  des  auslautenden  e  ab- 
gestumpft worden. 

Que,  von  dessen  Entstehung  aus  einem  Ablativischen  Adverbium 
qued  oben  gehandelt  worden  ist  (I,  336),  stumpft  sich  zu   c  ab  in: 

n  c  c , 

ac; 
das  angefügte  -ne  wird  zu  n  abgestumpft  in: 

<]  ii  in,  in cn ,  tanton,  l  im, 

sin,  falson, 

potin,  ipson, 

s  a  t  i  n , 

min, 

im  vi  st  in,         vi  de  n, 

noslin,  valeu, 

a  ii di  n  ,  habe  n, 

abin,  auden, 

a  i  n. 

Solche  Formen  sind  zwar  den  Comikern  und  der  Volkssprache 
am  geläufigsten,  linden  sieb  aber  auch  bei  Vergil,  Horaz,  Persius  und 
anderen   Dichtern« 


—     65     — 

Das  Suffix  -pse  ist  durch  Abfall  des  e -abgestumpft  zu  ps  in  den 
Formen : 

siremps,   t.  Bani.    l.agr.l.agr.     neben    sirempse,  Plaut. 

{Thor.)  I.  Ri/br.  ?/.  a.  Amph.  73. 

s  i  r  e  p  s ,  Cato ,  Charts,  p.  73.  p.  116. 
Vgl.  misch/,  Rhein.  Mus.  VIII,  298.  f. 

Es  ist  nun  der  Abfall  der  Vokale  in  Compositen  zu  betrach- 
ten, der  besonders  in  den  Nominativformen  derselben  hervortritt. 

Der  Abfall  des  auslautenden  Stamm  vokales  vor  oder 
mit  dem  s  des  Nominativs  bat  im  zweiten  Glied e  von  zahlreichen 
Compositen  statt  gefunden. 

Der  auslautende  Stammvokal  fiel  mit  dem  s  des  Nominativs  zu- 
sammen im  zweiten  Compositionsgliede  ah  nach  den  liquiden  r 
und   n;  so  nach  r  in: 

L  uei  fer, 
a  q  u  i  1  i  f  e  r , 
pomifer; 


a  urifer, 

i  g  n  i  f  e  r  , 

somnifer, 

signifer, 

frugifer, 

ge  mini  fer 

a  r  m  i  g  e  r , 

c  o  r  n  i  g  e  r , 

1  a  u  r  i  g  e  r , 

aliger, 

diese  Composita  entsprechen  also  in  ihrer  Nominativbildung  den  ein- 
fachen puer,  socer,  gener,  teuer,  asper  u.a.     Ebenso  fällt 
der  auslautende  Stammvokal  mit  dem  s  desNominativs  ab  nach  n  in: 
l  i  b  i  c  e  n ,  c  o  r  n  i  c  e  n  ,  1  i  t  i  c  e  n , 

t  u  b i  c  e  n,  f id i c e  n ,  o  s  c  e  n. 

Vergleicht  man  mit  diesen  Formen  die  Nominative  lien,  pec~ 
ten  neben  den  volleren  Formen  lienis,  pectinis,  so  liegt  der 
Schluss  nahe,  dass  tibici ni s,  tubi ci  ni s  u.  a.  die  volleren  Formen 
jener  Composita  waren. 

Der  auslautende  Stammvokal  des  zweiten  Compositionsgliedes 
fiel  vor  dem  s  des  Nominativs  weg  nach  Muten. 

So  nach  den  Gutturalen  c,  g,  q  in: 
o p i f e x,  vgl.  Wz.  f a c-,    rem e x,vgl.  Wz. ag-, pr a e c o x,vgl.  Wz.  c o q-, 
artifex,  senex, 

aurifex, 

v  e  r  s  i  f  e  x ,  c  o  n  i  u  x ,  i  u  g  - , 

ob  ex,  für  obiex,iac-, 

a u s p e x  ,  s p e c,  s u p e  1 1  e x ,       leg-, 

e  x  t  i  s  p  e  x  , 
aruspex, 

CORSSEN  II.  ft 


-     66 


r  esex  ,  vgl.   Wz.  sec- 

foenisex, 

index,  die-, 

iudex, 

v  i  n  d  e  x  , 

tradux,  duc- 

redux, 

auuilex , 


lic-. 


Nach  dem  Labialen  p  in : 
partieeps,        maneeps,         deineeps,  vgl.  Wz.  cap-, 
a  u  c  e  p  s. 

Nach  den  Lingualen  t  und  d,  die  nach  Ausfall  des  Vokals 
vor  dem  s  ebenfalls  schwanden,  in: 

p  r  a  e  p  e s ,  vgl.  Wz.  p  e  t  - ,  1  ib  r  i  p  e  n  s ,  vgl.  Wz.  p  e  n  d  - , 

p  e  r  p  e  s ,  p  r  a  e  s  e  s ,  s  e  d  - , 

d  e  s  e  s , 

o  h  s  e  s , 

r  e  s  e  s  , 

i  n  c  u  s  ,  c  u  (1  - , 

SU  1)  SC  US  , 

cuppes,  ed-,  vgl. 

cuped  ia,  Fest.p.  48. 

praes,     vgl.    Wz,    vid-, 

(praevia  -s). 
Etwas  abweichend  von  diesen  Composilen  sind  eine  Anzahl  an- 
derer gebildet,  deren  zweites  Glied  mittels!  eines  auf  t  anlautenden 
Suffixes  von  einem  vokalisch  auslautenden  Verhalstamm   gebildet 
ist;  so: 

a  n  t  i  s  t  e  s  ,     vgl.      -  s  I  a  - 1  - ,  ( s  I  a  -  r  e  ) , 

s u p er  s  t e s , 

co nies,  caeles,     -i-t-,  (i-re), 

pedes,  trames, 
e  q  u  e  s ,  m  i  1  e  s ,       4 

m  a  nsiics,     vgl .     mansuetus,     (sue-scere), 
locu  ples,  implet  11  s,         (ple-re,  v.  plentur,  Fest. 230.) 

Wie  ein  ganzes  Suflix  des  zweiten  Bestandtheiles  in  solchen 
Compositcn  vor  dem  s  des  Nominatives  zn  Grunde  geben  konnte, 
eigen  Composita,  deren  zweiter  Bestandteil  caputist,  so: 


-     67     — 

anccps,     vgl.    ancipes,  Plaut.  Rud.AXbS. 

p  r  a  e  c  e  p  s ,         p  r a  e  c  i  p  e  s ,  a .  0.  67 1 . 

b  i  c  e  p  s , 

t  r  i  c  e  p  s  , 
die   aus  den  volleren   Formen  ambi-ciput-s,  prae-eipu  t-s, 
(lni-ciput-s  u.  a.  hervorgegangen  sind. 

Man  vergleiche  nun  wie  neben  diesen  zusammengesetzten  Wort- 
formen, deren  zweites  Glied  der  consonantischen  Declination  ange- 
hört, solche  stehen,  die  denselben  zweiten  Bcstandtheil  nach  der 
O-Declination  dectiren.     So  steht  nebeneinander: 

o  p  i  f  e  x,  m  a  g  n  i  f  i  c  u  s ,  vgl.  Wz.  f  a  c  - , 

artifex  u.a.,      miri  ficus  u.  a., 

index,  fatidicus,  die-, 

iudex,  veridicus  u.  a., 

supellex,  sacrilegus,  leg-, 

i*  e  m  ex,  p  r  o  d  i  g  u  s ,  a  g  - , 

praecox,  praecoquus,  c  o  q  - , 

in  an  su  es,  mansuetus,  sue-. 

Eine  vollere  Form  des  Nominativs  neben  einer  abgestumpften 
findet  sich  ferner  nebeneinander  in: 

c  o  n  i  u  x ,  b  i  i  u  g  i  s  , 

q  u  a  d  r  i  i  u  g  i  s  , 

p  r  a  e  c  o  x ,  praecoqui  s. 

Diese  Zusammenstellung  zeigt,  verglichen  mit  den  obigen  Bei- 
spielen von  Abfall  des  Klassen  vokales  o  oder  i  vor  oder  mit 
dem  s  des  Nominativs,  dass  auch  die  Composita  solche  Ein- 
busse  erlitten  haben.  Aus  den  Genetiven  3Ju  1  eiber is,  cancris, 
sequestris  erhellt  der  Uebergang  von  einfachen  Wortstämmen  in  die 
consonantische  und  I-Declination.  Ebenso  ist  oben  gezeigt  worden, 
wie  Stämme,  die  auf  a,  o,  u  auslauten,  sobald  sie  zweites  Glied  eines 
Compositum  werden,  diese  Vokale  zu  i  schwächen  und  in  die  I-De- 
clination übergehen,  wie  dies  zum  Beispiel  in  bilinguis,  imber- 
b  i  s  ,  i  n  e  r  m  i  s  ,  e  x  a  n  i  m  i  s  ,  p  e  r  e  n  n  i  s  ,  i  n  s  i  g  n  i  s ,  i  1 1  u  s  t  r  i  s 
der  Fall  ist.     Vergleicht  man  also  : 

i  u  g  u  m ,  b  i  i  u  g  i  s  ,  c  o  n  i  u  x , 

praecoquus,    p r a e c o q u  i  s  ,  pniocox, 

so  ist  klar,  dass  in  den  oben  zusammengestellten  Compositen  der 
zweite  Theil  entweder  ein  auf  o  auslautender  Stamm  war,  der 
durch  Schwächung  des  o  zu  i  erst  in  die  I-Declination  über- 

5* 


-     GS    - 

ging  und  den  Nominativ  Singularis  auf  -is  bildete,  dann  aber  wie 
so  viele  einfache  Wortstä'mme  d;is  i  vor  s  im  Nominativ  ausfallen 
liess  und  der  con  so  nautischen  Peclinjtion  folgte,  dass  also 
opificus,  artificus,  indicus,  iudicus,  remigus  die  ur- 
sprüngliche Form  der  Composita  war,  wie  magnificus,  miri- 
ficus,  fatidicus,  prodigus  diese  Gestalt  des  zweiten  Com- 
positionsgliedes  zeigen,  und  aus  ihnen  die  stumpfen  Formen  opi- 
f  e  x  ,  a  r  t  i  f  e  x  ,  index,  iudex,  r  e  m  e  x  durch  Vokalabfall  her- 
vorgingen ;  oder  dass  das  zweite  Compositionsglied  von  vorn 
herein  als  ein  Stamm  der  I  -  D  e  c  lination  auftrat,  und  dann  in 
die  con  so  na  ntis  che  Declination  übertrat  durch  Abfall  eines  i. 
Wie  weit  die  Abstumpfung  des  zweiten  Compositionsgliedes  gehen 
kann,  das  zeigen  die  Zusammensetzungen: 

quincunx  ,  von  uncia  , 

s  e  s  c  u  n  x  , 

d  e  c  u  n  x. 

Ihre  ursprüngliche  Form  kann  nur  quincuncius,  sescun- 
cius,  decuncius  gewesen  sein;  sie  bitssten  also  das  ganze  Suf- 
fix -io,  indem  das  auslautende  o  des  Stammes  sich  erst  zu  i 
schwächte  und  nun  mit  dem  vorhergehenden  i  verschmolz,  dann 
aber  auch  dieses  aus  ii  entstandene  I  sich  kürzte  und  schwand, 
so  dass  aus  der  ursprünglichen  Nominativform  quincuncius 
durch  die  Mittelstufe  quineuncis  quincunx   entstand. 

Dass  also  in  den  hier  zusammengestellten  Compositen  vom 
Stamme  des  zweiten  Compositionsgliedes  ein  Vokal  o  oder  i  abfiel, 
steht  fest,  man  kann  nur  nicht  mit  Bestimmtheil  angeben,  welcher 
Vokal  es  in  jedem  einzelnen  Falle  gewesen  ist. 

Am  Schlüsse  dieser  Untersuchung  Ober  den  Vokalabfall  im  La- 
teinischen wird  es  rrspriesslich  sein,  kurz  den  Nachweis  zu  führen, 
dass  in  den  verwandten  Italischen  Dialekten,  insbesondere  dem  Um- 
bri  sehen  und  Oskischen,  ganz  derselbe  Vokalabfall  unter  glei- 
chen Bedingungen  erscheint;  das  lehrt  einfach  folgende  Zu- 
sammenstellung von  Beispielen: 

Abfall  des  stammhaften  o  mit  dem  s  des  Nominativs  nach  den 
Liquiden  1  und  r: 

Lat.  Umbr.  Osk. 

ager,  ager, 

figely  famel, 


—     69     — 


Lal.                             Umbr. 

Osk. 

mascel,                     catel(catulus), 

Mutil, 

famul, 

P  a  a  k  u  l ; 

Abfall  des  o  vor  dem  s  des  Nominativs  nach  n : 

Camp  ans, 

A  a  d  i  r  a  n 

Bantins, 
P  o  m  p  a  i  i  a  n  s  ; 
Abfall  des  o  vor  dem  s  des  Nominativs  nach  Muten: 

d a m n a  s  ,  pihaz(piatus),  h u r z  ( h  o r  t u s ) , 

sanas,  t e r m n a s  (t ermi na t u s), 

m ans ues,  taqez(tacitus),  tovtiks    (tuti- 

iudex,  cus); 

Abfall  des  i  mit  dem  s  des  Nominativs: 

a  c  e  r ,  p  a  c  e  r , 

alacer,  ükar  (ocris); 

Abfall  des  auslautenden  i  in  Adverbien  und  Conjunctionen: 

p o s t(p o s t e,p o s t i d), post(pusti,  posti),     post, 

p  o  s ,  p  u  s , 

a u t ,  aut(auti); 

Abfall  des  auslautenden  e  (i)  von  enklitischen  Anfügungen: 


ne-c, 

ne-p, 

ne-p, 

nei-p, 

ne  i-p , 

h  i  -  c , 

io-k  ; 

h  a  e  -  c  , 

io-c, 

lmn-c, 

ion-c; 

Abfall  des  e  von 

dem 

reflexiven  Pronomen 

-se,  das  als  Suffix  zu  r 

verstümmelt  der 

Passivbildung  dient : 

e  m  a  n  t  u  r , 

e  m  a  n  t  u  r , 

t  e  r  g  e  a  n  t  u  r . 

i 

t  e  r  k  a  n  t  u  r , 

v  i  n  c  i  t  u  r , 

v  i  n  k  t  e  r , 

s  a  c  r  a  t  u  r, 

sakarale  r. 

( Vgl.  Momms.  Unt.  Dial.  Gloss.  AK.  Umbr.  Sprd.  Wortverz.) 

Diese  Beispiele  geniigen  um  zu  zeigen,  dass  der  Vokalabfall  im 
Umbrischen  und  Oskischen  unter  denselben  lautlichen  Bedingungen 
eintrat  wie  im  Lateinischen,  sowie  oben  nachgewiesen  ist,  dass  auch 
der  Vokalausfall  in  jenen  Dialekten  an  derselben  Stelle  des  Wortes 
eintrat  wie  im  Lateinischen.  Aus  dieser  Uebereinstimmung  wird 
in  dem  Abschnitte  über  die  Betonung  der  Nachweis  geführt  werden 
über  die  Betonungsweise  der  Italischen  Dialekte.     Dass  die  Latei- 


—     70     — 

nische  Sprache  den  Weg  der  Abstumpfung  ihrer  Endsilben  durch 
Vokalabfall  schon  zur  Zeit  des  ersten  Punischen  Krieges  be- 
treten hatte,  zeigen  Formen  wie  Camp  ans,  sus-que,  pol,  vel, 
-ve,  facul,  vohip,  pos,  dedro;  die  Einführung  der  Griechischen 
Metrik  hemmte  in  der  Schriftsprache  das  weitere  Einreissen  dieser 
Abstumpfung,  aber  dass  dieselbe  in  der  Volkssprache  der  späteren 
Kaiserzeit  weiter  um  sich  griff,  geht  aus  Formen  derselben  wie  te- 
ter, barbar,  figel,  mascel,  vel,  olfac,  reic  u.  a.  deutlich 
hervor. 

Es  muss  hier  vorläufig  darauf  hingewiesen  werden,  dass  auch 
für  den  Vokalabfall  und  das  dadurch  bedingte  Absterben  der  End- 
silben der  tiefere  Grund  in  dem  ßetonungsgesetz  der  Lateinischen 
Sprache  und  der  ihr  nahe  verwandten  Mundarten  zu  suchen  ist, 
nach  dem  die  Endsilben  in  der  Regel  tieftonig  gesprochen  wurden, 
daher  leicht  in  der  Aussprache  vernachlässigt  wurden  und  verküm- 
merten. 


E.    Irrationale   Vokale. 

Die  Buchst  abe  nschrift  vieler  Sprachen  hat  verschiedene 
Zeichen  für  kurze  und  für  lange  Vokale,  die  Verskunst  misst 
jenen  die  Tondauer  von  einer,  diesen  von  zwei  Moren  oder 
Zeitweilen  bei.  Die  lebendige  Sprache  aber  hat  vokalische 
Laute,  die  sich  mit  dieser  Maasseinheit  einer  Zeitweile  nielit  genau 
messen  lassen,  ohne  dass  ein  Bruehtheil  ihres  Lautklanges  über 
oder  unter  jener  Maasseinheit  übrig  bliebe,  gerade  so  wie  die 
Musik  neben  ganzen,  halben,  viertel,  achtel,  sechzehntel  Tönen 
solche  kennt,  die  ihrer  Tondauer  nach  zwischen  je  zweien  von 
diesen  liegen  und  nicht  genau  messbar,  das  heisst  irratio- 
nal sind.  In  den  vorhergehenden  Abschnitten  ist  gezeigt  worden, 
wie  allmählig  lange  Vokale  im  Lateinischen  unter  mannigfachen 
Schwankungen  sich  kürzten  und  kurze  ganz  schwanden.  K*?in 
langer  Vokal  ist  in  der  lebendigen  Volkssprache  plötzlich  über 
Nacht  zum  kurzen  verschnitten  worden,  kein  kurzer  ist  mit 
einem  Schlag  ans  dein  Wortkörper  entrückt,  etwa  wie  man 
das  Schriftzeichen  für  ihn  mit  einem  Federstrich  tilgt,  sondern 
der  zweizeitige  lange  Vokal  machte  eine  initiiere  Tondauer 
durch,   che  er  vollständig  zum  einzeiligen  kurzen  einschrumpfte; 


—     7t     — 

der  einzeilige  kurze  Vokal  verkrüppelte  in  seiner  Tondauer  zum 
Bruch  tli  eile  einer  Zeit  weile  und  schwebte  als  Lautstummel 
oft  lange  Zeit  zwischen  Leben  und  Sterben,  ehe  er  verklang. 

Ueber  die  m  i  1 1  e  1  z  e  i  t  i  g  e  n  Vokale  oder  i  r  r  a  t  i  o  n  a  1  e  n  L  ä  n  - 
gen  ist  in  dem  Abschnitt  von  der  Kürzung  der  Vokale  die  Rede 
gewesen;  hier  sind  die  irrationalen  Kürzen  oder  die  stum- 
men Vokale  in  den  Kreis  der  Untersuchung  zu  ziehen. 

Solche  Vokal  trümmer  sind  in  den  Semitischen  Spra- 
chen die  Schwa,  die  in  der  Lautgestaltung  derselben  überaus  fein 
und  mannigfach  ausgebildet  erscheinen.  Solche  stumme  und  ver- 
kommene vokalische  Laute  kennen  auch  die  neueren  Sp'ra  - 
chen,  und  das  stumme  e  im  Deutschen  wie  im  Französi- 
schen ist  nichts  weiter  als  der  letzte  matte  Nachklang  eines 
abgestorbenen  Vokales,  das  Kennzeichen  eines  geschwäch- 
ten und  zerrütteten  Vokalismus  der  Sprache.  Im  Lateinische  n 
erscheinen  s t  u m m e  Vokale  einmal  vor  Consonanten,  und  zwar 
vor  einfachen  wie  vor  gehäuften  Consonantischen  Lauten,  dann 
aber  auch  vor  anderen  Vokalen,  und  zwar  sowohl  wenn  sich 
zwei  Vokale  innerhalb  eines  Wortes  berühren,  als  wenn  sie 
im  Zusammenhang  der  Rede  im  Auslaut  und  Anlaut  zweier 
aufeinander  folgenden  Worte  zusammentreffen.  Hier  sind 
also  zunächst  die  stummen  Vokale  vor  Consonanten,  dann 
die  gh 
ziehen 


die   gleichen   irrationalen   Laute    vor    Vokalen    in    Betracht   zu 


1)  Irrationale  Vokale  vor  Consonanten. 

Der  eine  Theil  der  Untersuchung  über  die  irrationalen  Vo- 
kale vor  Consonanten  ist  schon  in  dem  Abschnitt  über  die 
Vokalausstoss  u  n.g  erledigt,  indem  nachgewiesen  wurde  wie  u 
vor  folgendem  1  und  m,  i  vor  folgendem  s  und  n,  e  vor  folgendem  r 
in  vielen  Fällen  nicht  mehr  die  Geltung  voller  Kürzen  ha- 
ben, sondern  stumm  geworden  sind,  dass  sie  daher  in  der 
Schrift  bald  noch  mit  einem  Vokalzeichen  bezeichnet  werden,  bald 
nicht,  dass  sie  in  der  Versmessung  bald  noch  als  volle  Kürzen  ge- 
messen, bald  als  ganz  bedeutungslos  übergangen  wurden.  Es 
ist  daher  hinlänglich,  diese  Ergebnisse  hier  kurz  zusammenzu- 
stellen. 

So  erschien  u  als  stummer  Vokal  zwischen  Muten  und  1  in 
Formen  wie: 


v  i  n  c  u  1  u  m ,  m  a  n  i  p  u  1  u  s ,  v  e  l  u  1  u  s , 

p  e  r  i  c  u  I  u  m ,  t  e  m  p  u  1  u  m  ,  v  i  t  u  1  u  s, 

oraculum,  discipulina,  crustülum, 

ficula,  fibula,  capitulum,  vgl.  II, 

v  i  6.  /. 

a  n  g  u  1  u  s ,  ' 

So  entwickelte  sich  zwischen  c,  ch  und  m  aus  demU-ähnlichen 
Beiklang  des  Consonanten  m  ein  stummes  u  in: 

Alcumena,  Tecumessa, 

Alcumaeo,  drachuma,  vgl.  I,  253, 

und  aus  dem  sehr  bestimmt  wahrnehmbaren  U- ähnlichen  Beiklang 
des  1  ebenfalls  ein  stummes  u  (o)  zwischen  c  und  1  in : 

Hercoles,  Patricoles, 

Hercules,  Aesculapius,  vgl.  I,  258. 

Zwischen  Muten  und  r  klang  e  häufig  bloss  noch  wie  der  vo- 
kalische E-ähn  liehe  Beiklang  des  flüssigsten  und  vokalähnlich- 
sten Consonanten  r,  es  war  so  stumm  und  unentschieden  im  Klange 
geworden,  dass  es  in  der  Schrift  bald  noch  durch  das  Schrittzeichen 
E  bezeichnet  wurde,  bald  unberücksichtigt  blieb,  jenachdem  es  noch 
etwas  stärker  oder  schwächer  durchklang;  so  in: 

de  xt  er  um,  infera,  liberi, 

a  1 1  e  r  i  m ,  s  u  p  c  r  a ,  M  u  1  c  i  b  e  r  i , 

litt  er  as,   Plaut.      a  s  p  r  r  i ,  Mul  eiberis.  Vgl.  II, 

Pers.  173.  15./. 

Ein  stummes  i  hat  sich  im  Lateinischen  gebildet  aus  dem 
I-ähnlichen  Beiklang  des  n  in: 

t  ech  Ina,  Procina,  mina, 

lucinus,  Daphine,  byminis, 

V  V  V  | 

Cucinus,  Ariadme,  g] mina  s  i  u  m,  vgl.  I. 

•2s:». 
Ebenso  hat    sich  aus   dem    I- ähnlichen  vokalischen  Beiklang 
des  s   im  Anlaut  der  Wörter  schon  auf  dem  Boden  der  Spätlateini- 
schen Volkssprache  ein  stummes  i  entwickelt,  das  auch  auf  die  Ro- 
manischen Sprachen  vererbt  ist;   so  in. 


73 


i s t a t u a m  ,  I s t a  v e r i u s ,  Ispartacus, 

v  v 

istruis,  Isticho,  iscevas,  vgl. I,  289. 

istares,  i  Spiritus, 

Wenn  also  im  Lateinischen  die  Schreibart  schwankt  zwischen : 

p  e  r  i  c  u  1  u  m ,  p  e  r  i  c  1  u  m  , 

m  i  r  a  c  u  1  u  m ,  m  i  r  a  c  1  u  m , 

manipulus,  maniplus, 

extempulo,  extemplo, 

dextera,  dextra, 

supera  ,  supra  u.  a., 

so  stehen  dem  Schwankungen  der  Schreibweise  in  neueren  Sprachen 
zur  Seite  wie : 

Deutsch :  Franz.  : 

gerade,  grade,  e  s  p  e  r  i  t  (all),       e  s  p  r  i  t , 

Ungelücke,         Unglück,  serement  (alt),  s er ment, 

Geschworene,  Gesch worne,     donnerai,         donrai  (alt), 
gesehen,  g  e  s  e  h  n  ,  s  u  r  e  1 6,  s  u  r  t  e  (alt), 

betrübet,  betrübt,  durete,  durte  (alt). 

Das  Schwanken  kommt  daher,  weil  für  jene  stummen  Vokale 
die  Bezeichnung  eines  unversehrten  Vokales  nicht  mehr  völlig  an- 
gemessen war  und  fnan  doch  einen  Laut  horte,  den  man  in  der 
Schrift  nicht  ganz  übergehen  wollte. 

Aber  stumme  oder  irrationale  Vokale  machen  sich  in  der  älte- 
ren Lateinischen  Sprache  noch  dadurch  kenntlich,  dass  sie  in  der 
Versmessung  nicht  die  Geltung  von  kurzen  Vokalen  erhallen, 
dass  sie  namentlich  vor  folgenden  gehäuften  (Konsonanten  im 
Versbau  der  älteren  scenischen  Dichter  nicht  durch  Posi- 
tion lang  werden.  Zu  erweisen,  dass  zahlreiche  Eigenthüm- 
lichkeiten  und  Abweichungen  dieser  älteren  Metrik,  namentlich 
die  sogenannten  Positionsvernachlässigungen  bei  P 1  a u t u s 
und  anderen  scehi  sehen  Dichtern  in  irrationalen  Vokalen 
ihren  Grund  haben,  das  ist  das  Hauptziel,  auf  das  die  hier  begin- 
nende Untersuchung  hinarbeitet. 

Alle  sogenannte  Position  s  länge  ist  nichts  anderes  als  Na- 
turlänge, als  Tondauer  durch  zwei  Zeit  weilen  hin,  aber  nicht 
eines  einzigen  Vokales,  sondern  der  La  utverbindung  von  Vo- 
kal  und  Consonanten,   die    zusammen    solange   klingen   wie 


—     74     — 

ein  einfacher  zweizeitiger  Vokal.  Da  auch  die  Consonanten 
einen  zum  Theil  sehr  hörbaren  und  ausgeprägten  vokalischen  Bei- 
klang haben,  da  sie  unzweifelhaft  auch  bei  der  Aussprache  des 
Wortes  die  Sprachorgane  eine  Zeit  lang  beschäftigen,  so  haben  sie, 
mag  dies  Zeittheilchen  auch  noch  so  klein  und  unmessbar  sein, 
doch  eine  Quantität.  So  gewiss  die  Knochen  im  menschlichen 
Leibe  ihren  Raum  haben,  so  gewiss  haben  die  Consonanten  im  Ton- 
leib des  Wortes  ihre  Zeit.  Häufen  sich  nach  einem  Vokale  die 
Consonanten,  so  werden  die  Sprachorgane  mit  Aussprache  der- 
selben eine  Weile  länger  und  angestrengter  beschäftigt  als  wenn 
nur  ein  Consonant  dem  Vokal  folgt.  Indem  diese  unmessbar  kleine 
Zeitdauer  der  consonantischen  Tone  mit  dem  Zeitmaass  des 
vokalischen  Tones  zusammenfliesst,  scheint  dieser  selbst  einen 
Zuwachs  zu  erhalten  und  heisst  dann  durch  Position  lang. 

Um  die  Grenzen  zu  bestimmen  innerhalb  deren  sich  die  Ver- 
nachlässigung der  Position  bei  den  scenischen  Dichtern  bewegte, 
bedurfte  es  vor  allen  einer  kritischen  Sicherstellung  des 
Textes  derselben.  Für  diese  ist  erst  durch  die  handschriftliche 
Forschung  der  neusten  Zeit  eine  Grundlage  gewonnen,  und  auf 
dieser  fussend  hat  Ritsch]  sich  das  Verdienst  um  die  Geschichte 
der  Lateinischen  Sprache  und  der  Komischen  Poesie  erworben, 
für  den  Gebrauch  des  Plautus  diese  Grenzlinien  in  seinen 
Prolegomena  zum  Trinummus  gezogen  zu  haben.  Die  Ergebnisse 
dieser  Forschung  hat  Flecke  isen  in  einer  treulichen  Recen- 
sion  des  Hitschischen  Werkes  (Neue  Jahrb. LH,  235.  /".  L\l,  17./*.) 
bestätigt,  berichtigt  und  erweitert;  im  Anschluss  an  diese  Er- 
gebnisse hat  auch  Ritschi  in  späteren  Ausgaben  von  Plau- 
tinischen  Stücken  die  Grenzen  der  PositionsvernachlÄssigung 
für  Plautus  noch  weiter  gesteckt  als  in  der  Vorrede  zum  Tri- 
nummus, und  durch  die  Herausgabe  der  Fragmente  der 
tragischen  und  komischen  D  i  cht  e  r  sind  neuerdings  für  die 
vorliegende  Frage  sprachliche  und  metrische  Tbatsachen  ans  Licht 


©' 


getreten.  Ehe  aber  der  Ritschlsche  Plautus  nicht  vollendet  ist, 
ehe  der  Rembinus  des  Terenz  nicht  auf  dieselbe  Art  von  kun- 
diger Hand  ausgebeutet  ist  wie  der  Ambrosianus  des  Plautus, 
kann  man  die  kritische  Forschung  auf  diesem  Gebiete  nicht  als  ab- 
geschlo  ssen  ansehen. 

Schon   die  alten   Grammatiker   wussten,    dass    die   komischen 
Dichter  von  ihren  Griechischen  Vorbildern  im  Versbau  viellach  des- 


—     75     — 

halb  abwichen,  weil  sie  die  volksth  um  liehe  Umgangs- 
sprache, allerdings  in  dichterisch  veredelter  Gestalt,  wieder- 
gaben*], die  sich  dem  metrischen  und  prosodischen  Canon  viel- 
fach nicht  fügen  wollte.  So  sagt  Marius  Victorinus  p.  256: 
Comici  dum  cotidianum  sermonem  imitari  nituntur, 
metra  vitiant  studio,  non  imperitia,  quod  frequen- 
tius  apud  nostros  quam  Graecos  invenimus  (vgl.  Prise. 
Hb.  d.  vers.  com.  p.  1321.  Ter.  Maier.  2433).  Den  Grund  für  die 
Vernachlässigung  der  Position  bei  Plautus  und  Terenz  suchten 
neuere  Grammatiker  schon  frühzeitig  in  der  Neigung  der  Lateini- 
schen Volkssprache,  gewisse  Vokale  auszustossen.  Diese 
Erklärung  versuchte  schon  Chr.  Was e  in  seiner  Schrift  Senarius 
sive  de  legibus  el  licentia  veterum  poelarum,  Oooon.  1687,  eine  sehr 
fleissige  aber  unkritische  Arbeit.  Die  neueren  Herausgeber  des 
Plautus  und  Terenz  wie  Bentley,  G.  Hermann,  Ritschi, 
Fleckeisen  nehmen  für  die  Vernachlässigung  der  Position  bei 
diesen  Dichtern  entweder  Vokalausstossungen  oder  gewisse  für  die 
Aussprache  gleichgültige  Silben  ,  oder  beides  neben  einander  an. 
Schon  bei  Chr.  Wase  findet  sich  aber  die  Bemerkung,  dass  in  der 
Lateinischen  Volkssprache  wie  in  neueren  Sprachen  manche  Vo- 
kale so  schnell  ausgesprochen  seien,  dass  sie  kaum  noch  gehört 
wurden  (a.  0.  cap.  12.  p.  158),  und  Schneider  vergleicht  beiläufig 
{Lat.  Gramm.  I,  728.  A/tm.)  solche  entkräftete  Vokale  den 
Hebräischen  Catephs.  Doch  beide  Gelehrten  verfolgen  die  richtige 
Spur  auf  der  sie  sich  befanden  nicht  weiter.  Erst  in  neuster  Zeit 
sind  Weil  und  Benloew  {Theorie  generale  de  tAccent.  Lat. 
p.  204.  /.  p.  172)  dieser  Spur  wieder  nachgegangen  und  haben  die 
Bedeutung  der  irrationalen  Vokale  für  die  Erklärung  der  Positions- 
vernachlässigung bei  Plautus  und  Terenz  anerkannt  ;  doch  verlangt 
die  vorlieger.de  Frage  eine  eingehendere  Behandlung,  als  sie  ihr  von 
diesen  Gelehrten  zu  Theil  geworden  ist**). 


*)  Vgl.  Quint.  II,  10,  13:  Quod  faciunt  actores  comici,  qui 
nec  ita  prorsus,  utnos  vulgo  loquimur,  pronunciant,  quod 
esset  sine  arte,  nec  proeul  tarnen  a  natura  recedunt,  quo 
vitio  periret  imitatio,  sed  morem  communis  huius  sermo- 
nis  decore  quodam  scenico  exornant. 

**)  Wenn  Geppert  annimmt,  es  könne  bei  den  scenisclien  Dichtern 
gelegentlich  gesprochen  sein:  vetris,  proprabo,  vetlae,  merto, 
Ausspr.  d.     Lat.  S.  117,  adro,  malfaciant,  a,  O.S.  121,  stuc,  lic, 


--     76     - 

Die  hier  beginnende  Untersuchung  wird  sich,  um  sicher  zu  ge- 
hen, an  die  bisher  durch  handschriftliche  Forschung  gewonne- 
nen Thatsachen  zu  halten  haben  ,  um  aus  der  Vergleichung  der- 
selben unter  sich  und  mit  verwandten  sprachlichen  Erscheinungen 
eine  Erklärung  zu  finden.  Für  die  Beweisführung  erscheint  es  am 
förderlichsten  den  Stoff  so  einzutheilen,  dass  die  verschiedenen 
Wortarten  durchgegangen  werden,  in  denen  bei  den  scenischen 
Dichtern  Nichtbeachtung  eines  Vokales  oder  Vernachlässigung  des 
Positionsgesetzes  wahrzunehmen  ist,  sei  es  dass  dieselbe  in  einem 
und  demselben  Worte  oder  zwischen  zwei  aufeinander  folgenden 
Worten  hervortritt;  es  werden  also  nacheinander  die  Formen  der 
Pronomina,  der  Präpositionen,  der  Partikeln,  endlich  die 
Verbalformen  und  die  Nominalformen  in  Betracht  gezogen 
werden,  die  für  die  vorliegende  Frage  von  Bedeutung  sind. 

Es  sind  demnach  zuerst  die  Formen  der  d  emonstrativen 
Pronomina  ille,  iste,  is,  hie  und  die  demonstrativen 
Adverbiaecce  und  inde  in  Betracht  zu  ziehen,  bei  denen  die 
Vernachlässigung  der  Position  hervortritt  (vgl.  Ritschi,  Proll.  Tritt. 
p.  122.  f.  Fleckeisen,  N.  Jahrb.  LX,  p.  257.  LXI,  p.  42.  Atwi.). 
Wie  häufig  die  Vernachlässigung  der  Position  in  ille  bei  den 
komischen  und  tragischen  Dichtern  ist ,  mögen  zuerst  folgende 
Beispiele   veranschaulichen. 

Komiker: 
Plantus , 

Capl.  150:  Tibi  ille  ünicus  mihi  etiain  ünico  .  . 

Mtl.  703:  'At  illa  laus  est  magno  in  genere  . . 

Rad.  559:  Quid  illuc  opsecrö  negotist  . . 

Asin.  112:  'illic  homo  aedis  cönpilavit . . 

Racch.  1 154:  Quid  il  laec  illic  in  cönsilio  . . 

Mil.  1047:  Quanam  ab  illa  nun?  nam  ila  nie  öecursant  . . 
Naevius, 

Com.  Rib.  p.  7:  'Ut  illum  di  feränt  .  . 
Aquilius , 

Com-  Rib.  p.  27:  Ut  illum  di  perdant,  priinus  .  . 


a.  0.  S.  118,  110,  während  man  doch  vete riß,  proper  abo,vetnlae, 

merito,  ade  ro,  m  alefaciant,  i  stue  ,  illic  schrieb  and  an  anderen 
Stellen  auch  sprach,  so  zeigt  «las,  wie  auch  dieser  Gelehrte  auf  die  Vor- 
stellung von  der  irrationalen  Aussprache  gewisser  Vokale  geführt  wurdej 
wenn  er  ihr  auch  nicht   weiter  nachgeforscht  hat. 


_     77      — 

Caecilius , 

Com.  Rib.  p.  43:  Ego  ijliid  minus  nihilo  exigor  .  . 

a.  0.  p.  38:  Milefida  ego  illam  huic  dßspondebo  .  . 
Turpilius , 

Com.  Rib.  p.  90:  Ut  illc  häc  sese  abstineret , . 
Pomponius, 

(Mm.  Rib.  p.  204:  Qui  illud  aurum  abstiileril  . . 
Terenlius , 

Andr.  V,  4,  34  :  Quid  illö  sit  factum.    Vix  sum  aput  nie  .  . 
Fun.  V,  8,  23:  Mihi  illam  laudas?  perii  .. 
Heaut.  1,  1,  104:  Nee  tibi  i  liest  credere  ausus .  . 
Eun.  IV,  1,8:  'Invitatüst,  mansit,  ibi  illa  cum  illo  .  . 
Tragiker : 
Ennhis , 

Trag.  Rib.  p.  39:  '111  e  transversa  m  eilte  ini  liodie  .  . 
Pacuvius , 

Trag.  Rib.  p.  78:  Hoc  est  illud  quod  iure  oeülte  .  . 
Incertus, 

Trag.  Rib.  p.  227:   Vös  enim  iuvenes  animum  geritis  muliebnm 
illa  virgö  viri. 
Dass  die  erste  Silbe  der  Formen  von    illc   selbst   unter  der 
Vershebung  als  Kürze  gemessen    werden    konnte,    zeigen    so  wobt 
einige  der  angeführten  Beispiele   als  auch  viele  andere  bei  Plaulus 
{Mtl.  1075.    Trith  672.    Asin.  28$.  Bacch,  950.  952.    Pseud.  924. 
954).     Doch  lässt  sich  nicht  läugnen,  dass  in  der  ungeheuren  Mehr- 
zahl der  Fälle  die  erste  Silbe  der  Formen  von  ille,  wo  sie  kurz  ge- 
messen ist,  naturgemäss  unter  der  Verssenkung  steht.     Ueberaus 
häufig  zeigt  sich  diese  Messung  nach  meist  einsilbigen  oder  ein- 
silbig gemessenen  Wortern,  auf  denen  im  Zusammenhang  der  Rede 
der  Nachdruck,  der  logische  Accent,  ruht.     So  zuerst  nach 
den  Formen  des    fr  a  g  e  n d  e  n    P  r o  n  o  m  e  n    q  u i  s    und  na ch  den 
Frage partikeln  quo,  ubi,  ut,  an,  num.     Man  vergleiche: 
Plaut.     Rnd.Prol.  148:  Quid  illuc  est? 
Racch.  453:  Quis  illic  est? 
Stich.  137  :  Quid  i  1 1 o  s  expeetätis ? 
Mtl.  167:  Quid  illis  Jaciat  ceteris  .  . 
Mtl.  973 :  Quid  illa  faciemus  cöneubina ? 
Rud.  559:  Quid  illuc  opsecrö  negotist? 
Rucl.  848:  Quis  illas  nunc  illic  servat? 


Plaut.     Bacch.  1154:  Quid  illaec  illi< 
{vgl.  Rud.  762.    Stich.  266.    Mtl.  1047.    ^m.  265.    Jff/.  1031. 
Irin.  926  w.  «. 
Tercmt.     And.  I,  5,  2:  Quid   illud  est? 

And.  V,  2,  12:, .Quid  illum  censos? 
Eun.  III,  1,  41:  .  .  Quid  ille  quaeso? 
Heaut.ll,  3,  76:  Quid  illo  facias?  t 

^m.  V,  4,  25:  Quae  illaec  turbast? 
(i^/.  #w%.  HI,  1,  27.  III,  I,  29.    Heaut.  II,  3,  71.    ^tfW/>7«.  I,  2,  4. 

IV,  5,  60.  And.Y,2,2.  V,5,  7.  £ioi.V,I,17.  /^/pÄ.  III,  3, 84.) 
Plaut.     Rud.  491:  Set  ubi  ille  mens  est  höspes? 

^>m.  196:  'Ubi  illaec  quae  dedi  ante? 

Stich.  549:  .  .  'An  ille  quasi  tu  .  . 

Stich.  552:  'An  ille  quasi  ego  .  . 

Cure.  59:  Immo  üt  illam  censes? 
Terent.     And.  III,  5,  1:  'Ubi  illic  est? 

And.  V,  6,  7:  .  .  Nüm  ille  somniat? 
Eben  so  häufig  findet  sieb  die  erste  Silbe  der  Formen  von  ille 
Kurz  gemessen  nach  p  er s unlieben  oder  demonstrativen 
Pronomen,  auf  denen  der  Nachdruck  der  Rede  ruht,  oder  in 
Adverbien  und  Partikeln,  die  eine  hinweisende  Kraft  auf 
Ort  und  Zeit  haben.  So  nach  ego,  nie,  mihi,  tu,  tibi,  id, 
i  psu  s,  item,  ibi,  iam. 

Plaut.     Capt.  752:  Ego  illis  captivis  .  . 

Mit.  1191:  'Ego  illi  dicam  .  . 

Rud.  967:  'Ego  illum  novi,  quöius  nunc  est  .  . 

Capt.   150:  Tibi  ille  unicus  .  . 

Rud.  967:  ..Tu  illum  quoius  antehäc  fuit  .  . 

Mil.  1207:  'Item  illinc  ego  te  liberabo  .  . 

Mit.  138S:  [psüs  illic  sese  .  . 

Capt.  593:  Iam  illic  hie  nos  inseclavit  .  . 
Terelit.      Ad.  II,  4,   1:  'Ego  illam  herde  .  . 
V,  4,  12:  'Ego  ille  agrestis  .  . 

Eun.  V,  8,  23:  Mihi  illam  lau  das  .  . 

Ad.  I,  2,  17:  .  .  Tu  illum  corrumpi  sinis. 

Ad.  III,  1,  5:  .  .'Id  illi  nunc  dolel  .  . 

Kim.  IV,  1,  8:  ..'Ibi  illa  cum  illo  .  . 
iri/l.  Plaut.  yfc.370.  lUicch.  112.  S/ieh.  \(\0.  159.  Ter.  Ad.  I.  2,  36. 

V,  8,  17.) 


M     79    — 

Häufig  erscheint  tue  erste  Silbe  von  i  11  e  auch  kurz  gemessen 
nach  einsilbigen  Wörtern  die  eine  Bejahung  oder  Bekräftigung, 
eine  Verneinung  oder  einen  Gegensatz  ausdrücken,  wie  pol 
(7Vm.928),  set  (CapL  462.  M/.816),  at(M/. 657. 703. .Cure 5,7); 
doch  tritt  hier  nicht  mehr  deutlich  hervor,  dass  der  Nachdruck  der 
Rede  auf  diesen  Wörtern  ruht.  Aber  auch  nach  andern  Wörtern 
wird  die  erste  Silbe  von  ille  kurz  gemessen;  mau  kann  nur  sagen, 
dass  es  vorwiegend  an  der  unbetonten  Stelle  des  Salzes  diese 
Messung  hatte,  dass  sie  von  dieser  Stelle  ausging,  und  dann 
weiter  um  sich  griff.  Es  ist  nun  für  dieselbe  eine  Erkläi  ung  zu 
linden. 

In  dem  Abschnitt  über  den  Tonanschluss  wird  nachgewiesen 
werden,  dass  d  e  m  o  n  s  t  r  a  t  i  v  e  P  r  o  n  o  m  i  n  a  im  Zusammenhang  der 
Rede  ihren  Hoch  ton  verlieren  und  sich  an  den  Hochton  des  vor- 
hergehenden Wortes  anschliessen  können.  Dass  auch  i II c  enklitisch 
ist,  zeigen  die  Formen  eil  um,  eil  am  für  enillum,  en  illam. 
Der  Verlust'  des  Hochtones  zog  das  Schwinden  des  Vokales  i  in  den 
Formen  e  l  - 1  u  m , .  e  1  - 1  a  m  für  e  n  - i  1 1  u  m ,  e  n  -  i  1 1  a  m  nach  sich,  u nd 
dieser  Vokalausfall  beweist  eben  zur  Genüge,  dass  nicht  en  in  diesen 
Tonverbindungen  den  Hochton  einbüsste,  sondern  dieFonn  von  ille. 
Daraus  folgt,  dass  auch  in  den  angeführten  Beispielen,  wo  die  For- 
men von  ille  nach  Wörtern  stehen,  auf  denen  ein  entschiedener 
Nachdruck  der  Rede  steht,  das  Pronomen  den  Hochton  verlor  und 
enklitisch  war.  Da  nun  die  erste  Silbe  desselben  tieftonig 
wurde,  so  sank  der  Vokal  i  unter  das  Maass  einer  vollen  Kürze  herab 
und  schrumpfte  zu  einem  stummen  oder  irrationalen  Laut  ein. 
Dieser  stumme  Laut  konnte  dann  auch  durch  die  beiden  folgenden 
Consonanten  nicht  mehr  zu  einer  vollständigen  Lange  ergänzt  wer- 
den, wie   dies  bei  einem  vollgültigen   kurzen  Vokal   möglich  war. 

Hatte  aber  einmal  die  Aussprache  ille  an  der  unbetonten  Stelle  des 
Satzes  Platz  gegriffen,  so  wurde  sie  in  der  Volkssprache  auch  leicht 
allgemein. 

Diese  aber  ging  in  späterer  Zeit  auf  dem  Wege  der  Kürzung  und 
Verstümmelung  des  Pronomens  ille  weiter,  indem  sie  bald  das  an- 
lautende i  bald  den  auslautenden  Vokal  schwinden  Hess.  In  den 
Roma  nis  c  h  e  n  Sprachen,  wo  ille  bekanntlich  als  Artikel  verwandt 
ist,  ist  das  i  ganz  geschwunden  in: 


—     80     — 

1  e ,  von  ille,  1  i ,    von    i  1 1  i ,  1  i  s ,       Von     i  1 1  i  s  , 

la,         illa,  loro,       i  1 1  o  r  u  m ,         los,Ies,       illos, 

li,  illi,  lor,  las,  1  es,        illa  s 

1  o ,         i  1 1  u  m ,      1  e  u  r , 
{vgl.  Dietz.  Gramm,  d.  Rom.  Spr.  II,  27.  31.  35.  39.  42.  69). 

Durch  Abfall  des  auslautenden  Vokales  wird  in  den  Romani- 
schen Sprachen: 

il,     el     aus     ille. 

Vor  vokalischem  Anlaut  des  folgenden  Wortes  büssten  1  e  und 
la  auch  noch  den  auslautenden  Vokal  ein,  so  dass  das  Alllaleinische 
Pronomen  ollu  s  im  Laufe  der  Jahrhunderte  zu  einem  blossen  I'  ein- 
schrumpfte; wie  im  Lateinischen  Polydeuces  zu  p  o  1 ,  oder  wie  v  o- 
lis,  velis  zu  blossem  u  in  ce-u,  se-u. 

Ganz  in  derselben  Weise  erklärt  sich  die  Vernachlässigung  der 
Position  in  den  Formen  des  zusammengesetzten  Pronomens  isle  bei 
den  dramatischen  Dichtern. 

Auch  diese  findet  überaus  häufig  statt  nach  denselben  meist 
einsilbigen  Worten,  wie  bei  ille,  nach  fragenden  Pronomen 
und  Frage partikeln,  nach  persönlichen  und  hinweisen - 
d  e  n  P  r  o  n  o  in e  n ,  nach  P  a  r ti ke  1  n,  die  eine  h  i  n  w  eise  n  d  e  oder 
bekräftigende  Bedeutung  haben,  und  nach  ähnlichen  Wörtern, 
die  vom  Redenden  so  nachdrücklich  hervorgehoben  werden,  dass 
die  folgende  Form  von  iste  ganz  dahinter  zurücktrat.  Solche  Sol- 
len sind ; 
Plaut. 

Pseud.  712:  Q  u i s  i  s  t i  c  est? 

Stich.  552 :  Q  u  i  s  i  s  t  u  c  quaeso  ? 

Stich.  549:  Quis  istuc  dicii ? 

Mil.  1346:  Quid  istuc  est  negoti?  Vgl.  Rud.  027. 

J lud.  ü^S :   .  .  Quid  i s I  a e e  ata ? 

Irin.  871:   .  .  Quid  istas  pultas? 

Bacch.  44 :  . .  Quid  is ti  caveam ? 

Pseud.  608:  Quid  i  st uc  verbist? 

Cure.  31:  Quid  istuc  est  verbi? 

.)///.  914:  Quid  istis  nunc  memoratis  opusi  .  .? 

Trin.  1099:  Set  quis  istest  tuüs  ornätus? 
{Vgl  Mil.  1306.   Asin.  35.  308.  Pseud.  1138  u.  a.) 


Terent. 
Andr.  IV,  1,  21  :  Quid  istuc  est? 

IV,  3,  6 :  . .  Q  u  i  d  ist  u  c  obsecrösi  ? 
Heaui.  III,  3,  1 :  Q  u  i  d  ist  u  c  quaeso  ? 
Andr.  V,  2,  8 :  .  .  Quid  istic  tibi  negotist? 
Eun.  IV,  3,  10:  .  .Quid  istuc  est  rei? 
Heaut.  I,  1 ,  30 :  .  .  Q  u  i  d  istuc  inali  est  ? 
Ad.  IV,  5,  10:  .  .  Quid  istic  est  rei  ? 
Hecyr.  IV,  2,  12:  .  .  Quid  istuc  consili  est? 
Phorm.  II,  2,  29  :  Quid  istuc  verbi  est? 
Eun.  II,  2,  6:  cQuid  ist u  c'  inquam  eornati  est5? 
Heaut.  IH,  3,  18:  Quid  iste  narrat? 
Ad.  III,  2,  26:  Quid  istuc  prorsus  ergost? 

[Vgl.  Evn.  IV,  3,  8.    ^/itf.  III,  3,  40.  V,  4,  38.    Ad.  III,  4,  19. 
iVwrw.  II,  1,  27.  I,  2,  8.  I,  3,  4.  I,  4,  G.) 

i?/&.  Co#2  p.  10:  Quid  istuc  vero  atatae  te  ad  vert  isti  .? 

6^0^.  #?'&. ;;.  1  27 :  Q  u  i  d  istuc  est?  aut  quid  istic  sibi  vult  serino? 

Afrctn. 
Com.Eib.p.  162:  Quid  istuc  est?  quid  fies? 

All. 
Trag.  Rib.  p.  89 :  Q  u  i  d  ist  ü  c ,  gnata  unica  est  .  .  ? 

Plaut. 
Rud.  1357:  .  /übi  istic  leuost? 
Mtl.  364:  Ubi  iste" st  bonus  servos? 
Rud.  563  :  .  .  Ubi  is  ta  e  sunt  quas  memoras  mülieres  ,  . 
Mtl.  448:  'An  ista  non  sit  Pbilocomasium  .  . 
Rud.  958 :  'E  go  is  tu  c  furtum  scio  quoi  factumst . . 
Trin.  372:  .  .  Pol  6go  istam  volo  me  rationem  edoceäs  . . 
Racch.  599:  Tuo  ego  istaec  igitur  dicam  .  . 
Rud.  1077:  .  .  Mihi  istin c  de  istoc  vidulo  . 
Mil.  618:  Me  tibi  istuc  aetatis  . . 
Mil.  421:  (juid  tibi  istic  bisce  in  aedibus  debetur? 
Trin.  77:  .  .  Tibi  istaec  dieta  di'cere  . 
As.  227:  Tua  ista  culpa  . 
Mil.  337 :  Nempe  tu  istic  ais  esse  . . 

{Cf.  Pseud,  945.     Trin.  613.    Rud.  578.    Mil.  1123.    570. 
Trin.  951.  Capl.73%) 

CORSSEN    XI.  6 


_     82     — 

l'acuv. 

Trag.  Bü).  p.  89:  Possum  ego  isla  in  capile  .  . 
Terent. 

Hemd.  III,  3,  32:  'E  go  istuc  curabo  .  . 

Ad.U,  1,4:  'Ego  is  tarn  invitis  omnikus  .  . 

Hemd.  I,  1,  58:  Ego  istuc  aetatis  .  . 

a.  0.  III,  3,  32:  .  Tibi  istic  adscrvändus  est  .  . 

Ebenso  stehen  die  Formen  von  iste  gemessen  auch  nach  ein- 
silbigen Wörtern,  die  eine  Bekräftigung  oder  einen  Gegensatz  aus- 
drücken wie  pol  {Terent.  Hemd.  IV,  4,  8),  ne  (Rud.  1040),  bem 
(Trin.  413.  Asin.  233),  set  (Rud.  353.  1078.  547),  at(Heajr.  [II, 
5,  21). 

Die  Lateinische  Volkssprache  bat  den  Vokal  i  der  Formen  von 
iste  so  enlsebieden  zu  einem  irrationalen  Laut  herabsinken  lassen, 
dass  er  fast  ganz  verklang,  das  beweisen  die  von  Lachmann  (Luer. 
Comment.  p.  197.  vgl.  232.)  Fleckeisen  (Altlat.  Dichter  fr.  b.  Gell. 
p.  20)  zusammengestellten  Schreibweisen  c  s  I  e  ,  f  s  t  a  ,  c  s  t  ud ,  fs  t  o, 
r  s t  i ,  r  s  t  o r  u  m ,  f  s  t  o  c,  e s  t uc,  ?  s  t  i  c ,  'sinne,  welche  die  besten 
Handschriften  des  Plautus,  Terenz,  Vergil,  Cicero  und  Gaius  bie- 
ten ;  so: 

Pknd.  Boeot.  Gell.  111,  5:  Ubivis  este  monebat  esse  .  . 
Trin.  97:  Scio  et  estac  hue  causa  ad  te  adveni  .  . 

Ter.  Ad.  II,  1?  15:  Minium  <stoc  abist i  .  . 

Andr.  ML  3,  34'  AI  estüc  periclum  in  filia  . . 
In  der  späteren  Volkssprache  ward  i  vor  st  und  sp,  sc  im  An- 
lauf des  Wortes  nur  noch  sehr  schwach  wie  ein  stummer  Vokal 
oder  der  besprochene  [-ähnliche  Beiklang  des  s  gehört ;  das  bewei- 
sen die  von  Lachinann  aus  Handschriften  beigebrachten  Schreib- 
weisen: storias,  Scomachus,  Strumen  tum  für:  histo- 
rias,  Iscbomach  ii  s,  in  sl  ru  inen  t  u  m,  während  in  den  da- 
neben vorkommenden  Schreibweisen:  iscevas,  islruis,  i Sta- 
res, Ist  icbo,  Ist  asi  nie,  espatiuin,  estetid,  esceplra  für: 
s  c  e  v  a ,  struis,  stares, Stic  ho, St  asime,  spat  i  um,  s  t  c  t  i  t , 
s  c  e  p  1  r  a  {Lach/n.  Liier.  />.  23 1 .  232)  und  die  schon  oben  aus  Inschrif- 
ten angeführten  Formen:  Ispartacus,  (staverius,  Istaveria. 
istatüam,  ispiritu  für  Spartacus,  Staverius,  Staveria, 
s  I  a  I  u  a  m,  Spir  it  u  lehren,  dass  der  1  -  ä  h  n  I  i  c  h  e  P>  ei  lau  I  des  s 
vor  folgender  tenuis  durch  das  Vokalzeichen  I,  seltener  durch  E  aus- 
gedriii  kl  ist.    Der  Unterschied  zwischen  sp,  s  I ,  sc  und  isp,  ist,  isc 


-     83     — 

im  Anlaut  des  Wortes  balle  sieh  in  Folge  der  irrationalen  Aussprache 
des  i  vor  diesen  Lautverbindungen,  für  die  schon  die  ältere  Volks- 
sprache den  Ansatz  nahm,  verwischt. 

Die  Formen  ste  für  iste,  storo  für  istorum  haben  sich 
erhalten  in  den  Italienischen  Zusammensetzungen  ste-ssi,  ste-sso 
für  iste-ipsi,  iste-ipsu  m,  co-sti,  co -stä,  co-stor  o  aus  Lat. 
e c c u  m - i  s t i  c  ,  e  c  c  u  m  -  i  s  t  a  c  ,  eceum-isto r u  m  [Dielz,  Gr.  d. 
Rom.  Spr.  If,  387).  Vergleicht  man  wie  das  i  der  Formen  von  iste 
schon  zur  Zeit  der  alten  Komiker  verdünnt  war,  und  dass  es  in  der 
Spätlateinischen  Volkssprache  in  der  gekürzten  Form  ste  sich  en- 
klitisch an  ein  stärker  betontes  Wort  anschlössen  konnte,  so  gelangt 
man  zu  dem  Schluss,  dass  schon  in  der  Altromischen  Aussprache 
iste  neben  stark  hervorgehobenen,  hochbetonten  Wörtern 
im  Zusammenhang  der  Rede  den  Ho  ch  I  o  n  seiner  ersten  Silbe  ein- 
b  ü  s s  t  e  und  somit  das  i  derselben  i  r  r  a  t  i  o  n  a  1  oder  s  t  u  in  m  wer- 
den konnte.     - 

Also  an  der  unbetonten  Stelle  des  Sitzes  verloren  auch  die  For- 
men von  iste  den  Hochton,  dann  schrumpfte  das  i  zu  einem  stum- 
men Vokal  ein  und  füllte  zusammen  mit  der  folgenden  Lautverbin- 
dung st  nicht  mehr  die  Zeitdauereines  langen  Vokales  aus;  die 
ganze  Lautverbindung  ist  konnte  nun  also  wie  jeder  mittel- 
zeilige  Vokal  bald  lang  bald  kurz  gemessen  werden. 

Viel  seltener  als  in  den  Formen  von  ille  und  iste  findet  sich  die 
Positionslänge  beiden  scenischen Dichtern  unbeachtet  in  den  Formen 
wie  i  p  s  e  ;   so : 

Plan/.     Mil.   1081  :  Peru  quot  hie  ipse  annos  vivet .  . 

Mü.  1145:  Nam  ipse  miles  cöneubinam  . . 
Ter.     Ändr.  1,  2,  3:  . .  Sed  ipse  exit  foras. 

Ad.  IV,  5,  22 :  Q  u  i  d  i p s a  e ?  quid  ahmt? 

Phorm.V,  8,  67:  Nunc  q  uöd  ipsa  ex  aliis  aüditura  sit . . 

Phorm.  IV,  5, 13  :  Volo  ipsius  [quoque]  haec  voluntale  ... 
Dass  schon  in  der  Altlateinischen  Sprache  die  Formen  von  ipse 
enklitisch  sich  an  den  Hochion  des  vorhergehenden  Wortes  an- 
lehnten, zeigt  die  bei  Eiinius  und  Pacuvius  gebrauchte  Form  sapsa 
für  sa-ips  a  in  der  Bedeutung  ca  ipsa  (Fest.  p.  325).  Diese  Form 
ist  eine  merkwürdige  Verbindung  pronominaler  Stämme;  ipse  selbst 
besteht  schon  aus  drei  verschiedenen  derartigen  Stämmen,  aus  dem 
demonstrativen  Stamme  i-,  dem  angefügten  -pe,  das  auch  in 
n  e  m  -pe ,  q  u  i  p  - p  e  für  q  u  id  -  p  e  erscheint,  und  dem  demonslrati- 

6* 


—    84    — 

ven  Pronominalstamm  so-,  sa-,  der  zu  EnniusZeit  noch  im  Gebrauch 
war  (Fest.  a.  0.).  Daher  kann  ipsus  (i-pe-su-s)  sowohl  den 
Pronominalstamm  so- flectieren  in  ipsius,  ipsi,  ipsam ,  ipsos-»  * 
ipsas  u.  a.,  als  den  Pronominalstamm  i-  in  eapse,  eumpse, 
e a  m  p  s  e.  Pas  dreistämmige  i  p  s a  fügte  sich  dann  enklitisch  an  s a 
und  verwuchs  mil  demselben  zu  sa-psa;  die  andere  Form,  die  den 
ersten  Bestandteil  flectiert  hat,  e  a  p  s  e,  trat  eben  so  enklitisch  an  den 
Stamm  re-  und  verwuchs  mit  diesem  Stamme  zu  re-apse. 

Es  ergiebt  sich  also,  dass  das  kurze  i  von  ipse,  wo  das  Wort 
an  unbetonter  Stelle  des  Satzes  vorkam,  also  seinen  Hochion  verlor 
und  enklitisch  wurde,  unter  den  VVerth  einer  Kürze  herabsank,  und 
dass  daher  die  Lautverbindung  ips-  nicht  mehr  zwei  Zeitweilen,  die 
Dauereines  langen  Vokales,  ausfüllte,  sondern  als  mittelzeitig  bald 
lang  bald  kurz  gemessen  werden  konnte. 

Fleckeisen  ist  der  Ansicht  (N.  Jahrb.  LXI,  42)  dass  einsilbige 
Wörter,  die  von  Natur  oder  durch  Position  oder  sogar  aus  beiden 
Ursachen  zusammen  eigentlich  lang  sind,  bei  Plautus  in  dem  Falle 
kurz  gebraucht  werden  können,  wenn  ihnen  ein  einsilbiges  wirk- 
lich kurzes  Wor1  vorhergeht,  wenn  also  die  beiden  einsilbi- 
gen Worter,  fasste  man  sie  zu  einem  Worte  zusammen  ,  einen  j  a  m  - 
bischen  Wortfuss  bilden  würden.  Zu  diesen  einsilbigen  Wör- 
tern geboren  die  Nominative  des  Pronomen  is,  id,  wo  sie  bei  con- 
sonantischem  Anlaut  des  folgenden  Wortes  keine  Position  bilden, 
was  nicht  eben  häutig  der  Fall  ist.    Heispiele  dafür  sind: 

Plaut.     Rud.  177:  Uuid  id  referl  lua  .  .  vgl.  Cas.  II,  5,  22. 

Curc.Wi  2,  11:..  Quid  id  mea  referl  ?  Vgl.  Merc.  454. 
Ter.     Andr.  I,  1,15:  Et  id  gräturn  fuisse  .  . 

Phorm.N,  8,  86:  .  .  'In  id  redactus  süm  loci. 

Pharm.  III,  I,  13:  Quid  is  fecit  .? 
Die  Formen  C\r>  einfachen  Pronominalstammes  i-  sind  enklitisch 
wie  ille,  iste,  ipse  und  verlieren  im  Zusammenbang  der  Rede 
vielfach  ihren  Hoch  Ion.  Daher  verwachsen  sie  mit  dem  vorher- 
gehenden Worte  in  Verbindungen  wie  änt-ea,  post-ea,  antul- 
ea,  postid-ea,  inler-ea,  praeter- ea,  prop  t  er  -ea,  id-  e  •»• 
ecc -am,  e<c-um,  eec-as,  ecc-os  für  ecc-eam,  ecc-eum, 
ecc-eas,  ecc-eos,  und  in  diesen  mit  vcw  zusammengesetzten 
Formen  ist  in  Folge  dessen  der  Pronominalstamm  i  ganz  geschwun- 
den. Da  nun  im  Zusammenhang  der  Rede  is,  id  vielfach  lieftonig 
gesprochen  wurde,  so  verlor  der  Vokal  i  hier  wie  in  ille,  iste.  ipse 


85     — 


den  Werth  einer  vollen  Kürze  und  wurde  irrational,  füllte  also  auch 
in  Verbindung  mit  zwei  folgenden  Consonanten  die  Tondauer  einer 
langen  Silbe  nicht  aus.  Lautverbindupen  wie  is-f,  id-r  u.  a.  konn- 
ten daher  lang  oder  kurz  gemessen  werden  wie  mittelzeitige  Vokale. 
In  dieser  enklitischen  Natur  des  Pronomens  is,  id,  und  in 
der  durch  dieselbe  veranlassten  irrationalen  Kürze  "des  i  liegt 
auch  der  Grund ,  weshalb  dieses  einfache  Pronomen  ganz  aus  den 
Romanischen  Sprachen  verschwunden  und  seine  Bedeutung 
durch  zusammengesetzte  Pronomina  oder  Pronominaladjcctiva  er- 
setzt ist. 

Ebenso  erscheinen  die  von  Natur  langen  Nominative  hie  und 
hoc,  der  Ablativ  hoc,  die  Accusative  hunc  und  hanc  und  die 
Adverbien  hie,  hinc,  huc  nach  einsilbigen  Wörtern  vor  consonan- 
tischem  wie  vor  vokalischem  Anlaut  des  folgenden  Wortes  als  Kür- 
zen gemessen  {Fleckeiscn,  a.  0.) ;  so: 
Plaut.     Stich.  714:  Qu  id  h  i  c  fastidis  ? 

Trin.  1093:  Q  nid  hoc  hie  clamoris  .  .  ? 

Truc.  II,  3,  14:  Sed  quid  liaec  hie  autem  lamdiu.? 
Ter.     Eun.  I,  2,  6:  Q.uis  hie  löquilur?  vgl.  Phorm.  V,  1,  12. 

Eun.  V,  8,  4:  Quid  hie  läetus  est? 

Phorm.  I,  4,  31 :  Quid  hie  conterimus  öperam  frustra? 

Phorm.  IV,  3,  21  :  Quid  hie  coeptat? 

Eun.  IV,  2,  14:  Set  quid  hoc  quod  timida  .? 

Eun.  IV,  4,  4:  Quid  huc  tibi  reditiost? 
Plaut.     Ruch  937 :  S  e  t  h  i  c  rex  .  . 

Trin.  366:  .Set    hie  admoduin  adulescenlulust. 

Amph.  917:   .  Vel  hoc  rogato  Sösiain. 

Stich.  517:  'In  hunc  diem  .  . 

Stich.  611  :  Per  hanc  tibi  eenam  incenato  .. 
Terenl.     Hccyr.  I,  1,3:  Vel  hie  Pamphilus  . . 

Phorm.  V,  9,  1 1  :  El  hoc  nil  est  quod  ego  dico  .  . 

Anclr.  I,  1,  16:  Sed  hoc  mihi  molesturn  est  .  . 

Andr.  111,  1,  4:  Set  hie  Pamphilus.    Quid  dick? 

Andr.  IV,  2,  25 :  E go  h a  n  c  visam  .  . 

Eun.  IT,  3,  53:  In  hanc  nöstram  plateam  . . 

Phonn.  II,  3,  23:  Ob  ha  nc  l'nimicitias  . . 

Eun.  III,  2,10:  .  Q  u  i  d  ,  h  u  n  c  nun  vides  ? 

Eun.  III,  2,40:  Ego  hinc  abro. 
Vgl.  Geppert.  Ausspr.  d.  Lat.  £.90. 


—    80    - 

Aucl»  das  Pronomen  hie,  haec,  hoe  konnte  seinen  Hochtun 
verlieren  und  sich  enklitisch  an  das  vorhergehende  Wort  anfügen ; 
das  zeigen  die  Verbindungen  ^ntid-hac,  post-hac,  wie  ill-ic, 
ill-aec,  i  1  l-o c  für  ille-hic,  ille-haec,  ille-hoe.  Nach  Ver- 
lust des  Hochtones  an  der  unbetonten  Stelle  des  Satzes  kürzte  der 
Vokal  der  Formen  von  hie  sich  so  weit,  dass  er  irrational  wurde, 
nicht  bloss  zu  einer  Kürze  sondern  sogar  unter  das  Maass  einer  Kürze 
herabsank,  wodurch  auch  die  betreffende  Vernachlässigung  der  Posi- 
tion erklärlich  wird.  Fleckeisen  findet  einen  rhythmischen  Grund 
für  die  Vernachlässigung  der  Position  bei  den  Formen  von  is,  und 
für  die  Einbusse  der  Naturlänge  und  Positionslänge  zugleich  in  den 
Formen  von  hie  vor  consonantischem  Anlaut  des  folgenden  Wor- 
tes gerade  nach  kurzen,  einsilbigen  Wörtern  darin,  weil  diese  Formen 
von  hie,  is  mit  dein  vorhergehenden  einsilbigen  Worte  eine  jambi- 
sche Wortform  bildeten.  Mag  dies  mitgewirkt  haben,  als  jene  Kür- 
zung einmal  im  Volksmunde  im  Zuge« war,  den  Gebrauch  in  der  Vers- 
messung bei  den  Dichtern  zu  fixieren  ;  aber  in  der  Volkssprache  lag  der 
treibende  Grund  doch  darin,  dass  auch  dieses  Pronomen  hie  wie  an- 
dere Pronomina  vielfach  von  dem  mit  Nachdruck  gesprochenen  Worte, 
auf  das  es  hinwies,  im  Zusammenhang  der  Rede  soweit  übertönt 
wurde,  dass  es  seinen  Ilochton  einbiisste  und  enklitisch  ward.  Da 
nun  das  Pronomen  hie  im  Satzbau  auf  ein  folgendes  Wort  hinzuwei- 
sen ptlegt,  so  wird  es  sich  von  selbst  vielfach  an  den  Ilochton  dieses 
auschliessen,  wo  nicht  ein  noch  schärfer  betontes  Wort  vor  dasselbe 
vorangestellt  wird,  an  das  sich  in  solchem  Falle  die  Form  von  lii  c  an- 
lehnt. Die  vorstehenden  Beispiele  zeigen  aber  auch,  wie  dieselbe 
von  einem  vorhergehenden  Fragewort  wie  quid  übertönt  und  somit 
enklitisch  werden  kann. 

Das  Positionsgeselz  ist  ferner  nicht  beobachtet  in  der  Messung 
von  indc,  perinde,  unde  bei  Plautus  und  Terenz,  wie  folgende  Bei- 
spiele zeigen: 

Plaut.     Capt.  128:  Jude  nie  contiuuo  reeipiam  .  . 

Ätttf.  960:  Quid  inde  aequoms!  dari  mihi  .  . 
Ter.     Phorm.  IV,  ->,  76:  lüde  sümam:  uxori  .  . 
Plaut.     Cure, 608:  .  Dixi  equidein  tibi,  unde  ad  me  hie  per- 
venerit. 
Mtl.  ()S6:  .  ('Eme,  vir,  länam.  tibi  unde  pallium. 

Dass  inde  den  Hochton  verlieren  und  enklitisch  miteinemvor- 


hergehenden  Worte  zusammen  gesprochen  worden  kann,  zeigen  die 
Verbind ungen  d  e i n d  e ,  s  ü  b  i  n d e ,  p  e  r i  n d c ,  p  r 6  i  n  d  e ,  die,  wie 
unten  gezeigt  werden  wird,  den  Hochton  auf  der  drittletzten  Silbe 
haben.  Das  i  in  diesen  Formen  ist  der  demonstrative  Pronominal 
stamm  wie  in  is,  iste,  ipse;  die  Form  in  in  inde  wie  in  ex  in, 
dein,  pro  in  eine  Loeativform  des  Prononmialslammes  i-,  die  in 
i  s t i  in ,  c x i in ,  o  1  i m ,  u  t r im q u e ,  i  1 1  i  n  -  c ,  i  s  l  i  n  - c ,  h  i  n-  c  eben- 
falls erscheint  (Zcitschr.  für  vcrgl.  Sprach/.  V,  122.  133).  Es  ist 
also  erklärlich,  dass  dasselbe  i  in  inde  wie  in  is,  id,  iste,  ipse 
nach  Verlust  seines  llochtones  zum  irrationalen  Vokal  herabsin- 
ken konnte.  In  den  Romanische  n  Sprachen  ist  bald  der  a  n  lau- 
tende, bald  der  auslautende  Vokal  von  inde  v  e  r  s  c  h  w  u  n  d  e  n, 
so  dass  es  zum  Beispiel  im  Franz  üsi  sehen  zu  ent,  en  ,  im  Ita- 
lienischen zu  n  e  abgestumpft  erscheint  (ßietz,  Gr.  d.  Rom.  Spr. 
II,  387).  Da  also  das  n  hier  in  allen  Verhallnissen  erhalten  bleibt, 
so  kann  auch  Schwächung  dieses  Lautes  nicht  der  Grund  der 
xMossung  in  de  sein;  es  ist  vielmehr  die  irrationale  Kürze  des  i,  die 
in  Verbindung  mit  nd  nicht  mehr  die  Lautdauer  von  einer  langen  Silbe 
ausfüllte.  Undc  für  cuude  (vgl. ali-eunde)  enthüll  in  dem  eun- 
eine  ebensolche  Loeativform  vom  Stamme  cu-,  quo-,  wie  in  von  i-; 
da,  wie  sich  unten  ergeben  wird,  die  relativen  Pronomina  noch 
viel  entschiedener  zu  enklitischer  Anfügung  an  ein  vorhergehen- 
des Wort  neigen  wie  die  demonstrativen,  so  ward  das  u  von  eunde 
irrational  wie  das  i  von  inde. 

Auch  die  Formen  ecce,  eceum,  eccam,  cecos,  eccas 
erseheinen  mit  kurzer  Penultima  gemessen,  so  dass  also  das  Posi- 
tionsgesetz nicht  beobachtet  ist;  so: 

Plaut.     Bad.  1174:   .  .  Tua  eccam  hie  intus  .  . 
Stich.  527 :  S  e  t  e  c  c  u  m  f  r  a  t  r  e  m  .  . 
Capt.  997 :  S  e  t  e  c  c  u  m  i  n  c  c  d  i  t  .  . 
Mit.  1290:  Set  cecum  Pala  estriö  nem  .  . 
Bad.  6(53:  Set  eccas  i  psae  huc  egrediuntur  .. 
Bad.  705:  Set  öptumc  ecce  exit  .  . 
Psead.  9 1 1  :  S  e  t  e  c  c  i  1 1  u  m 
Terent.     Ad.  IV,  7,  2 :  Set  ecce  i  p  s  u  m  .  . 

Ad.  V,  7,  25  :  .  .  Sed  eceum  Mi cio  egreditür  foras. 
Pharm.  IV,  2,  10:  Sed  e  c  c  u  m  i  p  s  u  m. 
Eun.\,  1,  34:  Set  eccam  ipsa  egreditür. 


-     SS     - 

Es  ist  oben  nachgewiesen  in  dem  Abschnitt  über  den  Conso- 
nanten  n,  dass  ecce  aus  en-cc  entstanden  ist;  en  ist  aber  selbst 
eine  locative  Form  vom  Pronominalstamm  i  {Zeitschr.  für  vergl. 
Sprach  f.  V,  124).  Somit  erscheint  es  lautlich  gerechtfertigt,  dass 
dieser  in  ecce  ebenso  zu  einer  irrationalen  Kürze  herabsinken 
konnte  wie  in  is,  iste,  ille,  ipse,  in  de.  Dass  diese  Kürzung 
des  Vokales  e  in  ecce  erfolgt  ist,  beweisen  die  Tochtersprachen  des 
Lateinischen,  die  eccum  nach  Abfall  des  anlautenden  e  zu  -co  ab- 
stumpfen, wie  das  Italienische  in  den  schon  erwähnten  Formen  co- 
störo,  co-sti,  co-stä  u.a. 

Nach  diesem  Vorgänge  muss  man  auch  annehmen  dass  in  den 
Formen  e  c  c  i  1 1  u  in ,  e  c  c  i  1 1  a  m ,  e  c  c  i  s  t  u  m ,  e  c  c  i  s  t  a  in  sich  ecce 
nach  Verlust  seines  Hochtones  an  das  folgende  Pronomen  anschloss 
und  somit  der  Vokal  e  zu  einein  stummen  einschrumpfte.  Da  nun 
auf  ecce  in  der  Hegel  das  Wort  folgte  auf  das  man  scharf  hinwies, 
so  ist  eine  irrationale  Aussprache  im  Volksmunde  um  so  erklär- 
licher, die  dem  Dichter  erlaubte  die  erste  Silbe  auch  kurz  zu 
messen. 

Auch  bei  der  Messung  einiger  Präpositionen  findet  sieh 
das  Gesetz  der  Positionslänge  bei  Plautus  undTerenz  nicht  beobach- 
tet. So  erscheint  zunächst  int  er  mit  kurzer  Stammsilbe  gemessen 
{Ritschi,  Prot.  Trin.  p.  12S): 

Capt.  617 :  Nunc  ego  i n t e r  sacn'i  m  saxumque. 

Stich.  619:  Si  arte  poteris  ädcubare.  Vel  int  er  cuneos  ferreos. 

Präpositionen  verloren  vor  den  Casusformen  der  Nomina  ihren 
Hochton  und  schlössen  sich  enklitisch  an  das  folgende  Wort 
an,  wie  unten  gezeigt  werden  wird.  So  konnte  das  tieftonige  i  von 
int  er  im  Zusammenhang  der  Hede  zu  einem  irrationalen  Vokal 
gekürzt  werden,  der  mit  folgendem  nt  nicht  die  Tondauer  einer  vol- 
len Länge  ausfüllte,  so  dass  die  Lautverbindung  int  mittelzeitig 
wurde  und  kurz  oder  lang  gemessen  werden  konnte. 

Aebnlich  verhalt  es  sich  mit  der  Messung  von  den  Compositen 
interim,  inier  pella  tio,  interest  in  folgenden  Versen  des 
Plautus  und  Terenz: 

Plaut.     Stich.  1  Ol:   Set  interim.  Stratege  noster  .  . 
Cure.  486:  Sei  interim  lorcs  rrepuer«  .. 
Trin.   709:    Quid  tibi   interpellätio  aut    in   consi- 
lium  huc  accessiost. 


89     — 

Ter.     Eun.  111.  5,  59:  Sar.c  hercle  ut  dicis;  set  i uteri  in  de 
sümbolis  .  . 
Heaut.  V,  \,  9:    Sed  Interim  quid  ilh'c  iamdudum  .  . 
Eun.  II,  2,  2:  Quid  interest?  hoc  adeo  ex  hac  re. . 

Wie  oben  schon  nachgewiesen,  lehrt  die  Vergleichung  von 
intro,  intra,  introrsus  find  int rinsecns  mit  interim,  in- 
terea,  dass  in  der  lebendigen  Volkssprache  dieses  c  ein  stummer 

Vokal  war;  daher  sprach  das  Volk  auch  wohl  interim,  interest, 
interpellatio.  An  den  hier  angeführten  Stellen  sprechen  indes- 
sen überall  bestimmte  Gründe  für  die  pyrrhichische  Messung  von 
int  er  in  den  Zusammensetzungen.  War  das  Ohr  einmal  gewöhnt, 
in  inlcr  die  erste  Silbe  kurz  zu  hören  und  auch  auf  die  beiden  Sil- 
ben von  inter  in  der  Composition  nur  eine  doppelte  Zeitweile  zu 
rechnen,  so  wurde  die  pyrrhichische  Messung  leicht  auch  auf  die 
Coinposita  mit  inter  übertragen  und  interest,  Interim  gemes- 
sen, obwohl  der  Hoch  ton  auf  dem  i  ruhte. 

Dieselbe  Messung  erhielt  auch  das  stammverwandte  intus 
(BitscH  Prol.p.  128). 

Plaut.  Cas.  III,  3,  24:  1  tu  ätque  accesse  illam,  ego  intus  quid 
faetöst  opus. 
Auch  vor  dem  auslautenden  Consonantcn  von  Präpositionen  und 
consonantischem  Anlaut  des  folgenden  Wortes  findet  sich  zum  Theil 
das  Positionsgesetz  bei  Plautus  und  Terenz  nicht  beachtet. 
Dies  gilt  zunächst  von  der  Präposition  i  n. 
Plaut.     Capt.  Prot.  49:  Ut  in  Servitute  hie  äput  suum  .  .  . 
Mil.  853:  Set  in  cella  partium  löculi  .  . 
Capt.  877 :  'Abi  in  malam  rem  . . 
Bacch.93H:  .  .  Set  in  lecto  adeubat. 
Tercnl.     Hecyr.  V,  4 ,  11:    Näm  neque  in  nuntiö  neque  i  n  m  e 

ipso  tibi  boni  quid  sit  scio. 
a.  0.  111,  1 ,  55:   Era  in  crimen  veniet .  . 
Heaut.  V,  4,9:  .  .  Mores  cäve  inte  esse  islos  .  . 
Hec.  III,  1,  31:  .  .  Quöd  in  rem  sit  tuam. 
Phorm.  V,  6,  22:  'Ubi  in  gynaeceum  ire  .  . 
Ebenso  bei  Ennius : 
Trag.  Rib.  p.  32:  Quae  tibi  in  coneubiö  vereeunde  .  . 

Da  die  Lateinische  Präposition  in  im  Zusammenhange  der  Rede 
tieftonig  gesprochen  wurde  wie  die  Griechische  iv,  so  sank  ihr  i 


-     90     — 

wie  in  inter,  interim  u.a.  zur  irrationalen  Kürze,  und  bei 
dem  sclivvaelien  Ton  des  auslautenden  n  war  um  so  weniger  die 
Lautdauer  von  in-s,  in-c,  in-n  der  Lautdauer  eines  langen  Vo- 
kals gleich.  Diese  Lautverbindungen  waren  also  niittelzeitig 
und  konnten  lang  oder  kurz  geinessen  werden. 

Am  häutigsten  unter  allen  Präpositionen  ist  (aput)  apud  bei 
den  scenischen  Dichtern  so  gemessen,  dass  sein  auslautendes  d 
oder  t  mit  dem  anlautenden  Consonanten  des  folgenden  Wortes 
das  u  nicht  zu  einer  metrischen  Länge  ergänzt^  so: 

Plaut. 

Mit.  108:  ltaque  intuinum  ibi  se  indes  aput  lenäm  facit. 

Stich.  536:    Aput  nos  eccilläm  festinat  .  . 

Bacch.  306:  Nos  aput  Theo  tiinum  omne  aiiruin  . . 

Naev. 
Com.  fr.  Rib.  p.  8:  Tibi  servi  multi  äpud  mens  am  astant  .  . 

Tcrent. 
Phortn.  V,  8,  33:  Mauere  illam  apud  te,  dos  hie  maneat  .  . 
ä.  0.  41  :   Cum  illa  häbitet  apud  te,  hoc  vestrum  .  . 

AU. 
Traf/.  R.  p.   104:  Hemanet  gloria  äpud  nie:  exuvias  .  . 

Incert. 
Trag.  R.  p.  227:  Nihil  horum  simile  est  apud  Lacaenas  vir- 
gines. 

Oben  ist  gezeigt  worden,  dass  die  auslautenden  Consonan- 
ten l,  d  einen  dumpfen  schwachen  Ton  hatten,  und  dass  ein  aus  t 
abgeschwächtes  d  sowohl  im  Ablativ  von  NommaHonnen  als  im  Im- 
perativ von  Verbalformen  frühzeitig  abfiel.  Ls  ist  ferner  in  dem 
Abschnitt  über  Vokalkürzung  in  Endsilben  besprochen,  dass  apud 
Ablativ  eines  vom  Stamme  ap-  in  aptus,  apiscor,  apex  gebil- 
deten Verbalsubstantivs  ist  und  eigentlich  in  Anfügung,  dabei1  bei 
bedeutet,  und  dass  der  Vokal  dieser  Ablativform  sich  vor  d  kürzte 
wie  in  sed(set),  red-,  prod-.  Wie  das  u  vor  dem  halbveiKlin- 
genden  Auslaut  m  und  s  sich  zu  einem  irrationalen  Vokal  verdünnen 
konnte,  so  geschah  dies  auch  vordem  schwachlonenden  d  in  apud, 
sodass  der  ganze  Wortausgang  -ml  nur  die  Tondauer  einer  irra- 
tionalen Kürze  hatte.  Diese  schon  geschwächte  Silbe,  verküm- 
mert daher  in  den  R  omanischen  Sprachen  auch  weiter,  im  Ita- 
licnischen  zu    appö,    im  Provenzalischen   tu  ab  [l>ift:. 


—     91     — 

Gramm,  d.  Rom.  Spr.  II,  404).  Aelinlich  verhält  es  sich  mittler 
Messung  cäpüt,  Cure.  360:  Caput  deponit,  condormiscit  .  , 
dessen  t  so  sehwach  auslautete,  dass  die  Silbe   ut  irrational  tönte; 

wie  apfil  zu  appo,  ab,  so  stumpfte  sich  caput  in  den  Töchter- 
sprachen des  Lateinischen  zu  cabo,  cabe,  dab-,  chef  ab  (Dietz, 
a.  0.). 

Bei  ad  findet  sich  die  Positionslänge  nicht  beachtet;  so  zum 
Beispiel  in  folgenden  Versen : 

Plaut.'    Stich.  127:  Set  hoc  est,  quod  ad  vos  venio  .  . 
Pseud.  400 :  N  e  q  u  e  a  d  d  e  t  e  x  u  n  d  a  m  telam  .  . 
Ter.     And.  I,  5,  53:  Et  ad  pudicitiam  et  ad  rem  tutandam 
sient. 
Hec.  1,  2,  60:  üt  ad  päuca  redeam  .  .  Vgl.  Phorm.  IV, 

3,  43. 
Pharm.  I,  2,  100:  Et  ad  pörtitores. 
Ad.  II,  2,  28:  Iamne  cnumerasti  id  quöd  ad  te  reditu- 
rum  putes. 
Dass  auch   hier  das  auslautende  d    schwach   tönte,  lässt   die 
Nichtbeachtung  der  Position  erklärlich  erscheinen;  in  den  Komani- 
schen Sprachen   stumpft    sich   die  Präposition    nach  Abfall  dieses 
schwachen  d  zu  a  ab. 

Der  schwache  Ton  des  auslautenden  Consonanten  in  den  Prä- 
positionen ab,  ob,  ad,  in  macht  hiernach  auch  die  Messungen  der 
ersten  Silbe  in  folgenden  Composilen  erklärlich: 
ä  b  d  u  c  e ,  PL  Stich,     ä  d  c  u  b  e  s ,  PI.  Stich.     T  n  p  i  n  g  a  m,  T. Phorm . 

418.  435.  618.  II,  3,  92. 

ä  p  s  u  r  d  e,  PI.  Capl.     a  d  s  i  t  i  s ,  T.  Eun  .111,     in  c  o  m  m  o  d  i  t  a  t  e  s  , 
71.  2,  53.  T.Heaul.N,  1,  59. 

ö  p  s  o  n  a  b  o  ,     PI.     ä  c  c  u  m  b  e ,  PI.  Most.     T  g  n  a  v  e ,  T.  Eun.  IV, 

Bacch.    97.  308.  7,  7.* 

öeculto,  PL  Irin,     aeeepisli,  PL  Irin.     Ingenium,  T.  And. 

664.  712.  964.  I,  1,  39. 

öeeidito,  T.  Phorm.  I,  2,  93. 

Die  schon  besprochenen  Formen  oquoltod  (Sc.  d.  Bacc), 
operio,  aperio  ,  zeigen  dass  der  auslautende  Coiisonant  der  Prä- 
position in  Compositen  nach  seiner  Assimilation  so  schwach  tönen 
konnte,  daSs  er  nicht  mehr  durch  ein  besonderes  Schriftzeichen  aus- 
gedrückt wurde.     In  Tgnave  ist  das  n  der  Präposition  auch  ohne 


—     92     - 

Assimilation  geschwunden  und  das  g  von  schwachem  Ton,  wie  es 
denn  in  navus,  navare  ganz  abfiel.  Manche  ahnliche  Messungen 
wie  die  vorstehenden  sind  kritisch  noch  nicht  sicher  gestellt. 
{Ritschi,  ProlL  p.  124.  135.  137.  Vgl.  Geppert,  Lal.Ausspr.  85.  92 
mit  Plaut,  ed.  Rilschl.  cd.  Fleckeis.  Rib.  trag.  Lat.  rel.) 

Von  Präpositionen  ist  hier  noch  die  Messung  von  sine  zu  er- 
wähnen in  folgenden  Versen : 

Plaut.  Pscud.  378:   Set   sine  argento   früstra's,   qui   me   tili 

misereri  pöstulas. 
Ter.  Andr.  I,  1,  39:  Sine  invidia  laudem  invenias  et    amicös 
pares. 
Ritschi  {ProlL  p.    148)   zweifelt,    oh  in  der   Messung  dieser 
Verse  das  i  von  sine  ganz  ausgefallen  sein  könne,  und  mit  Recht. 
Sine  verlor  den  Hoch  ton  vor  der  folgenden  (-asusform  wie  alle 
anderen  Präpositionen,  und  nun  konnte  das  i  zu  einer  irrationa- 
len Kürze  verkrüppeln.     Achnliches  wird  sich  unten  für  quidem 
ergehen. 

Dem  vorangestellten  Plan  gemäss  folgt  nun  die  Betrachtung  der 
Partikeln  und  Conj unctionen,  hei  denen  eine  irrationale  Aus- 
sprache gewisser  Laute  statt  findet. 

Hierher  gehören  zuerst  die  von  naiii  abgeleiteten  Conjunctio- 
nen.     Man  überblicke  zunächst  folgende  Messungen  von  enim: 
l'laul.     Stich.  302 :  Nön  enim  p  o  s  s  u  m  .  . 
Ter.     Andr.  III,  2,  23 :  (leite  e n i m  s e io . . 

Ad.  II,  1,  47:  Verum  enim  quando  .  . 
Phorm.  V,  8,  90:  Enim  necpieo  solns  .  . 
Enn.     Trag.  R.  p.  34:  Hie  itidem  est   enim  oequedoini. . 
Incert.     Trag.  R.  p.  227  :  Vös  e  n  i m  iuvciics  .. 
Plaut.     Capt.b'M:  Eniinvero  nunc  ego  ocn'di  . . 
Ter.     Em.  11,3,  38:  .  .  Inmio  eniinvero  infeliciter. 

Phorm.  V,  9,  47:  'Eniinvero  prius  quam  harr  .  . 
Pacuv.     Trag.  li.  p.  76:    Immo  eniinvero  .  . 
Vgl.  Plaut.  Cist.  II,  1,  43.     Ter.   Haut.  V,  5,  1.     Ad.  H,  3,  2. 
Phomi.  V,  8,  92. 
Das  auslautende   m  der  enklitischen  Conjunction  enim,  die 
sich  sowohl  an  ein  vorhergehendes  Wort  anschloss  in  et  enim,  als 
an  ein  folgendes  in  eniinvero,  lautete  ehrn  so  schwach  wie  das 
auslautende  m  der  Accusativformen  honum,   malum,   malam. 


—     93     - 

senem  u.  a.,  von  denen  unten  die  Rede  sein  wird;  daher  halte  die 
auslautende  Silbe  -im, denselben  irrationalen  dumpfen  Laut  wie  die 
Accusativendungen.  Die  Lautverbindungen  im  -p  ,  im -sc,  im-v 
füllten  daher  die  Tondauer  von  zwei  Zeitweilen  nicht  aus,  sondern 
waren  miltelzeilig,  konnten  also  mit  gutem  Grunde  in  den  vorsie- 
henden Versen  kurz  gemessen  werden. 

Die  Conjunction  nempe  findet  sich  vor  consona  nüschem  An- 
laut des  folgenden  Wortes  pyrrhichisch  oder  vor  vokalisch  m  Anlaut 
desselben  als  einsilbige  Kürze  gemessen: 

Plaut.     Mit.  906:  Nempe  Iudificari  .. 

922:  Nempe  tu  novisti  militem  .  . 
Rud.34%:  Nempe  rem  divinam  facitis  hie? 
Pseud.  151 :  Nempe  ita  animati  estis  .  . 
Ter.     Phorm.  II,  1 ,  77:  N  e  m  p  e  P  h  ö  r  m  i  o  n  e  ra  ? 
Vgl.  Trin.  328.  427.   Bacclu   188.  Pseud.  353.   1189. 

Ehe  die  enklitische  Partikel  -pe  an  nem-  antrat,  war  das  in 
auslautend,  also  schwach  nachklingend ;  diesen  schwachen  Ton  be- 
hielt, es  auch  vor  der  Anfügung  -pe,  wie  das  m  von  enim  in  der 
Tonverbindung  enim  vero  schwach  blieb.  Wie  neben  sirempse 
die  Nebenform  sirepse  steht,  so  klang  auch  nempe  sehr  ähnlich 
wie  nepe. 

Das  schwache  auslautende  -m  von  quidem  und  der  irratio- 
nale Laut  der  ganzen  auslautenden  Silbe  -em  zeigt  sich  darin,  dass 
diese  Silbe  vor  consonantischem  Anlaut  des  folgenden  Wortes  häufig 
nicht  durch  Position  lang  wird  ;  so: 

Plaut.     Cure.  547  :  Nee  mihi  quidem  1  i  b  e  r  t  u  s  .  . 
Trin.  953  :  *Qui  q  u  i  d  e  m  n  o  n  novisse  .  . 
Bacch.34:  Nam  tu  quidem  credo  excantare  .  . 
Ter.     Phorm.  II,  3,  78 :  Aut  quidem  cum  uxore  .  . 
Fleckeisen  zeigt  aus  einer  Anzahl  Plautinischer  Verse  (N.  Jahrb.  LX, 
260),  dass  quidem  bei  der  Messung  vor  vokalischem  Anlauf  fast 
ganz  verschluckt  worden  sei;  so: 

Trin.  58:  Dum  quidem  hercle  tecum  .  . 
Asin.  817:  Iam  quidem  hercle  ad  illam  hinc  ibo  .  . 
Epid.  I,  1,  89:  Tu  quidem  antehac  aliis  solebas  .  . 
Mil.  158:  Mihi  quidem  iam  arbitri  vicini  . . 

Das  i  in  quidem  kann  in  der  Aussprache  hier  nicht  ganz  aus- 
geflossen sein,  einmal  weil  es  überall  geschrieben  ist,  dann  aber 
auch  weil  eine  Consonantenverbindung  qu'd  für  einen  Römischen 


—     94     - 

Mund  nicht  sprechbar  war.  Das  i  ist  vielmehr  z.um  stummen  Vokal 
herabgesunken,  weil  quidem  enklitisch  war  und  sich  tieft onig  an 
den  Hochton  des  vorhergehenden  Wortes  anschloss.  Dies  fand 
nicht  bloss  statt,  wenn  dieser  Tonanschluss  durch  die  Verbindung 
beider  Wörter  in  der  Schrift  ausgedrückt  wurde  wie  in  equidem, 
q  uandöquidem,  sondern  auch  in  Verbindungen  wie: 

M  i  h  i  q  u  i  d  e  m ,  Cure.  547.         Q  u  a  n  d  6  q  u  i  d  e  m ,  Stich.  485. 

Tu  quidem,  Bacch.  34.  TVm.  352. 

T i b i  q  u i  d e m ,  Asin .  4 SÄ .  Cum  quidem, Licin .  Com .  Rib. 

Qui  quidem,   Trin.  953.  p.  29. 

Quäe  quidem,  Asin.  Prot.  2.     'Et  quidem,  Pharm.  III,  1,  7. 

Tarn  quidem,  Asm.  Sil.  'Is  quidem,  Ad.lU,  1,  6. 

Dum  quidem,  Asin.  870.  Vellem  quidem,  Pharm.  II, 
Cure  704.  1,  27. 

Si  quidem,  Bud.  484. 

So  liess  also  das  tieftonige  quidem  nach  den  hochbetonten 
Wörtern  i-am,  tu,  mihi,  auf  denen  der  Nachdruck  der  Hede  lag, 
sein  i  zu  einem  stummen  Vokal  eingehen,  wie  in  der  enklitischen 
Präposition  sine  das  i  irrational  wurde. 

Nach  der  handschriftlichen  Ueberlieferung  gehört  auch  ergo 
zu  den  Conjunctionen,  bei  denen  eine  Vernachlässigung  der  Position 
hervortritt.     Man  vergleiche : 

Plaut.     Trin.  926:  .  Quid  ergo  ille  ignavfssumus. 

Mit.  1008:  .  .  Quid  ergo  haue  dubitas  rönloqui? 

Pocn.  IV,  2,  52:  Quid  ergo  dubitas  .  . 

Pers.  185:  ..  Quid  ergo  dixi. 

Men.  79  :  Q  u  i  d  ergo  opusl  ? 

Stich.  725:  'Age  ergo  observa  .  . 

Pocn.  IV,  2,  71  :  .  .  Fac  ergo  id  facile  .  . 
{Vgl  Geppert,  Ausspr.  d.  Lal.  S.  95,  gegen  Ritschi,  Proli.  127.) 
Dasse'rgo,  ursprünglich  der  Ablativ  eines  Nomens,  mochte  es  nun 
zur  Präposition  verwandt  werden  oder  zur  Conjunction  und 
wegen  oder  deswegen,  also  bedeuten,  an  der  unbetonten  Stelle 
des  Satzes  den  Hochton  wie  so  viele  andere  Präpositionen  und  Con- 
junetionen  einbttssen  konnte,  wird  in  dem  Abschnitt  Über  den  Ton- 
anschluss dargethah  werden.  In  den  vorstehenden  Ptaulinischen 
Versen  steht  es  nach  dem  stärk  hervorgehobenen  Fragewort  quid 
und  den  nachdrücklich  betonten  Imperativen  age,  fac  und  sehliesst 


—     95     — 

sich  tieftouig  an  dieselben  an.  So  konnte  der  Vokal  der  ersten 
Silbe  e  irrational,  mithin  die  ganze  Silbe  in  der  Aussprache  kurz 
werden. 

Auch  die  auslautende  Silbe  von  der  Conjunction  tarnen  er- 
scheint vor  consonantischem  Anlaut  dos  folgenden  Wortes  zumTheil 
nicht  als  Positionslauge;  so: 

Plaut.       Mil.  585:  Verum  tarnen,  de  nie  quiilquid  est  .  . 
Terent.    Hec.  V,  4,  32:  .  .  Nön  licet,    tarnen  süspicor. 
Ad.  1,  2,  65  :  Tarnen  vix  humane  patilur  .  . 
Eun.  V,  2,  50:  Tarnen  si  pater  quid. 
Vor  dem  matt  lautenden  schließsenden  n  von  tarnen  kürzte 
sich  das  e  in  tieftoniger  Silbe  zu  einem  irrationalen  Laut,     Dies  er- 
gieht  sich  aus  der  Angabe  des  Verrius  Flaccus  (Fest.v.  tarn  p.  300) 
dass  die  alteren  Djchter  wie  Naevius,  Ennius  und  Titinius  die  Form 
tarn    für   (amen  brauchten  {vgl.  Pönal,  ad  Ter.  Ad.  IV,  4,    14). 
Zwischen  tarnen  und  tarn  lag  eine  Mittelstufe  tarnen,  in  der  das 
Wort  mit  einem  stummen  e  ausgesprochen  wurde,  und  diese  Mittel- 
stufe ist  durch  die  obigen  Messungen  bezeichnet;  der  stumme  Vokal 
e  fiel  dann  ganz  aus,  und  da  die  Consonanten  mn  nicht  im  Auslaut 
eines  Lateinischen  Wortes  stehen  konnten,  so  iiel  auch  das  n    ab 
und  es  entstand  die  stumpfe  Form  tarn.     Die  daktylische  Dichtung 
hob  hingegen  durchweg  den  irrational  gewordenen  Vokal  4e  wieder 
zur  Geltung  einer  vollen  Länge  empor. 

Die  Conjunction  tamelsi  findet  sich  bei  Plautus  und  Terenz 
so  gemessen,  dass  die  Lautverbindung  ets  nicht  die  metrische  Gel- 
tung einer  langen  Silbe  zu  haben  scheint;  so: 

Plaut.     Capt.  321  :  Ne,  tarnet  si  unieus  sum  .  . 

Mü.lW:  Tametsi  dominus  nön  invitus .  . 
Psend.  244:  Redi  et  respice  ad  nos,  tametsi's  occupa- 
tio. 
Stich.  40:  Quam  ob  rem  ego  le  hoc,  soror,  tametsi's 
maior. 
Ter.     Eun.  II,  3,  25:   Tametsi  bonast  natura.  . 
Tarn  et  si  ist  eine  blosse  Verbindung  von  tarn  und  ctsi  unter  einem 
Hochton  und  wird    auch  getrennt  geschrieben;   der  Ausgang  -am 
von  tarn  lautete  also  irrational  gerade  so  wie  das  -am,  em  in  den 
Tonverbindungen    q  u a  m  o  b  r  e  m  ,    q  u  e  m  a  d  m  o  d  u  m  ,    die    auch 
quam  obrem,   quem  admodum  oder  quam  ob  rem,  quem 
ad  modum  geschrieben  werden  können. 


—    96    — 

Endlich  finden  sich  auch  die  Conjunctionen  et  und  ut  bei 
Plautus  und  Terenz  nach  Wörtern  von  einsilbiger  Geltung  so  ge- 
messen, dass  das  t  mit  dem  consonantischen  Anlaut  des  folgenden 
Wortes  nicht  Position  bewirkte;  so: 

Plaut.     Cure. 698 :  Bene  et  pudice  me  domi  habuit  .  . 
Capl.  124:  Ita  ut  dicis  .  . 
Ter.     Phorm.N,  1,  6:  Quod  ut  facerem  egestas  me  inpulit  .  . 
Hec.  I,  2,  32:  Ut  hoc  pröferam,  sed  ut  täcita  mecum 

gaüdeam. 
Andr.  II,  4,  6 :  Modo  u  t  p  ö  s  s  i  m  .  . 
a.  0.  V,  3,  17:  An  ut  pro  hüius  peccalis  .  . 
Eitn.  Prol.  19:  Ita  ut  facere  instituit. 
Heaut.  III,  1,8:  Item  u  t  f  i  1  i  u  m  .  . 
^fe/p/*.  III,  3,45:  3Iodo  ut  nüncesj,. . 

a.  0.  V,  3,41  :   Ita  ut  völumus. 
Phorm.  11,3,  68:  An,  ut  nequid  .  . 
Heaut.  I,  1,  116:  .  .  Sed  ut  diei  teinpus  est. 
a.  0.  I,  1,  27:  Rectümst,  ego  ut  faciam.  . 
Vgl  Ad.  IV,  2,  20.  Heaut.  V,  4,  17.  Eun.  II,  3,  302. 
Da  sowohl  et  als  ut  enklitische  Conjunctionen  sind,  wie  sich 
weiter  unten  ergeben  wird,  so  konnte  das  tieftonige  n  und  e  dersel- 
ben unter  den  Werth  eines  kurzen  Vokales   herabsinken  wie  das  u 
von  aput  und  caput  vor schwacblautendem  t. 

Die  Conjunction  simul  findet  sieh  häufig  so  gemessen,  dass 
ihr  auslautendes  1  mit  consonanlisehem  Anlaut  des  folgenden  Wortes 
nicht  Position  macht;  so: 
Plant. 

Aulul.lY,  3,  2:  Semul  radebat  pgdibus  terram . . 
Mit.  1137:  Sequimini;  simul  cir.cumspicite  .. 
TurpiL 

Com.  llib.  p.  94:   Simul  ci  r  cumspe  e  I  a  I  .. 
Ter.  Eun.  II,  2,  10:  Simul  con  siliu  in  cum  re  amisli  .  . 
Heaut.  IV,  5,  55:  Et  simul  conti  riam  fäcilius. 
Auslautendes  1  hat  im  Lateinischen  stets  seinen  vollen  Ton 
bewahrt  und  ist  niemals  abgefallen.     In  semul.  simul  ist  also  der 
tieftonige  Vokal  u   vor  1   irrational  geworden   wie  in  periculuni, 
exlempulo,  manipulus,  orac  u I  u  m  u.  a.,  so  «las>  die  folgende 
Consonanten Verbindung  nicht  ausreichte  ihn  zu  einer  Zeitdauer  von 
zwei  Moren  oder  einer  langen  Silbe  zu  ergänzen.     In  den  Romani- 


—    97     - 

scheu  Sprachen  ist  das  u  von  simnl  ganz  ausgefallen  und  zwischen 
in  und  1  ein  vermittelndes  1>  getreten,  im  Span,  und  Franz.  en- 
semble  von  in- simnl,  wie  comble  von  cumulus,  hu  in  hie 
von  humilis,  ebenso  mit  Uebergang  von  1  zu  r  Ital.  in-sembre, 
Allspan,  en-sembra.  Auch  das  1  von  simul  fiel  weg  in  Ital.  in- 
s ie m  (e) ,  Provenzal.  e  n  - s  e in  (s). 

Für  die  Vernachlässigung  der  Position  in  der  ersten  Silbe  von 
ätque  sind  zwei  Stellen  von  Bedeutung: 

Plaut.     Trin.  824:  'Atque  tibi  ego,  Neptüne  .  . 

Rud.  228:  .  .  Sunt  quam  haec  sunt,  loca,  atque  häe 

regiones  . . 

In  beiden  Fällen  ist  es  natürlich  anzunehmen,  dass  die  Con- 

junclion,  die,  wie  simulac,  simulatque  zcigl,  enklitisch  war, 

zwar  atque  geschrieben  aber  wie  ac  gesprochen  wurde,  so  dass 

das  auslautende  e  stumm  war*). 

Es  sind  nun  die  Verbalforme  n   zu  untersuchen,  in  denen 
eine  irrationale  Kürzung  eines  Vokales  erfolgt  ist. 

Häufig  ist  bei  den  Seenischen  Dichtern  est  als  kurze  Silbe, 
esse  als  Pyrrhichius  gemessen,  namentlich  häufig  nach  einsilbi- 
gen oder  ein sil  1) ig  gemessenen,  fragenden,  demonstra- 
tiven, persönlichen  und  possessiven  Pronomen  und  nach 
denselben  einsilbigen  Partikeln,  nach  denen  auch  ille,  iste, 
ipse  pyrrhichisch,  hie,  is  vor  con semantischem  Anlaut  des  folgen- 
den Wortes  als  Kürzen  gemessen  sind.  Man  überblicke  folgende 
P»eispielsammlung : 
Plaut. 

Bacch.  40:   .  .  Quid  esse   dicis  dignius? 
Bacch.  54 :    Q  u i  d  e s  t  q  u  o  d  metuis  ? 
Bacch.  1 1 5(3 :  Quid  est  qu od  pudeat ?  * 
Ter  ort.  Heaat.  V,  3,  6:  ..Quid  est  quod  peccem . . 
Ad.  II,  3,  8:  Quid  est?  Quid  sit? 
Ad.  111,2,25:  ..  Quid  est?  quid  trepidas? 
Ad.  IV,  2, 4  :  .  .  Q  u  i  d  e  s  t  ?  M  e  n  quaerit  ? 
Phorm.  III,  3,  30  :  N  ü m  q  u  i  d  c  s  t ,  q  u  o  d  operä  mea 


*)  Unter  den  von  Geppert,  Ausspr.  d.  Lat.  S.  85  angeführton  Stellen 
für  die  Messung  ätqu  e  ist  keine  streng  beweisend.  Ebenso  wenig  sind 
die  Messungen  perque,  q  u  u  d  q  u  e ,  antehac,  an t e ,  a.  Ö.  S.  91 ,  93, 
kritiscli  sicher  gestellt. 

Corssen  II.  7 


—     98     - 

Plaut. 

Trin.  565  :  Et  e  g  o  e  s  s  e  1  o  c  u  p  1  e  s  .  . 

Pseud.  468 :  Cupis  m  e  esse  n  e  q  u  a  m  .  . 

Mil.  549:  Scd  nie  am  esse  erilem  .  . 

Mil.  1  118:  .  Necessum  tibi  esse  uxörem  .  . 

Trin.  1337:  .  .  Tibi  esse  amicum  .  . 

Mil.  793 :  Tu  am  esse  uxorem  .  .   Vgl.  796. 

Mil.  932:  A  tua  esse  uxore  mihi  datum  .  . 

Trin.  354:    Ls  est  inmoenis  .  . 

Trin.  697:  'ls  est  bonos  .  . 

Stich.  89:  'ls  est  ecastor  .  . 

Bud.  1132:  'Eum  esse  rlixit  .  . 

Trin.  249:  'Id  est  mali  .  . 

Trin.  668:  'Hast  amor  .  . 
Terent. 

Andr.  IV,  4,  48:  II ic  est  ille  .  . 
Laber. 

Com.  Rib.p.  239:  Hie  esl  ille  gurdus  .  . 
Plant. 

Pud.  1080:  .  .  Qua  im  esse  aiebas  .  . 

Mil.  311 :..  Quid  quid  est,  müssil  abo  .  . 
Enn. 

Trag.  Rib.  p.  35:  Omni  est  ante  pedes  nnno  spectal  . . 
Terent 

Phorm.  IV,  3,  33:  üt  est  (He  bonos  vir  .  . 

Enn.  V,  5,  4:  Set  es  tue  ille  noster  Pärmeno  .  ? 

Ad.  IV,  2,  30:  Set  es  Ine  frater  intus  .  ? 
An  allen  diesen  Stellen  shlii  ossc  an  unbetonter  Stelle  des 
Salzes,  der  Nachdruck  der  Rede  ruht  meist  auf  dem  vorhergehen- 
den, seltener  auf  dem  folgenden  Wort,  sodass  es  immer  nur  dem 
Griechischen  ioxi  nicht  dem  Griechischen  tan  entspricht. 
Ritschi  (Pro/t.  p.  107.  325)  weist  für  Plautus  Dach,  das*  die  For- 
men es  und  est,  wenn  das  vorhergehende  WorJ  auf  einen  Vokal 
ausgebt  oder  auf  ein  s  nach  kurzem  Vokal,  und  die  Fora  est, 
auch  wenn  das  vorhergehende  Wort  auf  ein  m  auslautete,  ihren 
Vokal  ganz  einbüssten,  indem  sie  sieb  enklitisch  an  das  vorher- 
gehende Wort  anschlössen,  dass  man  als«»  itas,  her  des,  mis, 
homos,  na  eins  für  ila  es,  beide  es,  mi  68,  homo  es, 
na  et  ns  es;    ilasl,    lest,    ibist-    eost,    na  einst,    quomsL 


—     99     — 

qunmst,    quid  ernst   für  ita  est,   te  est,   ibi   est,   co  est, 
ii  a  c I  u  s  e s  t ,  q  u  o  m  e  s  I  ,  q  u  a  m  e  s  l ,  q  u  i d  e  ra  e  s  t  sprach  und 
schrieb.     Dass  spätere  Prosaiker   und  Dichter  eben  so   schrieben 
und  sprachen,  hat  die  neuere  Handschriftenforschung  aus  zahlrei- 
chen solchen  Schreibweisen  dargethan  (ygl.Lachm.Lucr.p.  65 — 67. 
200.   Wagner,  Orthogr.  Verg.p.  433  s<y-  Nwlnrfir,  Consp.  Orihogr. 
Vatic.  cod.  Cic.  d.  rep.  Madvig  ed.  Cic.  de  'finib.  Wunder,  Praef 
Cic.  Plane,  j).  14).     Die  Inschriften  stimmen  {damit   überein.     In 
Voraugusteischen  Inschriften  finden  sich  die  Schreibweisen  situst 
(/.  N.  5882),  vocitatusj.  (/.  Gen.),  re lata  st  (Or.  4641),  dedi- 
catast(/.  Ar.  2557),  positast  (I.  N.  3868),  quälest  (I.  N.  1 137) 
und  aus  einer  Leichenrede  der  Augusteischen  Zeit  necessest  (Or. 
4859).     Also  die  Formen  es,  est  sind  enklitisch  undbüssen  in  den 
vorstehenden  Fallen  ihren  tieftonigen  Stammvokal  ein.     Aher  auch 
die  anderen  Formen  des  Präsens  von  esse  sind  enklitisch  gewe- 
sen.    Der  Stammvokal  e  hätte  in  sinn,  sumus,  sunt,  sim,  sis, 
sit  ii.  a.  nicht  abfallen  können,  wenn  diese  Formen  nicht  ihren  ei- 
genen Hochton  verloren  und  sich  an  das  vorhergebende  Wort  an- 
gelehnt hätten.    So  findet  sich  denn  auch  geschrieben  adtributa- 
sunl  (/.  Iul.  munieip.);  so  ist  durch  enklitischen  Tonanschluss  der 
Formen  von  esse  an   potis   possum,   pol.es  u.   a.  entstanden; 
eben  so  hat  sich  die  Conjunctivform  sit  an  das  vorhergehende  Wort 
angefügt  in  forsitan  für  fort  e-s  it -an,  während  fortassisaus 
forte-an-si-vis  zusammengewachsen  ist  (vgl.passum  für  pan^ 
Stirn).    Auch  im  Oskisehen  wird  das  Präsens  von  esse  ebenso  an- 
gefügt an  das  vorhergehende  Wort  in  den  Schreibweisen:  pro  (tu - 
set,  posstist,  lermnatusl,  im  Umbrischen  desgleichen  wie  die 
Schreibweisen :    p  e  s  e  t  o  m  e  st,    peretomest,    f  r  o  s  e  t  o  m  e  s  t  , 
daetomest    zeigen,     in  dem  Abschnitte   über  die  Betonung  der 
Italischen  Dialekte  wird  davon  weiter  die  Hede  sein. 

Wenn  also  die  Italischen  Sprachen  in  dem  Tonanschluss  der 
Formen  von  der  Verbalwurzel  -es  noch  weiter  gehen  als  dicfirie. 
einsehe,  wenn  in  sum,  sumus,  sunt,  sim,  sis,  sit  u.a.  der  tief- 
tonige  Stammvokal  immer  abfiel,  ebenso  in  est,  es  verklang,  wenn 
das  vorhergehende  Wort  auf  einen  Vokal  oder  einen  der  im  Auslaut 
schwach  tönenden  Consonanten  m  oder  s  ausging,  so  folgt  daraus, 
dass  in  dem  enklitischen  est  und  esse  an  den  angeführten  Stellen 
der  Sceniscben  Dichter  derselbe  tieftonige  Vokal  e  zu  einer  irratio- 
nalen Kürze  gesunken  ist,  und  dass  deshalb  die  Lautverbindungen 

7* 


—     100    — 

ess,    est    nicht    mehr   die   Zeitdauer    einer   langen   Silbe    aus- 
füllten. 

Dieselbe  irrationale  Kürze  hat  das  tieftonige  e,  wenn  potest, 
a  tl  e  s  I,  inest  pyrrhichisch  gemessen  vorkommen  {Fleckeis.  .\.  Jahrb. 
LXI,  42.  Anm.). 

Plaut.     Pseud.  135:  .  .  N6n  potest  ussura  ussurpari. 
Enn.       Trag.  Rib.  p.  18:  'Ad est,  adesl  fax  öbvoluta  .  . 
Terent.   Ewn.  V,  2,  66:  Adest  optume  ipse  fraler  .  . 
Es  sind  nun  einige  Perfektformen  in  Betracht  zu  ziehen,  in  de- 
nen irrationale  Vokale  erscheinen.     Dies  isl  der  Fall  in  folgenden 
Versen : 

Plaut.      Trin.  129:  Dedisline  hoc  facto  ei  glädium  .  . 

Men.  689:  Tüte   nitro   ad   me   dclnlisli  dedisti   eam 

dono  mihi. 
Amph.  761:   Denisse  dono  hodie  qua   le   illi  .  .  . 
Pseud.  990:  Nomen  est.     Scio  iäm  tibi  me  reete  de- 

d  isse  epistnlam. 
Stich.  721:  Age  tibicen  quändo  bibisli,  refer  ad  la- 
beas  libias. 
Es  fragt  sich  hier,  ob  der  Vokal  der  ersten  oder  dr  zweiten 
Silbe  von  dedisti,  de d  isse,  bibisti  zu m  stummen  Lau!  gesun- 
ken ist.  Fleckeisen  (N.  Jahrb.  LX,  257.)  pflichtet  Bergks  Ansicht 
bei,  dass  in  diesen  Formen  die  Reduplicationssilbc  geschwunden 
s<'i.  Allein  nirgends  isl  \on  einem  solchen  Schwinden  der  Redupli- 
eationssilbe  sonst  eine  Spur  zu  linden  weder  für  dedi  noch  für 
bibi.  Wohl  aber  erleidet  das  Charakteristische  i  des  Perfekts  vor 
der  Endung  der  zweiten  Person  Sing,  -s  I  i  Ausfall  in  den  besproche- 
nen Formen  wie  insli,  sens'ti,  maust  i,  misti,  coepsli, 
scripsti,  (1  ix  I  i,  d  nxt  i,  Inxli  und  vorder  Endung  -sse  des 
Infinitivs  in  Formen  wie  misse,  sumpse,  scripse,  dixe,  ftber 
die  oben  ausführlich  gehandelt  isl  (Vgl.  II,  33  /*.).  Es  isl  schon 
darauf  hingewiesen,  dass  diese  Aosstossung  des  i  nur  möglich  war 
bei  der  alten  Detonnngsweisc  iüss  i  sl  i,  si;  n  s  i  s  I  i  o.a.,  scripsisse, 
dixisse  n.  a.  ;  es  ist  ferner  klar,  dass  der  ursprünglich  lange  Vo- 
kal i  nicht,  mit  einem  plötzlichen  Ruck  ans  dem  Wortjcörper  hinaus- 
geworfen wurde,  Sündern  dass  er  sich  allmählich  kürzte  und  bis  zu 
einem  stummen  Vokal  einschrumpfte,  ehe  er  ganz  verschwand. 

Daher  sind  auch  die  Formen  dedisti,  bibisti,  dedisse  so 
zu  fassen.    d,iss  der  llochlou  auf  der  drittletzten  Silbe  blich,    wo  er 


—     101      — 

nach  dem  allen  BetoiHingsgesetz  stand,  das  i  aber  irrational  wurde, 
so  dass  die  Lautverbindungen  ist,  iss  nicht  mehr  die  Tondauer 
einer  Lange  hatten,  und  somit  dem  neuen  Betonungsgesetz  geneigt 
war,  das  den  Ilochlon  auf  der  drittletzten  und  die  Länge  der  vorletz- 
ten Silbe  nebeneinander  nicht  vertrug.  Es  ist  ferner  nachgewiesen, 
wie  dem  Zischlaut  s  ein  I-ähnlicher  vokalischer  Beiklang  eigen  war, 

der  sich  im  Anlaut  vor  t,  p,  c  zu  einem  stummen  1  entwickeln 
konnte,  wie  die  Schreibweisen  ispirito,  istatuam,  isla  res  u.  a. 
zeigten.  Auch  hei  der  Aussprache  der  Formen  sensti,  scripst», 
dixti  tönte  dieser  [-ähnliche  Beilaüt  des  s  durch.     Das  irrationale  i 

der  Formen  dedisti,  bibisti  klang  auch  nicht  mehr  deutlicher 
wie  jener  1- klang;  hier  ward  der  irrationale  Laut  noch  durch  ein 
Schriftzeichen  bezeichnet,  dort  nicht  mehr,  wie  man  dextera  lie- 
bend extra,  pericula  neben  pericla  schrieb,  wie  neben  der 
Schreibweise  istc,  isla,  istud  die  andere  ste,  sta,  stud 
vorkommt,  während  in  beiden  Fällen  derselbe  Laut  gehört  wurde. 

Ebenso  verhielt  sieb  die  Infinitivform  d  edisse  zu  dixe,  scripse. 
Als  die  Sprache  den  Ilochlon  auf  der  drill  letzten  Silbe  vor  Tonlänge 
der  vorletzten  nicht  mehr  litt,  ward  aus  den  ursprünglichen  Formen 
dedisti,  dixTsti,  d edisse,  dixisse,  durch  Kürzung  der  vorletz- 
ten Silbe  d  6d is  ti>  dixti,  d  edisse,  dixe,  oder  durch  Vorschie- 
bung des  Hochtones  dedisti,  dixisti,  dedlsse,  dixisse;  ge- 
rade so  zweigten  sich  in  derselben  Zeit  aus  demselben  Grunde  von 
der  alten  Form  dederont  für  dedlsont,  einerseits  dederont, 

(I  c  (I  ro  t ,  d  e  (1  r  o ,  andrerseits  d  e  d  e  r  iml,  d  ed  e  r  e  ab.  /  '///.  I,  260. 
II,  18.  33  /".  Daraus  folgt,  dass  auch  in  dem  Baccheischen  Tetra- 
meter bei  Plautus : 

Poen.  1,  2,  13:  Eae  nos  lavando,  eluendo  operam  dederunl 
nicht  an  eine  Ausstossung  des  e  der  Reduplicationssilbe  zu  denken 

ist ,  sondern  d  e  d  e  r  u  n  t  oder  d  e  d  r  u  n  t  gehört  und  gesprochen 
wurde. 

Eine  Bestätigung  für  die  hier  entwickelte  Ansicht  bietet  nun 
feiner  die  Messung  von  dedit  in  folgenden  Versen  des  Plautus  und 
Terenz : 

Plaut.     Most,  649:  Set  ärraboni  dedit qüadragintä  minas. 
Irin.   902:  'Ab  ipson  istas  äeeepisti?  E  manibus  dedit 
mi  ipse  in  manus. 


—     102     — 

Plaut.  Rucl.   1171:  'Et  bulla  aureäst,  paler  quam  dedit   mihi 
natali  die. 

Ter.  Eim.  V,  8,  15:  Illumnc  qui  mi  dedit  consiliura  .  . 
Die  Annahme,  dass  hier  dedit  einsilbig  gesprochen  sei,  in 
dem  der  Vokal  der  Reduplicationssilbe  geschwunden  {FJeckeisen, 
N.  Jahrb.  LX,  259),  ist  unhaltbar,  da  in  der  Sprache  unmöglich  der 
hochbetonte  Vokal  ausfallen  kann,  wahrend  der  tieflonige  daneben 
unversehrt  blieb.  Ein  Schauspieler  aber  wäre  sicher  ausgelacht, 
wenn  er  hätte  d'dit  sprechen  wollen,  während  das  Volk  dedit 
sprach.  Dass  das  auslautende  t  in  Verbalformen  im  Altlateiniscb.cn 
wie  in  der  späteren  Lateinischen  Volkssprache  und  in  anderen  Ita- 
lischen Dialekten  einen  dumpfen  und  matten  Ton  hatte  und  daher 
schon  in  den  Altlateinischen  Formen  d  e d  e ,  d  e d  r  o ,  ded er i,  c e n - 
suere  gar  nicht  geschrieben  wurde,  wie  auch  in  den  Spätlateini- 
schen vixse,  fece,  quiesce,  fecerun,  quieseun,  ist  oben 
gewiesen  (I,  70).  Auch  der  Charaktervokal  i  der  3ten  Person  Sing. 
I'erf.  erlitt  gelegentlich  eine  solche  Kürzung,  dass  er  gar  nicht  ge- 
schrieben wurde.  So  findet  sieb  auf  einer  alten  Inschrift  fect  für 
fecit  und  auf  späteren  vixt  und  expensavl  (vgl.  II,  23). 
Dass  der  Vokal  i  hier  nicht  ganz  ausfiel,  sondern  nur  stumm  oder 
irrational  wurde,  gebt  daraus  hervor,  dass  Conso  nanten  verbind  un- 
gen  wie  et,  xt,  vt  im  Auslaut  Lateinischer  Wörter  ganz  unerhört 
sind.  Wenn  nun  von  der  Perfektendung  -it  beide  Laute  so  schwach 
tönen  konnten,  dass  sie  gelegentlich  gar  nicht  geschrieben  wurden, 
so  ist  man  zu  dem  Schluss  berechtigt,  dass  die  ganze  Silbe  eine 
irratidnale  Aussprache  haben  konnte  wie  die  auf  m  auslauten- 
den Silben  oder  wie  die  auslautende  Silbe  in  aput,  Caput,  ul. 
So  ist  also  in  den  Formen  der  driften  Person  Sinu.  fect,  e\- 
pensavt,  vixt  der  Charaktervokal  des  Perf.  in  tieftoniger  Silbe 
irrational  geworden  wie  in  den  Formen  der  zweiten  Per».  Sing. 
mansti,  sumpsti,  dixti  u.a.  und  der  drillen  Pers.  Plur.  de- 
drot,  dedro.  Daraus  folgt,  dass  dedit  in  den  angeführten  Ver- 
sen des  Plaut  US  eine  pyri  hichische  Messung  hatte  wir  \<>r  vokali- 
SChem  Anlaut  des  folgenden  Wortes  (Tr/u.  894.  Mi>.  Ö7(>.  Capt. 
II).     Most.  978). 

Ebenso  verhält  es  sich  auch  mit  der  Messung  anderer  Formen 
der  3tcn  Pers.  Sing,    in  Versen  (\v^  Plautus  und  Terenz.      So: 

Plaut.  Merc.$5:  \^it  grätias  mi  .  . 

Cure.  357:  ..  Heil  voll  ur  in  s  quättuor. 


—     103     — 

Für  diese  Präsensförm  agil  kann  man  auch  noch  auf  die  Aus- 
stossung  des    i  der  Präsensformen    fert,    vult,    est   verweisen. 
Ebenso  sind  die  Futurformen  eril,  dabit  pyrrhichiseh  gemessen 
vor  folgendem  Consonanten: 
,   Plaut.  Pers.  265:  .  .  Tiixtax  lergo  eril  meo:  non  curo. 

Pseucl.    152:   Nun) quam    edepol   vostrum   dürius   tergum 
erit  quam  tcrginum  hoc  meumst. 
Ter.    Ad.  II,  1,  26:  ..  Erit  melius  hie  con Vitium. 

Andr.  II,  3,  22:  Dabit  nemo,  inveniet  inopem  potius  .  . 
So  findet  sich  auch  die  3(e  Pers.  Sing.  Präs.  Ind.  von  Verben 
der  E-Coojugatiün  wie  der  A-Conjugation  vor  consona n tische m  An- 
laut des  folgenden  Wortes  pyrrhicliisch  gemessen: 
Bacch.  932:  .  .  Lu'bet  lamcnlari,  dum  exeat. 
ä.  Ü.  986:  ..  Novi:  luhet  pe Heger e  has.   Pellege. 
a.  0.  1155:  .  Quid  nie    [nunc]   vis?    P  u  d  e  t    d  i  c  e r  e   me  tibi 
quid  (hun. 
Trin.  661:   Perpeti  nequeö  simul  me  pfget  parum  pudere  te. 
Pers.  220  :  .  .  Decet  nie.   Me  quidem  iiem  äddecet. 
Pers.  213:    ..  Ut  decet  lenonis  fämiliae. 
Mil.  1087:  Ita  me  mea   forma  habet   sollicilum.. 
Cure.  170:  .  .  Videt  nee  potiLm*  dum  licet. 
Ter.  Hec.  V,  4,  26:  .  .  Pläccl  non  lieri  hoc  .  . 
Eun.  1!,  2,  29:  ..  Videt  nie  esse  tanto  honore. 
Eun.Hl,  1,  10:   Dolet  dictum  iinprudenti  .  . 
Ad.  1,  1,  48:  S  ludet  pär  referre  .  . 
id.  IV,  5,  5 :  Tacel.  quör  non  ludo  bunc  .  . 
Ad.  V,  S,  l  :  luhet  frater?  ubi  is  est? 
PL  Md.  1016:  .  .  A  m  a  t  mulier  quaedara  quend  im. 
Cure.  339:  Hogal  quid  veniam  Cäi'iam. 
Ter.  Ad.  I,  2,  3S :  Aniat:  dabit ur  a  nie  argenlum  .  . 
Eun.  II,  2,21  :  Negal  quis?  nego:  ail  .  . 
Pharm.  II,  3,  5 :   Negat  Phanium  esse  .  .  *) 

Wie  diese  Präsensformen  ist  auch  gemessen  die  3te  Pers.  Imp. 
e  r  a  t : 

Ter.  Eun.  III,  5,  21 :  Erat  quid  am  eunuchus  .  . 
Ad.  IV,  4,  10:  .  .  Ad  öhstelriceni  erat  mis.sa  .  . 

*)  Mit  Fleckeisen  a.  O.,  vgl.  ed.  Plaut  ed.  Ter.  u.  Geppcrl,  Ausspr.  d. 
Lat.  S.  84,  ist  in  den  hier  angeführten  Versen  mehrfach  die  handschrift- 
liche Lesart  beibehalten  gegen  Ritschi,  Proll.  119  f. 


—     104     — 

Wohl  zu  bemerken  ist  nun,  dass  alle  diese  Wortformen  wie 
dedit,  ägit,  däbit,  lubct,  pudet,  dolet,  ämat,  rögat, 
6 rat  u.  a.  zweisilbige  Wortformen  mit  kurzer  Stammsilbe  sind. 
Indem  die  Stammsilbe  durch  den  Ilochton  scharf  hervorgehoben 
wurde  ,  kürzte  sich  die  Tonlänge  der  Endsilbe  in  der  ersten 
Pers.  Ind.  Perf.  dedi,  bibi,  steti,  in  den  Infinitiven  darX, 
patT,  loqul  und  den  Imperativen  veni,  abl  (I,  341),  in  der  er- 
sten Pers.  Sing.  Präs.  und  Fut.  eö,  agö,  negö,  volö,  sciö, 
sinö,  dabo,  erö  (I,  345),  in  der  zweiten  Pers.  Imperat.  rogä, 
PI.  Men.  1106.  Cure.  708,  amä,  Cure.  38,  iube,  cave,  vide,  in 
der  2ten  Pers.  Sing.  Ind.  und  Conj.  der  Formen  negäs,  rogäs, 
viel  es,  iubes,  loces,  voles,  abis,  vcl  is,  in  der  3teu  Pers.  Sing. 
f uil,  venit,  dedit,  velit,  amal  {Flecken.  N.  Jahrb.  LXI, 
39  —  41).  Wenn  nach  dieser  Kürzung  für  rogäs-ne,  vides-ne, 
abis-ne  bei  dein  schwachen  Ton  des  auslautenden  s  i'ogan,  vi- 
elen, abin  gesprochen  werden  konnte,  so  isl  es  auch  nicht  befremd- 
lich, wenn  für  pudet  dicere,  dolet  diel  um  gesprochen  wurde 

V  V 

pudel  dicere,  dolet   diel  um,  ohne  dass  dem  schwach  hörba- 
ren I  die  Kraft  beigelegt  winde  Positionslänge  zu  bewirken*). 

Die  Volkssprache  ging  aber  auch  noch  einen  Schrill  weiter,  wenn 
sie  auch  Formen  wie  habenl,  solent,  Student  vor  vokalischem 
wie  vor  nmsoiianlischein  Anlaut  des  folgenden  Wortes  pyrrhichisi  li 
zu  messen  gestattete: 

Em.  II,  3,03:   Habenl   despicalu  el  <|u;ie  nos  .  . 

Heaut.  V,  2,40:  Solent  esse:  id  non  lil  .  . 

.iil.  V,  7,  2:  Student  fäcere;  in  apparändo  .  . 

Die  schon  mehrfach  erwähnten  Altlateinischen  Formen  dedrot, 
dedro,  dederi,  censuere,  wie  die Umbrischen  benüso,  Lat. 
venerunt,  covortuso,  Lat.  converterunt,  zeigen,  dass  der 
Auslaut  der  dritten  Person  Pluralis  -nt  einen  sein-  schwachen  Ton 
gebäht  hat.  Wenn  durch  die  Schreibweise  dedrol  die  Aussprache 
von  dedront  bezeichnet  werden  konnte,  so  i^t  es  nicht  befremd- 
lich neben  p  Üd  6t,  1  Üb  St,  in  hei  auch  ha  heut,  solent.  Stu- 
dent gemessen  zu  linden.  Wenn  aber  vor  consonantischem  An- 
laut des  folgenden  Wortes  schwach  lautendes  t  oder  nt  (\vv  ge- 
kürzten  Endsilbe    eines  zweisilbigen  Wortes    mit   kurzer   Stamm- 

;i:)  Die  Behauptung  Gepperts,  ,/.  O.  dass  dies  aucli  bei  mehrsilbigen 
Ver^alformen  vorkomme,  kann  durch  du«  von  ihm  angeführten  Stellen 
nicht  als  begründet  angesehen  worden. 


—     105     — 

silbe  nicht  Positionslänge  hervorbrachte,  so  ist  das  nicht  seltsa- 
mer, als  wenn  dem  schwachlautcnden  s  unter  denselben  Bedin- 
gungen diese  Krall  abging  in  Messungen  wie  facts  tun,  Stich. 
326,  erTs  si,  Psead.  666,  eris  nummo,  Pseud.  1318,  eris 
deeeptus,  Pseud.  1326,  vides  referre,  Bud.  §42,  oder  wenn 
dem  auslautenden  n  die  Kraft  Position  zu  bewirken  fehlte  in 
Verbindungen  wie  itan  tan  dem,  Trin.  642,  haben  tu,  Trin. 
964,  viden  sc  el  est  US,  Bud.  1093.  Wenn  in  dem  letzten 
Beispiele  die  Lautverbindung  esn-sc  zur  Lautdauer, einer  Kürze 
einschrumpfte,  so  liegt  nichts  befremdliches  darin,  wenn  bei  Te- 
renz  unter  gleichen  Bedingungen  in  ha  beut  despicatu  auch  die 
Lautverbindung  ent-d  ebenso  kurz  gesprochen  wurde. 

Es  sind  nun  die  Nominalformen  in  Betracht  zu  ziehen,  in  de- 
nen vor  Consonanten  oder  im  Auslaut  irrationale  oder  stumme  Vo- 
kale erscheinen.  Auch  diese  erkennt  man  mehrfach  daran,  dass 
sie  zusammen  mit  zwei  oder  mehreren  folgenden  Consonanten  in 
der  Versmessung  der  Scenischen  Dichter  den  Werlh  einer  Länge 
nicht  erhalten. 

Zuerst  werden  also  hier  einige  zweisilbige  auf  m  und  s 
auslautende  Wortformen  besprochen,  die  in  der  Messung  des  Plau- 
tus  und  anderer  Scenischer  Dichter  metrisch  stellenweis  wie  ein- 
silbige Wörter  behandelt  werden. 

So  zunächst  die  auf  m  auslautenden  Aceusativlorinen: 
m  a  1  a  m ,  m  a  1  u  m ,  sene  m , 

b ö n  u m ,  cane m , 

merum, 
p  ä  r  u  m , 
er  um, 
man  um. 
(Bilschl,    Proll.   Trin    142.    147/    Fleckeisen,   Neue  Jahrb.    LX, 
p.  259.  vgl.  Pseud.  234,     Enn.  trag.  Rib.  p.  50.     Plaid.  Trin.  673. 
Bacch.  1172.    Pseud.  242.     Mtl.  695.     Trin.  661.     Bacch.  87. 
Pseud.  860.   Ter.  Hec.  V,  1,  16  u.  a.) 

Dass  der  hochbetonte  Vokal  der  Stammsilbe  dieser  Wörter  in 
der  Aussprache  nicht  ausgestossen  werden  konnte,  während  der 
tieftonige  der  Endsilbe  seinen  Klang  und  seine  Geltung  als  Kürze 
behielt,  hat  Bitschi  richtig  erkannt,  Proll.  Trin.  p.  147.  Anm.: 
CcEt  aliquid  interest  sane,  utrum  tamquam  m'lum,  d'ini,  m'nus, 
ö'nex,  s'mul,  c'ne m ,  c '  1  o s ,  s ' r o r ,  v ' r o  s  pronuntiemus,  an 


-     106    — 

am  or  et  er  um  et  enim  voeabulorum  monosyllabam  pronuntiatio- 
nem  c  a  1  i  q u o  m  o  d  o '  i m  i  t  e m  u  r ,  cum  haec  vix  possint  pr i  or  e  vo- 
cali  extrita  proferri,  sed  sie  potius  ut  videtur :  aiii'r,  er'm,  en'm" 
In  diesen  Worten  liegt  angedeutet,  was  hier  nachgewiesen  werden  soll, 
dass  die  irrationale  Aussprache  der  tieftonigen  Endsilbe  der  Grund 
der  einsilbigen  Messung  der  vorstehenden  Wortformen  und  einer  An- 
zahl anderer  war. 

Schon  oben  ist  aus  Inschriften  der  Beweis  geführt,  dass  aus- 
lautendes m  zur  Zeit  des  Plautus  so  schwach  gesprochen  wurde, 
dass  man  zweifelhaft  war,  ob  es  noch  durch  die  Schrift  zu  bezeich 
neu  sei  oder  nicht  {vgl  I,  109  — 113).     Wegen  dieses  schwachen, 
irrationalen  Lautes  des  auslautenden  m  konnten  die  Dichter  die  En 
düngen  -am,  -em,  -im,  -um  vor vokalischem Anlaut  des  folgenden 
Wortes  in  der  Versmessung    wie  vokalisch  auslautende  Endungen 
behandeln.     Wenn  Ouinlilian,  IX,  4,  40,  von  diesem  m  sagt:  pa- 
nini   exprimitur,    und:    neque    enim    eximitur,    sed    ob- 
scuratur,    et    taut  um  aliqua    int  er    duas   vocales  velut 
nota  est,  nc  ipsae  eoeanl,    so  sind  jene  Endungen  im  Volks- 
iniindc  nicht  völlig  geschwunden  sondern  nur  undeutlich  und  irra- 
tional gesprochen.     In  der  alleren  Dichtung  konnten  nach  Priscian 
(I,  38.  II.)  die  auf  in  auslautenden  Endungen  vor  vokalischem  An- 
laut des  folgendes  Wortes  noch  die  Geltung  kurzer  Silbe»  haben 
wie  zum  Beispiel  in  den  Versen  des  Ennius: 

Ann,  v.  330.  V:  Insigneita  lere  tum  milia  militum  oclo. 
aSfi,  #.485:  Dum  quid  cm  unus  bomo  Romanus  toga  superescil 
{vgl.  Lachm.  Lucret.  II,  100).  Dass  in  der  Volkssprache  die  aufm 
auslautenden  Endungen, aber  auch  ganz  verklingen  konnten,  dafür 
zeugen  vor  vokalischem  Anlaut  des  folgenden  Wortes  a  ni  m -ad- 
ver l  erc,  v  e  n-ire,  dec  -c  nnium,  sept-ennium,  dec-unx, 
vor  consonanlisehem  Anlaut  des  folgenden  Wortes  tri-nundi- 
num,  ven-dere,  sus-que  und  in  jedem  Zusammenhange  ni- 
hil-, (Inner-  {vgl.  II,  55./.).  Der  Vokal  in  allen  diesen  auf  m 
auslautenden  Endungen  war  also  ein  stummer  Laut,  der  M-Iaut 
nur  ein  matter  Nachklang  eines  wirklichen  m,  die  ga n/e  Silbe 
war  ein  irrationaler  für  die  Metrik  nicht  genau  mesabarer  Laut 
ueworden.  Hieraus  folel  mit  zwingender  Noth wendigkeil  ,  da>?> 
auch  in  den  IMautinischen  Formen  wie  mal  um,  hon  um,  mala  in. 
senemu.  a.,  wo  dieselben  in  der  metrischen  Geltung  einsilbiger 
Wörter  oder  vor  consonantischera  Anlaut  des  folgenden  Wortes  pyr- 


—     107     — 

rhichisch  gemessen  vorkommen,  die  tieftonigen  aufm  auslautenden 
Endungen  -am,  -um,  -ein  zwar  nieht  ganz  geschwunden  aber 
irrational  geworden  sind,  gerade  so  wie  sie  in  der  lebendigen  Volks- 
sprache gesprochen  wurden*). 

Hiernach  erklärt  siebt  auch  die  Aussprache  einiger  auf  s  aus- 
lautenden Wortformen,  die  in  der  melriseben  Geltung  einsilbi- 
ger Wörter  vorkommen.  Dies  gilt  zuerst  von  ih\i  Nominativ- 
tbrmen : 

in  a  1  u  s ,  d  o  m  u  s , 

boims,  m a n u s  , 

Ritschi,  Prall,  p.  142.    Fleckeisen,  Neue  Jahrb.  00,  259. 

Das  auslautende  s  des  Nominativs  klang  in  der  alteren  Ro- 
mischen Sprache  so  schwach,  dass  man  zweifelhaft  war,  ob  die- 
ser dünne  Laut  noch  die  Bezeichnung  durch  ein  Schriftzeichen  ver- 
diene oder  nicht;  das  ist  in  dem  Abschnitt  über  den  Zischlaut  s  aus 
den  ältesten  Inschriften  nachgewiesen  worden  (vgl.  I,  119.)  Wenn 
also  die  Römischen  Dichter  bis  in  die  Zeit  Ciceros  und  Catulls 
das  auslautende  s  nach  kurzem  Vokal  vor  consonantisebem  Anlaut 
des  folgenden  Wortes  in  der  Messung  als  nicht  vorbanden  ansahen 
{Benlley,  Hör.  A.  P.  65),  so  folgten  sie  der  Volkssprache,  wie  auch 
Cicero  ausdrücklich  sagt,  Or.  c.  48,  160:  Ita  non  cra  t  offen sio 
in  v e r  si h  u s ,  q u a m  n  u n c  f  ugiunt  p oet a e  n o  v  i.     Ita  e n  i m 

*)  Dieselbe  Messung-,  die  Ritschi  auf  diese  zweisilbigen  Wortfor- 
men mit  kurzer  Stammsilbe  vor  consonantisehem  Anlaut  des  folgenden 
Wortes  beschränkt  ,  will  Geppert,  Lal.  Ausspr.  S.  87.  f.  auch  auf  andere 
ausgedehnt  wissen.  Für  die  Messung  decem,  Ter.  Pharm.  IV,  3,  57, 
Plaut.  Cure.  II,  3,  65,  scheint  die  Lesart  der  Handschriften  zu  sprechen, 
obwohl  der  Fleckeisensche  Text  an  beiden  Stellen  abweicht.  Unzuver- 
lässig ist  die  handschriftliche  Ueberlieferung  für  rogera,    Ter.  Pharm.  V, 

V  V 

4,  9,  item,  Plaut.  Baccli.  952,  patrem,  Baceh.  404;  Emendationen 
der  Herausgeber  erscheinen  daher  gerechtfertigt.  Unerwiesen  sind  die 
Messungen  cocum,  Plaut.  Capt.  917,  Syrum,  Ter.  Ad.  V,  9,  2,  sa- 
cruin,  Plaut.  Trin.  286,  weil  die  betreffenden  Verse  eine  andere  Messung 
als  die  von  Geppert  vorausgesetzte  zulassen  oder  erfordern.  Für  velim, 
Poen.V,  4,  36,  anum,  Cist.  II,  3,  50,  scheinen  Handschriften  zu  spre- 
chen ;  doch  da  der  kritische  Apparat  für  diese  Stücke  noch  nicht  vor- 
liegt,   darf  man  nicht    wagen  jene  Messungen   als  gesichert  anzusehen. 

V 

Ohne  alle  sichere  Gewähr  stehen  endlich  virginem,  Ter.  Eun.  IV,  3,  12, 
vidulum,  Plaut.  Rud,  936.  Die  sprachliche  Möglichkeit  dieser  Messun- 
gen lässt  sich  übrigens  nicht  in  Abrede  stellen. 


—     108     — 

I  o  q  u  e  b  an  t  u r :  f  0  u  i  est  o  m  h  b  u  '  p r i n  e eps ' ,  n  o  n :  c  o  m  n  i  - 
bus  princeps'  et:  cvita  illa  dignu'  locoque'  non:  fdig- 
bus'.  Es  war  daher  natürlich,  wenn  Messalla  und  Servius 
Sulpieius  diesen  Nachklang  eines  auslautenden  s  gar  nicht  schrei- 
ben wollten  (Quinl.  IX,  4,  38),  und  so  wird  es  denn  auch  in  d^n 
Handschriften  älterer  Dichter  vielfach  nicht  geschrieben  (Lachm. 
Lucr.  p.  29),  wie  auch  die  Schreibweisen  sanun  (Bacch.  566), 
expectatun  (Amph.  679)  bei  Plautus  zeigen.  Dass  das  auslau- 
tende o  der  O-Stämme  vor  auslautendem  s  ganz  schwinden  konnte, 
bewiesen  die  Formen  Camp  ans,  damnas,  sanas  u.a.  (vgl.  II, 
55);  dass  die  ganze  Endung  -us  schwinden  konnte,  zeigte  sich  an 
den  Nominativen  wie  puer,  socer,  teuer,  asper,  Alexan- 
der, vir,  famul  u.  a.  [vgl.  11,  52.  f.).  Aus  alle  dem  erhellt 
genugsam,  dass  auch  in  malus,  ho  uns,  domus,  manus  die 
ganze  Endung  sich  zu  einem  irrationalen  Laut  verdunkeln  konnte 
und  somit  nöthigen  Falles  im  Plautinischen  Verse  jene  Wörter  als 
einsilbig  gemessen  werden  konnten. 

Man  hat  ferner  die  einsilbige  Aussprache  solcher  zweisilbigen 
Worlformen  bei  Plautus  behauptet,  die  vor  «lein  auslautenden  s  einen 
langen  Vokal  haben  wie : 

minas,         Po  res,         foris,         malos, 

foras,         pedes,  Stich,  ZW.       viros. 
(Bitschi,  Prall,  p.  142.  145.    Fleckeis.  a.  0.) 

Alier  auch  in  diesen  ist  der  Ausfall  der  hochbetonlen  Stamm- 
silbe eine  Unmöglichkeit.  Von  diesen  Wörtern  ist  zunächst  minas 
auszusondern,  denn  wo  dasselbe  einsilbig  gemessen  vorkommt,  ist 
es  nach  Griechischer  Weise  mnas  gesprochen  (Ter.  Phorm.  IV,  •'!. 
57).  Für  die  übrigen  Wortformen  ist  zunächst  zu  bemerken,  dass 
sie  alle  iambische  Wort  formen  sind,  dass  also  in  allen  diesen 
der  Vokal  der  Endsilbe  im  Gebrauch  der  Dichter  gekürzt  weiden 
konnte,  aus  demselben  Grunde  wie  er  in  den  Verbalformeu  vides, 
loees,  iubes,  voles,  abis,  velis  gekürzt  ist,  weil  der  Hochton 
(\r\-  Stammsilbe  der  Tondauer  der  Endsilbe  Eintrag  tliat.  So  ge 
schient  es  denn  auch  mit  den  Formen  fores,  foras,  foris: 

PI  Hill. 

Stich.    'M  \  :    Somnöne   operam   datis?    experiar    fores    an 

cubiti  .  .  . 
Stich.   738:    Föras  egredere:  sä.t  mihi  pulcra's  .  . 
Bacch.  1119:  Nisi  mavullis  föris  et  postis  .  . 


—     109     — 

Waren  aber  die  Vokale  a,  e,  i  von  forns,  fores,  foris  ge- 
kürzt, so  verlor  das  s  seinen  Halt  und  lautete  so  schwach,  dass  es 
zusammen  mit  dem  consonantischen  Anlaut  des  folgenden  Woil es 
keine  Positionslänge  bewirkte,  wie  m  a  uns,  malus,  bonos  u.a.;  so: 

Plaut.  Trin .808:    F  6  r  i  s  p  u  1 1  a  1  >  o  .  . 
Stich.  598:  Foris  conare? 
Mit.  410:  Sed  fores  vicini  .  . 
Poen.Y,  5,  4:  'Ipse  abiil ;  foras  me  reliquit. 

Traben,  Com.  Rib.  p.  2G :  F  ö  res  p a  t  e  hu  n  I  .  . 

Ter.  IJvinil.  V,  1  ,  50:  Foris  saperc  tibi  non  pötis  .  . 

Die  Notwendigkeit  foras.  fores,  foris  einsilbig  zu  mes- 
sen ist  durch  keinen  dieser  Verse  geboten.  Dass  aber  die  lieflonige 
Endsilbe,  nicht  die  hochtonige  Stammsilbe  Kürzung  und  Abstum- 
pfung traf,  zeigt  die  Italienische  Sprache,  welche  die  Lateinischen 
Formen  fo ras,  foris,  zu  fuorä,  fuorl,  fuore,  fuor  abge- 
stumpfthat, denen  Spanisch  fuerä,  Poitugiesisch  fora,  Franzö- 
sisch hors  entspricht  {Blank,  Italien,  Gramm.  I,  563.  Metz,  Cr. 
cl.  Roman.  Spr.  \\,  405).  Ebenso  wie  foras,  fores,  foris  kürz- 
ten nun  auch  pedes,  manus  {Nom.  Acc.  Plur.  Rilschl,  Proll. 
p.  142),  malos,  viros  erst  ihren  Vokal  vor  s,  dann  verlor  das  s 
seinen  Hall  und  ward  stumm,  also  zur  Bildung  der  Posiliouslänge 
vor  consonantischem  Anlaut  des  folgenden  Wortes  nicht  mehr  aus- 
reichend. 

Ist  das  bisher  Gesagte  richtig,  so  folgt,  dass  auch  in  den  auf  r 
auslautenden  Jambischen  oder  pyrrbi«  bischen  Wertformen: 

color,     ( co  los)  miser, 

amor,  pater, 

s  o  r  o  r , 
an  den  Stellen,  wo  deren  einsilbige  Messung  staltfindet  (Ritschh 
Prot.  p.  147.  Fleckeisen,  a.  0.  p.  259.  vgl.  Tvr.  Fun.  I,  2,  77.  II, 
3,  27.  II,  2,  0)  nicht  der  Vokal  der  hochtonigen  Silbe  ausgefallen, 
sondern  der  Vokal  der  tieftonigen  Silbe  irrational  geworden  ist. 
Für  pater  ist  diese  Aussprache  gewährleistet  durch: 

Plaut.  Stich.  95:  Pater.    Quid  opus  est?  'Opus  est  .  . 
Merc.  933:  . .  Pater  mihi  exiliüm  parat. 
(Vgl.  Gepperl,  Lat.  Auspr.  £.88*). 


*)    Für  die  von  Geppert,  a.  O.  angenommenen  Messungen  loquar, 
Plaut.  Asin.  152.  und  uritur,  Pers.  800.   vgl.  den  Text  von  Fleckeisen  und 


--     110     — 

und  die  Ausstossung  des  e  im  Genetiv  patris  und  den  anderen  Ca- 
sus obliqui  zeigt,  wie  das  e  im  Nominativ  irrational  werden  konnle. 
Dasselbe  gilt  von  den  Formen : 

eri,  ero,  manu,  liono, 

m  a  1  i ,  domo,  m  a  1  e . 

d  o  m  i , 

meri. 
{Vgl.  Bentley,  Scheel,  d.  meir.  Ter.  v.  zu  Hec.  I,  1,21.  RUsctil, 
a.  0.  p.  142.  147.  Fleckeis.  a.  0.)  Durch  den  Nachdruck  des 
Ilochtones  auf  die  kurze  Stammsilbe  kürzte  sich  die  Tonlänge  der 
tieftonigen  Silbe  jambischer  Wortformen  ersl  zu  einer  regel  rech- 
ten Kürze.  Aber  die  Kürzung  konnte  auch  einen  Schritt  weiter 
gehen,  so  dass  der  auslautende  Vokal  irrational  wurde,  und  nun 
das  Wort  in  der  Messung  des  Verses  eine  einsilbige  Geltung  erhal- 
ten konnte.  So  ward  der  ursprünglich  lange  Vokal  von  heue, 
male  erst  gekürzt,  dann  ward  er  stumm,  in  den  Tochtersprachen 
des  Lateinischen  fiel  er  »ganz  ab  in  ben,  bien,  mal.  Das  ist  die 
Geschichte  der  Zerstörung  zahlreicher  Vokale,  wie  in  den  Abschnit- 
ten über  die  Kürzung  und  <\ix\\  Abfall  der  Vokale  nachgewiesen  ist. 

Auch  der  Vokal  in  der  Fuge  der  Composifa  konnle  irrational 
werden.  Diese  Tondauer  hat  der  auslautende  Vokal  des  ersten  Com- 
positionsgliedes  in: 

maleficus,  beneficium,  dorn!  eil  iura, 

wo  das  erste  in  zweisilbiger,  die  beiden  anderen  in  viersilbiger 
Messung  vorkommen  (Rilschl,  Proll.  p.  150);  diese  Tondauer  machte 
jeder  derartige  Vokal  durch,  ehe  er  ganz  ausfiel  wie  in  benfi- 
eium,  olfacere,  aueeps,  naufragus,  pelluvium,  mal- 
lu vi  u  m  ,  m  a  n  cipi  u  in  ,  in  a  n  s  u  e  I  n  s ,  von  denen  schon  oben  die 
Hede  gewesen  ist. 

Dies  führt  auf  die  Betrachtung  von  irrationalen  Vokalen  im 
Inlaut  der  Wörter  vor  gehäuften  Consonanten,  in  deren 
Messung  bei  den  srenischen  Dichtern  eine  Positionsvernachlässi- 
gung  erscheint. 

Hierher  geboren  zunächst  m  i  n  l  st  er  i  um,  minist  rare  in 
folgenden  Versen  : 


Ritschi.     Die    gleiche  Annahme   für  nitor   und  satur  bei  (J.  n    0    ist 
gegen  die  Autorität  der  Handschriften. 


—    111    — 

Plaut. 

l'A'iul.  112:  Parvis  magnisque  ministeriis  praefulcior. 

Stich.  689:  Nösmet  iater  nös  mrnistremus  .  . 

Cure.  369 :  Tülo  tabulas  cönsignato :  hie  m  i  n  i  s  tra  1)  at  [dum] 
ego  edam. 
(Vgl.  BilscM,  Proll.  p.  152.)  Die  Annahme,  dass  hier  m'niste- 
riis,  m'nistremus  gesprochen  sei,  ist  bereits  widerlegt  durch 
den  Hinweis  auf  das  Oskische  minslreis,  in  ist  reis  und  auf  die 
Lateinischen  Formen  fens tra,  festra  fiirfenestra  und  mon- 
strum,  mostrum,  mostellum,  mostellaria  von  nione- 
sf,rum(fe7.  p.  138,  vgl  Flecketsm,  N.  Jahrb.  LX,  201).  Da 
indessen  die  Handschriften  des  Plautus  das  zweite  i  von  minisle- 
rium,  mini  st  rare  gewahrt  haben,  da  es  zur  Hlüthezcil.  df  r  Lilte- 
ralur  in  der  Sprache  der  Gebildeten  immer  gesprochen  und  ge- 
schrieben wurde,  so  Kann  es  auch  in  der  Volkssprache  zu  Planlos 
Zeit  nicht  völlig  ausgestossen  sein,  sondern  ist  nur  zu  einem  irra- 
tionalen Vokal  eingeschrumpft. 

Ebenso  wie  diese  Wort  er  erscheint  inagislratus  gemessen 
in  den  Versen: 
Demi. 

Pers.  76:  Ulli  sint  magistratus,  quös  curare  oportet. 

Rud.  477:   Mag  ist  rat  us,  siipiis  me  haue  habere  videril. 
Caecil. 

B?'b.  Com.  p.  56:  Alque  üt  magistrattis  publice  quando  ati- 
spicant. 

Kür  die  Ansicht  ,  magis  trat  us  sei  bei  Plautus  m  a  'ist  rat  us 
gesprochen  worden  mit  Ausfall  des  g  wie  im  Lateinischen  maior, 
maius,  scheinen  die  Oskischen  Formen  mais,  Lat.  magis,  und 
maimas,  Lat.  maximac,  wie  das  Umbrische  mestru,  entstan- 
den aus  mais  Im  für  magist.ru  zu  sprechen  {Umbr.  Sprachd. 
AK.  11,  332).  Auch  die  Formen  der  neueren  Sprachen  wie  mao- 
stro,  master,  me  ister,  maitre,  maire  scheinen  das  zu  be- 
stätigen. Aber  das  ist  nur  Schein.  Ausfall  eines  g  im  Inlaut  fin- 
det im  Lateinischen  nur  statt  vor  dem  Halbvokal  i,  wenn  demselben 
ein  anderer  Vokal  folgt  wie  in  maior  für  magior,  meio  für 
mfgio,  aio  für  agio  u.  a.,  wie  dies  bereits  nachgewiesen  ist. 
Nachdem  aber  in  magis  für  mag  ins  die  Laut  folge  in  zum  Vokal  i 
zusammengeschmolzen  ist,  kann  dieses  nicht  die  Kraft  haben  vorher- 
gehendes g  auszustossen,  dasselbe  kann  also  auch  nicht  in  der  Aus- 


—     112     — 

Sprache  übergangen  worden  sein,  wahrend  es  in  der  Schrift  immer 
geschrieben  ist.  In  m  a  g  i  s  tr  a  t  u  s  ist  vielmehr  wie  in  m  i  n  i«l  r  a  r  e, 
ministremus  das  tieftonige  i  vor  st  zu  einem  stummen  Vokal 
eingeschrumpft,  so  dass  die  Lautverbindung  istr  auch  hier  nicht  die 
Tondauer  von  zwei  Zcitweilen  ausfüllte,  sondern  mittelzeitig 
war  und  somit  lang  und  kurz  gemessen  werden  konnte. 

Aehnlich  verhalt  es  sich  mit  der  Messung  von  dem  einfachen 
magis  in  folgenden  Versen  Seenischer  Dichter: 
Plaut. 

Baccli.  37 :  Pol  magismetuo  mihi  .  . 
(vgl.  HAU.  314.  Rvd.  1181.    Trin.  538.  Asin.  119.  Stich.  6.) 
Caecü. 

Com.  Rib.  p.  42:  .  .  Noxa  muliebrest  magis  quam  viri. 
Terent. 
Eun.  III,  1,  46:  Immo  äuge  magis  suspitionem  .  . 
(vgl.  Eun.  V,  G,  1.   IV,  5,  67.) 
Tum. 

Com.  Rib.  p.  123:  Magis  quäe  se  fama  oblectarent  .  . 
Enn. 

Trag.  Rib.  p.  51  :  Sed  qui  säpientiä  magis  veslra  mors  .  .  . 
Pacuv. 

Trag.  Rib.  p.  106:  'ld  magis  veri  simile  esse  usus  .  . 
Dass  magis  nicht  ma'is  gesprochen  sein  kann  in  diesen  Ver- 
sen, ergiebl   sich  aus  dem  oben  Gesagten.     Es  fragt  sich  nur,  oh 
das  auslautende  s  in   magis  für  die  Aussprache  ganz  geschwunden 
sei   und  das  i   seinen  vollen  Laut  als  Kürze  gewahrt   habe,   oder  (dt 
das   s   schwachtönend   und  der  Vokal  i  irrational   gesprochen  sei. 
Man  vergleiche  für  diese  Frage   die  Messung  von    magisque   aus 
folgenden  Stellen": 
Mit.  530:  Magisque  eandem  [tarn]  qua«  non  sit  .  . 
Pseud.    1017:     IViörem     ego    hominem     magisque     vorsute 

malum. 
Rud.  1181:   Quae   te  [magis    traetävit   magisque  metuo, 

quom  verba  audio. 

Bacch.  1078:  Magis  cüraest  magisque  adförmido .  . 

In  magisque  muss  das  s  deutlich  gesprochen  worden  sein. 

da   bereits    nachgewiesen    ist,   dass    s    vor    folgender   Tennis  »inen 

scharfen   Laut    halle.     Es   ist   also  Vernachlässigung   der  Position 

nurmöglich,  wenn  in  magistfue  das  i  ebenso  zu  einem  stummen 


—  i  ta  — 

Vokal  gekürzt  war  wie  in  magis  tratus.     Wenn  nun  in  denselben 

Versen  magis  neben  magisque  erscheint,  so  niuss  man 
schliessen,  tlass  auch  in  magis  das  i  ebenso  gemessen  und  ge- 
sprochen wurde  wie  in  magisque,  dass  nur  das  s  im  Auslaute 
einen  dumpferen  Ton  halte  wie  vor  der  Tennis  qu.  Dies  wird  da- 
durch Bestätigt,  dass  in  den  Adverbien,  die  mit  der  Comparativ- 
endung  -is  für  -ins  gebildet  sind,  das  i  vor  s  vielfach  auslieh  So 
Ward  aus  ultis:  uls,  so  steht  neben  dem  Oskischen  Adverbium  for- 
tis  das  Lateinische  fors,  so  halten  die  Adverbien  eis,  vix  (vic-s), 
m  o  x  (m  o  c  -  s),  d  e  i  n  c  e  p  s ,  r  e  c  e  n  s,  r  e  p  e  n  s  ihr  i  vor  s  eingehüsst, 
so  sind  die  Pronominalformen  a  b  s  -,  o  s  -  für  o  b  s  -,  s  n  s  -  für  s  u  b  s-, 
ex  für  ec-s  eigentlich  Ortsadverbien  mit  dein  comparativischen 
Suffix  von  den  Pronomen  ab,  ob,  sub,  ec  gebildet,  die  das  i  vor  s 
ausgestossen  haben  (Zedschr.  für  vergl.  Sprach/".  111,  289  —  294). 
Wenn  so  in  zahlreichen  Fällen  das  s  der  Comparativendung  -is  sich 
hielt,  das  i  davor  hingegen  ausfiel,  so  muss  man  auch  annehmen, 
dass  das  i  es  war,  das  in  magis,  magisque  zu  einem  stummen 
Vokal  gekürzt  wurde,  so  dass  es  mit  dein  folgenden  s,  das  auch  hier 
im  Auslaut  nur  matt  klang,  zusammen  die  Tondauer  eines  langen  Vo- 
kales nicht  mehr  ausfüllte. 

Wenn  dies  für  magis,  magisque  richtig  ist,  so  gilt  es  auch 
für  die  mit  demselben  Suffix  gebildeten  Adverbien  nimis,  satis, 
wo  sie  in  den  Versen  der  scenischen  Dichter  so  gemessen  sind,  dass 
-is  mit  folgendem  Consonanten  keine  Position  macht.  So  finden  sich 
gemessen : 

Plaut.  Pseucl.  1 243 :  .  .  Nimis  vorsutus  n i  m i s  malus. 

Md.  1141  :  .  .Nimis  f a  c e  1  e  n  i  m  i  s q  u  e  faeunde  malast. 

Afran.  Com.  B/b.  p.  161 :  ..  Nimis  spi  ssu  m. 

Terenl.  Ad.  IV,  1 ,  6 :  .  .  N  i  m  i  s  c  u  p  i  o  .  . 

Pacuv.  Trag.  Rib.  p.  92 :  .  .  Nimis  paäne  .  . 
{Vgl.  Plaut.  Md.  468.   Stich.  375.  Bad.  511.   Trin.  SOG.) 

Plaut.  Md.  1 003 :  .  .  N  i  m  i  s  q  u  e  n  i  t  i  d  a  .  . 

Pseud.  1019:  N  i m isque  6 g o  i ilu n c  .  . 

Tere?d.  Heaut.  V,  5,  2:  Nim  isque  inhumane  .  . 

Plaid.  Bacch.  1182:  Satis  s  a  t  i  s  i  a  m  .  . 
(Vgl.  Capt.  792.  929.  965.  Md.  Sil.  964.  1189.  Bud.  829  u.  a.) 

Caecil.  Com.Bib.  p.  47:  .  .  Satis  te  .  . 

Turpil.  Com.  Bib.p.  82:  .  ««Satis  fr ueti  . . 

CORSSEN  II.  8 


-     114     - 

Nov.  Com.  Bib.  p.  2 1 6  :  .  .Satis,  responde  .  .     ' 
Terent.  Ad.  II,  1,  30:  .  .  Satis  iam  .  ., 
AU.  trag.  Bib.  p.  123:  .  .  Salis  recte. 

Also  auch  in  satis  und  niinis  ist  der  irrationale  Laut  des  i 
der  Grund,  weshalb  die  Silbe  -is  vor  folgendem  Cqnsonanten  in 
den  vorsiehenden  Versen  nur  die  Geltung  einer  metrischen  Kürze 
hat.  Fiel  das  s  dirser  comparativischen  Adverbien  wirklich  ah,  so 
schwächte  sich  das  in  den  Auslaut  gerückte  i  zu  e,  wie  mage,  pole 
zeigen  für  magis,  potis,  und  auch  dieses  e  fiel  ah  in  sal  für 
satis. 

Aehnlich  wie  magis  trat  us,    niinis  terium   erscheint   hei 
Plautus  gemessen: 
p  c  r  i  s  t  romata : 

Pseud.  146:  'Ul  ne  perist  romat  a  quidem  aequo  .  . 
Das  i  wurde  auch   in  dieser  Wortform  vor  der  Lautverhindung 
s t r  irrational  gesprochen  wie  in  ministerium,  magistratus. 

Ebenso  erklärt  sieh  die  Messung  von  fenestra  hei  Plautus: 
Mtl.  379:  Neque  fenestra  nisi  claträta  .  . 
Rud.  83:  Inlüstriores  fecit  fenestra  sque  [ndidit. 

Die  alte  Lorin  festra  (Fest  i>.  91)  netten  der  gewöhnlichen 
fenestra  beweist,  dass  ursprünglich  fenestra  betonl  worden  ist, 
weil  unmöglich  der  Vokal  aus  der  hoch  tonigen  Silbe  ausfallen  konnte 
während  die  tieftonigen  Silben  unversehrt  blieben.  Ebenso  ward 
aus  mönestrum,  monstrum,  mostrum,  mostellum,  mo- 
sl  cllaria.  Als  die  Sprache  den  Hochton  auf  der  drittletzten  neben 
Tonlänge  der  vorletzten  Silbe  nicht  mehr  ertrug,  kürzte  sich  das 
zweite  e  von  fenestra  zu  einem  irrationalen  Vokal,  wodurch  die 
Lautverbindung  estr  zu  einer  mittelzeitigen  Dauer  herabsank, 
die  nun  in  der  Versmessung  kurz  gebraucht  werden  konnte. 
Auf  dieser  Uebergangsstufe  aber  blieb  die  Sprache  nicht  stehen; 
sie  liess  den  Hochton  unverrückt  auf  der  drittletzten  Silbe  sieben, 
liess  aber  die  vorletzte  Silbe  verklingen,  so  dass  die  Nebenform 
festra  entstand,  oder  sie  rückte  den  Iloehlon  auf  die  vorletzte  Silbe, 
und  diese  erhielt  nun  die  volle  Geltung  einer  Länge  zurück,  wie  sie 
fenestra  zeigt;  diese  letztere  Form  ist  dann  in  späterer  Zeit  die 
einzig  gebräuchliche  geworden.  Die  Lorin  fenslra  für  fenestra 
gegen  die  Handschriften  in  den  Text  des  Plautus  aufzunehmen,  wie 
Fleckeisen  Ihm  [N.  Jahrb.  L\.  *2oi  An/n.),  dazu  liegt  kein  Grund  vor, 
da  auch  sonst  die  irrationalen  Vokale  beiPlautus  geschrieben  werden. 


—     115     — 

Auch  die  Messung  von  venustat  es,  venustatis  ist  hiernach 
zu  beurtheilen  in  folgenden  Versen  des  Plautus*  und  Terenz: 

Pseud.  1257:  Hie  ömnes  voluptätes,   omnes  venustales  sunt. 

Hcci/r.  V,  4,  8:  Quis  es!  fortunäüor  venus tatisque  adeo  ple- 
nior? 
Indem  der  Hochton  in  diesen  Wortformen  auf  die  lange  vor- 
letzte Silbe  vortrat,  sank  der  lieflonige  Vokal  der  drittletzten  Silbe  u 
zu  einem  stummen  Vokal  herab  und  füllte  nun  auch  zusammen  mit 
den  folgenden  Consonanten  st  nicht  mehr  die  Zeitdauer  einer  vollen 
Länge  aus. 

Genau  ebenso  erklärt  sich  die  Messung  von  vel  ustate  bei: 

Plaut.  Pocn.  111,  3,  ^T:  Vetustäte  vino  edlntulo  aetatem  irri- 
ges, 
Senn  in  der  Bildung  stimmen  vel  us-tas  und  venus- las  genau  über- 
ein.  Der  Grund,  weshalb  hier  die  Aussprache  venustatis,  vetu- 
stäte angenommen  isl,  nicht  venustatis,  vetustäte,  so  dass 
e  irrational  gesprochen  wäre,  isl  ein  etymologischer.  Diese  beiden 
Wortformen  sind  mit  dem  Suffix  -tat  gebildet  von  den  Nominal- 
stämmen venus-,  veius;  von  eben  solchen  Nominalformen  sce- 
1  u s - ,  funus-  stammen  die  Bildungen  sceles-tus,  funes-tus, 
in  denen  das  u  zu  e  geschwächt  ist.  Grade  so  wie  diese  letzteren 
sind  von  allen  Nominalstämmen  monus-  (vgl.  Skr.  manas,  Mi- 
ner-va)  und  fenus-  die- Wortbildungen  mones-trum  und  fe- 
il es -tra  gebildet,  und  mones-trum  bedeutet  ein  Mittel  zur 
Mahnung  wie  fenes-lra,  dessen  Stamm  fen-dem  Griechischen 
cpav-  (cpccivco)  entspricht,  ein  Mittel  zur  Erleuchtung. 
Wenn  nun  in  monstrum  für  monestrum,  in  f  es  tra  für  fe- 
neslra  das  aus  dem  u  der  Stämme  ni<>nii>-.  fenus-  entstan- 
dene e  ganz  schwinden  konnte  ,  wenn  ein  solches  aus  u  ab- 
geschwächtes e  in  fenestra  zu  einem  stummen  Vokal  sinken 
konnte,  so  muss  man  schliessen ,  dass  in  venustatis,  vetustäte 
der  gleiche  Vokal  u  es  war,  der  irrational  gesprochen  wurde*). 


*)    Sprachlich  erklärlich  sind   nach  dem  Vorgange    von    fenestra, 

V  V  V 

venustatis,  vetustäte  auch  die  Messungen  scelestus,  Rud.  457. 
Most.  504,  potestatem,  Capt.  934,  wo  Geppert,  hat.  Ausspr,  S.  93,  die 
handschriftliche  Ueberlieferung  gegen  die  Abänderungen  von  Fleckeisen 
und  Ritschi  in  Schutz  nimmt.  Kritisch  unbegründet  aber  ist  die  von  dem- 
selben Gelehrten  angenommene  Messuno-  m  o  d  e  s  t  i  a  .  Enn.  Rib.  Trag.  p.  18. 

s* 


-^    116    — 

Wie  -st,  so  macht  auch  -nt  in  der  Plautinischen  Messung 
bisweilen  den  vorhergehenden  Vokal  nicht  positionslang.  So  lin- 
den sich : 

Plaid.  Triu.  456:  Ferentarium  esse  amieum  .  . 
Aul.  III,  5,  39:  Sedentärii  sutöres  .  . 
Da,  wie  oben  gezeigt  ist,  n  vor  t  ausfiel  in  den  Formen 
praegnatem,  regnäte,  C  o  s  t  a  t  i ,  m  e  r  e  t  i ,  t  e  s  t  a  m  e  t  o  {vgl. 
I,  100),  so  kann  in  ferentarium,  sedentarium  das  n  vor  t  so 
schwach  getönt  haben,  dass  es  zur  Herstellung  einer  Positionslänge 
nicht  ausreichte,  und  eine  irrationale  Aussprache  des  e  vor  nt  ist 
aus  jenen  Messungen  nicht  sicher  erweislich. 

In  derselben  Weise  ist  talentum  gemessen, 
Plaut.  Mtl.  1061  :  Dabitür  quantum  ipsus  preti  poscet.    Talen- 
tum Philinpum  huic  opus  aürist. 
Nach  dem   älteren  Retonungsgesetz  der  Lateinischen  Sprache 
betonten   die   Römer    talentum    wie   die  Griechen    rdkavxov. 
Als  aber  die  Sprache  den  [lochton  auf  der  drittletzten  Silin»  vorder 
Tonlänge  der  vorletzten  nicht  mehr  ertrug,  schob  sie  entweder  den 
Hochton  um  eine  Sielte  vor  oder  sie  kürzte  die  vorletzte  Silbe  und 
liess  den  Hochton  auf  der  drittletzten,  wie  dies  weiter  unten  nach- 
gewiesen werden  wird.     So  winde  l'enestra  in  fem  stra  gekürzt, 
so  dass  der  Vokal  der  vorletzten  Silbe   irrational  winde.     Ebenso 
konnte  auch  talentum  gekürzt  werden  in  talentum,  so  dass  das 
aus  a  entstandene  e  stumm   ward    und   nun    zusammen  mit  folgen- 
dem   nt    nicht    mehr  die    Zeitdauer    einer    vollen    Lange    ausfüllte. 
Piese  Erklärung  ist  wahrscheinlicher,  als  dass   talentum   betont 
wurde  und  in  der  hochtonigen  Silbe  -nt  mit  vorhergehendem  Vokal 
n'uht    den   Werth  einer  Länge  hatte,    sie    erhall    eine   Bestätigung 
durch  die  Aussprache  eines  anderen  aus  dem  Griechischen  über- 
tragenen Wortes,   Philippus,  von  der  unten  die  Hede   sein  wird. 
Pass  auch  in  seneelulem  das  e  der  drittletzten  Silbe  irratio- 
nal gesprochen  sei,   zeigl   sieh  sowohl  in  der  dreisilbigen  Geltung 
dieses  Wortes  in  Versen  der  Komiker  als  in  der  einsilbigen  Messung 
von   senex.      Man  beachte   zueist  diese  letztere: 
Plaut.  Stich.  5G3:  Senex  quidem  votuii  si  possei  .  . 

