LaL.Qr
ÜBER
AUSSPRACHE, VOKALTSMUS
UND
BETONUNG
DER LATEINISCHEN SPRACHE.
VON DEB KÖNIGLICHEN AKADEMIE DEB WISSENSCHAFTEN ZU BEItl.lX
GEKBÖNTE PBEISSCHBIFT
T
N
W. CORSSEN.
gsfi&tsfSz
ERSTER BAND.
LEIPZIG,
DRUCK UND V ERLAG VON B. G. TEUBNER.
1858.
MulUqoc in In* rebus qaaerunliir, mullaqu
i I n indumsl . \>\ i "-•
V o r w o r 1
Die Preisfrage der Philosophisch -Historischen Klasse der Kö-
niglich -Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin für das
Jahr 1857, bekannt gemachl in der öffentlichen Sitzung am Leibnizi-
schen Jahrestage den (>. Juli 1854, lautet Iblgendennassen :
eUeber die Aussprache des Lateinischen im Altcrthum
selbst ist sowohl in früheren Zeiten als von den neueren Bearbeitern <l«*i-
Lateinischen Sprache vielfach gehandelt : meistentheils bat sich jedoch
die Betrachtung auf die phonetische Bedeutung der einzelnen Buch-
staben beschränkt, worüber in mehreren Werken reicher Stoff nie-
dergelegt ist. Dagegen sind die \<»n der gewöhnlichen Schreibweise
abweichenden Besonderheiten, welche theils nach anderen
Spuren, theils nach dem Gebrauche der älteren Römischen Poesie,
vorzuglich der komischen, entweder überhaupt oder ungemeinen
Leben in der Aussprache vieler Formen oder Wörter stattgefunden
haben., noch nicht erschöpfend ermittelt, begründe} und erklärt, und
das Urtheil über manche Stellen in den altrömischen Gedichten und
über die Gesetze des Versmasses derselben, welches \<m der Aus-
sprache der Wörter theilweise abhängt . isi daher noch schwankend
und streitig.
Da sich die Philologie jetzt wieder der Römischen Litteratur mit
erneutem Eifer zuwendet , hält es die Philosophisch -historische Klasse
der Akademie für angemessen . eine umfassende und zusammenhän-
gende Erörterung dieses Gegenstandes zu veranlassen, und stellt da-
her folgende Preisaufgabe : %
— IV —
"Nachdem über die antike Aussprache der Vo-
" k a 1 e u n d C o n s o n a n t e n u nd i h r e r V e r b i nd u n g e n u n »I
"über das Accentsystem der Römer je nach dem Er -
"messen des Verfassers kürzer oder ausführlicher
"gehandelt worden, soll untersucht w erden, welche
"Besonderheiten der Aussprache, vorzüglich Zu-
"sammenziehungen und Abkürzungen in gewissen
"Wortformen uncheinz einen Wörtern entweder all-
gemein oder in der Spräche des gewöhnlichen
"Lebens, namentlich auch der geringeren Volks -
"klassen, stattgefunden haben. Hierbei sollen die
"Etymologie, die Zeugnisse der Alten selbst, dir
"verschiedenen Schreibweisen in Inschriften und
^Handschriften, die Formen, welche die Lateini-
" sehen Wort er i n der l' che r I r
un
n^ G riec bische
"erhallen haben, die Altitalischen Dialekte und die
"aus dem Lateinischen stammenden neueren Spra-
" cli en benutzt werden, endlich besonders die A 1 1 -
"römischen Dichtungen, vorzüglich die Komödien.
"Dabei isi auch auf die Accentuation wie auf die
"On a Uli tat Rücksicht ZU n eh ine n. Da das I rlheil
"über die Aussprache zum Theil hiii dem Ge-
brauche i\rv Dichter abhängt, dieses aber Behr rer-
"schieden ausfallen kann, je nachdem man andere
" metrische Gesetze zu Grunde I eg I . und umgekehrt
"das l 'riheil iiher die letzteren in manchen Fällen
"sich anders gestaltet, wenn eine ander«' Aus-
sprache vorausgesetzt w ird, so muss zugleich das
"der Altrömischen Poesie zu Grunde liegende me-
trische System in dieUntersuchung hineingezogen
"werden, und namentlich zur Sprache und zur Ent-
" Scheidung kommen, ob und in wie weil derSprach-
"accent auf den \ 1 1 röm i s« heu Versbau Einfluss ge-
"hah t ha b e. E udl IC h sind die aus de r ga n zen Unter-
"suchung sich ergebenden Folgerungen für die
"philologisch - kritische Behandlung der Altrömi-
— V —
eeschen Poesie darzulegen. Man erwartet eine
cc übersichtliche und möglichst systematische An-
ordnung des gesammten S toffes. "
cc
Die vorstehende Aufgabe , die von tiefer und eingreifender Be-
deutung für die Geschichte der Lateinischen Sprache und Litteratur ist,
umfasst drei Hauptgegenstände: einmal die Aussprache
der Lateinischen Sprache, und zwar sowohl der einzelnen
Laute und Lautverbindungen, als ganzer Wörter und Wortformen,
namentlich solcher, die durch Zusammenziehungen und Abkürzungen,
also durch Schwächung, Kürzung und Tilgung \<>n Vokalen entstan-
den sind; zweitens das Ac cent System der Körner, natürlich im
Verhältniss zum gesammten Vokalismus der Sprache; drittens
das Princip der altrömischen Verskunst, namentlich das
Verhältniss desselben zur Wortbetonung der Sprache.
Wer über Aussprache, Vokalismus, Betonung und
Verskunst der Römer schreiben will, hat sieb vor allem klar zu
machen, von welcher Seite er das schwierige Werk anzugreifen hat,
um es sieber zu fördern und glücklich zu vollenden. Um von einer
sicheren Grundlage auszugehen und einen strengen, wissen-
schaftlichen Beweis zu führen, wird man sieb an Aristoteles Wort zu
erinnern haben, dass für unsere Erkennlniss das letzte ist, was in
Wesen und Entstehung der Dinge das erste ist. und auch diese Un-
tersuchung muss von dem Bekannten oder leichter Erkennbaren zu
dem Unbekannten oder schwer Erkennbaren fortschreiten.
Es fragt sieb nun, welcher Tbeil der vorliegenden Aufgabe das
leichter Erkennbare ist, von dem aus man den festen Ansatz nehmen
'und das Entlegnere, schwer Erkennbare linden kann. Den Klang des
Altrömischen Verses hören wir nicht mehr, wir finden ihn auch nicht
durch sichtbare Schriftzeichen für das Auge dargestellt. Für die
Erkennlniss des Princips der Altrömischen Verskunst hat die kritische
Forschung der neueren Zeit erst den Grund aufgegraben und das
Fundament gelegt ; aber auch diese Arbeit ist noch nicht vollendet.
Man kann unmöglich vom Vers der Altrömischen Dichtung ausge-
hend, dessen Lebensprincip ja eben erforscht werden soll, das Be-
— VI —
tonungsgesetz der Lateinischen Sprache nachweisen. Auch die La-
teinische Betonung hören wir nicht mehr , wir finden sie auch nicht
durch Schriftzeichen ausgedrückt, wir besitzen nur magere Angaben
der Grammatiker über dieselben, meist aus der Zeit des Verfalls der
Lateinischen Sprache und des Römischen Kaiserreiches, wir können
sie vielfach nur erkennen an den Wirkungen des Hochtones im Wort-
körper; es gilt auch von ihr das Wort ean den Früchten sollt ihr sie
erkennen'. Diese Wirkungen sind nun aber gerade Lautwandelun-
gen im Körper des Wortes durch Umlautung, Schwächung, Kürzung
und Tilgung von Vokalen.
Auch den Vokalismus der Sprache hören wir freilich nicht mehr
im Munde des Volkes wiederklingen; aber wir sehen die Laute mit
Augen, wie die Schrift Altrömischer Urkunden und Sprachdenkmäler
sie darstellt, und die Sprachforschung li;il auf diesem urkundlichen
und augenscheinlichen Boden sichere Grundlagen gelegt, auf denen
man weiter bauen kann. Hier isi also der feste Hoden gegeben, auf
dem man fussen, von dem ;uis 111,111 (\vw Hebel ansetzen kann, die
Last des Stoffes zu heben. Wenn der Physiologe Rech! hat , erst die
Gestaltung des Leibes und seiner Glieder zu betrachten, um das We-
sen und Leben der Seele zu erkennen, s<> isi auch hier die richtige
Methode, erst die augenfälligen Erscheinungen des Vokalismus
am Wortkörper zu beobachten, und daraus den inneren treibenden
Grund desselben, jenes Seelenleben des Wortes, das sich vornehm-
lich in der Betonung bethätigt, zu erforschen. Ist aber auf die-
sem Wege eine Erkenntniss des Worttones aus der Untersuchung i\cv
Lautgestaltung des Wortkörpers gewonnen, dann erst kann die Lö-
sung der Frage in Angriff genommen werden, ob die Betonung
der Sprache auf den Altrömischen Versbau von Einfluss gewesen
sei , und nach deren Entscheidung das Princip der Altlateinischen
Verskunst festgestellt werden.
In der Ueberzeugung , dass auf diesem Wege allein im stätigen
und vorsichtigen Fortschreiten von dem Augenscheinlicheren und
Bekannteren zu dem Entlegneren und schwerer Erkennbaren sich
ein wissenschaftlicher Beweis für die vorliegende Aufgabe führen lässt,
dass auf diesem Wege allein eine übersichtliche und systematische
— VII —
Anordnung des gesammten Stoffes, wie sie mit Recht gefordert wird,
erreicht werden kann, dass auf diesem Wege allein ein klares und
sicheres Ergehniss in einer Frage erzielt werden kann , die mit dein
innersten Lehen und Wehen der Lateinischen Sprache verflochten
ist, in dieser Ueherzeugung ist der vorliegende Stolf so geordnet,
dass nach einander die A n s s p r a c h e , d e r V o k a 1 i s m u s , d i e B c -
tonung der Lateinischen Sprache in die Untersuchung gezogen wird
und nach den Ergebnissen derselben dann das Verhältniss der
Wortbetonung zum Vershau, das heisst das Princip des Altrö-
mischen Versbaues bestimmt wird. Gelingt es dieses klar zu erken-
nen , so werden sich ans demselben die F o 1 g e run g e n für die phi-
lologisch-kritische Behandlung der Altrömischen Poe-
sie von seihst ergehen. Die weitere Eintheilung des Stoffes nach
jenen Hauptabschnitten ist ans der nachstehenden Inhaltsangabe zn
ersehen und wird am Anfange jedes Hauptabschnittes gerechtfertigt
werden.
Wer aber ein Werk beginnen will, der innss vor allem erst den
Stoff haben und kennen, ans dem er schaffen will. Von alteren
Deutschen Gelehrten ist mit gewissenhaftem und unermüdlichem
Fleisse eine Fidle sprachlichen Stoffes für die vorliegende Frage zn-
sammengehäuft worden, und die Namen Voss, Seyffert, Rams-
horn, Schneider und Struve seien hier in allen Ehren genannt.
Aber seit ihrer Zeit ist die handschriftliche und in schriftliche
Grundlage, ans der allein alles sprachliche Material zu Tage ge-
fördert werden kann, in der That eine wesentliche andere ge-
worden, und die Sprachwissenschaft hat seit dem letzten Men-
schenalter Fortschritte gemacht, die hinter dem gewaltigen Auf-
schwünge der Naturwissenschaften nicht zurückstehen.
Das sprachliche Material ist ein wesentlich anderes geworden, wie
es noch in den fleissigen Sammlungen von Schneider in seiner La-
teinischen Grammatik erscheint, einmal weil der Text der Lateinischen
Schriftsteller seitdem vielfach eine gereinigtere Gestalt gewonnen hat,
namentlich d nrch Lachma n n s und Ritschis h a n d s c h r i f 1 1 i c h e
Forschungen, deren Spuren eine Schule jüngerer Gelehrter ge-
folgt ist, eine Menge alter und ächter Wortformen zn Tage gefördert
— VIII —
sind, andrerseits weil zahlreiche Alllateinische Inschriften in
zuverlässiger Gestalt durch die inschriftlichen Untersuchungen und
Sammlungen von Mommsen, R i t s c h 1, H e n z e n und anderen dem
Sprachforscher zur Benutzung vorliegen.
Aher die handschriftliche und inschriftliche Forschung ist noch
chen in heisser Arhcit begriffen. Noch ist die Wiederherstellung des
Plautus hei Weitem nicht vollendet; noch ist der Bemhinus des
Terenz nicht in ähnlicher Weise ausgebeutet, wie der Ambrosia-
nische Palimpsest des Plautus. Neben den Fragmenten der
älteren scenischen Dichter fehlt noch die längst erwünschte
kritische Ausgabe der Fragmente des Lucilius, und Jahre werden
noch vorübergehen, bis durch die kritischen Arbeiten von Keil and
Hertz ein gereinigter Text der Grammatiker vollständig herge-
stellt sein wird; für die Schriftsteller der nachaugusteischen Zeit ist
überhaupt noch viel zu fluni übrig. Sind alle diese Arbeiten vollen-
det, und ist das grosse inschriftliche Werk von M o m msen, Hits c li 1
und Ilenlzen ans Lieht der OefVentlirlikeil getreten, dann wird ein
reicheres und zuverlässigeres Material für solche Aufgaben wie die
vorliegende dem Sprachforscher zu Gebote stellen.
Für diese Untersuchung galt esd;is neugewonnene noch sehr zer-
streute Material soweit, als es nach dein gegenwärtigen Sland-
l> ii nk t der kritisch - philologischen Forschung / u ^ä ogli eh gewor-
den ist, zu sammeln und zu benutzen.
Seit den Sammelwerken jener älteren "Gelehrten sind mm aber
auch durch die sprachvergleichenden Forschungen von Fr. 15 < » j > | »
und seiner Schule die wichtigsten und vielseitigsten Aufschlüsse über
die Lateinische Lautlehre, Wortbiegungslehre und Wortbildungslehre
gewonnen ; die Kennlniss der Italisch e n I» i a I e k I e ist durch die
Arbeiten von R. Lepsius, Mommsen. Aufrecht und .Kirch-
hof so weil vorgeschritten, dass eine eingehende Untersuchung im
Gebiete der Lateinischen Lautlehre und Formenlehre ohne die Be-
nutzung jener Ergebnisse ebensowenig mit Erfolg geführt werden kann,
wie die Erforschung des Allischen Dialektes ohne die Vergleichung
anderer Griechischer Mundarten weitet- gefördert werden kann. End-
— IX —
lieh ist durch Dietz Grammatik der Romanischen Sprachen die
Entwicklungsgeschichte dieser Sprachen aus der Lateinischen Mut-
tersprache aufgehellt worden, und daher ist auf die Aussprache und
die Lautverhältnisse des Lateinischen gar mancher helle Lichtstrahl
gefallen, dem man das Auge nicht verschliessen kann.
Nach bestem Wissen sind also die kritischen und sprachlichen
Arbeiten neuerer Gelehrten sowohl auf dem engeren Gebiet der La-
teinischen Sprache als im weiteren Kreise der verwandten Sprachen,
so weit dies für die Lösung der gestellten Aufgabe nothwendig und
erspriesslich erschien , benutzt und verarbeitet worden. Es galt aber
auch zahlreiches Material, das dem Zweck des Ganzen nicht förder-
lich erschien, auszuscheiden, und sieh nicht in zu weilschichtigen Un-
tersuchungen und Widerlegungen über sprachliche und metrische
Einzelheiten zu ergehen, damit die Schrift nicht aus allen Fugen und
Banden ginge und unter dem Wust von Nebenuntersuchungen, Zutha-
ten und Anmerkungen die Hauptergebnisse wie die Beweisführung
sich verdunkelten.
Ob auf dem schwierigen Boden voll Klippen und Irrwegen, auf
dem sich die nachstehenden Untersuchungen bewegen , mit fremdem
Kalbe gepflügt oder im Schweisse des Angesichts gearbeitet ist, wird
dem Auge des Kundigen nicht entgehen.
Weitere theoretische Erörterungen über die Methode der For-
schung und Beweisführung hier im Vorwort sind unfruchtbar und
entbehrlich; wenn nur das Werk selbst gerathen ist, dann wird es
auch die Methode und den Arbeiter loben.
Pforta, den 27. Februar 1857.
Nachdem die Historisch - Philosophische Klasse der Königlichen
Akademie der Wissenschaften zu Berlin in der Sitzung vom 9. Juli
1857 der hier der Oeffentlichkeit übergebenen Arbeit den Preis zu-
erkannt und in den Monatsberichten der Akademie, Juli 1 857. S. 358 f.
ihr Urtheil über dieselbe im Auszüge veröffentlicht hat, ist auf Grund
desselben diese Untersuchung einer nochmaligen Prüfung und Ueber-
arbeitung unterworfen worden. Diese hat jedoch hauptsächlich zur
Sichtung und Sicherung des sprachlichen Materials und zur Verar-
beitung der neusten auf diesem Felde ans Licht getretenen Forschun-
gen, Monographien und Aufsätze geführt, wahrend die Hauptergeb-
nisse nach den gewonnenen (Jeberzeugungen unverändert geblieben
sind, wie auch die ganze Form der Behandlung und Darstellung, ab-
gesehen von der genaueren Fassung mancher Einzelheiten, so beibe-
halten ist, wie sie zu Anfang des vorigen Jahres der Historisch -Phi-
losophischen Klasse der Königlichen Akademie der Wissenschaften
zur Beurtheilung vorgelegt wurde.
Pforta, den 20. August 1858-
I. Aussprache.
1) Alphabet und Schrift.
D
'a man die Aussprache einer im Volksmunde nicht mein* le-
benden Sprache nur aus der Schrift , in dw sie sieb darstellt, zu
erkennen vermag, so \>\ es für die Erforschung der Lateinischen
Aussprache von Bedeutung, mV Geschichte des Lateinischen Alpha-
bets zu betrachten. Durch neuere Funde, namentlich durch Auf-
findung der Griechischen Alphabete und Syllabarien in den Etruri-
schen Gräbern von Caere und Siena, so wie des Etrurischen
Alphabets von Bomarzo und der Nordetrurischen Alpha-
bete sind Herkunft, Verwandtschaften und Verzweigungen der Ita-
lischen Alphabete wesentlich aufgebellt worden, und es sind na-
mentlich durch die Forschungen Tb. Mommsens auf diesem Ge-
biete wesentliche Aufschlüsse gewonnen worden, deren Ergebnisse
hier zusammengefasst werden sollen.
Die Thalsache, dass die Italischen Volker die Buchstaben-
schrift nicht unmittelbar von den Phöniciern erhalten haben, son-
dern erst durch Vermittlung der Griechen, stand längst fest und
erhellt am schlagendsten aus der Thatsache, dass sich neben den
Phonicischen auch die erst in Griechenland erfundenen Buchstaben
v, £, <P, X m Italischen Alphabeten vorbilden. Die Art und Weise,
wie dies geschehen , ist noch nicht vollständig bis ins Einzelne klar ;
nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung aber erhellt Folgendes.
Alle Italischen Alphabete ausser dem Lateinischen scheinen
einem älteren Griechischen Alphabet entsprossen, das zwei Schrift-
zeichen für den Zischlaut s hatte, nämlich C, das Phönicische
Schin und Dorische San und M, das Phönicische Samech und
Ionische Sigma, hingegen von den beiden Zeichen der gutturalen
Tenuis Kappa und Koppa, K und 9i das letztere eingebüsst hatte.
CoRSSEN. 1
— 2 —
Zu der Familie von dieser Griechischen Herkunft gehurt zuerst das
Sabellische Alp hau et. Die beiden Hauptinschriften dieses
Dialektes auf den Steinen von Grecchio und Gupra zeigen eine
auch am Ende der Zeilen ununterbrochen fortgeführte schlangen-
förmig gewundene Schrift, die älter ist als das gewöhnliche Bustro-
phedon, und sich nur noch auf alten Cor cyräi sehen und Pelopon-
nesischen Inschriften findet.
Sie scheiden die Vokale 0 und V, ein Unterschied, der ande-
ren Italischen Buchstabenschriften und Sprachen abhanden gekom-
men ist, und haben die zwei Schriftzeichen des Zischlautes ^ und
M (vgl. Momms. Unten'/. Dial. p.X). 14. 24. TV//*. II. XVII. Mit-
theil d. Antiquar. Gesellsch. zu Zürich: die Nordetrvrhchen Alpha-
bete VII, 8. S. 222). Denselben Ursprung haben zweitens die
neuerdings entdeckten Nord et r mischen Alphabete, welche
auf den nördlich vom Apennin, ausserhalb des eigentlichen Etruri-
schen Sprachgebietes bis in die Alpentbäler von Tessin, Tyrol,
Provence, Graubündten und Steiermark gefundenen Inschriften er-
scheinen. Unter diesen Inschriften des Salassi sehen , Elina-
neischen und Transalpinischen Gebietes find ei sicli eine mit
schlangenformig gewundener, vier in gewöhnlichem Bustrophedon
geschriebene, ausserdem rückläufige und rechtläufige. Die Alpha-
bete derselben haben die beiden Zeichen für Zischlaute 21 und M,
einige die beiden Vokalzeichen 0 und V, andere nur das 0 oder
nur das V (Momms. Nordetrur. Alph. a. 0. S. 222. 221. 225),
Nahe verwandt jenen Nordetrurischen Alphabeten isl das eigent-
lich Etrurische Alphabet, das zunächst ans dem Griechischen
Alphabet von Caere und von ('.olle bei Siena nebsl den in den-
selben Gräbern gefundenen Syllabarien hervorgegangen i>t [Momms.
UnleriU Mal. S. 9. 40). Dieses AJphabel zeigt die 22 Allphönici-
seben und die vier in ältester Zeit in Griechenland erfundenen Buch-
staben *;, £, <p, i, um die das Griechische Alphabet reicher ist als
das phönicische; es hal die beiden Zeichen für die Zischlaute M
(für M) und £, alter kein 9 [Momms. I'nlrrit. Ihal. &8 — 14.
Taf.l, 12). Diesem ist das Etruski sehe Alphabet von Borna rzo
nachgebildet^/. 0. S. I. '/'<//'. |, 13), das neun/elin Buchstaben des
Alphabets von Caere, unter ihnen die beiden Zeichen der Zischlaute
M und C aufgenommen und ihnen das Zeichen 3 für den CODSO-
nanlisebeu Laut f, der den Italischen Sprachen eigenlhümlieh ist.
zugefügt hat. Da die Formen der Buchstaben in beiden Alphabeten
genau übereinstimmen, da sich zwischen ihnen keine der wesent-
lichen Verschiedenheiten findet, welche sich zwischen den Griechi-
schen Alphabeten zeigen, da beide das Griechische 9 nicht kennen,
hingegen beide das M und C haben, so beweist das Vorkommen
jenes Griechischen Alphabets in zwei Etrurischcn Gräbern zur Ge-
niige, dass das Etrurische Alphabet von Bomarzo dem Griechischen
von Caere nachgebildet ist (Momms* Unt. Dlal. S. 9 — 21). Von
diesem Altetruskischcn Alphabet schieden sich, nachdem im Etru-
lischen das Zeichen für 0 verschwunden war, aus das Campa-
nis c h - E t r u s k i s c h e, das 0 s k i s c h e und das U m b r i s c h e Alpha-
bet {Momms.a.O. S.A. 5.0. Nordetrur. Alph. VII, 8. S. 225. 227),
die alle die Schreibweise von rechts nach links gewahrt, hingegen
das Schriftzeichen 0 verloren haben wie das jüngere Etrurische.
Das Oskische Alphabet hat von den beiden Buchstaben für den Zisch-
laut s nur das ^ gewahrt wie das Lateinische.
Es ist aber noch ein zweites, jüngeres Griechisches Alphabet
nach Italien gekommen, das die Zeichen für die beiden Tenues
Kappa und Köppa, K und 9 gewahrt, hingegen den Buchstaben
M für den Zischlaut s eingebüsst und für die ältere Form des r f>,
t>, P eine jüngere V> , P aufgenommen hatte, und zwar das Dori-
sc he derCu manischen und Sicili sehen Griechen. Ganz geson-
dert von der übrigen Italischen Schriftfamilie steht nämlich das La-
teinische Alphabet. Die • Schreihart von links nach rechts seit
den ältesten Zeiten, das Erscheinen des Altphönicischen 9> das
Fehlen des Zeichens M für den Zischlaut s, das Auftreten des
Zeichens F für den [talischen (Konsonanten f stall des Etrurischen
8, das sind schlagende Beweise für (). Midiers Ansicht, dass das
Lateinische Alphabet nicht vom Etrurischen stammt. Der Beweis,
dass das Lateinische Alphabet ein Abkömmling des Dorischen
der Cu manischen und Sicilischen Griechen ist, kann nach
Mommsens Untersuchungen schwerlich angefochten werden; und
die enge Verbindung, in welcher im Zeitalter der Tarquinier Rom
mit Cumae stand, führt zu dem einleuchtenden Scbluss, dass die
Römer von den Cumanern ihre Buchstabenschrift überkamen (Om
Müll. FJrusk. 11, 312. Clausen Aen. u. Pen. 11, 890. Momms. Unt.
Dlal. S. 3. 9. 26. /: Taf. I, 6. 8. Nordetrvr. Alphab. VII, 8. 220.
Rom. Gesch. I, 141).
Von den 24 Buchstaben des Dorisch -Cumanischen Alphabets
liess das Lateinische drei , O—^, (\)~~cp, ty=%v fallen, weil
1*
— 4 —
die Lateinische Sprache die Aspiraten nicht kannte, und verwandte
das Zeichen F zur Bezeichnung des Italischen Consonanten f. Es
behielt somit 21 Buchstaben, deren Formen auf den ältesten In-
schriften folgende sind:
1) a. A, A, A, A. S) h. H. 15) p. P, P.
2)b. £, B. 9)i. I. 16) q. Q.
3)c,<,C, C 10) k. K. (t) 17>T.'fcR.
4)d. D. 11)1. U, A, L. 18) s. £, £, S.
5)e. E, II. 12)m.M,W,AV,llll. 19) t. T, T.
6) f. I', F. 13) n. IM, N. 20) v, (u). V.
7) z. Z. 14)o. 0, O, O, o. 21) x. X.
Dass Z im ältesten Römischen Alphabet sich fand, erhellt
daraus, dass es in der Schrift des Carmen Saliare vorkam (/>/.
Long. p. 2217. P.) und so findet es sieh noch in einem Pragmenl
bei Varro (/. /. VII, 20. /!/.). Auch X ist hier unter den ältesten
Römischen Buchstaben aufgezählt, weil es schon auf den ältesten
Romischen Schriftdenkmalern, die uns vorliegen, erscheint Das
ss
das Zeichen X in Römischer Schrift nur j;, nicht % bedeutet -habe,
ist zwar vonMommsen gegen R. Lepsius richtig erwiesen (Unt. I>i<tl.
S. .')!); aber der Platz des \ hinter v spricht doch für eine etwas
jüngere Aufnahme dieses Schriftzeichens in das Lateinische Alpha-
bet. Dieser Platz wird dadurch nicht erklärt, dass auch das Grie-
chische Alphabet von Caere dem | diesen Platz angewiesen bat, da
das Romische Alphabet ja mit diesem in keiner Verbindung stand.
Freilich kann eine spatere Aufnahme des \ uicht erst geschehen
sein, als seit dem \rcli<mtai des Euclides, -eil dem Ende des Fünften
Jahrhunderts die jüngere Form H für £ allgemeine Geltung erlangte.
Aber zwischen dieser Zeit und der Aufnahme des Dorischen Alpha-
bets von Cumae bei den Römern liegen Jahrhunderte, und da die
Römer mit Siculern und Cumanern in lebendigem Verkehr blieben
auch nach der Aufnahme des Alphabets , so konnten Bie sehr wohl
das X später aufnehmen, ebenso wie sie statt der Klieren Buch-
stabenformen X und /W später die jüngeren S und M einführten
< \fomms. Roem. Gesch. I, 111). Priscian sagt gani bestimmt, dass
der Buchstabe X erst später eingeführt sei und deshalb ans Ende des
Lateinischen Alphabets gesetzt sei (I, 7. I 1. Hertz)y und diese Aus-
sage erhalt dadurch Gewicht, dass Nigidius Figulus, Varros gelehr-
ter Zeitgenosse, das \ gar nicht brauchte, also CS oder CS und <.^>
dafür schrieb, und dass Varro das Lateinische \ seinem Wesen
— 5 —
nach nicht für einen Buchstaben gelten lassen wollte (Cassiod. p.
2286. P). Dass diese Grammatiker noch Sprachdenkmäler kannten,
in denen CS geschrieben wurde, bestätigen zwei Glossen hei Festus.
Die erste/?. 166. Müll, lautet: Nancitor in XII e.nacius erit,
p r a e n d e r i t '. Item in f o e d e r e L a t i n o : c p e c u n i a m q u i s
nancitor, habeto', et: fsi quis pignoris na sei seit ur,
s i b i habeto'; die andere p. 277 : R e n a n c i t u r significat
r e p r e h e n (1 e r i t \ In dem Abschnitt über Vokalausstossung wird
gezeigt werden , dass etymologisch in beiden Glossen nanesitor,
renanesitur, das ist nanxitor, renanxitur, verlangt wird,
wenn die Erklärungen praenderit, reprehenderi I Sinn haben
sollen, und das hat auch schon 0. Midier erkannt. Da in der ersten
nancitor und nasciscitur dasselbe bedeuten sollen, da auch
in der zweiten die Form renancilur ein C zeigt, so führt dies
auf den Sehluss, dass nanesitor, renanesitur die Schreib-
weisen der zwölf Tafeln und der Urkunde des Latinerltiimles waren,
da nicht au den vier Stellen die handschriftliche Schreibweise C aus
dem ganz unähnlichen X entstanden sein kann. Aus den beiden
Schreibfehlern nancitor und nasciscitur wird die richtige
nanesitor, die den Abschreibern fremdartig und unverständlich
war, erschlossen. Ist das richtig, dann folgt daraus, dass man
zur Zeit der zwölf Tafeln noch. GS für X schrieb, wie sich auch
noch auf Inschriften der Kaiserzeit geschrieben findet uesori,
1. Begn.Neap. Momms. 5173. lucserunt, Grut. 544, 4. biesit,
/. B. N. 66. biesit, /. B. N. 6716, dass also die Zeit zwischen
der Decemviralgesetzgebung und Vejis Fall, zwischen Gimons Tod
und dem Archontat des Euclides es war, in der die Homer das
Schriftzeichen X zur Bezeichnung der Gonsonantenverbindung CS,
GS in ihr Alphabet aufnahmen und demgemäss an das Ende desselben
anfügten. Die älteste sprachliche Urkunde, in der sich X geschrie-
ben findet, ist das Senatus consultum de Baccanalibus;
seit der Zeit der Gracchen schreibt man für X auch XS, wovon in
dem Abschnitt über den Buchstaben X weiter die Rede sein wird.
Nach Aufnahme des Dorischen Alphabets von den Cumanischen
Griechen trat eine Zeit in der Ent Wickelung der Lateinischen
Sprache ein , wo der Unterschied zwischen Gutturaler T e n u i s
und M e d i a sich verw ischte wie im Etrurische n und U m b r i -
sehen, so dass die Buchstaben G und K denselben Laut bezeich-
neten. Da gestaltete sich der Schriftgebrauch so, dass G im Allge-
— 6 —
meinen zum Ausdruck der T e n u i s und M e d i a gebraucht wurde, und
dass dies schon zur Zeit der Abfassung der zwölf Tafeln der Fall
war, ergiebt sich aus der Schreibweise derselben: ni cum eo pacit
{Fest. v. talionis p. 363. M.) und: ni pacunt {Ter. Scaur. p. 2253)
neben pango, pegi, pepigi {Schneider Lat. Gr. I. 271. Anm.).
Auf alten Römischen Inschriften finden wir es nur noch in den
Schreibweisen :
Macolnia, Cisi. Praenest. Or. 2497. Momms. Unt. Dial. &29.
. . cnatois, Momms. Unt. Dial. S. 364.
für Magulnia, . . gnatis. Den ^Yiederherstellern der Columna
Rostratamuss diese Schreibweise aus alten Sprachdenkmälern
bekannt gewesen sein, daher schreiben sie leciones, maci-
st r a t o s , e x f o c i o n t , p u c n a n d o d , C a r t a c i n i e n s e s (vgl.
Ritschi, Inscriptio rjiiae fertur Cohimnae DudHanae. Beroi. 1852)
und Marius Victoriuus erwähnt aus allen Sprachdenkmälern die
Schreibweisen Cabino, leer, aena (p. 2459. /'.). Diese Geltung
behielt das SchriftzeicheB C auch spater in den Bezeichnungen
durch den Anfangsbuchstaben C und Cd für die Namen Gaius und
Gneus (QmrUU. I, 7. 2s. Ter. Maar, p. 2402). Das K erhielt sich
hingegen durchgängig seil alten Zeiten nur, wenn die Wörter K.aeso,
Kalendae, kalumnia, kapul mii dem Anfangsbuchstaben k
bezeichnet wurden (Qumt. I, I. '.». Vel. Long. p. 22 18. Terent.
Scaur. p. 22.V2. Ter. Mam\ p. 2 H>0) und ähnlich lindel sich auf
der allen Inschrift des Columbariums der Vigna Somascbi die Ab-
kürzung dekem . . für l> e ( e in bres [Momms. I'nl. Ihn!. & 32)
und auf einer sehr allen Volrrnlisclien S< h.iale Keri für Ceri
{Momms. a. 0. p. I 13. Ritschi de //'<•///. litterat. Latmor. antio. p,
17). hie Theorie mancher Grammatiker k \or folgendem a zu
sehreilien in Wörtern wie Kar-t-hagO, karus, kanus wird zwar
durch die Schreibweise von Inschriften bestätigt wie karissimo,
karissimae {Momms. I. Regn. Neap. 260. 813. 2158. 2456.
3100.3293. 3942. 127:;. 1719. 5083. 7059.5111.6379), karo
(Or. 1041. p. Ch. 271). arkarei (/. Ii. \. :>7<>:>. p. c/i. 172). »r-
karius (/. Ä. N. 5707. p. eh. 58), Kristna (Or. 1955. vgl.
Schneid. I.m. Gr. I. 295); aber diese Schreibweise ist nie vor-
wiegend zw Geltung gelangt.
Nachdem so der Buchstabe K fthr gewöhnlich ausser Gebrauch
gekommen war, trat (kr I utersetned zwischen Gutturaler Tenui
und Media im Lateinischen wieder deuilieh hervor, gerade sowie dies
im jüngeren Umbrischen der Fall war, und nun ward aus der Buch-
stabenform C für die Media ein neuer Buchstabe (i gebildet. Dieser
erscheint schon zur Zeit des ersten Punischen Krieges auf dem As
von Luceria und dem Sarkophag des L. Scipio Barbatus (Momtns.
Unt. Dial. S. 32) und erhielt von einem Freigelassenen des Sp.
Carvilius Ruga im Lateinischen Alphabet die Stelle zwischen f
und h, nachdem das alte z ausser Gebrauch gekommen war und
entbehrlich schien {Phil. Quaest. Rom. r. .V.l. Schneid. Lat. Gramm.
I, 270. Momms. U. D. S. 33).
So kam es, dass Cicero ein Lateinisches Alphabet von 21
Buchstaben vorfand {Not, deor. II, 37. Qumt. I. 1. 9), da die
Griechischen Buchstaben v und g erst während seiner Lebens-
dauer in Lateinischer Schrift allgemein gebräuchlich wurden, etwa
gleichzeitig mit der Bezeichnung der Griechischen Aspiraten <p, %,
& durch ph, ch, th (Ritschi Monum. Epigr. tritt p. 26. Rh. Mus. IX,
17. 164. Momms. Unt. Dial. S. 33. Ribbeck N. Jhb. LXXV —
L.W VI, 316), und nachdem sie sieh eingebürgert hatten, am
Schlüsse des Lateinischen Alphabets angereiht wurden.
Wenn hiermit der dauernde Bestand der Buchstaben des La-
teinischen Alphabets festgestellt war, so haben doch die Römi-
schen Gelehrten verschiedener /eilen dahin gestrebt, auch noch
genauer als es durch jene Buchstaben möglich war, feinere Laut-
unterschiede zu bezeichnen. So wollte man namentlich die Con-
sonantenschärfung und die Vokallänge auch in der Schrift aus-
drücken. Die Lateinischen Consonanten hallen im Anlaut und In-
laut der Wörter meislenlheils einen stärkeren, volleren und dich-
teren Laut als die Griechischen, was si<h sowohl ;ms Zeugnissen
der Alten als aus dem weitgreifenden Einllnss, den sie auf benach-
barte Vokale üben, ergiebt und weiter unten zur Sprache kommen
wird. Daher trat jene Verschärfung des Lonsonantischen Lautes,
welche durch doppelte Schreibung desselben ausgedruckt zu werden
pflegt, in der Altlateinischen Sprache weniger deutlich hervor, so
dass in der Schrift diese doppelle Schreibung der Consonänten
nicht Üblich war. Die Bekanntschaft mit Griechischen Schrift-
werken führte aber auch die Lateinische Schrift zu dieser Bezeich-
nung des geschärften konsonantischen Lautes. Es war Ennius,
der mit dem Griechischen Hexameter in die Römische Dichtkunst
die Griechische Schreibweise geschärfte Consonänten doppelt
zu schreiben in den Lateinischen Schriftgebrauch einführte (Fest.
— 8 -
v. solitaurilia p. 293). Eine sorgfältige Prüfung der Inschriften
hat ergeben, dass die Consonantenverdoppelung vor Ennius sich
nur ganz vereinzelt findet, seit Ennius in der Schrift bald ange-
wandt wurde, bald nicht, dass sie etwa seit dem Zeitalter des
zweiten Macedonischen Krieges überwiegend wurde und seit den
Zeiten der Gracehen und des Jugurthinischen Krieges vollständig
durchgeführt wurde {Ritschi Tit. Mumm. p. 4. Mon. Epigr. Irin,
p. 10. 32, tit. Aletrinat., IV — VI. Rhein. Mus. IX, 12, 13). Der
Abkürzung halber bezeichnete mau die Schärfung der Consonanten
statt der doppelten Schreibung des Buchstabens auch wohl durch
das Zeichen des Sicilicus ° Mar. Victor. p. 2456 : an t iq u i — s u p r a
litt er am quam geminari oportebat scilicet Sicilicum
imponebant, cujus Figur a haec est *', quod erat Sig-
num geminandi, sicutapparel in mullis adhuc veteri-
busita scriptis libris. Isiftor. Origg.l, 26: ubi litter ae
consonan tes geminabanl in . sicilicum su pe rponebant
ut seIDa, ser'a, as'eres. Doch kam diese Schreibweise
später ausser Gebrauch und auf Inschriften öndel sie sieh gar nicht.
Um die Vokallänge durch die Schrift auszudrücken, erweiterten
die Griechen ihr alles Alpbabel durch die Buchstaben H und D.\
es war natürlich, dass Römische Gelehrte darauf dachten nach dem
Vorbilde des Griechischen auch für die Lateinische Schrill diese Ge-
nauigkeit in der Bezeichnung des sprachlichen Lautes su erzielen.
Es war der Tragiker Aiiins, der zur Bezeichnung der Vokal-
länge die do ppel le Schreibung des Vokales durchführen wollte,
Vel. Lotig. p. 2220' Aerius geminatis vocalibus Bcribi
natura longas syllabas roluit, cum alioquin adjeeto
vel sul>lal o apice longitudinisel brevitatis nota pos
set ostendi. Ritsch! weisl in einer musterhaften Unter-
suchung nach, dass sich diese Schreibweise auf Inschriften seil dei
Zeit der Gracchen bis etwa zu Ciceros Consulal limlei (Montan.
Epigr. tria, Ca/t. IM: tlr vocalibus geminatis deque L, .Win Gram-
matico, p. 22./) und zwar für die drei Vokale ä, e, ü. So linden
sich geschrieben die Wortformen:
Albaana, Or. 12S7. Ritschi a. Maarco, t. viae Appiae, Rhein.
0. p. 29. Mut. Vlll. 288. ( /
Vaarus, /. Aieirin. Graec. ."»'» 1 1.
paastores, mil. Popiiian. Maarcium, C. I. Graec,
haace, tab. B antin. I 137.
9 —
MaccQxeAAog, C. 1. Graec.
5644.
CaLaasi, /. R. N. 2480.
faato, Grill 1346, 6.
naa to, n aal am, a. 0.
Paapus, I.R.N. 3846.
leege, Or. J287. Ritschi a. 0.
p. 29.
seedes, /. Aleirin. I. viae
App.
leegei, lab. R antin.
ree, Grul. 1346, 6.
ee, a. 0.
Feelix, Eckhel. d. num. II, 5.
p. 192 sq.
luuci, lab. Rani.
M u u c i o , lab. Genital. I. agr.
(Thor.)
arbitratuu, lab. Genital.
Luuceius, R. Monum. Epigr.
Ir. p. 28.
pequlatuu, /. Com. de XX
quaest.
juus, a. 0.
mit ei, /. Termes.
R u u b i u s , R. Mon.Ep. Ir. p. 29.
Auch in der einheimischen Schrill der Osker wurde die Vokal-
länge durch doppelte Schreibung des Vokales bezeichnet (Momms.
Unt. Dial. S. 211). Ritschis Schluss ist datier sehr einleuchtend,
dass Attius diesem Vorbilde folgte, dass er <» nicht doppelt schrieb)
weil es im Oskischen nicht so erscheint, und i nicht, weil dafür in
seiner Zeit El geschrieben wurde. Indessen kam doch die Schreib-
weise des Attius ebenso wenig zur allgemeinen Geltung, wie die
gleiche Bezeichnung des langen Vokales in der Neuhochdeutschen
Schrift durchgedrungen ist, zumal da Lucilius, der Zeitgenosse
des Attius, sich gegen dieselbe erklärte (Ter. Scaur. p. 2255. P.
Ritschi a. 0. p. 30. fX
Für die Bezeichnung des langen Vokales i war eine doppelte
Schreibung auch deshalb wenigstens in älterer Zeit nicht anwend-
bar, weil das Schriftzeichen U häufig die Geltung E hatte (Momms.
Rhein. Mus. X, 142), daher ward in älterer Zeit El nicht bloss für
den Mittellaut zwischen e und T, sondern auch für den eigentlichen
Laut I geschrieben. Daneben tritt aber schon seit der Gracchen-
zeit, doch wohl in der Absicht beide Laute in der Schrift zu schei-
den, für das lange I als Schriftzeichen ein längeres über die Hohe
der anderen Buchstaben hinausragendes 1 ein (Ritschi Rhein. Mus.
VIII, 494. Momms. Rhein. Mus. X, 142). So finden sich geschrieben :
PopIIlius, Rhein. Mns.X, 141. Tullis, I. N. 4322.
Calld. Eckhel. Num, V, 158.
nive, /. Puleol. I. X. 4322.
flent, a. 0.
felici, /. N. 6796.
hlc, I.N. 1658.
Vibio, /. N. 418..
slgna, Roiss. Insc. Lyon.p. 136.
quinque, Grut. 172. 2.
- 10 -
Q ulnc tili o, Henz. 1. Rom. Vlpsania, a. 0. 610.
5970. Vipsani, ct. 0.
lictor, Grut. 33, 4. tristior, C. I.Gr. 6268. Grut.
Vipstanio, Grut. 74, 1. 607, 4.
Als zu Augusts Zeit die Schreibart El abkommt, wird das hohe
I allgemeiner gebräuchlich und findet sich so in den vorzüglichsten
und ausführlichsten Schriftdenkmälern der Augusteischen Zeit, wie
in den Inschriften der Obelisken {Or. 36) auf den Cenotaphien von
Pisa {Or. 642. 643), den beiden Leichenreden (Or. 4859. 4860) und
auf den Denkmälern der älteren Kaiserzeit, welche die anderen
langen Vokale durch den darüber gesetzten Apex bezeichneten.
Seit der Augusteischen Zeit durch die beiden ersten Jahrhun-
derte der Kaiserzeit kommt nämlich eine dritte Art der Bezeichnung
langer Vokale wi der Schrift auf, durch einen über das Vokalzeichen
gesetzten Apex. Nach der eingehenden Untersuchung von Weil und
ß e n 1 o e w (Theorie generale de /' Accentuation Laune ( 'hap. XII: des
insetiptions accentuees, p. 293 — 348) ergiebt sich, dass dieser Apex
(Quint. J, 7, 2. 1, 4, 10. VeL Im,,;/, p. 2220. Ter. Scaur. [>. 2255)
auf Inschriften gewöhnlich die Form -', selten die Formen -, ~
hatte (W, B. a. 0. p. 305. 310), in der Btteherscbrifl auch die Ge-
stalt — (hidor. Orifj. I, 4, 18), die in Inschriften nicht angewendet
wurde, weil hier dies Zeichen zur Unterscheidung der Ziffern dient»'.
Der Apex - ersetzte die Stelle des /weilen der beiden Vokalzeichen,
wodurch Attius den langen Vokal bezeichnete, ähnlich wie der
Apostroph die Stelle eines nicht geschriebenen Volles andeutet,
und wird so der Anzeiger eines langen Vokales ( //'. />'. n. O. />. 3 Kl.
348). Am regelmässigsten findet er sieh angewandt auf Sprach-
denkmälern der Zeit \on AugUStUS bis Claudius, namentlich in
öffentlichen Urkunden und ähnlichen mit besonderer Sorgfalt abge-
fassten Schriftstücken, die meist auch das hohe I zur Bezeichnung
der Vokallänge des i verwenden. Aus diesen möge hier eine \nzahl
von Beispielen Platz linden (Or. 36. 84! 643. 1859. 1860. WaHni
Inscr. Aiban. />. 13. 136. Boissieu Tnscr. <mi. de Lyon />. 136.
Momms. I. H. Neap. 2391. 231)2. 3629. vgl WeH //. Bcntoew />.
298). So findet ßieb bezeichnet das lange § in
actus, casu, trän s lata, päcäto,
exäctus, ätri, inäniter, ämisi,
red acta, Märtio, fäma, potestätem,
mänibus(deis), narr ein . mal er, orbit i I e.
— 11 —
necessitäs, oppugnätri- efficäcius, famä (Abi.),
Asprenäte, cem, Aquilä (Abi.), Iuniäs,
magisträtus, Romäni, victoria (Abi.), terrärum,
orätioni, naturalis, pecunia (Abi.), t'eminärum
das lange e in:
p 1 e b e s ,
d efui t,
m a n e s ,
v e n i e ii s ,
r e" g e s ,
d e r u n t ,
p e d e s ,
difidens,
r e g n i ,
A s p r e n a t e ,
re,
nolens,
lex,
n o 1 6 s c e r e 1 ,
ne,
p l a c 6 r e ,
fämiuis,
res,
te,
lenuere,
e d i c t i ,
A u g ; u s t a 1 e s ,
publica,
a d 1 i r m a r e s ;
6 1 o c u l a ,
in e n t e" s ,
d e f i c i e n s ,
das lange ö
in:
R 6 m a n i ,
flöre in ,
c ö n s t o ,
a n n u 6 s ,
N ö n i o ,
Oc eanu m ,
c 6 n s e c r a t ,
c r e a 1 ö s ,
soli,
öj dinis,
gen in,
ni e ö r u in ,
bösq ue,
ö r n a in e n t u m
, verö,
in e r i 1 6 r u in ,
victoria,
6 r n a t i s s i m a ,
a d e ö ,
cons t (i ,
j a c t a t i ö n e in ,
cönsecuta,
Aegyptö,
.1 ii 1 ia nö,
d e b e ö ;
das lange Q
in:
J ü n i a s ,
ins,
for I i'ina,
magistrat ü s
1 u c t i ,
i u s t i ,
i ii ssü,
(A.Pt.),
Ulli,
11 s s u ,
motu,
sensüs (A. IM.),
ultra, (cf. ouls
) s a 1 ü t e ,
g r a d u ,
casus (A. PI.),
VarroLA.V, 50
. virlulibus,
C a s ii ,
s piril us(G.S.),
rüsus,
pecunia,
fructus(IS.I
M.), parlus (G. S.),
seiünctuni,
importünani,
Status ((;. S.).
So wenig nun aber sonst auf Inschriften eine strenge Conse-
(juenz in der Orthographie stattfindet, so wenig ist auch die Be-
zeichnung der Vokallänge durch den Apex auf den Inschriften einer
Zeit durchgeführt; ja es ist kaum eine oder die andere Inschrift,
wo er überall und immer an der rechten Stelle gesetzt wäre. Als
aber seit dein dritten Jahrhunderte nach Christus das Bewusstsein
von der Länge und Kürze der Vokale in der Volkssprache zu schwin-
den begann, wie dies im Verlaufe dieser Untersuchungen nachge-
wiesen werden wird, so konnte es nicht fehlen, dass auch der
Apex, das Zeichen der Vokallänge, mangelhaft oder falsch verwandt
wurde, wenn auch höchst wahrscheinlich nicht in dem Grade, wie
— 12 -
die bis jetzt vorliegenden Texte dieser Inschriften späterer Zeit
angeben.
Die früheren Erklärungen der sogenannten accentuierten In-
schriften sind an dieser fehlerhaften Verwendung des Apex ge-
scheitert, so wie an dem Umstand, dass dasselbe Zeichen gelegentlich
auf einer und derselben Inschrift die Vokallänge und die starke
lnterpunction am Schlüsse eines Satzabschnittes bezeichnet
{W. B. a. 0. p. 306. p. 340). Die Bezeichnung der Tonlänge durch
den Apex in Inschriften der besten Zeit giebt uns zugleich den Be-
weis, dass die Tonhöhe oder die Stelle des Hochtones im Worte
niemals im Lateinischen durch die den Griechischen verwandten
Zeichen -, -, - bezeichnet wurde, da diese ja zur Bezeichnung
der Tonlänge verwandt wurden, und sich auch sonst keine Spur
eines Schriftzeichens für den Hochton in Inschriften und Hand-
schriften findet. Da, wie weiter unten gezeigt werden wird, die
Stelle des Hochtones im Lateinischen Worte vjj'I fester bestimmt
und durch die Quantität gebunden war als im Griechischen, so war
durch die Angabe der Vokallänge im Wort bei der Tieftonigkeit der
Endsilben auch die Stelle des Hochtones mitbestimmt, und daher
ein besonderes Zeichen für den Ort des Hochtones entbehrlicher
als bei dem mannigfacheren und freieren Griechischen Betonungs-
geseta.
Alle die hier besprochenen Bestrebungen nach genauerer Be-
zeichnung der Consonantenschärfung und der Vokallänge durch die
Schrift fallen in das Zeitalter des Emporblühens der Römischen
Litteratur von E n n i u s bis V e r g i 1 i u s.
Aber seit der Zeit des Augustus tritt auch das Bestreben her-
vor, für hörbar verschiedene sprachliche Laute sich nicht mit einem
und demselben Buchstaben zu begnügen, sondern verschiedene
Schriftzeichen einzuführen. So wollte Verri us Flaccus, Beben
Varro der grösste Philologe und Arterthumsforscher, den Rom gehabt
hat, wenn man aus dem unschätzbaren Werthe der Excerpte des Festus
und Pauilus Diaconus auf das ganze Werk und den ganzen Mannschlie-
ssen darf , für den dumpfen, schwach nachklingenden Lauf des aus-
lautenden in, der in der Altlateinischen Schrift häufig gar nicht
geschrieben wurde, ein besonderes Schriftzeichen einfuhren, Vel.
Long. p. 2238: Nonnulli synaloephas quoque observan-
das circa talem scriptionem existimavirunt, sieul
Verri us Flaccus, ul ubieunque prima vo\ m litter a
- 13 —
finiretur, sequens a vocali inciperet, Mnon tota, sed
pars illius prior (1^) tan tum scriberetur, ut appareat
exprimi non debere. Der Versucb den stumpfen Laut des aus-
lautenden m im Gegensatz zu dem vollen Laut des auslautenden
und inlautenden m auch durch das verstümmelte oder halbe Zeichen
dieses Buchstaben auszudrücken ist sinnreich; aber keine Spur
fuhrt darauf, dass das vorgeschlagene Schriftzeichen |V jemals wirk-
lich in der Schrift zur Anwendung gekommen wäre.
Merkwürdig ist in der späteren Geschichte des Lateinischen
Alphabets der Versuch eines hochgestellten Romischen Philologen,
des Kaisers- Claudius, die Lateinische Schrift durch drei neue
Buchstaben zu bereichern, über die in neuster Zeit eine ein-
gehende Specialuntersuchung angestellt worden ist (Fr. Bueche-
ler: De TL Claudio Caesäre Grammalico). Tiberius Claudius
wollte nämlich einmal für den Consonantischen Laut v, um ihn
vom Vokal u zu unterscheiden, das Zeichen des Digamma auf den
Kopf gestellt d anwenden [vgl. Priscian. I, 20. //. Gell. XIV, 5, 2.
//. Diomed. p. 416. P. Donat.p. 173(5. Buecheler a. 0. p. 3 — 6),
zweitens für die Lautverbindung bs, ps das Antisigma, 0, das
dem Griechischen ip entsprechen sollte (Prise. I, 42. //. Isidor. Orig.
I, 20, 11. Buecheler a. 0. p. 8 — 13], dritten? für den Mittelton
zwischen i und u, von dem weiter unten die Rede sein wird, das
Zeichen des Griechischen Spiritus h (Tel. Long. p. 2235. P.
Buecheler a. 0. p. 13 — 20). Kaiser Claudius hatte über das Be-
dürfhiss und die Anwendung dieser Buchstaben ein Buch geschrie-
ben, als er noch verachtet und verkommen seinen Studien lebte;
als Kaiser befahl er den Gebrauch seiner neuen Buchstaben einzu-
führen, und dies geschah auch nicht bloss in öffentlichen Urkunden,
die unter Kaiserlicher Controle standen, wie den Senatsprotocollen,
den auf Erztafeln geschriebenen Plebisciten, die Tacitus noch sah,
den Verfügungen von Behörden oder den Protocollen von Priester-
schaften Wie in den Inschriften von Bauwerken und Weihgeschenken,
sondern auch in vielen Büchern (Tacit. Annal. XI, 14. Suet. Claud.
c. 41), deren Verfasser sich natürlich durch beifällige Aufnahme
seiner erfundenen Buchstaben empfehlen wollten. Von diesen
Buchstaben findet sich am häufigsten auf Inschriften das umgekehrte
Digamma d zur Bezeichnung des Consonanten v in den Schreib-
weisen wie :
aldei, LNeap. 2211. Or. 2275. didi, Or. 650.
— 14 —
XV dir, a. 0. disn, a. 0.
VII dir, a. 0. del., (Velia tribus) Or. 3S12.
judentuti, ^. 0. ampliadit, Or. 710.
pridatis, Or. 3133. termina ditque, a. 0.
Serdiliae, Or. 714. diam, / N. 6256.
Adiol., Or. 714. daleriam, 7. AT. 6256.
{andere vgl. Buecheler a. 0. p. 5). Für den Gebrauch des Anti-
sigma D giebt es auf Inschriften kein sicheres Beispiel. Das Schrift-
zeichen h für den Mittelton zwischen u und i findet sich auf Denk-
mälern aus Claudius Zeit meist zur Bezeichnung eines Griechischen
v in Wörtern wie Aeghpti, Bathhllus, Crcnns, Gl f- co-
li is, Mhro, Nhinphius, Pf- lad es, Zophrus; die Schreib-
weisen ghber(nator) und b hb(I iotheca) zeigen, dass beide
Worter zu Claudius Zeit mit dem Mittelton zwischen u und i ge-
sprochen wurden (vgl. Buecheler a. (f. p. IS. Rh. Was. XIII, 156).
Man wird es auch wohl den antiquarischen Neigungen des
Claudius so wie seiner Vorliebe für die Griechische Schreibweise
zuzuschreiben haben, wenn auf denselben Inschriften, auf denen
die neuen Bachstaben desselben erscheinen, wieder die Schreib-
weise AI für den damals hingst in der Sprache zu ae abgeschwächten
Laut des ehemaligen Diphthongen ai besonders häutig hervortritt
und wieder Mode wird. Aber nach dem Tode des schreibseligen
Kaisers kamen seine neu erfundenen drei Buchstaben um so mehr
wieder ausser Gebrauch (/yo.sV oblitteratae, ine. n. 0.), da sie auch
bei seinen Lebzeiten keineswegs eu allgemeiner Geltung gelangt
waren; daher tritt denn auch in Öffentlichen Urkunden die alle
Schreibweise wieder ein. I'riscian und die anderen Grammatiker
fanden daher nur ein Mphabet von 23 Buchstaben im gewöhnlichen
Gebrauch, wie es sich seil der Aufnahme des Griechischen V und
% zu Ciceros Zeiten gestaltet halle.
Es hat auch nicht an Grammatikern gefehlt, die gewisse
Buchstaben aus dem Lateinischen Alphabet ganz verweisen woll-
ten. So wollte schon zu Ciceros Zeil Lieinius Calvus
das Q aus dem Lateinischen Alphabet ausweisen und Varros
Zeitgenosse Nigidius Pigulus ausser dem Q auch X. in-
dem er das Q im Attischen Alphabet, das \ auf den ältesten
Lateinischen Sprachdenkmälern nicht vorfand [Mar, Victorin. />.
2456. vgl. Schneider tat. Gr. I, :>'2v Anm\). Wenn Marius Vir-
torinus (p. 2458. 240S) nur die sechzehn Buchslaben a, b, c, »I
— 15 —
e, i, k, 1, m, n, o, p, g, r, s, t als ursprünglichen Bestand
des von den Griechen überkommenen Lateinischen Alphabets rech-
net, also f, g, h, v, x, y, z als spatere Erfindungen ansieht,
so ist das eine erklärliche Theorie. Das G war ja in der That jünge-
ren Römischen Ursprunges, die Schriftzeichen F, H, V hatten
lautliche Bedeutung oder Stellung im Lateinischen Alphabet ver-
glichen mit dem Griechischen verändert, X sahen schon Varro und
Nigidius Figulus und nach ihnen andere Grammatiker als ein ent-
behrliches Sparzeichen für zwei Buchstaben CS oder GS an und
hielten es für jüngeren Ursprunges (vgl. Schneid. Lat. Gramm. I,
eJ7r>./'.), Y und Z sind erst, seit Ciceros Zeit in Griechischen Wörtern»
die ins Lateinische übertragen wurden, geschrieben worden. Jene
sechzehn Lateinischen Buchstaben aber fand Marius Victorinus an
der entsprechenden Stelle im Dorischen Alphabet wieder, sie schie-
nen ihm also als die ursprünglich von den Griechen überkommenen.
Der Schriftgebrauch hat sich indessen ebenso wenig an die puri-
stischen Neigungen und Theorien des Licinius Galvus und Nigidius Fi-
gulus gekehrt und das 0 oder X aus dein Alphabet verwiesen, als er
sich auf die Dauer von Claudius drei neue Buchstaben aufnolhigen
liess, von denen doch zwei, das d und das h, wirklich nützlich waren,
indem sie die Genauigkeit der Lautbezeichnung durch die Schrift
(orderten. Es blieb also das Laieinisehe Alphabet im Wesentlichen
auf dem Standpunkte, auf dem es im Blüthezeitalter der Römischen
Litleratur gestanden hat. Dass von den Neuerungen in der Schrift
eigentlich keine zu allgemeiner und dauernder Geltung kam, die
meisten aber ganz scheiterten, lag in der Macht des Herkommens,
welche auch den staatlichen und kirchlichen Formen der Römer
die zähe Lebensdauer verlieh. Das Andenken an die Zeiten der
Grosse und des Glanzes der Nation ist den späteren Römern bis
Boethius und Cassiodorus hinab immer lebendig geblieben; hervor-
ragende Geister suchten in dieser stolzen und wehmüthigen Er-
innerung Trost und Vergessenheit für eine armselige Gegenwart.
Man kann sich nicht wundern, dass diese Römer more major um
schreiben wollten, wie sie es in ehrwürdigen Gesetzesurkunden
ihrer grossen Ahnen, in den Handschriften des Ennius und Vergilius,
des Cicero und Livius vorfanden, aus denen ihnen das Bild jener
besseren Tage ihres Volkes vor die Seele trat.
Wenn aber der Werth einer nationalen Schrift darin liegt, dass
sie mit möglichster Genauigkeit die Unterschiede der im Bereich
— 16 —
der Sprache vorhandenen Laute durch augenfällige Zeichen darstellt,
so kann man sich nicht verhehlen , dass die Griechen im Vergleich
mit den Römern jene überlegene, bewegliche und schöpferische Er-
findungskraft auch in der sinnreichsten menschlichen Erfindung in
der Schrift bewahren. Diese erreicht den Grad der Ausbildung und
Verfeinerung, dass sie neben der Tonge staltung und der Ton-
färbung die Tonhöhe, den Tonhauch und zum Theil auch
die Tondauer der sprachlichen Laute durch sichtbare Schrift-
zeichen ausdrückte, während die gewöhnliche Schrift der Römer
nicht nur verschiedene Laute ihrer Sprache wie den Consonanten v
und den Vokal u, den Consonanten j und den Vokal i in der Schrift
nicht unterschied, sondern auch die Tonhöhe des sprachlichen
Lautes gar nicht, die Tonlänge in der Regel nicht bezeichnete.
2) Aussprache der Consonanten.
Nachdem die Geschichte der Lateinischen Schriftzeichen in
Betracht gezogen ist, wendet sich nunmehr die Untersuchung zu
der Aussprache der Laute, die durch jene bezeichnet worden sind.
Da für diese Frage insbesondere die Consonanten von hervorragen-
der Wichtigkeit sind, wie dies der Gang der Untersuchung genug
saiu herausstellen wird, so wird liier zutust von der Aussprache der
Consonanten die Rede sein, dann von der Aussprache der Vo-
kale, indem nach einander die M u i eu, die Liquiden, die Zisch-
laute und die Halbvokale, endlich die Vokale der Prüfung
unterworfen werden.
G uttu ra I •'.
K. C.
Es ist bereits die Rede davon gewesen, dass der altere Buch-
stabe für die Gutturale Tennis K ausser Gebrauch kam-, als in
der Altlateinischen Sprache der I nterschied zwischen der Gutturalen
Teuuis und .Media sieh für eine Zeit lang verdunkelte, dann, als er
wieder deutlich hervortrat, C die Te nuis und seil der Zeh des ersten
Punisehen Krieges C die .Media bezeichnete, her Laut des C i>t
im Lateinischen also ursprünglich derselbe wie der K-Iaut in den
verwandten Sprachen. Indessen hat derselbe gerade im Lateinischen
seine ganz eigentümliche Entwicklungsgeschichte durchgemacht.
41
Für diese ist nicht von hervortretender Bedeutung das Entstehen
des c aus g und h unter der hekannten assimilierenden Einwir-
kung einer folgenden tenuis oder des scharfen Zischlautes s in
den Bildungen wie auctum, lectum, flexi, vexivon augeo,
lego, fligo, rego, traxi, tr actum, vexi, vectum von
traho, vcho, oder das durch Assimilation aus d entstandene c
in ic circo, quicquid, quicquam, nequicquam, wie die
ältesten Handschriften schreiben. Mehr dem Lateinischen eigen-
thümlich ist die Zerstörung der gutturalen Tenuis vor folgendem
n in:
ara-nea, vgl. aQa%vy\, dc-ni, vgl. decem
c c
la-na, la%vri, qui-ni, quinque.
c nc-
lu-na, luceo.
c
Ehenso schwindet das c vor t, wenn ihm ein nasales n vorher
geht, in:
quin-tus, Quin-tius, neben Quinctius,
c c
und in der spateren Volkssprache in:
„ s a n -ti s s . . , /. Neap. 49 1 1 .
c
cin-tu(m), I.N. 3030.
c
dehin-ti, /. N. 1986. für devincti.
c
Auf einer Christlichen Inschrift des sechsten Jahrhunderts findet
sich (/. N. G9G) regnancte, ein Schreibfehler, der daraus ent-
stand, dass man das c vor t nach n in Wörtern wie einet o saneto
zum Theil noch schrieb, aber, nicht mehr sprach, also auch das
auf derselben Inschrift vorkommende sanete ehenso ausklang wie
regnante. Daher wird denn im Italienischen santo, cinto,
giunto gesprochen und geschrieben.
Das c fällt ferner weg nach den liquiden r und 1 vor folgendem
t und s in den Wortformen wie :
artus, vgl. arceo, tortus, vgl. torqueo,
fartus, farcio, parsimonia, parco,
CORSSEN. 2
— 18 —
hört us, vgl. herctum, mulsi, vgl. mulceo.
co-hortes, mulsum,
cortis, £Q%0S)
Von der hervorragendsten Wichtigkeit aber ist hier die Frage,
ob das C in gewissen Fällen seinen ursprünglichen K-laut geän-
dert hat und in einen Zischlaut übergegangen ist. Zunächst
wird also zu untersuchen sein, ob das c im Lateinischen vor den
vokalischen Lauten e und i und demgemäss auch vor ae, eu zu
dem Ton herabgesunken ist, den das Französische c vor i
und e, seltener vor anderen Vokalen hat, oder des deutschen
z, wie wir ihn bei der Aussprache Lateinischer Wörter hören las-
sen, oder zu dem Ton des Italienischen c vor den Vokalen i
und e (tsch), mit dem die Italiener heut zu Tage die betreffenden
Lateiniscben Wörter aussprechen. Die Erweichung der Tenuis c
zum Zischlaut findet sich unter den dem Lateinischen verwandten
Sprachen zunächst im Um bri sehen Dialekt, in welchem dasselbe
vor i und e nicht bloss zu Q, einem Laut der im Umbrischen durch
einen besonderen Buchstaben <J ausgedrückt wird, sondern auch
zu s abgeschwächt wird. So in:
C,esna, vgl. Lat. cena,
isec,etes, insectis,
prosec/etis, prosectis,
d e s e n d u f , d u o d e c i m ,
curnase, cornice,
pasc, p a c e
(vgl. Umbrische Sprachdenkmäler. Aufr. u. Kirehh. I S. 71 f.).
Indessen ist auch hier die Assibilation des c vor e und i nicht völ-
lig durchgedrungen, wie die Umbrischen Schreibweisen Naharce,
Tu sc er, Puprike zeigen. Diese Assibilation im Umbrischen Dia-
lekt ist aber doch für die Aussprache des Lateinischen c vor i und e
nicht beweisend. •
Aeltere Gelehrte haben bereits die Gründe, die gegen die An-
nahme einer assibilierten, dem deutschen z ähnlichen Aussprache
des c vor i und e sprechen, einer sorgfältigen Prüfung unierzogen
und sich gegen die Annahme derselben erklärt {Scheller, Ausführt.
Sprachlehre S. 6./. Grotefend , Lat. Gr. § \M. Schneider, Lat.
Gramm. I, 244 /'.); indessen sind dabei die verschiedenen Zeilen
der Lateinischen Sprache nicht geschieden und manche nicht streng
- 19 —
beweisende Gründe angeführt worden. Dass in der ältesten Zeit die
Tenuis vor e den K-laut hatte, beweist die Aufschrift eines Alt-
lateinischen Thongefä'sses :
A e c e t i a i für A e q u i t i a e , Ritschi, de ftctil. litt. Latin, anliq. p. 17.
und die schon erwähnte Schreibweise:
'dekem (bres)
auf der sehr alten Inschrift des Columbarium von Somaschi. Dass
die Römer in der Zeit, wo die Griechen zuerst Lateinische Wörter
in ihre Sprache und Schrift übertrugen, das c auch vor e und i
wie k sprachen, ergiebt sich daraus, dass dieser Laut in Griechi-
scher Schrift stets durch k ausgedrückt wird, wofür hier einige Bei-
spiele Platz finden mögen:
xrjvöov, Corp. Inscr. Graec. II, 3497. 3751.
xrjvöag, Lyd. de mag. I, 39.
Kyiv<5oq{l)vg), C. I. Gr. II, 2698b.
Kevttfvtog, Polyb. 111, 86."
xEvrovQLcov £g, Polyb. VI, 24. Lyd. de mag. I, 9.
KUaog, C. I. Gr. II, 2949. 3463.
KeGziu, C. I. Gr. 6245.
axntY\<5iog, Lyd. d. n\ag. II epit. p. 164. Athen. VII,
p. 294. F.
IICx£vt£q, Strab. M. Polyb. III, 86 u. a.
KQrjöxsvrtva, Dion Cass. 11 , p. 1302.
z/ exevTLog, Steph. Byz. p. 224. M.
IIovTiquxsQ, Dion. Halic. A. R. II, 73.
Ileöxsvvcog, C. I. Gr. II, 3669,
Kix£Qcov , Plut. Cic.
KCiiivia, Strab.
Klqxcciov , Strab.
7taxQixiov g, Plut. Rom. c. 13.
Mccqqovxlvcov, Strab.
Eiduxivov, Strab.
TiQiyxi'jtia, Plut. Galb. c. 12.
Ebenso drücken die Römer, seitdem sie Griechische Wörter in
ihrer Schrift wiedergeben, das Griechische x durch c aus, sie schrei-
ben also:
2*
— 20 —
Cecrops, Cilix, Cybele,
c e d r i n u s , C i m o n , C y g n u s ,
cera, Cineas, Cylon,
cerasus, cithara, Cyprusu. a.
c e t u s ,
Und so sind diese Schreibweisen durch alle Zeiten geblieben.
Dass in den Zeiten des Emporblühens und der Blüthe der Rö-
mischen Litteratur das c seinen ursprünglichen Laut vor e und i
wahrte, zeigt auch der Lautwechscl des c mit q, g und ch in den
Wortformen :
Querquetulanus, vgl. quercetum,
viginti, vicensumus,
triginta, tricies,
pul eher, pule er,
[Cic. Oral. c. 48. Serv. ad Verg. G. III, 233. Wagner, Orthogr.
Verg. p. 421) denn ein Zischlaut c, konnte im Lateinischen niemals
in einen Gutturalen übergehn.
Dass auch in der Kaiserzeit, als deutsche Fürsten nach dem
Römischen Ehrentitel prineeps oder magister militum trachteten,
der K-laut des c vor i und e ungeschwächt blieb, zeigen die ins
Gothische übertragenen Lateinischen Wörter und überhaupt diejeni-
gen Wörter, die aus dem Lateinischen frühzeitig in eine Deutsche
Mundart übertragen sind. Man vergleiche:
Goth. aikeits, Lat. acetum, Nhd. Kaiser, Lät. Caesar,
a Li rk e i s, u r c e u s , Keller, cell tri u m ,
karkara, carcer, Kerker, carcer,
lukarn, lue er na, Kerbel, cerefolium,
Kirsche, cerasus,
Rieh er, cic er.
[Grimm, Deutsche Gr. I, 68. Not. Dietz, Gramm, d. Rom. Spr>
I, 197.) Erst seit in den Romanischen Sprachen und im mittelal-
terlichen Latein c vor c und i assibilierl gesprochen wurde, schrieb
und sprach man demgemäss die aus jenen Idiomen aufgenommenen
Wörter mit z, wie Zelle, Zirkel, Zither u.a. Auf Inschriften
der älteren Kaiserzeit findet sich ferner statt c bisweilen g oder <|
geschrieben ; so :
— 21 —
Ceminius, Grut. p. 301. Primicenius, Gr. 107, 4.
Cenialis, Gr. 80, 6. Vercilia, Gr. 377, 1.
Incenus, Gr. 104, 8. Cintus, £r. 918, 20 (Quin tu s).
liquebit,/.i?.^.460(licebit),
Schreibweisen aus denen sich ergiebt, dass c vor e und i noch
eigentliche Gutturale Tenuis war und dem g wie dem q ähnlich
klang. Dasselbe zeigen für die späteste Zeit der Römischen
Volkssprache die Schreibweisen auf Christlichen Grabschriften
wie:
requiesquet, /. N. 3491. für r e q u i e s c i t.
quae squen ti, /. N. 7155. (p. Chr. 397.) quiescenti.
quesqui, Fleetwood, Syll. Inscr. Mon. Chri- quicscit.
stian. 387, 1.
cesquet, a. 0. 459, 2. Grut. 1057, 9. quiescit.
sicis, Gr. 1056, 1. siquis.
Das bisherige Ergebniss der Untersuchung wird dadurch be-
stätigt, dass die Romischen Grammatiker des vierten und fünften
Jahrhunderts dem Schriftzeichen C so vollkommen dieselbe lautliche
Geltung beilegen wie dem K, dass sie den einen von beiden Buch-
staben für überflüssig zu halten geneigt sind (Terent. Scaur. p.
2253. P.), und dass sie von einer verschiedenen Aussprache des c
vor verschiedenen Vokalen nichts erwähnen. Endlich finden sich
noch in den Urkunden des sechsten und siebenten Jahrhunderts
nach Christus die Schreibweisen:
d sxsl,
für decem,
cpEixueQoii, fürfecerunt,
Ö £XI{1,
-
dovccTQixi, donatrici,
CpSXCT,
fecit,
xQovxsg, cruces,
CpLXST,
ßixsöa^svog, vicedomi-
(prjTCLT,
Marin.
In-
nus,
scr.
Alb. HO.
7taxst(p
ixog,
pacifi-
cus,
xißetaTS, civitate.
vevdst
ql:
KCCL.
i
v e n d i -
trici.
{Dielz, Gramm, d. Rom. Spr. I, 197.)
Demnach ist erwiesen , dass noch bis nach Untergang desWest-
•ömischen Reiches das c vor e und i wie ein K-laut gesprochen wor-
— 22 —
den ist, die Assibilation desselben, wie sie in den Romanisehen
Sprachen erscheint, also erst nach dem siebenten Jahrhundert durch-
gedrungen sein kann.
Eine besondere Erörterung erfordert nun aber der Laut des c
vor i mit folgendem Vokal wegen der zwischen ci und ti
schwankenden Schreibweise zahlreicher Wortformen. Dass ur-
sprünglich Lateinisches ci mit folgendem Vokal ki gelautet hat, zei-
gen die Griechischen Schreibweisen:
z/£ZfcOg, 7tUT QLXLOg , KOQV LfpCxtO £, IIoQxiog,
Asvxiog, <&aßQCxiog, Ma^ieQxcog, IloQxCa,
und zahlreiche andere; dass Lateinisch ti mit folgendem Vokal
dem Griechischen xi gleichlautete, ergiebt sich aus Schreibweisen
wie:
MccQt tog , Ovoxovriog, Hixbvx Ca, OaovevTuu,
Zl sxsvztog, Boxovnog, IlXaxevxCa, OvalevrCa
und ähnlichen bei den Griechischen Schriftstellern wie in Inschrif-
ten. Wie erklärt sich nun dass die Römer im Laufe der Zeit ci
und ti vor folgendein Vokal verwechseln? Im diese Frage zu beant-
worten, sind also Sprachdenkmäler verschiedener Zeilen in Betracht
zu ziehen, und zwar können dies für die ältesten Zeiten nur Inschrif-
ten sein, da die ältesten Handschriften, die wir besitzen, wie der
Ambrosianische Palimpsest des Plautus, der Mediceua desVirgil und
die Veroneser Handschrift des Gaius, höchstens bis ins vierte Jahr-
hundert nach Christus hinaufreichen.
In Bezug auf diese Frage sind neuerdings die Inschriften einer
kritischen Prüfung unterworfen worden von E. Unebner (X Jahrb.
LXXVII, 339 f. Bec. Ferd. Schulzii orthographicarum quaesiionum
decas. — Paderb. 1855.), die zu dem Ergebniss führt, <la>s das
Schwanken der Schreibweise zwischen ti und ci mil folgendem Vo-
kal nicht so häutig ist, als man nach den bisherigen Texten der In-
schriften glauben konnte, dass vielmehr auf den zuverlässigen
Denkmälern der Republikanischen und der älteren Kaiseizeit ge-
wöhnlich für ein Wort auch nur die eine der beiden Schreibweisen
üblich ist, wenn sich auch einzelne Spuren jenes Schwankens lin-
den. Allein verbürgt durch Inschriften erscheint zunächst die
Schreibweise :
contio, /. Thor. t. Salpens. Or. Hotz. 7421.
— 23 —
und auch die ältesten Handschriften des Plautus und Gaius kennen
nur diese {Fleckeis. Epist. crit. p. 7 f. Gaius, ed. Laclim. Praef.
p. 36/.)- Die Vergleichung von contione mit:
coventionid, Sc. d. Bacc.
zeigt, dass contio aus conventio entstand, mithin jene Schreib-
weise etymologisch richtig ist. Schon oben (S. 73) sind aus Inschrif-
ten der Gracchenzeit angeführt:
n o n t i a t a , Sc. d. Tiburt. p r o n o n ti a t o , a. 0.
(den)ontiari, t.Bant.L rep.(Serv.) pronontiatum, fr.Maf-
pronontiarit, a. 0. fei, Mus. Ver. p. 365.
Auch die besten Inschriften aus der letzten Zeit der Republik
und der älteren Kaiserzeit bestätigen die Schreibart mit t für:
n u n t i u s ,
und alle abgeleiteten und zusammengesetzten Wörter dieses Stam-
mes, vgl. /. lul. mun. Cen. Pis. Or. 643. Or. 3118. 1417. /. N.
7143. 6886. Or. Henz. 6086. 6429. I. Medac. Or. Henz. 7421.
Huelrn. a. 0. 358, womit auch die ältesten Handschriften des Plau-
tus, Vergilius und Gaius übereinstimmen. Diese Schreibweise ist
auch etymologisch die richtige. Wie die oben erwähnte alte Form
nountios zeigt, hängt das Wrort mit novus zusammen; vom
Stamme novo- ward ein Verbum novere gebildet, dessen Partici-
pialstamm novent- lautete, und mit Anfügung des Suffixes -io
ward von diesem noventius gebildet, gerade so wie sich verhalten
Florus, florere, Florentia. Aus noventius ist mit Ausfall
des Vokals e nountios geworden wie aus novendinae noun-
dinae.
Durch Inschriften ist ferner allein verbürgt die Schreibweise:
setius, /. repet. Or. 3121. vgl Bitschi, Proll. Irin. p. 324.
Unzweifelhaft richtig ist die Schreibung mit t in :
indutiae, von induitiae, Gell. I, 25. H.
fetialis, vgl. (pETialCav, Dion. Hai. II, 72.
cptTiaXiOL, Plut. Num. c. 12.
otium,
negotium, vgl. Huebn. a. 0. 357.
Hingegen geben die besten Inschriften die Gewähr für die Schreibart
— 24 —
condicio, Grut. 126. II. 574, 5 {p. Ch. 93). Or. 775 (p. Ch.
140.) Or. 2417. 4360 {p. Ch. 386). /. iV. 1504.
6909. 5360. U Salpens. t. Malac. Or. Henz. 7421.
Or. Henz. 5593. 7321 ,
während die inschriftlichen Beispiele für die Schreibvveise condi-
tio nicht sicher zu stehen scheinen {vgl. Huebn. a. O. 354), und
so schreibt auch der Ambrosianus des Plautus condicio {Fleckeis.
Rh. Mus. VIII, 23) wie die Handschriften des Vergil, Cicero
de republica und Gaius. Etymologisch aber lässt sich nicht sicher
entscheiden, ob condicio oder conditio, wie andere Hand-
schriften haben, von condicere herzuleiten ist oder von con-
dere {vgl. Beiträge zur Lat. Etymolog, u. Lexicogr. Kaercher,
p. 7 f.).
Inschriftlich verbürgt ist ferner:
d i c i o n e , /. rep. {Serv.)
während in Handschriften neben dicio auch ditio erscheint (vgl.
Wagner, Orthogr. Verg. p. 472. Kaercher,a. O. p. 15/.).
Indessen bieten doch auch die Inschriften Spuren des Schwan-
kens der Schreibweise zwischen ti und ci mit folgendem Vokal. So
findet sich :
patritiorum, Mon. Ancyr. vgl. Gr. TcatQtxiovg,
wenigstens nach den beiden brauchbarsten Copien dieser Inschrift*)
und :
t r i 1) u n i t i a e , Or. 957. Schoep/Iin , Alsat. neben t r i b u n i c i a e.
I, 560 {p. Ch. 222).
Hingegen :
m u n d i c i e i , Or. 5 {p. Ch. 1 36) für mundi tiei,
dispo sicioncm, /. N. 109 (sp&l ) d i sp <>s il ionem.
Thatsache ist ferner das Schwanken der Schreibweise von Inschrif-
ten in Namen wie:
*) Nach Franz, Mon. Anc. p. 100, haben von den vier Abschriften
des Monuments die beiden besten, die von Ohishull (Tournefort) und
Paulus Lucas patritiorum; nur die von Bousbequius hat patri-
ciorum, die, a. O. S. 12, für so fehlerhaft und lückenhaft erklärt
wird , dass sie zur Verbesserung des Textes wenig beitrage.
— 25 —
L a r c i u s, neben L a r t ia , A b u c i u s , neben A b u t i u s ,
Lacia, Latia, Caiacius, Caiatius,
Marcius, Martia, Munacius, Munatius,
Aucius, Autius, Neracius, Neratius,
Mucius, Mutius, Varacia, Varatius,
Accius, Attius, Volcaeius, Volcatius.
{Vgl. Momms. Inscr. Regn. Neap. Ind. Hnebner, Qnaest. Onom.
p. 31. 39*). Wenn auch einzelne von diesen Namen mit verschie-
denen Suffixen -cio und -tio gebildet sein können wie Marcius
und Marti us, so ist dies doch für andere nicht erweislich. Auch
konnte der Name derselben gens oder derselben Person nicht ein-
mal mit c , das andre mal mit t geschrieben sein , wenn nicht eine
Aehnlichkeit des Klanges zwischen ci und ti mit folgendem Vokal zu
Grunde lag.
Auch die Autorität der besten Handschriften ist für die vorlie-
gende Frage nicht zu verwerfen, denn bei der hervortretenden Ue-
bereinstimmung in der Orthographie zwischen ihnen und den In-
schriften der Augusteischen und der besseren Kaiserzeit muss man
annehmen, dass in Wörtern, wo jene in der Schreibart zwischen ci
und ti schwanken, auch* im Zeitalter dieser schon ein Schwanken
hervortrat, wenn wir diese Wörter auch auf Inschriften nicht ge-
schrieben finden.
Wenn also zum Beispiel der Mediceus des Vergil solacium
schreibt, der Palatinus solatia, so ist man zu dem Rückschluss
berechtigt, dass ein solches Schwanken schon längere Zeit bestand.
Ebenso kommen in Handschriften neben einander vor:
convicium, und convitium, secius, und setius,
suspicio, suspitio, cocio, cotio,
doch scheint allerdings die Schreibweise mit t handschriftlich besser
verbürgt. Fleckeisen {Rh. Mus. VIII, 221) will diese Schreibart
etymologisch rechtfertigen, indem er jene Wortformen von ursprüng-
lichen secitius, cocitio, convicitium, suspicitio ableitet;
dem stehen aber entschiedene Bedenken entgegen. Da c zwischen
*) Hübner, N. Jahrb. a. 0. 210, verwirft jetzt die Schreibarten
Munacius, Neracius, Veracius, Abucius, Volcatius, Minu-
tius, führt jedoch den Beweis dafür nicht.
— 26 —
zwei Vokalen im Lateinischen nicht ausfällt, so könnten jene abge-
kürzten Formen nur durch Ausfall eines i entstanden sein. So kann
aber nach Lateinischen Lautgesetzen aus secitius, cocitio wohl
sectius, coctio, aber nicht setius, cotio entstehen. Auch aus
convicitium, suspicitio konnte, wenn man sich das zweite i
ausgefallen denkt , nur convictium oder convectium, suspi-
ctio oder suspectio entstehen, nicht convitium, suspitio.
Dass aber das erste i in jenen angenommenen Grundformen ausge-
fallen wäre, ist deshalb nicht glaublich, weil die Verba specio und
voco in Zusammensetzungen ihren Stammvokal sonst nicht ausfal-
len lassen. Erwägt man dazu , dass amicitia, pudicitia, exer-
citium ihre beiden i nach c und nach t wahren, so erscheint jene
Vokalausstossung, durch die convitium aus convicitium,
suspitio aus suspicitio geworden sein soll, um so weniger be-
gründet. Man wird auf den Schluss geführt , dass der ähnliche Klang
der Endungen -tio, - 1 i o n , -tius und -cio, -cion, -cius es war,
durch den die etymologisch unrichtige Schreibweise -tio in den ge-
nannten Wortformen veranlasst wurde, da ja bekanntlich die Schrei-
ber guter Handschriften schlechte Etymologen sein konnten*).
So viel erhellt also, dass im zweiten Jahrhundert nach Christus
bereits ein Schwanken zwischen der Schreibweise ci und ti mit fol-
gendem Vokal auf Inschriften hervortritt, dass wir aus Handschrif-
ten einen Rückschluss machen dürfen auf ein höheres Alter dessel-
ben, und dass es im Lauf der Zeiten immer mehr zugenommen. Es
ist nun der Grund für diese Erscheinung zu suchen. Ein Umschla-
gen der gutturalen tenuis c in die linguale t oder umgekehrt, wo
diese frei zwischen zwei Vokalen stehen, ist auf dem Boden der La-
teinischen Sprache unerhört ; es kann auch hier nicht angenommen
werden. Es muss vielmehr in der Lautfolge ia, io, iu, ic nach t
und c der Grund liegen, wodurch die ursprünglich ganz verschie-
denen Consonanten ähnlich zu lauten anfingen, denn nur vor diesen
Laut Verbindungen erseheint der Wechsel dieser Schreibweise zwi-
schen t und c, während sich nirgends Schreibfehler wie milicis
für militis oder felitis für fei ins linden.
Um jenen Grund zu erkennen ist zu untersuchen wie die 1hm-
•) Auch die Ableitungen Fleckeisens litera für licitera von Skr.
Wmrx. likh (schreiben) und nitor von gnicitor, a. 0. p. 229. 230
erscheinen aus den hier angt führten lautlichen Gründen nieht haltbar.
— 27 —
den in Rede stehenden Lautverbindungen in der Spätlateinischen
Volkssprache klangen. Auf Christlichen Grabschriften finden sich
die Schreibvveisen:
Consta ntso, Fleetw. Mon. Christ, p. 377, 2. für Constantio.
Bincentce, Mai, Script. Vet. n. c. V, 423, 1. Vincentiae.
In Italienischen Urkunden des sechsten und siebenten Jahrhunderts
ist geschrieben:
dovat,iove^i , für donationem, cbcr£to, für actio.
dov a^vov eg , donationes,
(Bielz, Gr. d. Rom. Spr. I, 198.) Im siebenten Jahrhundert sprach
man nach dem Zeugnisse des Isidor (Orig. I, 26)
iustizia, milizia, malizia, nequizia,
und nach Consentius (c. 13. S. 12. Cr. u. Buttm. vgl. Schneider,
Lat. Gr. I, 356. Hucbner , a. 0. 342.) auch
eziam.
Die Allgemeinheit dieser Aussprache wird bestätigt durch den Gram-
matiker Pomp ei iis, in Hb. Donali de barbar. et metapl. Lindem.
S. 424 f. (Hnebner, a. 0.): quotienscumque post ti vel di
s y 1 1 a b a m s e q u i t u r vo c a 1 i s , i 1 1 u d t i vel d i in s i b i 1 u m
vertendum est, doch wird diese Assibilation auf den Inlaut be-
schränkt und unterbleibt auch wenn dem t ein s vorhergeht. Also
der Laut des t vor i mit folgendem Vokal ist in den vorhergehenden
Schriftdenkmälern durch ts, tc, t£, % und z dargestellt, es muss
also einen zwischen t und s in der Mitte liegenden Laut gehabt haben
wie das Italicnische z od^r zz. Die Form Constantso verhält sich
zu Constantio wie Italienisch Arezzo, palazzo zu Lateinisch
Aretium, palatium, wie Italienisch Piacenza, Firenza zu
Lateinisch Placentia, Florentia. In diesen Formen wurde das
t assibiliert zu z durch das folgende i, und dieses fiel dann aus;
ging aber dem z ein Vokal voraus, so ward dasselbe durch den
Hochton der Silbe verschärft, also doppelt geschrieben. In Con-
stantso ist die Assibilation durch das Schriftzeichen s dargestellt
und das folgende i wie in jenen Italienischen Wörtern ausgefallen.
In einer anderen Christlichen Inschrift findet sich die Schreib-
weise :
Urbitcius, Grut. 1059, 3. vgl. urbicus.
— 28 —
Das t c drückt hier entweder den zwischen lingualer und gut-
turaler Tenuis in der Mitte liegenden assibilierten Laut aus, den
das Italienische c vor i und e hat in Wörtern wie ufficio, pa-
tricio, Mincio, faccia, Squillace, oder einen dem Italieni-
schen z ähnlichen Laut.
Beide Laute sind in der Stärke der Assihilation verschieden,
hei jenem wird der dicke volle Zischlaut seh, bei diesem der scharfe
feine Zischlaut s hörbar.
Wenn also schon in der älteren Kaiserzeit die Lautverbindun-
gen ci und ti mit folgendem Vokal sich so ähnlich lauteten,
dass sie mit einander verwechselt werden konnten, wenn in der
Spätlateinischen Volkssprache die Assibilation des c und t in dieser
Lautverbindung schon so entschieden ausgeprägt war, dass dieselbe
in Lateinischer wie in Griechischer Schrift durch ein besonderes
Schriftzeichen ausgedrückt wird, so folgt daraus, dass diese
Assibilation schon begonnen halte, ehe jene Verwechselung
in den Schriftgebrauch eindrang, dass sie es war, welche die
Aehnlichkeit der beiden Lautverbindungen ci und ti mit folgen-
dem Vokale bewirkte, so dass tribiinitiac und tribuniciae,
mundiciei und munditiei in der Aussprache nicht wesentlich
verschieden klangen, wenn auch ein aufmerksames Ohr noch den
Ton des assibilierten Gutturalen vom assibilierten Lin-
gualen unterscheiden konnte. Dieser feine Lautunterschied blieb
auch im Sprachbewusstsein, wo er in der klar vorliegenden Etymo-
logie des Wortes einen Anhalt fand, also in Wortformen wie Lu-
cius, Graecia, artificium, auspicium, mendacia, fas-
cia, atrocia im Gegensatz zu precantia, audientium, obe-
dientia, patientia, namentlich im Munde der Gebildeten; und
dass demgemäss noch Ulphilas den Klang des Lateinischen faseia
durch die Gothische Schreibweise faskja am angemessensten
ausdrückte, beweist natürlich nicht, dass das Lateinische c vor i
mit folgendem Vokal von der Assibilation unberührt geblieben wäre.
Spätere Griechische Schriftsteller schrieben aber Romische Wör-
ter im Ganzen so, wie sie dieselben im älteren Griechischen und
Lateinischen Schriftgebrauch vorgefunden hallen, also .Itvxiog,
TtatQiXi o £, KoQvicpixiog, IIoqxicc u. a.
Zur Erklärung der Assibilation in den besprochenen Lautver-
bindungen ist es noch nothwendig einen Blick auf das Auftreten
— 29 —
der Assibilation in einigen der Lateinischen nahe verwandten Spra-
chen zu werfen. Dass auf dem Boden der Italischen Sprachen die
Assibilation des c vor i mit folgendem Vokale frühzeitig begann,
zeigt der Umbris che Dialekt. Es ist schon erwähnt, wie dieser
überhaupt den K-laut vor e und i zu c assibilierte, und mit
Wegfall des gutturalen Lautelements zu s sinken lassen konnte;
hierher gehören insbesondere die Wortformen in denen c vor fol-
gendem ia, iu sich findet wie:
facja, Lat. faciat, Italien, faccia,
vestiqi a, neben vestisia, vestisa,
fac,iu, Lat. facere (U?nbr. Sprachd. A. K. I, S. 71 f.)
Die Form vestisa zeigt, dass auch im Umbrischen das i aus-
fallen konnte, nachdem es den vorhergehenden Consonanten assi-
biliert hatte wie im Spätlateinischen und Italienischen. Wenn die
nationale Schrift der llmbrer für den assibilierten K-laut ein eigenes
Schriftzeichen erfand d, so muss derselbe in der Sprache schon
entschieden Platz gegriffen haben und den Umbrischen Schriftge-
lehrten zum Bewusstsein gekommen sein. Es erhellt ferner daraus,
dass jene Assibilation eingetreten ist lange vorher, ehe in Umbrien
Römische Schrift und Sprache in geschäftlichen Gebrauch gekom-
men ist, also jedenfalls vor dem Zeitalter der Punischen Kriege.
Dass auch im Volski sehen Dialekt die Assibilation d"es K- lautes
Platz gegriffen , lehrt die Form :
fasia, Lat. faciat, Umbr. fac,ia, Italien, faccia,
auf der Bronze von Vehtrae (Momms. Uni. Dial Taf. XIV, S. 324),
eine Form die den ursprünglichen Gutturalen c ganz zu dem Zisch-
laut s assibiliert hat.
Dass im Oskischen die linguale Tennis t vor i mit folgendem
Vokal assibiliert wurde, zeigt die Form des Stadtnamens:
Bansae [iah. Baut. 19. 23) für ßantia
im jüngeren Oskischen der Urkunde des Stadtrechtes von Bantia.
Die Form des Einwohnernamens Baut ins, Lat. Bantinus
(a. 0. 19) zeigt, dass auch im Oskischen wie im Lateinischen
Bantia die ursprüngliche Form des Stadtnamens war. Das t
ward also durch das folgende i assibiliert, und dann fiel das i
weg wie in der besprochenen spätlateinischen Form Con-
sta n t s o.
— 30a ~
Auch im Griechischen hat die Assibilation der Consonanten
durch ein folgendes i frühzeitig Platz gegriffen. So in den Com-
parativendungen wie Ttdööcov, xrdööav^ [idööav für tc a-
%lcov, xa%Cc3V, {LaxCav, ß^dööcov, xq sööcöv, xq£ l'ö-
<5g)v für ßQccdCov , %q8tlcöv, oIl^cjv, {is^cov für 0X1-
yCav, tieyCcov u. a. Das i des Comparativsuffixes Griech.
-lcjv, -lov Lat. -iös7 -ior, -ius aus Sanskr. -Ijäns, -Ijas
entstanden, ist halbvokalischer Natur. Dieses j assibiliert sich im
Griechischen zum Zischlaut £ in £vyov, ^svxrog neben ju-
gum, junctus u. a., der dem Griechischen Ohre wie öd klang.
Ebenso nahm die Comparativendung die Lautgestalt -t,cov oder
-ööcüv an, und nun assimilierte sich entweder der anlautende
Sibilant dieses Lautes öd die auslautenden Consonanten x, y, %•>
r, d der angeführten Adjectivstämme zu s, und ward dann selbst
ebenfalls zu s in allen jenen Comparativformen , die 6 6 zeigen, oder
der ganze assibilierte Laut £ des Comparativsuffixes t,iov für lcjv
assimilierte sich vorhergehendes y der Stämme \Lty-, oXiy- zu
£; da aber doppeltes £ im Griechischen nicht gesprochen wurde,
so schrieb man auch mit einfachem £ oÄi£av, ^ls^cjv. Ganz
ebenso wie die Comparativbildungen auf -66cov und -fw^ sind im
Wege der Assibilation eines vorhergehenden Consonanten und
der Assimilation die Präsensbildungen wie jcgdööm, xoqvö öco ,
ötd^co, (pqd^co durch die Mittelstufen TtQay-^co , xoQvd'-
£«, öray-t,co , <pQud-£a entstanden ans 7tQccy-ja, xo-
p^fr-jca, otay-'\cj , cpQccd-)co , indem das Ableitungssuffix die-
ser und vieler anderer Griechischen Verba, das im Sanskrit -ja lau-
tete, sich im Griechischen zu -£« gestaltete (vgl. Neue Jahrb. <ls,
243. 360).
In den angeführten Lateinischen Bildungen, in denen die
Schreibweisen ci und li wechseln, ist das i, wie durch die Sprach-
vergleichung nachgewiesen ist, ursprünglich halbconsonantischer
oder halbvokalischer Natur, denn in allen findet sich das Suffix -io,
-ia theils einfach, theils weiter gebildet durch andere Suffixe wie-
der, dem im Sanskrit -ja entspricht. In der Lateinischen Volks-
sprache wie zum Tlieil im Gebrauche der Dichter hat dieses
Lateinische i sich im Wege der Vokalverschmelzung wieder zu
einem consonantischen j verhärtet, wie in dem Abschnitt von den
irrationalen Vokalen ans Beispielen wie abjete, irjete, conub-
jum u.a. naher nachgewiesen werden soll. Es i> t also klar dass
— . 30b —
dieses aus j entstandene und zum Theil wieder inj zurückkehrende i
auch in den Altitalischen Sprachen wie im Griechischen eine assi-
bilierende Kraft auf die vorhergehenden Consonanten t und k
übte. Weiterhin wird sich herausstellen, dass anlautendes j
schon in der spätesten Lateinischen Volkssprache jenen wie dsch
klingenden assibilierten Laut hatte, der im heutigen Italieni-
schen durch gi ausgedrückt wird. Wenn im Lateinischen jugurn,
j im et us, im Italienischen giogo, giunto, im Griechischen fi>-
yöv , %£vxx6g erscheint, so hat die Tochtersprache wie die Schwe-
stersprache des Lateinischen im Wege der Assibilation den ur-
sprünglichen Laut des anläutenden j umgestaltet.
Absichtlich ist endlich bis hierher noch ein etymologischer Be-
weis aufgespart worden, der für das Alter der Assibilation des t und
c vor i mit folgendem Vokale spricht. Die Formen der multiplicati-
ven Zahladverbien wie viciens, triciens u. a. sind zusammen-
gezogen aus vicentiens, tricentiens u. a., da viginti, tri-
ginta ja aus dvi-centi, tri-centa entstanden sind. Diese Zu-
sammenziehung ist nicht erklärlich, wenn c und t in jenen ur-
sprünglichen Formen ihren reinen K- und T-laut behalten haben;
denn durch Ausfall des e und n kann aus vicenties, tricenties
nach Lateinischem Lautgesetz nur victies, tricties oder vecties,
trecties entstehen. Auch hier hat ein halbvokalisches i assimi-
lierende Kraft auf vorhergehendes t geübt. Die Endung -iens,
-ies jener Zahladverbien ist nämlich nichts anderes als eine Gestalt
desComparativsuflixes Sanskr. -ij äns,-ljas, Griech. -Cav, -iov,
Lat. -iös,-ior,-ius {Zcilsclir.f. vergleich. Sprachf. III, 294 f.). Es
ist also begreiflich wie der j- Laut der Endung -iens, -ies assibilie-
renden Einlluss auf vorhergehendes t üben konnte, wie das i der
Griechischen Comparativendung - 1 a v , -tov. Durch diese Einwir-
kung ward aus vicentiens, tricentiens zunächst v i c e n s i e n s ,
tricensiens, das n tiel aus wie in cesor, m e s i s und zahlreichen
ähnlichen Formen, und nach Ausfall des s ward aus vice sie ns,
t r i c e s i e n s : viciens, triciens. Gerade ebenso entstanden aus
den vollen Formen Lucerenses, Ramnenses durch die Mittel-
stufen Lucereses, Ramneses die zusammengezogenen Formen
Luceres, Ramnes, indem das s ausfiel wie in Cerealia für
Ceresalia u. a.
Ebenso sind natürlich aus den alten Formen quadragen-
tiens, quinquagentiens u. a. durch die Mittelstufen quadra-
— 30c —
gensiens, quinquagensiens, quadragesiens, quinqua-
gesiens die gewöhnlichen quadragien s, qninquagiens ent-
standen. In allen diesen Formen hat also halbvokalisches i den vor-
hergehenden Consonanten zu s assibiliert wie im Umbrischen vesti-
sia für vesticia, im Oskischen Bansae für Bantiae, im Vols-
kischen fasia für facia. Also die Assibilation eines t durch halb-
vokalisches i mit folgendem Vokal reicht bis in die Zeit hinauf bis zu
welcher wir die Lateinische Sprache kennen,' da wir nur die schon
durch Assibilation und Ausfall von Lauten entstandenen Formen
viciens, triciens, vicies, tricies von den multiplicativen
Zahladverbien vorfinden*).
Das Ergebniss der Untersuchung über die Aussprache der Laut-
verbindung ci und ti vor folgendem Vokal ist also folgendes. Wie
in der Griechischen Sprache, wie im Oskischen, Umbrischen und
Volskischen, so hat auch im Lateinischen Assibilation des vor-
hergehenden Consonanten durch ein halbvokalisches
i, den einem Zischlaut nahe verwandten Laut, zum Theil schon früh-
zeitig stattgefunden. Und zwar wurde t und c in der besprochenen
Lautverbindung so weit assibiliert, dass die Suffixe -tio, -tia, -tion
von -cio, -cia,-cion und ähnliche in der Aussprache nicht mehr
scharf geschieden und daher in der Schreibweise vielfach ver-
wechselt wurden, wo Dicht eine klar vorliegende Etymologie der
Wortformen den Unterschied der Schreibweise sicherte. Diese Assi-
bilation war zu Anfang nur schwach hörbar, entwickelte sich
aber schon auf dem Boden der spätlateinischen Volkssprache
so weit, dass ti mit folgendem Vokal 1s oder z klang wie in
Constantso für Constantio, und ähnlich ci vor folgendem
Vokal, nur dass der gutturale Lautbestandtheil neben dem Zisch-
laut doch noch vernehmbar blieb. Jenen Laut entwickelte das Ita-
lienische vollständig zu Z oder zz in Wörtern wie palazzo Pia-
cenza, diesen zu dem dicken assibilierten Laut tsch in Wörtern
wie faccia Lucia u. a.
*) Dass in den Lautverbindungen cii, tii die hier besprochene
Assibilation nicht eintrat, wird daraus wahrscheinlich, weil ii in In-
schriften und Handschriften so überaus häufig durch einfaches i darge-
stellt wurde, mithin im Volksinundo nur ein I-laut gehört ward uud die
Schreibweise ii der Etymologie folgte. Vgl. 8.311 f.
— 81 —
Q.
Die gutturale Tenuis ist in der Geschichte der Lateinischen
Laute eigentümlich fortgebildet und verschieden ausgeprägt wor-
den, das zeigt auch das Lateinische Q.
Dass dieses Schriftzeichen nichts anderes ist als das Koppa 9
des Dorischen Alphabets von Cumae, ist bereits erwähnt; der Streit
der Römischen Grammatiker, ob das Q ein Altlateinischer Buch-
stabe war oder ein später hinzugekommener {vgl. Schneid. Laf.
Gr. I, 323), erledigt sich damit. Das Bestreben des Licinius Cal-
vus und Nigidius Figulus, den Buchstaben Q aus dem Lateinischen
Alphabet zu beseitigen {Mar. Victorin. p. 2456), setzt voraus, dass
sie ihn durch CV umschreiben wollten, wie dies spätere Grammati-
ker thaten (Vel. Long. p. 2218). Auch in neuerer Zeit haben Ge-
lehrte das Q oder OV als ein blosses Verbindungszeichen zweier
verschiedener Laute angesehen. R. Lepsius hat die Ansicht auf-
gestellt, überall, wo in den Indogermanischen Sprachen k und p
wechseln, das heisst wo im Lateinischen gewöhnlich qu an der
entsprechenden Stelle steht, hätten in der ursprünglichen Wortform
k und p sich nebeneinander befunden, und eins von beiden sei dann
ausgefallen {lieber d. Urspr. u. d. Verwandtschaft der Zahlwörter,
p. 19). Dietrich (Comment. de quibusd. consonae v in lingua
Latina affectionibus pari. p. 3) sieht in ähnlicher Weise das 0 als
etymologisch entstanden aus kv an. Diesen Ansichten widerspre-
chen aber die sprachlichen Thatsachen ganz bestimmt, wie nach-
stehende Zusammenstellung verwandter Wörter aus dem Sanskrit,
Griechischen, Lateinischen und den Italischen Dialekten zeigt.
( Vgl. Bopp, Vergl. Gramm. Ind. AK. Umbr. Sprachd. Gloss. Momms.
Unt. Dial. Gloss.)
k. q u. p.
*
Osk.
Skr.
kis,
Z.
q u i s ,
Umbr.
Sab.
Volsk.
> pis,
Skr.
pim,
L.
q uein,
Osk.
pim,
Skr.
kat,
L.
q u o d ,
Osk.
pod,
Skr.
kam,
L.
qua m ,
Osk.
Umbr.
p a m ,
pan,
pa,
— 32
k.
qu.
P-
L.
cuius,
L.
q u o i u s ,
Osk.
p i e i s ,
L.
cui,
L.
q uoiei,
Osk.
p i e i ,
L.
cum,
1.
quom,
Osk.
p o n ,
L. -
— cumque,
— cuiique,
L.
— quomque,
Umbr.
p u m p e ,
Gr.
X 6 6 7] ,
L.
quanta,
JJmbr.
Gr.
panta,
71067],
Skr.
rat var,
L.
quattuor,
Umbr.
p e t u r ,
•
Osk.
Gr.
p e t i r o ,
7ll6VQ8$,
~~
L.
q U i u q u e ,
Gr.
Skr.
7l8ll7te,
p a n c a n ,
—
—
L.
q u i n t u m ,
Osk.
p o in t i s ,
L.
cncus,
L.
c o q u o ,
L.
popina,
S/,r. pa c-,
Gr.
ninco ,
Skr.
aqvas,
L.
e<| uns,
L.
E p u n a ,
Gr.
ixxog,
Gr.
L 7t 710 g,
L.
secundus,
se cut us,
L.
sequoi ,
Gr.
6 7CCJ ,
L.
relicuos,
L.
1 i n q u o ,
Gr.
Af LTta ,
L.
t o r c u 1 u in ,
L.
1 orqaeo,
Gr.
TQSTtCJ,
Gr.
a-TQeTCTJg,
L.
o c u 1 u s ,
—
—
Gr.
OJTTC),
L.
insece,
—
—
Gr.
£ Vi: 71 t ,
Gr.
Avxog,
Gr.
A v Q o -
L.
lll pH S.
d 6 > q x a g ,
r. I. Gr. I, 166.
Skr. vrkas.
In einem einzigen unter allen diesen Wörtern findet sich im
Lateinischen qu an der Stelle, wo eine Sprache, das Sanskrit,
die zwei Lauie cv hat, und gerade hier tritt im Griechischen
nicht der von Lepsiüs angenommene Wegfall der gutturalen Te-
nnis oder des labialen Lautes ein, vielmehr assimiliert sieh der
Laut V dem K und aus fxFog wird Ixxog und mit Umse-
tzung der gutturalen in die labiale Tennis X%% og. Sonst findet sich
unter den zwanzig angeführten Wörtern n eunzehnmal neben
qu in Lateinischen Wörtern in den verwandten Sprachen ein ein-
facher eunsunantischer Laut; und zwar hat das Sanskrit entweder
- 33 -
die gutturale Tenuis oder einen aus derselben entstandenen assimi-
lierten Laut c (tsch) oder 9, einmal auch p dafür; das Lateinische
zeigt c und qu nebeneinander, selten p; die Italischen Dialekte ha-
ben durchweg p, auch das Griechische meist jr, selten x.
Diese sprachlichen Thatsachen zeigen, dass das Lateinische Q
ebenso wenig wie das Dorische 9 em blosses Verbindungszeichen
für zwei Laute war, sondern ein Buchstabe für einen Laut.
Es ist also zu untersuchen, was das für ein Laut gewesen sei.
Aeltere und neuere Grammatiker haben bereits bemerkt, dass jenes
dem Buchstaben Q gewöhnlich folgende Schriftzeichen V weder ein
Vokal sein könne, da es sonst mit dem folgenden Vokal zusammen
die Geltung einer Länge für die Versmessung haben würde, noch ein
Consonant, weil es in diesem Falle mit dem Q zusammen Positions-
lange der vorhergehenden Silbe bewirken würde, dass also entweder
equites oder eqvites gemessen sein würde. Daher erklarten
denn schon Donat und Priscian das V nach Q sei an jener Stelle
weder Vokal noch Consonant (Prise. I, 37. //. Diomed.
p. 416. P. Vgl. Prise. I, 12. II, 1. //.).
Um nun zu linden, was für einen Laut QV ausgedrückt habe,
sind die Schreibweisen von Inschriften und Handschriften zu prüfen.
Auf den inschriftlichen Denkmälern seit den Funischen Kriegen bis
Caesar erscheint die Schreibweise QV besonders in Formen des Be-
lativpronomens, da wo sich später C geschrieben findet. So int
quoius, t. Scip. Barb. I. repet. quomque, /. Termes.
(Sem*) 1. Corn. de XX quaest. quei quomque, /. Genuat. IL
t. Pislor. Ann. d. Inst. Ar eh. repelt. L agr. (Thor.) Sc. d.
1838. p. 202. Asclep.Claz. I. Tut. munic. I.
q u 0 i u s q u e , /. repet. (Serv.) Ruhr.
quoiei, /. Scip. Cn. f. Cn. n. quisque quomq, /. Ruhr.
I. repet. (Serv.) quemquomque, äed. vic.
([i\oi, l. repet. (Serv.) Für f. I. Tut. mun.
quoiave, /. repet. (Serv.) quo quomque, /. lul mun.
quoia,/. Termes. I. Ruhr.
quom, /. viae App. Rh. Mus. q uosquomque, /. Com. d.W
VIII, 28. //. repelt. I. agr. quaest.
(Thor.) I. Tut. munie. v. a. q u o s q u equo m q u e , a. 0.
quonque, Sc. d. Tiuurl.
aber auch in anderen Wortformen wie :
0 q u o 1 1 0 d , Sc. d. Baccan .
COKSSEN. 3
— 34 -
a e q u o m , Sc. d. Tiburt.
in i quo m, /. Genuat.
Daraus folgt nun keineswegs, dass dieses qu sprachlich älter
wäre als c. Dass in oquoltod das c ursprünglich war, zeigt die
Abstammung des Wortes von der Wurzel des Lateinischen cal-ini
für clam und des Griechischen kccI-vtctcö; für aequoni be-
weist es die schon angeführte Form Aecetiai auf einem alten Ton-
gefässe (Bitschi, fictil. Latin . p. 17), die richtig Aequitiae er-
klärt worden ist. Für alle vorstehenden einfachen und abgeleiteten
Formen des Relativpronomens beweist der alte Sanskrit stamm des-
selben ka, ki, die Griechischen Formen wie xäg, xoiog, xoOog
neben den Lateinischen wie cottidie (/. Ltd. ?nitnic.), cuius, cui,
ali-cubi, ali-cunde, dass k der ursprüngliche Anlaut war.
Ebenso ist auf dem Boden des Lateinischen QV aus G entwickelt in
Quirites, inquilinus, inquinare, Tarquinius, ster-
q u i 1 i n i u in , Q Ü e r q u e t u 1 a n u s von G u r e s ( c u r i s ) , i n c o 1 a ,
cunire, Tarcon, s terms, quere et um. Dass das Alllatei-
sche vielfach schon verbildete Formen zeigt, denen ältere vorher-
gegangen sein müssen, dafür weiden sieh im Laufe dieser Unter-
suchung noch zahlreiche Belege linden.
Für QV wii'd schon in aller Zeit bloss Q geschrieben, wenn dem
Laut ein Vokal u folgt, besonders seit der Zeit der Gracchen und
des Tragikers Attius ; so in:
M i r q u r i o s , sjh'c. Bern/. Ritschi, p e q u I a t u , /. Com. de \ X quaest.
fictil. Latin.]). 24. pequniam, /. Bantin. t. Ge-
qura, t. viae App. Rhein. Mus. matt. I. N. 3559. /. Com. d.
VIII, 288. XX q.
quin, 7. N. 1119. pequnia, /. repet, (Serv.) I.
pequdes, /. agr. (Thor.) agr. {Thor,) I. X. 2458. 277.
persequtio, /. agr. ( Thor.) (>( ) 1 1 .
Dass dieser Schreibgebrauch in allen Schriftdenkmälern vor-
herrschend gewesen sei, sagt der Grammatiker Sergius ausdrück-
lich,^. 1828. /': O vi'i'ii, quam auliqui, quoties\' sequi1-
batur praeponebant ct. Auch noch in späterer Zeil Rudel
sich diese Schreibweise (quin /. /»'. N, 2521. vgl. Grat. Ind. rer.
Gramm,: qproc. Eckhel, dort. num. V,p. ")>/'. \'M f. Schneid.
hat. Gr. I, 326). Sie ist auch im sprachlichen Laute wohl be-
gründet, denn dass bei der Aussprache von qur.i, pequnia, pe-
qudes der V -klang des Q mil dem folgenden Vokal u zusammen-
— 35 -
tloss, ist nach der weitgreifenden Macht der Vokalverschleifung im
Lateinischen, die weiter unten zur Sprache kommen wird, unzwei-
felhaft. Diese seit alter Zeit gebräuchliche Schreibweise wollten
spätere Grammatiker dahin ausdehnen, dass sie überhaupt nie QV
sondern nur Q schrieben, also qis, qae, qid (Vel. Long,
p. 2219), und so finden sich denn auch auf Inschriften der Kaiser-
zeit Schreibweisen wie:
qaerella, /. N. 5290. qa, /. N. 1745.
qintae, /. N. 4480. qe, /. N. 5273.
qurpus, Gr. 1056, 1. qi, Fleetw. S. I. Mon. Christ. 385, 1.
Seitdem das kurze o des Altlateinischen in Stammsilhen und
Ahleitungs- oder Beugungssilben sich zu u verdunkelt, tritt in der
Sprache eine Abneigung hervor, die beiden Laute VV aufeinander
folgen zu lassen; daher erhält sich noch bis nach Augustus die alte
Aussprache und Schreibweise VO in Wörtern wie novom, acer-
vom, ingenuom u. a., und für QVV wird ebenso OVO geschrie-
ben und gesprochen in Wörtern wie aequom, iniquom,
equom, oder es tritt dafür die Sehreibweise CV ein. Dafür bieten
die ältesten Handschriften des Plaulus, Vergilius und Garns Belege.
So finden sich bei IMautus neben den Sehreihweisen VO und OVO
execuntur, conlocuntur, falsi locus,
pedisecus, v a n i I o c u s , in e n d a c i I o c u s ,
{Fleckeisen , Epist. ('ritte, p. 7.), ebenso bei Vergil neben den
Schreibvveisen VO und OVO häufig GV, bisweilen auch OV; man
vergleiche :
a r e u s , a r q u i ,
anticum, antiqum,
aecus, aequs, a e q u u s ,
ecus, e q u s , e q u u s ,
hircus, hirquus,
oblicum, obliqus.
Ausschliesslich haben die ältesten Handschriften des Vergil die
Schreibweise CV in:
oblicum, s e c u n t u r , I o c u t u s ,
r e 1 i n c u n t , recoeunt, ( c o c u s , Or. 646) s e c u t u s ,
s e c u n d u s
[vgl. Wagner, Orthogr. Vergil. p. 452). In der Veroneser Hand-
schrift des Gaius finden sich ebenso geschrieben (ed. La ehm. Praef.
p. 36./V):
3*
— 36 -
aecum, i nie um, relincuntur, seeuntur,
und dieselbe Schreibweise findet sieh auch sonst in den besten
Handschriften wieder.
Bis hierher hat sich also ergeben, dass der durch das Schrift-
zeichen V ausgedrückte Nachklang des Q sich aus C (K) ent-
wickelt hat, dass er weder Consonant noch Vokal war, dass er vor
folgendem u wieder ganz schwinden konnte. Es ist nun in Be-
tracht zu ziehen, wie fremde Alphabete den Laut des Lateinischen
qu ausdrückten. Das Um brise he und üskische, dem das
Zeichen 9 öder Q im Alphabete fehlte, drückt das Lateinische QV
durch die Buchstaben KV aus; so in:
Umbr. kvestur, Osk. kvaisstur, Lat. quaeslor.
{Umbr. Sprachd. AK. Glossar. Momms. Uni. Dial. Glossa?\)
Auf den jüngeren Umbrischen Denkmalern mit Lateinischer
Schrift ist das Q ohne folgendes V geschrieben in:
Neu umbr. dequrier, Alt umbr. tekuries, Lat. decuriis,
pequo, pecua,
p e i q u , pico;
nur einmal findet sich auch QV geschrieben in:
P i q u i e r ( Umbr. Sprachd. AK. f, 81.).
Vor u ward also im Umbrischen ganz wie zu Attius /eil im La-
teinischen bloss 0 geschrieben, vor i QV. Wenn nun auf Altoski-
schen und Altumbrischen Schriftdenkmälern die den Konsonanten
v und den Vokal u durch besondere Schriftzeichen scheiden der
Lateinische Laut QV durch KV ausgedrückt wird, so sprich! das
für eine mehr consonantische Natur des durch V nach Q bezeich-
neten Lautes etwa wie in den Neuhochdeutschen Wörtern quäl,
quetschen, quillt, gequollen. Allein dagegen erheben sieh
anderweitige Bedenken.
In Griechischer Schrift ist die Bezeichnung für QV nul folgen-
dem Vokal schwankend zwischen KOT, KO, KT. So findet
sich O V in Namen wie:
ToQxovarog, C. I. Gr. I, 'MW). Appian, bell. Mlthr. 95.
Kovadoi, Dion Cass. LXXI, II.
Ko vccQTlvog , Herodian. VII, I, 0.
KovudQavxCa, Mut. Cic. 29.
Hr\xovavoi , Phil. Caes. 2(>.
6 4,'sxovevreg, Plut. d. fort. Hont. p. 322.
— 37 -
KoviQivog, Sirab. V, 234.
Kovivtiltavog, Mionel, V, 453.
Durch KO ist Lateinisches QV ausgedrückt in Namen wie:
Ko'Cvx og, Koadoi, Urjxbdvag, Urjxoavo i,
(Koaöovoi)
{vgl. Strdb. ind. nom. ed. Meineke).
Durch KT wird die Lateinische Lautverbindung QVI in der
Regel ausgedrückt nach der handschriftlichen Ueberlieferung hei
Strabo, Plutarch, Stephanus von Hyzanz und anderen Griechischen
Schriftstellern in Namen wie:
TccQxvvtog, Dion. KvQivog, PL 'Axvlrjia, Str.)
Hat. Kvqiv tog, Str. 'Axvl eia , St. B.
TaQKwCa, Sir. KvQixag, Sir. 'Axvlliog, Str.
TccQKWircu, Str. KvQitCa,Steph.B.'Axvtavla, Str.
TaQKvvevg, Str. 'Höxvllvog, Str.
Vereinzelt steht KTI in:
Kvivxiliag, C. I. Gr. II, 3003.
Axvt,7irjv6eQ, Lyd. d. mag. III, 36. p. 257.
Wenn auch die Schreibvveise KOT nicht zum Beweise dienen
kann, dass das Schriftzeichen V nach 0 im Lateinischen ein vokali-
scher Laut gewesen ist, da Griechisch OTja überhaupt auch zum
Ausdruck des Lateinischen V dient, so sprechen doch die beiden
anderen Schreibweisen KO und KT dafür, dass der Laut V mehr
vokalischer Natur war, etwa wie das Englische W, so dass also
die Römer das qu so aussprachen wie die Engländer, welche die
deutschen Worter quäl, quelle u.a. sprechen.
Dies wird nun bestätigt durch Prisciaus Aussage, dass das V
nach Q vor c, i, ae den Ton des Griechischen v gehabt habe:
I, 6. H: u autem quam vis contr actum, eundem tarnen
[hoc est y] sonum habet int er q et e vel i vel ae
d i p h t h o n g u m p o s i t u m , u t e q u e , q u a e ', necnon i n t e r g
et easdem vocales, cum in una syllaha sie invenitur,
u t e p i n gue , s a n g u i s , 1 i n g u a e '. Die Stellung der Sprachorgane
beim Aussprechen zeigt, dass der Laut des Griechischen v dem
Lateinischen ae, e und i näher lag als der Lateinische Laut u; es
fand also eine Assimilation des Lateinischen U-lautes, der dem Q
nachklang, in einen wie Griechisch v lautenden Nachklang durch
Einwirkung jener Vokale statt. Ein Beweis, dass Priscian richtig
— 38 —
gehört hat, liegt in den Griechischen Schreibweisen ?A%vt,7cq v~
ösq, KvQlvog u.a., die zeigen, dass die Griechen wenigstens
vor folgendem i den Laut ihres v nach Q nachklingen hörten, und
diesen mit dem folgenden i zusammen daher meist nur durch den
einen Buchstaben T ausdrückten. Es folgt aber auch aus Priscians
Worten, dass der durch V ausgedrückte Nachklang des Q vor a
und o dem Lateinischen u ähnlich geklungen haben muss, wie es
in lingua, tinguo, unguo, du eil um, Duel litis, cluonus
klang.
In der Sprache des heutigen Italiens klingt nach dem guttura-
len Laut des Q ein ganz entschiedener U-laut nach; die Italieni-
sche Sprache ist aber noch weiter gegangen, indem sie auch nach
anderen Consonanten ein solches stummes u nachklingen lässl wie
in buon o , f u o r i , suon o , uonio (für h u o m o ).
Nach der Stellung der Sprachorgane, durch die der Laut er
zeugt wird, liegt der Vokal u den labialen, i den lingualen,
a den gutturalen Consonanten am nächsten, wovon weiter unten
eingehender gehandelt werden wird. Man kann also jenen durch
V nach Q ausgedrückten Laut einen labialen vokalischen
U-klang nennen. Ei' entsteht, indem bei der Aussprache des C (k)
zugleich mit dem Andrücken der Zunge gegen den hinteren Theil
des Gaumens die Lippen sieh rundlich zusammenziehen und vor-
schieben wie zur Aussprache eines u. Das Lateinische QV drückt
also lautgeschichtlich betrachtet den Moment des lins chlage ns
der gutturalen Tennis in die labiale aus, und steht demnach,
wie die obige Zusammenstellung verwandter Wörter des Sanskrit,
Griechischen, Lateinischen und der Italischen Dialekte zeigt, als
Mittellaut an der Stelle der Wort formen, wo einerseits das ur-
sprüngliche K, C sich noch vorfindet, andererseits das aus demsel-
ben umgelatttcte p, it eingetreten ist.
In Uebereinslhnmung mit den Ergebnissen dieser Unter-
suchung weist Graff {Leber den Buchstaben </. Abhandle der Bert.
Akad. d. Wissensch. ls;>9) nach, dass auch das deutsche <| ein
einfacher Consonant ist, und zwar eine gutturale Tenuis mit
einem labialen Hauch. Somit lassen sich denn die Ergebnisse
dieser Untersuchung schliesslich in folgender Weise zusammen-
fassen.
Der Buchslabe Q ist aus dem Dorischen 9 entstanden. Der
Laut UV ist etymologisch aus der gutturalen Tenuis K. C
— 39 --
hervorgegangen. Das Schriftzeichen V hinter Q bezeichnet wedereinen
vollen Vokal noch einen Consonanten, sondern einen vokalischen
1 a b i a 1 e n N a c h k 1 a n g , der vor a u h d o e i n e in s t u m m e n u ,
vor a e , e , i einem stummen v gleich klang, m i t folgen-
dem u aber zu einem einfachen u zerfloss, so dass beson-
ders in älterer Zeit seit AU ins für QVV bloss QV, in späterer
Zeit CV gesprochen und geschrieben wurde. QV ist also der
D urchgangs- oder Heber gangslaut von der gutturalen
T e n u i s k in die 1 a b i a 1 e T e n u i s p.
G.
Oben ist gezeigt worden, dass die gutturale Media im Altlateini-
schen wie im Dorischen Alphabet durch C, die Tenuis durch K be-
zeichnet wurde, dass aber K ausser Gebrauch kam, als der Unter-
schied zwischen jenen beiden Lauten sich in der Sprache verwischt
hatte. Als sich dann der Unterschied zwischen gutturaler Tennis
und Media wieder schärfte und verdeutlichte in der Aussprache, ward
seit den Zeiten des ersten Punischen Krieges das aus C gebildete
Schriftzeichen G zur Bezeichnung der Media verwandt, und durch
Spur ins Carvilius an die Stelle des in Lateinischen Wortern
nicht mehr üblichen Z in das Lateinische Alphabet eingereiht.
Wenn die gutturale Media und Tenuis im Lateinischen eine Zeit lang
so ähnlich klangen, dass die Schrift nicht mehr für nöthig hielt sie
verschieden zu bezeichnen, so ist doch nicht glaublich, dass sie völ-
lig zusammengefallen sind ; sonst hätten sich beide Laute nicht wie-
der völlig sondern und herstellen können. Es ist nicht ohne Be-
deutung, dass es das ursprüngliche Zeichen der Media war, das in
jener Zeit der Vergröberung der Aussprache und des Lautgefühls
für die Tenuis mit gebräuchlich wurde, es weist darauf hin, dass
damals die Tenuis sich soweit in der Aussprache erweichte, dass sie
der M e d i a ähnlich klang.
Dafür spricht auch die Thatsache, dass in der späteren Sprache
ein ursprüngliches Lateinisches C so wie das Griechische K sowohl
vor Vokalen im Anlaut und Inlaut als auch vor den liquiden Con-
sonanten I, m, n, r sich zur Media G erweicht hat, wie folgende Bei-
spiele zeigen ;
vor a:
S i g a m b r i , für S i c a m b r i,
— 40 —
g a m e 1 u m , für camelu in ,
gaunaceam, caunaceam, Ter. Scaur. p.
2252;
vor o:
gobius, xaßiog,
negotium, nec-otium,
c o n g o r d i a , /. N. 4889. concordia;
vor u :
g u b e r n a t o r , xvßsQvrjtrjg,
gummi, xoii[ti,
g u r g u 1 i o , Prise. V, 9. H. curculio, Plaut.
Curculio;
{vgl. Prise. IIJ, 34. Verg. Georg. I, 186. Medic. Serv. a. 0.
Fleckeisen, Ep. Cr iL p. 10.)
Sag un tu in, für Zdxvv&og;
vor i:
t r i g i n t a , TQcdxovtcc,
sexaginta u. a. ££,rjxovzcc,
m u g i o , iivxcco[lcci;
vor e:
germal us, Cer malus, VarroL.L.V,hA.M.
Fest.p.bh. .)/. Phil.
Rom. c. 3.
pages, /. B. N. 1302. pacis;
(p. Ch. 508.)
vor 1 :
n e g l e g o , n e c -1 e go ,
Glanis, Glanis,
Clanius,
gloria, cluo, xXvco.
Vom Verbalstamme clu-ward durch das Suffix os,or cluoi ge-
bildet, wie bonos honor u. a., dann durch ein zweites ia erweitert
zu cluoria wie uxorius von uxor. Durch Verschleifuog des u
wird nun cloria aus cluoria wie por in Marci-por aus einer
alten Form puor fürpuer, wie lingo ungo s avium aus lin
guo unguo suaviuni, endlich aus cloria durch Erweichung
dos c zu g gloria; das Wort bedeute! also wie Griechisch xXiog
eigentlich Gerücht und daher Ruhm.
— 41 —
vor r:
grab at us, xQdßatog ,
Agrigentum, *A x q d y a g ;
Agragans Verg. Aen. III, 703. Meclic. Wagner Orth. Verg.
p. 457.
vor n:
Gnossus, KvaOöog,
Gnosus, Kvaöog,
G dos i us, Wagn. Orth. Verg. V. /;. 439.
G nidiu s, Grut. 304,1. Cni d ti s , Prise. I, 6 1 . ff.
vgl. Bach. Ovid. Metam. X, 531.
Progne, Grut. 701, 1. IIqokvt];
vor m :
Pyragmon, IIvQcixiiav
(vgl. Brandt, Quaesiion. Horaüan. p. 87. Anm. 17.).
Die Sprech- und Schreibweise ist bei manchen dieser Wörter
schwankend; aber eine Neigung der Sprache, die gutturale Te-
nuis vor Vokalen und Liquiden in die Media zu erweichen, geht
doch deutlich daraus hervor, und diese Neigung scheint schon in al-
ter Zeit vorhanden gewesen zu sein, wie die Formen der Zahlworter
triginta, sexaginta und die altrömische Form der Namen
A g r i g e n t u m und Saguntum zeigen. Daher kam es also, dass
eine Zeit lang die Schrift mit gutem Grunde den Buchstaben der
Media auch für die ähnlich klingende Tennis gelten liess.
Wenn dagegen das Altumbrische für die gutturale Media
kein Zeichen hat und in Wortern wie :
antakres, neben Lateinisch integris,
l k u v i n u s , 1 g u v i n i ,
terkantur, tergeantur,
vestikatu, vestigium
(Umbr. Sprachd. AK. I, 69. 73.) k an der Stelle eines Lateinischen
g zeigt, so ist klar, dass das Umbrische im geraden Gegensalz zum
Lateinischen die gutturale Media so weit verhärtet hat, dass sie
der Tenuis sehr nahe kam, und somit ebenfalls mit deren Schrift-
zeichen bezeichnet wurde. Völlig zusammengefallen können aber
auch die beiden Uiiibrischcn Laute nicht sein, sonst könnte im jün-
geren Umbrischen der Unterschied beider nicht so deutlich wieder
hervorgetreten sein, dass die Media durch g, die Tenuis durch das
C der Lateinischen Schrift bezeichnet wurde.
— 42 —
In dem E tr uskisehen Alphabet einer Nolanischen Patere
des Museo Burbonico findet sich zweimal das Schrift zeichen C an
der Stelle des Griechischen T und des K (Momms. ünt. Bial. S. 6.
Taf. I, 14 a). Man könnte versucht sein zu schliessen, dass im
Etrurischen wie im Lateinischen das ursprüngliche Zeichen der
Media für die Tenuis mit galt , als die Tenuis der Media im Laut
ähnlich wurde. Da aber das Etruskische Alphabet von Bomarzo
und die Campanisch -Etrurischen Alphabete auf Nolanischen Ge-
fässen («. 0. T. 1 , 13. 14. 15) weder für die labiale noch für die
linguale Media einen Buchstaben haben, also das Etrurische diese
Laute nicht kannte, so muss man annehmen, dass auch die guttu-
rale Tenuis dem Etrurischen abhanden gekommen ist, was auch
anderweitig erhellt. In der Geschichte der Gutturalen ist also die
Lateinische Sprache ihren eigenen von den Italischen Dialekten ab-
weichenden Weg gegangen, das zeigte die Entwickelang des Lau-
tes QV, das bestätigt sich auch in der Erweichung der gutturalen Te-
nuis zur Media.
Der Laut der gutturalen Siedia wird im Lateinisches vorzüglich
durch Einwirkung folgender Liquiden und Halbvokale betroffen und
gebrochen. Er wird in manchen Fällen im Anlaut vor folgendem I
und n zerstört. So vor folgendem 1 in:
lamentum, neben clamarc,
I a c l i s , y d k a x t o g ,
lue uns, ylvxvg;
vor folgendem n in:
naliis, gnatus (Wagner Urih. V. p. 439.)
na vus, i-gnavus,
n a e v u s , G n a i vod, l. Scip. Barb.
N a e vi u s ,
n a r r a r e , g n a r i g a vit, Fest. p. 95 .
gna ri visse, <(. 0.
l; nar us,
notus, gnot u. Fest. />. 1)6.
no sco, co-güoßco,
nitor, gnit us. Fest. [>. (.»'i.
nix us, g n ix us, a. 0.
Die beiden letzten dieser Formen sind verschieden entstan-
den. Vom Stamme genu ward zunächst ein Verbum genu-i-re,
knien, gebildet und davon mit dein Suffix das Verbaladjectiv ge-
— 43 —
nultus, dann mit Ausfall des Stammvokales gnnitns wie gna-
vns ans genavus, endlich dnrcli Vokalvcrschmelzung gnilns wie
ans nianu-ibiae manibiac, aus suis sis, wie sich weiter unten
ergeben wird. Von dem Verbaladjectivnm gnito- ist dann ein
neues Verbum gniti gebildet, wie nictere vom Stamme des Ver-
baladjeclivnm nicto- des einfachen nicere, wie plectere,
nectere, flectere, durch die Vermittelung von den Stämmen
der Verbaladjectiva plecto- (7iXext6g) necto- flecto- von
den einfachen Verbalwurzeln plcc-, nee-, flcc-. Hingegen ist
gnixus, wie es scheint, Particip eines Verbum gnigo, zusam-
mengesetzt aus genu-igo, dessen zweiter Bestandteil der Ver-
balstamm ag- ist wie in rem-igium, rem -ex, sen-cx, also
mit der Bedeutung knie - handeln, knie - machen, daher
knien; von gnigo ist natürlich das regelmässige Parlicipium
gnixus. Aus dem ursprünglichen Sinn von nitor und nixus
die Knie stammen entwickeln sich die beiden Hauptbedeutun-
gen dieser Worter stützen, anstrengen, anstreben und
kreisen, gebären. Lachmann {Lucr. p. 136) schliesst aus der
Schreibweise cönectere cönubium, dass nectere und Ha-
bere ebenfalls im Anlaut ein g verloren haben. Da jedoch neben
jenen die Sanskritwurzel nah- (binden) und Griechisch vatpElr]
keinen anlautenden Gutturalen zeigen, so kann man denselben auch
für nee lere, nuberc nicht als erwiesen ansehen.
Vor folgendem s wird die Media g zerstört, wenn ihr eine der
liquiden r oder 1 vorhergeht, in den. Verbalformen :
spar-si, spar-sum, al-si,
ter-si, ter-sum, mul-si,
ful-si;
vor t schwindet g in: au-tor,
au-tumnus, von augere,
assimiliert sieh aber auch, wie die Schreibweisen au clor, aueto-
r i t a s , a u et um n u s zeigen , dem t zu c.
Auch vor m schwindet das g bisweilen, wie in:
conta-minari, von tangere,
e x - a m e n , e x a g e r e ,
IIa- m e n , vom Stamm f 1 a g -,
in flagrare , cp Xeysiv , während es in anderen ebenso gebildeten
Wörtern wie a g m e n , t e g m e n unversehrt bleibt.
- 44 —
Wie im Deutschen hat im Lateinischen der Halbvokal v biswei-
len das ihm vorbeigehende g aufgelöst. 80 in :
coniveo, neben conixus, vgl. nico,
flu vi um, fluxi,
confluges, Liv. Andron. ap. JSon. 1
p. 44. Gerl.
nives, ninguo,
n i v 0 , nix,
vivo, vixi,
v i c t u s ,
fruor (fruguor), fruges,
fr u c t u s ,
f i v e r e , Fest. p. 92. M. f i g e r e.
Nach dem Schwinden des (i in den vorstehenden Wortern muss
man annehmen, dass auch in folgenden Lateinischen Wortformen
g vor v schwand :
b r e v i s , vyl, G riech, ß pagvs,
levis, ika%v$i Skr. lagbu,
pravus, Skr, prahvas,
malva, (iald%ii.
(vgl. Dietrich, de quibusd, cor. u affeci. p. 3).
Ein ursprünglich halbvokalisches i mil folgendem Vokal übt
auf vorhergehendes g einen erweichenden Einfluss ,01s, ><> dass es
wiej lautete und dann ausfiel. So in:
maior, neben magis, Mains (dcüs, Moeroh. S<tl. 1, 12.)
ma ins, mag uns. M a -ius;
das letztre Wort bezeichnel den Mai als Wachse-monat, da die
ursprüngliche Bedeutung der Wurzel mag, Sanskr. mah, wach-
sen ist {Zeil sehr. f. vgl. Sprachf. III, 278).
a i 0 , nehm a d -a g i 11 111 von Skr. Wl. a li ( inquam ) ,
meio, mingo,
6p,£%G>.
Von dem Verbalstamm mig ward durch die Ableitungsendung
i ein Verbum migio gebildet wie von den Wurzeln cap- rap-
capio rapio. Dieses ursprunglich halbvokalische i erweichte
diis vorhergehende £ zuj, dieses fiel aus und aus miio ward durch
Dissimilation der Vokale, von der weiter unten <lie Rede sein wird,
meio. Aehnlicfa verhall sich
pul ei um zu pulegium.
- 45 —
Ebenso wird durch ein halbvokalisches i mit folgendem Vokal
auch d zerstört in I o v i s für D j o v i s , I a n u s für D j anus neben
Diana und der Halbvokal v in Gajus für Gavius.
Im Umbrischen und Oskischen greift die Zerstörung des g und
der Gutturalen überhaupt im Inlaut zwischen zwei Vokalen weiler
als im Lateinischen. So stehen:
Osk. m a i s , neben tat. m a g i s ,
in a i m a s , maximus,
M a e s i u s , Fest. p. 1 3G. M. M a i u s ,
Umhr. mestru, magistro-
(Zeitschr* für vergl. Sprach/'. III, 278).
Die letztere Umbrische Form stimmt also schon ganz zu den For-
men der Romanischen Sprachen maestro maitre, der Englischen
mäste r und der Deutschen meist er, m est er. Es mag hier
auch bemerkt werden, dass das Umbrische auch in der Ausstossung
der gutturalen Tenuis c zwischen zwei Vokalen bereits die Bahn
der Komanischen Sprachen betreten hat in Formen wie deitu für
d i c i l o , f e i t u für f a c i I o , p e i U für p i c e o ( Umbr. Sprache!.
AK. 1, 73.), die mit Italienischen wie falte, dite ganz überein-
stimmen.
Es bleibt hiernach zu erwägen, ob schon auf dem Hoden der
Lateinischen Volkssprache die Assibilation des g vor e und i
stattgefunden hat, wie wir sie im Italienischen, Französischen und
anderen Romanischen Sprachen finden.
Auf späten Inschriften linden sich die Wortformen :
congiunta, Flectw. S. I. Mon. Christ. 510, 2.
Giove, /. .V. 695.
Diese Schreibweise gi für den Halbvokal j findet sich im An-
laut Italienischer Worter wie gio co, Giove, giovane, giogo,
giunto, giunco für jocum, Jovem, juvenem, jugum,
junetum, juncuin; sie konnte erst eintreten, wenn j bereits den
Ton hatte wie im Französischen jeu, Jeudie, juge, jeune,
Joint, oder den Italienischen wie dsch klingenden Ton, der durch
gi für j bezeichnet wird. Es erhellt aber auch, dass die Bezeichnung
gi für den assibilierlen Ton des j est Platz greifen konnte, nachdem
g vor i und e selbst bereits assibiliert war, und so klang wie in
den Italienischen Worten g e n e r e g i n o c c h i o u. a. Also war in
der Zeit, aus der jene christlichen Inschriften stammen, das g vor i
und e bereits assibiliert.
— 46 —
Auf einer Christlichen Inschrift des vierten Jahrhunderts findet
sich die fehlerhafte Schreibweise :
fuiciantur, /. B. N. 89 (p. Ch. 344).
Die Form scheint fugentur zu bedeuten, das ia aber schon der
Italienischen Conjunctivbildung anzugehören wie in regniaino,
crediate u. a. Jene Schreibvveise scheint nur erklärlich , wenn
man annimmt, dass jene Verbalform damals so gesprochen wurde,
wie heut zu Tage im Munde des Italieners fugiantur gesprochen
werden würde, das heisst also dass g vor i mit folgendem Vokale be-
reits assibiliert gesprochen wurde. Jedenfalls stellt sich heraus, dass
diese Assibilation der gutturalen Media schon auf dem Boden der
Spätlateinischen Volkssprache stattfand, dass sie aber später eintrat
als die Assibilation der gutturalen Tenuis vor i mit folgendem Vokal.
H.
Der blosse Hauchlaut h, der nur ein stärkeres Ausstossen des
Athems aus der Luftröhre ausdrückt, war in den Indogermanischen
Sprachen ursprünglich vorhanden in Verbindung mit den festen
Kehllauten, Zungenlauten und Lippenlauten, mit denen er die Aspi-
raten bh, ph, gh, ch , tili, th bildete. Durch die Stärke des
Hauches ist dann oft der feste Bestandteil des stummen Consonan-
ten geschwunden und der blosse Hauchlaut li übriggeblieben. Im
Griechischen erscheint ein solcher Hauchlaut nicht selten durch
Verflüchtigung des Zischlautes s und der Halbvokale j und w ent-
standen und findet sich auch unorganisch vor dem Vokal v; er
wird in diesen Fällen durch ein besonderes Zeichen hL später h von
der gutturalen Aspirata X geschieden.
In den Italischen Sprachen, die zur Familie der Lateinischen
gehören, erschein! diese gutturale Aspiration nur selten, bauhg hin-
gegen der blosse Hauch laut h. Im Imbrischen ist h gutturale
Aspirata nur noch vor t in Wort formen wie:
ahlu, vgl. Lut. acto, agito, uhtur, Lot. an clor,
su bah tu, subigito, Ire hin, fr i et um,
r e h t e , r e c t e ,
(l'mhr. Spracht/. AK. I, p. 78).
Im Anlaut wie im Inlaut zwischen Vokalen laute! Umbrisches h
wieder Griechische Spiritus asper und schwinde! leicht ganz;
ja es wird oft bloss zur Bezeichnung des gedehnten Vokales
zugefügt. I in die Länge des Vokales zu bezeichnen schrieb man
_ 47 -
nämlich im Umbrischen den Vokal doppelt wie im Oskischen, und
seit Attius im Lateinischen, fügte dann aber zwischen beide ein h
ein, oder man schrieb den Vokal nur einlach, fügte aber hinter den-
selben ein h ein zur Bezeichnung der Vokallänge wie zum Theil im
Neuhochdeutschen. So finden sich nebeneinander auf Umbrischen
Sprachdenkmälern :
s t a h a m u , stall m u , st a m u ,
sehemeniar, sehmenier, semenies,
persnihimu, persnihmu, persnimu u. a.
(Umbr. Sprachd.AK. I, p. 77).
Als die Römer von Dorischen Griechen zu Cumae ihr Alphabet
bekamen, muss die gutturale Aspirata der Sprache nicht geläu-
fig gewesen sein, daher zeigt das Lateinische keinen besonderen
Buchstaben für dieselbe, der sie vom blossen Hauchlaute unter-
schiede, und muss später seit Ciceros Zeitalter das Griechische X
in Griechischen Wörtern durch C II umschreiben. Indessen ist
doch die gutturale Aspirata nicht ganz aus dem Sprachbewusstsein
geschwunden, das zeigen die Formen:
t r a x i , t r a c 1 u m , von t r a h o ,
vexi, vectum, veho,
deren h vor den scharfen Lauten s und t sich nicht zur Tennis hätte
assimilieren können, wenn nicht noch ein gutturaler Anklang in
demselben vorhanden gewesen wäre. Dies ist aber auch die ein-
zige Spur der gutturalen Aspirata im Lateinischen ; sonst bezeich-
net H immer denselben Hauchlaut wie der Griechische Spiritus
asper, und dass dies schon in sehr alten Zeiten der Lateinischen
Sprache so der Fall war, beweist eben die Thatsache, dass
bei der Aufnahme des Alphabetes die Römer das Schriftzeichen
des Griechischen Hauchlautes zur Bezeichnung ihres II -lautes
wählten.
Häufig ist nun Lateinisches h entstanden aus dem eigenthüm-
lichen Italischen Laut f, von dem weiter unten die Rede sein wird.
So in:
bare na, neben Sabinisch fasena,
h ed u s , e d u s , a e d u s , f e d u s ,
hircus, ircus, fircus,
F i r c e 1 1 i li s ,
Varro L. L. V, 97. Vel. Long. p. 2230. 2238. Henop, de lingua
Sab in a p. 17.
— 4S -
Ebenso innerhalb des Lateinischen in:
hoedus, für foedus,
h o 1 u s , f o 1 u s ,
hostis, fostis,
hostia, fostia, Fest. p. 84. M.
Hormiac, Formiae, Plin. H. N. HI, 5.
hordus, fordus,
hordicalis, fordicalis, Varro R. R. 11,56.
Hordicidia, Fordicidia,
horreum, faire um,
h o r c t u m , f o r c t u m , Fest. p. 102. M.
hordeum, fordeum, Ter. Scaur. p. 2250. 2252. 2258. P.
h a b a , f a b a , Vel. Long. p. 2238.
hanula, fanula, Fest p. 103.
h a r i o 1 u s , f a r i o 1 u s , Ter. Scaur. a. 0.
h e b r i s , f e b r i s , Serv. Verg. Aen . VII, 695 .
Ebenso ward im Dialekt der Falisker gesprochen:
h a b a m , für f a b a m , Ter. Scaur. p. 2252.
II a 1 e s u s , für F a 1 e s u s , vgl. F a 1 i s c u s , F a 1 e r i i , Serv. Verg.
Aen. VII, 693.
Ebenso ist das h aus f entstanden in:
Lat in i h i , Umbr. m ehe, vgl. Lat tibi, s i l> i , Ufribr. t e fe ,
wovon beim Buchstaben f weiter die Rede sein wird.
Aus dem Halbvokal j ist Lateinisches h entstanden in:
ahenum, vgl. Umbr. ahesnes, Sanskr. aj a s (Eisen) ;
Mähest in us, Fteetw. S. I. Mon. < 'hrist 347, 3. für M ;i j es tin u s.
Ein solches aus j entstandenes h ist dann ausgefallen wie je-
des andere h in:
Lat pio, verglichen mit 0$k. piibioi, Sanskr. prija (lieb),
piu m, Volks, p i ho in,
piavi, l //ihr. piha fei,
piaclum, Umbr. piha ein.
{Umbr. Sprachd. AK. I, 79. Br. v. Velleiri. litt. hin/. .)/. Tab.
XIV. vgl. Osfc. Gloss.)
Es lag in der Natur der Sache, d.iss der Hauchlaut h sowohl
im Anlaut der Wörter als auch im Inlaut leicht gani schwinden
konnte. Schon im Zeitalter des Syrischen Krieges leigt die
Sprache ein Schwanken in der Beibehaltung und Abwerfung des
~ 49 —
anlautenden h. So findet sich im Senatusconsult über die Bac-
canalien schon :
a b u i s s e , für h a b u i s s e , hingegen ha renam, für arenam,
und Quintilian führt, nachdem er gesagt, dass die Alten selten den
Hauchlaut h gebraucht hätten, als Beispiel aus älteren Schriftdenk-
mälern an :
o e d o s , für h o e d o s , und i r c o s , für h i r c o s , Quint. I, 5, 20.
Varro billigt die Formen :
olera, L. L. V, 108, für holera, und
asta, L. Z. V, 115, für hasta;
das zeigen seine Ableitungen von oll a und astare.
Verrius Flaccus schrieb:
a 1 i c a m , Charts, p. 75 , nicht balle a m.
Hingegen sagt Nigidius Figulus bei Gell. XIII, 6, 3. ff: rusti-
cus fit sei* mo, si aspires perperam, woraus zu schliessen
ist, dass die Sprache des Landvolkes seiner Zeit das alte h vielfach
noch hören liess, wo es, in der Aussprache der gebildeten Haupt-
städter geschwunden war.
Auf alten Sprachdenkmälern findet sich h geschrieben in:
II i n n a d , lil. Claud., vgl. Henna, Eut. Cassiod. />. 231 3. für Enna,
a h e n a m , Sc. de Bacc.
halicarius, Lucil. Charts. p. 75.
harenato, /. Puieol. 1. N. 2458. '
Gellius giebt als ältere Schreibarten an, II, 3. H.:
ahenum, für die j üngere aenum, ( J rerg.)
vehemens, v e m e n s ,
. i n c o h a r e , incoare,
helluari, elluari,
hallu cinari, ajluci nari,
honera, onera,
honustum, onus tum.
Ebenso stehen :
h e 1 u s ,
holus, Fesi.p. 100..)/. zu olus,
have, Omni. I, 6, 21. /. N. 147. 166. ave.
Soviel erhellt hieraus, dass die Aussprache schon in der Augu-
steischen Z-eit und früher bei diesen und ähnlichen Wörtern sehr
schwankend war, und dass die tüchtigsten Grammatiker Varro, Ver-
rius und Nigidius in diesem Schwanken keinen sicheren Halt mehr
G
ORSSEN.
50
fanden. Dieses Schwanken ist denn auch in der folgenden Zeit ge-
blieben, wie die verschiedenen Schreibweisen der Inschriften und
der ältesten Handschriften verglichen mit den sich oft geradezu
widersprechenden Angaben der Grammatiker zeigen. Zur Ver-
anschaulichung diene hier folgende Zusammenstellung:
h a r u n d o , Plaut. Verg. Eutych. arundo, Agroet. p. 2272. Isi-
Cassiod. p. 2313.
haruspex, Verg. Phoc. p. 1 723 .
inscr. Grut. ind. gramm.
h a e d u s , Eut. Cassiod. p. 23 1 2.
hasta, Ter. Maar. p. 2383.
Eut. Cass.p. 2313.
h a r e n a , Phoc. p. 1723. Mar.
Victor, p. 2467.
h e d e r a , Verg. Ter. Maur.
p. 2388. 2400. Eut. Cass.
p. 2313.
herciscere, Gaj.
h e r e s , Gaj. Eut. Cass. p. 23 1 3.
exheredatus, Gaj.
h e 1 u o , Eut. Cass. p. 23 1 2.
hora, Verg.
h o 1 u s , Plaut. Fest. p. 100. Eut.
Cass.p. 2312.
holitor, Plaut.
holitorium, /. It. N. 6748.
h ostia, Verg.
h ordern», Vel. Long. p. 2238.
Ter. Scaur. p. 2250. 2258.
humus, Ter. Maur. p. 2400.
Eut. Cass.p. 2312.
dor. Orig. XVII, 7.
a r u s p e x , Plaut. Inscr. Grut. ind.
gramm.
oedos, Quint. I, 5, 20.
asta, Varro L. L. V, 115.
arena, Serv. Verg. Jen. I, 172.
Vel. Long. p. 2230.
edera, Fest. p. 82. M.
erciscere, Gaj.
eres, Gaj.
er us, Haut. Verg.
er i 1 i s , Plaut.
elleborus, Plaut. Verg.
elluari, Gell. II, 3.
ora, Verg.
olus, Varro L. L. V, 108.
ostia, Verg.
o r d e u m , Eut. Cass. p. 23 1 3.
iiiiinr, Verg.
innen s, verg.
uiiiidus, Verg.
umesco, Verg.
umecto, Verg.
u m e r u s , / 'erg.
Wenn schon in einheimischen Wörtern die Sehreihweise si»
schwankte, so kann mau sich nicht wundern, wenn dies hei Fremd-
— 51 — .
Wörtern, die in die Sprache aufgenommen wurden, ebenso der Fall
war. Man vergleiche:
Hammon, Verg. Eut. Cassiod. p. 2312. Amnion, Verg.
Halesus,
H a 1 a e s u s , Verg. A 1 a e s u s , Verg.
Hiberus, Verg. Phoc. p. 1724. Grut. Iberus, Verg.
690, 5. 416, 16. 108, 7.
H i s t e r , Verg. Ter. Maur. p. 2388. "loxQog ,
2400. Eut. Cass. p. 2313.
Hil urica, Plaut. Illyric.
Inscr. Grut. ind. gram?n.
Hirpini, Phoc. p. 1721. Eut. Cass. Irpini, Fest.p. lö&Jf.
p. 2313. irpum, a. 0.
Etymologisch ebenso unberechtigt wie Hister, Hilurica,
werden auch andere aus dem Griechischen entnommene Wörter mit
anlautendem h geschrieben; so:
h e 1 o p s , Quint. V, 1 0, 2 1 . Eni. Cass. />. 2312. s X o f ,
heben um, Verg. eßevog,
hibiscum, Verg. ißtOKog.
Auch das inlautende h zwischen zwei Vokalen war ein so
flüchtiger Laut, dass er bald iftrbar blieb, bald verklang. Am
leichtesten musste wohl das Schwinden des h und die Verschmel-
zung der sich berührenden Vokale eintreten , wenn vor und nach
dein h derselbe vokalische Laut erklang. So sprach man schon in
alten Zeiten:
für n ehe mo, nemo ;
aber sonst gehen beide Formen ofl nebeneinander, die ältere mil h
und die jüngere ohne h mit Vokalverschmelzung; so:
Ahala, Ala, Cic. orat. 45, 153.
mehe, Tragik. Quint. 1, 5, 21. me,
veh einen s, Cic. Cor /tut. Cass. vemens, Gell. 11, 3.
p. 2286. Quint. a. O. Gell. 11, Vel. Long. p. 2229. 2234.
3. Ter. Scaur. p. 2256.
prehendo, Cic. a. O. Gaj. prendo, Gaj. Quint. IX, 4, 59.
Vel. Long. a. O. Ter. Scaur.
. a. O.
Von den beiden letzteren Wörtern landen sich beide Formen
schon in alten Cicerohandschriften; hingegen sprach man zur Zeit
des Velius Longus und des Terentius Scaurus vemens, prendo-
4*
— 52
mihi, Plaut.
nihil, Plaut. Cic. u. a.
m i , Plaut.
n i 1 , Plaut. Cic. Cornut. Cass.
p. 2286.
coors,
cors, Vel. Long. p. 2230. 2234.
Ebenso wird h zwischen zwei Vokalen bald geschrieben bald nicht ; so :
a h e n a m, Sc. d. Bacc. cf. Gell. II, 3. aenus, Verg. Serv. Verg. Am .
c o h o r s , Mar. Victor, p. 2467.
Ahenobarbus,
dehibeo, Plaut.
praehibeo, Plaut.
incohatam, Plaut. 1. R. N.
6268. 0. Ch. 102). Or. 783.
incohat, Verg. Gell. II, 3.
incohavit, Or. 780.
I, 213. Gell.W, 3.
d e b e o , Plaut, u. a.
p r a e b e o , Plaut, u. a.
i n c o a t a m , Plaut.
n co a vi t, /.
Gell. II, 3.
N. 2509. 2510.
Wenn nun aber die Gebildeten. und Gelehrten schon seit der
Augusteischen Zeit so in Zweifel waren, ob sie anlautendes oder
inlautendes h noch als einen Laut bezeichnen sollte» oder nicht,
so ist in der Volkssprache dieser Laut allmählig ganz verloren ge-
gangen. Das zeigen folgende auf Inschriften der spateren Kaiser-
zeit vorkommende Formen :
abuit, I. N. 2070. /. R. tßkzen, 7418. Fleetw. S. L Mm,
Christ. 516, 1. abebat , /. ,V. 5273. abeto, /. N, 6736,
abiat, Or. 2541. abeatis, Grut. 1062, 1. Fleetw. a. <>.
517, 4. ab et, Fleche, a. it. 131, 4. abetis, a. 0, 517, 4.
abital, /. N. 5273.
esit, /. N. 3902. (p. Ch. 367) für haesil,
Erennio, LR. N. 6405.
eu, Grut. 1060.
exametrum, Fleetw. L. S. Mon, Chr. 527, 2.
exibuit, L. N. 2455. exibet, J. V. 109.
iroum, /. N. 2988. für heroum.
lppolylo, Grut, 1059, 51.
onori, /. V. 591. (395 p. Ch.)
(367. p. Ch.)
Onorio, /. .V. 5936. (p. Ch. 396)
Grut. 1050, 12.
oris, /. N. 1862. oras, /. A. 6709. ora, Grut. 1053
1054, 8. Fleetw. S. L Mon. Chr. 413, 5. (405 p. Ch.)
inospita, /. N. 2075.
onoribus, /. R. V. 3902.
/. .V. 7154. (394 />. ( //.)
6.
— 53 —
Ortoriäe, /. N. 5230.
Ortensio, I. N. 3156.
Ostiliae, /. N. 3744. 5530.
oc, /. N. 3491.
omini, Grut. 588, 9.
upogaeo , /. N. 7131.
Es erhellt aus denjenigen Inschriften unter den hier angeführ-
ten, deren Zeit bestimmt ist, dass zu Ende des vierten und zu
Anfang des fünften Jahrhunderts der Abfall des Hauchlau-
tes im Anlaut und dessen Ausfall im Inlaut, den die Italienische
Sprache zeigt, bereits eine vollendete Thatsache war, so dass we-
der die Schreiber der ältesten Handschriften, die wir besitzen, und
der gleichzeitigen Inschriften, noch die Grammatiker dieser Zeit in
der Sprache ihres Volkes noch ein Kriterium vorfanden, um zu
beurtheilen, ob ein Wort jnit h geschrieben wurde, oder nicht.
Daher (inden sich denn in der Veroneser Handschrift des Gaius die
Schreibweisen wie: eres, omi cid a, onoratus, abeo, aec, is
(fiirhis), und daneben Schreibfehler wie haditus, hauctori-
tas, his (für is), hü, hisdem, exhilus, die nur möglich
waren, wenn der Hauchlaut dem Ohre des Schreibers ganz fremd
geworden war. Daher quälen sich denn die Grammatiker Euty-
chius und Phocas vergebens ab Regeln über die Schreibung des h
ausfindig zu machen. Schreibweisen wie eres, erciscere, ora,
'ostium, umor, umerus u.a. inden besten Handschriften des
Plautns, Vergil, Gaius und der Bücher Giceros de republica bewei-
sen also nur, dass man im fünften Jahrhundert diese Wörter ohne
h sprach, nicht dass dies zu allen Zeiten der Fall war. Das
sprachgeschichtliche Ergebniss dieser Untersuchung ober das La-
teinische h ist demnach folgendes.
Die Lateinische Sprache hat schon sein' frühzeitig die
gutturale Aspirata verloren und statt dieser und statt der
Laute f und j den blossen Hauchlaut gewahrt. Auch dieser
Hauchlaut ist aber nach langem Schwanken in der Aussprache all-
mählig der Volkssprache verloren gegangen. Daher hat ihn
die Italienische Spraehe nicht. Die Griechische Sprache hat den-
selben Entwickelungsgang durchgemacht, indem sie den Zischlaut s
und die Halbvokale j und w zu einem blossen Spiritus asper sinken
Hess Auch dieser dem Lateinischen h entsprechende Hauchlaut
ist in der Sprache der Neugriechen völlig geschwunden.
— 54 —
Labiale.
P.
Dass der Buchstabe P P des Römischen Alphabets denselben
Laut bezeichnete wie im dorischen Mutteralphabet, das heisst den
Laut der labialen Tenuis, wie er in allen verwandten Sprachen er-
scheint, bedarf keines Beweises. In dem Abschnitt über q ist ge-
zeigt worden, dass die gutturale Tenuis in den Indogermanischen
Sprachen in p umschlägt, und dass das Lateinische qu, die guttu-
rale Tenuis mit labialem Nachida ng, der Uebergangs-, oder Durch-
gangslaut zwischen beiden ist. Ein solches p zeigen nament-
lich die Relativpronomina der Italischen Dialekte neben Lateini-
schem q; so:
p i s , Osk. Umbr. Sab. Volsk. q u i s , p o n , Osk, q u o m ,
p i m , Osk. q u e in , -pumpe, Umbr. -quonique,
p o d , Osk. q u o d , - c u m q u e ,
p a m , Osk. q u a m , -ruiKpie,
p a n , p a n t a , Umbr. q u a n I a ,
pa , Umbr. u. a. (vgl. AK. Umbr. Spr. Gloss.)
Selten findet sich im Lateinischen ein aus k durch die .Mittel-
stufe q u entwickeltes p ; doch erscheint es in :
Epona, von equus,
popina, vgl. coquo,
318 71(0 ,
lupus, Xvxog.
Auch mapalia neben magalia (Sah. Jxig. 18, 8) ist nur er-
klärlich, wenn das Wort ursprünglich ein c hatte, das sich einer-
seits zu g erweichte, andrerseits zu p umsetzte.
Trat die Tenuis p in den Auslaut des Wortes nach Abfall ei-
nes Lautes, so erweichte sie sich in der Regel zu b. So in:
ab, Griech. an o, San skr. äpa,
sub, Gr. vtco, Skr. üpa,
ob, Umbr. up, Skr. üpa
(N. Jahrb. 68, S. 481). Das ursprüngliche p von ab, ob, sub
blieb erhalten, oder trat wieder deutlicher hervor in der Aus-
sprache vor folgenden scharfen Lauten wie s und t. Lediglich in
der Schreibweise entsteht Schwanken zwischen b und p dalier.
weil die einen nach der Aussprache ps, pt schrieben, die ande-
— 55 —
ren bs, bt nach der Etymologie, indem sie ab, ob, sub auf dem
Boden ihrer Sprache als die ursprünglichen Formen ansahen.
Dies zeigt folgende Zusammenstellung von Schreibweisen aus In-
schriften bis zur Zeit des Auguslus:
apstulit, /. B. N. 4070.
apstinere, Or. 643. 2489.
apsentis, Or. 4859.
opsignetur, l. repel. (Serv.) obsequens, I. N. 4070.
o p s 1 r u i t o , /. Pnteol.
opservarique, Or. 2489.
o p s i d i o n e , c. de bell. Acliac. Egger Lat. serm. vet. reit. p. 3 1 4 .
opsessis, a. 0.
optinebit, /. agr. {Thor.) I. Com. de XX quaest.
optinens, Sc d. Ascl. Claz.
optinui, /. N. 4070.
optenui, t. Scip. Or. 554.
supsignent, l. agr. ( Thor.) s u b s i g n a t o , /. agr. ( Thor.)
subsignata, a. 0.
supstituta, Or. 4860.
Die Schreibart nach der Ausprache war also in diesen Formen
wahrend der beiden letzten Jahrhunderte der Republik die über-
wiegende. Die Grammatiker folgen bald der Aussprache bald der
Etymologie und greifen zu allerhand Unterscheidungen, die in der
That nichtig sind. Man vergleiche folgende Debersicht ihrer An-
gaben über hierjjergehörige Schreibweisen:
nach der Aussprache: nach der Etymologie:
apstinui, abscondo,
apscessi, abscedo,
apscondo, Cassiod. p. 2289. a b s c i d o ,
obscurus,
obscenus, Prise. II, 5. H.
apsorpsi, Vel. Long. p. 2233. ab s cedit,
a b s c i n d i t ,
a b s c o n d i t ,
opscurus, abstrahit,
opservabo, obstat,
o p s i d e o , Ter. Scaur. p, 2252. o b s t i p u i t , Mar. Victor. p. 2466.
2261.
absorpsi, Vel. Long. p. 2233.
0
56 —
nach der Etymologie:
o b s c u r u s ,
o b s i d e o ,
observabo, Ter.Scaur.p.22b2.
2261.
o b s t u p u i ,
obstupeo,
obstrepo, Cassiod. p. 2289.
Varro, der in der Schreibweise von Wörtern wie urbs und
trabs der Etymologie folgte, hat wahrscheinlich auch hier in Ue-
bereinstimmung mit Priscian dasselbe Princip befolgt, und daher
ist es in der Orthographie der Grammatiker vorherrschend geblie-
ben. Dass b vor I wie p gesprochen wurde erhellt auch aus
Quintilians Worten [, 7, 7: cum d ico obtinu i t secundam b
litt er am ratio poscit, aures magis audiunl p. In den
ältesten Handschriften des Plautus, des Vergil und der Bücher Ci-
ceros de republica hingegen ist die Schreibart nach der Aussprache
ps, pt viel häutiger als in späleren Handschriften; so:
Plaut. Verg.
apstinere, neben abstinere, apsens, neben
apsente,
apscessero,
o p s e q u i ,
opsecravisset
o p s e r i ,
rjpsit,
opscurasse.
opsigna tus,
opsessis, ob sc ui us.
opsidione, obscenus,
opstipui, obstipescere,
opservans,
»bseq
0 1 .
opsuitur,
optendere,
optestemur,
optulerat,
o p t u si s ,
optutu,
supter, neben sub- s-,
sub- t-, ]£edii .
Trm.
/'■
04. Fleckeisen, Ep. Grit. />• 10.
Verg.
P-
111. /'. ) Dieselben Schreibweisen
{vgl. Ritschi Profi
Wagner, Orfhogr.
bieten auch die schon erwähnte Yeroneser G&iushandschrifl lind
die ältesten Cicerohandschriften, die wir besitzen {Nieb. >id Cic. pro
Font, et Räbir. frag/n. />. L 10. -i- Mai. Conspect. Orthogr. ad
calcem Ubror. de Republ. />. 624. ed. Mose/). Dass man vor den
scharfen Lauten 1 und s p sprach erbellt zur Genüge, so sichei
— 57 —
wie die Präpositionen ad, con, in sich in bekannter Weise dein
consonantischen Anlaut des Wortes, mit dem sie zusammengesetzt
waren, assimilierten, die etymologische Schreibweise aber auf In-
schriften der besten Zeit und in den ältesten Handschriften vielfach
beibehalten wurde.
Im Altlateinischen ist das p, als es in den Auslaut trat, auch
zu f aspiriert in der Form:
af, Sc. d. Tiburt. Or. 3114. /. N. 6276. Or. 3036, für ab;
doch hat sich das auslautende p gehalten in der Plautinischen
Form :
volup für volupe,
von der weiter unten noch die Rede sein wird.
Als Vermittelungslaut tritt p ein zwischen m und folgenden
Zungenlauten. So nach der Ueberlieferung der besten Hand-
schriften in :
emptus, vgl. redemptus, (/. agr. Thor.)
c o m p t u s ,
sumptus, s u m p s i ,
conteinptus, contempsi,
contempnere,
hiemps, Cassiod. p. 2292.
Durch Inschriften und Handschriften verbürgt ist ferner die
Schreibweise :
temptare, vgl. temptatae, Or. 4859;
aber diese Schreibweise hat weder etymologisch noch phonetisch
Sinn ; denn dass tentare von tenlus, dem Particip von tendo
stammt, kann doch niemand bezweifeln, also ist hier gar kein m
vorhanden, das mit folgendem Zungenlaut durch einen eingescho-
benen Vermittelungslaut p zu versöhnen wäre. Man verwechselte
das Particip temptus von temnere und das Particip tentus
von tendere und übertrug irrig die Schreibweise jenes auf das
Verbuni tentare.
Im Uebrigen hat der Laut des p in der Geschichte der Lateini-
schen Sprache und ihrer Tochtersprachen keine wesentlichen Modi-
fikationen erlitten, sondern ist unverändert geblieben, wie es seit
alter- Zeit war*).
*) Dass Lateinisch p aus v entstanden wäre, wie Schneider p. 321
und Dietrich, Comment. de quibusd. cons. v. affect. p. 1. f. annehmen, ist
— 58 —
B.
Für die Aussprache der labialen Media entsteht sogleich die
Frage, ob dieselbe so gesprochen sei wie der Laut des deutschen b
oder wie das Neugriechische /3, das heisst als ein weicher dem w
ähnlicher labialer Laut. Man könnte versucht sein das letztere
anzunehmen im Hinblick auf den Uebergang des b in v und um-
gekehrt. Allein hier muss man sorgsam die lautlichen Eintlüsse,
unter denen dieser Lautwechsel eintritt, und das Zeitalter der
Sprache, in dem er vorkommt, beachten. Die Verhärtung eines
v zu b lässt sich für die ältere Sprache mit Sicherheit nur nach-
weisen in den Wort formen:
bellum, für du eil um,
b e 1 1 i c u s , d u e 1 1 i c u s ,
Belli us, Duellius, Cic. Orot. 45, 153. vgl. Quinl. I,
4, 15.
bis, für duis, Fest. p. 66. Cic. a. 0.
d u i c e n s u s , a. 0.
duidens, a. 0.
bonus, vgl. duonoro, /. Scip. Barb. f.
bene ,
belle.
Die beiden Formen:
viginti, für dviginti, vgl. duo,
s u a v i s , s u a d v i s , vgl. s u a d e r e , Gr. advg,
zeigen dass durch den Halbvokal v der vorhergehende D-laut zer-
stört wurde; dann aber erhielt in den oben stehenden Formen das
nunmehr anlautende v dieselbe Lautdichtigkeit, die das d gehabt
hatte, das heisst es verstärkte sich zur labialen Media b. Line
nicht glaublich. Dass üpilio nicht durch Verhärtung des v zu p aus
ovilio entstanden ist , sondern ein Compositum war, wird weiter unten
nachgewiesen werden. Das Verhältniss von Lat. daps zu Griech. decig
und von Lat. lapis zu Xaccg ist völlig problematisch: ebenso ist die
Etymologie von opillo, opunculo, opicerda nicht sicher gestellt.
Eine Verhärtung des Halbvokales v zu p zwischen zwei Vokalen würde
mit der übrigen Neigung desselben in dieser Lautverbindung sich auf-
zulösen und ganz zu schwinden in directem Widerspruch stehen , müsste
also durch sehr bestimmte und unzweifelhafte Thatsachen nachgewiesen
sein , ehe man sie glaublich finden könnte.
— 59 -
weiche dem deutschen oder englischen w ähnliche Aussprache des
Lateinischen b kann also aus der Vergleich ung von Wortformen wie
duicensus, viginti, bidens nicht geschlossen werden, son-
dern nur eine Verdichtung des v zu b, die lautliche Nachwirkung
eines schwindenden d. Ebenso beweist
Lat. volo neben Gr. ßovXo^ac; Lat. vicia neben Gr. ßi%Ca
nichts für die Aussprache des Lateinischen b, sondern nur dass im
Griechischen die labiale Media so weit erweichte, dass sie zum
Ausdruck eines Griechischen F und eines Lateinischen v dienen
konnte, was ja auch anderweitig erhellt.
Aber es giebt auch bestimmte Beweise dafür, dass das Latei-
nische b den gewöhnlichen Ton der labialen Media gehabt hat. Die
Römer sprachen im Zeitalter des Fabricius und Curius Dentatus wie
zur Zeit des Scipio Africanus und desEnnius:
B ur r u s für I1v$q o g , Enn. ap. Cic. Orat. 48, 160. Qidni. 1, 4, 15.
Sie konnten nicht so sprechen und schreiben, wenn ihr ein-
heimischer B-laut wie w klaug, wenn er nicht dem Griechischen it
so weit ähnlich lautete wie in allen verwandten Sprachen die labiale
Media der labialen Tenuis. Dasselbe lehrt die Vergleichung ande-
rer aus dem Griechischen in die Lateinische Sprache übertrage-
ner Wörter, wo an der Stelle des Griechischen % Lateinisch b er-
scheint; so:
Lat. c a r b a s u s , Gr. xaQjtaöog,
buxus, 7tv%og,
Buxen tum, nv£,ovg,
bürg us, TCVQyog.
Im Garmen Arvale erscheint die Lateinische Wortform :
triumpe, für Gr. ^QCa^iße.
Vergleicht man zu der Form tri u mpe Wörter wie ambo, lem-
bus, imber, umbo, Umbria, so sieht man dass kein zwingen-
der lautlicher Grund vorhanden war, in Folge dessen b in p über-
gehen musste in triumpe.
Es muss also doch das Altlateinische b dem p nahe gestanden
haben, sonst erscheint das p in triumpe nicht erklärlich. Dies
bestätigt auch die Lateinische Form:
Ganopus neben der Griechischen Kavaßog, Quintil. 1,5, 13.
Dasselbe zeigen auch die Uebergänge des p in b im Altlateini-
schen. So stehen schon in Voraugusteischer Zeit neben einander
die Formen:
— 60 -
'poplico, poublicus,
poplicas, /. Genuat. I. N. 6276. vgl.hlSZ. publicus,
Or. 3315. 3674. (it. Carthag. Rhein.
Mus. VIII, 453.
deren Verhältniss zu einander in dem Abschnitt über den Diphthon-
gen ou noch zur Sprache kommen wird.
Ebenso steht neben:
Poplicola, Grut. 480, 4. eine alte Form Boblicola, Ter.
Scaitr. p. 2252.
Ebenso finden sich schon in Voraugusteischer Zeit neben-
einander:
h a p e a l , /. Inl. mim . a b u i s e , Sc. d. Bacccm .
Als nebeneinander gebräuchlich werden noch angeführt:
scapillum und scabillum, Ter. Scaur.p. 2252.
s c a p r e s , Enn . Pacuv. Non . s c a b r e s .
li p. u. 59. n.
Auch im AI tumbri sehen findet sich ein Schwanken zwi-
schen b und p in:
abrum neben apruf, vgl. La/, apro-
kabru, kaprum, capro-
subra, supra, supra,
wo die Erweichung (\i^ p zu b durch folgendes r bewirkt ist; aber
auch in:
hapinaf neben ha bin a,
ha pinaru,
(Umbr. Sprachd. AK. 1, 88).
Dieses Schwanken der Schreibweise zwischen b und p genügt
zum Beweise, dass in der ältesten wie in der Blüthezeil der Latei-
nischen Sprache b denselben Laut gehabt hat, wie dir Labiale Me-
dia im Munde der Germanischen und Romanischen Volker heutigen
Tages.
Damit steht denn im vollen Einklänge, dass der Lauf b vor
den schallen Lauten s und t überall zu p assimiliert wurde.
Varro und nach ihm andere Grammatiker folgten der Etymolo-
gie, wenn sie in diesen Fällen zum Theil noch b vor s schrie
ben, wahrend andere Grammatiker der Aussprache folgend über-
all p vor s schrieben. Daher gehen nebeneinander die Schreib-
weisen :
— 61 —
Varro. Ter. Scaur. p.22ß]. pieps,
Prise. I, 42. 58. H. urps,
Mar. Victor, p. 2466. c a e 1 e p s ,
p 1 e b s ,
u r b s ,
caelebs,
Ära b s , I Cassiod. p. 2290.
trabs, ) traps,
Ter. Scaur.
p.2252.2261
Cassiod.
p. 2291.
während die Schreibweise nach dem Klange allgemeine Anerken-
nung fand in Verbalformen wie :
scripsi, lapsus, scripturus,
nupsi, nupturus
(Prise. I, 58. H. Cassiod. /?.x2289), ebenso wie die Präpositionen
ab, ob, sub vor folgendem 9 oder t ihren ursprünglichen Klang
ap, op, sup wiedererhielten.
Die ursprüngliche Aussprache der labialen Media ist nun aber
in der spateren Sprachentwickelung zum Theil getrübt worden.
In der Römischen Volkssprache der späteren Kaiserzeit erweicht
sich nämlich das Lateinische b zu einem dem v oder dem Neu-
griechischen ß ähnliehen Laut. Daher finden sich auf Inschriften
dieses Zeitalters die Schreibweisen:
devitum, /. R. N. 2455.
incomparaviki, /. N. 3228. 5284. 6436. 6491.
venemerenti, /. N. 3321.
Danuvio, /. N. 3331.
Lesvia, /. N. 3405.
liventer, /. N. 4063.
verva, /. N. 591 (395 p. Ch.) für verba,
acerva, /. N. 1560. acerba,
miravili, Or. 1070.
Da die letzte dieser Formen im dritten Jahrhundert, die Form
verva im vierten Jahrhundert nach Christus so geschrieben wurde,
so ist klar dass seit jener Zeit, wo überhaupt der Verfall der Römi-
schen Volkssprache schon im vollen Zuge ist, auch die Erweichung
des b zu einem dem v ähnlichen Laute vor sich gieng, und zwar am
häufigsten im Inlaut zwischen zwei Vokalen, seltener im Anlaut und
neben Consonanten im Inlaut. Indem nun der R-laut dem V-Jaut
ähnlich wurde, und das Rewusstsein von dem Lautunterschiede der-
selben sich verdunkelte, schrieb man seit diesem Zeitalter sehr
häutig b für v. Es genügt für den vorliegenden Zweck hier aus der
grossen Menge dieser Schreibweisen einige anzuführen auf Inschrif-
ten, deren Abfassungszeit sich sicher angeben lässt. Solche sind:
- 62 ~
•
cibes, 7. N. 89. (344 p. Ch.)
berba, ct. 0.
fobere, a. 0.
lebaque, /. N. 2500. (Arcad. et Honor.)
fabente, I. N. 3902. (p. Ch. 367).
Balentiniano, I. N. 6275. 7151.
Bälenti, /. N. 7151. (p. Ch. 368).
vibi, / N. 7153. (p. Gh. 386).
atabisque, ör. 1137. (414 — 42J p. Ch.)
bixit, Fleetw. S. I.Mon. Christ 461, 1 . (409 p. 67*.)
Bfaborti, /. M. N. 428. (528 jo. 67*.)
Maburtis, I.N. 696. (530? p. CA.)
octaba, a. 0.
Die hier angeführten Inschriften gehören dem vierten , fünften
und sechsten Jahrhundert nach Christus an, und demselben Zeit-
alter die ganze Masse der Inschriften, auf denen die Schreibweise b
für v nach den zuverlässigen Texten in den Neapolitanischen In-
schriften Tb. Momnisciis sein" gewöhnlich war. Doch kommt auf
Inschriften derselben Zeit auch die alte richtige Schreibart v in den-
selben Wortern vor, ja auf ein und derselben Inschrift (laden sich
b und v ohne alles Bewusstseio ihres lautlichen Unterschiedes will-
kürlich nebeneinander geschrieben. Daher linden sich denn auch
in der Veroneser Handschrift des Gajus überaus häufig nebeneinan-
der Schreibweisen wie :
devere, venignior, und bidere, sibe,
pr ovare, veneficium, bivus, badimoaium,
vervum, vienaium, binum, In I in in.
vona, conn avium, u übet um, bero,
vcstia, salb us, benennt,
(vgl, Gaj. cd. Lachm. Praef. p. 36 /f. l
Dass nun aber in der Thal der B-laul sich erweicht hatte lind
dem V-laul ahnlicher geworden war, nicht etwa der Y-Iaut sich EU
lt verhärtet hatte, lehrt die Vergleichuag der Spiillaleinis« hen und
Italienischen Formen, wie :
Silbanus, /. .V. .MI. vgl. Italien, selva,
iic t aha, /. V. 696. <» ttavo,
j u beni s, /. A. "ism;. gioi l n e,
boluerit. /. V. 3030. \ oglio,
PrimUibo, /. N. 3654. primitivo,
, _ 63 -
bibere, I. 7^. 3137. vivere,
botum, I. N. 3416. voto,
biginti, I. N. 3493. ' venti,
biso, I. N. 3577. vi so,
R e n o b a t u s , I. N. 3893. r i n o v a t o ,
B i ctoria, I. N. 6414. vittoria,
Sebera, I. N. 7153. severa.
Ueberall erscheint hier im Italienischen das ursprüngliche ver-
halten, doch ist auch im Italienischen zuweilen die Absehwächung
des b zu v durchgedrungen wie in lavoro, tavola u. a., eine Ab-
weichung, die schon im dritten Jahrhundert nach Christus begonnen
hat. ]^ur so ist es begreiflich, wenn auf späteren Inschriften neben-
einander sich Perle ctformen finden wie:
laborabit, I. N. 984. laborait, L N. 318.
militabit, L K 2699. 2827. 2848.
6811.
posibit, I. N. 3390.
juvaberit, I. N. 4342.
potabi, I. N. 3090.
In der einen Form ist der V-laut durch den Buchstaben b ge-
schrieben, in der Form laborait erscheint er bereits ausgefal-
len wie in den Italienischen Perfectformen amai, chiamai
u. a.
F.
Dass in der Schrift der Etrusker, Umbrer, Osker der eigen-
thümliche Italische Laut F durch ein eigenes Zeichen 8 ausgedruckt
wurde, während die Lateinische Schrift für denselben das Zeichen
des Aeolischen Digamma verwandte, ist schon in dem Abschnitt
über Alphabet und Schrift erwähnt worden. Vergleicht man:
Lateinisch frango mit Griechisch F $r\yvv\ii,
frigeo, FQtyog,
so könnte man geneigt sein, das Lateinische f für den dem Digamma
genau entsprechenden Laut zu halten. Indessen das Lateinische f
steht ebenso neben dem Griechischen cp in Wörtern wie
fama, neben dem Griechischen cprunfi,
Pari, cpavau,
fero, cpeQco,
— 64 —
fugio, cpvyrj,
f rat er, (pQatQicc
und doch wird der LauUmterschied zwischen Lateinischem f und
Griechischem cp durch bestimmte Aussagen der Alten hervorgeho-
ben. Wenn Cicero einen Griechen aufzog, dass er den ersten
Buchstaben des Namens Fundanius nicht aussprechen könne {Quint.
[, 4, 14), weil er ein Griechisches cp Statteines Lateinischen f aus-
gesprochen hatte, so muss der Unterschied zwischen beiden Lau-
ten sehr hörbar gewesen sein. Quinlilian (XII, 10, 29) findet die
Lateinischen Laute f und u verglichen mit den Griechischen cp und
v plump und rauh und fährt hierauf fort: nam et illa <juae
est sexta nostrarum paene non humana voce, vel
omnino non voce p o t i u s i n t e r d i s c r i m i n a d e n t i u m
efflanda est; quae etiani cum vocalem proxima acci-
pit, quassa q u od am in odo, utique quoties aliquam
consonantem frangit, ut in hoc ipso f f rangit', multo
fit horridior Bestimmter giebt Priseian den Lautunterschied
zwischen Griechischem cp und Lateinischem f an: I, 14. //. rhoe
tan tum scire debemus, quod non fixis la bris est pro-
nuntianda f, quo modo ph, atque hoc solum int eres f.
Wenn bei der Aussprache der labialen Aspirata sich der Hand der
Unterlippe nicht fest gegen den Rand der Oberlippe und der, Ober-
zäbne anschliesst, so dringt zwischen Zahne und Lippen ein stär-
kerer, dickerer Hauch hervor; diese Stellung der Sprachorgane
ist durch Quintilians Ausdruck: inter discrimina denlium
efflanda est, und durch I'iiseians Zeugniss: non fixis labris
est pron unt ianda bezeichnet. Terentius Scaurus (p. 2252 P.)
sagt vom h und f: utraque ut flatus est, und eben wegen
dieses starken Hauches sah ein Theil der Grammatiker das 1 als
einen Halbvokal an (Charts, />. 4. Diom. />. 421. Schneid. Litt. Gr.
I, 215. 266). Auch im Umbiischen isl das hauchende Element
des Lautes f sein" stark hervortretend gewesen (/'//ihr. Sprächet.
th. I, S. 90 f. 101).
Es "ist nun das etymologische Verhältniss des f zu den ent-
sprechenden Lauten in verwandten Sprachen zu erwägen.
Das Lateinische, 1 tmbrische und Oskiscbe f entspricht am
gewöhnlichsten der labialen Media -Aspirata des Sanskrit bh,
aber auch der lingualen d li und der gutturalen gh« Man ver-
gleiche:
— 65 -
Skr. Wz. bhä-,
Lai. fatum
Umbr. f a t o ,
7
Griech. cpuxov,
Lat. fama,
<PWV,
fari,
cpavcu ,
Skr. Wz. bhu-.
Lat. fuerit,
cp va ,
Osk. fust,
i
Umbr. fust,
Skr. Wz. b h a r -
-, Lat. fero,
Umbr. fert u,
Cp £003,
Sab. ferent
er,
Lat. f e r e t r
um,
<p«p£T0a,
f o r s ,
CpOQCC.
Im Lateinischen wird nun das in
lau
tend e f in der Regel
mit Verlust des Hauches zu b. So vei
halten sich :
Skr. tu-bhj am,
Umbr. tefe, Lat.
t i b i ,
und ebenso ist b
aus f entstanden in
sib
u
üb
i,
ali c tibi,
üb
ique,
üb
i c u n q u e ,
Umbr. ife,
ibi
i
ibi
que,
'
ibi
d e m.
Das Suffix Sanskr. -hhjam gesta
ltet
sich in diesen Wortfor-
men Lateinisch zu
-bi für -fi, Umbrisch
zu -
-fe, Griechisch zu -cpi.
Ebenso stehen zu
einander:
*
Skr. pra-bhava
, Umbr. prüfe,
Lat. probe,
(excellens)
Osk. a m p r u f i d
">
i m p r o b e ,
Umbr. tafla-,
tabula-,
p u r t i f e 1 e
i
portabile,
Umbr. alfer,
albis ,
Osk. AI fi us,
A 1 b i u s ,
Osk. Safino-,
S a b i n o - ,
Umbr. trifor,
t r i b u s ,
Osk. am fr et,
a m b i u n t ,
Gr. ä{icpi,
Gr. a^icp co ,
ämbo,
u m b o ,
Gr. oyL(palo$,
u m b i 1 i c u s ,
CORSSEN.
5
— 66 —
Lat. s i f i 1 n m , Prise, s i b i 1 u m.
I, 46. H.
{Vgl. Umbr. Sprächet. AK. I, S. 90 f. u. Glossar. Momms. Unt.
Dial. Gloss.) Ebenso ist das b aus f geschwächt in den Bildun-
gen des Imperfekts durch die Anfügung -baut und des Futurum I
durch das Suffix -ho, insofern diese alte Formen des Imperfekts
und Futurum vom Hiilfsverbum fuo sind, also einmal -fuam,
-fuo lauteten und zum Stumm fu- in demselben Verhältniss stan-
den wie er am, ero zum Stamme es-. Das u nach f fiel in jenen
Formen aus wie das u in savium für suavium u. a. geschwun-
den ist. In der Perfektbildung mit dem Suffix -vi -ui für -fui ist
das f durch den folgenden Halbvokal v zerstört worden, wie das d
von viginti, das g von nives, Formen, von denen oben die Bede
gewesen ist. In den Umbrischen Perfekten wie piha-fei und in
den Oskischen wie aikda-fed hat sieb das f der angefügten Per-
fektform fui (fuei, fuc) der Lautneigung dieser Dialekte gemäss
gehalten, aber das folgende u ausgestossen. Der ganze Stamm des
angefügten Hiilfsverbum fu- bat sieb noch erhalten in der Umbri-
schen Form ambr-c-fu reut, Lat. a mb-i- ve rin t (Umbr.
Sprachd. AK. I, 145).
Üassder labiale Lautbestandtheil des f nur schwach hörbar war,
ergiebl sieb auch daraus, dass er in ComposHen ein n vor sieb dul-
dete wie Lat. eonfern, infero, i n fici o ebenso wie in den Um-
brischen Wertformen an-ferener, an-fehtaf (Cmhr. Sprachd.
AK. 1, S. 90), während sonst Labiale doch vorhergehendes m weh-
ren und vorhergehendes n sieb zu m assimilieren. Haber ist das f
denn auch ganz zum Hauchlaut geworden, nachdem der schwache
labiale Lautbestandtheil desselben geschwanden ist in den schon
nachgewiesenen Formen :
bare na, für läse na. boedus, für foedus,
haba, faba, holus, fölus,
bau ula, tan ula, lioslis, fostis,
hariolus, fariolus, hordus, fordus, u. a.
(Vglp. 48.)
Auch im Inlaut sinkt f bisweilen /um blossen llauehlaut ; so
schon in alter Zeil in :
Lat. mihi, l nihr. in e li e , Sanskr. m a hj a m
verglichen mit :
Lat. tibi, sibi, Umbr. tefe, Sanskr. tubhjam.
— 67 —
Ebenso sind die localen Adverbien von Pronomen und Pronominal-
adjeetiven:
i 1 1 i in , li i n c , ceteroquin, u t r i n s e c n s ,
istim, illinc, alioqnin, in Irin sec ns,
o 1 i in , i s t i n c , extrinsecus,
u t r i m q u e , a 1 1 r i n 's e c u s
entstanden ans vorauszusetzenden Formen illo-fim, isto-fim
n. a., deren Suffix -fim dem Sans kr. -blijani entspricht; das f
verflüchtigte sieh nun zu h, so entstanden die Formen illo-him,
isto-him, das li zwischen Vokalen fiel wie gewöhnlich ans und
so wurde durch Vokalverschmelzung ans illo-im, isto-im:
illliii, i stlm (Zeitschr. für vergl. Sprach/. I, 83. V, 119 — 133).
Ebenso entstanden die Locativformen :
e x i m , i n d e , u n d e ,
e x i n , e x i n d e , a I i c . u n d e ,
dein, deinde, u nqu am,
proin, proinde, nun quam,
]) er i nde ,
su binde ,
durch Zusammensetzung mit ursprünglichen Italischen Locativfor-
men i-fim, cu-fim von den Pronominalstämmen i- und cu-
(qiio-), indem das f erst zu h sank, das h schwand und die sieh
berührenden Vokale verschmolzen. Auch das Oskische besitzt
ebenso entstandene locativische Adverbien [a. (f. />. 124/".).
Seltener ist Italisches f entstanden aus lingualer Media -Aspi-
rata dh; so entwickelte sich:
aus Sanskr. rudhira, Gr. iQv&Qog, Umbr.mfra,
ro fu,
Lat. rutilus, Lat. Rufas, ruber,
Sanskr. in a d h j a , Lat. m e d i a , Osk. m e f i a i ,
Umbr. mefa,
(Umbr. Sprachd. AK. Unt. Dial. M. Gloss.) und daher entspricht
Lateinisches f bisweilen Griechischem #; so in:
Gr. ftvQct , Lat. fores ,
&riQ , fera.
Nachdem die linguale Aspirata auf Italischem Sprachboden in
die labiale umgelautet war, ward diese im Lateinischen ebenfalls
zu b in ruber (vgl. G. Curtius Zeitschr. für vergl. Sprach f.
II, 333).
5*
— 68 —
Das Italische f ist also jedenfalls ursprünglich aspirierte Media
bh gewesen, der Hauch dieser Media -Aspirata trat aber in der
Aussprache so stark hervor, dass das f einem Hauchlaute ähnlich
wurde ; daher verflüchtigte sich auch sein labialer ßestandtheil
im Anlaut und im Inlaut ganz, so dass oft bloss der Hauchlaut h
übrig blieb. Im Inlaut Lateinischer Wörter schwand aber andrer-
seits auch der Hauchlaut des f , so dass der blosse Labiale b übrig
blieb. So verhält sich Lat. mihi zu tibi, indem jene Form von
"dem ursprünglichen f des Suffixes, das sich noch im Umbrischen
tefe zeigt, den Hauchlaut, die zweite den Lippenlaut gewahrt hat.
Wenn die Griechen bei der Uebertragung Lateinischer Wörter
in ihre Schrift das f durch <p ausdrückten, also:
c&dßiog, (PoQTOVva , $ouptog, 7iovrt(pLX ag , cpEQiQs
u. a. schrieben, so folgt daraus weiter nichts, als dass sie denjenigen
Buchstaben zur Bezeichnung des Lateinischen Lautes verwandten,
der den unter ihren einheimischen Consonanten dem Lateinischen f
noch immer am ähnlichsten klingenden Laut bezeichnete. Seitdem
die Aspiration Griechischer Wörter im Lateinischen nachgeahmt
wurde, also seit Cieero's Zeit , wird für Griechisches (p in Lateini-
scher Schrift ph geschrieben, nicht f. Erst auf Inschriften der
späteren und spätesten Kaiserzeit wird der Lateinische Buchstabe f
zur Bezeichnung des cp in Griechischen Wörtern und Namen ver-
wandt. So linden sich geschrieben:
Symferusa,/. tf. 679. t#/. 7223. Filoxeno, /. .V. 3349.
Sofanisi, /. .V. 844. Filargirus, /. V. :üis;>.
triumfatoris, /. V. 2498. Neofito, /. \. 5469. n/l.l'lX\.
Naofylace, /. N. 270(1. dendroforo, /. N.. 5639. 5596.
Filete, /. N. 270(>. 551)7.
Afrodisia, /. V. 2936. Epafrodito, /. .V. (IUI.
Afrodisus, /. V. (iS4:i. N e n „ t i I u s, /. V 7221.
Afrodite, I. N. 2985. sarcofago, Gr. 1060, l.
Filodespoto, /. X. 3097 l».
Dieselbe Schreibweise zeigt die Veroneser Gaiushandschrifl in
elefantes, chirografis, syngrafis. Es offenbart sich aber
in derselben eine Abstumpfung des Lautgefühles und Sprachbewusst-
seins. Der Lautiinlersehied zwischen f und cp verwischte sich in
der spateren Volkssprache, wie nach Erweichung von l> sich der
Unterschied zwischen b und v verdunkelte, hie spateren Gramma-
tiker fühlten den Lautiinterschied zwischen Lat. I und Griech. p
— 69 —
noch heraus, nachdem sie durch Cicero, Quintilian und ältere Gram-
matiker darauf hingewiesen waren.
■©'
Linguale.
T.
Dass der Buchstabe t im Lateinischen ursprünglich denselben
Laut der lingualen Tenuis bezeichnet wie in den verwandten Spra-
chen, ist nicht zu bezweifeln. In der Untersuchung über die guttu-
rale Tenuis c ist indessen nachgewiesen, dass t vor i mit folgendem
Vokal schon in der Bliithezeit der Römischen Litteratur assibiliert
worden ist, und in der spätlateinischen Volkssprache wie z klang.
Dass das t im Inlaut, mochte es assibiliert sein oder nicht, einen
scharfen festen Ton hatte, zeigt das Schwanken der Schreibart zwi-
schen t und tt in den auf Inschriften vorkommenden Namen wie:
A t i l i u s , neben A 1 1 i 1 i a , M e t i u s , neben M e 1 1 i a ,
H a t e r i u s , Hatterius, S u e t i u s , S u e 1 1 i a ,
Velulenus, Vettulenus, Tatius, Tattia,
Atiedi us, Attiedius, Tel ins, Tettius,
B r u t i u s , B r u 1 1 i u s , V e t i u s , V e 1 1 i u s ,
L u t i u s , L u 1 1 i a , Statins, S t a 1 1 i s
{vgl. Momms. Inscr. Regn. Neapol, Ind.).
Ebenso schwanken in den ältesten Handschriften die Schreib-
weisen zwischen :
o b 1 i t e r a t u in , Gaj. 1 i 1 1 e r a s , Gaj.
oblitteratus, Gaj.
cotidie, Plaut. cottidianus, Gaj., vgl. I. R.
cotidianus, Plaut. N. 6828.
Atius, Verg. Alt ins, Verg.
q u a t u o r , Gaj. q u a 1 I u o r , Plaut. Verg.
Die bekannte Assimilation und der Wegfall des t vor folgendem
s in Formen wie:
qua ss us, fassus, missus, usus, misi,
fons, mens, pars, sors, Sarsinas, Quirisu. a.
giebt für die Aussprache des t keine weiteren Aufschlüsse.
. Dass das t im Auslaut einen schwächeren Ton hatte als im An-
laut und Inlaut, dafür spricht schon seine Erweichung zu d an je-
ner Stelle der Wortformen , von der bei der Erörterung über d die
Rede sein wird. Ein wichtiger Beweis dafür ist nun aber die Ab-
— 70 —
werfung des Personalzeichens der dritten Person t im Auslaut von
Verbalformen auf Italischem Sprachhoden wie im Griechischen.
Dieses t ist schon im Alt lateinischen abgefallen in den Formen :
dede, /. Pisaur. Pitschl, fictil Latin, p. 27.
dedro, /. Pisaur. iWa/fei, Mus. Veron. 470, 7.
dederi, Or. 143,3.
censuere, /. N. 715. 716.
Die Formen der dritten Person Pluralis, welche die Endung
-nt abgeworfen haben und dann das auslautende o (u) zu e
schwächten, halten sich auch in der Bliithezeit der Sprache und
finden sich bei den besten Prosaikern wie bei den Dichtern. In
der späteren Lateinischen Volkssprache tritt der Abfall des aus-
lautenden t der dritten Person Singularis und Pluralis wieder her-
vor. So linden sich auf Christlichen Inschriften die Formen des
Singularis :
vixse, Fleetw. S. I. Mm. Christ. 366, 4.
fece , a. 0. 455, 4.
quiesce, Steiner, Altchrisll. In sehr. 56.
und ebenso finden sich auf Inschriften der spätesten Zeit dir For-
men der dritten Person Pluralis:
fecerun, /. N. 2658.
quiescun, /. N. 3528.
Ebenso wie bei den Römern fiel das auslautende t der Verbal-
formen im Munde der Umbrer leicht ab. So in den Formen der
dritten Person Singularis wie:
Umbr. habe, LaL ha bei ,
facia, faciat,
fuia, fuat,
portal a, porl et ,
si , sit,
benus , für benust, \ e uerit ,
fus , fust , fuer ii ,
covortus, co Vor tust, con verteilt
und in den Formen der dritten Person Pluralis wie:
Umhr. COYOrtusO, Lot. con verlern ul ,
benuso , \ e ne in n t ,
Formen welche die Endung -ni abwarfen wie die Altlateinische
dedro. {Umhr. Spruclui. AM. I. 82, I 13 I 16.)
— 71 -
Im Volskischen Dialekt findet sich der Abfall des auslautenden
t der dritten Person Singularis in:
Volsk. f a s i a , Urnbr. f a c i a , Lot. f a c i a t
(Momms. Unt. Dial. T. XIV, p. 324).
Hier zeigt sich also, wie die Romanischen Sprachen schon von
ihrer gemeinsamen Muttersprache und deren Schwestern den Abfall
des auslautenden Personalzeichens t ererbt bähen. Der Altlateini-
schen Form dede entspricht die Italienische diede, den Spat-
lateinischen vixse, fecedie Italienischen risse, fece, den Um-
brischen und Volskischen Conjunetiv formen facia, fasia, habia
die Italienischen faccia, abbia u. a., die Spätlateinischen Plural-
formen fecerun, quiescun sind durch angefügtes o fortgebildet
in den Italienischen Pluralformen dicono, amano, amarono,
crederono, die Altlateinische Pluralform dedro findet ihr Eben-
bild in den Italienischen diedero, stetlero, fecero.
Wie in diesen Verbalformen, so fiel auslautendes t ab in der
Plautinischen Form :
hau für haut , band,
von denen noch einmal die Rede sein wird {vgl. Rhein. Mus. VII,
593. VIII, 155. N. Jahrb. LX, 253).
Aus diesem sprachgeschichtlich wichtigen Abfall des auslau-
tenden t in der Altlateinischen wie in der Spätlateinischen Sprache
ergiebt sich, dass die linguale Tenuis im Auslaut einen matteren und
dumpferen Ton gehabt haben muss als im Anlaut und Inlaut, wie in
den deutschen Wörtern t ö d t e t , I h a I e I , t r ö s t e I das auslau-
tende t viel schwacher lautet als das anlautende und inlautende.
D.
Die linguale Media ist nicht an allen Stellen des Wortes gleich
ausgesprochen worden, sondern klang im Auslaut der Worter
quid, q u o d , i d , i s t u d , i 1 1 u d , a 1 i u d , a d , a p u d , s e d , h a u d
nach Quintilians Zeugniss (XII, 10, 32) harter, also der Tenuis t
ähnlicher. Wenn Ouintilian (I, 7, 5) die Conjunction at, die Prä-
position ad schreiben will, wenn andere Grammatiker vorschreiben,
man solle zur Unterscheidung der Bedeutung die neutralen Prono-
minalformen id, quid, quod mit d schreiben zum Unterschiede
von it (eo), quit (queo), quot (tot), und wenn sie uneinig
sind, ob aput, set, haut, oder apud, sed, band zu schreiben
sei (Schneid. Lat. Gr. I, 252), so zeigt sich, dass das Römische Ohr
und die Römische Zunge auslautendes t und d nicht sicher schied.
— 72 —
Dieses Schwanken der Schreibweise findet sich schon auf Vor-
augusteischen Inschriften ebenso wie auf späteren; so:
aput, /. Iul. munic. I. N. 6034. neben apud, Cen.Pis.Or.642.
Or. 4859.
at (Präp.), /. N. 6058. adque, a.O.I.NMU.
quit, /. Rom. Nenzen. 6086. quid, Henz. a. 0.
it, I. N. 6828. Henz. a. 0. id.
Die ältesten Handschriften zeigen ein ähnliches Schwanken.
So findet sich in den besten Virgilhandschriften nebeneinander:
aput, apud, aliut, aliud,
at, ad, illut, illud,
haut, haud, quot, quod,
set, " sed, aliquit, aliquid,
atque, adque, quotque, quodque,
quit, quid, quotannis, quodannis.
quit quit, quidquid,
Ebenso finden sich in den Plaut US- ttpd (iatushandschriften :
aliut, und aliud,
illut, illud,
it, id,
quit, quid,
und andere Handschriften zeigen ein ähnliches Schwanken der
Schreibweise.
Daraus erhellt die Thatsache, dass seil der Blüthezeil der Rö-
rnischen Litteratur bis zu Ende des Römischen Reiches das aus-
lautende d einen halten dem t ähnlichen Laut balle. Betrachtet
man die vorstehenden Wortformen etymologisch, so ist in den neu-
tralen Formen der Pronomina und Pronominaladjectiva quid,
quod, id, istud, illud, aliud und allen von diesen ;il»iielei-
teten das l das ursprüngliche, wie sich daraus ergiebt, dass im
Sanskrit an der Stelle desselben in neutralen Pronominalformen I
sich findet, so dass zum Beispiel dem Lateinischen quod, quot
Sanskrit kat entspricht; eben dasselbe beweist fiir das Lateini-
sche at, ad (Präpos.) das Sanskr. ali. Die Erweichung eines ur-
sprünglich auslautenden i zu d fand auch statt in den Altlateini-
schen aufd auslautenden Ablativformen, die in den ältesten Sprach-
denkmälern vorkommen :
Hinnad, lil. Claud. Bullet. <l. inst. 1S45. />. 17.
praidad, lil. Für, Momms. U. D. />. 276.
— 73 —
sententiad, Sc. d. Bacc.
ext rad, a. 0.
s u p r a d , a. 0.
ead, a. 0.
Troiad, Naev. Bell Pun. v. 8. V.
su ad, Fest. p. 351.
oquoltod, Sc. d. Bacc.
p o p I i c o d , a. 0.
preivatod, a. 0.
meritod, Bitschi, fictil. Latin, ant. p. 27.
Gnaivod, t. Scip. Barb.
molticatod, Or. 3147.
Beneventod, Momms. Unt. Dial. S. 203.
Ladinod, a. 0.
(|iiod, /. de ponderib. Fest. v. publica pondera, p. 246.
airid, Momms. Unt. D. S. 366.
coventionid, Sc. d. Bacc.
senatud, /. N. 715. (
Die Wiederhersteller der Columna Rostrata haben daher nach
dem Vorhilde des Originales und anderer alten Schriftdenkmäler
geschrieben:
p u c n a n d od , a 1 1 o d , m a r i d , d i c t a I . o r e d , n a v a 1 e d
{vgl. Inscr. q. /*. Col. Bostr. Duell, ad /id. Marmor. Capilol. Com-
mentari p. \. Bitschi. Tab.); man muss also diese Formen als
wirklich alte Ablalivformen ansehen.
Das Oskische wahrte das auslautende d des Ablativs regel-
mässig, zum Beispiel in:
Osk. s u v a d , Lal. s u a , Osk. m a lud, Lat. m a 1 o ,
e n t r a d , extra, p r e i v a t u d , p r i v a t o ,
m o i n i k a (I , c o m - m u n i , 1 i g u d , lege,
toutad, (dem Sinnenach praesen tid, praesente,
civitate),
contrud, contro, castrid, Castro
aragetud, argento, u. a.
dolud, dolo, {Momms. Unt. Dial. p. 228. 230.)
In dem Abschnitt über Vokalkürzung wird davon die Rede
sein, dass auch aput oder a pud, s et oder s cd, red,postid-,
antid-, med, ted, sed, -met, prod- Ablativformen sind, die
sich bis in spätere Zeiten gehalten haben. Dass das Ablativ-
— 74 —
zeichen im Lateinischen und Oskischen aus älterem t entstanden
ist, beweist das Sanskrit, das in der entsprechenden Ablativform
ein t zeigt {Bopp, vergL Gramm. S. 209/*.).
Das so aus t erweichte auslautende d des Ablativs ist indessen
schon in der frühsten Sprachperiode, aus der wir urkundliche
Schriftdenkmäler besitzen, in der Zeit der Punischen Kriege im
Schwinden begriffen. Das zeigen Ablativformen auf den ältesten
Inschriften wie:
mereto , /. N. 5567.
aire, Or. 3147, neben molticatod,
patre, l. Scip. Barb. neben Gnaivod,
promagistratuo, Sc. d. Bacc.
agro, a. 0. neben den angeführten auf d auslautenden.
In der Zeit vom Syrischen Kriege bis zu den Gracchen scheint
das d für gewohnlich verschwunden zu sein. Daher finden sich
auf Inschriften dieses Zeitalters nur Ablativlormen wie:
corde sovo, tit. sep. Or. 4848.
sermone lepido, a. 0.
ince ssu com modo, a. 0.
re sua afleicta, Epigr. Sor. I. B. N. 4495. cf. Bitschi.
M<m. epigr. Irin. Tab.
voto soluto , a. 0.
deciima f a c t a p o 1 o u c t a , a. 0.
mereto, a. 0.
crebro, a. 0.
aetate parva, t. Scip. Cn. f. Cn. ti. Or. 555.
honore, a. 0.
vir tut ei, a. 0.
Ein aus I entstandenes d ist im Lateinischen regelmassig ab-
gefallen in den Imperativformen wie:
esto, neben den Oskisehen Formen estud,
agito, actud,
facito, In <!ud,
liceto u. a. licitud u. a.
(Kirchhof, Stadirecht r. Baniia S. 79).
Der Oskischen Endung -lud, der Lateinischen -lo entspricht
im Sanskrit -täl , also auch hier erweichte sich auslautendes
pronominales I einer Vcrhalloi m auf llalisehem Spraohhoden EU d
und dieses d liel im Lateinischen ab. Im vorigen Abschnitt isl
- 75 —
vom Abfall des auslautenden t der Verbalformen dritter Person die
Rede gewesen; dass dem Abfall dieses t eine Erweichung zu d
vorherging, zeigen Lateinische und Oskische Formen.
So die Lateinischen : die Oskischen :
f e cid, eist. Praenest. Momms. f e f a c i d ,
U. D. p. 283. 29. hipid,
exe ad, /. N. 2779. pru hipid,
fuid
{Kirehh. a. 0. 'Momms. Unt. D. Gloss.).
Auch von den drei Formen haut , haud, hau wird man hier-
nach ha ut als die älteste anzusehen haben, wenn auch der Sprach-
gebrauch sich dahin entschied hau vor Lingualen und Labialen,
haut vor Vokalen und Gutturalen zu schreiben {vgl. Ritschi, Proll.
Trin. p. 99 f. Rhein. Mus. VIII, 155. Or. 4848. Fleckeisen, N.
Jahrb. LX , 253).
Aus den vorstehenden sprachlichen Thatsachen ergiebt sich
also, dass auslautendes d in Lateinischen und Italischen Wortfor-
men nicht ursprünglich war sondern sich aus Voritalischem t er-
weicht hat. Diese Erweichung ist nicht völlig durchgedrungen in
allen den Wortformen, wo die Schreibweise zwischen d und t
schwankte, wie in den neutralen Pronominalformen id, quid,
quod, il lud, istud, in den ablativischen Formen wie sed,
apud, ferner in band, ad u.a.; sie ist durchgedrungen in den
Altlateinischen Ablativ formen, die auf d auslauten, sie ging dem
Abfall des Personalzeichens t in allen Verbalformen voraus. In der
Blüthezeit der Lateinischen Sprache ist auslautendes d als Flexions-
zeichen bis auf wenige Ausnahmen verschwunden ; dieses d muss
also einen schwachen dumpfen Laut gehabt haben. Was Quintilian
als härteren D-laut auffasste im Auslaut von id quid apud
sed u. a., das war noch der ursprüngliche T-laut dieser Formen,
der ja auch noch so bezeichnet wurde. Der weichere dumpfere
Ton des auslautenden t war Schuld daran, dass il (eo) und id
(is), quit (queo) und quid (quis) im Klang nicht unterschie-
den wurden, wie in der neuhochdeutschen Aussprache von Wörtern
wie Pferd, Pfad, Kleid und Schwert, Stat, Zeit ein Unter-
schied der auslautenden Consonanten nicht mehr hörbar ist.
Auch im Inlaut Lateinischer Wörter tritt ein Schwanken in der
Aussprache und Schreibweise bisweilen hervor, namentlich vor r
und nach n.
— 76 —
So las Quintilian in alten Inschriften 1, 6, 30:
AI ex anter für 'jäXeZccvÖQog,
Cassantra, KuG ccvöqcc.
Ebenso stehen neben einander:
Triquetra, Quinl. I, 4, 16, Triquedra,
quatuor, quadratus,
quatriduo, quadraginta,
mentiri, mendax.
Oben ist davon die Rede gewesen, dass die gutturale Tennis c
eine Zeit lang mit der gutturalen Media g fast gleich geklungen,
dass die Romer für Griechisches % in Wörtern wie Burrus
buxus u. a. b sprachen; wenn nun in vorstehenden Wortformen
sich auch ein Schwanken zwischen d und t zeigt, so tnuss man
daraus schliessen, dass die Romer für die Unterscheidung der Me-
dia und Tenuis in älterer Zeit eben kein feines Ohr hatten. Das
halten auch ihre Nachbarn die Etrusker nicht, daher ging ihrem Al-
phabet ein Schrift zeichen für die linguale und labiale Media ver-
loren. Wie dem Munde und dem Ohre eines Volkes die Unter-
scheidung zwischen Media und Tennis abhanden kommen kann,
zeigt heut zu Tage recht deutlich die Sprache des Obersachsich-
Thüringischen Volksstammes. Indessen ist die Unterscheidung des
d und t im Anlaut und Inlaut «loch in der Blüthezeil der Lateini-
schen Sprache und Litteratur wieder vollständig hergestellt.
Per Uebergang des d in 1 und r im Anlaul und Inlaut ist für
die Aussprache dieser Laute von mehr Bedeutung als für das d,
wird daher bei der Behandlung dieser Buchstaben zur Sprache kom-
men. Die Natur der beiden Zungenlaute brachte es mit sieh, dass
die linguale Media d sich einem vorhergehenden lingualen n leicht
assimilierte in Wortern wie:
grunnio, für grundio, Uiomed. />. 'M9. 367.
dispennile, dispendite, Plaut. Mtl. 1107.
distennitc, distendite, <t. 0.
lennitur, tendilur, Donqi. Ter. Phorm. II, 2, 16. .
Ebenso ward im Oskischen:
op sann am aus opsandam, Afomms. I . D. p. 307,
und entspricht dem Lateinischen aperandam,' welches das s ron
opus zu r sinken liess, wahrend das Oskische den Vokal des Suf-
fixes ausstiess.
— 77 —
Im Umbrischen sind die Formen :
p a n e , Lat. quamde, a n f e r e n e r , Lat. c i r c u m f e r e n d i ,
panupei, quandoque, pihaner, piandi
durch die Mittelformen panne, pannupei, anferenner, pi-
hanner ans pande, pandupei, anferender, pihander
entstanden (Umbr. Sprachd. I, 1 60 /*. 147.). Für die Aussprache
des d und n bietet indessen diese Assimilation keinen neuen Auf-
sehluss.
Die Zerstörung des anlautenden d in Wörtern wie bellum,
bis, bonus, viginti durch den folgenden Halbvokal v wie in den
Götternamen Jovis, Janus durch folgendes j ist schon oben be-
sprochen worden (p. 58 f.).
Wie die Tenuis c und t, die Media g, so erlitt nun auch die
Media d unter gleichen lautlichen Einwirkungen Assibilation. Ser-
vius sagt zur Erklärung der Aussprache des Landnamens Media,
Verg. Georg. II, 216: di sine sibilo proferenda est; Grae-
cum enim nomen est, et Media provincia est. Aus diesen
Worten ergiebt sich unzweifelhaft, dass das Lateinische Wort me-
dia in der späteren Volkssprache schon mit assibiliertem d, also
ähnlich wie Italienisch mezza gesprochen worden ist, ja dass über-
haupt d i vor folgendem Vokal damals in Lateinischen Wörtern
schon assibiliert lautete. Senilis Zeugniss ist um so sicherer, als
es dem Zeugen unabsichtlich nur so nebenher entfallen ist.
So erklären sich die von Schneider {Lat. Gramm. 1, 386) aus
Handschriften der spätesten Lateinischen Schriftsteller wie der
Scriptores historiae Augustae und des Ammianus Marcellinus oder
der Kirchenschriftsteller wie Lactantius, Orosius und Isidorus zu-
sammengestellten Schreibweisen :
zeta, für diaeta, zaconus, für diac onus,
zabolus, diabolus, zanium, Dianium.
z a b u 1 n s ,
Diese zeigen, dass das anlautende d durch ein zu j verhärtetes i
mit folgendem Vokal so assibiliert ward, dass es wie z klang. Aehn-
lich entstand im Oskischen ziculud im Vergleich zum Lateini-
schen dieculo (AK. Umbr. Sprachd. I, p. 107) und im Griechi-
schen £«, xaQ^cc , Zovvv^og aus dta, xagdCa, zIlovv-
öog. Daher wurde auch Griechisches £ in jenem Zeitalter gele-
gentlich durch die Buchstaben di ausgedrückt. So werden aus den
Handschriften eben jener Schriftsteller angeführt:
78 —
obridia, für oßQv£a,
glycyrridia, ykvxvQQi^a,
g a r g a r i d i a r e , yaQyaQi^Etv ,
catomidiare, xara^ii^siv
(Schneid, a. 0. p. 385).
Vgl. Medientius, Verg. Cod. Pal: M e z e n t i u s ,
A m a d i o n e s , Amazone« (vgl. 0. Ribbek,
Rhein. Mus. XII; 419/".).
Sollte selbst eine otjer die andere der von den alteren Heraus-
gebern der oben genannten Schriftsteller verbürgten Lesarten die-
ser Art durch spätere handschriftliche Forschungen nicht bestätigt
werden, Servius Ausspruch beweist, dass diese Schreibweisen nicht
zufällig waren. Dass zu Anfang des siebenten Jahrhunderts diese
Assibilation eine vollendete Thatsache war, beweisen die Worte des
Bischofs Isidorus, Orig. II, 9. p. 627 (Lind.): Mosizicia quasi
m o d i c i a , u n d e e t m o d i c u m , z pro d, s i c u t s o 1 e n t 1 1 a 1 i
dicere hozic pro ho die. So entstanden also die Italienischen
Wortfonnen orzo, mezzo, pranzo, razzo u. a. aus den Latei-
nischen hordeuin, medium, prandium, radium durch die
schon auf dem Boden der Spätlateinischen Volkssprache entstandene
Assibilation des d durch ein aus i oder e verhärtetes j.
Sprachgeschichtlich merkwürdig ist das Ergebniss dieser Un-
tersuchungen, dass die Tenues diese Assibilation durch ,j mit fol-
gendem Vokal in einer viel früheren Sprachperiode erlitten als die
Mediae. Der Grund dafür scheint darin zu liegen, dass die scharfen
Laute c und t zu dein Zischlaute s in näherer Verwandtschaft ste-
hen wie die weichen g und d, also durch den Einfluss des dem
Zischlaut verwandten und daher leicbl selbst zu einem assibilierten
Laute entartenden llalhvokales j vor folgendem Vokal, leichler von
der Natur des Zischlautes S angesteckt werden als die weichen
Laute g und d, die sich mit s so schlecht vertragen, dass sie vor
demselben sich zur Tennis assimilieren müssen oder hinausgewor-
fen werden.
L i (| n i d e.
Dass das I nicht an allen Stellen und in jeder Lautverbindung
des Wortes gleich ausgesprochen wurde, wissen wir aus dem Zeug-
nisse des Plinius, Prise. I, 38. H.: L triplicem, ut Plinio vi-
— 79 -
d'etur, sonum habet: ex i lern, quando geminatur se-
cundoloco p o s i t a u t c i 1 1 e , M e t e 1 1 u s ' , plenum, quando
fruit noniina vel syllabas, et quando aliquam habet
ante se eadem syllaba consonantem, ut e s o 1 , silva, f 1 a -
vus, clarus', medium in aliis ut f lectum , lectus '. Den
vollsten Ton hatte 1 also einmal im Auslaute der Wörter wie sal,
fei, mel, consul, vigil, daher fiel es an dieser Stelle des Wor-
tes, wo doch sonst die Lateinischen Consonanten in Folge der Tief-
tonigkcit der Endsilben am schwächsten tönen und am leichtesten
schwinden, niemals ab. Denselben vollen Ton hatte 1 aber auch
im Inlaut der Wörter, und zwar einmal nach anlautender Muta wie
in clarus, gloria, plenus, pluo, flavus. Diesem vollen
Tone ist es wohl zuzuschreiben, wenn es vorhergehendes c, t und
s I abstiess in:
1 a c t i s , neben yccAaxTog, latus, für 1 1 a t u s (tolatus),
1 a m e n t u m , c 1 ama r e , 1 i t e in , s 1 1 i t e m , Fest.p. 3 1 3.
314.
locum, stlocum, Quint. I,
4, 16.
Aus demselben Grunde weil der volle Ton des 1 mit vorher-
gehender Muta dem Römischen Munde im Anlaute nicht bequem
war, erscheint im Lateinischen das 1 durch zwischenstehenden Vo-
kal von der vorhergehenden Muta gelrennt, wahrend es im Griechi-
schen derselben unmittelbar folgt in :
d u 1 c i s , neben yivxvg, für d Xvxvg (Ahrens , d. dhtl. Aeol.
P- 73),
pulmo, Ttvsviiav,
s c a 1 p o , ykäcpca,
sculpo, yXvcpco,
anderer unsicherer Beispiele nicht zu gedenken {vgl. Dietrich, de
Hilerarum in lingua Laiina transpositione p. 14 /.). Ebenso voll
klang das l aber auch am Ende der Silben vor folgendem Consonan-
ten in Wörtern wie albus, p nie her, algeo, fulgeo, pulmo,
fulmen, alvus, ulva, silva. Die Betrachtung der Formen wie
periclum, vinclum, templumü. a. in dem Abschnitte über
die Vokalausstossung wird ergeben, dass das volltönende I an dieser
Wortstelle einen dem u ähnlichen vokalischen Beiklang hatte, so
dass ein stummes u hörbar blieb, auch wenn u in jenen Wörtern
nicht geschrieben wurde. Dieser dumpfe, vokalische, U-artige Bei-
— 80 —
klang des 1 hat in einer Tochtersprache des Lateinischen das eon-
sonantisehe Element des 1 so überwogen, dass der ganze Laut in u
übergegangen ist. So ist im Französischen au, aux entstanden
aus al, als für ad illum, ad illos, chevaux, gen er aux,
cheveux aus chevals, gen er als, che v eis für caballos,
generales, ca pillos u. a. und auch in anderen neueren Spra-
chen findet sich Aehnliches.
Einen leichteren Ton hatte 1 nach Plinius Angabe im Anlaut,
wie in latere, laetari, lectus, lotus, lutus u. a., und im In-
laut zwischen Vokalen und Wortern wie t a 1 i s , fidelis, facilis,
hos tili s. An dieser Stelle des Wortes klang das mit der Zunge
leicht angeschlagene 1 dem r ähnlich und wechselt daher im Inlaut
mit diesem innerhalb der Lateinischen Sprache. Pott hat nach-
gewiesen (Etymolog. Forsch. II, 97), dass die Suffixe -ali und -ari
ein und dasselbe sind, dass die Sprache um den Gleiehklang zweier
aufeinander folgender r oder I zu vermeiden, die Gestalt -ari
wählte, wenn der Wortstainm auf I auslautete, -ali, wenn derselbe
auf r ausging. Man vergleiche:
australis, Laralis, neben vallaris, proeliaris,
r u r a 1 i s , litoralis, s t e 1 1 a r i s , S a l i a r i s ,
muralis, lustralis, solaris, Apollinaris,
decemviralis, sepulcralis, collaris, saecularis,
corporalis, fulguralis, talaris, regularis,
er ur a 1 i s } f 1 o r a 1 i s , a I a r i s , e p u I a r i s ,
ventralis, Borealis, capillaris, articularis,
pectoralis, Cerealis, pugillaris, canicularis,
überaus, solearis, m axillaris, naricolaris.
lateralis ,
Ebenso findet sich das Sul'lix -ali neben -ari in ro sa I i Im s . /. \
212. neben rosaria, /. ff. V. 3571.
Aus demselben Bestrebender Dissimilation entstand:
caeruleus, aus eaeluleus, von caelum,
Parilia, Palilia , Pales.
hie Dissimilation in dem letzteren Worte gab zu der irrthüm-
licben Ableitung des Festnamens der alten Hirtengottheil Pales
von pario Anlass und führte die Mytbologen idter die Bedeutung
des alten Hirtenfestes irre. Wo das Bestreben der Dissimilation
nicht statt fand, linden sieh die Suffixgestaltungen -ali und -ari
- 81 —
völlig gleichbedeutend nebeneinander. Dass dem Lateinischen 1 in
verwandten Sprachen ein r zur Seite stehen konnte, wirft auf die
Aussprache des Lateinischen 1 kein Licht. Weil das 1 im Anlaut
und im Inlaut zwischen Vokalen nur leicht mit der Zunge an-
geschlagen wurde, so wechselt es auch an diesen Wortstellen mit
dem Zungenlaut d. So ist 1 aus d entstanden im Anlaut von :
I a er i m a , für d a c r i m a , Liv. Andron. Fest. p. 68. Mar. Victor.
p. 2470. Griech. däxQva.
1 e v i r , tfß'F^,
1 a u t i a , d a u t i a , Fest. p. 08.
Nach Aufrecht (Umbr. Sprachd. J, 86. An?n.) stammt dautia
von Sanskr. dfitä, Bote, (ie sandte;
lingua, dingua, Goth. luggo, Ahd. zunga;
im Inlaut von :
olere, vgl. odor, Griech. odeodec,
olfacere, odefacit, Fest. p. 178.
olefacere.
In cassilam, das Verrius Flaccus (Fest. p. 48) bei alten
Schriftstellern für cassidem fand, ist wohl ein anderes Suffix an-
zunehmen wie in c a s s i d e m.
impelimenla , Fes/, p. 108. impedimenta.
Hingegen ist d aus 1 geworden in:
cadamitas, für calamitas, Mar. Victor, p. 2456.
Capitodium, Capitolium, a. 0. p. 2470.
Den schwächsten Ton hat nach Plinius Angabe das zweite 1 ge-
habt, wo sich im Inlaut der Wörter 11 fand. Daher war 1 und 11 in
der That so wenig von einander unterschieden, dass zwischen bei-
den Schreibweisen ein haltloses Schwanken statt findet ■ Nach dem
zuverlässigen Text von Mommsens Neapolitanischen Inschriften fin-
den sich nebeneinander die Schreibweisen der Namen:
A m u 1 i u s und A m u 1 1 i u s , 0 f i 1 i u s und 0 f i 1 1 i u s ,
Aq uili us
A q u i 1 1 i u s ,
Olius
Ollius,
A u r e 1 i u s
A u r e 1 1 i u s ,
Petilia
Petillius,
B a b u 1 i u s
B a b u 1 1 i a ,
Popilia
Popillius,
C a e r e 1 i a
Ca er elli us,
Sicilia •
Sicillius,
Figelia
Figellius,
Silius
Sillius,
Folia
Follia,
Spelius
S p e 1 1 i u s
L a 1 i u s
L a 1 1 i u s ,
Suilia
Suilli us,
{vgl. Momms. Inscr. Regn. Neap. Ind.).
COKSSEN.
— 82 —
Mnn vergleiche hierzu die nach den schon mehrfach erwähnteis
ältesten Handschriften schwankende Schreibweise:
mille, Plaut. Verg. mile, Verg. Gaj. vgl. milliaria, Or.
Henz. 5442. 5456.
m i 1 1 i a , Verg. m i 1 i a , Plaut. Verg.
Allerdings erscheint die Schreibweise mille und milia als die
gewöhnlichere (Lachm.Lucr. p. 33); aber die Schreibart millia ist
deshalb ebensowenig falsch zu nennen wie das II in den vorstehen-
den Namen. Da .i mit folgendem Vokal häufig seinem Ursprung
nach halbvokalisch war, da es in der späteren Lateinischen Volks-
sprache j gesprochen wurde und als solches, wie gezeigt ist, die as-
sibilierende Kraft auf vorhergehende Gutturale und Linguale geübt
hat, so blieb von zwei 1 das zweite schwach lautende vor dem halb-
vokalischen Laut j nur so schwach hörbar, dass die Lautverbin-
dungen Uio, llia und lio, lia nicht genau geschieden wurden,
sondern beide wie ljo, lja lauteten und nun bald mit einem bald
mit zwei 1 geschrieben wurden. Daher gestaltete sich im Italieni-
schen der Schreibgebrauch so, dass man vor halbconsonantischem
i oder j mit folgendem Vokal nur ein 1 schrieb in mila für milja,
milione u. a., hingegen sonst zwei 1 in mille, millenario u. a.
Aus demselben Grunde schrieb man schon im Lateinischen Kleist
in i 1 1 e , aber daneben mili a.
Dieser lautliehe Hergang wird noch einbuchtender, wenn man
erwägt, dass schon in sehr alter Zeit ein halbvokalis« lies i oder j in
Lateinischen Verbalformen sogar soweit zum Consonanlen verhärtet ist,
dass es sich zu vorhergehendem 1 assimilierte. So sind Lateinisch:
percello, neben perculi, entstanden aus per celj o,
pello,* pepuli, peljo,
tollo, leluli, toljo,
wie Griechisch :
GtaXXa, neben (Tro/los', entstanden austfrfAjo,
/if'AAcu, jifAjü,
in dem das Suffix, mit demdiese Verba gebildet sind, ursprünglich -ja
war [vgl. C. ( 'urtius Tempora u. Modi S. ü2. Jahns ./<////•//. L\ VI 1 1, 360).
Aber auch vor anderen Lauten als dem lialhvokalisrhen i be-
thätigt sich die zwischen 1 und II schwankende Schreibweise nun
Aussprache darin, dass sich nur ein 1 geschrieben findet, wo man
zwei erwarten sollte ; so in :
— 83. —
v i 1 i e u s , neben v i 1 1 a , Plant, entstanden ans vi n u 1 a ,
i 1 i c o , Plaut. für in 1 o c o ;
in beiden Wortformen ist n durch folgendes 1 zu 1 assimiliert wor-
den, also müsste man villicus, illico erwarten, wie man illicio,
illecebrae, col latus, eollegium, colloqui sprach, wenn
man auch der Etymologie folgend inlicio, inlecebrae, co n la-
tus , c o n 1 e g i um , c o n 1 o q u i schrieb. Ebenso verhalten sich nun :
pelex, Plaut, neben pellicere,
b e 1 u a , Verg. bellum, d u e 1 1 u m ,
solemnis, Born. I. solle mnis, a. 0. XIII, 3. cf. VII, 18.
Zyow.VI,28. VII, 18.
sole nnis. Gaj. sollemnis, Gaj.Or. 4859. Or. Benz.
5388. 7392. vgl. 6790. 6086.
. Dagegen findet sich umgekehrt II geschrieben, wo man nur e in
I erwarten sollte; so:
loquella, Verg. neben medela,
q u e r e IIa, Verg .Lachm.Lucr . 203 f. Or.ffenz.7diS. s u a d e 1 a ,
quaerella, I. N. 491 1. 7108. corruptela,
r e 1 1 i g i o , relegere,
r e 1 1 i q u i a e , Lachm. Lucr. p. 377. p. 281. r e 1 i n cuo,
relicuos.
Die Erklärung, das erste 1 in relligio und relliquiae sei
aus d von red entstanden, ist nicht stichhaltig, da sich niemals rel-
1 i q u i t , r e 1 1 1 n q u i t , r e 1 1 e g i t oder r e 11 i g a t geschrieben findet .
Ebenso stehen nebeneinander:
p a u 1 u m , Verg. und P a u 1 1 u s , p a u 1 1 u m ,
paulatim, Verg. paullatim,
p a u 1 i s p e r , Verg. p a u 1 1 i s p c r ,
indem die Entstehung dieser Formen aus pauculo- beide Schreib-
weisen erklärlich erscheinen lässt, je nachdem man sich das c nach
Ausfall des u ausgestossen oder assimiliert denkt.
Kurz aus diesen Schwankungen der Schreibweise erhellt,
dass 11 im Inlaut Lateinischer Worter, da das zweite 1 nach Plinius
sehr dünn hütete, dem einfachen 1 ganz ähnlich klang. Auch im
Griechischen, namentlich in der Homerischen Sprache findet sich
Schwanken zwischen XX und X in Aussprache und Schrift, ohne
dass man diesen Wechsel immer etymologisch erklären könnte, wenn
auch im Griechischen XX vielfach aus Assimilation hervorgegangen
ist wie im Lateinischen.
6*
— 84 -
Auch Schreibweisen wie muccidus, buccina, b r a c -
chium, futtilis, cottidianus, quattuor, Juppiter und
andrerseits o c u 1 1 u s , o q u o 1 1 o d , o p e r i o r , a p e r i o , coneius,
conubium sind etymologisch nicht zu rechtfertigen, und doch
sind diese Schreibweisen handschriftlich und inschriftlich verbürgt.
Der härtere und^ vollere Ton der Lateinischen Consonanten im An-
laut und Inlaut im Vergleich zu den Griechischen machte , dass
eine geschärfte Aussprache derselben, die durch Verdoppelung der
Schrift ausgedrückt wurde, von der gewöhnlichen Aussprache sich
nicht so hervortretend schied; daher schrieb erst Ennius die Vo-
kale doppelt, und daher kommt das Schwanken zwischen einfacher
und doppelter Schreibung der Consonanten in so vielen Lateinischen
Schriftdenkmälern.
Plinius Angabe von der dreifachen Aussprache des I hat sich
also durch sprachgeschichtliche Thatsachen bewährt gegen die An-
gaben anderer Grammatiker der spätesten Zeit, die nur einen zwie-
fachen Ton des 1 kennen (Consent, de barbar. et metapl. c. 1 2.
Isidor. Orig. I, 31. vgl. Schneider, Lat. Gr. I. 297). Dafür dass
die Lautunterschiede des 1 in der Sprache lebendig gefühlt wurden,
spricht auch der Name Lambdacismus, mit dem man eine fehler-
• hafte Aussprache des Lautes L, namentlich eine zu dicke, volle
Aussprache am unrechten Ort benannte (Diom. j>. US. Consent. a. <>.
Isidor. a. ().).
R.
Unter den Liquiden und Überhaupt unter allen Consonanten im
Lateinischen steht r den Vokalen am nächsten. Im Sanskrit giebl
es einen vokalischen R-laut, der durch ein besonderes Schrift-
zeichen vom Cpnsonantischen R geschieden ist. das Griechische
kennt ebenfalls ein doppeltes y, deren eines mit starkem Hauch ge-
sprochen wurde im Anlaut der Worter und nach vorhergegangenem
9, das andere mit schwachem Hauch. Auch die deutsche Sprache
kennt ein doppeltes r in der Aussprache, das eine mehr gutturaler
Natur und dem Griechischen $ näher stehend, bei dessen Aus-
sprache sich der hintere Theil der Zunge gegen den Gaumen hebt,
das andere mehr lingualer Natur und dem Griechischen o' ähnlicher,
indem bei dessen Aussprache die Zungenspitze vibrierend gegen
den vordersten Theil des Gaumens unmittelbar über den oberen
Vorderzähnen anschlägt.
— 85 —
Die Römischen Grammatiker sagen uns nichts über einen
zwiefachen Klang des r im Lateinischen und überhaupt nichts We-
sentliches zur genaueren Bestimmung der Aussprache dieses Lau-
tes. Es sind daher die Lautwechsel des r zu betrachten.
Weit verbreitet ist im Lateinischen das Sinken eines ursprüng-
lichen s zwischen zwei Vokalen zu r, und es sind zahlreiche Wort-
formen aus alten Sprachdenkmälern aufbewahrt, die dieses s noch
zeigen.
So ist altes stammhaftes s zwischen zwei Vokalen im Inlaut zu
r gesunken in :
La res, für Lases, Carm. Arv. QuinlA, 4, 13. lasi-
bus, Fest. p. 264. Ter. Scanr.
p. 2252.
ferias, fesias, Fest. p. 86. fesiae, Vel. Long.
p. 2233.
aras, asas, Ter. Scaur. p. 2252. vgl. Osk.
a a s a i , Umbr. asa, Momms. Uni.
Dial. Gloss. Umbr. Sprachd. AK.
Gloss.
harena, fasena, Vel. Long. p. 2230. 2238.
arenam, äsen am, Carm. Saliar. Varro L. L. VII,
27. M.
Aurelii, Auselii, Fest. p. 213. 23.
Spur ins, Spusius, Dion. Halle. III, 34: Utcovölov.
F u r i u s , F u s i u s , Pompqn. Big. I, 2, 2. § 36.
e r a m , es« m , Varro L. L. IX, 100.
ero, eilt, Maer. Sat. I, 4.
Auch die spätere Sprache zeigt das allere stammhafte s noch
neben dem jüngeren r in:
q u a e r o , q u a e s o ,
naris, nasus.
Ebenso entstanden:
gero, aus geso, vgl. gestum,
h a u r i o , h a u s i o , h a u s t u m ,
uro, u s o , ustum.
heri, vgl. he sternus, Gr. %&eg.
a e r i s , von a e s ,
c r u r i s , c r u s ,
juris, jus,
— 86 —
thuris, von thus,
moris, mos,
floris, flos,
r o r i s , r o s ,
s p e r e s , Nom. Acc. PI. s p e s , vgl. Enn. Annal. f. 410. Vahlen.
spero. 132.
Ebenso sinkt das s zwischen Vokalen in Suffixen jeder Art
zu r. So in:
Valerii, für Valesii, Fest. p. 213. Valesius,
Pomp. Big. 1, 2, 2. §. 36.
Pinarii, Pinasi, Fest. p. 213.
Papirius, Papisius, Cic. Farn. IX, 21. Fest.
p. 213.
Veturius, Vetusius, Zw. III, 8,2.
veteres, vetusti,
N u m e r i u s , N u m i s i u s , Momms. Inscr. Regn . Neap .
Ind. Unt. Dial. p. 282.
Falerii, vgl. Halesus,
Faliscus,
E t r u r i a , E t r u s c i ,
liberum, loebesum, lex Numae, Fest. p. 121.
arborem, arbosem, Fest. p. 15.
robore, r ob ose, a. 0.
holera, belusa, Fest. #. 100.
pignora, pignosa, Fest. />. "il.'l.
f o c d e r u m ,
foedcsum
, i'urm. Saliar. Varro L. L.
VII, 27.
In demselben Vei
ball
niss stehen :
funeris,
zu
fu uns,
funcstus,
g e n e r i s ,
gen us,
vgl. (ir. ysveog,
sceleris,
scelus,
scelesl us,
oneris,
o uns,
onusttts,
i emporis,
Ue m p u s ,
i
t e in p e r i ,
i em pe st as ,
V e n e r i s ,
Venus,
v e n u st u s ,
vc uu sl as,
C e r e r i s ,
Ceres,
vgl. (Irrealis«
pulverig,
pulvis,
c i n e r i s ,
cinis.
— 87 —
Ebenso ist das s des Comparativsuffixes zu r gesunken in :
plouruma, neben plusima, Carm. Saliar. Varro VII,
t. Äquü. Mural, p. 658. L. L. 27. M.
ploirume, t. Scip.B.f. plisima, Fest. p. 204.
Diese Formen des Superlativs sind wie die Comparativformen
plous (Sc. de Baccan.), pleores (Carm. Arv.) aus den ursprüng-
lichen Comparativ- und Superlativformen plo-ios und plo-ios-
umo entstanden (Zeitschr. für vergl. Sprach f. III, 280).
m a j o r i b u s , m a j o s i b u s, Fest. p. 264.
melioribus, meliosibus, a. 0.
meliorem, m e liosem, Carm. Sah Varr. L. Z. VII,
27.
In der Composition sank s zu r in:
d i r i m e r e , für - d i s i m e r e ,
d i r i b e r e , d i s h i b e r e ,
Das s einer Flexionsendung sinkt im Inlaut zwischen Vokalen
zu r in der Endung des Genetiv Pluralis
-rum, für -sum, Sanskr. -säm, Bopp. Vgl.
Gramm. S. 285.
in Wörtern wie :
faba-ru m ,
bono-r u m,
d i e - r u m ,
bove-rum, u. a.
Auch auslautendes s sinkt zu r in :
arbor, für arbos,
labor, labos,
h o n o ]• , bonos,
1 e p o r , 1 e p o s ,
veter, vetus, Varro L. L. VII, 8.
Ein auslautendes s als Nominativzeichen sinkt zu r in:
q v irq uir, für q u i s q u i s , Varro L. L. VII, 8 ,
eine vereinzelt stehende Form, die Varro in alten Augural-
formeln las.
Dasselbe gilt von dem auslautenden r der Lateinischen Passiv-
endungen, das aus dem s des Pronomen retlexivurn se entstanden
ist (Bopp, Vergl. Gramm. S. 672/. Polt, Etym. Forsch. I, 32.
N. Jahrb. LXVIII, 357 /.)•
Die vorstehenden Wort formen sind zum Theil ans den ältesten
Sprachdenkmälern, die bis in die Augusteische Zeit erhalten waren,
entnommen. Varro sagt an der angeführten Stelle, dass im Carmen
Saliare die Formen mit altem s sehr häufig gewesen seien ; leider
ist nur das aus diesem ehrwürdigen Sprachdenkmal von Varro da-
selbst mitgetheilte Bruchstück kritisch und sprachlich noch zu we-
nig sicher gestellt, als dass man mehr derartige Formen wie die
angeführten mit Sicherheit angeben dürfte.
Der Zeitpunkt, wo das s zwischen zwei Vokalen zu r zu sinken
anfing, ist durch Cicero's Bemerkung angedeutet {Ep.Fam.W, 21),
dass L. Papirius Crassus, der 336 v. Ch. Consul war, zuerst Papi-
rius genannt wurde, während seine Vorfahren P apisii hiessen.
Dieses Sinken des s zu r hatte also schon im Zeitalter der Samniter-
kriege begonnen. Weniger ausgebreitet , ist in der Lateinischen
Sprache das Sinken des auslautenden s zu r;. da jedoch für keine
Passivform mehr aus einem alten Sprachdenkmale eine Form an-
geführt wird, die das ursprüngliche s für r gewahrt hätte, so
muss auch diese Abschwächung schon in sehr aller Zeil angefan-
gen haben.
Auch in den anderen Italischen Dialekten ist s an der ent-
sprechenden Stelle zu r gesunken. Am weitesten hat diese Alt-
schwächung im Umbrisehen um sich gegriffen. Sie findet sieh
schon auf den Altumbrischen Sprachdenkmälern, ist aber viel wei-
ter vorgeschritten im jüngeren Umbrisehen {Umbr. Sprachd. AK. I.
102/*.). Viel seltener und nur vereinzeil sinkt s zu r im Inlaut zwi-
schen Vokalen und im Auslaut Oskischer Wörter, doch finden sieh
auch in diesem Dialekte Beispiele dafür (Zeiischr. f. vergl. Sprachf.
II, 23 f.). Das Sinken des s zu r in der Passivbildung mittelst des
reflexiven Pronomen se zeigt sieh schon im Altumbrischen wie im
Oskischen und Sabellischen ; man vergleiche
Umbr. emantur, mit l.ni. emantur,
terkantur, te rgea n Mir,
Osk. sakarater, sacratur, sacrator,
Sab: ferenter, ferenlur, feranlur.
feruntur,
fern nt o r
(l'mhr. Sprachd. I, 105. Momms. C. I>. S. 292. Br. v. Räpino,
Taf. XIV, p. 336. 341). Auch auf deutschem Sprachbodei sinkt
Gothisehes s zwischen zwei Vokalen wie im Auslaut schon im All-
— 89 —
hochdeutschen zu r und auch in den nordgermanischen Sprachen
ist diese Abschwächung regelmässig {Grimm. D. Gramm. I, 64).
Aehnlich ist im Dorischen Dialekt p aus (5 entstanden. Wenn im
Umbrischen, Oskischen und Gothischen s zu z gewandelt erscheint
in den Lautverbindungen, wo es zu r zu sinken pflogt, so ist in dem
z mit Recht eine Uebergangsstufe des s zu r erkannt worden
{Grimm a. 0. Umbr. Sprachd. AK. 1, 103).
Da nun der Zischlaut s, auch wo er weich gesprochen wurde,
doch jedenfalls mittelst des Anlehnens der Zunge gegen die Wur-
zeln der oberen Vorderzähne und den vordersten Theil des Gau-
mens erzeugt wird, so geht aus der Lautschwächung des s zu r im
Lateinischen hervor, dass das zwischen Vokalen inlautende und das
auslautende r jener mit dem vorderen Thcile der Zunge gesprochene
R-laut war, und dasselbe gilt von dem r der Italischen Dialekte an
der entsprechenden Stelle.
Bezeichnend für die Aussprache ist noch der Uebergang des d
zu r in der Altlateinischen Sprache. Dieser IrilTt besonders das d
der Präposition ad in Compositen, und zwar zuerst vor v in:
arvenas, Prise. I, 45. H. für advenas,
arventores, ct. 0. adventores,
arvocatos, a. 0. advocatos,
arvolare, a. 0. ad volare,
a r v 0 r s u m , Sc. d. Bacc. a d v 0 r s u m ,
arvorsus, Vel. Lang. p. T232. a d vor s u s ,
arvorsarius, a. 0. a d v 0 r s a r i u s ,
arvehant, Cato B. B. 138, 1. advehant,
a r v e c t u m , Cato B. B. 1 35, 7. a d v e c t u m ,
im Inlaut vor f in :
arfines, Prise. 1, 45. adfines,
arfari, a. 0. adfari,
a r f u i s s e , Sc. d. Bacc. a d f u 1 s s e ,
arferia, Fest. p. 11. adferia,
vor c und g in :
arcesso, Prise. 1, 45. • adeessb,
arger, a. 0. adger, agger,
vor b in :
arbiter, vgl. adbitere,
vor folgendem Vokal in: *
— 90 —
m e r i d i e s , Solar. Praenest. Varro L. L. für m e d i d i e s ,
VI, 4. M. Cic.orat.M^l.
Quint. I, 6, 30. Prise. IV,
34. H. Vel Long. p. 2232.
im Auslaut in:
apor, Fest. p. 26. apud, aput,
ar, Prise. I, 45. H. ad, at.
Im Umbrischen findet sich der gleiche Lautwechsel. Dieser
Dialekt besitzt nämlich einen eigentümlichen Mittellaut zwischen r
und s, der in der einheimischen Schrift durch das Zeichen q aus-
gedrückt, in Römischer Schrift der jüngeren Iguvinischen Tafeln
durch rs umschrieben wird, ähnlich wie das Romische q in Umbri-
scher und Oskischer Schrift durch kv wiedergegeben wird ; so im
Inlaut vor v in:
ar veitu, vgl. Lat. a d v e h i t o ,
vor f:
a r f er t u r , Lat. a d f e r r e ,
vor k in :
a r k a n i , Lat. a c c i n i u m ,
vor p in :
a r p u t r a t i , Lat. ar b i tr ar i, a d b i t e r e ,
im Inlaut zwischen Vokalen in :
A k e r u n i e , vgl. Osk. A k u d un n i a d
(Lat. A q u i I o n i a ),
T a r i n a 1 e , T a d i n a t c s ,
Atlieriate, Attidiates,
t e r u s t , d e d e r i t ,
kapirus, capidibus,
k a 1 e r u f , c a 1 1 i d o s ,
per-e, Osk. pid-,
pir-e, m Lat. quid ,
cr-ek , Osk. id-ik.
I.nt. id,
im Auslaut der Präposition ad in:
asani-ar, vgl. Lat. ad aram.
{I'mhr. Sprachd. AK. I S. M gÖ).
Dieser Millellaut zwischen r und s wird aber auch ganz zu r,
das zeigen die Schreibweiseu :
— 91 —
a r v e i t u , neben a r v e i t u , vgl. Lat. a d v e h i t o ,
arfertur, arfertur, adferre,
und zwar gerade vor folgendem r und f, wo besonders im Lateini-
schen d zu r wird. Priscian sagt an der oben angeführten Stelle :
f antiq uissimi vero pro ead' frequentissime car' pone-
bant', fand also diesen Wechsel des d zu r auf den ältesten
Schriftdenkmälern, die erkannte. Von den auf uns gekommenen
Schriftdenkmälern hat nur noch das Senatusconsult über die Bac-
canalien Beispiele desselben gewahrt; auch in des alten Cato Buch
über den Landbau finden sich solche neben manchen andern Leber-
resten alter volkstümlicher Sprache. Die spätere Sprache aber ist
zu dem d meistentheils zurückgekehrt; nur die Wortformen ar bi-
ter, arcesso, m er i dies sind für alle Zeiten geblieben. Da
dieser Lautwechsel in jeder Lautverbindung im Inlaut wie im Aus-
laut erscheint, so kann er nicht durch den Einfluss eines bestimm-
ten anderen Lautes hervorgebracht sein.
In der Stellung der Sprachorgane unterscheidet sich das lin-
guale d vom lingualen r nur dadurch, dass bei der Aussprache des d
die Zungenspitze fest gegen die oberen Vorderzähne und den vor-
dersten Theil des Gaumens gelegt wird, bei der Aussprache des r
nur lose dagegen anschlägt, so dass sie mittelst des aus der Brust
hervordringenden Lauthauches in vibrierende Bewegung geräth.
Nur die weniger energische Thätigkeit der Zungenspitze unter-
scheidet das linguale d vom r. Daraus folgt, dass jener Uebergang
des d in r im Lateinischen und Umbrischcn eine Schwächung und
Verweichlichung des Lautes ist, von der sich die Lateinische Sprache
in ihrer Blüthezcit meist wieder erholt Jiat, wie sich ähnliche
Beactioncn und Restaurationen der Laute in der Sprachentwicke-
lung weiterhin noch mehrfach ergeben werden. Wenn nun oben
nachgewiesen ist, wie in den Italischen Sprachen r alsAbschwächung
eines alten s erscheint, so ist begreiflich, wie die Umbrische Spra-
che ihr d zu einem unklaren zwischen s und r liegenden Mittelton
erschlaffen lassen konnte, der aber auch zum Theil völlig zu r ward
wie* im Lateinischen. Jedenfalls zeigt also auch dieser Lautüber-
gang des lingualen d in r, dass das r im Lateinischen lingual war
und mit der Zungenspitze gesprochen wurde, wie dies oben aus
dem Uebergang des s in r gefolgert ist.
Für die lautliche Natur des r ist endlich noch von Bedeutung,
dass es mit anlautenden Muten sich nicht besonders verträgt, mit
— 92 —
anlautendem s und m gar nicht. In Folge dieser Abneigung zieht
es sich von diesen Lauten gern hinter einen Vokal zurück, oder
wenn es hinter demselben ursprünglich stand, so schob es sich
nicht vor denselben vor, wie dies im Griechischen häufig der Fall
ist {vgl. Dietrich, de litterarum in lingua Latina transpositione
p\ 4 f. Bitschi, Rhein. Mus. VIII, 150. IX, 478). So stehen
nebeneinander:
cerno, er e vi, er e tum , Gr. kqlvco ,
caro, xQtag,
cordis, . KQadla,
cornus, xgccvog ,
Cortona, Kq otcjv ,
corcodilus, Phaedr. I, 25. crocodilus, xgoxod etlog,
Mart. HI, 93, 7. vgl. Ritschi, a. 0.
s c i r p u s , y q l(p o g ,
yQlTiog,
h o r d e u m , x q i fr rj ,
p o r rji m , itQaGov ,
p o r - , Kret. Ttogri , tc q ort, Hom.
bardus, ßciQÖiGtog , ßQccdvg,
tero, tritus,
torqaeo, tqeticö,
lorculum, c<-TQexrjg,/Jom.
tarpezita, Plaut. trapezita, ryäne^ct,
t e r , Iris,
tert iu s, Aeol. T£^rog, r q Cr o g ,
terni, trini, Skr, tritja,
T a r s u m e n u s , Quinl. I, 5, 113. T r a s u m e n u s ,
her Name des Trasimenischen Sees slammt von dem Umbri-
schen Ortsadverbium tras, /-'//.Irans, von dem er»! Tras-timo,
dann Tras-um'-enus gebildet wurde mit der Bedeutung jen-
seits gelegen (Zeitschr. für vergleich. Spruch/'. IM, 270/'.).
Tuseus, K-l ruscus,
AUumor. Turskum, TvQG-j}vog,
Neuumbr. Tu scom.
Im Umbrischen bedeutet etru- alter; von diesem Stamme
ist Etru-s -c us gebildet, wie pri-s-cus vonpri, prae, prai,
so dass das s Rest des Comparativsuffixes tat. ins ist. Etru sei
bezeichnete also im Munde der alten Umbrischen Bevölkerung am
— 93 —
Strand des Arnus und Urnbro das eingewanderte Volk, das sich Ra-
senner nannte, als exteri oder Fremdlinge. Das Lateinische
hat in seiner Forin Etrusci die alte Form des Namens am treu-
sten bewahrt (Zeitschr. für vergl. Sprachf. III, 272 f.).
"Hierher gehört auch:
sorbeo, neben Griech. (jocpsa,
indem das Griechische Wort das anlautende s wie so häufig zu ei-
nem blossen Hauchlaute erleichtert hat,
Oben sind d u 1 c i s, pulmo, scalpo, s c u 1 p o als Beispiele
angeführt, dass auch 1 im Lateinischen durch einen Vokal von
anlautender Muta oder sc gelrennt erscheint, während es in den
entsprechenden Griechischen Wortformen jenen Lauten unmittel-
bar folgte. Auch von dem Abfall des g und c vor anlautendem 1
war schon die Rede. Darin zeigt sich, dass auch 1 sich mit an-
lautender Muta im Lateinischen nicht so gut vertrug wie im Grie-
chischen. Es liegt in dem beweglichen und flüssigen Klang der
liquiden r und I, dass gerade sie im Lateinischen wie in anderen
Sprachen besonders befähigt sind, nach gewissen Neigungen den
Platz im Worte zu wechseln. Es wird weiter unten in dem Ab-
schnitt über Wahlverwandtschaften von Vokalen zu Consonanten
der Nachweis geführt werden, dass dem r ein dem E-laut ähnlicher
vokalischer Beiklang eigen war, wie bei dein 1 ein vokalischer
U-klang , bei dem s ein vokalischer I-klang hörbar wurde, und dass
gerade in dieser halbvokalischen Natur der Liquiden und des Zisch-
lautes s ihr mächtiger und weitgreifender Einfluss auf die Vokale
liegt.
Aber auch aus dieser Erörterung über die Lmstellung des r
kann man nicht schliessen , dass die Lateinische Sprache einen an-
deren R-laut gekannt habe als jenes einfache mit der Zungen-
spitze gesprochene schwach gehauchte r mit seinem
dem E-laut ähnlichen vokalischen Beiklang.
N.
Priscian sagt von der Aussprache des n, I, 39. H: N quoque
p 1 e n i o r in p r i m i s sonat et in u 1 1 i m i s p a r t i b u s s y 1 1 a -
b a r u m , u t c n o m e n , s t a m c n ' , e x i l i o r i n m e d i i s u t c a n -
nis, damnum\ An dieser Angabe ist unzweifelhaft richtig, dass
das n im Anlaut der Wörter einen stärkeren Ton hatte, im Inlaut
einen schwachen nach vorhergehendem m; dem übrigen Theile
— 94 — -
der Aussage aber stellen sich sprachliche Thatsachen entgegen, de-
ren Gewicht entscheidend ist.
Dass n im Anlaut einen scharf ausgeprägten, fest ange-
schlagenen Ton hatte, geht daraus hervor, dass es kein sicheres
Beispiel giebt von einer Abschwächung oder einem Lautübergange
des n an dieser Stelle des Wortes in irgend einen anderen Laut in-
nerhalb des Gebietes der Lateinischen Sprache. Dass hingegen das
auslautende n schwächer tönte , zeigt der häufige Abfall desselben.
So zuerst im Nominativ der auf on auslautenden Lateinischen
Stämme wie:
c a r d o ,
t u d o ,
virago,
1 a n u g o ,
ordo,
m a r g o ,
v i r g o ,
v e s p e r r u g o ,
liomo,
imago,
r e m e 1 i g o ,
s e r r u g o ,
n e m o ,
i n d a g o ,
vertigo,
consue t u d o ,
t u r b o ,
farrago,
caligo,
valetudo u. a.
ebenso im Auslaut der Formen:
ceteroqui, für ccteroquin,
alioqui, alioquin.
Der schwache Laut des auslautenden n ergiebt sich auch
daraus, dass dasselbe bisweilen als Abschwächung des schwachen
auslautenden m auftritt, wovon in dem Abschnilt über diesen Buch-
staben die Rede sein wird, endlich auch aus dem Umstände, dass
das auslautende n in gewissen Fällen in der Versmessung der alten
scenischen Dichter mit anlautenden] Konsonanten des folgenden
Wortes keine Position bildet, wie in dein Abschnitt über die irra-
tionalen Vokale vor Konsonanten zur Sprache kommen wird. Der
starke entschiedene Ton des anlautenden n neben dem schwachen
dumpferen Klang dieses Konsonanten im Auslaut muss in Latei-
nischen Wörtern wie Domen, numen ebenso hörbar hervor-
getreten sein wie in der Aussprache der deutschen Wörter nen-
nen, nicken, na inen, niere n.
Im Inlaut hat n den starken regelrechten Ton eines lingualen
n gehabt, wo es sich aus m entwickelt und der lingualen Natur
eines folgenden d zu n assimiliert hat, wie in:
cor undem, j and u dum, verunt am e 11 ,
eandem, pessu min. dunt axat ,
tandem, venundo, pedetentim,
tan tun dem, quandiu, septentrio,
seplendecim, aliq ua nd in, quadantenus,
— 95 —
{vgl. Brandt, Quaesliones Horatian. p. 57), oder wo es überhaupt
vor den lingualen d und t, steht. Auch sonst hat das n im eigent-
lichen Inlaut der Wörter zwischen Vokalen als Bestandteil des
Wortstammes oder Suffixes in der Regel einen festen entschieden
ausgeprägten Ton, der in keinen anderen Laut übergeht Daher
schwankt an dieser Stelle des Wortes die Schreibweise oft zwischen
einfachem und doppeltem n. So in den Namen:
Caecina, Caecinna,
Caesenius, Caesennius,
M u n i u s , Munnius,
P e s c e n i a , P e s c e n n i u s ,
V i n i u s , V i n n i u s ,
S a b i n a , S a b i n n a , (Momms. Inscr. Regn. Neap. ind.)
Porsena, Porsenna, {Wagner, Orlhogr. Verg, 465.)
In den ältesten Handschriften des Plautus, Vergil, Lucrez und
Gajus findet sich bisweilen ein einfaches n, wo die Etymologie des
Wortes ein doppeltes verlangt; so in:
c o n e c t e r e , Lucr. c o n u b i u m , Verg. Gaj. Lucr. Or. Benz.
conexus, Verg. 5418. {Lachm. Lucr. p. \'S§.)
oder wo sich sonst auch die Schreibweise mit zwei n findet,
wie in:
pinula, Plaut. anulus, Plaut.
Aus dem Schwanken der Schreibweise zwischen 1 und 11 ist
oben geschlossen worden, dass der Ton des 1 im Inlaut stark war.
Es ergiebt sich also, dass der Ton des einfachen n im Inlaut zwi-
schen Vokalen , wo es Bestandteil des Wortstammes oder Suffixes
ist, ebenfalls stark war.
Verfolgt man nun das inlautende h weiter, so zeigt sich, dass
es vor den weichsten und vokalähnlichsten Lauten, dem Hauch-
laut h, den Halbvokalen j und v und dem Zischlaut s häutig
schwindet. Und zwar zeigt sich vor h, j und v dieser Ausfall nur
an dem n der beiden Präpositionen con für com und in als Glie-
der eines Compositum;
so vor h in:
cohaerere, coli eres, cohibere, cohors,
cohortari.
Da vor Gutturalen com sich stets zu con gestaltete, so muss
dies auch vor dem gutturalen Hauchlaute h der Fall gewesen sein,
— 96 —
zumal auch die Präposition in ihr n in Compositen wie inhae-
rere, in Innere, inhonestus, infitiari, infelix, infamis
vor den Hauchlauten h und f unverändert erhält.
Ebenso fällt n vor j aus in :
coicere, neben conicere, connicere,
coiectura
[Lachm. Lucr. p. 136. Gai praef. p. 36 f. Wagner, Orth. Verg.
p. 445. Ribbeck, tragic. Bei. p. 160. 173. 178. 249. Lucil.
Gell. IV, 1 7 vgl. a d i c e r e , a b i c e r e , d e i c e r e , p r o i c e r e ,
- subicere, inicere)
und in den auf Grabdenkmälern der Kaiserzeit vielfach vorkommen-
den Formen:
cojunx, I. N. 614. 1134. neben conjunx, /. N. 53. 955.
cojugi, /. N. 131. 211. conjugi,
343.387.574.772.
616. 1020. 1557.
u. a.
cojnci, /. N. 100. 2889. eonj uci, I.N. 676. 1851.
5696. 6689. coi-
ci, 5878. coiu-
ccs, 5514.
Ebenso ist aus conjuncti durch die Mittelform
cojuncti entstanden nach Ausfall des j enneti.
Vor v erscheint das n von con ausgefallen in:
c o v e n t i o n i d , Sc. d. Baccan .
covenumis , /. N. 4139,
Formen die der Zeit vor den Gracchen angehören.
Ebenso erscheint die Präposition im Umbrischen in der Ge-
stalt ku, co nicht nur vor v in Formen \\\v:
kuveitu, vgl. Lat. convehito,
k u v e r t u , c o n v e r t i t o ,
c o v o r t u ,
co vortust, converterit,
covortuso, co o vei t crin t.
(Vgl Umbr. Spackdenk. AK. Gloss.) I»ic Präposition zeigt in Um-
brischen Gompositionen überhaupt immer diese abgestumpfte Ge-
stalt
— 97 —
Uebcraus weit verbreitet ist nun aber der Ausfall des n vor
folgendem s. Dieser erscheint einmal in Zusammensetzungen mit
den Präpositionen con und in. So linden sich auf Inschriften der
voraugusteischen Zeit wie der Kaiserzeit die Schreibweisen :
cosoleretur, Sc. d. Baccan. coservac, /. N. 1725. 2103.
cosol, /. Scip. Or. 553. Rhein. 21G7. coserve, 5833.
Mus. IX, \ f. coservo, /. N. 3i57 u. a.
c o s u 1 u i t , Or. Henzen , 6485. C o s t a n t i , /. N. 263. 6274 (p. Ch.
cosulari, I. N. 1109. 313/4).
Cosentiam, Mil. Pop. I. N. Costa n tino, /. N. 6274. 681 1.
6276. costilulio, /. N. 5237.
cosn mt a , Boiss. I. Ly. XIV, 26. c o s i s t e n t i u m , Boiss. I. Ly.
Cosidiae, I.N. 6050. XIV, 26.
So ist das n der Präposition in vor s in alten (Kompositen ge-
schwunden :
i s c u 1 p o n e a e , Naev. Plaut. Fulgent. p. 393. Gerl. von i n s c u 1 p o ,
istega (Deck), Plaut. Fuig. p. 394. G. für instcga,
vgl. Griechisch atsyiq, artyog neben rsyrj, reyog und
Lateinisch tegere, tcgula. Aehnlich ist das n vor s ausgefallen
in dem Compositum:
intresecus, Or. 3327 für intrinsecus.
Besonders häufig erseheint in der Schreibart der Handschrif-
ten und Inschriften das n des auf nt auslautenden Participialstam-
mes geschwunden, nachdem das t des Stammes vor dem Nominativ-
zeichen s ausgestossen war; das zeigen folgende in Handschrif-
ten des Plautus und Lucrez wie in Inschriften vorkommende For-
men:
animas, Lucr. 1, 774. praegnas, Plaut. Naev. Ribb.
transmutas, II, 488. Com. r.p. 24.
contra ctas, II, 853. infas, /. N. 5376. 66. Grut.
instas, III, 1064. 688, 2.
metas, V, 690. lacrimas, Gr. 517, 3.
vacillas, VI, 554. negotias, /. N. 3646.
curas, Plaut. Mit. 201. dormies, Plaut. Mit. 272.
cogitas, a. O. obedies, a. O. 1129. Koch, a.O.
accubas, Plaut. MiL 653. doles, /. N. 1222. 2680. 4859.
pandiculas, Plaut. Men. 832. libes, /. N. 2598.
p os tu las, Mostell. Ärgum. 6. pudes, T. N. 1582.
Koch, Rhein. Mus. IX, 305. Vales, /. N. 7287.
CORSSEN. 7
- 98 -
reveres, Gr. 558, 7. Cresces, I.N. 291.5971.6198.
Boiss.LLy.X,29, 14.
ages, Fabr. 309, 321. Clemes, /. N. 2892.
Am häufigsten zeigt sich also der Ausfall des n vor s in den
Partioipialstämmen der A-conjugation und der E-conjugation, deren
ä und e von Natur lang war.
Das n vor s ist ferner ausgefallen in dem Suffix -iens von:
quoties, für quotiens, Plaut.
toties, totiens, Plaut.
q u i n q u i e s , quinquiens, Mon.Ancyr. Egger. />.34 1 .
quadragies u. a. q u a d r a g i e n s , a. 0.
in dem Suffix der Ordinalzahlen - e s i m u s für -cns« m u s :
v i c e s i m u s , vgl. vicensumam, lab. Gen um.
q uadragesimus, q u a d r a g e n s i m u m , Mon. Ancyr.
duodevicesimus duo de vi eins um um, a. 0.
u. a.
ehenso in dem Suffix -iens i, -ensi der Einwohnerflamen:
A 1 h e s i a , Fest. p. 4. lii r A 1 h e n s i a ,
Alliesis, Fest. p. 7. Alliensis u. s. w.
Amneses , Fest. p. 17.
Apulesis, Or. Heu:. 517*5. vgl. 0747.
Alresis, /. R. N. 2140.
Caslresis, /. N. 251. 5369.
Fortune s es, I. N. 423.
L u cer es e s , Fest. p. 119.
0 s t e s e s , Or. Henz. 7 1 78.
N a r b o n e s i u m , a. 0. 72 1 5 .
Rfarteses, /. X. 1531. 1525. Or. ffenz. 7204.
Megalesia, (ic a. a.
Pis a ur ese, Mischt fiel. l.at. />. 27.
Picenesis, /. N. 1800.
Teg ianesis, /. A. 297.
Ortesia, /. N. 2<is7.
Das Lateinische Suffix -oso halle eine allere Form ons'o. So
entstand :
form os us, aus formonsus, Grat. 669, 10.
grammosis, grammonsis, Caecil. Hibb. Com. rel. i>.\\:\.
hie Vergleichung v.m Lat. vin-oso-, silv-oso- mit Griech.
oivo-evr , vltj-evr heweisi , dass die Lateinische Endung
— 99
-oso,-onso aus -ont-o entstanden ist, und dass neben dein Grie-
chischen Suffix -fvr, Sanskr. -vant, das Lateinische -ont nur
durch ein angefügtes o weiter gebildet ist wie Tarento-, Agri-
gento- neben den Griechischen Stämmen Taqavx -, Akqu-
yavt- {vgl. N. Jahrb. LXVIII, 466).
Auch in den Stämmen der Wörter fällt das n vor s häufig ge-
nug weg; so in:
C e s o r , t. Scip. Barb. f. Rhein.
Mus. IX, 1. Or. 553.
c e s e n d i , /. Jul. munic.
defesori, Fabreit. p. 280, 178.
consesu, /. N. 2342. 3528.
consesu m, Cen. Pis. Or. 642.
dispesator, I.N. 6072. Fabr.
259, 248.
meses, mesibus, /. N. 131.
404. 2699. 6736. 6996.
6629. 7014. 7188.
mesüra, /. N. 6879.
mesorum, /. N. 3160. me-
soris, I. N. 1455.
mesa, Charts, p. 43. P.
pe^mesi, Wagn. Orth. Verg.
p. 456.
fesfram, Enn. p. 186. V.
fresa, Fest. p. 91. vgl. de-
frensam.
mostrum, Wagn. Orth. Verg.
mos teil um, a. 0. [p. 456.
mostellaria, a. O.
mostratur, a. 0. [V, 3.
m o s t r a t q u e , Gar. Inscr. Pomp.
c o n s p o s o s , Fest. p. 4 1 .
f r o s , fr u s , Charts, p. 1 05. P.
tosor, Fabreti. p. 214. 546.
{vgl. Rhein. Mm. X, 113.)
t o s u s , Cassiod. p. 2292.
tusus, a. 0.
piso, Wagn. a. 0.
p r a s u s , a. 0.
remasisse, Or. Henz. 6087.
m a s u c i u m , Fest. p. 139. Gar-
ruec. Inscr. Pomp.XW, 5. 50.
vgl. Schmilz Rh. Mus. XI, 300 f.
trasis, Or. Henz. 7396.
trastiberina, Marin.Tscr. Alb.
p. 110,
Dass das n ehe es ganz schwand sich dem s assimilieren
konnte, zeigen Schreibweisen wie:
Ildaaag , Plnt. d. fort. Rom . m e s s o r ,
p. 319. VII, p. 268. R.
passum, Gell.XY, 15.
expassum, a. O.
dispassus, a. O.
dispessus, a. O.
m e s s i s , Wagn. O. Verg.
p. 457.
infessi, a. O.
fressum, a. 0.
Or. 3504.
Decatressium, /. N. 2502.
vgl. Decatrenses, /. N.
2504.
formossa, Os.Syll.töl. 189.
cpdp,aaGcc, Suid. v. Ioßtcc-
vog.
V e r r u c o s s u s , Grut. 297. Coh
2. Vgl. Schmitz Rh. Mm. XI,
300 /.
7*
— 100 —
Wirft man einen Blick auf die Zeit aller der hier angeführten
Schriftdenkmäler, so zeigt sich schon auf einem Stein des heiligen
Haines von Pesaro, einem der ältesten Römischen Schriftdenkmä-
ler, die wir hcsitzen, die Form Pisa urese, auf einem der beiden
ältesten Sarcophage der Scipionen lesen wir cosol, cesor neben
consol, censor und so gehen nun durch alle Zeiten beide
Schreibweisen dieser Wortformen nebeneinander, so dass sich noch
auf einer Inschrift der spätesten Kaiseizeit nebeneinander co-
stitutio und constitutione finden (/. N. 5237). Man kann
sich daher nicht wundern, wenn die Homer:
thensaurus, Platt/, für d-rjöavQog,
0 n e n s i m u s , I. N. 5809, o v rj 6 1 p o g
schrieben, da sie die Lautverbindungen ens und es in der Aus-
sprache nicht deutlich schieden.
Auch im Umbrisehen schwindet n vor s in Formen wie:
etaia s, für etaians,
S a c, e , S a n c, i e ,
S a n 9 i ,
fos, fons. {AK. Umbr. Sprächet. Gloss.)
Fs ist schon oben erwähnt, dass das c, im ömbrischen ein
assibilierter Guttural war, der also auf ein vorher gehendes n die-
selbe Wirkung übte wie derZischlaul s {Umbr.Sprachd, Al\'.\,\ü).
Vereinzelt ist vor f das n ausgefallen in:
iferos, Or. ffenz. 7341.
Aus der Fidle dieser sprachlichen Thatsachen folgt, dass das n
vor s einen überaus schwachen, unsicheren Faul halle von den äl-
testen bis in die spätesten Zeilen der Sprache, einen Laut der dem
deulschen n in Wörtern wie gaense, sense, binse, /.ins ne-
ben gose, seise, biese, ziese ähnlich geklungen haben muss,
wie im Sanskrit ein m und n vor folgendem Zischlaut in einen
dumpfen Nachklang , Anuswara genannt, übergeht.
Viel seltener zeigt sich ein Ausfall des n vor t; aber er finde!
sich doch in*
praegnatem, Afr. Bibb. Com. p. lös.
regnate, /. N. 3S98.
Constati, 7. N. 1S13.
mereti, I. N. 2985. Mund. 1123, 3.
leslameto, /. N. 5084,
Formen, die bis auf die erste der späteren Lateinischen Sprache
— 101 —
angehören. Noch vereinzelter ist n vor folgendem d nicht gesehrie-
hen ; so in :
facicdos, Or. Henz. 6593.
Kaledag, Garruc. Inscr. Pomp. XXVI , 21.
Man darf nicht behaupten dass dies schwache und hinfällige n
der französische Nasal in Wörtern wie cnsemble, penser,
regnant u. a. sei, da ja die Italienische Tochtersprache der Latei-
nischen Sprache den Nasal in diesen und ähnlichen Wortformen
nicht kennt; aber jene Erschlaffung des N-Iautes vor s, t und d
war die Vorstufe zur Nasalierung.
Bemerkenswert]! für die Aussprache dieses n ist nun noch die
aus dem bestimmten Zeugniss der Allen, so wie aus der Schreibung
Lateinischer Wörter im Griechischen und der Bezeichnung durch
den Apex hervorgehende Thatsache, dass vor ns und nf, also vor n
mit folgendem Zischlaut oder starkem labialen Hauchlaut der Vokal
lang gesprochen wurde (vgl. Schmilz, Quaestiones Orthoepicae,
p. 1 //*. Rhein. Mus. 1855, p. 112 f.) Dies versichert Cicero für
con und in ausdrücklich, Oral. c. 48. §. 159: 'indoctus' di-
eimus brevi prima litlera, cinsanus' producta, cin-
humanus' brevi, eIn.felix' longa; et ne rnultis, quibus
in v e r b i s eae primae litter ae sunt, q u a e i n e s a pie n t e '
et c f e 1 i c e ' , productediciturMn', in c e t c r i s o m n i b u s
breviter. Itemque cconposuit% ccönsue vi I ' , ccön-
crepuit, cönsuevit. (Vgl. Gell. II, 17. IV, 17. Max. Victorin.
p. 1954. Diomcd. p. 428. Serg. p. 1855. P.)
Wie in:
cönfecit, cönsuetus,
T n f e 1 i x , cönstituit,
lnsanus,
so wurde der Vokal vor ns nach Ausweis Griechischer Schrift ge-
sprochen in :
kodvöovI, Kcovö xavxlv og,
Kävöog, Kcövötdvr eca,
Kcjvö evzicc, KavöravTLog u.a.
Dieselbe Aussprache wird bestätigt durch den Apex in:
cönsecrat, Marin, her. Alb. p. 139.
cönslö, Fabr. p. 168. Or. 4859. Maiin. her. Alban.
p. 139.
cönsecuta, lab. Cland. Boiss. Inscr. Ly. p. 136.
— 102 —
conscri.., I. N. 3629.
consule, Grui. p. 637, 1. cönsuli, Momms. I. N. 2523.
Ebenso ist das e lang vor dem n s des Nominativs von Partici-
pien. In den auf ans und ens auslautenden Nominativen von
Participien der A- und E-conjugation war das a und e von Natur
lang; aber auch für die Participien der consonantischen und der
I-conjugation wird die gedehnte Aussprache des Vokales vor ns
durch die Griechische und Lateinische Schrift verbürgt. So finden
sich die Griechischen Schreibweisen :
Ttotrjvg, Plut. Num. c. 9.
6 an er] vg, Plut. Tib. Gracch. c. 8.
und die Lateinischen :
difidens, Or. 4859. Marini her. Alban. p. 137.
deficiens, /. N. 3629.
veniens, Tab. Claud. Boiss. Inscr. Ly. p. 136.
Auch bei anderen auf ns auslautenden Nominativen wurde der
Vokal vor ns gedehnt gesprochen, Beda, p. 2352. P: Sunt item
syllabae, quae utroque modo et natura videlieel et
p o s i t i o n e 1 o n g a e sunt u t c d e n s , g e n s , mens, f o n s ,
frons.' {Vgl. Vater. Prob. p. 1 144. P.)
Dass der Vokal ursprünglich kurz war, steht fest für die von
Beda angeführten Nominative der Stämme dent-, gent-, menl-,
wie die Vergleichung mit odovrog, yevog ggnus, ^is^iovcc
memini zeigt; doch wird Beda's Aussage bestätigt durch die
Schreibweise :
mens, /. N. 6546.
Wenn Valerins Probus sagt p, IUI. /': nain eorrepla an -
te-ns nulluni nomen reperitur, so uilt dies auch tob den
Zahladverbien
totiens, quinquiens,
quotiens, sexiens u. a.
und das bestätigt die Etymologie dieser Bildungen, da das Suffix
-irns derselben das Comparaiivsuftix Sanskr. -Tjäns, G riech.
-lcüv, Lat. -iös ist (Zeitschr. für vergl. Sprach/', 1, 121 123.
III, 295 /'.).
hie Einwohner- und Völkernamen mit dem Suffix -iensi,
-ensi linden sieh in Griechischer Schrift bei Ptolemaens, Strabo,
Slephanus von llvzanz und anderen so wie in Griechischen In-
schriften immer -ifv$4- geschrieben; so:
— 103 —
Pa[ivijv6r]g , KaLGccQrjvö Ca,
TariTJvGrjg , AovxtJvölol,
AovxeQrjvörjg , TLi%y\v6ioi ,
Akovt]v0lol, &Qsrr}vöia, C. I. Gr. 5470.
AXßoKrivö lo i , «. #.
( F>//. Schmitz, a. 0.)
Auch in diesen Wortformen war der E-laut von Natur lang,
denn die Endung -iens-i ist von der Gestalt desComparativsuflixes
-iens durch ein angefügtes i weiter gebildet. So werden auch
im Griechischen mit dem Comparativsuffix -lcov Personennamen
von Ortsnamen gebildet wie z/ elcpicov , 'E[ieö lcov , Ilalai-
ötqlcov, 'EXovqlcdv u. a. (Zeitschr. für vgl. Sprach f. 111,
229.). Ebenso verhalten sich die Lateinischen Bildungen foren-
sis, campensis (Quint. IX, 4, 85) zu Griechischen wie
'E<3%ctxicov , Ovqccvlcov , 'Ttieqlcov u. a.
Vor ns, das nicht im Auslaute steht, erscheinen Stammvokale
gelängt in:
axtY\v<Sovs, Lyd. d. mag. 1, 13. vgl. clttsvdeQE,
TEVCO,
tetova,
pensus, pendeo.
pensito, Gell. IX, ö.
Oben ist gezeigt worden, dass n vor s im Lateinischen zu ei-
nem matten dumpfen Nachklang, einem Miltellaut zwischen Vokal
und Consonanten erschlaffte. So muss auch in den Fällen, wo
ein von Natur kurzer Vokal vor s und f gelängt erscheint, das n
in Folge des Zischlautes s und des starken labialen Hauchlautes f
zu solchem halbvokalischen matt nachklingenden N-laut erweicht
worden sein. Dieser halbvokalische Nachklang verschmolz mit dem
vorhergehenden Vokal, so dass dieser nun in der Aussprache lang
klang.
Zu den Fällen, wo inlautendes n einen schwachen Ton hatte,
gehört endlich die von Priscian (I, 39. H.) erwähnte Lautverbin-
dung, wo es nach m steht, wie
a m n i s , condemno, a er u m n a ,
danintim, i n d e m n i s , c o 1 u m n a ,
scamnum, omnis, autumnus,
Ranines, alumnus, V e r t u m n u s u. a.
— 104 —
%
Wenn hier das n schwach tönte, so liegt das darin, weil das n
der tieftonigen Silbe neben dein vorhergehenden m der hochtoni-
gen Silbe weniger deutlich hervortrat.
Zu scheiden von den bisher besprochenen Weisen der Aus-
sprache des inlautenden n ist endlich ein gutturales n, das im
Lateinischen wie im Griechischen und Deutschen vor Gutturalen
erscheint und dem nasalen n der Franzosen ähnlich klang. Bei
Priscian, 1,39. H., heisst es: Sequente g vel c pro ea (n) g
s c r i b u n t G r a e c i et q u i d a m t a m e n v e t u s t i s s i m i a u c t o -
res Romanoruin euphoniae causa bene hoc facientes,
u t c A g c h i s e s , a g c e p s , a g g u 1 u s , a g g e n s ' q u o d o s t e n -
dit Varro in primo de origine linguae Latinae bis
v e r 1) i s : u t Ion s c r i b i t , q u i n t a elvicesima est 1 i t e r a ,
quam vocant agma, cuj us forma null a est, et vox com-
munis est Graecis et Latinis, ut bis verbis eaggulus,
a g g e n s , a g g u i 1 1 a , i g g c r u n t '. in ej usmod i Grae ci et
Acci us n oster bi na g scri bunt , aliin et g, quod in hoc
veiitatem vidcre facile non est. similiter cageeps,
agcora'. Die zweite wichtige Stelle für die vorliegende Frage
führt Gellius wörtlich aus dem buche des Nigidius Figulus, Com-
mentarii grammatici, an, XIX, 4, 7. //: Inter literam n e I g
est alia vis, ut in nomine eanguis' et fangari' et fan-
corae5 et 'increpat' et eincurritJ et c in gen aus'. In
oronibus his non verum n, sed adulterinum ponitur.
Nam n non esse Lingua indicio est; nain si ea litera
esset, lingua palatum tangeret. Ueber den Ton dieses n
adulterinum heisst es, Mar. Victor, p. 2462: non ini er in et n
medium sonat eunquam' et 'nonnunqnam' et similia,
sed int er n et g. {Vgl. Mar. Victoriiu p. 2463.) Mit dem so
bezeichneten Ton des n vor Gutturalen sind also nach d**r aus-
drücklichen Angabe der vorstehenden Grammatiker gesprochen wor-
den: vor g:
aggulus, vgL Gtiech. ccyxvXog ,
aggens, angusluni. ?yyvg,
angina, «VXl->
angari,
anguis, ^XLi-,
agguilla, §y%sXv$i
iggeru nt ,
105
vor c:
agceps, anceps,
agcora, ancora, äyuvQa
a n c i 1 1 a ,
a n c 1 1 1 a ,
i n c r e p a
vor q:
a n q in r 1 1 ,
U n q u a m ,
n o n n u n qua m.
Ebenso sprach man also den N-laut in allen Lateinischen Win-
tern, in deren Inlaut sieh die Lautverbindung nc, ng, nq findet,
wie die aus dem Griechischen entlehnten, die yx, yy^ y% im In-
laut haben. Dieser N-laut ward von Attius wie im Griechischen
durch g bezeichnet, aber diese Schreibart ist wie die doppelte
Schreibung des Vokalzeichens zum Ausdruck des langen Vokales
nicht durchgedrungen. Nigidius Figulus nennt es ein un achtes n,
weil hei seiner Aussprache die Zunge den Gaumen nicht berührt,
gerade wie dies bei dem französischen nasalen n der Fall ist.
Mari us Victorinus bezeichnet es als einen Mittelton zwischen n
und g, wie wir jenes französische n als einen, solchen Mittelton fas-
sen, indem wir es durch ng umschreiben, um dem Anfänger des
Französischen den Laut begreiflich zu machen.
Auf Inschriften der spätesten Zeit linden sich die Schreib-
weisen :
prieipi, /. N. 3859.
coque (rendosque), /. N. 5237.
Wenn jener gutturale Nasal, den Nigidius n adulterinum
nennt, hier in der Schrift gar nicht ausgedrückt isl , so zeigt sich
darin, dass das Ohr in demselben einen eigentlichen N-Iaut nicht
mehr deutlich wahrnahm. Derselbe Laut findet sich vor q und x
(es) auf Inschriften der Kaiserzeit auch durch nc ausgedrückt in:
co nj imex, Grut. 529, 2.
junexit, Gr. 462, 1.
extinexit, Gr. 333, 4.
nunequam, £r. 948,10.
und auf einer Inschrift der spätesten Zeil vor q durch blosses c:
n ueq u am, Gr. 654, 6.
Da nun der nasale Guttural n vor c, g, q schon in alter Zeit in
— 106 —
der Lateinischen Sprache völlig ausgebildet war, wie Attius Schreib-
art beweist, so ist es erklärlich wenn man:
ec-ce schrieb für en-ce,
ec-quis, en-quis,
ec-quando, en-quando,
wie nucquam, nunquam.
Auch im Deutschen findet sich ein gutturales n vor k und g
in Wörtern wie csank, winken, renken, Unke, dünken,
bangen, drängen, sengen, düngen, Stellung u.a., das
also dem Sanskrit, Griechischen, Lateinischen, Deutschen und den
Romanischen Sprachen gemeinsam ist*). Folgendes sind also die
Ergebnisse der Untersuchung über den Laut des Lateinischen N.
Das N hat den scharfen festen Zungenlaut im Anlaut
der Wörter und im Inlaut zwischen zwei Vokalen und mit Aus-
nahme der späteren Volkssprache vor lingualen Muten.
Das N hat einen matten dumpfen Ton, der dem Sanskrit
Anuswara, dem deutschen n in Wörtern wie Gans, Zins, Sense
ähnlich war, im Inlaut der Wörter vor folgendem s, in Compositen
auch vor den Halbvokalen j und v und vor dem starken labialen
Hauchlaut f; es hat einen matten dämpfen Ton im Inlaut nach
m und im Auslaut, der dem deutschen auslautenden n verwandt
war.
*) Schneider Lat. Gr. 1 , 272 f. scliliesst aus der Schreibweise
singnum, Grut. 37, 13. 42,4. 54,8, dass auch in agnns, magnus,
abiegnus, segnis, ignis, Signum, gigno, pugna u. a. ein
gutturaler Nasal gehört worden sei. Diese Vermuthnng wird widerleg!
durch das Italienische , Französische und andere Romanische Sprachen,
die Lateinisches gn wie nj aassprechen vermöge einer Erweichung <l«s
g zu j und Lautumstellung. (Diel: <ir. Rom. I, 218 /. ) Aus jener
Schreibweise singnum kann man daher höchstens schliessen, dass die
Romanische Aussprache jener Wörter schon in der Volkssprache der
späteren Römischen Kaiserzeit anting , und daher jene Fehlerhafte
Schreibweise singnum entstand, die das n vor das g stellte, wie die
Romanischen Sprachen es hören Hessen, aber es auch hinter dem g bei-
behielt, wie die alte Schreibweise war. Wenn die Grammatiker über
eine Lauteigenthümlichkeit schweigen, so folgt daraus swar keineswegs
immer, dass dieselbe nicht vorhanden gewesen ist, aber au dm stellen,
wo sie so bestimmt und eingehend über das n adnlterinnm handeln,
würden sie auch eins der Wörter wie si^imm agnns u. a. angeführt
haben, wenn sie mit diesem Laut gesprochen wären.
— 107 —
Das IN hat einen gutturalen Klang vor den Gutturalen c,
q, g, ch, x, den die Lateinische Schrift auch durch g, nc, c aus-
zudrücken versucht, auch wohl gar nicht bezeichnet, und der dem
Französischen nasalen n und dem gutturalen n in den deutschen
Wörtern Dank, sinken, Klang, singen und ähnlichen ent-
spricht.
M.
Auch der Laut des m ist an verschiedenen Stellen des Wortes
verschieden gesprochen worden. Priscian sagt I, 38. H.: M ob-
scurumin e x t r e m i t a t e d i c t i o n u m s o n a t ut'templum',
aper tum in prineipio ut cmagnus', medioere in mediis
u t cumbra'. Im Anlaut also hat m (\en starken entschiedenen
Ton gehabt, mit dem auch in verwandten Sprachen die labiale Li-
quida gesprochen wurde. Dass es im Inlaut vor labialen Consonan-
ten schwächer klang, wie aus Priscians Beispiel umbra erhellt,
ist begreiflich, da es vor Labialen zum Theil als blosser labialer
Vorklang ohne etymologische Bedeutung zur Verstärkung der Silbe
dient wie in rumpo, conrumptus neben rupes, rupi, ambi-
neben Sanskr. abhi in ähnlicher Weise wie dies mit gutturalen n
in frango, tango, pango neben fregi, tetigi, pepigi vor
folgendem Guttural der Fall ist.
Jedenfalls lässt der folgende stärkere Labiale b den vorher-
gehenden schwächeren m nicht zur vollen Geltung kommen. Ab-
schvvächung erlitt der Laut m ja auch, indem er vor Gutturalen c,
q, g sich zu einem gutturalen n assimilierte wie in aneeps (für
ambieeps), nunquis, congero, vor Lingualen d, t in das ge-
wöhnliche linguale n , wie in t a n t u n dem, v e r un tarne n , e a n -
dem, vor s, f , j , v in den dumpfen halbvokalischen N-laut, von
dem die Bede gewesen ist, wie in cönsul (cösol), cönfisus,
conj ux (coj ux), conventione (coven tionid). In der Com-
position schwindet vor vokalischem Anlaut des zweiten ßestand-
theiles das anlautende m von circum in
c i r c u i r e , c i r c u i t u s , c i r c u a g o , Prise. II, 3. H.
das m der Präposition com in:
c o a g u 1 u m , c o e m p t i o , c o o r i o r ,
coactum, c o e t u s , c o o r t u s ,
coalescere, c o i m e r e , c o o p t a r e ,
coaptare, c o i r e ,
coartare;
— 108 —
nur in dem alten Worte comitium von com - ire hat es sich ge-
halten. Am schwächsten klang also das m im Auslaut der Worte*.
Schon in dem Abschnitt über das Alphabet ist gezeigt worden,
dass Verrius Flaccus den Ton des auslautenden m für so schwach
erklärte, dass er zum Ausdruck desselben in der Schrift nur das
halbe Schriftzeichen |V verwenden wollte (Vel. Long. p. 2238).
Qu in tili an sagt vom auslautenden m, IX, 4,40: parum expri-
mitur und neque enim eximitur, sed obscuratur, was
also mit Priscians Ausdruck : m obscurum in extremitate
dictionum sonat übereinstimmt. Donat sagt , Ter. Adelph. II,
1 , 53 : m 1 i 1 1 e r a e s t n i m i u m p r e s s a e v o c i s a c p a e n e n u 1 -
1 i ii s . Die Schwäche des auslautenden m bethätigt sich nun ein-
mal darin, dass es sich im Zusammenhange der Rede bisweilen
dem anlautenden Consonanten des folgenden Wortes zu n assimi-
liert, vor dem es im Inlaut des Wortes dieselbe Assimilation erleiden
würde. So sagen Cicero {Graf. 45, 145) und Quiniihan (VIII, 3,
45) übereinstimmend, dass man im Zusammenhang der Hede
(•im nobis sprach für cum nobis,
und Velius Longus hörte:
etian nunc, p. 2236. füreliam nunc.
In Uebereinstimmung hiermit ßndet sieb die Angabe, dass Cato:
a n termin um, Orig. Macrob. Sat. für circum terminum
I, 11.
schrieb. Die Präposition ambi stumpfte sieh hier so ab. dass sie
zuerst (bis auslautende i einbiisste wie ut für Uli, dann das b ab-
fiel und das nun in den Auslaut getretene m sieh vor dem anlau-
tenden t des folgenden Wortes zu n assimilierte. Hiermit stimmen
überein die Schreibweisen:
per de cen dies, Or. Henz. 6183. für per decem dies,
tan Concorde, Or. //r/t:. 73S2, für tarn Concorde.
Hier assimilierte sieh das auslautende m von I a m vor guttura-
lem Anlaut des folgenden Wortes zu gutturalem n, wie inlautendes
m in aneeps oder ageeps (für ambi-eeps)», Concors,
iiiiuquam diese Assimilation erlitt.
Eine ähnliche Assimilation des auslautenden m zu gutturalen
n fand also statt in i\cn auf Inschriften der spätesten Zeit wieder-
holt vorkommenden Schreibweisen
co n quo, con qua. eon que, con quem, con cojugi,
die weiter unten nachgewiesen sind.
— 109 —
Das auslautende m betbätigt seinen schwachen und matten
Ton aber auch darin, dass es vielfach ganz schwindet. Gerade das
Sehwinden, Wiederauftauchen und Wiederverschwinden des in ist
nun für die Geschichte der Lateinischen Declination und Gon-
jugation von Wichtigkeit.
fn der Conjugation ist das auslautende in der ersten Person
Singularis des Indicativs in der Regel abgefallen, während es sieh
im Conjunctiv meist erhalten hat. Da sich im Griechischen wie
im Lateinischen der Abfall dieses m findet, des Restes vom Perso-
nalpronomen -mi, in derjenigen Conjugationsklasse, welche die
Personalpronomina mittelst Bindevokales an die Verbalstämme fügt,
also in Xeya wie in lego, in Gxzyco wie in tego, so muss der
Abfall des m hier sehr frühzeitig statt gefunden haben. Während aber
das Griechische in seiner ^xt- Conjugation das ganze Personalprono-
men der ersten Person fu gewahrt hat, ist im Lateinischen Indiealiv
nur noch in s-u-m (es-u-m) neben Griechisch £l-[il {la-^a)
der Consonant des Personalpronomens übrig geblieben. Es sind nun
bestimmte Angaben vorhanden, dass der Abfall des Personalzei-
chens m im Altlateinischen auch die erste Person des Conjunctivs
ergriffen hat, wie dies durchgehends im Griechischen der Fall ist.
Nach Verrius Flaccus fanden sich bei Gato und bei anderen älteren
Schriftstellern häufig Gonjunctivformen wie:
a 1 1 i n g e , Fest p. 26. M. für a 1 1 i ng a m ,
d i c e , Fest. p.72. d ica m ,
ostende, Fest. p. 201. ostendam,
reeipie, Fest.p.2S(). reeipiam.
Die Frage, wie dieses in, wenn es völlig aus dem Reiche der
Töne verschwunden war, späterhin wieder durchgängig gesprochen
werden konnte, wird sich weiter unten erledigen, wenn der Abfall
des auslautenden m von Nominalformen in Betracht gezogen sein
wird *).
*) Th. Bergk {Zeitschr. für AUhwissensch. XIII, 297) will aus
Schreibweisen wiefaciom, dicom, ineipissom, subigitom, vi-
el eom, die in einzelnen Plautushandscliriften vorkommen, alte noch zu
Plautus Zeiten gebräuchlich gewesene Formen der ersten Pers. Sing.
Praes. Ind. herstellen. Ritschi und Fleckeisen haben wohl gethan sie
als Schreibfehler zu behandeln und nicht in den Text aufzunehmen.
Abgesehen von kritisch-philologischen Gründen spricht der Abfall des m
auch in Gonjunctivformen der ersten Person zu Cato's Zeit, und der
-■•■
110 —
Auf den Inschriften aus der Zeit der Punischen Kriege findet
sich das auslautende m von Nominalformen bald geschrieben , bald
nicht, oft auf einer und derselben Inschrift. Man vergleiche:
dono, /. N. 5483. 5567. Ritschi, d onom, l. Flor. Or. 1421.
I. Pis. fictil. Lat. p. 26. 27. Or.
1500. Gritt.52, 11. Rhein. Mus.
IX, 466. Or. 4309, 5.
donu, i. Pis. Ritschi , fictil. Lat. donum, Ritschi, ct. 0. p. 27.
p. 28.
pocolom, a.O.p. 8. 17. 18.
Lucio m, /. Scip. Barh. f.
sa er om, /. N. 715. 716.
Ritsch?, fictil. Lat. p. 28. Or.
2714.
sacrum, /. Rom. Or. 1S50.
Ritschi, fiel. Lat. p. 26.
viro , t. Scip. Rarb. f.
o i n o , ct. 0.
optumo, ct. 0.
Samnio, t. Scip. Rarb.
d uonoro , ct. 0.
A i s e r n i n o , num. Itah . Motu ms.
Uni. Dial. S. 204.
Aquino, ct. O.
C a i a l i n o , n um . Itah Momms.
U. D. S. 204.
C a I e n o , a. O.
C o r a n o , ct. O.
Cozano , a. O.
Paistano , a. O.
Romano, ct. O.
S uesano , it. O.
Tiano , ct. O.
vice sin a , Or. 1433.
C o r s i c a , t. Scip. Barb. /'.
Aleriaque, a. O.
T a u r a s i a , /. Scip. Rarb.
poublicom, /. N. 715. 716.
I (»com, a. O.
cap I om , Col. rostr. rest.
Vol k anom , num. Hai. a. O.
ol(or)om, Col. rast* rest.
V i se rn i nom, num. Jtal. a. 0.
L ad i nom , a. O.
Lo uc an am, /. Scip. Barb.
häufige Abfall des m in der älteren Sprache überhaupt, wo ihn die
jüngere Sprache wiederhergestellt hat, gegen jene Annahme, und über
dies weiss kein alter Grammatiker etwas von derartigen Formen »1er
ersten Pers. Sing. Ind. Praes. Sogar das auslautende m von mm laset
eine Inschrift ganz weg, su, Or. Benz. Till.
— 111 —
C i s a u n a , a. 0. f a c i o n d a m , Grul. 95, 6.
S c i p i o n e , t. Scip. Bari), f.
aide, a. 0.
parti, Or. 1433.
Seit der Zeit des Senatusconsults über die Baecanalien findet
sich das auslautende m der Nominalformen in der Regel geschrie-
ben mit einzelnen Ausnahmen wie:
A n t i o c o , t. Scip. Or. 556.
annoru, i. Scip. L. f. L. n. Egger Lai. serm. vet. r. p. 156.
signu, /. Mummian. Ritschi. Or. 563.
Daraus erhellt, dass das auslautende m in früherer Zeit so
malt und dumpf gesprochen wurde, dass man zweifelhaft war, ob
man diesen Laut noch durch einen Buchstaben bezeichnen solle,
oder nicht, dass aber seit der Zeit der Macedonischen und Syrischen
Kriege also des lebendigen Verkehres mit Griechenland das in im
Munde der Gebildeten wieder bestimmter hervortrat- Dass es aber
in der Volkssprache des ersten Jahrhunderts nach Christus nur
ein matt nachklingender kraftloser Laut war, zeigen die flüchtig
eingekrazten oder aufgepinselten Wandinschriften, in denen sich
der Volkswitz der Pompejaner erging. In diesen fehlt zum Theil
das auslautende m des Accusativs; so in:
Maxi in o, Bull. Nap. I. p. 68. Iota, a. 0.
O.Jahn, Ber. ä sä'chs. Ges. Bombeiana, Or. 2541.
Dec. 1 857. p. 193. j> u e 1 1 a , Gar. Inscr. Pomp. A. 2.
Antiocu, Jahn. a. 0. p. 194, lau data, a. 0.
15. Maccone, a.O. XXIII, 2.
1 u s c u , a. 0. V e n e r e , Henz. Or. 7295. Jahn.
Dionysia, a. 0. a. 0. p. 195.
vi ndemia , a. 0. p. 193.
Vgl. Bücheier, Rh. Mm. XII, 241 — 260.
In dieselbe Zeit gehören die Formen :
sin c e r u , Or. Henz. 2796. f u n d o r u , Or. Henz. 6085.
ort u , a. 0.
Seit Ende des dritten Jahrhunderts nach Christus zeigt sich
der Abfall des auslautenden m von Nominalformen auf Inschriften
vielfach, weil es in der Volkssprache dieser Zeit nicht mehr gehört
und gesprochen wurde, wie folgende Zusammenstellung von Beispie-
len lehrt:
— 112 —
Casilino, 7. TV. 3571 {p. Oh. maceria, /. N. 4076.
387). Tu sei a, Or. Henz. 5588.
habituru, Or. 4623. urina, a. 0. 7334.
theatru, Or. 4955. poena, a. 0. 7339.
monimentu, /. N. 3119. terra, a. 0. 7396.
monurae n t u , Or. Henz. 7338. a ni m a , Boiss. J. Ly. XVII, 1 9.
vi nu, a. 0. 7415. eterna , Marin. Iscr. Alb. 168.
sinu, I. N. 5273. eclesa, «. 0. 172.
sacru, /. N. 6916. fronte, Graf. 656, 5.
initiu, I. N. 6746. uxore, Or. 4623.
lucru, /. N. 6302,4. ineursione, I. N. 2509.
iinnu, 7. JV. 6308, 2. 7233 berede, 7. TV. 2863.
(p. Ch. 392). dedicatione, I. N. 5792 (p.
faustu, 7.7V. 6308, 3. Ch. 338). Or. Henz. 7116.
(I e e i m u , Marin. Iscr. Alb. 1 69. f e 1 i c i t a t e , Or. Henz. 7420. rt.
im u, 7. TV. 7233 (/>. CA. 392). w.
Laru, 7. TV. 5615. Tebere, Tto/w. S.7. Ufon.Chr.
eonsolato, Boiss, 7. 7.y. XVII, 481, 7.
34 (p. 67*. 510.) dignitate, Or, Henz. 5580.
a n n o r o , Fleetw. S. 7. 7J7o;>. so ci e t a t e , a. 0.
Chris/. i>. 503, 2. Graf, ciyitate, a. 0. '
1061, 3. Harte, a. o. 7194.
sepoltura, 7. TV. 1942. queadmodum, a. O. 7081.
m ea, 7. TV. 1942. asse, a. 0. 7116.
olla, Or. Henz. 7341. leve, a. O. 7306.
vestra,7. TV. 2558 (;;.67/. 289). pane, a. 0. 7415.
Zu derselben Zeit schwand m auch im Auslaut aller anderen
Wörter wie in den Deelinationsendungen ; so in
mecu, 7. N. 6629.
septe, I. N. 3293. Boiss. I. Ly. XVII, 7.
dece, I.N. 6687. Boiss. I. a. O.
sedece , a. 0. 10.
a u t e , Or. Henz. 7338 ;
ferner in:
n u n q u a , Marin. Iscr. Alb. 172. für n n n q U a in ,
pride, pride»,
ide, ideni,
passi, passim,
oli, olim,
- 113 -
{Anal. Gramm. Eichenf. u. Endlicher p. 444). Wenn die For-
men ohne m von einem Grammatiker des vierten Jahrhunderts be-
kämpft und als fehlerhaft verworfen werden, so liegt darin eben der
Beweis, dass sie im Volksmnnde gehört wurden. Ein sicheres Zei-
chen, dass das m des Aecusativs im Volksmunde seit Ende des dril-
len Jahrhunderts nicht mehr gehört wurde, liegt auch darin, dass
die Steinmetzen nicht mehr wussten, oh das m, das sie noch ge-
schrieben fanden, zum Accusativ oder Ablativ gehörte, und es daher
gelegentlich auch an den Ablativ andickten, da es ihnen ein wesen-
loses und klangloses Zeichen war. So finden sich denn auf In-
schriften seit dieser Zeit Äblativformen wie folgende:
suam, Grut. 4, 12. amplitudinein, Or.ffenz.b5H0.
elysium, 7. TV. 3528. agnitionem, Gr. 177, 7.
einet um, Gr. 668, 6. sa Intern, Gr. 4, 12.
bibum, 7. N. 6458. partem, Gr. 215, 2.
lomolum, Boiss. I. Ly. XVII, peccatorem, Gr. 1062, I.
15 (p. Gh. 428? 511?). n.atrem, 7. B. N. 3137.
un um, Marin, her. Alb. 16S. . conjugem, Gr. 1139, 13.
d o m u m , a. 0. c o m in u n e m , 0. ffenz. 6432.
c o m p a r e m , 7. N. 6733. I s e m , Gr. 3 1 2, 5.
jussionem, Gr. 164, 3. quem, 7. N. 1372, 4796. 6420.
aedem, Gr. 312, 7. 6605. 6940.
Dass der Abfall des auslautenden m eine Hauptursache Ar>
Untergangs der Lateinischen Deklinationen in der Volkssprache
war, wird weiter unten im Zusammenhange mit anderen sprach-
lichen Erscheinungen dargethan werden. In dem Abschnitt über
die irrationalen Vokale wird davon die Hede sein, dass die auf m
auslautenden Schlusssilben der Wörter infolge des schwachen Tones
dieses m ganz schwinden konnten und dass die Silben -am, -em,
-im, -om, -um in der Verskunst vor vokalischem Anlaut des fol-
genden Wortes als stumme oder irrationale Laute gesprochen und
gehört wurden, denen die metrische Geltung einer kurzen Silbe
nicht mehr beigelegt wurde. Eben so schwach wie in der Volks-
sprache der Römer muss das auslautende m in der Mundart der
Umbrer gelautet haben, da es in der Schrift derselben willkührlich
bald geschrieben bald weggelassen wurde, während der Oskische
und Volskische Dialekt wie die Sprache der gebildeten Römer das m
sorgsamer wahrte (AK. Umbr. Sprd. I, S. 92. f. Verf. d. Volscor.
Ung. p. 50. f.).
CORSSEN. §
114
Sibilanten.
S.
Die Geschichte des Lateinischen Alphabets zeigte, dass das
Dorische Alphabet von Cumae nur einen Buchstaben für den S-laUt
halte, das Dorische San oder Phonicische Schin C , und dass daher
auch das Römische Alphabet nur dieses kennt, während andere Ita-
lische Alphabete die beiden Formen für den Zischlaut ^ und M
überkommen hatten. Daraus folgt nun keineswegs, dass das Latei-
nische s an allen Stellen des Wortes denselben Ton gehabt hätte,
denn auch die verschiedenen Klänge des 1, m, n werden ja durch
einen Buchstaben ausgedrückt. Die Grammatiker geben uns wenig
Aufschluss über die Aussprache des Lateinischen S- lautes, denn
solche Angaben wie Diomcä. p. 420 : c s con sonans sc m i voc a -
lis suae cujus dam potestatis' und Ter. Maur. p. 24<).'>:
f vi vi da est haec inter omnes atque densa littera' sind
zu allgemein gehalten. Die Verschiedenheil des S -lautes an ver-
schiedenen Stellen des Wortes können wir nur aus den Laut Verbin-
dungen und Lautübergängen des s in den Wertformen erkennen.
Im Anlaute vor Consonanten erscheint s nur in den Lautver-
bindungen sp, sc, st, ist also immer ein scharler Zischlaut ge-
wesen in Wörtern wie spargere, scindere, stare u. a.
Das anlautende s vor Vokalen nniss ebenfalls scharf gelautet
haben, weil es in den Romanischen Sprachen diesen Laut hat, und
eine Schärfung desselben, die eist in diesen Tochtersprachen des
Lateinischen eingetreten wäre, nach den sonstigen l.aiilverhällnissen
derselben nichl glaublich erscheint Das anlautende s in
Lat. sapere, Italien. sapere, Franz. si roir,
seeundum, seeondo, seconde,
silenlium, silen/io, silence,
sol-em, sole, soleil,
su um, suo, son
hat also denselben scharfen Ton gehabt.
Im Inlaut wurde das s scharf gesprochen vor und nach ande-
ren Consonanten. Das zeigt einmal der Ueberganf der Media vor
s in die Tennis in den oben besprochenen Wortformen wie apsli-
neo, nupsi, lapsus n. a., dann aber auch der Umstand, dass -
sich nur vor scharfen Linien im Wortkörper hält, während es vor
in, n, 1 wie vor d ausfällt, wie in :
— 115 —
C a - m e n a , po-no, corpu-len- j u - d e x ,
t . u s ,
Ca -m Ullis, ce-na, {Umbr. qua-lum, i-dem,
q e s n a )
r e - m u s , ahe-neus, {Umbr. di-d n c o ,
a h e s n e s)
trire -ums, pe-na, pcnna tre-decim,
o - in e n , ca-ous, (Osk. ca s -
n a r )
po-moerium, vide-n \
po-meridia- sati-n\
n US,
du -in os ns,
[vgl. Schneid. Lat. Gr. I, 474 /". Umbr. Sprachä. AK. Gloss. Uni.
Mal. M. Gtoss.)
oder zu r wird, wie in:
carnien, ornare, vetern us, und vor v in furvus,
Carmen ta, verna, diurnus, Minerva.
hodiernus,
Vgl. Schneid, a. 0. 342 /. Pott Etym. Forsch. I, 132 /'.
Das s verlrug sieli seines scharfen Lautes wegen mit diesen
Lauten ebensowenig wie im Anlaut mit folgendem f, wie fallo lie-
hen öcpalla, fungus neben ocpoyyog , i'unda neben
Gcpsvdovr], fidis (Saite) neben öcptörj zeigen.
Im Inlaut zwischen zwei Vokalen hingegen muss im Lateini-
schen das s einen weicheren Ton gehabt haben. Dafür sprechen
einmal die Romanischen Tochtersprachen des Lateinischen, die an
der besagten Stelle ein solches s hören lassen, wie neben:
Latein, rosa, Italien, rosa, Franz. rose,
positio, posizione, position.
Dafür zeugt aber auch der Uebergang des s zwischen zwei Vo-
kalen in r, der im Lateinischen wie in anderen Altitalischen Spra-
chen nicht so weit um sich gegriffen haben würde, wenn nicht
das s der weichere und schwächere Zischlaut gewesen wäre (vgl. S.
85/.). Es ist schon oben darauf hingewiesen worden, dass Gothisches
s in andern deutschen Mundarten zu r geworden ist; das Neuhoch-
deutsche kiesen, erkiesen neben küren, willkürlich, er-
koren von Got.h. kiu san zeigt, dass das s, aus welchem r abge-
schwächt wurde, auf deutschem Sprachboden ein weicher Zischlaut
— 116 —
war. Man muss also schliessen, dass Altlateinisch asa zu Neulatei-
nischem ara lautlich in demselben Verhältniss stand wie Gothisch
kiusan, Neuhochdeutsch er-kiesen zu Neuhochdeutschem kü-
ren, das heisst, dass auch im Lateinischen das s zwischen zwei
Vokalen, das sich so oft zu r abschwächte, der weiche Zischlaut
war. Dies wird auch bestätigt durch den Ausfall des s in dieser
Lautverhindung, zum Beispiel in:
spei , für spesi,
diei, diesi.
Dass das s von spes stammhaft war zeigt die schon erwähnte
Ennianische Form des Nom. und Acc. Plur. speres; dass in La-
teinisch dies das s dem Wortstamme angehorte, nicht Nominativ-
zeichen war, zeigen die abgeleiteten und zusammengesetzten Bil-
dungen d i u r - n u s für di u s -n'u s , ho-d i er-n ns für h o -d ies-
nus, Dies-piter und das Sanskrit, divas, dessei a sich in den
Lateinischen Wortgestaltungen dies-, dier-, diur- nach Ausfall
des v regelmässig zu 6 oder zu u abgescbwächl bat; dies and
spcs gingen erst nach Ausfall ihres Btammhafteu s in die E-decli-
nation über. Ebenso ist s zwischen Vokalen ausgefallen in:
Olealis, für Ceresalis, verglichen mil Ceres, Gereris,
Ramnes, Ramneses,
Tities« Ti t ieses ,
Lu cere s, L u c ereses.
Der Ansicht, dass s /.wischen Vokalen weich gesprochen wurde,
scheint sich in den Weg zu stellen, dass im Lateinischen für s im
Inlaut zwischen Vokalen so oft in Inschriften wie in Handschriften
ss geschrieben ist. So auf Inschriften der besten Zeit:
causam. L repet. (Servil.) caussa, /. repet. (Serv.) Or.
causa, 7. N. 2646. 5605. 460t. 3674. 2249. I Tut. mun
Or. ffenz. 7168. (häufig) >■ Ruhr* Or, 1859.
causeis, /. hil. muh. MiiiiI. RCCUSSasse, /.////. ///////.
laud. Or. 1860. ussu, Mwrd.laud.Or* 1860.
(| uae SSO, /. \. 6 IS2.
hassim, /. \. 4317.
Ebenso kommen auf Inschriften nebeneinander die Schreib-
weisen von Namen vor wie:
Gosinius, Cossinius,
Cosinia, Cossinia
Sosius , Sossia.
— 117 —
Nach Quin tiliaris Aussage (1, 7, 20) schrieb man zu Cicero's
Zeilen und noch etwas später ss auch nach langem Vokal in Wör-
tern wie: c aussäe ,
c a s s u s ,
divissiones,
und Quintilian fand diese Schreibweisen in Handschriften des Cicero
und Vergil. Daher erwähnt auch Marius Victorinus (p. 2456) als
alte Schreibweisen: aussus,
c a u s s a ,
fussus ,
od iossus.
In Liebereinstimmung mit jenen ältesten Handschriften des Ci-
cero und Vergil haben der Ambrosianus und andere Codices des
Plaut us die Schreibweisen :
caussa, profussus, abussos,
excusses, pertussum, ussust,
recusscm, occassionem, ussui,
rissu, comessum, russum,
delussistis, in i s s i , p r o s s u in ,
lussi, promissi,
(Ritschi Prol. Trut. p. 104. Lachm. Lucr. III, 44) und die Ver-
gilhandsctiriften (Wagner Orth. Verg. p. 469):
caussa, obcssis, neben causa,
cassus, ade ss us, casus,
Cressa, seines sus, Cresia,
Lyrnessus, arabessa, Lyrnesus,
incussare, cxessa,
recussare, perossus,
cassuras, p laus sus,
occassus, adhessis.
Etymologisch berechtigt ist diese Schreibari in allen den Wort-
formen, die von Verben gebildet sind, deren Stamm auf d und I
auslautete wie c a s s u s , a u s s u s , f u s s u s , rissu, 1 u s s i , missi
u. a., da jene Lingualen sich dem folgenden s assimilierten, ebenso
in russum, prossum für rursum, prorsum wie in Sas-
sina, dos sum, dossuarius, dossenus für Sarsina, dor-
sum u. a. {Rhein. Mus. VIII, 156). Nach Quintilians Zeugniss
war indcss die Schreibweise s s nach langem Vokal oder Diphthon-
gen seiner Zeit nicht mehr die gewöhnliche, und die meisten Gram-
— 118 —
matiker missbilligen sie {Ter. Scaar. p. 2257. Cassiodor. 2283.
VeL Long. p. 2237. Prise. III, 36. H.). Aus dem Schwanken der
Schreibweise zwischen ss und s nach langen vokalischen Lauten
folgt, dass ein wesentlicher Unterschied der Aussprache zwischen
ss und s in dieser Lautverbindung nicht statt fand, und dass eben
die Länge des Vokales es war, welche eine entschiedene Schärfung
des folgenden Consonanten nicht zuliess, wie dies im Deutschen der
Fall ist. Daher haben denn auch die Romanischen Sprachen in
diesem Falle nur ein s gewahrt, wie die Italienischen Wertformen
cosa, scusare, caso, divisione, plauso, luso, profuse
u. a. zeigen. Das s in allen diesen Wörtern aber ist ein sanfter
Zischlaul. Cicero's Schreibart ss nach langem Vokal folgte der
Etymologie, indem das erste s der Vertreter eines assimilierten
Lautes war, seit Quintilian aber schrieb man nach der Aus-
sprache nur ein s; man hörte also in den angeführten Wörtern
nur das einfache s, wie es gewöhnlich zwischen zwei Vokalen klang,
das heisst den weichen Zischlaut. Wo hingegen sich durch alle
Zeiten stets ss geschrieben findet, seitdem man überhaupt doppelte
Consonanten schrieb, wie in den vom Perfectstamme gebildeten
Verbalformen luis se, de 1 esse, clamasse, Bosse, luissem.
delessem, clamassein, uossen u. a., wurde auch ein geschärf-
ter Zischlaut gehört.
Den weichen Laut halte das s auch nach jenem mall lautenden
D, das häufig gar nicht geschrieben wurde, also in consul, ren-
sor, conservus, Lucerenses oeben co so!, cesor, coser-
vus, Lucereses u.a., da das s Dach jenem schwachen N-klang
ganz ähnlich wie zwischen zwei Vokalen gestellt war {vgl. s.\)l /'.).
Für diese Aussprache giebt die Schreibweise
lirj^eg, I. R. N. 2143 für incii.es
einen Beleg, da das Griechische £ ja den sanft assibilierten Ueber-
gangslon zwischen ö und ö* bezeichnet.
Das auslautende s hat seil alter Zeil im Lateinischen einen
überaus schwachen Klang gehabt. Schon in Zeiten die weit hinter
dem Zeitalter der ältesten Schriftdenkmäler zurückliegen i>i das
Casuszeichen s vielfach abgefallen. So im Nominativ Sing, von
Wörtern wie Numa, poeta, puer, ngil; im Genetiv der \ .
0-, V- und E- stamme waren a-is, o-is, u-i^. e-is die ur-
sprünglichen Formen, aus denen nach Abfall des auslautenden s
die späteren ae, i, i, ei entstanden sind, ebenso im Nominativ
— 119 —
Pluralis der A- und O-stämme, wo a-is, o-is die ursprünglichen
Formen waren für die späteren ae, i. Der Beweis für diese Ab-
stumpfung der Casusendungen ist von der vergleichenden Sprach-
forschung längst geführt, besondere Belege dafür werden sich in
den Abschnitten über die Trübung der Diphthonge und über die
Vokalverschmelzung im Inlaut finden. Alt ist auch der Abfall des
Personalzeichens der zweiten Person Imperat. in Formen wie
lege-, mone-, audi-, das, wie in dem Abschnitt über die Vo-
kalkürzung aus der alten Form prospiccs für prospice erhel-
len wird, ein s war, und der Abfall des Personalzeichens s der
zueilen Person Sing. Praes. Ind. und Conj. und des Im per f. Ind.
und Conj. wie des Fut. 1 Indieat. in Formen wie deleclare,
laudare, vi debare, loquerere, v er eher e, petiere u. a.
neben den gewöhnliehen delectaris, lau d a r i s u. a. Früh-
zeitig fiel auch das s der Adverbien magis, potis ab und so
entstanden die stumpfen Formen mage, pote ; dass dieses s der
Lateinischen Comparativendung ins angehorte, ist sehon oben
nachgewiesen worden. Eben solches s büssten auch die multipli-
cativen Zahladverbien ter und quater ein mil der ganzen Endung
icns, ies, wie sie quin quiens, sexiens und die anderen der-
artigen Wortformen zeigen (Zcilschr. für.vergl. Sprach/'. III,
296. f.).
In allen diesen Fällen ist das auslautende s schon abgefallen
in der Zeit, wo unsere Kenntniss Lateinischer Sprachdenkmäler an-
hebt. Aber gerade diese ältesten Sprachdenkmäler zeigen auch
Abfall des auslautenden s von Wortformen, wo es in der Blülhezeit
der Sprache wiederhergestellt ist. So ist in den ältesten Inschrif-
ten, die auf uns gekommen sind, das s des Nominativs von O-stäm-
men nicht geschrieben :
Tetio, i. Pis. Rilschl, fietü. Lat. p. 27.
Popaio , /. Pis. Momms. U. D. p. 342.
Furio, /. Für. a. 0. p. 276.
Ovio, ct. 0. p. 306.
P uli o , nwn. Luc. Bull. d. inst. \ 847. p. 1 59. Momms. ct. 0. p. 28.
M o d i o , a. 0.
Terentio, Or. 3147.
Apr ufenio , ct. 0.
Albanio, ct. 0.
Turpilio, a. 0.
— 120 —
Munatio, a. 0.
Ravelio, /. N. 715.
Cominio, a. 0.
Malio, a. 0.
Terebonio, Ritschi ficiü. Lal. p.27.
{vgl. Ritschi Rhein. Mus. IX, 9. Momms. Rhein. Mus. IX, 460.)
Diese Inschriften gehören dem Zeitalter der Punischen Kriege
an; weder auf ihnen, noch auf anderen Voraugusteischen Inschrif-
ten wird, abgesehen von den oben erwähnten ältesten Zerstörungen
des auslautenden s, ein anderes s als das Nominativzeichen
der 0 -stamme in der Schrift weggelassen; Schreibweisen wie
facili, senatu, minu, genu, für facilis, senatus, mi-
nus, gen us kommen durchaus nicht vor. Wenn Cicero das Ab-
werfen des auslautenden s vor eonsonantischem Anlaut des folgen-
den Wortes subrusti cum nennt {Oral. 48, 161), so liegt darin
ausgesprochen, dass dieses s zu seiner Zeit im Munde des Landvol-
kes denselben schwachen Ton halte, wie dies für die Zeiten der Pu-
nischen Kriege aus den Inschriften erhellt. In den Inschriften der
späteren Kaiserzeil wird nun das s des Nominativs von O-släuiuien
wieder zum Theil durch die Schrift nicht bezeichnet wie im All-
lateinischen ; so in :
filio, /. N. 2076.
Longinu, /. N. 2119.
Seppiu, /. N. 4911.
Mariu, /. N. 5354.
positu, Roiss. I. Ly. XVII, 11.
ein Reweis, dass in der späteren Lateinischen Volkssprache das aus-
lautende s verklang wie das auslautende m. Ersl auf Inschriften
der spätesten Kaiserzeit ist das auslautende s auch von anderen
('asusformen als dem Nominativ von 0- stammen durch die Schrill
nicht ausgedrückt. So linden sich die Schreibweisen:
securitati, Or. 1121. creati, Or. ffenz. 5588.
incomparabili, GruL 318, 4. qui, a. o. ~:>:>9.
lovi, GruL -'507, 7. ani, Boiss. I. Ly. WM. 8.
Xepoti, (hui. 594, 1. (/>. Ch. V22.)
aetati, /. N. 1764. anni, ,i. 0. XVII, II (sehr
Isidi , Gr. 83, 15. s/x//).
religioni, Gr, 721, II. saltuosa, Or.Henz.b580.
Nicomcdi , Gr, 318, 7.
— 121 —
Aber auch auf Denkmälern dieser spätesten Zeit ist das auslau-
tende s des Genitiv Sing, noch geschrieben in
Caesar es, Gr. 76, 1.
campestres, c7r. 931, 6.
pages, /. N. 1302 (p. Ch. 508) u. ct.
Also in der Volkssprache ist schon zu Ende des vierten Jahr-
hunderts, zu Theodosius Zeiten, der Abfall des schliessenden s der
Declinationsformen eingerissen, wie schon früher auslautendes in
derselben verklungen war, wenn diese Laute auch noch nicht ganz
spurlos aus dem Sprachbewusstsein verschwunden sein mochten.
Hiermit war der Verfall der Lateinischen Declinalionen, wie weiter-
hin noch näher beleuchtet werden wird, entschieden. Noch weiter
wie das Lateinische geht das Uinbrische in der Abwerfung des
schliessenden s ; es lässt diesen Laut fast überall verklingen ausser
im Genit. Sing, und im Nomin. Dat. Abi. Plur. der A-Declination
und im Dat. Abi. der consonantischen Declinalion, wo die vorauf-
gehenden langen Vokale ä, e, ii dem auslautenden s Halt gaben
(Umbr. Sprache!. AK. 1, 105. 106.).
Die älteren Römischen Dichter, die bis in die Zeiten des Cicero
und Catull das auslautende s nicht als einen vollen Consonanlen
sprachen und horten und ihm daher auch nicht die Stärke verlei-
hen konnten in Verbindung mit dem anlautenden Consonanten des
folgenden Wortes den vorhergehenden Vokal zu einer posilionslaugen
Silbe zu ergänzen, haben sich also keine poetische oder metrische
Freiheit erlaubt, sondern sie sind ganz der Aussprache des auslau-
tenden s in der Volkssprache gefolgt. In dem Abschnitt über die irra-
tionalen Vokale wird dieser Gegenstand wieder zur Sprache kommen.
Somit hat die vorstehende Untersuchung über die Aussprache des
Lateinischen s zu folgenden Resultaten geführt:
S wurde scharf gesprochen im Anlaut, ebenso wie im Inlaut vor
und nach anderen Consonanten, ausser nach n, wie in den Ro-
manischen Sprachen noch heutzutage.
S wurde weich gesprochen im Inlaut zwischen zwei Vokalen,
wie noch jetzt in den Romanischen Sprachen , und nach dem
schwach lautenden n.
S wurde matt und dumpf gesprochen im Auslaut besonders in
der älteren und jüngsten Volkssprache, bis es in dieser ganz ver-
klang und daher in den Romanischen Sprachen verschwunden ist.
— 122 — m
Z.
Es ist schon oben darauf hingewiesen, dass sich das Schrift-
zeichen Z im ältesten Römischen Alphabet vorfand und in der
Schrift des Carmen Saliarc vorkam (Varro L. L. VII, 26. Vel
Long. p. 2217). Aus den Zwölf Tafeln wird es nirgends mehr er-
wähnt; wann es abgekommen ist lässt sich nicht bestimmen, nur
hören wir dass der Tragiker Attius es nicht schrieb (Mar. Victor,
p. 2456), während es sich schon auf der Tafel von Bantia in der La-
teinischen Schrift eines Oskischen Gesetzes aus der Zeit der Grac-
chen findet. Erst seit Cicero's Zeit kommt es wieder in Gebrauch,
aber auch nur in Fremdwörtern, namentlich in Griechischen. Wenn
sich in unseren Pia utushand Schriften die Schreibweisen zona, zo-
narius, zainia, Zeuxis, Zacynthus, badizo, trapezila
linden, so gehört dieses z frühstens der Textesconstitution an, die
im ersten Jahrhundert nach Christus Valerius Prolins oder ein an-
derer Grammatiker vornahm, um den Plaut ns für seine Zeil lesbar
zu machen.
Im Oskischen bezeichnet z einen zwiefachen Laut, einmal
im Auslaut einen Doppelconsonanten, der etymologisch aus
ts entstanden ist, so in horz, tat. holt us (Momms. U. D. p. 128.
131). 140), dann aber im Inlanl einen weichen Zischlaut, der
den Uebergang vom weichen s zu r ausdrückt in der Endung des
Genitiv Plnralis der A- stamme -azurn, entstanden aus -asnm,
Lat. -anim. Ebenso hat das Umbrische diesen zweifachen Laut,
im Auslaut das harte z, den Vertreter von ts in Wörtern wie
pihaz, Lat. piatus (Ufribr. Sprachä. M\ '. 1, 108), im Inlaut ein
weiches z, wie ausmenzaru, tat. mensarum erhellt Das
umbrische z halte an dieser Stelle nach n denselben weichen Zisch-
laut den nach der obigen Untersuchung das S nach n in Lateinischen
Wörtern halle. Ob das Altrömische /. mit dem Umhriscben und
Oskischen übereingestimmt habe, lässl sich nicht entscheiden; liier
kann lediglich in Frage kommen, was das Griechische £ solcher
Fremdwörter, die in die Lateinische Sprache aufgenommen sind, für
ein Schicksal gehabt hat.
Die Homer zu Planlus und Pacuvins Zeit drückten den Grie-
chischen Laut z im Anlaut durch ihr s ans, das dein deutseben 52
gleichkam, und schrieben und sprachen also Sag n D l n in. Selb us,
sona;das inlautende Griechische /. drückten sie durch >s ans. wie
die Plautinischen Formen badissas, malacisso, Atticisso,
— 123 —
comissor, cyathisso zeigen {Fleckeisen , Episl. Cr it. p. 1 3).
Audi in spätererZeit erscheinen noch Formen mit ss für Griechisch £
geschrieben wie palrisso, pytisso, niassa (Prise. I, 31. H.),
c r o 1 a 1 i s s o , h i 1 a r i s s o , m o e c h i s s o (Schneid. Lal. Gr. I /;. 385)
miil nacli dieser Analogie sind gebildet Graecisso, tablisso. Da
nun im Lateinischen ss im Inlaut nach kurzem Vokal und s im An-
laut denselben scharfen Zischlaut ausdrückten, so ist klar, dass den
alten Römern der Laut des Griechischen £ ihrem scharfen Zischlaut
am ähnlichsten klang. Etrurisches z drückten sie ebenfalls durch
ss aus, indem sie den Etruskischen Namen Mezentius (Mez-
zentius) auch Messentius schrieben (Diomed. p. 417. 421.
Vel Long. 2217. Prise. I, 31. H. vgl. Ter. Scann 2257.).
Dass nun aber im Römischen Munde der dem ss ähnliche Zisch-
laut des z einen D-ähnlichen Beiklang hatte, geht daraus hervor,
weil der Buchstabe z schon in der späteren Kaiserzeil dazu verwen-
det wird, das durch i mit folgendem Vokal assibilierte d aus-
zudrucken in Wörtern wie zabolus, zaconus u. a., von denen
schon oben die Rede war, und weil umgekehrt der Laut des Grie-
chischen und Etrurischen z in den Schreibweisen wie glycyrri-
dia, Medientius u. a., die oben besprochen sind, durch di be-
zeichnet wird (S. 77 /'.). Ebenso dient das z dazu, das in der spa-
teren Volkssprache assibilierte j auszudrücken in der Schreibweise:
z e s u , Grul. p. 1.058, 6. für Jesu;
es dient hier also demselben Zweck wie die Italienischen Buchsla-
ben gi in Wörtern wie giogo, gioco, giovane u. a. den wie
dsch klingenden Laut des assibilierten j zu bezeichnen, auch ein
Zeichen dafür, dass im Munde der Römer das z jener Mittellaut zwi-
schen D-laut und Zischlaut war. Und diesen Ton hat das z auch
in den Romanischen Sprachen behalten. Hiernach ist es überflüs-
sig auf die unfruchtbaren Erörterungen Römischer Grammatiker
einzugchen, ob z wie ds oder wie sd klang, ob es ein einfacher
oder ein zusammengesetzter Laut war. Beides ist nach dem vorher
Gesagten erledigt.
X.
Ob man den Buchstaben X für den Doppellaut es zu den Gau-
men- oder Kehllauten stellen will, oder zu den Zischlauten, ist an
sich gleichgültig, da er beide Laute verbunden bezeichnet. Er ist
hier zu, den Zischlauten gestellt, weil, wie sich sehr bald ergeben
— 124 —
wird, der Laut in der Sprachentwickelung mit der Zeit ganz zum
Zischlaut entartet ist. Dass der Buchstabe X nicht von vornherein
mit der Aufnahme des Dorischen Alphabets von Cumae, sondern
erst später in das Römische Alphabet aufgenommen wurde, aber
doch früher als die ältesten Inschriften, die wir besitzen, geschrie-
ben sind, ist in dem Abschnitt über das Alphabet schon gesagt
worden (S. 4 /.).
Es ist ein Zufall, dass auf den kurzen Inschriften der ältesten
Zeit, die noch ö und e als Ableitungs- und Bindevokal für späteres
ü und 1 zeigen, kein x vorkommt. Das Senatusconsult über die
ßaccanalien ist die älteste Urkunde auf der es erscheint, in den
Wortformen :
exdeicendum, e x t r a d ,
exdeicatis.
Seit dem Zeilaller der Gracchen, das heisst also seit Lucilius
und Atlius Zeit, die für die Feststellung der Orthographie vielfach
wirkten, findet sich für x auch xs geschrieben; so zum Beispiel in:
sax sum, /. Sci[). Cn. /*. Cn. n. deduxsit, /. agr. (Thor.)
in a x s u m e , Epigr. Sor. I. N, 1 1(. >.'). f a x s i I , /. agr. ( T/ior.)
t a x s a l , /. Bant. n oxsha e ve , /. Rubr.
e x s i g i t o , u.U. I. repet. vgl. I. agr, deixs er i t ve, a. 0.
(Thor.) duxserit, a. 0.
proxsumeis, a. 0. vgl. I. repet, Maxsuma, /. N. 2i)fJ.
/. agr. (Thor.) lexs, /. repet,
pro xsiinum, (Jr. 3315.
I'exsae, a. 0.
Diese Schreibart lindel sich auch noch auf Denkmälern dei
Augusteischen Zeit:
defixso, Ccn. Tis. <h\ (>42.
inaxsimos, a. 0.
ui.ixsuiui, Cen. /'/>•. 013.
und noch späler liis auf die Grabscbriflen der christlichen Zeil, vgl.
1. N. 328t. Or. lim:. 5129. 5400. :.:>'.»:5. Tills. 7(Ä9. 7231.
7347. 7372. 7419. Boiss. Inscr. /.//. VI. I. VIIL 21. \, 2. 2fi.
XIV, 20. XVII, 7. 03 u. a.
Wenn auch die einfache Schreibari x die vorwiegende blieb,
sozeigl sich doch in der Schreibweise \s, dass der Zischlaut dea i
sehr stark vortönte. Diesem Vorwiegen des Zischlautes ist es auch
zuzuschreiben, wenn vor folgenden Consonanten der gutturale Be-
— 125 —
standtheil des x verloren ging und nur der Zischlaut s übrig blieb;
so in:
sescent(as), Mon. Ancyr. tob. I.
Sestius, EckheL d. num. V, 312.
praetestati, (Wut. 173, 5.
Der übriggebliebene Zischlaut s fiel dann auch aus vor denjenigen
Consonanten mit denen er sich nicht vertrug, vor d, n, in, v in:
se-decini, se-ni, se-mestris, se-vir.
Dass diese Auffassung die richtige ist, bestätigt das fernere
Schicksal des Lautes x im Römischen Volksmunde. Für die Er-
kenntniss desselben sind folgende Schreibweisen auf Inschriften von
Bedeutung:
visit, IN. 1589. Grut. 1059,4. für vi xit, bissit, /. N. 6697.
bisit, /. N. 2967. vissis, /. N. 7173.
v i s e t, I. N. 71 56 (p. Ch. 405). ß € i<3 . . , 1. N. 21 43.
u n s i t , Fleetw. S. f. Mon. Christ. 5 1 0, 2. c oi u s , Grut. 559, 5.
obstrinserit, Grut. 408, 1.
Aus diesen Schreibweisen gebt unzweifelhaft hervor, dass in
den Zeilen, als Stilico's Schwert Italien vor den Sehaaren des
Alarich und Radagais rettete , zu Anfang des fünften Jahrhunderts,
das x im Römischen Volksmunde nach Verflüchtigung des guttura-
len Bestandteiles sieb im Inlaut der Wörter bereits zu s oder ss
erweicht hatte.
Dass man s und ss von x dem Laute nach nicht mehr deutlich
schied , zeigen auch Schreibfehler auf Denkmälern der spätesten
Zeit wie:
xaneto, 1. N. 3491. fürSancto,
milex, Grut. 38, 7. I. N. 6811. miles,
tigrix, Gr. 940, 8. tigris;
so wie die in Handschriften vorkommenden Schreibweisen:
frassinus, für fraxinus, trissago, für trixago,
t o s s i e u m , t o x i c u m , cos si m , c o x i m.
{Schneid. LaL Gr. 1, 354.)
Im Italienischen erscheint daher Altlateinisches x immer zu s
oder zu ss erweicht. Man vergleiche:
Ital. s a g g i o , Lat. e x a g i u m , Kai. m a s s i m o , Lat. m a x i m u m ,
s p i e g a r e , e x p 1 i c a r e , p r o s s i m o , p r o x i m u m ,
s t r a n e o , e x t r a n e u m , v i s s i , v i x i ,
e s e m p i o , e x e m p 1 u m , s a s s o , s a x u m.
— 126 —
Halbvokale.
J.
Für die Aussprache des halbvokalischen j giebt, die eingehend-
ste Bestimmung Priscia n, 1, 18. //: Et i quidem modo pro
simplici modo pro duplici accipitur consonante: pro
simplici, quando ab eo incipit syllab a in principio
d i c t i o n i s p o s i t a subsequentevocali in eadem s y 1 1 a b a ,
u t cJuno, J u p p i t e r ' , pro duplici a u t e m , q u a n d o i n
m e dio d i e ti o n i s ab e o incipit s y 11 a b a p o s t vo c a 1 e m ante
se positam subscquente quoque vocali in eadem syl-
lab a , u t ? m a i u s , peius, e i u s ' , in quo 1 o c o a n t i q u i s o 1 e -
bant ge miliare e andern i litter am et cmaiius, peiius,
e i i u s ' s c r i b e r e , q u o d n o n a 1 i t e r p r o n uu ( i a r i p o s s e t ,
quam si cum superiore syllaba prior i, cum sequente
altera proferretur, ut cpei-ius, ei -ins, mai-ius';
nam quam vis sit consonans, in eadem syllaba gemi-
n ata jungi non posset: ergo non aliter quam c teil us?
mann us ' proferri debu it. unde 'Pompeiii' (| u oq u e ge-
netivum per tria i scribcbant, quorum duo superiora
loco consonan I iuin accipiebant, ut si dicas ePom-
pelli'; nam tribus i junctis qualis possit syllaba pro-
nuntiari? quod Caesari doctissimo artis grammaticae
placitum a Victore quoque in arte grammatica de svl-
labis comprobatur. pro simplici quoque in media
dictione invenitur, sed in compositis ut c injuria, ad-
j ungo, cicctus, reice'. Vergilius in bucolico [proce-
1 e n s m a ti c um p o s u i t p r o d a 1 1 y 1 o ] :
Tityre pascentcs a fluniinc reice capellas;
nunquam autem potcst ante eam loco positam conso-
nantis aspiratio inveniri, sicul ihm ante u consonan-
tem. unde ehiulcus' tri syllab um est, nulla enim con-
sonans ante se aspiratio nein recipit.
Aus diesen Worten folgt zunächst, dass das halbvokalische j
an verschiedenen Stellen des Wortes verschieden klang. Den ein-
fachen Consonanten bezeichnet das Schriftzeichen I im Anlaut der
Wörter mit folgendem Vokal, wird hier also ausgesprochen wie dasj
in den verwandten Sprachen. Denselben Lau! hat es ii,i< h Priscia 11
— 127 —
auch im Inlaut von Compositen, und zwar einmal nach Consonan-
ten, also in:
abjudico, adjungo, injungo,
abj ectus, adjuro, injuria,
obj ectus, adjaceo, injustus,
subjaceo, adjectus, injectus,
subj ectus, conjungo,
subjungo, conjurati,
conj ectus.
Wenn der Halbvokal j vor folgendem i nach Consonanten aus-
geworfen wird in den bereits erwähnten Formen abicit, obicil,
subicit, adicit, inieil, conicit, so ist das Slreben nach
Dissimilation oder Verschmelzung der gleichklingenden oder ähnlich
klingenden Laute II daran schuld, von dem an seiner Stelle die Hede
sein wird.
Der einfache Ton des j wird aber auch gesprochen im Inlaut
der Composila zwischen Vokalen die verschiedenen Composilions-
gliedern angehören, also in:
e j uro, e j e c ( u s , d i j u d i c o.
pejero, dej ectus,
rej ectus,
proj ectus,
daher schwindet das j auch in dieser Lautverbindung vor folgen-
dem i in:
e i c i I , p r o i c i t ,
reicit, eoieit,
und der Vokal bleibt vor diesem j kurz wie vor jedem einfachen
( konsonantischen Laut in :
bijugus, quadrijugus,
trijugus, alttjugus.
Da bis hierher die sprachlichen Thatsachen mit Priscians Aus-
sage in Uebereinslimmung stehen, so kommen die abweichenden
Meinungen anderer Grammatiker dagegen nicht in Betracht {Mar.
Victor, p. 2477. Tel. Long. p. 2219. Serv. Verg. Äen. X,
473.).
Anders muss nun aber der Ton des j geklungen haben im In-
laut einfacher Wörter zwischen Vokalen, wo nach Quintilians
Worten , 1 , 4 , 11: s c i a t e n i m , C i c e r o n i p I a c u i s s e c a i i o
Maiiamqu e' geminata i scribere, Cicero ein doppeltes I
— 128 —
schrieb, offenbar weil er zu jener Zeit einen stärkeren Laut an flie-
ser Stelle des Wortes sprechen hörte und sprach, als das einfache j
im Anlaut und auf der Grenzscbeide der beiden Glieder eines Com-
positum hatte. Man vergleiche hierzu Priscians Worte, VII, 19..//:
n a m solebant illi non soluminprincipio s e d e t i a m i n
fine syllabae ponere i loco consonantis, idque in ve-
tustissimis invenies scripturis, cfuotiens int er duas
v o c a 1 e s p o n i t u r u t c e i i u s , P o m p e i i u s , V u 1 1 e i i u s , G a i -
i u s ' q u o d e t i a m omiies, q u i de 1 i t e r a c n r i o s i u s s c r i -
pserunt, affirmant, so ergiebt sich dass diese Schreibart II in
den ältesten Handschriften, die Priscian kannte, üblich war, und
dass sie wie von Cicero, so von allen grammatischen Autoritäten
gebilligt war.
Auf Cicero und die älteren Grammatiker stützten sich also die
Aussagen späterer Grammatiker über die Schreibart II im Inlaut
einfacher Wörter {vgl. Prise. 1, 50. //. p. 122(1. P. M<n\. Victor,
p. 1940. P. Ter. Mm/r. p. 2387. 2397 //. «.)• Häher findet sich
denn diese Schieibart auch auf Inschriften ; so:
Pompe iius, Or. 4356.
Opetreiiae, I.N. 1502.
Sa bin eii us, Momms. tnscr. confc Helv. 43.
{Hübner Ouaestion. Onomatol. tat. p. 26.)
Dieselbe Schreibweise find ei sieh auch auf den neuerdings ans
Licht getretenen spanischen Inschriften von Salpensa und Malacca:
eil us, neben eins, Tnscr. Rom. Henzen 7421.
e i I u s q u e e 1 u s q u e ,
eil us dem,
C : U 1 1 11 S ,
cuilusque, maloris,
mailorum, malorem ,
nur dass an zweiler Stelle das hohe über die anderen Buchstaben
emporragende I geschrieben steht.
Thalsache ist nun. dass in allen Fällen, wo diese Schreib-
art angewandt wurde, der Vokal vor II lang war; daher ist denn
die Ansicht älterer und neuerer Grammatiker gekommen, dass j den
vorhergehenden Vokal positionslang mache. Woher gerade j
vor allen Consonanlen diese Kraft haben sollte, und weshalb es in
bijugus u. a. diese Kraft eingebüssl haben sollte, blieb bei diesei
— 129 —
Annahme unerklärt. Neuerdings ist von Aufrecht der Beweis ge-
führt worden, dass dieselbe unhaltbar sei, dass vielmehr in allen
Fällen, wo vor j im Inlaut ein langer Vokal stehe, dieser entweder
von Natur lang sei, oder in Folge des Ausfalles eines Consonan-
ten zum Ersatz gedehnt sei (Zeitschr. für vergl. Sprachf. I,
225 f.).
Von Natur lang war der Vokal e in den Römischen und Itali-
schen Namen, welche das Suffix ejo zeigen wie:
Acteius, Aniceius, Ateleius,
Agneius, Anteius, Aveius,
Ateius, Ap peius, Avoleius u. a.
Atteius, Arrunteius,
Ameius, Arteius,
Aneius, Alteius,
Anneius,
(vgl. die reiche Beispielsammlung bei Ritschi, Ind. schol. Bonn,
hib. 1853 — 54 p. 1 — 4). Die ursprüngliche Gestalt dieses
Suffixes war auf Italischem Sprachboden -aijo, aus dem durch
Verschmelzung des Diphthonges die Gestaltungen aejo, eijo,
ejo, ijo, und mit Ausfall des j aio, aeo, eo, lo, lo, 10 her-
vorgegangen sind (Zeitschr. für vergl. Sprachf. V, 87 /.). In
diesem Verhältniss stehen also :
Osk. Pompaiians,
Lal. A n n a e i u s , {Hübner a. 0.)
P o m p e i i a ,
0 p e t r e i i a ,
S a b i n e i i u s , Osk. v e r e i i a i ,
Anneius, Osk. vereias, Umbr. Museiate,
Opetreius, Kureiate.
Sabineius,
Entweder aus Vokalverschmelzung oder durch Ausfall eines
Consonanten ist auch die Vokallänge vor der Genetivendung ius zu
erklären in:
ejus, hüjus,
doch ist von den verschiedenen Erklärungen dieser Formen keine so
evident, dass sie andere Möglichkeiten ausschlösse (vgl. Benfey
Griech. Wurzellexicon , II, 240. Äufr. a. 0. S. 233. N. Jahrb.
LXVIII, 237), es wird daher hier von einer Entscheidung der Frage
abgestanden.
CORSSEN. Q
— 130 —
Die Fälle wo das j einen Consonanten vor sich ausstiess und
sich der Vokal vor j zum Ersatz für denselben dehnte sind nicht
selten. So ist ein Guttural durch folgendes j verdrängt worden in:
major, mäjus, für mägior,
Mäjus, Mägius,
p u 1 ej u m , p u 1 e g i u m ,
äio, ägio,
von Sanskr. Wrz. ah-(dicere), ursprünglich ein Verbum
der I-conjugation. {Fleckeisen, zur Kr it. Altlat. Dichter frag m. bei
Gellius, p. 8.)
mejo, für migio, vgl. mingo,
Gr. 0{ll%g), mixerit, Or.
Benz. 7302.
hier ward nach Ausfall des g durch Dissimilation aus miio meio;
Seja, für Segia, vgl. seges.
Ein v vor j fiel aus in :
Gäj u s , für G a v i u s , Or. Henz. 7034. vgl. Osk. G a a v i i s ,
ein r in:
p e j e r o, für p e r j e r o , vgl. p er j u r in m ,
ein s in :
dljudico, für disjudico,
ein s mit vorhergehendem n in :
trä-jicio, für transjicio,
ein s mit vorhergehendem c in :
se-jugis, für sexjugis.
Man muss daher auch für Wörter, deren Etymologie noch nicht
sicher gestellt ist wie bajulus, cajare, jejunus, Majaiis,
pejor, Bajae, Trajanus die Annahme fallen lassen, dass j den
vorhergehenden Vokal positionslang gemacht habe. Im Laute desj
lag durchaus nichts, was Positionslänge des vorhergehenden Voka-
les hätte bewirken können.
Velins Longus giebt nun weiter darüber Aufschi uss, was für
ein Ton es war, den das j im Inlaut einfacher Worter zwischen zwei
Vokalen hatte, p. T2W): atque ipsa natura j lil terae e s iu u t
interjeeta vocalihus Int ins enunlielur, dum et prior
eam asserit et sequens sibi vindicat. Es war also ein
breiter lautender Ton, den das j an dieser Stelle halle, darum
war es aber auch ein frei eh ere r, dem Vo kal Ihn! i c herer Ton
{Schneid, tat. Gr. 1, 282). Wenn in Compositen der gewöhnliche
— 131 —
consonantische Ton des j sich auflöste und schwand wie in eicit,
deicit, reicit, proicit, coicit, cuncti für cojuncti,
biga für bijuga, so ist es nicht befremdlich, wenn auch der
weichere vokalähnlichere Ton des j zwischen Vokalen eines ein-
fachen Wortes verklingen konnte wie in:
plotis, Sc. d. Baccan. für plo-ius.
Wiefern die einsilbige Messung von ejus, cujus, hujus
bei den scenischen Dichtern mit der weichen vokalartigen Aus-
sprache des j an dieser Stelle zusammenhängt, wird in dem Ab-
schnitt über die irrationalen Vokale nachgewiesen werden. Die
Griechen bezeichneten diesen Laut durch i in Schreibweisen wie:
rdiov, C. I. Gr. 2957. IIo[i7iijiog, Msoöovlriiov , C. T.
Ovskkdtoi, (Strab.) üstQ^og, Gr. 2847.
TgaiaV ®,C.I.Cfr. 3036. IIo^7ty\ia, MsöGovItjlccv , CT.
MataQ, (Suid.) 'Axvlrjta, Gr. 2822.
Griechische Wörter, die in der Lateinischen Sprache heimisch
geworden sind , wieAchaja, Grajus, Ajax, Maja werden mit
dem weichen breiten I-laut gesprochen wie die entsprechenden La-
teinischen Wolter; die nur in der gelehrten Dichtung der Römer
vorkommenden wie Aglaia, Laius, Nai'as, Pleias, Teius,
Ceius u. a. behielten die Griechische Aussprache {Schneid, a. 0.
282. f.).
Das j hat im Lateinischen das Schicksal gehabt, das es vor-
hergehenden Consonanten bereitet hat , es ist zum assibilierten
Laut entartet. Die auf einer Inschrift der spätesten Zeit vorkom-
mende Schreibweise :
congiunta, Fleetw. Mon. Christ. 510, 2. für conjuncta
zeigt, dass schon in der spätesten Römischen Volkssprache j den
assibilierten Laut hatte, der in Italienischen Wörtern wie giunto,
giovane, giogo von junctum, juvenem, jugum durch gi
ausgedrückt wird und in den entsprechenden französischen Wörtern
Joint, jeune, juge hörbar ist. Könnte darüber noch ein Zwei-
fel sein, so wird dieser gehoben durch die Schreibart:
xo£ov, I. N. 2143. für cuju(s),
in der der Laut dsch, den heutzutage das Italienische j hat, durch
Griechisches J, den Mittellaut zwischen d und s bezeichnet ist.
Und so findet sich ebenfalls auf einer sehr späten Inschrift ge-
schrieben :
zesu, Grat. 1 058, 6 für Jesu,
9*
— 132 —
wo also das Lateinische z demselben Zweck dient wie in %ot,ov
das Griechische %.
Diese Assibilation des j kommt daher, weil dieser Laut durch
die Stellung der Organe bei seiner Aussprache, namentlich der
Zunge, dem dicken Zischlaut (seh) sehr nahe steht und von vorn
herein einen zischenden Anklang hatte. Daher hat er, wie oben
gezeigt ist, frühzeitig vorhergehendes c und t, später d und g assi-
biliert, wie er auch in der Griechischen Sprache seine assibilierende
Kraft mächtig bewährt hat. Er übt überhaupt auf vorhergehende
Consonanten einen auflösenden, zerstörenden Einfluss. So hat er
das anlautende d in Jovis, Janus zerstört, so das inlautende g
in major, ajo, mejo, pulejum, das v in Gajus, das r in
pejero, das s insejugis, trajicit, dijudico; bei diesem
Zerstörungswerk ist er dann selbst zu einem dicken Zischlaut
entartet im Lateinischen, während er im Griechischen sehr früh-
zeitig ganz zu Grunde gegangen oder zu £ entstellt ist. Die
Hauptergebnisse für die lautliche Bedeutung des Halbvokales j
sind also:
Das j im Anlaut einfacher Wörter und im Anlaut des zweiten Glie-
des der Composita klang im Römischen Munde wie das deut-
sche j.
Das j im Inlaut einfacher Wörter zwischen Vokalen nach langem
Vokal hatte einen breiteren , weicheren und vokalähn-
licheren Lau t, den die Schritt der besten Zeit Dicht sel-
ten durch die Schreibweise 11 darstellte.
Das j, dem Zischlaut seh lautverwandt durch den gut t malen
Lautbestandtheil in beiden, ist schon auf dem Boden der spät-
lateinischen Volkssprache in den dicken Zischlaut über-
gegangen (d seh), den es im Italienischen und Französischen
hat. Weil es selber zum Sibilanten hinneigte, bat es vorher-
gehende Consonanten a s s i b i 1 i e r t und ganz z e r s t ö r t.
Cicero rechnete das halbvokalische v zu den labialen Con-
sonanten {Mar. VictOfin. p. 2402). Kaiser Claudius erfand, wie
oben gesagt ist, für diesen Laut das Schriftzeichen d. das aber
nach seinem Tode wieder in Vergessenheil Kam. hie altere Grie-
chische Schritt bezeichnete den Oskischen Laut v durch F ', so in:
— 133 —
zftovfei,, Momms. U. D. XXXVII. vgl. Osk. Joveis,
Klof cctac, a. 0. p. 270. Clovatius,
rofto, a. 0. XXXIX. tovtiks.
Wenn nun Oskischcs Joveis und Lateinisches Jovis den-
selben Ton hatte, wenn der Name Clovatius im Oskischen und
im Lateinischen gleich lautete, so entsprach das Griechische F auch
dem Lateinischen v und Priscian hat Recht, wenn er sagt: cvau,
id est di gamma (I, 46. //. vgl. Quint. XII, 10, 29. I, 4, 7. 14).
Die spätere Griechische Schrift bezeichnete, nachdem das F ab-
gekommen war, das Lateinische v durch OT oder durch JB. So
kommen nebeneinander vor die Schreibweisen:
OVCCQ QOV , BoCQQCOV ,
Ovdkrjg, Bdlqg,
OvalsvrCa , Baliqx Ca,
Ov aliQtog , BaÄs Quavog ,
OvaXeQiuvöq , Balsv xiviocvo g,
Ovsvovöta , B £ v ovo Ca ,
Ov£oyiliog , BeQyilCa,
BiQyiliog.
In Lateinischen Wörtern, die nicht Eigennamen sind, wird
das Lateinische v meist durch Griechisches B wiedergegeben;
so in :
ßsQva, C. I. Graec. 3095. o"£o/3og, Lyd. d. mag. I, 11.
ßtQvaxk og, Lyd. d. mens. IV, 129.
25. 65. xoq ßovg, Suid.v. Kogßl-
ß eör lccqlov , Suid. v. vog,
ßet sQavo g , Suid. v. x6{iߣvxog, Lyd. d. mens.
B£xqccv£, C. I. Gr. 3112. I, 26.
ßri^tllov, Lyd. d. mag. I, 8, dagegen:
127. ddov evxog , Dion. Cass.lS.
ßri^illdQiog, a. 0. 46, 157. p. 1312.
Vereinzelt findet sich auch OTB geschrieben um den Mittel-
ton zwischen ov und ß auszudrücken in:
- Mfjovßiavog , C. L. Gr. 2930 (Mevianus).
In diesem Schwanken der Schreibweise zwischen O T und B
zeigt sich, dass der Consonant v im Lateinischen zwischen dem
vokalischen Laut ov und dein ß der Griechen in der Mitte lag,
wie dies mit dem Altgriechischen F der Fall war. Von einem ver-
schiedenen Laut des v an verschiedenen Stellen des Wortes sagen
— 134 —
die Grammatiker nichts ; es sind also die Wortformen der Sprache
darüber zu befragen.
Um mit dem anlautenden v zu beginnen, so hat sich dieses
stets unversehrt gehalten im Gegensatz zum Griechischen F in
Wortformen wie:
vomo,
e[isa ,
v i t u 1 u s ,
i'x ako g ,
voco,
8 7t CO ,
ver,
fo>
volvo ,
Sil CO ,
vestis,
sG&rjg ,
vinum,
oivog ,
v e s p e i a ,
£Ö7l£QCC,
v i o 1 a ,
10 v ,
V e s t a ,
'Eöxta k. a.
Hingegen hat v im Lateinischen niemals im Anlaut der Wörter
vor Consonanten Bestand gehabt. So fiel es ab in :
r a d i x , vgl. ß o C £ a ,
rosa, ßgodov ,
rugio, ßQv%cco{icci u. a.,
denn das ß in diesen und ähnlichen Wörtern ist bei den Aeolern
und Dorern Vertreter des Digamma (Ahrens de dial Acut. />. 34.
Dietrich de quibusd. com. v. affeetkmib. p. (>).
Im Inlaut widerstrebt das v der Berührung mit einem vorher-
gehenden Consonanten ausser mit den flüssigsten von allen r und 1;
daher stösst es den vorbeigehenden Consonanten entweder ab,
oder es löst sich nach demselben zu u auf, oder es schwindet ganz.
£o hat es vorhergehendes d abgeworfen in den Wörtern wie:
bellum, bis, bonus, suavis,
B e 1 1 i u s , b i c e p s , v i g i n t i ,
Bellona, bene, vicesimus u.a.,
vorhergehendes g in :
conniveo, vivo,
nives, fruor,
flu vi um, fivere,
vorhergehendes f, das sich zuvor in li verflüchtigte, in den Perfekt-
formen wie:
pro ha- vi, für proba-fui,
mon-ui, raone-fui.
Sehr alt ist hingegen die Auflösung des v zu u nach Consonan-
ten ; so in :
tui, vgl. Skr. t vam (tu),
tu US,
— 135
s ii i , Skr.
sva s
?
SIU1S
(Bopp vergl. Gramm.
S.
18. 467. ff.)
s u a v i s , Skr.
svad
US.
So löst sich das v
des Suffixes -vo auf zu -uo
nach den Muten
und nach n in :
v a c u u s ,
p e r p e tu u s ,
relicuos,
a s s i d u u s ,
perspicuus,
c a e d u u s ,
e x i g u u s ,
v i d u a ,
fatuus,
i n g e n u u s ,
m o r t u lt s ,
nur nach 1 und r behält das Suffix vo seine Gestalt
; so in :
a 1 v u s ,
arvum, furvus.
calvus,
larva,
s a 1 v u s ,
ervum,
m a 1 v a ,
acervus,
silva,
u r viis,
u 1 v a ,
cur viis.
•
Ebenso verträgt sich v auch sonst mit diesen voraufgehenden
Consonanten. Hiernach sind die Auflosungen wie dissolüo,
e v o 1 ii a m , s i 1 ü a , 1 a r ü a , m i l ü o s bei den Dichtern (Schneid.
Lai. Gr. I, 363) künstliche Producte der gelehrten Dichtung, nicht
aus der Volkssprache entnommen, ebenso wie tenvia, genva und
ähnliche Messungen, von denen im Abschnitt über die irrationalen
Vokale die Rede sein wird.
Endlich fällt v selbst aus nach d, t und s; so schon in alter
Zeit nach t und s in:
te, tibi, neben tu, vgl. Skr. tvam,
se,sibi, sui, Skr. s v a s ,
s u u s ,
wie im Griechischen F nach o*, wo dieses aus x entstanden ist; in
6o v, 6 o fc, ö e , 6 6g , und nach dem rauhen Hauchlaut, der aus 6
abgeschwächt ist, in ov, o£, £'; ebenso in:
sis bei Ennius, Annal. p. 180, ed. Vahl. für suis,
so dass also zu Ennius Zeiten eine Form sus, sa, sum für
su us-, sua, su um gebräuchlich gewesen sein nuiss. Derselbe
Ausfall des v findet statt in :
— 136 —
savium, für su avium,
quattor, quattuor,
q u a t u.o r ,
suadere (für suad vere), sua vi s (für suadvis), Skr, sva-
düs.
Ebenso ist dem v die Berührung mit einem folgenden Conso-
nanten verderblich; denn trifft es nach Ausfall eines Vokales mit
demselben zusammen, so löst es sich zu u auf und verschmilzt mit
dem vorhergehenden Vokal zu einem Diphthongen , der sich dann
häufig noch zu einem einlautigen Vokal trübt. So löst sich av nach
Ausfall eines folgenden Vokals zu a u auf in :
cautor, naustibulum, Opiter, für Aupi ter von
cautum, vgl. cavit um, /. agr. {Thor.) avi-pater,
fautor,
aucella, Opetreiius,
1 a u t u m ,
auceps, Opetreius,.
nauta,
auspicium,
n a u f r a -
a u d e o , vgl. a v i d u s ,
gus,
n a u s c i t ,
gaudium, gavisus.
Wenn
nach Cicero {de Div. II, 40. vgl. P/in.
19, 21)
cave ne eas wie cauneas lautete,
so hat sich nach dem Verklingen des auslautenden e von cave das v
vor dem Anlaut dos folgenden Wortes n in der schnellen Volksaus-
sprache zu u aufgelöst, und so wurden die drei Wörter mit einander
verschmolzen.
Ebenso löst sich ov nach Ausfall eines folgenden Vokales zum
Diphthongen ou auf, der jedoch spater zu der einlautigen Länge u
getrübt wird ; so in :
n u p e r , für noviim per, Nounas, für No v e n a s ,
nunc, n o v u m c e *), /. N. 3095 .
Jupiter, Jovipiter, Nouceriain. für No-
Juno, J o vi n o , v i c e r i a m , /. N. 6276.
j u c u n d u s , j o v i c u n d u s ,
p r u d e n s , providens,
*) In nuper für novum-per ist die Präposition enklitisch an-
gefügt wie in parum-per, sein -per, paullis-per, tantis-per,
aliquantis-per; ans novum-ce ward zuerst n o u m - e e , n u in - c e ,
dann aber nun-c wie aus hura-ce, hun-c, aus tum-ce, tun-c.
— 137 —
nundinum, »ovendinum, noundinum, Sc. d.
upilio, ovipilio, Bacc.
Wörter, von denen noch im Abschnitt über dieVokalausstossüng die
Rede sein wird. Ebenso löste sich i v nach Ausfall eines Vokales
zu i u auf und verschmolz dann zu u in :
prugnus, von ( priugnus ) privignus.
Diese Empfindlichkeit des Halbvokales v gegen Berührung mit
den festen Consonanten im Inlaut des Wortes ist dem Lateinischen
eigenthümlich ; der Oskische Dialekt konnte v vor folgendem Con-
sonanten unversehrt erhalten ; so in :
J o v k i i o i ,
Lovkanateis, neben Aovkkvoil,
Lovkl, Loucetius ,
Nuvkrinum, Nouceriam,
louvfreis,
Novlanos ,
tovtiks, "neben touto.
tcoFto
(Momms. Unt. Dial. Gioss.). Doch betrat, wie einige neben-
stehende Formen zeigen das jüngere Oskische auch denselben Weg,
wie das Lateinische, das v vor folgendem Consonanten zu u zu
erweichen.
Wäre nun das v an den Stellen, wo es mit einem Consonanten
im Inlaut eines Wortes zusammentrifft, ein weicher vokalischer Laut
gewesen, etwa wie jener labiale U- nachklang nach dem Guttural
von QV, so würde nicht so oft der Consonant oder v selbst zerstört
worden sein. Demnach hat das Lateinische v im Anlaut und im In-
laut neben Consonanten denselben consonantischen Ton gehabt
wie das Deutsche W, nicht wie das Englische.
Im Inlaut zwischen Vokalen ist v der Auflösung durch diesel-
ben ausgesetzt wie h, s und j. So fällt es einfach aus in den Wort-
rmen:
boum,
petii,
■Gnaeus,
vgl. Gnaivod, t. Scip.
p e t i i t ,
p l u o ,
Barb.
a u d i e r u n t ,
C 1 U 0 ,
s i e r i s ,
fui,
sieri t,
lui,
sierint,
nui,
redierint,
— 138 -
rui, juerint, Cat.66, 18. u.a.,
sui,
spui,
Wörter von denen auch in dem Abschnitt über die Vokalverschmel-
zung die Rede sein wird. Das Ausfallen des v hat dann häufig das
Schwinden des folgenden Vokales zur Folge in Wortformen wie :
praes, für pra e vides, l.agr.{Thor.)
praeco, praevoco,
nolo, novolo,
malo, mavolo,
commorunt, com mo ver unt,
a.m a r u n t, amaverunt,
a e t a s , ' a e v i t a s ,
d i t i o r , d i v i t i o r ,
vita, vivita,
nomus, Enn. Vahl. p. 144. für novimus,
o b 1 i s c a r , AU. Ribb. tr. p. 1 09. ob li visea r1 u. a.
Die spätere Volkssprache ist in der Erweichung und Zerstörung
des zwischen Vokalen inlautenden v noch weiter gegangen ; das zei-
gen folgende Inschriften der Kaiserzeit :
Faonius, /. N. 2471. für Favonius,
Fluia, I. N. 211'y. Flu via,
fluium, (Ind. 100,5. fluviuin,
Klaus, Gr. 755, 8. Flavus,
Bataus, Or. Henz. 7420, Baiavus,
a. 00.
paimento, Gr. 39, 4. pavirneato.
noum, /. N. 6308. 2. 3. 1.
aunculus, /. N. 6554. 5327. Or. Henz. 7141.
Juent(ius), Gr. 876, 8.
Merkwürdig ist noch die durch Ausfall des v schon auf dein
Gebiet des Lateinischen entstandene Perfektform der A-conjugaüon,
die sich zeig! in:
labora i t , /. V. ;> Is. für laboravil ,
probai, probavi,
probait, probavit,
probaimus, probavimus.
(Probus. Anal. Gramm* Endlicher u. Eichenf. />. 389.) Diew For-
men gehören der Volkssprache au, weiden daher von dem (.lannna-
— 139 —
tiker Probus als fehlerhaft bezeichnet; es sind schon vollständig die
Italienischen Perfektformen wielavorai, amai, chiamai u. a.
In dem Abschnitt über die Vokalverschleifung wird sich erge-
ben, wie aus dieser Neigung der Römischen Volkssprache, das zwi-
schen Vokalen inlautende v zu erweichen, die einsilbige Geltung von
Worten wie o vis, brevis, novo u. a. hervorgegangen ist.
Wenn nun der Halbvokal j und der Zischlaut s jm Inlaut
zwischen Vokalen einen weicheren Ton hatten als im Anlaut,
wenn sie deshalb leicht ganz schwinden konnten, so muss man auch
für das v aus jener Hinfälligkeit und Schwindsucht, die es in der
Stellung zwischen zwei Vokalen befällt, schliessen, dass sein Laut
hier weicher und vokalartiger war wie im Anlaut, also
dem Englischen w ähnlicher als dem Deutschen.
3) Aussprache der Vokale.
Die Erörterung über die Aussprache der Vokale wirl hier kurz
sein, da es sich an dieser Stelle nicht um die Pathologie dersel-
ben handelt, um die Laut Wechsel, die sie unter dem Einfluss der
Consonanten und des llochloncs erlitten haben, sondern lediglich
darum, welchen Klang jeder Vokalbuchstabe im Lateinischen
Alphabet bezeichnete.
Der Vokal a ist der vollste, lauteste und edelste unter allen
Vokalen, weil bei seiner Aussprache der aus Brust und Kehle her-
vordringende Luftstrom am freisten, vollsten und ungehemmtesten
durch die weitgeöffnete Mundhöhle , p a t u 1 o maxime o r e , wie
Quintilian sagt. (IX, 4, 34) hervordringt. Nur die Kehlmuskeln
sind bei seiner Aussprache in entschiedener Thätigkeit, während die
geöffneten Lippen sich passiv verhalten, und die Zunge sich in ru-
hender Lage befindet. Daher hat der Vokal a mit den Gut Iura-
1 e n unter den Consonanten die nächste Verwandtschaft. In neueren
Sprachen bezeichnet der Buchstabe a vielfach nicht mehr den rei-
nen A-laut sondern einen getrübten dem ae oder dem o ähnli-
chen Mittellaut. Im Munde des Sächsisch-Thüringischen Volksstam-
mes lautet das a in sagen, haben, wagen u.a. dem O-laut
ganz ähnlich ; in der Sprache des Salons klingt es häufig an ae an.
— 140 —
Die Englische Sprache hat den reinen A-laiit fast ganz verloren,
während der Buchstabe in der Schrift geblieben ist; sie spricht
entweder den Laut ae in Wörtern wie have, man oder einen
O-laut in Wörtern wie all, sh all u.a. Weder die Aussage eines al-
ten Schriftstellers noch sonst eine Spur führt darauf, dass im Lateini-
schen, wo der Buchstabe A geschrieben wurde, jemals ein anderer
Laut als das volle, reine a gesprochen wurde. Dass das kurze
wie das lange a denselben reinen A-laut hatte, liegt auch in
den Versen des Lucilius aus seinen Satiren über die Orthographie
ausgesprochen, Ter. Scaur. p. 2255. P:
CA' primum longa, brevis syllaba, nos tarnen unum
Hocfaciemus, etuno eodemque u t dicimuspacto,
Scribemus: epacem, placide, Jan um, arid um, ace-
tum',
*"AQeg, "Aqes9 Graeciutfaciunt.
Wie aber dieser A-laut unter Einwirkung benachbarter Con-
sonanten und des Hochtones der Wortform sich einerseits zu o und
u, andrerseits zu e und i abgeschwächt hat, wird in der Ent Wicke-
lung des Lateinischen Vokalismus dargethan werden.
E.
Der E-laut entsteht verglichen mit dem A-iaut, indem die
Zunge sich mehr gegen den Gaumen emporhebt, und die Mund-
ötfnung sich verengt, so dass der ans der Kehle bervorgestossene
Hauch durch einen schmaleren, flacheren Schallraum zwischen Gau-
men und Zunge hindurchgeht. Quintilians Ausdruck, |\, 4, 34-.
e planior littera est, ist also für den Laut bezeichnend.
Weder das kurze Bocb das lange e hat im Lateinischen
überall denselben Laut gehabt. Das kurze e der Wörter wie
verber, armiger, gener, pater, inter klang ohne Zweifel
wie das e in den deutschen Wörtern lieber, I i ede r, va ter, e 1-
zählen; verschieden davon und mehr dem i ahnlich klang im Alt-
lateinischen das kurze e in Wörtern \\i»' :
t em p e s tat eb u s, /. Scip* Barb. /'.
mereto, /. N. 5567. 4495.
Menervai, Or. 1421.
f amelia i, Bitschi ftctil. La (in. />. 26 ;
das sieht man daraus, weil es in der Sprache der Gebildeten wäh-
rend der Zeit des Emporblühen s und dw Blüthe der Litteratur in i
- 141 —
übergegangen ist, in der späteren Volkssprache aber wieder zu e
wird. Die Belege für diese Lautübergänge sind in dem Abschnitte
über die Wahlverwandtschaft von Vokalen zu Consonanten zu
finden.
Auch das lange e hat nicht überall gleich geklungen; das
eine war mehr dem Diphthongen ae ähnlich, das andere neigte sich
dem Klange des I zu. In der Untersuchung über den Diphthongen
ai wird sich herausstellen, dass schon in der ältesten Volkssprache
e für ae gesprochen wurde in den Wortformen questores, Pe-
stano,Cesula,Victorie, Diane, Fortune u. a., dass das Land-
volk zu Varro's Zeiten ebenso sprach in den Wörtern edus, Me-
sius, Cecilius, pretorem, und dass in der späteren Volks-
sprache die Laute ae und e gar nicht mehr geschieden wurden wie
im heutigen Italienischen. Man vergleiche dazu das Schwanken der
Schreibweise in Wörtern wie :
caena, cena, caespes, cespes,
paenitet, pena, Gaj . haedus, edus,
maerere, merere, paenuria, p enus ,
maestus, Muraena, Murena
{vgl. Wagner, Orlhogr. Verg. Ritschi Prot. Trin. p. 97. Lachm.
lucr.p. 143. 271. 339. 384. 25. Gai Praef. p. 36./. Brandt,
Quaestiones Horatianae p. lli). Nach diesen Schwankungen der
Schreibweise muss man annehmen, dass das lange e in:
fenum, läge na, cepa,
ob sc enus, Camena, ceteri,
fecund us, her es, ve!
fetus, frenum, ne!
pomerium, levis,
h a r e n a , p r e 1 u m ,
und in anderen Wörtern jenen offenen dem ae ähnlichen Ton ge-
habt habe, wie er in den deutschen Wörtern Meer, meer, speer,
quer' hörbar ist.
Hingegen kennt Quintilian ein anderes, dem I ähnlich klin-
gendes e, 1,4, 18: in here neque e plane nequei a u -
ditur, und dieser Mittelton zwischen e und I ist es, den in vor-
augusteischer Zeit die Schrift durch ei ausdrückt, wie in dem Ab-
schnitt über das Schwinden der Diphthonge weiter nachgewiesen
werden wird. Diesen Ton des e wird man auch für die Blüthezeit
— 142 —
der Sprache anzunehmen haben in den auf e auslautenden Ablativen
von I-stämmen wie :
classe, fine, amne, ave,
colle, orbe, ungue, sorte u. a.,
bei denen ja auch die auf i auslautende Ablativform vorkommt,
welche die Länge des auslautenden Vokales gewahrt hat, während
das auslautende e sich kürzte; ebenso in den alten auf e auslauten-
den Dativendungen wie jure, aere u. a. von denen noch weiter
unten die Rede sein wird.
I.
Der Vokal i entsteht, indem bei der Ausstossung des Laut-
hauches der hinlere Theil der Zunge sich so eng gegen den Gau-
men drängt, dass nur ein schmaler Spalt zwischen Zunge und Gau-
inen bleibt, durch den der Hauch hindurchdringen kann. Da die
Zunge bei der Aussprache des i am kräftigsten angespannt und in
Thätigkeit ist, so ist der Vokal i seiner Natur nach de n Zu ngen-
lauten unter den Konsonanten am nächsten verwandt.
Das kurze i hat, wo es in der Schriftsprache der besten Zeit
geschrieben erscheint, auch in der Sprache der Gebildeten den
eigentlichen, dünnen [-laut gehabt; wenigstens wird das von Lu-
cilins für pilam (Ball) (Ter. Scaur, p. 2255. /'.) und ?on Velius
Longus (p. 2216) für prodit, vincit, condit ausdrücklich
gesagt, und die Grammatiker führen kein Heispiel an für einen
breiteren etwa mehr zu e hinneigenden Ton des kurzen i.
Dass die Volkssprache aber in allerer Zeil für dieses i viel-
fach e sprach, und die jüngere Sprache dahin zurückkehrte, ist
schon bemerkt worden. Auch der Oskische Dialekt kennt einen
kurzen I -laut der nach e hinüberklingt und bezeichnet dm in der
einheimischen Schrift durch ein eigenes Schriftzeicben h (vgt,
Momms. U. 1). Taf, VI. Umbr. Sprachd, AK, I, 22. Asm.).
Hingegen bat das lange I auch im Munde der gebildeten Kö-
rner nicht überall gleich gelautet.
Lucilius kannte ein dünnes I (tenue, exile), das er durch
den Buchstaben 1 ausdrücken wollte, und ein volleres, breite-
res (pingue, plenum) dem L-Ianl ähnlicheres, für das er die
Bezeichnung durch El vorschrieb. Fei, Long, />. 2220:
r Hoc Uli fad u m est uni1: tenue h oc facies I,
c Ilacc iJli fecere': adde E, ut pinguius fiat.
— 143 —
Jenes Zeichen 1 des spitzen, dünnen i will Lucilius ver-
wenden für die Casus des Sing ularis von 0 -stammen, also in
den Genetiven wie:
pupilli, pueri, Caeli, Numeri, Luci, Corneli, Cor-
nifici, Lucili [Charts, p. 60. QuintA, 7, 15.)
und in den Dativen wie :
illi, uni.
In den Pluralformen dieser Stämme hingegen will er E I schrei-
ben, also :
puerei, pupillei, illei.
In dieser Unterscheidung der gleichlautenden Singular- und
Pluralformen stimmt ihm Varro bei ( Ter. Scaur. p. 2255). Im
Dativ Singular is von conso nautischen Stämmen hingegen
will Lucilius wieder EI schreiben, also:
f u r e i , m e n d a c e i .
(Quinl. I, 7, 15), wohl, weil bei diesen Stämmen eine Unterschei-
dung von gleich- oder ähnlichklingenden Pluralformen nicht be-
zweckt werden konnte ; das aber verwirft Varro als eine lnconse-
quenz, indem er die Schreibweise EI nur für Pluralformen gel-
ten lassen will (Ter. Scaur. a. 0.). Die ganze orthographische
Regel des Lucilius ist niemals zur Geltung gelangt und die In-
schriften bis in die Augusteische Zeit zeigen einen völlig ungeregel-
ten Wechsel zwischen den Schreibarten I und El, wie dies weiter
unten aus einer grossen Zahl von Beispielen erhellen wird. Daher
verwerfen Quintilian und andere Grammatiker jene Theorie mit
Recht. Wenn indess Lucilius bestimmt angiebt, dass pilum
(mörserkeule) mit dünnem i, hingegen mcile, meilia,
meiles, meilitia, peila (speere) mit breitem i gesprochen
worden seien, so muss man ihm glauben, dass zu seiner Zeit aller-
dings in manchen Lateinischen Wörtern ein dünnerer, schär-
ferer, in anderen ein breiterer, dem e näher stehender Ton des
langen I gehört worden sei. Doch lassen sich die Wörter nicht
mehr unterscheiden die mit jenem und die mit diesem I-laut ge-
sprochen worden sind.
Die Lateinische Sprache kannte auch einen Mittel vokal
zwischen i und ü, der den Grammatikern viel zu schaffen macht.
Sie sagen von demselben: Quini. I, 4, 7: medius est quidam
interi et u sonus, Mar. Victor, p. 2465: pinguius q uam i,
exilius quam u, Vel. Long. p. 2235: i scribilur et paene
— 144 —
u enuntiatur, Prise. I, 6. H: sonum y Graecae videtur
habere. Dieser Mittelton wurde nach der Aussage der Gramma-
tiker in folgenden Wörtern gehört:
vor m in :
maxumus, pulcherruinus , sumus,
i i i
intumus, acerrumus, contumax,
i i \\
extumus, justissumus, contumelia,
lacrumae, volumus, . existumat,
optumus, nolumus, moniimentum, •
1 i i
minumus, possumus, alumenta,
vor b , p und f in :
manubiae, aueupium, aurufex,
lubido, maneupium,
intubus, aueupare,
1 1 *
a r t u b u s , m a n u p r e t i u m ,
manubus
(vgl. Quint. I, 4, 7. Prise. I, 6. H. Ikmai. />. \~'.u). Vel Long.
2216. 2228. 2235. Mar. Victor, p. 2458. C&rnut. ap. Camoä.
p. 2284.) Ausserdem ward nach Priscians ausdrücklicher Ans-
sage dieser Mittellaut noch gehört nach v in:
video, vitium,
vim, vix;
virtus,
doch finden sich diese Wörter nie mit u geschrieben, wohl, weil die
Schreibweise VV bis zur Augusteischen Zeit überhaupt gemieden
wurde.
Es ist also klar, dass der Mite Maut zwischen u und i meist
vor Labialen erscheint, hie Erörterungen der Grammatiker, ob u
oder i in jedem einzelnen Falle zu schreiben sei. sind vielfach un-
fruchtbar, es wird der Sache förderlicher sein die Inschriften Über
den in Hede siebenden Laut zu befragen.
Auf den Inschriften der ältesten Zeit bis zur Zeit des Cimbern-
krieges linden sieh die rönnen:
ploirume, t, Scip. Barb. /*. vgl, plusima , Curm, Sal. Varr-
L. L. VII, 27.
plurunie , J. rc\>. (Scrr.)
probisu ma , /. N. 5820.
- 145 —
facilumed-, Sc. d. Baccan.
decuma, /. N. 4495. 5756.
maxsume , a.O.l. agr. {Thor.)
proxsumeis , t. Baut. I. repet. I. agr. {Thor.)
p r o x u m a , /. Genuat. p r o x s i m u m , /. N. 5753.
infumum , t. Genuat.
infumo, a. 0.
vicensumam, /. Gen.
v i c e n s u m o , /. rep. (Serv.)
lest u ei o n i u m , /. repet. t. Bani. t e s Um o . . /. repet. (Serv.)
a e s t u m a t i o , l. repet. (Servil.)
exaestumavei it, a. 0.
aestumatam, a. 0.
aestumandis, a. 0.
o p t u m a , l. agr. ( Thor.) p r o x i ni u w\ , /. agr. ( Thor.)
v a d i m o n i u m , /. agr. ( Thor.)