Vgl.  lind.  Prqi.  35.   Bacch.  1 170  //.  a. 
Pornpon.Corn.  Rib.  p.205:  'Ipsus  cum  unu  servo  senex  intestato 
proficiscitur. 


—     117     — 

In  senex  kann  nicht  die  hochbetonte  Stammsilbe  Kürzung  oder 
gar  Ausfall  ihres  Vokales  erlitten  haben;  die  lieftonige  Silbe  traf  viel- 
mehr die  Kürzung  eines  e  zum  irrationalen  Vokal;  aus  calecan- 
dam  neben  calx  ergiebt  sich,  dass  calex  die  alte  Lateinische  Form 
war,  die  der  Griechischen  idlui,  entspricht;  wenn  nun  in  der  tief- 
tonigen  Silbe  ein  e  vor  x  ausfallen  konnte,  wie  in  calx  für  calex, 
so  ist  es  erklärlich,  dass  in  der  tief  tonigen  Silbe  von  senex  das  e 
vor  x  irrational  werden  konnte.  Dasselbe  e  blieb  dann  auch  ein 
stummer  Laut  in  der  tieftonigen  Silbe  der  Accusativfoim  senec- 
t  u  l  e  m : 

Plaut.  Stich.  568:  .  .  Fovebo  senectutem  meam. 
Caecil.  Com.  R.  p.  39:- Sine  suam  senectutem  ducat  .  „ 
Terent.  Phorm.  H,  3,  87;  Senectutem  oblectet  .  . 

Mit  Vernachlässigung  der  Positionslänge  finden  sich  bei  den 
scenischen  Dichtern  auch  verschiedene  Casus  von  voluptas  ge- 
messen ;  so : 

Plaut.  Most.  294:  'Abi  tu  hinc  intro  alque  örnamcnta  haec  aüfer. 
set  voluptas  mea. 
Rud.  459:  Voluplätem  inesse  tan  tarn  .  . 
Afran.  Com.  Rib.   p.    179:    Voluptalem    capio    maxmiam  .  . 
Ter.  Heaut.  I,  2,  10:  .  .  Voluptätem  magnam  nüntias. 
a.  0.  I,  1,  19:  Haec  nön  voluptati  tibi  esse.  . 
Andr.  V,  4,  41:  Voluptati  obstare,   cum  egomet  pos- 
sim  .  . 
Plaut.  Stich.  657:  .  .  Quöt  cgo  voluptatis  fcro. 
Vgl.  Plaut.  Pseud.  1280. 

Von  einer  Ausstossung  eines  Vokales  kann  hier  eben  so  wenig 
die  Rede  sein  als  bei  irgend  einer  der  besprochenen  Wortformen ; 
es  kann  sich  nur  fragen,  ob  das  u  oder  das  o  in  den  Formen  von 
voluptas  zu  einem  irrationalen  Laut  gekürzt  ist,  und  darüber  giebt 
die  Nominativform  voluptas  in  dem  ersten  der  vorstehenden  Verse 
Aufschluss.  In  dieser  kann  das  u  nicht  zum  stummen  Vokal  ge- 
kürzt sein,  weil  es  vom  Hochton  getragen  wurde,  folglich  muss  auch 
die  Lautverbindung  upt  die  Geltung  einer  positionslangen  Silbe  ge- 
habt haben.  Es  kann  also  nur  der  tieftonige  Vokal  o  der  Stamm- 
silbe irrational  geworden  sein,  so  dass  er  in  der  Messung  über- 
gangen und  voluptas  als  zweisilbige  Wortform  behandelt  wurde. 
Das   o   derselben  Verbalwurzel  ist   ausgefallen  in   der  enklitischen 


—     118     — 

Form  vis,  die  aus  volis  nach  Ausstossung  des  o  durch  die  Mittel- 
form v'lis  entstanden  ist.  Auch  in  clarus,  clamor,  gnatus, 
gnavus  ist  der  Stammvokal  der  Verhalwurzeln  cal-,  gen-,  nach- 
dem er  durch  Herantreten  von  Suffixen  an  die  Wurzel  tieftonig  ge- 
worden, ganz  ausgefallen.  Klang  nun  aher  einmal  im  Nominativ 
voluptas  das  o  in  der  Volkssprache  nur  noch  als  ein  stummer 
Vokal,  so  war  dies  auch  in  allen  ührigen  Casusformen  der  Fall  und 
voluptatem,  voluptati,  voluptatis  sind  in  der  Messung  der 
obigen  Verse  dreisilbig  gefasst. 

Derselbe  Vokal  o  desselben  Wortstammes  ist  in  vo luntatc 
zu  einem  irrationalen  Werth  herabgesunken  in  dem  Plautinischen 
Verse : 

Trin.  1166:  Süd  mea  vo Imitate  factumst  .  . 

Das  Wort  ist  also  dreisilbig  gemessen  wie  voluptati. 
Hierher  geboren  auch  die  Messungen  labernaculo,  g u her- 
nahmt l,  gubernator.     Man  vergleiche: 

Trin.  726:  Cässidem  in   capüt  dormibo  pläcidule  in  laberna- 
culo. 
Mil.  1091:  .  Iam  ex  sermone  hoc  gubernabunl  doetius  pörro. 
Titin.Rib.tr, p.  130:  Sapientia  gubernator  navem  törquet  haut 
valentia. 

Da  die  Consonantenfolge  rn  im  Inlaut  der  Wörter  stark  tönte 
und  ein  Ausfall  eines  r  vor  n  unerhört  ist,  s<>  muss  in  dem  stummen 
Laut  des  lieflonigcn  Vokales  e  der*Grund  gelegen  haben,  weshalb 
in  der  Aussprache  die  Faulfolge  ern  nicht  die  Zeitdauer  einer  Länge 
ausfüllte. 

Es  fragt  sich  weiter,  ob  eine  irrationale  Aussprache  von  Voka- 
len auch  anzunehmen  ist,  wo  die  scenischen  Dichter  Positionslänge 
durch  doppelte  (Konsonanten  oder  einen  Doppelconsonanten  nicht 
eintreten  lassen.  Dies  ßndel  statt  in  einer  Anzahl  von  Wortformen, 
die  ein  doppeltes  I  im  lulaui  zeigen;  so  zunächst  in  expapiliato 
und  su  pelle  etile: 

Piaut.  Mil.    1180:    ld  conexum   in  hümero  laevo,   cxpapillalo 

hrächio. 
Plaut.  /'ncti.W  3,  "2<>:   Tace  ätque  paree  müliebri  s  u-pel  I  e  c  I  i  I  i. 
Ter.  Phorm.  IV,  3,61:  Supe  116 etile  opus  est:  opus  »-st  sum- 
ptu  ad  nuptias. 


—     1 19     — 

Oben  ist  davon  die  Rede  gewesen  ,  dass  1  und  II  in  der  Aus- 
sprache wenig  von  einander  verschieden  gewesen  ist,  dass  daher  in 
zahlreichen  Wörtern  ein  haltloses  Schwanken  der  Schreibweise  zwi- 
schen 1  und  11  slatt  gefunden  hat  {vgl.  I,  81 — 83);  der  Grund  liegt 
in  dem  dünnen  und  schwachen  Ton  des  zweiten  1,  wie  Plinius  aus- 
drücklich bemerkt.  Eben  dieser  war  zu  schwach  die  vorhergehen- 
den Lautverbindungen  il  und  el  der  vorstehenden  Wörter  zu  vollen 
Längen  zu  ergänzen,  und  so  konnte  der  Dichter  expäpilätö,  s li- 
po le  etile  messen,  wenn  auch  zwei  1  geschrieben  wurden.  Da 
diesen  Messungen  in  obigen  Versen  von  Seilen  der  Metrik  nichts  im 
Wege  steht,  so  ist  man  nicht  berechtigt  einen  stummen  oder  irratio- 
nalen Vokal  bloss  wegen  der  Positionsvernachlässigung  vorauszu- 
setzen*). 


*)  Geppcrt,  Lat.  Ausspr,  83 — 87,  sucht  zu  erweisen,  dass  die  Posi- 
tionsvernachlässigung  bei  den  Scenisehen  Dichtern  bei  der  Häufung  ver- 
schiedener Consonanten  viei  weiter  gegangen  sei,  als  die  neusten  Her- 
ausgeber gestatten,  zum  Theil  indem  er  die  Lesarten  der  Handschriften 
gegen  die  Emendationcn  derselben  in  Schutz  nimmt.  So  behauptet  er 
die  Messungen  op turne,  PL  Most.  410.  Merc.  329.  Pers.  5-13.  pro- 
fecto,  Pseud.  201.  Mü.  21)0.  "Alcumena,  Amph.  1088.  alterive, 
Amph.  74.  ämbiguo,  Trin.  504.  ambo,  Ter.  Ilcaul.  II,  3,  97.  än- 
cilla,  Pers.  472.  hörtum,  Stich.  014.  Kitschi  und  Fleckeisen  beseiti- 
gen diese  Messungen  durch  leichte  zum  Theil  auch  durch  anderweitige 
kritische  Gründe  gerechtfertigte  Aenderungen.  Eine  Messung  biben- 
dum,  Stich  713,  ist  willkührlich  angenommen,  da  die  handschriftliche 
Ueberlieferung  der  Stelle  lückenhaft  ist.  Für  die  Messung  hercle  be- 
weisen PL  Merc.  204.  Asin.  817.  Trin.  58.  Ter.  Heaut.  III,  2,  12  nichts, 
da  an  der  ersten  Stelle  equidein  vor  hercle  steht ,  an  den  drei  anderen 
dem  hercle  ein  irrationales,  halb  verschlacktes  quidem  vorhergeht;  eben 
so  wenig  Merc.  186,  wo  tarn  vorhergeht  und  ta  hercle  gesprochen 
wurde,  wieta  etsi  für  tametsi.  Auf  Ter,  And.  1,3,20.  Hec.  111,1,20 
ist  nicht  zu  bauen  ,  da  die  handschriftliche  Ueberlieferung  unsicher  ist. 
Hingegen  sprechen  Trin.  559.  Merc.  971  für  die  Messung  hercle;  an 
der  ersten  Stelle  ändert  Ritschi,  an  der  zweiten  bleibt  das  hercle  un- 
angefochten. Wenn  schon  alle  vorstehenden  Messungen  sprachlich 
nicht  zu  rechtfertigen  oder  genügend  zu  erklären  scheinen,  so 
gilt  dies  insbesondere  von  hercle.  Die  von  Geppert  angenommenen 
Messungen  tanta,  PI.  Ca\;t.  227.  benigne,  Hec.  V,  2,  2.  ärbitratu, 
Pseud.  428.  ornatu,  Trin.  852.  Men.  804,  siud  unbegründet,  da  die 
betreffenden  Verse  eine  andere  Messung  zulassen  oder  erfordern,  als  G. 
annimmt.  Für  die  Messung  argentum  spricht  nur  Cure.  613,  wo  es 
Fleckeisen  im  Text  unangetastet  lässt ;  eine  sprachlich  genügende  Erklä- 
rung aber  bietet  sich  nicht  dar.     Für  die  hier  vorliegende  Untersuchung 


v      —    120     — 

A ach  si mill u  m  a e  und  s  a  t  e  1 1  i t  e  s  finden  sich  hei  Pia utus 
so  gemessen,  dass  11  keine  Positionslänge  bildet: 

Plaut.  Asin.  241:   Pörtitornm    simillumae   sunt   iänuae  lenö- 

niae. 
Trin.  833:  Distraxissent  disque  tulissenl   sät  eil  ites  tui  mise- 
rum  foede. 
Auch  hier  durfte  der  Dichter  wegen  der  schwachen  Doppelcon- 
sonanz  llsimilümäe,  satelites  messen;  auf  einen  irrationalen 
Vokal  ist  hier  um  so  weniger  zu  schliessen,  als  das  i  und  e  vor  11  in 
diesen  Wörtern  hochtonig  war. 

Die  Messung  immo  ist  durch  folgende  Verse  handschriftlich 
verbürgt: 

Plaut.  Merc.  737:  Immo  sie  sequestro  mihi  datast  .  . 
Caecil.  Rib.  Com.  p.  47:   Immo  vero  haec  ante  sölitns  sum  .  . 
Ter.  Phorm.  V,  8,  43:  Immo  vero  uxorem  .  . 

Etymologisch  isl  immo  nichts  anderes  als  imo  und  bedeute! 
zu  unterst,  daher  als  Bekräftigungswort  ja  im  Grunde,  ja 
sehr,  ja  sogar.*  In  immo  für  imo  liat  eine  Consonanten Ver- 
schärfung statt  gefunden  durch  den  Hochton  wie  in  nummus, 
quere  IIa,  caussa,  quattuor,  luppiter  für  numus  (vgl. 
numerus,  Gr.  v6{iog,  vtyLCö).  quere  hu  causa,  quatuor, 
lupiter;  dass  der  verschärfte  Consonanl  m  in  immo  nicht  noth- 
wendig  Positionslänge  hervorbrachte,  ist  also  erklärlich;  eine  Ver- 
stümmelung des  hochtonigen  Vokales  i  zu  einer  irrationalen  Kürze 
aber  undenkbar*). 


über  irrationale  Vokale  kann  man  nicht  wagen  auf  diese  nnd  manche 
andere  von  Geppert  angenommene  Messungen  irgendwie  Schlüsse  zu 
bauen. 

*)  Auch  sonst  finden  sich  Spuren,  dass  bei  Plautus  der  verschärfte 
Consonant  oder  doppelte  Consonanten  nicht  nothwendig  Position  mach- 
ten. Schon  oben  sind  Beispiele  angeführt,  wo  dies  nicht  der  Fall  ist  in 
Compositen  mit  Präpositionen,  nachdem  der  auslautende  Con- 
sonant der  Präposition  sich  dem  Anlaut  des  zweiten  Compositionsgliedes 
assimiliert  hatte.  .Ausserdem  ist  in  dem  handschriftlich  überlieferten 
Versanfang,  Plaut.  Stich.  179:  Per  annünam  caram  die  Messung  ün- 
nonam  sprachlich  wohl  denkbar.  Neben  mäuoma,  farris,  offa 
sprach  man  mann  IIa,  farina.  ofella,  da  der  Hochton  \<>n  der 
Stammsilbe  vorrückte;  aus  demselben  Grunde  konnte  mau  auch  neben 
annus  an6na  sprechen  und  somit  Piautas  änona  messen,  wenn  mau 
auch  annona  schrieb.  Die  Umstellung:  Per  caram  a  n  n  o  n  a  in  in  je- 
nem Vers  bei  Ritschi    und    Fleckeisen    scheint    daher    nicht    nothwendig. 


—     121     — 

Ferner  kommt  noch  in  Frage  wie  die  Vernachlässigung  der  Po- 
sition in  der  Messung  des  Griechischen  Namens  Ph  ili  ppus  zu  er- 
klären ist: 

Trin.  955:  Philipp  um,  quod  me  aurüra  deferre  .  . 

Mit.  1061:  Talen  tum  Philippum  hüic  opus  aurist. 

Zu  Plautus  Zeit,  als  die  Romer  zuerst  den  Namen  0 CXmicog 
den  Griechen  nachsprachen,  war  es  natürlich,  dass  sie  auch  den 
Hochton  auf  der  drittletzten  Silhe  Hessen.  Da  dieses  sich  aber  mit 
der  Länge  der  vorletzten  Silbe  nach  dem  herrschend  gewordenen 
Betonungsgeselz  der  Lateinischen  Sprache  nicht  vertrug,  so  sank 
die  vorletzte  Silbe  unter  die  Dauer  einer  Länge  herab  und  wurde 
mindestens  mittelzeitig,  so  dass  sie  nun  als  Kürze  ver- 
wandt werden  konnte,  wie  dies  oben  von  der  vorletzten  Silbe  von 
fene  stra,  tälentu  m  nachgewiesen  ist.  Als  sieh  aber  der  Name  in 
der  Lateinischen  Sprache  einbürgerte,  schob  sich  der  Ilochton  auf 
die  vorletzte  ursprünglich  lange  Silbe  vor  und  man  sprach  Philip - 
pus  wie  talentum,  fenestra.  Schwerlich  wird  sich  entscheiden 
lassen,  ob  bei  der  Messung  Philippum  das  i  als  stummer  Vokal 
oder  das  pp  nur  wie  einfaches  p  gesprochen  wurde;  man  kann  nur 


Die  Messungen  redde,  Stich.  78G.  (R.  FL:  cedo),  sagittis,  Aid.  II, 
8,  25  bleiben  dahingestellt.  Die  Kürze  der  ersten  Silbe  in  omnis  bei 
Plautus,  Rud.  87.  omnis,  llud.  1285.  Mil.  55.  omnes,  Trin.  621. 
omni,  kann  ebenfalls  nur  in  dem  sehwachen  Ton  der  Consonantenver- 
bindung  mn  ihren  sprachlichen  Grund  haben,  da  der  hochtonige  Vokal  o 
nicht  stumm  werden  konnte.  Diese  Consonantenfolge  mn  assimilierte 
sich  im  Volksmunde  zu  nn,  das  zeigt  die  Schreibweise  solennis  für 
s  o  1 1  e  m  n  i  s  und  die  aus  damnare,  columna,  alumnus,  omnis  ent- 
standenen Italienischen  Formen  dannare,  colonna,  alunno,  ogni 
für  onni.  Da  nun  die  Schreibweisen  mit  nn  und  n  in  vielen  Wörtern 
schwanken,  wie  oben  gezeigt  ist,  I,  95,  so  kann  auch  in  der  Aussprache 
geschärftes  n  und  einfaches  n  nicht  streng  geschieden  gewesen  sein. 
Wenn  also  Martial  und  Silius  Porsena  massen ,  für  Porsenna  (Pery, 
1,371),  so  wird  es  erklärlich,  wie  Plautus  omnis  messen  konnte  bei  der 
Aehnlichkeit  der  Aussprache  von  m  n  und  nn  im  Volksmunde.  Ueberhanpt 
wird  die  Positionsvernachlässigung  bei  doppelten  Consonanten  in  der 
Messung  der  Scenischen  Dichter  daraus  erklärlich,  weil  in  der  älteren 
Aussprache  der  Römer  der  Unterschied  zwischen  einfachen  und  ge- 
schärften Consonanten  nur  schwach  und  undeutlich  hervortrat  und  «da- 
her doppelte  Consonanten  bis  Attius  gar  nicht  geschrieben  wurden. 
Vgl.    I,    7. 


—     122     — 

erkennen,  dass  die  Lautverbindung  -ipp  einmal  mittelzeitig, 
kürzer  als  eine  Länge,  länger  als  eine  Kürze,  also  irrational  gespro- 
chen wurde. 

Endlich  bleibt  zu  erwägen,  ob  aus  den  Messungen  uxor, 
Plaut.  Bud.  4.  Ter.Hec.  III,  5,  64,  exercitum,  Amph.  125.  140, 
Alexander,  Bacch.  947.  Most.  775  geschlossen  werden  darf, 
dass  der  vor  x  vorhergehende  Vokal  stumm  gesprochen  wurde.  Da 
diese  Annahme  für  uxor  wegen  der  Hochtonigkeit  des  Vokals  u  zu 
verwerfen  ist,  so  ist  sie  auch  für  exercitum  und  Alexander 
nicht  gerechtfertigt.  Der  Grund  muss  vielmehr  in  der  Aussprache 
des  x  gelegen  haben.  Nun  ist  oben  nachgewiesen,  dass  schon 
im  Altlateinischen  bei  dieser  der  Zischlaut  entschieden  vortönte,  und 
dass  x  schon  in  der  Spätlateinischen  Volkssprache  zii  dem  blossen 
Zischlaut  s  herabsank  [Vgl.  I,  125).  Somit  ist  es  erklärlich, 
wenn  schon  in  der  älteren  Lateinischen  Volkssprache  der  Laut  des  x 
nicht  stark  genug  war  um  den  vorhergehenden  Vokal  zu  einer  voll- 
ständigen Länge  zu  ergänzen,  dass  daher  die  Scenischen  Dichter 
eine  solche  Silbe  auch  kurz  messen  konnten. 

Aus  der  ganzen  Untersuchung  über  die  Vernachlässigung  der 
sogenannten  Positionslänge  bei  den  scenischen  Dichtern  der  Römer 
lassen  sich  nunmehr  folgende  Ergebnisse  zusammenstellen. 

Ein  irrationaler  oder  stummer  Vokal  wurde  gesprochen 
in  folgenden  Wortformen : 


a. 

o. 

u. 

c. 

'• 

a  b , 

e  r  o , 

s  im  ul, 

est, 

ille  n.  a., 

ad, 

domo, 

manu, 

esse, 

is  i  c  n.  a., 

c  olor, 

v  e  n u Sta- 

polest, 

ipse  u.  a., 

V 

tes, 

Is,  id, 

amor, 

a  (1  es  1 . 

so  ror, 

venust  a  - 
tis, 

ecce, 

mde, 

V  (»  1  lipl 

;is, 

V  e  l  0  s  1  a  !  e 

he  iic, 
•> 

bic  n.  a„ 

Voll!  11  t 

as, 

mal  e, 

in, 

• 

benefi- 
e  i  um  , 

sine. 
<|  n  nie  in. 

-     123     — 

V  v 

e.  1. 

in a  1  e  f  i  c  u  s ,  d  o  m l  ci I  i u m , 

s  e  n  e  c  t  u  t  e  in ,  m  i  n  i  s  t  e  r  i  ig , 

tabernaculo,  m  i  ni  s  tr  e  m  tis , 

gubernator ,  ministrabat, 

g  u  b  e  r  n  a  b  u  n  t ,  m  a  g  i  s  t  r  a  t  u  s , 

ni  i  s  e  r ,  p  e  r  l  s  t  r  o  in  ata, 

p  a  t  e  r ,  d  e  d  l  s  t  i , 

fenestra,  bibisti, 
d  ß  d  i  s  s  e , 

V 

eri, 
mäh , 
dorn  i, 

V 

nie  ei. 

Eine  irrationale  Silbe,  bestellend  ans  einem  stummen 
Vokal  und  einem  darauf  folgenden  dumpf  oder  matt  lau- 
tenden Consonanten  wurde  gesprochen  in  folgenden  Wort- 
formen : 


a. 

0. 

u. 

e. 

l. 

t  a  m  e  t  s  i , 

m 

,  v 
a  1  o  s , 

unile, 

V 

et, 

agil, 

V 

minas, 

v  i  r  o  s , 

ut, 

1  u  b  e  t , 

i  a  c  1 1 , 

foras, 

et 

»los, 

a  p  u  (1 , 

d  o  1  e  l , 

dedit, 

negat, 

V 

caput, 

p  u  d  e  t , 

dabit, 

a  m  a  t , 

malus, 

tace  t, 

erit, 

rogat, 

bonus, 

iubet, 

foris, 

erat, 

» 

d  o  m  u  s , 

decet, 

e  n  l  m , 

—     124     — 

V  v 

u.  e.  i 

manus,  habet,  enimvero, 

Hierum,  videt,  magis, 

mahim,  placet,  nimis, 

bonum,  habent,  satis, 

V  v 

panim,  s  o  1  e  n  t , 

er  um,  student, 

manum,        fores, 
s  e  n  e  m , 
c  a  b  e  m , 
q  u  i  d  e  ni , 
nempe, 
sene  \. 
unter  den  vorstellenden  Worlformen  sind  durch  Tonanschluss 
an  das  vorbeigehende  oder  das   folgende  Wort  tieftonig  gespro- 
c  h  e  n  ,  das  beisst  enklitisch: 
ab,  unde,  et.  ille  tt.  a., 

ad,  "t,  (|  nid  ein,        iste  n.  a., 

aempe,        ipse  u.  a., 
est,  Is,  ld, 

esse,  i n  d  e , 

ecce,  hJc  u.  a., 

in, 
sine, 
(|ii  idem, 
«mi  im. 
Die  Untersuchungen  über  den  Ausfall  und  Abfall  der  Vokale 
haben  ergeben,   dass  je  leichter  das  Tongewicbl   der  Vokale 
war,   desto    häufiger    Ausfall    und  Abfall   derselben   eintrat. 
Am  häufigsten  schwand  daher  der  leichteste  und  dünnste  Vokal  i, 
dann  fast  eben  so  oft  das  wenig  gewichtigere  e,  Bchon  seltener  u 


~     125     — 

und  am  seltensten  o  und  a.  Der  stumme  Vokal  ist  der  letzte 
schwache  Lebensklang  des  Vokales,  ehe  er  ganz  abstirbt,  und  die 
irrationale  Kürzung  geht  dem  Verschwinden  desselben  so  sicher 
vorher,  wie  der  Todeskampf  dem  Tode,  wenn  auch  diese  verkrüppel- 
ten und  altersschwachen  Vokale  oft  noch  Jahrhunderte  lang  ein  zae- 
hes  Leben  bewahren.  Daher  zeigt  sich  die  irrationale  Kür- 
zung in  demselben  Verhältniss  zu  dem  Tongewicht  der 
einzelnen  Vokale  wie  der  Ausfall,  und  Abfall  derselben.  Am 
häufigsten  verkrüppelt  das  dünnstimmige  i  und  das  flache  charakter- 
lose e,  seltener,  der  dunkele  Vokal  u,  am  seltensten  die  vollsten 
Vokale  o  und  a.  Die  irrationale  Kürzung  dieser  Vokale  kann  nur 
stattfinden  in  tief  tonigen  Silben  hochbetontcr  Wörter  oder  in 
Enklitiken;  sie  findet  statt  an  den  Vokalen  der  tieftonigen  aus- 
lautenden Silben  vor  den  schwach  und  dumpf  klingenden  Con- 
sonanten  m,  n,  s,  t,  d,  von  deren  Laiilschwäche  dieselben  an- 
gesteckt werden,  mit  denen  sie  dann  zum  Theil  zu  Grunde  gehen, 
oder  unmittelbar  im  Auslaut  selbst,  wo  der  lange  Vokal  kurz, 
der  kurze  stumm  wird,  namentlich  in  zweisilbigen  Wortformen 
mit  kurzer  Stammsilbe,  deren  Hoch  ton  die  tieftonige  aus- 
lautende Silbe  übertont.  Die  irrationale  Kürzung  von  Vokalen 
tritt'  aber  auch  ein  in'in  lautenden  Silben,  namentlich  in  der 
tieftonigen  Silbe  vor  oder  nach  der  hochbetonten,  wo 
auch  Schwächung  und  Ausfall  des  Vokals  am  häufigsten  ist,  zumal 
wenn  die  Wortform  durch  schwere  Suffixe  sehr  angeschwellt  ist, 
vor  solchen  Consonanten,  vor  denen  auch  der  Vokalausfall  gewohn- 
lieh ist. 

Eine  strenge  Versmessung  kann  un messbar  kurze  Laute 
nicht  brauchen;  Vokale,  welche  die  Dauer  einer  Zeitweile  nicht 
mehr  ausfüllen,  behandelte  die  Verskunst  der  älteren,  Sceni- 
schen  Dichter  zum  Theil  als  Todte;  trotz  dem  dass  ein  solcher 
stummer  Vokal  dem  Ohr  noch  durch  den  Klang,  dem  Auge  durch 
die  Schrift  vernehmlich  bleibt,  ist  er  in  der  Metrik  ein  caput  mor- 
tuum.  Die  Römische  Kunstdichtung  der  Augusteischen 
Zeit  schlägt  zum  Heil  der  Lateinischen  Sprache  und  ihres  Vokalis- 
mus einen  anderen  Weg  ein;  sie  giebt  in  der  Versmessung  jenen 
heruntergekommenen  und  verwahrlosten  Vokalen  ihr  besseres  Selbst 
wieder,  sie  hebt  den  stummen  Vokal  wieder  zur  Geltung  eines 
kurzen  Vokales  empor.  Sie  gebietet  dadurch  der  Neigung  der 
Lateinischen  Sprache   zur  Kürzung    und   Tilgung   der  Vokale 


—     126     — 

ein  heilsames  Halt.-  Sie  hielt  zwar  die  Volkssprache  auf  die 
Dauer  nicht  ah,  dieser  verderblichen  Neigung  weiter  zu  folgen,  bis 
der  edle  Organismus  der  Declinationc  n  und  Conj  uga  1  i  onen 
zerstört  war;  aber  in  der  Schriftsprache  hat  sie  die  Tondauer 
und  damit  den  ganzen  Vokalismus  auf  der  Stufe  erhalten,  wie  er  in 
Caesars  und  Ciceros  Munde  klang.  Die  Griechische  Me- 
trik, insbesondere  das  daktylische  Versmaass,  das  kurze  Silben  er- 
heischte, hat  also  die  Wiederherstellung  der  stummen  Vo- 
kale zu  Kürzen  bewirkt,  sie  hat  sich  dadurch  um  die  Erhaltung 
der  Lateinischen  Sprache  ein  wesentliches  Verdienst  erworben. 
So  ist  es  im  letzten  Grunde  der  Geist  hellenischer  Kunst,  der 
heilsam  eingreift  in  das  innerste  Leben  der  Lateinischen 
Sprache*). 


*)  Ist  die  vorstehende  Untersuchung-  über  die  irrationalen  oder 
stummen  Vokale  der  Komischen  Volkssprache  in  ihres  Hauptergebnis- 
sen stichhaltig,  so  ist  damit  die  Ansicht  von  Geppert  widerlegt,  der  in 
seiner  Schrift  über  die  Aussprache  des  Lateinischen  im  alleren  Drama  nach- 
zuweisen versucht  hat,  dass  die  Vernachlässigung  von  Positionslän- 
gen bei  den  scenischen  Dichtern  nur  eine  scheinbare  sei,  da  die- 
selben ihre  Verse  nach  einem  anderen  metrischen  Schema  ge- 
baut hätten  wie  ihre  griechischen  Vorbilder.  Geppert  behauptet, 
dass  jene  Dichter,  wenn  man  ihre  Verse  nach  dem  bisher  als  gültig 
angesehenen  Schema  messe,  wie  es  insbesondere  von  Priscian  aufge- 
stellt ist,  nicht  bloss  die  Positionslänge,  sondern  auch  die  Naturliinge 
der  Vokale  ganz  aus  den  Augen  gesetzt  hätten.  So  hätten  sie  nicht 
bloss  die  langen  Vokale  ä,  ö,  ü,  e,  I.  sondern  auch  die  Diphthonge  ae 
und  au  kurz  gemessen  in  folgenden  YVortformen,  a.  0.  S.  '.»7 /' :  &,  qua. 
a  m  e  n  s  ,  n  e  g  a  s ,  Syr'acusae,  p  e  d  ä  r  i  u  s  ,  c  a  r  u  s  .  a  1  a  e  .  s  e  p  t  u  m  ä  s  ; 
;;.  08/".:  enicas,  evenis  se',  -elavi,  deripait,  fide,  tnrbines, 
hoste«,  equites,  ecastor,  neminem,  verebamini.  habebitis, 
olere,  deccre;  p.  DO  f.:  Ire,  Ibo,  adlbo,  venire,  amicac, 
■  i m X t u ,  perdidl,  occidi,  dedidl,  impedimento,  nostrl; 
p.  101  f.:  modu  (Abi.  Subst.),  cado,  ioco  (desgl.).  earo  (AbL  Adj.), 
amörem,  odisse;  p.  101:  fiiii,  ünumquemque,  solütum;  p.  102: 
a  e  des,  a  e  cum  ,  a  u  t ,  h  a  ü  t ,  a  ü  d  i  v  i ,  an  sp  ice  ti  s.  Aber  die  Annahme 
dieser  Verkürzung  beruht  auf  kritisch  unzuverlässiger  Grundlage,  wie 
die  Prüfung  der  betreffenden  Stellen  zeigt.  Theils  sind  jene  IfoSOTUgcn 
ohne  zuverlässige  handschriftliche  Begründung  aufgenommen,  theils  be- 
ruhen sie  auf  Verderbnissen  des  Textes,  die  von  den  Herausgebern  der 
Scenischen  Dichter,  namentlich  von  Ritsch]  and  Fleckeisen  durch  über- 
aus leichte  Armierungen  beseitigt  sind,  theils' lassen  die  betreffenden 
Verse  eine  andere  Messung   als  die  von  Geppert  angenommene  zu    «»der 


—     127     — 

2)    Irrationale  Vokale  vor  Vokalen. 

Für  die  Untersuchung,  in  wiftern  durch  die  unmittelbare 
B  c r ii  h'r  u  n  g  von  Vokalen  in  der  Sprache  i r r  a tio n  ale  V o k a  1  e 


erfordern,  dieselbe,  bei  der  die  Vokallänge  in  den  obigen  Wörtern  un- 
angetastet bleibt.  Auf  solcher  Grundlage  baut  dieser  Gelehrte  die  Be- 
hauptung über  die  Verskunst  der  Scenischen  Dichter,  S.  103 :  "Die  Ver- 
leugnung der  Gesetze  für  die  Prosodie  ist  schrankenlos:  ,we- 
der  Position»-  noch  Natur  längen,  weder  die  Beschaffenheit  der 
Consonanten  noch  ihre  Anzahl,  ja  nicht  einmal  die  Anhäufung  von  vier 
Consonanten  hinter  einer  Naturlänge  ist  von  den  Komikern  respectirt 
worden.  Sie  verkürzen  schlechthin  eine  jede  Länge,  sie  mag  ei- 
nen Ursprung  haben,  welchen  sie  will".  Nach  dem  Wortlaut  dieser  Stelle 
werden  solche  Dichter  schrankenloser  Willkühr  und  Nichtachtung  der 
Quantität  bezüchtigt,  bei  denen,  auch  wenn  man  die  vorstehenden  Bei- 
spiele von  Verletzungen  derselben  gelten  lassen  wollte  und  könnte,  eine 
ungeheure  Mehrzahl  von  Wortformen  übrig  bleibt,  die  stets  und  un- 
wandelbar dieselbe  Messung  zeigen,  die  insbesondere  an  allen  Stellen 
und  in  allen  Fällen  stets  mit  ihren  festen  Naturlängen  und  Positions- 
längen erscheinen.  Allein  jene  Worte  sind  nicht  so  gemeint,  wie  G.  sie 
an  der  betreffenden  Stelle  ausspricht.  Da  G.  nämlich  aus  den  Annalen 
des  Ennius  den  Schluss  zieht,  a.  0.  S.  104,  "dass  die  Worte  damals 
schon  im  Römischen  eine  sehr  bestimmte  metrische  Geltung  hatten  und 
dass  die  Quantität  der  Silben  ganz  dieselbe  war,  wie  sie  es  Jahr- 
hunderte lang  geblieb  en  ist"  und  überzeugt  ist,  a.O.ll:  "dass  die 
Silben  bei  Plaut us  undTerenz  keine  andere  Quantität  gehabt 
haben  als  bei  den  anderen  Römischen  Dichtern",  so  konnte  ihm  bei  die- 
sem Glauben  an  die  Unwandelbarkeit  der  Quantität  der  Vokale  in  der 
Lateinischen  Sprache,  der  freilich  mit  der  ganzen  oben  geführten  Un- 
tersuchung über  die  Kürzung  der  Vokale  nicht  bestehen  kann,  eine 
schrankenlose  Willkühr  in  der  metrischen  Behandlung  eben  dieser 
Quantität  bei  den  mit  Ennius  gleichzeitigen  Scenischen  Dichtern  unmög- 
lich vereinbar  erscheinen.  Aus  dieser  Unvereinbarkeit  entspringt  nun 
bei  G.  die  Ansicht,  dass  der  Vernachlässigungen  der  Natur-  oder 
Position s längen  von  Vokalen  bei  den  Scenischen  Dichtern,  die  sich 
ergeben,  wenn  man  für  ihre  Verse  im  Wesentlichen  die  Metrik  ihrer 
Griechischen  Vorbilder  zur  Richtschnur  nimmt,  nicht  die  kürzere 
Zeitdauer  jener  Laute  bei  der  Aussprache  im  Volksmunde  zu 
Grunde  liege;  dass  vielmehr  jene  Vernachlässigungen  ein  fraglicher  Seh  ein 
seien,  dass  jene  Römischen  Dichter  nichtbloss,  wie  Priscian  und  andere 
Kritiker  geglaubt,  in  gewissen  Ein  z  elh  eite  n  sich  durch  die  Natur  ih- 
rer Sprache  bedingte  Abweichungen  von  ihren  Griechischen 
Mustern  der  Metrik  erlaubt,  sondern  sich  eine  neue  Metrik  erfunden 
hätten,  die  ihnen  erlaubte  in  zahlreichen  Fällen  ganz  beliebig  Versfüsse 


—     128     — 

entstehen,  ist  es  nolliwendig  erst  das  Zusammentreffen  der  Vokale 
im  Inlaut  eines  Wortes,  dann  das  Begegnen  derselben  im  Aus- 


von    verschiedener    Zeitdauer    für    einander    eintreten    zu    lassen 
{vgl.   a.  0.    107  f.).     Nach  dieser  angeblichen  Verskunst   sollen   in  vielen 
Fällen  die  Römischen  Komiker  gebraucht  haben : 
den  Trochaeus  für  den  Pyrrhichius,   -  -  für 

Iambus  für  Pyrrhichius,  -  —  für  -- 

Spondeus      für  Pyrrhichius,  -  -  für  -  - 

Amphibrachys  für  Tribrachys,    -  -  -  für 
Creticus        für  Dactylus,        — -_  für  _  ^^ 

B  a  c  c  h  i  u  s       für  Anapäst,         \j für  ~ 

Molossus       für  Bacchius,        für- 

Molos  su  s      für  Creticus,         für  -  «-»  - 

Iambus  für  die  betonte  Länge,  -  -  für  — 
Proceleusmaticus  für  Iambus,----  für  -  - 
der  letzte  ,  insofern  für  den  Trochaeus  und  Iambus  auch  der  Spondeus 
eintreten  könne  {vgl  a.  0.  10G.  110.  111.  115—117.  12« —  121.  123). 
Nach  diesen  Aufstellungen  treten  also  unter  Umständen  für  zwei  zei- 
tige Längen  dreizeitige  Versfüsse  ein,  für  zweizeitige  Vers- 
füsse drei  zeitige,  für  drei  zeitige  vierzeitige,  für  vier  zei- 
tige fünfzeitige,  für  Tun  f  zeit  ige  sechszeitige.  Eine  Vers- 
messung, die  sich  solche  Stellvertretungen  von  Maassen  verschiedener 
Zeitdauer  erlaubt,  hat  den  Sinn  für  Scheidung  der  Zeitmasse 
im  Wesentlichen  eingebüsst,  eine  Verskunst  der  in  so  vielen  Fällen 
die  lange  und  die  kurze,  die  doppelte  und  die  einfache  Zeitweile  gleich- 
gültig ist,  die  ist  nicht  besser  wie  ein  fahrlässiger  Kechenknecht,  der  die 
Summe  obenhin  überschlägt,  aber  gelegentlich  auch  fünfe  gerade  sein 
lässt ,  oder  wie  ein  pfuschender  Feldmesser,  der  mit  einer  dehnbaren 
Schnur  statt  mit  fester  Messkette  misst :  Versfüsse  und  ganze  Verse  ei- 
ner so  ungenauen  verrenkenden  Verskunst  gehen  ins  Maas s lose  über 
und  werden  irrational.  Wie  sollen  nun  aber  die  Römischen  Dra- 
matiker zu  einer  solchen  Vers  in  es  s  ung ,  die  ihrem  Wesen  dem  fe- 
sten Zeitmaasse  so  entfremdet  erscheint,  gelangt  sein?  Gerade  auf 
diese  Frage  hat  G.  nicht  geantwortet,  und  doch  fällt  ohne  die  Lösung 
derselben  der  Versuch  eines  Beweises  für  seine  Ansicht  haltlus  tasaxn- 
men.  Lag  der  Grund  zu  einer  so  entarteten  Versmessung  in  der  Be 
fähigung  der  Dichter  selbst,  etwa  in  stumpfem  oder  grobem  Gehör, 
das  den  langen  Ton  vom  kurzen  nicht  schied,  oder  in  einem  Manuel  an 
Sinn  für  genaue  Messung  von  Zahl  und  Zeitgrösse,  so  dass  sie  nicht 
nachmessen  konnten,  was  ihnen  Griechische  Dichter  Yorgemessen  hatten. 
deren  Dramen  und  Verse  sie  doch  nachahmten  V  Dass  die  Körnet  sonst 
Raum  und  Zeit  zu  messen  verstanden,  zeigt  wahrlich  ihre  Feldinesskunst, 
ihr  Wege-  und  Wasserbau,  ihr  Kalenderwesen ;  dass  das  Ohr  ihrer  Dich- 
ter für  die  Zeitdauer  des  lautlichen  Klanges  stumpf  war,  wird  schwer- 


—     1 29     — 

laut  und  Anlaut  zweier  aufeinanderfolgender  Wörter  in  der  Kede 
zu  beobachten.     Um  die  Tonkluft,  den  Hiatus,  der  durch  die 


lieh  jemandem  einfallen  behaupten  oder  gar  beweisen   zu  wollen.     Also 
bleibt   als    mögliche  Stütze   für    die  Geppertsche  Ansicht    nur    übrig   an- 
zunehmen ,  dass  in  der  Kömischen  Sprache  irgend  etwas  lag,   was 
die  Scenischen  Dichter  nöthigte    an   Stellen,    wo    das  ihnen    vorliegende 
metrische  Schema  der  Griechen  eine  Kürze  zeigte  ,  einen  langen  sprach- 
lichen Laut  zu  setzen,   dessen  ungeschmälerte  Länge  ihnen  doch  im  Ohre 
klang  und  auf  der  Zunge  lag.     Man  könnte  versucht  sein,    jenes  nöthi- 
gende  Etwas  in  dem  Ueberfluss  an  langen  und  Mangel  an  kur- 
zen Silben  zu  finden,  durch  den  allerdings  die  L  a  teinisch  e  Sprache 
sich  von  der  Griechischen    unterscheidet.     Allein   daraus    lässt    sich 
wohl  erklären ,   warum  die  älteren  Römischen  Dichter  statt  zweier  Kür- 
zen des  Griechischen   metrischen  Kanons   öfter  eine  zweizeitige  sprach- 
liche Länge  setzen ,  vielleicht  auch ,  weshalb  sie  den  Spondeus  im  iam- 
bischenVers  auch  auf  die  geraden,  im  trochäischen  Tetrameter  auch  auf 
die  ungraden  Stellen  übertrugen,    aber   doch    nicht,    warum   sie   an   die 
Stelle  eines  zweizeitigen  Versfusses  einen  dreizeitigen  Wortlaut  setzten, 
oder   an   die    Stelle    eines    lambus   vier    kurze  Wortsilben.     Daher    sind 
denn    auch  Ennius  Hexameter  überfüllt  und  schwerfällig  von  Spondeen 
für  Dactylen;  aber   durch  Kretiker  oder  gar  Antibacchien  für  Spondeen 
das  Versmass    zu  verzerren  und  zu  entgliedern,  das  er  in  die  Dichtung 
seines  Volkes  einführen  wollte  ,  hat  er  sich  doch  nicht  beikommen  las- 
sen.    Man  mag  sich  wenden,  wie  man  will,  man  findet  keinen  siche- 
ren   Entstehungsgrund    für    eine    solche   Versmessung   Scenischer 
Dichter,  wie  G.  sie  entdeckt  zu  haben  glaubt;  man  wird  immer  darauf 
hingewiesen,  dass  mittelzeitige  und  stumme  vokalische  Laute? 
deren  Vorhandensein  in  der  Sprache  ,    auch  wenn  wir   nicht    einen  Vers 
eines    Kömischen   Dramatikers    übrig    hätten,    unzweifelhaft    feststehen 
würde,  was  auch  G.  nicht  in  Abrede  stellt,  in  der  Lateinischen  Sprache 
zu  Plautus  Zeit  vorzüglich  eingerissen  waren,  dass  die  Dich- 
ter berechtigt  waren   solche    mittelzeitigen    Sprachlaute    nach   ihrer  Be- 
quemlichkeit an  die  Stelle  von  metrischen  Längen  oder  Kürzen  des  Grie- 
chischen Schema   zu  setzen,   und  dass  hieraus  zum  grossen  Theil  die 
sogenannten  Po  siti  ons  Verletzungen  und  Kürzungen,  von  denen 
die  Kede  gewesen  ist ,  zu  erklären  seien. 

Besonderes  Gewicht  scheint  G.  zur  Verteidigung  seiner  Ansicht 
auf  den  Satz  zu  legen,  a.  0.  123:  "Wären  die  Freiheiten,  welche  sich 
die  alten  Dichter  bei  Behandlung  ihrer  Verse  genommen  haben,  wie  un. 
sere  Kritiker  behaupten,  pros  odisch  er ,  nicht  metrischer  Art, 
so  könnte  es  nicht  fehlen,  dass  von  den  Silben,  die  ihrer  Ansicht  nach 
indifferent  gewesen  sind,  auch  gelegentlich  einige  in  ihrer  Verkürzung 
zum  Verssehlusse  benutzt  würden;  aber  dies  ist  ein  Fall,  der  nir- 
gend vorkommt".  Auf  diesen  Schluss  ist  zu  erwiedern :  Da  die  Römi- 
Corssen  II-  9 


—     130    — 

Aufeinanderfolge  zweier  Vokale  entsiebt,  zu  schliessen  oder  zu  über- 
tünchen, greift  die  Lateinische  Sprache  zur  Vokala  usstossung 


sehen  Dieliter  gerade  wie  die  Griechischen  danach  strebten,  im  Vers- 
ausgange das  Versmass  rein  durchklirgen  zu  lassen,  so  vermieden 
sie  hier  nicht  nur  Wortformen  oder  Worttheile  von  genau  bestimmter 
Tonlage  ,  die  unter  Umständen  in  der  Mitte  oder  am  Anfang  des  Verses 
an  die  Stelle  seines  regelrechten  Grundfusses  treten  können  wie  zum 
Beispiel  spondeische  Wortformen  oder  Worttheile  stellvertretend  für 
iambische,  trochäische  oder  daktylische  Versglieder;  es  war  natürlich, 
dass  sie  sich  auch  scheuten  hier  den  mittelzeitigen  Silbenlaut,  der  durch 
einen  stummen  Vokal  mit  folgenden  Consonanten  gebildet  ist,  an  die 
Stelle  der  kurzen  oder  einzeitigen  More  zu  setzen.  Die  mittelzeitigen 
Vokale  sind  ja  irrational,  nicht  genau  messbar  mit  der  Einheit  einer 
metrischen  Zeitlänge  oder  Zeitkürze;  gerade  dieses  Un messbare, 
Irrationale  t  r  at  dem  Durchklingen  des  r  e  in  e  n  Versmas  se  s  im 
Verschlusse  ebenfalls  störend  und  widerwärtig  in  den  Weg.  Dabei- 
war es  nothwendig,  dass  die  mittelzeitige  Wortsilbe  für  die  metrische 
Kürze  dort  ebenso  gemieden  wurde  wie  die  lange.  Erwägt  man  ferner, 
dass  alle  Pronomina,  Präpositionen  und  Conjunctionen  ih- 
rer sprachlichen  Bestimmung  im  Satz  gemäss  am  wenigsten  geeignet 
sind  am  Ende  eines  Satzes  oder  Satzabschnittes  zu  stehen  und  in  Folge 
davon  auch  selten  im  Vers  Schlüsse  Platz  finden,  so  wird  man  es  um 
so    natürlicher    finden/,    dass    Pronomina    und    Pronominaladverbia    wie 

vvvvV  vvv 

iste,ipse,    llle,    nide,    ecee,   Präpositionen  wie    ad,    in,    mter, 

"apud,  Conjunctionen  wie  et,  ut,  atque  o.  a.  in  der  bisher  bezeich- 
neten Messung  auch  ohne  ängstliche  Fürsorge  für  die  Reinheit  des 
Metrums  von  Seiten  der  Dichter  aus  dem  Versschluss  leicht  wegblie- 
ben. Hierzu  kommt,  dass  alle  die  zwei  silbigen  Wort  er  mit  kur- 
zer Stammsilbe,  deren  Schlusssilbe  oder  Vokal  der  Schlusssilbe  oben 
als  irrational  nachgewiesen  ist,  sich  vortrefflich  für  den  letztenFus.s 
des  Iam bischen  Senares  oder  des  Trochäischen  Tetrame- 
ters eigneten,  wenn  der  Dichter  der  irrationalen  Endsilbe  die  Gel- 
tung einer  v  o  llcn  K  ü  rz  e  oder  Länge  zurückgab,  dass  also  Messungen 
wie  manum,  fores,  dedit,  eri,  domo,  manu  u.a.  an  jener  Stelle 
gar  nicht  absichtlich  vermieden  zu  werden  brauchten,  sondern  von 
selbst  wegblieben.  Ebenso  wenig  konnten  in  dem  letzten  Fnsse 
der  genannten  Verse  dreisilbige  Wortformeu  wie  dedisti,  bi- 
bisti,  dedisse  Platz  linden,  mochte  der  Dichter  die  vorletzte  Silbe 
als  stumm  übergehen  oder  ihr  die  alte  Geltung  als  Länge  wiedergeben. 
Da  endlich  die  mehrsilbigen  Wörter,  in  denen  oben  eine  irrationale 
Silbe  nachgewiesen  ist,  niemals  die  vorletzte  oder  letzte  Silbe 
so  verkümmert  haben,  so  konnten  auch  die  Dichter  unmöglich  in  Ver- 
suchung kommen  den    stummen  Vokal  derselben    in  den    Versschlusi 


—     131     — 

zur  Vokalkürzung  und  zur  Vokalverschmelzung.  Für  die 
Frage  nach  irrationalen  Vokalen  handelt  es  sich  insbesondere  um 
die  letztere.  Zu  dem  Zwecke  also  erscheint  es  angemessen,  zu- 
erst von  der  Verschmelzung  der  Vokale  im  Inlaut  eines 
und  desselben  Wortes,  von  der  Synizese  oder  Synaerese,  dann 
von  der  V  er  Schleifung  der  im  Auslaut  und  Anlaut  zweier 
aufeinanderfolgenden  Worter  sich  berührenden  Vokale,  von  der 
Synaloephe  oder  Episy naloephe  zu  reden. 

a)    Vokal  Verschmelzung   im   Inlaut. 

In  dem  Abschnitt  über  die  'Umlautung  der  Vokale  ist  gezeigt 
worden,  wie  dieselben  in  unmittelbarer  Nachbarschaft 
nebeneinander  je  nach  ihrer  Laulverwandtschaft  sich  gegenseitig  in 
ihrer  Ton  färb  ung  und  ihrem  Ton  gewicht  bestimmten.  Um 
die  Vokal  Verschmelzung  im  Inlaut  zu  verstehen,  ist  es  not- 
wendig zu  untersuchen,  unter  welchen  Bedingungen  aufeinander- 
folgende Vokale  in  ihrer  Tondauer  oder  Quantität  auf  ein- 
ander Einfluss  übten,  so  dass  der  eine  derselben  ganz  ausfällt 
oder  Kürzung  erleidet.  Dabei  ist  vor  allem  die  Betonung  (\^v 
Vokale  scharf  ins  Auge  zu  fassen  und  zu  scheiden,  wo  hochloni- 
g e r  und  t i e  f t  o n i g e r ,  t i e f t o n i g e  r  und  h o c h b e  t o n t e r ,  tief- 
toniger  und  tieftoniger  Vokal  im  Worte  zusammentreffen. 

Nach  diesen  Gesichtspunkten  wird  hier  zuerst  der  Ausfall 
eines  der  beiden  Vokale  in  Betrachtung  gezogen. 

Trifft  ein  hochbetonter  und  ein  tieftoniger  Vokal  von 
verschiedenem  Tongewicht  im  Inlaut  eines  Wortes  zusammen,  so 
kann  nur  der  zweite,  der  t  i  e  f  t  o  n  i  g  e  V o  k a  I ,  a  u s  f  a  1 1  e  n. 


zu  bringen.  Wenn  somit  nachgewiesen  ist ,  dass  für  die  Feststellung- 
eines neuen  metrischen  Schema  durch  die  Scenischen  Dichter  der 
Kömer  sich  kein  bestimmender  Grund  auffinden  lässt,  und  wes- 
halb Wortformen  mit  irrationalen  Silben  im  Verschluss  nicht 
Platz  fanden,  so  folgt  daraus  erstens,  dass  das  von  Prise  ian  über- 
lieferte Schema  im  Wesentlichen  dem  Versbau  jener  Dichter  z  u 
Gründe  liegt,  zweitens  dass  die  Positionsvernachlässigungen 
bei  denselben  kein  blosser  Schein,  sondern  wirklich  vorhanden  sind 
und  in  der  irrationalen  Kürzung  gewisser  Vokale  wie  in  dem 
dumpfen,  matten  Klang  gewisser  Consonanten,  also  in  der  Aus- 
sprache des  Komis  chen  Volkes  ihren  Grund  hatten. 

9* 


-     132    - 

So  fällt  ein  tiefte  niges  e  nach  einem  hochbetonten  Vokal  ans 
in  Verbalformen ,  und  zwar: 

in  den  Conj  unetivformen  der  Verba,    deren   Conjunctivzei- 
chen  i  aus  ie  hervorgegangen  ist,  wie: 

si-m,  si-s,  si-t. 

Ebenso  fällt  kurzes  e  nach  Ausfall  eines  v  aus  in  allen  von  den 
Perfekten  auf  v  i  abgeleiteten  Formen  wie : 

ama-rim,       s  i  -  r  i  s ,  n  o  -  r  i  in , 

ama-ris,         si-rit,  no-ris, 

ama-rit,         si-ritis,         no-rit, 

ama-runt,      si-rint,  no-runt, 

ama-ram,  no-ram.    Vgl.  II,  19. 

In  der  Wortzusammensetzung  schwand  so  das  tieftonige  e  des 
zweiten  Gliedes  der  Composita  nach  Ausfall  eines  h  oder  v  in : 

prae-dium,    prae-da,        prae-ndere.    Vgl.  II,  47, 

Ebenso  verklang  so    das  e   der    doppelten    Diminutiven  düng 
-ello,  -ella  in: 

t  r  u  - 1 1  a , 
da  noch  nach  alter  Betonungsweise  der  Hochton  auf  der  drittletz- 
ten Silbe  lag. 

Tieftonigcs  i  schwindet  nach  hoch  tonigem  Vokal  in  allen  vom 
Perfekt  auf -vi  gebildeten  Verbalformen,  deren  v  ausgefallen  ist,  wie: 

a  m  a  -  s  t  i ,  d  e  1  e  -  s  t  i ,        n  o  -  s  t  i , 

ama-stis,      dele-stis,      no-stis, 

ama-ssem,     dele-ssem,  no-ssem, 

ama-sse,        dele-sse,       no-sse; 
und  in  den  Formen  der  dritten  Pers.  Ind.  Sing,  wie: 

inrita-t,  Lucr.  1,  70. 

disturba-t,  a.  0.  VI,  587. 

adflieta-t,  Plaut.  Merc.  648. 

ania-l,  a.  0.  Epid.  I,  1,  82. 
Vgl.  Lach/n.  Lucr.  p.  290. 
ebenso  nach  hochtonigem  Vokal  im  zweiten  Gliede  der  Composita: 

prae-tor,       co-go*), 


*)  Die  Wurzel  ag-  als  zweiter  Bestandtheil  findet  sich  auch  in  ;iu- 
riga  für  aur  e-iga  ,  zusammengesetzt  mit  a  u  rea  ,  Zügel,  Fett.  r.  tun  ras, 
p.  28.  7,  so  dass  auriga  Z  ügel  t*ü  hr  er  heisst.  Dieselben  Bestand« 
tbeile  rinden  sich  auch  in  aure-ax,  Z  ügel  führ  er,  das  in  der  alten 
Sprache  den  Reiter  wie  das  Reitpferd  bedeuten  konnte. 


133 


de-go,  c  o  -  g  i  t  o , 

de-mo,  co-mo,  Lachm.  Lucr.  p.  135. 

und  nach  Ausfall  eines  h: 


de-beo,           pro-beat, 

iu-beo , 

prae-beo, 

ina  n  u-biae, 

manu-  b  r  i  u  m 

nach  Ausfall  eines  v: 

prae-s,                            vgl. 

praevia" es,  /. 

vgl.  II,  49.  50. 


Ebenso  in  dem  Nominativ: 

g  r  u  -  s. 
Tieftoniges  o  nach  bochtonigem  Vok;d  fiel  aus  nach  Ausfall  eines  v  in  : 

in a - 1  o  ,  M  a - r s ,  su-rsum,  w.  ö. 

Kurzes  u  nach  bochtonigem  langem  Vokal   schwindet  nach  Ausfall 
des  j  in: 

c o  -  n  c  l o  s  {carm.  Arv  ),    b  i-  g  a ,     q  u  a  d  r i  - g a. 

t  r  i  -  g  a , 
In  der  grossen  Mehrzahl  dieser  Formen  war  der  hochbetontc 
Vokal  auch  noch  lang,  also  durch  Tonhöhe  und  Tondauer  geeignet 
folgenden  langen  wie  kurzen  tieftonigen  Vokal  zu  übertönen. 

Dem  kurzen  hochtonigen  Vokal  wich  der  kurze  tieftonige  in 
b  i  g  a ,  q  u  a  d  r  i  g  a ,  a  u  r  i  g  a ,  m  a  n  u  b  i  a  e ,  m  a  n  u  b  r  i  u  m ,  s  u  r  - 
sum.  Die  Formen  sim,  sis,  sit  neben  siem,  sies,  siet  zei- 
gen, dass  dem  hochbetonten  kurzen  Vokal  auch  der  tieftonige  lange, 
der  ihm  folgte,  weichen  konnte. 

Folgt  auf  einen  tieftonigen  Vokal  ein  hoch  betont  er,  so 
kann  nur  der  tieftonige  ausfallen. 
So  fällt  e  aus  in: 

s-orsum,  Plaut.  Asin.  362.  Epid.  III,  3,  21. 

n-tillus,  n-unquam,  s-udus, 

n-us q  nain,     n  -  u t i  q  u a m  ; 
ein  i  in: 

s  -  u  1 1  i  s  ; 
ein  u  in: 

s -avium,  vgl.     su  avium, 

Cl-entius,  I.  N.  5326.    Cluentius*). 


*)  M  onstr  uos  us  und  montuosus  für  irwonstrosus  und 
mon  tos us  scheinen  von  den  Stämmen  monstro-  und  monti-  Miss- 
bildungen zu  sein,  indem  der  Sprachgebrauch  der  Analogie  von  fructu- 
osus  ,    tumultu-  os us,  aestu-osus,  saltu-osus  u.  a.  folgte. 


—     134    — 

Häufig  fällt  der  auslautende  Vokal  eines  Nomi n als ta Ul- 
mes im  Lateinischen  aus  vor  dem  langen  hochtonigen  Vokal 
eines  vokalisch  anlautenden  Suffixes.  Dafür  mögen  hier 
nur  einige  Beispiele  stehen. 

So  fällt  der  auslautende  Stammvokal  a  aus  in: 

terr-enus,  Parm-ensis, 

a  q  u  i  1  -  i  n  u  s ,  silv-osus; 

der  auslautende  Stammvokal  o  in: 

furn-aceus,  corrupt-ela,  vot-ivus, 

lor-ica,  patru-elis,  fest-ivus; 

nostr-ates,  e  q u  -  i 1 e , 

d  u in  -  e  t  u  m ,  m  und-anus, 

Lati-aris,  medic-ina, 

Marti-alis,  ali-enus; 

der  auslautende  Stammvokal  u  in: 

Pen-ates ; 
der  auslautende  Stammvokal  i  in: 

fin-alis,  pisc-osus, 

pisc-arius; 
der  auslautende  Slaniinvokal  e  in: 

glaci-a  lis. 

Ehenso  fallen  die  auslautenden  Stammvokale  des  ersten  Com- 
positionsgliedes  i  und  o  vor  vokalischem  Anlaut  des  zweiten  Be- 
standtheiles  weg  in: 

nav-igium,  sem-animus, 

rem-igium,  sem-ermis, 

un-oculus,  sem-esus, 

sem-issis,  .    m 

sem-ustus. 

Zwei  tieftonige  Vokale    begegnen  sich  im  Lateinischen 

entweder  in  den  beiden  ersten  Silben  des  Wortes  als  Auslaut 
und  Anlaut  der  beiden  Compositum sglieder ,  *od# r  in  den  beiden 
letzten,  wo  entweder  beide  dein  Suffix,  »»der  der  eine  dem  Wort- 
stainin,  der  andere  dem  Wortbildungs-  oder  VYortbiegungssuffix  an- 
gehört. An  beiden  Stellen  Schwindel  in  manchen  Fallen  der 
eine  der  beiden »Vo  kale. 

An  der  ersten  Stelle  geschieht  dies  seilen;  es  findet  sieh 
nur  scheinbar  in : 


-—     135     - 

colescat,  colescere,  colli  er  mit, 

(VctrroR.R.  1,41,2.  Lucr.il  1061.  1068.  Lctchtn.  Com?n.  p.\U.) 
co -et us,  Fl.  Caper  2240. 

Nach  der  älteren  Betonungsweise  wurde,  wie  unten  nachge- 
wiesen ist,  cöaleo,  cöaluit,  cö actus  betont;  dann  wich  das 
tieftonige  a  dem  hochlonigen  o,  nachdem  es  sich  demselben  assimi- 
liert hatte,  und  so  sind  jene  alten  Formen  colescere,  coctus 
in  späterer  Zeit  geblieben. 

in  den  letzten  Silben  des  Wortes  schwindet  der  eine  von  zwei 
tieftonigen  Vokalen  zuerst,  wenn  ein  der  Flexionsendung  an- 
gehöriger  Vokal  mit  dem  auslautenden  Stammvokal  zusam- 
mentrifft. Das  geschieht  in  der  Bildung  des  Genetiv  Singula- 
ris  der  auf  a,  e,  u  auslautenden  Stämme. 

Die  Formen  des  Genetiv  Singularis  der  A-Stämmc  sind,  wie  in 
dem  Abschnitt  über  den  Diphthongen  ai  nachgewiesen  ist,  zu  ver- 
schiedenen Zeiten  und  an  verschiedenen  Orten: 
-äl,  -ai,  -as,  -ae,  -aes,  -es,  e. 

Hier  ist  das  Verhältniss  der  Genetivformen  auf-äl,  -al  neben 
-as  ins  Auge  zu  fassen. 

Die  Genetivform  -äi  findet  sich  bei  den  Scenischen  wie  bei 
den  Epischen  Dichtern.     So  bei  Plautus: 
magnai,  Mit,  103.     _  aquai,  Mit,  552.  Poen.1,3,23. 

p  u  b  1  i  c a  i ,  Mit.  103.  in  p u d i ci t ia i,  Amph.  82 1 . 

f  a  m  i  1  i  a  i ,  Amph.  359.  Merc.  83 4 .  c  o  m  o  e  d  i  a  i ,  Mit.  84. 
1  i  b  e  1 1  a  i ,  Pseud.  98.  C  h  a  r  m  i  d  a  i ,  Irin.  359. 

a  u  d  a  c i  a  i ,  Amph.  367.  C  a  1 1  i  c  1  a  i ,  Trift,  1183. 

t  i  p  p  u  1  a  i ,  Pers.  244  (R.)*).  V  e  r  i  p  h  a  n  a  i ,  Epid.  II,  2,  59. 

morai ,  Such.  557. 

Ebenso  in  E  n  n  i  u  s  A  n  n  a  1  e  n  : 
terrai,  Ann.  v.  479.    V.not,        lunai,  ct.  O.  v.  16. 
frugiferai,  ct.  O.  Albai,  ct.  O.  ^.34. 

viai,  a.O.  v.  209.  longai,  ct.  0. 

Dem  Naevius  oder  Ennius  oder  beiden  gehorten  auch  die 
Formen: 

Aeneai,  Prise.  VIT,  3.  H. 
Anchisai,  ct.  O. 


*)  Unzuverlässig-  sind  die  Spuren  solcher  Genetivformen  bei  Terenz, 
Benlleij,  Hemd.  V,  1,  20  III,  2,  4.  Andr.  II,  6,  8.  Phorm.  IV,  2,  7. 
Vgl,  Ritschi,  Prol.   p.  326.    Lachm.   Lucr.  p.   150. 


—     136    — 

Mit  besonderer  Vorliebe  hat  Lucrez  wie  so  manche  andere 
sprachliche  Alterthiimer,  so  auch  diese  Genetive  gebraucht: 

materiai,I,  249.  B.  {u.  a.  sehr  formai,  11,490. 

häufig).  amicitiai,  III,  83. 

animai,  I,  112  (desgl.).  irai,  III,  303. 

vitai,  1,415  {desgl.).  g e  1  i d a i ,  III,  687. 
aquai,  1,283  (u.  a.  häufig).         caveai,  IV,  76. 

terra i,  I,  251   (desgl.).  scaenai,  IV,  77. 

militiai,  1,29.  nigrai,  IV,  535. 

patrnii,  I,  41.  lingnai,  IV,  622. 

Triviai,  I,  81.  fugai,  IV,  711. 

Iphianassai,  I,  85.  parmai,  IV,  844. 

flammai,  1,725.  Geryonai,V,  28. 

suminai,   I,  984.  pilai,  V,  712. 

purpurai,  II,  52.  gutta i,  VI,  61  1. 

notitiai,   II,  124.  taedai,  VI,  S97. 

viai,   II,  249.  ferai,  VI,  1136. 
natural,  II,  302. 

Auch  in  Vergils  Acneis  und  Cicero s  Aratea  finden  sich 
diese  Formen  noch  gelegentlich  gebraucht : 

aulai,  Verg.  Aen.  III,  354.  terra),  a.  0.  Arat.  v.  57.    Anal. 
aquai,  a.  0.  VII,  464.    Wugn.          Cr.  E.  E.  p.  127. 

aurai,  a.  (K  VI,  747.  aquai,  Div.  I,  9,  15. 

pictai,  a.  0.  IX,  26.  aquilai,  Arm.  v.  373. 
nepai,  Cic.  Arat.  v.  279.  325. 
418.  Prise.  V\\,  3.  //. 

Es  fragt  sich  nun,  ist  die  Messung  äl  eine  Diaer ese,  ein»1  je- 
ner poetischen  Licenzen,  mit  denen  man  noch  bis  in  die  neuste  /eil 
die  Römischen  Dichter  so  reichlich  ausgestaltet  hat,  oder  sprach  das 
Romische  Volk  wirklich  einmal  Alba!,  Longa!.  Die  Inschriften 
müssen  hier  zu  Itathe  gezogen  werden.  Als  Genetivformen  auf  In- 
schriften aus  dem  Zeitalter  der  Punischeu  Kriege  sind  schon  oben 
angeführt  fameliai,  Aecetiai,  Laverna i,  Belonai,  Miner- 
vai  (vgl.  I,  179);  ob  die  Endung  derselben  aber  ai  oder  ai  gespro- 
chen ist,  Iässt  sich  nicht  entscheiden.  Wohl  aber  ßndel  sich  auf 
zwei  Grabschriften,  die  jedenfalls  in  die  Zeit  zwischen  dem  Syri- 
schen Krieg  und  die  Gracchen  fallen,  au  gemessen: 


—     137     — 

Or.  4818:  Heic  est  sepukruv  hau  pulcrum  pulcrai  feminae. 

/.  N.  3833:  Non  aevo  exsacto  vital  es  traditus  morti. 

Dass  indem  zweiten  Vers  nur  vi  tai  es,  nicht  etwa  mit  Ver- 
schleifung  des  i  vi ta'  es  für  vital  es  gemessen  werden  kann,  er- 
giebt  sich  aus  Lachmanns  Nachweis,  dass  die  Synaloephe  niemals 
stattfindet,  wenn  im  Auslaut  des  ersten  Wortes  langer  Vokal  vor  lan- 
gem Vokal  oder  Diphthongen  stand  (flacJim.  Liter.  Comm.  pA  58—  1 6 1 ). 
In  dem  ersten  jener  Verse  stehen  nebeneinander  die  Genetivformen 
pulcrai  und  feminae,  ein  Zeichen,  dass  man  seit  der  Zeit  der 
Macedonischen  und  Syrischen  Kriege  ae  sprach,  wo  man  noch  AI 
schrieb,  wie  dies  oben  dargethan  ist;  wo  also  bei  Dichtern  nach  die- 
ser Zeit  noch  ai  gemessen  vorkommt,  ist  diese  Form  nicht  aus  der 
gleichzeitigen  lebendigen  Sprache,  sondern  aus  älteren  Vorbildern 
entnommen.  Wie  sehr  bei  Lucrez  diese  Form  nur  ein  alter- 
thümlicher  Zierrath  seines  geistvollen  Gedientes  ist,  zeigen  am  be- 
sten die  vier  nebeneinander  vorkommenden  Messungen: 

äqual,  VI,   1070.    äqual,  i,  283.    äqüäe,   VI,   552.    868. 
äqule,  VI,  554. 

Das  berechtigt  nun  aber  noch  nicht  zu  einem  Schluss  auf  die 
Aussprache  dieser  Genetivendung  zu  Ennius  undl'lautus  Zeiten. 
Dass  zwischen  der  Zeit,  wo  die  Grabschriften  auf  die  Sarkophage 
des  Scipio  Barbatus  und  seines  Sohnes  gemeisselt  wurden,  und  den 
Tagen,  wo  1*.  Scipio  Africanus  grollend  zu  Linlernum  starb ,  ein 
Umschwung  in  Tier  Entwickelungsgeschichte  des  Lateinischen  Vo- 
kalismus stattfand,  zeigte  ja  der  in  diese  Zeit  fallende  Uebergang 
des  alten  ö  zu  ü,  wie  des  e  zu  i.  In  den  Messungen  aquilä,  ag- 
geä  ist  nachgewiesen,  dass  die  ursprüngliche  Länge  des  a  der  fe- 
mininen A-Stämme  zu  Ennius  Zeit  noch  gesprochen  wurde;  dieses 
lange  a  hielt  sich  auch  in  den  Genetivformen  wie  Albäi,  longa!, 
lunäi.  Wenn  nun  das  lange  e  der  E-Stämme  in  den  Genetiven 
rel,  fidel  sich  noch  in  Lucrez  Zeit  unversehrt  erhielt,  ohne  mit 
dem  i  zu  einem  Diphthongen  zu  verschmelzen,  wie  weiterhin  gezeigt 
werden  wird ,  wenn  in  den  G enetiven  wie  s p  e  c i e I ,  f  a  c  i  e  I ,  d  i  e I 
wo -dem  e  ein  i  vorherging,  sich  dieses  e  immer  unversehrt  erhielt, 
das  doch  aus  einem  ursprünglichen  a  entstanden  ist,  wenn  das 
kurze  u  in  den  unten  zu  besprechenden  Genetiven  fruetuis, 
anuis,  rituis  u.  a.  sich  unversehrt  erhielt  bis  Varro,  so  muss 
man  schliessen,  dass  auch  der  gewichtigste  Vokal  a  jener  Genetiv- 


—    138    — 

form  -äi  sich  in  der  Aussprache,  zu  Ennius  und  Plautus  Zeiten 
noch  zum  Theil  unversehrt  erhalten  hatte  und  nicht  mit  dem  i  zu 
einem  Vokal  verschmolzen  war.  Wenn  Formen  wie  magnäl,  au- 
daciäf  nicht  wirklich  noch  im  Volksmunde  lehten,  so  ist  nicht  zu 
hegreifen,  wie  Plautus  sich  vor  den  Ohren  seiner  Zuschauer  eine 
solche  Vokaltrennung  erlauhen  konnte,  während  er  doch  sonst  der 
Neigung  der  Volkssprache  zur  Vokalverschleifung  in  der  Versmes- 
sung folgte,  wie  ein  Schauspieler  auf  der  Bühne  es  wagen  durfte 
jene  Formen  so  auszusprechen.  Eine  Hauptschwierigkeit  die  me- 
trischen Formen  der  Griechischen  Comödie  nachzuahmen  lag  für 
die  Römischen  Dichter  in  dem  Ueherfluss  der  Lateinischen  Sprache 
an  langen  Vokalen.  Niemand  kann  also  glauhen,  dass  sich  Plautus 
eine  Diaerese  ai  für  ai  heikommen  lassen  konnte,  die  ihm  zwei 
Langen  statt  einer  zu  Wege  brachte.  Ennius  halte  mit  diesen  Län- 
gen in  seiner  Nachbildung  des  Homerischen  Hexameters  noch  so  zu 
ringen,  dass  ihm  Verse  unterliefen  wie: 

Ann.  p.  10.  V.:  Förtls  Römäni ,  quämquäm  cäelüs  profundus. 

ct.  0.  p.  9.:  Olli  respöndlt  rex  AlbäT  Iöngäl. 

Was  sollte  wohl  Ennius  zu  einer  Diaerese  veranlasst  haben, 
die  ihm  zwei  Längen  statt  einer  .schallte.  Wie  konnte  er  gegen  die 
Volksaussprache  durch  die  Messung  terra!,  frügifer-äi  Ver- 
stössen, während  die  Wortstellung  terra!,  frügiferäl  ihm  ei- 
nen Versanfang  bot.  Man  kann  also  nicht  zweifeln,  dass  die  Rö- 
mer wirklich  zu  Ennius  und  Plautus  Blüthezeit  die  alte  Auf- 
sprache Alba!  longa!  noch  nicht  vergessen  hatten.  Die  alle 
Betonung  dieser  Wörter  war  'Alhäl  Iöngäl,  mit  der  Herrschaft 
des  neuen  Betonungsgesetzes,  nach  dem  die  vorletzte  lange  Silbe 
immer  hochbetont  sein  muss,  nickte  entweder  der  Ilochtmi  vor, 
so  dass  Albäi  longaT  gesprochen  wurde,  oder  der  Hochton 
blieb  auf  seiner  Stelle  und  ä?  verschmolz  zuäl,  wie  aus  dixisti: 
dixlsti  oder  dixti,  aus  fenöstra:  fenestra  oder  fe-stra 
winde. 

So  wird  nun  auch  die  alte  Genetivform  -as  erklärlich,  die  sich 
nehen  äi  hei  Li  vi  us  And  ron  ic  us.  \ae\iiis  y\m\  Ennius  vor- 
fand in : 

escas,  Liv.  odisx.   lerrdiS,Naev.b.Pun.v.25.V.  devas,0r.  1850. 
Rfonetas,  a.  0.      fortunas,  a.  0.  /'.  G.  Ritsck.  fiel.  Lat. 

Latonas,  #.  0.       vias,   Enn.   mm.  J*risc.  VI,     />.  2<>. 

0.  //.  <;  ornisca  s,  <t.  0. 


—     139     — 

Diese  Genetive  Itcweisen,  duss  die  ursprüngliche  Form  des 
Genetivs  escäls,  vi'äis,  deväis  lautete;  als  aber  die  Lateini- 
sche Sprache  Tonhohe  der  drittletzten  Silbe  vor  Tonlänge  der  vor- 
letzten zu  meiden  anfing,  entstand  durch  Schwinden  des  Binde- 
vokales  i  vom  Genetivsuffix  escas,  vias,  devas;  andrerseits  üel 
aber  das  s  des  Genetivs  ab  wie  in  den  Genetivformeji  der  ü-  und 
E-Declination  und  so  entstanden  aus  vi  als  entweder  die  Formen 
viäi,  viäl,  viäe  oder  viäl. 

l)as  Lateinische  überragte  an  Reichthuin  der  Genetivbildungen 
von  A-Stämmen  die  anderen  Italischen  Sprachen.  Der  Umbrische, 
Oslo  sehe  und  Sabellische  Dialekt  kannten  nur  die  Genelivbildungen 
auf  -as.    So: 

Umbr.  Osk.  Sabal. 

f  i k  1  a  s ,  Lal.  f  i  c u  -     maim  a s ,  Lal.  maxi-     1  o  v i a  s , Lal.  I  o  v i  a  e , 

1  a  e ,  m  a  e , 

famerias,    fanii-    moltas,  multae, 

liae , 
und  mit  Schwächung  des  s  zu  r 

N  o  n  i  a  r,     N  o  n  i  a  e ,     (vgl.  Umbr.  Sprachd.  I  p.  1  \  1 ,  Momms.  U.  D. 
lovinar,     iguvinae.      Gloss.  Br.  v.  Rapino  U.  D.  T.  XIV.  /;.  336. 
341.) 

Man  muss  also  schliessen,  da ss  Umbr.  famer ias,  Osk.  mol- 
tas, Sab.  lovias  neben  Lat.  familiae,  multae,  loviae  ihre 
Genetivendung  -a  s  aus  einer  ursprünglich  Altitalischen  -ais  gekürzt 
haben. 

Das  Ergebniss  dieser  Untersuchung  wird  bestätigt  durch  die 
Vergleichung  der  Dativformen  des  Singularis  auf  -ä  ,  -äi,  -ä~e,  -e 
in  der  A-Declination.  Als  Dativformen  sind  auf  Inschriften  nach- 
gewiesen Caesiai,  Dianai,  Clodiai,  Glycerai,  amantis- 
sumai,  Rufilliai,  Rufai  (vgl.  I,  179).  Auf  sehr  alten  In- 
schriften namentlich  auf  den  Steinen  von  Pesaro  linden  sich  daneben 
Dative,  die  auf  a  auslauten: 

Minerva,  .Momms.  U.  D.  p.  36&     Mut  Uta,    Or.  1500. 
m  a  t  r  o u  a ,  Rilschl,  fict.  Lal.  p.  27.     M a  r i  c a,  Momms.  U.  D.  p.  365. 
Feronia  ,  a.  0. 

Diese  Formen  müssen  das  Dativzeichen  i  verloren  haben ; 
lauteten  aber  jene  Dative  malronai,  Mi  nerval,  so  dass  äl 
Diphthong  war,  so  begreift  sich  wohl,  wie  äl  zu  ae,  e  verschmelzen 
konnte,  wie  aber  das  i  sich  wieder  von  dem  Leibe  des  Diphthongen, 


—     140     — 

zu  dem  es  mit  a  verwachsen  war,  loslösen  und  abfallen  soll,  ist 
nicht  erklärlich.  Nun  kommt  allerdings  die  Aussprache  -äl  für  den 
Dativ  -a  e  niemals  hei  Römischen  Dichtern  vor,  wie  Priscian  bestätigt 
(Prise.  VII,  3.  H.).  Aber  es  muss  doch  eine  Zeit  gegeben  haben, 
wo  man  den  Dativ  -äl  sprach  wie  den  Genetiv  -als,  wo  von  ma- 
tröna  neben^dem  Genetiv  ma  trön als  der  Dativ  matrönäi  ge- 
sprochen wurde.  Aus  dieser  Dativform  entstand  mit  dem  neuen  Be- 
tonungsgesetz durch  Vokalve'rschmelzung  matrönäi,  dann  mat  ro- 
näe  oder  das  i  fiel  nach  dem  laugen  a  ab  wie  im  Genetiv,  und  so 
entstanden  die  Formen  wie  matrönä. 

Auch  in  diesen  Dativbildungen  überragt  das  Lateinische  die 
anderen  Italischen  Sprachen  an  Reicbthum.  Das  Oskische  kennt 
nur  den  Dativ  auf -a  i,  zum  Beispiel  in: 

deivai,  Lat.  divae,     Herukinai,  Lat.  Erycinae, 
Fluusaf,  Florae. 

Das  Umbrische  und  Volskische  verschmilzt  wie  die  spätere  La- 
teinische Volkssprache  -ai  zu  -e,  zum  Beispiel  in: 

Urribr.  ase,  /,<//.  arae  (Umbr.  Spruche!.  I  p.  111). 

Volsk.  Vesune,  Lat.  Vesunac  (Verf.  d.  Volseor.  ting.  p.  26). 
Auf  a  auslautende  Dativformen  sind  diesen  Dialekten  fremd. 
Die  vorstehende  Erklärung  der  Gemiiv-  und  Dativformen  der 
A-Deelination  wird  bestätigt  durch  die  entsprechenden  Formen  der 
E-Declina  I  io  n. 

In  dieser  erscheinen  im  mannigfachen  Wechsel  nebeneinander 
die  Genetivendungen -es,  - e i ,  - e T ,  - e ,  - el ,  - i i. 

In  den  Annalen  des  Ennius  fand  sieb  die  Genetivjorm: 
dies,  Gell.  IX,  14;  Ann.  v.  401.   /. 
in  der  Chronik  des  Claudius  Quadrigarius  und  bei  anderen  al- 
ten Schriftstellern: 

facies,  a.  o.  vgl.  a.  0.  IX,  13. 
und  vereinzelt  steht  bei  Lucretius: 
rabies,  IV,  1075.  P>. 

In  alten  Handschriften  des  Cicero  und  Vei  gil  fand  Cellius: 
dies,  Gell.  a.  ().*), 
bei  Cicero  las  Charisius  auch: 
pernicies,  />.  53.  /'. 


*)  Bei  Orc/li,  pr.  Sest.   12,  28,  ist  diei  in  den  Text  aufgenommen. 


_    141    - 

Sonst  worden  aus  älteren  Schriftstellern  noch  angeführt: 
p  e  r  n  i  c  i  e  s ,  Char.  p.  1 8.  Diom.  p.  28 l  (veteres). 
1  u  x  u  r  i  e  s ,  Char.  a.  0.  (et  caetera  e  i  u  s  m  o  d  i  s  i  m  i  1  i  t  e  r  d  e  - 
clinabantur). 
Ebenso  frühzeitig  kommen  die  auf  e  auslautenden  Genetivfor- 
men vor;  so  bei  Plautus: 

fidc,  Aul.  Poen.  Chans,  p.  40.  53. 

Cäsar  erklärte  in  seiner  Schrift  de  analogia  diese  Genelivfor- 
men  für  richtig  und  schrieb  sie;  so: 
die,  d.  anal.  Gell.  IX,  14. 
specie,  a.  0. 
acie,  B.  (kill.  II,  23.  t.  B.  Afr.  51,  7.  Nipperd. 

Daher  heisst  es  bei  Servius,  Verg.  Georg.  I,  208:  secundum 
a n t i q  u o s    r e g u  1  a.r i s  genetivus  est. 

Ebenso  linden  sich  diese  Formen  bei  Sa  Hu  st,  wo  sie  Gellius 
(a.  0.)  in  einer  sehr  alten  Handschrift  fand : 
die,  kg.  21,  2.  52,  3.  97,  3.  Kr  Hz. 
acie,  Hisl.fr.  1,  107.  Kr.  Prise.  VII,  94. 
r  c q  nie,  Hist.  fr.  I,  99.  Kr.  Prise,  a.  0. 
und  bei  Plancus: 

fide,  Cic.fam.  X,  13,  3.  Or. 

Auch  bei  Dichte  r  n  und  Pr  o  s  a  i  k  c r  n  der  A  u  g  u s  t  e  i  s  c h  e  n 
Zeit  und  noch  später  kommen  diese  Formen  vereinzelt  vor;  so: 
die,    Verg.  Ge.  I,  208.  Prise.  VII,  94.  H.  Serv.  Verg.  a.  0.  Liv. 

IX,  37,  4.  Weissen!).  Plin.  Ep.  VIII,  6,  6.  Flor.  II,  2,  10. 
fide,  Ov.Met.  VII,  728.  III,  341.  VI,  505.  Prise,  a.  O.   Hör.  Od. 
III,  7,  4. 
Bei  einigen  Schriftstellern  kam  auch  vor: 
fame,  Charis.  p.  26. 

Neben  diesen  abgestumpften  Genetivformen  finden  sich  schon 
in  älterer  Zeit  solche,  die  auf  i  auslauteten;  so: 
facii,  Claud.  Quadr.  Gell.  IX,  14. 
progenii,  Pacuv.  Paul.  Gell.  a.  O.  Non.  p.  333.  G. 
fami,  Cato  d.  bell.  Carthag.  Lucil.  SaL  XII.  .Gell.  a.  O.    Varro, 

Charis.  pAO. 
luxurii,  C.  Gracchus,  Gell.  a.  O. 
dii,  Gell.  a.  O. 

pernicii,  Sisenna  hist.  VI.    Cic.  Rose.  Am.  45,  31.  Or.    Gell. 
a.  O.  Non.  p.  331.  G. 


—     142     — 

acii,  Cn.  Mathts,  II /ad.    Gell.  a.  0. 

s  p  e  c  Li ,  a.  0. 

plcbi,  Liv.  II,  42,  6.    Weissenb.  not.  Drakenb. 

In  Folge  der  Verdunkelung  des  Charaktervokales  e  sind  die  Ge- 
netive famis,  plebis  dann  der  consonantischen  oder  der  I- De- 
klination nachgebildet.  Noch  erwähnt  Priscian  aus  älteren  Schrift- 
stellern : 

famei,  Brise.  VI,  59.  H. 

p  1  e  b  e  i ,  a.  0.  t r  i  b  u  n  e  i  p  1  e  b  e  i ,  II ,  3,  2.  Weissenb.  Drakenb. 
Neben  der  gewöhnlichen  Form  des  Gene  tivs  auf -ei  finden  sich 
also  seit  Ennius  und  Plautus  die  auf -es  und  -e,  seit  Pacuvius  die 
auf -i;  die  auf -es  reicht  bis  in  Cäsars  Zeit,  die  auf-e  und  -i  bis  ins 
Augusteische  Zeitalter  und  vereinzelt  noch  bis  darüber  hinaus. 
Daneben  erscheint  endlich  eine  Form  auf  -ei.  Vergleicht  man  nun 
die  Formen: 

1.  2.  3. 

die-s,  die-i,  (\\c, 

fidei,  Enn.Ann.d42.  V. 
Lucr.  V,  102. 
fide-i,  fide, 

fäme-i,         fame,  fami, 

so  isl  klar,  dass  diese  Formen  von  einer  ursprünglichen  die-is, 
fide-i  s  stammten,  von  der  die  auf-s  den  Bindevokal  i,  die  auf -ei 
das  auslautende  s,  die  dritte  das  ganze  Suffix  einbüsste.  Fs  erhellt, 
dass  die-s  sich  zu  die-i  von  der  ursprünglichen  Form  die-is 
verhält  wie  via-s  zu  viä-i  von  der  ursprünglichen  Form  viä-is, 
dass  alle  diese  Formen  einst  den  Hochton  auf  der  drittle  Uten  Silbe 
hatten,  also  die-is  und  nach  Abfall  des  -s  die-i.  Als  nach  dem 
neuen  Bctönungsgesetz  die  vorletzte  lange  Silbe  auch  den  Hochtoii 
erheischte,  schlug  die  Sprache  einen  dreifachen  Weg  ein,  sich  dem 
anzubequemen.  Entweder  sie  schob  den  Hoch  ton  auf  die  vorletzte 
Silbe,  wie  in  der  gewöhnlichen  Form  die-i,  dann  blieb  das  e  na- 
türlich lang,  oder  sie  liess  den  Hochton  unverrückt,  kürzte  aber  die 
vorletzte  Silbe,  wodurch  die  Bildungen  wie  fide-i,  fämr-i  eit- 
standen, oder  sie  liess  den  Hochton  unveniickl  und  die  Länge  des  e 
unversehrt,  warf  aber  das  auslautende  i  ab,  so  dass  die  Formen 
nde,  fäme  entstanden.  Um  der  Tonlage  ^  -  -  zu  entgehen, 
griff  die  Sprache  zu  den  Tonlagen  - — >  £  -  -  und  -  -■  Ueber 
die  Entstehung  der  auf -i  auslautenden  Formen  sieh!  famei  neben 


—     143     — 

fame,  fami,  p  leb  ei  neben  p  leb  i  Auskunft.  Das  auslautende  e 
konnte  nicht  zu  i  werden,  wie  oben  gezeigt  ist,  sondern  die  benach- 
barten Vokale  von  famei,  pl£bei  verschmolzen  zu  einem  Diph- 
thongen wie  in  rei  (Enn.  Ann.  v.  361.  V.  Euer.  III,  916)  für  rei 
{Prise.  VJf,  93),  rei  {Rilschl,  Prot.  p.  171)  und  dieses  ei  trübte  sich 
in  bekannter  Art  zu  i.  So  ist  also  auch  fäcii,  specii  u.  a.  ent- 
standen aus  fäciel,  speciei,  fflv  faciei,  speciei  von  faciei, 
speciei.  Die  Verschmelzung  des  -ei  zu  e~i  fand  in  allen  diesen 
vier-  oder  mehrsilbigen  Formen  statt  mit  Durchführung  des  neuen 
Betonungsgesetzes,  als  auch  durch  Verschiebung  des  Accentes  fa- 
ciei, speciei  entstanden. 

Ein  Abfall  des  auslautenden  i,  also  des  Bindevokals  vom  Casus- 
suffix nach  dem  auslautenden  e  des  Stammes  lindet  auch  statt  in 
den  Dativen : 

facic,  Lucil.  Seil.  GellAX,  14. 

f  (de,  Hör.  Sat,  I,  3,  95.   Ter.  Anclr.  1,  5,  61 . 

pernieie,  Liv.  V,  13,  5. 

Als  die  Betonung  fidel,  faciei  der  Sprache  zuwider  ward, 

fiel  das  auslautende  i  dieser  Neigung  zum  Opfer,  oder  der  Hochton 

rückte  auf  die  vorletzte  Silbe  voi\und  die  vollen  Formen  erhielten  sich. 

Leichter  erklärt  sich   das  Verhältniss  der  Cenetivformen  von 

den  U-Stämmen:   -uis,    -us,  -I. 

Dass  die  Form  -uis  aus  -uos  entstanden,  ist  schon  oben  aus 
den  alten  Formen: 

senatu-os, 

mag  istrat u-os 
nachgewiesen  *). 

Aus  dieser  Form  -uos  ist  die  bisweilen  auf  späteren  Inschrif- 
ten vorkommende  -uns  entstanden,  wie- 

dorn  u- us,  Ritschi,  ietb.  Alelr.  p.  7. 

conventu-us,  a.  0. 

e x  e  r c i t u-us,  a.  0. 


*)  Ritschi,  lab.  Alelr.  Mon.  Ep.  tr.  p.  7,  behauptet,  Augustus  habe 
die  Form  domuos  gebraucht.  Aber  die  besten  Handschriften  geben 
Suel.  Oct.  c.  87:  item  '  simu  s  '  pr  o  '  sumus  '  et  'domos'  genetivo 
casu  singulari  pro  'domuos';  und  Mar.  Victor,  p.  2456:  Divus 
August  us. genetivo  casu  huius  'domos'  meae  per  o  non  u  t 
nos  per  u  literam  scripsit.  Bei  Sueton  domos  in  domuos  und 
domuos  in  domus  zu  ändern  ersclieint  daher  sehr  bedenklich,  obwohl 
eine  Genetivform  wie  domos  von  einem  U-Stamme  sich  sonst  nicht  findet. 


_     144     — 

Die  Form  -uis  lasen  die  Grammatiker  in  den  ältesten 
Schriftstellern.  Die  Gelehrten  Varro  und  Nigidius  Figulus 
aber  brauchten  diese  Form  ausschliesslich ;  die  meisten  solcher 
Formen  sind  uns  von  Nonius  aus  älteren  Schriftstellern  aufbewahrt : 
a n u  i s ,   Ter.  Heaut.   II ,  3 ,   46.   quaestuis,  Varr.  Non.  p.  329. 

Prise.  VI,  84.     Varr.  Non.  p.       Ter.Hec.  V,  1,  9. 

336.    Enn.  p.  118.   V.    Anal,   exercituis,    Varr.  Non.  a.  0. 

Gramm.  E.  E.  p.  1 27.  p  a r  t  u i  s  ,   Plaut.    Amph,  1061. 

s  e  n  a  t  u  i  s ,    Calpurn^  Pis.   Non .        1  Tarr.  a.  0.  p.  331. 

p.  329.  Farm.   Charts,  p.  116.   vi  et  uis,    Varr.  a.  O.p.  335. 

105.    Gell.  IV,  16.  fluetuis,    a.  0.  p.  330.    Gell. 

fruetuis,   Varr.  R.  R.  I,  2,  19.       IV,  16. 

Non.  p.  334.  335.  Charts,  p.  rituis,  a.  0.  p.  337. 

105.  graduis,  Varr.  a.  O.p.  336. 

domuis,    Varr.  Non.  p.  334. 

Gell.  IV,  16. 

Schon   seit  Plautus  und  Ennius  Zeit   erscheinen  daneben 
die  Formen  auf  i  insbesondere  häufig  bei  dm  Sceni  sehen  Dich- 
tern bis  in  das  Zeitalter  des  Cäsar.     So: 
victi,  Plaut.  aesti,  Pacuv. 

gemiti,  Plaut.  parti,  Pacuv. 

quaesti,  Plaut.  Caecil.  Turpil.  soniti,  Pacuv.  CaeciL  Sisenn. 

Titln.  Ter.  Pompon.   Varr.       ornati,  Terent.  Turp. 
t um ulti,,  Plaut. Enn.  Ter.  Turp.  frueti,  Ter.  Cat.  Turp. 

Att.  Afran.  Pomp.  Sali.  adventi,  Ter. 

sumpti,   Plaut.   CaeciL    Turp.  piscati,   Turp. Pomp. 

Lvcil.  porti,  Turp. 

senati,    auf  Inschr.  d.   Grac-   exerciti,  Alt.   Varr. 

chenzeit,    Ritschi ,  lab.  .  Üetr.  a  s  p  e  e  t  i ,  -  In. 
p.S.  Rh.  Mus* VIII,  494.  Cic.  lucli,  Att. 

( 'afp.  Pis.  Salt.  Sisenn .  s  a  1 1  i ,  All. 

strepiti,  Enn.  geli,  Zuer. 

flucti ,  Pacuv.  Alt. 

Vgl.  Non.  cap.  VIII  p.  32b  —  337.  C.  II.  Charts,  p.  10,  40.  !(»:>. 
1 16.  Prise.  VI,  73.  84.  VII,  38.  //.  Anal.  Cr.  /•'.  E.  />.  127.  Don. 
Ter.  Anilr.  II,  2,  28.  Hec.  III,  2.  2  I .  /lascht,  lab.  Aleirin.  p.  7  -9. 
Rhein.   Mus.  VIII,    IUI. 

Zu  der  volleren  Form  senatuis  verhallen  sich  also  die  beiden 
gleichzeitigen  senalus   und  senati   wie  die  ursprüngliche   Form 


~     145    — 

faciets  zu  facii,  in  der  einen  Form  schwand  das  i  des  Genetiv- 
snffixes,  in  der  anderen  das  u  des  Stammes. 

Der  U  m  b  r  i  s  c  h  e  Dialekt  bildet  seine  Genetivform  der  U-Stämme 
entsprechend  der  Lateinischen  Form  auf  -  u  s  ,  dann  sinkt  im  Neu- 
Umbrischen  das  auslautende  s  zu  r  und  das  u  zu  o ;  so  : 
tri for,  Lal.  tribus,  Umbr.  Sprachd.  AK.  1,125. 

Das  Dativzeichen  i  ist  nicht  selten  abgefallen  von  U-Stä'mmen 
wie  von  E-Stämmen. 

Lucilius,  der  den  Dativ  facie  brauchte,  schrieb  auch  die 
Dative  von  U-Stämmen  : 
victu,  Lucil.  Gell.  IV,  16. 
anu,"  a.  0. 

Diese  Form  auf  u  erklärte  Cäsar  für  die  vorzüglichere  (Gell. 
a.  0.)  und  schrieb  daher  : 

riominatuque,  C.  Anlicalo ,  Gell.  IV,  1 6, 
casu,  B.  Galt.  VI,  42.  Nipp. 
Dolabella  ebenso: 

0  r  n  a  t  u ,  Gell.  a.  0. 

So  finden  sich  bei  Sallust  die  Dativformen: 

1  u  x  u ,  lug.  6,1.  Kr. 
exercitu,  i^.  32,  2.  39,  2.  Kr. 
usu,  ffist.  fr.  Sali.  I,  57.  Kr. 

Desgleichen  bei  Cicero  und  Plauens: 

usu,  Ep.  fam.  XIII,  71.  Or. 

impetu,  Plane.  Ep.  fam.  X,  24,  2. 

Diese  Formen  haben  sich  auch  in  der  Kaiserzeit  noch  gehal- 
ten;  so  bei  Vergil: 

metu, 

victu, 

coneubitu, 

aspectu,  Prise.  VII,  88.  Gell.  IV,  1G.#., 
bei  L  i  v  i  u  s  : 

exercituque,  IX,  5,  6.  Weissen]). 

usu,  a.  0.  IV,  12,  6.; 
endlich  bei  Tacitus: 

luxu,  Ann.m,  30.  34.  N.  ffist.  II,  71.  Halm. 
Die  Neutra  der  U-Stämme  wie  : 

comu , 

gelu 

COKSSEN  II.  10 


—     146    — 

haben  in  dieser  Weise  die  ganze  Genetivendung  -is  wie  die  Dativ- 
endung -i  eingebüsst.     In  der  Sprache  des  sogenannten  silbernen 
Zeitalters  kommt  indess  neben  dem  Genetiv  com u  auch  vor: 
cornus,  Min.  N.  H.  VIII,  20,  29.   X,  70,  90.. XIII,  25,  51.  52. 
u.a.m.  Lucan.Vll  217.  jRrte.Vl,  19.  ff., 
und  es  werden  die  Dative  erwähnt: 

cornui,  Marcian.  Cap.  III,  73.  ed.  Gr. 
genui,  a.  0. 

Den  stumpfen  auf  u  lautenden  Dativen  im  Lateinischen    ent- 
spricht die  Um  bris  che  Dativform  der  U-Stämme,  doch  schwächt 
sie  nach  Abfall  der  Casusendung  das  auslautende  u  zu  o.    So  in: 
trifo,  Lat.  tribu-,  Umbr.  Sprachd.  AK.  I,  125. 

In  allen  erwähnten  Lateinischen  Genetiv-  und  Dativformen  hat 
sich  also  die  Sprache  kürzere  und  bequemere,  aber  auch  stumpfe 
und  undurchsichtige  Casusformen  geschaffen  durch  Vorrückung  des 
Hochtones,  durch  Vokalverschmelzung  und  durch  Abwerfung  des 
Bindevokals  i  nach  den  auslautenden  Stammvokalen  a^  e,  u  in  den 
Genetivformen  via-s,  die-s,  fruetu-s  und  den  Dativformen 
m  a  t  r  o  n  a  - ,  f  i  d  e  - ,  f r  u  et  u  - . 

Auch  in  den  Dativen  der  O-D  eclination  weicht  die  Dativ- 
endung i  dem  auslautenden  Stammvokal.  Als  alte  Formen  ^\^s  Dat. 
Sing,  sind  oben  populo-i,  Romano-i,  quo-i  nachgewiesen; 
das  i  derselben  konnte  nur  abfallen,  so  lange  es  noch  nicht  mit 
dem  o  zu  einem  Diphthongen  verschmolzen  war. 

Auch  in  den  Pluralformen  wird  die  ursprüngliche  Form 
-es,  -is  in  den  Italischen  Sprachen  verschiedenartig  abgeschwächt 
durch  Vokal  Verschmelzung,  Ausfall  des  Bindevokals  und  Abfall  des 
auslautenden  Consonanten. 

Im  Nu  m.  Plur.  der  A- Stamme  hat  das  Lateinische  wie  das 
Griechische  das  s  seil  unvordenklichen  Zeiten  abfallen  lassen  and 
zeigt  die  Formen  a-i  und  a-e;  das  Umbrische  und  Oskisohe 
hingegen  wirft  den  Dindevokal  i,  e  ab  und  behalt  a-s  als  Endung. 
Man  vergleiche : 

Lat.  ha-i-ce,      Osk.  pa-s  (quae), 

t a b e  1  a - i ,  scrift a-s  (scriptae), 

dat a-i,      Umbr.  urta-s, 
c  a  -  i , 
1  i  t  e  r  a  -  i , 
Umbr.  Sprachd.  I,  113.  .//////. 


—     147     - 

Die  mannigfachen  Formen  der  Nom.  Plur.  der  0- Stamme 
im  Lateinischen: 

o  -  e  - :    p  i  1  u  m  n  o  -  e ,     p  o  p  1  o  -  e , 

e-i-s:  magist  reis,  e-s:  magist  res,  is:  magist  ris, 
e-i-:  magistrei,  e-:  ploirume,  i-:  magistri 
sind,  wie  oben  gezeigt  ist  (I,  219  /*.),  aus  einer  ursprünglichen  Form 
o-is  entstanden  durch  Vokalverschmelzung  und  Trübung  des  Diph- 
thongen.  Alle  diese  Lateinischen  Formen  haben  den  Bindevokal  i 
erhalten  wie  die  Griechische  Form  des  Nom.  Plur.  der  O-Stämme 
o-l.  Das  Oskische  und  Um  bris  che  hingegen  hat  von  der  ur- 
sprünglichen Endung  o-is  sich  des  Bindevokals  entledigt  und  nur 
das  Pluralzeichen  s  gewahrt ;    so : 

Osk.  Lat.  Umür.  Lat. 

po-s*  qui,  prinuvatu-s,         privat  i, 

potoro-s-pid,  u t r i q u e ,       Ikuvinu-s,  1  g u  v i  n i , 

screihto-r,  scripli, 

{AK.  Umbr.  Sprache!.  I,  119.  Momms.  U.  D.  Gloss.) 

In  allen  Italischen  Sprachen  schwindet  also  häufig  der 
Vokal  i,  e  der  tieftonigen  Endsilbe  nach  vorhergehendem 
Stammvokal. 

Seltener  ist  der  Ausfall  eines  von  zwei  tieftonigen  Vokalen 
in  den  beiden  letzten  Silben  des  Wortes,  die  beide  dem  wortbil- 
denden Suffixe  angehören. 

Von  dem  Suffix  -io  ist  das  o  weggefallen  in: 
ali-s,  ali-d. 

Dasselbe  geschieht  vor  dem  s  des  Nominativs  im  Provinzialen 
Lateinisch  wie  im  Oskischen  und  Lmbrischen;  so  zumÜeispiel: 
Prov.  Lat.  Osk.  Umbr. 

B  r  u  t  i  -  s ,  Heirenni-s,  T  r  u  t  i  t  i  -  s , 

Fulvi-s,  '         Niumsi-s,  Koisi-s, 

Ventinari-s,    Steni-s,  Atiersi-r. 

Aureli-s,  Ohtavi-s, 

{Vgl.Huebner,  Quaesl.  onom. p.  28.  Zeitschr.  für  vergl.  Sprach/.  V, 
89.  AK.  Umbr.  Sprachd.  II,  393.) 

Andrerseits  ist  aber  auch  unbetontes  i  vor  folgendem  a,  e,  i 
in  zahlreichen  Fällen  ausgefallen.  So  fiel  i  vor  folgendem  a  aus  in 
den  Plautinischen  Formen: 

conven-at,       even-at,  perven-am, 

conven-ant,  perven-as. 

10* 


-    148    - 

{Ritschi,  Proll.  Trin.  p.  88.   1G2.  212.)     Ebenso  bei  Ennius: 

even-at,  p.  118.  V. 

In  einer  Nominalform  fiel  i  vor  a  weg  in: 

a  u  g  ura,  AU.  Non.  p.  322.  G.  R.  trag.  Ribb. p.  1 85.  für  a  u  g n r  i  a. 
Tieftoniges  i  vor  tieftonigem  e  ist  ausgefallen  in  ursprünglich 
drei-   oder    mebrsilbigen    Verbalfonnen ,   welche   das    Conjunctiv- 
zeichen  ie  in  e  zusammengezogen  haben,  wie: 

ess-em,  dar-emus,  dic-e-, 

poss-es,  leg-etis,  ostende-, 

star-et,  dic-ent,  atting-e-. 

(  Vgl\  1  09.    N.  Jahrb.  LXV1II,  370  f.) 

Ein  i  vor  e  ist  geschwunden  in  dein  tieftonigen  Suffix  -be, 
-bei ,  -bi  von: 

i-be,         i  -bei,         i-bi, 

u-be,         u-bei,        u-bi,     Umbr.jiU-fe,     O&k.  pux-f, 

ti-be,        ti-bei;        ti-bi,  le-fe, 


m  i  -  h  e  i ,      m  i  -  h  i ,  m  ( 


öe 


und  in  einer  Anzahl  verwandter  Bildungen.  Das  ursprüngliche 
Suffix  Sanskr.  bbjam  wurde  auf  Italischem  Spracnboden  zu  -fiem 
und  daraus  mit  Ausfall  des  i  linbr.  -fem,  Griech.  -epiv,  mit  Abfall 
des  m  Uinbr.  -fe,  Lat.  -be,  -be7!,  -bi  (Zeiischr.  f.vergl.Sprachf. 
V,  121.  131.)-  Im  Lateinischen  hat  sich  das  ursprüngliche  j  in 
diesem  Suffix  zu  i  erweicht,  sich  dem  folgenden  Vokal  assimiliert 
und  ist  mit  ihm  verschmolzen;  daher  ist  der  auslautende  Vokal  des 
Suffixes  laug  im  Gegensatz  zu  dem  Griechischen  -cpt,  -<piv,  das 
das  j  ohne  Weiteres  herausstiess. 

Ehenso  ist  tieftoniges  i  vor  tieftonigem  e  weggefallen  in: 

pri-d-em,    neben  pri-die, 

I  a  n  -  d  -  e  m , 

i-d-em, 

qui-d-em. 

Dieses  angefügte  -dem  ist  nämlich  nichts  anderes,  als  der 
Accusativ  d  iem;  pri-dem  bedeutet  also  eigentlich  den  Tag  vor- 
her, dann  allgemeiner  die  Zeit  vorher.  In  tan- dem  ist  -tan 
für  -tarn  wie  das  -tarn  von  istam  Accus.  Sing  Fem.  des  demon- 
strativen Pronominalstammes  to-,  ta-,  von  dem  tum,  lun-r 
niasculine  oder  neutrale  Accusative  sind  ;  tan-dem  heissl  also  ei- 
gentlich an  de  in  Tage  und,  in  sofern  dieser  den  Schlnsspunkl  einer 
Reihe  früherer  Tage  bildet  endlich.    I-dem  bedeutet  eigentlich 


—     149     — 

der  an  dem  Tage,  dann  allgemeiner  der  damals  und  kommt 
so„  zu  dem  Sinne  ebenderselbe.  Ebenso  bedeutet  quidem, 
in  dem  das  i  des  Ablativs  i  sich  gekürzt  hat,  wie  damals  und 
daher  wie  eben,  so  eben.  Der  Begriff  Tag  in  diesen  Wörtern 
ist  zu  dem  allgemeinen  Begriff  Zeit  verblasst  wie  in  tarn-diu, 
quam -diu,  diu-turnus  neben  nu-dius,  inter-diu,  diur- 
nus  (Zeitschr.  für  v  er  gl.  Sprach  f.  V,  123.). 

Die  Spätlateinische  Sprache  zeigt  einen  Ausfall  des  tieftonigen  i 
vor  tieftonigem  e  noch  in : 

inquetaberit,  /.  N.  3037.  für  inquiet averit. 

quaesquenti,  Vgl.  I :.  2 i .  q u i e s c e n t i , 

quesqui,  a.  0.  quiescit, 

c  e  s  q  u  e  t ,  a.  0.  quiescit. 

Auch  vor  u  und  o  ist  tieftoniges  i  weggefallen.  So  in  dein 
Suffix  -bus  des  Dat.  Abi.  Plur.,  dessen  Ableitung  von  Sanskr. 
-bhjas  schon  in  dem  Abschnitt  über  die  Vokalkürzung  erör- 
tert ist. 

Ebenso  fiel  tieftoniges  i  vor  tieftonigem  u  weg  in : 

dum, 

du -dum. 

mane-dum  u.  a., 

a  g  e  -  d  u  m , 

Die  enklitische,  also  im  Zusammenhang  der  Bede  tieftonige  Con- 
junction  dum  ist  aus  dium  entstanden,  einem  Accusativ  von  dius, 
Tag,  derjenigen  Nominativform,  die  sich  in  nu-dius,  per-dius, 
i  n  t  e  r  -  d  i  u  s  zeigt ;  d  u  m  heisst  also  eigentlich  einen  Tag  lang, 
daher  eine  Weile,  während.  Ebenso  ist  du -dum  aus  diu- 
dum  zusammengesetzt,  als  diu  schon  die  Bedeutung  lange  und 
d  um  den  Sinn  de  r  Weile  erhalten  hatte.  Ebenso  fiel  i  vor  o  aus  iu  : 

q  uan-do, 

aliquan-do, 
indem  das  -do  für-dio  Ablativ  von  dius  ist;  q uan-do  bedeutet 
also  wie  an  dem  Tage,  daher  wann. 

Tieftoniges  i  vor  tieftonigem  u  oder  o  ist  auch  ausgefallen  in 
den  "Comparativformen : 

min-or,  ten-us, 

min-us,  proten-us, 

p  1  o - u s ,  f i d - u s  t a ,     (fidissiina), 

s  e  c  -  u  s , 


—     150     — 

über  deren  Ableitung  von  volleren  Formen  auf  -ior,  -ius  schon 
gesprochen  ist  {Zeitschr.  für  vergl.  Sprach/.  III,  264  —  268). 

Der  tieftonige  Auslaut  von  Nominalstämmen  fiel  ab  vor  dem 
Suffix  -aeio  und  dessen  schon  besprochenen  Gestaltungen  -eiio, 
-eio,  -aio,  -aeo,  -eo,  -To,  -10,  durch  welche  von  Nomi- 
nalstämmen Geschlechtsnamen  gebildet  werden.  Als  Beispiele  mö- 
gen hier  stehen : 

Ann-aeius, 

Sabin- ei  us,     Ann- ein  s, 

An-aia, 

Serv-aea,         Vin-aea, 

Bass-aeus,      Ann-aeus, 

Firm-eus,       Terr-eus,         Bass-eus,         Ann-eus, 

Serv-ea, 

Flav-Ius,  Claud-Ius,      Anton-Tus, 

Flav-ius,  Claud-Tus,       Anton-Tus,       Ann-Tus. 

{Vgl.  Zeitschr.  für  vergl.  Sprach  f.  V,  87  —  93.  Bi/schl,  Ind.  lecl. 

Mb.  1853—54  p.  6./.  ffuebner,  Quaesi.onom.  p.  21—27.) 

Nach  dem  späteren,  das  neigst  dem  gewöhnlichen  Betonungs- 
gesetz der  Lateinischen  Sprache  haben  alle  diese  Wortformen  den 
Ton  auf  der  vorletzten  Silbe;  aber  die  von  Ritsch!  {a.  0.)  nach- 
gewiesenen Formen  Anlonia,  Claudius,  Lucillae,  Po  et  ei - 
lrus,  Pomponins,  Valerio,  Flavlus,  Vettlus,  Gavius, 
Inliae,  Livius  u.  a.  könnten  Ihr  t  nicht  gekürzt  haben,  wie  es  in 
den  gewöhnlichen  Formen  Anlonia,  Claudia  u.  a.  erscheint, 
das  volle  Suffix  -aeio  könnte  nicht  zu  einem  dünnen  -lo  ein- 
geschmolzen sein,  wenn  die  vorletzte  Silbe  aller  dieser  Wortformen 
nicht  einst  tieftonig  gewesen  wäre.  Ursprünglich  sprach  man  An- 
naeius,  Anneius,  'Anaia,  Annaeus,  Anneus;  als  Ton- 
höhe der  drittletzten  neben  Tonlänge  der  vorletzten  Silbe  nicht 
mehr  geduldet  wurde,  rückte  der  Hochton  auf  diese  Silbe  vor,  und 

man  sprach  Annaeius,  Claudius,  oder  der  Hochton  blieb  un- 
verändert und  die  vorletzte  Silbe  kürzte  sieb  zu  t  in  'Annius, 
Claudius  u.  a.  Ebenso  entstanden  ja  aus  viäi,  fidel,  einer. 
seits  viai,  fidel,  andrerseits  viai,  fidei.  In  ärn  vorstehenden 
Wortbildungen  ist  also  der  tieftonige  vokalisehe  Auslaut  der  Wort- 
stämme  vor  anlautendem  tieftonigen  Vokal  des  Suffixes  ge- 
schwunden. 


—      151 

Dasselbe  geschieht  auch  vor  den  leichteren  Suffixen  -eo,  -io 
mit  den  tieftonigen  auslautenden  Stammvokalen  a,  e,  i,  o,  u ;  zum 
Beispiel  in: 

nox-ius,  purpur-eus, 

invid-ia,  ign-eus, 

Fid-ius,  lut-eus, 

com- e us  u.  a. 
und  mit  o  und  u  vor  dem  Comparativsuffix  ior-ius  in: 

tard-ior,  tard-ius,         acr-ior,         acr-iusu.  a. 

Die  vorstehende  Untersuchung  über  den  Ausfall  von  Vokalen 
neben  Vokalen  ergiebt  also  Folgendes: 

Trifft  h  o  c  h  b  e  t o  n  t  e  r  und  tieftonige  r  Vokal  im  Inlaut  eines 
Wortes  zusammen,  so  kann  nur  der  tieftonige  schwinden. 
Treffen  zwei  tieftonige  Vokale  zusammen,  so  kann  der  erste 
oder  der  zweite  weichen.  Häufig  weicht  der  Bindevokal  des 
Casussuffixes  in  diesem  Falle  dem  auslautenden  Vokal  des  Stammes; 
umgekehrt  weicht  aber  auch  der  auslautende  Vokaldes  Stammes 
vor  dem  anlautenden  Vokal  des  Ableitungs-  oder  Casussuffixes. 

Nachdem  somit  der  Ausfall  eines  von  zwei  zusammentreffenden 
Vokalen  .besprochen  ist,  kommt  nun  die  Kürzung  eines  'dieser 
Vokale  zur  Sprache.  Vocalis  ante  vocalem  corripitur,  so 
lautet  die  goldene  Begel  für  den  Knaben,  wenn  er  den  ersten 
Hexameter  zurecht  stellen  soll.  Aber  diese  Begel  hat  sich  in  den 
Grammatiken  viel  zu  breit  gemacht:  sieht  man  ihr  genauer  unter  die 
Augen,  so  gewahrt  man,  dass  sie  noch  recht  jung  ist,  dass  die 
ältere  Lateinische  Sprache  von  ihrer  Allmacht  noch  nichts 
weiss.  Indessen  lässt  sich  ein  mit  dem  Sinken  des  Vokalismus  über- 
haupt immer  mehr  hervortretender  Hang  der  Sprache,  einen  langen 
Vokal,  auf  den  ein  andrer  folgt,  unter  gewissen  lautlichen  Bedin- 
gungen zu  kürzen,  nicht  verkennen.  Um  aber  den  Umfang  und 
Grund  dieser  sprachlichen  Thatsache  zu  erkennen,  hat  man  sich  zu 
vergegenwärtigen,  dass  in  einer  überaus  grossen  Zahl  von  Wort- 
formen nicht  bloss  im  Lateinischen  sondern  auch  in  allen  ver- 
wandten Sprachen  der  erste  von  zwei  aufeinander  folgenden  Vokalen 
von  j  eher  kurz  g  e  w e  s  e  n  ist. 

So  war  das  i  kurz  in  der  Vokalfolge  -ia,  -io,  -iu,  -ie,  -ii 
aller  Formen  der  Suffixe  -ia,  -io,  -ie,  -ios,  -ion  und  der  zahl- 
reichen Fortbildungen  dieser  Suffixe  durch  Anfügung  neuer  Endun- 
gen, also  in  der  ganzen  Klasse  von  Wortformen  wie: 


—     152     — 

sapientia,        alienus, 

G  a  1 1 1  a,  p  u  g  i  o , 

nuntio,  natio, 

patricio,  doctior, 

navigium,         doctius  u.  a. ; 

praedium, 

materies, 
denn  in  allen  diesen  Bildungen  war  ursprüglich,  wie  das  Sanskrit 
zeigt,  der  I-laut  nur  ein  Halbvokal. 

Ebenso  war  das  u  von  je  ber  kurz  in  der  Vokalfolge  ua,  ue, 
ui,  uo,  uu,  einmal  in  Wortformen,  die  mit  den  Ableitungssilben 
-va,  -vo,  -vi  gebildet  sind  wie: 


1  i  n  g  u  a, 

continuus, 

fat  ua, 

exiguus, 

fatue, 

])  e  r  p  e  t  u  o , 

a  s  s  i  d  u  e , 

exiguo, 

ambigui, 

r  e  1  i  c  u  i  , 
oder,   wo    im   Lateinischen  ein    ursprünglich  auf   u   ausgehender 
Adjectivstamm  durch  herantretendes  i  erweitert  wurde,  wie  in: 

tenuis,     vgl.    Gr.    tccvv-, 
vgl.   suavis,  aövg^ 

levis,  ela%vg  (/}<>/>/>.  vergl.  Gr,  S.  13.) 

oder  wo  das  u  als  ein  bloss   halbvokalischer  Heiklang  des    g   er- 
scheint, wie  in : 

anguis,  vgl.  Gr.   s%ig,  unguo, 

anguilla,  sy%elvs,         tinguo, 

unguis,  ovv%<> 

s  a  n  g  u  i  s. 

Wie  zahlreich  aber  diese  Vokalverbindungen,  deren  erster  Vo- 
kal ein  ü  oder  x  ist,  in  der  Sprache  vorkommen,  zeigl  jede  Seite  je- 
des Schriftstellers. 
Auch  in: 
veho,         vgl,       Gr.      '6%og,  o%avov. 

alieneus,  Skr.    ajas,    (Eisen),     Umbr.   Sprachd.   AK* 

I,  79. 
war  der  Vokal  vor  h  kurz. 

Ebenso  beweisen  nichts  für  die  Neigung  der  Sprache  Vokal  vor 
Vokal  zu  kürzen  die  Griechischen  Wörter  wie: 


illius, 

faciei, 

i  s  t  i  u  s , 

speciei 

i  p  s  i  u  s , 

diei, 

a  l  i  u  s , 

Vultei, 

unlus, 

Pompei 

u  t  r  1  u  s , 

—     153     — 

Thalia,  idea, 

academia,  Andreas, 

philosophia,*     purpureus, 

aetherius,  Nereides, 

Cichorium,         Cöo,  Stat.  Silv.  1 ,  2,  252  vgl.  Koog  Lachm. 
Liier,  p.  159. 
und  viele  andere,  da  in  diesen  der  erste  der  beiden  Vokale  schon  im 
Griechischen  kurz  war. 

Man  vergleiche  dagegen  diejenigen  Wortformen,  in  Jdenen  Vo- 
kal vor  Vokal  auch  in  der  Augusteischen  Zeit  lang  geblieben  ist, 
wie: 

aurai, 

pictäi , 

m  a  t  e  r  i  ä  i , 

a  n  i  m  a  i , 

aquäi,  unlus,  fompei  u.a. 

t  e  r  r  ä  i , 

Gai, 

In  fast  allen  diesen  Wortern  hat  das  Vorschieben  des  Hoch- 
tones auf  die  vorletzte  Silbe  dem  langen  Vokal  derselben  Halt  ge- 
geben, nur  in  Gai  stand  der  Hochton  von  vorn  herein  an  seiner 
Stelle.  Die  Formen  illius,  istius,  ipsTus  u.  a.  zeigen,  dass 
die  Kürzung  des  Vokales  eintrat,  sobald  der  Hochton  seine  alte  Stelle 
auf  der  drittletzten  Silbe  behielt.  Es  hängt  also  in  diesen  Fällen 
von  der  Betonung  des  langen  Vokales  der  vorletzten  Silbe  ab,  ob 
derselbe  vor  folgendem  Vokal  lang  bleibt  oder  kurz  wird. 

Etwas  anders  verhält  es  sich  mit  den  ins  Lateinische  über- 
tragenen Griechischen  Namen,  die  vor  dein  Vokal  ihrer  End- 
silbe im  Griechischen  einen  langen  Vokal  oder  Diphthongen  hatten. 
Diese  behalten  meistentheils  die  Länge  dieses  Lautes  auch  in  der 
Messung  der  Römischen  Dichter.     So  in: 

äer,  Argeus,  chorea, 

Machäon,  Bacchei,  Galatea, 

Meneläe,  Bacchea,         Grynei, 

A-chilleae,  Ceae,  Daraus, 

Aenea,  Aeneae,  Cadmei,  Elei, 

Alpheae,  cichorea,         Hyantea, 

Alexandreo,       Gytherea,        llionea, 

Anchiseo,  cycnea,  Laomedonteae , 


154     — 


M  e  d  e  a , 

pla  tea, 

Sigeo, 

Museum, 

panacea, 

Sophoclea, 

Malea, 

Pelopea, 

Spercheus, 

N  e  r  e  i  s , 

Panoneae, 

Spondeus. 

P  h  o  e  b  e  a, 

Phoebeae,  Rhoetea, 

Ar  gl us , 

Erythia, 

Olmie, 

Antiochi 

a, 

H  i  p  p  o  d  a  in  i  a , 

Peridiae, 

B  a  s  i  1 1  u  s . 

i 

To, 

Ptias, 

Chlo, 

Lampla, 

stoechia, 

Clio , 

Lycie, 

S  p  e  r  c  h  T  e , 

Darius, 

Nicomedia, 

Seleucia. 

elegla, 

C  öe, 

E  öo, 

h  e  r  ö  a , 

Cöa, 

E  uröo, 

Latöe, 

Eöa, 

1 11  ö  o , 

Minöi. 

Aeaea, 

Ephyraeo,  Epliyraea,  Piraeo, 

Actaeo, 

Hyblaeo, 

P  i  s  a  e  a  e , 

aulaea, 

H  ymcnaeo, 

P  b  1  e  g  r  a  e  a , 

Alcmaeo, 

1  d  a  e  o , 

Paugaeo, 

C  irr  ha  ei, 

Lethaei,  Lethäea, 

T  h  e  r  a  p  - 

Circ.aea, 

N e m a e i ,   Nemaca, 

naeo. 

D  i  r  c  a  e  a , 

{Vgl.  Lachm. 

Lucrez  p. 

158 —  J  63.   Schneit) '.  Ijii. 

Gr.  I,  69—73. 

98.  f.) 

Alle  diese  Griechischen  Wörter  sind  erst  in  die  Lateinische 
Schriftsprache  aufgenommen,  als  schon  das  neue  Betonungsgesetz 
durchgedrungen  war,  als  die  Tonlänge  der  vorletzten  Sdbe  den 
Hochton  gebunden  hatte;  mochte  nun  das  Griechische  Wort  den 
Hochton  auf  der  vorletzten  langen  Silbe  haben,  oder  nicht,  im  II  r»  - 
mischen  Munde  wurde  die  vorletzte  Sflbe  beton!  und  damit 
war  die  Quantität  des  Vokales  oder  Diphthongen  derselben  gegen 
Kürzung   gesichert. 

Nachdem  so  diejenigen  Fälle,  wo  Vokal  vor  Vokal  immer 
kurz  war,  und  diejenigen  Wortformen,  in  denen  er  immer 
lang  blieb,  ausgesondert  sind,    so  i^t  nun  zu  erwägen,  wo  der 

Vokal  vor  Vokal  k  u  r  /   wurde,  und  unter  welchen  Einflüssen. 


—     155     — 

Kin  tieftoniger  Vokal  ist  im  Lateinischen  in  der  That  häufig 
gekürzt  worden,  namentlich  in  der  Blüthezeit  der  Römischen  Schrift- 
sprache. Dies  geschah  in  allen  Formen  der  A-  und  E-Deklination, 
wie : 

viäe,   für  viäi, 

fid  ei,         fidel, 

fämei,       fämei, 

facti,         fäclei 
und  in  allen  Genetiven  auf -tus,  wie: 

illius,       illius, 

ü  n  i  u  s ,      ü  n  I  u  s , 
wie  schon  gezeigt  ist,  durch  den  Einfluss  des  Hochtons  der  dritt- 
letzten Silbe. 

In  der  Flexion  des  Verhum  wird  der  auslautende  Stammvokal 
der  abgeleiteten  Verba,  e,  i,  vor  folgendem  Vokal  gekürzt;  so  in: 

doceo,      doceam,     doceamus,  neben  doces,  docemus, 

audio,      a  u  d  i  a  m ,      a  u  d  i  a  m  u  s ,  a  u  d  I  s ,    a  u  d  I  m  u  s, 

audiunt,  audient,     audiemus. 

Dass  das  e,  i  dieser  Verba  durch  Zusammenziehung  entstan- 
den ist  und  der  Lautverbindung  aja  im  Sanskrit  entspricht,  hat 
die  vergleichende  Sprachforschung  gelehrt  {Bopp,  Vergl.  Gr. 
S.  IW.ff.  N.  Jahrb.  LXVIII,  360).  Die  Griechische  Sprache  hat 
in  ähnlicher  Weise  das  auslautende  a,  s,  o  ihrer  Verbalstämme  vor 
folgendem  Vokal  meist  gekürzt,  vor  consonantisch  auslautenden 
Suffixen  hingegen  die  ursprüngliche  Länge  des  ä,  rj,  cö  gewahrt. 
So  stehen  die  Ionischen  Formen  wie  iiv&sccl,  fiffrio,  iqteov, 
cpuleaiiev  {Hom.)  neben  [iv&rjaonai,  UL%r\<5tö,  cpLAtföco; 
ebenso  ov  ra-e,  yocc-OL}i£v,  xQad  a-cov,  vÄä-ov,  ^lel- 
ölk-cöv,  TCSQcvaisrä-ovöi  (Ho?n.)  neben  ovtrjös  u.  a. 
Auch  die  gewöhnlichen  Formen  wie  yLiG&ov,  [ilö&ol  zeigen  die 
Kürzung  des  O-Lautes  neben  [ilö&coög)  u.  a.  Die  ältere  Ionische 
Sprache  hat  freilich  auch  vor  folgenden  Vokalen  die  ursprüngliche 
Vokallänge  in  diesen  Wortformen  zum  Theil  noch  gewahrt;  so  in 
o KV 8 i cö,  vslxelcS,  tcsv&s  lco,  % X £ i co  ,  äxsiouccL,  deren 
£to,  s ls  dem  Sanskr.  aja  noch  klar  entspricht,  und  in  TtSLvä- 
cov ,  ÖL^d-cov ,  ava{ia\iiä-£L  (Born.). 

In  jenen  Lateinischen  Verbalformen  war  die  Ursache  der 
Vokalkürzuug  eine  doppelte.     Der  Hochton  der  drittletzten  Silbe 


—     156     — 

war  es,  der  den  Vokal  der  vorletzten  kürzte  in  den  Verbalformen 
wie  audio,  döceo  u.  a.  neben  dem  er  nach  jüngerem  Betonungs- 
gesetz  nicht  mehr  bestehen  konnte.  In  Wortformen  wie  doceä- 
mus,  audiätis  u.  a.  ist  es  einfach  der  folgende  lange  hochbetonte 
Vokal  durch  dessen  Einfluss  der  vorhergehende  sich  kürzte.  In  jenen 
dreisilbigen  Wortformen  ward  der  Vokal  der  Mittelsilbe  von  zwei 
Seiten  angegriffen,  durch  den  vorhergehenden  Hochton  einerseits 
und  durch  die  folgende  Vokallänge  andrerseits,  in  den  viersilbigen 
und  mehrsilbigen  Formen  erfolgte  der  Angriff  nur' von  einer  Seite 
her,  aber  durch  die  vereinte  Macht  des  Hochtons  und  der  Tonlänge 
des  folgenden  Vokales. 

In  der  Wortbildung  kürzt  sich  i  vor  folgendem  Vokal  in : 

interdiu,  neben  sub  divo, 

nüdius,  sub  diu, 

pßrdTu,  dius, 

diälis, 

novendiälis, 

subdiälis,  subdival, 

wie  dies  Lachmann  (Liier,  p.  226  —  227)  nachgewiesen  bat .  Ebenso 
verhält  sich: 

Diana  ( Verg.  Aen.    zu  diu s , 

XI,  652)  Dia  n  a ,  Hör.  Epod.  5,51., 

nur  dass  die  Kürzung  des  i  nicht  völlig  durchgedrungen  ist. 
Ebenso  in : 

prior  ein,  für   prlorem,   /.  Salpens.  I.   Rom.  ffenz. 

7421. 

priusquam,  priusquam,  /.  Malacii.  a.  0. 

Die  Inschriften  bezeichnen  das  i  dieser  Wortformen  mit  Recht 
durch  das  hohe  I  als  Länge,  da  es  aus  dem  ai  der  Präposition  prai, 
prae  entstanden  ist. 

In  den  vorstehenden  Wortformen  kürzte  sich  also  der  Vokal  i, 
sobald  sich  der  Hochton  von  demselben  verschob  und  somit  die  Ton- 
länge desselben  vor  folgendem  Vokal  den  Halt  verlor. 

Ursprüngliches  tieftonigos  i  hat  sich  vor  folgendem  Vokal  ge- 
kürzt in  «Ion  Namen  wie! 

Antonius,  für   Antonius. 

Claudius,  Claudius 

und  anderen,    die  schon   oben  angeführt    sind:   dass  auch  hier  der 


~~     157    ~ 

Hochton  auf  der  drittletzten  Silbe  die  Tonlange  der  vorletzten  zer- 
störte, leuchtet  ein. 

Tieftoniges  u  hat  sich  vor  folgendem  Vokal  gekürzt  in : 
acüi,  tribui,  indüi, 

argüi,  imbüi,  exüi, 

wie  weiter  unten  nachgewiesen  werden  wird. 

[n  der  Zusammensetzung  kürzen  sich  e  und  ae  von  se-,  de-, 
präe-;    so  in: 

deorsum,  seorsum, 

dehinc,  praeustus, 

d  e  h  i  s  c  o  ,  p  r  a  e  a  c  u  t  u  s , 

d  6  o  s  c  u  1  a  t  u  r,  p  r  a  e  e  u  n  t. 
{Vgl.  Forcellini,  Schneid.  La l.  Gramm,  p.  101,  103.  92.) 

Kürzung  eines  ursprünglich  langen  Vokales  oder  Diphthongen 
ist  auch  in  Griechischen  Wörtern  vorgekommen,  als  sie  ins  Latei- 
nische übertragen  wurden;  so  in: 

platea,  vgl.  Tilatsia ,        Epeum,     vgl.  'Etzslov, 
chorea,         %0Q£lccv  Philipp  8os,     OihL7t7t£iog, 

balineum,    ßaXavslov,    Aleos,  'HlsZog, 

g)naeceum,yvvcux£Zov,  Seleucia,         HelevKBia. 
Lachm.  Lucr.  p.  159. 

Diese  Wortformen  sind  in  die  Lateinische  Sprache  zur  Zeit  des 
Plautus  und  früher  aufgenommen  worden,  wo  die  Sprache  nach  ih- 
rer Lautbequemlichkeit  die  ausländischen  Wörter  sich  mundgerecht 
machte  wie  Latona,  Patricoles,  Hercules,  Polluces, 
Ulixes,  Alcumena,  Alcumaeo,  Tecumessa,  techina, 
m  i n  a.  In  S  e  1  e  ü  c i a ,  P h  i  1  i  p  p  e  o  s  kürz te  der  Hochton  der  dritt- 
letzten die  Tondauer  der  vorletzten  Silbe.  'Etcsloq  konnte  im  La- 
teinischen nicht  den  Hochton  auf  der  Schlusssilbe  haben;  er  ward 
also  zurückgeschoben  auf  die  vorletzte,  und  dann  sprach  man 

A  A  A 

Eplus  {Plaut.  Bacch.  937)  wie  Aetölus,  Boeötus  u.  a.  oder 
auf  die  drittletzte ;  dann  kürzte  sich  die  vorletzte  und  man  sprach 
Epeus  {Plaut.  Varro  L.  L.  VII,  38.).  Ein  ähnliches  Zurückschie- 
ben des  Hochtones  hat  in  den  Lateinischen  Formen  Polluces, 
Pollux,  Pol  stattgefunden  verglichen,  mit  der  Griechischen  llo- 
Xvdevzrjg;  nach  Lateinischen  Lautgesetzen  ward  aus  der  Grie- 
chischen Form  durch  Ausstossung  des  v,  Assimilation  des  d  zu  1, 
Verschmelzung  des  eu  zu  u  die  Altlateinische  Form  Polluces; 


—     J58     — 

diese  warf  nun  das  e  ab  wie  in  Pharnaxfiir  Pharnaces,  infolge 
dessen  musste  der  Hochton  von  der  Endsilbe  zurückweichen  und  es 
wurde  Pöllux  betont;  nach  dem  Ausfall  des  somit  tieftonig  gewor- 
denen u  trafen  nun  am  Ende  des  Wortes  die  Consonanten  llx  zu- 
sammen, die  natürlich  im  Auslaut  eines  Lateinischen  Wortes  nicht 
gesprochen  werden  konnten,  sondern  bis  auf  ein  1  abgeworfen  wur- 
den, so  dass  nur  der  Wortstummel  Pol-  übrig  blieb.  Die  Wort- 
formen plätea,  chörea,  bälineum,  bälneum,  gyna6ceum 
acclimatisierten  sich  im  Lateinischen  nach  dem  Vorbilde  der  Wort- 
bildungen aureus,  lüteus,  igneus,  caerüleus,  indem  sie 
wie  diese  auf  der  drittletzten  Silbe  hoch  betont  wurden,  wodurch 
die  Kürzung  der  vorletzten  Silbe  nothwendig  ward. 

Es  bleibt  nun  noch  eine  geringe  Anzahl  meist  zweisilbiger 
Wortformen  übrig,  bei  denen  es  allerdings  so  scheint,  als  sei  ein 
hochbetonter  langer  Vokal  durch  den  folgenden  tieftonigen  verkürzt 
worden. 

So  erscheint  a  vor  folgendem  Vokal  gekürzt  in:. 
als,  neben  alten  Formen  wie:  als,  äln, 
äit. 

Die  Lange  des  a  erweist  dessen  Messung  und  Ableitung,  von 
der  schon  oben  geredet  ist  [Zeifschr.  für  verffl.  Sprach/'.  I,  "i-'M. 
Fleckeisen,  Krii.  AUlat.  Dichter  fr.  b.  Gell.  S.  (>— 10). 
E  vor  folgendem  Vokal  kürzt  sich  in: 
spei,  Prise.  VII,  93.         vgl.    spes, 

spe, 
rei,  Prise,  a.  0.  rei,  Plaut.  Mü.  103. 

e  i ,  e  I ,  Plaut.  Ter.  Ji  Uschi.  Proll.  171. 

Pr ooem.Schol.li  11  >.  Bonn.  18  1 1 . 
Nov.  Com.Ji.  p.  226. 
Lucr.  II,  1 1 3C.  VI,  795. 
elei,  /.  repet.  (Sern'/.) 
de  iis,  für     deivus, 

d  i  v  u  s , 
wie  schon  in  dem  Abschnitt  über  die  Vokalsteigerung  nachgewie- 
sen ist. 

Der  Vokal  I  vor  Folgendem  Vokal  kürzte  sich  in: 
fieri,  fiere,  Kim.  Ann.  r.  IT).  /". 

fieret  u.  a.  fleret,  Ter.  fruit.  1,  2, 12. 


—     1 59     — 

Endlich  hat  sich  der  Vokal  u  vor  folgendem  Vokal,  obwohl  er 
hochtonig  war,  gekürzt  in  den  Perfekten  der  auf  u  auslautenden 
Verbalstämme ,  die  in  alter  Zeit  das  u  noch  lang  hatten  {Prise.  X, 
12.  H.).     So  ist  gekürzt: 

füi,         zunächst  aus    füi. 
Das  zeigen  die  Messungen  füi,  Plaut.  Ritschi,  Pro!/,  p.  171. 

füitne,  PI.  Capt.  633. 

füimus,  PL  Capt.  262. 

füerim,  Naev.  Com.  R.  p.  18. 

füerint,  PI.  Poen.  Prot.  110. 

f  üim  u  s,  Enn.  Ann.  v.  440.  V. 

füisset,  a.  0.  v.  242. 

Aus  dem  kurzen  Stamme  fu-,  Gr.  <pv-,  Sanskr.  hhu-  ward 
das  Perfektum  mit  Vokalsteigerung  des  u  zu  ou  gebildet:  foui; 
das  u  dieser  Form  verhärtete  sich  nun  vor  folgendem  Vokal  ent- 
weder zu  v,  wie  die  alte  Form  foverin  I  (lex.  antiq.  Macröb.  Sat. 
1,  4)  zeigt,  oder  ou  verschmolz  zu  ü,  wie  Ennius  und  Plautus  Form 
füimus  beweisen.  Ebenso  sind  verkürzt: 
Nüi,  für    flüi. 

Von  diesem  Worte  war  schon  die  Präsensform  ursprünglich 
lang,  wie  weiterhin  nachgewiesen  ist. 

lüi,  liii,  Varro  L.  L.  IX,  104.  M. 

plüi,  plüi,  a.  0. 

nüi,  nüi,  adnüit,  Enn.  Prise.  X,  12.  H. 

riii,  rüi, 

siii,  süi. 

Dasselbe  gilt  von  den  dreisilbigen  Perfektformen  auf -ui,  wo 
die  Kürzung  des  u  um  so  leichter  eintrat,  als  das  u  tiefton  ig  war. 
aciii,  für  aeüi, 

argüi,  Prise,  a.  0.        argüi, 
imbüi,  imbüi, 

indüi,  indüi, 

exüi,  exüi, 

tribüi,  tribüi. 

Mehrere  von  den  hier  ange  führten  Verben  haben  im  Präsens  ei- 
nen langen  Vokal  gehabt,  der  sich  aber  verkürzt  hat  vor  dem  fol- 
genden Vokal.     So  ist: 

clüeo    verkürzt    aus    clüeo,  cloveo. 


-     160     — 

Das  beweist  die  Messung  clüeat  bei  Plautus ; 
Meh.  575:  Res  magis  quaeritur,  quam  c  lue  n  tum  fides  quoius- 

modi  c  1  il  e  a  t , 
vgl.  Men.  588 : 

Sicut  me  hodie  nimis  sollicitum  clüens  quidem  habuit   neque 

quod  volui. 
Aber  wie  diese  beiden  Verse  zeigen,  ist  daneben  cluens  ein- 
silbig, cliientum  mit  kurzer  Anfangssilbe  gemessen.  Dem  lan- 
gen u  in  clüeo  scheint  das  Griechische  axkvs,  xexAvte  zu 
widersprechen,  das  für  die  ursprüngliche  Kürze  des  Vokales  in 
der  Verbalwurzel  ein-  spricht.  Aber  wie  von  Wz.  %lv-  durch 
Vokalsteigerung  des  v  zu  ev,  dessen  v  sich  vor  folgendem  Vokal 
zu  F  verhärtete,  xls^og,  xXsFloj,  dann  mit  dem  gewöhnli- 
chen Wegfall  des  F  xlaog,  tcXslcj  gebildet  ist,  so  ward  im  La- 
teinischen durch  Vokalsteigerung  des  u  zu  ou  clovo,  cloveo  ge- 
bildet, wie  dies  aus  den  Namensformen  Clovatia,  Cluvius,  Clu- 
via,  Cluventia  neben  C 1  uen t i u s ,  Gluatia e  erhellt  (vgl. 1,  175. 
G.  Curtius,  Grundzüge  der  Griechischen  Etymologie,  L  S.  120.  //'.  62.); 
durch  die  gewöhnliche  Trübung  von  o  u  zu  ü  entstand  dann  elüe  o. 
Ebenso  ist  gekürzt: 
flüo    aus    flüo,    flovo,    vgl.   11  o vi,  Tab.  Gen. 

flovio ,  ct.  0. 
flu  vi  um,  a.  0. 
fluvi  o,  a.  0. 
conflovont,  ct.  0. 
confluon  t,'  a.  0, 
flüvidus,  Lucr.  11,  466. 
flüvida,  a.  0.  464. 
Von  flovo  lautete  das  Perfektum  flövi  mit  Vokalverlängerung 
wie  von  moveo  mövi  u.  a.   Dieselbe  Vokalsteigerung  erscheint  in 
flüvidus  für  flövidus; 

p  1  ü  o   kürzte    sich   aus   p  1  ü  o ,    p  1  o  v  o , 
nachdem,  wie  oben  gezeigt  ist,  aus  Wrz.  plu-  durch  Vokalsteigerung 
plovere  gebildet  war  und  das  Compositum  per-plo?ere  [Fest, 
p.  250.). 

In  diesen  zweisilbigen  Wortformen  war  eine  Verschiebung  des 
Hochtones  von  dem  ersten  der  beiden  Vokale  Dicht  möglich,  also  er- 
scheint hier,  aber  auch  nur  hier,  in  der  Thal  hochtoniger  Vokal 
vor  tieftonigem  gekürzt.     Es  wird  weiterhin  erhellen,  dass  die  Ver- 


—     161     — 

Schleifung  der  angrenzenden  Vokale  es  war,  wodurch- der  hoch- 
tonige  Vokal,  wo  er  nicht  zurücktreten  konnte,  die  Lautdauer  einer 
vollen  Länge  einbüsste  und  irrational  wurde,  infolge  dessen  aber  in 
der  Versmessung  der  daktylischen  Poesie  auf  den  inessbaren  W.ertfa 
einer  Kürze  herabgesetzt  wurde. 

Die  Untersuchung  über  die  K ü rzung  von  Vokal  vor  Vokal 
hat  also  zu  folgenden  Ergebnissen  geführt: 

Tieftoniger  Vokal  vor  folgendem  Vokal  kürzt  sich,  sowohl 
wenn  er  von  Anfang  an  tieftonig  war  und  es  auch  blieb,  wie  in 
doceo,  audias,  als  auch  bevor  er  nach  dem  jüngeren  Betonungs- 
gesetz der  Lateinischen  Sprache  den  Ilochton  auf  sich  zog  wie  in 
fidel,  illius,  Antonius,  und  nachdem  er  durch  Verschiebung 
des  Hochtones  tieftonig  geworden  war,  wie  in  interdiu,  diu- 
turnu  s. 

Hochtoniger  Vokal  vor  folgendem  Vokal  hielt  sich  fast  im- 
mer, nur  in  einzelnen  zweisilbigen  Wortformen  kürzte  er  sich 
unter  Einwirkung  der  Vokal  verschleif  ung.  Diese  Kürzung 
des  Vokals  vor  Vokal  ist  einmal  bedingt  durch  den  Hoch  ton  einer 
vorhergehenden  Silbe,  der  drittletzten  im  Wort,  der  sich  mit  Ton- 
länge der  vorletzten  Silbe  nach  dem  neueren  Betonungsgesetz  nicht 
vertrug,  dann  aber  auch  durch  die  INatur  des  folgenden  Voka- 
les. Bei  der  Aussprache  eines  jeden  Vokales  dringt  ein  Hauch  aus 
der  Brust  des  Redenden  hervor,  wird  also  Athem  verbraucht;  mit 
diesem  Hauche  geht  der  Redende  unwillkührlich  sparsamer  um  bei 
der  Aussprache  eines  Vokales,  wenn  unmittelbar  wieder  ein  Vokal 
folgt,  der  denselben  in  Ansprueh  nimmt.  So  erhält  der  erste  Vokal 
leicht  einen  minder  kräftigen  Anschlag,  und  hallt  nicht  so  lange  aus, 
als  wenn  ein  Consonant  folgt,  der  dem  weiteren  Verbrauch  des  Hau- 
ches ein  Ziel  setzt. 

Nachdem  also  nun  der  Ausfall  und  die  Kürzung  von  Vokal 
neben  Vokal  erörtert  ist,  wendet  sich  die  Untersuchung  der  Synä- 
rese,  der  Verschleifung  zweier  Vokale  innerhalb  eines 
Wortes  zu.  Für  die  Beweisführung  wird  es  förderlich  sein  nach 
der  Reihe  die  Verschleifung  von  tiefton  igen  und  tieftonigen, 
vontieftonigen  und  ho  cht  on  igen,  von  hochton  igen  und 
tieftonigen  Vokalen  zu  untersuchen,  vorher  aber  die  Beispiele 
von  Vers  c  h  m  e  1  z  u  n  g  gleich  erVokale  zu  einem  langen  Vokal, 
die  sich  innerhalb  eines  Wortes  berühren,  zusammenzustellen. 

ColtSSEN    II.  •  1  1 


—     1G2    — 

Von  der  Schon  der  älteren  Lateinischen  Sprache  vor  der  Auf- 
einanderfolge der  gleichlautenden  Vokale  ii  und  au  ist  schon  oben 
die  Hede  gewesen  (vgl.  I,  312). 

Die  Verschmelzung  von  ii  zu  i  findet  sich  durch  die  Schrift 
am  vielfältigsten  bewahrt  für  die  Genetive  der  mit  dem  Suffix  -io 
gebildeten  Nomina  Substantiva;  und  zwar  ist  die  Schreibart 
mit  einem  i  bis  zum  Ende  des  Augusteischen  Zeitalters  die  regel- 
mässige auf  Inschriften;  so: 

i  u  d  i  c  i ,  /.  agr.  ( T/ior.)  c  o  n  g  i  a  r  i ,  Mon .  Ancyr. 

aedifici,  a.  0.  fili,  Cen.  Pis.  Or.  642.  vgl.  723. 

consili,  l.  rep.  (Serv.)  I.  N.  2204.  5660.  6766. 

Laetori,  l.  pag.  Herc.  imperi,  Cen.  Pis.  Or.  643. 

p  o  r  t  o  r  i ,  /.  d.  Termes.  V  e  r  e  t  r  i ,  Mon .  -  ineyr. 

munieipei,  /.  Ruhr,  luli,    a.  0.  Or.  631.    652.  660, 

munieipi,  IM.  1.3.  661  v*  687.  688.  690. 

Gai,  Cen.  Pis.  Or.  043. 
L  u  c  i ,  a.  O. 
Aber  auch  nachher  auf  Inschriften  der  Kaiserzeil    sind  diese 
Genetivformen  überaus  häufig,  j;i  vorwiegend;  so  zum  Beispiel: 
munieipi,  Or.689.  ffenz.742\.   Papi,  a.  0.  5442. 

7.  N.  2627.  Alini,  a.  0. 

co  1  legi,  Or.  707.    7.  N.  5053.    Po  inj)  ei,  a.  O. 

5057.6826.   Or.  Henz.  6086.   Fla?i,ö.  O.  Or.Henz.lVkl. 

6087.  Aureli,  Or.  3356. 

suffragi,  Or.  Henz.  7421.  Terenli,  Or.  3358. 

tabulari,  Or.  3353.  Deciri,  7.  N.  371  I. 

pal  lim  oni,  a.  O.  Vibulli,    I.  N.  3780. 

a«erari,  Or.  364.  Ocrati,  7.  N.  8784. 

kapitulari,  Or.  Henz.  6086.       1'oMici,  a.  0.  3803. 
exequiari,  a.  O.  Aiscidi,  m  0,4000. 

(l.i  es  e  n  n  i,  (f.  (I.  >l  i  im  l  i ,  a.   O. 

Claudi,  Or.  649.     650,  2.   3.   Aufiili,  a.  O. 

695.  709.  721.  728.  732.    Or.   Herenni,  a.  O.  a.  <>.  1  155. 

Henz.  5442.  Caldi,  «.  0. 

iMessi,  Qr.712.  Spedi,  an  0.  1337. 

Cen  sori,  Or.  782.  Septumi,  tf.  0.  IUI. 

Asclepi,  Or.  1578.  Celli,  a.  0.  1  151. 

Vasidi,  O/-.  Äwiz.  6087.  Ga?i,  a.  0.  2226. 

Stertini.  a.  0.  Vergili,  a.  O.  2266. 


—     163     — 

Stlabori,  a.  0.  2267.  Gonstanti,  ct.  0.  6271.  6274. 

Popidi,  a.  0.  2278.  Vestili,  a.  0.  7136. 
Ve  t  ti  7  a.O.  Vgl.  zahlreiche  ähnliche  Ge- 

Lucreti,  a.  0.  2293.  netiv formen  in  Aufschriften  von 

Numsi,  a.  0.  3929.  Ziegeln,  Ringen,  Stempeln  u.a. 

Aps-tidi,  a.  0.4519  Momms.   I.    N.    6305-^6310. 

Tilli,  a.  0.  4716.  Stempel    Römischer  Augenärzte, 

Austi,  a.  0.  5259.  Grotefenä,  Philolog.  XIII,  122  — 

Apisi,  a.O.  5810.  164. 
De.c  umedi,  a.  0.  6077. 

Daneben  findet  sich  in  Inschriften  der  Kaiserzeit  seit  Auguslus 
die  Schreibweise  ii.  Hierzu  stimmt  das  Ergebniss  handschriftlicher 
Forschungen,  dass  bei  den  älteren  Schriftstellern  die  Schreibart  i 
die  gewöhnliche  ist,  seit  Properz  und  Ovid  aber  ii  hervortritt  und 
späterhin  immer  mehr  gebräuchlich  wird.  {Vgl.  Laclim.  Liter, 
p.  325  —  329.     Brandt,  Quaestion.  Borat,  p.  113  f.) 

Selten  findet  sich  im  Nominativ  Pluralis  derselben  Klasse 
von  Wörtern  i  für  ii  geschrieben,  wie: 

Hb  rar  ei,  /.  Iul.  mun.  Crustumeri,   Verg.  VII,  631. 

a  li,  Cen.  Pis.  Or.  643.  Lachm.  Lucr.p.  252. 

Gabi,  Prop.  V,  1,  34. 

Auch  im  Dativ  und  Ablativ  Pluralis  findet  sich  auf  In- 
schriften seit  der  Gracchenzeit  nicht  selten  i  (ei)  für  ii  (iei)  ge- 
schrieben.    Man  vergleiche: 
contro versis,  t.  Gen.  genis,  Or.  782. 

Ia n u a r i s ,  a.  O.  b e s  t i  s ,  /.  N.  2569. 

isdem,  l.rep.  (Serv.)  fili&,  a.  0.  3546.  5340.  5514. 

i u d i  c  e i  s ,  /.  Rubr.  Gl 6 d i s ,  a.  0.  3599.  3600. 

c  o  1  o  n  e  i  s ,  /.  Iul.  mun.  m  a  n  i  b i  s ,   a.  0.  4089.    Roiss. 

spoleis,  Cen.  Pis.  643.  I.  Ly.  III,  6. 

caerulis,  Cen.  Pis.  642.  Statis,  a.  0.  6040. 

dis,  Or.  679.   680.    697.    /.  N.  Vibis,  &.  0.  7133. 

1680.  6678.  6746.  Iunis,  Or.  Henz.  5428. 

is,   t.  Mälac.    Or.   Henz.  7421.  propitis,  Gn/t.  4,  40. 

/.  N.  6628.  bivis,  a.  0.  84,  5. 

comitis,  Or.  Henz.  a.O.  tri  vis,  a.  0. 

alis,  ct.  0.  quadrivis,  ct.  0. 

praedis,  a.O. 

11* 


—     164     — 

Dieselbe  Verschmelzung  des  i  i  zu  i  ergiebt  sich  aus  der  Mes- 
sung von  Dichtern  verschiedener  Zeiten;  so: 
I  unis,  Enn.  Ann.  v.  167.  V.       denaris,  Mari.  I,  117.  IX,  100. 
flagitis,  Turp.Com.BM.p.90.  Vipsanis,  a.  0.  IV,  18. 
Lavinis,  Prop.  III,  34,  64.         gratis, 

taenis,  Verg.  Aen.  V,  269.  in  gratis,  Lucr.  III,  1067.  V,44. 
e x  i  1  i  s ,  Seil.  Phoen.  625.  VI,  2 1 6. 

s  u p  p  1  i  c  i  s ,  Sen. Med.  743.  1015. 

Ebenso  verschmolz  ii  nicht  selten  zu  i  in  Perfekl formen  nach 
Ausfall  des  v  der  Perfektendung  -vi  sowohl  im  Infinitiv  und  der 
zweiten  Pers.  Sing,  und  Plur.,  wie : 

audisse,  audlsti,  audlstisu.  a., 

als  in  der  dritten  Pers.  Sing.     So  finden  sich  Formen  wie: 

pellt ,  coit,  perlt,  . 

it,  exlt,  cedit, 

abit,  inft,  sublt, 

ad  1 1 ,  ohit,  t  ran  Sit  u.  a., 

sowohl  bei  den  Komikein  ;ils  bei  den  Dichtern  i\ov  Augusteischen 
und  (\^v  späteren  Zeil  (vgl.  Lachm.  Lucr.  /».  208  /'.  Fleckeisen, 
Exercital.  Plautin,  p.  8.  29),  und  auf  Inschriften: 

ohit,  Cen.  Pis.  Or.  643. 

perit,  /.  N.  3868. 

muni  I ,   Or.  6  18. 

posit,   Or.  732. 

poseit,  /.  N.  5409. 

an.iil,   Or.  Henz.  5306. 

petit,  T.Lyon.  Boiss.  VII,  IS. 

Auch  in  den  Handschriften  der  Prosaiker  isi  diese  Schreibweise 
nichl  sehen. 

Nach  Ausfall  eines  Ii  verschmolz  ii  zu  i  in: 
mi,  für       mihi, 

nilo,  nihilo, 

nil,  nihil,  vgl.  Lachm.  Lucr. p.  '21  f. 

se  in  ihia  nie,   Cat.  61,  22(1; 
ii  ward  ferner  zu  i  zusammengezogen  in: 
semissis,    für  semi-issis. 


—     1G5     — 

Die  vorliegenden  sprachlichen  Thalsachen  berechtigen  zu  dem 
Schluss,  dass  in  der  Volkssprache  überhaupt  ii  zu  einem  langen  i 
verschmolz  und  nur  im  Munde  der  Gebildeten ,  bei  denen  ein  deut- 
licheres Bewusstsein  von  der  Etymologie  vorwaltete,  für  gewisse 
Wortformen  die  getrennte  Aussprache  ii  gewahrt  blieb,  daher  auch 
so  geschrieben  und  von  Dichtern  so  gemessen  wurde. 

Ebenso  verschmolz  uu  zu  ü  bisweilen  im  Genetiv  Flur,  der 
U-Stamme ,  wie : 

currüm,    Verg.  Aen.  VI,  653. 

passüm,  Marl.  II,  5,  3. 

n  urümque,  Ov.  Metam.  XII,  2 1 6. 

Die  spätere  Sprache  zeigt  auch  Verschmelzungen  wie: 
ingenus,  7.^.^.3011.  Grul.  104,8.  306,7. 
perpetus,   Gr.  127. 

Oo  verschmilzt  zu  ö  in  Zusammensetzungen  mit  den  Präposi- 
tionen pro  und  co  für  con;  so#: 
proles,  für  pro-oles, 
proletarius,  von  pro-oletarius,  pro-oletus,  pro-oleo, 

vgl.  obs-oletus, 
cöpi,  co-opi,  coperuisse,  a.  0.  V,  342. 

cöpia,  coptato,  /.  lul.  mim. 

cöpiosus,  coptari,  Cic.  ep.  III,  1 0,  9. 

cörtes,   vulgo,       co-hprtes,         {vgl.Lachm.  Lucr.  p.  134.) 

Vel.  long.  2234. 
c  o  p  e  r  i  u  n  t ,  Lucr .  VI,  49 1 . 

Ee  wird  in  der  Aussprache  zu  e  verschmolzen  in: 

derunt,    t.   Malac.    Or.   Henz.  i  <~>  „„     c  ,   i  n   kc 

deero,  Hör.  Stil.  1,  9,  o6. 
7421.  Or.  4859.   Verg.  Georg.     ^ 
.,    «oo  de  est,  verg.  Aen.  X,  378. 

■  r       ,     rp       m  ,r    a     on    d  ee  s  s  e ,  Luc.  VI,  10. 

de  erat,  Ter.  Phorm.  II,   1,  69.     ^ 

Ovid.  Melam.XJl.  deerrarunt,  Lucr.  111,  859. 

deerit,  Ter.  Ad.V,4,21.  Verg.  deeraverat,  Verg.  Ecl  VII,  7. 
Aen.  VII,  262.  Prop.  V,  3,  3.      ( Vel  Lon^  P-  2227-) 

Der  Diphthong  ae  verschmilzt  schon  in  Voraugusteischer  Zeit 
mit  folgendem  e  zu  ae,  wie  folgende  Schreibweisen  auf  Inschriften 
zeigen: 


—      166 


p  r  a  e  r  i  t ,  /.  Tut  mun. 
praerunt,  a.  0. 


praest,  /.  Born.   Henz.  5418. 

5433.5407.5418.5443.5455. 

6858  a. 

p r a e s s e , ./. repet.  (Serv.) I.  Ruhr,  praessent,    t.   Malacil.  Henz. 

praerat,  decr.  Bis.  Dr.  643.  7 42\.  Sc.  d.  Aqu.    Egg  er.  p. 

praerunt,  a.  0.  328. 

vgl.     pra esset,  Cic.  ep.  XIII,  6,  2. 
Zachm.  Lucr.  p.  135. 
Nach  Ausfall  eines  h  verschmilzt  a-a  zu  a,  e-e  und  ae-e  zu 
e  in: 


Ala,  für 

nemo, 

vemens,  Lucr.  III,  480.  B. 

VI,  517.  II,  1024.   II,  152. 

vementer,    Ter.  Hec.  488. 


p  r  a  e  n  d  i  t,  Plaut.  Bacch.  696. 
prendi,  Pompon.  Bibb.  Com. 

p.2\2.  vgl.  Ter. Phorm.lV, 

3,    15.     Andr.  II,    2,    16. 

HeauL  IM,  I,  100. 
prendo,  dicimus,  fr/.  Long. 

p.  2229. 
reprcnsum,  Ter.  Ad.  Prol.  14. 
Vergleicht    man    mit    diesen 


Ah  ala,  vgl.  I,  51. 

ne-h  emo, 

ve  he  mens,  veleres,  Gell.  II,  3- 

v  e"  e  m  e  n  t  e  r ,   elegantiores ,  l  \i. 

Long.    p.    2229.    2234.     vgl. 

Lachm.  Lucr.  />.  133. 
praehensus,  Plaut  Asin.  563. 
prehendi,    Plaut,  lind.   1291. 

vgl.  Most.  219. 


e  o  n  p  r  e  h  e  n  s  u  m ,  /.  Maine.  Or. 
Um:.  7121. 

Schreibweisen    Cassiodo  ins 


Worte,  ^.2229:  cVchcmcns'  et 'vemens' apud  antiquos 
et  apud  Cicerone m  lego;  aeque *prehendo' et  'pre  odo \ 
so  ergiebt  sich,  dass  schon  in  alter  Zeit  ein  Schwanken  zwischen  ge- 
trennter und  zusammengezogener  Aussprache  der  nach  dem  Ver- 
klingen des  h  sich  berührenden  gleich  oder  ähnlich  lautenden  Vo- 
kale in  diesen  Wörtern  stattfand,  dass  dieses  Schwanken  auch  im 
Uhithezeitalter  der  Sprache  blieb  wie  in  späterer  Zeit,  und  dass  die 
Volkssprache  die  Vokale  verschliff,  während  die  Gebilde- 
ten (elegant  inres)  auch  in  späterer  Zeil  in  Uebereinstimmung 
mit  der  Etymologie  die  getrennte  Aussprache  vorzogen.  Quin- 
tilian  sagt,  1,5,21 :  Et  c  ine  he'  quoque  pro  c  m  B  '  apud  inti- 
quos  trag  o  ed  i  a  ru  m  pra  seipue  s  erip I ores  in  vel  eri  b  n  S 
lihris  invenimus.     Wenn   in   den  Handschriften  der  Tragiker, 


—      107     — 

die  Quintilian  vorlagen,  mehe  wirklich  für  den  Accusativ  oder 
Ablativ  nie  geschrieben  stand,  nicht  für  den  Dativ  mihi,  wie  man 
allerdings  anzunehmen  geneigt  sein  kann  (vgl.  Fest.  p.  161.  M.), 
so  muss  man  schliessen,  dass  die  Dativform  mehe  eben  wegen  der 
Aehnlichkeit  des  Klanges  mit  der  Accusativ-  oder  Ablativform  in  e 
missbräuchlich  auf  einen  dieser  beiden  Casus  übertragen  ist,  etwa 
wie  die  Ablativform  med  auch  als  Accusativ  verwandt  worden  ist. 
Denn  weder  lässt  sich  eine  Zerdehnung  von  e  in  ehe  auf  Lateini- 
schem Sprachboden  irgend  nachweisen,  noch  mehe  als  Accusa- 
tiv- oder  Ablativform  sich  etymologisch  erklären. 

Es  ist  nun  die  Verschmelzung  eines  tiefton  igen  Vokales 
mit  einem  tieft onigen  anderen  zu  untersuchen.  Von  dieser  wird 
betroffen  tieftoniges  u,  i,  e,  o,  häufig  in  den  beiden  letzten,  seltener  in 
den  beiden  ersten  Wortsilben.  Beispiele  für  die  Verschlcifung  eines 
tieftonigen  u  vor  folgendem  Vokal  sind : 
patrui,  Stat.  Theb.W,  429. 

quattoor,  Plaut.  Bitschi,  Proll.p.  164.  Ena.  Ann.  96.  580*). 
Vgl.  Lachm.  Liter,  p.  192. 
Die  daneben  vorkommende  Form  quattor  [Riischl,  Rh.  Mus.  VIII, 
309)  zeigt ,  dass  das  u  sich  hier  zu  dem  Halbvokal  v  verdünnte  und 
dann  nach  vorhergehendem  Consonanten  ausfiel.  Schon  seit  Lucrez 
tritt  diese  Verhärtung  des  u  zu  v  nach  Consonanten  vor  folgendem 
Vokal  mittelst  der  Synärese  so  entschieden  auf,  dass  die  vorher- 
gehende Silbe  durch  diesen  Laut  positionslang  wird;  so  in: 

ten vis,  Lucr.  I,  875.  II,  232.  III,  232.  IV,  83. 

e  x  t  e  n  v  a  n  t  u  r ,  Lucr.  IV,  1254. 

tenvia,  Lucr.  V,  1262.  IV,  726.  800.  VI,  1186.  463.  Stat.Theb. 
V,  597.    VI,  196. 

ten  vi  us,  Lucr.  III,  243. 

tenvior,  Stat.  Theo.  IV,  697. 

Die  Formen  tenvia,  tenvius,  tenvior  müssen  immer  mit 
Vokalverschleifung  gesprochen  sein,  so  dass  das  u  nicht  die  Geltung 
einer  Kürze  hatte,  sondern  irrational  war.  Wenn  das  Wort  so  die 
Gellung  eines  dreisilbigen  hatte,  konnte  derllochton  auf  der  Stamm- 
silbe bleiben.     Bei  der  Betonung  tenüia,    tenüius    würde  eine 


*)  Das  u  von  quattuor  ist  an  beiden  Stellen  des  Ennius  hand- 
schriftlich verbürgt;  Vahlen  schreibt  quattor  nach  Ritschi,  Rhein.  Mus. 
VIII,  309. 


—     168     — 

Verhärtung  des  hochbelonten  Vokales  zu  v  unbegreiflich  sein.  Aehn- 

lich  ist  auch  bei  späteren  Dichtern  ein  u  infolge  der  Vokalverschleifung 

zu  v  verdichtet  und  macht  die  vorhergehende  Silbe  positionslang;  so: 

genva,    Verg.  Aen.  V,  432.  XII,  903.   Stat.  Theb.  VIII,  56.  Sil. 

I,  529. 
sinvatis,  Sil.  VI,  226. 
sinvato,  a.  0.  VII,  502. 
sinvatur,  a.  0.  X,  181. 

Viel  häufiger  ist  die  Verschleifung  des  tieftonigen  i  mit  folgen- 
dem tieftonigen  Vokal. 

So  nach  vorhergehender  langer  Silbe  bei  den  Seenischen  Dich- 
tern : 

o  m n fa ,  Plaut.  Ter.  Hec.  V,  4, 27.  o t  fo ,  Plaut. 

filfam,  Plaut,  a.  0.  gaudfo,  a.  0. 

omnfum,  a.  0.   Titln.  Com.  R.  filio,  a.  0. 

P- 1 32-  n  e  s  c  fo  ,    Plaut.   Amph.    1 063. 

gaudfum,  Plaut.  Mit.  174.     Pers.  227.     Cure. 

otfum,  a.  0.  6  18.     Purin:  trag.  II.  j>.  87. 

pracmuim,  a.  <>.  95*     ^ran'  com>  IL  P-   157' 

....  —  ,  185.     Pomp.    a.   0.    p.    205. 

^  Laber.  a  0.  />.  254. 

gl  an  di  um,  PL  Pscud.  165.  ^        _        „„   ,    lt.   ,.,  _ 

^  I  envior,  Stat.  Hieb.  I\,  01)/. 

P  a  e  g  n  l  u  m ,  Pers.  772.  „. „  ^       _. 

^  filios,  /Ytfttf. 
tcrtiust ,  /SWcÄ.  30. 

ambiunt,  Mtl.  69. 

(Vgl.  Rilschl,  Proll.  p.  133.  161.  164.  167.  Fleckeis.  N.  Jahrb.  IV 

261.)     Diese  Vokalverschleifung  erscheint  zwar  bei  Plautus  meisl 

in  freieren  Maassen,  namentlich  in  Anapästen,  aber  sie  kann  doch 

auch  nur  aus  der  Volkssprache  entstanden  sein.  Ebenso  linden  sieh 

bei  andern  Dichtern: 

o  m  n fa ,  Enn.  Lucil.  Lucr.   Verg.   L a  vin la q  u  e ,  Verg.  . ien.  I.  1,2. 

Lachm.  Lucr.  p.  73.  115.  Lachm.  Lucr.  p.  115. 

conubfa,  Luer.    III,    74  1.    />'.   precantia,     /V/v/.    Aen.    VII. 

w.  a.  237*). 


*)  Nicht  gesichert  erscheinen  die  von  Lachmann,  Lucr.  p.  129,  an 
genommenen   Verschleifungen   »les   i    mit    folgenden    Vokal    bei  voraus 

gellender  kurzer  Silbe;   so  faciant,    Ter.  Phorm.   II,   3,    IT.    Liberi us, 


—     169     — 

c  o  n  d  fa  t ,  luv. VII ,  185.  Lachm.  Dicaearchwi m  ,     Lucil.   Fest. 
Liter,  p.  192.  p.    122.     Vgl.    Lachm.  Liter . 

ebullfat,  Pers.U,  10.  P-  115-  193-  28t- 

avium,  Enn.  Ann.  v.W.  V.        Antuim,  Ov.  Met.  XV,  718. 

ludium  ,  luv.  VJ,  82. 
Der  Vokal  i  ist  in  diesen  Fällen  irrational  geworden.     Schon 
bei  Ennius  findet  sich  das  i  durch  Vokal verschleifung  zu  j  verdich- 
tet, so  dass  es  Positionslänge  der  vorhergehenden  Silbe  bewirkt  in: 

insidfantes,  Enn.  Ann.  v.  414.  V. 
und  zwar  vor  hochlonigem  Vokal. 

Aus  dem  Gebrauche  späterer  Dichter  seit  Vergil  sind  bekannt: 
abiete,    Verg.  Aen.  II,  16.    VIII,  599.    XI,  667.    Sil.  III,  442. 

VI,  352. 
ä  b  fe  t  i  b  u  s ,  Verg.  Aen.  IX,  67 1 . 
äbfegni,  Prop.  V,  1,42. 

ärfete.  Verg.  Aen.  II,  492.  XII,  704.  Sil  XII,  535. 
ärietat,   Verg.  Aen.  XII,  890. 

pärictibus,   Verg.  Aen.  V,  589.  Sil.  II,  361.  Auson.  id.  11,  44. 
Lachm.  Liter,  p:  1 30. 

In  den  Formen  a biete,   a riete,    arfetat   muss   das  i   wie 
das  u  in  tenuia,  t ennius,  tenuior  irrational  gesprochen  wor- 


Andr.  I,  1,  25.  vgl.  ed.  Flcckeis.  domin  ia,  Lucil.  Non.  p.  193.  G.  vgl. 
Geppert,  Lai.  Ausspr.  S.  32.  mendacilo  quiu  s ,  Plaut.  Trin.  200.  vgl. 
ed.  Ritschi,  wo  Bergks  Emendation  medacilocum  einleuchtet.  Wo 
quoniam-  vor  consonantischem  Anlaut  des  folg-enden  Wortes  steht  wie 
Plaut.  Aul.  Prol.  9:  ls  quoniam  moritur  .  .  Ter.  Andr.  I,  5,  15:  'Ali- 
quid monstri  alünt:  ea  quoniam  ne'mini  .  .  II,  1,  5:  Quae'so  edepol, 
Charine,  quoniam  non  potest  .  .,  ist  kein  Grund  vorhanden,  statt  der 
dreisilbigen  Messung  quoniam  die  zweisilbige  qiToniäm  anzunehmen, 
so  dass  die  erste  Silbe  durch  Verhärtung  des  i  zum  Halbvokal  durch 
Position  lang  geworden  wäre.  Die  Messung  abiete,  Enn.  trag.  R. 
p.  21:  De'formati  atque  abiete  crispa  .  .  ist  nur  dann  sicher,  wenn 
Lachmanns  Regel,  dass  eine  daktylische  Wortform  nicht  an  Stelle  des 
Trochäus  stehen  kann,  wirklich  ausnahmslos  gültig  ist;  sonst  muss  man 
mit  Geppert  a.  O.  wie  bei  Vergil,  Aen.  II,  16,  abiete  messen.  Dass 
durch  ein  solches  zu  j  zusammengeschrumpftes  oder  verhärtetes  i  bei 
Ennius  Positionslänge  gebildet  wurde,  zeigt  die  Messung,  Ann.  v.  414.  V.: 
Hie  insidiantes  vigilant  .  . 


—      1 70     — 

den  sein,  so  dass  der  Hochton  auf  der  Stammsilbe  bleiben  konnte. 

Hätte  der  Hochton  auf  dem  i  gestanden,  so  wäre  die  Verhärtung  zu  j 

nicht  erklärlich.     Ebenso  erscheint  das  i  zu  j  verdichtet  in: 

c  o  n  s  i  1  fu  m ,  Hör.  öd.  III,  4,  41.   f  1  u  v  fo  r  u  m ,  Verg.  Georg.  1, 482. 

principfum,  a.  0.  III,  6,  6.       Nasidfeni,  Hor.Sat.  II,  8,  1. 

C  a  m  c r ui  m  ,  Cat.  55,  10,  L.  f a  c  fa  s ,  Sen.  Med.  1 052. 

wie  Lachmann  zu  Lucrez,  p.  130.  193,  nachgewiesen  hat. 

Der  Ausfall  des  i  vor  a  in  den  Formen  convenat,  evenat, 
pervenam,  augura  hei  Plautus,  Ennius  und  Attius,  von  dem  be- 
reits die  Rede  gewesen  ist,  lässt  sich  nicht  erklären,  wenn  man  nicht 
annimmt,  dass  schon  in  der  Zeit  jener  Dichter  die  Aussprache  con- 
venfat,  evenfat,augurfa  vorgekommen  sei,  dann  aber  das  j 
ausfiel. 

Tieft oni ges   e    vor   folgendem  Vokal,  der   ebenfalls 
tief  ton  ig  ist,  wird  mit  demselben  verschliffen  in  Casusformen  der 
mit  dem  Suffix  -eo  gebildeten  Nomina  wie: 
aurea,  Ovid.  Metam.  XII,  395.   ignc~us,  Ov.  Met.  VI,  113. 

Verg.  Aen.  VII,  190.  balteum,  Epit.  Iliad.  632.' 

ostrea,  Hort.  Sat.  II,  2,  21.         alvelim,  Slat.  Theb.  V,  I. 
ccrtfa,  a.  O.  I,  8,  43.  aurei,  Plaut.  Such.  25. 

laqueo,  Hör.  Epod.  2,  35.  baltel;  Aen.\,  496. 

alveo,  Ov.Met.  XV,  621.  Verg.  aiVM.  SU.  XIV,  229. 
Georg.  II,  453.  Aen.  VI,  112.  anTp1Sj  Verg.Aen.V,  352,  VIII. 
VII,  303.  Tib.  [1,1,  49.  553 

balteo,  Auson.  Id.  19,  6. 

Dieselbe  Verschiffung  erschein!  vielfach  in  den  Casus  obliqui 
der  GriechischenNa m e n  auf  -sog;  so  in : 
Orphol,  Verg.  Ecl.  6,  30.  T\ -phoeo,  Verg.  Aen.  IX,  713. 

Orpheo,  Ov.  Am.  HI,  9,  21.         M  enesl  In7?»,   a.  O.  X,   129. 
Peleo,  Cat.  64,  336.  Enipe"o,  Prop.  IV.  18,  3. 

Tydeo,  Stuf.  Theb.  111,  84.  Orphei, Georg.  Ecl.  1. 57.  Georg. 

tfereo,  Prop.  IV,  7,  67.   SM.       IV^545-  553- 

Theb.  V,  49.  Oilei,  Verg.  Aen.  1,  II. 

Eurystheo,     Verg.   Arn.    VIII,   Thesei,  Cat.  64,   120. 
292.  Pelei,  a.  0.  53,  I  1. 

Caphareo,  Sil.  XIV,  1  13.  Vertex, Prop.  Mb  2s,  l. 


171 


Tyrrhei,  Verg.  VII,  532.  Er  echt  hei,  CaL  64,  229. 

Nerei, Verg.  Aen.  VIII,  383.  Mnesthel,  Verg* Aen.  V,  184. 
Pr o  m e t  li  el ,  Ftfr^.  £&.  6,42.  M  e  n  e  s  t  h  el ,  Ätatf.  7M>.  VI,  699. 
Die  Scenischen  Dichter  kennen  diese  Verschiebung  der  Vokale 
ea,  eo,  el  im  Suffix  noch  nicht;  sie  verschleifen  das  fcieftonige  e 
nur  in  einigen  Zusammensetzungen;  so  Plautus: 

a  n  t  ea ,  a  n  I  el  t , 

p  o  s  t  e~a ,  a  n  t  e  h  a  c , 

Ritschi,  Proll.  Tr.  160.  164/  Rhein.  Mus.  VII,  569/.  und  Terenz: 

postel,  Em.  III,  2,  40. 

antehac,  Andr.  II,  1,  3.   Heaul.  II,  3,  29. 

Jene  Verschiebung  des  e  ist  ein  Schritt  vorwärts  in  der  Ab- 
schwächung  des  Lateinischen  Vokalismus.  Oben  ist  gezeigt  worden, 
dass  in  der  späteren  Lateinischen  Sprache  e  vor  folgendem  Vokal 
zu  i  sank  wie  in  vinia,  ext  ran  ins,  marmorias  u.  a.;  vgl.  va- 
1  i  a ,  p  e  r  i  a ,  a  d  i  a  s ,  p  e  r  i  a  s ,  Inscr.  Pomp.  Garucc.  Rull.  Nap.  N. 
S.  1,  tab.  I.  Wie  also  das  durch  die  Vokalverschleifung  irrational 
gewordene  i  ein  halbvokalischer  Laut  wurde,  so  klang  auch  das  ir- 
rationale e  in  der  Aussprache  von  cerel,  aurea  dem  halbvokali- 
schen i  ähnlich. 

Diese  irrationale  Aussprache  des  i  und  e,  wo  es  mit  folgendem 
Vokal^verschliften  wurde,  setzt  die  Vergleichung  mit  der  Griechi- 
schen Sprache  und  mit  den  Romanischen  Tochtersprachen  der  Latei- 
nischen in  ein  helleres  Licht.  In  der  Aussprache  der  allen  lonier 
muss  vornehmlich  das  i  und  das  e  durch  Verschleifung  mit  dem 
folgenden  Vokal  irrational  ausgesprochen  worden  sein.  Die  home- 
rischen Sänger  sprachen  % 6 X i o g ,  % 6 X i cc g ,  'löxicua,  dqLOg, 
Alyvitriog,  wie  das  Römische  Volk  filiüs,  gaudfiim,  otium, 
praemfum.  In  den  homerischen  Gedichten  findet  sich  nicht 
nur  die  Vokal  verschleifung  des  s  in  vTaviag ,  tfcog,  s'cog,  xfcog, 
vecoq,  %Q£G>,  &ea,  Vokalverschleifung  erscheint  auch  in  den 
Casusformen  der  mit  dem  Suffix  -£o  gebildeten  Nomina,  die  den 
angeführten  Lateinischen  entsprechen.     Man  vergleiche  : 

XQvöeov,  aüreo, 

XQvöea,  aüreum, 

XQvaeoLg , 


—     172     — 

XQvöerj,  aürea, 

ö  evöqeg),  arböreus, 

7t0Q(pvQea  (AeschyL),        purpureus. 

In  schlagender  Analogie  zum  Lateinischen  steht  die  Italienische 
Sprache  in  der  Fortbildung  der  Vokalverschleifung  von  u,  i  und  e. 
Im  Italienischen  finden  sich  : 

b  e  1  v  a ,  für  b  e  1 1  u  a,  vgl.  Lat.  g  e  n  v  a  , 

parvi,         parui,  tenvia  u.  a. 

dolvi,         dolui, 

Die  Romanischen  Sprachen  sind  auf  dem  Wege  der  Lateinischen 
weiter  fortgeschritten,  indem  sie  tieftonigcs  i  nach Consonanten  und 
nach  der  hochbetonten  Silbe  vor  folgendem  tieftonigem  Endvokal 
zu  j  sinken  Hessen  (ygl.Dietz,  Gramm,  d.  Rom.  Spr.p.  153 —  169). 
So  stehen  zu  einander : 


Ital. 

Lat. 

Ital. 

Lat. 

saggio, 

e  x  a  g  i  u  m  , 

1  i  c  e  n  z  a , 

1  i  c  e  n  t  i  a , 

A  r  e  z  z  o , 

A  r  e  t  i  u  m , 

ingegno, 

i  n  g  e  n  i  u  m , 

M  a  r  z  o , 

Marti  us, 

c  a  1  o  g  n  a , 

c  a  1  u  in  n  i  a , 

P  a  1  a  z  z  o ,    P  a  1  a t i  u m ,         c  a m  p  a  g n a,  C  a  m  p a  n  i  a. 

Schon  im  Spätlateinischen  war  also  die  Aussprache  exagj  um, 
i  n g  e  n j  u m ,  c a  1  u  m  nj  a ,  c o nsilj  u  m ,  pr i n cip j  u  m  dem  Volks- 
munde geläufig.  Wenn  schon  zu  Plautus  Zeiten  das  zum  Halbvokal 
erstarrte  i  in  den  Formen  wie  evenat,  convenat  u.  a.  ausfiel, 
so  verfolgte  das  Italienische  auch  diese  Bahn.     Fs  bildete: 

c  a  r  b  o  n  a  r  o ,  von        carbonarius, 

v  a  r  o  ,  v  a  r  i  u  s , 

impero,  imperio, 

m  o  r  o ,  m  o  r  i  o  r. 

Dass  das  e  von  au  reo,  laqueo  u.  a.  in  Folge  der  Vokal- 
verschleifung einen  dem  j  ähnlichen  Laut  gehabt,  dafür  sprechen 
die  Spätlateinischen  Formen  wie  vinia,  marmorias  u.  a.,  dafür 
legt  auch  das  Italiehische  Zeugniss  ah,  wo  jenes  e  in  der  Aussprache 
geradezu  j  geworden  ist.     So  stehen  nebeneinander: 

Ital.  La!.  Hai.  Lat. 


v  i  g  n  a , 

v  i  n  e  a , 

deggio, 

d< 

3  b  e  o , 

oglio, 

oleum, 

abbia, 

h; 

ilteal 

r  u  g  g  i  o , 

ruhe  ii  s , 

aggia', 

—     173     — 

Der  zu  j  gesunkene  Laut  des  ursprünglich  langen  e  fiel  dann 

ganz  aus  in  Formen  wie: 

Ital.  Tat. 

d  e  b  b  o ,     von   d  e  b  e  o , 

vedo,  video, 

tengo,  teneo. 

Also  die  Vokale  u,  i,  e  sinken,  wenn  sie  tieftonig  sind,  durch 
Verschleifung  mit  dem  folgenden  tieftonigen  Vokal  erst  zu  irratio- 
nalen vokalisclien  Lauten  herab,  schrumpften  dann  zu  v  und  j 
ein,  und  können  dann  auch  ausfallen. 

Auch  in  den  beiden  ersten  Wortsilben  werden  die  tieftonigen 
Vokale,  e,  ae,  i,  o  mit  folgenden  tieftonigen  Vokalen  verschliffen; 
so  in : 

deartuatus,  Plaut.  Capi.  641.  praeoptavisti ,    Plaut.    Trin . 

deartuavistique,  a.  0.  672.         648. 

de^sciari,  Ml.  884.  praToptares,  Ter.  Hec.  IV,  I, 

d  ea m  1» u  1  a t u m  ,  Ter. Heaut.  111,         ' ' 

3,  26.  s  e  m  ia (1  a  P  °  •* f  a  ■>    Oval.   Am.   1, 

d eosculabor,   Plaut.  Cas.    II,       J ' 

8,  31.  lfenosum,    Plaut.  Cas.    II,   6, 

e~o  r  u  n  d  e  m ,  Enn.  Ann.  v.  206.  V. 

deTortatus,  Ter.  Pharm.  V,  8,  dferectust,  Plaut  Cure.  2-10. 

1 7.  d  iut  u  r  n  i  1  a  s ,    Syr.  sent.  Com. 

deTinc,    Ter.   Anär.  Prot.   22.       Ap.297. 

Em.  V,  2,   33. 

Fs  ist  nun  zweitens  in  Betracht  zu  ziehen,  wo  ein  tieftoniger 
Vokal  mit  fo  1  g  e  n  d  e  m  h  o  c  h  1 6  n  ig e  n  verschliffen  wird,  eine  Frage, 
für  die  der  Gebrauch  der  Scenischen  Dichter  von  besonderer  Wich- 
tigkeit ist. 

Kurzes  u  wird  mit  folgendem  hochtonigen Vokal  verschKffen  in: 
d  ü~a  r  u  m ,  Ter.  Heaut.  11,  3,  85.   s  i  n  v  a t  u  r , 

Plaut.  Ritschi,  Prot.  p.  164.       duellum,  Plaut,  a.  0. 
d  ua b u s ,  Caec.  Com.  R. p.  31 .      d  ue  1 1  i  c a ,  Lucr.  II,  66. 
suapte,  AU.  Trag.  R.  p.  190.       perdu7l  I  ibus,  Enn.  Trag.  R. 
sinvatis,  s.  oben  I,  165.  p.  59. 

sinvato,  puella,  Plaut,  a.  0. 


—     174     - 

circumerrant,  Sil.  XIII,  604.   pituita,  Hör.  Sat.  II,  2,  76. 
cülque,   AUL  Com.   R.   p.  27.   maluisti,  Lucil.  Cic.  fin.  I,  9. 

Ter.  Hemd.  III,  1,  36.  CaL  20,        lachm.  Lucr.  p.  193. 

20.  Manu.  III,  7 1 .  I u c t üo « u s  ,    ^w^o/.    Lat.    IV, 

huice,  ita/.  72.  Prol.  173.  151,  2. 

Ursprünglich  langes  u  verschliß1  sich  mit  folgendem  hochtoni- 
gen  Vokal  in : 

f  ue r u n t ,  Plaut.  R.  Prol. p.  1 64.  f  ui  s  s  e ,  Ter.  Hec.  III,  5,  39.  Lu- 
fuere,    Ter.  Hemd.  II,  4,   19.       eil.  Non.pAl.G.  Lachm. Lucr. 

Phorm.  IV,  3,20.  />•  ^93. 

Es  ist  klar,  dass  das  tieftonige  u  vor  hochbelontem  Vokal  die- 
selbe irrationale  Aussprache  erhielt  wie  vor  tieftonigem  Vokal. 

Kurzes  i  wird  mit  folgendem  hochbetonten  Vokal  verschliffen  in 
dem  schon  erwähnten  : 
insidfantes,  Enn.  Ann.  v.  414.  V. 
lieni,  Plaut.  Cure.  II,  1,29. 
ä  h  fe  t  i  b  u  s ,  s.  oben  I, 
äbfegni,  a.  0. 
pärfetibus,  a.  0. 
semfanimis,   Verg.  Aen.  »X, 396. 404.  XI,  635.    Vgl.  Enn.  Ann. 

v.  463.  Sen.  Hipp.  1103.  OeiL  1052; 
semiermis,  Sil.  XII,  467. 
s  c  in  i  h o m  i n i  s ,    F"^.  VIII,  1 94. 
semfustus,   Verg.  Aen.  111,578.  Ov.  Fast.  IV,  167.  Sen.  Thyesl. 

80.   TV-oöJ.  1089.  Iferc.Oet.  1738*)! 
ursprünglich  langes  i  in: 
diu ti  us ,  Pacuv.  trag.  Rib.  p.  82. 
o  rfun  d  i,  Lucr.  II ,  99.  27. 
prfusquam,  Andr.  II,  3,  3.     Pharm.  IV,  5,  7.   V,  8,  4.   9,  56 

Ähw.  trag.  R.  p.  31.  Pacitr.  a.  0.  />■  99. 

*)  Dass  das  i  von  semi  vor  folgendem  Vokal  wenigstens  in  den 
Compositen,  die  vielfach  im  Munde  des  Volkes  waren,  gaai  schwand, 
zeigen  die  Schreibweisen  semis,  semissis,  semnncia,  Bemesns, 
semanixnus,   Or,  4944.    Vgl.  Lucr.  VI,  1268.   Bemnstas,    Sen.  Agam. 

759.  w.  «. 


—     175    — 

Das  erste  dieser  Beispiele  zeigt,  dass  auch  hier  das  i  infolge 
der  Tonverschleifung  wie  ein  Halbvokal  tönte. 

Ursprünglich  langes  e  wird  vor  hochhelonlem  Vokal  verschlif- 
fen in: 

ea  m u s ,  Plaut.  R.  Prot.  p.  164.  e i d  e m ,  Manu.  III,  73. 

eatis,  a.  0.  eoque,  Ad.  Trag.  R.  p.  239. 

eadem,    Caec.   Com,.    R.   p.  42.  eodem  ,    Pacuv.   a.    0.    p.   72. 

Nov.  a.  0.  225.  Plaut,  a.  0.  Lachm.  Lucr.  p.  192. 

eandem,  Enn.  Trag.  R.  p.  45.  eosdem,  Prop.  V,  7,  7.  8. 

All.  a.  0.  p.  138.    Ter.  Pharm.  e~o>um,  Pac.  Trag.  R.  p.  98. 

•ITI'  2>  10-  deornm,  Pac.  a.  0.  p.  95.    Alt. 

easdem,  Ter.  Hec.  II,  1,  45.  a  q  p  237. 

elque,  All.  Trag.  R.  p.  Hl.        exeundum,  Plaut.  Aal.  I,  1,  1. 
eaedem,  Lachm.  Lucr.  p.  192. 

Ueher  die  ursprüngliche  Länge  des  e  in  diesen  Formen  war  in 
dem  Abschnitt  über  die  Vokalslcigerung  die  Rede. 

Kurzes  e  wird  vor  hochbetontem  Vokal  verschlilTen  in : 
m eo  r  u m ,  Plaut.  Rilschl ,  a.  0.  m ea  r  u  m ,  Ter.  Hecyr.  III,  3,  1 . 
Ali.  trag.  R.p.XTl.  Ter.Andr.  alvearia;  Vera.  Georg.  IV;  34. 
II,  6,  22. 

Das  lange  tieftonige  e  kürzte  sich  also  vor  dem  hochtonigen 
Vokal  der  folgenden  langen  Silbe  erst  zu  einer  Kürze,  und  sank 
dann  unter  die  Zeitdauer  einer  Kürze  herab.  Dieses  stumme  e 
klang  also  wie  in  aureum,  laqueo  u.  a.  dem  Halbvokal  i  nament- 
lich im  Volksmunde   sehr  ähnlich. 

Ebenso  ward  ursprünglich  langes  e  nach  seiner  Kürzung  vor 
hochtonigem  Vokal  verschliffen  in  den  Compositen: 
a n t ea c t o ,  Lucr.  V,  174.  d eu s c u  1  e r ,  Plaut.  Cas.  f ,  1,48. 

d eorsu m ,  Plaut.  R. Prot. p.  160.        113,18. 

Ter.AdAW,  %  34.  36.  Lucr.  IT,  deTinc,  Plaut.  R.  Prof  p.  160. 

217.  221.    VI,  335.  Ter.  Eun.  II,  3,  5.  Andr.  Prot. 

se~orsum,  Plaut.  R.  Prot.  p.\  60.       22.    I,  2,  19. 

Lucr.  II,  473.   III,  286.  334.   deinceps*,  Imct.  II,  333.    Llor. 

562.  549.  Sat.  II,  8,  80. 

s^orsus,  Lucr.  IV,  492.  a  n  tei  b  o ,  Naev.  Com.  R.  p.  26. 


—     176     — 

Dass  dieses  e  irrational  geworden  War,  zeigen  die  drei  Messun- 
gen nebeneinander  bei  Lucrez :  seorsus,  seorsum  MI ,  549, 
sorsum  III,  794.   IV,  493. 

Der  Vokal  o  wird  mit  folgendem  hochbetonten  Vokal  verschlif- 
fen  in : 

coimus,  Plaut.  Most.  327.    R.   coerce;  Pacuv.  trag.  R.  p.  68. 
Prolt.  p.  160.  coegit,  Plaut.  Amph.  163.  coe- 

intrcTibis,  Plaut,  a.  0.  gi,  Racch.  981. 

Ursprünglich  langes  a  verschilft,  sich  mit  folgendem  hochbeton- 
tem Vokal  in  : 

albam,  Plaut.  R.  Prot.  p.  162.      albat,    Ter.   Andr.   V,    4,   29. 
aibant,    Ter.   Andr.  III,   3,   2.       Phorm.  III,  1,  16.    Titin.  Com. 

Phorm.  IV,  1,  6.   ^//.  7>y/^.  R.       ä.  /?.  1 22. 

p.  158. 

Die  Laute  oi  und  ai  in  diesen  letzteren  Wort  formen  unter- 
scheiden sich  dadurch  von  der  Aussprache  der  gewöhnlichen 
Diphthongen  oi  und  ai,  dass  das  hoch  tonige  i  als  gesonderter  Ton 
noch  scharf  vorklingt,  während  a  und  o  nur  als  mallere  Lauf«1  an- 
klingen. So  sind  alle  tieftonigen  Vokale,  die  iml  folgendem  hoch- 
tonigen  Vokal  verschilften  werden,  nichts  anderes  mehr  als  kurze 
tieftonige  Anklänge  zu  dem  hoehtonigen  Hauptklang  des  zweiten 
Vokals. 

Es  sind  nun  die  Falle  zu  betrachten,  in  denen  ein  hoch  Ion  i- 
ger  Vokal  mit  folgendem  liet'tonigen  verschütten  wird. 

So  wird  ein  kurzes  ho  e  übe  tont  es  u  mit  folge  ndein  I  iel  - 
tonigen  Vokal  verschliffen  in: 

cl iT7i s ,    Plaut.  II.   Prot.  p.  104.  Plaut.  It.  Pro/,  p.  171.    Ter. 

Laber.  Com.  II.  p.  246.  Heaut.  pro/.  I  u.a.  Cut.  21,  1. 

duo,  Plaut,  u.  (>.  Naev.  Com.  lt.  coi,  wer-  V,  173.    Prop.  IV, 

p,  SO.  Tilin.  a.  O.p.  läl.  (;;  34.    Ihn-,  c.  1.2,  29.  ali- 

duos,  Plaut,  a.  0.  Au.  Trag.  lt.       c€i'  W'  iN'   ''  2* 
p.  239.  Laber.  Com.  239.  huii'  Plaui'  R'  a'  n"  ''"■•-■""''■• 


III,  2,  2  u.  u.     Comm.    lt.  Ind. 

p.  354.  Enn.  Trag.   R.  p.  25. 

cui,    Trügg.    It.    lud.    p.  416.       Pacuv.  a.  0.  p.  95.  <■///.  a.  0. 


duo  in,  Plaut.  Men.  542. 

Fi,    Trügg.    It.    Ind. 

Comm.  lt.  Ind.  p.  386,  quoi,        /v.   11(1.    102.    101. 


—     177     — 

tua, Plaut. R. Prot. p.  164. Afi an.  tiris,    Ter.  Phorm.   III,  3,   10. 

Com.  R.  p.  179.  Caec.  Com.  R.  p.  63. 

tuam,    Naev.   Trag.   R.   p.    9.   suam,  Enn.  trag.  R.  p.38.  Ter. 

Afran.  Com.  p.  176.  Andr.  V,  4,  29. 

tuae,  Ter.  Andr.  1,5,  61.  7Vr/>.  suas,  7%m.  Cot«.  R.  p.  121. 

am.A.l.90.  4**»-  ***.A  s^e,  AU.  Trag.  R.p.  105. 

p.   146.  ^ 

.  -^     7i7        />        r>        a  -     y-r         s,uo  ,    iVrt^.  <7.  0.    o.    6.    Alt. 
tuo,  iv#ev.  Co//?.  /s.  ».  lo.  6#<?c.  J 

a.  0.  p.  46.     i.  Trag.  R.      *  °J'  m-    Tilh>-  Com'  * 

p.  182.  I-  VS0- 

•^         ,,.          ~         7>         <ßyl  suos,  iVlr/6^.  Cüw.  R.  p.  10.  Zfcr. 

tu os,  ^/hm.  67ö;#.  #.  p.  184.  '                         ' 

_    '  ,4wdr.  IV,  5,  11. 

t  u  u  s ,  P/a itf .  7?.  Pro/.  «.  0.  J/ta,  ^                       „ 

Com.  R.p.  139.  Jfer.^r.II,   su,s'  yte"'  *  °-    Naev-  Com- 

2,  10.  *  »  2% 

.  ^         r>  rr         r>        <m    suuin,  Attt  Trag.  R. p.  183. 

tu  um,  Pacuv.  frag.  R.  p.  90.  J        J 

95.  suT,  Enn.  trag.  p.  56.  R. 

tiu,  Enn.  Trag.  R.  p.  18.  Ter. 

Eun.  IV,  7,  32.  Turp.  Com.  R. 

p.  79. 

Vergleicht  man  mit  den  so  gesprochenen  Wortformen  die  von 
Priscian, p.  955.  P.,  aufbewahrten  alten  Genetive: 

mis,   tis,    sis, 
von  denen  sich  bei  Plautus  (Trin.  343.)  noch  tis  und  hei  Ennius 
(Ann.  v.  131.  V.)  mis  findet,  ferner  die  alten  Formen  des  possessi- 
ven Pronomen : 

sos,  für  suos,  Fest.  p.  30 1 .  M. 

sis,  suis,  Enn.  Ann.  v.  1 50.  V.  Liter .  III ,  1 023  , 
so  könnte  man  vormuthen,  in  tu~i,  sü~i,  tuus,  siuis  sei  das 
erste  u  wie  v  gesprochen  wie  in  Sanskr.  t  va ,  sva.  Das  ist  aber  nicht 
möglich,  da  einmal  Lateinisches  v  sich  nicht  mit  vorhergehender 
Muta  oder  Sibilans  vertrug,  dann  aber  auch  der  Hochton  den  Vo- 
kal u  so  entschieden  hervorhob ,  dass  er  seine  Lautfähigkeit  als  Vo- 
kal nicht  einbtissen  konnte.  In  alter  Zeit  warf  die  Sprache  v  nach 
dem  anlautenden  Consonanten  in  den  Formen  sos,  sis,  tis  heraus 
oder  es  erweichte  es  zum  Vokal  in  den  Formen  wie  suis,  tuis,  suis 
und  auf  das  u  trat  der  Hochton  zurück.  In  den  ursprünglich  Pyr- 
r  hl  c  h  \  s  c  h  e  n  Wortformen  wie  tuus,   s  uu  s ,    t u u in ,   s uu  m  ver- 

CORSSEN    II.  .  12 


—     178     — - 

schmolzen  also  einfach  die  beiden  kurzen  Vokale  zu  einem  langen; 
in  den  ursprünglich  Iam bischen  Wortformen  kürzte  sich  wie 
gewöhnlich  der  lange  Vokal  der  Endsilbe,  indem  in  Folge  der 
Hervorhebung  der  kuizen  ersten  Silbe  durch  den  Hochton  die  Ton- 
dauer der  zweiten  Silbe  Schaden  erlitt. 

Ursprünglich  langes,  hochbetontes  u  wurde  mit  folgendem 
lieftonigen  Vokal  verschliffen  in :  . 

fui,  Plaut.  R.prolp.  164.  cluens,  Plaut.  Men,  588. 

fifit,  Plaut.  Men.  17.    Lncü. 

Non.  p.  \\,  G. 

Ein   kurzes  hoch  betont  es  i  ward  mit  folgendem  tieftoni- 
gen  Vokal  verschliffen  in : 

viT,  Ter.  Heaut.  I,  1,  49.  diu,  Plaut,  a.  0.  Pers.  265.  Tmc. 
dfcs,  Plaut.  B.  Prot.  p.  160.         H  3,  3.    Epid.  III,  2,40.    Ter. 

Ter.  Andr.  I,  2,  18.  Eun.  H,  3,  3. 

triura, Plaut  Trm.  848.  B.  a.  0. 
Ebenso  verschlilf  sich  ein  ursprünglich  langes  i  nach  seiner 
Kürzung  mil  folgendem  lieftonigen  Vokal  in: 
sefam,  Plaut.  R.Prohp.  162.    scTo,  Plaut,  a.  0.  Caec.  (Cm.  II. 

Pomp.  Com.  B.  p.  208.  p.  5i).    Vgl.  Chans,  p.  6.  Diom. 

scfäY,  Plaut,  a.  0.  Ter.  Andr.       P-  430.  Mar.  Victor,  p.  2172. 

I,  1,  68  u.  a.  sc  Tun  ( ,  Pompon.  Com.  II.  p.  207. 

scTat,  a.  O.  prior,    Ter.  Pharm.   II,    2,    2s. 

scfes,  a.  O.  Iü,  2,  147. 

scfet,  a.  0.  prfus,   Nov.  Com.  II.  p.  225. 

sciens,  Ter.Hec.  IV,  2,  4. 

Ein   kurzes  hochbetontes   e   ward    durch    die    Vokalver- 
schleifung mit  folgendem  lieftonigen  Vokal  verbunden  in: 
mea,  Liv.  Trag.ß.p.3.  Enn.     meae,    Caec.   Com.  p.  46.    62. 

a.  O.  p.  27.  31.    Au.  a.  0.         Pompon.   a.  0.  p.    191.    Ter. 

p.  182.    Vgl  Plaut.  II  Pro/.         Pharm.  1,4,  23.     ffec.  Prot. 

p.  164.  in.  IV,  2,9. 

meam,  AU.  Trag.  II.  p.  125.     meo,  Plaut.  Bacch.  1076  u.  a. 

Caec.  Com.   IC  p.  31.  36.  TV-  77////.  Com.  p.  1  I  7.  Afran.  a.  0. 

tin.  a.  0.  p.  1  17.  p.    180. 

meas,  Enn.  trag.  IC  p.  47.         meos,  Caec.  Com.  //.  //.  59,  ■ 


179 


meiis,  Plaut.  R.  a.  0.  AU.  trag.  me~i,  Naev.  Trag.  R.  p.  9.  Enn. 
R.  p.  116.  a.  0.  p.  18.  Pacuv.  a.O.  p.Sl. 

mfum,   Plaut  Capl.  552  u,  a.       Plmt   Ter'     Tur^'    Com'  B' 

Enn.  trag.  R.  p.  28.     Pacuv.      ^  85* 

a.  O.p.  110.  AU.  a.  O.p.  124.  meis,  Enn.  trag.  R.  p.  34.    ^//. 

TVr.  Phonn.N,  1,3.  Caec.Com.       «•  ö-  p.  147.  Ter.Hec.  II,  2,5. 

Ä.  p,  52.  230.    >#frm.   «,  0.       #««>•  #>*».  i?.  />.  13.  16.  Vgl 

p.  152.   161.  162.  mQs,  /.  Ä»>.  Hispan. 

Ein   ursprünglich  langes  hochbetontes  e  verschliff  sich  nach 
seiner  Kürzung  mit  folgendem  tieftonigen  Vokal  in: 
de7n,  Plaut.  R.  Prot  160.  Enn.   eam,  eo, 

Trag.  R.p.46.  Ter.  Andr.  III,   eis,  eunt, 

3,  30.   Cat.  5,  8.  10.  Prop.  V,    -        Plaut.  Rllschl, Prot . p.  164. 

8    83  ' 

e  a ,  Plaut,  a.  0.   Enn.  trag.  R. 

deinde,  Plaut,  a.  0.  Alt.  Trag.       P-  53. 

R.p.  140.  142.  239.     Turpt  elm,  Ter. Eun.V,  4^30.  ffecAU, 

Com.  R.  p.  94.     Afran.  a.  0.       2,  32.    Caec.  Com.  R.  p.  33. 

p.  181.     Ter.  ^/r.  III,  2,  3.        ZYtöi.  0.  0.  p.123.  128.  Z«fov. 

Zwcr.  IV,  696.   Verg.Aen.  XII,       a.  0.  p.  243.  iY/cw;.  7W/#.  7?. 

887.  Prop.  III,  8,  9.  *     p.  105.  7#k?.  «.  0.  p.  226. 

i^       r»     v     75     r>    7  ,«i     fo,  Ter.  Phonn.  L  4,  23.  Pacuv. 

deo,   P/tfw/:.    i?.   Prot.  p.    164.        '  70 

(u.  a.    Casus)   Liv.    trag.  R.  ^       y-     ■  P- 

«    2.  v os,  Titln.  Com.  R.  p.  131.  Enn. 

Trag.  R.  p.  55. 
deos,  Ter.  ^rf.  II,  4,  11.  iVtot;.   ^m?  ^^  6^  Ä  p  22.  toc. 
.    (7o^.  R.  p.  20.    ^/rflfw.  a.  0.       (L  0t  p,  58.    Turpt  am  (K  ]K  73; 

P-  81-  Pörnpon.  a.  0.  p.  201.     Afcw. 

deus,  AMLa.0.  Trag.  R.  p.  bl. 

e~i ,  2Ä  öow.  i?.  i?.  118.    Ter. 
deum,    Enn.  trag.  p.  13.    Jtf.       Heaul.V,  2,  13.  Inc.  Trag.  R. 

a.  0.  p.  130.    Tfer.  Eun.  V,  4,       ^.  210.  Calull.  80,  3. 

21 .   Caecil.  Com.  R.  p.m.         fj  s  ?  ^^  Jm//>  Ä  p<  45. 

rei,  Plaut. Racch. 947. Men.  234.  Vultel,  ifor.  £>.  I,  7,  91. 
Ter.  Ad.\,3,  68.  Trcc.  Zh^.Ä.   Pompei,.#0r.  c.  II,  7,  5. 
p.  210.  Z«cr.  IV,  882.  Auson.  q^s?  ^  ^^  j   ^  42< 
&?/tf.  /Sa/?,  fter.  4. 

12* 


—      i  80     — 

Ein  ursprünglich  langes  hoch  toniges  o  wird   nach  seiner 
Kürzung  mit  folgendem  lieftonigen  Vokal  verschilften  in: 
q  u  o  a  d ,  Plaut.  Mtl.  1 1 60.  proin,  Plaut.  Bacch.  739.  Capi. 

63.  Mil.  780.  Stich.  670.  Ter. 

And.  11,4,  5.  Eun.l,  1,  11.  2? 

26.  Afran.  Com.B.pA59.  Atl. 

Trag.B.  p.  149.  239.   Inc.  a. 

0.  p.  203. 
p r  67  n  d  e  ,    Plaut.    Trin.    658. 

Amph.  982.    Ter.  Pliorm.  II, 

3,  35.    Jlec.  II,  1,  21.  Naev. 

Trag.  R.   p.  12.     AU.  a.  0. 

p.  185.  Inc.  a.  0.  p.2\4.  Liter. 

III,  1051.  1088.  IV,  646.  654. 

655.997  u.a.    Verg,  Acn.  XI, 

38^*). 

Wenn  der  Ho  eh  ton  immer  dem  Vokal  auf  dem  er  steht  den 
Vorklang  und  Vorrang  vor  andern  verleiht,  so  beweist  er  das 
auch  wenn  sein  Vokal  mit  einem  folgenden  lieftonigen  verschmolzen 
wiid.  Sind  diese  bei  den  Vo  kale  kurz,  so  1>  ehal  ten  sie  diese  Ton- 
dauer auch  in  der  Vokalverschmelzung,  doch  tönt  die  hochtonige  Silbe 
vor.  Ist  der  vorhergehende  hochtonige  Vokal  kurz  und  der  fol- 
gende tief  tonige;  mit  dem  er  verschmolzen  wird  lang,  was  nur  in 
zweisilbigen  Wortformen  vorkommt,  dann  kürzt  sich  der  tief- 
tonige  Vokal,  wie  die  tieftonigen  Endsilben  Limbischer 
Wortformen  Überhaupt.  Wurde  langer  hoch  toni  ger  und  1  a  n- 
ger  tieftoniger  Vokal  verschliffen,  so  erlitten  beide  Einbussc 
an  ihrer  Tondauer,  am  leichtesten  natürlich  der  tieflonige  Vokal; 
alter  auch  der  hochbetonte,  wie  sieb  klar  daraus  ergiebt,  dass  aus 
rei  durch  Vokalverschleifung  rei  und  durch  Wiederauflösung  re*i 
wird,  also  der  ursprunglich  lange  Vokal  e  aus  der  Vokalverschleifung 
als  Kürze  wieder  auftaucht.  Wenn  sieb  nun  neben  der  verscbliffenen 
Form  fui  bei  Pia  Utas  noch  die  alte  ungetrübte  Form  fni,  neben  e  i 
bei  Ennius  ei  bei  Ennius,  Terentius  und  Lucretius  und  ei  ei,  /.  re- 


*)  Hochtoniges  ;i  findet  sich  mit  folgendem  Vokal  nur  verschliffen  in 

dem  (griechischen  Namen   Phfteton,    /'</>;•.  Ouint.  I,   •">,  17.  Fgl.  PhiTe- 
thontem,   Manil.  I,  732. 


-     181     — 

peiund.  findet,  so  können  die  beiden  durch  VokalverSchleifung  gebun- 
denen Vokale  im  Munde  des  Volkes  nicht  zu  völligen  Kürzen 
geworden  sein,  sie  waren  nur  zu  einer  in  i  1 1  e  1  z  ei  t  i  g  e  n  T  o  n  d  a  u  c  r 
abgeschwächt,  und  in  dieser  ihrer  irrationalen  Natur  lag  es,  dass  sie 
in  der  Versmessung  bald  als  eine  bald  als  zwei  Längen  gellen, 
dass  zur  selben  Zeit  ei,  füi  und  c~i,  füi  gemessen  werden  konnte. 
Ward  endlich  langer  hochbetonter  Vokal  mit  kurzem  tief- 
tonigen  verschliffen ,  so  überwog  jener  so  durch  Tonlängc  und 
Tonhöhe,  dass  der  tieftonige  kurze  Nachfolger  zu  einem  irra- 
tionalen Nachklang  zusammenschrumpfte. 

Noch  bedarf  es  eines  Zusatzes  über  die  Vokalverschleifung  zwi- 
schen Vokalen,  die  durch  Ausfall  eines  h,  j,  v  in  der  Aussprache 
mit  einander  in  Berührung  gekommen  sind.  Von  den  verschlilfenen 
Formen  corte s,  nemo,  ve mens,  prendere,  praeda,  prae- 
dium,  mi,  nil,  semihiante,  d  eh  ine  ist  schon  die  Rede  ge- 
wesen. Ausserdem  finden  sich  bei  Plautus  neben  der  gewöhnlichen 
Form  debeo  noch  geschrieben  die  ursprünglichen  Formen: 
dehibco,  Cure.  570.  722.  dehibere,  Bacch.  260. 

dehibuitji^wtf.  1206.  Bacch. 272.     dehibet,  Pseud.  733. 
dehibuis  ti,   Trin.  426. 
und  für  die  gewöhnliche  Form  praebeo  immer 
p r a  e h  i  b c  o ,  Pseud.  1 82.  Bitschi,  Prol.  p.  1 04  f. 

Es  ist  schon  oben  daraufhingewiesen,  dass  in  der  Zusammen- 
setzung von  Verben  mit  Präpositionen  diese  letzteren  den  Hochton 
auf  sich  zogen.  Wenn  in  den  Formen  debeo,  probe o,  prae- 
beo, praendere,  praeda,  praedium  der  tieftonige  Stamm- 
vokal des  Verbum  ganz  geschwunden  ist,  so  beweist  das  Schwanken 
zwischen  debeo  und  dehibeo  bei  Plautus,  dass  der  Bauchlaut  h 
nebst  dem  folgenden  tieflonigen  i  damals  auf  dem  Punkte  stan- 
den aus  der  Aussprache  zu  verschwinden.  Man  sprach  also 
nicht  dehibeo,  sondern  dtTibeo,  und  die  dreisilbige  Messung 
lag  der  volksthümlichen  Aussprache  näher  als  die  viersilbige. 

Nach  dem  Schwinden  des  Halbvokales  j   vor  folgendem  i  ver- 
schmolzen e-i  zu  ei  in  den  Verbalformen : 
elcere,  Pacuv.  Trag.  B.  p.  107. 
e  i  c  i  e  b  a  n  t  u  r ,  Enn.  a.  O.  p.  1  \ . 
eTcit,  AU.  trag.B.  p.  158.  Lucr.  111,  875. 
re~ice,    Verg.  Buc.  III,  96. 


—     182     — 

Die  Genetive: 

li  u  ins, 

q  u  o  i  ii  s  , 

c  u  i  u  s , 

ei  us 
finden  sich  bei  den  Seenischen  Dichtern  überaus  häufig  und  ausser- 
dem bei  L  u  c  i  1  i  u  s ,  L  u  c r  e  t  i  u  s  und  Cicero  in  der  Uehersetzung 
des  Arat  in  der  metrischen  Geltung  einsilbiger  Wörter  {vgl. 
Laclim.  Lucr.  p.  27.  160.  Haupt,  observ.  cht.  p.  46.  N.  Jahrb. 
67.  S.  114  f.  Ribb.  tragg.  u.  comoed.  indcl.  Fahlen  Enn.  ind.). 
Heber  den  weichen  breiten  Laut  des  j  zwischen  zwei  Vokalen  im  In- 
laut der  Wörter  ist  oben  die  Rede  gewesen.  Nach  dem  Ausfall 
dieses  j  in  co-icit,  plo-us  u.  a.  könnte  man  geneigt  sein  an- 
zunehmen; dass  in  der  Volkssprache  jene  Genetivformen  quoTis, 
huus,  eTis  gelautet  hatten.  Lachmann  hat  mit  gewohntem  Scharf- 
blick erkannt,  dass  jene  Formen  vielmehr  wie  eins,  hüls,  e?s  ge- 
sprochen seien  und  fuhrt  dafür  die  Form  cui'  cui'  modi  für 
cuiu'  cuiu'  modi  an.  Dass  diese  Ansicht  richtig  sei,  bestätigt 
die  auf  ^einer  Inschrift  vorkommende  Form  huis  für  hu  ins, 
Grut.  44,  3.  Den  Uebergang  der  Formen  huius,  cuius,  eins  in 
huis,  cuis,  eis  erklärt  die  Entstehung  der  Nominativformen  ali<, 
alid,  Ventinaris  u.  a.  für  alius,  aliud,  Ventinarius  und 
der  Comparativformen  m  a  g i s ,  s a ti s ,  p  o t  i  s  aus  m  a gius ,  s  ;i  - 
tius,  potius,  von  denen  die  Rede  gewesen  ist.  Das  u  von  eins, 
cuius,  huius  lautete  zu  i  um,  wie  dies  in  den  Genetivendungen 
von  Gastoris,  Vencris,  Cereris  für  die  alteren  Castorus, 
Venerus,  Cererus  geschehen  ist  dureb  Wahlverwandtschaft  dess 
zu  i.  Aus  ei  is,  cuiis,  hui  is  ward  dann  e~i  s,  c  iTis.  h  iTi  s,  wie 
aus  eiieit,  deiieit,  coiicit,  eicit,  deicit,  eoieit.  In  Flau- 
tus  Zeit  ist  dieser  Lautübergang  von  e  i  u  s ,  cuius,  huius  zu  <'i>, 
cuis,  huis  im  De  griff  sich  zu  vollziehen;  aber  er  hat  .sich 
im  Volksmunde  noch  nicht  völlig  vollzogen;  daher  blieb  die  Schreib- 
weise huius,  eins,  cuius  und  diese  Wortform  ist  in  der  Schrift- 
sprache der  Gebildeten  die  herrschende  geblieben.  Es  erhellt  also, 
dass,  nachdem  die  Lautverbindung  in  zum  Klange  eines  irrationa- 
len i  eingeschrumpft  war,  eis,  hu7s,  c  1 7i  s  sowohl  einsilbig  als 
zweisilbig  gemessen  werden  konnten  {vgl.  LachfH,  Liier.  />.  160.). 
Vokal  ver  Schleifung  findet  nach  Ausfall  eines  v  in  der  Aussprache 
statt  in  den  bei  Plautus  einsilbig  gemessenen  Wortformen: 


—     183     — 

na  vom,  ovis, 

Iovem,  novo, 

boves,  brevT,  vgl  Rilschl,  Prall.  Tr.  p.  151  f. 

und  ebenso  in  den  dreisilbig  gemessenen  Formen: 

obhvisci, 

avonculus, 

caveto, 
wie  in  den  viersilbig  gemessenen : 

c  a  v  1 11  a  t  o  r , 

iuTentutem,  Bitschi,  a.  0. 

In  dem  Absclmitt  über  den  Consonanten  v  ist  gezeigt  worden, 
dass  derselbe  zwiseben  zwei  Vokalen  einen  weicheren  Laut  hatte 
und  daher  in  zahlreichen  Fällen  ganz  ausfiel.  Dieser  Ausfall  des  v 
ist  in  diesen  Plautinischen  Formen  noch  nicht  völlig  durch- 
geführt, was  daraus  hervorgeht,  weil  das  v  eben  noch  geschrieben 
wird  und  nachher  zu  allen  Zeiten  bis  auf  einzelne  Ausnahmen  im- 
mer geschrieben  worden  ist.  Ein  schwaches  Zusammenziehen  der 
Lippen  scheint  den  V-Laut  zwischen  den  beiden  Vokalen  noch  an- 
gedeutet zu  haben,  der  tieftonige  von  den  beiden  diesem  schwa- 
chen labialen  Hauch  zur  Seite  stehenden  Vokalen  ward  irrational 
gesprochen ;  waren  sie  beide  tieftonig,  so  wurden  sie  auch  beide  ir- 
rational ausgesprochen. 

Auch  die  V  o  k  a  1  v  e  r  s  c  h  m  e  l  z  u  n  g  hat  ihre  E  n  t  w  i  c  k  e  1  u  n  g  s- 
ge schichte  gehabt.  Die  Verschleifung  des  unbetonten  mit  dem 
folgenden  betonten  Vokal  ist  in  der  Seenischen  Dichtung  vorwiegend 
eigen;  doch  findet  sie  sich  bei  Lucrez  nicht  selten,  wie  in  ma- 
luisti,  oriündi,  deineeps,  seörsum,  seörsus.  Bei  den 
Dichtern  der  Augusteischen  Zeit  und  den  späteren  tritt  sie  verhält- 
nissmässig  selten  auf  wie  in  a  1  v  e  a  r i  a ,  deineeps,  p  i  t  u  i  t a  , 
semi änimis,  eulque.  Ebenso  gehört  die  Verschleifung  des 
hochbetonten  mit  dem  tieftonigen  Vokal  der  Sprache  der  Comödie 
und  Tragödie,  während  die  Daktylische  Poesie  sie  nur  vereinzelt 

anwandte,  wie  Lucrez  quo  ad,  pro  in,  pro  in  de,  rei,  Ca- 
tull  e  i  und  die  Dichter  der  Augusteischen  Zeit  h  nie  ( Verg.), 
cüi  (Prop.  Hör.),  Pompei,  Vult  e  i  -(Hör.).  Von  diesen  bei- 
den Arten  der  Vokalverschleifung  ist  im  Italienischen  nur  die  letzt- 


— .     184     — 

genannte  noch  in  einzelnen  Spuren  erkennbar.  Die  Italienischen  For- 
men (I  i  s  für  d fe  s ,  furo,  f o r  o  für  f u e r u n t  (vgl.  stetgrunt)  zei- 
gen wie  d ie  Vokalverschleifung  zur  A  u  s  s  t  o  s  s  u  n  g  d  e  s  t  i  e  f  t  o  n  i  g  e  n 
Vokales  geführt  hat.  Es  ist  hiernach  klar,  dass  die  N  e  ig  u  n  g  der  La- 
teinischen Sprache  zur  Vokalverschleifung  es  war,  die  den  Aus- 
fall und  die  Kürzung  von  Vokal  neben  Vokal  überhaupt  ver- 
mittelte, dass  namentlich  die  seltene  Kürzung  des  hochbetonten  Vo- 
kales vor  tieftonigem  in  zweisilbigen  Wortformen  wie  tui,  plui, 
fui,  deus,  eas,  eos  u.  a.  erst  durch  die  Vokalverschlei- 
fung herbeigeführt  wurde.  Die  heutige  Aussprache  der  Italienischen 
Wörter  due,  süö,  tüö,  miö,  diö  zeugt  nun  aber  auch  dafür, 
dass  die  Lateinischen  Formen  düo,  süo,  tüo,  meo,  deo,  die  bei 
den  Seenischen  Dichtern  den  Werth  einer  langen  Silbe  für  die  Vers- 
messung haben,  niemals  im  Volksmunde  vollständig  einsilbig  ge- 
sprochen worden  sind,  sondern  dass  beide  Laute  deutlich  unter- 
schieden wurden ;  dieselben  Italienischen  Formenlehren  auch,  dass 
die  hoch  betonte  Silbe  die  vor  kling  ende  in  der  Vokal - 
Verschmelzung  blieb,  daher  viel  weniger  von  der  durch 
dieselbe  veranlassten  Kürzung  betroffen  wurde  als  die  tieflo- 
nige. 

Einen  anderen  Entwickelungsgang  hat  die  Verschleifung  tief- 
toniger  Vokale  genommen.  Sie  zeigt  sich  namentlich  in  den  Suf- 
fixen -uo,  -ui,-io,-ia,-co,  -ea  schon  bei  den  alle r e n  D i  c h  - 
lern,  sie  wird  dann  bei  den  spateren  häufiger,  gerade  als  die 
beiden  zuersl  erwähnten  Arten  derVokalverscbmelzung  seltener  wer- 
den. Wenn  gerade  diese  Art  der  Vokalverschleifung  zwischen  tief- 
tonigen  Vokalen  in  der  spateren  Laie  inisehen  Volkssprache 
wie  in  den  Romanischen  Sprachen  weiter  um  sieh  gegriffen 
hat,  so  liegt  der  Grund  darin,  dass  die  Macht  des  Hochtons 
über  die  Tondauer  der  Silben  im  Wort«1  immer  entschiedener  ge- 
worden ist  und  endlich  in  den  Romanischen  Sprachen  ganz  die 
Oberhand  gewonnen  hat.  Durch  den  Hochton  ward  der  hoch- 
betonte Vokal  vom  tiefton  igen  scharf  hervorgehoben  und 
so  der  II  a  n  g  «1  e  r  Sprache  z  u  r  V  o  k  a  1  v er  s c  h  1  e i f  un g  zu- 
rückgedrängt; der  Verschleifung  tie  f tonige  r  Silben  hin- 
gegen stellte  die  Betonung  kein  Hinderniss  entgegen,  und 
hier  folgte  daher  die  Spracjie  ihrem  altgewohnten  Hange  die  benach- 
barten Vokale  zu  verschieden. 


—     185     — 

Die  Untersuchung  über  die  Vokalverschleifung  im  Inlaut  hat 
also  ergeben,  dass  ein  tieftonigcr  Vokal  vor  tieftonigem  Vo- 
kal infolge  der  Vokalverschleifung  zu  einem  stummen  oder  irra- 
tionalen Laut  wird,  der  sich  zu  den  Consonanten  j  und  v  ver- 
härten und  ganz  ausfallen  kann.  Tieftoni g er  Vokal  vor  hoch- 
betontem Vokal  sinkt  ebenfalls  durch  die  Vokalverschleifung  zu 
einer  irrationalen  Kürze  herab.  H  o  ch  b  e t o  n  t  e  r  kurzer  Vo- 
kal wahrt  in  der  Vokalverschleifung  vor  tieftonigem  Vokal  seine 
Zeitdauer;  ist  der  ihm  f  o  1  g  e  n  d  e  Vokal  von  Natur  1  a  n  g ,  so  wird 
derselbe  mittelzeitig  wie  die  Endsilbe  Iambischer  Wortformen. 
Hochbetonter  langerVokal  vor  tieftonigem  Vokal  wird  mit- 
telzeitig; warder  tieftonige  Laut  ein  langer  Vokal,  so  kürzte 
auch  er  sich  mindestens  zu  einem  irrationalen  mittelzeiti- 
gen Laute. 

Vokalverschleifung   im  Auslaut. 
(Uvvahoiyrj.) 

Ci  cero  erklärt  es  für  eine  so  ausgebildete Eigenthümlichkeit  der 
Lateinischen  Sprache  den  auslautenden  mit  dem  anlautenden 
Vokal  im  Zusammenhang  der  Rede  zu  verschleifen,  dass  nie- 
mand so  bäurisch  sei,  diese  Vokale  nicht  in  der  Aussprache  zu 
verbinden  {OratA^.  §  150).  Er  hält  diese  Lautverbindung  des  voka- 
lischen Auslautes  und  Anlautes  für  eine  so  gebieterische  sprachliche 
Notwendigkeit,  dass  er  sagt  "auch  wenn  wir  es  wollten,  es  wäre 
uns  nicht  verstattet,  die  Worte  auseinander  zu  zerre n" (Orat. 
a.  0.  §  152).  Was  Roms  grösster  Redner  von  seiner  Muttersprache 
sagt,  würde  für  uns  ein  sicheres  Zeugniss  sein  über  die  Aussprache 
derselben,  auch  wenn  kein  Vers  eines  Römischen  Dichters  uns  er- 
halten wäre.  Man  vergleiche  nun  aber  mit  Ciceros  Worten  Verse 
Römischer  Dichter  wie  folgende: 

Plaut.  Trin.  710: 

Eödem  pacto  quo  hüc  accessi  apscessero.  i  hac  mecüm  dorn  um. 
Enn.  trag.  v.  50.  V. : 

Fer  mi  äuxiüum ,  pestem  abige^  nie,    flammiferam   hanc  vim, 

quäe   me  exeruciat. 
Terenl,  Ad.  V,  3,  68 : 

I  ergolntro;  et  cui  reist,  ei  rei  hunc  sumamüs  diem. 


—     186    — 

Lucr.  I,  234 : 

Quodsfin  eo  spatio~atqii(Panteacta'"aetate  fuere. 
Hör.  Sah  I,  3,  20 : 

Nullane  habes  vitia?  imo  alisTet  fortasse  minora. 

In  diesen  fünf  trochäischen ,  iambischen  und  daktylischen  Ver- 
sen aus  der  Zeit  des  älteren  Scipio  wie  des  Cäsar  und  des  August 
findet  sich  ein  und  zwanzig  mal  Auslaut  und  Anlaut  verschliffen. 
Wenn  in  der  Verskunst  des  Plautus,  wie  Ritschi  erwiesjen  hat  (Prot. 
Trin,  188./.),  weder  ein  metrisches  Motiv,  noch  ein  Abschnitt  des 
Sinnes,  wie  er  durch  eine  starke  Interpunction  in  der  Schrift  be- 
zeichnet wird ,  oder  durch  Wechsel  der  redenden  Person  im  Zwie- 
gespräch entsteht,  stark  genug  ist  um  jedenfalls  und  unbedingt  der 
Vokalverschleifung  im  Versbau  eine  Grenze  zu  setzen,  so  ist  das 
neben  dem  Zeugniss  des  Cicero  und  der  Messung  der  angeführten 
Verse  wahrlich  ein  einleuchtender  Beweis ,  wie  weit  die  romische 
Volkssprache  im  Munde  der  Generationen,  die  den  Ilannibal,  An- 
tiochus  und  Philippus  schlugen,  die  Carthago,  Corinth  und  Numanz 
zerstörten,  in  der  Verschleifung  des  Auslautes  mit  dem  Anlaute 
gegangen  sein  muss. 

Es  fragt  sich  nun,  wie  die  im  Anlaut  und  Auslaul  der  Rede 
sich  begegnenden  Vokale  eigentlich  gesprochen  worden  sind.  Wir 
sind  seit  unseren  Knabenjahren  so  gewöhnt  Lateinische  Verse  so  zu 
lesen,  dass  wir  den  auslautenden  Vokal  gar  nicht  hören  lassen,  und 
in  den  Grammatiken  wird  gelehrt,  dass  der  auslautende  Vokal  eli- 
diert würde.  Man  könnte  geneigt  sein  dieser  Ansicht  beizupflich- 
ten, wenn  man  sieht,  wie  die  Romanischen  Sprachen  und  insbeson- 
dere die  Italienische  in  der  That  den  auslautenden  Vokal  in  /ahlrei- 
chen Fällen  vor  vokalischem  Anlaut  des  folgenden  Wortes  ganz  ver- 
klingen lässt.  Und  doch  sprechen  zw  ei  u n  wid erle g  I  ich  e  Zeug- 
nisse dagegen,  dass  hier  von  einer  A  usstossung  des  auslau- 
tenden Vokales  die  Rede  sein  könne,  einmal  d  i  e  S  c  li  r  i  II .  und  dann 
die  ausdrückliehen  Worte  der  Allen  selbst.  Die  Schrift 
widerlegt  diese  Annahme ;  denn  wären  jene  auslautenden  Vokale  im- 
mer in  der  Aussprache  ganz  geschwunden,  so  würden  sie  nicht  in 
der  Schrift*  immer  geschrieben  sein.  Die  Römischen  Grammatiker 
würden  sich  des  Apostrophs  als  Denkzeichen  eines  abgefallenen 
Vokales  im  Verse  st»  gul  bedient  haben  wie  ihre  Vorbilder  die 
Griechischen  Grammatiker,  wenn  sie  nicht  deutlich  gehürl  ballen. 


-     187     — 

dass  der  auslautende  Vokal  noch  tönte.  Das  bestätigen  aufs  be- 
stimmteste auch  Ciceros  und  Quintilians  Bezeichnungen  des  lautli- 
chen Vorganges  beim  Zusammentreffen  von  Vokalen  im  Auslaut  und 
Anlaut  der  Wörter:  vocales-coniungere  (Cic.  Or.  44,  150.); 
v o c a  1  e s  f r e q u e n ti s s i m e  coeunt  et  consonantium  qua  e- 
dam  insequente  vocali  dissimulatur  (Quint  XI,  3'» 34) ; 
coitus  syllabarum  (Quint.  IX,  4,  59);  coeuntes  litterae 
q u a e  a vv a l o i cp cc C  d  i c u n t u r  [Quint.  IX,  4,  35) ;  verba-ver- 
bis-coagmentare  (Cic.  Or.  23,  77.),  c o n g  1  u t i n a t i o - v e r b o - 
nun  (a.  0.).  Diese  Ausdrücke  können  unmöglich  etwas  anderes 
als  ein  Zusammenwachsen,  Zusammenschmelzen,  In- 
ei na nderfli essen  der  Vokale,'  eine  Vo  kalvcr Schleifung  be- 
deuten ;  von  einer  elisio,  einer  Ausstossung  eines  Vokales,  ist 
an  jenen  wichtigen  Stellen  des  Cicero  und  Quintilian  nichts  zu 
lesen. 

Die  spateren  Römischen  Grammatiker  übersetzen  <5vva- 
Xoicpri  allerdings  durch  elisio,  Vater.  Prob.  p.  1439.  P.:  Syn- 
aloephe  est,  cum  intcr  duo  verbain  coneursu  duarum 
v  o  c  a  1  i  u  m  n  u  1 1  a  i  n  t  e  r  c  e  d  e  n  t  e  consonante  u  n  i  u  s  f  i  t  v  o  - 
calis  elisio.  Vgl.  Mar.  Vict.  p.  2509.  Diom.  p.  437.  Aber  sie 
urtheilten,  wie  die  von  ihnen  an  den  betreffenden  Stellen  angeführ- 
ten Verse  zeigen,  über  die  Sache  nur  aus  der  Versmessung,  in  der 
sie  den  auslautenden  Vokal  vor  vokalischem  Anlaut  des  folgenden 
Wortes  libergangen  und  geltungslos  fanden.  Cicero  und  Quintilian 
hingegen  sprechen  an  den  angeführten  Stellen  von  der  Aussprache 
im  Munde  des  Redners,  in  ungebundener  Rede,  sie  urtheilen  nach 
dem,  was  sie  selber  hörten  und  sprachen.  Jene  gelangten  so  zu 
dem  Schluss,  dass  ein  Vokal,  der  nicht  mehr  die  Geltung  einer  me- 
trischen Kürze  hatte,  gar  nicht  mehr  gesprochen  sei,  und  übersetzten 
daher  6  vvalo  i^r\  unrichtig  durch  elisio,  Cicero  und  Quinti- 
lian hörten,  dass  der  auslautende  Vokal  nicht  ganz  schwand,  sondern 
nur  mit  dem  folgenden  anlautenden  Vokal  verschmolz,  somit  un- 
deutlich gesprochen  und  gleichsam  vertuscht  wurde,  wie  dies 
Quintilians  Ausdruck  dissimulatur  bezeichnet. 

Um  zu  erkennen,  welcher  Art  diese  V o k a  1  v e r s c h  1  e i f  u n g 
zwischen  Auslaut  und  Anlaut  ist,  wird  man  also  die  Er- 
scheinungen derselben  mit  den  oben  über  die  Vokalverschleifung 
im  Inlaut  gefundenen  Ergebnissen  zu  vergleichen  haben. 


_     J  88     ■— 

Der  Betonung  nach  ist  der  auslautende  Vokal  eines  Wortes 
in  der  ungeheuren  Mehrzahl  der  Fälle  ein  tieftoniger.  Dies  gilt 
nicht  nur  von  den  zwei-  und  mehrsilbigen,  sondern  auch  zum  Theil 
von  den  einsilbigen  Wörtern,  denn  die  Formen  der  Demonstrativa 
hi,  hae,  der  Relativa  qua,  quae,  qui,  q uo,  die  Präpositionen 
a,  de,  e,  pro,  prae,  die  Conjunctionen  ne,  ni,  si  sind,  wie  in 
dem  Abschnitt  über  die  Betonung  sieh  ergeben  wird,  enklitisch 
und  verlieren  ihren  Hochton  im  Zusammenhang  der  Rede,  wenn  sie 
nicht  durch  den  Sinn  besonders  hervorgehoben  werden. 

Es  bleiben  also  wenige  Fälle  übrig,  wo  auslautender  langer  Vo- 
kal hochbetont  ist,  wie  die  Imperativformen  da,  sta,  i,  die  Indi- 
cativformen  do,  sto,  die  Formen  des  Personalpronomens  nie,  te, 
se,  mi,  tu,  des  fragenden  Pronomen  qua,  quae,  qui  (Nom.  u. 
Abi.),  quo  und  die  Ablative  re,  vi,  die  Ausrufungen  e!  vae!  heu!, 
o!  pro!  und  die  Bekräftigungspartikel  ne.  Auslautender  kurzer 
Vokal  ist  im  Lateinischen  immer  tiefbetont. 

Um  nun  zuerst  den  letzteren  Fall,  wo  der  auslautende  Vo- 
kal ein  kurzer  ist,  zu  betrachten,   so   kann  der  Anlaut  des  fol- 
genden Wortes  hochbetont  oder  tieftonig  sein. 
Er  ist  hochbetont  in  folgenden  Beispielen: 

Lacr.  IV,  651  :  Esse  triquetra  äliis  .  . 

Verg.  Aen.  VI,  411  :  In  de  alias  animas  .  . 

Verg.  Aen.  VI,  852:  Hae  tibi  er  mit  artes  .  . 

Verg.Ecl'S,  88:  Qui  te,  Polliolmat.  . 
Er  ist  tieftonig  in  folgenden  Versen : 

Enn.  Ann,  v.  263.   V.:  Non  semper  vostra  evörl  et  .  . 

Liter.  I,  152:  Quod  multa  in  terris  . . 

Tib.  III,  4,  34:  Lilia~nt  auctiimno  .  . 

Liter.  IV,  423:  Et  fluerelidsinxili  .. 

Enn.  Ann.  v.  333.  V.:  Quod  quisque~in  hello  .  . 

a.  0.  v.  318:  >Sod  quid  ego  haec  niemoro  .  . 

a.  0.  v.  346:  . .  Ululatque"]  bfac  ut  e. 

Oben  ist  gezeigt  worden ,  wie  im  Inlaut  tieftoniger  kurier  Vo- 
kal vor  folgendem  hochbetonten  wie  vor  tieftonigem  Vokal  zu  einer 
irrationalen  Kürze  herabsank.  In  den  früheren  Abschnitten  ist 
nachgewiesen,  wie  gerade  in  der  Endsilbe  und  namentlich  im  Auslaut 


-     189    — 

kurze  Vokale  ganz  verklangen,  weil  die  Endsilbe  fast  immer  tieftonig 
war.  Es  ist  also  begreiflich  wie  im  Auslaut  ein  kurzer  Vokal  infolge 
der  Tonverschleifung  mit  dem  anlautenden  hochbetonten  oder 
tieftonigen  Vokal  des  folgenden  Wortes  zum  Werthe  eines  stum- 
m  e  n  Vokales  einschrumpfen  konnte. 

Ist  der  auslautende  Vokal  hingegen  ein  1  a  n  g  e r ,  so  kann  der 
anlautende  Vokal  des  folgenden  Wortes  ebenfalls  hochtonig  oder  tief- 
tonig sein. 

Hochtonig  ist  er  in  folgenden  Beispielen  : 
Enn.  trag.  v.  65.  V.:  Ibi  ex  oraclo  voce  divin ä  edidit  .  . 
Verg.  Aen.  XII,  548:  Totae  adeo  conversae  acies  .  . 
Verg.  Aen.  VII,  130:  Quareägite  et  primo  .  . 
Enn.  Ann.  v.  200.] V.:  Nee  ml  aürum  posco  .  . 
Verg.  Aen.  II,  193:  Ultrö  'Asiam  magno  .  . 
Euer.  I,  206:  Semine  quandö  opus  est  .  . 

Tieftonig  oder  mitteltonig  ist  der  anlautende  Vokal  in  folgen- 
den Beispielen: 

Euer.  I,  234 :  . .  Ante  acta  a  e  t ä  t  e  fuere. 
Enn.  Ann.  v.   186.   V.:  Aio  teAeacida.  . 
Lucr.  1,  234:  Quodsl  in  eo  spatio  .  . 
Enn.  Ann.  v.  81 .  V. :  A  u  sp iciö  a  u g  u ri  ö  q  u e. 
a.  0.  v.  243 :  C  o  n  s  i  1  i  ö  in d  u  foro. 
Lucr.  I,  180:  .  .  Subito  exorerentur. 
Verg.  IX ,  243 :  Venatüassid u  o. 

Es  ist  im  vorigen  Abschnitte  nachgewiesen,  wie  im  Inlaut  ein 
tieftoniger  langer  Vokal  vor  folgendem  Vokal  sich  zu  einem  irrationa- 
len Werth  kurzen  konnte.  Zahlreiche  Beispiele  haben  gezeigt,  dass 
lange'Vokalc  im  Auslaut  sich  kürzen,  erleichtern  und  ganz  verklin- 
gen, dass  sie  in  zweisilbigen  Wortern  mit  kurzer  Stammsilbe  sogar 
vor.  anlautendem  Consonanlen  stumm  werden  konnten  und  in  For- 
men wie  bene,  mali,  domo,  manu  nach  Plautinischer  Messung 
allen  metrischen  Werth  verloren.  So  wird  es  erklärlich,  dass  in  der 
tieftonig  und  dumpf  gesprochenen  Silbe  ein  auslautender  lan- 
ger Vokal  infolge  der  Tonverschleifung  mit  dem  anlautenden 
Vokal  des  nächsten  Wortes    zu  einer   irrationalen  Kürze   ein- 


—     190     — 

schrumpfen  und  in  der  Messung  des  Verses  alle  metrische  Geltung 
verlieren  konnte.  So  konnte  es  kommen ,  dass  in  der  Plautini- 
schen  Messung  die  Formen  des  demonstrativen  Pronomen  e"o,  ei, 
ea ,  ea m  zwischen  einem  vokalisch  oder  auf  m  auslautenden  und 
einem  vokalisch  anlautenden  Worte  die  metrische  Geltung  verlor, 
obwohl  es  natürlich  in  der  Aussprache  hörbar  blieb;  so  zum  Bei- 
spiel : 

Plaut.  Irin.  827:  Näm  pol  placidum  te  et  dementem   eo~us- 

que  modo  .  . 

Trin.  1 37 :  Ille  qui  mandavit  e um  e  x  t  u  r  b  a  v  i  s  t  i  a  e  d  i  b  u  s  ? 
Truc.  I,  2,  92:  Peperisse  eam  audivi 
{Fleckeisen,  N.  Jahrb.  LXI,  47.  Arm.) 

In  derselben  Weise  erscheinen  auch  die  Formen  meo,  mea, 
irrational  gemessen  in  Versen  wie  : 

Plaut.   Pseud.  428:  Si  meo  arbitrato  liceat  .  . 

Men.  804:  Me  despoliat  mea  örnamenta  .  . 

Epid.  V,  2,  22:  'Eho!  quid  agis  tuon* arbitrato  meo  her- 
c  I  e  vero  atque  haüd  tuo. 

So  schrumpfte  im  Griechischen  >),  §,  u  >;',  xqij  im  Verse  vor 
vokalischani  Anlaut  des  folgenden  Wortes  zu  einem  irrationalen, 
metrisch  nicht  mehr  in  Betracht   kommenden  Laut  an  Stellen  wie: 

yov%  älig,  IL  V,  349,  !}  stöoxev,  II.  V,  106,  t]  eixtut- 
vcci,  Od.  IV,  682,  )j  etdojog,  Eur.  Iph.  T.  1048.,  pij  ttdi- 
vai,  Soph.  Aul.  X\,  263  u.  «..  #o>)  eidsvcci,  Klu-s.  683. 
Wenn  schon  die  Homerische  Sprache,  die  doch  im  Inlaut  ohne  Ver- 
schleifung  drei  bis  vier  Vokale  neben  einander  verträgt,  durch  Ton- 
verschleifung des  auslautenden  und  anlautenden  Vokales  /u  solchen 
irrationalen  Vokalen  gelangt,  so  ist  das  in  der  Römischen  Volks- 
sprache bei  ihrer  ausgeprägten  Neigung  zur  Vokalverschleifung  um 
so  Leichter  erklärlich,  wie  sie  jene  Formen  eo,  ei,  meo  u.  a.  fast 
verklingen  lassen  konnte. 

Zweierlei  also  lässi  sieh  aus  der  Synaloephe  bei  den  Lateini- 
schen Dichtern  mit  Sicherheil  erkennen:  einmal,  dass  diese  Vokal 
verschleifung  eine  entschieden  ausgebildete  Eigentümlich- 
keit der  Römischen  Volkssprache  ist,  dann  aber,  dass  der 


—     191      — 

auslautende  Vokal  bei  derselben  zu  einem  s t  u  m  m  c  n  Vokal 
einschrumpft,  aber  nicht  ganz  verklingt.  Dass  unmessbare  Vokale 
für  den  Vers,  der  die  Silben  nach  ihrer  Tondauer  mit  einer  festen 
Maasseinbeit  messen  will,  störend  sein  müssen,  liegt  in  der  Natur 
der  Sacbe.  Aus  diesem  Bewusstsein  ist  das  Streben  der  Römi- 
schen Dichter  hervorgegangen,  die  S-ynaloephc  so  weit  zu 
beschränken,  als  es  mit  dem  Genius  ihrer  Muttersprache  ver- 
einbar war.  Schon  bei  Plautus  unterbleibt  dieselbe  und  der  Hia- 
tus wird  geduldet  an  der  Stelle  des  Verses,  wo  Wechsel  der 
redenden  Person  eintritt \{Ritschly  Prol.  p.  189.  /.),  sehr  natür- 
lich, weil  im  wirklichen  Zwiegespräch  des  alltäglichen  Lebens  der 
auslautende  Vokal  im  Munde  des  Einen  nicht  verschmelzen  kann 
mit  dem  anlautenden  Vokal  im  Munde  des  Andern,  sondern  durch 
eine  Tonpause  von  demselben  getrennt  ist.  Ebenso  wird  bei  den 
Scenischen  Dichtern  der  Hiatus  geduldet  in  gewissen  rhythmi- 
schen Abschnitten,  wie  in  der  Mitte  von  A  s y n ar t e ti s  che n 
Versen,  besonders  vgn  lambischen,  An  apa  es  tischen  und 
Cretischen  Tetrametern,  seltener  im  Trochäischen  Scp- 
tenar  (a.  0.  p.  192)  und  vor  entschiedenen  Sinnesabschnitten 
auch  ausser  dem  Redewechsel,  die  in  der  Rede  eine  Pause,  in  der 
Schrift  eine  starke  Interpunction  bedingen  (a.  0.  p.  189.). 

Eine  Beschränkung  findet  die  Vokalverschleifung  im  Auslaut 
einsilbiger  Wörter,  darin,  dass  bei  den  Scenischen  Dichtern, 
in  den  Satiren  des  Lucilius  und  Iloratius,  im  Hexameter  des 
Lucretius  und  Vergilius  und  in  Catuilus  Hendekasy Haben 
der  auslautende  lange  Vokal  derselben  mit  dem  anlautenden  kurzen 
Vokal  des  folgenden  Wortes  nicht  völlig  v  er  schliffen  zu 
weiden  braucht.  Die  allgemeine  Gültigkeit  dieses  Gesetzes  hat 
Fleckeiscn  (AT.  Jahrb.  LX1,  49  —  53)  aus  einer  grossen  Anzahl  von 
Beispielen  überzeugend  dargetban.  So  werden  die  einsilbigen  For- 
men der  Pronomina  nie,  tu,  te,  mi,  m ei,  qui,  quae,  quo, 
quoi,  i  (für  ii),  die  Präposition  de  und  die  Conjunction  si  vor  kur- 
zem vokalisch  in  Anlaute  in  der  Art  gemessen ,  dass  sie  iii  Lambi- 
schen Versen  häufig  die  erste  Kürze  einer  aufgelösten  Vershebung, 
oder  in  Anapästischen  und  Daktylischen  Versmaassen  die  erste  Kürze 
der  Verssenkung  bilden;  so: 

Plaut  Ämph.  655:  Quae  nie  amat  .  . 

Ter.  Eun.  I,  2, 113:   Dies  noctisque  me  ames  .  . 

Hör.  Seit.  I,  9,  38:  Si  nie  amas  .  . 


—     192     — 

Plaut.  Mü.  1330:  ./Oml  anime  . . 

Ter.  Andr.  IV,  3,  6:  Seil  Dävos  exit.  mi  homo  .  . 

Ter.  Andr.  V,  8,  23 :  Meritö  tuo  t  e  amo  .  . 

All.  trag.  R.  p.  126:  .  .  Immäne  te  habet  templum  .  . 

Catull.  55,  4:  Te  in  circo,  te  in  omnibus  Iibellis. 

Plaut.  Mtl.  1412:  Quöd  tu  hodie  bic  . . 

Da  das  persönliche  Pronomen  den  Hochton  auch  im  Zusammen- 
hange der  Rede  bewahrt,  so  findet  hier  Kürzung  des  auslautenden 
hochbetonten  Vokales  vor  anlautendem  Vokal  statt  wie  im  Inlaut 
vonfluo,  cluo,  pluo,  tui,  clui,  fui  langer  hochbetonter  Vokal 
vor  folgendem  Vokal  kurz  geworden  ist,  indem  sich  infolge  der 
Vokalverschleifung  die  eine  Hälfte  der  Tondauer  des  langen  hoch- 
betonten Vokales  abschliff. 

Aehnlich  verhält  es  sich  mit  der  Kürzung  von  den  übrigen  der 
angeführten  einsilbigen  Wörter,  für  die  hier  ebenfalls  einige  Beispiele 
stehen  mögen: 

Plaut.  Trin.  242:  Nam  qul  amat . .         # 

Lucr.  II,  617:  Vivam  progeniem  qurin  oras  . . 

Verg.  Ecl.  8,  108:  Credimus?  an  qui  amant  .  . 

Lucr.  II,  404:  AI  contra  quae  amara  . . 

Lucil.  Non.p.  263.  G.:  Quid  servas,  quo  eam,  quid  agam? 

Mü.  1356:  'Et  si  ita  sentenlia  esset  .  . 

Die  hier  vorkommenden  einsilbigen  Winter  sind  ,  wie  unten 
nachgewiesen  werden  wird,  enklitisch  und  verlieren  im  Zusammen- 
hange der  Rede  ihren  Hochton.  Ihr  auslautender  langer  Vokal 
kürzt  sich  also  vor  folgendem  Vokal,  wie  sieh  oll  im  Inlaut  tieftonige 
Vokale  vor  tieftonigen  oder  hochtonigen  durch  die  Vokalverschlei- 
fung  kürzten. 

Wenn  so  der  Auslaut  der  besprochenen  einsilbigen  Wörter  vor 
vokalischem  Anlaut  des  folgenden  Wortes  häufig  nichl  zu  einem  ir- 
rationalen Vokal  einschrumpfte,  der  für  die  Versmessung  ganz  die 
Geltung  verlor,  sondern  dasMaass  eines  kurzen  Vokales  noch  wahrte, 
so  lag  das  weder  an  ihrer  Betonung,  uoch  an  ihrer  hervorstechenden 
Bedeutung  im  Sinne  des  Satzes,  denn  diese  ist  meistentheils  eine 
untergeordnete,  dalier  auch  ihre  Betonung  vielfach  lieftonig.  In  der 
Volkssprache  hatten  die  auslautenden  Vokale  jener  Wörter  vor  vokali- 
schem Anlaut  denselben  irrationalen  Laul  wie  vor  mehrsilbigen  Wör- 
tern in  dieser  Verbindung;  da  aber  die  Römischen  Dichter  für  ihre 
Anapästen,    Daktylen   und    aufgelöste    lamben   Kurzen   brauchten, 


—     193     — 

so  machten  sie  von  der  ihnen  zustehenden  Befugniss  Gehrauch,  ei- 
nem irrationalen  Vokal  die  Geltung  einer  regelrechten  Kürze  beizule- 
gen und  te  amo,  quo  illam,  st  i  1a  u.  a.  zu  messen.  Fanden  sie 
doch  in  den  Versen  ihrer  Griechischen  Vorbilder  so  häufig  auslau- 
tenden langen  Vokal  vor  anlautendem  Vokal  des  folgenden  Wortes 
metrisch  als  Kürze  behandelt.  Die  Romischen  Dichter  hoben  durch 
die  angegebene  Messung  die  volkstimmliche  Synaloephe  nicht  auf, 
denn  die  Hälfte  der  Tondauer  des  ursprünglich  langen  Vokales 
blieb  ja  abgeschliffen,  sie  hoben  in  der  Vokalverschleifung  nur  den 
ersten  Vokal  etwas  entschiedener  hervor  und  beschrankten  den  Grad 
der  Vokalabschleifung  einigermassen. 

Leinreich  ist  nun  zu  verfolgen,  wie  die  Römische  Kunst- 
dichtung dieser  volksthümlich en  Vokalver Schleifung 
immer  mehr  abgeneigt  wurde,  wie  sie  immer  mehr  dahin  strebte 
dem  auslautenden  langen  Vokal  seine  Geltung  als  volle  Lange  zurück- 
zugeben, und  dein  Hiatus  mehr  und  mehr  Raum  gaben. 

Wie  die  engen  Grenzen  des  Hiatus  für  die  Scenischen 
Dichter  durch  die  kritischen  Forschungen  von  Ritschi  und  Fleck- 
eisen bestimmt  sind,  so  haben  in  neuerer  Zeit  eingehende  Special- 
forschungen namentlich  von  Lach  mann  {Lucret.  Comm.  p.  99, 
131.  159.  195  —  200.  387.  Inda.  lect.  Berol.  1847.  1848.)  und 
M.Haupt  {Observation.  Critic.  1 84 1  p.  15  —  24.  de  carmin.  Imcol. 
Calpurn.  et  Nemesian.  p.  2  /'.)  über  den  Hiatus  und  die  Vermei- 
dung der  Vokalverschleifung  neue  Aufschlüsse  gegeben,  die  hier  nicht 
unbenutzt  bleiben  dürfen. 

Die  erste  Art  der  Beschränkung  der  Vokalverschleifung  zwi- 
schen Auslaut  und  Anlaut  wird  bedingt  durch  die  Betonung  der 
anlautenden  Silbe  des  zweiten  Wortes.  Beinahe  alle  Dichter 
meiden  die  Vokalverschleifung,  wenn  auf  ein  lambisches  Wort, 
das  auf  einen  Vokal  auslautet,  ein  Wort  mit  dein  Hoch  ton  auf 
der  ersten  Silbe  folgt;  nur  Lucilius  bindet  sich  nicht  an  diese 
Schranke  und  Phaedrus  und  Seneca  kehren  zur  Freiheit  der  äl- 
teren Scenischen  Dichtung  in  dieser  Beziehung  zurück  {Lachm. 
Lucr.  p.  196).  So  unterblieb  die  Vokalverschleifung  zum  Bei- 
spiel in  folgenden  Versen  : 

Verg.  Ecl.  6,44:  .  .  Hyla,  Hylä  ömne  sonaret. 

Verg.  Ecl.  3,  79:  ..  Vale,  vale!   inquit  Iolla. 

Cat.  114,  6:  Dum  domo  ipse  egeat. 

Cat.  66,  11  :  .  .  Novo  aüctus  Hymenaeo. 

CORSSEN  II.  13 


—     194     — 

Vcrg.  Aen.  I,  19:  .  .  Coluisse  Samö;  hie  illius  arma. 
Grat.  Cyn.  528:  .  .  Liquere  feräe.  '0  quanlus  in  armis. 

Die  meisten  Dichter  lassen  hingegen  den  Auslaut  lam  bi- 
sch er  Wortformen  verschleifen  mit  dem  Anlaut  einsilbiger 
oder  zweisilbiger  tieftoniger  Wörter  wie  der  enklitischen  Con- 
junctionen  ac,  atque.  et,  ut,  at,  aut,  haud,  der  enklitischen 
Präpositionen  in,  ad,  ex,  der  Formen  von  den  ebenfalls  enkliti- 
schen demonstrativen  Pronomen  hie  und  is  {Lachm.Lucr.pAQl /*.); 
so  zum  Beispiel: 

Lucil.  Non.  p.  188.  G.:  tua  et, 
Cic.  Aral.  263  :  1  eo~e t , 
Petron.  120,94:  cie~ac, 
Lucil.  Gell.  XIII,  14,  11  :  sua  atque. 
Verg.  Georg.  111 ,  253 :  c  a  v  u  e  a  t  q  u  e  . 
Verg.  Georg.  III,  466  :  s e  q  n  i  aut, 
Sen.  Hippol.  1268:  su6~~al, 
Slot.  Theb.  VI,  479:  equlTut, 
Sil.  V,  29S:  humoliaud, 
Cic.  Aral.  152:  retro  ad, 
Verg.  Aen.  XII,  737  :  d  ei  a  d  , 
Verg.  Aen.  I,  303:  de«Pin  primis, 
Verg.  Georg.  11,263:  s  o  1  <Ti  d , 
Verg.  Aen.  XII,  532:  solohunc, 
luv.  Sal.  V,  173  :   pal  i  bis. 

Seltener  ist  die  Vokalverschleifung  i\c*  auslautenden  Vokales 
lambis eher  Wortformen  mit  dem  anlautenden  Vokal  der  Wörter 

von  mehr  als  zwei  Silben,  deren  erste  tief  tonig  ist;  doch  fin- 
det sie  sich  bei  Lucilius,   Ca  tu  II   wie  bei  Cicero,    Vergil, 

Iloraz,    Propeiz,  Ovid  und   später  bei  Seneca.  Silius    u.  a.J 
so  zum  Beispiel : 

Verg.  Aen.  XI,  383:  tona  elöquio, 
a.  0.  VI,  336  :  a  q  u  £"i  n  v  ö  1  \  ms, 
luv.  VI,  327  :  m  o  r  a  e  i  m  p  ;i  tie n s, 
Vcrg.  Aen.  III,  210:   raviTin v*du  nl. 


—     195     — 

Sil.  VI,  460  :  1  o  c  fa  s p e  rn  a  t  u  s  , 

a.  0.  652:  siniTind  efensa,  vgl.  Lachm.  a.  0. 

Wenn  vor  hochtonigem  Vokal  im  Anlaut  in  diesen  Fällen 
die  Vokalverschleifung  unterbleibt,  vor  tieftonigem  statt 
findet,  so  ist  klar,  dass  der  Hoch  ton  hier  das  entscheidende 
Moment  ist.  Wird  der  Auslaut  einer  lambischen  Wortform  vor 
hochbetontem  Anlaut  des  folgenden  Wortes  durch  Vokalverschleifung 
ein  stummer  für  die  Messung  werthloser  Vokal,  so  trifft  der  scharfe 
Hochton  des  Vokales  der  ersten  Silbe  unmittelbar  mit  dem  Hochton 
des  folgenden  Wortes  zusammen.  Dies  Zusammenprallen  zweier 
Hochtöne  ist  eine  Härte  für  die  Aussprache,  und  es  mag  dazu  bei- 
getragen haben  den  Vokal  der  lambischen  Wortform  vor  dem  Anlaut 
des  folgenden  Wortes  zu  schützen,  weil  die  Dichter  jene  Härte  mie- 
den; aber  die  Scheu  vor  derselben  ging  doch  nicht  so  weit,  dass  sie 
auch  kurzen  Vok.il  im  Auslaut  vor  Verschleifung  geschützt  hätte. 
Es  ist  schon  gesagt  worden,  dass  die  Italienische  Sprache  nur  tief- 
tonige  Vokale  verschleift,  hingegen  der  Hochton  die  Silbe  auf  der 
er  steht  vor  dem  Zusammenfliessen  mit  einer  folgenden  oder  vorher- 
gehenden schützt. 

So  hinderte  auch  der  Hochton  der  anlautenden  Silbe  das  Zu- 
sammenfliessen ihres  Vokales  mit  dem  Auslaut  des  vorhergehenden 
lambischen  Wortes,  der  durch  seine  Länge  sich  entschieden  hörbar 
machte,  in  so  weit,  dass  jener  auslautende  Vokal  nur  kurz,  nicht 
stumm  wurde 

Aber  die  B  e schrä n  k u  n  g  d  e r  Vok a  1  v e r  s c hlei  f u n  g  zwi- 
schen Auslaut  Iambischer  Wörter  und  vokalischem  Anlaut  des  fol- 
genden Wortes  geht  auch  ohne  Rücksicht  auf  die  Betonung  noch 
weite  r. 

Nur  die  Seenischen  Dichter  lassen  den  auslautenden 
langen  Vokal  Iambischer  Wortformen  mit  k  u  r z  e  m  A  n  1  a  u  t  des 
folgenden  Wortes  verschieden,  die  übrigen  ziehen  den  Hiatus  an 
dieser  Stelle  vor  (Lachm. Lucr. p.  194),  ja  nicht  wenige  Dichter 
vermeiden  die  Verschleifung  des  auslautenden  langen 
Vokales  von  lambischen  Wort  formen  gänzlich  ,  besonders  in 
Daktylischen  Versen  und  im  Hendekasyllabus  (a.  0.  p.  199.  390). 

In  mehr  oder  minder  entschiedener  Weise  trilt  also  bei  den 
Dichtern  der  besten  Zeit  das  Bestreben  hervor,  den  lambi- 
schen Wort  formen   im  Verse  ihre  volle  Geltung  zulassen, 

13* 


—     196     — 

im   geraden  Gegensatz  zu  der  Neigung  der  Volkssprache,   die 
den  a  uslau  tende  n  Vokal  I a  m b i s c h e r  Wortformen  gern  kürzte, 
und  zu  der  Pyr  rhichischen  Messung  dieser  Wörter  beiden  See 
n  i  sehen  Diehtern,  die  dieser  Aussprach!?  folgten. 

Weiter  erstreckt  sich  die  Beschränkung  der  Verschleifung  lan- 
ger Vokale  im  Auslaut  auch  auf  mehrsilbige  Wörter.  Geht 
dem  auslautenden  langen  Vokal  oder  Diphthongen  eines  mehr- 
silbigen Wortes  ein  langer  Vokal  oder  Diphthong  vor- 
her, so  wird  derselbe  mit  dem  anlautenden  Vokal  des  folgenden 
Wortes  vielfach  nicht  verschliflen  {Lachm.  Lucr.  p.  158  —  1 63) ; 
so: 

Hör.  c.  II,  20,  13:  Da  e  daleö  ocio  r. 

Verg.  Georg.  I,  22 1 :  E  ö  Je  A 1 1  a  n  t  i  d  e  s. 

Ov.  Met,  VIII,  309:  Hyariteö  lolao. 

a.  0.  V,  312:  H  y  a  n  te  ä  A  g  a  n  i  p  p  e. 

a.  0.  XI,  17:  Bacchel  ululatu. 

/  rerg.  Bei.  2,  24  :  A  c  t  äe  ö  A  r  a  c  y  n  I  h  o. 

<)r.  Metam.  V,  409  :  Pis  T  •  .Te  A  re  t  h  u  s  a  e. 

Dass  ein  langer  Vokal  oder  Diphthong  die  Kraft  haben  sollte, 
einen  folgenden  Vokal  vor  Kürzung  zu  schützen,  Irin  in  der  Lateini- 
schen Lautgeschichte  nirgends  hervor,  man  niiiss  also  annehmen, 
dass  die  Römischen  Dichter  den  Griechischen  .Alustern  folgend  den 
auslautenden  Vokal  in  jenen  Griechischen  Namensformen  unter  der 
Vershebung  als  Lange  wahrten. 

Indessen  auch  hierbei  bleibt  die  Beschränkung  der  Vokalver- 
schleifung des  auslautenden  hingen  Vokale  bei  den  Dichtern  der 
Augusteischen  Zeil  nicht  stehen.  Iloraz  setzt  in  seinen  kunst- 
raässigen  und  gefeilten  Dichtungsformen  derselben  noch  engere 
Grenzen.  Während  er  in  den  Satiren,  welche  die  Umgangs- 
sprache des  gewöhnlichen  Lebens  im  Hexameter  zur  Darstellung 
bringen,  Verschmelzung  dvs  auslautenden  langen  Vo- 
kales mildem  anlautenden  kurzen  so  wenig  wie  Loci  lins 
meidet,  wendet  pr  dieselbe  sparsamer  an  in  den  Episteln,  gar 
nicht  in  der  Ars  poetica;  in  den  drei  eisten  Büchern  der  Oden 
findet,  sich  diese  Verschleifung  nur  dreimal,  und  im  vierten 
Buche  der  Oden  wie  im  Carmen  sae ciliare  gar  nicht 
{Haupte  observat.  crilic.  i>.  161.  Lachm.  Lucr.  j>.  m.  Brandt, 
Quaestion.  Horalian.  p.88/.).     Tibull,  Lygdamus   und  Ovid 


—     107     — 

endlich  lassen  die  Versehleifung  des  auslautenden  langen  Vokales 
mit  anlautenden  Kürzen  nur  im  ersten  Versfusse  zu  {Haupt,  a.  0.). 
Galpurnius  geht  in  der  Vermeidung  der  Synaloephe  so  weit, 
dass  er  auslautende  kurze  Vokale  nur  im  ersten  Versfusse, 
lange  überhaupt  n  iema  ls  vor  vokalisehem  Anlaut  des  folgenden 
Wortes  verschliff.  (Haupt,  de  carmin.  bucolir.  Calpurnn  et  Neme- 
siani,  p.  2.  3.) 

Ehe  das  Endergehniss  dieser  Untersuchung  gezogen  werden 
kann ,  bedarf  es  noch  eines  Wortes  über  die  Aussprache  der  En- 
dungen-am,  -ein,  -im,  -oiii,  -um  vor  anlautendem  Vokal  des 
folgenden  Wortes,  deren  irrationaler  Klang  schon  oben  bespro- 
chen ist.  {Vgl.  r,  109  —  1 13.  II,  106  /.) 

Bei  Ennius  erscheinen  die  Endungen  -um  und  -em  noch  in 
der  metrischen  Geltung  kurzer  Silben: 

Ann.  v.  336.  V:  Insigneita  fere  tum  milia  militüm  octo. 

a.  0.  v.  486:   Dum  quid  em  uniis  homo  Romanus  toga  super- 

escit. 
Bei  Pia ulus  erscheinen   einsilbige  Wörter  wie  nam,    iam, 
cum  vor  anlautendem    kurzen  Vokal  des  folgenden  Wortes  gele- 
gentlich in  der  vollen  Geltung  kurzer  Silben;  so: 

Cure.  523:  Nam  et  operam  et  pecünnim  .  . 

Bud.  1383:  Iam  ab  isto  auferre  hau  sinam  .  . 

Capl.  24.  93:  .  .  Aetoli  cum  Alois  .  . 
{Vgl.  Capt.  395.  Fleckehen,  N.  Jahrb.  61,  51.  52.) 

Nach  der  handschrifllichen  Ueberlieferung  sind  auch  die  auf  m 
auslautenden  Endsilben  mehrsilbiger  Wörter  noch  stellenweis  in  der 
Geltung  von  Kürzen  gebraucht;  so: 

Merc.  181  :  Ttiam  amienm.  Qufd  eam?  Vidit  .  . 
Vgl.  a.  0.  479.  88.  Bud.  1130. 

Pers.  651:  'Em am  opinor.    Etiam  opinor  .  . 

Pseud.  319:  . .  Canem  agninis  lactibus. 

Asm.  775:  .  .  Pede  pedem  homini  premat. 

Pers.  433:  . .  C  rede  rem  ut  idem  mihi. 

Cure.  597:  . .  Man  um  arripuit  mördicus. 

Asm.  280:  'Ei' um  jn  obsidiöne  linquet  .  . 

Geppert  {Lat.  Ausspr.  S.  45  f.)  nimmt  diese  und  ähnliche 
Messungen  gegen  die  Aenderungen  der  neusten  Herausgeber,  die 
meist  ein   einsilbiges  Wort,  namentlich  Pronominalformen,  hinter 


—     198     — 

das  aufm  auslautende  Wort  einschieben,  in  Schutz.  Ein  sprachli- 
cher Grund  ist  nicht  abzusehen,  warum  Plautus  nicht  ebenso  wie 
Ennius  die  auslautenden  irrationalen  Silben  -am,  -em,  -im, 
-oii],  -um  gelegentlich  noch  hätte  als  Kürzen  brauchen  können. 
Hegreiflich  erscheint  es  aber,  wenn  diese  Messung  in  einsilbigen 
Wörtern  üblicher  war  als  in  mehrsilbigen.  In  der  Volkssprache 
blieb  der  auslautende  ßestandtheil  -am,  -em,  -im,  -0111,  -um 
von  einsilbigen  Wörtern  vor  vokalischem  Anlaut  des  folgenden  Wor- 
tes deutlicher  hörbar  als  in  mehrsilbigen,  einmal  weil  er  in  diesen 
immer  tieflonig  war,  dort  auch  hochtonig  sein  konnte,  dann  aber, 
weil  jene  einsilbigen  Wörter  sonst  fast  ganz  unhörbar  geworden 
wären,  während  von  mehrsilbigen  Wörtern  auch,  wenn  man  die  ir- 
rationale auf  m  auslautende  Endung  fast  ganz  verschluckte,  doch 
noch  die  Stammsilbe  des  WWtes  jedenfalls  klar  und  deutlich  hör- 
bar blieb,  und  weil  somit  der  Zusammenhang  der  Rede  dem  Ho- 
lenden oft  unklar  und  zweifelhaft  hätte  werden  müssen,  wenn  jene 
einsilbigen  Wörter  fast  gar  keine  lautliche  Existenz  gehabt  hätten. 
Dem  einsilbigen  Worte  diese  seine  lautliche  Existenz  zu  wahren  und 
die  Deutlichkeit  der  Rede  aufrecht  zu  halten,  sprach  man  ja  auch  vor 
Vokalen  ab,  ex,  vor  Consonanten  a,  e.  Wenn  aber  in  Versendes 
Ennius  und  Plautus,  wo  auf  m  auslautende  Endsilben  noch  als  Kür- 
zen gelten  vor  folgendem  Vokal,  das  in  jedenfalls  einen  eonsouan- 
tischen  Laut  hatte,  so  kann  hier  von  einein  Hiatus  niehl  die  Rede 
sein,  da  sich  ja  auslautender  und  anlautender  Vokal  gar  niehl  be- 
rühren. 

Das  Ergebniss  der  Specialforschungen  über  den  Hiatus  ist  also, 
dass  in  der  Römischen  Kunstrichtung  ein  B e streben  her- 
vortritt, den  la  nge  n  aus  laut  e  n  de  n  Vokal  vo  r  a  nla  u  tendem 
Vokal  in  der  Versmessung  un versehr I  zu  halten,  ja  wo  mög- 
lich auch  den  kurzen  auslautenden  Vokal  in  seiner  GeHang  zu 
schonen.  Mit  irra  tional  en  V  oka  I  e  n  genäth  die  Vers  in  es  su  ng 
so  sieher  in  die  Brüche  wie  die  irrationalen  Zahlen  die  Feinde  je- 
der Rechnung  sind.  Deshalb  vermieden  die  genannten  Römi- 
schen Dichter  bei  der  .Nachbildung  der  Griechischen  Maasse  bewusst 
oder  unbewusst  die  Vokalverschleifung  als  die  Erzeuge- 
rin im  messbar  er  Laute,  ebenso  wie  sie  stummen  Vo- 
kalen vor  Consonanten  in  der  Regel  ihre  volle  Geltung  als 
metrische   Kurzen   zurück   gaben,    selten  sie   ganz    besei- 


—     J99     — 

Vergleicht  man  die  Vokalverschleifung  in  der  Lateini- 
schen Sprache  mit  derselben  lautlichen  Erscheinung  im  Griechi- 
schen, so  tritt  in  der  Entwicklung  heider  Sprachen  ein  Gegen- 
satz hervor.  Die  Sprache  der  alten  loni  er  mit  der  üppigen  Fülle 
ihres  reich  entwickelten  Vokalismus  ist  zur  Vokal  ver Schleifung 
im  Inlaut  und  an  der  Lautgrenze  zweier  aufeinander  folgenden 
Worter  n i  cht  geneig  t  und  giebt  ihr  selten  nach.  Die  Sprache 
der  alten  Römer,  deren  Vokalismus  in  der  Verschmelzung  der 
Diphthonge,  der  Erleichterung,  Kürzung  und  Tilgung  der  Vokale 
die  deutlichen  Symptome  der  Abzehrung  zeigt,  wird  von  einer 
mächtigen  Neigung  beherrscht  die  angrenzenden  Vokale  zu 
ver  schleifen  und  somit  zu  verstümmeln.  Die  Homerischen 
Sänger  sprachen  aoidiaovGa,  altdeeg,  drjtocovtai; 
solche  Fülle  vokalischer  Laute  hielt  sich  unverwischt  bei  dem  Volke, 
wo  das  Singen  und  Sagen  heimisch,  war.  Plautus  Schau- 
spieler hatten,  wenn  sie  pluruma,  priscus,  bis,  ter, 
fortassis,  edepol  sprachen,  keine  Ahnung  mehr  davon,  dass 
diese  Wortbildungen  einst  ploiusuma ,  praiiuscus,  dviiens> 
triiens,  forte-an-si-vis,  e-d  eus-Poludeuces  lauteten. 
Die  enge  strenge  Zucht  des  altrömischen  Geistes  bewahrt  auch  die 
Sprache  in  den  knappen  straff  zusammengefassten  Wortformen,  wie 
in  dem  fest  in  sich  verschränkten  Satzbau.  Die  Homerische 
Sprache  weist  neben  ihrer  Fülle  diphthongischer  und  vokalischer 
Lau te  nur  w  e  n  i g e  Beispiele  der  Vokal  verschleifu n g  zwischen 
Auslaut  und  Anlaut  auf,  die  feine  Attische  Sprache  des 
Perikleischen  Zeitalters  zeigt  neben  einem  ärmeren  Vokalismus  eine 
viel  entschiedenere  Neigung«  zu  dieser  Vokal  ver  Schlei- 
fung, wie  der  Sprachgebrauch  der  Seenischen  Dichter  lehrt. 
Die  Römische  Volkssprache  mit  ihrem  verfallenden  Vokalis- 
mus wird  von  der  Neigung  die  Vokale  zu  ver  sc  hielten  so 
beherrscht,  dass  die  Scenischen  Dichter,  die  zu  den  Ohren 
des  Volkes  reden,  nur  in  seltenen  Fällen  sich  den  Hiatus  in 
ihren  Versen  erlauben.  Dieser  Neigung  der  Volkssprache  Vokale 
zu  kürzen,  zu  vtrschleifen ,  zu  erleichtern  und  verklingen  zu  las- 
sen trat  die  Römische  Kunstdichtung  entgegen,  indem  sie 
den  Vokalen  durch  Anlegung  des  Griechischen  Zeitmasses 
in  der  Schriftsprache  Halt  gab,  indem  sie  auch  der  Vokal  ver- 
schleif ung  im  Inlaut  wie  zwischen  Auslaut  und  Anlaut  engere 
Grenzen  setzte.     Es  ist  schon  oben  bemerkt,   dass  es  dieser 


—     200     — 

R  e  a  c  U  o  n  zu  verdanken  ist ,  wenn  die  Sprache  der  Gebil- 
deten im  Ganzen  und  Grossen  die  Quantität  der  Vokale 
Jahrhunderte  lang  so  wahrte,  wie  sie  die  Dichtung  der 
Augusteischen  Zeil  fixiert  hatte,  und  dass  somit  die  Nach- 
bildung. Griechischer  Di  chtungsformen  für  die  Er- 
haltung des  Lateinischen  Vokalismus  von  heilsamem 
Einfluss  gewesen.  Aber  eine  gelehrte  Dichtung,  die  sich 
vom  Volksleben  immermehr  entfernte,  konnte  den  weitern  Ver- 
fall des  Vokalismus  in  der  lebendigen  Volkssprache  nicht 
aufhalten,  sie  konnte  auch  die  Vokal  verschleifung  dersel- 
ben nicht  hindern,  und  dieser  trat  in  der  späteren  Volks  - 
spräche  nur  der  Hochton  entgegen,  der  nicht  duldete,  dass 
ein  hochbetonter  Vokal  sich  zur  Verschleifung  mit  einem  tieftoni- 
geri  herabliess.  Aber  die  Verschmelzung  der  tief  tonigen 
Vokale  im  Inlaut  wie  im  Auslaut  und  Anlaut  ging  ihres  Weges 
weit  e  r ,  und  die  Verse  älterer  Italienisch  er  Dichter  \\  i  e 
die  Rede  des  heutigen  Italieners  bezeugt  die  Vererbung 
der   Synizese  und  Synaloephe  seit  Plautus  Zeiten. 


III.    Betonung, 


Jede  Sprachforschung  sucht  durch  Vergleiehung  der  bestehen- 
den Sprachformen  das  Entstehen  derselben  zu  erkennen,  sie  gellt 
den  Weg  rückwärts,  den  die  Sprache  vorwärts  gemacht  hat,  sie 
löst  das  Klanggewebe  wieder  auf,  das  die  Sprache  gewebt  hat. 
Auch  in  der  Untersuchung  über  die  Betonung  der  Lateini- 
schen Sprache  wird  also  die  Untersuchung  denselben  Weg  gehen. 
Sie  behandelt  demnach  zuerst  das  j  Ungere  Betonungsgesetz, 
wie  es  in  der  Blüthezeit  der  Lateinischen  Sprache  und  Litteratur 
ausgebildet  bestand,  dann  die  ältere  Beton  ungs  weise  und  den 
Uebergang  derselben  in  die  jüngere,  die  Betonung  der  Itali- 
schen Dialekte,  das  Verbal  tu  iss  der  Altitalischen  Be- 
ton ungs  weise  zur  Accentuation  der  verwandten  Spra- 
chen, die  Betonung  der  Spätlateini  sehen  Volks- 
sprache, und  wird  hiernach  das  Verhall niss  der  Wortbetonung 
zum  AI  tromi  sehen  Versbau,  oder  des  II  och  ton  es  zur  Vers- 
hebung zu  erforschen  versuchen. 


A.     Das    jüngere   Betonungsgesetz. 

Für  die  Betrachtung  des  Lateinischen  Betonungsgesetzes  sind 
die  wichtigste  Quelle  die  Angaben  der  Römischen  Gramma- 
tiker. Unter  ihnen  sind  zwei  von  hervorragender  Wichtigkeit  für 
den  vorliegenden  Gegenstand;  zuerst  Priscian,  der  das  Buch  des 
Censorinus,  de  accentibus  (Prise,  p.  977.  994.  P.)  und  Do- 
natus  Lehren  über  den  Accent  wie  über  andere  grammatische  Fra- 
gen benutzte  [Prise,  p.  977.  539.  713.  951.  998.  1157.  1168. 
1225.  1245.  1255.  1272.  Vgl.  Prise,  p.  1288  über  Oxytona  im 
Lateinischen  mit  Donat.  p.  1741),  Varros  Schriften  studiert  halte 
[Prise,  p.  544.  545.  791.  792.  793.  817.  879.  P.)  und  unter 
den  Griechischen  Grammatikern  besonders  dem  Apollonius 
Dyscolus  und  Herodian  (Prise,  p.  581.  974.  1257  P.)  in  sei- 


—     202     — 

nem  ganzen  Werke,  also  auch  in  der  Theorie  der  Betonung  folgte. 
Der  zweite  ist  der  Grammatiker  Servius  (Analecta  Grammatica, 
Eichenfeld  v.  Endlicher.  Vindob.  p.  525.  /".),  dessen  Schrift  de 
accentibus  aufVarros  eingehender  Behandlung  der  Accentlehre 
beruht  (a.O.  §  21.  22)*).  Varro  selbst  folgte  in  der  Theorie  der  Be- 
tonungslehre insbesondere  dem  älteren  Tyrannion,  Lucullus 
und  Ciceros  Zeitgenossen,  dessen  Werk  tcsqI  tiqoO  <pd  tcov  durch 
feine  und  sorgfältige  Beobachtung  der  Aussprache  ausgezeichnet 
war  (Serv.  ct.  0.  §  21.  Cic.  ep.  Ältic.  XII,  6);  Varro  benutzte 
aber  auch  die  Schriften  älterer  Grammatiker  wie  Glaucus,  Her- 
rn o c r a t e s ,  T li e o p h r a s t u s ,  Athenodorus  (Serv.  a.  0.  §  21), 
Eratosthenes,  Theodorus  (Serv.  a.  0.  §  22).  Auch  andere 
Grammatiker  wie  Cicero,  Nigidius  Figulus,  Quintilian, 
D  i  o  m  e  d  e  s ,  D  o  n  a  t ,  P o  m  p  e  i  u  s  geben  uns  wichtige  Aufschlüsse 
über  den  Accent,  aber  die  grosse  Mehrzahl  derselben  begnügt  sich 
bei  der  Angabe  der  notdürftigsten  äusserlichen  Regeln  für  die  Be- 
tonung, wie  sie  keine  Schulgrammatik  entbehren  kann. 

Va  rro  also  ist  die  älteste  Autorität  auf  die  sich  die  genaueren 
und  eingehenderen  Angaben  der  Römischen  Grammatiker  über  die 
Betonung  der  Lateinischen  Sprache  zurückführen  hissen.  Ob  die 
älteren  Grammatiker  wie  Attius  und  Lucilius  dem  Accent  be- 
sondere Aufmerksamkeil  zugewandt  haben,  ist  nicht  mehr  zu  er- 
mitteln. Die  A  lexand  rin  isch  en  Gelehrten  aber  sind  die 
älteste  Quelle  aus  der  die  Römischen  Grammatiker  die  Theorie 
und  Technologie  der  Betonungslehre  geschöpft  haben,  die 
sie  dann  auf  die  Betonung  der  Lateinischen  Sprache,  soweit  die  Ei- 
genthümlichkeit  derselben  das  gestattete,  anwandten.  Dass  sie  da- 
bei gelegentlich  fehlten,  indem  sie  ihren  Griechischen  Lehrmeistern 
zur  Liebe  einzelne  Feinheiten  der  Griechischen  Betonung  der  La- 
teinischen Sprache  octroyieren  wollten,  dass  sie  mitunter  den  Tun 
verwechseln  mit  dem  Tonzeichen  und  anderen  Lesezeichen,  dass 
sie  nach    dem  Standpunkte   ihrer  Sprachwissenschaft    den  Rück- 


*)  Nach  den  Grundsätzen  historischer  Kritik  berechtigen  Citate  ans 
einer  älteren  Quelle  zu  dem  Schluss,  dass  der  citierende  Schriftsteller 
nicht  einzig  und  allein  die  angeführten  oder  angedeuteten  Stellen  Beinei 
Gewährsmannes  zufällig  aufgefischt  hat.  sondern  das  Buch  oder  den 
Schriftsteller  aus  dein  er  citiert,  kannte  und  benutzte.  Diea  gill  wenig- 
stens, so  lange  nicht  das  Gegentheil  streng  erwiesen  ist,  also  auch  für 
die  vorstehende  Untersuchung. 


—     203     — 

schluss  auf  das  ältere  Betonungsgesetz  aus  den  vorhandenen  Wort- 
farmen der  Sprache  nicht  machen  konnten,  das  wird  ihr  Verdienst 
um  die  Hauptsache  nicht  schmälern,  denn  es  würde  schlecht  um 
die  Erforschung  derselben  stehen,  wenn  nicht  Männer  wie  Varro, 
N  i  g  i  d  i  u  s  F  i  g  u  I  u  s ,  Q  u  i  n  t  i  1  i  a  n  u  s ,  C  e  n  so  r  i  n  u  s ,  Dona- 
t  u  s ,  D  i  o  m  e d  e  s ,  Pr  i  s  c i a  n  u  s  die  Betonung  ihrer  Muttersprache 
beobachtet  und  mit  der  Griechischen  Betonungslehre  verglichen 
hätten. 

Die  zweite  Quelle  für  die  Erkenntniss  der  Lateinischen 
Accentuation  sind  die  Wort  formen  der  Sprache  selbst,  nament- 
lich solche,  die  durch  Erleichterung,  Kürzung,  Ausfall  und  Abfall 
von  Vokalen  seit  alter  Zeit  zusammengeschmolzen  und  verkümmert 
sind.  Solche  Formen  sind  es,  aus  denen  das  Vorhandensein  eines 
älteren  B  e tonn ngsge setze s  sich  mit  Sicherheit  erschliessen 
lässt. 

Endlich  ist  die  Schrift  selbst  von  Wichtigkeit  für  die  Erkennt- 
niss des  vorliegenden  Gegenstandes;  denn  wenn  sie  auch  niemals 
die  verschiedenen  Tonabstufungen  durch  augenfällige  Zeichen  dar- 
gestellt hat,  wie  sie  Griechische  und  Indische  Grammatiker  für  die- 
sen Zweck  brauchten,  so  giebt  sie  uns  doch  über  die  tieftonige 
Aussprache  ganzer  Klassen  von  Wörtern  Aufschluss,  die  mit  dem 
vorhergehenden  oder  folgenden  Worte  zusammengeschrieben  wer- 
den, ist  also  insbesondere  für  die  Lehre  vom  Ton  an  schluss  oder 
der  Enklisis  von  Wichtigkeit. 

1)     Tonstufen. 

Alte  Grammatiker  unterschieden  an  der  Aussprache  der  Silben 
eines  Wortes  drei  Eigenschaften  des  Tones :  d  i  e  H  ö  h  e  ,  d  i  e  S  t  ä  rke 
des  Hauches  und  die  Ton  d  au  er  (altitudi  nem,  crassitu- 
dinem,  longit  udinem)  und  lehrten,  Serv.  §8:  Altitudi  nein 
d  i  s  c  e  r  n  i  t  accentus,  cum  pars  verbi  a  ut  i  n  gravedepri- 
m  i  t  ur  a  u t  s u b  1  i  m  a t  ur.  Priscian  folgt  denselben  Gewährsmän- 
nern, indem  er  sagt,  de  acc.lib.  p.  1285.  P:  Habet  quidem  litera 
a  1 1  i  t  u  d  i  n  e  m  in  pronunciatione,  1  a  t  i  t  u  d  i  n  e  m  in  sp  i  - 
ritu,  longitudinem  in  tempore;  und  er  giebt  von  dem  Wesen 
der  Betonung  in  der  Sprache  eine  begriffsmassige  Bestimmung 
a.  0:  Accentus  namque  est  certa  lex  et  regula  ad 
e  1  e  v  a  n  d  a  m  et  d  e  p  r  i  in  e  n  dam  s  y  1 1  a  b  a  m  uniuseuius- 
que    particulae    orationis.     Diomedcs  p.  425.  P.  sagt  noch 


—     204    — 

genauer:  Accentus  est  acuta e  vel  gravis  vel  inflexae 
orationis  elatio,  vocisve  intentio  vel  inclinatio, 
acuto  vel  inflexo  sono  rcgens  verba;  und  erklärt  die 
Bedeutung  der  Sache  aus  dem  Sinn  des  Wortes,  a.  0. :  Accen- 
tus d  i  c  t  u  s  ab  a  c  c  a  n  e  n  d  o  ,  quod  s  i  t  quasi  q  u  i  d  a  m 
c u i u s q  u e  s y  1 1 a b a e  c a n t u s.  A  p  u  d  G  r  a  e  c  o  s  i  d  e  o  tt  o  o  g~  - 
adCa  dicitur,  quod  %q  oö ad s  i  xccg  övXXafiag  {vgl. 
Donat.  p.  1834).  Das  Griechische  Wort  7tQoö<p8Ca  wie  die  La- 
teinische Uebersetzung  accentus  fasst  also  den  Ton  jeder  Silbe 
als  einen  Gesangton  der  Tonleiter;  ebenso  bezeichnet  Nigi- 
dius  Figulus  Benennung  voculatio  [Geil.  XIII,  26.  H.)  dieselbe 
Sache  als  eine  T o  n  s  t  i  m  in  u n  g. 

Schon  Aristophanes  von  Byzanz  verglich  die  Accente  des 
Wortes  mit  den  Tönen  der  Musik  [Arc'aä.  p.  187.  Bark.) 
und  bei  Aristoxenus  heisst  es,  Eiern,  härm.  1,  p.  18.  Meib.: 
AiyExai  yaQ  drj  xcel  koycodsg  xi  \iikog  ro  OvyxeC- 
lievov  i%  xeov  tcqoO  <p  d  lcjv  ro  iv  xoig  ovo  {iccöiv, 
<pvöi%6v  yccQ  xo  in  ix  elv  slv  xal  aviivai  iv  x  <p 
deakey sö&ai.  Wenn  tovoi  ursprünglich  die  Spannungen 
der  Saiten  auf  der  Kilhara ,  dann  die  Klange  derselben  bedeu- 
teten, so  wurde  dann  das  Wort  auf  die  Anspannung  der 
menschlichen  Stimme  bei  der  Aussprache  der  Wortsilben  an- 
gewandt und  auch  diese  Klänge  xövoi  genannt.  Römische  Gram- 
matiker behielten  das  Worl  bei:  toni,  oder  sie  übersetzten  es 
durch  tonores  {Quin!.  I,  5,  22),  tenores  [Donat.  p.  1834. 
Gell.  XIII,  26.  Cledon.  1886.    Pomp.  Com.  Art.  Dm.  p.  65.  L). 

Wenn  also  von  Gesang  und  Lautenklang  die  Namen  für 
die  Griechische  Wortbetonung  hergenommen  Bind,  so  muss 
in  der  That  ein  Singen  und  Klingen  in  derselben  hörbar  gewesen 
sein,  und  nimmermehr  hätten  die  Römischen  Grammatiker  dir 
LJebersetzungen  der  Griechischen  Benennungen  durch  accentus, 
voculatio,  tenores  auf  ihre  Muttersprache  angewandt,  wenn 
nicht  jene  Musik  der  Wor1  b  e  t  od  ung  auch  der  Lal  ei  ni  sehen 
Sprache  eigen  gewesen  wäre. 

Auf  diese  Musik  der  Wortbetonung  lässt  sich  ein  Schluss  ma- 
chen aus  der  Musik  der  rednerischen  Betonung,  die 
Roms  ausgezeichnete  Redher  mit  Bewusstsein  übten.  Cicero  sagt, 
de  oral.  III,  61,  227:  II  a  ec  vi  rietas  el  hie  pe  r  om  nes  s,onos 
vociscursus    et   se   tuebitur  et   actioni  altert  suavita- 


_     205     — 

tem.  M.  Cicero  also  sprach  in  allen  Tonhöhen,  soweit  der  Um- 
fang einer  Mannesstimme  ohne  Zwang  und  Uebertreibung  reichte. 
C.  Gracchus  liess  sich  mitten  im  Strome  seiner  hinreissenden  Rede 
von  einem  hinter  ihm  stellenden  Flötenhläser  mit  einer  Flöte,  die 
tovccQiov  genannt  wurde,  die  Tonhöhe  angehen,  in  der  er  bedeu- 
tende Stellen  seiner  Rede  sprechen  wollte  (Cic.  d.  orat.  III,  60. 
Quint.  I,  10.  27).  Der  hochbetonte  Satz  steht  zur  ganzen  Rede  des 
Redners  in  demselben  Verhältniss,  wie  das  hochbetonte  Wort  zum 
Salz,  wie  die  hochbetonte  Silbe  zum  Wort.  Wo  in  der  lebendigen 
Sprache  zwischen  Wörtern,  Satztheilen  und  Sätzen  grosse  Ton- 
abstände hörbar  waren,  da  müssen  auch  zwischen  Silbe  und  Silbe 
weite  Tonabstände  vernehmlich  gewesen  sein.  Wenn  der  Unter- 
schied zwischen  Hochton  und  Tiefton  nach  Griechischer  Re- 
tonüng  fast  eine  Quinte  betrug  {fiionys.  Halic.  d.  comp.  verb.  c.  1 1  )1 
so  darf  man  schliessen,  dass  im  Lateinischen  dieser  Tonabstand 
nicht  viel  geringer  gewesen  sein  nluss.  Die  Abhörung  der  Zeug- 
nisse Griechischer  und  R  ö  m  i  s  c  h  e  r  G  r  a  in  m  a  t  i  k  e  r  hat  also 
ergeben,  dass  Weil  und  Renloew  Recht  hatten,  wenn  sie  die 
Ansicht  aussprachen,  dass  die  antike  Betoniings weise  we- 
sentlich musikalisch  war  ( Thc'or.  gen,  de  face.  Lal.  p.  15). 

luden  neueren  Sprachen  zeigt  die  Betonung  nicht  mehr 
diesen  weiten  Tonabstand  zwischen  Hochton  und  Tiefton,  nicht 
mehr  diese  klangvolle  Lebendigkeit  der  Betonung;  das  Wort  ist 
eintöniger  geworden;  im  Munde  des  Gebildeten  und  Gelehrten 
ist  vielfach  der  Hochtön  des  Wortes  zu  einem  blossen  Nachdruck 
der  Stimme  abgestumpft,  so  lange  nicht  eine  heftigere  Bewegung  der 
Seele  das  Wort  lebendiger  und  klangvoller  aus  seiner  Brust  presst. 
Wer  aber  auf  Wegen  und  Stegen  der  \Wd&  des  Volkes  gehorcht  hat, 
weiss  auch,  dass  aus  dem  Volksmunde  Sang  und  Klang  der  Wort- 
betonung noch  nicht  gewichen  ist,  dass  der  Hochton  in  der  leben- 
digen Volkssprache  wirklich  noch  ein  höherer  Ton  der  Tonleiter  ge- 
blieben ist*). 


*;  Weil  und  13  enloew,  Acc.  Lal.  p.  4,  behaupten:  l'intensite' 
caracterise  l'accent  moderne,  l'aeuite  l'accent  antique; 
ein- Ausspruch,  durch  den  der  Gradunterschied  in  der  Lebendigkeit  und 
Klangstärke  der  Betonung  älterer  und  neuerer  Sprachen  zu  einem  schar- 
fen Gegensatz  auf  die  Spitze  getrieben  ist,  und  der  eben  dadurch  un- 
wahr wird. 


—     206     — 

2)     Der   Hochton. 

a)     Der    scharfe    Hoch  ton. 

Cicero  sagt  Orat.  18:   Ipsa    enim    natura    quasi    mo- 
dularetur    hominum    oratio  nem,    in    omni    verho    po- 
s  u i  t    a  c u  t a m    vocem/  nee    u  n a    plus    nee    a    p o s t r  e m a 
syllaba    ultra    tertiam.     Acuta   vox    ist    also    seine    Ueber- 
setzung  des  Griechischen  6h,ela  71qoGco  dicc ,    die  auch  Varro 
{Serv.    a.  0.   %  22)    und  Quintilian  (I,   5,  30  /.)    brauchen, 
Der  gelehrte  Nigidius  Figulus,    der  im  zwei   und  zwanzigsten 
Buche  seiner  C o  m  m  e  n  t a  r  i  i  G  r  a  m  m  a  t  i  c  i  vom  Accente  handelte, 
nannte  denselben  Ton  summus   tonus    oder   superior  tonus 
{Gell.  XIII,  26.  H.).     Glaucus  von  Samos  Bezeichnung  des  Hoch- 
tones 87tLT£T  ccfisvr],    der  angespannte  Ton  (Serv.  §22)  ist 
von  der  Kithara  hergenommen,  da  die  hochklingende  Saite  straff 
gespannt  ist,  wie  Aristophancs  alle  Accente  rdvoi,  Spannun- 
gen,   nannte.     Bei   Diomedes    isl    (Wv  Begriff   tniz^xa^iv)] 
7tQoo<pdia   durch    intentio    vocis    wiedergegeben    {jt.  425). 
Sowohl  jene  Benennungen  als  auch  die  Ausdrucke  der  Grammatiker 
sublimatur  in  acutum  (Serv.  §  8),  acutus-quod    acuat 
sive    elevet  {Prise.  12MJ.  P.),    acutus,    qui    sursum    per- 
fertur  (Cledon.  1SS0.  /'.)  bezeichnen  als  die  wesentlichen  Eigen- 
schaften des  scharren  Hochtones  die  Hohe  und  die  Scharte, 
deshalb  ist  der  hier  gebrauchte  Name  scharfer   Elochton  ge- 
rechtfertigt.    Alter    Servius    lehrte    nach   dem  Vorgange   Griechi- 
scher Grammatiker   noch   eine   dritte    Eigensthafl    des    scharfen 
Hochtones,  seine  Kürze,  §  25:  Acuta    'exilior5    ei    ebre- 
vioi1'    et    omni    modo    minor   est    quam    gravis,    ul    esl 
facile    ex    musica    cognoscere,    cuius    imago    proso- 
dia.      Diese    kurze    Tondauer   des    schallen  Hochtones  wird    dann 
näher   bestimmt,  Serv.  §  26:  Acuta   Lenujor  esl  quam  gra- 
vis    et   brevis   adeo,    ul    non    longius  quam   per   unam 
syllabam,  quin  immo  eper  niniiii  tempus'  protrahatur. 
Wie  der  helle  Ton  der  straff  gespannten  Saite  nicht  solange  nach- 
klingt als  der  liefe  Ton  der  schlaff  gespannten  Saite,   so  verklingt 
nach  der  Lehre  jener  Griechen  der  Hochton  im  Worte  schneller 
als  der  Tiefton  und  dauert  mir  eine  Zeil  weile  oder  Mo re.      In 
vielen   Wörtern   war  das   allerdings  der   Fall,    \\<>    nämlich    der 


—     207    — 

scharfe  Hochton  auf  k urzer  Silbe  stand ,  oder  wo  auf  lan- 
ger Silbe  der  Hochton  zum  Circumflex  wurde,  das  heisst  in 
der  zweiten  Hälfte  derselben  zum  Tiefton  herabsank.  Dass 
aber  der  scharfe  Hochton  niemals  für  die  Dauer  einer  langen 
Silbe  odor  zweier  Zeitweilen  hätte  aushalten  und  seine  Höhe 
bewahren  können,  dafür  liegt  doch  weder  in  der  Natur  der 
Sache  noch  in  bestimmten  A  uss  sagen  von  Grammatikern 
über  die  Laieinisehe  Betonung  irgend  ein  Grund  vor.  Jene 
Lehre  war  eine  Theorie  Griechischer  Gelehrten,  die  in  der 
Lateinischen  Sprache  nur  zum  Theil  ihre  Bestätigung  findet. 

Die  Bedeutung  des  Hochtones    für  das  Wort  haben  Griechi- 
sche wie  Römische  Schriftsteller  erkannt.     Wenn  die  Griechen  ihn 
xvQcog   rovog  nannten  (Choerobosc.  Bekk.  Anecdot.  p.   1109. 
p.  688  u.  ß.),  so  wussten  sie,  dass  er  das  Wort  beherrscht,  Pomp. 
Com.  Art.  Don.  p.  67.  L:  Ergo  illa  syllaba,  quae  accentum 
habet,  plussonat,  quasi  ipsa  habet  maiorem  potestatem. 
Daher  ist  es  denn  gekommen,  dass  Römische  Grammatiker,  wenn 
sie    vom    Accent    sprechen,    oft   nur-  den    herrschenden   Hochton 
meinen,  ein   Sprachgebrauch,   der  sich  bis  auf  unsere  Tage  fort- 
gepflanzt hat.     Diesen  Haupt  accent  meint  Diomedes,   wenn  er 
sagt  p.  425.  P. :  Est  a  c c entus,    nt   q  u  i d a  m   r e  c t e    p u  t  a - 
runt,    velut  canima  vocis'.    Pomp.  Com.  A.  D.  67.  L.)    Der 
Accent  ist  die  Seele  des  Wortes,  das  ist  ein  viel  belobter  und 
viel  nachgesprochener  Ausspruch.     Aber   ist  die  Seele  eines  stoff- 
lichen Gebildes  die  ihm  inwohnende  und  nach  wesenhafter  Not- 
wendigkeit  gestallende    Triebkraft  desselben,    so   kann  man   doch 
nur  den    Sinn  des  Wortes  die  Seele  dieses  Klanggebildes  nennen, 
die  im  tiefsten  Grunde  doch  auch  die  Tonhöhe,  wie  die  Tonlängen 
und  Tonfärbungen  und  alle  anderen  Tonerscheinungen  an  dem  Leibe 
des  Wortes  bestimmt,  wie  dies  in  der  Lautgeschichte  der  Sprachen 
bald  mehr  bald  minder  einleuchtend  hervortritt.    Ciceros  Ausspruch, 
de  orat.  111,  57,  216:  omnesque  voces,  u  t  n  er  vi  i  n  f  i  dib  u  § 
ita   sonant,    ut   a   motu   animi  quoque  sunt   pulsae   gilt 
nicht  bloss  von  den  Worten  der  Rede,  sondern  auch  von   den 
Silben  des  Wortes.     Aber  ein  Hoch  ton  und  ein  Sinn  eines 
Wortes  verhält  sich  zu  einander  wie  ein  Herz  und  eine  Seele 
eines  Leibes.     Steht  der  Herzschlag  still,  so  ist  das  selbständige 
Seelenleben  des  Leibes  dahin,  und  sein  Stoff  geht  in  andere  StofT- 
gebilde  über;  ist  der  Hochion  des  Wortes  verklungen,  so  ist  die 


—     208     — 

Selbständigkeit  seines  Sinnes  verloren  und  sein  Leib  lehnt  sieli  hin- 
fällig an  andere  Wortbildungen  an.  Der  Hochton  ist  also  nicht 
<lie  Seele  des  Wortes,  wohl  aber  der  Puls  schlag  seines  Seelen- 
lebens, nicht  die  bewegende  Feder,  wohl  aber  der  Zeiger  des  Uhr- 
werkes. 

b)     Der  gebrochene  Hochton. 

Die   Griechischen   Grammatiker,    deren   Betonungslehre 

Varro  benutzte,  halten  an  ihrer  Sprache,  neben  dem  einfachen  kur- 
zen scharfen  Hochion  einen  andern  Hochton  wahrgenommen,  den 
sie  öltov  og  ,  av^in  Xsxrog ,  o^vßccQ  ela  ,  xsxAaö  [itvi] , 
7t£QL67icj [levT]  ,  7t £ o C 6 % a 6 1 g  nannten  (Serr.  §  24).  Die 
Romischen  Grammatiker,  Varro  {Serr.  §  20.  21)  und  Quintilian 
(I,  5,  30  f.)  an  der  Spitze,  lehren  Übereinstimmend,  dass  dieser 
Hochton  auch  in  Lateinischen  Wörtern  gehört  wurde,  und  über- 
setzten dCrovog  und  OvfiTtlexTog:  duplex  (Serr.  §  22.  27), 
o^vßaQalcc:  ex  acuto  gravi que  fieta  (a.  0.  §  27),  ze- 
xXaö^evrj:  flexa  (Serr.  §  18.  24.  {mini.  I.  5,  31),  ififlexa 
(Diom.  425);  wie  aber  unter  den  Griechischen  Grammatikern  die 
Griechische  Benennung  tizqlö 7t co {ievr]  die  gewöhnliche  gewor- 
den ist,  so  im  Lateinischen  die  Üebersetzung  derselben  circnin- 
flexus  {Prise,  p.  1286.    Cledon.  p.   1880  u.  ,/.). 

Diese  Benennungen  geben  den  besten  Aufschlags  über  das 
Wesen  dieses  llochtones,  dass  es  nämlich  ein  langgezoge- 
ner, doppelter,  zusammengesetzter  Ton  war,  der  n  ich  I 
in  gleicher  Tonhöhe  von  Anfang  bis  zu  Ende  fortschallte, 
sondern  gebrochen  ward,  Serr.  §  24;  prima  ereela  rnr- 
s  ii  s  in  gravem  flectitur,  dass  es  ein  langgezogener  Tön 
war,  dessen  erste  /eil  weile  ein  Hochton  war,  die  /weile 
zum  Tiefion  beiabsank  wie  lang  gezogene  Tone  von  Sai- 
ten und  Blasinstrumenten  mit  ihrem  Verhallen  auch  herabsin 
ken.  Es  lag  in  der  Natur  dieses  Toms,  dass  nur  lange  Sil- 
ben mit  diesem  gebrochenen  Hochton  gesprochen  wurden,  die 
entweder  den  Seblnss  i\vs  Wortes  selbst  bildeten,  oder 
doch  dem  Ende  des  Wortes  so  nahe  als  möglich  standen,  so 
dass  sie  nur  die  Zeitdauer  einer  kurzen  Silbe  von  dem- 
selben Iren  nie.  Indem  die  Spra  ch  Werkzeuge  aus  der  Be- 
wegung und  Spannung,  in  die  sie  durch  die  Aussprache  der 
Laute    eines  Wortes    gerathen    waren,    am    Ende    oder    gegen 


—    209     — 

Ende  desselben,  das  dein  Redenden  bereits  im  Bewiisstsein  vor- 
schwebte, sich  zur  Ruhe  zu  setzen  anfingen,  Hess  auch  die 
Spannung  des  Hoch  ton  es  nach,  die  doch  auch  aus  der 
Anspannung  von  Sprachorganen  entstanden  war,  und  der  ermat- 
tende Ton  sank  von  seiner  Höhe  herab  wie  der  Klang  der  Saite 
liefer  wird,  sobald  ihre  straffe  Spannung  nachlässt.  Wenn  aber  aul 
eine  hochbetonte  lange  Wortsilbe  noch  eine  andere  lange  Silbe 
oder  mehrere  kurze  Silben  folgten  vor  dem  Wortende,  so  er- 
forderte die  Aussprache  dieser  letzteren  noch  eine  entschiedene 
Anspannung  der  Sprachorgane,  so  dass  dieselben  sich  noch 
nicht  der  Ruhe  zuneigen  konnten  ;  es  konnte  daher  auch 
jene  Abspannung  des  Hoch  ton  es,  das  Sinken  desselben 
zum  Tieftone,  auf  jener  ersten  Silbe  nicht  stattfinden.  So  er- 
klärt es  sich ,  dass  im  Lateinischen  wie  im  Griechischen  der  ge- 
brochene zum  Tiefton  absinkende  Hochton  nicht  ü  her  die  dritte 
More  vom  Wortende  rückwärts  seine  Stelle  finden  Konnte*). 


*)  Gegen  die  übereinstimmenden  Angaben  der  Grammatiker,  vgl. 
Prise.  1288,  Diom.  p.  -125,  Dori'at.  p.  *1742,  Serg.  p.  1835,  Cledon.  1887, 
Marlian.  Cup.  p.  284.  Ä.  behauptet  P.  Langen,  De  Grammalieorum  Latino- 
rum  praeeeptis  quae  ad  ueeentum  speetant  p.  5  /".,  der  Circumflex  sei  im  La- 
teinischen bloss  durch  die  längere  Dauer  vom  Acut  unterschieden  gewe- 
sen. Allein  die  gegen  die  Aussagen  der  Grammatiker  vorgebrachten 
Gründe  sind  nicht  stichhaltig.  Wenn  die  späteren  Grammati- 
ker lange  und  kurze  Silben  mit  eigenem  Ohr  nicht  mehr  scharf  schie- 
den, so  beweist  das  nichts  gegen  die  Glaubwürdigkeit  ihrer  Angaben, 
die  sie  aus  älteren  Grammatikern  wie  Varro,  Nigidius  Figulus, 
Verrius  Flaccus,  Quintilian  und  anderen  geschöpft  hatten, 
noch  weniger  kann  die  Glaubwürdigkeit  Varro  s  und  Quintilian  s  ,  die 
den  gebrochenen  Hochton  auch  in  Lateinischen  Wörtern  annahmen, 
angefochten  werden.  Dass  Quintilian  am  wenigsten  dazu  neigte, 
seiner  Muttersprache  blindlings  Griechische  Betonungsweisen 
aufzureden,  zeigt  zur  Genüge  sein  Urtheil  über  die  Betonung  der 
Lateinischen  Präpositionen,  vgl.  unten,  11,  220.  Wenn  grae- 
cisieren.de  Grammatiker  schon  zu  Quintilian«  Zeit  Wörter  wie  Atreüs, 
Themistö,  Callistö  mit  dem  Circumflex  auf  der  letzten  Silbe 
sprechen  wollten,  nicht  nach  Griechischer  Weise  mit  dem  Acut  {Quinl.  I, 
5,  24.  Serv.  a.  0.  §  5),  so  bequemten  sie  sich  zu  dieser  Abweichung,  weil 
im  Römischen  Munde  der  Hochton  auf  der  letzten  Silbe  un  w  illkü  hrl  i  ch 
gebrochen  tönte.  Wenn  hingegen  Griechische  Grammatiker  q  rj '% , 
öovh,  accentuierten,  a.  0.  p.  7,  so  haben^auch  sie  sich  die  Betonung  des 
Fremdwortes  m  und  recht  gemacht  und  die  übereinstimmende  Angabe 
der  Grammatiker,  dass  einsilbige  lange  Wörter  im  Lateinischen  mit 
Corssen  IL  14 


—    210    — 

c)     Zusammengesetzte   Hoch  töne. 
Da  der  scharfe  Hochton   nach  der  Lehre  Griechischer  Gram- 
matiker  kurz   war,    also   nicht   durch    die   Zeitdauer  einer   langen 


dem  g  ebro  chenen  Hocht  o  n  gesprochen  .seien,  wird  dadurch  nicdit  wi- 
derlegt. Die  Aussage  derselben  Grammatiker,  dass  durch  Kürze  der 
letzten  Silbe  der  gebrochene  Hoch  ton  auf  der  vorletzten  lan- 
gen Silbe  bedingt  werde,  scheint  L.  der  Eigentümlichkeit  der  Lateini- 
schen Sprache  zuwider  zu  sein,  da  sonst  die  letzte  Silbe  nicht  den  minde- 
sten Einfluss  habe,  um  den  Accent  zu  bestimmen  oder  zu  verändern. 
Aber  in  zahlreichen  Fällen  hat  doch  eine  kurze  tieftonige  Suffix-  oder 
Flexionssilbe,  die  an  eine  Wortfonn  herantritt,  die  Kraft,  den  Hochton  um 
eine  Stelle  vorwärts  zu  ziehen;  warum  soll  sie  nicht  den  Einfluss  ha- 
benden Hochton  in  seinem  letzten  Theil  zu  sich  herab  zuziehen,  das 
heisst  zu  brechen?  Wenn  endlich  Pompeius  sagt  (p. 00.  Lindem.),  der  Acut 
sei  cursim,  der  Circumflex  tractim  gesprochen,  so  liegt  doch  in  dem 
tractim  keine  Andeutung,  dass  dieser  lang  gezogene  Ton' bis  zu  Ende 
dieselbe  Tonhöhe  gehabt  habe,  also  die  bestimmte  Angabe,  dass  er  vom 
Hochton  zum  Tief  ton  herabgesunken  sei,   ungerechtfertigt  wäre. 

Ebenso  wenig  sind  die  von  Lfc  {Jahns  Jahrb.  TU,  4ü)  gegen  die  von 
Weil  und  Benloew  ausgesprochene  und  hier  bestätigte  Ansicht  von 
den  Tonstufen  und  der  m  u  s  i  k  a  1  i  s  e  h  e  n  N  a  t  u  r  der  antiken  Be. 
tonung  erhobenen  Einwände  begründet.  Aus  dem  Umstände,  dass  wir 
Deutsche  bisweilen  die  eigentlich  hochbetonte  Silbe  eines  Wortes  im  Zu- 
sammenhange der  Rede  in  tieferer  Tonhöhe  sprechen  als  eine  benach- 
barte für  gewöhnlich  tieftonige  Silbe,  dass  zum  Heispiel  eine  sonst 
tieftonige  Silbe  des  Schlusswortes  in  Fragesätzen  vielfach 
mit  höherem  Tonanschlag  gesprochen  wird  als  die  hochbetonte  Silbe 
dieses  Sehluss wortes,  aus  dieser  aussergewöhnlichen  Betonung  im  Zu- 
sammenhang der  Rede  also  schliessen  zu  wollen,  dass  die  Tonhöhe  bei 
der  Lateinischen  Wortbetonung  etwas  Gleichgültiges  oder  Zufälliges,  der 
Nachdruck  der  Stimme  die  Hauptsache  gewesen  sei,  setzt  eine  Ver- 
wechselung der  rednerischen  Betonung  mit  dem  Wort tou  vor- 
aus. Der  Wortton  betsimmt  lediglich  das  Verhältnis«  einer  bedeut- 
samen Hauptsilbe  zu  den  Nebe  ns  üben,  indem  er  jene  vor  diesen 
hervorhebt.  Die  rednerische  Betonung  hingegen  drückt  das  Vef- 
hältniss  des  Wortes  zum  Satze,  des  Satzes  zur  Hede  und  aller 
dreier  zu  dem  Sinn  des  Redenden  durch  den  Klang  der  Stimme  aus. 
Wenn  der  Frager  die  letzte  oder  vorletzte,  sonst  lieftonige  Silbe 
des  Seh  lus  s  wortes  hell  aufklingen  liisst  ,  so  thut  ei  das,  um  den 
fragenden  Sinn  seiner  Hede,  die  Erwartung  der  Antwort  dem 
Angeredeten  auszudrücken,  nicht  um  die  Bedeutsamkeit  dieser  Silbe  ge- 
gen andere  desselben  Wortes  hervorzuheben.  I>ic  rednerische  Be- 
tonung hebt  gelegentlich  für  den  augenblicklichen  Zweck  und 
Sinn   des    Redenden   eine  Silbe     sowohl  durch   die  Stärke    als  durch 


Silbe  ausreichte,  da  der  absinkende,  gebrocliene  Hochton  auf  einer 
langen  Silbe  vor  langer  Silbe  oder  mehreren  Kürzen  nicht  gespro- 
chen werden  konnte,  so  war  es  natürlich,  dass  jene  Gelehrten  für 
solche  lange  Silben  einen  von  jenen  beiden  Tönen  verschiedenen 
dritten  Hochton  annahmen.  Diesen  nannte  Glaucus  von  Samos 
ävtavaxAa£o[i£vr]  (Serv.  acc.  §  22),  den  aufwärts  gebroche- 
nen Hochton,  und  Theodorus  lehrte,  dass  er  vom  Tiefton  zum 
scharfen  Hochton  aufstieg  (Serv.  de  acc.  §22).  Dass  ein 
solcher  aufsteigender  Hochton  im  Griechischen  einmal  wirklich  ge- 
hört worden  ist,  erweist  Boeckh  (de  mciris  Finden /,  /.  j  c.  VIII 
p,  47.  c.  IX  p.  52)  aus  der  Tonbezeichnung  von  Wörtern,  deren 
hochbetonter  Vokal  mit  vorhergehendem  oder  folgendem  tief  tonigen 
verschmolz.  War  der  erste  der  beiden  Vokale  vor  der  Vokalver- 
schmelzung hochbetont,  der  zweite  tiefton  ig  wie  in  ££y,  cpaog, 
voog,  Tiloog,  so  wurde  die  aus  der  Vokalverschmelzung  hervor- 
gegangene lange  Silbe  der  Formen  rjv ,  cpäg,  voi>s,  uXovg 
miturgemä'ss  mit  dem  absinkenden,  gebrochenen  Hochton  gespro- 
chen; war  hingegen  der  erste  Vokal  vor  der  Vokal  Verschmelzung 
tief  tonig,  der  zweite  hochbetont  wie  in  £«v,  töraog,  datg,  so 

die  Höhe  des  Tonanschlages  noch  über  die  T  o  ns  tut"  e  und  Tonspau- 
nungdes  hochbeton  teil  Wortes  hervor  grade  wie  sie  für  den  Aus- 
druck eines  besonders  beabsichtigten  Sinnes  auch  jedes  Wort  im  Satze 
und  jeden  Satz  in  der  Rede,  soweit  die  Stimme  ausreicht,  beliebig- 
hoch  und  stark  sprechen  kann.  Von  solcher  ausserordentlichen 
und  ausnah  ms  w  eise  n  rednerischen  B  e  tonung  ist  also  auf  das 
gewöhnliche  Ton  verhält  niss  der  Silben  eines  Wortes  unter 
sich,  auf  den  regelmässigen  Wortton,  gar  kein  Schluss  zu 
machen,  am  wenigsten  der,  dass  die  Tonhöhe  eine  wesentliche 
Eigenschaft  des  Haupttones  im  Worte  nicht  sei,  während  dies 
doch  die  technischen  Benennungen  der  Accent lehre  sowie  die 
übereinstimmenden  Aussagen  von  Griechen  und  Römern  auf 
das  bestimmteste  bekunden.  Dass  bei  den  Alten  die  regelmässige 
hochtonige  Aussprache  einerSilbe  im  Worte  und  der  so  bedingte  Wech- 
sel zwischen  hochtonigen  und  tief  to  nigen  Silben  der  angegebenen 
Schnellkraft  und  Mannigfaltigkeit  der  rednerischen  Betonung  des  Satzes 
Eintrag  gethan,  ja  wohl  gar  sie  sklavisch  an  sich  gefesselt  und  sehr 
eintönig  gemacht  haben  würde'  (a.  0.  TU,  46),  ist  eine  Behauptung, 
die  nach  dem  Gesagten  auf  sich  beruhen  kann ,  ebenso  wie  die  daraus 
sich  ergebende  Folgerung,  dass  die  gleichmässige  tiefton  ige  nur 
durch  einen  Nachdruck  der  Stimme  unterbrochene  Betonung  der  Silben 
eben  jene  Schnellkraft  und  Mannigfaltigkeit  der  rednerischen  Beto- 
nung gefördert  haben  würde. 

14* 


-  212  — 

ward  die  aus  der  Vokalverschmelzung  hervorgegangene  lange  Silbe 
mit  dem  aufsteigenden   llochton   gesprochen  v\v ,  iözag,    dag. 

Dass  indess  der  Unterschied  dieses  aufsteigend  gebrochenen 
Hochtones  von  dein  scharfen  Hochion  überaus  fein  gewesen  sein 
muss,  ergiebt  sich  einmal  daraus,  dass  die  Grammatiker  für  den- 
selben kein  besonderes  Zeichen  erfanden ,  sondern  ihn  ebenso 
in  der  Schrift  bezeichneten,  wie  den  scharfen  Hochton,  dann  aber 
auch  daraus,  dass  bedeutende  Grammatiker  wie  Athenodorus 
und  Dionysius  von  Alexandria  aus  der  Schule  des  Arislarch 
(Serv.  §  19)  in  der  Lehre  von  der  Betonung  diesen  Hochton, 
nicht  anerkannten,  dass  er  daher  später  auch  in  dem  all- 
gemein geltend  gewordenen  und  in  unsere  Grammatiken  über- 
gegangenen Schema  der  Accentuation  keine  Stelle  gefunden  hat. 
Bei  den  Römischen  Grammatikern  findet  sich  keine  sichere  Spin- 
davon,  dass  sie  diesen  Hochion  in  ihrer  Sprache  wirklich  in  einem 
Worte  noch  gebort  und  von  den  beiden  anderen  llochlönen  unter- 
schieden   hatten. 

Psichls  desto  weniger  ist  in  der  älteren  Volkssprache  dieser  auf- 
steigende llochton  in  Wertformen  gehört  worden,  in  denen  ein 
liefton  ig  er  Vokal  mit  folgendem  scharf  betonten  Vo- 
kal versch  liffe  n  wurde  wie  die  obenangeführten  mal  u  ist i, 
t'uerunt,  aibant,  deineeps,  u.a.  Wie  die  Klangfärbung  der 
Vokale  in  diesen  Formen  in  einander  verschmolz,  so  verwuchs  auch 
ihre  Tonhöhe  mit  einander;  der  Tiefton  schmolz  mit  dem  folgenden 
llochton  zu  einen»  aufsteigenden  gebrochenen  llochton  zusammen. 
So   wurde  aus. 

malu-isti:  maluisti, 

lii  -erunt:  fuerunt, 

du -611  u  in:  d  nT'IIn  in  , 

pn-ella:  puella, 

ori-ündi:  oriundi, 

di-ütius:  diutius, 

de-inceps:       d  ei  nc  ep  s. 

Noch  zusammengesetzter  wurde  der  Ton,  wenn  ein  tiei- 
toniger  Vokal  mit  einem  folgenden  Vokal  versch  I  i  l- 
fen   wurde,  der  den  gebrochenen   llochlon   hatte,   weil   er   in 


—     213     — 

der  Endsilbe  oder  vor  kurzer  Endsilbe  stand;  dann  schmolz  ein 
Tiefton  mit  einem  gebrochenen  Hochton  zusammen  zu  einem  zu- 
sammengesetzten dreifachen  Ton,  der  vom  Tiefton  zum  II  och  - 
ton  aufsteigend  sich  wieder  zum  Tiefton  her  absenkte. 
So  wurde  aus: 

sü-äpte:  suapte, 

JA 

p  i  t  ü  -  i  t  a :  p  i  t  u  1 1  a , 

v\ 
fü-isse:  fuisse, 

w 
e-ätis:  eatis, 

u 

e-äsdem:  e"a  s  d  e  m , 

VN 

e-örum:  eorum, 

de-örum:  d  eo  r  u  m , 

v\ 
cö-ire:  coire. 

Sobald  indessen  die  Vokale  gesondert  gesprochen  wurden,  so 
lösten  sich  so  zusammengesetzte  Hochtöne  wieder  in  ihre  Bestand- 
teile auf. 

Uebrigens  ist  der  gebrochene  Hochton  im  Lateinischen 
eine  Erbschaft  alter  Zeit.  Das  Sanskrit  kann  den  vollen  schar- 
fen Hochton  ungeschwächt  durch  die  ganze  Lautdauer  eines  lan- 
gen Vokales  hindurch  aufrecht  erhalten.  Aber  auch  das  Sanskrit 
hat  einen  gebrochenen  Hoch  ton,  svarita,  d.h.  tonbegabt, 
von  s v a r a ,  Ton,  Ac Cent,  genannt,  der  sich  über  z  w ei  Vokale 
hinzieht,  die  zwar  der  Aussprache  nach  zu  einer  Silbe  verschlif- 
fen sind,  aber  doch  beide  gehört  werden,  und  auch  nicht  so  ent- 
sehieden  eine  phonetische  Einheit  darstellen  als  die  eigentlichen 
Diphthonge  (Bopp,  Vergleichendes  Accenisystem,  S.  11 — 15),  das 
heisst  also,  wo  die  der  Griechischen  und  Lateinischen  Synaerese  ent- 
sprechende Vokalverschleifung  eintritt.  Diese  findet  im  Sanskrit  statt 
zwischen  den  Halbvokalen  j  und  v  und  folgendem  Vokal,  zum  Bei- 
spiel in  väkjäm,  Lat.  vöcem,  manusjäs,  Nhd.  Mensch,  kvä, 
Nhd.  wo.  Dieser  Ton  entspricht  also  dem  aufsteigenden  zu- 
sammengesetzten Hoch  ton  in  den  Lateinischen  Formen  wie 
maluisti,  fuerunt,  orfundi,  duitius.  Indessen  konnte  das 
Sanskrit  auch  in  solchen  Fällen ,  wie  die  angeführten  den  scharfen 
Hochton  bewahren. 


—     214     — 

fi)    Stelle    des  Hochtones. 

cc.     Regelmässige  Stellung  des  Hoch  tone  s. 

Das  Verhältniss,  in  welchem  Tonhöhe  zu  Tondauer  stand,  er- 
hellt aus  der  Stellung,  die  der  Hochton  im  Worte  einnahm  nach 
dem  jüngeren  in  der  Blüthezeit  der  Römischen  Litteratur  geltenden 
Betonungsgesetz,  das  Quintilian  (I,  5,  30)  und  die  späteren 
Grammatiker  (Serv.  §  2  —  4.  Prise,  p.  1288.  f.  Diorn.  II,  425.  f. 
Donat.p.  1742/".  Serg.  p.  1835.  Cledon.  p.  1887.  Marl  Capeli. 
p.  284.  K.)  übereinstimmend  folgendennassen  lehren: 

1)  Einsilbige  Wörter  haben,  wenn  ihr  Vokal  laug  ist,  den 
gebrochenen  Hochton,  so: 

res,     p  e  s ,     mos,     fl  6  s ,     1  i  s ,     m  ö  n  s ,     Ions, 
lux  ,     söl,      das,      fies ,     fis  ;  *) 
wenn  ihr  Vokal  kurz  ist,  den  scharfen  Hochton,  so  : 
mel,     fei,     cor,     ös,     pars,     mors,     fax, 
nöx,     pix,    nüx. 

2)  Zweisilbige  Wörter  haben  bis  auf  einzelne  ganz  be- 
stimmte Ausnahmen  den  Hochton  auf  der  vorletzten  Silbe. 

Ist  die  letzte  Silbe  lang,  so  hat  die  erste  den  scharfen  Hoch- 
ton ;  so : 

Röinac,     reges,     leg  es,     salus,     nepos,     cöhors. 
söllers,    pröfert. 

Ist  die  letzte  Silbe,  kurz  so  hat : 
die  vorletzte  den  scharfen  Hoehton,  wenn  ihr  Vokal  kurz  ist;  so: 

röra,     arma  ,     böne,     male,     d£us,     eitus,     d;iiu>. 

ä  r  c  u  s ,      parte  in ,      mortis,      dahat,     d  (;  d  i  t ; 
die  vorletzte  den  gebrochenen  Hochton,    wenn   ihr   Vokal   lang 
ist;  so  in: 

Roma,     clärus,     pömum.     egil.     vixil,     düxit. 

flösse. 

3)  Dreisilbige  und  mehrsilbige  Wörter  haben  den  Hoch- 
ton auf  der  vorletzten  oder  drittletzten  Silbe,  und  /war, 

wenn  die  vorletzte  Silbe  kurz  ist.  den  scharfen  Hochton  auf  der 
drittletzten;  so: 

äscia,    fiscina,    specie,    Römulo,    hupet  u.     curia  s. 

mödios,     pernicies,    villieum,    törtilem.    pöstulas. 

dederat,     legeri  nl  ; 

*)  Nur  no  beim  Imperativ  bildet  hiervon  eine  Aussmilime .  Charts. 
o.  202. 


—     215     — 

wenn  die  vorletzte  Silbe  durch  Länge  des  Vokales  oder  durch 
Häufung  von  Gonsonanten  lang  ist ,  hat  die  vorletzte  Silbe  auch 
den  Hochton,  und  zwar: 

/     den  scharfen  Hochton, 
wenn  der  Vokal  der  vorletzten  Silbe  kurz  ist;  so: 

puella,      receptus,      fenestra,     taberna,     tegen- 
l  e  s  ,     o  n  ü  s  t  u  s  ; 
wenn  der  Vokal   der  vorletzten  Silbe  lang  und   die   letzte  Silbe 
ebenfalls  lang  ist;  so: 

pudicae,    Romani,    legäto,    praetor  es,    praedönes, 
1  e g e r u n t ,     d e 1 e s t i ,     a u d i s s e s  ,     cognössent; 
den  gebrochenen  Hochton, 
wenn  der  Vokal  der  vorletzten  Silbe  lang,  die  letzte  Silbe  kurz 
ist ;  so : 

lectica,  amice,  civilis,  gcnerösus,  talärein. 
Dass  die  vorletzte  Silbe  mit  langem  Vokal  den  scharfen 
Hochton  hatte,  wenn  die  letzte  auch  nur  durch  Position  lang 
war,  lehrte  Douat  p.  1835:  Cir cumflexus  accentus  in  di- 
syllabis  vel  in  trisyllabis  vel  in  quantovis  numero 
syllabarum  pen ultimum  sibi  vindicat  tantum  locum 
et  hac  lege,  ut,  ubi  fuerit  hie  accentus,  pen  ul- 
tima sit  naturaliter  longa.  Ita  fit,  ut  huic  aecentui 
cTrochaeus  naturaliter  longus'  con venire  videatur. 
Gariz  ausdrücklich  sagt  das  auch  Martianus  Capella  p.  61.  Gr.: 
Si  posterior  longa  erit  cpositione'  vel  natura,  prior 
acuetur  ut  c  codex,  döete',  und  Cledonius,  1887.  P. : 
So lus  trochaeus  circumflexum  accentum  habet  in 
pen  ultima.  Wenn  es  also  bei  Priscian,  /;.  1289,  heisst : 
Ultima  vero  si  naturaliter  longa  fuerit,  pen  ultima 
acuetur  ut  cAthenae  Mycenae',  so  drückt  er  die  Regel 
des  Donat  nur  unvollständig  aus  und  vergass  den  anderen  Fall  zu 
erwähnen ,  wenn  die  letzte  Silbe  positionslang  war.  Man  darf  also 
nicht  die  positiven  Aussagen  des  Donatus,  Martianus  und 
Cledonius  verwerfen,  weil  Priscian  etwas  zu  sagen  vergass*). 


*)  Das  thun  Weil  und  Benloew,  p.  19.  Sie  wollen  cäelebs,  fe- 
cerunt  accentuieren,  indem  sie  behaupten  Priscians  indirektes  Zeugniss 
gelte  mehr  als  Martianus  ausdrückliche  Aussage.  Die  Stellen  aus  Do- 
nat, Cledonius  haben  sie  gar  nicht  beachtet;  wäre  das  der  Fall  gewesen, 
so  würden  sie  ihre  Ansicht  wohl  geändert  haben. 


—     216     — 

ß.     Der  Hoch  ton  auf  der  Endsilbe. 
(Perispomena.) 

Den  Hochton  auf  der  letzten  Silbe  hatte  im  Lateinischen  keine 
zwei-  oder  mehrsilbige  volle  und  unversehrte  Wortform,  so  ent- 
schieden und  unwiderstehlich  war  die  Neigung  der  Sprache  ,  die 
letzte  Silbe  des  Wortes  tieftonig  zu  sprechen.  Nur  durch  Vokal  - 
aus  fall  und  Vokalabfall,  das  heisst  durch  das  Schwinden 
der  ursprünglichen  S  chlusssilbe  des  Wortes  kann  der  ge- 
brochene Hoch  ton  auf  die  letzte  Silbe  zu  stehen  kommen,  wie 
Priscian  ausdrücklich  versichert. 

So  geschieht  dies  in  den  Pronominalformen,  an  die  der  enkliti- 
sche Pronominalstamm  -ce  gefügt  ist,  wenn  das  auslautende  e  des- 
selben abfällt: 

i  1 1  i  c  ,     für     i  1 1  i  c  e  , 
i  1 1  u  c  ,  i  1 1  ü  c  e  , 

illäc ,  illäcc  , 

istic,  istice, 

i  s  t  ü  c  ,  i  s  t  u  c  e , 

istäc,  istace. 

Prise,  p.  629.  739.  943.  950.  1012.  u.  a. 

Wie  sich  weiter  unten  ergeben  wird  ,  war  die  ursprüngliche 
Betonung  dieser  enklitischen  Wortbildungen  illice,  istace  u.  a., 
dann  durch  Brechung  des  Hochtones  nach  Kürzung  des  auslautenden 
e  illice,  istace  und  nach  Abfall  desselben  i  1 1  i  c ,  i  s  t  ä  c. 

Dass  das  anlautende  i  dieser  Können  tieftonig  war,  wird  be- 
stätigt durch  die  Korinen  cste,  es  I  a,  f  stud,  cstic,  fst  ac,  es1  n  in. 
und  die  irrationale  Kürze  des  anlautenden  i  dieser  Formen  ille, 
iste  u.  a.,  von  der  oben  die  Rede  gewesen  ist,  tgl.  IL  80/". 

Dieselbe  Betonung  erballen  .Nominal-  und  Verbalformen  mit 
enklitisch  angefüglein  Fragewort  -ne,  wenn  dasselbe  den  Vokal  e 
eingebüsst  hat,  wie: 

tantön,  Serv.  Verg.  Aen.  XI  1,50:5.     bonän,     audln,     censen, 
credon,  illan,       dixin,       cert6n, 

videön, 
sehr  natürlich,  weil  daneben  ja  die   vidieren   Formen   Lantöne, 
credöne   u.   a.    in    Gebrauch   waren,    wie   neben  illüc,    illinc. 
iMac  lange  Zeil  die  Formen  illüce,  i  II  i  nee,  i  1 1  &  ce  hergingen 


*)  Landen,  a.  0.  p.  32/*.  bestreitet  Betonungen  wi<>  illte,  istöc, 
tantön,  censen  uns  dem  Grunde,    weil  diese  Formen  bei  den  Sceni- 


—     217     — 

Ebenso  tritt  die  hochbetonte  vorletzte  Silbe  an  das  Wortende 
nach  Abfall  der  Imperativendung  e  in: 

produc,  Prise,  p.  629.  P.  für  produce, 
und  den  anderen  gekürzten  Imperativformen  der  Composita  von 
du co,  eine  Angabe,  die  dadurch  glaublich  wird,  dass  noch  bei 
T  eren z  sich  beide  Formen  neben  einander  finden,  dedüce,  Eun. 
III,  3,  32,  traduce,  Heaut.  IV,  4,  22.  Ad.  V,  7,  12  neben  redd  üc, 
Hec.  IV,  4,  32.  76,  ohne  Zweifel  also  der  Hochton  in  der  abge- 
kürzten Form  noch  auf  seiner  Stelle  stand. 

Das  die  Abkunft  von  einem  Orte  bezeichnende  Suffix  -ati  war 
in  der  älteren  Sprache  auch  vor  dein  auslautenden  s  des  Nominativs 
noch  erhalten,  wahrend  später  -ätis  im  Nominativ  zu  -äs  ein- 
schrumpfte. Priscian  versichert  wiederholt,  dass  der  gebrochene 
Hochton  auf  dem  ä  blieb,  nachdem  dasselbe  durch  Schwinden  der 
ursprünglichen  Endsilbe  in  den  Wortschluss  gerückt  war.  Dies 
wird  bezeugt  von  den  Formen : 

nosträs,  Arpinas,  Larinäs, 

vesträs,  Antias,  Ravennas, 

cuiäs,  Capenäs,  Pontiäs, 

prima  s,  Crotoniäs,  Suffenas, 

Prise,  p.  629.  649.  739.  846.  943.  1014.  1227.  1293.  1298. 
und  für  alle  ähnlich  gebildeten.  Die  ältere  Nominativform  -ätis, 
die  zu  E nni  u s ,  N a e  v i  u  s ,  C a  t o  s  Zeit  die  gebräuchliche  war,  hielt 
sich  auch  noch  bis  T  i  t  i  n  i  u  s  und  C  a  s  s  i  u  s  H  e  m  i  n  a ,  Prise, 
p.  762.  943;  Formen  wie  cuiäs  und  cuiätis  gingen  neben  ein- 
ander her,  Prise,  p.  629,  natürlich,  dass  die  kürzere  Form  längere 
Zeit  die  alte  Betonung  wahrte.  Dass  Priscian  so  betonte  und 
betonen  hörte,  lehrt  sein  Ausdruck  p.  1280:  dieimus  enim  ehic 
et  hacc  Arpinas'.  Wenn  hingegen  Sergius,  p.  1835.  P., 
Maccenas  betonen  will,  so  ist  diese  Betonung  in  der  späteren  Zeit 
sehr  glaublich  bei  einem  aus  Etrurien  stammenden  Personennamen. 


sehen  Dichtern  häufiger  die  Vershebung  auf  der  vorletzten  Silbe  trügen. 
Dieser  Grund  hat  nur  für  den  Beweiskraft,  der  an  eine  gesuchte  lieber- 
einstimmung  zwischen  Vershebung  und  Hochton  bei  jenen  Dichtern 
glaubt,  die  im  weiteren  Verlauf  dieser  Untersuchungen  unbedingt  in 
Abrede  gestellt  werden  wird.  Von  jener  unhaltbaren  Voraussetzung 
ausgehend  gelangt  L.,  a.  0.  p.  34  —  36,  zu  der  Behauptung,  in  der  Zeit 
der  späteren  Römischen  Grammatiker  habe  sich  der  Hochton  in  Formen 
wie  istüc,  prodüc,  tantön  auf  die  letzte  Wortsilbe  vorgeschoben. 
Was  von  dieser  Annahme  zu  halten ,  wird  sich  sogleich  unten  ergeben. 


—     218     - 

Ebenso  wird  in  einigen  Perfekten  auf  -vi  nach  Ausfall  dieser 
ganzen  Silbe  in  der  oben  besprochenen  Weise  eine  mit  dem  gebro- 
chenen Hochton  gesprochene  Silbe  an  das  Wortende  gedrängt  und 
behält  dann  diesen  Ton.     So  führt  Priscian  an: 

fumät,      für     fumävit, 

audit,  audivit, 

cupit,       für      cupivit, 

m  u  n  i  t ,  m  u  n  i  v  i  t , 

Prise,  p.  943.  629.  1280. 

Formen,  die  indessen  doch  wenig  gebräuchlich  gewesen  sind*). 
Dass  diese  ganze  Lehre  nicht  eine  Theorie  desPriscian  ist, 
bezeugen  seine  Worte,  die  er  nach  Erwähnung  dieser  Betonung 
hinzufügt,  p.  629  P:  idque  omnibus  placet  artium 
scriptoribus ,  (jui  de  accentu  scripserunt.  Auch  alle 
älteren  Grammatiker,  die  Priscian  für  die  Accentlehre  benutzte,  wie 
Varro,  Censorinus  und  Donatus  u.  a.  müssen  dieselbe  Beto- 
nung gehört  und  gelehrt  haben. 

Abei1  es  ist  wohl  festzuhalten,  dass  in  einfachen  Wortformen 
nur  ein  g  c  b  r  o  c  h  e  nerHochton  so  unverändert  auf  seiner  Stelle 
bleibt,  wenn  dieselbe  durch  Schwinden  der  ursprünglichen  Schluss- 
silbe an  das  Wortende  verschoben  wird,  der  scharfe  Hochton, 
hingegen  nur  in  einzelnen  enklitischen  Wortverbindungen,  von 
denen  unten  die  Bede  sein  wird.  Das  hal  seinen  guten  Grund.  Der 
gebrochene  Hochton  senkt  sich,  wie  gezeigt  ist,  gegen  Ende  zum 
Tiefton  ab ,  also  war  auch  in  allen  Lateinischen  Perispomenen  der 
Auslaut  des  Wortes  nicht  hochtonig. 

Dass  nun  aber  die  Aussprache  der  Wortformen  wie  pro- 
duc,  Antias  im  Volksmunde  mit  der  Zeil  dahin  neigen  konnte, 
den  Hoch  ton,  nachdem  die  volleren  Formen  verschollen  und  der 
Abfall  der  letzten  Silbe  aus  dem  lebendigen  Sprachbewusstsein  ge- 
schwunden war,  auf  die  vorletzte  Silbe  zurückzuziehen,  isl  dem 
Entwickelungsgange  der  Sprache  gemäss,  die  seit  unvordenklichen 
Zeilen  von  dem  Hange  die  Endsilben  tieftonig  zu  sprechen 
beherrscht,  eben  diese  vernachlässigten  Endsilben  im  Laufe  ihrer 

*)  Servius  SU  Jen.  III,  3  tadelt  den  I'rohus  nicht,  weil  er  /usani- 
mengezogene  Perfekte  wie  fumät  als  Perispomena  betonen  will,  wie 
Langen %  "■  O   p.  34,  anzunehmen  Bcheint,   sondern  weil  er   fnmat   an 

jener  Stelle  für  ein  Perfektum.  nielit  für  einen  Präsens  halt.  Die  Stelle 
beweist    also    nichts    gegen    Priscian 8    und    aller    anderen    Grammatiker 

Lehrt". 


—     219 


Lebensdauer  immer  entschiedener  und  unaufhaltsamer  ver- 
kümmern und  abstumpfen  Hess.  Ein  Vorschieben  des  Hoch- 
tones auf  die  Endsilbe  in  später  Zeit  ist  mit  diesem  Entwicklungs- 
gänge unvereinbar. 

Schon  zu  Quintilians  Zeiten  taucht  nun  aber  unter  den  Rö- 
mischen Grammatikern  die  Lehre  auf,  dass  die  Lateinische 
Sprache  wie  die  Griechische  gewisse  Oxytona  und  Perispo- 
mena  kenne,  deren  Hochton  nicht  erst  durch  Abschleifung 
einer  Endsilbe  in  den  Schluss  des  Wortes  gerückt  sei.  Und  zwar 
soll  es  erstens  gewisse  Präpositionen  oder  Adverbien ,  Con- 
junetionen  und  Pronomina  gegeben  haben ,  die,  um  sie  von 
gleichlautenden  Wörtern  anderer  Bedeutung  zu  unter- 
scheiden, mit  dem  Hochton  auf  der  Schlusssilbe  gesprochen  seien. 
Solche  Betonung  zur  Unterscheidung  wird  im  allgemeinen  gelehrl, 
Prise,  p.  1288:  Apud  Latinos  in  ultima  syllaba  nisi  dis- 
cretionis  causa  poni  non  potest  accentus.  Vgl.  Donat. 
p.  1741.  Diom.  p.  428.  So  werden  insbesondere  unterschieden  : 
p  o  n  e,  Diom.  p.  428.  Prise. p.  994. 1 288.  von  p  6  n  e  (Imperat.) 

Max.   Vict.  p.  1943.    Langen,  a.  0. 

p.U.f. 
sin 6",  Prise,  p.  994. 
ergo,  Diom.  p.  428.   Prise,  p.   1288. 

Langen,  a.  0. 
cireüm  ,  Prise,  p.  977.  Quint.  I,  5,  25. 

Alcuin.  p.  2136. 
falsö  (Adv.),  Prise,  p.  1300. 
u  n  a  (Adv.) ,  a.  0. 
alias  (Adv.) ,  Pris.  p.  101 4 . 
verum  (Conj.) ,  Prise,  p.  994. 
Quantum  (Pron.  relat.),  Quint.  1,  5,  25. 


sine  [Imperat.) 
ergo  (Conjunct.) 

c  i  r  c  u  m  (Subst.) 


w- 


fälso  (Adj.) 
üna  (Adj.)     * 
alias  (Adj.) 
verum  (Adj.) 
quäntum   (Pron. 
terrog.) 
quäle,  (Pron.  relat.)  a.  0.  quäle  (Pron.  interrog.) 

Zweitens  lehren  auch  Römische  Grammatiker,  dass  zwei- 
silbige Präpositionen  eigentlich  den  Hoch  ton  auf  der  letz  - 
ten  Silbe  hätten  wie  die  Griechischen;  wie  diese  aber  den  Acutus 
in  den  Gravis  verwandelten,  wenn  sie  vor  dem  Nomen  stehen, 
das  von  ihnen  abhängt.  Prise,  p.  977:  Accentum  haben  t 
praepositiones  c  acutum  in  fine'  tarn  apud  Graecos 
quam    apud    Latinos,    q  u  i    tarnen    c  c  u  m    a  1  i  i  s    I  e  g  e  n  d  o 


-     220     - 

in  gravem  conver  titur' ,  nisi  praepostere  proferan- 
tur.  Qu  od  Aeoles  quoque,  quam  vis  fugiant  in  fine 
acutum,  in  h  a  c  parte  s  o  1  e  n  t  scrvare,  quos  in  p  1  e  r  i  s  - 
que  secuti  in  hoc  quoque  sequimur.  Vgl.  Diom. p.  428. 
Prise,  p.  1300.  Diese  Betonungsweise  wird  nun  insbesondere  an- 
gegeben für: 

p  o  n  e  ,  aa.  00.  a  p  u  d ,  Prise,  p.  1 300. 

sine,  aa.  00.  ante,  Charis.p.  207.  209. 

c ireüm,  aa.  00.  i n  t  e r ,  Charts,  p.  207. 

penes,  a.  0.  p.  207.  209. 
Q  u  i n  t il i a n  unterwirft  diese  Lebren  einer  bemerkenswerthen 
Kritik.  Er  sagt,  I,  5,  25:  Ceteruin  iam  scio  quos  dam 
e  r  u  d  i  t  o  s  ,  n  o  n  n  u  1 1  o  s  e  t  i  a  m  g  r  a  m  m  a  t  i  c  o  s  sie  d  o  c  e  r  e 
a  c  1  o q  u i ,  u  t  p r o p  t e r  vocum  q u a e d a m  d  i  s c r i  m i n a 
verbum  Interim  acuto  sono  finiant.  Er  führt  dann  die 
Betonung  quantüm,  quäle,  cireüm  als  Beispiele  an  und  sagt, 
dass  diese  Lehre  sich  auf  Adverbien  und  Pronomina  be- 
schränke. Dann  heisst  es  weiter:  Mihi  videtur  condicionem 
mutarc,  quod  bis  locis  verba  coniungimus.  Na  in 
cum  dico  ccircum  litora'  lamquam  iiniim  enuntio 
dissimulata  disti  actione :  itaque  t  am  quam  in  una 
voce  una  est  a  c  u  t  a  ,  quod  i  d  e  m  a  c  c  i  d  i  t  in  i  1 1  o  : 
fTroiae  qui  priiaus  ab  oris'.  Nach  einer  Zwischen- 
bemerkung heisst  es  weiter:  ?Separata  vero  haec  a  prae- 
cepto  nonrecedent;  aut  si  eonsuetudo  viecrit,  ve- 
tus  lex  serinonis  abolebitur'.  Aus  dieser  Kritik  jener 
Lehren  bei  Quinlilian  ergiebl  sich  also,  dass  nur  einige  Gramma- 
tiker und  Griechisch  Gebildete  jene  Betonung  der  Endsilbe 
nach  Griechischem  Muster  zur  Unterscheidung  an- 
wandten; dass  zu  Quintilians  Zeiten  der  Sprachgebrauch  und 
die  Ansicht  anderer  (Je lehrten  wie  Quintilians  selbst  gegen 
jene  Theorien  war;  dass  Qu  i  n  tili  aa  djese  Theorien  verwarf,  weil 
sie  dem  althergebrachten  Beton ungsgesetz  der  Lateini- 
schen Sprache  widerstrebte,  nach  welchem  bis  auf  einzelne 
besondere  Fälle  die  Endsilben  tieftonig  waren  und  eine  grosse 
Anzahl  von  Wörtern  im  Zusammenhang  i\cv  Rede  den  Hochton  ein- 
büssten  und  sich  enklitisch  an  den  Hochion  des  benachbarten 
Wortes  anschlössen.  Marliaaus  Capeila  folg!  dieser  richtigen 
Ansicht,  wenn  er  sagt,  />.  286.  K:  'Ante   urbem\     Hie    ante 


—  m  — 

perdidit  acutum  sonum  prior is  syllabae.  In  dem  Ab- 
schnitt über  Tonanschluss  an  das  folgende  Wort  wird  hiervon  wei- 
ter die  Rede  sein.  Die  Sprachgeschichte  liefert  weitere  Beweise 
dafür,  dass  Quintilian  Recht  hatte. 

Die  ganze  Ansicht,  dass  der  Accent  dazu  da  sei  um  gleich- 
lautende W ö r t e r  von  verschiedener  Bedeutung  zu  un- 
terscheiden, die  N  ig i d  i  u  s  F  i  g  u  1  u  s  zuerst ,  so  weit  wir  na ch- 
kommen  können,  unter  den  Römischen  Grammalikern  aufstellte, 
ist  weder  im  Wesen  des  Accentes  noch  in  (\en  Thatsachen 
der  Sprache  begründet.  Die  Wortbetonung  dient  dem  Zweck, 
die  Einheit  des  W  o  r  t  k  ö  rp  e  r  s  darzuthun  und  zugleich  die  Be- 
deutsamkeit der  verschiedenen  Glieder  dieses  Körpers  zu 
bezeichnen,  aber  nicht  die  Bedeutung  dieses  Wortkörpers  anderen 
gegenüber  auszuprägen.  Die  Worlformen  proba,  multa,  caede, 
fide,  species,  partis,  par  ti  sind  sowohl  V  erbalformen  als 
Nominal  form  en,  und  doch  wird  kein  Unterschied  der  Beto- 
nung für  die  beiden  verschiedenen  Bedeutungen  überliefert ;  die 
Wortformen  intro,  supera,  conti nuo,  können  Adverbien 
und  Verbalformen  sein,  und  wir  kennen  keinen  Unterschied  in 
der  Betonung  zwischen  beiden;  die  Formen  bona,  viro,  fide, 
specie,  cornu,  sortibus,  portibus  bezeichnen  verschie- 
dene Casus,  ohne  durch  die  Betonung  verschieden  zu  sein;  die 
Verbalformen  a  u d  i  a  in ,  d  i  x  e  r  i  s ,  1  e  g  a  v  er  i  n  t  haben  verschie- 
dene Bedeutung,  und  doch  ist  von  keinem  Unterschied  der  Be- 
tonung die  Rede.  Die  verwandten  Sprachen  haben  ebenso 
zahlreiche  Wortformen,  die  bei  gleichem  Laut  verschiedene  Bedeu- 
tung haben;  es  kann  aus  anderen  Gründen  kommen,  dass  sie  ver- 
schieden betont  sind,  aber  auf  eine  absichtlich  erstrebte 
Unterscheidung  der  Bedeutungen  durch  die  Betonung  kommt 
es  nicht  an. 

Es  ist  schon  oben  nachgewiesen,  dass  die  Adverbien  und  Prä- 
positionen p  o  n e ,  ante,  a  p  u  d  A  b  1  a  t  i  v e  von  Nomen  sind  ;  dass 
ergo,  falso,  una  ebenso  Ablative  sind,  kann  wohl  niemand  zu  be- 
zweifeln einfallen;  so  wenig  es  jemand  entgehen  kann,  dass  cir- 
cum,  verum  A  ecusative  sind.  Wie  sollte  wohl  hier  die  Be- 
tonung dazu  kommen  die  verschiedene  Bedeutung  dersel- 
ben Casus  zu  unterscheiden,  während  sie  zum  Beispiel  keine 
Auskunft  giebt,  welche  von  den  sechs  Casus  die  Wortform 
cornu  ist? 


—     222     — 

Endlich  wid  erspricht  die  Form  der  Lateinis  ch  en  Prä- 
positionen oder  Ortsadverbien  der  Ansicht ,  dass  sie  jemals 
den  Hoch  ton  auf  der  letzten  Silbe  gehabt  hätten,  weil  gerade 
diese  letzte  Silbe  durch  Abfall  des  Vokales  vielfach  verstümmelt 
ist  im  Gegensatz  zu  den  Formen  derselben  in  verwandten  Sprachen. 
So  stehen,  wie  schon  erwähnt,  in,  ab,  sub  neben  Griechisch  evt', 
£716,1)716,  ad  neben  Sanskr.  ati,  ob  neben  Sanskr.  upa  (N.  Jahrb. 
LXVIII,  481),  per  neben  Oskiscb  per  um  und  Osk.  Umbr.  pert 
{Kirchh.  Skidtr.  v.  Banlia ,  S.  22.  Zeitschr.  für  vergl.  Sprach/'. 
V,  106),  Skr.  parain  (ultra,  Potl,  Et.  Forsch.  I,  96);  pos,  post 
ist,  wie  oben  gezeigt,  aus  poste  für  postid  abgestumpft;  in  ex, 
uls,  eis,  Irans  ist  der  liest  einer  Adverbialendung  -is,  die  wie 
das  -is  von  magis,  nimis,  salis,  potis,  ultis  aus  der  Compa- 
rafivendung  -ius  entstanden  isl  (Zeitschr.  furvergl.  Sprach  f.  III, 
292).  In  super  neben  Sanskr.  irpari  und  inter  isl  ein  auslau- 
tender Vokal  dir  Wortstämme  supero-,  i  utero-  abgefallen. 
Alle  diese  Ortsadverbien  können  also  nie  hl  auf  derselben  letzten 
Silbe  den  Ho  cht  o  n  gehabt  haben,  die  sie  abwerfen,  während  die 
erste,  tieftonige  unversehrt  geblieben  wäre. 

Die  Quelle  des  Irrthums  für  die  Grammatiker  war  die  Griechi- 
sche Betonung  von  jidgcc  neben  rrrcptf,  im  neben  l%l*  svl 
nehen  ivl,  nolog,  xoCog  neben  xoioSi  noGogu.a  ;  sie 
ahmten  ihren  Griechischen  Lehrmeistern  gegen  die  Betonungsweise 
ihrer  Muttersprache  nach,  indem  sie  ergo  und  ergo,  pone  und 
pone,  quäle,  qua  nl  um  und  qua  16,  q  nanl  um  schieden.  Das«  es 
sich  hier  nur  um  eine  Theorie  von  Grammatikern  handelte,  dass 
jene  Wörter  nicht  wirklich  mit  dem  llochlon  auf  der  letzten  Silbe 
gesprochen  wurden,  sagt  Poiupnniiis  ganz  klar,  p.  7(>  L:  Item 
quando  dicemu  s  e  rgd,  non  d  i  ce  raus,  quia  sie  d  eh  et  dic>, 
sed  ut  sil  discretio  propter  ergo,  coniunetiouem 
suam. 