Es ergiebt sich aus vorstehender Uebersicht, dass in alter Zeit
diese Wortformen in der Regel mit u, selten mit i geschrieben
wurden, dass also der so bezeichnete Laut noch im Wesentlichen
der U-laut, oder doch demselben sehr ähnlich war. Es ist daher
ein Erbstück aus alter Zeit, wenn die Handschriften des Plautus
überall u schreiben in Wortformen wie:
de cum us, conlubitum, carnufex,
vicensumus, lubet, carnuficina,
centensumus, lubido, manufestus,
legitumus, mancupium, sacrufico,
m a r i t u iiuig, m a g n u f i c o ,
lacruma, pontufex,
victuma, fumuficem,
a e s t u m o , o p u f i c i n a ,
existumo, spurcuficum,
munufica,
signuficem ,
pacuficari.
(Ritschi Plaut. Prot/. Trin. p. 95. Fleckeisen, Epist. crit. p. 8.)
Man vergleiche hiermit Wortformen auf Inschriften aus dem
Zeitalter des Cicero, Caesar und Augustus:
amanti s s um ai , /. N . 3714. maxi m u m , /. Jul. mun.
proxumeis, /. Jul. mun. maxi m u m v e , a. 0 .
CORSSEN. 10
— 146 —
proxuma, a. 0. vadimonium, l. Bnbr.
maxumam, a. 0. plurimos, Cen. Pis. Or. 642.
proxume,/. Com. de XXquaest. raaxsimos, a. 0.
I Rübr. maxsimis, Cen. Pis. Or. $43.
lacrumas, £rw/. 942, 2. maxsimo, a. 0.
maritumeis, /. Termes. Maximae, /. N. 1999.
maxsumi, Cen. Pis. Or. 643. Maxim o, Or. 2489.
simi Humum, a. 0. infim um, a. 0.
legitume, a. 0. firmissimo, Or. 4859.
acerbissumum, Murd. laud. m a t . r i m o n i a , Or. 4860.
Or. 4859. patrimonio, a. 0.
fidissuma, a. 0.
nltumum, a. 0.
aestumatione, Or. 4860.
Nach Ausweis vorstehender Schreibweisen hat sich der in Rede
stehende Laut dem 1-laut im Volksimimle bereits mehr zugewandt.
Daher schreiben denn auch Caesar und Cicero solche Worte* mit i:
Cornut. ap. Cassiod. p. 2284 : T e r e n t i u s V a r r o t r a d i d i I
Caesarem per i ejusinodi verba solitum esse enun-
tiare et scribere. Vel. Long. p. 2216: optumus, niaxn-
mus, in quibus annota ndum a'ntiquum sermonem
plenioris sonus fuisse, et, ut ait Cicero, rnsticanum.
Nach Cicero's Urtheil also war der U-laut in jenen Wortern im
Munde der Gebildeten abgekommen, herrschte aber noch in der
Volkssprache vor. Im Gegensatz zu Cicero und Caesar soll
August us wieder u geschrieben haben: Ycl. Long. p. 2228:
Antiquis varie scriptitatum est mancupium, aucu-
pium, man ubiae, siquidem (]. Cae sar per i scripsit, ut
a p p a r e t e x t i t u 1 i s i p s i u s , atAugustus p e r u , u t le s te s
sunt ejus inscr iptiones. Andrerseits wird alter doch erzahlt,
dass Augustus und seine Eiofleute siinus für sunius sprachen und
schrieben {Sueton. Aug. v. 87. Mar. Victor, />. 24^6). l»ie hohen
Herren und Autoritäten der Augusteischen Zeil also, von denen sich
die spateren Grammatiker über die vorliegende Frage Rath holen
wollten, waren unter sich und mit sich tther dieselbe nicht einig.
Daher ist es nicht befremdlich, wenn sich auch in den Vergilhand-
schriften neben einander linden:
maxumus, ultimus,
oj)tumus, pessimus,
— 147 —
p 1 u r u m a ,
intuma,
legumen
(Wagner Orthogr. Verg. p. 474), ebenso wie in den Inschriften der
Augusteischen Zeit beide Formen neben einander vorkommen.
Während sich auf diesen Inschriften Formen wie acerbis Sil-
in um finden, haben die besten Handschriften des Cicero und Ver-
gil die Schreibweise -issimus allein oder doch ganz vorwiegend
(vgl Halm, Analecta Tulliana, Fase. I, p. 6. Zur Handschriften-
kunde der Ciceronischen Schriften, p. 6), ebenso die Bamberger
Handschrift des Plinius , die in der Orthographie genau mit dem
Mediceus des Vergil übereinstimmt (Sillig, Praef. Plin. p. 69. 70).
Jedenfalls also fand Kaiser Claudius diesen Mittelton zwischen
i und u vor Labialen in den angeführten Wortformen vor, als er für
die Bezeichnung desselben seinen neuerfundenen Buchstaben h zu
schreiben befahl. Bemerkenswert!] ist nun, dass sich derselbe in
keiner der bisher angeführten Wortformen auf Inschriften vorfindet,
sondern ganz vorwiegend zur Bezeichnung des Griechischen v; so
in: Aeghpti, Chcnus, crh(pta), Bathhllus, Mhro,
(C)hrhsao(r), einmal für Griechisches i in bhb(liotheca)
und nur einmal in einem Lateinischen Worte: ghbernator, we-
gen dessen Verwandtschaft mit dem Griechischen xvßsQvrjTrjg
(vgl Buecheler Claud. Gramm, p. 18).
Dass auch in späterer Zeit der Mittelton zwischen u und i un-
entschieden blieb, zeigen Inschriften der Kaiserzeit.
Auf diesen finden sich die Schreibweisen:
Maxuma, /, N. 1738. maxsima, I. N. 3281.
optumae, 7.^.2955. 3754. Probimus, /. #. 3153.
optumus, 7. N. 5770. 2885.
o p t u m e , t. Sälpens. Or. Henz. 742 1 .
proxumus, a. 0.
m i s er r um u m , /. jV. 3281. p r o x i m u m , t. Malac. Or. Hen z .
d e c u m u s , I. N. 6582 (sehr spät.) 742 1 .
Decumio, I. N. 3713.
Decumia, a. 0.
Decumedi, I. N. 6077.
Postumia, I. N. 1738.
Postumulenus, I. N. 6769.
Pr ae t u mens, I. N. 362 (Christi.) d o c i m e n t o , I. N. 1 137.
10*
— 148 —
Pactumejae,/.^. 1924. 3739. monimentum, 7.^.6837.6843.
3119. 3642.4042.
Septumius, I. N. 5723. 6229. Septimius, I. JV. 1738.
s i m u s ( für suinus),/. N. 605S.
stupulae, I. N. 6746. contibernalis,/.iV. 667. 4700.
dissupatos, I. N. 5713. 5340. 5388. 5585. 6814.
reciperavit, I. N. 3581. vgl.
5619. 6770.
Da einige der hier angeführten Inschriften der spatesten Zeit
angehören, so folgt daraus , dass der Mittelton zwischen i und u nie
völlig zu i geworden ist. In der Italienischen Sprache hat er sich
allerdings dann meistenteils zu i erleichtert in Formen wie ot-
timo, massimo, prossimo, intimo, libidine u. a. Doch
hat sich in m o n u m e n t o und document o auch der U-laut her-
gestellt.
Man gelangt demnach zu dem Ergebniss, dass ein Ursprung-
licherU-Laut der alllateinischen Sprache sich erst dem Laute des
Griechischen v näherte und so Jahrhunderte lang gesprochen
wurde; dass aber in der Blüthezeit der Sprache und Litteratur die
gebildeten Römer nach drin Beispiel ihres grössten Feldherrn
Caesar und ihres grössten Redners Cicero diesen Laut dem i
sehr ähnlich sprachen und ihn durch den Buchstaben I bezeich-
neten, während das Landvolk der alten Aussprache Iren blieb;
dass endlich aber nach Roms Untergange auch im Volksmunde die-
ser Mittellaut sich meistenteils zu i verdünnte.
O.
Der Vokal o entsteht aus den Sprachorganen, indem die Lip-
pen sich rundlich zusammenziehen und der vordere Theil der Zunge
sich nach unten zurückzieht, so dass der aus der Kehle hervor-
geslossene Hauchlaut durch eine runde Höhlung des Mundes, nach
Quintilian cavo ore (IX, 1, 3 1), lündnrchschallt. Das o wurde im
Ganzen so gesprochen, wie in den verwandten Sprachen;
nur in einem Falle scheint dieser Laut etwas anders geklungen zu
haben.
Im Abschnitt über den Diphthongen au wird gezeigt werden,
dass der Diphthong au sich schon frühzeitig zu einein 0-l;ml trübte
in Wortformen wie Polo, Ciodia, plostrum u. ;i., dass dieser
O-laut dumpfer und voller klang wie das gewöhnliche o in
pöto, dönum, honöre, und von demselben etwa so verschieden
— 149 —
war, wie der O-Iaut in den Niederdeutschen Wörtern wie oge,
globe, bom für äuge, glaube, bäum von dem helleren O-laut
in Wörtern wie ton, schon, geboren und ähnlichen. Von der
Umlautung des Vokales o zu u, e, i unter dem Einfluss bestimmter
Consonanten und des Hochtones wird in dem Abschnitt über die
Umlautung die Rede sein.
U.
Die Stellung der Sprachorgane bei der Aussprache des U
bleibt im Wesentlichen dieselbe wie bei der Aussprache des 0, nur
dass sich die Lippen fester zusammenziehen und vorschieben, so
dass durch die Verengung des Einganges der Mundhöhle der
dumpfere Klang des U entsteht.
Da bei der Aussprache des u die Lippen am angestrengtesten
thätig sind, so zeigt es unter den Consonanten zu den Labialen
eine entschieden hervortretende Wahlverwandtschaft, und so ist u
der labiale Vokal, i der linguale und a der gutturale,
während e der Mittellaut zwischen dein gutturalen a und
dem 1 i n g u a 1 e n i , o der Mil. tellauf zwischen dem gutturalen
a und dem labialen u ist.
Aeltere und neuere Grammatiker haben die Frage aufgewor-
fen, ob das Lateinische kurze u nicht gewöhnlich, oder doch zum
Theil dem Griechischen v gleich geklungen habe. Man hat da-
für folgende Stelle angeführt, Vel.Long.p. 2215 : Verrio Flacco
v i d e t u r e a n d e m esse a p u d n o s u 1 i 1 1 e r a m , q u a e a p u d
i \ r a e c o s v ; namqiie bis exemplisargumentatur: q u o d
illi dieunt *xviiviov9, nos ccuminum', quam *%v%a-
qlööov*, nos e eupressum', illi c xvß sQvrjrrjv9 , nos
c g u b e r n a t o r e m '. Allein Verrius Flaccus hat nur von der ety-
mologischen, nicht von der phonetischen Gleichheit des
Griechischen v und des Lateinischen u gesprochen. Jene frühzeitig
aus dem Griechischen aufgenommenen Wörter sind im Römischen
Munde latinisiert wie die bei Ennius und den älteren sceni sehen
Dichtern vorkommenden Formen B r u g e s , B u r r u s , E u r u d i c a ,
Frugio für &Qvy£g, TJ^ooog, EvQvdcxr], (DQvyiav
(vgl 0. Bibbek N. Jahrb. LXXV — LXXVI, 316), und es finden
sich daher handschriftliche Spuren, dass diese alte Schreibweise
auch zu Tacitus Zeit noch nicht ganz abgekommen war {a. 0. 319).
Hätten die Griechen den Unterschied des kurzen lateini-
schen u von allen kurzen Lauten ihrer Sprache nicht bestimmt
— 150 —
gehört, nimmermehr würden sie jenen kurzen Vokal an allen Stel-
len der Wörter durch das Schriftzeichen ihres Diphthongen ov
dargestellt haben, wenn sie Lateinische Wörter schreiben woll-
ten wie :
kovnug, Plut. Rom. 4. To le>v\iviov , Plut. Rom. 16.
Aov7tsQxog^ C. Insc. Graec. Koq ß ovlav, Dion. Cass. 59
2690. p. 918.
Jov7t8QKLavr] , C. I. Gr. 'EQxovliog, Suid.v.
3202. AevtCxovXov , Dion. C. 15,
Aov7tsQxalia,Plul. Anl. 12. p. 450.
Nov^iccg, öTCOQtovXcDV, Lyd. d. mag.
EatovQri'Cog^Plut.Ti.Gracch. 111, 59.
19. xoQVLxovlaQiov , (l. 0. 4.6.
OvolrovQvog, GiyyovkaQioi, a. 0.1.
KaCxov ßov , 7icj7tovÄovs,P{i(t.Rom.c. 13.
TCßovQa, xcovGovlag, a. 0. c. 14.
Bbtovqlov, Plut. Num. 13. xaGovAe, Mai. a. 0. 448, 1.
Mcc[iovqlov, a. 0. MaQXLOvg, Mar. her. Alban .
&sßQovdQiog,P/)//.Xi<m. 19. 140.
'lavovaQiog, #.0.18. TtTtovg, a. 0.
xiQxovttovii, Mai. seriplt. 'A ÄccQLxovg . . \fai\ a- 0. 329, 1 .
vett. n. coli. T. V, p. 329, 1. AvQrjliovg, I. N. 21 13.
tovoii, a. 0. 448, 1. Ivic stQarovg , a.O.
uvvovoQCöii, a. 0. adiccxsvTLOvii, a. 0.
Gova, Mar. her. Alban. 110. o7t7tidcoQo vp , a. 0.
Ilo0TOV[iLog, XccßoQov{i, a.O.
fl6GTov[iog ,
Seltener drücken die ('.riechen das Lateinische u durch das
Schrift zeichen o aus; so in:
TIoTtlixolag, Pful.e. 1 6 u.a. ZoXxlxlccvo ?\ Gi I. Gr. 2590.
KoqvlxoXov, DibttysAW, 50. &oXöviog, a. 0. 2905.
'Amtokriia, CA. Cr. 6270. <?. öokiö^uo, ÖWWWl. N////. 7.
TotiroAa, Pfltf. /to///. 29. 186, 13.
'EpxoAtov, r. /. Gr. 1081. 0opv*as, r. /. 0r. 5851.
'OxQixola, Steph. Byz. 4S8. Zatoipvaivav, «. 0. 2821.
ffavUytfAag, J9fon. Om. 57. vgl. 2885. 6286. 6719. 6594.
T^pro/l/U, r. 7. £r. 2211. KoQoyxavi'ovg. /Wy/>.ll,s.
Nopain Ca. Hsxovöög, C. f. Gr. 5600.
NoprixnQ, rhu. Rom. 3. </. 83 1 1 . 59 12.
— 151 —
MofiiiLOv, Dion. Cass. 61, Kkosytiog , App. b. civ. I,
p. 997. 50.
IIoTtlLXLOs, C. I. Gr. 6498. llargoivog, C.I. Gr. 6649.
IIoTtliov, a. 0. 5807. Q eßgoagin v , a. 0. 2905.
Bevoöxa, a.O. 5139. 5140. /lt%o\iov, «. 0. 6673.
So viel erhellt aus diesen Schreibweisen, dass den Griechen
in manchen Lateinischen Wortfonnen das Römische u ihrem o ähn-
lich klang, was um so weniger zu verwundern ist, da ja in zahlrei-
chen Fällen das Lateinische u aus älterem o entstanden ist und
zwischen beiden Lauten ein Schwanken in der Aussprache auch in
Späterer Zeit geblieben ist, wie dies in dein Abschnitt über die
Wandlung der Vokale nachgewiesen werden wird.
Noch seltene]- als durch o wird in Griechischer Schrift durch
v der Laut des Lateinischen u ausgedrückt; so in:
0 avöxv log , Plut. Rom. 6. Hvqqsvxov,
'Pco^vlog, a. O. KalitvQvig, C.I. Gr. 6674.
ßcucvla, a.O. 26. OvI&vqvov, Polyb. III, 92.
M a q v l a , Osann . Syll. I. 439. Ua xvqv ivov, C. I. Gr.
MaQvliva, C. I. Gr. 6255. 3313.
Asvxv Aa?, a. O. 2943. Uccxv q rjl o g , Plul.Tib.Gracch.
Tvllog, Plut. Nim. 22. Cic. 19.
I u. a. Bevv öxog , C. I. Gr. 266.
Tvlliog, a. 0. cf. 3653.
Zvllag, Bq vxxia, C. I. Gr. 6707.
dvlxLööLna, Mur. 1297, 8. lixvov, Plut. Rom. 22.
Osann. Syll. I. 430, 62. KctTtvrj.
KolvyißuQiov , Plol. I, 3, 4.
Diese Schwankungen der Schreibweise zeigen zur Genüge,
dass den Griechen das Lateinische u weder wie ihr o noch wie ihr v
klang, sondern wie ein Mittellaut zwischen beiden, den sie gewöhn-
lich durch o v bezeichnen. Dass aber die Römer den Unterschied zwi-
schen ihrem u und dem Griechischen v hörten, ergiebt sich aus der
Bezeichnung des v durch Lateinisches i, die sich schon auf Voraugu-
steischen Inschriften findet in S t i gio (tit.Pic. Grut. 52, 1 1 .)für Exv-
y Ca und S i si p u s für Uiö vcpog (Ritsch. Mon. ep. fr. p. 26). Wenn
aber diese Schreibweise in Handschriften sehr häufig ist (vgl. O.Ribbek
N. Jahrb. LXXV— LXXVI, 316. 318), so folgt daraus, dass schon
die spätere Römische Volkssprache in eingebürgerten Griechischen
Wörtern das v wie i sprach, also sintbolo, misteria, tiranno,
— 152 —
giranasio, Aegipto, wie Italienisch simbolo, misterio,
tiranno, ginnasio, Egitto. Weil die Römer den Unterschied
zwischen Griechischem v und ihrem u genau horten, wie dies
Quintilian entschieden ausspricht (XII, 10, 27), deshalb gaben sie,
um Griechische Wörter zu schreiben, dem V das Bürgerrecht in
ihrem Alphabet.
Die Lateinische Sprache hat, wie gezeigt ist, einen U-laut
in gewissen Wörtern vor Labialen zu einem Mittellaut zwi-
schen u und i abgeschwächt, allein bei jenen Wörtern ist sie stehen
geblieben. Auch im Griechischen hat das Schriftzeichen V, Y ur-
sprünglich wie das Lateinische V den reinen U-laut bezeichnet, den
die verwandten Indogermanischen Sprachen und besonders das La-
teinische an der Stelle im Worte /eigen, wo die Griechische ein v
hat, und der Aeolische Dialekt hatte diesen U-laut noch, wahrend
er anderen Dialekten schon abhanden gekommen war. Sonst aber
hat die Griechische Sprache in der Blüthezeil der INation die
Schwächung des U- lautes zum Mittellaut zwischen u und i durch-
weg eintreten lassen und dieser ist in iiw Aussprache des Neugrie-
chischen von v nicht mehr zu unterscheiden.
Für die Lateinische Sprache aber hat, abgesehen von den oben
besprochenen Wörtern, denen der Mittelton zwischen n und i eigen
war, Mari us Victorinus vollkommen recht mit seiner Behauptung,
p. 2454: u litt er am, quam nisi per ov conjunetam.
Gracci scribere ac pronuntiare non possunt. Demnach
klang das Lateinische u wie das deutsche in unserem
Munde.
In dem Abschnitt über die Umlautung durch Wahlverwandt-
schaften von Consonanten und Vokalen wird gezeigt werden, unter
welchen lautlichen Einflüssen u zu e und i erleichtert wurde
IL Vokalismus.
Die Sprachen der 1 n d o g e r m a n i s c h e n V ö 1 k c r zeigen
in ihrer Jugendzeit, so weit die Forschung sie zurück verfolgen
kann, eine Blüthe des Vokalismus, die im Laufe der Jahrhun-
derte allmählig hinwelkt. Die S prache der Arischen Inder
in jenen Zeiten, als sie zuerst im Pendschah dem Indra ihre Hymnen
sangen, übertraf alle verwandten Sprachen an Volltönigkeit des
Vokalismus; zu einerweichen, vielstimmigen Harmonie und Mannig-
faltigkeit des Vokalismus ist die Griechische Sprache entwickelt
in dem Zeitalter, als die Hellenen mil ihren Pflanzstädten die Küsten
Kleinasiens bedeckten , die Seeherrschaft der Phönizier brachen
und ihre Lieder sangen von Troja's Fall und der Heimfahrt der Hel-
den; die Sprache der Gothen zeigt eine klangreiche Fidle und
Mannigfaltigkeit des Ablautes in der Zeit, da dieser Stamm zuerst
das Vaterunser beten lernte. Aber von den Jugendklängen der Spra-
chen ist gar viel verklungen. Die Diphthongen trübten sich
zu e i n 1 a u t i g e n Vokalen, lange Vokale kürzten, seh w e r e
erleichterten sich, leichte und k u r z e Vokale wurden s t u m m
oder v e r k 1 a n g e n g anz, die z u s a in m e n t r e f f e n d e n C o n s o -
n a n t e n assimilierten oder zerstörten sich : das ist im We-
sentlichen der Gang der Sprachentwickelung, durch den aus den al-
ten Muttersprachen die Tochtersprachen entstanden sind,
die noch heute im Munde der Völker erklingen.
Die Lateinische Sprache hat denselben Entwicklungs-
gang durchgemacht; aber wir können sie nicht bis in ein so frühes
Lebensalter zurück verfolgen wie jene Sprachen, bis zu einer Zeit,
wo ; ihr Vokalismus noch in ungeschwächter Kraft blühte. Im
dritten Jahrhundert vor Christus , wo , abgesehen von einzel-
nen Nachklängen einer früheren Zeit, unsere Kenntniss der Lateini-
schen Sprache beginnt, finden wir den Vokalismus der Sprache
schon im Sinken, schon beherrscht von der Neigung D i -
phthonge zu trüben, lange Vokale zu kürzen, kurze
lautlos verklingen zu lassen, in einem Zustande der Unruhe
-. J54 —
und des Schwankens, in dem ältere vollere und jüngere leichtere
Sprachklänge und Wortformen durcheinander wogen , bis die
Sprache in der Bliithezeit ihrer Litteratur, nachdem die al-
ten Klänge und Formen veraltet und abgekommen sind, zu Ruhe
und Festigkeit gelangt. Auf diesem Standpunkte des Vokalis-
mus bleibt die Schriftsprache im Wesentlichen stehen,
aber die Volkssprache geht auf dem abwärts führenden Wege
der Abschwächung desselben weiter, bis ihre Lautverhältnisse die
Gestalt gewonnen haben , welche die Romanischen Sprachen
zeigen. Dieses Sinken und Verfallen des Vokalismus in
allen, seinen Erscheinungen und Ursachen darzustellen ist die Auf-
gabe des zweiten Theiles dieser Arbeit. So ist es denn natürlich
dass sie mit der Betrachtung der stärksten und vollsten vokalischen
Laute beginnt, mit der Geschichte der D iphthouge.
A. Geschichte der Diphthonge.
1) Entstehung der Diphthonge.
Diphthonge oder zwielautige Vokale entstehen in den Indoger-
manischen Sprachen vornehmlich durch Vokalst cigerung. Im
Sanskrit werden die einfachen Vokale i und u durch Vorschiebung
eines kurzen A-Iautes zu e und ö gesteigert, durch Verschiebung
eines langen a zu ai und au, so dass nicht zwei Vokale nebenein-
ander entstehen, sondern ein cinlauliger Uebergangsvokal /wischen
a und i oder u, und ein zwielautiger Uebergangsvokal zwischen ä
und i oder u. Unter denselben Bedingungen, unter denen i und u
diese Steigerung erfahren, wenn der Bau der Wort form es verlangt,
wird im Sanskrit kurzes ä durch blosse Verlängerung zu ä gestei-
gert (Bopp vergl. Gramm* S.2&. Jacobi Beitrage %ur Deutschen
Grammatik S. 28./'.). Im Griechischen sind die, Diphthonge
av und at aus Vokalst ei gerung durch a entstanden, wo niphl ein
anderer Ursprung nachweisbar ist; da aber in dieser Sprache ur-
sprüngliches a vielfach zu £ und o abgeschwächt ist, so sind dies
die vokalischen Anklänge, durch welche i und v zu £/. 04, SV,
ol» gesteigert werden. Ebenso sind im Wesentlichen die lichten
Lateinischen Diphthongen au, ai, du. oi, eu. ei durch
— 155 —
Vokal Steigerung entstanden, wo sie nicht mehr mechanisch
durch Herantreten eines vokälisch anlautenden Suffixes an einen
Ookalisch auslautenden Wortstamm entstanden sind , oder nach
Ausfall eines Consonanten sich zwei Vokale zu einem Diphthon-
gen verbunden haben, oder wo der Halbvokal v sich vor folgendem
Consonanten zu u auflöste und so mit vorhergchendenka oder o zu
einem Diphthongen verschmolz. Die Lateinische Vokals tei-
ger ung ist vielfach deshalb unkenntlich geworden, weil die
Diphthongen der Lateinischen Sprache sieh vielfach zu einlautigen
langen Vokalen getrübt haben; aber es giebt noch Beispiele, aus
denen sich ersehen lässt, wie in der alten Sprache kurzes u in ge-
wissen Wortformen zu ou und eu, kurzes i zu oi und ei gestei-
gert worden ist, spater aber die so entstandenen Diphthongen zu
u und i verschmolzen. Man vergleiche folgende Zusammenstel-
lung, bei der zu bemerken ist, dass ou vor Vokalen sich zu ov ge-
staltete.
Vokalsteigerung des u zu o u und e u :
u, ou, eu, ö, ü.
1 ü c e r n a , L o u c i n a , L e u c e s i c , lux,
Avxaßccg , Loucetius, Asvxog,
kvxocpag, lüiimen, Aevxtog , lumen,
aiiyilvKYi, leuchten, I ü n a ,
Wz. plü- per-plo- 7ilev6o- plörare,
p liiere, vere, [tat,
Skr.Wz.dKv-, Diove, Zsvg, Jupiter,
dju-, Osk. Diovei, Juno,
Jovi, (junior),
Joventionem,
(juvenis),
fügio, (pevya, fugi,
pöpulus, poublicus, pöplicus,
p Q b 1 i c u s ,
ruber, . i q s v & a , r ü f u s ,
r ü t i 1 u s ,
TJmbr. röfa ,
SQV&QOg,
düce, abdoucit, düco,
jügum, %£vyog, jngera
Ivyov.
— 156 —
Vqkalsteigerung des i zu oi, oe und ei:
*,
oi, oe,
ei,
I, e.
-ff des ,
foidere,
difeidens,
confido,
perfrdus,
foideratei
foedere,
foederati,
infldus,
Itbet,
Aot/3?f,
leibe reis,
Über,
l¥bido,
I o e b e s u in ,
1 e i b e r l i n i ,
Liber,
llbare ,
Jd e m,
eis, N. S(j.
e-eis,
Yta,
t'idem ,N.Sg.
e-ei, -
ttem,
ci-ei,
e - i u s ,
*bi,
L'[l£V ,
eitur,
lz e,
a d e i t nr ,
a bei,'
£ l 0 L ,
div- (spie
nderc ).
dei?o,
d T\ U B,
d eivae,
d iva,
dei vi im s.
Osk.
d e i va i, 1 "'//>/ .
d e v e ,
Osk.
dei vau in.
i ndl CO,
j udYco,
deixeris,
d i c o .
pra (Mit co,
Osk.
d ei eil in,
pra edl co,
ca usidYc u
s .
Osk.
die 11 St,
fatidlcus,
drei us. Geil. XII, 3.
(ygacpco), coDScrei- scribo.
ptU8 ,
Die Belege für die hier angefahrten altlateiniscben rönnen
sind in der Beispielsammlung Im- jeden Diphthongen weiterbin zu
linden.
Die Vokale 3 P o können dnreli einen vorhelenden A- klang
nicht zu Diphthongen gestalte! werden, sie werden daher tu ein-
facben Lungen gesteigerl in solchen Fällen, wo in der Wortbildung
i zu ei oder oi, n zu en und on gesteigert werden würde, ebenso
wie im Sanskrit a durch Vokalsteigerung einfach gelangt winde.
— 157 —
Dieser Fall tritt ein bei der Ableitung der Nomina von ein-
fachen Verben; dabei ist zu bemerken dass diese letzteren nicht im-
mer mehr in der Sprache in dieser einfachen Gestalt vorhanden
sind, sondern durch Anfügung der Ableitungsvokale -a oder -e in die
A- oder E-conjugation übergegangen sind; so in folgenden Bil-
düngen:
p a c u n t ,
päx,
tego,
tegula,
päciscor,
p ä c o ,
lego,
lex,
1 ä t e o ,
I ä t e r n a ,
lego,
e o 1 1 e g a ,
v ä c o ,
vägi n a ,
rego,
rex,
Jl'z. frag-,
su ffrägi um,
seco,.
s I c a ,
frägor,
v ö c 0 ,
vöx,
sede o,
s e d e s ,
v ö in o ,
vom er.
Dieselbe Vokalst
eigerung tritt
ein
bei der
Bildung abgeleiteter
Verben von Nominalstämmen; doch ist die einfache Form der No-
minalstämme der Sprache häufig abhanden gekommen, kann aber
aus einer durch ein hinzugetretenes Suffix weiter gebildeten Form
erschlossen werden. So verhalt sich zu :
s a g a x , s ä g i r e ,
vgl. praesäg us ,
von einer gemeinsamen einfachen Nominalform der Wurzel sag-,
p 15 c i d u s , p 1 ä c a r e ,
p 1 ä c e r e ,
ebenfalls von einer einfachen Nominalform der Wurzel plac- her-
zuleiten,
macer, mäcero,
söpor, söpire.
Diebeiden letzten verhalten sich wie torpor und torpere,
clamor und clamare, indem die Verbalformen von einer älteren
einfachen Form der Nominalstämme gebildet war. Bei clamor
lind clamare lässt sich das noch verfolgen. Von dem alten
Verbum calare ward nämlich gebildet cala-ma-, cla-ma-, und
dann das Verbum cla-ma-re, wie von fa-ri fa-ma, in-fa-
ma-re und durch Anfügung des Suffixes -or an den Stamm
cla-ma cla-m-or. Es zeigt sich also, dass diese Vokal Verstärkung
eintrat bei der Bildung abgeleiteter Verba, die wie sägire, sö-
pire, pläcare. mäcerare die stärkere transitive Bedeutung er-
halten.
— 158 —
Etwas anders verhält sich :
trüdis zu trüdo;
hier ist der Vokal der Präsensform des Verbum gesteigert wie im
Griechischen £sv yvv\ii^ cpsvycj neben t,vy6v, cpvyyj; man
muss also schliessen, dass das Verbum im Altlateinischen einmal
troudo gelautet hat, obgleich sich diese Form nirgends findet.
Wie die oben aufgeführten Nomina mit Vokalsteigerung von
Verbalwurzeln gebildet sind, so wird auch im Lateinischen bisweilen
dasjenige Verbaladjectivum, das die Griechischen Grammatiker ps t -
o%r\ nannten, die Römischen participium übersetzten, und das
von den Römischen Grammatikern supinum genannte mit dem
Suffix -tu abgeleitete Verbalsubstantivum mit Vokalsteigerung vom
Verbalstamm gebildet. Während nämlich von gero, veho, fa-
cio, rapio, capio die Participia gestus, vectus, factus,
raptus, captus und die dazu gehörigen Supinn ohne Verände-
rung des kurzen Wurzelvokales gebildet werden, ist in einigen Bil-
dungen solcher Verbalnomina von Verbis, deren Wurzel auf einen
Guttural auslautet, der Vokal, der in der Präsensform kurz ist,
durch Vokalsteigerung gelängt. Dies berichtet Gellius IX, 0 und
XII, 3. //. von folgenden:
Von:
Sg o ist gebildet äc t u s , ä etil o.
Diese Angabe wird bestätigt durch den Apex als Zeichen der
Vokallänge in folgenden Formen :
actis, Marin, her. Alb. p. 1 39. ä c I u m , Fahrrtl . p. I 7(1, 324.
ex ä etüs i tob. Clavd. Boissieu, r e d ä c t a , OrelL 36.
inscr. d. Lyon.p. 136. Grut.
p. 502.
Es gab indessen auch Gelehrte, welche actus, actilo, acu-
ta vi sprachen.
Von:
lego ist gebildet lect us, lectito, lector,
ltestätigt durch die Schreibweisen:
adlectus, /. .V. 1999. Or. 4109. dileclae, Murin. All.fr. irr.
lectorque, Jahn Specm, epigr, />. 713.
p. 109;
dagegen hat die Griechische Sehreibweise Exlexrog, hiun. Cmti
72 p. 1206. 1220. 1222, den kurzen Vokal des Präsens l*go bei
behalten (vffl. Schnitt: iihciu. .Mus. \. 115).
— 159 —
Von:
üngo, ünctus, ünctito.
Aus der Bezeichnung durch den Apex erhellt dass von:
j üngo eben so gebildet ist j uncta, /. N. 2535.
vgl. c o n j ü g i s , s ej ü n c t u m , Or. 4859. Marin.
Inscr. Alb p. 137.
j ügum, vgl. jügera.
Die Formen strüctus, strüctor, deren langes u ebenfalls
durch Gellius (XII, 3) verbürgt ist, gehören nicht hierher, weil sie
vom Stamme des alten Wortes struices (Fest. p. 310. M.) abge-
leitet sind, das exstructiones erklärt wird, die Länge ihres Voka-
les u also durch die Vokalverschleifung aus u i entstanden ist. Die
Verlängerung des Vokales erscheint also in den Formen des Partici-
pium und Futurum und der davon abgeleiteten Wörter von solchen
Verben, deren Stamm auf g auslaute!, und Lachmann schliesst daraus
(Lucr.p. 54), dass dies in den entsprechenden Bildungen von allen Ver-
ben deren Stamm so auslautet der Fall gewesen sei. Da indess einlaul-
licher Grund nicht ersichtlich ist, weshalb man dlctus, vlctus,
fuctus neben lec tu s , actus, ünctus gesprochen haben sollte,
da auch manche Grammatiker actus, äctito, äctor sprachen,
so erscheint es rathsam sich nur an den Thatsachen zu halten, die
Gellius angiebt.
Wenn nun aber von lego,ägo,üngo, jüngo durch Vokal-
steigerung die Verbalnomina I e c t u s , actus, ünctus, j ünctus
gebildet sind, so wird man auch nicht umhin können in Perfekten wie :
s c ä b i , von s c a b o , s e d i , von s e d e o ,
legi, lßgo, veni, venio,
emi, emo, födi, födio
Vokalsteigeruug anzuerkennen. Dies wird bestätigt durch folgende
Angabe des Priscian, VIII, 28. H: In cxi' terminantiapraete-
rituraperfectum secunrlacet terliaeetquartaeconju-
g a t i o n i s i n v e n i u n t u r , et t u n c t a n t u m natura q u o q u e
produeunt p a e n u 1 1 i m a m , q u a n d o s i t e , u t c r e g o r e x i ,
tego texi, illtcio illexi. Dass Priscians Behauptung für die
hier angeführten Beispiele seine Richtigkeil hat, wird bestätigt durch
die Vergleichung von
tSgo texi, mit tegula,
rego rexi, rex, regula,
illtcio illexi, llctor, Gelt XII, 3.
— 160 —
Es erbellt also, dass mit Steigerung eines ä, e, Ö zu ä, e, ö von
Verbalstämmen eigentliche Nomina, Participia und Perfekt formen ge-
bildet sind. Vergleicht man hiernach die Griechischen und Lateini-
schen Bildungen:
fugio, fügi,
ecpvyov, itscpsvycc,
rellcuos, reliqui,
so muss man schliessen, dass auch das lange u und i der Lateini-
schen Perfekta Vertreter von Diphthongen sind, die aus Vokalstei-
gerung hervorgingen, dann aber sich zu einlautigen Vokalen trübten.
Noch eine andere Art von Vokalsteigerung oder Vokalverstär-
kung tritt im Lateinischen wie in verwandten Sprachen ein, indem
der Stammvokal gewisser Wortformen einen nasalen Nachklang
erhält. Man vergleiche:
frägor, frango, pQrjyvvtii .
stfQayrjv ,
jiigum, jungo, t,8vyvvui .
%vyov ,
rellcuos, liinpio, XsCjia,
a'XiJtov ,
pago, pango, mjyvvtii,
päciscor,
rtdyog,
llgula, Hngo, Aft^w.
Wo die Griechische Sprache in den vorstehenden Prlsens-
formen die eigentliche Vokal Steigerung eintreten lässi.
zeigt die Lateinische die Vokalverstärkung durch Nasa-
lierung des Stammvokales. Eben diese Vokalverstarkung ist also
auch in :
tangO, neben (actum, fringO, neben l'ri c I u m,
nanciscor, nactus, rumpo, ni|>lum.
nanetus, pungo, pupngi,
pingo, pictum, vgl. lay%c/.vb)* ila%OV,
fingo, fictum, fttyyccvco, i&iyov u a.
Die Vokalsteigerung hat also im Lateinischen wie in den ver-
wandten Sprachen in die Quantitütsverhaltnisse der Laote eingegril
fen. Da aber die Lateinischen Diphthongen sich iura grossen Tlieile
zu einlautigen langen Vokalen trüben, so isl sie viel unkenntlicher
— 161 —
geworden und erscheint in der Blüthezeit der Sprache fast nur in
der Gestalt der Vokalverlängerung. Durch die Vokalsteigerung er-
klärt sich also vielfach der Quantitätswechsel von Stammvokalen in
verwandten Wörtern, der sonst willkührlich und regellos erschei-
nen muss.
Schon in uralten Zeiten sind aber auch Diphthonge entstanden
auf eine mehr mechanische Art, indem vokalisch anlautende
Suffixe an vokalisch auslautende Suffixe traten. So entstand der
Diphthong ai, ae in den Flexionsformen der A-Declination in For-
men wie :
vitae, vi t ai , für vita-is,
pulchrae, pulchrai, pujehra-is,
Mincrvae, Minervai, Mineiva-is;
so der Diphthong oi, oe in den Casusbildungen der Q- stamme
wie :
gnatois, für gnato-is,
oloes, olo-is,
p r i v i c 1 o e s , priviclo-is;
der Diphthong ei in Flexionsformen der E-deelination wie:
rei, für rc-is,
spei, spe-is,
fidei, fide-is,
Formen für die sieh die Nachweise und Belege weiter unten finden
werden.
fn ähnlicher Weise ist der Diphthong eu entstunden durch
(Komposition in :
n eut er, für ne-uter,
n e u t i q n a m , n e-uti q u a m.
Diphthonge entstehen aber auch in jüngeren Sprachperioden
wenn nach Ausfall von Consonanten sich die zu einander passenden
Vokale begegnen und mit, einander verbinden. So entstanden nach
Ausfall des Halbvokales j die Diphthonge on und ei in:
plous, für ploius, eicit, für eiieit,
r e i c i t , r e i i c i t ,
deicit, d eiieit.
So ward erst couneti aus coiuncli und verschmolz dann
zu euneti. Ebenso entstand durch Ausfall eines g der Diphthong
a i , a e in :
CORSSEN. j ]
— 162 —
Lat. Maesius, aus Magisius,
Osk. Maesius,
mais, magis,
maimas, magimas,
(Zeit sehr, für vergl. Sprach f. III, 277 /".);
durch Ausfall eines v entsteht der Diphthong oi, oe in:
Cloelius, für Clovilius, vgl. Cloul.., 7. iV. 5882.
Clovatio, I. N. 2377.
clovaca s, I. N. 4472.
und in ähnlicher Weise sind Diphthonge sicher noch in zahlreichen
Wortformen entstanden, deren Etymologie sich nicht mit Sicherheit
nachweisen lässt.
Endlich entstanden die Diphthongen au und on häufig, indem
zwischen v und folgendem Consonanten ein Vokal, i oder e, ausfiel,
das v sich durch die Berührung mit dem Consonanten zu u auflöste
und nun mit dem vorhergehenden Vokal a oder o zusammenlloss.
So entstand der Diphthong au in den schon erwähnten Wortformen:
1 a u t u m , n a u I a , n a u s t i h u ! u m , a u s pieiü m ,
cautor, naufragus, aucella, gaudeo,
fautor, nauscit, aueeps, audeo;
ebenso entstand der Diphlhong ou in:
n o u n d i n u m , Sc. <l. Bacc. für n o v e n d i n u m ,
Nounai, I. N. 3095. novenas,
Nouceriam, I. N. 6276. No vi cer i a m ,
und ist dann, wie schon in der Erörterung üher v gesagt ist. häufig
zu u verschmolzen. Durch Erweichung des Consonanten v, nach-
dem er durch den Abfall des auslautenden e in den Auslaut getreten
war, entstand der Diphthong eu in:
scu für seve, neu für neve.
2) Trübung der Diphthonge.
Homer und Ulphilas zeigen uns, dass die Sprache der Helle-
nen wie der Deutsehen in dem Jugendalter dieser Volker von einer
reichen Mannigfaltigkeit voller und klangreicher \okalisrher Laute
belebt war. Von dem Diphthongenreich ihum der Latei-
nischen Sprache in ihrer frühsten .lugend sind nur ganz einzelne
versprengte B r u chst ü ek e auf uns gekommen durch die Anfüh-
rungen späterer Gelehrter. Irkundliche und zusammenhängende
Sprachdenkmäler besitzen wir erst aus dem Zeitalter, als llom und
— 163 —
Karthago den Kampf um die Herrschaft des Mittelmeeres began-
nen, nachdem bereits ein halbes Jahrtausend im Leben des Rö-
mischen Volkes verlaufen und eine politische Entwicklung ab-
geschlossen war. Diese Sprachdenkmäler zeigen schon ein ent-
schiedenes Sinken des Vokalismus; aber sie lassen uns er-
kennen, dass die Sprache in der Glanzzeit der kriegerischen und
politischen Grösse Roms noch diphthongische Laute besass, die in
dem Blüthezeitalter ihrer Litteratur zu einlautigen Vokalen ver-
schmolzen waren. Da die Sprache des Plautus nicht in ihrer ur-
sprünglichen Lautgestalt auf uns gekommen ist, sondern erst so,
wie sie durch die Bearbeitung eines Gelehrten des ersten Jahrhunderts
nach Christus dem Verständniss der damaligen Zeil zuganglich ge-
macht worden ist, und da wir von Livius Andronicus, Naevius und
Ennius Gedichten nur vielfach entstellte und modernisierte Bruch-
stücke besitzen, so muss die Untersuchung über die Trübung der
Diphthonge in dem Zeitalter von der Eroberung Italiens bis zum
Sturze der republikanischen Verfassung Roms vornehmlich auf Grund
der Inschriften, derächten sprachlichen Urkunden für die älteste
Geschichte der Lateinischen Sprache, geführt werden. Mit ihnen
sind die Sprachformen der ältesten Römischen Schriftsteller, wie
sie unsere Texte darbieten, oder die Grammatiker anführen, zu
vergleichen, und daraus sprachgeschichtliche Ergebnisse für die
vorliegende Frage zu ziehen.
a u.
Der Diphthong au, der volltönigstc und gewichtigste unter
allen ist der einzige, der sich in zahlreichen Wortformen durch alle
Zeiten der Lateinischen Sprache unversehrt erhalten hat und noch
heute im Munde der Italiener erklingt. Aber seine Trübung hat
auch in anderen Wortformen schon sehr frühzeitig begonnen, in-
dem er zu o, seltener zu u zusammenschmolz.
Die Trübung des au zu o fand schon im Zeitalter der Punischen
Kriege statt; das zeigt die Form:
Pola, Or. 1500. für Paula
auf einer Inschrift vonPesaro, die zu den ältesten gehört, die auf
uns gekommen sind. In demselben Zeitalter sprach man:
ploti, Fest. p. 238.
Plotus , a. 0.
semiplotia, a. 0,
11 *
— 164 —
da sich aus Verrius Flaccus die Angabe erhalten hat, dass man An-
fangs den Dichter PI otus, dann Plaut us nannte. Cato schrieb
in dem Buche über den Landbau:
dehorito, R. R. 66. für dehaurito,
Lucilius und Attius:
rodus, Fest. p. 265. für raudus.
Ebenso ward für au in gewissen Wortformen o gesprochen
im Zeitalter des Cicero und Caesar. So:
p 1 o d o , Cic. de gloria , Diom. p. 378. P.
e x p 1 o d i t u r , Cic. parad. Stoicor. Diom . p . 378.
clodicat, Cic. de orat.ll, 61. neben Claudicat,
o s p i c al u r , Claud. hist. lib. VIII , Diom. p. 378.
plostrum, plostreis, plostra, /. ////. municip.
Pola, Or. Henz. 7363.
Ausdrücklich als der allen Sprache ungehörig werden ferner
bezeichnet:
lotus, Plaid. Prise. I, 52. //.
plostrum, a. (f.
c o t e s , a. 0.
oruin, Fest. p. 1 82 ( r u s t i c i — d i c e b a n I ).
orata, a. (f.
Oratam , a. o.
o r i c u 1 a s , a.O.
Ebenso gehören den alteren Zeilen an die Formen:
Olus, Gell. XVII, 21, 17. Or. 1943.
p o 1 u 1 i s , Varro L. Z. V, 1 67 .
rodus, Lucil. Fest. p. 265.
Rodusculana, Fest. />. 275.
Dass aber daneben auch die Schreibweise und Aussprache au
in der alten Zeil der Sprache erhalten blieb, zeigen zahlreiche
Wortformen. So fand Festus bei Verrius Flaccus als alte Formen
erwähnt :
raudus, Varro Z, L. 163. M.
raiidiiscult), a. (t.
Hauduscul a, it. <>.
anlas, Fest. />. 23. für ollas.
aulicocia, d. <>.
a u x i 1 1 a , (»IIa p a r v u I a , Fest. p. '2 1 .
— 165 —
Ebenso sind Plautinische Formen :
a u 1 a ,
A n 1 u 1 a r i a ;
ferner erwähnte Verrins Flaccus als alle Form:
ausculari, Fest. p. 28. vgl:
a u sculum, Prise. I , 52. H.
a us t r u m , a. 0.
Ebenso haben auch zahlreiche Inschriften den Diphthongen au
in Wortformen erhalten ; so :
T a u r a s i a , t. Scip. Barb. A u r e l i o , I. N. 3561.
gaudia, /. N. 5882. Laufeius, /. N. 4239.
C i s a u n a , t. Scip. Barb. c 1 a u s u in v e , L. Iul. mun.
p au 11 um, Or. 4848. Aafidiae, I. N. 1999.
Claudius, I.N. 6766. ör.570. causeis, Or. 4860. u. a.
auspicio, t. Mumm. Or. 563.
vgl. Busch, d. tit. Mumm.
lau dem, til. Scip. Cn. f. Or. 554.
lauslum, Or. 4304. 4305. ^.4306. 4307.
■ Sauieius, GnU. 129. 3. Or. 5.
Dass in der Romischen Kaiserzeit o für a u gesprochen wurde
in gewissen Worlfonncn, zeigen die Schreibweisen:
p 1 o s t r a , Stiel. Yesp. 22. P 1 o t i u m , Or. Hen z. 1221 .
loreto-, /. N. 6748. olla, a. O. 7341.
loreti, Or. 5. Poli, Boiss. I. Lij. X, 29, 2.
Ploti, a. Ö. Oli, a. 0. X, 29, 1.
und die Formen der Namen:
Clodius, Opetrius (von au-piter),
Clodia, Ploti us,
L o r i u s , P 1 o t i a ,
Loreius, Plotulena,
Loren us, Polla,
Lorentius, Pollinus,
0 1 i u s , T o r a n i a ,
Opetreiia, Toranius;
{vgl. Momms. Inscr. Begn. Neapol. ind.).
Im fünften Jahrhundert nach Christus sprach man neben-
einander:
clostra, und claustra,
c o d a , c a u d a ;
— 166 —
Diom. p. 378: au syllaba cum o commercium bebet, ut
cum dicimus cclaustra' et cclostra', ccauda' et ecoda'
et similia. Und so findet sich denn in zahlreichen Wortformen
bis in die späteste Kaiserzeit der Diphthong a u unversehrt :
Laurentis, Z. iV. 2211. auxiliares, Grut.164, 3.
a u g u r , a. 0. L a u r e a c e n s e s , a. 0.
auctis, Or. 710. gaudet, Or. 4858 (chrisll.).
T a u r i n o r u m , Or. 7 1 . G a u d e n t i , Or. 4955 (christl.)
und in Namen wie :
A u d a s i u s , A u 1 e n a , A u t r o n i u s ,
A u d e i a , A u 1 i u s , Claudius,
Audi us, - Aulia, Lau fei us,
Aufe llius, Aulienus, Lautinius,
A u f i d e n u s , A u r c 1 i u s , L a u t i n i a ,
Aufidius, Aurellius. Paucius,
Aufidienus, Auruculeius, Pausculanus,
Au fi llius, Aurunculciu s, P laut ins,
Aufustius, Ansidius, Saufeins,
A u g u s t u s , A u s t i u s , T a u Lo n i u s ,
A u 1 e n u s , A u t i d i u s ,
Adauclula, Fauste, Gaudiosus,
A d a u c t u s , F a u s t i a n u s , L a u r e nti a ,
. Adaugendus, Faust illus, Laurilla,
A u c t u s , Fan s tilla , Laiirinas,
Aucta, Faustina, Lauras,
Alauda, Faustinianus La usus.
Auetor, Faustio, Lautus,
Audax, Faust us, Paulus,
Anden tius, Fautio, Paulinu6,
A u g e n d a , Gaudentius, Ta uri n a ,
Glaudiane, Gaudituru6, Taurisc as.
C 1 a u d i a n u s ,
[Vgl. Momms. Inscr. Regn. Nep, Inda.)
Soviel erhell! also, dassdie Aassprache und Schreibweise /wi-
schen au und o sowohl in älterer Zeit vor Augustut als auch in
der Kaiserzeil nielit bloss überhaupt geschwankt hat. Bonden auch
in einem und demselben Worte schwankend gewesen ist Ihm den
Wort rönnen, die sonst noch von Grammatikern ohne nähere l!e
— 167 —
Stimmung der Zeit oder in den Handschriften der Schriftsteller vor-
kommen, ist also weder die Schreibweise mit o, noch die mit u ein
Kriterium ihres Alters. So finden sich nebeneinander:
c o p a , caupo, corus, « caurus,
codex, c a u d e x , s o r i x , s a u r i x ,
codicula, Caudex, Serv. Verg. o r e a , aurea,
c o d e t a , Georg. II, 30. o r i c h a 1 c u m , a u r i c h a 1 -
rodus, raudus, oQti%a?iKog , cum,
colis, caulis,
Po II um, Pauli um,
P o 1 1 u 1 u m , P a u 1 1 u 1 u m , Ter . Scaur. p. 2256.
Die Verschiedenheit der Zeit also macht keinen wesentlichen
Unterschied in dem Gebrauch beider Formen; wohl aher lüssj, sich
noch nachweisen, dass die Wortformen mit au mehr der Sprache der
Gebildeten, die mit o mehr der Volkssprache angehören.
Dass in der älteren Zeit zum Theil ein O-laut gesprochen winde,
wo man AV schrieb, ist aus der als alt überlieferten Schreibweise
ausculari zu schliessen. In diesem Worte war der O-laut der
ursprüngliche; das zeigt die Form des Stammwortes os wie der ab-
geleiteten ostium, Ostia, die nie mit AV geschrieben worden
sind, und die Form des Wortes im Sanskrit asja {PoU EUjm.
Forsch. I, 38). Da aus Lateinischem o, Sanskritischem a niemals
au entstehen konnte, so kann die Schreibweise AV nur aus dem
Grunde auf ausculari übertragen sein, weil man öfter AV ge-
schrieben fand der Etymologie des Wortes angemessen, wo man o
sprach. Dasselbe lehrt die jedenfalls schon vor Verrius Flaccus
übliche Schreibweise aurichalcum für das Griechische Wort
oQ£C%alxog, denn nimmermehr konnte sich aus Griechischem o
ein Lateinischer Diphthong au entwickeln. Die falsche Herleitung
des Wortes von aurum, orum hat zu der falschen Schreibweise
denAnlass gegeben. Die Schreibweisen ausculari und aurichal-
cum konnten jedenfalls nur von Gelehrten ausgehen, welche der
Schreibweise mit au überhaupt den Vorzug gaben.
Mestrius Florus hofmeisterle den Vespasian, weil er plostra,
nicht plaustra sprach, wie Sueton erzählt {Vesp. c. 22); da
persill'lierte der witzige Kaiser den pedantischen Consular, indem
er ihn des anderen Tages Flaums anredete. Das artige Geschicht-
chen wirft ein Licht auf die vorliegende Frage. Vespasian, nichts
weniger als ein Mann der Etikette, drückte sich überhaupt, wie he-
— 168 —
stimmt erzählt wird, in der Weise des gern einen Mannes aus;
daher sprach er plostra, wie das Wort im Volksmunde klang,
Florus vertrat die Aussprache der fein Gebildeten und Gelehrten
plaustra. Vergleicht man hierzu die von Verrius Flaccus her-
rührende Angabe, dass es das Landvolk war, das orum, ora-
tam, Oratam, oriculas sprach, dass es in Cato's Vorschriften
über den Landbau war, wo die Wortform dehorito vorkam, wo
auch sonst Wortformen und Ausdrücke aus dem Munde des Land-
volkes beibehalten sind, so ergiebt sich, dass im Munde des Vol-
kes und namentlich des Landvolkes der vokalische Laut in den
angegebenen Wortern vorwiegend o lautete, während die Gebil-
deten, wenigstens in der älteren Kaiserzeit, der Schreibweise und
Aussprache au den Vorzug gaben.
Es bleibt nun noch genauer zu bestimmen, was für ein O-laut
es eigentlich war, der in plostra, orum, dehorio u. a. ge-
sprochen und gehört wurde. Wenn a u etymologisch der ursprüng-
liche Laut in allen jenen Wortformen war, so kann man sieh das
Nebeneinanderbestehen der Aussprache au und o oft in demsel-
ben Worte nicht anders erklären, als dass es einmal einen Mittel-
laut gab, einen Uebergangslaut , der zwischen dem ursprünglichen
Laut des au und dem O-laut in der Mitte stand. Dass dem so ist,
zeigt die Schreibweise:
Aor elius, Grat, 95, 6.
auf einer sehr alten Erztafel von Spoleto. Hirse Form steht in der
Mitte zwischen Aur elius und der aus der Aassprache orum sieh
ergebenden Form Ore litis. Fn Aor elius hat sich das u des Di-
phthongen au dein vorhergehenden a bis zu o assimiliert, indem die-
ser Laut nach der Stellung der Sprachorgane bei seiner Aussprache
dem a näher liegt. Dies wird lautlich noch erklärlicher, wenn mau
beobachtet, in welcher Lautrerbindung sich au zu o gestaltet.
Dies geschieht, wie die vorstehenden Wortformen zeigen, in der
älteren Sprache nur in der unmittelbaren .Nachbarschaft von Zun-
genlauten, nämlich vor den Liquiden I. r, dem Zischlaut s und
den lingualen Muten d und t, zumal wenn dem Diphthongen noch
ein 1 vorhergehl. Auch später erscheint der aus au entstandene
O-laut nur vereinzelt auch vor anderen Consonanten. Oben ist ge-
zeigt worden, dass u der labiale Vokal isl ; da dieser zu folgenden
lingualen Consonanten jedenfalls keine Lautverwandlsehati hatte,
so assimilierte er sich um so leichler dem im Diphthongen au ihm
— 169 —
vorhergehenden a. Indem dann andrerseits der A-laut sich dem
folgenden o assimilierte , ward a o zu einem O-laut verschmolzen,
gerade so wie aus amao amo geworden ist, oder wie man das ge-
wöhnlich ausdrückt, die Vokale wurden contrahiert. Die Griechische
Sprache zeigt denselben Lautvorgang, indem sie nicht bloss die
Lautverbindung ao zu ö assimiliert und verschmilzt in Formen
wie ßoQsa, ev^iiekico^ 'E^pela, Alvslo neben *A td a o ,
'Atgsidcco, TtolvaQtao , sondern auch die Lautverbindung
aov in Formen wie dpcatft, neben vaiBzdovG t, rt^icoöa
für x i^dovöa. Diesen letzten Lautvorgang erklären Homerische
Formen wie öqüimöl, fjßaaöa für dQuovai,r]ßttOvGa,
die zeigen, dass ov erst dem vorbeigehenden a lautähnlicher
wurde, also zu w, dass dann aber das ursprüngliche lange a sich
dem folgenden o zu a assimilierte. In den gewöhnlichen Formen
öqcoöi, rjßcjöi sind dann die beiden co zu einem verschmolzen.
Als sich nun bei den Römern eine Schriftsprache und ein
Schriftgebrauch bildete, drang die Schreibweise AO für den Ueber-
gangslaut zwischen au und o nicht durch, sondern man schrieb
entweder, wo man denselben hörte, nach der Etymologie au,
oder nach der Aussprache o. Diese Scheidung im Schriftgebrauch
wirkte nun auch zurück auf Entscheidung der Aussprache, so dass
zu Cicero's Zeiten die einen wirklich Claudicat, die anderen clo-
dicat, zu Vespasians Zeit er selbst plostrum, einer seiner Hof-
leute plaustrum sprach. Dass indess dieses aus au entstandene
o im Volksmunde einen anderen dein ursprünglichen Lautau noch
näher liegenden Klang gehabt haben muss, das inuss man doch
aus dem fortwährenden Schwanken zwischen a u und o zu allen
Zeiten schliessen. In der Niederdeutschen Sprache giebt es ein aus
au verschmolzenes o in Wörtern wie gl oben, kofen, lofen,
oge, ok, knobloch, bom, tom für die Hochdeutschen Wörter
glauben, kaufen, laufen, äuge, auch, knoblauch,
bäum, zäum, das einen dunkelern Klang hat als das lange o in
öne, böne, lön, gehören, erkören, ge st ölen, befölen.
Auch das Französische hat einen dumpferen, volleren O-laut, der
aus au hervorgegangen ist, in Wörtern wie au, aux, aurore,
aunc, chevaux, animaux neben einem helleren o in Wörtern
wiealörs, positi ön, o raison, natiön. Ein solches volle-
r e s d u n k l e r e s o muss auch in Lateinischen Wörtern wie p 1 o d o ,
clostra, plostrum, orum, loretum, codex zu hören ge-
— 170 —
wesen sein, verschieden von dem langen 0 in flöre, röre, ho-
nöre, formösus, amböbus, pötö. Das Landvolk der Rö-
mer sprach in der älteren Kaiserzeit: plostra, orum, oricula
u. a., die Gebildeten: plaustra, aurum, auricula. So
spricht das Niederdeutsche Landvolk heutzutage globe, bom,
oge, der gebildete Norddeutsche, seitdem die Neuhochdeutsche
Mundart Sprache der Gebildeten geworden ist, glaube, bäum,
äuge.
Der Diphthong a u ist aber auch zu einem u getrübt worden,
und zwar schon in alter Zeit, das lehren die Formen:
rudus, aestim. Censoria,
neben
r o d u s ,
r a u d u s ,
Fest. p. 205.
r u d u s c u 1 u m , Cinc. de
neben
R
o d u s c u -
R a u d u s c u
verb. pris&t' Fest.
lana.
la,
p. 265. 274.
ad rudus, a. 0. 265.
de fr udo, Prise. I, 52. H.
neben
fraudo,
frustra.
fraus.
f r u d a v i , Plaut Trin . 413.
fr au da vi.
Ebenso sieben:
c 1 u d o ,
neben
claudo,
C 1 u s i u s ,
c 1 a usus,
C 1 u s i v i u s ,
e 1 1 iisnra,
clostrum, claustrum.
Der Umbrische Dialekt lässt ganz in derselben Weise au zu o
und zu u einschrumpfen. Man vergleiche :
Umbr. uhtur, tat. an clor,
/'//ihr. ot e, Osk. au I i,
La/, a u t ,
Umbr. r u f r u , Umbr. r o f a , Goth. r a u d ,
Umbr. I u r u f , Umbr. t o r u , l <tf. lau r u 8 ,
La/. T o r a n i u s , ' kJc. tccvQop
(Umbr. Sprach//. AK. 1, 64). Das Oskißche hingegen bal den Vo-
kal a u ungetrübt erhallen.
Auch die Italienische Sprache zeigt noch das Erblheü jenes
Schwankens zwischen au und o im Lateinischen. Sic hal die For-
men odo, lodo, oro, loro. Ircsoro, oso (audeo), poao
(pauso), o (aut), povero (pauper) neben laude, au in.
lauro, tesauro, causa, pausarc. von denen die Formen mil
— 171 —
o der Volkssprache angehören, während die mit au, abgesehen von
causa und pausare, die eine etwas andere Bedeutung erhalten
haben wie cosa, posare, der gewählteren Schriftsprache
angehören (Diez, Rom. Gr. S. 149). Auch die Verschmelzung
des a u zu u hat die Italienische Sprache fortgesetzt in :
ucello für aucello, avicello.
Demnach ergiebt sich aus der vorstehenden Untersuchung
über die Trübung des Diphthongen au, dass sich derselbe schon in
alter Zeit besonders vor den Zungenlauten 1, r, d, t, s zu einem
dumpfen vollen O-laut getrübt hat, der dem Niederdeutschen
aus au entstandenen o in Wörtern wie bom, oge, globe ähnlich
klang. Doch blieb daneben die ursprüngliche Aussprache des
Diphthongen au bestehen. Nach vollendeter Ausbildung der
Schriftsprache war dieser O-laut besonders der Aussprache
des Volkes, namentlich des Landvolkes eigen, während die
Gebildeten in der älteren Kaiserzeit der Aussprache und Schreib-
weise au den Vorzug gaben. Da sich indess auch die Gebildeten
dem Einfluss der Volkssprache nicht entziehen konnten, so ist
auch in die Schriftdenkmäler der späteren Zßit das Schwanken
zwischen der Schreibweise au und o übergegangen und in der
Aussprache durch alle Zeiten bis auf die heutige Italienische Sprache
vererbt. Ebenfalls alt, doch viel seltener ist die Trübung des au
zu u.
ou.
Wie oben gezeigt worden, ist der Diphthong ou im Lateini-
schen auf verschiedene Weise entstanden: durch Vokalsteigerung
in Loucina, Loucetios, loumen, poublicom, abdoucit,
durch Ausstossung des Halbvokales i und Verschmelzung eines
stammhaften o mit dem u eines Comparativsuffixes in plous,
plouruma, durch Auflösung des Consonanten v in den Vokal u
vor folgendem Consonanten, mit dem es nach Ausfall eines e oder i
in Berührung gekommen vyar, in noundinum, Nounas für no-
vendinum, Novenas, Clouli für Clovili. Der Diphthong ist
jedoch in der Blüthezeit der Römischen Litteratur überall zu einem
einlautigen u getrübt worden. Ueber die Zeit, wann diese
Trübung eingetreten ist, und welche Mittelstufen sie durchgemacht
hat, geben uns die Inschriften Auskunft; in den Textender älte-
ren Römischen Schriftsteller, namentlich des Plautus, ist infolge
später durchgeführter Neuerungen der Schreibweise der Diphthong
172 —
ou nicht mehr zu finden. Dieser erscheint in folgenden Wertfor-
men auf älteren Inschriften :
F o u r i o , /. Für. Bull. arch. B.
1847 p. 166. Bitschi Mtl.
Pop. 4.
Fouri, a. 0.
poublicom, /. N. 715. 716.
Loucanam, t. Scip. B.
Jsoucina, /. N. 6762. Maffei
Mus. Veron. p. 470.
Loucetios, Mar. Victor, p.
2459.
loumen, a. 0.
abdoucit, t. Scip. B.
i n d o n c c r e , Sc. d. Tiburl. Or.
3114.
indoueimus, a. 0.
indoucebamüs, Bilschl . )///•
Popil. Man. Lp. fr. p. 4.
pfouruma, /. N. 5882.
Cloul.., a. 0.
p 1 o u s , Sc. d. Bacc.
jous, /. agr. (Thor.) I. repet.
(Serv.) I. Termcs.
jour(e), /. N. 4239.
joubeatis, Sc. d. Bure.
j o u s i s e n 1 , a. 0. cf. I. rep.
(Serv.)
jousit, l. Aleirin. Mon. Ep. tr.
Ritschi. Or. 3892.
j o u s e r ii n I , tob, den. I. repet.
(Serv.)
j o u «lex, /. Bant. I. repet. l. re-
/>('/. (Scrr.)
joudicio, /. repet. I. repet.
j o u d i c a 1 1 o , /. repet. (Serv.)
joudicato, /. agr. ( Thor.) vgl.
I. rep.
conjourase, Sc. d. Bacc.
jouranto, t. Bant. I. rep. cf.
I. rep. (Serv.)
jouraverit, t. Bant. I. rep.
(Serv.)
injourias, t. Gen.
jouret, /. rep. (Serv.)
n o u n d i n u m , Sc. d. Bacc.
Nounas, I.N. 3095 (p.Ch.b).
Nouceriam, Mit. Pop. 1. J.
6276. Bit sc hl Mon. ep. tr.
nountios, Mar. J'ictor. p.
2459.
poloucta, /. N. 1195.
couratoque, /. rep. (Scrr.)
Töutia, Or. 1501.
Titovr, /. V. (559.
Oufentina, Or. 1497. Lvcil.
Fest. p. 19 1. Momms. U. D.
p. 218.
Oufen i e , Lueü. Fest. a. <>.
s.tveis, /. N. 5882. 299.
siivn, Or. Isis.
elovacas, /. N. 1172. cf.
Mar. Victor, p. 2469.
Clovatia, Gm f. 660, 3. vgl.
I.N. 1795.
Glovatioi I. .V. 2377.
Clo(vi u s), tum. Ritsch. Epigr.
ir.p. 35.
(Serv.)
Ritschi hal in einer eingebenden Untersuchung bereits nach-
gewiesen (Montan. Epigraph, tria: de Müiario Popiliano^ p. I >.
dass die Schreibweise ou auf Inschriften allgemein nur bis in die
— • 173 —
Zeit des Bundesgenossenkrieges üblich ist; nur in dem Worte jous
und den stammverwandten Wörtern hält sie sich bis in die Zeit
des Sertorianischen und des Sklavenkrieges, weil man in Reehts-
urkunden die alte Schreibweise jous,joubeatis,joudex,jou-
dicio nach der Sitte der Vorfahren beibehielt. Später findet sich
die Schreibweise nur noch in einzelnen Siglen und Aufschriften von
Familienmünzen, wo man ebenfalls den althergebrachten Schreib-
gebrauch festhielt. Allein es ist schon frühzeitig ein Schwanken
eingetreten zwischen den Schreibweisen ou und u, und u findet
sich bereits auf den ältesten Inschriften, die wir besitzen, wenn
auch seltener; so:
Junone, t. Pisaar. Ritschi fictil. Tat. p. 27.
für Jounone, das zwar nirgends vorkommt, aber durch die Ety-
mologie sicher erschlossen wird. Von Jovi- ward Jovina, dann
durch Anfügung eines neuen Suffixes -on Jovinon gebildet,
woraus nach Ausfall des i -J o u n o n , ,T u n o n ward.
L u c i o m , t. Scip. Barb. f. neben Loucanam, /. Scip. Barb.
Lucius, t. Scip. Barb. Loucina, I.N. 6762.
Hier also erscheint u für ou schon auf Sprachdenkmälern, die
bis in die Zeil des ersten Punischen Krieges hinaufreichen. Im
Zeitalter der Gracchen beginnt das Schwanken zwischen ou und u
allgemeiner zu werden. Man vergleiche:
Publi, /. Scip. P. f.
Publio, a. 0.
jusit, t. Ätesl. et Veic. M\3110. jousit, t. Aletr. Mon. Ep.
fr. R. Or. 3892.
juserunt, tob. Genua t. jouserunt, tab. Genua/.
j u d i o 01 u r , /. repet. j o u d i c a v e r i t , /. repei.
j u d i c a t o , /. agr. ( Thor.) j o u d i c a nd a e , /. agr. ( Thor. )
jusit, a. 0. jous, a. <>.
j II d i c e s , /. repet. {Serv.) j o u d i c e s , /. repet. (Serv.)
j u )" a r i t v e , /. rep. (Serv.) j o u r e t , /. rep. (Serv.)
j u d i c i a , /. d. Termes. jous, /. d. Termes.
Die Verschmelzung des Diphthongen ou geschah, indem ent-
weder sich das u dem vorhergehenden o assimilierte und beide zu
einem langen Laut verschmolzen, oder das o sich dem u assimilierte
und mit demselben zu einem langen u zusammenfloss. Schon in
alter Zeit der Sprache zeigt sich die Trübung des Diphthongen ou
zu o; dieses o verdunkelte sich dann, wie in dem Abschnitt über
— 174 —
Wahlverwandtschaften zwischen Consonanten und Vokalen gezeigt
werden soll, vor zwei oder mehreren Consonanten zu u. Man
vergleiche :
ou ö ü
poublicom, 7.JV.715. 716. pöplicod, Sc. ä. Püblio, i. Scip.
Bacc. P. f.
poplico, Mil.Po- Publi, a. 0.
pil. R.
poplicas, a. 0. publi cns, Lagr.
p o p 1 i c e , /. Bant. ( Thor.) I. rep.
I. rep.
poplici, t. Gen. puplico, /. rep.
poplicum, a. 0. (Serr.)
p o p 1 u c u m , a.ü. publice, /. c.
poplico, a. 0.
vgl. 1: rep. I.
rep. (Serr.) 1.
u(jr. (Thor.)
Poplicola (/. R. N. 4065) gehört nicht zu den Formen in denen
o aus ou verschmolzen ist, da dieses Compositum von dem Stamme
pöpulo, pöplo ohne Vokalsleigernng gebildet ist, wie die grie-
chische Schreibweise nonlixolag zeigt. Man vergleiche
ferner :
n o u n t i o s , Mar. Victor, n o n t i a t a , Sc. ä. n u n t i u s ,
//. 2459. Tilnirt.
(den)ontiari, /. de n u n ti a r e ,
Bant. t. rep. (Srrr.)
pronon tiarit, /. pro nun t in r ii .
a. (i.
pronont ia t o , prondntiato,
a. <>.
p r o n o n t i a t u m , p P o n u n t i a t u m,
fr. Ma/J'ei. Mus.
)'(')■ . p. 365.
Nu unas, /. N* B095. nondin(um). nun diu um.
n ou n (1 in u m , Sc. d. Bacc. tat/. Bant.
Nouceriam, I. N. 6276. Nuceria,
Osk. N u v k r i n u m , MömtnS.
U. JK p. 2%\\.
- 175 -
Osk. Novlanum, a. 0. Nolae, /. N. 2513.
2514.
Die Grundformen der beiden letzteren Städtenamen waren
INoviecria, Novula mit der Bedeutung Nsaitokis,
F o 1 v i u s , I. N. F u 1 v i u s.
1094.
Der Diphthong ou, der sich vor folgendem Vokal zu ov ge-
staltete, ging ober auch durch Assimilation des o zu u, also durch
die Mittelstufen im, uv in u über, wie folgende Vergleichung
lehrt:
ov. uv. u.
soveis, 1. N. 5882. 299. su vo, 7.^.3789. suo.
sovo, Or. 4848.
clovacas, 7. N. 4471. Cluvius, 7. N. Cluentius,
2514.
Cluvia, a. 0.
Clovatia, GfUU 660, 3. Clüventius, Cluatiae, 7. N.
Momms. I. Neap. 689.
Ind. nom.
flovio, t. Genitat. fluvio, /. Gen. con!fluont,A6Vv/.
conflovont, t. Gen.
.1 o v e n l i o n c m , /. Gen. J u v e n t i u s ,
Vitrovius, 7. N. 1957. Vitruvius,
Loucanam, /. Scip. JBarb. luuci, /. Bant. luci, l. rep. "
L o u c i n a , I. N. 6762. L u u c i a e , 7. N. L u c i o m , /. Scip.
4304. B. f.
Lucius, t.Scip.B.
j ous, /. agr.(Thor.) I. repet. j uns, /. Com. de j u s.
(Serv.) L Termes. . . XX q.
Unter den Italischen Dialekten hat die Sprache der Osker, so
weit wir sie aus Denkmälern kennen, den Diphthongen ou (ov)
überall gewahrt. Ursprünglich Oskische Namen, die in die Latei-
nische Sprache übergingen, oder auch von vorn herein bei den Rö-
mern vorkommen wie J u v e n ti u s , Cluvia, Lucius, L u c e t i u s
{Momms. Unt. Dial. Glossar), haben natürlich auch die Umgestal-
tung nach lateinischem Lautgesetz erfahren und beweisen für die
Oskische Sprache nichts. Im Umbrischen ist der Diphthong ou
(ov) wie im Lateinischen zu o verschmolzen und zu u. So ent-
stand aus:
— 176 —
Lat. commovita, Unibr. comohota,
Lat. commota,
Lat. Nounas, Urribr. N o n i a r ,
N o n i a e ,
Osk. t o u t o , Urribr. t o t a, Urribr. t u t a ,
Lat. bovis, Lat. bubns,
Umbr. Iiue.
Dass auch im Umbrischen ow durch Assimilation des o zu u
verschmelzen konnte zum Vokal Ti zeigen neben:
Jove Jovie die Formen Juve Juvic
{Umbr. SprachcL AK. I, 56).
Verschmelzung des ou zu o fand auch in der Sprache der
Volsker statt, das beweist die Form:
toticu, neben Osk. tovtiks,
toutico
(Tab. Velletr. Momms. Unt. U. (. XIV, I. p. 320. 304).
Der Dialekt der Sabeller zeigt die Trübung des ou zu o in:
lotai, neben toutai ,
vgl. Maroucai
auf der Bronzetafel von Rapino (Momms. Unt DiaL T. XIV. p. 360).
Auch hier zeigt sich also, wie die verwandten Italischen Dialekte den
gleichen Weg einschlagen in der Trübung der Diphthonge zu ein-
lautigen Längen. {Vgl. Verf. De Volscorum lingua, Profft, 1858.
P. 36 ZV)
e u.
Der Diphthong eu erscheint im Lateinischen am seltensten.
Schon oben ist die Form :
Leu ce sie, Carm. Saliar. Ter. Scaur. p. 2261.
aus dem alten Gesänge der Römischen Marspriester, die im März
mit Tanz und Gesang den Frühlingsanfang feierten, erwähnt worden
zum Beweis, dass u auch im Lateinischen zu eu und ou gesteigert
werden könne. Es muss aber auch der Vorname Lucius einmal
die Form und den Klang Leucins gebäht haben, es ist sonst nicht
begreiflich, wie die (.riechen zu der Schreibweise Jevxiog ge-
kommen sein sollten. Seilen findet sich sonst noeb der Diphthong
eu in der Slanunsilhe von Wörtern. So in den Namen :
Teurano, Sc, d. Bacc.
Teurisci, /. N. 3689.
— 177 —
Leuvius, /. N. 441.
Teudasio, /. N. 4672.
Wie durch Zusammensetzung der diphthongische Laut ent-
standen ist in :
Deuter, für ne-uter,
neutiquam, ne-utiquam,
neu, ne-ve,
seu, se-ve,
davon ist schon ohen die Rede gewesen. Sonst erscheint eu
noch in :
ceu, heu, eheu.
Für die frühzeitige Verschmelzung des Diphthongen eu zu u
ist ein Beleg die Form:
Lucetium, Carm. Saliar. M aerob. Sat. II, 15,
eine andere Form des Namens Leucesie, mit dem die altromi-
schen Priester zur Zeit des Frühlingsanfangs den Jupiter, den Hirn -
m e 1 v a t e r , als Lichtspender anriefen. Beide Formen sind wohl
aus einer ursprünglichen, Leucentius entstanden, die vom Parti-
cipialstamm leucenl-, lucent- des Verbuni (leucere) lucere
durch das Suffix -io gebildet ist, also der Leuchtende bedeutet.
Aus Leucentius ward Leucensius Leucesius, wie aus vi-
centies die Uebergangsformen vicensies, vicesies, aus de-
nen vi cies hervorging. Andererseits wurde aus Leucentius
Lucentius wie aus Asvxtog Lucius und dann die Form Lu-
cetius, indem das n vor t verklang wie in praegnatem, regnate,
Costati, mereti, Formen die oben besprochen sind. Sonst
scheint der Diphthong eu noch zu u verschmolzen in:
n u 1 1 u s , für n e - u 1 1 u s , nusquam, für ne-usquam,
nunquam, ne-unquam, nutiquam, ne-utiquam;
aber dies ist nur Schein , da ein wirklicher Diphthong in diesen
Wortformen schwerlich gesprochen worden ist. Das ne lehnte sich
vielmehr an das folgende hochbelonte Wort und verlor, nachdem es
seinen Hochton eingebüsst, seinen auslautenden Vokal, wie dies in
den Verbindungen sat in', audin', viden' der Fall ist, wo es
sich enklitisch an das vorhergehende Wort gelehnt hat. Wo wie
in Lucetius neben Leucesie ein wirklicher Diphthong zu u ver-
schmolz, hat man diesen Lautvorgang so aufzufassen, dass das
schwache e sich dem stärkeren u assimilierte und dann mit dem-
selben zusammenfloss.
CORSSEN. 12
178
ai.
Die Lautgeschichte der Diphthongen ai, o'i, ei ist deshalb
für die Sprachgeschichte von besonderer Wichtigkeit, weil sie viel-
fach entstanden sind durch das Herantreten vokalisch anlautender
Casussuffixe an den vokalisch auslautenden Stamm des Wortes,
weil somit der Verlauf der Trübung jener Diphthonge zugleich die
Abschwächung der Flexionsendungen in sich begreift. Für die
Untersuchung über die Aussprache und die Verschmelzung des
Diphthongen ai ist es zunächst zweckmässig die Formen, in de-
nen derselbe auf Inschriften und älteren Sprachdenkmalern über-
haupt vorkommt, nach der Zeitfolge geordnet zusammenzustellen,
und zwar zunächst diejenigen Wortformen, wo er in (}cv Stamm-
silbe erscheint:
praidad,/. Für. Momms. U. />. aire, Or. 3147.
p. 276. airid, Momms. U. D. p. 300.
aidiles (N. PI.), Ör.1433. LN. quaistores, /. N. 715. Or.
4102.
a i d i 1 i s , /. Scip. B. /'. Rhein .
Mus. IX, 1. 12. 16. (. Scip.
B. 1. Scip. ffisp. Or. 554. /.
Baut.
Maisie,ör. 4308, 5. r#/.Mai-
sius, LN 4040 b.(p.Ch. 193)
vgl. Maesae, /. N. 4057.
Maesiae, I. X. 5580.
Aica s, T. N. 57<> l.
praifectura, I. N. 4139.
aiquom, Sc, </. Bacc.
q u a i r a t i s , /. Scip. Cn . /'. Cn.
n. Or. 555.
3147.
K a i 1 i , /. coiumb. Smuus<-.
Momms. U. J). p. 32.
aide {Are. S.), /. Scip. B. /'.
<i naivod, /. Scip. />'.
<• onq uaei si vei, Ml/. Popil. '■)
I. N. 0270. Mon. Ep. fr. lt.
Caicilio, /. viae App. Rhein.
Mus. NIM, 2Ss. /. Genuat.
Aiiniliiis, Grtti. 12*1, 2.
C aei ci , /. ( 'arth. Momms. /://.
Mus. I\. 153.
Vi - i us, /. N. 1 172.
Auf Inschriften der Kaiserzeil erscheint die Sehreibweise A I
ebenfalls noch häufig in \\ »Histaminen :
*) In den Schreibweisen conquaei sivei, Caeicins, Caeicia
nua, Caeioilins, Caeidia ist aei ein Vermittlungsrerancb iwiaehen
den Schreibarten ai und ac (vgl. li Uschi, Mon. ep. tr p.H. f. Momms. Rh.
Mus. IX, 453.)
— 179 —
praif(cctus), 7.^.2211. 3610. (p)raidia, Or. 3882.
praisul, L N. 2211. , aid . ., Gml. 464, 2. 468, 9. 69,
Gaitul., a. 0. 11.
Caisar, Or. 656. 7. TV. 6256. Laitiliae, Gr. 863, 1.
Or. 54. 714. 710. 711. 730. Nai via, I.N. 1602. (161 —180
Grut. 1 09, 7. 7. N. 2566. 2567 p. 6'/*.).
u. a. Aimilia, 7. N. 2930. 6407.
Aidius, Or. 714. Caeidia, 7. iV. 5434.
Caicilio,0r.488. £n//. 863, 1 . Gaidio, IN. 5441.
C a i c i I i a i , 7. JV. 4794. M a i s i u s , 7. N. 4040 b. (p. Ch.
Caiciliano, Or. 488. 193.)
Raitiai, a. 0. Caivisius, 7. N. 2383.
Der spätesten Kaiserzeit nach Ende (\os zweiten Jahrhunderts
gehören an :
Aimilins, Or. 972. (242;;. aidiculam, 1. N. 2444.
Ch.). Aiseidi, 7. N. 4000.
Ca ib ins, 7/ TV7. 678.
Als Casusendung oder als Theil derselben erscheint der Di-
phthong ai im f.enetiv, Locativ und Dativ Singularis und im Nomi-
nativ Pluralis der A-stämme. So als Endung des Genetiv und Lo-
cativ wie des Dativ Singularis in folgenden Wortformen:
. Aus der Zeit vor August us:
Genetiv und Locativ. Dativ.
fameliai, R Uschi fiel. Latin, p. 26.
A e c e ti a i , a. O. p. 1 7. Momms. U. D. 28.
L a v e r nai, Bitschi, a. 0. p. 18.
B e 1 o ( n ) a i , a. O.
Me nerval, Or. 1421.
Locat. Roma i, Cist. Pracn. Or.2497.
/. Jnl. mm.
pulcrai, Or. 4848.
vitai, 7. N. 3833. Caesiai, 7. N. 5825.
Dvelonai, Sc. d. Bacc. Dia nai, Or. 1456. 1446.
Feroniai, 7. N. 5753.
coloniai, I. N. 6149. 2249.
restinetai, 7. N. 2458. Clodiai, 7. N. 1590.
Appiai, 7. N. 3918. ßlycerai, a. O.
O f i 1 1 i a i , 7. AT. 1 956. L u c 1 a i , 7. N. 4393.
Rufai, a. O. a n j a n t i s s ii m a i , 7.7^.3 7 1 4 .
12*
— 180 —
Auch in der Zeit des August us und der folgenden Kaiser finden
sich dieselben Schreibweisen; so zum Beispiel:
Gen. Local. Dal.
Agrippai, 1. N. 1973.
coloniai, Griii. 227, 3.
Beneventanai, a. 0.
Sentiai, Gr. 1041, 4.
Maxsumai, a. 0.
Uttediai, I.N. 4429.
Quartai, a. 0.
patriai, Or. 650. Antoniai, Or. 650.
Local. Asiai, /. N. 2516. Augustai, a. 0.
Syriai, a. 0. Juliai, a. 0.
Agrippinai, a. 0.
in vi et ai, Or. 714.
provinciai, Or. 488. Picai, Or. 488.
Raitiai, #. 0. reipublicai, Or. 3882.
Romai, ä. 0. Octaviai, Gr. 238, 6.
Calidiai, Gr. 725, 10.
982, 10.
divinai, Gr. 1063, 2. Priscai, a. O.
Bonai, Gr. 81, 1 11.
viai, Gr. 739, 4. deai, a. O.
Local. Dertosai, Gr. 402, 3. Secundai, Cr. 725, 10.
Romai, Gr. 739, 4. 742,8. 568, 2.
Domitiai, 6Y. 742, 8.
Cassiai, Gr. 742,2.
Maximal, fl. O.
Statiai, a.'O.
Severai, a. O.
Sextiliai, /. V. 1661.
Chresl ai, a. (f.
Ulpiai, Cr. 517, 3.
S c i l a i , a. (k
Piluraenai, a. o.
Sem pro n i ;i i. Gr. 143, I.
Gallai, a. <>.
Pei rooiai, Cr, 568, *2.
Tanniai, a. O.
— 181 —
Genetiv und Locativ. Dativ.
Terentiai, a. 0.
Pobliciai, Gr. 815, 15.
Atlicai, a. 0.
Rufriai, Gr. 740, 4.
Exoratai, a. 0.
Manliai, /. N. 1450.
Didiai, I. N. 1603.
Caiidiai,/. N. 4501. Egnatiai,/. N. 3715.
Fortunai, 7.^.4741. Flav iai, /. N. 3740.
Nipiai, I. N. 5302. IMiiluminai, a. 0.
Tintoriai, /. N. 3836. Vitelliai, /. N. 3864.
Nicostratai, a. 0. Siatiai, a. O.
Cerriai, I. N. 5256.
Magiai, I. N. 4999.
Muniai, /. N. 5852.
Prol)ai, 1. N. 3809.
Noch in der spätesten Kaiserzeit kommen vor:
Gen. u. Loc. Dat.
coloniai, Gr. 362,2. (/;. Cli. 32J.) Artemai, Gr. 816, 9.
cojugai, /. N. 6699.
Januariai, I. N. 5383.
Mammulai, I. N. 7125.
Zunächst zeigt diese ßeispielsammlung, dass in der älteren Zeit
die Genetivformen auf ai viel häufiger vorkommen als die Dativformen,
hingegen in der Zeit seit Cäsar die Dativformen zahlreicher erschei-
nen. Das letzte hat wohl hauptsächlich darin seinen Grund, dass auf
Weiheinschriften und Grabschriften der Dativ der Person, derein
Denkmal oder Kleinod geweiht ist, der Natur der Sache nach in der
Inschrift vorkommen muss, während für den Gebrauch des Genetiv
die Gelegenheit nicht so oft geboten ist.
Viel seltener findet sich der Diphthong AI geschrieben als En-
dung des Nominativ Pluralis von A-stämmen. Doch finden sich so
auf Inschriften der älteren Zeit:
haice, Sc. d. Bacc. (Acc. Plur. gleichlautend dem Nom. wie
haec.)
tabelai, a. O.
datai, a. O.
— 182 —
eai, /. JuL mun.
literai ve, /. repet. Egger, Lat. serm. vet. rel. p. 282.
auf Inschriften der Kaiseizeit:
quai,/. N. 2211.
arai,/. N. 5750.
Die Schreibart AI erscheint nun aber schon seit der Zeit des
Senatusconsults über die Baccanalien, also seit dem Zeitalter des
Syrischen Krieges, nicht als die allein gebrauchliche, sondern es geht
ihr die Schreibvveise AE vielfach auf derselben Inschrift, ja in dem-
selben Worte oder an derselben Wortstelle zur Seite. So liest man
auf denselben Inschriften nebeneinander:
a i q u o m , a e d e m , Sc. d. Bacc.
pulcrai, fcininae, Or. 4848.
a i d i 1 i s , q u a c s t o r q u e , /. Baut.
aerarium, a. 0.
Caicilio, Gaecilio, /. Genuat.
Ronrae ,
Aimili us , a e d i culam, Gr. 1 92, 2.
Romai , Roma e, /. JuL munic.
eai, eaedem, a. n.
Und dasselbe Schwanken bleibt auch in der Kaiserzeit (vgl,
f/////.567,3. 454,2. 850, 3. 636,3. Or.lM u.a.). insbesondere isl
aber hervorzuheben, dass in den Gesetzurkunden seil der Zeil der
Gracchen bis zu Ende der Republik sich die Schreibweise AI mir
ganz vereinzelt findet, und dass AE die regelmassige Schreibweise
dieser Inschriften ist, die etwa von Ti. Gracchus bis Caesars Zeil
reichen. Seit dem Augusteischen Zeitalter und insbesondere seil der
Zeit des Claudius erscheint dann AI wieder häufig auf Weihe-
inschriften und Grabschriften in Dativformen, seltener in Genetiv-
formen und äusserst selten in anderen Casusformen; vereinzelt rindet
sich AI auch noch in der spätesten Kaiserzeit. Wenn nun seit dem
Zeitalter der Macedonischen und Syrischen Kriege die Schreibari
zwischen AI und AE schwankt, wenn von der Zeit der Grarclien bis
Caesar auf den ausführlichsten und wichtigsten Öffentlichen Schrift-
denkmälern die Schreibari AE herrscht, so nmss man schon seil
Anfang des zweiien Jahrhunderts vor Christus angefangen haben ac
zu sprechen, und diese Aassprache nmss in der Epoche des Empor-
bliihcns der Römischen Litteratur vollständig durchgedrungen sein,
— 183 —
wenn man auch in einzelnen Fällen noch nach aller Weise A 1 schrieb.
Was hier aus Inschriften erhellt, wird dadurch bestätigt, dass Lucilius
die orthographische Regel aufstellte , man solle zur Unterscheidung
den Genetiv und Dativ Singularis der A-stämme mit AI schreiben, den
Nominativ Pluralis mit AE {Quintil. I, 7, 18 f. Vcl. Long. p. 2222).
Es ist bereits gesagt worden , dass die Schreibweise AI im Pluralis
auch auf den ältesten Sprachdenkmälern sehr selten ist; diesen
schon besiehenden Schreibgebrauch schärfte Lucilius noch bestimm-
ter ein. Dass aler im Uebrigen die orthographische Regel des Lu-
cilius im Schreibgebrauch ebenso wenig durchdrang wie die Unter-
scheidung von EI und 1, das zeigen die genannten Gesetzesurkunden
nach Lucilius Zeil, die mit ganz vereinzelten Ausnahmen auch in den
Singularformen AE schreiben. Klar ist aber, dass zu Lucilius Zeiten
überall ae gesprochen wurde; Lucilius wollte für das Auge durch die
Schrift einen Unterschied dieser Casusformen sichern, der im Klange
für das Ohr nicht mehr bestand. {Vgl. Vel.Long. a. 0.)
Dieselbe Abschvvächung des Diphthongen ai zu ae wie die ange-
führten gewöhnlichen Casusformen der A-stämme zeigen nun auch
die auf -aes auslautenden Genetive von solchen, besonders von
Frauemiamen, die nur auf Inschriften vorkommen; zum Beispiel
folgende :
Pesceniaes, /. N. 3798. (vor Agrippinaes, /. N. 6306, 3.
Aug.) L e p i d a e s , a. 0.
L a u d i c aes, a. O. M usaes, /. N. 6578.
Her aes, /. N. 2364. {vor Aug.) Helen aes,/. N. 7019.
Dianaes, /. N. 3789. {vor Sat um in aes, /. N. 7038.
Aug.) Midaes, Or. 2863. RUschl
Antoniaes, Or.' ffenz. 5376. Anlhol. Lal. Coroll. epigr.
{Aug.) p. 9.
Statiliaes,^. 0. 5411. Proculaes, Or. 2869.
Oclaviaes,/. Ar.5i5. Aquiliaes, Gr. 20, 9. 25,5.
Pylaes, /. N. 840. Basillaes, Gr. 25, 5.
Faeniaes, /. N. 3103. Decimiaes, Gr. 360, 2.
S e c u n d a e s , a. O. Pri s ca e s , ä. O.
Juliaes, I. N. 3181. Or. 4537. Faustinaes, Gr. 600, 5.
Flaviaes, /. #.5322. Liciniaes, Gr. 944, 11.
Cerviaes, /. N. 5453. Li viilaes, Gr. 312, 4.
Corneliaes, /. N. 6305, 5. S a b i d i a e s , Gr. 650, 3.
Calaes, I. N. 6307,81. Sextiliaes, Cr. 961, 11.
— 184 —
Diese Genetivformen erscheinen noch in der spätesten Kaiser-
zeit, wie:
Celerinaes,/. N. 2957. Sextiaes, Gr. 828,6.
dimid iaes, Or. 4376. suaes, Gr. 4, 12.
Caediciaes, Gr. 638, 7.
Die Bildung dieser Genetivformen erklärt sich, wenn man die hei
den ältesten Dichtern gebräuchlichen Genetivformen auf as mit den
schon angeführten alten Genetivformen auf ai vergleicht, so:
d e i v a s , Ritsch, ficlü. Lal. p. 26 *).
Corniscas, a.O. neben Aecetiai,
e s c a s , Liv. Odiss. L a v e r n a i ,
Monetas,^. 0. Menervai,
Latonas, a. 0. Dvelonai,
t e r r;is, Narr. bell. P\in . v i t a i ,
fortunas, a. 0, colonia i,
vias, Enn. Ann. restinetai.
famil ia s,
vgl. Priscian. VI, 6. //
Die ursprüngliche Form, aus der die Genetivendungen aes, as,
ai hervorgingen, war im Lateinischen -a-is, indem das Geneüvzei-
chen s mittelst des Bindevokales i an den Stamm trat. \\ i«* in dem
Abschnitt über die Vokalverschleifung dargethan werden wird, war
die ursprüngliche Ausspräche -ai»; daraus wurde nach Abfall des s
die Form -äi, wie sie hei Ennius, Planlos, Terenz und Vergil in For-
men wie longäi, aquäi, terräi, comoediäi, materiai,au-
räi, picläi u. a. erscheint, und mit Vokalverschmelzung -ai,-ae,
oder das Genetivzeichen s winde erbalten und die Vokale verschmol-
zen zu ae in den Formen wie dimid iaes, oder endlich das s
blieb gewahrt, aber der Bindevokal i schwand, und so entstanden die
auf -a s auslautenden Genetive wie lerras, eseas, deivas.
In den Dativen und Locativen auf -a i ist das an den Stamm her-
angetretene Casuszeichen i einfach mit a zu einem Diphthongen ver-
*) In der Aufschrift deivas Corniscas s.icruin, Or. 1850, wird
man nicht umhin können die beiden ersten Formen für Genetive Sin-
gularis au halten, solange nicht Formen des l>ati\ Pluralis auf
-as für -ais nachgewiesen sind. Der Singolaria Corniscas neben
Corniscarum, Feittp. 64, ist nicht befremdlicher wie Bemo neben
Semones, Lar neben Lar es, Umbr. Prestata, Prestota neben
Lat. Fracstites.
— 185 —
schmalzen, dann zu ae geschwächt. Der auf-ai, -ae auslautende
Nominativ Pluralis der A-deklination hat seit aller Zeit das Plural-
zeichen s eingehüsst, das mittelst des Bindevokales i an den Stamm
trat. Dass dies s wirklieh einmal vorhanden war, geht daraus her-
vor, weil die auf o auslautenden Stämme das Pluralzeichen s zum
Theil noch his in die Zeit des Bundesgenos^enkrieges gewahrt haben,
wie in dem Abschnitt über E I erhellen wird, und alle anderen Stämme
bis in die spateste Zeit der Sprache. Das bestätigen auch die Mali-
schen Dialekte, da im Oskiscben wie im Umbrischen das Pluralzeichen
s der A- Stämme gewahrt isl, daPBem auslautenden a ohne Bindevokal
angefügt erscheint. So verhallen sich zu einander:
Umty. iven gar, eine jüngere Form für ivengas, Lat. juven< ;ae
Osk. paß Lat. q uai, quae.
(Umbr. Sprachd. I, 113. AK.) Audi ans den verwandten Spra-
chen isl der Nachweis dafür geführt worden [Bopp, vergl. Gramm,
I, S.443/". 2(e Ausg.).
Wie seit dem Zeilaller, in dem Römische Heere znersl Asiens
Hoden betraten, sich der Diphthong ai in der Sprache zu ae getrübt,
wäre somil nachgewiesen. Es bleibt noch übrig ZU verfolgen, wie
der Laut ae weiter ZU e verschmolz. Schon auf allen Inschriften
linde! sich diese Trübung des ai, ae zu e in Wortstämmen wie in
Gasusendungen. So in den Stämmen:
q nes to res, i. Mars. I. N. 5567, Momms. II. I). p. 346. Ritsch!,
fictil Lat. p. 22.
I* es ta no, nttm. Paesian. Ritschi, fict. Lat. p. 22.
Gesula, t.Pisaur. a. 0. Rhein. Mus. IX, 466.
in den Dativen Singularis:
Victoric, /. Mars. /. N. 5567.
V e s ii n c , /. Manruv. I. N. 5183.
Erinie, Momms. Uni. Dial. p. 345.
Diane, /. Pisaur. Momms. U.D.p. 365. Riisehi, fict. Lat. p. 28.
V o r t u n e , l. Türe. Momms. U. D. p. 365.
Diane Tifatinc, /. N. 6310.
Im Ablativ Pluralis:
nuges, /. Amilern. I. N. 5882. für nugis
ans ursprünglichem n ii gai s.
Der Fundort fast aller dieser Inschriften ist der Boden eines der
von dem Römischen Volke unterworfenen Italischen Stämme, wie
das Land der Uinbrer, Marser, Marruciner, Sabincr,
— 186 —
Campaner. Daraus erhellt, dass die Verschmelzung des ai, ae zu
ein den vorstehenden Wortformen dem provincialen Latein
angehört.
Zu Lucilius Zeiten sprach das Landvolk:
Cecilius, Lucil. Varro L. L. VII, 96. M. Diomed. p. 447.
pre tor, a. 0.
Nach Varro gehörte die Aussprache :
edus, L.L. V, 97.
Mesius, Z.Z. VII, 96.
der Bauernsprache an. Daraus ergeht sich, dass in allerer Zeit vor
Angustus die Trübung des ai, ae zu e besonders im Munde der
Provincialen und des Landvolkes stattfand. Varro sagt, dass
man zweifelhaft gewesen sei, ob :
faeneratricem, oder feneratricem
s c a e p l r a , s c e p t r a
zu schreiben sei (Z. Z. VII, 96), ebenso, ob :
faenisicia, oder fen isicia
richtiger sei (a. 0.). Wenn nun auf der Genueser Tafel (117
v. Ch.) facnisicei gesehrieben sieht, hingegen die Griechische
Form für die Schreibweise seeptra 6xr\7tr§a lautet und man
konnte dort auch e, hier auch ae sehreiben, so müssen sieh die
Laute ae und e auch in der Sprache der Gebildetes zu Augusts
Zeiten schon sehr nahe gelegen haben. Uno die Zeil zu linden, in
der die völlige Trübung des ae zu e auch im Munde der Gebilde-
ten und Hauptstädter entschieden war, folgt hier zunächst eine Zu-
sammenstellung von Wortformen, wo ae in Stammen, Praeflxen
oder Ableitungs- und Beugungssilben zu e getrübt erscheint Es
sind zudem Zweck solche Inschriften ausgewählt, deren Abfassungs-
zeit genau feststeht, und nach der Zeitfolge der Jahrhunderte geordnet.
J. Jahrh. n. Ch.
Stamm. Praef. Gen.
Lelio, m.Ancyr. Gr. Prime, /. N. '222A. (p.
231,4. d.3.)
Ge l ulorum, Or. 7 18.
(79—81.)*)
*) Wo hier zwei Zahlen eingeklammert stehen, soll nur im Allge-
meinen die Regierungszeit oder das Zeitalter, in welches <üe betref-
fende Inschrift füllt bezeichnet werden, da die Jahres grenaen sich nicht
immer ganz scharf bestimmen lassen.
— 187 —
Stamm. Praef. Gen. Dat. Nom.
2. Jahrh.
D. condite,7.7V.
2603 (144 p.
Ch.).
3. Jahrh.
prefectiis, Or. 972. aque, l.N. 6242. {p. Ch.
{p.Ch.1M.)vgl. Or. 212.)
Henz. 5596. patrie, Or. 957. (p. Ch.
222.)
presente,Or.988.(j9. Furie, Or. 972. (p. Ch.
Ch. 246.) ^/. Or. 242.)
Henz. 7383. Tto/ss. Tranquile, a. 0.
/. Zy. Vlll, 17. tribunicie, Or. 1033.
0. Ch. 275.)
4. Jahrh.
Cesari, Gr. 283, 3. Amplie, 7. 7V.3571. (p. N. S. que, 7.7V.
(p. Ch. 337.) 6%. 387.) 7148 (p. Ch.
prefecto, Gr. 28, 5. Afre, «. ö. 330.)
O £Ä. 364—383.) patrie, 7. N. 3902. (p.
Cecine, ». 0. Ch. 367.)
celo, Or. 1097. (p.£%. nostre, flf. O.
323 — 361.) reipu])(li)ce, 7. TV.
es i t, 7. TV. 3902. (p.Ch. 6275. (p. C%. 379 —
367.) 395.)
inire, l.N. 7152. {p. Ch.
371.).
Asie, Gr. 28, 5. (p. <7ä.
364 — 383.)
Cecine, a. 0.
L o 1 i a n e , a.O.
5. Jahrh.
sacre, 7. TV. 2057. (/?. #. S. que, 7. vV.
6%. 461? 482?) 1294. {p. Ch.
bone, 7. JV. 2061 fp. 428? 511?)
Ch. 490?) 7. N. 1297 (p.
£ß. 462.)
— 188 —
Stamm. Praef. Gen. Dat. Nom.
6. Jahrh.
precepit, Or. 1161. que, /. N. 1300.
(p. Ch. 528.) (p. Ch. 503.)
era, Gr. 1054, 4. (p. L° N. 1304 (p.
Ch. 548.) Ch. 515.)
/. N. 1306. (/?.
^. 546.)
7. Jahrh.
era, £r. 1053, 9. (/?.
67*. 604.)
Diese Zusammenstellung zeigt, dass schon zur Zeit des Augu-
stus und der ersten Kaiser die Schreibweise E für AE beginnt.
Auf Inschriften des ersten Jahrhunderts n. Ch. linden sich bereits
nebeneinander die Formen
Gaitul., 7.7V. 2211. und Getulorum, Or. 748.
Seit dem dritten Jahrhundert wird die Schreibart E häufig
und bleibt so auch in den folgenden Jahrhunderten. Es werden
sich im Verlaufe dieser Untersuchungen noch mehrfache Beweise
linden, dass im dritten Jahrhundert der Verfall der Lateinischen
Sprache im Volksmunde bereits im vollen Zuge war; in dieser Zeil
ist also auch die Aussprache e für ae durchgedrungen.
Dass in dieser Zeit die Schreibweisen AI, AE, E einen und
denselben E - laut ausdrücken, zeigen recht deutlich die auf einer
und derselben Inschrift dieses Zeitalters (p. (7/. 212.) vorkommen-
den Formen:
Aimilius, Sabinae, Kurie,
Tranqui le,
prefeel us, Or. 972.
Diesem Zeitaller gehören auch an die Genetivformen auf s wie:
provincies, Or. Henz. 6817. Victories, Gr. 715, 1.
Restituier, /. n. 6309, 12. Benignes, Or. 158 d.
Aginees, Gr. 91, 3. Egnalics, I. \. 7168.
Brivines, Gr. 558,4. aeternes, Gr. 527, 5.
Julies, Gr. 747, 5. Minerbes, Or. 3384.
V er an i lies, a. 0. Faustines, Or. 1617.
Prisces, Gr. 638, 7. {Vgl. Boissieu Tnscr. tmi. d.
Selen tioses, Botst. I. Ly. Lyon p. 543.)
XVII, 2.
— 189 —
Doch wird der E-laut auf gleichzeitigen Inschriften auch noch
AE geschrieben, und zwar findet sich oft von zwei auf einander
folgenden gleichen Casusformen die eine mitAE, die andere mit
E geschrieben , wie folgende Zusammenstellung zeigt :
Bai. Geriet.
Vejanae Rumne, I. N. 1782.
Impiae Juste, /. N. 1926.
Caesiae Prime, I. N. 2223. mire sapientiae, /. N.
Munatiae Modestine, L N. 1672. 7152.
filiae dulcissime, I. N. 3152. Coccejae Severe, 7. N.
3402. 4299. 5829. 6921. 3701.
Anniae Victorine, I. N. 6413.
Titiae Lucide, I. N. 6653.
bonae fem ine, I. N. 6340.
Cominiae felicissime, I. N. 41 17.
Pifigiliae Prime, I. N. 4739.
Po.lliae Prime, a. 0.
Otaciliae Severe sanctissime,
Or. Henz. 5532.
Corneliae Annianae, a. 0. 7374.
m e m o r i a e a e t er n e, Boiss. T.Ly.W II, 1 6.
Enniae Prisce, 7. N. 4945.
filiae carissime, I. N. 5157.
Raiae fortunate, 7. N. 5231.
Datae Julie, 1. N. 6119.
Similiae Romane, 7. N. 6826.
filiae pienti ssime, 7. N. 7012.
Geneiae Successe, 7. N. 7017.
Sabinae Furie, Or. 972. (p. Ch.lU.).
Juliae Rufine, 7. N. 2785.
Memmiae Fortunate, 7. N. 2800.
Felicule filiae, 7. i\r. 4940.
Elate Juliae, Or. Henz. 5385. vi tae nostr e, I.N. 6058.
Turraniae Sabine, 7. #. 2966. bone memoriae, Boiss.
Fructose filiae, Gr. 1053, 1. 7. Zy. XVII, \9. (p. Ch.
Nepotille filiae, 7. JV. 6585. 454?) 23.30.(^.^.493.)
35.39. 61. 65. (christl.)
CaediciaesPrisces, Gr.
638, 7.
— 190 —
Es liegt vielleicht in diesen Schreibweisen noch ein unbewuss-
tes Streben die Casusendung nicht in beiden Wörtern zu verwi-
schen; aber auch dieses Bestreben hält doch nicht mehr Stand;
das zeigen folgende Schreibweisen:
Bat. Geriet.
Julie felicissime, I. N. 1330. sanctc memorie, I. N..
Lucerine juste, J. N. 1651. 696. (p. Ch. 530?)
Primille filie, 7. N. 291. vite sue, 7. iV.2070 (sehr
Tulliane M a r c e 1 1 e , /. N. 1 768. spät, chfislt.)
Saccidie Fortuna te, /. N. 1730.
filie dulcissime, 7. N. 3161. benigniss ime femine,
f i 1 i e b e n e m e r e n t i s s i m e , Or. Henz. 1. N. 3701 .
7323.
Ulpie Severine, a. O. 5552.
femine dulcissime, Boiss. I. Ly. XV, 2.
Mucca senie Fortuna te, a. Ö.VHI, 16.
sanctissimc p i en t i s si me , J.N. 5530.
S a 1 v i e felicissime, I. N. 5702.
pie natc, 7. N. 7017.
D e c i m i n e a 1 u m n e , 7. N. 3082 {spät.)
D o m in e f ili e , I. N. 7 1 97 (spät.)
mee pudicissime, Gr. 1057, 8 (chrisß.).
Jovine Domitie, Gr. 704, 1.
V a r e n e M ar cell e , 1. N. 7114.
Während also der ehemalige Diphthong ai in der Ausspraehe
laugst zu e getrübt war, gab es doch noch zu Constantins des
Grossen Zeit Leute, die der Etymologie folgten und nach aller
Weise AI sehrieben wie in eoloniai (Gritt. 362, 2. p. Ch.
321 ).
Auch die dem Lateinischen verwandten Italischen Dialekte ha-
ben den Diphthongen ai getrübt. Im älteren Oskischen macht
sich nur eiuc leise Abschwächung desselben gellend, dass nämlich
(\n- ursprüngliche entschiedene 1-laut des Diphthongen zu dem Mil-
telton zwischen i und e wird, den die Oskiscbe Schrift durch das
Zeichen h ausdrückt. Diese Gestall (h^ Diphthongen zeigen die
Dativformen der A-stännne wie:
gen et a i , Lat. genel im1,
d e i v a i , d i \ a e ,
— 191 —
Herukinai, Lat. Erycinae,
F 1 ü u s a 1 , F 1 o r a e ,
und die Locativformen der A-stämme :
viai, Lat. viae (in via),
m e f i a i , m e d i a e ( in m e d i a ).
Im jüngeren Oski sehen erscheint der Diphthong ai auch
schon zu a e geschwächt. So in dem Locativ :
B ansäe, Lat. Baniiae, vgl. Romai, Romae,
ebenso in:
suac, Altosk. s v a i , (Lat. s i ) ,
pr aese n t i d , p r a e s en t e ,
praefueus, praefectus.
{Vgl. Momms. Uni. Mal. Gloss.)
Im Umbri sehen sind mit wenigen Ausnahmen die Di-
phthonge ai, oi, ei zu e getrübt worden. So ist e aus ai ver-
schmolzen in den Stämmen der Wortformen :
m e s 1 1* u , vgl. Osk. m a i s ,
Lat. magistro-,
k v e s 1 Li r , Lat. q u a e s t o r , q u a i s t or,
Osk. k vaisstur,
in den Dativen der A-declination wie:
a s e , Lat. a r a e ,
Juvie, Joviae,
J i o v e i n e , I g u v i n a e ,
in den Formen des Ablativ Pluralis derselben Declination wie:
tekuries, Lat. decuriis,
asecetes, insectis,
die den Altlateinischen wie nuges für nugais entsprechen;
in der Präposition:
p r e - , Lat. p r a e , Altlat. p r a i-,
Lat. pre-, Osk. prae-,
p r e - p a , Lat. prae q u a m ,
pre-habia, Lat. prae-hibeat;
in der Conjunction:
s v e , {Lat. s i ) Neuosk. s u a e , Altosk. s v a i ,
svepis, (Zötf.siquis) Neuosk. s uaepis,
und in ähnlicher Weise verschmilzt der Diphthong ai noch in zahl-
reichen Umbrischen Wortformen zu e {Umbr. Sprächet. AK. I p.
46. 111. 114. 115. 161).
— 192 —
In den spärlichen Resten des Volskischen Dialektes findet sich
die Dativform:
Vesune, fiirVesunae,Vesunai
und die Conjunction:
se, Urribr. sve, (Lai. si) Neuosk. suae, Allosk. svai.
sepis, svepis, suae pis
{Momms. Uni. Dial. S. 320. Verf. d. Volscor. ling. p. 31 /.).
Diese Formen zeigen, dass der Volskische Dialekt zu derselben
Verschmelzung des ae zu e neigte, wie das Umbrische und die spät-
lateinische Volkssprache.
Wenn diese sich auf älterem Italischen Sprachboden so allge-
mein zeigt, so ist es begreiflich, dass die Italienische Sprache den
Laut ai oder ae nicht kennt, sondern an deren Stelle immer e zeigt.
Der Lateinische Dihpthong ai ist aber auch zu i getrübt worden.
Dies ist der Fall gewesen in allen auf -is auslautenden Dativen
und Ablativen Pluralis von A-stämmen, wie in :
viis, entstanden aus via-is,
alis, ala-is,
maculis, macula-is, u. a.
Ebenso ist die Präposition prai nicht bloss zu prae und pre
abgeschwächt, wie gezeigt ist, sondern auch zu pri getrübt. Fest t\
privignus, p. 226 : pri enim a n ti q u i pro prae dixer im t. 1 1 ie-
sespri hat sich in folgenden abgeleiteten und zusammengesetzten
Wintern erhalten:
pri- us, für prai-ius,
pri-mus, prai-mus,
pri-scus, prai-ius-cus,
pri -die, prai -die,
pri-dem, prai-deni,
pri-vus, prai- vus,
Dieses letzte Wort bedeutet eigentlich «'inen Hervorragen-
den, daher Gesonderten und kommt so zu der Bedeutung
E i n z e 1 b ü r g e p
pr i - v e ras, p r a i - v e r a s ,
pri-vatus, prai -Tat us,
pr i-vi-gnus, p rai-vi-ge uns;
privignus bedeutet eines Einzelnen K ind , daher das Kind
unreines von zwei Gatten, also des anderen Stiefkind. {Vgl.
Zeitschr.f. vergl Spruch f. III, 283 f.)
— 193 —
Der Stammlaut ai erleidet in Composilen Schwächung zu i wie:
collido, von laedo,
occido, * caedo,
i n i q u u s , a e q u u s ,
inquiro, quaero,
exquaero,
e x i s t u m o , •. aestumo,
exaestumo,
di stis um , t a e d e t ,
pertisum, pertaesum.
Dieser I-laut, zu dem ai sich trübte, war jener hellere an e an-
klingende Laut, der im Voraugusteischen Schriftgebrauch durch EI
ausgedrückt wurde, wie aus den Formen des Dativ und Ablativ Plu-
ralis vieis, tabuleis, incoleis, causeis und andern, die in dem
Abschnitt über E 1 zusammengestellt sind, erhellt.
Nach diesen Trübungen des Diphthongen ai zu ae, e, ei, I er-
klärt sich auch, dass ein ursprüngliches Italisches Suffix aijo, das
im Oskischen Pompaiians diese Gestalt noch gewahrt hat, in Ita-
lischen Namensformen zu aejo, eijo, ejo, Tjo, ijo wie zu aio,
ai o, aeo, eo,. To, io zusammenschmelzen konnte, wofür hier nur
die Beispiele:
Anna ejus, Anaia,
Annaeus,
Annejus, Anneus,
Annius,
Annius
angeführt werden mögen, da späterhin von diesen Formen noch ein-
mal die Rede sein wird. {Zeüschr. für vergl. Sprachf.\,p. 87. Ritschi,
Ind. schoL Bonn. Mb. 1853. p. 5 f. Hühner, Quaest. Onomatolog.
p. 2l — 27.). So wird denn im dritten Jahrhundert nach Christus der-
selbe Name geschrieben':
Mamaeae, Or. 953.
Marne a e, Or. 955.
Mamiae, Or. 954.
Es zeigt sich also , dass der Diphthong a i sogar bis zu einem
kurzen i, dem leichtesten und dünnsten aller vokalischen Laute ein-
schmelzen konnte.
Die Untersuchung über den Diphthongen a i hat demnach zu
folgendem Ergebniss geführt :
CORSSEN. 13
— 194 —
Der Diphthong ai schwächte sich schon seit der Zeit des Syri-
schen Krieges zu ae ab, und dieser Laut ist seit der Gracchen-
z e i t in der Sprache durchgedrungen. Schon in alter Zeit trübte
sich dieses ae im Munde der Provincialen zu e, und so sprach
das Landvolk im Zeitalter des Lucilius und des Varro wie in
der ganzen folgenden Zeit. Dieser E-laut tritt seit der ersten
K a i s e r z e i t in der ganzen lebendigen Volkssprache immer deut-
licher hervor und ist etwa im dritten Jahrhundert nach Chri-
stus zur ausschliesslichen Geltung gelangt. Weiter hat sich
dieser Diphthong ai in manchen Fällen zu einem hellen an e an-
klingenden I-laut getrübt, der sich sogar zu i kürzen konnte.
o i.
Wenn der vollste und schwerste Diphthong au sich zum Theil
zu o und u trübte, ou zu u verschmolz, ai zu ae, e, ei, i herabsank,
so war es natürlich, dass auch der weniger klangreiche und gewich-
tige Diphthong oi von der Neigung der Sprache die Diphthonge zu
einlautigen Längen zu verschmelzen nicht verschont blieb. Früh-
zeitig ist nun zunächst oi zu oe gesunken wie ai zu ae. Es hat sich
indessen noch unversehrt erhalten in der älteren Sprachperiode, bis
zu welcher die auf uns gekommenen Lateinischen Inschriften hinauf-
reichen. Auf diesen Denkmälern findet es sich in den Stämmen fol-
gender Wortformen :
oino, t. Scip. Barb. Rhein, vgl. oenus, Cic. Jegg. III, 9.
Mus. IX, 2 f. o e n i g e n o s , Fest. p. 1 95.
oina, l.ayr. Thor. noenuni, Lucil. Varr. Son, II
oin vorsei, Sc. d. Bctcc. p. 98. Gert.
ploirume, /. Scip. B. f. ploera, Cic. de legg, IM. $. (>.
Kl.
foideratei, Sc. d. Bacc. foedere,/. agr. (Thor.)
foidere, /. Jul. mun. moeniundae, LH. N. 4627.
m o e n io, Plaut. Fleckeis. Ep.
comoinero, Sc. d. Bacc. crit. 8. .
ad moenio, a. 0.
moinic ipieis, l. agr. (Thor.) cos moenio, a. 0.
moi nieipiove, a. <L in moe ni s, (/. 0.
Poinicia'i u. (f. Pöeoicas, Cai. rostr. rest. ed.
Ritschi.
— 195 —
poeniceo, Plaut. Ritd. 998.
Fleck, ct. 0.
poeniceum, ct. 0. 1000.
aitile, Sc. d. Tib. Or. 31 14 . o e t a d t u r , l ägr. ( Thor.)
oeti, I. N. 6011.
oeiier, /. tribun. de ponderib.
Fest. p. 246.
oisus, Matt. Cr/p. p. 53. oesns, Cic. de legg. III, §. 10.
Kl.
coiravit, /. Aletr. Man. ep. tr. coeravit, Or. 31. (78 a. Ch.)
Ritschi Or. 570. (76 a. Ch.) Grut. 14, 2.
Momms. U. D. p. 1 80. Or. 50.
(52 a.Ch.)I. N. 2196. 2513.
tyf. 2587. 1957. 277. 3538.
4472.321.(57 a. Ch.)
coiraverunt, /. N. 1119. /. cocraverunt, /.iV. 3560. (11 2?
N. 3561 . (108 a. Ch.) 111? a. Ch.) 4421 . Or. 3808.
Rh. Mus. VJ, 614.
coeraruDt, I. N. 4875. 4148.
coiravere, /. X. 3562. (106 coeravere, I. J. 3563. (106
a. Gh.) a. Ch.)
coiraver.., 7. X. 3564. (104 coeravcr.,/.AT.322. (51 a.Ch.)
a. Ch.) 3565. (99 a. Ch.) vgl. 1. A.
2249. 4473. 3569.
c o e r e t , Cic. de legg. I II, §. 10.
Kl.
coeratori, a. O.
coerandi, a. O.
moiro, I. N. 1119. moer(um), I. N. 322. [a. Ch.
hnoiros, a. O. 51.)
moeros, Comm. anq. Serg.
Yarr.L.L. F7.91.
moeris, ct. O. 92.
coiperit, /. repel. (Serv.) loedos, /. N. 3563. (106 a.
Ioidos,/.if.3561. (108^.0/?.) Ch.)
3562. (106 ct. Ch.) loeberta lern, Fest. p. 121.
C o i 1 i u s , I. N. 6973. I o e b e s u in , ct. O.
C o i 1 i o , ct. O. o I) o e d i e n t o m , Cic. d. legg. III,
§. 6. Kl.
13*
— 196 —
Aus dieser Zusammenstellung ergiebt sich, dass schon auf alten
Schriftdenkmälern OE für Ol geschrieben wurde. Die Wiederher-
sieller der Columna Rostrata des Duellius, die sonst nach altcrlhüm-
lichen Wortformen suchten, hätten sicher nicht Poenicas ge-
schrieben, wenn sie nicht gewusst hätten, dass diese Form im Zeit-
alter der Punischen Kriege so geschrieben wurde. Hingegen zeigen
die beiden ältesten Scipionengrabschriften und das Senat usconsult
über die Bacchanalien nur die Schreibweise Ol. Seit der Zeil des
Cimbernkrieges und des Marius erscheint auch in Gesetzurkunden,
in Aufschriften auf Denkmälern und andern öffentlichen Schrift-
stücken die Schreibart OE; doch hält sich daneben auch noch Ol,
eine Schreibart, die dann in der folgenden Zeit ausser Gebrauch
kommt , wenn sie auch noch ausnahmsweise und vereinzelt in
Schriftdenkmälern aus Cä'sars Zeit auftaucht. Für die Aussprache
ergiebt sich also, dass der Diphthong, oi in Stammsilben schon seit
der Zeit der Punischen Kriege dem Laut oe so ähnlich klang,
dass man zweifelhaft war, ob man Ol oder OE schreiben sollte. Dies
wird bestätigt durch die Schreibweisen der IMautushandschriflen:
möenia, inmoenis, admoenio, oboedjo,
mocnio, conmoenio, poeniceo,
moeni, circummoenio, poeniceum
{/{Uschi, Prol, Tritt, p. !)(>. Fleckeisen, Epist. crit.p. 9),
während Ol sich in diesen oder ähnlichen Wörtern nirgends linde I.
In der Volkssprache wurde oe gesprochen, während man in Urkun-
den und auf Denkmälern noch die alte Schreibweise Ol zum Theil
beibehielt, wie das Scnatusconsnlt über die Bacchanalien und die
Scipionengrabschriften zeigen. Daher schrieb Lucilius noenum*)
(Non. II, 98. £.), Allius moeros, inmoenes, oboedire (Ribb.
Tnif/.rcll. [>. I57. 155. 16-J.)
Einige der Wortformen, in denen oe Stammvokal ist, bedürfen
noch einer Etymologischen Erklärung, damit die Entstehung des
•) Die Form noenum ist von Vahlen dreimal in den Teil dei En-
nius gesetzt {Ann. v. J01. 311. IM) und von Ribbeck in ein Fragment
des Afranius aufgenommen {Com. ret. p. 180); die Stellen, wo dies £>
.schielit , sind verdorben und die Abänderungen an denselben, deren erste
von Lachmann herrührt, nicht unberechtigt. Da indes* weder die hand-
schriftliche Feberlief'erung noch die Aussage eines Grammatiken noe-
nura als eine Form des Bnnins oder Afranins kennt, sc ist sie anch
hier nur als eine Form des I.ueilius angeführt worden.
Lautes oe klar wird. Die Form oeni-genos für uni-genitos
ist in ihren beiden Bestandteilen nicht zu verkennen. Noenum
für non ist entstanden aus ne-oinom, n'-oinoni, noinonr
wie nemo aus ne-henio; es entspricht also in der Bedeutung ge-
nau dem Griechischen ovd-ev. Schwieriger sind die Formen
oboedire und coirare, coerare neben audire und courato
(L. repet. Serv.) zu erklären. Was zuerst oboedire anbetrifft
[Plaut. All. Trag: rel. p. Iö4. Afran. Com. rel. p. 162, Ribbeck),
so kann dessen oe nicht aus dem Diphthongen au von audire ent-
standen sein, vielmehr ist seine Entstehung so zu fassen. Zum
Stamme aus, Ohr, verhält sich ein ursprüngliches Verbum aus-
id-ire wie zum Stamm fastu- fa st-id-ire; wie von fa st u- durch
das Suffix -ido der Adjectivstanim fas t'-ido-, dann mittelst der
Endung -io der Substantivstamm fast'-id '-io- gebildet und von
diesem das Verbum l'a st-id-ire abgeleitet wurde, so sind von
aus- verloren gegangene Nominalstämme aus -ido-, aus-id-io-
und ein Verbum aus-id'-ire gebildet. Aus ausidire wurde ei-
nerseits aus dir e, wie aus uvidus durch das Mittelglied uv-dus
udus, aus stolidus slullus, und nach Wegfall des s audire;
andrerseits ward ausidire zu osidire, wie Altlateinisch auspi-
cari zu ospicari, aber bloss im Compositum obosidire, wie ne-
ben p 1 a u d e r e , fa u x die Composita e \ p I o d er e, s u f f o c a r e das
au zu o verschmelzen. Nun fiel das s aus, wie oben für Ccre-alia,
spe-i, Lucer -es nachgewiesen ist; so entstand aus obosidire
oboidire, oboedire^ Aehnlich sind die beiden Formen courare
und coirare entstanden aus einer ursprünglichen Form covirare
oder covisare, wie die beiden Formen Cloulius und Gloilius
von einer ursprünglichen Cloviiius stammen, die durch Clova-
t i u s gesichert ist ; jenes c o v i r a r e oder covisare ist also ein
Compositum; da sich für die Wurzel dieses Wortes verschiedene
Wege der Erklärung bieten, was für etymologische Fragen das pein-
lichste ist, so wird hier, wo es sich nur um die Entstehung der
Diphthonge handeil, von einer Entscheidung der Sache abgestan-
den. Es ist nun die Gestaltung des Diphthongen oi in Altlatei-
nischen Beugungsendungen von ö- Stämmen und seine Trübung
zu verfolgen.
Die ursprüngliche Form des Dativ Singularis der O-stämme ist
erhallen in den Bildungen:
pop uloi, Mar. Victor, p. 2463. P.
— 198 —
Komanoi, a. 0.
(| uoi, /. rep. (Serv.) L agr. (Thor.) Plaut. Pers. 470 u. tf. für cui,
h o i - c c , tab. Bant.
h o i - c, Mar. Victor, p. 2459 *) !i u i-c.
Die älteste Form des Ablativ und Dativ Huralis der O-stämme
auf Lateinischem Sprachboden ist erhalten in:
. . c n a to i s , Morris. Unt. Bial. p. 364.
suois, a. 0.
Wortformen aus einer sehr alten Inschrift. Hingegen zeigt die aus
dem uralten Carmen Saliare angeführte Form des Nominativ Pluralis
von O-stämmen
P i 1 u m n o e p o p 1 o e , Fest. p. 205. M.
die erklärt wird: Romani-pilis uti as sueti, denDiphthongen oi
bereits zu oe geschwächt und hat auch das Pluralzcichen s eingebüssl.
Eine eben solche Form des Nominativ Pluralis ist:
Fescemnoe, Fest. p. 86.
wie aus Verrius Flaccus Erklärung : q u i d e p e 1 1 e r e f a sein u m
putabantur, zu ersehen i^t. Aus einem anderen alten Schrift-
denkmal kannte Verrius Flaccus die Formen des Dativ und des Ab-
lativ Pluralis:
olocs, Fest. p. 19. für illis
privicloes, a. 0. p.-205. M. priviculis (privis),
auch in dieser erscheint der Diphthong oi schon zu oe abge-
schwächt.
So viel erhellt aus diesen Formen von Casusendungen der
O-stämme, dass seit den frühsten Zeiten des Romischen Volkes,
von denen nur eine sagenhafte Kunde auf uns gekommen ist, die
Abschvvächung des Diphthongen oi zu oe in Flexionsendungen bereits
begonnen hatte.
Aber die Entstellung dieses Diphthongen ist noch weiter ge-
gangen, indem das oi in Stämmen auch zu u und i, in Casussuflixen
*) Als Ennianische Dativform liest man jetzt auch gedruckt Met-
toi Fubettoi; diese rührt von Vahlcn her {E?i?i. poes. rel. Annal.
v. 120. not.). Nach der Ueberlieferunjj: dir Handschriften des Quintilinn
uarMcttieo Fufettico in den Text zu setzen (vgl. Quint. I, 5, 12).
Nach den oben angeführten Formen Ann ejus, Anneus, Annlus,
Annlus ist jene ältere Form für Mcttio Fufetio erklärlich und passt
auch zu der Stelle des Quintilian.
— 199 —
zu i getrübt worden ist. Aus oi ist das u hervorgegangen in den
Stämmen folgender, in alleren Sprachdenkmälern vorkommender
Wort formen :
u,
oe,
oi,
I u d u n t , t. Äletr. RilschU Mon.
I o e d o s ,
1 o i d o s ,
ep. tr.
lud eis, /. N. 4875. /. Jul.
muri.
n n um , /. agr. {Thor.) 1. Com.
oenus,
o i n o ,
deXX.q.
p 1 u r e s , Cic. de legg. III. 6.
p I o e r a ,
p l o i r u m e ,
municipii,f.iV. 1119.4322.
i n in o e n i s ,
moinicipi um
/. Jul. 1. Ruhr.
m u n i c i p i u in , /. Jul. mun.
Osk.
m o i n i k a d ,
municipio, a. 0.
munipieis, a. 0.
conmunis, Plaut.
mun us, 1. N. 4021. vgl. 1.
rep. (Serv.) 1. d. Ascl. Claz.
Gölll.funfz. Urk.p. 50.
ularus, 7.^.733.
uti er, t. Scip. P. f. Or. 558.
eetier,
oitile,
vgl. 1. d. Tennes. Göltl. a. 0.
p.n. Bhein. Ä>. VIII, 482.
IX, 18. Anm.
qura, t. v. App. Rhein. Mus.
VIII, 288.
curaruut, I. N. 2480. vgl.
c o e r a v i t ,
c o i r a v i 1 ,
5351. /. d. Ascl. Claz. 1. Jul.
muri. 1. Ruhr. I. N. 4102.
Grut. 69. 1 1 .
curatores, Cic. d. legg.
coeratores.
)
HI, 7.
p r o c u r a n d a e, /. agr. ( Thor.)
m ur um, I.N. 5351.3561 (a. moerum, moiro,
Ca. 108), 3562 («.6V*. 106.).
3563 {a. Gh. 106.). 3564.
3565 (a.Ch. 99.). 4102.
oe
Ol
p o e n a ,
7t o ivr\,
P o e n i c u s ,
P o e n u s ,
P o i n i c i a
— 200
u
p u n i r e ,
i in p u n i s ,
P u n i c u s ,
Also in der Inschrift von Alatri ans der Gracchenzeit lesen wir
lud mit neben coiravit, während auf Inschriften aus den Jahren
des Cimbernkrieges noch Ioidos und loedos geschrieben ist; das
gewöhnlich lex Thoria genannte Ackergesetz aus der Zeit um den
Anfang des Jugurthinisehen Krieges schreibt oina, oetantur und
zugleich an um, unius; in einem Repetundengesetze derselben
Jahre ist municipii zu finden, während jenes Ackergesetz noch
moinicipieis, in o i n i c i p i o v e gewahrt hat ; auf Inschriften aus
den Jahren des Jugurthinisehen Krieges finden sich die drei Formen
vpro cura ndae, coeraverunl, coiraverunt; zu dieser Zeit
schrieb man auf einem Stein von Aeclanum (/. N. 1119) municipii
neben nioiros, moiro, coiraverunt, auf Steinen von Capua
mumm neben coiraver.., Ioidos (I.A. 3561. 3562. Ü564)
und neben coeraver.., loedos (/. N. 3563); auf Inschriften aus
Cäsars Zeit lesen wir ludus, munieipio neben moerum, coe-
ravere, foedere und fo i der e (7. /«/.). Also seit der Zeit der
Gracchen erscheint in Inschriften neben oi und oe auch u, und
im Zeitalter des C im bern kriege s ist dieses Schwanken auf
dein Höhepunkt. Bald nach dieser Zeil aber erscheinen die
Schreibweisen oi und oe nur noch vereinzelt, und die Sehreib-
weise u ist die herrschende. Wenn sich aber bei Plaut us neben
inoeni, inmoenis, moenia u. a. conmunis, neben poeua,
punirc, impune findet, so kann man das u nicht auf Rechnung
einer späteren Textreeension setzen. Diese winde consequenter
Weise, wenn sie den Schreib- und Sprachgebraueh des ersten Jahr-
hunderts nach Christus hatte wiedergeben wollen, auch inunio.
inmunis u. a. in den Text gebracht haben, wenn sie conmoenis
in conmunis geändert halte. Man muss vielmehr diese Form
conmunis als eine ächte Plaut inisehe ansehen und daraus
schliessen, dass schon zu Plaulus Zeil der Diphthong oi sieb im
zweiten Theil eines Compositum wie conmunis zu u trüben.
aber auch unverändert bleiben konnte . wie dies mit ;» e der
Fall ist in inquiro neben exquaero, existimo neben exae-
stumo, distisuin pertisum neben d ist ;i e s u in pertaesum.
Abgesehen von diesem besonderen Fall hal die Trübung des Diph-
— 201 —
Ihongen oi zu u auch in einfachen Wörtern Platz gegriffen seit der
Zeit der Gracchen und des Cimbernkrieges. Diese Formen
mit dem U-Iaut erlangen bald darauf im Sprachgebrauch ganz das
Uebergewicht über die Formen mit dem Laut oe; doch hielten sich
einzelne dieser letzteren zu allen Zeiten in der Sprache ; so:
moenia, neben munire,
p o e n a ,
p o e n i r e , Cic. d. rep. Mai Praef. 35. p u n i r c ,
Poenus, Punicus.
Es fragt sich nun, in welcher Weise man sich den Uebergang
des oi zu u zu denken bat. In einem Gesetz der Königszeit las
Varro die Dativform:
Janui, Fest. v. opima p. 189. M.
liier erscheint das auslautende 0 des Stammes durch das folgende
i zu u assimiliert, denn der U-laut liegt dem i nach der Stellung der
Sprachorgane bei der Aussprache näher als o. Durch dieselbe Laut-
annäherung ist der Dativ:
hui-c entstanden aus der älteren Form hoi-c
und cui aus . quoi.
Die Lautverbindung ui aber verschmolz leicht zu u; das zei-
gen die Genetive der U-stämme wie vi c t u s, gr ad u s, a n u s , r i -
tus, quaestus im Vergleich zu den älteren Formen victuis,
graduis, anuis, riluis, quaestuis, von denen im Abschnitt
über die Vokalverschmelzung die Rede sein wird. Aber die Assimi-
lation der Lautverbindung oi zu ui erscheint nur vereinzelt in
jenen Dativformen Janui, huic, cui; in der Regel ward oi erst
zu oe, wie die angeführten Sprachdenkmäler zeigen, das heisst das
i assimilierte sich dem vorhergehenden o zu e, das in der Stellung
der Sprachorgane bei der Aussprache dem o näher und bequemer
liegt, und verschmolz mit demselben zu dem Mittelton zwischen o
und e, ö; dieser Mittelton aber verdunkelte sich erst zu ii, ehe er
zu u werden konnte. Diesen schwer darzustellenden Mittelton ü
sprach und hörte man im Zeitalter der Gracchen und des Cimbern-
krieges und deshalb schwankte man in der Bezeichnung zwischen
Ol, OE und V, wie man den Laut des Griechischen v nicht blos
durch V and I ausdrückte, sondern auch durch OE in Schreibweisen
wie Hoelas, Sdephoerus {Max. Victor, p. 1945), Anta-
m o e n i d e s ( Ritschi , Sommerkatal. 1 856 , p. 6 ) . soenephebis,
— 202 —
Froegiae u. a. {Vgl. 0. Ribbeck, N. Jahrb. LXXV, 817.) Man
sprach also nach einander :
ploira, ploera, pliira, plura, vgl.Ital. plurale,
o i s u s , oesus, usus, usus, u s o ,
moiros, moeros, miiros, muros, muraglia,
coiravit, coeravit, cüravit, curavil, cura.
Dass im Augusteischen Zeitalter in diesen Wortern ein ent-
schiedener U-laut gesprochen wurde, geht daraus hervor, dass er
sich nur durch V in der Schrift dieser Zeit hezeichnet findet; so
blieb die Aussprache auch später und vererbte sich auf die Italieni-
sche Sprache.
Der Diphthong oi ist nun aber auch schon in den ältesten Zei-
ten zu i eingeschmolzen. So in :
ricus, neben
G riech.
olxo g,
rinum,
otvog,
Umbr. v i n u ,
Volks, v i n u ,
fidus, Enn. Varr
. L. L.
foed us
V, 86.
flde, Enn. Vahl. p. 120. 127.
flda, a. 0.
Vergleicht man die alten Superlalivformen :
pl-us-ima, Varro L. L. VII, 27. pl-is-ima, Fest. p. 205.
plo-ur-uma, /. N. 5882. plo-ir-umc, /. Scip..
so ist bereits darauf hingewiesen worden, dass sie alle von einer ur-
sprünglichen Superlativform plo-ius-uma slaminen durch Laul-
wandlungen, die schon erklärt sind. Zunächst ist aber die Form:
plisima, entstanden aus ploisima
durch Verschmelzung eines oi zu i wie die Form ploirume zeigt
{Zeitschr. für vergl. Sprach/. III , 281).
Der Diphthong oi wurde aber auch schon in der ältesten Zeil.
bis zu der die uns erhaltenen Sprachdenkmäler reichen, zu i getrubl
in Casusformen der O-slämme. So erscheinen auf Altlateinischen
Thongefässcu, deren Anfertigung bis vor die Zeil dvs ersten launi-
schen Krieges hinaufgerückt wird , die Genetivformen:
Säet um i, IUI seh. fiel iL tat p. 17.
Volcani, a. 0,
Keri, a. 0. Mumms. Uni. Dial. p. 133.
l*o mjp oni, R. a. (J. p. 10.
— 203 —
Ebenso in der sehr alten Inschrift des Colunibarium der Vigna
Somaschi :
Kaili, Momms. Unt. Dial. p- 32. Anm. 38.
und auf einer der beiden ältesten Scipionengrabschriften :
Barbati, t. Scip. Bari), f.
Das I dieser Formen ist der Mittellaut zwischen dem E-Iaut
und 1-laut, der auch durch E I bezeichnet wurde. Dieser Mittellaut
ist also aus oi entstanden in allen Fällen, wo er in der Casusen-
dung von O-stämmen vorkommt, also in den Formen:
Gen. Sing, p o p u 1 e i ,
Nom. PL oinvorsei, ploirume, plurimi,
1 i b e r e i s , M o d i e s , m i n i s t r i s ,
Dat. PL libreis, liberis,
Abi. PL soveis, suis,
die mit zahlreichen anderen im folgenden Abschnitt zusammengestellt
sind. Man vergleiche diese Casusformen mit den oben angeführten,
die das ursprüngliche o i unversehrt erhalten , oder nur zu o e ge-
schwächt haben :
oi, oe, e, ei, i,
Nom.Plur. pilumnoe, ploirume, oinvorsei,univer-
p o p 1 o e , s i ,
Mo dies, libereis, in a g i -
s t r i s ,
Dal.AbLPLsuois, oloes, soveis, suis,
cna- privicloes,
tois.
So wird recht anschaulich, wie mannigfache Lautschwächungen und
Lautschwankungen dieDeclinationsendungen derO-stämme seit den
ältesten Zeiten der Sprache durchmachten , ehe sich die ursprüng-
lichen Formen derselben auf Italischem Boden, Gen. Sing, -o-i(s),
Nom. PL -o-is, Dat. Abi. PL -o-is bis zu den Formen -I, -I,
-Is, -Is, wie sie die Blüthezeit der Litteratur fixierte, abgestumpft
hatten.
Die Trübung des oi zu i vollzog sich, indem das i desselben
das vorhergehende o zu u assimilierte wie in Janui, cui, huic,
und dann ui zu i zusammenschmolz wie in quaesti, senati,
parti für quaestuis, senatuis, partuis; auch der Laut ui
machte den Uebergangslaut ü durch, ehe er völlig zu i wurde. Hier
— 204 —
(rüg also der 1-l.aut über das vorhergehende o den vollständigen
Sieg davon wie in vicus vinnm u. a.
Ein aus o i entstandenes o e konnte nun auch zu einem ent-
schiedenen hellen e geschwächt werden; so in:
obedire, für das ältere oboedire,
pomerium, für pomoerium, vgl. moerus.
Dasselbe ist auch geschehen in manchen Wörtern, welche die
besten Handschriften mitae schreiben, während der durch diese
Schreibweise ausgedrückte Laut doch aus oe für oi entstanden ist.
Ein sicheres Beispiel dafür ist :
paenitet, das zu poena, Gr. Ttoivrj
in demselben Verhältniss steht wie fatetur zum Stamme fa-. Die
Romische Orthographie verstiess hier so sicher gegen die Etymolo-
gie wie in den Schreibweisen temptare, cottidic, quattuor,
J u p p i t c r , thensaurus, s c a e n a , a u s c u 1 a r i , a u r i c h a 1 c u in
U. a.
Da nun die Laute ae wie oe in der späteren Lateinischen
Volkssprache sieh zu c trübten, und demgeuräss die Italienische
Sprache die Laute oe und ae gar nicht mehr kennt, so vermengten
die Abschreiber von Handschriften auch die drei Schriftzeichen AE.
E, OE, und es entstand jene arge Verwirrung zwischen diesen
Schreibweisen, die besonders seit dem zehnten und eilften Jahrhun-
dert in den Handschriften hervortritt.
Es sei nun noch vergönnt einen Blick auf die Italischen
Schwestern der Lateinischen Sprache zn werfen.
Das Altoskischc hat insofern eine leise Schwächung des
Diphthongen oi zugelassen als das i jenen .Mittelton zwischen i und
e erhalten hat, von dem schon mehrfach die Rede war. So in den
Stämmen von:
m o i n i k o , vgl. Alllal. c 0 in o i n e in .
oitiuf, oitile, oisus.
Von Casusformen der O-stämme findet sich dieser diphthon-
gische Laut erhalten in den rönnen des Dativ Singularis wie:
A b e 1 1 a n o i, hat. A b e 1 1 a n o , vgl. . Wlat. p o p u I o i .
hör toi, horto, Romanoi,
und in den Dativ- und AMativtorinen iW> Dlurabs wie:
1 i g at o i s , Lid. I e g a t i s , vgl. . tlthtl. c n a to i s,
Novlanois, Nolanis, suois.
— 205 —
In anderen Casusformen der O-stämme ist das auslautende o
derselben zu e gesunken, so dass 01 zu ei abgeschwächt erscheint.
So in den Formen des Genit. Sing.:
soveis, Lat. sui,
m i n s t r e i s , m i n i s t r i ,
und in den Locativformen wie:
alttrei, Lat. in altero,
p o t e r e i p 1 d , in u t r o q u e ,
thesavrei, in thesauro.
(Vgl. Momms. Uni. Dial. Gloss.)
Dass der Laul , den das.Oskische durch h bezeichnet, in allen
diesen Formen dem eigentlichen I-laut ganz nahe gestanden hat,
sieht man daraus, dass er in der Lateinischen Schrift des Oskischen
Gesetzes von Bantia durch den Lateinischen Buchstaben I wieder-
gegeben wird.
Im Sab ellischen Dialekt konnte sich der Diphthong oi zu
e trüben, das zeigt die Sabinische Wortform:
Leba'sium, Serv. Verg. Georg. I, 7 für Liberum,
vgl. Altlal. loebertatem, Fest. /;. 1 2 1 . libertal e m ,
loebesum, Fest. p. 121. liberum.
Andere Formen dieses Dialektes stehen iioch zu wenig sicher.
Der Umbris che Dialekt hat den Diphthongen oi nur ganz
vereinzelt erhalten im Stamme der Namen :
K o i s i s , • V o i s i n i e i\
Fr hat denselben zu u getrübt in :
kuraia, Lat. cur et, vgl. Alf lat. coeravit, coiravit,
kuratu, curato.
In den Casusformen der O-stämme isl oi zu e und dann weiter
zu i getrübt. So in den Formen des Daliv Singularis:
pople, Lat. populo,
Martie, Martio,
in den Genetivformen des Singularis wie :
M a r t i e s , M a r t i i ,
k a 1 1 e s , c a t u 1 i ,
k a p r e s , c a p r i ,
mit Schwächung des s zu r :
n u mer, Lau n u m i ,
t r i p 1 e r , t r i p 1 i ,
— 206 -
(1 u p 1 e r , d u p 1 i ,
popler, popli,
Tuscer, T u s c i ,
mit Abfall des s :
katle, catuli, §
agre, agri,
in den Formen des Dativ und Ablativ Pluralis wie:
t e r m n e s , Lat. t e r m i n i s ,
veskles, vasculis,
s e p 1 e s , s i m p u 1 i s ,
a 1) e s n e s , a h e n i s ,
prinvatir, privatis,
v e s c 1 i r , v e s c l i s ,
alfir, albis,
a d r i r , a t r i s.
Als Laut des Stammes ist llinbrisches oi zu i getrübt in:
vinu, (ir. olvog,
Volsk. vinu,
Lat. vinu in
(vgl. Umbr. Sprachd. Ah'. \ p. 117 f. vgl. Glossar).
Aus den Resten des. Volsk i sehen Dialektes ist erkennbar,
dass der Diphthong oi zu e verschmolzen ist in den Dativformen:
dcve, für divo-i,
Declune, Decluno-i,
und zu i getrübt wurde im Stamme von:
vinu, Gr. oiv os,
Umbr. v i n u ,
Lat. v i n u in ,
wie in der Ablativform :
v e s c 1 i s ,
Umbr. v es dir, Umbr. veskles,
Lat. vasculis
(vgl. d. Bronze v. Rapino. Momms. U. D. Taf, XIV. p. :>*20 /'.
Verf. (1. Volscor. ling. p. ,*>4. 35).
Wie das Lateinische so halten also auch die verwandten all-
italischen Dialekte die Hahn der AbschwÜchung des Diphthongen oi
betreten; das Oskische hat in den Lautgestalten oi und ei die
diphthongische Natur desselben am treusten bewahrt, das Latei-
nische eine Mannigfaltigkeit von Lauten aus demselben entwickelt :
— 207 -
oe, u, e, ei, i; das Umbrisclie ist in der Trübung des oi am
weitesten gegangen und kennt mit wenigen Ausnahmen nur die
einfachen Vokale u, i, e an seiner Stelle; das Volskische steht
dem Umbrischen in der Verschmelzung und Trübung der Diphthonge
gleich. Im Lateinischen erscheint der Diphthong oi schon seit
den frühsten Zeiten der Lateinischen Sprache zu oe geschwächt
in Flexionsendungen, seit den Zeiten der Punische n Kriege
auch in Stammsilben, .Ehensoalt ist in gewissen Wortstäm-
men und Flexionsendungen die Trübung des oi zu dem Mittel-
laut zwischen e und i, den die älteste Schrift durch 1 oder E, die
jüngere durch E I, die jüngste durch 1 ausdrückt. Jüngeren Ur-
sprungs ist die weitere Verdunkelung dieses Diphthongen zu u in
Wort stammen, die zu Plautus Zeit schon begonnen hat, im Zeit-
alter der Graechen und des Gimber nkrieges weiter Platz ge-
griffen hat und bald nach dieser Zeit im Sprachgebrauch herrschend
wird, während sich das oe nur in einzelnen Wortformen hält. Die
j ü n g e r e L a t e i n i s c h e V o 1 k s s p r a c h c verwischt dann den Laut
oe auch zu einem hellen e und so haben ihn die Romanischen
Sprachen ererbt.
ei.
Schon in dem Abschnitt über den Vokal i ist darauf hingewie-
sen worden, dass die Schreibart EI für den Mittel ton zwischen e
und I verwandt wurde. Hier fragt es sich, ob El überall nur die-
sen Laut bezeichnet, oder ob dieses Schriftzeichen in gewissen
Wortformen zu irgend einer Zeit auch noch einen zwielautigen
Vokal dargestellt habe, bei dessen Aussprache ein anlautender
E-laut und ein auslautender I-laut gehört wurde. Auch diese Unter-
suchung kann nur auf Grund der Inschriften geführt werden,
da, wie schon erwähnt, die Handschriften der älteren Römischen
Dichter infolge späterer Textrecensionen die Schreibweise E I ent-
weder gar nicht oder doch nur zum Theil und vereinzelt gewahrt
haben, und da auch die neusten Herausgeber derselben in der Auf-
nahme dieser und anderer alter Schreibweisen, die sich gelegent-
lieh noch in den Handschriften gewahrt fanden, kein gleichmässiges
Verfahren beobachteten. Die Schreibweise E I in den Handschrif-
ten kann also nur gelegentlich benutzt werden zur Bestätigung
dessen, was aus Inschriften schon erhellt. Die Untersuchung
wird zunächst ausschliesslich sich darauf richten, herauszustellen,
was in Voraugusteischer Zeit die Schreihart El bedeutet habe.
— 208 —
Ist das gefunden, so wird von dem vereinzelten Vorkommen der-
selben in späterer Zeit Erwähnung geschehen. Es versteht sich
von selbst, dass auch hier die neusten inschriftlichen Spe-
cial Forschungen, namentlich von Mommsen undRitschl,
zu Grunde gelegt werden mussten, die auf diesem Gebiete erst
Bahn gebrochen haben {vgl. Ritschi Rhein. Mus. VIII, 479 /.
Momms. Rhein. Mus. IX, 460 f. 467 /.).
Es ist für die vorliegende Frage zweckmässig und nothwendig,
die Stellen im Worte wo E I vorkommt zu scheiden, so dass zuerst
das EI in Stammsilben, dann in Ableitungssilben, endlich in Beu-
gungssilben der Conjugation wie der verschiedenen Declinationen
in Betracht gezogen wird. Es folgt also hier zunächst eine Zusam-
menstellung von Wort formen aus Voraugusteischen Inschriften, in
deren Stammsilbe sich EI geschrieben findet.
deiv.., T.Pis. Mo. Uni. Z>. 342. Seispitei, /. Basti. Rh. Mus.
deivas, Ritschi, fiel. hat. p. IX , 450.
26. e i t u r , tab. Aletr. lii. Mon. Epigr.
deivae, /. Rom. Claus. Aen. u. ir. p. 2.
Pen. 1085. Or. 2135. eire, l. repet. {Servil.)
deivinam, Ded.v. Für f. LS. ab ei, Or. 4848.
6011. adeilur, /. X. 3889.
e i d u s , Col. Somasc. Mo. Uni. D. vgl. eis , t <urc. V , 2 , 13.
32. /. agr. {Thor.) t. Genuat. Ruä. 518.
leibertus,/. Bas. Rhein, Mus. eit, iu/ul. 11,2, 69.
IX, 450. eite, Merc. 747.
leibravit, 7. X. 299. abei, Merc. 749,
1 e i b e r e i s , Epigr . Sor. 7. X. a b e i s , Merc. 773 u. a .
4495. lt. Mon. Ep. (Ha. deicerent, Sc. d. Rare.
leiberique. (ab. Gen, deico, Or. 4848.
1 e i b e r e i , /. agr. { Thor. ) d e i x i s t i s , Sc d. Tihui /. Or.
1 eiber i, /. <l. Termes. 31 14.
leiberorum, /. agr. (Thor.) deixerit, /. Ran/.
leiberisvc, Sa ü. Asch Claz. deixerint, /.repet.
I. d. Termes. d e i c e r e . I. agr. ( Thor), l. Jul.
leib er eis, a. 0. a. O. /nun.
I eiber os, /. <1. Termes. deicito, /. Rauf. /. agr. {Thor.)
leibertini, l.X. 4086. I. Ruhr.
leibertate, I.XA01Q. Eckhel. deicet, /. repet. [Serv.) I. Jul.
d. num. V. p. 73 f. {fam. Cass. ) mun. 1. Ruhr.
— 209 —
d e i c u n d o , l. repel. (Serv.) , l. p V e im u s , a. 0.
Ruhr. p r e im u m , a. 0. vgl. Rh. Mus.
deicunto, /. d. Termes. VIII, 482. IX, 18. Anm.
deixserunt, a. 0. Preimae, /. N. 3676.
deicei, /. Ruhr. Preimus, Eckhel. d. num. V,
deicit, a. 0. P- 73 f.
deixseritve, a. 0. preivataque, hd. Termes*
exdeicendum, Sc. d. Racc. preivatae, a. 0.
exdeicatis, a.O. veivos, /. N. 1591. 236.
i n c e i d e r e t i s , Sc. d. Bacc. v e i v o n t , /. N. 5223.
difeidens, Epigr. Scr. I. N. veixsit, Or. Henz. 7268.
4495. Rü Mon. Ep. tr. veitae, /. N. 4070.
afleicta, a.O. veiginti, I. N. 4070.
deilexit, Or. 4848. veicus, I..N. 6011.
Teiburtes, /. d. Tiburt. Or. inveisa, /. N. 4070.
3114. feient, /. Jul. munic.
Veic(?ntinos, Or. 3110. dei vidunda, /. Ruhr.
meilia, Mil. Pop. 1. N. 6276. erceiscunda, a. 0.
Ri. Mon. ep. tr. ameiserunt, /. d. Termes.
meilites, /. d. Termes. promeisserit, a. 0.
V e i t u r i o s , /. Genuat. remeisserit, a. 0.
feil(ius), /. N. 725. repromeisserit, a. O.
ceivi, l. agr. (Thor.) repromeississet, a.O.
c e i v i s , Sc. d. Racc. I. agr. eis, t. Baut. ( i s ) /. rep. Serv.
(Thor.) I. repel. (Servil.) ei ei, /. repet. (Serv. D. S.)
eei?<*s, /. ü. Termes. ei dem, /. N. 6276. 2458. Or.
ceivi täte, /. repet. (Servil.) 1446. I. N. 1710. 5007.
s c r e i p t u s , /. agr. ( Thor.) e i d e m q u e , /. d. Termes. (N.
conscreipteisve, l.Jul. mu- S. Neuir.)
nie. quei (für quis), /. N. 6011.
eonscreiptumve, a. 0. quei (für qui), l. Scip. Barb.
proscreibeive, /. Ruhr. t. Scip. Cn. f. Cn. n. t. Scip.
1 e i t i s q u e , /. repel. (Serv.) P. f. t. Genual. t. B antin. I. re-
1 e i s v e , /. Ruhr. pet. (Serv.) I. agr. ( Thor.) I. N.
leiteras ve, l.rep. (Serv.) 6011. 5756.
Teidia, /. N. 5485. heic, Or. 4848. /. N. 4495,
Peisidae, /. d. Termes.
In dem Abschnitt über Vokalsteigerung ist gezeigt worden,
dass die Wortformen deivo, leibereis, eitur, deico, difei -
CORSSEN. 14
— 210 —
dens, ei dem aus Vokalsteigerung entstanden sind, indem das i
ihrer ursprünglichen Stämme kurz war ; auch in screiptu s neben
Gr. yQacpcj ist die Länge des vokalischen Lautes der Stammsilbe
nur so verständlich. In P r e i m a e , P r e i m u s , p r e i v a t a q u e
ist ei aus dem ai der Präposition prai entstanden, in veicus ent-
spricht es dem Griechischen Diphthongen otvon olxog. Die äl-
testen unter den zusammengestellten Formen sind deiv.. auf ei-
nem Stein von Pesaro, deivas auf einer sehr alten Römischen
Inschrift, eidus in der Inschrift des Columbarium von Somaschi;
also erscheint die Schreibweise ei schon im Zeilaller der Panischen
Kriege. Dass der durch die Buchstaben E 1 ausgedrückte1 Laut, wo
er aus Vokalsteigerung entstanden ist oder ;ms Abschwaehung eines
volleren Diphthongen, ai oder oi, ursprünglich im lateinischen ein-
mal ein Diphthong war, lehren die verwandten Sprachen, namentlich
die Griechische, Deutsche und Oskischc. Zwei Buchstaben bezeich-
neten ursprünglich auch einen zwiefachen Lauf , dann griff man zu
dem Nothbehelfe, Mitteltöne jüngeren Ursprungs durch zwei Buch-
staben auszudrücken, zwischen deren Laut sie in der Mitte lagen.
Eine ganz andere Frage ist, ob das Scbriftzeichen Kl zu den Zei-
ten, bis zu welchen die auf uns gekommenen Schriftdenkmäler
hinaufreichen, noch die Bedeutung als Diphthongzeichen gewähr!
hatte. Schon auf den ältesten Inschriften ßndel sich langes i ge
schrieben in den Stammsilben folgender Wörter:
militare, /. /•'///•. äfomms. qui, a. 0.
Uni, Diu/. />. 270. primos, Col. rost. res/. II.
filea, Cist. Praenest. <t. 0. scriptum, Sc, d. Bacc.
l>. 2M>. sc iba ums. Sc. d. Tib.
filios, /. Scip. B. /'. Rhein, per scriptum, /. Bant.
Mus. I\, 22. scito, (i. u.
Scipione, /. Scip. V>. <i. 0, primo, /. Genuat.
Scipio, <i. (L primus, /. .\. < » 2 7 « '»
hie, u.a. u Scjjß: Cn. f, Cn. Vituriorum, «. 0
n. Or. 555.
Also auf dem alten Grabmal der Furier schrieb man militare,
ein Jahrhundert später auf einem Meilenstein der Grarchen/eil nie i-
lia,aufdenSarcophagenderScipionen hie und hec (i.Scip.Barb,f.\
auf spateren Inschriften b e i r, in einer ScipioBengrabschrifl (| u e i und
auf einer Inschrift desselben Zeitalters que (/. Ainilcrn. 1. A 5882)
auf der Gista Von I'raeiiesle und einem der ältesten Sc ipiuiiem
— 211 —
filea, filios und über ein Jahrhundert später feil ins. Vergleicht
man nun die Nominative h i - c , h e i-c , b e- c, q u i , q u e i , q u e mit
ihren Stämmen lio-c, quo-, so ergiebl sich, dass diese Nominativ-
formen entstanden, indem an die Stämme der demonstrative Prono-
minalstamm i antrat wie in den alten Formen cum-e (Ter. Scaur.
p. 2261) und tam-e (Fest.p. 360,1/.), das sich in diesen Formen
wie gewohnlich im Auslaut zu e schwächte, und wie im Griechi-
schen ovtoö C. So entstand also ho-i-c, dieser da und quo-i,
wel eher da und aus diesen Formen durch Trübung des Diphthon-
gen oi hie und hec, qui und que. Die beiden Schreibweisen qu e i
und que im Zeitalter der ältesten Scipionengrabschriften zeigen
also, dass E ganz denselben aus dem Diphthongen oi getrübten Laut
bezeichnete wie El; da nun E einen einlachen vokalischen Laut be-
zeichnete, so ist dies auch für El gültig. Daraus folgt der Schluss,
dass auch in anderen Wortformen, in deren Stamm EI einen durch
Vokalsteigerung oder aus den Diphthongen ai oder oi entstandenen
Laut bezeichnet, dieser Laut derselbe war wie in quei neben que,
also ein zwischen e und i liegender Mittelton. Zu Varro's und Quin-
tiliaus Zeit sprach das Landvolk:
leber, Quint. I, 4, 17. vgl. loebert atem, Aoißi],
v e n d e m i a , /. N. 357 1 . für v i n d e m i a , vgl. o l vo g ,
vella, VarroB.R. T, 2, 14.
{, 48, 2.
speca, u. <L
Wenn schon in den ältesten Zeilen Provinzialen und Landvolk
für den ursprünglichen Diphthongen ai e sprachen, wie oben gezeigt
ist, so muss man schliesscn, dass auch seit alter Zeit im Munde des
Landvolkes derE-laut an der Stelle eines ursprünglichen oi der bei-
den ersten unter den vorstehenden Wortformen heimisch gewesen ist,
und zwar schon in dem Zeitalter der Punischen Kriege, wo man h i c
und h e c schrieb und sprach für h o i c, q u i und q u e i für q u o i. Dass
zu Lucilius Zeit das Schriftzeichen E 1 nichts anderes als den Mittel-
ton zwischen i und e bezeichnete, ist schon nachgewiesen. Da nun
die grosse Mehrzahl der Inschriften, aus denen die obige Zusammen-
stellung von Wörtern, in deren Stammsilbe E I geschrieben erscheint,
entnommen ist, entweder dem Zeitalter des Lucilius oder einer spä-
teren Zeit angehört , so ergiebt sich, dass man in keiner derzeitigen
Wortform noch eine diphthongische Aussprache des Schriftzeichens
El anzunehmen berechtigt ist. Sollte noch ein Zweifel an der
14*
— 212 —
Richtigkeit der vorstehenden Ansicht obwalten, so wird er sich durch
die folgende Untersuchung erledigen.
Selten erscheint E I geschrieben in Ableitungssilben der No-
mina ; doch findet es sich in :
mareitom, Or. 4848.
p e t e i t a , /. Ruhr,
fugiteivos, MiU Popil I. N. 6276. Bitschi. Mon. Ep. tr.
a m e i c o r u m , Sc. d. Asch Claz.
Cisalpeina, l. Ruhr.
peregreinos, a. 0.
Vergleicht man hiermit die auf viel älteren Inschriften vorkom-
menden Formen :
aidiles, Or. 1433. i. Scip. L. f. Rhein. Mus. IX, 12.
aidilis, t. Scip. Barb. t. Scip. B. f.
Q u i r i ( n a ) , Bitschi, ficlil. Lal. p. 16.
parisuma, t. Scip. B.,
so ergiebt sich, dass man zur Zeit des ersten Puniscben Krieges in
den Suffixen -ili, -ino,-isumo einen einfachen Hau! sprach, dass
also auch in den Suffixen jener Wortformen einer jüngeren Zeit das
EI nur einen Anklang des 1 an den E-laul ausdrückt. Dieser muss
jedoch für gewohnlieh in derartigen Suffixen nichl deutlich gehört
worden sein, da die Schreibart I für den Vokal derselben die gewöhn-
liche und regelmässige ist.
Es ist nun die Schreibweise E I in Flexionsendungen zu betrach-
ten, und es sind zu dem Zweck zu nach sl eine Anzahl von Verbalformen
zusammengestellt, in denen dieselbe vorkommt.
Zte Pers. Sing. Conj.Praes. res tili st ei, /. vi. App. Rhein.
seit, d. vic. Für f. I. N. 6011. Mus. VIII, 288.
2le Pers. Sing. Ind. Per f. \ste Pers. Sing. Verf.
p o s e i t , /. N. 5409. petiei, T. Scip. ffisp. Hin in .
redieit, /. Mumm. Riisckl. Mus. VIII, 491. IX, 6.
Or. 563. fecei, Mü. Popil. Rüschi. Mon
posedeit, lab. Genxtat. Ep. tr. 1. N. 6276.
venieit,/. agr.(Thor. Wimtl.) poseivei, u. 0.
2(e Pers. Sing. Ind. Perf. c o n q u a e i s i v e i , <i. 0.
interieisli, /. N. 3833. red ide ique, a. 0.
gessislei, t. Scip. P. f. Or. die Pers. Flur. Per/.
558. c o in |» o s c i \ e r u ifl , J Genua t.
— 213
Inf. Praes. Act.
a u d e i r e , /. repet. (Serv.)
e i r e , a. 0.
veneire, Sc. d. Ascl. Claz. I.
Rabr.
Inf. Praes. Pass.
sol vei, l. Genuat.
mittei, t. Gen l. Jul. mun.
dar ei, /. repet. {Serv.) I. Com.
d. XX q. I. Ruhr.
1 e g e i , /. rep. (Serv.) I. Com. d.
XX q.
accipei, /. Com. d. XX q.
utei, /. d. Termes. I. Jnl. mun.
fruei, /. d. Termes. I. Jnl. muri.
p r o f i t e r e i , /. Jul. mun.
fierei, a. 0. I. Ruhr.
Keine der Inschriften, auf denen diese Wort formen vorkommen,
ist aller alsLucilius; dass indess die Schreibweise EI in der Bücher-
schrift älter war, bezeugen Plautinische Verbalformen wie:
v e i s , Plaut. Merc. 5 1 0. R. c o m ed er ei $,Menaechm.b% 1 .R.
c u r a b e i s , Merc. 526. r e d i e i t , Merc. 530.
Aber die ältesten Inschriften seit der Zeit des ersten I'unischen
Krieges schreiben in diesen Verbalformen 1 oder E; so in:
feeid, Cist. Praen. Or. 2497. fuise, U Scip. B. /*.
dvehe.i, /. Jul. mun.
d u c e i , a. 0. L Ruhr.
mittei, /. Jul. mun.
a g e i , a. 0. 1. Rubr.
exportarei,/. Jul. mun.
renuntiarei, a. 0.
legarei, a. 0.
t u e r e i , a. 0.
restip.ularei, /. Rubr.
i n c 1 u d e i, a. 0.
concipei, a. 0.
iudicareique, a. O.
praeslarei,^. 0.
possiderei, a. 0.
proscreibei, a. 0.
reddeive, a. 0.
deicei, a. 0.
Momms. U. D. p. 238.
cepit, /. Scip. Rarb. I. Scip
R.f.
fuit, t. Scip. R.
f e c i t , Ritschi. fiel. Lal. p. 28.
dedit,0. ().l.Pic.Grut.h%\\.
wie in den Präsensformen s u b i g i 1 , a b d o u c i t (/. Scip. Rarb.), hin
gegen e in :
compromesise, Sc. d. Racc.
d e d i s e , a. 0.
feei se, a. 0,
arfuise, a. 0.
iousisent,#. 0.
dedet, /. N. 5567. I. Scip.
R.f.
dede, l. Pisaur. R. fictil. hat.
p. 27.
fuet, /. Scip. R.f.
exemel, Col. Roslr.
cepet, a. 0.
o r n a v e t , a. 0,
-est. R.
und auch noeh nach der Zeit des Lucilius und der Gracchen finden
sich Schreibweisen wie :
— 214 —
posedet, /. Genuat.
fecet, /. Jul. mim.
i u s e t , a. 0.
dixet,#. 0.
Die Schreibweisen I und E I in Verbalformen gehen bis August
neben einander her, doch so, dass in allen auf t auslautenden Formen
die erstere bei weitem die vorherrschende ist.
Wenn das Schwanken der Schreibweise zwischen cepit, fuit
und dedet, fuet auf den Sarkophagen der ältesten Scipionen zeigt,
dass in diesen Verbalformen der Mittelton zwischen e und i ausge-
prägt war, so ist anzunehmen, dass im Munde des Landvolkes der
E-laut vorherrschend war wie in 1 eb er, v e 1 1 a , s p e c a u. a. Daher
erscheint der E-laut in diesen Verbalformen wieder in der Volks-
sprache der spätesten Zeit, namentlich auf Inschriften des fünften'
und sechsten Jahrhunderts; so in:
vixet, Fleetw. Sylt. Inscr. obiet, Boiss. Inscr. Ly. XVII,
Mon. Christ. 385, 1. 30. (p. Ch. 493.) 33. (/;. Ch.
vixset, Boiss. Inscr. Ly. 507.)
XVII, 63. ovict, a. 0. XVII, 59.
v i x s e , Fleclw. 366, 4. f e c e I , /. N. 574.
vixet, I.N. 696. {hW.p.Ch.?) fece, Fleetw. 155, 5.
viset, /.TV. 7156. (405. y>. <"//.) mililavel, a. <>. 396, 2.
cmet, Fleetw. 386, 4. c u r a v c t , I. N. 1 586.
wie in den PrSsensfbrmen:
scribet, Grit/. 1050, 12. requiesquet, /. V. 3491.
q uiescet, Fleetw. S. I. Mon. requiecset, /. V. 3509.
Chr. 311, 2. Steiner Ali- requiiescet, Fleetw. a. 0.
rhristl. Insrhr. 31. 5 1. 63. 195, i. Boiss. I. Ly. XVII, 41.
quescet, Fleetw. 503, 2. (p. Ch. 525.) XVII, 59.
cesquet, a. O. 459, 2.
qu iesce, Stein, a. 0. 56.
Daher zeigt auch die Italienische Sprache ein e in diesen For-
men, und die Italienischen Perfectformen wie visse, fece sind schon
in den spätlateinischen vixse, fece vorhanden. Dass übrigens in
der Sehreibweise poseil , redieit, posedeil (bis ei wirklich einen
von Natur langen Laut bezeichnet, wird in dem Abschnitt über die
Kürzung der Vokale nachgewiesen weiden.
Für die Betrachtung der Schreibweise VA in Flexionsendungen
der Declinationen ist es nothwendig die Formen der consonantischen
- 215 —
und der I-declination von den Formen der A- und O-declination zu
trennen, weil nur in den beiden letzteren E I an der Stelle eines frü-
heren Diphthongen ai und ei erscheint.
So finden sich von consonantischen und i-slämmen zunächst
die Dativformen :
virtutei,/. Scip. Rarb. IX, 460. /.iV.3566. tfr.3674.
M a r t e i , I. N. 6766. Ri. ficlil. Jahn. eist. Ficor. p. 58.
Lal.p.Tl. heredeive, /. agr. {Thor.) I.
lunonci, /. N. 6762. 1351. Jul. mun.
Q ü ir i t e i , a. 0. o p e re i , /. agr. ( Thor.)
II e r c o 1 e i , Epigr. Sor. I. N. fr a u d c i , /. repet. (Serv.)
4495. Ru Mon. epigr. (r. maiorei, a. 0.
Herculei, 1. N. 2473. actione!, a. 0.
Sispitei, l. BasiL Rhein, praecon ei, /. Com. d. XX q.
Mus. IX, 450. . redemtorei, /. Jul.
V e d i o v e i , ara Jul. Or. 1 287. u r b e i , a. 0.
p a t r c i , Or. 1287. i u r e i , /. Ruhr.
1 e e g e i , t. Rani. Momms. U.R. c a p ti o n e i , a. 0.
p. 149. /. repet. Venerei, /. N. 5013.
lovei, /. Quir. Rhein. Mus.
Unter diesen reichen nur die Formen vir tu tei und Mar tei bis
in das Zeitalter des ersten I'uuischen Krieges hinauf. Neben diesen
gleichzeitig finden sich aber auf Inschriften auch auf i auslautende
Dativformen; so:
M a r t i , lam. Spolel. Grul. 95, 6.
lovi, t. Picen. Grul. 52, 11.
Ganz überwiegend sind aber für diese älteste Zeit die auf e
auslautenden Dativformen von Stämmen der consonantischen und
der I-Dcclination. So finden sich auf Inschriften der ältesten
Epoche :
patre,/. N. 5483.
I u n o ne, /. Pisaur. Ri. ficlil. Lat. p. 27. /. Basti. Rhein. Mus. IX,
459. (neben Seispitei, Malri.)
Matre, /. Pis. Or. 1500.
Diove, Bullet, d. Inst. 1846. p. 90. vgl. Diiove,0umf.I,4,l7.
Momms. U. D. p. 253. V ei o v e , a. O.
Pisaurese, /. Pis. Ri. fiel iL Lat. p. 27.
(Nov)esedc, Momms. U. D. p. 342.
Mavrte, l. Für. a. O. p. 276.
— 216 —
Marte, Or. 2714. Ri. fiel. Lat. p. 28.
Salute, a. 0. p. 25. Momms. Rh. Mus. IX, 459.
Hercle, t. spec. Gerhard, laf. 147.
und aus jüngerer Zeit:
Victore, t. Quir. Rhein. Mus. IX, 400. (neben Jovei.)
iure, /. repet. (Serv.) I. N. 4627. Or. 643. (August.)
Hercule, t. Praen. Momms. Rhein. Mus. IX, 460.
love, Grut. 16, 8.
lictore, Fabretl. 348, 15.
Pilemone, Gua fluni, Man. med. p. SS.
fruge, Marin. Alti d. fr. Are. p. 270. Vgl. Momms. Fl lt. Mus.
IX, 459. f.
n a r e n t e v e , /. rep. (Serv.)
Vergleicht man die alleren unter diesen Dativformen, wie sie
namentlich auf den Steinen von Pesaro um] den all lat iniseben Thon-
gefässen vorkommen, mit den viel selteneren Schreibweisen Marti,
lovi und Martei, rirtutei auf Inschriften der ältesten Zeit, >«»
folgl daraus, dass hier der Mittelton, der durch E I ausgedrückt ist, und
überhaupt in allen Dativformen der consonantiseben und der l-de-
clination einem entschiedeneu E-laul fast gleich geklungen balle,
und dass eisi die spätere Sprache ihn zu einem Maul gestaltete.
Auch in der Blilthezeil der Römischen Litteratur linden sich aber muh
die auf e auslautenden Dative dieser Stamme:
a cic und in re.
Auch für die gewöhnliche Dalivendung i \<in I -stammen und
von O-stammen, die den Genetiv auf -ins bilden, findel sich die
Schreibari E I ; so in :
senatuei, /. d. Tiburl. Or, quoiei, t. Scip. Or. 555.
3114. q iioiei<| ii e. /. Thor. \ 2 mal.)
eiei, /. rep. {Serv.)
i psei , /. rep. [Serv.)
alei ve, /. .////. ?nun.
i e i , /. Rühr.
Ablative von consonantiseben und 1-sUUnmen, in denen >nli die
Schreibweise E I /ei^i. sind ;
virtutei, i. Scip. Cn. /'. Cn. partei,/. Jul. muhieip.
n. Or. 5."».*). <»m nei, h Ruin
fönte i, /. Genuat.
*) Audi bei Enntas und Kfaevias kommen Sparen solcher Schreib
— 217 —
von denen keine über die Zeit des Lucilius hinaus liegt. Die älteren
Inschriften schreiben in solchen Ablativ formen I oder E; so in:
m a r i d , Col. Roslr. restaur. in i 1 i t a r e , /. Fitr. Momms. U.
airid, Momms. Uni. Dial. D. p. 276.
p. 366. patre, /. Scip. B. f.
dictatored, Col. roslr. resl. a i r e , Mus. Veron. Majfei, pA69.
n a v a 1 e d , a. 0. Rhein. Mus. IX, 19,
und in Inschriften der späteren Zeit finden sich neben der Schreib-
weise mit EI dieselben Ablative mil E und mit I geschrieben; so:
G e n u a t i , /. Genital. c o n t i o n e , /. rep. Serv.
1 u u c i , /. repel. in e n se , /. N. 6Q1 1 .
luci, a. 0. Flusare, a. 0.
sa n c tion i, /. repet. (Sern.) parle, /. Jul. mun.
d e (I i l i o n i , /. ar/r. ( Thor.) longitudine, a. 0.
he red itati, a. 0. latiludine, a. Ü.
h er e d i v e . a. 0.
portioni, /. Jul. mun.
con t inen li, a. 0.
Wenn also zu Cäsars Zeiten in der lex Julia noch con tinenti,
partei, parle geschrieben wurde, so war auch jetzl noch wie im
Zeilaller der Punischen Kriege El der Mittelton zwischen T und
e; daher kommt denn das Schwanken der Ablative auf i und E von
consonantischen und [-stammen in der Augusteischen und der spä-
leren Zeit, nachdem die Bezeichnung EI für jenen Mittelton ausser
Gebrauch gekommen war.
Für den Genetiv Singularis von consonantischen und I-
stainmen isl kein Beispiel der Schreibweise E IS auf alleren Inschrif-
ten aufgefunden worden. Die ältesten Inschriften zeigen die Sehreib-
art ES in folgenden Formen:
Salutes,/?/, fiel iL Laiin. p. 18.
Apolones, Or. 1433.
sonst ist -is zu allen Zeilen die gewöhnliche Form; doeh kehrt die
spätlateinische Volkssprache zu den alten Formen zurück wie:
Caesar es, Gral. 76, 1.
campe stres, Gral. 931, 6.
weisen vor, doch stehen dieselben nicht unzweifelhaft sieher, vgl. 0.
Ribbeck, N. Jahrb. LXXV — LXXVI, 314.
218
pages,/. N. 1302 (p. Ch. 508) fiirpacis.
mare, Or. 4583. maris.
Im A c c u s a t i v und seltener im Nominativ IM u r a 1 i s von
consonantischen und I-Stämmen erscheint EI geschrieben in fol-
genden Formen :
claseis, Col. Rostr. rest.
n a v e i s , Col. Roslr. rest.
p o n t e i s ,Mil.Popil.I.N.627ß.
Ri. Mon. Epigr. tr.
o m n e i s, a. O.t. Genital. I. Com.
de XX q. t. Gen.
turreis, I. A". 1.119. 4148.
1855. 1856.
Genuateis, /. Gen.
f i n ei s, t. Genital. {Nom. it. Äcc.)
I. d. Termes. {Acc.)
cMe\s,l.agr.(Thor.)
Decembreis, /. Com. deXX q.
p r a e c o n e i s , a. 0.
civeis, /. d. Termes.
tristeis, 7. N. 1623.
Quin til eis, d. vic. Für f. I.
N. 6011.
pell eis, a. 0.
A 1 p e i s , /. Ruhr.
Doch findet sich auf gleichzeitigen Denkmälern die Schreibweise
I in den Formen von [-stammen:
f i n i s , /. (tfjr. ( Thor.) S c x 1 i 1 i s , /. Gen ual.
o m n i s , /. Maffei) Egger La/. I u r r i s , f. N, 4875.
serm.vet.reLp.282.l.repet. 0 ctobris, /. agr. ( Thor.)
(Serr.)
und die Schreibweise I«] in consonantischen wie in [-stammen:
opsides, /. Scip. Barb.
na \ a les, Col. rostr. rest.
clasesque, a. 0.
Ireiones, a. O.
lubentes, L N, 1495.
praecones,/. ( 'orn. de X X q.
Dass in der Blüthezeil dei
(| uaestores, a. 0.
v i ;i I or es, a. 0.
Decembres, a. 0.
ceives, /. d. Ter nies.
stipite sq ue, /. N. 601 l .
dec uriones, l Jui. mim.
Litteratur sowohl im Nominativ
als im Accusativ Pluralis von consonantischen und von [-stam-
men der Mittellaut zwischen i unde gehört wurde, der bald mehr
wie i, bald mehr wie e klang, beweisen die Aussagen der Gramma-
tiker wie die schwankende Schreibweise der besten Handschriften.
Varro's Feiner, Aelius Siilo, der sieb viel mii iWv Erklärung altlatei-
nischer'Sprachdenkmäler beschäftigte, wollte die Accusative:
feri enteis, doc enl e is, sa 1 1 a n I ei s , fa e il ioreis u. a,
schreiben (C/iar/s. p. 101), und Varro sagt, dass nun seiner Zeil
die Accusative :
— 219 —
montes und * montis
f o n t e s , f o n t i s sprach ( Varr. L.L. VIII, 66).
Die besten Handschriften des Vcrgil , schreiben den Accusativ
Plüralis schwankend -is und -es {Wagner Orlhogr. Verg. 384 —
404. vgl. Gell. XIII, 20). In denselben Vergilhandschriften fin-
det sich auch für den Nominativ Plüralis der besagten Stämme die
Schreibart -is {Wagner a. 0. 404), und Varro sagt ausdrücklich
(a. 0.), dass das Volk seiner Zeit die Nominativa Plüralis :
p u p p i s , und daneben p u p p c s ,
restis, restes sprach.
Auch durch die ältesten Cicerohandschriften wird dieses Schwan-
ken der Schreibweise und Sprechweise des Nominativ Plüralis bestä
tigt (vgl. Freund. Cic. pr. Milon. p. 14).
Von den Locativformen:
heicei, /. N. 5882.
suavei, a. 0.
wird in den Abschnitten über Umhüllung und Kürzung der Vokale die
Rede sein. In keiner der vorstehenden Formen also, die der conso-
nan tischen oder der I - D c c 1 i n a t i o n angehören, hat die Schreib-
weise E I zu irgend einer Zeit etwas anderes bedeutet, als den Mittel-
ton, zwischen i und e. Im Zeitalter des ersten Punischen Krieges
wird dieser Laut in den Genetiven und Dativen gewöhnlich durch E aus-
gedrückt, seltener durch I und E 1, muss also demE-Iaut in diesen Ca-
susformen damals näher gelegen haben. In den Ablativen zeigen die
ältesten Formen, die das auslautende d noch gewahrt haben, wie
airid, marid, die Schreibweise I, wo der I-laut bei den [-stammen
sicher der ursprüngliche war, wie die verwandten Sprachen zeigen; die
abgestumpften Formen, wo nach Abfall des d der Vokal in den Aus-
laut tritt wie militare, aire, haben E nicht ohne (Sund, da, wie
unten gezeigt werden wird, nicht bloss i, sondern auch andere Vokale
im Auslaut sich leicht zu e verflachen.
Auch in dem Dativ Plüralis:
vobeis, Sc. d. Baccan. Sc. d. Tib. Or. 3114.
bezeichnet EI den Mittelton zwischen i und e wie in sibei, tibei,
ibei, üb ei, von denen noch weiterhin die Rede sein wird.
Es sind nun die Formen von 0- stammen in Betracht zu zie-
hen, in denen EI einen aus dem Diphthongen oi entstandenen Laut
ausdrückt, wie in mehreren der oben angeführten Worlslämme. In
220 —
der Untersuchung über den Diphthongen oi ist die alte Form des
Nominativ PI u raus von 0 -stammen aus dem Carmen Saliare
pilumnoe poploe besprochen worden, die das o des Stammes ge-
wahrt, aber den Diphthongen zu oe abgeschwächt und das Plural-
zeichen s eingebiisst hat. Hingegen zeigen uns Voraugusteische In-
schriften auf -eis auslautende Formen des Nominativ Pluralis, die
das o des Stammes zu e abgeschwächt, aber das Pluralzeichen s ge-
wahrt haben. Sie stehen gleichzeitig neben den gewöhnlichen auf
ei auslautenden Formen, die das s des Plurals verloren haben, wie
folgende Zusammenstellung von Beispielen zeigt :
e e i s , Sc. de Baccan.
eis, t. Baut. I. repet (Serv.)
eis dem, /. repet. (Serv.) I. N.
4102. Or. 3808.
ieis, /. N. 2458.
Vertuleieis, /. N. 1495.
lüisrhl, Epigr. Sor.
1 eibereis, a. 0,
M i nur ieis, /. Genuat
Rufeis, a. 0.
Ca val urineis, 0. 0.
CDL vi reis, /. rep. (Serv. ne-
ben leel ei.)
g nateis, a. 0.
facl eis, /. agr. [Thor.)
hei sce, /. Carth. Rhein. Uns.
I\, 453. /. N. 3560. (a. Ch.
1 1 1? 1127)3561. (a.Ch. 108.)
3562.(ö.0*.tO6.)3563.(«.Cfc.
L06.) 35^5.(0. £%. 99.) Rhein.
Uns. IX, L56.
niagislreis, /. V. 3560. 3561.
3562.
Ileirennieis, /. AT. 5618. (a.
Ch. 100—90.)
La verneis, /. N. 5351. (beben
ma giß tri.)
Freis, /. N. 1909. (neben li-
liei.)
iei, I.N. 715,/. Com. <l. \\ q.
I. d. Ter m es. I. Jnl. m. I.
Rubr.
ei, /. agr. [Thor.) I. JnI. mun.
eidem, t. Banlin. I. repet. I.
66m. d. \\ q. I. \. 1221.
4148.3562.3563. 1472.3918.
Grui. 69, 1 1.
filiei, T. V. 4984. 1909.
nu nie i. Cot. ms/r. res/.
(| u e i , Sc. d. Bacc. /. Bant. t. Ge-
nuat. I. agr. j Thor.) i. rep,
(Servil.) '. rep. &, d. Tiburt.
Or. 31 11./. Com. de \\ q.
I. d. Termes. I. \. 276.601 I
/. ./////. ///////.
foideratei, Sc. d. Baccan.
o i n vor sei, n. O.
Uli vir ei, a. O. /. V. I -2 : i « * .
magistrei, /. V. 3563. 3559
(a. Ch.94.) Grui. 129,2.
luliei, Or. 1287.
invitei, tob. Genuat.
Poppaeei, /. V. 61 19.
colon ei, /. agr. { Thor.)
pu blicei, a. O.
solui ei, (i. 0.
lectei,/. repet. (Serv.)
datei, /. repet. (Serv.)
— 221 —
R o s c i e is, /. Carlh. Rhein. Mus. i ur e i , ct. 0.
IX, 453. R o m ane i, l. Com. de XX q.
To s s i e i s , /. Borg. Rhein. Mus- c e t e r e i , a. 0.
IX, 454. lectei, a. 0.
1 1 r vireis, I. N. 4322. sublectei, a. 0.
I ta I i c e i s , CT. Gr. 1137. s oli tei , a. 0.
institutei, a. 0.
f a c t e i , /. d. Termes.
postereiqu e , u. 0.
a m i c e i , a. 0.
s o c i e i q u e , a. 0.
agrei, a. O.
s c r i p t e i , a. 0.
ipsei, ct. 0.
hei, a. 0.
publicanei, a. 0.
illei, /. R. N. 4070.
und aus der Kaiserzeit: createi, /. Jim. /nun.
S e p I u in i e i s, Maff. Mus. Veron. des ig na tei, a. 0.
267, 3. faetei, a. 0.
Vgl. tt/ischl Mon. epigr. (r. p. leg a tei, a. 0.
18. /'. Rhein. Mus. IX, 150 /'. reliquei, a. 0.
1 i b rar e i , u. 0.
duo virei, Or. 1497.
patronei, /. N. 1855. 1850.
unguentariei, /. N. 2897.
Auf den ältesten Inselniften aber wird statt VA in Pluralformed
wie die vorstehenden E geschrieben; so:
Mo dies, /. Amilern. I. N. 5758. ploirume, /. Scip. R. /'. Rh.
ques, Sc. d.Racc. Vgl. Pacuv, Mus. IX, 2.
Ribbeck. Tr. rel. p. 87.
es, a. O.
und der Schreibweise El steht auch noch nach der Gracchenzeit
gleichzeitiges E in denselben Nominal ivfonnen zur Seite ; so in
den Formen :
V e t u r i e s , /. Genital. p 1 ur u m e , /. repet. (Serv. )
Mentovines, ct. 0.
Cavaturines, a. 0.
duo in vires, Or. 3808.
— 222 —
Atilies, /. Vindob. Rhein. Mus.
IX, 156./.
Sara nes, a. 0.
magistres, a. 0.
Zu diesen Formen des Nominativ Pluralis von O-stämmen ge-
hören auch:
matrimes, Fest. p. 126.
patrimes, a. 0.
dieVerrius Flaccus aus irgend einem älteren Sprachdenkmal kannte,
da sich das s der Pluralformen von O-stämmen nach der Zeit des
Marserkrieges nicht mehr findet. Kurz nach dem Zeitalter der
Gracchen erscheinen auf Inschriften auch noch solche Nominative
Pluralis, die das auslautende s gewahrt haben, mit I geschrieben; so:
V e t u r i s , lab. Gen.
hisce, /. R.N. 3569.
m i n i s t r i s , a. 0.
magistris, /. Carth. Rhein. Mus. IX, 453.*)
Vergleicht man diese Formen mit den auf den ältesten In-
schriften vorkommenden Mo dies, ploirume, so ergieht sich,
dass die ältere Schrift in Fol inen des Nominativ Pluralis von O-stäm-
men I oder E schrieb, und seit der Zeit des Senatshesc hlusses über
die Bacchanalien derselhe Laut auch durch F I ausgedruckt wurde,
dass also der aus dem Diphthongen oi entstandene Fant in allen
diesen Formen ein Mittellaul zwischen I und e war.
Man vergleiche nun folgende Zusammenstellung von Geneti-
ven Singular is derselhen Stämme:
Roman ei, /. ayr. {Thor.) .1. colonei, a. 0,
Rnbr. stipe nd ia rei, a. <>.
populei, /. ayr. {Thor.) I. rc- leiberei, a. (>,
pct. (Serv.) I. (I. Termes. I. suei, /. rep. [Serv.)
Ruhr. ostiei, /. .V. 2458.
locei, /. ayr. {Thor.) compagei, /. //. tfercvl. I. \.
publicei, a. 0. 3559.
agrei, a. O. ' rnagis t rei , a. (>.
vinei, a. O. pa geiei, a. (K
t:) Zweifelhaft sind die Spuren solcher Pluralformeii bei Plantns,
Mil. (ihr. 374. Pers. 684. Ritschl, /;//. Mus, l\, 158.
— 223 —
vicei, t. Vatic. Momms. Rhein, habitandei, ct. 0.
Mvs. IX, 455. utendei, a. 0.