Benloew  und  Weil  (p.  55)  folgen  /war  Ouiulilians  Meinung, 
dass  Präpositionen  und  Adverbien  nicht  den  Hochton  auf  der  letzten 
Silbe  gehabt  haben,  meinen  aber,  zweisilbige  Präpositionen  halten  im 
Zusammenhang  der  Rede  einen  Mittelton  auf  der  letzten  Silbe  gehabt. 
In  dem  Abschnitte  über  den  Tiefton  wird  sich  ergeben,  wie  diese  Ge- 
lehrten über  die  Stelle  des  Tieftones  und  des  Mitteltones  im  Latein i 
sehen  Worte  sieh  im  Irrlhum  befinden,  ans  dein  auch  ihre  unrich- 
tige Ansicht  über  die  Betonung  der  Präpositionen  geflossen  ist. 


—     223     — 

y.     Der  Hoch  ton  auf    der  vorletzten  kurzen  Silbe. 

(Paroxy  tona.) 

Priscian  lehrt, p.  739. P.:  Si  enim  non  abscissio,  de- 
buerunt  huiusmodi  vocativi  (id  est  qui  in  i  desi- 
nentes  paenultimam  correptam  haben  t)  an  ti  paenul- 
timam a  euere,  ut  'Vergili,  Mercuri',  q.uod  mini  ine 
licet,  nam  'paenultimam  a  c  u  i  m  u  s '.  in  abscissionibus 
enim,  s i  e a  v o c a  1  i s ,  in  qua  est  accentus,  i n t e g r a 
man  et,  servat  etiam  aecentum  integrum  ut  audivit; 
audit,  nostralis:  nostras,  illice:  illlc.  Vgl.  a.  0.  1280. 

Im  Gegensatz  zu  Priscians Angabe  stellte  Nigidius  Figulus 
die  Behauptung  auf,  man  müsse  jene  Vocative  Vergili,  Mercuri 
aecentuiren  zum  Unterschiede  von  den  Genetiven  Vergili, 
Mercuri,  Gell.  XIII,  26.  H:  Deinde  -  voculatio  qui  pote- 
rit  servare,  si  non  sciemus  in  nominibus  ut  Valeri, 
utrum  in terrogandi  sint  an  vocandi;  nam  interro  • 
gandi  seeunda  syllaba  superiore  tono  est,  (|uam 
prima,  deinde  novissima  deicitur;  at  in  casu  vo- 
candi s  u  m  m  o  tono  est  prima,  deinde  g  r  a  d  a  t  i  m  d  e  - 
scendunt.  Sic  quidem  Nigidius  dici  praeeepit.  Sed 
s  i  q  u  i  s  nunc  V  a  I  e  r  i  u  m  a  p  p  e  1 1  a  n  s  in  casu  vocandi 
seeundum  id  praeeeptum  Nigidii  acuerit  primam, 
non  aberit,  quin  rideätur.  Vergleicht  man  die  beiden  sieb 
widersprechenden  Lehren,  so  erhellt  zunächst  aus  Priscian 6 
Ausdruck  paenultimam  aeuimus  und  aus  dem  nunc  in  Gel- 
lius  Beiutheilung  der  Lehre  des  Nigidius,  dass  beide  Grammati- 
ker zu  ihrer  Zeit  die  in  Rede  stehenden  Vocative  Vergili,  Mer- 
curi betonten  und  betonen  hörten.  Es  ergiebl  sich  ferner  aus 
Gellius  Ausdruck:  sie  quidem  Nigidius  praeeepit,  dass 
nach  seiner  Kenntniss  Nigidius  allein  es  war,  der  die  Betonung 
Vergili,  Mercuri  empfahl.  Der  Schluss,  dass  auch  die  anderen 
älteren  Grammatiker,  etwa  die  Zeitgenossen  des  Nigidius  und 
insbesondere  Varro  derselben  Meinung  waren,  ist  durchaus  nicht 
gerechtfertigt,  da  Gellius  unmittelbar  hinter  der  angeführten  Stelle 
ja  grade  Besonderheiten  aus  der  Accentlehre  und  Casuslehre 
des  Nigidius  anführt,  die  von  den  Lehren  der  anderen  Grammati- 
ker abwichen,  wie  wenn  erden  Accent  voculatio,  den  Hochton 
summ  us  tonus,  den  Genetiv  casus  in  terrogandi  nennt. 
So  absonderlich  erscheint  dem  Gellius  die  Lehre  des  Nigidius,  dass 


—     224     - 

er  meint,  jeder  seiner  Zeitgenossen,  der  nach  ihr  jene  Vocative  be- 
Ionen wollte,  müsse  unfehlbar  ausgelacht  werden.  Der  Zweck,  den 
jener  Grammatiker  durch  seine  Vorschrift  erreichen  wolllte  ist,  wie 
er  seihst  sagt,  die  Unterscheid  ung  gleichlautender  Casus- 
formen; aber  dass  der  Accent  diesem  Zweck  im  Lateinischen 
nicht  dient,  ist  schon  oben  erwähnt.  Die  Zurückziehung  des  Hoch- 
tones in  den  Griechischen  Vocativen  "A it o X X o  v ,  üoösidov, 
TtdrsQ  war  eine  nahe  liegende  Analogie  um  für  die  besprochenen 
Lateinischen  Vocative  eben  dasselbe  anzunehmen.  Also  war  die 
Betonung  des  Vocativs  Vergili  eine  absonderliche  Theorie 
desNigidius,  und  der  Schluss  ist  gerechtfertigt ,  dass  andere 
ältere  Grammatiker  dieser  nicht  beipflichteten,  und  dass  das 
Volk  wie  zu  Gellius  und  Priscians  Zeiten  so  auch  frü- 
her Vergili  sprach,  seitdem  überhaupt  diese  abgekürzte  Forin 
für  Vergilie  gebräuchlich  wurde.  Dieser  Schluss  wird  nun  aber 
auch  durch  sprachliche  Gründe  gerechtfertigt.  Es  giebt  ausser 
in  dem  von  Nigidius  angenommenen  Falle  kein  Beispiel,  dass 
der  Hoch  ton  von  der  drittletzten  Silbe  auf  die  kurze  vor- 
letzte vorgeschoben  wäre,  weder  in  der  älteren  noch  in  der 
späteren  Lateinischen  Sprache;  denn  dass  solche  Vorschiebung 
nicht  ohne  das  Zeugnis«  eines  Grammatikers  bloss  aus  dem  Fall 
der  Vershebung  auf  die  vorletzte  Silbe  bei  den  Römischen  Dichtern 
geschlossen  werden  kann,  wird  sich  weiter  unten  ergehen.  Also 
kann  man  es  nicht  glaublich  linden,  dass  die  Römer  in  allerer  Zeil 
Vergili,  später  Vergili  gesprochen  haben  sollten*).  Wenn  hin- 
gegen in  Formen  wie  illic,  nostras,  inunit  u.  a.  (Wv  Hoch- 
ton  auf  seiner  Silbe  stehen  blieb,  obgleich  dieselbe  durch  den  Ab- 
fall eines  Vokales  an  das  Wortende  gedrängt  war,  so  war  es  folge- 


*)  Gegen  Langen,  a.  0.  p.  20,  stimmt  das  Ergebnisa  dieser  Unter- 
suchung überein  mit  der  Ansicht  von  Ritter ,  elem.  gramm.  Lat.  p.  58. 
M.  Ilerlz,  de  Nigid.  Fig.  .stud.  p.  13.  Benloew  u.  Jt'ci/,  a.  O.  p.  61.  Dass 
aber  diese  letzteren  irren,  wenn  sie  ursprüngliche  Paroxytona  in  der 
Lateinischen  Sprache  wie  panxiluni,  axila,  maxila,  paxila  an- 
nehmen, deren  1  dann  durch  den  Hochtoii  verdoppelt  sein  sollte,  er- 
giebt  sich  aus  dem,  was  in  dem  Abschnitt  über  die  Yokalansstossnng 
von  den  Bildungen  der  Diminntiva  auf  -ello  und  -illo  gesagt  worden 
ist.  Fgt.  II,  14.  Formen  wie  man  (plus  für  manipulus  sind  nicht 
eigentliche  Paroxytona  geworden,  da  sie  in  der  vorletzten  Silbe  ein  ir- 
rationales u  behielten,  das  bald  geschrieben  wurde  hall  nicht.  Vgl.  II, 
5  —  9.  71  f. 


-     225    — 

richtig,  wenn  die  Sprache  auch  in  Valeri,  Vergili,  Mercüri  u. 
a.  den  Hochion  auf  der  Silbe  stehen  Hess,  'die  durch  Abfall 
des  auslautenden  e  j  ener  Vo  cati vformen  zur  vorletzte  n 
vorgerückt  ist.  Es  ist  dies  um  so  glaublicher,  als  nicht  bloss 
L  i  v i  u  s  A  n  d  r  o  n i  c  u  s ,  sondern  auch  noch  in  C  i  c  e  r  o  s  Zeitalter 
der  Dichter  Laevius  eine  vollere  Vocativform  Laertie  gebrauchte, 
Prise,  p.  739  ;  der  Abfall  dieses  auslautenden  e  in  der  Sprache  zu 
dieser  Zeit  also  noch  nicht  überall  durchgedrungen  war.  Dass  aber 
noch  in  dieser  Zeit  Laertie  mit  dem  Ilochton  auf  der  viertletzten 
Silbe  und  daher  nach  Abschleifung  des  e  Laerti,  Vergili  gespro- 
chen sei,  wird  niemand  zu  behaupten  wagen. 

d\  Stelle  des  Hochtones  in  Fremdwörtern. 
Um  die  B e  to n  u  n g  fr  e  in d  e  r,  insbesondere  Griechischer 
Wörter,  die  in  die  Lateinische  Sprache  übertragen  sind,  beurthei- 
len  zu  können,  muss  man  einen  Blick  werfen  auf  die  lautliche 
Umbildung  derselben  im  Lateinischen  überhaupt.  Wie  Pflanze, 
Thier  und  Mensch  auf  fremden  Boden  unter  einen  anderen  Himmels- 
strich versetzt  sich  erst  aeclimatisieren  muss,  um  dort  dauern  *zu 
können,  so  muss  das  Wort,  das  aus  seiner  Heimathsprache  in  eine 
fremde  Sprache  eingewandert  ist,  sich  dem  Lautgesetz  und  dem 
Betonungsgesetz  derselben  anbequemen.  Je  länger  und 
häufiger  es  nun  hier  im  Munde  des  Volkes  umläuft,  desto  vollständi- 
ger wird  es  in  seiner  Bildung  den  einbeimischen  Wörtern  ähnlich, 
so  dass  es  endlich  auf  dem  fremden  Sprachboden  feste  Wurzeln 
schlägt  und  das  Bürgerrecht  erlangt,  ja  dass  das  Bewusstsein  von 
seinem  Ursprung  ganz  aus  der  Sprache  schwindet.  Je  mehr  also 
ein  in  die  Lateinische  Sprache  aufgenommenes  Fremdwort  sich  dem 
Lautgesetz  derselben  gemäss  ir/oditlciert  hat,  in  desto  frühere  Zeil 
reicht  seine  Aufnahme  in  dieselbe  hinauf. 

Es  lassen  sich  mit  einiger  Bestimmtheit  vier  Epochen  der 
Aufnahme  Griechischer  Wörter  in  die  Lateinische  Sprache  und  ihrer 
Einbürgerung  und  Acclimatisierung  auf  Italischen  Boden  unter- 
scheiden, natürlich  abgesehen  von  dem  ursprünglichen  Graeco-Itali- 
schen  Bestand  beider  Sprachen.  Die  beiden  ersten  derselben 
sind  bedingt  durch  die  ältesten  Verkehr s Verhältnisse  zwi- 
schen Griechen  und  Römern,  und  zwar  lässt  sich  als  die  frühste 
das  Zeilalter  der  Tarquinier  bezeichnen.  Mit  Sicherheit  kann 
man  bis  in  diese  Zeit   einen  Handelsverkehr  Borns  mit  Cumanern, 

CORSSEN  IL  15 


—    226    — 

Sikelioten ,  Phokaeern  und  anderen  Griechischen  Städten  und 
Stämmen  verfolgen.  Man  muss  daher  schliessen,  dass  die  latini- 
nisierten  Namen  Griechischer  Volker,  Länder  und  Städte, 
wie  S  i  c  n  l  i ,  S  i  c  i  1  i  a  ,  Tarentum,  A  g  r  i  g  e  n  t  u  m ,  S  i  p  o  n  t  u  m  , 
Soluntum,  Hydruntum,  Ancona,  Cortona,  Gorcyra, 
Achivos,  Argivos  u.  a.  schon  lange  vorher  im  Romischen  Munde 
diese  Umwandlung  erfahren  hatten,  ehe  Griechische  Litteratur  zu 
Rom  bekannt  wurde.  Der  kurz  nach  Vertreibung  der  Könige  zwi- 
schen Rom  und  Carthago  abgeschlossene  Handelsvertrag  beweist, 
dass  schon  damals  die  Namen  Carthago,  P  o i  n  u  s ,  P  o  i  n  i  c  i  u  s , 
Poinicus  zu  Rom  gesprochen  wurden.  Aus  eben  jenem  Handels- 
verkehr wird  es  einleuchtend,  dass  die  Griechischen  Benennungen 
für  Geld  und  Münze  frühzeitig  den  Römern  geläufig  wurden,  und 
daher  v dito  s,  xalavxov,  ÖQayjiri,  p«,  oßskog  schon  da- 
mals in  die  Lateinischen  Formen  n  u  m  m  u  s ,  t  a  l  e  n  t  u  m ,  d  r  a  c  h  u  - 
ma,  inina,  (obolos)  obul  us  umgeprägt  wurden.  Im  Zeitalter  der 
Tarquinier  gelangen  Sammlungen  von  Griechischen  Sibyllensprüchen 
nach  Rom  und  in  Folge  dessen  findet  die  Verehrung  Griechischer 
Gottheiten  Eingang.  Der  Dienst  des  Herakles  erscheint  auf  dem 
Boden  Roms  heimisch,  so  weil  die  sagenhafte  Kunde  von  den  An- 
fängen der  Stadt  hinaufreicht;  die  Einführung  der  Verehrung  des 
Gastor  und  Polydeukes  in  Rom  knüpft  sich  an  die  grosse 
Tarquinierschlacht  am  See  Regillus.  Daher  sind  denn  im  Laufe  der 
Jahrhunderte  die  Namen  'llgccxlfj^  und  IIoXvdEVXTjg  im 
Munde  des  Römischen  Volkes  arg  verbildet  und  verstümmelt,  wie 
die  schon  besprochenen  Formen  II  ercoles,  Hercules,  hercle, 
mehercle,  Poloces,  Polluces,  Pollux,  pol,  edepol  zei- 
gen. Da  ferner  schon  die  Tarquinier  wie  die  Griechischen  Tyran- 
nen mit  Delphi  in  Verkehr  stehen,  so  müssen  auch  die  latinisierten 
Namen  Apollo,  Latona  frühzeitig  zu  Rom  gebräuchlich  gewesen 
sein.  In  dem  alten  Gesang  der  lralres  Arvales  lindel  sich  bereits 
das  Griechische  fryiauße  zu  triumpe  umgestaltet,  ein  Beweis, 
dass  t  ein  mp  iis  eine  sehr  alle  Benennung  des  Siegeszuges  l>ei  den 
Römern  war,  wie  denn  die  Sitte  des  Triumphicrcus  Ins  in  die 
Königszeil  hinaufreicht.  Hiernach  ist  der  Schiuss  berechtigt,  dass 
der  Verkehr  zwischen  Römern  und  Griechen  im  Zeilaller  der  Tar- 
quinier auch  die  Aufnahme  anderer  Griechischer  Namen  und  Gat- 
tungswörter und  deren  Einbürgerung  in  die  Lateinische  Sprache 
veranlasste,  lange  vorher,  ehe  w  ir denselben  in  der  ältesten  Römischen 
Litteratur  begegnen. 


-     22?    — 

Eine  zweite  Epoche  für   die  Aufnahme  Griechischer  Wörter 
in  die  Lateinische  Sprache  beginnt,  als  durch  das  Zusammentreffen 
der  Römer  mit  Tarent  und  Pyrrhus,   dann  durch  den  Kampf 
mit  Carthagern    und   Sikelioten    Griechische    und  Römische 
Sprache  wieder  in  unmittelbaren  und   lebendigen  Verkehr  traten, 
als  dann  durch  Livius,  Naevius  und  Ennius  zuerst  epische 
und  tragische  Dichtungen  der  Griechen  in  Lateinischer  Sprache 
nachgebildet  wurden  und  insbesondere  die  Comoedia  palliata 
eine  Menge  von  Griechischen  Benennungen  für  Gegenstände  oder 
Begriffe  des  reichen  vielgestaltigen  und  überfeinerten  Griechischen 
Lebens,   wie  es   sich   in  der  neueren  Komödie  darstellte,  auf  die 
Bühne  brachte  und  somit  von  vorn  herein  in  die  Römische  Lillera- 
tur  einführte.     In  diesem   wie  in    dem  ganzen  früheren   Zeitalter 
der  unmittelbaren  und  naiven  Aufnahme  Griechischer  Wörter 
in  die  Lateinische  Sprache  und  auch  noch   späterhin  wurden   die- 
selben   durch    mannigfache    Umbildungen    dein    Römischen 
Munde  und   Sprachbewusslsein   angepasst.     So   gestalteten   sich 
Lateinischen  Lautgesetzen  gemäss,  die  oben  besprochen  sind, 
Griechische  Namen  und  Wörter  wie  Palricoles,  Aesculapius, 
e  p  i  s  t  u  1  a ,  d  r  a  c  h  u  in  a ,  A 1  c  um  e  n  a,  AI  c  u  m  a  e  o ,  Tecumessa, 
Hecoba,    Uecuba,    sueophanta,    trugonus,    muropola, 
Eurudi  ca,  Lusi  teles,    Olumpichus,    Surus,    Hiluricus, 
A  c  b  er  ü  n  s ,  Olimpia,  b a  1  i n eu  m ,  m  i  n a ,  I)  u  c  i  n  a ,  m  a  c  h  i  n  a , 
patina,  runcina,  trutina,  techina,  humin üs,   Gucinus, 
Procina,   guminasium,    camera,   phalera,   tessera,    si- 
serum,    carcer,    taten  tum,  Aiax,  LI  ix  es,  Rurrus,  Bru- 
gus,  Rrugio,   so  na,    sonarius,   samia,    Seuxis,  Sethos. 
m a s  s a  ,    t r a p e s s i t a  ,  b  a  d  i  s  s  a  r  e ,    cyathissare,  m  a  1  a  c  i  s  - 
sarc,   moechissare,  purpurissare,   rhcl  orissare,   Ache- 
runsia,    thensaurus,    Glyt  eines  tra,  Alexanter,  Gassan- 
tra   u.  a.     (Fluni,  lexic.    Fleckeis.   Episi.   Cril.   p.  8.   12.     Com. 
Trag.  Ribb.  meld.  Enn.  Vahl.  incl.    Cic.  Oral.  48.  Quint.  I,  4,  15.  16. 
Vgl.  oben  1,  274.  285.)*) 
.     Auch    in    der    Declinalion    wurden   die    in   jener    älteren 

*)  Die  angeblichen  Formen  Catamitum  für  Ganymedem, 
Fest  p.  44  ,  Meto  für  Nilo,  a.  0.  124,  Alumento  für  Laomedon, 
a.  0.  18  ,  sind  vom  Standpunkt  Lateinischer  Lautlehre  völlig  unbe- 
greiflich. Wahrscheinlich  sind  alle  drei  sehr  alte  Schreibfehler  für  Ca- 
numetem,  Nelo,  Laumet o. 

15* 


—     228     — 

Sprachperiode  aufgenommenen  Griechischen  Wörter  der  Lateini- 
schen Wortbiegung  gemäss  umgestaltet.  Den  Lateinischen  Laut- 
gesetzen gemäss  fällt  die  ganze  INominativendung  -o-s  von  O-Stäm- 
men  nach  r  ah  in  Wortern  wie  preshyter,  podager,  gong  er» 
cancer,  carcer,  Alexander,  Antipater,  Evander,  Me- 
n  and  er,  Sc  am  ander  u.  a.  Wie  die  Lateinischen  Wortstämme, 
die  mit  dem  Suffix  -on  gebildet  sind,  im  Nominativ  d;is  auslautende  n 
abwerfen,  so  geschieht  dasselbe  mit  den  aus  dem  Griechischen  ülier- 
kommenen  Wortern  auf  -av;  so  lauten  hei  den  Scenischen 
Dichtern  die  Nominative  der  Namen  Amphitruo,  Apollo, 
Crito,  Chiro,  Dromo,  Gnatho,  Lyco,  Palaestrio,  P ar- 
men o,  Philto,  Sceparnio,  Simo,  Thraso  u.  a. ,  und  ihnen 
entsprechen  die  Nominative  Laco,  Hippo,  arrha  ho,  myro- 
paro,  seipio,  sipho,  spado,  straho,  struthio.  Jenen 
Nominativformen  gieht  noch  Cicero  den  Vorzug,  während  Nepos 
und  die  Dichter  seit  der  Augusteischen  Zeit  die  Formen  auf -on 
brauchen.  Ebenso  Luissen  das  n  im  Nominativ  ein  Griechische 
Stämme  auf  -ov  wie  Ägamemno,  Amphio,  Ario,  Macedo, 
Strymo;  dasselbe  gilt  von  sedchen  auf -wir,  so  dass  die  Sceni- 
schen Dichter  die  Nominative  An tip ho,  Callipho,  Clitipho, 
Gtesipho,  Demiphbu.  a.  brauchen  und  diese  Namen  wi<>  La- 
teinische Stämme  auf  -on  flectieren.  Auch  die  mit  dem  Suffix 
-ort  gebildeten,  die  frühzeitig  ins  Lateinische  «bertragen  sind,  folgen 
zum  Theil  dieser  Flexion  wie  leo,  draco  {vgl.  Plaut.  Terent.  lexic. 
Com.  Trag.  Ribb.  Quint.  I.  5,  60.  Schneider,  tat.  Cr.  EI,  275—280). 
Nach  dem  Muster  von  praetörem,  quaestörem  u.  a.  ver- 
längerte die  alle  Sprache  das  o  der  Griechischen  Namensformen  in 
II  e  et  »rem,  Nestörem,  Ca  stör  em  (Varro.  L.L.  X,  70.  M.  Quint. 
I,  5,  59),  Accusative,  die  mit  der  Lateinischen  Endung  -em  gebildet 
sind,  wie  dies  bei  den  älteren  Scenischen  Dichtern  überhaupt  die 
regelmässige  Tonn  von  Griechischen  .Namen  mit  consonahtischen 
Stämmen  war.  Sie  bilden  lampadem  {Plaut.  Cos.  IV,  !.  16.  Prise. 
VII,  53),  Amphilruonem,  Sievonem,  Ca  lydo  n  em,  Chalci- 
ilfin  {Plaut.),  Acherontem,  Crespiiontem  (Enn.),  Iphida- 
mantem,  Ulixem,  Salaminem  {Att.  Trag.  Ribb.  lud.  Enn. 
Vahl.  ind.)  und  noch  Cicero  giebt  diesen  Formen  den  Vorzug, 
wählend  daneben  auch  die  auf  -a  vorkommen,  die  dann  bei  den 
Dichtern  seil  der  Augusteischen  Zeil  bei  Weilein  überwiegen  {vgl. 
Schneid,  /jf/.  Cr.  II,  291). 


# 

—    229    — 

Die  Griechischen  auf  -co  auslautenden  Feminina  und  ihre 
Flexion  änderte  die  Altlateinische  Sprache,  als  sie  dieselben  aufnah- 
men; so  flectierten  die  älteren  Dichter  nach  dem  Muster  von  Iu n ei- 
ne m:  Calypsonem  {Liv.  Pacuv.) ,  1  o n i  (Plaut.) ,  D i d o n e  (Enn . 
Prise.  VI,  18 II)  und  nach  ihnen  auch  Cäsar  und  spätere  Schrifsteller. 

Die  Griechischen  Wörter  auf  -evg  declinierte  die  ältere  La- 
teinische Sprache  mit  Ausnahme  des  Vokativs  wie  Lateinische 
0  -  Stämme  ;  so  Cissei  {Enn.  Pacuv.),  Terei,  Oeneum, 
Atreum  (AU.  trag.  Ribb.  Ind.)  und  diese  Flexionsweise  ist  in  der 
Prosa  immer  die  üblichere  geblieben  [Cic.  Ep.  Att.  VII,  3:  sie 
e n i m  omnes  n  o s t  r  i  1  o c u  t i  sunt). 

Ebenso  werden  die  Griechischen  Neutra  auf  -og  wie  Latei- 
nische O-Stämme  flectiert;  so  melum  (Acc.  Sing.),  mz\os(Acc. 
Plur.Att.  Pacuv.  Cato,  Non.p.  144.  £.),  Argis  (Plaut.  Amph.  Prot. 
98),Ev  eb  o  (Enn.  trag.  v.  183.  F.), und  dieselbe Declinationsweise  be- 
halten auch  noch  Dichter  der  Augusteischen  Zeit  bei  (Prise. \\,  88.  H.). 

Aus  der  älteren  Sprache  rührt  es  her,  wenn  vom  Stamme  tcoö - 
in  den  Compositen  OidiTtovg,  itolvitovg  das  d  ganz  vergessen 
wurde  und  diese  Wörter  wie  Lateinische  O-Stämme  flectiert  wurden, 
wie  im  Ablativ  Oedipo  (Plaut.  Poen.  Prise.  VI,  88.  H.). 

So  werfen  die  Scenischen  Dichter  von  der  Griechischen  En- 
dung {lax-  das  x  aus  und  flectieren  so  gebildete  Wörter  wie 
A-Stämme  der  Lateinischen  Sprache.  So  im  Abi.  Sing.  Schema 
(Plaut.  CaeciL),  syrma  (Valer.)  und  im  Accus.  Sing,  gl  au  cum  am 
(Plaut.),  diademam  (Pompon.),  dogmam  (Laber.)  und  noch  Ci- 
cero brauchte  in  den  Verrinen  die  Ablative  Pluralis  schematis, 
t  o  r  e  u  m  a  t i s,  e m  b  1  e  m  a  t i  s,  p  e r  i  p  e ta  s  m  a  t i  s  (Prisc.W,  5.  7.  H.). 

Auslautendes  n  warf  endlich  die  Lateinische  Sprache  ihrer 
Lautneigimg  folgend  ab  in  den  Vokativen  wie  Calcha,  Atla, 
Drya,  Peripha,  und  nach  diesen  ist  der  Vokativ  Palla  gebil- 
det, während  die  Vokativformen  Bacchis,  Thais,  Mysis, 
Zeuxis,  Panegyris,  Archylis  bei  den  Scenischen  Dichtern 
den  Lateinischen  Wörtern  wie  civis,  hostis,  ignis,  orbis 
nachgebildet  sind  und  erst  die  Dichter  der  Augusteischen  Zeit  die 
Griechischen  Vocativformen  auf  i  vorwiegend  brauchen.  (Charis. 
p.  1 11.    Schneid.  Lai.  Gr.  II,  302.  305.) 

Der  älteren  Lateinischen  Sprache  gehört  ferner  das  Abwerfen  des 
auslautenden  s  des  Nominativ  von  Griechischen  Stämmen  auf-  a  oder 
/?;  sovonpoeta,  citharista,  sophista,  Scytha,  Anchisa, 


—     230     — 

Melicerta,Leptasta,Aenca,  Pel  i  a ,  E  u  thia,  Hermagora, 
Sosia,  Marsya,  Byrrhia,  Chaerea  u.  a.  (Qiänt.  I,  5,  61. 
Prise.  V,  5.  ff.)  nach  dem  Master  der  Lateinischen  Nominative  wie 
na uta,  agricola,  caelicola,  advena,  parrieida,  con- 
viva,  Catilina,  Sulla,  Fimbria  u.  a. 

Schon  in  der  alten  Sprache  kürzen  ferner  die  Nominative  von 
Griechischen  A-Stammen  ihr  auslautendes  a  purum  wie  comoe- 
d  i  ä ,  h  i  s  t  o  r  i  a ,  p  h  i  1  o  s  o  p  h  i  a ,  1 1  i  ä ,  1  y  r  a ,  h  y  d  r  ä ,  p  e  t  r  ä  , 
aurä,  purpurä  u.  a.  und  diese  Kürzung  bleibt  auch  bei  den 
Dichtern  der  Augusteischen  Zeit  und  später.  In  Altlateinischer 
Weise  bildeten  Plaulus  und  Ennius  die  Genetive  Griechischer  Na- 
men der  A-Declination :  C  h  a r m i d  a i ,  C a  1 1  i  c  1  a i ,  P  er i  p  h  ana  i , 
Medeai  {vgl.  oben,  II,  135.  Enn.  trag.  Ribb.  ind.). 

Griechische  Wortstämme  werden  nun  aber  auch  bei  derUeber- 
tragung  in  die  Lateinische  Sprache  durch  Anfügung  von  Voka- 
len aus  der  consonantischen  in  die  vokalische  Declinalion  über- 
geführt. So  werden  bei  den  alleren  Dichtern  nach  der  O-Declina- 
lion  llectiert:  elephanti,  elep hantos  {Enn.  Ann.  v.  237. 
591.  V. ),  T  i  t  a  n  u  s  (Naev.  b.  Pun.%  Tita  n  u  m  (Plant.),  d  e  1  p  h  i  n  i 
(All.  Trag.  R.  v.  4ü4),  d  e  l phi  n  u s  (Cic.  Arat.)y  A  e  t  h  i  o  p  u  s  {Lucil. 
Ptisc.  VI,  25.  ff.)  und  bei  Cato  abacas  (R.  R.  X,  4),  und  ebenso 
linden    sich    später  die  Formen   Erycus,   gryphus,    Arabus. 

Als  alteinheimisch  in  der  Lateinischen  Sprache  sind  oben  die 
Stadtenamen  Taren  tum,  Agrigentum  bezeichnet  worden; 
ebenso  sind  durch  Anfügung  eines  o  an  die  Griechischen  Stamme 
gebildet  S  i p o n  t  u m ,  Hydr u n tum,  Sol untu m ,  ferner  e  m  b  1  e  - 
inatum,  toreu  mal  um  (/'r/sc.  IV,  8.  //.).  Wie  von  poematum 
bildete  Attius  poematorum  und  nach  ihm  Cicero  und  Varro  poe- 
matorum,  poematis  (Charts,  p.  114).  [n  ähnlicher  Weise 
treten  consonantischc  Stämme  durch  Herantreten  eines  a  in  die 
A-Declination  über.  So  ist  llectiert  bei  Ennius  crateria 
(Ann.  604.  vgl.  Cic.  And.  X.  D.  II,  II.  Fest.  r.  c/r/crac). 
Auch  Ancona,  Grotona  sprachen  die  Römer,  >eit  sie  die 
Bekanntschaft  dieser  Städte  machten,  nach  der  Analogie  von  Ve- 
rona, Gortona,  da  Städtenamen  auf -on  ihrem  Munde  fremd  wa- 
ren. In  späterer  Zeit  sind  so  mit  a  weiter  gebildet  die  Griechischen 
Worter  attagena,  chlamyda,  sphinga.  Lato  wurde  wie 
Galypso,  Ino,  Dido  u.  a.  in  slter  /eil  Qectiert  wie  ein  Stamm 
auf -on,  und  aus  diesem  ward  durch  Herantreten  eines  -a  Latona. 


—     231      — 

Wie  frei  und  keck  die  Altlateinische  Sprache  mit  den  neu 
aufgenommenen  Griechischen  Wörtern  schaltete ,  zeigt  Plautus. 
Da  finden  sich  dieselben  weiter  gebildet,  durch  Lateinische  Suf- 
fixe wie  -ario,  -ano,  -aceo,  -oso;  so  balli  starium,  ca- 
t a p u  1 1 a r  i u m ,  d i o b  o I a  r i a  ,  hepatarius,  molochinarius, 
diabathrarius  ,  murrhobathrarius  ,  subbasilicanus  , 
Geryonaceus,  sycophantioso,  wie  derselbe  Dichter  um- 
gekehrt Lateinische  Wörter  mit  Griechischen  Suffixen  weiter  gebil- 
det hat:  glandi oni dam  ,  plagipat  idas  ,  pernonidem. 
Ebenso  sind  von  Griechischen  Nomen  Lateinische  Verba  der 
A-Conjugation  hergeleitet  wie  :  thermo  polare,  exballis  tare, 
p  a  e  d  a  g  o  g  a  r  e  ,  p  ar  a tr ag o e d  i ar  e  ,  s uppara  s i ta r  i  ( vgl. 
thiasantem,  Pacuv.  trag.  R.  311).  Plautus  bildet  ferner  Grie- 
chisch-Lateinische Composita  wie  a  n  t  e  1  o  g  i  u  m ,  c o  n  t.  e  r  e b r  o in  i  a, 
thyrsigerae,  ulmitriba,  flagritribae,  scrophipasci, 
semizonarius  und  will  nach  Griechischen  Mustern  das  Lachen 
der  Zuschauer  erregen  durch  dergleichen  Zusammensetzungen  wie 
Pultipha  g  oni  d  e  s ,  N u  g i p o I  y  1  o  q  u id  e s  ,  Q u o d s e m e I a r r i - 
p i d e s,  T  e  d  i  g  n  i  I  o  q  u  i  d  e  s,  Nu n q  u a m p o s t c a e r  i p i d e s,  N  u m- 
morumexpalponid  es.  Ein  so  freies  Schalten  mit  Griechischen 
Wortformen  auf  der  Bühne  setzt  ein  Verstandniss  derselben  wenig- 
stens bei  einem  Theil  der  Zuschauer  voraus. 

So  gestaltet  die  Lateinische  Sprache  in  dieser  ganzen  alte- 
ren Epoche  die  Wortbildung  und  Wortbiegung  der  aufge- 
nommenen G  r i  e  c h  i  s  c  h  e  n  W  ö  r  t  e  r  nach  ihren  L  a  u  t  g  e  s«e  t  z  e  n 
und  Gewohnungen.  Die  Beibehaltung  Griechischer  Flexionsformen 
wie  0  r  e  s  l  e  n  {Enn.  trag.  B.  v.  1 36),  E  c  h  i  o  n ,  S  a  1  a  m  i  n  a  {Pa- 
cuv. trag,  ind)  ist  eine  seltene  Ausnahme. 

Eine  dritte  Periode  der  Behandlung  Griechischer  Wörter  im 
Lateinischen  beginnt  mit  Attius,  dessen  Bemühungen  für  Orthogra- 
phie schon  oben  besprochen  worden  sind.  Varro  berichtet,  Attius 
habe  sich  zuerst  mehr  den  Griechischen  Worlformen  zugewandt, 
L.  L.  X,  70.  M:  Accius  haec  in  tragoediis  largius  a 
prisca  consuetudine  movere  coepit  et  ad  forma s 
Graecas  verborum  magis  revocare.  Das  wird  bestätigt 
durch  die  Formen  H e c t o r a  ( Farro,  a.  0.),  dracontis,  0 r e s  t e u, 
Cithaeron,  Laomedon,  Triton,  L a  e r t i a d e ,  Pari,  D y s - 
pari  {Trag.  Ribb.  ind.),  die  er  braucht;  dass  er  jedoch  nicht  unbe- 
dingt die  Griechischen  Flexionsformen  vorzog,  zeigten  schon  mehrere 


-     232     — 

der  oben  auch  aus  Attius  angeführten  Formen.  Seit  Attius  Zeit 
also  beginnt  im  Gebrauch  der  Griechischen  Wörter  das  Schwanken 
zwischen  Griechischer  und  Lateinischer  Gestaltung  der  Flexions- 
formen. Die  Neigung  die  Griechischen  Formen  so  auszusprechen, 
wie  sie  in  ihrer  Muttersprache  gesprochen  wurden,  zeigt  sich  ent- 
schieden darin,  dass  seit  dem  Zeilalter  der  Bürgerkriege  sowohl  der 
Griechische  Vokal  v  geschrieben,  als  auch  die  Griechischen 
Aspiraten  durch  ph,  ch,.th  in  Lateinischer  Schrift  ausgedrückt 
wurden,  ein  Schreibgebrauch,  der,  wie  die  Inschriften  lehren,  in 
der  Zeit  von  Cäsars  Gallischen  Kriegen  bereits  allgemein  durch- 
gedrungen war  (Ritschl,  mon.  epigr.  tr.  p.  26.  27).  Es  ist  nicht 
bloss  ein  wohlberechtigter  Römerstolz  den  Griechischen  Schul- 
meistern gegenüber,  es  ist  auch  ein  richtiges  Sprachgefühl,  wenn 
Gicero  die  Weise  der  Vorfahren,  die  Muten  nicht  zu  aspirieren  in 
Wörtern  wie  pulcr os,  Getegos,  triumpos  beobachten  wollte, 
bis  er  nicht  mehr  gegen  den  Strom  schwimmen  konnte,  und  wenn 
erden  Lateinischen  Flexionsformen  wie  Gelo,  lliero,  Plato, 
Agamemnonem,  Iiieronem,  poesim,  Zeuxim,  Piraeum, 
0 r p h e  u  m ,  e  in b  1  e m  a  t  i  s ,  s  c h  e m a  t i s ,  t oreuma ti s  u.  a.  ent- 
schieden den  Vorzug  gab  {vgl  Ep.  AK.  VII,  3,  7.   Prise,  VII,  8.  H). 

Auf  der  entgegengesetzten  Seite  stand  Värro,  der  schon  ent- 
schieden den  Griechischen  Formen  wie  ornithona  (//.  //.  III,  2), 
Hclicona,  lampada,  Olympon  R.  R.  III,  16),  ja  sogar 
Schemas  in  vor  schematibus  den  Vorzug  giebt.  Ptinius  sagte 
von  ihm :  Qu a  m  m a x im  e  v i  c i  n a  G  r  a  e c  o  G r ae ce  d ixi t ,  u  t 
nee  'sehe matis'  quid  am  dicat  sed  'Schema  sin'  {Charts. 
p.  38);  somit  ist  es  glaublieh,  dass  er  durch  seine  Autorität  nicht 
wenig  zur  Förderung  des  Gebrauches  Griechischer  Wortformen 
beigetragen  haben  mag. 

Die  vierte  Epoche  der  Geschichte  Griechischer  Wörter 
in  der  Lateinischen  Sprache  ist  dann  durch  die  Hiebt  er  der 
Augusteischen  Zeit  herbeigeführt,  denn  sie  sind  es.  dir 
in  dem  Gebrauch  der  Genetive  -r\g,  -os,  -tog,  -ecog,  -vog, 
-ovg,  des  Dativs  -ßt,  der  Aceusative  -«,  -««,  -uv,  -tjr,  -  o  r . 
-iv,  -vv,  des  Vokativ  auf-/,  des  Nominativ  1*1  maus  auf-.s 
ihren  Griechischen  Mustern  oder  dem  metrischen  Bedürfniss  folgten. 
Ihrem  Einlluss  ist  es  zuzuschreiben,  wenn  schon  in  der  gleichzeitigen 
Prosa,  und  noch  mein-  in  der  spateren,  namentlich  bei  Plinius, 
die  Griechischen  Formen  der  Genetive -tog,  -sag,  der  Aceusative 
-qv,  -cc,  -ig,  des  Genetiv  Plur.  -cor  sich  eingebürgert  haben. 


—     233     - 

Wenn  also  die  alte  volksthiimliche  Sprache  der  beiden 
ersten  Epochen  sich  Fremdwörter  nach  einheimischen  Lautgewohn- 
heiten und  Eigentümlichkeiten  der  Wortbildung  und  Wortbie- 
gung mundgerecht  gestaltet,,  hingegen  die  ausgebildete 
Schriftsprache  gegen  diese  Fremdlinge  eine  aus  gelehrter  Re- 
flexion stammende  zarte  Schonung  beweist,  so  lässt  das  einen 
sicheren  Schluss  machen  auf  die  Be  tonung  der  Griechischen  Wör- 
ter in  der  Lateinischen  Sprache. 

Diomedes,  p.  428,  sagt  kurz  und  klar  von  der  Betonung  Grie- 
chischer Wörter  seiner  Zeit:  Sane  verba  Graeca  Graecis 
accentibus  efferimus,  si  iisdem  litteris  pronuntia- 
veris.  Servius  hat  denselben  Satz  wahrscheinlich  aus  Varros  Ac- 
centlehre  geschöpft,  Acc.  §5:  Graeca  nomina,  si  iisdem 
litteris  proferuntur,  Graecos  accentus  habebunt. 
Daraus  folgt,  dass  Griechische  Wörter,  sobald  ihnen  durch 
irgend  eine  Lautveränderung  an  ihrem  Wortkörper  der  Stem- 
pel ihrer  neuen  Lateinischen  Sprachheimath  aufgedrückt  ist, 
auch  nach  Lateinischer  Weise  betont  werden. 

So  musste  also  der  Hochton  von  der  Endsilbe  des  Wortes 
zurücktreten  in  den  vor  Alters  latinisierten  Formen  wie: 

Pöllux,  für  IJo  Ivdevxri  s, 
nachdem  diese  Form  sich  aus  der  volleren  Lateinischen  Polluces 
abgestumpft  hatte;  ferner  in: 

Graeci,  für  rgatuoi, 

m  i  n  a ,  ft  v  a  , 

machin  a,     ^ir]%avYi, 

Hercules,    HQccxArjg, 

H  e  r  c  1  c , 


A  c  h  i  v  i , 

A  %aioi. 

A  c  h  ä  e  i , 

A  e  t ö  1  i , 

Aitcjlot, 

Boeöti, 

BOLCÖXOl, 

ebenso  wie  in  den  Punischen 

Namen 

H  ä  n  n  i  b  a  1 , 

H  a  s  d  r  u  b  a  1 

) 

- 

Mahärbal, 

A  d  h  e  r  b  a  1 , 

Carthägo, 

—     234     — 

die  nach  dem  Betonimgsgesetz  der  Semitischen  Sprachen  den  Hoeh- 
ton  auf  der  letzten  Silbe  hatten. 

Der  Hochton  musste  von  der  vorletzten  kurzen  Silbe  zu- 
rückweichen auf  die  drittletzte  in  den  früh  im  Lateinischen 
eingebürgerten  Wörtern: 

Hecoba,  Hecuba,     'Exdßrj, 
purp ura  ,  itoQcpvQa, 

cämera,  xcc[iccqcc, 

bücina,  ßvxdvrj, 

Cätana,  Catina,       Kardvrj, 
p  ä  t  i  n  a ,  jiaxavrf) 

r  ü  n  c i n  a ,  Qvxdvr] , 

trütina,  tqvtccv  r], 

pälma,  7iaAcc[ir]. 

Der  Ilochton  musste  auf  die  vorletzte  lange  Silbe  vor- 
rücken in  den  schon  im  Altlateinischen  Sprachgebrauch  eingebür- 
gerter Formen : 

Alexänter,  'Ale^uv  d  Qog, 

llectorem,  Extoqcc, 

Nestor  ein,  Nsgtoqoc, 

Castörem,  KdöroQa, 

cupressus,  xvTtaQiOGog, 

Tecumessa,  Tex[ii]GO  cc, 

T a r e n  t u in  ,  Td Qccg, 

Agrigenti,  'AxQdyuvxog. 

Solange  die  Lateinische  Flexion  der  Griechischen  Wör- 
ter vorherrschend  blieb,  beherrschte  auch  das  Lateinische 
Betonungsgesetz  die  Griechischen  Wortformen,  die  in  die  La- 
teinische Sprache  aufgenommen  wurden,  das  heisst  bis  zur  Augu- 
steischen Zeit.  Aber  schon  in  Quin  tili  an  s  späteren  Jahren,  wo 
die  Griechischen  Flexionsformen  auch  in  der  prosaischen  Schrift- 
sprache um  sich  gegriffen  hatten,  war  eine  Aenderung  eingetreten. 
Wenn  er  sagt ,  I,  5,  24:  'Atreus',  quem  uobis  iuvrnibus 
d o  c t  i  s s i  m  i  senos  acuta  prima  di  c  e  r  e  s o  1  ehant ,  u  I 
necessario  secunda  gravis  esset,  item  kTer<'i*  lNe- 
reiquc',  so  folgt  daraus,  dass  die  jüngeren  Gelehrten  zu  der  Zeit, 
wo  er  schreibt,  schon  die  letzte  Silbe  von  Atreus,  Nerefts,  Te- 


—     235     — 

reüs  nach  Griechischer  Weise  hochtonig  sprachen,  und  so  natür- 
lich auch  die  Griechischen  Dative  N  er  ei,  Ter  ei.  Daraus  lässt  sich 
schliessen,  dass  schon  dieselben  Gelehrten  im  schärfsten  Gegensatz 
gegen  das  Betonungsgesetz  ihrer  Muttersprache  Flexionsformen 
Griechischer  Wörter  so  betonten  wie  Servius  (ßcc.  §  11)  es  an- 
giebt: 

Däreta,  Pallas, 

lebetas,        '  Acarnän, 

C  i  s  s  e  a  ,  M  a  n  t  u  s , 

aera,  Orphei, 

Epytiden,  Allecto  u.  a. 

Wenn  die  Grammatiker  die  letzte  dieser  Formen  mit  dem  ge- 
brochenen Hochton  sprachen,  so  machten  sie  damit,  wie  WTei| 
und  Benloew  richtig  bemerken  {Acc.  Lai.  p.  65),  dem  Lateinischen 
Beton ungsgesetz ,  nach  welchem  ein  Wort  tieftonig  ausklingen 
mussle,  ein  letztes  Zugeständniss.  Es  war  übrigens  ganz  folge- 
richtig, dass  man  Lateinische  Wörter,  an  die  Griechische  Suffixe 
geflickt  waren,  wie  Lucidiädes,  Memmiädes,  Scipiädes 
auch  nach  Griechischem  Betonungsgesetz  betonte.  Aber  Formen 
Griechischer  Wörter  mit  Lateinischer  Flexion  wie  aeris,  aethe- 
ris  nach  Griechischer  Weise  zu  betonen  verwirft  Servius  (Acc.  §14) 
mit  Becht. 

Ueberhaupt  aber  ist  festzuhalten,  dass  die  Lateinische  Volks- 
sprache mit  diesen  Theorien  der  Gelehrten  nichts  ge- 
mein hat;  sie  ist  von  ihrem  Betonungsgesetz  nie  abgewichen,  sie 
hat  im  Laufe  der  Jahrhunderte  das  Bewusstsein  von  der  Tondauer 
ihrer  Laute  verloren,  aber  ihr  Bei  onung  sgesetz  nicht  nur  ge- 
wahrt, sondern  es  auch  zum  unumschränkten  Gebieter  der 
Wortformen  erhoben  und  so  unverkiimmert  ihren  Romanischen 
Tochtersprachen  vermacht. 

In  der  Behandlung  von  Fremdwörtern  geht  die  Deutsche 
Sprache  ähnliche  Wege  wie  die  Lateinische,  natürlich  ihrer  Be- 
tonungsweise gemäss.  Die  alten  Römerstädte  Augusta  Vindeli- 
corum,  Augusta  Rauracorum,  Augusta  Trevirorum, 
Maguntiacum,#Borbetomagus,  Colonia  Agrippina  lauten 
jetzt  Augs-(burg),  Äugst,  Trier,  Mainz,  Worms,  Cöln. 
Nachweislich  sind  diese  Wörter  seit  mindestens  achtzehn  Jahr- 
hunderten in  der  Sprache  heimisch  gewesen;  nach  deutscher  Be- 
tonungsweise rückte  der  Hochton  des  Lateinischen  Namens  auf  die 


—     236    — 

Stammsilbe  oder  anlautende  Silbe  zurück,  nach  deutschem  Laut- 
gesetz wurden  die  Vokale  der  tieftonigen  Silben  infolge  dessen  stumm 
und  fielen  aus,  und  so  schrumpften  vier-  und  fiinfsilbige  Namen  zu 
einsilbigen  Wörtern  ein  gerade  so  wie  der  Griechische  Name  TL o  Iv- 
dsvxrjg  im  Lateinischen  zu  Pol  verstümmelt  wurde.  Auch  solche 
Appellative  wie  probst,  vögt,  spittel,  die  seit  den  ältesten  Zei- 
ten des  Mittelalters  im  Volksmunde  zu  Hause  sind,  verhalten  sich  zu 
den  Lateinischen  Grundwörtern  propösitus,  vocätus,  hospi- 
tälis,  wie  Lateinisch  palma,  cupressus  zu  Griechisch  %a- 
lä^Y]^  xvTCccQLOöog.  Die  Dichter  des  Mittelalters  nahmen 
mit  Altfranzosischen  Sagenstoffen  auch  französische  Wörter  in  ihre 
Dichtungen  auf  wie  amis,'  amiral,  a ven t iure,  bläncheflur 
u.  <i.;  aber  sie  gestalteten  dieselben  um  nach  deutscher  Lautweise 
und  Betonung,  ebenso  wie  die  Römischen  Dichter  zur  Zeit  des 
zweiten  Punischen  Krieges  mit  Griechischen  DichtungsstofTen  Grie- 
chische Wörter  aufnahmen,  aber  sie  nach  Lateinischem  Laut-  und 
Betonungsgesetz  umgestalteten  wie  Cassantra,  Hectörem, 
dracönem,  Patricoles.  Alle  Fremdwörter  im  Deutschen,  die 
nicht  die  Stammsilbe  oder  anlautende  Silbe  des  Wortes  hoch- 
betont haben,  gclicn  sich  dadurch  zu  erkennen  als  spätere  Ein- 
wanderer. So  ist  der  Monatsname  August  jünger  auf  deut- 
schem Sprachboden,  als  der  Personenname  August  und  der 
Stadtname  Äugst,  ebenso  advoc;it  jünger  als  vögt  Im  Munde 
der  Gebildeten  und  Gelehrten  ward  die  Lateinische  Betonung  nach- 
geahmt Seit  Ludwigs  des  Vierzehnten  Zeiten  ist  dann  die  deut- 
sche Sprache  überfluthet  mit  jenen  Fremdwörtern  wie  svsicm. 
id£e,  Industrie,  politik,  musik,  Constitution,  Jurist, 
generäl,  offici'er,  armee,  regimenl  u.  a.  Die  französi- 
sche Belonungswcise  dieser  Wörter  in  deutscher  Sprache  gleicht 
der  Griechischen  Betonung  jener  in  die  Lateinische  Sprache  auf- 
genommenen Wörter  wie  A  c  .1  r  n  ;\  Q,  AI  e  c  t6,  \  t  r  e  i'is.  N  e  r  e  u  s , 
Dareta,  lebetas,  Cissäa,  aera  im  Munde  Römischer  Ge- 
lehrten. Alter  ein  grosser  Unterschied  tritt  liier  hervor.  Diese 
Griechische  Betonung  der  Griechischen  >\örler  ist  nie  in  die  La- 
teinische Volkssprache  übergegangen;  im  Deutschen  aber  sind  jene 
Fremdwörter  mit  französischer  Betonung  zum  grossen  Theil  aus 
den  Kreisen  der  Gebildeten  auch  in  die  Volkssprache  übergegangen 
und  haben  sich  so  fest  eingenistet,  d;iss  in  ihnen  ooeb  lange  das 
Andenken  an  eine  Zeil  der  Erniedrigung  deutscher  Silir  und  deut- 


—     237     — 

scher  Sprache  nachklingen  wird.  Im  Deutschen  haben  die  Wörter  wie 
'arzenei,  reiterei,  Schlägerei',  marschieren,  schat- 
tieren eine  undeutsche  Ableitungssilbe,  und  diese  hat  gegen  das 
Deutsche  Betonungsgesetz  den  Hochton  auf  sich  gezogen  wie  in  den 
besprochenen  Formen  Lucidiädes,  Scipiädes,  Mein  mi ad  es 
das  Griechische  Suffix,  das  an  den  Lateinischen  Worl stamm  trat, 
die  Griechische  Betonungsweise  veranlasst  hat. 

3)     Der    Tiefton. 

Die  Natur  des  Tieftones  ergiebt  sich  im  Gegensatz  vom  Iloch- 
ton  von  selbst.  Glaucus  von  Samos  und  andere  Grammatiker 
nannten  ihn  av sl^lsvtj  (Serv.  §  22)  von  der  schlaff  gespannten 
tieflonigen  Saite  der  Kithara.  Die  gewöhnliche  Benennung  ßa- 
Qsla  setzt  die  Vorstellung  voraus,  dass,  was  in  die  Tiefe  sinkt, 
auch  schwer  ist;  ovlXaßixog  (Choerobosc.  Bekk.  Anekd. 
p.  1109.  688  u.  ct.)  heisst  der  Tiefton,  der  nur  für  die  Silbe  Be- 
deutung hat  im  Gegensatz  zum  xvQtog  rovog,  der  das  Wort  be- 
herrscht, indem  er  seine  Einheit  bedingt.  Die  Römischen  Gram- 
matiker gebrauchen  durchgehend s  den  Ausdruck  gravis  für  den 
Tiefion,  quod  deprimat  aut  deponat,  wie  Priscian  sagt 
(p.  1286.  i>.),  wie  Servius  nach  älteren  Gewährsmännern  lehrte 
§  24:  quod  deorsum  est  in  sede  ponderum  gravio- 
r  um. 

Welche  Silben  tieftonig  gesprochen  sind,  las  st  sich  noch  mit 
Sicherheit  erkennen: 

Tieftonig  sind  alle  ursprünglichen  Endsilben;  die 
einstimmige  Aussage  dej*  Grammatiker,  die  arge  Verstümmelung, 
welche  im  Lateinischen  die  Endsilhen  durch  Kürzung,  Erleichte- 
rung und  Abfall  der  Vokale  wie  durch  Abfall  der  Consonanten  er- 
leiden, legen  so  laut  Zeugniss  davon  ab,  dass  niemand  je  daran 
zweifeln  konnte.  Von  hochtonigen  Silben  am  Worlschluss,  die 
ursprünglich  nicht  Endsilben  waren  sondern  nach  Abfall  eines  Vo- 
kales in  jene  Stelle  rückten,  ist  die  Rede  gewesen. 

-  Tieftonig  war  die  Silbe,  welche  der  hochbetonte  n  S  il  be 
vorhergeht;  das  beweisen  ausdrückliche  Zeugnisse  der  Gram- 
matiker und  zahlreiche  Wortformen.  Priscian,  Donat  und 
Serviu  s  berichten  übereinstimmend,  dass  die  drittletzte  Silbe 
des  Wortes  vor  der  ho  ebbe  ton  teil  vorletzten  tiefto- 
n i g  war,    Prise.    1 289.   P:    N  am    s i   pe n u  1 1 im a  p o s i ti o n e 


—    238    — 

longa  fuerit,  acuetur,  antepenullima  vero  gravabi- 
tur.  Wenn  hier  nur  von  einer  positionslangen  Silbe  die  Rede  ist, 
wie  es  gerade  der  Zusammenhang  mit  sich  brachte,  so  kann  man 
doch  nicht  zweifeln,  dass  auch  vor  einer  hochtonigen  Silbe  mit  lan- 
gem Vokal,  die  durch  ihren  langen  Vokal  noch  mehr  geeignet  war 
die  vorhergehende  zu  übertönen,  die  drittletzte  Silbe  tieftonig  war. 
Donat  sagt,  indem  er  vom  Zeichen  des  Tieftones  spricht,  p.  1835.  P: 
Gravis  vero  accentus  cum  acuto  et  circumflexo  ac- 
c e n t u  p o n  i  p o t  e r i t ;  possumus  e n i m  in  e o  q u o d  est 
4  Cätüllus'  gravem  ponere  cum  acuto  in  an tepen ultima. 
Item  cum  circumflexo  ita  ponitur  ut  4Cethegus\  Auch 
Donat  erklärt  also  die  drittletzte  Silbe  vor  der  hochtonigen  vorletz- 
ten für  tieftonig,  hält  es  aber  nicht  für  nothvvendig  den  Tiefton  in 
der  Schrift  zu  bezeichnen  (a.  ().  vgl.  Serv.  §  4).  >lan  ist  hiernach 
berechtigt  zu  schliessen,  dass  auch  die  viert  letzte  Silbe  vor  ei- 
ner hoch  beton  fen  drittletzten  Silbe  tieftonig  gewesen 
sein  muss. 

Dieser  Schluss  erhall  unbedingte  Sicherheit  durch  die  schon 
oben  ausführlich  dargelegte  Thatsache,  dass  die  Vokale  a,  o,  u, 
e,  i  der  tiefto  nigen  Silbe,  die  der  hochbetonten  vorher- 
geht, ausfallen,  während  die  Vokale  von  Silben,  die  dem  Hoch- 
ton ferner  stehen,  unversehrt  bleiben.  Man  vergleiche  folgende 
Auswahl  aus  der  oben  gegebenen  Sammlung  solcher  Wortformen; 
a  fällt  aus  in:  u  in :  e  in : 

dar  us,  maniplärio,  patronus, 

clämor,  coplala,  alrare, 

La  tri  na,  e   in:  saciare, 

o  in  :  li  brare,  a  e  grö  Ins, 

textrina,  Kubrenus,  Cerrönes, 

tonstrina,  fabrica,  Cerrfti, 

pistrina,  Fabricius,  i   in: 

u  in:  Capriolus,  cal cl re, 

Vesclarius,  Caprcola,  narr  Are. 

Marclei  us,  Asprenas,  pur  g  Are, 

Aclenius.  Rufrena,  caldiriam, 

Aeclanius,  Kufranius.  frigdäria, 

Sa  er.  Iuris,  altrius,  leg  inen  tu  in. 

poplaris,  altrinsecus,  impomenia, 

diseiplina,  patricius.  doinnorum. 


—    239     — 

Wenn  in  diesen  und  zahlreichen  anderen  Wertformen  der  Vo- 
kal der  Silbe  vor  dem  Hoch  ton  sich  zum  stummen  Vokal  kür- 
zen und  ausfallen  konnte,  so  kann  dieser  Vokal  nicht  durch  ei- 
nen höheren  Ton  über  die  Tonhöhe  der  tieftonigen  Worlsilben  em- 
porgehoben gewesen  sein,  ermuss  vielmehr  tiefto  nig  gewesen  sein. 
Das  starke  Vor  tönen  der  hoch  betonten  Silbe  bewirkte,  dass  die 
derselben  vorhergehende  Silbe  nur  dumpf  und  tiefto  nig  klang. 

Tiefto  nig  war  auch  die  vorletzte  Silbe  des  Wortes,  die 
der  hochbetonten  drittletzten  folgte  und  nur  einen  kur- 
zen oder  stum in e n  Vokal  haben  konnte.  So  lehrt  Q u i n t il i a n , 
XII,  10,  33:  Ultima  syllaba  nee  acuta  unquam  exci- 
l a  I  u r ,  nee  f  1  e x a  circumducitur,  s e d  in  gravem  v e  1  in 
duas  graves  cadit;  die  beiden  1  etzten  Silben  Lateinischer 
Proparoxytona  waren  also  nach  Quin  tili  an  tieftonig.  Jeden 
Zweifel  an  dieser  Erklärung  beseitigt  folgender  Ausspruch  von  ihm, 
1,  5,  30:  Tri  um  porro,  de  quibus  loquor,  media,  aut 
acuta,  aut  flexa  erit:  eodem  loco  brevis  iitique  gra- 
vem habebit  sonum,  ideoque  positam  ante  se,  id  est 
ab  ultima  tertiam  acuet.  Also  die  vorletzte  Silbe  der 
Proparoxytona  war  immer  tieftonig.  Das  bestätigen  denn 
auch  überaus  zahlreiche  Wortformen,  in  denen  der  Vokal  dieser 
Silbe  nach  dem  Hochton  a u s g e f a 1 1  e n  ist .  Auch  von  diesen 
möge  hier  eine  Auswahl  zur  Veranschaulichung  Platz  finden  ; 
a  ist  ausgefallen  in:        u   in:  u  in: 

palma,  aedicla,  Catullus, 

cupressus,  cubicla,  pistrilla, 

fäcla,  Maxim  illa, 

Pröclus,  asellus, 

Osclus,  gemellus, 

ino-lus  ferne  IIa, 

cömix,  iu0ius, 

a  n  g  1 u  s ,  Stella, 

11  in:  templum,  opella, 

vinclum,  pöplicus,  e  in: 

periqlum,  fibla,  cribrum, 

Pöclum,  stäblum,  libri, 

sacclum,  vetlus,  rubrum, 

gube  r  n  a  c  1  u  m ,  v  i  1 1  u  s ,  a  p  r  i , 

spectäclum,  homüllus,  öprae, 


o  in: 
v  i  c  t  r  i  x , 
t  e  x  t  r  i  x , 


—     240     — 

e  in  :  e  in :  i  in  : 

stipra,  gerre,  v6ltis, 

intra,  nöram,  fertis, 

extra,  decreras,  cante, 

equeslris,  consuerat,  senatorbus, 

pedestris,  quieris,  bübus, 

vitrum,  cognöro,  Decmus, 

rastrum,  adiürit,  vicesma, 

pätris,  succrerunt,  tegmen, 

v  e  n  t  r  i  s ,  eonsuerunt,  L  i  c  n  i  a , 

dedrot,  i  in :  bälneum, 

d  e  d  r  o ,  s t  ü lt  u s ,  I  a  in  n  a , 

vendrit,  ärdus,  dömnae, 

sä  er  um,  merto,  alumnus, 

s i m  u  I ä c r u in  ,  p ö s t  u m ,  auct u m  aus, 

aegri,  impöstor,  Sestlia, 

nigri,  quaestor,  Nümsius. 
f  e  r  r  e , 

Wenn  in  allen  diesen  Wortformen  der  Vokal  der  Silbe  dach 
dem  Hoch  ton  seh  wand,  während  der  Vokal  der  lieftönigen  End- 
silbe sieb  hielt,  so  kann  er  nichl  höher  getönt  haben  als  die  Schluss- 
silbe, war  also  auch  tiefton  ig. 

Die  Ansicht  von  Weil  und  Benloew  (Theorie  <jt:)«;r.  del'ac- 
cenl.  Lal.  p.  16),  dass  in  einem  mehrsilbigen  Worte  die  dem  Hoch- 
ton benachbarten  Silben,  wenn  sie  im  Inlaut  des  Wortes  stan- 
den, mittel  tonig  seien,  dass  also  in  Wörtern  wie  püdicitiä  eine 
vom  Tiefton  zum  Mittelion  aufsteigende  und  durch  den  Mittelton 
wieder  zum  Tiefton  absteigende  Tonleiter  gehört  worden  sei, 
steht  also  gleich  sehr  in  Widerspruch  mit  den  ausdrück- 
lichen An g a b e  n  d e r  (ü  r a m m at i k er ,  w  i e  m i t  s c h  1  a g e n - 
den  Thatsachen  der  Sprache  selbst.  Auch  in  der  Natur 
der  Sache  findet  diese  Ansieht  keine  Stütze.  Wie  im  Farben- 
bilde neben  dem  hellsten  Lichtton  der  tiefste  Schlagschatten  er- 
scheint, wie  kalte  und  warme  Luftströmungen  sieb  begegnend 
hart  an  einander  vorüber  fahren,  wie  im  musikalischen  Satz  der 
hohe  Ton  unvermittelt  neben  dem  liefen  erklingt,  so  scheut  auch 
die  Sprache  Hochklang  und  Tiefklang  nebeneinander  ebenso  we- 
nig, und  dieser  unmittelbare  Uebergang  vom  Tiefton  zum 


— -     241     — 

Hochton  und  umgekehrt  giebt  der  Betonung  Stärke  und  Le 
b  e  n  d  i g k  e i t ,  M a  n n i g  t'a  1  ti g  k  e i  t  und  Abwechselung  *). 


*)  Es  heissi  bei  Benloew  und  Weil  p.  16:   La  voix  montait  du 
comraenceraent    du  mot  jusqu'  ä  la  syllabe  aigue;    de  cette 
syllabe  ä  ia  fin  du  mot   eile  r  e  d  escendait.     Die   Quelle    dieses 
Irrtimms  ist  in  zwei  falsch  verstandenen  Stellen  zu   suchen.     Es  heisst 
bei  Servius  ohne  Zweifel   nach  Varro ,    §  21:    Omnem  igitur  vocem 
medium  habere;   quod  enim  fluit  (leg :  f uit)  deorsum,  prius  in 
medium  succendere,  quam    evolet  sursum,    et   quod  sursum 
est,   ante    eo    devenire,    quam    deorsum,    quare    utriusque 
compitum    medium     esse.     Varro    erweist    hier    die    Existenz    eines 
Mitteltones    nicht  daraus,    dass  er    sich   auf  die    t  ha  t  säe  h  liehe 
Aussprache    beruft,    wie    man  aus  dem   ganzen  vorhergehenden   Ab- 
schnitt   bei  Servius    ersieht,    sondern  a  priori  aus  dem  philosophi- 
schen  Princip,    dass  zwischen  allen  Gegensätzen  wie  warm  und 
kalt,  bitter    und  süss,  lang   und   kurz  u.a.   sich  eine  M  i  tt  e  finde, 
wo  sie  sich  berührten.    So  gebe  es  auch  zwischen  Hochton  und  Tief  ton 
eine  Mitte,   wo  sie  sich  berührten  (compitum  medium  esse.  §24: 
lim  es).     So    wenig    Varro   behauptet,    in    der  Welt  der  augenfälligen 
Dinge  könne  warm  und  k  a  1 1 ,  b  i  1 1  e  r  und  süss,  nie  in  als  ohneVer- 
mittelung  schroff  n  eb  e  neinander  vorkommen,  so  w  enig  konnte 
es  ihm  einfallen  zu  behaupten,  dass  niemals  im  Worte  ein  Hochton 
und  ein  Tief  ton  sich  unmittelbar  berührten,  dass  also  zum  Bei- 
spiel in  Wörtern  wie  quippe,  pätre,  nocte  u.  a.  zwischen  Hochton 
und  Tiefton  noch  ein  Mittelton  gehört  sei.     Die  andere  Stelle,  die  Weil 
und  Benloew  unrichtig  erklären,  ist  Prise.  1289  P:  Nam  in  unaquaque 
parte  oratio  nis  arsis   et  thesis   sunt,  non  in  ordine  sylla- 
barum,    sed   in    pronuntiatione,    velut    in    hac    parte    f na- 
tura', ut  quando    dico  fnatu',  elevatur  vox  et  est  arsis  in 
ftu',  quando  vero  'ra',  deprimitur  vox  et  est  arsis  in  ftu'. 
Et  'tu'  quantum    suspenditur  per  arsim,    tan  tum  deprimi- 
tur per  thesim.      Sed   ipsa   vox,    quae  per   dictiones  forma- 
tur,    donec  accentus  perficitur,   in  arsim  deputatur,  quae 
autem  post  accentum  in  thesim.     Der  Sinn  dieser  Stelle  ist  offen- 
bar folgender.     In  der  Aussprache  jedes  Wortes  ist  arsis  und  thesis, 
Tonhebung  und  Tonsenkung  sichtbar.     In  natura   ist  eigentlich 
der  Hochton   auf  der    Silbe  tu,    der  Tiefton   auf  der  Silbe    ra;   da   im 
ers-ten  Theile    des  Wortes   die  Betonung  vom  Tief  ton   zum  Hoch- 
ton aufsteigt,  so    versteht  man  unter  Arsis  des  Wortes  diesen  gan- 
zen Worttheil   bis  zur  hochtonigen  Silbe;  den  zweiten  Worttheil,  avo 
der  Ton  bis   zum    Tief  ton   abfällt,  nennt  man   Thesis.     Arsis  be- 
deutet hier  einmal  Hochton,    dann   Tonerhebung;    aber  dass  diese 
Erhebung  nicht  auf  einmal  geschehen   könne,    dass  sie  Mittelstufen 
haben  müsse,    liegt    doch   sicher    nicht   in    dem   Worte    ctQOig.     Wie 

CORSSEN  II.  16 


—     242     — 

4)    Der  Mittelton. 

In  Servius  Auszügen  aus  Varros  Accentlehre  heisst  es  §  20: 
Tyrannio  vero  Amisenus  —  quattuor  s  cribit  esse  pro- 
sodias:  ßaQ  slav ,  (isGrjV,  6%8iav  et,  tc  s  o  L67t(D^i8vrjv^ 
eine  Lehre,  die  Varro  auch  schon  in  den  Schriften  des  Glaucus 
von  Samos,  des  Hermokrates  von  Iasos  und  der  Peripateti- 
ker  Theophrastus  und  Athenodorus*  vorfand.  Serv.  §21: 
Scire  enim  oportet  rationis  huius  recens  non  esse 
c  o  m  m  e  n  t  u  m  ,  s  e  d  omnium,  q  u  i  ante  V  a  r  r  o  n  e  m  et  T  y  - 
rannionem  de  prosodia  aliquid  reliquerunt;  pluri- 
mos  et  clarissimos  quosque  mediae  huius  fecisse 
mentionem,  quos  omnes  sibi  fuisse  auctores  Varro 
commemorat.     Varro  seihst  ging  nach  Tyrannio  ausfahrlieh 


wenig  Priscian  einen  Mittelton  im  Sinne  hatte,  das  zeigt  auch  klar  die 
Wahl  des  Beispieles  natura  und  die  Bemerkung  dazu:  tu  quantum 
suspcnditur  per  arsim,  tantum  deprimitur  per  t  lies  im. 
Wenn  der  Tonabstand  der  Silbe  ra,  die  durch  das  Verbum  depri- 
mitur als  tief  tonig  bezeichnet  wird,  von  der  hochtonigen  Silbe 
tu  ebenso  gross  ist  als  der  Tonabstand  zwischen  den  Silben  na  und 
tu,  dann  ist  die  Anfangssilbe  na  von  Priscian  so  gut  als  tieftonig 
erklärt  wie  die  Endsilbe  ra.  Es  ist  ihm  also  nicht  in  den  Sinn  ge- 
kommen in  natura  fünf  verschiedene  Tonstufen  anzunehmen, 
oder  die  Endsilbe  von  natura  wie  die  Anfangssilbe  für  mitteltonig 
auszugeben.  Es  liegt  in  der  ganzen  Stelle  nicht  die  leiseste  Andeu- 
tung von  einem  Mittel  ton  oder  gar  von  jener  tonleiterartigen 
Betonung,  auf  die  Weil  und  Benloew  verfallen  sind.  Die  Ausdrücke 
prob  ablerne nt  und  semble  indiquer  an  der  angeführten  Stelle  zei- 
gen übrigens,  dass  die  beiden  Gelehrten  an  ihre  eigene  Behauptung  nicht 
recht  glaubten. 

Noch  ist  hier  eine  Stelle  aus  Nigidius  Figulus  commentarii  gram- 
matici,  Gell.  XIII,  20,  zu  besprechen.  Nachdem  er  für  Väleri  im  Vo- 
cativ  den  Hochton  auf  der  drittletzten  gefordert  hat,  sagt  er:  at  in 
casu  vocandi  s  u  m  m  o  tonost  prima,  d  e  i  n  d  e  g  r  a  d  a  t  i  m  de  - 
scendunt.  Es  ist  schon  gesagt,  dass  die  Betonung  Väleri  eine  Theo- 
rie des  gelehrten  aber  etwas  querköpfigen  Grammatikers  war,  dass  man 
in  der  Sprache  stets  Väleri,  Vergi  li.  M  er  cur  i  betont  hat.  In  dem 
Ausdruck  gradatim  liegt  allerdings,  dass  Nigidius  der  Silbe  le  in 
Väleri  einen  Mittelton  beilegt,  er  wollte  damit  die  Silbe  abfin- 
den, der  er  ihren  rechtmässigen  Hochton  nehmen  wollte.  Aue  li 
aus  dieser  Stelle  findet  sieh  kein  Halt  für  die  irrige  Ansieht  der  i'v. 
sischen  Gelehrten. 


—     243     — 

auf  die  Begründung  dieser  Ansicht  ein  (Serv.  §  21  multn  prae- 
terea  latius  in  cam  rem  disputata  profert)  und  lehrte, 
wie  es  ein  Mittleres  gäbe  zwischen  warm  und  kalt,  bitter  und 
süss,  lang  und  k  u  r  z  ,  zwischen  dem  hohe  n  und  tiefen  Ton 
der  Saiten,  der  Trompete  und  des  Sängers  ,  so  läge  in  der 
Wortbetonung  zwischen  dem  H  o  c  h  t  o  n  und  T  i  e  f t  o  n  ein  Mittel- 
t  o  n  auf  der  Grenze  ( 1  i  ra  es,  compitum,  §21.  23)  von  bei- 
den. •  Ueber  das  Wesen  des  Mitteltones  berichtet  Scrvius  aus  Varro 
und  Tyrannio:  Media  au  t  ein,  quae  int  er  duas  quasi 
limes  est,  quod  gravioris  quam  acutioris  similior 
est,  in  inferioris  potius  quam  superioris  numerum 
relegatur.  Der  Mittelton  steht  nicht  in  der  Tonhöhe  dem 
Tiefton  näher  als  dem  Ilochton,  sondern  darin,  dass  auch  er  für 
die  Einheit  des  Wortes  ebenso  wenig  bedeutend  ist  wie 
der  Tiefton ,  dass  der  Hochton  allein  der  herrschende  Ton  im 
Worte  ist. 

Wie  im  Griechischen  und  Lateinischen,  so  wurde  auch  im 
Sa-nskrit  ein  Mittelton  gehört,  mit  dem  diejenige  Silbe  ge- 
sprochenwurde, welche  unmittelbar  auf  die  hochbetonte  Silbe  folgte 
(ßopp,  Vgl.  Acccnll.  S.  16.  235.  Änm.  3.  Benfey,  Sanskr.  Gr. 
S.  10).  Es  fragt  sich  nun,  wo  im  Lateinischen  die  Stelle  dieses 
Mitteltones  war.  Längst  hat  Boeckh  (de  metris  Pindari,  I  c.  9. 
p.  54 —  56)  erkannt,  dass  im  Lateinischen  wie  im  Griechi- 
schen in  Wort  formen;  die  durch  Zusammensetzung  oder  durch 
schwere  Ableitungssilben  angeschwellt  sind,  zwei  einander 
nicht  berührende  Silben  mit  einem  höheren  Ton  als  mit  dem 
Tiefton  gesprochen  wurden.  G.  Curtius  (N.  Jahrb.  LXXI,  6 
p.  342  f.)  weist  daraufhin,  dass  im  Griechischen  ,  wenn  durch 
Herantreten  eines  Compositionsgliedes  oder  eines  Suffixes  der  Iloch- 
ton auf  eine  der  letzten  drei  Silben  vorrücken  musste,  die  Silbe,  auf 
der  er  früher  stand,  einen  Mittelton  behalten  konnte.  So  ge 
schab  es  zum  Beispiel  mit  der  Silbe  des  Augments  in: 

Gr.  'e-tpsQoiie&cC)  S&nskr.  ä-liarämahi, 
während  die  activen  Formen  Gr.  s-epegov,  Sanskr.  ä-naram,  in 
der  Betonung  übereinstimmen  (Bopp,  Vgl.  Accentl.  p.  73),  so  in  den 
Homerischen  Formen  mit  schweren  Ablcitungsenduiigen  wie: 

AaeQTLadsa ,     vgl.    ^/aeor^g, 

odvQ  o[ievoL6 1 ,  odvQoyiccL , 

16* 


—    241     — 

7tELQYlXLL,G)V,  7t  £  L  Q  1]  , 

( ad  qiocüvto  ,  edgcc; 

und  in  den  Compositen  wie : 
£v-q)Q06vv}]Gi,    vgl.  s v  , 
(CC[lCC-tQO%6cOVTCCi         cc[ia, 

Tcav-da^idrcjQ,  7t  äv , 

'aXXo-ftQoovg ,  aAXog, 

QQÖo-dccxtvAog ,         podov, 

'«At-Ttoogp^pa,  «Ag. 

Das  deutsche  Betonungsgesetz,  in  dessen  Wesen  es  liegt, 
den  Hochton  möglichst  weit  in  den  Leib  des  Wortes  zurück  - 
zuziehen,  legt  in  Zusammensetzungen  auf  die  Stammsilbe  oder 
Präfixsilbe  des  ersten  Compositionsgliedcs  den  Hochton,  und  die- 
jenige Silbe  des  zweiten  Gliedes,  die  im  einfachen  Wort  den  Hoch- 
ton hatte,  wird  mit  einem  Mittelton  gesprochen;  so  in: 

'U ebergang s-b c s 1 1  m m  ungen, 

Wech  sel-bezieh  ungen , 

M  1  s  c  h  u  n  g  s  -  v  e  r  h  a  e  1 1  n  i  s  s  e , 

K 1  e  i  n  i  g  k  e  i  t  s  -  k  r  a  e  m  e  r , 

Hand  w  e  r  k  e  r  -  v  e  r  e  i  n. 

So  müssen  auch  Gothische  Composita  gesprochen  worden 
sein,   wie: 

1  i  ü  g  n  a  -  p  r  a  u  f  e  t  u  s  , 

eisarna  -  bandi , 

lükarna-statha, 

faihu  -gavaurks. 
(Vgl.  Ulphilas,  Gabi.  u.  Loeb.  Wörterb.) 

ebenso  wie  die  mit  den  alten  Formen  des  Verbum  thun  (Skr.  Wz. 
dhA-,  Gr.  d"rj-)  zusammengesetzten  Praeterita  wie: 

säti-dedeima, 

b  i  r  ä  u  b  o  -  d  e  d  j  a  u  , 

libai  -  dedei  na. 

Im  zu  finden,  wo  in  La  te  inisehen  Compositep  oder 
einfachen  mehrsilbigen  Wörtern,  in  denen  ein  schweres, 
mehrsilbiges  Suffix  den  Hochton  auf  sieh  gezogen  hat,  der 


—     245     — 

Mittelton  gehört  wurde,  wird  man  sich  zu  vergegenwärtigen  haben, 
dass  die  Silbe  vor  dem  Hoch  ton  und  nach  dem  Hoch  ton  im- 
mer tief  tonig  war,  wie  oben  aus  den  bestimmten  Zeugnissen  der 
Grammatiker  wie  aus  sprachlichen  Gründen  erwiesen  ist.  Betrach- 
tet man  demnach  zuerst  die  Lateinischen  Composita,  so  wird 
man  nicht  zweifeln  können,  dass  auch  in  ihnen  der  Mittelton 
eine  ähnliche  Stelle  fand  wie  im  Griechischen,  nämlich  jedenfalls 
auf  dem  ersten  Gliede  des  Compositum,  das  die  Bedeutung 
des  zweiten  schärfer  und  enger  ausprägte,  und  zu 
dem  Zweck  deutlich  gehört  und  gesprochen  wurde, 
und  zwar  auf  der  Silbe  des  ersten  Compositionsgliedes,  die  in  dem 
einfachen  Worteden  Hoch  ton  gehabt  hatte.  So  müssen  also 
folgende  Composita  gesprochen  worden  sein: 


crispi-sülcus,                vgl. 

c  r  i  s  p  u  s , 

falsi-iürus, 

f  ä  1  s  u  s  , 

stricti  -v£llac , 

s  t  r  i  c  t  u  s  , 

versi-pellis, 

versus, 

1  e  g  i  -  r  u  p  i  o  , 

lex , 

noctu-vigila, 

nöctu , 

p  1  a  g  i  -  g  e  r  u  1  u  s  , 

pläga, 

v  l  r  g  i  n  -  d  e"  m  i  a  , 

v  i  r  g  o  , 

u  n  o  -  m  a  m  m  i  a  , 

ü  n  u  s  , 

cruri-crepida, 

c  r  ü  s , 

d  o  m  u  -  i  t  i  o  , 

itio , 

miseri-cördia, 

m  i  s  e  r , 

geruli-  figulus , 

g  e  r  u  1  u  s  , 

probri-  pelle  cebrae , 

p  r  6  b  r  u  m , 

b  1  a  n  d  i  -  1  o  q  u  e  n  t  u  1  u  s  , 

b  1  a  n  d  u  s  , 

denti  -  frangibu  lum  , 

d  e  n  s  , 

superbi  -loquentia, 

supärbus, 

un-de-viginti. 

ünus, 

septin  -  genti, 

Septem, 

duo-decimus, 

d  ü  o , 

octo-gesimus, 

öcto, 

sex-cent£simus, 

sex. 

—     246     — 

Die  Bedeutsamkeit  des  ersten  Bestandtheiles  Hess  nicht 
zu,  dass  derselbe  ganz  zur  tieftonigen  Aussprache  herabsank;  den 
Hochton  konnte  nur  eine  Silbe  in  diesen  Compositen  haben  und 
zwar  im  zweiten  Compositionsgliede,  daher  Hess  man  die  Silbe  des 
ersten  Gliedes,  die  man  in  dem  einfachen  Wort  mit  dem  Hochton 
zu  sprechen  gewohnt  war,  in  der  Zusammensetzung  nur  so  weit 
sinken,  als  unumgänglich  not h  wendig  war,  und  wahrte  ihr 
den  Mlttelton.  Ist  das  richtig,  so  fand  dieselbe  Betonung  auch 
in  Compositen  mit  Präpositionen  statt,  die  ja  auch  den  Sinn 
des  einfachen  Wortes,  mit  dem  sie  zusammengesetzt  werden. 
schärfer  ausprägen  und  wegen  dieser  ihrer  hervorspringenden 
Bedeutung  für  die  tieftonige  Aussprache  nicht  geeignet  waren,  falls 
sie  nicht  unmittelbar  vor  der  hochbetonten  Silbe  standen.  Man 
sprach  also: 


con-duplieäre,       vg 

1.      duplicare, 

con-'sangufneus, 

s  a  n  g  u  i  n  e  u  s , 

ef  -  fre  na  ttus, 

freu  at  us, 

e  x  -  a  n  c  1  ä  r  e  , 

a  n  c  1  ä  r  c , 

m-putäre, 

p  ii  1  ;i  r  e , 

i  n  d  -  a  u  d  i  v  i , 

au  (1  i  vi  , 

re-pueräscö, 

p  ii  er  äs  c  o. 

prae-ea verc, 

C  a  v  e  r  e , 

pro -g  über  nätor, 

gU  berna  t  or, 

sub-levätus, 

1  e  v  a  t  u  s , 

s  u  b  -  i  n  t  e  1 1  e  g  e  r  c, 

int  e  1 1 e g er e , 

T 

c  i  r  c  u  m  -  s  i  s  t  o  , 

s  i  s  to , 

T 

lütcr- cessio, 

cessio. 

i  n  t  e  r  -  p  e  1 1  e  r  e , 

p  eil  ere, 

intro-dueere, 

d  U  c  e  r  e  , 

praeter- i  r e , 

i  r  e  , 

super- se dere. 

seil  ere. 

Dieselbe  Betonung  verlangten  gebieterisch  die  Verneinungspar- 
tikel in-  und  die  Verstärkungspartikel  per-  in  Zusammensetzungen 
wie  folgende : 

in  -  mi  sc ri cördes  , 

in  -  gratific  us, 


—     247     — 

i  n  -  v  e  r  e  c u  n  d  u  s  , 
p  c  r  -  f  a  c  e" 1  ii  s , 
per-t  a  miliaris, 
per-grandescere. 

Nur  unmittelbar  vor  dem  Hochton  in  Wörtern  wie  incöndi- 
tu  s  ,  permägnus  u.  a.  mussten  auch  diese  Partikeln  wie  die  ein- 
silbigen Präpositionen  und  jede  andere  Silbe  eines  Compositionsglie- 
des  tieftonig  gesprochen  werden. 

Anders  gestaltete  sich  wahrscheinlich  die  Betonung ,  wenn  ein 
Compositum,  dessen  erster  Bestandtheil  eine  einsilbige 
tieftonig  gesprochene  Präposition  war,  von  neuem  mit  ei- 
nem zweiten  Wort  zusammengesetzt  wurde.  In  diesem  Falle  er- 
hielt wohl  diejenige  Silbe  jenes  Compositum  den  Mittelton,  die 
den  Hoch  ton  gehabt  hatte,  so  lange  dasselbe  für  sich  allein  be- 
stand ;  man  sprach  also : 

in  cur  vi  -  cervi  cum  ,   vgl.   ineurvus, 

r  c p  a  n  d  i  -  r  6  s  t  r  u  m ,  r  e  p  an  du s, 

T  . 

p  e  r  e  n  n  i  -  s  e  r  v  u  s ,  .      p  e  r  e  n  n  1  s  , 

c o n t o r t i  -  p  1  i c ä t u s  ,  contörtus, 

T 

reciproci-cörnis,  reciprocus. 

Ebenso  wie  in  Compositen  sank  in  abgeleiteten  Wortern  der 
Hochton  des  Stammwortes  zum  Mittel  ton  ,  wenn  ein  schweres 
Suffix  den  Hochton  auf  sich  zog.  Natürlich  konnte  auch 
hier  die  Silbe  unmittelbar  vor  dem  Hochton  auch  den  Mittelton  nicht 
wahren.     Man  sprach  also: 


1  o  n  g  i  t  ü  d  o , 

vgl. 

1 6  n  g  u  s , 

geminilüdo, 

g  e  m  i  n  u  s , 

1  u  d  i  b  ü  n  d  u  s , 

1  ü  d  e  r  c , 

l  r  a  c  ü  n  d  u  s , 

i  r  a , 

servitütem, 

servus, 

T        . 

v  e  r  i  t  a  t  e , 

v  e  r  u  s. 

Wo  der  Mittelton  in  vielsilbigen  Wortern  mit  mehreren  anein- 
andergehängten  Suffixen ,  wie  s  o m  n  i  c  u  1  ö  s  u  s  ,  m a  n  ti  c  u  1  ä  t  o  r , 
peniculam  en  tum  ,  locutuleius,  luculentitätem,  parti- 
culönes  u.  a.  gesprochen  worden  sei,  ob  auf  der  Stammsilbe 


—     248     — 

der  einfachsten  Grundformen,  oder  auf  der  Silbe,  die  in 
den  schon  abgeleitet  en  Formen  wie  somniculus,  man- 
ticula,  penicula,  lociitus,  luculentus,  particula  den 
Hochton  hatte,  dürfte  schwer  zu  entscheiden  sein. 

Wurde  aber  ein  Wort,  das  einen  Mittelton  und  einen  Hochton 
hatte,  mit  einem  anderen  zusammengesetzt,  so  konnte  das  Com- 
positum zwei  Mitteltöne  neben  dem  Hochton  erhalten  unter  der 
Bedingung,  dass  nicht  Mittelton  und  Hochton  in  benachbarten  Silben 
zusammentrafen  ;  so  in: 

verbi -velitätio  ,         vgl.     velitätio, 

TT.  T 

quina-vicenaria,  vicenaria, 

c  o  n  f i  d  e n  t  i  - 1 6 q u  i u  s ,  c o  n  f  i  d  e n  ti. 

Freilich  konnte  aber  auch  der  zweite  Mittelton  dieser  Com- 
posita  leicht  zum  Tiefton  sinken,  indem  nur  der  erste  wegen  der 
Bedeutsamkeil  des  ersten  Compositionsgliedes  hervorgehoben  wurde. 
Dass  bei  diesen  feineren Nüancierungen  derBetonung  auf  die  augen- 
blickliche Willensregung  des  Sprechenden  etwas  ankam, 
wird  sich  in  dem  Abschnitt  über  den  Tonanschluss  ergeben. 
Auch  im  Deutschen  bleibt  es  dieser  Willensregung  bei  der  Aus- 
sprache überlassen,  oh  manche  Silben  mit  dem  Mittelton  oder  mit 
dem  Tiefton  gesprochen  werden;  wir  betonen  zum  Beispiel  ünzu- 
laenglicher,  uebermuel  h  ige,  nieder  traecht  ige  s  ,  aber 
auch  unzulaenglicher,  uebermuet  Inge  ,  nied  ert  ra  ec  li  - 
tig  es. 

5)  Tonhöhe  und  Tondauer. 

Der  Hochton  ist  der  Weiser  des  selbständigen  einigen 
Wortes,  der  Pulsschlag,  der  das  Leiten  des  Wortes  durchdringt, 
aber  er  herrseht  so  wenig  unumschränkt  über  den  Wort  Körper,  wie 
das  Herz  über  den  menschlichen  Leib  eine  solche  Herrschaft  übt. 
Fr  ist  vielmehr  von  einer  anderen  lautlichen  Macht  an  strenge 
Schranken  gebunden.  Was  das  tue  eine  Macht  sei,  tritt  recht 
augenfällig  hervor,  wenn  man  sich  das  Anwachsen  von  WoFtformen 
an  folgenden  Beispielen  vergegenwärtigt: 

lex,  fer, 

lege,  cö  n  fer, 

exlex,  sfgnifer, 

legi,  fera\. 


—     249     — 

legibus,  feräcem, 

legärc,  feräci, 

d  e  1  e  g  ä  v  i  t ,  f  e  r  ä  c  i  o  r , 

legävi,  feraciörem, 

delegärunt,  feraciöres, 

legitimus,  feracissimus , 

legaturum,  f  e  r  a  c  is  s  im  6r  um. 

ablega  vere, 

legi  slatör i , 
relegavßrunt, 
legislatöribus, 
Diese  Beispiele  zeigen  wie  fein  fühlend  der  Hoch  ton  für 
jeden  Zuwachs  in  der  Tondauer  des  Wortes  ist;  Zuwachs  im 
Anlaut  des  Wortes  zieht  ihn  rückwärts,    Zuwachs  im  Aus- 
laut bricht  ihn,  oder  zieht  ihn  vorwärts,  oder  bewirkt  beides 
zugleich  nach  bestimmtem  Gesetz. 

Der  Hocbton  hat  die  Neigung,  sich  möglichst  weit  in  den 
Wortkörper  zurückzuziehen. 

Der  Hochton  kann  aber  nicht  über  die  vi  er  te  Ton  weile 
oder  More  vom  Schlüsse  des  Wortes  zurücktreten: 

Die  T o  n  1  ä  n  g  e  der  v  o  r  1  e  t  z  t  e  n  Silbe  übt  eine  bindende 
Kraft  auf  den  Hochton,  indem  sie  ihn  nicht  über  die  dritte  Ton- 
weile vom  Schlüsse  des  Wortes  zurücktreten  oder  vorschrei- 
ten lässt: 

Der  Hochton  wird  gebrochen  in  der  z  w  e  i  t  e  n  Z  e  i  t  w e  i  1  e 
vom  Schluss  des  Wortes  durch  die  Tonlänge  des  Vokales 
derselben,  er  bleibt  ungebrochen  in  der  dritten  Zeitweile,  wo 
er  durch  eine  folgende  lange  Silbe  Halt  erhält: 

—  ~  j   im  Gegensatz  zu:  -'  -  | 

Der  Hochton  wird  gebrochen  in  der  letzten  Ton  weile 
durch  die  Tonlänge  des  Vokales  der  Schlusssilbe: 

-  I 

Der  Hochton  wird  also  gebunden  durch  die  S  u  m m  e  der  Ton- 
dauer der  drei  letzten  Silben,  gebunden  durch  die  Tondauer  der 
vorletzten  Silbe,  er  wird  immer  gebrochen  durch  die  Ton- 
länge des  Vokales  der  Schlusssilbe,  er  wird  unter  einer 


—     250     — 

Bedingung  gebrochen  durch  die  Ton  länge  des  Voka- 
les der  vorletzten  Silbe»  Der  Hochton  wird  demnach  ge- 
bunden und  gebrochen  durch  die  Tonlänge,  das  heisst 
der  Accent  ist  im  Lateinischen  abhängig  von  der 
Quantität,  wie  dies  schon  Dietrich  {Zeiischr.  für  vergl.  Sprach  f. 
I,  p.  534)  klar  erkannt  hat. 

Im  Griechischen  zeigt  der  Aeolische  Dialekt  eine 
ähnliche  Neigung  wie  das  Lateinische  den  Hochton  in  den 
Wortkörper  zurückzuziehen  (Boeckh,  Metr.  Pind.  I,  c.  8.  p.  55. 
Ahrens,  Dial.  Aeol.  p.  10  — 19.);  sonst  ist  diese  Neigung  im  Grie- 
chischen n ur  in  der  B  i  1  d  u  n  g  d  e  r  Verbal  f o  r  m  e  n  sichtbar.  Der 
Griechische  Hochton  kann  wie  der  Lateinische  in  der  Re- 
gel nicht  über  die  vierte  Zeit  weile  vom  Ende  des  Wor- 
tes zurücktreten;  aber  er  bewegt  sich  in  diesem  Ton- 
bereich ungebunden  durch  die  Ton  länge  der  vorletzten 
Silbe.  Die  Sprache  zeigt  zum  Theil  sogar  eine  Abneigung 
den  Hoch  ton  zu  der  Tonlänge  der  vorletzten  Silbe  zu 
gesellen,  und  bethätigt  diese  dadurch  sehr  entschieden,  dass 
sie  gewohnlich  den  Ilochton  von  der  vorletzten  langen  Silbe 
Lateinischer  Wörter,  die  sie  aufnimmt  oder  nachspricht,  auf  die 
drittletzte  zurückzieht,  oder  auf  die  letzte  vorschiebt.  Man 
vergleiche  folgende  Zusammenstellung  : 

<d ivtatog ,  AavQevrov , 

KXrjiisvTcc,  IlokXevTog, 

IlLK£vt8g ,  Ovrjievtavog , 

Ilovdevxoq,  NayLEVtov , 

Ovälsvrog ,  2Jv  qqevtov, 

K8VXOVQlCdV£g,  <2>  SQccvrccvog, 

TCalovdccaEvrov ,  KoQvr]XLavög, 

ni'yyLEvrov,  KoQVLxovXavdg, 

0riyiLevxov,  Koqv  icpixiav  6g, 

x6[iߣVT  og ,  Aoyyuvog, 

Ha  Ieqvov  ,  Aovtt  EQXtavij , 

OaXegvog,  Ne  Qßtavog, 

'A  n  i re  q  v  o  v ,  77  o  u  n  o  v  o*  i  a  v  o  g , 

"Ateqvov,  Eegyiavos, 

Aiteqvov ,  TsqtvX  li  «vog, 


—     251     — 

ÜQLßeQVov,  Ov  sQßavog , 

Ma  [isQtog,  Ov eöTtccö  iav\6g, 

Mod  £  tf  t  o  g ,  'Aov  e  QvCg , 

IleQcp  £xtog,  Aov7t£Qxog, 

TgiKOCtog,  Ma[i£Qx6g. 
ߣQvaxXog, 
ß  r\  £ 1 X  X  o  v , 

[l8[lßQCCV0V. 

Die  Voka Hänge  der  letzten  Silbe  bindet  den  Griechi- 
schen Hochton  insofern,  als  sie  ihn  nicht  über  die  dritte 
Zeitweile  vom  Ende  des  Wortes  zurücktreten  lässt ,  aber 
innerhalb  dieser  Grenzen  kann  er  sich  frei  bewegen  und  auf 
der  vorletzten  oder  letzten  Silbe  stehen.  Im  Griechischen 
wird  der  Hochton  gebrochen  in  der  zweiten  Zeitweile 
vor  dem  Wortschluss  durch  die  Länge  des  Vokales 
in  der  vorletzten  Silbe,  dem  eine  kurze  Silbe  folgt,  wie 
im  Lateinischen;  er  kann  gebrochen  werden  durch  die  Ton- 
lä'ngc  des  Vokales  der  letzten  Silbe  wie  im  Lateinischen, 
aber  er  kann  auch  seine  Hohe  und  Schärfe  bis  in  die  letzte 
Tonweile  vor  dem  Wortschluss  hinausschieben. 

Also  eine  bindend  e  und  b  r  e  c  h  e  n  d e  Kraft  auf  den  Hoc hton 
übt  die  Tondauer  auch  im  Griechischen ,  aber  mit  einem  sehr 
wesentlichen  Unterschiede  vom  Lateinischen.  Die  gesammle  Ton- 
il a  u  c  r  der  drei  letzten  Silben  und  die  T o n  1  ä n g e  de r 
letzten  Silbe  setzt  dem  Hochton  im  Griechischen  nur  eine 
Schranke,  in  der  er  sich' bewegen  soll,  aber  sie  bindet  ihn  nicht 
fest  an  den  Ort,  wo  er  haften  soll;  sie  bestimmt  ihm,  wo  er 
nicht  stehen  soll,  aber  nicht,  wo  er  stehen  soll.  {Dietrich, 
Zeitschr.  für  vergl.  Sprach  f.  I,  534.) 

Wenn  der  Hochton  im  Lateinischen  durch  die  Ton  d a  u  e  r  an 
seinen  Ort  gebunden  ist,  so  wird  er  doch  nicht  absolut  be- 
herrscht von  derselben;  er  bindet  und  beschränkt  auch  sei- 
nerseits die  gesamm  te  Tondauer  des  Wortes.  Er  Unit  dies, 
indem  er  einmal  tiefto nigerlange  Silben  so  übertönt,  dass  sie 
sich  kürzen  und  zwar  sowohl  Endsilben  als  inlautende  Silben  in 
seiner  unmittelbaren  Nähe.  So  entstanden  die  oben  besprochenen 
Vokalkürzungen  in: 


—     252     — 


püto, 

111  lnlo, 

H 

änni 

bäl, 

in  ö  1  e  s  t  u  s , 

ci  tö, 

deder t]  nt, 

H 

ä  s  d  l 

■  u  b  ä  1 , 

f  ä  r  i  n  a , 

manu, 

ä  g  n  1 1  u  s  , 

öfella. 

väle, 

hominis, 

d  ö  m  i , 

fidei, 
i  1 1  i  u  s , 

Der  Hoch  ton  beschränkt  ferner  die  Tondauer  des  Wortes, 
indem  er  benachbarte  tieftonige  Silben  im  Inlaut  desselben 
oder  Endsilben  mit  kurzem  Vokal  so  übertönt,  dass  die  kurzen 
tieft onigen  Vokale  jener  Silben  stumm  werden  oder  ganz 
verklingen.  So  erklären  sich  die  zahlreichen  gekürzten  Wort- 
formen, die  in  dem  Abschnitt  von  der  Vokalkürzung  zusammen- 
gestellt sind,  und  von  denen  hier  folgende  Uebersicht  Platz  fin- 
den möge: 


L  a  - 1  r  i  n  a  , 

va 

p  a  1  -  m  a , 

a 

vir- 
us , 

äger- 

US, 

p  i  s  t  -  r  i  n  a  , 

0 

vict-rix, 

0 

vel- 

J  is, 

liber- 

saec-läri  s, 

u 

V  1  11  C  -  1  11  111  , 

u 

ÖS  - 

se. 

famel- 

us  , 

p  o  p  - 1  a  r  i  s , 

u 

fab-rica, 

e 

a  n  g  - 1  u  s  , 

u 

t  emp-lum, 

u 

1  a  c  - 

te, 

Pöl- 

lu*, 

m  a  sc  e 1  - 

US  , 

nihil- 

um, 

Cap-rfolus, 

e 

stäb  -1  um, 

u 

fac- 

ti  (t  ii  e  c  - 

um, 

a  1 1  -  r  i  u  s , 

e 

v  i  t  - 1  u  s , 

u 

(1  1  c  - 

a  c  e  r  - 

c  a  1  -  c  ä  r  e , 

i 

h  o  m  ü  1  - 1  u  s , 

onu 

h  i  c  - 

fa  cul- 

n  a  v  -  a  r  e  , 

o  p  e  1  - 1  a , 

r  u 

vi'n- 

e, 

prae coc-s, 

i 

frig-daria , 

i 

lnt-ra, 

t  11 11  - 

c  o  ii  cor-s  . 

dorn  -no  r  um, 

equest-ris  , 

e 

p  a  t  -  r  i  s  , 

n  6  n- 

um, 

scob-s , 

ämen-s, 
p r a  c cep-s , 

e 

d  <;  d  -  r  o  t , 

e 

grü-s. 

Ph  a  rna  c  -  s. 

e 

sac-ruin, 

e 

m  6  n  -  s , 

•     ii 

Ig-ri, 

e 

r  ep  e  n - s , 

ti 

fcr-re  , 

u!->. 

ti 

n  ('»  -  r  a  in  , 

fer-t, 

—    253     — 
val-de,  fec-t, 

i  i 

p  6  s-tum,  A r  p i n ä  -  s , 

i  tl 

fer-tis,  nosträ  -  s. 

i  ti 

D  e  c  -  um  s , 

i 

t  e  g  -  m  e  n , 
bäl-neum, 

i 

1  ä  m  -na, 

i. 

N  ü  m  -  s  i  u  s , 

i 

S  e  s  t  - 1  i  ;i , 

i 

Also  die  To n  1  ä in g ; e  bindet  und  b r i c h t  den  H o c b t o n ,  der 
Hochton  beschränkt  und  kürzt  die  Ton  lange ,  es  ist  ein 
Widerstreit  constitutioueller  Gewalten  im  Worte.  Aber  die 
Toni  äuge  übt  ihre  Macht  über  den  Hochton  nach  festen  Gese- 
tzen immer  und  ohne  Ausnahme,  derllochton  übt  sie  nicht 
durchgreifend  nur  in  der  Minderzahl  der  Wortformen,  nicht 
einmal  consequent  in  bestimmten  Arten  von  Wortformen.  So 
herrscht  in  dem  Belonungsgesetz  der  Lateinischen  Sprache  zur 
Blüthezeit  der  Litteratur  die  Tonlänge  über  die  Tonhöhe,  nicht 
unbedingt  aber  mit  überlegener  Macht.  Aber  in  der  Spätlateini- 
schen Volkssprache  hat  der  Hoch  ton,  obwohl  er  festgebannt 
blieb  auf  der  Stätte,  die  ihm  durch  die  Tondauer  der  vorletzten 
Silbe  angewiesen  war,  mit  immer  härterem  Druck  auf  den  tief- 
ton igen  Silben  gelastet,  bis  er  sie  alle  gekürzt  und  sich  zum 
unumschränkten  Herrscher  des  Wortes  u nd  des  Verses 
emporgeschwungen  hat,  wie  er  jetzt  in  den  Romanischen  Sprachen 
waltet. 

Die  Neigung  der  Lateinischen  Sprache  den  Hoch  ton  von 
der  Endsilbe  hinweg  in  den  Inlaut  des  Wortes  zu  ziehen,  die 
starre  Consequenz,  mit  der  sie  den  Hoch  ton  an  die  Ton - 
länge  d  er  vorletztenSil  befesselt,  verleiht  den  Lateinischen 
Wortausgängen  die  Aehnlichkeit  mit  dem  Trochäischen 
Rhythmus,  auf  die  noch  späterhineingegangen  werden  wird, 
sie  giebt  der  Lateinischen  Wortbetonung  etwas  Starres, 
A b gemessenes  und  Eintöniges  im  Vergleich  mit  der  Grie- 
chischen   Betonungsweise,    die    in    anmuthiger  lebendiger  Ab- 


—     254     — 

wechselung  dem  Hochton  freien  Spielraum  la'sst  innerhalb  der  vier 
letzten  Tonweilen,  so  dass  bald  die  Endsilbe  hell  aufklingt  nach 
lieftonigen  inlautenden  Silben,  bald  die  drittletzte  Silbe  mit  schar- 
fem Hochion  hervorspringt  unmittelbar  vor  einem  tieftonigen  langen 
Vokal  der  vorletzten  Silbe.  Gewiss  wird  man  daher  Quintilians 
Urtheil  beipflichten,  XII,  10,  23:  Sed  Accentus  quoque  cum 
r i g o r e  q u od a m  tum  similitudine  i p s a  minus  s u a v e s 
habemus  quam  Graeci.  Griechen  fanden  eine  Aehnlichkeit 
zwischen  der  Lateinischen  Betonung  und  dem  starren,  gravitätischen 
Auftreten  des  ernsten  tugendstolzen  Altrömers,  das  besagt  Olym- 
piodors  Bemerkung  Arist.  Meteor,  p.  27:  Ka& olov  da  ol 
'Pco^ialo  i  7t äv  ovo^ia  TtaQo^vvovö i  ölcc  zov  x6[i- 
7i ov,     o&sv    VTCSQrjvoQeovreg    £zÄ.rj&i]6av    vno    rcov 

TCOLTjTCJV. 


6)     Tonanschluss. 

Wortzusamme  nsctz  ung  ist  das  Zusammenwachsen  zweier 
Wörter  Äi  einem  neuen  viel  gegliederten  Wortleib,  bei  dem  der  Leib 
oder  die  Seele  jedes  der  beiden  Wörter  soviel  von  seiner  selbstän- 
digen Gestaltung  einbüsst,  dass  er  dem  neuen  Leih  als  Glied  dienen 
kann.  Das  erste  Glied  verliert  also  jene  selbständige  Lebenskraft 
und  Triebkraft,  indem  es  die  Beugungsfähigkeit  einbüssl 
und  nur  den  nackten  Stamm  ohne  Casusendung  behalt,  oft  in  ab- 
geschwächter Gestalt,  häufig  auch  seinen  selbständigen  Hochton 
verlor;  so: 

säero-,     in    sacri-fi'ciu  rn, 
sa  er  r -dos, 

stilla-,  still  i- cid  i  um, 

mä  im-,  manu-mi  ssio, 

mani-pr  et  iu  m, 

man-e  ipium. 
Das  zweite  Glied  der  Compositum  nimmt  an  seinem  Leibe 
S  ehade  n,  indem  sein  S  la  mmvo  k  al,  oll  auch  der  V  uslaul  des 
Stammes  sich  abschwächt,  verfärbt  oder  gani  schwindet ; 
CS  nimmt  an  seiner  Seele  Schaden,  indem  es  oft  «las  Kleinod  .sei- 
nes selbständigen  Lebens,  seinen  Hochton  einbüssl;  so  iura 
Beispiel  : 


2; 


>.) 


c  ü  p  i  o , 

c  o  n  c  i  p  i  o  , 

b  ä  r  b  a  - , 

i  m  b  e  r bis, 

pars, 

e  x  p  e  r  s , 

b  e  1 1  o  -  , 

i  in  b  6 1 1  i  s , 

e  m  o , 

redimo, 

c  ä  put-, 

ä  n  e  e  p  s , 

h  ä  1  o , 

a  n  h  e  1  o , 

s  u  e  t  o  - , 

man  su es. 

c  a  e  d  o , 

c  o  n  c  i  d  o  , 

rcgo, 

pergo, 

h  ä  1)  e  o  , 

praebeo, 

Die  so  geschwächten  Glieder  des  zusammengesetzten  Leibes 
sind  so  u n f  ä h i g  geworden  zu  selbständigem  Dasei  n  und 
unauflöslich  vom  Sprachgeiste  aneinander  gebunden. 

Die  V  o  r  s  t  u  f  e  zu  solcher  einheitlichen  u  n  lösbare  n  W  o  r  t  - 
Vereinigung  ist  die  Verbindung  zweier  Wörter  unter 
einem  II  och  ton.  Von  zwei  Wörtern,  die  im  Volksmunde  als 
häufige  Gefährten  und  Nachbarn  auftreten  wie  res  publica, 
acalceis,  quando  quidem,  qua  ntum  vis  ordnet  sich  das 
für  das  Bewusstsein  des  Sprechenden  bedeutungslosere  dem 
bedeutungsvolleren  unter,  in  so  weit,  dass  es  vor  dem  Hoch- 
ton des  kräftigeren  vorlauten  Nachbars  seinen  II  och  ton  sinken 
lässt,  wie  im  geselligen  Verkehr  der  unbedeutende  Mensch  neben 
dem  bedeutenden  kleinlaut  wird.  Aber  deshalb  ist  das  beeinträch- 
tigte Wort  nicht  unauflöslich  gebunden  an  den  stärkeren  Ton- 
gesellen, nicht  leblos  geworden,  sondern  jede  leise  Willens - 
regung  des  Sprechenden  genügt,  seine  Bedeutung  in  soweit 
hervorzuheben,  dass  es  seinen  Hochton  und  mit  ihm  die 
Würde  des  freien  Wortes  wiedererhält. 

Dass  der  Tonanschluss  wirklich  die  Vorstufe  zur  Wort- 
zusammensetzung gewesen  ist,  dafür  legen  alle  Sprachen  Zeugniss 
ab,  die  Lateinische  insbesondere  dadurch,  dass  viele  Wortverbindun- 
gen, die  in  der  älteren  Sprache  noch  nicht  unauflöslich  an- 
einander gebunden  sind,  im  Sprachbewusstsein  der  späteren  Zeit 
als  wirkliche  Composita  erscheinen,  so  dass  ein  Glied  der  Ver- 
bindung für  sich  allein  in  der  Sprache  nicht  mehr  vorkommt.  Es 
findet  ein  allmähliger  Uebergang  von  der  Tonverbindung  zur 
unauflöslichen  Wortverkittung  statt,  und  es  lässt  sich  keine  haar- 
scharfe Grenzlinie  ziehen,  wo  die  eine  aufhört  und  die  andere  anfängt. 

Es  sind  zwei  Hauptquellen,  aus  denen  wir  den  Umfang  und 
die  Bedeutung  des  Tonanschlusses  in  der  Lateinischen  Sprache 
erkennen  können:  die  Angaben  der  Grammatiker  und  die 
Schrift.  * 


-     256     — 

Die  Griechischen  Grammatiker  nannten  in  ihrer  Lehre 
von  dem  Tonanschluss  jene  kleinlaut  gewordenen  Worter,  die 
sich  an  das  vorhergehende  Wort  anlehnten ,  iyy.Xixi'aa , 
solche,  die  sich  an  den  Hochton  des  folgenden  schlössen,  axova. 
Varros  Lehren  über  diesen  Gegenstand  lassen  sich  nicht  mehr 
auffinden;  Quin  tili  an,  der  für  die  Unterschiede  der  Laute  und  der 
Betonung  seiner  Muttersprache  von  der  Griechischen  ein  feines  Ohr 
hatte,  lehrte  schon  den  Tonanschluss  der  Lateinischen  Präpo- 
sitionen und  Adverbien  an  das  folgende  Wort.  Von  Werth  sind 
dann  unter  den  späteren  Grammatikern  die  Angaben  des  Diome- 
des  und  Do  natu  s  über  den  Gegenstand  ,  vor  allem  aber  ist  Pris- 
cians  grosses  Werk  eine  reiche  Fundgrube  von  Bemerkungen  und 
Aufschlüssen  für  die  vorliegende  Frage,  die  er  aus  den  Schriften  äl- 
terer Grammatiker,  ohne  Zweifel  auch  des  Varro  schöpfte. 

Eine  noch  ältere  Quelle  für  die  Erkennlniss  des  vorliegenden 
Gegenstandes  ist  die  Schrift,  insofern  schon  auf  älteren  In- 
schriften, namentlich  den  Gesetzurkunden  seitdem  Senatuscon- 
sult  über  die  Bacchanalien,  Wort  er,  die  unter  einem  11  och  ton 
verbunden  gesprochen  winden,  auch  häufig  zusammen  ge- 
schrieben sind,  was  dann  natürlich  auch  durch  alle  folgenden 
Zeiten  bis  in  die  späteste  Kaiserzeil  Sitte  bleibt.  Die  Handschrif- 
ten zeigen  auch  in  dieser  Beziehung  nur  den  Schreihgebrauch  seil 
dem  vierten  und  fünften  Jahr  hundert  nach  Christus,  der  aber 
in  allen  wesentlichen  Punkten  mit  der  Schreibart  der  Augusteischen 
Zeit  übereinstimmt. 

a)  Tonanschluss  an  das  vorhergehende  Wort. 
Tonanschluss  an  das  vorhergehende  Wort  nennt  Pris- 
cian  inclinatio  nach  dem  Muster  der  Griechischen  Bennennung 
eyxliOLg  oder  auch  additio  (p.  975.  P.).  Von  der  Betonung 
solcher  Wortverbindungen  sagt  Servius,  Verg»  Aetu  1,  116: 
Pronuntiationis  causa  contra  usum  Latinum  syllabis 
ultimi s,  quibys  particulae  adiu  nguntur,  accentus 
tribuitur  ul  'musäque,  illene,  huiüsce'.  Sic  ergo 
etcibidem'.  Ausdrücklich  wird  dies  von  anderen  Grammatikern 
mehrfach  bestätigt  für  die  enklitischen  Partikeln  -<|iie,  -VC,  -ne. 
-«•e  (Prise,  p.  1253.  1288.  1238.  1224.975.  Dkm, jr.  12s.  Mttrt. 
Cap.  p. 286.  K.  Pomp.  Comm.  Art.  Don.  p.  77.  /.).  Dass  derTou 
auf  der   Silbe  vor  dem  enklitisch  angefügten  Wort   der  scharfe 


—     257    — 

Hoch  ton  war,  erglebt  sich  aus  Servius  Worten  und  wird  bestä- 
tigt von  Diomedes  ,  p.  428:  Complexiva  coniunctio  sive 
copulativa  eque'  et  disiunctiva  fve'  et  dubitativa 
ene'  adiunctae  verbis  et  ipsae  amittunt  fastigium 
et  v  e  r  1)  i  antecedentis  1  o  n  g  i  u  s  p  o  s  i  (  u  m  c  a  c  u  m  e  n '  a  d  - 
ducunt  et  iuxta  se  pro xi nie  collocant.  Diese  Betonung 
hat  also  nach  der  Aussage  jener  Grammatiker,  die  auch  hier  aus 
alleren  Quellen  schöpften,  nur  in  dem  Fall  stattgefunden,  wo  eine 
Wortverbindung  eine  blosse  inclinatio,  ein  Tonanschluss 
eines  Wortes  an  das  vorbeigehende  war,  und  blieb  im  Gegensatz 
zur  Betonung  wirkliche]',  untrennbar  verwachsener  Com- 
posita  *). 

Da  die  schwache  Bedeutung  eines  Wortes  im  Satze 
der  Grund  ist,  weshalb  es  im  Zusammenhang  der  Rede  den  Hoch- 
ton einbüsst  und  sich  an  den  Tlocliton  des  vorhergehenden  Wortes 
anschliesst,  so  ist  es  für  die  folgende  Untersuchung  angemessen, 
die  Arten  der  Wörter,  welche  diese  Tonschwächung  erlitten, 
nach  ihrer  Bedeutung  im  Zusammenhang  des  Satzes  zu 
sondern  und  nach  einander  die  Pronomina  und  Pronominal- 
adjeetiva,  -Adverbia  und  -Partikeln,  die  Conjunctio- 
nen,  Verba  und  Nomina  zu  erörtern,  bei  denen  Tonanschluss 
an  das  vorhergehende  Wort  stattfand,  lim  aber  Umfang  und  Be- 
deutung desselben  in  der  Sprache  zu  ermessen ,  ist  es  not- 
wendig, auch  solche  Wortverbindungen  in  Betracht  zu  ziehen, 
die  ursprünglich  blosse  Tonverbindungen  waren,  im 
Laufe  derZeit  aber  zu  wirklichen,  untrennbaren  C  om  p  o  s  i  - 
ten  verwuchsen. 


*)  Dieses  von  den  alten  Grammatikern  so  bestimmt  ausgesprochene 
und  deshalb  von  neueren  Gelehrten  wie  Bopp,  Vergl.  Acccntl.  p  100, 
Weil  und  Benloew,  Acc.  Lat.  p.  51,  und  anderen  mit  Recht  aner- 
kannte Betonungsgesetz  enklitischer  Wortverbindungen  will  Langen, 
Acc.  p.  23  f.,  wenigstens  für  die  ältere  Lateinische  Sprache  nicht  gelten 
lassen,  weil  bei  PI  au  tu  s  und  Terenz  Wortformen  wie  eaque, 
egone  u.  a.  die  Vershebung  oft  auf  der  drittletzten  Silbe  haben. 
Diese  Aufstellung  geht  von  der  Ansicht  aus,  dass  jene  Dichter  das  Zu- 
sammenfallen von  Hoch  ton  und  Vershebung  in  ihren  Versen 
absichtlich  gesucht  hätten,  eine  Annahme,  deren  Unhaltb  ark  ei  t 
weiter  unten  dargethan  werden  wird. 

Corssen  IL  17 


—     258     — 

Es  wird  also  zuerst  von  den  enklitischen  Pronomen  die 
Rede  sein. 

Wie  das  Griechische  rt'g,  rt,  so  zeigt,  das  Lateinische  unbe- 
stimmte  Relativpronomen: 

quis,     qua(quae),  quid 
sich  von    so    schwacher   Bedeutung   im    Satz,    dass    es    sich    mil 
Verlust   des  Hochtones    an  das  vorhergehende  Wort   anschliesst. 
Prise,  p.  669.  P. 

Priscian  vergleicht  zunächst  das  Lateinische  siquis  mit 
dem  Griechischen  st  xig.  In  der  Schreibweise  der  alteren  In- 
schriften bis  Cäsars  Zeit  und  auch  später  werden  die  beiden  Be- 
sfandtheile  dieser  Tonverbindung  bald  getrennt  bald  verbun- 
den geschrieben  ;  so: 

sei  q  u  e  s  ,  Sc.  d.  Bacc.  s  e  i  q  uis,  /.  rep. 

s  e  i  q  u a ,  a.  0.  s  e  i  q  n  i  s  .  /.  rep.  (Serv.) 

sei  quid  ,  a.  O.  seiqua  ,  ä.  0. 

sei  q  u  i ,  <ir<l.  >•/'<-.  Für/'.  se  i  qu  a  e  ,  a.  0. 

sei  qua,  Sc.  d.  Ascl.  s  i  (|  u  a  e ,  (  X.  Sing.)  L  agr.  ( Thor. ) 

sc  i(|  n  is  ,  /.  Inj. 

s  e  i  q  u  i  d ,  /.  Ruhr. 

sjqua  ,  Prise,  a.  0. 
si  quis,  Or.  2417.  3115.  3665.   siquis,  Or.  Benz.  6086.  7382. 
4432.  45491  4610.  Or.  ffenz.  siqui,  Or.  3787.   1431. 
6086.  7226.  Sfqua,  Or.  4428. 

si  quil,  a.  Ö.  6086.  siquit,  Or.  ffenz.GO&l. 

s  I  qui ,  a.  0.  6857.  s  [quid ,  a.  0.  6457. 

Casusformen  des  indefiniten  Pronomen  (jnis  erschei- 
nen in  alleren  Inschriften  häufig,  viel  seltener  in  späteren, 
mit  der  vorhergehenden  Partikel  n  e  verbunden  geschrieben  : 
so    in  : 

neiqnis.    Sc.  </.  BaCC.  neiqnis,   l.  Iui.MUn. 

neq  n  is  ,  a.  0.  niq  uis,    <t.  0. 

nefquis,  /.  repet.  (Serv.)  "nequis.  a.  0. 

neq  nein  ,  a.  0.  neq  nein,  <i.  (f. 

neiq'ui  d,  <i.  o.  neq  uis,  /.  Iluln-. 

ue i quid,  /.  agr.JThgr.)  niquei,  /.   V.  5468. 

nequis,   Or.  Um:.   6302 


__     259     — 

Zu  Priscians  Zeiten  waren  in  der  'Aussprache  die  Verbindun- 
gen siquis,  numquis,  nequis,  siqua,  nequa  u.  a.  schon 
so  eng  verwachsen,  dass  er  sie  für  Composita  erklär!  wie  aliqua 
(p.  069.). 

Ebenso  sind  die  Formen  von  quis  enklitisch  angefügt  in: 
ecquis,  quisquis, 

n  ü  m  q  u  i  s ,  aliquis. 

Da  der  erste  Bestandtheil  von  aliquis,  ali-,  als  selbständi- 
ges Wort  nicht  mehr  in  Gebrauch  erscheint,  überdies  durch  Vokal- 
verschleifung und  Kürzung  verkümmert  ist,  so  muss  man  schliessen, 
dass  aliquis  zum  Compositum  verwachsen  ist,  wie  dies  auch  Pris- 
cian  ausdrücklich  angiebt,  und  dass  es  demgemäss  betont  wurde.  Pas 
alt-  ist  aber  verschmolzen  aus  ali  I-,  einer  Locativform  vom  Stamme 
alio-  wie  hl-,  illi-,  ist!-  in  hie,  illi  c,  istic  von  den  Stämmen 
ho-,  illo-,  isto-;  das  ursprünglich  lange  i  von  ali-  kürzte  sich, 
nachdem  die  angefügte  Enklitika  mit  dem  ersten  Wortbestandtheil 
zum  Compositum  verwachsen  war,  wie  in  utlquo,  u  ti  riam,  ubi- 
n  a  m  neben  u  t  i ,  u  b  I.  Aliquis  bedeutet  also  anderswo  j  e  - 
mand,  aliquot:  anderswo  irgend  wie  viele,  aliquan- 
t  u  m :  a  n  d  e r  s  w  o  irgend  wie  viel,  a  1  i  q  u  a  n  d  o :  anderswo 
irgend    einmal. 

Auch  andere  unbestimmte  Pronominaladjectiva,  -Adverbia  und 
-Partikeln  lehnen  sich  in  Folge  ihrer  schwachen  Bedeutung  tieftonig 
an  den  Hochton  des  vorhergehenden  Wortes. 
So  ist  quot  enklitisch  angefügt  in: 
aliquot, 
quötquot, 
aliquot  aber  ward  als  Compositum  betont  aus  demselben  Grunde 
wie  aliquis. 

Quando    fügt   sich    tieftonig   an   die  Conjunctionen   si  und 
n  e   in  : 

s  i  q  u  a  n  d  o  ; 
ne  quando, 
die  nach  Priscians  wiederholter  Angabe  mit  enklitischer  Betonung, 
das  heisst  mit  dem  Hochton  auf  der  drittletzten   Silbe  gesprochen 
wurden  (Prise,  p.  1011.  1018.  />.). 

Anders  verhält  es  sich  mit  der  Betonung  von  : 
a  1  i  q  u  ä  n  d  o , 
e  cqiiändo, 

17* 


—     260     — 

daaliquändo  so  gut  wie  äliquis,  aliquot,  aliquäntum  zu 
einem  untrennbaren  Compositum  verwachsen  war,  und  das  ec-  in 
ecquändo,  ecquis,  das,  wieenunquam  zeigt,  aus  en  durch 
Assimilation  entstellt  ist,  als  seihständiges  Wort  in  dieser  Gestalt 
nicht  mehr  auftreten  kann.  Si  quando,  ne  quando  können 
hingegen  auch  getrennt  geschrieben  werden,  weil  beide  Bestandteile 
selbständige  unversehrte  Wörter  geblieben  sind;  deshalb  haben  sie 
die  enklitische  Betonung  behalten. 

Wie  quando  ist  ein  indefinites  q  u  a  m  tieftonig  an  das  vorher- 
gehende Wort  gefügt  in: 

quis  quam,  üsquam,  per  quam. 

quam  quam,  n  üsquam, 

ünq  uam, 
nun quam , 
neütiquam , 
Das -quam  ist  in  allen  diesen  Tonverbindungen  Accu  sa  t  iv 
Fem.  des  unbestimmten  Pronomen  quis  und  bedeutet  irgend  wie, 
in  irgend  einer  Weise. 

Es  isl  schon  nachgewiesen,  dass  die  Conjunclion  -que  aus 
dem  Ablativ  qued,  queid,  quid  von  dem  Relativstamme  qui- 
eutstanden  ist  wie  mare  aus  marid  (vgl.  !,  336). 

Das  Bindewort  -que  isl  bestimmtes  Belativum  und  be- 
deutet eigentlich  wie,  daher  und  (vgl.  I,  336/*.)«  ^<m  diesem 
-que  isl  nur  der  Bedeutung,  nicht  <I<t  Form  und  Abstammung  nach 
verschieden  ein  anderes  -q  u  e ,  das  i  u  d  e  fi  nites  Relativum  isl,  also 
irgend  wie  bedeutet  und  der  Ablativ  /u  dem  i  u  tl  e  fi  in  t  en  q  u  i  s, 
irgend  wer,  ist,  das  in  ec- quis,  n  u  m-q  uis,  all -quis,  q  uis  - 
quis  enklitisch  an  das  vorhergehende  Worl  gehängt  isl.  Daher 
bedeutet: 

quis  q  u  e 
also  wer  irgend  wie,  daher  j  eder.    In  seinem  enklitischen  Weilli 
wie  in  der  Bedeutung  entspricht  dieses  -que  dem  Griechischen  -te 
in    olos-te.      Dasselbe   i^ilt   von: 

usque. 

Vvr  erste  Bcstandtheil  dieser  Tonverbindung  us-  ist  entstanden 
aus  uli-s  lur  ubi-s;  das  s  isl  die  Endung  des  Ortsadverbium  wie 
in  ul-s  für  ullis,  ei-s,  tran-s  und  us-,  >us-  für  obs-, 
sulis-,    us<|ue   bedeutet  also   wo    irgend    wie,  daher   Überall 


—    261     — 

und  auf  die  Zeit  übertragen  immer,  usque  ad:  immer  bis. 
Dieselbe  Bedeutung  bat  das  angefügte  que  in: 

uterque,  plerique. 

Uter  für  cu-ter,  vom  Relativstamme  quo-,  cu-  mit  dem 
Comparativsuffix  -tero  abgeleitet,  wie  Griech.  %6-teQog,  %6- 
t£Qog,  Osk.  po-toros,  bedeutet  welcher  von  zweien, 
uterque  also  welcher  von  beiden  irgend  wie,  oder  ir- 
gend welcher  von  beiden,  das  heisst  jeder  von  bei- 
den. In  plerique  ist  der  Wortstamm  ple-ro  von  der  Wur- 
zel ple-,  von  dem  ple-o,  ple-ores  {Carm.  Arv.)  7tlrj- 
grjg   stammen. 

Daher  bedeutet  plerus  bei  Cato  noch  voll  (ager  —  ple- 
rus  Aboriginum),  bei  Pacuvius  plera  pars:  der  volle 
Theil,  das  heisst  der  grösste  Theil,  und  pleros:  die 
meisten;  bei  Asellio  ist  p ler um  ein  zum  Adverbium  ver- 
wandter Accnsativ  wie  primum,  postremum,  adversum 
u.  a.  und  bedeutet  in  Fülle,  daher:  meistens,  und  somit 
plerumque:  in  Fülle  irgend  wie,  das  heisst  vielfach 
wohl,  meistens  wohl.  (Vgl.  Prise,  p.  667.  P.  V,  64. 
65.  ff.) 

Priscian  sagt  ausdrücklich,  dass : 

uträque,  pleraque 

zu  betonen  sei  (667.  1252.  P.),  weil  die  Enklitika  den  Hochton  in 
nächster  JNähe  verlangen,  ähnlich  wie  im  Griechischen.  Dieselbe 
Bedeutung  irgendwie  hat  que  in  folgenden  Verbindungen: 

quandoque,  ütique, 

ubique,  neütique, 

utrobfque,  ündique. 

Es  ist  klar,  dass  sich  diese  zusammengesetzten  Formen  zu  den 
einfachen  qu audio,  ubi,  utrobi,  uti,  unde  verhalten,  wie 
quisque,  uterque  zu  quis,  uter,  dass  ihr  angefügtes  -que 
die  indefinite  Bedeutung  irgendwie  halte.  Dass  sie  völlig  zu 
Compositen  verwuchsen  wie  nicht  wenige  der  aus  Tonanschluss  ent- 
standenen Wortformen ,  die  hier  behandelt  werden,  ergiebt  sich 
daraus,  weil  nach  Priscians  Angabe  (p.  667.  1252)  ündique, 
ütique  den  Hochton  auf  die  drittletzte  Silbe  zurückgezogen 
hatten  nach  dem  gewöhnlichen  Betonungsgesetz,  während  derselbe 
in  quandoque,  ubique,  ut r ob iq u  e  wegen  der  Länge  der  vor- 
letzten Silbe  auf  derselben  haften  blieb. 


—     262     — 

Enklitisch  angefügt  ist  ferner  das  Orlsadverbium  ubi  in: 
alicubi*),  ali  ubi, 

n  e  c  u  b  i ,  u  b  1  u  b  i , 

nunc  ubi,  utrubi, 

sicubi,  neütrubi. 

Da  ubi  entstanden  ist  aus  cubi,  wie  es  noch  in  si-cubi, 
nun-cubi  und  ali -cubi  erhalten  ist,  vom  Relativstamme  cu-, 
quo-  wie  -u-ter  aus  cu-ter,  un-de  aus  cun -de  (vgl.  ali- 
cun-de),  so  bedeutet  es  in  allen  jenen  Wortformen  irgend  wo, 
ist  also  indefinites  Pronominaladverbium. 

Von  derselben  Art  ist  das  zweite  ut,  das  sich  an  ein  vorherge- 
hendes tieftonig  angelehnt  hat  in : 
ö  t  -  u  t . 

Die  Conjunction  ut  für  u-ti  ist  entstanden  aus  cu-tivom 
Relativstamme  cu-,  quo-,  wie  u-bi  aus  cu-bi.  Das  -ti  ist  ein 
Adverbium  vom  demonstrativen  Pronominalstamm  to-,  der  sich  in 
tum,  tarn,  -te  von  is-te  noch  erhallen  hal  und  in  derselben  Form 
auch  in  is-ti-c  erscheint,  also  eigentlich  eine  Locativform  isl  ; 
uli  heisst  also  wie  da  oder  wie  so  und  ist  das  Correlaliv  zum  De- 
monstrativ i-la,  in  dieser  Weise  da.  Als  relatives  Pronominal- 
adverbium kann  es  mit  folgendem  Conjunctiv  die  Folge  und  Absicht 
bezeichnen,  und  kommt  so  zu  dem  Sinne  so  dass,  damit; 
auf  die  Zeit  angewandt  erhält  es  die  Dedeutung  als.  Il-ul 
bedeutet  also  wie —  irgend    wie.   daher    wie   auch    immer. 

Eine  Locativform  des  unbestimmten  lMonoininalst.innnes  qui, 
quin  erscheint  enklitisch  angefügt  in: 
ceteröquin  ,  cel  eröqui , 

a  1  i ö q  u  i n  ,  a  liöqui  ,  Or.  ffen :.  5593. 

(Zeitsc/tr. /'.  vergi.  Sfrrachf.  V,  122); 

sie  bedeuten  also  i m  Uebrigen  irgend  wo,  andern  Orts  ir- 
gend wo. 

Das  relativiscbe  uter  isi  zu  Ciceros  Zeit  enklitisch  ange- 
fügt in : 

altem  ha,  alterutro,  allerutrum; 


*)  C  a  ss  iodor,  ;;.  231  I.  will  aliq  n  oh  i  und  aliq  u  an  d  e  schreibt  n, 
weil  er  aliquo-für  <len  ersten  Bestandtheil  dieser  Zusammensetzungen 
hält,   gesteht  aber,  dass  alicubi,   alieunde  gesprochen  sei. 


—     263      - 

in  älterer  Zeit  sprach  man  getrennt  altera  utera,  alter  um 
u  t r  u  m ,  a  1 1  e  r  i  li  s  u  t r  i u  s ;  die  letzte  Form  bra ucht  Cato  und  noch 
Cicero  {Prise.  V,  63—64.  H.) ;  alt  e  r  u  t  e  r  bedeutet  also  d  e  r  e  i  n  e 
von  zweien,  —  ir  gend'welcher.  Auch  in  der  Kaiserzeit  schrieb 
man  : 

a  1 1  e  r  u t  e  r ,  t.  Salp.  Or.  Henz.  7421. 

a  lterutr  um,  a.  0. 

Die  vorstehenden  Casusformen  ,  Pronominaladjectiva  und 
Pronominaladverbia  vom  relativen  Pronominalstamme  cu-,  quo- 
oderqui-,  die  sich  enklitisch  an  das  vorhergehende  Wort  fügen, 
haben  alle  die  unbestimmte,  verallgemeinernde  und 
darum  seh  vv  a  c  h  e  ß  e  d  e  u  t  u  n  g  des  Pronomen  indefinitmn ;  we- 
gen dieser  Schwäche  der  Bedeutung  aber  sind  sie  auch  schwach 
betont  und  haben  sich  an  den  Hochion  des  vorbeigehenden  Wor- 
tes angelehnt  wie  die  Griechischen  unbestimmten  Adverbien  tzov  , 
tto&i,  TCoi.Ttcjg,  7t co,  7i o x £ ,  xofrsv,  die  vom  Griechischen 
relativen  Pronominalstamm  tco-,  Ionisch  xo-,  gebildet  sind,  der 
dem  Lateinischen  quo-,  cu-,  dem  Oskischen  und  Umbrischen  po- 
entspricht. 

Aber  auch  die  Formen  des  best  i  m  m  I  e  n  ß  e  I  a  t  i  v  p  r  o  n  o  - 
mens  qui,  quae,  quod  können  sich  an  den  Hochton  des  vorher- 
gehenden Wortes  anschlirssen*). 

So  s<  bliesst  sich  die  Conjunction  quam,  der  feminine  Accusa- 
tiv  des  Relativstammes  quo-,  an  vorhergehende  Zeitpartikeln 
an  in  : 
ante  quam,  /.  Iul.  mim.  I.  rep.  vgl.   ante  quam,  /.  rep.  (Serv.) 

(Serv.)  t.  Salpens.  Malac.   Or. 

Henzen.  7421. 
p  r  a  e  q  u  a  m  , 
p  r  ö  q  u  a  m  , 

pöstquam,  p  o  s  l  q  u  a  m ,  /.  agr.  ( Thor.) 

posteaqua m,  p o  s  l e a  qua m ,  a.  0. 

p  ö  s  q  u  a  m,  Mar.  Viel.  p.  2467. 

P.    Rhein.  Mus.  VII,  571. 
praeter  quam,  Or.  806. 


*)  Die  Schreibweisen  isquem,  l.  Iul.  man.  und  an  tequa  in  diera, 
a.  0.  gestatten  keinen  sicheren  Schluss  auf  die  enklitische  Natur  des  Re- 
lativum. 


—     264    — 

p r  i  11  s  q  u  a  m,  /.  Medac  Or.  Henz.  vgl.  p  r  i  u  s  quam,  /.  N.  6482. 

7421. 
p  r  ö  q  u  a  m ,  Lucr.  VI,  11.  B. 
t  ä  m  q  u  a  m  , 
quam  quam. 

In  allen  diesen  Anfügungen  hat  quam  eine  eigentlich  re- 
lative  Bedeutung,   in  quisquam,  nusquam,  unquam  u.  a. 
war  es  indefinit  um.     Die  getrennte  Schreibweise  ante  quam, 
post  quam  zeigt,  dass  im  Zeitalter  des  Marius  beide  Wörter  noch 
als  getrennt  gefühlt  wurden ,  wenn  auch  quam  schon  den  Hochton 
eingebüsst  hatte;  später  verwuchsen  sie  enger  mit  einander,  wie 
namentlich  die  Form  posquam  zeigt. 
Quo  ist  enklitisch  angefügt  in: 
ad  quo,  Afran.  Ribb.  Com.  p.  166.  170. 
dem  Sinne  nach  für  ad  eo  quo. 

Dass  das  -q  u  e ,  welches  u  n  d  bedeutet,  etymologisch  dem  eben- 
falls enklitischen  que  in  quisque,  uterque  u.  a.  gleich  ist,  ver- 
steht sich  von  selbst;  beide  enklitische  que  unterscheiden  sich  nur 
dadurch,  dass  jenes  eigentliches  bestimmtes  Relativadverbium  war 
und  wie  bedeutete,  dieses  hingegen  unbestimmtes  verallgemeinern- 
des Relativadverbium  mit  der  Bedeutung  irgend  wie  ist. 

Das  bestimmte  Relativadverbium  -que,  welches  wie.  und  be- 
deutet, erscheint  schon  auf  den  ältesten  Inschriften  auch  in  der 
Schrift  mit  dem  vorhergehenden  Wort  verbunden;  so  in: 
s a  p i  e n s q  u e ,  t.  Scip.  Barb.         is  q  u e,  Sc.  ch  Bacc. 
o  p  s  i  d  e  s  q  u  e ,  a.  0.  n  6  q  u  e ,  a.  0. 

ätque,   a.  0. 
uteique,  a.  n. 
Vereinzelt  findet  sich  auch  in  späterer  Zeit  -que  npch  getrennt 
geschrieben  in : 

courato  que,  /.  Ivl.  mun. 
ein  Zeichen,  dass  das  -que  immer  noch  als  ein  besonderes  Wort  im 
Bewusslsein  der  Sprache  war. 

NachPriscian  (p.  1252.  1288.  P.)  winde: 
itäque 
auf  der  vorletzten  Silbe  betont,   wenn  es  und   so  bedeutele,  also 
wenn  die  Bedeutung   des  enklitischen   -que    noch   deutlich  aus- 
geprägt war,  hingegen : 
i  I  a  q  u  e , 


—     265     — 

wenn  es  daher  bedeutete,  also  wenn  die  gesonderte  Bedeutung 
von  que  nicht  mehr  im  Bcwusstsein  war  und  somit  die  Besland- 
theile  zum  Compositum  fest  verwachsen  waren. 

Der  Ablativ  qui-  des  Pronomen  Relativum  ist  an  die  Conjunc- 
tion  a  t  getreten  in : 

ä  t  q  u  i , 
die  eigentlich  aber  wie  bedeutet,  dann  aber,  indem  das  Relativum 
wie  häufig  im  Satzanfang  demonstrativen  Sinn  erhielt,  aber 
so.  Indem  durch  ätqui  die  folgende  Behauptung  der  vorher- 
gehenden entgegengesetzt  wird,  erhält  es  den  Sinn  aber  doch, 
aber  ja. 

Aus  dem  Ablativ  qui  ist  durch  die  angefügte  Silbe  -dem,  von 
der  weiter  unten  die  Rede  sein  wird,  qui -dem  gebildet,  das 
eigentlich  wie  grade,  wie  eben,  dann  so  grade,  so  eben  be- 
deutet und,  indem  es  durch  diesen  hinweisenden  Sinn  ein  einzelnes 
unmittelbar  vorhergehendes  Wort  scharf  hervorhebt,  sich  tieftonig 
an  dessen  Hochton  anschliesst.  Daher  konnte  sich  auch  das  lange  i 
von  qui  in  der  tieftonigen  ersten  Silbe  von  qiudem  kürzen.  So 
erscheint  dieses  enklitisch  angehängt  in  : 

e"  q  u  i  d  e  m ; 

s  i  q  u  i  d  e  m , 

q  uandöquidem  ,  Or.  4040.  Henz.  1168. 

Auch  die  vom  Relativstamm  cu-;  quo-  hergeleitete  Con- 
juncliqn  u  ti  schliesst  sich  enklitisch  an  das  vorhergehende  Wort 
an  in: 

v  e  1  u  t  i , 

v  6 1  u  t , 

sicuti,   Or.  Henz.  6415.  5580. 

sicut,  Or.  2417.  4036.  Henz.  6955. 

pröut,  prout,  Or.  Henz.  7168. 

Auch  die  Formen  der  demonstrativen  Pronominalstämme  i-, 
illo-,  können  im  Zusammenhange  der  Rede  ihren  Hochton  verlie- 
ren und  sich  an  das  vorhergehende  Wort  anschliessen. 

Wie  in  quisquis,  quam  quam,  utut  Formen  des  Relativ- 
stammes quo-,  eu-,  qui-  sich  enklitisch  anschlössen  an  die 
gleichlautenden  Formen,  so  ist  in  der  reduplicierten  Accusativform 
vom  demonstrativen  Stamme  i -  : 

e m  -  e m  ,   Fest.  p.   76.    77  :     eundem 


—     266     — 

die  zweite  an  die  erste  enklitisch  angeschlossen  und  verstärkt  den 
Begriff  derselben.  Dieselbe  Accusativform  -im  findet  sich  so  an- 
gefügt in : 

Interim    (unterdessen). 

Eine  locative  Form  desselben  Pronominalstammes  i  erscheint 
an  tarn  und  cum  angefügt  in: 
tarne  (pro  tarn),  Fest.  p.  360. 
cume,  Carm.  Saliar.  Terent.  Scaitr.  p.  2261.  P. 
tarne  bedeutet  also  so  da,   cume:    wenn  da,  wie  im  Griechi- 
schen ovtoöC:    der  da,   rovrovi:  den  da. 

Die  Form  -ea  von  demselben  Demonstrativstamm  i-  erscheint 
an  den  Hochton  der  Präpositionen  angelehnt  in : 
i  n  t  e  r  e  ä  , 
p  r  o  p  t  e  r  e  ä , 
p  r  a  e  t  e"  r  e  ä. 

Die  Länge  des  ä  in  diesen  Formen  zeigt,  dass  -eä  hier  Abla- 
tiv war,  und  die  Verbindung  jener  Präpositionen  mit  dem  Ablativ, 
während  sie  sonst  den  Accusativ  regieren,  erhall  eine  Stütze  in: 
ad  vors  um  ead  (Sc.  de  Bacc.).     Dasselbe  gilt  von: 
ä  n  t  e  ä ,  /.  Com.  de  XX  q. 
postea,  /.  agr.  Thor. 

postfdeä,  Plaut  Stich.  758.   Aul.  I,  2,  40.     Truc.  II,  4,  67. 
Auch  die Locativform  i-bi  vom  Demonstrativstamm  i-  erscheint 
enklitisch  so  an  Ortsadverbien  angefügt: 
f nibi , 

inleribi,  Plaut.  Pers.  165.    Afran.  Com.  R.  v.  138. 
pöstibi, 
desgleichen  der  Ablativ  -eo  in: 
a  d  e  o. 

Wenn  aus  Festus  (/>.  19.  M.)  berichtet  wird,  es  sei  zum  Un- 
terschied vom  Verbum  ädeo  jenes  Ortsadverbium  einst  adeo  be- 
tont worden,  so  kann  zwar  auch  hier  die  Absicht  <I<T  Unterschei- 
dung nicht  zugegeben  werden,  dass  man  aber  in  aller  Zeit  einmal 
ad  eo  gesprochen  haben  kann,  wie  usque  eo  und  im  Deutschen 
bis  da,  isl  einleuchtend.  Als  aber  beide  Bestandteile  zu  einem 
Compositum  verwuchsen,  trat  auch  hier  der  Hochton  nach  dem  ge- 
wöhnlichen Betonungsgesetz  auf  die  drittletzte  Silin«  zurück, 
Der  Ablativ  eo  ist  ferner  enklitisch  angefügt  in: 
ideo, 


—     267     — 

Formen  des  demonstrativen  Pronominalstammes  i-  sind  ferner 
enklitisch  angefügt  an  das  Pronominaladverbium  ecce  in: 
ecca,        für      ecce   ea, 
e  c  c  u  m ,  e"  c  c  e   eum, 

eccam,  ecce    eam, 

eccos,  ecce   eos, 

eccas,  ecce  eas.    Vgl.  Prise,  p.  949. 

Dass  hier  die  Casusformen  des  Pronomen  sich  tieftonig  an 
das  hinweisende  ecce  anschlössen,  beweist  der  Ausfall  ihres 
stammhaften  e  bei  der  Verbindung  mit  ecce,  der  nicht  erklärlich 
ist,  wenn  dasselbe  hochtonig  war.  Aehnliches  findet  statt  mit  Ca- 
susformen von  ille  in  den  Zusammensetzungen: 

ellum,       für      en  illum, 

6llam,  en  illam. 

Auch  hier  zeigt  der  Ausfall  des  stammhaften  i,  dass  illum,  il- 
lam sich  tieftonig  an  das  vorhergehende  Wort  anschlössen.  Pris- 
cian  (a.  0.)  nimmt  an,  dass  jene  Formen  aus  ecce  illum,  ecce 
illam  zusammengewachsen  seien.  Dagegen  spricht  aber,  dass  die 
Verbindung  dieser  beiden  Bestandtheile  sonst  eccillum,  eccil- 
lam  lautet.  Wäre  aus  dieser  das  i  ausgefallen,  so  würde  nach  Latei- 
nischem Lautgesetz  eclum,  eclam  entstanden  sein;  eine  Assimi- 
lation des  c  zu  1  würde  aber  nicht  eingetreten  sein,  da  die  Lautver- 
bindung cl  in  Wortformen,  deren  Stamm  auf  -clo,  -cla  ausgeht, 
im  Altlateinischen  ja  so  häufig  ist  und  sieh  ein  sicheres  Beispiel 
von  Assimilation  eines  c  vor  l  nicht  findet.  Man  muss  daher  an- 
nehmen, dass  aus  en  illum,  en  illam  nach  Ausfall  des  tieftoni- 
gen  i  und  der  gewöhnlichen  Assimilation  des  n  zu  1  ellum,  eil  am 
geword en  ist.  Weshalb  in  eccillum,  e  c  c  i  1 1  a  m  ,  e  c  c  i  1 1  u  d , 
ec  eis  tarn  u.  a.  das  ecce  enklitisch  zu  fassen  sei,  wird  weiter  un- 
ten erwähnt  werden. 

Nach  Priscia ns    ausdrücklicher   Versicherung   wurden    mit 
dem  Hochton  auf  der  drittletzten  Silbe  betont, 
d  e  i  n  d  e ,     vgl.    dein, 
exinde,  exin, 

perinde, 

pröinde,  proin, 

sübinde,  Prise,  p.  1008.   1018.  984.   1300.  Serv.  Verg.  Aen. 

VI,  743. 


—     268     — 

Um  dies  begreiflich  zu  finden,  ist  folgendes  zu  erwägen.  In  de 
ist  keine  einfache  Casusform  wie  das  -im  von  interim,  das  -ea 
von  antea,  das  -eo  von  adeo,  an  die  sich  die  Präposition  ur- 
sprünglich tieftonig  anschliessen  musste,  sondern  ein  zusammen- 
gesetztes Ortsadverbium,  von  dessen  Bildung  weiterhin  die 
Rede  sein  wird;  die  erste  Silbe  dieses  inde  halte  thatsächlich 
beiden  Scenischen  Dichtern  nur  die  Geltung  einer  mittelzeiti- 
gen Silbe  (vgl.  oben  II,  86  /".),  sie  konnte  lang  und  kurz  gemessen 
werden.  Die  Betonung  exinde,  per  in  de  widerspricht  also 
ebensowenig  dem  gewöhnlichen  Lateinischen  Betonungsgesetz  wie 
die  von  tßnebrae,  lüdicrus  u.  a.  Was  nun  die  Bedeutung  der 
vorstehenden  Tonverbindungen  anbetrifft,  so  waren  de-,  ex-, 
per-,  pro-,  sub-  in  ihnen,  da  sie  keine  folgende  Casusformen 
regierten,  nicht  Präpositionen,  sondern  die  ursprünglichen 
Orts-  und  Zeitadverbien,  somit  bedeutete  deinde  eigentlich 
abwärts  vonda,  exinde:  heraus  vo  n  d  a  ,  p  e  rinde:  d  u  r  c  h 
(und  durch)  von  da,  pröinde:  vorwärts  von  da,  süb- 
inde:  dicht  dran  von  da.  Grade  so  bedeutet  bei  Ennius  post- 
inde:  hernach  von  da  (Ann.  v.  11.  J\).  Somit  ist  es  begreif- 
lich, dass  diese  die  Richtung  der  Bewegung  schärfer  ausprägenden 
Ortsadverbien  in  jenen  Zusammensetzungen  als  bedeutsam  auch 
durch  den  Hoch  ton  hervorgehoben  wurden.  Priscians  Angabe 
erscheint  also  durchaus  begründet.  Hingegen  wurde  ut  rinde 
betont,  weil  diese  Zusammensetzung  ans  utröinde  verschmol- 
zen ist. 

Enklitische  Pronominalformen  sind  auch  die  schon  zum  Theil 
besprochenen  Anfügungen  -ce,  -ci,  -te,  -li,  -tem,  -ta,  -met. 
Diese  Anfügungen  treten  im  Zusammenhange  dov  Rede  nicht  mehr 
mit  einer  so  ausgeprägten  Bedeutung  hervor,  wie  -vo,  oder,  -ne, 
ob,  -que,  und,  sondern  sie  stärken  nur  die  in  dein  Worte,  an  das 
sie  treten,  schon  an  sieh  liegende  Bedeutung,  oder  prägen  sie 
schärfer  aus;  deshalb  nennen  sie  die  allen  Grammatiker  zum  Theil 
nicht  mehr  Enclitica,  sondern  halten  die  so  entstandenen  Zusam- 
mensetzungen für  eigentliche  Composita.  Dagegen  sprich!  indessen 
der  Umstand,  dass  der  erste  Theil  derartiger  Wortverbindungen  viel- 
fach beugungsfähig  bleibt. 

So  ist  der  aus  -to  abgeschwächte  Relativstamm  -te  enklitisch 
angefügt  in : 
iste. 


—     269    — 

Diese  Nominativform  iste  ist  durch  Abfall  des  auslautenden  s 
und  Schwächung  des  o  zu  e  entstanden  aus  istus  wie  ipse  aus 
ipsus,  ille  aus  illus,  ollus,  necesse  aus  necessus  und  der 
zusammengesetzte  Stamm  isto-  wird  flectirt  wie  ipso-.  Der  erste 
Bestandteil  i  s-  aber  ist  ein  erstarrter  Nominativ,  der  die  Beu- 
gungsfähigkeit verloren  hat  wie  alter  in  alter utr um,  alt  er  - 
utrain  u.  a.  Dasselbe  -te  wie  in  iste  hat  sich  enklitisch  ange- 
hängt an: 

tüte, 
das  so  die  Bedeutung  du  da  erhalten  hat.     Derselbe  demonstrative 
Pronominalstamin  ist  auch  enthalten  in: 

i  t  e  m , 
dessen  Accusativform  -tem  sich  zum  Stamme  to-  verhält  wie  der 
Accusativ  quem  zum  Stamme  quo-.  Das  so  zusammengesetzte 
accusativische  Adverbium  bedeutet  eigentlich  grade  so  wie  i-ta 
das  in  d er  Weise,  daher  e b e  n s o.  in  etwas  anderer  Form  findet 
sich  derselbe  Pronominalstamm  in: 

itidem. 

Die  Form  i-ti  in  dieser  Verbindung  verhält  sich  zum  Demon- 
strativstamm  i-  wie  u-ti  zum  Relativstamm  cu-,  quo-,  das  heisst 
nach  dem  oben  gesagten,  das  -ti  derselben  ist  eine  Lora  ti  vform 
des  demonstrativen  Pronominalstammes  t  o  -.  Das  i  derselben 
kürzte  sich  in  der  zusammengesetzlen  Wortbildung  i-ti-dem 
grade  so  wie  in  u-ti-que,  alT-quis,  ali-quando,  wo  es  eben- 
falls Locativzeichen  war.  Jenes  i-ti-  bedeutel  also  eigentlich  das 
da,  das  dort,  und  daher  so,  wie  im  Sanskrit  das  genau  ent- 
sprechende i-ti  (Bopp,  Ter  gl.  Gr.  £.546);  i-ti-dem,  über  des- 
sen letzten  enklitischen  Bestandteil  -dem  weiter  unten  gehandelt 
werden  wird,  erhält  somit  den  Sinn  das  da  eben,  das  heisst 
ebenso.  Auch  an  idcm  ist  das  locale  Demonstrativsuffix  -ti  ge- 
treten in: 

iden  tidem, 
und  die  so  entstandene  Wortform  i-dem-ti-  noch  durch  Hinzu- 
treten eines  zweiten  enklitischen  -dem  erweitert ,  so  dass  sich  hier 
drei  enklitische  Wortformen  hintereinander  an  den  Hochton 
des  einfachen  Pronominalstammes  lehnten,  der  auf  die  drittletzte 
Silbe  vorrückte,  als  alle  vier  Bestandteile  zu  einem  Compositum 
verwuchsen. 


—     270    — 

Priscians  Ableitung  des  Adverbium  identidem  von  idem  et 
idem  (p.  945.  P.)  ist,  niebt  baltbar.  Bei  dem  schwachen  Ton  des 
auslautenden  m  im  Altlateinischen  würde  aus  idem  et  idem, 
wenn  es  zusammengesprocben  wäre,  id -et -idem  geworden  sein, 
wie  aus  animum  adverto,  venum  eo:  an  im  -  ad  verto, 
ven-eo.  \ 

Wie  in  den  bisher  angeführten  Bildungen  finden  sieb  die  Pro- 
nominalformen -tem,  -ti,  -te,  -t-  an  Pronominalstämme  ange- 
fügt in  : 

Lal.  ütl,  vgl.  oben,  II,  262. 
a  ü  t  e  m , 
aüt, 
Osk.  a  u  t  i , 
Umbr.  ote, 

Vgl.  Bopp,    Vergl.   Gr.  S.  6 IG.    545;    die   feminine  Form   -ta 
zeigen : 
ita, 
aliüta,  a.  0.  GIG.  Fest.  p.  6. 

Schon  oben  ist  nachgewiesen  worden,  dass  die  Anfügung 
-cei,  -ec,  -ci,  -c-  an  Pronominalformen  Locativ  eines  Prono- 
minalstammes  co-  ist,  der  im  Sanskrit  ka-  lautete  {vgl.  I,  271). 
Durch  den  Tonanscbluss  dieser  Locativform  an  das  vorhergehende 
Wort  sind  so  gebildet: 
hei  cei,  a.  0.      hice,  hie  ine,  hlc, 

baeee,  baechie.  b  ;i  e  e  , 

hö  ee,  vgl.  II,  G4.  hocine,  höc  u.  <i.. 

illice,  il  Heine,  illtc, 

illiüsce,  ill.iee, 

i  II  ii  ee,  illoe  u.  a., 

istiüsce,  istiefne,  ist!c, 

istüce,  istanefne,         ist  ;i  ftc  . 

6cce  (en-ce),  vgl.  II,  106.  istöcu.  a., 

Btc,   vgl.  II. 
64. 

t  ü  n  C  . 

DU  lir.   Vgl,  I. 

136. 
Dass  das  angefügte  -cenoch  im  Sprach  bewusstsein  als  Enkli- 
tikon galt,   zeigl  sowohl  die  gewahrte  Flexionsßihigkejl    A^v   Pro- 


—     271     — 

nomina,  an  die  es  herantrat,  als  auch  die  besprochene  Betonung 
der  Formen  wieillic,  illaec,  istäc,  istuc.  Dieses  ce-,  ci- 
wahrte  aber  auch  seinen  Hochton  in  einigen  Lateinischen  Wortfor- 
men, nämlich  in  cc-u  für  ce-ve.  Das  enklitische  -ve  hat  hier  die 
gewöhnliche  Bedeutung  oder,  ceu  bedeutet  demnach  oder  so 
und  daher  als  Vergleichungspartikel  gleich  wie.  Die  Form  ci- 
ist  erhalten  in  ci-s  und  ci-tra  (Bopp,  Vergl.  Gr.  S.  572),  die 
also  beide  mehr  hier  bedeuten. 

Hiernach  erklärt  sich  die  Tonverbindung  der  Formen  liac  und 
huc  vom  Pronominalstamm  ho-  mit  Präpositionen  in  folgenden 
Adverbien : 

p  ö  s  t  h  a  c ,  /.  agr.  ( Thor.)  Or.  Henz.  6429. 

ä  n  t  e  h  a  c , 

antidhac,  Plaut.  Aul.  II,  8,  26.  Casin.  Prot.  88.  Cist.  I,  1,  1. 

Or.  Henz.  5593. 

Bei  der  enklitischen  Natur  der  Präpositionen  vor  folgenden  Ca- 
susformen kann  nicht  zweifelhaft  sein,  dass  einmal  betont  worden 
ist  p  o  s  t  h  a  c c ,  a  n  I  e  ! i  ä  c  e ,  a  n  t  i  d  h  a  c  e ,  a  d  h  u  c  e ,  grad e  so 
wie  dies  bei  p  o  s t  e  a ,  ante  c  a ,  pö  stiel  ea,  a  d  e o  der  Fall  war. 

Dass  indessen  diese  Wortverbindungen  frühzeitig  zu  (Komposi- 
ten verwachsen  sind,  lässt  sich  aus  zwei  Gründen  schliessen.  Da 
sich  in  antidhac  die  alte  volle  Form  antid  hielt,  während  sie  für 
sich  gesondert  zu  ante  abgeschwächt  wurde,  so  muss  sie  seit 
lange  mit  dem  folgenden  hac  fest  verwachsen  gewesen  sein  und 
demgemäss  wie  postidea  als  Compositum  betont  worden  sein. 
Vergleicht  man  ferner  die  Bedeutung  von  antehac,  posthac 
mit  antca,  postea  und  mit  den  einfachen  Zeitadverbien  ante, 
p  o  s  t ,  so  sieht  man ,  dass  antehac,  a  n  t  e  a  ,  ante  und  post- 
hac, postea,  posl  im  Gebrauche  fast  ganz  gleichbedeutend 
geworden  sind;  die  angefügten  Pronominalformen -ea,  -hac  sind 
so  bedeulungslos  geworden,  dass  sie  ohne  Schaden  für  den  Sinn 
einer  Stelle  weggelassen  werden  können.  Daraus  lässt  sich 
schliessen ,  dass  von  diesen  bedeutungslos  gewordenen  Wort- 
bestandtheilen  der  Hochton  auf  die  bedeutungsvollen  Adverbien 
ante,  post  zurückwich  und  beide  Beslandtheile  zu  Compositen 
verwuchsen,  nachdem  das  auslautende  e  von  antehäce,  post- 
hac e  abgefallen  war,  dass  also  antehac,  posthac  betont 
wurde,  wie  im  Deutschen  vorher,  nachher.  Im  scharfen 
Gegensatz  zu  diesen  ist  in  abhinc,    d  eh  ine,    exhinc  die  Prä- 


—     272     — 

Position  von  so  geringer  Bedeutung,  dass  sie  nur  eine  kaum  merk- 
liche Verstärkung  des  einfachen  hinc  andeutet;  es  war  also  natür- 
lich, dass  hier  auch  nach  Abfall  des  auslautenden  e  von  abhince, 
dehince,  exhince  die  enklitische  Betonung  hielt,  dass  abhinc, 
d  e h ine,  ex h i n  c  betont  wurde  wie  im  Deutschen  von  hier,  v o n 
da,  von  dort.  Da  ebenso  in  adhuc  der  ganze  Nachdruck  des 
Sinnes  auf  dem  huc  liegt,  so  folgt,  dass  sich  auch  hiervon  der 
volleren  Forin  adhüce  die  enklitische  Betonung  in  so  weit  hielt, 
dass  adhuc  betont  wurde  wie  im  Deutschen  bis  hier. 

Seit  sehr  alter  Zeit  trat  an  Pronominalstämme  enklitisch  die 
Pronominalsilbe  -met  in  Formen  wie: 

egömet,  internet,  ipsemet. 

mihi  met,  tibi  met, 

meinet,  t  e  m  e  t , 

n  6  s  m  e  t , 

n  o  b  i  s  in  e  t , 

Nach  Bopp  (Vergl.  Gr.  S.  478)  ist  -met  für  -smet  ent- 
standen aus  Sanskr.  -smat  vom  pronominalen  Stamm  sma-, 
von  dem  sich  im  Umbrischeu  eine  Dativform  -sme,  -smei 
erhalten  hat  in  e-sme,  e-smei  [La/,  ei)  und  pu-sme 
( l.<ti.  cui;  AK.  Umbr.  Sprachd.  I,  134.  137).  Im  Lateinischen 
isl  dieses  »met  immer  enklitischer  Natur  geblieben,  wie  dar- 
aus erhellt,  dass  die  Pronomina,  an  die  es  sieh  anlehnte,  ihre 
Flexionsfähigkeit  bewahrt  haben. 

Enklitisch  ist  im  Lateinischen  die  Silhe  -pe,  -ppe  angefügt  in: 

quippe, 

ip sippe,  ipsineque  alii,  Fest.p.  105. 

nempe, 

q  u  i  s p i a m  für  q ui s - p e-i a m , 

üspiam,  us-pe-iam, 

nüspiam,       ne-us-pe-ia  m. 

Die  enklitische  Natur  dieser  Partikel  ergiebl  sich  daraus,  dass 
sie  an  verschiedene  Casusformen  angefügt  isl.  Es  traut  sich, 
welchen  Ursprunges  und  von  welcher  Bedeutunu  sie  ist.  Dass 
-ppe  in  ipsi-ppo  und  qui-ppe  aus  -pte  entstanden  wäre 
(Po//,  Elym.  Forsch.  II,  41),  ist  nicht  zweifellos,  weil  Assimilation 
eines  t  zu  vorhergebendem  p  sich  im  Lateinischen  sonst  nicht 
findet.  Dass  quippe  nicht  aus  quidpe  assimiliert  ist  [Bopp, 
Vergl,   Gr.  S.  572),  ergiebl   sich   aus   dem   -ppe   von    ipsippe- 


—     273     — 

Man  könnte  daher  das  doppelte  p  als  eine  Schärfung  des  Conso- 
nanten  durch  den  Hochton  der  Silbe  ansehen,  wie  in  Iuppiter, 
quattuor,    ecce,  nummus,  quere  Ha,  classis  u.  a.     Dem- 
nach  wäre  -pe  die  Form    der  Partikel,  von  der  man  auszugehen 
hätte,    und   diese    konnte   man    geneigt    sein   in   der   Umhrischen 
Enklitika    -pe   {AK.   Umbr.  Sprachd.  I,   30)   und    der   Oskischen 
-pid    (Mo?nms.  Uni.   Dial.    S.    290)   wieder    zu   linden,    die   der 
Lateinischen  -que  entsprechen.     Aber  einerseits  findet  sich  sonst 
im  Lateinischen  der  anlautende  Guttural  des  Pronomen  relativum 
und   indefinitum    nicht   zum    Labialen    p    umgelautet,    wenn  auch 
nach  der    Analogie    von   Epona    neben    equus,    lupus    neben 
IvKog   dieser    Lautwechsel    möglich    wäre,    andrerseits   hat  das 
Umbrische  -pe,   und  das  Oskische  -pid  wie  das  Lateinische  -que 
die    verallgemeinernde    Bedeutung    irgend   wie,    die    in   Umbr. 
putrespe,    Osk.    potorospid,     Lat.    utrique    vorliegt;    hin- 
gegen beweist  die  Erklärung  von  ipsi-ppe:    ipsi  neque  alii, 
dass  dieses  Lateinische  -ppe  die  beschränkende  verschärfende  Be- 
deutung grade,  eben  hat,  dass  ipsi-ppe   grade   sie  seil» st 
bedeutet.    Ebenso  geht  aus  der  wesentlichen  Uebereinstimmung  des 
Sinnes  von   ul-potc  qui  mit  qui-ppe  qui  hervor,    dass   qui- 
ppe    wie    eben,    wie    grade    bedeutet   und    qui-   als  Ablativ 
zu  fassen  ist,  und  auch  in  uem-pe  liegt  keine  Verallgemeinerung, 
sondern  eine  Verstärkung  und  Verschärfung  des  Begriffes  von  nam. 
Der  Sinn  des  enklitischen  -pe  in  quippe,   ipsi  ppe,   nempe, 
eben,  grade,  spricht  also  für  die  Ableitung  des  -pe  von  -pote, 
während  das  -pe  in  quispiam  u.  a.  verallgemeinernde  Bedeutung 
hat  wie  Umbr.  -pe,  Lat.  -que.     Die  etymologische  Erklärung  des 
-pe  in  beiden  Fällen  bleibt  wegen  der  angeführten  lautlichen  Be- 
denken hier  dahingestellt  {vgl.  Zeitschr.  f.  vergl.  Spr.  VI,  208). 

Im  Altlateinischen  hat  sich  der  demonstrative  Prononalstamm 
so-,  sa-  erhalten  in  den  von  Ennius  gebrauchten  Accusativformen 
sum,  sam,  sos,  sas  mit  der  Bedeutung  eum,  eam,  eos,  eas 
{Enn.  Fahl.  ind.  p.  229).  Casusformen  dieses  Pronominalstammes 
treten  enklitisch  an  Stämme  oder  Casusformen  mehrerer  Pronomen 
und  Nomen,  die  schon  durch  die  angefügte  enklitische  Partikel  -pe 
erweitert  sind  ;  so  in: 

i  p s  o s  (Nom.  Sing.),  leg.  Num.  Pomp,  für  i  - p  e - s  o  s , 
Fest.  v.  aliuta,  p.  (>. 

i  p  s  u  s  ,  i  -  p  e  -  s  u  s  , 

CORSSEN    II.  18 


—     274     — 


ipse,  für  i-pc-se, 

e  a  p  s  e ,  Scip.  Afric.  Fest.  v.  reqae  p.  ä86.         e  a  -  p  e  -  s  e , 
eämpse,  Plaut.  Aul.  V,  7.  Cisi.  I,  3,  22.      eam-pe-se, 
eopse,  PtaA  Cwärc.  538.  eo-pe-se, 

sepse,  Cic.d.rep.  111,8.  se-pe-se, 

s  ä  p  s  a ,  Enn.  Pacuv.  Fest.  v.  sas.  p.  325.  sa-pe-sa, 

r  e  ä  p  s  e ,  r  e  -  e  a  -  p  e  -  s  e, 

sirempse,  vgl.  oben,  II,  65.    Ritschi,  si-r  em-pe-  so  , 

Rhein.  Mus.Wll,  298/. 
s  i  r  e  m  p  s  , 
s  i  r  e  p  s. 

Dass  die  Anfügung  -pse  in  den  vorstehenden  Formen  Dicht 
aus  -pte  für  -pote  entstanden  ist  (Pott,    Elijm.  Forsch.  II,  41), 
zeigen    die    alten    Formen    ipsos,   ipsus,   sapsa.     Da   nämlich 
pote  aus  potis  für  potius  geschwächt  ist  wie  mage  ausmagis 
für  magius,  so  wäre  das  Herantreten  eines  wortbildenden  -o  und 
-a  an  die  comparalivische  Form  pote  abgestumpft  zu  -pse,  wo- 
durch die  beugungsfähigen  Stämme  pso-,   psa-  entständen,  im 
Lateinischen  durchaus  ohne  Beispiel.   I>ass  aber  -pse  aus  Skr.  sve 
entstanden  sein  sollte  {Popp,   Vcrgl.  Gr.  S.  489),  ist  mit  Lateini- 
schen und  [talischen  Lautgesetzen   schlechthin   unvereinbar ,    zu- 
mal da  sich  der  Sanskritische  Pronorainalslamm  sva-  im  Alllateini- 
schen suad  (sie,  vgl.  II,  51)  vollständig  erhallen,  in  se,  si-hi 
nur  durch  Ausfall  des  v  und  Vokalschwächung  geändert   hat.     Das 
p  in  den  obigen  Zusammensetzungen  isl  also  die  enklitische  Partikel 
-pe,  die  oben  in  nempe  nachgewiesen  isl  und  eben  grade  bedeu- 
tet, und  derlelzle  Bestandteil  derselben,  die  Silben  -sos,  -su  s.  -sa, 
-se,  -s-  sind  Casusformen  des  demonstrativen  Pronominalstarames 
so-,  sa-,  dcrmil  i-  gleichbedeutend  isl.  Demnach  bedeutel  der  sehr 
alte  Nominativ    i-p-sos    genau    d  er-ehe  n  -d  i  ese  r,    daher  der 
seiher.     Schon    im   Alt  lateinischen   fiel    aber    das    auslautende    s 
der    Nominativform    -sos    ah,     und    das   o    (in    schwächte    sich 
zu  e  ebenso,   wie   dies  in  i  sie.    ne  cesse  für  islus,   neressus 
der  Fall  war;   der   Pronominalstamm    i   wahrte    aber   seine  Beu- 
gungsfähigkeit, wie  die  Formen  eapse,  eampse,  eopse  /eigen, 
ein  Zeichen,  dass  die  enklitische  Bedeutung  dw  Anfügung    noch 
im  Sprachhewusstsein  lag.     In    der  späteren    Sprache  verlor  iWv 
Stamm    i-   die    Beugungsfähigkeil  ,   indem  jene    Formen   fesler    in- 
einander verwuchsen,  aber  der  Pronominalstamm  -so-,  -sa  hlieh 


—     275     — 

beugungsfähig.  In  sa-p-sa  ist  dieser  zweimal  enthalten,  das 
Wort  bedeutet  also  di  eser-eben-d  ieser  und  re-a-p-se  hat 
genau  den  Sinn  in  der- Sache-eben- so,  das  heisst  in  der 
Sache  selber.  In  s  i-rem-p-se  ist  si  eine  Locativform  vom 
Stamme  so-  wie  das  si  in  si-c  (vgl.  II,  54),  diese  merk- 
würdige Altlateinische  Wortform  bedeutet  also  so-der-Sache 
nach-eb  en-so,  daher  ebenso.  Der  Accusativ  rem  in  die- 
ser Wortverbindung  ist  so  verwandt  wie  der  Accusativ  in  pro- 
pediem,  das  nicht  nahe  an  dem  Tage  bedeutet,  sondern 
nahe  dem  Tage  nach  und  wie  in  pridem  für  pridiem, 
vorher  dem  Tag  nach,  oder  wie  die  Accusativform  -tem 
in  autem,  item,  die  sich  zum  demonstrativen  Pronominal- 
stamm to-  verhall  wie  quem  zu  quo.  Der  Ausfall  des  m  und  der 
Abfall  des  auslautenden  e  in  den  Formen  sireinps,  sireps  ist  den 
besprochenen  Lateinischen  Lautgesetzen  angemessen.  Die  so  auf 
etymologischem  Wege  sich  für  sirempsc  ergebende  Bedeutung 
ebenso  stimmt  sowohl  zu  Festus  Erklärung  eadem,  perinde 
(p.  344)  als  zu  dem  Zusammenhang  i\er  von  Ritschi  (a.  0.)  zu- 
sammengestellten (iesetzesstellen.  Aber  sireps  (Cfiaris.  p.  73) 
als  Grundform  anzunehmen  ist  nicht  zulässig,  da  das  Einschieben 
eines  m  in  die  Fuge  einer  Zusammensetzung  im  Lateinischen  sonst 
keine  Analogie  hat. 

Ausser  diesen  enklitischen  Formen  von  Pronomen  und  Pro- 
nominaladjectiven,  von  Pronominaladverbien  und  Pronominalparti- 
keln, sind,  wie  auch  die  Schrift  erweist,  eine  Anzahl  von  Con- 
junetionen,  die  zum  grossten  Theil  ebenfalls  von  Pronomin.il- 
wurzeln  herstammen,  ihres  Hochtones  verlustig  gegangen  und  ha- 
ben sich  an  den  Hoch  ton  des  vorhergehenden  Wortes  an- 
gelehnt. 

So  ist  die  Conjunction  sei,  si  der  Griechischen  et  in  Be- 
deutung und  Betonung  völlig  gleich  und  findet  sich  schon  auf  Vor- 
auousteischen  Inschriften  durch  die  Schrift  mit  einem  vorhergehen- 
den  Worte  verbunden;  so  in: 

n  i  s  e  i ,  Sc.  d.  Bacc.     n  i  s  i ,  lab.  Gen.    n  e  s  e  i ,  /.  rep. 

nisei  sei,  l.Bubr.      Vgl.  nisisi,  Mar.  Viel.  p.  283.  L. 

qua  sei  sei,  lab.  Baut.  I.  rep.    I.  Com.  d.  XX  q. 

q ii an  sei,  /.  agr.  (Thor.) 

Doch  findet  sich  zu  Sullas  Zeit  auch  noch  getrennt  geschrieben  : 

tarn  qua   sei  sei,  l.pag.  Herr.  /.  N.  3559. 

18* 


—     276     — 

Ebenso  ist  si  enklitisch  in: 
etsi,  Or.  4859. 
etiämsi,  Or.  3761. 
f  [  u  ö  cl  s  i , 

acsi,  vgl.  ac   si,    t.   Salp.  Or.  Henz.   7421. 

Or.  4047. 

In  den  vorstehenden  Schreibweisen  zeigt  sich ,  dass  die  Kraft 
der  Bedingungspartikel  si  hinter  die  Bedeutung  des  vorhergehenden 
Wortes  zurückgetreten  ist.  Jn  Schreibweisen  wie  nisei  sei, 
quasei  sei  frischte  die  Sprache  der  Geselze  die  Bezeichnung  der 
Bedingung  durch  ein  zweites  sei  wieder  auf;  aber  auch  dieses 
zweite  sei  konnte,  wie  die  Schreibart  nisisi  zeigt,  wieder  enkli- 
tisch werden. 

Wie  si  in  nisi  ist  die  Conjunclion  cum  in  -nie um  enklitisch 
angefugt;  dieses  -nicum  ist  aber  wiederum  an  eine  alte  Nominal- 
form  tieftonig  angefügt  in  : 

d  o  n  i  c  u  in  , 
eine  Zusammensetzung,  die  noch  weiter  unten  besprochen  weiden 
wird. 

Das  Verneinungsworl  ne  hängl  sich  tieftonig  an Conj und ionen, 

Pronomen,  Nominal-  und  Verbalformen  in: 

necne,  s  in', 

nönne,  quin', 

änne,  audio', 

d  ü  m  ne,  vgl.  d  u  m  nr,  I  an  tön', 

Sc.d.  Barr.  Or.  er  ed  ön\ 

Henz.  6428.  cens£n', 

modöne,  certÄn', 

etiamne,  bonän', 

hie  ine,  illän', 
i  s  t  i  c  i  n  e , 
illicine  u.  a. 

Da  Pri scian  ausdrücklich  sagt,  1252:  Ne  vero  sohl 
i'iiam  abiecia  e  encliticam  vi  in  possiderc  ui  cPyr- 
rhin,  I  antun',  so  würden  diese  Wort  formen  streng  genommen 
mit  dem  scharfen  Hochton  auf  der  vor  ne  oder  n'  vorhergehenden 
Silbe  gesprochen  worden  sein.  AberServius  sagt  eben  so  aus- 
drücklich, Verg.  Aen.  XII,  503:  Sane  tan  ton',  ton*  circ  um- 


s  a  1 

in  , 

po  1 

in', 

vid 

en\ 

bat 

II'  II  ' 

bo  nä  n 

,11; 

n\ 

■-     277     — 

flcctitur.  Nani  cum  per  apostropham  apocopen  verba 
patiuntur,  is  qui  in  integra  parte  fuerat  perseverat 
accentus,  ut  Hau  tone',  in  de  fit  Hau  ton'.  Man  muss  da- 
her annehmen,  dass  sich  die  enklitische  Betonung  dieser  Wortformen 
in  so  weit  hielt,  als  der  Hochton  auch  nach  Abfall  des  auslauten- 
den e  unverrückt  blich,  aber  darin  sich  der  gewöhnlichen  Beto- 
nung zuneigte,  dass  er  auf  langer  Silbe  gebrochen  wurde.  Aus 
der  ursprünglichen  enklitischen  Betonung  tantöne  entstand  also 
nach  Kürzung  des  auslautenden  e  tan  tone  und  nach  dessen  Ab- 
fall tantön.  Trat  das  ne  hingegen  an  Wörter  mit  kurzer  End- 
silbe wie  sätis,  potTs,  bona  u.  a.,  so  blieb  der  scharfe  Hoch- 
Ion  dem  enklitischen  Betonungsgesetz  gemäss  auf  dieser  Silbe, 
und  man  betonte  satin',  pol  in',  bonan'.  Dasselbe  gilt  von  den 
Pyrrhichisch  gemessenen  Formen  viden',  haben'  u.  a.,  welche 
schon  Pyrrhichisch  gemessene  Formen  wie  vides,  häbes  u.  a. 
voraussetzen. 

Der  enklitischen  Anfügung   von    ne   verdankt  auch  die  Prä- 
position : 

sine 
ihren  Ursprung,  deren  si-  so  bedeutet,  wie  das  si-in  sie.  Aus 
dem  ursprünglichen  Sinn  von  sine,  so  nicht,  entstand  die  Be- 
deutung der  Präposition  gesondert  von,  ohne;  nachdem  es  diese 
aber  erhalten,  ward  es  natürlich  wie  andere  Präpositionen  vor  fol- 
gendem Casus  tieftonig  gesprochen.  Beide  Bcstandtheile  desselben 
enthält  in  umgekehrter  Folge  die  alte  Form  nesi  (Fest  p.  165)  für 
sine. 

Die  Partikel  num  lehnt  sich  tieftonig  an  das  vorhergehende 
Wort  in: 

e  t  i  ä  m  n  u  m , 
wo  sie  in  der  Bedeutung  der  Griechischen  vvv  entspricht  in  Ver- 
bindungen wie  toi  vvv,  ö 7]  vvv  u.  a. 

Die  Partikel  an  ist  enklitisch  an  das  vorhergehende  Wort  ge- 
fügt in: 

försan, 

försitan. 
In  der  Bedeutung  entspricht  sie  hier  genau  dem  Griechischen  av. 
Dass  dieselbe  auch  in  fortasse  einfach  und  in  fortassean  dop- 
pelt enthalten  ist,  wird  sich  weiter  unten  ergeben. 


—     278     — 

Die  Conjunction  iam  ist  durch  Enklise  mit  dein  vorhergehen-» 
den  Worte  vereint  in: 

e  t  i  a  m ,  für  e  t  -  i  a  in , 

<l  u  i  s  p  ia  m  u.a.,  q  u  i  s  -p  e  -  i  a  m , 

iispiam,  us-pe-iam, 

n  u  s  p  i  a  in ,  n  e  -  u  s  -  p  e  -  i  a  m , 

n  ü  n  c  i  a  m ,  n  u  n  c  -  i  a  m  , 

(juoniam,  quom-iam, 

quia,  qui-ia,  qui-iam. 

Das  <i u i  in  quia  ist  Ablativ  und  bedeutet  wodurch;  wie, 
daher  quia  eigentlich:  wodurch  schon,  wie  schon;  vor  fol- 
gendem Vokal  kürzte  sich  wie  gewöhnlich  das  lange  i.  Das  iam 
hat  in  allen  vorstehenden  Wortverbindungen  die  Bedeutung  der 
Griechischen  enklitischen  Partikel  vvv,  der  Deutschen  nun. 

Na m  schliesst  sich  tieftonig  an  vorhergehende  Pronomen  und 
Conjuncfcionen  in: 

q  u  i  s  n  a  in , 

n  ii  m  n  a  m , 

<l  uiana  m, 

ab  in  am, 

ü tin am,  Or.  4859. 

u  Irü  inn  am, 

tan  tu  m  na  in,  Or.  4S58. 
Die  abgeschwächte  Bedeutung  des  nam  in  diesen  Zusammen- 
setzungen im  Vergleich  mit  dem  starken  voranstehenden  nun  und 
die  Kürzung  des  i  in  iibinam,  utinam  lassen  scbliessen,  dass 
dieselben  in  der  Sprache  als  wirkliehe  Composita  gefühlt  und  dem- 
gemäß bclont  wurden. 

Ebenso  tritt  auch  enim  enklitisch  an  das  vorhergehende 
Wort  in: 

ei  enim,  Or.  4S17. 

s  cd  enim,  Mar.  Victor,  p.  283.    Lind.  Prise. p.  1025. 
Desgleichen  (amen  in  : 

ät  tarnen , 

verünil  amen,  verü  n  I  a  ine  n. 

Aus  enklitischer  Anfügung  scheinl  auch  die  alle  Conjunction: 

as  i 
erwachsen ,   und  /war  aus  ä  I  -  s  e  l  oder  ;i  I  -  S  e  d  ,  so  dass  der  Begriff 
des  Gegensatzes  doppell  ausgedruckt  isl  wie  in  den  Verbindungen 
a  I  ta  me  n,  ver  u  ml  amen,  a  I  \  ein. 


—     279     — 

An  die  PrMposkion  in  erscheint  sinuil  und  s'emel  lieftonig 
angefügt  in: 
£  11  s  i  m  u  1 , 

insemel  (spät),  vgl.  Hand,  Tursell.  III,  383. 

Präpositionen,  die  ihren  Hochlon  einbüssen  und  sich  an 
das  vorhergehende  hochbetonte  Wort  schliessen,  sind  cum,  ad, 
per,  lentis,  propter,  sub,  super.     So  cum  in: 

nie  cum,  /.  R.N.  5530.  Or.  4402.  nobiscum,  Or.  Henz. 

4635.  2602.   Henz.  7382.  5593. 

m  e  c  u ,  /.  N.  6448.  v  o  b  i  s  c  u  m. 

I  e  c  u  m , 

s  e  c  u  m ,  Or.  Henz.  5520.  4746. 
{Prise,  p.  998)  und  in  Verbindung  mit  Relativen  in: 
q  u  ö  c  u  in , 
q  u  ä  c  u  m , 
quicum, 
quibüscüm; 
PrisCian  sagt  zwar,  in  diesen  letzteren  Verbindungen  habe  cum  den 
Hochton   behalten  ;   alter  dass   Priscian  die  Griechische  Betonung 
der  Präpositionen  in  der  Anastrophe  auf  die  Lateinische  Sprache 
übertragen  wollte,  ist  schon  oben  bemerkt.     Weiler  unten  wird  da- 
von noch  die  Rede  sein. 

Die  Präposition  ad  ist  enklitisch  angefügt  in: 
quo  ad,  Or.  3665. 
Ebenso  per  in: 
na  per  für  novum-per, 
wie  nunc  für  no  vum-ce.     Da   der  zusammengezogene  erste  Be- 
standteil n  u-  für  sich  allein  in  der  Sprache  in  dieser  verstümmel- 
ten C«est;ill  kein  Bestehen  mehr  hat,  so  folgt  daraus,  dass  nuper 
wie  ein  unauflöslich   zusammengewachsenes  Compositum  mit  dem 
gebrochenen  Hochlon  auf  der  vorletzten  Silbe  gesprochen  wurde, 

s  e  m  p  e  r. 
Das  Lateinische  sem-,  ist  Sanskr.  sam-,   g  es  am  int;   semper 
heisst  also  durch  das  Gesammte  (Pott,  Eitjm.  Forsch.  I,  1 29). 
p a  r  ü  m p  e  r,  q  u  a,t  i  s  p  e  r , 

t  a  n  t  i  s  p  e  r , 
a  1  i  q  u  a  n  t  i  s  p  e  r , 
p  a  u  1 1 1  s  p  e  r , 
pauxillisper. 


—     280     — 

Es  ist  schon  oben  besprochen,  <Jass  das  -is  dieser  Bildungen 
comparativiseber  Natur  ist,  wie  in  magis,  salis,  potis,  nimis 
u.a.   {VglA,  288.) 

Die  Präposition  lenus  ist  enklitisch  an  das  vorhergehende 
Wort  angefügt  in  : 

q u ateno s,  Fest.  p.  258.  eatenus, 

quätenus,  a.  O,  islatenus, 

q  u  ä  t  i  n  u  s ,   a.  0.  h  acte  n  u  s. 

a  1  i  q  u  ä  t  e  n  u  s ,  Or.  Henz.  5593. 

Sul)  und  super  sind  in  der  Bedeutung  von  Ortsadverbien  an 
ein  vorhergehendes  Ortsadverbium  tieflonig  angeschlossen  in : 
i n s u per ,   Or.  Henz.  7 168. 
d  e  s  u  p  e  r , 
desub,  vgl.  Hemd,  Turs.  11,283. 

Im  Griechischen  verlieren  Formen  des  Indicativ  Präseniis  der 
Verba  eiybi,  cpruii  im  Zusammenhang  der  Hede  ihren  selbständi- 
gen 1  lochton;  im  Lateinischen  ist  die  Anzahl  der  Verba 
grösser,  die  sich  enklitisch  an  d;is  vorhergellende  Worl  an- 
schliessen. 

In  dem  Abschnitt  über  die  irrationalen  Vokale  vor  Consonanlen 
mussle,  um  die  Pyrrhichischc  Messung  von  esse  bei  Plautus  und 
das  Auftreten  des  est  als  einsilbige  Kürze  zu  rechtfertigen,  der  Be- 
weis geführt  werden,  dass  das  Verbtim  esse  enklitisch  sei  {vgl. 
II,  98  /.),  und  zwar  ganz  durchgehend«  in  allen  Formen,  welche 
die  Sprache  von  demselben  gebildet  bat  mit  Ausnahme  des  Imperativs, 
esto,  eslote,  wo  der  Nachdruck  des  Befehls  den  Bochton  hielt. 
Der  Bequemlichkeit  halber  mögen  hier  einige  Formen  Plati  linden, 
aus  denen  das  erhellt: 

s  i  t  u  s  t ,  p  ö  t  i  s   s  u  m  , 

v  o  c  i  t  a  t  u  s  t ,  p  6  s  s  u  m  , 

r  el  a  t  a  s  t ,  p  ö  s  s  i  ■  , 

dedieä  last ,  pol  eia  in  , 

pösitast,  possem, 

quälest,  pötero, 

neecssest, 

försit,     für    forte-sit,     (»der   fors-sii. /y//.  Prise» p,  1015. 

försitan,        forte-sit-an,       fors-sit-an. 

Da  das  angefügte  e  si  dieser  Verbalformen  durch  Schwinden 
des  e   die  Geltung  einer  Silbe   verlor,  so  behielt   es   auch    nicht 


.      —     281     — 

die  Kraft  den  Hochton  auf  die  Silbe  vorsieh  zu  ziehn.  Nur  das  an- 
gehängte fragende  ne  behielt  diese  Kraft,  auch  wenn  es  zu  n'  alt- 
gestumpft ward,  wahrend  Pronominalformen  wie  hie,  häc,  illüe 
u.  a.  nach  Abfall  des  auslautenden  e  vom  angefügten  -ce  ihren 
scharfen  Hochton  zum  gebrochenen  werden  Hessen. 

In  mannigfachen  Formen  zeigt  sieh  das  Vcrbum  volo  enklitisch; 
so  in: 

n  6  n  v  i  s ,  n  ö  n  v  u  1 1 , 

wahrend  es  in  den  anderen  Formen  wie  n  o  1  o  ,  n  o  1  u  n  t ,  n ol im , 
nollern,  nolui  u.  a.  sehon  vollständig  mit  dem  non  verwachsen 
ist.     Ebenso  war  es  enklitisch  in  der  Verbindung: 

m  a  g  e     volo, 
ehe  es  zu  ma  volo,  mavis  u.  a.  verwuchs,  ein  recht  schlagendes 
Heispiel,  wie  Worter  durch  Tonanschluss  erst  lose  aneinander  ver- 
knüpft mit  der  Zeit  eng  in  einander  verwachsen  konnten. 

Die  zweite  Person  Singularis  Ind.  vis  ist  vielfach  tieftonig  und 
schliesst  sich  an  das  vorhergehende  Wort  an;  so  in: 

quämvis,  Or.  4040.  750.  neben  quam  vis,  Or.  Henz.  7168. 

qni vis  u.  a., 

q  uantüm  vis, 

q  u  i  c  u  m  vis,  Plaid.  S/ich.  627. 

üb  (vis, 

sis,  für  si-vis, 

f  o  r  I  a  s  s  i  s ,  f  o  r  t  e  -  a  n  -  s  i  -  v  i  s. 

Auf  dieses  merkwürdige  Heispiel  eines  ganzen  Bedingungs- 
satzes, der  unter  einem  Hochton  zusammengebunden  ist,  wird 
nuten  noch  einmal  die  Rede  zurückkommen. 

Durch  Abfall  des  s  und  Sinken  des  i  zu  e  entstand  regelrecht 
aus  -vis  -ve,  und  nun  verblasst  die  Bedeutung  der  Verbalfonn  zu 
einer  schwachen  Conjunetion,  die  schon  in  alten  Zeiten  mit  dem 
vorhergehenden  Wort  zusammengeschrieben  erscheint;  so  in: 

neve,  Sc.  ä.  Bacc. 

nive,  lab.  Gen. 

seive,  l.  Baut.  sive, 

Senator  ve,  a.  0. 

plebei ve,  a.  0. 

c  o  n  c  i  1  i  u  m  v  e ,   a.  0. 

fortasse,  für  for  te-an-  si-ve, 

fortassean,  All.  trag.  R.  p.  127.  f  o  r  t  e  -  a  n  -  s  i  -  v  e  -  a  n. 


—    282    — 

Ja,  wie  schon  in  dem  Abschnitt  über  Vokalabtall  gezeigt  ist, 
das  -ve  stumpfte  sich  zu  einem  blossen  -ü  ab  in: 

seu,         für        se-ve, 

ceu,  ce-ve. 

Ebenso  ist  das  Verbuni  übet  enklitisch  in: 

quilibet,  quaelibet,  quödlibet  u.  a., 

n  bf  übet, 

u  n  d  e  1  i  b  e  t , 

utrölil  et. 

Ebenso  lehnt  sich  licet  tieftonig  an  den  Hoch  ton  eines  scharf 
hervorgehobenen  Imperativs  in: 

ilicet, 

scilicet,  Or.  5580,  Benz.  7168. 

videlicet. 

Durch  Tonanschluss  des  Verbnm  s  cio  an  die  scharfbetonte  Ne- 
gation entstanden: 

bans  cio,  Plaut. 

n  6  s  cio. 

Enklitisch  ist  der  imperativ puta  in: 

üt  p  uta. 

Es  bleiben  nun  noch  einige  Substantivformen  übrig,  die 
ihren  Hochton  eingebiisst  und  sieb  an  das  vorhergehende  Wort  an- 
geschlossen haben,  dann  aber  zum  Theil  mit  demselben  antrennbar 
verwachsen  sind,  Dies  ist  der  Fall  mit  verschiedenen  Casusforme n 
von  dies.     So  erscheint  der  Accusativ  in: 

p  r  o  p  e  d  i  c  m , 
der  Ablativ  in: 

hödie,  per  en  die,  (Poti,  F.hjm.  Forsch.  1,  '.t'i.) 

der  Locativ  mit  abgeworfenem  i  des  Auslautes  in: 

pridic,  quotidie, 

hödie,  postridie, 

wie  in  d i e  q uar te,  d i e  se p  t  i  m  e  i ,  die  q  u  i  n  t  i ,  die  n  o  n  i .  die 
crastini  (vgl.  oben  I,  226). 

Das  enklitisch  angefügte  -diem  ward  nun  aber  durch  Ausfall 
des  tieftonig  gewordenen  i  zu  -dem  wie  es-siem  /u  cs-sciu. 
So  erscheint  es  angefügt  an  das  Zeitadverbium  pri  für  prae, 
prai  in: 

pr  i  -  d  e  m , 
das  eigentlich   heissl   vorher  dem    Tag    nach;   ebenso  isl    es  an 


—     283     — 

Pronomen,    Pronominaladverbien,  die  eigentlich  Casusformen  von 
Pronominalstämmen  sind,  und  an  Pronominaladjeetive  getreten  in: 

idem,  quidem,  tan  dem, 

itidem,  tantidem,  tantündem, 

identidem,  tot  idem, 

ibidem,  utrobidem. 

i  n  d  i  -  d  e  m ,    Vgl.  Pott.  Etym.  Forsch.  1 ,  95  —  98. 

Die  Bedeutung  von  -dem:  den  Tag,  ist  in  diesen  Zusammen- 
setzungen zu  der  allgemeineren  der  Zeit,  damals  geworden,  wie 
dies  in  allgemeinerer  Bedeutung  aueb  die  Zeit  überhaupt  bedeutet, 
und  der  Accusativ  -dem  drückt  somit  den  Zeitpunkt  aus,  wie 
die  Accusative  tum  und  cum  von  den  Pronominalstammen  to- 
und  quo-  (cu).  Also  bedeutet  i-dem  eigentlich  der  an  dem 
Tage,  der  damals,  tan -dem,  da  an  dem  Tage.  Durch  die 
Hinweisung  auf  den  Zeitpunkt  mittelst  des  angefügten  -dem  wird 
in  jenen  Wortverbindungen  die  hinweisende  Kraft  der  Pronomi- 
nalformen verstärkt  und  verschärft,  und  so  verblasst  jenes  enkli- 
tisch angefügte  -dem  zu  der  Bedeutung,  die  wir  im  Deutschen 
durch  eben,  grade,  just,  selber  ausdrücken.  {Vgl.oben\\\täf.) 
Wie  das  -die in  von  propediem  zu  dem  -dem  von  pri- 
dem,    so  verhält  sich   das    -die  von  pridie   zu   dem    de  von: 

i  n  d  e 
und  allen  Zusammensetzungen  mit  in  de  {vgl.  oben  II,  267/.). 
Wie  schon  erwähnt,  ist  in-  hier  eine  Locativform  vom  Pro- 
nominalstamm  i-  und  bedeutet  von  da,  also  inde  eigentlich 
von  da  a  n  d  e  m  T  a  g  e  ,  dann  v  on  da  d  a  m  als  u  nd  v  o  n 
da  eben.  Hierbei  ist  Wohl  zu  beachten,  dass  wo  inde  oder 
eines  seiner  Composita  in  örtlichem  Sinne  gebraucht  ist ,  nicht 
etwa  das  -de  von  der  Zeit  auf  den  Ort  übertragen  ist,  was  aller- 
dings ohne  Analogie  wäre,  sondern  der  ursprüngliche  ortliche 
Sinn  der  Locativform  -in  geblieben  ist  und  die  Bedeutung  von  -de 
sich  zu  einem  bloss  verstärkenden  eben  verflüchtigt  hat  {Zeitschr. 
f.  vergl.  Spr.Y,  123.). 

Ebenso  ist  das  angefügte  de  zu  fassen  in: 

quämde,  Enn.  Fest.  p.  26 1.   Lvcr.  I,  640. 
somit  entspricht  die  Conjunctiou  in  der  Bedeutung  genau  der  Grie- 
chischen   r\  %  £0. 

Zu  -di  gestaltete  sich  das  enklitische  -die  in: 

i  n  d  i  d  e  m  , 


— ■     284     — 

u  n  d  i  q  u  e , 
wie  auslautende  Vokale  des  ersten  Wortbestandtheiles  in  der  Wort- 
fuge der  Composita  sich  häufig  zu  i  verdünnen.     Auch  diese  Wort- 
vorbindungen wurden  demnach  wie  Composita  betont. 

Auch  die  Nebenform  von  dies:  dius  ist  enklitisch  an  das  vor- 
hergehende Wort  gefügt  in: 

nudius, 

p  e  r  d  i  u  s , 
.    interdius,  inier  diu*). 

Von  dieser  Nominativform  di  n  s  ist  der  Accusativ  die  enklitische 
Conjunction  dum  für  dinm.  Wie  diu  eigentlich  den  Tag  lang, 
dann  die  Zeit  lang  bezeichnet,  so  dum  ursprünglich  den  Tag, 
dann  der  Weile,  indessen.  Mit  dieser  Bedeutung  ist  die  Accusa- 
tivform  -dum  lieftonig  an  das  vorhergehende  Wort  getreten  in: 

quid  um,  ad  es  dum, 

d  ü dum,  a  g  e  d  u  m , 

vi  x  dum,  manedum, 

nedum,  iubedum, 

necdum,  respicedum, 

nönd  um  ,  Or.  613.  4847.  eircumspieed  um. 

haüddum,  vgl.  Hand,  Turs.  II,  3"2'>.     fäcdum  u.  a. 

n  ih  i  1  d  u  m , 

etiämdum, 

int  lr  dum, 

primümdum,  vgl.  Volt*  a.  0. 
Wortverbindungen,  in  denen  die  Bedeutung  von  dum.  der  Weile, 
meist  noch  hervortretend  geblieben  ist. 

Die  Conjunction  dum,  indessen,  bezeichnet  erst  eine  Zeit- 
dauer, dann  wird  sie  auch  auf  den  K  nd  pu  nk  t  dieser  Ze  itdaue  r 
übertragen  und  erhall  den  Sinn  bis. 

Eine  enklitische  Ablativform  von  dius  isl  -du  für  -diu  in  den 
Zusammensetzungen : 

q  uando, 

aliq  uando, 
deren  Bedeutung  wann  eines  Tags  und  anders  wann  eines 
Tages  ungeschwächt  kenntlich  geblieben  ist. 

*)  Dass  tarn  diu,  quam  diu,  aliquam  diu  verbunden  gespro- 
chen wären,  so  dass  diu  den  Hochton  verloren,  kann  man  aus  der  ver- 
bundenen Schreibweise  mancher  Handschriften  nicht  mit  Sichei  heil  folgern. 


—    285    — 

Dasselbe  -do  ist  auch  enthalten  in: 
d  ö  n  i  c  11  m  , 
döne  c. 

Hier  bedeutet  n i  c n  in :  wann  n i ch  t,  wie  n i  s i :  wenn 
nicht,  also  donicum:  an  dem  Tage  nicht  wann;  es  be- 
zeichnet eigentlich  den  Zeitpunkt,  wo  das  Nichtsein  eines 
Zustandes  eintritt,  daher  auch  die  Dauer  desselben,  solange, 
solange  bis.     {Vgl.  Pott,  ct.  0.) 

Von  demselben  Ursprünge  wie  -dem  und  -dum  ist  auch  das 
ursprünglich  enklitische  Suffix  -dam  in: 
q  u  i  (1  am  ,     c  u  i  ü  s  d  a  m  ,     c  u  i  d  a  in  u.  a . 
q  ii ön  da  m. 

Dieses  -dam  ist  aus  diam  entstanden,  wie  -dem  aus 
diem,  dum  aus  dium;  diam  aber  steht  neben  diem  wie 
matcriam  neben  materiem;  es  ist  Accusativ  eines  Nojninal- 
stammes  dia-,  der  mit  Ausfall  des  v  aus  Sanskr.  divä  entstand 
{Vgl.  Bopp,  Sanskr.  Gr.  §  616.  Pott,  a.  0.)*).  Quidam 
bedeutet  also  irgend  welcher  eines  Tages  oder  irgend 
w e  1  c h  e r  ein  m  a l ,  quo  n d a  m  :  irgend  w  an n  eines  Tags 
oder  irgend  wann  einmal.  Von  der  Accusativform  diam 
fiel  aber  auch  das  anlautende  d  ab  und  so  entstand  die  accusalivi- 
sche  Zeitpartikei  tarn  aus  diam  wie  Iovis  aus  Djovis,  deren  ur- 
sprünglicher Sinn  den  Tag  sich  zu  der  allgemeineren  nun  ab- 
schwächte. Enklitisch  ist  dieses  iam  dann  an  eine  vorhergehende 
Wortform  gefügt  in  den  schon  aufgeführten  Verbindungen  et  iam, 
quon iam,   quispiam,    uspiain,    nuspiam. 

Auch  andere  Substantiva  erscheinen  enklitisch  an  das  vorher- 
gehende Wort  angefügt.     So  eine  Vocativform  von  deus  in: 
e-  de  -pol. 

Ueber  die  Kürzung  von  Polluces  zu  Pol  lux  und  pol  ist  ge- 
sprochen, de  ist  Vocativ  für  dee,  entstanden  aus  deo  wie  bone 
aus  bono;  e  ist  Anruf  wie  in  Ecceres,  Eiuno,  Equirine, 
Ecastor.  Seit  uralten  Zeiten  ist  aber  dieses  edepol  zu  einer 
festen  Einheit  verwachsen,  von  pol  in  der  Bedeutung  höchstens  als 
eine  etwas  stärkere  Bekräftigung  noch  zu  unterscheiden. 


*)  Aus  divä  erklärt  sich  mit  Ausfall  des  v  Sanskr.  a-dja,  diesen 
Tag,  heute  und  mit  Ausfall  des  j  ka-dä,  welchen  Tag1,  wann, 
Griecli.  tfjj,   7J-&rj,  dtj-v  u.  a.,   Pott,  a.  0.  97  /. 


—    286     — 

Das  Nomen  vir  schliesst  sich  enklitisch  an  an  ein  vorhergehen- 
des Zahlwort ;  so  in : 

d  u ö  v  i  r ,  /.  N.  4621.        vgl.     d  n  u  m  vir,  /.  N.  25 14. 
quattuorvir, Or,Henz.f$4h\.  quattuor  vir,  Or.Henz.  G450. 

/.  N.  5244. 
t  r  e  s  v  i  r , 

sevir,  /.  N.  6825. 
q  u  i  n  q  u  e  v  i  r, 

(1  c  c  e  m  vir,  d  e  c  e  m  v  i  r,  Or.  Ifcnz.  a.  0. 

centiimviros,  Or.  4046.  vgl.  L  N.  6825. 
Unter  diesen  ist  sevir  zum  untrennbaren  Compositum  verwachsen. 
Pater  verliert  seinen  Hochion  und  lehnt  sich  an  den  vorher- 
gegangenen Nominativ  eines  Namens  in  : 
Ianüspater, 
Märspater, 
Saturn  ü  s  p  a  t  e  r , 
diese  Verbindungen  sind  also  wohl  zu  unterscheiden  von  den  eigent- 
lichen Compositen  lupil  er,  Marspiter,  Opiter,  Diespiter. 

Ebenso  ist  modus   in  verschiedenen  Casus  tieftonig  au  das 
vorhergehende  bechtonige  Worl  gebunden;  so  in: 
hui  ü  sin  od  i ,  pö  st  modo, 

e  i  ü  s  Bfl  o  d  i ,  q  u  o  in  o  d  o , 

illiüsmodi,  dum  modo.   Or.  .5115. 

istiusmodi,  t  an  tu  mm  od  o,   Or.  4039. 

c  u  ins  m  odi,  omni  modo, 

euieufmod  i,  om  ofmod  is, 

m  ii  1 1  im  od  is. 
Von  adinodum  (Or.  ffenz.  6131),  pöstmodum  [Or.  Henz. 
6086),  praemodum  (Gell.  VI,  7,  12.  //.),  propemoduni  wird 
weiter  unten  die  Rede  sein. 

Der  Genetiv  von  locus  erschein I  tieftonig  mit  einem  vorher- 
gehenden Ortsadverbium  verbunden  in : 
i  ntereäloei,  Diom.  />.  128. 

Ebenso  linden  sieb  E.isii.-lnrinen   von   liiluni   tieftonig  an   die 
negative  Partikel  ne  gefugt  in: 
n  i  b  il  iiin. 
n  ili  1 1 1 . 
II  i  Inl  o, 
nihil. 


—     287     — 

Das  Parlicipium  vorsiis,  versus  ist  in  alter  Zeit  enklitisch 
an  Ortsadverbien  wie  an  Casus  von  Pronomen  und  Adjectiven  ge- 
treten, welche  die  Richtung  nach  einem  Ort  hin  bezeichnete«.  Dann 
schwand  der  tieftonig  gewordene  Stammvokal  o  und  nun  verwuchs 
das  verstümmelte  vorsus  mit  dem  hochtonigen  Wort  zu  einem  un- 
trennbaren Compositum;  so  in: 

rürsus,  rüssus,  Plaut.         rüsum, 

sürsum,  süsum, 

prörsus,  prössum,  Plaut,     prösa. 

horsu  m, 

quorsum,  quössum,  Plaut. 

illorsuin, 

i  s  1 6  r  s  u  m  , 

e  x  t  r  0  r  s  u  m , 

i  n  t  r  ö  r  s  u  m , 

r  e  t  r  6  r  s  u  m  , 

d  e  x  I  r  6  r  s  u  m  , 

si  ni  strors  u  in. 

Der  lautliche  Hergang  dieser  Wortverschmelzung  ist  oben  (II, 
42.  43)  erklärt;  das  für  die  Hede  bedeutsame  Wort,  das  die  Rich- 
lung  speciell  angab,  wurde  in  diesen  Zusammensetzungen  mit  dem 
Hochion  gesprochen  wie  im  Deutschen  hier-her,  dört-hin,  aus- 
wärts, rüeck-wärts,  vör-wärts,  aüf-wärts,  äb-wärts  u.a. 
Auch  comparativische  Wortformen  treten  enklitisch  an  ein  vor- 
hergehendes Wort;  so  minus  in: 

q u 6 m i n u s ,  Or.  775.  Or.   vgl.  quove  m i  n  u  s, /. Mälac. Or. Hen z. 
Henz.  7321.  6428.  7428. 

nihilöminus,  Or.  4032.  3115. 
Ebenso  erscheint  auch  magis  in: 

d  emag  is,  Lucil.  Non.  p.  68.  G.  (valde  magis) ; 
doch  bleibt  die  Erklärung  des  de-  hier  dahingestellt,  weil  sich  zwei 
verschiedene  Wege  dazu. bieten  ohne  sichere  Entscheidung. 
Hierher  gehört  auch  secus  in  Wortverbindungen  wie: 

extrinsecus, 

i n  t r 1 n s e cus, 

a  1 1  r  i  n  s  e  c  u  s , 

extrinsecus, 

forinsecus. 
(Zeilschr.  f.  vergl.  Sprach/.  Hl,  266  f.  V,  120.) 


—     288     — 

Ein  aus  p  o  t  i  s  für  p  o  t  i  u  s  abgeschwächtes  p  o  t  e  ist  enklil isch 
angefügt  in: 

u  t  p  o  t  e , 
und  durch  Ausfall  des  tieftonigen  o  zu  -pte  verstümmelt  in: 

m e p t . e  ,  tu 6 pte, 

mihi  pte,  suöpte, 

eöpte,  vöpte. 

ineöpte. 
{Vgl.  oben  II,  44.) 

Um  nun  schliesslich  die  Ergehnisse  der  vorstehenden  Unter- 
suchung üher  den  Tonanschluss  an  das  vorhergehende  Wort  zu- 
sammenzufassen,  so  sind  unter  den  behandelten  Wortformen  zwei 
Gruppen  zu  unterscheiden,  einmal  enklitische  Wortver- 
bindungen, die  im  Sprachhewusstsein  immer  nur  diese  Gel- 
tung gehabt  haben  und  trotzdem,  dass  sie  unter  einem  Hoeh- 
ton  gesprochen  wurden ,  doch  niemals  untrennbar  mit  einander 
verwuchsen.  Diese  sind  daran  kenntlich,  dass  ihre  beiden  Be- 
stand thcile  in  unveränderter  Lautgestalt  auch  ge- 
sondert von  einander  noch  in  der  Sprache  vorkommen,  da- 
her gelegentlich  auch  noch  getrennt  nebeneinander  stehend  ge- 
schlichen werden,  dass  die  erste  Wort  form,  an  welche  sich 
die  zweite  tieftonig  anschlicsst,  gewöhnlich  nicht  ein  kahler 
Wortstamm  ist,  sondern  die  Beugungsform  eines  Nomen, 
Pronomen  oder  Verhum,  die  entweder  noch  in  der  Sprache  le- 
bendig war,  oder  schon  in  aller  Zeit  zum  Adverbium ,  zur  Parti- 
kel, oder  zur  Conjunction  verwand!  worden  ist,  dass  vielfach  auch 
die  Beugungsfähigkeil  des  eisten  Bestandteiles  der  Wort- 
verbindung durch  verschied  (Mie  Casus  formen  sich  er- 
halten hat.  Von  dieser  ersten  Gruppe  von  Wortfermen  schei- 
det sich  ('ine  zweite  von  solchen,  die  zwar  auch  ursprünglich 
blosse  Tonverbindungen  unter  einem  Hochton  waren,  aber  all  - 
m  ah  1  i g  zu  untrennbaren  Gompositen  v  erwachsen  sind, 
so  dass  das  Bewüsstsein  von  der  selbständigen  Lebensfähig- 
keit der  getrennten  Laulbestandlheile  sich  in  der  Sprache 
verdunkelt  hat.  Diese  sind  daran  kenntlich,  dass  gewöhnlich 
einer  der  beiden  Bestandtheile  der  Tonverbindung  oder 
auch  beide  durch  Kürzung,  Erleichterung  oder  Tilgung 
von  Vokalen,  durch  Ausfall,  Abfall  oder  Assimilation 
von  Gon  so  na  nten  verkümmert  und  entstellt  sind,  so  dass  sie 


—     289     — 

gesondert  in  dieser  verstümmelten  Gestalt  in  der  Sprache  nicht 
v  o  r k  o  m  in  e  n  und  bestehen  können. 

Nur  der  ersten  Gruppe  von  diesen  Wortverbindungen 
kommt  die  eigenth  um  liehe  enklitische  Betonung  zu. 
Diese  bethätigt  sich  darin,  dass  die  vorletzte  lange  oder  kurze 
Silbe  unmittelbar  vor  der  Enklitika  mit  dem  scharfen  Hochton 
gesprochen  wurde.  Das  war  der  Fall  in  utique  (und  wo), 
plerique,  uhique,  utrobique,  itaque  (und  so),  postea- 
quam,  hice,  illice,  istice,  cgömet,  mihi  in  et,  tutemet, 
t i  b  i  m e  t,  i  p  s  i  m  e  t ,  h  i  c  i  n  c ,  i  s  t  i  c  i  n  e ,  i  1  li  c in  e ,  s  a  t  i  n ,  t  a  n  - 
tön,  viden,  duövir,  quinquevir  u.  a. 

Die  eigenthiimlich  enklitische  Betonung  zeigt  sich  zweitens  auch 
darin,  dass  der  eiste  Bestandtheil  der  Wortverbindung  den  schar- 
fen Hochton  unmittelbar  vor  der  Enklitika  auch  dann 
wahrt,  wenn  von  den  zwei  Silben  derselben  die  erste  lang 
ist,  also  gegen  das  gewöhnliche  Lateinische  Betonungsgesetz  die 
drittletzte  Silbe  hoch  ton  ig  gesprochen  wird  trotz  der  Länge 
der  vorletzten,  um  den  bedeutsameren  Theil  der  Wortverbindung 
auch  durch  die  Betonung  vor  dem  unbedeutenderen  hervorzuheben. 
Ausdrücklich  wird  diese  Betonung  den  Wortformen  siquando,  ne- 
q  u a  n  (1  o ,  d  e  in  d  e ,  e x i n d  e ,  p  e r i  n  d  e ,  p  r  ö  i  n  d  e  z ugesprochen . 

Werden  aber  solche  Tonverbindungen  allmählich  in  der  an- 
gegebenen Weise  zu  Compositen,  so  tritt  die  gewöhnliche 
Beton ungs weise  Lateinischer  Wörter  in  Kraft.  Das  heisst 
also:  von  der  vor  letz  ten  kurzen  Silbe  weicht  der  Hoch- 
ton,  wenn  das  anders  die  Silbenzahl  der  Worlform  erlaubt, 
auf  die  drittletzte  Silbe  zurück;  so  zum  Beispiel  in  neü- 
tiquam,  uti-que  (jedenfalls),  undique,  itaque  (da- 
her), itidein,  identidem,  ütinam,  übinain  u.  a. ,  ebenso 
weicht  er  zurück  von  der  ehemaligen  vorletzten  in  Ver- 
balformen wie  situst,  vocitätust,  pösitast  u.a.  Bei  die- 
sem Verwachsen  von  Tonverbindungen  zu  Compositen  ereignet 
es  sich  auch,  dass  der  Hoch  ton  von  dem  ursprünglich 
hochtonigen  zweiten  Bestandtheil  auf  den  ersten 
zurücktritt  und  nun  das  zweite  Wort  als  Enklitika  erscheint, 
während  eigentlich  das  erste  tieftonig  an  das  zweite  getreten 
ist;  so  in  ädeo,  ädhuc,  pösthac,  äntehac  und  anderen 
Wortbildungen,  von  denen  noch  im  folgenden  Abschnitt  die  Bede 
sein   wird. 

CORSSEN   II.  19 


—     290     — 

Das  Umschlagen  der  enklitischen  Betonung  in  die  gewöhnliche 
bethätigt  sich  ferner  darin,  dass  nach  Abfall  eines  auslautenden 
Vokales  die  auf  diese  Weise  aus  der  vorletzten  in  die  letzte 
Stelle  gerückte  lange  Silbe  den  Hochton 'bricht,  wie  dies 
oben  von  h  i  c ,  h  u  c ,  i  1 1  ä  c ,  i  s  t  ä  c ,  q  u  i  n  ,  s  i  n  u.  a .  nachgewiesen 
ist.  Endlich  rückt  auch  der  Hoch  ton  von  der  drittletzten 
Silbe,  dein  ursprünglich  hochbetonten  ersten  Wort- 
bestandtheil,  auf  die  vorletzte  lange  Silbe  vor,  die  der  Enkli- 
tika angehört,  sodass  diese  nun  ho  eh  tonig  wird,  indem  die  bei- 
den Wortbestandtheile  zu  einer  unauflöslichen  Worteinheit  verwuch- 
sen ,  wie  dies  in  u  t r  i n d e,  a  1  i  q u  a  n  d  o ,  a  1  i  q  u ä  n  t u m  u .  a.  ge- 
schah. 

Da  der  U  ebergang  von  solchen  Tonverbindungen  in  Compo- 
sita  ein  a  1 1  mäh  1  ich  er  war,  so  liegt  es  in  der  Natur  der  Sache,  dass 
die  Grenze  zwischen  enklitischer  und  gewöhnlicher  Betonung  sieh 
nichtinjedem  e i n z el n e n  F a  1 1  e  baarschar f  z i  ehe n  liess, 
dass  selbst  unter  gleichzeitig  lebenden  Hörnern  ein  Se  h  wanken  und 
eine  V  eise  h  iedenheit  der  Betonung  in  dieser  Beziehung  statt 
fand,  ein  Punkt,  der  auch  im  folgenden  Abschnitt  wieder  zur  Sprache 
kommen  wird. 

b)  Tonanselil  u  ss  an  das  folgen  de  Wort. 
Die  Griechische  Sprache  zeigt  nur  wenige  Wörter,  die  ihren 
Hochton  verlieren  und  sich  an  das  folgende  Wort  ansehliessen  ;  die 
Lateinische  geht  auch  in  dieser  Beziehung  weiter,  indem  sie  Prä- 
positionen, Conjunctionen,  Pronomina,  Adverbien  und  Nomina  im 
Zusammenhang  i\w  Rede  tieftonig  hören  lassl  und  an  den  Hochion 
des  folgenden  Wortes  bindet. 

Die  Untersuchung  mag  beginnen  mit  derjenigen  Wortart,  hei 
der  dieser  Tonanschluss  am  häufigsten  eintritt,  mit  den  Präpositio- 
nen. Dass  Verrius  Harens  die  tieftonige  Aussprache  von  Prä- 
positionen lehrte,  ergiebt  sich  aus  Festus,  i>.  248.:  Pone  grari 
sonn  antiqui  ulebanlur  pro  loci  sig  n  i  fiea  I  ione.  Do- 
li at,  Diomedes  und  Priscia n  gehen  uns  darüber  bestimmte 
Auskunft.  So  zuerst  Dona  1,  p.  1765:  Separafae  praeposi- 
tiones  aeuunlur,  coniunetae  |veroj  casihus  aut  lo- 
quelis  vim  suam  saepe  coramutanl  ei  egrai  es  fiuni* : 
und  Priscian,  p.  * > 7 r>  /'.■  Omnia  adverbia,  qua«  solenl 
casihus    adiungi,     Borna  ni     artium     Script  orea     int  er 


—     291     — 

praepositiones  p o s n e r u n t ,  q uia  sunt  praeppsitiva 
c  a  s  u  a  I  i  u  m  ,  et  egravanturin  o  m  n  i  b  u  s  syl  la  bis';  a.  0. 
p.  12(36:  Praepositiva  omnis  coniunctio  et  pra  epositio 
cgra vatur';  {vgl.  a.  0.  p.  977.  991.  1228.  P.).  Den  Grund  die- 
ses Tonanschlusses  bat  schon  Quintilian  erkannt,  I,  5,  27: 
Quum  d.i  c.o  c c i r e um  I i  1  o r a '  f  a  in  q u  a  m  u  u  u m  e n u n t i o 
d  i  s  s i m  u  I'a  t a  d i s  t  i  n  c  t  i  o  n  e  ;  i  t  a  q  u  e  1  a  m  q  u  a  m  i  n  n  n  a 
voce,  una  est  acuta;  quod  idem  accidit  in  illo: 
Troiae  qui  primus  eab  oris';  ebenso  Priscian,  p.  977: 
cum  annitatur  saepe  pra  epositio  sequenti  dictioni 
et  quasi  una  pars  cum  e  a  e  f  f  e  r  a  t  u  r.  Vgl.  Pomp.  A. 
Don.  p.  409.  L.  Tieftonig  war  die  gewöhnliche  Betonung  der  Prä- 
positionen, allein  sie  konnten  auch  den  Hochton  bebalten  oder  wie- 
der erhalten  ,  sobald  es  dem  Sprechenden  beliebte  einen  Nachdruck 
auf  dieselbe)]  zu  legen.  {Vgl.  Pönal,  a.  0.  Diom.  p.  428.  Prise. 
p.  667.) 

Diomedes  räumt  diese  enklitische  Betonung  nur  den  einsilbi- 
gen Präpositionen  ein  (p.  428  P.).  Ks  ist  daher  rathsam,  die  ein- 
silbigen Präpositionen  gesondert  zu  betrachten.  Zahlreiche  In- 
schriften zeigen  uns,  dass  die  einsilbigen  Präpositionen  mit  dem 
folgenden  Nomen  zusammengeschrieben  werden,  was  auch  hand- 
schriftlich bestätigt  wird. 

So  ab: 
a  b  e  o ,  /.  Iul.  mun.  a  s  e  c r  e  t  i  s ,  Prise,  p.  668 . 

a  b i  e i  s ,  a.  0.  a  c  a  I  c  u  1  i  s ,  a.  0. 

aquib(us),  Or.  3787.  arespönsis,  a.  0. 

apopulo,  /.  N.  2192.  abäctis,  a.  0. 

a  f  u  n  d  amen  to ,  /.  N.  2243.        a  s  e ,  Marin  Iscr.  Alb.  p.  39. 
a  p  r  i  v a  t  i  s ,  /.  N.  23 14.  a  m  ä  n  e ,  Diom.  p.  401. 

asölo,  I.  N.  2553.  6760.  ab h ine,  vgl.  II,  271  f. 

a  m  a i  ö r  i b  u s ,  /.  N.  4620.  a  b  u  s  q u  e ,  Hand,  Turs.  I,  72 A 

a  d  e  c i  m  o ,  /.  N.  6482.  a  b  a n  t  e  (spät.),  a.  0.  I,  63. 

ad: 
a  d  e  a  m  ,  ded.  vic.  Für  f.     T.  N.  a  d  1  a  v  a  c  r  u  m ,  /.  N.  2575. 

6011.  /.  Iul.  mun.  a d d  e f e n s i ö n ( e m  ).  I.N.  6270. 

a  d  e  a  s ,  aa.  00.  (p.  Ch.  20 1 .) 

a  dun  um,  Marin,  her.  Alb.  p.  adinvicem,    Hand,    Turs.   I 

109.  106. 

19* 


ad: 
adprime,  Gell.  XVII,  2,  14. 
adaeque,  /.  N.  2517. 
a  d  ü  s  q'u  e , 
adhüc,  vgl.  U,  271  /. 

cum  : 
c  u  m  a  1 1 .  e  r  (für  c  u  m  a  1  te  r  o ) ,  antiqu.  Fest.  p.  50. 
cumprimis,  Cic.  Verr.  II,  2,  28.    F6j;v/.  £.  I,  17S. 
cumprime,  Claud.  Quadr.  Gell.  XVII,  2,  14. 
c o  n q  u  e ,  /.  N.  1 064  {spät). 
co o qua,  /.  N.  1655  (spül). 
cumque,  I.  N.  5175  (spät). 
cumquä,  /.  N.  5452  (spät). 

de: 
depecünia,  /.  lul.mun. 
dcasse,  /.  N.  2671. 
desüo,  I.  N.  6652. 

(1  e  r  e  p  e  n  t  e ,  Diom.  p.  401.    i?o;/ .  p.  1761. 
de  subito,  Z>6W.  a.  0. 
deimproviso,  Diom.  a.  0. 
desürsuiu,  Don.  a.  0. 
d  eh  ine,  vgl.  11,  271  f. 
de  contra  (spät),  Hund,  Turs.  II,  125. 
dein  super,   Sa//,  hist.    Non.  p.  363.  G. 

ex: 
elege,  /.  In/,  mun. 
e  x  (j  u  6 ,  a.  0. 
elege,  /.  N.  2225. 

ex  elasse,  /.  N.   2657.    2669.   2688. 
exvoto,/.  N.  5238.  6771  (/>.  CA.  I  II). 
e  xaerae,  /•  N.  6825. 
exaere,  Mm  in.  her.  AJban.  p.  175. 
ex  I  eiuplo, 

exadvers  um,  GW/.  VI,  7,   1. 
examüssim, 
exhi  dc,   Vffl.  II,  271  /'. 
e contra  (spät),  Hund,  Turs,  II,  125, 


—     293 


in: 
i  n  e  a ,  /.  Iul.  mun. 
inieis,  a.  0. 
i  neis  ,  a.  0. 
ineo,  a.  0. 
i  n  qua,  a.  0. 
i  n  q  u  i  b  u  s ,  a.  0. 
i  n  i  ü  r  e  ,  a.  0. 
i  n  t  a  b  u  l  a ,  a.  0. 
i  n  t  a  b  u  1  a  s ,  a.  0. 
indiebus,  a.  0. 
inpartei,  a.  0. 
inforo,  a.  0. 
inlongitüdine,  a.  0. 
i  nlatitud  ine,  a.  0. 
inlöco,  a.  0. 


ine  astreis 


a.  0. 


inmunieipeis,   a.  0. 

inmunieipio,  a.  0. 

i  n  I  e  g  i  6  n  e ,  ct.  0.  Marin,  her 

Alban.  p.  92. 
insenätum,  /.  Iul.  mun. 
insinätum,  ct.  0. 
i  n in. t  e g r n  m ,  ct.  0. 
i  n  1 1  ä  1  i  a  m ,  ct.  0. 
i  n  q  u  o ,   Or.  Henz.  5380. 
inquibüsdani,  Or.  4859. 
inägro,  /.  N.  2148  {spät). 
in  fronte,  /.  TV.  2343. 
i  n  6  r  d  i  n  e  m ,  /.  N.  2474. 
inquä,  /.  N.  2800. 
i np ace ,/. N.  3945  (p.Ch.  545?  560?). 6700 {spat).%l 1 6. 6732.6733 

{spät).  7153  (p.  Ch.  386).  7159  (spät).  7171.  7181  [spät),  inpa- 

cae,  7191  (späfyii.  oft  auf  Christi.  Grabscbr.  häufig  auch:  in  pace). 
ob: 

oblibertätem,  7.  N.  2243, 

(quam)  obrem, 
p  ost: 

postemplum,  Marin.  AU.  Fr,  Arv.  p.  182.  258. 


inlllyrio,  I.  N.  4234. 
inSyria,  a.  O. 

inCapitolio,  Or.  Henz.  5088. 
inbasilica,  I.  N.  4496. 
inprovincia,   1.  N.  4759   ne- 
ben in  provincia. 
indie,  I.N.  6686. 
i  n  d  i  e  s ,  Marin,  her.  Alb.  p.  1 22. 
i  nvico,  I.  N.  6747. 
int  er  am,  a.  0. 
incontubern(io),  I.  N.  6904 

(spät). 
in  nomine,  /.  N.  6909. 
inconventu,    I.   N.  6914  (p. 

Ch.  5). 
i  n  e  x  i  g  u  o,  Marin,  her.  Alb.p.9 1 . 
i  npraetöria,  a.  0.  p.  92. 
iinprimis, 

i  n  p  r  i  m  o ,  Diom.  I,  p.  401 . 
i  n  c  i  r  c  u  m ,  Varr.  L.  L.  V,  25.  M, 
i  n  c  ö  r a  m  (spät),  Hand,  Turs.  1 II, 

358. 
in  ante  (spät),  ct.  0. 
i  n  p  r  a  e  s  e  n  t  i  a  r  u  m ,  Cat.  R.  R. 

1 44.  Fann.  Ann.  Prise.  960. 
i  nü  sque  (spät),  Hand,  Turs.  III, 

358. 
cnecclesia,    för    inecclesia 

(spät),  Roiss.  I.Lyon.  XVII,  1 1 . 


—     294     — 

p  o  s  i : 

poscolümnam,  a.  0. 

po stem pus,  Or.  2485. 

p  o  s  t  i  1 1  a ,  Plaut.  Cure.  529. 

po stil Lac,  Plaut.  Men.  685. 
pro: 

proportiöni,  /.  Iul.  mun. 

p  r  o  p  r  a  e  t  o  r  e ,  Consent,  p.  203 1 . 

procönsule,  a.  0.    Vgl.  proeönsuli,  Or.  Henz.  6481;  pro 
co ns u  1,  Or.  Henz.  6450. 

pr  oquaestore,  Consent,  a.  0. 

propörro. 

So  sind  durch  den  enklitischen  Anschluss  von  Pronomen  an 
das  folgende  Wort  gewisse  Städtenamen  entstanden  wie: 

A dnö  vula  s,  A  d  cälem, 

Admörum,  Adsoläria, 

A d  p a  1  e m,  A  d  p  ä  1  e  n,  A d  p  i  I  e,     A 1 1  ü r  r  e  s , 

A  (1  ä  ras,  A  d  ra  a  r  t  i  s , 

Adfines,  Ad  vieesumo, 

A  d  p  6 rt  um,  S  ii  ])  8  ;i  1 1  u  m ,  Subsätt  u, 

Adln  cos,  Inpyrenaäo,  Inpyreneum, 

die  auf  den  drei  von  llenzen  zusammengestellten  llinerarien  (Or. 
Inscr.  Rom.  5210.  p.  25)  immer  verbunden  geschrieben  wurden. 

Nach  dem  ausdrücklichen  Zeugnisse  des  Verrius  Flaccus, 
Quintilian,  Priscian  und  anderer  Grammatiker  verloren  nun 
aber  auch  zweisilbige  und  mehrsilbige  Ortsadrerbien,  die  zu  Prä- 
positionen verwandt  wurden,  vor  folgendem  Casus  eines  Nomen  ih- 
ren Hochton.    Als  solche  werden  bestimmt  bezeichnet: 

pöne, 

ä  n  t  c  , 

sine, 

ä  l>s<|  u  e, 

circa  m, 

secu  n  d  u  in, 
ad  vor su in, 
cor am , 
pal  am, 
I  e  uns, 
Vgl  Fes/.  p.  2|s.  r.  pone.  Quint.  I,  5,  "27.    Prise.  975.  976.  977 


penes, 

in  1  er, 

I»  r  6  |»i  e  r 

e  i  1 ra. 

ron  1  ra, 

e  \  t  r  a  , 

i  n t ra, 

infra, 

süpra, 

ultra. 

—     295     — 

979.  380.  991.  992  f.  998.  999.  1019.  1228.  Charts,  p.  207. 
209.  Max.  Victor,  p.  1953.  Prob.  Anal  Gramm.  Eich.  Endl. 
p.  374. 

Vereinzelt  findet  sich: 

superlimen,   Or.Henz.  5129. 

Es  kann  hiernach  nicht  zweifelhaft  sein,  dass  alle  Präpositio- 
nen vor  der  zugehörigen  Casusform  des  Nomen  lieftonig  gesprochen 
wurden.  Dass  dies  schon  zu  Cäsar s  Zeiten  auch  für  zweisilbige 
Präpositionen  galt,  zeigen  die  Schreibweisen: 

intcrse",  /.  Iul.  mun. 

interdiu,  a.  0.  nehen  inte  r  d  i  u , 
und  für  Plautus  und  Ca  tos  Zeit: 

interdiüs,  Plaid.  Most.  444.  Aulul.  !,  1,  33.  Cato  R.  B.  83. 
wie  in  den  Wortverbindungen  ad  aequo,  ahüsque,  desübito, 
pro  ])  alam,  e  x  a  m  ü  s  s  i  m ,  ex  a  d  v  6  r  s  u  in  *) ,  i  in  p  r  a  e  s  e  n  t  i  ä  - 
runi,  von  denen  noch  weiter  unten  die  Rede  sein  wird,  sich  schon 
bei  Plautus  und  Calo  auch  die  enklitische  Natur  der  einsilbigen 
Pronomina  bewährt.  Die  alte  Form  interdiüs  ist  sprachlich 
merkwürdig.  Aus  dem  Sanskritstamm  divas-  entstanden  im  La- 
teinischen die  beiden  Stämme  d  i  es-,  noch  erhalten  in  Dies-piter 
und  mit  Sinken  des  s  zu  r  in  ho-dier-nns  und  diüs-,  noch 
seihständig  erhalten  hei  Plautus,  Merc.  862:  neque-noctu 
nequc  dius,  wo  diu s  ein  alter  neutraler  Accusativ  ist,  der  zum 
Zeitadverbium  mit  der  Bedeutung  bei  Tage  verwandt  wurde,  und 
mit  Alischwächung  des  s  zu  r  in  diur-nus.  Wie  das  stamm- 
hafte s  von  d  i  e  s-  schwand  in  d  i  e  i,  die  {vgl.  sp  es,  sp  er  es,  spei) 
sich  aber  als  Nominativzeichen  in  dies  hielt,  so  fiel  von  dius  in 
diu  das  s  ab,  hielt  sich  aber  als  Norninativzeichen  in  nu-dius 
(tertius).  Hiernach  ist  in  interdiüs  das  dius  für  eben  jenen 
alten  neutralen  Accusativ  zu  halten,  und  durch  Abfall  des  s 
von  demselben  entstand  interdiu.  Wenn  nun  neben  interdiüs 
bei  Plautus  noch  die  Form  dius  gesondert  vorkommt,  wenn  zu 
Cäsars  Zeiten  interdiu  und  inter  diu  geschrieben  worden  ist, 
so  ist  klar,  dass  in  der  älteren  Sprache  beide  Bestandteile  noch 
nicht  verwachsen  waren  und  enklitisch  betont  wurden  interdiüs, 
interdiu,  grade  so  wie  die  oben  angeführte  Form  in  die.     Dass 


*)  Ueber  die  Nichtigkeit  der  angeblichen  Betonung    exädversum 
Gell.  VI,  7,  4  f.,  vgl.  Hand,  Turs.  II,  662. 


—     296     — 

aber  im  Verlauf  der  Zeit  die  beiden  Wortbestandtheile  zu  Compo- 
sitcn  verwuchsen,  dafür  spricht  die  Analogie  von  hödie,  pridie, 
propediem  und  mancher  ähnlicher  weiter  unten  zu  besprechender 
Wortverbindungen,  so  dass  in  späterer  Zeit  interdiu  betont  ward. 

Im  Griechischen  waren  es  nicht  bloss  iv,  stg  und  ix, 
die  vor  folgendem  Nomen  tiefton  ig  gesprochen  wurden,  sondern 
auch  zweisilbige  Präpositionen,  wie  die  Bezeichnung  ihrer 
Endsilbe  durch  den  Gravis  vor  der  folgenden  Casusform  und  der 
Abfall  ihres  auslautenden  Vokals  vor  vokalischem  Anlaut  des  fol- 
gendes Wortes  zeigt,  also  in  Fällen  wie  an  avrov,  6V  o,  ustf 
dguoviag ,  in  ovgavov,  nag'  v^icov.  Dieser  Abfall  zeigt 
sich  im  Dorischen  und  A  eolischen  Dialekt  auch  vor  consonan- 
t'ischem  Anlaut  des  folgenden  Wortes  in  Verbindungen  wie  dv'  tuv, 
dv  tov,  avtcog,  nag'  rdv^nag'rd,  nag'  xov  (Ahrens, 
Dial.  Dor.  p.  354  f. ) ,  6v  x 6  ( d v d  ro)  x a %  xecpdlag ,  xay 
yovav,  an  narigeov,  neg  6 a,  nsg  xscpdAag  (A.D. Aeol. 
p.  149  f.)  —  Mit  folgendem  Artikel  und  Pemonstrativum  finden  sich 
dann  so  verstümmelte  Präpositionen  zusammengeschrieben  in  Pori- 
sehen  Formen  wie  xa  rrd  ,  xazxdv,  xarrdg,  xaxtov,  x  ax- 
xeov,  n'O  ttk,  noxx  a,  noxxdv,  n  oxxdg ,  noxxo,  not  top. 
noxxcp  und  im  Aeolischen  wie  xaxxav,  xaxxdg,  xaxxd,  xax- 
rot'g,  xaxxco  [aa.  00.),  Sehreibweisen,  die  also  den  Lateinischen 
a  b e  o ,  a  b  i  e i  s .  a  d  e  a  m ,  a  d  e  a  s ,  i n  6a,  i  n  i  e  i  s,  p  o  s  t  i  1 1  a  u.  a.  ge- 
nau entsprechen. 

Auch  im  Deutschen  werden  die  Präpositionen,  falls  sie  nicht 
durch  einen  besonderen  Nachdruck  des  Sinnes  gehoben  weiden.  tief- 
Ionig  gesprochen  in  Verbindungen  wie  a  uf  eh  re,  aus  I  iebe,  d  ure  h 
gute,  für  geld,  mit  fr  enden,  na  eh  hause,  vor  wülh, 
unter  (hränen,  über  Und  u.  a.  Die  Natur  der  Sache  hat 
diese  Belonungsweise  veranlasst.  Die  Casus  drücken  ursprüng- 
lich vorwiegend  die  anschaulieh  ort  liehen  Beziehungen  der 
Dinge  zu  dem  Sprechenden  und  unter  einander  aus,  das  Wo, 
Wolter,  Wohin;  ebenso  die  Präpositionen.  Wie  die  Casus, 
so  werden  die  Präpositionen  alier  auch  frühzeitig  auf  zeit  liehe 
und  *  auf  wesenhafte  Beziehungen  der  Dinge  und  Ereignisse 
übertragen.  Die  Präposition  veranlasste  also  nicht  die  Bedeu- 
tung der  Casus,  sie  prägt  e  dieselbe  nur  noch  entschiedener  aus, 
sie  war  n  ich!  die  Haupt  sa  ch  e,  sondern  ein  Ford  ein  Dg  sin  it  - 
tel  der  Hauptsache.     Sie  ordnete  sich  daher  auch  dem  Haupt- 


—     297     — 

wortc  als  Nebenwort  unter  und  neigte  sich  tieftonig  dem 
Hoch  ton  desselben  zu. 

Priscian  lehrt,  die  Präpositionen  hätten  ihren  ei  genen  Hoch- 
I  o n  behalten,  wenn  sie  nach  de r  zu  ihnen  gehörenden  Casus- 
form  standen,  so  zum  Beispiel  propter  und  penes  in  Verbin- 
dungen wie  te  pröpter,  eündem  pröpter,  te  penes  (/?.  977. 
982.  1228.  1266.  Serv.  Verg.  Jen.  II,  681.  IV,  416).  Dass  in 
der  That  quapröpter,  ea pröpter  betont  sei,  ist  eben  so  wenig 
zu  bezweifeln,  wie  die  Betonung  quacünque,  quousque,  quo- 
circa,  id  Circo,  indem  Formen  der  Pronomen  is  und  qui  infolge 
ihrer  schwachen  Bedeutung  sich  auch  sonst  tieftonig  an  den  Hoch- 
ton des  folgenden  Wortes  lehnen  ;  demgemäss  ist  es  nicht  unglaub- 
lich, dass  auch  te  pröpter,  eündem  pröpter  gesprochen  wer- 
den konnte  und  pröpter  den  Hochton  behielt  wie  in  dem  Fall,  wo  es 
eigentliches  Ortsadverbium  ist  und  in  der  Nähe  bedeutet.  Aber 
für  tieftonig  nach  der  zugehörigen  Casusform  hält  Priscian  propter 
in  dem  Falle,  wenn  ihm  noch  ein  Genetiv  folgt,  der  von  jener  Ca- 
susform abhängt,  wie  in  der  Verbindung  virtutem  propter 
imperatoris  (p.  982).  Auch  für  penes  lässt.  sich  Priscians 
Aussage  nicht  schlechthin  abweisen.  Wie  aus  penu,  penus, 
penitus  erhellt,  bedeutet  penes  eigentlich  in  der  Vorrats- 
kammer, und  da  diese  im  Innern  des  Hauses  lag,  inwen- 
dig, daher  gelangt  denn  auch  penes  aliquem  sehr  natür- 
lich zu  der  Bedeutung  in  jemandes  Besitz  oder  Gewalt. 
Wenn  nun  in  der  alten  Sprache  dieses  penes  von  der  Casusform, 
zu  der  es  gehört,  auch  durch  dazwischen  gestellte  Wörter  getrennt 
erscheint  wie  Plaut.  Aul.  IV,  4,  27:  .  .  Neque  tui  me  qufcquani 
invenisti  penes,  so  war  es  natürlich,  dass  es  in  dieser  gesonder- 
ten Stellung  seinen  Hochion  behielt.  Demnach  erscheint  Priscians 
Lehre,  dass  te  penes  betont  worden  sei,  bei  der  scharf  aus- 
geprägten Bedeutung  von  penes  wohl  glaublich.  Dass  auch 
causa  und  gratia,  wo  ihnen  ein  Genetiv  vorherging,  den  Hoch- 
ton behielten,  versteht  sich  von  selbst,  da  diese  Wortformen  nicht 
aufgehört  haben  eigentliche  Ablative  von  Nomen  zu  sein.  Pris- 
cian irrte  nun  aber  darin,  dass  er  seinen  obigen  Satz  wahr- 
scheinlich nach  dem  Vorbild  der  Griechischen  Anastrophe 
zu  allgemein  aussprach;  denn  die  Schreibweisen  hactenus, 
i  1 1  a  c l e n  u s  ,  ist  a ctenus,  e a t  e n u s  ,  q  u a t e  n  u s  ,  m e c u m , 
t  e  c  u  m  ,    s  e  c  u  m ,    n  o  b  i  s  c  u  m  ,    v  o  b  i  s  c  u  m ,    q  u  a  c  u  m ,    q  u  ö  - 


—    298    — 

cum,  q  u  f  c  u  m  ,  q  u  i  h  ü  s  c  u  m ,  q  u  ö  a  d ,  n  ü  p  e  r ,  p  a  r  ü  m  p  e  r , 
paullisper,  tantisper  u.  a.  lassen  keinen  Zweifel,  dass  die 
Präpositionen  tenus,  cum,  ad,  per,  auch  wenn  sie  nach 
ihrer  Casusform  standen,  tieftonig  gesprochen  wurden*). 
Aus  der  Betonung  der  Griechischen  Präpositionen  stammte  ja  auch 
die  irrige  Theorie  Römischer  Grammatiker,  dass  auch  Lateinische 
Präpositionen  den  Hochton  auf  der  letzten  Silbe  haben  konnten, 
um  sie  von  gleichlautenden  Wortformen  zu  unterscheiden  wie  pone, 
sine,  ergo  u.  a.,  von  denen  oben  gehandelt  ist. 

Unter  den  oben  verzeichneten  Tonverbindungen,  deren  erster 
Theil  ein  zur  Präposition  verwandtes  Ortsadverbium  ist,  findet  sich 
eine  ganze  Anzahl  solcher,  in  denen  dieselbe  sich  nicht  an  eine 
Casusform  anschloss,  sondern  an  ein  Adverbium,  meist  des  Ortes 
oder  der  Zeit,  das  ursprünglich  freilich  auch  aus  einer  Casusform 
entstanden  war.  Solche  Bildungen  linden  sieh  schon  in  Plaut us 
Sprache,  treten  aber  häutiger  auf  in  der  Spätlateinischen  Volks- 
sprache.    Hierher  gehören: 

de  contra,  spät,  de  subito, 

e  e  6  n  t  r  a ,  des  ff l.  p  r  o  p  6  rr  o, 

a  in  a  n  e ,  desgl.  i  n  c  ö  r  a  m ,  spät, 

cumprime,  d  es  u  es  um,  Spät, 

a da£que,  exa d ver  s  u  m  , 

a  b;i  nte,  spät,  ex  a  in  i'i  ssi  in, 

inänte,  desgl.  adinvicem,  spät, 

abüsqu  e  ,  im  pr.a  esent  i  ar  um, 

adüsque,  abhinc, 

inüsque,  spät,  exbfnc, 

deb  ine. 
Im  Deutschen  entsprechen  diesen  Bildungen  Verbindungen 
wie:    von  gegenüber,    von   früh,    zuerst,   zugleich,  zu- 
vor, bis  wo,  voraus  u.  a..  im  Griechischen:  TtccQtx*  nagst,-, 

V7t£X,    V7tE%,    £7C8X£LVCC,    7t£QL7lQO   U.    a.       DaSS   aiicll   MI   l'\- 

*)  Wenn  Priscian,  p.  998,  daa  cum  in  iure  um,  te'cum,  s^enn, 
nobiscum,  vobfscum  für  tieftonig  und  enklitisch  erklärt,  hin- 
gegen in  quo cum,  q  u  ;i  c  n  m  ,  quieum,  quibüscum  für  bochtonig, 
so  bewo^  ihn  zu  dieser  Unterscheidung  vielleicht  die  Bemerkung,  dass 
für  jene  Verbindungen  nie  cum  me,  cum  nöbia  u.  a.  gesagt  wurde, 
während  cum  quo,  cum  qua,  cum  quibus  u.  a.  ganz  gewöhnlich 
sind.  Natürlich  musste  ernach  jener  nsicht  quo  edm,  qua"  cum  u.a. 
schreiben. 


—     299     — 

amussim  der  Accusativ  amussim  zum  Adverbium  geworden 
war,  beweist  die  Erklärung,  Fest.  p.  6:  Amussim,  regulari- 
t  e r.  Was  die  absonderliche  Wortverbindung  i m  p  r a  e s  e n  t  i a r u  m 
anbetrifft,  so  ist  weder  ein  Genetiv  Pluralis  von  praesentia 
denkbar,  noch  hat  ein  angebliches  Adjectivum  pra  esentiarus, 
das  heisst  eine  Adjectivbildung  mit  dem  Suffix  -ro  von  einem 
abstracten  Substantivum  auf  -ia  {Boederl.  Etymol.  I,  p.  140. 
Hand,  Turs.  III,  p.  237),  im  Lateinischen  irgend  eine  Analogie. 
lmpraesentariuin  ist  jedenfalls  eine  dreifache  Wortverbin- 
dung, deren  zweiter  Bestandteil  praesenti  oder  praesentia, 
der  dritte  entweder  carum  oder  haruin  is(,  Möglichkeiten,  die 
lautlich  alle  erklärlich  sind.  Da  nun  aber  in  praesentia  so  über- 
aus häufig  gesagt  wird,  in  pra  esenti  kaum  an  einer  oder  der  an- 
deren Stelle,  und  da  praesentia  mit  einem  folgenden  Genetiv 
verbunden  wird,  praesenti  aber  nicht,  so  muss  man  schliessen, 
dass  praesentia  der  zweite  Theil  jener  Zusammensetzung  war. 
Dass  ferner  haruin,  nicht  earum  der  Genetiv  war,  der  sich  an 
in  praesentia  anschloss,  ergiebt  sich  daraus,  weil  das  Pronomen 
hie,  wie  es  überhaupt  dazu  dient,  den  örtlichen  Standpunkt  oder 
die  Zeit  des  Redenden  scharf  zu  bezeichnen,  feststehend  auftritt, 
um  die  Gegenwart  zu  bezeichnen;  so  erscheint  es  stets  in  Verbin- 
dungen wie  hoc  tempore,  hoc  anno,  horno  für  ho-iorno 
(heuer),  hodic,  hoc  die,  im  bestimmten  Gegensatz  zu  eo 
tempore,  eo  anno,  eo  die,  und  daher  auch  in  Verbindun- 
gen wie  haec  in  praesentia,  Cic.  fön.  V,  8,  hoc  —  in  prae- 
sentia, Cic.  Alt.  XV,  20. 

Daher  ist  der  Schluss  gerechtfertigt,  dass  impraesent ia- 
rum  aus  in  praesentia  harum  zusammengezogen  ist,  wie  ala 
aus  ahala;  zu  dem  Genetiv  harum  ist  aber  rem  in  zu  ergänzen 
wie  zu  r  epetundarum.  Also  heisst  impraesentiar  um :  in 
Gegenwart  dieser  Verhältnisse  oder  bei  der  gegen- 
wärtigen Sachlage,  unter  den  gegenwärtigen  Ver- 
hältnissen. 

Im  vorigen  Abschnitt  ist  dargethan  worden,  wie  Wortverbin- 
dungen, die  aus  Ton  an  schluss  an  das  vorhergehende  Wort  ent- 
stände, zu  festen  Compositen  verwuchsen  und  dann  die  e n - 
klitischc  Betonung  in  die  gewöhnliche  überging.  Ebenso 
verwachsen  nun  auch  Präpositionen,  die  sich  tief  tonig  an 
eine  folgende  Casusform  lehnten,  mit  diesen  zu  Compositen, 


—     300     — 

und  dann  rück t  der  H o  c  h  t  o  n  ,  dem  gewöhnliche  n  Beto- 
nungsgesetz folgend,  auf  die  Präposition  zurück.  So  geschah 
es  in  : 

amodo  {spät),  Band,  Tvrs.  1,  287.  für  a  modo, 
denuo,  de  novo, 

Illico,  inloco, 

i  n  t  e  r  d  i  u ,  i  n  t  e  r  d  i  u  ,  inier  dius, 

a  d  m  o  d  u  m,  Or.  Ben z.  7 1 68.  a  d  m  6  d  u  m , 

]>  ö  s  t  m o  d  u  in ,  Or.  Benz.  (>429.  p  o  s  t  m ö d  um, 

praemodum,   Gell.  VI,  7,  12.  H.  praemöduin, 

propemodum,  prope  mödum, 

6  bit er  (bei  Wege,  d.  h.  im  Vor-       oh  iter, 
beige  hu  )  ,     Prise.    1014. 
Charts,  p.    187. 
öbviam,  ob  vi  am, 

p  e  r  v  i  a  m ,  Charts,  p.  187.  p  e  r  v  i  a  m , 

p  r  ö  p  a  1  a  m ,  p  r  o  p  ä  1  a  m , 

affatim,    Gell.  VI,  7.  ad  fatim. 

Am  entschiedensten  tritt  dies  Verwachsen  zum  Compositum 
hervor  in  denuo,  wo  im  zweiten  Worttheil  Vokalausstossung  ein- 
tritt, und  in  illico,  wo  der  eiste  Bestandteil  durch  Assimilation 
eines  Consonanten,  der  zweite  durch  Vokalerlcichternng  entstellt 
ist.  Vollkommen  richtig  ist  es  demnach,  wenn  Ann ianus  (Gell. 
a.  0.)  sagt,  dass  schon  die  Alten  affatim  gesprochen  wie  ädmo- 
d  u  m  :  q  u  o  d  c  a  f  f  a  I  i  in  '  n  o  n  e  s  s  e  n  I  d  u  ;i  e  p  a  r  t  e  s  o  r  a  t  i  o  n  i  s 
sed  utraque  pars  in  unam  vocem  coaluisset.  Pass  da- 
neben auch  noch  ad  fatim  oder  affatim  mit  enklitischer  Ilelo-, 
nung  gesprochen  werden  konnte,  wird  dadurch  bestätigt,  diissdas  ac 
cusalivischc  Adverbium  fatim  noch  gesondert  vorkam,  Serv.  Verg.h 
123:  Fa  tira  enim  ab  und  anter  dieimus  u  nde  e  t  c  ;i  IIa  lim  \ 
Von  den  Fürwörtern  schliesst  sich  insbesondere  das  rela- 
tive und  das  unbestimmte  Pronomen  tieft onig  an  das  folgende 
hochbetonte  Wort  an.  So  lehrt  schon  Quintilian  I,  .'>,  26,  Ins- 
besondere aber  Priscian  p.  580:  Infinit  um  est  interroga 
tivorum  conlrarinm  ut  -quis,  qualis.  quantus,  quot, 
quotus',  cum  in  leclione  gravi  accentu  pronuntian- 
lur.  Pri&c.  p.  1019.  P:  Interrogativum  acutum  penulti- 
mam  habet,  relativum  gravatur  (vgl,  Prise,  p.  1226.  1267. 
961.  1018.  1051.  1060.    Gell.  VI.  2,  9.  //.). 


30 


In  der  Schrift  ist  dieser  Tonanschluss  des  Relativum  an  ein  fol- 
gendes Wort  nicht  seilen  durch  verbundene  Schreihart  dargestellt. 
So  finden  sich  zu  Cäsars  Zeit  geschrieben : 

quaequihüsque,  /.  Iul.  mun. 

quodie,  a.  0. 

quoqirca,  a.  0.  neben  quo  circa, 

q  u  e  i  v  6 1  e  t ,  a.  0. 

(juacstipCndia,  a.  0. 

Das  einfache  Pronomen  relativum,  relative  Pro- 
nomina 1  a  d  j  e  c  t i  v a  und  Pro n o mi  n  a  1  a  d  v erb i a  schliessen  sich 
tieftonig  an  folgendes  eunque,  cumque,  alt  quomque. 

In  der  älteren  Zeit  ist  diese  Tonverbindung  nicht  fest;  daher 
finden  sich  auf  den  älteren  Inschriften  nebeneinander  verbunden 
und  getrennt  geschrieben: 

queiquömque,  tob.  Bantin.       quei  quomque,  /.  rep.  (Serv.) 
(qu)iquömque,  /.  repel.  quae   quomque,  a.  0. 

( [  u  e  i  <|  u  ö  m  q  u  e ,  /.  ctgr.  ( Thor.)  q u ib  u s  quomque,  a .  0. 
q  u  c  i  q  u  6  mque,    /.     Com.    de 
XX  q. 


queiquömque,    Sc.   d.   Ascl. 

Claz. 
q  u  e  i q  u  ö  m  q  u  e  ,  /.  Iul.  mun. 
quemquömque,  a.  0. 
quiquo  mque,  a.  0. 


queiquömque,  /.  Ruhr. 
q  u  o  q  u  6  m  q  u  e ,  a.  0. 
q  u  i  c  ü  m  q  u  c  ,    Ceti .  P/s.   Or 
7428. 


q  u  <'  l  q  u  o  m  (|  u  c ,  /.  üfjr.  ( Thor.) 
quos   quomque,   /.    Com.   de 

XX  q. 

quosque    quomque,  a.  0. 

quei  <j  uo mque,  a.  0. 

q  u  e  m  <[  u  o  m  q  u  e,  ded.  vic.  Für  f. 

I.  N.  6011. 
quo  quomque,  /.////.  mun. 
quei  <|  uomque,  a.  0. 
quodque     quisque     quom- 
que, /.  Ruhr. 
quisque   quomq.,  /.  Ruhr. 
q u o iq u e q  u o  m  q  u  e ,  a.  0. 
643.      Vgl.   L   Malac.   Or.  Henz. 


Auch  bei  Dichtern  findet  sich  die  getrennte  Schreibung  ;  so 
quae  cumque,  Afran.  Com.  Rib.  p.  179. 
quem  cumque,  Syr.  Senl.  Com.  Rib.  p.  298. 
qui  cumque,  a.  0.  299. 
qua  c  u  m  q  u  e ,  a.  0.  276. 
quod  cumque,  a.  0.  273. 


—     302     — 

Bei  Lucrez  ist  cumque  vom  Relativum  häufig  durch  dazwi- 
schen gestellte  Worter  getrennt,  wie: 
cuiusvis    cumque,   HI,   388. 
quae  loca  cumque,    IV,   867. 
qua  de  causa  cumque,  VI,  85. 
qui    cuiquest  cumque,  VI,  867. 
qui  lapidem    ferrumque  est.  cumque,  VI,  1002. 
Quomque,    cumque    war  also   ein   selbständiges  Wort;   wenn 
quom,  cum  Accusativ  des  Pronominalslammes  cu-,  quo-  ist  und 
wann    bedeutet,   so    bedeutet    quomque,    cumque    irgend  - 
w a n n ,   i r g e n d w i e  und  das  verbünd ene  quei-quomque:  w e r 
irgend    wann    irgend    wie.     Die    stark    hervorgehobene    Be- 
zeichnung der  verschiedenen  Möglichkeiten  von  Zeit  und  Weise  in 
quomque   machte,  dass  die  vorhergehende  relative  Pronominal- 
bildung  den  Hochton  verlor.     So  ist  es  auch  in: 
q  uotcü  mque  ,  üb  icümque, 

quäl  is  cumque,  ut  c  ü  mque, 

q  uantus cumque,  und  ecü  mq  u  e. 

(f  uan  I  uluscümq  ue, 

So  waren  nun  ferner  die  relalivischen  Partikeln  tieftonig  in 
Verbindungen  wie: 

c ii  in in,i  \  im e,  i|  im  nid  i  u  , 

quam   maxi  nie,  al  iq  u  a  md  i  u  . 

<|  uam  primum,  queäd  in  o  du  in.  Or.  /Av/:.7osl. 

quam  c e  1  e r r  i m e  u.  a.,  q  u o ü  squ e, 

quamobrem,  Charts p.  190.  quoefrea, 
M(lw  Viel.  i>.  1952.  quapröpter, 

qui  nel  i a  in  ,  Charts,  />.  L99. 
Ebenso  schloss  sich  quol   tieftonig  an  das  folgende  Woii  in: 
quotännis,  Or.  2489.      vgl.quot  annis,  l.repet.  {Serv.) 
quodannis,   Or.  3772.  quod  annis.  Cen.Pis.  Or.  642. 

Or,  llcnz.  7346.    4115. 
quotkalendis,  Plaut.  Stich.  60. 

Dass  auch  Formen  demonstrativer  Pronomina,  wo  sie 
in  unbetonter  Stelle  im  Satz  stehen,  tieftonig  gesprochen  werden 
konnten,  ist  schon  oben  aus  der  Messung  von  ille.  igte,  ipse, 
inde,  eeee  geschlossen.  An  ein  vorhergehendes  Wort  schlössen 
sie  sich  an  m  Verbindungen  wie  äntea,  pöstea,  antfdea, 
ellum  ,  eccam  u.  a.    Seilen  isi  Anlehnung  eines  Demonstrativs  an 


—     303     — 

ein   folgendes  Wort  durch  die  Schrift   ausgedrückt.     Doch   finden 
sich  die  Schreibweise«: 

eamrim,   /.  Iul.  mun. 

eaires,  a.  0. 

eare,  a.  0. 

id  Circo,  Or,  3678.  4039.  4040. 

h u n c i  nerem,  /.  N.  5299. 

So  wurde  auch  im  Griechischen  ein  demonstratives  Prono- 
men, der  Artikel  6,  rj ,  oi,  au  li<  flonig  mit  dem  folgenden 
Woiic  ziisammengesprochen.  Indessen  zur  allgemeinen  Geltung 
scheint  der  Tonanschluss  von  hie,  is  und  ihrer  Formen  an  ein 
vorhergeliendes  Wort  nicht  gekommen  zu   sein. 

Das  hinweisende  ecce  trat  enklitisch  an  Casusformen  von  ille 
und   is  le  in: 

ec  eil  In  in,  ec  eist  am,    Plaut  Cure.  615. 

e  c eilt  a  m , 
eeeil  Ind. 

Aneh-die  einfachen  C  onj  unetionen  sind  im  Zusammen- 
hang der  Lateinischen  Hede  vielfach  tieftonig  gesprochen  worden, 
Prise,  p.  1266:  Praepositiva  omnis  coniunetio  et  prae- 
positio  gravatur,  postpositiva  vero  gen  er  a  lern  ac- 
c  e  n  t  u  m  s  e  r  v a  t  d  i c  t  i  o  n  u  m  ;  vgl.  p .  975 ,  1 240,  1 24 1 ,  1 258. 
Ausdrücklich  werden  unter  den  Conjunctionen  als  tieftonig  genannt 
i  a  m ,  Prise,  p.  1 24  1 ,  bestätigt  durch  i  a  m  diu, 

i  a  m  d  \\  d  u  m , 

i  a  m  p  r  i  d  e  in ,  Or.  Henz.  25S0. 
wie  sich  das  Wort  in  quispiam,  quoniam,  quia  tieflonig  an 
das  vorige  angeschlossen  hat.  Tritt  ein  Enklitikon  an  iam  heran 
wie  in  iamqu'e,  so  erhielt  es  den  Hochton  wieder  (Prise.  1245.  /'.). 
,  Tieftonig  ward  auch  gesprochen  die  Conjunction: 
ne,  Charts,  p.  202.  Prise,  p.  1242,  vgl.  nequidquam, 

nequaquam  u.  a., 

n  e  q  i  d  e  m,  Or.  Henz.  6138. 

n  i  m i  r  u m,  Or.  Henz.  5580. 

Hingegen  ward  das  bloss  verneinende  ne  heim  I in p e r a - 

tiv   mit  dem   scharfen  Hoch  ton  gesprochen  {Charts,  p.  202. 

Prob.  Eichen/'.  Enal.  p.  368.   Diom.  p.  388.),  da  es  durch  den  Ton 

des  Befehles  scharf  hervorgehoben  ward,  wahrend  das  bekräfti- 


—     304     — 

gen  de  ne,  Griech.  vcci,  nacli  Priscians  ausdrücklicher  Angabe 
{a.  0.)  mit  dem  gebrochenen  Hochton  betont  wurde. 

Für  non  und  neve  bezeugen  enklitische  Betonung  die  Schreib- 
weisen : 

nonpösse,  /.  Iul.  mun.  n e i  v e q  u  1  s q  u e ,  /.  Iul.  mun. 

nonlicebit ,  a.  0.  neivedicere,  a.  0. 

nondebuer  unt,  Or.Henz.11bh. 

Wie  andere  relativische  Conj unctionen  verloren  den  Hochton  im 
Zusammenhang  der  Rede  auch: 

uti,  vgl.  u  t c  ü  m  q  u  e ,         v  el  u  t  i , 

ut,  Prise,  p.  1281.  ut  primum,       velut*); 

hingegen  behielten  uti  und  ut  im  fragenden  Sinne  den  scharfen 
Ilochton  wie  quis,  quantus  und  andere  Frageworter  (Charts. 
p.  202). 

Tieftonig  gesprochen  ward  auch : 

q  u  a  n  d  o , 
wenn  es  zur  relativen  Conjunction  mit  der  Bedeutung  wann, 
da  abgeschwächt  war,  schon  zu  Verrius  Flaccus  Zeit,  Fest, 
p.  259.  Prise,  p.  1018.  Charts,  p.  199.  Diotn.p.  410.  T&ax.  Vict. 
l>.  1952,  während  das  Fragewort  quando  natürlich  ho  eh  ton  ig 
blieb,  Pris.  c.  u.  0.  Chär.  p.  86.     Dass  (li±  Adverbium  quando  mit 


*)  lieber  Cledonius  nichtige  Angabe,  dass  das  fragende  ut  cir- 
cumfleetiert  worden  sei,  p.  L026,  vgl.  Langen,  a.  Ü.  p.  13.  Mit  Recht 
nimmt  L.  auch  Anstoss  an  Priscians  Behauptung)  p.  1020.  1242. 
1247,  dass  sie  zu  Anfang  von  S  C  b  w  n  r  f  o  rmeln  tieft  o  □  ig  gesprochen 
sei,  da  es  ja  in  diesem  Zusammenhange  die  demonstrative  Kraft 
seiner  Bedeutung  entschieden  wahrt.  Priscian  scheint  hier  der  bespro- 
chenen Unterscheidungstheorie  gleichlautender  Wörter  von  verschiedener 
Bedeutung  durch  den  Accent  gefolgt  zu  sein.  Ebenso  befremdlich  ist  für 
utinam  die  von  Priscian  angegebene  tieftonige  Aussprache  aller 
»Silben,  p.  1281,  wegen  der  starken  Bedeutung  dieser  Wunsch- 
partikel. Als  sicli  zuerst  na  in  an  das  vorhergehende  uti  anschlols, 
muss  natürlich  utinam  betont  worden  sein;  dass  daraus  das  Composi- 
tum utinam  wurde,  ist  schon  oben  aus  der  Kürzung  des  i  geschlossen. 
Glaublicher  erscheint  die  Angabe,  /;,  12  17,  dass  auch  das  sie  in  sie  uti 
tieftonig  gesprochen  sei,  da  die  Bedeutung  von  sie  in  dieser  Verbindung 
so  schwach  geworden  ist,,  dass  sicuti  sieh  von  dem  blossen  uti  in  der 
Bedeutung  kaum  merklich  unterscheidet.  Klar  ist.  aber,  dass  man  ein- 
mal sicuti  gesprochen  bat  wieveluti,  und  jedenfalls  erst  in  späterer 
Zeit  sicuti  ganz  tieftonig  gesprochen  werden  konnte,  wie  postquam 
und   atque  im  Zusammenhang  der  Bede. 


-     3()5     — 

der  ursprünglichen  Bedeutung  eine  s  Tages  ho cli tonig  gespro- 
chen wurde,  lehrte  Verri us  Flaccus,  Fest.  a.  0.  {Vgl.  Max. 
VicL  p.  1952);  dass  es  indessen  auch  in  die:  er  Bedeutung  nach 
vorhergehendem  si  und  ne  den  Hochton  verlor  und  siquando, 
nequando  gesprochen  wurde,  ist  ohen  nachgewiesen.  Daher 
schloss  es  sich  denn  auch  tieftonig  an  folgendes  cumque  an  in: 
q  u  andocümqne. 

Dieselhe  Betonung  fand  natürlich  auch  statt  hei  den  relaliven 
Conjunctionen: 

quo,  quin,  vgl.  quin  etiam, 

quod,  uhi,  ubicümque,  Or.  4035. 

q  u  i  a , 

Ausdrücklich   werden  ferner  als  lieflonig  im  Zusammenhang 
der  Rede  bezeichne! : 
atque,  Prise,  p.  1240. 
postquam,  a.O.p.  1236; 
doch  müssen  sie  ursprünglich  atque,  postquam  betont  worden 
sein,  als  die  enklitischen  Anfügungen  -que  und  -quam  an  at  und 
post  herantraten. 

Die  tieftonige  Aussprache  anderer  Conjunctionen  und  Parli- 
fceln  wird  ausser  durch  Priscians  Aussage  bestätigt  durch  die 
Schreibvveise,  indem  sie  vielfach  mit  dem  vorhergehenden  oder  dem 
folgenden  Wort  verbunden  geschrieben  werden.     Dies  gilt  von  fol- 


genden : 

haud,          vgl. 

haudquäquam, 

si, 

sültis,  für  si  vultis, 

sis,              si  vis, 

d  u  m , 

dumtaxat,  Or.  2417. 

3678.OrJSGau.5428. 

5430.   5433.    5520. 

5534.    6857.    6858. 

6859. 

n  ö  n  d  u  m  , 

vi x dum  u.  a., 

etiam, 

etiamnünc, 

e  t  i  a  m  t  ünc, 

usque, 

u  s  q  u  e  q  u  ä  q  u  e  , 

s  i  m  u  1 , 

s  i  m  u  l  atque, 

t  a  m , 

tametsi, 

CORSSEN     IL 

* 

älter :  dum  t  ä  x  a  t , 
/.  repel.  I.  repet. 
Sero,  LRuhr.  I.N. 
4601.  Or.  Henz. 
5418. 


20 


—     306     — 

tarn on,        vgl.     tarnen  et  si, 

attamcn, 
n  a  m  ,  q  u  i  s  n  a  m  , 

q  u  i  a  n  a  m , 

t  a  n t  ü in  n  a  m ,  Or.  4858. 
enini;  enimvero, 

e  t  e  n  i  m , 
n  u  in ,  e  t  i  a  m  n  u  m , 

an,  försan, 

f  o  r  s  i  t  a  n , 
fortäs  scan, 
on,  enünquam. 

Dass  aber  nicht  alle  Conjunctionen  den  Hoch  ton  verlo- 
ren haben,  sagt  Priscian  mit  dem  Ausdruck:  omnia  fere  mono- 
syllaha  (p.  1242)  negativ;  er  bestätig!  das  positiv,  wenn  er  lehrt, 
dass  itaque,  ergo  zu  betonen  sei,  wenn  diese  Wörter  daher 
bedeuten.  Wenn  also  auch  zu  Prisciaiis  Zeit  atque,  poslquam 
tieftonig  gesprochen  sein  mögen,  so  müssen  doch  beide  einmal  den 
Hochton  auf  äf  und  pöst  gehabt  haben,  da  sonst  que  und  quam 
sich  nicht  hätten  enklitisch  an  dieselben  anschliessen  können. 
Lehrt  doch  Priscian  selbst  (p.  1245),  dass  iamin  iamque  seinen 
Hochton  behielt,  da  ein  enklitisches  Wort  an  dasselbe  getreten  war. 
Man  muss  demnach  annehmen,  dass  die  im  Wege  i\vs  Toirinschlus- 
scs  entstandenen  zusammengesetzten  Conjunctionen  wie  quäre, 
qu 6ni am,  ütinam,  priusquam,  antequam,  tarn  quam, 
atqui,  acsi,  quödsi,  quasi,  nedum,  n 6  n il  n  in ,  vixdum, 
donec,  du m modo,  dümne,  simulätque,  eienini,  sede- 
nim  u.  a.  den  Hoch  Ion  auf  dem  ersten  Ye  rbind  im  gsgl  iede 
gewahrt  haben,  so  lange  das  Geg  entheil  nicht  ausdrücklich 
versichert  wird. 

Wenn  aber  Priscian  behauptet,  alle  jene  Conjunctionen,  die 
er  als  tieftonig  zu  Anfang  des  Satzgliedes  anführt,  seien. 
wenn  sie  nach  Anfang  desselben  gesetzt  wurden,  wieder  hoch- 
tonig  gesprochen  worden,  so  hat  das  keine  Glaubwürdigkeit  Man 
vergleiche  die  Salze: 

pn  st  quam  hune  vicit.  hunc  poslquam  Ticit. 

ul  vidil  ad  versa ri  um.  advers arium  ul  vidit. 

n e  hoc  facial.  hoc  ne  faeia  t. 

ut  pa  l  riam  I  i  bera  ret.  pa  i  ria  m  ut  li  beraret, 


—     307     — 

so  wird  durch  die  Verschiedenheit  der  Stellung  die  Bedeutung 
der  Conjunction  doch  nicht  im  mindesten  geändert.  Da  nun 
der  Grund  alles  Tonanschlusses  in  der  schwachen  Bedeutung  ge- 
wisser Worter  liegt,  so  begreift  man  nicht,  wie,  ohne  dass  die- 
selbe im  mindesten  verstärkt  wird  ,  plötzlich  wieder  der  Hochton 
auf  jenen  Enklitiken  erschienen  sein  soll.  Ebenso  unhaltbar  er- 
scheint die  Ansicht  Priscians,  p.  1258,  quoque  wie  fast  alle  nach- 
gesetzten Conjunctionen  hätten  den  Hoch  ton  behalten.  Wenn 
man  die  schwache  Bedeutung  von  quoque  in  den  gewöhnli- 
chen Vorbindungen  wie  tu  quoque,  i's  quoque,  sunt  quo- 
que u.  a.  erwägt,  so  muss  man  gerade  glauben,  dass  quoque 
tieftonig  gesprochen  wurde.  Dies  wird  dadurch  bestätigt,  dass 
sich  das  ursprünglich  lange  o  in  quoque  verkürzte,  was  unter 
dem  Hochton  nicht  stattgefunden  haben  würde.  Dass  enim  an  der 
zweiten  Stelle  des  Satzes  nicht  hochbetont  blieb,  zeigen  die  zu- 
sammengesetzten Conjunctionen  etenim,  sedenim,  die  ja  durch 
Tonanschluss  eines  tieftonigen  enim  an  die  vorhergehende  Con- 
junction entstanden  sind. 

Ja  jede  der  angeführten  zusammengesetzten  Conjunctionen, 
die  durch  Tonanschluss  der  zweiten,  tieftonigen  Con- 
junction an  die  erste  hochtonige  entstanden  sind,  spricht 
laut  gegen  die  Annahme,  dass  eine  Conjunction,  wenn  sie  nicht 
zu  Anfang  eines  Satzes  stand,  hochtonig  gesprochen  wurde.  Ver- 
gleicht man  zuwiesen  Gründen,  was  oben  gegen  die  Orthotonie- 
rung  der  Präpositionen,  wenn  sie  nach  der  Casusform,  zu  der  sie 
geboren,  nach  Art  der  Griechischen  Anaslrophe  stehen,  mit  Hin- 
weis auf  die  Tonverbindungen  quäpropter,  quatenus,  me- 
cum,  quo  cum,  quibüscum  gesagt  ist,  so  kommt  man  zu  dem 
Schluss,  dass  jene  Begel  des  Priscian  über  die  Betonung  der 
Conjunctionen,  die  Weil  und  Benloew  ohne  weitere  Prüfung  hin- 
nehmen (Theor.  g.  deVAcc.  Lat.p.  56)  nach  dem  Vorbild  der  Grie- 
chisch e  n  A  n  a  s  t  r  o  p  h  e  der  Lateinischen  Sprache  von  denselben  Bö- 
mischen  Grammatikern  oktroyiert  worden  ist,  die  nach  der  Analogie 
Griechischer  Präpositionen  auch  Lateinische  zu  Oxy- 
lona  stempeln  und  nach  den  Griechischen  Vocativen  wie "AitoX- 
kov,  üoöeidov,  Ttaxeg  auch  Vergili,  Valeri,  Mercuri 
betonen  wollten. 

Zahlreich  sind  in  der  Lateinischen  Sprache  die  Ton  Verbin- 
dungen, in  denen  zwei  häufig  nebeneinander  gesprochene  Casus- 

20* 


—     308     — 

formen  von  Nomen  in  der  Weise  mit  einander  verknüpft  sind, 
dass  das  erste  derselben  in  der  gewöhnlichen  Aussprache  na- 
mentlich der  späteren  Zeit  den  Hochton  ei n hü s st.  So  ist  ein 
Nominativ  mit  folgendem  Genetiv,  Dativ  und  Ablativ  ver- 
bunden, durch  welchen  der  in  ihm  liegende  Begriff  genauer  ausge- 
prägt und  enger  bestimmt  wird ,  in  folgenden  Verbindungen  : 
Nom.  Gen.  Nom.  Dat. 

o  r  b  i  s  t  e  r  r  a  e ,  p  r  a  e  f  e  c  t  u  s  ü  r  b  i , 

o  r  b  i  s  t  e  r  r  ä  r  u  m ,  praefectus  f  ü  n  d  i  s , 

p  a  t  e  r  f  a  m  i  1  i  a  s  ,  p  r  a  e  f  e  c  t  u  s  v  i  g  i  1  i  b  u  s , 

t  r  i  b  u  n  u  s  p  1  e  b  i  s ,  Nom.  Abi. 

I r  i  1)  u  n  u  s  p  l  e  b  i ,  m  a  i  o  r  n  ä  I  u. 

magistermilitum, 

m  a  g  i  s  t  e  r  e  q  u  i  t  u  m , 

praefectusürbis, 

praefectusfäbr  um  , 

p  r  a  e  f  c  c  t  u  s  a  n  n  ö  n  a  e , 
Prise.  668/".   664—666.   834.    1091.   Dornt  p.   1749.    August. 
p.  1993.    Consent,  p.  2031. 

In  ähnlicher  Weise  erscheint  der  Casus  ohliquus  eines  .\<»- 
mens  mit  einem  folgenden  Nominativ  verbunden,  von  dem  er 
abhängt,  in: 

Gen.  Nom.  Bat.  Nom. 

senatus  consül  tum,  fideicomm  i  ssum. 

s  c  n  a  t  u  s  d  e  c  r  e  t  u  in , 

p  l«ß  1  >  i  s  c  i  t  u  in  ,  Abi.  Nom . 

legi  slätor,  iurec  onsül  las. 

iur isper i tu s, 

aquaediictüs,  Or.  ffenz.  6428. 

terrae motus,  I.A.  5331. 
Vgl.  an.  (Kl.    Prise,  u.  ct. 

Ein  Substanl  i vu  in  schliessl  sich  an  den  Hochton  eines 
folgenden  A  dj  e  c  I  i  vuin  ,  durch  welches  sein  Begriff  enger  be- 
stimmt und  ausgeprägt  wird,  in  den  Ton  Verbindungen : 

r  e  s  p  ü  b  1  i  c  a  , 

iusiuränd  u  m, 

viril lustris,  Prise.  Sl\ !. 

Equesromänus,  Donat.  p;   1749.    Cons.  p,  2031. 

Prae  torurbanus.     Vgl.  aa.  00.  Prise,  u.  a. 


—     309     — 

Priscian  urlheill  richtig  über  alle  diese  Tonverbindungen 
p.  666:  Divers  or  um  quid  cm  utimur  declina  tione,  ac- 
centu  tarn en  compositorum.  in  omni  enim  casu  sub 
udo  accentu  ea  proferentes  composila  esse  osten- 
d  i m  u s ,  et  possumus  d i c e r  e ,  per  s i n g u  1  o s  casus  e a 
componi.  p.  668:  Possunt  tarnen  baec  eadem  etiam 
separata  esse,  si  diversos  accentus  bis  dcderis  vel 
interponas  coniunctiones  ut  'resque  publica,  po- 
pulusque  Roman  us,  tribunus  plcbis'.  Da  es  lediglich 
auf  die  Willensregung  des  Sprechenden  ankam,  ob  er  dem  er- 
sten der  beiden  nebeneinanderstehenden  Wörter  den  Hochton 
lassen  wollle  oder  nicht,  so  finden  sich  dieselben  denn  auch 
bald  getrennt,  bald  verbunden  geschrieben;  so  zum  Bei- 
spiel : 

res  publica,  Or.  3696. 

r  e  i  p  u  b  I  i  c  a e,  Or.  775.  2584.     r e  i  p  u  b  1  i  c  a  e  ,    Or.  3034 .     Or. 
3701.3882.  Or.Henz. 1008.        Henz.  5593. 

r  e m p übli c a m ,    Or.  4430.     r  e m  publica m,  Or.Hcnz.  7 1 68. 
Or.  Henz.  6473.  r  e m q  u  e  public a  m ,  Or.  4036. 

re publica,   Or.  4041. 

Wurden  dergleichen  WTörter  aber  unter  einem  Hochton  zusam- 
mengesprochen, so  sank  die  sonst  hochbetonte  Silbe  des  ersten 
Wortes  jedenfalls  nur  zum  Mittel  Ion  herab,  von  dein  oben  die 
Rede  gewesen  ist.  Auf  diese  Weise  verwuchsen  durch  Ton- 
anschluss  des  allgemeineren  eine  Ocrtlichkeit  bezeichnenden  Wor- 
tes an  das  zweite  diese  genauer  bezeichnende  Wort  Ortsnamen, 
die  sich  auf  Itinerarien  und  sonstigen  Inschriften  der  Kaiserzeit  fin- 
den.    {Vgl.  Or.  Henz.  5210.) 

Forumsempröni,  Aquisvocönis, 

Forosempröni,  A q  u  i  s  vo  c  ö n  i , 

Forumdomiti,  Aquifla  vienses,   Or.  163. 

F  o  r  o  d  o  m  i  t  i ,  F  a  n  u  m  f  o  r  t  u  n  a  c , 

F  o  r  o  c  o  r  n  e  1  i ,  F  a  n  o  f  o  r  t  u  n  a  e , 

Forumlivi,  Regiolepidi, 

Forolivi,  Lucoferonensis,  Or.  4099. 

U  r  b  i  s  ä  1  v  ( i  a  e ),  Or.  Henz.  7053. 
Aelmlich  schliessen   sich  Adjectiva    enklitisch   an  folgende 
Substantiva  in : 

magno  pere, 


—     310     — 

quantöpere,  neben     q  uan to  opere  u.  a. 

summöpere, 
m  a  x  i  m  6  p  e  r  e  , 
tantöpere, 

t r  i  n  ü m cl  i  n  n  in  ,  tri  n  um  n  6 n d  i  n  u  m ,  tob.  Banl. 

trin  ii  in  nündinum, 
und  in  den  Ortsnamen: 

Aptaiulia,  vgl.     Sacravia,   Chans,  p.  6. 

A  p  t  a  m  i  ii  1  i  a  m , 

Summasälpes, 

T  r  i  a  c  ä  p  i  t  a , 

Lepido regio,  Or.  Henz.  a.  0. 

Das  possessive  Pronominaladjectivum  nieus  verband  sich  en- 
klitisch mit  folgendem  Substantivum  in: 
m  e  h  e  r  c  1  e , 
m  e  c  ä  s  t  o  r , 
m  e  d  i  u  s ; 
denn  me  ist  ein  alter  Vokativ,  verschmolzen  aus  niee,  nie  das  d  e 
von  e-de-pol  für  d  ee. 

Zahlwörter  werden  mittelst  der  zwischengestellten  Präposi- 
tion de  und  der  Conjunction  el  verbunden,  so  dass  das  erste  der- 
selben den  Hoch  ton  verlor,  in  Formen  wie  : 
undeviginti,  undevicesim  u  s,      undeviceni, 

undetriginta,  und  e  I  rices  im  us,     n  nd  elrice  ni, 

uiule  qua  dragin  -     undequad  rages  i-     undequadrägi  es. 

ta,  u.  a.  ums,  u.  a.  u.  a. 

d  u  o  d  e  v  i  g  i  n  t  i ,  d  u  o  d  e  v  i  c  e si  m  u  s,    d  u  ode  v  i  c  e  ni, 

d  u o d et  r i  g  i  n  t  a ,       d  u  o  d  e  I  r  i  c  e  sim  u  s,  d  u  o  «1  etr  i  cies, 
d u o d equadr  a  g  i  n-    d  u  o  d  e  q  u  a  d  r  a  g e  -     d  u  o  d eq  u  a  d  r  ;i  g  i  e  s , 
ta,  u.  a.  sim us,  u.  a.  u.  a. 

unae  l  vir  rsi  um  s, 
u  naetvicesi  in  an  us, 
d  uoetvir  rsimus, 
d  uoetvi  ce  s  i  manus. 
Ein  merkwürdiges  Beispiel  von  Verkupplung  der  Zahlwörter 
mittelst  Tonanscldusses  ist   aus  der  Spätlateinischen  Volkssprache: 
decedocto,  Marin.  Tnscr.  Alban.  p.  175,  für  decem  et  oeto. 
Die  erste  Zahl  behielt  in  diesen  Bildungen  auf  der  sonst  hoeh- 
betonten  Silbe  einen  M  i  I  I  e  1 1  o  n. 


—     311     - 

Ein  tieftoniges  Adverbium  verbindet  sich  mit  dein  folgenden 
P  a  r  t  i  c  i  p  i  n  m  oder  A  d  j  e  c  t  i  v  u  m : 

benemerenti,  7.  N.  1251*    neben  bene  merenti,  /.  N.  2762. 
Or.    Henz.    6367.    6876.  3372.    Or.  4734. 

6349.  6879.  7361.  7219. 
7355. 
benemerentib(us),    Or. 

4409. 
benefacta,    (pro   bene-  b6ne  facta,  Enn.  p.  147.  V. 

fäctis,  Plaut. Capt.  940). 
m  a  1  e  f  a  c  t  a  ,  mal  e  facta,  a.  0. 

in  a  I  e  d  i  c  e  n  s  ,  Prise.  843. 
mal  es  an  us,  Diom.  p.  428. 
m  a  1  e  s  ä  n  a ,  Prise,  p.  1 039. 
b e nes a n u s ,  Pönal,  p.  1 711. 
inalefida,  Prise,  p.  1039. 

Auch  an  folgendes  Verb  um   sehliessen  sich  Adverbien 
und  Nominal  formen  an;  so  in: 
valedicere, 
bene  die  er  c  , 

ma  1  c d i c c r e  ,  m ;i  1  e  <l i c i t ,  Plaut.  Men.  309. 

b  e  n  e  f  a  c  i  e  n  d  o ,  Or.  Henz.  7 1 68 . 
benefacite,  IN.  1564. 

Die  beiden  letzteren  Formen  zeigen  sich  als  blosse  Tonverbin- 
dungen darin,  dass  sie  das  a  vom  Stämme  fa  c-  nicht  zu  i  schwächen. 
Priscian  sagt.  p.  803,  dass  in  den  (lomposilcn,  deren  zwei- 
ter Theil  das  ungeschwächte  Verbuni  facere,  und  deren  erster 
Theil  ein  intransitiver  Verbalstamm  ist,  welcher  den  degen- 
stand  oder  das  Object  der  in  facere  ausgedrückten  Handlung  be- 
zeichnet, die  Formen  von  facere  mit  dem  Hochton  gesprochen 
wurden,  dass  man  also  betonte: 

calefacio,  tepefäcio, 

calefacis,  tepefäcis, 

calefäcit,  tepefäcit. 

So  betonte  Wortverbindungen  dieser  Art  sind : 
cale  facere,  ex  cande  facere, 

tepe  facere,  .       perterrefäcere, 

a  r  ef  a  c  e r  e  ,  c  o  n  d o  c  e  f  a  c  e r  e , 

lique  facere,  commonefacere, 


—     312     — 

fervefäcere, 

madefäcere, 

r  u  b  e  f  ä  c  e  r  e ,  treme  f  ä  c  e  r  e, 

patefäcere,  expergefäcere, 

p  utrefäcere, 

turne fäc er e, 
bis  auf  die  letzten  beiden  alle  von  intransitiven  Verben  der  E-Con- 
jugalion  gebildet.     Wenn  nun  diese  Wortverbindungen   sich   auch 
getrennt  geschrieben  finden,  wie : 

fäcit  äre,  Lncr.  VI,  962. 

ferve  benc  fäcito,  Ceti.  R.  R.  47, 
so  ist  L  ac  h  m  a  n  n  s  Ansicht  die  richtige,  dass  u  r  s  p  r  ü  n  g  1  i  c  h  beide 
Theile  jener  Tonverbindungen  getrennt  gesprochen  und  betont 
worden  sind  (Ltwr.  p.  192  /*.),  also: 

cäle  fäcis, 

cäle  fäcit, 

t  e  p  e  fäcis, 

tepc  facit, 
u.  a. 
dass  dann  im  Verlauf  der  Zeit  der  erste  Bestandteil  den  Hoch- 
ton einbüsste;  da  hingegen  die  Participialformeo  solcher 
Verba  nie  getrennt  geschrieben  werden,  ist  Lachnanns  Schluss 
ebenso  richtig,  dass  diese  auch  unter  einem  Ilochton  zusammen- 
gesprochen  seien,  also: 

pa  lief  actus, 

patefäct u  s , 

expergefäctus, 
u.  a. 
und  dasselbe  gilt  demnach  für  die  von  solchen  Partie ipien  abgelei- 
teten Verba  der  A-Conjugalion  wie: 

labefaetäre, 

frigefaetäre, 

calefa  et  äre. 
Dass  indessen  die  Sprache  schon  in  alter  Zeil  bei  der  Betonung 
dieser  Wortformen  ins  Schwanken  gekommen  war,  zeigen  die  Bil- 
dungen: 

arfäcito,  CaU  //.  Ä.69.  för  arefäcito,      are  fäcito, 

C  a  1  f  ä  c  e  r  e ,  c  a  1  e  fä  C  e  r  e ,      e  ,i  I  e  f  ä  C  e  i  e  , 

die,  wie  der  Ausfall  des  e  vom  ersten  Wortbestandtheil  zeigt,  tu 


— .    313     — 

untrennbaren  Compositen  verwachsen  sind.     Cato  sprach 
also  nebeneinander  ferve  facito  und  ai  facito. 

Dieselbe  Betonung  wie  für  diese  Composita  von  facere  lehrt 
Priscian  auch  für  die  Composita  von  fieri,  welche  dem  Sinne 
nach  die  Passiva  oder  Intransitiva  zu  jenen  Bildungen  sind  {Prise. 
a.  0.).     Man  sprach  also  zu  Priscians  Zeiten: 

tepefio,  calefio, 

tepefis,  calefis, 

tepefit,  cale  fit, 

u.   a.; 
die  ursprüngliche  Betonung  war  auch  hier: 

tepe    fio,  cäle   fio, 

tepe    fis,  cale   fis, 

tepe    fit,  cale    fit    (Lachm.  a.  0.). 

Denselben  Verlauf  nahm  die  Betonung  von  satis facere, 
satis  fieri.  In  Voraugust  eis  eher  Zeit  wurden  diese  Wort- 
verbindungen, getrennt  geschrieben,  also  auch  so  betont;  so 
findet  sich  geschrieben: 

satis    fecerit,   /.  rep.  (Serv.) 

satis    factum,    a.  0. 

satisve  faciet,    /.  Ruhr.  ed.  Ritschi. 

satisve   fierei,  a.  0. 

Hingegen  fasst  Priscian  die  Formen: 

satisfäcio, 

satisfäciens,  p.  834. 
als  Composita.     Man  muss  also  annehmen,  dass  in  späterer  Zeit 
nach  der  Analogie  von  t  e  p  e  f  a  c  i  s ,  t  e  p  e  f  a  c  i  t ,  tepefio,  tepe- 
fis, tepefit  betont  wurde: 

satis  fä  eis,  satis  fio, 

satisfäcit,  satis  fit. 

Dass  satis  därc  in  älterer  Zeit  als  zwei  Wörter  gesprochen 
wurden ,   zeigen  die  Schreibweisen  : 

s  ä  t  i  s  d  ä r  e  i ,  /.  Ruhr.  satis  d  e  t ,  Cic.  Quini.  1 3. 

satis  dederit,  a.  0.  satis  non  dßdit,  Cic. Rose. Com.  12. 

-satis  dedisset,  a.  0. 

sa  tisve  dätio,  a.  0; 
später  erscheint  auch  hier  ein  Schwanke n  zwischen  getrenn- 
ter und  verbundener  Schreibweise,  aus  dem  man  doch  sehlies- 
sen  muss,  dass  das  satis  in  satisdäre  wie  in  satisfieri,  sa- 


—     314     — 

tisläcere  in  der  Aussprache  auch  den  Hochton  verlieren 
konnte.  Ist  das  richtig,  dann  sprachen  Ulpian  und  die  anderen 
Römischen  Juristen: 

satisdät  (im  Gegensatz  zu  satis  accipit),  vgl.  s atisfit, 

s  a  t  i  s  d  ä  t  o  , 

satisdätu  m , 

satisdätor, 

wie  sich  diese  verbundene  Schreibvveise  in  den  Texten  ihrer  Gesetze 
findet. 

Hingegen  ist: 

pessu  in  dät, 

pessum  (1  a r e 
nicht  bloss  zu  PI  au  tu  s  und  Terenz  Zeilen  nach  Ausweis  der 
Handschriften  getrennt  gesprochen  worden,  ebenso  wie  pessum 
ire,  pessumabire,  pessum  acefpere,  pessum  premere. 
sondern  auch  in  späterer  Zeit  ist  es  so  geblieben,  Luean.  V,616: 
pessum  Tellus  vicla  dedit,  während  die  Spuren  verbundener 
Schreibweise  nicht  recht  zuverlässig  sind.     Die  alte  Aussprache: 

von  um  däre  ,  /.  N.  601  I. 

veuuin  dät  um,  a.  0. 
hat  sieh  noch  bis  Claudians  Zeil  erhalten,  in  Rufin.  I,  178:  Ve- 
ii  ii  in  ( imc  la  (1,'ni.  Allein  wie  zu  Catos  Zeil  nebeneinander  a  r  fa- 
ch o  und  ferve  fäcito  bestand,  so  muss  man  doch  aus  überliefer- 
ten Schreibweisen  wie  venu  nd  ed  it,  vc  nu  ndarel  ur  ,  viiinii- 
dante,  venundatus,  venundatio  [Forc.  IV,  115)  schliessen, 
dass  diese  Worter  auch  verbunden  gesprochen  wurden,  ja  im 
Volksmunde  zu  Compositen  verwachsen  konnten  wie:  venire  für 
venum  ire.  So  ist  auch  mandäre  für  mäuu  dar«  zum  Com- 
positum geworden  und  in  die  A-Conjugation  übergegangen. 

Mit  Verlust  seines  Hochtones  schloss  ßich  animus  an  d.is  fol- 
gende  Verb  um  an  in: 

animadvertere   neben   Minimum   advertere, 
so  dass  die  ehemals  hochtonige  Silbe  nun  mittelton  ig  klang. 

Dass  auch  der  Ablativ  manu  ursprünglich  getrennt  von  folgen- 
dem miiio  gesprochen  wurde,  zeigen  die  Schreibweisen: 

iii.i  im  nie  m  i  I  I  ;i  I  ,    Plaut.  Aul.  V,  9. 
m;inu  vero   CUT   miseril,   C/r.  Mit.  22. 

iiiiinu  miseril.  /.  Safp.  Or.  Ihn:.  7I'JS. 


-  815  - 

dass  aber  dann  auch: 

m  a  n  n  m  i  1 1  o , 

manumissus, 

m  a  n  n  m  i  s  s  o  r , 

m  a  n  u  in  i  s  s  i  o 
gesprochen    winde,   ist    durch    die    verbundene  Schreibweise  ver- 
bürg!. 

Aus  der  bald  getrennten  bald  verbundenen  Schreibweise  der 
hier  besprochenen  Wörter,  mögen  sie  sich  nun  an  den  Hoch  ton 
des  vorhergehenden  oder  des  folgenden  Wortes  ange- 
schlossen haben,  wie  aus  den  vielfach  unsicheren  und  sich  wider- 
sprechenden Angaben  der  Grammatiker  erhellt  zur  Geniige,  dass  in 
der  La  leinische  n  Sprache  mannigfache  Schwankun- 
gen in  der  Betonung  derselben  stattgefunden  haben.  Diese 
Erscheinung  ist  vom  sprachgeschichtlichen  Standpunkte  aus  keines- 
wegs befremdlich,  da  sie  auch  in  den  verwandten  Sprachen 
deutlich  hervortritt. 

in  der  Deutschen  Sprache  isl  ein  ganz  ähnliches 
Schwanken  im  Betreff  der  enklitischen  Worter  sichtbar.  In 
der  Sprache  des  Reformationszeitalters  isl  der  tieftonige 
Artikel  durch  Tonanschluss  an  das  folgende  Haupt- 
wort gebunden.  So  finden  sich  in  Gedichten  dieser  Zeit  die 
Schreibweisen  dban  (der  bann),  dbepst  (der  pabst), 
d  schul,  dbank,  dwelt,  d  wunden,  dsünd,  dheiden, 
d  s c häflin  (Schade,  Satiren  u.  Pasquille  d.  Iieform.zeit,  II,  p.  160 
/*.),  die  den  Griechischen  ovxog  {o-avrog),  xovtov  (ro-av- 
tov),  x  ccvtov,  rrjtiog  (ro-rj^iog  statt  xo^fiag),  rrj^isQa, 
xruiEQOv,  Grui£Qov,  avrjp  entsprechen  und  den  Lateini- 
schen e a m r im,  e a i r  e s ,  h u n eine r e m.  D  a  neb e n  und  s p  ;i  t  e  r 
erscheinen  getrennt  gesprochen  und  geschrieben  im  Deutschen 
der  bann,  der  pal) st,  die  schule  u.  a. ,  im  Griechi- 
schen i)  TjiieQa,  ro  avxo,  ou  avÖQeg,  im  Lateinischen 
cam  rem,  hunc  ein  er  cm.  Im  fünfzehnten  und  sechzehnten 
Jahrhundert  sprach  und  schrieb  man  noch  zu  rück,  hin  ein, 
hin  weg,  dar  bei,  dar  umb,  dar  aüz,  dar  ob,  da  hin, 
do  durch,  dar  züo  (und  darzu),  her  nach,  hin  für, 
hin  züo  (Kober stein,  Sprache  des  P.  Suchenwirt.  Betonung 
mehrsilb.  Wörter  p.  3.  Progr.  1852.    Schade   a.  0.),  in  unserer 


—    316    — 

Zeil,  ist  die  Tonverbindung  zurück,  zuletzt,  dabei,  darum, 
dahin  entschiedener  zur  Geltung  gelangt.  So  sprachen  und 
schrieben  die  allen  Römer  ab  eo,  ad  6am,  ex  eis  in  ieis, 
in  qua,  in  quibus;  daneben  wurde  verbunden  geschrieben 
a b e o ,  a b i  e i s ,  a q u i b u s  ,  adeam,  a d e a s ,  a d h ü c  ,  cum- 
quä,  dehinc,  inea,  ineo,  inieis,  ineis,  inquä,  inqui- 
b  u  s  ,  i  n  q  u  6  u.a.  Wie  im  Deutschen  neben  allzeit,  jeder- 
mann, die  weil  mit  einer  Modifikation  der  Bedeutung  allezeit, 
jeder  mann,  die  weile  gesprochen  wird,  so  im  Lateinischen 
neben  al t 6r u ter,  t a n 1 6 per e,  benemerenti  auch  a  1 1 e r  ü t e r, 
tanto  opere,  bene  inerenti.  Die  deutsche  Sprache 
seit  der  Reformationszeit  zeigt  grosse  Achnlichkeit  mit 
der  Lateinischen  in  dem  Ton  an  schlus  s  kurzer  für  den 
Sinn  unbedeutender  Wörter  an  den  Hochton  des  folgenden 
Wortes. 

Trotz  der  besprochenen  Schwankungen  in  der  Betonung  der 
Lateinischen  Sprache  lasst  sich  nun  aber  nicht  verkennen,  dass  die 
Neigung  unbedeutende  Winter  im  Satz  mit  vorher- 
gehenden oder  folgenden  bedeutungsvolleren  i  m  W  e  g  e 
des  Ton  an  Schlusses  unter  einem  Hoch  ton  zu  spre- 
chen allmählich  immer  entschiedener  hervortritt  und 
immer  weiter  um  sich  greift,  wie  schon  oben  nachgewiesen  ist,  d;iss 
blosse  Tonverbindungen  mit  der  Zeit  vielfach  zu  untrenn- 
baren Gompositen  verwuchsen.  Folgendes  sind  die  Anhalte- 
punkle,  aus  denen  diese  allmählich  weite] -greifende  Neigung  zum 
Tonanschluss*  erkennbar  wird. 

Schon  die  Altlateinische  Sprache  hat  enklitische  Wort- 
verbindungen wie  seiquis,  neiqnis,  adarque,  abusque. 
de  subito,  exannissini.  propörro,  cumprimis,  imprae- 
sentiarum,  arfäcito  u.  a.;  aber  in  der  alleren  Zeil  noch  bis 
Gäsars  /eilaller  erscheinen  gelrennt  Wortfolgen  wie  quei  quam« 
que,  l'acit  äre,  satis  fierei,  salis  farere.  s;itis  därci, 
dum  täxat,  al  le  ra  lilra,  äl  I  er  um  n  t  in  in,  nller  in  s  u  tri  US, 
welche  die  s p  a  t  e  r  e  Sprache  zu  e  n  k  1  i  t  i  s  c  h  e  n  T onv er bi n d u n- 
gen  zusammenzog.  Dass  Bcbon  in  Cäsar  s  Zeit  die  enklitische 
Betonung  der  Präpositionen  vollständig  im  Zuge  war,  lehren 
die  Tafeln  von  II  erak  lea  ;  in  Kürzeren  Inschriften  der  K  ü  i  sei/ eil 
findel   sich  diese  aber  sonsl  viel    häufiger  durch  die  verbundene 


-    317     — 

Schreibweise  ausgedrückt  wie  in  Voraugusteischen  Schriftdenk- 
mälern. Betonungen  wie  a s e c r e t i s ,  a  c  ä  1  c  u  1  i  s ,  arespönsis, 
abäctis  wurden  mit  diesen  Titeln  selbst  erst  in  der  Kais  er  zeit  im 
Volksmunde  geläufig,  ebendaher  schreiben  sich  viele  der  angeführ- 
ten Ortsnamen,  die  aus  T o»n ansehluss  entstanden  sind ,  wie 
A p t a  m  i ü  1  i a m ,  Summasälpes,  LepiclorSgio,  T r i a c ä p i t a 
ii.  a.  Inschriften  der  späteren  Kais  er  zeit  gehören  an  die 
Schreibweisen  cum  qua,  cum quo,  conquä,  conque,  ex- 
v ö t o ,  addefensiönem,  i  n ä g r o ,  inpäce,  inpäcae,  i n b a s i - 
lica  in  contubernio,  der  spätesten  Lateinischen  Volks- 
sprache Bildungen  wie  decöntra,  ecöntra, amane,  ab ä nt e , 
in  ante,  in  cor  am,  de  suis  um,  abinvicem,  decedöclo. 

Dass  in  der  spätesten  Lateinischen  Volkssprache  die 
Tieft onigkeit  unbedeutender  Wörter  und  ihr  Tonan- 
s  c  h  1  u  s s  an  bedeutende  immer  mehr  ii  b er h and  nahm ,  das 
lehren  die  Bo manischen  Sprachen,  wie  hier  an  einigen  Beispie- 
len aus  der  Fülle  derartiger  sprachlicher  Thalsachen,  die  in  Dietz 
grossem  Werke  aufgezeichnet  sind  (Gramm,  d.  Rom.  Spr.  II,  379/*.), 
dargethan  werden  soll. 

Tonanschluss  an  ein  vorhergehendes  Wort  zeigt  das  Ita- 
lienische in  den  Formen : 
a  1 1  o  ,         für      ad  i  1 1  u m , 


colla, 

con  illa, 

d  e  1 1  a , 

de  illa, 

s  u  1 1  a , 

s  u  b  illa, 

pel, 

per  illum, 

sul, 

sub  illum, 

dirli, 

(1  i  c  e  r  e  i  1 1  i , 

farlo, 

facere  illum. 

Durch  enklitische  Anfügung  p r o n o m inaler  Casusformen 
und  Partikeln  entstehen  im  Italienischen  die  aus  drei,  vier  und 
f  n  n  f  Lateinischen  Wörtern   zusammengeknüpften  W  ort ve r  b in  - 
düngen  wie: 
ItaL  rendo-mi-yi,      aus    Lat.  red  do-me-ibi , 

portando-mi-ve-lo,  portando-mihi-ibi-illud, 

m  a  n  d  a  -m  i  -  vi  -  s  e  -n  e,  ma  n  d  a  t-  m  i  h  i  -  i  b  i  -  s  e  -  i  n  d  e. 

Tonanschluss   pronominaler    Formen    an   das   folgende 
Wort  ist  in  den  Romanischen  Sprachen  ebenfalls  häufig;  so: 


—    318    — 

Ilal.  a  1  c  -  u  n  o ,     Franz.  a  u  c  -  u  n ,      Lal.  a  1  i  q  u  e  m  -  u  n  u  m  , 

al-cant-uno ,  ali-quantum-unum, 

com-bien,  quomodo-bene, 

qu-ello,  eccum-illum, 

qu-esto,  eccum-istum, 

med-esimo,  Provenz.  smetessme,    semet-ipsissimum. 
Partikeln  und  Conjunctionen  erscheinen  in  den  Romani- 
schen Sprachen  vielfach  enklitisch  an  das  folgende  Wort  geschlos- 
sen;  so  in: 

Franz.  tan-dis,  Lal.  tam-diu, 

ja-dis,  iam-diu, 

Prov.     q  u  a  n  d  i  u  s,  qua  m  diu, 

Span,    tam-bien,  tambene, 

tam-poco,  tarn  paueum. 

Wie  der  Anschluss  der  tieftonigen  Präpositionen  an  das 
folgende  Nomen  weiter  griff,  zeigen  die  Beispiele: 
Ttal.  a p -p i e ,  tat.  a d -ped e  m , 

ap-presso,  ad-pressum, 

i  n  -  s  i  n  o ,  in-  si  n  u, 

in-contro, 

in-conl  ra  ,  in -contra, 

in-fuori,  in-foris, 

s  o  1 1  -  e  s  s  o ,  s  u  b  t  u  s  -  i  p  s  u  m , 

av-anti,  ab- ante, 

(1-ondc,  de- und  c. 

So  häufen  sich  durch  Tonverbindung  aneinander: 
Franz.      d  e  -  v -  a  n  t,  Lal.  d  c  -  a  b  -  a  n  t  c  , 

Wallach,  cl e- i  n - a  - p o i ,  d e-in d e - ad-pos t. 

So  verschmelzen  im  Französischen  ganze  Bündel  Latei- 
nischer Wörter  unter  einem  Ilochton  in  einander  wie: 
d  e  -  s  -  o  r  -  in  a  i  s  ,      Lal.  d  e  -  i  p  s  a  -  h  o  r  a  -  m  a  g  i  s , 
d - o r - c n-av-anl,  de-ho r a -  i  n d  e s  - a 1 1 - a n I  e , 

a  -  u  -j  o  u  r  -  d  -  li  ii  -  i ,  a  d  -  i  1 1  u  m  -diu  r  n  u  m  -de-  h  o  -  d  i  e. 

Durch  den  bisherigen  Gang  der  Untersuchung  ist  eine  Hand- 
habe gewonnen,  um  die  Frage  zu  beantworten,  wie  die  Lateinische 
Sprache  betonte,  wenn  mehrere  enklitische  Wörter  auf- 
einander folgten.  Es  fragt  sieh,  ob  die  Lateinische  Sprache 
einem  tieftonigen  Wort  vor  einem  anderen  dersel- 
ben    BetonUng    den    Hoehlon    zurückgab     wie    nach    der 


—     319     — 

Lehre  der  Grammatiker  die  Griechische  in  Verbindungen  wie: 
d-sog  ya  [is  itov,  sl  Zivis  etötv  und  ähnlichen*).  Da  die 
Römischen  Grammatiker,  die  doch  sonst  so  sein*  dahin 
neigen  Eigentümlichkeiten  der  Griechischen  Betonung  in  ihrer 
Muttersprache  wieder  zu  suchen,  n  i.c h  t  s  v  o  n  solcher  Behand- 
lung in  der  Betonung  der  Enklitika  wissen,  so  muss 
man  annehmen,  dass  sie  auch  nicht  vorhanden  gewesen  ist. 

Diese  Annahme  wird  bestätigt  durch  die  ausdrücklich  angege- 
bene tieftonige  Betonung  von  quändö,  pöstquäm,  ütinam, 
ätque,  Wortverbindungen,  die  doch  durch  Anfügung  enklitischer 
Wortformen  entstanden  sind.  Dafür  spricht  klar  auch  folgende  Er- 
wägung. 

Die  Lateinische  Sprache  kann  durch  den  Tonanschluss  an 
ein  einziges  hochbetontes  Wort  schon  solche  Wortbündel 
zusammenbinden,  wie  dies  eben  von  Romanischen  Sprachen 
nachgewiesen  ist,  Wortbündel,  die  in  sich  einen  vollständigen  Salz 
bilden;  so  in: 

e d e p o I ,  für      e-dee-Poludcuces, 

impraesentiärum,     in-praesentia-  h  a  r  u  m , 

illi  einest,  illi -ci-ne-es  t  , 

försitan,  fors-sit-an, 

f ortässis,  forte-an-si-vis , 

fortässean ,  forte-an-si-ve-an. 

Die  Neuhochdeutsche  Sprache  thut  dasselbe  in  den  Ver- 
bindungen spring-in-s-feld,  kiek -in-die-wclt,  thu-nich. 
gut,  tauge-nichts,  v  er  giss-mein -nicht,  j  e-Iä  n  g  er- j  e  - 
lieber.  Wie  in  diesen  deutschen  Tonverbindungen  das  geistig 
bedeutendste  Glied  derselben  den  Hoch  ton  trägt,  so  in  dem 
Lateinischen  försitan;  aber  als  im  -Lateinischen  solche  Verbin- 
dungen zu  untrennbaren  Compositen  verschmolzen,  gerieth 
der  Hochton  auch  in  die  Bande  der  Ton  länge  der  vor- 
letzten Silbe,  wie  dies  in  jedem  einfachen  Worte  der  Fall  war, 
und    nun  wurde    f ortässis,    u.  a.  betont.      Die   Griechische 


*)  Dass  auch  in  der  Griechischen  Aussprache  diese  Betonungsweise 
nur  in  sclir  beschränktem  Masse  zur  Anwendung'  gekommen  ist, 
hat  Göttling  sehr  richtig  hervorgehoben,  Accent.  d.  Griech.  Spr. 
p.  404  f. 


—     320     — 

Sprache  kennt  solche  Wort b und el  von  mehr  als  zwei  Wor- 
ten, die  einen  Satz  bilden,  nicht;  will  sie  einen  Salz  wie  ein 
einziges  Nomen  behandeln,  so  hat  sie  ein  anderes  Mittel  dazu; 
sie  fasst  in  genialer  Weise  durch  einen  vorgesetzten  Artikel 
den  ganzen  Satz  zu  einer  Einheit  zusammen  und  kann  nun 
den  ganzen  Satz  wie  ein  Substanti vuni  sogar  deklinieren, 
indem  sie  den  Artikel  dekliniert.  Bei  diesem  geistvollen  Ver- 
fahren schont  sie  zugleich  die  Klangfülle  ihres  Vokal ismus 
und  die  Lebendigkeit  ihrer  Betonung,  die  durch  jenes  Zusam- 
menbündeln der  Wörter  unter  einem  Hochton  nur  allzusehr  Scha- 
den nehmen,  wie  die  Lateinischen  Formen  e  de  pol,  fortassis, 
forsitan,  die  Französischen  aujourdhui,  dorenavant  u.a. 
nur  zu  deutlich  zeigen.  Die  Griechische  Sprache  mied  solche  Wort- 
kuppelei, die  den  einzelnen  Wörtern  an  Leib  und  Seele  schadete, 
darum  gab  sie  dem  Wort,  dein  ein  tieftoniges  folgte,  bisweilen  den 
Hochton  wieder;  die  Lateinische  Sprache  zeigt  in  Bildungen  wie 
edepol,  fortassis,  dass  sie  sich  schon  auf  dies  Kupplergeschäft 
eingelassen  hat,  dass  ihr  die  Aufeinanderfolge  tieftoniger 
W  ort  er  nicht  z  u  w  i  d  e  r  ist,  und  ihre  T  ö  c  h  t  e  r  folgten  dem  bösen 
Beispiel  der  Mutter.  Es  ist  also  nicht  zu  bezweifeln,  dass  es  im  La- 
teinischen ein  Betonungsgesetz,  wodurch  tieftoniges 
Wort  vor  tieftonigem  wieder  hochtonig  ward,  nicht 
gab,  dass  die  Lateinische  Sprache  unbekümmert  tieflonige  Wörter 
aufeinanderfolgen  Hess,  wenn  nielit  der  Nachdruck  des  Sinnes  eines 
derselben  wieder  zum  Hochton  emporhob. 

In  nachstehenden  Stellen  aus  dem  Gesetz  von  Salpensa  würden 
also  diellochtönc  etwa  folgendennassen  fallen: 

isque,  apul  quem  ea  nominätio  facta  er  it. 

isque,  qui  tum  ab  is  noininäti  erunt. 

aput  cum,  qui  ea  comitia  Dabitür  us  er  iL 
(Or.  Um:.  7421.)  Eis  kam  jedoch  bloss  auf  den  Willen  des  Reden- 
den aü>  auch  noch  eins  oder  das  andere  der  hier  im  Zusammenhange 
als  tieftonig  gefassten  enklitischen  Wörter  zum  Mochten  empor- 
zuheben. Dieses  aufgehäufte  Proletariat  von  tieftoniges  Wörtern 
war  nun  haltlos  gegen  jede  CorruptioD  des  Yokalisinus,  und  dar, ms 
entstanden  denn  jene  Wortkrüppel  mi1  schwindsüchtigen,  halb- 
Indien  Vokalen,  jene  llle,    islc.    Sine,  quidem,    weh  he   PlautUS 

mit  verdienter  Nichtachtung  behandelte. 


—     321     — 

Je  eintöniger  die  B e t o n u n g,  j e  geschwächter  der  V o  - 
kalism  us  der  hier  in  Betracht  gezogenen  Sprachen  ist,  desto  wei- 
ter hat  auch  der  Tonanschlnss  um  sich  gegriffen;  daher  ist  er 
seltener  im  Griechischen  mit  seiner  lebendigen  schnell- 
kräftigen  Reto  nungs  weise  und  seinein  klangvollen,  man- 
nig f a c h  e n  V o  k  a  1  i  s  m  u  s  ;  h ä  u  f  i g  e  r  erscheint  er  im  L  a t e i n  i  - 
sehen  neben  einem  s  t  a  r  r  e  n  eintönigen  B  e  t  o  n  u  n  g  s  g  e  s  e  t  z 
und  vielfach  verbildeten  und  geschwächten  V o k a I i s m u s ;  am 
weitesten  hat  er  um  sich  gegriffen  in  den  neueren  Sprachen 
mit  ihrem  g ä n z  1  i c h  erstarrten  Beton  ungsgesetz  und  viel- 
fach zerstört  e  n  V  o  k  a  1  i s m  u  s.  Als  die  Jugendfrische  der  Völker 
verschwand ,  durch  welche  jeder  sinnliche  Eindruck  auf  das 
Empfindungsvermögen  durch  einen  lebendigen  Ton  der  Sprache 
'stark  und  unmittelbar  wiedergegeben  wurde,  und  das  geistig 
Bedeutende  aus  der  Mannigfaltigkeit  der  sinnlichen  Erscheinun- 
gen vom  denkenden  Geist  h  e r  a  u  s  g  e  s  o  n  d  e  r  t  wurde ,  s  c  h  w  a  n  d 
die  klangvolle  und  lebendige  Betonung  jedes  Wortes,  das 
geistig  bedeutende  Wort  im  Satze  erhielt  den  Vorzug,  die 
unbedeutend  en  Wörter  wurden  vernachlässigt,  jenes 
durch  den  Hoch  ton  gehoben,  diese  mit  Nebentönen  abge- 
funden. 


B.     Das    ältere    Betonungsgesetz. 

Dass  die  Lateinische  Sprache  nicht  immer  von  dem  im  vorigen 
Abschnitte  dargelegten  Betonungsgesetz  beherrscht  worden  ist, 
dass  es  vielmehr  eine  ältere  Beton  ungs  weise  gab;  nach  der 
der  Hochton  noch  nicht  durch  die  Tondauer  der  drei  letzten 
Silben  und  durch  die  Ton  länge  der  vorletzten  gebunden 
war,  ist  eine  Ansicht,  die  schon  älteren  Gelehrten  nicht  fremd  ge- 
blieben ist.  Bentley  stellte  zuerst  den  Satz  auf,  dass  im  Alt- 
lateinischen  viersilbige  Wörter,  deren  drei  erste  Silben  kurz  sind, 
gewöhnlich  mit  dem  Hochton  auf  der  viertletzten  Silbe  gesprochen 
worden  seien  (zu  Terenz ,  Heaut.  II,  3,  30) ;  seiner  Ansicht  pflich- 
tete G.  Hermann  bei  {Eiern,  doctr.  metr.  p.  63  f.)  und  nach  des- 
sen Vorgänge  F.  Lindemaun  (De  Laünae  linguae  accentibus, 
p.  33  —  36),  indem  er  zugleich  die  Behauptung  hinzufügte,  dass 
in  dreisilbigen  Compositen  mit  Präpositionen  die  drittletzte  Silbe, 
die  der  Präposition  angehört,  im  Altlateinischen  hochlonig  gespro- 
Corssen  II.  21 


—     322    — 

chen  worden  sei,  auch  wenn  die  vorletzte  Silbe  lang  ist  (a.  0. 
p.  34).  Aber  diese  Ansichten  von  einer  alteren  Lateinischen  Delo- 
nnngsweise  waren  gestützt  auf  die  Voraussetzung,  deren  Unhalt- 
barkeit  weiter  unten  nachgewiesen  werden  wird,  dass  die  alteren 
Scenischen  Dichter  der  Römer  absichtlich  Uebereinstimmung  zwi- 
schen Hochton  und  Vershebung  in  ihren  Versen  gesucht  hüllen. 
Den  Beweis  dafür,  dass  in  der  älteren  Lateinischen  Sprache  der 
II  o  e  h  t  o  n  nicht  durch  die  T  o n d  a  u  e  r  der  drei  letzten  Silben 
und  durch  die  Tonlange  der  vorletzten  Silbe  gebunden  war 
hat  zuerst  Dietrich  (Zur  Lateinischen  Acceiillelire ,  Zeitschr.  f. 
vergl.  Sprachf.  I,  554  /.)  gelahrt  in  der  Weise,  wie  er  allein  ge 
führt  werden  kann,  wo  nicht  bestimmte  Aussagen  der  Grammatiker 
vorliegen,  durch  sprachliche  Gründe,  die  sich  aus  der  Be- 
trachtung Lateinischer  YVortforinen  ergeben,  und  zwar  mit  so  siche- 
rem Sprachsinne,  dass  an  der  Thatsache  im  Grossen  und  Ganzen 
schwerlich  jemand  zweifeln  kann,  der  einen  nothwendigen  Zusam- 
menhang, eine  lebendige  Wechselwirkung  zwischen  Betonung  und 
Vokalismus  im  Worte  sich  klar  gemacht  bal  und  den  Hochton  nicht 
für  einen  zufalligen  oder  gleichgültigen  Zierrath  des  Wortes,  oder 
gar  für  eine  müssige  Erfindung  der  Grammatiker  ansieht)  die  zu- 
erst das  Zeichen  für  denselben  schrieben.  Dann  haben  auch  Weil 
und  Benloew  {Theorie  ße'ne'r.  de  f  Accent  Latin,  p.  I  1!)  /'.)  die- 
selbe Ansicht  ausgesprochen,  ohne  Kennt  niss  zu  halten  oder  zu  neh- 
men von  der  Dietricbschen  Abhandlung,  die  den  Gegenstand  schon 
in  gründlicherer  Weise  behandelt  hatte. 

Aus  der  physischen  Beschaffenheil  des  Tones  folgt, 
dass  ein  hochbetonter  Vokal  vermöge  seiner  Klang  hohe 
und  Klangstärke  am  wenigsten  geeignet  ist  zu  verklingen 
und  ganz  zu  schwinden,  wählend  lief  und  schwach  betonte  Vokale 
derselben  Wortform  unversehrt  bleiben.  So  sicher  wie  die  Rippe 
des  Mattes  der  Fäulniss  langer  widersteht  als  das  feine  Zell- 
gewebe, wie  der  Kiel  des  Schiffes  den  Wogen  länger  Stand  ball  als 
die  Planken,  wie  der  Theil  des  Arrhilravs,  der  auf  dem  Säulen- 
kapital  aufliegt,  gegen  den  Einsturz  am  sichersten  gewahrt  ist,  wie 
der  helle  Ton  der  Trompete  das  dumpfe  Tosen  der  Schlacht,  die 
Pfeife  des  Bootsmannes  das  Brausen  des  Sturmes  und  der  Wellen 
übertönt,  so  sicher  ist  auch  die  Silbe  des  Wortes,  welche  durch 
den  Hochton  gehoben  und  gestärkt  i>l  .  der  Klanglheil  des 
Lautkörpers,  der  durch  die  schnellste  und  kralligste  Bewegung  der 


—     323     — 

Schallwellen  entsteht  und  getragen  wird,  gegen  Verstümme- 
lung und  Vernichtung  am  meisten  geschützt  und  am  mei- 
sten geeignet  sich  volltönend  und  unversehrt  zu  erhalten, 
während  tieftonigc  Silben  verkümmern  und  verklingen.  Der  hoch- 
ton ige  Vokal  ist  seiner  Klangnatur  nach  am  wenigsten  befä- 
higt nicht  bloss  zum  Ausfall  sondern  auch  zur  Erleichterung, 
V e r k ü r z  u n g  un d  Verse h ieif u  n g. 

Thatsache  ist  nun  alter,  wie  die  vorhergehende  Untersuchung 
gezeigt  hat ,  dass  grosse  Masse  n  von  Vokalen,  die  nach  dem 
späteren,  ge  wohn  liehen  Betonungsgesetz  der  Lateini- 
schen Sprache  hochbetont  gesprochen  sein  würden,  in  ganzen 
Klassen  von  Worlformen  an  bestimmten  Stellen  des  Wortes  sich 
kürzen,  stumm  werden  und  gänzlich  schwinden,  während 
winzige  tieftonigc  und  schwachlautende  Vokale  daneben  in  den- 
selben Wortformen  unversehrt  erhallen  bleiben.  Wer  nun  an- 
nimmt, dass  jene  Vokale  und  ihre  Silben  wirklich  von  j  e  her  hoch- 
tonig  waren,  dem  liegt  es  ob  für  diese  mit  den  physischen 
Klanggesetzen  in  grellstem  Widerspruch  stehende  Thal- 
sache eine  sichere  oder  doch  wenigstens  akustisch  und  sprach- 
lich mögliche  und  denkbare  Erklärung  zu  finden.  Aber  so  weit 
bis  jetzt  die  Forschung  vorgedrungen  ist,  nirgends  ist  im  weilen 
Bereich  der  sprachlichen  Möglichkeiten  auch  nur  der  schwächste 
Anhaltspunkt  für  eine  solche  Erklärung  zu  entdecken;  der  Wider- 
spruch erscheint  nach  den  bisherigen  Mitteln  unserer  Erkenntniss 
unlösbar.  Man  wird  also  zu  dem  Schluss  gedrängt,  dass  jene 
z  a  h  1  r  ei c h  e n  G  r  u  p  p  e  n  v  e  r  k  1  u  n  g e  n  e r  n  n d  a US g e f all e  n e  r 
Vokale  einmal  nicht  hochbetont,  sondern  tieftonig  ge- 
sprochen wurden,  dass  mithin  in  älteren  Zeiten  ein  anderes  Be- 
tonungsgesetz in  der  Sprache  herrschte  als  das  gewöhnliche  von 
den  G  rammatikern  überlieferte.  In  der  ü  b  c  r  s  I  r  o  in  ende  n  M  enge 
der  angegebenen  sprachlichen  Tb  a  t  sa  eben  ,  die  nicht  an- 
ders erklärt  werden  können,  liegt  das  Zwingende  dieses 
Schlusses,  der  Angelpunkt  der  folgenden  Beweisfüh- 
rung. Wer  diese  angreifen  will,  nmss  gegen  diesen  Stützpunkt  den 
schärfen  Stoss  führen  wohlgerüstet  mit  stichhaltigen  Gründen,  aber 
nicht  mit  allgemeinen  Bedcwendimgen  einen  Stein  für  Brot  bieten. 
Wenn  in  den  früheren  Abschnitten  auf  den  hier  angetretenen  Be- 
weis für  das  ältere  Betonungsgesetz  der  Lateinischen  Sprache  zur 
Erklärung  mannigfacher  Erscheinungen  des  Lateinischen  Vokalismus 

21* 


—     324     — 

verwiesen  worden  ist,  so  liegt  also  hier  keinesweges  ein  Kreis- 
schluss  zu  Grunde,  sondern  die  Eintheilung  des  ganzen  zu  bear- 
beitenden Stoffes  erforderte  diese  vorläufigen  Hinweise,  und  diese 
sind  mit  dem  bestimmten  Bewusstsein  gegeben,  dass  sie  gar  keine 
Geltung  mehr  haben  würden,  sobald  es  gelänge  den  Grundsatz  von 
dem  aus  die  hier  folgende  Beweisführung  anhebt  zu  erschüttern  und 
zu  widerlegen.  Dieser  Beweis  für  das  ältere  Lateinische 
Beton  ungsgesetz  zerfällt  in  zwei  Theile,  erstens  den  Nach- 
weis, dass  in  der  älteren  Sprache  die  drittletzte  Silbe  hoch  - 
betont  gesprochen  werden  konnte  auch  wenn  die  vorletzte 
lang  war,  zweitens  den  Beweis,  dass  im  Altlateinischen  auch  die 
viertletzte  Silbe  den  Hoch  ton  haben  konnte. 

Es  soll  also  zuerst  nachgewiesen  werden,  dass  die  vorletzte 
lange  Silbe  nicht  immer  hochbe tont  gesprochen  worden  ist, 
sondern  dass  auch  die  drittletzte  Silbe  durch  den  Hochton 
gehoben  sein  konnte,  während  die  vorletzte  lange  tief  ton  ig 
klang.  Dies  geschieht ,  indem  eine  Anzahl  von  Wortformen,  die 
in  den  vorbeigehenden  Abschnitten  schon  besprochen  worden  sind, 
hier  übersichtlich  zusammengestellt  werden,  woraus  sich  der  Schluss 
ergeben  wird. 

Der  Hochton  stand  auf  der  drittletzten  Silbe  in  zahlreichen 
Wortformen,  deren  vorletzte  Silbe  ursprünglich  lang  war,  die 
aber  durch  Ausfall  eines  ä,  ö,  e,  T  geschwunden  ist. 

So  in  den  oben  angeführten  Perfektformen  der  A-Conjugation, 

deren  ä,  nachdem  es  sich  zuvor  gekürzt,   vor  der  Endung  vi  des 
Perfects  ausfiel : 

c  r  e  p  -  u  i ,  v  e  t  -  u  i , 

cub-ui  ,  sc-  r - 11  i, 

dom-ui ,  fric-ui, 

plic-ui,  im  <-ui,  vgl.  oben ,  II,  2. 

Ebenso  in  den  von  männlichen  Substantiven  auf  -tör  gebilde- 
ten Femininen,  welche  seil  sehr  aller  Zeit  wie  die  verwandten  Bil- 
dungen im  Griechischen  und  Sanskrit  (Bopp,  Vergl.Gr.S.  1132/.) 
den  Vokal  des  männlichen  Suffixes  ausstiessen  wie: 

vi  et -rix,  ,ie  c  usat  -rix, 

a et- rix,  ält-ri\, 

t  r  \  t  -  r  i  x ,  n  i'i  t  -  r  i  \ . 

venat-rix,  vgl,  oben,   II.   1.  ,~>. 


■ —       ozo      — 

Es  ist  unerklärlich,  wie  die  langen  und  gewichtigen  Vokale  ä 
und  ö,  wenn  sie  auch  noch  durch  den  Hochton  gestärkt  und  geho- 
ben worden  wären,  verklungen  und  geschwunden  sein  sollten,  wäh- 
rend daneben  tief  und  schwach  betonte  leichtere  oder  kürzere  Vo- 
kale unversehrt  erhalten  wären. 

Ebenso  war  die  drittletzte  Silbe  ursprünglich  hochbetont  in  den 
Compositen : 

ru-r  sum,  illö-rsum, 

s  11  -  r  s  u  m ,  i  s  1 6  -  r  s  u  m , 

quo-rsum,  hö-rsum, 

pro-rsum,  dextrö-rsum, 

pro-sa,  siniströ-rsum,  vgl.  oben,  II,  43. 

In  gleicher  Weise  hat  es   eine  Zeit  der  Sprache  gegeben,  wo 

vor  langem  e  der  vorletzten  Silbe  der  Hochton  auf  der  drittletzten 

Silbe  stand,  bis  dies  e  sich  kürzte  und  ausfiel.     So  in  den  Verbal- 

formen  wie: 

d  ed-rot,  deb-u  i  , 

ded-ro,  häb-ui, 

d  e  1  e  -  r  u  n  t ,  1  i  c  -  u  i , 

ama-runt  u.  a.,  pläc-ui,  vgl.  oben,  II,   18 — 21. 

Ebenso  betont  waren  die  Composita ,  deren  Stammsilbe  ge- 
schwunden ist  wie: 

prae-da,  sur-pta, 

pör-cet,  vgl.  oben,  II,  47. 

Das  lange  J  der  vorletzten  Silbe  ist  durch  den  Druck  des  Iloch- 
lones  auf  der  drittletzten  Silbe  ausgeworfen  in  den  oben  zusammen- 
gestellten synkopierten  Formen  vom  Perfekt  (II,  26 —  40). 
2.  Pers.  Sing.  Ind.  Per  f. 

dix-ti,  für  dixlsti,  u.  a.    intellex-ti,        exclus-ti, 

dux-ti,  prosp£x-ti,        evas-ti, 

direx-ti,  lüx-ti,  disces-ti, 

avex-ti,  instrux-ti,         ainä-sti, 

extinx-ti,  mers-ti,  dele-sti, 

devinx-ti,  mäns-ti,  nö-sti*). 

-depinx-ti,  mis-ti, 

emünx-ti,  percus-ti, 

*)  Langen,  Jahns  Jahrb.  79,  60.  glaubt  diese  schon  von  Dietrich 
Weil  und  Benloew  klar  dargelegte  Ansicht  von  der  alten  Betonung 
dieser  und  ähnlicher  Perfektformen  zu  widerlegen  ,  indem  er  behauptet, 


—     326    — 

2.  Pers.  Plur.  Ind.  Per  f. 

proträx-tis,  für  protraxlstis,  amä-stis, 

acces-tis,  u.a.  dele-stis. 

scrips-tis,  nö-stis. 


die  Formen  wie  acce'sti,  evästi  seien  nicht  aus  acce'ssisti,  eva- 
sisti  zu  erklären,  vielmehr  habe  man  immer  accessisti,  evasisti 
gesprochen.  Da  es  L.  einzuleuchten  scheint,  das  dass  i  derselben  nicht 
vernichtet  sein  kann ,  so  lange  es  vom  Hochton  emporgetragen  und 
gestärkt  war,  so  stellt  er,  um  das  Zurücktreten  des  Hochtones  von 
dem  i  auf  die  vorhergehende  Silbe  zu  erklären,  folgende  Behauptung  auf, 
a.  0:  f  der  Accent  wollte  auf  seinen  Platz  zurück,  den  er  bei 
der  ersten  Person  inne  hatte  (acce'ssi,  eväsi),  und  deswegen  v  er  hin  - 
derte  er  den  Ausfall  der  Penultima  nicht.'  Man  vergegenwärtige 
sich,  was  in  diesem  Satze  ausgesagt  ist.  Der  Ausdruck:  er  wollte 
auf  seinen  Platz  zurück  —  deshalb  verhinderte  er  den  Ausfall  der 
Penultima  nicht,  setzt  dem  Wortsinne  nach  die  Vorstellung  voraus, 
dass  der  Hoch  ton  noch  an  der  Silbe  haftete,  als  sie,  oder  vielmehr 
ihr  Vokal  ausfiel.  Der  negative  Ausdruck:  er  verhinderte  den 
Ausfall  nicht  kann  nach  dem  Wortlaut  nicht  bedeuten:  er  be- 
wirkte ihn,  sonst  käme  ja  auch  die  Avidersinnige  Behauptung  heraus: 
der  Hochton  unterdrückt  und  vernichtet  denVokal,  den  er  selbst 
hoch  und  stark  hervorhebt.  Dann  miisste  also,  da  doch  niemand 
des  Glaubens  sein  kann,  Vokale  fielen  in  den  Sprachen  rein  willkühr- 
lich  und  zufällig  aus  und  ab,  irgend  eine  andere  lautliche 
Kraft  im  Worte  wirksam  gewesen  sein,  die  dem  Hochton  seine  we- 
sentliche Macht  raubte,  den  hochbetonten  Vokal  zu  stärken  und 
zu  erhalten,  die  den  Hochton  ausser  Stande  setzte  den  Ausfall 
desselben  zu  verhindern.  Was  wäre  das  denn  nun  aber  für  eine 
lautliche  Kraft  ?  Unter  allen  lautlichen  Mächten,  die  im  Worte  wirk- 
sam erscheinen,  findet  sich  von  solcher  keine  Spur.  Oder  soll  die 
obige  Behauptung  L. 's  nur  soviel  sagen,  was  freilich  nachdem  Wortlaut 
unmöglich  angeht:  der  Hochton  hatte  denTriebauf  die  S  ta  m  ms  üb  e 
zurückzugehen,  er  that  das  auch,  und  dann  fiel  das  nun  tioftonig  ge- 
wordene i  jener  Perfektformen  aus.  Aber  auch  diese  Auflassung  geräth 
auf  einen  unlösbaren  Widerspruch.  Die  lange  vorlei 
Silbe  hat  nach  dem  gewöhnlichen  Betonungsgesetz  die  Maeht  gehabt 
iu  accessisti,  evasisti  den  Hochton  von  der  Stammsilbe  fort  und 
auf  sich  zu  ziehen;  die  Stammsilbe  zeigt  sieh  machtlos  dage- 
gen; dann  soll  sieh  das  Yerhaltniss  wieder  umkehren,  die 
Stammsilbe  soll  die  Maeht  bekommen  den  HoChton  von  der  bevorzug- 
ten langen  Penultima  wieder  zurückzuziehen,  und  diese  soll 
dagegen  machtlos  werden.  Der  vorletzten  langen  Silbe  wird  die  Kra  t't 
zugesprochen  den  Hochton  auf  sieh  su  ziehen,  die  Fähigkeil 


—     327     — 

1.  Pers.  Sing.  Conj.  Perf. 

fax  im,     für   facslsim,       condüxim,  lusiin, 

äxim,  u.a.  obiexim,  iussim, 

inspexim,  ausim,  empsim. 

1 .  Pers.  Sing.  Ind.  Fut.  II. 

f a  x  o ,    für  f ä  c  s  I  %$>*  u.  a.     c  a  p  s  o ,  i  ü  s  s  o. 

a  c  c  e  p  s  o , 

2.  Pers.  Sing.  Conj.  Perf. 

faxis,  für  facsisis,  u.  a.  indüxis,  amissis, 

rcspexis,  ausis,  parsis. 

dixis,  excessis, 

obicxis,  spönsis, 

3.  Pers.  Sing.  Conj.  Perf.  Ind.  Fut.  II. 

fäxit,  für  facsisit,  u.  a.  serpsit,  iüssit, 

noxit,  capsit,  ad^mpsit, 

inir'xit,  subrepsil,  incensit, 

cxtinxit,  clepsit,  occisit. 
cxciissit , 

3.  Pers.  Plur.  Conj.  Perf  Ind.  Fut.  \\. 
f ä x i n  t ,   für    f a  c sl s i n t ,     ad  ä x i n  I ,  a ü s i  n  1 . 

u.  a. 

1 .  Pers.  Sing.  Conj.  Phtsq. 

f  a  x  e  m ,    für  f a  c  s  I  s  c m ,      e xt  i n  x  o  m ,  a  I»  s  c ö  s  s  e  1 1 1 

amässem,  u.a.  nüssem,  delessem. 

2.  Pers.  Sing.  Conj.  Plusq. 
inl  ollrxcs,  für  i n teil 6c- 

amasses,  sises,    nösses,  delesses. 

3.  Pers.  Sing.  Conj.  Plusq. 

faxet,     für  fäcsiset,        afflixet,  amässct, 

träxet,  u.a.  conflüxet,         nösset, 

vixet,  rec  esset,  delessel. 


abgesprochen  den  Hochton  auf  sich  zu  behalten.  Dass  nun 
aber  überhaupt  die  Stammsilbe  nirgends  in  der  Lateinischen 
Betonungsweise  irgend  einen  Einfluss  auf  den  II  och  ton  geübt 
hat ,  ergiebt  sich  aus  der  ganzen  im  vorigen  Abschnitt  geführten 
Untersuchung.  Weiter  unten  wird  noch  einmal  die  Rede  darauf 
kommen. 


—     328    — 

Inf.  Per  f. 
advexe,  für  adv^csise,     misse,  elisse, 

perspöxe,         u.a.  com  esse,  invässe, 

p  r  o  d  ü  x  e ,  d  i  s  c  e  s  s  e ,  i  u  s  s  e , 

dixe,  divisse, 

amässe,  nösse,  delesse. 

Der  Nachweis  für  die  Entstehung  dieser  Formen  ist  oben  ge- 
geben. 

Dieselbe  Betonung  hatten  die  auf  -s so,  -ss im,  -ssis,  -ssit 
ausgehenden  alten  Formen  des  Fut.  II  und  Perf.  Conj.,  von  denen 
oben  ausführlich  die  Rede  war  und  hier  eine  Auswahl  zusammen- 
gestellt wird. 

1 .  Pers.  Sing.  Ind.  Fut.  II. 
servässo,  fürservävl-     amässo,  levässo. 

über  äs  so,         so,  u.  a. 

1 .  Pers.  Sing.  Conj.  Perf. 

lo  Cassini,    für  locävi-     negässim. 
sim, 

2.  Pers.  Sing.  Conj.  Perf.  Ind.  Fut.  II. 

celässis,  für  celävlsis,     turpässis,         optassis, 
peccässis,  u.  a.  limässis,  acclarässis. 

o  r  a  s  s  i  s ,  c  u  r  a  s  s  i  s , 

3.  Pers.  Sing.  Conj.  Perf.  Ind.  Fut.  II. 

cenässit,  für  cenavlsit,   imperässit,       plorassil, 
incantässit,        u.a.         crcässit,  propri&ssit, 

iudicässil,  migrassit,         dicässit. 

3.  Pers.  PI.  Conj.  Perf  Ind.  Fut.  II. 
servässint,  fürserva-     rogassint,         Iocassint, 
mactässint,     vT  sin  t,       averruncäs-      occentässint. 

s  i  n  t , 
Die  Erklärung  dieser  und  ähnlicher  Formen   ist   in   dem  Ab- 
schnitt über  Vokalausstossung  gegeben. 

Aehnlich  entstand  durch  Ausfall  eines  i 
iuxta,  füriugista  u.a..  vgl.  oben,  11,26. 
In  allen  diesen  und  ähnlichen  Formen  stand  also  der  Hoch- 
ton auf  der  drittletzten  Silbe  vor  T  o  n  1  ä  n  g  e  der  vorletzten. 
Als  nun  die  Lateinische  Sprache  dahin  neigte  das  Widerspiel 
zwischen  Hochton  der  drittletzten  und  Tonlänge  der  vorletzten  Silbe 
aufzuheben,  wurde  entweder  der  Hochton  von  seiner  Stelle 


—     329     — 

vorgezogen  und  gab  sich  der  Tonlänge  gefangen,  oder  er  be- 
hauptete seinen  Platz  und  überwältigte  die  folgende  Ton  länge, 
indem  er  sie  auswarf  oder  kürz  t  e.  In  den  vorstehenden  Wort- 
formen  ist  der  Hochton  der  drittletzten  Silbe  nach  Vernichtung  der 
vorletzten  Silbe  dem  Wortende  um  einen  Schritt  näher  getreten. 
In  den  gewöhnlichen  vom  Perfekt  abgeleiteten  Formen  kürzte  er 
den  Vokal  der  vorletzten  Silbe  wie  in  dixerim,  dixeris  u.  a.  oder 
er  rückte  auf  die  vorletzte  vor  wie  in  dixisti,  dixistis,  dixis- 
sem. 

Um  den  Sieg  des  Hochtones  der  drittletzten  Silbe  über 
die  T  o  n  1  ä  n  g  e  der  vorletzte  n  herbeizuführen,  war  es  ja  nicht 
nothig  ihn  zu  vernichten,  es  galt  nur  ihn  zu  kürzen. 

So  entstanden,  wie  oben  nachgewiesen  ist,  die  Genetivformen 
auf  -  ae  und  -  as  neben  denen  auf  -  ai : 

terrai ,  aus  terräis , 

vidi,  u.a. 

vitai, 

aquäi, 

m  a  g  n  a  i , 

auräi , 

pietai*),  vgl. oben,  II,  135—139. 


*)  Langen  glaubt  diese  Erklärung  zu  widerlegen,  indem  er,  Jahns 
Jahrb.  79,  60,  behauptet,  vom  Nominativ  rosa  hätte  die  ursprüngli- 
che Genetivform  r  osäi  gelautet,  dann  aber  habe  der  Hochton  mit- 
gewirkt zur  Contraction  in  rosae,  um  wieder  auf  seinen 
alten  Platz  zu  gelangen.  Das  heisst  also  der  hohe  starke  Ton 
eines  Vokales,  hier  des  schwersten  und  vollsten  a,  befördert  seine 
Verschmelzung  mit  einem  folgenden,  das  ist  seine  Verstümme- 
lung. Dass  dies  akustisch  nicht  möglich  ist,  dass  der  Hoch- 
ton  wegen  seiner  Höhe  und  Lautstärke  eine  schützende,  erhal- 
tende Macht  war  für  den  Vokal,  die  wie  jeder  anderen  Verstümme- 
lung so  auch  der  Verschmelzung  desselben  entgegentrat,  ist 
oben  nachgewiesen.  Wenn  aber  L.  behauptet  der  Hochton  habe  nur 
mitgewirkt  zur  Verschleifung  des  hochtonigen  Vokales,  so  müsste 
nach  diesem  Ausdruck  noch  ein  zweiter  Factor,  noch  eine  an- 
dere lautliche  Macht  eben  dahin  gewirkt  haben.  Was  war  das 
nun  für  eine  Macht?  L.  sagt  der  Hochton  sei  zu  jener  Mitwirkung  be- 
stimmt, weil  er  wieder  auf  seinen  Platz  zurückwollte,  also 
auf  die  Stammsilbe.  Dann  müsste  also  diese  Stammsilbe  eine 
Anziehungskraft  auf  ihn  geübt  haben.     Dieselbe  Stammsilbe, 


terrae, 

t  e  r  r  a  s 

v  i  a  e  , 

vias , 

vitae, 

vitas, 

äquae, 

m  a  g  n  a  e  , 

a  ü  r  a  e , 

p  i  c  t  a  e , 

—     330     — 

Ebenso  entstanden  die  auf  -s,  -e  oder  -i  auslautenden  Genetive 
der  E-Deklination  neben  denen  auf  -ei: 

fide,  fidei,  fidel,    aus  fideis, 

fame,  fämel, 

plebi,  plebei, 

dies,  diei, 

die,  vgloben,\\,  140—143. 

Also  in  diesen  Genetivformen  schlug  die  Sprache  den  doppel- 
ten Weg  ein,  Tonhöhe  der  drittletzten  vor  Tonlänge  der  vorletzten 
zu  beseitigen.  Entweder  sie  schob  den  Hochton  auf  die  vor- 
letzte Silbe  und  fesselte  ihn  da,  oder  sie  opferte  die  Ton  länge 
der  vorletzten  dem  Hochton  der  drittletzten,  indem  sie  jene  kürz  le. 


die  keine  Macht  hatte  den  Hochton  festzuhalten  gegen  die  Ein- 
wirkung der  langen  vorletzten  Silbe,  die  ihn  in  rosai  auf  sich 
zog,  dieselbe  Stammsilbe  miisste,  nachdem  sie  ihn  verloren,  plötzlich 
die  Macht  gewonnen  haben  ihn  wieder  auf  sich  zurückzuzie- 
hen von  der  langen  Penultima,  die  ihn  an  sich  gefesselt  hatte;  diese 
Stammsilbe  hätte  keine  festhaltende  Kraft  gehabt,  aber  eine  zu- 
rückziehende, was  wohl  schwerlich  jemand  begreift.  Aber  abgese- 
hen hiervon,  erhebt  sich  die  Frage:  wo  zeigt  sich  denn  eigentlich 
sonst  im  Lateinischen  eine  Anhänglichkeit  des  Hoch  ton  es  an 
die  Stammsilbe,  oder  anders  ausgedrückt:  wo  übt  denn  sonst  die 
Stammsilbe  eine  anziehende  Kraft  auf  den  Hochton  des  Wor- 
tes? Nirgends  ist  davon  eine  Spur  zu entdecken.  Sofort  verlässt 
der  Hochton  die  Stammsilbe  des  einsilbigen  und  die  kurze  Stamm- 
silbe des  zweisilbigen  Wortes  ,  auf  der  sein  ursprünglicher  Platz  war, 
so  wie  ein  Präfix  vor  dieselbe  tritt,  vgl.  pars,  expers,  potens, 
impotens.  Ebenso  unbedenklich  rückt  er  von  der  Stammsilbe  vor, 
Avenn  er  durch  irgend  ein  herantretendes  Suffix  in  Gefahr  kommt  über 
die  dritte  oder  vierte  Zeitweise  vom  Wortende  zurück  zu  stehen, 
vgl.  le'go,  legi  mini,  legebämus:  ebenso  treulos  verlässt  er  die 
Stammsilbe,  so  wie  nach  derselben  eine  lange  vorletzte  Silbe  auf 
tritt,  vgl.  le'go,  leg  ob  am.  Darin  zeigt  sieh  doch  wahrlich  keine 
Anhänglichkeit  des  Hoch  tones  an  die  Stammsilbe  des  Wortes. 
Nirgends  tritt  irgend  ein  Trieb  oder  Hang  desselben  zur  Stammsilbe 
hervor.  Er  verhält  sieh  völlig  gleichgültig  zu  ihr;  seine  Stellung  im 
Wort  ist  lediglieh  durch  die  Silbenzahl  und  dureh  die  Zeitdauer 
der  vorletzten  Silbe  bestimmt  und  gebunden,  wie  dies  oben  nach 
gewiesen  ist.  Die  Voraussetzung,  auf  der  die  obige  Behauptung  L.' s 
beruht,  ist  also  eine  unbedingt  unrichtige;  auf  ihr  fusst  auch  seine 
Aufstellung  über  Wortformen  wie  extinxem,  extinxet  u.a.,  von  der 
bereits  die  Kedo  gewesen  ist. 


—     331     — 

Beide  Wege  schlug  die  Sprache  auch  ein  in  den  Genetiven  auf  -Tu  s 
neben  lus  in: 

illius,    neben  illius,      aus    illius, 

ipsTus,  ipslus,  ipsius, 

istius,  istius,  istlus, 

ünius,  unius,  ünius, 

ütrius,  utrlus,  ütrius. 

Vgl.  oben,  II,  155. 

Die  Tonlange  der  vorletzten  erlag  der  Tonhöhe  der  dritllclz- 
ten  in: 

A  p 6 1 1  i n i  s  ,  für  A p 6 11  öni s , 

hominis,  neben  hemönis,  fürhomönis, 

ordinis,  u.  a. 

v  i  r  g  i  n  i  s  , 

marginis,  vgl.  oben,  I,  343,/.  371  f. 

In  der  Wortbildung  schlug  die  Sprache  dieselben  zwei  Wege 
der  Betonung  ein,  wie  in  den  vorstehenden  Genetiven  auf -ins,  -ins; 
so  in  den  Familiennamen  auf  -lus  neben  -Ins,  die  oben  nachgewie- 
sen sind,  wie: 

A  n  1 6  n  T  a,  neben  A  n  t  o  n  T  a ,  von  A  n  1 6  n  T  a, 
Claudius,         Claudius,         Claudius, 
L  u  c  i  1  i  a  e ,  L  u  c  i  1 1  a ,  L  u  c  i  1 T  a , 

Poetelius,        Poetelius,      Po  et  61  lus,  u.  a. 
Vgl.  oben,  II,  150. 

Die  Tonlange  der  vorletzten  Silbe  wich  dein  Hochlon  der  dritt- 
letzten in: 

plätea,      für     plätea,  gynaeceum,      'Epiuni, 

chorea,  Philippeos,       Seleücia, 

b  ä  1  n  e  u  m  ,  A 1  e  i  s  ,  P  o  l  e  m  o  c  r  ä- 

tTa. 
Vgl,  oben,  11,  157. 

Zahlreiche  Verbalformen  hatten  im  Altlateinischen  den  Hochton 
auf  der  drittletzten  Silbe  vor  der  langen  vorletzten,  wahrend  die  Vo- 
kale e  und  i  der  vorletzten  spater  kurz  erscheinen.  Dies  ist  nach- 
gewiesen von  Verbalformen  wie : 


—     332     — 

döcßo,      für     döceo,     vgl.     docere, 

d  ö  c  e  a  t , 

a  ü  d  \  o ,  a  ii  d  i  o ,  a  u  d  i  r  e , 

a  u  d  i  a  t , 

aüdTe  s  , 

aüdiunt,  vgl.  oben,  II,  155. 

d  ed  im  us,  für  dedlmus,  vgl.  dedi,  u.a. 

möri  in  u  r,  m  o  r  I  m  u  r,  für  muri  m  u  r, 

dixerimus,      dixerlmus,     dixerimus, 

dixerltis,         dixerltis,         dixeritis, 

dederitis,         dederitis,       dederitis,  vgl.  oben,  1,  371, 

372. 
Bei  den  vier  letzten  Formen  siegt  auch  die  Tonlänge  der  vorletzten 
Silbe,  indem  sie  den  Hochton  der  drittletzten  auf  sich  zieht. 

In  Compositen  kürzt  sich  der  ursprünglich  lange  Vokal  der  vor- 
letzten Silbe  zu  Gunsten  des  Hochtones  der  drittletzten,  wie  nach- 
gewiesen ist,  in: 

nihilo,  peiero,  cognitus, 

coxendlcis,     deiero.  agnitus*),  vgl.  oben ,  ct.  0.  I, 

318. 
In  den   durch   enklitische  Anfügung  von   inde   entstandenen 
Formen : 

de  inde,  per  in  de,  proin  de, 

e  x  i n d e ,  sübin d e,  vgl.  oben ,  II ,  86  f. 

ist  das  i  zu  einem  stummen  Vokal  eingeschrumpft  durch  die  .Macht 
des  Hochtoncs  der  vorletzten  Silbe. 

Wie  schon  oben  gezeigt  worden  ist  {vgl.  I,  323),  kann  der  Grund 
der  Vokalabschwächung  im  zweiten  Theile  der  Composita  nur  darin 


*)  Gegen  Langen  s  Einwarf,  <i.  0.,  eine  ursprüngliche  Form  deifim 
des  Compositum.-;  habe  es  nicht  gegeben;  die  Sprache  habe  sofort  entweder 
deiüro  behalten  oder  den  Hochton  zurückgezogen  und  damit  sofort  ii 
EU  e  geschwächt,  genügt  es  auf  «las  Ergebnis*  der  oben  geführten  Unter- 
suchungen hinzuweisen,  dass  Vokalkürzungen  und  -Erleichterun- 
gen in  der  Lateinischen  Sprache  nicht  plötzlich  über  Nacht  mit 
einem  Schlage  eingetreten  sind,  sondern  sehr  all  müh  lieh  oft  unter 
Jahrhunderte  langem  S  ch  w  a  n  k  e  n.  So  hat  auch  in  doiero  erst 
allmählich  der  Hochton  der  drittletzten  Silbe  den  langen  Vokal  u  der 
vorletzten  Silbe  zu  e  zu  kürzen  und  zu  erleichtern  vermocht. 


—     333     — 

liegen,  dass  der  Hochton  auf  das  erste  Glied  der  Compositum 
zurücktrat,  durch  das  die  Bedeutung  des  ganzen  Wortes  spe- 
cialisiert  wurde,  mochte  die  Stammsilbe  des  zweiten  Wortes  nun 
kurz  oder  lang  sein.  Ursprünglich  hatten  also  den  Hochton  auf 
der  drittletzten  Silbe  neben  Tonlänge  der  vorletzten  die  zusammen- 
gesetzten Wörter,  in  deren  zweitem  Gliede  a  zu  u,  e,  i  erleichtert 
wurde,  wie. 

cöndumno,  eonspergo,  cönfectus, 

insullo,  discerpo,  detrecto, 

eönculco,  imherbes,  abreptus, 

insulsus,  inermis,  ineptus, 

arcendo,  indemnis,  dispesco, 

c 6 m m  e n d o  ,  'Antemnae,  i n c  e s t u s , 

refertus,  dispenno,  quinquessis, 

Lüpercus,  äbiectus,  perpessus,  u.  a. 

Diese  dem  Lateinischen  so  eigentümliche  und  so  weitgreifende 
Vokalschwächung  bleibt  ganz  unerklärlich  ,  wenn  man  annimmt, 
dass  der  Hochton  von  vorn  herein  in  diesen  Compositen  auf  der  vor- 
letzten Silbe  stand.  Stand  er  aber  in  illlus,  hemönis,  plätea, 
döceo,  nihllo  u.  a.  auf  der  drittletzten  Silbe,  so  ist  der  Schluss 
auf  die  gleiche  Betonung  der  vorstehenden  Composita  gerechtfertigt. 
Auch  wo  im  zweiten  Theil  des  Compositum  ä  zu  e ,  a  e  zu  I , 
a  u  zu  ü  sich  trübte ,  fand  ursprünglich  dieselbe  Betonung  statt ; 
so  in: 

änhelo,  inqufro,  accus  o, 

i  n  I  q  u  u  s  ,  i  n  c  1  ü  d  o  , 

h o  m  i  c I d  a ,  de  fr ü d  o. 

c  6  n  c  I  d  i , 

p  e  r  1 1  s  u  m  ,  vgl.  oben,  II,  318/. 
Die  Tonlänge  der  vorletzten  Silbe  aber  hat  dann  später  über 
die  Tonhöhe  der  drittletzten  den  Sieg  davon  getragen  und  den  Hoch- 
ton an  sich  gezogen,  wo  er  für  immer  gefesselt  blieb. 