S ul p i c e i , • a. 0. m u n i c i p i e i , /. Ruhr.
fanei, ded. vic. Für f. T. N. damnei, a. 0.
601 1. infectei, ct. 0.
faciumdei, 1. Jul. mun. praefecteive , ct. 0.
exportandei, ct. 0. M a r c e i , /. pistor, Ann. d. Inst.
d a m n a t e i v e , ct. 0. 1 838. p. 202.
furtc i, ct. 0. Vergilei, ct. 0.
mandatei, ct. 0.
Statt des EI dieser Genetivformen findet sieb auf den älte-
sten Inscbriften bis zur Zeit des Senatsbeseblusses über die Bae-
ebanalien I geschrieben ; so '.
S a e t. u r n i , Ritschi, ftetü. Lctl. p.8. L a t i n i, Sc. d. Bacc.
Volcani, a. 0. p. 17. urbani, ct. 0.
Keri, a. 0. p. 17. Momms. U. I). p. 32.
Kaili, Cohtmb. Somasc. Momms. U. D. p. 32.
Barbati, /. Scip. B. f.
und auch in den Gesetz Urkunden und sonstigen Sprachdenkmälern
bis zur Zeit des Augustus geben diese Können des Genetivs neben
denen auf ei lier.
Also auch liier war der Diphthong oi der ursprünglichen Ge-
netivform o-is zu einem einlautigen breiteren i getrübt, bevor die
Schreibweise EI eintrat.
Es sind nun noch die Formen des Dativ und Ablativ IMu-
ralis von O-stammen in Betracht zu ziehen, die EI an der Stelle
des Diphthongen oi der in suois, gnatois noch aufbewahrten
ursprünglichen Endung dieser Casus auf Lateinischem Sprachboden
in Voraugusteischer Schreibweise zeigen. Solche Dative sind:
libreis, /. N. 299. cetereis, ct. 0.
soveis, a. 0. leibereis, Sc. d. Asc. Claz.
eeis, Sc. d. Beter. * pos terei sque , ct. 0. I. N.
ieis, /. d. Termes. 1917. 4074.
eis, /. ctgr. {Thor.) i. repet. Pisideis, /. d. Termes.
{Serv.) I. Com. d. XX q. Sc. portorieis, a. 0.
d. Asc. Claz. Ded. vic. Fnrf. mar Rum ei sque, ct. 0.
coloneis, 7. N. 6149. 2249. capiundeis, ct. 0.
vic an eis, /. ctgr. {Thor.) amieeis, /. N. 3662 (neben
oll ei sque, ct. 0. bonis).
224
liberteis, /. N. 2364.
sueis, /. N. 1917. 5223. 1658.
4393. /. Jul. mun.
boneis, /. N. 4070.
dumineis, a. 0.
vi eis, /. Jul. mun.
purgandeis, a. 0.
certeis, a. 0.
loceisque, /. Jul. mun.
Ablative dieser Art sind:
c a s t r e i s , Col. rostr. rest. l.
Jul. mun.
s o c i e i s , Col. rost. rest.
eeis, Sc. d. Bacc. L Ruhr.
ei eis, Sc. iL Tiburt. Or. 3114.
eis, lab. Genuut. I. agr. {Thor.)
I. Com. de XX q. I. Jul.
mun.
eisdem, l. Jul. mun. l.d. Ter-
mes.
ieis, Sc. d. Tiburt. I. Com. de
XX q. I. Termes, l. Jul.
mun. I. Ruhr.
in ieis, /. Scip. Hisp. Or. 554.
pi oxsumeis, /. Baut. I. repet.
I. agr. {Thor.) I. repet. {Serv.)
I. Jul. mun.
invitcis, a. 0. Heu:. Or. 7363.
/. Jul. man.
vinculeis, lab. Gen.
a mi eeis, /. N. 733.
sn eis, /. N. 733. /. Termes,
viasieis, l. agr. [Thor.)
agbeis, a. 0. Sc. iL Termes.
public eis, /. agr. (Thor.) I.
Jul. mun.
nioinicipieis, /. agr. Thor.
singoleis, Tab. Maff. Egger,
p. 282. Rhein, J///.V.VIII, lv_>
publiceis, a. 0.
tributeis, a. 0.
fruendeis, a. 0.
conscreipteis, a. 0.
serveis, a. 0.
Caedicianeis, /. N. 4023.
Pap ieis, a. 0. (neben culu-
nis, S enuisanis).
fileis, /. N. 4166.
lieisce, /. rep. {Serv.)
a n n e i s , a. 0.
vi reis, a. 0.
conciliaboleis, a. 0.
legundeis, a. 0.
oppedeis, /. rep. {Serv.)
foreis , a. 0. L Jul. m.
rost reis, /. rep. {Serv.)
abiegnieis,/. Put. f. N. 2458.
crasseis, a. 0.
seneis, a. 0.
aesc ulnieis , a. 0.
Puteoleis, a. 0.
primeis, a. 0. l.Corn. iL XX q.
pageis, /. Vatic. Rhein. Mus.
JX, 455.
n un eis , /. Com. (I. \\ q.
w\ ereis, a. o.
se eun «Ieis , a. 0.
tertieis, a. (L
legundeis, a. 0.
sii 1)1 eg n ndeis, a. (f.
I oo eis, /. Term. L Jul. /nun.
aedificieis, /. Termes.
uppideie , a. (f.
lud eis, /. X. 4875. /. Jul. /nun.
comulateis , bcd. r. Für/ I
.V. 601 1.
olleis. a. 0.
— 225 —
illeis,#. 0. - iumenteisve, fl. 0.
p e r p e t u e i s , /. Jul. mun. m u n i c i p i e i s , a. 0.
i n t e g ; r e i s , a. 0. s i n g u 1 e i s , a. 0.
eerteis,ä?*0. c o n c i 1 i a b u 1 e i s , a. 0.
libreis, a. 0. castreis, a. 0.
iurateis, #. 0. conscreipteisve,«. 0.
c o m i t i e i s , a. 0. 1 e g a t e i s , a. 0.
anneis, #. 0. iudicieis, /. Ruhr.
a n n u e i s , a. 0. d a t e i s , a. 0.
c o 1 o n e i s , a. 0. i u s s e i s , a. 0.
p lost reis, a. 0. raeriteis, Or. 4641.
Neben der Schreibart EIS dieser Formen erscheint gleichzei-
tig wenn auch seltener auf denselben Inschriften die später allein
herrschend gewordene IS, in einzelnen Fällen auch ES; so in:
invitis, t. Genuat. neben vicanesve, l. agr. {Thor.)
lanuaris, a. 0.
secundis, a. 0.
hisce, a. 0.
terminis, a. 0.
con trover sis, a. 0.
f i s c i s , /. rep. (Serv.) s c r i p t e s , /. rep. (Serv.)
puplicis, a. 0.
proxumiis, /. Jul. mun.
iisdem, a. 0. con Script es, /. Jul. mun.
isdem, a. 0.
Also kann E I in allen diesen Casusformen von O-stämmen
keinen Diphthong bezeichnet haben.
EI erscheint nun auch in den Dativen und Ablativen
Pluralis von Stämmen der A-declination als Ausdruck eines aus
dem Diphthongen ai entstandenen Lautes.
So in den Dativen : in den Ablativen :
incoleis, /. N. 6149. soveis, /. N. 5882.
scribeisve, l.Corn.deWq. taboleis, /. repet. I. repet.
i n f e r i e i s , /. N. 1 623. (Serv.) I. Bant.
vieis, /. Jul. mun. tableis, /. agr. (Thor.)
purgandeis, a. 0. tabuleis, a. 0.
contr oversieis, t. Gen.
CORSSEN. 15
— 226 —
in den Ablativen:
decurfeis, /. Com. d. XX q.
c aus eis, /. Jul. mim.
praefe ctu reis, ct. 0.
Die schon erwähnte ältere Form nuges (/. N. 5758) für
nugais und die dein EI der vorstehenden Wortformen gleich-
zeitige Schreibvveise I zeigt, dass auch hier EI die Bedeutung eines
Diphthongen verloren hat und nur den Mittelton zwischen e und I
bezeichnet.
So erklärt sich nun das Schwanken der Schreibweise auch in
folgenden Wort formen :
e , ei, i ,
die quarte, Po/n- die quinti, a. 0. 6.
pon. Gell.X, 24, 5. die noni, a. 0. 3.
die s e p t i m e i , die c r a s t i n i , Plaut.
Plaut. Pers. 260. Most. v. 881.
here, Quint. 1, 4, 8. he r ei, Plaut.. EffV. 59. heri,
peregre, peregri,
praefi seine, praefiscini
{vgl. Fleckeisen, zur Krit. alilat. Dichterfr. hei fiel/. j>. 31. /.).
Die Formen qua rti, quinti, septimei, noni, crastini,
heri, herei, here, peregri, peregre sind Locativendungen
wie domi, humi, vesperi u. a; in die ist die Locativendung i
abgefallen wie nicht seilen das i des Genetivs von Wörtern der E-
declination; die Casusform von praefiscine bleibt dahingestellt.
Ebenso schwankt die Schreibweise <\(^ auslautenden Vokales
in folgenden Pronominalformen und Conjunctionen:
e, ei, i,
sibe, Quint. I, 7, 24 (in sibei, Sc. <1. Bacc. 1. sibi,
multorum libris). agr. (Thor.) I. rep.
[Sei r.) t. Sc//>. Hisp.
Or, 554. /. \. 1994.
3928. 5223. I :>!»<>.
4 l(i(). /. Ruhr.
tibe, /. Seil). /'. f. Or. ti bei, /. Mumm. Rhein, tibi,
558. Mus. VIII, UM. IV Mi.
Umbr. tefe,
Umbr. mehe, mihei, /. Rom. Heu:, mihi,
7268.
— 227 —
e, ei,' i,
übe, Or. 732 (p. Ch. 65). ubei, Sc. d. Bacc. t. ubi,
4805 l(spät). I. N. Aleir. lab.Gen. l.rep.
5607 {spät). (Serv-)Sc.d.Asc.Claz.
Umbr. pufe, /. Jul. mun.
i f e , i b e i , Sc. d. Bacc. lab. i b i , t. Genuat.
Gen. Sc. d.Asc. Claz.
l.d. Term. I. Jul. mun.
I. Ruhr.
ne, nei, ni.
Ritscbl hat nachgewiesen (Bhein. Mus. VIII, 483 /*.), dass auf den
Inschriften der ältesten Zeit ne vorwog, dann nei und ni mehr
hervortraten, endlich aber ne wieder das ge wohnliche wurde. Vgl.
Donat. Ter. Eun. III, 3. 2. Lachm. Lucr. II, 734.
Umbr. s v e , s e i , Sc. d. Bacc. Or. 558. s i ,
Volsk. se, t. Bant. t. Genuat. I. si-ve, /. Jul.
rep. (Serv.) I. Com. mun. B. v.
d. XX q. /. Jul. mun. Für f. I. N.
I. Ruhr. 6011.
ni-se, /. Ruhr. ni-sei, Sc. d. Bacc. 1. ni-si, t. ße-
rep. (Serv.) I. d. Term. nuat.
I. Ruhr. I. Jul. mun.
n e - s e i , /. repet. I. rep.
[Serv.)
qua-se, Quint. I, 7, 24 qua - sei, /. repet. t. Bant. qua si,
(in m u 1 1 o r u m 1 i - /. rep. (Serv.) I. Com.
bris). d. XX q.
q ua n- sei, l.agr.(Thor.)
u t e i , Sc. d. Bacc. t. Ge- u t i , t. Ge-
nuat. I. Tiburt. nuat.
Wie wenig nun das Bestreben des Lucilius, in die Schreib-
weisen EI und I Regel und Princip zu bringen, Erfolg gehabt hat,
das erhellt aus folgender Zusammenstellung schwankender Schreib-
weisen in den wichtigsten Gesetzurkunden seit der Zeit der Grac-
chen bis auf Caesar.
e, ei, i,
lab. B antin. nei, ni,
plebeive, plebive,
15*
— 228 —
e, ei, i,
lab. Genuat. Veturis, Veiturios, Vit ui iorum,
dum-ne, nei, ni.
posedet, posedeit,
ibei, ibi,
utei, uti,
con troversieis; controversis,
inviteis,
invitis,
fönte,
fönt ei,
/. repei. (Serv.) p a r e n -
major ei,
parti ,
teve,
rostreis,
rostris,
/. repet.
plebeive,
p 1 e b i v e ,
1 u c e i ,
luci,
1. agrar. (Thor.)
locei,
loci ,
p o p u 1 e i ,
popnli,
agrei,
; i o v i
screiplus,
scriptus.
1. Com. de XX quaest.
1) e c e ni b res,
Decembreis,
praecones,
praeconeis,
Sc. d. Asclep. Claz.
v e n e i r e ,
venire,
leibe reisve,
1 e i b e r i s v e ,
1. d. Termes.
Peisidae,
Pisidae,
ceives,
civeis,
p o p u 1 c i ,
p o }) u 1 i ,
1. Jal. mun.
eö nscrei pi u mye
,cons eri j»i um ■
deicet,
dicere,
tuerei,
t u e r i ,
a d v e h e i ,
advebi,
exportarei ,
portari,
par le,
p a r t e i ,
co n t inen 1 i ,
"
u bei,
ii l»i.
seive,
sive,
L.Rubr. ceis,
ieis,
repromeisser ii.
repromi ssio,
dirceique,
duci,
]) ossidcrci,
possideri,
d e i c c l .
i n i erdi i cd \ e
nise,
oisei.
— 229 —
Im Augusteischen Zeitalter ist für gewöhnlich die Schreibart E I
abgekommen; aber der Mittelton blieb, von dem Qm'ntilian (1, 4, 8)
sagt: neque e plane neque i auditur. Man bezeichnete
ihn seit der Zeit häufig durch ein höheres über die anderen
Buchstaben emporragendes I (Ritschi Mon. Epigr. tria p. 31.
Momms. Rhein. Mus.X, 142/.). Aber auch auf den besten Schrift-
denkmälern dieser Zeit findet sich noch vereinzelt die Schreibvveise
EI; so in:
mer\te\s,Murd.laud. Or.4860. p leb ei, Mon. Ancyr.
praeeepteis, a. 0. quadrigeis, a. 0.
cetereis, a. 0. postereis, Or. 3693.
probeis, a. 0. sueis, a. 0.
Ebenso erscheint E i noch vereinzelt bis in die spätere Kaiser-
zeit ; so in :
eidem,/. TV. 2909.5007. 2428. Venerei, /.TV. 5013.
2241. 1147. Herculei, /.TV. 5613.
sei, /. TV. 3329. sibei, /. TV. 5225. 2043.
deivi, /. TV. 5014. auxsiliarei, /. TV. 5778.
veivos, /. TV. 5225. arkarei, /. TV. 5705.
Veidius, LN. 5902. sueis, /. ' N. 1615. 2909. 3773.
niquei, /. N. 5468. 4721.
heic, /. TV. 767 (spät). 3874. inmeriteis, /. N. 6141.
plebeis, 7.TV.455 (p.Ch.2Q8.) infirmeis, a. O.
patrei, /. N. 5700. fileis, I. N. 6222.
Das späte Vorkommen dieser Schreibweise erklärt sich dar-
aus, dass man in Aufschriften von Weihegeschenken und Grab-
mälern in gewissen wiederkehrenden Formeln auch die altherge-
brachte Schreibart festhielt. Wenn so Jahrhunderte lang noch
EI geschrieben wurde, nachdem dieses Schriftzeichen aufgehört
hatte einen Diphthongen zu bedeuten, so bestätigt das die Rich-
tigkeit des oben geführten Beweises, dass lange schon ae und oe
gesprochen wurde, als man noch AI und Ol schrieb.
Auch im Umbrischen Dialekt, der in der Trübung der Diphthon-
gen noch weiter gegangen ist wie das Lateinische, bezeichnet das
Schriftzeichen EI keinen Diphthongen mehr, sondern einen zwi-
schen e und T schwankenden langen Laut, der auch durch E und
I bezeichnet wird. Man vergleiche die Schreibweisen:
pehaner, peihaner, pihaner,
poe, poei, poi,
— 230 —
ape, apei, api,
Fise, Fisei, Fisi
{Aufr. u. Kirchh. Umbr. Sprachd. I, 31. 41. vgl. Glossar).
Wenn im Oskischen Gesetz von Bantia dasselbe Wort in Lateini-
scher Schrift:
ne, nei, ni
geschrieben wird, so bezeichnet El hier wie in dem Lateinischen
nei den Miltelton zwischen e und i. Somit aber hat das Oskische
mit den anderen Diphthongen au, ou, ai, oi auch den Diphthon-
gen ei gewahrt.
Folgendes stellt sich demgemäss als Hauptergebniss dieser
Untersuchung heraus. Der durch E 1 ausgedrückte Laut ist ausser
in Casusformen von E-stämmen hervorgegangen aus den Di-
phthongen ai, oi, ei, und aus eigentlichem langen I; er ist
aber nirgends mehr, so weit unsere Kenntniss der Altlateini-
schen Sprache hinaufreicht, ein Diphthong, bei dem ein Ton-
übergang von anlautendem e zu auslautendem i hörbar wäre, son-
dern ein einfacher Mittellaut zwischen e und i, daher
auch in der ältesten Schrift durch E oder I bezeichnet. Inder
älteren Sprache neigte sich dieser Vokal mehr dem E-laut zu
und so klang er noch in der Augusteischen Zeit und später
im Munde des Landvolkes. Im Munde der Gebildeten aber
während der Glanzzeit der Römischen Litteratur lautete er dem
I-laut ähnlicher als dem E-laut und ward daher auch durch 1
bezeichnet.
Dass die Schreibweise EI dazu gedient halte auch einen kur-
zen Mittelton zwischen e und i anzudeuten kann nach den hier zu-
sammengestellten sprachlichen Thatsachen weder aus vereinzelten
Schreibfehlern wie seibi, faceiu(n dum), Or. 1710, noch aus
der Messung sTbeT, /. Scip. Cn. f. Or. 554, wo man nach alter
Weise.schrieb, während man schon sibii sprach, mit irgend einer
Folgerichtigkeit geschlossen werden. Die vorstehend« Untersu-
chung hat die Richtigkeit der Ritschi sehen Ansicht
durchaus bestätigt.
Die spätere Römische Volkssprache liess jenen Mittelton, wie
sich in dem Abschnitt über Wahlverwandtschaften der Vokale zu
Consonanlen weiter herausstellen wird, zum Theil zu e werden, und
so ging er denn auch in die Italienische Spracht4 Über.
au
zu
ou,
ai,
ae,
oi,
oe,
— 231 —
Die Lateinischen Diphthonge haben sich also in folgender
Weise getrübt:
ö, ü,
ö , ü',
e
e, e, i, I,
ü, e, e, i, I,
ei, e, i, I,
Der Anfang dieser Trübungen fällt zum Theil in vorge-
schichtliche Zeiten hinauf; in der Zeit , wo unsere inschiiftli-
chen Denkmäler beginnen, sind sie 'schon im vollen Zuge, und die
Diphthongzeichen sind zum Theil nur noch Denkzeichen verbliche-
ner Diphthonge. In der Augusteischen Zeit ist nur noch der
Diphthong au lebendig geblieben, und nur dieser hat sich aus der
Römischen Volkssprache auf die Romanischen Tochtersprachen ver-
erbt. Das Absterben der Diphthonge, das in der Lateinischen
Sprache schon in der Zeit Romischer Kraft und Grösse eingetre-
ten war, hat auch den Vokalismus der Griechischen Sprache er-
griffen, aber erst nachdem die Rlüthe des Heltenenthums verwelkt
war. Am frühsten trübte sich der Diphthong cu zu ae; so er-
scheint er schon, als die Griechen den aus ai geschwächten Römi-
schen Laut ae durch das Schriftzeichen AI bezeichneten in Wort-
formen wie Aiiilliog, Küvvai, AaCliog {vgl. Melhorn, Gr.
Gramm, p. 22). In der späteren Römischen Kaiserzeit klingt er
vom E schon nicht mehr verschieden, das zeigen die Schreibwei-
sen wie:
xElte, Grut. 1052, 6 (p. Ch. neben avxXy\<5uxai , Mai a.
409). 0. 180, 2.
xrjts, Boss, Inscr. Gr. ined. III, av a £& rj % av , a.O. 183,
n. 246. d. 2. p. 10. 2.
%£lvt£, a. 0. n. 246. 5. p. 9.
xf, Mai, script. vett. n. coli. V,
p. 27, 4. 160, 4. 194, 4.
TQoit £ov%og , a. O. 357, 4
(Justinian).
Aber auch die anderen Diphthonge werden in dieser Zeit von
derselben Lautverderbniss ergriffen ; daher findet sich auf christli-
chen Grabschriften i für ei wie für r\ geschrieben; so in:
— 232
Kits, C. I. Gr. 4103. 4107.
4636. 5713. 5720. 5746.
Boss, Reisen d. Griechenl.
p.U. Fleetw. S. Insc. 375,4.
Mai a. 0. p. 416, 5.
xivze, C. I. Gr. 5710.
ßaöill, Mai a. 0. 27, 4.
nQoaaticjv, a. 0. 236, 2.
livrj[ii,G)v, a. 0. 416, 11.
iQr\vr\, a. 0. 416, 4.
svipvxh a- 0. 416, 7.
ovdog, a. 0.
ebenso £i und tj für l, r\ für £t und £i für ?y in Schreibweisen
wie :
iroum, 1. N. 2988 (neben he-
roum ).
XQiötov, Ross,a. 0. p. 44.
[ILTIQ , jü/ä/, #. 0. 8, 6.
sv^tg, #. 0. 19, 1.
ßoi&r], ct. 0. 27, 4.
/', a. 0. 29, 2.
ötqcct tyov , a. 0. 160, 4.
yvt,6iov, a. 0. 194, 4.
t?£, #. 0. 356, 3.
Xi\jliv , #. 0. 359, 5 ;
livtfö frorst, Mai a. 0. 28,
4.
tQ£i6okßCov, a. 0. 194, 2.
EiccKcoß, a. 0. 4.
fffpoftapTvpofv), a. 0.
236, 2.
TeQsvtscavov , ff. ^V. 415,
10.
ftoVw, tf. 0. 416, 11.
%aQrjv, a. 0. 29, 2.
rjQilve, Fleetw. S. Insc. p.375, 4.
^o^i/ojroto'g, 7f/tf/, ff. 0. 194,
4.
ßoi&rj, Mai, a. 0. p. 27, 4.
«ti%, a. ö. 29, 2.
£7ioi£i6a, a. 0. 194, 4.
Vergleicht man mit diesen Formen die Schreibart des Griechi-
schen Sprichwortes: xov Ogavxov cpikov £%iS-> yixova
ovx £%ig, bei Einhard (Vit. Carol. Magn. Mon. Germ. Pertz,
II, 452), so ergiebt sich, dass bis zum Anfange des neunten Jahr-
hunderts die Trübung der altgriechischen Laute ai zu £, ot, £ t, r]
zu t im Volksmunde eine vollendete Thatsacbe geworden war, die
sich schon Jahrhunderte lang vorher vollzog. Nimml man hinzu,
dass auch der Diphthong av sich im Neugriechischen zu aF ver-
härtet hat, so ist klar, dass der Vokalismus dieser Sprache, der ab-
gesehen von einzelnen Resten der alleren Aussprache für die allen
Laute oi, £t, tu, 17, t, v ein wenig modilicierles i und für cu
nur noch ein £ hören lasst, sich in einem Zustande ärgerer Zerrüt-
tung und Verarmung befinde! als in den neueren Germanischen und
Romanischen Sprachen. Wenn aber Schreibweisen wie die oben
angeführten den alteren Inschriften fremd sind, so ist das ein neuer
Beleg dafür, wie grundlos die Einbildung ist, dass ein so verkom-
— 233 —
mener Vokalismus im Munde der Homerischen Sänger zu finden ge-
wesen sei, dass das geistvollste aller Völker mit sechs verschiede-
nen einfachen oder doppelten Schriftzeichen zur Bezeichnung ei-
nes I- lautes einen zwecklosen und widersinnigen Luxus getrieben
habe. Im Ganzen ist die Griechische Sprache also in der Trübung
der Diphthonge denselben Weg gegangen wie die Lateinische, aber
noch weiter wie diese, bis sie auch den letzten diphthongischen
Klang eingebiisst hatte.
B. Wandlung der Vokale.
1) Ablaut.
Schon ehe die Italischen Völker in die Halbinsel des Mittelmee-
res einwanderten, hat die Geschichte der Sprache , aus der die La-
teinische hervorging, begonnen. Deshalb muss zu Anfang dieser Un-
tersuchung über d:e Wandelung der Vokale auf das Ergebniss der
vergleichenden Sprachforschung hingewiesen werden, dass ein ur-
sprüngliches a, wie es sich am häufigsten im Sanskrit erhalten
hat, im Lateinischen und Griechischen vielfach zu e und o abge-
schwächt erscheint. Man vergleiche:
a, e, o,
&fo\_padäs, pedis, Ttodog,
bharatas, ferentes, cpeQOVtag,
nävas, ve'og, novus,
Skr. vähanam, vehiculum, ^-ö%avov ,
m änas, mens, moneo,
M e n e r v a ,
pak'täs, 7t£7tt6g, coctus,
p ä k t i s , 7teil>ig, c o c t i o ,
g'änitär, yevetTJQ , genitör
(Bopp Vergl. Accentuationssystem des Sanskrit und Griechischen
p. 5 f. 179 /.). Es wird sich im Laufe der Untersuchung heraus-
stellen, dass unter der Einwirkung bestimmter Consonanten das so
entstandene e und o auf dem Boden der Lateinischen Sprache zu
i und u geworden ist. t ■
— 234 —
Dass schon in dieser frühsten Sprachperiode die Consonanten
bei der Vokalwandelung nicht ohne allen mitwirkenden EinQuss ge-
wesen sind, dafür sind wenigstens noch einzelne Spuren erkennbar,
die im folgenden Abschnitt zur Sprache kommen werden. Aber in
den meisten Fällen ist ein lautlicher Grund nicht erkennbar, wes-
halb ursprüngliches a im Lateinischen und Griechischen einmal zu e,
dann zu o, im Gothischen bald zu i bald zu u ablautete. Im Grie-
chischen und noch weit entschiedener im Deutschen sind diese
Laute, also das a und die aus demselben abgeschwächten oder abge-
läuteten Vokale vom Sprachgeist verwandt worden zur Unterschei-
dung der einfachen Tempora der Verba und zur Wortbildung.
Man vergleiche zunächst:
exTova, Ktevcj,
e<37tOQCC, ÖTtSQCÖ,
tSt QOCpK , TQS71CÖ,
stulans, stila,
s-tolaner, stilu,
h u 1 p a n s , h i 1 p a ,
holfaner, hilfu.
Im Lateinischen ist von dieser Verwendung des Ablautes in-
nerhalb der Verbalbildung keine Spur mehr übrig geblieben, denn in
pello, pepuli, pulsum, percello, perculi, perculsum,
tollo, tetuli ist, wie weiter unten nachgewiesen werden wird, der
Vokal durch den phonetischen Einfluss des folgenden consonanti-
schen Lautes umgelautet worden. Aber eine Spur des Ablautes
hat sich im Lateinischen noch erhalten in der Wortbild ung. Man
überblicke folgende Zusammenstellung :
Griech.
exrccvov,
EÖJtCCQOV,
EXQCCTIOV ,
Goth.
stal,
Althochd.
stal,
Goth.
halp,
Althochd.
half,
Lai. fero,
fors,
cello,
co 11 i s ,
tego,
toga,
t u g u r i u m ,
p e n d o ,
p o n d u s ,
Griech. tq ecpco ,
TQOtpij,
l e y co ,
koyog,
XQ£ 7TC3,
XQOTLCilOV ,
Goth. m i 1 a n ,
Dl u 1 d a ,
fr i m a n ,
fruma,
li i 1 1 h a n ,
h u 1 1 h s ;
so zeigt sich, dass
d;
IS
e
in fach«*, star
ke Verbu m in den drei
verwandten Sprachen
d<
■li
leichteren V
Oka 1 e oder i. das davon
— 235 —
gebildete Nomen den schwereren Vokal o oder u
wählt hat. Ebenso lasse]
[i sich vergleichen:
Lal. m e m i n i ,
m o n e o ,
m ens,
d i d i c i ,
doceo,
nex,
noceo, (Pott Et. F. I, 267.)
terra,
t o r r e o ,
e x t o r r i s ,
Griech. xhsTtta,
TcXöTtSCO ,
k leitog ,
% l o it e v co ,
%lo7tsvg ,
TQSCpCO,
X 0 0 (p b CO ,
TQ 8(p 0 g,
TQocpCag ,
CpBQCO,
<pOQS CO ,
(pOQSTQOV,
(poQL[iog ,
Goth. hilan,
huljan ,
t i n d a n ,
t u n d n a n ,
silan,
gasuljan,
s u 1 j a {vgl Ulfilas, ed. Gabi. u. Loeb.
Gloss. T. IL Gramm. Wortbil-
dung slehre).
In diesen Bildungen
der drei Sprachen hat das einfache
Verb um oder Nomen den seh wacheren Vokal e oder i , das
abgeleitete den stärk
eren Vokal o oder u. Aehnlich verhal-
ten sich auch zu einander :
Lal. pars,
portio,
m a r t u 1 u s ,
mors, (Pott Etym. Forsch. I, 221.)
Griech. TQcccpeQog,
tqc cpniog,
CpUQdTQU,
CpOQSTQOV ,
Goth. dragk,
af-drugkja,
Neuhochd. trank, trunk.
Nebeneinander zeigen sich die Ablautungsvokale o und e in der
Lateinischen Sprache auch in:
h o 1 u s , h e 1 u s ,
convollere, convellere,
Charis. p. 174.
amplocti, Prise. I, 32. //. amplecti, Cassiod.p. 2283.
compos, compes, Prise. I, 34. ff.
— 236 —
v o t o , {Plaut. Asin. 789 u.a.) v e t o ,
V o t u r i o s , Charts, a. 0. V e t u r i o s ,
volim, Prise. VIIT, 8. H. velim,
v o r r o , Plaut. Ritschi, Prot, verro,
Trin. p. 95.
vorto, verto,
voster, vester.
Unter diesen Formen gehören helus und comp es der alte-
ren Sprache an, sonst giebt die spätere Sprache dem leichteren Vo-
kal e vor dem schwereren o den Vorzug, wie denn Quintilian sagt,
man habe erst seit Scipio Africanus vester gesprochen (l, 7, 5).
Ein Einfluss eines benachbarten Consonanten auf diese verschie-
dene Vokalfärbung lässt sich nicht mit Sicherheit nachweisen.
Ebenso stehen nebeneinder:
ollus und ille,
o 1 i m , i 1 1 i m ,
oloes, Ulis,
ohne dass man eine Einwirkung eines benachbarten Vokales oder
des Hochtones wahrnähme.
Verglichen mit dem Griechischen und Deutschen ist aber die
Verwendung des Ablautes zur Wortbildung im Lateinischen doch
nur in einzelnen Wortformen sichtbar, während die lautliche
Einwirkung der Consonanten auf die Färbung der Vokale
viel mächtiger und mannigfacher ist als in jenen beiden
Sprachen.
2) Umlaut durch Wahlverwandtschaften von Consonanten zu
Vokalen.
Sprachliche Laute, die in unmittelbare Nähe zu einander tre-
ten, wirken auf einander ein wie lebende Wesen, die gleich-
gestimmten z i e h e n sich an, die u n g 1 e i c h a r t i g e n
meiden sich. Das Recht des Stärkeren gilt auch hier;
der schwächere muss sich anbequemen und fügen, oder
er muss den Platz räumen. Dem weichen flüssigen Vokal ge-
genüber ist der feste starre Consonant der stärkere; er stimmt
daher in zahlreichen Fällen« den benachbarten Vokal nach seiner
lautlichen Eigentümlichkeit um, während er seilen unter dem
Einflüsse von Vokalen leidet.
— m —
Es sind im Lateinischen nur die Hauchlaute h und f, der Zisch-
laut s und die Halbvokale v und j, also die vokalähnlichsten Laute,
die dem erweichenden Einfluss zweier Vokale, zwischen denen sie ste-
hen, ausgesetzt sind, so dass sie, wie oben gezeigt ist, geschwächt
werden oder ganz schwinden. Für die Geschichte des Lateinischen
Vokalismus wird also zuerst der E i n f 1 u s s der C o n s o n a n t e n
auf die Umlautung benachbarter Vokale, dann die Ein-
wirkung benachbarter Vokale auf einander zu unter-
suchen sein, lieber diese Pathologie der Lateinischen Laute sind
von Dietrich eingehende und scharfsinnige Untersuchungen ange-
stellt worden {vgl. Commentalionis de quibusdam consonae v in
lingua Latina affeclionibus parlicula. 1843. Commenlationes gram-
maticae dnae, I : De literarum in lingua Latina Iransposiliofte, II :
De vocalibus Latinis subjecta litera L affeclis. 1846. De vocaiium
quibusdam in lingua Laiina affeclionibus. 1 855.) ; mit Benutzung
derselben wird die vorliegende Frage in Angriff genommen werden.
Es werden also nach der Reihe die Vokale a, o, u, e, i in Betracht
gezogen werden und aus der Stellung, die sie factisch vor gewissen
Consonanten und Consonantenverbindungen finden, ein Sehluss ge-
zogen werden, durch welche consonantische Einwirkungen sie zu
jener Stellung gelangt sind.
Der Vokal a als der vollste und edelste Vokal hat mit den
Consonanten am wenigsten gemein; bei seiner Aussprache geratheil
Zunge und Lippen am wenigsten in diejenige Bewegung, wie sie die
Aussprache von Consonanten erfordert. Daher tritt er nicht als der
stätige Begleiter, als der unterthänige Lautgenosse eines Consonan-
ten auf; wo wir ihn finden, da hat er auch seit unvordenklichen
Zeiten gestanden; er ist im Lateinischen so wenig jemals aus einem
anderen Vokal durch lautliche Einflüsse irgend welcher Art ent-
standen, als die weisse Farbe auf dem Gemälde aus der Mischung
anderer Farben entsteht ; er ist durchaus vom ältesten Adel. Aber
eben weil er keine ausgeprägte Wahlverwandtschaft zu irgend einem
der Consonanten hat, musste er häufig den Platz leichteren Vokalen
überlassen, fügsameren Lautgesellen, die vermöge ihrer näheren
Lautverwandtschaft zu gewissen Consonanten sich mit denselben
mundrechter aussprachen und verbanden. So ist insbesondere das
k u r z e a im Lateinischen vermöge des durchgreifenden Einflusses
— 238 —
der Conson an ten auf die vorhergehenden Vokale aus den
Suffixen verdrängt und zu u, e, i erleichtert worden, wäh-
rend das Sanskrit und das Griechische an der entsprechenden Stelle
ihr a gewahrt haben. Die ganze folgende Untersuchung wird für
diese Thatsache zahlreiche Belege bieten.
o.
Der Vokal o zeigt seit alter Zeit eine Neigung sich mit vorher-
gehendem oder folgendem v zu verbinden. Man erkennt dies dar-
aus, dass er vor oder nach v im Lateinischen erscheint, wo das Grie-
chische £ oder a, das Sanskrit a zeigt.
So in:
ovis, Skr. avi-,
oF Lg, Goth. avi-,
novus, vefog, Skr. nävas,
quattuor, Gr. reCOagsg,
> Skr. catvaras,
v o m o , F i{L £ «, Skr. Wz. v am-,
voco, p£7ta, Skr. Wz. vac-,
vox, peTiog, Skr. vacas,
volvo, F£t^£G55 Goth. valvja.
Innerhalb des Lateinischen tritt o als Abschwächung von a auf in:
v o c u u s, Or.4859.fiir v a c u u s,
vocivus, vacivus,
vocatio, vacatio.
(Vgl. Plaut. Cas. Prol. 29. Fleckchen, J. Jahrb. L\, p. 252.)
Weiterhin wird die Rede davon sein, wie sich das o der 0-stämme
nach u und v noch lange hält, nachdem es sich sonst zu u verdunkelt
hat, dass man indess aus dieser Thatsache weniger die Wahlverwandt-
schaft des o zu v und u als eine Abneigung der Lateinischen Sprache
vor der Lautverbindung vu und uu ersehen kann. Im Uebrigen tritt
eine entschiedene lautliche Neigung und Verwandtschaft zu irgend
einem der Consonanten nicht hervor. Es ist dies begreiflich, da
nach a dieser Vokal die erste Stelle einnimmt in Beiug auf
Lautfülle und Lautgewicht und somit vielfach den leichteren Vo-
kalen u, e i weichen niusste, die namentlich in den Suffixen durch-
gehend s durch bestimmte Consonanten bedingt sind.
— 239 —
u.
Der Vokal u ist in Lateinischen Stammsilben , Ableitungssilben
und Flexionssilben entstanden aus a, o, e oder i durch Einfluss eines
folgenden s, m, 1, oder einer labialen Muta und durch zwei oder
mehrere auf einander folgende Consonanten, deren erster
einer der Liquiden 1, m, n, r oder der Zischlaut s ist.
Die ältere Lateinische Sprache, wie sie etwa zu Zeiten des
Pyrrhusund der Punischen Kriege war, zeigt denVokaloin
Suffixen vor auslautendem s, wo die spateren Römer u sprachen
und schrieben. So wahren die O-stämme den Vokal o vor dem aus-
lautenden s des N o m i n a t i v S i n g u 1 a r i s in :
t r i b u n o s , t. Für. Momms. U. F o u r i o , /. Für. Mo. U. D. p. 276.
D.p. 276. Ovio, a. 0. p. 306.
Mindios, Or. 1433. Pulio, num. Lucer. Bull. d.
Condetios, a. 0. inst. 1847. p. 159. Mo; U. D.
Specios, Or. 1421. p. 28.
Novios, Cisl. Praen. Or. 2489. Modio, a. 0.
Mo. U. D. p. 283. Terentio, Or. 3147.
Plautios, a. 0. A prüfe nio, a. 0.
Placentios, Ritschi, ftclil. Lat. Turpilio, a. 0.
p. 28. Albanio, a. 0.
f i 1 i o s , t. Scip. B. f. M u n a t i o , a. 0.
primos, Col. rostr. resl. R. Ra velio, /. N. 715.
T e t i o , l. Pisaur. R. fiel. Lat. C o m i n i o , a. 0.
p.Ti. Malio, a. 0.
Popaio, /. Pisaur. Mo. U. D. Terebonio, R. fictil.Lat.p.11.
p. 342. Cornclio, /. Scip. L. f.
{Vgl. Ritschi, Rhein. Mus. IX, 9. 12. Momms. a. 0. IX, 460.)
Eine sehr alte Vasenaufschrift zeigt die Wortform :
opos, Ri. fiel. Lat. p. 16.
Diese beweist, dass das Suffix neutraler Nominalstämme im
Lateinischen ursprünglich -os lautete wie im Griechischen und ein
Lateinisches genos dem Griechischen yavog einst völlig gleich
lautete. Dann ward dieses Suffix im Nominativ zu -us, in den
Casus obliqui sank das s zwischen zwei Vokalen zu r und lautete
dann den vorhergehenden Vokal häufig zu e um, während im Grie-
chischen das 6 ausfiel und die Vokale verschmolzen. So trennten
sich aus einer ursprünglich gemeinsamen Dativform genosi Lat.
generi und Griech. yivu. Es setzen also auch folgende Bildungen
— 240 —
von Nomen auf -us eine ältere auf -os auslautende Form des Nomi-
nativs voraus, wie auch aus dem Vocal o in den Casus obliqui erhellt:
corpus, lepus, pignus,
decus, littus, robus,
dedecus, nemus, stercus,
facinus, pectus, tempus,
fenus, pecus, tergus,
f r i g u s , penus,
Ebenso ist das o aus u verdunkelt in:
ebur, femur, jecur, robur,
deren Suffix -ur eine abgeschwächte Form von -os, -us ist. Das
selbe gilt von :
foedus, latus, vetus,
funus, munus, Venus,
gen us, onus,
holus, scelus,
die wie opos, opus in den Casibus obliquis den Vokal vor dem zu r
gesunkenen s zu e abschwächen.
Dass das Comparati vsuffix -ior, -ins einst -iös, -iös
lautete, Gricch. -lov, -lov, Sans Ar. -ijäns, -Ijas, ist schon
oben aus den Formen maiosibus, meliosem (S. bl) nachge-
wiesen; auch die neutrale Nominativform muss ursprünglich einen
langen Vokal gehabt haben, da das ö in den obliquen Casus lang ist.
Also ist ö zu ü geschwächt vor folgendem s in :
maius, melius, peius, minus u. a.
Die älteste Form der Endung des Ge netiv Singular i a im La-
teinische]] -os hat sich erhalten an U-stäminen in den alten Formen :
senat uos, Sc. d. Baccan.
magis trat uos, /. N. 3901.
dorn uos, Sud. üct. c. 87. Mar. Victor, 245(5. Ritschi, L Aietr.
M. Epigr. tr. p. 7,
deren letzte noch Augustus brauchte. Diese Endung entsprich! der
Griechischen Endung -os, und wahrte das o vor s, weil dem o ein
u vorherging. Bis in die Zeiten des Marius findet sich nämlich auf
Inschriften eine andere alte Genetivform us in :
nominus, Sc. d.Bacch.
Kastorüs, Sc. d. Tibttri.
Ca stör us, /. Haut.
pari us, /. Baal. /. rcpcl.
Venerus, /. N. 4227. 3561 {a. Ch. 108.) Or. 1364.
Cerer us, /. N. 3564 («. CA. 104.) 3562.
honorus, /. Puteol. (a. Ch. 105.).
Das Senatusconsult über die Bacchanalien zeigt sonst durch-
weg schon die Endungen -us, -um für die älteren -os, -om; wenn
es also senatuos neben no minus hat, so ist der Uebergang des
o zu u in der ersteren Form deshalb nicht erfolgt, weil, wie sich
weiter unten ergeben wird, die Lateinische Sprache den Gleichklang
uu mied. Die auf u, i oder einen Consonanten auslautenden Stämme
fügten sich also wie die entsprechenden Griechischen das s des
Genetivs mittelst des Bindevokals o an; dieses o trübte sich aber
erst zu u, dann weiter zu i, wie die Vergleichung von Äatfrooog,
Castorus, Castoris zeigt.
Den auf der restaurierten Inschrift der Golumna Rostrata vor-
kommenden Formen Abi. Plur navebos und Acc. Plur. macis-
tratos kann man neben tempesta tebus (t. Scipion. B. /*.), se-
natud (t. Venus. I. N. 716), eidus {Col. Somasc. Mo. U. D. p. 32.
Acc. Plur.), Formen, die auf den ältesten Inschriften vorkommen,
nicht recht trauen. Es scheint, als ob die Wiederhersteller der In-
schrift zu Claudius oder Hadrians Zeit in ihrem Bestreben überall
das altlateinische o für späteres u in den Ableitungs- und Flexions-
silben herzustellen zu weit gegriffen hätten. Jedenfalls kann man
auf jene Formen navebos, macist ratos nicht sicher bauen, so
lange sie nicht, durch ähnliche Formen aus alten Originalinschriften
bestätigt sind.
Wie vor dem s des Nominativs, so zeigen die O-stämme vor dem
auslautenden schwach tönenden m des Accusativ Singularis o
statt des späteren u, mag das m in der Schrift ausgedrückt sein oder
nicht; so in:
d o n o , c a p t o m ,
d an o m , o i n o ,
pocolom, optumo,
sacrom, viro,
poublicom, Luciom,
locom, Samnio,
Volcanom, vgl. oben S. 110.
Vereinzelt in späterer Zeit findet sich so :
inmolitomve, /. Jul. munic.
CORSSEN. 16
— 242 —
Vor dem ebenfalls schwach tönenden auslautenden m des Ge-
netiv Pluralis der O-stämme findet sich das alte o für späteres u
ebenfalls noch erhalten in :
duonoro,
olorom, vgl. S.,110 f.
Auch die dem Griechischen Genetiv auf -ior entsprechende
Form des Genetiv Pluralis -um lautete Altlateinisch -öm und findet
sich so in den Münzaufschriften:
Aiserninom, Caiatino, Paistano,
Ladinom, Caleno, Romano,
Aisernino, Corano, Suesano,
Aquino, Cozano, Tiano. Vgl. S. 110.
Wann das o vor s und m in der Sprache sich zu u verdunkelte,
darüber geben die Inschriften Auskunft*).
Die ältesten Inschriften, die auf uns gekommen sind, wie die
Inschriften des heiligen Haines von Pesaro und von Venusia, die
Aufschriften auf Altlatinischen Thongefässen, Bronzen und Münzen,
auf der Cista von Präneste, der Florentiner Base und ähnliche zeigen
sehr vorwiegend die Schreibweise -os, -om; doch findet sich da-
neben vereinzelt schon -us, -um auf eben so alten Schriftdenk-
mälern ; so in :
Aprunnius, t. Spol. Grut. 95, 6.
Vibonus, a. 0.
Aorelius, a. 0.
Placentius,i?/. Rh. Mus. IX, 19.
donu, t.Pisaur. Ri. fiel. litt. Lat. p. 28. Rh. Mm. IX, 19.
donum, /. Flor. Ri. a. 0. p. 27. Momms. Rhein. Mus. IX, 460.
*) Eingehende Untersuchungen über diese Frage sind von Ritsehl
(Rhein. Mus. IX p. 10) und Mommsen (Jahn. Ficorun. Cist. S. 43 f.
Rhein. Mus. IX, 464) angestellt. Kitschi nimmt drei Perioden der
Schreibweise und Aussprache an: die erste, wo o und e allein statt
des späteren u und i geschrieben wurde, die zweite, wo die Schreib-
weise zwischen o, e und u, i schwankt, die dritte, in der u und
i zur Herrschaft gelangt ist. Mommsen weist nach, dass diese Drei-
theilung nach den uns vorliegenden Schriftdenkmälern nicht gerechtfer-
tigt sei, dass man auf Grund derselben nur zu dem Ergebniss gelangen
könne: bis zur Mitte des sechs ten Jahrhunderts der Stadt überwiegt
o, e in der Flexion, doch einzeln erscheint u daneben; Beit dem Sc. de
Baccan. ist u, i zur Herrschaft gelangt (Rhein. Mus. IX, 1C.4— 407).
— 243 -
Auf den beiden ältesten Scipionengrabschriften*) hat sich das
o vor m noch gewahrt, während es vor s schon in der Mehrzahl der
Fälle zu u umgelautet ist. Man vergleiche :
Luciom, filios, Cornelius,
oino, Cornelio, Lucius,
optumo, Barbatus,
viro, prognatus,
Samnio, quoius,
duonoro.
Auf den Weiheinschriften der Claudier aus der Zeit des zweiten
Punischen Krieges findet sich schon die jüngere Schreibweise in
dem Namen :
Claudius, /. N. 6766. Rilschl. fiel. Lat. p. 27.
aber -om erhält sich noch in Aufschriften auf Kupfermünzen bis in
die Zeit des zweiten Punischen Krieges {Momms. Rhein. Mus. IX, 465).
Da das Senatusconsult über die Bacchanalien durchweg die Schreib-
weise -us -um hat, so folgt daraus, dass zur Zeit des Syrischen
Krieges in der Aussprache das alte o vor s und m in Endsilben
sich zu u verdunkelt hatte.
Doch hielt sich das alte o vor auslautendem m und s überall,
wo ihm ein vokalisches oder consonantisches V vorherging, bis
in die erste Kaiserzeit. Quint. 1,7, 26: Nostripraeceptores
ccervomque' cv* et co' literis scripserunt, quia sub-
jeeta sibi vocalis in unum sonum coalescere et con-
fundi nequiret, nunc cv' geminata scribuntur. Velius
Longus sagt p. 2222 P.: nam cum per o scriberent, per u
tarnen enuntiabant, auch hier änderte sich also die Aussprache
früher als die Schreibweise. Alle Voraugusteischen Inschriften
zeigen bis auf ganz vereinzelte Ausnahmen die Schreibweise VO;
vo, uo sprach und schrieb man zu Plautus Zeit und der Ambro-
sianus hat diese Schreibweise erhalten. Man vergleiche folgende
Nominativ- und Accusati vformen:
auf Inschriften : bei Plautus und Lucretius :
mortuos, t. Scip. Or. 556. servos,
compaseuos, /. Genuat. I. agr. {Thor.) mortuos,
*) Ritschis Ansicht , dass die Grabschrift des L. Scipio Barbatus
jünger sei als die seines Sohnes {Rhein. Mus. IX, 9), ist von Mommsen
widerlegt {Rhein. Mus. IX, 461).
16*
— 244 —
auf Inschriften: bei Plauius und Lucretius:
veivos, /. N. 1591. 236. perpetuos,
vivos, /. N. 2043. 1917.
abavos, IN. 3983.
aiquom, Sc. d. Bacc. novom,
aequom, Sc. d. Tiburt. Sc. d. Ascl. Claz. mutuom,
arduom, /. Aletr. Mon. ep. tr. Ritsch. miluom,
i n i q u o m , i. Genuat. i n g e n u o m ,
perpetuom, /. N. 6149. /. repet. (Serv.) triduom,
/. Puteol.
equom, /. repet. (Serv.) aevom,
compascuom, /. agr. (Thor.) rivom,
p a r v o m ,
suora, /. Jul. mun. Or. 4848. nativom,
q u o m, auf allen grösseren Vor augusteischen quom,
Inschriften, vgl. Quint. I, 7, 5.
quomque, aa. 00.
und die G enetivformen :
duomvires, Or. 3808. divoin.
(Eilschi, Proll. Trin. 94. Fleckeisen Epist. Crit. p. 8.)
Auch für die Zeit des Augustus und seiner nächsten Nachfol-
ger wird diese Aussprache und Schreibweise bestätigt durch In-
schriften und Handschriften. So finden sich :
in Inschriften-. in Vergithandschriften.
parvos,
1 vos
n o v o s ,
t o r v o s ,
vivos
perpetuom, Cenot. Pis. Or. 643. 2489. vivo in ,
arduom, Murd.laud. Or. 4860. acervom,
tuom, laud. fun. Or. 4859. laevom,
rivom, /. N. 4602. cavom,
d i v o m , t. Salpens, Malacil. Or. Henz. c la vo mq u e,
p. 7421.
suom, i. Salp. aevom,
reliquom, /. Malac. a. 0.
vacuom, / Malac. alvom,
— 245 —
in Inschriften: in Vergilhandschriften .
quora, Or. 4859. 4860. ignavom,
Achivöm,
di vom, u. a.
{Vgl. Wagner, Orthogr. Vergil. p. 445. Lachm. Lucr. p. 172.
220. 398. SilKfft Praef. Plin. p. 72.)
Ganz geschwunden scheint diese Aussprache und Schreib-
weise nie zu sein, da Terentius Scaurus (p. 2251. P.) noch:
avos, ,
a vom
als gebräuchlich anführt. Die alte Aussprache des quom hielt
sich in:
, quoniam, für quom i am.
Der Lateinischen Sprache war die Aufeinanderfolge der gleich-
oder ähnlich klingenden vokalischen oder halbvokalischen Laute v u,
u u an allen Stellen des Wortes in älterer Zeit wie in der Blüthe-
zeit der Litteratur ebenso zuwider wie die Aufeinanderfolge der glei-
chen Laute ii, von der weiterhin die Rede sein wird; deshalb hielt
sie dort die Aussprache und Schreibweise VO lange fest, hier dissi-
milierte sie vielfach ii zuie oder verschmolz es zu I.
Die spätere Römische Volkssprache, die zu vielen Eigenthüm-
lichkeiten des Altlateinischen zurückkehrt und namentlich 6 und o
vielfach die Stelle wiedergiebt, die es im Altlateinischen für i und u
einnahm, zeigt auch das o vor auslautendem m und s. So finden
sich auf Inschriften der späten Kaiserzeit die Wortformen :
Votivos, /. N. 2558 (p. Ch. 289).
populos, Or. Henz. 5171.
vivos, Grul. 1056, 2. /. B. N. 5607. Boiss. L Ly. X, 18.
tuom, Grut 1055, 1.
bonom, Fleetw. S. I. Mon. Christ. 473, 2. Boiss. I. Ly. XVII, 58.
memoriom*), a. O.
*) Diese Inschrift gehört der Zeit an , wo nach Abfall der auslau-
tenden Consonanten m und s der Unterschied des Casus schon erloschen
war; bonom memoriom bedeutet dem Zusammenhange nach bonae
memoriae oder bona memoria"; memoriom ist in die O-declina-
tion übergetreten wie Italienisch festuco, orecchio, olivo von La-
teinisch festuca, auricula, oliva (Dietz, Gramm, d. Rom. Spr. II,
15 f.).
_ 246 —
con, /. N. 1020. 1655. 3487. 68Q0. 5420. 4796. für cum,
quon, /. N. 5801.
annoro, Grut. 1061, 3. Fleetw. S.L Man. Christ. 503, 2.
Die Spätlateinische Genetivform annoro stimmt also genau
zu der Form duonoro auf der alten Scipionengrabschrift. So er-
scheint es natürlich, dass das Italienische und andere Romanische
Sprachen auf dem Wege der Spätlateinischen Volkssprache weiter
gegangen sind und nach Abfall der Casusendungen das alte o der
O-stämme wieder erhalten haben, ja es auch für das auslautende u
der Lateinischen U-stämme eintreten lassen. Die alte Form des
Genetiv Pluralis der O-stämme, die das auslautende m abgeworfen
hat, ist noch erhalten in den Italienischen Formen loro, co-loroi
co-storo, cot-estoro. Diese Genetivformen loro für illor um
und in Zusammensetzungen storo und estoro für istorum ent-
sprechen also genau der Spätlateinischen annoro und der Altlatei-
nischen duonoro; der Bauer der Römischen Campagna spricht
also noch heutigen Tages diese Genetivendung ebenso aus, wie sie
im Munde der gewaltigen Römer klang, die vor ein und zwanzig
Jahrhunderten auf den Sarkophag des Lucius Cornelius Scipio
schrieben, dass er der beste der guten Männer gewesen sei.
Zur Aufhellung dieses Lautwechsels zwischen <> und u ist es
erspriesslich, auf die Schwesterdialekte des Lateinischen, nament-
lich das Umbris che und Oskische, einen Rück zu werfen.
Das Oskische stösst meistenteils das auslautende o seiner
O-stämme im Nominativ ab. Doch findet sich im älteren Oski-
schen die Nominativform :
P e r k e n o s , Momms. U. 3. XXXVIII.
Vor dem auslautenden m des Accusativs hat das Oskische
das o seiner O-stämme meist gewahrt ; so in :
donom, Leu. donum, taurom, Lat. taurum,
hortom, bor tum, thesavrom, t he säum m,
dolom, dolum, malom, mal um,
ion-c, eiiiii, kom, cum,
censtom-en, in-censum, com,
s a a h t o m , sanetum, con,
sakoro, sacrum, pon, . quom
{Momms. U. D. Gloss.)
doch finden sich auch Reispiele , wo das o zu u verdunkelt ist;
so in :
— 247 —
veru, Umbr. veru, dem Sinne nach portam,
Sarin ü, Lat. Sarnum,
{Zeüschr .mfür vgl. Sprachf. V, 130.)
d o 1 u m , Lat. d o 1 u m ,
nesimum, dem Sinne nach Lat. proximum
{Kirchhof, Stadtrecht von Bantia, S. 39).
Das jüngere Oskische hat die Formen des Genetiv Pluralis
-um von Consonantischen und I-stämmen und -azurn Lat. -arum
Sans/er. -ä säm von A-stämmen in den Wortformen wie :
n e r u m , vgl. Sabinisch N e r o n u m ,
das nach Sucton {Tib. c. J) als Beiname der Claudier fortium be-
deutet {Zeitschr. für vergl. Sprachf. V, 118.)
Tiiatium, Lat. Teatium,
egmazum,
eizazun-c
{Momms. U. D. Gloss. Kirchhof Stadlr. v. Banl. p. 35).
Genetivformen, die das o vor m gewahrt hätten, weisen die Os-
kischen Sprachdenkmäler nicht auf.
Der dem Griechischen -av entsprechende Genetiv Plur. von
Oskischen O-stämmen lautet stets -um, wie in den Lateinischen
Formen de um, numüm, sestertiüm. So in den Münzaiff-
Schriften:
Kupelternüm, Lat. Compulteri norum,
Ma{iEQtLvovii, Mamertinorum,
Abellanüm, Ahellanorum,
A 1 a f a t e r n ü m , A 1 a f a t e r n o r u m.
{Momms. a. 0.)
Das Oskische braucht als Infinitiv den Accusativ eines Verbal-
substantivs, das durch Anfügung des Suffixes -o gebildet ist. Dieses
o erscheint aber überall zu u verdunkelt; so in:
censa-um, Lat. censere, akum, Lat. a g e r e ,
molta-um, multare, deicum, dicere,
e z u m, Umbr. e r o m , Lat. esse
{Umbr. Sprachd. AK. II, 330. Kirchh. Stadtr. v. B. S. 53. Momms.
U. D. Gloss.).
Das Lateinische hat einzelne Ueberbleibsel solcher Infinitiv-
bildung in den Zusammensetzungen:
venum-ire, venum-dare.
— 248 —
In der Verdunkelung des langen o zu u ist das Oskische noch
weiter gegangen als das Lateinische. Neben den auf -od auslau-
tenden Ablativformen , welche den Altlateinischen wie molticatod,
oquoltod, die schon oben zusammengestellt sind, entsprechen,
finden sich zahlreiche auf -ud auslautende. So stehen neben
einander:
Bovaianod, Lat. B o v i a n ö , aragetud, Lat. a r g e n t o ,
sakaraklod, vgl.Lai. sacello, tristamentud,testamento,
Tiianud, Teano,
atrud, altero,
amiricatud, immercato,
preivatud, privato,
contrud, contro,
ligud; lege,
malud, malo.
(Momms. U. D. Gloss. Kirclih. Stadtr. v. Baut. p. 39.)
Der Lateinischen Imperativendung -to entspricht Oskisch
immer -tud in den Verbalformen wie:
e s t u d , Lat. e s t o ,
likitud, liceto,
actud, agito,
factud, facito,
Auch das Suffix -tör, -sör verdunkelt das Oskische zum Theil
zu -tur. So stehen neben einander:
V e r s o r e i , Lat. Versori, embratur, Lai. imperator,
kenzsor, Censor, kvaisstur, quaestor,
c e n s t u r , censor.
Es ist hiernach ersichtlich, wie die Oskische Sprache in der
Zeit, aus der die uns vorliegenden Schriftdenkmäler stammen, sich
in demselben Zustande des Schwankens und des Ueberganges
von o zu u befunden hat, wie das Altlateinische in der Zeit des
zweiten Puni sehen Krieges. Die ältesten Oskiscben Sprach-
denkmäler, die auf uns gekommen sind, Griechiscb-Oskische Auf-
schriften auf Silbermünzen, reichen hinauf bis in die Zeiten kurz
nach der Eroberung von Campanien durch die Samniten, die Brut-
tischen und Lukanischcn Inschriften in Griechischer Schrift bis in
die Zeit der Samniterkriege, die ältesten Inschriften in Oskiscber
Schrift, die Capnanische Inschrift, die noch einen meddi* von Capua
nennt, und der Cippus von Abella können nicht jünger sein als der
— 249 —
Kannibalische Krieg, die jüngsten Sprachdenkmäler wie die Tafel
von Bantia und die Aufschriften auf den Münzen der Italiker reichen
bis ins Zeitalter der Gracchen und den Bundesgenossenkrieg hinab
(Momms. Unt. Dial. S. 113). Also um die Zeit der Punischen
Kriege schwankt in der Lateinischen wie in der Oskischen Sprache
die Aussprache vielfach zwischen o und u in den besprochenen
Endsilben.
Im scharfen Gegensatz zu diesen Dialekten scheint das Um-
bris che zu stehen. Das Alt umbris ch e zeigt an der Stelle des
Altlateinischen o im Inlaut vor einfachen wie vor gehäuften Conso-
nanten, in Endsilben vor auslautenden Consonanten und im Auslaut
selbst durchweg u. Im IN e u u m b r i s c h e n tritt an die Stelle dieses
u mit wenigen Ausnahmen o {Umbr. Sprachd. AK. I, 53. 54).
Man vergleiche:
Lat.
p o p u 1 u m ,
picum,
Tuscum,
cum,
p r i m u m ,
scriptum,
piaculorum,
f r a t r u m ,
esse,
(ambi-ferre)
circumferre.
{Umbr. Sprachd. AK. 1,51—53. 1 16. 120. 128. 148. vgl. Wortverz.)
Das u bleibt auch im Neu umbr i sehen im Ablativ der 0-
stämme nach Abfall des auslautenden d; so in:
v i n u , Lat. v i n o , termnu, Lat. t er m i n o ,
p i h a c 1 u , p i a c u 1 o
eben so in den Imperativformen:
e n e t u , Lat. inito, deitu, Lat. d i c i t o ,
fetu, facito, pihatu, piato,
in der aus -ifus {Lat. -ibus) durch die Mittelstufe -ihus entstan-
denen Ablativendung -us der Wortformen wie :
f r a t r u s Lat. fratribus, karnus Lat. c a r n i b u s ,
in der Umbrischen Passivendung der Formen wie :
emantur, Lat. emantur, terkantur, Lat. tergeantur,
Altumbr.
Neuumbr.
p u p 1 u m ,
p o p 1 o m ,
peico,
T u s c o m ,
kum,
com,
p r u m u m ,
promom,
s c r e h t o ,
pihaclo,
•
fratru,
f r a t r o m ,
e r o m ,
Osk. ezum,
a f e r o m ,
— 250 —
in dem Suffix -tör -tür von:
kvestur, Osk. kvaistur, Lai. quaestor.
Der Volskische Dialekt, der dem Umbrischen überhaupt im
Vokalismus gleich steht, zeigt ein o an derselben Stelle wie das Neu-
umbrische und Altlateinische in:
d u n o m , Lai. donum, V e 1 e s tr o m ; Lai. Veliternorum,
statom, st a tum;
p i h o m , p i u m ,
er hat wie das Neuumbrische das o zu u verdunkelt in den Abla-
tivformen:
v i n u , Umbr. v i n u , Lai. v i n o ,
toticu, dem Sinne nach publico,
s e p u , vgl. Osk. s i p u s , Lai. s i b u s ,
und in den Imperativformen wier
e s t u , Osk. e s t u d , Lai. e s t o
{vgl. d. Bronzen von Vellelri und Civiia d'Anlino, Momms. U. D.
Taf. XIV, 1. 2. /;. 320 /. Verf. d. Volscor. ling. p. 41 /.40.25.39).
Aus paläographischen, sprachlichen und historischen Gründen
setzt R. Lepsius (de iabulis Eugubinis, p. 33. 41. 85. 93) die Ab-
fassung der Lateinisch geschriebeneu Tafeln von Ig u vi um ge-
gen das Ende des zweiten Punischen Krieges, und rückt die
Abfassung der Umb'risch geschriebenen Tafeln um zwei Jahr-
hunderte hinauf bis in die Zeit, wo die Macht der Etrusker ge-
brochen wurde in der Poebene durch die Gallier, in Südetrurien Bach
Veji's Fall durch die Romer, in Campanien durch die Samniten, und
wo die Senonen Rom in Asche legten, also bis in die Zeit, aus der
die ältesten Griechisch -Oskischen Aufschriften auf Silbernninzcn
stammen. Daraus erhellt, dass ungefähr in demselben Zeit-
alter, wo im Munde der Latiner und Osker der Vokalische Laut
in Endsilben, von dem hier die Rede ist, entschieden nach o hin-
neigte, also in der Schrift ganz vorwiegend darcb e bezeichnet
wurde, im Munde der Umbr er derselbe Laut sich vorwiegend als
u darstellte, und dass gerade in derselben Zeit, wo im Lateinischen
in Aussprache und Schrift u für o eintrat, im Ne u um bri sehen
ein jüngeres o für ein älteres u Plat« gegrillen hatte ebenso
wie im Volskischen. Dieser Gegensatz zwischen den Schwester-
dialekten führt auf die Frage, welcher Laut denn nun auf Italischem
Sprachboden der ältere war, das Altlateinische o oder dal Altuin-
brische u. An allen Stellen, die oben in Betracht gekommen sind,
— 251 —
entspricht das AI tläleinische ö einem Griechischen o und
Sanskritischen ä, das Altlateinische ö einem Griechi-
schen cj und Sanskritischen ä, und auch sonst wird aus a des
Sanskrit oft Griechisch und Lateinisch o, niemals u ohne die Zwi-
schenstufe o. Es war ein Gemeingut der Grae co-Italiker,
als sie sich von den übrigen Indogermanen getrennt hatten, jenes
aus a abgeschwächte o; so sank auch das ursprünglich lange a der
femininen A-stämme im Oskischen zu o in vio, Lat. via, molto,
Lat. multaw. a. Das Altlateinische bewahrte jenes den
Griechen und Italikern gemeinsame aus a entstandene o, bis in die
Zeit, wo Rom nach Niederwerfung Garthagos die erste Gross-
macht wurde; dann tritt in der Sprache der G e bildeten für dieses
o in Endsilben vor s und m u auf. Aber aus der Volks- und
Bauern spräche ist das alte o nie völlig verschwunden; daher
tritt es nach dem Verfall der Römischen Litteratur in der späteren
Volkssprache w i e d e r h e r v o r und vererbt sich auf die Roma-
nischen Sprachen. Das Umbris che hat diesen Process meh-
rere Jahrhunderte früher durchgemacht. Schon die älte-
sten Sprachdenkmäler dieses Dialektes zeigen die Verdunkelung
des ursprünglichen Itfdiscji-Griechischen o zu u Aber dieses o
trat im j ü ngeren Umbrischen wie in der Spätla teinischen
Volkssprache wieder hervor, nachdem die Römische Schrift
bei den Umbrern die einheimische verdrängt hatte, und der Provin-
cialdialekt seit der Unterwerfung der Umbrer dem Einfluss der herr-
schenden Sprache, die in dem ersten Jahrhundert nach Besiegung
der Italiker noch das o wahrte, ausgesetzt war. Das Neuumbri-
sche geht dann noch weiter wie die Spätlateinische Volkssprache,
indem es auch das u von U-stämmen zu o wandelt, wie dies
im Italienischen und anderen Romanischen Sprachen ge-
schehen ist.
Die Umbrische Sprache ist also in der Verdunkelung des o zu u
und in der Rückkehr zu dem alten o der Lateinischen um einige
Jahrhunderte zuvorgekommen.
Damit steht im vollsten Einklang, dass alle Symptome des
Verfalls im Umbrischen Dialekt ein paar Jahrhunderte früher
eintreten wie in der Römischen Volkssprache der späteren
Kaiserzeit, die Trübung der Diphthonge, die Ausstossung der Vokale,
die Assibilation und der Abfall der auslautenden Consonanten, Laut-
schwächungen, die theils schon besprochen sind, theils noch weiter
— 252 —
unten zur Sprache kommen werden. In Zeiten, wo das politische
und kriegerische Leben der Hauptvölker Italiens beginnt, ist die
Macht der Umbrer bereits gesunken; so erscheint auch ihre Sprache
schon gealtert und im Absterben begriffen,, als die Sprache der Latiner
und Sabeller noch in voller Lautfalle blühte. .
Es ist nun weiter die Umlautung der Vokale zu u im Inlaut
der Wortstämme zu betrachten.
Die Labialen b, p, f und m zeigen eine natürliche Wahlver-
wandtschaft zu demjenigen Vokal, bei dessen Aussprache die Lippen
am meisten in Thätigkeit sind, zu u. Diese bethäligt sich einmal in
der Abschwächung eines ursprünglichen a zu u im zweiten Gliede
der Composita vor Labialen, von der weiter unten die Rede sein wird;
aber auch ausserdem tritt sie deutlich genug hervor.
Dies gilt zunächst vom m, das vor sich den Vokal u herbeizieht.
So entsteht:
g 1 a u c u m a aus yXavKco^ia
{Ritschi, Prot. Irin. p. 95. Fleckeis. Ep. Cht. Plaut, p. 9).
Aus demselben Grunde ist der- Bindevokal der ersten Person
Pluralis -mus, der im Sanskrit a, im Griechischen o ist, im Latei-
nischen zu u verdunkelt in:
s-u-mus, vgl. Griech. eti-o-iieda,
vol-u-mus, ßovk-o-iLS&a,
n o 1 - u - m u s ,
mal-u-mus,
in den anderen Verbalformen hat sich dieses u zu i erleichtert. Aus
demselben Grunde erscheint im Altlateinischen u vor den mit m an-
lautenden Suffixen; so vor dem Suffix -mo in den schon besproche-
nen Wortformen wie :
d e c u m a , i n f u m u in , la er u m a s u. a.; vgl. S. 1 45 /'.
ferner in dem zusammengesetzten Suffix, das im Sanskrit -tania
lautet, im Altlateinischen sich zu -tumo, -sumo gestaltet, also in
Wortformen wie:
inaritumeis, probisuma, vicensumam, ploiruinc
optuma, maxsume, facilumed,
proxsumeis,
vgl. S. 145/.
In der späteren Sprache hat der Hang zur Vokalerleichterung
in Suffixen über die Wahlverwandtschaft des m zu u gesiegt und d,i>
u erst zu dem Mittellaut ü dann meist zu i erleichtert.
- 253 -
Das anlautende m der zusammengesetzten Suffixe -monio und
-mento hat auslautendes i und e von Stämmen, an welche es trat,
sich zu u assimiliert in :
testumonium, /. repet. vom Nominalstamm testi-,
monumentum, vom Verbalstamm mone-,
documentum, doce-;
auch dieses u erleichterte sich zu i; in der spätesten Volkssprache
erscheint für dasselbe o in:
monomentum, /. N. 2988*).
Bezeichnend für die Wahlverwandtschaft des m zu u sind die
Plautinischen Formen (Ritschi Rhein. Mus. VIII, 47(5. XII, 100):
d räch um a, für Griechisch dQu%{iYj,
Alcumena, 'Al%\ay\vy\,
Alcumaeo, 'Aln^aCav^
Tecumessa, Tsz^Tjööa.
Da die Lautverbindung cm dem Römischen Munde unbequem
war, so entwickelte das m seinen vokal i sehen Beiklang zu ei-
nem stummen u gerade so wie 1 in den Formen Hercules,
Aescülapius
Wahlverwandtschaft zu u zeigt auch der labiale Hauchlaut f.
In den Zusammensetzungen:
sacrosanetus, sacrovir, vico maxister, vicocapitis
[Eichenf. u. Enal. Anal. Gramm, p. 445)
hat sich das auslautende o der O-stämme erhalten. Lautete das
zweite Glied des Compositum mit f an, so assimilierte sich in der
älteren Sprache das o demselben zu u. So überliefern die Plautus-
hand Schriften :
sacrufico, fumuficem, signuficem,
magnuficus, spureuficum.
In :
pontu-fex, vom Stamme ponti-,
munu-ficus, muni-
(immunis)
*) Auch in den Formen marmur, Quint. I, 6, 23, für marmor,
hurainera, Prise/ 1,35. ff., für hominem hat das benachbarte m die
.Verdunkelung- des o zu u bewirkt.
— 254 —
ist das i von I-stämmen durch f zu u umgelautet; in:
op-u-fex,
pac-u-ficari,
carn-u-fex, Prise. I, 33. carn-u-ficina,
wählte das f ein u vor sich als Bindevokal, da es an consonantisch
auslautende Stämme trat; in:
manu-festus
blieb daher das u des Stammes vor f unverändert (vgLRilschl, Prot.
Trin. p. 90. Fleckeis. Ep. Crü. PL p. 8).
Ebenso erscheint u durch folgendes b aus o verdunkelt in:
bubus für bobus, rubeus neben robeus,
rubustis, Or. 642, für robustis.
Griechisches a ist im Lateinischen vor b erst zu o, dann zu u
umgelautet in :
Hecuba, alt He c ob a, Quint. I, 4, 16, für 'Ex aß rj,
nachdem der Vokal durch das Zurücktreten des Hochtones im La-
teinischen tieftonig geworden war. In :
e b u r neben ebor, robur neben r o b o r
scheint das b die Umlautung des folgenden o zu dem labialen Vo-
kal u bewirkt zu haben, in
tubulustrium, Varro L.L.W, 14,vontuba
die Umlautung des a zu u, zumal du dem u ein 1 folgte. Vor ein-
fachem 1 wandeln sich die Vokale a, o, e, i leicht zu u. Vor
folgendem I verdunkelt sich Altlateinisches o in Stammsilben
wie in den Suffixen -ulo, -bulo, -culo und deren Fortbil-
dungen zu u. Auf den älteren Inschriften findet sich diese alte
o noch vielfach erhalten (vgl. Dietrich: de vocalibus subjeetck lit-
ter a L affeclis)\ so in:
pocolom, Bitschi fiel iL Lat. co nsoluerun t, a. 0.
p. 8, 17, 18. Canoleiu», fiitschL /ict. Lat.
cosol, i. Scip. L. f. p. 28.
c o n s o 1 , t. Scip. B. f. t. Scip. B. ta b o 1 a m , Sc, d. Bacc. fr.
7.7V. 6766. 1381. Maffei, Rhein. Mus. VIII,
consolve, /. agr. (Thor.) 482.
consolibus, /. d. Termes (ne- taboleis, /. J'xittt. L repet. L
ben consulib ns). repet. (Sc/r.)
cosoleretur, Sc. d. Bacc. Septunolena, Ur. 4309, 5.
— 255 —
Hercolei, Epigr. Sor. I. N.
4495. Ri. Mon. Epigr. tr.
Hercolem, Prise. I, 35. H.
semol, Epigr. Sor. a. 0.
p o p o 1 u m , l.rep. Mar. Victor.
p. 2458.
s ingolos, t. Genuat.
singoleis, fr. Maff.
conciliaboleis, l.rep. (Serv.)
tolerint, a. 0.
d e t.o 1 er i t , /. repet. {Serv.)
angolaria, /. Puteol.
Sodola, /. N. 5409.
Vgl. p i a c o 1 u m , Mar. Viel. p.
2458.
exolatum, Rhein. Mus. IX,
17.
colin a, a.O.
Sorticolis, fr. Maff.
Auf Inschriften der Kaiserzeit findet sich dieses o noch in:
Caesolenus, /. iV^. 5645. parvolo, I. N. 3093.
famola, I. N. 6305, 2.
Die ältesten Spuren der Verdunkelung des o zu u zeigen sich
schon frühzeitig; so:
Cesula, t. Pisaur. Ri. fiel. Lat. p. 28. Rhein. Mus. IX, 466.
adulescens, Ri. Prot. Trin. 96. von adoleo,
Fleck eis. Ep. Grit. 8.
epistula, a.O. I. N. 6828. 6851.
2558. 4916. Or. HenzMtt, a.b.c.
7215.
iTtiOroliq, *
e p i s t o 1 a , Roiss. 1. Ly.
VII, 18.
Um die Zeit des Lucilius und Attius fängt die Schreibweise
auf denselben Schriftdenkmälern zwischen u und o zu schwanken
an. So stehen nebeneinander auf der Tafel von Bantia:
postulabit, popolum,
t a b o 1 e i s ;
in dem Repetundengesetz, das man das Servilische zu nennen
pflegt :
tabu las, taboleis,
d e t u 1 e r i t , detolerit,
populus, singolos,
postulaverit, sorticolas,
conciliaboleis;
in dem Plebiscit über die Termessier:
consulibus, consolibus;
p o p u 1 e i ,
in dem Dedicationsgesetz des L. Aienus und Q. Baebatius (Or. 2488.
a. Ch. 58):
— 256 —
tabulamentaque, comolateis.
piaculo.
{Vgl. Dietr. voc. subj. litt. L äff: p. 31.)
In der ältesten Zeit also klang der hier in Rede stehende
Laut vor 1 vorwiegend wie o, um Attius und Lucilius Zeit
scheint es nach dem Schwanken der Schreibweise zu urtheilen ein
Mittelton zwischen o und u gewesen zu sein, in der letzten
Zeit der Republik prägt er sich im Munde der Gebildeten
zu u aus, doch ist der O-laut in der Volkssprache nicht ganz
verschwunden.
Resondere lautliche Einwirkungen haben indess die Umlautung
des o zu u durch folgendes 1 verhindert; so der Einfluss eines
dem o vorhergehenden i, das dem O-laut näher stand als dem
U-laut in:
sciolus, filiola, Capriolus, Potiolana,
viola, patriciolus, Corioli, Anniolenus,
violo, senariolus, Publiolus, Appiolena,
violentus, Apiola, Principio- Didiolenus,
gladioius, Apiolae, la, Oviolenus,
unciola, Aviola, Tulliola, Medioleius,
negotiolum, Capriola, Coriolanus,
Martiola, Boiss. I. Zy. X, 19. E unomiola, a. 0. 55.
Viventiolus, a. 0. XVII, 38.
{vgl. Momms. Inscr. Regn. Neap. ind. nom.);
ebenso hielt sich das o vor 1 durch Einwirkung eines vorhergehen-
den e in:
corneolus, lineola, horreolum, Gapreolus,
luteola, alveolus, helveolus, Carseoli;
desgleichen durch den Einfluss eines vorhergehenden u oder v, da
• die Lateinische Sprache die Lautfolge VO scheute, in:
contuoli, Fest. p. 42. Scaevola, helvolus,
conivola, Fest. p. 6]. frivolus, Caivola, Steiner, Alt-
christi. Inschr. 23.
Ein i der vorhergehenden Silbe scheint denselben Einfluss auf
Erhaltung des o vor 1 geübt zu haben in :
vinolentus, sa nguinolentus;
ebenso o der vorhergehenden Silbe in :
somnolentus, obolus;
— 257 —
doch zeigen die Formen vinulus, spicula, spinula, Stimu-
lus, hi nullius, virulent us, pisculentus, florulentus,
opulentus, corpulentus, potulentus, poculentus, dass
dieser Einfluss des Vokales der vorhergehenden Silbe kein durch-
greifender war (Dietrich, a. 0. p~ 38).
Da nun das alte o vor 1 in der Sprache nicht ganz geschwun-
den war, so konnte es in der späten Volkssprache entschie-
den wieder hervortreten. Das zeigen Wortformen auf Inschrif-
ten der spätesten Zeit wie:
facoletatem, Grut. 1056, 2. Fleetw. S. I. Mon. Chr. 513, 3.
tomolo, Fleetw. Mon. Chr. 515, 2. 508, 2. Steiner, Altchristi.
Inschr. 86. Boiss. I. Ly. XVII, 7. XVII, 18 (p. Ch. 453?
524?). 29. 35. 36. 39 (p. Ch. 529). 65. 67.
tomolum, Boiss. XVII, 15 (p. Ch. 428? 511?).
tetolum, Steiner, Allchr. I. 5. 12. 22. 23. 83..
titolo, a.O. 79. 80.
cingola, Fleetw. Mon. Chr. 508, 2.
Merola, Boiss. T. Ly. XVII, 5.
vocabokrm, a. 0. 34 (p. Ch. 510).
consolato, a. O. (für consulatum).
console, a. O. 35. 43.
famolus, a. O. (p. Ch. 526).
consolis, a. O. 45 {p. Ch. 553).
Wenn also das Italienische und andere Romanische Sprachen
an der entsprechenden Stelle, namentlich in dem Suffix -olo, vor 1
das o zeigen, so haben sie nur die Erbschaft der Spätlateinischen
Volkssprache übernommen. Die Ursache der Umlautung des o zu u
vor 1 in der Blüthezeit der Römischen Litteratur liegt in der Wahl-
verwand tschaft des Consonanten 1 und des V o k a 1 e s u. Wie
oben gezeigt ist, hatte das 1 im Anlaut und nach 1 einen dünneren
leichteren, sonst einen volleren dickeren Ton; dieser letz-
tere entsteht bei der Aussprache des 1 durch das Zurückbiegen der
Zunge gegen den Gaumen, wie dies auch bei der Aussprache des u
stattfindet. So erhält der Consonant i jenen u-ähn liehen voka-
lischen Beiklang, und dieser assimilierte sich vorherge-
hende Vokale zu u. Das Griechische A hat im Gegensatz zum
Lateinischen 1 immer nur den helleren leichteren Laut, daher wählt
CORSSEN. 17
— 258 —
das X vor dem Suffix -Xo neben o, u, t auch die heütönendsten Vo-
kale ä und £, während das Lateinische 1 in der klassischen Zeit der
Sprache und Litteratur mit wenigen Ausnahmen nur den Bindevokal
u vor dem Suffix- lo duldet, wenn nicht besondere lautliche Einwir-
kungen eines vorhergehenden Vokales das o bedingen. Wurden
also Griechische Wörter mit diesem Suffix ins Lateinische übertragen,
so erhielt im Munde des Römers das leichte flüssige Griechische X
den volleren dumpferen Ton des Lateinischen 1 mit seinem u-ähnlichen
vokalischen Beiklang, und dieser assimilierte sich dann auch vorbei-
gehendes of, s , o, v zu u. So in :
pessulus, für TtäöaaXog, Siculus für UixsXog,
vitulus, pttaXog, nebula vscpäXi],
crapula, xqcclticcIi], paenula, (pcuvoXrjg,
scutula, GxvrdXrj , triobulus, oßaXog,
spatula, (jTtaxulri, Plaid. Fleck. Ep. er. p. 8.
scopulus, Gnom log , condulus, xovdvXog;
vereinzelt steht Menolaus, /. N. 4798, neben MevsXaog.
Die Wahlverwandtschaft des 1 zu u tritt recht klar hervor, wenn
bei der Uebertragung Griechischer Wörter, in denen die Consonanten-
verbindung xX vorkommt, auf Lateinischem Sprachboden der Laut 1
seinen u -ähnlichen vokalischen B e i k l a n g zu einem s t. u m -
men u entwickelt; so in:
Hercules von 'Hq axXr\g.
Im Oskischen lautete der Name im Genetiv Herekleis, halte
also das a zu e geschwächt, das Lateinische bildete mit Ausstossung
dieses Lautes Herdes, aus dieser Form aber entwickelte sich in
angegebener Weise älteres Hercoles, jüngeres Hercules. Eben-
so verhält sich :
Aesculapius, vgl. 1. AT. 6752. 075 1 . Prise. iw'Aöxl i'{ wog,
1, 37. H.
Patricoles, Plaut. IlaVQokArJQ.
Sehr entschieden ist im Lateinischen die Umlautung des o in
geschlossener Silbe vor den Liquiden I und n, wenn denselben
ein Consonant folgte, durchgedrungen, seltener vor r und s mit
folgendem Consonanlen.
0 vor 1 mit folge ade in Conso nan t e n hat sich erhalten in
alleren Wortforinen wie:
— 259 —
molticatod, Or. 3147. Folvius, I. N. 1094.
consoltu, /. N. 716. polchrum, Prise. I, 35. H.
o q u o 1 1 o d , Sc. d. Bacc. c o 1 p a m , a. 0. vgl. Cassiod.
Macolnia, Cist. Praen. Mo. U. p. 2290. P.
D. p. 283.
und in Griechischen Schreihweisen wie :
Zo X Ti l x ta v o v, C. I. Gr. 2590. ®olovcog,C.I.Gr. 2905.
Dann aber weicht das o der Wahlverwandtschaft des 1 zu u in
den Wortformen wie:
hui 1 1 a , c u 1 1 u s , von c o l o ,
consultiim, adultus, adoleo,
o c c u 1 1 o , s t u 1 1 u s , s t o l i d u s ,
pul eher, ultra, olus,
culpa, (oloes),
p u 1 s , ti 6 X x o g ,
pulmentuin,
s ulcus, neben oXxog,
Culchis, Quint. f, 4, 15. KoX%ug,
bulbus, ßoXßog,
imbulbilo, ßoXßirov,
u 1 n a , et X s v y\ ,
pulvis, pollen, TtdXrj.
Denselben Einfluss Übt 1 mit einem anderen folgenden Conso-
nanten auch auf vorhergehendes e in:
p u 1 s u s, von p e 1 1 o , < v u 1 s u s , von ve 1 1 o ,
p u I s a r e , mulsuin, m e 1 ,
perculsus, cello, promulsis,
ferner in :
m u 1 g e o , vgl. d-^ieXyo^
p r o m u 1 c o , Fest. p. 224. p r o m e 1 1 e r e , Fest. p. 253.
remuleus, Fest, p.224. remeligines, Fest. p. 277.
remulcare, Fest. p. 277.
Compailteria, Osk. K u p e 1 1 e r n u m , Momms .
sepultus, U. P.p. 200.
s^pulcrum, sepelio,
catapulta, Kata7ieXt7]g.
Auch a ist vor 1 mit folgendem Consonanten zu u getrübt in:
f u 1 m e n neben f 1 a g r o , f u 1 v u s neben f J a v u s ->
f u 1 g o r ,
17*
— 260 —
nachdem das 1 hinter den Vokal zurückgetreten war {Dietrich, a. 0.
p. 47).
Auch hier hielt sich das alte o, wenn demselben ein v vorher-
ging, bis zur Zeit des Quintilian; das bestätigen die Schreibweisen
der besten Handschriften des Plaut us, Lucretius, Vergilius und Ci-
cero in Formen wie:
volt, Volcanus, Volcens,
voltis, volnus, voltur,
voltus, avolsa, Vo I turnus u. a.
volgus, divolsa,
volgivagaque, r e v o 1 s u m ,
volpes, convolsum,
(Bitschi, Pro!. Irin. 94. Fleckeis. Ep. Crit. PI. p. 8. Cic. d. rep. Mai,
ed. Moser, p. 17. 28. 117. Lachm. Lucrez. vgl. volneribus, Ceti.
Pis. Or. 643).
Die spätere Lateinische Volkssprache kehrte auch hier zu
dem alten o zurück. Das zeigt die Form :
sepoltura,/. N. 1942 (p. Ch. 558).
auf einer Inschrift der spätesten Kaiserzeit; daher behält die Ita-
lienische Sprache dieses o in VVortformen wie :
sepolcro, fo Igore, ascolto (ausculto),
dolee, molto, colmo (culmen).
Eine weitgreifende Verdunkelung des o zu u hat auch stattge-
funden vor n mit folgendem Consonanten.
Frühzeitig trat diese ein vor dem SufRx der dritten Person
Pluralis -nti, -nl.
In den Schriftdenkmälern, deren Alter über die Kl testen
Scipionengrabschriften hinaus geht, findet sich der alle
Vokal o vor- nt erhalten; so in der von Verrius Flaceus aus dem car-
me Saliare aufbewahrten merkwürdigen Form:
tr e m o n t i , Fest. p. 205, für t r e in u n t ,
die schon 0. Midier richtig mit der Dorischen tgt^iovri für rof -
{lovac verglichen hat, auf Lateinischem Sprachboden die älteste
und vollste Form der dritten Person Pluralis.
Auf den ältesten Inschriften finden sich die Formen:
dederont, /. Veron. Or. 3147, vgl. Qumi. I, 1. I<>.
e x f o c i o n t , Col. rostr. res/.
d e d r o t, /. Pisaur. Pitschl, jict. Lat. p. 11.
dedro, /. Pisaur. Or. 1500.
< __ 261 —
Vereinzelt findet sieb noch auf einer Inschrift der Graechenzeit:
sont, /. Aletr. Btlschl, Mon. Epigr. Ir.
Aus Livius Andronicus Uehersetzung der Odyssee wird
angeführt : *
nequinont, Fest, p. 1 62, für n e q u e u n t ,
und Quintilian kennt aus einem älteren Sprachdenkmal neben
dederont:
probaveront, a. 0.
Stellt man die Formen t r e m o -n t i , <1 e d e r o - n t , d e d r o - 1 ,
dedro- zusammen, so erklärt sich ihre stufenweise Abschwächung
aus dem, was oben über den Ausfall des n vor t (S. 100) und den Ab-
fall des auslautenden t (S. 70 f.) gesagt ist.
Schon frühzeitig sind indess diese Formen im Lateinischen
abgekommen; auf einer der beiden ältesten Scipionengrab-
schritten ist geschrieben :
consentiunt, /. Scip. B. /) ,
und diese Form der dritten Person Pluralis herrscht in den späteren
Inschriften, während noch einmal sont ganz vereinzelt auf einem
Denkmal der Graechenzeit vorkommt. Im Allgemeinen muss also
auch hier seit Ende des ersten Punischen Krieges sich die
Aussprache dem u entschieden zugewandt haben. Vorhergehendes
u oder v erhielt das o noch bis ins Augusteische Zeitalter in For-
men wie:
conflovont, t. Genital, vivont, Plaut. vivont, Lucr.
confluont, a. 0. ruont, a. 0. loquontur, a. 0.
\ eivont, /. N. 5223. abnuont, #.0. dissoluont, a. 0.
[Vgl Büschl, Proll. Tritt, p. 94. Fleck. Ep. Cr. p. 8. Lucr.
ed. Lachm.)
Da im Sanskrit die Endung der dritten Person Pluralis ur-
sprünglich -anti lautete, so ergiebt sich,dass auch hier die Griechen
und Italiker in ihren entsprechenden Endungen -ovti, -onti,
-ont ein solches aus a geschwächtes o gemeinsam haben, wie das
aus a entstandene o der O-stämme, von dem oben die Rede ge-
wesen ist.
Auch sonst verdunkelt sich o zu u vor folgendem nt; so in:
n u n t i u s ,
n u n t i a r e , vgl. Altlat. n o n t i a t a ,
p r o n u n t i a r e , u, a. pronouliatu m, u.a.vgl.S. 1 74 /'.
— 262 —
A c h e r u n t e in, Ri.Prol. 7Vm.96. 9A % & o o v t a ,
A c h e r u n t e, Lucil. Prise. 1, 3 5 .ZT.
frunte, 1. TV. 4671. fronte,
Fruntoni, Gr. 413, 4. Frontoni,
funte, Prise. I, 35. H. vgl. Vel. fönte,
Long. 2216.
{> romuntorium, Mss. Liv. Tac. p r o m o n t o r i u m ,
Plin. Meter ob.
2Js7t TOfiowrtfi), Plut. Quaest. S e p t i m o n tio ,
Rom. VII, p. 131. .ß.
Muntanus, Grw*. 892, 11. ^/. .Ztfon. Cass. p. 988. 7. iV. 4284.
Schmitz, Rhein; Mus. XI, 149.
In der späteren Sprache taucht auch hier wieder o auf; so in:
Legontia, Siebter, Altchr. Inschr. 50.
Vor folgender Consonantenverhindung nd verdunkelt sich o zu
ii in der Endung -undo des Gerundium, wie die noch erhaltene
alte Form :
faciondam, Grul. 95, 6. für faciundam
zeigt; dass sich das u dann weiter zu e erleichterte, davon wird wei-
ter unten die Hede sein. Ebenso is! o vor nd zu u umgelautet in:
fr u n d e s , Prise. 1, 35. ff. Enn. Ann. für fr ondes,
v. 266. V. Vel. Long. 2216.
dupundi, Lucil. Fest. p. 298. für dupondi,
di7tovvdtOL , Lyd. d. mens. 1 Y, JJee. 1 .
In gleicherweise scheint e zu u umgelautet in:
Brundusimn, neben Griechisch Bqsvt eo i o /' .
ßrundisium,
(vgl. Bruttii neben Griech. Bqsvtloi, Bqexxiol).
Vorns erseheint o zu u verdunkelt in:
procunsul, Or. ffenz. 5195. für proconsul,
f o r in u n s u s , Anal. Gramm . Li- f o r m o s u 8 ,
chenf. u. Enal. p. 415.
fr us, Enn. Annal. v. 562. Cka- frons.
vis. I, p. 105. P.
Denselben Eintluss übt auch die Consonantenverhindung oc auf
vorhergehendes o in :
hunc, für hone, t. Scip. B, /'.
ses c uncia m , s e s c o n c i a m, 0^.4563.
— 263 —
und in den Wortbildungen, in denen an die Suffixe -011, -tion ein
zweites - c u 1 o gefügt ist. So verhalten sich :
carunculus, zum Stamm caron-,
tirunculus, tiron-,
cafbunculüs, c a r b o n - ,
h o m u n c u 1 u s , liomo n - ,
avunculus, avon-, von avu- durch das Suflix
-on abgeleitet,
quaestiuncula, quaestion-,
ratiuncula, ration-,
cantiuncula, cantion-,
portiuncula, p o r t i o n - ,
p r a e f a t i u n c ul a, praefation-.
Aehnlich ist vor ng und nch o zu u umgelautet in den alten
Formen :
g u n g r um , PHsc.lfib.ff. für gongrum,
cunchin, a. 0. conchin.
Tritt an die Ableitungssilbe -on das Üeminutivsuflix -ulo, so
wird häufig das u desselben ausgeworfen, das n dem folgenden I
assimiliert und das o vordem aus nl entstandenen 11 zu u verdun-
kelt ; so in :
lenullus, vom Stamme lenon-, Ponipullius,##/.l'ompoii-
ius,
homullus, vom Stamme hoinon-, Aprulli us, vgl. Apron-
H o m u 1 1 u s , i a n u s ,
V i b u 1 1 i u s , Vibon-, Ferullus, F e r o n -
Catullus, Ca ton-, ia,
Marullus, Mar od-, Vocullius, Vocon-
ius.
Aehnlich kürzte sich :
ampullaaus amporula von aitipora.
Die spätere Lateinische Volkssprache kehrt auch zu dem alten
o zurück vor n mit folgendem Consonanten in:
avomculus, /. N. 3815.
vereeondus, Grut 1061, 1.
mo ndo, Fleetw. S. I. Mon. Chr. 508, 2.
fondamina, Grut. 1051, 2.
und dieses o ist dann in die Romanischen Sprachen übergegangen.
Man vergleiche :
— 264 —
Spätlateinisch , Italienisch , Französisch,
avonculus, oncle,
moDtlo, mondo, m oncle,
fondamina, fondamento, fondament.
Vor in mit folgendem Gonsonanten lautet o zu u um in :
u m b o , vgl. Gr. d{i cp a 1 6 g. i n c u m p a r a b i I i , /. N. 1 549. incom-
umbilicus. parabili.
Griechiscbes a wird vor dieser Lautverbindung zu u in:
triumpe, Carm. Arval. vgl. Gr. d'Qta^ißog.
Hierher gebort auch das u des Lateinischen Suffixes -umno,
das ein u vor mn zeigt, verglichen mit dem entsprechenden media-
len Participialsuffix -o{ievo im Griechischen; so in den Wort-
formen :
a 1 u m n u s , von a 1 e r e , Picumnus,
Verturanus, v e r t e r e , P i 1 u m n u s ,
pilumnoe, Fest. />. 205. pilati, Tolum n'-ius,
auct u m n u s , vgl. av%6[ievog, columna,
V o 1 u m n ' - i a , " ßov Ao[i£vrj, aerumna,
calumn'-ia, xaXso-fisvrj.
Die spätere Sprache zeigt auch hier ein o in :
colomna, Anal. Gramm. Eich. Ena. p. 143.
wie (bis Italienische colonna u. a.
Auch vor r mit folgendem n wird o und e zu u getrübl in:
e b u r n e u s , vgl. e b o r i s ,
Saeturni, Bit seh. fiel. La/, p. 8.
Saturnus,
Saturninus, vgl. Zu r o o v £ i v a v , S. 1 4<>.
n o c t u r n u s , vvxtco q ,
' di urn us, hodiernus.
Dass dies der ursprüngliche Lateinische Stamm in diuraus und
hodiernus war, ist schon obenausDiespiter undSanskril divas
nachgewiesen. Aehnlich steht :
diuturnus zu beste r uns;
das - tur dieser Wortbildung ist das Comparativsuffii -tcro, OsJc.
- 1 o r o ( t r o ) , Umbr. - I r u , Gr. - r ego. Skr. - ( a r a (Zeil sehr,
für vergt. Sprach/'. III, 251 — 2(il).
Ebenso verhalten sich:
furnacator(es), Boiss. I. Ly. V p.379. zu fornacalores,
— 265
G>ovQVL7taAioLg, Piut. Quaest Rom. zu (DoQviog, C. I. Gr.
VII, p. 150. 5851,
Kovqvovtov, Grul. 633, 9. Cornuti.
Auch vor r c , r t , r v, rm verdunkeil sich o zu u in :
amurca, vgl. d^ioQyrj.
furcepem, Grul. 711, 3. forcipe.
Maburtis, /. N. 696 (p. Ch. 530?) Mavortis.
KovQovlvog, Dlon. C. p. 962. Corvinus*).
furmica, Anal. Gramm. Eich. Enal. p. 443. form i ca.
Vor s mit folgendem Consonanten ist o zu u getrübt in:
arb u st um„ von a r b o s , minusculus, von m i n o s ,
a r b u s c u 1 a , maiusculus, in a i o s ,
Griechisches a zu u umgelautet in:
aplustre, Gr. aylaGtov.
e.
Unter ähnlichen Einwirkungen benachbarter Conso-
nanten wie das u erscheint im Lateinischen das e umgelautet aus
a, o, u und i, einmal in Endsilben vor auslautenden
Consonanten m n s und im Auslaut nach Abfall eines
schliessenden Consonanten wie m , n, s, d, t, dann aber
auch im Inlaut der Wortstämme, in Ableitungssilben vor folgen-
dem r und in zahlreichen Wortbildungen, wo es in geschlos-
sener Silbe durch die Consonantenverbindungen es, gs, ps, bs,
ts, ds, st, nt, nd, 11 (nl) bedingt ist.
In Endsilben erscheint das e abgeschwächt aus a, o, i
vor den beiden Liquiden m und n, die beide im Auslaut einen
schwachen, dumpfen Ton hatten. So ist vor auslautendem m
e aus a abgeschwächt in:
septem, Gr. i 7t t d , Skr. s a p t a n ,
novem, ivvea, na van,
decem, dexa, dapan.
Ein grosser Theil der Lateinischen I-stämme hat ihren Vokal
*) Ob auch die Schreibweisen Kov q§o vi eo v , Tov qkovccto g bei
Dion. C. zuverlässig sind, Rhein. Mus. XI, 149, bleibt dahingestellt, da
Sturz, IV, p. 210. I, p. 38, Ko q ßovlcovo g , ToQY.ovatog in den
Text aufgenommen hat.
— 266 —
i vordem auslautenden 111 des Accusatives zu e sinken lassen.
Die ältere Sprache hat dieses i noch treuer gewahrt. Die Formen :
parti, Or. 1433.
clavim, Plaut. Most. 425.
sementim, Cato R. R. 27. 30.
cratjm, Plaut. Poen. V, 2, 65.
lentim, Cal. R. R. 35. 116.
gehören der alten Sprache an; die jüngere bildet von diesen Wör-
tern die Accusative auf em. Immer erhalten hat sich die alte
Form in :
amussiin, cucumim, tussim,
burim, sitim, vim.
Bei andern Wörtern der I-declination wie classis, cutis,
febris, navis, pelvis, puppis, restis, securis, strigilis,
turris schwankt der Sprach- und Schreibgebrauch zwischen -im
und -em des Accusatives (Schneid. Lal. Gr. II, 206 — 210).
Hingegen hat die Lateinische Sprache eine grosse Menge auf
-im auslautender Accusative von Substantiven abgeleitet, die mit
dem Suffix -ti, -si von einfachen oder abgeleiteten Verben ge-
bildet sind, zu Adverbien verbraucht. Solche sind zum Bei-
spiel :
conj un c tim, praesertim, gregatim,
strictim, ubertim, acervatim,
punetim, cautiin, cumulatim,
efflictim, viritim, oppidatim,
cunctiin, tollitim, saltuatim,
jux tim, proprium, p au IIa (im,
niixtim, tributim, lumultuatim,
raptim, luatim, vicissatini,
carptim, catervatiin, propriatim,
partim, sicatim, singulatim,
pedetentim, bovatim, privatim,
p er p c t i m ,
Das Suffix -ti hat sich, wenn es ao auslautenden Lingualen
oder Liquiden trat, zu si geschwächt in:
passim, divisim, cusim, vicissim,
caesim, sensim, expulsim, cubitissim.
incisim, sparsim,
— 267 —
Aber auch dieser adverbiale Accusativ findet sich zu em ge-
schwächt in:
saltem.
Vor auslautendem n wird i zu e geschwächt in den Bildungen
mit dem Suffix -min und -in. So in :
a g in e n , vgl. a g m i n i s f e m e n , t e g i m e n , 1 u m e n ,
sag nie n, u.a. semen, regimen, flumen,
Carmen, s übt einen, limen, numen.
flamen, leniinen, bi turnen,
examen, nomen, r innen,
gramen, omen, sinnen,
stamen, a b d o m e n , cacumen,
filamen, pecten,
sa nguen.
Die Form des Suffixes -men blieb, wenn es durch ein zweites
Suffix -to erweitert wurde, in Bildungen wie momentum, tegi-
mentum, stramentum u. a., weil der Vokal hier vor zwei Con-
sonanten in geschlossener Silbe stand. In den Compositen
von cano
oscen, cornicen, tibicen, fidicen
ist die gewöhnliche Schwächung von a zu i im zweiten Theile des
Compositum nicht eingetreten, weil das auslautende n das e vor
sich verlangte.
Im Auslaut findet sich e aus o, a und i abgeschwächt, sei
es dass ursprünglich der Vokal im Auslaut stand, oder dass er
nach Abfall eines d, t, s oder m in den Auslaut gerückt war.
Das Lateinische geht mit dem Griechischen Hand in Hand, in-
dem es im Vocativ seiner 0- stamme das auslautende o zu e
sinken lässt. Man vergleiche :
Lat. taure, Griech. xccvqs,
eque, Zitjce ,
lupe, kvxe.
Diese Abschwächung ist frühzeitig auch in den Nominativ gedrun-
gen, indem von den zusammengesetzten Pronominalstänimen illo-,
ipso-, isto- das s des Nominativs abfiel und das o, u sich zu e
schwächte. So entstanden die Nominative:
i 11 e aus ollus,
i p s e , i p s u s ,
iste, istus.
— 268 —
Aehnlich ward nach Abfall des m :
necesse aus necessum.
Die spätlateinische Volkssprache geht auf diesem Wege weiter,
indem sie auslautendes o zu e schwächt.
Dies geschieht mit dem o des Ablatives vom relativen Prono-
minalstamm quo, das sich kürzt und zu e sinkt. So steht
que, /. N. 1665. Grut. 779, 9. für quo,
wie der Zusammenhang lehrt: M. Metilio Emineo Valeria
Prima coiux, cum que vixit etc. Nachdem im Volksmunde
das auslautende in des Accusativ Singularis, wie oben (S. 110 f.)
nachgewiesen ist, nicht mehr gesprochen wurde, derselbe somit für
die O-stämme dem Ablativ gleichlautend geworden war, schrieb
man das todte m noch zum Theil, übertrug es aber gelegentlich
auch irrig auf die Ablativform. So erklärt sich quem als Ablativ-
form für quo in :
cum quem, I. N. 1372. 6605. 6940. Grut. 1061, 9.
con quem, Grut. 325, 7. 757, 1. L N. 6420.
con quen, Grut. 762, 10. Vgl. S. 112. 113.
Auch das a des Ablativ Fem. vom Pronominalslamm quo- ist
zu e abgeschwächt. So steht:
cum que, I. N. 495 1 , für c u m qua.
cun quen , Grut. 527, 4.
con quem, /. N. 4796.
cum quem, Boiss.I. Lij. VI, 42.
Nach Abfall eines schliessenden d, m und s ist das so in den
Auslaut gerückte i von consonantischen und [-stammen vielfach
zu e gewandelt.
Dies gilt zunächst von den Ablativformen dieser Stämme.
Schon in dem Abschnitt über das Diphthongzeichen ist nachgewie
sen dass die Ablativendung dieser Stämme Id (cid, ed) nach Abfall
des auslautenden d sich zu e kürzte und abstumpfte in Formen wie :
a e r e, für a i r i d ,
conventione, coventionid,
mense,
classe u. a.
Der Nominativ und Acc usativ Sing, der neutralen [-stamme
hat das auslautende i des Stammes zu e sinken lassen in Formen wie :
m a r e ,
facile.
— 269 —
Der Accusativ Sing, der I-stämme verlor in der Spätlateinischen
Volkssprache, wie in dem Abschnitt über den Buchstaben m dar-
gethan ist, sein auslautendes m {vgl. S. 112) wie alle anderen
Stämme. Das in den Auslaut gerückte i sank dann auch zu e,
zum Beispiel in:
Tebere, Fleetw. Mon. Christ. 481, 7. für Tiber im.
Ueber den Abfall des auslautenden s von Genetivformen
der consonantischen und der I-stämme in der Spätlateinischen
Volkssprache ist in dem Abschnitt über den Buchstaben s gehandelt
{vgl. S. 119). Die so entstandenen Genetivformen wie incom-
parabili, securitati, Iovi, Nepoti, aetati, religioni
u. a. Hessen das in den Auslaut getretene i dann auch zu e sinken.
Ein Beispiel dafür ist :
m a r e , Or. 4583 : q u i in senu mare p e ri e r vtn t.
Der Genetiv ward so gleichlautend mit dem Ablativ und
dem Accusativ, deren Endung ebenfalls zu e abgestumpft war.
Als man nun in der Aussprache diese Casus nicht mehr schied,
flickten die Steinmetzen das accusativische m gelegentlich auch an
eine abgestumpfte Genetivform. So erklärt sichals Genetiv gebraucht:
pietatem, /. N. 5607: Valete et memo res este pieta-
tem patris.
Von den auf e, e"i, I auslautenden Dativ formen der con-
sonantischen und der I-stämme ist in dem Abschnitt über das
Diphthongzeichen E I gehandelt und darauf hingewiesen , dass sich
die alten Dativformen:
a e r e , iure
auch in der Augusteischen Zeit in gewissen Formeln gehalten ha-
ben. Schon in der älteren Kaiserzeit taucht in Inschriften diese
Dativform wieder auf; so in:
coniuge, Grut. 588, 8.
Lacone, Gr. 162, 1.
Nerorie, Gr. 936, 6.
und aus der spätesten Zeit finden sich:
patre, Gr. 741, 9.
felice, Fleetw. Mon. Chr. 512, 3.
Auch an solche abgestumpfte Dativformen ward gelegentlich je-
nes für die Aussprache bedeutungslos gewordene Schriftzeiehen m
des Accusativs geflickt. So erscheint als Dativ :
mortem, *Grut. 770, 9 : n a t i mortem n o n i n t e r f u i t.
— 270 —
Vor dem s des Nominativs findet sich das i eines [-Stammes
zu e geschwächt in der alten Form:
aidiles, t. Scip. Barb. f. für aidilis.
In der spätesten Volkssprache verlor der Nominativ auch dieser
Stämme das auslautende s, zum Beispiel:
qui, /. N. 1942. für quis.
Das so in den Auslaut getretene i sanß dann auch zu e; so in:
quisque, /. N. 3037, für quis quis
in dem Zusammenhang: quisque Manes inquetaherit, ha-
hebit illas iratas. Wenn so quae und qui sich zu que ab-
schwächte, so erklärt sich, wie man im sechsten Jahrhundert qui
für quae schreiben konnte (Boiss. I. Ly. XVII, 41: Necteria,
qui vixit annosXXV. p. Ch. 525).
So haben sich also schon in der Volkssprache alle Casus
des Singularis von I -stammen in ihren Endungen bis zu e
abgestumpft; ebenso die Casus des Singularis consonan ti-
scher Stämme mit Ausnahme des Nominatives. Dann ward auch
die alte Nominativform vergessen und die abgestumpfte Accu-
sativform als Nominativ verwandt. So findet sich die Accusa-
tivform
f u r c e p e m , Grid. 711, 3.
bereits für forceps als Nominativ gebraucht. Ein späterer Gram-
matiker {Anal. Gramm. Eichenf. u. Enal. p. 444) führt unter an-
deren Formen der Volkssprache seiner Zeit, die er tadelt, auch an :
carcer non carcerc. Daraus ergiebt sich, dass:
carcere
im Volksmunde als Nominativ gebraucht wurde, sicher eine aus
carcerem abgestumpfte Accusativform, die nominativische Gel-
tung erhalten hat. Da nun auch die Casus formen der 0-
stämmc nach Abfall des auslautenden d, s und m des Ablativ, .No-
minativ und Accusativ sich verwischten, so ergiebt sich, dass
die Lateinische Declination in der Volkssprache bereits zer-
stört war ehe der Stoss der Germanen das morsche Röinerreich
zertrümmerte.
Die Tochtersprachen des Lateinischen haben schon von der
gealterten und hinsterbenden Mutter jenes stumme und todte e als
Auslaut aller Singularendungen der consonantischen und der
[-stamme ererbt. So stumpfte sich Lateinisches front ein zu
Spätlai. fr o n t e , Hallen, fr o Dt e, Span, fr e nie, // Wach,
— 271 —
f r u n t e , Franz. fr o n t , Provenz. f r o n und das Römische n a t i o -
nem spricht der Engländer naschen. Es erhellt aus dem oben
Gesagten, dass que in der Spätlateinischen Volkssprache aus qua e,
qua, quis, qui, quem, quo abgeschwächt ist. So war das
Italienische che, Franz. que also längst vorbereitet. In den Fran-
zosischen Mundarten stumpfte sich das auslautende a und o aller
Stämme zu e ab, wozu die spätlateinische Volkssprache mit dem
Relativstamm Masc. quo, Fem. qua den Anfang gemacht hatte, den
sie in den verschiedensten Casus zu que abstumpfte.
Durch Abwerfung des schliessenden s und Sinken des auslau-
tenden i zu e entstanden die Formen der Adverbien:
mage, für mag is,
pote, potis,
über deren Entstehung aus dem Comparativsuffix -ins bereits ge-
sprochen ist.
Die enclitische Anfügung ce in:
hi ce, illice, istice, ecce
ist von dem demonstrativen Pronominalstamme abzuleiten , der im
Sanskrit -ka lautet. Dass dies -ce aus -ci entstanden ist, zeigen die
Bildungen mit angehängtem ne:
i s 1 i c i - n e , illici-ne, hici-ne, t u n c i - n e.
Die älteste Form dieses -ci, -ce aber ist in der alten ftrab-
schrift von Aquila erhalten:
heicei, /. N. 58S2.
In den Anfangsworten derselben : Proto genes Clou 1. sua-
vei heicei situst mimus, kann suavei heicei nur bedeuten:
hocsuavi loco*). Suavei ist also Locativform vom Stamme
suavi-; heicei ist eine doppelte Locativform, die erste Silbe
hei vom Pronominalstamme ho-, die zweite vom Pronominalstamm
co-, Sanskr. ka-. Aus heicei ward durch Kürzung des durch
EI bezeichneten langen Mitteltones zwischen i und e hlce
(heice, hece), durch Abfall hie (heic, hec). Eben solche
Locativformen sind illic, istic von den Pronominalstämmen illo-,
isto-**).
*) Für die Inschrift von Aquila vermuthet Th. Mommsen a. O. :
Suavei bedeute Suavi servus, zweifelt aber doch an seiner Ver-
muthung, da ein Name Suavus oder Suavis sonst unerhört sei.
**) Durch alles bisher Gesagte über das auslautende e wird die An-
— 272 —
Auch im Auslaut von Verbalformen nach Abfall eines s, t
oder 11 1 schwächt sich der in den Auslaut getretene Vokal zu i. So
sprach Cicero:
delectare, vocabare, experirere,
arbiträre, videbare, aspernabere,
laudare, quaerebare, verebere,
videare, existimarere, sequere,
utare, viderere, patiere u. a.
largiare, 1 o querere,
(vgl. Ramshorn Lat. Gr. p. 138) für die vollen auf -is auslauten-
den Formen. Wenn der fein gebildete Römer selbst solche Gleich-
klänge wie das e in drei auf einander folgenden Silben von vide-
rere, lo querere nicht scheute, so zeigt sich darin, wie stark die
Neigung der Sprache war auslautende Silben zu e abzuschwächen.
Schon in dem Abschnitt über E I ist die Rede gewesen von den
spätlateinischen Verbalformen wie fecet, emet, scribet, qui-
escet, fecet, militavet, ornavet u. a. und mit Abwerfung
des dumpf und schwach tönenden t vixse, fece, quiesce.
Auch hier treffen wir also vor dem schwachen auslautenden (Kon-
sonanten oder im Auslaut selbst wieder ein e, dem in der Blüthe-
zeit der Sprache ein i voranging.
Von dem Abfall des auslautenden nt der dritten Person Plu-
ralis in Formen wie d e d r o , d e d er i , censuere ist in der Unter-
suchung über den Ruchstaben t die Rede gewesen (vgl. S. 70).
Vergleicht man hierzu die gewöhnlichen Formen dederunt,
eensuerunt, so ergiebt sich, dass das alle o dieser Verbal-
endung -onti, -ont stufenweise zu u, i und eherabsank.
sieht Ritschis widerlegt, dass im Lateinischen i niemals zu e würde
(Rh. Mus. VIII, p. 479), und dass illicine, isticine aus illecene,
istecene u. a. entstanden seien, weil in Compositen, deren erster Be-
standteil auf e auslautete, dieses zu i umlauten müsse [Rhein. Mus.
VII, 576 — 580). Auch indidem, undique neben inde, unde be-
weisen dafür nichts, denn ihr Bestandteil -di ist wahrscheinlich aus
-die geworden (Ztitschr. für vcrgl. Sprachf.V, 123). In quippini neben
quippe ist das i der vorletzten Silbe durch das i der letzten aus e
assimiliert, ebenso in tutin für tutini neben tute. In servirine,
wenn die Lesart zuverlässig ist, assimilierte sich das erste i das zweite,
in faciline hielt sieh das alte i des I- Stammes, das auslauttMid zu e
sank.
— 273 —
Die Abstumpfung dieser Form bis zur letzten Stufe ist schon früh-
zeitig eingetreten , wie namentlich das :
censuere, /. N. 715. 716.
in den sehr alten Venusiner Inschriften zeigt. Mögen diese leich-
teren Formen dem Ohre Cicero's {Orat. 47, 157) und Quintilians
(I, 5, 4) angenehmer geklungen haben als die volleren auf -nt
auslautenden, vom sprachgeschichtlichen Standpunkt kann man
sie nur als verkrüppelt und entstellt ansehen; denn sie haben
die Bezeichnung der Person und der Mehrzahl eingebüsst, und
das auslautende e ist auch hier wieder der letzte matte Nachklang,
der Denkstein einer verstorbenen Flexionsendung.
Es ist ersichtlich, wie sich der E-laut überall in die End-
silben einschleicht, nicht bloss im Lateinischen, sondern auch in
anderen Sprachen. Es muss also in der Natur dieses Vokales
etwas liegen, das ihn dazu geeignet macht. Der dünnste und leich-
teste Vokal ist e im Lateinischen nicht, das sieht man besonders
daraus, dass er sich im zweiten Theile eines Compositum noch zu i
erleichtern kann; aber er ist für die Aussprache der bequemste
Vokal, denn bei derselben kommen die Sprachwerkzeuge am wenig-
sten aus der Stellung heraus, die sie im Zustande der Ruhe einneh-
nfen. Es ist also natürlich, dass er sich im Auslaut und vor
schwach auslautenden Consonanten einfindet, kurz vor-
her, ehe sich die Sprachwerkzeuge aus der Bewegung, in die sie
bei der Aussprache eines Wortes versetzt werden, zur Ruhe bege-
ben. Es ist die Macht der Trägheit, die das vielfarbige muntere Le-
ben der Vokale in den Endsilben einschläfert und dem charakter-
losen schlaffen und bequemen e die Herrschaft einräumt, die es in
den Endsilben unserer deutschen Muttersprache erlangt hat.
Es ist nun das e im Inlaut der Stämme zu betrachten, in
wiefern es durch benachbarte Consonanten hervorgerufen
wird.
Eine überaus scharf hervortretende und weitgreifende Wahl-
verwandtschaft zu dem Vokal e zeigt der flüssigste liquide
Laut r.
Vor dem Suffix -ro zeigt die Lateinische Sprache fast durch-
gehends e, während das Griechische in mannigfachem Wechsel vor
demselben als auslautenden Vokal vom Stamme des Grundwortes
oder als Bindevokal a, 17, v, s aufweist. Bildungen wie %aAcc~
po'g, {ilcc QOSi ku&ccqo g , wie TtovrjQog, AvitrjQog, v 0-
CORSSEN. 18
— 274 —
GniQog, wie o%VQog, aX^ivQog^ ykacpvQog, aqyvQog
kennt die Lateinische Sprache nicht, sie hat nur den Griechischen
wie cp&ovsQog, cpoßeQog , ylvusQog ihre Bildungen wie:
tener, lacer, liber, asper, gener, socer u. a.
an die Seite zu setzen. Diese Eintönigkeit des Vokales vor dem
Suffix -ro kam daher, weil das r den Vokal vor sich bedingte und
andere Vokale zu e umlautete. Wie unwiderstehlich diese Einwir-
kung war, zeigt insbesondere die Umwandlung des Griechischen a
zu Lat. e in Wörtern, die aus dem Griechischen ins Lateinische
übertragen sind. So wurden auf Lateinischem Sprachboden :
%a\LC(.Qu, zu camera,
cpukuQu, phalera,
r e<5 GuQu, tessera,
ölöccqov, siserum,
xuqxccqov , carcer,
xl&ccqcc, c i t e r a , {Anal. Gramm. Eich. Enal. p. 444).
Lateinisches a ward durch folgendes r zu e geschwächt in:
Caeserini, I. N. 1544. von Caesar,
C a c s e r i a n e n s i , I. N. 1 39 1 .
S i 1 e r u s , S i 1 a r u s ,
Sil er.
Der Vokal e herrscht ausschliesslich in den Suffixen -her,
-cer, -tero. Man vergleiche:
-her in Bildungen wie candelaber,
saluber ,
-cer, v o 1 u c e r ,
a 1 a c e r ,
-tero, d ext er,
exter i, u. a.
Das Suffix -her ist entstanden aus SansJcr. Jf':. b har-
ttrage n), -cer aus Sanskr. Wz.kur- (machen), -tero ent-
spricht dem Sanskr. tara- von Wz, tar- (durchdringen).
(Bojjp, vcnjl. Gramm. Poti, Ehjm. Forsch, indd.)
Die Neutra auf -os, -us lassen in den Casus obliqui ihr s
zwischen zwei Vokalen regelmässig zu r sinken. Dieses r lautet
dann das vorhergehende o, u zu e um. So in:
foederis, foederalus, von foedus, u.a.
vulneris, vulnerare,
sceleris, seeleratus,
— 275 —
V e n e r i s , veneror,
o p e r i s , o p e r a r e ,
glomeris, conglomerare,
generis, generare,
p o n (1 e r i s , ponderare,
p e n e r i s , neben p e n o r i s ,
p i g n e r i , p i g n e r o , p i g n o r i ,
(vgl. Plaut. Capt. 655. Cato R. R. 149. /. N. 5452: pigneribus)
temperi, tempero, neben tempori,
faeneris, faenero, faenoris,
facineris, Vel. Long, p.2233, facinoris;
ebenso verhalten sieb:
veter, veter is zu vetus.
Die Schwächung des s zu r und die dadurch bewirkte' Umlau-
tung des u zu e ist in veter, das Varro aus alten Auguralformeln
anführt (L. L. VII, 9) auch in den Nominativ gedrungen.
Ebenso entstand das e vor r in :
j o c i n e r i s neben j o c i n o r i s ,
j e c i n o r i s ,
auger, Prise. I, 36. ff.; alte Formen füraugur,
augeratus, a. 0. auguratus,
fulgeratoris, Grut. 21, 3. fulgur.
Ein i wird zu e umgelautet, nachdem das folgende s zu r ge-
sunken ist, in:
cineris, einer, neben cinis,
cueumeris, cueumer, , cucumis,
pulveris, pulver, pulvis,
vomeris, vomer, vomis,
P a p e r i u s , /. N. 1 094. P a p i s i u s ,
Numeri us, Numisius.
(Vgl. Momms, Inscr. Regn. Neap. Ind. nom. Unt. Dial. S. 282.)
In der Conjugaüon wird der Charaktervokal des Perfekts I,
nachdem das folgende s zu r gesunken, zu e assimiliert. Von den
Perfekt stammen wie dedi, scripsi, delevi wurde die
3te Pers. Plur. im Altlateiuischen gebildet, indem die 3te Person
Plur. des Verbum esse, sont, herantrat. Aus ursprünglichen For-
men wie dedisont entwickelten sich dann durch Sinken des s zu r,
Umlautung des T zu e und Kürzung zu e, Verdunkelung des o zu u,
Ausfall des e, Abfall des -nt und Erleichterung des in den Auslaut
18*
— 276 —
getretenen u zu e alle Formen der dritten Person Pluralis im La-
teinischen, wie folgende Zusammenstellung zeigt:
de dl -sont
I
dede-ront
dederunt dederunt
I
d e d r o t
i
dederunt . X .
d e d e r 1
ded;0 deaere*)^.Ä70.
In derselben Weise ist i durch folgendes aus s abgeschwäch-
tes r zu e umgelautet im Ind. Plusq. Fut. II. und Conj. Per f.,
so dass also :
dederam aus dedi-sam,
dedero, dedi-so,
d e d e r i m , d e d i - s i m
geworden sind und ebenso alle entsprechenden Verbalformen.
Der Grund, weshalb r den vorhergehenden Vokal zu e um-
lautete, liegt wieder in der Wahlverwandtschaft beider Laute.
In der Stellung der Sprachorganc Ihm der Aussprache liegt das e
unter allen Vokalen dem mit der Zungenspitze gesprochenen r am
nächsten. Das r hat einen E- ähnlichen Anklang oder Bei-
klang, dessen Bedeutung bei der Ausstossung des e vor r, von der
unten die Bede sein wird, sehr bestimmt hervortritt, und dieser ist
es, der sich den vorhergehenden Vokal assimiliert.
Ein i im Auslaut des ersten Bestand theiles von Compositen ist
zu e geworden in:
beneficus, Ör.4040, für beni ficu s, Plaut. HitschU Rh. Afitf.VlL,
580.
beneficium, a. 0. benificio, Or. 3239. 4859.
m a 1 e f i c u s , m a 1 i f i c u s , NtSUS. / 'et. Long. p. 2235. P.
*) Es ist eine durch nichts gestützte sprachvergleichende Hypothese,
wenn Weil und B e n 1 o e w , Theorie generale de l'A c c e n t. L a t.
p. 187 aus den schon in alter Zeit gekürzten Formen dederunt,
steterunt für das Lateinische ein altes dem Griechischen und Sanskri-
tischen entsprechendes redupliciertes Perfekt annehmen. Da, wie sich
jn dem Abschnitt über die Betonung ergeben wird, ursprünglich <1 >' <1 1 -
sont, de'dcrunt betont wurde, so ist der ganze lautliche Hergang, wie
er angegeben ist, vollkommen erklärlich.
— 277 —
benevolus, für benivol us , Eulych. p. 2152.
(be)nivolenti, /. N. 3962.
benivolentia, Afran. Com. Ribb.pA 5 1 .
Att. Trag. Ribb. p. 125. /. N. 1423.
1882. 4151. 6034. Or. 4040.
malevolus, malivolus, Plaut. Eulych. jt?. 2152.
Das beweisen auch die Wortformen malifactorem, m a 1 i -
volentia, malisuada,malivolens, benivolens, malig-
nus, benignus {Ritschi, Mein. Mus. VII, 580 — 582)*).
Ebenso wurde :
ceremonia, aus caerimonia, Or. 844. 2188.
ponleficum, Grut. 835, 8. p o n t i f i c u m ,
(sac)refici um, Grut. 328, 1. sacrificium.
In allen diesen Fällen ist e aus dem i entstanden , das sich
am Schlüsse des ersten Compositionsgliedes regelmässig findet und
entweder aus dem a o u der so auslautenden Stämme ab-
geschwächt ist wie in a q u i 1 i f e r , magnificus, m a n i p u I u s ,
oder als Bindevokal zwischen den consonantisch auslautenden und
consonantisch anlautenden Stamm des Compositum tritt wie in
paeificus, legirupa. So schwächten sich die Adjectivstämme
malo-, beno- im ersten Theil der angeführten Composita zu
beni-, mali- ab; sie sind nicht Adverbien, sondern drücken das
Object der Handlung aus, die das Verbum als zweiter Theil des
Compositum bezeichnet. Die Verbindung der Adverbien bene->
male mit den Participien factum, dictum veranlasste wohl die
Auffassung, dass in jenen Compositen auch Adverbien zu suchen
seien.
Sehr durchgreifend und weit verbreitet ist im Lateinischen die
Umlautung eines i ine, wenn der Vokal in geschlossene Silbe vor
gehäufte Consonanten versetzt wird. Dies geschieht häufig
durch Anfügung des Nominativzeichens s an einen consonantischen
*) Ritschi meint, man müsse entweder getrennt schreiben bene
facta, male facta, bene dieta, male dieta, bene facere,
male facere, bene dicere, male dicere oder verbunden beni-
faeta, malifaeta u. a., was ohne Zweifel richtig ist. Weshalb aber
die Annahme, das e sei in allen obenstehenden Compositis das ur-
sprüngliche gewesen und habe im Inlaut der Composita zu i umlauten
müssen, unhaltbar ist, ist theils schon früher gesagt, theils wird es so-
gleich aus dem Folgenden weiter erhellen.
— 278 —
einfachen oder zusammengesetzten Stamm. So ist i zu e umgelau-
tet in folgenden Nominativen von Stämmen, die auf einen Gutturalen
oder Labialen auslauten:
vertex, opifex, rem ex, supellex,
culex, artifex, senex,
pulex, aurifex, extispex, particeps,
pollex, versifex, auspex, menceps,
frutex, obex, vindex, manceps,
pumex, aquilex, judex, auceps, «. «.
und im Nominativ von Stämmen, deren auslautender Lingual vor
dem s des Nominativs wegfallen musste wie:
ales, comes, merges, sospes, praestes,
am es, eques, miles, stipes, an t ist es,
caeles, fomes, palmes, termes, deses,
Caeres, gurges, pedes, trames, obses,
cespes, hospes, poples, tudes, praeses,
Codes, lim es, satelles, veles, reses.
In ähnlicher Weise wird i, u, o zu e abgeschwächt, wenn <'in
auf t anlautendes Suffix an einen auf s oder t anlautenden Stamm
tritt. Dies geschieht durch Anfügung desComparalivsuffixes -tero in :
m e n e s t e r , /. N. 6308 , 23. vgl. minus, minister,
menestrator, Gral. 315, 2.
admenestrationis, Or. 1 1 20 (375 p. Ch.)
a d m e n e s t r a r u n t , Or. Henz. 643 1 (/;. C/t.362)
admenestre(nt), a. 0.
ma gester, Quint. 1, 4, 17. vgl. magis, magister,
macesteri, Grut. 1065, 9.
sinest(ram), /. N. 3180. sin ister.
Von diesen Formen hal Quintilian ma gester ans einem alten
Sprachdenkmal entnommen, die andern gehören der Sprache der
späteren Kaiserzeil, die auch hier auf die Spuren der Alt-
lateinischen Sprache zurücklenkt; die Schriftsprache der besten
Zeit wählte die rönnen mit i. Ebenso wie die vorstehenden Wort-
formen entstand :
Nemestrinns, aus neinus.
Pas Comparativsuffix -i ero ward abgeschwächl zu -teri, -t ri,
als es an Dem us herantrat, und durch ein neues Suffix -im erwei-
tert. Mit derselben abgeschwächten Gestalt des Comparativsuflixes
-tri sind gebildet :
— 279 —
pedester, vom Stamme pedit-,
equester, equit-,
ter rester, vom vorauszusetzenden Stamm territ-,
Silvester, silvit-.
Dieselbe Umlautung erfolgt, wenn die Suffixe -tat, -to, -ti an
Stämme treten , die auf s oder t auslauten ; so in :
honestas, von honos,
majestas, majus, caelestis, vom Stamme caelit.
tempestas, tempus, domesticus, (domit-)
scelestus, scelus, vgl. Doinitius.
funestus, funus,
So findet sich auch sonst vor s mit folgendem Consonanten i
zu e geschwächt, wie in:
Antestius, neben A n t i s t i u s , Momms. I. N. ind. nom.
Themestocleti, GruL 360, 1.
fescu, Grut. 1056, 1.
cupre ss u s, neben KVTtttQtööog,
dulcessima, /. N. 1302 {p. Ch. 508.)
d u 1 c e si m e , Steiner, Allchr. Inschr. 8.
piessiino, Mai. scr. veU. n. c. V. 273, 4.
Es ist die Spätlateinischc Volkssprache, in der sich
besonders diese Formen finden, nur cupressus gehört schon einer
frühen Zeit an. Auch hier ergiebt sich also, dass das Italieni-
sche seine Wortformen wie funesto, honesta, tempestä,
maestro, minestra, dolcessima u. a. aus der späten Volks-
sprache der Römer überkommen hat*).
Auch vor den Lautverbindungen -nt und -nd entsteht e in
geschlossener Silbe namentlich aus o und u.
Vergleicht man die P a r t i c i p i a 1 b i 1 d u n g e n der verwandten
Sprachen :
Skr. bhar-ant-am, Gr. cpeQ-ovz-cc, Lat. fer-ent-em,
Golh. b a i r- a n d -a m ,
so erhellt, dass Griechisches o und Lateinisches e in denselben aus
ursprünglichem a abgelautet sind. Dass die Lateinische Sprache
ursprünglich das Participialsufnx zu -ont gestaltete, in demselben
*) Auch sonst zeigt sich e für i auf späten Inschriften; so in le-
cuerunt, Fleelw. S. 1. 515, 3. oreginem, Or. Henz. 6429. baseli-
cam, a. 0. 6736." vigelia, Boiss. I. Ly. XVII, 16 (p. Ch. 447). Se-
len tios es, Boiss. I. Ly. XVII, 2 (p. Ch. 334).
— 280 —
Verhältniss zu Sanskr. -ant wie die Endung der dritten Pers. Plur.
-onti, -ont zu Sanskr. -anti, muss man schliessen aus dem
Participialstamme der Form :
e-unt-em ,
die auf eine ältere e-ont-em, entsprechend der Griechischen
i-ovt-a, zurück führt, deren o sich zu u verdunkelte wie in de-
d e r u n t für dederont. In e-unt-em blieb wohl das Participial-
suflix deshalb dann ungeändert und ward nicht zu e erleichtert, weil
die Sprache den Gleichklang e-ent- scheute.
Von der ältesten Form des zusammengesetzten Verbaladjectivs,
das die Lateinischen Grammatiker Gerundium nannten, -ondo,
legt nur noch die Wortform:
faciondam, Grut. 95, 6.
Zeugniss ab. Das o dieser ursprünglichen Lateinischen Form ver-
dunkelte sich frühzeitig zu u, und dann erleichterte sich dies u
ebenfalls schon in alten Zeiten zu e. Von dem Schwanken der
Sprache zwischen den beiden Formen des Gerundiums -undo und
-endo giebt folgende Zusammenstellung eine Anschauung:
-undo -endo
f a c i u n d u m , /. N. 1 1 19. e x d e i c e n d u m , Sc. d. Bacc.
1 e g u n d e i s , /. repet. f a c i e n d a m , a. 0.
legundis, a. 0. colendi, t. Genua/.
quaerundae, «. Ö. facienda, t. Aletr.
scribundi, a. 0. tribuendei, 1. repet.
deicundo, a. 0. fruen du m, 1. agr. {Thor.)
de f er undo, a. 0. deducendae, a. 0.
vendundeis, l. agr. (Thor.) faciendam, Or. 3808. I.A.
faciundum, /.7\r.3564. 3563. 2196. 5351.
3562. 2458.
Diese Inschriften fallen etwa in die Zeil zwischen dem Syri-
schen und dem Ende des Cimbernkrieges. Aul Inschriften aiifi dein
Zeitalter der Bürgerkriege linden sich die Formen:
repetundis, Or. 5^9. faciendum, I. N. 3565. 3569.
sternundis, a. 0. 2196.
leg und eis, /. Com. de XX q. einen dum, /. T. 3565.
s u 1) 1 e g u n d e i s , a. 0. i ef i cien d a in , /. paff. Herr.
r ef^ er undos, Sc* d, Asc.Claz- restituendos, Or. 570. /. V.
/. Jul. man. 4221.
capiundis, l. d. Termes. sternendeis, I. Jul. man.
— 281 —
faciundum, Or. 31. Grutt69, fruendeis, a. 0.
11. 160, 3. J. iV. 321. 322. tu endeisve, a. 0.
4102. 4221. /. Juh mun. utendei, a. 0.
reficimid(am), I. N. 3538.
reficiund(as), /. Juh mun.
erceiscunda, /. Rubr.
dei vidunda, a. 0.
moeniundae, /. N. 4627.
i uredeicundo, a. 0.
Diese Beispiele zeigen, dass in den letzten zwei Jahrhunderten
der Republik die Sprache zwischen den beiden Bildungen des Ge-
rundium -undo und -endo schwankte, und dass die ältere - undo
nur wenig überwog. Auch in den Handschriften der älteren Dich-
ter findet sich dasselbe Schwanken, und mit Recht verwirft daher
Ritschi (d. lab. Aletr. Man. Ep. tr. p. 17) das Verfahren, in den
Texten des Plautus und Terenz gegen die handschriftliche Ueber-
lieferung überall die ältere Form -undo herstellen zu wollen.
Die Sprache der Gebildeten hat zwar in der Augusteischen Zeit
der Form -endo den Vorzug gegeben, aber ohne dass die Form
-undo verschwindet. Die geschäftliche und amtliche Sprache
der Gerichte und Staatsbehörden behielt dieselbe bei, besonders
in solchen feststehenden Formeln wie:
sacris faciundis, agro clividundo,
foederis faciundi, familiae erciscundae,
legibus scribundis, decumas vendun das,
finium regundorum, viam stein und am.
iure die undo,
und ähnlichen, die dem Ohr der feinen Welt am kaiserlichen
Hofe etwas Altfränkisch klingen mochten. Die Scheu vor dem
Gleichklang VV bewirkte, dass die auf u auslautenden Verbalstämme
die Gerundivform von -ondo unmittelbar zu -endo schwächten;
daher kommen nur die Formen wie acuendus, fruendus,
metuendus, restituendus, t u e n d u s vor , ebenso wie aus
der Scheu vor dem Gleichklang EE sich die Form e und um
hielt, oder wenn das u zu e sank, das erste e sich zu i dissi-
milierte, so dass -iendum gesprochen wurde.
Der Vokal e erscheint endlich aus vorhergehendem i, o,
oder u abgeschwächt durch folgendes 11 in der zusammengesetz-
ten Deminutivendung -ello, die durch das Herantreten der
— 282 —
Deminutivend ung - u 1 o an andere Suffixe entstanden ist.
Trat diese an das Suffix -ino, so fiel das u aus, das n assi-
milierte sich dem 1 und in geschlossener Silbe vor dem doppel-
ten 1 lautete i zu e um.
So entstanden:
a s e 1 1 u s , von a s i n u s , 1 a m e 1 1 a , von 1 a m i n a ,
ge melius, ge minus, pagella, pagina,
femella, femina, columella, columna, für colu-
m i n a ,
fiscella, fiscina, scamella, scamnum, fürsca-
miniim.
Ebenso verhalten sich zu einander die Namen:
Gemellina, Geminus, Ofellius, Ofinius,
Gemellianus, Ru feile ins, Rufinus,
Ob eil Jus, Obinius, Sa belli us, Sabina.
Durch Herantreten des Diminutivsuffixes -ulo an die En-
dung -ob ist in ähnlicher Weise o zu e umgelautet in:
Na selli us von Na so n.
Durch Anfügung der zweiten Deminii t ivcml u n g au
Stamme, die schon mit demselben gebildet sind, lautet, nachdem
das zweite u ausgefallen ist, das eiste zu e um; so in:
avicella, von avicula, Figellius, von Figulus,
capitellum, capitulum, Vitellius, vilulus,
catellus, catulus, Trebellius, Trebula,
occllus, oculus, Vag eil ins, vagulus,
popellus, populus, Gerellanus, geiulus,
tabella, tabula,
C a er e 11 i u s, vgl, c a e r.ul e u s.
Indessen ist der Einlluss auf den vorhergehenden Vokal dm
11 ausübte doch kein durchgreifender gewesen, denn vor 11 er-
scheinen auch die anderen Lateinischen Vokale in Diininulivbil-
dungen wie Messalla, corolla, po eil In in, lenullus, von
denen in dem Abschnitt über die Vokalausstossung noch einmal
die Rede sein wird.
i.
In dem Abschnitt über die Trübung der Diphthongen ist nach-
gewiesen, wie das lange i, dessen breiter an e anklingender Laul lange
Zeit in der Schrill durch EI ausgedrückt wurde, häufig hervorge-
gangen ist aus einem früheren Diphthongen ai, oi, ei. Hier wird
— 283 —
insbesondere das kurze i in Betracht zu ziehen sein, und es fragt
sich, unter welchen eonsonantischen Einflüssen dasselbe aus den
Vokalen a, o, u, e umgelautet erscheint. Die Consonanten, die zu
dem Vokal i eine hervortretende Wahlverwandtschaft zeigen,
sind die Liquida n, die L i n g u a 1 e n t und d und der Zischlaut s.
Diese sind also nach der Reihe durchzugehen.
Das Suffix -no duldet vor sich alle langen Vokale a, o, u, e und
i, hingegen unter den kurzen nur i, indem es andere kurze Vokale
zu i abschwächt, oder das i als Bindevokal vor sich zur Anfügung an
consonantisch auslautende Stamme wählt. Diese Neigung des n tritt
besonders scharf hervor, indem es das a Griechischer Wörter , die
in die Lateinische Sprache aufgenommen sind, zu i abschwächt;
so in:
b a 1 i n e u m , von ßalav elov ,
bucina, ßvxavT],
Gatina neben Catana, Katdvrj ,
mach in a, {ia%avd, [ir]%avij,
patina, ita%dvY\,
r u n c i n a , qvk avr\,
trutina, TQvtdv?].
In demselben lautlichen Verhältniss zu einander stehen:
fa sc in um, ßdö xavov;
doch ist, wie der Anlaut f zeigt, das Lateinische Wort dem Grie-
chischen nur verwandt, nicht aus dem Griechischen ins Lateini-
sche übertragen.
Unverändert bleiben dagegen bei ihrer Uebertragung in die
Lateinische Sprache solche Griechische Adjectiva, die vor dem
Suffix -no schon im Griechischen ein i zeigten, wie:
adam antin us, cedrinus,
amygdalinus, cerasinus,
b o m b y ci n u s , ei e ph a n t i n u s ,
coccinus, coccineus, murrhinus,
crocinus, tartarinus,
cry stallin us.
Aber auch in einheimischen Lateinischen Bildungen er-
scheint unter allen kurzen Vokalen n u r i vor der Endung -n o ; so in:
dominus, duracinus,
M-miaos-, faginus, fagineus,
aesculinus, ferruginus, ferrugineus,
— 284 —
laurinus, fuscina,
pampineus, pagina,
prasinus, sarcina,
succinum, succineus, parietinae.
fisci na,
Das Griechische zeigt hingegen auch sonst a vor dem Suf-
fix -v o ; so in:
iKctvog, ovndavog, oQyavov, egavog,
TU&ccvog, 'EQydvf], ICßav og, ysQavog.
Das mediale Participialsuffix Sanskr. -mana, Griechisch
-fisvo gestaltet sich Lateinisch zu -mino, indem das i durch das
folgende n bedingt wurde; so in:
lamina, dem Griechisch ela-^ievYi entsprechen würde,
t e r m i n u s
von Wurzel -tar (durchdringen), von der trans, intrare u. a. ge-
bildet sind.
Pilurnina, /. N. 3783. vgl. Filumine, /. N. 6845.
P h ilum in a, #.0.3801. 3795. &iAov[i8vr];
das i wird dann ausgestossen in den schon erwähnten Bildungen
wie aliimnus, a u c t u m n u s , Vertumnus, columna, a e -
rumna u. a.
Das zusammengesetzte Suffix Sanskr. -tana, durch das Ad-
jectiva zur Zeitbestimmung gebildet sind, lautet Lateinisch -tino,
indem das i durch das folgende n bedingt war; so in:
an notin us, diutinus, pristinus,
crastinus, hornotinus, serotinus.
Das Suffix -on, Sanskr. -an, lautet in den Casus obliqui-in,
indem das o durch folgendes n zu i geschwächt wurde, wenn der
Stamm durch die herangetretene Casusendung einen Zuwachs er-
hielt. Im Nominativ blieb die Endung -on unversehrt, da die Laut-
verbindung in im Auslaut der Lateinischen Sprache überhaupt zu-
wider ist. So entstand also i vor n in :
cardinis, tudinis, viraginis, lanuginis,
ordinis, rnarginis, virginis, vesperruginis,
hominis, imaginis, remeliginis, fermginis,
neminis, indaginis, vertiginis, eon sue t ndinis,
turbinis, farraginis, caliginis, valetudinisu.a.
Auch in Stammsilben gehl e durch den Kinllnss eines folgenden
n in i über. So wurde :
— 285 —
Minerva aus älterem Menerva, Quint. I, 4, 17.
in, en, Col. roslr.rest. Gr.iv,
in du, endo, svdov,
intus, ivtog,
vi n d i c o , v e n d i c o , vgl. venia.
Doch ist schon ohen darauf hingewiesen worden, dass die
Bauernsprache, das heisst die Volkssprache, zum Theil den breiteren
E-laut liebte, wo die Gebildeteren i sprachen, wie in speca, vea,
vella {VarroB. B. I, 48, 2. 1, 2, 14). Daher tritt denn in der
späteren Volkssprache auch vor n zum Theil wieder e statt i ein;
so in:
vendemia, I. N. 3571. admenestre(nt), a. 0.
menus, I. N. 1291 (p. Gh. dornen o, Fleetw. S. I. Mon.
389? 459?). Steiner, Alt- Chr. 508, 2.
christl. Inschr. 5. 57. gemeno, ö. ö.
menester, I. N. 6308, 23. Domenecus, Boiss. I. Ly.
admenestrationes, Or.1120 XVII, 7.
(375 p. 67*.). uomene, Boiss. I. Ly. XVII,
senu, Or. 4583. 60.
a d m e n e s t r a r u n t , Or. Henz.
6431 (p. Ch. 362).
und so ging dieses e in die Italienische Sprache über, wie seno,
meno u. a. zeigen.
Die Wahlverwandtschaft des lingualen n zu demjenigen Vokal,
bei dessen Aussprache die Zunge am entschiedensten thätig ist, zeigt
sich besonders darin, dass der I-ähnliche vokalische Beiklang des n
sich bei mehreren aus dem Griechischen in die Lateinische Sprache
übertragenen Wörtern zu einem stummen i entwickelt hat. So er-
klären sich die Schreib- und Sprech weisen :
mina, Lycinia, Or. 2931.
hyminis, D aphine, /. N. 2368.
gyminasium, Daphino, /. N. 5996.
C u c i n u s , D a p h i n rd i s , Renier, Inscr. de
Pro ein a, Plaut. V Alger. 2506.
Pro eine, Ari ad ine, 7. N. 5195. Vgl.
t e c h i n a , Plaut. Rilschl, Bhein. Mus. X, 447 f.
lucinus, XII, m f. An f. 639/.
Die Consonantenverbindungen \iv , xv, %v, yv, dv im An-
laut und Inlaut waren der Lateinischen Sprache unbequem. Eine ahn-
— 286 —
liehe sprachliche Antipathie hat also in techina, mina den I-ähn-
lichen Beiklang des n zu 1 entwickelt, wie in drachuma, Al-
cumena, Alcumaeo, Tecumessa den U-ähnlichen voka-
lischen Beiklang des m zu ü.
In sehr entschiedenen Zügen tritt die Wahlverwandtschaft
des Zischlautes s zum Vokal i hervor.
Schon in dem Abschnitt über das Schwinden der Diphthonge
ist nachgewiesen, wie die Flexionssilben der Declinationen -ais,
-ois, -eis zu -is verschmolzen. Ebenso ist bereits besprochen,
wie in senatuos, magistratuos sich die alte der Griechischen
entsprechende Endung -os des Genetivs gewahrt hat, und wie diese
erst zu - u s wurde , dann sich zu - i s erleichterte , wie Castorus,
Vener us neben Ca stör is, Vener is zeigten. Denselben Laul-
übergang eines o durch u zu i finden wir nun in der Spät lateini-
schen Volkssprache wieder, welche die Endung des Accusativ
IM ur aus -os erst zu -us getrübt, dann zu -is erleichtert hat. Man
sieht dies daraus, dass aufzahlreichen Grabschriften zur Bezeichnung
der Lebensdauer die Formen annos, annus, annis zu derselben
Zeit und an derselben Stelle gebraucht sind, ja nach Abfall des aus-
lautenden s auch a nno, a n n i. Man vergleiche :
annos, I. N. 1299(p. Ch. 494). 1233.
anno, Boiss. I. Ly. VII, 2.
annus, /. N. 1057 {p. Ch. 389—459). 1291 (p. Ch. 384—459).
1302 (p. Ch. 508). 1303 (p. Ch. 509). 1304 {p. Ch. 515). 3891
O. Ch. 517). 1305 (p. Ch. 529). 1306 (p. Ch. 546). 1846 [p.
Ch. 542). 1307. 1308. 1350.
annis, /. TV. 2527 (p. Ch. 176). 1294 (p. Ch. 428? 511 ?). 1295
(p. Ch. 434). 1298 (p.Ch. 484). 1300 {p. Ch. 503). 1301 (/>.
Ch. 504). 1349 (p. Ch. 358). 1589. 1618. 6939. 6940.
anni, J.JV. 1248.
Nun zeigt zwar gelegentlich die beistehende Form me n s i Im s , d ie -
bus, dass annis vom Schreiber als Ablativ gefasst ist; aber gerade
weil sich Ablal iv- und Accusati vform in der Aussprache nicht
mehr deutlich schieden, kam dieser A blat i v dazu, wie der Accusativ
zur Bezeichnung der Zeitdauer verwandt zu werden. Ebenso
brauchte man dann auch mensib us und diebus; daher findet sieh
/. N. 6940. neben einander auf derselben Inschrift anis, mens es,
diebus. Dass das o der Endung (\('s Aecusaliv IMuralis einmal zu
i wurde und das auslautende s einbüsste ebenso wie dieses von der
— 287 —
Ablativ- und Dativendung is abfiel, beweistauch der Italienische
Pluralis der O-stämme, der in Folge dessen in allen Casus, im
Nom., Acc, Abi., Dativ i zeigt und, nachdem die alte Genetivendung
-omni in Vergessenheit gerieth, diese Form auch auf den Genetiv
übertrug.
Für se vivis als Ablativus absolutus findet sich auf späten In-
schriften geschrieben :
se vivi, Grut. 608,4. 1114, 1.
se vibi, Gr. 877, 6.
se vibos, Gr. 799,3.
Diese Schreibvveisen geben den besten Beweis für die Richtig-
keit der vorstehenden Ansicht. Sie zeigen, dass der Unterschied der
Casusformen vivis, vivi, vivos nicht mehr im Bewusstsein war,
dass die Form des Dativs und Ablativs in der Aussprache bereits ihr
s eingebüsst, die Accusativform schon ihr s verloren und das o zu i
geschwächt hatte. Dasselbe wird bestätigt durch die Schreibweisen :
in suis, Grut. 460, 10. für in suos,
natus, Mai. Script, veit. n. coli. V, p. 271, 3. für nati s,
Fehler, die nicht vorkommen konnten, wenn nicht -os, -us, -is
in der volkstümlichen Aussprache zu Anfang des fünften Jahrhun-
derts bereits gleich klangen , das heisst statt ihres ursprünglichen
Lautes bereits das pluralische i des Italienischen gehört wurde.
In der Spätlateini sc henVolkssp räche tritt auch für die
Endung -es des Nominativ Sing, von consonantischen und I-
stämmen -is ein durch den Einfluss des schliessenden s auf den vor
hergehenden Vokal. Ein alter Grammatiker würde nicht darauf kom-
men, diese Formen zu verwerfen, wenn er sie nicht im Volksmunde
gehört hätte {Anal. Gramm. cd. Eichenf. und EndL p. 444). Es sind :
aus.
c a u t i s ,
s u b o 1 i s ,
c 1 a d i s ,
famis,
vatis,
v u l p i s ,
Syrtis,
p 1 e b i s
fabis,
p a 1 u m b i s ,
a e d i s ,
obsis,
apis,
suis,
senis,
d e s i s ,
n u b i s ,
vepris,
prolis,
resis.
Hier hat also der Einfluss des Zischlautes s auf den vorhergehenden
Vokal über die Neigung der Volkssprache, e für i zu sprechen, gesiegt.
Noch sind hier die Fälle zu erwälmen, wo eine Endung - i s sich
aus -i us erleichtert hat, indem die Vokale i u vor s zu i verschmolzen.
Dies findet zuerst statt in den Dativ- und A b 1 a t i v f o r m e n :
nobis, vo.bis.
— 288 —
Neben der gewöhnlichen Endung dieser Casus des Pluralis auf
-bus ist das i von nobis, vobis ebenfalls unter Einwirkung des s
entstanden. Aus der Endung des Sanskrit-bhja s (vgl. Bopp, Vgl.
Gr. 2. Ausg. I, S. 421 f. 484 /.) wurde im Lateinischen ursprünglich
-bj u s, und aus dieser Form durch Vokalverschleifung einerseits -bus,
andererseits -bis.
Ebenso erleichtert sich die Comparativendung -ios, -ius durch
Vokalverschmelzung einerseits zu -us in minus, plus, andrerseits
zu -is in den zu Adverbien verwandten Comparativformen :
magis, aliquantisper,
satis, paullisper,
potis, pauxillisper,
nimis, tantisper,
ultis (Zeitschr. für vergl. Sprachf. III, 277 f.).
Ebenso in den mit dem Comparativsuffix -tero erweiterten
Bildungen :
magister, minister, sinister
und in den von prius abgeleiteten Adjectivformen :
priscus, pr istin us.
Dasselbe findet auch statt in der Endung des Superlativ -iss i-
mus, die zusammengesetzt ist aus dem Comparativsuffix -ios, -ius
und der Anfügung -timo. Beweisend dafür sind die Formen:
s o 1 1 i s t i m u m , Fest. p. 289. Superlativ von s o 1 1 u s ,
sinistimum, Fest p. 74. Superlativ zu der comparativischen
Form sinister, wie de xt im um zu dexter (Zeitschr. für
vergl. Sprachf. III, 280).
Dass das s in allen diesen Formen auf die Gestaltung des vor-
hergehenden Vokales zu i eingewirkt habe, lässt sich Dicht in Ab-
rede stellen.
Aus eben dieser Wahlverwandtschaft des s zu i ist es zu er-
klären, wenn Griechisches a bei der Uebertragung Griechischer
Worter ins Lateinische vor st und ss in i abgeschwächt wird.
So wird :
KavaötQov zu canistrum, xco^lcc^co zu comissor,
ÄSTtaötTJ, lepista, MaOavaO G i]g, Masinissa.
Der Zischlaut, und Zungenlaut s lag dem lingualen Vokal i in
der Stellung der Sprachorgane bei der Aussprache dieser Laute
nahe. Es gieht ein schlagendes Zeugniss dafür, dass das B einen
— 289 —
I-ähnlichen vokalischen Anklang hatte. Schon seit dem
vierten Jahrhundert nach Christus finden sich auf Inschriften die
Schreibweisen:
istatuam, Or. 1120 (375 p. Ch.) für statuam,
Ispartacus, /. iV. 6532. Spartacus,
Istaverius, I. N. 3409. Staverius,
Istaver ia, a. 0.
ispirito, /. N. 1851. spirito;
damit stimmen überein die in Handschriften vorkommenden Schreib-
weisen :
iscevas für sce vas,
i s t r u i s , s t r u i s ,
istares, Stares,
I stic ho, Sticho,
I s t a s i m e , S t a s i in e
{Lachmann, Lacr. p. 231. p. 232).
Der I-ähnliche vokalische Anklang des s hat sich also schon in
der Spätlateinischen Volkssprache im Anlaut der Wörter zu einem
stummen Vokal i entwickelt. Zu e gestaltet geht dieser so entwickelte
Anlaut dann in die Romanischen Sprachen über, wie das Französische
espri t, espece u. a. zeigen.
Um den Einfluss eines vorhergehenden s auf folgenden Vokal
zu erweisen, dazu steht:
s i m u 1 für semul, Plaut.
semol, J. N. 4495.
zu vereinzelt, denn ein e in der älteren Volkssprache erscheint für i
der späteren, auch ohne dass man Einfluss eines Consonanten dabei
nachweisen könnte, wie schon oben erwähnt ist.
Wahlverwandtschaft zwischen i und den Lingualen t und d
bethätigt sich in folgender Weise :
Das t im Anlaut der Suffixe wählt vor sich mit Vorliebe
den Vokal i. In den ältesten Zeiten war diese Neigung der Sprache
noch nicht so entschieden ausgeprägt, denn es finden sich auf Vor-
augusteischen Inschriften Wortbildungen, die ein e vor t an der Stelle
zeigen, die später ein i einnimmt; so:
m er eto,/.JV. 5567.5483. neben meritod, Ri. fictil Lat. p. 27.
t. Scip. B. f. Epigr. Sor. Rhein. Mm. IX, 19. 460.
Ritschi. Mon. Ep. tri.
CORSSEN. 19
— 290 —
mereta, iäb. Äletr. Ri. Mon.
Ep. tr.
Aecetiac, Ri. ficäl Latin, neben Aequitia e , Aequitatis,
p. 17.
Condetius, Or. 1433. vgl. conditus,
apparetoris, Ann. d. Inst. apparitoris,
1838. p. 202.
habetabatur, /. Jul. mun. habitabatur,
sineto, a. 0. sinito,
i n t e r c e d e t o , a. 0. intercedito.
Einige dieser Wortformen bedürfen einer Erklärung. Ans den
Formen sineto, intercedeto muss man schliessen, dass e als
Bindevokal vor den mit t anlautenden Flexionsendungen desVerbnm:
-tis, -te, -to, -tote in der alteren volkstümlichen Sprache weitere
Ausdehnung halte und erst nach und nach allgemein in i überging,
dass also Formen wie:
Lat. legeto, und Griech. Isyetcö,
legetis, leyste,
legete, leysxe,
mit demselben Bindevokal gesprochen wurden. Auch die Singular-
formen der Altlateinischen Sprache wie:
possedeit entsprachen den Griechischen wie xa&e^ei
in Bezug auf den der Personalendung vorhergehenden Vokal, ebenso
wie die Endungen der dritten Person Pluralis:
Alllat. legonti, Bor. Xiyovti (vgl. S. 200.)
hinsichtlich dieses Vokales übereinstimmen.
Aus der handschriftlich verbürgten Schreibnil :
genetivus folgt eine Participialform genetus für genitus.
Ebenso entstand ge nitr ix durch Einfluss des t aus gen et i i \,
Griech. ysv ExeuQa
Das e von apparetoris unter den oben verzeichneten Wort-
formen ist als Abschwächung des a von apparare anzusehen und
wird in der späteren Sprache weiter tu i geschwächt So wird der
Charaktervokal a von Verben der A-Conjugation zu i geschwächt in
den Bildungen :
e ubitum, sonitum, sonitare, rogitare,
plicilum, crepitum, crepilare, minitari.
domitum, vetitum, clamitare.
— 291 —
In mereto hat sich das auslautende e des Verbalstammes raere-
erhalteu , aber wie das Versmass der Scipionengrabschrift und des
Epigramms vonSora zeigt, schon zu e gekürzt; mereto verhalt sich
also zum Stamme mere- wie vegetus zum Stamme vege-. Die
spätere Sprache hat das charakteristische e von Verben der E-Con-
jugation häufig nicht bloss zu e gekürzt, sondern auch durch Einfluss
des folgenden t zu 1 umgelautet. So in:
habitum, habitus, praebitum,
m e r i t u m , t e r r i t u m ,
m o n i t u m, m o n i t u s, m o n i t i o, m o n i t o r, a b o 1 i t u m, a b o 1 i t i o,
d e b i t u m , d e b i t o r , c a v i t u m , t a c i t u s ,
n o c i t u m , m i s e r i t u m ,
p 1 a c i t u m , p u d i t u in ,
e x e r c i t u m , exercitus, e x e r c i t i u m , 1 i c i t u m u.a.
In Aecetiae für Aequitiae ist das edes Suffixes abgeschwächt
aus dem o des Stammes aeco-, a e q u o -.
In den gewöhnlichen Bildungen mit den Suffixen -tia, -tie,
-tio von O-slämmen ist das o vor folgendem t zu i geschwächt.
So in :
amicitia, laetitia, notitia, calvitium,
planitia, planities, malitia, mundities, capillitium.
Auch vor dem Suffix -tat, Gricch. -r^r, findet dieselbe Ab-
schwächung eines stammhaften o zu u durch folgendes t statl. So in :
bonitas, humanitas, tardilas,
Caritas, pravitas, vanitas,
claritas,4* sanitas, veritas.
fatuitas, serenitas,
Im Gegensatz dazu wahrt das Griechische vor dem Suffix rrjt-
das auslautende o und v von Adjectivstämmen. So in:
äyQLOtrjg, 7iaÄcci6trjg, öxXrjQorrjg , ßaQvtrjg,
ßaßccLOTTjg, TtoöOTTjg, vyQotrjg, oZvrrjg,
dsilotrjg, GeyLVOTrig, iqy\6 i\LÖxr\g, xa%vTv\g.
6%VQOTr]g,
Auch hier hat das Griechische in der Suffixbildung seinen Voka-
lismus ungetrübter und mannigfaltiger erhalten. Ebenso ist im La-
teinischen o zu i abgeschwächt vor dem Suffix -tudo in:
a 1 1 i t u d o , c r a s s i t u d o , c 1 a r i t u d o ,
amplitudo, magnitudo, servi t udo u. a.
1 a t i t u d o ,
19*
— 292 —
und vor der Endung -tus in:
funditus, caeli tus, publicitus u. a.,
die wie intus, radicitus gebildet sind, doch von den O-stämmen
fundo-, caelo-, publico-.
In allen diesen Fällen, wo i aus älterem e der Volkssprache her-
vorgegangen ist, das entweder aus a, e, ö entstanden ist oder dem
Griechischen e als Bindevokal entspricht, scheint die Spatlateinische
Volkssprache auf die Bahn des Altlateinischen zurückgekehrt zu sein:
So findet sich:
primetivus, I.N. 3344.
auf einer Inschrift der Kaiserzeit, und auf christliehen Grabschriften
der spätesten Zeit liest man:
condetus, Fleetw. S. I. Mon. Chr. 515, 3.
place tus, Fleetw. S. 1. Mon. Chr. 508, 2.
penetentia, Boiss. I. Ly. XVII, 33 (p. Gh. 507).
karetate, a. 0. XVII, 67.
Vor anlautendem d des Suflixes -do erscheint der auslautende
Vokal des Verbal- oderNominalstammes, an den es tritt, regelmässig
zu i geschwächt in der Blüthezeit der Litteratur. Im Altlateinischen
war das nicht durchgängig der Fall. Zu Naevius Zeit sprach man
zum Beispiel:
t i m e d u s , Com. Ribb. p. 1 0. für t i m i d u s ,
wie mereto für merito, indem sich das e des Verbalstammes time-
zwar gekürzt aber nicht zu i umgelautet hatte. Dies letztere findet
statt bei den von Verbis der E-conjugation mit dem Suftix -do abge-
leiteten Adjectiven:
pavidus, rubidus, squalidus,
fervidus, sordidus, avidus,
languidus, stupid us, foetidus,
madidus, algidus, humid us,
nitidus, fulgidus, albidus,
pallidus, turgidus, nitidus,
r i g i d us, f r ig id u s , viridis (fü r viri d u s).
Ein auslautendes a ist vordem Suffix -do zu i erleichtert in:
h e r bi d u s , t u r b i d u s , von h er b a , tu r b a ,
auslautendes u in:
gelidus von gelu.
Auslautendes o erscheint vordem Suffix -do auf einer Insehril'l
der Gracchenzeit zu e geschwächt in:
— 293 —
s o 1 e d u s , t. Aletr. Bitschi, Mon. Ep. tri, später zu i in s o 1 i d u s
vom Stamme solo-.
Das Griechische hat in den Adverbien auf -dov und -dtjv mas-
culine und feminine Accusative von eben solchen Adjectivstämmen er-
halten, die mittelst des Suffixes -do abgeleitet sind, wahrt aber vor
demselben die auslautenden Vokale a, r\, v, so in:
£7tt6taö6v, tlridov, ßo% qv dov ,
%v6tadov, aye lydov,
xv vrj dov,
6toL%r]d6v,
ßovöt Qocprjdov,
ßccdrjv,
Xoyddrjv ,
6 iroQccdrjv,
£7titQ0%ddr]V.
Die Formen xvvrjdov , 6xoi%7\döv ^ ßovtiTQoyrjdov
entsprechen in ihrer Ableitung von Verben der E-eonjugation den
Lateinischen wie timedum, fervidum, nitidum u. a., aber sie
haben die Länge ihres r\ unversehrt erhalten Das Griechische hat
auch hier den reichen Schatz seiner Vokale gewahrt, während die
Mannigfaltigkeit der Vokale im Lateinischen zu i verarmte.
Die Lateinische Sprache ist reich an Eigen na men mit dem zu-
sammengesetzten Suffix -idio gebildet, deren i vor d aus andern Vo-
kalen, namentlich dem auslautenden o von O-s t ä m m e n, abgeschwächt
ist. Im provinicalen Latein der Kaiserzeit finden sich die Namen :
C a 1 e d i u s M u r e d i u s V e i 1» e d i u s
C a 1 v e d i u s S u 1 1 e d i u s Vettedius (Momms. I.R.Ncap. Ind. Nom).
Unter diesen setzen Caledius und Calvedius alte Adjectiv-
formen caledus, calvedus voraus, die sich zu calere, calvere
ebenso verhalten wie limedus zu timere; auch hier findet sich
also eine altlateinische Suffixgestaltung im späteren provincialen La-
tein wieder.
Das kurze i drängt sich nun im Lateinischen überall vor
die Suffixe ein, auch ohne dass man eine Lautverwandtschaft mit
folgendem Consonanten wahrnehmen könnte. Auch vor dem Suffix
-co liebt sie es den auslautenden Vokal von vokalischen Stämmen zu
T sinken zu lassen, oder diesen Vokal als Bindevokal zwischen con-
sonantisch auslautende Stämme und eonsonantisch anlautende Suffixe
zu schieben. So zum Beispiel in :
— 294 —
villicus, Persicus, Hispanicus,
j) o p 1 i c u s , N u m i d i c u s , L a c o n i c a ,
famelicus, Macedonicus, tribunic-ius,
fl amini c us, Galliens, patric-ius.
Die Griechische Sprache liebt zwar auch vor der Endung -xo
den leichtesten Vokal v ; sie wahrt indessen doch auch auslautendes
a und v des Stammes in Bildungen wie :
[laviccxog, ftrjXvxog ,
'OlvyLTtiaxos, Atßvnog.
KoQiv&iaxog,
Das Suffix -co ist erweitert durch das zusammengesetzte Suf-
fix -und o, das zur Bildung des sogenannten Gern n d i u m verwandt
wird in:
r üb i cu nd us , von den Verbalstämmen ruhe-,
verieundo, /. R. JV.2522. vere-,
und auch hier erscheint i aus e gekürzt und geschwächt, y .
Das kurze i zeigt sich als der dünnste und schwächste Vokal
auch vor den schweren mit den Labialen 1) und in anlautenden Suf-
fixen, obwohl es mit denselben keine Tonverwandtschaft hat.
So vor dem schweren Suffix -bundo, das nichts anderes ist,
als das Gerundium vom Vcrbalstamme fu-, also aus fuundo ent-
standen, indem f wie gewöhnlich im Inlaut zu b sank und die Vo-
kale uu verschmolzen, in:
pudibundus, von den Verbalstämmen päd 5-,
ridibundus, ride-.
Ebenso in dem Suffix -bulo in:
patibulum, pale-,
latibulum, lal<
während vor demselben Suffix in der Gestalt -bro, -bra wegen der
zwei folgenden (Konsonanten br in geschlossener Silbe e stehen
muss in:
illccebrae, tenebrac, vertebra,
palpcbra, terebra, cerebrum.
Ebenso ist e zu i geworden vor dem Suffil -bero in:
Mulcibcr, Or. 1382. vom Stamme mulee-.
Vor der Endung des Dal. Abi. Plur. -bus bat sidi das
auslautende u der U- stamme vielfach zu i erleichtert. So
in :
— 295 —
domibus, artibus, fructibus, versibus,
nuribus, portibus, fluctibus, lusibus w. a.
Die I-stämme bcballen an dieser Stelle natürlich ihr i, conso-
nantiscbe zeigen regelnlässig i als Bindevokal.
Im Altlateinischen erscheint statt i vor der Endung -bus bis-
weilen e in:
tempestatebus, t. Scip. Barb. f.
n a v e b o s , col. Rosir. rest.
D i c t u n i n e b u s , t. Genital .
und in der Volkssprache der spätesten Zeit kommt auch dieses e
wieder zum Vorschein in:
o m n c b u s , Fleeiw. S. I. Mon. Chr. 342 , 3.
Langes e erscheint vor dem schweren Doppelsuffix -mento
gekürzt und durch das m zu jenem Mittellaut zwischen i und u um-
gelautet, von dem oben die Rede war, in:
documentum, doeimento, I.N.Wtf. vgl. doce-re,
m o n u m e n t u m , monimentum, /. N. 6837. m o ne- r e,
6843. 6916. 7088. 2044.
2346. 3030. 3119. 3642.
4042.
Als der dünnste und leichteste Vokal zeigt sich i dadurch,
dass in Compositen der auslautende Vokal des ersten Be-
standteiles sich zu i erleichtert und consonantisch auslautender
Stamm mit consonantisch anlautendem durch den Bindevokal i ver-
bunden wird. So ist i :
aus a abgeschwächt in : aus u abgeschwächt in :
'O'
stellige
aquilifer, arcitenens,
causidicus, luctificus,
t u b i c e n ; c o r n i c e n ,
fruetifer,
fluetivagus;
aus o abgeschwächt in: i bleibt ungeändert in:
arniipo tens, artifex,
fatidicus, partieeps,
aurifex, Marticola,
magnificus, mortiferus,
amplificus,
viripotens;
— 296 —
es tritt als Bindevokal .zwischen Compositionsglieder in:
homicida, opifex,
parricicla, lucifer,
fratricida, florifer,
sororicida, Prise. I, 33. H.
Diese Erleichterung des Vokales in der Fuge der Composita
geht im Lateinischen aus der Neigung hervor die Glieder der Com-
posita eng und unauflöslich an einander zu schweissen, sie in straffer
Einheit und möglichst knapper Form unter einem Hochton zusam-
men zu hinden. Daher macht sich die Sprache auch Griechische
Composita mundrecht, indem sie das o in der Fuge der Composita
zu u erleichtert. So wird :
Dionusidorus aus /} LowGodagog,
tragicomoedia, tgayo xcö{i<pdicc,
thermipolium , d'BQ^ioTCcoXtov 7
Lemniselene, Arj^voöelrjvi],
Demipho, Arj^ioqxav,
Calidorus, KaXoöcjQog,
Patricoles, IlaTQoxXrjg.
{Fleckehen, Rhein. Mus. VIII, 221 .)
Desgleichen ist:
Mithridates aus Mtd-Qccddt rjg
geworden, indem wie in st eil ig er das auslautende a des Stammes
tii&Qcc- zu i sank.
Wenn die vorstehende Untersuchung ergehen hat , dass der
Vokal i mit s, n, d, t entschiedene Wahlverwandtschaft
zeigt, dass er sich als der leichteste Vokal vor consonantischem
Anlaut schwerer Suffixe wie in der Wortfuge der Compo-
sita findet, so muss hier noch einmal darauf hingewiesen werden,
dass in der Volkssprache aller Zeiten das i nielit so vorwiegend
gewesen ist, als in der Sprache der Gebildeten zu Augustus Zei-
ten; das zeigen die angeführten Wortformen aus Altlateinischen
Sprachdenkmälern, aus der Bauernsprache zu Varro's Zeil, aus der
Spätlateinischen Volkssprache, die statt i e halten. Es isl nach-
gewiesen, dass in den Formen der älteren Sprache wie Menerra
(neben mens), en, endo, Aecetiae, apparetores, habe-
tahatur, timedus, sineto, intercedeto das e auch etymo-
logisch hetrachtet der ältere Laut isl als i, und dass die Lateini-
sche Volkssprache der spätesten Zeit zu diesem allen e wieder
— 297 —
zurückkehrt. Ein solches Schwanken zwischen e und i wie die
Lateinische Sprache zeigt auch der Umbrische Dialekt. Schon
im Umbrischen der älteren Epoche tritt dieses Schwanken sichtbar
hervor, während in der jüngeren Sprachperiode ähnlich wie in der
Sprache der Gebildeten in der Entwickelungs - und Blüthezeit der
Römischen Litteratur das e viel häufiger zu i abgeschwächt erscheint.
Es genügt aus zahlreichen Wortformen der Art hier nur folgende
Beispiele zusammen zu stellen:
Aliumbr.
Neumbr.
Lat.
s teplatu,
s t i p 1 a t u ,
stipulator,
p e h a t u ,
p i h a t u ,
piato,
trefi,
trifo,
tribu-,
vea,
via ,
via,
t a c, e z ,
tac,is,
tacitus.
(Umbr. Sprachd. A. K. [, 27. 28).
Im provincialen Latein Süditaliens tritt im Gegensatz
zu der Bauernsprache der Römischen Campagna eine Neigung zum
I-laut hervor. Das muss man aus folgenden Schreibweisen von
Inschriften Süditalischen Fundorts annehmen :
ris, /. Jul. muri. tdb. Her ad. dibito, a. 0.
Rhein. Mus. VIII, 480. sedito, a. 0.
rim, a. 0. fruminto, /. N. 2464.
ist, a. 0. venirandae, /. N. 3359.
sinatum, a. 0. ditulit, /. N. 6582.
eins um, a. 0. ein er im, /. N. 6582.
cinsuerint, a. 0. sicund(o), I. N. 6779 (p. Ch.
habiet, a. 0. 41).
habibit, a. 0.
Die Spätlateinische Volkssprache zeigt neben Formen wie:
menus, menester, fescu, senu, dulcessima, lecue-
r u n t , o r e g i n em und anderen , die oben angeführt sind , auch
Formen wie:
rinovato, Or. 1017 (saec. 3. p. Ch.).
dipositus, Grut. 1058, 2. 1050, 12,
deren erste dem Italienischen rinovato genau entspricht. Ja es
lindet sich schon im Spätlateinischen die Brechung des e zu ie in
hochbetonter Silbe, welche die Romanischen Sprachen in Formen
wie Hai. t i e n e , v i £ n e , Franz. v i e n t , t i e n t zeigen neben Ital.
— 293 —
tegnämo, vegnämo oder teniämo, veniämo, Franz. ve-
nöns, tenöns. Das bedeuten die Schreibweisen:
beneincrienti, /. N. 3509.
Lievrio, /. N. 4034.
fieccerunt, /. N. 1650.
Dass fieccerunt in der spätlateinischen Sprache gesprochen
wurde wie stetem nt, dederunt schon in alter Zeit, ergiebt
sich aus den Italienischen Formen fecero, diedero, stettero.
Ein Schwanken zwischen i und e, I und e ist in der Lateini-
schen Sprache also immer geblieben, bedingt durch verschiedene
Zeilen, verschiedene Gegenden und verschiedene Bildungssturen
der Menschen, ein Schwanken das sich durch die Einwirkung be-
nachbarter Consonanten nicht immer erklärt.
Blickt man nun noch einmal zurück auf die vorstehende Unter-
suchung, so stellen sich folgende Hauptergebnisse heraus. Ine
Umlautung der Vokale durch Wahlverwandtschaf I zu Con-
sonanten trifft viel häufiger kurze als lange Vokale, viel häuti-
ger auslautende Stammvokale1 und Ableitungs- oder
Bindevokale als Wurzelvokale, gewöhnlich tieftonige,
selten hochbetonte Vokale. Der reinste und vollste Vokal a ist
niemals durch Einwirkung eines Consonanten für einen anderen
eingetreten, der nächstgewichtige o ist nur in einigen Fällen
durch v bestimmt. Hingegen bekunden die drei leichteren Vo-
kale u, c, i entschiedene Wahlverwandtschaft zu Conso-
uanten, und zwar am hervorstechendsten u zu 1, e zu r, i zu n
und s, eine Wahlverwandtschaft die in der ähnlichen Stellung der
Sprachorgane bei der Aussprache dieser Laute ihren Grund hat.
Alle Umlautung der Vokale durch folgende Consonanten beruht auf
einer mehr oder minder vollständigen Assimilation des Voka-
les au den Consonanten. Der U-ähnliche vokaliscbe
Beiklang des 1 assimilierte sieb vorhergehende Vokale zu u, dei
E-ähnliche vokalische Anklang des r vorhergehende Vokale zu e,
der [-ähnliche Anklang des n und s vorhergehende Vokale zu i.
Die Vokale o und e erleiden in der Entwicklungsgeschichte der
Sprache ein ähnliches Schicksal.
Das Altlateinische zeigt in Bild ungss üben bis zur Zeil des
Syrischen Krieges e und o, wo die gebildete Sprache in der
— 299 —
Bliithezeit der Römischen Litteratur i und u sprach; die Volks-
sprache der späteren Zeit kehrt vielfach zu dem e und o zu-
rück und vererbt diese Vokale so auf ihre Tochtersprachen. In
geschlossener Silbe vor gehäuften Consonanten wählt die La-
teinische Sprache mit Vorliebe die Vokale u und e. Die Vokale e
und i, die Proletarier unter den Lateinischen Vokalen, die füg-
samsten L a u t u n t e r t h a n e n benachbarter Consonanten,
haben in den Bildungssilben der Wörter vielfach die Plätze ein-
genommen, aus denen vollere und edlere Vokale gewichen sind.
Der Vokal e drängt sich häufig in den Auslaut und in die End-
silben vor schwach auslautenden Consonanten an die
Stelle von a, o, u, i, weil er der bequemste Vokal für die Aus-
sprache ist, unmittelbar bevor sich die Sprachorganc am Schluss
eines Wortes in Ruhe setzen. Der dünnste und leichteste Vo-
kal i erscheint an der Stelle von a, o, u, c am häutigsten in den
tief ton igen Silben vor den Suffix en und als Bindevokal,
als der allgemeine lautliche Kitt zwischen Stamm und Suffix wie
zwischen Wort und Wort im Compositum.
Durch die angegebenen consonantischen Einflüsse wandelt
sich
also:
a
zu 0,
",
<N
i,
0
z u
n,
u
z u
e,
"e,
e
z u
i,
n,
*
i
z u
e.
3) Umlaut durch Wahlverwandtschaft zwischen Vokalen.
»
Sprachen wie Menschen werden mehr durch vorwiegende Nei-
gungen als durch unumstössliche Regeln und Grundsätze bestimmt.
Gleich und gleich gesellt sich gern, das gilt von sprach-
lichen Lauten wie von Menschen bis zu einer gewissen Grenze ;
aber ganz gleiche Laute vertragen sich andrerseits oft eben so
schlecht nebeneinander wie ganz gleiche Charaktere. Zwei Nei-
gungen wirken sich also in der Sprache entgegen; die eine sucht
verschiedenartige Laute auszugleichen, um Härten zu
vermeiden, die andere sucht gleiche Laute zu differenzieren
aus Widerwillen gegen Eintönigkeit. So giebt es im Lateinischen
— 300 —
eine Assimilation wie eine Dissimilation der Vokale und
Consonanten. Für die vorliegende Untersuchung über den Vokalis-
mus sind es die Vokale, um die es sich handelt; es wird also erst
von der Assimilation, dann von der Dissimilation der Vo-
kale die Rede sein mit Benutzung der neueren Specialforschungen
über diesen Gegenstand von Pott (Etymol. Forsch. Assimilation.
Dissimilation, Ind. 761. 765) und insbesondere von Dietrich (de
vocalium quibusdam in lingua Laiina affectionibns, Progr. Hirsch-
berg. 1855).
a) Assimilation der Vokale.
Die assimilierende Einwirkung der Vokale auf einander ist
eine doppelte, je nachdem sie sich u n m i tt e 1 b a r berühren
oder noch durch die Scheidewand eines Consonanten von einan-
der getrennt sind. Vokale, die sich unmittelbar berühren,
werden sich in ihrer Lautgestalt oder Lautfärbung ähnlicher,
doch ohne sich völlig auszugleichen. Vokale, die durch einen zwi-
schenstehenden Consonanten gelrennt sind, wirken aufein-
ander, indem dereine durch die consonantische Scheidewand hin-
durch den Nachbarn auf der andern Seite derselben umlautet und
sich selber völlig gleich macht.
Es soll zuerst die erste Art der Assimilation betrachtet werden,
die lautliche Annäherung zweier sich anmittelbar berühren-
den Vokale. Bei dieser wird entweder der erste Vokal durch
den zweiten oder der zweite durch d en erst en umgelautet.
Die rückwärts wirkende Assimilation, die Umlautung des
eisten Vokales durch den zweiten trifft nur den Vokal i
Dieser wird durch folgendes a, o oder u zu e umgelautet; so in:
queam, neben quire, mea, neben mihi,
q u e o , nioo, m i ,
queunt, mens, mius.
Die Form mius erwähnt Velins Longus (p. 2236. P.) als allere
Form, und so findet sich mieis (/. Scip. <>r. 554); dazu stimmen
auch Oskisch siom, Lat. se, und Umbr. tiom, Lat, te {Kirchhofe
Sladlr. v. Bantia S. 79. Umbr. Sprachtl. AK. U'orlirrz.).
Aehnlich verhalten sich:
eamus, neben i in us.
eo, i s ,
e u n I , it.
— 301 —
Dass dieses e ursprünglich durch Vokalsteiger ung entstanden,
ist oben nachgewiesen (S. 156). Es hielt sich aber nur da, wo die
folgenden Vokale a, o, u es stützten, sonst ging es in der Augustei-
schen Zeit in i über. Genau ebenso stehen zu einander :
dea und divus, ea und is,
deo, eo, id;
d e u s , eura ;
das e ist ursprünglich durch Vokalsteigerung entstanden, dann durch
die folgenden Vokale a, o, u gehalten.
Ebenso wird Griechisches i durch folgendes a auf Lateinischem
Sprachboden zu e umgelautet in :
Cochlea, noxkiag, nausea, vavöCcc.
In der späteren Volkssprache vermengen sich die Suffixbildun-
gen -io und -eo aus einem Grunde, der in dem Abschnitt über die
irrationalen Vokale zur Sprache kommen wird. So in :
fereae, Vel. Long. p. 2233. neben feriae,
a 1 1 e u m , Chans, p. 54 . al 1 i u m ,
doleum,^. 0. dolea, I.N. 6746. dolium,
p a 1 1 e u m , a. 0. pall i u m ,
s o b r e u s , Caper, p. 2245. s o b r i u s ,
colligcus, /. N. 2502. collegium,
collegius, /. N. 5602.
vicea, /. N. 6746. vicia,
noxeos, I.N. 6036. noxios,
soleum, /. N. 6916. solium.
Aehnlich ist schon Altlateinisch :
filea, Or. 2497. filia.
Ebenso gehen die Lautverbindungen ia und ea nebeneinan-
der in:
Deanae, /. N. 6746. Or. Henz. Dianae, Or. Henz. 5707.
5704. 5706. 5708. 5710 a. 5709.
7302. Dianai, Or. Henz. 5710.
Wenn die Vokale a, o, u in diesen Bildungen das e vor sich
wählen statt des i, so ist das eine Art von Assimilation, weil in der
Stellung der Sprachorgane bei der Aussprache jene Vokale alle drei
dem e näher liegen als dem i.
Die späteste Volkssprache, namentlich im südlichen Italien,
liebt wieder die Lautverbindungen ia und io, wo die Schrift-
sprache, der besten Zeit ea, eo zeigt, wie im vorhergehenden
— 302 —
Abschnitte Beweise beigebracht worden sind , dass im provincialen
Latein Süditaliens eine Neigung zum I-laut herrscht. So erschei-
nen auf meist Süditalischen Inschriften spater Zeit die Formen:
Cerialis, /. R. N. 2605. 449G. 4910. 5006. 5255. 5326-
6787. Or. 988 (p. Ch. 246).
marmorias, /. N. 2225 (p. Ch. 44).
Herculiam, /. N. 6297 {p. Ch. 311).
hordiar(iae), /. N. 6746.
oblaquiatio, a. O.
viniae, Or. 3261 (p. Ch. 75). Cassiod. ap. Cornvt. 2284.
e x t r a n i u s , /. N. 6458 {sehr spül).
Auch das e der E-conjugation wird in der Volkssprache zu i.
So in:
liciat, /. N. 6036.
exiat, /. N. 6916.
abiat, Or. 2541.
abias, Or. 2566 (p. Ch. 177).
Der Umbris che Dialekt schlug schon frühzeitig diesen Weg
ein in:
habia, Lat. liabea t
(Umbr. Sprachdenkm. A. K. I, 141. 27).
Die Italienische Sprache bat ans <lcr spätesten Lateinischen
Volkssprache diese Bildung der Conjunctive der .dien E-coDJugation
beibehalten. .Man vergleiche:
Italien . a b b i a , Späilat. abiat, / mhr. habia, Lat. h ab e a t,
ebenso:
Halten, p i a c c i a , Lat. pl a cea t, llal. v a l i a I e . I.al. ?a 1 e a
lis,
giaccia, iaceat, teniate, te.nea-
rimaniamo, remaneamus, lis.
luden Ilalienischen Formen isi der Laul vor a nicht mehr Vo-
kal sondern j. Dass schon int Umbris chen ähnliches der Fall war,
ist zu schliessen aus der Tonn arhabas, I.al. adhibeanl
(/'//ihr. Sj/rd. A. K. I, III), die ans arhabias wurde, indem das i
sich zu j verbal tele und dann ausfiel; ebenso erklären sich Plaulini-
sche Formen wie evenat, convenat, pervenam für eveniat.
convenial , peryeniat. So isi auch in den Spfitlateiniscben
Conjunctivformen wie habia der Vokal vor a luj verhallet, und
eine ähnliche Aussprache muss für den ursprünglichen E-laul in
— 303 —
den anderen aufgeführten Formen eingetreten sein, die ihn durch I
bezeichnen. Im Abschnitt über die Vokalverschmelzung werden
sich weitere Beweise für diese Ansicht finden. Die Neigung der
Volkssprache, e und i nach Consonanten vor folgendem Vokal wie
j zu sprechen, wirkte also hier der Neigung für Assimilation ent-
gegen.
Einen assimilierenden Einfluss auf den folgenden Vokal üben
i und e.
Der Vokal e verhindert folgendes o sich dem folgenden 1 anzu-
bequemen und zu u zu verdunkeln in :
aurcolus, c e r c o 1 u s ,
c o r n e o 1 u s , 1 u t e o 1 u s ,
caseolus, b a 1 n e o 1 u s.
Ein i übt denselben erhaltenden Einfluss auf folgendes o in :
sciolus, negotiolum, Corioli, Anniolenus,
viola, patri ciolas, Puhliolus, Appiolena,
v i o l o , s e n a r i o 1 u s , Principiola, Didiolenus,
vi ölen t us, Apiola, Tulliola, Oviolena,
gladiolus, Aviola, Coriolanus, Medioleius
u n c i o 1 a , C a p r i o 1 a , P o t i o 1 a n a ,
{vgl. Momms. Jnscr. Rcgn. Neap. Ind. ?wm.).
Häufig ist im Lateinischen, dass der Vokal i ein folgendes a sich
zu e assimiliert.
So sind aus den auf -ia auslautenden Substantiven gleichbe-
deutende auf -ie-s gebildet, die nun der E-conjugalion angehören.
Gleich gebräuchlich stehen so nehm einander:
barbaries und barbaria, planities und planitia,
durities, duritia, mundities, munditia,
luxuriös, luxuria, pigrities, pigritia,
materies, materia, scabrities, scabritia.
m o 1 1 i t i e s , m o 1 1 i t i a ,
Nach Plinius (Charts, p. 94 P.) waren die auf -ies auslauten-
den Formen der alteren Sprache noch geläufiger, und so finden sich
denn theils bei älteren Schriftstellern, theils bei späteren, welche
die alten Formen wieder hervorsuchten, neben den gebräuchlicheren
Formen auf a :
amiciti'es, desidies, notities, saevities,
avarities, fallacies, prosapies, segnities,
blandities, maceries, puerities, spurcities.
— 304 —
Gebräuchlicher als die entsprechenden Formen auf -ia sind:
canities, effigies, pauperies.
Wenn Charisius p. 41 sagt: canities autem poeticode-
core in lenitatem soni corruptum est, so hat er das rich-
tige Sprachgefühl, dass die Lautfolge ie sich sanfter aneinander
fügte als ia. Die Assimilation des -ia zu -ie bewirkte also den
Uebertritt zahlreicher Wortstämme in die E-declination, denen dann
im Nominativ -ie-s für -ia ein Nominativzeichen s angefügt wurde,
wie es sonst in dieser Declination erscheint {Bopp, VergL Gramm.
I, 147 /. 2. Ausg. Umbr. Sprachd. AK. I, 31- Anm. 2).
Ebenso hat das i ein folgendes a zu e assimiliert in den
Zahladverbien :
totiens, multiens, centiens,
quotiens, quinquiens, milliens u. a.,
über deren Entstehung durch Anfügung des aus Sankr. -ijäns
entstandenen Comparativsuffixes schon gesprochen ist.
Ebenso ist ursprüngliches a durch vorhergehendes i zu e
umgelautet in allen Fällen, wo -ie auf Italischem Sprachboden
als Conj unetivzeichen auftritt, dem im Griechischen -£>;,
im Sanskrit -ia entspricht. Im Umbrischcn hat sich -ia noch er-
halten in den Conj unclivformen wie fuia, Lat. fuat, potaia,
Lat. portet u. a. {Umbr. Sprcl. AK. I, 141.) So sind also
durch Assimilation von -ia zu -ie die Altlateinischeu Conjunctiv-
formen :
siem, sies, siet, sient
entstanden.
Dasselbe gilt natürlich von denjenigen Conjunctivformen, die
zu Futuren verwandt sind, wie :
audies, audiet, facies, faciet u.a.