Es  ist  somit  bewiesen,  dass  nach  älterer  Lateinischer  Beto- 
nung der  II o c h t o n  nicht  gebunden  war  durch  die  Tondauer 
der  vorletzten  Silbe. 

Er  war  aber  zweitens  nicht  gebunden  an  die  drei  letzten 
Silben. 

In  dem  Abschnitt  über  Vokalausfall  sind  eine  ganze  Anzahl  von 
Wortformen  angeführt  worden,  in  denen  der  Vokal  der  drittletz- 


Ofin-cius, 

Pat 

ü  I  -  c  i  u  s , 

i  ü  r 

-ginm  , 

'0  C 

-  ti  i  ns, 

'Ob 

-  (1  i  u  s  , 

au  ■ 

-  d  e  o , 

—     334     — 

ten  Silbe,  die  also  nach  späterem  Betonungsgesetz  hochbetont  ge- 
wesen wäre,  weggefallen  ist,  der  Hoch  ton  aber  auf  derjenigen 
Silbe  steht,  die  ursprünglich  die  viertletzte  des  Wortes  war 
und  erst  durch  den  Vokalausfall  in  die  d  ritt  letz  te  Stelle  ge- 
rückt ist.     Solche  Wortformen  sind  : 

g  a  ii  -  d  e  o ,  T  ä  g  -  n  i  u  s , 

ä  r  -  d  e  o ,  S  e  s  t  -  1  i  a , 

puer-tia,  Nium-sius. 

Sam-  nium, 
bäl  -neum  , 

a  e  s  c  ü  1  -  n  e  u  s  ,  vgl.  oben,  II,  2 1  /'. 
Bildungen,  die  das  i  der  drittletzten  Silbe  eingebüsst  haben. 

Ebenso  hatten  ursprünglich  den  Hochton  auf  der  vierlletzlen 
Silbe  die  alten  synkopierten  Formen  des  Perf.  Conj.  Ind.  Fut.  II. 
Plusq.  Conj.  Plur.  wie: 

exocula-ssitis,  für  exoculä  visil  is, 
i  n  v  i  t  ä  -  s  s  i  t  i  s  , 

mulcä-  ssitis,  vgl.  oben,  II,  26 — 40. 
fäximus,  für      fäcsi-simus, 

cäpsiin  us  , 

fax  itis  ,  fac-si-sitis, 

a  ii  x  i  t  i  s  , 

erepsem  u  8,  cre  p-si-semus. 

Dieselbe  Betonung  ballen  ursprünglich: 
j)  öp  -Heus,  nüc  - 1  e  u  s ,  vgl.  oben,  1 1,  (i  f. 

Ebenso  ist  der  Hochton  aus  der  viertletzten  in  die  drittletzte 
Silbe  gerückt  durch  Ausfall  eines  o  in  der  vorletzten  Silbe  in: 

genit-rix,  monit  -  rix  ,  <|  uä-rtus,  für  quä- 

vgl.  oben,  II,  44.  tuorl  us. 

In  Compositen  stand  ^v  Hochton  ursprünglich  auch  auf  der 
viertletzten  Silbe,  rückte  aber  durch  Ausfall  des  Stammvokales  vom 
/weilen  Gompositionsgliede  in  die  drittletzte  Silbe  des  Wortes  vor. 
So  geschah  es  in : 
sur-puit,  sln-ciput,  expör-gere, 

n  MB     i  ri 

naü-fragus,  prin-eeps,  sür-gere, 

vi  in    i  ri 

prü-gnus,  se-libra.  iiir-uiuin, 

i        i       c  im  >    i 

ii  ii  -deeim  ,  pö  r-fee  re,  sür-pui  i  , 


335     — 


co-gito, 

prae-beo, 

hi 

m  anu-bri  um, 

p  rae-  m  i  u  m , 

p  r  ö  -  b  e  o , 

hi 

ind  ü  -  tiac  , 

i  ii  - 1)  o  o  , 

(1  e  -  b  e  o  , 

in 

m  a  n  ü  -  b  i  a  e  ,  vgl. 

oben,  II,  48  f. 

prae  -d inm , 

heu 

v  i  c  -  i  e  s  , 

ent 

vi  c  e  n  -  s  u  in  u  s  , 

ti 

n oi'i  - nd  in n  in  , 

v    fi  m 

t  r  i  e  -  i  e  s  , 

ent 

tricen  -  sinn  tis  , 

ti 

n  ü  -  ii  eil  po , 

»1  ua'drä'g  -  ies  , 

ent 

quadragßn -  su- 

ti 
III  IIS, 

(|  u  i  ii  -  (1  ceiin  , 

quo 

(j,n  i  n  (|  u  a  g  -  ies, 

ent 

quinquagän -  su  - 

ti 

111  II  s. 

Dasselbe  gilt  von  den  reduplicierten  Verbatformen: 
ret-tuli,*)  rep-peri,  r6c-eidi. 

e  e  >■ 

rep-  puli  , 
Vgl.  oben,  II,  46  f. 

Wer  annehmen  wollte,  dass  in  allen  diesen  Wortfbrmen  der 
Hochton  auf  der  ursprünglichen  drittletzten  Silbe  gestanden  habe, 
würde  also  nachweisen  müssen ,  durch  welche  lautliche  Ein- 
flüsse grade  diese  hochbetonte  Silbe  vernichtet  worden  ist,  hin- 
gigen tieftonige  Silben  mit  leichten  und  kurzen  Vokalen  in  den- 
selben Wortformen  unversehrt  erhallen  blieben.  Aber  zu  solchem 
Nachweis  ist,  keim;  lautliche  Möglichkeil  ersichtlich. 

Ursprünglich  auf  der  viertletzten  Silbe  stand  der  llochlon  auch 
in  einer  Anzahl  von  Wortformen,  die  durch  Abfall  eines  auslauten- 
den Vokales  i,  e  dreisilbig  geworden  sind,  wie: 

;'i  n  i in a  1  ,  calcar  , 

Fägutal,  tor  cular, 

B  ä  c  c  anal,  A  p  ö  1 1  i  n  a  r,  vgl.  oben,  1 1,  60  f. 

ebenso  in  den  Composilen,  die  durch  Vokalabfall  dreisilbig  geworden 
sind,  wie: 

fn'igi-fer-  armi-gcr-  mänsue-s, 

US  ,  US,  tu 

signi  -fe  1  -  16 cu  ple  -  s  , 

US  ,  tu 

öpi-fex,  vgl.     magni-ficus,         exti-spex, 

ärli-fex,  miri-ficus,  parti-eeps, 

Vgl.  oben,  II,  53  f.  65  f,  1  i  b  r  i  -  p  e  n  s. 


*)  Ueber  d;is  Verhältniss  von  tüli  u.  a.  zu  teluli,  vgl.  I,  3?6 


—     336     — 

Als  die  Lateinische  Sprache  anfing  den  Hochton  in  die  Grenzen  der 
drei  letzten  Silhen  zu  bannen  da  schaffte  sie  ihn  in  doppelter  Weise 
von  der  viertletzten  Silbe  weg.  Sie  warf  einen  der  Vokale  der 
folgenden  tieftonigen  Silben  aus,  so  dass  der  Hoch  ton  den  Sieg 
errang,  indem  er  die  Summe  der  Tondauer  der  folgenden  Sil- 
ben minderte,  oder  sie  nickte  den  Hochton  auf  die  drittletzte 
Silbe  vor  und  Hess  die  gesammte  Tondauer  des  Wortes  unangetastet, 
so  dass  die  Tondauer  über  die  Tonhöhe  überwog. 

Beide  Wege  hat  die  Sprache  eingeschlagen  bei  der  Gestaltung 
der  Genetive  der  A-  und  E-Declination,  nur  dass  sie  wegen  der  Ton- 
länge der  vorletzten  Silbe  den  Hochton  in  einigen  dieser  Formen  um 
zwei  Stellen  vorschieben  musste ,  gemäss  dem  späteren  Beton ungs- 
gesetz  der  Sprache.     So  entstand  :    ' 

änima~e,         neben       animai,     aus     änimäis, 
materiae,  materiai,  u.a. 

familiae,  familias,  familiäi,  vgl.  oben  II,   135 — 139. 

Ebenso  entstanden  die  Genetivformen  der  E-Deklination: 

fäcies,  neben  fäcii,  faciei,  aus  fäcieis, 

fäcie,  u.a. 

rabies,  rabiei, 

p  e  r  n  i  c  i  e  s,      p  e  r  n  i  c  i  i ,     p  er  ni  c  i  e  i , 

luxüries,        luxürii,       luxuriei, 

ä  c  i  e ,  ä  c  i  i ,  a  c  i  6  i , 

specii,  speciei,  vgl.  oben,  II,  140 — 143. 

wie  diese  Formen  schon  oben  erklärt  sind. 

Ebenso  ist  im  Abschnitte  von  den  irrationalen  Vokalen  nach- 
gewiesen, dass  im  Volksmunde: 

t  e n  in o  r  ,         t  e n  ul  u  s ,      ä  b  fe t e ,  vgl.  oben,  II,  1 67  /'. 
gesprochen  worden  ist,  indem  das  u  und  i  dieser  Formen  vor  fol- 
gendem Vokal  einen  irrationalen  dem  v  und  j   ähnlichen  Laut 
hatten.     Auf  der  vieriletzten  Silbe  waren  auch  diese  Wortformen 
einmal  betont. 

Schon  oben  isl  gezeigt,  dass  in  Compositen  der  Efocbton  auf 
den  ersten,  die  Bedeutung  des  Wortes  schärfer  ausprägenden  be- 
deutungsvollen Bestandteil  desselben  zurücktrat  und  dass  in  Folge 
dessen  der  Wurzelvokal  des  zweiten  Compositionsgliedes  Ton- 
schwächung erlitt;  somit  stand  also  in  viersilbigen  Compositen  der 
Art,     in    denen    der    Vokal    der    zweiten    Worlwui  zcl     erleichtert 


—     337     — 

und  geschwächt  erscheint,  der  Hochton  einst  auf  der  viertletzten  Silbe ; 
so  in: 

occupio,  refercio,  äccipio,  existumo. 

a  u  c  u  p  i  u  m ,        exerceo,  e  r  i  p  i  o  , 

i  1 1  u  v  i  e  s  ,  r  e  d  e  r  g  u  o ,  i  n  s  i  p  i  d  u  s , 

mälluvium,      biennium,  cönfiteor, 

d  i  s  s  u  1  i  o ,  r  e  p  e  r  i  o ,  c  6  n  s  t  i  t  u  o , 

conditio,  perpetior,  displiceo. 

r  e  t  i  c  e  o, 
difficilis, 
i  m  mi  n  e  o , 
üpilio, 
c  6  n  t  i  n  e  o . 
i  n  d  i  g  e  o , 
a  s  s  i  d  e  o  , 
Demnach  ergiebt  sich  also,  dass  nach  dem  älteren  Lateini- 
schen Betonungsgesetz  der  Hochton  nicht   durch  die  Zahl   der 
drei  letzten  Silben  des  Wortes  gebunden  war,  sondern  auch 
auf  der  viertletzten  stehen  konnte.     Als  das  spätere  dem  Grie- 
chischen verwandte  Betonungsgesetz   in  der  Sprache  zum  Durch- 
bruch kam,  beseitigte  die  Sprache  auf  doppelle  Weise  den  Hochton 
von  der  viertletzten Silbe;  sie  schob  ihn  vor  und  bannte  ihn  in  die 
Tongrenzen  der  drei  letzten  Silben,  das  heisst  sie  rückte  ihn  auf  die 
drittletzte,  wenn  die  vorletzte  kurz  war,  auf  die  vorletzte, 
wenn  diese  lang  war ;  oder  die  Sprache  w a  h  r  t  c  d  e  n  H  o c  h  1  o  n 
auf  seiner  Silbe,  liess  aber  den  Vokal  einer  der  drei  letzten 
Silben  schwinden,  wodurch  die  viertletzte  Silbe  in  die  Stelle 
der    drittletzten    einnickte.     Somit  bewegte   sich  der  Hochton 
in  der  Altlateinischen  Sprache  freier  als  in  der  späteren  Sprache, 
in  der  er  durch  die  Tondauer  der  vorletzten  Silbe,   wie  durch  die 
drei  letzten  Silben  zusammen  gebunden  war. 

Zu  der  Annahme  aber,  dass  im  Lateinischen  etwa  in  der  Weise 
wi»  im  Deutschen  der  Hochton  ursprünglich  immer  auf  der 
Stammsilbe  gelegen  habe,  berechtigt  nichts  von  Allem,  was 
von. der  älteren  Lateinischen  Betonungsweise  noch  erkennbar  ist. 

Wann  das  neue  Betonungsgesetz  der  Lateinischen  Sprache 
anfing  zur  Geltung  zu  gelangen,  wird  sich  nicht  mehr  erforschen 
lassen.  Die  grosse  Mehrheit  der  synkopierten  Wortformen, 
aus  denen    ein  älteres  Betonungsgesetz   geschlossen  ist,    gehören 

CORSSEN  II.  22 


—     338     — 

schon  der  Sprache. zur  Zeit  der  Puni sehen  Kriege  an,  ein  siche- 
res Zeichen,  dass  schon  damals  die  jüngere  Betonungsweise 
vorherrschend  war.     Solche  u  r  a  1 1  e  s  y  n  k  o  p  i  e  r  I  e  Formen  wie : 
nanesitor,   für  na  nesisitur, 
renanesitur,     renanesisitur, 
faxitur,  faesisitur, 

I  u  r  ba  s  si  tur ,     t urb a  vi si  t  u r , 
die  in  den  Gesetzen  der  zwölf  Tafeln  und  in  ähnlichen  alten 
Gesetzurkunden  vorkamen,    lassen   indessen  den  Schluss  zu, 
dass  die  Sprache  schon  Jahrhunderte  lang  vor  den  Puni- 
schen  Kriegen  dahin  neigte  die  ältere  Betonungsweise 
durch    Ausstossung    von    Vokalen    und    Vorschiebung 
des  Hochtones  zu  beseitigen.     Ein  so  wichtiger  Prozess  im 
Organismus  und  Lehen  der  Sprache  vollzieht  sieb  nicht  über  Nachl; 
von  dem   langen  Kampfe  zwischen  llochton    und  Tondauer 
in  dem  Leib  des  Lateinischen  Wortes  legen  Doppelformen  Zeug- 
niss  ab  wie  d  e d  e r  u  n  t  und  d  e  d e r  u n  t ,  in  a  n  s  t  i  und  m  a  n  s  i  s t i , 
auxilis  und  auxeritis,  animac  und  animai;    sie  zeigen  wie 
in  dem  Kampfe  zwischen  Hochton  und  Tondauer  im  Wolle  bald  der 
llochton  die  Tondauer  bezwang  und  den  Leih  des  Wortes  in  engere 
Tongrenzen   zusammenschnürte  ,  bald  dem  Gewicht  der  Tondauer 
weichend   auf  die  Grenzen  der  drei  letzten  Silben  beschrÄnkt  und 
an    die  Tonlänge  der  vorletzten  Silbe   gebunden  wurde.     Aber  der 
Friede   zwischen  den  beiden   kämpfenden  Elementen  war  schon 
hergestellt  in  der  Zeil   wo  eine  Römische  Litt  erat  ur  sich 
zu    entwickeln    anlangt,    das    neuere    Beton  ungsgeselz 
war  schon  zum  völligen  Durchbruch  gekommen,    und  was  von 
dem  llochton  auf  der  vicrtleizlen  Silbe  Plautinischer  Wörter  gesagt 
ist,  verliert  jeden  Halt,   wenn  die  Ansicht  als  unhaltbar  nachgewie- 
sen   wird,    dass    Plaulus    absichtlich    Uehereinstimniung    zwischen 
llochton  und  Vershebung  gesucht  habe*). 


C.     Betonung   der    Italischen   Dialekte. 

a)     l)  e  r    II  o  c  h  Ion     i  in    Wo  r  I  e. 

Mit  Absicht  ist   von  der  Betonungsweise  der  dem  Lateinischen 
verwandten  Italischen  Dialekte  bis  jetzt    noch  nicht  die  Keile  gewe- 


*)   Aus  dem  (Jmstande,   dass  viersilbige  Wörter  von   der  Tonlage 

±r    bei  den   Komikern  die   Ve  r  s  h  o  b  u  n  £    häufiger    auf    der    viert- 


—    339    — 

sen ,  weil  erst  an  der  Lateinischen  Sprache  die  Methode  der  For- 
schung erprobt  werden  sollte,  durch  welche  man  zu  einer  Erkennt- 
niss  derselhen  gelangen  kann.  Es  ist  nämlich  die  Betrachtung  des 
Vokalausfalles    und  Voka  labfalle s  ,    Lautwandelungen,    die 


letzten  als  auf  der  drittletzten  Silbe  tragen,  folgert  Bentley  (zu 
Ter.  Hemd.  II ,  3 ,  30),  dass  zu  Plautus  Zeit  die  Römer  in  diesen  Wor- 
ten den  Hoch  ton  auf  der  viertletzten  Silbe  gesprochen  hätten,  in- 
dem er  von  der  Voraussetzung  ausgeht,  dass  Plautus  und  Terenz  ab- 
sichtlich Uebereinstimmung  zwischen  Hochton  und  Vershebung  in  ihren 
Versen  gesucht  hätten.  Langen  sucht  diese  Ansicht  zu  stützen  durch 
eine  fleissige  Zählung  von  Dichterstellen  (Ace.  p.  187).  Er  findet,  dass 
der  Fall  der  Vershebung  auf  die  viertletzte  Silbe  ~  ~  «  ¥.  bei  Plautus 
im  Ganzen  800  mal  vorkommt,  und  zwar  410  mal  am  Ende  des  Verses, 
390  mal  an  anderen  Versstellen,  bei  Terenz  im  Ganzen  264  mal,  und 
zwar  178  mal  am  Ende  des  Verses,  %86  mal  an  anderen  Versstellen,  bei 
Phaedrus  im  Ganzen  95  mal ,  und  zwar  85  mal  am  Ende  des  Verses, 
10  mal  an  anderen  Versstellen  ,  dass  hingegen  der  Fall  der  Vershebung 
auf  die  drittletzte  Silbe  ^  -J  w ;-/  bei  Plautus  nur  80  mal ,  bei  Terenz  37 
mal,  bei  Phaedrus  21  mal  vorkomme.  Diese  Zählung  ist  sehr  dankens- 
werth,  führt  aber  zu  anderen  Schlüssen  und  Ergebnissen,  als 
L.  daraus  gezogen.  Wer  mit  der  auf  sicherem  Grunde  beruhenden  Vor- 
aussetzung, dass  für  Plautus  Zeit  schon  dasselbe  Betonungsgesetz  galt 
als  zu  Ciceros  und  Cäsars  Zeit,  an  die  Betrachtung  jener  Stellen  und 
Thatsachen  geht,  kann  nur  folgendermassen  schliessen:  Da  bei  Plautus 
die  Vershebung  in  Wortformen  von  der  Tonlage  ~  ~  ~  ±i  gewöhnlich 
auf  die  viertletzte  Silbe  fällt,  der  Hochton  aber  doch  auf  der 
drittletzten  Silbe  steht,  so  fand  in  diesen  zahlreichen  Fällen  der 
Widerstreit  zwischen  Vershebung  und  Hochton  des  Wortes  statt, 
der  ja  auch  sonst  in  Lateinischen  Versen  so  gewöhnlich  ist.  Bentley 
und  seine  Nachfolger  aber ,  die  erweisen  wollen ,  dass  Plautus  Ueberein- 
stimmung zwischen  Hochton  und  Vershebung  suche,  folgern:  nein,  es 
findet  an  jenen  Stellen  kein  Widerstreit  statt  zwischen  beiden 
Factoren,  denn  damals  waren  jene  Wortformen  auf  der  viertletzten 
Silbe  hochbetont.  Und  fragt  man:  woher  weiss  man  denn  diese  Beto- 
nung? so  lautet  die  Antwort:  weil  Plautus  die  Vers  liebung  auf  die 
viertletzte  Silbe  fallen  lässt ,  der  doch  U  ebere  ins  ti  mmu  ng  zwi- 
schen Hochton  und  Vershebung  sucht.  Dieser  Kreis  schluss  ist  be- 
wusst  oder  unbewusst  gemacht  worden,  wenn  auch  nicht  in  dieser  Form 
ausgesprochen.  Von  den  beiden  zu  erweisenden  Sätzen  :  1)  dass  im 
Lateinischen  der  Hoch  ton  einmal  auf  die  vf*ertletzte  Silbe  fallen 
konnte,  2)  dass  Plautus  Hochton  und  Vershebung  in  Einklang 
zu  bringen  suchte,  ward  abwechselnd  erst  der  eine,  dann  der  andere 
vorläufig  als  erwiesen  angesehen  und  damit  je  nach  dem  vorliegenden 
Bedürfniss    ein  Beweis   für  den  ersten  oder  für  den  zweiten  angetreten. 

22* 


—     340     — 

in  den  Italischen  Dialekten  ,  namentlich' dem  Umbrischen 
und  Oski sehe  n,  im  Ganzen  an  denselben  Stellen  der  Wort- 
formen und  unter  denselben  lautlichen  Bedingungen 
stattfinden  wie  im  Lateinischen,  aus  denen  sich  ein  Schluss 
auf  die  Betonung  dieser  Sprachen  ziehen  lä'sst. 

Ein  stichhaltiger  Beweis  für  jene  angeblich  gesuchte  Uebereinstimmnng 
zwischen  Hochton  und  Vershebung  kann  aber  nur  gegeben  werden,  wenn 
man  das  gewöhnliche  Betonungsgesetz  der  Lateinischen  Sprache 
zu  Grunde  legt;  ein  wissenschaftlicher  Beweis  für  die  hochtonige  Aus- 
sprache der  viertletzten  Silbe  kann  nur  geführt  werden,  wenn  man  keine 
noch  zu  erweisende  Annahmen  über  Plautinische  Metrik  hineinmengt,  son- 
dern ihn  aus   sprachlichen  Gründen  führt. 

Indessen  angenommen,  Plautus  suche  unter  gewissen  Bedin- 
gungen eine  Ueber  ein  stimm ung  zwischen  Hochton  und  Vershebung, 
so  kann  diese  aus  L. 's  obiger  Berechnung  jedenfalls  nicht  gefolgert  und 
darauf  die  Betonung  der  viertletzten  Silbe  begründet  werden.  Um  dies 
nachzuweisen  werden  hier  geschieden:  1)  die  Fälle,  wo  die  metrische 
Tonlage  ^«ü  am  Versende  erscheint,  2)  die  Fälle,  wo  sie  nicht 
am  Versende  vorkommt.  Es  braucht  wohl  kaum  bemerkt  zu  werden, 
dass  man  bei  den  von  L.  gefundenen  Zahlen  natürlich  immer  in  An- 
schlag bringen  muss,  dass  von  Plautus  die  bei  weitem  grösste  Anzahl 
von  Versen  vorhanden  ist,  eine  viel  geringere  bei  Terenz  und  eine  ver- 
hältuissmässig  sehr  gelinge  bei  Phaedrus. 

1)  Da  in  der  Mehrzahl  der  Fälle  die  Lage  der  Vershebung  J  ~  ^  ^ 
am  Ende  des  Verses  erscheint,  und  zwar  bei  Plautus  in  mehr  als 
der  Hälfte  der  Falle,  wo  sie  überhaupt  stattfindet,  bei  Terenz 
anderthalb  mal  so  oft,  bei  Phaedrus  achtmal  so  oft  am  Ende 
als  an  anderen  Versstellen,  so  erhellt  so  viel,  dass  in  der  Mehrzahl  der 
Fälle  die  Dichter  die  Vershebüng  gar  nicht  anders  fallen  hissen 
konnten  im  Limbischen  Senar  und  Trochäischen  Septenar,  dass  also 
aus  diesen  an  sich  überhaupt  kein  Schluss  gemacht  werden  kann 
auf  die  Stelle  des  Hochtoncs  in  Wörtern  von  der  metrischen  Tonlage 
Jw^v^  weder  dass  er  auf  der  vorletzten,  noch  dass  er  auf  der  dritt- 
letzten lag,  weder  dass  der  Dichter  jenen  Fall  der  Vershebung  suchte, 
noch  dass  er  ihn  mied.  Wäre  dieser  Schluss  aus  der  metrischen  Ton- 
lage J^^^  in  der  Endung  jener  Verse  überhaupt  möglich,  so  könnte 
er  nach  B.'s  und  L.'s  Ansicht  von  Altlateinischer  Betonung  nur  dahin 
ausfallen,  dass  im  Versschluss  Plautus  weniger,  Teientins  bedeutend 
mehr,  am  allermeisten  aber  Phaedrus  Uebereinstimmnng  zwischen  Hoch- 
ton und  Vershebung  strebten.  Aber  die  späteren  Dichter  sollen  ja  jene 
früher  gesuchte  Uebereinstimmnng  aus   den  Augen   gesetzt  haben. 

2)  Es  bleiben  also  diejenigen  Stellen  zu  erwägen,  WO  die  Lage  der 
Vershebung  <i-^ S±  nicht  im  Verschluss,  sondern  an  anderen 
Versstellen  vorkommt.      Unter  diesen  sind  folgende   hervortretend,  an 


341     — 


Wenn  alle  Mundarten  der  Deutschen  Sprache  eine  und  dieselbe 
Betonungsweise  zeigen,  wenn  auch  in  allen  Griechischen  Dia- 
lekten, von  einer  Neigung  des  Aeolischen  Dialekts  die  Endsilben 
tieftonig  zu  sprechen  abgesehen,  doch  im  Ganzen  dasselbe  Be- 


denen  gar  keine  andere  Lage  der  Vershebung  stattfinden  kann  als  <-'  <>  *•  - 
vor  zweisilbigem  Schlusswort  des  Iambischen  Senar  und  Trochäischen 
Septenar  ^-»w.^-j  ^vS,  in  jedem  Falle,  wenn  das  viersilbige  Wort  die 
dritte  und  vierte  Vershebung  trägt,  J~~^  |  v^_l^  J.?  insbesondere  also 
nach  der  Penthemimeres  des  Iambischen  Senars  und  nach  dem  Einschnitt 
des  Trochäischen  Septenars,  ferner  im  Anfang  aller  Trochäischen  Verse, 
nach  Trochäischem  oder  Spondeischem  Wortfusse  zu  Anfang  derselben 
-^  |  wl'w.  ww'y  und  wenn  das  viersilbige  Wort  die  dritte  und  vierte  Vers- 
hebung derselben  trägt,  —  ^-^|^^^^|.  Vergleicht  man  nun  diese 
Fälle  mit  der  oben  angegebenen  Mehrzahl  von  Fällen,  wo  die  Lage  der 
Vershebung  Jww.^  am  Versende  statt  fand  und  eine  andere  gar  nicht 
stattfinden  konnte,  so  ergiebt  sich  also  eine  grosse  Mehr  z  ahl  von  Fäl- 
len, in  denen  keine  andere  Lage  der  Vershebung  stattfinden  konnte, 
von  denen  an  und  für  sich  gar  nicht  geschlossen  werden  kann,  ob  bei 
der  Lage  der  Vershebung  ^  ~  «  ^  der  Hochton  des  Wortes  auf  der  viert- 
letzten Silbe  lag  oder  nicht,  ob  der  Dichter  diesen  Fall  der  Vershebung 
suchte  oder  nicht,  ob  er  Uebereinstimmung  des  Hochtons  und  der 
Vershehung  bezweckte  oder  nicht.  Umgekehrt  giebt  es  natürlich  be- 
stimmte andere  Stellen  im  Iambischen  Senar  und  Trochäischen  Septe- 
nar, wo  keine  andere  Lage  der  Vershebung  wie  -  J  ^  ^  stattfinden 
konnte.  So  vor  einsilbigem  Schlusswort  jener  Verse,  ^Jw^jO. 
Da  aber  der  Gebrauch  einsilbiger  Schlusswörter  in  diesen  über- 
haupt selten  ist  im  Vergleich  zu  mehrsilbigen,  namentlich  zwei-  und 
dreisilbigen  Schlusswörtern ,  so  ist  klar  ,  dass  auch  die  metrische  Ton- 
lage <-*  4  w  —  vor  einsilbigem  Schlusswort  sehr  selten  sein  musste, 
dass  der  Dichter  ,  falls  er  für  den  Satzbau  ein  so  gemessenes  Wort  im 
letzten  Theile  des  Verses  brauchte,  dasselbe  leichter  und  bequemer  mit 
dem  Fall  der  Arsis  «^  **  +*  ^L  an  den  Schluss  setzte  oder  vor  ein 
z  w  eisilb  ige  s  Schlusswort.  Die  metrische  Tonlage  ^^^^musste 
ferner  eintreten  vor  dreisilbigem  Schlusswort  des  Iambischen  Senars  und 
Trochäischen  Septenars,  dessen  drittletzte  Silbe  lang,  die  vorletzte  kurz 
ist,  ^  J  ^  ü  |  -^  ^,  in  jedem  Falle,  wo  die  letzte  Silbe  solcher  viersilbi- 
gen Wörter  unmittelbar  vor  der  Cäsur  oder  dem  Verseinschnitt  stand, 
^  vi ^  v-j. |J  J. t  ebenso  im  Anfang  lambischer  Verse  und  nach  der  ersten 
Hebung  Trochäischer  Verse,  *  |  -  ~  ^  i^.  In  allen  diesen  Fällen  konnte 
gar  kein  anderer  Fall  der  Vershebung  stattfinden  als  ~  ^  ^  ^ ;  aus 
ihnen  lässt  sich  an  sich  gar  kein  Schluss  machen,  weder  dass  die 
drittletzte,  noch  dass  die  viertletzte  Silbe  hochtonig  war,  weder  dass 
der  Dichter  diesen  Fall  der  Vershebung  mied,   noch  dass  er  ihn  suchte, 


—     342     — 

tonungsge  sei  z  herrscht,  so  würde  der  Schluss  gerechtfertigt 
sein,  dass  auch  in  denjenigen  Italischen  Sprachen,  die  einander 
eben  so  nahe  verwandt  sind  wie  die  Griechischen  und  Deutschen 
Mundarten  untereinander,  auch  im  Ganzen  dasselbe  Beto- 
nungsgesetz gewaltet  habe  wie  im  Lateinischen. 


weder  dass  er  den  Widerstreit  zwischen  Hochton  und  Vershebimg  scheute, 
noch  dass  er  ihn  nicht  scheute. 

Es  ergiebt  sich  also:  Ob  die  Dichter  der  Vershebung  die  Lage  w->^^ 
oder  die  Lage  ^  J  ->  ^  gaben,  hängt  ab  von  der  Stellung  der  so  ge- 
messenen Wörter,  zum  Anfang  des  Verses,  zum  Ende  des  Verses,  zu 
den  Cäsuren  und  Einschnitten  des  Verses,  zur  metrischen 
Tonlage  vorhergehender  oder  folgender  Wörter.  Der  Fall  der 
Vershebung  in  jenen  Wörtern  hängt  also  ab  von  metrischen  Bedin  - 
gungen;  irgend  welche  Abhängigkeit  desselben  vom  Hochton  des 
Wortes  ist  aus  derselben  allein  nicht  nachweisbar,  für  die  Frage  nach 
der  Beschaffenheit  des  Altrömischen  Betonungsgesetzes  ist  derselbe  von 
keiner  Beweiskraft. 

Mau  könnte  nun  aber  einwenden:  dafür,  dass  eben  Blautus  jene 
viersilbigen  Wörter  so  viel  öfter  in  die  Versstellen  brachte,  wo  sie  die 
metrische  Tonlage  J^^^  nothwendig  haben  mussten,  liegt  der  Grund 
grade  darin,  weil  er  Ueb  e  re  in  s  t  i  m  in  u  n  g  zwischen  Hochton  und  Vers- 
hebung bezweckte.  Dass  auch  diese  Aufstellung  unhaltbar  ist, 
vielmehr  auch  hier  metrische  Gründe  jene  Erscheinung  veranlasst 
haben,  soll  nun  nachgewiesen  werden.  Viersilbige  Wörter,  deren  drei 
erste  Silben  kurz  sind,  sind  der  ungeheuren  Mehrzahl  nach  Nominal- 
oder  Verbalformen  und  haben  die  letzte  Silbe  in  der  grossen  Mehr- 
zahl lang,  weil  die  Flexionse  nd  u  ngen  besonders  im  Altlateinischcu 
in  überwiegender  Menge  lang  waren.  Die  Belege  für  diese  Thatsache 
in  der  Declination  wie  in  der  Conjugation  sind  in  dem  Abschnitt  über 
Vokalkürzung  in  auslautenden  Silben  zusammengestellt.  Wenn  also 
schon  in  der  Sprache  die  Wortformen  ^^^_  viel  häufiger  sind  als  die 
Wortformen  ^  *  ~  «  ,  so  erscheint  jene  Messung  im  Verse  deshalb  bei 
weitem  öfter,  weil  die  eigentlich  kurze  Schlusseilbe  der  letzteren  viel- 
fach durch  Position  lang  wird.  Daher  erklärt  sieh  die  Thatsache, 
dass  im  Verse  die  Wortgestalt  -  ~  -  -  in  überaus  grosser  Mehrzahl 
überwiegt  über  die  Form  ~  -  ~  ~ .  Dass  nun  für  jene  so  weit  über- 
wiegende Form  der  Fall  der  Vershebung  -  -  -  —  viel  häutiger  eintreten 
musstc ,  als  die  Lage  «  ~  ~  -,  ergiebt  sieh  aus  folgender  Erwägung. 
1)  Die  Form  «-  ~  ~  —  war  ausschliesslich  möglieh  zu  Anfang  des  Tro- 
chäisc  he  n  Sep  tena  rs  und  zu  En  de  des  1  am  b  is  ch  e  n  Se  nars  wie 
des  Trochäischen  Septenars.  An  diesen  Stellen  im  Veraanfang 
oder  Versende  fand  sie  am  leichtesten  und  bequemsten  statt,  weil 
jene.  Stellung  nicht  die  Rücksicht  auf  die  Messung  eines  vorhergehenden 
Wortes,     diese    nicht    die    Kücksicht    auf    ein     fönendes    Wort    verlangte 


—     343     — 

Diese  Uehörzeugung  muss  sich  jedem  aufdrängen,  wenn  man 
die  übereinstimmenden  Wortformen  der  Italischen 
Sprachen  betrachtet.  Man  überblicke  folgende  Zusammenstellung 
übereinstimmender  zweisilbiger  Wortformen  aus  denselben : 


und  beide  von  der  Cäsur  des  Verses  fern  standen.  Da  es  nun  sehr  viel 
mehr  Ausgänge  Trochäischer  und  Iambischer  Verse  giebt  als  Anfänge 
Trochäischer  Verse ,  so  mussten  j  ene  Versausgänge  die  vorzugli- 
che Stelle  für  die  metrische  Tonlage  ~  ^  -<  —  werden,  wie  die  obigen 
Zahlenangaben  zeigen.  2)  Da  nach  dem  regelrechten  Schema  das  Iam- 
bischen  und  Trochäischen  Verses  auf  drei  Moren  oder  Zeitweilen 
eine  Vershebung  kommt,  so  war  es  wahrscheinlicher,  dass  bei  der 
Vertheilung  der  Vershebungen  auf  die  zum  Verse  nöthigen  Wörter  ein 
Wort  von  fünf  Tonweilen  wie  <-*  v.«—  zwei  Vershebungen  zuertheilt  er- 
hielt als  eine.  3)  Da  die  Vershebung  nach  dem  regelmässigen  Schema 
jener  Versarten  sich  der  Tonlänge  im  Worte  zugesellt,  so  lag  es  nahe, 
dass  bei  einem  viersilbigen  Worte  von  drei  kurzen  und  einer  langen 
Silbe  auf  diese  eine  Vershebung  fiel.  4)  Durch  den  Fall  der  Vers- 
hebung ~  ^  ^—  wird  das  regelmässige  Schema  des  Trochäischen  und  Iam- 
bischen  Verses  rein  erhalten,  durch  den  Fall  der  Vershebung  ~  J^_ 
wird  es  getrübt,  indem  neben  der  aufgelösten  Arsis  eine  Länge 
stellvertretend  für  die  Kürze  in  die  Thesig  trat,  insbesondere  an 
solchen  Stellen  des  Verses,  wo  nach  Griechischer  Metrik  eine  solche 
stellvertretende  Länge  nicht  gestattet  oder  ungewöhnlich  war  wie  in  den 
graden  Stellen  des  Iambischen  Senars  und  in  den  ungraden  des  Trochäi- 
schen Septenars.  Das  sind  die  metrischen  Gründe,  weshalb  im 
Iambischen  Senar  und  im  Trochäischen  Septenar  im  Allgemeinen  der 
Fall  der  Vershebung  J  ~  -  —  vor  dem  anderen  ~  J  ^  -  entschieden  den 
Vorzug  erhielt. 

Es  fragt  sich  nun,  wie  es  kommt,  dass  Plautus  jene  Form  ver- 
hältnissmässig  seltener  im  Versschluss  hat  als  die  späteren  Dich- 
ter, dass  er  hingegen  an  and  ereu  Versstellen  die  metrische  Tonlage 
J^^vi  fast  fünfmal  so  oft  braucht  wie  die  andere  -  ~  -  ^,  Terenz 
nur  dop p  el  t  bis  dreifach  so  oft,  Phaedrus  nur  halb  so  oft.  Ein 
met.  ris  eher  Grund  dafür  liegt  auf  der  Hand.  Die  metrische  Form  -  ^^^ 
konnte  im  Versanfang  nur  bei  Trochäischen  Versen  stehen. 
Da  nun  Terenz  nur  etwa  halb  bis  ein  drittel  soviel  Trochäische 
Septenare  in  seinen  Komödien  hat  als  Plautus,  so  müssen  sich  bei  ihm 
die  Wortformen  J  ^ ->  ^  im  Versanfange  auch  verhältnissmässig  selte- 
ner-finden.  Und  sie  kommt  auch  in  der  That  noch  seltener  vor,  als 
man  nach  Verhältniss  der  Anzahl  der  Verse  annehmen  möchte.  Während 
zum  Beispiel  in  sechs  Plautin ischen  Stücken  sich  die  Tonlage  -^^^•A 
im  Anfange  Trochäischer  Septenare  mindestens  zweiundzwanzig 
mal  findet:  Philocrates,  Capt.  294.  385.  045.  932.  977.  Videlicet, 
Capt.  286.    Müliere'  m,  Merc,  487.    'Adicitö,  Merc.  491.    Pröpemo- 


—     öw     - 

Umbr. 

Osk. 

Lat. 

asa, 

aasai, 

asa,  a  r a  , 

vea , 

veia, 
vio, 

via , 

dum,  Amph.  823.  'Obicere,  Mil.  619.  Säcruficänt,  Mil.  711. 
Metuerem,  Mil.  722.  Me  mineris  ,  Mil.  807.  809.  Sequimini, 
Mil.  1137.  Mülieres,  Mil.  1155.  'Abierim,  Mil.  1165.  Mü- 
liebres,  Mil.  1359.  Pröpemodüm,  Trin.  615.  Benevolens, 
2>m.  1148.  1177.  Redierit,  Äsin.  897,  findet  sich  dieselbe  metri- 
sche Tonlage  im  Anfange  dieser  Verse  in  allen  6  Stücken  des  Te- 
renz  wohl  nur  ein  einziges  mal,  Miseritümst,  Phorm.  Ilf,  2  ,  16, 
ein  Verhältniss  was  im  Wesentlichen  nicht  geändert  wird  ,  wenn  auch 
eine  oder  die  andere  Stelle  hier  übersehen  sein  sollte.  Eine  Rücksicht 
auf  den  Hochton  solcher  Wörter  kann  den  Terenz  zu  diesem  seltenen 
Gebrauch  nicht  bewogen  haben,  da  er  diese  ja  mit  demselben  Fall  der 
Vershebung  verhältnissmässig  häufiger  im  Versschluss  gebraucht  als  Plau- 
tus.  Aus  der  seltener  gebotenen  Möglichkeit  solche  Wortformen 
im  Ver  s  anf  ang  zu  verwenden  in  Folge  des  selteneren  Gebrauchs  des 
Trochäischen  Scptenars  entstand  bei  ihm  die  metrische  Gewöhnung, 
sie  dahin  zu  bringen,  wo  sie  am  leichtesten  Platz  fanden,  und  wo  auch 
bei  Plautus  ihre  bevorzugte  Stelle  war,  an  das  Vers  ende.  Da  sich  fer- 
ner bei  Ph  a  e  dru  s  gar  k  eine  Trochäischen  Verse  finden,  so  kann  auch 
der  Versanfang  J  ~  w.  vi  bei  ihm  gar  nicht  vorkommen;  demgemäss  er- 
scheinen bei  diesem  Dichter  so  gemessene  Wörter  in  ganz  überwiegender 
Mehrzahl  am  Ver  sschluss,  wo  sie  am  leichtesten  Platz  fanden.  Hier- 
aus folgt  mit  Notwendigkeit,  dass  bei  Terenz  undPhaedrus  die  An- 
zahl der  Fälle,  wo  die  metrische  Tonlage  ^  ~  ~  )k  nicht  in  dem  Vers- 
schluss sondern  an  anderen  Stellen  vorkam,  im  Verhältniss  zur  Ge- 
sammtzahl  der  Verse  viel  geringer  werden  musste  als  bei  PI  au  tu«. 
Dem  angemessen  muss  auch  die  G  es  am  m  t  z  a  hl  der  Stellen,  wo  jene 
metrische  Tonlage  überhaupt  vorkommt,  bei  Terenz  und  Phaedrus 
im  Vergleich  zur  Anzahl  der  Verse  entschieden  sich  niedriger  b teilen 
als  bei  Plautus.  Dazu  stimmen 'denn  auch  die  Ergebnisse  der  obigen 
Zählung,  dass  bei  PI  an  tu  s  die  metrische  Tonlage  *Z  —  i5  zehn  mal  so 
oft,  bei  Terenz  nur  siebenmal  so  oft.  bei  Phaedrus  nur  vier  bis 
fünf  mal  so  oft  vorkommt  als  die  Tonlage  -  J-^.  Wenn  nun  aber  je- 
der Dichter  in  seiner  Sprache  und  in  seinem  Versbau  gewisse  indivi- 
duelle Eigentümlichkeiten  hat,  so  kann  das  auch  bei  Plautus  nicht 
ganz  in  Abrede  gestellt  werden,  und  es  war  natürlich,  dass  die  metri- 
schen Gründe,  die  ihn  zur  Bevorzugung  der  Form  —  ~*#si  bewo 
gen,  auch  eine  Gewöh  nung  an  dieselbe  zur  Folge  hatten  auch  über  den 
nothdürftigen  Gebrauch  hinaus. 

AVenn    endlich    viersilbige  Wortformen,    welche   die   Messung    eines 
Choriambus    oder    Paeon    primus   haben,     häufiger    die     metrische 


345 


Umbr. 

Osk. 

Lai. 

purka , 

p  o  r  c  a , 

p  o  r  c  a  , 

tua, 

lua, 

rufra  , 

rubra, 

sakra, 

sakra, 

sa  cra , 

sacra, 

s  a  k  a  r  a  -, 
s  a  k  o  r  o  - , 

alfu  , 

a  1  b  u  m , 

p  u  p  1  u  , 

p  o  p  l  u  m 

p  o  p  1  o , 

d  o  n  o  m, 

d  o  n  u  in  , 

Tonlage  —  ^  -  ^  haben  als  die  Tonlage  --  -  ~  ^  ,  so  lässt  sich  auch 
daraus  n;cht  der  Schluss  ziehen,  dass  diese  Wortformen  den  Hochton  auf 
der  drittletzten,  nicht  auf  der  viertletzten  Silbe  hatten,  vorausgesetzt, 
dass  wir  dies  nicht  aus  den  Angaben  der  Grammatiker  wüssten.  Die 
metrische  Tonlage  —  ~  ^  ^  musste  im  Iambischen  Senar  und  Trochäi- 
schen Septenar  seltener  vorkommen  1)  weil  der  Dactylus  statt  des 
Trochäus  und  der  Anapäst  statt  des  Iambus  eine  doch  immer  nur 
seltene  Stellvertretung  ist,  welche  die  Reinheit  und  Regelmässigkeit 
des  Metrums  trübt,  2)  weil  die  Form  —  ^  ~  C  an  der  Stelle  des  Ver- 
ses gar  nicht  statt  finden  kann,  wo  die  metrische  Tonlage  ^^^^  in 
überwiegender  Mehrheit  vorkommt,  am  Schluss  des  Iambischen 
Senar  und  des  Trochäischen  Septenar,  3)  weil  die  Form—  ^  ^  ±± 
auch  am  Anfang  des  am  häufigsten  von  den  Seenischen  Dichtern  an- 
gewandten Verses  des  Iambischen  Senares  und  auch  aller  anderen 
Iambischen  Verse  nicht  Platz  finden  konnte,  so  wenig  wie  die  Form 
^«v,  Aus  diesen  metrischen  Gründen  erhielt  die  Tonlage  -««ü 
den  Vorzug. 

Demnach  ist  die  Aufstellung  unhaltbar,  dass  Wörter  von  der 
Tonlage  ^^^^noch  zu  Plautus  Zeiten  mit  dem  Hoch  ton  auf 
der  viertletzten  Silbe  gesprochen  worden  seien,  während 
doch  Wortformen  von  der  Tonlage  -  ~  ^  ^  den  Hochton  auf  der  dritt- 
letzten trugen.  Dass  sich  eine  alte  Betonung  in  Wörtern  Avie  fä- 
milia,  mülierem,  re'diero  u.  a.  mit  kurzer  anlautender  Silbe  noch 
im  Zeitalter  des  Plautus  oder  gar  des  Terenz  gehalten  haben  sollte, 
während  er  sich  in  Wortformen  wie  principium,  inge'nio,  adfi- 
cere,  eve'niunt  bei  anlautender  langer  Silbe  bereits  auf  die  dritt- 
letzte Silbe  vorgeschoben  hatte,  ist  sprachlich  durchaus  un- 
erklärlich, da  doch  sonst  die  lange  Silbe  mehr  Kraft  hat  den  Hoch- 
ton an  sich  zu  fesseln  als  die  kurze,  wie  dies  im  Lateinischen  die  vor- 
letzte lange  Silbe  beweist. 


—     346 

Umbr.  Osk.  Lat. 


t  u  r  u  f , 

t  a  u  r  u  in , 

t  a  ii  r  n  m , 

T  u  s  c  o  m , 

T  u  s  c  u  in , 

v  i  im  , 

vi  d  u  m  , 

ager. 

ager, 

nu  mer , 

n  u  in  i  s  , 

p  1  e  n  e  r ; 

p  I  e  n  i  s , 

frater, 

frater, 

k v  e  s  tu  r , 

k  vaisstur, 

quaestor 

n  o  m  e , 

n  o  in  e  n  , 

n  ii  nie n  , 

1  u  v  e  , 

I  o  v  e  i  s  , 

lo  vis  , 

D  i  o  v  c  i  , 

l  o  v  i , 
Diovis  , 

Marie, 

M  a  r  t  i , 

ligudi 

lege, 

est  u,  est  inl,  eslo. 

Man  vergleiche  hierzu  folgende  dreisilbige  Wortformen: 
Umbr.  Osk.  Lat. 

i  v  e  k  a  ,  i  n  v  e  n  c  a  , 

1  o  v  i  a  ,  1  o  v  i  i  a  ,  1  o  v  i  a  , 

Genetai,        Genetae, 
inenzaru  ,  inensa  in  in  , 

paterei,        patri, 
lupater,  Iupiter, 

faqia,  fa c  ial , 

emantur,  emantur, 

habe  tu  ,  Ii  a  l»e  I  o  , 

pihatu ,  piato , 

portatu,  portato. 

(Umbr,  Sprachd.  AK,  Wortverzeichnisse   Momms.  im.  Dial.  Osk. 
GIoss.) 

Bei  solcher  Uebere  inst  im  m  u  Dg  sprac  hl  ich  er  rönnen 
imiss  man  auf  die  seilte  Betonung  derselben  Wörter 
schliesscn,  so  lange  nicht  entschiedene  Gründe  dagegen  spre- 
chen. 

Weitere  Aufschlüsse  bietel  nun  die  Betrachtung  des  Vokal - 
ausfalle*  und  Vokalabfaljes  im  Umbrischen  und  Oski- 
sclien.    Schon  oben  isl  hingewiesen  auf  das  häufige  Schwinden  des 


—     347     — 

Vokales  der  Endsilben  in  diesen  Sprachen.     Man  überblicke 

folgende  Beispielsammlung  dafür: 
Auslautendes  o  fallt  ab: 


Umbr. 

(Jsk. 

Lai. 

ager, 

ager, 

catel , 

famel , 
A  u  k  i  1  , 

Miifil, 

Paakul, 

f  a  m  u  1 , 

figel, 

mascel. 

Auslautendes  i  fällt 

ab:   • 

Umbr. 

Osk. 

Lal. 

pake  1 , 

für 

pakri, 

a  e  e  r , 

p  a  c  e  r, 

a  1  a  c  e  r, 

u  k  a  r, 

u  k  r  i , 

p  u  s , 

p  u  s  t  i , 

pos, 

pos,   po 

posl,  posti,       post-,  post- 

Auslautendes  e  fällt  ab  : 
Umbr.  Osk.  Lal. 

Sansi,    für  San  sie , 

(irabovi,     Grabovie,  fili, 

neip,  neip,  nee7  neque 

n  e  p ,  n  e  p , 

i  o  k ,  hoc, 

i  o  n  c,  h  u  n  c. 

0  vor  auslautendem  s  fällt  weg  in: 
Umbr.  Osk.  Lal. 

Perkens,  Camp  ans, 

A  a  d  i  r  a  n  s , 
Bantin  s , 
V  o  in  p  a  i  i  a  n  s  , 
Heirennis, 
Stents, 
0  h  t  a  v  i  s , 
piliaz  (piatus),  sanas, 

ta9ez(tacitus),         liorz  (liortus),     mansues, 
termnas(terminatus),  locuples, 

tovtiks  (tuti-     iudex  , 
cus),        vindex. 


—     348     — 
Ein  i  oder  e  vor  t  fiel  aus  in: 


Umbr. 

Osk. 

vgl.  Lat. 

fust, 

fust, 

fueri  t , 

fakust, 

f  e  fakust, 

f  e  c  e  r  i  t , 

inst, 

i  e  r  i  t , 

b  e  n  u  s  t , 

v  e  n  e  r  i  t , 

covortusl, 

convorterit, 

h  i  n  u  s  l , 

h  a  b  u  e  r  i  t , 

d  i  c  u  s  t , 

d  i  x  e  r  i  t , 

1    peremust, 

p  e  r  e  m  c  r  i  t. 

Es  ist  schon  darauf  hingewiesen  worden,  dass  die  anderen  Ita- 
lischen Dialekte  wie  das  Lateinische  das  reflexive  Pronomen  se, 
das  zur  Bildung  des  Passivs  verwandt  wird,  nach  Abfall  des  aus- 
lautenden e  zu  r  abstumpften  (Zeiltchr.  f.  vergl.  Sprachf.U,24..  30). 
Ebenso  haben  die  Italischen  Dialekte  von  den  Personalendungen 
-mi,  -si,  -ti  durchweg  das  i,  häufig  auch  die  so  in  den  Auslaut 
getretenen  Consonanten  m,  s,  t  eingebüsst. 

Wenn  nun  in  den  Italischen  Dialekten  die  Endsilbe 
mit  ebensolcher  Nichtachtung  behandelt  wurde  wie  im  Lateinischen, 
wenn  sie  dieselben  Verstümmelungen  und  Abstumpfun- 
gen erlitt  wie  im  Lateinischen,  ja  wenn  jene  Sprachen  in  die- 
ser Beziehung  noch  weiter  gingen  als  die  Lateinische,  so  nm>s 
dies  auch  aus  demselben  Grunde  geschehen  sein  wie  im  Latei- 
nischen. 

Die  letzte  Silbe  des  Wortes  muss  also  in  den  Italischen 
Dialekten  wie  im  Lateinischen  tieftonig  gesprochen  sein; 
Daher  erlitt  sie  in  allen  diesen  Schwestersprachen  dieselben  Ver- 
stümmelungen. 

Wie  im  Lateinischen ,  so  fallt  im  Umbrischen  und  Oski- 
s  eben  kurzes  u,  i,  e  der  vorletzten  Wo  its  übe  häufig  aus. 
So  fällt  ü  in  der  vorletzten  Silbe  aus  in: 
Umbr.  Osk.  vgl.  Lat. 

naraklu  m  , 
munekl  um  , 

pihaclo,  piaclum, 

anglo,  anglo, 

vitlu,  vitlum, 

Fi  st  I  us. 


—  349     — 

Urribr.  Lat. 

soples,  simpulis, 

s  k  a  p  1  a ,  s  c  a  p  u  1  a  , 

t  u  p  1  e  r ,  (1  u  p  1  i  s , 

cl  ii  p  I  a ,  d  u  p  1  a  , 

tripler,  triplis. 

Der  Vokal  i  der  vorletzten  Silbe  ist  geschwunden  in 
Umbr.                       Osk.  vgl.  Lat. 


t  o  t  c  o  r , 

t  u  t  i  c  u  s  , 

u  s  t  e  n  t  u  , 

o  s  1  e  n  d  i  t  o  , 

s  u  b  a  h  t  u  , 

s  u  b  i  g  i  t  o , 

suratu, 

s  u  m  i  t  o  , 

fertu  , 

f  e  r  t  o  , 

t  e  r  m  n  o , 

teremniss, 

t  e  r  m  i  n  o  , 
terminis. 

Der  Vokal  e 

in  der  vorletzten 

Silbe  fallt  weg  in: 

Umbr. 

Osk, 

vgl.  Lat, 

sa  cra, 

sakra  , 

Sacra, 

;i  o"  r  p 

• 

agri, 

a  t  r  u  , 

atro-, 

a  d  r  o  , 

d  e  s  t  r  o , 

d  e  x  t  r  o    , 

e  t  r  u  , 

i  teruin  , 

altrei  7 

a  1 1  e  r  i , 

p  u  s  t  r  u , 

p03t.ro  , 

postero-, 

nVe  s  t  r  u , 

minstreis  . 

m  a  g  i  s  t  r  o  -  , 

m  i  s  t  r  e  i  s  , 

m  i  n  i  s  t  r  i  , 

m  a  a  t  r  e  i  s  ; 

m  a  t  r  i  s ,  ' 

a  b  r  u  m , 

aprura, 

kapruin  , 

c  a  p  r  u  in  , 

s  u  p  r  a  , 

s  u  p  r  a  , 

s  u  b  r  a  , 

r  u  fr  a  ; 

rubra, 

loufreis, 

1  i  b  e  r  i , 

o  p  s  e  d  , 

o  p  e  r  a  v  i  t  y 

opsannam, 

o per  an  dam. 

—     350     — 

Es  ergiebt  sich,  dass  in  diesen  und  ähnlichen  Umbris  eben 
und  Oski  sehen  Formen  der  ausgefallene  kurze  Vokal  der 
vorletzten  Silbe  wie  in  den  entsprechenden  Lateinischen 
tieftonig  war.  Daraus  muss  man  schliessen,  dass  in  den 
Italischen  Dialekten  wie  im  Lateinischen  die  vorletzte  Silbe, 
wenn  sie  kurz  war,  auch  tieftonig  gesprochen  war, 
und  da  nun  die  letzte  Silbe  des  Wortes  immer  tieftonig  war, 
so  muss  in  dreisilbigen  Wort  formen  mit  vorletzter  kur- 
zer Silbe  der  Hoch  ton  auf  der  drittletzten  Silbe  gestan- 
den  haben. 

Dass  auch  im  Volskischen  Dialekt  diese  Betonungsgesetze  gal- 
ten, ist  erkennbar  aus  den  Formen: 

Volsc.  Umbr.  vgl.  La/.. 

vesklis,  veskles,  vasculis, 

V  e  1  e  s  t  r  o  m ,  V  e  1  i  t  r  a  e  , 

atahus,  vgl.     covortus,  con  vor  teri  f. 

Vgl.  Verf.  De  Volscorum  lingtut,  p.  46 — 48. 

Der  kurze  Vokal  der  drittletzten  Silbe  fällt  aus  vor  lan- 
ger vorletzter  Silbe  im  Oskischen  und  Umbrischen  wie 
im  Latei  nischen. 


So  fällt  ii  aus  in  : 

Umbr. 

Osk.                      Lal. 

stepla  tu  , 

sliplatu , 

si  ipulato, 

a  n  stipl a tu  . 

prinva  tu,  neben  pri 

i-    Novlanus,          Nolanus,  fÖrNovu 

n  uva 1 u, 

lar,  i<; 

e  füllt  aus  in  : 

V 

Umbr. 

Osk.                    hat. 

ka  pri  u  er, 

ca  pri  n  is. 

C€  rrinius,          (!  e  rritUS  (Ceres). 

Wenn  man   auch 

hier    für    denselben    Vokalausfall    i 

den  drei  Dialekten  denselben  Grund  annehmen  darf,  st» 
muss  man  schliessen.  dass  Im  b  lisch  sliplatu,  p  r  i  n  v  a  I  u  . 
Oskisch  Novlanus,  ein  brat  ur  ebenso  betont  wurde  wie  La- 
teinisch st  ip  uläto,  pri  va  I  US  ,  Nolanu  s.  i  in  pe  r  ;i  tor,  diiss 
in  den  vorstehenden  Osk  i  s  e  he  n  und  Umbrischen  Wortfo  r- 
men  und  in  vielen  ähnlichen,  von  denen  keine  Kunde  auf  uns  ge- 
kommen ist,  d  ie  vo  riet  zte  lange  Silbe  den  Ho  cht  on  hatte, 


—     351     - 

dass  auch  in  den.  Italischen  Dialekten  wie  im  Lateinischen  sich  der 
Ilochton  gern  zu  der  Tonlänge  der  vorletzten  Silbe 
gesellte. 

Alle  diese  Eigentümlichkeiten  hat  also  die  Betonung  der 
Italischen  Dialekte  mit  der  j  ü  ngeren  Lateinischen  Be  - 
t  o  n  u  n  g  s  w  e i  s  e   gemei n . 

Aber  es  finden  sich  auch  noch  Spuren,  dass  die  Italischen 
Dialekte  die  F  r  e  i  h  e  i  t  e  n  der  älteren  Lateinischen  B  e  - 
I  on un  gs  weise  getheilt  hahen. 

Es  sollen  also  zunächst  die  Spuren  aufgesucht  werden,  aus  de- 
nen erhellt,  dass  im  Umbris  che  n  und  Oskischen  die  vor- 
letzte lange  Silbe  auch  tiefton  ig  sein  konnte.  Im  Umbri  sehen 
erscheinen  nebeneinander : 

p  r  n  s  e  k  a  t  u,  (Impe-     p  r  o  s  o  c  e  t  o,  ( Pari,     p  r  u  s  e  k  t  u ,  ( Part. 
rat.)  Per  f.  Pass.)  Perf.  Pass.) 

Lal.  prosecato,  pr o s ec tu m. 

Vgl.  AK.  Umbr.Sprachä.  I,   142.  147. 
Das  Verbalthema  im  Umbrischen  ist  pruseka-  wie  im  Lateini- 
schen proseca-;  das  a  schwächte  sich  also  in  proseceto  «u  e 
und  fiel  in  prusektu  aus  wie  im  Lateinischen  prosectum.     Das 
ist  im  Umbrischen  wie  im  Lateinischen  nur  möglich,  wenn  das  a  ur- 
sprünglich tief  tonig  war,  wenn  man  einmal  Umbrisch  prusekäl  u 
wie  Lat.  prosecato  sprach. 
Das  Umbrische: 
m  estrn 
entspricht    der  Form   nach  dem   Lateinischen   magistro-   {AK. 
Umbr.  Sprachd.  II,  333),  indem  der  Guttural  ausfiel  und  i  mit  vor- 
hergehendem a  zu  e  verschmolz.     Auch  das  gänzliche  Schwinden 
der  Ursprung  li  eben  vorletzten  langen  Sil  he  in  mestru 
scheint  nicht  erklärlich  ohne  die  Annahme,  dass  der  Ilochton  auf 
der  drittletzten  Silbe  stand,  und  die  vorletzte  Silbe  tieftonig  war. 
Im    Umbrischen    ist   die   Erleichterung   des   Stamm- 
vokal es  im  zweiten  Gliede  eines  Compositum  nicht  durchgedrun- 
gen; doch  finden  sich  Beispiele  dafür.    So: 
prehubia,      für    prehabia, 
k  u  m  u  1 1  vi  ,   neben  c  o  m  a  1 1  u  , 
comolto  , 

I1  r  e  s  t  o  t  e  ,  Prostate, 

Presto  tar.  Vgl.  AK.  Umbr.  Spracht!.  Wortverz. 


—     352     — 

Daraus  darf  man  schliessen,  dass  im  Umbrischen  wie  im  Latei- 
nischen der  Hochton  in  der  Zusammensetzung  auf  den  ersten 
den  Begriff  des  zweiten  Compositionsglicdes  genauer  ausprägen- 
den Bestan  dt  heil  zurücktrat,  dass  also  in  cömölto,  cümültu, 
Prestöte,  Prestota  die  drittletzte  Silbe  einmal  hochtonig,  die 
vorletzte  lange  einmal  tieftonig  war. 

Im  Oskischen  entspricht  : 
Kupelternum,    Lat.   Co  mpulterinüm. 

Das  i  der  vorletzten  Silbe,  dessen  Länge  man  nach  der 
Analogie  des  Lateinischen  annehmen  muss,  ist  ausgefallen,  also 
war  diese  tieftonig  und  der  Hoch  ton  stand  auf  der  drittletzten 
Silbe. 

Darausfolgt,  dass  im  Umbrischen  und  Oskischen  die 
vorletzte  lange  Silbe  drei-  und  mehrsilbiger  Worter  auch  tief- 
tonig sein  konnte,  während  die  drittletzte  ho  ebbe  tont  war. 

Auf  dieselbe  Weise  lässt  sich  darthun,  dass  im  Umbrischen 
und  Oski  sehen  der  II  och  ton  ebenso  wie  im  Alllateinischcn  auf 
der  vi  e  r  t1  e  t  z  t  c  n  Silbe  st  eben  ko  n  n  t  e. 

Im  Umbrischen  entspricht  dir  Umbrische  Ablativform 
n atine  der  Lateinischen  nat i on  e 
(Umhr.  Sprachd.  AK.  II,  351).  Das  ausgefallene  o  der  vorletzten 
Silbe  kann  nicht  hochtonig  gewesen  sein  ,  also  muss  der  Hochton 
auf  einer  der  beiden  vorhergehenden  Silben  gestanden  haben  ;  und 
zwar  muss  man  aus  der  Lateinischen  Form  nätio,  der  die  linbri- 
sclie  Nominativform  na  tiu  entsprechen  winde,  schliessen,  dass  auch 
im  Umbrischen  die  Stammsilbe  hochbetont  war.  Dies  war 
aber  in  dem  ursprünglichen  Umbrischen  Ablativ  naliune  oder  nä  - 
I  io  n  e  die  viertletzte. 

Wenn  der  Schluss  richtig  war,  dass  im  Umbrischen  die  Präpo 
sition  in  Compositen  den  Hochton  auf  sich  zog,  so  i.st  auch  einmal  : 

p  r  ü  s  e  k  a  tu,         p  r  ü  s  e c  e  I  o  ,         p r  iis  e ktu 
betont  worden  ,   später  kann  der  Hochton  eine  Silbe  vorgerückt  sein 
wie  im  Lateinischen. 

Das    Umbrische  : 
nies  I  ru 
ist,  eine  Zusammenziehung  aus  der  Lateinischen  vollsten  Stamm- 
form magistero-    und    ursprünglich    viersilbig    gewesen;    auf 
der  Endsilbe  konnte  der  Hocbton  nicht  sieben,  auf  der  vorletzten 
und  drittletzten  Silbe  i\cs  Wortes   Kann   er  nicht  gestanden  haben. 


-     353     — 

da  die  Vokale  derselben  ausgefallen  sind,  folglich  stand  er  in  der  ur- 
sprünglichen viersilbigen  Form  des  Umbrisehen  Wortes  auf 
der  viertletzten  Silbe. 

Die  schon  besprochene  Umbrische  Forin  : 
courtust,  AK.  Umbr.  Sprachd.  I,  145. 
ist  zunächst  aus  der  gewöhnlichen  covortust  geworden, 
wie  Lat.  prorsus,  sursum,  rursus  aus  provorsus, 
subvorsus,  revorsus,  indem  der  Wurzelvokal  o  des  zweiten 
Compositionsgliedes  ausfiel.  Diese  Form  courtust  ist  für  die  Er- 
kenntniss  des  Umbrischen  Betonungsgesetzes  wichtig;  sie  beweist 
einmal  unwiderleglich,  dass  in  Zusammensetzungen  der  Hoch- 
ton auf  die  Präposition  zurücktrat,  sie  beweist  zweitens, 
dass  die  drittletz te  Silbe  hochbetont,  die  vorletzte  lang 
war  in  der  volleren  Form  covortust,  sie  beweist  drittens,  dass 
in  der  ursprünglichen  vollsten  Form  cövortusit  der  Ilochton  auf 
der  viertletzten  Silbe  stand. 

Ebenso  muss: 
p  r  e  h  u  b  i  a    für    p  r  e  h  a  b  i  a 
einmal  den  Ilochton  auf  der  Präposition  gehabt  haben,  wie  die  La- 
teinischen Composita   occupio  ,  insulio,  sürrupui.     Sonst  ist 
die  Vokalerleichtcrung  des  a  zu  u  nicht  erklärlich. 

Im  Oskischen  sind  die  beiden  Namensformen: 
N  i  u  m  s  i  e  i  s  und  N  i  u  in  e  r  i  i  s 
von  einem  ursprünglichen  Oskischen  Stamm  Numisio-  abgeleitet, 
welchen  die  Lateinische  Form  Numisius  vollständig  gewahrt  hat. 
Da  das  i  der  drittletzten  Silbe  ausfiel  in  der  Form  Niumsieis,  so 
hat  die  viertletzte  Silbe  in  der  volleren  alten  Form  Niumisieis 
den  Ilochton  gehabt. 

Ebenso  hatte  der  Oskische  Name: 

Popidiis, 

P  u  p  i  d  i  i  s, 
verglichen  mit  der  synkopierten  Form  Pupdiis,  die  den  Ausfall 
des  tieftonigen  i  in  der  drittletzten  Silbe  zeigt,  den  Hochton  auf  der 
viert  letzten  Silbe.  Dass  das  Oskische  Suffix  -iio,  -io  ur- 
sprünglich nicht  hochbetont  gewesen,  ergiebt  sich  daraus,  dass  das- 
selbe aus  einem  ursprünglichen  -aiio  zusammengeschmolzen  ist 
(Zeitschr.  für  vergl.  Sprach/.  V.  88  f.). 

CORSSEN    II.  23 


—     354     — 

Ebenso  ist  in  der  Oskischen  Namensform : 

M  a  a  k  d  i  i  s , 

Makdiis 
zwischen  k  und  d  ein  i  oder  e  aus  der  drittletzten  Silbe  heraus- 
gefallen und  der  Hochton  stand  auf  der  viert  letzten. 
Die  Oskische  Form: 

prae-fucus,  neben  facus,  T.Bani.  23.  30. 
{vgl.  Lachm.  Lucr.  p.  139.  Schweizer,  Zeit  sehr.  f.  vergl.  Sprach  f. 
III,  210.  Ebel,  <*•  0.  IV,  135)  hat  die  Verdunkelung  des  a  zu  u  er- 
litten ,  weil  der  H  o  c  h  t o  n  auf  die  Pr  ä  p  o  s  i  t i  o  n  zurückgetre- 
ten war,  so  sicher  wie  in  Lat.  praefica  neben  facere  Vokal- 
schwächung aus  gleichem  Grunde  statt  fand.  Auch  die  Oskischen 
Composita : 

pruhipust,     Lat.    prohibuerit, 

p  e  r  t  e  m  u  s  t , 

p  e  r  e  m  u  s  t ,  p  e  r  e  m  e  r  i  t 

hatten  den  Hochton  auf  der  Präposition;  da  nun  ihre  Endung 
-st  aus  der  Conjunctivform  -sit  entstanden  ist,  so  waren  die  allen 
vollen  Formen  pruhipusit,  pertemusit,  peremusit  hoch- 
betont in  der  viertletzten  Silbe  wie  die  Umbriscben  Formen 

prupehast,     Lat.   ( p r o -) p i a v e r i t , 

c  o  v  o  r  t  u  s  t ,  convorterit, 

ehe  ihre  Endsilbe  -sit  sich  zu  -st  abstumpfte. 

Im  Umbriscben  und  Oskischen  konnte  also  wie  im  Alt- 
lateinischcn  einst  der  Hochton  auf  der  viertletzten  Silbe 
stehen.  Somit  war  in  diesen  Dialekten  wie  im  Altlateinischen  der 
Ilochton  ursprünglich  nicht  gebunden  durch  die  gesammlc  Ton- 
dauer der  drei  letzten  Silben,  nicht  gebunden  durch  die  Ton- 
länge  dervorletzten  Silbe. 

Wenn  aber  jene  Umbrischen  und  Oskischen  Wort  formen,  deren 
Hochton  ursprünglich  auf  der  viertletzten  Silbe  oder  auf  der  dritt- 
letzten bei  Tonlänge  der  vorletzten  stand,  so  häufig  Ausfall  des 
Vokales  in  einer  der  tieftonigen  Silben  zeigen,  durch  den  vier- 
silbige Wortformen  dreisilbig,  dreisilbige  zweisilbig 
werden,  so  erhellt  daraus  doch  eine  Abneigung  gegen  jene  La- 
gen des  Hochtones  wie  im  Lateinischen  und  die  Neigung  den 
Hochton  in  die  Frenzen  der  drei  let  zt  en  Silben  zu  bannen  und 
an  die  Tonlänge  der  vorletzten  Silbe  zu  binden.  Es  war  die 
Macht  des  Hoch  tone  s,  die  in  den  angeführten  Umbrischen  und 


-     355     - 

Oskischen  Formen  wie  in  den  Lateinischen  auf  die  tiefton  igen 
Silben  drückte  und  durch  Vok a laus s tos sun gen  aus  den- 
selben die  gesammte  Tondauer  des  Wortes  beschränkte. 

b)     T.onanschluss    in    den    Italischen   Dialekten. 

Aus  der  Schrift  erkennen  wir,  dass  im  Umbris chen,  Os- 
kischen, Sa  belli  sehen  und  Volski  sehen  Dialekt  Formen 
von  demonstrativen  und  relativen  Pronomen,  Präposi- 
tionen, Con j  unet  ionen  ,  Adverbien  und  Verba  grade  so 
wie  im  Lateinischen  im  Zusammenhang  der  Rede  ihren  Hochton  ver- 
lieren und  sich  an  den  Hoch  ton  des  vorhergehenden  Wortes 
so  nahe  ans  chlies  sen,  dass  sie  mit  diesem  zusammengesprochen 
werden. 

Dem  Lateinischen  angefügten  -ce  entspricht  Oskisch  -  k. 
Dieses  aus  einem  demonstrativen  Pronominalstamme  -ko,  -co  ent- 
standene k  tritt  an  den  Pronominalformen  vom  Stamm  eko-  in: 

e k  a s k ,  /.  Agnon.  b,  \. 

ekik,  Momms.  U.  D.\. 

ekak,  a.  0.  XX.  XXIV.     Cipp.  Pompei.  2,  Minerv.  Inierpr.  dt 
un.  epigr.  Ose.  Napoii,  1851. 
an  Casusformen  des  Stammes  -i  in: 

izic,  T.  B.  1.  7.  14.  30.      iok,  C.  Ab.  37.  42. 

i'dik,  C.  Ab.  17.  18. 

idic,  t.B.h.  9.30. 

Dasselbe  -k,  -c  tritt  an  Casusformen  des  zusammengesetzten 
Pronominalstammes  esko-,  exo-  in: 

exae,   T.  B.  8.  23.  eksu-k,  U.  D.  XXIX  a.  b. 

exeic,  T.  B.  11.  17.  26; 
an  Casusformen  des  zusammengesetzten  Pronominalstammes  ei  so-, 
eizo-  in: 

eizask,   T.  B.  9.  eizuk,  T.  B.  29.  31. 

eizazunk,  T.  B.  24.  eisak,  U.  D.  XXIV. 

eizeic,  T.  B.  21.  7.  eizac,   T.  B.  10. 

Eine  dem  Lateinischen  -in  von  inde,  dein,  pro  in  nach 
Form  und  Bedeutung  gleiche  Lokativform  -en  vom  Pronominal- 
stamme  i-  tritt  in: 

i  m  a  d  -  e  n  ,  Cipp.  Pompei.  1 0. 
enklitisch  an  den  Ablativ  ima  d,  Lat.  imä,  so   dass  diese  Tonver- 

23* 


-     356     - 

bindung  nun  den  Sinn  inde  ab  ima  erhält,  und  dasselbe  locative 
en  erscheint  in: 

eisuc-en,  T.  B.  16. 
an  die  schon  mit  einem  enklitischen  c  verbundene  Ablativform  ei- 
suc  vom  Pronominalstamme  ei  so-  getreten,  und  verleiht  dem  Gan- 
zen die  Bedeutung  inde  ab  illo   (Zeiischr.  f.  vergl.  Sprachf.  V, 

126/.). 

Die  Formen  des  unbestimmten  Pronomens  pis,  pid,  die  den 
Lateinischen  quis,  quid  entsprechen,  fügen  sich  wie  diese  enkli- 
tisch an  das  vorhergehende  Wort;  so  in: 

suaepis,  T.BAI.  12.17.20.26.     Lat.  siquis, 

28.  29. 
s ua e  p i s ,  T.  B.  13.  17.  s i  q  u  i  s , 

pitpit,  Fest,  p.  212.  quid  quid. 

Das  dem  Lateinischen  -que  für  qued  entsprechende  Oski- 
sche  pid,  pid,  von  dem  oben  die  Rede  gewesen,  ist  enklitisch  an- 
gefügt in : 

potorospid,  C.  Ab.  9.  Lat.  u  tri  que. 

potereipid,  i.  Agn.  a,  18.  b,  21. 
pokkapid,  C.  Ab.  52. 
pocapit,   T.  B.  8.  30. 

Dieses  Oskische  pid  stumpfte  sich  nach  Abfall  des  ablativischen 
d  zu  p  ab  wie  Lat.  qued  zu  c  in: 
neip,   T.  B.  15. 
nep,  CAb.A6.4tl.  T.B.  10.28.    Lat.  nee. 

Wie  im  Lateinischen  so  sind  im  Oskischen  die  Präsensformen 
des  Indicativ  und  Conjuneliv  von  esse  enklitisch  und  werden  daher 
mit  dem  vorhergehenden  Worte  zusammengeschrieben;  so  in: 
t  e r  e m n at u  s  t ,  Cipp:  Pomp.  4.         Lat.  t er  mina tus  est, 
p  o  s  s  ( i  s  t ,  C.  Ab.  33. 
proftuset,  C.  Ab.  16.  probata  sunt. 

Dem  Lateinischen  -dem  in  idem,  pridein  u.  a.  entsprich!  das 
enklitische  Oskische  -dum,  -du  in: 
isidu,  U.D.  XXI.  Lat.  idem, 

isidu,  U.D.W. 
i  u  s  s  u,  C.  Pomp.  5.  I  0.  für  i  u  s  d  u ,  i  i  d  e  in . 

Bei  dem  grösseren  Umfange  der  Umbrischen  Sprachdenk- 
mäler sind  auch  die  Beispiele  des  Tonansehlusses  von  Wintern  der 
genannten  Arl  an  das  vorhergehende  Wort  häufiger  als  im  Oskischen. 


—     357     — 

Sie  ergeben  sich  aus  der  verbundenen  Schreibweise  der 
Iguvinischen  Tafeln  verglichen  mit  den  entsprechenden  Lateini- 
schen Tonverbindungen. 

Von  demonstrativen  Pronominalformen  enklitischer  Natur  bietet 
das  Umbrische  zunächst  das  dem  Oskischen  -k,  Lat.  -ce  entspre- 
chende -k  oder  -c.  Dieses  erscheint  enklitisch  angefügt  an  Formen 
des  Pronominalstammes  ero-  in: 

erek,  V  a,  11.       erec,  VII  b,  1.      vgl.  Lat.  isce, 
ererek,  III,  32. 

eruk,  III,  14.  illuc, 

erak,  III,  12.  illac; 

(Umbr.  Sprächet.  AK.  I,  136.) 
an  Formen  vom  Pronominalstamme  eso-  in: 

esuk,  V  a,  1.  vgl.  Lat.hu c, 

esok,  \lb,  25.  hoc. 

(Umbr.  Sprachd.  AK.  I,  135.) 

Das  Umbrische  fügt  an  den  Stamm  des  Pronomen  Relativum 
po-  den  Locativ  des  Demonstrativstammes  i-:  ei,  e,  i,  der  die  Be- 
deutung des  Pronomens  verallgemeinert  in  dem  Sinne  von  -eun- 
(j  u  e  ;  so  in : 

poei,  VI«,  1.     poe,  VI£,  50.     poi,  VI  «,  5.  VI  b,  24.  53. 
(Umbr.  Sprachd.  I,  137.) 

Dasselbe  demonstrative  -i  fügt  sich  enklitisch  an  den  Nomina- 
tiv pis  in: 

pisi,  V  «,  3.  10.  Zat.  quisquis. 

Das  Umbrische  hat  eine  enklitische  Partikel  -hont  vom  de- 
monstrativen Pronominalstamme  ho-  mit  der  Bedeutung  des  Latei- 
nischen enklitischen  -dem.  Diese  fügt  sich  an  Casusformen  der 
Pronominalstämme  i-  und  ero-  in  den  Formen: 

e  u  r  o  n  t ,  VI  b ,  63.  vgl.  Lat.  i  i  d  e  m , 

ifont.  VI&,  55.  ibidem, 

erafont,  VI  b,  65.   VII«,  1.  easdem, 

erarunt,  VI,  1.    Gen.  Sing.  Fem. 
{vgl.  Umbr.  Sprachd.  I,  136.    150.    II,  498). 

Wie  im  Lateinischen  und  Oskischen  sind  auch  die  Formen  des 
relativen  Pronominalstammes  enklitisch  sowohl  wenn  sie  die  in- 
definite, als  wenn  sie  die  eigentlich  relative  Bedeutung 
haben. 


—     358     — 

Die  Formen  des  unbestimmten  Pronomen  p  i  s,  p  i r,  Lat.  q u  is , 
pu,  po,  Lat.  qua  finden  sich  enklitisch  mit  der  vorhergehenden 
Conjunction  zusammengeschrieben  in: 

svepis,  VI,  26.     Osk.  suaepis,        Lat.  siquis, 

suepu,  I  b,  8.  siqua. 

suepo,  VI  &,  47. 

Dem  Lateinischen  -que  für  -qued  und  Oskischem  pid,  pid 
entspricht  Umbrisch  -pei,  -pe  enklitisch  angefügt  in: 

p  a  n  u  p  e  i ,  VII  #,  1 .  Lat.  q  u  a  n  d  o  q  u  e , 

p  u  t  r  e  s  p e,  IV,  1 4.  Osk.  p o  t  o r o  s  p i  d ,  Lat.  u  t  r  i q  u  e. 

Das  Umbrische  -pei,  -pc  stumpfte  sich  zu  -p  ab  wie  Osk. 
-pid ,  -pid  zu  p,  Lat.  -que  zu  c  in  : 

neip,  II«,  4  u.  a.   Osk.  neip,  Lat.  nee. 

n  ep,  VI  a ,  6.  nep. 

{AK.  Umbr.  Sprachd.  I,  152.   139.  II,  411.) 

Der  Lateinischen  Conjunction  quam  enlspricht  Umbrisch  pa 
enklitisch  angefügt  in: 

p r e p a ,  VI  b,  52.     Lat.  prae-quam. 

Die  Uinbrischen  Präpositionen  ar,  Lat.  ad,  ku,  co,  Lat. 
cum, 'per,  Lat.  per  schliessen  sich  an  das  vorhergehende  Wort 
enklitisch  an  und  werden  mit  demselben  zusammen  geschrieben ;  so 
k  u  ,  co  in  : 

asaku,  II  a,  39.  43.     destrueo,  VI/,,  24.  38. 

lestruku,  I  fl,  29.        termnueo,  VI  b,  53.  55.  57. 
wie  in  den  Lateinischen  Verbindungen  mecum,  tecum,  vobis- 
cum,  quocuin,  quibus  cum  (Umbr.  Spracbd.  1,  151).   Ebenso 
per  in: 

fratrusper,  11^,2.      nomneper,  VI«,  23?/.«. 
III,  23.  tutaper,  a.  0. 

p oplup er ,    I  b  ,  2.      o  c  r  i  p c  r ,  a.  0. 

5  u.  a.  {AK.  Umbr.  Sprachd.  I.  157.) 

per  hat  in  diesen  Verbindungen  die  Bedeutung  pro;  der  Form 
nach  sind  ähnliche  Tonverbindungen  die  Lateinischen  purum  per. 
semper,  nuper,  tantisperu.  a.  In  gleicherweise  erscheint 
ar  angefügt  in: 

asamar,  IV,  G.     Lat.  ad  a nun. 

spantimar,   IM,   33. 

p  eis  kl  umar,  III,  21. 

ereejamar,  IV,  G.    I,  153. 


—     359     — 

Die  Conjunclion  sve  schliefst  sich  enklitisch  an  die  vorher- 
gehende Negation  in : 

no-sve,  VI  b,  54.  vgl.  Osk.  neisuae,    Lat.   nisi. 
{AK.  Urnbr.  Sprd.  U,4\2.) 

Das  enklitische  -de  der  Lateinischen  Formen  wie  quam  de, 
in  de  u.  a.  findet  sich  auch  im  Umbrischen  wieder;  aber  das  d  des- 
selben hat  sich  vorhergehendem  n  assimiliert,  und  eins  der  beiden  n 
ist  dann  zum  Theil  ausgefallen;  so  in: 

pane,  I  Z>,  40.  Lat.  quandc, 

p o n  n e,  VI b,  4 3.  VII  b,  2.       u n d e ,  für  eunde, 

pune,  puni,  pone. 
{AK.  Urnbr.  Sprd.  1,  p.  160.  161.  II,  415.) 

Auch  das  enklitische  -do  der  Lateinischen  Formen  quando, 
aliquando  ist  im  Umbrischen  vorhanden;  doch  ist  auch  hier  das 
anlautende  d  vorhergehendem  n  assimiliert  und  dann  nur  ein  n  ge- 
schrieben ;  so  in  : 

pamupei,  VII  b,  1.     Lat..  quando que. 
{Urnbr.  Sprachd.i,  138.  152.) 

Von  Verben  sind  enklitisch  zuerst  die  Präsensform  von  der  Wur- 
zel -es  wie  im  Lateinischen  und  Oskischen.  Das  zeigen  die  Schreib- 
weisen : 

pesetomest,  frosetomest, 

peretomes  t,  d  aetomest,  VI  «,  27.  28.  37. 

Doch  findet  sich  auf  derselben  Iguvinischen  Tafel,  VI  a,  47, 
auch  das  est  von  denselben  Participien  getrennt  geschrieben. 

Ebenso  ist  est  enklitisch  angefügt  in: 
vasest,  VI  a,  48.    neben    vas  est,  VI  rt,  28.  37. 

In  gleicherweise  erscheint  die  2.  Pers.  Sing.  Conj.  Präs.  sir, 
Lat.  sis,  enklitisch  angehängt  in: 

fonsir,  VI  Z>,  26. 
[AK.  Urnbr .  Sprd.  I,  143.  II,  407.) 

Enklitisch  ist  ferner  eine  Form  des  Verbalstammes  her-  mit 
der  Bedeutung  velle  an  das  vorhergehende  Pronomen  gefügt  in: 

pisher,  VI#,  41.  vgl.  Lat.  quilibet,  quivis  u.  a. 
[a.  0.  I,  138.) 

Noch  erscheinen  auf  den  Iguvinischen  Tafeln  die  Imperative 
fitu,  fetu,  fertu,  s  um t  u,  u  Stent  u  gelegentlich  mit  dem  vor- 
hergehenden Worte  zusammengeschrieben. 


—     360     — 

Aber  da  auch  die  getrennte  Schreibung  vorkommt ,  die  Wort- 
abtheilung überhaupt  in  jenen  Inschriften  vernachlässigt  ist,  sich 
auch  keine  Analogien  weiter  aus  verwandten  Sprachen  finden,  so  ist 
es  bedenklich,  aus  jener  Schreibweise  Schlüsse  auf  eine  enklitische 
Betonung  der  genannten  Verbalformen  zu  machen. 

Auch  die  spärlichen  Reste  des  Volskischen  und  Sa  bei  ti- 
schen Dialektes  zeigen  noch  Spuren  von  der  enklitischen  Betonung 
derselben  Pronomina  und  Verba,  welche  in  den  verwandten  Dialek- 
ten enklitisch  sind. 

So  erscheint  im  Volskischen  und  Sa  beilischen  pis  wie 
im  Oskischen  und  Umbrischen  und  wie  quisim  Lateinischen  an  die 
vorhergehende  Conjunction  gelehnt  in: 

Volsk.  sepis    (t.   Velüern.   U.  D.  T.  XIV),    Umbr.   suepis, 

Osk.  s  u  a  e  p  i  s ,    Lat.   s  i  q  u  i  s , 
(vgl.  Verf.  d.  Volscor.  ling.  p.  15.) 

Sab,  nipis  (/.  Rapin.  U.  D.  T.  XIX).    Lat.  nequis, 

Dass  im  Sa  belli  sehen  die  Prasensformen  des  Verbum  esse 
enklitisch  waren,  davon  hat  sich  eine  Spur  erhalten  in: 

p a c r s i ,  für  pacer-si,   T.  Antin.  U.  D.  T.  XI V. 
das  pacr  ist  Nominativ  von  dem  auch  im  Umbrischen  vorkommen- 
den pakri-,  pacri-  mit  der  Bedeutung  paeifica,  das  angefügte 
si   ist  entweder  Lat.    sis  oder  sit   (Zeitschr.  /'.  vergl.  Sprach  f. 
VI,  72). 

Seltener  scheint  in  den  Italischen  Dialekten  der  Ton- 
anschluss  an  das  folgende  Wort  gewesen  zn  sein. 

Im  Umbrischen  verlieren  den  Hocbton  und  sehliessen  sich 
an  das  folgende  Wort  an  die  Präpositionen  pre.  Lat.  prae, 
post,  pus,  pos,  Lat.  poste,  post,  pos,  ehe,  Lat.  ex,  wie 
dies  so  häutig  bei  den  Lateinischen  Präpositionen  hervortrat.  Das 
zeigen  die  Schreibweisen: 

preveres,  \a,  2.  11.  20.     pusveres,   \  a.  7.   11.  21. 
preverir,  VI^,20.  pustertiu,  1  £,  40. 

postertio,  VII  a,  46. 
Doch  finden  sich  daneben  pre  verir,  VI  b.  1.  19.      pre  ve- 
reir,  VI  a,  22.  post  verir,  Wh.  3.  23.  Xla,  58. 

Ueber  den  Anscbluss  der  Liiteiniscben  Bei  a  t  i  v  for  nie  n  an 
quomque,  cumque,  eunque  und  die  Bedeutung  dieser  Bildung 
irgend  wann,  irgend  wie  ist   gehandeil  worden  und  daraufhin- 


—     361      — 

gewiesen,  wie  in  älteren  Inschriften  die  Schreibweisen  queiquom- 
que  und  quei  quomque  neben  einander  gehen.  Im  Umbrischen 
entspricht  dem  Lateinischen  quomque  genau  pumpe  in  der  Ver- 
bindung: 

pisi  pumpe,  V  «,  3.  10.     Lat.  quicumque, 
AK.  Umbr.  SprachdAl,  414; 

es  ist  also  anzunehmen,  dass  sich  das  Umbrische  Relativum  tief- 
tonig  an  das  bedeutungsvollere  pumpe  lehnte  wie  das  Lateinische 
Relativum  an  quomque,  cumque,  dass  aber  beide  Wortformen 
wie  auf  Altlateinischen  Inschriften  noch  getrennt  geschrieben 
wurden. 

Wenn  nun  in  den  Schreibweisen: 

poeperca ,  VI  #,.50. 

pir semers  est,  VI  &,  55. 
sichRelativa  mit  dem  folgenden  Worte  zusammengeschrieben  linden 
(Umbr.  Sprd.  I,  137),  so  darf  man  annehmen,  dass  im  Umbrischen 
wie  im  Lateinischen  sich  Relativa  tieftonig  an  den  Hochton  des  fol- 
genden Wortes  anschliessen  konnten. 

Für  das  Lateinische  wurde  aus  den  Schreibweisen  eanirim, 
e a i r e s ,  h u n c i n er e m  dieselbe  Betonung  auch  für  Demonstra- 
tiva  geschlossen.  Im  Umbrischen  finden  sich  ebenso  Demonstra- 
tiva  mit  dem  folgenden  Worte  zusammengeschrieben  neben  der  ge- 
wöhnlichen getrennten  Schreibweise ;  so  : 

eafiveka,  I  b,  43.  Lai.eas  iuvencas, 

erernomn  eper,  VI  b,  15.  pro  eius  nomine. 

Daraus  scheint  hervorzugehen,  dass  auch  im  Umbrischen  de- 
monstrative Pronomina  wie  an  das  vorhergehende,  so  auch  an  das 
folgende  Wort  sich  enklitisch  anschliessen  konnten. 

Dasselbe  gilt  von  den  Umbrischen  Coniunctionen  ape,  der 
Bedeutung  nach  Lat.  ubi,  pune,  Lat.  unde,  wie  hervorgeht  aus 
den  Schreibweisen : 

apea  peius,  II  b,  27.  p  u  n  e  h  e  r  i  e  s ,  II  #,  2 1 . 

apepesondro,  VI  &,  37. 

ape  est e;  VI  b,  63. 

apepurtuvies,  II  b,  28.  p  unepurtiius,  II  öf,  7. 

Auch  die  Lateinischen  Gonjunctionen  hatten  ja,  wie  oben  ge- 
zeigt ist,  dieselbe  Betonung. 

Noch  seltener  sind  die  Spuren  des  Tonanschlusses  an  das  fol- 
gende Wort  im  0  s  k  i  s  c  h  e  n. 


—     3G2     — 

Dass  Präpositionen  wie  ini  Umbrischen  und  Lateinischen, 
so  auch  im  Oski sehen  tieftonig  gesprochen  wurden,  indem  sie 
sich  an  den  Hochton  des  folgenden  Wortes  lehnten,  zeigen  die 
Schreibweisen : 

ehtradfeihoss  ,  C.  Ab.  31.      Lat.  extra-, 
prumedikatud,  T.  B.  24.  vgl. Lat.  promagistratu. 

Relativa  hat  die  Oskische  Schrift  an  das  folgende  Wort  ge- 
fügt in: 

paeieizeis,  t.  B.  Tl.  Lat.  quaeeis, 

p a  e  a n c e  n s t o ,  /.  B.  22.  quae   i  n c e n  s a , 

also  wird  man  auch  für  das  Oskische  die  enklitische  Betonung  der 
Relativa  wie  für  das  Lateinische  und  Umbrische  begreiflich  finden. 
Wie  die  Lateinischen  Conj  unetionen  und  Partikeln  und 
die  Umbrischen  ape,  pune  schlössen  sich  auch  die  Oskischen 
Bindewörter  pan,  Lat.  quam,  pon,  Lat.  quo  in,  ni,  Lat.  ne, 
in  dem  Sinne  nach  Lat.  et  an  den  Hochton  des  folgenden  Wortes 
an;  das  bezeugen  die  Schreibweisen: 

pa n p i ei s ,  t.  B.  6,  n  i hi pid,  T.  B.  1 7. 

ponposmum,  t.  B.  IG.  insuaepis,   T.  B.  28. 

Es  finden  sich  noch  andere  Beispiele  von  Wortern  auf  Umbri- 
schen und  Oskischen  Sprachdenkmälern,  die  mit  dem  folgenden 
Worte  zusammengeschrieben  sind  ;  doch  lassen  sich  aus  diesen 
Schreibweisen,  da  sie  der  Analogie  des  Lateinischen  entbehren, 
keine  sicheren  Schlüsse  ziehen. 

S  >  viel  erhellt  aus  dieser  Untersuchung,  dass  im  Ganzen  in 
jenen  Dialekten  Tonanschluss  kurzer  Wörter  von  ich  wa- 
cher Bedeut  ung  an  den  Hoch  ton  des  vorherg  e  h  enden  wie 
des  folgenden  Wortes  ganz  in  derselben  Weise  and  bei  densel- 
ben Wortklassen  statt  fand  wie  im  Lateinischen,  wie  ein  und 
dasselbe  Be  ton  ungsge  setz  die  verwandten  Sprachen 
des    alten    Italiens    überhaupt    beherrschte. 


D.     Spur  en  Alt  griechischer  Betonung. 

Der  vorstehende  Beweis  für  ein  triteres  Lateinisches  Betonungs- 
geseta und  für  die  Betonung  der  Italischen  Dialekte  ist,  u  *  *  s  1 1  i  i  z  t  auf 
(\vw  Salz,  dass  der  hoch  und  stark  betonte  Vokal  durch  diesen  sei- 
nen Ton  auch  erhalten   und  vor  Vernichtung  sreschützl  wird,  bis 


—     363     — 

hierher  absichtlich  bloss  auf  Grund  von  lautlichen  Thatsachen  der 
Lateinischen  Sprache  geführt  worden  und  könnte  hiermit  ab- 
schliessen.  Er  gewinnt  aber  eine  neue  Stütze  und  eine  brei- 
tere Grundlage,  wenn  man  den  Spuren  nachgeht,  die  darauf 
hinweisen,  dass  auch  in  der  Griechischen  Sprache  nicht  von 
jeher  das  Betonungsgesetz  geherrscht  hat,  das  die  Grammatiker 
seit  Aristophanes  und  A  r  i  s  t  a  r  ch  lehrten  und  durch  Tonzeichen 
in  der  Schrift  veranschaulichten.  Dieser  Nachweis  soll  in  der  Art 
hier  angetreten  werden,  dass  zuerst  Wortformen  in  Betracht  gezo- 
gen werden,  aus  denen  hervorgeht,  dass  der  Hochton  im  Griechi- 
schen nicht  von  je  her  durch  die  T  o  n  1  a  n  g  e  der  letzten  Silbe 
unbedingt  an  die  vorletzte  o  d  e  r  1  e  t  z  t  e  gebunden  war. 

Die  Griechischen  Grammatiker  lehrten,  Choerobosc.  Anecdol. 
Graec.  p.  1211:  OvdsTtoxe  7t  q  6  xsööczqcdv  %Qovav 
xovog  TtiTtxei,  und  a.  0:  Qvüzi  uccxQag  ovörjg  xrjg 
t sÄsvraiccg  övXXdßrjg  ovdeTtoxs  xqlxtj  ctTto  xiXovg 
TtiTtxei  rj  6t>Eia.  Als  Ausnahme  von  dieser  Regel  sehen  sie 
es  an,  wenn  der  Vokal  a  der  Schlusssilbe  von  mehrsilbigen  Wort- 
formen, die  sie  entweder  für  alle  oder  nur  für  einzelne  Casus  der 
sogenannten  Attischen  Declination  zuweisen,  und  die  aus- 
lautenden Diphthongen  cet  und  o  i  mehrsilbiger  V  e  r  b a  1-  und 
Nominalformen  nicht  die  Kraft  haben,  welche  sonst  der  lange 
Vokal  der  auslautenden  Silbe  übt,  den  Hochton  des  Wortes  von  der 
drittletzten  auf  die  vorletzte  vorzuziehen.  Diese  Wortformen  sind 
nun  ins  Auge  zu  fassen,  und  zwar  zuerst  jene  Formen  der  Attischen 
Deklination. 

Nach  der  Aussage  der  Grammatiker  und  der  Schreibweise  von 
Handschriften  sind  folgende  Wortformen  mit  dem  llochton  auf  der 
drittletzten  Silbe  betont  worden : 

vfixeQcJv,  ffom.  Od.  X,  158.  Bekk. 

%qvöÖx£QG)v,  Pind.  OL  3,  51. 

IQvOoKsgcog,  Choerob.  Anecd.  Gr.  Bekk.  p.  1212. 

svKSQcöv,  Soph.  Ai.  64. 

Xpiloyslog,  Choerob.  a.  0.  p.  \  2 1 2. 

dvö£Qco,  Anecd.  Gr.  Bekk.  p.  J197. 

k a  X  6 y y\  o  ca  g ,  Etym.  Magn.  p.  209.   Sylb. 

ßccxrvyrjocog,  a.  0. 

VTtsQyrjQcog ,  a.  0. 


—     364     — 

( Vgl.  G.  Hermann,  de  emend.  rat.  Graec.  gramm.  p.  24  f.  Gattung, 
Accenl  d.  Griech.  Spr.  p.  287  /.)  Dass  in  diesen  Wortformen 
das  -co  wirklich  lang  war,  nicht  halblang  oder  mittelzeitig,  geht 
daraus  hervor,  weil  es  von  den  Dichtern  immer  lang  gemessen 
und  in  der  Schrift  immer  als  langer  Vokal  bezeichnet  ist;  dass 
das  s  kein  stummer  Laut  war,  ergiebt  sich  daraus,  weil  es  immer  als 
volle  Kürze  gemessen  und  in  der  Schrift  stets  geschrie- 
ben, niemals  ausgelassen  ist  {Herrn.  Göttl.  aa.  00.).  Der  Ein- 
wand, dass  %aloyr]Qcog  u.  a.  nicht  aussprechbar  oder  für  das  Ohr 
erträglich  sei,  kann  gegen  die  übereinstimmende  Ueberlieferung  der 
Handschriften  nicht  ins  Gewicht  fallen  (Herrn,  a.  0.  p.  30).  Ver- 
schiedene Völker  zeigen  in  ihren  Sprachen  vielfach  grundverschie- 
dene Ansichten  über  das  was  sprechbar  ist  und  wohlklingt  und  was 
nicht.  Durch  das  Lautgefühl  eines  deutschen  Ohres,  wenn  es  auch 
noch  so  fein  ist,  können  Angaben  von  Griechen  über  ihre  Betonung 
so  wenig  widerlegt  werden  wie  das  Missbehagen,  das  etwa  ein  Italie- 
nisches Ohr  beim  Klang  Polnischer  Wörter  empfinden  könnte,  irgend 
die  Angaben  von  Polen  über  ihre  Betonung  in  Frage  stellen  könnte. 
Eben  so  wie  die  vorstehenden  Wortformen  sind  folgende  betont: 

'jxQÖvefcög,  Od.  VIII,  1 11.  B.     vgl.  vrjvg,         vavg, 

'JvaßrjOivsFüg,  Od.  VIII,  113. 

Ü^VfiAcFräv,  //.  XIII,  92.  B.  Aefcog,     Xafog, 

nrjvneFcö,  iL  XIV,  487.  vgl.a.O.     MeveXs-  MsveXa- 

^489.  Fwi,         Fos, 

ävtFä,  Od.  XXIII,  93.  ctvco, 

fjiiiötFcov,  Od.  XXlV,  464.  )}uiovg, 

äOteFng,  Kur.  Phoen.  842.  aötv, 

yälöFäg,  Schal.  IL  III,  122  (Tileovaöaa  tov  o  xcd  clvccÖo- 
öei  tov  tovov). 

'^#öFc5,  //.  MV,  229.  Eustath.  III,  i>.  218:  "Atom  ttqo- 
7tccQo£,vvov6LV  ov  nalaiol  tov  cpvöixov  tovov  (pvkccö- 
aovteg. 

"AftoFag.  vgl  SoFcoöa,  '<Z  qsl- frv  in, 

iv-ftov-öi-dta,  öt'/r,'. 

ftva. 

(Ueber  das  F  dieser  Wortformen  vgl.  l-'.lx'L  Zeüschr*  /*.  vergl 
Sprachf.  IV,  152.  Benfey,  a.  0,  VII,  123.  G.  Curtius,  Grund:,  d. 
Griech.  Etym.  Na.  124.  430.  535.    "AifoFcjg:   der  sein-  slür- 


—     365     - 

mische,  &6F  co6a:  Stiirmerin,  &vidg:  desgl.,  'SIqsl&vicc'. 
Bergdürchstti  r  m  ende ).  Andere  Beispiele  derselben  Betonung 
sind : 

dvcoy£cov ,  Suid.p.l,  456.  B.  dvcoyaiov , 

xarc6y£cov,a.O.  naxcoyaiov , 

xarcoysLOV , 

'AvÖQoysco,  Choerob.  Bekk.  Anecd.  p.  1 223. 

ct%i>6%QSG)v,  Choerob.  Eiym.  M.  p.  \  05.         %Q£Ca  , 
Sylb. 

avaitlscov,  a.  0.  TtXsiog. 

An  den  angeführten  Dichterstellen,  namentlich  der  Homerischen 
Gedichte  sind  die  betreffenden  Worter,  die  mit  dem  Hochton  auf 
der  drittletzten  Silbe  gesprochen  wurden,  so  gemessen,  dass  das  co 
die  Geltung  einer  langen  und  das  s  die  Geltung  einer  kurzen 
Silbe  hat;  das  war  also  auch  in  der  Sprache  einmal  der  Fall  bei 
jener  Stellung  des  Hochtones.  Wenn  schon  bei  Homer  £  vor  co 
durch  Vokalverschmelzung  zum  Werth  eines  stummen  Vokales 
herabsank  in  Formen  wie  %Q£c6[i£v  o  g  ,  %Q£c6,  £co{i£v, 
T£&v£cötl,  so  beweist  das  natürlich  nicht,  dass  £  das  immer 
gewesen  ist,  am  allerwenigsten  in  Wortformen,  wo  es  durch  ein  Di- 
gamma  von  dem  folgenden  co  getrennt  war. 

Zweitens  kommen  nun  in  Betracht  die  Wortformen  mit  auslau- 
tendem Diphthongen  au  und  ot,  die  den  Hochton  auf  der  drittletz- 
ten Silbe  haben,  wie  folgende: 

dyxvQcu,  vgl.      ayavqai^  Bor.  Ahrens ,  Bial.  Bor. 

xQrjvat,  xQccvai,  B.  a.  0.  p.  28. 

ayyeAoi,  dyyiXoi^B.a.O. 

aV&QQ07tOl,  CiV&Q  COTtOL,    B.   Cl.    0. 

kV7tOVll£VOL,  XVTCOVILEVOL,  B.  Ct.    0. 

£<?Ö£Zai,  ff.  £66  £lXCtl,    B.  Cl.  0. 

CpOQ£lTUL,  (pOQ  £ITCU,  B.  Cl.  0. 

£sp&OQ& ai,  icp&dgd'aL)  B.  a.  0. 

Aeol.  Her  od.  Lehrs 

J9.256/".  Ahr.Bial. 

Aeol.  p.  16. 
yL£yLOQ&ai,  A.  a.  0.         £L{id()&aL ,  B.  a.  0. 
T£toQ&a,L ,  a.  0.  T£Td()&ca^    B.  a.  0. 


—     366     — 

Da  die  Endungen  -cu  und  -ot  in  diesen  und  ähnlichen  Wert- 
formen bei  den  Dichtern  vor  consonantischcm  Anlaut  des  folgen- 
den Wortes  stets  lang  gemessen  erscheinen,  so  sind  sie  sicher 
in  der  Sprache  zur  Blüthezeit  der  Griechischen  Litteratur  noch 
lang  gewesen  wie  andere  Diphthonge.  Dass  es  keinen  Sinn 
habe  zu  erklären,  diese  Diphthonge  seien  für  die  Messung  zwar 
lang,  aber  für  den  Accent  kurz  gewesen,  hat  schon  G.  Curtius 
hervorgehoben  (Jahrb.  f.  wiss.  Krü.  1846.  S.  507.  Jahns  Jahrb. 
71,  S.  351).  Unmöglich  kann  derselbe  Laut  lang  sein  verglichen 
mit  der  Tondauer  anderer  Laute  und  zugleich  kurz  im  Verhält niss 
zum  Hochton  eines  Worttheiles.  Bei  den  Dorern  hat  denn  auch 
diese  unzweifelhafte  L  an ge  der  auslautenden  Diphthonge  ai  und 
o  i  die  Vor  Schiebung  des  H  o  c  h  t  o  n  e  s  auf  die  vorletzte  Silbe 
veranlasst,  bei  den  Attikern  wenigstens  in  den  Infinitivformen  des 
zweiten  medialen  Aorist  und  des  passiven  Perfecta,  während  die 
Aeoler  auch  hier  den  Hochton  möglichst  in  den  Wörtleib  zunick- 
zogen. Dass  in  späterer  Zeit  allmählich  eine  Kürzung  des 
Diphthongen  ai  eingetreten  ist,  dafür  sprich!  die  Thatsaehe,  dass 
er  im  Neugriechischen  zu  einem  kurzen  e  eingeschrumpft  ist ,  wie 
schon  die  angeführten  Formen  x£,  xixe  für  xai,  xeitai  auf 
christlichen  Grabschriften  zeigten.  Ebenso  ist  ja  auch  das  aus- 
lautende oi  im  Neugriechischen  zu  X  verkürzt.  In  der  Blüthe- 
zeit  der  Sprache  alter  sind  die  auslautenden  Diphthongen  ai  und 
oi,  wie  die  Messung  der  Dichter  zeigt,  lang  gesprochen,  auch 
wenn  der  Hochton  auf  der  drittletzten  Silbe  stand,  und  Cboerobos- 
kos  Erklärung,  Bekk.  Anecd.  p.  1212:  'Avxi  xoLvrjg  TrccoccAcc^ßcc- 
vovtcu  xal  TtQog  eva  r\yaow  %qovov  e%ov(3ir.  gilt  für  diese 
Zeit  nicht,  da  sie  vor  consonantischem  Anlaut  des  folgenden  Wor 
tes  nie  kurz  gemessen  vorkommen,  also  nicht  mittelzeitig 
waren. 

Es  folgt  also  aus  der  Betonung  von  Wortformen  wie  vil'txe- 
qmv,"A&ocö ,  dass  in  der  älteren  Griechischen  Sprache  der 
Hochton  des  Wortes  nicht  unbedingt  durch  die  Länge  der  letz- 
ten Silbe  an  die  vorletzte  oder  letzte  gebunden  war,  und  es 
ergiebl  sich  aus  der  Betonung  von  a/uajjat,  Xdjtcu,  av- 
&QC07tOL,  dass  der  Hochton  gelegentlich  Ins  auf  die  fünfte 
Tonweile  oder  Rfore  vom  Scbluss  (U^  Wortes  zurücktreten 
konnte. 


—     367    — 

Zu  diesem  Ergebniss  sind  Wortformen  zu  vergleichen,  in  denen 
der  Vokal  der  vorletz  ten  Silbe  vor  langer  Schlu  sss  übe  ge- 
schw unde  n  ist  wie: 

xccxx?],  Bor.  Ähr.  p.  356.       vgl,     xura-, 

£7tT7]V,  71  £TO[lCCl  , 

aveitrav, 

TtQOÖ  8  7ttCC, 

7iecpv7ig,  cpsv-, 

xaTccTtscpvcjv,  cpovog, 

ytyvj],  yevog, 

71L71XCÖ,  %  £T-, 

Xa o  oi  v Öa g  ,  Boeot.  Ähr.  /j.  214.     Aeavidag, 
'A£a%QG)vdccg,  a.  0.  u.  a. 

'ETtaiisLvavdag,  a.  0. 
Ilccyüjvdag,  a.  0. 
u.  a. 

Wer  die  Thatsache  anerkennt,  dass  der  II  och  ton  ein  stär- 
kerer und  höherer  Ton  war,  wie  dies  aus  der  obigen  Unter- 
suchung erhellt  und  für  das  Griechische  von  Anderen  längst  erkannt 
worden  ist,  muss  es  für  sprachlich  undenkbar  hallen,  dass  der 
durch  diesen  Hocbton  getragene  Vokal  schwinden  konnte,  während 
die  tief  und  schwach  tönenden  in  den  benachbarten  Silben  erhalten 
blieben  *).    Die  angeführten  Wortformen  hatten  also  d  e  u  II  o  c h  t o  n 


*)  Auch  im  Griechischen  ist  der  Ausfall  eines  hoch  beton- 
ten Vokales  so  gut  unerhört  wie  im  Lateinischen  und  Deut- 
schen, und  was  für  denselben  geltend  gemacht  werden  könnte,  beruht 
auf  Schein.  Man  vergleiche  die  Wortformen  yaGZQog,  yaczyL,  yccGzQccGL 
mit  yaGzBQay  y<xoz8Q8g ,  yccGTSQCcg;  [irjZQog,  {itjzql,  [irjZQCtGL  mit  [irjzSQOg, 
[ir)Z£Qi,  {irjzSQCC,  [LTjzeQcav,  [i7]Z8Qag;  zJrj[ir]ZQog,  dijurjzQi,  Jri^irjzQK  mit 
drj[ir}Z8Qog ,  zJa^idzsQOg  ;  frvycczQÖg ,  d'vyuzQt,  ftvyazqci,  ftvyczzQsg,  Q"6- 
yazQag,  &vyoczQ(ov,  &vyuz(jccGL  mit  ftvycczsQOg,  ftvycczeQi,  ftvyazSQCC,  ftvyatE- 
Qsg,  &vyccz£QCig,  &vyocz£Q(ov,  &vyoiz8Q8GGiv;  ncczQug  ,  nazQt ,  nctzgcov,  na- 
zqccglv  mit  7i<xz8Q0g ,  nazSQL,  7Zcczeq(üv ,  TtazSQoe,  nocz^Qsg ,  nazsQag.  In 
diesen  Wortformen  hielt  sich  das  £  der  vorletzten  Silbe  niemals  un- 
versehrt, wenn  es  tieftonig  war;  daraus  folgt  der  Schluss ,  dass  es 
ausfiel,  weil  es  tieftonig  war,  und  dass  es  sich  hielt,  wenn  und 
weil  es  hoch  tonig  war,  weil  es  vom  Hochton  gestärkt  und  gehoben 
wurde.  Also  ist  auch  [irjZQog,  d'vyoczQt,  nazQtov  u.  a.  aus  firjZ8Qog ,  &v- 
yccztQL,  7iccT8Qcov  unmöglich  entstanden,  weil  das  8  seinem  Hochton  gleich- 


—    368     — 

auf  der  Silbe,  wo  sie  ihn  nach  dem  Vokalausfall  hatten, 
auch  vorher,  das  heisst  auf  der  drittletzten  Silbe,  wahrend 
die  letzte  lang  war  wie  avxeQag,   ayyehoL,    eöOstat   u.  a. 


sam  unter  den  Füssen  wegfiel,  und  dieser  nun  auf  die  Wanderschaft  ge- 
hen musste ,  um  anderwärts  eine  passende  Stellung  zu  suchen;  sondern 
umgekehrt  weil  in  der  Declination  jener  Wörter  der  Hoch  ton  auf  die 
Flexionssilbe  vorrückte  oder  auf  die  Stammsilbe  zurückwich,  fiel 
das  tieftonig  gewordene  s  aus.  Auch  %vctxog  neben  ivvscc  kann 
nicht  als  Beispiel  für  den  Ausfall  eines  hochtonigen  Vokales  angeführt 
werden.  Die  Ordnungszahlwörter  oydoog,  tßdo^iog  neben  oxtw, 
intet  zeigen,  dass  der  Hochton  auf  die  Stammsilbe  zurückwich,  als 
das  Suffix  an  die  Hauptzahl  herantrat,  das  die  Ordnung  oder  Reihen- 
folge bezeichnete.  Dasselbe  geschah  ,  als  an  tvvta  das  Suffix  xo-  heran- 
trat: der  Hochton  wich  auf  die  Stammsilbe  zurück  und  in  Folge 
dessen  fiel  das  £  vor  a  aus,  so  dass  k'vaxog  entstand. 

Man  hat  das  Fehlen  des  Augments  in  Verbalformen  als  Beweis 
für  den  Abfall  eines  hochbetonten  Vokals  im  Griechischen  angeführt 
(G.  Curtius,  Zeilschr.  f.  vergl. Spruchf. Yl,  84.)  Es  soll  also  hochbetontes  s  ge- 
schwunden sein  in  der  Homerischen  Formen  wie  ßfjv  ,  yva,  öv ,  <&•?'- 
gccv,  döoav,  Gxüv,  öl'öov  u.  a.  neben  den  alimentierten  tßrjv,  l'yvco,  t-'dv, 
t&zaccv,  hdoaciv,  taxav,  edidov.  Angenommen  das  wäre  so,  wie  hat  man 
sich  dann  den  Abfall  eines  anlautenden  hoch  und  stark  betonten  Vo- 
kales im  Altgriechischen  der  Homerischen  Dichtungen  bei  seinem 
volleren  und  reicheren  Vokalismus  zu  erklären,  während  die  spätere 
Sprache  trotz  ihres  schwächeren  und  ärmeren  Vokalismus  von  jenem  Ab- 
fall keine  Spur  zeigt,  sondern  stets  die  augmentierten  Formen  jener 
Präterita  braucht?  Man  vergleiche  aber  nun  die  verwandten  Spra- 
chen. Den  Germanischen,  Italischen  und  Lett  o  -  sl  av  isch  en 
Sprachen  fehlt  das  Augment  ganz,  und  sogar  das  Zend,  dieser  näch- 
ste Nachbar  und  Blutsverwandte  des  Sanskrit,  hat  kaum  eine  verein- 
zelte Spur  desselben  (Bopp ,  Vergl.  Gramm,  p.  755.  751  —  703).  Im 
Griechischen  unterscheidet  sich  die  Anwendung  des  Augments  dadurch 
vom  Sanskrit,  dass  jene  Sprache  dasselbe  nur  im  Indicativ  seiner  Aoriste, 
Imperfecte  und  Plusquamperfecte  zeigt,  nicht  in  den  abhängigen  Modus- 
formen, diese  hingegen  auch  in  einem  abhängigen  Modus,  dem  Conditio- 
nalis.  Aber  auch  im  Sanskrit  fehlt  das  Augment  bisweilen  in  For- 
men, die  es  gewöhnlich  haben.  Der  dafür  angegebene  (»rund,  es  fehle 
des  Metrums  halber,  erscheint  /V/,  Elgm.  Forsch.  II,  77.  173  mit  Hecht 
als  unzuverlässig,  eben  so  wie  ein  solcher  Grund  für  die  Erklärung  der 
Homerischen  augmentlosen  Verbalformen  nicht  stichhaltig  ist.  Wie  soll- 
ten sich  wohl  Dichter  solche  Formen  erlaubt  haben,  wenn  sie  sonst 
der  Sprache  ihres  Volkes  ganz  fremd  gewesen  wären?  Wenn  aber  schon  im 
ältesten  Sanskrit  sich  augmentlose  Aoristformen  wie  dam.i,  data 
linden    nebenden  augmentierten  ädäma,    ädäta,   grade  so    wie  im  äl- 


—     369     — 

Der  Hochton  der  drittletzten  Silbe  bewirkte  den  Vokalausfall  in  der 
vorletzten,  als  die  letzte  Silbe  in  der  Griechischen  Betonung  allmäh- 
lich denEinfluss  gewann  denselben  auf  die  Silbe  unmittelbar  vor  sich 
oder  auf  sich  selber  zu  ziehen. 


testen    Griechisch,    das    wir    kennen,    do^sv,     dozs    neben   e'do^isv, 
eSots  (Bopp,    Vergl.  Acc.   p.   116),    darf  man   da  annehmen,    dass  jene 
Sprache,  die  ihren  Hauptton  udätta,  den  gehobenen,    nannte,  die 
den  volltönigsten  Vokalismus  und  die  kräftigste  Betonung 
zeigt,  ihren  vollsten  Vokal  a,    wenn  derselbe  durch  den  Hochton 
emporgehoben  und  gestärkt  wurde,  spurlos  habe  verklingen 
lassen   neben   tief  und  schwach  betonten  Silben  derselben  Wortformen? 
Wer  nicht  in  Abrede  stellt,  dass  Höhe  und  Stärke  des  Tones  demselben 
Dauerhaftigkeit  verleihen,  wird  doch  nothwendig  zu  der  Alternative  ge- 
führt, dass  entweder  jenes  a  nicht  immer  hochtonig  war  oder  nicht 
immer  der  einfachen  Aoristform  vorgesetzt   wurde.     Thatsache    ist 
also,   dass  die   hier    angeführten  Sprachen  das  Augment  entweder 
gar  nicht  haben ,  oder  nicht  consequent  immer  in  denselben 
Verbalformen.     Was  zwingt  also  zu  der  Annahme,  dass  es  in  allen 
diesen  Sprachen   immer  und  nothwendig  vorhanden  gewe- 
sen sein  muss  in  den  Verbalformen,  wo  es  sich  gewöhnlich  im  Sans- 
krit   oder   im  Attischen  Dialekt   der   Griechischen   Sprache   zeigt?    Die 
Bedeutung  gewisser  Präteriten  auszudrücken  ,    dazu  hatten  sie  auch  an- 
dere Mittel   genug.     Die  Augmentierung   ist   als  Zusammensetzung 
von    Verbalformen  mit    der  Partikel   Sanskr.    a-,     Griech.     s-    erkannt 
worden,    mag    dieselbe   nun    negativer    oder,  was  ansprechender   er- 
scheint,    demonstrativer    Natur    sein;    Bopp,    Vergl.  Acc.  p.   73  f. 
Schweizer,   Zeitschr.  f.  vergl.  Sprach/'.  IV,  306.     Ist  das  a-  des  Augments 
ein  demonstratives  Pronomen,  dann  verhält  es  sich  ähnlich  zu  der  Verbal- 
form ,  der  es  vorgesetzt  ist ,  wie  der  demonstrative  Artikel  zu  dem  Nomen, 
vor  dem  er  steht.  Aber  die  Vorsetzung  derAugmentpartikel  unter- 
scheidet sich  doch   wesentlich    von  der    regelmässigen  Zusam- 
mensetzung von  Wörtern  mit  anderen  Präfixen.     Während  diese  durch 
alle  Abwandelungen  der  Endungen  des  Wortstammes  an  demselben  haf- 
ten bleiben,  erscheint  das  Augment  nur  in  gewissenAbwandelungs- 
formen  des  Verbalstammes  ,  nicht  einmal  durchgehends  in  allen  Flexions- 
formen desselben  Tempusstammes  vom  Verbum.     Der  Act  des  Componie- 
rens  oder  Präfigierens  wird  für  jede  Abwandelungsform  immer  wieder  von 
Neuem  vorgenommen.     Man   wird    also    zu    dem  Schluss   geführt,    dass 
auch  im  Griechischen  diese  Art  der  Zusammensetzung  keine  über- 
all durchgehende  und  nothwendige  war,    dass   die   ältere  Sprache 
die   Freiheit    hatte    dieselbe   in  Formen  ihrer   Präteriten    zu   bilden 
oder    nicht,    neben    einander   die    einfachen  Verbalformen   ßrjv,   ftsaciv 
u.  a.    und   die  zusammengesetzten  sßrjv ,   t&eoav  zu  brauchen,    wie  die 
einfachen  Nominalformen    ötsqotc)],    &sXco ,    dvQO[icu    u.   a.     neben    den 
Corssen  IL  24 


—     370     — 

Aehnlich  verhält  es  sich  mit  den  Comparativ formen,  in 
denen  aus  den  Lautverbindungen  jc&,  yt,  %t,  öl,  xi  durch  Assi- 
bilation  6  6  oder  £  geworden  ist,  wie: 


gleichbedeutenden  uGT8Q07irj ,  ioH  Aw  ,  odv^ofiat  vorkommen.  Sowenig 
also  in  jenen  einfachen  Nominalformen  Abfall  des  anlautenden 
Präfixes  a-,  s-  ,  o-  der  zusammengesetzten  statt  fand,  so  wenig  ist 
man  in  den  einfachen  Verbalformen  ßfjv ,  fteGuv  berechtigt  einen  auf 
dem  Boden  des  Griechischen  erfolgten  Abfall  des  Augmentprä- 
fixes e-  anzunehmen.  Das  temporale  Augment  fehlt  gewöhnlich  bei 
den  Attikern  in  den  auf  ev-  und  st-  anlautenden  Verbalformen  wie 
slnov,  EVQrjKcc,  s  v^äfirjv,  es  unterbleibt  auch  in  Präteriten ,  die  auf 
ccv-,  ov-,  OL-  anlauten.  Sollen  auch  hier  durch  Hinzutreten  des 
Augments  erst  die  anlautenden  Diphthonge  77-,  a>-,  tjv-,  cov-  entstanden 
sein  und  sich  dann  das  r\  und  eo  wieder  gekürzt  haben?  Wer  für  diesen 
lautlichen  Hergang  keine  genügende  Erklärung  weiss,  sieht  sich  zu  der 
Ueberzeugung  gedrängt,  dass  auch  hier  die  Sprache  die  Anwendung  des 
Augments  unterlassen  konnte.  Wer  nun  aber  ungeachtet  der  vor- 
liegenden Thatsachen  den  theoretischen  Satz  aufstellt,  dass  die  Indo- 
germanische Ursprache  d  ur  ch  gehen  ds  und  unwandelbar  das 
Augment  zur  Bildung  wenigstens  eines  Präteritum  verwandt  habe  ,  dem 
darf  man  doch  wohl  nach  dem  jetzigen  Standpunkt  der  Forschung  noch 
den  Beweis  für  diese  Behauptung  zuschieben.  Und  selbst  wenn  dieser  ge- 
lingen sollte,  so  würde  sich  doch  immer  ergeben,  dass  dieses  durch- 
gehende Auftreten  des  Augments  lange  vorher  ausblieb,  ehe  die 
Griechische  Sprache  sich  gesondert  ausbildete,  dass  das  Vorkom- 
me n  u  n  a  u  g  m  e  n  t  i  e  r  t  c  r  neben  augmentierten  Präteriten  ein  Erb- 
stück aus  sehr  alter  Zeit  ist.  Also  müsste  immer  noch  der  Beweis 
geführt  werden,  dass  in  jenem  uralten  Sprachidiom  der  H  och  ton  ent- 
weder in  allen  oder  doch  in  zweisilbigen  augmentierten  Verbalformen 
und  in  dreisilbigen  mit  kurzer  Endsilbe  stets  die  Augmentsilbe  her- 
vorgehoben habe;  erst  dann  könnte  der  Abfall  eines  hochbetonten  £  in 
Homerischen  Formen  wie  ßrjv,  fteoav  dargethan  scheinen.  Nach  den 
sprachlichen  Thatsachen  aber,  die  bis  jetzt  vorliegen,  ist  diese  Annahme 
nicht  begründet.  Es  sind  ferner  verstümmelte  Formen  der  Präposi- 
tionen wie  UM*  für  y.ard  angeführt  zum  Beweise  des  Schwindens  eines 
hochtonigen  Vokales  im  Griechischen  (6.  Citri,  a.  (J.).  Dass  der  Abfall 
des  auslautenden  Vokales  einer  Wort  form  im  Satze  nicht  als 
Beleg  dafür  angeführt  werden  kann,  ergiebt  sich  einfach  daraus,  dass 
ja  der  Hochton  der  letzten  Silbe  eines  Wortes  vor  folgendem 
Wort  im  Zusammenhang  der  Rede  seine  Höhe  und  Stärke  nicht 
bewahrte,  wie  seine  Bezeichnung  durch  das  Zeichen  des  (.'ravis  zeigt. 
Also  ist  auch  in  v.kt.'  und  ähnlichen  Formen  der  Präpositionen  sicher- 
lich nicht  ein  hoch  toniger  Vokal  geschwunden.  Alle  contrahier- 
ten  Wortformen  ferner  müssen  bei  der  vorliegenden  Frage  gänzlich     aus 


—     371     — 

ftccöGa v,  vgl.  ta%ia v,  ßgccööcov, 

u.  a. 

iXa<5  Oav,  xQsiööcjv, 

[idoöav,  iiei^av, 

TtuGöav,  oli^cov, 
ykvööav,  u.  a. 

7J66  G)V, 

Wie  konnte  das  i  seine  selbstlautende  Kraft  verlieren,  so  lange 
es  vom  Hochton  getragen  wurde?  Auch  hier  war  die  ursprüngliche 
Betonung  xa^iav  wie  in  dem  Neutrum  %a%iov,  also  auf  der 
drittletzten  Silbe  bei  Länge  der  letzten.  Wenn  sich  der  Haupt- 
ton  vorschob  auf  das  i  durch  den  Einfluss  der  letzten  Silbe,  so  hielt 
sich  das  hochtonig  gewordene  i  als  Vokal,  blieb  er  auf  seiner  Stelle, 
so  verlor  das  tieftonige  i  diese  BedeuUini;,  erstarrte  zum  j  und  ward 
assibiliert.  Dass  dem  so  ist,  beweist  auch  die  entsprechende  Be- 
tonung der  ebenso  gebildelen  Comparativformen  im  Sanskrit,  wo  der 
flochton  auf  der  anlautenden  Silbe  steht.  Dem  Griechischen 
7]diov  entspricht  im  Sanskrit  auch  in  Bezug  auf  die  Betonung 
der  Vokativ  svädljän.  Ebenso  verhält  sich  zu  der  Altgriechischen 
Form  yd mdv,  aus  der  erst  durch  Vorschiebung  des  Hochtones 
7]  di  G3V  wurde,  im  Sanskrit  der  Nominativ  svad  ij  an  (Bopp,  Vergl. 
Gramm,  p.  411.    Vergl.  Accent.  d.  Sanskr.  u.  Griech.  p.  40.). 

Man  vergleiche  hiermit  die  zahlreichen  Feminina,  die,  wie  die 
neuere    Sprachforschung  unwiderleglich  clargethan  hat,    mit  dem 


dem  Spiele  bleiben.  In  der  Griechischen  Contraction,  die  dringend 
einer  eingehenderen  Behandlung  bedarf,  als  ihr  bisher  zu  Theil  gewor- 
den ist,  ging  der  Verschmelzung  der  Vokale  eine  theilweise  oder  gänz- 
liche Assimilation  derselben  voraus.  An  einen  Ausfall  des  einen  der 
sich  begegnenden  Laute  und  an  eine  sogenannte  Ersatzdehnung  des 
übriggebliebenen  ist  dabei  nirgends  zu  denken,  noch  viel  weniger  der 
Ausfall  eines  hochbetonten  Vokales  nachweisbar. 

Wenn  aber  im  Litauischen  hochbetonte  Endsilben  abgefallen  zu 
sein  scheinen  (a.  0.),  so  wird  man  nach  dem,  was  Bopp  (Vergl.  Acc. 
p.  85  f.)  über  den  wandernden  Accent  und  über  die  fast  will- 
kührlich  erscheinende  Verschiebung  des  Hochtones  dieser  Sprache 
namentlich  in  der  Declination  sagt,  bei  jeder  Casusform,  die  durch 
Abfall  der  hochbetonten  Endsilbe  entstanden  zu  sein  scheinen  könnte, 
doch  immer  die  Frage  erheben  müssen,  ob  der  Hochton  ursprünglich 
auf  dieser  Stelle  stand,  oder  ob  er  sich  nicht  von  derselben  zurück- 
schob,   ehe  der  Abfall  erfolgte. 

24* 


—     372    — 

Suffix  -ja  gebildet  sind,  das  im  Griechischen  sich  zu  -lä  gestaltet 
wie  Sanskr.  -ja  zu  -10  und  dann  weiter  unter  mannigfachen  Ver- 
bildungen  und  Verkleidungen  erscheint,  namentlich  aber  eine  Kür- 
zung seines  a  erlitten  hat.  Aus  der  grossen  Anzahl  dieser  Wort- 
formen mag  hier  eine  kleine  Auswahl  Platz  finden. 
EvßoLa,     iuvEvßoFLa, 

£V7tVO  La  ,  £V7lV0FiCC, 

L£Q  £  La,  L£Q £  F  tß, 

ßaöCl£La,         ßaö lXeF  La, 
{Vgl.  Ebel,  Zeiischr.  f.  vergl.  Sprach  f.  IV,  152.    Benfey,  a.  0.  VII, 
123.  Meyer,  a.  0.  VII,  205  /.  Pott,  a.  0.  V,  275.) 

a  X  rj  &  £  i  a ,  für  akr\& £6 La , 

£V6£ß£lU,  £VO  £ß£6CCC, 

riQiyiv £iu,      ^q  ty  £V  £jS La , 

"Aqtcv  ua  ,  Aqtivö  La, 

7SIq£lü'v  La ,      ,£Iq£l&v(5  La. 
{Vgl.  Bopp,  Vergl.  Gramm,  p.  1383.   1097.    G.  Citrtius,  Zeiischr. 
f.  vergl.  Sprach/.  IV,  213.  Polt,  a.  0.  V,  275  /.    Meyer,  a.  0.  VII, 
205  f.) 

doreLQa,    für  dot£QLa, 

0(6t£LQ  a,  0  CJZ£QLa  , 

XVÖLCCV£lQa,    XV  ÖLav  £QLa, 

[laxaiQa,         {laxaQLa, 
[i£  XaLva,  yL£kavLa, 

T£Q£LVa,  X£Q£VLa, 

avaööa ,  avazLa, 

TtQocpgaGOa,  itQocpQad  La, 

^£vli(7(7a,  11  £l  LT  La, 

ötovoF  £6<3a,  Or ovoF  £vr La, 

Xiyovöa,  Xsyovrta: 

{Vgl.  Bopp,  Vergl  Gramm,  p.  139  /*.  I  132  /.  G.  Cur/.  Notn.  Graec. 
form.  p.  15.  49.  Temp.  a.  Mod.  p.  97.  Zeiischr.  für  vergl.  Sprach/'. 
IV,  213.  Ebel,  a.  Ü.  1,  298/'.  11.  so.  VI,  212  /'.). 

In  allen  diesen  Formen,  deren  auslautendes  a  doeli 
zweifellos  einst  lang  war.  ist  es  weder  begreiflich,  wie  der 
Hochton  über  die  vorletzte  Silbe  zurücktreten  konnte,  wenn 
die  Länge  der  letzten  von  je  her  die  Kraft  balle  ihn  auf  die  vor- 
letzte zurückzuziehen,  noch  begreift  man  eine  Kürzung  des 
auslautenden  a  purum,  wenn   der  II  och  ton   auf  die   vorletzte 


--     373     — 

Silbe,   auf  das  i  vorgeschoben  ward,  wie  in  der  Attischen   Form 
L8Q8iä   (Herod.  Lehrs  p.    357:    'AxxikoX   [levxoi   eTcxsxa^i^vcog 
iSQtiäv    u%otpaivov%ai) ,    und    in    den  Abstracten    wie    dvoia, 
ayv  o  Ca  {Altall.),  dovlstä  ,  ßccö  lXsiü,   tsQsCä,  svitoiCä, 
dcpvtä,  ccTtoQiä  u.  a.     Auch  daran  ist  nicht  zu  denken,  dass 
sich  in  allen  jenen  Femininformen  der   Hochton  auf  das  aus- 
lautende a  vorschob  und  später  zurücktrat.     Wenigstens  findet 
sich  ein  solches  Vorschieben  fast  nur  in  solchen  mehrsilbigen  Wör- 
tern  unter   denen  auf  -la  gebildeten,  welche  anschauliche  Dinge 
bezeichnen,    die   aus   einer  Menge  gleichartiger  Einzelheilen    be- 
stehen, oder  Oerter  wo  eine  Masse  von  solchen  gleichartigen  Din- 
gen zu  finden  sind,   wie  ccv&qccxlcc,    aQiiaXtä,   p,VQ[ir]Xi,d, 
0Q{iia,  tcovid,  alp,a6ia,  aXiä,  vs oxxid,  daher  denn  auch 
in  Attischen  Bezirksnamen  wie  Xsludov cd,  KqcpLöid  und  in 
pluralischen  Ortsnamen  wie  (TöiaC,  TLoxviaC,  ©söTtcaC  u.  a. 
[Vgl  Göltt.  Acc.  ä.  Griech.  Spr.  p.  135  f.);  und  in  diesen  Wörtern 
b  leibt  der  Hochton  auf  der  letzte  n  Silbe  und  das  a  bleibt  lang  *). 
In  allen  jenen  Femininen  also  ist  nicht  ersichtlich,  wie  der  Hochton 
weiter  vorgerückt  gewesen  sein  kann,  als  auf  die  Silbe  vor  dem 
Suffix-ta.     Die  Betonung  dlit]&£<siä,  tßQsFtä,  doxegiä  ist 
nicht  anders  ihrem  Wesen  nach  als  die  von  dvcjyeäv,  'Akqo- 
v^cög  und  jedenfalls  weniger  auffallend  verglichen  mit  dem  ge- 
wöhnlichen   Belonungsgesetz    wie    xaXoyrjQäg,   av&gäTtöi, 
Xiyövxäi  u.  a.     Als  aber  die  Griechische  Sprache  nun  Tonhöhe 
der  drittletzten    Silbe   vor  Tonlänge   der  letzten  allmählich    nicht 
mehr   vertrug,   kürzte    sich   das  auslautende   a  jener  Feminina. 


*)  Erst  in  späteren  Zeiten  ward  in  OQyvia,  ayvia,  wie  im  Alt- 
attischen  betont  wurde,  der  Hochton  auch  auf  die  letzte  Silbe  vorge- 
schoben, Eustath.  Od.  IX,  325.  Nach  Choeroboskos ,  Bekk ,  Anecd. 
p.  1217,  war  das  der  Fall  bei  den  Ioniern  in  Casusformen  mit  langer 
Endsilbe.  Schol.  II.  VI,  422  wird  nur  der  Accus.  Plur.  äyviäg  mit 
dieser  Betonung  angeführt  nach  Aristarch  {Vgl.  Herod.  Lehrs,  p.  240). 
Da  der  Plural  ayviat  auch  die  Bedeutung  Gegend,  Stadt  erhält, 
so  ist"  es  erklärlich,  wenn  er  sich  der  Analogie  Pluralischer  Städtenamen 
wie  THazaia  i,  Avysicci  ,  Gsotckxl  u.  a.  anschloss  {vgl.  Lehrs,  Arist. 
p.  268);  OQyvici.  konnte  wegen  seines  Begriffs  eines  Masses  den  Wör- 
tern auf  -iß,  die  eine  Menge  ausdrücken,  in  der  Betonung  leicht  ähn- 
lich gebildet  werden;  (irjxQVidc  ist  Femininum  von  (.irjTQViog  und  be- 
hält somit  den  Accent  seines  Masculinum. 


—     374     — 

Das  i  verschmolz  dann  nach  Ausfall  des  F  oder  6  mit  dem  vorher- 
gehenden Vokal  zu  einem  Diphthongen,  oder  es  lautete,  wenn  q 
oder  v  vorherging,  in  die  vorhergehende  Silbe  zurück  oder  es  ward 
nach  einer  Muta  und  mit  derselben  assibiliert.  In  allen  drei  Fällen 
stand  dann  der  Hochion  auf  der  vorletzten  Silbe  nach  Kürzung 
der  letzten  und  konnte  nun  noch  eine  Stelle  weiter  zurück- 
weichen, wie  in  ßaaCleua,  äl^d-etcc ,r'AQ7tvLa,  doteiQcc, 
{idxccLQci,  avaööcc  geschehen  ist,  oder  er  blieb  auf  der  vorletzten 
durch  Vokalverschmelzung  lang  gewordenen  Silbe ,  ward  dann 
aber  wegen  der  Kürze  der  letzten  gebrochen,  wie  dies  in  ra%8ia, 
ylvnela,  slu%£ia  für  ra%sFccc,  ylvxeF  lcc,  ihcc%£- 
Ficc.  {Vgl.  Ebel,  Zeitschr.  f.  vergl.  Sprach  f.  IV,  152.  Benfey, 
a.  0.  VII,  123.  Meyer,  a.  0.  VII,  205.)  in  {istiavlcc,  inye- 
yavla  u.  a.  für  [i£[iav6 ta,  ixyeyavOia  der  Fall  war. 

Etwas  anders  verhält  es  sich  mit  der  Verschiebung  des  Hoch- 
tones in  den  Bildungen  der  Feminina  auf-r(na,  die  von  Maschi- 
nen auf  -rrjQ  gebildet  sind  wie: 

ictTQLtt,  eVVYlTQLCC, 

TtXvVXQia,  (pCCQUCCXSVTQLCC, 

KQaxtQ  lcc,  ßaXavLör  qlu  u.  a. 

Im  Sanskrit  werden  von  Masculinen  auf  -tär,  denen  die  Grie- 
chischen auf  -rr]Q,  -rag,  die  Lateinischen  auf -to  r  entsprechen, 
Feminina  gebildet  durch  Anfügung  eines  I,  das  den  Hochton  auf 
sich  zog  und  den  Ausfall  des  Vokales  der  vorhergehenden  Silbe  be- 
wirkte wie  in  da  tri  von  da  tär  (Bopp,  Vergl.  Are.  p.  I  27).  Im 
Lateinischen  zeigt  sich  an  dieses  i  ein  c  herangetreten,  im  Griechi- 
schen ein  d,  so  dass  auch  in  diesen  beiden  Sprachen  zugleich  der 
Ausfall  des  Vokales  der  männlichen  Suffixe  -ttjq,  -tcoq  statt  fand. 
So  entstand  also  Lat.  victr-l-c-  aus  victor,  (i riech,  ztlvv- 
tQi-d-  aus  TikvvzriQ.  [Vgl.EbeU  Zeitschr.  f.  vergl.  Sprachf.  I, 
291).  Im  Griechischen  erscheinen  aber  solche  auf  -tql  gebildeten 
Femininstämme  ausser  durch  d  auch  noch  weiter  gebildet  durch  an- 
gefügtes -vr\  wie  in  latQ/Dj  nach  der  Analogie  von  Alr\xtvr^, 
'Slxeavi'vT],  fjQcoi'vy]  (Herodian.  Lehrt,  p.  359),  und  endlich 
auch  durch  Anfügung  eines  a  in  ic'ctqicc,  tydXTQia  u.  a. 
In  diesen  Bildungen  trat  nun  der  Hochton  zurück,  ehe  die 
letzte  Silbe  die  Kraft  hatte  durch  ihre  Länge  den  Hochton  auf  der 
vorletzten  festzuhalten  und  dadurch  wurde  in  der  angegebe- 


—     375    — 

nen  Weise  das  auslautende  a  gekürzt.  Auch  in  den  femininen  Bil- 
dungen auf  -triQ,  die  durch  kein  Suffix  weiter  gebildet  sind,  tritt 
der  Hochton  von  der  Suffixsilbe  zurück  in  ft^'r^o,  &vydxr]Q, 
aivarrjQy  Atj^itjxtjq  (Herodian.  L.  p.  50.)  und  noch  weiter  in 
den  Casusformen  ftvyccxeQ,  ftvyar  qcc,  ftvyaxQ  sg,  ZtruLiq- 
T£0,  zJrj [irjtQog,  ZlriyLr}tQi,  /l  i\\iiqx  q  a. 

Ist  die  Auffassung  von  der  Betonung  der  hier  besprochenen 
Feminina  richtig,  dann  gilt  dasselbe  auch  von  zahlreichen  anderen 
weiblichen  Stämmen  der  A-Declination,  die  den  Hochion  auf  der 
drittletzten  Silbe  tragen  und  auf  a  purum  auslauten«wie  noxvia, 
IIoÄv{ivLa,  'idiivia,  Ad^iia  (Herod.  L.  p.  354),  aQOVQa, 
"AgyovQu,  KoXovqa,  Kvvoöovqcc  (a.  0.  p.  39),  ölö- 
xovgcc,  XJ,7tovQa  (a.  0.  p.  328),  aynvQa,  oXvQa,  yoQ- 
yvqa,  Ksqkvqcc,  neben  xoXXvqcc,  TtoQcpv qcc,  EcpvQa, 
ZsyvQcc  (a.  0.  p.  54.  351)  u.  a.  (VergL  Göttl.  Acc.  p.  137  /'.) 
Der  Hoch  ton  konnte  in  diesen  Wörtern  eben  so  füglich  trotz  der 
Länge  der  letzten  Silbe  auf  die  drittletzte  zurückweichen, 
wie  in  aöxeag,  AxQoveag,  övö SQcog,  xaXoyrjQcog , 
dv&Qwiioi,  Xdyovxac,  geschah  das,  so  ward  durch  diese 
Stellung  desselben  das  auslautende  a  der  Feminina  gekürzt, 
als  das  gewöhnliche  Griechische  Betonungsgesetz  sich  Bahn  brach. 
Wenn  also  so  viel  fest  steht,  dass  der  Hochton  in  Griechischen 
Wortformen  auch  bei  Ton  länge  der  letzten  Silbe  auf  der 
drittletzten  Silbe  stehen  konnte,  und  dass  er  sogar  bis  auf 
die  fünfte  Tonweile  vom  Wortende  zurücktreten  konnte,  so 
fragt  sich  nun,  ob  sich  auch  Spuren  finden,  dass  er  in  alten  Zeiten 
nicht  unbedingtan  eine  der  drei  letzten  S  i  1  b  e  n  g  e  b  u  n  - 
den  war. 

Zu.dieser  Uebcrzeugung  führt  die  Betrachtung  einer  Anzahl  von 
Verbal  formen,  welche  zum  grossen  Theil  schon  der  Homeri- 
schen Sprache  angehören,  in  denen  durch  Ausfall  eines  Voka- 
les die  drittletzte  Silbe  geschwunden  ist.  So  schwanden 
einmal  S  t a  m  m  v  o  k  a  1  e  in  folgenden  Wortformen : 
a 

ßeßliqxui,  II.      Vgl.  e ß cc X  o  v , 

eßXiqxo,  H. 

6v{iß Xtjxo ,  H. 

G  v  [ißXrjvxo ,  IL 

ßeßXrjxcc, 


7(5 


7]{ißQ0T£g,  ff.  Vgl.  rjiiccQtsg, 

£{ißQttTai,  Bor.  Ahr.         slyLUQtai 

D.  Dial.  p.  349.  285. 
ded{ir)TO,  ff.  idd^i^v, 

d£Ö[ir]xa, 
xsxhrjVTcu,  ff.  xalsa, 

%SK{ir]xcc,  £%a\iov , 

tsxva&i,  ff.  e&avov, 

a%£X£&v%<5 av }  ff. 

T6&V7J7CCC, 

0 
SÖTQCJÖCC, 
£(5t  Q  COXCU, 


liefißAaze,  ff. 
v 

7Jkd-0[l£V,    ff. 
8Ä&0  l[ll,    ff. 

£ 

{i£{ivr]ncci,,  ff. 
[letivrjOaL,  ff. 
fiifivrjaL,  ff. 

tl£{lV7]TCCl,  ff. 
{1£{IV7]X0,    ff. 

(i£[iva6o  ,  J)or. 
p.  349. 

H£{lßA£TCCt ',  //. 
ll£LlßÄ£TO, 

£tll[lV£V,   ff. 
£}>Q  £0,    ff. 
£yQ£XO,    ff. 
£}>Q0  1T0,    II. 
£yQ  £0d-ttl,  ff. 


Mr. 


£0toq oxai 
£4aoAoi', 
rj  kv&ov  y 

[isvog, 


Aeol.  Ahr.  A.  Dial. 
p.  148. 


yL£k£Li 
[l£VCO  , 

iyeQtsog. 


—     377     — 

KBXQCipCU  ,  Vgl.       XSQaVVV[ll, 

xCyxQa^ii^  Dor.  Ahr. 

p.  346. 
£X£xIexo ,  ff.  xelerui, 

xaxÄsto,  ff. 

STtAeo,  ff.  tisAsl, 

s  7t  lato,  ff. 

£7tXfjVX0  ,    ff.  TCSlcC^Ci), 

TiETtlruicu,  ff. 
7ie7tka{iai,  Dor.  Ahr. 

p.  351. 
yiyv£xaiy  y£V£Xo, 

yiyvovxai, 
iyCyvaxo, 
£7tecpv€,  ff.  cpovog , 

£X£X^l£V,  ff.  X£\lVGi, 

X£X\IY\XU,  TOfAOg, 

X£  X\L7]\iai, 

£7tL7lXOV,  £7t£Ö0V, 

TtETtXaVXCCL,  ff.  7l£  XaVVV  [It, 

TtEitxaxo,  ff.  TtsxaOog, 

£07t£X£,    ff.  £V£7l£,      W.     ÖE7t-,    Vgl.    Lüt.    i  11 


sece, 


£V£Ö7tOV,    ff. 
EVlÖTtB,   ff. 

£viö7t£Q,  ff  er  od.  Lehrs, 
p.  335. 

EÖTtTjXCU,  £%o\iaiy       W.    Ö£7t 

£ö7toLXO,  L.  sequor, 

£G%£XO,  £%G),        W-     <>£%-, 

£<3%QVXO, 

L(5%£0,  ff.  6l6£%-, 

V7lC(J%EXUL,  ff. 

V7t£6%£0  ,    //. 

V7t£6%£X0,  ff.*) 


*)  Dass  die  Ausstossung  des  Wurzelvokales  in  diesen  Griechischen 
Verbalformen  nicht  etwa  schon  in  den  Zeiten  vor  der  Sprach- 
trennung   entstanden    ist,   lehrt  die  Vergleichung  des  Sanskrit   und 


—     378     — 

Dass  in  den  vorstehenden  Verbalformen ,  in  denen  die 
stammhaften  Vokale  der  weiland  drittletzten  Silbe  «, 
o,  u,  £  ausgefallen  sind,  der  Hochton  auf  der  vorletzten 
Silbe  stand,  während  die  letzte  kurz  war,  kann  man  nicht  an- 
nehmen, weil  derselbe  im  Verbum  stets  so  weit  als  möglich  in 
den  Wortleib  zurückgezogen  wird.  Dass  die  Vokale  a ,  o ,  v ,  £ 
in  den  ursprünglichen  Formen  wie  ßeßahrjtcu,  [i£{ioAox£1 
ylvfroiiev ,  £7t£l£to  den  Hochton  hatten,  das  heissthoch 
und  stark  tönten  und  trotzdem  gänzlich  schwach  wurden 
und  verstummten,  während  alle  schwach  und  tieftönenden  Vo- 
kale jener  Wortformen  unversehrt  blieben,  begreift  niemand,  der 
sich  mit  eigenen  Ohren  überzeugen  kann  und  will,  dass  hoher  und 
starker  Ton  vernehmbar  bleibt,  während  tiefer  und  schwacher  ver- 
klingt. So  wird  man  zu  dem  Schluss  genöthigt,  dass  ßißaXr\xai 
[i£  (io  Xox  £,  rjAvd-oti£v,  £7t£l£to  u.  a.  die  ursprüngliehen 
Formen  waren,  dass  der  Horb  ton  auf  der  viert  letzten  Silbe 
stand,  dass  diese  Stellung  des  Hoehtones  es  gerade  war,  die 
den  Ausfall  des  Stammvokales  veranlasste,  als  allmählich  die 
Griechische  Sprache  dem  Iktonungsgcsctz  sich  zuneigte  den  Hoch- 
ton nicht  über  die  drittletzte  Silbe  rückwärts  vom  Wortende  zu 
dulden. 

Dass  in  den  augmenticrtcn  oder  reduplicierten  wie  in  den 
augmentierten  und  reduplicierten  Verbalformen  unter  den  oben  zu- 
sammengestellten der  Hoch  ton  einst  auch  im  (\  riechiseti  e  n 
auf  der  Silbe  der  Rcduplication  oder  des  Augments  stand, 
tritt  durch  Vergleichung  des  Sanskrit  in  ein  noch  helleres  Lieht. 


Lateinischen.  Unter  den  wenigen  Verbalwurzeln,  die  im  &anskrit, 
indem  sie  redupliciert  wurden,  den  Wurzelvokal  vor  schweren  Endungen 
ausstiessen,  stimmen  nur  g'an-,  zeugen  und  han-,  tödten  [Bopp, 
Gramm,  Satiskr.  §  412)  hnRichtlich  dieser  Ausstosaung  des  Wursel- 
vokales  in  gewissen  Flexionsformen  zu  den  Griechischen  yzv-  umlcpsv- 
unter  den  oben  angeführten,  im  Lateinischen  nur  die  Wurzel  gen-.  So 
stossen  also  zwar  alle  drei  Sprachen  den  Wurzelvokal  aus  in  Formen 
der  Wurzel  gan-  wie  Sanskr.  g'a  g'n  us,  Griech.  y£y 90Vt  Lat.  gigno; 
aber  die  überwiegende  Mehrzahl  der  obigen  Griechischen  Verbalformen 
findet  in  den  beiden  verwandten  Sprachen  in  den  entsprechenden  Yerbal- 
wurzeln  keine  Analogie.  Diese  Yokalausstossung  hat  sich  also  erst  auf 
dem  Boden  der  besonderen  Griechischen  Sprache  entwickelt, 
wenn  sie  auch  schon  im  Zeitalter  der  Homerischen  Sänger  eine  vollendete 
Thatsache  war. 


—    379     — 

Unter  anderen  schlagenden  Ähnlichkeiten  der  Betonung  des  Sans- 
krit und  des  Griechischen  zeigt  Bopp,  wie  heide  Sprachen  der 
Neigung  folgen,  die  Reduplicationssilbe  der  Verba  hoch  zu 
betonen  falls  nicht  besondere  lautliche  Einwirkungen  den  Hochton 
von  dieser  Silbe  fortziehen.     So  entsprechen  sich  genau : 

dadämi,  did&nt, 

dadati,  didovöt, 

tistämi,  Zötr^u, 

t  i  s  t'a  t'a ,  Lötars  (  Vergl.  AccenL  p.  62  —  64.  1 07.). 

Im  Sanskrit  war  die  A  ugnggn  tsilbe  im  Imperfect  und  Aorist 
bei  allen  Verbalklassen  hochtonig  {a.  0.  p.  73),  im  Griechi- 
schen nur  in  soweit  es  der  Tonraum  der  drei  letzten  Silben 
vor  dein  Wortton  und  die  Tondauer  der  letzten  gestatteten.  Da- 
her stimmen  in  Bildung  und  Betonung  genau  überein  Formen  wie: 

a  1*  u  s ,  £(pv$, 

ä  d  a  m  a ,  sdo^isv, 

äst'äma,  £<5xy\\jlev, 

änaram,  ecp£Qov, 

ä  lab*  am,  eXaßov, 

ätarpam,  stsqtcov, 

ädiksam,  edei^av  (a.  0.  p.  114 — 116.  5.73.    Vergl. 

Gramm,  p.  631 .) 
Wenn  nun  ein  redupliciertes  Augmentpräteritum  im  Sanskrit 
abioaram  betont  wurde,  so  wird  es  um  so  einleuchtender,  dass 
es  auch  im  Griechischen  ursprünglich  ebenso  betonte  Augment- 
präterita  gab,  wie  s^il^isvov,  £7i£cp£vov ,  et  £T£[iov,  aus 
denen  durch  Ausfall  des  Stammvokals  die  Formen  e'[il{ivov, 
E7t£(pvov,  eT£T[iov  entstanden,  und  dass  auch  in  den  andern 
oben  angeführten  Wort  formen  der  Hoch  ton  ursprünglich  auf  der 
viertletzten  Silbe  stehen  konnte. 

Sogenannte  synkopierte  Verbalformen,  in  denen  der  Vokal  der 
drittletzten  Silbe  ausgefallen  ist,  haben  keine  beweisende  Kraft 
für  die  ursprüngliche  Stelle  des  Hochtones.  In  den  derartigen 
Participialformen  wie  xataX£/y{i£vog,  oQ^isvog,  ak^Evog, 
diyiisvog  könnte  der  Hochton  auf  der  vorletzten  Silbe  gestan- 
den haben  wie  im  Suffix  -uevo  vom  Participium  der  passiven  Per- 
fecte  und  so  der  tieftonige  Vokal  der  vorhergehenden  Silbe  aus- 
gefallen sein;  ebenso  könnte  der  Bindevokal  aus  der  vorletzten  Silbe 
weggefallen  sein   in  Formen  wie   £  1X^1  ov&uev,    avaytisv, 


—     380     — 

eoLypsv,  dsdoiypsv  [Her od. Lehr s.  p.  80),  s'Xsxto,  edexto, 
während  der  Hochton  auf  der  drittletzten  Silbe  stand.  Aber  man 
vergleiche  folgende  zusammengesetzte  Verbalformen ,  in  denen  der 
auslautende  Vokal  der  Präposition  bei  Homer  oder  im 
Aeolischen  oder  Dorischen  Dialekt  ausgefallen  ist. 
a^ßare,  Dor.  Ahr.  p.  355  /.  für  ävccßccre, 
ccpötcc&l,  D.   a.  0.  avaörrj&L, 

ccttccöi,,  D.  a.  0. 

avxeivov,  D.  a.  0.  avatEivov, 

xut&uv  £ ,   D.  a.  0.   Aeol.   Ahr.     Ttatafrava, 

p.  150.    Hom. 
xcct&£To,  H.  xccTa&st  o  , 

XCCXTCiV£,  H.  XCiTCCXTaV  £, 

xaßßaAs,  H.  Aeol.  a.  0.  naraßaks, 

xußccöi,  D.  a.  0.  p.  69.  356.  xaraßrjd-i, 

XU7l7t£6  £V,    IL  X<XtCC7t£6£Vy 

xccTterov,  D.  a.  0.  xaxan £0 ov, 

XuXXl71£,  H.  XCCTUkL7t£, 

7iaQ(paiv£,  D.  a.  0.  7taQcccpaiV£, 

Hält  man  auch  hier  fest,  dass  nach  der  allgemeinen  Betonungs- 
weise der  Verba  der  Hochton  nicht  auf  der  vorletzten  Silbe 
stand,  und  dass  der  Vokal  der  drittletzten  Silin1,  wenn  er  ho  r  h- 
tonig  gewesen  wäre,  nicht  halte  schwinden  Können,  so  nuiss 
man  auch  hierzu  dem  Schluss  gelangen,  dass  ävccßart,  xäxa- 
d,av£,  xccxuIlti £,  7tccQa(pcuv£  die  ursprüngliche  Detonungs- 
weise  dieser  Wörter  war,  dass  der  11  och  ton  einmal  auf  der  viert  - 
letzten  Silbe  stand  und  dass  diese  Stellung  den  Ausfall  de* 
auslautenden  Vokals  der  Präposition  veranlasste,  als  das  gewöhnliche 
Griechische  Betonungsgesetz  zum  Durchbruch  kam. 

Wer  die  Thatsache  anerkennt,  dass  Sanskrit,  Deutseh,  Latei- 
nisch und  Griechisch  einmal  einem  gemeinsamen  Sprachboden  ent- 
sprossen sind,  der  kann  nicht  in  Abrede  stellen,  dass  die  eigen- 
thiim liehe  Beschränkung  des  Hochtones  durch  die  Ton- 
dauer einer  Silbe  wie  durch  die  Zahl  der  drei  letzten  Sil- 
ben im  Griechischen  und  Lateinischen  sieb  eist  mit  der 
Zeit  entwickelt  haben  kann,  da  dieselbe  dem  Sanskrit  und 
Deutschen  fremd  ist.  Wenn  sich  nun  in  Lautlehre,  Wort- 
biegungs-  und  Wortbildungslehre  jeder  einzelner  dieser  Sprachen 
grade  in  den  sogenannten  Unregelmässigkeiten  vielfach 


—     381     — 

die  Reste  des  von  der  Aeltermu  tterspr ache  seit  unvordenk- 
licher Zeit  überkommenen  sprachlichen  Erbt  heiles  zeigen, 
so  kann  es  nicht  befremdlich  erscheinen,  wenn  auch  in  der  Form 
Lateinischer  und  Griechischer  Wörter  noch  S  p  u r e  n  e  i  - 
nes  solchen  Erbstücks  einer  älteren  Betonungsweise 
hervortreten ,  die  dem  H  o  c  h  t o  n  noch  f  r  e  i  e  r  e  n  S  p i  e  1  r  a  u  m 
Hess  als  die  gew  oh  n  liehe  allmählich  zur  Geltung  ge- 
langte Betonungsregel.  Wer  das  Vorhandensein  solcher 
Spuren  und  Reste  bloss  aus  dein  Grunde  in  Abrede  stellt,  weil 
Alexandrinische  und  Römische  Grammatiker  sie  nicht  aufgefunden 
haben,  der  kann  aus  demselben  Grunde  alle  Bestrebungen  und  Er- 
gebnisse der  neueren  Sprachforschung  als  Hirngespinnste  über  Seile 
werfen.  Das  Zeitalter  bestimmen  zu  wollen,  in  welchem  das 
gewöhnliche  Griechische  und  das  gewöhnliche  Lateini- 
sche Betonungsgesetz  zum  Durchbruch  und  zur  allgemeinen 
Geltung  gelangt  sei,  dazu  bieten  diese  Untersuchungen  kaum  einen 
Anhalt.  Die  oben  angeführten  Homerischen  Verbalformen,  in 
(1  enen  der  S  l  a  m  m  vokal  oder  der  auslautende  Vokal  der 
Präposition  geschwunden  ist,  sprechen  dafür,  dass  schon  in 
dem  Zeitalter,  aus  dein  die  grossen  Heldenlieder  der  Grie- 
chen stammen,  das  von  den  Grammatikern  überlieferte  Be- 
ton ungsgesetz  sich  Bahn  gebrochen  hatte.  Aus  synko- 
pierten Wortformen  der  zwölf  Tafeln  und  ähnlicher  alter 
Urkunden  ist  oben  geschlossen  worden,  dass  längst  vor  Pia  Utas 
das  gewöhnliche  Lateinische  Betonungsgesetz  allmählich  zur 
Geltung  gekommen  war. 


E.       Verhältniss     der    Lateinis  chen    Beto- 
nungsweise    zur     Betonung     verwandter 
Sprachen. 

Die  Bedeutung  und  Eigenthümlichkeit  des  Lateinischen  Be- 
tonungsgesetzes  tritt  klarer  und  einleuchtender  hervor,  wenn  man 
dasselbe  vergleicht  mit  der  Betonungsweise  anderer  Indo- 
germanischer Sprachen,  namentlich  des  Sanskrit,  Griechi- 
schen und  Deutschen;  deshalb  scheint  es  zweckmässig,  dies 
hier  in  aller  Kürze  zu  thun. 


—     382     — 

Im  Sanskrit  schwebt  der  Hochton  frei  von  den  Fesseln  der 
Tondauer  über  dem  Wortkörper;  er  kann  jede  Silbe  desselben 
hervorheben;  selbst  wenn  er  auf  der  sechsten  oder  siebenten 
Silbe  vom  Wort  ende  steht  klingt  er  noch  hoch  und  stark  genug, 
um  das  WTort  zu  einer  Einheit  zu  binden  und  zu  beherrschen,  unter- 
stützt von  gewissen  Mitteltönen,  welche  einzelne  Silben  vor  den 
tieftonigen  hervorheben.  {Bopp ,  Vergl.  Acceni.  p.  12  f.  Yergl. 
Gramm.  2.  Ausg.  p.  183  /*.) 

Im  Griechischen  ist  der  Hochton  beschränkt  durch  die 
Zahl  und  Tondauer  der  drei  letzten  Silben,  indem  er  in  der 
Regel  nicht  über  die  vierte  Zeitweile  vom  Schlüsse  des  Wortes 
zurückstehen  kann,  beschränkt  durch  die  Ton  länge  der  letzten 
Silbe,  deren  Wucht  ihn  an  sich  zieht  und  an  die  vorletzte  Silbe 
oder  an  sich  selber  fesselt.  Aber  in  der  Betonung  der  End- 
silben, welche  der  Wortbildung  und  Wortbiegung  dienen,  steht 
die  Griechische  Sprache  dem  Sanskrit  sehr  nahe,  wie  dies  von 
Mopp  schlagend  nachgewiesen  ist.  I>ass  auch  die  Griechische  Be- 
tonung einstmals  freierund  der  Ilochton  nicht  von  je  her 
durch  die  Grenze  der  d  r  e  i  1  e  Lzten  Silben  und  durch  die  Q  u  a  n  - 
tilät  der  letzten  Silbe  beschränk!  war,  davon  ist  im  vorigen  Ab- 
schnitt die  Hede  gewesen. 

In  der  Deutschen  Sprache  mit  ihrer  ganzen  Sprachsippe 
tritt  der  Hochton  unberührt  von  irgend  einem  Einfluss  der  Ton- 
dauer  des  ganzen  Wortes  oder  einer  Silbe  mit  wenigen  Ausnahmen 
auf  den  Wortanfang  zurück,  das  heisst  auf  die  Stammsilbe, 
welche  den  Hauptbegriff  des  Wortes  enthält,  oder  auf  das  Präfix, 
das  jenen  Hauptbegriff  enger  bestimm I  uml  schärfer  ausprägt.  In 
vielsilbigcn  Wörtern,  namentlich  in  Zusammensetzungen  weiden 
dann  einzelne  der  auf  die  hochbetonte  folgenden  Silben  durch  den 
Mittelton  vor  (Wn  tieftonigen  hervorgehoben;  die  Mas.se  der  Ab- 
leitungs-  und  Be  ug  u  n  gssilben  aber  sind  tie  Honig. 

Die  Lateinische  Sprache  und  die  verwandten  Itali- 
schen Sprachen  zeigen  die  Neigung,  den  Hochton  vom  Ende 
des  Wortes  zurückzuziehen,  darin,  dass  sie  die  Endsilbe 
desselben  tieftonig  sprechen  und  ebenso  die  vorletzte,  wenn 
sie  kurz  ist,  ausser  bei  Anfügung  enklitischer  Wörter.  Darin  zeigt 
sich  also  eine  Ach  nl  ich  keil  mit  der  deutschen  Betonung,  und 
eine  wesentliche Versch i  e d e nfa ei  i  von  der  Griechisc  hen  Spra- 
che, die  wie  das  Sanskrit  auch  Endsilben  bochbetonl  vorklingen  Hess. 


—     383     — 

Die  Lateinische  Sprache  und  ihre  Italischen  Schwestern  bannten 
aber  ursprünglich  den  Hochton  nicht  innerhalb  der  Gren- 
zen der  drei  letzten  Silben  des  Wortes,  noch  fesselten  sie  ihn 
durch  die  Tondauer  der  vorletzten  Silbe,  sie  bewahrten 
darin  noch  eine  Aehnlichkeit  mit  der  Betonung  des  Alt  griechi- 
schen und  des  Sanskrit.  Erst  im  Laufe  der  Zeit  beschränk- 
ten sie  den  Hochton  auf  die  drei  letzten  Silben  wie  die  Grie- 
chische Sprache*);  aber  eine  durchaus  eigen  th  um  liehe  Ent- 
wickclung  der  Betonungsweise  war  es,  dass  sie  der  Tondauer  der 
vorletzten  Silbe  die  gebietende  Macht  über  die  Stellung 
des  Hochtones  einräumten. 

Diese  Betonungsweise  wie  die  Tieftonigkeit  der  End- 
silben kann  sich  erst  a  u  s  gebild  e  t  haben ,  nach  de  m  die  Strö- 
mung der  Indogermanischen  Völkerwanderung  Griechen  und 
Italikcr  getrennt  hatte,  als  auf  der  Halbinsel  des  Apennin  sich 
eine  besondere  Italische  Sprachfamilie  eigentümlich  entwickelt  und 
von  der  Sprache  der  Stammgenossen  auf  der  Balkanhalbinsel  ge- 
schieden hatte. 

Mit  der  Griechischen  Sprache  hat  die  Lateinische  das 
Gesetz  der  drei  letzten  Silben,  mit  der  Deutschen  die 
Tieftonigkeit  der  Endsilben  in  der  Betonung  gemein;  die 
entscheidende  Wichtigkeit  der  vorletzten  Silbe  für  dieselbe 
trennt  sie  von  beiden.  Hinsichtlich  der  Betonung  nimmt  also 
die  Laleinische  Sprache  mit  ihren  Italischen  Schwestersprachen  den 
mittleren  Platz  im  Familienkreise  der  Indogermanischen  Spra- 
chen ein  zwischen  dem  Griechischen  und  Deutschen. 

Die  vergleichende  Sprachforschung  hat  neuerdings  die  Frage 
erörtert,  welche  Beton  ungsweise  unter  den  hier  vorliegenden 
die  ursprüngliche  gewesen  sei.  Fr.  Bopp  stellt  in  seinem  ver- 
gleichenden Accentsystem  des  Sanskrit  und  Griechischen  die  Lehre 
auf,  dass  die  Betonung  der  anfangenden  Wortt  heile  die 
würdigste  und  kraftvollste  A  ccen  tu ation  sei  {a.  0.  p.  16  /*.) 
und  findet  in  der  Betonung  der  Endsilbe  ein  Sinken  und 
eine  Entartung  jener  ursprünglichen  und  lebens- 
vollsten  Betonung.     Dieser  Ansicht  steht  eine  andere  schroff 


*)  G.  Curtius  Vermuthung,  dass  dieses  Betonungsgesetz  sich  bil- 
dete in  der  Zeit ,  als  Griechen  und  Italiker  zwar  schon  von  den  öst- 
licheren Stammesgenossen,  aber  noch  nicht  von  einander  geschieden  wa- 
ren, (N.  Jahrb.  71,  349)  ist  sehr  ansprechend. 


—     384     — 

entgegen,  die  von  Benfey  und  Ewald  {ßenf.  Sanskritgr.  p.  10. 
Ew.  Gott.  Gel.  Änz.  1855.  St.  19  /.)  aufgestellt  ist,  dass  nicht  die 
Stammsilben,  sondern  die  Silben  der  Präfixe  und  Suffixe, 
welche  den  allgemeinen  Begriff  der  Wortwurzel  enger  bestimm- 
ten und  genauer  ausprägten,  auch  durch  den  Hochton  her- 
vorgehoben seien,  dass  also  in  den  Indogermanischen  Sprachen 
wie  in  den  Semitischen  die  Betonung  d  e  r  E  n  d  s  i  1  b  e  n ,  welche 
in  der  Regel  und  viel  häufiger  der  Wortbildung  dienen  als  Präfixe, 
die  ursprüngliche  war.  In  neuester  Zeit  haben  G.  Curtius 
(N.  Jahrb.  LXXI,  6,  p.  337  /'.)  und  nach  ihm  Weil  und  B  enloew 
in  'einer  eingehenden  Abhandlung  (The'or.  gener.  de  l'Accent. 
Lat.  Append.  p.  349)  gegen  die  B  o p  p  sehe  A  n  s  i  c h  t  von  der 
Ursprünglichkeit  und  Energie  der  Betonung  des  Wortanfangs  so 
triftige  Gründe  und  so  gewichtige  sprachliche  Thatsachen  beigebracht, 
dass  man  sich  der  Ueberzeugung  von  der  Unnahbarkeit  jener 
geistvollen  Leine  nicht  erwehren  kann.  Aber  diese  Sprachforseher 
verwerfen  durch  dieselben  Gründe  und  mit  demselben  Erfolge 
auch  die  der  Boppschen  entgegengesetzte  Ansicht  von  der  Ur- 
sprünglichkeit der  einförmigen  Betonung  der  End- 
silben {Gurt.  a.  0.  p.  34(>.). 

Das  Ergebnis«  dieser  neuesten  Forschungen  über  die  ur- 
sprüngliche Betonung,  in  dem  die  genannten  Gelehrten  der  Haupt- 
sache nach  übereinstimmen,  isl  im  Wesentlichen  folgendes. 

Die  Schwankungen  des  Hochtones  im  Sanskrit,  die  sich 
keiner  allgemeinen  festen  Regel  fügen  wollen,  zeigen  einen 
alten  Kampf  zwischen  den  beiden  Hauptbestandteilen  des  Wor- 
tes, der  Stammsilbe,  welche  den  Hauptbegriff  desselben 
ausdrückt,  und  den  angefügten  Silben,  welche  den  Begriff 
verengen  und  scharfer  ausprägen,  ein  Kampf  um  die  vor- 
wiegende Bedeutsa  mkeit  im  Worte,  durch  welche  die  Ste  11  e 
des  Hoch  Ion  es  bestimmt  winl.  Die  Stammsilbe  und  das 
bestimmende  Präfix  ziehen  den  Hochton  rückwärts,  die  be- 
stimmenden Suffixe  vorwärts;  je  nachdem  diese  oder  jene 
dem  Bewusstsein  des  Hedenden  als  bedeutsamer  erschienen,  fiel 
der  Hochton  auf  den  Anfang  oder  d;is  Ende  des  Wortes*). 

*)  Weit  u.  Benloeto  a.  0.  p.  364:  Lea  Sucttuitions  de  l'ftccent  sanserit 
trahissent  la  lutte  anciennc  eogag^e  entre  les  torininaisons  et 
le  eorps  des  raots,  «.  0.  p-  302:  C1  est  surtout  la  föne  de  l'ide'e 
qui  place  et  deplacc  Taccent.   Curtius,  a.  0,  p.  ',\\1 :  Das  wortbildende 


—     385    — 

Je  frischer  und  jugendlich  regsamer  das  Empfmdungs-  und  An- 
schauungsvermogen  eines  Volkes  ist,  desto  befähigter  ist  es,  die 
sinnlichen  E i n d r ü ck  e  auf  dasselhe ,  welche  die  wahrgenom- 
menen Dinge  und  ihre  Eigenschaften  hervorrufen,  im  Worte  sinn- 
lich genau  zu  gestalten  und  scharf  auszuprägen  durch  An- 
fügung von  Lauthestand  theilen  an  die  Wortwurzel, 
desto  geneigter  ist  es  auch  durch  den  Hoch  ton  diejenigen  Sil- 
hen  lebendig  hervorzuhehen,  welche  die  her  vortreten  dste , 
das  Emplindungsvermögen  am  entschiedensten  anregende  Sc  i  te 
der  Sinn  es  Wahrnehmung  bezeichnen;  die  durch  das  ganze 
Wort  dargestellt  ist.  Es  ist  das  Zeichen  einer  ursprünglichen 
Betonung,  wenn  eine  Sprache  angebunden  durch  irgend  eine 
Rücksicht  auf  Zahl  und  Tondauer  der  Silben,  die  für  den 
Sinn  des  Sprechenden  bedeutsamste  Silhe  des  Wortes  durch 
den  Hochton  hervorhebt,  linier  den  Indogermanischen  Sprachen 
hesitzt  diese  Jugendfrische,  Schnellkraft  und  Lebendigkeit  der  Be- 
tonung im  höchsten  Grade  die  Sanskritsprache,  indem  sie  ohne 
Schrnnke  den  Hochton  sowohl  beliebig  weit  in  den  Wortleib  zu- 
rückziehen kann  selbst  bis  auf  die  siebente  Silbe  vom  Wollende, 
als  auch  am  häufigsten  die  den  Wortsinn  schärfer  bestimmenden 
und  ausprägenden  Endsilben  durch  den  Hochton  als  die  bedeut- 
samste n  h  e  r  v o  r  hebt  (vgl.  Weil  u.  Beul.  a.  0.  p.  350.  354  /.)*)! 
Diese  letztere  Fähigkeit  hat  auch  die  Griechische  Sprache  ge- 
wahrt; auch  in  ihr  zeigt  sich  noch  der  lebendige  Kampf  jener 
beiden  Tendenzen,  die  den  Hochton  wie  zwei  entgegengesetzte 
Pole  in  mannigfachem  Wechsel  bald  auf  Präfix  oder  S  ta  m  msilbe 
zurückziehen,  bald  auf  Suffix  oder  Endsilbe  vorschieben.  Aber 
dieses  Wriderspiel  der  Betonung  ist  schon  eingeschränkt  und 
gebunden  durch  ein  drittes  Princip,  durch  feste  rhythmische 
Gesetze  (Curt.  a.  0.  p.  347);  der  Hdchton  erscheint  schon  durch 
die  Grenzen  der  drei   letzten  Wortsilben   und  durch  die 


Suffix  konnte  bei  diesem  Princip  nicht  minder  als  der  Stamm 
des  Wortes  vom  Ton  getroffen  werden,  sobald  die  Sprache  dies  mit  be- 
sonderer Entschiedenheit  hervorzuheben  beabsichtigte.  Vgl. 
a.  0.  p.  345  f. 

*)  Vgl.  a.  0.  p.  359:  II  est  donc  certain,  que  le  sanscrit  est  en- 
core  plus  porte'  que  le  grec  ä  relever  par  Faccent  les  Suffixes  en 
ge'ne'ral  et  la  d  eruiere  syllabe  en  particulier.  Der  Beweis  für  die- 
sen Satz  ist  von  W.  und  B.  schlagend  geführt. 

CORSSEN    Tl.  25 


—     386     — 

Ton  länge  der  letzten  Silbe  beschränkt,  ein  Zeichen  min- 
der lebendiger  Betonung.  Im  Lateinischen  und  den 
fialischen  Sprachen,  die  ihr  am  nächsten  stehen,  beweist  die 
Tieft onigkeit  der  Endsilben  neben  der  Abhängigkeit  des 
Hochtones  von  der  Grenze  der  drei  letzten  Silben  und  der 
Tondauer  der  vorletzten  ein  entschiedenes  Erst a r r e n  u nd 
E  r  m  a 1 1  e  n  jener  Schnellkraft  und  Lebendigkeit  der  B  e  t  o  n  u  n  g. 
Die  Deutsche  Sprache,  die  den  Hochton  fast  immer  auf  den 
Wortanfang  zurückzieht,  die  fast  nur  Präfixe  ausser  der 
Stammsilbe  als  bedeutsam  durch  den  Hochton  hervorhebt,  «nd 
die  Suffixe  vernachlässigt,  zeigt  die  einförmigste  und  u  n  - 
belebteste  Betonung  unter  den  Indogermanischen  Sprachen. 