Noch weiter gegriffen hat die Assimilation in den All lateini-
schen Conjunctivformen :
faciem, Cato, Quin!. I, 7, 23. für laciam,
reeipie-, Fest. p. 286. rccipiaui,
und in den alten Formen wie:
d i c e m , Cato, Quint. 1 , 7 , 23. für d i c a m ,
attinge-, Fest. p. 26. attingam.
Hier ward aus den ursprünglichen Conjunctivformen diciam,
attingiam einerseits durch Wegfall des i wie in den IMautini-
schen Formen e v e na t , c o n venat , t» e r v e n a m , d icam , a 1 1 i n -
— 305 —
gam, andrerseits erst durch Assimilation diciem, attingiem,
dann dicem, attingem (vgl. Neue Jahrb. LXVIU, 370. 371).
Ebenso entstand :
essem aus es-siem,
nachdem das ursprüngliche Conjunctivzeichen -ia zu -ie assimiliert
worden war.
Es ist nun die zweite Art der Assimilation in Betracht
zu ziehen, durch die ein Vokal einen anderen, der von ihm durch
einen Consonanten getrennt ist, umlautet und sich gleich
macht. Diese Assimilation ist meist eine rückwärts wirkende,
so dass der Vokal der vorhergehenden Silbe durch den Vokal der
folgenden bestimmt wird. Am entschiedensten und häufigsten übt
diesen Einfluss der Vokal i aus, indem er vorhergehendes o, u, e zu
i umlautet.
Der Vokal o oder u vor 1 wird durch das i der folgenden Silbe
zu i assimiliert in Namen wie:
Avilius, neben Avoleius, Tanlilius, neben Tantuleius,
Canilius, Canuleius, Titilius, Tituleius,
Pacilius, Paculeius, Venilius, Venuleius,
Pontilius, Pontuleius, Vinilius, Vinuleius,
Procilius, Proculeius, Vetilius, Vetuleius,
Sextilius, Sextuleius, (vgl. Rilschl , Ind. Lect. Bonn.
1853 — 54)
C a e c i 1 i u s , neben Caeculus, Aemilius, neben aemulus,
Mamilius, Mamula.
Dieselbe Assimilation findet statt in :
consilium, neben consul, similis, neben simulem,
exsilium, exsul, Or.ffenz.129L
dissilio, dissulio, simul,
prosilio, u. a., prosulio, familia, famulus,
u. a. vgl. f ameliai ,
facilis, facul, Ritsch. fict.Lat.
facultas, p. 26. 28.
difficilis, difficul, super-cil-iu m, oc-cul-o,
difficultas, domi-cil-ium.
domicilium und supercilium stammen von der Wurzel cal-,
wie sieincalim, kuIvtcto erscheint; supercilium bezeich-
net also die Augenbrauen als Ob er hülle, domicilium die
Wohnstätte als Haus hülle.
CORSSEN. 20 "•
— 306 —
Denselben umlautenden Einfluss übt bisweilen das lange i der
Endung -ino. So in:
inquilinus, neben incola,
Tarquinius, Tarchon,
sterqtiilinium, Sterculus,
Stercutus,
Quirites, Cures,
c u r i s.
Ebenso verhallen sich :
S i s p i t a neben S o s p i t a. B r u n d i s i u m neben Brundusium,
Brinnius, Brennius.
Ein e vor dein Consonanten wird durch ein i nach dem Con-
sonanten assimiliert in :
nihil, für ne-hilum,
nimis, vgl. nemis, Fleetiv. I. I. Non. Chr. 459, I.
nimium.
Aehnlich ward in :
mihi, tibi, sibi
das erste i durch das zweite geschützt, während es im r//^/'.meho,
tefe zu e sank.
Selten üben andere Vokale als i den assimilieren-
den Einlluss auf den Vokal der vorhergehenden Silbe, von dein
sie durch einen Consonanten getrennt sind, hoch finden sich Bei-
spiele davon. So bewahrt der Vokal e diese Kraft in:
i 1 1 e c c b r a e neben i 1 1 i c i o ,
bene, bonus.
Der Vokal o hat einen Vokal der vorhergehenden Silbe zu o
assimiliert in:
so hol es, für suboles,
socordia, secordia,
der Vokal u üble diese assimilierende Kraft in:
tugurium, für tegurium, vgl. tego,
oder für togurium, vgl. toga.
Manche andere Beispiele, die für diese Art der Assimilation
beigebracht sind, können als gesicheil nicht angesehen werden *).
*) Weil und Benloew (Accent. Lal. p. 147) irren mehrfach über die
Assimilation. In nominis soll das erste i das zweite assimiliert haben
aus dem u der alten Form no minus. Aber amdi Cereris, Vene-
- 307 —
Der Vokal i ist es also ganz vorwiegend, der im Lateinischen
den Vokal der vorhergehenden Silbe umlautet, und zwar die Vokale o,
u, e sich assimiliert, das a aber unangetastet lä'sst. Ebenso ist
in der Deutschen Sprache der Vokal i der Endsilbe durch sei-
nen umlautenden Einfluss auf den Vokal der vorhergehenden Silbe
von weitgreifender und verderblicher Bedeutung für den Vokalismus
der Sprache geworden. Er hat aber nicht vermocht den Vokal der
vorhergehenden Silbe sich völlig gleich zu machen, sondern ner
ihn sich lautlich näher zu bringen, indem er a, o, u zu ä, o, ü
umlautet. Dass nun gerade i im Deutschen wie im Lateinischen
diesen umlautenden Einfluss auf den Vokal der vorhergehenden
Silbe übt, ist aus seiner lautlichen Natur begreiflich. Er ist zwar
der spitzeste und dünnste Vokal, aber seine Aussprache erfordert
eine entschiedene Anstrengung der S p r a c h o r g a n e , nament-
lich das Heben der Zunge gegen den Gauinen, und er steht in die-
ser Hinsicht in bestimmtem Gegensalz zu dem schlaffen und beque-
men e. Indem der Sprecher den Vokal der vorhergehenden
Silbe aussprechen will, fangen seine Sprachorgane schon an un-
willkührlich die Anstrengung zur Aussprache des folgenden i
zu machen. So erhalt jener Vokal einen I -ähnlichen Klang;
das i spukt vor im Munde des Sprechers, und so wird der vor-
hergehende Vokal entweder getrübt wie im Deutschen, oder ganz
zu i umgestimmt wie im Lateinischen. In ahnlicher Weise, aber
viel seltener, kamen bei der Aussprache Lateinischer Wörter auch
ris, Castoris, quaestuis, magistratuis entstanden aus Cere-
rus, Venerus, Castorus, quaestuos, m a gis tratuos , ohne
dass in der vorhergehenden Silbe ein i war. Portio soll aus pars
durch Assimilation entstanden sein; aber weder erstreckt sich die As-
similation je weiter als bis auf die nächst vorhergehende Silbe, noch
wird a vor einem Consonanten je durch Assimilation eines Vokales
der folgenden Silbe umgelautet; schon oben ist nachgewiesen, dass
portio aus pars durch Ablaut entstanden ist. tenebrae (TV. B.
148) ist kein sicheres Beispiel, Aveil der Vokal in der ersten Silbe im
Lateinischen ursprünglich gewesen sein kann; dass solvo aus seluo
durch Assimilation entstanden sei, ist sehr zweifelhaft; es bleibt bei
der Annahme unerklärt, wie solvis, solvit, solvebam, solvi aus
seluis, seluit u. a. assimiliert sein sollen, da diese und andere Formen
des Verbum gar kein o in der Suffixsilbe haben. Die unrichtigen An-
sichten derselben Gelehrten über Einwirkungen des Umlautes bei der
Bildung reduplicierter Perfectformen werden weiter unten zur Sprache
kommen.
20*
— 308 —
die Vokale o, u, e um eine Silbe zu früh zur Welt, indem sie den Vo-
kal der vorhergehenden Silbe umlauteten.
b) Dissimilation der Vokale.
Die Lateinische Sprache zeigt eine entschiedene Abneigung,
zwei gleiche Vokale aufeinander folgen zulassen, eine na-
türliche Scheu vor Eintönigkeit des Vokalismus. Sie vermied na-
mentlich in der älteren Zeit die Aufeinanderfolge der Laute VV und
II, mag nun je einer derselben Halbvokal sein oder beide Vokale.
Daher kam es, dass sich nach V das alte o der 0 stamme bis
ins Augusteische Zeitalter hielt in Formen wie:
servos, mortuos, novom, triduom, divom, Achivom,
während doch sonst, wie oben nachgewiesen ist, das alte o schon
seit dem Ende des zweiten Punischen Krieges zu u verdunkelt war.
Derselbe Abscheu vor dem Gleichklang vo, uo verhinderte das 1,
vorhergehendes o, wie sonst immer, zu u zu assimilieren in:
contuolus, frivolus, Scaevola,
c o n i v o 1 a , li c 1 v o 1 u s
und stützte das o in geschlossener Silbe vor 1 mit folgendem Conso-
nanten bis Quintilians Zeit in Formen wie:
volt, voltus, volpes, volnus, Volcanus u. a,
wo es sonst zu u sich verdunkelte, und in den Verbalformen:
vivont, l'uont, loquontur u. a.;
während sonsl schon seit Ende des eisten Punischen Krieges sich
die Endung der dritten Person Pluralis zu -iml gestaltet, wie dies
alles schon oben dargethan ist. (Vgl. S. '2:\\) /'.)
Ebenso ist darauf hingewiesen, dass von den auf u auslauten-
den Stämmen der Verba die Form des Gerundiums -undo nicht ge-
bräuchlich gewesen sei, um den Gleichklang im zu vermeiden, son-
dern nur die Form endo in:
restituendos, fruendeis, tuendeisu. t.
Endlich ist in dem Vliscliniti über den Consonanteu e darauf
hingewiesen, dass man, um den Gleichklang QVY IU meiden, in al-
terer Zeit entweder OVO schrieb oder CV, also:
quom oder cum, quaequomque oder quaecumque,
loquontur, locuntur, aequom, aecum
(RitschL Prall, p. 94. Flecken. Ep. < rit. />. 9. Müller, <t<l. Varr. p.38
Lachm.Lucr. p. 172. 220. 398. Wagner, Am. I\. 299. Siliig,
Praef. Plin. p. 72).
— 309 —
Eben deshalb lauteten die Composita von quatio :
concutio, excutio, incutio, percutio.
Nur als Zeichen eines langen u erscheint uu auf alteren Sprach-
denkmälern wie in luuci (t. Bani). iuus (/. Com. d. XX q.).
Weniger unerträglich war der Lateinischen Sprache der Gleich-
klang uv; daher finden sich schon auf Voraugusteischen Inschriften
die Schreibweisen :
fluvio, t. Genuat. Cluvius, /. N. 2514,
suvo, /. N. 3789.
und für Wörter wie:
uvidus, pelluvium, exuviae, impluvium,
m a 1 1 u v i u m , i 1 1 u v i e s , r e d u v i a ,
wie für die Namen :
Vesuvius, Pacuvius, Ig u vi um, Marruvium,
L a n u v i u m
sind uns die Schreibweisen mit ov nicht überliefert.
Noch entschiedener ausgeprägt wo möglich ist im Lateinischen
die Abneigung gegen den Gleichklang II. Dieser konnte im AU-
lateinischen schon um dessentvvülen selten vorkommen, weil statt
des späteren I in Stämmen wie in Endungen noch vielfach ei oder
e gesprochen wurde; erst in der jüngeren Sprache der Augustei-
schen Zeit machte sich dieser Gleichklang störend bemerklich. Man
vergleiche die älteren und die jüngeren Formen:
p e t i e i ,
peti i,
luliei ,
lulii ,
redieit,
r e d i i t ,
vieis ,
viis,
ostiei,
ostii,
portorieis,
portoriis,
m u n i c i p i e i ,
municipii,
controver-
controver-
Roscieis ,
Roscii,
sieis,
siis,
M o d i e s ,
Modii,
tertieis, x
tertiis, u. a.
Nachdem in der Augusteischen Zeit die Schreib- und Sprech-
weise I für EI und E die herrschende geworden war, konnte der
Gleichklang in solchen Wörtern, wie die angeführten, nicht mehr
ganz vermieden werden. Doch schlug die Sprache noch drei ver-
schiedene Wege ein um dem II zu entgehen; sie dissimilierte
II zu IE, selten zu EI, sie verschmolz II zu I, oder wenn der
erste der beiden Laute II der Halbvokal j war, so stiess sie
denselben aus.
Die Dissimilation des ii zu ie trat ein in folgenden Fäl-
len:
— 310 —
Im Senatsbeschluss über die Baccanalien finden sich die For-
men:
a diese, a diese nt, adieset,
in denen die Dissimilation zu e den Charaktervokal I des Perfects traf.
Ferner findet sich:
conieciant, /. repel. (Serv.) für coniiciant.
Dieselbe Dissimilation zeigt sich in den Bildungen:
societas, ebrietas, verglichen mit a uctoritas,
pietas, varietas, veritas,
anxietas, appietas, dignitas,
satietas, vanitas u. a.
Der auslautende Vokal der Stämme socio-, pio-, anxio-
u. a. wurde nach Herantreten des Suffixes -tat, weil ihm ein i vor-
herging, nicht wie gewöhnlich zu i, sondern zu e geschwächt.
Die mit dem Suffix -ion gebildeten Nomina schwächen das o
zu i, falls sie es überhaupt abschwächen. Hingegen finden sich die
Genetive
N e r i e n i s von N e r i o , A n i e n i s von A n i o ,
in denen o wegen des vorhergehenden i sich zu e schwächte
(Zeilschr. für vergl. Sprach/. I, 307. Fleckeisen, zur Krii. altiat.
Dichterfr. b. Gell. S. 33). Ebenso lautet zur Vermeidung des
Gleichklanges der Genetiv von lien:
lieni s,
während sonst die Nomina, deren Nominativ auf -en ausgeht, dieses
e in den Casus obliqui niemals zeigen, sondern die Gestall des Suffi-
xes -in bleibt. Aus demselben Grunde scheinen die Genetivbil-
dungen :
a b i e t i s , a r i e t i s , p a r i e t i s
gewählt, nicht ab litis u. a. {Pott, Et. Forsch. I, 64).
Von den Nominalstammen , die auf o auslauten, werden
häufig Adjectiva mit dem Suffix -Ino gebildet. Nach dieser
Analogie müsste man von Norninalstämmen auf -io, -ia, wenn das
Suffix -Ino an sie herantrat, Bildungen mit der zusammengesetz-
ten Endung -iino erwarten; diese giebt es aber nicht, sondern das
Suffix gestaltet sich immer zu -ieno; so in:
a 1 i e n u s , Ia n i e n a ,
und in zahlreichen Namen wie:
— 311 —
Aienus, Aulienus, Lartienus, Salvidienus,
Albienus, Betiliena, Mamienus, Satrienus,
Allienus, Catienus, M e t i d i e n a 7 Septiiniena,
A n n i e n u s , G e v i e n a , M u s s i e n u s , T e 1 1 i e n u s ,
Aufidienus, Corienus, Passien us, Titienus,
Avidienus, Didienus, Peticienus, Trebelliena,
Avillienus, Labienus, Sallienus, Vettienus.
( Vgl. Momms. Inscr. Regn. Neap. Ind. nom.)
Ebenso ist die Vermeidung des Gleichklanges -ii der Grund,
weshalb von Namen auf -io abgeleitete Namen mit dem zusammen-
gesetzten Suffix -iedio (niemals -iidio) gebildet werden wie:
A i e d i u s , A a t i e d i u s , N u m i e d i u s , T e i e d i u s ,
Anaiedius, Attiedius, Petiedius, Vibiedius.
( Vgl. Momms. a. 0.)
Ebenso erklären sich die Verbalbildungen:
variegare, hietare neben levigare, clamitare,
clarigare, rogitare.
(Pott, Elym. F. I, 64.)
Seltener wählte die Sprache den zweiten Weg, den Gleichklang
ii zu meiden, indem sie ihn zu ei dissimilierte.
So entstand:
me-io aus migio, vgl. mingo,
nach Ausfall des g (Dietrich, a. 0. 15),
peior aus piior,
wie von Aufrecht nachgewiesen ist (Zeitschr. f. vgl. Sprach/". III,
202).
Die Fo*rmen ii, iis, dii, diis scheint die Sprache in ihrer
guten Zeit gar nicht gekannt zu haben, dafür sprechen Handschrif-
ten und Inschriften (Proll. Trin. p. 98. Bitschi.) und die Lautlehre,
sondern nur:
ei, eis, dei, deis,
oder mit Vokalverschmelzung I, Is, dl, dls.
Durch Verschmelzung des ii zu i vermeidet die Sprache den
Gleichklang im Genetiv der mit dem Suffix -io gebildeten Stämme
wie:
compendi, praemi, Septimi,
mancipi, Vergili, Aureli u. a.
— 312 —
und zwar ist dies die Regel noch im Augusteischen Zeitalter , ob-
wohl sich auch ausnahmsweise ii findet; später greift die Schreib-
weise ii weiter um sich (vgl. Zachmßnn, Lucr. p. 325 f. Rilschl,
Proll. Trin. p. 89. Brandt, Quaestiones Horatianae, p. 113. Momms.
Rhein. Mus. X, 143.). Auch in anderen Casusformen ist die Schreib-
weise i für ii häufig {Hübner, N. Jahrb. 77, 353).
Durch Ausstossung des Halbvokales j ist ein ähnlicher Gleich-
klang vermieden in den schon erwähnten Formen:
adicio, obicio, inicio, coicio, eicio,
subicio, conicio, deicio, reicio.
Zur Vermeidung des Gleichklanges ii bleibt endlich in den
Compositen :
viocurus, strioporcus
das o des ersten Wortstammes unverändert und schwächt sich nicht,
wie sonst gewöhnlich, zu i.
Aus demselben Grunde hielt sich die alle Form des Cenetivs
-us, wie sie in Vener us, Castorus u.a. nachgewiesen ist, in den
Genetiven wie:
cuius,~ eins, ipsius, istius,
unius, utrius, alius, tolius u.a.
Auch den Gleichklang ee oder eei hat die Sprache in ein-
zelnen Fällen vermieden. Ohen ist «gezeigt worden, wie der
Pronominalstamm i durch Vokalsteigerung zu e wurde; an die-
sen verstärkten Stamm trat das Suffix o, und nun ward d<vs Prono-
men wie ein Wort der O-declination flectiert. Durch Dissimilation
tritt nun in manchen Fällen das i wieder an die Stelle des e; So im
Nom. Plur.:
iei, /. N. 715. /. d. Termes. I. Com. neben eeis,i&c. d. Bucc.
de XX q. I. Jul. mun. I. Rubr.
ieis, /. N. 2458.
im Bat. Abi. Plur.:
ieis, Sc. d. Tiburt. L Com. d. XX q. neben eeis, Sc. d. Bacc.
l.d. Termes. I. Jul. mun. I. Rubr. eieis, Sc. d. Ti-
'burt. Or. 3114.
Oder die Sprache schlug den anderen Weg ein, den Gleichklang des
ee zu vermeiden, indem sie die beiden e zu einem verschmolz.
So in den Formen des Nom. Plur. .
eis , /. Bant. I. repcl. (Scrv.) ei. /. agr. ( Thor.) I. Jul. mun.
— 313 —
eisdem, /. repet. (Serv.) I. N. eidem, t. Bank l. repet.
4102. Or. 3808. /. Com. d. XX q. 1. N. 4221.
4148. 3562. 3563. 4472.
3918.
Ebenso in den Formen des Dat. AU. Plur. :
eis, /. agr. (Thor.) I. repet. (Serv.) I. Com. de XX q. ded. vic.
Furf. Sc. d. Äse. Claz. t. Gen. I. Jul. mun.
eisdem, /. N. 2458. I. Jul. mun. I. d. Termes.
So findet sich zu Cäsars Zeit auf der lex Julia:
ieis und iei,
die alte Form eeis des Senatusconsults über die Bacchanalien
aber ist abgekommen.
In der alten Form des Dat. Abi. Plur.
mieis, t. Scip. Hisp. Or. 554.
hielt sich die alte Stammform des Personalpronomens mi, um den
Gleichklang eei zu meiden. Als nun in den Flexionsendungen i für
ei Platz griff, ward durch Dissimilation:
meis aus miis.
Erst behielt die Sprache das alte i um den Gleichklang eei zu
meulen, dann lautete sie ihn um aus demselben Grunde. Wenn sie
die beiden Formen des Gerundium:
eund u m und iendum
bildet , niemals aber e e n d u m wie fr u e n d um, d i c e n d u m u. a.,
so liegt der Grund dafür in der Scheu vor dem Gleichklang ee.
Der Gleichklang oo scheint wmigstens in der Zusammen-
setzung der Sprache nicht zuwider gewesen zu sein, dafür spre-
chen Formen wie c o o r t u s , c o o p e r a r e , c o o r d i n a t u s.
4) Umlaut durch Vokalerleichterung im zweiten Gliede der
Composita.
Die vorstehende Untersuchung hat den Weg gebahnt zur Be-
urtheilung der dem Lateinischen eigenthümlichen Tonschwä-
chung, dass der S ta mm vokal im zweiten Gliede der Com-
posita eine Erleichterung erfährt. Ausser der Zusammen-
setzung verschiedener Wortstämme ist auch die Reduplication
eine Art der Composition, insofern der Stamm des Wortes Ursprung-
— 314 —
lieh mit sich selbst zusammengesetzt wurde; daher zeigen sich im
zweiten Gliede reduplicierter Wortformen dieselben Vokalerleichte-
rungen wie im zweiten Gliede der Composila. Doch kommen bei
der Betrachtung jener Lautverhältnisse zur Sprache, die eine ge-
sonderte Behandlung derselben am Schlüsse dieses Abschnittes
zweckmässig erscheinen lassen. Es soll also zunächst untersucht
werden, welche Einbusse an Tongewicht jeder vokalische Laut im
Stamme des zweiten Compositionsgliedes erleidet.
Das a als Stammvokal im zweiten Compositionsgliede erleidet
Tonschwächung zu u, i, e.
Das a sinkt an dieser Stelle zu u vor den Labialen p, b, m, v in:
o c c u p o , d e r u p i o ,
aueupor, surrupio,
aueupium, surruptitiae,
maneupium, surruptus,
o c c u p i o-, Fleckeis. N. Jhb. LX, e r u p t u s ,
252. Plaut, vgl. Fleckeis. N. Jahrb.
LX, 252 f. Rh. Mus. VIII, 194.
451. 155. vgl. dedic. vic. Für f.
Or. 2488. /. Alin. Gell. XVII, 7.
enubro, i n h i b e n t e , Fest, i 1 1 u vi e s ,
p. 76) für i n h i b r o , d il u vi u m,
c o n t u b e r n i u m , m a 11 u vium ,
condumnare, t. Baut. p e 1 1 u v i u m.
Ebenso sinkt a zu u vor einfachem 1 und vor 1 mit folgendem
Consonanten in :
desulio, insulio,
d i s s u 1 i o , p r o s u 1 i o (Lucr. IV, 604. Bilschl, a. 0. Fleckei*.
a. 0.\
o c c u 1 o , vgl. c a 1 i m , Gr. k eck vitro,
exsulto, desultor. coaculco,
insulto, insultura, insulsu>.
Auch hier bethätigt sich also die Wahlverwandtschaft der La-
bialen und des 1 zu u. Ebenso ist a zu u geschwächt in:
conditio, percutio,
ineutio, diseutio.
Hier wurde unter Mitwirkung des dem QV anhaftenden labialen
U-klanges a zu o gestaltet in c o n (| uoti o für < o nq U ;i t i o . wie in
voeivus für vaeivus. Als das o im späteren Lateinischen zu u
— 315 —
überging, schrieb man nicht QVV, sondern stattdessen CV, also
conditio für conquotio, wie cum für quom, cumque für
quomque u. a.
Vereinzelt steht noch:
absurd us von sardare, Fest.p. 322.
Das a als Stammvokal des zweiten Gliedes eines Compositum
erleidet eine stärkere Abschwächung zu i vor einfachen Consonanten
jeder Art; so:
vor Labialen in : vor Lingualen in: vor Gutturalen in:
accipio, confiteor, displiceo,
incipio u. a.; profiteor u. a.; inficetus,
mancipium, irritus, conticeo,
occipitium, delitesco, reticeo,
sinciput, opstitrix, Plaut, conficio,
desipio, Capl. 629. Mil. deficio u. a.,
insipio u. a., 695. magnificus,
insipidus, institor, beni ficus u. a.;
eripio, Prnestites, artificium,
surripio u. a.; constituo, opificium u. a.,
inhibeo, restituo u. a., difficilis,
prohibeo u. a., lupiter, conicio,
contibernalis, Diespiter, deicio u. a.,
M a s p i t e r , p r o d i g u s ,
0 p i t e r , r e d i g u s ,
c o n d i t u s ( Wz. da-, p r o d i g i u m ,
Gr.&e-,Skr.(\hä-) illicio,
p e 1 1 i c i o ,
aquilicium ;
vor den Liquiden m und n in:
recino, inimicus,
concino, eni m, vgl. nam,
com in us, etenim.
erainus,
inimineo,
Vor 1 schwächt sich a in Folge der Composition nur zu u; aber
in Wörtern wie dissilio, insilio, exsilium, domicilium,
supercilium ist das u durch das i der folgenden Silbe zu i assi-
miliert. Hierher gehört auch üpilio, ein Compositum, zunächst
entstanden aus ovi-pil-io von der Wurzel pal-, hüten, die in
— 316 —
dem Namen der Hirtengöttin Pales, wie der Griechischen Com_
posita al-itoXog, ßov -itoXog steckt; wie Pales die Hüterin
bedeutet, also üpilio Schaafhiiter; die Kürzung von üpilio zu
öpilio ist nicht befremdlicher wie die von joubeo zu jübeo.
Vor dem Zischlaut s ist a zu i abgeschwächt in:
semis, semissis, von a s , a s s i s.
In zahlreichen Fällen sinkt nun aber a auch zu e. Dies ge-
schieht zunächst in geschlossener Silbe vor gehäuften Con-
sonanten jeder Art;
so vor Muta und Liquida in:
ambiegnus, vgl. agnus,
nebrae, Fest. p. 109. inhibere, habere,
peregrinus, ager,
consecro, s a c e r ;
obsecro,
vor Liquida und Muta in :
a s c e n d o , i m p e r t i o , a s p e r g o ,
descendo u. a., confertus, inspergo,
commendo, refertus, rederguo, Fest. p.
ommento, vgl. refercio, 273.
manto, c o n f e r c i o , discerpo,
sollers, aber ce OjFest. p.25. imberbis,
i n e r s , c o e r c e o , i n e r m i s ;
quinquertium, e x e r c e o ,
e x p e r s , L u p - e r c u s ( 1 u -
a n t e p e r t a , Plaut. p u m arcens),
Irin. 643. conspergo,
vor zwei Liquiden in:
condemno, biennium, refello,
indemnis u. a., triennium u. a.,
Interemnia, vgl. amnis, dispenno, Plaut. Mit. 1407. vgl.
Antemnae, pando;
vor Muta und Muta in:
abiectus, detrecto, abreptus,
coniectus u. a. , obtrecto u. a., correptus,
confcctus, ineptus;
infectus u. a.,
vor Liquida und s in :
conspersus, dispersus, inspersus ;
— 317 —
vor Muten und s in :
anceps, obex (ob-iex),
biceps, remex (remum-agens),
praeceps u. a., pontifex,
auceps, artifex u. a.,
particeps, aquilex;
vor s und Muten in :
incestus, compescere,
dispescere;
vor doppeltem s in :
bessis, perpessus,
quinquessis, dispessus, Plaut. Mit. 1407.
Das a vor gehäuften Consonanten ist ausnahmsweise zu i ge-
schwächt in:
praefi seine, vgl. fa sein um, semissis, vgl. a s.
Sowohl das folgende s als der Vokal i der folgenden Silbe trugen
hier dazu bei, den Stammvokal des zweiten Compositionsgliedes zu i
umzulauten.
In:
i m p i n g o , c o n t i n g o , p e r f r i n g o ,
c o m p i n g o, a 1 1 i n g o , i n f r i n g o ,
refringo u. a.,
ist der zur Vokalstärkung der Präsensform hinzugetretene Nasal kein
voller, ausgeprägter Consonant, wie oben nachgewiesen ist, kann
also auch nicht auf den vorhergehenden Stammvokal des zweiten
Compositionsgliedes den Eiutluss einer vollgültigen Liquida vor
folgender Muta üben.
Das r hat seine Wahlverwandtschaft zu e auch im zweiten Theile
der Composita gewahrt. So in :
aeguiperare, Ritschi, vipera (dvi-pera), i ngredi,
Proll. Irin. p. 83.
aequi-perabile, Plaut, puerpera, progredi,
Cure. 1öS.
i m p e r a r e , p a u p e r (p a u c i-p er), r e g r e d i u.a.
Vor t wird a zu e geschwächt in:
d e f e t i g o, Plaut. Fleck- perpetior,
eis.ep. crit.p. 7.
defetiscor;
— 318 —
vor c in:
depeciscor, imbecillus,
ohne dass sich in den Consonanten t und c ein zwingender Grund
für diese Vokalfärbung angeben Hesse.
Vor auslautendem n erscheint a zu e geschwächt in den Nomi-
nativen :
c o r n i ce n , t i b i c e n , oscen;
tubicen, fidicen,
vor auslautendem m in:
autem, vgl. tarn, idem, vgl. quidam,
item, q u i d e m , quondam,
pridem. vgl. S. 265 /*.
Nach dem a trifft das e am häufigsten an der betreffenden Stelle
Vokalschwächung; und zwar kann es nur in den einzigen leichteren
Vokal, in i übergehen. So in:
colligo, assideo, red im o, contineo,
deligo, resideo. coimo, retineo,
diligo, pro tin us,
i n d i g e o , p r o t i n a m ,
pertinax ,
Der Vokal i offenbart sich darin als der leichteste und
dünnste Vokal, dass er im Stamm des zweiten Composhionsgliedes
niemals in e i n e n a n d e r e n Vokal übergeht .
Es war bisher nur von kurzen Vokalen die Rede; mein
Widerstand setzen natürlich die langen Vokale der Abschwächung
entgegen.
Doch findet sich a zu e abgeschwächt in :
anhelo, von hälo,
e zu I in:
s üb Ulis, von tela,
delmire, lenis.
Zu der Gewichtsverminderung durch Umlautung tritt bisweilen
noch Kürzung hinzu. So in:
a g n i t u s , g n ö t u s ,
cognitu s ,
deiero, iüro.
peiero,
— 319 ~~
Die Diphthonge ai, ae und au folgen ihrer besprochenen Nei-
gung sich zu einlautigen Längen zu trüben auch im zweiten Gliede
der Composita. So verschmilzt ae zu i in:
i n q u i r o , i n i q u u s , c o 1 1 i d o ,
requiro u. a., homicida, illido,
existimo, parricida, pertisum,
concido u. a.; d i s t i s u m , Cic.
Oral. 48, 159;
au verschmilzt zu o in.
suffoco, explodo,
c o m p 1 o d o ;
au zu u in:
accuso, includo, defrudo.
incuso u. a., concludou. av
Indessen ist doch diese Vokalerleichterung im zwcilen
Compositionsgliede keine in allen Fällen dur oh greifende und
zu allen Zeiten in der Lateinischen Sprache gleich verbreitete gewe-
sen, sondern der Stammvokal des zweiten Compositionsgliedes
konnte auch unverändert bleiben, und zwar aus verschiedenen An-
lässen; einmal in blossen Nebeneinand erstellungen zweier
Worter, die entweder zusammen gesprochen oder geschrieben
werden konnten, wenn man nur eins von beiden mit dem Hochton
sprach, oder auch getrennt und jedes mit seinem eigenen Hoch-
ton, die also nicht zu einem Wortleib in unauflöslicher Einheit zu-
sammengewachsen sind. Solche Nebeneinanderstellungen sind:
I a n u s - p a t e r ,
Saturn us -pater,
Mars - pat er.
In ähnlicher Weise unterblieb die Vokalschwächung, wo die bei-
den Bestandtheile der Zusammensetzung der Sprache noch lebendig
als getrennte selbständige Wortformen im Bewusstsein geblieben
sind, wie:
posthabere, satagere, assuefacere,
antec apere, satisfacere, perfacilis,
circumdare, calefacere, permagnus,
venumdare, tepefacere, perplacet,
pessumdare, olefacere, perfacetus u. a.
satisdare, consuefa cere,
— 320 —
Mitunter schwankte die Sprache, indem sie dieselben Wort-
glieder einmal als bloss enklitische Wortverbindung, oder auch als
wirkliches Compositum fasste. So in:
circumcalcare, neben circumculcare,
cir cumiacere , circumicere,
circumspargere, circumspergere.
Mitunter unterbleibt die gewöhnliche Abschwächung des a zu
i oder e, um Verwechselungen von verschiedenen Wortern zu
vermeiden. So in:
d e p a n g o , zum Unterschied von d e p i n g o ,
r e p a n g o , r e p i n g o ,
expando, expendo,
contactum, contectum.
In:
coarguo, coalesco, coactus,
coarto, coaptare
unterblieb die Abschwächung des a zu e und i, um die Bedeutung
dieser Composita kenntlich zu erhalten, die sich verwischte, wenn oa
in diesen Wörtern sich zu oi, oe verschmolz.
Aber auch ohne solche besondere Gründe unterbleibt die Vo-
kalschwächung zu verschiedenen Zeiten. Im Altlateinischen
war wie im Griechischen und Deutschen die Präposition nicht
untrennbar mit dem Verbum verbunden, sondern sie konnte noch
zu Lucretius Zeit durch zwischengestellte Wörter von demselben
getrennt werden, eine Freiheit die sich auch üoraz noch gelegent-
lich nimmt. Es war naturgemäss, dass, so lange diese lose Verbin-
dung zwischen Präposition und dem Verbum in der Volkssprache
dauerte, auch der Stammvokal des Verbum umgeändert blieb. So las
daher Verrius Flaccus in alten Gebeten:
ob vos sacro, für obsecro vos,
subvosplaco, supplico vobis.
Fest. p. 190. M.
Aber auch in der Blüthe zeit der Lateinischen Sprache unter-
bleibt bisweilen die in Rede stehende Vokalerleichterung ohne er-
sichtlichen besonderen Grund ; so in :
impar, permaneo,
c o m p a r o , c o n t r a h o ,
redarguo, neben rederguo, convalesco.
peragro,
— 321 —
Häufiger aber erscheint diese Vokalschwächling vermieden in
der späteren Schriftsprache; so in :
compatior, infarcio, praecarpo,
dehabeo, obcanto, praeiaciow. a.
desacro, per anno,
Solche Bildungen sind Ergebnisse der reflektierenden
Etymologie, die richtiger zu verfahren meinte, wenn sie den
zweiten TJieil des Compositum ungeänclert liess.
Ebenso wenig ist die Abschwächung des e zu i in der Wurzel
des zweiten Compositionsgliedes ohne Ausnahme erfolgt, Sie unter-
blieb in:
congemo, q u a t e n u s , protenam,
ingemo, protenus,
ebenso nach Ausweis der besten Handschriften in :
perlego, peremo,
praelego, interemo,
neglego, coemo
neglegentia,
i n t e 1 1 e g o ,
{vgl. Lachmann, Lucr. ind. Bitschi, Proll. Trin. p. 97. Sillig, Plin.
Praef. p. 71. intelleges, Or. Henz. 7346), ohne dass sich dafür
ein zwingender lautlicher Grund abgeben liesse.
In:
confero, consero, congero, contero,
inferou.a., inserou.a., ingerou.a., detero u. a.
war natürlich das r der Halt, der die Abschwächung des engver-
wandten und befreundeten e zu i verhinderte. Die spätere Volks-
sprache ist vermöge ihrer Neigung zu e nicht selten zu dem ur-
sprünglichen Wurzelvokal im zweiten Theile des Compositum zu-
rückgekehrt. So in:
vigenti, 7. N. 3293. für viginti, entstanden aus dvi-centi.
abstenentissimo, I. N. 4880.
substenendi,/. N. 6310. 206.
compremo, Vel. Long. p. 2235.
adsedue, Fleetrv.S.L Mon. Christ. 342, 2.
concepis, a. 0. 459, 1.
Der Vokal u als Wurzelvokal bleibt im zweiten Gliede eines
Compositum immer unverändert ; so in :
CORSSEN. 21
— 322 —
incubo, concupisco, contumax.
e r u b e o ,
s u b r u b i d u s ,
Von Abschwächimg des o zu i im zweiten Theile eines Com-
positum ist ein sicheres Beispiel nur
illico für in loco;
in der Regel bleibt auch o unverändert.
Auch der Diphthong ae erleidet die angegebene Trübung nicht
immer; das zeigen die Formen:
c o n q u a e r e r e , /. repet. (Serv.) neben con q u i r e r e ,
requaereres, Plaut. Merc. 633. requirere,
exquaero, PL Stich. 111. e x q u i r o ,
exquaesitum, Stich. 107.
pertaesum, pertisum,
distaesum, distisum,
exaestumo,?/«!//. ex i st um o.
e x a e s t u m a t i o , /. repet. (Serv.)
Im Oskischen und Umbrischcn scheint die A b s c h w ä -
chung des Wurzelvokales im zweiten Composit ionsgiiede
nur selten durchgedrungen zu sein. So bleibt im Umbrischcn
a an jener Stelle unverändert in:
a r k a n i , vgl. Lat. a c c i n e r e , P ro p a r t i e , Lat. P r o p e r t i u s.
prukanurent, procinere,
s u b a h t u , s u b i g e r e ,
a r h a b a s , a d h i b e r e ,
I u p a t e r , [ u p i t er
(Umbr. Sprachd. A. K. I, 19).
Im Oskischen unterbleibt die Abschuä'chung des a in den Kom-
positen
aamanaffed,
anters latai, vgl. Ltd. inter stiti um ,
Praestites,
(Momms. Unk Dial. Gloss. ) aatisti tarn.
Es finden sich wohl einzelne Spuren, dass die Yokalerleichte-
rung im zweiten Compositionsgliede auch in diesen Dialekten nicht
unerhört war; doch sind dieselben noch nicht unzweifelhaft sicher
gestellt.
Also folgendes sind die Ergebnisse der bisherigen Unter-
suchung.
— 323 —
A sinkt zu u vor den Labialen b, p, v, m, vor einfachem 1 und vor 1
mit folgendem Consonanten.
A sinkt zu e in geschlossener Silbe vor gehäuften Consonanten und
vor r.
A wird zu i abgeschwächt vor allen anderen einfachen Consonanten
ausser den genannten.
E sinkt oft zu i.
0 bleibt in der Regel unverändert.
U bleibt stets ungeändert.
1 als der dünnste und leichteste Vokal ist keiner weiteren Erleich-
terung fähig.
Diese Vokalschwächung im zweiten Theil der Composita ist
indessen im Lateinischen nur zum Theil durchgedrungen.
Es bleibt nun die Frage nach dem (I runde dieser Vokal-
schwächung zu beantworten. Die auf den Vokal folgenden Conso-
nanten haben sie nicht veranlasst, denn sonst hätte dieselbe Ab-
schwächung auch im einfachen Worte stattgefunden, wo der Vokal
in der Nachbarschaft derselben Consonanten stand. Diese wirkten
nur mit in sofern sie, nachdem die Bedingung und der Anstoss zur
Vokalschwächung gegeben war, bestimmten, ob a zu u, e oder i
geschwächt werden sollte. Potts Ansicht (Eiym. Forsch. I, 65),
dass der Vokal im Compositum sich zuspitze, weil die Bedeutung
des Compositum eine engere geworden sei als die des Simplex, setzt
ein Sprachgesetz voraus, als ob die Wesen und Begriffe von weiter
Bedeutung auch durch Wortformen mit vollen, schweren Vokalen,
die von enger Bedeutung auch durch Wörter mit spitzen und leich-
ten Vokalen bezeichnet würden. Da es aber ein solches Sprach-
gesetz nicht giebt, so ist auch jene Ansicht nicht begründet. Den
Grund der in Rede stehenden Lautschwächung hat Dietrich {Zur
Geschichte des Accenis im Lateinischen, Zeitschr. für vergL Sprach/.
I, 543 f.) richtig erkannt. Er liegt darin, dass nach der älteren
Lateinischen Betonungsweise in allen Compositen der zweite Be-
standteil derselben den Hochton verlor, also nicht bloss in
Formen wie cöneipit, pröhibet, liippiter, sondern auch in
solchen wie defendi, inermis, diluvium, conditio u. a.
Der Hochfon wird nach diesem Betonungsgesetz, von dem weiter
unten im Zusammenhange die Rede sein wird, auf den die Bedeu-
tung genauer bestimmenden und begrenzenden Theil des Compo-
situm gelegt, und das ist der erste. Oben ist gezeigt worden, wie
21*
— 324 —
a in tieftonigen Ableitungssilben im Lateinischen so vielfach zu an-
deren Vokalen geschwächt wurde. Dazu stimmt es, dass a auch im
zweiten Theile der Composita mit dem Hochton am häufigsten
sein edles Selbst verlor und zu u, i, e herabsank, je nachdem die
benachbarten Consonanten es bedingten, die ihm, so lange es vom
Hochton getragen ward, nichts hatten anhaben können. Den an-
deren minder edlen Vokalen ging der Verlust des Hochlones nicht
so sehr ans Leben, weil sie mehr geeignet und gewöhnt waren in
tieftonigen Silben zu stehen und allerhand Wahlverwandtschaften
mit benachbarten Consonanten hatten, von denen sie gehalten wur-
den, wie dies bereits dargelegt ist.
Eine andere Art der Vokalschwächung trifft den auslauten-
den Stammvokal des zweiten Theiles der Composita, der zum
Theil zum leichtesten und dünnsten Vokal, zu i herabsinkt.
So schwächen sich die Vokale a, o, u der einfachen Stämme,
durch welche ihre Declination bestimmt wird, zu i ab, wenn die-
selben als zweites Glied eines Compositum auftreten. So:
a in:
o in :
u in :
bilinguis,
e x a n i m i s ,
b i c o r n i
e 1 i n g u i s ,
s e m i a n i m i s ,
i in b e r b i s ,
b i e n n i s ,
b i c o r n i s ,
t r i e n n i s ,
biformis,
bilustris,
triformis,
bi ine m bris,
multiformis,
b i r e m i s ,
-
b i p e n n i s ,
i n s i g n i s ,
s üb tili s,
i n e r m i s,
Das Zurücktreten des II och ton es auf das die Bedeutung
bestimmende erste Glied der Compositum und die Entfernung des-
selben von der Endsilbe veranlasste, dass der Vokal in der End-
silbe sich erleichterte und schwächte. Schon oben ist geieigl
worden, wie die Lateinische Sprache in der Nichtachtung und
Schwächung ihrer Endsilben so weil ging, dass sie ihre Deelin.itio-
nen darüber verlor. In dem Abschnitt über die Kürzung und über
das Schwinden der Vokale werden sich weitere Belege dafür linden.
Oben ist gesagt worden, dass die Beduplication Compo-
sitio'n des Wortstammes mit sich seihst sei. wovon ja
auch die Lateinische Sprache inWortformen wie furfur, lurtur,
cincinnus,tinti nnire u.a. noch Zeugniss ablegt Seit unvordenk
— 325 —
liehen Zeiten aber tritt die Reduplication der Verbalstämme in der
abg'eschwächteren Form auf, dass nur der anlautende Con so-
tt a n t mit dem ihm folgenden V o k a 1 dem einfachen Wortstamme
vorgesetzt erscheint. In diesem Falle erleidet nun sowohl der Vo-
kal der R e d u p l i c a t i o n s s i 1 b e als der Wurzelvokal des Stam-
mes häufig in den Indogermanischen Sprachen Schwächungen.
Was zunächst den Vokal der Reduplicationssilbe anbelangt, so
erlitt derselbe schon im Sanskrit Kürzung oder Gewichts-
verminderung, trotzdem dass er in dieser Sprache doch immer
in hochbetonter Silbe stand. Wenn diese Vokalerleichterung im
Griechischen und Lateinischen noch weiter griff, so dass wir in den
meisten Fällen einen der leichtesten Vokale e in der Reduplications-
silbe finden, wie in Tdra%a, n e x Xocpa, pepuli, tetigi, so ist
das erklärlich, einmal weil beide Sprachen ja oft hochbetontes a des
Sanskrit zu hochbetontem e sinken lassen, dann aber, weil in die-
sen beiden Sprachen der Hoch ton, gebunden durch die Silben-
zahl, wie weiter unten erhellen wird, nicht fest auf der Redupli-
cationssilbe blieb, sondern durch das Herantreten von Suffixen an
den Wortstamm vorgerückt wurde.
Aus dem Streben nach Erleichterung der Redupli-
cationssilbe folgtf dass der schwerste und vollste Vokal a in den
Italischen Sprachen am wenigsten geeignet war, in derselben Stand
zuhalten, also immer zu e geschwächt erscheint. Wie die Oski-
schen Formen:
fefacust, fefaeid (3/omms. Unt. Dial. Gloss.)
zeigen, die vom Stamme fac- reduplicirt sind, lauteten also auch die
Lateinischen Praeterita der Stämme pag-, tag-, cad-, can-,
fall-, p a r c - , p a r - ursprünglich :
pepagi, cecadi, cecani, fefalli, peparci, pepari,
tetagi.
und daraus wurde durch die Abschwächung des a zu e und i in der
Wurzelsilbe des zweiten Compositionsgliedcs:
pepigi, cecidi, cecini, fefelli, peperci, peperi
tetigi
Auch vom Stamme caed- lautete ursprünglich die red uplicirte Form:
c e c a e d i ;
wie aber pertaesum zu pertisum, exquaero zu exqulro
u. a,, so ward cecaedi zu:
cecidi.
— 326 —
Die nächst schweren Vokale nach a, nämlich o und u, waren in
der Reduplicationssilhe schon erträglich ; das zeigen die Formen :
poposci, spopondi, totondi, momordi
und :
pupugi, tutudi, cucurri.
Doch war die Sprache auf dem Wege, auch in solchen Perfec-
ten den Vokal der Reduplicationssilhe zu erleichtern; wie die allen
Formen :
p e p o s c i , s p e s p o n d i , memordi,
pepugi, tetuli, cecurri
zeigen, die sowohl zu Ennius und Plautus als zu Cäsar s und
Cicero's Zeit vorkommen. (Gell. VI, 9.)
Das i der Reduplicationssilhe von:
didici und sciseidi (Naev. Enn. AU. Prise. X, 24. H.)
hielt sich um so eher, als sich auch im Lateinischen ein stellvertre-
tendes i.der Reduplicationssilhe findet in den Formen:
sisto, bibo, gigno,
wie so oft im Griechischen.
In:
tetendi, pependi
erlitt das e des Stammes auch in der RedupftVationssilbe natürlich
keine Veränderung; in:
pepedi
kürzte es sich.
Wie ist nun der Abfall der hochbetonten Reduplicationssilhe in:
Ulli, seidi, hihi
und wahrscheinlich noch in manchen anderen Verben zu erklären,
von denen uns keine bestimmte Kunde mehr geblieben ist? Die
Composita der rcduplicierlen Verba geben uns darüber Aul'schluss.
deren Perfecta mit Ausnahme derer von curro wie decueurri
u. a. sämmtlich die Reduplicationssilhe einbttssten. Nach Alilatei-
nischem Betonungsgesel/ wurde betont cöntetigit, fmpepigit,
cöncecinit, ineeeidit, cöntutudit. Als nun die Sprache zu
dem Gesetz zu neigen begann, den Accenl an die drei letzten Silben
ZU binden, sliess sie den Reduplicationsvokal aus; das zeigen am
deutlichsten die Perfectformen:
r e c C idit, r e I I u 1 i I , r e p p u 1 i I , r e p p e r i I
für reeeeidil, reletuUt, repepul iL rgpeperit. St» ge-
wöhnte sich das Ohr in Gompositen Perfectformen wie luli, seidi
— 327 —
u. a. zu hören. Sobald nun das neue Betonungsgesetz im Latei-
nischen zur Geltung kam, musste der Hochton in den reduplicierten
Formen, die mehr als drei Silben hatten, vorrücken, wie in tetu-
listi, tetulistis, sei seid er unt, und nun konnte in der tief-
tonigen Silbe der Vokal e dieser Formen ausfallen. Dem Beispiel
dieser Formen folgten dann auch dreisilbige Formen mit kurzer Pen-
ultima und so gewöhnte man sich statt sei seid i, tetuli auch
seidi, tuli zu sprechen.
Es bleibt nun noch der Grund zu erklären, weshalb sich der
Vokal a in der Stammsilbe der reduplicierten Praetcrita zu i und e
abschwächte. Man vergleiche nur:
impingo, p e p i g i ,
c o n t i n g o , tetig i ,
coneido, cecidi,
t üb i ein es, cecini,
refello, fefclli,
p u e r p e r a , p e p e r i ,
c o n t e n d o , t e t e n d i ,
suspendeo, pependi,
und man wird nicht verkennen können, dass in dencomponierten wie
in den reduplicierten Formen das Z u r ii c k t r c t e n des H o c h -
tones von der Stammsilbe infolge des vorgetretenen Präfixes die
Vokalschwächung im Wurzelvokal herbeigeführt wurde, und dass die
Natur des ursprünglichen Vokales wie die benachbarten Consonanten
die Art der Schwächung bestimmten, wie dies Dietrich richtig er-
kannt hat. In der Reduplication der Praeterita ist also dasselbe
Lautschwächungsgesetz wirksam wie in der vollständigen Redupli-
cation der Subslantiva, wie:
Mamers, neben Marmar, (Carm. Arv.)
c a r c e r % d q k a q o g ,
farferus, farfarus,
und in diesen Formen liegt eine Bestätigung für die Richtigkeit der
vorstehenden Auffassung *).
*) Weil und Benloew , Th. gen. de C Accent. Lat. p. 144 f. nehmen
irrig an, das auslautende I des Perff habe in den reduplicierten Perfect-
formen zuerst den Stammvokal umgelautet, und dann auch den
Reduplicationsvokal, also aus tatagi sei erst tatigi, dann
tetigi geworden. Dagegen ist erstens zu sagen, dass im Lateinischen
i ein a einer vorhergehenden Silbe niemals zu i umgelautet hat. Aber
— 328 —
angenommen auch aus tatagi könne tatigi umlauten: warum unter-
blieb denn der Umlaut in pupugi, tutudi? Dass das u gerade em-
pfänglich war für den Umlaut, zeigen ja die Formen wie consilium,
familia, Tricipitinus (caput). In pepuli, tetuli soll die Vor-
liebe des 1 für u den Umlaut verhindert haben. Man vergleiche aber
Siculus, famulus, consul, facultas, simultas mit Sicilia,
familia, consilium, facilitas, similitudo, und man sieht, wie
wenig diese Vorliebe den Umlaut hindern konnte. Inmomordi, po-
posci, spopondi, cucurri soll wieder die Position die Wirksamkeit
des Umlautes gehindert haben. Dann müsste sie auch fefalli, pe-
parci vor Umlautung zu fefelli, peperci gewahrt haben. Wo wäre
endlich in der Lateinischen Lautlehre erhört, dass ein I der letzten
Silbe ein a , o , u der drittletzten zu e wandeln könnte , und vollends,
wie ist es auch nur denkbar, dass dies i z. B. in memordi, tetondi
den Vokal der vorhergehenden Silbe unangetastet lassen, den der dritt-
letzten umlauten sollte ? Der Irrthum jener Gelehrten liegt auf der Hand.
G. Kürzung der Vokale.
In den vorhergehenden Ahsehnitten ist dargethan worden, wie
D iphtho nge der Lateinischen Sprache sich zu eintönigen Längen
trübten, wie einfache Vokale umlauteten, sich erleich-
terten und schwächten, wie die Mannigfaltigkeit und das Gewicht
der Vokale in der Entwicklung der Sprache dahinschwand. Es ist
nun zu zeigen, wie die Vokale auch in ihrer Tondauer verküm-
merten wie in Tonfärbung und Tongewicbt, wie lange Vokale
sich im Laufe der Zeit kürzten, und daher jenes Schwanken in
der Messung der Vokale entstanden ist , das wir in der lUüthe-
zeit der römischen Litteratur wahrnehmen, so dass die Hegeln über
die Quantität derselhen, wie sie in Grammatiken and Lehrbüchern
aufgestellt sind, als ein Gemengse! von Willkührlichkeiten und Zu-
fälligkeiten erscheinen. Lud doch hat die Sprache auch hier in
ihrer Entwickelung keine Böckssprünge gemacht, sondern sie ist
auch hier einem stiitig wirkenden organischen Triebe gefolgt. Frei-
lich ist dieses ein organisches Leiden der Lateinischen Sprache, ein
Theil jener Auszehrung des Vokalismus, deren Symptome ja über-
haupt hier verfolgt werden.
liier soll nur die Kürzung der Vokale vor Con sonan I en
in Betracht gezogen werden, da die Kürzung der Vokale vor Voka-
len von der Vokalverschmelzung so sehr bedingt ist, dass sie ers( in
— 329 —
Verbindung mit dieser in ihrem Wesen erkannt werden kann. In
dem Abschnitt von den irrationalen Vokalen vor Vokalen also wird
die Kürzung derselben in dieser Lautverbindung besprochen werden.
1) Vokalkürzung in Endsilben.
Insbesondere hat die Kürzung der Vokale die Endsil-
ben der Wörter betroffen, diese ist also zuerst zu behandeln. Die
Vergleichung der Lateinischen Declinationsformen und Conjugations-
endungen unter sich und mit den entsprechenden Bildungen in ver-
wandten Sprachen Hess über die Thatsache im Ganzen längst keinen
Zweifel, musste aber doch dahingestellt sein lassen, in welchem
Zeitalter der Lateinischen Sprache diese Vokalkürzungen ein-
gerissen seien. Die handschriftliche und kritische Forschung hat
über diesen Punkt in neuester Zeit Licht verbreitet, indem sie nach-
wies, wie zahlreiche Vokale in Endsilben bei den älteren Römi-
schen Dichtern lang gemessen vorkommen, welche die Vers-
kunst der Augusteischen Zeit entweder nur als Kürzen kennt,
oder doch nur unter Mitwirkung metrisch-rhythmischer Bedingun-
gen wie Cäsur und Vershebung in einzelnen Fällen als Län-
gen duldet. Ritschis kritischem Scharfsinn verdankt es die Wis-
senschaft zunächst für P laut us diese Thatsache aus der Fundgrube
des Ambrosianischen Palimpsestes ans Licht gestellt und früheren
verkehrten Auffassungen gegenüber zur Geltung gebracht zu haben
(Proli. Trin. Cap. XIII p. 165 f.). Die Ergebnisse dieser Forschung
sind von Fleckeisen in erheblicher Weise erweitert und gefördert
worden (Recension des Ritschlschen Pläutus, Neue Jahrb. XLI,
p. 17 ff.) nicht bloss für Plautus, sondern auch für die spätere Rö-
mische Dichtung. Lachmanns feine Beobachtungen im Commen-
tar zum Lucrez brachten neue Beiträge, die zu den gewonnenen Re-
sultaten trefflich stimmten. Seitdem sind durch die Herausgabe der
Fragmente älterer Römischer Dichter neue Belege für die vorliegende
sprachliche Thatsache ans Licht getreten. Die folgende Untersu-
chung wird auf diesen Forschungen weiter bauen und den Umfang
und die Bedeutung der Vokalkürzung in Endsilben vom sprach -
geschichtlichen Standpunkte aus erörtern.
Lange Vokale der Endsilben werden inr Lateinischen gekürzt,
sowohl wenn sie im Auslaut stehen , als wenn sie den auslau-
tenden Consonanten t, s, r, 1, m, n unmittelbar vor-
her gehen. Es ist für die Beweisführung erspriesslich den Stoff
— 330 -
so zu ordnen, dass zuerst die Vokalkürzung im Auslaut, dann
vor jedem der genannten Consonanten der Reihe nach der
Prüfung unterzogen wird. Zunächst sollen hier also die Fälle be-
sprochen werden, wo a, e, i, o im Auslaute sich gekürzt haben.
Auslautendes a kürzte sich in folgenden Fällen.
Das a der femininen A-stämme in den Indogermanischen Spra-
chen war ursprünglich lang. So hat das Sanskrit stets gewahrt,
im Griechischen am häufigsten der Dorische Dialekt, im Allge-
meinen wurde es aber in dieser Sprache ausser nach Vokalen und
dem vokalähnlichsten Laut o in der Regel zu rj getrübt oder zu ä
verkürzt. Die Lateinische Sprache hat die Länge dieses a überall
im Ablativ gewahrt; im Nominativ erscheint es in der Sprache
der letzten Zeit der Republik und des Augustus überall zu ä ge-
kürzt. Aber in den Dichtungen aus der Zeit der Punischen und
Macedonischen Kriege findet sich das a auch im Nominativ noch
in seiner ursprünglichen Lange.
So sind bei Ennius gemessen die Nominative:
aquilä: Enn. p. rell. Vahlen, Annal. v. 148:
Et d e n s i s a q u i 1 ä p e n n i s o b n i x a v o 1 a b a t.
ageä. Annal. v. 484:
M u 1 1 a f o r o p o n i t et ageä longa r e p 1 e t ur.
Nach der handschriftlichen Ueberlieferung findet sich die Lange
dieses a bei Plautus gewahrt in den Nominativen :
epist ulä , Asin. 762 :
N e e p i s t u I a q u i d e m ü 1 1 a s i t in a cd ib u s.
Lunä, Bacch. 255:
Volcänus, Sol, Luna, Dies, di quättuor.
liberä, Epid. III, 4, 62:
Po tuit; plus iam sinn libcni q uinqu ni ni um.
Eben so sind gemessen in einem Salurnischen Vers des Li-
v i u s A n d r o n i c u s :
sanetä, Prise. VI, 42. //.
filiä, a. 0.:
Sa n eta, p u e r S a t ü r n i , füii regina.
So gemessen erscheint hier ein regelrechter Saturnischer Vers,
wie die alten Grammatiker das Schema überliefern. Fand sich das
lange a des Nominativs noch bei Ennius, sc» war es natürlich,
dass es auch hei Livius Andronicus wie bei Plautus so vorkam, und
Aenderungen der handschriftlichen Ueberlieferung im Plautus, um es
— 331 —
zu beseitigen, müssen daher jedenfalls als bedenklich erscheinen.
In den Grabschriften der Scipionen erscheinen eben so gemessen:
vitä, T. Com. Scip. Cn.f. Cn. n.:
Quoieivitadefecit, nön honös, honöre.
famä, t. P. Com. Scip. P. f.:
Honös famävirtüsque g 1 6 r i a ä t q u e i n g e n i u m.
tuä, a. 0.:
Mors perfecit tua, ut essent ömnia brövia.
Misst man diese Verse so, dann stimmen sie ebenfalls zu dem
von den Grammatikern überlieferten Schema des Satlirnischen Ver-
ses, und man ist nicht genöthigt zu der Annahme seine Zuflucht zu
nehmen, dass in diesen Versen Thesen ganz ausgefallen seien, eine
Annahme, die man doch als eine unumstössliche Thatsache durchaus
noch nicht ansehen kann. Sind auch djese beiden Scipionenin-
schriften jünger als Ennius, so gehören sie doch derselben Zeit-
epochc in der Sprachentwickelung an, und es war natürlich, dass in
dem alten volkstümlichen Versmasse derselben auch die alte Mes-
sung des femininen a beibehalten wurde, dass das a noch lang ge-
nug tönte, um eine Vershebung tragen zu können.
Später erscheint das a des Nominativs der femininen Stämme
überall gekürzt. Auch das auslautende a des Ablativs hat sich
bisweilen gekürzt; so in:
contra,
eine Ablativform wie ex trad, suprad (Sc. d. Baccari). Diese
findet sich bei Ausonius, Epigr. Theod. v. 16:
contra geinessen:
Saepe mora est, quoties contra parem dubites.
Dass die Kürze des a in :
itä
nicht ursprünglich ist, erweist dasselbe Wort im Sanskrit ithä.
So erscheint denn das a von ita noch lang gemessen unter der Vers-
hebung in der Grabschrift des Naevius, die er sich selbst gesetzt,
Gell. N. A. I, 24:
Itäque pöstqu a m est örchi tradi tu s thensaüro.
Misst man den Vers so, dann wird man nicht zu der Annahme
des Wegfalls einer These genöthigt, wie dies bei den Messungen von
Hertz (a. 0.). 'Itaque pöstqu am st örchi, und von Fleckeisen
(Krit. Ältlat. Dichter fr. b. Gell. p. 12): Itäque postquämst
örchi, der Fall ist. Diese Annahme erscheint um so bedenklicher,
— 332 —
als sonst in der aus vier Versen bestehenden Grabschrift keine ein-
zige These wegfällt. Ita ist nun seinem Ursprünge nach eine
Ablativform , zusammengesetzt aus den beiden Pronominalstämmen
i- und ta- (to-); tä- für tad ist Ablativ desselben femininen
Stammes ta-, von dem tarn Accusativ ist, zu dessen masculinem
Stamme to-tum die Accusativform ist. Wie tam-quam, tum-
cum so entsprachen sich tä, so, und qua, wie.
Die auf a auslautenden Zahlwörter wie triginta, quadra-
ginta u. a. zeigen bei den älteren Dichtern ein langes a, man
muss daher auf dem Boden der Lateinischen Sprache diese Quanti-
tät für die ursprüngliche halten, so wenig das auch mit den ver-
wandten Sprachen in Einklang zu bringen ist. Bei späteren Dich-
tern erscheint dies a auch kurz. So in :
triginta, Manil. II, 321.
septuaginta, Anthol. Lat. IV, 283. 314.
Das auslautende a der A-conjugation hat sich sonst lang erhal-
ten selbst in da, während es in dät, dahat schon zu Plautus Zeit
gekürzt erscheint. Aber in der iambischen Wortform:
rogä
ist es bei Plautus wie die auslautende Silbe anderer iambischer
Wortformen gekürzt (Bitschi, Proll. Trin. p. 1 65).
Auslautendes e wird gekürzt in folgenden Fällen.
Der Ablativ Singular is der I-stämme und der consonanti-
schen Stämme erscheint in der Verskunst der Augusteischen Zeit
kurz gemessen; aber sowohl Inschriften als die Messung bei älteren
Dichtern verbürgen die ursprüngliche Länge dieses e. Auf Inschrif-
ten älterer Zeit ist dasselbe durch Ei wiedergegeben in:
p a r t e i , /. Jul. munieip.
fontei, tob. Genua L
vir t ute i, t. Scip. Cn. f. Cn. n. Or. 555.
I s h i c si t u s qu i nünqu a m vi ctus est virtii tei.
Lang erscheint diese Ablativendung noch bei Ennius in
montei, Annal. Vahl. v. 420. Fest p. 343. MuelL: monte,
vgl. Hertz, Prise. VI, p. 260. Serr. \ . Aen. VII, 568:
Tumcavasub m o ntei late specus intua patebat
Ebenso ist das e noch laug gemessen in einer der beiden älte-
sten Scipionengrabschriften.
p a t r e , T. Scip. Barb. :■
G naivöd patre prognätus, förtis vir sapiensqu e.
— 333 —
Zur Erklärung des langen Vokales in diesen Ablativformen ist
folgendes anzuführen. Dass sie sämmtlich ein auslautendes d ein-
gebiisst haben, zeigen die schon erwähnten Ablativformen:
A-stämme, O-slämme, 1-stämme, U-stämme, Com -stamme,
Lat. Hin n ad, oquoltod, marid, senatud, airid,
extrad, poplicod, coventio-
suprad, molticatod, nid,
ead,r Gnaivod,
sententiad,
(M\suvad, contrud, praesentid, castrid, ligud,
entrad, dolud,-
malud,
preivatud.
{Vgl. Momms. Uni. Dial.p. 228. 230. Gloss.)
Dass der Vokal in allen diesen Formen vor dem auslautenden d
lang war, zeigt das Sanskrit, das vor dem Ablativzeichen t, aus
welchem d auf Italischem Boden abgeschwächt ist, das kurze a sei-
ner A-slämme, die den Griechischen und Lateinischen 0- stammen
entsprechen, gelängt hat. Das Griechische hat diese Ablativform
gewahrt in den Adverbien auf-cag für -gjt, und auch hier erscheint
der Vokal vor dem Ablativzeichen gelängt, wie o^icjg vom Stamme
o{io- zeigt {Bopp, Vergl. Gr. S. 345. Ite Ausg.) Demnach sind
auch die langen Vokale ä, ö, ü, F, ei, e der Lateinischen Ablative
von Stämmen, die auf ä, Ö, ü, i auslauten, schon vor Abfall des
auslautenden d lang gewesen. Die Ablativformen virtutel,
patre aber von den Stämmen vir tut-, pater- zeigen, dass das
ablativische d (t) an consonantisch auslautende Stämme im Lateini-
schen mittels eines langen Bindevokales -e, -ei angetreten ist,
der in früherer Zeit noch lang blieb, auch nachdem das d abgefal-
len war.
Das Lateinische hat auf d auslautende Ablativformen auch noch
in späterer Zeit gewahrt; so in den Ablativen von den Stämmen
der Personalpronomen mi-, ti-, si-, wie sie sich in mihi, tibi,
sibi zeigen, in:
m e d ,
ted,
sed,
Die Länge dieser Ablativformen ergiebt sich aus der Messung
der älteren Dichter ; so :
— 334 —
Plaut. Men. 492 : Fecisti funus med absenteprändio.
Plaut. Asin. 111 : Apstedaccipiat...
Caecü. Com. Ribb. p. 31: Sed e g o s t o 1 i d u s , g r ä t u 1 a t u m
med oportebät prius.
Caecü. a. O.p. 40: Filius in med incedit . . .
Enn. frag. Ribb. p. 28. Vahl. p. 114: Ted exposco ut höc
consilium...
Wenn nun med und ted lang waren, ehe sie durch Abfall des
d zu me und te wurden, so war auch sed lang, ehe es sich zu se
abstumpfte. Wie frühzeitig übrigens die Formen med, sed, ted
auch für den Accusativ gebraucht wurden, zeigt neben dem Gebrauch
der älteren Dichter die Form med als Accusativ auf der Cista von
Praeneste (Or. 2497) und intersed im Senatusconsult über die
Baccanalien.
Aus Ablativen .sind im Lateinischen Adverbien und Conjunctio-
nen geprägt worden. Einige derselben beweisen schlagend die
Länge des Vokals vor dem schlicssenden d des Ablativs. Man ver-
gleiche das :
sed, se in seditio, secerno, secedo u. a. mit der Conjunction
sed;
in beiden Wortbildungen liegt der Begriff abgesondert, der in
der Conjunction zu sondern, alter ausgeprägt ist. Die ursprüng-
liche Form scmI kürzte sich in der Conjunction zu sed, ward durch
Abfall des d in Compositen zu se. Die Richtigkeit der Erklä-
rung, dass sed Ablativ des Pronomen Reflexivum ist {Bopp, Vgl.
Gramm. S. 214), liegt auf der Hand. Es bedeutet ursprünglich für
sich, daher in der Zusammensetzung gesondert) abseits, als
einfache Conjunction sondern, aber.
Auch:
r e d -
muss ursprünglich eine Ablativform gewesen sein, doch hat sich ans
den etymologischen Erklärungsversuchen noch kein zuverlässiges
Ergebniss herausgestellt.
Die Präposition :
p r ö d
wie sie in den Compositen prödeo, prödigus, prödigo er-
scheint ist ein Ablativ, mascul. eines Siiiiiiines pro- (für pero-,
Sans kr. para-), zu dem die Präposition prai, prae «'in femininer
Locativ ist, der wie Romai, Romae gebildet ist.
— 335 —
Auch
apud, aput
scheint Ablativ eines Verbalsubstantivs apo- vom einfachen Verbum
apere, von dem aptus, apex, apiscor, coepi stammen ; es be-
deutet eigentlich in Anfügung, daher bei, und kürzte den langen
Vokal des Ablativs wie sed.
Nach diesen Vorgängen muss man auch die von adjectivischen
O-stämmen gebildeten Adverbien auf e für ursprüngliche Ablative
halten, die ihr d eingebüsst haben. Dafür zeugt die sprachgeschicht-
lich wichtige. Form
facilumed, Sc. d. Baccan.
Die Ablative facilumed und facillume verhallen sich zum
Stamme^facillumo- wie sed-, s e - zum Pronominalstamme so-
für svo- (Sanskr. sva-, Bopp,a.O.). An den Stamm facillumo-
trat das ablativische d (t) mittelst eines Bindevokales e, ei, i, wie ihn
die Ablative der consonan tischen Stämme patre, vir tut ei zeigen,
der mit dem auslautenden o des Stammes erst zu o e , dann zu e
verschmolz. So trat ja auch das s des Nominativ Pluralis mittelst
des Bindevokales e, ian O-stämme, und so entstanden, wie in dem
Abschnitt über die Diphthongen nachgewiesen ist, die Formen des
Nominativ Pluralis oe- , es, eis, Is, e, ei, I; die Form des Nom.
Plur. ploirume ist also durch dieselbe Vokalverschmelzung vom
Stamme p 1 o i r u m o - entstanden wie fa c il um e d von f a c i 1 u m o -.
In den gewöhnlichen Ablativformen der O-stämme hingegen war die-
ser Bindevokal, mit dem das ablativische d an den Wortstamm trat, o.
Dieser zeigt sich noch erhalten in dem alten Ablativ eines U-stammes
promagistratuo (Sc. d. Baccan.), entstanden aus promagistra-
tuod, verschmolz aber sonst mit dem auslautenden ü und ö der
Stämme zu ü und ö. In den Ablativformen f a c i 1 u m e d neben m u 1 1 i -
catod machen also die Bindevokale e, ei, i und o den Unterschied
wie in sena tuis neben senatuos. Eine Bestätigung für diese Ent-
stehung der Adverbien auf e bietet die 0 s k i s c h e Form a m p r u f i d,
Lai. improbe (Momms, U.D. Gloss.), die sich zumAdjectivstamme
a m p r u f o - verhält wie facilumed zu f a c i 1 u m o -.
Demnach hat sich ein ursprünglich langes ablativisches e nach
Abfall des schliessenden d schon bei den älteren scenischen
Dicht er n in zweisilbigen Wortformen mit kurzem Stamm-
vokal gekürzt in:
— 336 —
bene,
male,
probe, Poen. V, 5, 1. Fleckeisen, N. Jahrb. LXI, 43.
Schon seit Lucrez ist auch in mehrsilbigen Wortformen die-
selbe Kürzung eingetreten; so in:
superne, Lucr. IV, 437. VI, 544. 597. Hör. C. II, 20, 11.
PrudenL Calhem. 3, 20. Perist. 12, 39.
inferne, Lucr. VI, 597. 764.
Noch weiter ausgedehnt ist diese Kürzung bei den spätesten
Dichtern; so:
in ferne, Auson. Urb. 14, 14. Ep. 5, 21.
amice , Auson. Sept. Sap. Thal. fi.
inimice, a. 0.
Auch in :
pone
ist die Kürzung des auslautenden e eingetreten. Das Adverbium ist
gebildet vom Stamm pono-für post-no-, pos-no-, also von der
Präposition post, pos durch das Suffix -no wie pronus, deni-
que, internus, sypernus, infernus von den Präpositionen
pro, de, inter, super, infra. So lange man keinen bestimm-
ten Grund hat superne, in ferne, interne, pone von den übri-
gen auf e auslautenden Adverbien zu trennen, inuss man auch ihren
a l»l a ti vi sehen Ursprung annehmen.
Hiernach ist auch die Entstehung der enklitischen Conjunction
-que
zu beurtheilen.
Das zur Conjunction verwandte Adverbium que verhall sich
zum Relativstamme qui- wie die Ablative marid, navalcd zu
den I-stammen mari-, navali-, bedeutet also ursprünglich das-
selbe wieder Ablativ qui, also wie und daher und. Wenn nun
qui das auslautende d eingebt! sst bat, so gilt dies auch von que.
Noch im Gebrauche der Dichter zu Augustus Zeiten ist que mit
Hülfe der Vers heb u ng wieder zur Geltung einer langen Sill»e ge-
hoben worden, nämlich an erster Stellt' wenn es an zwei aufeinan-
der folgende Worter gefügt ist. So /um Beispiel :
Ovid. Metam. V, 4M :
Sideraque ventique nocent . .
Verg. Aen. III, 91 :
Liminaq ue laur u s q u e d e i . .
— 337 ~~
In der älteren Dichtung sind deutliche Spuren, dass es noch
lang gebraucht wurde unter der Vershebung, auch wenn es nur
an ein Wort gefügt war.
So bei N a e v i u s , Prise. VI, 6. H:
. . inerant signa exprßssa, quo modo Titäni,
Bicörpores Gigäntes mägniquö Atläntes.
Fest. v. sagmina, p. 320. M. :
Scopäsatque verbßnas sagmina assumpserunt
und bei LiviusAndrouicus, Odiss. Gell. VI, 7,11:
Ibidemquö vir siimmus ädprimüs Patricoles.
Auch an diesen Stellen werden durch diese Messung regelrechte
Saturniniscbe Verse hergestellt*).
Auch durch die Italischen Dialekte wird die Länge des Vokales
von que und seine Entstehung aus dem ablativischen qued be-
stätigt. Oskisch nämlich lautet die dem Lateinischen que ent-
sprechende Conjunction pid, Umbris ch pe, pei, beide Formen
sind also aus ursprünglichem ped, peid, pid entstanden, das
Lateinischem qued, queid, quid entspricht, wie die Form des
Pronominalstammes po- jener Dialekte dem Lateinischen Pronomi-
nalstamme quo- (vgl. Ebel, Zeitschr. für vergl. Sprachf. V, 415).
Daher ist Umbrisches p a n u p e i für pandupei genau dasselbe
Wort wie Lateinisch quandoque (AK. Umbr. Sprachd. II, 414).
Alte Ablativformen sind auch :
ante,
postS, Enn. Fest v. tonsam p. 356. Vahl. Ann. v. 235. Flatä.
Ritschi, Rhein. Mus. VII, 566.^
entstanden aus antid, postid, wie die Zusammensetzungen an-
tid-ea, antid-eo,antid-hac, postid-ea,postid-hac zei-
gen (Zeitschr. für vergl. Sprachf. V, 105), ebenso wie aus coven-
tionid, airid conventione, aere wurden. Eine späte Spur
von der ursprünglichen Länge des e von ante hat sich noch auf
*) Dass que wirklich ursprünglich einen langen Vokal gehabt hat,
und dieser als Länge noCh bis in Cäsars Zeiten nicht aus dem Sprach-
bewusstsein ganz geschwunden ist, dafür spricht auch die Schreibweise
eumquei, /. Jul. munic. (Goeltl. 15. Rom. Urk.) für e um que; man kann
dieselbe indessen nicht als sicher ansehen, da sich die Variante eum-
que daneben findet. (Egger, Lat. serin. vet. rell. p. 299.)
Corssen. 22
- 338 —
einer Grabschrift der Kaiserzeit erhalten unter der Vershebung vor
der Caesur, /. N. 6656:
Debuithicantemiseros sepelire parentes,
während sonst das e von ante und poste stets kurz erscheint,
poste sich sogar zu post und pos abstumpft.
Schon oben ist nachgewiesen, dass das angefügte -ce in:
hi-ce, illi-ce,
ec-ce, isti-ce
gekürzt ist ans einer Locativform -cei vom demonstrativen Prono-
minalstamme co-, Sanskr. ka-, und sich diese Form noch erhalten
hat in :
hei-cei,/. N. 5882.
Der späten Zeit gehört die Verkürzung eines Griechischen r\ an
in dem Namen:
Calpe für KuXicr}, luven. 14, 279.
Das auslautende e des Verbalstammes von Verben der E-con-
jugation kürzt sich häufig in zweisilbigen Wortformen mit kurzem
Wurzelvokal schon bei den ältesten scenischen Dichtern wie bei spä-
teren ; so in den Imperativen :
iube, Ritschi, Prot. p. 165 f. cave,
Naev. Rib. Trag.ind. Caecil. mane, Cot. in, 27.
Rib. Com.p. 60. fave, Ov. Am. II, 13, 21.
vide, have, Ov. Am.U, 6, 62.
Spätere Dichter dehnen diese Messung auch auf andere Wert-
formen aus. So:
extorque, l'rud. Perist. V, 60.
percense, Prud. Harnart. 624.
Wenn dieser Vokal bis in die späteste Zeit auch lang gemessen
erscheint, so muss er im Volksmunde lange eine mittelzeitige T<>n-
dauer gehabt haben.
Verrius Flaccus fand in einem sehr alten Sprachdenkmal die
Verbal form :
pro spie es für pro spiee, Fest. p. 2(17),
aus der sich ergiebt, dass p ro spiee s eine alte Imperativform
war, dass mithin die gewöhnliche Form der /weilen IVis. Sing. Imp.
das pronominale s, das Zeichen der zweiten Person, eingebüssl hat.
Ebenso haben dieses Personalzeichen verloren l'c-t-. r/tK*/-, di-
dov-, %gzy\-, deCxvv-. Wenn nun diese Griechischen Impera-
tivformen einen langen vokalischen Laut zeigen, der ehemals vor
y formen aus. So:
s/lve, Mart.W, 108, 4.
misce, Anth. Lat. V, 135, 18.
- 339 —
der Personalendung stand, wenn auch in den Lateinischen Präsens-
formen wie legis, legit der Vokal vor der Personalendung ur-
sprünglich lang war wie im Griechischen Xeystg, Xaysi, wovon
weiter unten die Rede sein wird, so ist der Schluss gerechtfertigt,
dass auch in prospices der Vokal ursprünglich lang war und
auch nach Ahfall des s zuerst noch lang blieb, dass also überhaupt
das e der 2ten Pers. Imperat. Act. Sing, der conso-
nan tischen Verbalstämme erst mit der Zeit, wie so viele
auslautende Vokale, gekürzt ist.
So findet sich denn auch ein solches e noch lang gemessen un-
ter der Vershebung im ersten Verse der Odissia des L i v i u s A n -
d r o n i c u s in der Form :
insece, Gell. XVIII, 9:
V i r ü m mihi Camena-inseceversütum.
Wenn man folgenden Vers des Plaulus,
Trin. 289 :
Quo manus apstineant: cetera rape, trahe, fuge,
latc
so liest, wie ihn die Handschriften geben, ohne das tene, das
Ritschi hinter trahe eingeschoben hat, so erscheint mindestens
auch in fuge noch die ursprüngliche Länge des e unter der Vers-
hebung ihre alte Geltung erhalten zu haben.
Auslautendes i hat sich im Lateinischen meist als Länge
gehalten und findet sich fast nur in jambischen Wortformen
gekürzt.
Das lange i des Dativs cui, dessen Länge aus den alten For-
men q u o i e i (t. Scip. Or. 555), q u o i e i q u e (/. agr. ( Thor.)) erhellt,
wird gewöhnlich mit vorhergehendem u verschmolzen, so dass cui
einsilbig gemessen erscheint. Spätere Dichter messen auch :
cüi, Hart. VIII, 52, 3. XII, 49, 3.
Das i hat sich gekürzt in den mit dem Suffix -bi gebildeten
Formen :
mihi, tibi, sibi, ibi, ubi,
wie die schon nachgewiesenen Altlateinischen Formen mihei, ti-
bei, sibei, ibei, interibei, üb ei zeigen, während ihr auslau-
tendes i schon bei Plautus kurz und lang gemessen erscheint
{Ritschi; Prot. Trin. p. 169). Auch auf der Grabschrift des Cn.
Scipio Hispanus (Com. 176. v. Ch., Or. 554) findet sich sibei
22*
— 340 —
pyrrhichisch gemessen, während noch die alte Schreibweise beibe-
halten wird :
Maiorumoptenui laudem, utsibeimeesse creatum.
Die Kürzung dieses Vokales war keine vollständige, sondern er
ward nur bis zu einer zwischen voller Länge und gewöhnlicher
Kürze in der Mitte liegenden Tondauer vermindert; er ward nur
mittelzeitig, und da er als solcher für die Metrik unmessbar
oder irrational war, so wurde er von den Dichtern der Augustei-
schen Zeit und ihren Nachahmern kurz und lang gebraucht.
Die ursprüngliche Länge des Vokales i in dem Suffix -bi,
-bei erklärt sich aus dem Sanskr. -bhjam, das sich auf Itali-
schem Boden regelrecht zu -fiem gestaltete. Daraus wurde dann
durch Vokalverschmelzung Umbrisch -fem, Lateinisch bim,
beim, bem, dann mit Abfall des m Umbrisch -fe in den Können
tefe, pufe, Lateinisch -bi, -bei, -be in tibi, tibei, tibe,
ubi, u bei, übe (Zeilschr. für vergl. Sprach f. V, 121 f.).
Das i der Locativendung eines zweisilbigen Wortes mit
kurzem Wurzelvokal verkürzt sich bei den Komikern in:
dornt, Plaut Mit. 194.J/otf. 281. Pompon. Ribb. Com.p. 201.
herl, Af ran. Ribb. Com. p. 157. Caecil. a. 0. p. 58.
ein i des Genetivs in:
er*, Jf#.362.
aber diese Kürzung ist auf den engen Kreis dieser ursprünglich
Jambischen Wortformen beschränkt geblieben.
Das lange i von si ist gekürzt in:
nlsl, quasi.
In ni si kürzte sich zuerst der Vokal der ersten Silbe, wie man
daraus sieht, dass dieser in der Zusammensetzung auf Inschriften
niemals durch E I bezeichnet ist. Der Vokal der zweiten Silbe ward
noch lang geschrieben inMarius Zeil, wie die Sehreibweisen: nisei,
(Sc. d. Baccan. I. rep. (Serv.) I. ä. Tcrm. I. Ruhr. /. Jtü, mun.)
und nes ei (/. repet. I. rep. (Serv.)) beweisen; da es aber damals
schon kurz gemessen wird, so zeigt sieh, dass es auch eine Zeit lang
im Volksmunde eine mittel zeitige Tondauer hatte. Für das
Schwinden des Vokalismus in der Lateinischen Sprache ist D i si ein
lehrreiches Beispiel, wenn man es mit dein entsprechenden Oski-
schen neisuae (lab. Baut. 2S.) vergleicht. Die ursprüngliche
Italische Form des Lateinischen si zeigt das Oskische" svai
(c. Abel/. 41.), ein femininer Locativ des reflexiven Pronominal-
— 341 —
Stammes sva-, dem Sanskrit, sve entsprechend (Bopp, Vergl. Gr.
S. 341). Aus svai ward nach Lautwandelungen, die alle schon
besprochen sind, Osk. svae, Umbr. sve, VoJsk. se (Verf. d. Vols-
cor. ling. p. 51.), Lal. se, sei, sT endlich durch Vokalkiirzung
nis¥.
In q uäsü war das a kurz, denn, wie quansei (/. agr. Thor.)
zeigt, ist es aus quam-si entstanden. Das i wird wie in nisei
zu Marius Zeit noch als Länge bezeichnet in qua sei (/. repel.),
quansei (l. agr.), dann gekürzt in quasi wie in nisi.
Ebenso erscheint i gekürzt in :
slquidem, Plaut. Poen. V, 2, 85. Ter. Em. 50. 445. 1019.
Andr. 465. Plaut. Pers. 579. 787. Ter. Heaut. 324. 331.
Das auslautende i von zweisilbigen Verbalformen
mit kurzem Wurzelvokal kürzt sich in der Messung der Komi-
ker in den Infinitiven :
dar*, Plaut. Pud. 960. Ter. Ad. 311. Phorm. 261.
patt, Plaut. Aul. IV, 9, 16.
loqul, Bacch. 1 104. Ritschi, Prot. p. 168.
und in den Perfe et formen:
de dl, Trin. 728. Mit. 131. Capt. 364. Poen. I, 3, 7. Cist. II,
3, 29.
bibt,
stet!, Ritschi, a. 0. Fleckeisen, N. Jahrb. LX1, 17;
ebenso in den Imperativformen:
veni, Plaut. Pers. 30.
abi, Plaut. Most. 66.
Auch hier ist der Vokal i nicht vollständig bis zu einer Kürze
gesunken in der Sprache; sonst würde er in der späteren Dichtung
nicht durchaus als Länge erscheinen. Er wurde im Volksmunde
zu Plautus Zeit mittelzeitig gesprochen, daher im Vers der
Comödie zu einer Kürze herabgedrückt, durch die spätere Metrik
wieder zur Länge emporgehoben.
Der Vokal o kürzt sich im Auslaut von Nominal formen
und Verbalformen, zuerst bei Plautus und anderen scenischen
Dichtern in zweisilbigen Wort formen mit kurzer Stamm-
silbe, später auch in Wörtern von anderer Messung und Sil-
benzahi, während er ursprünglich an allen Stellen des Auslautes
lang war (Diomed. p. 430. P.).
— 342 —
So kürzt sich das auslautende o des Ablativs nach Abfall des
Ablativzeichens d in:
modo, Plaut. Aulul.W, 1, 11. PseudoI.bßQ.
Doch findet sich dieser Vokal auch noch lang gemessen bei Pia u-
t u s , L u c i 1 i u s , L u c r e t i u s und Cicero (Lachm. Lucr, p. 1 40.
Wagner, Verg. Aen. I, 389. Cic. nat. Deor. II, 42, 107). In spä-
terer Zeit erscheint es immer kurz , natürlich auch wo das Wort
sich an das vorhergehende enklitisch anschliesst wie in:
dum modo, postmodö, quo modo.
Ebenso findet sich schon bei Plautus der Ablativ:
cito
gekürzt (Bitschi, Proll. Trin.p. 179. Fleckeisen, ep. crit.p. 25, N.
Jahrb. LXI, 42 gegen Ritschi, Praef. Stich, p. 17).
Die Kürzung des ablativischen o greift nun immer weiter um
sich. Schon in den Dichtern der Augusteischen Zeit zeigen ein kur-
zes o:
immo,
illicö;
und:
ergo,
Griech. egya, erscheint mit kurzem o seit Ovid., vgl. Heroid. V, 59.
v. Lennep. Martial. Epigr. II, 9, 2. IX, 5, 4. luven. 1, 109.
V, 15. VI, 620. XII, 126. XI, 129.
Bei den späteren Dichtern finden sich dann zahlreiche Ablative
mit gekürztem o; so:
serö, luv, I, 169. Stat. Thcb. I, 596. Mar/. Epigr, I, 31, 8.
Prise, XV, 3. 11. 16.
porro, luv. VII, 98. verö, Juso//. Epigr, 115, 1.
postremö, luv. XI, 91.
profectö, Ter. Maur. d. Mcfr.
2598.
und die Ablative der Gerundien:
mulcendö, Calpurn. Ecl, VIII, manendö, Aus, sept. sap. Chil.
53. 2.
vigilandö, luven. III, 232. manandö, Seren. Summ. 350.
solvendö, SenJr. Oedip, 942. removendö, a. O. -Vrl.
vincendä, Sen.tr.Troad.26$. cessandö, u. 0. 905.
Hrspniniilich.ablalivisches o ward auch gekürzt in den Kom-
positen:
— 343 —
quandö, Marl. III, 4, 7. VII, 9, 2. X, 14,8.70,14. V, 19, 3. 4,
luv. III, 173. V, 40. 127. VIII, 80. XI, 182. XV, 160-
aliquando, luv. IX, 28.
Das zweite Glied -do dieser Zusammensetzungen ist aus dio-
entstanden und Ablativ von dius, Tag (vgl. nu-dius tertius).
Dieses immer weitere Umsichgreifen der Kürzung des auslau-
tenden o des Ablativs zeigt, wie das Sprachgefühl für die Quantität
der tieftonigen Endsilben sich allmählig abstumpfte und die ge-
lehrte Dichtung den Verfall derselben nicht aufhalten konnte, son-
dern in späteren Zeiten demselben Zuge folgte wie die Volks-
sprache.
Das o eines ursprünglichen Dualis im Lateinischen hat sich
bis auf wenige Ausnahmen gekürzt in:
düö, vgl. Gr. dvco, ovo, dvoxaidsxcc;
bei späteren Dichtern auch bisweilen in:
ambö, Auson. Epigr. XL, 2. vgl. Gr. cc^icpco.
Ebenso ist in späterer Zeit kurz gemessen das auslautende o
von :
oetö, luv. VI, 229. vgl. Gr. 6xt(6.
Dieses o ist entstanden aus dem Diphthongen au, der sich in
oetavus vor dem vokalischen Suffix o, das herantrat, zu av gestal-
ten musste.
Die mit dem Suffix - o n gebildeten Nomina werfen das
schliessende n im Nominativ ab. Das so in den Auslaut getretene
o fängt allmählig an seine volle Länge einzubüssen. Die erste Spur
davon ist die Plautinische Messung:
hömö, Bitschi, Prol. p. 166. vgl. Laber. Ribb. Com. fr. 239.
Auch in der Augusteischen Zeit bleibt sonst dieses auslautende
o lang bis Ovid; von da ab finden sich vereinzelte Beispiele von Ver-
kürzung desselben wie:
Curiö, Ov.Fasl. II, 525.
Nasö, Amor. I, 11, 27. II, 1, 2. A. Am. II, 744. III, 812. Rem.
A. 72 ;
und zwar ist die Kürzung hier schon auf zweisilbige Wörter mit
langer Stammsilbe und mehrsilbige ausgedehnt. Allgemeiner tritt
dieselbe jedoch erst später auf, und zwar in der Dichtungsart, die
der Sprache des gewöhnlichen Lebens am nächsten stand, in der
Satire und dem Epigramm. So in:
— 344 —
mucrö, Mart. IV, 18, 6. mentiö, a. 0. III, 114.
lunö, Marl. IX, 37, 6. Stal. ganeö, a. 0. XI, 58.
Theb.1,250. luv. VI, 619.627. auctiö, a.ö. VI, 255.
nemo, Ifarf.I, 40,2. XI, 12,2. ultiö, a.O. XIII, 2.
83, 2. ^wow. JFp^r. 112, 1. Polliö, a. O.VI, 387. IX, 7.X,43.
/www. IV, 8. 119. III, 46. lanugö, a.O. XIII, 59.
VII, 17. VIII, 45. XIII, 3. caligö, a.O. VI, 556.
131. XIV, 59. 207. XV, 8. fuligö, a.O. VII, 227.
Marö, J/ar*. XI, 47, 2. 67, 2. sartagö, a. 0. X, 64.
virgö, Mart.W, 78, 12. ^wsow. obliviö, «lö. VI, 613.
^p^r. 102, 2. 103, 2. £fa*. homunciö, a.O. V, 133.
/%<?&. VII, 279. Zwtf. III, 110. cenatiö, a.O. VII, 183.
IX, 72. occasiö, Mart. VIII, 9, 3. luv.
latrö, Mart.Xl, 58, 8. XIII, 183. XV, 39-
Frontö, a. O. XIV, 106, 2. libidö, jlfarf. IX, 9, 8. luv.
Catö,Zw«w.IX,226./w.II,40. II, 14.
pulmo, luv. III, 138. muliö, Mart. X, 2, 10. /w. III,
sermo, a. O. VI, 193. 317.
Pedö, «.ö. VII, 129. imagö,7T/tfrMI,66,8. XI,102,8.
Mathö, a. O. VII, 129. XI, 31. vespillö, «. O. I, 47, 1.
Nero, Marl. Ep. IX, 27, 9. luv. Apollo, a. O. VIII, 6, 6.
X, 308. XII, 129. indignatiö, luv. I, 79.
gobio, a. O. XI, 37. d esper atiö, a. O. VI, 367.
portiö, «. (9. IX, 128. permutatiö, a.O. VI, 653,
potiö, a.O. VI, 624. dcclamatiö,«.0.X, 167.
Auch hier sehen wir die Sprache auf dem Wege der Kürzung
ihrer Endsilben allmählig weiter fortschreiten; doch ist dies o nicht
so kurz geworden, dass es nicht durch die Vershebung zu dem alten
Werth einer Länge wieder erhoben werden könnte.
Das auslautende <» von:
e g ö , vgl. Gr. iycov, Skr. a h a m ,
ist nachAbfall seines scbliessenden n schon bei den alleren seeni-
schen Dichtern häufig kurz gemessen (Jli/srhL Prot. Trin. />. 169.
Afran. Ribb. Com. p. 154, Pompon. a. O. p. 198. 199.), ebenso er-
schein! es bei Catull, Vergil, Iloraz ausschliesslich und bei den
Übrigen Dichtern dieser Zeit meistentheils. Nur unter der Vers-
hebung kann der Vokal auch bei späteren Dieblern zu seiner ur-
sprünglichen Geltung als Längt4 hergestellt werden:
egö, luv. XVII, 357. Jason. Kpigr. 54, 6. SepU Sap. Thal. (>. 10.
— 345 —
Das auslautende o der ersten Person Sing. Präs.
und Fut. Act., das nach Abfall des Personenzeichens der ersten
Person - m' in den Auslaut getreten ist, erleidet ebenfalls unter Um-
ständen V er kür z u n g.
In der Sprache der Komiker geschieht dies in zweisilbi-
gen Wort form en mit kurzer S tamsilb e. So bei Plautus:
eö, sinö, Pseud. 62.
agö, negö,
v o 1 ö , dabo,
sciö, erö
(Bitschi, Pro!, p. 166 f. vgl. Irin. 821. Bacch. 422. Tritc. 372.
Trin. 655. 666. Bacch. 103.)
und bei anderen Komikern:
cedö, Naev. Bibb. Com. p. 14.
volö, Nov. a. 0. 79.228.
Bei Caecilius findet sich auch schon eine solche zweisilbige
Verbalform mit langem Stammvokal ebenso gekürzt:
Ibö, Caec. Bibb. Com. p. 56.
Bei den Dichtern aus der Blüthezeit der Romischen Litteratur
erscheint dieselbe Kürzung besonders in Dichtungen, deren Ton der
Umgangs- oder Volkssprache sich nähret; zum Beispiel in:
volö, Cat. 6, 16. Hör. Sat. I, petö, Ov. A. Am. II, 10.
9, 17. puto, Ov. Met.\h\, 60. III, 266.
vetö, Hör. Sat. I, 1, 104. XI, 425. Art. A. I, 370.
e ö, a. O. I, 6, 1 19. scio, Oviol. Trist. V, 4, 46.
Schon in dieser Zeit wird die Kürzung dieses o auch auf zweisil-
bige Verba mit langem Stammvokal und auf mehrsilbige ausgedehnt?
wie :
tollö, Oviol. Am. III, 2, 26.
nesciö, Hör. Satir.J, 9, 2. Oviol. Bern. Am. 760. Tib. I, 6, 55.
rependö, Ov. Her. XV, 32.
desinö, Tib. II, 6, 41.
und auf Formen des Fut. II. wie :
dixero, Hor.SatA, 4,104. '
odero, Ov. Am. III, 11, 35.
Am weitesten hat diese Kürzung um sich gegriffen in dem Epi-
gramm und der Satire der sp ä testen Zeit, deren Sprache der
volkstümlichen besonders bei Martial nahe steht. Hier erscheint
das o überwiegend kurz in Wortformen jeder Art ; so in :
— 346 —
putö, Mart. Epigr. I, 27, 2. cantö, Mart. Ep. XII, 40, 2.
III, 67, 1 0. IV, 69, 4. V, 1 1 , 4 c u r r ö , Sulpic. Sat. 4.
u. a. Anson. Epigr. 57, 2. qua erö, luv. III, 296.
58, 2. cedö, a.O. VI, 57.
amö, Mart. Epigr. I, 32, 2. IV, orö, a. 0. X, 250.
42, 8. cernö, a.O. XIII, 64.
vetö, a. 0. 1,34, 10. luv. XIII, praestö, a. 0. XIV, 212.
128. so\\ö, Aus. Ep. 4, 5.
volö, Mart.Ep. 1,57,4.111,45, mittö, a. 0. 4, 6.
6. VI, 87, 2. Anson. Epigr. 3, gestö, a. 0. 53, 4.
5. 13, 8. 39, 1. 8. Iuv.M dicö, «. 0.55,1.
223. sumö, r/. 0. 105, 7.
rogö, J/tfr/.^.II, 14, 18.25,2. vadö, a. 0. 105,3.
III, 52, 3. V, 82, 3. cedö, luv. VI, 57.
petö,**. 0.11,30,6. eruö, Mart. Ep.YÜ, 92,2.
legö, a. 0. VII, 29,6. indieö, a. 0. IV, 90, 3.
sciö, «.0. VII, 86, 6. luv. IX, praeferö, tf. 0. VII, 34, 10.
97. VII, 158. censeö, a.O.Y, 49, 12. XI, 99, 8-
emö, Mart. Ep. IX, 101, 6. gaudeö^, a. 0. XI, 107, 3.
ferö, Aus. Epigr. Ml. dormiö*, a. 0. XII, 101, 2.
cedö, luv. XIII, 210. anteambulö, a. 0. 1, 18,3.
cluö, Aus. S. S. Cleob. 2. imputö, luv. II, 17.
c r e d ö , Mart. Ep.\ 51 , 15 Spetf. e x e ö , a. 0. III, 17.
Xu!, 4. luv. VI, 504. aestuö, a.O. III, 103.
capto, Marl. Ep. 11,18,1. transeö, a.O. X, 273.
nolö, tf. Ö.IT, 18, 7. 36,2. 4. colligö, «. 0. XI, 106.
III, 45, 6. XIII, 53, 2. XIV,' comparö, a. 0. XUI, 66.
1, 12. ^sorc. ^?^r. 12, 7. colligö, a. 0. XI, 198.
39, 8. audio, a.O. X, 81.
iurö, Mart.Ep.Wl 12,9. nesciö, «a.O. 111,41. XVI, 30.
mandö, a. 0. VII, 99, 8. praeponö, a.O. 111, 5.
fiö, a. 0,'X, 42,6. vapulö. a.O. 111,289.
malö,a. O.XH, 26,14.7t*t;.VI, senti«, a.O. VII, 56.
167. inte rrogä , <t. (f. X, 72.
Wie bei Plautus das Futurum dabo findet sieb in der Sprache
der sj)äteren Dichter gemessen :
putabo, Auson. S. S. praef. dabo, Mari. Ep. XI, 29,5.
Drcp. 14. recita b ö , <t. 0. XI, 52, 1 6.
properabÖ, luv. III, 59.
- S47 -
Wie die Futura dixero, oderö bei den Augusteischen Dich-
tern linden sich :
prenderö., Mari. III, 96; 3.
impleverö, luv. IX, 90.
Wie schwankend indessen die Messung des auslautenden o von
Verbalformen auch noch in diesen späten Dichtungen war, zeigen
folgende Verse :
Marl. Epigr. II , 18, 1 : Capto tuam,pudetheu, sed capto,
Maxime, cenam.
a.O. IV, 69, 4: Nee putö nee credö, Papiie, nee
s i t i ö.
a. 0. XI, 107, 3 : Omnia legisti, credö, sciö, gau-
deö, verum est.
luven. VI, 223: Hoc volö, sie iubeö . .
Auson. Epigr. 105,3: Vadö tarnen, sed dimidius, vadö
minor ipso.
Die Kürzung des auslautenden o hat also frühzeitig begonnen,
das o ist aber lange ein mittelzeitiger Vokal gewesen, den man
als .Länge oder als Kürze messen konnte. Dass aber in der Volks-
sprache des vierten Jahrhunderts dieses o völlig kurz geworden war,
sagt Diomedes mit den für diese Untersuchung bezeichnenden
Worten, p. 430. P.: Paullatim «intern usus inval uit, ut in
sermone nostro, ut cscribö, dico' et in ceteris eiusmodi
o non solum correpta ponatur, sed etiam ridiculus sit,
q u i e a m produxerit. M i r u m i gi tur non est, s i consuetu-
d i n e m s e q u i t ur versus, n i s i sit, u b i p o e t a m a i o r e m s i b i
licentiam vindieavit.
Das auslautende o des Imperativs erscheint gekürzt bei Plau-
tus in :
dato, Bacch. 84. Ritschi, a. O.p. 168.
Der Stammvokal des Verbum dare ist erst auf Lateinischem
Boden gekürzt (vgl. Skr. da-, Gr. da-), aus der Jambischen Wort-
form wurde dann leicht eine pyrrhichisehe. Beispiele ähnlicher Kür-
zungen bei späteren Dichtern sind :
estö, luv. VII, 79.
respondetö, Marl. Epigr. III, 4, 7 ;
auch hier hat dieselbe in einer Wortform mit langer Stammsilbe und
in einer mehrsilbigen Platz gegriffen.
— 348 —
Ursprünglich lange Vokale kürzten sich in der Endsilbe vor
auslautendem t regelmässig. Die Sprache der älteren Dichter
aber hat die Länge dieser Vokale zum Theil noch gewahrt, und noch
bei den Dichtern der Augusteischen Zeit und ihren Nachahmern fin-
den sich Spuren davon.
Der Vokal a vor dem auslautenden t der dritten Person
Sing. Indic. von Verben der A-conj ugation ist bei Plautus zum
Theil noch lang gemessen; so in:
adflictat,ü/m\ 648:
Cur istuc captäs consilium? Ouia enim me adflictät
amor.
Ritschi, a. 0. p. 184.
Derselbe Vokal erscheint schon gekürzt in zweisilbigen Verbal-
formen mit kurzer Stammsilbe wie:
ämät, Mtl. 998. Rud. 466.
creät, Mit. 33.
cübSt, Amph. 290. Feckeisen, N. Jahrb. LX1, 18, 35.
Sonst hat er seine Länge wenigstens in Versmassen des Dia-
loges gewahrt. Daher kann dieses a auch bei Horaz unter der Vers-
hebung noch als Länge auftreten in:
arät, Hör. c. III, 16, 26.
Dass das a der A-conjugation ein langer Vokal ist, zeigen so-
wohl die Endungen - äs, -ämu s, -ätis als die Entstellung dieses
a aus Sanskr. -aja (Ropp., Vgl. Gr. S. 727. N. Jahrb. LWIII.
360).
Das a kürzt sich vor t auch in Endungen des Imperfecls.
So findet sich dasselbe schon kurz bei Plautus in:
erat, Mit. 15. Bacch. 421. 563;
dassdieses a von Natur lang war. beweisen die Kormen-eräs, -erä-
mus, -erätis. Hingegen ist das a vor dem t der dritten Pers.
Sing. Ind. ImpeiT. lang geblieben bei Ennius in:
ponebät , Ann. V. v. 314:
Noenum rumor es ponebät ante Bai utero.
und erscheint noch bei Dichtern der Augusteischen Zeil lang ge-
messen in :
revocabät, Ycrtj. Acn. V, 167:
Cum clamorc Gyas revocabät: cece Cloanthum.
— 349 —
amittebät, Verg. Aen. V,853:
Nusquamamittebät, oculosque sub astra tenebat.
Den ersten der Vergilischen Verse geben die Handschriften so
{Fleckeisen, a. 0. 32.), im zweiten steht der Vokal a unter der
Vershebung vor der Cäsur, wodurch seine lange Geltung um so eher
wieder aufgefrischt werden konnte. An derselben Versslelle er-
scheint die Messung:
erat, Bor. Sal. II, 2, 47.
ebenfalls eine Herstellung der alten Länge des a. Die ursprüng-
liche Länge des a in der Imperfectendung -bat ergiebt sich für das
Lateinische aus den Formen -bä s,- -bämus, -bätis; nach Bopp
(Vergl. Gramm. S. 762) ist -bä in allen diesen Formen durch
Ausstossung eines v aus -bava entstanden und die lateinische Im-
perfectendung -bam aus dem Sanskr. Imperf. a-bhavam von
der Wurzel bhu-, Lat. fu-, herzuleiten. Das lange a in eräs, erä-
mus hingegen ist vom sprachvergleichenden Standpunkt noch nicht
genügend erklärt.
Gekürzt hat sich a vor t auch in der dritten Person Sing.
Conj. Präs. Doch findet sich die Länge desselben noch ge-
wahrt bei Plautus in:
fuät, Capt. 260.
sciät, Fleckeisen, N. Jahrb. LX1, 18.
und bei Terenz in :
a u g e ä t , Adelph. 25 :
P o e t a e a d scribendum ä u g e ät i n d u s t r i a m.
Daher findet sich noch bei Horaz unter der Vershebung vor der
Cäsur gemessen:
soleät, Hör. Sat. 1, 5, 90.
Indessen hat die Kürzung dieses a schon bei Plautus in zwei-
silbigen Wortformen mit kurzer Stammsilbe begonnen wie :
eät, Rud. 54.
ferät, Trin. 114. Fleckeisen, a. 0. p. 35.
Auch hier ist die ursprüngliche Länge dieses Vokales für das Latei-
nische durch die Formen der Conj untivendungen -äs, -ämus erwie-
sen. Dassdies Conj unctivis che aaus Sanskr. -ja, Umbr.-iä, Griech.
-LT] entstanden ist durch Ausfall eines i, und somit seine Länge vom
— 350 —
ältesten Herkommen ist, darauf wurde schon oben hingewiesen.
{Vgl N. Jahrb. LXVJII, 3.)
Auch langes e hat sich vor dem pronominablen t der dritten
Per san Sing. Ind. gekürzt. Doch findet sich die Länge des-
selben noch gewahrt bei Plautus in :
solet, Merc. 696.
lubet, Rud. 1333.
habet, Trin. 206.
eget, Trin. 330.
perl übet, Capt. 833.
a 1 1 i n et , Bacch. 229 u. a.
(Vgl. Ritschi, Prot. Trin. p. 184. Fleckeisen, N. Jahrb. LXI,
18. 35).
Auch bei späteren Dichtem hat sich die Lauge dieses e ge-
wahrt unter der Vershebung meist vor der Cäsur
f tilget, Lucr. II, 27.
ridet, Hör. c. II, 6, 14.
timet, a. 0. II, 13, 16.
man et, a. 0. I, 13, 6.
, videt, Verg. Aen. I, 308.
solet, Ov. Metam. III, 184.
Dass das e der E - conjngation lang ist, zeigen auf dem Boden
der Lateinischen Sprache die Formen -es, -emus, -etis, und die
verwandten Sprachen bestätigen es (G. Cur aus, Temp. u. Modi, I,
259. 263).
Das e als Conj unctivzeichen vor dein Personalzeichen t
der dritten Person Sing. Conj. hat sich in der Regel gekürzt.
Doch hat es seine ursprüngliche Länge noch gewahrt in den Con-
junctiven der A -conjngation bei Piautas:
det, Pers. 68. 327.
quaeritet, Mtl. 1244.
d e s i d e r e t , a. 0. Riischl , <t. 0.
und in Conjunctiven der consonantischen und der I -conjugation,
die zu Futuren verwandt sind, wie:
rediget,
audiet, Fleckeisen, X. Jahrb. LXI, 18. 35.
Ebenso war die Länge des e vor ( im Conj. Imperf. noch
unversehrt zu Plautus und Ennius Zeil.
— 351 —
So bei Enn. Ann. v. 86. V:
esset,
Omnibus curaviris uter esset induperator,
wo die auslautende Silbe von esset sogar in der Verssenkung steht,
{vgl. Fleckeisen a. 0. p. 18.).
Und so findet sich bei Horaz noch handschriftlich überliefert :
periret, c. III, 5, 17.:
Si non periret inmiserabilis.
Die Herkunft dieses conjunctiviscben e von ~iä, -ie, die schon
besprochen ist, erweist, dass seine Länge eine ursprüngliche war.
Die Kürzung des langen e tritt nun aber schon frühzeitig ein, beiPlau-
tus in zweisilbigen Verbalformen mit kurzer Stammsilbe; so in:
habet, Mtl. 215. 1251. olct, Amph. 321.
placet, Mtl. 255. 983. lubet, Trin. 907. 932. 1007.
solet, Bacch. 80. 1041. Bacch. 923.
decet, Rud. 702. AmphMl. feret, Mtl. 151.
Mtl. 616. aget, Mtl. 811.
timet, Amph. 295. foret, Mtl. 53.
{Fleckeisen a. O. p. 35.) Dann drang diese Kürzung des e vor t
auch in alle anderen Verbalformen derselben Art.
Auch der Vokal I hat sich vor dem pronominalen t der drit-
ten Person Sing, in der Blüthezeit der Römischen Litteratur in
der Regel gekürzt. Bei den älteren Dichtern hat er seine Länge
noch vielfach gewahrt und noch bis in die Augusteische Zeit sind
Spuren davon übrig.
Das I vor t in der dritten Pers. Sing, Ind. Präs der
I-conjugation hat sich lang erhalten in:
fit, Plant. Capt. Prol. 25.
ebenso wie in flo, fiunt u. a. Das Verbum fio ist entstanden aus
fuio durch Vokalverschmelzung wie senati aus senatuis, und
fuio entstand vom Stamme fu-, indem der Bildungsvokal der I-
conjugation an denselben herantrat wie aio für agio vom Stamme
ag-, Sanskr. ah-(sagen), wie c apio , rapio u. a. von cap -, rap-.
Der Vokal i war also in allen Bildungen von fio ursprünglich lang.
So erscheint denn auch noch bei Ennius:
in fit, Ann. v. 386. F.-
Infi t o cives, quae me fort im a ferocem,
und zwar in der Verssenkung die Länge des I gewahrt.
— 352 —
Dasselbe zeigt sich in den Messungen ;
It, Cure. 489.
init, Lucr. IV, 337:
Ater init oculos prior et possedit a pertos.
Die Länge des I ergiebt sich daraus, dass der Verbalstamm i-
im Lateinischen und Griechischen zu ei- gesteigert worden ist,
wie die Formen der Inschriften eitur, eire, abeire, adeitur
und die in Plautinischen Handschriften noch erhaltenen Schreibwei-
sen eis, eit, ei, eite {Fleckeisen, a. 0. p. 18.) schon oben er-
wiesen haben. Langes I hat sich auch erhallen in:
alt, Irin. 1179.
Das Verbum gehörte im Altlateinischen der I-conjugation an
und lautete einst äiö für agio; das zeigen die Messungen ai, ai-
bant, als bei älteren Dichtern. Das lange ä, das sich noch in äin
{Asin. 901. Cure. 323.), äiunt {Pacuv. Iiibb. tr. v. 369.) erhalten
hat, ward vor folgendem Vokal in äis, ait, äin gekürzt, und
in der so entstandenen jambischen Wortform kürzte sich auch die
Endsilbe, gerade so wie nisi diesen Kürzungsprocess durchge-
macht hat. ( Vgl. Prise. X, 52. H. Fleckeisen, Kr it. aelt. Pichte) fr.
b. Geil.p. 7. N. Jahrb. LXI, 19. Zeitschr. f. vgl, Sprachf. I, 231.)
Durch Vokalverschmelzung winden dann jene Formen auch ein-
silbig {Plaut. A?nph. 284. 344 u. a.). Lang erhalten ist ein i der
I-conjugation vor t auch bei Ennius in:
tinnlt, Ann. v. 434. V :
Gonfigunt parmam, tinnlt haslilibu s iimbo.
Die Länge des i der I-conjugalion beweisen auf dem Bo-
den der Lateinischen Sprache die Endungen - Is, -Im u s , -Itis,
die Vergleichung verwandter Sprachen hat gezeigt, dass auch
dieses i aus Vokalverschmelzuug entstanden ist und dem Sanskr.
-aja entspricht {Popp, Vcryl. Cr. 727. X Jahrb. LXVI1L 300.).
Sprachgeschichtlich von Wichtigkeit ist die Entdeckung von
Fleckeisen (TV. Jahrb. LXI, 34 f.), <fass sich in Piautu8 und spate-
ren Dichtern noch Beispiele dv\- ursprünglichen Länge des i vor
dem t der dritten Person Sing. Ind. I'räs. Act. der conso-
uantischen Conjugation linden. So in:
pereipit, Plaut. Men. 921:
Pötionis illiquid peius quam pereipit insänia.
Ein weiterer lleleg für diese Erscheinung hat sich neuerdings
bei Ennius herausgestellt in der Messung:
— 353 —
ponit, Ann. AM. VahL:
Multa foro ponit et ageä longa repletur.
Daher findet sich dieses i auch bei den Dichtern der Augustei-
schen Zeit unter der Vershebung noch als lang gemessen in:
sinit, Verg.Aen. X, 433. defendit, Hör. Sat. I, 4, 82.
agit, Hör. Sat. II, 3, 260. faclt, Verg. Ed. 7, 23.
figlt, Hör. c. III, 24, 5. petit, Verg. Äen. IX, 9.
Gegen die ursprüngliche Länge dieses i scheint die Kürze die-
ses Bindevokales in den Pluralformen der dritten Conjugation
-Kmus, -Itis zu sprechen; aber das ist nur scheinbar. Das Grie-
chische und das Sanskrit zeigen in den drei Personen des Singular
Präs. Ind. vor den Personalendungen einen langen Vokal. So in der
ersten Pers. Skr. dadämi, Gr. dtdcö^iL, Lat. dö, in der zweiten
Pers. Skr. dadäsi, Gr. didag, rt'-O^s, %GTt\q, Homerisch
TLxrTjöd'cc, (prjö&a, s&elrjöd'u neben £%8tGd'a, dCdoi-
ö&a, in der dritten Person Skr. dadäti, Gr. ölöcjöl, xl-
&r]6[,, Töxrjai,. Diese Griechischen Formen zeigen, dass auch
der Diphthong sc in der zweiten und dritten Pers. Sing. Ind. Präs.
der Verba barytona, welche die Personalendung mittelst Bindevokal
an den consonautischen Verbalstamm hängen, wie leyzig, leyat,
ein langer Vokal vor der Personalendung war, was durch die Dori-
sche Form dcö ccKKTj für dcddöxsL bestätigt wird (vgl. Dietrich,
Zeiischr. für Alt&rihw .1847. No. 89. N. Jahrb. LXVIII, 554). Wie
also Lat. legö dem Griechischen leyco, so entsprach legis, Alttat.
legeis, Gr. kayetg und leglt, Alllat. legeit, Gr. leysi für
keys ix. Somit ist die Länge des in Rede stehenden i sprachlich
gerechtfertigt.
Häufiger findet sich die Länge des Charaktervokales i des La-
teinischen Perfects vor dem auslautenden t der dritten Pers. Sing.
Ind. gewahrt. So sind nach Fleckeisen folgende Messungen bei Plau-
tus handschriftlich verbürgt :
vendidlt, Capi. 9. emit, Poen.V, 2, 99.
optiglt, Stich.381. optiglt, Rud.921.
astitit, Mil. 213. iit, Cisl IV, 2, 35.
vixlt, Pseud.SW. iussit, Merc. 358.
respexit, Poen. I, 2, 197. potult, Mil. 1076*).
*) Nicht streng erweislich ist die lange Messung der Endsilbe in
repperit, Stich. 462. 746, und vicit; Amph. 643.
Corssen. 23
— 354 —
Eine Anzahl ähnlicher Perfectformen stellt Fleckeisen durch
leichte Emendationen her {N. Jahrb. LXI, 23). Die alte Plautinische
Schreibweise :
redieit, Merc. 530.
die Ritschi aus den Handschriften in den Text aufgenommen hat,
zeigt, dass in allen vorstehenden Perfectformen einst ei geschrieben
wurde. Nur in zweisilbigen Wortformen mit kurzer Stammsilbe hat
sich bei Plautus das i der 3ten Pers. Sing. Ind. Perf. gekürzt {Fleckeis.
a. 0.). Lang erscheint es auch noch bei Terenz in den Messungen :
profult, Hec. 463.
stetlt, Phorm. 9*).
So kann es denn nicht befremdlich sein, dieses I auch noch in den
alteren Versen des Livius Andronicus und der Scipionengrabschriften
zu finden in :
docui t,
Liv. Andr., Ribb. Trag. v. 33 :
Haut ut quem Chiro in Pelio docult oeri.
fuet, fult,
t. Scip. Barb. :
Consöl, censör, aedilis hie fui t apüd vos.
t. Scip. Barb. f. :
Consöl, censör, aedilis hie fuet apud vos.
So gemessen ergeben sich auch hier drei regelrechte Saturnisehe
Verse, und die Annahme von ausgefallenen Thesen ist überflüssig.
Der letzte dieser Verse hat also zwei alte Vokallängen bewahrt wir
der Ennianiscbe : Malta f o r o p o n 1 1 et ageä longa rcpletu r.
Auch bei den Dichtern aus Cäsars und Augustus Zeit findet sieh dies
lange i meist unter der Vershebung, häufig vor der Cäsur des Ver-
ses, aber auch in der Verssenkung erhalten ; so in:
e n i t u 1 1 , Verg. Georg. II, 2 1 1 .
petilt, Verg, Am. X, 67. Prep. 1, 10, 23. Ovid. Met. IX, 612.
Uli sit, Verg. Aen. V, 480. {Fleckeis. a. 0. p. 32):
Arduus effractoque illisit ossa cerebro.
Die Messung illisit, bei der die Endsilbe unter der Verssen-
kung steht, zeigt, dass nicht die Vershebung allein das i an ähnli-
chen Stellen gelängt hat; sie schützte nur den schon sicehen und
*) Weniger sicher stehen andere von A, Kielte , Excreitationes Te-
renlianae, p. 5 f. beigebrachte Beispiele.
- 355 —
zur Kürzung geneigten langen Vokal gelegentlich in seiner alten Gel-
tung. Ebenso sind gemessen:
subiit, Verg.Aen.YM,363. Hör. Sat. I, 9, 2 1 . Ep.PonlA, 4, 46.
adift, Ov.Metam.\X,§\\. Ep.PonlA, 3,74.
i m p c d i 1 1 , Ov. Met. XII, 392. Valer. Flacc. VIII, 259.
perrupit, Hör. c. I, 3, 36.
occubult, Ov. Her. IX, 141.
prosiluit, Ov.Mel.Nl, 658.
Auch auf Inschriften findet sich die Länge dieses i durch die
Schreibvveise EI ausgedrückt bis nach der Gracchenzeit; so in:
p o s e d e i t , l. Genuat.
venieit, /. agr. {Thor.)
r e d i e i t , T. Mumm. Ritschi, Or. 563.
dedeit, Marini. All. d. fr. Arval. p. 607. Zumpt, Comment.
epigr. p. 33.
Auf einer Inschrift der Augusteischen Zeit ist derselbe Laut
durch das hohe über die anderen Buchstaben emporragende I als
lang bezeichnet in:
periit, /. N. 3868.
Natürlich blieb das i lang vor t, wenn von Perfecten der I-con-
jugation auf -ivi das v ausgefallen und die beiden sich berühren-
den i verschmolzen sind, wie in :
poseit, /. N. 5409.
perft, I.N. 3868.
obit, Or. 643.
Auch das i des Conjunctivs vordem Personalzeichen der
dritten Pers. Sing, t hat sich gekürzt, aber namentlich in der älte-
ren Dichtung seine Länge noch vielfach gewahrt; so bei Plautus
(Ritschi. Prot. Irin. p. 183 f.) in :
slt, Asin. 762. Men. 1045. Mtl. 242.
\e\lt, Men. 52.
mavellt, Trin. 306.
Auf einer Voraugusteischen Inschrift ist die Länge dieses i
durch ei bezeichnet in :
seit, Dedic. vic. Für f. I. N. 6011.
Durch Verschmelzung des ie von siet entstand der lange Mit-
telton zwischen i und e, der hier wie gewöhnlich durch ei bezeichnet
wurde und sich in si t zu i gekürzt hat Ebenso sind dieConjunctive
23*
— 356 —
velim, duim, etlim, verberint, temperint, carint, finit
durch Verschmelzung der Conjunctivbezeichnung ie zu i entstanden
(N. Jahrb. LXVIII, 370.).
Seltener hat sich das lange i vor dem Personalzeichen t im Fu-
turum bei Dichtern erhalten. Doch ist bei Plautus handschriftlich
überliefert
vaenibit, Most. 1160
wo Fleckeisen (a. 0. p. 34) mit Recht Ritschis Umstellung verwirft.
Die Länge des i vom Futurum erscheint daher gewahrt unter
der Vershebung vor der Cäsur noch bei Vergil und Horaz in :
erit, Verg. Ed. 3, 97, Aen. XII, 883.
condiderlt, Hör. Sat. 11, 1, 82.
In der Spanischen Inschrift von Malacca aus der Zeit des Do-
mitian finden sich Formen der dritten Pers. Sing. Ind. Fut. I und II
und Conj. Perf. so geschrieben, dass der I-laut vor t durch das em-
porragende I als langer Vokal bezeichnet wird; so:
habeblt, iura? erit,
e r 1 1 , tractaverlt,
fecerlt, cooptaverlt,
con fecerlt, cavcrlt,
d c s i e r 1 1 , explcverlt;*. Mal. Or. Hen z.
pervenerlt, 7421.
steterlt,
eine Andeutung, dass der Vokal dieser Formen einmal lang war, liegt
wenigstens in diesen Schreibweisen, wenn er auch zu Domitiaus Zeit
nicht mehr so gesprochen wurde.
Es fragt sieh nun, wie die Lauge des i in Futurformen wie ve-
niblt, erit zu erklären ist, da doch die Pluralformen venibi-
mus, er Im us, venibltis, eritis einen kurzen Vokal zeigen.
Die Bildung des Futurum in verwandten Sprachen giebt darüber
Aufschluss. Das Sanskrit bildet sein Futurum durch die Anfügung
-sja, das im isolierten Gebrauch verschwundene Futurum vonWri.
as-, Gr. ££-, Lat. es-, in welchem -ia die Futurbezeichnung ist.
Dem Sanskr. -sja entspricht Griechisch -tf*o (-a i8) in den Dori-
schen Futuren wie 7tQa%L0ii£g, ßoad-^Oi'co. Auch im Lateini-
schen muss das Futurum von esse ursprünglich esio. esies,
esiet gelautet haben, und io, ie ist Futur/eichen gewesen; dann
entstand mit Sinken des s zu r und Ausfall des i ero, wie minor
aus mini os und eris, erit wie sis, sit aus sieg, Biet {Hopp.
— 357 —
VergL Gramm. S. 903 /.). Einen Beweis für die Richtigkeit dieser
Erklärung geben die Pluralformen des Fut. II mit langem i wie :
dixerltis, Plaut. Mit. 862.
ded erltis, Enn. Ann. v. 200. V. Ov. Met. VI, 357.
transierltis, Ov. Ep. Pont. IV, 5, 6.
contigerltis, a. 0. IV, 5,16.
fecerimus, Cat. 5, 10.
An die Perfectstämme dieser Verba ist nämlich das Futurum von
esse, also erlmus, erltis für esiemus, esietis getreten,
und das I somit lang geblieben. Auch für venibit ergiebt sich
hieraus die Erklärung. Wie von Wz. es- das Futurum esio,
esies, esiet, ist von Wz. fu- ursprünglich das Futurum fuio,
fuies, fuiet mit dem Futurcharakter io, ie gebildet. Dieses
ward als Suffix zur Futurbildimg vokalischer Verbalstämme ver-
wandt, und gestaltete sich als solches regelrecht, wie schon bespro-
chen ist, zu bio, bies, biet und durch Verschmelzung des ie zu i
wie in sies, siet u. a. zu bö, bis, bit. In allen mit diesem
Suffix gebildeten Futurformen ist also das i ein langer aus Vokal-
verschmelzung entstandener Vokal, der seinem Ursprünge nach ver-
wandt ist dem £i in Griechischen Futurformen wie Grshstg,
Ktsvelg {Curtius, Temp. u. Mod.S. 315. N. Jahrb. LXVM, 369);
das 1 der später gewöhnlichen Formen ist also gekürzt. Diese Kür-
zung des i vor t in allen besprochenen Verbalformen zeigt sich zuerst
in zweisilbigen Wortformen mit kurzer Stammsilbe bei Plautus wie :
fuit, Trin. 174. 331.^^^.550. venit, Pseud. 134.
dedit, Trin. 874.894. M/.576. velit, Merc. 457 u. a.
Capt. 19. Most. 978.
Die Sprache folgte dann ihrem Hange zur Kürzung der tief-
tonigen Endsilben weiter, so dass die Kürze des i vor t mit der Zeit
durchweg Platz griff*).
*) Ein lang gemessenes u vor t, wo es sonst kurz erscheint, nimmt
Fleckeisen, a. O. ^.31, nach der handschriftlichen Ueberlieferung an in
sinciput, Plaut. Men. 506; die Länge des u von caput, sinciput
ist aber sprachlich unerklärbar. Ritschi hat doch wohl Recht , wenn er
an jener Stelle sinciput in sincipitium ändert. Das capüt bei
Vergil, Aen. X, 394, Thymbre capu't Evandrius, wo die Silbe put
unter der Vershebung vor der Cäsur vor einem Griechischen Worte steht,
reicht nicht aus, um die Länge des Vokales u gegen die Etymologie zu
beweisen. Mit der Fleckeisenschen Ansicht über die Länge der Endun-
— 358 —
Vor auslautendem s hat sich bisweilen der Vokal e gekürzt,
häufiger ist dies der Fall gewesen mit I und ü; doch haben sich im
Gebrauche der Dichter Spuren ihrer Länge erhalten.
Der Vokal e vor dem s der zweiten Person Sing, findet
sich in zweisilbigen Wortformen mit kurzer Stammsilbe bei Plautus
verkürzt in :
vides, Rud. 942. Stich. 714. iubes, Capt. 835.
Most. 811. 1 o c e s , Aulul. III, 6, 32.
h a b e s ; Pseud. 161. v o 1 e s , Bacch. 83.
Aber diese Kürzung hat nicht weiter um sich gegriffen, und die
spätere Verskunst hat die Geltung des e auch in den vorstehenden
Verbalformen überall wieder hergestellt.
Das i hat sich häufig gekürzt vor dem s der zweiten Person
Sing. Per f. Conj. u. Fut. II. Die Dichter der Augusteischen
Zeit brauchen die Endung i s dieser Verbalformen lang und kurz.
So erscheint sie lang gemessen in :
placaris, Hör. c. III, 23, 3. reddideris, Ov. Am. I, 4, 31.
dedcris, Hör. c. IV, 7,20. Ov. biberls, a.0.32.
Fast. I, 17. A. Am. I, 447. nescierls, Ov. Her. VII, 53.
occiderls, Hör. c. IV, 7, 21. respueris, Tib. IV, 1, 8.
fueris, Hör. Ep. 1, 6, 40. tulerls, Stat.Silv. IV, 7, 40.
a u d i e r T s , Hör. Sat. II, 5, 1 01 . i u ver I s, a. 0. IV, 9, 5 1 .
m i s cueris, Hör. Sat. II, 2, 74.
Hingegen findet sich dasselbe i kurz gebraucht unter der Vers-
senkung in:
vitaveris, Hör. Sat. II, 2, 54. dixcris, Hör. A. P. 47,
detorseris, a. 0. II, 2, 55.
und bei späteren Dichtern in :
iusseris, luv. IH, 78. vidcris, Mari. III, 5, 10.
egeris, Marl Epigr. II, 30,5. porrexeris, a. O. V, 6, 10.
Es scheint auch hier den Dichtungsarten, die in ihrer Sprache
der Volks- und Umgangssprache näher standen, wie der Satirc und
dem Epigramm die Kürze der Endsilben geläufiger gewesen zu Bein
als den strengeren und gemesseneren Dichtungsarten. Die Länge
dieses i ist schon oben sprachlich begründet.
gen -at, -et, -it von Verbalformen hat sich übrigens auch Kitschi
neuerdings (Prol. Pseud. p. 14. Rhein. Mus. VIII, 492) einverstanden er-
klärt.
- 359 —
Ebenso ist nachgewiesen, dass die Endung -Is der 2ten Pers.
Sing. Ind. Präs. Act. ursprünglich ein langes i hatte. Daher findet
sich bei Horaz unter der Cäsar noch geinessen :
scribis, Sat. II, 3, 1 :
Si raro scribis, ut toto non quater anno.
Auch der Vokal u ist vor s in Flexionsendungen gekürzt wor-
den; doch hat sich die ursprüngliche Länge desselben noch gele-
gentlich hei Plautus und unter günstigen metrischen Einwirkungen
bei den Dichtern der Augusteischen Zeit erhalten*).
Flcckeisen (a. 0. p. 34) weist die Länge des u in dem Suffix
-bus aus folgenden Messungen nach:
omnibüs, Plaut. Aulul. II, 8, 8. Merc. 919**).
pectoribus, Verg.Aen. IV, 64.
Dass die Endung -büs, wie bis in nobls, vobTs, durch
Vokalverschmelzung aus -bius, Sanskr. -bhjas, entstanden ist,
davon war schon oben die Rede; also war das u von -bus ursprüng-
lich lang wie das i von -bis. Gerade so entstanden die beiden
Formen partüs (7. repet.) und partls aus einer ursprünglichen
parti-us.
Griechisches ov ist Lateinisch zu ü gekürzt in:
polypus, Hör. Epoä. 12, 5.
indem die Lateinische Sprache die Wortausgänge -us als der
*) Fleckeisen, a. 0. p. 33, glaubt Spuren gefunden zu haben, dass
die Endung der 2ten Pers. Plur. -tis lang war. Es misst nämlich vi-
deritis MiL 157 als Choriambus, weil ein Paeon primus die Vershe-
bung nicht auf der letzten Silbe habe tragen können. Weshalb dieser
Grund unhaltbar sei , wird sich weiter unten ergeben. In dem Verse
des Vergil, Aen. XI, 111: Oratis? equidem et vivis concedere
vellem, steht das -tis von oratis unter der Vershebung vor dem
Verseinschnitt nach der Hebung des zweiten Versfusses, vor der Pause
der Frage; allein kann also dieser Vers für die Länge des i in oratis
nichts beweisen. Der entscheidende Grund gegen Fleckeisens Annahme
ist aber, dass alle verwandten Sprachen in dieser zweiten Person Plu-
ralis einen kurzen Bindevokal nach dem T-laut zeigen; das Sanskrit
hat für Lat. -tis -tha, das Griechische -t8, das Gothische bloss
-th; ein langer Vokal wäre also in der Lateinischen Endung uner-
klärlich.
**) Für auribus, Most. 1118, und lampadibus, Men. 842, ist
die lange Messung der Endsilbe nicht unzweifelhaft erwiesen.
— 360 —
O-declination zugehörige Nominative fasste und danach die Wörter
flectierte. U erscheint ferner gekürzt vor s in :
p a 1 ü s , Hör. A. P. 65 :
regis opus, sterilisve diu palüs aptaque remis,
eine Kürzung einer zweisilbigen Wortform mit kurzer Stammsilbe,
für die sich weiter keine ganz gleiche Beispiele aufweisen lassen.
Auch die Endung der ersten Pers. Plur. -mus findet sich als
Länge gemessen in:
v e n i m u s , Plaut. Cure. 438 :
Q u i a n ü d i u s quartusv^nimiis in C ä r i a m ;
so lautet der Vers in den Handschriften und Fleckeisen (a. 0. p. 33)
widerruft seine in den Text gesetzte Umstellung desselben. Ebenso
ist die Endung -mus lang gemessen bei Vergil und Ovid in:
fatigamüs, Verg. Aen. IX, 610.
n e g a b a m ü s , Ov. Metam. XIV, 250 ,
freilich an beiden Stellen unter der Vershebung vor der Hauptcäsur
des Verses. Vergleicht man in den verwandten Sprachen die En-
dungen der ersten Person Pluralis in Verben wie Skr. bibhrmas,
Gr. cpsQotisg , Goth. bairam, Althoclid. berames, Lat. feri-
mus, so erhält die Länge der Endung -mus nur durch die Alt-
hochdeutsche -mes eine Stütze; wie aber diese beiden Sprachen zu
dem langen Bindevokal e, ü kommen, ist noch nicht sicher nachge-
wiesen ( Vgl. Bopp, vgl. Gr. p. 626 f. Polt, Et. F. II, 711. G. Cur-
tius, Temp. u. Modi S. 26. N. Jahrb. LXVIII, 354).
In dem Abschnitt über irrationale Vokale vor Consonanten
wird noch von Kürzungen der Endsilben mit auslautendem s von
zweisilbigen Wörtern mit kurzer Stammsilbe die Bede sein.
Häufig sind im Lateinischen die Vokale a, e, o, u vor aus-
lautendem r gekürzt in Nominalformen wie in Verbalformen.
Der Vokal a kürzte sich in der lsten Pers. Präs. Cooj. Pass. vor
dem auslautenden r, das der Passivbildung dient. Poch hat sich
bei Plautus dieses a noch lang erhalten in:
loquär, Amph. 559.
o p p r i m ä r , Amph. 1 056 *). • \
(vgl. Ritschi, Proll. Irin. p. 80. 1).
Pass das aus -iä entstandene Conjunctivzeichen ä auch in
Passivformen ursprünglich lang war, versteht sich von sellist.
:) Zweifelhaft bleibt die Messung von addicar, roen. V, 6, 4.
— 361 —
Bei Ovid findet sich dieses a noch lang gemessen in :
ferär, Ov. Met. VII, 61.
Die Stellung des Vokales a unter der Vershebung vor der Hauptcäsur
des Verses trug auch hier dazu bei , die noch nicht ganz aus dem
Sprachbewusstsein geschwundene Länge derselben wieder geltend
zu machen.
Ebenso kürzte sich das a in den neutralen auf r auslautenden
Nominativen von Adjectivstämmen, die das auslautende i, e des Suf-
fixes -ari abgeworfen haben, wie:
calcSr, lupanär, lucär,
torcular, cochleär, soliär,
pulvinär, exemplär, Apollinär.
n u b i 1 ä r, 1 a c u n ä r ,
Ebenso ist in dem Punischen Namen:
Ha milcär
das a ursprünglich lang gewesen und ward so noch zu Ennius und
Plautus Zeit gesprochen {Gell. IV, 7)*).
Der Vokal e vor r hat sich gekürzt in der 1 st en Pers. Sing.
Conj. Präs. und lmp. Pass. vor dem r, das der Bezeichnung des
Passivums dient, in Formen wie :
amer,
teger&r u. a.
Wenn auch dieses e bei Dichtern nicht mehr lang gemessen er-
scheint, so ist es doch einmal lang gewesen, da es als Conjunctiv-
bezeichnung aus -iä, -ie entstanden ist.
Vereinzelt steht die Verkürzung des e vor r in:
Celtiber neben Griech. KsXtißrjQ, Marl. X, 20, 1**).
*) Die Messung jubar bei Ennius, Annal. 547. Fahl, unter der Vers-
hebung, vor der Cäsur und vor einem Griechischen Worte reicht zum
Nachweis für die Naturlange des a nicht aus, da dieselbe sprachlich
nicht zu begründen ist.
**) Fleckeisen (a. 0. p. 32) nimmt ursprüngliche Länge des e von
pater an, gestützt auf drei Stellen des Vergil:
Äen. V, 521: Ostentant artemque pater arcumque sonan-
t e m.
XII, 13: Congredior; fer sacra pater, et coneipe foe-
dus.
XI, 469: Consilium ipse pater, et magna ineepta La -
t inus.
— 362 —
Der Vokal o hat sich in der Endsilbe vor r gekürzt in Verbal-
und Nominalendnngen ; doch hat die ältere Römische Dichtung noch
in zahlreichen Fällen seine Länge gewahrt.
An einer Stelle des Plautus findet sich nach der handschriftlichen
Ueberlieferung pater ebenso gemessen,
Aulul.lY, 10, 49: Me'us fuitpate'r Antimachus: ego vocor Lucö -
nides.
Für den Plautinischen Vers ist Ritschis Umstellung pater fuit
sehr leicht und ansprechend, in den Vergilischen Versen steht die Silbe
ter von pater immer unter der Vershebung vor der Hauptcäsur. Das
Griechische naxr\q beweist nichts für die Länge des e von Lat. pa-
ter, da das Lateinische im Gegensatz zum Griechischen einen kurzen
Vokal in der Endsilbe des Nominativs liebt, also sermö, pastor ne-
ben sermönis, pastöris, während im Griechischen der Nominativ
langen Vokal zeigt, die Casus obliqui kurzen, in qtJtcoq, 7col[17]v ne-
ben Qjjzo Qog , no ifiEvog. Im Widerspruch mit seinen sonstigen No-
minativbildungen würde also das Lateinische nach Fleckeisens Annahme
im Nominativ einen Vokal gelängt haben, den es in allen anderen Fällen
der Casusbildung ausstiess. Man kann nicht umhin , anzunehmen , dass
das Lateinische auch im Nominativ den kurzen Vokal von pater von
je her hatte, und auch diesen im Gegensatz zu den obliquen Casus nur
beibehielt, weil die Lautverbindung tr im Auslaut unerträglich war.
Dafür spricht auch der Sanskrit-Nominativ pitr, der ebenfalls nach t
einen kurzen vokalischen Laut zeigt. Die Messung pater ist also bei
Vergil dem Griechischen 7iccttJq nachgebildet, und wie in aether,
aer das Griechische r\ im Lateinischen lang geblieben.
Auch die Ansicht Fleckeisens, dass Iuppiter ein langes e in der
Endsilbe gehabt habe, ist nicht haltbar, wenn pater stets pyrrhichisch
gesprochen wurde. Sie stützt sich auf den Vers:
Amph. 94: Hanc fdbulam, in quam, hie Iuppiter hodie fpse
aget.
Iuppiter soll hier als Creticus gemessen sein, weil ein daktyli-
sches Wort die Vershebung nicht auf der Schlusssilbe tragen könne.
Die Unnahbarkeit dieser metrischen Regel wird im letzten Abschnitt
dieser Arbeit dargethan werden; dann aber wird auch jeder Schein eines
Beweises für die Länge des e in Iuppiter wegfallen.
Aus demselben Grunde nimmt Fleckeisen Cretische Messung für in-
super in Anspruch:
Merc. 693: Ni sumptuosus insuper etiam siet.
Auch hier ist aber, wie sich unten ergeben wird, die Versbetonung
Insuper ganz in der Ordnung; ebenso wenig ist die Länge des e in
semper, propter, inter, super irgend erwiesen oder nachweislich.
Semper, Lucr. III, 21, ist von Beruays beseitigt durch die Lesart:
cana cadens violat, semperque innubilus aether; propter,
— 363 —
Schon Acidalius wies nach, dass die Nominative der Substan-
tiva auf -tor, welche die handelnde Person bezeichnen, bei Plau-
tus ihr langes o noch gewahrt haben, das später stets kurz er-
Ter. Andr. 439, ist Fleckeisen selbst zweifelhaft; Ritschi, Prol. Trin.
p. 327, stellt den Vers so um: Huiusce propter consuetudinem
hospitae, und so ist er jetzt von Fleckeisen in den Text des Terenz
aufgenommen; nach Bentley lautet er: Propter hospitai huiusce
consuetudinem. Es bleiben die Messungen inter und super
übrig, die handschriftlich gesichert sind:
Prop. III, 24, 29 (K.) : Ettib.iMaeonias inter h er oidas omni s.
Verg. Aen. VI , 254 : Pingue super oleum infundens ardenti-
bus extis.
Dass aber der Vokal in inter kurz war, lehrt seine Bildung mit
dem Suffix - 1 e r o , Skr. - 1 S r a , Gr. - 1 e q o , dass es in super kurz war,
zeigt Sanskr. upari, Gr. vtzbq, Goth. ufar, Ahcl. ubar. Man musp
also annehmen, dass Properz und Vergil die Griechischen Dichter nach-
ahmten, welche der auslautenden Silbe der Präposition durch die Vers-
hebung die Geltung einer Länge gaben in Verbindungen wie Y,atd
qoov, dvä qoov, V718LQ a X a u. a. Dem vnstQ aXa sieht das
Vergilische super oleum sehr ähnlich. Solche Nachbildungen Griechi-
schen Versbaues erklären doch allein Messungen wie Ovid. Met. II, 247 :
Taenariüs Eurotas, Ovid. Metam.'Vll, 365: Phoebeamque Rho-
don et Ialysios telchinas, Cat. 66, 11: auetüs hymenaeo»
Verg. Bucol. VI, 53: fultijs hyacintho, Verg. Georg. II, 5: gravi-
dils autumno, Verg. Aen. X, 720: profugus hymenaeos, Aen. XI,
69: languentis hyacinthi, und vor der Cäsur der Verse, Itb. I, 5,
33: Et tantum venerata virum, — hunc. . Prop. III , 6 , 1 :
O me felicem! — o. . 111,30, 45: Haec eadem ante illä'm —
impune . . . Manu. I, 791: Emeritus caelGm — et . . Mart. III,
3, 4: Aut aperi faciem — aut . . Aehnlich stehen Ov. Met. X, 98:
myrtus, Verg. Aen. X, 394 capüt u. a. , vgl. Schneid. Lat. Gr. I
p. 750.
Dass das u der Endung -tur in der dritten Pers. Passiv, lang ge-
wesen sei, will Fleckeisen aus Dichterstellen nachweisen, wo er agitür,
reddetür, conseetantür misst. Allein alle diese Stellen sind kri-
tisch zweifelhaft oder nicht streng beweisend für die Länge des u. So
zuerst Pscud. 645: Ät illic nunc negotiosust: res agitur aput
iüdicem; hier kann agitur Tribrachys sein, die Länge seines u ist
also nicht erwiesen. Stich. 528 liest Fleckeisen: Quid agitur [mi]
Epignome? Quid tu? quämduduminportümvenis, Ritschi
hingegen mit den Handschriften: Quid agitur Epignome . . . Auch
dieser Vers giebt also keine Gewähr für die Länge des u in agitur.
Most. 580 ist die verderbte handschriftliche Ueberlieferung : Redde-
turne igitur faenus? reddetür nunc abi. Ritschi emendiert den
— 364 —
scheint {vgl. Ritschi, Prol. Trin. p. 174. Fleckeis. a. 0. 26).
So in:
exercitör, Trin. 226. 1016.
gubernatör, Rad. 1014.
imperatör, Amph. 223.
amatör, Racch. 1163.
Die Casus obliqui bezeugen die ursprüngliche Länge dieses o
im Nominativ. Dem Lateinischen Suffix -tör entspricht Sanskr.
-tär, Griech. -tcoq , -t^o, und Sanskr. d ä t ä (r) , Gr. dor^p,
Zötf. dator sind dieselben Wörter. Diesen Bildungen schliessen
sich an:
censör für censitor,
t. Scip. Rarb. f:
Consöl, censor, aedilis hie fuet apüd vos.
sorör, Poen. J, 2, 151.
1 uxör, Stich. 140. Asin.^Ti.
deren Casus obliqui ebenfalls die Länge des o im Nominativ beweisen.
Die Kürzung des o dieser Nominalendungen -tor und -or begann
bei Plautus in zweisilbigen Wortformen mit kurzer Stammsilbe wie :
Schluss : reddetur tibi, Fleckeisen: reddetur abi; also auch hier
ist die Länge des u der Endung -tur nicht gesichert. Bacch. 1093:
Orania rae mala conseetantfir, omnibus exitiis interii. Die
Stellung der Endung -tur vor der Cäsur des Anapästischen Octonars
kann für sich allein nicht erweisen, dass in den Versmaassen des Dia-
logs der Vokal in derselben lang gebraucht worden sei. Im Plautus
ist also keine sichere Stelle für die Länge desselben nachgewiesen. In
den Vergilischen Versen: Aen. V, 281: Olli serva datür — ope-
rum.. Georg. III, 76: Altius ingreditür — et... Aen. IV,
'222: Tum sie Mercurium adloquitfir — ac... steht die Silbe t ur
unter der Vershebung vor der Cäsur des Verses, und diese Stellung kann
ohne anderweitige Beweise die Länge des u nicht verbürgen. Eine
sprachliche Erklärung aber für diese Annahme ist durchaus problema-
tisch. Eben so wenig ist ein Beweis geführt, dass igitür einmal ein
langes u gehabt habe. Der Vers Plaut. Amph. 719: Verum non est
püero gravida. Quid'igitur? Insani, ist nicht beweisend da-
für, weil auf ig i tur die Pause nach der Frage und der Wechsel der
redenden Person eintritt. Die handschriftliche Ueberlieferung Most.
1093: Quid igitur, ego accersam homines .... ändert Bitschi
leicht in: Quid igitur, si ego . . In den beiden Versen Hacek. 89.
Amph. 409 ist igitur als Tribrachys zu messen. Sprachlich fehlt es ganz
an einer Erklärung der Länge des u von igitur.
— 365 -
soror, Trin. 374.
amör, Trin. 264. 267.
pudör, Stich. 323.
labör, Capt. 196. {vgl. Fleckeis. N. Jahrb. LXI, 44).
Dann griff auch hier die Kürzung weiter um sich in allen ande-
ren derartigen Wortformen.
Nach der Analogie dieser Wörter wird auch das a in :
Hector, Nestor, Castor
gekürzt, während im Gegentheil Ennius nach der Analogie von prae-
töres,praetörem: Hectöris, Hectörem sprach (Ribb. Trag.
Enn. p. 23, 51. Vahl. Enn. p. 93. 105) für Griechisches "Ekto -
Qog, "Ektoqcc. In beiden Fällen folgte das Griechische Wort im
Romischen Munde der Analogie Lateinischer Worter.
Der Vokal o kürzte sich in dem aus -os entstandenen Suffix
-or; so in :
lepör, labör, clamor,
honör, colör, odör u. a.
Das o der Gompar ativen düng -ior erscheint in der späte-
ren Sprache stets kurz; bei Plautus hat es sich noch lang erhalten in :
stultiör, Bacch. 123.
auctiör, Capt. 782.
longiör, Amph. 548.
vorsutiör, Epid. III, 2, 35. Ritschi. a. 0. p. 175.
Diese Nominative stehen also den Casus obliqui stultiörem,
auctiörem und der Nominativendung Sanskr. Tjäns, Gr. -lcjv
mit langem Vokal zur Seite.
Der Bindevokal ö der ersten Per s. Sing. Ind. Präs. und
F ut. I, der sich in der activen Form erst spät kürzle, hat sich früher
gekürzt im Passivum vor dem auslautenden r, das der Passivbil-
dung dient. Fleckeiseft (a. 0. p. 26) weist nach, dass sich die Länge
dieses o bei Plautus noch in zahlreichen Formen gewahrt hat; so in:
fateör, Asin. 62. Pseud. 848. mirör, Poen. I, 2,24.
Cure. 255. Epid. V, 1, 48. opinör, Amph. 574.
morör, Rud. 1248. 852. Bacch. arbiträr, Aulul. II, 2, 39.
1118. regrediör,C^. 1023.
sequör, Poen. III, 4, 7. speculör, Cas. IV, 2, 12.
perpetiör, Most. 621 *).
*) Andere nicht sicher stehende Beispiele sind hier absichtlich nich
erwähnt.
— 366 —
Bei Tibull findet sich unter der Vershebung vor der Cäsur das
o in langer Geltung in :
trahör, Tib. I, 10, 13.
Ebenso gemessen erscheint die Futurform:
fatebor, Plaut. Rud. 285.
Vor auslautendem 1 haben sich die Vokale a und u in der
Endsilbe gekürzt.
Ein a vor 1 kürzte sich an dieser Stelle in dem Nominativ der
mit dem Suffix -ali gebildeten Nomina, nachdem das auslautende (i)e
derselben abgefallen war, wie:
cervical, animal, Bacanäl, Lupercäl,
toräl, minutäl, Minerväl, fagutäl u. a.
Ebenso kürzte sich a vor 1 in den Punischen Namen
Hannibal, Hasdrubal, Adherbal, Maharbalu.a;
während Ennius und die älteren Dichter noch Hannibälis, Ha n-
nibälem, Hasdrubälem sprachen und massen (Gell. IV, 7).
Da alle diese Namen Composita mit dem Namen des Phönicischen
Gottes baal sind, so war ihr a ursprünglich lang. Das Zurückziehen
des Hochtones von der Endung, wo ihn die Punischen Namen trugen,
hatte im Römischen Munde auch die Kürzung der tieftonigen End-
silbe zur Folge, und dann drang die Kürzung vom Nominativ auch
in die Casus obliqui. In daktylische Verse passte der Name Hanni-
bal nur mit kurzem a.
Der Vokal i vor auslautendem 1 hat sich gekürzt in :
nihil für ne hilum, Fest. p. 175. 101. Varro L. L. IX, 54.
Charts, p. 79,
das so seit Catull vorkommt. Doch erscheint das i noch lang bei
älteren und späteren Dichtern; so:
nihil, Plaut. Poen. III, 2, 10. Ov. Ep. P*nl. III, 1, 113. Mctam.
VII, 644.
Ovid braucht daneben auch nll und nihil, die scenischen
Dichlerdie zusammengezogenen Formen nll, nilum, nllo (Lachm.
Lucr. p. 21 f. Ind. lect. Berol. 1848. p. 5. Fleckciscu , ff. Jahrb.
LXI, 58. zur Krit. Altlat. nicht, b. Gell. S. 37). In nihil für ni
hilum kürzte sich neben dein Abfall der schwach tonenden Silbe -um
erst das ursprüngliche lange i von ni, nei, ne, dann in der nun-
mehr jambisch gewordenen Wortform nach Zurücktreten des Hoch-
tones von der Endsilbe auch diese, ähnlich wie aus nisi nTsi wurde.
— 367 —
Scheinbar vor n sind verkürzt die Vokale a, e, i in den Jam-
bischen Wortformen:
rogän,
vidSn,
abtn u. a,
nur scheinbar vor n, denn wie Fleckeisen richtig bemerkt (a. 0.
p. 40), hatte sich das a, e, i schon in den Formen rogäs, vi des,
ab is gekürzt, ehe dasne angefügt wurde.
Ursprünglich langes i und o vor auslautendem njist bei Plautus
und Terenz kurz geworden in den zweisilbigen Wortformen mit kur-
zer Stammsilbe:
utin, Rud. 1063. Epid. II, 2, 41. Ter.Hec. 199. Phorm.%14.
dedin, Epid.Y, % 38.
iocön, Bacch. 75. Fleckeis. a. 0. 43. 45.
Vor auslautendem m endlich erleiden die Vokale a, e, i, u
Kürzung in Declinations-wie Conjugationsendungen.
Der Vokal a hat sich in der A-declination vor auslautendem m
des Accusativs überall gekürzt, und während das ä des Nominativs
bei den ältesten Dichtern sich noch in einzelnen Fällen erhalten hat,
findet sich von einem ä des Accusatives keine Spur mehr. In den
Accusativen der E-declination kürzte sich das e vor m, wie spe-
ciem neben speciei, species u. a. zeigen. Vor dem auslauten-
den m des Genetiv Pluralis kürzte sich der Vokal u in Formen wie:
matr um,
partium,
da der Lateinischen Endung dieser Genetive im Sanskrit -am, im
Griechischen -ov entspricht (Bopp, Vgl. Gr. I S. 487. 2le Aufl.))
lang blieb hingegen das u im Genetiv Pluralis der O-stämme
numüm,
d e ü m ,
sestertiüm, also auch das o der Altlateinischen Formen:
Aiser ninöm, Ladin öm, Aquinö, Caiatinö,
Aiserninö, Calenö, Coranö, Cozanö,
Paistanö, Romano, Suesanö,
von denen schon die Rede gewesen ist. In allen diesen Formen
verschmolz das ö des Stammes mit dem ö, ü der Genetivendung
-öm, -um zu einem langen Vokal, der sich hielt, indem er eigent-
lich eine Tondauer von drei Moren vertrat.
— 368 —
In Verbalformen kürzen sich die Vokale a, e, i vor auslauten-
dem m durchweg schon in alter Zeit.
Also a in Formen wie :
tegam, eram, tegebam,
audiam, texeram,
e in Formen wie :
siem, dicem, essem,
faciem, texissem,
amem, extinxem,
i in Formen wie :
velim, faxim.
nolim,
m a 1 i m ,
edim,
d u i m ,
Die ursprüngliche Länge der Vokale vor diesem auslautenden m
ergiebt sich aus den oben gegebenen Nachweisen für die Länge der-
selben Vokale in den zu diesen ersten Personen gehörenden formen
der dritten Person Singularis, die auf t auslauten.
MancheKürzungen vonEndsilben können erst in dem Abschnitt
über die irrationalen Vokale zur Sprache kommen.
Auch hier ist es nun an der Stelle die Ergebnisse der vorste-
henden Untersuchungen für die Geschichte der Lateinischen Sprache
zusammenzustellen.
In der Zeit der Puni sehen Kriege war, wie im Leben des
Römischen Volkes so im Vokalismus der Sprache noch mehr Krall
und Jugend fris che als in den Tagen des divus Augustus. Die
Sprache, in der C. Duellius Siegesbericht auf der Columna rostrata
und die Grablieder auf den Särgen der Scipionen geschrieben wur-
den, in dcrNaevius und Ennius die Grossthaten ihres Volkes feier-
ten und Plautus Prologus in der Bretterbude die Zuschauer anre-
dete, diese Sprache zeigte in ihren Flexionsendungen noch lange
und volle Vokale in Wortformen wie aquilä, virtutei, facilu-
med, omnibüs, Hamilcär, imperatör, censör, longiör,
llannibäl, nihil, ponebät, solet, esset, in fit, fuTt.
posedelt, velil, seit, loqufir, conspicör. Das eiserne
Geschlecht, dessen Wallen Ilannibals Genie erlag, sprach Doch
aus vollerer Brust, in kräftigeren Tönen ;»ls seine entarteten Nach-
kommen mit ihrem Wahlspruch: panem et Circenses. Aber
— 369 —
wenn jene Vokale der Endsilben schon bei Plautus und den al-
ten scenischen Dichtern überhaupt unter gewissen Bedingun-
gen als Kürzen gemessen werden können, so crgiebt sich daraus,
dass die Volkssprache bereits dahin neigte ihre Tondauer zu
kürzen. Nachdem die Sprache durch zwei Jahrhunderte dieser
Neigung gefolgt war, ist die Kürzung dieser Vokale so weit durch-
gedrungen, dass die kunstmässige Dichtung der Augustei-
schen Zeit dieselben in der Regel als Kürzen darstellt. Sie
that das um so lieber, als das daktylische Versmaass dringend nach
kurzen Endsilben verlangte. Wenn sie nun jenen Endsilben doch
noch an hervorragenden Stellen im Verse, namentlich unter
der Vershe biuig und vor der Cäsur, die alte Geltung als Län-
gen lässt, so zeigt sich darin, dass die Vokale derselben auch in der
Sprache noch nicht völlig bis auf die Tondauer von Kürzen ein-
geschrumpft waren, dass in der Sprache noch ein Nachklang ihrer
früheren Lange lebte. Solche Vokale, die in der That eine mittlere
Tondauer zwischen Länge und Kürze hatten, waren im Versbau
mit der Toneinheit einer More nicht messbar, ohne dass ein Bruch-
theil ihrer Tondauer übrig blieb, sie mussten auf dem Prokrustes-
bett der Metrik entweder zu vollen Längen ausgedehnt oder zu Kür-
zen verschnitten werden. So haben denn nicht wenige Vokale die
mittelzcitige Tondaucr dauernd behalten und wurden je
nach dem Versbedürfniss lang oder kurz gebraucht. Indessen setzte
doch die Metrik der Augusteischen Zeit die Norm fest, dass der Vo-
kal von Endsilben, die auf einen anderen Consonanten als
auf s, namentlich auf t, r, 1, m, n auslauteten, kurz zu messen
seien, und bestimmte die gleiche Geltung auch für bestimmte aus-
lautende Vokale. In der späteren Zeit sind dann diejenigen Dich-
tungsarten, die der Umgangssprache des gewöhnlichen Lebens
am nächsten standen, wie das Epigramm und die Satire, in der
Kürzung dieser auslautenden Vokale noch einen Schritt weiter gegan-
gen. Siemassen interne, octö,ambö, postremö, solvendö,
occasiö, misce, respon detö, das heisst, dieselbe Kürzung aus-
lautender Vokale, die bei den alten scenischen Dichtern in zweisilbi-
gen Wortformen mit kurzer Stammsilbe begonnen hatte, in Mes-
sungen wie bene, modo, cito, homo, vide, dato, wurde nun
auch auf Wörter von jeder Silbenzahl und Tonlage ausge-
dehnt. Bei ihren Vorbildern aus der Augusteischen Zeit fanden die
späteren Dichter solche Kürzungen gar nicht oder nur ganz aus-
COESSEN. 24
— 370 —
nahmsweise vor, wohl aber in der Volkssprache ihrer Zeit.
Die Volkssprache war, unbekümmert um den metrischen Canon einer
gelehrten Dichtung, die dem Volksleben völlig fremd geworden war,
ihrem Hange zur Kürzung der Endsilben unvermerkt weiter gefolgt,
und die Dichter konnten sich dem Einfluss der Volkssprache, so
gern sie auch wollten, doch nicht ganz entziehen.
Das allmählige stätige und unaufhaltsame Umsichgreifen
der Vokalkürzung in Endsilben von den ältesten bis in die
spätesten Zeiten ist aber auch ein Beweis dafür, dass nichtrhyth-
misch-metr isch e Bedingungen oder Verlogenheiten wie der
Fall der Vershebung und der Verssenkung auf die Wortsilben, oder
dasBedürfniss von kurzen Endsilben für die. daktylischen Versmaasse
der letzte treibende Grund jener Vokalkürzungen gewesen
sind, wenn auch eine Mitwirkung solcher Nebeneinflüsse für die
Festsetzung des prosodischen Canons schwerlich ganz in Abrede
zu stellen ist. Die Betonung der Lateinischen Sprache, welche
den Hochton in den Wortleib zurückzog und die Endsilben des
Ilochtoncs, abgesehen von einzelnen, bestimmten Ausnahmen,
niemals für würdig erachtete, war, wie an seinem Orte naher er-
örtert werden wird, der letzte treibende Grund, weshalb diese tief-
tonigen Endsilben Tonlänge und Klanggewicht ein-
büssten, sieh kürzten, erleichterten oder ganz verklingen und
verstummten.
2) Vokalkürzung in inlautenden Silben.
In viel engeren Grenzen hält sich im Lateinischen die Kürzung
der Vokale in Stammsilben und Suffixsilben, die nicht im Wortschluss
stehen, sie ist daher von viel geringerer Bedeutung für die Geschichte
der Lateinischen Sprache. In dem Abschnitt über die Vokalsteige-
rung ist nachgewiesen worden, wie ein kurzer Vokal in gewissen Fäl-
len zu einem einlautigen langen Vokal gesteigert werden konnte.
also der lange Vokal nicht immer der ursprüngliche war, und wie
daher manche Schwankungen der Quantität in Stammsilben ent-
standen sind. Diese müssen also von der hier vorliegenden Frage
natürlich ganz fern gehalten werden. So beschrankt sich denn die
Vokalkürzung in allen Silben die nicht Endsilben sind auf einen ziem-
lich engen Kreis.
— 371 —
Langes a solcher Silben ist gekürzt in:
däbam u. a. neben da, Sanskr. Wrz. da-, Gr. da-,
s tä t i m , s t ä t i m , Sanskr. Wrz. s t h ä -, Gr. örrj-,
nätare, näre,
läbare, läbi,
äcerbus, äcer,
Grädivus, Ov.Mel. Grädivus, Verg. Äen. III, 35. X, 534.
VI, 427. Sil. XV, 15. 327.
S ä b i n u s , S ä b u s , Sil. Fun. VIII, 422.
Hannibälis, Hannibälis, wie oben gezeigt ist;
e kürzt sich in den Verbalformen wie:
dederunt, dederunt,
steter unt, stetem nt;
ebenso wie in;
dederim,
d e d e r i n t , ~
d e d e r a m ,
dederant
und allen ähnlichen vom Perfect gebildeten Formen ; e kürzt sich
ferner in :
Porsena, Sil. VIII, 389 , neben P o r s e n n a , vgl. II o Qß^vag.
X, 478. Marl. XIV, 98, 2. Verg. Aen. VIII, 646.
und in den Zusammensetzungen :
neque, neben ne,
nequeo, nequam,
nefas, nequicquam,
n e f a s t u s , nequaquam,
nefarius,
nefandus,
und in den Compositen mitfacio und fio wie:
liquefacere, vgl. liquefaciens, Cat. 90, 6.
liquefit, Lucr. VI, 965.
patefacere, patefecit, Lucr. IV, 343.
patefactis, Calp. I, 39.
patefiet, Lucr. VI, 999.
tepefacere, tepefaciet, Cat. 62, 360.
vacefit, Lucr. VI, 1003.
..Ein langes i ist verkürzt in den Casus obliqui der mit dem
Suffix -on gebildeten Nomina wie:
24*
I
— 372 —
hominis, vgl. hemonis, und in den Compositen:
ordinis, coxendices, vgl.coxendice s,
v i r g i n i s , Rüschl, Plaut. Proll. p . 1 9 7 .
libidinis, nihil um, vgl. nihil um;
caliginis u. a.;
ferner in den Verbalformen, die vom Perfectum gebildet sind, dessen
Charaktervokal ein langes I ist. Also in den Formen wie:
dedimus,
stetimus,
in den Conjunctivformen, die ein i als Charakter zeigen, wie:
dederimus, vgl. capsimus,
steterim us,
dederitis, dederltis,
steteritis,
Formen, die schon oben besprochen sind. Ebenso in :
morimur, neben morlmur, Enn. Vahl. p. 58.
lieber die Participien und Supinen wie :
dorn i tum, von domäre,
vctitum, vetäre,
monitum, monere,
pl acutum, placere
wird im nächsten Abschnitte die Rede sein. Sic zeigen Kürzung
und Erleichterung des Vokales zugleich, ebenso wie T und e aus Kür-
zung und Erleichterung des Vokales entstehen in :
cognitus, vgl. g n ö t u s ,
agnitus, ig not us,
conditus, Skr. Wz. d h ä -, Gr. & rj - ,
deiero, iiiro,
peiero, coniüro.
Kurzes o entstand aus langem in :
m ö 1 e s t u s , m ö 1 e s ,
nötare, nötus,
n o t a ,
adoris, adöris,
o p i 1 i o , ü p i 1 i o ,
Orion is, Oriönis*),
*) Ueber die Kürzung von der Präposition pro für prod in Zusam-
mensetzungen ist schon im vorigen Abschnitto das nötliige bemerkt.
— 373 —
püsillus, püsus,
püsio.
Der Vokal u ist gekürzt in:
b ü b u s , Auson.Epigr. 62,2. für b ü b u s ,
bübulcus, Verg.Ecl.\,\% büb uli, Plaut. Trift. 101.
diu turn us, diu.
Verwandt mit dieser Kürzung eines langen Vokales ist die Kür-
zung einer langen Silbe, die dadurch entstellt, dass statt des ge-
schärften Consonanten hinter dem Vokal derselben nur ein einfacher
Consonant gesprochen wird. Dies geschieht in:
Öfella, vgl. offa,
mämilla, , mamma,
färina, farris,
äperio, für abperio,
öperio, obperio,
Ö m i 1 1 o , o b m i 1 1 o ,
o c u 1 1 o, Plaut. o b c u 1 1 o ,
oquoltod, Sc. d. Bacc.
In den zuletzt genannten Compositen assimilierte sich der aus.
lautende Consonant der Präposition dem anlautenden Consonanten
des Verbalstammes und schwand dann. Es ist schon in dem Ab-
schnitt über die Aussprache der Consonanten erwähnt worden, dass
wegen des vollen starken Lautes der Lateinischen Consonanten im
Inlaut die Consonantenschärfung, die durch doppelte Schreibung des
Consonanten ausgedrückt zu werden pflegt, weniger hörbar hervor-
trat, daher auch in der ältesten Schrift die doppelte Schreibung
der Consonanten nicht üblich war und auch späterhin in manchen
Wörtern die Schreibung schwankend blieb zwischen einfachen und
doppelten Consonanten. So entschwand in den vorstehenden Com-
positen seit alter Zeit das Bewusstsein von der aus Assimilation ent-
standenen Consonantenschärfung; man hörte, sprach und schrieb
nur den einfachen stark lautenden Consonanten und natürlich konnte
der vorhergehende Vokal nun nicht positionslang werden. In dem
Abschnitt über irrationale Vokale vor Consonanten wird von der Ver-
nachlässigung der Positionslänge vor doppelten Consonanten in der
Versmessung der scenischen Dichter die Rede sein.
Dass diese Kürzung von Vokalen in Stammsilben und in Suffix-
silben, die das Wortende nicht berühren, im Verlauf der Sprache im
Zunehmen begriffen ist, zeigt sich darin, dass die Formen Grädi-
— 374 —
vus, Porsenna, coxendlces, üpilio die älteren, die mit kur-
zem Vokal die jüngeren sind. Die Kürzung geht vor sich in tief-
tonigen Silben von den Wortformen Grädivus, patefäcere u.a.
und wenn die hochtonige Silbe durch Verrückung des Hochtones
tieftonig wird wie in äcerbus, molestus, diütürnus, Hänni-
bäl und mit Beseitigung der Positionslänge in öfölla, mämilla,
färina; aber in den Formen däbam u. a., stätim, nefas, nota,
das heisst in zweisilbigen Wörtern, wo der Hochton unbedingt auf
der vorletzten Silbe gebunden war, ist doch auch der hochbetonte
Vokal einer Kürzung erlegen. Ein zwingender Grund ist für diese
Vokalkürzung nicht ersichtlich, man kann sie nur als eines der
vielen Symptome des sinkenden Vokalismus ansehen und sie an die-
selben anreihen.
Wie es die Macht und der Nachdruck des Hochtones war, der
in der späteren Lateinischen Volkssprache den Untergang der Vokal-
länge in tieftonigen Silben und die Geltung aller hochtonigen als
Längen herbeiführte und somit die Quantitätsverhältnisse der Latei-
nischen Sprache zertrümmerte, kann erst nach der Behandlung
des Lateinischen Betonungsgesetzes genügend nachgewiesen werden.
Berichtigungen und Nachträge.
S. 5, Z. 7. Statt 277 zu lesen 276.
S. 9 , Z. 37. Zu tilgen 1. N. 4322.
S. 13, Z. 4. Statt auslautenden zu lesen anlautenden.
S. 35. Z. 10. Vgl. neqidem, Or. Henz. 6183. qur arum, «. 0. 6431.
Q aesicianum , a. 0. 6085. quius,«.0. pequarius,
a. 0.6825. pequnia, «. 0. 7215. /. N. 836. 2204.
S. 36, Z. 3. So schreibt auch der Palimpsest des Cicero de republica
aecum, secuntur.
S. 46, Z. 3 f. Das zur Erklärung des Schreibfehlers fuicia ntur für ful-
c i a n t u r Gesagte ist zu streichen.
S. 53, Z. 6. Vgl. abere, Or. Henz. 6087. 7201. omines, a. 0. 6085.
astato, a. 0. 6747, abitatori, a. 0. 7087. oc, a. 0.
7201. a b e n t , Boiss. Insc. Ly. XVII, 66. c o e re d e s , a. 0.
XV, 116; hingegen: have, Or. Henz. 7394. hossa, Boiss.
a.O. XVII, 67. Hitalia, I. N. 526. Hiesu, a. 0. 696.
holitorium,ff. 0. 6748. Hegyptum, a.O. 6846. ahe-
neas, Or. Henz. 7171.
S. 55, Z. 18. Vgl. aus Inschriften verschiedener Zeiten: apstinere,
Or. Cen. Pis. 643. apsens, I. N. 6802. apstulit, a.O.
3133. opscurum, /. N. 6482. opses , Or. 629. opti-
nuit, l. Claud. Boiss. Inscr. Ly. IV, p. 136.
S. 61, Z. 9. Vgl. pieps, Or.Henz. 5439. /. N. 202. 649. 2416. 6786.
643; hingegen: scribtura, Or.Henz. 7408. scribta,
a.O. 7215. scribsi, a.O. scribsirmis, Boiss. Insc. Ly.
XIV, 31.
S. 63, Z. 8. Statt verhalten zu lesen v erhalten.
S. 69, Z. 24. Vgl. cottidie, Or. Henz. 5593 und cotidie, a. 0.7081-
7168.
Z. 27. quattuor, Or. Henz. 5428. 5442. 6086. 6929. Boiss. Insc.
Ly. VII, 8. XVII, 17. /. N. 56. 5789.
S. 72 , Z. 3. Vgl. aput,f. Salpens. t. Malac. Or. Henz. 7421. 5593. 6114.
5580. 7154. 7168. 7382. Boiss. Insc. Ly. XVII, 66; hin-
gegen apud schon t. Scipion. Barb. f.
Z. 4. Vgl. atque, Or. Henz. 7168. neben adque, a. 0. 6086.
6148. 7168. Boiss. Insc. Ly. XVII , 66 und: atplicitum,
/. N. 6916. atplicitis, /. N. 6537, atvixsit, a. 0.
atfuere , Or. Henz. 7167. at quaesie runt , a. 0. 7360.
S. 72, Z. 5. Vgl. quit, t. Medac. Or. Benz. 7421.6086. 7297. siquit,
a. 0. 6087. quit quit, a. 0. 7420 a. vv. I. N. 6916.
q u i t q u a m , /. N. 6058. q u o t für quo d , Or. Henz. 6087.
quotsi, a. 0.7116: hingegen für q u o t : q u o d , t. Malac.
Or. Henz. 7421. Boiss. Insc. Ly. IV, p. 136. vgl. quod-
annis, Or. Henz. 7116.
Z. 6. Vgl. illut, Or. Henz. 7168. aliut, t. Malac. Or. Henz.
7421. 6428. 7168. set, Or. Henz. 7411.
Z. 23. Vgl. Pal. Cic. d. rep. die Schreibweisen: set, at, atque,
atqui, quot, illut neben: sed, ad, adque, adqui,
quod , ill ud.
S. 75, Z. 8. Vgl. reliquid, Or. Henz. 6669. (zweimal) und inquid,
Pal. Cic. d. rep. Moser, p. 68. 147. 164.
S. 76, Z. 7. ' Vgl. quadriduo, 1. N. 2518.
S. 82, Z. 7. Auf den Inschriften nach der Zeit, wto die doppelte Schrei-
bung der Consonanten aufkam, ist millia die häufigere
Schreibweise, F. fychultz,Orthograph. quaest. decas, p.44— 47,
während die Grammatiker sich für milia erklären, Pom-
pei. p. 172. 202. Lind. Cledon. p. 1901. P. Cassiod. p. 2295.
P. Beday p. 2339. P. vgl. Huebner, X Jahrb. 77, 361. A
S. 83, Z. 1. Die grosse Mehrzahl der Inschriften hat die Schreibweise
vilicus, vgl. Huebner, a.O. 362. Ob villa von vicula
oder von vinula herzuleiten ist, bleibt zweifelhaft.
S. 86, Z. 13. Für 5388 zu lesen 5381.
S. 94, Z. 18. Vgl. alioqui, Or. Henz. 5593.
S. 95, Z. 2. Schreibweisen wie dumtaxat, Or. Henz. 5531. 6428. 6857
u. a. , jamdudum, Boiss. Insc. Ly. XVII, 32 u. a. sind
der Etymologie gefolgt.
Z. 14. Vgl. Cerennius neben Cerenius, Or. Henz. 7421. £.
Z. 18. Vgl. conubium, Or. Henz. 5534. 6857. 5418.
S. 96, Z. 10. Vgl.coicito,*.M«Z. Or.Henz. 7421. deicie ntes,/.AT. 6746.
S. 116, Z. 32. Vgl. causa, t. Sulp. t. Mal. Or.Henz. 7421. (oft und aus-
schliesslich) a. O. 6428.6086., hingegen c aus sa, 1. N. 1514.
Z. 39. Vgl. Sossius,Or.//ewz.6897. Volussianus, «.0.5541.
S.125, Z.29. Vgl. xesus, Or. Henz. 7173 für sexus..
S.128, Z. 22. Vgl. Atpuleiius, /. X 432.
S. 147, Z. 31. Vgl. legitumis, a. 0.
S. 210, Z. 36. Vgl. hec auf einer späten Inschrift, Or. Henz. 7411.
S. 214, Z. 29. Vgl. vevet, Boiss. Insc. Ly. VI, 42.
S.244, Z. 36. Vgl. servom, t. Salp.
S.255, Z. 17. Vgl. adulescens, Or.Henz.llG8. Agricula. /. V.2775.
S.259, Z. 7. Vgl. Folvius, Or. Heiz. (Hill.
S. 260, Z. 10. Vgl. v o lg o , I. N. 0482.
Z. 30. Statt carme zu lesen carm en.
S.263, Z. 34. Vgl. secondi, Or. Henz. 7215. neben seeundi, seeun-
dus, a. O.
S.279. Anm. Vgl. reddedisse, Or. Henz. 6087. reddedi sset, a. 0.
Treverorum, a. 0. 6740. sed ec em , a. 0. 7215.
S.281, Z.20. Vgl. dicundo, t. Salp. Or. Henz. 7421. demoliun-
dumve, a. 0.
S.285, Z. 23. Vgl. Apollenaris, Or. Henz. 6336.
S. 290, Z. 7. Vgl. acetare, Fest. p. 23, für agitare.
S.289, Z. 19. Vgl. superistltem, Marin. Inse. Alb. p. 168.
S.297, Z. 27. Vgl. siptim, 1. N. 7153 (p. Ck. 386) und auf späten
Lyoner Inschriften: quin qui , Boiss. XVII , 7. violin-
tia, a. 0. 44 (p. Ck. 551). septim, «.0.11. decim,
a. 0. Disderius, a. 0. 35.
S. 306, Z.20. Dieselbe Assimilation zeigt die Schreibweise der Namen:
Brittius, /. N. 400. 107. 3001. 4851. 5458. Vicirius,
/. N. 1872. 6141. Vicirrius, /. N. 3169. Bilisari,
1. N. 2064. Siminius, /. N. 3369. Deciri, /. N. 3711.
S.312, Z. 6. Beispiele für die Verschmelzung des ii zu i aus Inschrif-
ten sind in dem Abschnitt über Vokalverschleifung zu-
sammengestellt.
S.316, Z. 12. statt nebrae zu lesen inebrae.
S.318, Z. 20. Auch in den zusammengesetzten Zahlwörtern wie un- de-
cim, duo-decim u. a. neben decem und tri-ginta,
quadra-ginta u. a. , deren zweiter Bestandtheil aus
centa für decenta entstand, zeigt sich Abschwächung-
des e zu i im zweiten Compositionsgliede.
S.321,Z. 36. Vgl. sedecem, Or. Henz. 7215. /. N. 6687. octugenta,
Boiss. Insc. Ly. XVII, 65.
S.322, Z. 17. Vgl. atquaesierunt, Or. Henz. 7360.
S.340, Z. 29. neisi, auf einer provincialen Inschrift der Kaiserzeit,
Or. Henz. 7215, ist ein Schreibfehler ohne Bedeutsamkeit.
Inhalt.
I. Aussprache.
1) Alphabet und Schrift S. 1
2) Aussprache der Consonanten 16
Gutturale 16
Labiale 54
Linguale 69
Liquide 78
Sibilanten 114
Halbvokale 126
3) Aussprache der Vokale 130
II. Vokalismus 153
A. Geschichte der Diphthonge 154
1) Entstehung der Diphthonge 154
2) Trübung der Diphthonge 162
B. Wandlung der Vokale 233
1) Ablaut . . 233
2) LTmlaut durch Wahlverwandtschaften von Consonanten zu
Vokalen 236
3) Umlaut durch Wahlverwandtschaft zwischen Vokalen . . 299
a) Assimilation der Vokale 300
b) Dissimilation der Vokale 308
4) Umlaut durch Vokalerleichterung im zweiten Gliede der
Composita 313
C. Kürzung der Vokale ' 328
1) Vokalkürzung in Endsilben 320
2) Vokalkürzung in inlautenden und anlautenden Silben . . 370
ÜBER
AUSSPRACHE, VOKALISMUS
UND
BETONUNG
DER LATEINISCHEN SPRACHE.
VON DEB KÖNIGLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN
GEKRÖNTE PREISSCHRIFT
\o\
W. COESSEN.
ZWEITER BAND.
LEIPZIG,
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER.
1859.
D. Tilgung der Vokale.
In dem bisherigen Gange der Untersuchung ist gezeigt wor-
den, wie Diphthonge sieh zu einlautigen Vokalen trübten, einfache
Vokale durch Wahlverwandtschaften von Consonanten zu Vokalen,
von Vokalen zu Vokalen umlauteten, durch Tonschwächung sich er-
leichterten, lange Vokale sich kürzten. Es ist die Aufgabe des fol-
genden Abschnittes, das Absterben des Vokalismus in der Sprache
einen Schritt weiter zu verfolgen, dos Schwinden und Verklin-
gen der Vokale im Wortkörper zu betrachten. Da die Endsilben
in der Lateinischen Sprache eine ei g e n t h ü m 1 i c h e Geschichte der
Verkümrae r u n g und Abstumpfung haben, so ist es für die vor-
liegende Untersuchung erspricsslich dieselben gesondert zu betrach-
ten. Es wird also zuerst die Rede sein von dem Ausfalle der Vo-
kale im Inlaut der Wortstämme zwischen Consonanten, dann von
dem A b f a 1 1 der Vokale in der auslautenden Silbe, mögen die-
selben unmittelbar im Auslaute stehen oder vor den schwach tönen-
den auslautenden Consonanten s und m. Das Schwinden der Vokale
vor Vokalen hängt wie die Kürzung von Vokalen vor Vokalen mit der
Vokalverschmelzung so eng zusammen, dass es erst in dem Abschnitt
über die Vokalverschmelzung zu behandeln sein wird.
§
1) Ausfall der Vokale.
Um die Fülle der sprachlichen Thatsachen zu übersehen und
de-n Umfang und die Bedeutung des Vokalausfalles in der Geschichte
der Lateinischen Sprache zu erkennen, erscheint es angemessen
den Stoff so zu ordnen, dass die Wortformen, die durch den
Ausfall von Vokalen eingeschrumpft sind, nach den Vokalen, die
sie eingebüsst haben, geordnet und besprochen werden.
Cörssen II. 1
- 2 -
a.
Die Fälle, wo a im Körper des Wortes ausgefallen ist, sind
äusserst selten, und auch dieser Ausfall ist, wie sich ergeben wird,
nur ein scheinbarer.
Zunächst kommt hier die Perfektbildung einer Anzahl von
Verben der A-Conj ugation in Betracht, die vor der Perfekt-
endung-vi, -ui ihren Charaktervokal ä eingebüsst haben , wie:
crepui, tonui, fricui,
cubui, vetui, necui,
domui, secui, plieui.
sonui,
Nach dem Belonungsgesetz, das in der Blüthezeit der Lateini-
schen Sprache zur Geltung gelangt war, hatte der Vokal ä in Wert-
formen wie secävi und ähnlichen Perfekten den Ilochfon. Wie
kommt es nun, dass der lange hoebbetonte Vokal in der Wortform
so ohne Weiteres schwinden konnte, während leichte, kurze Vokale
desselben Wortes sich unversehrt erhallen haben in tieftonigen
Silben?
Per Hergang der Sache bedarf einer Erklärung. Die beiden
Infransiliva unter den vorstehenden Verben, sonare und tonare,
sind von den übrigen zu trennen, weil in der älteren Sprache statt
ihrer die einfachen Verba der consonantischen Conjugation sonere,
ton er e vorkommen, von denen die Perfekt a sonui und tonui um
so eher gebildet sein können, als sich gerade die auf einen liquiden
auslautenden Verbalstämme ausser den vokalisch auslautenden die
Perfektbildung -vi, -ui besonders angeeignet haben. Von den
übrigen lässt sich eine ältere einfachere Form in der Sprache
nicht nachweisen , von der das Perfecturu - u i sieh herleiten
Hesse. Für den lautliehen Vorgang, durch welchen aus den vollen
Perfektformen dorn a vi, vetavi, seeavi die gebräuchlichen For-
men domui, vetui, secui geworden sind, weisen die Participia
domitum, vetitum den Weg. Vor dem angetretenes Suffix -tu
und -to des Supinum und Parlicipimn hat sich das ä derselben
wie das ursprüngliche lange ä von d are, stare in edil um, con-
Stitum zu T geschwächt und gekürzt. Zwischen seeätum, fri-
cätum, neeätum und sc et um, tri et um. eiieelum gab es
also einmal eine Uebergangsform secitum, fricitum, necitum.
So können auch crepävi, cubävi nur durch die Zwischenstufe
creplfvi, Cuhivi ZU crepui, cubui herabgesunken sein. Eine
— 3 —
solche Kürzung des volltönendsten Vokales ä zu dem dünnsten 1 und
das gänzliche Schwinden dieses Epigonen ist nur möglich, wenn der
Vokal a ursprünglich nicht in der hochhelonten Silhe stand, wenn
die ursprüngliche Betonung der in Rede stehenden Formen im La-
teinischen e ü bä vi j c r e p ä v i , c üb ät u m , c r e p ä t u m war. Dass
aber nach Altlateinischer Betonung die vorletzte lange Silhe eines
Wortes nicht immer den Ilochton an sich band, wird in der Unter-
suchung Über dieselbe weiter unten nachgewiesen werden.
Aelmlich verhalt es sich mit dem höchst seltenen Ausfall des a
in Suffixen der Nomina.
Virgo, für virägo
kann nur in derselben Weise entstanden sein wie f riet um aus fri-
ca tum, so dass virägo die ursprüngliche Betonung der vollen Form
und virig o die Uehcrgangsform war.
Ein Schlaglicht auf die Richtigkeit dieser Erklärung wirft die
Vergleichüng der Lateinischen Form zweier Griechischen Wörter,
die ein kurzes a einbüsste, mit der ursprünglichen Griechischen,
nämlich:
p a 1 m a , von itaXä^iq ,
cupressus, %vitaQi(5 6 og.
In beiden Wörtern hat die Lateinische Form den Ilochton auf
eine andere Silhe gerückt und erst dadurch ist der Ausfall des a er-
möglicht. Aber auch dieser scheint nicht so unmittelbar statt ge-
funden zu haben. Vergleicht man mit Griech. 'ExttßTj, d-Qtcc{i-
ßog Lat. Ilecuha, triunipus, wovor folgendem Labialen a sich
zu u verdunkelt hat, so wird man geneigt sein anzunehmen, dass
auch im Lateinischen das Griechische 7taXa\ii] sich erst zu pa-
luma abschwächte, ehe es zu palma gekürzt ward wie vicesuma
zu vicesma. Aelmlich verhält es sich mit cupressus. Bei der
Uebertragung der Griechischen Worter xcchvqcc, (pulaga, aC-
occqov ward durch die besprochene Wahlverwandtschaft des rzu e
im Lateinischen camera, phalerae, siserum. So ist auch
k vjtaQi 6 oog im Lateinischen durch die Mittelstufe cuperessus
zu cupressus gekürzt worden.
Sind diese Erklärungen richtig, so ergieht sich, dass der vollste
und stärkste der Vokale a nicht unmittelbar wie vom Schlage
getroffen in den angegebenen Wortformen verstummte; von lautlicher
Abzehrung befallen, nachdem er tieftonig geworden, ward er viel-
mehr erst zu u, T oder e entkräftet, und erst diese Schwächlinge
1*
— 4 —
starben lautlos ab. So ist also der Ausfall des a in der Thal nur ein
scheinbarer.
o.
Der Ausfall des nächst schweren Vokales o beschränkt sich in
einfachen Wörtern auf wenige Fälle; weiter verbreitet ist er im
zweiten Theile von Compositen, von denen weiter unten besonders
die Rede sein wird.
Der Vokal o fiel aus in dem femininen Suffix -trix, das von
dem männlichen -tor mittelst der Anfügung -ic hergeleitet ist.
So in :
v i c t r i x , v e n a t r i x ,
textrix, aecusatrix,
actrix, ' altrix,
genetrix, nutrix
monitrix,
Als an die Stämme wie vietör- das Suffix -ic trat, kürzte
sich das o der vorletzten Silbe, weil die Ton länge der tieftonigen
vorletzten neben dem Hochton der drittletzten Silbe nicht aus-
dauern konnte. Das o von vietör ix ward dann ausgestossen,
wahrscheinlich nachdem es zuvor zu e gesunken war wie in tem-
peri, pigneri u. a-
Ebenso fiel o aus in den Bildungen:
textrina, tonstrina, pistrina, latrina,
in denen das Suffix -tor die handelnde Person, das Suffix -ina
die Werkstätte, wo sie zu handeln pflegt, bezeichnet. ELenso
schwand das o in dem Namen:
Autronius von au tor,
wie das dem Lateinischen o entsprechende u in den Umbrischen
Bildungen:
uhtretie, von uhtur, Lat. auetor,
kvestretie, kvestur, quaestor
(Umbr. Sprachd. AK. Wortverz.).
Das Lateinische :
co mix neben Griechisch xoqcovt]
ist wieder für die vorliegende Krage bedeutsam. Entweder die La-
teinische Sprache zog den Hochton auf die Wurzelsilbe (\v.> Wortes
zurück und beschwerte den Stamm Corona mit einem neuen femi-
ninen Suffix -ic. Zwischen der hochtonigen Wurzelsilbe o und der
Endsilbe des schweren Suffixes - i c kürzte sieh nun erst das tiefto-
nige o der Mitlelsilhe und fiel dann aus; oder die Lateinische Sprache
schlug einen anderen Weg ein, indem sie bei Bildung des Stammes
coro nix- den Hochton stehen liess; wo ihn das (iiiechische Wort
hatte, das tieftonige o der ersten Silbe aussliess und er o nix zu
cor nix umstellte, was durch cor, porium neben XQccdir],
7tQaöov und ähnliche schon besprochene Umstellungen des r
([, 92) gerechtfertigt erscheint. Da Zurückziehung des Hochtones
gerade bei Anfügung eines neuen Suffixes auffallend ist, so dürfte
die zweite Erklärung den Vorzug verdienen.
Durch Ausstossung eines o ward ferner:
neptis aus nepos,
proneptis, /. N. 4755.
Hier kürzte und erleichterte sich das ö erst zu ¥, so dass ne-
p ö t i s zu n e p 1 1 i s geschwächt ward wie h ö m ö n i s , A p ö 1 1 ö n i s ,
cögnötiis, ägnötus zu hominis, Apöllinis, cögnitus,
ägnitus, dann aber fiel das i von nepitis aus. Alle diese Kür-
zungen sind nur denkbar, wenn der Hochton trotz der Länge der
vorletzten Silbe einstmals auf der drittletzten stand. Von dem Aus-
fall des Vokales o in Compositen wird weiterhin die Hede sein.
Als das Tongewicht der Vokale besprochen wurde, ist dem o die
zweite Stelle in der Sealader Lateinischen Vokale augewiesen (1,238.);
das o wahrt auch darin diese lautliche Winde, dass es nach a am
seitesten ausfiel, und zwar in Lateinischen Wörtern nicht unmit-
telbar, sondern nachdem es vorher zu e oder i abgeschwächt wor-
den war.
u.