Die  hier  kurz  zilsammengefasste  Ansicht  steht  im  vollsten  Ein- 
klang zur  Geschichte  des  Vokalismus  in  den  angeführten 
Sprachen. 

In  demselben  Verhältniss  wie  die  Klang  höhe  des  Iloch- 
tones  sinkt  und  die  freie  Bewegung  desselben  gehe  mini  ist, 
siecht  und  verklingt  auch  der  Vokal ismus  der  Sprachen. 
Das  Sanskrit  zeigt  neben  der  lebendigsten  Betonung  auch 
den  vollsten  und  gewichtigsten  Vokalismus.  Wenn  die  Grie- 
chische Sprache  den  vollsten  und  schwersten  Vokal  cc  in 
hochbetonter  Silbe  vielfach  zu  o  und  t  sinken  Hess,  so  wird  das  er- 
klärlich, weil  der  Ilochlo  n  im  Griechischen  schon  nicht  mehr 
die  Klang  höhe  und  Schnellkraft  wie  im  Sanskrit  hatte,  daher 
auch  nicht  mehr  im  Stande  war  von  jeder  Silbe  des  Wortes  aus 
das  Wort  zu  beherrschen,  sondern  durch  die  Ausdehnung  des  Wort- 
leibes, durch  die  Tondauer  bis  zu  einem  gewissen  Grade  überwäl- 
tigt winde.  Im  Lateinischen  isl  das  Verschmelzen  der 
Diphthonge,  die  Kü  rzung,  E  rle  i  cht  er  ung  und  Tilgung  der 
Vokale, die  Folge  seiner  einförmigen  und  klangloseren  Be- 
tonung, welche  die  Endsilben  nicht  mehr  emporhält, 
welche  den  Hochton  nicht  mehr  in  der  ursprünglichen  Klanghöhe 
und  Stärke  hervorhebt ,  sondern  ihm  nur  noch  eine  durch  die 
Ton  d  a  uer  sehr  eng  be  schrä  n  kt  e  M  ona  rr  hie  im  Wolle  übrig 
lässi.  Die  Zerstörung  des  Vokalismus  in  den  Beugungs- 
u  n d  A  b  I  e  i  t  u  ng s sil  b e  n  der  n  e  u  h  o  c h d  eu t s  c  h  e  n  Sprache  isl 
die  Frucht  jener  erstarrten  und  matten  Betonungsweise , 
die  sich  begnüg!  die  Stammsilbe  des  Wortes  oder  eill  beschranken- 
des Präfix  noch  durch  eine  Hebung  der  Stimme  anzudeuten ,  aber 


—     387     -- 

die   Silben   des  Wartende*   als  gleichgültige  Nebendinge  ver 
nachlässig!   und  in  die  Tiefe  sinken  Jässt. 


F.     Betonung 
der  Spätlateinischen  Volksspr a e h e. 

Dem  kritischen  Grundsätze  folgend,  dass  man  vom  Bekannte- 
ren oder  leichler  Erkennbaren  ausgehend  das  Unbekanntere  oder 
schwieriger  Erkennbare  suchen  muss,  hat  diese  Untersuchung  von 
dem  gewöhnlichen  Lateinischen  Betonungsgesetz  ausgehend 
die  ältere  Betonungsweise  der  Lateinischen  Sprache  und  dann  ihr 
Verhältniss  zu  der  Betonung  verwandter  Sprachen  verfolgt. 
Von  der  Mitte  ausgehend  ist  der  Anfang  gefunden,  nun  soll 
auch  noch  das  Ende  der  sprachgesehichllichen  Entwickelung  ge- 
sucht werden,  die  Betonung  der  Spätlateinischen  Volks- 
sprache. 

Die  Grammatiker  des  vierten  und  fünften  Jahrhunderts* 
waren  nicht  mehr  im  Stande  die  Länge  oder  Kürze  einer  Silbe 
anders  zu  erkennen  als  aus  dem  Gebrauche  der  Dich  I  er  oder 
aus  dem  Hoch  ton  des  Wortes.  So  sagt  Serviirs,  1802,  P:  Nam 
quod  pertinet  ad  na  tu  r  am  primae  syllabae  longane 
sit  an  brevis,  solis  confirmamus  exemplis.  Media  s 
vero  in  Latino  sermone  accentu  dinoseimus.  Aus  die- 
sen Worten  folgt,  dass  Servius  und  seine  Zeitgenossen  in  ihrer 
Sprache  einen  Unterschied  zwischen  langen  tieftonigen  und  kurzen 
tieftonigen  Silben  nicht  mehr  deutlich  hurten  und  hören  liessen, 
sondern  nur  aus  dem  Hochton  noch  zum  Theil  die  lange  Silbe  er- 
kannten. 

Aus  den  wunderlich  gekünsteilen  Lehren*  über  den  Ton- 
fall der  Wörter  am  Schlüsse  des  Satzes,  welche  Dio - 
med  es,  Claudius  Sacerdos  und  mit  diesem  fast  wörtlich 
übereinstimmend   Valerius  Probus*)  überliefern,  geht  hervor, 


*)  Der  sehr  im  Argen  liegende  Text  des  Valerius  Probus  bei 
Putsch  ist  in  den  folgenden  Anführungen  durchweg  verbessert  nach 
dem  handschriftlieh  sicher  gestellten  Text  des  Claudius  Sacerdos 
bei  Eichen  fehl  und  Endlicher,  Analecta  Grammatiea  p.  71  —  74. 

25* 


—     388     — 

dass  diesen  Grammatikern  und  ihren  Zeitgenossen  die  sogenannte 
Positionslange  der  Silben,  die  sie  aus  den  Versen  der  älteren 
Dichter  kannten  ,  in  der  p r o s ais c  h e n  R ed e  nicht  m  e h  r  h ö r - 
bar  hervortrat.  Dies  gilt  sowohl  von  der  durch  zwei  auf- 
einanderfolgende Wörter  gebildeten  Positionslänge  auslauten- 
der Silben  als  von  derselben  Silbenlänge  innerhalb  eines 
Wortes. 

So  werden  auf  m  und  s  auslautende  Schlusssilben  von 
Worlformen  von  den  genannten  Grammatikern  auch  vor  konsonanti- 
schem Anlaut  des  folgenden  Wortes  als  kurz  bezeichnet.  Dies  ge- 
schieht in  den  Verbindungen: 

i  u  s  t  ä  m  q  u  e  r  e  1 1  a  m  ,  Diom.  p.  470.   Keil. 

c ii r i a  m  renovare,  Claud.  Sac.  Ana!.  Gram.  Fielt.  Krall,  p.  72. 

Val.Prob.p.  1491.  P. 
a  c  t  o  r  e  m  p  ut  a  b  i  t ,   liiom .  a.  0. 

cohaeredem  detraxit,  Claud.  S.  a.O.  Val.  Pr.  a  <>. 
(lererem   decanamus,  Claial.  &  p.  73.    Vnl.Pr.  a.O. 
1  i  c  i  I  ii  m   c  o  n  s  e  r  v  a  r  e  ,  ( laud.  S.  p.  71. 
Judicium  sustinebit,  a.  0.  p.  71.    Val.  Cr.  />.  1  192. 
iudiciorüm  requirunt,  Diom.  p.  470.  K. 
bell  um  vid  ebam  ,  a.  0. 

t empor is  devitare,  Claial.  S.  p.  7:!.    Val.  Pr.  p.  1493. 
c r  i  in  i n ls'causa,  Diom.  p.  465.  K. 
ci vi ta  tibüs  copu  1  a  t  a  ,  ( laud.  Sac.  //.  7 1 . 
hospitibüs  temperare,  a   0.  p.  72.    Val.  Vr.  p.  I  191. 
Oben  isi  gezeigt  worden,  dass  auslautendes  in  und  s  in  der  Rö- 
mischen Volkssprache  zu  Plan  ins  Zeitalter  so  schwach  lauteten, 
dass  sie  in  Verbindung  mit  consonantischem  Anlaut  des  folgenden 
Wortes  nichl  Positionslänge  zu  bilden  vermochten,    dass  auch  vor 
solchem   An'aui    mal  «'in,   merum,    er  um,    man  um,  senem, 
ranemu.a.  (Vfi.  11,105.   11,5;').   1,109—113)  bonus,  domus, 
fons  u.  a.   (Vgl.  II,  107  -109)  bei  den  See  ni  sc  hen  D  ich  I  e  r  n 
gemessen  wurden. 

Mit  ähnlicher  Positionsvernachlässigung  messen  jene  späteren 
Grammatiker: 

volueril    vindicare,  Claud.  s.  p.  73.   Val.  Pr.p.  1491. 
Ebenso  winden  vor  consonantischem  Anlaul  des  folgenden  Wor- 
tes die  auf  i  auslautenden  Silben  von  Verbalformen  als  Kürzen  ge- 


389 


messen  ,  wie   d e dtt ,  a  g  1 1 ,  i  a  c  1 1 ,  e  r  1 1 ,   <l  a  b  1 1 ,  f  n  1 1 ,  v  e  n  1 1 , 
dedit  bei  Platt  tus  wie  bei  Terentius  {Vgl.  II,  102—104.). 

Als  Kürzen  gelten  bei  den  späteren  Grammatikern  für  die  Prosa 
die  auf  -nt  auslautenden  Verbalformen: 

c  o  n  t  c  n  d  c  b  a  n  t ,  Claud.  S.  p.  73.    Val.  Pr.  p.  1 492. 

r e q ui r u n  t ,  Diom.  p.  470.  K. 

voluerünt ,  a.  0. 

maluerünt ,  a.  0. 

detulerünt,  a.O. 

compararünt,  a.  0. 

pertulertint ,  a.  0; 
doch  messen  sie  solche  Verbalformen  gelegentlich  auch  als  Lungen 
{Claud.  S.  p.  72.  73.    Val.  Pr.  />.  1  191  f.).     Jeijen  Messungen  ent- 

V  V 

sprechen  die  oben  behandelten  Messungen  haben  t,   sol  ent,  Stu- 
dent ( Vgl.  II,  1 04)  bei  T e  r  e  n  t  i  u  s. 

Ebenso  werden  von  den  genannten   Grammatikern   kurz  ge- 
' messen    die   enklitischen   Formen    esse    und    est  in   Verbindun- 
gen wie  : 

esse  di  ci t u r ,  Diom.  p.  469.  K. 

esse  pro  n  o  b  i  s  ,  a.  0. 

acta  res  est,  a.  0; 
doch  wird   daneben  gelegentlich   auch   esse    gemessen  [Claud.  S. 
p.12.    Val.Pr.  p.  1491).     Heber  die  Messung  esse,  est  und  an- 
derer  Formen    desselben    Verbum    hei    den    allen    Scenischen 
Dichtern  ist  oben  gehandelt  worden  {Vgl.  II,  98/'.). 

Ohne  Berücksichtigung  der  Position  messen  die  oben  erwähn- 
ten Grammatiker  die  Wortformen: 

iniuria,   Claud.  S.  p.  73.   Val.  Pr.  p.  1492. 

i  m p  e  t  u  s ,  Diom.  p.  469.  K. 

c  o  m  p  a  r  a  r  u  n  t ,  s.  oben. 
denen  bei  T  e  r  e n  t  i  u  s  die  Messungen  i  n  p  i  n  g  a  m ,  i  n c o in  mo d i - 
tates,  ingenium  {Vgl.  II, p.  91.)  entsprechen. 

Zu  der  Messung: 
d  i  g n  i  t  a  s ,  Diom.  p.  470 .  K. 
ist   ein   Seitenstück   die    Ter en zische  Messung    ignaye    {Vgl. 
II,  91.). 


—     390     — 

Ebenso  misst  Diomedes  und  Claudius  mit  Vernachlässigung 
der  Position : 

a  r  c b i p ir  a t a ,  Diöm.  p.  469.  K. 

pärrici  darum,  a.  0. 

ärmatus,  a.  0.  p.  470. 

barbarorum,  a.  0. 

pörrigi,  a.  0.  p.  469. 

per  tut  er  unt,  a.  0.  470. 

perditorum,  a.  0. 

conservare,  Claud.  S.  p.  71. 

Nach  der  handschriftlichen  lleberlieferung  finden  sich  in  ähn- 
licher Weise  bei  Plautus  tabernacuio,  gubernator,  ärgen- 
tuni  gemessen  {Vgl.  II,  118.  119.  Anm.). 

Diese  Uc  berein  Stimmungen  in  der  Silbenmessung  der 
vorstehenden  Wortformen  zwischen  den  späteren  Grammati- 
kern und  den  alten  Sceni sehen  Dichtern  ist  sehr  bemerkens- 
werte Wie  Plautus  und  seine  Zeitgenosssen  mit  Vernach- 
lässigung der  Position  jene  Silben  vielfach  kurz  niassen,  weil  sie 
die  Geltung  voller  Längen  in  der  Volkssprache  ihrer' 
Zeit  nicht  hatten,  so' haben  jene  Grammatiker  der  späteren 
Kaiserzeit  dieselbe  Messung  für  die  prosaische  Rede  ihrer  Zeit  ge- 
lehrt, weil  in  der  späteren  Römischen  Volkssprache  jene 
Silben  ebenfalls  nicht  als  volle  Längen  geholt  und  gesprochen 
wurden.  Hier  ist  also  ein  neuer  Releg  für  die  Thatsache  ,  auf  die 
im  Verlauf  dieser  Untersuchungen  schon  wiederholt  hingewiesen  ist. 
dass  die  spätere  Römische  Volkssprache  auf  dem  Wege 
der  Verderbniss  des  Vokalismus,  den  die  alte  Sprache 
angetreten  hatte,  weiterging,  bis  ihre  Wortformen  die  Gestaltung 
erhielten,  welche  sie  in  den  Romanischen  Sprachen  zeigen.  Die 
vorstehenden  Messungen  der  Grammatiker  geben  zugleich  einen  Re- 
leg für  die  Richtigkeit  der  oben  gegebenen  Erklärung  der  Positions 
Vernachlässigung  bei  den  Scenischen  Dichtern. 

Aber  auch  Über  die  Quantität  der  Vokale,  denen  nur  ein 
Gonsonant  oder  gar  keiner  folgt  sind  die  Grammatiker  der  späteren 
Kaiseizeil  im  Unklaren,  da  sie  den  Unterschied  zwischen  langen 
und  kurzen  Vokalen  nicht  mehr  deutlich  Innen.  Das  /eigen  Mes- 
sungen wie: 

con  li  I  ert  ,    Diotn.  />.    170. 

recedentis,   Claud.  S. p.  7*2. 


— .     39t     — 

a  (1  d  a  t ür ,  Claud.  S.  p.  73;    Val.  Pr.  p.  1 492.  neben  v  i  d  e  a  t  ü  r, 

devinxlt,  Claud.  S.  p.  72.    Val.  Pr. p.  1491.  a.  0. 

co  g  novit,  Claud.  S.  p.  73.    Val.  Pr.  a.  0. 

d  e  1  e  g  1 1 ,  Clauä.  S.  a.  0. 

d  e  t r a  x 1 1 ,  Claud.  S.  p.  72. 

s  u  s  ti  n  e  bi  t ,  Claud.  S.  p.  73  *). 

In  liei'tonigen  Silben  hatte  sieh  also  der  Unterschied 
zwischen  k  urze n  und  langen  Vokalen  v e r  d  u  n  k  e  1 t.  Dass  die- 
selben Grammatiker  die  ho  ebbe  tonte  kurze  Silbe  gelegentlich 
als  lang  auffassten  zeigen  Messungen  wie: 

hospltibus  temperare,  Claud.  S.  p.  72.    Val.  Pr.  p.  1491. 

p  e  r  s  p  I  c  e  r  e  p  o  s  s  i  t ,  Claud.  S.  p.  71. 

Dieselbe  Verdunkelung  und  Abstumpfung  des  sprachlichen 
ßewusstseins  vom  Unterschiede  hinger  und  kurzer  Vokale  zeigt  sich 
auch  in  den  Schreibweisen  von  Inschriften  der  späteren 
Kaiserz  eit. 

So  findet  sich  kurzes  e  durch  \K  ausgedrückt  in  folgenden 
Schreibweisen  : 

aego,  I.N.  680. 

praetio,  a.   0.  2091. 

Aep  ictclus,  a.  0.  2763. 

Aepigonus,  a.  0.  2966. 

aeorum ,  a.  0. 

macae,  a.  0.  3056. 

Saevero,  a.  0.  4878. 

Traeboniano,  a.  0.  5772. 

b  a  e a  ( i  s  si m  o  r  u  m ,   Or.  Heuz.  5581. 

pi  aeta  tis,  a.O.  5593. 

Aetruriae,  a.  0.  6183. 

paeraegrinus,  a.  0.  7419. 

praeeibus,  a.  0.  6921. 

s  a  e  p  u  1  e  h  r  i  s ,  Boiss.  I.  Lyon.  \ Vll,  4  3 . 

braevis,  a.O.  XVII,  66. 


*)  Wenn  auch  das  i  vor  t  in  diesen  Verbaiformen  ursprünglich 
lang  war,  so  galt  es  doch  schon  in  der  Augusteischen  Zeit  für  gewöhn- 
lich als  kurz;  man  darf  also  nicht  annehmen,  dass  Grammatiker  des 
vierten  und  fünften  Jahrhunderts  noch  eine  Kunde  von  der  ursprüngli- 
chen Läriffe  desselben  hatten. 


—     392     — 

iniquitatae,  Or.  Henz.  6086. 

exaerae,  L  N.  6825. 

in  pacae,  a.  0.  7156.   7191. 

h  c  n  a  e  merenti,  a.   0.  3372. 

quoqiiae,  a.  0.  6826. 

posterisquae,  a.  0.  2966.  7140. 

lihertabusq  uae,  a.  0.  2966. 

popuhisquae,  a.  0.  109. 

sinae,  Bois.  I.  lyon.XV,   107. 

v  e  n  i  t  a  e ,  /.  Constant  Weil  u.  Benl.  Acc.  Lal.  p.  271. 

aet,  Roma,  subterran.  Aringhi,  1,  p.  339. 

praesb(yteri),  a.  0.  p.  75. 

Oben  ist  nachgewiesen  worden ,  dass  seit  dem  dritten  Jahr 
hundert  nach  Christus  sicher  die  Schreibweise  A  E  nur  noch  ein 
langes  e  bezeichnete,  in  diesen  spateren  Inschriften  sieht  es 
an  der  Stelle  eines  kurzen  E  -  L  a  u  t  e  s ,  weil  der  lange  E  - L  a  u  1 
in  t  i  e f  to n i  g e  n  Silben  nicht  mehr  von  dem  kurzen  ve  r  s  ch  i  e  - 
d  e  n  klang. 

Hätlen  die  langen  Vokale  im  Lateinischen  ihre  besonderen 
Schriftzeichen,  so  wurden  wir,  wie  AE  an  der  Stelle  eines  kur- 
zen e,  auch  noch  andere  Schriftzeichen  langer  Vokale  auf  In- 
schriften der  späteren  Kaiser/eil  zum  Ausdruck  kurzer  Vokale  ver- 
wandt sehen.  Dafür  findet  sieb  denn  auch  der  Apex,  das  Zei- 
chen der  Länge  auf  Inschriften  der  Kaiserzeil,  je  später, 
desto  öfter  irrthümlich  über  kurzen  Vokalen  geschrieben. 

So  steht  er  auf  kurzem  a  in: 
Välerius,  Marin.  ML  fr.  .irr.p.lW.    Or.  2213.    L  N.  7119. 
Väleria,  a.  0.  p.  711.  /.  N.  7119. 
pärentes,  Marin,  (f.  0.  p.  711.  /.  N.  a.  0. 
Säbina,   Marin,  a.  0.  p.  712.  Fabreit  235.  (519. 
äd,  Or.  2533. 
adle  et  6,  a.  0. 
ad  min  i  stravi  t  ,  a.  0. 

Caesar,   Or.  1494.  [p.  Ch.  85.)  vgl  Marin,  a.  0.  />.  710. 
Vi  I  iünib(us),  Or.  a.  0. 
Sabinä,    Fahrrll.  />.  235,  (i!9. 
Valeri  ä,  s.  oben. 
passä,  Marin,  fnscr.  Alban.  />.  136. 


—     393     — 

Märrä,  Marin.  Alt.  Arv.  p.  711.  1.  N.  7119. 
Cyrillä,  a.  0.  p.  712. 
Secundillä,  Or.  2213. 

Auf  kurzem  e  in  : 
et,  Or.  2213. 
Secundillä,  s.  oben. 
Panerotis,  Marin.  Alt.  p.  631. 
Speculäris,  Fabreit.  p.  171 ,  33. 
sacerdotibus,  a.  0. 
dedit,  a.  0. 

Terentia,  Fabreit.  p.  235,  619. 
iuventütis,  Or.  2213. 
libertis,  /.  N.  2756. 
faber,  Marin.  Alt.  Arv.  p.  712. 
p  o  s  t  e  r  i  s  q  u  e ,  Marin.  Inscr.  Alb.  p.  2()8 . 

Auf  kurzem  i  in: 
dies,  Marin.  AU.  Arv.  p.  713. 
fläminis,  Or.  2213. 

i  n  v  i  c  ( t  o ) ,  Jahn,  specim.  Epigraph,  p.  1 05. 
i  ncolu(mitate),  a.  0. 
imp(eratore),  Or.  1494. 

Auf  k  urzem  o  in: 
ob,  Grut.  99 ,  1. 

völ(untate),  Marin.  All.  Arv.  p.  710. 
mödestia,  Or.  2533. 
Dömitiano,  Or.  1494. 
söcer,  a.  0.  2213. 
l'uteölis,  I.N.  2532. 
Pömpönio,  a.  0.  6779. 
quöque,  Or.  2533. 

Auf  kurzem  u  in: 
tüa,  Marin.  Inscr.  Alb.  p.  139. 
tuos,  a.  0.  p.  138. 
cÖntübernälis,  Fabrell.  p.  171,  33. 
i  ü  v  e  n  i  s ,  Jahn.  Specim.  Epigr.  p.  131. 
fi  litis,  Marin.  Alt.  Arv.  p.  712. 
Telephus,  Marin.  All.  Arv.  p.  713. 
Venerius,  /.  N.  2335. 


—     394     — 

m  e  n  s  i  b  11  s ,  Fäbreil.  p.  235,  6 1 9. 

pu  blicjim,  a.  0. 

a  n  n  u  in  ,  Gort.  Inscr.  Etr.  I,  438,  51. 

Das  Zeichen  des  langen  Vokals  steht  also  hier  über  den 
kurzen  Vokalen  a,  e,  i,  o,  u,  auf  Stammsilben,  Ableitungssilben 
und  Beugungssilben,  in  hochbetonter  wie  in  tiefbetonter  Silbe. 
Auch  in  der  ersten  Zeit  der  Kaiser  ist  gelegentlich  einmal  der 
Apex  unrichtig  gesetzt  durch  Irrthum  der  Steinmetzen,  aber  dieser 
Fehler  kommt  auf  späteren  Inschriften  so  überaus  häutig  vor, 
dass  es  so  wenig  Zufall  sein  kann,  wie  die  erst  auf  den  spätesten 
Inschriften  erscheinende  S  ehr  eibweise  AE  zur  Bezeichnung  eines 
kurzen  E-Lautes. 

Es  beweist  vielmehr,  dass  die  Unterscheidung  zwischen 
langen  und  kurzen  tieft onigen  Silben  sieh  in  der  Sprache 
immermehr  verdunkelte  und  endlich  ganz  geschwunden  ist, 
sodass  man  lange  und  kurze  Silben,  wie  es  Servius  sagt  im  vierten 
und  fünften  Jahrhundert  nur  mittelst  des  Hochtones  wenigstens  in 
der  Aussprache  drei-  und  mehrsilbiger  Wörter  noch  heraus  kennen 
konnte,  dass  man  nicht  mehr  lange  und  kurze,  sondern  nur 
noch  ho  ebbe  tonte  und  tiefton  ige  Silben  unterschied. 

Daher  ist  es  denn  erklärlich,  wenn  in  volk  s  I  hünil  ic  h  e  n 
Dichtungen  der  Kaiserzeit  oder  in  solchen,  die  wenigstens  ihrem 
Inhalt  und  Zweck  nach  dem  Volksleben  nahe  stehen,  tieftonige 
Silben,  die  noch  nach  dem  Kanon  der  Augusteischen  Zeit  als  lang 
gelten  als  Kürzen,  hingegen  hochbetonte  knrze  Silbendie 
Geltung  von  Längen  erhallen.  Spuren  davon  finden  sieb  nament- 
lich in  volksthü lnlichen  Spottversen  schon  seil  dem  ei- 
sten Jahrhundert  nach  Christus,  und  werden  dann  immer  häufiger, 
bis  in  den  Grabversen  der  spätesten  Kaiserzeil  die  Quantität 
der  Silben  in  gänzlicher  Verwirrung  und  Zerrüttung  er- 
scheint. 

In  dem  Hexameter  einer  Pompeianischen  Inschrift,  also  späte- 
stens aus  der  zweiten  Hälfte  des  ersten  Jahrhunderts  nach  Christus 
bildet  sich  die  Messung  : 
potest,  Or.  ffenz.  1'2\)1: 

Si  polest  illa  mihi  leneruin  (p)ertundere  pectus 
grade  so  wie  dieselbe  oben  bei  Plautus  nachgewiesen  ist  (Vgl. 
II,    100.). 


—     395     — 

Bei  Dichtern  aus  dem  <1  ritten  Jahrhundert  der  Kaiserzeit  er- 
scheinen wie  bei  den  alten  S c e ni  s eben  Dichtern  i a m h i  s c h e 
Verbalformen  p  y  r  r  h  i  c  h  i  s  c  h  gemessen ;  so : 
vi  des,  Lamprid.  Alex.  Sev.  38. 
p  u  t  ä  s ,  a.   0. 
in  den  Ilendekasyllahen  auf  Alexander  Sevcrus  : 
Pulchrum  quod  vides  esse  nostrum  regem. 
Pulchrum  quod  put  äs  esse  vestrum  regem, 
Si  verum  putäs  esse,  non  irascor. 

Spartianus  misst  in  der  Ucbertraguiig  eines  Griechischen 
Epigramms  aus  dem  Ende  des  dritte  n  oder  A  n  f a  n  g  des  vierten 
Jahrhunderts: 

g  e  n  t  e  s  ,  Pesccnn.  Nig.  1 2 : 

Hunc  reges,  hunc  gentes  amant,  hunc  aurea  Roma. 

In   einer  christlichen  Crabschrifl  aus  der  letzten  Zeit   des 
Römischen  Reiches  erscheint  das  a  des  Ablativs  gekürzt  in: 
forma,  Roma  subierran.  Aringhi,  [, p.  250  {p.  Ch.  472.): 
Levitae  coniunx  Pelronia  forma  pudoris. 

Andererseits  finden  sich  seitdem  dritten  Jahrhundert  nach 
Christus  hochtonige  kurze  Silben  als  Längen  gemessen.  So 
in  den  Soldatenversen  des  Aurelia  im  s  aus  dem  Ende  des  dritten 
Jahrhunderts  : 

habet,  Vojiisc.  Aurel.  6. 
hörno,  a.  0. 

Tantum  vini  nemo  habet,  quäntum  fudit  sanguinis. 
'Unus  homo  mille,  mille,  mille decollävimus , 
Verse,  von  denen  weiter  unten  noch  die  Hede  sein  wird. 

Auf  einer  christlichen  Grabschrift  aus  den  letzten  Jahren  des 
Römischen  Reiches  erscheint  die  Messung  : 
ädeo  ,  Rom.  subt.  Aring.  1,  /;.  250  (p.  Ch.  474.): 
Ad  eo  sie  datus  altaris  fuit  ille  minister. 

In  Lyoner  Inschriften  des  sechsten  Jahrhunderts  finden 
sich  ähnliche  Messungen ;  so : 

vid  es  ,  Boiss.  I.  Lyon.  XVII,  44,  v.  14  (p.  Ch.  551): 

Quos  vides  meritis  astra  subisse  poli. 
pretio,  a.  0.  XVII,  4  (p.  Ch.  553): 

Officio,  eultu,  pretio  cordc  gradu. 


—     396     — 

Ebenso  in  einer  späten  Grabschrift: 
rögant,  a.  0.  I,  p.  92: 

Quod  ömnes  rogant  sed  felices  impetrant, 
und   in  den  Grabversen  des  Römischen  Bischofs  Bonifacius  V  aus 
dem  siebenten  Jahrhundert : 

Bonifäcii,  Fleelwood,  Syll.  Tnscr.  Mon.  Christ,  p.  371,  1 : 
In  commune  bonus,  Bonifa cius  inde  vocatus. 
So  erklärt  es  sich,  wie  christliche  Dichter  dazu  kommen  konn- 
ten, daktylische  Grabverse  abzufassen,  in  denen  das  Bewusst- 
sein  von  der  Quantität  der  Silben  arg  getrübt  erscheint.  Als 
Beispiele  mögen  folgende  hier  Platz  finden,  die  dem  Anfang  des 
fünften   Jahrhunderts  angehörten: 

Quod  dulcis  nati,  quod  cara  pignora  praestant, 
Continet  hie  tumulus,  membra  qui  parva  retentat. 
Dolorem  sine  fine  dedit  F  e  1  i  c  i  t  a  s  isto , 
Clauditur  infelix  falso  cognomine  dieta. 
Nam  cui  prirna  dies  in  lucem  protulit  annus, 
Quattuor  et  male,  cum  quintum  surneret  ortum, 
Abstulit  atra  dies  et  funere  mersit  acervo, 
Haec  mater  et  genitor  conscribunt  carmina  buslo, 
Quo  legen ti  simul  redeat  sub  corde  figura 
Et  sieato  saepe  madescant  lumina  Qetu. 
Sic  meditatur*)  amor,  nee  curant  carmina  manes. 
Flechvooä,  Syttog.  Inscr.  Mo/n////.  Chris/,  p.  398,  1  (p.  Ch.  103.) 
Die  Eltern,  die  ihrem  Töchtercbeii  diese  Grabverse  dichtete/), 
drückten  wohl  ihren  Schmerz  um  das  verlorene  Kind  in  denselben 
warm  und  innig  aus,  aber  die  Länge  und  Kürze  der  Silben  unter 
schieden  sie  nicht  mehr  deutlich. 

Aehnlich  sind  folgende  Verse  aus  einer  Grabschrift  der  Vigna 
Arnendola  {Jahn,  speeim.  epigraph.  p.  134.): 

Quam  pie\  quam  crebre  venit  sacra  via  Iota, 
Flevit  et  immensa  turba  funusque  secuta 
Dixerunt  ferale  diem  stationibus  atris**). 


*)  Fleetw. :  m edicatar. 
**)  Aehnliche   Grabschriften   finden    sich   bei    Fleetwood,    Syll.    Tnscr. 
Mon.  Christ.  />.  424,2.  425,  J.  2.    117,  2.    166,  I.    467,   I.    169,  1.     Vgl. 
Kam.  subierr.  dring.  II,  /;.  54.    -170,  l.     IST,  1.     IS«),   1.     190,  :<.     101,  2. 
501,  2.  521,  2.  532,4. 


—      397     — 

Wenn  in  diesen  Grabschriften  sieh  auch  noch  richtig  gemes- 
sene Verse  finden,  so  geht  die  Entartung  derselben  noch  weiter,  so 
dass  die  Tondauer  der  Silben  gar  nicht  mehr  beobachtet  erscheint 
und  der  so  entartete  Vers  fast  nur  noch  indem  Tonfall  des  Ausgan- 
ges, wo  in  den  beiden  letzten  Füssen  der  Hochion  mit  der  Vers- 
hebung zusammenfällt,  seine  Herkunft  vom  Hexameter  verräth.  Diese 
Afterbildung  des  Hexameters  erscheint  schon  in  einer  Umbrischen 
Grabschrift  des  vierten  Jahrhunderts. 

Cara  pia  coniux  Yguia  deditaque  marito, 
Funeris  tu?  causa  tota  nosmente  dolcmus, 
Aeternamque  domum  Comienus  Amantfus  parävi, 
Nobisque  .  .  . 

Sanctique  tili  manes  nobis  petentibus  ad  sin  t 
Ut  semper  libenterque  (p)salmos  tibique  dicämus 
Fleetw.  Sylt,  inscr.  Man.  Christ,  p.  506,  3  (/>.  Ch.  373). 

Von  dieser  Alt  sind  auch  die  Verse  einer  Trierer  Grabschrift 
der  Abtei  St.  Maximin  aus  dem  fünften  oder  sechsten  Jahr- 
hundert : 

Hie  requies  data  Hloderici  m  e  m b  r  a  s  e  p  ü  1  c r  u  m , 
Qui  capus  in  numero  vicarii  nomine  sümsit. 
Fuit  in  pupulo  gratus  et.  in  suo  genere  primus, 
Cui  uxor  nobelis  proamore  tetolum  fieri  iüssit). 
Steiner,  Samml.  u.  Erkl.  allchrisll.  Inschr.  im  Rheingeb.  4,  p.  3  *). 
Gezahlt,  nicht  mehr  gemessen  sind  die  Silben  des  Verses,  wäh- 
rend jede  hochtonige  Silbe  auch  als  lange  gelten  kann  in  folgender 
christlichen  Grabschrift : 

Ouis  mihi  tribuat,  ut  fletus  cessent  immens  i 
Et  luctus  animae  det  locum  vera  dicenti; 
Licet  in  lacriinis  singultus  verba  erumpant, 
De  te  certissime  tuus  d  i  s  c  i  p  u  I  u  s  1  ö  q  u  a  r 
Te  generositas,  minister  Christi,  p  a  r  e  n  t  u  m , 
Te  munda  actio,  Thomas ,  m  o  n  s  t  r  a  b  a  t  h  o  n  e  s  t  u  m , 
Tecum  virginitas  ab  in c u na b u  1  i s  v i x i l 
Tecumquc  veritas  ad  vitae  metam  permänsit. 
Roma  Subterran.  Aring.  I,  p.  J  64.  Mumtori,  Antiq.  Ital.  medii  aevi, 
t.  III,  p.  681.  Flettw.  Sylt,  inser.  p.  498,  1.    Vgl.  Weil  y.  Beul. 
Acc.  Lal.  p.  264  /*.  271  /. 

*)  Grabschriften  solclier  Art  sind  Fleetw.  a.  0.  p.  366,  5.  390,  1. 
459,  1.  v.  12  f.  476,  1.   510,  2.  515,  3.  527,2. 


—     398     — 

Dieselbe  Entartung  des  trochäischen  Tetrameters  wei- 
sen Weil  und  ßenloew  nach  (a.  0.  p.  262)  schon  in  einem  Psalm 
dos  Augustinus  aus  dem  Ende  des  vierten  Jahrhunderts,  wie 
folgende  Anfangsverse  desselben  zeigen: 

'Abundantia  peccatorum  sölet  fratris  cönturbare, 
Pröpter  hoc  dominus  noster  völuit  nos  präemonere 
Cömparans  regnüm  caelorum  reticulo  misso  in  mare, 
Cöngreganti  multos  pisces  ömne  genug  hinc  et  inde, 
Quos  cum  traxissent  ad  littus,  tünc  coeperunt  separare, 
Bonos  in  vasä  miserunt,  reliquos  malos  in  mare. 
Augustin.  Oper.  t.\\,p.  1—8.  (p.  Ch.  393.) 
Im  nächsten  Abschnitte  werden  Nachbildungen  des  Tro  c  h  ;'i  i- 
schen  Septenars  einer  christlichen  Grabschrii't  mitgetheilt  wer- 
den, in  denen  Hoch  ton  und  Vershebung  immer  z  usa  m  men- 
lallen,  alle  hoch  ton  igen  Silben  auch  als  lang  gellen  und  somii 
d;is  accentuirend  e  Princip  im  Versbau  rein  zur  Geltung  gekom- 
men ist,  was  in  den  Versen  des  Augustinus  nicht  unbedingt  der  Fall  ist. 
In  ähnlicher  Weise   erscheint  auch  der  lambi sehe  Trime- 
ter  im  Mittelalter  durch  das  accentuirende  Princip  umgestaltet  und 
entstellt  und  ist  so  in  die  Französische  und  Italienische  Dicktung  über- 
gegangen, wie  Weil  und  Benloew  nachweisen  (a.  0.  p.  267 — 271). 
Aus  der  Verwischimg  des  Unterschiedes  zwischen  langen  und 
kurzen  Silben  in  der  Spailateinisclien  Volkssprache  und  der  so  ent- 
standenen Herrschaft  des  Hochtones  im  Versbau  der  volkstümlichen 
Dichtung,  die  der  Geist  des  Cluistenthunis  zu  neuem,  Irischem  Le- 
ben erweckte,   wird   es  nun  auch   erklärlich,   dass  auch   gelehrte 
K  u  nsl  d  i  chter  der  spätesten  Kaiser/eil,   die  doch  sonst    in   ihren 
Versen  noch  die  Muster  der  Augusteischen  Zeit  nachbildeten    wie 
Ausonius,  Sidonius  A  pol  lina  ris,  Prudentiiis  und  andere 
sich  dem  Einllnss  der  volkstümlichen  Aussprache  und   Dichtung 
nicht  ganz  entziehen  konnten.      Daher  messen    sie    nicht    blos   die 
lange  und  tieft  onige  vorletzte  Silbe  Griechischer  Proparoxy 
tona  gelegentlich  als  Kurze,  also  zum   Beispiel  i  d  öl  a ,  eremus, 
malhösisu.  a.  sondern  auch  die  vorletzte  kurze  und   hoch- 
tonige    Silbe   Griechischer  Paroxvlona   als  Läng«    in  .Namen  wie 
Andreas,  Sophia,  E  u  rip  i'd  es  u.  a.  und  schon  Priscian  erklär! 
das  I  loci  il  onige  i  in  Urajila,  S  t  e  j»b  a  nl  a,  philo  Sophia  für  lang 
(Prise,  p.   L289.  1290.    W4H  u.  BenL  p.  258).     Ein  ähnliches /u- 
geständniss  an  das  accentuirende  Prineip  ist  es,  wenn   jene  Dich- 
ter auch  in  den  auf -i  für-ii  und  -ie  auslautenden  Genetiven 


—    399    — 

und  V  o  c  a  t i  v  e  n  von  Eigennamen  der  vorletzten  hoch  beton- 
ten Silbe  die  Geltung  einer  Länge  gaben,  also  in  Formen  wie 
Tiberi,  Ililäri,  Vcneri,  Seduli,  Anthemi,  Dynämi  u.  a. 
(  Vgl.  Langen,  Acc.  Lal.  p.  22.). 

Aus  den  vorliegenden  Thatsachen  ergiebt  sich,  dass  in  der  La- 
teinischen  Volkssprache  der  beiden  letzten  Jahrhunderte  Roms 
das  Bewusstsein  von  der  Tondauer  der  Laute,  insbesondere  von 
der  Quantität  der  Vokale  geschwunden  war.     Es  ist  dar- 
gelban  wie  der  Hochton  im  Worte  in  der  Kürzung  Erleichterung  und 
Zerstörung  tieftoniger  Vokale  seine  Macht  über  das  Wort  bethätigte, 
wie  aber  die  Einführung  der  Griechischen  Verskunst  in  die  Lateini- 
sche Sprache  die  Tondauer  der  Vokale  verdeutlichte  und   fixierte 
und  ihnen  in  der  Sprache  der  Gebildeten  und  Gelebrteu  Halt  gab 
gegen  den  zerstörenden  Druck  des  Hochtones.     Als  aber  die  Römi- 
sche gelehrte  Dichtung  sich  dem  Volksleben   ganz   abwandte    und 
das  Ilorazischc:  Odi  profanum  vulgus  et  arceo  unter  den  Ge- 
bildeten   und   Gelebrteu   immer    mehr   zur  Tbat   wurde,    ging  die 
Volkssprache    unaufhaltsam   auf  ihrer   früher  betretenen  Bahn 
weiter,  da  trat  auch  die  zerstörende  Wirkung  des  Hochto- 
nes auf  benachbarte  Silben   unwiderstehlich  in  der   Sprache   des 
Volkes  wieder  hervor,     lieb  ertönt  von  der  hoch  ton  igen  Silbe 
fingen  die  tieftonigen  Silben  unter  dem  Druck  des  Hochtones  an 
im  Munde   des  Redenden    undeutlich   und    unklar  zu  klingen, 
so  dass   die  Grenzen   ihrer  Tondauer    sich  verwischten  und 
das  Ohr  des  Hörenden  zu  unterscheiden  verlernte,  ob  die  lieftonige 
Silbe  von  langer  oder  kurzer  Tondauer  sei.     Der  Hochton  hat  seine 
Fesselung  durch  dieTo  n  da  u er  der  vorletzten  Silbe  vergolten 
durch  die  Vernichtung  der  Tonlänge  aller  anderen  Silben 
des  Wortes  ausser  der  einen,  die  ihn  gebunden  hielt,  dieser  seiner 
Tonstätte  und  Basis  aber  überall  die  Geltung  einer  langen 
Silbe  verliehen,  wo  sie  dieselbe  noch  nicht  hatte.     Nachdem  er  so 
nach  langem  Kampfe  über  die  Tondauer  der  Wortglieder  gesiegt 
und  sich  zum  Alleinherrscher  des  Wortes  emporgeschwungen 
hatte,   folgte  auch  die  Vershebung   in   der  Lateinischen  Volks- 
dichtung dem  Gebieter  des  Wortes,  dem  Hochton,  und  so  hat  sich 
in  der  volksthümlich-ch ristlichen   Dichtung   der  letzten 
Zeiten  des  Römischen  Kaiserreiches  das  accen  tu  i  rend  e  Princtp 
der  Verskunst  ausgebildet,    das  von  hier  auf  die    Romanischen 
S  p  r  a  c  h  e  n  übergegangen  ist. 


IV.   Wortbetoiiuug  und  Versbau, 


Durch  die  Untersuchung  über  die  Lateinische  Betonung  ist  die 
Grundlage  gewonnen,  von  der  aus  die  letzte  Frage  Zti  erörtern 
ist,  um  die  es  sich  in  der  vorliegenden  Aufgabe  handelt,  das  Verhäll- 
niss  der  Lateinischen  Betonung  zum  Lateinischen  Versbau.  Es 
kann  nicht  in  den  gesteckten  Grenzen  derselben  liegen  hier  ein 
System  der  Lateinischen  Metrik  aufzustellen,  es  handelt 
sich  lediglich  um  die  Beantwortung  der  Frage,  in  welchem  Ver- 
bal tniss  die  Wort  bet onung  zu  dem  Versbau  oder,  was  der 
Kernpunkt,  der  Sache  ist,  in  welchem  Verhältniss  der  Hochton 
der  Lateinische  n  W  ö r  t  e  r  z  u  r  V er sheb  Uta  g  d  e  r  Lateini- 
schen Verse  stand. 

In  der  Griechisch  cd  Veffskunsl  herrscht  aussen  Hess!  ich 
das  Princip  der  Tondauer  der  Silben,  in  der  Deutschen  das 
Prineip  des  Hoch  ton  es,  es  würde  also  zu  untersuchen  sein,  ob  die 
Lateinische  Verskunsl  diesem  oder  jenem  folgt,  oder  ob  sie  eine 
vermittelnde  Stellung  zwischen  beiden  einnimmt. 

Aber  da  es  unmöglich  jemanden  einfallen  kann  zu  behaup- 
ten, dass  in  der  Lateinischen  Verskunsl  der  Hochton  aus- 
schliesslich herrschend  gewesen,  die  Tondauer  gar  nie  lil  in 
Betracht  gekommen  sei,  so  bleibt  lediglich  die  Frage  zu  entscheiden 
übrig,  ob  in  derselben  die  Ton  «lauer  allein  bestimmend  gewesen 
sei  wie  im  Griechischen,  oder  ob  neben  der  Tondaucr  auch 
der  Hoch  Ion  der  Winter  von  Bedeutung  gewesen  ist  für  die 
Gestaltung  des  Altlatei  ei  sehen  Ver  ses. 

Die  Untersuchung  über  die  Versmasse  des  Terentius  fühlte 
II.  Bentley  auf  die  Lehre,  dass  die  Lateinischen  Komiker  es  ver- 
mieden bullen,  so  weil  es  ihnen  möglich  war,  die  Vershebung 
auf  die  letzte  tief  tonige  Silbe  zu  legen,  das  heisst  sie  in  Wi- 
derstreit zu  bringen  mit  dem  Hochton  des  Wortes  (Schediasma  de 
Metris  Tereniianis  />.  \\).).  Inder  drillen  Dipodie  i\i^  lambi- 
schen  Senars  dürfe,  so  meint  er,  die  Vershebung,  abgesehen  um 
von  einzelnen  durch  besondere  Gründe  gerecht  fertigten  Ausnahmen, 


—    401     — 

nicht  auf  die  letzte  tieftonige  Wortsilbe  fallen,  sondern  sie  müsse 
mit  dem  Hochton  des  Wortes  zusammenfallen;  in  der  ersten  und 
letzten  Dipodie  hingegen  mussten  sich  die  Dichter  wohl  oder  übel 
gegen  ihren  Willen  dazu  bequemen  die  Vershebung  auch  auf  die 
tieftonige  Endsilbe  des  Wortes  zu  legen,  weil  sie  ohne  diese  Frei- 
heit die  Verse  Griechischer  Komiker  und  Tragiker  gar  nicht  hätten 
nachahmen  können  (a.  0.  p.  20.  21.).  Der  ßentleyschen  Ansicht 
folgt  G.  Hermann,  wenn  er  sagt,  die  Scenischen  Dichter  der 
Romer  hätten  es  gemieden  die  Vershebung  auf  die  letzte  Wortsilbe 
fallen  zu  lassen  ausser  in  den  ersten  und  letzten  Versfüssen  des  Iam- 
bischen  Senars,  obwohl  sie  sich  hierin  nicht  überall  conse- 
q  uen  t  geblieben  seien.  Insbesondere  aber  seien  sie  darauf  bedacht 
gewesen,  dass  in  spondeischen  Wortformen  an  den  graden  Vers- 
stellen der  Hochton  des  Wortes  nicht  mit  der  Vershebung  in  Wider- 
streit geriethe  (Eiern,  doctrin.  metric.p.  141.). 

Gegen  diese  Ansichten  so  bedeutender  Renner  Lateinischer 
Metrik  trat  zuerst  Fr.  Ritter  mit  einer  Widerlegung  hervor  {Ele- 
meniorum  Grammaiicae  Laiinae  libri  duo,  Cap.  VII,  p.  63  —  77), 
indem  er  darauf  hinwies,  dass  der  Hoch  ton  des  WTortes  etwas 
wesentlich  verschiedenes  sei  von  der  V e r s h e b u n g  (a.  0. 
p.  67  /*.),  dass  in  Iambischen  und  Troch  äischen  Versen  der 
älteren  Lateinischen  Dichter  der  scharfe  oder  gebrochene  Hoch  ton 
milder  Vershebung  deshalb  bedeutend  öfter  zusammen- 
stimme wie  im  Griechischen,  weil  derselbe  in  der  Lateinischen 
Sprache  mehr  wie  in  der  Griechischen  sich  der  langen  Silbe  des 
Wortes  zugeselle,  und  weil  er  sehr  häufig  auf  die  vorletzte 
Silbe  desselben  falle  (a.  0.  p.  63  /*.),  dass  endlich  das  Zusammen- 
fallen der  Vershebung  und  des  Hochtones  im  dritten  und  vier- 
ten Versfuss  des  Iambischen  Senars  durch  die  gewöhnlichste 
Cäsur  desselben  nach  der  Verssenkung  des  dritten  Versfusses, 
die  Penthemimeres,  noth wendig  herbeigeführt,  kei- 
neswegs von  den  Dichtern  absichtlich  gesucht  sei.  Diese 
Gegengründe  Ritters  gegen  die  Bentleysehe  Ansicht,  die  jedenfalls 
sehr  gewichtig  sind,  haben  von  den  Anhängern  derselben  keine 
eingehende  Widerlegung  erfahren,  was  doch  unumgänglich 
nothwendig  war,  wenn  jene  Lehre  als  richtig  und  gesichert  gel- 
ten und  Folgerungen  für  die  Gestaltung  des  Textes  der  Sceni- 
schen Dichter  Roms  zur  Grundlage  dienen  sollte. 

CORSSEN    II.  26 


—     402     — 

In  neuerer  Zeit  ist  Bentleys  Ansicht  bestimmter  gestaltet  und 
durchdachter  gefasst  worden  von  dem  Forscher,  der  durch  seine 
kritische  Wiederherstellung  des  Plautinischen  Textes  erst  eine 
sichere  Grundlage  für  die  Beurtheilung  der  älteren  Lateinischen 
Verskunst  gelegt  hat,  durch  F.  Ritschi.  Seine  Lehre  über  das 
Verhältniss  der  Lateinischen  Wortbetonung  zur  Verskunst  ist  im 
Wesentlichen  folgende: 

Der  Lateinische  Versbau  beruht  auf  dem  Princip  der 
Quantität;  doch  verbinden  die  älteren  Scenischen  Dichter 
mit  strenger  Beobachtung  desselben  die  Rücksicht  auf  den  Wort- 
accent,  das  heisst  auf  Uebereinstimmung  der  Vershebung  mit 
dem  Hochton  des  Wortes  (Proleg.  Trin.  Cap.  XVII,  p.  207)  so  weit 
dies  die  Quantität  des  Wortes  und  die  Eigenheit  des  Metrums  ge- 
statten. Es  war  die  Tief  tonig ;k  eit  der  Lateinischen  E  ndsilben, 
welche  durch  ihr  ZusammentretTen  mit  dem  Fall  der  Vershebung 
in  den  Versmassen  der  dramatischen  Dichtung  den  Dichter  zwang, 
an  gewissen  Stellen  des  Verses  den  Widerstreit  zwischen  Hoch- 
Ion  und  Vershcbnng  zuzulassen.  Das  Lateinische  Wort  hütete 
auf  eine  tieftonige  Silbe  aus,  die  gewöhnlichsten  Versmasse  des  See- 
nischen Dialoges,  der  Trochäische  Septenar  and  derlambische  Senar, 
schlössen  beide  mit  einer  Vershehung;  sollte  nun  Vershebung  und 
Hochton  immer  Zusammenfallen,  so  hallen  am  Schlüsse  jener  Verse 
nur  einsilbige  Wörter  oder  drei-  und  mehrsilbige  mit  vorletzter  kur- 
zer Silhe  Platz  linden  können,  die  mehr  als  eine  Vershebung  trauen 
konnten,  wodurch  eine  unerträgliche  Eintönigkeit  der  Verse  ent- 
standen wäre  (a.  O.  p.  207.   2(IS). 

Die  Scenischen  Dichter  durchbrachen  daher  diese 
Seh  r  a  ii  k  e  und  gestatteten  sich  zunächst  am  Schlüsse  d  e  s 
Verses  im  letzten  Versfusse  den  Widerstreit  zwischen  Hoch- 
Ion  und  Vrrshebung,  indem  sie  auch  zweisilbige  Wörter  an 
dieser  Stelle  brauchten,  also  die  Vershebung  auf  die  lieflonige 
Silbe  derselben  legten.  Diese  Freiheit  ward  dann  auch  auf 
den  vorletzten,  seil  euer  auf  den  drill  letzten  Versfuss 
ausgedehnt  und  grill"  unter  gewissen  Bedingungen  auch  im  An- 
fange des  Verses  vor  der  Cäsur  Platz  {<(.  Ö.  p.  2<>7.  2<lS.  2X2.). 
Dieser  Widerslreit  zwischen  llochton  und  Vershcbuiig,  den 
die  älteren  Dichter  gegen  ihren  Willen  zubissen  muss- 
len,  erhielt  durch  den  Gebrauch  seine  Berechtigung,  so  d;is> 
spätere    Dichier   ihn    sogar  als  eine   Peinheil    des  Versbaues 


—     403     — 

mit  Vor  liehe  suchten  (a.  0.  p.  238.).  Daher  heherrschte  in  der 
Augusteischen  Zeit  ausschliesslich  die  Quantität  den 
Lateinischen  Versbau  ?  und  der  Hochton  hat  seinen  Einfluss 
auf  denselben  völlig  verloren  (a.  0.  p.  239.  Rhein.  Mvs.  VII, 
588.). 

Es  konnte  nicht  fehlen,  dass  die  Ansicht  des  Mannes,  der 
durch  seine  kritischen  Forschungen  vorzüglich  dazu  befähigt  war, 
über  die  vorliegende  Frage  ein  competentes  Urtheil  zu  fällen,  in 
weiten  Kreisen  als  maassgebend  angeschen  wurde ;  ihr  ist  ins- 
besondere auch  Fleck  eisen  in  der  Behandlung  des  Plautinischen 
Textes  gefolgt  (vgl.  N.  Jahrb.  LH,  53.). 

In  neuester  Zeit  ist  nun  gegen  diese  durch  Ritschi  vollständi- 
ger entwickelte  und  mit  der  Metrik  der  Augusteischen  Zeit  in  Zu- 
sammenhang gebrachte  Ansicht  Bentleys  von  Neuem  ein  entschie- 
dener und  gewichtiger  Einspruch  erhoben  von  dem  Forscher,  an 
dessen  Namen  sich  eine  neue  Epoche  in  der  Auffassung  der  anti- 
ken Metrik  knüpft,  von  A.  Böckh,  indem  derselbe  unter  Hervor- 
hebung der  nicht  beachteten  Gegengründe  Bitters  gegen  jene 
Annahme  sich  dahin  aussprach,  dass  Hoch  ton  und  Vers- 
hebung  in  der  Altrömischen  Poesie  wie  im  Griechischen  Versbau 
unabhängig  neben  e  i  n  a  n  d  e  r  hergehen,  und  wo  eine  Heber- 
einstimmung  dieser  beiden  Elemente  statt  finde,  diese  ein 
Ergebniss  des  bary  tonen  I  roch  a  i  sieren  den  Sprach  - 
rhythmus  in  Verbindung  mit  den  metrischen  For- 
m  e  n  und  Gesetzen  sei  ( Monatsber.  d.  Äkadem.  d.  Wis- 
sensch.  z.'  Berlin.  1854.  Mai,  p.  270  /*.).  Seitdem  haben  Weil 
und  Benloew  in  ihrer  Theorie  der  Lateinischen  Betonung  die 
Bentleysche  Lehre  einer  eingehenden  Prüfung  unterworfen  und  sind 
zu  dem  Ergebniss  gelangt,  dass  die  Rittersche  Ansicht  unbedingt 
die  richtige  sei ,  dass  in  der  älteren  Scenischen  Dichtung 
wie  in  der  späteren  Kunst d ich tung  der  R ö m er  a l le i n  die 
Tondauer  den  Lateinischen  Versbau  beherrschte  und  der  Hoch- 
ton niemals  von  Einfluss  auf  die  Gestaltung  desselben  gewesen  ist 
( Theorie  gener.  de  V Aceent.  Lal.  Chap.  IV  p.  66 — 1 04.  p.  242—249. 
p.  249  —  267),  dass  vielmehr  erst,  als  sich  das  Bewusstsein  von 
der  Tondauer  der  Silben  aus  der  Sprache  verlor,  der  II  och - 
ton  allmählich  Einfluss  gewann  auf  den  Versbau,  und 
nach  dem  II  n  t  e  r  g  a  n  g  e  der  Lateinischen  Q  u  a,n  t  i  t  ä  t  in  der  späte- 
ren v o  1  k  s  m  ä  s  s  i  g e n  Dichtung  die  A 1 1  e  i  n  h  e  r  r s  c h a  f  t  errang. 

26* 


—     404     — 

Eine  wirklich  eingehende  Widerlegung  der  Gründe,  auf  welche 
diese  Auffassung  sich  stützt,  ist  hisher  von  den  Gegnern  derselben 
nicht  gegeben*). 


*)  Als  eine  solche  können  die  Bemerkungen  und  Aufstellungen 
Langens  über  den  betreffenden  Abschnitt  des  Werkes  von  Weil  und 
Benloew  (N.  Jahrb.  7Q,  51  f.)  nicht  gelten.  Die  Einwirkung  der  Cä- 
sur  nach  der  Vershebung  in  der  Mitte  von  Iambischen  und  Trochäi- 
schen Versen  auf  das  Zusammenfallen  von  Hochton  und  Vershe- 
bung giebt  L.  z  u  ;  meint  aber,  sie  sei  von  W.  B.  zu  hoch  angeschla- 
gen, a.  0.  p.  54,  ein  Zusatz  von  jedenfalls  sehr  relativer  Bedeutung. 
Wenn  aber  L.  aus  der  Thatsache ,  dass  bei  den  Lateinischen  Dichtem 
sich  weniger  Iambische  Verse  finden  als  bei  den  Griechischen,  welche 
weder  nach  der  dritten  noch  nach  der  vierten  Verssenkung  eine 
Cäsur  haben,  den  Schluss  ziehen  will,  es  käme  dies  daher,  weil  jene 
eben  die  Uebereinstimmung  zwischen  Hochton  und  Vershebung  suchten, 
so  muss  gleich  hier  von  vorn  herein  darauf  hingewiesen  werden  ,  dass 
dieser  Schluss  mindestens  unbrauchbar  ist  zur  Entscheidung  der 
Hauptfrage,  um  die  es  sich  hier  handelt.  Es  liegt  in  der  Natur  der 
Sache,  dass  jeder  Nachahmer  der  Regel  folgt,  die  er  bei  seinem 
Vorbilde  findet,  die  Ausnahme  aber  als  etwas  minder  gutes  zu  meiden 
geneigt  ist.  Regel  war  bei  den  Griechischen  Dichtern  die  Cäsur 
nach  der  dritten  oder  vierten  Verssenkung  des  Iambischen 
Trimeters,  der  Einschnitt  nach  der  Verssenkung  des  vierten 
Passes  im  Trochäischen  Tetrameter,  Ausnahme  war  das 
Fehlen  dieser  Cäsuren.  Daher  folgten  die  betreffenden  Römischen 
Dichter  unwillkührlieh  jener  Regel  ihrer  Vorbilder  und  mieden  auch 
unabsichtlich  die  Ausnahme.  In  demselben  Sinne  folgen  die  Dakty- 
lischen Dichter  der  Augusteischen  Zeit  der  Regel  ihrer  Griechischen 
Muster  im  fünften  Versfusse  des  Hexameters  den  Daktylus  rein  zu 
erhalten,  und  die  Pen  themime  res  oder  Heph  themimer  es  eintreten 
zu  lassen,  sie  meiden  die  Ausnahme,  den  Spo'ndeus  im  fünften 
Versfusse  und  die  schwache  Cäsur  itoczcc  tgitov  tqoxoclov  ohne  Unter- 
stützung einer  männlichen  Cäsur;  aus  demselben  Grunde  erlaubt  sich 
Horaz  Abweichungen  von  der  metrischen  Regel  nicht,  welche 
Griechische  Lyriker,  die  er  nachbildete,  sich  unbedenklich  gestatteten. 
Die  Römischen  Dichter  folgen  der  strengen  Regel,  wo  nicht  die  Na- 
tur ihrer  Sprache,  namentlich  der  TeberHuss  an  langen  und  der 
Mangel  an  kurzen  Silben  im  Vergleich  zur  Griechischen  sie  besonders 
im  Trochäischen  und  Iambischen  Vers  zu  Abweichungen  zwingt. 
Ebenso  ahmten  die  Nachbildner  des  Ciceronischen  Stvls  dein 
nach,  was  bei  Cicero  die  Regel,  der  gewöhnliche  Sprachgebrauch  ist. 
die  Abweichung  im  einzelnen  Fall,  eine  .*iussergowöhnliehe  Freiheit. .  die 
er  sich  gelegentlich  einmal  nimmt,  Hessen  sie  auf  sich  beruhen,  wo  sie 
nicht  mit  .•insgesuehtcr  Gelehrsamkeit    prunken  wollten.      So    ist    es    auf 


—    405     — 

Mit  Benutzung  dieser  Forschungen  ist  also  zu  untersuchen, 
welche  von  den  beiden  entgegengesetzten  Ansichten  die  richtige  ist. 
Nach  Ritschis  Ansicht  sind  drei  Perioden  der  Verskunst  zu 
unterscheiden.  Ursprünglich  beherrschte  T o  n d  a  u  e  r  und  Hoch- 
ton  im  engsten  Verein  den  Versbau,  dann  geriethen  Accent 
und  Quantität  in  Widerstreit  um  die  Herrschaft  über  den- 
selben, endlich  siegte  das  quantitative  Princip.  Ritschis 
Ansicht  geht  von  der  Thatsache  aus,  dass  im  Versmasse  des  Plau- 
tus  und  der  Scenischen  Dichter  überhaupt  in  gewissen  Fällen 
Hochton  und  Vershebung  zusammenfallen,  und  zwar  ent- 
schieden häufiger  als  in  Griechischen  Versen ,  und  schliessf  daraus, 
dass  dies  die  Regel  und  der  Widerstreit  zwischen  Hochton 
und  Vershebung  die  durch  Versnoth  erzwungene  Ausnahme  sei; 

Sind  jene  drei  Entwickelungsstuf en  des  Lateinischen 
Versbaues  wirklich  vorhanden  gewesen ,  hat  jene  Regel  wirklich 
einmal  bestanden,  so  muss  dies  daran  erkennbar  sein,  dass  die 
Regel  das  Zusammenfallen  des  Hochtones  mit  der  Vershebung, 
in  der  älteren  Scenischen  Dichtung  häufiger  beobachtet  ist, 
dass  hingegen  die  Ausnahme,   der  Widerstreit  zwischen   Vers- 


allen geistigen  Gebieten,  dass  das  Originalgenie  durch  seine  freie 
Schöpf ungs kraft  bestimmt  wird,  die  Nachahmer  der  abstra- 
hierten Regel  nachgehen  und  dieselbe  gelegentlich  so  eng  zusammen- 
schnüren, bis  der  Geist  darin  erstickt.  Man  denke  nur  an  die  Lehren 
Griechischer  und  Römischer  Rhetoren  oder  an  das  Skelett  der  Griechi- 
schen Tragödie  eines  Seneca  oder  Corneille. 

L's  Gegenbemerkungen  gegen  W.  B. ,  in  denen  sich  im  einzelnen 
manche  richtige  Wahrnehmung  metrischer  Eigenheiten  Römischer  Dich- 
ter finden,  fallen  nun  aber  für  die  Hauptfrage,  um  die  es  sich  hier 
handelt,  auch  deshalb  nicht  ins  Gewicht,  weil  er  den  wichtig- 
sten Punkt  derselben,  ob  und  in  wiefern  das  eigen  thümlic  he 
Beton ungsgesetz  der  Lateinischen  Sprache  in  Verbindung  mit  den 
metrischen  Formen  des  Griechischen  Schema  das  Zusammenfallen  zwi- 
schen Hochton  und  Vershebung  von  Einfluss  gewesen  sei,  ein  Punkt,  der 
doch  von  Ritter,  Boeckh,  Weil  und  B  e  n  1  o  e  w  so  entschieden  her- 
vorgehoben worden  ist,  ganz  unbeachtet  lässt.  Somit  hat  Bentleys 
Ansicht  durch  L'  trotz  des  in  der  Zusammenzählung  von  Dichterstellen 
bewiesenen  Fleisses  (a.  0.  p.  54  f.) ,  doch  keine  neue  Stütze  ge- 
wonnen. Das  beste,  was  für  dieselbe  gesagt  werden  konnte,  hat 
Ritschi  klar  hervorgehoben,  seiner  Fassung  jener  Lehre  muss  sich 
daher  die  nachfolgende  Untersuchung  vornehmlich  und  gewissenhaft  zu- 
wenden. 


—     406     — 

hebung  und  Hochton  nach  und  nach  um  sich  grill'  und  in  den 
Versen  der  spateren  Kunstdichtung  häufiger  erscheint. 
Es  wird  demnach  zuerst  zu  untersuchen  sein,  ob  dies  in 
der  That  der  Fall  ist.  Ist  das  Ergebniss  der  Untersuchung 
ein  bejahendes,  so  liegt  darin  ein  Beweis  für  jene  drei  Ent- 
wickelungsstufen,  fällt  es  verneinend  aus,  so  folgt  daraus,  dass 
auch  die  Annahme  dieser  Entwicklungsstufen  nicht  begründet 
ist.  Dann  aber  bleibt  zweitens  zu  erörtern,  ob  die  That- 
sache,  dass  Hochton  und  Vershebung  in  den  Versen 
der  Sceniscben  Dichtung  nicht  selten  zusammenfallen,  wirk- 
lich eine  Regel,  ein  Gesetz  für  den  Dichter  bekundet,  nach  dem 
sie  eigentlich  immer  zusammenfallen  mussten,  das  heisst,  ob  in 
dem  dichtenden  Geiste  ein  bewusstes  Streben  vorhanden 
war,  den  Hochton  und  die  Vershebung  möglichst  in  Einklang  zu 
bringen,  oder  ob  ein  anderer  Grund  vorhanden  war,  wes- 
halb dieser  Einklang  beim  besten  Willen  gar  nie  hl 
vermieden  werden  konnte. 


A.     Zwiespalt  zwischen  Hochton  und  Vers- 
lieb u  n  g. 

Um  die  er  sie  Frage   zu  beantworten,   ob  wirklich   der 

Widerstreit  zwischen  Hochton  und  Vershebung  bei 
den  Dichtern  der  Augusteischen  Zeil  häufiger  ge- 
wesen sei  als  bei  den  älteren  Seen i sehen  Dichtern, 
wird  hier  nach  einander  untersucht  werden,  ob  dies  für  den  Jam- 
bischen Senar,  für  den  Trochäische  n  Sepien  ar  und  für  den 
Hexameter  Gültigkeit  habe. 

Um  das  Verhällniss  derjenigen  Stellen  des  Verses,  in  denen 
Hochton  und  Vershebung  im  Einklang  sind,  zu  denjenigen,  wo 
sie  im  Widerstreit  zu  einander  stehen,  herauszufinden,  isl  hier 
eine  statistische  Methode  angewandt,  indem  für  jede  der  ge- 
nannten Versarien  aus  den  verschiedenen  Dichtern  je  dreissig  Verse 
an  mehreren  Stellen  herausgehoben  sind.  In  diesen  isl  jedesmal 
die  Zahl  der  Versslellen,  wo  Vershebung  und  Hochton  in  Wider- 
spruch zu  einander  sieben,  abgezählt  und  zu  der  Zahl  aller  Vers- 
stellen in  Verhällniss  gesetzt ,  indem  jene  durch  einen  Bruch,  diese 


—     407     — 

durch  Eins  ausgedrückt  wird.  Zwischen  den  Bruchzahlen,  welche 
diese  Berechnung  an  verschiedenen  Stellen  desselben  Dichters  er- 
geben,  ist  dann  die  mittlere  Pro portio  na Izahl  genommen, 
und  so  annäherungsweise  das  gesuchte  Verhältniss  im  All- 
gemeinen für  den  Dichter  bestimmt. 

Im  Iam bischen  Senar,   der  hier  zunächst  zur  Erörterung 
kommt,  ist  der  Einklang  von  Hochton  und  Vershebung  an 
allen  Versstellen  nichts  seltenes.     Man  braucht  nicht  lange  zu 
suchen,  um  Verse  zu  finden  wie  die  folgenden: 
Amph.  ProL  50 : 

Nunc  quam  rem  oratam  huc  veni,  primum  pröloquar, 
Post  argumentum  huius  eloquar  tragoediae. 
Quid  cöntraxistis  fröntem?  quia  tragoediam. 
'  a.  0.  54: 

Eandem  hänc  si  vollis  faciam  ego  ex  tragoedia 
Comoedia  ut  sit  Omnibus  isdem  versibus, 
CapL  94: 

Nam  Aelölia  haec  est,  illest  captus  in'Alide. 
Mtl.  482: 

Philopölemus  huius  Hegionis  filius 
Plus  curat,  quasi  non  servilutem  serviat, 
Certo  illa  quidem  hie  nunc  intus  est  in  aedibus. 
Rud.  94: 

Nunc  huc  ad  Veneris  tan  um  veniu  viserei, 
Ubi  rem  divinam  se  facturum  dixerat 
Pers.   110: 

Memini ,  üt  muraena  et  conger  ne  calefierent. 
Nam  nimio  melius  öppeclunlur  frigida. 
Sed  quid  cessamus  proelium  commiltere. 
Wie    wenig   man  indessen   aus  diesen    und   ahnlichen  Versen 
scbliessen  kann,  dass  dieser  Einklang  von  Vershebnng  und  llochlon 
mit  Absicht  gesucht  sei,  zeigen  Trimeter  des  Arisl  ophanes, 
wo  ganz  dasselbe  stattfindet,  wie  folgende: 
Av.  1  : 

'OQ&rjv  xslevscg  fj  to  devÖQov  cpatvexai. 
Av.  17: 

k   ccnedoxo  xov  {uv  SaQQalddov  xovxovi, 
Av.  21  : 

rjliäg  er    cc£,£ig;  ov  yaQ  £gV  svxccv&k  xig. 


—     408     - 
Lysistr.  408: 

00   %QVÖO%6e    XOV    OQjlOV    OV    £7t86X£VCC6ag. 

«.0.417: 

xb  dccxTvMdiov  itii%u  xb  %vyov. 
Ran.  2 : 

icp'  olg  aal  ysXcoGtv  oC  ^soo^lbvol. 
a.  0.  30 : 

OVK    0lö\      6    d'   (D[lOg    OVXOtil    7lLB%£XCCL. 

Dass  auch  Aristophanes  seine  Verse  mit  möglichster  Berück- 
sichtigung des  Hochtones  gehaut  habe,  ist  von  Niemand  behauptet 
worden. 

Man  vergleiche  nun  im  Gegensatz  zu  diesen  Versen  Plauti- 
nische  wie  folgende: 
Amph.  33 : 

Iustam  rem  et  facilem  esse  öralam  a  vobis  volo 
Asin.  1 6 : 

Sicül  tu  um  vis  unicum  gnatüm  tuae  , 
Bacch.  240: 

Salve!  set  ubinamst  Muesilochus?  vivit,  valel. 
Pseud.  790 : 

Forum  coquinum  qui  vocant  stillte  vocant. 

Jn  jedem  dieser  Verse  erscheint  viermal  unter  den  sechs 
Versstellender  Widerstreit  zwischen  Hoch  ton  und  Vershebung; 
Verse,  wo  dies  dreimal  stattlindet,  kann  man  auf  jeder  Seile  des 
Plaut us  finden.  Daraus  ergiebt  sich  die  Noth wendigkeit,  eine  mitt- 
lere Verhältnisszahl  zu  linden,  wie  oft  Vershebung  und  Hochton  im 
IMautinischen  Senar  in  Widerstreit  sind. 

Im  Trimeter  des  Arist  ophancs  findet  dies  durchschnitt- 
lich im  dritten  Tb  eile  aller  Vershebungen  statt  {vgl.  Av.  Lysistr. 
399  —  428.  Ran.  1 — 36  u.  a.).  Viel  geringere  Bruchzahlen  ergiebt 
die  Zählung  an  folgenden  Stellen  des  Plautus  : 

Amph.  Prot.  3 1  —60  :  J .  Jhicch.  235  —  2(11 :  £. 

Capl.  69  —  98 : 

Mit.  481-510: 

Rad.  83  —  112: 

Asin.   16  —  48: 


1 
1 

h 

Cure.    371  —  400:    ' 
Pseud.  767  —  796:  J. 
Stich.    155  —  185:   {! 

W 

Trin.     102  —  131  :   J' 

—     409 

Daraus  ergiebt  sieh,  tlass  im  Durchschniti  im  Senar  des 
Flau  tu  s  nur  an  einem  Fünftel  der  Versstellen  die  Vershebung 
mit  dem  Hochton  des  Wortes  in  Widerstreit  steht,  so  dass  die 
hochbetonte  Silbe  in  der  Verssenkung,  eine  tieftonige  Silbe  dessel- 
ben Wortes  in  der  Vershebung  steht. 

FiirTerenz  ergiebt  die  Zählung  der  Versstellen,  wo  Vershebung 
und  Hochton  nicht  in  Uebereinstimmung  stehen  an  einer  Anzahl  von 
Stellen  folgende  Bruchzahlen : 

Ter.  Andr.  I,  1—30:  ^  Adelph.  III,  4,  1—30:  $,      - 

3  3 


Eun.  Prol.  1  —  30:     £L  Hecyr.  I,  2,  1  —  30:  f, 

Eun.  I,  2,   1  —  30:     £  Phorm.  II,  3,  1  —  30:  j 

Eun.  III,  1,  1—30:     \  Heaut  III,  1,  1—30: 


Heaut.  1,1  —  30:         \x  Adelph.  IV,  7,  1  —30 :  \ 

Es  ergiebt  sich  also,  dass  im  Durchschnitt  der  lam bische 
Senar  des  Terenzfast  nur  im  sechsten  Theile  aller  Stellen 
des  Verses  den  Widerspruch  zwischen  Hochtonung  und  Vers- 
hebung zeigt,  also  eine  grössere  Uebereinstimmung  zwischen  beiden 
statt  findet  als  bei  Plautus. 

Dieselbe  Zählung  auf  eine  gleiche  Anzahl  von  Iambischen  Se- 
naren  des  Phaedrus  angewandt  (I,  1,  1  — 15,  10.  IV,  1,  1 — 4,  2. 
V,  1,  1—2,  12.  III,  Prol.  1—60)  ergiebt,  dass  bei  diesem  Dich- 
ter durchschnittlich  ein  Fünftel  bis  ein  Sechstel  der  Vers- 
hebungen mit  dem  Hochton  in  Widerstreit  stehen,  also  mehr 
Uebereinstimmung  beider  Elemente  als  bei  Plautus,  weniger  als  bei 
Terentius  stattfindet. 

Man    vergleiche   hiermit    die    beiden    volkstümlichen    Epi- 
gramme auf  den  Ventidius  Bassus    und  den  Augustus: 
Gell.  XV,  4 : 

Concürrite  omnes  aügures  arüspices, 
Portentum  inusitätum  conflatum  est  recens: 
Nam  mülos  qui  fricäbat  consul  fäctus  est. 
SueL  Ort.  70 : 

Postquäm  bis  classe  victus  naves  perdidit, 
Aliquändo  ut  vincat,  lüdit  assidue  äleam. 
In  diesen  Senaren  findet  sichiunter  dreissig  Versstellen 
nur  an  vieren  der  Widerstreit  zwischen  Vershebnng  und  Hoch- 
ton,  das  ist  wenig  mehr  als  der  achte  Theil  der  Vershebungen. 


—     410     — 

In   einer  Christlichen  Grabschrift    aus  dem  Ende  des 
fünften  Jahrhunderts  linden  sich  folgende  lainbische  Senare: 
Laus  ista,  Felix,  respicitte,  presbyter, 
Nee  te  Levita,  'Adeodate*),  praeterit, 
Quorum ,  fidelis  atque  pervigil  labor 
Decus  ömne  tectis  [his]  ut  redderet,  institit 
Fleetwood,  Syll.  inscr.  Monum.  Christ,  p.  400  (p.  Ch.  474.) 
In  diesen  Iamben  ist  unter  v i  e  r  u  n d  z  w  a  n  z  i  g  V  e r  s  h  e  b  u  n  - 
gen  nur  an  zwei  Stellen  Widerspruch  zwischen  Hochton  und 
Vershebung,  also  nur  im  zwölften  Theil  aller  Stellen. 

Ist  die  vorstehende  Berechnung  richtig,  dann  "ergiebt  sich, 
dass  der  Einklang  zwischen  Hochton  und  Vershebung  des  lam- 
bischen  Senars  nicht  nur  nicht  abgenommen  hat,  sondern  auch  ganz 
entschieden  häutiger  und  grösser  geworden  ist. 

Nicht  im  Einklang  mit  dieser  Beobachtung  steht  der  I am- 
bische Senar  der  Tragödien,  deren  Verfasser  Seneca  genannt 
wird. 

Eine  in  derselben  Weise  wie  die  obigen  angestellte  Berechnung 
führt  nämlich  zu  dem  Ergebniss,  dass  durchgehends  in  den  Tri- 
metern  dieses  Dichters  im  dritten  Theil  aller  Versstellen  die 
Vershebung  mit  dem  Ilochton  im  Widerstreit  steht  (vgl.  Herc. 
für.  1—30.  Thyesl.  1—30.  Phocn.  1—30.  Oed.  1—30.  Hipp.  80 
—109.  Tröad.  1—30.  Agam.  1—30.  Med.  1—30.  Herr.  (te/. 
1—30.  Öctav.35 — 04):  also  dasselbe  Verhältniss,  das  sich  für 
Aristophartes  [ambische  Trimeter  ergeben  hat.  Dies  winde  für 
Bitschis  Ansicht  sprechen,  wenn  man  die  E  ige  nl  hiiinl  i  ch  ke  il 
des  Versbaues  bei  Seneca  aus  den  Augen  lassen  dürfte.  Wäh- 
lend nämlich  hei  IMautns  etwas  über  ein  Drittel  der  lambischen 
Senare  auf  eine  zweisilbige  Wortform  ausgeht,  die  also  die 
Vershebung  auf  der  liel'lonigen  Silbe  trägt,  [vgl.  Amph.  1 — 150. 
Capt.  1—150.  Mit.  1  —  150.  Irin.  1  IM».  Ihieeh.  109—258)  sind 
es  bei  Seneca  sechs  Siebentel  (vgl.  Ilcre.  für.  1—21.  2l)5 — 
230.  Tilgest.  MW  22.").  Pfioem.  I-  150)  ja  ein  Viertel  bis  ein 
Drittel  der  Trimeter  dieses  Dichters  gehen  auf  zwei  zweisil- 
bige Wörter  mit  der  Vershebung  auf  der  liellonigen  Silbe  aus. 
Der  Grund  dieser  Erscheinung  ist  darin  zu  linden,  dass  der  gelehrte 


*)    Eine   Lateinische   lTebei\set/,nn<,''  des  Griechischen  Nunien^  I 
dnrog. 


—    411     — 

Purist  Seneca  die  Griechischen  Tragiker  nachahmte,  bei 
denen  der  zweisilbige  Ausgang  häufiger  war  als  bei  PI  au- 
tus  und  diese  Eigenthümlichkeit  übertrieb  (Weil.  B.  Acc.  L. 
246).  Um  das  Metrum  im  Versausgange  möglichst  rein  und  be- 
stimmt hervorzuheben,  vermied  er  die  letzten  Versfüsse  durch  ein 
Wortende  zu  unterbrechen  und  brachte  Wortfüsse  und  Vers- 
füsse möglichst  in  Ueberein  Stimmung.  Das  trug  denn 
nicht  wenig  dazu  bei,  den  Trimetern  jenes  Rhetorikers  im  Vergleich 
mit  dem  harmonischen  Fall  des  Sophokleischen  Trimeters  oder  der 
mannigfachen  schnell  kräftigen  Bewegung  des  Plautinischen  Senars 
jene  einförmige  und  stocksteife  Haltung  zu  geben,  als  wären  sie 
alle  nach  der  Schablone  verfertigt. 

Abgesehen  also  von  den  Trimetern  des  Seneca,  ist  der  Wider- 
streit zwischen  Vershebung  und  Hochton  im  Iambi- 
schenSenar  i m  L a  u f e  d e  r  Z  e i  t  nicht  h ä u  f i g er  s o n d e r n 
seltener  geworden. 

Ebenso  soll  nun  die  Entwickelung  des  Trochäischen  Sep - 
tenars  verfolgt  werden. 

Bei  Plautus  sind  Trochäische  Septenare,  in  denen  an  allen 
Stellen  H  o  c  h  t  o  n  und  V  e  r  s  h  e  b  u  n  g  zusammenfällt,  häur 
tig,  so : 

Amph.  279 : 

Neque  ego  hac  nocte  löngiorem  nie  vidisse  censeo, 
Nisi  itidem  linam,  verberatus  quam  pependi  perpetem. 
'Eam  quoque  edepol  etiam  multo  haec  vicit  longiludine. 
Mtl.  163: 

Dicat:  disperistis  ni  usque  ad  mortem  male  mulcässitis. 
Cure.  679 : 

'Argentariis  male  credi  qüi  aiunt  nugas  praedicant: 
Necbene  nee  male  credi  dico :  id  adeo  ego  hodie  expertus  sum. 
Auch  diese  sind  für  die  vorliegende  Frage  von  keiner  bewei- 
senden Kraft.    Finden  sich  doch  auch  bei  Aristophanes  Trochä- 
ische Tetrameter  derselben  Art  wie: 
Acharn.  324 : 

'E^Xoi\hy\v  ,  r{v  o,kov(5o .    Mrjda^icjg  %3%aQVLKoi. 
a.  0.  330 : 

twv  TittQovtcyv  evdov  6iQ%ag;  iq  'nl  ra  &Qaövvstca\ 
Vesp.  455 : 

0%v&v{iG)V  Kai  dixccLOV  Kai  ßktTCovrav  KccQda[ia< 


—    412     — 

Av.  288 : 

TCg  ovo^iä^exaC  7to$  ovrog ;  ovxoGi  xaToacpayag. 

Hingegen  finden   sich  auch  genug  Trochäische  Septenare  bei 
Plautus,  in  denen  an   vier  Stellen   Hochton  und  Vershebung  in 
Widerstreit  mit  einander  stehen.    Solche  sind: 
CapL  255 : 

Qui  cavet,  ne  decipiatur,  vix  cavet  quom  etiäm  cavet. 
Rud.  588: 

Quasi  vinis  Graecis  Neptunus  nobis  suffudit  mare. 
Trin.  322: 

Qui  ipsus  sibi  satis  placet,  nee  pröbus  est  nee  frugi  bonae. 
Asin.  168: 

Modo  quom  aeeepisti,  haec  mullo  post  aliquid  quod  poseäs 

paras. 
Bacch.  380 : 

Quibus  tuum  patrem  neque  una  amicos  adfinis  tnos. 

Hier  sind  es  besonders  vor  der  Caesur  die  zweite  und  drille, 
nach  der  Caesur  die  siebente  und  ach  le  Vershebung,  die  auf 
die  tieftonige  Silbe  des  Wortes  fallen. 

Bei    A  r  i  s  t  o  p h  a  n  e  s  ist    es   durchschnittlich    ungefähr  e  i  n 
Viertel  aller  Versslellen  des  Trochäischen  Tetrameters,  wo  Vers- 
hebung und  Hochton  im  Widerstreit  stehen  {vgl.  Acharn.  305 — 
334.   Vesp.  430—459.  Av.  268     297  u.  a.).    Bei  Plautus  gestaltet 
sich  dieses  Uruchtheil  an  verschiedenen  Stellen  folgettdermassen : 
Amph.     271  —  300:  £.  Bacch.  368—399:  £ 

CapL      251—280:$,  Cure.     158-187:  f, 

MiLGlor.  156—185:  £  Cure.    679—709:  £, 

Rud.      559  —  588:  j,  Pseud.  691-723:  J 

Trin.     301    -   330:  {  Stick.      58  —  87:  \ 

Asin.       153  —  182:  \ 

Nach  dieser  Berechnung  ergiebt  sich,  dass  im  Trochä  isc  he  n 
Tetrameter  des  Phwutus  nur  der.  sechste  bis  siebente 
Theil  aller  Vershebungen  nicht  mit  dem  Hochton  zusammen- 
traf. Her  Grand  für  diese  auffallende  Verschiedenheit  des  Plauti- 
nischen  und  des  Aristophanischen  Septenars  wird  sich  weiterhin  er- 
geben. Ebenso  wie  bei  Plautus  fehlt  die  Vershebung  in  den  Trochä- 


—     413     — 

ischen  Septenaren  der  Römischen  Tragödie,  wie  die  Bruch- 
Iheile  in  folgender  Rechnung  zeigen: 

Zw.  Andron.  Ribb.  trag.  v.  1  f:  £ 
doch  sind  nur  vier  vollständige  Tetrameter  dieses  Dichters  auf  uns 
gekommen : 

Naev.  a.  0.  v.  1  f:  ^5. 

auch  von  Naevius   sind   nur   elf   vollständige  Tetrameter  erhalten. 
Für  jeden  folgenden  Tragiker  gestattet  sich  das  Verhältnis^,  immer 
je  30  Verse  zusammengenommen,  folgendermassen : 
Enn.  a.  0.  v.  1 — 99: 


i.nu.   u.   l/.  u.    i — w  • 

Vi    100  f: 

v.    195  f: 

n 

i 

6 

Pacuv.  a.  0.  v.  1 3  f: 

i 

v.   131  f: 

v.  308  f: 

1 

T 
l 
51 

•2 

AU.    lt.    0.    v.     1  f: 
v.   130  f: 
v.  316  f: 

* 
i 
i 

Also  fiel  im  Durchschnitt  der  sechste  bis  sieben te  Th eil 
der  Vershebungen  mit  dem  Hochton  des  Wortes  nicht  zusam- 
men bei  den  Römischen  Tragikern  wie  bei  Plautus. 

In  den  Tetrametern  des  Terenz  gestaltet  sich  das  Verhält- 
niss  genau  ebenso: 

Andr.  H,  2,  1—30:  £f  Heaui.    IV,  1  ,  10—54:  i, 

V,4,  1-25:  \%  V,  1,     1-35:  f* 

Eun.  II,  2,   1—23:  |,  Adelph.  IV,  2,    1—52:  f 

7,18-46:  £* 

Demnach  stand  bei  Terenz  der  siebente  Theil  der  Vershe- 
bungen des  Trochäischen  Telrameters  mit  dem  Hochton  des  Wor- 
tes in  Widerstreit,  also  etwas  seltener  als  bei  Plautus  und  bei 
den  Tragikern. 

Mit  diesem  Ergebniss  ist  nun  der  Tetrameter  späterer 
Zeit  in  der  Kunstdichtung  und  in  der  volksmässigen  Dichtung  zu 
vergleichen. 

Im  Trochäischen  Septenar  des  P ervig ilium  Veneris  ist  das 
Verhältniss  der  Vershebungen,  die  mit  dem  Hochton  des  Wortes  in 


—     414     — 

Widerstreit  stehen,  zu  allen  Vershebungen  aus  folgenden  Bruchzah- 
len zu  erkennen: 
v.    1—30:  } 

31—60:  £ 

61—90:  i 

Also  fast  nur  in  einem  Achtel  aller  Vershebungen,  das 
heisst  in  jedem  Verse  durchschnittlich  nur  an  einer  Stelle  findet 
jener  Widerstreit  statt  in  einem  Gedichte,  das  nach  aller 
Wahrscheinlichkeit  dem  dritten  Jahrhundert  nach  Chrisfus  an- 
gehört. 

Ein  weiterer  Fortschritt  zeigt  sich  in  den  volksth  iimlichen 
Soldatenliedern  und  Spott versen,  die  Sueton  und  der  Scho- 
liast  des  Juvenal  aufbewahrt  haben: 
Suet.  Caes.  5 1  : 

'Urbani  servate  uxores,  möechum  calvum  addücimus 
Aürum  in  Gallia  eflutuisti,  hie  sumpsistü  mutuum. 
Cal.  6: 

Sälva  Roma,  salva  palria,  salvus  est  (iermänicus. 
Galb.  6 : 

Disce  militäre  miles,  Gälba  est  non  Gaetülicus. 
Schot.  Juv.  V,  3: 

'Aliud  scriptum  habet  Sarmentus,  aliud  populus  völuerat, 
Digna  dignis:  sie  Sarmentus  bäbeat  crassas  cömpedes, 
Rüstici  ne  nil  agatis,  aliquis  Sarmenlum  all  iget. 

In  diesen  sieben  trochäischen  Septenaren,  welche  der  Zeit  von 
Cäsar  bis  Domitian  angeboren,  sind  unter  56  Varshebungen  nur 
vier,  die  auf  eine  tieftonige  Silbe  fallen,  während  die  bochbetonte 
Silbe  des  Wortes  in  der  Verssenkung  steht.  Fasl  überall  fallen 
also  Hochton  und  Vershebung  zusammen,  in  vierzehn  Fällen 
stehen  sie  durchschnittlich  nur  einmal  in  Widerstreit.  Noch  ent- 
schiedener tritt  dies  in  den  Soldalengcsängen  aus  dem  Fmle  des 
dritten  Jahrhunderts  hervor: 

Vopisc.  Aur.  6: 

1.  Mille,  mille,  mille,  mille ,  mille  decollävimus. 

2.  'Unus  homo  mille,  mille,  mille  decollävimus. 

3.  Mille,  mille,  mille,  mille.  vivat,  <|in  mille  öeeidil 

4.  Tantum  vini  nemo  habet,  «piäntum  fudit  sanguinis. 


—     415     — 

Vop.  Aur.  7: 

5.  Mille  Sarmatas,  mille  Francos  semel  et  semel  occidimus. 

6.  Mille,  mille,  mille,  mille,  mille  Persas  quäerimus *). 

In  diesen  Versen   fallen  mit    einer  Ausnahme  Vershebimg 
und  Hochton  überall  zusammen.     Dass  in  h  o  m  o  und  h  a  b  e  s 
die  Vershebung  auf  den  kurzen  hochbetonten  Stammvokal  gelegt  ist, 
zeigt,  dass  das  Bewusstsein  von  der  Quantität  der  Silben  in  die- 
ser Zeit  schon  im  Verlöschen  ist ,   und  das  accentuirende  Princip 
in  der  Volksdichtung  sich  gellend  zu  machen  anfängt.    Nach  diesem 
erscheint  dann   der  Trochäische  Septenar  gebaut  in  der  volks- 
I  hü  ml  ich  -christlichen    Dichtung   der  Uebergangszeit  zum 
Mittelalter,  wie  dies  folgende  Verse  eines  Gedichtes  auf  christliche 
Märtyrer  zeigen  {Fleetwood,  Sylt.  Inscr.Monvm.  Christum,  p.  449): 
Püae  quaedam  referuntur  Römae  natae  feminae, 
'Una  dicta  est  Lucilla  Firmininaque  altera, 
Veram  puris  r6tinentes  Christi  ödem  cördibus, 
Quae  propinqui  ter  beati  Marlyris  Tiburtii 
'Ad  illius  assidentes  säcrosanctum  tumulum 
Peo  gratas  vigilando  dücebant  excübias. 
Quibus  ipse  cum  beatis  semet  comitantibus 
Marcellino  atque  Petro  manifeste  retulit 
Per  soporem ,  tibi  sacra  iacuissent  cörpora 
'Eorundem  electorum,  ätque  simul  admonet, 
Ut  eunt.es  äbsque  mora  illa  statim  auferant. 
Et  in  crypta  süum  prope  cürent  corpus  p6nere. 


*)  Nach  den  gefälligen  Mittheilungen  von  C.  Peter  hat  der  Codex 
Bambergensis  (saec.  9)  der  Scriptores  histor.  August.:  mille  mille 
mille  decollavimus  unus  liomo  mille  decollavimus  mille 
[annos.  man.  recenlior.]  vivat  qui  mille  occidit  tantum  vini 
nemo  habet  qua  n  tum  fudit  sanguinis.  Palat.:  habet  nemo, 
v.  I.  so  die  Edilio  prinreps ,  der  Bernhardy,  de  scriptor.  histor.  Aug.  p.  15, 
den  Werth  einer  guten  Handschrift  beilegt,  v.  2.  ed.  princ.  dreimal 
mille,  Palat.  viermal,  v.  5.  so  Cod.  Bamb.  Das  auslautende  s  von 
Sarmatas  macht  mit  folgendem  Consouanten  keine  Position  der  Spät- 
lateinischen Aussprache  gemäss,  vgl.  oben,  II,  388.  grade  so  wie  in  der 
alten  Dichtung  bis  Cicero  und  Catull.  v.  6.  Cod.  Bamb:  mille  per- 
sas qu  .  .  rimus.  Die  handschriftlich  vollständig  erhaltenen  Tetra- 
meter rechtfertigen  die  Ergänzungen  von  mille  zur  Herstellung  des 
Metrums. 


—     416     — 

Quäe  praeceptis  öbsequentes  Nigram  silvam  ädeunt, 
Sublatosque  beatorum  inde  portant  cineres, 
'Et  in  specu  disponentes  iüsso  loco  tümulant. 

Da  die  Märtyrer  Marcellinus  und  Petrus  unter  Diocletian  litten, 
so  ist  dies  Gedicht  frühsten s  aus  dem  vierten  Jahrhundert,  wahr- 
scheinlich aber  bedeutend  später,  nachdem  sich  die  Legende  gebil- 
det hatte.  In  diesen  nach  dem  Rhythmus  der  Trochäischen 
Septenare  gemessenen  Versen  fällt  der  Hochton  immer  mit  der 
Vershebung  zusammen,  mit  Ausnahme  von  dücebant,  wo  die 
Arsis  auf  die  Stammsilbe  trifft ;  der  Hochton  ist  zur  unumschränk- 
ten Herrschaft  gelangt,  der  Unterschied  der  langen  und  kur- 
zen Silben  völlig  verwischt. 

Es  ergiebt  sich  also,  dass  von  vorn  herein  im  Lateinischen 
die  Uebereinstimmung  des  Hochtons  mit  der  Vershebung  im 
Trochäischen  Tetrameter  gross  war,  wie  sich  weiter  unten 
herausstellen  wird,  in  Folge  des  Trochäischen  Rythmus  der 
Lateinischen  Sprache,  dass  aber  diese  Uebereinstimmung  immer 
zunimmt  im  Laufe  der  Zeiten,  bis  die  Vershebung  ganz  und 
unbedingt  an  den  Hoch  ton  gebunden  ist  und  die  Tondauer 
der  Silben  dem  Ilochton  erlegen  ist. 

Es  scheint  zweckmässig  auch  noch  im  Hexameter  zu  unter- 
suchen, ob  der  Widerstreit  zwischen  Hochton  und  Vershebung  in 
späterer  Zeit  häufiger  wird  als  früher.  In  welchem  Verhällniss  zu 
allen  Versstellen  dies  geschieht,  zeigen  die  Bruchzahlen  folgender 
Berechnung : 

Enn.v.  1—41.   Fahl:  £*  OvUL  Metam.  X,  40— 69:  J , 

a.  0.  42—87:  j..  a.  0.    XIII,    399—428:  ]\ 

a.  0.  88—130:  l,  a.  0.  I,   324—353:  J. 

Lucrez.  V,  765—794 :  -J-  Glaud.  Cl.  L  Stil.  1  —30  :  J 

a.    0.    VT,  781—810:  \  a.O.bc/l.  Gel  I,  1—30:  J 

a.  O.  II,  1067—1096:  \3  a.  ().  I.  Seren.  I,  1—30:   « , 

Hor.Sal.  I,  3,  1—30:  i, 

i 

Aus  diesen  Zahlen  ergiebt  sich,  dass  es  durchschnittlich  der 
vierte  bis  dritte  Theil  aller  Versstellen  war,  in  denen  Hochton 
und  Vershebung  im  Widerspruch  stand,  und  dass  dieses  Ver- 
hältniss von  Ennius  bis  Claudia  uns  im  Ganzen  dasselbe 
geblieben  ist.     Im  Griechischen  Hexameter  hingegen  finde! 


—     417     — 

durchschnittlich  in  zwei  Fünfteln  aller  Versstellen  keine  Ueber- 
einstimnmng  zwischen  Hochton  und  Vershebung  statt  {vgl.  IL  V, 
1 — 30.   X;  1^ — 30.    Odyss.  XV,  1—30.   1,  1—30  u.  ct.). 

Demnach  stellt  sich  als  Ergebniss  dieser  ganzen  statistischen 
Untersuchung  heraus,  dass  ein  allmähliches  Weitergreifen 
des  Zwiespaltes  zwischen  H o c h t o n  und  Vershebung  in  den 
besprochenen  Versarten,  wie  Ritschi  annimmt,  nicht  stattge- 
funden hat;  dass  vielmehr  im  Geg entheil  der  lambische 
Senar  im  Verlauf  der  Zeit  das  Zusammenfallen  der  beiden  Vers- 
factoren immer  häufiger  zeigt,  bis  es  in  der  Volksdichtung 
der  späteren  Zeit  zur  Regel  wird,  dass  ebenso  im  Trochäi- 
schen Septenar  dieser  Einklang  immer  weiter  greift,  bis 
endlich  der  H o c h  t o n  in  der  s p ä t e n  Volksdichtung  die  Vers- 
hebung unbedingt  an  sich  bindet  in  dein  Zeitalter,  wo  das 
Bewusstsein  von  der  Tondauer  der  Silben  in  der  Sprache 
erlosch. 

Somit  erweisen  sich  auch  die  drei  E  nt wie kelungss  tufen 
der  Lateinischen  Verskunsl ,  die  Ritschi  für  dies  Verhältniss  des 
Hochtones  zur  Vershebung  annimmt,  als  unbegründet,  und  die 
Frage  stellt  sich  nun  so,  dass  entweder  die  späteren  Dichter 
mehr  den  Einklang  zwischen  Hochton  und  Vershebung  gesucht 
haben,  als  die  früheren,  oder  dass  beide  das  überhaupt  nie- 
mals beabsichtigt  haben. 


B.     Hochton   und    Vershebung 

durch 

Ton länge 

gebunden. 

Es  ist  nun  die  zweite  von  den  oben  gestellten  Fragen  zu 
erörtern,  ob  bei  den  älteren  Lateinischen  Dichtern  wirklich 
ein  bewusstes  Streben  wahrnehmbar  ist,  Hochton  und 
Vershebung  in  Einklang  zu  bringen,  oder  ob  ein  anderer 
Grund  vorhanden  war,  weshalb  sie  selbst  gegen  ihren  Willen 
d i e s e n  E i n k  1  a n  g  nicht  vermeiden  konnten.  Dazu. werden 
insbesondere  der  volksthiimliche  Saturnische  Vers,  der  lam- 
bische Senar,  der  Trochäische  Septenar  und  Qctonar 
und  der  Hexameter  einer  Prüfung  unterzogen  werden. 

CORSSEN  II.  97 


—     418     — 

Hier  ist  zunächst  der  Saturnische  Vers  für  die  vorliegende 
Frage  ins  Auge  zu  fassen. 

Es  ist  bekannt,  dass  zu  dem  überlieferten  Schema  des  Satur- 
nischen Verses: 

Dabunt  malum  Metelli  —  Naevio  poetae  — 
cDabuntmalumMetelli' —  clauda  pars  dimetri 
Post  cNaevio  Poetae'  — ■  tres  vides  trochaeos 
(Tereni.  Maur.  p.  2439)  nach  dem  Zeugniss  der  Grammatiker  viele 
Saturnischen  Verse  der  älteren  Dichter  nicht  stimmen  wollten. 
Die  neuere  Forschung  ist  bemüht  gewesen,  die  kürzeren  Saturnier, 
die  auf  uns  gekommen  sind,  dem  Schema  anzupassen.  0.  Müller 
stellte  zuerst  die  Ansicht  auf,  dass  in  diesem  Altromischen  Verse 
wie  in  der  Nibel  ungenstrophe  Versseri kungen  unter- 
drückt werden  könnten,  und  zwar  alle  mit  Ausnahme  der 
letzten,  besonders  häufig  aber  die  vorletzte  (Suppl.  annot. 
Fest.  p.  396).  Die  Hauptsache  dieser  Ansicht,  dass  gewisse  Vers- 
senkungen ausfallen  konnten,  hat  allgemeine  Anerkennung  gefun- 
den, nur  darüber  war  man  zweifelhaft,  welche  Verssenkungen  das 
waren.  Einerseits  wurde  die  Ansieht  aufgestellt  [Verf.  Origg. 
poes.  Born.  p.  195/'.),  dass  im  Saturnier  die  erste,  mittlere  und 
1  etzte  Verssenkung  wegfallen  konnte,  wie  im  Pentameter  die 
mit  leiste  und  die  letzte  Thesis  ausgefallen  ist.  Mit  sc  hl  hingegen 
(Tit.  Mummian. p.  1  f.  Rh.  Mus.  IX,  3  f.  Inscr.  col.  Bostr.  J hielt. 
/>.  20  f.  Poests  Sctturniae  spicüegium .  j>.  1  f.)  ist  der  Ansicht,  dass 
die  erste,  mittlere  und  letzte  Vershebung  gerade  immer  er- 
halten bleiben  mussten,  hingegen  von  den  übrigen  Vershebun- 
gen in  jedem  Halbverse  eine  wegfallen  konnte.  In  neuster 
Zeit  haben  sich  Weil  und  Benloew  gegen  die  Ritschfsche  Ansicht 
erklärt,  und  insofern  der  entgegengesetzten  beigepflichtet,  als  sie 
den  Ausfall  der  ersten  und  mittleren  Verssenkung  zugehen 
(Acc.  Laf.  />.  95);  aber  diesen  Gelehrten  erschein!  es  glaublieh,  dass 
es  auch  Saturnische  Verse  mit  nur  fünf  Vershebungen  gege- 
ben habe.  Ein  sicherer,  strenger,  wissenschaftlicher  Beweis  ist  in 
der  That  für  keine  dieser  Ansieht en  geführt  wurden,  er  wird  sieh 
auch  schwer  führen  lassen,  solange  nicht  ein  glücklicher  Fund  uns 
in  Besitz  eines  längeren  Stückes  aus  einer  Dichtung  in  Saturni- 
schem Versmaasse  setzt*).     Aus  diesem   Grunde   wird    dabei1  diese 

*)  Kür  seine  Ansicht  sagt  «lies  Ritschi  selbst,    Poes.  Saturn,  spicileg. 


-     419    — 

Frage  nach  dem  Ausfall  der  Thesen  im  Saturnier  als  eine  offene 
aus  dein  Spiele  gelassen.  Um  zur  Entscheidung  dariiher  zu  gelan- 
gen ,  oh  im  S  a  t  u  rn  i  s  c h  e  n  Verse  der  Einklang  zwischen  H o  c h  - 
ton  und  Vershebung  mit  Bevvusstsein  gesucht  sei  oder  nicht, 
genügt  die  Betrachtung  derjenigen  Saturnier,  die  mit  dem  von  den 
alten  Grammatikern  überlieferten  Schema  üherein- 
s  t  i  mm  en.  Es  folgt  also  hier  zunächst  eine  Anzahl  derartiger  Verse : 
1,  L  Scip.  B: 

Gnaivöd  palre  prognätus  fortis  vir  sapiensque 
/.  Scip.  B.  f: 

Hone  oinom  ploirume  consentiunt  K(omai) 

Consöl,  censör,  aidilis  hie  fuet  a  (päd  vos) 
/.  Scip.  Cn.  f.  Cn.  n  : 

Quoiei  vita  defecit ,  nön  hon6s,  honöre 

Is  hie  situs,  qui  nünquam  victus  est  virlute 


p.  1:  breviter  quae  leges  essent  versus  Saturnii,  sign  if  i  c  a  - 
bamus  potius  quam  d  e  mons  trabamus,  wie  auch  0.  Ribbeck,  der 
jener  Ansicht  folgt  (N.  Jahrb.  77,  119  f.).  So  wohlgelungen  auch  die 
Wiederherstellungen  von  Sarurniern  nach  R's  Schema  zum  Theil  er- 
scheinen (vgl.  Rilschl ,  aa.  ().  Ribb.  a.  0.  Valtlen,  Cn.  Naevi  de  hello  Pu- 
nico  reliq.  p.  8  /*.),  so  kann  dieses  Gelingen  an  sich  doch  nicht  als  Be- 
weis gelten,  einmal  weil  dieselben  alten  Sprach reste  sich  auch 
in  die  anderen  drei  oben  angeführten  Schemen  des  Saturnier  nicht 
schwer  einfügen  lassen,  zweitens,  weil  sich  auch  prosaische  Stücke 
Lateinischer  Schriftsteller,  wie  sich  jeder  durch  Versuche  überzeugen 
kann,  leicht  R's  Schema  anpassen  lassen,  drittens  weil  bei  Livius 
und  anderen  Römischen  Schriftstellern  der  Text  älterer 
sprachlicher  Urkunden,  für  die  man  Saturnisches  Versmass  an- 
genommen hat,  zu  ungenau  wiedergegeben  ist,  als  dass  die  metri- 
schen Wiederherstellungen  derselben  mehr  als  höchstens  eine  Wahr- 
scheinlichkeit für  sich  gewinnen  könnten  {Rilschl.  Col.  rosiv.  p.  19:  sat 
pro  b  abiliter ,  nisi  fallor  animi,  concinnari  possint.).  Es 
wäre  sehr  wünschenswerth,  wenn  diese  Bedenken,  die  hier  nur  aus- 
gesprochen sind,  um  darzulegen,  weshalb  die  vorliegende  Frage  in  die- 
ser Untersuchung  als  eine  offene  behandelt  ist,  durch  einen  strengen  und 
vollständigen  Beweis  beseitigt  wurden.  Die  brennende  Frage  nach  der 
Bedeutung  des  Wortes  carmen,  (Rilschl.  Poes.  Saturn,  rel.  p.  4  /'. 
//.  Dünlzer,  Zeitschr.  f.  d.  Gymnas.  W.  Mülzell.  1857.  S.  1  f.  0.  Ribbech 
N.  Jahrb.  77,  201  f.),  die  für  die  Begründung  der  Ritschisehen  Ansicht 
vom  Saturnier  von  Wichtigkeit  ist,  kann  ebenfalls  für  die  hier  zu  füh- 
rende Untersuchung  füglich  aus  dem  Spiele  bleiben,  indem  ein  Eingehen 
auf  dieselbe  für  eine  andere  Gelegenheit  vorbehalten  bleibt. 

27* 


__     420     — 

i.  Scip.  P.  f: 

Quei  äpicem  iiisigne  Diälis  llaminis  gessistei 

Mors  perfecit  tua ,  ut  essent  ömnia  brevia : 

Honös  Lama  virlüsque  glöria  atque  Ingenium 

Quibüs  sei  in  longa  Iicuisset  tibe  ütier  vila 

Facile  faeteis  superases  glöriam  maiörum 
Epigr.  Sor.  Ritsch!,  Mon.  epigr.  tr.  p.  14: 

Quod  rc  suä  d(if)feidens  ;isper(e)  afleicta 

Parens  timens  heie  vövit,  voto  hoc  solüt(o). 

(De)cumä  facta  poloricta  leibereis  lube(ntcs) 
t.  vi.  App.  Rh.  Mus.  VIII,  288: 

Hospcs  gratum  est,  quom  apnd  meas  restitislei  seedes. 

Bene  rem  geras  et  Valens,  dörmiäs  sine  quüra 
Liv.  Andrem.  Gell.  XVIII,  9: 

Virum  mihi  Cameiia  insece  versuhim. 
Prise.  VI,  42.  II: 

Sancta  pner  Satürni  filia  regina. 
Gell.  VI,  7,  11: 

Ibi'demque  vir  sümmus  ädprimüs  Patricoles 
Prisc.Vl,  17.  H: 

Carnis  vinumque,  quod  libäbat  anclabatur 
Naev.  bell.  Pun.  Vahl: 

v.     1  :  Novem  Iovis  concordes  filiae  sorörcs. 
8:  Noctü  Troiäd  exibanl  cäpitibtis  opertis. 

14:  Scncx  frelüs  pietätei  deum  ädlocütus  snmini. 

15:  Deüm  regis  f nitre  m  Neptanum  regnatoiem. 

18:  Ferünt  pulcräs  cretmas  aüreäs  lepfsUs. 

19:  Blande  61  docte*  perennial  Aeneäs  quo  päcto. 

20:   lamque  eins  meutern  Fortuna  icceral  quittem. 

27:  Manüsque  siisum  ad  caelum  süstulit  suas  rex. 

32.  Simul  atroefa  porricerent  6xta  ministrat6res. 

36^:  Sescque  <i  perire  inävolünl  ibidem. 

37 :  Quam  cum  stuprti  redfre  ad  suös  populäris. 

38:   Sin  illos  deseranl  l'orlissimios  \ iroriim. 

40:  Transit  Melitäm  Roman us  Insulam  integram  ömnem. 

49:  Superbiter  contemplhn  cönterit  legiones. 

()(>:  Per  liquidum  märe  sudanles  ätque  eünt  sed6ntes. 

63:  Sinnil  aliüs  aliünde  rumitänt  inier  se. 

64:  Plerique  minirs  subigüntur  sub  suüm  iudicium. 


—     421      — 

Gell.  1 ,  24,  2.  II: 

Immörtales  mortäles  si  foret  fas  llere, 

Flerent  divae  Cam6nae  Na6vium  poetam, 

Itaque  pöstquam  est  örchi  träditüs  thesauro 

Obliti  sunt  Romae  loquier  Latina  lingua. 
Vgl.  Bitschi,  Rhein.  Mus.  IX,  1,  10,  II  f.*). 

Durch  Nachzählen  kann  man  sich  überzeugen,  dass  in  diesen 
Versen  der  vierte  bis  dritte  Theil  aller  Vershebungen  mit  dem 
Hochton  nicht  zusammenfällt,  während  bei  Plautus  indem 
lam  bis  eben  Senar,  der  eine  gleiche  Anzahl  von  Vershebungen 
hat,  wie  der  Salurnische  Vers,  dieser  Widerspruch  nur  in  einem 
Fünftel  aller  Versstellen  stattfand.  Dieses  Zahlenverhältniss 
spricht  entschieden  gegen  die  Ritschl'sche  Ansicht,  wenn  man  be- 
denkt, dass  die  ganze  zweite  Hälfte  des  Saturniers  aus  Tro- 
chäen bestand,  dass  bei  der  grossen  Anzahl  von  Trochäischen 
oder  Trochäisch  auslautenden  Wortern  im  Lateinischen  Verse,  von 
der  weiter  unten  noch  die  Rede  sein  wird,  offenbar  die  lange  hoch- 
tonige  Silbe  Trochäischer  oder  Trochäisch  auslautender  Wortformen 
mit  der  langen  in  der  Vershebung  stehenden  Silbe  des  Trochäischen 
Maasses,  hingegen  die  letzte  lieftonige  Silbe  jener  Wortformen  viel- 
fach von  selbst  mit  der  kurzen  Silbe  der  Verssenkung  des  Trochäi- 
schen Maasses  zusammenfallen  musste.  Daher  steht  denn  in  den 
vorstehenden  Saturnischen  Versen  Hochton  und  Vershebung  in  der 
ersten  I ambischen  Vershälfte  vier  bis  fünfmal  so  oft 
im  Widerspruch  als  in  der  zweiten  Trochäischen  Vers- 
hälfte. Da  im  Jambischen  Senar  auch  die  zweite  Vershälfle  Iam- 
bisch  ist,  da  gerade  in  dieser  der  m<  iste  Widerstreit  zwischen 
Vershebung  und  Hochtton  stattfindet  und  stattfinden  musste,  so 
musste  offenbar  im  Safurnier  dieser  Zwiespalt  viel  seltener  vor- 
kommen als  im  Jambischen  Senar,  wenn  er  in  der  ersten  Hälfte 
des  Saturniers  nicht  viel  öfter  vorkäme  als  in  der  ersten  Hälfte  des 
Jambischen  Trimeters.  In  zwei  Fünfteln  von  allen  Stellen  der 
ersten  Vershälfte  trifft  Hochton  und  Vershebung  der  oben  ange- 
führten Saturnier  n i  ch  t  z  u s  a  m  m  e  n.  Wenn  jene  volkstümlichen 
Dichter  wirklich  nach  dem  Einklang  beider  Elemente  strebten,  so 
konnten  sie  den  vollständig  erreichen,  wenn  sie  den  Vers  mit  einem 

*)  Ueber  die  Messungen  vitä,  tuä,  famä,  Sanctä,  itäque, 
quo,  insece  ist  im  Anschnitt  über  die  Vokalkürzung  die  Rede  ge- 
wesen. 


—     422    — 

einsilbigen  oder  dreisilbigen  Wort  anfingen  oder  mit  einem  voka- 
lisch auslautenden  zweisilbigen  vor  vokaliscbem  Anlaut  des  folgen- 
den Wortes.  Warum  thaten  sie  das  nicht?  Warum  fingen  sie  so 
viele  Verse  mit  zwei  zweisilbigen  Iambischen  oder  Spon- 
d eischen  Wortformen  an?  Man  könnte  sagen,  um  mehr  Mannig- 
faltigkeit in  den  Vers  zu  bringen.  Aber  warum  hielten  sie  sich  nicht 
wenigstens  in  den  Grenzen  des  Plautus,  dessen  erste  Vershälften 
doch  wahrlich  genug  Mannigfaltigkeit  und  Abwechselung  bringen? 
Man  beachte  folgende  Versanfänge  von  Saturniern: 

Consöl,  censör,  aidilis  .  . 

Quoiei  vita  defecit .  . 

Hoc  est,  factum  monumentum  .  . 

Immortales  mortales  .  . 

Flerent  divae  Camenae  . . 

Mit  einer  leichten  Umstellung  konnten  sie  ja  den  Widerspruch 
zwischen  Vershebung  und  Hochton  beseitigen,  wenn  sie  sehrieben: 

Aidilis  censor,  cönsol  .  .  Mortales  immortales  . . 

Defecit  quoiei  vita  . .  Camenae  divae  flerent . . 

Hoc  est  monumentum  factum  . . 

Es  ist  doch  unglaublich,  dass  Dichter,  die  nach  dem  Einklang 
zwischen  Hochton  und  Vershebung  bewusst  gestrebt  haben  sollen, 
das  nicht  gesehen  hätten;  es  ist  ebenso  unglaublich,  dass  sie  so 
gänzlich  ohne  Noth,  man  möchte  sagen  muthwülig  von  einem 
Princip  abfielen,  das  sie  angeblich  erstrebten.  .Nein,  sie 
haben  jenes  Pr  in  cip  gar  nicbl  gekannt,  die  Dichter  der  Sa- 
lumischen  Verse  haben  gar  nicht  danach  getrachtet  Vershebung 
und  Hochton  des  Wortes  in  Einklang  zu  bringen. 

Wenn  nun  in  dem  ältesten  volkstümlichen  Versmaaase  ein 
solches  der  deutschen  Verskunst  ähnliches  Princip  nicht  herrschte, 
so  ist  die  Annahme,  dass  PlautUS  und  die  anderen  alteren  Sce- 
nischen  Dichter,  soviel  es  die  Quantität  und  das  Versmaass  er- 
laubte, namentlich  im  Iambischen  Senar  und  im  Tinchäisclieii  Sep- 
lenar,  diesem  Principe  gehuldigt  hätten,  in  der  Thal  der  Boden 
unler  den  Füssen  weggezogen.  In  der  volkstümlichen 
vaterländischen  Yerskunsl  fanden  sie  es  nicht,  im  Vers- 
bau ihrer  G  f iechi s  c  h  e  n  Afuste  r  a u  c b  n  ichl ;  w  ob e  r  sollten 
jene  Dichter  plötzlich  darauf  kommen,  einem  neuen  Princip 
nachzustreben^  das  ihnen  zu  den  vielen  Schwierigkeiten,  die  sie  bei 
Nachahmung  ihrer  Griechischen  Vorbilder  zu   überwinden  ballen. 


—     423     — 

noch  neue  bereitete,  dessen  Durchführung  also  von  vornher- 
ein eine  Unmöglichkeit  war.   Um  ein  so  unerklärliches  Beginnen 
hei  ihnen  voraussetzen  zu  dürfen,  dazu  gehörte  der  Nachweis   des 
Zusammenfalls  von  Hochion  und  Vershebung  an  solchen   Stel- 
len des  Verses,  wo  kein  zwingender  Grund  dazu  vorhanden 
war,  wo  man  wirklich  eine  Absicht,  eine  freie  Selbstbestimmung 
des  Dichters  dazu  wahrnehmen  könnte.    Nun  aber  tritt  ein  re- 
gelmässiges oder  häufig  wiederkehrendes  Zusammenfallen  jener  bei- 
den Elemente  bei  den  älteren  Dichtern  nur  hervor  in  der  Mitte 
Jambischer   und   Trochäischer  Verse   unmittelbar  vor  und 
nach  der  gewöhnlichen  C a es u r  derselben ,  wie  schon  B  e  n  1 1  e  y 
im  Wesentlichen  zugestanden  hat,   und  grade  hier   lässt  sich  der 
augenfällige  Beweis  führen,  wie  dies  weiter  unten  geschehen  wird, 
dass  jenes   Zusammenstimmen    wegen   des   Beton ungsge- 
setzes  der  Lateinischen  Sprache  ganz  unvermeidlich  erfolgen 
musste.    Hingegen  tritt  der  Widerstreit  zwischen  Hochton  und 
Vershebimg  in  [ambischen  und  Trochäischen  Versen  vielfach  grell 
und  schneidend  hervor,  auch  wo  ein  zwingender  Grund  dazu 
gar  nicht  ersichtlich  ist.     Man  überblicke  einmal  folgende  Aus- 
gänge Iambischer  Senare  bei  Plautus: 
Amph.    33:  öratam  ä  vobis  volö. 
46:  fuit  patri  meö. 
47:  bonis  faceret  boni. 
CapL      99:  älienum  lngeniö  suö. 
MM.      491:  habet  rectäin  viäm. 

492 :  malö  magno  fuät. 
Asin.      3  t :  lapis  lapidem  terit. 
Rud.     884:  agö:  semel  bibo. 
Pseud.  784:  malüm  metuö  miser. 

785 :  manüs  gravior  siet. 
Stich.    156:  satür  nunquäm  fui. 
163:  utero  gestö  famem. 
Men.       19:  uti  mater  suä. 

104:  dies  multos  fuit. 
Mosl.      50  :  tuüm  maneät  malüm. 

529  :  senex  inagnüni  malüm. 
Pers.     344:  pater  verum  tarnen. 
361  :  malüm  servö  suö. 
385:  hominüm  mores  vides. 


—     424    — 

Merc.        7:.  meüs  misit  Rhodum. 
780:  pcdes  illi  seni. 
Man  vergleiche   hierzu   die  Ausgänge   folgender  Trochäischer 
Septenare : 

Amph.  277:  patre  morem  meö. 

278:  datäm  pulehre  locäs. 
CapL    254  :  circum  moeniti  sumus. 
255:  cavet  quom  etiam  cavet. 
269 :  admutilabit  probe. 
Rud.     720:  digitulö  minumö  modo. 

745:  eränt  domino  dedi. 
Men.   1094:  idem  sperö  fore. 

1138:  surrupui  dudüin  domo. 
Most.  1051  :  forö  quantüm  polest. 
Pers.    578:  volö  quantüm  potest. 
579:  vendiderö  pretiö  suö. 
601 :  velis:  etsi  mihi. 
Merc.   428:  illast  cmcrein  sibi. 
414:  maläm  form;!  mala. 
420:  müliebre  inferri  domo. 
437  :  minäs  soptom  mihi. 
Es  ist  nachgewiesen,  dass  im  lambischen  Senar  des  Plautus 
durchschnittlich  der  fünfte,  im  Trochäischen  Tetrameier  der  sechste 
bis  siebente  Theil  aller  Vershebungen  mit  dem  Hochton  des  Wortes 
nicht  zusammenfiel.    Der  letzte  Versfuss  ist  nach  Bentley's  An- 
sicht Schuld,  dass  nicht  Überall  der  Einklang  beider  statt- 
fand.   Aber   das  erklärt   doch    niehl    genügend,    wie  Plautus,    wenn 
wirklich  das  Streben  nach  demselben  der  Dichtung  seiner  Zeil  ('igen 
war.  es  wagen  konnte,   in  den   drei   letzten  Verstössen  des  lambi- 
schen Senars   und  des  Trochäischen  Sepienars  dreimal  hinter- 
einander, wie  die  obigen   Beispiele  Beigen.   Hocbton  und  Vers- 
hebung in  den  schneidendsten  Gegensatz  zu  bringen,  Jambi- 
sche   Seiiare  und  Troehäisebe  Septenare  wie    die    schon    oben  an- 
geführten zu  bilden,  in  denen  je  viermal  Hochton  und  Vershebung 
im  Widerstreit  stand.    Der  Umstand,  dass  jene  beiden  Versarten 
mit  einer  Vershebung  schliessen,   kann  wohl  den  Widerstreit  zwi- 
schen  beiden    Elementen    im    letzten  Verstösse    nach  Bentley's 
Lehre  rechtferl  igen,  allenfalls  im  vorletzten  ausnahmsweise  ent- 
schuldigen, aber  nimmermehr  einen  Dichter,  dem  man  doch  Le- 


—     425     — 

bendigkeit  und  Gewandtheit  des  Geistes  nicht  absprechen  kann,  wenn 
er  wirklich  Uebereinstimmung  zwischen  Hochton  und  Vershebung 
so  viel  als  möglich  beabsichtigte,  dazu  zwingen  im  Versschluss 
durch  drei  zweisilbige  Wort  formen  hintereinander,  in 
denen  die  Vershebung  auf  die  tieftonige  Endsilbe  fiel,  eben  dem 
Princip,  dem  er  nachstrebte,  geradezu  ins  Gesicht  zu 
schlagen.  Darf  man  behaupten,  Plautus  habe  das  aus  Vers- 
noth  gethan,  das  heisst  ihm  eine  solche  Unbehölfenheit  und  Be- 
schränktheit unterstellen,  dass  er  die  leichten  und  einfachen  Mittel 
nicht  sah,  durch  welche  er  solche  Versausgänge,  wenn  er  es  irgend 
wollte,  vermeiden  konnte?  Oder  will  man  den  Dichter  der  Fahr- 
lässigkeit und  Leichtfertigkeit  zeihen?  Schwerlich  wird  sich 
irgend  ein  Kenner  des  Plautus  zu  solchen  Beschuldigungen  ent- 
schliessen  können,  zumal  nach  den  Ritsch  1 'sehen  Forschungen 
über  die  Metrik  des  Dichters.  Wie  man  aber  einem  Dichter,  der 
ohne  zwingende  Noth  im  vorletzten  und  drittletzten 
Versfuss  sein  angebliches  Princip  der  Uebereinstimmung  zwischen 
Hochton  und  Vershebung  so  arg  durchlöchert  und  g  e  h  r  o  c  h  e  n  hat, 
strenges  Festhalten  an  demselben  an  anderen  Vers  stell  en 
zutrauen  soll,  ist  nicht  abzusehen. 

Die  Nachbildung  Griechischer  Versmaasse  bat  auch  im  Deut- 
schen zu  Missgriffen  und  Verstössen  gegen  das  Betonungsgesetz  un- 
serer Muttersprache  geführt,  aber  auch  in  der  schlechtesten  deut- 
schen Nachbildung  oder  Lebersetzung  Griechischer  Jamben  und 
und  Trochäen  sind  doch  solche  Versausgänge,  wo  dreimal  hinter- 
einander Hochton  und  Vershebung  im  Kampf  mit  einander  läge,  in 
der  That  unerhört.  Wahrlich  auch  Plautus  würde  dergleichen  ha- 
ben meiden  können,  wenn  ihm  ein  Stieben  nach  Finklang  zwischen 
jenen  beiden  Elementen  im  Bewusslsein  gewesen  wäre. 

Das  lehrt  auch  die  Betrachtung  des  Trochäischen  Octo- 
nar  s  bei  Plautus.  In  diesem  Verse  kommen  durchschnittlich  auf 
acht  Verse  nur  sieben  Hebungen,  die  nicht  mit  dem  Hoch- 
ton der  Wörter  zusammenfallen  {vgl.  Capl.  208.  209.  240. 
241.  928.  929.  Rud.  185—189.  220  —  228.  920  —  937. 
956  —  962.  Trin.  252.  264.  265.  287.  820  —  841.  Bacch. 
979  —  985.  989  —  996.  Psmd,  133  — 137.).  Es  ist  schon  darauf 
hingewiesen,  wird  aber  noch  genauer  in  Betracht  gezogen  werden, 
dass  eine  grosse  Anzahl  Lateinischer  Wörter  Trochäi- 
sche  Wortfüsse  bildeten  oder  auf  solche  ausgingen,  mit  dem 


—     426     — 

Hochton  auf  der  vorletzten  Silbe.  Wurden  diese  Wortformen  in 
das  Trochäische  Versmaass  gestellt,  so  fiel  von  selbst  die 
lange  Silbe  des  Wortes  und  die  Länge  des  Trochäus,  die 
kurze  Endsilbe  des  Wortes  und  die  Kürze  des  Trochäus 
zusammen,  also  auch  Vershebung  und  Hochton  der  Längen 
wie  Verssenkung  und  Tieftonigkeit  der  Kürzen.  Da  der 
Octonar  auf  eine  Vers  senk  ung  ausgeht,  so  liegt  in  dem  letz- 
ten Versfusse  kein  Grund  der  Versnoth,  wie  ihn  Bentley  fin- 
den Iambischen  Senar  und  den  Trochäischen  Septenar  aufstellt, 
weshalb  Plautus  von  seinem  angeblichen  Prineip  des  mögliebsten 
Einklanges  zwischen  Hochton  und  Vershebung  abweichen 
sollte,  und  es  war  somit  für  diesen  Vers  überhaupt  kein 
derartiger  Grund  vorhanden.  Und  doch  finden  sich  Trochäi- 
sche Octonare ,  in  denen  dreimal,  ja  viermal  der  Hochton 
des  Wortes  und  die  Vershebimg  in  Zwiespalt  mit  einander 
sind;  so: 
Bud.  187: 

Hoc  deo  compläciluinst ,   med    hoc   örnalu  ornatam  in  re- 

giones. 
a.  0.  932: 

Post  animi  causa  mihi  navem  fäciam  atque  imilabör  Strato- 

nicani. 
a.  0.  934: 

Oppidum  magmim  commoenibo  :  ei  ego  urbi  Gripo  Indam 

Domen. 
a.  0.  959: 

'Indicium    dominö    non    faeiam  ,    is    mihi    nihil    etiäm    le- 

spondet. 
7/7//.  821  : 

Lantus,  lubens  Iaudes  ago  gratas  grätisque  haben  ei  lücli 

bttf  salsis. 
Es  linden  sich  Ausgänge  des  Trochäischen  Octonara  wie  : 
Rud.  924  :  ut  si  velim  sim. 
Bacch.  984:  hos  dedit  mi. 
Pseud.  145:  varia  uti  eint. 
Pseud.  l()(i:  in  aqua  iaceänl  satin  atides. 
Wenn  Henilevs  Ansicht   richtig  wäre,   so    wurde    Planius   in 
diesen  Versen  trotz  eines  Yersniaasse> ,  das  /u  dem  Tonfall  der  La- 
teinischen  Worte   aufs    beste  passle.    SO    dass   un-esuehl   lloeliloii 


_     427     — 

und  Vershebung  auf  der  vorletzten  langen  Silbe  zusammenfielen, 
ohne  allen  er  sieb  t  liehen  Grund  von  seinem  Princip 
abgewichen  sein.  Will  man  aber  hier  den  Satz  zur  Geltung 
bringen,  dass  die  Scenischen  Dichter  in  den  Versmaassen  der 
Cantica  sich  grössere  Freiheiten  erlaubt  haben  als  in  den 
Versen  des  Dialogs,  so  müsste  man  erwarten,  dass  Plautus  im 
Trochäischen  Octonar,  der  Fessel  ledig,  die  ihm  die  schliessende 
Vershebung  des  Septenars  anlegte,  nun  seiner  freien  Selbst- 
bestimmung hätte  den  Zügel  schiessen  lassen  und,  wie  er  es 
angeblich  liebte  und  erstrebte,  und  wie  es  sich  in  diesem  Vers- 
mass  von  selbst  darbot,  immer  den  Hochton  mit  der  Vers- 
hebung in  lieb  er  ein  Stimmung  gesetzt  hätte.  Man  sollte  mei- 
nen, dass  Plautus,  wenn  er  das  beabsichtigte,  diesen  Vers, 
der  ihm  zur  Durchführung  seiner  Absiebt  ganz  freien  Spielraum 
bot,  vor  allen  anderen  bevorzugt  und  in  seinen  Comödien  an- 
gewandt haben  würde.  Der  Dichter  hat  aber  nichts  von  alle  dem 
gethan. 

Die  Betrachtung  des  lambischen  Senars,  des  Trochäi- 
schen Septenars  und  Octonar s  führt  also  zu  dem  Schluss, 
dass  bei  Plautus  und  den  übrigen  Scenischen  Dichtern  älterer  Zeit 
ein  bewusstes  Streben  nach  Einklang  zwischen  Vershebung 
und  Hochton  nirgends  erkennbar  oder  nachweislich  ist,  so 
wenig  wie  in  den  volksthümlichen  S  a  t  u  r  n  i  s  c h  e  n  Versen. 

Noch  bleibt  übrig,  einen  Blick  zu  werfen  auf  den  Bau  des  La- 
teinischen Hexameters,  weil  die  Thatsache,  dass  Hochton  und 
Vershebung  in  den  beiden  letzten  Versfüssen  desselben  ge- 
wöhnlich zusammenfallen,  so  erklärt  worden  ist,  als  sei  die- 
ser Einklang  bei  Böinischen  Dichtern  im  Gegensatz  zu  den  Griechi- 
schen bewusst  erstrebt  worden. 

Um  sich  zu  überzeugen,  wie  wenig  der  Schöpfer  des  Latei- 
nischen Hexameters  Ennius  den  Widerspruch  von  Hochton 
und  Vershebung  auch  in  den  beiden  letzten  Versfüssen  scheute, 
vergleiche  man  folgende  Versschlüsse  aus  den  Bruchstücken  der 
Annalei) : 

Vahl.  p.  23  :  mortales  perhibe-  181:  contra  carinantes. 

bant.  152:  gentes  opulentae. 

44  :  pedem  stabilibat.  200  :  pretiüm  dederitis. 

56 :  aerumnas  tetuli-  223  :  quisquäm  supera- 

sti.  rat. 


-      128 


Vahi.p.  259:  filo  gracilento. 
486 :  togä  supereseit. 
414:  partim  requies- 
cunt. 
v.  29:  manüs  vi. 
63:  Venus  Mars. 
93 :  foräs  lux. 
97:  locis  dant. 
102:  decet  rem. 
103:  haböt  sas. 
109:  soliti  sunt. 
160:  equös  vi. 
168:  opüm  vi. 
171 :  iuvät  res. 
179:  hominum  rex. 
183:  homö  rex. 
203:  feratFors. 
207:  magnis  dis. 
211  :  refert  rem. 
221 :  alii  rem. 
261  :  ibei  sos. 


378 :  confertä  rate  pul 

sum. 
519:  simül  cata  dicta. 

v.  280:  virüm  vis. 
313:  restituit  rem. 
358:  solent  sos. 
361 :  uti  des. 
374:  meüm  cor. 
404:  opüm  vi. 
406:  hiemps  fit. 
410:  potis  sunt. 
417:  intereä  fax. 
451:  laetificüm  gau. 
495 :  loqui  nie. 
541  :  sublatae  sunt. 
546:  aqua6  vis. 
561  :  altisonum  cael. 
563 :  siuim   do. 
566.  pater  rex. 
586:  comminuil  brum. 


-*V 


272:  geritür  res. 

Wenn  in  den  etwa  sechshundert  Versen  oder  Bruchstücken 
von  Versen  der  Annalen,  die  auf  uns  gekommen  sind,  der  Wider- 
streit zwischen  Hochton  und  Vershebung  so  häufig  erscheint  in 
den  beiden  letzten  Versfiissen  des  Hexameters,  so  kann  man  ermes- 
sen, wie  gross  die  Ansah]  s<»  gebildeter  Verse  in  den  vollständi- 
gen Annalen  des  Ennius  überhaupt  gewesen  sein  muss,  und 
nmss  darin  einen  Beweis  linden,  dass  Ennius  nicht  mit  Be- 
wusstsein  nach  dein  Einklang  zwischen  Hochton  und  Vershebung 
in  den  beiden  letzten  Versfiissen  des  Hexameters  gestrebt  habe. 

BeiLucrez  zeigt  sich  jener  Widerspruch  seltener,  aber 
doch  noch  immer  sehr  häufig;  so  in  folgenden  Versen  des  zweiten 
Ruches : 

11,   77:  aliae*  minuuntur, 
453:  facilis  quasi  aquarum, 
480:  figurarum  ratione, 
592:  ardent  sola  terrae, 
und  da  die  enklitische  Conjnnetion  -que,   wie  oben  L:</eiul  i>t ,  den 


—     420     - 


Hochton  des  Wortes  immer  auf  die  Silbe  unmittelbar  vor  sich  zieht, 
auch  in  folgenden  Versausgängen: 
II,  325:  tötaque  circum. 
500:  Meliboeaque  fulgens. 
594 :  arbüstaque  laeta. 
68  J  :  pleraqne  dona. 
714:  mültaque  caecis. 
770:  demptaque  quaedam. 
983:  ridereque  dictis. 
994:  arbüstaque  laeta. 
1 078 :  sölaque  crescat. 
J079:  permultaque  eodem. 
1 1 10*:  ältaque  tecta. 
1150:  etretaque  tellus. 
Lucr.  II,  57:  magis  quam. 


95 :  ames  est. 
123:  potest  res. 
185:  suä  vi. 
242 :  gerät  res. 
303 :  potest  vis. 
326 :  virüm  vir. 
378 :  manu  sunt. 
412:  organici  quae. 
416:  recens  est. 
437:  Veneris  res. 
526:  similes  sint. 


565 :  docet.  res. 

615:  inventi  sint. 

720;  dissimiles  sunt. 

757 :  principiis  est. 

791:  variis  ex. 

799:  proptereä  quod. 

820 :  pariter  sunt. 

835 :  proptereä  fit. 

892:  creänt  res. 

900 :  novä  re. 
1044:  loci  sit. 
1069 :  confieri  res. 


Eben  so  häufig  kommt  der  Widerstreit  des  Hochtones  und 
der  Vershebung  in  den  beiden  letzten  Verstössen  und  namentlich 
in  dem  letzten  auch  in  den  anderen  Büchern  des  Lucrez  voi\ 
Auch  dieser  Dichter  hat  den  Einklang  zwischen  beiden  Elemen- 
ten nicht  mit  Bewusstsein  erstrebt. 

Selten  findet  sich  jener  Widerstreit  in  den  Versschlüssen 
des  Vergib     So  im  zweiten  Buche  der  Aeneis  nur: 
Verg.Aen. {1,231 :   orändaque  di-  170:  dea6  mens, 

vae.  250:  Oceanö  nox. 

316:  iraque  mentem.  355 :  lupi  ceu. 

608  :  avölsaque  saxis.  648 :  hominüm  rex. 

721  :  subiectaque  colla. 


—     430     — 

Die  Seltenheit  dieser  und  ähnlicher  Verschlusse  hei  Vergil  und 
seinen  Zeitgenossen  und  Nachahmern  konnte  als  ein  Beweis  dafür 
angesehen  werden,  dass  bei  den  Dichtern  der  Augusteischen  Zeit 
ein  Streben  Hochton  und  Vershebung  in  den  beiden  letzten  Vers- 
stellen zusammenfallen  zu  lassen ,  wirklich  hervorgetreten  sei. 
Das  könnte  nur  der  Einwirkung  eines  volksth  um  liehen  Ele- 
mentes auf  den  Versbau  der  Kunstdichter  zugeschrieben  werden, 
das  allerdings  schon  zur  Augusteischen  Zeit  in  den  Trochäischen 
Versen  der  Soldatenliedchen,  von  denen  die  Rede  gewesen  ist  Hoch- 
ton und  Vershebung  viel  häufiger  vereint,  als  dies  in  den  Trochäi- 
schen Septenaren  des  Plautus  der  Fall  ist.  Aber  ein  solcher  Ein- 
fluss  muss  gänzlich  in  Abrede  gestellt  werden,  wenn  man  die 
Versschlüsse  in  Horaz's  Satiren  berücksichtigt,  tm  ersten  Buche 
derselben  kommen  folgende  Versausgänge  vor: 
Hör.  Seil.  I,  1,  89:  serväreque  amicos. 

2,  73:  pugnantiaque  istis. 
1,  39:  ignis  inare  fretum. 

3,  48:  fultüm  male  tales. 

4,  15:  nobis  locus  hora. 

5,  83:  somnüs  tarnen  aufert. 

6,  45:  libertiitö  patre  Datum. 
46:  libertinö  patre  Datum. 
84:  opprobriö  quoque  turpi. 

10,  58:  faetös  et  euntes. 
70:  versü  faciendo. 


1,  48: 

aeeipias  <|iiam. 

3,     9: 

velüt  qui. 

56 : 

eo  fit. 

L3: 

ii'i|M's  et. 

62: 

habeas  sis. 

30: 

eö  quod. 

81: 

habes  qui. 

32: 

meliör  vir. 

92: 

habeas  plus. 

56: 

probüs  quis. 

94: 

facias  quod. 

81: 

Iigurrierit  ins. 

2,  77: 

paeniteäl  te. 

121  : 

pares  res. 

97: 

ol'licient  res. 

124: 

s;i|iirns  est. 

100: 

tibi   rem. 

128: 

sapiens  (pii. 

107: 

similis:   Dam. 

4,  29: 

eüm  (pio. 

III: 

modüm  quem. 

11  : 

Uli   DOS. 

12(1: 

exieril  vir. 

57: 

eripiäs  si. 

UM: 

egomel  Dil. 

64: 

tibi  sil. 

3,     5: 

siii'im  ,   nun. 

70: 

meluäs  nie. 

—     431     — 

74:  mediö  qiii.  7,   13:  divideret  mors. 

103:  liberiüs  si.  19:  uti  nos. 

110:  pa  tri  am  rem.  33:  deös  te. 

112:  dissimilis  sis.  9,  19:  sequär  te. 

122:  faciäs  hoc.  38:  mtereäm  si. 

125:  malö  cum.  47:  dispereäm ,.  ni. 

141  :  auxiliö  qüae.  57:  hodie  si. 

5,  56:  equi  te.  02:  venis?  et. 
59:  faceres,  cum.  67:  loqui  te. 

102:  deus  id.  10,  15:  secät  res. 

6,  66:  velut  si.  72:  legi  sin t. 
98:  tuö,  quod.  78:  cruciet  quod. 

100:  feiet,  res.  89:  plaeeänt  spe. 

114:  domüm  nie. 

Diese  Beispiele  zeigen  zur  Geniige,  dass  ein  Bestreben, 
Widerstreit  zwischen  Hochion  und  Vershebung  zu  vermeiden, 
für  die  S  a  I  i r  e  n  bei  H o r a z  sicher  nicht  vorhanden  war. 
Nun  stand  aber  doch  gerade  die  Sprache  in  seinen  Satiren  der  Um- 
gangs- und  Volkssprache  nahe;  wäre  daher  von  Seiten  jener 
volkstümlichen  Dichtung,  wie  sie  in  den  Soldatenversen  und  ähn- 
lichen Spottliedern  sich  zeigte  ein  Einfluss  auf  die  Gestaltung  des 
kunstmassigen  Hexameters  fühlbar  gewesen,  so  hätte  sich  dieser 
gerade  in  der  Satire  des  Horaz  durch  häufigeres  Zusammen- 
fallen von  Vershebung  und  Hochton  bethätigen  müssen  als  bei 
Vergil,  dessen  Sprache  doch  der  Umgangs-  und  Volkssprache  fern 
stand. 

Auch  für  die  Thatsache,  dass  in  den  beiden  letzten  Vers- 
füssen  des  Hexameters  Hochton  und  Vershebung  gewöhnlich  zu- 
sammenfallen, kann  also  einbewusstes  Streben  nach  die- 
sem Ziel  bei  irgend  einem  Dichter  als  bestimmender  Grund  nicht 
angegeben  werden,  so  wenig  dieses  Streben  bei  irgend  einem  älteren 
oder  späteren  Romischen  Dichter  in  irgend  einem  Versmaass  nach- 
weisbar ist. 

Somit  muss  die  Untersuchung  von  der  negativen  Seite  zur 
positiven  übergehen  und  nachweisen ,  w o r i n  de n n  der  G r u n d 
lag,  dass  im  Lateinischen  Versbau  übe r h a u p t  H o c li t on 
u  n  (I  V  e  r  s  li  e  b  u  n  g  v  i  e  l  f  a  c  h  i  n  E  i  n  k  I  a  n  g  s  t  e  h  e  n  u  n  d  z  w  a  r 
viel  häufiger  als  i  m  G  r  i  e  c  h  i  s  c  h  e  n. 


—     432     — 

Um  diesen  Grund  zu  finden  sind  zwei  Punkte  scharf  ius  Auge 
zu   fassen: 

erstens,  ob  und   in  wie  fern  die  eigentümliche  Lateini- 
sche Worthetonung  in  ihrer   Begegnung   mit   den  metri- 
schen   und  rhythmischen  Tonlagen  der  lambi sehen,  Tro- 
c  h  ä  i  s  c  h  e  n  und  Daktylischen  Versmasse  das  häufigere 
Zusammenfallen  des  Hochtones    mit   der  Vershebung  im 
Lateinischen  Verse   als    im   Griechischen  nothwendig    und 
u  n  v e r m  e i  d  1  i  c h  be wirken  musste  ; 
zweitens,  ob  und  in  wie  fern  die  Cäsuren  nach   der  Vers- 
senkung   bei    der    eigen  th  um  liehen    Lateinischen 
Wortbetonung  jene  Uebcreinstim  mung    in  der  Mitte 
gewisser    Versarten    nothwendig    zur   Folge  haben   muss- 
ten, 
wie  dies  von  Ritter,  Boeckb,  Weil  und  Benloew  hervorgehoben  wor- 
den ist. 

Eine  statistische  Untersuchung  hat  oben  ergeben,  dass  im 
lambi  sehen  Tr  im  et.  er  des  Aristophanes  dorebschnittlich 
der  dritte  Theil,  im  lambi  sehen  Senar  der  alteren  Rö- 
mischen Komödie  nur  der  fünfte  bis  sechste  Theil  dvv  Vers- 
hebungen nicht  mit  dem  Hochton  zusammenfällt,  im  Troch ari- 
schen Tetram  et  er  des  Aristophanes  der  vierte  Theil,  im 
Trochäischen  Sepienar  der  Romischen  Sceni  sehen 
Dichter  nur  der  sechste  Ins  siebente  Theil,  im  Homeri- 
schen Hexameter  zwei  Fünftel,  im  Lateinischen  Hexa- 
meter der  vierte  bis  drille  Theil.  Daraus  gehl  hervor,  dass 
der  Grund  zu  dieser  grösseren  Uebereinstimmung  zwischen 
Hochton  und  Vershehung  nicht  in  der  besonderen  Eigentümlich- 
keit eines  dieser  Versmaasse  Hegt,  sondern  ein  allen  dreien 
gemeinsamer  sein  iniiss.  In  dem  Griechischen  Vorbilde, 
dem  die  Römischen  Dichter  nachbildeten,  lag  der  Grund  nicht. 
also  nuiss  er  in  der  Betonung  des  Lateinischen  Wortes  ge- 
legen  haben. 

Oben  ist  nachgewiesen,  dass  die  Tieftonigkeil  der  Endsilben 
und  die  Bindung  des  Hochtones  an  die  Tonlänge  der  vorletzten 
Silbe  das  Unterscheidende  der  Lateinischen  Beton ungs weise  von  der 
Griechischen  ist,  dass  in  jener  der  Hochton  viel  unbedingter  von 
der  Tondauer  beherrscht  wird  als  In  dieser. 


—     433     — 

Man  vergleiche  nun  die  aus  dcrjVerschiedenheit  der  Be- 
tonung entstandenen  Formen  der  Tonlage  zweisilbiger 
und  dreisilbiger  Worter  in  b  e  i  d  e  n  Sprachen. 

Zweisilbige  Wortformen  konnten  folgende  Formen  der  Ton- 
lage haben : 

Im  Griechischen :  Im  Lateinischen  : 


Dreisilbige  Wortformen  konnten  folgende  Formen  der  Ton- 


lage haben: 


Im  Griechischen :  Im  Lateinischen 


(  «  j.  - 

( -,  -  -  - 


Die   Griechische  Sprache  hatte  also    10  verschiedene 
Formen  der  Tonlage   zweisilbiger  Wörter,    die  Lateinische 

CORSSEN  II.  28 


—     434     — 

nur  4,  die  Griechische  besass  24  verschiedene  Formen  der  Ton- 
lage dreisilbiger  Wörter,  die  Lateinische  nur  8,  die  Grie- 
chische Sprache  ist  also  der  Lateinischen  fast  dreifach 
überlegen  an  Mannigfaltigkeit  der  Tongestaltungen  des  Wortes. 
In  neun  von  den  Griechischen  Worlformen  steht  Hoch- 
ton und  Tonlänge  in  Widerspruch  zu  einander,  so  dass  die 
lange  Silbe  tieftonig  die  kurze  hochtonig  ist,  nämlich  in  fol- 
genden : 


Im  Lateinischen  findet  dasselbe  Wider  spiel  zwischen  Hoch- 
ton und  Tonlänge  nur  in  zwei  Wortformen  statt,  nämlich  iu: 
^     ,  ^  ^  — . 

Von  den  Wortformen,  deren  vorletzte  Silbe  lang  ist,  zei- 
gen im  Griechischen  vier  das  Widerspiel  zwischen  Hochton  und 
Tonlänge,  nämlich  folgende: 


im  Lateinischen  keine.  Es  erhellt  schon  hieraus.  <iass  die  An- 
zahl von  Wörtern,  in  denen  Hochton  und  Tonlänge  zusammenfallt, 
sowohl  im  Allgemeinen  im  Lateinischen  grösser  sein  muss, 
als  im  Griechischen,  als  auch  insbesondere  die  Zahl  der  zwei- 
ii n (1  mehrsilbigen  Wort  er  mit  vorletzter  langer  und 
ho  ebbe  tont  er  Silbe. 

Das  lässt  sich  denn  auch  auf  sprachlich  -  statistischem  Wege 
nachweisen;  und  das  soll  hier  nur  für  die  letzte  Klasse  von  Wörtern 
mit  langer  Pen  ultima  geschehen,  auf  die  für  die  vorliegende 
Frage  das  meiste  ankommt.  Aus  einer  solchen  Berechnung  von 
Weil  und  Benloew  {Ave.  Lot.  />.  159)  ergiebl  sieb,  dass  die  Latei- 
nische Sprache  über  noch  einmal  soviel  zwei-  und  dreisilbige  Bei- 
wörter mit  vorletzter  langer  als  mit  vorletzter  kurzer  Silbe  hat. 
Hier  ist  ein  anderer  Weg  der  statistischen  Ermittelung  einge- 
schlagen. 


—     435     — 

Wenn  man  an  folgenden  zehn  Stellen  des  Aristophanes : 
Nub.  v.l.  f.  Vesp.  345.  f.  Fax.  149/".  Acharn.  1  /.  Equit 
240  f.  Av.  1691  /.  Lt/sist.  1  f.  Thesm.  130  f.  Ran.  340/. 
Eccles.  1  /.  zählt,  wie  viel  zwei-  und  mehrsilbige  Wörter  mit  vor- 
letzter hochbetonter  Silbe  unter  300  auf  einanderfolgenden  Wor- 
tern sich  finden,  so  ergiebt  sich,  dass  bei  Aristophanes  auf 
30  0  Wörter  durchschnittlich  5  1  mit  langer,  hoch  betonter 
Pen  ultima  kommen,  und  zwar  30  zweisilbige  und  21  mehr- 
silbige. Wenn  man  an  folgenden  zehn  Stellen  des  Plautus: 
Amph.Prol.  1  /.  Capt.  69  f.  Mit  156/.  Rud.  83  /.  Trin.  402  /. 
Asm.  249/.  Bacch.  235  /.  Cure.  \  f.  Pscud.  415  /.  Stich.  bS  f. 
abzählt,  wie  viel  zwei-  und  «mehrsilbige  Worter  mit  vorletzter  lan- 
ger hochbetonter  Silbe  unter  300  auf  einander  folgenden  Wortern 
sich  finden,  so  ergiebt  sich,  dass  im  Durchschnitt  bei  Plautus  auf 
300  Wörter  98  mit  langer  hoeh})ctonter  Pen  ultima  kom- 
men und  zwar  5  6  zweisilbige  und  42  mehrsilbige.  Wenn 
Aristophanes  und  Plautus  uns  die  Umgangs-  und  Volkssprache  ihres 
Volkes  und  ihrer  Zeit  in  dichterischer  Form  wiedergeben,  so  ist 
man  nach  dieser  Berechnung  zu  dem  Schlüsse  befugt,  dass  in  der 
Griechischen  Volkssprache  zu  Aristophanes  Zeit  nur 
etwa  ein  Sechstel  aller  Wörter  zweisilbige  oder  mehr- 
silbige Wertformen  mit  hoch  betonier  la  nger  Pen  ultima 
waren ,  in  der  \\  ö  m  i  s  c  h  e  n  V ö  1 k s s p  r  a  c  h  e  z u  P 1  a  u  t  u  s  Zeit 
beinahe  ein  Drittel.  Von  diesen  waren  im  Griechischen  etwa 
ein  Zehntel  zweisilbig,  ein  Vicrzehnlel  mehrsilbig,  im 
Lateinischen  über  ein  F  ü  n  f  l  e  1  zweisilbig,  beinahe  ein  Sie- 
bentel dreisilbig. 

Hoch  ton  und  Ton  länge  fielen  hiernach  im  La- 
teinischen auf  der  vorletzten  Silbe  fast  noch  ein- 
mal so  oft  zusammen,  als  im  Griechischen.  Dieses 
Ergebniss  stimmt  ganz  vollkommen  zu  der  schon  angeführten  That- 
sache,  dass  die  Griechische  Sprache  vier  zwei-  und  drei- 
silbige Wortformen  hatte,  in  denen  sich  dies  Wider  spiel  zwi- 
schen Tonhöhe  und  Tondauer  fand,  dass  die  vorletzte  lange  Silbe 
tieftonig,  eine  vorhergehende  oder  folgende  kurze.  Silbe  hochtonig 
gesprochen  wurde ,  die  Lateinische  Sprache  keine  einzige. 

Als  die  ältesten  Lateinischen  Dichter  die  Versmaasse  der  Grie- 
chischen Dichtung  nachzuahmen  anfingen,  da  war  der  Hochton  be- 
reits gebunden  durch  die  Tondauer  der  vorletzten  Silbe 

28* 


—     436    .— 

Da  nun  die  Ton  länge  der  vorletzten  Silbe  des  Lateinischen 
Wortes  in  zahlreichen  Fällen  den  Hoch  ton  an  sich  gefesselt 
hatte,  da  die  Tonlänge  des  Iambischen,  Trochäischen  und  Dak- 
tylischen Versfusses  der  Griechen  in  der  Regel  die  Vershebung 
trug,  so  mussten  sich  noth  wendig  Hoch  ton  und  Vershebung 
auf  der  Tonlänge  um  so  viel  öfter  begegnen  im  Latei- 
nischen als  im  Griechischen,  wie  im  Lateinischen  Worte  der  Zu- 
sammenfall von  Ho  chton  und  Tonlänge  häufiger  ist  als 
im  Griechischen.  Hochton  und  Vershebung  hatten  im  Wesen  gar 
nichts  gemein,  jenes  war  ein  höherer  Ton  der  Tonleiter, 
wie  die  unzweifelhaften  Zeugnisse  der  Grammatiker  und  die  Natur 
der  Sache  gezeigt  haben,  dieser  ein  Nachdruck  der  Stimme; 
jener  der  Sprache  angeboren  erklang  im  Munde  jedes  Römers, 
dieser  ein  Erzeugnis^  der  Dichtung  war  der  Rede  des  Volkes 
fremd;  sie  suchten  sich  weder,  noch  mieden  sie  sich,  die  Ton- 
länge  war  der  Magnet,  der  beide  anzog;  sie  mussten 
sich  also  begegnen  und  konnten  sich  nicht  aus- 
weichen. 

Inder  deutschen  Sprache  herrscht  der  11  och  ton  Über  das 
W  o  r  t  unbedingt  und  unbehindert  durch  irgend  eine  Schlanke  der  Tou- 
dauer  und  Silbenzahl ;  es  war  also  natürlich,  dass  der  unumschränkte 
Herrscher  des  Wortes  auch  im  Verse  als  Gebieter  auftrat  und 
die  Vershebung  an  sich  band.  Im  L  a  t  e  i  n  i  s  c  h  o  n  war  der  II  o  c  h  - 
ton  der  T  o n  d  a  u  e r  hörig  geworden ,  er  konnte  n  i  c  h t.  d  e  r  II  e  r  r 
der  Vershebung  im  Lateinischen  Verse  sein;  durch  die  Ton- 
dauer ward  er  vielmehr  gebunden  der  Vershebung  zu- 
geführt; beide  zerfielen  sofort,  wenn  die  Herrscherin  des 
antiken  Verses,  die  Tondauer,  sie  nicht  zusammenkuppelte. 
Erst  als  der  11  och  ton  in  der  späteren  Lateinischen  Volks- 
sprache das  Bewusstsein  von  dw  Länge  und  Kürze  der  Vokale 
tiefloniger  Silben  ausgelöscht  und  den  Werth  der  Tondauer 
vernichtet  hatte,  erst  da  band  er  auch  in  der  späteren  Volks- 
dichtung die  Vershebung  an  sich  und  gebot  nun  auch  im  Verse. 

Wie  die  Hochtonigkeit  der  lang  e  n  v  o  rle tzl  e  n  Sillie  neben 
der  Tieft onigkeit  der  vorletzten  kurzen  und  der  End- 
silben das  Zusammenrallen  der  Vershebung  mit  dem  Hoch- 
tone herbeiführte,  lässt  sich  am  Hau  des  [ambischen  Senars. 
des  Trochäischen  Septen  ars  und  des  Hexa  nie  lers  im  Vers" 
anfang  und  Versschluss  nachweisen. 


—     437     — 

Der  Widerstreit  zwischen  Hochton  und  Vershebung  tritt  im 
[ambischen  Senar  jedesmal  ein,  wenn  einer  oder  mehrere 
Versfüsse  desselben  durch  Iambische,  Spondeische,  Pyrrhichi- 
schc7  Anapästische  oder  Daktylische  Wortformen  gebildet  wur- 
den, weil  dann  die  Vershebung  auf  die  tieft onige  Silbe  fal- 
len muss.  Tn  diese  Stellung  gerathen  jene  Wortformen  vornehm- 
lich, wenn  der  Vers  auf  eine  Iambische  Wortform  schliessl, 
wodurch  auch  im  vorletzten  Versfüsse  leicht  die  Vershebung 
auf  die  tieftonige  Silbe  fiel  {Rilschl ,  Proll.  p.  209),  seltener,  wenn 
der  erste  Versfuss  durch  ein  Jambisches,  Spondeisches,  Anapä- 
st is<  l:es  oder  Daktylisches  Wort  gebildet  wird.  So  in  folgenden 
Versen : 

Plant.  Asm.  16: 

Sicüt  tuum  vis  unicum  gnatüm  tuäe 
Pseud.  790: 

Forum  cuquinum  qui  vocant  stulte  voeänt. 
Trin.  75: 

Omnibus  amicis  mörbum  tu  ineuties  gravem 
Trin.  186: 

Hascin  mi  propter  res  m  a  I  a  s  f a  m  ä  s  f e  r  ü  n  t 
Bacch.  254: 

Quid  ita,  opsecro  hercle?  Quia  edepöl  certö  sei  6. 

Die  völlige  Uebe  reinst  im  mung  zwischen  Hochton  und 
Vershel  ung  findet  hingegen  statt,  wenn  am  Versschluss  ein  ein- 
silbiges Wort  steht  oder  ein  mehrsilbiges,  das  mehr  als  eine  Vers- 
hebung trägt,  und  wenn  der  Vers  anfängt  mit  einem  von  Natur 
einsilbigen  oder  durch  Elision  des  auslautenden  Vokales  vor  voka- 
lischem Anlaut  des  folgenden  Wortes  einsilbig  gewordenen  Worte, 
mit  einer  Pyrrhichischen  Wortform,  mit  einem  dreisilbigen  Worte, 
dessen  vorletzte  Silbe  lang  ist,  oder  mit  einem  mehrsilbigen,  auf 
dessen  drittletzte  kurze  oder. vorletzte  lange  Silbe  eine  Vershebung 
fällt;  so: 

Plaut.  Ampli.  50: 

Nunc  quam  rem  oratum  huc  veni  primum  pröloquar. 
Capl.  166: 

Hie  quälis  imperätor  nunc  privätus  est. 
Amph.  51  : 

Post  argumentum  huius  eloquar  tragoediae. 


—     438     — 

A?nph.  54: 

E  andern  hänc,  si  voltis,  fäciam  ego  ex  tragoedia. 
Mil.  483 : 

Certo  illa  quidein  hie  nunc  intus  est  in  aedibus. 
Bud.  95: 

Ubi  rem  divinam  se  faeturum  dixerat. 
Capt.  155: 

Remissum  quem  dixti  imperare  exercitum. 
Capt.  95: 

Philopölemus  huius  tlegionis  filius. 
Capt.  64: 

Valentiorem  nänetus  advorsärium. 
Diese  Beispiele  zeigen,  wie  durch  solche  Versaufänge  und 
Versschlüsse  diejenige  Wortstellung  im  Verse  vermieden  wurde, 
dass  Jambische,  Spondeische,  Anapästische  oder  Daktylische  Wort- 
formen einen  Versfuss  bilden,  und  wie  dadurch  die  drittletzte 
kurze  oder  die  vorletzte  lange  hochbetonte  Silbe  der  Worter 
an  die  Stelle  der  Länge  des  Jambischen  Versfusses  gerückt 
wird,  so  dass  Hochlon  und  Vershebung  zusammenfallen  mussten. 
Und  zwar  zeigt  sich  der  Einlluss  dieser  Versanfänge  und  Vers- 
schlüsse Jambischer  und  Trochäischer  Verse  bei  den  Seenischen 
Dichtern  besonders  wirksam  in  den  beiden  ersten  und  in  den 
beiden  letzten  Versfüssen,  da  ja  im  dritten  und  vierten  über- 
haupt Vershebung  und  Hochton  am  leichtesten  zusammenfallen,  wie 
unten  gezeigt  werden  wird,  in  Folge  der  Cäsurcn. 

Cicero  sagt,  Orat.  55:  *  Comic  or  um  senarii  propter 
similit  ii  d  in  cm  sermonis  sie  saepe  sunt  abieeli,  ut 
nonnunquam  vix  in  bis  numerus  et  versus  inlelligi 
possit'  und,  Orat.  56:  Versus  saepe  in  oratione  per 
hup rudent  iam  dicinius,  quod  vehementer  est  vitio- 
s iiin ,  sed  no n  attendimus  neque  exaudimns  nosmel 
ipsos.  Szenarios  vero  et  Uipponacteos  effugere  vi\ 
pos sinn us.  Den  schlagendsten  Beweis  \on  der  Richtigkeil  dieser 
Beobachtungen,  kann  man  aus  Stellen  von  Cicero*  Reden  selbst 
entnehmen,  da  er  dem  Schicksal  Jambische  Senare  zu  bilden, 
ohne  es  zu  wollen,  in  der  Thal  niehl  entgangen  ist.  So  spricht  er: 
Rose.  46:  Alter  tibi  descendit  de  Palätio,  und  es  hält  nichl 
schwer  aus  Cicero  und  aus  anderen  Römischen  Schriftstellern  Jam- 
bische und  Trochäische  Verse,  Versanfänge  oder  Vers- 


—     439     — 

ausgängc  herauszufinden.  Der  Grund,  weshalb  der  Iarabi sehe 
Senar  der  Romischen  Comödie  der  Rede  des  gemeinen  Man- 
nes so  ähnlich  klang,  der  Grund,  weshalb  der  grösste  Redner 
gegen  seinen  Willen  Verse  machen  musste,  lag  besonders  darin, 
dass  die  Ton  länge  der  vorletzten  Silbe  den  Hochton  auf 
sich  zog,  die  Länge  des  Iambusim  Verse  die  Vershebung 
trug,  und  da  sich  nun  Länge  der  Worts  übe  und  Länge  des 
Versfusses  suchten  und  fanden,  auch  ihre  stätigen 
Trabanten  Hoch  ton  und  Vershebung  sich  einigen 
mufcsten. 

Auch  im  Bau  des  Trochäisfchen  Scptenars  liegt  dasselbe 
Ergebniss  zu  Tage.  Dass  ein  zweisilbiges  La  leinisches  Wort  mit 
seiner  tieftonigen  Endsilbe  für  den  aul  eine  Vershebung  ausgehen- 
den Septenar  ebenso  wie  für  den  Jambischen  Senar  den  Wider- 
streit zwischen  Ilochton  und  Vershebung  in  den  letzten  Vers- 
fuss  und  in  Folge  dessen  nicht  selten  auch  in  den  vorletzten 
brachte,  liegt  in  der  Natur  der  Sache  und  erhellt  aus  den  zahlreichen 
Versausgängen  wie: 

Capi.   255 :  e ti ä m  c  a  v  e  t. 
.   Rud.  588:   süffudit  mar 6. 

Trin.  322:   frugi  bonae. 

Asin.  168:  poscas,  paräs. 

Bacch.  380 :  a  d  f  i  n  i s  t  u  6  s. 

Im  ersten  Theilc  des  Trochäischen  Septenars  entsteht  der 
W  i  d  e  r  s  p  r  u  c  h  zwischen  Hochton  und  Vershebung  besonders,  wenn 
die  V e  r  s  f  ii s  s  e  nicht  durch  d  i  e  Wo r  t f fi  s  s e  gebildet  wer- 
den; das  zeigen  Versanfänge  wie: 

Rud.  588:   Quasi  vinis  Graeeis  Neptunus  .  . 

Trin.  322:  Qui  fpsus  sibi  satis  placet  .  . 

Bacch.  380:  Quibus  tu  um  patrem  neque  una  .  . 

In  diesen  und  ähnliehen  Versanfängen  werden  lambische  und 
Spondeische  Wortformen  in  die  Stellung  genickt,  dass  die  Vers- 
hebungen auf  die  tieftonigen  Endsilben  fielen,  während 
hochbetonte  Stammsilben  in  die  Verssenkung  traten.  Die  Ueber- 
e  instimm  ung  zwischen  Hochton  und  Vershebung  entsteht  hin- 
gegen im  Trochäischen  Septenar,  wenn  die  Versfiisse  durch 
Wort  formen  oder  Wortausgänge  gebildet  werden.  Die 
Lateinische  Sprache  besass,  wie  gezeigt  ist,  im  Vergleich 
zur    Griechischen    eine    Ueberfiille   von   Wortern    und    Wort- 


—     440     — 

von  der  Tonlage  -  v.  Traten  diese  in  einen 
Vers,  dessen  Grund  typ us  die  Tonlage  --  bildet,  so  war  das 
Zusammenfallen  von  Länge  und  Länge  an  vielen  Stel- 
len unvermeidlich  und  so  begegneten  sich  Hochton 
und  Vershebung.  Aber  auch  für  alle  anderen  Gestaltungen, 
welche  der  Versfuss  statt  des  reinen  Trochäus  im  Trochäischen 
Septenar  annehmen  kann,  also  :  -  -,  ~  ~  ~s  4WW)  J  — ,  passten  La- 
teinische Wortformen  und  Wortausgänge  so  genau,  dass,  sobald 
Quantität  des  Wortes  oder  Wortausganges  und  Quanti- 
tät des  Vers fusses  sich  in  allen  Bestandteilen  deckten,  der 
Einklang  zwischen  Hoch  ton  und  Vershebung  völlig 
unvermeidlich  war.  Im  Griechische  n  hatte  die  Uebe  r- 
einstimmung  des  Wortes  oder  Wortausganges  und  des  Verstosses 
im  Trochäischen  Septenar  diese  Folge  in  der  grossen  Mehrzahl  der 
Fälle  nicht;  der  Hochton  gerieth  vielmehr  in  Widerstreit  mit 
der  Vershebung,  sobald  die  Wortform  oder  der  Wortausgang  eine 
der  acht  Tonlagen  hatte :  -  J,  — 1,  ~  J  ~,  v  ~  J,  -~ ~,  -  ~ w,  «' J  _, 
~~-l,  wenn  sich  auch  alle  Bestandteile  der  Quantität  von  Wort- 
form und  Versfuss  völlig  deckten.  So  war  es  die  Eintönigkeit 
der  Lateinischen  B  e  t  o  n  u  n  g,  d  i  e  d  e  n  E  i  n  k  1  a  n  g  z  w  i  s  c  h  e  n 
HochtonundVershebung  veranlasste. 

Ebenso  soll  nun  auch  am  Lateinischen  Hexameter  dar- 
gethan  werden,  dass  der  Grund,  weshalb  in  den  beiden 
letzten  Versfüssen  gewöhnlich  Hoch  ton  und  Vers- 
hebung  zusammenfiel,  in  der  Lateinischen  Betonung 
lag.  Wie  bei  Homer,  so  sind  es  auch  bei  Ennius  ober  zwei 
Drittel  der  Verstösse,  die  auf  zweisilbige  oder  dreisilbige 
Wortformen  ausgehen  (vgl.  Enn.  Vahi.  36  -52.  82—98.  239—296. 
131 — 437  u.  a.).  Also  Versschlüsse  wie  folgende  sind  die  ge- 
wöhnlichsten: 

Enn.  437:  präepete  ferro. 

431  :  tela  tribüto. 

Der  Augenschein  lehrt,  wie  in  diesen  Verschlussen  Hochton 
und  Vershebung  zusammenfallen  mussten ,  weil  die  letzte 
Silbe  des  Lateinischen  Wortes  immer  lieft  onig  war,  und  die 
vorletzte  des  dreisilbigen  Wortes,  wenn  sie  lang  war,  immer, 
wenn  sie  kurz  war,  fast  nie  den  Hoch  ton  hatte.     Da  im  Grie- 


__     441     — 

chi sehen  die  letzte  Silbe  des  Wortes  hochbetont  sein 
konnte  und  ebenso  die  vorletzte  kurze  Silbe  dreisilbiger  Wör- 
ter, hingegen  die  vorletzte  lange  Silbe  derselben,  wie  obener- 
wähnt ist,  gerade  sehr  häufig  tiefton  ig  war,  so  mussten  in 
zwei-  und  dreisilbigen  Versausgängen,  wie  die  angeführten  Enni- 
anischen,  im  Griechischen  Hexameter  überaus  häufig  Hochton  und 
Vershebung  in  Widerspruch  gerathen.  Keine  Aenderung  im 
Verhältniss  des  Hochtones  zur  Vershebung  tritt  ein,  wenn  der 
fünfte  Versfuss  ein  Spondeus  ist.  Das  zeigen  nun  Vers- 
schlüsse wie  folgende: 

//.  XIII,  663 :  [idvtLog  viog.  XIII,  676:  xvdog     'Ajclusv. 

XIV,  102:  oQxa^ie  laäv.  XIV,   50:   coötisq    'Aiilkavg. 

XIII,  664 :  oixla  vaCov.  XIII,  665  :  vr\og  eßaivev. 
821  :  ds&og  OQVig.  647:  %ccIkov  ilaööai. 
211:  o%h  %uXx(p.  649:  %cclyt(p     iTtavQtj. 

XIV,  \\1  \  lititoxa  Oivevg.  822:  kaog       'Ayai&v. 

MV,  136:  (pari       iotxeog. 

Am  nächsten  an  solche  Wortschlüsse  mit  zweisilbigen  und  drei- 
silbigen Wortformen  schliessen  sich  solche,  deren  vorletztes  Wort 
eine  einsilbige  Kürze  bildet  wie: 

Enn.  v.  371 :  contendit      in  älto. 

v.  156:  lävit       et  ünxit. 

v.    83 :  püleher  in  älto. 

v.  498:  sequüntur  in  älto. 

Während  nach  Lateinischem  Betonungsgesetz  hier  Hoch- 
ton und  Vershebung  immer  zusammenfallen  mussten  wegen  der 
Tieftonigkeit  der  Endsilben,  brachten  im  Griechischen  hoch- 
betonte Endsilben  auch  in  diese  Versausgänge  den  Widerspruch 
zwischen  beide ;  so  : 

J7.  XV,  564:   ovrs  xig  aÄxrj. 
608:    ä[i(pl  de  Ttijlfj^. 

Aus  dem  oben  zusammengestellten  Verzeichniss  Ennianischer 
Verschlusse,  in  denen  Hochton  und  Vershebung  in  Zwiespalt  mit- 
einander sind,  ergiebt  sich,  dass  dieselben  folgende  Formen  haben 
können : 


-    442 

1)  Enn.  v.  519:  shnul  cata  dicta. 

2)  v.  23 :  mortäles  perhibebant. 

3)  v.  29:                   mänus     vi. 

4)  v.  109:                   söliti       sunt, 

5)  v.  95:                  exöritdr  sol. 

Die  erste  dieser  Formen  kann  auch  vorkommen,  ohne  dass 
Hochton  und  Vershebung  in  Widerstreit  gerathen,  wenn  unter 
der  vorletzten  Vershebung  ein  einsilbiges  Wort  steht;  so: 


Enn.  v. 

245: 

et 

bona 

dicta. 

V. 

43: 

te 

neque 

pösse. 

V. 

91: 

sit 

data 

regni. 

V. 

245: 

et 

bona 

die  in. 

V. 

277: 

sed 

magis 

ferro. 

Im  Griechischen  trat  für  diese  Form  des  Versschlusses  der 
/wies palt  zwischen  Hochion  und  Vershebung  durch  eine  hoeh- 
tonige  Endsilbe  des  letzten  Wortes  ein: 

//.  XV,  579:  of5%      iitl    veßQor 
561:  &eW  ivl     dviiri- 
XVI,  227:  [ii]        zjil    TtaxQi. 

In  der  zweiten  jener  Schlussformen  wird  dieser  /wiespalt 
vermieden  durch  ein  einsilbiges  Wort  unter  der  vorletzten  Vers- 
hebung,  oder  durch  eine  Verschleil'ung  der  Schlusssilbe  des  mehrsil- 
bigen Wortes,  auf  das  dieselbe  fallt. 

Bei  Fnnius  ist  dieser  Verschluss  gar  nicht  seilen: 

v.  393:  quae  perhibetur. 

57:  quös  peperisti. 

27 1 :  sed  maledictis. 

80:  tum  cnpientes. 

116:   dl  genuernnt. 


117:  dls        oririndum. 
137:   bis         loleiaiet. 


443 


Enn.  v. 


139: 

ac 

populäris. 

175: 

üt 

misereret. 

591: 

tetrösque 

elephäntos. 

308: 

a£vum 

agitäbant. 

254: 

divi'imque 

hominumque. 

Wenn  die  Dichter  der  Augusteischen  Zeit  diese  Form  des  Vers- 
ausganges selten  anwandten,  so  ist  das  ein  Beweis  dafür,  dass  sie 
auch  Versschlüsse  wie  mortales  perhibebant  nicht  vermieden, 
weil  sie  die  Uebereinstimmung  von  Hochton  und  Vershebung  such- 
ten, sondern  beide  scheuten,  weil  die  Cäsur  nach  der  Hebung 
des  fünften  Versfusses  den  rollenden  Fall  des  Vers- 
schlusses unterbrach.  Vergleicht  man  mit  diesen  die  ent- 
sprechenden Griechischen  Versausgänge  wie: 

//.  XVI,  294 :  roid'     itpoßrj&lv. 

322:  ovd         acpd^iaQtsv. 

524:  oqpp'        etccqoiölv. 

221:  TTöfi'  äveayev. 
und  andere,  so  zeigt  sich  wieder  recht  schlagend,  dass  die  lange 
P e  n  u  1  ti  m  a  im  L a t  e i  n  i  s c  h  e n  Wo  r t e  es  war,  welche  den  Hoch- 
ton  der  Vershebung  zuführte.  Dasselbe  springt  in  die  Augen,  wenn 
man  folgende  Ennianische  nud  Homerische  Versausgange 
nebeneinanderstellt: 


Enn.  ^.10:  condecorätum 

79:  increpuisti. 

81 :  augurioque. 

84:  altivolantum. 

86:  induperätor. 
107:  commiseräntes. 
131  :  aequiperäre. 
187:  Aeacidärum. 
322 :  perpetuässint. 
304 :  suaviloqiumtes. 
201 :  belligeräntes. 
438 :  sollicitäbant. 
446:  omnipotentes. 


ffom.I/.XW,  15:  Mv^idovsö- 

ÖLV. 

28 :  a^cpiitivovxai. 

77:  avÖQocpovoLO. 

96:  diqQiuaO&cu. 
126:  L7i7toxeA.evd'8. 
134:  Aiamdaa. 
135:  ccQyvQorjlov. 
154:  a&avcctoiöLV. 
193:  rjye[i6vsvev. 
214:  6^i(paX6sö6a. 
222:  ccQyvQonela. 
236:  £v%cc[ievoLO. 


444 


Enn.  v.  479:  frugiferai. 


526 
53] 


dimidiätum. 
altitonantis. 


//.  XVI,  287.  iTtitoxoQvOtccg. 
358:  %alxoxoQvatrj. 
414:  %-v^ioQa'CCtriq. 
591  :  &v{ioqccI'()Tsg)v. 
II,  604:  ay%i{LU%ritai. 
III,     39:  rj7t£Q07tsvrd. 


Enn.  v.  197:  frondosäi. 
219:  indalbäbat. 
603 :  Minturnenses. 


Enn.  v.  188:  sapientipotöntes. 


248 


Karthaginienses. 


77.  XVI  ,111:  iörriQLKto. 
187:  EUetövicc. 
279:  [iccQ{iccLQovTeg. 

06?.    II,      266:    V7C£QYjVOQEOVt€g. 