Es ist ausführlich nachgewiesen worden, wie Alllateimsches o
sich zu u verdunkelte (1, 239/.). Dies geschah vielfach vor einfa-
chem 1 im Inlaut der Wörter. In zahlreichen Fällen ist nun dieses
aus o entstandene u in Suffixen vor 1 ausgefallen sowohl, wenn eine
der Muten c, g, p, b, t, d vorherging als auch nach den Liqui-
den 1, n, r. Es sollen hier zunächst die Wortformen besprochen
werden, in denen durch Ausfall eines u die Consonantenver-
bindungen cl, gl, pl. J)l, fl im Inlaut des Wortes erwach-
sen sind.
So entsteht im Ausgange der Wortstämme -clo aus -culo,
sei es dass das c der Wortwurzel angehört und -ulo das Suffix
— 6 —
ist, sei es dass -eulo die Anfügung ist, die der Pcminutivbildung
dient, oder eine Nebenform des Suffixes -er o ist, welche das Werk-
zeug bezeichnet.
In der Sprache der älteren Römischen Dichter von Piatitas bis
Altius , das heisst also in der Volkssprache von der Zeit der Pani-
schen und Macedonischeu Kriege bis zu den Gracchen und zum Zeit-
alter der bürgerlichen Kriege erscheint u in der Hegel ausgestossen
aus dem Suffix -clo (vgl. Rilschl, Monum. Epigr. tria, p. X). Bei-
spiele dafür sind:
vi n cl um, Plaut. Lucr.
periclum, a. 0.
poelum, Plaut. Pers. IIb. Cure. 359.
oraclum, Plaut. Men. 841 u. a. AU. Trag. Ribb. p. 18"). Inc.
a. 0. p. 201.
sacclum, Caccil. Com. Ribb. p. 59. Lucr. I, 4(37. 469. B.
g u b e r n a c 1 u in , Lucr. IV , 90 1 .
meraclum, Plaut. Cas. 11 1, 5, 15.
mir a dum, iAicr. IV, 417.
tabernaclum, Plaut. Ampk. 120.
vehicliim, Plaut. Pers. 7v_>.
Herde, Plaut. Naev. com. Ribb. p. 23. Enn. l'ultt. p. 15 1.
In der ausgebildeten Schriftsprache zu Cäsars und Augustus
/eil ist -culo die gewöhnliche Form; aber die Dichter dieses Zeit-
alters kehrten zu der Form -clo der älteren Dichtersprache zurück,
und manche gaben ihr sogar den Vorzug (Rilschl, //. O.) in For-
men wie:
g u b e r n a c 1 u in , o r a c I u m , s p e c t a cl u m , p e ri cl u in u. a.
Auch in der Prosa der besten Zeit linden sich Formen wie:
vinclum, assecla u. a.
Auch die späteren und spätesten Dichter gebrauchten diese
Formen ihren Vorbildern der Augusteischen Zeil folgend; so:
Asclum, SU. Hat. VIII, 438. anicla, Prudent. flsrwf. VI, I 19.
poelum, Prud. Culhcm. Vi , 10.
Daneben erscheinen auf Inschriften verschiedener Zeilen:
spedator, /. V. 2119.
aedicla, T. V.5997. 6151.
cubicla, /. N. 0s7;>.
per i cl is, /. Rom. Henz. 0259.
und ebenso gebildete Namen wie:
Herclanius, Aclenius, Meclonius,
Vesclarius, A c 1 u t i u s , 0 c 1 an i u s ,
M a r c 1 e i u s , A e c 1 a n i n s , 8 a e c I a r i s ,
Staclenus, Bucla, Proclus,
Staclena, Bucleia, Procia,
0 sei u s , F id i c 1 an i u s, D e c li a.
( Vgl. Momms. Inser. Regn. Neap. Ind. nom.)
Der späteren Volkssprache war die Form -clo des Suffixes
geläufig. Ein späterer Grammatiker , der eine grosse Anzahl von
Formen der Volkssprache aufzählt und dieselben unter Beifügung
der entsprechenden Formen der Schriftsprache verwirft (Appendix
ad Prdbi ariem minorem, Anna!. Gramm. Eichenf. u.Endl. pA43),
führt aus der Volkssprache auch folgende Bildungen auf - clo an:
articlus, oricla, nepticla,
ha eins, facta, anicia.
So viel erhellt aus dieser Zusammenstellung, dass in der Volks-
sprache der älteren wie der späteren Zeit das Suffix -clo lau-
tete, dass aber die Sprache der-Gebildeten in der Bliilhezcit der Bei-
mischen Lilteratur der Form -culo den Vorzug gab.
Viel seltener ist der Ausfall der u zwischen g und 1; so tin-
det sich :
f i g 1 i n u s ,
und in der Volkssprache der späteren Zeit:
in gl us, Anal. Gramm, a. 0. p. 443.
an gl us, a. 0.
c o a g 1 a v i , /. Rom. Henz. 7412;
u fällt aus zwischen p und 1 in :
poplo, Or. 3674.
poplares, /. N. 3054, vgl. Plaut. Rud. 740.
poplicus, I, 147.
P o p l i c o 1 a ,
t e in p 1 u m , lern p u 1 i , I. N. 2475 (spät).
extemplo, extempulo, Plaut.
d i s c i p li n a , di s cip uli na , Plaut. Most. 1 54.
coplata, Lucr . VI, 1086.
cap lato res, Or. 3765.
scriptum,
simplum,
maniplus, bei Dichtern.
maniplario, I. N 2814. manipulario, /. N. 2825;
die beiden letzten Worlformen finden sich auf südilalischen In-
schriften derselben Zeit und desselben Fundortes.
In:
simplus,
du plus,
triplus u. a.
ist wie in maniplu s der zweite Wortstamm der Zusammensetzung,
plo- für pul o-, von der Verbalwurzel -pul (füllen) herzuleiten,
von der Lat. -pl-e-o, po-pul-us, Gr. 7il-ii]-&cd , nol-vs,
TtoÄ-tg u. a. stammen.
Zwischen b und 1 fällt das u bisweilen aus in dem Suffix -b ulo,
eine Nebenform von -bro, durch welches ein Werkzeug oder eine
Werkstätte bezeichnet wird. So in :
fibla für fig-bula,
t abieis, /. agr. [Thor.)
tablinus für tabulinus,
und in der späten Volkssprache in:
tabla,
s t a b 1 u m ,
tri hl a, Anal. Krumm, a. 0. p. 113.
Nur im Volksmunde, nicht in der Schriftsprache scheint die
Ausstossung des u zwischen t und I vorzukommen; so in:
Fostlus, Rifsclil, Mon. Epigr. fr., p. XI. vgl. Kaust ulus,
Patlacius, I. N. 1119. patulus,
crustlum, Or. 686.
und in der späteren Volkssprache:
v e 1 1 u s ,
v i 1 1 u s ,
capitlum, Anal. Gr. a. 0. p. 443.
Die Wörter sind dort geschrieben veclus, viel US, capi-
clum; ist c für t nicht Schreibfehler, sondern wurden sie wirklieh
so gesprochen, so gingen ihnen doch die Formen v et Ins, vi t lus,
capitlum vorher.
Fragt man nun nach dem Grunde dieses häufigen Ausfalles
des u zwischen Muten und 1, so kann derselbe nicht aus dem Be-
streben zu lange Wortformen zu kürzen hervorgegangen sein, denn
er findet sich ja auch in so kurzen Wortformen wie vinelum.
— 9 —
poclum, saeclum, anglus, labla, v et las, vitlus, die mit
dem u nur drei oder vier Moren ausfüllten. Der Hochton hat zu
diesem Ausfall nur im Allgemeinen mitgewirkt, insofern die auf die
hochbetonte Silbe folgende tieflonige Silbe überhaupt leicht Scha-
den nimmt an ihrer Seele, ihrem Vokal, wie weiter unten nachgewie-
sen werden wird. Dass gerade vor 1 dieser Ausfall so häufig ist,
liegt in der Eigen thümlichkeit dieses Lautes, dessen vo kali-
scher Beiklang u, von dem die Rede gewesen ist (I, 79. 257.),
das 1 allein tauglich machte den Laut -ul zu ersetzen. Wenn also
in den Formen der älteren Volkssprache wie saeclum, poclum,
kein volles ü zwischen c und 1 mehr durchklang und daher auch
von den Griechen in Schreibweisen wie Prjylog, Kar log,
AivtXog, rirlog, axovtXa u. a. sich nicht durch die Schrift
ausgedrückt findet, so blieb doch immer jener U-ähnliche Vorklang
des 1 hörbar, ein U-laut, der kürzer war als ein kurzes u, aber
doch noch nicht ganz verklungen war. Für die Metrik war dieser
L-laut mit der Einheit einer More nicht messbar, da er die
Zeitdauer derselben nicht ausfüllte sondern nur ein Bruchtheil der-
selben, die Dichter behandelten daher für die Vermessung diesen
U-laut entweder als nicht vorhanden, oder sie gaben ihm die
volle Geltung einer Kürze, wie sie mittelzeitige Vokale entweder
zu Längen erhoben oder zu Kürzen herabdrückten. Ebenso war
die Schrift schwankend, ob sie dem stummen U-Iaut noch die Ehre
eines Schriftzeichens gewähren sollte oder nicht, daher schwankt die
Schreibweise zwischen saeclum, vinclum, poplus, mani-
plarius u. a. und saeculum, vinculum, populus, mani-
pularius.
Wie die Lateinische Volkssprache so zeigen auch andere Ita-
lische Dialekte die Neigung zwischen Muten und 1 den Vokal u
ausfallen zu lassen, wie folgende Zusammenstellung von Beispie-
len zeigt:
JJnxbr. vgl. Lat. Utribr. vgl. Lat.
T r e b 1 a n e i r , T r e b u 1 a n i s , p i h a c 1 u , p i a c u 1 u m ,
p o p I o m , p o p u 1 u m , v e s c 1 i r , v a s c u 1 i s.
s e p 1 e s , s i m p u 1 i s , m u n e k l u ,
s t i p 1 o , s t i p u 1 a r i , e h v e 1 k 1 u ,
fondlire, fontulis, kumnakle,
k a 1 1 e s , c a t u 1 i , m a n d r a k 1 u ,
vitlaf, vitulas, persclu,
— 10 —
Osk. Umbr.
pestlum, suferaklu,
fistlois. oserclome,
anglome.
Osk.
sakaraklom.
{Vgl. Umbr. Sprachd. AK. Wortverz. Momms. Uni. Dial. Gloss.)
Ein aus früherem o entstandenes u ist nun ferner häufig aus-
gefallen vor folgendem l nach den liquiden n, 1, r, bisweilen auch
nach d. So sind die zahlreichen Diminutiv» entstanden, deren
Stämme die Ausgänge -u II o, -ollo, -cllo, -illo zeigen, indem
die Consonanten n, 1, r, d nach Ausfall des u sich dem folgenden 1
assimilierten.
Der Ausgang -ullo entstand durch Ausfall eines u und Assi-
milation eines n zu 1 in folgenden Bildungen:
lenullus, für lcnonulus, vom Stamm Ienon-,
ho muH us, homon-,
H o m u 1 1 u s , .
Po in pull ins, vgl. I'ompon-ius,
V ihn llius, Vibon-,
A p rull a , A p r o n - i u s ,
Gatullus, Ca ton-,
Marullus, Maron-,
Ferullus, Feron-ia,
Vocul litis, Yoeon-ius,
Ta muH ins, Tamun-ius,
ullus, für unulus, iiiio-.
Das Suflix -ullo entstand durch Ausfall eines u vor 1 und As-
similation eines r zu folgendem 1 in:
ampulla, für amporula, aus ampora,
s a t u 1 1 u s , s a t u r ,
8 a t u 1 1 a ,
Tib ullus, Tibur,
Tit ullus, vgl. Tilur-ius.
Aehnlich nmss also dasselbe Suflix in einer Anzahl ebensolcher
Wortbildungen entstanden sein, wenn auch das Grundwort von dein
sie gebildet waren in der Sprache entweder nicht mehr vorhanden
oder nicht mehr sicher erkennbar ist , wie :
- 1 1 —
caesulla, Torullius, MaguIIia, Lucullus,
caepulla, Torullia, Tagullia, Vistullns,
uiedulla, Aeriillius, Vesuilia, Tertullus,
Alu llius, Vi nullius, Vosullica.
Selten ist der Wortausgang ; -u IIa ebenso wie -ullo entstan-
den in:
coro IIa, für coronula, von coro na,
p eis o IIa, personula, persona.
Ebenso entstand die Endung -illo durch Ausfalleines u und
Assimilation eines n zu 1 in:
p u g i 1 1 u s , für p u g i n u 1 u s , vgl. p u g - n u s ,
s i g i 1 1 u m , vgl. s i g - n u in , L a u r i 1 1 a , vgl. L a u r i n u s ,
t i g i 1 1 u m ,
t i g - n u in ,
L u c i 1 1 a ,
L u c i n a ,
a n g u i 1 1 a ,
a n g u i n a ,
Maxi ini IIa,
Maxi mi na,
c a t i 1 1 u s ,
c a t i n u 1 u s ,
Primillus,
Primin us,
villu m ,
vi n um,
Primi IIa,
pistrilla,
p i s I r i n a ,
P r i s c i 1 1 a ,
Priscinus,
p u l villus,
pul vi nul u s,
Q u a r t i 1 1 a ,
Quaf (in us,
Popillius,
p o p i n a ,
11 e g i 1 1 u s ,
R e g i n u s ,
Ofillius,
0 finius,
Regula,
Regina,
Petillius,
Pctinius,
Rufillus,
R ufinus,
A r g e n t i 1 1 a ,
A r g e n t i n u s ,
Rufilla,
R u f i n a ,
C r e s c e n t i 1 1 a ,
Crescentinus
, Secu ndilla,
Secundinus
l) c c i in i 1 1 a ,
Deciminia,
Seeundina,
Faustillus,
Faustinus,
Telesilla,
Telesinus,
Firrail Ia,
F i r m i n u s ,
Varilla,
V a r i 11 i u s ,
G r a t i 1 1 a ,
G r a t i n a ,
Vestilla,
Ve stin us.
1 u c u n d i 1 1 a ,
I u c u n d i n a ,
{Vgl. Motu ms. Inscr. Regn. Neap. Ind. Nom.)
Die Endung -illo entstellt durch Ausfall des u und Assimila-
tion eines r zu 1 in:
stilla für stirula von stira,
diese Herleitung ergiebt sich a us : s t i r i c i d i u m quasi stillici-
dium: Fest. p. 344.
Häutig ist das Suffix -illo entstanden, indem von einem auf
-ulo ausgehenden Wortstamme durch Anfügung eines zweiten Suf-
fixes -ulo ein Deminutivumgebildet wurde, das u zwischen den bei-
den 1 ausfiel, und das nunmehr vor doppeltem u stehende 1 zu i sank.
So sind gebildet:
— 12 —
bacillus, für hacululus von baculus,
p u p i 1 1 u s , p U'p u 1 u s ,
o s c i 1 1 u m , o s c u 1 u m ,
pocillum, poculum,
tantillus, La d tu Ins,
f u r c i 1 1 a , f u r c u 1 a ,
a u r i c i 1 1 a , a u r i c u 1 a ,
Nepotilla, nepotulus,
Bassilla, Bassulus,
Procilla, Proculus,
Regillus, Regulus,
Romanilla, Roman ula.
Von einer ganzen Anzahl solcher Deminuliva auf-illa sind die
einfachen Formen auf -ulo in der Sprache nicht gebräuchlich gehlie-
hen, oder die Sprache fasste auch -illo als ein Suffix und hing die-
ses an Wortstämme an, ohne immer vorher Formen auf -ulo zu
bilden.
Solche Bildungen sind:
a r m i 1 1 a , <j u a s i 1 1 u s , S u i 1 1 i u s , M a r s il 1 u s ,
codi eil Ins, taxillus, Tu rill ins, Quadratilla,
axilla, ton si IIa, Vecillius, Ouintillus,
auxilla, vexillum, Camillus, Quintilla,
m axilla, Avillius, Dasumilla, Romanilla,
p axilla, Avilledius, luvencilla, Salvillus,
p a u x i 1 1 u s , A v i 1 1 i e n u s , L a e t i 1 1 a , Ursula,
persillum, Pavillius, Mari Mi na, Vettilla.
in u r m u r i 1 1 u m ,
Verha von derartigen Nomen gebildel sind :
cantillo, vacillo, coli scrib illo, furcillo,
cavillor, tilillo, focillo, murmurillo.
g r a c i 1 1 o ,
Das Suffix -illo isi durch Ausfall eines u und Assimilation ei-
nes d zu I entstanden in:
lapillus für lapidulus, läpid-,
Aufi llius, Aufidius.
In derselben Weise bildete sich die Endung -ello, indem ein
u ausfiel, n sich zu 1 assimilierte und i in geschlossener Silbe vor II
zu e ward in folgenden Wintern :
_ j3 —
a seil us, von asinus, As eil ins, vgl. As in ins.
femella, emna,
fiscella, fiscina,
1 a m e 1 1 a , 1 a m i n a ,
pagella, pagina,
columella, colum-na,
scamellum, scam-num,
gerne 11 us, gern in us,
G e m e 1 1 i n a ,
G e m e 1 1 i a n u s ,
Ofellius, Ofinius (Ofonius?),
Rufe Heins, Rufin us,
Obellius, Obinius (Obidius?).
Ein o ward in solchem Diminutiv zu e in:
N a s e 1 1 i u s , vgl. N a s o ,
N a s o n i u s ( IN u s i d i u s ? ).
Das e war schon ursprünglich in :
b e 1 1 u s , vgl. b e n e ,
catella, catena,
Caesellius, Caesena.
Ein r ward nach Ausstossung des u zu 1 assimiliert in:
Stella, vgl. äcrijg, scabcllum, vgl. scaber,
opella, opera, libellus, über,
puella, puera, Atella, ater,
a gell us, 'm ager, Camellus, camera,
misellus, miser, Rubellius, ruber,
tenellus, tener, Satellius, satur,
cultellus, culter," Cerellianus, Cereris (?).
sa cell um, sacer,
Mehrfach zeigt das so gebildete Deminutivum, dass das Grund-
wort ein e vor r eingebüsst hat:
fene Stella, vgl. fenestra, Rufellius, Rufrius,
cerebellum, cerebrum,
flagellum, flagrum,
lucellum, In er um.
Ein d wurde nach Ausstossung des u zu 1 assimiliert in :
sella, vgl. sedes,
s e d i 1 i a ,
— 14 — .
A u f e 1 1 i u s, vgl. A u fi das,
Au fiel ins,
V e s u c 1 1 i a , VesUedius,
V i b e 1 1 i u s , V e i b e d i u s ,
Vibidius.
Aus -ululo, -ulula entstand das Suffix -ello, -ella in:
a vice IIa, von avicula, Figellius, von figulus,
c a p i t e 1 1 u m , capitulum, V i t e 1 1 i u s , v i t u 1 u s ,
catellus, catulus, Trebellius, Trebula,
o c e 1 1 u s , o c u 1 u s , Trebellianus,
p o p e 1 1 u s , p o p u 1 u s , V a g e 1 1 i u s , v a g u 1 u s ,
tabella, tabula, Gerellanus, gern Ins.
Aehnliche Bildungen sind :
Av eil ins,. Cascellius, Va cell ins, Vecellanus,
B i v e 1 1 i u s , P u r e 1 1 i u s , G e 1 1 i u s ;
doch hissen sich für diese keine auf -ulo auslautenden Wortstämme
als Grundwörter angeben, von denen sie gebildet sind. Nachdem
die Sprache sich gewöhnt balle - ello im Ausgang von Diminutiven
zu sprechen, konnte sie auch dieses wie -illo als ein untrennbares
Suffix auffassen und an beliebige Wortstämme fügen, so dass sie
zum Beispiel von cascus unmittelbar cascellus und dann Cas-
cellius, von purus unmittelbar purelius, dann Purellius
bilden konnte. So isl die Endung -ensumo, -esimo von Ordi-
nalzahlenursprünglich kein Suffix; vicensumus isl entstanden ;uis
d vi - cen ti - tum us , indem an die alte Form dvi-centi fürvi-
ginti das Suffix -tumo (-sumo) trat; nach Ausfall des i wurde
aus dem Ausgange des Wortes -enl-tumus, ensumus und die-
ser Ausgang ward nun, obwohl er ;»us einem Stück Worlslamm und
einem Suffix bestand, als ein untrennbares Suffix angesehen und
ohne Bewusstsein seiner ursprünglichen Bedeutung auch an die
Stämme der Hundertzahlen gefügt in cent-esi mu s, ducen l -esi-
mii s n. a.
Durch Ausstossung eines u entstanden endlieb auch:
M e s s a 1 1 a , für M e s s a n u 1 a , von M e s s a n a ,
11 ispall us, Hispanus,
vallus, van uns,
palliuni, pann us.
Bei der Bildung aller «lieser Worl formen verklang der l -l;ml
vor 1 vollständig, daher liudei kein Schwanken der Schreibari in
— 15 —
diesen Wörtern wie zwischen -cnlo, -clo, -bulo, -Mo u.a. stall,
wo das u nur zu einem stummen Vokal herabgesunken war.
Selten ist der Ausfall eines u vor anderen Consonanten als
vor 1.
Vor r ist ein u ausgefallen in den Namen:
S a t r i u s , vgl. s a t u r ,
Satria,
S a t r i e n u s ,
vor s in den Namen :
Volsci, vgl. OvlovöKOi ,
0 p s i u s , opus, Altlal. o p o s ,
Opsidius.
Auch im Oskischen opsed, Lat. operavit, op sann am,
Lal. operandam (Momms. U. D. Gloss.) fiel derselbe Vokal aus.
Sehr verbreitet ist im Lateinischen wie in anderen Sprachen
der Ausfall eines kurzen e, und zwar am häufigsten vor r, wodurch
die Consonantenverbindungen br, pr, fr, tr, er, gr im Inlaut
Lateinischer Wörter überaus häufig werden.
Das Suffix -bero von Wurzel fer-, Sanskr. bhar- schwächt
sich im Lateinischen durch Ausfall des e zu -bro, -bri in:
crebro, cribrum, pollubrum,
_p a 1 p e b r a , p r o b r u m , in a n u b r i u m ,
salebra, candelabrum, ludibrium,
latebra, ^ velabrum, Mulcibri (Genet.) Mulci-
terebra, volutabrum, Mulcibris, ber,
vertebra, ven tilabrum, eclebris,
scatebra, cerebrum, muliebris,
dolabra, delubrum, salubris,
1 ugubris.
Das e zwisclien b und r schwand in: Septembri,
0 c t o b r i ,
N o v e m b r i ,
Decembri.
Auch sonst fällt das e zwischen b und r häufig aus, wenn das b
dem Stamme gehört und das Suffix -ero war, namentlich wenn
Casusendungen oder wortbildende Suffixe an das Suffix -ero antra-
ten. So in:
-. )6 —
L e b r o , Mon. Ep. tr. Ritschi, p. VII. f a b r i ,
libi eis, LN. 299. fabrica,
leibravit, «. X). Fabricius,
rubrum, scabri,
Rubrius, Babrius, vgl. B a b e r i u s ,
Rubren us, Vibrius, Vibius,
Rubrianus, Vibronia."
e n u b r o , für e n - h u b - e r o ,
inebrae, in-heb-erae,
Häufig ist auch der Ausfall des e zwischen p und r in Wertfor-
men wie:
capri, Apria, aspri,
capra, Apronius, Asprenas,
Caprius, Apronia, Aprilis,
Capriolus, Apronianus, scalprum,
Capriola, Aprucia, suprad, Sc. d. Bacc. -
Capreola, Aprulla,
a p r i , A p r i c u 1 u s ,
Supra ist die gewöhnliche Form, doch findet sich bei Lucrez oft
supera(V, 326. VI, 61. 537. 561. 855. IV, 670. V, 1405. vgl. Cic.
nal. deor. II, 42. Prise. XIV ^.980, 1001. P.).
Zwischen f und r fiel e aus in:
infra, neben infera {Ritschi, Mm. Eptgr. tr. t. Alctr. Grut.
vafri, 1046,6.
Rufrius, Tetafrenus,
Rufrena, Venafrum,
Rufrania, Venafranus,
Safronius, Vcnafranius.
Ueberaus häufig ist der Ausfall des e zwischen t und r. So zu-
erst im Comparalivsuffix -tero, Skr. -tara, Gr. -r£po, Osk.
-toro, Umbr. -tro in den Bildungen:
intra, retro,
contra, intro-,
contrarius, dextra, neben de \tera.
coni ro-,
Bei Mautus ist dextera die gewöhnliche Form (Ritschi. Mint.
Epigr. tr. p. X. /*.), doch findet sich auch dexlram Mcrc. S79;
auch bei Lucrez und spülereu Dichtern kommt die Form dextera
— 17 —
noch vor. Luer.IV, 290. V, 85. Verg. Prise. II, 68. H. Prop. IV, 8.
58. Sil. XV, 385.
altrius, Plaut. Capi. 306.
a 1 1 r i m s e c u s , Pseud. 357.
altrovorsum,
extrad, Sc. d. Bacc.
extra,
s i n i s t r i ,
magistri,
ministri, Osk. minstreis,
Maestri us,
Mestrius.
Zu -tri abgeschwächt erscheint das Comparativsuffix -lero in:
equestris, semestris,
pedestris, procestria,
terrestris, palustris,
s i I v e s t r i s , s e q u e s t r i s , vgl. sequestro, s e q u e s tr a,
(Ueber die Bildung dieser Adjecliva vgl. Zeitschr. für vergl. Sprach f.
III, 253. f.)
Das e fallt ferner aus in dem Suffix -tro für -tero von Sanskr.
Wrz. tar-, durchdringen, vollenden, in:
vitrum, fulgetrum,
rastrum, fulgetra,
lustrum, castra.
In tonitru scheint an das Suffix -o ein zweites Suffix -u gefügt.
Ausfall des e zeigt sich auch in dem Suffix -ter von :
p a t r i s , I u p i t r i s , in a t r i c u 1 a ,
Opitris, aeeipitris, Matrius,
Opetrius, matris, Matralia,
Opetreius, matrona, fratris.
In allen diesen Wörtern hält sich das e vor r, sobald das r nach Ab-
fall eines Vokales, o oder i, in den Auslaut gerückt wird, wie in in-
ter, mag ister, equestern.a., weil eine Muta mit folgendem r
im Auslaut nicht gesprochen werden konnten.
Auch sonst fällt das e zwischen t und r weg, welchen Ursprung
diese Consonanten auch haben mögen ; so in:
a t r i , Atratinus, • c u 1 1 r i ,
atrium, Atrista, ventris,
a t r a r e , a s t r u m , V e n t r i o ,
CoRSSEiN II. 2
- 18 —
filiastro, /. N. Hatreius , vgl. Ha- Ae Iritis, vgl. Aete-
4367. terius, rius,
Cacastro, Litrius, Frentranus,
Calatro, Mutronius, Suetrius,
Caetronius, Gallatronius, vetrani, /. N. 2824.
Getronius, Sitrius, vgl, Siter- 6345.
nia,
Ausfall eines aus dem langen I des Perfekts entstandenen e fand
statt zwischen d und r in:
d ed r o t , t. Pisaur. Ritschi, fict. Lat. p.11.
dedro, a. 0.,
Formen, von denen bereits wiederholt die Rede gewesen ist. Ebenso in :
vendrit, Or. 3882.
Zwischen c und r ist im Lateinischen vielfach ein e ausgefallen.
So in dem Suffix -cero, das sich zu -cro, -cri abgeschwächt, von
Sanskr. Wrz. k a r-, m a c h e n , in :
s e p u 1 c r u m ,
lavacrum, ludicrus,
simulacrum, alacris,
molucrum, volucris.
fulcrum ,
Ebenso fällt e nach stammhaftem c vor dem Suffix - ro , - r i
weg. So in:
sacrum, Sacranus, Acria,
s a c r a r e , D e c r i u s , A c r a uns,
S a c r i u s , D e c r i a n u s , M a c r i u s ,
Sa er oni us, Sucrinus, Macrinus,
Sacra toria, acris, soerus.
Seltener fällt e nach stammhaftem g vor dem Suffix -ro ab. So in .
agri, aegrotus, flagrum,
E g ; r i l i u s , i u g r a , /. agr. ( Thor. )
nigri. Mag rius.
Ag
r i u s ,
ag
rarius,
Ag
r i c o 1 a ,
ae
gri,
Weil und breit hat also der Atisfall des e vor r, wenn eine Muli
vorherging, um sich gegriffen. Es ist oben nachgewiesen, wie das i
im Lateinischen von seiner alten halbvokalischen Natur nocli
einen Rest bewahrt hat, wie der vokalische Anklang desselben ein
E -ähnlicher Ton war, durch den sich das r die vorhergehenden
- 19 -
Vokale a, o, u, i zu e assimilierte. So konnte ein blosses r nach ei-
ner Muta die Lautverbindung er nach einer Muta vertreten, wie im
Sanskrit das vokalische r in zahlreichen Formen die Lautverbindung
ar vertritt. Mochte man d extra oder dextera, infra oder in-
fera sprechen wollen, in beiden Fällen hörte man mehr oder minder
ausgeprägt einen E-klang zwischen der Muta und dem r durchklin-
gen. Beide Sprechweisen und Schreibweisen verhalten sich gerade
so zu einander wie saeculum und saeclum; das e in jenen Wort-
formen war ein ebenso stummer für die Metrik unmessbarer Laut
wie das u zwischen Muta und 1. Die ältere Sprache zeigt ein
Schwanken zwischen den Schreib- und Sprech weisen dextera -
dextra, al t erius - allrius , infera- infra , der Sprach-
gebrauch der Augusteischen und der späteren Zeit hat der Tilgung
des e in diesen Formen sich entschiedener zugewandt als der Aus-
stossung des u in Formen wie pericluin , vi n dum u. a.
Nach Ausfall eines c treffen zwei r zusammen in:
f e r r e , c o m p e r r i t , /. agr. ( Thor. )
f e r r e m , ce r r, i t u s , Fest. p. 54. vgl. C e r e r i s.
gerre, /. N. G058 [spät) Cerrinius, /. N. 1480. 5213.
für g e r er e , C e r r i ni a e , /. N. 1 9 1 4. 3856.
Ein Beispiel von Ausfall eines e zwischen m und r bietet der
Name :
C a m b r i a n u s , /. N. 2383 verglichen mit c a m e r a ,
Cameria,
C a in e r t e s ;
nach Ausfall des e ist nämlich der Lautvermittelung halber zwischen
m und r ein b eingeschoben wie im Griechischen peG rj {ißgca ,
7j[i ßgorov. In einer Tochtersprache der Lateinischen, im Fran-
zosischen, findet sich dieser Laut Vorgang in den Wortformen cha in-
nre, nombre von Lat. camera, numerus.
Nach Ausfall eines v des V e r fekt siiffixes -vi schwindet das
aus I gekürzte e in unzähligen Verbalformen, die in der Prosa des
Cicero wie im Sprachgebrauch der classischen Dichter, in älterer wie
in neuerer Zeit, gleich gewöhnlich sind, wie:
o p t a r a m , d e v i t a r i m ,
noram, requierim,
admoram, a d i u r o ,
speetaras, levaris,
decreras, expleris,
— 20 -
occ u parat, s u e 1 1 1 ,
consuerat, cognorit,
consueramus, norimus,
nominarant ., condemnarint,
noraiit, norint,
decrerant, suerint u. a.
confi rinarunt,
f ler u n t ,
Ebenso ist durch Ausfall der Lautverbindung v e entstanden :
plo-rare, für ploverare.
Die Wurzel pl u-, fliesse n , die in pluere erscheint, ward
wie oben gezeigt ist durch Vokalsteigerung zu plov- in perplo -
vere, Fest. p. 250, durchflies sen ; von der Verbalwurzel
plov- bildete sieb ein Adjectivstannn plovero-, wie von Wz.
sac-sacero, und von plovero - das Verbum ploverare, wie
von sacero-saerare; ploverare, zusammengezogen plorare
beisst also l'liessen machen wie sacrare beilig machen
und erbalt dann die Bedeutung Tbränen fli essen inaeben oder
weinen.
Selten ist der Ausfall des e vor anderen Consonanten. Ver-
einzelt steben:
iunior, für iuvenior,
i u nix, iuvenil, Fleckeis. Ep. L 'rit p. 1 2.
In Compositen werden sieb weiter unten mehr derartige Beispiele
linden.
Ein langes e scheint ausgefallen, nachdem es sieb zuvor zu i
gekürzt, in den auf -ui auslautenden Perfekten der E-conju-
gation wie:
d e b u i , verglichen mit debitum, von de bore,
habui, babituin, habere,
licui, licitum, licere,
placui, placit um , placcre,
merui, raeritum, meiere,
in ähnlicher Weise wie das a der A-eonjugation sich eist zu i kürzte
und erleichterte und dann ausfiel in den besprochenen Perfekten w e
so nui, doniui, secui u. a.
Aebnlieb schwand langes e, nachdem es zuvor zu i ein-
geschrumpft war in:
— 21 -
f r u t e c tum, neben f r u t i c e t u m ,
(iiimectum, d u m i c e t u m ,
carectum, c a r i c e t u m ,
sali et um, salieetum.
Dieser Ausfall des e muss schon in alter Zeit stall gefunden ha-
lten, als noch nach dem alteren Betonungsgesetz, von dem unten die
Hede sein wird, f r u c t i c e t u m , d u m i c e t u m betont wurde. Ver-
gleicht man zu diesen Wortformen die ahnlichen Bildungen wie
a c e t u m , aspretum, dumetum, s a b u 1 e t u m , arund inetum,
c i t r e t u m , coryletum, i u n c e t u m , v e p r e t u m , v i m i n e t u m ,
fimetum, so ergiebt sich, dass dieselben Bildungen von Verbal-
stämmen der E-conj ugation sind, die ausdrücken ein Vollsein
von dem Gegenstande, den das Grundwort, von dem sie gebildet
sind, bezeichnet. Diese Verba wie ac er e, asprere, d innere
u. a. sind aber der Sprache abhanden gekommen wie die Verba
consulare , magistrare, pontificare, senare u. a., von de-
nen die Verbalsubstantiva co ns u latus, magistratus, ponti-
f i c a t u s , s e n a t u s gebildet sind.
Der weitgreifende Ausfall des e in Compositen wird weiter un-
ten zur Sprache kommen.
Der dünnste und leichteste unter den Lateinischen Voka-
len, i, ist sohaltlos und schwächlich, dass er last aus jeder Stellung,
die er im Inlaut der Wörter zwischen Consonanten einnehmen kann,
gelegentlich hinausge w o r f e n wird.
So ist er ausgefallen vor c in :
Ofincius, für
Patulcius, fiii
vor 2 in :
c a 1 x ,
vgl.
calicala, Fest. p. 47. 59.
Gr. %ali%.
c a 1 e c a n d a m , tob. Alelr.
Ritschi, Mon. Epigr. tr.
Ofinicius,
vgl.
Ofinius,
P a t u 1 i c i u s
i
Patlacius,
Patulacius;
narrare,
von
g n a r i g a r e ,
purgare,
vgl.
e x p u r i g a t i o n e m , Plaut.
Merc. 960.
iurgium,
für
i us -igiu m, vgl. r ein -i gi u m ,
— 22 —
diese drei Wörter sind eigentlich Composita, in deren zweitem Be-
standteil die Wurzel ag- von agere enthalten ist; aber ihre ge-
kürzte Form und ihre Bedeutung hat den Charakter von (Komposi-
ten verloren. Dnsselbe ist ja auch in Bildungen wie furibundus,
saluber, ludicrus und anderen der Fall gewesen, die auch, wie
schon gelegentlich bemerkt ist, Composita waren.
Häufiger aber ist der Ausfall des i in Suffixen vor d und t. So
wird es ausgeworfen vor dem Suffix -do und den davon abgeleiteten
Bildungen in:
Ofdius, /. .V. 5765. vgl. Obidius,
Aufidius ,
c a 1 d u s , Or. Henz. 6086. Quini. c alid u s ,
I, 6, 10. Anal. Gramm.
E.E.p. 444.
v a l d e , v a 1 i d e ,
ca Idaria m, /. N. 367.'>.
sohl us, /. lul. man. solidus,
J a r d u in , 1 a r i d u m ,
a r d u m, Lucil. ap. Non. II, p. 53. G. a r i d u m,
raudus, ravis,
udus, uvidus,
audeo, avidus,
gaudeo, gavisus ( für ga vidsus).
fr ig dar ia, Lucil. Prise. \, 57. //. fri-gidaria.
Aus der späten Volkssprache werden angefühlt :
fric'da, Anal. Gramm. E. E. p. 444. 446.
virdis, a. 0.
Vor t ist ein i ausgefallen in zahlreichen Bildungen vonPartici-
pien und Supinen wie:
m e r t o , /. TV7. 2024 für m e r i t o , p i s t u m .
mereto, pexum,
misertum, pars um,
postum, LNA03l.Lucr.il 1059. fruetum,
opposta, Lucr. IV, 14S. cautum, vgl. cavitum,
disposta , Lucr. II, 64 1. l.agr. ( Thor.)
praeposta, Lucr. VI, 997. ca vit ion ein .
comp os tum, Verg. //. a. Fes/, p. 61.
repostus, faul u m. vgl. favitorum,
replietae, Slal.Sitv.W, (.i, 29. Plaut Amph. Prol.lS.
— 23 —
a 1 1 um , motum,
adultum, tot um.
recens u m ,
In zahlreichen anderen Bildungen von Participien und Supinen
oder von diesen abgeleiteter Wörter ist nicht sicher zu erkennen,
ob sie vor dem t einen Bindevokal i verloren haben, oder ob sie das
Suffix -to, -tu von vorn herein ohne Bindevokal an denWortstamm
fügten.
Ein i ist ausgefallen vor dem Suffix -tor in:
i m p o s t o r ,
quaestor,
und vor andern mit t auslautenden Suffixen in :
puertiae, Hör. c. I, 36, 8.
a u d a c t e r ,
propter,
hör tor, vgl. horiturque, Enn. Fahl. p. 52.
nauta, navita,
m o t a r e , m o v i t a r e ,
o p t u m u s , o p i t u m a e , Or. Henz. 5434.
Als Bindevokal in Verben schwindet i vor t in den Perfekt-
formen:
f e c t , Momms. U. D. p. 306.
und in den Formender späteren Kaiserzeit:
vixt, /. iV. 2795. 3395. 3447.
expensavt, I. N. 2800.
Ebenso ist die Ausstossung des Bindevokales schon in den Prä-
sensformen:
fert,
vult.
Für
est gebrauchten Livius Andronicus, Plaulus und Lucilius noch
edit, Prise. X, 30. H.
Sehr alt ist die Ausstossung des Bindevokales i in den Plural-
formen d< r Vcrba mit den Suffixen -tis, -te. Das zeigt die Form:
cante, Carm. Saliar. Varr. L. L. VII, 27 für canite.
cette,
ferte,
voltis ,
noltis , Caecil. Com. Ribb. p. 30.
— 24 —
Auch vor Labialen fällt der Bindevokal i in der Wortbiegung
wie in der Wortbildung bisweilen aus. So in:
senatorbus, Sc. d. Baccan.
b u b u s.
Häufiger geschieht dies vor den Suffixen, die mit ni anlauten;
so in:
vicesma, Or. 1433. vgl. vicesimam,
i Decmus, Decimus,
Dasmus, D a s i m i u s ,
D a s i m i a n u s ,
summus, s u p i m u s ,
b r u m a , b r e v i m a ,
im us, für infimus,
das letztere durch die Mittelstufen ifimus, ihimus.
Ebenso ist der Bindevokal i ausgefallen vor den Suffixen -men
und -mcnto in:
tegmen, für t cgi men,
t c gm e n tum, t e g i m e n t u m ,
p r o }) a g m e n , Enn. Ann. v. 458. V. pr op a g i m e n.
Auch die Bildungen
fla-men,
exa-men,
s u b t c - m e n
halten wohl ursprünglich einen Bindevokal vor dein Suffix und
büssten erst nach Ausfall desselben den auslautenden Consonanten
des Stammes gein, als er mit folgendem m zusammenprallte.
Vor dem Suffix -no fiel i aus in:
scamnum, scamelium,
signum, sigillum,
tignuni, tigillum,
pugnus, pugillus,
L icn i a , Ritschi, Mon. epigr. tr. IX.
balneum, balineum.
a c s c u 1 n i u s , /. Puleol. I. N. 245S. a e s c u 1 i n u s ,
domnae, /. N. 4079.
d o m n o r u m , /. N. 357 1 u.a.
Faun us. vgl, favitor,
P a g n i us ,
Furnia, furina.
- 25 —
Während unter diesen Formen Licnia der ältesten Zeit an-
gehört, sind domnae, domnorum Formen der späteren Volks-
sprache, aus denen dann in Romanischen Sprachen den na und
duenna entsteht.
Es ist schon oben gesagt worden, dass das mediale Parlicipium,
das im Griechischen -{isvo lautete^im Lateinischen terminus, von
Wrz. tar-, ter-, durchdringen, sich zu -mino gestaltete, dass
das i dieses Suffixes aber ausfiel in den Bildungen wie:
a 1 u m 11 u s ,
P i c u m n u s ,
Volumna,
a u t u m n u s ,
p i 1 u m n o e ,
c o 1 u m n a ,
V o 1 u m n u s ,
Pilu m n u s,
a e r u m n a ,
Vitumn us ,
P o r t u m n u s ,
c a 1 u m n i a ,
Vertumnus,
C I i t u m n u s ,
Volumnia.
Neptumnus,
Grul.
V o 1 1 u m n a ,
460, 3.
Selten fiel
i weg vor den liquiden 1 und r
. So in :
Sestlia, /.
N. 5199
für S e s 1 i 1 i a ,
.Manlius,
M a n i 1 i u s ,
Mallius,
A filli os ,
vgl.
A fini us,
Aufillius,
A u f i d i u s ,
Turpleius,
t. Far.
turpis,
striglibus, luv. HI, 263.
Vieri us, neben Vicirius,
V i c i r r i u s.
Am häufigsten aber fällt i vor dem Consonanten aus, zu
dem es, wie oben gezeigt ist, die meiste Wahlverwandtschaft hat,
vor s.
So zuerst in dem Suffix -isio von Namen:
Numpsius, /. N. 3783.
Numsius, /. N. 1685. 3929. für Numisius,
vgl. Osk. Niumsieis (Mo?nms. Unt. D. Gloss.).
Die Lateinische Comparativendung -ios, -ior, -ius
schrumpfte, wie schon bemerkt ist, zu is ein, in Formen wie ma-
gis, ultis, satis, potis, paullisper, tantisperu. a. wie
in m a g i s t e r, minister, s o 1 1 i s t i m u m, s i n i s t i m u m (Zeitschr.
für vergl. Sprachf. III, 277. f.). Auch dieses comparativische i
fällt dann aus in:
— 26 —
iuxta , für iug-is -ta,
exta, ec-is-ta,
p r a e s t u s ,
praesto, prai-is-to.
Das aus -isto entstandene -slo dieser Bildungen ist das
Superlativsuffix Sanskr. istha-, Gr. coro-, Goth.ist'-, ost'-,
Neuhochd. -ste, -st (erst, fürst, einst u. a.) (a. 0. III, 285/.).
Auch das auslautende s in:
mox, vix, uls,
und in den Formen der Pronomina :
ex, ans, obs-, sus- für subs-, Irans
ist das auslautende s ein Rest des Comparativsuffixes und hat vor
sich ein i eingebüsst (a. 0. p. 288 f.).
Insbesondere hat nun der Ausfall eines i vor s in Verbalformen
weitgreifenden Einflnss auf die Gestaltung derselben geübt. Hier
mögen, um die Verbalformen, in denen ein i vor s schwand, zusam-
men zu haben, die Formen:
e s , für e d i s ,
fers, feris,
vis, velis,
s i r s, Carm.Arv. s i r i s , s i v e r i s ,
sers,
erwähnt werden, obwohl hier das Schwinden des i in der Endsilbe
statt findet.
Insbesondere merkwürdig für die Geschichte des Vokalausfalles
wie für die Gestaltung der Lateinischen Conjugation sind nun aber
eine Anzahl von Formen des Perfekts oder vom Perfekt ab-
geleiteter Tempora, in denen der Ausfall des ursprünglich
langen Charakter vokales i stattgefunden hat. Es möge hier
zunächst eine Zusammenstellung von Beispielen solcher syncopierter
Formen Platz finden.
Ausstossung dieses i mit. folgendem s findet ?tatt Inder zweiten
Person Ind. Perf. So in:
dixti, Plaut. Capi. 155. Ästo. s*23. Trin. 602. 665. MercaL
164. 659. //. a. dixtin, Mit. 365. Pacuv. li/hl>. Trag.
p. 89. Terent. And. III, 2, 38. III, 5, 15. V, 2, I I. Eun. I,
2, 85. 87. II, 3, 85. III, I, Gl. III, 2, 44. IV, 7, 23. Hcaul.
11,3, 100. IV, 7, 2. Adelpk. III, 3, 69. IV, 3, s. 13. V, s.
30. Hecyr. III, 1, 12. IM. 5, I. IV, 4, 49. r»:>. V. I. 2:..
— 27 -
Phorm. II, 1, 72. III, 3, 4. MartiaU IV, 61, 4. Cic. Tusc.
II, 3, 10.
addixti, Matt. X, 31, 1. XII, 16, I.
duxti, Cat. 91, 9. Pro/?. I, 3, 27.
a b d u x t i , /to//. Cure. 614.
ad duxti, Tir. £wtt. IV, 7, 24, V, 4, 27. Heaul. IV, 6, 15. Phorm.
IV, 1, 2.
induxti, Ter. Andr. III, 3, 40. V, 3, 12. Heeyr. III, 1, 12.
subduxti, Ter. Fun. IV, 7,25.
d e v i n x l i , Plaut. Asin. 850.
depinxti, Poen. \, 2, 154.
e m u n x t i , Plaut. Most. 1109.
intellexti, Plaut. Pud. 1103. Tfcr. ^«rfr. I, 2, 30. III, 2, 20. 26.
eircumspexti, Ter. Ad. IV, 5, 55.
prospexti, a. 0.
direxti, Verg. Aen. VI, 57.
surrexti, Marl. V, 79, 1.
avexti, Plaut. Bud. S62.
advexti, PI. Merc. 390.
luxti, Cat. 66, 21.
extinxti, Pacuv. Ribb. tr. p. 100. Verg. Aen. IV, 682.
instruxti, PI. Mit. 981.
inmersti, PI. Bacch. 677.
occlusti, PI. Trin. 188.
discesti, PI. Asin. 251.
evasti, Hör. Sal. IT, 7, 68. Sil. XV, 793.
s e n s t i , Ter. Andr. V, 3, 1 1 .
misti, Cat. 14, 4.
promisti, Plaut. Cure. 705. 709. Cat. 110, 3.
a misti, Ter. Eun. II, 2, 10. Heeyr. II, 2, 9. &Y. XVII, 353.
percusti, Hör. Sat. II, 3, 273.
mansti, Lucil. Gell. XVIII, 8, 2.
s c r i p s t i , Plaut. Asin. 802.
cönscripsti, /Y. Asin. 746.
praescripsti, 7Vr. ^^?r. I, 1, 124.
a c c e p s t i , PI. Trin. 964.
subrepst i, Cat. 11, 3.
consumpsti, Prop. I, 3, 37.
coepsti, Caecil. Ribb. Com. fr. p. 38
— 28 —
Ebenso ist is ausgefallen in der zweiten Person Plur. Ind. Perf.
So in :
protraxtis, Sil. XVI, 84.
a c c e s t i s , Verg. Aen. I, 201.
scripstis, Enn. Ribb. trag. p. 32.
Dieselbe Vokalausstossung findet statt in der ersten Pers. Sing.
Conj. Perf.:
fax im, PL Pers. 73. Poen. V, 2, 131. 133. Aulul. 11J, 5, 20 u. a.
Ter. Ad.\, 5, 6. V,-6, 8.
axim, Paciw. Ribb. trag- P> 96.
transaxim, a. 0. p. 85.
c o n d u x i m , PL Merc. 758.
obiexim, PL Poen. I, 3, 37.
in sp ex im, PL Menaech. 597.
confexim, PL Trnc. IV, 4, 39.
a n s s i m , PL Racch. 1056.
ausim, Liter. II, 178. V, 196. Ter. Fun. V, 2, 15. 65. Verg. Eel.
III, 32. Georg. II, 289. Tib. IV, 1, 193. Prop. II, 5, 24.
II, 19, 21. Oviol. Am. II, 4, 1. Liv. I. praef. Tac. Agr.
43 u. a.
iussim, PL Mm. 185.
lusim, PL Rad. 1248.
Ebenso in der ersten Person Sing. Fut. II:
faxo, PL Amph. 355. 589. Capt. 80t. Asm. 876. 902. Cure. 5s7.
Menaech. 113.326.540. 562.644. 661. 791. 950. 050.
Pseud. 49. 303. 706. 1039. 1043. 1328. Racch. 506.
J//V. #/o/\ 1367. Most 68. 1133. 7'rr.v. 195. 446. 161.
Rad. 365. 578. 800 u. a. Afran. Com Jlihh. p. 148. Ter.
Andr. V, 2, 13. £tm. II, 2, 54. IV, 3, 21. II, 3, 100.
Adelph. II, 2, 1. V, 3, 61. Pharm. II, 1, 78. Pfery. Aen.
IX, 151. XII, 316. Ov.Meiam. XII, 501. >'/^. 77/r/y.
V, 658. VIII, 78. Zü\ VI, 35. Petrm. 95. .////>„/. .)/,■/.
VIII, 161.
oecoepso, Haut. Cos. V, 4, 22.
capso, PL Racch. 712.
oeeepso, PL Amph. 673.
aeeepso, Pacuv. Trag. Ribb. />. 00.
reeepso, Cat. 44, 10.
iusso, Verg. Aen. XI, 167. St/. XII, 175.
— 29 —
ulso, All. ap. Non. Ribbek, trag. p. 147 schreibt so mit Yossius
richtig für das überlieferte ullo.
In der zweiten Person Sing. Conj. Perf. u. Ind. Fut. II :
faxis, Plaut Pseud. 533. Mit. 624. 1245. 1417. Most. 518. 808.
1115. Men. 113. Asin. 612. 613. Stich. 610 u. a. Enn.
Vahl. p. 147. Pacuv. Ribb. trag. p. 76. Naev. Ribb.
Com. p. 11. Ter. Andr. IV, 4, 14. Heaul. I, 2, 13. Hör.
Serm. II, 6, 5. II, 3, 38. faxseis, Grut. 96, 7.
effexis, Pto/. Ca«. III, 5, 63. Poem. I, 3, 19.
dixis, Plaut. Aulul. IV, 10, 14. Merc. 484, Capt. 149. 695. /fcw.
839. Ml. 285.
in d u x i s , Pto/. 6^. 149.
taxis, Varr. Non. p. 122. G.
o b i e x i s , Plaut. Gas. II, 6, 52.
respexis, PI. MoStb23. Rad. 678. Aul. 1, 1, 19.
parsis, PI. Racch. 910. 993. /^utf. 79.
ausis, All. Ribb. trag. p. 130. Lucr. II, 982. Fest. p. 21.
sponsi s , precat. augur. Fest. p. 351 .
e x c e s s i s , Ter. Andr. IV, 4,21.
amissis,P/. Racch. 1188. 1194. Mil.glor. 700.
In der dritten Person Sing. Conj. Perf. u. Ind. Fut. II:
faxit, PL Amph. 461. Most. 398. Men. 861. Enn. Epigr. Vahl.
p. 162. Pacuv. Ribb. trag. p. 112. Atta. O.p. 177. Te-
relit. Hemd. 1, 2, 24. Phorm.lU, 3, 21 t^/. faxsit, faxit,
/. agr. (Thor.). Fest. v. publica pondera , p. 246. Liv.
XXII, 10. Cic. legg. II, 8, 19. Macrob. III, 9. Pers. I, 112.
axit, antiq.-Fest. v. axitiosi, p. 3.
noxit, Lucil. Fest. v. lama, p. 360.
iniexit, PL Pers. 70.
extinxit, PL Truc. II, 6, 43. insexit, Enn. Vahl. p. 180.
incensit, Fest. p. 107.
occisit, /. XII lab. Macrob. Sat. I, 4, 6.
au sit, Gatull. 66, 28. 6^. Ä/. VI, 465. Stal. Theb. XII, 101.
Achill. I, 544. £«;. V, 3 u. a.
excussit, PL Racch. 598.
i us sit, Fest. v. publica pondera, p. 246.
capsit; PL Pseud. 1022. Att. trag. Ribb. p. 165. Enn. Vahl.
p. 49.
iueepsit , Fest. p. 107.
— 30 -
occepsit, PL Asm. 794.
subrepsit, PL Mit. 333.
serpsit, anliq. Fest. p. 348.
adempsit, Plaut. Epid. III, 2, 27.
In der ersten Person Plur. Conj. Perf. u. Ind. Fut. II:
faximus, Plaut. Truc. I, 1, 40.
caps im us, PI. Rud. 304.
In der zweiten Person Plur. Conj. Perf. u. Ind. Fut. II:
f a x i t i s , form, comprec. Liv. VI, 4 1 . XXIX, 27. XXV, 1 2. Macrob.
Sat. III, 9.
auxitis, form, comprec. Liv. XXIX, 27.
In der dritten Person Plur. Conj. Perf. u. Ind. Fut. II:
faxint, PL Amph. 632. Capt. 320. Bacch. 626. Pseud. 315.
Cure. 13t. Mostelt. 463. Pers. 652. Mercat. 285 u. a.
Terent. Heaut. I, 1, 109. Hec. 1, 2, 27. III, 2, 19. Cic.
Verr. III, 35, 81. Ep. Farn. XIV, 3. Alt. XV, 29. XVI, 1.
adaxint, Plaut. Aulul. 1, 1, 11. Son. II p. 53. G. Fest. p. 28.
ausint, Slat. Ttieb. XI, 126.
In der ersten Person Sing. Conj. Plusq.:
exstinxem, Verg. Acn. IV, 606.
abscessem, &/. VI11, 109.
In der zweiten Person Sing. Conj. Plusq.:
intcllexes, PL Cist. II, 3, 81.
In der dritten Person Sing. Conj. Plusq.:
v i x e t , Verg, Acn. XI, 118.
confluxet, Liter. I, 987.
af fixet, &V.XIV, 536.
pereepset, trag, inceri. Ribb. p. 207.
In der ersten Person Plur. Conj. Plusq.:
e r e p s e m u s , Hör. Sat. 1 , 5, 79.
Im Infinitiv Perfecti:
dixe, Pl.Poen.W 2, I.
advexe, PL Mac. 333.
despexc, PL Mtl. 553.
adduxe, PL Pud. 1017.
subduxe, Varr. IL R. II, 1, 6.
obduxe, PL Merc. Arg um 7.
produxe, Ter. Adelph. IV, 2, 22.
surr exe, Hör. Sat. I, 9, 73.
31 —
inlexc, PI.Merc.i7. Alt. Ribb. trag.p. 137.
traxe, Verg. Aen. V, 786.
abstraxe, Lucr. III, 648.
detraxe, PL Trin. 743.
pro traxe, Lucr. V, 1157.
i u s s e , Ter. Heaut. V, 2 , 48.
comesse, PL Men. 627. Most. 14. Pompon. Ribb. Com. p. 200.
p r o c e s s e , Purp. Ribb. Com. p. 87.
admisse, PL Mit. 1287.
promisse , CaL 110, 5.
invasse, Lucil. Non. IV ;;. 200. G.
sumpse, Naev. Ribb. Com. p. 20.
consumpse, Lucr. I, 233.
scripse, Auson. Sept. Sap. Lud. 1.
Aehnlich wie diese synkopierten Perfektformen consonantischer
Stämme haben Perfektformen von vokalischen Stämmen der A-, E-
und I-Conjugation sich gekürzt, indem sie nicht bloss i sondern
auch vorhergehendes v auswarfen, also die ganze Perfektendung vi
einbüssten; so die erste Person Sing. Conj. Pcrf. :
1 o c a s s i m , Plaut. Aul. II, 2, 51.
negassim , Asin. 503;
die erste Person Sing. Ind. Fut. II:
reconciliasso, PL Capt. 576.
e n i c a s s o , Most. 223.
servasso, Most. 228.
1 i b e r a s s o , Most. 223.
commonstrasso, Epid. 111, 4, 5.
indicasso, Poen. IV, 2, 66.
peccasso, PL Rud. 1348.
amasso, PL Cas. V, 4, 22. Fest. p. 28.
op servasso, PL Mit. 328.
1 e v a s s o , Enn. Vahl. p. 5 1 ;
die zweite Pers. Sing. Conj. Perf. u. Fut. II:
o c c u 1 1 a s s i s , PL Trin. 627. prohibessis, Aulul. IV,
mutassis, Aul. III, 6, 49. 2,4. comprec. Marl. CaL
curassis, Poen. III, 1, 50. Pseud. R. R. 141, 2.
232, Most. 526.
inritassis, PL Amph. 454. Pers. 828. SföeÄ. 345.
supplicassis, PL Asin. 467
— 32 —
indicassis, Rud. 1028. Aulul. IV, 2, 1.
defraudassis, Rud. 1345.
celassis, Stich. 149.
peccassis, Stich. 725. 7^7. 1150.
orassis, Plaut. Epid. V, 2, 63.
a m a s s i s , H. ^f#. 1 007. 1
occupassis, iY. jü/osf. 1097.
i n t r a s s i s , PL Menaechm . 416.
adcurassis, PL Pseud. 942. Pers. 393.
o p t a s s i s , P/. Jf//. 669.
turpassis, Pacuv. Ribb. trag. p. 76.
limassis, Caecü. Com. Ribb. p. 85.
appellassis, Ter. Phorm. \\ 1, 15.
acclarassis, comprec. Liv. I, 18.
servassis, comprec. Mart. Cut. R. B. 141, 2;
die dritte Pers. Sing. Conj. Perf. u. Fut. II:
decollassit, PL Cas. II, 4, 28. prohibessit, PL Pseud.
adsudassit , a. 0. 11, 6, 9. 14. /. auf. Cic. leyy. IM,
comparassit, PI. Epid. I, 2, 19. 3, 6.
pcccassit, PL Cas. IV, 4, 6. habessit, /. auf. Cic. d.
servassit, PL Cist. IV, 2, 76. legg. II, 8, 19.
occupassit, PL Asin. 818. lieessit, Pt.Asin.G03.
ab i ur a ssi t , Pers. 478. a in 1» i s s i t , Ampk. 7 1 .
o c c e p t a s s i t , Rud. 776.
cenassil, Stich. 192.
dem Utas sit, a. 0. 723.
iudicassit,/. antiq. Cic. d. legg. III, 3, 6.
inrogassit, a. 0.
imperassit, a.O.
creassit, a. 0. 111, 3, 9.
migrassit, a. 0. III, 4, 1 1.
plorassit, /. Servii Tullii, Fest. v. plorare, />. "230.
propriassit, Fest.p. 229.
di cas sit, a. 0. p. 75.
excantassit, Plin. ff. N. XWUI, 2, § 17. S.
incantassit, a. 0.;
die zweite Person Plur. Conj. Perf. u. Ind. Fut. II:
exoeulassitis, PL Rud. 73 1 .
invitassitis, a. 0. 811.
inulcassilis, PL Mit. 163;
— 33 —
die dritte Pers. Plur. Conj. Perf. u. Ind. Fut. II:
curassint, Poen. Prot. 27.
servassint, Trin. 384. Asin. 654. Cas. II, 5, 16. Stich. 505.
Pseud. 37.
m acta ss int, Em. Ribb. trag. p. 46. Afran. Ribb. com. p. 168.
Pomp. a. 0. p. 208.
aspor tassint , Amph. 207.
averruncassint, Pacuv. Ribb. Trag. p. 74.
perpetuassint, Enn. Vahl. p. 48.
fortunassint, Afran. Com. Ribb. p. 150.
rogassint, /. ant. Cic. d. legg.Wl, prohibessint, /. ant. Cic.
3, 9. legg. III, 3, 9.
locassint, a. 0. III, 4, 1 1 . a m b i s s i n t , Amph. 69.
occentassint , antiq. Fest. p. 181.
cooptassint, Carmen rog. tribun. Liv. III, 64, 10. *)
Es ist nun über die Bildung der hier zusammengestellten Verbal-
formen ein Wort zu sagen, und zwar zuerst über diejenigen, welche
der consonantischen , dann über diejenigen, welche der vokalischen
und zwar zumeist der A - Conj ugation angehören. Die synko-
pierten Perfektformen der consonantischen Verbalstämme gehören
grossentheils der Perfektbildung auf -si an; dieses -si ist aber, wie
die vergleichende Sprachforschung längst dargethan hat, entstanden
aus -esi, einem veralteten Praeteritum von der Wurzel es- des
Verbum esse.
Von der zweite n Person Sing. Ind. solcher Perfektformen
wie dic-si-sti, scrip-si-sti, eva-si-sti ward das i zwischen
den beiden s ausgestossen, und so entstanden, da vor folgendem Con-
sonanten nur eins gesprochen und geschrieben werden konnte, die
angeführten Formen wie d i x t i , scripsti, evasti, deren Perfekt-
charakter -si ganz verwischt ist.
Der Conjunctiv desPerfekts ist gebildet durch Anfügung
des Conj unetiv Praesentis von esse -sim, -sis-, situ.a.an den Per-
fektcharakter-si. Die ursprünglichen Formen desselben waren also
conduc-si-sim, aug-si-sis, exting-si-sit. Aus diesen wurden
*) Die Glosse bei Pauli. Diacon. p. 26. M. : Astasint, steterint,
ist kritisch sehr unsicher; man kann auf die Richtigkeit der Schreibweise
sich nicht verlassen, so dass die Form nicht in das vorstehende Verzeich-
niss aufgenommen werden kann.
Cokssen II. 3
— 34 —
durch die gewöhnliche Schwächung des s zu r zwischen zwei Vo-
kalen und durch die vom r veranlasste Umlautung des i zu e die
gewöhnlichen Formen conduxerim, auxeris, extinxerit.
Andrerseits entstanden aus jenen ursprünglichen Formen durch Aus-
stossung des i zwischen den beiden Zischlauten s die synkopierten
condux-sim, aux-sis, extinx-sit, die dann conduxim,
auxis, extinxit geschrieben und gesprochen wurden. Wie durch
diese Vokalausstossung die Durchsichtigkeit und Bestimmtheit der
Sprachformen gelitten hat, ergiebt sich daraus, dass durch sie die
dritte Pers. Sing. Conj. mit der dritten Pers. Sing. Ind. des Perfekts
gleichlautend wurde und Formen wie ausit, extinxit u. a. beides
bedeuten konnten.
Ebenso sind natürlich die durch Anfügung eines Conj. Imperf. von
esse: -ssem für essem u.a. entstandenen Plusquamperfekt-
formen zu erklären, also extinxem aus extinxissem, intel-
lexes aus intellexisse s u. a. Es ist klar, dass der gleiche
Anlaut zweier aufeinanderfolgenden Silben mit dem Zischlaut s der
Ausstossung des Perfektcharakters i förderlich war, wie die Lateini-
sche Sprache gleichen Anlaut zweier aufeinander folgenden Silben
auch in den Compositen c o r - d o 1 i u m für c o r d i - d o 1 i u m ,
sti-pendium für stipi-pendi um , veni-ficium für veneni-
f i c i u in , se-modius für s e in i - m o d i u s durch Ausstossung
eines i mied.
Seltener sind die synkopierten Perfekt- und Plusquamperfekt-
formen von einfachen oder red up licierten Perfekten auf i
wieaeeepi, oeeepi, ineepi, reeepi, emi, inicci, oeeidi.
Wenn hier die Ausstossung des i in Formen wie obiexim für ob-
i c c i - s i m , i n c c p s i t für ineepi-sit, occisit für o c c i d i - s i t
vor sich ging, ohne dass zwei Silben hintereinander mit dem Zisch-
laut s anfangen, so ergiebt sich daraus, dass eben diese Laut Stellung
nicht der letzte treibende ('.rund, sondern ein mitwirkendes Förde-
rungsmiltcl der Ausstossung des i war. In dein Abschnitt ober die
Betonung wird gezeigt werden, dass der hier ausgeslossene Vokal i
nach der Altlateinischen Betonungsweise immer in der tieftonigen
Silbe stand, die der hochbetonten folgte, und dass durch die Macht
des Hochtones die hoch tonige Silbe die folgende tieftonige so über-
tönte, dass deren selbständiger vokalischer Ton ganz verstummte.
Es fragt sich nun, wie die Formen derVerba facere, agere,
caperc: fax im, faxis, faxit, faximus, faxitis, fax int,
— 35 —
axim, transaxim, axit, adaxint, capsit, capsimus zu
erklären sind. Von den gewöhnlichen Perfekten feci, egi, cepi
konnten nur synkopierte Formen wie fexit, exit, cepsit für fe-
cisit, egisit, cepisit gebildet werden. Man muss daher an-
nehmen, dass neben den Perfekten feci, egi, cepi die alte
Sprache von denselben Verben auch die Perfekta auf -si: faxi,
axi, capsi hatte, wie auch neben pepigi und pegi panxi, ne-
ben peperci und parcui (Naev. Ribb. Com. ^.16.) parsi ge-
bräuchlich geblieben sind.
Von den Infinitiven wie advexe, disp exe, ad misse u.a.
und der ersten Person Sing. Fut. II wie faxo, occepso, ist
noch besonders zu reden, weil über dieselben unhaltbare Ansichten
aufgestellt worden sind. Was zunächst die Infinitive anbetrifft, so
ist behauptet worden (Struve, Lat. Decl. u. Conj. p. 178. Bopp,
vgl. Gramm. S. 1223) sie seien nicht aus den gewöhnlichen Infiniti-
ven Perfecti, die auf -isse auslauten, entstanden, ihre Endung -sc
entspräche vielmehr der Griechischen Infinitivendung des Aorists
-6cu und sei unmittelbar an den Verbalslamm gehängt worden.
Aber die Vergleichung dieser Infinitivformen mit den oben behan-
delten Indicativ- und Conjunctivformen zeigt überzeugend, dass
auch sie durch Ausfall des Perfektcharakters - s i Entstanden sind.
Wer kann es glaublich finden, dass advexe, Plaut. Merc. 333,
zu advexisse, Plaut. Merc. 401 in einem anderen Abstammungs-
verhältniss steht wie emunxti, Most. 1109, zu emunxisti,
Most. 1110.
Ebenso unhaltbar ist die Ansicht, dass die Futura wie faxo,
occepso Futura I seien, eben so gebildet wie die Griechischen
Futura auf - ö co (Madwig , opusc. alt. p. 60. Bopp, a. 0.).
G. Hermann hat bereits aus dem Gebrauch dieser Futurformen
nachgewiesen, dass sie Futura II sind (Ind. lecl. Lips.hib. 1843)
und das sagt auch ein Lateinischer Grammatiker an den betref-
fenden Stellen ganz bestimmt, wenn er ulso erklärt ultus fuero
(Non. II p. 126. G.). Mit Recht ist daher jene Ansicht schon von
anderen Sprachforschern verworfen worden {G. Curüus , de Verbi
Latini futuro exacto et perfecti conjunclivo. Progr. Dresd. 1844.
Weil u. Benloew, Accent. Latin, p. 125). Die Bildung jener Latei-
nischen Futnrformen darf von der grossen Klasse Altlateinischer
synkopierter Verbalformen nicht getrennt werden , einer zufälligen
Aehnlichkeit mit dem Griechischen Futurum zur Liebe. Die beiden
3*
— 36 —
Lateinischen Futurformen a c c e p s o und a c c e p e r o sind also ebenso
unzweifelhaft aus einer ursprünglichen Form accepiso entstanden
wie o cce psit und occeperit aus occepisit, und capso, faxo
für capsi-so, facsi-so sind von den alten Perfekten capsi,
faesi gebildet wie die Conjunctivformen capsit, fax it.
Wenn man übrigens sieht, wie bei Plautus oft kurz hinterein-
ander und fast in einem Athem die vollen und die synkopierten For-
men gebraucht sind, wie e m u n x i s t i,' Most. 1110, neben e m u nx t i ,
Most. 1109, dixisti, Merc. 658, neben dixti, Merc. 658, ad-
v e x i s s e , Merc. 40 1 , neben advexe, Merc. 333 vorkommen , so
wird man der unten näher dargelegten Ansicht beizutreten geneigt
sein, dass das i dieser Formen im Volksmunde zeitweilig ein stum-
mer oder unmessbarer Vokal war, den die ältere Dichtung bald zur
Geltung einer vollen Kürzung steigerte, bald als niehtsbedeutend für
die Versmessung überging und die Schrift bald schrieb, bald nicht.
Fragt man nun nach dem Zeitalter der Lateinischen Sprache,
in dem die vorstehenden Formen gebräuchlich waren, so erhellt zu-
nächst, dass dieselben in sehr ferne Zeiten zurückweisen. Aus den
Anführungen der Grammatiker wissen wir, dass sie in den ältesten
Urkunden der Lateinischen Sprache vorkamen, in Satzungen die
man König Numa zuschrieb, in den Gesetzen der zwölf Tafeln, in
alten Gebeten und Weiheformeln, in Priesterbüchern und Augur-
sprüchen (vgL oben oc eis it, sponsis , faxit , faxitis). Dass
sie in der Volkssprache der Punischen und Ma cedonischen
Kriegsjahre gänge und gäbe waren , zeigt ihr häufiges Vorkommen
bei Plautus und bei den seenischen Dichtern desselben Zeit,
alters; aber schon bei Terenz erscheinen sie bei weitem selte-
ner als bei Plautus. Auch die volkstümliche Satire des Lucil ins
brauchte diese Formen der Volkssprache, und so finden sie sich noch
vereinzelt in den Satiren des Horaz und Persius vor. Die dakty-
lische Poesie desEnnius und Lucretius hat diese Formen
nicht verworfen, und daher kommen sie noch bei Vergil mein fach
vor. Catuli bewährt auch in dem verbältnissmässig baldigen Ge-
brauche dieser Formen der Volkssprache das volksthümlich Römi-
sche Gepräge seiner Dichtungen. Nach dein Beispiel der Dichter
der Augusteischen Zeit brauchen auch spätere Dichter wie Per-
sius und Ausonius noch gelegentlich diese alten Formen wie ei-
nen Roccocozierralh für ihre Verse. Die Tochtersprache des Latei-
nischen, die Italienische hat solche synkopierte Perfekt formen
— 37 -
unmittelbar aus der Römischen Volkssprache ererbt. Die Italieni-
schen Formen desti, deste sind aus den Lateinischen dedisti,
dedistis durch das Mittelglied der synkopierten Formen ded'sti ,
ded'stis geworden, ebenso wie stesti, steste durch die synko-
pierten Lateinischen Formen stet'sti, stet'stis von den ur-
sprünglichen stetisti, stetistis sich herleiten. Es erhellt also,
dass manche der oben behandelten Perfektformen in allen Zeitaltern
der Lateinischen Sprache gebräuchlich gewesen sind.
Es sind nun die oben angeführten Verbalformen der vokal i-
schen Conjugationen wie negassim, peccasso, celassis,
prohibessis,cenassit,habessit, mulcassitis, maetas -
s i n t , p ro h i b e s s i n t in Betracht zu ziehen. Man könnte versucht
sein sie von alten auf -si gebildeten Perfektformen herzuleiten, als
solche Hessen sie sich lautlich sehr wohl erklären; aber es ist keine
Spur zu finden, dass die abgeleiteten Verba der A-, E- und I-Conju-
gation jemals ihr Perfekt so gebildet hätten. Allen ist durchgehends
die Perfektbildung auf -vi, -ui eigen; aus dieser muss man also
die in Rede stehenden Formen zu erklären suchen. Die Formen
negassim, peccasso, celassis sind abgekürzt aus ursprüngli-
chen negavi-sim, pecca-vi-so, celavi-sis. Aus diesen wur-
den nach den schon besprochenen Laulwandelungen einerseits ne-
gaverim, peceavero, celaveris, andererseits aber fiel das v
wie so häufig aus zwischen zwei Vokalen, und das hatte wie gewöhn-
lich den Ausfall des folgenden Vokales zur Folge. So entstanden
also die Formen n e g ä s i m , p e c c ä s o , c e 1 a s i s. Der Hochton hat
im Lateinischen, worauf schon in dem Abschnitt über die Aussprache
hingewiesen ist, die Wirkung gehabt dem consonantischen Bestand-
teil der hochbetonten Silbe eine verschärfte Aussprache zu verlei-
hen, wie sie durch doppelte Schreibung des Consonanten aus-
gedrückt wird. So ist die Aussprache und Schreibweise quat-
tuor, Iuppiter, querel\a u. a. zu fassen, so wurde für clasis,
ein Verbal substantivum das vom Verb um calare durch das Suffix
-si (-ti) ebenso gebildet ist wie messis von metere und eigentlich
A u -f r u f , Aufgebot bezeichnet, mit verschärfter Aussprache c 1 a s -
sis gesprochen; so findet sich für basim die Schreibweise bas-
sim; causa ist von der Verbalwurzel cav- von cavere gebildet
wie pausa von dem Stamme pav-, der in ttccvco erscheint, und
bedeutet eine gehütete oder gewahrte Sache, daher die ange-
fochtene und vertheidigte Sache vor Gericht und infolge dessen die
- 38 —
Ursache ; für causa findet sich aber schon auf alten Schriftdenkmälern
caiissa geschrieben. Dieselbe Schärfung und Verdoppelung des s
zu s s durch Einwirkung des Hochtones fand nun auch in jenen
Verbalformen negäsim, peccäso, celäsis statt und so erhielten
sie die Gestaltung negassim , peccasso, celasso.
Auch diese Formen waren nur in sehr alten Zeiten gebräuch-
lich. Verrius Flaccus las plorassit in einem Gesetz des Servius
Tul litis, und Cicero führt eine ganze Anzahl solcher Formen aus
A Uro mischen Gesetzen an. Zur Zeit des Pia u tu s und der
älteren scenischen Dichter überhaupt waren dieselben noch im
Volksmunde lebendig und finden sich daher häufig bei diesen Dich-
tern. Aber schon bei Terenz kommen sie nur ganz vereinzelt
vor und aus dem späteren Dichtergebrauch sind sie ganz ver-
schwunden. Da sich auch auf Inschriften keine Spur weiter von
diesen Formen findet, so muss man glauben, dass sie schon ge-
raume Zeit vor Augustus ausser Gebrauch gekommen sind.
Es bleiben nun noch einige sehr merkwürdige synkopierte
Formen zu besprechen übrig, Reste einer alten Passivbildung
des Perfekts und der davon abgeleiteten Formen mittelst Anfü-
gung des reflexiven Pronomens -se an die activen Formen, wie dies
im Präsens, Imperfectum und Futurum I der Fall ist. Die erste
dieser Formen ist
faxitur, Liv. XXII, 10, 6. ed. Weisscnb.
In einem Pontificalgesetz über das vor sacrum heissl es an
dieser Stelle: si antidea senatus populusque iusseril fieri
a c faxitur, eo popul us solutus über est o. Es ist klar, dass
faxitur hier die Bedeutung von factum fuerit, factum erh
hat, und ebenso deutlich, dass es aus faxit gebildet ist, in dem das
aus dem reflexiven Pronomen -se abgeschwächte -r als Passivzeh heu
mittelst des Bindevokales u angefügt wurde wie agitur aus agit.
Die zweite dieser sprachgeschichtlich wichtigen Formen ist .
nanesitor, Fest p. 166,.
Die handschriftliche Ueberlieferung der Stelle ist folgende:
Nancitor in XII r na et us erit', 'praeno erit'. Item in
föedere Latin o epecuniam quis nancitor, habeto', et:
esi quid pignoris na scis ci t ur, sibi habeto'. Die Emenda-
tion praenderit bedarf keiner Rechtfertigung. Die Erklärung
des Verrius Flaccus cnactus erit, praenderit9 zeigt, dass es
sich in allen drei Gesetzstellen um eine und dieselbe dritte Pers.
-r- 39 ~
Sing. Fat. II von nancisci handelt und diese auf -tur, -tor
auslautete nie eine Form des passiven Präsens; dass diese nicht
zweimal nancitor und einmal nasciscitur lauten kann, und
dass diese Schreibweisen unmöglich als Formen des passiven Futu-
rum II sprachlich erklärt werden können, ist ebenfalls klar. 0. Mül-
ler hat also für alle drei Stellen die passive Futurform nanxitor
unzweifelhaft richtig angenommen, die vom Stamme nanc- genau
ebenso gebildet ist wie faxitur vom Stamme ,fac-, das heisst aus
na nc-si-sit-ur durch Ausfall des Perfektcharakters c entstanden
ist. Dies wird bestätigt durch die Form:
r e n a n c s i t u r , Fest. p. 227 :
renancitur Verrius significare ait c repr ehenderit'.
Unde adhuc nos dieimus *nanci s eitur5 et 'nactus' id
est fadeptus'. Auch re nanc itur kann unmöglich eine Form
der dritten Person Sing. Ind. Fut. II bezeichnen, auch hier ist re -
n a n c s i t u r oder r e n a n x i t u r die Form gewesen, die Verrius Flac-
cus vorfand. Aus der Zusammenstellung der fehlerhaften Schreib-
weisen nancitor, nancitur, nasciscitur, renancitur ist
schon oben der Schlnss gezogen worden, dass nicht an vier Stellen
durch denselben Schreibfehler für x c geschrieben sein könne, dass
das c vielmehr in jenen alten Sprachdenkmälern wie die Gesetze der
zwölf Tafeln und die Urkunde des Latinerbundes, die Verrius Flac-
cus vorlagen, wirklich geschrieben stand, und in denselben durch
es noch diejenige Lautverbindung bezeichnet wurde, für welche die
ältesten uns vorliegenden Lateinischen Schriftdenkmäler schon den
Buchstaben x oder xs schreiben. {Vgl. I, 5.)
Auch von einem Verbum der A-Conjugation ist uns eine eben
solche Form der dritten Person Sing. Ind. Fut. II erhalten in:
turbassit u r, Cic. legg. III, 4,11.
Der Text des alten Gesetzes in dem die Form vorkommt lautet
nach der Ueberlieferung der besten Handschriften: Ast quid tur-
bassit ur in agendo frans auctoris esto (vgl. Feldhügel,
Cic. de legg. p. 113). Nach dem ganzen Zusammenhange der Stelle
scheint die in den Text aufgenommene Verbesserung actoris für
auctoris unzweifelhaft. Der Sinn jener Worte ist demnach: Was
wider die Ordnung beim Tagen der Versammlung unternom-
men wird, soll dem Vorsitzenden zur Last fallen. Jedenfalls ist
sicher, dass t u r b a s s i t u r : t u r b a t u m e r i t bedeutet und von t u r-
- 40 —
bassi t ebenso gebildet ist wie faxitur von faxit, wie nancsi -
tor von nancsit.
Diese vier Formen faxitur, nancsitor, renancsitur, tur-
bassitur beweisen, dass in alten Zeiten die Lateinische Sprache
sich durchgehends der Passivbildung mittelst Anfügung des
r e f 1 e x i v e n Pronomens - s e bediente, auch in den P e r f e k t e n
und den davon abgeleiteten Tempusformen, dass die Umschrei-
bung des Perfekts durch das Participium mit dem Hülfsverbum
esse zur Bezeichnung der passiven Bedeutung nicht von je her in
der Sprache herrschend war, dass zu Zeiten der Decemviral-
gesetz gebung die alte Passivbildung noch gebräuchlich war,
dass sie aber in der Zeit, wo die auf uns gekommenen Lateinischen
Schriftdenkmäler beginnen, schon aus der lebendigen Sprache ver-
schwunden war, mochte sie auch in einzelnen Gesetzesformeln nach
herkömmlicher Weise vielleicht später noch geschrieben werden.
Wann die umschreibenden Perfektformen wie factum est,
n an et um est u. a. angefangen haben in der Sprache Platz zu
greifen, lässt sich nicht ermessen. Das ist aber der Entwickelungs-
gang der Sprachen, dass sie für alle organische durch Suffixe gebil-
dete Flexionsformen, wenn dieselben sich abgestumpft und abgenutzt
haben, neue durch Umschreibung hergestellte einsetzen. Das Latei-
nische hat für eine allere mit einem Suffix gebildete Passivform zum
Thcil eine Umschreibung mit dem Hülfsverbum esse eintreten las.
sen, seine Tochtersprachen, die Romanischen, brauchen habere
und esse als Ilülfsverba auch zur Umschreibung des activen Per-
fekts und der von demselben abgeleiteten Formen, nachdem die al-
ten Conjugationsendungen durch Abi, dl auslautender Consonanten
und Schwächung auslautender Vokale verwischt und abgestorben
waren, wie sie mittelst des Pronomens i 11 e und der Präpositionen
d e und a sich eine umschreibende Declination schufen, nachdem
die Flexionsendungen der Lateinischen Declination, wie urczci^i ist,
schon in-der Spätrömischen Volkssprache zertrümmert worden waren.
Vergleicht man mit den hier besprochenen Lateinischen Ver-
balformen, die durch Ausfall eines i gekürzt sind, Oskische und
Umbrischc Formendes Conjunetiv Perfecti und Indicativ Fut. II, so
tritt ein merkwürdiger Gegensatz heraus.
Gleichbedeutend neben einander sieben folgende Oskische
und La t ein i sehe Formen der drillen Person Sing. Conj, Perf. und
Ind. Fut. II Aclivi :
— 41 —
Osk. Lat. Altlat
dicust, dixerit,
fefacust, fecerit, faxit,
fust, fuerit,
h i p u s t , h a b u e r i l , h a b e s s i t ,
p r u h i p u s t , p r o h i b u e r i t , p r o h i b e s s i t ;
ebenso verbalten sich :
TJmbr. Lat. •
covortust, Converter it.
( Vgl.Momms. Uni. Dial. Gloss. U?nbr.Sprachd. Wortverz. I, 145. /'.)
Während die Altlateinischen synkopierten Formen das cha-
rakteristische i des Perfekts einbüssten, schwand im Oski-
schen der Vokal zwischen s und t der Endsilbe, ie, I oder e, der in
der angefügten Conjunctivform -siet, -sit oder -set von Wurzel
-es die Conjunctivbezeichnung war.
Das Umbrische wirft von den Formen wie covortust auch
noch das auslautende t ab, und so entsprechen sich:
Umbr. Lat.
fus, fuerit,
h a b u s , h a b u e r i t ,
c o v o r t u s , converterit
(Umbr. Sprächet. AK. I, 146).
Das Volskische hat dasselbe t abgestossen in der Form :
atahus, Verf. d. Volscor. ling. p. Ib. f.
Vergleicht man die Oskische Form hipus t mit der Umbrischen
habus und der Lateinischen ha b es sit, so zeigt sich, dass die
Umbrische und Oskische Form zwei Vokale eingebüsst haben,
das charakteristische i des Perfekt um und das Con-
junetiv zeichen i , e. Die Lateinische Form h a b e s s i t hat zwar
das ganze Perfekt zeichen -vi eingebüsst, aber in dem verschärf-
ten und doppelt geschriebenen ss ist ein Denkzeichen des ge-
schwundenen Suffixes geblieben und das Conjunctivzeichen i ist un-
versehrt erhalten. Die gewöhnliche Lateinische Form habuerint
steht der ursprünglichen habe-vi-sint darin am nächsten, dass
sie die bezeichnenden Bestandteile gewahrt hat, wenn auch in
etwas geschwächter Gestalt, und nur den Classenvokal e eingebüsst
hat, was der Durchsichtigkeit der Form am wenigsten Eintrag thut.
Wenn nun Durchsichtigkeit und Deutlichkeit der Wortbestandtheile
in Wortbildung und Wortbiegung ein Vorzug ist, so kommt dieses
— 42 —
unter den nebeneinander stehenden Italischen Formen der gewöhn-
lichen Lateinischen Form h ab u er int zu. Und wenn ein
verschwommenes Antlitz, ein verkrüppelter Leih hässlich ist, dann
darf man wohl solche verknorpelte und bis zur Unkenntlichkeit
verstümmelte Formen wie Umbrisch habus, Volskisch atahus
hässlich nennen.
Dass in den Italischen Dialekten sonst der Vokalausfall
gewohnlich an derselben Stella des Wortes und zwischen
denselben Consonanten stattfindet wie im Lateinischen,
wird in dem Abschnitt über jilie Betonung der Italischen Dialekte
durch eine Zusammenstellung von Beispielen dargethan werden.
b) Vokalausfall in der Composition.
Ist schon in einfachen Wortern das Schwinden und Verküm-
mern des Wortkörpers in Folge von Vokalausfall häufig, so greift
dies noch weiter in zusammengesetzten Wörtern der La-
teinischen Sprache, deren Bestandtheilc durch Vokalausfall oft so in
einander verwachsen und verknöchert sind, dass sie sich schwer
wieder herausfinden lassen.
Für den unmittelbaren Ausfall eines a in einem der beiden Com-
positionsglieder giebt es kein Beispiel; denn dass cogo nicht aus
coago sondern aus coigo, cogito nicht aus coagito sondern
aus coigito zusammengezogen ist, bedarf keines Beweises mehr.
Auch in der Form der späteren Volkssprache coctus für coactus,
die Caper {Orthogr. 2210) tadelt, assimilierte sich das a dem vor-
hergehenden o, ehe es mit demselben verschmolz. Dass in den Bil-
dungen dar us, clamor, clamare, classis von calare das
wurzelhafte azu u sich verdunkelte ehe es ausfiel, ist aus i\vv Form
n o m c n c u 1 a t o r {Marl. Kp. X, 30, 23) st alt n o m e n c 1 a t o r für
nomenealator zu schliessen.
Ein o im zweiten Theile eines Compositum ist häutig ge-
schwunden, nachdem ein v, j oder h ausgefallen war. So in:
quo-rsum, d e x t r o - r s u m ,
ho-rsum, sini st ro-rsum,
illo-rsum , ext ro-rsum ,
pro-rsus, i n t r o - r s u m ,
isto-rsum, ret ro-rsum.
— 43 —
Bloss das o schwand in :
rursus, für revorsus.
Nach Ausfall des o erweichte sich v vor folgendem Consonan-
ten zu u , und e u verschmolz zu u wie in nutiqjuam für neuti -
q mm, n u 1 1 u s für n e u 1 1 u s u. a. ; -ferner in :
sursum, für s üb vors um;
aus subv-rsum mussten nach Ausfall des o auch bv vor folgendem
r schwinden.
Indem nach dem o vor s noch das r sich assimilierte und dann
schwand, ging die ganze Stammsilbe des Verbum vor lere verlo-
ren in :
pro-ssum, Plaut. ru-ssum, Plaut.
pro-sa, ru-sum, su-sum,
und dies Schwinden eines bedeutungsvollen Worttheiles veranlasste
zur Wiederverdeutlichung die neue Composition: •
su so -vors um.
Der Vokal o ist ferner ausgestossen in:
Ma-urtc, l. Für. Momms. U. D. p. 276.
Mä-rs,
ma-lo,
n o - 1 o , , •
mox, für movox von movere (vgl. velox u. a.)-
Durch Ausfall eines n und Uebertragung des Hauchlautes h auf
das anlautende c verschmolz :
chortis, /. N. 3619. 6S18 zu cohortis;
durch Ausfall des n mit folgendem j :
cuncti zu co-iuncti
durch die Mittelstufe Co uncti.
Durch blossen Ausfall eines j entstand:
hörn um, für hoiornum.
Nonius erklärt ß. 83. G.: hörn um, ipsius anni.
Da nun das Jahr im Goth. jer, Althochd. jär heisst , dem
Griechisch cjqo- (Hesych. v. coQoyQacpot) entspricht ; so ist
man berechtigt auch für das Lateinische ein altes Wort iöro- der-
selben Bedeutung anzunehmen. Von diesem ist hoiornum ge-
bildet wie ho die rn um von dies und hoiornum zu hörn um
verschmolzen wie im Althochdeutschen hiujaru zu hiuru
(heuer, Graff, Althochd. Sprachsch. IV, 694).
— 44 —
Durch blossen Ausfall des m der Präposition com verschmolz:
copi, aus co-opi,
copia, co-opia,
copiosus, co-opiosus,
wo das m von com ausfiel wie in cooperare, coopertus,
- cooptare u. a.
Von dem Hauptzahlwort quatuor, Sanskr. catvar, Goth.
fidvor, das gegen die Etymologie gewöhnlich quattuor geschrie-
ben wurde , kommen die Composita :
quadra-ginta, für quatuora-ginta.
Hier fiel das u aus, wie die Form quattor zeigt, die dem
Sanskr. catur entspricht, das o sank zu e wie in quaterni, qua-
ternio, quater für quatuor-ies, das e fiel aus und das t er-
weichte sich vor folgendem r zu d. Ebenso sind durch Ausfall von
-uo im ersten Gliede des Compositum gekürzt:
quadra-gies, quadri-ngenties,
q u a d r a - g e n a , qua dri- n gent eni.
quadri-ngenti ,
Ueber den zweiten Theil dieser Zusammensetzungen, der seit
uralten Zeiten vor der Sprachtrennung durch Vokalausfall mannig-
fach verstümmelt ist, wird noch weiter unten die Rede sein. Ebenso
sind durch Ausfall des u o gekürzt q u a d rare, q u a d r a I u s aus
quatuorare, quatuoratus ; am stärksten aber verstümmelt er-
scheint die Hauptzahl in der Ordnungszahl quartus für q uatuor-
t u s , durch die Mittelstufen q u a t o r t u s , q u a t e r t u s , q u a t r t u s.
Die Accusativcndung -um, alt -om, von 0-stämmen ist ausge-
fallen in den Zusammensetzungen:
ven-do, ven-eo, anim-ad ve rt o,
wie dieselbe Endung in nihil für nihil um verschollen ist.
Das o des angefügten Adverbium pote für potis fiel aus in :
m e - p l c , Plaut. Neu. 1 059, vgl. u t - p o I e ,
mihi-pte, Cato pro 'mihi ipsi', Fest, p. 152. 151.
e o - p t c ,
meo-pte, tuo-pte, suo-pte,
vo-pte, pro cvos ipsi', Ca(<K Fest p. ^79.
Das pt dieser Anfügung assimilierte sich dann zu pp in:
q n i - p p c ,
ipsi-ppe, ipsineque alii, Fesl.p.\Qb.
~ 45 —
Viel seltener als o ist u ausgefallen. So in den Zusammen-
setzungen, deren erster Bestandteil manu- ist, also in:
man-suetus, man-tele,
man-datum, mal-luvium.
man-cipium,
Ein aus a entstandenes u fiel im zweiten Compositionsgliede aus
von :
nomen-clator, vgl. nomenculator, Marl. Ep. X, 30, 23,
da das a von calare sich im zweiten Gliede des Compositum zu u
schwächte wie in occulo , occultus neben coli m, %akvitTG3.
Von der Ausstossung des u in den Compositen :
m a n i - p 1 u s , s i m - p 1 u s , d u - p 1 u s , t ri - p l u s
ist schon ohen die Rede gewesen.
Viel häufiger ist der Ausfall des e in einem der beiden Composi-
tionsglieder.
So ist das erste Glied der Composition durch Ausfall eines e
verstümmelt in:
ben-ficio, /. N. 5237.
ol-facio,
ar-facito, Cato R. R. 69. 125.
ma-volo, für mage-volo,
nun-dinae, novendinae,
nun-cupo, nomen cupo,
indem, nach Ausfall des e, m sich zu n assimilierte vor folgendem
Consonanten , aber nur ein n geschrieben wurde.
pos-se, fürpot-esse, Plaut, vgl. pote-esse,
Most. 1015. p o t i-si t , Sc. d. Racc.
Vielfach sind die Formen der Zahlwörter und der von ihnen ge-
bildeten Wörter durch Ausfall eines e im ersten Gliede der Composi-
tion verstümmelt ; so in :
quinq-ennium,
quinc-unx,
und mit Ausfall des.c in:
quin -decim ,
quin - tus,
mit Wegfall der ganzen Silbe -ein in:
dec-unx, sept-unx,
dec-ussis, sept-ussis,
dec - uria ,
— 46 —
dec-ennium, sept-ennium,
dec-ies, sept-ies,
dec-imus, sept-imus.
In den Formen septua -ginta , septua-gies, septua-
gesimus, septu-ennis, septu-ennium steckt hingegen
eine Nebenform von Septem: septnm, die ihr auslautendes m
eingebüsst hat wie Griechisch S7ttcc.
Ebenso ward nov em durch Ausfall der Laute ve oder vem ver-
stümmelt im ersten Gliede der Composition in :
no-n-genti,
no-na-ginta, vgl. no-nus, nov-ies.
In nonaginta ist also nona Ordinalzahl wie eßdo[i7] im
Griechischen ißdo[H]'xovtcc; die Romer sagten die neunten
Zehner wie die Griechen die siebenten Zehner statt neun-
zig, sieben-zig.
Ebenso häufig ist der Vokal e im zweiten Gliede von Composi-
ten geschwunden, und vielfach steckte er durch seine Auszehrung
den folgenden Consonanten an, so dass auch dieser wegfiel.
So fiel das c der Reduplicationssilbe aus in:
reccidi, verglichen mit cecidi,
repperi, peperi,
r e p p u 1 i , p e p u 1 i ,
rettuli, tetuli.
In dem Abschnitt über den Buchstaben c(1, 30G.) ist schon nach-
gewiesen, wie die Zahladverbien :
vic-ies, entstanden sind aus vicent-ies,
tric-ies, tricent-ies,
q u a d r a g - i e s , quadragcnt-ics,
sexag-ies, sexagent-ies ,
septuag - ies tu a. sept uagent - ies.
Die Vcrgleichung der Zahlworter in den verwandten Sprachen
lehrt, dass die Endung -ginti , -ginta in den Zehnern aus de -
cenli, deccnta entstanden ist. Wie Sanskr..vin - sali, Griech.
Ffi-xart, p€c-xo6t, Lat. vi -ginti, Goth. tvai-tigjus
zeigen, haben diese Sprachen meist den ersten Bestandtheü des Wor-
tes, das zehn ausdruckt, da- oder de-, verloren und nur den zwei-
ten -san, -com, wie er in Sanskr. das'an , 1.;»!. decem sich
zeigt, in irgend einer Gestall bewahrt. Nur das Gothjschc hat
intig- den ersten Bestandtheü bewahrt, der Sanskr. das-, Lat.
— 47 —
dec-, Gr. dsx- lautet, und in«diesem tig- liegt der sichere Be-
weis, dass Lateinisch:
vi-ginti , entstanden sind aus dvi-decenti,
tri-ginta, tri-decenta
und zwei Zehner, drei Zehner bedeuten, so sicher wie zwan-
zig, drei-ssig, Goth. tvai-tigjus, threis - tigj us {vgl.
N. Jahrb. LXVIII, 247. /.). Der Ausfall des e, durch den aus dvi-
decenti viginti wurde, stammt, wie die verwandten Sprachen
zeigen, aus Voritalischer Zeit.
Der Stammvokal des zweiten Compositionsgliedes ist geschwun-
den in :
p r a e - d a , für p r a e - h e n d a ,
prae-dium, prae-hendium;
die Beute und das eroberte Landgut werden also als etwas er-
griffenes bezeichnet, wie der Knecht durch maneeps als der
mit der Hand Gefangene bezeichnet wird. Ebenso fiel e
aus in :
s u r-p t a, PL Pers. 1 50 u. a., für s u r r e p t a ,
denn das u der Plautinischen Form subrupta schwächte sich zu e,
bevor es ausfiel.
p o r - c e t , Enn. Fahl. p. 138. por-ercet, vgl. ab-ercet,
co -er cet ,
co-nlio, für conventio', vgl. co-ventionid , Sc. d. Bacc.
re-friva, Fest. p. 277, für referiva,
und in allen Compositen, deren zweites Glied von dem Verbalstamme
gen- in g e n u s , g e n s abzuleiten ist, wie :
pro-gnatus, privi-gn'us, I, 192. vgl. oenigenos, I, 195.
E - g n a t i u s , m a 1 i - g n u s ,
bi-gnae, beni-gnus,
Peli - gnus.
Das e der Wurzel gen - fiel auch aus in den einfachen Wörtern
gn-a-vus für gen-a-vus, Gn-a-ivus (Gnaivod, t. Scip.
Barb.) für G e n - a - i v u s, beide von einem alten Verbum g e n - a - r e
durch die Suffixe -vo, -ivo gebildet. Das Participium dieses
Verbum, gnatus, büsste nach Ausfall des Stammvokales e auch
das anlautende g ein und so entstand natus, wie aus gna-
sci nasci.
Noch häufiger als e ist i in Compositen ausgefallen.
— 48 —
Das auslautende i des ersten.Compositionsgliedes, sei es dass
es einem I-stamme angehört oder aus dem o eines O-stammes abge-
schwächt ist, fiel aus in:
a u - s p e x ,
au - ceps,
nau-fragus,
nau-stibulum, Fest. p. 169. vgl. na u seit, für na vi seit, Fest.
na uta, navita. a.o.
Iu-piter, für Iovi-piter,
o-piter, avi-piter,
u-pilio, ovi-pilio , I, 315.
pru-gnus, privi-genus,
das durch die Mittelstufen priugenus, priugnus sich zu
prugnus kürzte,
sacer-dos, vgl. sacri-ficium,
sacri-legium,
o i n - v o r s e i , Sc. d. o e n i - g e n o s , u n i - v e r s i ,
Bacc.
un-orsum, Liter. IV, 260.
u n - d e c i m ,
un-deviginti,
nas-turtium, für nasi - tor c - tiu m (torquere);
dieses Wort bezeichnet die Kresse wegen ihres scharfen und
beissenden Geruches als N a s e n q u ä 1 e r oder Na s e n k r ä t z e r.
Nach Ausfall eines solchen i tritt Consonantenassimilation
ein in :
sin-eiput, für semi-cip.ut,
pr in -ceps, primi-eeps,
of-ficina, opi-ficina,
pel-luvium, pedi -luvium.
Der Consonant vor i fiel mit diesem aus in :
-nien -ceps, für menti-eeps,
se-libra, semi-libra,
se-stertius, s e m i s - 1 e r t i u s ,
s i n - c i n i a m , Fest, s in gi - ci niam.
p. 337.
Verrius Flaccus erklärte das Wort : c a Dtione m s o 1 i l a r i a m ;
die Bedeutimg Ein zeige sang ist in dem Compositum ausgeprägt
durch das Grundwort von singulus, singus.
— 49 —
h o m i - c i d i U m , für h o m i n i - c i d i u m ,
s a n g u i - s u g a , san guin i - s u g a ,
pau-per, pauci-per, vgl. puer-pera,
v i - p e r a ;
der Anne wird durch dies Wort als der Wenig-schaffende oder
W e n i g - e r w e r h e n d e bezeichnet.
s t i - p e n d i um , s t i p i - p c n d i u m ,
cor-dolium, c o r d i - d o 1 i u m ,
v e n i - f i c i u m , v e n e n i - f i c i u m.
Noch mehr entstellt und undurchsichtig geworden sind diejeni-
gen 'Composita, die im zweiten Gliede das i ihres Stammes eirigebüsst
haben, wie :
su-rgo, für sub-rigo,
e x p e r r g i s c o r , e x p e r - r i g i s c o r ,
por-gere, por-rigere,
Enn. Vahl. p. 178. cf. Serv. Verg. Aen. I, 2G. Verg. Aen. VIII, 274.
s u - rpio , sub -ripio.
So bei Plautus, RitscM, Prot Trin. p. 95; vgl. surpite, Hör.
Sat.M, 3, 283.
Anlautendes i des zweiten Compositionsgliedes fiel aus in fol-
genden Compositcn von emo und ago:
co-mo, co-go; nar-ro, von g nar-igo, Fest. p. 9b,
s u - m o , c o - g i t o , p u r - g o , p u r - i g o ,
d e - m o , d e - g o , i u r - g i u m , i u s - i g i u m ,
p r a e - m i u m ;
co-mo und sumo haben die Perfecta com psi, sumpsi gebildet
neben d emi, wie p a n x i , p a r s i neben p e p i gi , p e p e r c i stehen .
p r a e - 1 o r
bedeutet eigentlich Vorgänger, Führer im Kriege, dann den
obersten Staatsbeamten überhaupt, endlich, nachdem das Richter-
amt vom Consulat abgezweigt war, Oberrichter, ähnlich wie das
deutsche Fürst aus der Bedeutung Vorderster zu dem jetzigen
Sinn gekommen ist.
in d u - l i a e
bezeichnet den Waffenstillstand als Einziehen in das Lager
oder in die Vaterstadt. Hierher gehören auch :
de- curia, für decemviria,
cen- 1 u ria, ^e n t ü m vir ia.
CORSSEN II. 4
— 50 —
Nach Abfall der Endung -em von den Zahlwörtern löste sich
v nach c und t zu u auf und ui verschmolz zu u wie in senatus
für senatuis.
prudens, für prö-videns,
p r a c s , prae-vides,/. agr. ( Thor.)
Nach Ausfall eines h schwand das i im zweiten Compositions-
gliede in:
de-beo, für de-hibeo,
p r a e - b e o , p r a e - h i b e o.
Noch zu Plan lus Zeit waren die vollen Formen in Gebrauch
(Bitschi, Prot. p. 104. Vgl Cure. 570. 723. Bacch. 260.272. Trin.
426. Pseucl. 182 w.o.).
prae-biae, prae-hibiae ,
pro-bet, Lucr., Lachm. pro-hibet,
Cqpm.p. 134.188.
pro- b e a t , a. 0. pro-hibeat,
m a n u - b i a e , m a n u - h i b i a e ,
m a n u - b r i u m , m a n u - h i b r i u m ,
i u - b e o , ious-hibeo;
tuber e heisst für Recht hallen, wie rat um habere für
gültig halten; in dem Rechtsstaale der Römer konnte nur die
Volksversammlung etwas für Recht erklären, daher: populus iu-
bet, velitis iubeatis Quirites; was aber die höchste Siaais-
gcwalt für Rechtens ball, das beßehlt sie und so komnil iubere zu
dein allgemeinen Sinn befehlen. Aus ious-hibeo ward durch die
Mittelstufen iousibeo, iousbeo, ioubeo, iübeo endlich
i üb e o.
Aehnlich entstand:
ape, Fest. p. 22. aus ab-bibe, •
die Erklärung: ape apud antiquos direbalur 'prdhibe,
conipesce', zeigl, dass das Worl abhalten bedeutete; der
Wechsel von p für b isi oben besprochen (I, 60).
In der spätem Volkssprache findet sieb noch Ausstossung eines i
im zweiten Theil ?on Compositen in:
Restuta, /. .V. 5655. vgl. Restilutus, /. .V. 4966.
Resl ulus, /. .V. 1322.
1619. 1712. «
17 is. 4969.
- 51 —
Das i der Reduplicationssilbe ist ausgefallen in:
constit, /. N. 3528, für constitit,
praesti, I. N. 6313, praestiti.
Dass in allen diesen Compositen es niemals die hoch-
betonte Silbe war, die ihren Vokal einbüsste oder ganz unter-
ging, während tieftonige Silben erhalten blieben, sei hier vorläufig
bemerkt. Weiter unten wird der Nachweis dafür geführt werden.
In der Altlateinischen Betonungsweise, die den Hoch ton auf dies
erste Compositionsglied legte, wurzelt der in der Lateinischen
Sprache so entschieden hervortretende Trieb die Compositionsglie-
der, namentlich das zweite Composition sglied , zu schwä-
chen und zu kürzen. Die schwachlautenden Consonanten j, v, h
zwischen Vokalen in der Wortfuge der Composita verstummten vor
diesem Trieb, die nach ihrem Ausfall sich berührenden Vokale ver-
schmolzen oder stiessen einander aus, so verwuchsen die Composita
in einander bis zur Unkenntlichkeit.
Am Schluss dieser Untersuchung über den Vokalausfall sind
hier besonders zwei sprachgeschichllich wichtige Ergebnisse ins
Auge zu fassen.
In dem Abschnitt über die Kürzung der Vokale in Endsilben ist
gezeigt worden, dass die ältere Sprache zahlreiche lange Vokale in
denselben kannte, welche in der Sprache der Augusteischen Zeit kurz
erscheinen. Hier finden wir schon die Altlateinische Sprache
auf dem Wege ihren Vokalismus zu verkümmern durch Aus-
stossung vokalischer Laute und infolge dessen durch Assimila-
tion, Trübung und Tilgung zusammenprallender Consonanten die
Fidle, Durchsichtigkeit und Bestimmtheit ihrer Ableitungs- und Beu-
gungsendungen wie ihrer Wortzusammensetzungen zu verwischen.
Das zeigen solche verkrüppelte Verbalformen wie cante im Car-
men Saliare, sirs im Carmen arvale, faxit, faxitis, sponsis?
o c c i s i t , n a n c s i t o r , r e n a n c s i t u r , f a x i t u r , t u r b a s s i l u r ,
prohibessit in alten Gesetzen und Gebetformeln, die abgestumpf-
ten Verbalformen d e d ro t , de d r o, f e et auf alten Weihegeschen-
ken und die durch Vokalausstossung gekürzten Nominalformen wie
Lebro, leibreis, Fostlus, Numsius, senatorbus auf
den frühsten der uns erhaltenen Inschriften. Das beweisen so arge
Wortverstümmelungen wie pol für Polydeuces, die schon in
der ältesten uns bekannten Sprache heimisch sind. Das zeigt
ebenso die Masse der synkopierten Verbalformen in der älteren
4*
— 52 —
scenischen Dichtung und die Menge der Composita , die durch
Vokalausfall eingeschrumpft und unkenntlich geworden sind wie
ape, iuheo, prosa, praes, praeda, surpio, surgo,
sumo. In dem Abschnitt über die Betonung wird, gezeigt werden,
dass der Vokalausfall immer nur die tieftonige Silbe treuen
konnte, und dass es die Gewalt des Hochton-cs war, die das Ton-
gewicht und die Tondauer der nächstfolgenden lieftonigen Silbe
schwächte und ganz verklingen liess.
Ein Rückschlag gegen diese einreissende Verderbniss der Vokal-
ausslossung trat ein, als die Römische Kunstdichtung, na-
mentlich die daktylische Poesie, nach dem Muster der Griechi-
schen der Tondauer oder der Quantität der Silben sorgsame
Aufmerksamkeit zuwandte und eine Menge halbverklungener voka-
lischer Laute wieder in ihr altes Hecht als volle Kürzen einsetzte.
Es ergiebt sich zweitens aus der geführten Untersuchung, dass
schwere und lange Vokale nicht plötzlich und unmittelbar
wie mit einem Schlage aus dem Wortkörper hinausge stossen
worden, dass vielmehr schwere Vokale sieb im Volksmunde erst er-
leichterten, lange sich erst kürzten, ehe sie ganz abstarben. Oben
ergab sieh, dass die Reihenfolge der Vokale nach ihrem Gewichte in
absteigender Staffel a, o, u, e, i war. Die eben geführte Unter-
suchung über die Ausstossung der Vokale fuhrt zu dem Ergebniss,
dass der A u s f a II de r V o k a 1 e i n g e n a u e m Verhall n i s s z u
ihrer Schwere steht. Für einen unmittelbaren Ausfall des
schwersten und vollkommensten Vokales a hat sich kein sicheres
Beispiel gefunden; es ward immer vorher zu u, e, i erleichtert.
Seilen fallt der nächste schwere Vokal 0 aus; alter auch er
schwächte sich vielfach er/t zu e oder i. ehe er schwand; viel
häufiger ist die Tilgung des u in Ableitungssilben wie in Com-
positionen. Noch weitgreifender und mannigfacher ist das
Schwinden des e in Wortformen jeder Art ; die zahlreichsten
und auffallendsten Verstümmelungen des VYorlköTpers sind aber
durch den Ausfall des leichtesten und dünnsten Vokals i in der La-
teinischen Sprache veranlasst, der, ein wahrer Hans in allen Gassen,
überall da Platz genommen hatte, wo vollere Vokale durch benach-
barte (Konsonanten verdrängt sind, und den nun das Schicksal traf
wie ein zudringlicher nichtssagender Geselle überall hinausge-
w orte n zu werden. Also je s ch W e re r der Vokal war, desto sel-
ten er fiel er aus, und je leicht er der Vokal war, desto ha u I i'~ ,i i
— 53 —
verklang er ganz. Das Hess sich freilich auch von vorn herein den-
ken ; aber wenn ein solches Postulat der Vernunft durch eine Fülle
sprachlicher Thatsachcn sich schlagend bestätigt findet, so legt das
Zengniss ah von einem organischen und vernünftigen Wallen des
Sprachgeistes, der nach innerer Notwendigkeit bildete und webte,
lange bevor der einzelne Mensch, der die Sprache redete, sich des-
sen bewusst wurde und somit eine Grammatik und Spracbphiloso-
phie entstehen konnte.
2) Abfall der Vokale.
Es ist schon besprochen worden, dass in diesem Abschnitte
über den Abfall der Vokale nicht bloss das Schwinden der Vokale,
wenn sie seihst u n m i I 1 e 1 b a r a u s 1 a u t e n , erörtert werden soll,
sondern auch, wenn sie vor denjenigen Consonanten stehen,
die im Auslaut so schwach lauteten, dass sie vielfach ganz abfielen
und verklangen, vor m und vor s. Die Anordnung des vorliegenden
Stoffes geschieht nach demselben Gesichtspunkt, der für den Vokal-
ausfall als maassgebend angenommen worden ist. Es ist ralhsam
auch hier die betreffenden Composita schliesslich zusammenzustellen,
zumal da sich vielfach nicht sicher entscheiden lässt, ob der Vokal,
den ihre Schlusssilbe eingebüsst hat o (u) oder i (e) gewesen ist.
a.
Für den Abfall des a ist ein Beispiel nicht nachweisbar.
u , o.
Das auslautende o von 0- Stammen fallt, wenn ihm ein r
vorhergeht , samml dem Nöminativzeichen s fort in folgenden Bil-
dungen :
Alexander, vgl. *A ki^avö^og , gener, niger,
Fvander, Evavd Qog , capei\ vafer,
E van dr us , a per, piger.
M e n a n d e r, Msv ccvöqo g, L i be r, pul c h e r,
conger, ydyyQog, gibber, aeger,
gonger, lber, Prise. VII, 12. //.
vgl. Anal. Gramm. E. E. p. 80. 223. Celli her, sacer,
presbyter, vgl. TrysGßvtsQog, rasier, integer,
vesper, eGitegog, ad u Her, uter,
- 54 —
cancer, vgl. KayxQog, ar biter, alter,
carcer, kuqxccqos , auster, neuter,
ager, aygog, teuer, alteruter,
socer, neben socerus, asper, sin ister,
uter, uterus, miser, d ext er
p u e r, p u e r u s, Caec. Afran . 1 a c e r. u.a.
Com.Ribb.p. 14. 160. über,
p r o s p e r , p r o s p e r u s ,
t e t e i*j Anal. Gr. t e t r u s ,
E. E. p. 445.
exte r, a. 0. neben e x t e r u s ,
c a n d e 1 a b er, c a n tl e 1 a b r u iu ,
scalper, scalprum,
M u leib er, Gen. Mulciberi, neben Mulciberis,
Mulcibri, Mulcibris,
calam ister, calamistrus,
calamis tru m.
Derselbe Abfall des o mit dem Nominativzeichen s zeigt sich in
den Formen:
vir, s a t u r.
Dasselbe gilt von der Form der späteren Volkssprache :
b a r b a r, Anal. Gr. E. E. p. 111
In Folge dieses Verlustes des Klassenvokales im Nominativ gin-
gen einzelne der angeführten Wörter in manchen Casus in die
consonantische oder die I-Declination über. So verhallen sieh die
Genetive canceris, Mulciberis, Mulcibris, Iberis, se-
questris zu cancri, Mulciberi, Mulcibri, Iberi, seque-
slri Wenn man in der späteren Volkssprache acrum, pau-
pera, tristus neben acre, pauper, hisiis sprach {Anal.
Gramm. Eich. Enal. p. 444), s<» ist dies Schwanken in einer Zeil
erklärlich, wo die Lateinischen Declinationen, wie oben gezeigt ist,
bereits im Untergang begriffen waren.
Ebenso isi bei vorhergehendem 1 das o eines O-slammes mit
dem Nominativzeichen s weggefallen in:
l'ainul, Enn. Ann. r. 317 für famuliis.
Aus der späteren Volkssprache sind zwei merkwürdige Formen
der Art aufbewahrt :
— oo —
figel, für figulus,
m a s c e 1 , in a s c u 1 u s
(Anal. Gramm. Eich. Enal. p. 413), die der Oskischen Form famel,
für famulus, genau entsprechen.
Nur vereinzelt ist vor dem auslautenden s des Nomiuatives das
o der O-stämme weggefallen, wahrend das s sich hielt, wie dies im
Umhrischen und Oskischen vielfach der Fall war. So in :
damnas, für damnatus,
sanas, s a n a t u s ,
Camp ans, Plaut. Campanus,
Trin. 545.
11 aus, Anal. Gramm. E. E. 444.
Ein aus o entstandenes u eines O-stammes ist sammt dem aus-
lautenden m des Accusatives abgefallen in:
nihil, für nihil um,
no n, n'-unum, n'-oen um, I, 11)7.
In dem Abschnitte idterden Diphthongen oe ist gezeigt, wie
noenum aus ne-oinum entstanden, aus noc num ward nun um
wie aus poena punire; nachdem nun die Endung -um abgefallen
war wie in nihil, lautete nun zu non um wie die Präposition
cum in der späteren Volkssprache durch cuii zu cou wird, da
die Lautverhindung -im im Auslaute dein Lateinischen fremdar-
tig ist.
donec, für donicum.
Das do in diesen Formen ist entstanden aus dio, dem Ablativ von
d ius, Ta g (vgl. nu-di us), der sich auch in q u u ndo, aliqua ndo
zeigt, indem das i sich versehlilV wie in minus für in in ius.
Der ebenso entstandene Accusativ dum für diurn hedeutel eigent-
lich den Tag lang, daher während. Demnach war der Sinn der
Zusammensetzung do-ni-c um ursprünglich an dem Tage nicht
wann, dann allgemeiner zur Zeit nicht wann. Das Wort be-
zeichnet also eigentlich nur die Zeit wo etwas nicht ist , dann auch
den Anfangspunkt des Seins oder des Werdens, der in bis
ausgedrückt liegt, und mit Verdunkelung der negativen Bedeutung
auch die Zeit wo etwas ist im Gegensalz zu einem Anderen das
später eintreten wird, also solange.
S e d soll nach Charisius p. 87. {vgl. Mar. Vicl.p. 2458) aus s e d u m
entstanden sein; allein es ist schon oben nachgewiesen, dass sed
Ablativ eines Pronominalstammes war. Sc -du m inuss durch Zu-
— 56 —
saromensetzung entstanden sein wie vix-d um, nc-dum und heisst
eigentlich a b g e s o n d ort indessen, daher aber, son d e r n .
Ebenso wie donec aus donicum entstand die alte Forin
sus-, Fest. p. 290, aus susu m, surs u ra
in der Formel susque deque, die nach Verrius Flaccus ursprüng-
lich surs u m deorsumque dann plus in i n u s v e bedeutet. Die
Endung um fiel ferner ab in:
ven-do, neben venum do,
ven-eo, venum eo,
a n i m - a d v e r t o , aninnim a d v e r t o ,
tri-nuridinum, trinuin n und in um.
Ueber das Verklingen -der schwach tönenden Silbe -um im
Auslaut, vor vokalischem Anlaut des folgenden Wortes und ihre
Nichtigkeit für die Versmessung wird weifer unten die Rede sein.
Die Ennianischen Formen im Versausgange,: cacl, Ann. v.
561. V. gau, d.O. v. 451, do, a.O. 563, für caelum, gaudiuin,
dorn um, lassen sich sprachlich nicht rechtfertigen. Schwerlich
sind sie etwas anderes als eine freilich übel gerathebe Nachahmung
des Homerischen öcj im Versschluss für dcj[i«.
In allen vorstehenden Fällen war es das schwache auslautende
in, das zuerst abfiel, so dass das u, o in der That im Auslaute stand
ehe es abfiel.
Ein auslautendes o isl abgefallen in den Präpositionen
ab, vgl. Gr. ex it o, Skr. ;ipa,
sub, vit 6, u pa.
Wie das o der O-stämme im Lateinischen und im Griechischen
einem Sanskrit, a entspricht, so muss man annehmen, dass im Latei-
nischen im Auslaut jener Präpositionen ein »> stand, wie im Griechi-
schen, das aus dem a der Sanskritformen abgeschwächt war,
i.
Eine Anzahl ursprünglicher [-stamme, sei es dass sie Nomina-
tivformen auf es oder auf is bildeten, haben den auslautenden Vo-
kal des Stammes i (e) vordem Nominativzeichen s eingebilsst und
sind so scheinbar oder wirklich in die Consonantische Con-
jugation übergetreten; bei weitem die Mehrzahl aber wahrt
im Genetiv Pluralis auf -i um ihren Klassenvokal i.
Hierher gehören zunächst du* von Nominalstämmen gebildeten
Adjectiva auf -ati, -eti, -ili, -ti, welche die Angehörigkeil an
— 57 —
einen Ort bezeichnen, daher meist Völkernamen sind. Zu Nae-
vius, Ennius, Plautus und Cato's Zeiten liaben sie noch ihre
vollen Nominativformen -atis, -ctis, -itis, -tis bewahrt, später
das auslautende i des Stammes vor dem Nominativzeichen s schwin-
den lassen, was den Ausfall des t vor s zur Folge hatte; so:
Jüngere Formen. Aeltere Formen.
p r i m a s , p r i m a t i s ,
o p t i m a s , o p t i m a t i s,
A r p i n a s , A r p i n a t i s ,
C a p e n a s , Capenatis,
A r d e a s , A r d e a t i s ,
F e r e n t i n a s , F e r e n t i n a t i s ,
Ravennas, Ravennatis,
Ca pen as, Capena tis,
Arpinas, .* Arpinatis,
Cr ol onias, Croto uiatis,
Larinas, Larinatis,
summas, summ atis,
infimas, infi m atis,
no s I ras, nostra I i s,
p e n a s, Prise. IV, 21 .VII, 60. p e n a l i s ,
cuias, u. a. cuiatis, Alt. (rag. Ribb. p. 185.
Samnis, Sa in 11 itis,
0 u i r i s , Q u i r i t i s ,
C a er e s , Prise. IV, 29. H. C a er e ti s ,
C a e r i t i s ,
Laurens, Lauren tis,
T i h 11 r s , Prise, a. 0. T i h u r t i s , u. a.
Nach l'riscian hatten die jüngeren abgestumpften Formen den
Hochton auf der Silbe, wo ihn die vollen gehabt hallen, die jetzt ans
Ende des Wortes gerückt war.
An diese Wortformen schliessen sich zunächst eine Anzahl mit
dem Suffix -ti meist von einer Verbalwurzel gebildeter Nomina, die
ebenfalls das i vor dem s des Nominativs abgeworfen halten. Solche
sind :
1 e n s , für lentis,
mens, mentis,
amens, am cutis,
sors, Pris. VII, 64. sortis, Plaut. Cas. Prise. VII, 30.
— 58 —
Ebenso haben das i vor dem s des Nominativs eingebiisst:
den s, fons, ars, Mars ((Jen. PI. M ar-
gen s, mons, pars, tium), Anal.Gr.
i n g e n s , p o n s , m o r s, E. E. p. 136.
libripens, sons, coliors,
Ausserdem findet dieser Abfall des i aber noch in zahlreichen
anderen Nominativen statt. So in:
f r o n s , fr o n d i s, Serv. Verg. Georg. II, 372.
Concors, Concor dis, Prise. VII, 64.
gians,
trabs, trabes, Enn. Prise. VII, 40. F.yy.Sü.
124.
p 1 e b s , p 1 e b e s , Prise, a. 0.
scobs, Anal. Gr.E.E.pA35. scobis, Prise. VII,. 40.
scrobs,«. 0. scrobis, a. 0. fyrf. Prob. p. 1462.
n n b s, a. 0. / ral. Prob. p. 1 4 6 2. n u b c s ,
corbs, a. 0. cor bis ,
orbs, ct. 0. orbis,
seps, sepes,
0 p s, 0 p i s ,
S t i p s, s t i p e s , s t i p i s ,
stirps, stirpes, slirpis,
adeps, adipis, Prise, VII, 41.
Tax, t'aees, Fest. p. 87.
as, assis,
bes, be ssis, tiirdn-e ssis,
gros, g r n i s , Pltacilr. f. I, 8, 7. . inal. Gr.
/•'. E. />. 445.
Gehl dem i eine Liquida vorher, so ward nach Ausfall ih's i
auch das s des Nominativs abgeworfen. So in:
vom er, vomeris, Cat. //• /»'• 135.
caro(n), carni s, Prise, VI, 17.
Die ursprüngliche Form des letzteren Wortes muss also caro-
n i s gewesen sein.
baccar, ßc'cxxaQtg,
zingiber, £iyy£ß£Qi>S,
\ rar, A ra ris, Prise, V, 13.
vnltiir, villi iiris,
Dar
paris, Prise, VII, 64.
- 59 -
1 i e n , , 1 i e n i s ,
pecten, pectinis, Ann. Gr. E. E. p. 443.
Die mit der abgeschwächten Form des Comparativsuffixes
-teri, -tri für -tero, -tro gebildeten-Adjectiva behalten entweder
im Nominativ das i, dann fällt wie in denCasibus obliquis das e vor r
aus, oder sie werfen das i mit dem Nominativzeichen ab und behal-
ten das e. So stehen nebeneinander die mannlichen Nominative:
pedester, pedestris, campester, c a m p e s t r i s ,
cq uest er, equestris, palustcr, palustris.
Silvester, silvcstris,
Ganz ebenso verhalten sieh die mit dem Suffix -beri, -bri für
-bero, -bro gebildeten Nomina in ihrer Nominativbildung; das
zeigen :
celeber, neben celebris,
salubcr,, salubris.
Immer warfen die Endung -is im Nominativ ab die Monats-
namen:
September, November,
0 c l o her, D e c e m b e r.
Die mit dem Suffix - cei i, - cri für -cero , - ero gebildeten
Adjectiva zeigen die volle und die stumpfe Endung des Nomina-
tivs in :
, alaeer, neben alacris,
volucer, volucris.
In ähnlicher Weise sieben nebeneinander die Nominative:
acer, aeris,
c e 1 er , c e 1 e r i s , AU. tr. Ribb. p. 175.
Die Adjectiva unter den hier aufgeführten Nominalformen be-
wahren im Femininum, das überhaupt in den Indogermanischen
Sprachen lange Vokale liebt und an Vokalfülle dem Masculinuin
voransteht, die vollen auf -i s auslautenden Nominative.
Auch nach 1 fällt die ganze Nominalivendung , is ab in:
mugil, für niugilis,
pugil, pugilis,
- vigil*), vigilis.
*) Kritisch nicht ganz sicher stehen die von Ribbeck in den Text der
Komiker aufgenommenen Formen simil, p. 223, fürsimilis und per-,
mil, Tilin. p. 119, für persimilis.
- 60 -
Ebenso entstand durch das Seilwinden des Auslautes -is die
Conjunclion:
vel
aus der zweiten Pers. Sing. Ind. volis, velis, indem wie in vul-t,
fer-s, fer-t, es-, es-t füredis, edit der Bindevokal i ausfiel,
dann aber das auslautende s nach I abfiel wie das Nominativzeichen s
der vorstehenden Nominative.
Im Auslaut ist i abgefallen von Nominalformen wie von
Verbal formen.
Es ist abgefallen im Nominativ neutraler S lamme, beson-
ders nach den liquiden 1 und r, nachdem es zuvor in e, den gewöhn-
lichen Vokal des Auslautes umgelautet worden war. So im Nomi-
nativ der mit dem Suffix -ari gebildeten Neutralen Stämme:
p u 1 vi n a r, neben p ul vi n a r e , Anal. Gr. E. E. p. 87.
cochlear, cochleare, a. 0. p. 444.
t o r c u 1 a r, t o r c u 1 a r e , «. 0. p. 87,
exe mplar, exemplare,
lacunar, lacunare,
calca r,
I ucar,
soliar,
ii ubila r,
«
Aehnlich fällt das i eines Neutralen Stammes ab in:
piper, 7T87t£Ql.
Nach l findel sich derselbe Abfall bei den neutralen Stämmen,
die mit dem Suffix -ali gebildet sind, welches nur eine etwas andere
Gestall von -ari ist. Also in :
animal, neben a n i in a le, Anal. <ir. E.E penelral,
p. 87. Nata!,A'//Vr.'«W/.
I ribu nal , I rib u na I e , XVI, 7, 9.
I oral , l ora le, lanual ,
1> u tea I , pu l eale , >! i nerva I ,
vectig a I, L ii per cal,
capital, capitale, Baccanal,
«•ervi cal, I' aguLal.
Das Avjectivsuffix -ili ist vielfach erst durch Assimilation des
ersten u zu i durch das zweite i aus einer alleren Form -uli sewor-
— 61 —
den. Von der neutralen Form mancher mit diesem Suffix gebildeten
Adjectiva finden sich Adverbien , die das auslautende i abgeworfen
haben; so:
faeul, semol ,
per faeul, sem ul ,
diffieul, simul.
'{Fest. p.%1. 214. Non. p. 111. Gert. Ritschi, Rh. Mus. VII, 319.
Afran. com. Ribb. p. 142.)
Sonst ist nach 1 ein in e umgelautetes i abgeworfen in:
sal, für sale, Enn. Prise. V, 45. Varr. Non. p. 152. 9.
subtel.
Das Wort ist von talus abgeleitet. Jn der Composition schwächte
sich wahrscheinlich das o des Stammes lalo- zu i wie in
exanimis, perennis u. a. von animo-, anno-, dann fiel
das i ab.
Nach anderen Consonanten fiel das i , e von einem neutralen
Stamme im Nominativ ab in :
lac, lacte, vgl. Ritschi, Rhein. Mus. '.VII, 585. 606.
os, os'se, Charts. p. 40. Vgl. ossum, ossu.
volup.
Nach Rilschl (Bh. Mus. VIT, 319) ist nur die Form volup
»nachweislich aus Ilandschrifteir, nicht volup e. Da p nicht ur-
sprünglich im Auslaut eines Lateinischen Wortes gestanden haben
kann, so muss ein Vokal abgefallen sein, und da auslautendes a
oder o von Adverbien. nicht abfallt, so kann es nur i, e gewesen
sein wie in semul, faeul u. a.; volupe setzt dann eine mas-
culine Form volupis voraus, wie semul, simul: semulis,
simu lis.
Sonst ist i noch abgefallen in den mit der demonstrativen Par-
tikel -ti zusammengesetzten Wortformen:
tot, vgl. Skr. tati,
q u o t , Skr. k a t i ,
u t , ii t i ,
s i c u t , s i c u t i ,
v e 1 u t , v e 1 u t i ,
a ii t , Osk. a u t i , Umbr. o t e.
(Bopp, vgl. Gr. Ind. Umbr. Sprache!. Woriverz.)
— 62 —
Dass auch:
post,
pos
ein i eingebüsst hat, das sicherst zu e schwächte, ist schon oben
(I, 337) nachgewiesen; aus dem Ablativ postid- wurde durch die
Mittelstufe poste (Plaut. Stich. 380. 383. 387. 623. Merc. 370
u. a. Ritschi, Rh. Mus. VII , 567) post - und dieses weiter zu pos
abgestumpft (Curtius, Zeitschr. für vergl. Sprach f. I, 269. N. Jahrb.
LXVIII, 48).
Die Vergleichung des Lateinischen mit den verwandten Spra-
chen hat gelehrt, dass die Personalendungen des Verbum -m, -s,
-t durch Abfall eines auslautenden i verstümmelt sind aus -mi, -si,
-ti, die den Griechischen -ftt, -ö"t, -xi entsprachen. Eine Spur
dieser verschollenen volleren Personalcndungen hat sich noch erhal-
ten in der schon besprochenen Form des Carmen Saliare tremonti
für tremunt (vgl. I, 260).
Aber schon auf den ältesten Inschriften erscheint auch in der
dritten Pcrs. Plur. die Personalendung -ti zu -t abgestumpft in For-
men wie:
d e d e r o n t ,
dcdcrot, u. a. I, 260.
c.
Abfall des e findet in folgenden Fällen statt.
Vor auslautendem s fiel ein ursprünglich langes e ab in den
Griechischen Namen:
Pol lux, für Polin ccs, alt Poloces.
P 1 1 a r oax, P h arnaccs, Prise. V I, \)\ . II.
Wie Pollux durch die Mittelstufen Pollx, Pol! zu Pol sich
abstumpfte, ist schon erwähnt.
Per spateren Volkssprache gehört an:
facs, für facies, Anal. Gramm. E. F.. />. 444.
Von Verbalformen fiel auslautendes e ab in den Imperativ-
formen:
die, fer, ^
(lue, inger, Cat.11, 2.
fac,
Inder alten Form prospices für prospiee, die oben (I.
p. 338) besprochen ist, hatte sieh das Personalzeichen (\^v /weiten
Person Singularis Imperal. -s noch gehalten, sonst aber erscheint ps
— 63 —
überall abgefallen. Zu Plautus Zeit sprach man noch dice, duce,
face neben den stumpfen Formen die, duc, fac; später tarnen
jene Formen ab. In der späteren Volkssprache greift der Abfall des
auslautenden e von Imperativformen noch weiter um sich; man
sprach :
olfac ,
d e d u c ,
reic ,
luc(?)
Anal Gramm. E. E. p. 428.
Auslautendes e in einer Verbalform ist auch abgefallen in :
n e - u ,
für
n e - v e ,
ce-u,
ce-ve ,
se-u,
se-ve.
Aus der zweiten Person Singularis vis wurde ve wie aus ama-
beris amabere, dann fiel das e ab, und da v nicht im Auslaut
Lateinischer Wörter slchen konnte , so löste es sich zu u auf. In
diesem u ist also der letzte Rest der Verbalform volis, velis zu
finden, die in absteigender Stufenfolge einerseits zu vels, vel,
andrerseits zu v'lis (oder vil's), vis, vi, ve, v, u verstümmelt
wurde. Der Grund dieser argen Verstümmelung lag darin, dass
dieses Verbum, wie sich unten ergeben wird, enklitisch war,
und da es vielfach seinen eigenen Hochton einbüssle auch an seinem
Leibe tödllichen Schaden nahm.
Vereinzelt steht die Infinitivform :
biber, Titin. Charts. p. 99. Ribb. Com. p. 124.
Sonst ist ein e von Verbalformcn noch abgefallen in don Pas-
sivendungen, deren auslautendes r, wie oben besprochen ist, aus
dem Reflexivpronomen se entstand. Dieser Abfall muss sehr all
gewesen sein, da er, wie die Form nanesitor zeigt, schon zur
Zeit der Abfassung der Zwölf Tafeln vollendet war.
Das c der enklitischen Anfügung -ce, die oben als Lo-
cativform des Pronominalstammes -co erklärt ist, fiel ab in:
hie, hie, h u c , h i n c ,
hacc, illic, illuc, illinc,
hoc, istic, istuc, istinc, u. a.
Doch auch hier zeigt die Lateinische Sprache grosses Schwan-
ken. Während nämlich in den Inschriften aus der Zeit der Puni -
sehen u nd M a c e d o n i s c h e n Kriege vorwiegend die e i n s i 1 b i -
— 64 —
gen Formen gebräuchlich sind wie hone, hoc [til. Scipion.), ge-
ben die Inschriften der Grac eben zeit den vollen Formen wie
hince {Mil. PopiL) hance, hace, hoce (f. Baut.) den Vorzug
{vgl. Bitschi, Mon. Epigr. tr. Epigr. Sor. p. 16. Fleckeisen, Bhein.
Mus. VII, 271); später sind die abgestumpften vorwiegend im
Gebrauch.
Ebenso ist si-ce abgestumpft zu:
sie.
Das si- verhält sich zum demonstrativen Pronominalstamme
so-, von dem Ennius noch sum, sam, sos, sas brauchte (VaJü.
incl. p. 229) wie das i 1 1 i - , h i - , i s t i - von i 1 1 i c , hie, i s t i c zu den
Stämmen illo-, ho-, isto-; auch si-c ist eine Locativform;
seine ortliche Bedeutung d a ist aber in die modale so übergegangen.
Im Sanskrit lautet jener Pronominalstamm sva- und der findet
sich treu bewahrt in dem Altlateinischen Adverbium suad, einem
feminincn.Ablativ, mit der "Bedeutung so, wie aus Verrius Flaccus
Erklärung erhellt , Fest* p. 351: 'suad t e d ' i de m a i t esse
csic te'.
Wie das enklitische -ce sind auch die ebenfalls enklitischen
Anfügungen -que, -ne, -psc durch Abfall des auslautenden e ab-
gestumpft worden.
Que, von dessen Entstehung aus einem Ablativischen Adverbium
qued oben gehandelt worden ist (I, 336), stumpft sich zu c ab in:
n c c ,
ac;
das angefügte -ne wird zu n abgestumpft in:
<] ii in, in cn , tanton, l im,
sin, falson,
potin, ipson,
s a t i n ,
min,
im vi st in, vi de n,
noslin, valeu,
a ii di n , habe n,
abin, auden,
a i n.
Solche Formen sind zwar den Comikern und der Volkssprache
am geläufigsten, linden sieb aber auch bei Vergil, Horaz, Persius und
anderen Dichtern«
— 65 —
Das Suffix -pse ist durch Abfall des e -abgestumpft zu ps in den
Formen :
siremps, t. Bani. l.agr.l.agr. neben sirempse, Plaut.
{Thor.) I. Ri/br. ?/. a. Amph. 73.
s i r e p s , Cato , Charts, p. 73. p. 116.
Vgl. misch/, Rhein. Mus. VIII, 298. f.
Es ist nun der Abfall der Vokale in Compositen zu betrach-
ten, der besonders in den Nominativformen derselben hervortritt.
Der Abfall des auslautenden Stamm vokales vor oder
mit dem s des Nominativs bat im zweiten Glied e von zahlreichen
Compositen statt gefunden.
Der auslautende Stammvokal fiel mit dem s des Nominativs zu-
sammen im zweiten Compositionsgliede ah nach den liquiden r
und n; so nach r in:
L uei fer,
a q u i 1 i f e r ,
pomifer;
a urifer,
i g n i f e r ,
somnifer,
signifer,
frugifer,
ge mini fer
a r m i g e r ,
c o r n i g e r ,
1 a u r i g e r ,
aliger,
diese Composita entsprechen also in ihrer Nominativbildung den ein-
fachen puer, socer, gener, teuer, asper u.a. Ebenso fällt
der auslautende Stammvokal mit dem s desNominativs ab nach n in:
l i b i c e n , c o r n i c e n , 1 i t i c e n ,
t u b i c e n, f id i c e n , o s c e n.
Vergleicht man mit diesen Formen die Nominative lien, pec~
ten neben den volleren Formen lienis, pectinis, so liegt der
Schluss nahe, dass tibici ni s, tubi ci ni s u. a. die volleren Formen
jener Composita waren.
Der auslautende Stammvokal des zweiten Compositionsgliedes
fiel vor dem s des Nominativs weg nach Muten.
So nach den Gutturalen c, g, q in:
o p i f e x, vgl. Wz. f a c-, rem e x,vgl. Wz. ag-, pr a e c o x,vgl. Wz. c o q-,
artifex, senex,
aurifex,
v e r s i f e x , c o n i u x , i u g - ,
ob ex, für obiex,iac-,
a u s p e x , s p e c, s u p e 1 1 e x , leg-,
e x t i s p e x ,
aruspex,
CORSSEN II. ft
- 66
r esex , vgl. Wz. sec-
foenisex,
index, die-,
iudex,
v i n d e x ,
tradux, duc-
redux,
auuilex ,
lic-.
Nach dem Labialen p in :
partieeps, maneeps, deineeps, vgl. Wz. cap-,
a u c e p s.
Nach den Lingualen t und d, die nach Ausfall des Vokals
vor dem s ebenfalls schwanden, in:
p r a e p e s , vgl. Wz. p e t - , 1 ib r i p e n s , vgl. Wz. p e n d - ,
p e r p e s , p r a e s e s , s e d - ,
d e s e s ,
o h s e s ,
r e s e s ,
i n c u s , c u (1 - ,
SU 1) SC US ,
cuppes, ed-, vgl.
cuped ia, Fest.p. 48.
praes, vgl. Wz, vid-,
(praevia -s).
Etwas abweichend von diesen Composilen sind eine Anzahl an-
derer gebildet, deren zweites Glied mittels! eines auf t anlautenden
Suffixes von einem vokalisch auslautenden Verhalstamm gebildet
ist; so:
a n t i s t e s , vgl. - s I a - 1 - , ( s I a - r e ) ,
s u p er s t e s ,
co nies, caeles, -i-t-, (i-re),
pedes, trames,
e q u e s , m i 1 e s , 4
m a nsiics, vgl . mansuetus, (sue-scere),
locu ples, implet 11 s, (ple-re, v. plentur, Fest. 230.)
Wie ein ganzes Suflix des zweiten Bestandtheiles in solchen
Compositcn vor dem s des Nominatives zn Grunde geben konnte,
eigen Composita, deren zweiter Bestandteil caputist, so:
- 67 —
anccps, vgl. ancipes, Plaut. Rud.AXbS.
p r a e c e p s , p r a e c i p e s , a . 0. 67 1 .
b i c e p s ,
t r i c e p s ,
die aus den volleren Formen ambi-ciput-s, prae-eipu t-s,
(lni-ciput-s u. a. hervorgegangen sind.
Man vergleiche nun wie neben diesen zusammengesetzten Wort-
formen, deren zweites Glied der consonantischen Declination ange-
hört, solche stehen, die denselben zweiten Bcstandtheil nach der
O-Declination dectiren. So steht nebeneinander:
o p i f e x, m a g n i f i c u s , vgl. Wz. f a c - ,
artifex u.a., miri ficus u. a.,
index, fatidicus, die-,
iudex, veridicus u. a.,
supellex, sacrilegus, leg-,
i* e m ex, p r o d i g u s , a g - ,
praecox, praecoquus, c o q - ,
in an su es, mansuetus, sue-.
Eine vollere Form des Nominativs neben einer abgestumpften
findet sich ferner nebeneinander in:
c o n i u x , b i i u g i s ,
q u a d r i i u g i s ,
p r a e c o x , praecoqui s.
Diese Zusammenstellung zeigt, verglichen mit den obigen Bei-
spielen von Abfall des Klassen vokales o oder i vor oder mit
dem s des Nominativs, dass auch die Composita solche Ein-
busse erlitten haben. Aus den Genetiven 3Ju 1 eiber is, cancris,
sequestris erhellt der Uebergang von einfachen Wortstämmen in die
consonantische und I-Declination. Ebenso ist oben gezeigt worden,
wie Stämme, die auf a, o, u auslauten, sobald sie zweites Glied eines
Compositum werden, diese Vokale zu i schwächen und in die I-De-
clination übergehen, wie dies zum Beispiel in bilinguis, imber-
b i s , i n e r m i s , e x a n i m i s , p e r e n n i s , i n s i g n i s , i 1 1 u s t r i s
der Fall ist. Vergleicht man also :
i u g u m , b i i u g i s , c o n i u x ,
praecoquus, p r a e c o q u i s , pniocox,
so ist klar, dass in den oben zusammengestellten Compositen der
zweite Theil entweder ein auf o auslautender Stamm war, der
durch Schwächung des o zu i erst in die I-Declination über-
5*
- GS -
ging und den Nominativ Singularis auf -is bildete, dann aber wie
so viele einfache Wortstä'mme d;is i vor s im Nominativ ausfallen
liess und der con so nautischen Peclinjtion folgte, dass also
opificus, artificus, indicus, iudicus, remigus die ur-
sprüngliche Form der Composita war, wie magnificus, miri-
ficus, fatidicus, prodigus diese Gestalt des zweiten Com-
positionsgliedes zeigen, und aus ihnen die stumpfen Formen opi-
f e x , a r t i f e x , index, iudex, r e m e x durch Vokalabfall her-
vorgingen ; oder dass das zweite Compositionsglied von vorn
herein als ein Stamm der I - D e c lination auftrat, und dann in
die con so na ntis che Declination übertrat durch Abfall eines i.
Wie weit die Abstumpfung des zweiten Compositionsgliedes gehen
kann, das zeigen die Zusammensetzungen:
quincunx , von uncia ,
s e s c u n x ,
d e c u n x.
Ihre ursprüngliche Form kann nur quincuncius, sescun-
cius, decuncius gewesen sein; sie bitssten also das ganze Suf-
fix -io, indem das auslautende o des Stammes sich erst zu i
schwächte und nun mit dem vorhergehenden i verschmolz, dann
aber auch dieses aus ii entstandene I sich kürzte und schwand,
so dass aus der ursprünglichen Nominativform quincuncius
durch die Mittelstufe quineuncis quincunx entstand.
Dass also in den hier zusammengestellten Compositen vom
Stamme des zweiten Compositionsgliedes ein Vokal o oder i abfiel,
steht fest, man kann nur nicht mit Bestimmtheil angeben, welcher
Vokal es in jedem einzelnen Falle gewesen ist.
Am Schlüsse dieser Untersuchung Ober den Vokalabfall im La-
teinischen wird es rrspriesslich sein, kurz den Nachweis zu führen,
dass in den verwandten Italischen Dialekten, insbesondere dem Um-
bri sehen und Oskischen, ganz derselbe Vokalabfall unter glei-
chen Bedingungen erscheint; das lehrt einfach folgende Zu-
sammenstellung von Beispielen:
Abfall des stammhaften o mit dem s des Nominativs nach den
Liquiden 1 und r:
Lat. Umbr. Osk.
ager, ager,
figely famel,
— 69 —
Lal. Umbr.
Osk.
mascel, catel(catulus),
Mutil,
famul,
P a a k u l ;
Abfall des o vor dem s des Nominativs nach n :
Camp ans,
A a d i r a n
Bantins,
P o m p a i i a n s ;
Abfall des o vor dem s des Nominativs nach Muten:
d a m n a s , pihaz(piatus), h u r z ( h o r t u s ) ,
sanas, t e r m n a s (t ermi na t u s),
m ans ues, taqez(tacitus), tovtiks (tuti-
iudex, cus);
Abfall des i mit dem s des Nominativs:
a c e r , p a c e r ,
alacer, ükar (ocris);
Abfall des auslautenden i in Adverbien und Conjunctionen:
p o s t(p o s t e,p o s t i d), post(pusti, posti), post,
p o s , p u s ,
a u t , aut(auti);
Abfall des auslautenden e (i) von enklitischen Anfügungen:
ne-c,
ne-p,
ne-p,
nei-p,
ne i-p ,
h i - c ,
io-k ;
h a e - c ,
io-c,
lmn-c,
ion-c;
Abfall des e von
dem
reflexiven Pronomen
-se, das als Suffix zu r
verstümmelt der
Passivbildung dient :
e m a n t u r ,
e m a n t u r ,
t e r g e a n t u r .
i
t e r k a n t u r ,
v i n c i t u r ,
v i n k t e r ,
s a c r a t u r,
sakarale r.
( Vgl. Momms. Unt. Dial. Gloss. AK. Umbr. Sprd. Wortverz.)
Diese Beispiele geniigen um zu zeigen, dass der Vokalabfall im
Umbrischen und Oskischen unter denselben lautlichen Bedingungen
eintrat wie im Lateinischen, sowie oben nachgewiesen ist, dass auch
der Vokalausfall in jenen Dialekten an derselben Stelle des Wortes
eintrat wie im Lateinischen. Aus dieser Uebereinstimmung wird
in dem Abschnitte über die Betonung der Nachweis geführt werden
über die Betonungsweise der Italischen Dialekte. Dass die Latei-
— 70 —
nische Sprache den Weg der Abstumpfung ihrer Endsilben durch
Vokalabfall schon zur Zeit des ersten Punischen Krieges be-
treten hatte, zeigen Formen wie Camp ans, sus-que, pol, vel,
-ve, facul, vohip, pos, dedro; die Einführung der Griechischen
Metrik hemmte in der Schriftsprache das weitere Einreissen dieser
Abstumpfung, aber dass dieselbe in der Volkssprache der späteren
Kaiserzeit weiter um sich griff, geht aus Formen derselben wie te-
ter, barbar, figel, mascel, vel, olfac, reic u. a. deutlich
hervor.
Es muss hier vorläufig darauf hingewiesen werden, dass auch
für den Vokalabfall und das dadurch bedingte Absterben der End-
silben der tiefere Grund in dem ßetonungsgesetz der Lateinischen
Sprache und der ihr nahe verwandten Mundarten zu suchen ist,
nach dem die Endsilben in der Regel tieftonig gesprochen wurden,
daher leicht in der Aussprache vernachlässigt wurden und verküm-
merten.
E. Irrationale Vokale.
Die Buchst abe nschrift vieler Sprachen hat verschiedene
Zeichen für kurze und für lange Vokale, die Verskunst misst
jenen die Tondauer von einer, diesen von zwei Moren oder
Zeitweilen bei. Die lebendige Sprache aber hat vokalische
Laute, die sich mit dieser Maasseinheit einer Zeitweile nielit genau
messen lassen, ohne dass ein Bruehtheil ihres Lautklanges über
oder unter jener Maasseinheit übrig bliebe, gerade so wie die
Musik neben ganzen, halben, viertel, achtel, sechzehntel Tönen
solche kennt, die ihrer Tondauer nach zwischen je zweien von
diesen liegen und nicht genau messbar, das heisst irratio-
nal sind. In den vorhergehenden Abschnitten ist gezeigt worden,
wie allmählig lange Vokale im Lateinischen unter mannigfachen
Schwankungen sich kürzten und kurze ganz schwanden. K*?in
langer Vokal ist in der lebendigen Volkssprache plötzlich über
Nacht zum kurzen verschnitten worden, kein kurzer ist mit
einem Schlag ans dein Wortkörper entrückt, etwa wie man
das Schriftzeichen für ihn mit einem Federstrich tilgt, sondern
der zweizeitige lange Vokal machte eine initiiere Tondauer
durch, che er vollständig zum einzeiligen kurzen einschrumpfte;
— 7t —
der einzeilige kurze Vokal verkrüppelte in seiner Tondauer zum
Bruch tli eile einer Zeit weile und schwebte als Lautstummel
oft lange Zeit zwischen Leben und Sterben, ehe er verklang.
Ueber die m i 1 1 e 1 z e i t i g e n Vokale oder i r r a t i o n a 1 e n L ä n -
gen ist in dem Abschnitt von der Kürzung der Vokale die Rede
gewesen; hier sind die irrationalen Kürzen oder die stum-
men Vokale in den Kreis der Untersuchung zu ziehen.
Solche Vokal trümmer sind in den Semitischen Spra-
chen die Schwa, die in der Lautgestaltung derselben überaus fein
und mannigfach ausgebildet erscheinen. Solche stumme und ver-
kommene vokalische Laute kennen auch die neueren Sp'ra -
chen, und das stumme e im Deutschen wie im Französi-
schen ist nichts weiter als der letzte matte Nachklang eines
abgestorbenen Vokales, das Kennzeichen eines geschwäch-
ten und zerrütteten Vokalismus der Sprache. Im Lateinische n
erscheinen s t u m m e Vokale einmal vor Consonanten, und zwar
vor einfachen wie vor gehäuften Consonantischen Lauten, dann
aber auch vor anderen Vokalen, und zwar sowohl wenn sich
zwei Vokale innerhalb eines Wortes berühren, als wenn sie
im Zusammenhang der Rede im Auslaut und Anlaut zweier
aufeinander folgenden Worte zusammentreffen. Hier sind
also zunächst die stummen Vokale vor Consonanten, dann
die gh
ziehen
die gleichen irrationalen Laute vor Vokalen in Betracht zu
1) Irrationale Vokale vor Consonanten.
Der eine Theil der Untersuchung über die irrationalen Vo-
kale vor Consonanten ist schon in dem Abschnitt über die
Vokalausstoss u n.g erledigt, indem nachgewiesen wurde wie u
vor folgendem 1 und m, i vor folgendem s und n, e vor folgendem r
in vielen Fällen nicht mehr die Geltung voller Kürzen ha-
ben, sondern stumm geworden sind, dass sie daher in der
Schrift bald noch mit einem Vokalzeichen bezeichnet werden, bald
nicht, dass sie in der Versmessung bald noch als volle Kürzen ge-
messen, bald als ganz bedeutungslos übergangen wurden. Es
ist daher hinlänglich, diese Ergebnisse hier kurz zusammenzu-
stellen.
So erschien u als stummer Vokal zwischen Muten und 1 in
Formen wie:
v i n c u 1 u m , m a n i p u 1 u s , v e l u 1 u s ,
p e r i c u I u m , t e m p u 1 u m , v i t u 1 u s,
oraculum, discipulina, crustülum,
ficula, fibula, capitulum, vgl. II,
v i 6. /.
a n g u 1 u s , '
So entwickelte sich zwischen c, ch und m aus demU-ähnlichen
Beiklang des Consonanten m ein stummes u in:
Alcumena, Tecumessa,
Alcumaeo, drachuma, vgl. I, 253,
und aus dem sehr bestimmt wahrnehmbaren U- ähnlichen Beiklang
des 1 ebenfalls ein stummes u (o) zwischen c und 1 in :
Hercoles, Patricoles,
Hercules, Aesculapius, vgl. I, 258.
Zwischen Muten und r klang e häufig bloss noch wie der vo-
kalische E-ähn liehe Beiklang des flüssigsten und vokalähnlich-
sten Consonanten r, es war so stumm und unentschieden im Klange
geworden, dass es in der Schrift bald noch durch das Schrittzeichen
E bezeichnet wurde, bald unberücksichtigt blieb, jenachdem es noch
etwas stärker oder schwächer durchklang; so in:
de xt er um, infera, liberi,
a 1 1 e r i m , s u p c r a , M u 1 c i b e r i ,
litt er as, Plaut. a s p r r i , Mul eiberis. Vgl. II,
Pers. 173. 15./.
Ein stummes i hat sich im Lateinischen gebildet aus dem
I-ähnlichen Beiklang des n in:
t ech Ina, Procina, mina,
lucinus, Daphine, byminis,
V V V |
Cucinus, Ariadme, g] mina s i u m, vgl. I.
•2s:».
Ebenso hat sich aus dem I- ähnlichen vokalischen Beiklang
des s im Anlaut der Wörter schon auf dem Boden der Spätlateini-
schen Volkssprache ein stummes i entwickelt, das auch auf die Ro-
manischen Sprachen vererbt ist; so in.
73
i s t a t u a m , I s t a v e r i u s , Ispartacus,
v v
istruis, Isticho, iscevas, vgl. I, 289.
istares, i Spiritus,
Wenn also im Lateinischen die Schreibart schwankt zwischen :
p e r i c u 1 u m , p e r i c 1 u m ,
m i r a c u 1 u m , m i r a c 1 u m ,
manipulus, maniplus,
extempulo, extemplo,
dextera, dextra,
supera , supra u. a.,
so stehen dem Schwankungen der Schreibweise in neueren Sprachen
zur Seite wie :
Deutsch : Franz. :
gerade, grade, e s p e r i t (all), e s p r i t ,
Ungelücke, Unglück, serement (alt), s er ment,
Geschworene, Gesch worne, donnerai, donrai (alt),
gesehen, g e s e h n , s u r e 1 6, s u r t e (alt),
betrübet, betrübt, durete, durte (alt).
Das Schwanken kommt daher, weil für jene stummen Vokale
die Bezeichnung eines unversehrten Vokales nicht mehr völlig an-
gemessen war und fnan doch einen Laut horte, den man in der
Schrift nicht ganz übergehen wollte.
Aber stumme oder irrationale Vokale machen sich in der älte-
ren Lateinischen Sprache noch dadurch kenntlich, dass sie in der
Versmessung nicht die Geltung von kurzen Vokalen erhallen,
dass sie namentlich vor folgenden gehäuften (Konsonanten im
Versbau der älteren scenischen Dichter nicht durch Posi-
tion lang werden. Zu erweisen, dass zahlreiche Eigenthüm-
lichkeiten und Abweichungen dieser älteren Metrik, namentlich
die sogenannten Positionsvernachlässigungen bei P 1 a u t u s
und anderen scehi sehen Dichtern in irrationalen Vokalen
ihren Grund haben, das ist das Hauptziel, auf das die hier begin-
nende Untersuchung hinarbeitet.
Alle sogenannte Position s länge ist nichts anderes als Na-
turlänge, als Tondauer durch zwei Zeit weilen hin, aber nicht
eines einzigen Vokales, sondern der La utverbindung von Vo-
kal und Consonanten, die zusammen solange klingen wie
— 74 —
ein einfacher zweizeitiger Vokal. Da auch die Consonanten
einen zum Theil sehr hörbaren und ausgeprägten vokalischen Bei-
klang haben, da sie unzweifelhaft auch bei der Aussprache des
Wortes die Sprachorgane eine Zeit lang beschäftigen, so haben sie,
mag dies Zeittheilchen auch noch so klein und unmessbar sein,
doch eine Quantität. So gewiss die Knochen im menschlichen
Leibe ihren Raum haben, so gewiss haben die Consonanten im Ton-
leib des Wortes ihre Zeit. Häufen sich nach einem Vokale die
Consonanten, so werden die Sprachorgane mit Aussprache der-
selben eine Weile länger und angestrengter beschäftigt als wenn
nur ein Consonant dem Vokal folgt. Indem diese unmessbar kleine
Zeitdauer der consonantischen Tone mit dem Zeitmaass des
vokalischen Tones zusammenfliesst, scheint dieser selbst einen
Zuwachs zu erhalten und heisst dann durch Position lang.
Um die Grenzen zu bestimmen innerhalb deren sich die Ver-
nachlässigung der Position bei den scenischen Dichtern bewegte,
bedurfte es vor allen einer kritischen Sicherstellung des
Textes derselben. Für diese ist erst durch die handschriftliche
Forschung der neusten Zeit eine Grundlage gewonnen, und auf
dieser fussend hat Ritsch] sich das Verdienst um die Geschichte
der Lateinischen Sprache und der Komischen Poesie erworben,
für den Gebrauch des Plautus diese Grenzlinien in seinen
Prolegomena zum Trinummus gezogen zu haben. Die Ergebnisse
dieser Forschung hat Flecke isen in einer treulichen Recen-
sion des Hitschischen Werkes (Neue Jahrb. LH, 235. /". L\l, 17./*.)
bestätigt, berichtigt und erweitert; im Anschluss an diese Er-
gebnisse hat auch Ritschi in späteren Ausgaben von Plau-
tinischen Stücken die Grenzen der PositionsvernachlÄssigung
für Plautus noch weiter gesteckt als in der Vorrede zum Tri-
nummus, und durch die Herausgabe der Fragmente der
tragischen und komischen D i cht e r sind neuerdings für die
vorliegende Frage sprachliche und metrische Tbatsachen ans Licht
©'
getreten. Ehe aber der Ritschlsche Plautus nicht vollendet ist,
ehe der Rembinus des Terenz nicht auf dieselbe Art von kun-
diger Hand ausgebeutet ist wie der Ambrosianus des Plautus,
kann man die kritische Forschung auf diesem Gebiete nicht als ab-
geschlo ssen ansehen.
Schon die alten Grammatiker wussten, dass die komischen
Dichter von ihren Griechischen Vorbildern im Versbau viellach des-
— 75 —
halb abwichen, weil sie die volksth um liehe Umgangs-
sprache, allerdings in dichterisch veredelter Gestalt, wieder-
gaben*], die sich dem metrischen und prosodischen Canon viel-
fach nicht fügen wollte. So sagt Marius Victorinus p. 256:
Comici dum cotidianum sermonem imitari nituntur,
metra vitiant studio, non imperitia, quod frequen-
tius apud nostros quam Graecos invenimus (vgl. Prise.
Hb. d. vers. com. p. 1321. Ter. Maier. 2433). Den Grund für die
Vernachlässigung der Position bei Plautus und Terenz suchten
neuere Grammatiker schon frühzeitig in der Neigung der Lateini-
schen Volkssprache, gewisse Vokale auszustossen. Diese
Erklärung versuchte schon Chr. Was e in seiner Schrift Senarius
sive de legibus el licentia veterum poelarum, Oooon. 1687, eine sehr
fleissige aber unkritische Arbeit. Die neueren Herausgeber des
Plautus und Terenz wie Bentley, G. Hermann, Ritschi,
Fleckeisen nehmen für die Vernachlässigung der Position bei
diesen Dichtern entweder Vokalausstossungen oder gewisse für die
Aussprache gleichgültige Silben , oder beides neben einander an.
Schon bei Chr. Wase findet sich aber die Bemerkung, dass in der
Lateinischen Volkssprache wie in neueren Sprachen manche Vo-
kale so schnell ausgesprochen seien, dass sie kaum noch gehört
wurden (a. 0. cap. 12. p. 158), und Schneider vergleicht beiläufig
{Lat. Gramm. I, 728. A/tm.) solche entkräftete Vokale den
Hebräischen Catephs. Doch beide Gelehrten verfolgen die richtige
Spur auf der sie sich befanden nicht weiter. Erst in neuster Zeit
sind Weil und Benloew {Theorie generale de tAccent. Lat.
p. 204. /. p. 172) dieser Spur wieder nachgegangen und haben die
Bedeutung der irrationalen Vokale für die Erklärung der Positions-
vernachlässigung bei Plautus und Terenz anerkannt ; doch verlangt
die vorlieger.de Frage eine eingehendere Behandlung, als sie ihr von
diesen Gelehrten zu Theil geworden ist**).
*) Vgl. Quint. II, 10, 13: Quod faciunt actores comici, qui
nec ita prorsus, utnos vulgo loquimur, pronunciant, quod
esset sine arte, nec proeul tarnen a natura recedunt, quo
vitio periret imitatio, sed morem communis huius sermo-
nis decore quodam scenico exornant.
**) Wenn Geppert annimmt, es könne bei den scenisclien Dichtern
gelegentlich gesprochen sein: vetris, proprabo, vetlae, merto,
Ausspr. d. Lat. S. 117, adro, malfaciant, a, O.S. 121, stuc, lic,
-- 76 -
Die hier beginnende Untersuchung wird sich, um sicher zu ge-
hen, an die bisher durch handschriftliche Forschung gewonne-
nen Thatsachen zu halten haben , um aus der Vergleichung der-
selben unter sich und mit verwandten sprachlichen Erscheinungen
eine Erklärung zu finden. Für die Beweisführung erscheint es am
förderlichsten den Stoff so einzutheilen, dass die verschiedenen
Wortarten durchgegangen werden, in denen bei den scenischen
Dichtern Nichtbeachtung eines Vokales oder Vernachlässigung des
Positionsgesetzes wahrzunehmen ist, sei es dass dieselbe in einem
und demselben Worte oder zwischen zwei aufeinander folgenden
Worten hervortritt; es werden also nacheinander die Formen der
Pronomina, der Präpositionen, der Partikeln, endlich die
Verbalformen und die Nominalformen in Betracht gezogen
werden, die für die vorliegende Frage von Bedeutung sind.
Es sind demnach zuerst die Formen der d emonstrativen
Pronomina ille, iste, is, hie und die demonstrativen
Adverbiaecce und inde in Betracht zu ziehen, bei denen die
Vernachlässigung der Position hervortritt (vgl. Ritschi, Proll. Tritt.
p. 122. f. Fleckeisen, N. Jahrb. LX, p. 257. LXI, p. 42. Atwi.).
Wie häufig die Vernachlässigung der Position in ille bei den
komischen und tragischen Dichtern ist , mögen zuerst folgende
Beispiele veranschaulichen.
Komiker:
Plantus ,
Capl. 150: Tibi ille ünicus mihi etiain ünico . .
Mtl. 703: 'At illa laus est magno in genere . .
Rad. 559: Quid illuc opsecrö negotist . .
Asin. 112: 'illic homo aedis cönpilavit . .
Racch. 1 154: Quid il laec illic in cönsilio . .
Mil. 1047: Quanam ab illa nun? nam ila nie öecursant . .
Naevius,
Com. Rib. p. 7: 'Ut illum di feränt . .
Aquilius ,
Com- Rib. p. 27: Ut illum di perdant, priinus . .
a. 0. S. 118, 110, während man doch vete riß, proper abo,vetnlae,
merito, ade ro, m alefaciant, i stue , illic schrieb and an anderen
Stellen auch sprach, so zeigt «las, wie auch dieser Gelehrte auf die Vor-
stellung von der irrationalen Aussprache gewisser Vokale geführt wurdej
wenn er ihr auch nicht weiter nachgeforscht hat.
_ 77 —
Caecilius ,
Com. Rib. p. 43: Ego ijliid minus nihilo exigor . .
a. 0. p. 38: Milefida ego illam huic dßspondebo . .
Turpilius ,
Com. Rib. p. 90: Ut illc häc sese abstineret , .
Pomponius,
(Mm. Rib. p. 204: Qui illud aurum abstiileril . .
Terenlius ,
Andr. V, 4, 34 : Quid illö sit factum. Vix sum aput nie . .
Fun. V, 8, 23: Mihi illam laudas? perii ..
Heaut. 1, 1, 104: Nee tibi i liest credere ausus . .
Eun. IV, 1,8: 'Invitatüst, mansit, ibi illa cum illo . .
Tragiker :
Ennhis ,
Trag. Rib. p. 39: '111 e transversa m eilte ini liodie . .
Pacuvius ,
Trag. Rib. p. 78: Hoc est illud quod iure oeülte . .
Incertus,
Trag. Rib. p. 227: Vös enim iuvenes animum geritis muliebnm
illa virgö viri.
Dass die erste Silbe der Formen von illc selbst unter der
Vershebung als Kürze gemessen werden konnte, zeigen so wobt
einige der angeführten Beispiele als auch viele andere bei Plaulus
{Mtl. 1075. Trith 672. Asin. 28$. Bacch, 950. 952. Pseud. 924.
954). Doch lässt sich nicht läugnen, dass in der ungeheuren Mehr-
zahl der Fälle die erste Silbe der Formen von ille, wo sie kurz ge-
messen ist, naturgemäss unter der Verssenkung steht. Ueberaus
häufig zeigt sich diese Messung nach meist einsilbigen oder ein-
silbig gemessenen Wortern, auf denen im Zusammenhang der Rede
der Nachdruck, der logische Accent, ruht. So zuerst nach
den Formen des fr a g e n d e n P r o n o m e n q u i s und na ch den
Frage partikeln quo, ubi, ut, an, num. Man vergleiche:
Plaut. Rnd.Prol. 148: Quid illuc est?
Racch. 453: Quis illic est?
Stich. 137 : Quid i 1 1 o s expeetätis ?
Mtl. 167: Quid illis Jaciat ceteris . .
Mtl. 973 : Quid illa faciemus cöneubina ?
Rud. 559: Quid illuc opsecrö negotist?
Rucl. 848: Quis illas nunc illic servat?
Plaut. Bacch. 1154: Quid illaec illi<
{vgl. Rud. 762. Stich. 266. Mtl. 1047. ^m. 265. Jff/. 1031.
Irin. 926 w. «.
Tercmt. And. I, 5, 2: Quid illud est?
And. V, 2, 12:, .Quid illum censos?
Eun. III, 1, 41: . . Quid ille quaeso?
Heaut.ll, 3, 76: Quid illo facias? t
^m. V, 4, 25: Quae illaec turbast?
(i^/. #w%. HI, 1, 27. III, I, 29. Heaut. II, 3, 71. ^tfW/>7«. I, 2, 4.
IV, 5, 60. And.Y,2,2. V,5, 7. £ioi.V,I,17. /^/pÄ. III, 3, 84.)
Plaut. Rud. 491: Set ubi ille mens est höspes?
^>m. 196: 'Ubi illaec quae dedi ante?
Stich. 549: . . 'An ille quasi tu . .
Stich. 552: 'An ille quasi ego . .
Cure. 59: Immo üt illam censes?
Terent. And. III, 5, 1: 'Ubi illic est?
And. V, 6, 7: . . Nüm ille somniat?
Eben so häufig findet sieb die erste Silbe der Formen von ille
Kurz gemessen nach p er s unlieben oder demonstrativen
Pronomen, auf denen der Nachdruck der Rede ruht, oder in
Adverbien und Partikeln, die eine hinweisende Kraft auf
Ort und Zeit haben. So nach ego, nie, mihi, tu, tibi, id,
i psu s, item, ibi, iam.
Plaut. Capt. 752: Ego illis captivis . .
Mit. 1191: 'Ego illi dicam . .
Rud. 967: 'Ego illum novi, quöius nunc est . .
Capt. 150: Tibi ille unicus . .
Rud. 967: ..Tu illum quoius antehäc fuit . .
Mil. 1207: 'Item illinc ego te liberabo . .
Mit. 138S: [psüs illic sese . .
Capt. 593: Iam illic hie nos inseclavit . .
Terelit. Ad. II, 4, 1: 'Ego illam herde . .
V, 4, 12: 'Ego ille agrestis . .
Eun. V, 8, 23: Mihi illam lau das . .
Ad. I, 2, 17: . . Tu illum corrumpi sinis.
Ad. III, 1, 5: . .'Id illi nunc dolel . .
Kim. IV, 1, 8: ..'Ibi illa cum illo . .
iri/l. Plaut. yfc.370. lUicch. 112. S/ieh. \(\0. 159. Ter. Ad. I. 2, 36.
V, 8, 17.)
M 79 —
Häufig erscheint tue erste Silbe von i 11 e auch kurz gemessen
nach einsilbigen Wörtern die eine Bejahung oder Bekräftigung,
eine Verneinung oder einen Gegensatz ausdrücken, wie pol
(7Vm.928), set (CapL 462. M/.816), at(M/. 657. 703. .Cure 5,7);
doch tritt hier nicht mehr deutlich hervor, dass der Nachdruck der
Rede auf diesen Wörtern ruht. Aber auch nach andern Wörtern
wird die erste Silbe von ille kurz gemessen; mau kann nur sagen,
dass es vorwiegend an der unbetonten Stelle des Salzes diese
Messung hatte, dass sie von dieser Stelle ausging, und dann
weiter um sich griff. Es ist nun für dieselbe eine Erkläi ung zu
linden.
In dem Abschnitt über den Tonanschluss wird nachgewiesen
werden, dass d e m o n s t r a t i v e P r o n o m i n a im Zusammenhang der
Rede ihren Hoch ton verlieren und sich an den Hochton des vor-
hergehenden Wortes anschliessen können. Dass auch i II c enklitisch
ist, zeigen die Formen eil um, eil am für enillum, en illam.
Der Verlust' des Hochtones zog das Schwinden des Vokales i in den
Formen e l - 1 u m , . e 1 - 1 a m für e n - i 1 1 u m , e n - i 1 1 a m nach sich, u nd
dieser Vokalausfall beweist eben zur Genüge, dass nicht en in diesen
Tonverbindungen den Hochton einbüsste, sondern dieFonn von ille.
Daraus folgt, dass auch in den angeführten Beispielen, wo die For-
men von ille nach Wörtern stehen, auf denen ein entschiedener
Nachdruck der Rede steht, das Pronomen den Hochton verlor und
enklitisch war. Da nun die erste Silbe desselben tieftonig
wurde, so sank der Vokal i unter das Maass einer vollen Kürze herab
und schrumpfte zu einem stummen oder irrationalen Laut ein.
Dieser stumme Laut konnte dann auch durch die beiden folgenden
Consonanten nicht mehr zu einer vollständigen Lange ergänzt wer-
den, wie dies bei einem vollgültigen kurzen Vokal möglich war.
Hatte aber einmal die Aussprache ille an der unbetonten Stelle des
Satzes Platz gegriffen, so wurde sie in der Volkssprache auch leicht
allgemein.
Diese aber ging in späterer Zeit auf dem Wege der Kürzung und
Verstümmelung des Pronomens ille weiter, indem sie bald das an-
lautende i bald den auslautenden Vokal schwinden Hess. In den
Roma nis c h e n Sprachen, wo ille bekanntlich als Artikel verwandt
ist, ist das i ganz geschwunden in:
— 80 —
1 e , von ille, 1 i , von i 1 1 i , 1 i s , Von i 1 1 i s ,
la, illa, loro, i 1 1 o r u m , los,Ies, illos,
li, illi, lor, las, 1 es, illa s
1 o , i 1 1 u m , 1 e u r ,
{vgl. Dietz. Gramm, d. Rom. Spr. II, 27. 31. 35. 39. 42. 69).
Durch Abfall des auslautenden Vokales wird in den Romani-
schen Sprachen:
il, el aus ille.
Vor vokalischem Anlaut des folgenden Wortes büssten 1 e und
la auch noch den auslautenden Vokal ein, so dass das Alllaleinische
Pronomen ollu s im Laufe der Jahrhunderte zu einem blossen I' ein-
schrumpfte; wie im Lateinischen Polydeuces zu p o 1 , oder wie v o-
lis, velis zu blossem u in ce-u, se-u.
Ganz in derselben Weise erklärt sich die Vernachlässigung der
Position in den Formen des zusammengesetzten Pronomens isle bei
den dramatischen Dichtern.
Auch diese findet überaus häufig statt nach denselben meist
einsilbigen Worten, wie bei ille, nach fragenden Pronomen
und Frage partikeln, nach persönlichen und hinweisen -
d e n P r o n o in e n , nach P a r ti ke 1 n, die eine h i n w eise n d e oder
bekräftigende Bedeutung haben, und nach ähnlichen Wörtern,
die vom Redenden so nachdrücklich hervorgehoben werden, dass
die folgende Form von iste ganz dahinter zurücktrat. Solche Sol-
len sind ;
Plaut.
Pseud. 712: Q u i s i s t i c est?
Stich. 552 : Q u i s i s t u c quaeso ?
Stich. 549: Quis istuc dicii ?
Mil. 1346: Quid istuc est negoti? Vgl. Rud. 027.
J lud. ü^S : . . Quid i s I a e e ata ?
Irin. 871: . . Quid istas pultas?
Bacch. 44 : . . Quid is ti caveam ?
Pseud. 608: Quid i st uc verbist?
Cure. 31: Quid istuc est verbi?
.)///. 914: Quid istis nunc memoratis opusi . .?
Trin. 1099: Set quis istest tuüs ornätus?
{Vgl Mil. 1306. Asin. 35. 308. Pseud. 1138 u. a.)
Terent.
Andr. IV, 1, 21 : Quid istuc est?
IV, 3, 6 : . . Q u i d ist u c obsecrösi ?
Heaui. III, 3, 1 : Q u i d ist u c quaeso ?
Andr. V, 2, 8 : . . Quid istic tibi negotist?
Eun. IV, 3, 10: . .Quid istuc est rei?
Heaut. I, 1 , 30 : . . Q u i d istuc inali est ?
Ad. IV, 5, 10: . . Quid istic est rei ?
Hecyr. IV, 2, 12: . . Quid istuc consili est?
Phorm. II, 2, 29 : Quid istuc verbi est?
Eun. II, 2, 6: cQuid ist u c' inquam eornati est5?
Heaut. IH, 3, 18: Quid iste narrat?
Ad. III, 2, 26: Quid istuc prorsus ergost?
[Vgl. Evn. IV, 3, 8. ^/itf. III, 3, 40. V, 4, 38. Ad. III, 4, 19.
iVwrw. II, 1, 27. I, 2, 8. I, 3, 4. I, 4, G.)
i?/&. Co#2 p. 10: Quid istuc vero atatae te ad vert isti .?
6^0^. #?'&. ;;. 1 27 : Q u i d istuc est? aut quid istic sibi vult serino?
Afrctn.
Com.Eib.p. 162: Quid istuc est? quid fies?
All.
Trag. Rib. p. 89 : Q u i d ist ü c , gnata unica est . . ?
Plaut.
Rud. 1357: . /übi istic leuost?
Mtl. 364: Ubi iste" st bonus servos?
Rud. 563 : . . Ubi is ta e sunt quas memoras mülieres , .
Mtl. 448: 'An ista non sit Pbilocomasium . .
Rud. 958 : 'E go is tu c furtum scio quoi factumst . .
Trin. 372: . . Pol 6go istam volo me rationem edoceäs . .
Racch. 599: Tuo ego istaec igitur dicam . .
Rud. 1077: . . Mihi istin c de istoc vidulo .
Mil. 618: Me tibi istuc aetatis . .
Mil. 421: (juid tibi istic bisce in aedibus debetur?
Trin. 77: . . Tibi istaec dieta di'cere .
As. 227: Tua ista culpa .
Mil. 337 : Nempe tu istic ais esse . .
{Cf. Pseud, 945. Trin. 613. Rud. 578. Mil. 1123. 570.
Trin. 951. Capl.73%)
CORSSEN XI. 6
_ 82 —
l'acuv.
Trag. Bü). p. 89: Possum ego isla in capile . .
Terent.
Hemd. III, 3, 32: 'E go istuc curabo . .
Ad.U, 1,4: 'Ego is tarn invitis omnikus . .
Hemd. I, 1, 58: Ego istuc aetatis . .
a. 0. III, 3, 32: . Tibi istic adscrvändus est . .
Ebenso stehen die Formen von iste gemessen auch nach ein-
silbigen Wörtern, die eine Bekräftigung oder einen Gegensatz aus-
drücken wie pol {Terent. Hemd. IV, 4, 8), ne (Rud. 1040), bem
(Trin. 413. Asin. 233), set (Rud. 353. 1078. 547), at(Heajr. [II,
5, 21).
Die Lateinische Volkssprache bat den Vokal i der Formen von
iste so enlsebieden zu einem irrationalen Laut herabsinken lassen,
dass er fast ganz verklang, das beweisen die von Lachmann (Luer.
Comment. p. 197. vgl. 232.) Fleckeisen (Altlat. Dichter fr. b. Gell.
p. 20) zusammengestellten Schreibweisen c s I e , f s t a , c s t ud , fs t o,
r s t i , r s t o r u m , f s t o c, e s t uc, ? s t i c , 'sinne, welche die besten
Handschriften des Plautus, Terenz, Vergil, Cicero und Gaius bie-
ten ; so:
Pknd. Boeot. Gell. 111, 5: Ubivis este monebat esse . .
Trin. 97: Scio et estac hue causa ad te adveni . .
Ter. Ad. II, 1? 15: Minium <stoc abist i . .
Andr. ML 3, 34' AI estüc periclum in filia . .
In der späteren Volkssprache ward i vor st und sp, sc im An-
lauf des Wortes nur noch sehr schwach wie ein stummer Vokal
oder der besprochene [-ähnliche Beiklang des s gehört ; das bewei-
sen die von Lachinann aus Handschriften beigebrachten Schreib-
weisen: storias, Scomachus, Strumen tum für: histo-
rias, Iscbomach ii s, in sl ru inen t u m, während in den da-
neben vorkommenden Schreibweisen: iscevas, islruis, i Sta-
res, Ist icbo, Ist asi nie, espatiuin, estetid, esceplra für:
s c e v a , struis, stares, Stic ho, St asime, spat i um, s t c t i t ,
s c e p 1 r a {Lach/n. Liier. />. 23 1 . 232) und die schon oben aus Inschrif-
ten angeführten Formen: Ispartacus, (staverius, Istaveria.
istatüam, ispiritu für Spartacus, Staverius, Staveria,
s I a I u a m, Spir it u lehren, dass der 1 - ä h n I i c h e P> ei lau I des s
vor folgender tenuis durch das Vokalzeichen I, seltener durch E aus-
gedriii kl ist. Der Unterschied zwischen sp, s I , sc und isp, ist, isc
- 83 —
im Anlaut des Wortes balle sieh in Folge der irrationalen Aussprache
des i vor diesen Lautverbindungen, für die schon die ältere Volks-
sprache den Ansatz nahm, verwischt.
Die Formen ste für iste, storo für istorum haben sich
erhalten in den Italienischen Zusammensetzungen ste-ssi, ste-sso
für iste-ipsi, iste-ipsu m, co-sti, co -stä, co-stor o aus Lat.
e c c u m - i s t i c , e c c u m - i s t a c , eceum-isto r u m [Dielz, Gr. d.
Rom. Spr. If, 387). Vergleicht man wie das i der Formen von iste
schon zur Zeit der alten Komiker verdünnt war, und dass es in der
Spätlateinischen Volkssprache in der gekürzten Form ste sich en-
klitisch an ein stärker betontes Wort anschlössen konnte, so gelangt
man zu dem Schluss, dass schon in der Altromischen Aussprache
iste neben stark hervorgehobenen, hochbetonten Wörtern
im Zusammenhang der Rede den Ho ch I o n seiner ersten Silbe ein-
b ü s s t e und somit das i derselben i r r a t i o n a 1 oder s t u in m wer-
den konnte. -
Also an der unbetonten Stelle des Sitzes verloren auch die For-
men von iste den Hochton, dann schrumpfte das i zu einem stum-
men Vokal ein und füllte zusammen mit der folgenden Lautverbin-
dung st nicht mehr die Zeitdauereines langen Vokales aus; die
ganze Lautverbindung ist konnte nun also wie jeder mittel-
zeilige Vokal bald lang bald kurz gemessen werden.
Viel seltener als in den Formen von ille und iste findet sich die
Positionslänge beiden scenischen Dichtern unbeachtet in den Formen
wie i p s e ; so :
Plan/. Mil. 1081 : Peru quot hie ipse annos vivet . .
Mü. 1145: Nam ipse miles cöneubinam . .
Ter. Ändr. 1, 2, 3: . . Sed ipse exit foras.
Ad. IV, 5, 22 : Q u i d i p s a e ? quid ahmt?
Phorm.V, 8, 67: Nunc q uöd ipsa ex aliis aüditura sit . .
Phorm. IV, 5, 13 : Volo ipsius [quoque] haec voluntale ...
Dass schon in der Altlateinischen Sprache die Formen von ipse
enklitisch sich an den Hochion des vorhergehenden Wortes an-
lehnten, zeigt die bei Eiinius und Pacuvius gebrauchte Form sapsa
für sa-ips a in der Bedeutung ca ipsa (Fest. p. 325). Diese Form
ist eine merkwürdige Verbindung pronominaler Stämme; ipse selbst
besteht schon aus drei verschiedenen derartigen Stämmen, aus dem
demonstrativen Stamme i-, dem angefügten -pe, das auch in
n e m -pe , q u i p - p e für q u id - p e erscheint, und dem demonslrati-
6*
— 84 —
ven Pronominalstamm so-, sa-, der zu EnniusZeit noch im Gebrauch
war (Fest. a. 0.). Daher kann ipsus (i-pe-su-s) sowohl den
Pronominalstamm so- flectieren in ipsius, ipsi, ipsam , ipsos-» *
ipsas u. a., als den Pronominalstamm i- in eapse, eumpse,
e a m p s e. Pas dreistämmige i p s a fügte sich dann enklitisch an s a
und verwuchs mil demselben zu sa-psa; die andere Form, die den
ersten Bestandteil flectiert hat, e a p s e, trat eben so enklitisch an den
Stamm re- und verwuchs mit diesem Stamme zu re-apse.
Es ergiebt sich also, dass das kurze i von ipse, wo das Wort
an unbetonter Stelle des Satzes vorkam, also seinen Hochion verlor
und enklitisch wurde, unter den VVerth einer Kürze herabsank, und
dass daher die Lautverbindung ips- nicht mehr zwei Zeitweilen, die
Dauereines langen Vokales, ausfüllte, sondern als mittelzeitig bald
lang bald kurz gemessen werden konnte.
Fleckeisen ist der Ansicht (N. Jahrb. LXI, 42) dass einsilbige
Wörter, die von Natur oder durch Position oder sogar aus beiden
Ursachen zusammen eigentlich lang sind, bei Plautus in dem Falle
kurz gebraucht werden können, wenn ihnen ein einsilbiges wirk-
lich kurzes Wor1 vorhergeht, wenn also die beiden einsilbi-
gen Worter, fasste man sie zu einem Worte zusammen , einen j a m -
bischen Wortfuss bilden würden. Zu diesen einsilbigen Wör-
tern geboren die Nominative des Pronomen is, id, wo sie bei con-
sonantischem Anlaut des folgenden Wortes keine Position bilden,
was nicht eben häutig der Fall ist. Heispiele dafür sind:
Plaut. Rud. 177: Uuid id referl lua . . vgl. Cas. II, 5, 22.
Curc.Wi 2, 11:.. Quid id mea referl ? Vgl. Merc. 454.
Ter. Andr. I, 1,15: Et id gräturn fuisse . .
Phorm.N, 8, 86: . . 'In id redactus süm loci.
Pharm. III, I, 13: Quid is fecit .?
Die Formen C\r> einfachen Pronominalstammes i- sind enklitisch
wie ille, iste, ipse und verlieren im Zusammenbang der Rede
vielfach ihren Hoch Ion. Daher verwachsen sie mit dem vorher-
gehenden Worte in Verbindungen wie änt-ea, post-ea, antul-
ea, postid-ea, inler-ea, praeter- ea, prop t er -ea, id- e •»•
ecc -am, e<c-um, eec-as, ecc-os für ecc-eam, ecc-eum,
ecc-eas, ecc-eos, und in diesen mit vcw zusammengesetzten
Formen ist in Folge dessen der Pronominalstamm i ganz geschwun-
den. Da nun im Zusammenhang der Rede is, id vielfach lieftonig
gesprochen wurde, so verlor der Vokal i hier wie in ille, iste. ipse
85 —
den Werth einer vollen Kürze und wurde irrational, füllte also auch
in Verbindung mit zwei folgenden Consonanten die Tondauer einer
langen Silbe nicht aus. Lautverbindupen wie is-f, id-r u. a. konn-
ten daher lang oder kurz gemessen werden wie mittelzeitige Vokale.
In dieser enklitischen Natur des Pronomens is, id, und in
der durch dieselbe veranlassten irrationalen Kürze "des i liegt
auch der Grund , weshalb dieses einfache Pronomen ganz aus den
Romanischen Sprachen verschwunden und seine Bedeutung
durch zusammengesetzte Pronomina oder Pronominaladjcctiva er-
setzt ist.
Ebenso erscheinen die von Natur langen Nominative hie und
hoc, der Ablativ hoc, die Accusative hunc und hanc und die
Adverbien hie, hinc, huc nach einsilbigen Wörtern vor consonan-
tischem wie vor vokalischem Anlaut des folgenden Wortes als Kür-
zen gemessen {Fleckeiscn, a. 0.) ; so:
Plaut. Stich. 714: Qu id h i c fastidis ?
Trin. 1093: Q nid hoc hie clamoris . . ?
Truc. II, 3, 14: Sed quid liaec hie autem lamdiu.?
Ter. Eun. I, 2, 6: Q.uis hie löquilur? vgl. Phorm. V, 1, 12.
Eun. V, 8, 4: Quid hie läetus est?
Phorm. I, 4, 31 : Quid hie conterimus öperam frustra?
Phorm. IV, 3, 21 : Quid hie coeptat?
Eun. IV, 2, 14: Set quid hoc quod timida .?
Eun. IV, 4, 4: Quid huc tibi reditiost?
Plaut. Ruch 937 : S e t h i c rex . .
Trin. 366: .Set hie admoduin adulescenlulust.
Amph. 917: . Vel hoc rogato Sösiain.
Stich. 517: 'In hunc diem . .
Stich. 611 : Per hanc tibi eenam incenato ..
Terenl. Hccyr. I, 1,3: Vel hie Pamphilus . .
Phorm. V, 9, 1 1 : El hoc nil est quod ego dico . .
Anclr. I, 1, 16: Sed hoc mihi molesturn est . .
Andr. 111, 1, 4: Set hie Pamphilus. Quid dick?
Andr. IV, 2, 25 : E go h a n c visam . .
Eun. IT, 3, 53: In hanc nöstram plateam . .
Phonn. II, 3, 23: Ob ha nc l'nimicitias . .
Eun. III, 2,10: . Q u i d , h u n c nun vides ?
Eun. III, 2,40: Ego hinc abro.
Vgl. Geppert. Ausspr. d. Lat. £.90.
— 80 -
Aucl» das Pronomen hie, haec, hoe konnte seinen Hochtun
verlieren und sich enklitisch an das vorhergehende Wort anfügen ;
das zeigen die Verbindungen ^ntid-hac, post-hac, wie ill-ic,
ill-aec, i 1 l-o c für ille-hic, ille-haec, ille-hoe. Nach Ver-
lust des Hochtones an der unbetonten Stelle des Satzes kürzte der
Vokal der Formen von hie sich so weit, dass er irrational wurde,
nicht bloss zu einer Kürze sondern sogar unter das Maass einer Kürze
herabsank, wodurch auch die betreffende Vernachlässigung der Posi-
tion erklärlich wird. Fleckeisen findet einen rhythmischen Grund
für die Vernachlässigung der Position bei den Formen von is, und
für die Einbusse der Naturlänge und Positionslänge zugleich in den
Formen von hie vor consonantischem Anlaut des folgenden Wor-
tes gerade nach kurzen, einsilbigen Wörtern darin, weil diese Formen
von hie, is mit dein vorhergehenden einsilbigen Worte eine jambi-
sche Wortform bildeten. Mag dies mitgewirkt haben, als jene Kür-
zung einmal im Volksmunde im Zuge« war, den Gebrauch in der Vers-
messung bei den Dichtern zu fixieren ; aber in der Volkssprache lag der
treibende Grund doch darin, dass auch dieses Pronomen hie wie an-
dere Pronomina vielfach von dem mit Nachdruck gesprochenen Worte,
auf das es hinwies, im Zusammenhang der Rede soweit übertönt
wurde, dass es seinen Ilochton einbiisste und enklitisch ward. Da
nun das Pronomen hie im Satzbau auf ein folgendes Wort hinzuwei-
sen ptlegt, so wird es sich von selbst vielfach an den Ilochton dieses
auschliessen, wo nicht ein noch schärfer betontes Wort vor dasselbe
vorangestellt wird, an das sich in solchem Falle die Form von lii c an-
lehnt. Die vorstehenden Beispiele zeigen aber auch, wie dieselbe
von einem vorhergehenden Fragewort wie quid übertönt und somit
enklitisch werden kann.
Das Positionsgeselz ist ferner nicht beobachtet in der Messung
von indc, perinde, unde bei Plautus und Terenz, wie folgende Bei-
spiele zeigen:
Plaut. Capt. 128: Jude nie contiuuo reeipiam . .
Ätttf. 960: Quid inde aequoms! dari mihi . .
Ter. Phorm. IV, ->, 76: lüde sümam: uxori . .
Plaut. Cure, 608: . Dixi equidein tibi, unde ad me hie per-
venerit.
Mtl. ()S6: . ('Eme, vir, länam. tibi unde pallium.
Dass inde den Hochton verlieren und enklitisch miteinemvor-
hergehenden Worte zusammen gesprochen worden kann, zeigen die
Verbind ungen d e i n d e , s ü b i n d e , p e r i n d c , p r 6 i n d e , die, wie
unten gezeigt werden wird, den Hochton auf der drittletzten Silbe
haben. Das i in diesen Formen ist der demonstrative Pronominal
stamm wie in is, iste, ipse; die Form in in inde wie in ex in,
dein, pro in eine Loeativform des Prononmialslammes i-, die in
i s t i in , c x i in , o 1 i m , u t r im q u e , i 1 1 i n - c , i s l i n - c , h i n- c eben-
falls erscheint (Zcitschr. für vcrgl. Sprach/. V, 122. 133). Es ist
also erklärlich, dass dasselbe i in inde wie in is, id, iste, ipse
nach Verlust seines llochtones zum irrationalen Vokal herabsin-
ken konnte. In den Romanische n Sprachen ist bald der a n lau-
tende, bald der auslautende Vokal von inde v e r s c h w u n d e n,
so dass es zum Beispiel im Franz üsi sehen zu ent, en , im Ita-
lienischen zu n e abgestumpft erscheint (ßietz, Gr. d. Rom. Spr.
II, 387). Da also das n hier in allen Verhallnissen erhalten bleibt,
so kann auch Schwächung dieses Lautes nicht der Grund der
xMossung in de sein; es ist vielmehr die irrationale Kürze des i, die
in Verbindung mit nd nicht mehr die Lautdauer von einer langen Silbe
ausfüllte. Undc für cuude (vgl. ali-eunde) enthüll in dem eun-
eine ebensolche Loeativform vom Stamme cu-, quo-, wie in von i-;
da, wie sich unten ergeben wird, die relativen Pronomina noch
viel entschiedener zu enklitischer Anfügung an ein vorhergehen-
des Wort neigen wie die demonstrativen, so ward das u von eunde
irrational wie das i von inde.
Auch die Formen ecce, eceum, eccam, cecos, eccas
erseheinen mit kurzer Penultima gemessen, so dass also das Posi-
tionsgesetz nicht beobachtet ist; so:
Plaut. Bad. 1174: . . Tua eccam hie intus . .
Stich. 527 : S e t e c c u m f r a t r e m . .
Capt. 997 : S e t e c c u m i n c c d i t . .
Mit. 1290: Set cecum Pala estriö nem . .
Bad. 6(53: Set eccas i psae huc egrediuntur ..
Bad. 705: Set öptumc ecce exit . .
Psead. 9 1 1 : S e t e c c i 1 1 u m
Terent. Ad. IV, 7, 2 : Set ecce i p s u m . .
Ad. V, 7, 25 : . . Sed eceum Mi cio egreditür foras.
Pharm. IV, 2, 10: Sed e c c u m i p s u m.
Eun.\, 1, 34: Set eccam ipsa egreditür.
- SS -
Es ist oben nachgewiesen in dem Abschnitt über den Conso-
nanten n, dass ecce aus en-cc entstanden ist; en ist aber selbst
eine locative Form vom Pronominalstamm i {Zeitschr. für vergl.
Sprach f. V, 124). Somit erscheint es lautlich gerechtfertigt, dass
dieser in ecce ebenso zu einer irrationalen Kürze herabsinken
konnte wie in is, iste, ille, ipse, in de. Dass diese Kürzung
des Vokales e in ecce erfolgt ist, beweisen die Tochtersprachen des
Lateinischen, die eccum nach Abfall des anlautenden e zu -co ab-
stumpfen, wie das Italienische in den schon erwähnten Formen co-
störo, co-sti, co-stä u.a.
Nach diesem Vorgänge muss man auch annehmen dass in den
Formen e c c i 1 1 u in , e c c i 1 1 a m , e c c i s t u m , e c c i s t a in sich ecce
nach Verlust seines Hochtones an das folgende Pronomen anschloss
und somit der Vokal e zu einein stummen einschrumpfte. Da nun
auf ecce in der Hegel das Wort folgte auf das man scharf hinwies,
so ist eine irrationale Aussprache im Volksmunde um so erklär-
licher, die dem Dichter erlaubte die erste Silbe auch kurz zu
messen.
Auch bei der Messung einiger Präpositionen findet sieh
das Gesetz der Positionslänge bei Plautus undTerenz nicht beobach-
tet. So erscheint zunächst int er mit kurzer Stammsilbe gemessen
{Ritschi, Prot. Trin. p. 12S):
Capt. 617 : Nunc ego i n t e r sacn'i m saxumque.
Stich. 619: Si arte poteris ädcubare. Vel int er cuneos ferreos.
Präpositionen verloren vor den Casusformen der Nomina ihren
Hochton und schlössen sich enklitisch an das folgende Wort
an, wie unten gezeigt werden wird. So konnte das tieftonige i von
int er im Zusammenhang der Hede zu einem irrationalen Vokal
gekürzt werden, der mit folgendem nt nicht die Tondauer einer vol-
len Länge ausfüllte, so dass die Lautverbindung int mittelzeitig
wurde und kurz oder lang gemessen werden konnte.
Aebnlich verhalt es sich mit der Messung von den Compositen
interim, inier pella tio, interest in folgenden Versen des
Plautus und Terenz:
Plaut. Stich. 1 Ol: Set interim. Stratege noster . .
Cure. 486: Sei interim lorcs rrepuer« ..
Trin. 709: Quid tibi interpellätio aut in consi-
lium huc accessiost.
89 —
Ter. Eun. 111. 5, 59: Sar.c hercle ut dicis; set i uteri in de
sümbolis . .
Heaut. V, \, 9: Sed Interim quid ilh'c iamdudum . .
Eun. II, 2, 2: Quid interest? hoc adeo ex hac re. .
Wie oben schon nachgewiesen, lehrt die Vergleichung von
intro, intra, introrsus find int rinsecns mit interim, in-
terea, dass in der lebendigen Volkssprache dieses c ein stummer
Vokal war; daher sprach das Volk auch wohl interim, interest,
interpellatio. An den hier angeführten Stellen sprechen indes-
sen überall bestimmte Gründe für die pyrrhichische Messung von
int er in den Zusammensetzungen. War das Ohr einmal gewöhnt,
in inlcr die erste Silbe kurz zu hören und auch auf die beiden Sil-
ben von inter in der Composition nur eine doppelte Zeitweile zu
rechnen, so wurde die pyrrhichische Messung leicht auch auf die
Coinposita mit inter übertragen und interest, Interim gemes-
sen, obwohl der Hoch ton auf dem i ruhte.
Dieselbe Messung erhielt auch das stammverwandte intus
(BitscH Prol.p. 128).
Plaut. Cas. III, 3, 24: 1 tu ätque accesse illam, ego intus quid
faetöst opus.
Auch vor dem auslautenden Consonantcn von Präpositionen und
consonantischem Anlaut des folgenden Wortes findet sich zum Theil
das Positionsgesetz bei Plautus und Terenz nicht beachtet.
Dies gilt zunächst von der Präposition i n.
Plaut. Capt. Prot. 49: Ut in Servitute hie äput suum . . .
Mil. 853: Set in cella partium löculi . .
Capt. 877 : 'Abi in malam rem . .
Bacch.93H: . . Set in lecto adeubat.
Tercnl. Hecyr. V, 4 , 11: Näm neque in nuntiö neque i n m e
ipso tibi boni quid sit scio.
a. 0. 111, 1 , 55: Era in crimen veniet . .
Heaut. V, 4,9: . . Mores cäve inte esse islos . .
Hec. III, 1, 31: . . Quöd in rem sit tuam.
Phorm. V, 6, 22: 'Ubi in gynaeceum ire . .
Ebenso bei Ennius :
Trag. Rib. p. 32: Quae tibi in coneubiö vereeunde . .
Da die Lateinische Präposition in im Zusammenhange der Rede
tieftonig gesprochen wurde wie die Griechische iv, so sank ihr i
- 90 —
wie in inter, interim u.a. zur irrationalen Kürze, und bei
dem sclivvaelien Ton des auslautenden n war um so weniger die
Lautdauer von in-s, in-c, in-n der Lautdauer eines langen Vo-
kals gleich. Diese Lautverbindungen waren also niittelzeitig
und konnten lang oder kurz geinessen werden.
Am häutigsten unter allen Präpositionen ist (aput) apud bei
den scenischen Dichtern so gemessen, dass sein auslautendes d
oder t mit dem anlautenden Consonanten des folgenden Wortes
das u nicht zu einer metrischen Länge ergänzt^ so:
Plaut.
Mit. 108: ltaque intuinum ibi se indes aput lenäm facit.
Stich. 536: Aput nos eccilläm festinat . .
Bacch. 306: Nos aput Theo tiinum omne aiiruin . .
Naev.
Com. fr. Rib. p. 8: Tibi servi multi äpud mens am astant . .
Tcrent.
Phortn. V, 8, 33: Mauere illam apud te, dos hie maneat . .
ä. 0. 41 : Cum illa häbitet apud te, hoc vestrum . .
AU.
Traf/. R. p. 104: Hemanet gloria äpud nie: exuvias . .
Incert.
Trag. R. p. 227: Nihil horum simile est apud Lacaenas vir-
gines.
Oben ist gezeigt worden, dass die auslautenden Consonan-
ten l, d einen dumpfen schwachen Ton hatten, und dass ein aus t
abgeschwächtes d sowohl im Ablativ von NommaHonnen als im Im-
perativ von Verbalformen frühzeitig abfiel. Ls ist ferner in dem
Abschnitt über Vokalkürzung in Endsilben besprochen, dass apud
Ablativ eines vom Stamme ap- in aptus, apiscor, apex gebil-
deten Verbalsubstantivs ist und eigentlich in Anfügung, dabei1 bei
bedeutet, und dass der Vokal dieser Ablativform sich vor d kürzte
wie in sed(set), red-, prod-. Wie das u vor dem halbveiKlin-
genden Auslaut m und s sich zu einem irrationalen Vokal verdünnen
konnte, so geschah dies auch vordem schwachlonenden d in apud,
sodass der ganze Wortausgang -ml nur die Tondauer einer irra-
tionalen Kürze hatte. Diese schon geschwächte Silbe, verküm-
mert daher in den R omanischen Sprachen auch weiter, im Ita-
licnischen zu appö, im Provenzalischen tu ab [l>ift:.
— 91 —
Gramm, d. Rom. Spr. II, 404). Aelinlich verhält es sich mittler
Messung cäpüt, Cure. 360: Caput deponit, condormiscit . ,
dessen t so sehwach auslautete, dass die Silbe ut irrational tönte;
wie apfil zu appo, ab, so stumpfte sich caput in den Töchter-
sprachen des Lateinischen zu cabo, cabe, dab-, chef ab (Dietz,
a. 0.).
Bei ad findet sich die Positionslänge nicht beachtet; so zum
Beispiel in folgenden Versen :
Plaut.' Stich. 127: Set hoc est, quod ad vos venio . .
Pseud. 400 : N e q u e a d d e t e x u n d a m telam . .
Ter. And. I, 5, 53: Et ad pudicitiam et ad rem tutandam
sient.
Hec. 1, 2, 60: üt ad päuca redeam . . Vgl. Phorm. IV,
3, 43.
Pharm. I, 2, 100: Et ad pörtitores.
Ad. II, 2, 28: Iamne cnumerasti id quöd ad te reditu-
rum putes.
Dass auch hier das auslautende d schwach tönte, lässt die
Nichtbeachtung der Position erklärlich erscheinen; in den Komani-
schen Sprachen stumpft sich die Präposition nach Abfall dieses
schwachen d zu a ab.
Der schwache Ton des auslautenden Consonanten in den Prä-
positionen ab, ob, ad, in macht hiernach auch die Messungen der
ersten Silbe in folgenden Composilen erklärlich:
ä b d u c e , PL Stich, ä d c u b e s , PI. Stich. T n p i n g a m, T. Phorm .
418. 435. 618. II, 3, 92.
ä p s u r d e, PI. Capl. a d s i t i s , T. Eun .111, in c o m m o d i t a t e s ,
71. 2, 53. T.Heaul.N, 1, 59.
ö p s o n a b o , PI. ä c c u m b e , PI. Most. T g n a v e , T. Eun. IV,
Bacch. 97. 308. 7, 7.*
öeculto, PL Irin, aeeepisli, PL Irin. Ingenium, T. And.
664. 712. 964. I, 1, 39.
öeeidito, T. Phorm. I, 2, 93.
Die schon besprochenen Formen oquoltod (Sc. d. Bacc),
operio, aperio , zeigen dass der auslautende Coiisonant der Prä-
position in Compositen nach seiner Assimilation so schwach tönen
konnte, daSs er nicht mehr durch ein besonderes Schriftzeichen aus-
gedrückt wurde. In Tgnave ist das n der Präposition auch ohne
— 92 -
Assimilation geschwunden und das g von schwachem Ton, wie es
denn in navus, navare ganz abfiel. Manche ahnliche Messungen
wie die vorstehenden sind kritisch noch nicht sicher gestellt.
{Ritschi, ProlL p. 124. 135. 137. Vgl. Geppert, Lal.Ausspr. 85. 92
mit Plaut, ed. Rilschl. cd. Fleckeis. Rib. trag. Lat. rel.)
Von Präpositionen ist hier noch die Messung von sine zu er-
wähnen in folgenden Versen :
Plaut. Pscud. 378: Set sine argento früstra's, qui me tili
misereri pöstulas.
Ter. Andr. I, 1, 39: Sine invidia laudem invenias et amicös
pares.
Ritschi {ProlL p. 148) zweifelt, oh in der Messung dieser
Verse das i von sine ganz ausgefallen sein könne, und mit Recht.
Sine verlor den Hoch ton vor der folgenden (-asusform wie alle
anderen Präpositionen, und nun konnte das i zu einer irrationa-
len Kürze verkrüppeln. Achnliches wird sich unten für quidem
ergehen.
Dem vorangestellten Plan gemäss folgt nun die Betrachtung der
Partikeln und Conj unctionen, hei denen eine irrationale Aus-
sprache gewisser Laute statt findet.
Hierher gehören zuerst die von naiii abgeleiteten Conjunctio-
nen. Man überblicke zunächst folgende Messungen von enim:
l'laul. Stich. 302 : Nön enim p o s s u m . .
Ter. Andr. III, 2, 23 : (leite e n i m s e io . .
Ad. II, 1, 47: Verum enim quando . .
Phorm. V, 8, 90: Enim necpieo solns . .
Enn. Trag. R. p. 34: Hie itidem est enim oequedoini. .
Incert. Trag. R. p. 227 : Vös e n i m iuvciics ..
Plaut. Capt.b'M: Eniinvero nunc ego ocn'di . .
Ter. Em. 11,3, 38: . . Inmio eniinvero infeliciter.
Phorm. V, 9, 47: 'Eniinvero prius quam harr . .
Pacuv. Trag. li. p. 76: Immo eniinvero . .
Vgl. Plaut. Cist. II, 1, 43. Ter. Haut. V, 5, 1. Ad. H, 3, 2.
Phomi. V, 8, 92.
Das auslautende m der enklitischen Conjunction enim, die
sich sowohl an ein vorhergehendes Wort anschloss in et enim, als
an ein folgendes in eniinvero, lautete ehrn so schwach wie das
auslautende m der Accusativformen honum, malum, malam.
— 93 -
senem u. a., von denen unten die Rede sein wird; daher halte die
auslautende Silbe -im, denselben irrationalen dumpfen Laut wie die
Accusativendungen. Die Lautverbindungen im -p , im -sc, im-v
füllten daher die Tondauer von zwei Zeitweilen nicht aus, sondern
waren miltelzeilig, konnten also mit gutem Grunde in den vorsie-
henden Versen kurz gemessen werden.
Die Conjunction nempe findet sich vor consona nüschem An-
laut des folgenden Wortes pyrrhichisch oder vor vokalisch m Anlaut
desselben als einsilbige Kürze gemessen:
Plaut. Mit. 906: Nempe Iudificari ..
922: Nempe tu novisti militem . .
Rud.34%: Nempe rem divinam facitis hie?
Pseud. 151 : Nempe ita animati estis . .
Ter. Phorm. II, 1 , 77: N e m p e P h ö r m i o n e ra ?
Vgl. Trin. 328. 427. Bacclu 188. Pseud. 353. 1189.
Ehe die enklitische Partikel -pe an nem- antrat, war das in
auslautend, also schwach nachklingend ; diesen schwachen Ton be-
hielt, es auch vor der Anfügung -pe, wie das m von enim in der
Tonverbindung enim vero schwach blieb. Wie neben sirempse
die Nebenform sirepse steht, so klang auch nempe sehr ähnlich
wie nepe.
Das schwache auslautende -m von quidem und der irratio-
nale Laut der ganzen auslautenden Silbe -em zeigt sich darin, dass
diese Silbe vor consonantischem Anlaut des folgenden Wortes häufig
nicht durch Position lang wird ; so:
Plaut. Cure. 547 : Nee mihi quidem 1 i b e r t u s . .
Trin. 953 : *Qui q u i d e m n o n novisse . .
Bacch.34: Nam tu quidem credo excantare . .
Ter. Phorm. II, 3, 78 : Aut quidem cum uxore . .
Fleckeisen zeigt aus einer Anzahl Plautinischer Verse (N. Jahrb. LX,
260), dass quidem bei der Messung vor vokalischem Anlauf fast
ganz verschluckt worden sei; so:
Trin. 58: Dum quidem hercle tecum . .
Asin. 817: Iam quidem hercle ad illam hinc ibo . .
Epid. I, 1, 89: Tu quidem antehac aliis solebas . .
Mil. 158: Mihi quidem iam arbitri vicini . .
Das i in quidem kann in der Aussprache hier nicht ganz aus-
geflossen sein, einmal weil es überall geschrieben ist, dann aber
auch weil eine Consonantenverbindung qu'd für einen Römischen
— 94 -
Mund nicht sprechbar war. Das i ist vielmehr z.um stummen Vokal
herabgesunken, weil quidem enklitisch war und sich tieft onig an
den Hochton des vorhergehenden Wortes anschloss. Dies fand
nicht bloss statt, wenn dieser Tonanschluss durch die Verbindung
beider Wörter in der Schrift ausgedrückt wurde wie in equidem,
q uandöquidem, sondern auch in Verbindungen wie:
M i h i q u i d e m , Cure. 547. Q u a n d 6 q u i d e m , Stich. 485.
Tu quidem, Bacch. 34. TVm. 352.
T i b i q u i d e m , Asin . 4 SÄ . Cum quidem, Licin . Com . Rib.
Qui quidem, Trin. 953. p. 29.
Quäe quidem, Asin. Prot. 2. 'Et quidem, Pharm. III, 1, 7.
Tarn quidem, Asm. Sil. 'Is quidem, Ad.lU, 1, 6.
Dum quidem, Asin. 870. Vellem quidem, Pharm. II,
Cure 704. 1, 27.
Si quidem, Bud. 484.
So liess also das tieftonige quidem nach den hochbetonten
Wörtern i-am, tu, mihi, auf denen der Nachdruck der Hede lag,
sein i zu einem stummen Vokal eingehen, wie in der enklitischen
Präposition sine das i irrational wurde.
Nach der handschriftlichen Ueberlieferung gehört auch ergo
zu den Conjunctionen, bei denen eine Vernachlässigung der Position
hervortritt. Man vergleiche :
Plaut. Trin. 926: . Quid ergo ille ignavfssumus.
Mit. 1008: . . Quid ergo haue dubitas rönloqui?
Pocn. IV, 2, 52: Quid ergo dubitas . .
Pers. 185: .. Quid ergo dixi.
Men. 79 : Q u i d ergo opusl ?
Stich. 725: 'Age ergo observa . .
Pocn. IV, 2, 71 : . . Fac ergo id facile . .
{Vgl Geppert, Ausspr. d. Lal. S. 95, gegen Ritschi, Proli. 127.)
Dasse'rgo, ursprünglich der Ablativ eines Nomens, mochte es nun
zur Präposition verwandt werden oder zur Conjunction und
wegen oder deswegen, also bedeuten, an der unbetonten Stelle
des Satzes den Hochton wie so viele andere Präpositionen und Con-
junetionen einbttssen konnte, wird in dem Abschnitt Über den Ton-
anschluss dargethah werden. In den vorstehenden Ptaulinischen
Versen steht es nach dem stärk hervorgehobenen Fragewort quid
und den nachdrücklich betonten Imperativen age, fac und sehliesst
— 95 —
sich tieftouig an dieselben an. So konnte der Vokal der ersten
Silbe e irrational, mithin die ganze Silbe in der Aussprache kurz
werden.
Auch die auslautende Silbe von der Conjunction tarnen er-
scheint vor consonantischem Anlaut dos folgenden Wortes zumTheil
nicht als Positionslauge; so:
Plaut. Mil. 585: Verum tarnen, de nie quiilquid est . .
Terent. Hec. V, 4, 32: . . Nön licet, tarnen süspicor.
Ad. 1, 2, 65 : Tarnen vix humane patilur . .
Eun. V, 2, 50: Tarnen si pater quid.
Vor dem matt lautenden schließsenden n von tarnen kürzte
sich das e in tieftoniger Silbe zu einem irrationalen Laut, Dies er-
gieht sich aus der Angabe des Verrius Flaccus (Fest.v. tarn p. 300)
dass die alteren Djchter wie Naevius, Ennius und Titinius die Form
tarn für (amen brauchten {vgl. Pönal, ad Ter. Ad. IV, 4, 14).
Zwischen tarnen und tarn lag eine Mittelstufe tarnen, in der das
Wort mit einem stummen e ausgesprochen wurde, und diese Mittel-
stufe ist durch die obigen Messungen bezeichnet; der stumme Vokal
e fiel dann ganz aus, und da die Consonanten mn nicht im Auslaut
eines Lateinischen Wortes stehen konnten, so iiel auch das n ab
und es entstand die stumpfe Form tarn. Die daktylische Dichtung
hob hingegen durchweg den irrational gewordenen Vokal 4e wieder
zur Geltung einer vollen Länge empor.
Die Conjunction tamelsi findet sich bei Plautus und Terenz
so gemessen, dass die Lautverbindung ets nicht die metrische Gel-
tung einer langen Silbe zu haben scheint; so:
Plaut. Capt. 321 : Ne, tarnet si unieus sum . .
Mü.lW: Tametsi dominus nön invitus . .
Psend. 244: Redi et respice ad nos, tametsi's occupa-
tio.
Stich. 40: Quam ob rem ego le hoc, soror, tametsi's
maior.
Ter. Eun. II, 3, 25: Tametsi bonast natura. .
Tarn et si ist eine blosse Verbindung von tarn und ctsi unter einem
Hochton und wird auch getrennt geschrieben; der Ausgang -am
von tarn lautete also irrational gerade so wie das -am, em in den
Tonverbindungen q u a m o b r e m , q u e m a d m o d u m , die auch
quam obrem, quem admodum oder quam ob rem, quem
ad modum geschrieben werden können.
— 96 —
Endlich finden sich auch die Conjunctionen et und ut bei
Plautus und Terenz nach Wörtern von einsilbiger Geltung so ge-
messen, dass das t mit dem consonantischen Anlaut des folgenden
Wortes nicht Position bewirkte; so:
Plaut. Cure. 698 : Bene et pudice me domi habuit . .
Capl. 124: Ita ut dicis . .
Ter. Phorm.N, 1, 6: Quod ut facerem egestas me inpulit . .
Hec. I, 2, 32: Ut hoc pröferam, sed ut täcita mecum
gaüdeam.
Andr. II, 4, 6 : Modo u t p ö s s i m . .
a. 0. V, 3, 17: An ut pro hüius peccalis . .
Eitn. Prol. 19: Ita ut facere instituit.
Heaut. III, 1,8: Item u t f i 1 i u m . .
^fe/p/*. III, 3,45: 3Iodo ut nüncesj,. .
a. 0. V, 3,41 : Ita ut völumus.
Phorm. 11,3, 68: An, ut nequid . .
Heaut. I, 1, 116: . . Sed ut diei teinpus est.
a. 0. I, 1, 27: Rectümst, ego ut faciam. .
Vgl Ad. IV, 2, 20. Heaut. V, 4, 17. Eun. II, 3, 302.
Da sowohl et als ut enklitische Conjunctionen sind, wie sich
weiter unten ergeben wird, so konnte das tieftonige n und e dersel-
ben unter den Werth eines kurzen Vokales herabsinken wie das u
von aput und caput vor schwacblautendem t.
Die Conjunction simul findet sieh häufig so gemessen, dass
ihr auslautendes 1 mit consonanlisehem Anlaut des folgenden Wortes
nicht Position macht; so:
Plant.
Aulul.lY, 3, 2: Semul radebat pgdibus terram . .
Mit. 1137: Sequimini; simul cir.cumspicite ..
TurpiL
Com. llib. p. 94: Simul ci r cumspe e I a I ..
Ter. Eun. II, 2, 10: Simul con siliu in cum re amisli . .
Heaut. IV, 5, 55: Et simul conti riam fäcilius.
Auslautendes 1 hat im Lateinischen stets seinen vollen Ton
bewahrt und ist niemals abgefallen. In semul. simul ist also der
tieftonige Vokal u vor 1 irrational geworden wie in periculuni,
exlempulo, manipulus, orac u I u m u. a., so «las> die folgende
Consonanten Verbindung nicht ausreichte ihn zu einer Zeitdauer von
zwei Moren oder einer langen Silbe zu ergänzen. In den Romani-
— 97 -
scheu Sprachen ist das u von simnl ganz ausgefallen und zwischen
in und 1 ein vermittelndes 1> getreten, im Span, und Franz. en-
semble von in- simnl, wie comble von cumulus, hu in hie
von humilis, ebenso mit Uebergang von 1 zu r Ital. in-sembre,
Allspan, en-sembra. Auch das 1 von simul fiel weg in Ital. in-
s ie m (e) , Provenzal. e n - s e in (s).
Für die Vernachlässigung der Position in der ersten Silbe von
ätque sind zwei Stellen von Bedeutung:
Plaut. Trin. 824: 'Atque tibi ego, Neptüne . .
Rud. 228: . . Sunt quam haec sunt, loca, atque häe
regiones . .
In beiden Fällen ist es natürlich anzunehmen, dass die Con-
junclion, die, wie simulac, simulatque zcigl, enklitisch war,
zwar atque geschrieben aber wie ac gesprochen wurde, so dass
das auslautende e stumm war*).
Es sind nun die Verbalforme n zu untersuchen, in denen
eine irrationale Kürzung eines Vokales erfolgt ist.
Häufig ist bei den Seenischen Dichtern est als kurze Silbe,
esse als Pyrrhichius gemessen, namentlich häufig nach einsilbi-
gen oder ein sil 1) ig gemessenen, fragenden, demonstra-
tiven, persönlichen und possessiven Pronomen und nach
denselben einsilbigen Partikeln, nach denen auch ille, iste,
ipse pyrrhichisch, hie, is vor con semantischem Anlaut des folgen-
den Wortes als Kürzen gemessen sind. Man überblicke folgende
P»eispielsammlung :
Plaut.
Bacch. 40: . . Quid esse dicis dignius?
Bacch. 54 : Q u i d e s t q u o d metuis ?
Bacch. 1 1 5(3 : Quid est qu od pudeat ? *
Ter ort. Heaat. V, 3, 6: ..Quid est quod peccem . .
Ad. II, 3, 8: Quid est? Quid sit?
Ad. 111,2,25: .. Quid est? quid trepidas?
Ad. IV, 2, 4 : . . Q u i d e s t ? M e n quaerit ?
Phorm. III, 3, 30 : N ü m q u i d c s t , q u o d operä mea
*) Unter den von Geppert, Ausspr. d. Lat. S. 85 angeführton Stellen
für die Messung ätqu e ist keine streng beweisend. Ebenso wenig sind
die Messungen perque, q u u d q u e , antehac, an t e , a. Ö. S. 91 , 93,
kritiscli sicher gestellt.
Corssen II. 7
— 98 -
Plaut.
Trin. 565 : Et e g o e s s e 1 o c u p 1 e s . .
Pseud. 468 : Cupis m e esse n e q u a m . .
Mil. 549: Scd nie am esse erilem . .
Mil. 1 118: . Necessum tibi esse uxörem . .
Trin. 1337: . . Tibi esse amicum . .
Mil. 793 : Tu am esse uxorem . . Vgl. 796.
Mil. 932: A tua esse uxore mihi datum . .
Trin. 354: Ls est inmoenis . .
Trin. 697: 'ls est bonos . .
Stich. 89: 'ls est ecastor . .
Bud. 1132: 'Eum esse rlixit . .
Trin. 249: 'Id est mali . .
Trin. 668: 'Hast amor . .
Terent.
Andr. IV, 4, 48: II ic est ille . .
Laber.
Com. Rib.p. 239: Hie esl ille gurdus . .
Plant.
Pud. 1080: . . Qua im esse aiebas . .
Mil. 311 :.. Quid quid est, müssil abo . .
Enn.
Trag. Rib. p. 35: Omni est ante pedes nnno spectal . .
Terent
Phorm. IV, 3, 33: üt est (He bonos vir . .
Enn. V, 5, 4: Set es tue ille noster Pärmeno . ?
Ad. IV, 2, 30: Set es Ine frater intus . ?
An allen diesen Stellen shlii ossc an unbetonter Stelle des
Salzes, der Nachdruck der Rede ruht meist auf dem vorhergehen-
den, seltener auf dem folgenden Wort, sodass es immer nur dem
Griechischen ioxi nicht dem Griechischen tan entspricht.
Ritschi (Pro/t. p. 107. 325) weist für Plautus Dach, das* die For-
men es und est, wenn das vorhergehende WorJ auf einen Vokal
ausgebt oder auf ein s nach kurzem Vokal, und die Fora est,
auch wenn das vorhergehende Wort auf ein m auslautete, ihren
Vokal ganz einbüssten, indem sie sieb enklitisch an das vorher-
gehende Wort anschlössen, dass man als«» itas, her des, mis,
homos, na eins für ila es, beide es, mi 68, homo es,
na et ns es; ilasl, lest, ibist- eost, na einst, quomsL
— 99 —
qunmst, quid ernst für ita est, te est, ibi est, co est,
ii a c I u s e s t , q u o m e s I , q u a m e s l , q u i d e ra e s t sprach und
schrieb. Dass spätere Prosaiker und Dichter eben so schrieben
und sprachen, hat die neuere Handschriftenforschung aus zahlrei-
chen solchen Schreibweisen dargethan (ygl.Lachm.Lucr.p. 65 — 67.
200. Wagner, Orthogr. Verg.p. 433 s<y- Nwlnrfir, Consp. Orihogr.
Vatic. cod. Cic. d. rep. Madvig ed. Cic. de 'finib. Wunder, Praef
Cic. Plane, j). 14). Die Inschriften stimmen {damit überein. In
Voraugusteischen Inschriften finden sich die Schreibweisen situst
(/. N. 5882), vocitatusj. (/. Gen.), re lata st (Or. 4641), dedi-
catast(/. Ar. 2557), positast (I. N. 3868), quälest (I. N. 1 137)
und aus einer Leichenrede der Augusteischen Zeit necessest (Or.
4859). Also die Formen es, est sind enklitisch undbüssen in den
vorstehenden Fallen ihren tieftonigen Stammvokal ein. Aher auch
die anderen Formen des Präsens von esse sind enklitisch gewe-
sen. Der Stammvokal e hätte in sinn, sumus, sunt, sim, sis,
sit ii. a. nicht abfallen können, wenn diese Formen nicht ihren ei-
genen Hochton verloren und sich an das vorhergebende Wort an-
gelehnt hätten. So findet sich denn auch geschrieben adtributa-
sunl (/. Iul. munieip.); so ist durch enklitischen Tonanschluss der
Formen von esse an potis possum, pol.es u. a. entstanden;
eben so hat sich die Conjunctivform sit an das vorhergehende Wort
angefügt in forsitan für fort e-s it -an, während fortassisaus
forte-an-si-vis zusammengewachsen ist (vgl.passum für pan^
Stirn). Auch im Oskisehen wird das Präsens von esse ebenso an-
gefügt an das vorhergehende Wort in den Schreibweisen: pro (tu -
set, posstist, lermnatusl, im Umbrischen desgleichen wie die
Schreibweisen : p e s e t o m e st, peretomest, f r o s e t o m e s t ,
daetomest zeigen, in dem Abschnitte über die Betonung der
Italischen Dialekte wird davon weiter die Hede sein.
Wenn also die Italischen Sprachen in dem Tonanschluss der
Formen von der Verbalwurzel -es noch weiter gehen als dicfirie.
einsehe, wenn in sum, sumus, sunt, sim, sis, sit u.a. der tief-
tonige Stammvokal immer abfiel, ebenso in est, es verklang, wenn
das vorhergehende Wort auf einen Vokal oder einen der im Auslaut
schwach tönenden Consonanten m oder s ausging, so folgt daraus,
dass in dem enklitischen est und esse an den angeführten Stellen
der Sceniscben Dichter derselbe tieftonige Vokal e zu einer irratio-
nalen Kürze gesunken ist, und dass deshalb die Lautverbindungen
7*
— 100 —
ess, est nicht mehr die Zeitdauer einer langen Silbe aus-
füllten.
Dieselbe irrationale Kürze hat das tieftonige e, wenn potest,
a tl e s I, inest pyrrhichisch gemessen vorkommen {Fleckeis. .\. Jahrb.
LXI, 42. Anm.).
Plaut. Pseud. 135: . . N6n potest ussura ussurpari.
Enn. Trag. Rib. p. 18: 'Ad est, adesl fax öbvoluta . .
Terent. Ewn. V, 2, 66: Adest optume ipse fraler . .
Es sind nun einige Perfektformen in Betracht zu ziehen, in de-
nen irrationale Vokale erscheinen. Dies isl der Fall in folgenden
Versen :
Plaut. Trin. 129: Dedisline hoc facto ei glädium . .
Men. 689: Tüte nitro ad me dclnlisli dedisti eam
dono mihi.
Amph. 761: Denisse dono hodie qua le illi . . .
Pseud. 990: Nomen est. Scio iäm tibi me reete de-
d isse epistnlam.
Stich. 721: Age tibicen quändo bibisli, refer ad la-
beas libias.
Es fragt sich hier, ob der Vokal der ersten oder dr zweiten
Silbe von dedisti, de d isse, bibisti zu m stummen Lau! gesun-
ken ist. Fleckeisen (N. Jahrb. LX, 257.) pflichtet Bergks Ansicht
bei, dass in diesen Formen die Reduplicationssilbc geschwunden
s<'i. Allein nirgends isl \on einem solchen Schwinden der Redupli-
eationssilbe sonst eine Spur zu linden weder für dedi noch für
bibi. Wohl aber erleidet das Charakteristische i des Perfekts vor
der Endung der zweiten Person Sing, -s I i Ausfall in den besproche-
nen Formen wie insli, sens'ti, maust i, misti, coepsli,
scripsti, (1 ix I i, d nxt i, Inxli und vorder Endung -sse des
Infinitivs in Formen wie misse, sumpse, scripse, dixe, ftber
die oben ausführlich gehandelt isl (Vgl. II, 33 /*.). Es isl schon
darauf hingewiesen, dass diese Aosstossung des i nur möglich war
bei der alten Detonnngsweisc iüss i sl i, si; n s i s I i o.a., scripsisse,
dixisse n. a. ; es ist ferner klar, dass der ursprünglich lange Vo-
kal i nicht, mit einem plötzlichen Ruck ans dem Wortjcörper hinaus-
geworfen wurde, Sündern dass er sich allmählich kürzte und bis zu
einem stummen Vokal einschrumpfte, ehe er ganz verschwand.
Daher sind auch die Formen dedisti, bibisti, dedisse so
zu fassen. d,iss der llochlou auf der drittletzten Silbe blich, wo er
— 101 —
nach dem allen BetoiHingsgesetz stand, das i aber irrational wurde,
so dass die Lautverbindungen ist, iss nicht mehr die Tondauer
einer Lange hatten, und somit dem neuen Betonungsgesetz geneigt
war, das den Ilochlon auf der drittletzten und die Länge der vorletz-
ten Silbe nebeneinander nicht vertrug. Es ist ferner nachgewiesen,
wie dem Zischlaut s ein I-ähnlicher vokalischer Beiklang eigen war,
der sich im Anlaut vor t, p, c zu einem stummen 1 entwickeln
konnte, wie die Schreibweisen ispirito, istatuam, isla res u. a.
zeigten. Auch hei der Aussprache der Formen sensti, scripst»,
dixti tönte dieser [-ähnliche Beilaüt des s durch. Das irrationale i
der Formen dedisti, bibisti klang auch nicht mehr deutlicher
wie jener 1- klang; hier ward der irrationale Laut noch durch ein
Schriftzeichen bezeichnet, dort nicht mehr, wie man dextera lie-
bend extra, pericula neben pericla schrieb, wie neben der
Schreibweise istc, isla, istud die andere ste, sta, stud
vorkommt, während in beiden Fällen derselbe Laut gehört wurde.
Ebenso verhielt sieb die Infinitivform d edisse zu dixe, scripse.
Als die Sprache den Ilochlon auf der drill letzten Silbe vor Tonlänge
der vorletzten nicht mehr litt, ward aus den ursprünglichen Formen
dedisti, dixTsti, d edisse, dixisse, durch Kürzung der vorletz-
ten Silbe d 6d is ti> dixti, d edisse, dixe, oder durch Vorschie-
bung des Hochtones dedisti, dixisti, dedlsse, dixisse; ge-
rade so zweigten sich in derselben Zeit aus demselben Grunde von
der alten Form dederont für dedlsont, einerseits dederont,
(I c (I ro t , d e (1 r o , andrerseits d e d e r iml, d ed e r e ab. / '///. I, 260.
II, 18. 33 /". Daraus folgt, dass auch in dem Baccheischen Tetra-
meter bei Plautus :
Poen. 1, 2, 13: Eae nos lavando, eluendo operam dederunl
nicht an eine Ausstossung des e der Reduplicationssilbe zu denken
ist , sondern d e d e r u n t oder d e d r u n t gehört und gesprochen
wurde.
Eine Bestätigung für die hier entwickelte Ansicht bietet nun
feiner die Messung von dedit in folgenden Versen des Plautus und
Terenz :
Plaut. Most, 649: Set ärraboni dedit qüadragintä minas.
Irin. 902: 'Ab ipson istas äeeepisti? E manibus dedit
mi ipse in manus.
— 102 —
Plaut. Rucl. 1171: 'Et bulla aureäst, paler quam dedit mihi
natali die.
Ter. Eim. V, 8, 15: Illumnc qui mi dedit consiliura . .
Die Annahme, dass hier dedit einsilbig gesprochen sei, in
dem der Vokal der Reduplicationssilbe geschwunden {FJeckeisen,
N. Jahrb. LX, 259), ist unhaltbar, da in der Sprache unmöglich der
hochbetonte Vokal ausfallen kann, wahrend der tieflonige daneben
unversehrt blieb. Ein Schauspieler aber wäre sicher ausgelacht,
wenn er hätte d'dit sprechen wollen, während das Volk dedit
sprach. Dass das auslautende t in Verbalformen im Altlateiniscb.cn
wie in der späteren Lateinischen Volkssprache und in anderen Ita-
lischen Dialekten einen dumpfen und matten Ton hatte und daher
schon in den Altlateinischen Formen d e d e , d e d r o , ded er i, c e n -
suere gar nicht geschrieben wurde, wie auch in den Spätlateini-
schen vixse, fece, quiesce, fecerun, quieseun, ist oben
gewiesen (I, 70). Auch der Charaktervokal i der 3ten Person Sing.
I'erf. erlitt gelegentlich eine solche Kürzung, dass er gar nicht ge-
schrieben wurde. So findet sieb auf einer alten Inschrift fect für
fecit und auf späteren vixt und expensavl (vgl. II, 23).
Dass der Vokal i hier nicht ganz ausfiel, sondern nur stumm oder
irrational wurde, gebt daraus hervor, dass Conso nanten verbind un-
gen wie et, xt, vt im Auslaut Lateinischer Wörter ganz unerhört
sind. Wenn nun von der Perfektendung -it beide Laute so schwach
tönen konnten, dass sie gelegentlich gar nicht geschrieben wurden,
so ist man zu dem Schluss berechtigt, dass die ganze Silbe eine
irratidnale Aussprache haben konnte wie die auf m auslauten-
den Silben oder wie die auslautende Silbe in aput, Caput, ul.
So ist also in den Formen der driften Person Sinu. fect, e\-
pensavt, vixt der Charaktervokal des Perf. in tieftoniger Silbe
irrational geworden wie in den Formen der zweiten Per». Sing.
mansti, sumpsti, dixti u.a. und der drillen Pers. Plur. de-
drot, dedro. Daraus folgt, dass dedit in den angeführten Ver-
sen des Plaut US eine pyri hichische Messung hatte wir \<>r vokali-
SChem Anlaut des folgenden Wortes (Tr/u. 894. Mi>. Ö7(>. Capt.
II). Most. 978).
Ebenso verhält es sich auch mit der Messung anderer Formen
der 3tcn Pers. Sing, in Versen (\v^ Plautus und Terenz. So:
Plaut. Merc.$5: \^it grätias mi . .
Cure. 357: .. Heil voll ur in s quättuor.
— 103 —
Für diese Präsensförm agil kann man auch noch auf die Aus-
stossung des i der Präsensformen fert, vult, est verweisen.
Ebenso sind die Futurformen eril, dabit pyrrhichiseh gemessen
vor folgendem Consonanten:
, Plaut. Pers. 265: . . Tiixtax lergo eril meo: non curo.
Pseucl. 152: Nun) quam edepol vostrum dürius tergum
erit quam tcrginum hoc meumst.
Ter. Ad. II, 1, 26: .. Erit melius hie con Vitium.
Andr. II, 3, 22: Dabit nemo, inveniet inopem potius . .
So findet sich auch die 3(e Pers. Sing. Präs. Ind. von Verben
der E-Coojugatiün wie der A-Conjugation vor consona n tische m An-
laut des folgenden Wortes pyrrhicliisch gemessen:
Bacch. 932: . . Lu'bet lamcnlari, dum exeat.
ä. Ü. 986: .. Novi: luhet pe Heger e has. Pellege.
a. 0. 1155: . Quid nie [nunc] vis? P u d e t d i c e r e me tibi
quid (hun.
Trin. 661: Perpeti nequeö simul me pfget parum pudere te.
Pers. 220 : . . Decet nie. Me quidem iiem äddecet.
Pers. 213: .. Ut decet lenonis fämiliae.
Mil. 1087: Ita me mea forma habet sollicilum..
Cure. 170: . . Videt nee potiLm* dum licet.
Ter. Hec. V, 4, 26: . . Pläccl non lieri hoc . .
Eun. 1!, 2, 29: .. Videt nie esse tanto honore.
Eun.Hl, 1, 10: Dolet dictum iinprudenti . .
Ad. 1, 1, 48: S ludet pär referre . .
id. IV, 5, 5 : Tacel. quör non ludo bunc . .
Ad. V, S, l : luhet frater? ubi is est?
PL Md. 1016: . . A m a t mulier quaedara quend im.
Cure. 339: Hogal quid veniam Cäi'iam.
Ter. Ad. I, 2, 3S : Aniat: dabit ur a nie argenlum . .
Eun. II, 2,21 : Negal quis? nego: ail . .
Pharm. II, 3, 5 : Negat Phanium esse . . *)
Wie diese Präsensformen ist auch gemessen die 3te Pers. Imp.
e r a t :
Ter. Eun. III, 5, 21 : Erat quid am eunuchus . .
Ad. IV, 4, 10: . . Ad öhstelriceni erat mis.sa . .
*) Mit Fleckeisen a. O., vgl. ed. Plaut ed. Ter. u. Geppcrl, Ausspr. d.
Lat. S. 84, ist in den hier angeführten Versen mehrfach die handschrift-
liche Lesart beibehalten gegen Ritschi, Proll. 119 f.
— 104 —
Wohl zu bemerken ist nun, dass alle diese Wortformen wie
dedit, ägit, däbit, lubct, pudet, dolet, ämat, rögat,
6 rat u. a. zweisilbige Wortformen mit kurzer Stammsilbe sind.
Indem die Stammsilbe durch den Ilochton scharf hervorgehoben
wurde , kürzte sich die Tonlänge der Endsilbe in der ersten
Pers. Ind. Perf. dedi, bibi, steti, in den Infinitiven darX,
patT, loqul und den Imperativen veni, abl (I, 341), in der er-
sten Pers. Sing. Präs. und Fut. eö, agö, negö, volö, sciö,
sinö, dabo, erö (I, 345), in der zweiten Pers. Imperat. rogä,
PI. Men. 1106. Cure. 708, amä, Cure. 38, iube, cave, vide, in
der 2ten Pers. Sing. Ind. und Conj. der Formen negäs, rogäs,
viel es, iubes, loces, voles, abis, vcl is, in der 3teu Pers. Sing.
f uil, venit, dedit, velit, amal {Flecken. N. Jahrb. LXI,
39 — 41). Wenn nach dieser Kürzung für rogäs-ne, vides-ne,
abis-ne bei dein schwachen Ton des auslautenden s i'ogan, vi-
elen, abin gesprochen werden konnte, so isl es auch nicht befremd-
lich, wenn für pudet dicere, dolet diel um gesprochen wurde
V V
pudel dicere, dolet diel um, ohne dass dem schwach hörba-
ren I die Kraft beigelegt winde Positionslänge zu bewirken*).
Die Volkssprache ging aber auch noch einen Schrill weiter, wenn
sie auch Formen wie habenl, solent, Student vor vokalischem
wie vor nmsoiianlischein Anlaut des folgenden Wortes pyrrhichisi li
zu messen gestattete:
Em. II, 3,03: Habenl despicalu el <|u;ie nos . .
Heaut. V, 2,40: Solent esse: id non lil . .
.iil. V, 7, 2: Student fäcere; in apparändo . .
Die schon mehrfach erwähnten Altlateinischen Formen dedrot,
dedro, dederi, censuere, wie die Umbrischen benüso, Lat.
venerunt, covortuso, Lat. converterunt, zeigen, dass der
Auslaut der dritten Person Pluralis -nt einen sein- schwachen Ton
gebäht hat. Wenn durch die Schreibweise dedrol die Aussprache
von dedront bezeichnet werden konnte, so i^t es nicht befremd-
lich neben p Üd 6t, 1 Üb St, in hei auch ha heut, solent. Stu-
dent gemessen zu linden. Wenn aber vor consonantischem An-
laut des folgenden Wortes schwach lautendes t oder nt (\vv ge-
kürzten Endsilbe eines zweisilbigen Wortes mit kurzer Stamm-
;i:) Die Behauptung Gepperts, ,/. O. dass dies aucli bei mehrsilbigen
Ver^alformen vorkomme, kann durch du« von ihm angeführten Stellen
nicht als begründet angesehen worden.
— 105 —
silbe nicht Positionslänge hervorbrachte, so ist das nicht seltsa-
mer, als wenn dem schwachlautcnden s unter denselben Bedin-
gungen diese Krall abging in Messungen wie facts tun, Stich.
326, erTs si, Psead. 666, eris nummo, Pseud. 1318, eris
deeeptus, Pseud. 1326, vides referre, Bud. §42, oder wenn
dem auslautenden n die Kraft Position zu bewirken fehlte in
Verbindungen wie itan tan dem, Trin. 642, haben tu, Trin.
964, viden sc el est US, Bud. 1093. Wenn in dem letzten
Beispiele die Lautverbindung esn-sc zur Lautdauer, einer Kürze
einschrumpfte, so liegt nichts befremdliches darin, wenn bei Te-
renz unter gleichen Bedingungen in ha beut despicatu auch die
Lautverbindung ent-d ebenso kurz gesprochen wurde.
Es sind nun die Nominalformen in Betracht zu ziehen, in de-
nen vor Consonanten oder im Auslaut irrationale oder stumme Vo-
kale erscheinen. Auch diese erkennt man mehrfach daran, dass
sie zusammen mit zwei oder mehreren folgenden Consonanten in
der Versmessung der Scenischen Dichter den Werlh einer Länge
nicht erhalten.
Zuerst werden also hier einige zweisilbige auf m und s
auslautende Wortformen besprochen, die in der Messung des Plau-
tus und anderer Scenischer Dichter metrisch stellenweis wie ein-
silbige Wörter behandelt werden.
So zunächst die auf m auslautenden Aceusativlorinen:
m a 1 a m , m a 1 u m , sene m ,
b ö n u m , cane m ,
merum,
p ä r u m ,
er um,
man um.
(Bilschl, Proll. Trin 142. 147/ Fleckeisen, Neue Jahrb. LX,
p. 259. vgl. Pseud. 234, Enn. trag. Rib. p. 50. Plaid. Trin. 673.
Bacch. 1172. Pseud. 242. Mtl. 695. Trin. 661. Bacch. 87.
Pseud. 860. Ter. Hec. V, 1, 16 u. a.)
Dass der hochbetonte Vokal der Stammsilbe dieser Wörter in
der Aussprache nicht ausgestossen werden konnte, während der
tieftonige der Endsilbe seinen Klang und seine Geltung als Kürze
behielt, hat Bitschi richtig erkannt, Proll. Trin. p. 147. Anm.:
CcEt aliquid interest sane, utrum tamquam m'lum, d'ini, m'nus,
ö'nex, s'mul, c'ne m , c ' 1 o s , s ' r o r , v ' r o s pronuntiemus, an
- 106 —
am or et er um et enim voeabulorum monosyllabam pronuntiatio-
nem c a 1 i q u o m o d o ' i m i t e m u r , cum haec vix possint pr i or e vo-
cali extrita proferri, sed sie potius ut videtur : aiii'r, er'm, en'm"
In diesen Worten liegt angedeutet, was hier nachgewiesen werden soll,
dass die irrationale Aussprache der tieftonigen Endsilbe der Grund
der einsilbigen Messung der vorstehenden Wortformen und einer An-
zahl anderer war.
Schon oben ist aus Inschriften der Beweis geführt, dass aus-
lautendes m zur Zeit des Plautus so schwach gesprochen wurde,
dass man zweifelhaft war, ob es noch durch die Schrift zu bezeich
neu sei oder nicht {vgl I, 109 — 113). Wegen dieses schwachen,
irrationalen Lautes des auslautenden m konnten die Dichter die En
düngen -am, -em, -im, -um vor vokalischem Anlaut des folgenden
Wortes in der Versmessung wie vokalisch auslautende Endungen
behandeln. Wenn Ouinlilian, IX, 4, 40, von diesem m sagt: pa-
nini exprimitur, und: neque enim eximitur, sed ob-
scuratur, et taut um aliqua int er duas vocales velut
nota est, nc ipsae eoeanl, so sind jene Endungen im Volks-
iniindc nicht völlig geschwunden sondern nur undeutlich und irra-
tional gesprochen. In der alleren Dichtung konnten nach Priscian
(I, 38. II.) die auf in auslautenden Endungen vor vokalischem An-
laut des folgendes Wortes noch die Geltung kurzer Silbe» haben
wie zum Beispiel in den Versen des Ennius:
Ann, v. 330. V: Insigneita lere tum milia militum oclo.
aSfi, #.485: Dum quid cm unus bomo Romanus toga superescil
{vgl. Lachm. Lucret. II, 100). Dass in der Volkssprache die aufm
auslautenden Endungen, aber auch ganz verklingen konnten, dafür
zeugen vor vokalischem Anlaut des folgenden Wortes a ni m -ad-
ver l erc, v e n-ire, dec -c nnium, sept-ennium, dec-unx,
vor consonanlisehem Anlaut des folgenden Wortes tri-nundi-
num, ven-dere, sus-que und in jedem Zusammenhange ni-
hil-, (Inner- {vgl. II, 55./.). Der Vokal in allen diesen auf m
auslautenden Endungen war also ein stummer Laut, der M-Iaut
nur ein matter Nachklang eines wirklichen m, die ga n/e Silbe
war ein irrationaler für die Metrik nicht genau mesabarer Laut
ueworden. Hieraus folel mit zwingender Noth wendigkeil , da>?>
auch in den IMautinischen Formen wie mal um, hon um, mala in.
senemu. a., wo dieselben in der metrischen Geltung einsilbiger
Wörter oder vor consonantischera Anlaut des folgenden Wortes pyr-
— 107 —
rhichisch gemessen vorkommen, die tieftonigen aufm auslautenden
Endungen -am, -um, -ein zwar nieht ganz geschwunden aber
irrational geworden sind, gerade so wie sie in der lebendigen Volks-
sprache gesprochen wurden*).
Hiernach erklärt siebt auch die Aussprache einiger auf s aus-
lautenden Wortformen, die in der melriseben Geltung einsilbi-
ger Wörter vorkommen. Dies gilt zuerst von ih\i Nominativ-
tbrmen :
in a 1 u s , d o m u s ,
boims, m a n u s ,
Ritschi, Prall, p. 142. Fleckeisen, Neue Jahrb. 00, 259.
Das auslautende s des Nominativs klang in der alteren Ro-
mischen Sprache so schwach, dass man zweifelhaft war, ob die-
ser dünne Laut noch die Bezeichnung durch ein Schriftzeichen ver-
diene oder nicht; das ist in dem Abschnitt über den Zischlaut s aus
den ältesten Inschriften nachgewiesen worden (vgl. I, 119.) Wenn
also die Römischen Dichter bis in die Zeit Ciceros und Catulls
das auslautende s nach kurzem Vokal vor consonantisebem Anlaut
des folgenden Wortes in der Messung als nicht vorbanden ansahen
{Benlley, Hör. A. P. 65), so folgten sie der Volkssprache, wie auch
Cicero ausdrücklich sagt, Or. c. 48, 160: Ita non cra t offen sio
in v e r si h u s , q u a m n u n c f ugiunt p oet a e n o v i. Ita e n i m
*) Dieselbe Messung-, die Ritschi auf diese zweisilbigen Wortfor-
men mit kurzer Stammsilbe vor consonantisehem Anlaut des folgenden
Wortes beschränkt , will Geppert, Lal. Ausspr. S. 87. f. auch auf andere
ausgedehnt wissen. Für die Messung decem, Ter. Pharm. IV, 3, 57,
Plaut. Cure. II, 3, 65, scheint die Lesart der Handschriften zu sprechen,
obwohl der Fleckeisensche Text an beiden Stellen abweicht. Unzuver-
lässig ist die handschriftliche Ueberlieferung für rogera, Ter. Pharm. V,
V V
4, 9, item, Plaut. Baccli. 952, patrem, Baceh. 404; Emendationen
der Herausgeber erscheinen daher gerechtfertigt. Unerwiesen sind die
Messungen cocum, Plaut. Capt. 917, Syrum, Ter. Ad. V, 9, 2, sa-
cruin, Plaut. Trin. 286, weil die betreffenden Verse eine andere Messung
als die von Geppert vorausgesetzte zulassen oder erfordern. Für velim,
Poen.V, 4, 36, anum, Cist. II, 3, 50, scheinen Handschriften zu spre-
chen ; doch da der kritische Apparat für diese Stücke noch nicht vor-
liegt, darf man nicht wagen jene Messungen als gesichert anzusehen.
V
Ohne alle sichere Gewähr stehen endlich virginem, Ter. Eun. IV, 3, 12,
vidulum, Plaut. Rud, 936. Die sprachliche Möglichkeit dieser Messun-
gen lässt sich übrigens nicht in Abrede stellen.
— 108 —
I o q u e b an t u r : f 0 u i est o m h b u ' p r i n e eps ' , n o n : c o m n i -
bus princeps' et: cvita illa dignu' locoque' non: fdig-
bus'. Es war daher natürlich, wenn Messalla und Servius
Sulpieius diesen Nachklang eines auslautenden s gar nicht schrei-
ben wollten (Quinl. IX, 4, 38), und so wird es denn auch in d^n
Handschriften älterer Dichter vielfach nicht geschrieben (Lachm.
Lucr. p. 29), wie auch die Schreibweisen sanun (Bacch. 566),
expectatun (Amph. 679) bei Plautus zeigen. Dass das auslau-
tende o der O-Stämme vor auslautendem s ganz schwinden konnte,
bewiesen die Formen Camp ans, damnas, sanas u.a. (vgl. II,
55); dass die ganze Endung -us schwinden konnte, zeigte sich an
den Nominativen wie puer, socer, teuer, asper, Alexan-
der, vir, famul u. a. [vgl. 11, 52. f.). Aus alle dem erhellt
genugsam, dass auch in malus, ho uns, domus, manus die
ganze Endung sich zu einem irrationalen Laut verdunkeln konnte
und somit nöthigen Falles im Plautinischen Verse jene Wörter als
einsilbig gemessen werden konnten.
Man hat ferner die einsilbige Aussprache solcher zweisilbigen
Worlformen bei Plautus behauptet, die vor «lein auslautenden s einen
langen Vokal haben wie :
minas, Po res, foris, malos,
foras, pedes, Stich, ZW. viros.
(Bitschi, Prall, p. 142. 145. Fleckeis. a. 0.)
Alier auch in diesen ist der Ausfall der hochbetonlen Stamm-
silbe eine Unmöglichkeit. Von diesen Wörtern ist zunächst minas
auszusondern, denn wo dasselbe einsilbig gemessen vorkommt, ist
es nach Griechischer Weise mnas gesprochen (Ter. Phorm. IV, •'!.
57). Für die übrigen Wortformen ist zunächst zu bemerken, dass
sie alle iambische Wort formen sind, dass also in allen diesen
der Vokal der Endsilbe im Gebrauch der Dichter gekürzt weiden
konnte, aus demselben Grunde wie er in den Verbalformeu vides,
loees, iubes, voles, abis, velis gekürzt ist, weil der Hochton
(\r\- Stammsilbe der Tondauer der Endsilbe Eintrag tliat. So ge
schient es denn auch mit den Formen fores, foras, foris:
PI Hill.
Stich. 'M \ : Somnöne operam datis? experiar fores an
cubiti . . .
Stich. 738: Föras egredere: sä.t mihi pulcra's . .
Bacch. 1119: Nisi mavullis föris et postis . .
— 109 —
Waren aber die Vokale a, e, i von forns, fores, foris ge-
kürzt, so verlor das s seinen Halt und lautete so schwach, dass es
zusammen mit dem consonantischen Anlaut des folgenden Woil es
keine Positionslänge bewirkte, wie m a uns, malus, bonos u.a.; so:
Plaut. Trin .808: F 6 r i s p u 1 1 a 1 > o . .
Stich. 598: Foris conare?
Mit. 410: Sed fores vicini . .
Poen.Y, 5, 4: 'Ipse abiil ; foras me reliquit.
Traben, Com. Rib. p. 2G : F ö res p a t e hu n I . .
Ter. IJvinil. V, 1 , 50: Foris saperc tibi non pötis . .
Die Notwendigkeit foras. fores, foris einsilbig zu mes-
sen ist durch keinen dieser Verse geboten. Dass aber die lieflonige
Endsilbe, nicht die hochtonige Stammsilbe Kürzung und Abstum-
pfung traf, zeigt die Italienische Sprache, welche die Lateinischen
Formen fo ras, foris, zu fuorä, fuorl, fuore, fuor abge-
stumpfthat, denen Spanisch fuerä, Poitugiesisch fora, Franzö-
sisch hors entspricht {Blank, Italien, Gramm. I, 563. Metz, Cr.
cl. Roman. Spr. \\, 405). Ebenso wie foras, fores, foris kürz-
ten nun auch pedes, manus {Nom. Acc. Plur. Rilschl, Proll.
p. 142), malos, viros erst ihren Vokal vor s, dann verlor das s
seinen Hall und ward stumm, also zur Bildung der Posiliouslänge
vor consonantischem Anlaut des folgenden Wortes nicht mehr aus-
reichend.
Ist das bisher Gesagte richtig, so folgt, dass auch in den auf r
auslautenden Jambischen oder pyrrbi« bischen Wertformen:
color, ( co los) miser,
amor, pater,
s o r o r ,
an den Stellen, wo deren einsilbige Messung staltfindet (Ritschh
Prot. p. 147. Fleckeisen, a. 0. p. 259. vgl. Tvr. Fun. I, 2, 77. II,
3, 27. II, 2, 0) nicht der Vokal der hochtonigen Silbe ausgefallen,
sondern der Vokal der tieftonigen Silbe irrational geworden ist.
Für pater ist diese Aussprache gewährleistet durch:
Plaut. Stich. 95: Pater. Quid opus est? 'Opus est . .
Merc. 933: . . Pater mihi exiliüm parat.
(Vgl. Gepperl, Lat. Auspr. £.88*).
*) Für die von Geppert, a. O. angenommenen Messungen loquar,
Plaut. Asin. 152. und uritur, Pers. 800. vgl. den Text von Fleckeisen und
-- 110 —
und die Ausstossung des e im Genetiv patris und den anderen Ca-
sus obliqui zeigt, wie das e im Nominativ irrational werden konnle.
Dasselbe gilt von den Formen :
eri, ero, manu, liono,
m a 1 i , domo, m a 1 e .
d o m i ,
meri.
{Vgl. Bentley, Scheel, d. meir. Ter. v. zu Hec. I, 1,21. RUsctil,
a. 0. p. 142. 147. Fleckeis. a. 0.) Durch den Nachdruck des
Ilochtones auf die kurze Stammsilbe kürzte sich die Tonlänge der
tieftonigen Silbe jambischer Wortformen ersl zu einer regel rech-
ten Kürze. Aber die Kürzung konnte auch einen Schritt weiter
gehen, so dass der auslautende Vokal irrational wurde, und nun
das Wort in der Messung des Verses eine einsilbige Geltung erhal-
ten konnte. So ward der ursprünglich lange Vokal von heue,
male erst gekürzt, dann ward er stumm, in den Tochtersprachen
des Lateinischen fiel er »ganz ab in ben, bien, mal. Das ist die
Geschichte der Zerstörung zahlreicher Vokale, wie in den Abschnit-
ten über die Kürzung und <\ix\\ Abfall der Vokale nachgewiesen ist.
Auch der Vokal in der Fuge der Composifa konnle irrational
werden. Diese Tondauer hat der auslautende Vokal des ersten Com-
positionsgliedes in:
maleficus, beneficium, dorn! eil iura,
wo das erste in zweisilbiger, die beiden anderen in viersilbiger
Messung vorkommen (Rilschl, Proll. p. 150); diese Tondauer machte
jeder derartige Vokal durch, ehe er ganz ausfiel wie in benfi-
eium, olfacere, aueeps, naufragus, pelluvium, mal-
lu vi u m , m a n cipi u in , in a n s u e I n s , von denen schon oben die
Hede gewesen ist.
Dies führt auf die Betrachtung von irrationalen Vokalen im
Inlaut der Wörter vor gehäuften Consonanten, in deren
Messung bei den srenischen Dichtern eine Positionsvernachlässi-
gung erscheint.
Hierher geboren zunächst m i n l st er i um, minist rare in
folgenden Versen :
Ritschi. Die gleiche Annahme für nitor und satur bei (J. n 0 ist
gegen die Autorität der Handschriften.
— 111 —
Plaut.
l'A'iul. 112: Parvis magnisque ministeriis praefulcior.
Stich. 689: Nösmet iater nös mrnistremus . .
Cure. 369 : Tülo tabulas cönsignato : hie m i n i s tra 1) at [dum]
ego edam.
(Vgl. BilscM, Proll. p. 152.) Die Annahme, dass hier m'niste-
riis, m'nistremus gesprochen sei, ist bereits widerlegt durch
den Hinweis auf das Oskische minslreis, in ist reis und auf die
Lateinischen Formen fens tra, festra fiirfenestra und mon-
strum, mostrum, mostellum, mostellaria von nione-
sf,rum(fe7. p. 138, vgl Flecketsm, N. Jahrb. LX, 201). Da
indessen die Handschriften des Plautus das zweite i von minisle-
rium, mini st rare gewahrt haben, da es zur Hlüthezcil. df r Lilte-
ralur in der Sprache der Gebildeten immer gesprochen und ge-
schrieben wurde, so Kann es auch in der Volkssprache zu Planlos
Zeit nicht völlig ausgestossen sein, sondern ist nur zu einem irra-
tionalen Vokal eingeschrumpft.
Ebenso wie diese Wort er erscheint inagislratus gemessen
in den Versen:
Demi.
Pers. 76: Ulli sint magistratus, quös curare oportet.
Rud. 477: Mag ist rat us, siipiis me haue habere videril.
Caecil.
B?'b. Com. p. 56: Alque üt magistrattis publice quando ati-
spicant.
Kür die Ansicht , magis trat us sei bei Plautus m a 'ist rat us
gesprochen worden mit Ausfall des g wie im Lateinischen maior,
maius, scheinen die Oskischen Formen mais, Lat. magis, und
maimas, Lat. maximac, wie das Umbrische mestru, entstan-
den aus mais Im für magist.ru zu sprechen {Umbr. Sprachd.
AK. 11, 332). Auch die Formen der neueren Sprachen wie mao-
stro, master, me ister, maitre, maire scheinen das zu be-
stätigen. Aber das ist nur Schein. Ausfall eines g im Inlaut fin-
det im Lateinischen nur statt vor dem Halbvokal i, wenn demselben
ein anderer Vokal folgt wie in maior für magior, meio für
mfgio, aio für agio u. a., wie dies bereits nachgewiesen ist.
Nachdem aber in magis für mag ins die Laut folge in zum Vokal i
zusammengeschmolzen ist, kann dieses nicht die Kraft haben vorher-
gehendes g auszustossen, dasselbe kann also auch nicht in der Aus-
— 112 —
Sprache übergangen worden sein, wahrend es in der Schrift immer
geschrieben ist. In m a g i s tr a t u s ist vielmehr wie in m i n i«l r a r e,
ministremus das tieftonige i vor st zu einem stummen Vokal
eingeschrumpft, so dass die Lautverbindung istr auch hier nicht die
Tondauer von zwei Zcitweilen ausfüllte, sondern mittelzeitig
war und somit lang und kurz gemessen werden konnte.
Aehnlich verhalt es sich mit der Messung von dem einfachen
magis in folgenden Versen Seenischer Dichter:
Plaut.
Baccli. 37 : Pol magismetuo mihi . .
(vgl. HAU. 314. Rvd. 1181. Trin. 538. Asin. 119. Stich. 6.)
Caecü.
Com. Rib. p. 42: . . Noxa muliebrest magis quam viri.
Terent.
Eun. III, 1, 46: Immo äuge magis suspitionem . .
(vgl. Eun. V, G, 1. IV, 5, 67.)
Tum.
Com. Rib. p. 123: Magis quäe se fama oblectarent . .
Enn.
Trag. Rib. p. 51 : Sed qui säpientiä magis veslra mors . . .
Pacuv.
Trag. Rib. p. 106: 'ld magis veri simile esse usus . .
Dass magis nicht ma'is gesprochen sein kann in diesen Ver-
sen, ergiebl sich aus dem oben Gesagten. Es fragt sich nur, oh
das auslautende s in magis für die Aussprache ganz geschwunden
sei und das i seinen vollen Laut als Kürze gewahrt habe, oder (dt
das s schwachtönend und der Vokal i irrational gesprochen sei.
Man vergleiche für diese Frage die Messung von magisque aus
folgenden Stellen":
Mit. 530: Magisque eandem [tarn] qua« non sit . .
Pseud. 1017: IViörem ego hominem magisque vorsute
malum.
Rud. 1181: Quae te [magis traetävit magisque metuo,
quom verba audio.
Bacch. 1078: Magis cüraest magisque adförmido . .
In magisque muss das s deutlich gesprochen worden sein.
da bereits nachgewiesen ist, dass s vor folgender Tennis »inen
scharfen Laut halle. Es ist also Vernachlässigung der Position
nurmöglich, wenn in magistfue das i ebenso zu einem stummen
— i ta —
Vokal gekürzt war wie in magis tratus. Wenn nun in denselben
Versen magis neben magisque erscheint, so niuss man
schliessen, tlass auch in magis das i ebenso gemessen und ge-
sprochen wurde wie in magisque, dass nur das s im Auslaute
einen dumpferen Ton halte wie vor der Tennis qu. Dies wird da-
durch Bestätigt, dass in den Adverbien, die mit der Comparativ-
endung -is für -ins gebildet sind, das i vor s vielfach auslieh So
Ward aus ultis: uls, so steht neben dem Oskischen Adverbium for-
tis das Lateinische fors, so halten die Adverbien eis, vix (vic-s),
m o x (m o c - s), d e i n c e p s , r e c e n s, r e p e n s ihr i vor s eingehüsst,
so sind die Pronominalformen a b s -, o s - für o b s -, s n s - für s u b s-,
ex für ec-s eigentlich Ortsadverbien mit dein comparativischen
Suffix von den Pronomen ab, ob, sub, ec gebildet, die das i vor s
ausgestossen haben (Zedschr. für vergl. Sprach/". 111, 289 — 294).
Wenn so in zahlreichen Fällen das s der Comparativendung -is sich
hielt, das i davor hingegen ausfiel, so muss man auch annehmen,
dass das i es war, das in magis, magisque zu einem stummen
Vokal gekürzt wurde, so dass es mit dein folgenden s, das auch hier
im Auslaut nur matt klang, zusammen die Tondauer eines langen Vo-
kales nicht mehr ausfüllte.
Wenn dies für magis, magisque richtig ist, so gilt es auch
für die mit demselben Suffix gebildeten Adverbien nimis, satis,
wo sie in den Versen der scenischen Dichter so gemessen sind, dass
-is mit folgendem Consonanten keine Position macht. So finden sich
gemessen :
Plaut. Pseucl. 1 243 : . . Nimis vorsutus n i m i s malus.
Md. 1141 : . .Nimis f a c e 1 e n i m i s q u e faeunde malast.
Afran. Com. B/b. p. 161 : .. Nimis spi ssu m.
Terenl. Ad. IV, 1 , 6 : . . N i m i s c u p i o . .
Pacuv. Trag. Rib. p. 92 : . . Nimis paäne . .
{Vgl. Plaut. Md. 468. Stich. 375. Bad. 511. Trin. SOG.)
Plaut. Md. 1 003 : . . N i m i s q u e n i t i d a . .
Pseud. 1019: N i m isque 6 g o i ilu n c . .
Tere?d. Heaut. V, 5, 2: Nim isque inhumane . .
Plaid. Bacch. 1182: Satis s a t i s i a m . .
(Vgl. Capt. 792. 929. 965. Md. Sil. 964. 1189. Bud. 829 u. a.)
Caecil. Com.Bib. p. 47: . . Satis te . .
Turpil. Com. Bib.p. 82: . ««Satis fr ueti . .
CORSSEN II. 8
- 114 -
Nov. Com. Bib. p. 2 1 6 : . .Satis, responde . . '
Terent. Ad. II, 1, 30: . . Satis iam . .,
AU. trag. Bib. p. 123: . . Salis recte.
Also auch in satis und niinis ist der irrationale Laut des i
der Grund, weshalb die Silbe -is vor folgendem Cqnsonanten in
den vorsiehenden Versen nur die Geltung einer metrischen Kürze
hat. Fiel das s dirser comparativischen Adverbien wirklich ah, so
schwächte sich das in den Auslaut gerückte i zu e, wie mage, pole
zeigen für magis, potis, und auch dieses e fiel ah in sal für
satis.
Aehnlich wie magis trat us, niinis terium erscheint hei
Plautus gemessen:
p c r i s t romata :
Pseud. 146: 'Ul ne perist romat a quidem aequo . .
Das i wurde auch in dieser Wortform vor der Lautverhindung
s t r irrational gesprochen wie in ministerium, magistratus.
Ebenso erklärt sieh die Messung von fenestra hei Plautus:
Mtl. 379: Neque fenestra nisi claträta . .
Rud. 83: Inlüstriores fecit fenestra sque [ndidit.
Die alte Lorin festra (Fest i>. 91) netten der gewöhnlichen
fenestra beweist, dass ursprünglich fenestra betonl worden ist,
weil unmöglich der Vokal aus der hoch tonigen Silbe ausfallen konnte
während die tieftonigen Silben unversehrt blieben. Ebenso ward
aus mönestrum, monstrum, mostrum, mostellum, mo-
sl cllaria. Als die Sprache den Hochton auf der drittletzten neben
Tonlänge der vorletzten Silbe nicht mehr ertrug, kürzte sich das
zweite e von fenestra zu einem irrationalen Vokal, wodurch die
Lautverbindung estr zu einer mittelzeitigen Dauer herabsank,
die nun in der Versmessung kurz gebraucht werden konnte.
Auf dieser Uebergangsstufe aber blieb die Sprache nicht stehen;
sie liess den Hochton unverrückt auf der drittletzten Silbe sieben,
liess aber die vorletzte Silbe verklingen, so dass die Nebenform
festra entstand, oder sie rückte den Iloehlon auf die vorletzte Silbe,
und diese erhielt nun die volle Geltung einer Länge zurück, wie sie
fenestra zeigt; diese letztere Form ist dann in späterer Zeit die
einzig gebräuchliche geworden. Die Lorin fenslra für fenestra
gegen die Handschriften in den Text des Plautus aufzunehmen, wie
Fleckeisen Ihm [N. Jahrb. L\. *2oi An/n.), dazu liegt kein Grund vor,
da auch sonst die irrationalen Vokale beiPlautus geschrieben werden.
— 115 —
Auch die Messung von venustat es, venustatis ist hiernach
zu beurtheilen in folgenden Versen des Plautus* und Terenz:
Pseud. 1257: Hie ömnes voluptätes, omnes venustales sunt.
Hcci/r. V, 4, 8: Quis es! fortunäüor venus tatisque adeo ple-
nior?
Indem der Hochton in diesen Wortformen auf die lange vor-
letzte Silbe vortrat, sank der lieflonige Vokal der drittletzten Silbe u
zu einem stummen Vokal herab und füllte nun auch zusammen mit
den folgenden Consonanten st nicht mehr die Zeitdauer einer vollen
Länge aus.
Genau ebenso erklärt sich die Messung von vel ustate bei:
Plaut. Pocn. 111, 3, ^T: Vetustäte vino edlntulo aetatem irri-
ges,
Senn in der Bildung stimmen vel us-tas und venus- las genau über-
ein. Der Grund, weshalb hier die Aussprache venustatis, vetu-
stäte angenommen isl, nicht venustatis, vetustäte, so dass
e irrational gesprochen wäre, isl ein etymologischer. Diese beiden
Wortformen sind mit dem Suffix -tat gebildet von den Nominal-
stämmen venus-, veius; von eben solchen Nominalformen sce-
1 u s - , funus- stammen die Bildungen sceles-tus, funes-tus,
in denen das u zu e geschwächt ist. Grade so wie diese letzteren
sind von allen Nominalstämmen monus- (vgl. Skr. manas, Mi-
ner-va) und fenus- die- Wortbildungen mones-trum und fe-
il es -tra gebildet, und mones-trum bedeutet ein Mittel zur
Mahnung wie fenes-lra, dessen Stamm fen-dem Griechischen
cpav- (cpccivco) entspricht, ein Mittel zur Erleuchtung.
Wenn nun in monstrum für monestrum, in f es tra für fe-
neslra das aus dem u der Stämme ni<>nii>-. fenus- entstan-
dene e ganz schwinden konnte , wenn ein solches aus u ab-
geschwächtes e in fenestra zu einem stummen Vokal sinken
konnte, so muss man schliessen , dass in venustatis, vetustäte
der gleiche Vokal u es war, der irrational gesprochen wurde*).
*) Sprachlich erklärlich sind nach dem Vorgange von fenestra,
V V V
venustatis, vetustäte auch die Messungen scelestus, Rud. 457.
Most. 504, potestatem, Capt. 934, wo Geppert, hat. Ausspr, S. 93, die
handschriftliche Ueberlieferung gegen die Abänderungen von Fleckeisen
und Ritschi in Schutz nimmt. Kritisch unbegründet aber ist die von dem-
selben Gelehrten angenommene Messuno- m o d e s t i a . Enn. Rib. Trag. p. 18.
s*
-^ 116 —
Wie -st, so macht auch -nt in der Plautinischen Messung
bisweilen den vorhergehenden Vokal nicht positionslang. So lin-
den sich :
Plaid. Triu. 456: Ferentarium esse amieum . .
Aul. III, 5, 39: Sedentärii sutöres . .
Da, wie oben gezeigt ist, n vor t ausfiel in den Formen
praegnatem, regnäte, C o s t a t i , m e r e t i , t e s t a m e t o {vgl.
I, 100), so kann in ferentarium, sedentarium das n vor t so
schwach getönt haben, dass es zur Herstellung einer Positionslänge
nicht ausreichte, und eine irrationale Aussprache des e vor nt ist
aus jenen Messungen nicht sicher erweislich.
In derselben Weise ist talentum gemessen,
Plaut. Mtl. 1061 : Dabitür quantum ipsus preti poscet. Talen-
tum Philinpum huic opus aürist.
Nach dem älteren Retonungsgesetz der Lateinischen Sprache
betonten die Römer talentum wie die Griechen rdkavxov.
Als aber die Sprache den [lochton auf der drittletzten Silin» vorder
Tonlänge der vorletzten nicht mehr ertrug, schob sie entweder den
Hochton um eine Sielte vor oder sie kürzte die vorletzte Silbe und
liess den Hochton auf der drittletzten, wie dies weiter unten nach-
gewiesen werden wird. So winde l'enestra in fem stra gekürzt,
so dass der Vokal der vorletzten Silbe irrational winde. Ebenso
konnte auch talentum gekürzt werden in talentum, so dass das
aus a entstandene e stumm ward und nun zusammen mit folgen-
dem nt nicht mehr die Zeitdauer einer vollen Lange ausfüllte.
Piese Erklärung ist wahrscheinlicher, als dass talentum betont
wurde und in der hochtonigen Silbe -nt mit vorhergehendem Vokal
n'uht den Werth einer Länge hatte, sie erhall eine Bestätigung
durch die Aussprache eines anderen aus dem Griechischen über-
tragenen Wortes, Philippus, von der unten die Hede sein wird.
Pass auch in seneelulem das e der drittletzten Silbe irratio-
nal gesprochen sei, zeigl sieh sowohl in der dreisilbigen Geltung
dieses Wortes in Versen der Komiker als in der einsilbigen Messung
von senex. Man beachte zueist diese letztere:
Plaut. Stich. 5G3: Senex quidem votuii si possei . .
Vgl. lind. Prqi. 35. Bacch. 1 170 //. a.
Pornpon.Corn. Rib. p.205: 'Ipsus cum unu servo senex intestato
proficiscitur.
— 117 —
In senex kann nicht die hochbetonte Stammsilbe Kürzung oder
gar Ausfall ihres Vokales erlitten haben; die lieftonige Silbe traf viel-
mehr die Kürzung eines e zum irrationalen Vokal; aus calecan-
dam neben calx ergiebt sich, dass calex die alte Lateinische Form
war, die der Griechischen idlui, entspricht; wenn nun in der tief-
tonigen Silbe ein e vor x ausfallen konnte, wie in calx für calex,
so ist es erklärlich, dass in der tief tonigen Silbe von senex das e
vor x irrational werden konnte. Dasselbe e blieb dann auch ein
stummer Laut in der tieftonigen Silbe der Accusativfoim senec-
t u l e m :
Plaut. Stich. 568: . . Fovebo senectutem meam.
Caecil. Com. R. p. 39:- Sine suam senectutem ducat . „
Terent. Phorm. H, 3, 87; Senectutem oblectet . .
Mit Vernachlässigung der Positionslänge finden sich bei den
scenischen Dichtern auch verschiedene Casus von voluptas ge-
messen ; so :
Plaut. Most. 294: 'Abi tu hinc intro alque örnamcnta haec aüfer.
set voluptas mea.
Rud. 459: Voluplätem inesse tan tarn . .
Afran. Com. Rib. p. 179: Voluptalem capio maxmiam . .
Ter. Heaut. I, 2, 10: . . Voluptätem magnam nüntias.
a. 0. I, 1, 19: Haec nön voluptati tibi esse. .
Andr. V, 4, 41: Voluptati obstare, cum egomet pos-
sim . .
Plaut. Stich. 657: . . Quöt cgo voluptatis fcro.
Vgl. Plaut. Pseud. 1280.
Von einer Ausstossung eines Vokales kann hier eben so wenig
die Rede sein als bei irgend einer der besprochenen Wortformen ;
es kann sich nur fragen, ob das u oder das o in den Formen von
voluptas zu einem irrationalen Laut gekürzt ist, und darüber giebt
die Nominativform voluptas in dem ersten der vorstehenden Verse
Aufschluss. In dieser kann das u nicht zum stummen Vokal ge-
kürzt sein, weil es vom Hochton getragen wurde, folglich muss auch
die Lautverbindung upt die Geltung einer positionslangen Silbe ge-
habt haben. Es kann also nur der tieftonige Vokal o der Stamm-
silbe irrational geworden sein, so dass er in der Messung über-
gangen und voluptas als zweisilbige Wortform behandelt wurde.
Das o derselben Verbalwurzel ist ausgefallen in der enklitischen
— 118 —
Form vis, die aus volis nach Ausstossung des o durch die Mittel-
form v'lis entstanden ist. Auch in clarus, clamor, gnatus,
gnavus ist der Stammvokal der Verhalwurzeln cal-, gen-, nach-
dem er durch Herantreten von Suffixen an die Wurzel tieftonig ge-
worden, ganz ausgefallen. Klang nun aher einmal im Nominativ
voluptas das o in der Volkssprache nur noch als ein stummer
Vokal, so war dies auch in allen ührigen Casusformen der Fall und
voluptatem, voluptati, voluptatis sind in der Messung der
obigen Verse dreisilbig gefasst.
Derselbe Vokal o desselben Wortstammes ist in vo luntatc
zu einem irrationalen Werth herabgesunken in dem Plautinischen
Verse :
Trin. 1166: Süd mea vo Imitate factumst . .
Das Wort ist also dreisilbig gemessen wie voluptati.
Hierher geboren auch die Messungen labernaculo, g u her-
nahmt l, gubernator. Man vergleiche:
Trin. 726: Cässidem in capüt dormibo pläcidule in laberna-
culo.
Mil. 1091: . Iam ex sermone hoc gubernabunl doetius pörro.
Titin.Rib.tr, p. 130: Sapientia gubernator navem törquet haut
valentia.
Da die Consonantenfolge rn im Inlaut der Wörter stark tönte
und ein Ausfall eines r vor n unerhört ist, s<> muss in dem stummen
Laut des lieflonigcn Vokales e der*Grund gelegen haben, weshalb
in der Aussprache die Faulfolge ern nicht die Zeitdauer einer Länge
ausfüllte.
Es fragt sich weiter, ob eine irrationale Aussprache von Voka-
len auch anzunehmen ist, wo die scenischen Dichter Positionslänge
durch doppelte (Konsonanten oder einen Doppelconsonanten nicht
eintreten lassen. Dies ßndel statt in einer Anzahl von Wortformen,
die ein doppeltes I im lulaui zeigen; so zunächst in expapiliato
und su pelle etile:
Piaut. Mil. 1180: ld conexum in hümero laevo, cxpapillalo
hrächio.
Plaut. /'ncti.W 3, "2<>: Tace ätque paree müliebri s u-pel I e c I i I i.
Ter. Phorm. IV, 3,61: Supe 116 etile opus est: opus »-st sum-
ptu ad nuptias.
— 1 19 —
Oben ist davon die Rede gewesen , dass 1 und II in der Aus-
sprache wenig von einander verschieden gewesen ist, dass daher in
zahlreichen Wörtern ein haltloses Schwanken der Schreibweise zwi-
schen 1 und 11 slatt gefunden hat {vgl. I, 81 — 83); der Grund liegt
in dem dünnen und schwachen Ton des zweiten 1, wie Plinius aus-
drücklich bemerkt. Eben dieser war zu schwach die vorhergehen-
den Lautverbindungen il und el der vorstehenden Wörter zu vollen
Längen zu ergänzen, und so konnte der Dichter expäpilätö, s li-
po le etile messen, wenn auch zwei 1 geschrieben wurden. Da
diesen Messungen in obigen Versen von Seilen der Metrik nichts im
Wege steht, so ist man nicht berechtigt einen stummen oder irratio-
nalen Vokal bloss wegen der Positionsvernachlässigung vorauszu-
setzen*).
*) Geppcrt, Lat. Ausspr, 83 — 87, sucht zu erweisen, dass die Posi-
tionsvernachlässigung bei den Scenisehen Dichtern bei der Häufung ver-
schiedener Consonanten viei weiter gegangen sei, als die neusten Her-
ausgeber gestatten, zum Theil indem er die Lesarten der Handschriften
gegen die Emendationcn derselben in Schutz nimmt. So behauptet er
die Messungen op turne, PL Most. 410. Merc. 329. Pers. 5-13. pro-
fecto, Pseud. 201. Mü. 21)0. "Alcumena, Amph. 1088. alterive,
Amph. 74. ämbiguo, Trin. 504. ambo, Ter. Ilcaul. II, 3, 97. än-
cilla, Pers. 472. hörtum, Stich. 014. Kitschi und Fleckeisen beseiti-
gen diese Messungen durch leichte zum Theil auch durch anderweitige
kritische Gründe gerechtfertigte Aenderungen. Eine Messung biben-
dum, Stich 713, ist willkührlich angenommen, da die handschriftliche
Ueberlieferung der Stelle lückenhaft ist. Für die Messung hercle be-
weisen PL Merc. 204. Asin. 817. Trin. 58. Ter. Heaut. III, 2, 12 nichts,
da an der ersten Stelle equidein vor hercle steht , an den drei anderen
dem hercle ein irrationales, halb verschlacktes quidem vorhergeht; eben
so wenig Merc. 186, wo tarn vorhergeht und ta hercle gesprochen
wurde, wieta etsi für tametsi. Auf Ter, And. 1,3,20. Hec. 111,1,20
ist nicht zu bauen , da die handschriftliche Ueberlieferung unsicher ist.
Hingegen sprechen Trin. 559. Merc. 971 für die Messung hercle; an
der ersten Stelle ändert Ritschi, an der zweiten bleibt das hercle un-
angefochten. Wenn schon alle vorstehenden Messungen sprachlich
nicht zu rechtfertigen oder genügend zu erklären scheinen, so
gilt dies insbesondere von hercle. Die von Geppert angenommenen
Messungen tanta, PI. Ca\;t. 227. benigne, Hec. V, 2, 2. ärbitratu,
Pseud. 428. ornatu, Trin. 852. Men. 804, siud unbegründet, da die
betreffenden Verse eine andere Messung zulassen oder erfordern, als G.
annimmt. Für die Messung argentum spricht nur Cure. 613, wo es
Fleckeisen im Text unangetastet lässt ; eine sprachlich genügende Erklä-
rung aber bietet sich nicht dar. Für die hier vorliegende Untersuchung
v — 120 —
A ach si mill u m a e und s a t e 1 1 i t e s finden sich hei Pia utus
so gemessen, dass 11 keine Positionslänge bildet:
Plaut. Asin. 241: Pörtitornm simillumae sunt iänuae lenö-
niae.
Trin. 833: Distraxissent disque tulissenl sät eil ites tui mise-
rum foede.
Auch hier durfte der Dichter wegen der schwachen Doppelcon-
sonanz llsimilümäe, satelites messen; auf einen irrationalen
Vokal ist hier um so weniger zu schliessen, als das i und e vor 11 in
diesen Wörtern hochtonig war.
Die Messung immo ist durch folgende Verse handschriftlich
verbürgt:
Plaut. Merc. 737: Immo sie sequestro mihi datast . .
Caecil. Rib. Com. p. 47: Immo vero haec ante sölitns sum . .
Ter. Phorm. V, 8, 43: Immo vero uxorem . .
Etymologisch isl immo nichts anderes als imo und bedeute!
zu unterst, daher als Bekräftigungswort ja im Grunde, ja
sehr, ja sogar.* In immo für imo liat eine Consonanten Ver-
schärfung statt gefunden durch den Hochton wie in nummus,
quere IIa, caussa, quattuor, luppiter für numus (vgl.
numerus, Gr. v6{iog, vtyLCö). quere hu causa, quatuor,
lupiter; dass der verschärfte Consonanl m in immo nicht noth-
wendig Positionslänge hervorbrachte, ist also erklärlich; eine Ver-
stümmelung des hochtonigen Vokales i zu einer irrationalen Kürze
aber undenkbar*).
über irrationale Vokale kann man nicht wagen auf diese nnd manche
andere von Geppert angenommene Messungen irgendwie Schlüsse zu
bauen.
*) Auch sonst finden sich Spuren, dass bei Plautus der verschärfte
Consonant oder doppelte Consonanten nicht nothwendig Position mach-
ten. Schon oben sind Beispiele angeführt, wo dies nicht der Fall ist in
Compositen mit Präpositionen, nachdem der auslautende Con-
sonant der Präposition sich dem Anlaut des zweiten Compositionsgliedes
assimiliert hatte. .Ausserdem ist in dem handschriftlich überlieferten
Versanfang, Plaut. Stich. 179: Per annünam caram die Messung ün-
nonam sprachlich wohl denkbar. Neben mäuoma, farris, offa
sprach man mann IIa, farina. ofella, da der Hochton \<>n der
Stammsilbe vorrückte; aus demselben Grunde konnte mau auch neben
annus an6na sprechen und somit Piautas änona messen, wenn mau
auch annona schrieb. Die Umstellung: Per caram a n n o n a in in je-
nem Vers bei Ritschi und Fleckeisen scheint daher nicht nothwendig.
— 121 —
Ferner kommt noch in Frage wie die Vernachlässigung der Po-
sition in der Messung des Griechischen Namens Ph ili ppus zu er-
klären ist:
Trin. 955: Philipp um, quod me aurüra deferre . .
Mit. 1061: Talen tum Philippum hüic opus aurist.
Zu Plautus Zeit, als die Romer zuerst den Namen 0 CXmicog
den Griechen nachsprachen, war es natürlich, dass sie auch den
Hochton auf der drittletzten Silhe Hessen. Da dieses sich aber mit
der Länge der vorletzten Silbe nach dem herrschend gewordenen
Betonungsgeselz der Lateinischen Sprache nicht vertrug, so sank
die vorletzte Silbe unter die Dauer einer Länge herab und wurde
mindestens mittelzeitig, so dass sie nun als Kürze ver-
wandt werden konnte, wie dies oben von der vorletzten Silbe von
fene stra, tälentu m nachgewiesen ist. Als sieh aber der Name in
der Lateinischen Sprache einbürgerte, schob sich der Ilochton auf
die vorletzte ursprünglich lange Silbe vor und man sprach Philip -
pus wie talentum, fenestra. Schwerlich wird sich entscheiden
lassen, ob bei der Messung Philippum das i als stummer Vokal
oder das pp nur wie einfaches p gesprochen wurde; man kann nur
Die Messungen redde, Stich. 78G. (R. FL: cedo), sagittis, Aid. II,
8, 25 bleiben dahingestellt. Die Kürze der ersten Silbe in omnis bei
Plautus, Rud. 87. omnis, llud. 1285. Mil. 55. omnes, Trin. 621.
omni, kann ebenfalls nur in dem sehwachen Ton der Consonantenver-
bindung mn ihren sprachlichen Grund haben, da der hochtonige Vokal o
nicht stumm werden konnte. Diese Consonantenfolge mn assimilierte
sich im Volksmunde zu nn, das zeigt die Schreibweise solennis für
s o 1 1 e m n i s und die aus damnare, columna, alumnus, omnis ent-
standenen Italienischen Formen dannare, colonna, alunno, ogni
für onni. Da nun die Schreibweisen mit nn und n in vielen Wörtern
schwanken, wie oben gezeigt ist, I, 95, so kann auch in der Aussprache
geschärftes n und einfaches n nicht streng geschieden gewesen sein.
Wenn also Martial und Silius Porsena massen , für Porsenna (Pery,
1,371), so wird es erklärlich, wie Plautus omnis messen konnte bei der
Aehnlichkeit der Aussprache von m n und nn im Volksmunde. Ueberhanpt
wird die Positionsvernachlässigung bei doppelten Consonanten in der
Messung der Scenischen Dichter daraus erklärlich, weil in der älteren
Aussprache der Römer der Unterschied zwischen einfachen und ge-
schärften Consonanten nur schwach und undeutlich hervortrat und «da-
her doppelte Consonanten bis Attius gar nicht geschrieben wurden.
Vgl. I, 7.
— 122 —
erkennen, dass die Lautverbindung -ipp einmal mittelzeitig,
kürzer als eine Länge, länger als eine Kürze, also irrational gespro-
chen wurde.
Endlich bleibt zu erwägen, ob aus den Messungen uxor,
Plaut. Bud. 4. Ter.Hec. III, 5, 64, exercitum, Amph. 125. 140,
Alexander, Bacch. 947. Most. 775 geschlossen werden darf,
dass der vor x vorhergehende Vokal stumm gesprochen wurde. Da
diese Annahme für uxor wegen der Hochtonigkeit des Vokals u zu
verwerfen ist, so ist sie auch für exercitum und Alexander
nicht gerechtfertigt. Der Grund muss vielmehr in der Aussprache
des x gelegen haben. Nun ist oben nachgewiesen, dass schon
im Altlateinischen bei dieser der Zischlaut entschieden vortönte, und
dass x schon in der Spätlateinischen Volkssprache zii dem blossen
Zischlaut s herabsank [Vgl. I, 125). Somit ist es erklärlich,
wenn schon in der älteren Lateinischen Volkssprache der Laut des x
nicht stark genug war um den vorhergehenden Vokal zu einer voll-
ständigen Länge zu ergänzen, dass daher die Scenischen Dichter
eine solche Silbe auch kurz messen konnten.
Aus der ganzen Untersuchung über die Vernachlässigung der
sogenannten Positionslänge bei den scenischen Dichtern der Römer
lassen sich nunmehr folgende Ergebnisse zusammenstellen.
Ein irrationaler oder stummer Vokal wurde gesprochen
in folgenden Wortformen :
a.
o.
u.
c.
'•
a b ,
e r o ,
s im ul,
est,
ille n. a.,
ad,
domo,
manu,
esse,
is i c n. a.,
c olor,
v e n u Sta-
polest,
ipse u. a.,
V
tes,
Is, id,
amor,
a (1 es 1 .
so ror,
venust a -
tis,
ecce,
mde,
V (» 1 lipl
;is,
V e l 0 s 1 a ! e
he iic,
•>
bic n. a„
Voll! 11 t
as,
mal e,
in,
•
benefi-
e i um ,
sine.
<| n nie in.
- 123 —
V v
e. 1.
in a 1 e f i c u s , d o m l ci I i u m ,
s e n e c t u t e in , m i n i s t e r i ig ,
tabernaculo, m i ni s tr e m tis ,
gubernator , ministrabat,
g u b e r n a b u n t , m a g i s t r a t u s ,
ni i s e r , p e r l s t r o in ata,
p a t e r , d e d l s t i ,
fenestra, bibisti,
d ß d i s s e ,
V
eri,
mäh ,
dorn i,
V
nie ei.
Eine irrationale Silbe, bestellend ans einem stummen
Vokal und einem darauf folgenden dumpf oder matt lau-
tenden Consonanten wurde gesprochen in folgenden Wort-
formen :
a.
0.
u.
e.
l.
t a m e t s i ,
m
, v
a 1 o s ,
unile,
V
et,
agil,
V
minas,
v i r o s ,
ut,
1 u b e t ,
i a c 1 1 ,
foras,
et
»los,
a p u (1 ,
d o 1 e l ,
dedit,
negat,
V
caput,
p u d e t ,
dabit,
a m a t ,
malus,
tace t,
erit,
rogat,
bonus,
iubet,
foris,
erat,
»
d o m u s ,
decet,
e n l m ,
— 124 —
V v
u. e. i
manus, habet, enimvero,
Hierum, videt, magis,
mahim, placet, nimis,
bonum, habent, satis,
V v
panim, s o 1 e n t ,
er um, student,
manum, fores,
s e n e m ,
c a b e m ,
q u i d e ni ,
nempe,
sene \.
unter den vorstellenden Worlformen sind durch Tonanschluss
an das vorbeigehende oder das folgende Wort tieftonig gespro-
c h e n , das beisst enklitisch:
ab, unde, et. ille tt. a.,
ad, "t, (| nid ein, iste n. a.,
aempe, ipse u. a.,
est, Is, ld,
esse, i n d e ,
ecce, hJc u. a.,
in,
sine,
(|ii idem,
«mi im.
Die Untersuchungen über den Ausfall und Abfall der Vokale
haben ergeben, dass je leichter das Tongewicbl der Vokale
war, desto häufiger Ausfall und Abfall derselben eintrat.
Am häufigsten schwand daher der leichteste und dünnste Vokal i,
dann fast eben so oft das wenig gewichtigere e, Bchon seltener u
~ 125 —
und am seltensten o und a. Der stumme Vokal ist der letzte
schwache Lebensklang des Vokales, ehe er ganz abstirbt, und die
irrationale Kürzung geht dem Verschwinden desselben so sicher
vorher, wie der Todeskampf dem Tode, wenn auch diese verkrüppel-
ten und altersschwachen Vokale oft noch Jahrhunderte lang ein zae-
hes Leben bewahren. Daher zeigt sich die irrationale Kür-
zung in demselben Verhältniss zu dem Tongewicht der
einzelnen Vokale wie der Ausfall, und Abfall derselben. Am
häufigsten verkrüppelt das dünnstimmige i und das flache charakter-
lose e, seltener, der dunkele Vokal u, am seltensten die vollsten
Vokale o und a. Die irrationale Kürzung dieser Vokale kann nur
stattfinden in tief tonigen Silben hochbetontcr Wörter oder in
Enklitiken; sie findet statt an den Vokalen der tieftonigen aus-
lautenden Silben vor den schwach und dumpf klingenden Con-
sonanten m, n, s, t, d, von deren Laiilschwäche dieselben an-
gesteckt werden, mit denen sie dann zum Theil zu Grunde gehen,
oder unmittelbar im Auslaut selbst, wo der lange Vokal kurz,
der kurze stumm wird, namentlich in zweisilbigen Wortformen
mit kurzer Stammsilbe, deren Hoch ton die tieftonige aus-
lautende Silbe übertont. Die irrationale Kürzung von Vokalen
tritt' aber auch ein in'in lautenden Silben, namentlich in der
tieftonigen Silbe vor oder nach der hochbetonten, wo
auch Schwächung und Ausfall des Vokals am häufigsten ist, zumal
wenn die Wortform durch schwere Suffixe sehr angeschwellt ist,
vor solchen Consonanten, vor denen auch der Vokalausfall gewohn-
lieh ist.
Eine strenge Versmessung kann un messbar kurze Laute
nicht brauchen; Vokale, welche die Dauer einer Zeitweile nicht
mehr ausfüllen, behandelte die Verskunst der älteren, Sceni-
schen Dichter zum Theil als Todte; trotz dem dass ein solcher
stummer Vokal dem Ohr noch durch den Klang, dem Auge durch
die Schrift vernehmlich bleibt, ist er in der Metrik ein caput mor-
tuum. Die Römische Kunstdichtung der Augusteischen
Zeit schlägt zum Heil der Lateinischen Sprache und ihres Vokalis-
mus einen anderen Weg ein; sie giebt in der Versmessung jenen
heruntergekommenen und verwahrlosten Vokalen ihr besseres Selbst
wieder, sie hebt den stummen Vokal wieder zur Geltung eines
kurzen Vokales empor. Sie gebietet dadurch der Neigung der
Lateinischen Sprache zur Kürzung und Tilgung der Vokale
— 126 —
ein heilsames Halt.- Sie hielt zwar die Volkssprache auf die
Dauer nicht ah, dieser verderblichen Neigung weiter zu folgen, bis
der edle Organismus der Declinationc n und Conj uga 1 i onen
zerstört war; aber in der Schriftsprache hat sie die Tondauer
und damit den ganzen Vokalismus auf der Stufe erhalten, wie er in
Caesars und Ciceros Munde klang. Die Griechische Me-
trik, insbesondere das daktylische Versmaass, das kurze Silben er-
heischte, hat also die Wiederherstellung der stummen Vo-
kale zu Kürzen bewirkt, sie hat sich dadurch um die Erhaltung
der Lateinischen Sprache ein wesentliches Verdienst erworben.
So ist es im letzten Grunde der Geist hellenischer Kunst, der
heilsam eingreift in das innerste Leben der Lateinischen
Sprache*).
*) Ist die vorstehende Untersuchung- über die irrationalen oder
stummen Vokale der Komischen Volkssprache in ihres Hauptergebnis-
sen stichhaltig, so ist damit die Ansicht von Geppert widerlegt, der in
seiner Schrift über die Aussprache des Lateinischen im alleren Drama nach-
zuweisen versucht hat, dass die Vernachlässigung von Positionslän-
gen bei den scenischen Dichtern nur eine scheinbare sei, da die-
selben ihre Verse nach einem anderen metrischen Schema ge-
baut hätten wie ihre griechischen Vorbilder. Geppert behauptet,
dass jene Dichter, wenn man ihre Verse nach dem bisher als gültig
angesehenen Schema messe, wie es insbesondere von Priscian aufge-
stellt ist, nicht bloss die Positionslänge, sondern auch die Naturliinge
der Vokale ganz aus den Augen gesetzt hätten. So hätten sie nicht
bloss die langen Vokale ä, ö, ü, e, I. sondern auch die Diphthonge ae
und au kurz gemessen in folgenden YVortformen, a. 0. S. '.»7 /' : &, qua.
a m e n s , n e g a s , Syr'acusae, p e d ä r i u s , c a r u s . a 1 a e . s e p t u m ä s ;
;;. 08/".: enicas, evenis se', -elavi, deripait, fide, tnrbines,
hoste«, equites, ecastor, neminem, verebamini. habebitis,
olere, deccre; p. DO f.: Ire, Ibo, adlbo, venire, amicac,
■ i m X t u , perdidl, occidi, dedidl, impedimento, nostrl;
p. 101 f.: modu (Abi. Subst.), cado, ioco (desgl.). earo (AbL Adj.),
amörem, odisse; p. 101: fiiii, ünumquemque, solütum; p. 102:
a e des, a e cum , a u t , h a ü t , a ü d i v i , an sp ice ti s. Aber die Annahme
dieser Verkürzung beruht auf kritisch unzuverlässiger Grundlage, wie
die Prüfung der betreffenden Stellen zeigt. Theils sind jene IfoSOTUgcn
ohne zuverlässige handschriftliche Begründung aufgenommen, theils be-
ruhen sie auf Verderbnissen des Textes, die von den Herausgebern der
Scenischen Dichter, namentlich von Ritsch] and Fleckeisen durch über-
aus leichte Armierungen beseitigt sind, theils' lassen die betreffenden
Verse eine andere Messung als die von Geppert angenommene zu «»der
— 127 —
2) Irrationale Vokale vor Vokalen.
Für die Untersuchung, in wiftern durch die unmittelbare
B c r ii h'r u n g von Vokalen in der Sprache i r r a tio n ale V o k a 1 e
erfordern, dieselbe, bei der die Vokallänge in den obigen Wörtern un-
angetastet bleibt. Auf solcher Grundlage baut dieser Gelehrte die Be-
hauptung über die Verskunst der Scenischen Dichter, S. 103 : "Die Ver-
leugnung der Gesetze für die Prosodie ist schrankenlos: ,we-
der Position»- noch Natur längen, weder die Beschaffenheit der
Consonanten noch ihre Anzahl, ja nicht einmal die Anhäufung von vier
Consonanten hinter einer Naturlänge ist von den Komikern respectirt
worden. Sie verkürzen schlechthin eine jede Länge, sie mag ei-
nen Ursprung haben, welchen sie will". Nach dem Wortlaut dieser Stelle
werden solche Dichter schrankenloser Willkühr und Nichtachtung der
Quantität bezüchtigt, bei denen, auch wenn man die vorstehenden Bei-
spiele von Verletzungen derselben gelten lassen wollte und könnte, eine
ungeheure Mehrzahl von Wortformen übrig bleibt, die stets und un-
wandelbar dieselbe Messung zeigen, die insbesondere an allen Stellen
und in allen Fällen stets mit ihren festen Naturlängen und Positions-
längen erscheinen. Allein jene Worte sind nicht so gemeint, wie G. sie
an der betreffenden Stelle ausspricht. Da G. nämlich aus den Annalen
des Ennius den Schluss zieht, a. 0. S. 104, "dass die Worte damals
schon im Römischen eine sehr bestimmte metrische Geltung hatten und
dass die Quantität der Silben ganz dieselbe war, wie sie es Jahr-
hunderte lang geblieb en ist" und überzeugt ist, a.O.ll: "dass die
Silben bei Plaut us undTerenz keine andere Quantität gehabt
haben als bei den anderen Römischen Dichtern", so konnte ihm bei die-
sem Glauben an die Unwandelbarkeit der Quantität der Vokale in der
Lateinischen Sprache, der freilich mit der ganzen oben geführten Un-
tersuchung über die Kürzung der Vokale nicht bestehen kann, eine
schrankenlose Willkühr in der metrischen Behandlung eben dieser
Quantität bei den mit Ennius gleichzeitigen Scenischen Dichtern unmög-
lich vereinbar erscheinen. Aus dieser Unvereinbarkeit entspringt nun
bei G. die Ansicht, dass der Vernachlässigungen der Natur- oder
Position s längen von Vokalen bei den Scenischen Dichtern, die sich
ergeben, wenn man für ihre Verse im Wesentlichen die Metrik ihrer
Griechischen Vorbilder zur Richtschnur nimmt, nicht die kürzere
Zeitdauer jener Laute bei der Aussprache im Volksmunde zu
Grunde liege; dass vielmehr jene Vernachlässigungen ein fraglicher Seh ein
seien, dass jene Römischen Dichter nichtbloss, wie Priscian und andere
Kritiker geglaubt, in gewissen Ein z elh eite n sich durch die Natur ih-
rer Sprache bedingte Abweichungen von ihren Griechischen
Mustern der Metrik erlaubt, sondern sich eine neue Metrik erfunden
hätten, die ihnen erlaubte in zahlreichen Fällen ganz beliebig Versfüsse
— 128 —
entstehen, ist es nolliwendig erst das Zusammentreffen der Vokale
im Inlaut eines Wortes, dann das Begegnen derselben im Aus-
von verschiedener Zeitdauer für einander eintreten zu lassen
{vgl. a. 0. 107 f.). Nach dieser angeblichen Verskunst sollen in vielen
Fällen die Römischen Komiker gebraucht haben :
den Trochaeus für den Pyrrhichius, - - für
Iambus für Pyrrhichius, - — für --
Spondeus für Pyrrhichius, - - für - -
Amphibrachys für Tribrachys, - - - für
Creticus für Dactylus, — -_ für _ ^^
B a c c h i u s für Anapäst, \j für ~
Molossus für Bacchius, für-
Molos su s für Creticus, für - «-» -
Iambus für die betonte Länge, - - für —
Proceleusmaticus für Iambus,---- für - -
der letzte , insofern für den Trochaeus und Iambus auch der Spondeus
eintreten könne {vgl a. 0. 10G. 110. 111. 115—117. 12« — 121. 123).
Nach diesen Aufstellungen treten also unter Umständen für zwei zei-
tige Längen dreizeitige Versfüsse ein, für zweizeitige Vers-
füsse drei zeitige, für drei zeitige vierzeitige, für vier zei-
tige fünfzeitige, für Tun f zeit ige sechszeitige. Eine Vers-
messung, die sich solche Stellvertretungen von Maassen verschiedener
Zeitdauer erlaubt, hat den Sinn für Scheidung der Zeitmasse
im Wesentlichen eingebüsst, eine Verskunst der in so vielen Fällen
die lange und die kurze, die doppelte und die einfache Zeitweile gleich-
gültig ist, die ist nicht besser wie ein fahrlässiger Kechenknecht, der die
Summe obenhin überschlägt, aber gelegentlich auch fünfe gerade sein
lässt , oder wie ein pfuschender Feldmesser, der mit einer dehnbaren
Schnur statt mit fester Messkette misst : Versfüsse und ganze Verse ei-
ner so ungenauen verrenkenden Verskunst gehen ins Maas s lose über
und werden irrational. Wie sollen nun aber die Römischen Dra-
matiker zu einer solchen Vers in es s ung , die ihrem Wesen dem fe-
sten Zeitmaasse so entfremdet erscheint, gelangt sein? Gerade auf
diese Frage hat G. nicht geantwortet, und doch fällt ohne die Lösung
derselben der Versuch eines Beweises für seine Ansicht haltlus tasaxn-
men. Lag der Grund zu einer so entarteten Versmessung in der Be
fähigung der Dichter selbst, etwa in stumpfem oder grobem Gehör,
das den langen Ton vom kurzen nicht schied, oder in einem Manuel an
Sinn für genaue Messung von Zahl und Zeitgrösse, so dass sie nicht
nachmessen konnten, was ihnen Griechische Dichter Yorgemessen hatten.
deren Dramen und Verse sie doch nachahmten V Dass die Körnet sonst
Raum und Zeit zu messen verstanden, zeigt wahrlich ihre Feldinesskunst,
ihr Wege- und Wasserbau, ihr Kalenderwesen ; dass das Ohr ihrer Dich-
ter für die Zeitdauer des lautlichen Klanges stumpf war, wird schwer-
— 1 29 —
laut und Anlaut zweier aufeinanderfolgender Wörter in der Kede
zu beobachten. Um die Tonkluft, den Hiatus, der durch die
lieh jemandem einfallen behaupten oder gar beweisen zu wollen. Also
bleibt als mögliche Stütze für die Geppertsche Ansicht nur übrig an-
zunehmen , dass in der Kömischen Sprache irgend etwas lag, was
die Scenischen Dichter nöthigte an Stellen, wo das ihnen vorliegende
metrische Schema der Griechen eine Kürze zeigte , einen langen sprach-
lichen Laut zu setzen, dessen ungeschmälerte Länge ihnen doch im Ohre
klang und auf der Zunge lag. Man könnte versucht sein, jenes nöthi-
gende Etwas in dem Ueberfluss an langen und Mangel an kur-
zen Silben zu finden, durch den allerdings die L a teinisch e Sprache
sich von der Griechischen unterscheidet. Allein daraus lässt sich
wohl erklären , warum die älteren Römischen Dichter statt zweier Kür-
zen des Griechischen metrischen Kanons öfter eine zweizeitige sprach-
liche Länge setzen , vielleicht auch , weshalb sie den Spondeus im iam-
bischenVers auch auf die geraden, im trochäischen Tetrameter auch auf
die ungraden Stellen übertrugen, aber doch nicht, warum sie an die
Stelle eines zweizeitigen Versfusses einen dreizeitigen Wortlaut setzten,
oder an die Stelle eines lambus vier kurze Wortsilben. Daher sind
denn auch Ennius Hexameter überfüllt und schwerfällig von Spondeen
für Dactylen; aber durch Kretiker oder gar Antibacchien für Spondeen
das Versmass zu verzerren und zu entgliedern, das er in die Dichtung
seines Volkes einführen wollte , hat er sich doch nicht beikommen las-
sen. Man mag sich wenden, wie man will, man findet keinen siche-
ren Entstehungsgrund für eine solche Versmessung Scenischer
Dichter, wie G. sie entdeckt zu haben glaubt; man wird immer darauf
hingewiesen, dass mittelzeitige und stumme vokalische Laute?
deren Vorhandensein in der Sprache , auch wenn wir nicht einen Vers
eines Kömischen Dramatikers übrig hätten, unzweifelhaft feststehen
würde, was auch G. nicht in Abrede stellt, in der Lateinischen Sprache
zu Plautus Zeit vorzüglich eingerissen waren, dass die Dich-
ter berechtigt waren solche mittelzeitigen Sprachlaute nach ihrer Be-
quemlichkeit an die Stelle von metrischen Längen oder Kürzen des Grie-
chischen Schema zu setzen, und dass hieraus zum grossen Theil die
sogenannten Po siti ons Verletzungen und Kürzungen, von denen
die Kede gewesen ist , zu erklären seien.
Besonderes Gewicht scheint G. zur Verteidigung seiner Ansicht
auf den Satz zu legen, a. 0. 123: "Wären die Freiheiten, welche sich
die alten Dichter bei Behandlung ihrer Verse genommen haben, wie un.
sere Kritiker behaupten, pros odisch er , nicht metrischer Art,
so könnte es nicht fehlen, dass von den Silben, die ihrer Ansicht nach
indifferent gewesen sind, auch gelegentlich einige in ihrer Verkürzung
zum Verssehlusse benutzt würden; aber dies ist ein Fall, der nir-
gend vorkommt". Auf diesen Schluss ist zu erwiedern : Da die Römi-
Corssen II- 9
— 130 —
Aufeinanderfolge zweier Vokale entsiebt, zu schliessen oder zu über-
tünchen, greift die Lateinische Sprache zur Vokala usstossung
sehen Dieliter gerade wie die Griechischen danach strebten, im Vers-
ausgange das Versmass rein durchklirgen zu lassen, so vermieden
sie hier nicht nur Wortformen oder Worttheile von genau bestimmter
Tonlage , die unter Umständen in der Mitte oder am Anfang des Verses
an die Stelle seines regelrechten Grundfusses treten können wie zum
Beispiel spondeische Wortformen oder Worttheile stellvertretend für
iambische, trochäische oder daktylische Versglieder; es war natürlich,
dass sie sich auch scheuten hier den mittelzeitigen Silbenlaut, der durch
einen stummen Vokal mit folgenden Consonanten gebildet ist, an die
Stelle der kurzen oder einzeitigen More zu setzen. Die mittelzeitigen
Vokale sind ja irrational, nicht genau messbar mit der Einheit einer
metrischen Zeitlänge oder Zeitkürze; gerade dieses Un messbare,
Irrationale t r at dem Durchklingen des r e in e n Versmas se s im
Verschlusse ebenfalls störend und widerwärtig in den Weg. Dabei-
war es nothwendig, dass die mittelzeitige Wortsilbe für die metrische
Kürze dort ebenso gemieden wurde wie die lange. Erwägt man ferner,
dass alle Pronomina, Präpositionen und Conjunctionen ih-
rer sprachlichen Bestimmung im Satz gemäss am wenigsten geeignet
sind am Ende eines Satzes oder Satzabschnittes zu stehen und in Folge
davon auch selten im Vers Schlüsse Platz finden, so wird man es um
so natürlicher finden/, dass Pronomina und Pronominaladverbia wie
vvvvV vvv
iste,ipse, llle, nide, ecee, Präpositionen wie ad, in, mter,
"apud, Conjunctionen wie et, ut, atque o. a. in der bisher bezeich-
neten Messung auch ohne ängstliche Fürsorge für die Reinheit des
Metrums von Seiten der Dichter aus dem Versschluss leicht wegblie-
ben. Hierzu kommt, dass alle die zwei silbigen Wort er mit kur-
zer Stammsilbe, deren Schlusssilbe oder Vokal der Schlusssilbe oben
als irrational nachgewiesen ist, sich vortrefflich für den letztenFus.s
des Iam bischen Senares oder des Trochäischen Tetrame-
ters eigneten, wenn der Dichter der irrationalen Endsilbe die Gel-
tung einer v o llcn K ü rz e oder Länge zurückgab, dass also Messungen
wie manum, fores, dedit, eri, domo, manu u.a. an jener Stelle
gar nicht absichtlich vermieden zu werden brauchten, sondern von
selbst wegblieben. Ebenso wenig konnten in dem letzten Fnsse
der genannten Verse dreisilbige Wortformeu wie dedisti, bi-
bisti, dedisse Platz linden, mochte der Dichter die vorletzte Silbe
als stumm übergehen oder ihr die alte Geltung als Länge wiedergeben.
Da endlich die mehrsilbigen Wörter, in denen oben eine irrationale
Silbe nachgewiesen ist, niemals die vorletzte oder letzte Silbe
so verkümmert haben, so konnten auch die Dichter unmöglich in Ver-
suchung kommen den stummen Vokal derselben in den Versschlusi
— 131 —
zur Vokalkürzung und zur Vokalverschmelzung. Für die
Frage nach irrationalen Vokalen handelt es sich insbesondere um
die letztere. Zu dem Zwecke also erscheint es angemessen, zu-
erst von der Verschmelzung der Vokale im Inlaut eines
und desselben Wortes, von der Synizese oder Synaerese, dann
von der V er Schleifung der im Auslaut und Anlaut zweier
aufeinanderfolgenden Worter sich berührenden Vokale, von der
Synaloephe oder Episy naloephe zu reden.
a) Vokal Verschmelzung im Inlaut.
In dem Abschnitt über die 'Umlautung der Vokale ist gezeigt
worden, wie dieselben in unmittelbarer Nachbarschaft
nebeneinander je nach ihrer Laulverwandtschaft sich gegenseitig in
ihrer Ton färb ung und ihrem Ton gewicht bestimmten. Um
die Vokal Verschmelzung im Inlaut zu verstehen, ist es not-
wendig zu untersuchen, unter welchen Bedingungen aufeinander-
folgende Vokale in ihrer Tondauer oder Quantität auf ein-
ander Einfluss übten, so dass der eine derselben ganz ausfällt
oder Kürzung erleidet. Dabei ist vor allem die Betonung (\^v
Vokale scharf ins Auge zu fassen und zu scheiden, wo hochloni-
g e r und t i e f t o n i g e r , t i e f t o n i g e r und h o c h b e t o n t e r , tief-
toniger und tieftoniger Vokal im Worte zusammentreffen.
Nach diesen Gesichtspunkten wird hier zuerst der Ausfall
eines der beiden Vokale in Betrachtung gezogen.
Trifft ein hochbetonter und ein tieftoniger Vokal von
verschiedenem Tongewicht im Inlaut eines Wortes zusammen, so
kann nur der zweite, der t i e f t o n i g e V o k a I , a u s f a 1 1 e n.
zu bringen. Wenn somit nachgewiesen ist , dass für die Feststellung-
eines neuen metrischen Schema durch die Scenischen Dichter der
Kömer sich kein bestimmender Grund auffinden lässt, und wes-
halb Wortformen mit irrationalen Silben im Verschluss nicht
Platz fanden, so folgt daraus erstens, dass das von Prise ian über-
lieferte Schema im Wesentlichen dem Versbau jener Dichter z u
Gründe liegt, zweitens dass die Positionsvernachlässigungen
bei denselben kein blosser Schein, sondern wirklich vorhanden sind
und in der irrationalen Kürzung gewisser Vokale wie in dem
dumpfen, matten Klang gewisser Consonanten, also in der Aus-
sprache des Komis chen Volkes ihren Grund hatten.
9*
- 132 -
So fällt ein tiefte niges e nach einem hochbetonten Vokal ans
in Verbalformen , und zwar:
in den Conj unetivformen der Verba, deren Conjunctivzei-
chen i aus ie hervorgegangen ist, wie:
si-m, si-s, si-t.
Ebenso fällt kurzes e nach Ausfall eines v aus in allen von den
Perfekten auf v i abgeleiteten Formen wie :
ama-rim, s i - r i s , n o - r i in ,
ama-ris, si-rit, no-ris,
ama-rit, si-ritis, no-rit,
ama-runt, si-rint, no-runt,
ama-ram, no-ram. Vgl. II, 19.
In der Wortzusammensetzung schwand so das tieftonige e des
zweiten Gliedes der Composita nach Ausfall eines h oder v in :
prae-dium, prae-da, prae-ndere. Vgl. II, 47,
Ebenso verklang so das e der doppelten Diminutiven düng
-ello, -ella in:
t r u - 1 1 a ,
da noch nach alter Betonungsweise der Hochton auf der drittletz-
ten Silbe lag.
Tieftonigcs i schwindet nach hoch tonigem Vokal in allen vom
Perfekt auf -vi gebildeten Verbalformen, deren v ausgefallen ist, wie:
a m a - s t i , d e 1 e - s t i , n o - s t i ,
ama-stis, dele-stis, no-stis,
ama-ssem, dele-ssem, no-ssem,
ama-sse, dele-sse, no-sse;
und in den Formen der dritten Pers. Ind. Sing, wie:
inrita-t, Lucr. 1, 70.
disturba-t, a. 0. VI, 587.
adflieta-t, Plaut. Merc. 648.
ania-l, a. 0. Epid. I, 1, 82.
Vgl. Lach/n. Lucr. p. 290.
ebenso nach hochtonigem Vokal im zweiten Gliede der Composita:
prae-tor, co-go*),
*) Die Wurzel ag- als zweiter Bestandtheil findet sich auch in ;iu-
riga für aur e-iga , zusammengesetzt mit a u rea , Zügel, Fett. r. tun ras,
p. 28. 7, so dass auriga Z ügel t*ü hr er heisst. Dieselben Bestand«
tbeile rinden sich auch in aure-ax, Z ügel führ er, das in der alten
Sprache den Reiter wie das Reitpferd bedeuten konnte.
133
de-go, c o - g i t o ,
de-mo, co-mo, Lachm. Lucr. p. 135.
und nach Ausfall eines h:
de-beo, pro-beat,
iu-beo ,
prae-beo,
ina n u-biae,
manu- b r i u m
nach Ausfall eines v:
prae-s, vgl.
praevia" es, /.
vgl. II, 49. 50.
Ebenso in dem Nominativ:
g r u - s.
Tieftoniges o nach bochtonigem Vok;d fiel aus nach Ausfall eines v in :
in a - 1 o , M a - r s , su-rsum, w. ö.
Kurzes u nach bochtonigem langem Vokal schwindet nach Ausfall
des j in:
c o - n c l o s {carm. Arv ), b i- g a , q u a d r i - g a.
t r i - g a ,
In der grossen Mehrzahl dieser Formen war der hochbetontc
Vokal auch noch lang, also durch Tonhöhe und Tondauer geeignet
folgenden langen wie kurzen tieftonigen Vokal zu übertönen.
Dem kurzen hochtonigen Vokal wich der kurze tieftonige in
b i g a , q u a d r i g a , a u r i g a , m a n u b i a e , m a n u b r i u m , s u r -
sum. Die Formen sim, sis, sit neben siem, sies, siet zei-
gen, dass dem hochbetonten kurzen Vokal auch der tieftonige lange,
der ihm folgte, weichen konnte.
Folgt auf einen tieftonigen Vokal ein hoch betont er, so
kann nur der tieftonige ausfallen.
So fällt e aus in:
s-orsum, Plaut. Asin. 362. Epid. III, 3, 21.
n-tillus, n-unquam, s-udus,
n-us q nain, n - u t i q u a m ;
ein i in:
s - u 1 1 i s ;
ein u in:
s -avium, vgl. su avium,
Cl-entius, I. N. 5326. Cluentius*).
*) M onstr uos us und montuosus für irwonstrosus und
mon tos us scheinen von den Stämmen monstro- und monti- Miss-
bildungen zu sein, indem der Sprachgebrauch der Analogie von fructu-
osus , tumultu- os us, aestu-osus, saltu-osus u. a. folgte.
— 134 —
Häufig fällt der auslautende Vokal eines Nomi n als ta Ul-
mes im Lateinischen aus vor dem langen hochtonigen Vokal
eines vokalisch anlautenden Suffixes. Dafür mögen hier
nur einige Beispiele stehen.
So fällt der auslautende Stammvokal a aus in:
terr-enus, Parm-ensis,
a q u i 1 - i n u s , silv-osus;
der auslautende Stammvokal o in:
furn-aceus, corrupt-ela, vot-ivus,
lor-ica, patru-elis, fest-ivus;
nostr-ates, e q u - i 1 e ,
d u in - e t u m , m und-anus,
Lati-aris, medic-ina,
Marti-alis, ali-enus;
der auslautende Stammvokal u in:
Pen-ates ;
der auslautende Stammvokal i in:
fin-alis, pisc-osus,
pisc-arius;
der auslautende Slaniinvokal e in:
glaci-a lis.
Ehenso fallen die auslautenden Stammvokale des ersten Com-
positionsgliedes i und o vor vokalischem Anlaut des zweiten Be-
standtheiles weg in:
nav-igium, sem-animus,
rem-igium, sem-ermis,
un-oculus, sem-esus,
sem-issis, . m
sem-ustus.
Zwei tieftonige Vokale begegnen sich im Lateinischen
entweder in den beiden ersten Silben des Wortes als Auslaut
und Anlaut der beiden Compositum sglieder , *od# r in den beiden
letzten, wo entweder beide dein Suffix, »»der der eine dem Wort-
stainin, der andere dem Wortbildungs- oder VYortbiegungssuffix an-
gehört. An beiden Stellen Schwindel in manchen Fallen der
eine der beiden »Vo kale.
An der ersten Stelle geschieht dies seilen; es findet sieh
nur scheinbar in :
-— 135 -
colescat, colescere, colli er mit,
(VctrroR.R. 1,41,2. Lucr.il 1061. 1068. Lctchtn. Com?n. p.\U.)
co -et us, Fl. Caper 2240.
Nach der älteren Betonungsweise wurde, wie unten nachge-
wiesen ist, cöaleo, cöaluit, cö actus betont; dann wich das
tieftonige a dem hochlonigen o, nachdem es sich demselben assimi-
liert hatte, und so sind jene alten Formen colescere, coctus
in späterer Zeit geblieben.
in den letzten Silben des Wortes schwindet der eine von zwei
tieftonigen Vokalen zuerst, wenn ein der Flexionsendung an-
gehöriger Vokal mit dem auslautenden Stammvokal zusam-
mentrifft. Das geschieht in der Bildung des Genetiv Singula-
ris der auf a, e, u auslautenden Stämme.
Die Formen des Genetiv Singularis der A-Stämmc sind, wie in
dem Abschnitt über den Diphthongen ai nachgewiesen ist, zu ver-
schiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten:
-äl, -ai, -as, -ae, -aes, -es, e.
Hier ist das Verhältniss der Genetivformen auf-äl, -al neben
-as ins Auge zu fassen.
Die Genetivform -äi findet sich bei den Scenischen wie bei
den Epischen Dichtern. So bei Plautus:
magnai, Mit, 103. _ aquai, Mit, 552. Poen.1,3,23.
p u b 1 i c a i , Mit. 103. in p u d i ci t ia i, Amph. 82 1 .
f a m i 1 i a i , Amph. 359. Merc. 83 4 . c o m o e d i a i , Mit. 84.
1 i b e 1 1 a i , Pseud. 98. C h a r m i d a i , Irin. 359.
a u d a c i a i , Amph. 367. C a 1 1 i c 1 a i , Trift, 1183.
t i p p u 1 a i , Pers. 244 (R.)*). V e r i p h a n a i , Epid. II, 2, 59.
morai , Such. 557.
Ebenso in E n n i u s A n n a 1 e n :
terrai, Ann. v. 479. V.not, lunai, ct. O. v. 16.
frugiferai, ct. O. Albai, ct. O. ^.34.
viai, a.O. v. 209. longai, ct. 0.
Dem Naevius oder Ennius oder beiden gehorten auch die
Formen:
Aeneai, Prise. VIT, 3. H.
Anchisai, ct. O.
*) Unzuverlässig- sind die Spuren solcher Genetivformen bei Terenz,
Benlleij, Hemd. V, 1, 20 III, 2, 4. Andr. II, 6, 8. Phorm. IV, 2, 7.
Vgl, Ritschi, Prol. p. 326. Lachm. Lucr. p. 150.
— 136 —
Mit besonderer Vorliebe hat Lucrez wie so manche andere
sprachliche Alterthiimer, so auch diese Genetive gebraucht:
materiai,I, 249. B. {u. a. sehr formai, 11,490.
häufig). amicitiai, III, 83.
animai, I, 112 (desgl.). irai, III, 303.
vitai, 1,415 {desgl.). g e 1 i d a i , III, 687.
aquai, 1,283 (u. a. häufig). caveai, IV, 76.
terra i, I, 251 (desgl.). scaenai, IV, 77.
militiai, 1,29. nigrai, IV, 535.
patrnii, I, 41. lingnai, IV, 622.
Triviai, I, 81. fugai, IV, 711.
Iphianassai, I, 85. parmai, IV, 844.
flammai, 1,725. Geryonai,V, 28.
suminai, I, 984. pilai, V, 712.
purpurai, II, 52. gutta i, VI, 61 1.
notitiai, II, 124. taedai, VI, S97.
viai, II, 249. ferai, VI, 1136.
natural, II, 302.
Auch in Vergils Acneis und Cicero s Aratea finden sich
diese Formen noch gelegentlich gebraucht :
aulai, Verg. Aen. III, 354. terra), a. 0. Arat. v. 57. Anal.
aquai, a. 0. VII, 464. Wugn. Cr. E. E. p. 127.
aurai, a. (K VI, 747. aquai, Div. I, 9, 15.
pictai, a. 0. IX, 26. aquilai, Arm. v. 373.
nepai, Cic. Arat. v. 279. 325.
418. Prise. V\\, 3. //.
Es fragt sich nun, ist die Messung äl eine Diaer ese, ein»1 je-
ner poetischen Licenzen, mit denen man noch bis in die neuste /eil
die Römischen Dichter so reichlich ausgestaltet hat, oder sprach das
Romische Volk wirklich einmal Alba!, Longa!. Die Inschriften
müssen hier zu Itathe gezogen werden. Als Genetivformen auf In-
schriften aus dem Zeitalter der Punischeu Kriege sind schon oben
angeführt fameliai, Aecetiai, Laverna i, Belonai, Miner-
vai (vgl. I, 179); ob die Endung derselben aber ai oder ai gespro-
chen ist, Iässt sich nicht entscheiden. Wohl aber ßndel sich auf
zwei Grabschriften, die jedenfalls in die Zeit zwischen dem Syri-
schen Krieg und die Gracchen fallen, au gemessen:
— 137 —
Or. 4818: Heic est sepukruv hau pulcrum pulcrai feminae.
/. N. 3833: Non aevo exsacto vital es traditus morti.
Dass indem zweiten Vers nur vi tai es, nicht etwa mit Ver-
schleifung des i vi ta' es für vital es gemessen werden kann, er-
giebt sich aus Lachmanns Nachweis, dass die Synaloephe niemals
stattfindet, wenn im Auslaut des ersten Wortes langer Vokal vor lan-
gem Vokal oder Diphthongen stand (flacJim. Liter. Comm. pA 58— 1 6 1 ).
In dem ersten jener Verse stehen nebeneinander die Genetivformen
pulcrai und feminae, ein Zeichen, dass man seit der Zeit der
Macedonischen und Syrischen Kriege ae sprach, wo man noch AI
schrieb, wie dies oben dargethan ist; wo also bei Dichtern nach die-
ser Zeit noch ai gemessen vorkommt, ist diese Form nicht aus der
gleichzeitigen lebendigen Sprache, sondern aus älteren Vorbildern
entnommen. Wie sehr bei Lucrez diese Form nur ein alter-
thümlicher Zierrath seines geistvollen Gedientes ist, zeigen am be-
sten die vier nebeneinander vorkommenden Messungen:
äqual, VI, 1070. äqual, i, 283. äqüäe, VI, 552. 868.
äqule, VI, 554.
Das berechtigt nun aber noch nicht zu einem Schluss auf die
Aussprache dieser Genetivendung zu Ennius undl'lautus Zeiten.
Dass zwischen der Zeit, wo die Grabschriften auf die Sarkophage
des Scipio Barbatus und seines Sohnes gemeisselt wurden, und den
Tagen, wo 1*. Scipio Africanus grollend zu Linlernum starb , ein
Umschwung in Tier Entwickelungsgeschichte des Lateinischen Vo-
kalismus stattfand, zeigte ja der in diese Zeit fallende Uebergang
des alten ö zu ü, wie des e zu i. In den Messungen aquilä, ag-
geä ist nachgewiesen, dass die ursprüngliche Länge des a der fe-
mininen A-Stämme zu Ennius Zeit noch gesprochen wurde; dieses
lange a hielt sich auch in den Genetivformen wie Albäi, longa!,
lunäi. Wenn nun das lange e der E-Stämme in den Genetiven
rel, fidel sich noch in Lucrez Zeit unversehrt erhielt, ohne mit
dem i zu einem Diphthongen zu verschmelzen, wie weiterhin gezeigt
werden wird , wenn in den G enetiven wie s p e c i e I , f a c i e I , d i e I
wo -dem e ein i vorherging, sich dieses e immer unversehrt erhielt,
das doch aus einem ursprünglichen a entstanden ist, wenn das
kurze u in den unten zu besprechenden Genetiven fruetuis,
anuis, rituis u. a. sich unversehrt erhielt bis Varro, so muss
man schliessen, dass auch der gewichtigste Vokal a jener Genetiv-
— 138 —
form -äi sich in der Aussprache, zu Ennius und Plautus Zeiten
noch zum Theil unversehrt erhalten hatte und nicht mit dem i zu
einem Vokal verschmolzen war. Wenn Formen wie magnäl, au-
daciäf nicht wirklich noch im Volksmunde lehten, so ist nicht zu
hegreifen, wie Plautus sich vor den Ohren seiner Zuschauer eine
solche Vokaltrennung erlauhen konnte, während er doch sonst der
Neigung der Volkssprache zur Vokalverschleifung in der Versmes-
sung folgte, wie ein Schauspieler auf der Bühne es wagen durfte
jene Formen so auszusprechen. Eine Hauptschwierigkeit die me-
trischen Formen der Griechischen Comödie nachzuahmen lag für
die Römischen Dichter in dem Ueherfluss der Lateinischen Sprache
an langen Vokalen. Niemand kann also glauhen, dass sich Plautus
eine Diaerese ai für ai heikommen lassen konnte, die ihm zwei
Langen statt einer zu Wege brachte. Ennius halte mit diesen Län-
gen in seiner Nachbildung des Homerischen Hexameters noch so zu
ringen, dass ihm Verse unterliefen wie:
Ann. p. 10. V.: Förtls Römäni , quämquäm cäelüs profundus.
ct. 0. p. 9.: Olli respöndlt rex AlbäT Iöngäl.
Was sollte wohl Ennius zu einer Diaerese veranlasst haben,
die ihm zwei Längen statt einer .schallte. Wie konnte er gegen die
Volksaussprache durch die Messung terra!, frügifer-äi Ver-
stössen, während die Wortstellung terra!, frügiferäl ihm ei-
nen Versanfang bot. Man kann also nicht zweifeln, dass die Rö-
mer wirklich zu Ennius und Plautus Blüthezeit die alte Auf-
sprache Alba! longa! noch nicht vergessen hatten. Die alle
Betonung dieser Wörter war 'Alhäl Iöngäl, mit der Herrschaft
des neuen Betonungsgesetzes, nach dem die vorletzte lange Silbe
immer hochbetont sein muss, nickte entweder der Ilochtmi vor,
so dass Albäi longaT gesprochen wurde, oder der Hochton
blieb auf seiner Stelle und ä? verschmolz zuäl, wie aus dixisti:
dixlsti oder dixti, aus fenöstra: fenestra oder fe-stra
winde.
So wird nun auch die alte Genetivform -as erklärlich, die sich
nehen äi hei Li vi us And ron ic us. \ae\iiis y\m\ Ennius vor-
fand in :
escas, Liv. odisx. lerrdiS,Naev.b.Pun.v.25.V. devas,0r. 1850.
Rfonetas, a. 0. fortunas, a. 0. /'. G. Ritsck. fiel. Lat.
Latonas, #. 0. vias, Enn. mm. J*risc. VI, />. 2<>.
0. //. <; ornisca s, <t. 0.
— 139 —
Diese Genetive Itcweisen, duss die ursprüngliche Form des
Genetivs escäls, vi'äis, deväis lautete; als aber die Lateini-
sche Sprache Tonhohe der drittletzten Silbe vor Tonlänge der vor-
letzten zu meiden anfing, entstand durch Schwinden des Binde-
vokales i vom Genetivsuffix escas, vias, devas; andrerseits üel
aber das s des Genetivs ab wie in den Genetivformeji der ü- und
E-Declination und so entstanden aus vi als entweder die Formen
viäi, viäl, viäe oder viäl.
l)as Lateinische überragte an Reichthuin der Genetivbildungen
von A-Stämmen die anderen Italischen Sprachen. Der Umbrische,
Oslo sehe und Sabellische Dialekt kannten nur die Genelivbildungen
auf -as. So:
Umbr. Osk. Sabal.
f i k 1 a s , Lal. f i c u - maim a s , Lal. maxi- 1 o v i a s , Lal. I o v i a e ,
1 a e , m a e ,
famerias, fanii- moltas, multae,
liae ,
und mit Schwächung des s zu r
N o n i a r, N o n i a e , (vgl. Umbr. Sprachd. I p. 1 \ 1 , Momms. U. D.
lovinar, iguvinae. Gloss. Br. v. Rapino U. D. T. XIV. /;. 336.
341.)
Man muss also schliessen, da ss Umbr. famer ias, Osk. mol-
tas, Sab. lovias neben Lat. familiae, multae, loviae ihre
Genetivendung -a s aus einer ursprünglich Altitalischen -ais gekürzt
haben.
Das Ergebniss dieser Untersuchung wird bestätigt durch die
Vergleichung der Dativformen des Singularis auf -ä , -äi, -ä~e, -e
in der A-Declination. Als Dativformen sind auf Inschriften nach-
gewiesen Caesiai, Dianai, Clodiai, Glycerai, amantis-
sumai, Rufilliai, Rufai (vgl. I, 179). Auf sehr alten In-
schriften namentlich auf den Steinen von Pesaro linden sich daneben
Dative, die auf a auslauten:
Minerva, .Momms. U. D. p. 36& Mut Uta, Or. 1500.
m a t r o u a , Rilschl, fict. Lal. p. 27. M a r i c a, Momms. U. D. p. 365.
Feronia , a. 0.
Diese Formen müssen das Dativzeichen i verloren haben ;
lauteten aber jene Dative malronai, Mi nerval, so dass äl
Diphthong war, so begreift sich wohl, wie äl zu ae, e verschmelzen
konnte, wie aber das i sich wieder von dem Leibe des Diphthongen,
— 140 —
zu dem es mit a verwachsen war, loslösen und abfallen soll, ist
nicht erklärlich. Nun kommt allerdings die Aussprache -äl für den
Dativ -a e niemals hei Römischen Dichtern vor, wie Priscian bestätigt
(Prise. VII, 3. H.). Aber es muss doch eine Zeit gegeben haben,
wo man den Dativ -äl sprach wie den Genetiv -als, wo von ma-
tröna neben^dem Genetiv ma trön als der Dativ matrönäi ge-
sprochen wurde. Aus dieser Dativform entstand mit dem neuen Be-
tonungsgesetz durch Vokalve'rschmelzung matrönäi, dann mat ro-
näe oder das i fiel nach dem laugen a ab wie im Genetiv, und so
entstanden die Formen wie matrönä.
Auch in diesen Dativbildungen überragt das Lateinische die
anderen Italischen Sprachen an Reicbthum. Das Oskische kennt
nur den Dativ auf -a i, zum Beispiel in:
deivai, Lat. divae, Herukinai, Lat. Erycinae,
Fluusaf, Florae.
Das Umbrische und Volskische verschmilzt wie die spätere La-
teinische Volkssprache -ai zu -e, zum Beispiel in:
Urribr. ase, /,<//. arae (Umbr. Spruche!. I p. 111).
Volsk. Vesune, Lat. Vesunac (Verf. d. Volseor. ting. p. 26).
Auf a auslautende Dativformen sind diesen Dialekten fremd.
Die vorstehende Erklärung der Gemiiv- und Dativformen der
A-Deelination wird bestätigt durch die entsprechenden Formen der
E-Declina I io n.
In dieser erscheinen im mannigfachen Wechsel nebeneinander
die Genetivendungen -es, - e i , - e T , - e , - el , - i i.
In den Annalen des Ennius fand sieb die Genetivjorm:
dies, Gell. IX, 14; Ann. v. 401. /.
in der Chronik des Claudius Quadrigarius und bei anderen al-
ten Schriftstellern:
facies, a. o. vgl. a. 0. IX, 13.
und vereinzelt steht bei Lucretius:
rabies, IV, 1075. P>.
In alten Handschriften des Cicero und Vei gil fand Cellius:
dies, Gell. a. ().*),
bei Cicero las Charisius auch:
pernicies, />. 53. /'.
*) Bei Orc/li, pr. Sest. 12, 28, ist diei in den Text aufgenommen.
_ 141 -
Sonst worden aus älteren Schriftstellern noch angeführt:
p e r n i c i e s , Char. p. 1 8. Diom. p. 28 l (veteres).
1 u x u r i e s , Char. a. 0. (et caetera e i u s m o d i s i m i 1 i t e r d e -
clinabantur).
Ebenso frühzeitig kommen die auf e auslautenden Genetivfor-
men vor; so bei Plautus:
fidc, Aul. Poen. Chans, p. 40. 53.
Cäsar erklärte in seiner Schrift de analogia diese Genelivfor-
men für richtig und schrieb sie; so:
die, d. anal. Gell. IX, 14.
specie, a. 0.
acie, B. (kill. II, 23. t. B. Afr. 51, 7. Nipperd.
Daher heisst es bei Servius, Verg. Georg. I, 208: secundum
a n t i q u o s r e g u 1 a.r i s genetivus est.
Ebenso linden sich diese Formen bei Sa Hu st, wo sie Gellius
(a. 0.) in einer sehr alten Handschrift fand :
die, kg. 21, 2. 52, 3. 97, 3. Kr Hz.
acie, Hisl.fr. 1, 107. Kr. Prise. VII, 94.
r c q nie, Hist. fr. I, 99. Kr. Prise, a. 0.
und bei Plancus:
fide, Cic.fam. X, 13, 3. Or.
Auch bei Dichte r n und Pr o s a i k c r n der A u g u s t e i s c h e n
Zeit und noch später kommen diese Formen vereinzelt vor; so:
die, Verg. Ge. I, 208. Prise. VII, 94. H. Serv. Verg. a. 0. Liv.
IX, 37, 4. Weissen!). Plin. Ep. VIII, 6, 6. Flor. II, 2, 10.
fide, Ov.Met. VII, 728. III, 341. VI, 505. Prise, a. O. Hör. Od.
III, 7, 4.
Bei einigen Schriftstellern kam auch vor:
fame, Charis. p. 26.
Neben diesen abgestumpften Genetivformen finden sich schon
in älterer Zeit solche, die auf i auslauteten; so:
facii, Claud. Quadr. Gell. IX, 14.
progenii, Pacuv. Paul. Gell. a. O. Non. p. 333. G.
fami, Cato d. bell. Carthag. Lucil. SaL XII. .Gell. a. O. Varro,
Charis. pAO.
luxurii, C. Gracchus, Gell. a. O.
dii, Gell. a. O.
pernicii, Sisenna hist. VI. Cic. Rose. Am. 45, 31. Or. Gell.
a. O. Non. p. 331. G.
— 142 —
acii, Cn. Mathts, II /ad. Gell. a. 0.
s p e c Li , a. 0.
plcbi, Liv. II, 42, 6. Weissenb. not. Drakenb.
In Folge der Verdunkelung des Charaktervokales e sind die Ge-
netive famis, plebis dann der consonantischen oder der I- De-
klination nachgebildet. Noch erwähnt Priscian aus älteren Schrift-
stellern :
famei, Brise. VI, 59. H.
p 1 e b e i , a. 0. t r i b u n e i p 1 e b e i , II , 3, 2. Weissenb. Drakenb.
Neben der gewöhnlichen Form des Gene tivs auf -ei finden sich
also seit Ennius und Plautus die auf -es und -e, seit Pacuvius die
auf -i; die auf -es reicht bis in Cäsars Zeit, die auf-e und -i bis ins
Augusteische Zeitalter und vereinzelt noch bis darüber hinaus.
Daneben erscheint endlich eine Form auf -ei. Vergleicht man nun
die Formen:
1. 2. 3.
die-s, die-i, (\\c,
fidei, Enn.Ann.d42. V.
Lucr. V, 102.
fide-i, fide,
fäme-i, fame, fami,
so isl klar, dass diese Formen von einer ursprünglichen die-is,
fide-i s stammten, von der die auf-s den Bindevokal i, die auf -ei
das auslautende s, die dritte das ganze Suffix einbüsste. Fs erhellt,
dass die-s sich zu die-i von der ursprünglichen Form die-is
verhält wie via-s zu viä-i von der ursprünglichen Form viä-is,
dass alle diese Formen einst den Hochton auf der drittle Uten Silbe
hatten, also die-is und nach Abfall des -s die-i. Als nach dem
neuen Bctönungsgesetz die vorletzte lange Silbe auch den Hochtoii
erheischte, schlug die Sprache einen dreifachen Weg ein, sich dem
anzubequemen. Entweder sie schob den Hoch ton auf die vorletzte
Silbe, wie in der gewöhnlichen Form die-i, dann blieb das e na-
türlich lang, oder sie liess den Hochton unverrückt, kürzte aber die
vorletzte Silbe, wodurch die Bildungen wie fide-i, fämr-i eit-
standen, oder sie liess den Hochton unveniickl und die Länge des e
unversehrt, warf aber das auslautende i ab, so dass die Formen
nde, fäme entstanden. Um der Tonlage ^ - - zu entgehen,
griff die Sprache zu den Tonlagen - — > £ - - und - -■ Ueber
die Entstehung der auf -i auslautenden Formen sieh! famei neben
— 143 —
fame, fami, p leb ei neben p leb i Auskunft. Das auslautende e
konnte nicht zu i werden, wie oben gezeigt ist, sondern die benach-
barten Vokale von famei, pl£bei verschmolzen zu einem Diph-
thongen wie in rei (Enn. Ann. v. 361. V. Euer. III, 916) für rei
{Prise. VJf, 93), rei {Rilschl, Prot. p. 171) und dieses ei trübte sich
in bekannter Art zu i. So ist also auch fäcii, specii u. a. ent-
standen aus fäciel, speciei, fflv faciei, speciei von faciei,
speciei. Die Verschmelzung des -ei zu e~i fand in allen diesen
vier- oder mehrsilbigen Formen statt mit Durchführung des neuen
Betonungsgesetzes, als auch durch Verschiebung des Accentes fa-
ciei, speciei entstanden.
Ein Abfall des auslautenden i, also des Bindevokals vom Casus-
suffix nach dem auslautenden e des Stammes lindet auch statt in
den Dativen :
facic, Lucil. Seil. GellAX, 14.
f (de, Hör. Sat, I, 3, 95. Ter. Anclr. 1, 5, 61 .
pernieie, Liv. V, 13, 5.
Als die Betonung fidel, faciei der Sprache zuwider ward,
fiel das auslautende i dieser Neigung zum Opfer, oder der Hochton
rückte auf die vorletzte Silbe voi\und die vollen Formen erhielten sich.
Leichter erklärt sich das Verhältniss der Cenetivformen von
den U-Stämmen: -uis, -us, -I.
Dass die Form -uis aus -uos entstanden, ist schon oben aus
den alten Formen:
senatu-os,
mag istrat u-os
nachgewiesen *).
Aus dieser Form -uos ist die bisweilen auf späteren Inschrif-
ten vorkommende -uns entstanden, wie-
dorn u- us, Ritschi, ietb. Alelr. p. 7.
conventu-us, a. 0.
e x e r c i t u-us, a. 0.
*) Ritschi, lab. Alelr. Mon. Ep. tr. p. 7, behauptet, Augustus habe
die Form domuos gebraucht. Aber die besten Handschriften geben
Suel. Oct. c. 87: item ' simu s ' pr o ' sumus ' et 'domos' genetivo
casu singulari pro 'domuos'; und Mar. Victor, p. 2456: Divus
August us. genetivo casu huius 'domos' meae per o non u t
nos per u literam scripsit. Bei Sueton domos in domuos und
domuos in domus zu ändern ersclieint daher sehr bedenklich, obwohl
eine Genetivform wie domos von einem U-Stamme sich sonst nicht findet.
_ 144 —
Die Form -uis lasen die Grammatiker in den ältesten
Schriftstellern. Die Gelehrten Varro und Nigidius Figulus
aber brauchten diese Form ausschliesslich ; die meisten solcher
Formen sind uns von Nonius aus älteren Schriftstellern aufbewahrt :
a n u i s , Ter. Heaut. II , 3 , 46. quaestuis, Varr. Non. p. 329.
Prise. VI, 84. Varr. Non. p. Ter.Hec. V, 1, 9.
336. Enn. p. 118. V. Anal, exercituis, Varr. Non. a. 0.
Gramm. E. E. p. 1 27. p a r t u i s , Plaut. Amph, 1061.
s e n a t u i s , Calpurn^ Pis. Non . 1 Tarr. a. 0. p. 331.
p. 329. Farm. Charts, p. 116. vi et uis, Varr. a. O.p. 335.
105. Gell. IV, 16. fluetuis, a. 0. p. 330. Gell.
fruetuis, Varr. R. R. I, 2, 19. IV, 16.
Non. p. 334. 335. Charts, p. rituis, a. 0. p. 337.
105. graduis, Varr. a. O.p. 336.
domuis, Varr. Non. p. 334.
Gell. IV, 16.
Schon seit Plautus und Ennius Zeit erscheinen daneben
die Formen auf i insbesondere häufig bei dm Sceni sehen Dich-
tern bis in das Zeitalter des Cäsar. So:
victi, Plaut. aesti, Pacuv.
gemiti, Plaut. parti, Pacuv.
quaesti, Plaut. Caecil. Turpil. soniti, Pacuv. CaeciL Sisenn.
Titln. Ter. Pompon. Varr. ornati, Terent. Turp.
t um ulti,, Plaut. Enn. Ter. Turp. frueti, Ter. Cat. Turp.
Att. Afran. Pomp. Sali. adventi, Ter.
sumpti, Plaut. CaeciL Turp. piscati, Turp. Pomp.
Lvcil. porti, Turp.
senati, auf Inschr. d. Grac- exerciti, Alt. Varr.
chenzeit, Ritschi , lab. . Üetr. a s p e e t i , - In.
p.S. Rh. Mus* VIII, 494. Cic. lucli, Att.
( 'afp. Pis. Salt. Sisenn . s a 1 1 i , All.
strepiti, Enn. geli, Zuer.
flucti , Pacuv. Alt.
Vgl. Non. cap. VIII p. 32b — 337. C. II. Charts, p. 10, 40. !(»:>.
1 16. Prise. VI, 73. 84. VII, 38. //. Anal. Cr. /•'. E. />. 127. Don.
Ter. Anilr. II, 2, 28. Hec. III, 2. 2 I . /lascht, lab. Aleirin. p. 7 -9.
Rhein. Mus. VIII, IUI.
Zu der volleren Form senatuis verhallen sich also die beiden
gleichzeitigen senalus und senati wie die ursprüngliche Form
~ 145 —
faciets zu facii, in der einen Form schwand das i des Genetiv-
snffixes, in der anderen das u des Stammes.
Der U m b r i s c h e Dialekt bildet seine Genetivform der U-Stämme
entsprechend der Lateinischen Form auf - u s , dann sinkt im Neu-
Umbrischen das auslautende s zu r und das u zu o ; so :
tri for, Lal. tribus, Umbr. Sprachd. AK. 1,125.
Das Dativzeichen i ist nicht selten abgefallen von U-Stä'mmen
wie von E-Stämmen.
Lucilius, der den Dativ facie brauchte, schrieb auch die
Dative von U-Stämmen :
victu, Lucil. Gell. IV, 16.
anu," a. 0.
Diese Form auf u erklärte Cäsar für die vorzüglichere (Gell.
a. 0.) und schrieb daher :
riominatuque, C. Anlicalo , Gell. IV, 1 6,
casu, B. Galt. VI, 42. Nipp.
Dolabella ebenso:
0 r n a t u , Gell. a. 0.
So finden sich bei Sallust die Dativformen:
1 u x u , lug. 6,1. Kr.
exercitu, i^. 32, 2. 39, 2. Kr.
usu, ffist. fr. Sali. I, 57. Kr.
Desgleichen bei Cicero und Plauens:
usu, Ep. fam. XIII, 71. Or.
impetu, Plane. Ep. fam. X, 24, 2.
Diese Formen haben sich auch in der Kaiserzeit noch gehal-
ten; so bei Vergil:
metu,
victu,
coneubitu,
aspectu, Prise. VII, 88. Gell. IV, 1G.#.,
bei L i v i u s :
exercituque, IX, 5, 6. Weissen]).
usu, a. 0. IV, 12, 6.;
endlich bei Tacitus:
luxu, Ann.m, 30. 34. N. ffist. II, 71. Halm.
Die Neutra der U-Stämme wie :
comu ,
gelu
COKSSEN II. 10
— 146 —
haben in dieser Weise die ganze Genetivendung -is wie die Dativ-
endung -i eingebüsst. In der Sprache des sogenannten silbernen
Zeitalters kommt indess neben dem Genetiv com u auch vor:
cornus, Min. N. H. VIII, 20, 29. X, 70, 90.. XIII, 25, 51. 52.
u.a.m. Lucan.Vll 217. jRrte.Vl, 19. ff.,
und es werden die Dative erwähnt:
cornui, Marcian. Cap. III, 73. ed. Gr.
genui, a. 0.
Den stumpfen auf u lautenden Dativen im Lateinischen ent-
spricht die Um bris che Dativform der U-Stämme, doch schwächt
sie nach Abfall der Casusendung das auslautende u zu o. So in:
trifo, Lat. tribu-, Umbr. Sprachd. AK. I, 125.
In allen erwähnten Lateinischen Genetiv- und Dativformen hat
sich also die Sprache kürzere und bequemere, aber auch stumpfe
und undurchsichtige Casusformen geschaffen durch Vorrückung des
Hochtones, durch Vokalverschmelzung und durch Abwerfung des
Bindevokals i nach den auslautenden Stammvokalen a^ e, u in den
Genetivformen via-s, die-s, fruetu-s und den Dativformen
m a t r o n a - , f i d e - , f r u et u - .
Auch in den Dativen der O-D eclination weicht die Dativ-
endung i dem auslautenden Stammvokal. Als alte Formen ^\^s Dat.
Sing, sind oben populo-i, Romano-i, quo-i nachgewiesen;
das i derselben konnte nur abfallen, so lange es noch nicht mit
dem o zu einem Diphthongen verschmolzen war.
Auch in den Pluralformen wird die ursprüngliche Form
-es, -is in den Italischen Sprachen verschiedenartig abgeschwächt
durch Vokal Verschmelzung, Ausfall des Bindevokals und Abfall des
auslautenden Consonanten.
Im Nu m. Plur. der A- Stamme hat das Lateinische wie das
Griechische das s seil unvordenklichen Zeiten abfallen lassen and
zeigt die Formen a-i und a-e; das Umbrische und Oskisohe
hingegen wirft den Dindevokal i, e ab und behalt a-s als Endung.
Man vergleiche :
Lat. ha-i-ce, Osk. pa-s (quae),
t a b e 1 a - i , scrift a-s (scriptae),
dat a-i, Umbr. urta-s,
c a - i ,
1 i t e r a - i ,
Umbr. Sprachd. I, 113. .//////.
— 147 -
Die mannigfachen Formen der Nom. Plur. der 0- Stamme
im Lateinischen:
o - e - : p i 1 u m n o - e , p o p 1 o - e ,
e-i-s: magist reis, e-s: magist res, is: magist ris,
e-i-: magistrei, e-: ploirume, i-: magistri
sind, wie oben gezeigt ist (I, 219 /*.), aus einer ursprünglichen Form
o-is entstanden durch Vokalverschmelzung und Trübung des Diph-
thongen. Alle diese Lateinischen Formen haben den Bindevokal i
erhalten wie die Griechische Form des Nom. Plur. der O-Stämme
o-l. Das Oskische und Um bris che hingegen hat von der ur-
sprünglichen Endung o-is sich des Bindevokals entledigt und nur
das Pluralzeichen s gewahrt ; so :
Osk. Lat. Umür. Lat.
po-s* qui, prinuvatu-s, privat i,
potoro-s-pid, u t r i q u e , Ikuvinu-s, 1 g u v i n i ,
screihto-r, scripli,
{AK. Umbr. Sprache!. I, 119. Momms. U. D. Gloss.)
In allen Italischen Sprachen schwindet also häufig der
Vokal i, e der tieftonigen Endsilbe nach vorhergehendem
Stammvokal.
Seltener ist der Ausfall eines von zwei tieftonigen Vokalen
in den beiden letzten Silben des Wortes, die beide dem wortbil-
denden Suffixe angehören.
Von dem Suffix -io ist das o weggefallen in:
ali-s, ali-d.
Dasselbe geschieht vor dem s des Nominativs im Provinzialen
Lateinisch wie im Oskischen und Lmbrischen; so zumÜeispiel:
Prov. Lat. Osk. Umbr.
B r u t i - s , Heirenni-s, T r u t i t i - s ,
Fulvi-s, ' Niumsi-s, Koisi-s,
Ventinari-s, Steni-s, Atiersi-r.
Aureli-s, Ohtavi-s,
{Vgl.Huebner, Quaesl. onom. p. 28. Zeitschr. für vergl. Sprach/. V,
89. AK. Umbr. Sprachd. II, 393.)
Andrerseits ist aber auch unbetontes i vor folgendem a, e, i
in zahlreichen Fällen ausgefallen. So fiel i vor folgendem a aus in
den Plautinischen Formen:
conven-at, even-at, perven-am,
conven-ant, perven-as.
10*
- 148 -
{Ritschi, Proll. Trin. p. 88. 1G2. 212.) Ebenso bei Ennius:
even-at, p. 118. V.
In einer Nominalform fiel i vor a weg in:
a u g ura, AU. Non. p. 322. G. R. trag. Ribb. p. 1 85. für a u g n r i a.
Tieftoniges i vor tieftonigem e ist ausgefallen in ursprünglich
drei- oder mebrsilbigen Verbalfonnen , welche das Conjunctiv-
zeichen ie in e zusammengezogen haben, wie:
ess-em, dar-emus, dic-e-,
poss-es, leg-etis, ostende-,
star-et, dic-ent, atting-e-.
( Vgl\ 1 09. N. Jahrb. LXV1II, 370 f.)
Ein i vor e ist geschwunden in dein tieftonigen Suffix -be,
-bei , -bi von:
i-be, i -bei, i-bi,
u-be, u-bei, u-bi, Umbr.jiU-fe, O&k. pux-f,
ti-be, ti-bei; ti-bi, le-fe,
m i - h e i , m i - h i , m (
öe
und in einer Anzahl verwandter Bildungen. Das ursprüngliche
Suffix Sanskr. bbjam wurde auf Italischem Spracnboden zu -fiem
und daraus mit Ausfall des i linbr. -fem, Griech. -epiv, mit Abfall
des m Uinbr. -fe, Lat. -be, -be7!, -bi (Zeiischr. f.vergl.Sprachf.
V, 121. 131.)- Im Lateinischen hat sich das ursprüngliche j in
diesem Suffix zu i erweicht, sich dem folgenden Vokal assimiliert
und ist mit ihm verschmolzen; daher ist der auslautende Vokal des
Suffixes laug im Gegensatz zu dem Griechischen -cpt, -<piv, das
das j ohne Weiteres herausstiess.
Ehenso ist tieftoniges i vor tieftonigem e weggefallen in:
pri-d-em, neben pri-die,
I a n - d - e m ,
i-d-em,
qui-d-em.
Dieses angefügte -dem ist nämlich nichts anderes, als der
Accusativ d iem; pri-dem bedeutet also eigentlich den Tag vor-
her, dann allgemeiner die Zeit vorher. In tan- dem ist -tan
für -tarn wie das -tarn von istam Accus. Sing Fem. des demon-
strativen Pronominalstammes to-, ta-, von dem tum, lun-r
niasculine oder neutrale Accusative sind ; tan-dem heissl also ei-
gentlich an de in Tage und, in sofern dieser den Schlnsspunkl einer
Reihe früherer Tage bildet endlich. I-dem bedeutet eigentlich
— 149 —
der an dem Tage, dann allgemeiner der damals und kommt
so„ zu dem Sinne ebenderselbe. Ebenso bedeutet quidem,
in dem das i des Ablativs i sich gekürzt hat, wie damals und
daher wie eben, so eben. Der Begriff Tag in diesen Wörtern
ist zu dem allgemeinen Begriff Zeit verblasst wie in tarn-diu,
quam -diu, diu-turnus neben nu-dius, inter-diu, diur-
nus (Zeitschr. für v er gl. Sprach f. V, 123.).
Die Spätlateinische Sprache zeigt einen Ausfall des tieftonigen i
vor tieftonigem e noch in :
inquetaberit, /. N. 3037. für inquiet averit.
quaesquenti, Vgl. I :. 2 i . q u i e s c e n t i ,
quesqui, a. 0. quiescit,
c e s q u e t , a. 0. quiescit.
Auch vor u und o ist tieftoniges i weggefallen. So in dein
Suffix -bus des Dat. Abi. Plur., dessen Ableitung von Sanskr.
-bhjas schon in dem Abschnitt über die Vokalkürzung erör-
tert ist.
Ebenso fiel tieftoniges i vor tieftonigem u weg in :
dum,
du -dum.
mane-dum u. a.,
a g e - d u m ,
Die enklitische, also im Zusammenhang der Bede tieftonige Con-
junction dum ist aus dium entstanden, einem Accusativ von dius,
Tag, derjenigen Nominativform, die sich in nu-dius, per-dius,
i n t e r - d i u s zeigt ; d u m heisst also eigentlich einen Tag lang,
daher eine Weile, während. Ebenso ist du -dum aus diu-
dum zusammengesetzt, als diu schon die Bedeutung lange und
d um den Sinn de r Weile erhalten hatte. Ebenso fiel i vor o aus iu :
q uan-do,
aliquan-do,
indem das -do für-dio Ablativ von dius ist; q uan-do bedeutet
also wie an dem Tage, daher wann.
Tieftoniges i vor tieftonigem u oder o ist auch ausgefallen in
den "Comparativformen :
min-or, ten-us,
min-us, proten-us,
p 1 o - u s , f i d - u s t a , (fidissiina),
s e c - u s ,
— 150 —
über deren Ableitung von volleren Formen auf -ior, -ius schon
gesprochen ist {Zeitschr. für vergl. Sprach/. III, 264 — 268).
Der tieftonige Auslaut von Nominalstämmen fiel ab vor dem
Suffix -aeio und dessen schon besprochenen Gestaltungen -eiio,
-eio, -aio, -aeo, -eo, -To, -10, durch welche von Nomi-
nalstämmen Geschlechtsnamen gebildet werden. Als Beispiele mö-
gen hier stehen :
Ann-aeius,
Sabin- ei us, Ann- ein s,
An-aia,
Serv-aea, Vin-aea,
Bass-aeus, Ann-aeus,
Firm-eus, Terr-eus, Bass-eus, Ann-eus,
Serv-ea,
Flav-Ius, Claud-Ius, Anton-Tus,
Flav-ius, Claud-Tus, Anton-Tus, Ann-Tus.
{Vgl. Zeitschr. für vergl. Sprach f. V, 87 — 93. Bi/schl, Ind. lecl.
Mb. 1853—54 p. 6./. ffuebner, Quaesi.onom. p. 21—27.)
Nach dem späteren, das neigst dem gewöhnlichen Betonungs-
gesetz der Lateinischen Sprache haben alle diese Wortformen den
Ton auf der vorletzten Silbe; aber die von Ritsch! {a. 0.) nach-
gewiesenen Formen Anlonia, Claudius, Lucillae, Po et ei -
lrus, Pomponins, Valerio, Flavlus, Vettlus, Gavius,
Inliae, Livius u. a. könnten Ihr t nicht gekürzt haben, wie es in
den gewöhnlichen Formen Anlonia, Claudia u. a. erscheint,
das volle Suffix -aeio könnte nicht zu einem dünnen -lo ein-
geschmolzen sein, wenn die vorletzte Silbe aller dieser Wortformen
nicht einst tieftonig gewesen wäre. Ursprünglich sprach man An-
naeius, Anneius, 'Anaia, Annaeus, Anneus; als Ton-
höhe der drittletzten neben Tonlänge der vorletzten Silbe nicht
mehr geduldet wurde, rückte der Hochton auf diese Silbe vor, und
man sprach Annaeius, Claudius, oder der Hochton blieb un-
verändert und die vorletzte Silbe kürzte sieb zu t in 'Annius,
Claudius u. a. Ebenso entstanden ja aus viäi, fidel, einer.
seits viai, fidel, andrerseits viai, fidei. In ärn vorstehenden
Wortbildungen ist also der tieftonige vokalisehe Auslaut der Wort-
stämme vor anlautendem tieftonigen Vokal des Suffixes ge-
schwunden.
— 151
Dasselbe geschieht auch vor den leichteren Suffixen -eo, -io
mit den tieftonigen auslautenden Stammvokalen a, e, i, o, u ; zum
Beispiel in:
nox-ius, purpur-eus,
invid-ia, ign-eus,
Fid-ius, lut-eus,
com- e us u. a.
und mit o und u vor dem Comparativsuffix ior-ius in:
tard-ior, tard-ius, acr-ior, acr-iusu. a.
Die vorstehende Untersuchung über den Ausfall von Vokalen
neben Vokalen ergiebt also Folgendes:
Trifft h o c h b e t o n t e r und tieftonige r Vokal im Inlaut eines
Wortes zusammen, so kann nur der tieftonige schwinden.
Treffen zwei tieftonige Vokale zusammen, so kann der erste
oder der zweite weichen. Häufig weicht der Bindevokal des
Casussuffixes in diesem Falle dem auslautenden Vokal des Stammes;
umgekehrt weicht aber auch der auslautende Vokaldes Stammes
vor dem anlautenden Vokal des Ableitungs- oder Casussuffixes.
Nachdem somit der Ausfall eines von zwei zusammentreffenden
Vokalen .besprochen ist, kommt nun die Kürzung eines 'dieser
Vokale zur Sprache. Vocalis ante vocalem corripitur, so
lautet die goldene Begel für den Knaben, wenn er den ersten
Hexameter zurecht stellen soll. Aber diese Begel hat sich in den
Grammatiken viel zu breit gemacht: sieht man ihr genauer unter die
Augen, so gewahrt man, dass sie noch recht jung ist, dass die
ältere Lateinische Sprache von ihrer Allmacht noch nichts
weiss. Indessen lässt sich ein mit dem Sinken des Vokalismus über-
haupt immer mehr hervortretender Hang der Sprache, einen langen
Vokal, auf den ein andrer folgt, unter gewissen lautlichen Bedin-
gungen zu kürzen, nicht verkennen. Um aber den Umfang und
Grund dieser sprachlichen Thatsache zu erkennen, hat man sich zu
vergegenwärtigen, dass in einer überaus grossen Zahl von Wort-
formen nicht bloss im Lateinischen sondern auch in allen ver-
wandten Sprachen der erste von zwei aufeinander folgenden Vokalen
von j eher kurz g e w e s e n ist.
So war das i kurz in der Vokalfolge -ia, -io, -iu, -ie, -ii
aller Formen der Suffixe -ia, -io, -ie, -ios, -ion und der zahl-
reichen Fortbildungen dieser Suffixe durch Anfügung neuer Endun-
gen, also in der ganzen Klasse von Wortformen wie:
— 152 —
sapientia, alienus,
G a 1 1 1 a, p u g i o ,
nuntio, natio,
patricio, doctior,
navigium, doctius u. a. ;
praedium,
materies,
denn in allen diesen Bildungen war ursprüglich, wie das Sanskrit
zeigt, der I-laut nur ein Halbvokal.
Ebenso war das u von je ber kurz in der Vokalfolge ua, ue,
ui, uo, uu, einmal in Wortformen, die mit den Ableitungssilben
-va, -vo, -vi gebildet sind wie:
1 i n g u a,
continuus,
fat ua,
exiguus,
fatue,
]) e r p e t u o ,
a s s i d u e ,
exiguo,
ambigui,
r e 1 i c u i ,
oder, wo im Lateinischen ein ursprünglich auf u ausgehender
Adjectivstamm durch herantretendes i erweitert wurde, wie in:
tenuis, vgl. Gr. tccvv-,
vgl. suavis, aövg^
levis, ela%vg (/}<>/>/>. vergl. Gr, S. 13.)
oder wo das u als ein bloss halbvokalischer Heiklang des g er-
scheint, wie in :
anguis, vgl. Gr. s%ig, unguo,
anguilla, sy%elvs, tinguo,
unguis, ovv%<>
s a n g u i s.
Wie zahlreich aber diese Vokalverbindungen, deren erster Vo-
kal ein ü oder x ist, in der Sprache vorkommen, zeigl jede Seite je-
des Schriftstellers.
Auch in:
veho, vgl, Gr. '6%og, o%avov.
alieneus, Skr. ajas, (Eisen), Umbr. Sprachd. AK*
I, 79.
war der Vokal vor h kurz.
Ebenso beweisen nichts für die Neigung der Sprache Vokal vor
Vokal zu kürzen die Griechischen Wörter wie:
illius,
faciei,
i s t i u s ,
speciei
i p s i u s ,
diei,
a l i u s ,
Vultei,
unlus,
Pompei
u t r 1 u s ,
— 153 —
Thalia, idea,
academia, Andreas,
philosophia,* purpureus,
aetherius, Nereides,
Cichorium, Cöo, Stat. Silv. 1 , 2, 252 vgl. Koog Lachm.
Liier, p. 159.
und viele andere, da in diesen der erste der beiden Vokale schon im
Griechischen kurz war.
Man vergleiche dagegen diejenigen Wortformen, in Jdenen Vo-
kal vor Vokal auch in der Augusteischen Zeit lang geblieben ist,
wie:
aurai,
pictäi ,
m a t e r i ä i ,
a n i m a i ,
aquäi, unlus, fompei u.a.
t e r r ä i ,
Gai,
In fast allen diesen Wortern hat das Vorschieben des Hoch-
tones auf die vorletzte Silbe dem langen Vokal derselben Halt ge-
geben, nur in Gai stand der Hochton von vorn herein an seiner
Stelle. Die Formen illius, istius, ipsTus u. a. zeigen, dass
die Kürzung des Vokales eintrat, sobald der Hochton seine alte Stelle
auf der drittletzten Silbe behielt. Es hängt also in diesen Fällen
von der Betonung des langen Vokales der vorletzten Silbe ab, ob
derselbe vor folgendem Vokal lang bleibt oder kurz wird.
Etwas anders verhält es sich mit den ins Lateinische über-
tragenen Griechischen Namen, die vor dein Vokal ihrer End-
silbe im Griechischen einen langen Vokal oder Diphthongen hatten.
Diese behalten meistentheils die Länge dieses Lautes auch in der
Messung der Römischen Dichter. So in:
äer, Argeus, chorea,
Machäon, Bacchei, Galatea,
Meneläe, Bacchea, Grynei,
A-chilleae, Ceae, Daraus,
Aenea, Aeneae, Cadmei, Elei,
Alpheae, cichorea, Hyantea,
Alexandreo, Gytherea, llionea,
Anchiseo, cycnea, Laomedonteae ,
154 —
M e d e a ,
pla tea,
Sigeo,
Museum,
panacea,
Sophoclea,
Malea,
Pelopea,
Spercheus,
N e r e i s ,
Panoneae,
Spondeus.
P h o e b e a,
Phoebeae, Rhoetea,
Ar gl us ,
Erythia,
Olmie,
Antiochi
a,
H i p p o d a in i a ,
Peridiae,
B a s i 1 1 u s .
i
To,
Ptias,
Chlo,
Lampla,
stoechia,
Clio ,
Lycie,
S p e r c h T e ,
Darius,
Nicomedia,
Seleucia.
elegla,
C öe,
E öo,
h e r ö a ,
Cöa,
E uröo,
Latöe,
Eöa,
1 11 ö o ,
Minöi.
Aeaea,
Ephyraeo, Epliyraea, Piraeo,
Actaeo,
Hyblaeo,
P i s a e a e ,
aulaea,
H ymcnaeo,
P b 1 e g r a e a ,
Alcmaeo,
1 d a e o ,
Paugaeo,
C irr ha ei,
Lethaei, Lethäea,
T h e r a p -
Circ.aea,
N e m a e i , Nemaca,
naeo.
D i r c a e a ,
{Vgl. Lachm.
Lucrez p.
158 — J 63. Schneit) '. Ijii.
Gr. I, 69—73.
98. f.)
Alle diese Griechischen Wörter sind erst in die Lateinische
Schriftsprache aufgenommen, als schon das neue Betonungsgesetz
durchgedrungen war, als die Tonlänge der vorletzten Sdbe den
Hochton gebunden hatte; mochte nun das Griechische Wort den
Hochton auf der vorletzten langen Silbe haben, oder nicht, im II r» -
mischen Munde wurde die vorletzte Sflbe beton! und damit
war die Quantität des Vokales oder Diphthongen derselben gegen
Kürzung gesichert.
Nachdem so diejenigen Fälle, wo Vokal vor Vokal immer
kurz war, und diejenigen Wortformen, in denen er immer
lang blieb, ausgesondert sind, so i^t nun zu erwägen, wo der
Vokal vor Vokal k u r / wurde, und unter welchen Einflüssen.
— 155 —
Kin tieftoniger Vokal ist im Lateinischen in der That häufig
gekürzt worden, namentlich in der Blüthezeit der Römischen Schrift-
sprache. Dies geschah in allen Formen der A- und E-Deklination,
wie :
viäe, für viäi,
fid ei, fidel,
fämei, fämei,
facti, fäclei
und in allen Genetiven auf -tus, wie:
illius, illius,
ü n i u s , ü n I u s ,
wie schon gezeigt ist, durch den Einfluss des Hochtons der dritt-
letzten Silbe.
In der Flexion des Verhum wird der auslautende Stammvokal
der abgeleiteten Verba, e, i, vor folgendem Vokal gekürzt; so in:
doceo, doceam, doceamus, neben doces, docemus,
audio, a u d i a m , a u d i a m u s , a u d I s , a u d I m u s,
audiunt, audient, audiemus.
Dass das e, i dieser Verba durch Zusammenziehung entstan-
den ist und der Lautverbindung aja im Sanskrit entspricht, hat
die vergleichende Sprachforschung gelehrt {Bopp, Vergl. Gr.
S. IW.ff. N. Jahrb. LXVIII, 360). Die Griechische Sprache hat
in ähnlicher Weise das auslautende a, s, o ihrer Verbalstämme vor
folgendem Vokal meist gekürzt, vor consonantisch auslautenden
Suffixen hingegen die ursprüngliche Länge des ä, rj, cö gewahrt.
So stehen die Ionischen Formen wie iiv&sccl, fiffrio, iqteov,
cpuleaiiev {Hom.) neben [iv&rjaonai, UL%r\<5tö, cpLAtföco;
ebenso ov ra-e, yocc-OL}i£v, xQad a-cov, vÄä-ov, ^lel-
ölk-cöv, TCSQcvaisrä-ovöi (Ho?n.) neben ovtrjös u. a.
Auch die gewöhnlichen Formen wie yLiG&ov, [ilö&ol zeigen die
Kürzung des O-Lautes neben [ilö&coög) u. a. Die ältere Ionische
Sprache hat freilich auch vor folgenden Vokalen die ursprüngliche
Vokallänge in diesen Wortformen zum Theil noch gewahrt; so in
o KV 8 i cö, vslxelcS, tcsv&s lco, % X £ i co , äxsiouccL, deren
£to, s ls dem Sanskr. aja noch klar entspricht, und in TtSLvä-
cov , ÖL^d-cov , ava{ia\iiä-£L (Born.).
In jenen Lateinischen Verbalformen war die Ursache der
Vokalkürzuug eine doppelte. Der Hochton der drittletzten Silbe
— 156 —
war es, der den Vokal der vorletzten kürzte in den Verbalformen
wie audio, döceo u. a. neben dem er nach jüngerem Betonungs-
gesetz nicht mehr bestehen konnte. In Wortformen wie doceä-
mus, audiätis u. a. ist es einfach der folgende lange hochbetonte
Vokal durch dessen Einfluss der vorhergehende sich kürzte. In jenen
dreisilbigen Wortformen ward der Vokal der Mittelsilbe von zwei
Seiten angegriffen, durch den vorhergehenden Hochton einerseits
und durch die folgende Vokallänge andrerseits, in den viersilbigen
und mehrsilbigen Formen erfolgte der Angriff nur' von einer Seite
her, aber durch die vereinte Macht des Hochtons und der Tonlänge
des folgenden Vokales.
In der Wortbildung kürzt sich i vor folgendem Vokal in :
interdiu, neben sub divo,
nüdius, sub diu,
pßrdTu, dius,
diälis,
novendiälis,
subdiälis, subdival,
wie dies Lachmann (Liier, p. 226 — 227) nachgewiesen bat . Ebenso
verhält sich:
Diana ( Verg. Aen. zu diu s ,
XI, 652) Dia n a , Hör. Epod. 5,51.,
nur dass die Kürzung des i nicht völlig durchgedrungen ist.
Ebenso in :
prior ein, für prlorem, /. Salpens. I. Rom. ffenz.
7421.
priusquam, priusquam, /. Malacii. a. 0.
Die Inschriften bezeichnen das i dieser Wortformen mit Recht
durch das hohe I als Länge, da es aus dem ai der Präposition prai,
prae entstanden ist.
In den vorstehenden Wortformen kürzte sich also der Vokal i,
sobald sich der Hochton von demselben verschob und somit die Ton-
länge desselben vor folgendem Vokal den Halt verlor.
Ursprüngliches tieftonigos i hat sich vor folgendem Vokal ge-
kürzt in «Ion Namen wie!
Antonius, für Antonius.
Claudius, Claudius
und anderen, die schon oben angeführt sind: dass auch hier der
~~ 157 ~
Hochton auf der drittletzten Silbe die Tonlange der vorletzten zer-
störte, leuchtet ein.
Tieftoniges u hat sich vor folgendem Vokal gekürzt in :
acüi, tribui, indüi,
argüi, imbüi, exüi,
wie weiter unten nachgewiesen werden wird.
[n der Zusammensetzung kürzen sich e und ae von se-, de-,
präe-; so in:
deorsum, seorsum,
dehinc, praeustus,
d e h i s c o , p r a e a c u t u s ,
d 6 o s c u 1 a t u r, p r a e e u n t.
{Vgl. Forcellini, Schneid. La l. Gramm, p. 101, 103. 92.)
Kürzung eines ursprünglich langen Vokales oder Diphthongen
ist auch in Griechischen Wörtern vorgekommen, als sie ins Latei-
nische übertragen wurden; so in:
platea, vgl. Tilatsia , Epeum, vgl. 'Etzslov,
chorea, %0Q£lccv Philipp 8os, OihL7t7t£iog,
balineum, ßaXavslov, Aleos, 'HlsZog,
g)naeceum,yvvcux£Zov, Seleucia, HelevKBia.
Lachm. Lucr. p. 159.
Diese Wortformen sind in die Lateinische Sprache zur Zeit des
Plautus und früher aufgenommen worden, wo die Sprache nach ih-
rer Lautbequemlichkeit die ausländischen Wörter sich mundgerecht
machte wie Latona, Patricoles, Hercules, Polluces,
Ulixes, Alcumena, Alcumaeo, Tecumessa, techina,
m i n a. In S e 1 e ü c i a , P h i 1 i p p e o s kürz te der Hochton der dritt-
letzten die Tondauer der vorletzten Silbe. 'Etcsloq konnte im La-
teinischen nicht den Hochton auf der Schlusssilbe haben; er ward
also zurückgeschoben auf die vorletzte, und dann sprach man
A A A
Eplus {Plaut. Bacch. 937) wie Aetölus, Boeötus u. a. oder
auf die drittletzte ; dann kürzte sich die vorletzte und man sprach
Epeus {Plaut. Varro L. L. VII, 38.). Ein ähnliches Zurückschie-
ben des Hochtones hat in den Lateinischen Formen Polluces,
Pollux, Pol stattgefunden verglichen, mit der Griechischen llo-
Xvdevzrjg; nach Lateinischen Lautgesetzen ward aus der Grie-
chischen Form durch Ausstossung des v, Assimilation des d zu 1,
Verschmelzung des eu zu u die Altlateinische Form Polluces;
— J58 —
diese warf nun das e ab wie in Pharnaxfiir Pharnaces, infolge
dessen musste der Hochton von der Endsilbe zurückweichen und es
wurde Pöllux betont; nach dem Ausfall des somit tieftonig gewor-
denen u trafen nun am Ende des Wortes die Consonanten llx zu-
sammen, die natürlich im Auslaut eines Lateinischen Wortes nicht
gesprochen werden konnten, sondern bis auf ein 1 abgeworfen wur-
den, so dass nur der Wortstummel Pol- übrig blieb. Die Wort-
formen plätea, chörea, bälineum, bälneum, gyna6ceum
acclimatisierten sich im Lateinischen nach dem Vorbilde der Wort-
bildungen aureus, lüteus, igneus, caerüleus, indem sie
wie diese auf der drittletzten Silbe hoch betont wurden, wodurch
die Kürzung der vorletzten Silbe nothwendig ward.
Es bleibt nun noch eine geringe Anzahl meist zweisilbiger
Wortformen übrig, bei denen es allerdings so scheint, als sei ein
hochbetonter langer Vokal durch den folgenden tieftonigen verkürzt
worden.
So erscheint a vor folgendem Vokal gekürzt in:.
als, neben alten Formen wie: als, äln,
äit.
Die Lange des a erweist dessen Messung und Ableitung, von
der schon oben geredet ist [Zeifschr. für verffl. Sprach/'. I, "i-'M.
Fleckeisen, Krii. AUlat. Dichter fr. b. Gell. S. (>— 10).
E vor folgendem Vokal kürzt sich in:
spei, Prise. VII, 93. vgl. spes,
spe,
rei, Prise, a. 0. rei, Plaut. Mü. 103.
e i , e I , Plaut. Ter. Ji Uschi. Proll. 171.
Pr ooem.Schol.li 11 >. Bonn. 18 1 1 .
Nov. Com.Ji. p. 226.
Lucr. II, 1 1 3C. VI, 795.
elei, /. repet. (Sern'/.)
de iis, für deivus,
d i v u s ,
wie schon in dem Abschnitt über die Vokalsteigerung nachgewie-
sen ist.
Der Vokal I vor Folgendem Vokal kürzte sich in:
fieri, fiere, Kim. Ann. r. IT). /".
fieret u. a. fleret, Ter. fruit. 1, 2, 12.
— 1 59 —
Endlich hat sich der Vokal u vor folgendem Vokal, obwohl er
hochtonig war, gekürzt in den Perfekten der auf u auslautenden
Verbalstämme , die in alter Zeit das u noch lang hatten {Prise. X,
12. H.). So ist gekürzt:
füi, zunächst aus füi.
Das zeigen die Messungen füi, Plaut. Ritschi, Pro!/, p. 171.
füitne, PI. Capt. 633.
füimus, PL Capt. 262.
füerim, Naev. Com. R. p. 18.
füerint, PI. Poen. Prot. 110.
f üim u s, Enn. Ann. v. 440. V.
füisset, a. 0. v. 242.
Aus dem kurzen Stamme fu-, Gr. <pv-, Sanskr. hhu- ward
das Perfektum mit Vokalsteigerung des u zu ou gebildet: foui;
das u dieser Form verhärtete sich nun vor folgendem Vokal ent-
weder zu v, wie die alte Form foverin I (lex. antiq. Macröb. Sat.
1, 4) zeigt, oder ou verschmolz zu ü, wie Ennius und Plautus Form
füimus beweisen. Ebenso sind verkürzt:
Nüi, für flüi.
Von diesem Worte war schon die Präsensform ursprünglich
lang, wie weiterhin nachgewiesen ist.
lüi, liii, Varro L. L. IX, 104. M.
plüi, plüi, a. 0.
nüi, nüi, adnüit, Enn. Prise. X, 12. H.
riii, rüi,
siii, süi.
Dasselbe gilt von den dreisilbigen Perfektformen auf -ui, wo
die Kürzung des u um so leichter eintrat, als das u tiefton ig war.
aciii, für aeüi,
argüi, Prise, a. 0. argüi,
imbüi, imbüi,
indüi, indüi,
exüi, exüi,
tribüi, tribüi.
Mehrere von den hier ange führten Verben haben im Präsens ei-
nen langen Vokal gehabt, der sich aber verkürzt hat vor dem fol-
genden Vokal. So ist:
clüeo verkürzt aus clüeo, cloveo.
- 160 —
Das beweist die Messung clüeat bei Plautus ;
Meh. 575: Res magis quaeritur, quam c lue n tum fides quoius-
modi c 1 il e a t ,
vgl. Men. 588 :
Sicut me hodie nimis sollicitum clüens quidem habuit neque
quod volui.
Aber wie diese beiden Verse zeigen, ist daneben cluens ein-
silbig, cliientum mit kurzer Anfangssilbe gemessen. Dem lan-
gen u in clüeo scheint das Griechische axkvs, xexAvte zu
widersprechen, das für die ursprüngliche Kürze des Vokales in
der Verbalwurzel ein- spricht. Aber wie von Wz. %lv- durch
Vokalsteigerung des v zu ev, dessen v sich vor folgendem Vokal
zu F verhärtete, xls^og, xXsFloj, dann mit dem gewöhnli-
chen Wegfall des F xlaog, tcXslcj gebildet ist, so ward im La-
teinischen durch Vokalsteigerung des u zu ou clovo, cloveo ge-
bildet, wie dies aus den Namensformen Clovatia, Cluvius, Clu-
via, Cluventia neben C 1 uen t i u s , Gluatia e erhellt (vgl. 1, 175.
G. Curtius, Grundzüge der Griechischen Etymologie, L S. 120. //'. 62.);
durch die gewöhnliche Trübung von o u zu ü entstand dann elüe o.
Ebenso ist gekürzt:
flüo aus flüo, flovo, vgl. 11 o vi, Tab. Gen.
flovio , ct. 0.
flu vi um, a. 0.
fluvi o, a. 0.
conflovont, ct. 0.
confluon t,' a. 0,
flüvidus, Lucr. 11, 466.
flüvida, a. 0. 464.
Von flovo lautete das Perfektum flövi mit Vokalverlängerung
wie von moveo mövi u. a. Dieselbe Vokalsteigerung erscheint in
flüvidus für flövidus;
p 1 ü o kürzte sich aus p 1 ü o , p 1 o v o ,
nachdem, wie oben gezeigt ist, aus Wrz. plu- durch Vokalsteigerung
plovere gebildet war und das Compositum per-plo?ere [Fest,
p. 250.).
In diesen zweisilbigen Wortformen war eine Verschiebung des
Hochtones von dem ersten der beiden Vokale Dicht möglich, also er-
scheint hier, aber auch nur hier, in der Thal hochtoniger Vokal
vor tieftonigem gekürzt. Es wird weiterhin erhellen, dass die Ver-
— 161 —
Schleifung der angrenzenden Vokale es war, wodurch- der hoch-
tonige Vokal, wo er nicht zurücktreten konnte, die Lautdauer einer
vollen Länge einbüsste und irrational wurde, infolge dessen aber in
der Versmessung der daktylischen Poesie auf den inessbaren W.ertfa
einer Kürze herabgesetzt wurde.