IL  XVI,  723:  «Trspca^tfaas. 


Auch  ein  einsilbiges  Wort  im  Verschlusse  bedingte 
nicht  Zwiespalt  zwischen  Hoch  ton  und  Vershebung,  wenn  dem- 
selben ein  von  Natur  einsilbiges  oder  durch  Verschleifung  des  aus- 
lautenden Vokales  vor  vokalischem  Anlaut  des  letzten  Wortes  ein- 
silbig gewordenes  Wort  vorhergeht.     So  bei  Ennius: 


v.  412:  data 

167:  öbstitit 
263 :  Iüppiter 
264 :  sententia 
494 :  cöndita 
470:   redditus 


sit 

et 

häc 

flexa 

Roma 

termo 


frux. 

nox. 

stat. 

est. 

est. 

est. 


Im  Grie  chi  sehen  bringt  auch  hier  Hoch  ton  igkeit  ei  n  er 
vorletzten  kurzen  Silbe  den  Widerstreit  zwischen  Hochton 

und  Vershebung  in  den  Versscbluss  . 

11.  XVIII,  115:  onnore   xev   drj. 

Ein  Beispiel  für  drei  einsilbig  gesprochene  Worter  im  Ver- 
schluss ist  bei  Ennius: 


V.  31  :   Isque    pium   ex    se. 
bei  Homer : 

//.  XVI,.  721:  ovde     xi      6b  xq)]. 


—    445     — 

Die  Oxytonierung  der  Griechisehen  Sprache  hat  hier 
wieder  Hoch  ton  und  Vershebung  entzweit.  Da  nun  aber 
die  Romischen  Dichter  die  einsilbigen  Vers  schlösse  sich  ver- 
hall nissmässig  selten  erlaubten,  auch  wenn  Hoch  ton  und 
Vershebung  im  Einklang  blieben,  so  kann  das  Streben 
nach  diesem  Einklang  nicht  der  Grund  jener  seltenen  An- 
wendung gewesen  sein.  Ein  Einschnitt  des  Verses,  der  ent- 
steht, wenn  die  letzte  Vershebung  mit  dem  Wortende  zusammen- 
trifft, unterbricht  den  Tonfall,  den  rollenden  Fluss  des  Vers- 
schlusses, deshalb  wurden  die  einsilbigen  Wörter  am  Ende 
des  Hexameters  selten  gebraucht,  und  nicht  allein  von  Römi- 
schen Dichtern,  sondern  auch  von  Griechischen,  denen  doch 
noch  Niemand  Rücksicht  auf  den  Hochton  des  Wortes  bei  ihrem 
Versbau  nachgesagt  hat. 

Ausser  den  beiden  letzlen  Verstössen  des  Hexameters  tritt  in 
den  beiden  ersten  am  häufigsten  Ueb  er  ein  Stimmung  des 
Hochtones  mit  der  Vershebung  hervor.  Wenn  im  Hexameter  die 
Versfüsse  immer  durch  VVortfüsse  gebildet  würden,  so  würde 
wegen  der  T  i  e  f t o  n i g  k e  i  t  d  c r  E  n d  s  i  1  b  e n  und  der  Ti e  f  to n ig- 
le ei  t  der  vorletzten  kurzen  Silbe  dreisilbiger  Wortformen  im 
Lateinischen  Hochton  und  Vershebung  immer  zusammenfallen, 
während  lambische  Wortfüsse  im  lainbischen  Senar  immer  den  Zwie- 
spalt zwischen  beiden  bedingen.  Im  Hexameter  tritt  der  Wider- 
streit zwischen  Hochton  und  Vershebung  zunächst  ein  im  drit- 
ten Versfüsse  durch  die  Penthemimeres,  dann  im  vierten  durch 
die  Hephthemimeres,  durch  welche  die  Vershebu  ng  auf  die  tief- 
ton i  g  e  Endsilbe  eines  Wortes  fällt.  Aber  der  Hexameter  würde 
matt  und  haltlos  auseinander  fallen,  wenn  ausser  der  Cäsur  Wort- 
form  und  Versfuss  sich  immer  deckten.  Deshalb  greifen  beide 
ineinander  ü  b  e  r  und  verschränken  sich  in  einander ,  wod urch 
Festigkeit,  Leben  und  Mannigfaltigkeit  in  den  Vers  kommt.  Durch 
diese  Verschränkung  entsteht  im  Lateinischen  Hexameter  auch 
ausserhalb  der  Silbe  der  männlichen  Censur  der  Widerstreit 
zwischen  Hochton  und  Vershebung. 

Aber  trotzdem  bleiben  zahlreiche  Formen  der  beiden 
ersten  Versfüsse  übrig,  in  denen  Hochton  und  Vershebung  zu- 
sammenfallen. Es  genügt,  solche  Formen,  wie  sie  bei  Ennius 
vorkommen,  hier  zusammenzustellen: 


—     446    — 

y.  195:  Fräxinus   fungitur  ätque  .  . 
1 50  :  Pöstquam  Jiimina  sis  .  . 
213:  Völnera  belli  despernunt  .  . 
131:  'Ingens  cürast  mis.  . 

240:  Mensa m  sermonesque  .  . 

188:  Bellipotentes  sunt  .  . 

125:  Völlurnälem    Pälatuälem 

—      bü^    — '    ^    ^  — 
98:  Cönspicit  inde  sibi  .  . 

119:  Rönuilus  in  caelo  .  . 
202 :  Ferro    nön  auro  .  . 

103:  Virginis  nam  sibi  quique  .  . 

44 :  Corde  cap£ssere  scmita  .  . 

1 83 :  Nävus  repertus  hc-mo  .  . 
239  :  Haece  locütus  vocat  .  . 

9:  Quäe  cava  corpore  caeruleo  .  . 

158:  'Et  qui  sextus  erat  .  . 

—     iy     —    ^  ^  — 
117:  '0  paler  ö  genitor  .  . 
128:  Sed  quid  nie  fuerit . . 
54  :  'Ut   nie    de   caelo  .  . 

177:  Qudd  peiamoenam  urbem  .   . 

210:  Sed  quid  ego  bic  animo  .  . 

Füllt  die  Vershebung  vor  der  Gäsur  auf  ein  einsilbiges  Wort, 
so  konnte  im  ganzen  Ve  rsc  Udbereinsl  immu  g  /wischen  Yers- 
bebung  und  Hocblon  einhelelen ;   so<i 

Enn.  v.  iss:  Bellipotentes  sunt  magis  quam  sapientipotentes. 

Fin  Rückblick  auf  die  hier  zusammenges teilten  Formen  von 
Versanfängen  lehrt,   wir  die  Griechische  Sprache  durch  ihre 

>\ Ort  formen   mit   boebbetonter   Endsilbe   und   durch  die 
hochbetonte  kurze  Penultima  drei- mal  mehrsilbiger  Wort- 


-     447    — 

formen  mein*  Widerstreit  zwischen  Hochton  und  Vershebung 
auch  in  die  beiden  ersten  Füsse  des  Hexameters  bringen 
musste,  gerade  so  wie  dies  für  die  beiden  letzten  Versfüsse 
nachgewiesen  ist. 

Es  ergiebt  sich  also,  dass  diejenigen  E  igenlh  ümlichke  i- 
ten  der  Lateinischen  Betonung,  die  sie  von  der  Griechi- 
schen unterscheiden,  die  unwandelbare  Hochtonigk  eit 
der  vorletzten  langen  Silbe,  die  stätige  Tieftonigkeit 
der  vorletzten  kurzen  Silbe  drei  und  mehrsilbiger 
Wörter  und  die  Tieftonigkeit  der  Endsilben  der  Grund 
s i o d ,  weshalb  in  Lateinischen ,  Iambischen,  Trochäischen 
und  Daktylischen  Versen  die  Üebereinstimmung  zwi- 
schen Hoch  ton  und  Vershebung  so  viel  öfter  statt  fand, 
wie  in  den  entsprechenden  Griechischen,  denen  sie  nachgebildet 
waren. 

Es  bleibt  nun  noch  zu  untersuchen ;  in  wiefern  die  Cäsuren 
nach  der  Vers  Senkung  bei  jener  eigenthümliehen  Lateini- 
schen Wortbetonung  in  der  Mitte  gewisser  Versarten,  nament- 
lich des  Iambischen  Senars  und  des  Trochäischen  Septe- 
nars  diese  Üebereinstimmung  not h wendig  zur  Folge  ha- 
ben mussten. 

Wenn  sich  dies  für  die  Hauptcäsur  des  Iambischen  Se- 
nars, die  Penthe  mimer  es,  nachweisen  lässt,  so  ist  damit  der 
Beweis  auch  für  alle  anderen  Cäsuren  nach  Verssenkungen 
geführt. 

Da  die  Lateinischen  Wörter  tief  ton  ig  auslauteten,  der 
Penthe  m  i  m  c  r  e  s  und  II  e  p  h  t  h  e  m  i  m  er  e  s  des  Iambischen  Senars 
wie  dem  Verseinschnitt  in  der  Mitte  des  Trochäischen  Septenars 
aber  eine  ..Senkung  vorhergeht,  so  fiel  hier  tief  ton  ige 
Silbe  und  Vers  Senkung  zusammen.  In  der  grossen  Mehr- 
zahl Lateinischer  Wortformen  von  verschiedener  Messung,  die  vor 
diesen  Cäsuren  Platz  finden  konnten,  fiel  in  Folge  dessen  auch 
hochbetonte  Silbe  und  Vershebung  noth wendig  zusammen. 
Dies  fand  überall  statt ,  wenn  das  Wort  vor  derCäsur  eine  der  nach- 
stehenden Tonlagen  hat  oder  auf  dieselbe  ausgeht: 

--i  J  — i 


—     44$     — 

ferner,  wenn  die  Tonlagen  -  -  oder  -  -  durch  zwei  ein- 
silbige Wörter  gebildet  werden,  und  wenn  die  Tonlagen  ~  «  « 
und  o  ~  -  durch  ein  Pyrrhichsiehes  mit  folgendem  einsilbigen 
Wort  gebildet  werden.  Im  Griechischen  können  Wörter  vor  der 
Penthemimeres  und  Hephthemimeres  dieselben  Tonlagen  ha- 
ben, und  dann  fällt  auch  im  Griechischen  Trimeter  Hochton  und 
Vershebung  zusammen;  aber  Wörter  derselben  Quantität  kön- 
nen ausser  diesen  auch  folgende  Tonlagen  haben: 


und  dann  traten  jene  beiden  Versfactoren  in  Widerstreit  zu  ein- 
ander. Angenommen  also,  Wörter  von  jeder  der  vorstehenden  Ton- 
lagen kämen  vor  der  Penthemimeres  und  Hephthemimeres  durch- 
schnittlich gleich  oft  vor,  so  würde,  die  Möglichkeil  des  Wider- 
streits im  Griechischen  mindestens  doppelt  so  gross  sein  wie  im 
Lateinischen. 

Nach  diesen  Cäsuren  Irin  im  Lateinischen  Vers  Einklang 
zwischen  Hochton  und  Vershebung  ein  jedesmal,  wenn  ihnen  un- 
mittelbar einsilbige  und  zweisilbige  Wortformen  folgen,  oder 
dreisilbige  Wörter  mit  vorletzter  kurz  er  Silbe,  oder  vier- 
silbige, deren  erste  und  vorletzte  Silbe  lang  ist,  also  Wert- 
formen von  folgenden  Tonlagen: 

|  J  |  J.   -         |  -    .    -  ,___'_ 

I-  lJ    -         I-    -    -         I-    -    "    " 

I-  -  I-  -  -  I-  "  -  - 
|-  ~  ~  I-  -  -  - 
Dieselben  Griechischen  Tonlagen  haben  an  den  entsprechen- 
den Versstellen  auch  denselben  rhythmischen  Tonfall  wie 
im  Lateinischen.  Aber  Wörter  derselben  Messung  wie  die  vor- 
stehenden Lateinischen  können  ausserdem  auch  folgende  Ton- 
lagen haben : 

,_    j         |„    J    .            -     J    -    ~ 
|„    J         |~    -    J         | J 

l(-    -)        I-  ~  -  I-    ~    -  - 

I-  -  -  I-    -    -  - 

I-  J  -  l(-    ~    "  ~) 

I-  -■  J         l( -) 

i-  ~  -      k-  -  -  -) 

I-   -    -       |(-    -        -) 


449 


Rechnet  man  auch  von  diesen  diejenigen  Formen  ab,  die, 
weil  sie  Spondeen  bilden  oder  mit  solchen  anfangen,  in  den  vier- 
ten Versfuss  des  Iambischen  Trimeter  unmittelbar  nach  der  Penthe- 
mimeres  nach  Griechischer  Regel  nicht  passen,  so  bleiben  doch 
14  Tonlagen  von  zweisilbigen,  dreisilbigen  und  viersilbigen  Wör- 
tern,  die  nach  jener  Cäsur  das  Auseinan  der  fallen  von  Hoch- 
ton und  Vershebung  mit  sich  bringen,  neben  1  3,  wo  das  Geg en- 
theil stattfindet.  Nimmt  man  auch  hier  an,  dass  jede  von  diesen 
Tonlagen  nach  den  in  Rede  stehenden  Cäsuren  gleich  oft  vorkommt, 
so  zeigt  sich  im  Griechischen  die  Möglichkeit  des  Widerstreites 
zwischen  Hoch  ton  und  Vershebimg  an  diesen  Stellen  mindestens 
doppelt  so  gross  als  im  Lateinischen. 

Das  hier  Gesagte  möge  folgende  Zusammenstellung  von  Bei- 
spielen veranschaulichen : 


Plaut.  Mit.  25 

Amph.  7 

Capl.  1 5 

Arist.  Plui.  65 

Plaut.  Capl.  26 : 

Arist.  Plut.  7 

Plaut.  Capt.  34 

Arist.   Plut.  188: 


Plaut.   Capt.     25 
Arist.    Plut.      1  3 
Ran.     74 : 

Plaut.  Capl.     39 
Arist.    Ran.   101  : 

a,   0.  173 

Plaut.  Amph.    55 
Arist.  Plut.     887 : 
a.O.     892: 

CORSSEN    IL 


Ubi  tüs?  Eccum  edepol  |  vel  elephanto  .  . 
Quusque     ineepistis 


res 


Vos      qui     potestis      |  öpe  .  . 
Hv  {17]  (pQccörjg  yccQ  \  äitb  .  . 

Medicus     Menarchus     |  emit  .  . 
Kqcctslv    6     öccl[ig)v    \  cclla  .  . 

Emit  de  p'raeda  hosce  |  ambos  .  . 
Kai  val  [icc  Zlla  rov-  \  itolla  .  .  (Hephth.) 
rov   ye 

Ut     fit     in     hello  |  capitur  .  . 

'Ootcg   uxoXov&sl       |  xcctotuv  .  . 
"Ev*    iöxl    X  o  LTtov         \  äyad'ov.  . 

Huius    ille  hie    illius     |hödie.. 
H  cpQeva [isv  ovx  i&s-  \  6 [i  6  6 ai. .  (Hephth.) 
Xovöav 

To    d'    8V     KoQLV&G)     \%£VLXOV.. 

Comoedia    üt     sit  |  Omnibus  .  . 

Ort    de    Tioislxov         \  ivxrad' (  s)  .  . 
zJLCcQQccyeir]g  \{ir]ösvog.. 

29 


—     450     — 

Plaut.  Capt.       7:  Seni    huic    fuerunt        J  Filii.  . 
Arist.  Plut.       32 :  E7t6Q7]o6^i£vog    ovv        \  <p%6{i7]v  .  . 

Plaut.  Amph.    13:  Haec   Vit    me    völtis      |  äd pro bare  .  . 
Arist.  Phil.     332 :  Kai   [irjv   6  qco    nal       \  BÄsxp idqiiov  .  . 

Plaut.  Amph.    35:  Nam  iniüsta  ab  iüstis    |  impeträvi  .  . 
Arist.  Plut.     803:  Kai    ravta    inqdsv       \  e$£V  syxovt'  .  . 

Plaut.  Capt.     41  :  IJt  siiura  herum  fäciet    [libertatis.. 

Diese  Zusammenstellung  bestätigt  das  obige  Ergebniss,  dass 
die  B e  t  o n  u n  g  der  L  a  t  e  i  n  i  s  c  h e n  Sprache  sowohl  vor  als  na  c  h 
der  Penlhe  mimer  es  und  Heph  tbemimeres  des  lambiscben 
Trimeler  also  auch  vor  und  nach  dem  Haupteinschnitt  des  Trochäi- 
schen Telrameter  Z  u  s  a m  m  e  n  f a  1 1  zwischen  II  o  c h  t o  n  und  V  e  r  s  - 
hebung  bei  weitem  öfter  ganz  unvermeidlich  bewirken  musste, 
als  dies  im  Griechischen  Verse  der  Fall  sein  konnte.  Will  man 
nun  sagen  auch  neben  dieser  unvermeidlichen No t bvW endigk ei t 
hatten  die  Römischen  Komiker  und  Tragiker  auch  noch  absicht- 
lich jene  Ucbereinstimmg  gesucht?  Will  man  ihnen  das  absicht- 
liche Suchen  nach  diesem  Prineip  zumuthen  an  Versstellen,  wo  es 
sich  von  selber  einfand  und  sie  an  anderen  Versstellen,  wo  sie  es 
gradezu  mit  Füssen  traten,  mit  der  Versnoth  entschuldigen,  die 
sie  verhindert  habe  ihrer  Neigung  zu  folgen?  Nirgends  ist  ein 
Kriterium,  an  dem  man  neben  jenem  notwendigen  Finklang 
zwischen  Ilochton  und  Vershebung  vor  und  nach  den  angegebenen 
Cäsurcn  auch  noch  ein  absichtliches  Suchen  danach  irgend  erken- 
nen oder  nachweisen  könnte.  Es  liesse  sich  dieses  Kriterium  noch 
möglicher  Weise  finden,  wenn  man  nachweisen  könnte,  dass  bei 
Plautus  und  den  älteren  Seenischen  Dichtern  Hochton  und  Vers- 
hebung häufiger  zusammenfielen  vor  und  nach  den  weiblichen  Zäsu- 
ren als  bei  späteren  Dichtern.  Wie  aber,  wenn  das  nicht  nach- 
weislich ist,  wenn  sich  im  Gegentheil  zeigt,  dass  wie  überhaupt  in 
lambiscben  und  Trochäischen  Versen  so  auch  an  dieser  Versstelle 
insbesondere  sich  dieser  Einklang  bei  den  späteren  Dichtern 
häufiger  findet  als  hei  den  älteren?  Dass  dem  st»  ist,  ergiehl  fol- 
gende Berechnung.  Bei  Plautus  linden  sich  unter  hundert  limbi- 
schen Senarcn  durchschnittlich  etwa  V).  in  denen  Ilochton  des 
Wortes  und  Hebung  des  Verses  sowohl  vor  als  nach  der  Pen  t  he- 


—     451     — 

m  i  m  e  r  e  s  oder  H  e  p  h  t li  e  m  i  m  eres  zusammenfalle  n  (vgl. 
TWw.l— -100.  Capi.  1  —  100.  Mil.  1  —  100.  Awph.  1 — 100.  Pud. 
1  —  100.  Pseuä.  1—100);  bei  Terenz  findet  dasselbe  statt  durch- 
schnittlich in  etwa  8  7  unter  hundert  (vgl.  Andr.  1  —  100.  Eun. 
1—100.  Seoul.  1—100.  Phorm.  1—100.  Hecyr.  1—100.  Adelph. 
1 — 100),  bei  Seneca  in  etwa  9  6  unter  hundert  (vgl.  Phoen. 
1  —  100.  Herc.  für.  1  -  1 00.  Ocdip.  1—100.  Agam.  1—50. 
108—152.  Herc.  Oet.  1  —  100),  bei  Phaedrus  in  etwa  97  unter 
hundert^/.  I,  1—7.  J,  8,  1—15,  6.  I,  15,  7—26,  6.  I,  26,  7  — 
11,  2,  10.  II,  3,  1—8,  11.  II,  9,  \\~End.).  Es  liegt  hiernach 
zu  Tage,  dass  bei  Seneca  und  Phädrus  vor  und  nach  den  ge- 
nannten Cäsuren  fast  noch  um  den  neunten  Theil  öfter  Hoch- 
ton  und  Vershebung  z  u  s  a  m  m  e  n  f  a  1 1  c  n  als  bei  P 1  a  u  t  u  s  und 
Terenz.  Dass  jene  spalen  Dichter  nicht  daran  dachten  beide 
Faktoren  absichtlich  in  Einklang  zu  bringen,  ist  von  allen  Seiten  an- 
erkannt; also  kann  man  auch  nicht  jenen  älteren  Dichtern, 
wo  derselbe  seltener  statt  findet,  diese  Absicht  zuschieben,  son- 
dern man  muss  auch  bei  ihnen  die  aus  der  Lateinischen  Worl- 
betonung  nachgewiesene  Notwendigkeit  für  denselben  als  den 
alleinigen  und  au  s  seh  lies  suchen  Grund  dafür  anerkennen. 
Man  kann  sich  dieser  Auffassung  nicht  entziehen,  wenn  man  nun 
vollends  noch  die  Thalsache  in  Anschlag  bringt,  dass  in  den  Tri- 
metern  des  Ar  i  stop  hau  es  unter  hundert  Versen  sich  durch- 
schnittlich nur  31  finden,  wo  Hochton  und  Vershebung  vor  und 
nach  der  Pen  th  e  miniere  s  und  Hephlhc  minieres  zusam- 
menfallen (vgl.Piut.  1  —  100.  101—200.  201—251.  322—370. 
Nub.  1—101.  Ran.  1—100.  101—200),  dass  diese  Uebereinstim- 
mung  also  bei  den  Römischen  Dich  tern  dreimal  so  oft  statt 
fand  als  bei  A  ristophanes.  Im  Lateinischen  sind  es  die 
tiefton  igen  Endsilben,  die  Tieften  igk  ei  t  der  vorletzten 
kurzen  und  die  Hoch  ton  igk  ei  t  der  vorletz  ten  langen  Silbe, 
die  hier  den  Einklang  so  oft  bedingen,  im  Griechischen 
sind  es  die  Oxytona  und  die  Paroxytona  mit  vorletzter 
kurzer  Silbe,  die  ihn  so  oft  stören.  Die  Verschiedenheit 
der  Wortbe ton ung  beider  Sprachen  bedingt  auch  hier  die  Ver- 
schiedenheit des  rhythmischen  Tonfalles  im  Verse. 

Da  die  Mitte  d  e  s  T r  o  c  h  a  i  s  c h  e  n  T  e  t  r a m  e  t  e  r  s  mit  dem 
Einschnitt  nach  der  vierten  Senkung  in  ihrer  Tonlage  so  genau 
mit  der  Tonlage  vor  und   nach  der   Penlhemimeres   des   lambi- 

29* 


—     452     — 

sehen  Senars  übereinstimmt,  dass  man  es  einem  solchen  Drittel- 
st (ick  an  siel)  gar  nicht  ansehen  kann,  zu  welchen  von  beiden  Versen 
es  gehört,  wie  zum  Beispiel: 

Plaut.  Capt.  1  :   .  .  videtis        |      cäptivös  .  . 

a.   0.   247:  .  .  honestes,  |     quam  quom   servibas  .  . 
da  auch  im  Troehäischen  Septenar  die  Lateinischen  Wort  for- 
men mit  ihrer  Betonung  dieselben  bleiben   wie   im  Limbischen 
Senar,  so  gilt  der  für  diesen  Vers  geführte  Beweis  vollständig  auch 
für  jenen. 

Jeder  kann  sich  durch  beliebige  Proben  leicht  überzeugen, 
dass  bei  Aristophanes  höchstens  ein  Drittel  der  Trochäischen 
Tetrameter,  welche  den  Einschnitt  nach  der  Verssenkung  des  vier- 
ten Fusses  haben,  den  Zusammen  fall  zwischen  Hochlon  und 
Vershebung  unmittelbar  vor  und  nach  jenem  Einschnitt  zeigen, 
dass  in  den  Septenaren  des  Plaut us  und  Terentius  diese  Ucber- 
einstimmung  regelmässig,  das  Gegentheil  eine  seltene  Aus- 
nahme ist,  dass  im  Pervigilium  Vene  riß  und  in  den  volks- 
t  hü  ullichen  Versen  der  Kaiserzeit  dieselbe  ohne  A  u  s  n  a  li  m  e  im- 
mer stattfindet.  Also  war  es  in  der  ältesten  wie  in  der  späte- 
s  ten  Zeit  die  eigentümlich  Lateinische  Beton  u  n  g  der  Wert- 
formen vor  und  nach  dem  Verseinschnitt  des  Trocliäischen  Tetra- 
meters, die  allein  und  ausschliesslich  den  Einklang  des 
Ilochtones  und  der  Vershebung  an  diesen  Versstellen  notbwendig 
bedingte,  und  Plaut  us  hat  ihn  so  wenig  beabsichtigt  wie  die 
Soldaten  des  Aurelian. 

Die  Antwort  auf  die  beiden  im  Eingang  dieses  Abschnittes  Ober 
das  Vcrhältniss  der  Vershebung  zum  Hochtone  des 'Wortes  gestell- 
ten Fragen,  das  Endergebnis^  dieser  ganzen  Untersuchung ,  lautet 
also  kurz  zusammengefasst  folgendermaassen : 

Hoch  ton  und  Vershebung  fallen  bei  den  Dichtern 
der  Augusteischen  Zeit  nicht  seltener  zusammen  als 
in  den  ältesten  Römischen  Dichtungen,  also  kann  man  auch 
n  i  c  h  t  einen  E  n  (wie  k  e  1  u  n  g  s  ga  n  g  des  Versbaues  annehmen, 
nach  welchem  ursprünglich  der  Hochton  im  Einklang 
mit  der  Tondauer  den  Vers  beherrschte,  dann  die  Tondauer 
herrschte,  aber  den  II  och  ton  noch  möglichst  berück- 
sichtigte, endlich  der  Hoch  Ion  allen  Ein  flu  SS  auf  den 
Versbau  verlor.     Gerade  im  Gegentheil:  der  Wider- 


—     453     — 

streit  zwischen  Hochton  und  Vershebung  war  in  dem 
Versbau  der  ältesten  volkstümlichen  Dichtung,  im  Saturni- 
schen Mass,  ganz  entschieden  ausgeprägt  vorhanden.  Der- 
selbe blieb  unverändert  bestehen  im  Versbau  der  Sceni- 
schen  Dichter,  insbesondere  in  den  Iambischen  und  Tro- 
chäischen Versmassen  dos  Dialogs,  ebenso  in  der  Dakty- 
lisch c  n  Poesie  des  E  n  n  i  u  s  und  seiner  Nachfolger  wie  in 
allen  anderen  V  e  r  s  m  a  a  s  s  e  n ,  welche  Römische  Dichter  den 
Griechischen  nachgebildet  haben.  Er  fängt  allmählich  an 
seltener  zu  werden  in  dem  volksthümlich  gewordene n 
Iambischen  Senar  und  Trochäischen  Septenar,  er 
erscheint  schon  völlig  beseitigt  in  den  Soldatcnversen 
des  dritten  Jahrhunderts,  wo  die  Vershebung  dem 
Hochton  sogar  schon  auf  kurze  Silben  zu  folgen  anfängt, 
bis  endlich  in  der  spätesten  Volksdichtung,  als  das  ße- 
wusstsein  von  der  Tondauer  der  Silben  in  der  Volkssprache 
erloschen  war,  der  Hochton  die  Alleinherrschaft  über 
den  Vers  errang  wie  er  der  Gebieter  des  Wortes  war,  und  die 
V e r  s h eb  u  n g  unbedingt  an  sich  kettete. 

Wenn  Hochton  und  Vershebung  im  Lateinischen 
viel  öfter  z  u  s  a  m  m  e  n  t r  a  f  e  n  als  im  Griechischen,  so  hat 
das  nicht  seinen  Grund  in  einem  b  ewussten  Streben 
der  Dichter  nach  jenem  Einklang,  da  in  allen  Lateinischen 
Versarten  die  Dichter  der  älteren  wie  der  Augusteischen  und 
der  späteren  Zeit  vielfach  ohne  alle  zwingende  Ver- 
anlassung Hoc  h  t  o  n  und  V  e  r  s  h  e  b  u  n  g  in  Z  w  i  e  s  p  a  1 1  brin- 
gen ,  sondern  in  der  Gebundenheit  des  Lateinischen 
II o  c h t o  n  e s  d  u r c h  die  T o  n d  a  uer,  das  heisst  erstens  in  der 
Herrschaft  der  vorletzten  langen  Silbe,  die  einerseits 
den  Hochton  des  Wortes  auf  sich  zog,  andrerseits  im 
Vers  die  Vershebung  auf  sich  nahm,  und  so  den  Hochton 
der  V e r s h e b u n g  z u führte ;  zweitens  in  der  Tieftonigkeit 
der  vorletzten  kurzen  Silbe  dreisilbiger  und  mehr- 
silbiger Wortformen  und  aller  Endsilben.  Durch  diese 
E  i  g  e  n  t  h  ü  m  1  i  c  h  k  e  i  t  der  Lateinischen  Betonung  ward 
das  im  Griechischen  in  Folge  der  Oxytona  und  Paroxytona  mit 
vorletzter  kurzer  Silbe  so  häufig  erscheinende  Widerspiel  zwi- 
schen T  o  n  1  ä  n  g  e  und  Tonhöhe  i  m  W  o r  t  vermieden,  und 
dadurch  auch  im  Vers,  wo  die  Vershebung  in  der  Regel  die 


—     454     — 

Tonlänge  aufsuchte,  der  Zwiespalt  zwischen  Hoch  ton  und 
Vershebung  in  engeren  Grenzen  gehalten  als  im  Griechi- 
schen. Infolge  dieses  eigenthümlichen  Lateinischen  Betonungs- 
gesetzes trat  im  Ganzen  und  Allgemeinen  Einklang  zwischen 
Hochton  und  Vershebung  hervor  im  Iambischen  V er s m a a s s , 
wenn  Wortfuss  und  Versfuss  sich  nicht  deckten,  in 
Trochäischen  Maassen,  wenn  der  Wortfuss  zugleich 
Versfuss  war,  nur  dass  natürlich  der  katalektische  Ausgang  des 
Trochäischen  Septenars  die  zweite  Vershälfte  in  dieser  Beziehung 
dem  Iambischen  Versmaass  gleich  stellte,  endlich  in  Dakty- 
lischen Ver  sma  assen  ,.  ebenfalls  wenn  Wortfuss  und 
Versfuss  sich  deckten,  und  zwar  im  Hexameter  sowohl 
in  den  beiden  ersten  als  in  den  beiden  letzten  Vers- 
fiissen. 

Durch  dieses  ei  gen  I  hü  in  liehe  Lateinische  Beto- 
nungsgesetz führten  Cäsuren  nach  der  Vers  Senkung 
E  i  n  k  1  a  n  g  zwischen  II  o  c  h  t  o  n  u  n  d  V  e  r  s  h  e  b  u  n  g  herbei, 
Cäsuren  nach  der  Vershebung  Zwiespalt  zwischen 
beiden,  wie  jenes  besonders  im  Bau  des  Iambischen  Se- 
il a  r  s  und  den  T r o  c h ä  i  s c h  e  n  T etra  meter  s,  dies  e  s  im  Bau 
des  Hexameters  hervortrat. 


C.     F  o  1  g  e  r  u  lt  g  e  n 

für   die 

Philologisch-kritische     Behandlung 

der 

A  Itrömischen      Poesie. 

Die  Aussprache,  der  Vokalismus,  die  Betonung  der  Lateinischen 

Sprache,  das  Verballniss  der  Betonung  zur  AIli  omisrhen  Verskunst, 
das  sind  die  Gebiete,  durch  welche  die  vorsiehende  Untersuchung 
auf  dornenvollen  Bahnen  gewandert  ist;  es  sollen  der  Aufgabe  ge- 
mäss noch  die  aus  derselben  sich  ergebenden  Forderungen  für 
die  philologisch  kritische  Behandlung  der  Alt  römi- 
schen Poesie  dargelegt  werden.  Es  fragt  sieh  also,  welche,  von 
den  bisher  gewonnenen  Ergebnissen  der  Art  sind,  dass  sie  einen 
Einfluss  üben  müssen  auf  die  Gestaltung  des  Textes  Altrömischer 
Dichtungen. 


—     455     — 

Aus  der  Untersuchung über  den  Vokalismus  treten  folgende 
Hauptergebnisse  hervor,  die  für  die  Beurtheilung  Altrömischer 
Verskunst  von  Bedeutung  sind. 

Die  Altrömische  Dichtung  hat  in  den  Endsilben 
viele  lange  Vokale  gewahrt,  die  sich  spater  gekürzt 
haben.  Die  in  der  Seen  i sehen  Dichtung  hervortre- 
tende Positions  Vernachlässigung  beruht  a  u  f  i  r  r  a  l  i  o  - 
na  ler  Aussprache  gewisser  tieftoniger  Vokale  und 
s c h vv ach  auslautender  (Konsonanten  im  V o I k s m u n d e. 

Die  einsilbige  Geltung  zweisilbiger  Wort  formen 
in  der  Versm essung  beruht  auf  derselben  Aussprache. 

Die  Vokalverschleifung  sowohl  innerhalb  eines 
Wortes  als  i  m  A  u  s  laut  u  n d  I  n  1  a  u  t  zweier  a  nf ein a n d  e  r - 
folgender  Wörter  in  der  Altrömischen  Dichtung  er- 
klärt sich  ebenfalls  aus  irrationaler  Aussprache  sich 
begegne n der  Vokale  in  der  V o  1  k s s p r a  c h e. 

Für  die  Gestaltung  des  Textes  AI trömischer  Dichtun- 
gen folgt  aus  diesen  Ergebnissen  nichts  als  die  Mahnung  strenge 
festzuhalten  an  den  Grundsätzen  der  Kritik,  die  von  Ritschi  für 
Plautus,  von  Lach  mann  für  Lucrez  mit  glänzendem  Erfolge  ge- 
handhabt worden  sind,  namentlich  also  Vokallän  gen  ungehin- 
dert zu  lassen,  wo  sie  sich  aus  der  in  Handschriften  überlieferten 
Gestalt  des  Verses  ergeben,  so  lange  nicht  die  Unmöglichkeit  der- 
selben sich  auf  streng  sprachlichem  Wege  erweisen  lässt,  ebenso 
n  u  r  a  u  f  G  r  u  n  d  s  i  c li e  r  e r  h  a  n  d  sc h r i  f  tl  i  c  h  e r  Z  e  u  g  n  i  s s  e  , 
die  für  die  Positionsvernachlässigung,  die  S^nizese 
und  Sy  n  aloephe  ,  die  ein  silbige  Gelt  Ung  zweisilbiger 
\V ortcr  inder  Versmcssung  von  dengen a n n  l e n  Gel e h r - 
ten  gezogenen  Grenzen  zu  überschreiten. 

Aus  den  Untersuchungen  Über  die  Lateinische  B e  to  n  u  n  g 
und  ihr  Verhä  ltniss  zur  Verskunst  hat  sich  ergeben,  dass 
in  der  Altrömischen  Verskunst  kein  Streben  nach  Einklang 
zwischen  Hoch  ton  und  Vers  heb  ung  stattgefunden  hat,  weder 
in  den  volkstümlichen  Saturnischen  Versen  noch  in  der  älteren 
Scenischen  Poesie,  noch  in  irgend  einer  anderen  Dichtungsart,  deren 
Versmaass  die  Römer  von  den  Griechen  entlehnten. 

Daraus  folgt  für  die  philologisch -kritische  Behandlung  der 
Altrömischen  Poesie  mit  Notwendigkeit  der  Satz,  dass  bei  Her- 
stellung d  e  s  T  e  x  t  e  s  A  1 1  r  ö  m  i  s  c  h  e  r  D  i  c  h  t  u  n  g  e  n  niemals 


—     456     — 

von  der  Ueberlieferung  zuverlässiger  Handschriften 
abgewichen  werden  darf,  lediglich  aus  dem  Grunde, 
um  d  e  n  Z  w  i  e  s  p  a  1 1  zwischen  Hochton  u  n  d  V  e  r  s  h  e  b  u  n  g 
zu  beseitigen. 

Für  die  daktylische  Poesie,  also  für  die  Fragmente  des 
E  n  n  i  u  s  und  L  u  c r  e  z  ist  dies  auch  nicht  geschehen.  An  dem 
durch  Inschriften  oder  Handschriften  sicher  verbürgten  Texte  Sa- 
turnisch er  Verse,  die  dem  von  den  alten  Grammatikern  über- 
lieferten Schema  entsprechen,  ist  auch  neuerdings  zu  Gunsten  der 
Uebereinstimmung  zwischen  Hochton  und  Vershebung  nichts  We- 
sentliches geändert  worden.  Für  die  Behandlung  der  Satur- 
nischen Verse  gestaltet  sich  nach  den  obigen  Untersuchungen  der 
vorstehende  Satz  so:  sie  ohne  Aenderungen  des  Textes, 
ohne  Rüc.ksichtaufden  Wo r 1 1 o p ,  nachder  aus  P 1  a u t u s 
erschlossenen  A lt  1  a t e i  n i s  c h c n  Quantität,  namentlich 
d  e  r  E  n  d  s  i  1  b  e  n ,  und  nach  de  m  von  den.Altenangegebe- 
neu  Sehe m a  des  V ersmaasses  so  w e i t  als  m ö glich  zu 
messen,  diejenigen  aber,  welche  sich  diesem  Maasse  nicht 
fügen  wollen,  für  jetzt  unverändert  so  zu  lassen,  wie  sie 
handschriftlich  überliefert  sind,  bis  ein  glücklicher  Fund 
für  die  Beurtheilung  derselben  eine  breitere  Basis  bietet ,  oder  ein 
sicherer  Beweis  für  die  Messung  der  vom  gewöhnlichen  Schema 
aliweichenden  Saturnier. geführt  worden  ist. 

Einen  en t schiede  neu  Ei nfluss  auf  Umgestaltung  des 
Textes  der  allen  Scenischen  Dichter  hat  neuerdings  Ritschis 
Ansiclft  von  der  möglichsten  Berücksichtigung  des 
Worttones  beim  AI  t  lateinische  n  Versbau  ausgeübt. 
Ist  die  Widerlegung  dieser  Ansicht  im  vorigen  Abschnitt  gelungen, 
so  müssen  ohne  Weiteres  alle  ihr  zu  Gunsten  frorgenommenen 
Textändcrungen  von  selbst  wegfallen.  Aber  die  Sache  ist  zu 
wichtig  und  mit  grossem  Aufwand  von  Gelehrsamkeil  und  Scharf- 
sinn verfochten,  als  dass  man  es  unterlassen  dürfte  dieser  Kritik 
Ritschis  Schritt  vor  Schritt  zu  folgen. 

Im  fünfzehnten  Capitel  der  Prolegomena  zum  Tri- 
nummus  erörtert  Bit  seh  1,  an  welchen  Stellen  des  Verses  und 
in  weichen  Wertformen  der  Widerspruch  zwischen  Hoch- 
ton  und  Vershebuni;  ihm  unstatthaft  und  Abweichung  von  der 
handschriftlichen  Ueberlieferung  gerechtfertigt  erscheint  l>ie  Me- 
thode ist  meist  so,  dass  Bitschi  von  einer  für  die  Mehriah]  der  Fälle 


—     457     — 

gültigen  Beobachtung  ausgeht,  die  Minderzahl  von  Beispielen  aber, 
die  eigentlich  verbieten  sollte,  jene  Beobachtung  als  allgemeine 
Regel  hinzustellen,  theils  durch  Anführung  besonderer  Nebenum- 
stände metrischer  oder  sprachlicher  Art  als  motivierte  Ausnahmen 
hinstellt,  theils,  wo  dies  nicht  möglich  ist,  durch  leichte  Umstel- 
lungen und  Abänderungen  aus  dem  Texte  hinwegschafft. 

Der  Gefahr,  die  in  solchen  Umstellungen  zu  Gunsten  der  Ue- 
bereinstimmung  zwischen  Hochton  und  Vershebung  liegt,  ist  sich 
Ritschi  wohl  bewusst  gewesen ;  denn  es  heisst  Proll.  p.  239 :  Tali- 
bus  igitur  cavendum  est,  ne  ad  severiorem  accentus  Obser- 
vation e  m ,  quam  quae  i  p  s i  s  p  o  e  t  i  s  p  1  a  c  u  i t ,  unquam  exactis 
de  transpositione  calidius  quam  perilius  cogitcs.  Und  in  der 
That  finden  sich  auch  auf  Schritt  und  Tritt  bei  Plaulus  und  Terenz 
Verse,  in  denen  durch  eine  ganz  leichte  Umstellung  der  Widerstreit 
zwischen  Hochton  und  Vershebung  in  einer  oder  mehreren  Vers- 
steilen  beseitigt  werden  kann. 

Ritschl's  Kritik  geht  nun  insbesondere  darauf  aus,  die  Fälle  zu 
beschränken,  in  denen  die  Vershebung  auf  die  Endsilbe 
des  Wortes  fällt  und  gerade  diese  Kritik  muss  hier  in  Frage  ge- 
stellt werden. 

Es  scheint  am  geeignetsten  mit  den  zweisilbigen  Wort- 
formen  anzufangen.  Aus  dem  oben  Gesagten  erhellte,  dass  in 
der  zweiten  Dispodie  des  Iambischen  Senars  die  Vershebung  seilen 
auf  die  Schlusssilbe  des  Wortes  fällt,  wegen  der  Caesur,  ebenso  dass 
drei  zweisilbige  Wortformen  am  Schlüsse  des  Senars  mit  der  Vers- 
hobung  auf  der  Schlusssilbe  selten  sind,  und  noch  seltener  drei  Iam- 
bische  Wortfüsse  hintereinander,  nicht  weil  der  Zwiespalt  zwischen 
Hochton  und  Vershebung  vermieden  wurde,  sondern  weil  der 
Vers  dadurch  unerträglich  eintönig  schloss  und  die  Vers- 
füsse  ohne  Verbindung  und  Verschränkung  neben  einander 
standen.  Ritschi  behauptet  (p.  218.  222)  eine  spondeische 
Wort  form  im  drit  ten  Versfusse  könne  nur  nach  einer  star- 
ken Interpunction  stattfinden,  nicht  vor  einer  solchen,  weil  vor 
derselben  der  Widerspruch  zwischen  Hochton  und  Vershebung  zu 
hart  sei.  Aus  diesem  Grunde  ändert  Ritschi  den  Vers: 
Bacch.  1065: 

Vel  da  äliquem  qui  servet  nie.    Ohe  odiose  facis, 
indem  er  ohe  weglässt  und  umstellt  me  servet,  und  so  ist  der 
Vers  auch  in  den  Fleckeisen'schen  Text  aufgenommen.    Wenn,  wie 


—     458     -- 

oben  gezeigt  ist,  der  Widerspruch  zwischen  Vershebung  und  Hoch- 
ton den  Römischen  Dichtern  gleichgültig  war,  so  ist  diese  Aende- 
rung  ungerechtfertigt.  Als  Grund  der  Thatsache,  dass  im 
drittletzten  Versfuss  des  lamhi sehen  Senares  ein  S p o n d  e i - 
seh  es  Wort  gemieden  wurde,  gibt  Ritschi  an  (p.  211),  dass  die 
Vershebung  auf  der  Endsilbe  der  Spondeischen  Wortform  in  härte- 
rem Widerspruch  zu  der  "Wortbetouung  stehe  als  auf  der  Endsilbe 
Jambischer  Wortformen.  Indessen  da  der  Hochton  ebenso  scharf 
und  hoch  bleibt  auf  der  kurzen  Silbe  der  Jambischen  wie  auf  der 
ersten  Lange  der  Spondeischen  Wortform,  da  auch  das  Wesen  der 
Vershebung  auf  der  Endsilbe  in  beiden  Fällen  dasselbe  bleibt,  so 
ist  auch  der  Zwiespalt  zwischen  Hochton  und  Vershebung  in  beiden 
Fällen  derselbe ,  das  heisst  gleich  wenig  gesucht  und  gleich  wenig 
gemieden. 

Ein  S p o n d  c i s c h c r  oder  Anapaestische r  W o r tf u s s  im 
zweiten  Versfusse  des  Iambischen  Senars  ist  selten;  doch  duldet. 
ihn  Ritschi  in  den  Versanfängen  (Proll.  p.  221  /'.). 

Bacch.  518:  Tum  quöm  nihilo  plus  .  . 

Bacch.  853 :  Scies  hau  multö  post  .  . 

An  diesen  Stellen  sollen  nihilo  und  multo  deshalb  gerechtfer- 
tigt erseheinen,  weil  plus,  post  sich  enklitisch  an  das  vorhergehende 
Wort  anschlössen.  Auch  die  Personalpronomen  sollen  sich  au  die 
vorhergehende  Präposition  enklitisch  anlehnen  in  Verbindungen  wie 
propter  nie,  praeter  nie,  praeter  te,  inier  sc,  int  er 
n us,  erga  ine,  erga  te,  ja  sogar  res  soll  enklitisch  sieb  an  das 
vorhergehende  Wort  lehnen,  selbst  wenn  dies  eine  Präposition  isl 
in  solchen  Verbindungen  wie  propter  res,  laut  am  rein  [Proll.  />. 
222.  227.  237).  Diese  Aufstellungen  sind  ein  Beleg  dafür,  dass  aus 
dem  Fall  der  Vershebung  niemals  auf  die  Betonung  des  Weites  ge- 
schlossen werden  darf.  Es  isl  in  dem  Abschnitt  Ober  den  Tonan- 
schluss  dargethan,  dass  die  Präposition  sich  enklitisch  an 
das  folgende  Wort  anschloss,  dass  also  betont  wurde  propter 
res  (nicht  propter  res),  praeter  me,  praeter  te",  inier  sc, 
int  er  liös,  erga  me,  erga  te  wie  Griechisch  sig  m/;'.  iv 
r){itv,  cog  cc  vxov,  ecp'  ecrrö  r .  u.  a.  Deutsch  c^eu  en  in  ich, 
unter  uns,  durch  dich,  in  ihm,  für  euch  u.a.'  Dass  das 
persönliche  Pronomen  im  Lateinischen  sich  tieftonig  an  das  vor- 
hergehende Wort  angeschlossen  halte,  dafür  hat  rieh  (dien 
keine  Spur  gefunden.     .Noch  viel  weniger  kann  nach  der  obigen 


—     459     - 

Untersuchung  über  die  Enklisis  angenommen  werden,  dass  plu  s, 
post,  res  sich  an  das  vorhergehende  Wort  in  der  Betonung 
anlehnten,  da  weder  irgend  ein  Grammatiker  davon  etwas  weiss, 
noch  jene  Wörter  jemals  in  Handschriften  oder  Inschriften  mit 
dem  vorhergehenden  Wort  zusammengeschrieben  worden  sind. 
Es  muss  demnach  in  den  obigen  Versen,  da  Tonanschluss  an 
ein  vorhergehendes  Wort  dort  nicht  stattfindet,  einfach  bei  der 
Thatsache  sein  Bewenden  haben,  dass  auch  im  zweiten  Vers- 
tösse bisweilen  ein  A  n  a  p  ä  s  t  i  s  c  h  e  r  oder  S  p  o  n  d  e  i  s  c h  e r 
Wortfuss  stehen  kann  und  auch  die  Entschuldigung  durch  eine  fol- 
gende Interpunction  (p.  223)  bedarf  es  nicht. 

Hitschl  weist  nach,  dass  besonders  in  dem  zweiten  und  dritten 
Euss  des  Trochäischen  Septenars  eine  auslautende  kurze  Silbe  als 
erste  Kurze  der  aufgelösten  Arsis  stehe  (p.  225)  und  dass  dann  in 
der  Verssenkung,  die  auf  die  aufgelöste  Vershebung  folgt,  in  der 
Begel  eine  kurze  Silbe  steht,  also  Vershebung  und  Verssenkimg  zu- 
sammen einen  Tribrachys  bilden  wie: 

Trin.  714:  Sine  dote  neque  tu  hinc  abituru's  . . 
715:  Sin  a  1  i  t  e  r  ani  m  ä  t  u  s  es  .  . 
Auf  diese  Beobachtung  gestützt  ändert  Bit  seid  (p.  226)  den  Vers  : 
Trin,  329:  De  meo:  nam  quöd  tuumst,  meümst,  omne  meum 
äul  ein  tuumst, 
indem  er  umstellt:  meumst,   omne  autem  meum  tuumst,  weil 
auf  jene  aufgelöste  Vershebung  eine  lange  Silbe  folge: 
-ne  meum  äu-  und  weil  sie  im  sech  st en  Versfuss  e  stehe. 

Ebenso  ist  im  Bitschrschen  Text  ein  Vers  umgestellt,  der  nach 
den  Handschriften  lautet: 

PscucJ.  1 79  :  Natalem  scitis  mi  esse  die  m  h  ü  n  c. 
indem  Bitschi  und  Fleckeisen  schreiben:   Natalem  mi  esse  nunc 
diem  scitis. 

Man  vergleiche  aber  folgende  Verse : 
Trin.  623:  Nescio  quid  non  satis  inter  eös  cönvenit .  . 
Pscud.  648:  Nam  istie  sumbolümst  inter  er  um  meum  et  tuum 

de  mülierc. 
Trin.  827:  Nam  pol  placidum  te  et  clementein  eo  usque  modo 

üt  volui,  usus  sum  in  alto. 
Bacch.  1146:  'Et  praeter  eös  ägnos  meus  est  .  . 
Most.  235:  Iam  ista  quulem  äbsumpta  res  erit .  . 
Psend.  206:  .  .  serviant,  suils  ämör  cogit. 


—     460     — 

In  diesen  Versen  zeigt  sich  derselbe  Fall  der  aufgelösten  Vers- 
hebung  auf  die  Endsilbe  eines  Trochäischen  oder  Pyrrhichischen 
Wortes  im  vierten,  fünften  und  siebenten,  wie  im  zweiten  Versfusse 
und  in  allen  Fällen  folgt  in  der  Verssenkung  eine  lange  Silbe  aufdie 
aufgelöste  Arsis.  Dass  in  der  Verbindung  inter  eos,  inter  er  um, 
praeter  eos,  das  zweite  Wort  nicht  enklitisch  war,  ist  schon  gesagt. 
Wenn  also  Plautus  im  zweiten,  vierten,  fünften  und  sie- 
benten Versfusse  die  Vershebung  aufdie  kurze  Endsilbe  des  Tro- 
chäischen Wortes  legte,  ohne  sich  um  den  Hochfon  zu  kümmern, 
so  ist  kein  Grund  ersichtlich,  weshalb  er  im  sechsten  und  vier- 
ten Versfusse  der  obigen  Verse  nicht  ebenso  verfahren  sein  sollte, 
und  die  in  denselben  vorgenommenen  Umstellungen  sind  nicht  ge- 
rechtfertigt. Dies  ist  um  so  einleuchtender,  da  Ritschi  auch  im  Jam- 
bischen Senar  denselben  Fall  der  Vershebung  für  zulässig  erachtet: 

Pseud.  838:  Cumque  tüls  ist is  Omnibus  .  . 
wo  der  aufgelösten  Vcrshebung  eine  lange  Silbe  in  der  Verssenkung 
folgt. 

Nach  Ritschi  darf  die  Vershebung  nicht  auf  die  zweite 
Silbe  einer  Tribra  chyschen  Wortform  lallen  ~J~  {Prall,  p. 
225)  während  er  an  der  Hebung  der  vorletzten  Silbe  eines  dakty- 
lischen Wortes  -  --  nicht  zweifelt  {p.  221),  ebenso  wenig  wie  an 
der  Arsis  der  kurzen  Endsilbe  eines  Trochäus  -  J-  Da  doch  sicher- 
lich der  Widerstreit  zwischen  Hoch  ton  und  Vershebung  nicht  grel- 
ler ist ,  wenn  eine  tieftonige  kurze  Silbe  neben  einer  hochlonigen 
kurzen  Silbe,  als  wenn  eine  tieftonige  kurze  Silbe  neben  einer  hoch- 
tonigen  langen  Silbe  die  Vershebung  erhält,  so  ist  kein  Grund  ab- 
zusehen, weshalb  der  eiste  erlaubt,  der  zueile  verpönt  sein  sollte. 
Diese  Betonung  einer  Tribrachyschen  Wort  form  findet  sich  denn 
auch : 

bei  Plaut  us  Men.  876: 

Oui  vi  nie  cogunt,  i'il  välldÜS  insäniam, 
wo  Ritschi  die  Umstellung  von  Bothe  'validus  ul  insani.un  ver- 
wirft und  beider  handschriftlichen  IVberliel'erung  bleibt,  also  sein»1 
frühere  Ansicht  geändert  zu  haben  scheint.  Ebenso  findet  sich  in 
einem  bereits  erwähnten  Vers  der  einen  Scipionengrabscbrifl  ge- 
messen : 

Facile  facteis  superäses  glöriam  maiorum 
Ritschi    stellt    den    Salz    auf,    Daktylische   \Y  <>  r  I  l'or  m  e  n    und 
solche,  die  auf  einen  Daktylus  au  suchen,  halten  die  Vers  he- 


—     461      — 

1)  n  n  g  auf  der  1  et  ztcn  Silbe  nicht  ertragen  (Prall,  p.  229)  und 
beseitigt  Falle,  wo  dies  vorkommt,  zum  Theil  durch  Umstellungen. 
So  Mil.  226: 

Reperi  comminiscere  cedo  cälidum  consiliüm  cito. 
Ritschi  schiebt  gegen  die  Handschriften  dum  hinler  cedo  ein,  und 
auch  Fleckeisen  hat  diese  Abänderung  in  den  Text  aufgenommen. 

Durch  Umstellung  oder  Einsehiebung  von  Wortern  werden  aus 
gleichem  Grunde  folgende  Verse  gegen  Handschriften  verändert: 
Pers.  186: 

Nön  edepol  scis.   Da  hercle  pignus  ni  ömniä  memini  et  scio. 
Hier  stellt  Ritschi  mit  Reiz  um:  ni  memini  omnia. 
Men.  887 : 

Utrum  mc  dicam  diicere  medieum  an  fabrum. 
Ritschi  nimmt  hier  Bothe's  Umstellung  med i cum  ducere  in  den 
Text. 

Pseud.  59 : 

Haec  prae;stiluta  pröxima  Dionysia. 
Fleckeisen  und  Ritschi  schieben  hier  ein  ad  nach  proxima 
ein,  ohne  dass  der  Sinn  es  forderte,  also  weil  nach  der  Lesart  der 
besten  Handschriften  die  Vershebung  auf  die  letzte  Silbe  des  Dakty- 
lischen Wortes  fällt. 
Mil.  27  : 

Quid?  bracchium?  Mut  dlcere  volui  femur. 
So  haben  die  Handschriften  und  so  steht  der  Vers  auch  im 
Ritschi'schen  Text.  Indessen  auch  hier  will  Ritschi  ändern 
(Rhein.  Mas.  VII.  312),  indem  er  eine  sonst  nicht  vorkom- 
mende Wortform  feminin*  vermuthet  ,  die  neben  femur 
stände,  wie  itiner  neben  iteru.  a.  und  min  schreiben  will  fe- 
min ur  volui  dicere,  was  denn  auch  Fleckeisen  in  den  Text  ge- 
setzt hat.  Dass  die  Form  femin  ur  einmal  in  der  Sprache  vorhan- 
den gewesen,  ist  sehr  wahrscheinlich;  aber  der  Kritiker  ist  schwer- 
lich berechtigt  eine  sprachliche  Form  in  den  Text  eines  Schrift- 
stellers zu  setzen,  deren  einstmaliges  Vorhandensein  der  Sprachfor- 
scher nach  richtiger  Analogie  wahrscheinlich  gemacht  hat;  erbat 
nur  zu  untersuchen,  welche  wirklich  in  der  Sprache  vorkommenden 
Wortformen  an  jeder  Stelle  standen  oder  stehen  müssen.  Die  be- 
sagte Aenderung  darf  um  so  weniger  in  einer  Plautusausgabe  Platz 
finden,  als  in  dem  Fall  der  Vershebung  dlcere  dazu  kein  Grund 
liegt.    Es  scheint  auch  als  ob  Ritschi  seine  Ansicht,  dass  die  letzte 


—     462     — 

Silbe  eines  Daktylischen  Wortes  nicht  die  Vershebung  tragen  dürfte, 
geändert  hätte ;  denn  an  einzelnen  Stellen  in  den  neuerdings  heraus- 
gegebenen Stücken  bleibt  dieser  Fall  der  Vershebung  unangefoch- 
ten.   So: 
Pseud.  359 : 

"Ingere  mala  multa  . .  . 
Merc.  1008: 

Erit  eamus.    Hie  est  intro  filiiis  apud  nös  tuos 
Einige   ähnliche  Stellen   des  Plautus   (wie  Pseud.    379.    616. 
Trin.   289)  müssen  wegen   anderer   obwaltender  Zweifel  hier  aus 
dem  Spiele  bleiben. 

Fussend  auf  der  Ritschl'schcn  Ansicht  über  den  Einfluss  des 
Ilochtones  auf  den  Lateinischen  Versbau  hat  es  A.  Koeh,  Exerci- 
laliones  crilicae,  p.  20/'.,  unternommen,  durch  Aenderungen 
diejenigen  Stellen  aus  dem  Text  des  Terenz  zu  beseitigen, 
in  denen  der  besagte  Fall  der  Vershebung  vorkomm I.  Es  sind 
folgende: 

HeauU  V,  1,  69,  Fl: 

Me  mea  dmniä  bona  doli  dixisse  illi.  Quam  rem  agis? 
ü.  0.  V,  5,  1  1: 

Ouodego  nunc  aequom  censeo.  Pater,  dmniä  faciam:  inpera. 
(/.  0.  III,  3,  11: 

Apüt  quem  expromere  omniu  mea  occulta  Glitipho  aüdeam. 
Em.  II,  2,  33: 

Vocäbul.i:   parasili  ila  lll  (inalhöniei  vueriilur. 
Ihr.  IV,  1,  16: 

Partum,  pracserlim  cum  el  rede  el  I  ein  p  <>  re  sno  pepererit. 
Adetph.  III,  2,  4&: 

Perift:  pro  virgine   dari  nuptum  nön  potest:    hoc  reli- 
cuom  esl. 
ffeaut.ll,  1,1: 

E\  su;i  lubidine  moderantur,  nunc  quae  est,  mm  quae 
olim  fuil. 
Phorm.  V,  9,  7: 

Auscülta.    Pergin  ered  r»  r « *  ?  Quid  pgo  öbsecro. 
Andr.  Prol.  23: 

Male  dicere*,  maJefäcia  ne  noecänl  sua. 
a.  0.  lll,  5,  7: 

(jui  smn  pollieiius  dücere?  qua  audäcia  id  facere  aüdeam. 


—     463     — 

Heant.  11 ,  1 ,  5  : 

Mihi  si  ümquam  fllnis  erit,  nc  illc  fäcili  me  utelür  patre. 

Adelph.  IV,  3,  7: 

Scd  quaeso  ut  una  mecum  ad  matrem  virgini s  cas  Micio. 

Eun.  V,  8,  52: 

"Accipit  homo  nemo  melius  prörsus  nequc  prolixius. 
Es  ist  schon  von  Krain  darauf  hingewiesen  {Phüolog.  IX,  p. 
668 — 674),  dass  alle  diese  Aenderungen  durch  keine  anderen 
Gründe  gestützt  sind,  als  durch  das  Bestrehen,  die  Vershebung 
von  der  letzten  Silbe  der  Daktylischen  Wortform  wegzu- 
schaffen, das  heisst  also  ungerechtfertigt  sind.  Aber  der 
genannte  Gelehrte  geht  auf  eben  dasselbe  Bestreben  ein,  indem  er 
gegen  B i  t  s  c  h  1  (Proll.  p.  1 S5  f.)  und  Lac h  m  a  n  n  {Lucrez  p.  75) 
einen  Beweis  zu  fuhren  versucht,  dass  durch  die  Kraft  der  Vers- 
hebung bei  den  Scenischen  Dichtern  eine  kurze  Silbe  gelängt 
weiden  könne,  dass  also  an  den  hier  in  Bede  stehenden  Stellen 
durch  die  Vershebung  aus  Daktylischen  Wortfüssen  Crctische  ge- 
worden seien.  Man  verfolge  diese  Abhandlung  Schritt  vor  Schritt, 
und  man  wird  finden,  dass  in  allen  Fällen,  um  Längung  der  End- 
silben durch  die  .Vershebung  zu  beweisen,  entweder  Synizese  oder 
die  ausnahmsweise  einsilbige  Messung  eines  zweisilbigen  Wortes 
angenommen  ist.  Wäre  die  Vokalverschleifung  und  die  einsilbige 
oder  vielmehr  irrationale  Messung  eines  zweisilbigen  Wortes  bei 
Plautus  und  Terenz  Begel,  so  Hesse  sich  ein  Beweis  für  die  verlän- 
gernde Kraft  der  Arsis  darauf  stützen.  Nun  muss  man  es  aber 
doch  seit  Bilscbls  Forschungen  als  erwiesen  ansehen,  dass  beide 
Messungen  nur  eine  auf  enge  Grenzen  beschränkte  Ausnahme  sind. 
Durch  eine  ausnahmsweise  angenommene  Vokalverschleifung  oder 
einsilbige  Geltung  zweisilbiger  Wertformen  kann  man  aber  nicht 
eine  ausnahmsweise  verlängernde  Kraft  der  Vershebung  erweisen. 
Es  mussten  bessere  Gründe  geltend  gemacht  werden,  um  die  Leine 
Lachmann's  und  Bitschl's,  dass  bei  den  älteren  Römischen  Dichtern 
die  Vershebung  keinen  Einfluss  auf  die  Tondauer  der  Wortsilben 
übt,  zu  erschüttern.  Fl  eck  eisen  hat  von  allen  jenen  Umstellun- 
gen Koch's  keine  einzige  aufgenommen,  theilt  also  die  Meinung, 
dass  dieselben  nicht  Verbesserungen,  sondern  Verderbnisse  des 
Textes  sind  ;  er  lässt  die  grosse  Mehrzahl  der  obigen  Verse  unan- 
getastet,  wie  sie  handschriftlich  überliefert  sind,  nimmt  hingegen 
in  zweien  derselben  {Her.  IV,   1 ,  16.    Heaut.  II,  1,4)  sehr  leichte, 


—     464     — 

in  einem  (Adelph.  III,  2,48)  eine  bedeutendere  Aenderung  in  den 
Text  auf,  und  verbessert  eine  ähnliche,  oben  absichtlich  nicht  an- 
geführte Stelle  {Adelph.  II,  3,  9)  durch  eine  treffliche  Emendation. 

Wenn  nun  aber  der  Versuch  gewagt  worden  ist,  die  Vershe- 
bung von  der  letzten  Silbe  des  Daktylischen  Wortes  in  so  zahlrei- 
chen Fällen,  wo  sie  handschriftlich  verbürgt  ist,  durch  Aenderun- 
gen  und  Vermuthungen  zu  beseitigen ,  so  erwartet  man  wenigstens 
einen  Grund  zu  hören,  weshalb  denn  eigentlich  den  Scenischen 
Dichtern  dieser  Fall  der  Vershebung  so  in  der  Seele  zuwider  gewe- 
sen sei.  Aber  ein  solcher  wird  nirgends  angegeben  und  ist  auch 
in  der  That  nicht  vorhanden.  Angenommen,  jene  Dichter  hät- 
ten, was  oben  widerlegt  ist,  den  Zwiespalt  zwischen  Hochton 
und  Vershebung  gemieden,  so  fand  ja  dieser  Widerspruch  in  dein 
vorliegenden  Falle  gar  nicht  statt.  In  den  Daktylischen  Wortern 
und  Wortausgängen  wie : 

omniä,  virgine,  male  df'cere,  äccipft  u.  a. 
fiel  an  den  betreffenden  Stellen  die  erste  Vershebung,  die  das 
Wort  zu  tragen  hatte,  mit  dem  II  och  ton  des  Wortes  zusammen 
auf  der  langen  Silbe,  und  dieser  Einklang  blieb  völlig  unberührt 
und  ungestört  dadurch,  ob  das  Wort  noch  eine  Versbebung 
trug  oder  nicht.  Es  ist  nun  aber  vollends  nicht  erklärlich,  was 
einem  Dich! er,  der  sich  gar  nicht  scheute,  in  Trochäischen  und 
Daktylischen  Wortformen  die  Vershebung  auf  die  tieftonige  kurze 
Silbe  hart  neben  die  bochtonige  lange  Silbe  zu  legen  (Proli. p. 
224)  in  Daktylischen  und  Trochäischen  Wortformen  --'-,-  -',  dem 
der  Widerstreit  zwischen  Hochton  bis  zu  dem  Grade  gleichgültig 
war,  dass  er  Verse  bilden  konnte,  wie  den  anapaestischen  Septenar: 
Bacch.  1008: 

Stulti,  spondi,  fatui,  fungi,  bardi,  blenni,  buccones, 
was   einen    solchen   Dichter   bewegen    sollte,    neben    dem  Einklang 
/wischen  Hochion  und  Vershebung  auf  der  langen  ersten  Silbe  der 
Daktylischen  Wortform,  eine  zweite   Vershetiung  auf  der  Schluss- 
silbe des  Wortes  hart  zu  linden  und  zu  meiden. 

Ritsch!  hal  dabei-  wohlgelhan,  in  neuester  Zeil  von  dieser  An- 
sicht abzugehen ,  wie  seine  Lesarten  ingere*  {/'seit'/.  359),  l'lllus 
(Merc.  1008)  zeigen.  Demnach  ist  auch  lüppiter  (Amph.  94) 
und  r n s  ü p e*r  (Merc.  693)  tu  messen,  da  schon  oben  gezeigt  ist, 
dass  die  auslautende  Silbe  dieser  Wörter  nicht  lang  gewesen  sein 


—     465     — 

kann;  und  aedlbus  {Most.  402)  beweist  nichts  für  eine  ursprüng- 
liche Länge  des  Suffixes  -bus*). 

Es  ist  ferner  von  Ritschi  (Prot,  p.  229)  aufgestellt  worden, 
dreisilbige  und  mehrsilbige  Wörter,  deren  vorletzte  Silbe 
lang  ist,  dürften  nicht  die  Vershebung  auf  der  letzten 
Silbe  tragen.     Daher  wird  denn  folgender  Vers  geändert: 

Mit.  699: 

Me  uxöre  prohibent  quae  mi  huius  similis  sermones  serat 
indem  umgestellt  wird  :  m  e  prohibent  uxore. 
Hingegen  bleibt  ungeändert : 

Stich.  696: 

Set  amlcä  mea    et   tüa  dum   comit  se  ätque  exornat,   nös 

volo , 
weil  die  beiden  Wortformen  set  ä ml  ca  einem  Päeon  primus  oder 
Proceleusmaticus  ähnlich  klängen  und  dem  gemäss  die  Vershebun- 
gen fallen  konnten  wie  in  den  Verbindungen  propitla  fon  s, 
obicere  neque.  Das  ist  ein  Scheingrund,  denn  abgesehen  da- 
von, dass  set  amica  zwei  Worter  sind  und  nicht  eins,  ist  es  ja 
für  die  Lateinische  Betonung  von  ganz  durchschlagender  Bedeu- 
tung, ob  die  vorletzte  Silbe  einer  Wortform  lang  und  kurz  ist,  folg- 
lich klang  auch  set  amica  hinsichtlich  seines  Tonfalles  sehr  auf- 
fallend verschieden  von  obicere  und  propitia.  Ungeändert  bleibt 
ferner : 

Trin.  320: 

Benefacta  benefäctis  aliis  pertegilo  ne  perpluat, 
weil  man  sich  hier  bene  facta  getrennt  denken  könne.  Indessen 
wenn  auch  benefacta,  maledicta  nicht  untrennbare Composita 
geworden  sind,  so  beweist  doch  ihre  verbundene  Schreibweise,  die 
ja  auch  Ritschi  im  Texte  beibehalten  hat,  dass  die  Adverbien  bene, 
male  sich  enklitisch  an  das  folgende  Wort  anschlössen  und  tieftonig 
gesprochen  wurden.  Es  ist  also  für  die  Betonung  gleichgültig,  ob 
man  bene  facta,  male  dicta  schreiben  will  oder  benefacta , 
maledicta,  es  bleibt  also  auch  das  Verhältniss  zum  Hochton  im 
angeführten    Verse     bei    beiden    Schreibweisen    genau    dasselbe. 


*)  Daher  hat  auch  0.  Ribbeck  die  Porsonsche  Herstellung  eines  En- 
nianischen  Verses,  Trag.  fr.  238:  Quique  lürnine  tuo  maria  te'rram 
caelum  contines,  ganz  mit  Recht  gebilligt  und  in  den  Text  aufgenommen 
Die  Handschriften  haben:  tuo  lumin  e.  Bei  Vahlen ,  Enn.  trag.  322, 
erscheint  derselbe  Vers  übel  zugerichtet. 

Corssen  II.  30 


—     406     — 

Es  ist  auch  hier  wieder  nicht  genügend  gerechtfertigt,  warum 
üxöre  aus  dem  Text  verwiesen  benefäcta,  ämleä  beibehalten 
werden,  warum  der  Fall  der  Vershebung  öre  nicht  anstössig, 
ilxöre  aber  unerträglich  gewesen  sein  soll,  denn  der  Zwiespalt 
zwischen  Hochton  und  Vershebung  ist  in  beiden  Fällen  vollkommen 
derselbe.  Also  auch  hier  ist  von  den  Handschriften  ohne  zureichen- 
den Grund  abgewichen. 

Für  Molossische  Wortformen  verwirft  zwar  Ritschi  den  Fall  der 
Vershebung  auf  die  letzte  Silbe  im  Allgemeinen  nicht  (Proll.  p.  213), 
will  indess  doch  im  vierten  Fusse  des  Trochäischen  Septenars  eine 
solche  Härte  darin  finden  (p.  214),  dass  er  ändert,  wo  sich  Aende- 
rungcn  leicht  darbieten ;  so  : 
Trin.  648:      • 

Praeöptavisti,  ainörem  tuum  tibi  virtiili  praeponeres, 
Ritschi  ändert:  tuum  tu  virtuti  ut  praeponeres, 
und   Trin.  410 : 

Quam  si  tu  obicias  fdrmicls  papäverem, 
wo  Ritschi  ändert:  formicis  tu  obicias.  Gegen  die  Leichtigkeit 
dieser  Aenderungen  lässt  sich  gar  nichts  sagen.  Man  sieht  nur 
wieder  keinen  Grund,  warum  im  vierten  Fusse  jener  Widerstreit 
zwischen  Hochton  und  Vershebung  in  den  Molossischen  Wortformen 
dem  Dichter  unerträglich  gewesen  sein  soll,  an  anderen  Versstellen 
nicht.  Aber  auf  Grund  des  Ergebnisses,  dass  jener  Widerstreit 
überhaupt  weder  gesucht  noch  gemieden  wurde,  sondern  gleich- 
gültig war,  kann  man  doch  die  vorstehenden  Abweichungen  von 
der  Handschriftlichen  Ueberlieferung  vollends  nur  als  ungerechtfer- 
tigt ansehen. 

Ritschi  stellt  das  Vorkommen  Choriambischer  Wortfor- 
men in  der  Mitte  des  Verses,  im  dritten  und  vierten  Versfusse 
mit  der  Versheb  ung  auf  der  ersl  e  n  und  letzt  en  Silbe  im  All- 
gemeinen nicht  in  Frage,  findet  es  aber  unglaublich,  dass  die- 
selben auch  vor  ein  er  starken  Int  erpunc  lien  vom  Dichter  zu- 
gelassen seien  (Proll.  p.  212)  und  ändert  daher  die  handschriftliche 
Lesart  des  folgenden  Verses : 
Trin.  582: 

Die  Gällicli,  me  ut  cdnvänlät.     Quin  tu  i   modo, 
indem  er  con  vena  I  schreibt. 


—     467     — 

Angenommen,  es  wäre  die  Vershebung  auf  der  letzten  Silbe 
der  Choriambischen  Wortform  vor  starker  Interpunction  Plaulus 
und  seiner  Zuhörer  Ohren  so  unerträglich  gewesen,  wie  Ritschi 
annimmt,  dann  ist  nicht  abzusehen,  weshalb  folgender  Vers  unange- 
tastet bleibt: 
Bacch.  246: 

Salve,  set  ubinamst  Mnesilöchus?  Vivit,  valet. 

Das  Fragezeichen  ist  doch  eine  ebenso  starke  Interpunction  als 
das  Punctum;  die  Frage  vor  Personenwechsel  bedingt  ja  eine  ent- 
schiedene Pause  in  der  Rede.  In  Mnesilöchus  hätte  also  der 
Widerstreit  zwischen  Vershebung  und  Hochton  eben  so  hart 
klingen  müssen  wie  in  cönvenTat.  Aber  da  jener  Einklang 
nicht  erstrebt  ward,  so  wird  auch  cdnveniät  ungeändert  bleiben 
müssen. 

Obwohl  Ritschi  Wortformen,  die  einen  Paeon  quartus 
bilden,  mit  der  Vershebung  auf  der  ersten  und  letzten  Silbe  für 
erlaubt  hält,  ändert  er  doch  eine  fünfsilbige  Wortform,  die  auf 
einen  solchen  Paeon  ausgeht,  und  stellt  sie  zugleich  um,  nämlich 
statt: 

Trin.  1023: 

Quorum  unus  sürripüerit  currenti  cursori  solum, 
schreibt  er:  quorura  hercle  unus  surpuerit.  Hermann  hat 
die  verderbte  handschriftliche  Ueberlieferung  s  u  r  r  u  p  u i  t ,  s  u  r  r  i  - 
p u i t ,  s u b r i p u i t  leicht  verbessert  in  surripueri t.  Weshalb  der 
Widerspruch  zwischen  Ilochton  und  Vershebung  in  sürripüerit 
stärker  und  anstossiger  sein  sollte  als  der  von  Mnesilöchus  ist 
nicht  ersichtlich,  also  auch  die  Einschiebung  des  hercle  nicht  be- 
gründet. Ganz  dasselbe  gilt  von  dem  Vers : 
Bacch.  426  : 

Ante  solein  exöri  entern  nisi  in  palaestra  veneras, 
wo  Ritschi  ändert:  Ante  solem  nisi  tu  exori entern. 

Rei  der  Gleichgültigkeit  der  Plautinischen  Verskunst  gegen  den 
Hochton  des  Wortes  muss  auch  hier  die  Lesart  der  Handschriften 
unangetastet  bleiben. 

Auch  die  Vershebung  auf  der  viertletzten  und  letzten  Silbe 
eines  auf  einen  lonicus  a  minori  ausgehenden  fünfsilbigen  Wortes 
erscheint  Ritschi  an  einer  Stelle  als  eine  unerträgliche  Härte  für 
Plautus: 

30* 


—    468     — 

Trin.  1138: 

Modo  mi  ädvenYentl  nugator  quidam  occessit  öbviam, 
er  setzt  daher  hie  hinter  advenienti  ein. 

Eine  gleiche  Wortform  mit  demselben  Fall  der  Vershebung  bleibt 
hingegen  unangefochten  stehen  an  derselben  Versstelle  in  folgendem 
Verse : 

Stich.  740: 

Peregre  ädvenientes  te  expetimus,  Stephaniscidium  mel 

raeuni. 
Weder  Ritschi  noch  Fleckeisen  weichen  im  Text  hier  von  der 
handschriftlichen  Ueberlieferung  ab.    Hingegen  den  Vers: 
4mph.  296: 

Corte   advenientem  nie  hie  hospitiö,   pugni   aeeeptürus 

est, 
ändert  Fleckeisen  wieder  durch  Umstellung  in:  (leite  advenientem 
hie  nie  hospitiö  pugneo  aeeepturus  est. 

In   diesem  Verfahren  ist  so  wenig  (Konsequenz,  dass  man  zu 
dem  Glauben  veranlasst  wird,  dass  der  erste  und  dritte  dieser  Verse 
geändert  ist,  weil  die  Abänderung  leichl  war.  hingegen  der  zweite 
unangetastet  geblieben  isi ,   weil  eine  Aenderung  schwer  oder  gar 
nicht  thunlich  schien,     her  lall  der  Vershebung  in  ädvcnTenti. 
ädvenientes,  advenientem  siehl  in  keinem  schärferen  (iegen- 
satze  zum  Hochton  des  Wortes,  als  dies  in  folgenden  Wortformen 
der  Fall  ist,  die  einen  lonicus  a  minori  bilden: 
Stich.    165:     mi  ii  n  I  ur,   c. 
a.    O.    (Kit  :      IM  on  ys  um.   e. 
Capl.      85:     päräsiti, 
a.    0.     86:    re*dierunt, 
Rud.  1246:    säp  lentis, 

Pseud.  I  lö()  :  ine  in  tili  st  i . 

Entweder  man  nuiss  nachweisen,  dass  der  Text  an  allen  diesen 
Stellen  verdorben  ist ,  oder  man  muss  ihn  an  allen  unangetasel  las- 
sen, ha  nun  dieser  Nachweis  nicht  geführl  werden  kann,  so  muss 
man  annehmen,  d;iss  Plautus  der  Fall  (\vv  Vershebung  von  adve- 
nienti ebenso  gleichgültig  war,  wie  auch  sonst  der  Zwiespalt  zwi- 
schen llochton  und  Vershebung. 

hie  hier  besprochenen  Stellen  gelingen  zum  .Nachweise,  wie 
die  neuere  Textkritik  des  Plautus  und  Terentius  das 
Zeugniss    unter    Handschriften    verworfen    und    Aen- 


—     469     — 

derungen  im  Texte  der  Scenischen  Dichter  vorgenommen  hat, 
lediglich  fassend  auf  der  Bentleyschen  Annahme,  dass  die- 
selben nach  dem  Einklang  zwischen  Hochton  und  Vershebung 
gestrebt  haben  sollen,  ohne  dass  irgend  andere  bestimmende  Gründe 
hinzutraten.  Alle  Stellen,  bei  denen  ein  Bedenken  anderer  Art  ob- 
waltet oder  auch  nur  nebenbei  geltend  gemacht  werden  konnte  zu 
Gunsten  einer  derartigen  Aenderung,  sind  absichtlich  übergangen. 

Wenn  der  Beweis  stichhaltig  gewesen  ist,  dass  die  Alt- 
römisch e  V  e  r  s  k  u  n  s  t  sich  gegen  den  W  o  r  1 1  o n  völlig  g  1  e  i  c  h  - 
gültig  verhielt,  dass  sie  gar  nicht  danach  trachtete,  ihn  mit 
der  Vershebung  in  Einklang  zu  bringen,  dann  sind  alle  bespro- 
chenen Abänderungen  der  handschriftlichen  Lesarten  unbedingt 
zu   verwerfen. 

Es  ist  sonst  gerade  das  Werthvolle  an  Ritschis  Forschungen, 
dass  er  festgestämmt  auf  dem  Boden  der  sprachlichen  und  metri- 
schen Thatsachen,  die  er  gründlich  durchforscht  hat,  fern  von 
hohlen  Theorien  graden  Weges  auf  das  Ziel  seiner  Beweisführung 
losgeht  und  mit  sicherer  Hand  die  Grenzlinien  des  Erkennbaren  zieht. 
Aber  das  fünfzehnte  Capitel  seiner  l'rolegomena,  so  reich  es  auch 
an  feinen  metrischen  Beobachtungen  ist,  steht  in  dieser  Beziehung 
den  übrigen  Abschnitten  des  trefflichen  Werkes  nicht  gleich.  Die 
handschriftlich  beglaubigten  Thatsachen  wollen  sich  einer  in  sich 
nicht  haltbaren  Lehre  nun  einmal  nicht  fügen;  daher  entsteht  in  je- 
nem Capitel  der  Prolegomena  Schwanken  und  Ungleichheit  der  kriti- 
schen Behandlung,  und  Ritschis  sonst  so  glücklicher  Scharfsinn 
müht  sich  vergebens  ab,  mitwirkende  Nebengründe,  mildernde  Um- 
stände, besonders  begünstigende  Verhältnisse  ausfindig  zu  machen, 
die  erklären  sollen ,  weshalb  ein  und  dieselbe  Form  der  Vers- 
betonung an  der  einen  Stelle  gestattet  sein  soll,  an  der  anderen 
nicht,  und  die  doch  schliesslich  die  Lücke  oder  den  Widerspruch 
in  der  Beweisführung  nicht  zudecken  können.  Schon  Bentley 
hat  seine  Lehre  so  fassen  müssen,  dass  die  Römischen  Dichter  nur 
so  viel  als  möglich,  quoadlicuit  (Sched.  d.  metr.  Ter. 
p.  19)  Hochton  und  Vershebung  in  Einklang  zu  bringen  gesucht 
hätten.  Grade  diese  Möglichkeit  ist  nun  aber  eine  so  dehnbare 
Bestimmung,  ein  so  schwankender  Boden,  dass  sich  auf 
demselben  kein  fester  Beweis  führen  lässt.  G.  Hermann  gesteht, 
dass  sich  jene  Dichter  nicht  überall  consequ  entgeblieben 
seien  (Eiern,  doctr.  metr.  p.  1).     Wie  soll  man  nun  bestimmen, 


—     470     — 

wie  weit  diese  Consequenz  ging,  und  wo  sie  aufhört?  Ritschi  sagt, 
Proll.  p.  211  :  Sed  praeter  haec  quae  ipsa  ars  concessit  fatendum 
est  quaedam  quamquam  numero  pauca  vel  excidisse  poetis  vel 
indulsisse  sibi  poetas,  quae  sint  extra  rationem  posita.  Dieses 
extra  rationem  posita  neben  der  ratio,  die  überall  gesucht 
wird,  ist  wie  das  Homerische  vtcbqiioqov,  neben  der  [iolqcc,  es 
ist  nichts  anderes,  als  die  Menge  der  Thatsachen,  die  sich  gegen 
eine  unhaltbare,  ihnen  aufgezwungene  Theorie  sträuben  und  auf- 
lehnen. 

Die  Beobachtung  des  kritischen  Verfahrens  an  allen  besproche- 
nen Stellen  aus  älteren  Scenischen  Dichtern  der  Römer  hat  also 
dazu  geführt ,  die  Richtigkeit  des  schon  oben  ausgesprochenen 
Satzes  zu  erproben  und  zu  bestärken:  Da  der  Wortton  auf 
den  Bau  des  Alf  römischen  Verses  gar  keinen  Ein  fluss 
gehabt  hat,  so  ist  man  nicht  berechtig!,  zu  Gunsten 
eines  solchen  Einflusses  bei  der  philologisch-kriti- 
sche n  R e h a n  d  1  u n g  \  Itr  öm  is  che,  r  Dichtungen  geg  e  n  das 
Zeugniss  bewährter  Handschriften  irgend  Acnderun- 
g  c  n  de  s  T exte s  vorzunehmen. 

Ist  aber  der  Beweis  für  die  ausschliessliche  Geltung 
der  Quantität  im  Altrömischen  Versbau,  der  hier  geführt  ist, 
stichhaltig,  dann  erwächst  daraus  für  die  Lehre  von  der  Vers- 
kunst der  älteren  Scenischen  Dichter  der  Vorlheil, 
da  ss  sie  auf  einem  einfachen  und  klaren  Princip  be- 
gründet werden  kann,  dass  die  Forschung  auf  diesem  Gebiet 
des  erfolglosen  Abmühens  und  Abqualens  auf  einem  dornenvollen 
und  unfruchtbaren  Felde  überhoben  wird,  der  fein  gesponnenen  Ver- 
mittelungen  und  an  Ausnahmen  erstickenden  Regeln ,  die  aus  dein 
Beginnen  erwachsen  müssen,  in  der  All  lateinischen  Verskunst  neben 
der  Herrscherin  des  Verses,  der  Tondauer,  noch  einer  Macht 
zweiten  Ranges  ein  Gebiet  abstecken  und  sichern  zu  wollen, 
jener  angeblichen  bewussten  Vorliebe  der  Dichter  für 
den  Einklang  zwischen  llocliton  des  Wortes  und  He- 
bung des  Versfu  sses,  die  sich  nach  Abstreifung  eines  tauschen- 
den Scheines  als  ein  wesenlos  es  Gebilde  ergeben  hat. 

Das  hier  ausgesprochene  mühselig  errungene  Urtheil  ist 
sicherlich  nicht  geeignet,  einen  Schatten  zu  werfen  auf  den  Glanz 

solcher  Namen  wie  R,  lientley  und  G.  Hermann;   eben  sowenig 
kann  es  das  Verdienst  desjenigen  Forschers  schmälern,   der  in  un- 


—     471     — 

seren  Tagen  mit  unermüdlichem  Fleijss,  mit  klarem  und  durch- 
dringendem Scharfsinn,  mit  umsichtiger  und  strenger  Methode 
eine  neue  Bahn  gehrochen  hat  für  die  Erforschung  der  Geschichte 
der  Lateinischen  Sprache,  indem  er  die  allen  ächten  Urkunden 
derselhen  von  Fälschung  und  Verderhniss  gereinigt  und  an  den 
Platz  gestellt  hat,  der  ihnen  zukommt,  das  Verdienst  Fr. 
Ritschis, 

Die  Acten  dieser  ganzen  Untersuchung  sind  hiermit  geschlossen 
und  dem  Urlheil  der  Sachkundigen  anheim  gegehen. 


Berichtigungen   und  Nachträge. 


I,  S.  21,  Z.  13.  Vgl.  auf  christlichen  Grabschriften  77f  qv.ztito  g, 
Rom.    subterr.  Aring.    II,   p.   121.     tccikz,  a.  0. 

I,    S.    27,     Z.      4.     Vgl.    Costanzii,   Rom.  subterr.  I,  p.   342. 

I,  S.  30  c,  z.  End.  Dieses  Endergebniss  stimmt  im  Wesentlichen  mit  R. 
v.  Raumers  Auffassung-,  die  Aspiration  und  die  Laut- 
verschiebung p.  02  :  Man  sprach  zur  Römischen  Kai- 
serzeit weder  -ikius  noch  -itius,  man  brachte 
vielmehr  einen  Laut  hervor,  der  zwischen  k  und  t 
in  der  Mitte  lag-.  Andere  Aufstellungen  R's  modi- 
fizieren sich  nach  den  oben  zusammengestellten 
handschriftlichen  und  inschriftlichen  Thatsachen. 
vgl.  a.ö.  p.  04.  Bei  Schleicher ,  Zur  vergleichenden 
Sprachgeschichte,  ist  die  Assibilation  im  Lateini- 
schen und  in  den  Italischen  Dialekten  nickt  be- 
handelt, für  die  Romanischen  Sprac4ien  eine  Zu. 
sammenstellung  gegeben  .  p.  71  f.  nach  Diez.   • 

I,    S.    31  ,     Z.   33.     für  pim    zu  lesen  kirn. 

I,  S.  48,  Z.  4.  Ob  fostis  die  ältere  Wortform  ist  oder  hostis 
und  dieses  dem  Goth.  gasts  entspricht  bleibt  für 
jetzt  dahingestellt. 

I,  S.  48,  Z.  20.  zu  streichen  Sanskr.  prija  (lieb).  Vgl.  Ehel.  Zcitschr. 
f.  vergl.  Sprachf.   IV,    447. 

I,  S.  64,  Z.  2.  Etymologisch  entspricht  Lat,  f  anch  Griech.  & ,  so 
in  ruf  us,  iqv&QOg ,  G.  Curt,  Qriech.  Etyn.  No.  306, 
fendo,  ftsivco.  a.  0.  311,  ferus,  &r>Q.  Aeol. 
cprjg,  a.  0.  310,  fumus,  &vua,  ftvuög,  a.  Ü.  320, 
formoi,  &*Q{i6g,  Schweizer,  Z.  f.  vergl.  Sprachf.  III. 
347  u.  a.  Verl.  Curt.  a.O.  307.  300.  312b.  315.  316. 
325.  1  15.  Noch  seltener  entspricht  Lat.  f  Griech.  %  ">• 
in  fei,   %6Xog,  a.  0.  200,  frio  ,   XQl'(0i  a-  °-   -0L 

I,  S.  60,  Z.  0.  Statt  Blütheeeit  der  Römischen  Litterat nr 
zu  lesen  älteren   Kaiser  sei  t. 

I,  S.  86,  Z.  6.  Ebenso  ist  B  zu  r  gesunken  in  norei  neben  AUS, 
Ahd.  m  u  s  ,  Skr.  in  il  s  - .  vi  r  Q  I  .  Skr.  v  i  s  ;i  .  n  u  - 
ms,  Skr.  snus'ä.  Vgl.  Kuhn.  Zcitschr.  f.  vergl. 
Sprachf.   II,     136. 


I, 

s. 

136, 

Z. 

31. 

I, 

s. 

HO, 

z. 

4. 

1 , 

s. 

155, 

z. 

— . 

-     473     - 

I,   S.   109,     Z.   17.     auch  in  inquam,  vgl.  Schweizer,   a.  0.  VIII,   308. 

1,  S.  125,  Z.  32.  Dass  x  Spätlat.  wie  s  klang,  zeigen  auch  Schreib- 
weisen der  lex  Salica  wie  senextra,  extriam, 
exspacium,  exstrinxerit,  exspolia  für  s i - 
nistra,  striam,  spatium,  strinxerit,  spo- 
lia,  Pott,  Zeilschr.  f.  vergl.  Sprach  f.  I,  333  f.  und 
iusta  für  iuxta,  a.  0.  338.  wie  Cappados  für 
Cappadox  auf  einer  christl.  Grabschr.  Rom.  sub- 
terr.  II,    57. 

I,  S.    134,     Z.   10.     Vgl.  Kuhn,  Zeitschr.  f.  vergl.  Sprachf.  II,   131  f. 

I,  S.  136,  Z.  4.  Ebenso  fiel  v  nach  anlautendem  s  aus  in  sudor,  Skr. 
Wz.  svid-,  Ags.  svät-,  sopor,  somnus,  Skr. 
svapna,  soror,  Skr.  svasr,  socer,  Skr.  cva- 
cura,  und  nach  c  in  canis,  Skr.  c van,  Vergl. 
Kuhn,  Zeitschr.  f.  vergl.  Sprachf.  II,  134.  135. 
Weher,  a.  0.  310.  G.  Curt.  Griech.  Elym.  No.  84. 
31.  Vgl.  Ebel,  Zeitschr.  f.  vergl.  Sprachf.  VI,  207. 
für  shall  zu  lesen   small. 

Vokalsteigerung  eines  u  zu  au,  av  zeigen  im  Lat. 
lavare  neben  luere,  aurora  neben  urere, 
us  tum,  Skr.  Wz.  us-,  augeo  von  Wz.  ug-, 
G.  Curt.  Griech.  Et.  No.  583.  caulae,  caulus, 
cavus  neben  cumulus,    y.v£co,  a.   0.19. 

I,  S.  192,  Z.  39.  Die  Gegenbemerkungen  Ebels  gegen  die  vorstehende 
Erklärung  von  priraus,  prius  u.  a.  Zeilschr.  f. 
vergl.  Sprachf.  VI,  203  f. ,  werden  anderen  Ortes  zur 
Sprache  kommen. 

I,  S.  197,  Z.  43.  Die  Ableitung  des  Nomen  cura,  coira,  durch  das 
Mittelglied  covira  von  einer  Wz.  cov-,  cav-, 
skav-,  Ebel ,  Zeitschr.  f.  vergl.  Sprach?.  IV,  448, 
ist  nicht  glaublich,  da  vor  dem  Suffix  -ro,  -ra 
im  Lat.   sich  i  als  Rindevokal   nicht  findet. 

I,  S.  204,  Z.  31.  Ueber  die  Etymologie  von  Osk.  01'tiu  f ,  Lat.  usus, 
vgl.  G.  Curt.  Zeitschr.  f.  vergl.  Sprachf.  IV,  237. 

I,  S.  232,  Z.  23.  Vgl.  s  LQ-rj  vi,  Rom.  sublerr.  II,  p.  59.  Evzv%siov , 
a.  O.  II,  p.   121.   (XvccnuvGcc  ico  g ,  II,   p.  121. 

1  ,  S.  240,     Z.   10.     Statt  o  aus  u  zu  lesen  u  aus  o. 

I,  S.  242,     Z.     6.     Statt  -ior  zu  lesen  -cov. 

I,  S.  251,  Z.  30.  Auch  Altlat.  ist  ursprüngliches  u  zu  o  geworden  in 
fore,  forem,  für  füre,  furem,  vgl.  fuam, 
Gr.  cpvco,  Skr.  Wz.  b'u-.  Dazu  wirkte  wohl  das  r 
mit,  das  zu  o  in  näherer  Lautverwandtschaft  steht 
wie  zu  u.  Man  sieht  dies  daraus ,  dass  altes  o 
sich  vor  r  hielt ,  während  es  vor  s  zu  u  wurde  in 
Formen  wie  melior  neben  melius,  tempore 
neben  tempus  u.   a.     So    entstand   durch  Einwir- 


-     474     — 

kung  des   r  auch  Marcipor  durch   die  Mittelstufe 

Mar ci  pur    aus  Marcipuer;    denn  die  Annahme, 

dass  por  aus  einer  älteren  Form  puor  entstanden 

sei,   ist  durch  keine  sprachliche  Thatsache  gestützt. 

I,   8.   266,     Z.   38.      Vgl.     die    Zusammenstellung     von    Adverbien    auf 

-tim,  -sim  von  Meyer,    Zeilsehr.   f.  vergl.  Sprachf. 

VI,  301   f. 

I,   S.   270,     Z.    13.      So    ist   in   der  lex  Salica    qui,     sui,    nicht    selten 

für    quae,     suae,     vgl.     geniceum,     pristus, 

c  i  m  e  n  t  u  s    für    gynaeceum,     praesto,    cae- 

mentum,  Pott,   Z.  f.  vergl.  Sprachf.  I,  338  f. 

I,  S.   272,    Anm.  Z.   2.     desgl.   der  unhaltbare  Erklärungsversuch  Ehels, 

Z.  f.  vergl.  Spracht».  V.  189. 
I,  S.  289,  Z.  21.  Vgl.  in  der  lex  Salica:  istrudem  und  strudem, 
iscogillo  statt  scogillo,  und  expacium.  ex- 
strinxerit,  expolia  für  spatium,  strinxe- 
rit,  spolia,  Pott,  Z.  f.  vergl.  Sprachf.  I,  333  f. 
Z.  31.     Eine  Sammlung  von  Adjectiven  auf  -ido,  s.  Meyer, 

Z.  f.  vergl.  Sprach  f.  VI.  371. 
Z.   16.     25.     Vgl.  die  Sammlung  von  Adjectiven  auf  -c  und  o, 

-undo,  a.  0.  380.  377. 
Z.    19.     vgl.   inv  eh  o    u.  a. 
Z.  27.     Vgl.    i  nenn  us,    semianimus,    sublimus,    Enn. 

Vahl.    ind. 
Z.    31.     und  von  disco,    vgl.  Schweizer ,  Z.  f.  vergl.  Sprachf. 

VIII,   313. 
Z.    13.     Statt  Vokal   zu  lesen  Stammvokal.     I > ie  gegen 
vorstehende    Erklärung    von    G.    Carlius ,     Htttrar. 
Ceniralhl.  1859  und  Meyer,  (iditing.  fiel.  Am.  St.  40. 
S.    399    erhobenen    Einwendungen     werden    anderen 
Orts  einer  Prüfung  unterzogen  werden. 
I,  S.  359,     Z.     5.     Aus   der    Schreibweise    suaveis    und    den   Messun- 
gen   hostls,     quisquis    in   Hexametern,    llitscltl, 
tit.  Mumm.   p.    XVI,    auf  ursprünglich«   Länge  des   i 
in  diesen  Eormcn  zu    schlicssen ,     nimmt    Schweizer, 
Z.  f.  vergl.  Spracht'-.  359   mit  Recht  Anstand. 
I.  S.  371,     Z.   38.     statt  ein    langes    i    ist    verkürzt    zu   lesen  ein 

lau  g  e r  V  o  k  a  1  ist  zu  i  v  e  r  k  ü  r  z  t . 
II  >  s-  1  ,  Z.  27.  In  der  Untersuchung  über  den  Vokalausfall  ist 
die  Frage,  in  wiefern  zwischen  zwei  Consonanten 
mit  denen  eine  Wortwurzel  anlautet,  namentlich 
■wischen  Muta  und  Liquida  ein  Wurzelvokal  aus- 
feilen i^r.  aus  dem  Spiele  gelassen,  theila  weil 
dieser    Ausfall    ineist     auf   Voritalisches    Sprachseit- 

alter  Eurückgeht  und   nur  mit  Zuziehung  aller  ver- 
wandten Sprachen  gründlich  behandelt  werden  kann. 


I, 

s. 

292  , 

1, 

s. 

29  1, 

I, 

s. 

32 1  , 

I, 

s. 

324, 

I, 

s. 

326, 

I, 

s. 

353, 

-     475     — 

theils  weil  vielfach  schwer  zu  bestimmen  ist, 
ob  in  derartigen  Wortformen  ein  Wurzelvokal 
ausgefallen  oder  die  Liquida  vor  den  Wurzelvokal 
getreten  ist.  Indessen  mögen  hier  einige  Beispiele 
dieses  Vokalausfalles  Platz  finden.  So  fiel  a  aus 
inclamor,  clamare  neben  calare,  Calendae, 
in  g los  neben  yälocog.  Wahrscheinlich  ist  auch 
g rat us  von  der  Wurzel  des  Griech.  %clqis,  %<xqu 
nicht  durch  Umstellung  des  r  abgeleitet,  Curt. 
Griech.  Et.  N.  185 ,  da  das  Lateinische  die  Stel- 
lung des  r  nach  dem  Wurzelvokal  entschieden  be- 
vorzugt, vgl.  1,  92,  sondern  durch  Ausfall  des 
Wurzelvokales,  so  dass  also  gratus  Particip  von 
einem  Verbum  garare  (c arare)  ist  wie  flatus 
von  tulare  (tolare),  gnatus  von  genare. 
Ein  o  oder  u  zwischen  Muta  und  Liquida  fiel  aus 
in  flatus  neben  tollo,  tolero,  tulo,  in  plous 
(für  ploios),  plousima  neben  po-pul-us, 
(vgl.  po-pl-icus)  noXvg,  vgl.  Curt.  a.D.  N.  375. 
366,  in  plumbum  neben  (lolvßog;  ein  aus  a  ent- 
standenes e  ist  ausgefallen  in  gnatus,  gnavus, 
Gnaivod,  die  von  einem  Verbalstamm  gena-  ge- 
bildet sind,  verglichen  mit  genui,  gens,  genus, 
Skr.  Wz.  g'an-,  in  cresco  neben  cerus,  Skr.  Wz. 
kar,    a.  0.  N.  72. 

II,  S.  13,  Z.  13.  In  allen  diesen  Wörtern  war  der  Laut  vor  n  jener 
Mittellaut  zwischen  e  und  i,  der  Altlateinisch  dem  e 
näher  lag  und  deshalb  in  der  Schrift  durch  E  aus- 
gedrückt wurde. 

II,  S.  43,  Z.  22.  Der  Ableitung  mox  von  movox  steht  eine  andere 
gegenüber  von  Skr.  maksu,  schnell,  bald. 
Fgl.  Schweizer,  Zeilschr.  f.  vergl.  Sprach  f.  III,  389. 

II,  S.  44,  Z.  35  —  38  nicht  sicher,  weil  die  Assimilation  von  pt  zu  pp 
im  Lateinischen  sonst  nicht  vorkommt. 

II,  S.  47,  Z.  16.  Die  alte  Ableitung  träho  von  träveho  ist  von 
Meyer,  Z.  f.  vergl.  Sprachf.  VI,  223  durch  eine  bes- 
sere von  Goth.  dragan,  Skr.  Wz.  drägh-,  aus- 
strecken, widerlegt. 

II,  S.  49,     Z.   15.     Ebenso   p  erger  e    für  perrigere. 

II,  S:  50,  Z.  32.  Auch  in  bi-mus,  tri-mus,  quadri-mus.  u.  a. 
ist  der  zu  i  geschwächte  Bestandteil  des  zweiten 
Compositionsgliedes  ausgefallen.  Dieser  war  ent- 
weder Skr.  samä,  Jahr,  so  dass  aus  bisimus 
bismus,  dann  bimus  wurde,  Pott,  Etym.  Forsch. 
II,   297,    oder  Lat.    hiems,    so  dass   bihiemus 


II,  s. 

190, 

Z.     4. 

II,  s. 

279, 

z.  35. 

II,  s. 

295, 

Z.  31. 

-      476     — 

durch    die   Mittelstufe    biemus    zu   bimus    ver- 
schmolz,   Aufrecht,    Z.    f.  vergl.  Sprachf.    IV,  414. 
Auch   in    biduum,    triduum    u.   a.    Altlat.  bi- 
duom,  triduom  ist  der  Stammvokal  i  des  zwei- 
ten Compositionsgliedes  diu-,   Tag  geschwunden; 
entweder    aus    bidiuom,     tridiuom    fiel    zuerst 
das  i  weg  wie  in  du  dum  für  diu  dum,  dann  ver- 
dunkelte sich  das  o  des  Suffixes    zu    u ;    oder    das 
Suffix  war   nicht  bloss    -o    sondern    -vo    und   bi- 
diuvom,  tridiuvom  die  ursprünglichen  Formen, 
in    denen    -diu vom    durch    die  Mittelstufen    -du- 
vom,    -duom    zu  duum  verschmolz. 
Nach   ea  einzuschieben   eum. 
Fürquatisper  zu  lesen  quantisper. 
Dass    dies    und    dius    im    Lateinischen     wirklich 
auf  s  auslautende  Wortstämme  waren,   ergiebt  sich 
einmal  aus  Diespitor,    da    in    einem    wirklichen 
Lateinischen    Compositum ,    das    den    Stammvokal 
des  zweiten  Gliedes  zu  i  geschwächt  hat,   der  erste 
Bestandteil    niemals    eine  Genetivform    oder   eine 
andere  Casusform ,  sondern  immer  der  "Wortstamm 
ohne  Casusendnng  ist,    also  auch  dies  in  Dies- 
piter  nicht  Genetiv  oder  Nominativ,  sondern  Stamm 
ist.    Dasselbe  beweisen  h  odiernus  und  diurnus 
mit  ihrem  regelrecht  aus  s  geschwächten  r ;  h  o  d  i  e  r- 
nus    kann    nicht    aus    h  od  ietern  us,     diurnus 
nicht  aus  diu  ter  n  u  B   oder  dilti  u  r  n  u  s   entstanden 
sein,  wie  Schweizer,  X.  f.  vergl.  Sprachf.  III,  38")  an- 
nimmt,     da    die    Verstümmelung    des    Comparativ- 
suffixes  -tero  zu  einem  blossen  r  im  Lateinischen 
ohne    Beispiel   ist.     In    per  dius    und   in  ter  dius 
kann  also  auch  das  s  nicht  Genetiv/eichen  sein,  a.O. 
VIII,  224,  so  wenig  wie  dies   eine  aus  dievs  ent- 
standene Nominativform  a.  0.  308,  sondern  das  dius 
ist  der  von  der  Präposition  abhängige  Accusativ  wie 
ein  solcher  in  int  er  dum  ,  perv  iam  u.  a.  erscheint. 
"Wenn  aber  das  Sanskritsutfix  -ai,  ä  s  ,  Hopp,  Vergl. 
(ir.  p.  1377/'  im  Lateinischen  folgende  Gestaltungen 
annimmt:     -  U  s  .   -fir,   -  i  s  ,    -1s,    -er,    -ÖS,    -ör, 
0  r  ,  zum  Beispiel  in  sceliis,  r  ob  ü  r  ,  Ceres,  e  i  - 
nis,  yeter,  labös,  honorem,    pud5r,    m.   0. 
1373.   1375.   13.V2,  bald  mit  langem  bald  mit  kurzem 
Vokal  im  Lateinischen  wie  im  Sanskrit  und  Griechi- 
schen (-r)$,  -cgi),  so  stehen  einer  Sanskritform  d  i  - 
vas  (diväs)  die  beiden  Lateinischen  Formen  dies, 
d  i  ü  s  lautlich  regelrecht  zur  Seite.     Diese  aber  gin- 


—     477     — 

gen  nach  Schwinden  des  s  wie  in  Cerealia  neben 
Ceresin  die  vokalische  Conjugation  über  und  wur- 
den Masculina ,  dies  auch  Femininum.  Einen  ähn- 
lichen Uebergang  nimmt  Bopp  für  Lateinische  No- 
mina wie  sedes,  nubes  neben  Skr.  sadas,  na- 
b'as  an,  a.  0.  1352. 

II,  S.  299,  Z.  9.  für  i  mpr  a  es  ent  arium  zu  lesen  impraesen- 
tiarum. 

II,   S.  300,     Z     18.     Ebenso  invicem. 

II,  S.  315,  Z.  23.  31.  statt  der  bann,  der  pabst  zu  lesen  die 
ban,   die  p  äbste. 

II ,  S.  318,  Z.  16.  Vgl.  aus  der  lingua  Romana  der  lex  Salica  und  ähn- 
licher Sprachstücke  afforis  (a  foris) ,  deforis, 
denocte,  devespere,  desero,  abinde,  ab- 
intus,  deintus,  inantea  u.  a.  Pott,  Z.  f.  vergl. 
Sprach  f.  I,  311. 

II,  S.  467,  Z.  12.  Mnesilochus  könnte  als  Ausnahme  angesehen 
werden,  weil  es  ein  Griechischer  Name  ist. 

Die  von  der  Kritik  bisher  gegen  den  ersten  Band  erhobenen  Aus- 
stellungen und  abweichenden  Ansichten  bedürfen  zum  Theil  einer  aus- 
führlicheren Erörterung,  als  dass  schon  hier  darauf  eingegangen  werden 
könnte.  Daher  bleibt  dieselbe  aufgespart  für  spätere  Zeiten,  wenn  sich 
das  Urtheil  der  Sachkundigen  auch  über  diesen  zweiten  Band  aus- 
gesprochen haben    wird. 


Register 


a  immer  reiner  A-Laut  I,  140. 
erhalten  im  zweiten  Theile  von 
Compositen  I,  319.  Oskisch  und 
Umbriscli  I,  322.  im  Auslaut  ge- 
kürzt I,  330.  desgl.  im  Nom. 
Sing,  von  A- Stämmen  I,  330. 
lang  im  Altlat.  I,  330.  gekürzt 
im  Auslaut  von  ablativischen  Ad- 
verbien und  von  Zahlwörtern  I, 
332.  von  Iambischen  Verbalfor- 
men I,  332.  desgl.  vor  auslauten- 
dem t  von  Verbal  formen  I,  348. 
Altlat.  lang;  gekürzt  vor  ausl.  r  in 
Verbal- und  Nominal  formen  1 ,300. 
361.  vor  auslaut.  1  gekürzt  [,366. 
desgl.  vor  angehängtem  ne  I, 
307.  vor  auslaut.  m  von  Verbal- 
formen I,  30S.  in  inlautenden 
Wortsilben  I,  371.  tieftonigefi  a 
gekürzt  vor  folgendem  Vokal  II, 
155.  hochbetontes  a  durch  fol- 
genden Vokal  gekürzt  II,  158. 
a  fällt  aus  in  Perfektformen  11. 
2.  in  Nominalformen  II,  3.  ge- 
schwunden vor  hochbetontem  Vo- 
kal II,  131.  nach  Bolchem  II.  135. 
vor  tieftonigem  Vokal  II,  151. 
mit  folgendem  hochbetonten  Vo- 
kal desselben  Wortes  verschliffen 
II,  17(5.  auslautend  mit  dem  an- 
lautenden Vokal  des  folgenden 
Wortes  verschliffen  II,  188.  189. 
Dativendung  von  A- Stämmen, 
Altlat.  II,  131). 


aa  zu  a  verschmolzen  II,  160. 
ab,  irrationale  Aussprache  in  Com- 
positen II,  01. 
Ablativbildung  I,  333. 
Acutus  s.    Hochton. 

ad,  irrationale  Aussprache  II ,  91. 
ad  est,  desgl.  II  ,  100. 

ae,  s.  ai.  erhalten  im  zweiten 
Gliede  von  Compositen  I,  322. 
vor  folgendem  Vokal  gekürzt  II, 
157.  mit  folgendem,  e  verschmol- 
zen II,  1GG.  nach  Ausfall  eines  h 
II,    IOC. 

ae  Spätlat.  für  kurzes  e  geschrie- 
ben II,  391. 

-aeio  Suflix  II,   150. 

-aeo  Suffix  I.  129.  II  ,  150. 

-a-es  Genetivendung  I,  183. 

a  f  für  ab   I  ,   57. 

ai  aus  a  i  verschmolzen  I,  101. 
ai  in  Stammsilben  I,  178.  im 
Genetiv,  Locativ,  Dativ  von  A- 
Stämmen  I,  179.  im  Nom.  I'lur. 
I,  181.  II,  146.  Schwanken  zwi- 
schen ai  und  ae  I,  182.  ai,  ae 
zu  e  getrübt  im  Altlat.  I.  185. 
zur  Kaiserzeil  I,  1  86  391.  Schwan- 
ken zwischen  ae  und  e  I,  189.  ai, 
ae  « tekisch  I,  191.  Umbrisch  zu 
e  getrübt  I.  191.  Volsklich  desgl. 

I,  192.    ai    zu   i  getrübt  in  Casus- 

formen  I,  192.  in  Compositen  und 
Ableitungssilben  1,  193,  ra  e  i  in 
Ca8usformen  1 ,  225. 


479     — 


-ai  Genetivendung  im  Altlat.  I, 
18-1.    II,  135. 

-aio  Suffix  I,  129.     II,  150. 

-  a  m  stumme  Endsilbe  II ,  105. 
-am,  -  e  m  ,  -im,  -  o  m ,  -um 
als  Endsilben  vor  vokalischem 
Anlaut  des  folgenden  Wortes 
Altlat.  noch  als  vollgültige  Kür- 
zen gemessen  II,  197. 

anni,  annis,  anno,  annus 
Spätlat.  Accus.  Plural.    I,    280. 

ante,    Abstumpfung  der  Endsilbe 

I,  337. 

Antisigma  von  Claudius  ein- 
geführt I,   13. 

ape,  Etymologie  II,  50. 

Apex  zur  Bezeichnung  langer  Vo- 
kale 1, 10.  Spätlat.  auch  auf  kur- 
zen Vokalen  II,  392. 

apud,  Etymologie  1,335.  irratio- 
nale Aussprache  II,  90. 

-ali  Suffix  gleich  -ari  I,  80. 

aliquando,  Etymologie  I,   313. 

II ,  284. 

Alphabete,  Griechische  und  Ita- 
lische 1, 1.  Ursprung  des  Altlatei- 
nischen I,  3.  21  Buchstaben  I,  7. 

a  o,  s.  au. 

-ari  Suffix  s.  -  ali. 

-a-s  Genetivendung  von  A-Stäm- 
men  I,  184.  II,  138.  Umbrisch, 
Oskisch  II,  139.  -as  Accusativ- 
endung  in  der  Aussprache  gekürzt 
II,   108. 

Assibilation  im  Lateinischen  I, 
27.  45.  Umbrisch  I,  18.  29. 
Oskisch  I,  29.  Griechisch  I,  30  a. 

Assimilation  der  Vokale :  i  durch 
unmittelbar  folgendes  a,  o,  u  zu 
e  umgelautet  I,  300.  Spätlat.  io 
und  eo  vermengt  I,  301.  Spät- 
lat. ea  in  Verbalformen  zu  ia 
I,  302.  i  assimiliert  folgendes  a 
zu  e  I,  303.  o,  u  vorConsonanten 
zu  i  assimiliert  durch  folgendes  i 


I,  305.  desgl.  e  I,  306.  seltenere 
Vokalassimilationen  I,  306. 

a  s  t ,  Etymologie  II,  278. 

atque,  irrationale  Aussprache  II, 
97. 

au  entstanden  aus  av  I,  136.  162. 
zu  o  getrübt  I,  163.  ao  Ueber- 
gangslaut  I,  168.  zu  u  getrübt 
I,  170.   Umbr.  zu  o  und  u  getrübt 

I,  170. 

a  v  o  n  c  ul  u  s,  irrationale  Aussprache 

II,  183. 

b  im  Anlaut  aus  v  verhärtet  I,  58. 
als  eigentliche  Media  gesprochen 

I ,  59.  mit  p  wechselnd  1 ,  59. 
Spätlat.  dem  v  ähnlich  gespro- 
chen 1 ,  61. 

-bäm  Suffix  des  Imperf.  I,  06.  349. 
beneficus,  irrationale  Aussprache 

II,  HO. 

Betonung.  Quellen  II,  201.  mu- 
sikalische Betonung  II,  204.  Un- 
terschied Griechischer  und  La- 
teinischer Betonung  II,  250.  Be- 
tonung der  Italischen  Dialekte : 
letzte  Silbe  tieftonig  im  Umbr. 
Osk.  II,  348.  kurze  vorletzte 
Silbe  tieftonig  II,  348.  350. 
Volsk.  desgl.  II,  350.  drittletzte 
tieftonig  vor  hochbetonter  langer 
Penultima  Umbr.  Osk.  II,  351. 
lange  Penultima  auch  tieftonig 
II,  351.  352.  Hochton  auf  der 
viertletzten  Silbe  Umbr.  II,  352. 
Osk.  II,  353.  im  Altgriechischen 
s.  Hochton.  ursprüngliche  Beto- 
nung in  den  Indogermanischen 
Sprachen  11,383.  Spätlateinische 
II,  387. 

-bi  Pronominalsuffix  I,  65. 

b  ib  i  s  t  i ,  irrationale  Aussprache  II, 
100. 

-bis  Pronominalsuffix  I ,    288. 

-bo,  Futurbildung  I,  356. 

-b  o  s  s.  -bus. 


480     — 


b  o  v  e  s ,  irrationale  Aussprache  II, 

183. 
brevi,  irrationale  Aussprache  II, 

183. 
-bus  Suffix  des  Dat.  Abi.  Plur.  I, 

359.    Altlat.  -bos  I,  241. 

c  aus  g  und  h  entstanden  vor  fol- 
gender tenuis  I,  17.  ausgefallen 
vor  n.  zwischen  n  und  t  I,  17. 
nach  r  und  1  vor  t  und  s  I,  17. 
Aussprache  als  K-Laut  vor  e 
und  i  I,  18.  im  JJmbrischen  zum 
Zischlaut  geschwächt  I,  18. 
c  vor  i  mit  folgendem  Vokal 
assibiliert  seit  der  Kaiserzeit  I, 
22.  im  Umbrischen  I,  29. 

carcere  Spätlat.  Nom.  Sing.  I, 
270. 

Cäsuren,  Einwirkung  derselben 
auf  Einklang  oder  Widerstreit 
von  Vershebung  und  Hochton  II, 
447. 

ca  v  eto,  irrationale  Aussprache  II, 
183. 
ce  wechselnd  mit   -  c  II ,    64   ge- 
kürzt aus  der  Locativform  -  c  e  i 
I,  219.  338. 

ceu,  Etymologie  II,   282. 

cli  Schriftzeichen  für  %  I,  7. 

Circumflexim  Lateinischen  wie 
im  Griechischen  II,   209. 

c  o  -  für  con-  in  Compositen  vor  h, 
j ,  v,  s  I,  95.  vor  Vokalen  I, 
107. 

con  mit  langem  o  vor  s  und  f  I, 
101. 

Consonantenverdoppelung 
durch  die  Schrift  bezeichnet  I, 
7.  durch  den  Hochton  hervorge- 
rufen I,  84. 

cuius,  quoius,  irrationale  Aus 
spräche  II,   182. 

cume,  Etymologie  II.  2(H'>. 

-cum quo,  -quomque  II,  302. 


d.  Schwanken  zwischen  d  und  t  in  der 
Schreibweise  I,  72.  d  Ablativzei- 
chen im  Altlat.,  später  abgefallen 
I,  73.  im  Oskischen  erhalten  I, 
73.  d  abgefallen  von  Imperativ- 
formen I.  74.  erhalten  im  Osk. 
I,  74.  schwacher  Ton  des  aus- 
lautenden d  I,  75.  d  aus  t  er- 
weicht vor  r  und  nach  n  I,  76. 
zu  vorhergehendem  n  assimiliert 
Lat.  Osk.  Umbr.  I,  76.  vor  v 
im  Anlaut  geschwunden  I,  77. 
di  vor  folgendem  Vokal  Spätlat. 
zu  z  und  zz  assibiliert  I,  77. 

-d  Ablativendung  I,  72.  33. 

-dam,  Etymologie  II,  285. 

-de,  Etymologie  II,  283. 

dedisse,  dedisti,  irrationale 
Aussprache  II,  100. 

dedit,  dederunt  desgl.  II,  101. 

-dem,  Etymologie  II,  148.  283. 

Digamma  von  Claudius  einge- 
führt I,  13. 

Dissimilation  der  Vokale,  uu, 
vn  vermieden,  uo,  vo  durch 
Dissimilationstrieb  erhalten  I, 
308.  uv  selten  I,  309.  ii  ge- 
mieden I,  309.  zu  ie  dissimiliert 
I,  310.  zu  ei  I,  311.  zu  i  ver- 
schmolzen I,  312.  c  e  gemieden, 
zu  ie  dissimiliert,  zu  e  ver- 
schmolzen I,  312.  Dissimilation 
der  Con.sonanten  1,  r  I,  80. 

diurnus,  Etymologie  I,  264.    II, 

295. 
dius,  Etymologie  II  .  284.  295. 

-do,   Etymologie  II,  I  19.  284. 

domiciliam,  Etymologie  I.  305. 
donec,  donicam,  Etymologie II, 

55.    II,  285. 
dum,  -dum,   Etymologie  II,   149. 
284. 

c  verschieden  gesprochen  l.  III. 
aus  ai  getrübt  I,  185.  aus  oi  I. 
203.      mit    ei    und    i     wechselnd, 


—     481     — 


s.  ei.  e.  in  Endsilben  aus  a  ab- 
geschwächt vor  auslaut.  m  I, 
265.  aus  i  vor  auslaut.  m  I, 
260.  vor  ausl.  n  I,  267.  im 
Auslaut  selbst  aus  o  abge- 
schwächt im  Nora,  und  Voc. 
Sing,  von  O- Stämmen  I,  207. 
im  Ablat.  Sing*,  que  für  quo 
Spätlat.  I,  268.  aus  i  abge- 
schwächt in  Casusformen  der  1- 
Stämme  I,  268.  im  Auslaut  von 
Adverbien,  Pronominal-  und  Ver- 
balformen I,  271.  e  im  Inlaut 
vor  r  durch  Umlautung  entstan- 
den aus  Griech.  a  ,  Lat.  a, 
Sanskr.  a  in  den  Suffixen  -be- 
i'o,  -cero,  -tero.  aus  u  abge- 
schwächt vor  einem  aus  s  ent- 
standenen r  in  Nominalformen 
I,  273.  in  Verbalformen  I,  276. 
e  aus  i  umgelautet  im  Auslaut 
des  ersten  Gliedes  von  Composi- 
ten  1 ,  276.  e  in  geschlossener 
Silbe  vor  x,  (t)s,  st,   sc,  s.s  1, 

278.  aus  u  abgeschwächt  vor 
-  n  t    des     Participialsuffixes     I, 

279.  vor   -  n  d    in  Gerundien    I, 

280.  e  vor  11  der  Deminutiv- 
endung -ello  I,  281.  e  spätlat. 
für  i  der  Blüthezeit  I,  278.  285. 
214.  e  Altlat.  vor  t  von  Suf- 
fixen 1 ,  290,  desgl.  vor  d  I,  293. 
desgl.  vor  dem  Suffix  -bus  l, 
295.  e  aus  a  abgelautet  1,  233. 
als  Ablaut  neben  o  I,  234.  235. 
aus  a  abgeschwächt  im  zweiten 
Theile  von  Compositen  I,  316. 
317.  erhalten  daselbst  I,  321. 
in  der  Keduplicationssilbe  statt 
des  Wurzelvokales  I,  325.  327. 
aus  a  geschwächt  in  der  Wur- 
zelsilbe reduplicierter  Formen  I, 
325.  327.  aus  a,  o,  i  durch  As- 
similation entstanden  I,  303,  300. 
aus  i  durch  Dissimilation  I,  310. 

Corssen  II. 


e  gekürzt  im  Ablat.  Sing,  von 
consonantischen  und  I-Stämmen 
I,  333.  Altlat.  lang  I,  332.  ge- 
kürzt in  sed,red  I,  334.  desgl. 
im  Auslaut  von  Adverbien  I, 
335.  im  angefügten  -ce  I,  338. 
im  Auslaut  des  Imperativs  I, 
338.  vor  auslaut.  t  von  Verbal- 
formen, Altlat.  lang.  I,  350.  ge- 
kürzt vor  auslaut.  s  Iambischer 
Verbalformen  I,  358.  im  Auslaut 
Iambischer  Wortformen  II,  110. 
vor  auslaut.  r  in  Verbalformen 
1 ,    360.      vor    angehängtem    -  n  e 

I,  367.  vor  auslaut.  m  von  Ver- 
balformen I,  368.  in  inlauten- 
den Wortsilben  I,  371.  tieftoni- 
ges  e  gekürzt  vor  folgendem  Vo- 
kal II,  155.  in  Zusammensetzun- 
gen II,  157.  desgl.  für  Griech.  st 

II,  157.  hochtoniges  e  gekürzt 
durch  folgenden  Vokal  I,  158. 
e  ausgefallen  im  Suffix  -bro, 
-bra,  -bri  II,  15.  sonst  zwi- 
schen br,  pr,  fr.  im  Compara- 
tivsuffix -tero  II,  16.  in  den  Suf- 
fixen -tri,  -tro  und  sonst  zwi- 
schen tr  II,   17.    zwischen   dr  II, 

18.  im  Suffix  -er  o,  -  cri  und  sonst 
zwischen  er  II,  18.  zwischen  gr 
II,  19.  E-ähnlicher  Beiklang  des 
r  II,  19.  stummes  e  II,  19.  e 
ausgefallen  zwischen  rr  und  mr 
II,  19.    nach  Ausfall  eines  v  II, 

19.  zwischen  et  II,  21.  in  Com- 
positenll,  45.  geschwunden  nach 
hochbetontem  Vokal  II,  132.  vor 
hochbetontem  Vokal  II,  133.  134. 
tieftoniges  e  mit  folgendem  tief- 
tonigen  Vokal  verschliffen  II, 
170.  173.  desgl.  mit  folgendem 
hochbetonten  II,  175.  hochtoni- 
ges e  mit  folgendem  Vokal  ver- 
schliffen II.  178.  e  nach  Ausfall 
eines  h  oder  j  mit  folgendem  Vo- 

31 


482     — 


kal  verschilften  II,  181.  auslaut. 
e   mit  anlaut.  Vokal  des   folgen- 
den Wortes  verschliffen  II,    188. 
-e  Genetivendung  der  E -Deklina- 
tion II,    141.    Dativendung  der- 
selben  II,    1-13. 
ea,    eam,     eo,     eum     zu    einem 
stummen  e  verschliffen  II,    190. 
e  c c  e ,     eccura    u.    a.    irrationale 
Aussprache  II,    87.     Etymologie 
II,  88. 
-ed,  -id  Altlat.  Ablativendung  von 
consonautischen  und  I-Stämmen 
I,  217. 
edepol,  Etymologie  II,  285. 
ee  zu  e  verschmolzen  II,  1G5.   nach 

Ausfall  eines  h  II,  10G. 
ei  aus  e-i  verschmolzen  I,  101. 
entstanden  aus  oi  I,  203.  Alt- 
lat. Mittelton  zwischen  i  und  e 
I,  207.  230.  in  Wortstämmen  I, 
208.  dafür  Altlat.  auch  i  1,210. 
und  e  I,  211.  ei  in  Ableitungs- 
silben neben  i  I,  212.  in  Yerbal- 
formenl,  212.  neben  i,  c  1.213. 
im  Dativ  von  consonautischen 
und  I-Stämmen  neben  Altlat.  i 
und  e  I,  215.  210.  im  Ablativ 
neben  i,  e  I,  217.  im  Nom.  Ac- 
cus. Plur.  neben  i  und  e  1,  218. 
in  den  Locativen  heicei,  sua- 
vei,  im  Dat.  Plur.  vobeis  I, 
210.  aus  oi  entstanden  im  Nom. 
Plur.  von  O- Stämmen  I,  221, 
daselbst  wechselnd  mit  i  und  e 
1,  222.  im  Gen.  Sing,  neben  i  I, 
222.  im  Dat.  Abi.  Plur.  neben 
i  und  e  1,223.  225.  aus  ai  ent- 
standen im  Dat.  Abi.  Plur.  von  A- 
Stämmen  neben  cl,  225.  Schwan- 
ken zwischen  e,  ei,  i  I,  220.  ei 
in  Inschriften  der  Kaiserzeit  [, 
220.  im  rn.br.  und  Osk.  I,  229. 
Einsilbige  Wörter,  auslauten- 
der Vokal    derselben    nicht    mit 


anlautendem  des  folgenden  Wor- 
tes verschliffen  II,   191. 

-eio  Suffix  I,   129.   II,   150. 

-eis  Endung  des  Nom.  Plur.  von 
O- Stämmen  I,   220.     II,  147. 

-eius,  irrationale  Aussprache  II, 
182. 

-em  stumme  Endsilbe  II,  105  s. 
-am. 

enim,  irrationale  Aussprache  II, 
92. 

Enklitika  s.   Tonanselduss. 

■ensnmo   Suffix  1 ,  98. 

eo  s.  ea. 

-eo  Suftix  I,  150. 

-er  Endung,  irrationale  Ausspra- 
che II,  100. 

ergo,  Etymologie  I,  342.  irratio- 
nale Aussprache  II,  0-1. 

-es  Genetivendung  von  A-Stämmen 

I,  188.  von  consonautischen  und 
I-Stämmen  I,  217.  von  O-Stäm- 
meii  I,  221.  von  E-Stämmen  II, 
110.  Endung  des  Nora.  Plur.  von 
O -Stämmen  II,  117.  Endung -es 
in  der  Aussprache  gekürzt  II, 
108. 

-esi   für   -ensi  Suftix  mit  langem 

e  I,    OS.     102. 
esse,  est,  irrationale  Aussprache 

II,  07.    enklitisch   II  ,    00. 

e  u    durch   Vokalsteigerung   aus   u 

entstanden  I,  155.  aus  e-u  ver- 
schmolzen l,  ICSI,  aus  ev  er- 
w  eicht  I  ,  162.  zu  u  getrübt  I. 
170. 

e  u  m  s.    ed. 

SZta  Superlativform   11.   26. 

expapillato,  irrationale  Aus- 
sprache 11,1 18. 

f  Schriftzeichen  I,    1.     von  Grie 
cbisch  <j   verschieden  gesprochen 
1,01     mit   stärkerem  Hauchlaut 
I,  os.    im  Lat,  Umbr.  Osk.  meist 
dem  Sanskr.    bh,     seltener    dh 


—     483     — 


und  gh  entsprechend  I,  64.  67. 
Lat.  inlautend  zu  b  I,  65.  zu 
li  I  ,  48.  66.    ganz  geschwunden 

I ,  67.  spät  für  Griech.  cp  ge- 
schrieben 1 ,  68. 

facere,    Betonung-    desselben    in 

Compositen  II,  311. 
fenestra,  irrationale  Aussprache 

II,  114.     Etymologie   II,    115. 
ferentarium ,     irrationale    Aus- 
sprache II ,   116. 

fieri,  Betonung  desselben  in  Com- 
positen II ,  311. 

forsan,  forsitan,  Etymologie 
11,  277.  280. 

fortasse,  fortassean  desgl. 
II,  319.     fortassis    II,  281. 

Fremdwörter,  vier  Epochen  der 
Aufnahme  derselben  II,  225.  In 
den  beiden  ersten  Umbildung  der 
Wortstämme  II ,  226.  und  der 
Flexion  II,  227.  Plautus  Frei- 
heit in  der  Umbildung  Griechi- 
scher Wortformen  II,  231.  Be- 
handlung derselben  bei  Attius, 
Cicero ,  Varro  und  spateren  II, 
232.  Lateinische  Betonung  der 
aus  dem  Griechischen  umgebil- 
dete« Wortformen  II ,  233.  Grie- 
chische Wortformen  mit  Griechi- 
scher Betonung  II ,  234. 

fureepem  Nomin.  Sing.  Spätlat. 
I,   270. 

g  Altlat.  durch  C  bezeichnet  I,  6. 
dann  durch  G  I,  7.  g  aus  c  er- 
weicht 1 ,  39.  im  Anlaut  vor  1 
und  n  abgefallen  I,  42.  aus- 
gefallen vor  s  nach  r  und  1  I, 
43,  vor  t,  m  I,  43.  vor  v,  vor  i 
mit  folgendem  Vokal  I,  44.  assi- 
biliert  im  Spätlat.   I,  55. 

gnitus,   Etymologie  I,  42. 

g nixus,    desgl.    1 ,   42. 

gubernabunt,  gu bernator, 
irrationale  Aussprache   II,    118. 


h  ,  etymologische  Entstehung  I,  46. 
im  Umbrischen  I,  46.  im  Lat. 
gutturale  Aspirata  oder  blosser 
Hauchlaut  I,  47.  66.  aus  f  ent- 
standen 1,47.  aus  j  I,  48.  schwa- 
cher Ton  und  Schwinden  im  An- 
laut und  Inlaut  I,  48. 

heicei,  Locativform  I,  219.  271. 
338. 

Hiatus  eng  begrenzt  bei  den  Sce- 
nischen  Dichtern  II,  193.  häu- 
figer bei  Dichtern  der  Augustei- 
schen Zeit  I,  193.  im  Auslaut 
Iambischer  Wortformen  II,  193. 
vielfach  zugelassen  bei  auslau- 
tendem langen  Vokal  II,   195. 

hie  u.  a.  irrationale  Aussprache. 

Ifochton  hoch  und  stark  gespro- 
chen II,  206.  Hauptton  II,  207. 
gebrochen  II,  208.  zusammen- 
gesetzte Hochtöne  bei  Vokal- 
verschleifung II,  212.  regel- 
mässige Stelle  des  Hochtones 
II,  214.  Hochton  in  Fremd- 
wörtern s.  Freinäw.  Verschie- 
bung des  Hochtones  durch  Suf- 
fixe und  Präfixe  II,  249.  Bin- 
dung und  Brechung  desselben 
durch  Tondauer  und  Silbenzahl 
II,  251.  der  Hochton  kürzt  Vo- 
kale tieftoniger  Silben  II,  251. 
unterdrückt  dieselben  II,  252. 
Spätlat.  kürzt  Positionslänge  II, 
388.  desgl.  Naturlänge  der  tief- 
tonigen  Silbe  II,  390.  giebt  der 
hochtonigen  kurzen  Silbe  die 
Geltung  einer  Länge  II,  391.  395. 
beherrscht  Spätlat.  Wort  und 
Vers  IL  399.  403.  fällt  Lat.  mit 
der  Vokallänge  der  Penultima 
öfter  zusammen  wie  Griech.  II, 
435. 

horno,  Etymologie  II,  299 

huisfür  huius  II,   182, 

huius,  irrationale  Aussprache  I, 
182. 

31* 


-     484 


i  verschieden  gesprochen  I,  142. 
Mittelvokal  zwischen  i  und  u  I, 
43.  besonderes  Zeichen  für  den- 
selben durch  Claudius  eingeführt 
L,  13.  aus  ai  getrübt  I,  192. 
aus  oi  I,  202.  neben  ei,  s.  ei. 
i  vor  n  in  Suffixen  I,  283.  aus 
o  abgeschwächt  I,  284.  aus  e  in 
Wortstämmen  I,  285.  stummes  i 
zwischen  Consonanten  Griechi- 
scher Wörter  eingeschoben  I, 
285.  II,  72.  i  vor  s  in  Casus- 
endungen aus  ai,  oi,  ei  ge- 
trübt I,  286.  aus  o,  u  ge- 
schwächt 1 ,  286.  Spätlat.  für  o 
und  e  vor  auslautendem  s  I, 
287.  aus  iu  verschmolzen  vor  s 
I,  288.  für  Griech.  a  vor  st  und 
ss  I,  288.  stummes  i  von  st, 
sp,  sc  vorgeschlagen  Spätlat. 
I,  289.  II,  73.  I-ähnlicher  vo- 
kalischer Beiklang  des  s  I,  289. 
i  vor  anlautendem  t  von  Suf- 
fixen I,  289.  290.  292.  für  Alt- 
lat.  e  1 ,  290.  vor  dem  d  des 
Suffixes  -do  aus  a,  u,  e  ab- 
geschwächt I,  292.  vor  den  Suf- 
fixen -co,  -cundo,  -bundo, 
-bulo,  -bro  I,  294.  vor  -bus, 
-mento  1 ,  295.  für  a ,  o  .  u  im 
Auslaut  des  ersten  Gliedes  von 
Compositen  I,  295.  für  Griech. 
o  daselbst  I,  296.  i  im  l'mbri- 
schen  I,  297.  in  Süditalischem 
Provincialismus  I,  297.  302. 
Spätlat  I,  297.  zu  ie  gebro- 
chen Spätlat.  1 ,  "298.  aus  o  ge- 
schwächt in  ille  I,  236.  durch 
Assimilation  aus  o  ,  u  umgelau- 
tet I,  305.  aus  ii  ji  entstanden 
I,  312.  127.  131.  II,  162.  aus  e 
durch  Dissimilation  umgelautet  I, 
312.  i  aus  a  abgeschwächt  in  der 
Wurzelsilbe  des  zweiten  Gliedes 
von  Compositen  I,  315.  aus  e 
I,   318.    aus  o  I,   318.     aus    ae 


I,  318.  aus  o  I,  322.  desgl.  aus 
dem  auslautenden  Stammvokal 
des  Compositum  a,  o,  u  I,  324. 
aus  a  in  reduplicierten  Wort- 
stämmen I,  325.  327.  aus  ae 
desgl.  I,  325.  in  der  Reduplica- 
tionssilbe  statt  des  Wurzelvoka- 
les 1 ,  326.  gekürzt  in  cui  I, 
339.      mittelzeitig  im   Suffix    -bi 

I,  340.  gekürzt  im  Auslaut  iam- 
bischer  Wortformen  I,  340.  341. 
in  siquidem  I,  341.  vor  aus- 
lautendem t  von  Verbalformen, 
Altlat.  lang  I,  351.  lang  vor 
der-  Verbalendung  -tis  I,  357. 
gekürzt  vor  auslaut.  s  von  Ver- 
balformen I,  358.  vor  angehäng- 
tem ne  I,  367.  vor  auslauten- 
dem m  von  Verbalformen  I,  368. 
in  inlautenden  Wortsilben  I,  372. 
tieftoniges  i  gekürzt  vor  folgen- 
dem Vokal  II,  155.  156.  desgl. 
hochtoniges  i  II ,  158.  ursprüng- 
lich kurzes  i  in  Griechischen 
Wörtern  II ,  152.  153.  i  fällt 
aus  vor    c,   g    II,  21.     vor  d,   t 

II,  22.  vor  dem  t  der  Personal- 
endung II,  23.  vor  m,  n  II,  24. 
vor  1,  r  II,  25.  vor  s  II,  25. 
vor  s  des  Perfects  und  vom  Per- 
fect  abgeleiteter  Tempora  II.  26. 
im  ersten  Theil  von  Compositen 
II,  48.  im  zweiten  Theil  der- 
selben II,  49.  fällt  ab  vor  dem  s 
des  Nominativs  II,  57.  im  Aus- 
laut II ,  60.  im  Umbr.  und  Osk. 
II,  69.  stummes  i  I  ,  285.  289. 
II,  72.  73.  122.  i  sehwindet  nach 
hoohbetontem  Vokal  II,  132  vor 
solchem  II,  133.  nach  tieftoni- 
gern  Vokal  II.  138.  L39.  142. 
Ml  i  lö.  1  16.  vor  tieftonigera 
11.  147  151,  Spätlat.  11,  I  l'.l. 
tieftoniges  i  verschliffen  mit  fol- 
gendem tieftoniges  Vokal  II.  168. 
173.  vor  folgendem  Vokal  wie  i 


485 


gesprochen  II,  169.  mit  folgen- 
dem hochbetonten  Vokal  ver- 
schliffen II,  174.  hochtoniges  i 
mit  folgendem  Vokal  verschlif- 
fen II,  178.  auslautendes  i  mit 
anlautendem  Vokal  des  folgen- 
den Wortes  verschliffen  II,  188. 
-  i  Genetivendung  von  E-Stämmen 
II,  141.  von  U-Stämmen  II,  144. 
i-  für  in  vor  sc,  st  in  Composi- 
tenl,  97.  vor  fl,  100. 

j  verschieden  gesprochen  1 ,  126. 
consonantisch  im  Anlaut  I,  126. 
im  Inlaut  zu  Anfang  des  zwei- 
ten Gliedes  von  Compositen  zwi- 
schen Vokalen  I,  127.  breiter 
und  weicher  sonst  zwischen  Vo- 
kalen I,  128.  durch  II  in  der 
Schrift  ausgedrückt  I,  128.  stös.st 
vor  sich  aus  g,  v,  s,  x,  n  I,  130. 
ausgefallen  in  plous  I,  131. 
durch  Griech.  i  ausgedrückt  I, 
13J.    Spätlat.  assibiliert  I,    131. 

id  s.  is. 

identidem,  Etymologie  II,  269. 

i  e  geschwunden  vor  dem  s  des  Nom. 
Spätlat.  II,  62. 

-iens,   -ies  Suffixe  mit  langem  e 

I,  98.    102. 

ii  zu  i  verschmolzen  im  Gen.  Sing. 

II,  162.  Nom.  Plur.  II,  163. 
Dat.Abl.Plur.il,  163.  in  Verbal- 
formen II,  164.  in  Nominalformen 
II,  165. 

i  1 1  e  ,  irrationale  Aussprache  II,  76. 
-  i  m  s.  am. 

-im  locatives  Suftix  I,  67. 
immo,    irrationale  Aussprache  II, 

120. 
Imperativ  2te  und  3tePers.  Sing. 

auf  o-  auslautend  nach  Abfall  des 

schliessenden  d  I,  74. 
i  m  p  r  a  e  s  e  n  t  i  a  r  u  m  ,  Etymologie 

II,  299. 
in,   irrationale  Aussprache  II,  89. 

desgl.  in  Compositen   II,    91. 


in-   mit  langem    i    vor    f  und  s   I, 

101. 
-in*,  -im,  loc. 
inde,    irrationale    Aussprache   II, 

86.  Etymologie  II,  87.  268. 
indutiae,  Etymologie  I,  23. 
inest,    irrationale  Aussprache  II, 

100. 
inter    desgl.   II,    88.     interest. 

inte  r  im,  inte  rpellatio,  desgl. 

II,  88. 
interdius,  interdiu,  Etymolo 

gie  II ,  295. 
intus,   irrationale  Aussprache  II, 

89. 
-io,    Suffix  II,    150. 
-ior,    -ins     Comparativsuffix    II, 

25.      zu   -is  und  -s  verstümmelt 

I ,  288.  II ,  26.  279. 

Iovem,  irrationale  Aussprache  II, 
183. 

ipse,  desgl.  II,  83. 

Irrationale  Silben  II,  123. 
124.  in  enklitischen  Wörtern  II, 
124. 

is,  id,  irrationale  Aussprache  II, 
84. 

-is  Endung  des  Nora.  Plur.  von 
O-Stämmen  I,  222.  II,  147.  En- 
dung in  der  Aussprache  gekürzt 

II,  108.  fällt  ab  II,  58.  von 
Compositen  II,  65.  67.  Com- 
parativsuffix für  -ins  I,  288. 
II,  26.   279. 

iste,  irrationale  Aussprache  II, 
80. 

-istimo    Superlativsuffix   II,    25. 

-isto  Superlativsuffix  II,  26. 

item,  Etymologie  II,  269. 

itidem,  Etymologie  II,  269. 

iu  geschwunden  vor  s  des  Nom.  II, 
68. 

iubeo,  Etymologie  II,   50. 

iuventutem,  irrationale  Aus- 
sprache  II,   183. 

juxta  Superlativform  II,    26. 


486 


k  Altlateinisch  I ,   G. 

1  volltönend  gesprochen  im  Aus- 
laut, im  Inlaut  nach  anlauten- 
ter  Muta  I,  79.  stösst  vorher- 
gehendes c,  t,  st  im  Anlaut  ab 
I,  79.  durch  einen  Vokal  von 
vorhergehender  Muta  getrennt 
abweichend  vom  Griech.  I,  79. 
volltönend  am  Ende  der  Silben 
vor  folgenden  Consonanten  I,  79. 
U-ähnlicher  Beiklang  dieses  1  I, 
79.  leichterer  Ton  des  1  im  An- 
laut und  Inlaut  zwischen  Voka- 
len 1 ,  80.  Wechsel  dieses  1  mit 
r  durch  Dissimilation  I,  80.  1 
und  d  wechselnd  I,  81.  1  und  11 
schwankend  I,   81. 

Lambdacismus    I,  84. 

m  im  Auslaut  durch  ein  besonderes 
Schriftzeichen  ausgedruckt!,  13. 
108.  stark  lautend  im  Anlaut 
und  Inlaut  ausser  vor  Labialen 
1 ,  107.  zu  n  geschwächt  vor  c, 
q,  g,  d,  t,  s,  f,  j,  vi,  107.  ge- 
schwunden inCompositenmit  ci  r- 
cum  und  con  I,  107.  schwach 
lautend  im  Auslaut  1 ,  108.  assi- 
miliert dem  Anlaut  des  folgenden 
Wortes  1 ,  108.  geschwunden  im 
Auslaut  von  Verbalformen  1,109. 
von  Nominalformen Altlat.  I,  HO. 
in  der  späteren  Volkssprache  I, 
IM.  im  Auslaut  indeclinabler 
Wortformen  I,  112.  falsch  an 
Ablativformen  gehängt  in  späten 
Inschriften  1 ,    113. 

magis,  irrationale  Aussprache  II, 
112. 

magistr  a  tu  s,  desgl.  II ,    III. 

maleficus,  desgl.  II,  110. 
mare  Gen.  Sing.   Spätlat.  I,   269. 
mea,  meo  zu  einer  stummen  Silbe 
verschliffen  II,  190. 


mecastor,medius,  mehercle, 
Etymologie  II,  310. 

Mercuri  Vocativ  ,  Betonung  II, 
223. 

-met,  Etymologie  II,  272. 

minister i um,  ministrare,  ir- 
rationale Aussprache  II ,   110. 

Mittelton  im  Griechischen  II, 
243.  im  Deutschen  II,  244.  in 
lateinischen  Compositen  II,  24-1. 
in  einfachen  Wörtern  mit  schwe- 
ren Suffixen  II,  247. 

mortem  Dat.  Sing.  Spätlateinisch 
I,  269. 

-mus  Suffix  der  lsten  Pers.  Plur. 
Altlat.  lang  1 ,  360. 

n  scharf  gesprochen  im  Anlaut  und 
Inlaut,  schwach  im  Auslat.  1,91. 
95.  106.  n  und  nn  wechselnd  I, 
95.  n  abgefallen  I,  94.  schwach 
lautend  im  Inlaut  vor  h  1 ,  95. 
vor  j  I,  96.  vor  v,  häufig  vor  s 
I,  97.  unrichtig  geschrieben 
vor  s  1 ,  100.  geschwunden  vor 
f,  t,  I,  100.  vor  d  I,  101. 
ns,  nf  bewirkt  Vokallänge  vor 
sich  I,  101.  n  schwach  tönend 
nach  m  I,  103.  gutturales  n 
I,  104.  ausgefallen  I,  105.  gg, 
gc  für  ng,  nc  geschrieben  I, 
KU.  nc  für  gutturales  n  I,  105. 
n  im  Auslaut  zu  schwach  am  Po- 
sition zu  bilden  II,    105. 

narro,  Etymologie  II,   49. 

N  a  s  a  1  i  e  r  u  n  g ,  s.  I  rokahtrigerung. 

natus  Dat.  Abi.  Plur.  Spatl.it.  [, 
287. 

navem,  irrationale  Aussprache  II, 
183. 

neinpe,    desgl.   II ,  93. 

nihil,    Etymologie  1 ,    B6Ö. 

nimis,  irrationale  Aussprache  II, 
113. 

nisi,    Etymologie  1 .   3  10. 

noenum,    desgl.    1,    197.     II.    55. 


487 


non,  desgl.  II,  55. 

novo,    irrationale  Aussprache   II, 

183. 
-nt  Endung-  der  3ten  Person  Plur. 

zu    schwach   lautend   um   immer 

Positionslänge    zu  bewirken    II, 

104.  vgl.  -onti. 

o  verschieden  gesprochen  1 ,  149. 
o  aus  au  getrübt  I,  1G3.  vollerer 
und  dunklerer  Ton  desselben  I, 
169.  in  Compositen  I,  319.  o  aus 
ou  getrübt  I,  174.  abgelautet 
aus  a  I,  233.  235.  Ablaut  ne- 
ben e  I,  234.  235.  o  vor  und 
nach  v  I,  238.  Altlat.  vor  aus- 
laut.  s  I,  239.  vor  auslaut.  m  I, 
241.  bis  Augustus  erhalten  nach 
u,  v  1,  243.  vor  auslaut.  s  und  m 
in  der  Spätlat.  Volkssprache  I, 
246.  im  Oskischen  1 ,  246.  Um- 
brischen  I,  249.  Volskischen  I, 
250.  o  älterer  Laut  auf  Itali- 
schem Sprachboden  als  u  I,  251. 
o  Altlat.  vor  1  I,  254.  nach  i 
und  e  vor  1  gewahrt  I,  256.  Spät- 
lat. vor  1  I,  257.  o  vor  1  mit  fol- 
genden Consonanten  I,  259.  nach 
v  erhalten  1 ,  260.  vor  1  ,  m ,  f, 
c  Spätlat.  I,  260.  vor  nt  Altlat. 
I,  261.  nach  v,  u  vor  nt  I, 
261.  vor  nt  Spätlat.  I,  262.  vor 
gehäufter  Consonanz  Spätlat.  I, 
263.  264.  vor  nd  im  Gerundium 
I,  280.  vor  1  durch  vorhergehen- 
des e,  i  erhalten  I,  303.  durch 
Assimilation  entstanden  1 ,  306. 
auslautendes  o  gekürzt  in  abla- 
tivischen Adverbien  I,  342.  im 
Ablativ  Gerund.  I,  342.  in  duo, 
ambo,  octo  I,  343.  im  Aus- 
laut des  Nominat.  I,  343.  in 
ego  I,  344.  in  der  lsten  Pers. 
Sing.  1 ,  345.  im  Imperativ- 
suffix -to  I,  347.  im  Auslaut 
lambischer  Wortformen  II,  110. 


vor  auslaut.  r  gekürzt  in  Verbal- 
und  Nominalformen  I,  362.  Alt- 
lat. lang  in  Nominativen  auf  -t  or 
und-orl,  364.  im  Comparativ- 
suffix  -ior  I,  365.  in  der  lsten 
Pers.  Sing.  Passiv.  I,  366.  in  in- 
lautenden Wortsilben  I  ,  367. 
o  fällt  aus  in  Nominalformen 
II,  4.  in  Compositen  II,  42. 
fällt  ab  im  Auslaut  II ,  56.  Um- 
brisch  und  Oskisch  II ,  68.  irra- 
tional gesprochen  II,  122.  ge- 
schwunden nach  hochtonigem  Vo- 
kal II,  133.  vor  demselben  II, 
134.  nach  tieftonigem  Vokal  II, 
147.  vor  demselben  II,  150.  ver- 
schliffen  mit  folgendem  hochbe- 
tonten Vokal  II,  176.  hochbe- 
tontes o  mit  folgendem  Vokal 
verschliffen  II,  180.  auslauten- 
des o  mit  anlautendem  Vokal  des 
folgenden  Wortes  verschliffen  II, 
188.  189. 

ob,  irrationale  Aussprache  in  Com- 
positen II ,  91. 

oboedire,  Etymologie  I,   197. 

oblivisci,  irrationale  Aussprache 
II,   183. 

oe  s.  oi. 

-o-es  Altlat.  Endung  des  Dat.  Abi. 
Plural  I,    161. 

oi,  oe  durch  Vokalsteigerung  aus  i 
entstanden  I,  156.  oi,  oe  aus  o-i 
verschmolzen  I,  161.  162.  oi, 
oe  Altlat.  in  Stammsilben  I,  194. 
in  Casusendungen  I,  197.  zu  u 
getrübt  I,  199.  zu  i,  ei,  e  I, 
202.  220.  oi  Oskisch  I,  204. 
Osk.  zu  ei  geschwächt  I,  205. 
oi  Sabellisch  erhalten  und  zu  e 
getrübt  1 ,  205.  Umbrisch  selten 
erhalten,  meist  zu  u,  e,  i  ge- 
trübt I,  205.  Volskisch  zu  i  und  e 
getrübt  I,   206. 

-om  s.  -am. 

-  o  n  s  o  Suffix  neben  -  o  s  o  1 ,   98. 


—    488     — 


-  o  n  t  i ,  -  o  n  t  Altlat.  3te  Pers.  Plur. 

I,  260.    zu  -ot,  -o  abgestumpft 
I,  260.    276.     70.      zu  -i  und  e 

I,  272.   70.    gewöhnlich  zu  -unt, 
Spätlat.  zu  -u  n  1 ,  70. 

-oo  zu  o  verschmolzen  II,  165. 

-  o  r  ,    -us    Comparativendung    für 

-ior ,  -ius  II,  149. 
-or  Endung,  irrationale  Aussprache 

II,  109. 

-os  Endung  in  der  Aussprache  ge- 
kürzt II,    109. 

-osso  Suffix  S.  -OtlSO. 

ou  entstanden  durch  Vokalsteige- 
rung aus  u  I,  155.  aus  o-u  ver- 
schmolzen I,  161.  enstanden  aus 
ov  I,  136.  162.  ou,  ov  auf  äl- 
teren Inschriften  I  ,  172.  schon 
AHlat.  zu  u  verschmolzen  I,  173. 
zu  o  I,  174.  zu  uu,  uv  getrübt  I, 
175. 

ovis,  irrationale  Aassprache  II, 
183. 

Oxytona  fälschlich  angenommen 
zur  Unterscheidung  gleichlauten- 
der Wörter  II,  219.  mehrsilbige 
Präpositionen  nicht  Oxytona  oder 
Perispomona  II,  220. 

p  aus  k  entsanden  I,  54.  auslau- 
tend zu  b  erweicht  1,  54.  aus  b 
verhärtet  vor  s  und  t  I,  55.  61. 
zu  f  aspiriert  in  af  I,  57.  Ver- 
mittelungslaut  zwischen  m  und 
Lingualen  I  ,    57. 

Paroxytona  durch  Vokalver- 
schmelzung  in  der  letzten  Silbe 
entstanden  II,  223. 

Partie  ipiuin  Praes.  act.  mit  aus- 
gefallenem  n  vor   s  und  t    I  ,   97. 
100.    mit  langem  Vokal  vor  aus 
lautendem   ns  1 ,    102. 

Pass  iv  bildu  ng  Lat.  1,  87.  Osk, 
Umbr.  I,  88.  Altlat.  der  Formen 
des    Conj,    Perf.  Pass.    und    des 


Fut.    II    faxitur,    nanesitor  ,    re 
nanesitur,    turbassitur  II,  38. 

pauper,  Etymologie  II,  49. 
-pe,    -ppe,   Etymologie  II,  272. 

Perispomena  durch  Schwinden 
von  Endsilben  entstanden  II, 
216.  nicht  zur  Unterscheidung 
von  gleichlautenden  Wörtern  II, 
219. 

per  istr  o  mata,  irrationale  Aus- 
sprache II,    114. 

Personalendungen  im  Lat.  II, 
62. 

-piam,  Etymologie  II,   278. 

ph  für  Griech.  cp  geschrieben  I,  7. 

Philipp  um,  irrationale  Ausspra- 
che II,    121. 

pietatem  Genetiv  Spätlat.  I,  260. 

plerique,  plerus,  Etymologie 
II,  261. 

p  1  o u  s  ,  plus,  plouruma,  p  1  u  - 
riraa,  ploirume,  plisima, 
Etymologie  I.  202. 

pone,  Etymologie  I,  336. 

p o s  aus  postid,  poste,  post 
abgestumpft  I,  337.    II,  62. 

potest,  irrationale  Aussprache  II, 
100. 

Präpositionen,  Betonung  II, 
220. 

praes,  Etymologie  II,  50. 

praesto,  praestus  Superlativ- 
formen II,  26. 

prod-,  Etymologie  I,  334. 

-pse,   Etymologie  II,  273. 

q  SchriftzeicheD  für  dasselbe  1,  IL 
31.   etymologische  Entstehung  L 

31.  geschrieben  QV  und  <t>  1, 
33.  34.  Schreibweise  QVV  ge- 
mieden I ,  :>.">.  Bezeichnung  in 
Griechischer  Sehritt  I.  36.  Aus- 
sprache und  lautliche  Bedeutung 
1,  37, 


489     — 


quando,  Etymologie  I,  343.  II, 
284. 

Quantität  in  der  Spätlateini- 
schen Volkssprache  zerrüttet,  a. 
Hochton.  Tiefion.  daher  Entstel- 
lung der  alten  Versmasse  II, 
395.  Quantität  das  alleinige 
Princip  des  Lateinischen  Verses 
II,    400. 

-que,  Etymologie  I,  336.  11,200. 

que,  quem,  quen  Spätlat. Ablat. 
Sing.  I,  268. 

qui  Spätlat.  für   quis  I,  270. 

quia,   Etymologie  II,    278. 

quidem,  irrationale  Aussprache 
II,    93. 

quin,  Etymologie  II ,  262. 

quis  que   Spätlat.    für   quisquis  I, 

270. 
quoniam,  Etymologie  I,  245.   II, 

278. 

r  aus*  s  geschwächt  im  Inlaut  zwi- 
schen Vokalen  I,  85.  im  Auslaut 
I,  87.  r  aus  s  Umbr.  Osk.  I,  88. 
r  Zungenlaut  I,  89.  aus  d  ent- 
standen I,  89.  desgl.  Umbrisch 
I,  90.  Umstellung  des  r  I,  92. 
E-ähnlicher  vokalischer  Beiklang 
des  r  1 ,  93. 

s  scharf  lautend  im  Anlaut  I,  114. 
im  Inlaut  vor  oder  nach  Con- 
sonanten  1 ,  1 1-4.  geschwunden 
vor  m  I,  115.  zu  r  geschwächt 
vor  m,  n,  v.  I,  115.  abgefallen 
im  Anlaut  vor  f  I,  115.  weich 
gesprochen  im  Inlaut  zwischen 
Vokalen  I,  115.  zu  r  geschwächt 
zwischen  Vokalen  I,  85.  im  Aus- 
laute, 87.  ausgefallen  zwischen 
Vokalen  I,  116.  s  und  ss 
schwankend  I,  116.  ss  für  rs  I, 
117.  s  weich  gesprochen  nach  n 
I,  118.  schwach  gesprochen  im 
Auslaut  I,    118.     abgefallen  von 


Casusformen  der  Nomina  1 ,  118. 
Altlat.  I,  119.  Spätlat.  I,  120. 
in  Verbalformen  I,  119.  in  Ad- 
verbien 1,  119.  im  Auslaut  zu 
schwach  um  Positionslänge  zu 
bewirken  II ,   107. 

-s  Rest  des  Comparativsuffixes  s. 
-tot',  -is ,  -or. 

sapsa,  Etymologie  II,  274. 

sate'llites,  irrationale  Ausspra- 
che II,  120. 

satis,  desgl.  II,  113. 

Saturnischer  Vers,  verschie- 
dene Ansichten  über  denselben 
II,  418.  Einklang  zwischen  Hoch- 
ton und  Vershebung  in  demsel- 
ben nicht  gesucht  II,  419. 

sed,   Etymologie  I,  334. 

sedentarii,  irrationale  Ausspra- 
che II,    110. 

semper,  Etymologie  II,  279. 

sen  ectutem,  irrationale  Ausspra- 
che II,   117. 

senex,  desgl.  II,  116. 

s  eu,  Etymologie  II,  282. 

Sicilicus  Zeichen  der  Consonan- 
tenverdoppelung  I,  8. 

sie,  Etymologie  II,  64. 

simillumae,  irrationale  Ausspra- 
che II,  120. 

simul,  desgl.  II,  96. 

sinciniam,    Etymologie    II,   48. 

sine,  irrationale  Aussprache  II, 
92. 

s  ir  e  m  p  s  ,  Etymologie  II ,  65. 
274. 

ste  für  iste  II,  82. 

su  ad,  Etymologie  II,  64. 

suavei  Locativform  I,  219.  271. 
338. 

suis  Accus.  Plur.  Spätlat.  I,   287. 

supellectile,  irrationale  Aus- 
sprache II,   118. 

sup  er  eil  iura,  Etymologie  I,  305. 

Synkopierte    Formen  des  Perf. 


—     490     — 


Plusquamperf.   Fut.    II.    II,   26. 
Osk.    ümbr.  Volks.  II,    41. 

t  vor  i  mit  folgendem  Vokal  as- 
sibiliert  in  der  Kaiserzeit  I,  22. 
69.  im  Oskischen  I,  29.  t  und 
tt  schwankend  1 ,  69.  vor  s  as- 
similiert 1 ,  69.  abgefallen  im 
Auslaut  von  Verba^formen  I,  70. 
von  hau  I,  71.  matter  Ton  im 
Auslant  I,  71.  im  Auslaut  von 
Verbalformen  zur  Bewirkung  von 
Positionslänge  oft  nicht  ausrei- 
chend II,  102. 

tabernaculo,  irrationale  Aus- 
sprache II,  118. 

talentum,  irrationale  Ausspra- 
che II,   116. 

tarne,  Etymologie  II,   266. 

tarnen,  irrationale  Aussprache  II, 
95. 

tarne  tsi   II,   95. 

Tebere  Accus.  Sing.  Spätlat.  I, 
269. 

th  für  Griech.   &  geschrieben  I,   7. 

Tiefton  der  Endsilben  II,  237. 
der  Silbe  vor  der  hochbetonten 
II,  238.  der  Silbe  nach  dersel- 
ben II,  239.  desgl.  in  Itali- 
schen Dialekten  s.  Betonung. 
Spätlat.  die  tioftonigen  Silben 
kurz  gesprochen  II,  388.  391l 
so  gemessen  in  volksthiimliehen 
Dichtungen  II,    395. 

T  onanschl  u  s  s  Vorstufe  zur  Com- 
positionll,  25-1.  Enklitika  durch 
Tonanschluss  an  das  vorherge- 
hende Wort  IT,  256.  Pronominal 
formen :  relative  II  ,  258.  de- 
monstrative II,  265.  angefügte 
Pronominalsilben  II,  '272  Con- 
junctionen  und  Partikeln  II,  27."). 
Präpositionen  II,  279.  Verbal- 
formen II,  280.  Nominalformen 
II,  283.  lose  enklitische  Wort- 
verbindungen und  zu  untrenn- 
baren   Compoaiten    verwachsene 

& 


II,  288.  Enklitika  durch  Ton- 
anschluss an  das  folgende  Wort 
II,  290.  Präpositionen  II,  29] . 
im  Griechischen  und  Deutschen 
II,  296.  Spätlat.  II,  298.  Ver- 
wachsen derselben  zu  Composi- 
ten  II,  299.  relative  Pronominal- 
formen II,  301.  demonstrative 
II,  302.  Conjunctionen  II,  303. 
Nominalformen  II,  308.  Adver- 
bien II,  311.  Tonanschlus  an  das 
folgende  Wort  im  Deutschen  und 
Griechischen  II,  315  in  den 
Romanischen  Sprachen  II,  317. 
in  den  Italischen  Dialekten:  En- 
klitika durch  Tonanschlus  an 
das  folgende  Wort,  Oskische 
Pronominalformen  11,355.  Ver- 
balformen, Nominalformen  II, 
356.  Umbrische  Pronominalfor- 
men II,  357.  Präpositionen  II, 
358.  Nominalformen  II,  359. 
Verbal  formen  II,  359.  Volski- 
sche  und  Sabellische  Pronominal- 
formen. Verbalformen  II,  360. 
Enklitika  durch  Tonanschluss  an 
das  folgende  Wort,  im  Umbri- 
schcn:  Präpositionen  II,  360. 
Pronominalformen  II,  361.  Con- 
junctionen II,  361.  im  Oski- 
schen: Präpositionen  II,  362. 
Pronominalformen.  Conjunctio- 
nen II.  862. 
Tonlagen  Lateinischer  Worter 
im  Vergleich  zu  den  Griechischen 
II,    133. 

u   ans    a  u  getrübt   I.    ITC     in  Com 
positen  I  ,  319.     aus  ou  I,   174. 
aus  en  I.  176.  aus  oi,   oe  I,  199. 
Griechische    Beeeichntmg   des  u 
durch  o«,  o,   v   1 ,   150.    eigen t 

lieber  l'  Lanl  1.  L52.  Mittelton 
zwischen  U  und  i  f.  f.  u  aus  o 
verdunkelt  vor  ausbaut,  s  I,  23". 
vor  ausbaut     m    I  ,  241.    Oskisch 


491     — 


U  äits  o  I,  247.  Umbrisch  u  I, 
249.  Volskisch  I,  250.  u  vor 
Labialen:  m  I,  252.  vor  f  I, 
253.  vor  und  nach  b  I,  254.  aus 
o  vor  1  I,  255.  vor  1  aus  Griech. 
cc ,  s  1 ,  258.  u  für  o  vor  1  mit 
folgendem  Consonanten  I,  259. 
für  e  und  a  1 ,  259.  für  o  vor 
nt  I,  260.  vor  nd  I,  262.  280. 
vor  ns,  uc  I,  262.  vor  ng, 
nch,  11  I,  263.  vor  mb,  mn, 
ml,  264.  vor  rc,rt,  rv,  rm, 
st,  sei,  265.  u  durch  Assimi- 
lation entstanden  1 ,  306.  aus  a 
abgeschwächt  im  zweiten  Theile 
von  Compositen  I,  314.  gekürzt 
im  Suff,  -bus,  Altlat.  lang  I, 
359.      gekürzt    in    polypus     I, 

359.  in  pa Lii-8  I,  360.    im  Ver- 
balsuffix -in  us,    Altlat.    lang  I, 

360.  gekürzt  vor  auslaut.  m  im 
Gen.  Plur.  vor  consonantischen 
und  I-Stämmen  I,  367.  in  inlau- 
tenden Wortsilben  I,  373.  tief 
toniges  u  gekürzt  vor  folgendem 
Vokal  II,  157.  desgl.  hochbeton- 
tes u  II ,  159.  u  gekürzt  im  Aus- 
laut Iauibiscber  Wortfornieu  iL, 
110.  stummes  u  eingetreten  zwi- 
schen c  und  m  I,  253.  zwischen 
c  und  1  I,  258.  II,  72.  stummes  u 
in  anderen  Wortformen  II,  122. 
u  fällt  aus  zwischen  cl  II,  6. 
gl,  pl  II,  7.  bl,  tl  II,  8.  Um- 
brisch II,  9.  Oskisch  II,  10.  in 
Deminutiven  auf  -ullo,  -ollo, 
-illo,  -ello,  -all©  II,  10. 
u  vor  r  ausgefallen  II,  15.  im 
ersten  Gliede  von  Compositen  II, 
45.  u  fällt  ab  mit  dem  s  des 
Nominativs  II,  53.  vor  demsel- 
ben II,  55.  mit  auslaut.  m  II, 
55.  fällt  ab  im  Umbr.  und  Osk. 
II ,  68.  u  nach  hochtonigem  Vo- 
kal fällt  aus  II,  133.  desgl.  vor 
demselben  II,    li33»    134.     desgl. 


vor  tieftonigem  II,  151.  tieftoni- 
ges  u  mit  folgendem  tieftonigen 
Vokal  verschliffen  II,  167.  zu  v 
verhärtet  vor  folgendem  Vokal  II, 
167.  u  mit  iolgendem  hochbeton- 
ten Vokal  verschliffen  II,  173. 
.  hochtoniges  u  mit  folgendem  Vo- 
kal verschliffen  II,  176.  178. 
auslautendes  u  mit  anlautendem 
Vokal  des  folgenden  Wrortes  ver- 
schliffen II ,  189. 
-u   Dativendung   von  U-  Stämmen 

II,  145. 
-u-i    Endung  des   Dat.    Sing,   von 

O-Stämmen  I,  201. 
-u-is  Genetivendung  von  U-Stäm- 

men  II,  144. 
-um  Endung  s.  -um.   stumme  End- 
silbe II,  105.   fällt  ab  II,  55. 
-  u  m  Infinitivendung  im  Osk.  Umbr. 
Lat.  -om  Umbr.  Volsk.   I,   247. 
Umstellung  von  Consonanten  I, 

79.    92. 
u  u  d  e,  irrationale  Aussprache  II,  86. 

Etymologie  II,  87. 
-u-os  Endung  des  Gen.  Sing,  von 

U-Stämmenl,  240.  II,  143. 
-us  Nominative ndung    fällt   ab  II, 
53.    von  Compositen  II ,  65.    66. 
67. 
-us  stumme  Endsilbe  II,   107. 
-us   Endung    des    Gen.    Sing,    von 
consonantischen  und  I-Stämmen 
I,  240. 
usque,  Etymologie  II,  260. 
ut,    irrationale  Aussprache  II,   96. 

Etymologie  II,  262. 
u  ter  que  ,  Etymologie  II,  261. 
uti  s.   ut. 

uu  zu  u  verschmolzen  II,  165. 
-u-us  Genetivendung  von  U-Stäin- 
men  II,   143. 

v,  Schriftzeichen  desselben  I,  132. 
Griechische  Bezeichnungen  1, 133. 
im  Anlaut  fest  I,  134.   stösst  vor- 


-     492    — 


hergehendes  d ,  g,  f  ab  I,  134. 
zu  u  erweicht  I,  134.  136.  fällt 
aus  nach  d,  t,  s  I,  135.  wie 
Deutsch  w  gesprochen  im  Anlaut 
und  Inlaut  neben  Consonanten 
I,  137.  geschwunden  im  Inlaut 
zwischen  Vokalen  1 ,  137.  wei- 
cher, dem  Englischen  w  ähn- 
licher lautend  zwischen  Vokalen 

I,  139. 

•ve,  Etymologie  II,  63. 

-v  el ,  a.  0. 

venustates,  venustatis,  ir- 
rationale Aussprache  II,   115. 

Verg'ili  Vocativ ,  Betonung  II, 
223. 

Vershebung  im  Widerstreit  mit 
dem  Hochton  im  lamb.  Trimeter 
des  Aristophanes,  des  Plautus  II, 

408.  des  Terenz  II ,  409.  weni- 
ger  in    späteren   Dichtungen  II, 

409.  mehr  bei  Seneca  II,  410. 
im  Trochäischen  Septenar  des 
Aristophanes,  des  Plautus  II, 
412.     der   Tragiker,    des  Terenz 

II,  413.       weniger   im   Pervigi- 
lium    Veneris    II  ,      414.         ver- 
schwindend     in     spateren     Dich- 
tungen  II  ,    111.     im  Hexameter 
II  ,     410.       Einklang     zwischen 
Hochton      und     Vershebung      im 
lamb.    Senar   und   Troch.  .Septe 
nar  immer    mehr    hervoi  tredeiul 
zuletzt   unbedingt   II  ,   417.    Ein- 
klang   nicht  absichtlich   gesucht 
im   .Satumier    LI,     11'.».     nieht   im 
Ausgang   des    lamb.    Öeuars    II, 
423.      nicht     im     Ausgang     des 
Troch.  Septenar  8   II.    12  1.    uichl 
im  Troch.  Octonar  II ,    125.  nicht 
im  Ausgang  des  Hexameters  H 
127.     Cirund    des   Einklang! 
lamb.    Senat    II,    437.       Troch. 
Septenar  II,  410.    Hexameter  II. 
I  lo.     allgemein    in    allen    fers 
arten    II  ,    1 17.     durch    Cäsaren 


herbeigeführt  II,  447.  Vershe- 
bung und  Hochton  durch  Ton- 
länge gebunden  II,  436.  451. 
Fall  der  Vershebung  auf  die 
Schlusssilbe  zweisilbiger  Wort- 
formen II,  457.  anapästischer 
II,  458.  auf  die  vorletzte  *Silbe 
tribrachvseher  II,  460.  auf  die 
letzte  -Silbe  daktylischer  Wort- 
formen und  Wortausgänge  II, 
461.  auf  die  letzte  Silbe  mehr- 
silbiger Wörter  mit  langer  Pe- 
nultima  II ,  465.  choriambischer 
Wortformen  II,  466.  fünfsilbiger, 
die  auf  einen  Ionicus  a  minori 
ausgehen  II ,   467. 

vetu State,  irrationale  Ausspra- 
che II,  115. 

vibi,  vivi,  vibos  Spätlat.  Ab- 
lat.  I'lur.  1,  287. 

Vokallänge  durch  doppelte 
Schreibung  der  Vokale  ausge- 
drüekt    I       9,       durch    hohes    I, 

I,  Ü.  durch  den  Apex  I,  10. 
langer  Vokal  vor  Vokal  gewahrt 
durch  Vorschieben  des  Hochto- 
nes II ,  153.  gewahrt  in  Grie- 
chischen  Wintern  II,  153.  durch 
Vokalsteigerung  entstanden  s.  d 
folg. 

Vokalsteig  er  ung  u  zu  ou,  eu, 
ö  ,  ü  I,  155.  i  zu  oi ,  oe,  ei, 
i .  e  1 ,  156.  a  /.n  i ,  e  zu  e,  T, 
o  zu  o  1,  157.  Vokalst. 
rung  durch  Längung  des  Stamm- 
vokals  in  Participialformen  I, 
158.  in  Perfeotformen  I,  159. 
Vokalsteigerung  durch  Nasalie- 
rung I,   160. 

v ol un tat e.  irrational*  Aussprache 

II,  118. 

volu  p  t  al  e  m  .  desgL  11,  117. 

\  uichl  ursprünglich  im  Lateini- 
schen Alphabet  1 .  4.  durch  z  - 
ausgedrückt  1.  \'2  I.  i  d 


493 


I,  125.    Spätlat.  wie  s  oder  ss  ge- 
sprochen I,  125. 

y  seit  Ciceros  Zeit   gesehrieben  I, 
15. 

z    hn    Altlateinischen   Alphabet    I, 
4.     122.     seit   Ciceros    Zeit  wie- 


der gebrauchlich  I,  15.  Oskisch 
und  Umbriach  I,  122.  Lat. 
durch    s    und  ss    ausgedrückt    I, 

122.  z    Spätlat.   für   di  I,    77. 

123.  für  j  I,  123.  Mittellaut 
zwischen  D-Laut  und  Zischlaut 
I,  123. 

Zahlwörter,   Etymologie  II,  47. 


In  halt. 


D.  Tilgung-    der    Vokale g     j 

1)  Ausfall  der  Vokale 

b)   Vokalausfall  in  der   Compositiän        .     .  42 

2)  Abfall  der  Vokale '.'.'.'.  53 

E.  Irrationale   Vokale \  79 

1)  Irrationale  Vokale  vor  Consonanten 71 

2)  Irrationale  Vokale  vor  Vokalen        127 

a)  Vokalverschmelzung  im  Inlaut 131 

(ZvvaiQEOis,   2vvi"£r]6ig.) 

b)  Vokal  verschleifung  im  Auslaut 185 

(UvvccloLcpij.) 

III.  Betonung 201 

A.  Das  jüngere   Betonungsgesetz 201 

1)  Tonstufen 203 

2)  Der  Hochton 206 

a)  Der  scharfe  Hochton 200 

b)  Der  gebrochene  Hochtou 208 

c)  Zusammengesetzte   Hochtöne 210 

d)  Stelle  des  Hochtones 214 

<x)  Regelmässige  Stellung   des  Hochtons 214 

ß)  Der  Hochton  auf  der  Endsilbe. 

(Perispomena) 210 

y)   Der  Hochton  auf  der  vorletzten  kurzen  Silbe. 

(Paroxytona) ; 22;{ 

ö)  Stelle  des  Hochtones   in  Fremdwörtern       ....  225 

3)  Der  Tiefton        237 

4)  Der  Mittelton 242 

5)  Tonhöhe  und  Tondauer 248 

6)  Tonanschluss 254 

a)  Tonanschluss  an  das    \  01  hergehende  Wort 256 

b)  Tonanschluss    an    das   folgende  Wort 290 

B.  Das  ältere  Betonungsgesetz 321 

C.  Betonung  der -Italischen  Dialekte   , 338 

a)  der  Iloehton    im    Worte 338, 

b)  Tonanschluss    in   den   Italischen  Dialekten 355 

D.  Spuren  Altgriechischer  Betonung 302 

E.  Verhältniss  der  Lateinischen  Betonungsweise  zur  Betonung 
verwandter  Sprachen 381 

F.  Betonung  der  Spätlateinischen  Volkssprache 387 

IV.  Wortbetonung  und  Versbau        1011 

A.  Zwiespalt  zwischen  Hoohton  und  Vershebung 106 

B.  Hochton  und  Vershebung  durch  Tonlänge  gebunden       .     .     .  117 

C.  Folgerungen  für  die  Philologisch  -  kritische  Behandlung  der 
Altröinischen    Poesie 154 


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