Die Untersuchung über die K ü rzung von Vokal vor Vokal
hat also zu folgenden Ergebnissen geführt:
Tieftoniger Vokal vor folgendem Vokal kürzt sich, sowohl
wenn er von Anfang an tieftonig war und es auch blieb, wie in
doceo, audias, als auch bevor er nach dem jüngeren Betonungs-
gesetz der Lateinischen Sprache den Ilochton auf sich zog wie in
fidel, illius, Antonius, und nachdem er durch Verschiebung
des Hochtones tieftonig geworden war, wie in interdiu, diu-
turnu s.
Hochtoniger Vokal vor folgendem Vokal hielt sich fast im-
mer, nur in einzelnen zweisilbigen Wortformen kürzte er sich
unter Einwirkung der Vokal verschleif ung. Diese Kürzung
des Vokals vor Vokal ist einmal bedingt durch den Hoch ton einer
vorhergehenden Silbe, der drittletzten im Wort, der sich mit Ton-
länge der vorletzten Silbe nach dem neueren Betonungsgesetz nicht
vertrug, dann aber auch durch die INatur des folgenden Voka-
les. Bei der Aussprache eines jeden Vokales dringt ein Hauch aus
der Brust des Redenden hervor, wird also Athem verbraucht; mit
diesem Hauche geht der Redende unwillkührlich sparsamer um bei
der Aussprache eines Vokales, wenn unmittelbar wieder ein Vokal
folgt, der denselben in Ansprueh nimmt. So erhält der erste Vokal
leicht einen minder kräftigen Anschlag, und hallt nicht so lange aus,
als wenn ein Consonant folgt, der dem weiteren Verbrauch des Hau-
ches ein Ziel setzt.
Nachdem also nun der Ausfall und die Kürzung von Vokal
neben Vokal erörtert ist, wendet sich die Untersuchung der Synä-
rese, der Verschleifung zweier Vokale innerhalb eines
Wortes zu. Für die Beweisführung wird es förderlich sein nach
der Reihe die Verschleifung von tiefton igen und tieftonigen,
vontieftonigen und ho cht on igen, von hochton igen und
tieftonigen Vokalen zu untersuchen, vorher aber die Beispiele
von Vers c h m e 1 z u n g gleich erVokale zu einem langen Vokal,
die sich innerhalb eines Wortes berühren, zusammenzustellen.
ColtSSEN II. • 1 1
— 1G2 —
Von der Schon der älteren Lateinischen Sprache vor der Auf-
einanderfolge der gleichlautenden Vokale ii und au ist schon oben
die Hede gewesen (vgl. I, 312).
Die Verschmelzung von ii zu i findet sich durch die Schrift
am vielfältigsten bewahrt für die Genetive der mit dem Suffix -io
gebildeten Nomina Substantiva; und zwar ist die Schreibart
mit einem i bis zum Ende des Augusteischen Zeitalters die regel-
mässige auf Inschriften; so:
i u d i c i , /. agr. ( T/ior.) c o n g i a r i , Mon . Ancyr.
aedifici, a. 0. fili, Cen. Pis. Or. 642. vgl. 723.
consili, l. rep. (Serv.) I. N. 2204. 5660. 6766.
Laetori, l. pag. Herc. imperi, Cen. Pis. Or. 643.
p o r t o r i , /. d. Termes. V e r e t r i , Mon . - ineyr.
munieipei, /. Ruhr, luli, a. 0. Or. 631. 652. 660,
munieipi, IM. 1.3. 661 v* 687. 688. 690.
Gai, Cen. Pis. Or. 043.
L u c i , a. O.
Aber auch nachher auf Inschriften der Kaiserzeil sind diese
Genetivformen überaus häufig, j;i vorwiegend; so zum Beispiel:
munieipi, Or.689. ffenz.742\. Papi, a. 0. 5442.
7. N. 2627. Alini, a. 0.
co 1 legi, Or. 707. 7. N. 5053. Po inj) ei, a. O.
5057.6826. Or. Henz. 6086. Fla?i,ö. O. Or.Henz.lVkl.
6087. Aureli, Or. 3356.
suffragi, Or. Henz. 7421. Terenli, Or. 3358.
tabulari, Or. 3353. Deciri, 7. N. 371 I.
pal lim oni, a. O. Vibulli, I. N. 3780.
a«erari, Or. 364. Ocrati, 7. N. 8784.
kapitulari, Or. Henz. 6086. 1'oMici, a. 0. 3803.
exequiari, a. O. Aiscidi, m 0,4000.
(l.i es e n n i, (f. (I. >l i im l i , a. O.
Claudi, Or. 649. 650, 2. 3. Aufiili, a. O.
695. 709. 721. 728. 732. Or. Herenni, a. O. a. <>. 1 155.
Henz. 5442. Caldi, «. 0.
iMessi, Qr.712. Spedi, an 0. 1337.
Cen sori, Or. 782. Septumi, tf. 0. IUI.
Asclepi, Or. 1578. Celli, a. 0. 1 151.
Vasidi, O/-. Äwiz. 6087. Ga?i, a. 0. 2226.
Stertini. a. 0. Vergili, a. O. 2266.
— 163 —
Stlabori, a. 0. 2267. Gonstanti, ct. 0. 6271. 6274.
Popidi, a. 0. 2278. Vestili, a. 0. 7136.
Ve t ti 7 a.O. Vgl. zahlreiche ähnliche Ge-
Lucreti, a. 0. 2293. netiv formen in Aufschriften von
Numsi, a. 0. 3929. Ziegeln, Ringen, Stempeln u.a.
Aps-tidi, a. 0.4519 Momms. I. N. 6305-^6310.
Tilli, a. 0. 4716. Stempel Römischer Augenärzte,
Austi, a. 0. 5259. Grotefenä, Philolog. XIII, 122 —
Apisi, a.O. 5810. 164.
De.c umedi, a. 0. 6077.
Daneben findet sich in Inschriften der Kaiserzeit seit Auguslus
die Schreibweise ii. Hierzu stimmt das Ergebniss handschriftlicher
Forschungen, dass bei den älteren Schriftstellern die Schreibart i
die gewöhnliche ist, seit Properz und Ovid aber ii hervortritt und
späterhin immer mehr gebräuchlich wird. {Vgl. Laclim. Liter,
p. 325 — 329. Brandt, Quaestion. Borat, p. 113 f.)
Selten findet sich im Nominativ Pluralis derselben Klasse
von Wörtern i für ii geschrieben, wie:
Hb rar ei, /. Iul. mun. Crustumeri, Verg. VII, 631.
a li, Cen. Pis. Or. 643. Lachm. Lucr.p. 252.
Gabi, Prop. V, 1, 34.
Auch im Dativ und Ablativ Pluralis findet sich auf In-
schriften seit der Gracchenzeit nicht selten i (ei) für ii (iei) ge-
schrieben. Man vergleiche:
contro versis, t. Gen. genis, Or. 782.
Ia n u a r i s , a. O. b e s t i s , /. N. 2569.
isdem, l.rep. (Serv.) fili&, a. 0. 3546. 5340. 5514.
i u d i c e i s , /. Rubr. Gl 6 d i s , a. 0. 3599. 3600.
c o 1 o n e i s , /. Iul. mun. m a n i b i s , a. 0. 4089. Roiss.
spoleis, Cen. Pis. 643. I. Ly. III, 6.
caerulis, Cen. Pis. 642. Statis, a. 0. 6040.
dis, Or. 679. 680. 697. /. N. Vibis, &. 0. 7133.
1680. 6678. 6746. Iunis, Or. Henz. 5428.
is, t. Mälac. Or. Henz. 7421. propitis, Gn/t. 4, 40.
/. N. 6628. bivis, a. 0. 84, 5.
comitis, Or. Henz. a.O. tri vis, a. 0.
alis, ct. 0. quadrivis, ct. 0.
praedis, a.O.
11*
— 164 —
Dieselbe Verschmelzung des i i zu i ergiebt sich aus der Mes-
sung von Dichtern verschiedener Zeiten; so:
I unis, Enn. Ann. v. 167. V. denaris, Mari. I, 117. IX, 100.
flagitis, Turp.Com.BM.p.90. Vipsanis, a. 0. IV, 18.
Lavinis, Prop. III, 34, 64. gratis,
taenis, Verg. Aen. V, 269. in gratis, Lucr. III, 1067. V,44.
e x i 1 i s , Seil. Phoen. 625. VI, 2 1 6.
s u p p 1 i c i s , Sen. Med. 743. 1015.
Ebenso verschmolz ii nicht selten zu i in Perfekl formen nach
Ausfall des v der Perfektendung -vi sowohl im Infinitiv und der
zweiten Pers. Sing, und Plur., wie :
audisse, audlsti, audlstisu. a.,
als in der dritten Pers. Sing. So finden sich Formen wie:
pellt , coit, perlt, .
it, exlt, cedit,
abit, inft, sublt,
ad 1 1 , ohit, t ran Sit u. a.,
sowohl bei den Komikein ;ils bei den Dichtern i\ov Augusteischen
und (\^v späteren Zeil (vgl. Lachm. Lucr. /». 208 /'. Fleckeisen,
Exercital. Plautin, p. 8. 29), und auf Inschriften:
ohit, Cen. Pis. Or. 643.
perit, /. N. 3868.
muni I , Or. 6 18.
posit, Or. 732.
poseit, /. N. 5409.
an.iil, Or. Henz. 5306.
petit, T.Lyon. Boiss. VII, IS.
Auch in den Handschriften der Prosaiker isi diese Schreibweise
nichl sehen.
Nach Ausfall eines Ii verschmolz ii zu i in:
mi, für mihi,
nilo, nihilo,
nil, nihil, vgl. Lachm. Lucr. p. '21 f.
se in ihia nie, Cat. 61, 22(1;
ii ward ferner zu i zusammengezogen in:
semissis, für semi-issis.
— 1G5 —
Die vorliegenden sprachlichen Thalsachen berechtigen zu dem
Schluss, dass in der Volkssprache überhaupt ii zu einem langen i
verschmolz und nur im Munde der Gebildeten , bei denen ein deut-
licheres Bewusstsein von der Etymologie vorwaltete, für gewisse
Wortformen die getrennte Aussprache ii gewahrt blieb, daher auch
so geschrieben und von Dichtern so gemessen wurde.
Ebenso verschmolz uu zu ü bisweilen im Genetiv Flur, der
U-Stamme , wie :
currüm, Verg. Aen. VI, 653.
passüm, Marl. II, 5, 3.
n urümque, Ov. Metam. XII, 2 1 6.
Die spätere Sprache zeigt auch Verschmelzungen wie:
ingenus, 7.^.^.3011. Grul. 104,8. 306,7.
perpetus, Gr. 127.
Oo verschmilzt zu ö in Zusammensetzungen mit den Präposi-
tionen pro und co für con; so#:
proles, für pro-oles,
proletarius, von pro-oletarius, pro-oletus, pro-oleo,
vgl. obs-oletus,
cöpi, co-opi, coperuisse, a. 0. V, 342.
cöpia, coptato, /. lul. mim.
cöpiosus, coptari, Cic. ep. III, 1 0, 9.
cörtes, vulgo, co-hprtes, {vgl.Lachm. Lucr. p. 134.)
Vel. long. 2234.
c o p e r i u n t , Lucr . VI, 49 1 .
Ee wird in der Aussprache zu e verschmolzen in:
derunt, t. Malac. Or. Henz. i <~> „„ c , i n kc
deero, Hör. Stil. 1, 9, o6.
7421. Or. 4859. Verg. Georg. ^
., «oo de est, verg. Aen. X, 378.
■ r , rp m ,r a on d ee s s e , Luc. VI, 10.
de erat, Ter. Phorm. II, 1, 69. ^
Ovid. Melam.XJl. deerrarunt, Lucr. 111, 859.
deerit, Ter. Ad.V,4,21. Verg. deeraverat, Verg. Ecl VII, 7.
Aen. VII, 262. Prop. V, 3, 3. ( Vel Lon^ P- 2227-)
Der Diphthong ae verschmilzt schon in Voraugusteischer Zeit
mit folgendem e zu ae, wie folgende Schreibweisen auf Inschriften
zeigen:
— 166
p r a e r i t , /. Tut mun.
praerunt, a. 0.
praest, /. Born. Henz. 5418.
5433.5407.5418.5443.5455.
6858 a.
p r a e s s e , ./. repet. (Serv.) I. Ruhr, praessent, t. Malacil. Henz.
praerat, decr. Bis. Dr. 643. 7 42\. Sc. d. Aqu. Egg er. p.
praerunt, a. 0. 328.
vgl. pra esset, Cic. ep. XIII, 6, 2.
Zachm. Lucr. p. 135.
Nach Ausfall eines h verschmilzt a-a zu a, e-e und ae-e zu
e in:
Ala, für
nemo,
vemens, Lucr. III, 480. B.
VI, 517. II, 1024. II, 152.
vementer, Ter. Hec. 488.
p r a e n d i t, Plaut. Bacch. 696.
prendi, Pompon. Bibb. Com.
p.2\2. vgl. Ter. Phorm.lV,
3, 15. Andr. II, 2, 16.
HeauL IM, I, 100.
prendo, dicimus, fr/. Long.
p. 2229.
reprcnsum, Ter. Ad. Prol. 14.
Vergleicht man mit diesen
Ah ala, vgl. I, 51.
ne-h emo,
ve he mens, veleres, Gell. II, 3-
v e" e m e n t e r , elegantiores , l \i.
Long. p. 2229. 2234. vgl.
Lachm. Lucr. />. 133.
praehensus, Plaut Asin. 563.
prehendi, Plaut, lind. 1291.
vgl. Most. 219.
e o n p r e h e n s u m , /. Maine. Or.
Um:. 7121.
Schreibweisen Cassiodo ins
Worte, ^.2229: cVchcmcns' et 'vemens' apud antiquos
et apud Cicerone m lego; aeque *prehendo' et 'pre odo \
so ergiebt sich, dass schon in alter Zeit ein Schwanken zwischen ge-
trennter und zusammengezogener Aussprache der nach dem Ver-
klingen des h sich berührenden gleich oder ähnlich lautenden Vo-
kale in diesen Wörtern stattfand, dass dieses Schwanken auch im
Uhithezeitalter der Sprache blieb wie in späterer Zeit, und dass die
Volkssprache die Vokale verschliff, während die Gebilde-
ten (elegant inres) auch in späterer Zeil in Uebereinstimmung
mit der Etymologie die getrennte Aussprache vorzogen. Quin-
tilian sagt, 1,5,21 : Et c ine he' quoque pro c m B ' apud inti-
quos trag o ed i a ru m pra seipue s erip I ores in vel eri b n S
lihris invenimus. Wenn in den Handschriften der Tragiker,
— 107 —
die Quintilian vorlagen, mehe wirklich für den Accusativ oder
Ablativ nie geschrieben stand, nicht für den Dativ mihi, wie man
allerdings anzunehmen geneigt sein kann (vgl. Fest. p. 161. M.),
so muss man schliessen, dass die Dativform mehe eben wegen der
Aehnlichkeit des Klanges mit der Accusativ- oder Ablativform in e
missbräuchlich auf einen dieser beiden Casus übertragen ist, etwa
wie die Ablativform med auch als Accusativ verwandt worden ist.
Denn weder lässt sich eine Zerdehnung von e in ehe auf Lateini-
schem Sprachboden irgend nachweisen, noch mehe als Accusa-
tiv- oder Ablativform sich etymologisch erklären.
Es ist nun die Verschmelzung eines tiefton igen Vokales
mit einem tieft onigen anderen zu untersuchen. Von dieser wird
betroffen tieftoniges u, i, e, o, häufig in den beiden letzten, seltener in
den beiden ersten Wortsilben. Beispiele für die Verschlcifung eines
tieftonigen u vor folgendem Vokal sind :
patrui, Stat. Theb.W, 429.
quattoor, Plaut. Bitschi, Proll.p. 164. Ena. Ann. 96. 580*).
Vgl. Lachm. Liter, p. 192.
Die daneben vorkommende Form quattor [Riischl, Rh. Mus. VIII,
309) zeigt , dass das u sich hier zu dem Halbvokal v verdünnte und
dann nach vorhergehendem Consonanten ausfiel. Schon seit Lucrez
tritt diese Verhärtung des u zu v nach Consonanten vor folgendem
Vokal mittelst der Synärese so entschieden auf, dass die vorher-
gehende Silbe durch diesen Laut positionslang wird; so in:
ten vis, Lucr. I, 875. II, 232. III, 232. IV, 83.
e x t e n v a n t u r , Lucr. IV, 1254.
tenvia, Lucr. V, 1262. IV, 726. 800. VI, 1186. 463. Stat.Theb.
V, 597. VI, 196.
ten vi us, Lucr. III, 243.
tenvior, Stat. Theo. IV, 697.
Die Formen tenvia, tenvius, tenvior müssen immer mit
Vokalverschleifung gesprochen sein, so dass das u nicht die Geltung
einer Kürze hatte, sondern irrational war. Wenn das Wort so die
Gellung eines dreisilbigen hatte, konnte derllochton auf der Stamm-
silbe bleiben. Bei der Betonung tenüia, tenüius würde eine
*) Das u von quattuor ist an beiden Stellen des Ennius hand-
schriftlich verbürgt; Vahlen schreibt quattor nach Ritschi, Rhein. Mus.
VIII, 309.
— 168 —
Verhärtung des hochbelonten Vokales zu v unbegreiflich sein. Aehn-
lich ist auch bei späteren Dichtern ein u infolge der Vokalverschleifung
zu v verdichtet und macht die vorhergehende Silbe positionslang; so:
genva, Verg. Aen. V, 432. XII, 903. Stat. Theb. VIII, 56. Sil.
I, 529.
sinvatis, Sil. VI, 226.
sinvato, a. 0. VII, 502.
sinvatur, a. 0. X, 181.
Viel häufiger ist die Verschleifung des tieftonigen i mit folgen-
dem tieftonigen Vokal.
So nach vorhergehender langer Silbe bei den Seenischen Dich-
tern :
o m n fa , Plaut. Ter. Hec. V, 4, 27. o t fo , Plaut.
filfam, Plaut, a. 0. gaudfo, a. 0.
omnfum, a. 0. Titln. Com. R. filio, a. 0.
P- 1 32- n e s c fo , Plaut. Amph. 1 063.
gaudfum, Plaut. Mit. 174. Pers. 227. Cure.
otfum, a. 0. 6 18. Purin: trag. II. j>. 87.
pracmuim, a. <>. 95* ^ran' com> IL P- 157'
.... — , 185. Pomp. a. 0. p. 205.
^ Laber. a 0. />. 254.
gl an di um, PL Pscud. 165. ^ _ „„ , lt. ,., _
^ I envior, Stat. Hieb. I\, 01)/.
P a e g n l u m , Pers. 772. „. „ ^ _.
^ filios, /Ytfttf.
tcrtiust , /SWcÄ. 30.
ambiunt, Mtl. 69.
(Vgl. Rilschl, Proll. p. 133. 161. 164. 167. Fleckeis. N. Jahrb. IV
261.) Diese Vokalverschleifung erscheint zwar bei Plautus meisl
in freieren Maassen, namentlich in Anapästen, aber sie kann doch
auch nur aus der Volkssprache entstanden sein. Ebenso linden sieh
bei andern Dichtern:
o m n fa , Enn. Lucil. Lucr. Verg. L a vin la q u e , Verg. . ien. I. 1,2.
Lachm. Lucr. p. 73. 115. Lachm. Lucr. p. 115.
conubfa, Luer. III, 74 1. />'. precantia, /V/v/. Aen. VII.
w. a. 237*).
*) Nicht gesichert erscheinen die von Lachmann, Lucr. p. 129, an
genommenen Verschleifungen »les i mit folgenden Vokal bei voraus
gellender kurzer Silbe; so faciant, Ter. Phorm. II, 3, IT. Liberi us,
— 169 —
c o n d fa t , luv. VII , 185. Lachm. Dicaearchwi m , Lucil. Fest.
Liter, p. 192. p. 122. Vgl. Lachm. Liter .
ebullfat, Pers.U, 10. P- 115- 193- 28t-
avium, Enn. Ann. v.W. V. Antuim, Ov. Met. XV, 718.
ludium , luv. VJ, 82.
Der Vokal i ist in diesen Fällen irrational geworden. Schon
bei Ennius findet sich das i durch Vokal verschleifung zu j verdich-
tet, so dass es Positionslänge der vorhergehenden Silbe bewirkt in:
insidfantes, Enn. Ann. v. 414. V.
und zwar vor hochlonigem Vokal.
Aus dem Gebrauche späterer Dichter seit Vergil sind bekannt:
abiete, Verg. Aen. II, 16. VIII, 599. XI, 667. Sil. III, 442.
VI, 352.
ä b fe t i b u s , Verg. Aen. IX, 67 1 .
äbfegni, Prop. V, 1,42.
ärfete. Verg. Aen. II, 492. XII, 704. Sil XII, 535.
ärietat, Verg. Aen. XII, 890.
pärictibus, Verg. Aen. V, 589. Sil. II, 361. Auson. id. 11, 44.
Lachm. Liter, p: 1 30.
In den Formen a biete, a riete, arfetat muss das i wie
das u in tenuia, t ennius, tenuior irrational gesprochen wor-
Andr. I, 1, 25. vgl. ed. Flcckeis. domin ia, Lucil. Non. p. 193. G. vgl.
Geppert, Lai. Ausspr. S. 32. mendacilo quiu s , Plaut. Trin. 200. vgl.
ed. Ritschi, wo Bergks Emendation medacilocum einleuchtet. Wo
quoniam- vor consonantischem Anlaut des folg-enden Wortes steht wie
Plaut. Aul. Prol. 9: ls quoniam moritur . . Ter. Andr. I, 5, 15: 'Ali-
quid monstri alünt: ea quoniam ne'mini . . II, 1, 5: Quae'so edepol,
Charine, quoniam non potest . ., ist kein Grund vorhanden, statt der
dreisilbigen Messung quoniam die zweisilbige qiToniäm anzunehmen,
so dass die erste Silbe durch Verhärtung des i zum Halbvokal durch
Position lang geworden wäre. Die Messung abiete, Enn. trag. R.
p. 21: De'formati atque abiete crispa . . ist nur dann sicher, wenn
Lachmanns Regel, dass eine daktylische Wortform nicht an Stelle des
Trochäus stehen kann, wirklich ausnahmslos gültig ist; sonst muss man
mit Geppert a. O. wie bei Vergil, Aen. II, 16, abiete messen. Dass
durch ein solches zu j zusammengeschrumpftes oder verhärtetes i bei
Ennius Positionslänge gebildet wurde, zeigt die Messung, Ann. v. 414. V.:
Hie insidiantes vigilant . .
— 1 70 —
den sein, so dass der Hochton auf der Stammsilbe bleiben konnte.
Hätte der Hochton auf dem i gestanden, so wäre die Verhärtung zu j
nicht erklärlich. Ebenso erscheint das i zu j verdichtet in:
c o n s i 1 fu m , Hör. öd. III, 4, 41. f 1 u v fo r u m , Verg. Georg. 1, 482.
principfum, a. 0. III, 6, 6. Nasidfeni, Hor.Sat. II, 8, 1.
C a m c r ui m , Cat. 55, 10, L. f a c fa s , Sen. Med. 1 052.
wie Lachmann zu Lucrez, p. 130. 193, nachgewiesen hat.
Der Ausfall des i vor a in den Formen convenat, evenat,
pervenam, augura hei Plautus, Ennius und Attius, von dem be-
reits die Rede gewesen ist, lässt sich nicht erklären, wenn man nicht
annimmt, dass schon in der Zeit jener Dichter die Aussprache con-
venfat, evenfat,augurfa vorgekommen sei, dann aber das j
ausfiel.
Tieft oni ges e vor folgendem Vokal, der ebenfalls
tief ton ig ist, wird mit demselben verschliffen in Casusformen der
mit dem Suffix -eo gebildeten Nomina wie:
aurea, Ovid. Metam. XII, 395. ignc~us, Ov. Met. VI, 113.
Verg. Aen. VII, 190. balteum, Epit. Iliad. 632.'
ostrea, Hort. Sat. II, 2, 21. alvelim, Slat. Theb. V, I.
ccrtfa, a. O. I, 8, 43. aurei, Plaut. Such. 25.
laqueo, Hör. Epod. 2, 35. baltel; Aen.\, 496.
alveo, Ov.Met. XV, 621. Verg. aiVM. SU. XIV, 229.
Georg. II, 453. Aen. VI, 112. anTp1Sj Verg.Aen.V, 352, VIII.
VII, 303. Tib. [1,1, 49. 553
balteo, Auson. Id. 19, 6.
Dieselbe Verschiffung erschein! vielfach in den Casus obliqui
der GriechischenNa m e n auf -sog; so in :
Orphol, Verg. Ecl. 6, 30. T\ -phoeo, Verg. Aen. IX, 713.
Orpheo, Ov. Am. HI, 9, 21. M enesl In7?», a. O. X, 129.
Peleo, Cat. 64, 336. Enipe"o, Prop. IV. 18, 3.
Tydeo, Stuf. Theb. 111, 84. Orphei, Georg. Ecl. 1. 57. Georg.
tfereo, Prop. IV, 7, 67. SM. IV^545- 553-
Theb. V, 49. Oilei, Verg. Aen. 1, II.
Eurystheo, Verg. Arn. VIII, Thesei, Cat. 64, 120.
292. Pelei, a. 0. 53, I 1.
Caphareo, Sil. XIV, 1 13. Vertex, Prop. Mb 2s, l.
171
Tyrrhei, Verg. VII, 532. Er echt hei, CaL 64, 229.
Nerei, Verg. Aen. VIII, 383. Mnesthel, Verg* Aen. V, 184.
Pr o m e t li el , Ftfr^. £&. 6,42. M e n e s t h el , Ätatf. 7M>. VI, 699.
Die Scenischen Dichter kennen diese Verschiebung der Vokale
ea, eo, el im Suffix noch nicht; sie verschleifen das fcieftonige e
nur in einigen Zusammensetzungen; so Plautus:
a n t ea , a n I el t ,
p o s t e~a , a n t e h a c ,
Ritschi, Proll. Tr. 160. 164/ Rhein. Mus. VII, 569/. und Terenz:
postel, Em. III, 2, 40.
antehac, Andr. II, 1, 3. Heaul. II, 3, 29.
Jene Verschiebung des e ist ein Schritt vorwärts in der Ab-
schwächung des Lateinischen Vokalismus. Oben ist gezeigt worden,
dass in der späteren Lateinischen Sprache e vor folgendem Vokal
zu i sank wie in vinia, ext ran ins, marmorias u. a.; vgl. va-
1 i a , p e r i a , a d i a s , p e r i a s , Inscr. Pomp. Garucc. Rull. Nap. N.
S. 1, tab. I. Wie also das durch die Vokalverschleifung irrational
gewordene i ein halbvokalischer Laut wurde, so klang auch das ir-
rationale e in der Aussprache von cerel, aurea dem halbvokali-
schen i ähnlich.
Diese irrationale Aussprache des i und e, wo es mit folgendem
Vokal^verschliften wurde, setzt die Vergleichung mit der Griechi-
schen Sprache und mit den Romanischen Tochtersprachen der Latei-
nischen in ein helleres Licht. In der Aussprache der allen lonier
muss vornehmlich das i und das e durch Verschleifung mit dem
folgenden Vokal irrational ausgesprochen worden sein. Die home-
rischen Sänger sprachen % 6 X i o g , % 6 X i cc g , 'löxicua, dqLOg,
Alyvitriog, wie das Römische Volk filiüs, gaudfiim, otium,
praemfum. In den homerischen Gedichten findet sich nicht
nur die Vokal verschleifung des s in vTaviag , tfcog, s'cog, xfcog,
vecoq, %Q£G>, &ea, Vokalverschleifung erscheint auch in den
Casusformen der mit dem Suffix -£o gebildeten Nomina, die den
angeführten Lateinischen entsprechen. Man vergleiche :
XQvöeov, aüreo,
XQvöea, aüreum,
XQvaeoLg ,
— 172 —
XQvöerj, aürea,
ö evöqeg), arböreus,
7t0Q(pvQea (AeschyL), purpureus.
In schlagender Analogie zum Lateinischen steht die Italienische
Sprache in der Fortbildung der Vokalverschleifung von u, i und e.
Im Italienischen finden sich :
b e 1 v a , für b e 1 1 u a, vgl. Lat. g e n v a ,
parvi, parui, tenvia u. a.
dolvi, dolui,
Die Romanischen Sprachen sind auf dem Wege der Lateinischen
weiter fortgeschritten, indem sie tieftonigcs i nach Consonanten und
nach der hochbetonten Silbe vor folgendem tieftonigem Endvokal
zu j sinken Hessen (ygl.Dietz, Gramm, d. Rom. Spr.p. 153 — 169).
So stehen zu einander :
Ital.
Lat.
Ital.
Lat.
saggio,
e x a g i u m ,
1 i c e n z a ,
1 i c e n t i a ,
A r e z z o ,
A r e t i u m ,
ingegno,
i n g e n i u m ,
M a r z o ,
Marti us,
c a 1 o g n a ,
c a 1 u in n i a ,
P a 1 a z z o , P a 1 a t i u m , c a m p a g n a, C a m p a n i a.
Schon im Spätlateinischen war also die Aussprache exagj um,
i n g e n j u m , c a 1 u m nj a , c o nsilj u m , pr i n cip j u m dem Volks-
munde geläufig. Wenn schon zu Plautus Zeiten das zum Halbvokal
erstarrte i in den Formen wie evenat, convenat u. a. ausfiel,
so verfolgte das Italienische auch diese Bahn. Fs bildete:
c a r b o n a r o , von carbonarius,
v a r o , v a r i u s ,
impero, imperio,
m o r o , m o r i o r.
Dass das e von au reo, laqueo u. a. in Folge der Vokal-
verschleifung einen dem j ähnlichen Laut gehabt, dafür sprechen
die Spätlateinischen Formen wie vinia, marmorias u. a., dafür
legt auch das Italiehische Zeugniss ah, wo jenes e in der Aussprache
geradezu j geworden ist. So stehen nebeneinander:
Ital. La!. Hai. Lat.
v i g n a ,
v i n e a ,
deggio,
d<
3 b e o ,
oglio,
oleum,
abbia,
h;
ilteal
r u g g i o ,
ruhe ii s ,
aggia',
— 173 —
Der zu j gesunkene Laut des ursprünglich langen e fiel dann
ganz aus in Formen wie:
Ital. Tat.
d e b b o , von d e b e o ,
vedo, video,
tengo, teneo.
Also die Vokale u, i, e sinken, wenn sie tieftonig sind, durch
Verschleifung mit dem folgenden tieftonigen Vokal erst zu irratio-
nalen vokalisclien Lauten herab, schrumpften dann zu v und j
ein, und können dann auch ausfallen.
Auch in den beiden ersten Wortsilben werden die tieftonigen
Vokale, e, ae, i, o mit folgenden tieftonigen Vokalen verschliffen;
so in :
deartuatus, Plaut. Capi. 641. praeoptavisti , Plaut. Trin .
deartuavistique, a. 0. 672. 648.
de^sciari, Ml. 884. praToptares, Ter. Hec. IV, I,
d ea m 1» u 1 a t u m , Ter. Heaut. 111, ' '
3, 26. s e m ia (1 a P ° •* f a ■> Oval. Am. 1,
d eosculabor, Plaut. Cas. II, J '
8, 31. lfenosum, Plaut. Cas. II, 6,
e~o r u n d e m , Enn. Ann. v. 206. V.
deTortatus, Ter. Pharm. V, 8, dferectust, Plaut Cure. 2-10.
1 7. d iut u r n i 1 a s , Syr. sent. Com.
deTinc, Ter. Anär. Prot. 22. Ap.297.
Em. V, 2, 33.
Fs ist nun zweitens in Betracht zu ziehen, wo ein tieftoniger
Vokal mit fo 1 g e n d e m h o c h 1 6 n ig e n verschliffen wird, eine Frage,
für die der Gebrauch der Scenischen Dichter von besonderer Wich-
tigkeit ist.
Kurzes u wird mit folgendem hochtonigen Vokal verschKffen in:
d ü~a r u m , Ter. Heaut. 11, 3, 85. s i n v a t u r ,
Plaut. Ritschi, Prot. p. 164. duellum, Plaut, a. 0.
d ua b u s , Caec. Com. R. p. 31 . d ue 1 1 i c a , Lucr. II, 66.
suapte, AU. Trag. R. p. 190. perdu7l I ibus, Enn. Trag. R.
sinvatis, s. oben I, 165. p. 59.
sinvato, puella, Plaut, a. 0.
— 174 -
circumerrant, Sil. XIII, 604. pituita, Hör. Sat. II, 2, 76.
cülque, AUL Com. R. p. 27. maluisti, Lucil. Cic. fin. I, 9.
Ter. Hemd. III, 1, 36. CaL 20, lachm. Lucr. p. 193.
20. Manu. III, 7 1 . I u c t üo « u s , ^w^o/. Lat. IV,
huice, ita/. 72. Prol. 173. 151, 2.
Ursprünglich langes u verschliß1 sich mit folgendem hochtoni-
gen Vokal in :
f ue r u n t , Plaut. R. Prol. p. 1 64. f ui s s e , Ter. Hec. III, 5, 39. Lu-
fuere, Ter. Hemd. II, 4, 19. eil. Non.pAl.G. Lachm. Lucr.
Phorm. IV, 3,20. />• ^93.
Es ist klar, dass das tieftonige u vor hochbelontem Vokal die-
selbe irrationale Aussprache erhielt wie vor tieftonigem Vokal.
Kurzes i wird mit folgendem hochbetonten Vokal verschliffen in
dem schon erwähnten :
insidfantes, Enn. Ann. v. 414. V.
lieni, Plaut. Cure. II, 1,29.
ä h fe t i b u s , s. oben I,
äbfegni, a. 0.
pärfetibus, a. 0.
semfanimis, Verg. Aen. »X, 396. 404. XI, 635. Vgl. Enn. Ann.
v. 463. Sen. Hipp. 1103. OeiL 1052;
semiermis, Sil. XII, 467.
s c in i h o m i n i s , F"^. VIII, 1 94.
semfustus, Verg. Aen. 111,578. Ov. Fast. IV, 167. Sen. Thyesl.
80. TV-oöJ. 1089. Iferc.Oet. 1738*)!
ursprünglich langes i in:
diu ti us , Pacuv. trag. Rib. p. 82.
o rfun d i, Lucr. II , 99. 27.
prfusquam, Andr. II, 3, 3. Pharm. IV, 5, 7. V, 8, 4. 9, 56
Ähw. trag. R. p. 31. Pacitr. a. 0. />■ 99.
*) Dass das i von semi vor folgendem Vokal wenigstens in den
Compositen, die vielfach im Munde des Volkes waren, gaai schwand,
zeigen die Schreibweisen semis, semissis, semnncia, Bemesns,
semanixnus, Or, 4944. Vgl. Lucr. VI, 1268. Bemnstas, Sen. Agam.
759. w. «.
— 175 —
Das erste dieser Beispiele zeigt, dass auch hier das i infolge
der Tonverschleifung wie ein Halbvokal tönte.
Ursprünglich langes e wird vor hochhelonlem Vokal verschlif-
fen in:
ea m u s , Plaut. R. Prot. p. 164. e i d e m , Manu. III, 73.
eatis, a. 0. eoque, Ad. Trag. R. p. 239.
eadem, Caec. Com,. R. p. 42. eodem , Pacuv. a. 0. p. 72.
Nov. a. 0. 225. Plaut, a. 0. Lachm. Lucr. p. 192.
eandem, Enn. Trag. R. p. 45. eosdem, Prop. V, 7, 7. 8.
All. a. 0. p. 138. Ter. Pharm. e~o>um, Pac. Trag. R. p. 98.
•ITI' 2> 10- deornm, Pac. a. 0. p. 95. Alt.
easdem, Ter. Hec. II, 1, 45. a q p 237.
elque, All. Trag. R. p. Hl. exeundum, Plaut. Aal. I, 1, 1.
eaedem, Lachm. Lucr. p. 192.
Ueher die ursprüngliche Länge des e in diesen Formen war in
dem Abschnitt über die Vokalslcigerung die Rede.
Kurzes e wird vor hochbetontem Vokal verschlilTen in :
m eo r u m , Plaut. Rilschl , a. 0. m ea r u m , Ter. Hecyr. III, 3, 1 .
Ali. trag. R.p.XTl. Ter.Andr. alvearia; Vera. Georg. IV; 34.
II, 6, 22.
Das lange tieftonige e kürzte sich also vor dem hochtonigen
Vokal der folgenden langen Silbe erst zu einer Kürze, und sank
dann unter die Zeitdauer einer Kürze herab. Dieses stumme e
klang also wie in aureum, laqueo u. a. dem Halbvokal i nament-
lich im Volksmunde sehr ähnlich.
Ebenso ward ursprünglich langes e nach seiner Kürzung vor
hochtonigem Vokal verschliffen in den Compositen:
a n t ea c t o , Lucr. V, 174. d eu s c u 1 e r , Plaut. Cas. f , 1,48.
d eorsu m , Plaut. R. Prot. p. 160. 113,18.
Ter.AdAW, % 34. 36. Lucr. IT, deTinc, Plaut. R. Prof p. 160.
217. 221. VI, 335. Ter. Eun. II, 3, 5. Andr. Prot.
se~orsum, Plaut. R. Prot. p.\ 60. 22. I, 2, 19.
Lucr. II, 473. III, 286. 334. deinceps*, Imct. II, 333. Llor.
562. 549. Sat. II, 8, 80.
s^orsus, Lucr. IV, 492. a n tei b o , Naev. Com. R. p. 26.
— 176 —
Dass dieses e irrational geworden War, zeigen die drei Messun-
gen nebeneinander bei Lucrez : seorsus, seorsum MI , 549,
sorsum III, 794. IV, 493.
Der Vokal o wird mit folgendem hochbetonten Vokal verschlif-
fen in :
coimus, Plaut. Most. 327. R. coerce; Pacuv. trag. R. p. 68.
Prolt. p. 160. coegit, Plaut. Amph. 163. coe-
intrcTibis, Plaut, a. 0. gi, Racch. 981.
Ursprünglich langes a verschilft, sich mit folgendem hochbeton-
tem Vokal in :
albam, Plaut. R. Prot. p. 162. albat, Ter. Andr. V, 4, 29.
aibant, Ter. Andr. III, 3, 2. Phorm. III, 1, 16. Titin. Com.
Phorm. IV, 1, 6. ^//. 7>y/^. R. ä. /?. 1 22.
p. 158.
Die Laute oi und ai in diesen letzteren Wort formen unter-
scheiden sich dadurch von der Aussprache der gewöhnlichen
Diphthongen oi und ai, dass das hoch tonige i als gesonderter Ton
noch scharf vorklingt, während a und o nur als mallere Lauf«1 an-
klingen. So sind alle tieftonigen Vokale, die iml folgendem hoch-
tonigen Vokal verschilften werden, nichts anderes mehr als kurze
tieftonige Anklänge zu dem hoehtonigen Hauptklang des zweiten
Vokals.
Es sind nun die Falle zu betrachten, in denen ein hoch Ion i-
ger Vokal mit folgendem liet'tonigen verschütten wird.
So wird ein kurzes ho e übe tont es u mit folge ndein I iel -
tonigen Vokal verschliffen in:
cl iT7i s , Plaut. II. Prot. p. 104. Plaut. It. Pro/, p. 171. Ter.
Laber. Com. II. p. 246. Heaut. pro/. I u.a. Cut. 21, 1.
duo, Plaut, u. (>. Naev. Com. lt. coi, wer- V, 173. Prop. IV,
p, SO. Tilin. a. O.p. läl. (;; 34. Ihn-, c. 1.2, 29. ali-
duos, Plaut, a. 0. Au. Trag. lt. c€i' W' iN' '' 2*
p. 239. Laber. Com. 239. huii' Plaui' R' a' n" ''"■•-■""''■•
III, 2, 2 u. u. Comm. lt. Ind.
p. 354. Enn. Trag. R. p. 25.
cui, Trügg. It. lud. p. 416. Pacuv. a. 0. p. 95. <■///. a. 0.
duo in, Plaut. Men. 542.
Fi, Trügg. It. Ind.
Comm. lt. Ind. p. 386, quoi, /v. 11(1. 102. 101.
— 177 —
tua, Plaut. R. Prot. p. 164. Afi an. tiris, Ter. Phorm. III, 3, 10.
Com. R. p. 179. Caec. Com. R. p. 63.
tuam, Naev. Trag. R. p. 9. suam, Enn. trag. R. p.38. Ter.
Afran. Com. p. 176. Andr. V, 4, 29.
tuae, Ter. Andr. 1,5, 61. 7Vr/>. suas, 7%m. Cot«. R. p. 121.
am.A.l.90. 4**»- ***.A s^e, AU. Trag. R.p. 105.
p. 146. ^
. -^ 7i7 /> r> a - y-r s,uo , iVrt^. <7. 0. o. 6. Alt.
tuo, iv#ev. Co//?. /s. ». lo. 6#<?c. J
a. 0. p. 46. i. Trag. R. * °J' m- Tilh>- Com' *
p. 182. I- VS0-
•^ ,,. ~ 7> <ßyl suos, iVlr/6^. Cüw. R. p. 10. Zfcr.
tu os, ^/hm. 67ö;#. #. p. 184. ' '
_ ' ,4wdr. IV, 5, 11.
t u u s , P/a itf . 7?. Pro/. «. 0. J/ta, ^ „
Com. R.p. 139. Jfer.^r.II, su,s' yte"' * °- Naev- Com-
2, 10. * » 2%
. ^ r> rr r> <m suuin, Attt Trag. R. p. 183.
tu um, Pacuv. frag. R. p. 90. J J
95. suT, Enn. trag. p. 56. R.
tiu, Enn. Trag. R. p. 18. Ter.
Eun. IV, 7, 32. Turp. Com. R.
p. 79.
Vergleicht man mit den so gesprochenen Wortformen die von
Priscian, p. 955. P., aufbewahrten alten Genetive:
mis, tis, sis,
von denen sich bei Plautus (Trin. 343.) noch tis und hei Ennius
(Ann. v. 131. V.) mis findet, ferner die alten Formen des possessi-
ven Pronomen :
sos, für suos, Fest. p. 30 1 . M.
sis, suis, Enn. Ann. v. 1 50. V. Liter . III , 1 023 ,
so könnte man vormuthen, in tu~i, sü~i, tuus, siuis sei das
erste u wie v gesprochen wie in Sanskr. t va , sva. Das ist aber nicht
möglich, da einmal Lateinisches v sich nicht mit vorhergehender
Muta oder Sibilans vertrug, dann aber auch der Hochton den Vo-
kal u so entschieden hervorhob , dass er seine Lautfähigkeit als Vo-
kal nicht einbtissen konnte. In alter Zeit warf die Sprache v nach
dem anlautenden Consonanten in den Formen sos, sis, tis heraus
oder es erweichte es zum Vokal in den Formen wie suis, tuis, suis
und auf das u trat der Hochton zurück. In den ursprünglich Pyr-
r hl c h \ s c h e n Wortformen wie tuus, s uu s , t u u in , s uu m ver-
CORSSEN II. . 12
— 178 — -
schmolzen also einfach die beiden kurzen Vokale zu einem langen;
in den ursprünglich Iam bischen Wortformen kürzte sich wie
gewöhnlich der lange Vokal der Endsilbe, indem in Folge der
Hervorhebung der kuizen ersten Silbe durch den Hochton die Ton-
dauer der zweiten Silbe Schaden erlitt.
Ursprünglich langes, hochbetontes u wurde mit folgendem
lieftonigen Vokal verschliffen in : .
fui, Plaut. R.prolp. 164. cluens, Plaut. Men, 588.
fifit, Plaut. Men. 17. Lncü.
Non. p. \\, G.
Ein kurzes hoch betont es i ward mit folgendem tieftoni-
gen Vokal verschliffen in :
viT, Ter. Heaut. I, 1, 49. diu, Plaut, a. 0. Pers. 265. Tmc.
dfcs, Plaut. B. Prot. p. 160. H 3, 3. Epid. III, 2,40. Ter.
Ter. Andr. I, 2, 18. Eun. H, 3, 3.
triura, Plaut Trm. 848. B. a. 0.
Ebenso verschlilf sich ein ursprünglich langes i nach seiner
Kürzung mil folgendem lieftonigen Vokal in:
sefam, Plaut. R.Prohp. 162. scTo, Plaut, a. 0. Caec. (Cm. II.
Pomp. Com. B. p. 208. p. 5i). Vgl. Chans, p. 6. Diom.
scfäY, Plaut, a. 0. Ter. Andr. P- 430. Mar. Victor, p. 2172.
I, 1, 68 u. a. sc Tun ( , Pompon. Com. II. p. 207.
scTat, a. O. prior, Ter. Pharm. II, 2, 2s.
scfes, a. O. Iü, 2, 147.
scfet, a. 0. prfus, Nov. Com. II. p. 225.
sciens, Ter.Hec. IV, 2, 4.
Ein kurzes hochbetontes e ward durch die Vokalver-
schleifung mit folgendem lieftonigen Vokal verbunden in:
mea, Liv. Trag.ß.p.3. Enn. meae, Caec. Com. p. 46. 62.
a. O. p. 27. 31. Au. a. 0. Pompon. a. 0. p. 191. Ter.
p. 182. Vgl Plaut. II Pro/. Pharm. 1,4, 23. ffec. Prot.
p. 164. in. IV, 2,9.
meam, AU. Trag. II. p. 125. meo, Plaut. Bacch. 1076 u. a.
Caec. Com. IC p. 31. 36. TV- 77////. Com. p. 1 I 7. Afran. a. 0.
tin. a. 0. p. 1 17. p. 180.
meas, Enn. trag. IC p. 47. meos, Caec. Com. //. //. 59, ■
179
meiis, Plaut. R. a. 0. AU. trag. me~i, Naev. Trag. R. p. 9. Enn.
R. p. 116. a. 0. p. 18. Pacuv. a.O. p.Sl.
mfum, Plaut Capl. 552 u, a. Plmt Ter' Tur^' Com' B'
Enn. trag. R. p. 28. Pacuv. ^ 85*
a. O.p. 110. AU. a. O.p. 124. meis, Enn. trag. R. p. 34. ^//.
TVr. Phonn.N, 1,3. Caec.Com. «• ö- p. 147. Ter.Hec. II, 2,5.
Ä. p, 52. 230. >#frm. «, 0. #««>• #>*». i?. />. 13. 16. Vgl
p. 152. 161. 162. mQs, /. Ä»>. Hispan.
Ein ursprünglich langes hochbetontes e verschliff sich nach
seiner Kürzung mit folgendem tieftonigen Vokal in:
de7n, Plaut. R. Prot 160. Enn. eam, eo,
Trag. R.p.46. Ter. Andr. III, eis, eunt,
3, 30. Cat. 5, 8. 10. Prop. V, - Plaut. Rllschl, Prot . p. 164.
8 83 '
e a , Plaut, a. 0. Enn. trag. R.
deinde, Plaut, a. 0. Alt. Trag. P- 53.
R.p. 140. 142. 239. Turpt elm, Ter. Eun.V, 4^30. ffecAU,
Com. R. p. 94. Afran. a. 0. 2, 32. Caec. Com. R. p. 33.
p. 181. Ter. ^/r. III, 2, 3. ZYtöi. 0. 0. p.123. 128. Z«fov.
Zwcr. IV, 696. Verg.Aen. XII, a. 0. p. 243. iY/cw;. 7W/#. 7?.
887. Prop. III, 8, 9. * p. 105. 7#k?. «. 0. p. 226.
i^ r» v 75 r> 7 ,«i fo, Ter. Phonn. L 4, 23. Pacuv.
deo, P/tfw/:. i?. Prot. p. 164. ' 70
(u. a. Casus) Liv. trag. R. ^ y- ■ P-
« 2. v os, Titln. Com. R. p. 131. Enn.
Trag. R. p. 55.
deos, Ter. ^rf. II, 4, 11. iVtot;. ^m? ^^ 6^ Ä p 22. toc.
. (7o^. R. p. 20. ^/rflfw. a. 0. (L 0t p, 58. Turpt am (K ]K 73;
P- 81- Pörnpon. a. 0. p. 201. Afcw.
deus, AMLa.0. Trag. R. p. bl.
e~i , 2Ä öow. i?. i?. 118. Ter.
deum, Enn. trag. p. 13. Jtf. Heaul.V, 2, 13. Inc. Trag. R.
a. 0. p. 130. Tfer. Eun. V, 4, ^. 210. Calull. 80, 3.
21 . Caecil. Com. R. p.m. fj s ? ^^ Jm//> Ä p< 45.
rei, Plaut. Racch. 947. Men. 234. Vultel, ifor. £>. I, 7, 91.
Ter. Ad.\,3, 68. Trcc. Zh^.Ä. Pompei,.#0r. c. II, 7, 5.
p. 210. Z«cr. IV, 882. Auson. q^s? ^ ^^ j ^ 42<
&?/tf. /Sa/?, fter. 4.
12*
— i 80 —
Ein ursprünglich langes hoch toniges o wird nach seiner
Kürzung mit folgendem lieftonigen Vokal verschilften in:
q u o a d , Plaut. Mtl. 1 1 60. proin, Plaut. Bacch. 739. Capi.
63. Mil. 780. Stich. 670. Ter.
And. 11,4, 5. Eun.l, 1, 11. 2?
26. Afran. Com.B.pA59. Atl.
Trag.B. p. 149. 239. Inc. a.
0. p. 203.
p r 67 n d e , Plaut. Trin. 658.
Amph. 982. Ter. Pliorm. II,
3, 35. Jlec. II, 1, 21. Naev.
Trag. R. p. 12. AU. a. 0.
p. 185. Inc. a. 0. p.2\4. Liter.
III, 1051. 1088. IV, 646. 654.
655.997 u.a. Verg, Acn. XI,
38^*).
Wenn der Ho eh ton immer dem Vokal auf dem er steht den
Vorklang und Vorrang vor andern verleiht, so beweist er das
auch wenn sein Vokal mit einem folgenden lieftonigen verschmolzen
wiid. Sind diese bei den Vo kale kurz, so 1> ehal ten sie diese Ton-
dauer auch in der Vokalverschmelzung, doch tönt die hochtonige Silbe
vor. Ist der vorhergehende hochtonige Vokal kurz und der fol-
gende tief tonige; mit dem er verschmolzen wird lang, was nur in
zweisilbigen Wortformen vorkommt, dann kürzt sich der tief-
tonige Vokal, wie die tieftonigen Endsilben Limbischer
Wortformen Überhaupt. Wurde langer hoch toni ger und 1 a n-
ger tieftoniger Vokal verschliffen, so erlitten beide Einbussc
an ihrer Tondauer, am leichtesten natürlich der tieflonige Vokal;
alter auch der hochbetonte, wie sieb klar daraus ergiebt, dass aus
rei durch Vokalverschleifung rei und durch Wiederauflösung re*i
wird, also der ursprunglich lange Vokal e aus der Vokalverschleifung
als Kürze wieder auftaucht. Wenn sieb nun neben der verscbliffenen
Form fui bei Pia Utas noch die alte ungetrübte Form fni, neben e i
bei Ennius ei bei Ennius, Terentius und Lucretius und ei ei, /. re-
*) Hochtoniges ;i findet sich mit folgendem Vokal nur verschliffen in
dem (griechischen Namen Phfteton, /'</>;•. Ouint. I, •">, 17. Fgl. PhiTe-
thontem, Manil. I, 732.
- 181 —
peiund. findet, so können die beiden durch VokalverSchleifung gebun-
denen Vokale im Munde des Volkes nicht zu völligen Kürzen
geworden sein, sie waren nur zu einer in i 1 1 e 1 z ei t i g e n T o n d a u c r
abgeschwächt, und in dieser ihrer irrationalen Natur lag es, dass sie
in der Versmessung bald als eine bald als zwei Längen gellen,
dass zur selben Zeit ei, füi und c~i, füi gemessen werden konnte.
Ward endlich langer hochbetonter Vokal mit kurzem tief-
tonigen verschliffen , so überwog jener so durch Tonlängc und
Tonhöhe, dass der tieftonige kurze Nachfolger zu einem irra-
tionalen Nachklang zusammenschrumpfte.
Noch bedarf es eines Zusatzes über die Vokalverschleifung zwi-
schen Vokalen, die durch Ausfall eines h, j, v in der Aussprache
mit einander in Berührung gekommen sind. Von den verschlilfenen
Formen corte s, nemo, ve mens, prendere, praeda, prae-
dium, mi, nil, semihiante, d eh ine ist schon die Rede ge-
wesen. Ausserdem finden sich bei Plautus neben der gewöhnlichen
Form debeo noch geschrieben die ursprünglichen Formen:
dehibco, Cure. 570. 722. dehibere, Bacch. 260.
dehibuitji^wtf. 1206. Bacch. 272. dehibet, Pseud. 733.
dehibuis ti, Trin. 426.
und für die gewöhnliche Form praebeo immer
p r a e h i b c o , Pseud. 1 82. Bitschi, Prol. p. 1 04 f.
Es ist schon oben daraufhingewiesen, dass in der Zusammen-
setzung von Verben mit Präpositionen diese letzteren den Hochton
auf sich zogen. Wenn in den Formen debeo, probe o, prae-
beo, praendere, praeda, praedium der tieftonige Stamm-
vokal des Verbum ganz geschwunden ist, so beweist das Schwanken
zwischen debeo und dehibeo bei Plautus, dass der Bauchlaut h
nebst dem folgenden tieflonigen i damals auf dem Punkte stan-
den aus der Aussprache zu verschwinden. Man sprach also
nicht dehibeo, sondern dtTibeo, und die dreisilbige Messung
lag der volksthümlichen Aussprache näher als die viersilbige.
Nach dem Schwinden des Halbvokales j vor folgendem i ver-
schmolzen e-i zu ei in den Verbalformen :
elcere, Pacuv. Trag. B. p. 107.
e i c i e b a n t u r , Enn. a. O. p. 1 \ .
eTcit, AU. trag.B. p. 158. Lucr. 111, 875.
re~ice, Verg. Buc. III, 96.
— 182 —
Die Genetive:
li u ins,
q u o i ii s ,
c u i u s ,
ei us
finden sich bei den Seenischen Dichtern überaus häufig und ausser-
dem bei L u c i 1 i u s , L u c r e t i u s und Cicero in der Uehersetzung
des Arat in der metrischen Geltung einsilbiger Wörter {vgl.
Laclim. Lucr. p. 27. 160. Haupt, observ. cht. p. 46. N. Jahrb.
67. S. 114 f. Ribb. tragg. u. comoed. indcl. Fahlen Enn. ind.).
Heber den weichen breiten Laut des j zwischen zwei Vokalen im In-
laut der Wörter ist oben die Rede gewesen. Nach dem Ausfall
dieses j in co-icit, plo-us u. a. könnte man geneigt sein an-
zunehmen; dass in der Volkssprache jene Genetivformen quoTis,
huus, eTis gelautet hatten. Lachmann hat mit gewohntem Scharf-
blick erkannt, dass jene Formen vielmehr wie eins, hüls, e?s ge-
sprochen seien und fuhrt dafür die Form cui' cui' modi für
cuiu' cuiu' modi an. Dass diese Ansicht richtig sei, bestätigt
die auf ^einer Inschrift vorkommende Form huis für hu ins,
Grut. 44, 3. Den Uebergang der Formen huius, cuius, eins in
huis, cuis, eis erklärt die Entstehung der Nominativformen ali<,
alid, Ventinaris u. a. für alius, aliud, Ventinarius und
der Comparativformen m a g i s , s a ti s , p o t i s aus m a gius , s ;i -
tius, potius, von denen die Rede gewesen ist. Das u von eins,
cuius, huius lautete zu i um, wie dies in den Genetivendungen
von Gastoris, Vencris, Cereris für die alteren Castorus,
Venerus, Cererus geschehen ist dureb Wahlverwandtschaft dess
zu i. Aus ei is, cuiis, hui is ward dann e~i s, c iTis. h iTi s, wie
aus eiieit, deiieit, coiicit, eicit, deicit, eoieit. In Flau-
tus Zeit ist dieser Lautübergang von e i u s , cuius, huius zu <'i>,
cuis, huis im De griff sich zu vollziehen; aber er hat .sich
im Volksmunde noch nicht völlig vollzogen; daher blieb die Schreib-
weise huius, eins, cuius und diese Wortform ist in der Schrift-
sprache der Gebildeten die herrschende geblieben. Es erhellt also,
dass, nachdem die Lautverbindung in zum Klange eines irrationa-
len i eingeschrumpft war, eis, hu7s, c 1 7i s sowohl einsilbig als
zweisilbig gemessen werden konnten {vgl. LachfH, Liier. />. 160.).
Vokal ver Schleifung findet nach Ausfall eines v in der Aussprache
statt in den bei Plautus einsilbig gemessenen Wortformen:
— 183 —
na vom, ovis,
Iovem, novo,
boves, brevT, vgl Rilschl, Prall. Tr. p. 151 f.
und ebenso in den dreisilbig gemessenen Formen:
obhvisci,
avonculus,
caveto,
wie in den viersilbig gemessenen :
c a v 1 11 a t o r ,
iuTentutem, Bitschi, a. 0.
In dem Absclmitt über den Consonanten v ist gezeigt worden,
dass derselbe zwiseben zwei Vokalen einen weicheren Laut hatte
und daher in zahlreichen Fällen ganz ausfiel. Dieser Ausfall des v
ist in diesen Plautinischen Formen noch nicht völlig durch-
geführt, was daraus hervorgeht, weil das v eben noch geschrieben
wird und nachher zu allen Zeiten bis auf einzelne Ausnahmen im-
mer geschrieben worden ist. Ein schwaches Zusammenziehen der
Lippen scheint den V-Laut zwischen den beiden Vokalen noch an-
gedeutet zu haben, der tieftonige von den beiden diesem schwa-
chen labialen Hauch zur Seite stehenden Vokalen ward irrational
gesprochen ; waren sie beide tieftonig, so wurden sie auch beide ir-
rational ausgesprochen.
Auch die V o k a 1 v e r s c h m e l z u n g hat ihre E n t w i c k e 1 u n g s-
ge schichte gehabt. Die Verschleifung des unbetonten mit dem
folgenden betonten Vokal ist in der Seenischen Dichtung vorwiegend
eigen; doch findet sie sich bei Lucrez nicht selten, wie in ma-
luisti, oriündi, deineeps, seörsum, seörsus. Bei den
Dichtern der Augusteischen Zeit und den späteren tritt sie verhält-
nissmässig selten auf wie in a 1 v e a r i a , deineeps, p i t u i t a ,
semi änimis, eulque. Ebenso gehört die Verschleifung des
hochbetonten mit dem tieftonigen Vokal der Sprache der Comödie
und Tragödie, während die Daktylische Poesie sie nur vereinzelt
anwandte, wie Lucrez quo ad, pro in, pro in de, rei, Ca-
tull e i und die Dichter der Augusteischen Zeit h nie ( Verg.),
cüi (Prop. Hör.), Pompei, Vult e i -(Hör.). Von diesen bei-
den Arten der Vokalverschleifung ist im Italienischen nur die letzt-
— . 184 —
genannte noch in einzelnen Spuren erkennbar. Die Italienischen For-
men (I i s für d fe s , furo, f o r o für f u e r u n t (vgl. stetgrunt) zei-
gen wie d ie Vokalverschleifung zur A u s s t o s s u n g d e s t i e f t o n i g e n
Vokales geführt hat. Es ist hiernach klar, dass die N e ig u n g der La-
teinischen Sprache zur Vokalverschleifung es war, die den Aus-
fall und die Kürzung von Vokal neben Vokal überhaupt ver-
mittelte, dass namentlich die seltene Kürzung des hochbetonten Vo-
kales vor tieftonigem in zweisilbigen Wortformen wie tui, plui,
fui, deus, eas, eos u. a. erst durch die Vokalverschlei-
fung herbeigeführt wurde. Die heutige Aussprache der Italienischen
Wörter due, süö, tüö, miö, diö zeugt nun aber auch dafür,
dass die Lateinischen Formen düo, süo, tüo, meo, deo, die bei
den Seenischen Dichtern den Werth einer langen Silbe für die Vers-
messung haben, niemals im Volksmunde vollständig einsilbig ge-
sprochen worden sind, sondern dass beide Laute deutlich unter-
schieden wurden ; dieselben Italienischen Formenlehren auch, dass
die hoch betonte Silbe die vor kling ende in der Vokal -
Verschmelzung blieb, daher viel weniger von der durch
dieselbe veranlassten Kürzung betroffen wurde als die tieflo-
nige.
Einen anderen Entwickelungsgang hat die Verschleifung tief-
toniger Vokale genommen. Sie zeigt sich namentlich in den Suf-
fixen -uo, -ui,-io,-ia,-co, -ea schon bei den alle r e n D i c h -
lern, sie wird dann bei den spateren häufiger, gerade als die
beiden zuersl erwähnten Arten derVokalverscbmelzung seltener wer-
den. Wenn gerade diese Art der Vokalverschleifung zwischen tief-
tonigen Vokalen in der spateren Laie inisehen Volkssprache
wie in den Romanischen Sprachen weiter um sieh gegriffen
hat, so liegt der Grund darin, dass die Macht des Hochtons
über die Tondauer der Silben im Wort«1 immer entschiedener ge-
worden ist und endlich in den Romanischen Sprachen ganz die
Oberhand gewonnen hat. Durch den Hochton ward der hoch-
betonte Vokal vom tiefton igen scharf hervorgehoben und
so der II a n g «1 e r Sprache z u r V o k a 1 v er s c h 1 e i f un g zu-
rückgedrängt; der Verschleifung tie f tonige r Silben hin-
gegen stellte die Betonung kein Hinderniss entgegen, und
hier folgte daher die Spracjie ihrem altgewohnten Hange die benach-
barten Vokale zu verschieden.
— 185 —
Die Untersuchung über die Vokalverschleifung im Inlaut hat
also ergeben, dass ein tieftonigcr Vokal vor tieftonigem Vo-
kal infolge der Vokalverschleifung zu einem stummen oder irra-
tionalen Laut wird, der sich zu den Consonanten j und v ver-
härten und ganz ausfallen kann. Tieftoni g er Vokal vor hoch-
betontem Vokal sinkt ebenfalls durch die Vokalverschleifung zu
einer irrationalen Kürze herab. H o ch b e t o n t e r kurzer Vo-
kal wahrt in der Vokalverschleifung vor tieftonigem Vokal seine
Zeitdauer; ist der ihm f o 1 g e n d e Vokal von Natur 1 a n g , so wird
derselbe mittelzeitig wie die Endsilbe Iambischer Wortformen.
Hochbetonter langerVokal vor tieftonigem Vokal wird mit-
telzeitig; warder tieftonige Laut ein langer Vokal, so kürzte
auch er sich mindestens zu einem irrationalen mittelzeiti-
gen Laute.
Vokalverschleifung im Auslaut.
(Uvvahoiyrj.)
Ci cero erklärt es für eine so ausgebildete Eigenthümlichkeit der
Lateinischen Sprache den auslautenden mit dem anlautenden
Vokal im Zusammenhang der Rede zu verschleifen, dass nie-
mand so bäurisch sei, diese Vokale nicht in der Aussprache zu
verbinden {OratA^. § 150). Er hält diese Lautverbindung des voka-
lischen Auslautes und Anlautes für eine so gebieterische sprachliche
Notwendigkeit, dass er sagt "auch wenn wir es wollten, es wäre
uns nicht verstattet, die Worte auseinander zu zerre n" (Orat.
a. 0. § 152). Was Roms grösster Redner von seiner Muttersprache
sagt, würde für uns ein sicheres Zeugniss sein über die Aussprache
derselben, auch wenn kein Vers eines Römischen Dichters uns er-
halten wäre. Man vergleiche nun aber mit Ciceros Worten Verse
Römischer Dichter wie folgende:
Plaut. Trin. 710:
Eödem pacto quo hüc accessi apscessero. i hac mecüm dorn um.
Enn. trag. v. 50. V. :
Fer mi äuxiüum , pestem abige^ nie, flammiferam hanc vim,
quäe me exeruciat.
Terenl, Ad. V, 3, 68 :
I ergolntro; et cui reist, ei rei hunc sumamüs diem.
— 186 —
Lucr. I, 234 :
Quodsfin eo spatio~atqii(Panteacta'"aetate fuere.
Hör. Sah I, 3, 20 :
Nullane habes vitia? imo alisTet fortasse minora.
In diesen fünf trochäischen , iambischen und daktylischen Ver-
sen aus der Zeit des älteren Scipio wie des Cäsar und des August
findet sich ein und zwanzig mal Auslaut und Anlaut verschliffen.
Wenn in der Verskunst des Plautus, wie Ritschi erwiesjen hat (Prot.
Trin, 188./.), weder ein metrisches Motiv, noch ein Abschnitt des
Sinnes, wie er durch eine starke Interpunction in der Schrift be-
zeichnet wird , oder durch Wechsel der redenden Person im Zwie-
gespräch entsteht, stark genug ist um jedenfalls und unbedingt der
Vokalverschleifung im Versbau eine Grenze zu setzen, so ist das
neben dem Zeugniss des Cicero und der Messung der angeführten
Verse wahrlich ein einleuchtender Beweis , wie weit die romische
Volkssprache im Munde der Generationen, die den Ilannibal, An-
tiochus und Philippus schlugen, die Carthago, Corinth und Numanz
zerstörten, in der Verschleifung des Auslautes mit dem Anlaute
gegangen sein muss.
Es fragt sich nun, wie die im Anlaut und Auslaul der Rede
sich begegnenden Vokale eigentlich gesprochen worden sind. Wir
sind seit unseren Knabenjahren so gewöhnt Lateinische Verse so zu
lesen, dass wir den auslautenden Vokal gar nicht hören lassen, und
in den Grammatiken wird gelehrt, dass der auslautende Vokal eli-
diert würde. Man könnte geneigt sein dieser Ansicht beizupflich-
ten, wenn man sieht, wie die Romanischen Sprachen und insbeson-
dere die Italienische in der That den auslautenden Vokal in /ahlrei-
chen Fällen vor vokalischem Anlaut des folgenden Wortes ganz ver-
klingen lässt. Und doch sprechen zw ei u n wid erle g I ich e Zeug-
nisse dagegen, dass hier von einer A usstossung des auslau-
tenden Vokales die Rede sein könne, einmal d i e S c li r i II . und dann
die ausdrückliehen Worte der Allen selbst. Die Schrift
widerlegt diese Annahme ; denn wären jene auslautenden Vokale im-
mer in der Aussprache ganz geschwunden, so würden sie nicht in
der Schrift* immer geschrieben sein. Die Römischen Grammatiker
würden sich des Apostrophs als Denkzeichen eines abgefallenen
Vokales im Verse st» gul bedient haben wie ihre Vorbilder die
Griechischen Grammatiker, wenn sie nicht deutlich gehürl ballen.
- 187 —
dass der auslautende Vokal noch tönte. Das bestätigen aufs be-
stimmteste auch Ciceros und Quintilians Bezeichnungen des lautli-
chen Vorganges beim Zusammentreffen von Vokalen im Auslaut und
Anlaut der Wörter: vocales-coniungere (Cic. Or. 44, 150.);
v o c a 1 e s f r e q u e n ti s s i m e coeunt et consonantium qua e-
dam insequente vocali dissimulatur (Quint XI, 3'» 34) ;
coitus syllabarum (Quint. IX, 4, 59); coeuntes litterae
q u a e a vv a l o i cp cc C d i c u n t u r [Quint. IX, 4, 35) ; verba-ver-
bis-coagmentare (Cic. Or. 23, 77.), c o n g 1 u t i n a t i o - v e r b o -
nun (a. 0.). Diese Ausdrücke können unmöglich etwas anderes
als ein Zusammenwachsen, Zusammenschmelzen, In-
ei na nderfli essen der Vokale,' eine Vo kalvcr Schleifung be-
deuten ; von einer elisio, einer Ausstossung eines Vokales, ist
an jenen wichtigen Stellen des Cicero und Quintilian nichts zu
lesen.
Die spateren Römischen Grammatiker übersetzen <5vva-
Xoicpri allerdings durch elisio, Vater. Prob. p. 1439. P.: Syn-
aloephe est, cum intcr duo verbain coneursu duarum
v o c a 1 i u m n u 1 1 a i n t e r c e d e n t e consonante u n i u s f i t v o -
calis elisio. Vgl. Mar. Vict. p. 2509. Diom. p. 437. Aber sie
urtheilten, wie die von ihnen an den betreffenden Stellen angeführ-
ten Verse zeigen, über die Sache nur aus der Versmessung, in der
sie den auslautenden Vokal vor vokalischem Anlaut des folgenden
Wortes libergangen und geltungslos fanden. Cicero und Quintilian
hingegen sprechen an den angeführten Stellen von der Aussprache
im Munde des Redners, in ungebundener Rede, sie urtheilen nach
dem, was sie selber hörten und sprachen. Jene gelangten so zu
dem Schluss, dass ein Vokal, der nicht mehr die Geltung einer me-
trischen Kürze hatte, gar nicht mehr gesprochen sei, und übersetzten
daher 6 vvalo i^r\ unrichtig durch elisio, Cicero und Quinti-
lian hörten, dass der auslautende Vokal nicht ganz schwand, sondern
nur mit dem folgenden anlautenden Vokal verschmolz, somit un-
deutlich gesprochen und gleichsam vertuscht wurde, wie dies
Quintilians Ausdruck dissimulatur bezeichnet.
Um zu erkennen, welcher Art diese V o k a 1 v e r s c h 1 e i f u n g
zwischen Auslaut und Anlaut ist, wird man also die Er-
scheinungen derselben mit den oben über die Vokalverschleifung
im Inlaut gefundenen Ergebnissen zu vergleichen haben.
_ J 88 ■—
Der Betonung nach ist der auslautende Vokal eines Wortes
in der ungeheuren Mehrzahl der Fälle ein tieftoniger. Dies gilt
nicht nur von den zwei- und mehrsilbigen, sondern auch zum Theil
von den einsilbigen Wörtern, denn die Formen der Demonstrativa
hi, hae, der Relativa qua, quae, qui, q uo, die Präpositionen
a, de, e, pro, prae, die Conjunctionen ne, ni, si sind, wie in
dem Abschnitt über die Betonung sieh ergeben wird, enklitisch
und verlieren ihren Hochton im Zusammenhang der Rede, wenn sie
nicht durch den Sinn besonders hervorgehoben werden.
Es bleiben also wenige Fälle übrig, wo auslautender langer Vo-
kal hochbetont ist, wie die Imperativformen da, sta, i, die Indi-
cativformen do, sto, die Formen des Personalpronomens nie, te,
se, mi, tu, des fragenden Pronomen qua, quae, qui (Nom. u.
Abi.), quo und die Ablative re, vi, die Ausrufungen e! vae! heu!,
o! pro! und die Bekräftigungspartikel ne. Auslautender kurzer
Vokal ist im Lateinischen immer tiefbetont.
Um nun zuerst den letzteren Fall, wo der auslautende Vo-
kal ein kurzer ist, zu betrachten, so kann der Anlaut des fol-
genden Wortes hochbetont oder tieftonig sein.
Er ist hochbetont in folgenden Beispielen:
Lacr. IV, 651 : Esse triquetra äliis . .
Verg. Aen. VI, 411 : In de alias animas . .
Verg. Aen. VI, 852: Hae tibi er mit artes . .
Verg.Ecl'S, 88: Qui te, Polliolmat. .
Er ist tieftonig in folgenden Versen :
Enn. Ann, v. 263. V.: Non semper vostra evörl et . .
Liter. I, 152: Quod multa in terris . .
Tib. III, 4, 34: Lilia~nt auctiimno . .
Liter. IV, 423: Et fluerelidsinxili ..
Enn. Ann. v. 333. V.: Quod quisque~in hello . .
a. 0. v. 318: >Sod quid ego haec niemoro . .
a. 0. v. 346: . . Ululatque"] bfac ut e.
Oben ist gezeigt worden , wie im Inlaut tieftoniger kurier Vo-
kal vor folgendem hochbetonten wie vor tieftonigem Vokal zu einer
irrationalen Kürze herabsank. In den früheren Abschnitten ist
nachgewiesen, wie gerade in der Endsilbe und namentlich im Auslaut
- 189 —
kurze Vokale ganz verklangen, weil die Endsilbe fast immer tieftonig
war. Es ist also begreiflich wie im Auslaut ein kurzer Vokal infolge
der Tonverschleifung mit dem anlautenden hochbetonten oder
tieftonigen Vokal des folgenden Wortes zum Werthe eines stum-
m e n Vokales einschrumpfen konnte.
Ist der auslautende Vokal hingegen ein 1 a n g e r , so kann der
anlautende Vokal des folgenden Wortes ebenfalls hochtonig oder tief-
tonig sein.
Hochtonig ist er in folgenden Beispielen :
Enn. trag. v. 65. V.: Ibi ex oraclo voce divin ä edidit . .
Verg. Aen. XII, 548: Totae adeo conversae acies . .
Verg. Aen. VII, 130: Quareägite et primo . .
Enn. Ann. v. 200.] V.: Nee ml aürum posco . .
Verg. Aen. II, 193: Ultrö 'Asiam magno . .
Euer. I, 206: Semine quandö opus est . .
Tieftonig oder mitteltonig ist der anlautende Vokal in folgen-
den Beispielen:
Euer. I, 234 : . . Ante acta a e t ä t e fuere.
Enn. Ann. v. 186. V.: Aio teAeacida. .
Lucr. 1, 234: Quodsl in eo spatio . .
Enn. Ann. v. 81 . V. : A u sp iciö a u g u ri ö q u e.
a. 0. v. 243 : C o n s i 1 i ö in d u foro.
Lucr. I, 180: . . Subito exorerentur.
Verg. IX , 243 : Venatüassid u o.
Es ist im vorigen Abschnitte nachgewiesen, wie im Inlaut ein
tieftoniger langer Vokal vor folgendem Vokal sich zu einem irrationa-
len Werth kurzen konnte. Zahlreiche Beispiele haben gezeigt, dass
lange'Vokalc im Auslaut sich kürzen, erleichtern und ganz verklin-
gen, dass sie in zweisilbigen Wortern mit kurzer Stammsilbe sogar
vor. anlautendem Consonanlen stumm werden konnten und in For-
men wie bene, mali, domo, manu nach Plautinischer Messung
allen metrischen Werth verloren. So wird es erklärlich, dass in der
tieftonig und dumpf gesprochenen Silbe ein auslautender lan-
ger Vokal infolge der Tonverschleifung mit dem anlautenden
Vokal des nächsten Wortes zu einer irrationalen Kürze ein-
— 190 —
schrumpfen und in der Messung des Verses alle metrische Geltung
verlieren konnte. So konnte es kommen , dass in der Plautini-
schen Messung die Formen des demonstrativen Pronomen e"o, ei,
ea , ea m zwischen einem vokalisch oder auf m auslautenden und
einem vokalisch anlautenden Worte die metrische Geltung verlor,
obwohl es natürlich in der Aussprache hörbar blieb; so zum Bei-
spiel :
Plaut. Irin. 827: Näm pol placidum te et dementem eo~us-
que modo . .
Trin. 1 37 : Ille qui mandavit e um e x t u r b a v i s t i a e d i b u s ?
Truc. I, 2, 92: Peperisse eam audivi
{Fleckeisen, N. Jahrb. LXI, 47. Arm.)
In derselben Weise erscheinen auch die Formen meo, mea,
irrational gemessen in Versen wie :
Plaut. Pseud. 428: Si meo arbitrato liceat . .
Men. 804: Me despoliat mea örnamenta . .
Epid. V, 2, 22: 'Eho! quid agis tuon* arbitrato meo her-
c I e vero atque haüd tuo.
So schrumpfte im Griechischen >), §, u >;', xqij im Verse vor
vokalischani Anlaut des folgenden Wortes zu einem irrationalen,
metrisch nicht mehr in Betracht kommenden Laut an Stellen wie:
yov% älig, IL V, 349, !} stöoxev, II. V, 106, t] eixtut-
vcci, Od. IV, 682, )j etdojog, Eur. Iph. T. 1048., pij ttdi-
vai, Soph. Aul. X\, 263 u. «.. #o>) eidsvcci, Klu-s. 683.
Wenn schon die Homerische Sprache, die doch im Inlaut ohne Ver-
schleifung drei bis vier Vokale neben einander verträgt, durch Ton-
verschleifung des auslautenden und anlautenden Vokales /u solchen
irrationalen Vokalen gelangt, so ist das in der Römischen Volks-
sprache bei ihrer ausgeprägten Neigung zur Vokalverschleifung um
so Leichter erklärlich, wie sie jene Formen eo, ei, meo u. a. fast
verklingen lassen konnte.
Zweierlei also lässi sieh aus der Synaloephe bei den Lateini-
schen Dichtern mit Sicherheil erkennen: einmal, dass diese Vokal
verschleifung eine entschieden ausgebildete Eigentümlich-
keit der Römischen Volkssprache ist, dann aber, dass der
— 191 —
auslautende Vokal bei derselben zu einem s t u m m c n Vokal
einschrumpft, aber nicht ganz verklingt. Dass unmessbare Vokale
für den Vers, der die Silben nach ihrer Tondauer mit einer festen
Maasseinbeit messen will, störend sein müssen, liegt in der Natur
der Sacbe. Aus diesem Bewusstsein ist das Streben der Römi-
schen Dichter hervorgegangen, die S-ynaloephc so weit zu
beschränken, als es mit dem Genius ihrer Muttersprache ver-
einbar war. Schon bei Plautus unterbleibt dieselbe und der Hia-
tus wird geduldet an der Stelle des Verses, wo Wechsel der
redenden Person eintritt \{Ritschly Prol. p. 189. /.), sehr natür-
lich, weil im wirklichen Zwiegespräch des alltäglichen Lebens der
auslautende Vokal im Munde des Einen nicht verschmelzen kann
mit dem anlautenden Vokal im Munde des Andern, sondern durch
eine Tonpause von demselben getrennt ist. Ebenso wird bei den
Scenischen Dichtern der Hiatus geduldet in gewissen rhythmi-
schen Abschnitten, wie in der Mitte von A s y n ar t e ti s che n
Versen, besonders vgn lambischen, An apa es tischen und
Cretischen Tetrametern, seltener im Trochäischen Scp-
tenar (a. 0. p. 192) und vor entschiedenen Sinnesabschnitten
auch ausser dem Redewechsel, die in der Rede eine Pause, in der
Schrift eine starke Interpunction bedingen (a. 0. p. 189.).
Eine Beschränkung findet die Vokalverschleifung im Auslaut
einsilbiger Wörter, darin, dass bei den Scenischen Dichtern,
in den Satiren des Lucilius und Iloratius, im Hexameter des
Lucretius und Vergilius und in Catuilus Hendekasy Haben
der auslautende lange Vokal derselben mit dem anlautenden kurzen
Vokal des folgenden Wortes nicht völlig v er schliffen zu
weiden braucht. Die allgemeine Gültigkeit dieses Gesetzes hat
Fleckeiscn (AT. Jahrb. LX1, 49 — 53) aus einer grossen Anzahl von
Beispielen überzeugend dargetban. So werden die einsilbigen For-
men der Pronomina nie, tu, te, mi, m ei, qui, quae, quo,
quoi, i (für ii), die Präposition de und die Conjunction si vor kur-
zem vokalisch in Anlaute in der Art gemessen , dass sie iii Lambi-
schen Versen häufig die erste Kürze einer aufgelösten Vershebung,
oder in Anapästischen und Daktylischen Versmaassen die erste Kürze
der Verssenkung bilden; so:
Plaut Ämph. 655: Quae nie amat . .
Ter. Eun. I, 2, 113: Dies noctisque me ames . .
Hör. Seit. I, 9, 38: Si nie amas . .
— 192 —
Plaut. Mü. 1330: ./Oml anime . .
Ter. Andr. IV, 3, 6: Seil Dävos exit. mi homo . .
Ter. Andr. V, 8, 23 : Meritö tuo t e amo . .
All. trag. R. p. 126: . . Immäne te habet templum . .
Catull. 55, 4: Te in circo, te in omnibus Iibellis.
Plaut. Mtl. 1412: Quöd tu hodie bic . .
Da das persönliche Pronomen den Hochton auch im Zusammen-
hange der Rede bewahrt, so findet hier Kürzung des auslautenden
hochbetonten Vokales vor anlautendem Vokal statt wie im Inlaut
vonfluo, cluo, pluo, tui, clui, fui langer hochbetonter Vokal
vor folgendem Vokal kurz geworden ist, indem sich infolge der
Vokalverschleifung die eine Hälfte der Tondauer des langen hoch-
betonten Vokales abschliff.
Aehnlich verhält es sich mit der Kürzung von den übrigen der
angeführten einsilbigen Wörter, für die hier ebenfalls einige Beispiele
stehen mögen:
Plaut. Trin. 242: Nam qul amat . . #
Lucr. II, 617: Vivam progeniem qurin oras . .
Verg. Ecl. 8, 108: Credimus? an qui amant . .
Lucr. II, 404: AI contra quae amara . .
Lucil. Non.p. 263. G.: Quid servas, quo eam, quid agam?
Mü. 1356: 'Et si ita sentenlia esset . .
Die hier vorkommenden einsilbigen Winter sind , wie unten
nachgewiesen werden wird, enklitisch und verlieren im Zusammen-
hange der Rede ihren Hochton. Ihr auslautender langer Vokal
kürzt sich also vor folgendem Vokal, wie sieh oll im Inlaut tieftonige
Vokale vor tieftonigen oder hochtonigen durch die Vokalverschlei-
fung kürzten.
Wenn so der Auslaut der besprochenen einsilbigen Wörter vor
vokalischem Anlaut des folgenden Wortes häufig nichl zu einem ir-
rationalen Vokal einschrumpfte, der für die Versmessung ganz die
Geltung verlor, sondern dasMaass eines kurzen Vokales noch wahrte,
so lag das weder an ihrer Betonung, uoch an ihrer hervorstechenden
Bedeutung im Sinne des Satzes, denn diese ist meistentheils eine
untergeordnete, dalier auch ihre Betonung vielfach lieftonig. In der
Volkssprache hatten die auslautenden Vokale jener Wörter vor vokali-
schem Anlaut denselben irrationalen Laul wie vor mehrsilbigen Wör-
tern in dieser Verbindung; da aber die Römischen Dichter für ihre
Anapästen, Daktylen und aufgelöste lamben Kurzen brauchten,
— 193 —
so machten sie von der ihnen zustehenden Befugniss Gehrauch, ei-
nem irrationalen Vokal die Geltung einer regelrechten Kürze beizule-
gen und te amo, quo illam, st i 1a u. a. zu messen. Fanden sie
doch in den Versen ihrer Griechischen Vorbilder so häufig auslau-
tenden langen Vokal vor anlautendem Vokal des folgenden Wortes
metrisch als Kürze behandelt. Die Romischen Dichter hoben durch
die angegebene Messung die volkstimmliche Synaloephe nicht auf,
denn die Hälfte der Tondauer des ursprünglich langen Vokales
blieb ja abgeschliffen, sie hoben in der Vokalverschleifung nur den
ersten Vokal etwas entschiedener hervor und beschrankten den Grad
der Vokalabschleifung einigermassen.
Leinreich ist nun zu verfolgen, wie die Römische Kunst-
dichtung dieser volksthümlich en Vokalver Schleifung
immer mehr abgeneigt wurde, wie sie immer mehr dahin strebte
dem auslautenden langen Vokal seine Geltung als volle Lange zurück-
zugeben, und dein Hiatus mehr und mehr Raum gaben.
Wie die engen Grenzen des Hiatus für die Scenischen
Dichter durch die kritischen Forschungen von Ritschi und Fleck-
eisen bestimmt sind, so haben in neuerer Zeit eingehende Special-
forschungen namentlich von Lach mann {Lucret. Comm. p. 99,
131. 159. 195 — 200. 387. Inda. lect. Berol. 1847. 1848.) und
M.Haupt {Observation. Critic. 1 84 1 p. 15 — 24. de carmin. Imcol.
Calpurn. et Nemesian. p. 2 /'.) über den Hiatus und die Vermei-
dung der Vokalverschleifung neue Aufschlüsse gegeben, die hier nicht
unbenutzt bleiben dürfen.
Die erste Art der Beschränkung der Vokalverschleifung zwi-
schen Auslaut und Anlaut wird bedingt durch die Betonung der
anlautenden Silbe des zweiten Wortes. Beinahe alle Dichter
meiden die Vokalverschleifung, wenn auf ein lambisches Wort,
das auf einen Vokal auslautet, ein Wort mit dein Hoch ton auf
der ersten Silbe folgt; nur Lucilius bindet sich nicht an diese
Schranke und Phaedrus und Seneca kehren zur Freiheit der äl-
teren Scenischen Dichtung in dieser Beziehung zurück {Lachm.
Lucr. p. 196). So unterblieb die Vokalverschleifung zum Bei-
spiel in folgenden Versen :
Verg. Ecl. 6,44: . . Hyla, Hylä ömne sonaret.
Verg. Ecl. 3, 79: .. Vale, vale! inquit Iolla.
Cat. 114, 6: Dum domo ipse egeat.
Cat. 66, 11 : . . Novo aüctus Hymenaeo.
CORSSEN II. 13
— 194 —
Vcrg. Aen. I, 19: . . Coluisse Samö; hie illius arma.
Grat. Cyn. 528: . . Liquere feräe. '0 quanlus in armis.
Die meisten Dichter lassen hingegen den Auslaut lam bi-
sch er Wortformen verschleifen mit dem Anlaut einsilbiger
oder zweisilbiger tieftoniger Wörter wie der enklitischen Con-
junctionen ac, atque. et, ut, at, aut, haud, der enklitischen
Präpositionen in, ad, ex, der Formen von den ebenfalls enkliti-
schen demonstrativen Pronomen hie und is {Lachm.Lucr.pAQl /*.);
so zum Beispiel:
Lucil. Non. p. 188. G.: tua et,
Cic. Aral. 263 : 1 eo~e t ,
Petron. 120,94: cie~ac,
Lucil. Gell. XIII, 14, 11 : sua atque.
Verg. Georg. 111 , 253 : c a v u e a t q u e .
Verg. Georg. III, 466 : s e q n i aut,
Sen. Hippol. 1268: su6~~al,
Slot. Theb. VI, 479: equlTut,
Sil. V, 29S: humoliaud,
Cic. Aral. 152: retro ad,
Verg. Aen. XII, 737 : d ei a d ,
Verg. Aen. I, 303: de«Pin primis,
Verg. Georg. 11,263: s o 1 <Ti d ,
Verg. Aen. XII, 532: solohunc,
luv. Sal. V, 173 : pal i bis.
Seltener ist die Vokalverschleifung i\c* auslautenden Vokales
lambis eher Wortformen mit dem anlautenden Vokal der Wörter
von mehr als zwei Silben, deren erste tief tonig ist; doch fin-
det sie sich bei Lucilius, Ca tu II wie bei Cicero, Vergil,
Iloraz, Propeiz, Ovid und später bei Seneca. Silius u. a.J
so zum Beispiel :
Verg. Aen. XI, 383: tona elöquio,
a. 0. VI, 336 : a q u £"i n v ö 1 \ ms,
luv. VI, 327 : m o r a e i m p ;i tie n s,
Vcrg. Aen. III, 210: raviTin v*du nl.
— 195 —
Sil. VI, 460 : 1 o c fa s p e rn a t u s ,
a. 0. 652: siniTind efensa, vgl. Lachm. a. 0.
Wenn vor hochtonigem Vokal im Anlaut in diesen Fällen
die Vokalverschleifung unterbleibt, vor tieftonigem statt
findet, so ist klar, dass der Hoch ton hier das entscheidende
Moment ist. Wird der Auslaut einer lambischen Wortform vor
hochbetontem Anlaut des folgenden Wortes durch Vokalverschleifung
ein stummer für die Messung werthloser Vokal, so trifft der scharfe
Hochton des Vokales der ersten Silbe unmittelbar mit dem Hochton
des folgenden Wortes zusammen. Dies Zusammenprallen zweier
Hochtöne ist eine Härte für die Aussprache, und es mag dazu bei-
getragen haben den Vokal der lambischen Wortform vor dem Anlaut
des folgenden Wortes zu schützen, weil die Dichter jene Härte mie-
den; aber die Scheu vor derselben ging doch nicht so weit, dass sie
auch kurzen Vok.il im Auslaut vor Verschleifung geschützt hätte.
Es ist schon gesagt worden, dass die Italienische Sprache nur tief-
tonige Vokale verschleift, hingegen der Hochton die Silbe auf der
er steht vor dem Zusammenfliessen mit einer folgenden oder vorher-
gehenden schützt.
So hinderte auch der Hochton der anlautenden Silbe das Zu-
sammenfliessen ihres Vokales mit dem Auslaut des vorhergehenden
lambischen Wortes, der durch seine Länge sich entschieden hörbar
machte, in so weit, dass jener auslautende Vokal nur kurz, nicht
stumm wurde
Aber die B e schrä n k u n g d e r Vok a 1 v e r s c hlei f u n g zwi-
schen Auslaut Iambischer Wörter und vokalischem Anlaut des fol-
genden Wortes geht auch ohne Rücksicht auf die Betonung noch
weite r.
Nur die Seenischen Dichter lassen den auslautenden
langen Vokal Iambischer Wortformen mit k u r z e m A n 1 a u t des
folgenden Wortes verschieden, die übrigen ziehen den Hiatus an
dieser Stelle vor (Lachm. Lucr. p. 194), ja nicht wenige Dichter
vermeiden die Verschleifung des auslautenden langen
Vokales von lambischen Wort formen gänzlich , besonders in
Daktylischen Versen und im Hendekasyllabus (a. 0. p. 199. 390).
In mehr oder minder entschiedener Weise trilt also bei den
Dichtern der besten Zeit das Bestreben hervor, den lambi-
schen Wort formen im Verse ihre volle Geltung zulassen,
13*
— 196 —
im geraden Gegensatz zu der Neigung der Volkssprache, die
den a uslau tende n Vokal I a m b i s c h e r Wortformen gern kürzte,
und zu der Pyr rhichischen Messung dieser Wörter beiden See
n i sehen Diehtern, die dieser Aussprach!? folgten.
Weiter erstreckt sich die Beschränkung der Verschleifung lan-
ger Vokale im Auslaut auch auf mehrsilbige Wörter. Geht
dem auslautenden langen Vokal oder Diphthongen eines mehr-
silbigen Wortes ein langer Vokal oder Diphthong vor-
her, so wird derselbe mit dem anlautenden Vokal des folgenden
Wortes vielfach nicht verschliflen {Lachm. Lucr. p. 158 — 1 63) ;
so:
Hör. c. II, 20, 13: Da e daleö ocio r.
Verg. Georg. I, 22 1 : E ö Je A 1 1 a n t i d e s.
Ov. Met, VIII, 309: Hyariteö lolao.
a. 0. V, 312: H y a n te ä A g a n i p p e.
a. 0. XI, 17: Bacchel ululatu.
/ rerg. Bei. 2, 24 : A c t äe ö A r a c y n I h o.
<)r. Metam. V, 409 : Pis T • .Te A re t h u s a e.
Dass ein langer Vokal oder Diphthong die Kraft haben sollte,
einen folgenden Vokal vor Kürzung zu schützen, Irin in der Lateini-
schen Lautgeschichte nirgends hervor, man niiiss also annehmen,
dass die Römischen Dichter den Griechischen .Alustern folgend den
auslautenden Vokal in jenen Griechischen Namensformen unter der
Vershebung als Lange wahrten.
Indessen auch hierbei bleibt die Beschränkung der Vokalver-
schleifung des auslautenden hingen Vokale bei den Dichtern der
Augusteischen Zeil nicht stehen. Iloraz setzt in seinen kunst-
raässigen und gefeilten Dichtungsformen derselben noch engere
Grenzen. Während er in den Satiren, welche die Umgangs-
sprache des gewöhnlichen Lebens im Hexameter zur Darstellung
bringen, Verschmelzung dvs auslautenden langen Vo-
kales mildem anlautenden kurzen so wenig wie Loci lins
meidet, wendet pr dieselbe sparsamer an in den Episteln, gar
nicht in der Ars poetica; in den drei eisten Büchern der Oden
findet, sich diese Verschleifung nur dreimal, und im vierten
Buche der Oden wie im Carmen sae ciliare gar nicht
{Haupte observat. crilic. i>. 161. Lachm. Lucr. j>. m. Brandt,
Quaestion. Horalian. p.88/.). Tibull, Lygdamus und Ovid
— 107 —
endlich lassen die Versehleifung des auslautenden langen Vokales
mit anlautenden Kürzen nur im ersten Versfusse zu {Haupt, a. 0.).
Galpurnius geht in der Vermeidung der Synaloephe so weit,
dass er auslautende kurze Vokale nur im ersten Versfusse,
lange überhaupt n iema ls vor vokalisehem Anlaut des folgenden
Wortes verschliff. (Haupt, de carmin. bucolir. Calpurnn et Neme-
siani, p. 2. 3.)
Ehe das Endergehniss dieser Untersuchung gezogen werden
kann , bedarf es noch eines Wortes über die Aussprache der En-
dungen-am, -ein, -im, -oiii, -um vor anlautendem Vokal des
folgenden Wortes, deren irrationaler Klang schon oben bespro-
chen ist. {Vgl. r, 109 — 1 13. II, 106 /.)
Bei Ennius erscheinen die Endungen -um und -em noch in
der metrischen Geltung kurzer Silben:
Ann. v. 336. V: Insigneita fere tum milia militüm octo.
a. 0. v. 486: Dum quid em uniis homo Romanus toga super-
escit.
Bei Pia ulus erscheinen einsilbige Wörter wie nam, iam,
cum vor anlautendem kurzen Vokal des folgenden Wortes gele-
gentlich in der vollen Geltung kurzer Silben; so:
Cure. 523: Nam et operam et pecünnim . .
Bud. 1383: Iam ab isto auferre hau sinam . .
Capl. 24. 93: . . Aetoli cum Alois . .
{Vgl. Capt. 395. Fleckehen, N. Jahrb. 61, 51. 52.)
Nach der handschrifllichen Ueberlieferung sind auch die auf m
auslautenden Endsilben mehrsilbiger Wörter noch stellenweis in der
Geltung von Kürzen gebraucht; so:
Merc. 181 : Ttiam amienm. Qufd eam? Vidit . .
Vgl. a. 0. 479. 88. Bud. 1130.
Pers. 651: 'Em am opinor. Etiam opinor . .
Pseud. 319: . . Canem agninis lactibus.
Asm. 775: . . Pede pedem homini premat.
Pers. 433: . . C rede rem ut idem mihi.
Cure. 597: . . Man um arripuit mördicus.
Asm. 280: 'Ei' um jn obsidiöne linquet . .
Geppert {Lat. Ausspr. S. 45 f.) nimmt diese und ähnliche
Messungen gegen die Aenderungen der neusten Herausgeber, die
meist ein einsilbiges Wort, namentlich Pronominalformen, hinter
— 198 —
das aufm auslautende Wort einschieben, in Schutz. Ein sprachli-
cher Grund ist nicht abzusehen, warum Plautus nicht ebenso wie
Ennius die auslautenden irrationalen Silben -am, -em, -im,
-oii], -um gelegentlich noch hätte als Kürzen brauchen können.
Hegreiflich erscheint es aber, wenn diese Messung in einsilbigen
Wörtern üblicher war als in mehrsilbigen. In der Volkssprache
blieb der auslautende ßestandtheil -am, -em, -im, -0111, -um
von einsilbigen Wörtern vor vokalischem Anlaut des folgenden Wor-
tes deutlicher hörbar als in mehrsilbigen, einmal weil er in diesen
immer tieflonig war, dort auch hochtonig sein konnte, dann aber,
weil jene einsilbigen Wörter sonst fast ganz unhörbar geworden
wären, während von mehrsilbigen Wörtern auch, wenn man die ir-
rationale auf m auslautende Endung fast ganz verschluckte, doch
noch die Stammsilbe des WWtes jedenfalls klar und deutlich hör-
bar blieb, und weil somit der Zusammenhang der Rede dem Ho-
lenden oft unklar und zweifelhaft hätte werden müssen, wenn jene
einsilbigen Wörter fast gar keine lautliche Existenz gehabt hätten.
Dem einsilbigen Worte diese seine lautliche Existenz zu wahren und
die Deutlichkeit der Rede aufrecht zu halten, sprach man ja auch vor
Vokalen ab, ex, vor Consonanten a, e. Wenn aber in Versendes
Ennius und Plautus, wo auf m auslautende Endsilben noch als Kür-
zen gelten vor folgendem Vokal, das in jedenfalls einen eonsouan-
tischen Laut hatte, so kann hier von einein Hiatus niehl die Rede
sein, da sich ja auslautender und anlautender Vokal gar niehl be-
rühren.
Das Ergebniss der Specialforschungen über den Hiatus ist also,
dass in der Römischen Kunstrichtung ein B e streben her-
vortritt, den la nge n aus laut e n de n Vokal vo r a nla u tendem
Vokal in der Versmessung un versehr I zu halten, ja wo mög-
lich auch den kurzen auslautenden Vokal in seiner GeHang zu
schonen. Mit irra tional en V oka I e n genäth die Vers in es su ng
so sieher in die Brüche wie die irrationalen Zahlen die Feinde je-
der Rechnung sind. Deshalb vermieden die genannten Römi-
schen Dichter bei der .Nachbildung der Griechischen Maasse bewusst
oder unbewusst die Vokalverschleifung als die Erzeuge-
rin im messbar er Laute, ebenso wie sie stummen Vo-
kalen vor Consonanten in der Regel ihre volle Geltung als
metrische Kurzen zurück gaben, selten sie ganz besei-
— J99 —
Vergleicht man die Vokalverschleifung in der Lateini-
schen Sprache mit derselben lautlichen Erscheinung im Griechi-
schen, so tritt in der Entwicklung heider Sprachen ein Gegen-
satz hervor. Die Sprache der alten loni er mit der üppigen Fülle
ihres reich entwickelten Vokalismus ist zur Vokal ver Schleifung
im Inlaut und an der Lautgrenze zweier aufeinander folgenden
Worter n i cht geneig t und giebt ihr selten nach. Die Sprache
der alten Römer, deren Vokalismus in der Verschmelzung der
Diphthonge, der Erleichterung, Kürzung und Tilgung der Vokale
die deutlichen Symptome der Abzehrung zeigt, wird von einer
mächtigen Neigung beherrscht die angrenzenden Vokale zu
ver schleifen und somit zu verstümmeln. Die Homerischen
Sänger sprachen aoidiaovGa, altdeeg, drjtocovtai;
solche Fülle vokalischer Laute hielt sich unverwischt bei dem Volke,
wo das Singen und Sagen heimisch, war. Plautus Schau-
spieler hatten, wenn sie pluruma, priscus, bis, ter,
fortassis, edepol sprachen, keine Ahnung mehr davon, dass
diese Wortbildungen einst ploiusuma , praiiuscus, dviiens>
triiens, forte-an-si-vis, e-d eus-Poludeuces lauteten.
Die enge strenge Zucht des altrömischen Geistes bewahrt auch die
Sprache in den knappen straff zusammengefassten Wortformen, wie
in dem fest in sich verschränkten Satzbau. Die Homerische
Sprache weist neben ihrer Fülle diphthongischer und vokalischer
Lau te nur w e n i g e Beispiele der Vokal verschleifu n g zwischen
Auslaut und Anlaut auf, die feine Attische Sprache des
Perikleischen Zeitalters zeigt neben einem ärmeren Vokalismus eine
viel entschiedenere Neigung« zu dieser Vokal ver Schlei-
fung, wie der Sprachgebrauch der Seenischen Dichter lehrt.
Die Römische Volkssprache mit ihrem verfallenden Vokalis-
mus wird von der Neigung die Vokale zu ver sc hielten so
beherrscht, dass die Scenischen Dichter, die zu den Ohren
des Volkes reden, nur in seltenen Fällen sich den Hiatus in
ihren Versen erlauben. Dieser Neigung der Volkssprache Vokale
zu kürzen, zu vtrschleifen , zu erleichtern und verklingen zu las-
sen trat die Römische Kunstdichtung entgegen, indem sie
den Vokalen durch Anlegung des Griechischen Zeitmasses
in der Schriftsprache Halt gab, indem sie auch der Vokal ver-
schleif ung im Inlaut wie zwischen Auslaut und Anlaut engere
Grenzen setzte. Es ist schon oben bemerkt, dass es dieser
— 200 —
R e a c U o n zu verdanken ist , wenn die Sprache der Gebil-
deten im Ganzen und Grossen die Quantität der Vokale
Jahrhunderte lang so wahrte, wie sie die Dichtung der
Augusteischen Zeil fixiert hatte, und dass somit die Nach-
bildung. Griechischer Di chtungsformen für die Er-
haltung des Lateinischen Vokalismus von heilsamem
Einfluss gewesen. Aber eine gelehrte Dichtung, die sich
vom Volksleben immermehr entfernte, konnte den weitern Ver-
fall des Vokalismus in der lebendigen Volkssprache nicht
aufhalten, sie konnte auch die Vokal verschleifung dersel-
ben nicht hindern, und dieser trat in der späteren Volks -
spräche nur der Hochton entgegen, der nicht duldete, dass
ein hochbetonter Vokal sich zur Verschleifung mit einem tieftoni-
geri herabliess. Aber die Verschmelzung der tief tonigen
Vokale im Inlaut wie im Auslaut und Anlaut ging ihres Weges
weit e r , und die Verse älterer Italienisch er Dichter \\ i e
die Rede des heutigen Italieners bezeugt die Vererbung
der Synizese und Synaloephe seit Plautus Zeiten.
III. Betonung,
Jede Sprachforschung sucht durch Vergleiehung der bestehen-
den Sprachformen das Entstehen derselben zu erkennen, sie gellt
den Weg rückwärts, den die Sprache vorwärts gemacht hat, sie
löst das Klanggewebe wieder auf, das die Sprache gewebt hat.
Auch in der Untersuchung über die Betonung der Lateini-
schen Sprache wird also die Untersuchung denselben Weg gehen.
Sie behandelt demnach zuerst das j Ungere Betonungsgesetz,
wie es in der Blüthezeit der Lateinischen Sprache und Litteratur
ausgebildet bestand, dann die ältere Beton ungs weise und den
Uebergang derselben in die jüngere, die Betonung der Itali-
schen Dialekte, das Verbal tu iss der Altitalischen Be-
ton ungs weise zur Accentuation der verwandten Spra-
chen, die Betonung der Spätlateini sehen Volks-
sprache, und wird hiernach das Verhall niss der Wortbetonung
zum AI tromi sehen Versbau, oder des II och ton es zur Vers-
hebung zu erforschen versuchen.
A. Das jüngere Betonungsgesetz.
Für die Betrachtung des Lateinischen Betonungsgesetzes sind
die wichtigste Quelle die Angaben der Römischen Gramma-
tiker. Unter ihnen sind zwei von hervorragender Wichtigkeit für
den vorliegenden Gegenstand; zuerst Priscian, der das Buch des
Censorinus, de accentibus (Prise, p. 977. 994. P.) und Do-
natus Lehren über den Accent wie über andere grammatische Fra-
gen benutzte [Prise, p. 977. 539. 713. 951. 998. 1157. 1168.
1225. 1245. 1255. 1272. Vgl. Prise, p. 1288 über Oxytona im
Lateinischen mit Donat. p. 1741), Varros Schriften studiert halte
[Prise, p. 544. 545. 791. 792. 793. 817. 879. P.) und unter
den Griechischen Grammatikern besonders dem Apollonius
Dyscolus und Herodian (Prise, p. 581. 974. 1257 P.) in sei-
— 202 —
nem ganzen Werke, also auch in der Theorie der Betonung folgte.
Der zweite ist der Grammatiker Servius (Analecta Grammatica,
Eichenfeld v. Endlicher. Vindob. p. 525. /".), dessen Schrift de
accentibus aufVarros eingehender Behandlung der Accentlehre
beruht (a.O. § 21. 22)*). Varro selbst folgte in der Theorie der Be-
tonungslehre insbesondere dem älteren Tyrannion, Lucullus
und Ciceros Zeitgenossen, dessen Werk tcsqI tiqoO <pd tcov durch
feine und sorgfältige Beobachtung der Aussprache ausgezeichnet
war (Serv. ct. 0. § 21. Cic. ep. Ältic. XII, 6); Varro benutzte
aber auch die Schriften älterer Grammatiker wie Glaucus, Her-
rn o c r a t e s , T li e o p h r a s t u s , Athenodorus (Serv. a. 0. § 21),
Eratosthenes, Theodorus (Serv. a. 0. § 22). Auch andere
Grammatiker wie Cicero, Nigidius Figulus, Quintilian,
D i o m e d e s , D o n a t , P o m p e i u s geben uns wichtige Aufschlüsse
über den Accent, aber die grosse Mehrzahl derselben begnügt sich
bei der Angabe der notdürftigsten äusserlichen Regeln für die Be-
tonung, wie sie keine Schulgrammatik entbehren kann.
Va rro also ist die älteste Autorität auf die sich die genaueren
und eingehenderen Angaben der Römischen Grammatiker über die
Betonung der Lateinischen Sprache zurückführen hissen. Ob die
älteren Grammatiker wie Attius und Lucilius dem Accent be-
sondere Aufmerksamkeil zugewandt haben, ist nicht mehr zu er-
mitteln. Die A lexand rin isch en Gelehrten aber sind die
älteste Quelle aus der die Römischen Grammatiker die Theorie
und Technologie der Betonungslehre geschöpft haben, die
sie dann auf die Betonung der Lateinischen Sprache, soweit die Ei-
genthümlichkeit derselben das gestattete, anwandten. Dass sie da-
bei gelegentlich fehlten, indem sie ihren Griechischen Lehrmeistern
zur Liebe einzelne Feinheiten der Griechischen Betonung der La-
teinischen Sprache octroyieren wollten, dass sie mitunter den Tun
verwechseln mit dem Tonzeichen und anderen Lesezeichen, dass
sie nach dem Standpunkte ihrer Sprachwissenschaft den Rück-
*) Nach den Grundsätzen historischer Kritik berechtigen Citate ans
einer älteren Quelle zu dem Schluss, dass der citierende Schriftsteller
nicht einzig und allein die angeführten oder angedeuteten Stellen Beinei
Gewährsmannes zufällig aufgefischt hat. sondern das Buch oder den
Schriftsteller aus dein er citiert, kannte und benutzte. Diea gill wenig-
stens, so lange nicht das Gegentheil streng erwiesen ist, also auch für
die vorstehende Untersuchung.
— 203 —
schluss auf das ältere Betonungsgesetz aus den vorhandenen Wort-
farmen der Sprache nicht machen konnten, das wird ihr Verdienst
um die Hauptsache nicht schmälern, denn es würde schlecht um
die Erforschung derselben stehen, wenn nicht Männer wie Varro,
N i g i d i u s F i g u I u s , Q u i n t i 1 i a n u s , C e n so r i n u s , Dona-
t u s , D i o m e d e s , Pr i s c i a n u s die Betonung ihrer Muttersprache
beobachtet und mit der Griechischen Betonungslehre verglichen
hätten.
Die zweite Quelle für die Erkenntniss der Lateinischen
Accentuation sind die Wort formen der Sprache selbst, nament-
lich solche, die durch Erleichterung, Kürzung, Ausfall und Abfall
von Vokalen seit alter Zeit zusammengeschmolzen und verkümmert
sind. Solche Formen sind es, aus denen das Vorhandensein eines
älteren B e tonn ngsge setze s sich mit Sicherheit erschliessen
lässt.
Endlich ist die Schrift selbst von Wichtigkeit für die Erkennt-
niss des vorliegenden Gegenstandes; denn wenn sie auch niemals
die verschiedenen Tonabstufungen durch augenfällige Zeichen dar-
gestellt hat, wie sie Griechische und Indische Grammatiker für die-
sen Zweck brauchten, so giebt sie uns doch über die tieftonige
Aussprache ganzer Klassen von Wörtern Aufschluss, die mit dem
vorhergehenden oder folgenden Worte zusammengeschrieben wer-
den, ist also insbesondere für die Lehre vom Ton an schluss oder
der Enklisis von Wichtigkeit.
1) Tonstufen.
Alte Grammatiker unterschieden an der Aussprache der Silben
eines Wortes drei Eigenschaften des Tones : d i e H ö h e , d i e S t ä rke
des Hauches und die Ton d au er (altitudi nem, crassitu-
dinem, longit udinem) und lehrten, Serv. §8: Altitudi nein
d i s c e r n i t accentus, cum pars verbi a ut i n gravedepri-
m i t ur a u t s u b 1 i m a t ur. Priscian folgt denselben Gewährsmän-
nern, indem er sagt, de acc.lib. p. 1285. P: Habet quidem litera
a 1 1 i t u d i n e m in pronunciatione, 1 a t i t u d i n e m in sp i -
ritu, longitudinem in tempore; und er giebt von dem Wesen
der Betonung in der Sprache eine begriffsmassige Bestimmung
a. 0: Accentus namque est certa lex et regula ad
e 1 e v a n d a m et d e p r i in e n dam s y 1 1 a b a m uniuseuius-
que particulae orationis. Diomedcs p. 425. P. sagt noch
— 204 —
genauer: Accentus est acuta e vel gravis vel inflexae
orationis elatio, vocisve intentio vel inclinatio,
acuto vel inflexo sono rcgens verba; und erklärt die
Bedeutung der Sache aus dem Sinn des Wortes, a. 0. : Accen-
tus d i c t u s ab a c c a n e n d o , quod s i t quasi q u i d a m
c u i u s q u e s y 1 1 a b a e c a n t u s. A p u d G r a e c o s i d e o tt o o g~ -
adCa dicitur, quod %q oö ad s i xccg övXXafiag {vgl.
Donat. p. 1834). Das Griechische Wort 7tQoö<p8Ca wie die La-
teinische Uebersetzung accentus fasst also den Ton jeder Silbe
als einen Gesangton der Tonleiter; ebenso bezeichnet Nigi-
dius Figulus Benennung voculatio [Geil. XIII, 26. H.) dieselbe
Sache als eine T o n s t i m in u n g.
Schon Aristophanes von Byzanz verglich die Accente des
Wortes mit den Tönen der Musik [Arc'aä. p. 187. Bark.)
und bei Aristoxenus heisst es, Eiern, härm. 1, p. 18. Meib.:
AiyExai yaQ drj xcel koycodsg xi \iikog ro OvyxeC-
lievov i% xeov tcqoO <p d lcjv ro iv xoig ovo {iccöiv,
<pvöi%6v yccQ xo in ix elv slv xal aviivai iv x <p
deakey sö&ai. Wenn tovoi ursprünglich die Spannungen
der Saiten auf der Kilhara , dann die Klange derselben bedeu-
teten, so wurde dann das Wort auf die Anspannung der
menschlichen Stimme bei der Aussprache der Wortsilben an-
gewandt und auch diese Klänge xövoi genannt. Römische Gram-
matiker behielten das Worl bei: toni, oder sie übersetzten es
durch tonores {Quin!. I, 5, 22), tenores [Donat. p. 1834.
Gell. XIII, 26. Cledon. 1886. Pomp. Com. Art. Dm. p. 65. L).
Wenn also von Gesang und Lautenklang die Namen für
die Griechische Wortbetonung hergenommen Bind, so muss
in der That ein Singen und Klingen in derselben hörbar gewesen
sein, und nimmermehr hätten die Römischen Grammatiker dir
LJebersetzungen der Griechischen Benennungen durch accentus,
voculatio, tenores auf ihre Muttersprache angewandt, wenn
nicht jene Musik der Wor1 b e t od ung auch der Lal ei ni sehen
Sprache eigen gewesen wäre.
Auf diese Musik der Wortbetonung lässt sich ein Schluss ma-
chen aus der Musik der rednerischen Betonung, die
Roms ausgezeichnete Redher mit Bewusstsein übten. Cicero sagt,
de oral. III, 61, 227: II a ec vi rietas el hie pe r om nes s,onos
vociscursus et se tuebitur et actioni altert suavita-
_ 205 —
tem. M. Cicero also sprach in allen Tonhöhen, soweit der Um-
fang einer Mannesstimme ohne Zwang und Uebertreibung reichte.
C. Gracchus liess sich mitten im Strome seiner hinreissenden Rede
von einem hinter ihm stellenden Flötenhläser mit einer Flöte, die
tovccQiov genannt wurde, die Tonhöhe angehen, in der er bedeu-
tende Stellen seiner Rede sprechen wollte (Cic. d. orat. III, 60.
Quint. I, 10. 27). Der hochbetonte Satz steht zur ganzen Rede des
Redners in demselben Verhältniss, wie das hochbetonte Wort zum
Salz, wie die hochbetonte Silbe zum Wort. Wo in der lebendigen
Sprache zwischen Wörtern, Satztheilen und Sätzen grosse Ton-
abstände hörbar waren, da müssen auch zwischen Silbe und Silbe
weite Tonabstände vernehmlich gewesen sein. Wenn der Unter-
schied zwischen Hochton und Tiefton nach Griechischer Re-
tonüng fast eine Quinte betrug {fiionys. Halic. d. comp. verb. c. 1 1 )1
so darf man schliessen, dass im Lateinischen dieser Tonabstand
nicht viel geringer gewesen sein nluss. Die Abhörung der Zeug-
nisse Griechischer und R ö m i s c h e r G r a in m a t i k e r hat also
ergeben, dass Weil und Renloew Recht hatten, wenn sie die
Ansicht aussprachen, dass die antike Betoniings weise we-
sentlich musikalisch war ( Thc'or. gen, de face. Lal. p. 15).
luden neueren Sprachen zeigt die Betonung nicht mehr
diesen weiten Tonabstand zwischen Hochton und Tiefton, nicht
mehr diese klangvolle Lebendigkeit der Betonung; das Wort ist
eintöniger geworden; im Munde des Gebildeten und Gelehrten
ist vielfach der Hochtön des Wortes zu einem blossen Nachdruck
der Stimme abgestumpft, so lange nicht eine heftigere Bewegung der
Seele das Wort lebendiger und klangvoller aus seiner Brust presst.
Wer aber auf Wegen und Stegen der \Wd& des Volkes gehorcht hat,
weiss auch, dass aus dem Volksmunde Sang und Klang der Wort-
betonung noch nicht gewichen ist, dass der Hochton in der leben-
digen Volkssprache wirklich noch ein höherer Ton der Tonleiter ge-
blieben ist*).
*; Weil und 13 enloew, Acc. Lal. p. 4, behaupten: l'intensite'
caracterise l'accent moderne, l'aeuite l'accent antique;
ein- Ausspruch, durch den der Gradunterschied in der Lebendigkeit und
Klangstärke der Betonung älterer und neuerer Sprachen zu einem schar-
fen Gegensatz auf die Spitze getrieben ist, und der eben dadurch un-
wahr wird.
— 206 —
2) Der Hochton.
a) Der scharfe Hoch ton.
Cicero sagt Orat. 18: Ipsa enim natura quasi mo-
dularetur hominum oratio nem, in omni verho po-
s u i t a c u t a m vocem/ nee u n a plus nee a p o s t r e m a
syllaba ultra tertiam. Acuta vox ist also seine Ueber-
setzung des Griechischen 6h,ela 71qoGco dicc , die auch Varro
{Serv. a. 0. % 22) und Quintilian (I, 5, 30 /.) brauchen,
Der gelehrte Nigidius Figulus, der im zwei und zwanzigsten
Buche seiner C o m m e n t a r i i G r a m m a t i c i vom Accente handelte,
nannte denselben Ton summus tonus oder superior tonus
{Gell. XIII, 26. H.). Glaucus von Samos Bezeichnung des Hoch-
tones 87tLT£T ccfisvr], der angespannte Ton (Serv. §22) ist
von der Kithara hergenommen, da die hochklingende Saite straff
gespannt ist, wie Aristophancs alle Accente rdvoi, Spannun-
gen, nannte. Bei Diomedes isl (Wv Begriff tniz^xa^iv)]
7tQoo<pdia durch intentio vocis wiedergegeben {jt. 425).
Sowohl jene Benennungen als auch die Ausdrucke der Grammatiker
sublimatur in acutum (Serv. § 8), acutus-quod acuat
sive elevet {Prise. 12MJ. P.), acutus, qui sursum per-
fertur (Cledon. 1SS0. /'.) bezeichnen als die wesentlichen Eigen-
schaften des scharren Hochtones die Hohe und die Scharte,
deshalb ist der hier gebrauchte Name scharfer Elochton ge-
rechtfertigt. Alter Servius lehrte nach dem Vorgange Griechi-
scher Grammatiker noch eine dritte Eigensthafl des scharfen
Hochtones, seine Kürze, § 25: Acuta 'exilior5 ei ebre-
vioi1' et omni modo minor est quam gravis, ul esl
facile ex musica cognoscere, cuius imago proso-
dia. Diese kurze Tondauer des schallen Hochtones wird dann
näher bestimmt, Serv. § 26: Acuta Lenujor esl quam gra-
vis et brevis adeo, ul non longius quam per unam
syllabam, quin immo eper niniiii tempus' protrahatur.
Wie der helle Ton der straff gespannten Saite nicht solange nach-
klingt als der liefe Ton der schlaff gespannten Saite, so verklingt
nach der Lehre jener Griechen der Hochton im Worte schneller
als der Tiefton und dauert mir eine Zeil weile oder Mo re. In
vielen Wörtern war das allerdings der Fall, \\<> nämlich der
— 207 —
scharfe Hochton auf k urzer Silbe stand , oder wo auf lan-
ger Silbe der Hochton zum Circumflex wurde, das heisst in
der zweiten Hälfte derselben zum Tiefton herabsank. Dass
aber der scharfe Hochton niemals für die Dauer einer langen
Silbe odor zweier Zeitweilen hätte aushalten und seine Höhe
bewahren können, dafür liegt doch weder in der Natur der
Sache noch in bestimmten A uss sagen von Grammatikern
über die Laieinisehe Betonung irgend ein Grund vor. Jene
Lehre war eine Theorie Griechischer Gelehrten, die in der
Lateinischen Sprache nur zum Theil ihre Bestätigung findet.
Die Bedeutung des Hochtones für das Wort haben Griechi-
sche wie Römische Schriftsteller erkannt. Wenn die Griechen ihn
xvQcog rovog nannten (Choerobosc. Bekk. Anecdot. p. 1109.
p. 688 u. ß.), so wussten sie, dass er das Wort beherrscht, Pomp.
Com. Art. Don. p. 67. L: Ergo illa syllaba, quae accentum
habet, plussonat, quasi ipsa habet maiorem potestatem.
Daher ist es denn gekommen, dass Römische Grammatiker, wenn
sie vom Accent sprechen, oft nur- den herrschenden Hochton
meinen, ein Sprachgebrauch, der sich bis auf unsere Tage fort-
gepflanzt hat. Diesen Haupt accent meint Diomedes, wenn er
sagt p. 425. P. : Est a c c entus, nt q u i d a m r e c t e p u t a -
runt, velut canima vocis'. Pomp. Com. A. D. 67. L.) Der
Accent ist die Seele des Wortes, das ist ein viel belobter und
viel nachgesprochener Ausspruch. Aber ist die Seele eines stoff-
lichen Gebildes die ihm inwohnende und nach wesenhafter Not-
wendigkeit gestallende Triebkraft desselben, so kann man doch
nur den Sinn des Wortes die Seele dieses Klanggebildes nennen,
die im tiefsten Grunde doch auch die Tonhöhe, wie die Tonlängen
und Tonfärbungen und alle anderen Tonerscheinungen an dem Leibe
des Wortes bestimmt, wie dies in der Lautgeschichte der Sprachen
bald mehr bald minder einleuchtend hervortritt. Ciceros Ausspruch,
de orat. 111, 57, 216: omnesque voces, u t n er vi i n f i dib u §
ita sonant, ut a motu animi quoque sunt pulsae gilt
nicht bloss von den Worten der Rede, sondern auch von den
Silben des Wortes. Aber ein Hoch ton und ein Sinn eines
Wortes verhält sich zu einander wie ein Herz und eine Seele
eines Leibes. Steht der Herzschlag still, so ist das selbständige
Seelenleben des Leibes dahin, und sein Stoff geht in andere StofT-
gebilde über; ist der Hochion des Wortes verklungen, so ist die
— 208 —
Selbständigkeit seines Sinnes verloren und sein Leib lehnt sieli hin-
fällig an andere Wortbildungen an. Der Hochton ist also nicht
<lie Seele des Wortes, wohl aber der Puls schlag seines Seelen-
lebens, nicht die bewegende Feder, wohl aber der Zeiger des Uhr-
werkes.
b) Der gebrochene Hochton.
Die Griechischen Grammatiker, deren Betonungslehre
Varro benutzte, halten an ihrer Sprache, neben dem einfachen kur-
zen scharfen Hochion einen andern Hochton wahrgenommen, den
sie öltov og , av^in Xsxrog , o^vßccQ ela , xsxAaö [itvi] ,
7t£QL67icj [levT] , 7t £ o C 6 % a 6 1 g nannten (Serr. § 24). Die
Romischen Grammatiker, Varro {Serr. § 20. 21) und Quintilian
(I, 5, 30 f.) an der Spitze, lehren Übereinstimmend, dass dieser
Hochton auch in Lateinischen Wörtern gehört wurde, und über-
setzten dCrovog und OvfiTtlexTog: duplex (Serr. § 22. 27),
o^vßaQalcc: ex acuto gravi que fieta (a. 0. § 27), ze-
xXaö^evrj: flexa (Serr. § 18. 24. {mini. I. 5, 31), ififlexa
(Diom. 425); wie aber unter den Griechischen Grammatikern die
Griechische Benennung tizqlö 7t co {ievr] die gewöhnliche gewor-
den ist, so im Lateinischen die Üebersetzung derselben circnin-
flexus {Prise, p. 1286. Cledon. p. 1880 u. ,/.).
Diese Benennungen geben den besten Aufschlags über das
Wesen dieses llochtones, dass es nämlich ein langgezoge-
ner, doppelter, zusammengesetzter Ton war, der n ich I
in gleicher Tonhöhe von Anfang bis zu Ende fortschallte,
sondern gebrochen ward, Serr. § 24; prima ereela rnr-
s ii s in gravem flectitur, dass es ein langgezogener Tön
war, dessen erste /eil weile ein Hochton war, die /weile
zum Tiefion beiabsank wie lang gezogene Tone von Sai-
ten und Blasinstrumenten mit ihrem Verhallen auch herabsin
ken. Es lag in der Natur dieses Toms, dass nur lange Sil-
ben mit diesem gebrochenen Hochton gesprochen wurden, die
entweder den Seblnss i\vs Wortes selbst bildeten, oder
doch dem Ende des Wortes so nahe als möglich standen, so
dass sie nur die Zeitdauer einer kurzen Silbe von dem-
selben Iren nie. Indem die Spra ch Werkzeuge aus der Be-
wegung und Spannung, in die sie durch die Aussprache der
Laute eines Wortes gerathen waren, am Ende oder gegen
— 209 —
Ende desselben, das dein Redenden bereits im Bewiisstsein vor-
schwebte, sich zur Ruhe zu setzen anfingen, Hess auch die
Spannung des Hoch ton es nach, die doch auch aus der
Anspannung von Sprachorganen entstanden war, und der ermat-
tende Ton sank von seiner Höhe herab wie der Klang der Saite
liefer wird, sobald ihre straffe Spannung nachlässt. Wenn aber aul
eine hochbetonte lange Wortsilbe noch eine andere lange Silbe
oder mehrere kurze Silben folgten vor dem Wortende, so er-
forderte die Aussprache dieser letzteren noch eine entschiedene
Anspannung der Sprachorgane, so dass dieselben sich noch
nicht der Ruhe zuneigen konnten ; es konnte daher auch
jene Abspannung des Hoch ton es, das Sinken desselben
zum Tieftone, auf jener ersten Silbe nicht stattfinden. So er-
klärt es sich , dass im Lateinischen wie im Griechischen der ge-
brochene zum Tiefton absinkende Hochton nicht ü her die dritte
More vom Wortende rückwärts seine Stelle finden Konnte*).
*) Gegen die übereinstimmenden Angaben der Grammatiker, vgl.
Prise. 1288, Diom. p. -125, Dori'at. p. *1742, Serg. p. 1835, Cledon. 1887,
Marlian. Cup. p. 284. Ä. behauptet P. Langen, De Grammalieorum Latino-
rum praeeeptis quae ad ueeentum speetant p. 5 /"., der Circumflex sei im La-
teinischen bloss durch die längere Dauer vom Acut unterschieden gewe-
sen. Allein die gegen die Aussagen der Grammatiker vorgebrachten
Gründe sind nicht stichhaltig. Wenn die späteren Grammati-
ker lange und kurze Silben mit eigenem Ohr nicht mehr scharf schie-
den, so beweist das nichts gegen die Glaubwürdigkeit ihrer Angaben,
die sie aus älteren Grammatikern wie Varro, Nigidius Figulus,
Verrius Flaccus, Quintilian und anderen geschöpft hatten,
noch weniger kann die Glaubwürdigkeit Varro s und Quintilian s , die
den gebrochenen Hochton auch in Lateinischen Wörtern annahmen,
angefochten werden. Dass Quintilian am wenigsten dazu neigte,
seiner Muttersprache blindlings Griechische Betonungsweisen
aufzureden, zeigt zur Genüge sein Urtheil über die Betonung der
Lateinischen Präpositionen, vgl. unten, 11, 220. Wenn grae-
cisieren.de Grammatiker schon zu Quintilian« Zeit Wörter wie Atreüs,
Themistö, Callistö mit dem Circumflex auf der letzten Silbe
sprechen wollten, nicht nach Griechischer Weise mit dem Acut {Quinl. I,
5, 24. Serv. a. 0. § 5), so bequemten sie sich zu dieser Abweichung, weil
im Römischen Munde der Hochton auf der letzten Silbe un w illkü hrl i ch
gebrochen tönte. Wenn hingegen Griechische Grammatiker q rj '% ,
öovh, accentuierten, a. 0. p. 7, so haben^auch sie sich die Betonung des
Fremdwortes m und recht gemacht und die übereinstimmende Angabe
der Grammatiker, dass einsilbige lange Wörter im Lateinischen mit
Corssen IL 14
— 210 —
c) Zusammengesetzte Hoch töne.
Da der scharfe Hochton nach der Lehre Griechischer Gram-
matiker kurz war, also nicht durch die Zeitdauer einer langen
dem g ebro chenen Hocht o n gesprochen .seien, wird dadurch nicdit wi-
derlegt. Die Aussage derselben Grammatiker, dass durch Kürze der
letzten Silbe der gebrochene Hoch ton auf der vorletzten lan-
gen Silbe bedingt werde, scheint L. der Eigentümlichkeit der Lateini-
schen Sprache zuwider zu sein, da sonst die letzte Silbe nicht den minde-
sten Einfluss habe, um den Accent zu bestimmen oder zu verändern.
Aber in zahlreichen Fällen hat doch eine kurze tieftonige Suffix- oder
Flexionssilbe, die an eine Wortfonn herantritt, die Kraft, den Hochton um
eine Stelle vorwärts zu ziehen; warum soll sie nicht den Einfluss ha-
benden Hochton in seinem letzten Theil zu sich herab zuziehen, das
heisst zu brechen? Wenn endlich Pompeius sagt (p. 00. Lindem.), der Acut
sei cursim, der Circumflex tractim gesprochen, so liegt doch in dem
tractim keine Andeutung, dass dieser lang gezogene Ton' bis zu Ende
dieselbe Tonhöhe gehabt habe, also die bestimmte Angabe, dass er vom
Hochton zum Tief ton herabgesunken sei, ungerechtfertigt wäre.
Ebenso wenig sind die von Lfc {Jahns Jahrb. TU, 4ü) gegen die von
Weil und Benloew ausgesprochene und hier bestätigte Ansicht von
den Tonstufen und der m u s i k a 1 i s e h e n N a t u r der antiken Be.
tonung erhobenen Einwände begründet. Aus dem Umstände, dass wir
Deutsche bisweilen die eigentlich hochbetonte Silbe eines Wortes im Zu-
sammenhange der Rede in tieferer Tonhöhe sprechen als eine benach-
barte für gewöhnlich tieftonige Silbe, dass zum Heispiel eine sonst
tieftonige Silbe des Schlusswortes in Fragesätzen vielfach
mit höherem Tonanschlag gesprochen wird als die hochbetonte Silbe
dieses Sehluss wortes, aus dieser aussergewöhnlichen Betonung im Zu-
sammenhang der Rede also schliessen zu wollen, dass die Tonhöhe bei
der Lateinischen Wortbetonung etwas Gleichgültiges oder Zufälliges, der
Nachdruck der Stimme die Hauptsache gewesen sei, setzt eine Ver-
wechselung der rednerischen Betonung mit dem Wort tou vor-
aus. Der Wortton betsimmt lediglich das Verhältnis« einer bedeut-
samen Hauptsilbe zu den Nebe ns üben, indem er jene vor diesen
hervorhebt. Die rednerische Betonung hingegen drückt das Vef-
hältniss des Wortes zum Satze, des Satzes zur Hede und aller
dreier zu dem Sinn des Redenden durch den Klang der Stimme aus.
Wenn der Frager die letzte oder vorletzte, sonst lieftonige Silbe
des Seh lus s wortes hell aufklingen liisst , so thut ei das, um den
fragenden Sinn seiner Hede, die Erwartung der Antwort dem
Angeredeten auszudrücken, nicht um die Bedeutsamkeit dieser Silbe ge-
gen andere desselben Wortes hervorzuheben. I>ic rednerische Be-
tonung hebt gelegentlich für den augenblicklichen Zweck und
Sinn des Redenden eine Silbe sowohl durch die Stärke als durch
Silbe ausreichte, da der absinkende, gebrocliene Hochton auf einer
langen Silbe vor langer Silbe oder mehreren Kürzen nicht gespro-
chen werden konnte, so war es natürlich, dass jene Gelehrten für
solche lange Silben einen von jenen beiden Tönen verschiedenen
dritten Hochton annahmen. Diesen nannte Glaucus von Samos
ävtavaxAa£o[i£vr] (Serv. acc. § 22), den aufwärts gebroche-
nen Hochton, und Theodorus lehrte, dass er vom Tiefton zum
scharfen Hochton aufstieg (Serv. de acc. §22). Dass ein
solcher aufsteigender Hochton im Griechischen einmal wirklich ge-
hört worden ist, erweist Boeckh (de mciris Finden /, /. j c. VIII
p, 47. c. IX p. 52) aus der Tonbezeichnung von Wörtern, deren
hochbetonter Vokal mit vorhergehendem oder folgendem tief tonigen
verschmolz. War der erste der beiden Vokale vor der Vokalver-
schmelzung hochbetont, der zweite tiefton ig wie in ££y, cpaog,
voog, Tiloog, so wurde die aus der Vokalverschmelzung hervor-
gegangene lange Silbe der Formen rjv , cpäg, voi>s, uXovg
miturgemä'ss mit dem absinkenden, gebrochenen Hochton gespro-
chen; war hingegen der erste Vokal vor der Vokal Verschmelzung
tief tonig, der zweite hochbetont wie in £«v, töraog, datg, so
die Höhe des Tonanschlages noch über die T o ns tut" e und Tonspau-
nungdes hochbeton teil Wortes hervor grade wie sie für den Aus-
druck eines besonders beabsichtigten Sinnes auch jedes Wort im Satze
und jeden Satz in der Rede, soweit die Stimme ausreicht, beliebig-
hoch und stark sprechen kann. Von solcher ausserordentlichen
und ausnah ms w eise n rednerischen B e tonung ist also auf das
gewöhnliche Ton verhält niss der Silben eines Wortes unter
sich, auf den regelmässigen Wortton, gar kein Schluss zu
machen, am wenigsten der, dass die Tonhöhe eine wesentliche
Eigenschaft des Haupttones im Worte nicht sei, während dies
doch die technischen Benennungen der Accent lehre sowie die
übereinstimmenden Aussagen von Griechen und Römern auf
das bestimmteste bekunden. Dass bei den Alten die regelmässige
hochtonige Aussprache einerSilbe im Worte und der so bedingte Wech-
sel zwischen hochtonigen und tief to nigen Silben der angegebenen
Schnellkraft und Mannigfaltigkeit der rednerischen Betonung des Satzes
Eintrag gethan, ja wohl gar sie sklavisch an sich gefesselt und sehr
eintönig gemacht haben würde' (a. 0. TU, 46), ist eine Behauptung,
die nach dem Gesagten auf sich beruhen kann , ebenso wie die daraus
sich ergebende Folgerung, dass die gleichmässige tiefton ige nur
durch einen Nachdruck der Stimme unterbrochene Betonung der Silben
eben jene Schnellkraft und Mannigfaltigkeit der rednerischen Beto-
nung gefördert haben würde.
14*
- 212 —
ward die aus der Vokalverschmelzung hervorgegangene lange Silbe
mit dem aufsteigenden llochton gesprochen v\v , iözag, dag.
Dass indess der Unterschied dieses aufsteigend gebrochenen
Hochtones von dein scharfen Hochion überaus fein gewesen sein
muss, ergiebt sich einmal daraus, dass die Grammatiker für den-
selben kein besonderes Zeichen erfanden , sondern ihn ebenso
in der Schrift bezeichneten, wie den scharfen Hochton, dann aber
auch daraus, dass bedeutende Grammatiker wie Athenodorus
und Dionysius von Alexandria aus der Schule des Arislarch
(Serv. § 19) in der Lehre von der Betonung diesen Hochton,
nicht anerkannten, dass er daher später auch in dem all-
gemein geltend gewordenen und in unsere Grammatiken über-
gegangenen Schema der Accentuation keine Stelle gefunden hat.
Bei den Römischen Grammatikern findet sich keine sichere Spin-
davon, dass sie diesen Hochion in ihrer Sprache wirklich in einem
Worte noch gebort und von den beiden anderen llochlönen unter-
schieden hatten.
Psichls desto weniger ist in der älteren Volkssprache dieser auf-
steigende llochton in Wertformen gehört worden, in denen ein
liefton ig er Vokal mit folgendem scharf betonten Vo-
kal versch liffe n wurde wie die obenangeführten mal u ist i,
t'uerunt, aibant, deineeps, u.a. Wie die Klangfärbung der
Vokale in diesen Formen in einander verschmolz, so verwuchs auch
ihre Tonhöhe mit einander; der Tiefton schmolz mit dem folgenden
llochton zu einen» aufsteigenden gebrochenen llochton zusammen.
So wurde aus.
malu-isti: maluisti,
lii -erunt: fuerunt,
du -611 u in: d nT'IIn in ,
pn-ella: puella,
ori-ündi: oriundi,
di-ütius: diutius,
de-inceps: d ei nc ep s.
Noch zusammengesetzter wurde der Ton, wenn ein tiei-
toniger Vokal mit einem folgenden Vokal versch I i l-
fen wurde, der den gebrochenen llochlon hatte, weil er in
— 213 —
der Endsilbe oder vor kurzer Endsilbe stand; dann schmolz ein
Tiefton mit einem gebrochenen Hochton zusammen zu einem zu-
sammengesetzten dreifachen Ton, der vom Tiefton zum II och -
ton aufsteigend sich wieder zum Tiefton her absenkte.
So wurde aus:
sü-äpte: suapte,
JA
p i t ü - i t a : p i t u 1 1 a ,
v\
fü-isse: fuisse,
w
e-ätis: eatis,
u
e-äsdem: e"a s d e m ,
VN
e-örum: eorum,
de-örum: d eo r u m ,
v\
cö-ire: coire.
Sobald indessen die Vokale gesondert gesprochen wurden, so
lösten sich so zusammengesetzte Hochtöne wieder in ihre Bestand-
teile auf.
Uebrigens ist der gebrochene Hochton im Lateinischen
eine Erbschaft alter Zeit. Das Sanskrit kann den vollen schar-
fen Hochton ungeschwächt durch die ganze Lautdauer eines lan-
gen Vokales hindurch aufrecht erhalten. Aber auch das Sanskrit
hat einen gebrochenen Hoch ton, svarita, d.h. tonbegabt,
von s v a r a , Ton, Ac Cent, genannt, der sich über z w ei Vokale
hinzieht, die zwar der Aussprache nach zu einer Silbe verschlif-
fen sind, aber doch beide gehört werden, und auch nicht so ent-
sehieden eine phonetische Einheit darstellen als die eigentlichen
Diphthonge (Bopp, Vergleichendes Accenisystem, S. 11 — 15), das
heisst also, wo die der Griechischen und Lateinischen Synaerese ent-
sprechende Vokalverschleifung eintritt. Diese findet im Sanskrit statt
zwischen den Halbvokalen j und v und folgendem Vokal, zum Bei-
spiel in väkjäm, Lat. vöcem, manusjäs, Nhd. Mensch, kvä,
Nhd. wo. Dieser Ton entspricht also dem aufsteigenden zu-
sammengesetzten Hoch ton in den Lateinischen Formen wie
maluisti, fuerunt, orfundi, duitius. Indessen konnte das
Sanskrit auch in solchen Fällen , wie die angeführten den scharfen
Hochton bewahren.
— 214 —
fi) Stelle des Hochtones.
cc. Regelmässige Stellung des Hoch tone s.
Das Verhältniss, in welchem Tonhöhe zu Tondauer stand, er-
hellt aus der Stellung, die der Hochton im Worte einnahm nach
dem jüngeren in der Blüthezeit der Römischen Litteratur geltenden
Betonungsgesetz, das Quintilian (I, 5, 30) und die späteren
Grammatiker (Serv. § 2 — 4. Prise, p. 1288. f. Diorn. II, 425. f.
Donat.p. 1742/". Serg. p. 1835. Cledon. p. 1887. Marl Capeli.
p. 284. K.) übereinstimmend folgendennassen lehren:
1) Einsilbige Wörter haben, wenn ihr Vokal laug ist, den
gebrochenen Hochton, so:
res, p e s , mos, fl 6 s , 1 i s , m ö n s , Ions,
lux , söl, das, fies , fis ; *)
wenn ihr Vokal kurz ist, den scharfen Hochton, so :
mel, fei, cor, ös, pars, mors, fax,
nöx, pix, nüx.
2) Zweisilbige Wörter haben bis auf einzelne ganz be-
stimmte Ausnahmen den Hochton auf der vorletzten Silbe.
Ist die letzte Silbe lang, so hat die erste den scharfen Hoch-
ton ; so :
Röinac, reges, leg es, salus, nepos, cöhors.
söllers, pröfert.
Ist die letzte Silbe, kurz so hat :
die vorletzte den scharfen Hoehton, wenn ihr Vokal kurz ist; so:
röra, arma , böne, male, d£us, eitus, d;iiu>.
ä r c u s , parte in , mortis, dahat, d (; d i t ;
die vorletzte den gebrochenen Hochton, wenn ihr Vokal lang
ist; so in:
Roma, clärus, pömum. egil. vixil, düxit.
flösse.
3) Dreisilbige und mehrsilbige Wörter haben den Hoch-
ton auf der vorletzten oder drittletzten Silbe, und /war,
wenn die vorletzte Silbe kurz ist. den scharfen Hochton auf der
drittletzten; so:
äscia, fiscina, specie, Römulo, hupet u. curia s.
mödios, pernicies, villieum, törtilem. pöstulas.
dederat, legeri nl ;
*) Nur no beim Imperativ bildet hiervon eine Aussmilime . Charts.
o. 202.
— 215 —
wenn die vorletzte Silbe durch Länge des Vokales oder durch
Häufung von Gonsonanten lang ist , hat die vorletzte Silbe auch
den Hochton, und zwar:
/ den scharfen Hochton,
wenn der Vokal der vorletzten Silbe kurz ist; so:
puella, receptus, fenestra, taberna, tegen-
l e s , o n ü s t u s ;
wenn der Vokal der vorletzten Silbe lang und die letzte Silbe
ebenfalls lang ist; so:
pudicae, Romani, legäto, praetor es, praedönes,
1 e g e r u n t , d e 1 e s t i , a u d i s s e s , cognössent;
den gebrochenen Hochton,
wenn der Vokal der vorletzten Silbe lang, die letzte Silbe kurz
ist ; so :
lectica, amice, civilis, gcnerösus, talärein.
Dass die vorletzte Silbe mit langem Vokal den scharfen
Hochton hatte, wenn die letzte auch nur durch Position lang
war, lehrte Douat p. 1835: Cir cumflexus accentus in di-
syllabis vel in trisyllabis vel in quantovis numero
syllabarum pen ultimum sibi vindicat tantum locum
et hac lege, ut, ubi fuerit hie accentus, pen ul-
tima sit naturaliter longa. Ita fit, ut huic aecentui
cTrochaeus naturaliter longus' con venire videatur.
Gariz ausdrücklich sagt das auch Martianus Capella p. 61. Gr.:
Si posterior longa erit cpositione' vel natura, prior
acuetur ut c codex, döete', und Cledonius, 1887. P. :
So lus trochaeus circumflexum accentum habet in
pen ultima. Wenn es also bei Priscian, /;. 1289, heisst :
Ultima vero si naturaliter longa fuerit, pen ultima
acuetur ut cAthenae Mycenae', so drückt er die Regel
des Donat nur unvollständig aus und vergass den anderen Fall zu
erwähnen , wenn die letzte Silbe positionslang war. Man darf also
nicht die positiven Aussagen des Donatus, Martianus und
Cledonius verwerfen, weil Priscian etwas zu sagen vergass*).
*) Das thun Weil und Benloew, p. 19. Sie wollen cäelebs, fe-
cerunt accentuieren, indem sie behaupten Priscians indirektes Zeugniss
gelte mehr als Martianus ausdrückliche Aussage. Die Stellen aus Do-
nat, Cledonius haben sie gar nicht beachtet; wäre das der Fall gewesen,
so würden sie ihre Ansicht wohl geändert haben.
— 216 —
ß. Der Hoch ton auf der Endsilbe.
(Perispomena.)
Den Hochton auf der letzten Silbe hatte im Lateinischen keine
zwei- oder mehrsilbige volle und unversehrte Wortform, so ent-
schieden und unwiderstehlich war die Neigung der Sprache , die
letzte Silbe des Wortes tieftonig zu sprechen. Nur durch Vokal -
aus fall und Vokalabfall, das heisst durch das Schwinden
der ursprünglichen S chlusssilbe des Wortes kann der ge-
brochene Hoch ton auf die letzte Silbe zu stehen kommen, wie
Priscian ausdrücklich versichert.
So geschieht dies in den Pronominalformen, an die der enkliti-
sche Pronominalstamm -ce gefügt ist, wenn das auslautende e des-
selben abfällt:
i 1 1 i c , für i 1 1 i c e ,
i 1 1 u c , i 1 1 ü c e ,
illäc , illäcc ,
istic, istice,
i s t ü c , i s t u c e ,
istäc, istace.
Prise, p. 629. 739. 943. 950. 1012. u. a.
Wie sich weiter unten ergeben wird , war die ursprüngliche
Betonung dieser enklitischen Wortbildungen illice, istace u. a.,
dann durch Brechung des Hochtones nach Kürzung des auslautenden
e illice, istace und nach Abfall desselben i 1 1 i c , i s t ä c.
Dass das anlautende i dieser Können tieftonig war, wird be-
stätigt durch die Korinen cste, es I a, f stud, cstic, fst ac, es1 n in.
und die irrationale Kürze des anlautenden i dieser Formen ille,
iste u. a., von der oben die Rede gewesen ist, tgl. IL 80/".
Dieselbe Betonung erballen .Nominal- und Verbalformen mit
enklitisch angefüglein Fragewort -ne, wenn dasselbe den Vokal e
eingebüsst hat, wie:
tantön, Serv. Verg. Aen. XI 1,50:5. bonän, audln, censen,
credon, illan, dixin, cert6n,
videön,
sehr natürlich, weil daneben ja die vidieren Formen Lantöne,
credöne u. a. in Gebrauch waren, wie neben illüc, illinc.
iMac lange Zeil die Formen illüce, i II i nee, i 1 1 & ce hergingen
*) Landen, a. 0. p. 32/*. bestreitet Betonungen wi<> illte, istöc,
tantön, censen uns dem Grunde, weil diese Formen bei den Sceni-
— 217 —
Ebenso tritt die hochbetonte vorletzte Silbe an das Wortende
nach Abfall der Imperativendung e in:
produc, Prise, p. 629. P. für produce,
und den anderen gekürzten Imperativformen der Composita von
du co, eine Angabe, die dadurch glaublich wird, dass noch bei
T eren z sich beide Formen neben einander finden, dedüce, Eun.
III, 3, 32, traduce, Heaut. IV, 4, 22. Ad. V, 7, 12 neben redd üc,
Hec. IV, 4, 32. 76, ohne Zweifel also der Hochton in der abge-
kürzten Form noch auf seiner Stelle stand.
Das die Abkunft von einem Orte bezeichnende Suffix -ati war
in der älteren Sprache auch vor dein auslautenden s des Nominativs
noch erhalten, wahrend später -ätis im Nominativ zu -äs ein-
schrumpfte. Priscian versichert wiederholt, dass der gebrochene
Hochton auf dem ä blieb, nachdem dasselbe durch Schwinden der
ursprünglichen Endsilbe in den Wortschluss gerückt war. Dies
wird bezeugt von den Formen :
nosträs, Arpinas, Larinäs,
vesträs, Antias, Ravennas,
cuiäs, Capenäs, Pontiäs,
prima s, Crotoniäs, Suffenas,
Prise, p. 629. 649. 739. 846. 943. 1014. 1227. 1293. 1298.
und für alle ähnlich gebildeten. Die ältere Nominativform -ätis,
die zu E nni u s , N a e v i u s , C a t o s Zeit die gebräuchliche war, hielt
sich auch noch bis T i t i n i u s und C a s s i u s H e m i n a , Prise,
p. 762. 943; Formen wie cuiäs und cuiätis gingen neben ein-
ander her, Prise, p. 629, natürlich, dass die kürzere Form längere
Zeit die alte Betonung wahrte. Dass Priscian so betonte und
betonen hörte, lehrt sein Ausdruck p. 1280: dieimus enim ehic
et hacc Arpinas'. Wenn hingegen Sergius, p. 1835. P.,
Maccenas betonen will, so ist diese Betonung in der späteren Zeit
sehr glaublich bei einem aus Etrurien stammenden Personennamen.
sehen Dichtern häufiger die Vershebung auf der vorletzten Silbe trügen.
Dieser Grund hat nur für den Beweiskraft, der an eine gesuchte lieber-
einstimmung zwischen Vershebung und Hochton bei jenen Dichtern
glaubt, die im weiteren Verlauf dieser Untersuchungen unbedingt in
Abrede gestellt werden wird. Von jener unhaltbaren Voraussetzung
ausgehend gelangt L., a. 0. p. 34 — 36, zu der Behauptung, in der Zeit
der späteren Römischen Grammatiker habe sich der Hochton in Formen
wie istüc, prodüc, tantön auf die letzte Wortsilbe vorgeschoben.
Was von dieser Annahme zu halten , wird sich sogleich unten ergeben.
— 218 -
Ebenso wird in einigen Perfekten auf -vi nach Ausfall dieser
ganzen Silbe in der oben besprochenen Weise eine mit dem gebro-
chenen Hochton gesprochene Silbe an das Wortende gedrängt und
behält dann diesen Ton. So führt Priscian an:
fumät, für fumävit,
audit, audivit,
cupit, für cupivit,
m u n i t , m u n i v i t ,
Prise, p. 943. 629. 1280.
Formen, die indessen doch wenig gebräuchlich gewesen sind*).
Dass diese ganze Lehre nicht eine Theorie desPriscian ist,
bezeugen seine Worte, die er nach Erwähnung dieser Betonung
hinzufügt, p. 629 P: idque omnibus placet artium
scriptoribus , (jui de accentu scripserunt. Auch alle
älteren Grammatiker, die Priscian für die Accentlehre benutzte, wie
Varro, Censorinus und Donatus u. a. müssen dieselbe Beto-
nung gehört und gelehrt haben.
Abei1 es ist wohl festzuhalten, dass in einfachen Wortformen
nur ein g c b r o c h e nerHochton so unverändert auf seiner Stelle
bleibt, wenn dieselbe durch Schwinden der ursprünglichen Schluss-
silbe an das Wortende verschoben wird, der scharfe Hochton,
hingegen nur in einzelnen enklitischen Wortverbindungen, von
denen unten die Bede sein wird. Das hal seinen guten Grund. Der
gebrochene Hochton senkt sich, wie gezeigt ist, gegen Ende zum
Tiefton ab , also war auch in allen Lateinischen Perispomenen der
Auslaut des Wortes nicht hochtonig.
Dass nun aber die Aussprache der Wortformen wie pro-
duc, Antias im Volksmunde mit der Zeil dahin neigen konnte,
den Hoch ton, nachdem die volleren Formen verschollen und der
Abfall der letzten Silbe aus dem lebendigen Sprachbewusstsein ge-
schwunden war, auf die vorletzte Silbe zurückzuziehen, isl dem
Entwickelungsgange der Sprache gemäss, die seit unvordenklichen
Zeilen von dem Hange die Endsilben tieftonig zu sprechen
beherrscht, eben diese vernachlässigten Endsilben im Laufe ihrer
*) Servius SU Jen. III, 3 tadelt den I'rohus nicht, weil er /usani-
mengezogene Perfekte wie fumät als Perispomena betonen will, wie
Langen % "■ O p. 34, anzunehmen Bcheint, sondern weil er fnmat an
jener Stelle für ein Perfektum. nielit für einen Präsens halt. Die Stelle
beweist also nichts gegen Priscian 8 und aller anderen Grammatiker
Lehrt".
— 219
Lebensdauer immer entschiedener und unaufhaltsamer ver-
kümmern und abstumpfen Hess. Ein Vorschieben des Hoch-
tones auf die Endsilbe in später Zeit ist mit diesem Entwicklungs-
gänge unvereinbar.
Schon zu Quintilians Zeiten taucht nun aber unter den Rö-
mischen Grammatikern die Lehre auf, dass die Lateinische
Sprache wie die Griechische gewisse Oxytona und Perispo-
mena kenne, deren Hochton nicht erst durch Abschleifung
einer Endsilbe in den Schluss des Wortes gerückt sei. Und zwar
soll es erstens gewisse Präpositionen oder Adverbien , Con-
junetionen und Pronomina gegeben haben , die, um sie von
gleichlautenden Wörtern anderer Bedeutung zu unter-
scheiden, mit dem Hochton auf der Schlusssilbe gesprochen seien.
Solche Betonung zur Unterscheidung wird im allgemeinen gelehrl,
Prise, p. 1288: Apud Latinos in ultima syllaba nisi dis-
cretionis causa poni non potest accentus. Vgl. Donat.
p. 1741. Diom. p. 428. So werden insbesondere unterschieden :
p o n e, Diom. p. 428. Prise. p. 994. 1 288. von p 6 n e (Imperat.)
Max. Vict. p. 1943. Langen, a. 0.
p.U.f.
sin 6", Prise, p. 994.
ergo, Diom. p. 428. Prise, p. 1288.
Langen, a. 0.
cireüm , Prise, p. 977. Quint. I, 5, 25.
Alcuin. p. 2136.
falsö (Adv.), Prise, p. 1300.
u n a (Adv.) , a. 0.
alias (Adv.) , Pris. p. 101 4 .
verum (Conj.) , Prise, p. 994.
Quantum (Pron. relat.), Quint. 1, 5, 25.
sine [Imperat.)
ergo (Conjunct.)
c i r c u m (Subst.)
w-
fälso (Adj.)
üna (Adj.) *
alias (Adj.)
verum (Adj.)
quäntum (Pron.
terrog.)
quäle, (Pron. relat.) a. 0. quäle (Pron. interrog.)
Zweitens lehren auch Römische Grammatiker, dass zwei-
silbige Präpositionen eigentlich den Hoch ton auf der letz -
ten Silbe hätten wie die Griechischen; wie diese aber den Acutus
in den Gravis verwandelten, wenn sie vor dem Nomen stehen,
das von ihnen abhängt. Prise, p. 977: Accentum haben t
praepositiones c acutum in fine' tarn apud Graecos
quam apud Latinos, q u i tarnen c c u m a 1 i i s I e g e n d o
- 220 -
in gravem conver titur' , nisi praepostere proferan-
tur. Qu od Aeoles quoque, quam vis fugiant in fine
acutum, in h a c parte s o 1 e n t scrvare, quos in p 1 e r i s -
que secuti in hoc quoque sequimur. Vgl. Diom. p. 428.
Prise, p. 1300. Diese Betonungsweise wird nun insbesondere an-
gegeben für:
p o n e , aa. 00. a p u d , Prise, p. 1 300.
sine, aa. 00. ante, Charis.p. 207. 209.
c ireüm, aa. 00. i n t e r , Charts, p. 207.
penes, a. 0. p. 207. 209.
Q u i n t il i a n unterwirft diese Lebren einer bemerkenswerthen
Kritik. Er sagt, I, 5, 25: Ceteruin iam scio quos dam
e r u d i t o s , n o n n u 1 1 o s e t i a m g r a m m a t i c o s sie d o c e r e
a c 1 o q u i , u t p r o p t e r vocum q u a e d a m d i s c r i m i n a
verbum Interim acuto sono finiant. Er führt dann die
Betonung quantüm, quäle, cireüm als Beispiele an und sagt,
dass diese Lehre sich auf Adverbien und Pronomina be-
schränke. Dann heisst es weiter: Mihi videtur condicionem
mutarc, quod bis locis verba coniungimus. Na in
cum dico ccircum litora' lamquam iiniim enuntio
dissimulata disti actione : itaque t am quam in una
voce una est a c u t a , quod i d e m a c c i d i t in i 1 1 o :
fTroiae qui priiaus ab oris'. Nach einer Zwischen-
bemerkung heisst es weiter: ?Separata vero haec a prae-
cepto nonrecedent; aut si eonsuetudo viecrit, ve-
tus lex serinonis abolebitur'. Aus dieser Kritik jener
Lehren bei Quinlilian ergiebl sich also, dass nur einige Gramma-
tiker und Griechisch Gebildete jene Betonung der Endsilbe
nach Griechischem Muster zur Unterscheidung an-
wandten; dass zu Quintilians Zeiten der Sprachgebrauch und
die Ansicht anderer (Je lehrten wie Quintilians selbst gegen
jene Theorien war; dass Qu i n tili aa djese Theorien verwarf, weil
sie dem althergebrachten Beton ungsgesetz der Lateini-
schen Sprache widerstrebte, nach welchem bis auf einzelne
besondere Fälle die Endsilben tieftonig waren und eine grosse
Anzahl von Wörtern im Zusammenhang i\cv Rede den Hochton ein-
büssten und sich enklitisch an den Hochion des benachbarten
Wortes anschlössen. Marliaaus Capeila folg! dieser richtigen
Ansicht, wenn er sagt, />. 286. K: 'Ante urbem\ Hie ante
— m —
perdidit acutum sonum prior is syllabae. In dem Ab-
schnitt über Tonanschluss an das folgende Wort wird hiervon wei-
ter die Rede sein. Die Sprachgeschichte liefert weitere Beweise
dafür, dass Quintilian Recht hatte.
Die ganze Ansicht, dass der Accent dazu da sei um gleich-
lautende W ö r t e r von verschiedener Bedeutung zu un-
terscheiden, die N ig i d i u s F i g u 1 u s zuerst , so weit wir na ch-
kommen können, unter den Römischen Grammalikern aufstellte,
ist weder im Wesen des Accentes noch in (\en Thatsachen
der Sprache begründet. Die Wortbetonung dient dem Zweck,
die Einheit des W o r t k ö rp e r s darzuthun und zugleich die Be-
deutsamkeit der verschiedenen Glieder dieses Körpers zu
bezeichnen, aber nicht die Bedeutung dieses Wortkörpers anderen
gegenüber auszuprägen. Die Worlformen proba, multa, caede,
fide, species, partis, par ti sind sowohl V erbalformen als
Nominal form en, und doch wird kein Unterschied der Beto-
nung für die beiden verschiedenen Bedeutungen überliefert ; die
Wortformen intro, supera, conti nuo, können Adverbien
und Verbalformen sein, und wir kennen keinen Unterschied in
der Betonung zwischen beiden; die Formen bona, viro, fide,
specie, cornu, sortibus, portibus bezeichnen verschie-
dene Casus, ohne durch die Betonung verschieden zu sein; die
Verbalformen a u d i a in , d i x e r i s , 1 e g a v er i n t haben verschie-
dene Bedeutung, und doch ist von keinem Unterschied der Be-
tonung die Rede. Die verwandten Sprachen haben ebenso
zahlreiche Wortformen, die bei gleichem Laut verschiedene Bedeu-
tung haben; es kann aus anderen Gründen kommen, dass sie ver-
schieden betont sind, aber auf eine absichtlich erstrebte
Unterscheidung der Bedeutungen durch die Betonung kommt
es nicht an.
Es ist schon oben nachgewiesen, dass die Adverbien und Prä-
positionen p o n e , ante, a p u d A b 1 a t i v e von Nomen sind ; dass
ergo, falso, una ebenso Ablative sind, kann wohl niemand zu be-
zweifeln einfallen; so wenig es jemand entgehen kann, dass cir-
cum, verum A ecusative sind. Wie sollte wohl hier die Be-
tonung dazu kommen die verschiedene Bedeutung dersel-
ben Casus zu unterscheiden, während sie zum Beispiel keine
Auskunft giebt, welche von den sechs Casus die Wortform
cornu ist?
— 222 —
Endlich wid erspricht die Form der Lateinis ch en Prä-
positionen oder Ortsadverbien der Ansicht , dass sie jemals
den Hoch ton auf der letzten Silbe gehabt hätten, weil gerade
diese letzte Silbe durch Abfall des Vokales vielfach verstümmelt
ist im Gegensatz zu den Formen derselben in verwandten Sprachen.
So stehen, wie schon erwähnt, in, ab, sub neben Griechisch evt',
£716,1)716, ad neben Sanskr. ati, ob neben Sanskr. upa (N. Jahrb.
LXVIII, 481), per neben Oskiscb per um und Osk. Umbr. pert
{Kirchh. Skidtr. v. Banlia , S. 22. Zeitschr. für vergl. Sprach/'.
V, 106), Skr. parain (ultra, Potl, Et. Forsch. I, 96); pos, post
ist, wie oben gezeigt, aus poste für postid abgestumpft; in ex,
uls, eis, Irans ist der liest einer Adverbialendung -is, die wie
das -is von magis, nimis, salis, potis, ultis aus der Compa-
rafivendung -ius entstanden isl (Zeitschr. furvergl. Sprach f. III,
292). In super neben Sanskr. irpari und inter isl ein auslau-
tender Vokal dir Wortstämme supero-, i utero- abgefallen.
Alle diese Ortsadverbien können also nie hl auf derselben letzten
Silbe den Ho cht o n gehabt haben, die sie abwerfen, während die
erste, tieftonige unversehrt geblieben wäre.
Die Quelle des Irrthums für die Grammatiker war die Griechi-
sche Betonung von jidgcc neben rrrcptf, im neben l%l* svl
nehen ivl, nolog, xoCog neben xoioSi noGogu.a ; sie
ahmten ihren Griechischen Lehrmeistern gegen die Betonungsweise
ihrer Muttersprache nach, indem sie ergo und ergo, pone und
pone, quäle, qua nl um und qua 16, q nanl um schieden. Das« es
sich hier nur um eine Theorie von Grammatikern handelte, dass
jene Wörter nicht wirklich mit dem llochlon auf der letzten Silbe
gesprochen wurden, sagt Poiupnniiis ganz klar, p. 7(> L: Item
quando dicemu s e rgd, non d i ce raus, quia sie d eh et dic>,
sed ut sil discretio propter ergo, coniunetiouem
suam.
Benloew und Weil (p. 55) folgen /war Ouiulilians Meinung,
dass Präpositionen und Adverbien nicht den Hochton auf der letzten
Silbe gehabt haben, meinen aber, zweisilbige Präpositionen halten im
Zusammenhang der Rede einen Mittelton auf der letzten Silbe gehabt.
In dem Abschnitte über den Tiefton wird sich ergeben, wie diese Ge-
lehrten über die Stelle des Tieftones und des Mitteltones im Latein i
sehen Worte sieh im Irrlhum befinden, ans dein auch ihre unrich-
tige Ansicht über die Betonung der Präpositionen geflossen ist.
— 223 —
y. Der Hoch ton auf der vorletzten kurzen Silbe.
(Paroxy tona.)
Priscian lehrt, p. 739. P.: Si enim non abscissio, de-
buerunt huiusmodi vocativi (id est qui in i desi-
nentes paenultimam correptam haben t) an ti paenul-
timam a euere, ut 'Vergili, Mercuri', q.uod mini ine
licet, nam 'paenultimam a c u i m u s '. in abscissionibus
enim, s i e a v o c a 1 i s , in qua est accentus, i n t e g r a
man et, servat etiam aecentum integrum ut audivit;
audit, nostralis: nostras, illice: illlc. Vgl. a. 0. 1280.
Im Gegensatz zu Priscians Angabe stellte Nigidius Figulus
die Behauptung auf, man müsse jene Vocative Vergili, Mercuri
aecentuiren zum Unterschiede von den Genetiven Vergili,
Mercuri, Gell. XIII, 26. H: Deinde - voculatio qui pote-
rit servare, si non sciemus in nominibus ut Valeri,
utrum in terrogandi sint an vocandi; nam interro •
gandi seeunda syllaba superiore tono est, (|uam
prima, deinde novissima deicitur; at in casu vo-
candi s u m m o tono est prima, deinde g r a d a t i m d e -
scendunt. Sic quidem Nigidius dici praeeepit. Sed
s i q u i s nunc V a I e r i u m a p p e 1 1 a n s in casu vocandi
seeundum id praeeeptum Nigidii acuerit primam,
non aberit, quin rideätur. Vergleicht man die beiden sieb
widersprechenden Lehren, so erhellt zunächst aus Priscian 6
Ausdruck paenultimam aeuimus und aus dem nunc in Gel-
lius Beiutheilung der Lehre des Nigidius, dass beide Grammati-
ker zu ihrer Zeit die in Rede stehenden Vocative Vergili, Mer-
curi betonten und betonen hörten. Es ergiebl sich ferner aus
Gellius Ausdruck: sie quidem Nigidius praeeepit, dass
nach seiner Kenntniss Nigidius allein es war, der die Betonung
Vergili, Mercuri empfahl. Der Schluss, dass auch die anderen
älteren Grammatiker, etwa die Zeitgenossen des Nigidius und
insbesondere Varro derselben Meinung waren, ist durchaus nicht
gerechtfertigt, da Gellius unmittelbar hinter der angeführten Stelle
ja grade Besonderheiten aus der Accentlehre und Casuslehre
des Nigidius anführt, die von den Lehren der anderen Grammati-
ker abwichen, wie wenn erden Accent voculatio, den Hochton
summ us tonus, den Genetiv casus in terrogandi nennt.
So absonderlich erscheint dem Gellius die Lehre des Nigidius, dass
— 224 -
er meint, jeder seiner Zeitgenossen, der nach ihr jene Vocative be-
Ionen wollte, müsse unfehlbar ausgelacht werden. Der Zweck, den
jener Grammatiker durch seine Vorschrift erreichen wolllte ist, wie
er seihst sagt, die Unterscheid ung gleichlautender Casus-
formen; aber dass der Accent diesem Zweck im Lateinischen
nicht dient, ist schon oben erwähnt. Die Zurückziehung des Hoch-
tones in den Griechischen Vocativen "A it o X X o v , üoösidov,
TtdrsQ war eine nahe liegende Analogie um für die besprochenen
Lateinischen Vocative eben dasselbe anzunehmen. Also war die
Betonung des Vocativs Vergili eine absonderliche Theorie
desNigidius, und der Schluss ist gerechtfertigt , dass andere
ältere Grammatiker dieser nicht beipflichteten, und dass das
Volk wie zu Gellius und Priscians Zeiten so auch frü-
her Vergili sprach, seitdem überhaupt diese abgekürzte Forin
für Vergilie gebräuchlich wurde. Dieser Schluss wird nun aber
auch durch sprachliche Gründe gerechtfertigt. Es giebt ausser
in dem von Nigidius angenommenen Falle kein Beispiel, dass
der Hoch ton von der drittletzten Silbe auf die kurze vor-
letzte vorgeschoben wäre, weder in der älteren noch in der
späteren Lateinischen Sprache; denn dass solche Vorschiebung
nicht ohne das Zeugnis« eines Grammatikers bloss aus dem Fall
der Vershebung auf die vorletzte Silbe bei den Römischen Dichtern
geschlossen werden kann, wird sich weiter unten ergehen. Also
kann man es nicht glaublich linden, dass die Römer in allerer Zeil
Vergili, später Vergili gesprochen haben sollten*). Wenn hin-
gegen in Formen wie illic, nostras, inunit u. a. (Wv Hoch-
ton auf seiner Silbe stehen blieb, obgleich dieselbe durch den Ab-
fall eines Vokales an das Wortende gedrängt war, so war es folge-
*) Gegen Langen, a. 0. p. 20, stimmt das Ergebnisa dieser Unter-
suchung überein mit der Ansicht von Ritter , elem. gramm. Lat. p. 58.
M. Ilerlz, de Nigid. Fig. .stud. p. 13. Benloew u. Jt'ci/, a. O. p. 61. Dass
aber diese letzteren irren, wenn sie ursprüngliche Paroxytona in der
Lateinischen Sprache wie panxiluni, axila, maxila, paxila an-
nehmen, deren 1 dann durch den Hochtoii verdoppelt sein sollte, er-
giebt sich aus dem, was in dem Abschnitt über die Yokalansstossnng
von den Bildungen der Diminntiva auf -ello und -illo gesagt worden
ist. Fgt. II, 14. Formen wie man (plus für manipulus sind nicht
eigentliche Paroxytona geworden, da sie in der vorletzten Silbe ein ir-
rationales u behielten, das bald geschrieben wurde hall nicht. Vgl. II,
5 — 9. 71 f.
- 225 —
richtig, wenn die Sprache auch in Valeri, Vergili, Mercüri u.
a. den Hochion auf der Silbe stehen Hess, 'die durch Abfall
des auslautenden e j ener Vo cati vformen zur vorletzte n
vorgerückt ist. Es ist dies um so glaublicher, als nicht bloss
L i v i u s A n d r o n i c u s , sondern auch noch in C i c e r o s Zeitalter
der Dichter Laevius eine vollere Vocativform Laertie gebrauchte,
Prise, p. 739 ; der Abfall dieses auslautenden e in der Sprache zu
dieser Zeit also noch nicht überall durchgedrungen war. Dass aber
noch in dieser Zeit Laertie mit dem Ilochton auf der viertletzten
Silbe und daher nach Abschleifung des e Laerti, Vergili gespro-
chen sei, wird niemand zu behaupten wagen.
d\ Stelle des Hochtones in Fremdwörtern.
Um die B e to n u n g fr e in d e r, insbesondere Griechischer
Wörter, die in die Lateinische Sprache übertragen sind, beurthei-
len zu können, muss man einen Blick werfen auf die lautliche
Umbildung derselben im Lateinischen überhaupt. Wie Pflanze,
Thier und Mensch auf fremden Boden unter einen anderen Himmels-
strich versetzt sich erst aeclimatisieren muss, um dort dauern *zu
können, so muss das Wort, das aus seiner Heimathsprache in eine
fremde Sprache eingewandert ist, sich dem Lautgesetz und dem
Betonungsgesetz derselben anbequemen. Je länger und
häufiger es nun hier im Munde des Volkes umläuft, desto vollständi-
ger wird es in seiner Bildung den einbeimischen Wörtern ähnlich,
so dass es endlich auf dem fremden Sprachboden feste Wurzeln
schlägt und das Bürgerrecht erlangt, ja dass das Bewusstsein von
seinem Ursprung ganz aus der Sprache schwindet. Je mehr also
ein in die Lateinische Sprache aufgenommenes Fremdwort sich dem
Lautgesetz derselben gemäss ir/oditlciert hat, in desto frühere Zeil
reicht seine Aufnahme in dieselbe hinauf.
Es lassen sich mit einiger Bestimmtheit vier Epochen der
Aufnahme Griechischer Wörter in die Lateinische Sprache und ihrer
Einbürgerung und Acclimatisierung auf Italischen Boden unter-
scheiden, natürlich abgesehen von dem ursprünglichen Graeco-Itali-
schen Bestand beider Sprachen. Die beiden ersten derselben
sind bedingt durch die ältesten Verkehr s Verhältnisse zwi-
schen Griechen und Römern, und zwar lässt sich als die frühste
das Zeilalter der Tarquinier bezeichnen. Mit Sicherheit kann
man bis in diese Zeit einen Handelsverkehr Borns mit Cumanern,
CORSSEN IL 15
— 226 —
Sikelioten , Phokaeern und anderen Griechischen Städten und
Stämmen verfolgen. Man muss daher schliessen, dass die latini-
nisierten Namen Griechischer Volker, Länder und Städte,
wie S i c n l i , S i c i 1 i a , Tarentum, A g r i g e n t u m , S i p o n t u m ,
Soluntum, Hydruntum, Ancona, Cortona, Gorcyra,
Achivos, Argivos u. a. schon lange vorher im Romischen Munde
diese Umwandlung erfahren hatten, ehe Griechische Litteratur zu
Rom bekannt wurde. Der kurz nach Vertreibung der Könige zwi-
schen Rom und Carthago abgeschlossene Handelsvertrag beweist,
dass schon damals die Namen Carthago, P o i n u s , P o i n i c i u s ,
Poinicus zu Rom gesprochen wurden. Aus eben jenem Handels-
verkehr wird es einleuchtend, dass die Griechischen Benennungen
für Geld und Münze frühzeitig den Römern geläufig wurden, und
daher v dito s, xalavxov, ÖQayjiri, p«, oßskog schon da-
mals in die Lateinischen Formen n u m m u s , t a l e n t u m , d r a c h u -
ma, inina, (obolos) obul us umgeprägt wurden. Im Zeitalter der
Tarquinier gelangen Sammlungen von Griechischen Sibyllensprüchen
nach Rom und in Folge dessen findet die Verehrung Griechischer
Gottheiten Eingang. Der Dienst des Herakles erscheint auf dem
Boden Roms heimisch, so weil die sagenhafte Kunde von den An-
fängen der Stadt hinaufreicht; die Einführung der Verehrung des
Gastor und Polydeukes in Rom knüpft sich an die grosse
Tarquinierschlacht am See Regillus. Daher sind denn im Laufe der
Jahrhunderte die Namen 'llgccxlfj^ und IIoXvdEVXTjg im
Munde des Römischen Volkes arg verbildet und verstümmelt, wie
die schon besprochenen Formen II ercoles, Hercules, hercle,
mehercle, Poloces, Polluces, Pollux, pol, edepol zei-
gen. Da ferner schon die Tarquinier wie die Griechischen Tyran-
nen mit Delphi in Verkehr stehen, so müssen auch die latinisierten
Namen Apollo, Latona frühzeitig zu Rom gebräuchlich gewesen
sein. In dem alten Gesang der lralres Arvales lindel sich bereits
das Griechische fryiauße zu triumpe umgestaltet, ein Beweis,
dass t ein mp iis eine sehr alle Benennung des Siegeszuges l>ei den
Römern war, wie denn die Sitte des Triumphicrcus Ins in die
Königszeil hinaufreicht. Hiernach ist der Schiuss berechtigt, dass
der Verkehr zwischen Römern und Griechen im Zeilaller der Tar-
quinier auch die Aufnahme anderer Griechischer Namen und Gat-
tungswörter und deren Einbürgerung in die Lateinische Sprache
veranlasste, lange vorher, ehe w ir denselben in der ältesten Römischen
Litteratur begegnen.
- 22? —
Eine zweite Epoche für die Aufnahme Griechischer Wörter
in die Lateinische Sprache beginnt, als durch das Zusammentreffen
der Römer mit Tarent und Pyrrhus, dann durch den Kampf
mit Carthagern und Sikelioten Griechische und Römische
Sprache wieder in unmittelbaren und lebendigen Verkehr traten,
als dann durch Livius, Naevius und Ennius zuerst epische
und tragische Dichtungen der Griechen in Lateinischer Sprache
nachgebildet wurden und insbesondere die Comoedia palliata
eine Menge von Griechischen Benennungen für Gegenstände oder
Begriffe des reichen vielgestaltigen und überfeinerten Griechischen
Lebens, wie es sich in der neueren Komödie darstellte, auf die
Bühne brachte und somit von vorn herein in die Römische Lillera-
tur einführte. In diesem wie in dem ganzen früheren Zeitalter
der unmittelbaren und naiven Aufnahme Griechischer Wörter
in die Lateinische Sprache und auch noch späterhin wurden die-
selben durch mannigfache Umbildungen dein Römischen
Munde und Sprachbewusslsein angepasst. So gestalteten sich
Lateinischen Lautgesetzen gemäss, die oben besprochen sind,
Griechische Namen und Wörter wie Palricoles, Aesculapius,
e p i s t u 1 a , d r a c h u in a , A 1 c um e n a, AI c u m a e o , Tecumessa,
Hecoba, Uecuba, sueophanta, trugonus, muropola,
Eurudi ca, Lusi teles, Olumpichus, Surus, Hiluricus,
A c b er ü n s , Olimpia, b a 1 i n eu m , m i n a , I) u c i n a , m a c h i n a ,
patina, runcina, trutina, techina, humin üs, Gucinus,
Procina, guminasium, camera, phalera, tessera, si-
serum, carcer, taten tum, Aiax, LI ix es, Rurrus, Bru-
gus, Rrugio, so na, sonarius, samia, Seuxis, Sethos.
m a s s a , t r a p e s s i t a , b a d i s s a r e , cyathissare, m a 1 a c i s -
sarc, moechissare, purpurissare, rhcl orissare, Ache-
runsia, thensaurus, Glyt eines tra, Alexanter, Gassan-
tra u. a. (Fluni, lexic. Fleckeis. Episi. Cril. p. 8. 12. Com.
Trag. Ribb. meld. Enn. Vahl. incl. Cic. Oral. 48. Quint. I, 4, 15. 16.
Vgl. oben 1, 274. 285.)*)
. Auch in der Declinalion wurden die in jener älteren
*) Die angeblichen Formen Catamitum für Ganymedem,
Fest p. 44 , Meto für Nilo, a. 0. 124, Alumento für Laomedon,
a. 0. 18 , sind vom Standpunkt Lateinischer Lautlehre völlig unbe-
greiflich. Wahrscheinlich sind alle drei sehr alte Schreibfehler für Ca-
numetem, Nelo, Laumet o.
15*
— 228 —
Sprachperiode aufgenommenen Griechischen Wörter der Lateini-
schen Wortbiegung gemäss umgestaltet. Den Lateinischen Laut-
gesetzen gemäss fällt die ganze INominativendung -o-s von O-Stäm-
men nach r ah in Wortern wie preshyter, podager, gong er»
cancer, carcer, Alexander, Antipater, Evander, Me-
n and er, Sc am ander u. a. Wie die Lateinischen Wortstämme,
die mit dem Suffix -on gebildet sind, im Nominativ d;is auslautende n
abwerfen, so geschieht dasselbe mit den aus dem Griechischen ülier-
kommenen Wortern auf -av; so lauten hei den Scenischen
Dichtern die Nominative der Namen Amphitruo, Apollo,
Crito, Chiro, Dromo, Gnatho, Lyco, Palaestrio, P ar-
men o, Philto, Sceparnio, Simo, Thraso u. a. , und ihnen
entsprechen die Nominative Laco, Hippo, arrha ho, myro-
paro, seipio, sipho, spado, straho, struthio. Jenen
Nominativformen gieht noch Cicero den Vorzug, während Nepos
und die Dichter seit der Augusteischen Zeit die Formen auf -on
brauchen. Ebenso Luissen das n im Nominativ ein Griechische
Stämme auf -ov wie Ägamemno, Amphio, Ario, Macedo,
Strymo; dasselbe gilt von sedchen auf -wir, so dass die Sceni-
schen Dichter die Nominative An tip ho, Callipho, Clitipho,
Gtesipho, Demiphbu. a. brauchen und diese Namen wi<> La-
teinische Stämme auf -on flectieren. Auch die mit dem Suffix
-ort gebildeten, die frühzeitig ins Lateinische «bertragen sind, folgen
zum Theil dieser Flexion wie leo, draco {vgl. Plaut. Terent. lexic.
Com. Trag. Ribb. Quint. I. 5, 60. Schneider, tat. Cr. EI, 275—280).
Nach dem Muster von praetörem, quaestörem u. a. ver-
längerte die alle Sprache das o der Griechischen Namensformen in
II e et »rem, Nestörem, Ca stör em (Varro. L.L. X, 70. M. Quint.
I, 5, 59), Accusative, die mit der Lateinischen Endung -em gebildet
sind, wie dies bei den älteren Scenischen Dichtern überhaupt die
regelmässige Tonn von Griechischen .Namen mit consonahtischen
Stämmen war. Sie bilden lampadem {Plaut. Cos. IV, !. 16. Prise.
VII, 53), Amphilruonem, Sievonem, Ca lydo n em, Chalci-
ilfin {Plaut.), Acherontem, Crespiiontem (Enn.), Iphida-
mantem, Ulixem, Salaminem {Att. Trag. Ribb. lud. Enn.
Vahl. ind.) und noch Cicero giebt diesen Formen den Vorzug,
wählend daneben auch die auf -a vorkommen, die dann bei den
Dichtern seil der Augusteischen Zeil bei Weilein überwiegen {vgl.
Schneid, /jf/. Cr. II, 291).
#
— 229 —
Die Griechischen auf -co auslautenden Feminina und ihre
Flexion änderte die Altlateinische Sprache, als sie dieselben aufnah-
men; so flectierten die älteren Dichter nach dem Muster von Iu n ei-
ne m: Calypsonem {Liv. Pacuv.) , 1 o n i (Plaut.) , D i d o n e (Enn .
Prise. VI, 18 II) und nach ihnen auch Cäsar und spätere Schrifsteller.
Die Griechischen Wörter auf -evg declinierte die ältere La-
teinische Sprache mit Ausnahme des Vokativs wie Lateinische
0 - Stämme ; so Cissei {Enn. Pacuv.), Terei, Oeneum,
Atreum (AU. trag. Ribb. Ind.) und diese Flexionsweise ist in der
Prosa immer die üblichere geblieben [Cic. Ep. Att. VII, 3: sie
e n i m omnes n o s t r i 1 o c u t i sunt).
Ebenso werden die Griechischen Neutra auf -og wie Latei-
nische O-Stämme flectiert; so melum (Acc. Sing.), mz\os(Acc.
Plur.Att. Pacuv. Cato, Non.p. 144. £.), Argis (Plaut. Amph. Prot.
98),Ev eb o (Enn. trag. v. 183. F.), und dieselbe Declinationsweise be-
halten auch noch Dichter der Augusteischen Zeit bei (Prise. \\, 88. H.).
Aus der älteren Sprache rührt es her, wenn vom Stamme tcoö -
in den Compositen OidiTtovg, itolvitovg das d ganz vergessen
wurde und diese Wörter wie Lateinische O-Stämme flectiert wurden,
wie im Ablativ Oedipo (Plaut. Poen. Prise. VI, 88. H.).
So werfen die Scenischen Dichter von der Griechischen En-
dung {lax- das x aus und flectieren so gebildete Wörter wie
A-Stämme der Lateinischen Sprache. So im Abi. Sing. Schema
(Plaut. CaeciL), syrma (Valer.) und im Accus. Sing, gl au cum am
(Plaut.), diademam (Pompon.), dogmam (Laber.) und noch Ci-
cero brauchte in den Verrinen die Ablative Pluralis schematis,
t o r e u m a t i s, e m b 1 e m a t i s, p e r i p e ta s m a t i s (Prisc.W, 5. 7. H.).
Auslautendes n warf endlich die Lateinische Sprache ihrer
Lautneigimg folgend ab in den Vokativen wie Calcha, Atla,
Drya, Peripha, und nach diesen ist der Vokativ Palla gebil-
det, während die Vokativformen Bacchis, Thais, Mysis,
Zeuxis, Panegyris, Archylis bei den Scenischen Dichtern
den Lateinischen Wörtern wie civis, hostis, ignis, orbis
nachgebildet sind und erst die Dichter der Augusteischen Zeit die
Griechischen Vocativformen auf i vorwiegend brauchen. (Charis.
p. 1 11. Schneid. Lai. Gr. II, 302. 305.)
Der älteren Lateinischen Sprache gehört ferner das Abwerfen des
auslautenden s des Nominativ von Griechischen Stämmen auf- a oder
/?; sovonpoeta, citharista, sophista, Scytha, Anchisa,
— 230 —
Melicerta,Leptasta,Aenca, Pel i a , E u thia, Hermagora,
Sosia, Marsya, Byrrhia, Chaerea u. a. (Qiänt. I, 5, 61.
Prise. V, 5. ff.) nach dem Master der Lateinischen Nominative wie
na uta, agricola, caelicola, advena, parrieida, con-
viva, Catilina, Sulla, Fimbria u. a.
Schon in der alten Sprache kürzen ferner die Nominative von
Griechischen A-Stammen ihr auslautendes a purum wie comoe-
d i ä , h i s t o r i a , p h i 1 o s o p h i a , 1 1 i ä , 1 y r a , h y d r ä , p e t r ä ,
aurä, purpurä u. a. und diese Kürzung bleibt auch bei den
Dichtern der Augusteischen Zeit und später. In Altlateinischer
Weise bildeten Plaulus und Ennius die Genetive Griechischer Na-
men der A-Declination : C h a r m i d a i , C a 1 1 i c 1 a i , P er i p h ana i ,
Medeai {vgl. oben, II, 135. Enn. trag. Ribb. ind.).
Griechische Wortstämme werden nun aber auch bei derUeber-
tragung in die Lateinische Sprache durch Anfügung von Voka-
len aus der consonantischen in die vokalische Declinalion über-
geführt. So werden bei den alleren Dichtern nach der O-Declina-
lion llectiert: elephanti, elep hantos {Enn. Ann. v. 237.
591. V. ), T i t a n u s (Naev. b. Pun.% Tita n u m (Plant.), d e 1 p h i n i
(All. Trag. R. v. 4ü4), d e l phi n u s (Cic. Arat.)y A e t h i o p u s {Lucil.
Ptisc. VI, 25. ff.) und bei Cato abacas (R. R. X, 4), und ebenso
linden sich später die Formen Erycus, gryphus, Arabus.
Als alteinheimisch in der Lateinischen Sprache sind oben die
Stadtenamen Taren tum, Agrigentum bezeichnet worden;
ebenso sind durch Anfügung eines o an die Griechischen Stamme
gebildet S i p o n t u m , Hydr u n tum, Sol untu m , ferner e m b 1 e -
inatum, toreu mal um (/'r/sc. IV, 8. //.). Wie von poematum
bildete Attius poematorum und nach ihm Cicero und Varro poe-
matorum, poematis (Charts, p. 114). [n ähnlicher Weise
treten consonantischc Stämme durch Herantreten eines a in die
A-Declination über. So ist llectiert bei Ennius crateria
(Ann. 604. vgl. Cic. And. X. D. II, II. Fest. r. c/r/crac).
Auch Ancona, Grotona sprachen die Römer, >eit sie die
Bekanntschaft dieser Städte machten, nach der Analogie von Ve-
rona, Gortona, da Städtenamen auf -on ihrem Munde fremd wa-
ren. In späterer Zeit sind so mit a weiter gebildet die Griechischen
Worter attagena, chlamyda, sphinga. Lato wurde wie
Galypso, Ino, Dido u. a. in slter /eil Qectiert wie ein Stamm
auf -on, und aus diesem ward durch Herantreten eines -a Latona.
— 231 —
Wie frei und keck die Altlateinische Sprache mit den neu
aufgenommenen Griechischen Wörtern schaltete , zeigt Plautus.
Da finden sich dieselben weiter gebildet, durch Lateinische Suf-
fixe wie -ario, -ano, -aceo, -oso; so balli starium, ca-
t a p u 1 1 a r i u m , d i o b o I a r i a , hepatarius, molochinarius,
diabathrarius , murrhobathrarius , subbasilicanus ,
Geryonaceus, sycophantioso, wie derselbe Dichter um-
gekehrt Lateinische Wörter mit Griechischen Suffixen weiter gebil-
det hat: glandi oni dam , plagipat idas , pernonidem.
Ebenso sind von Griechischen Nomen Lateinische Verba der
A-Conjugation hergeleitet wie : thermo polare, exballis tare,
p a e d a g o g a r e , p ar a tr ag o e d i ar e , s uppara s i ta r i ( vgl.
thiasantem, Pacuv. trag. R. 311). Plautus bildet ferner Grie-
chisch-Lateinische Composita wie a n t e 1 o g i u m , c o n t. e r e b r o in i a,
thyrsigerae, ulmitriba, flagritribae, scrophipasci,
semizonarius und will nach Griechischen Mustern das Lachen
der Zuschauer erregen durch dergleichen Zusammensetzungen wie
Pultipha g oni d e s , N u g i p o I y 1 o q u id e s , Q u o d s e m e I a r r i -
p i d e s, T e d i g n i I o q u i d e s, Nu n q u a m p o s t c a e r i p i d e s, N u m-
morumexpalponid es. Ein so freies Schalten mit Griechischen
Wortformen auf der Bühne setzt ein Verstandniss derselben wenig-
stens bei einem Theil der Zuschauer voraus.
So gestaltet die Lateinische Sprache in dieser ganzen alte-
ren Epoche die Wortbildung und Wortbiegung der aufge-
nommenen G r i e c h i s c h e n W ö r t e r nach ihren L a u t g e s«e t z e n
und Gewohnungen. Die Beibehaltung Griechischer Flexionsformen
wie 0 r e s l e n {Enn. trag. B. v. 1 36), E c h i o n , S a 1 a m i n a {Pa-
cuv. trag, ind) ist eine seltene Ausnahme.
Eine dritte Periode der Behandlung Griechischer Wörter im
Lateinischen beginnt mit Attius, dessen Bemühungen für Orthogra-
phie schon oben besprochen worden sind. Varro berichtet, Attius
habe sich zuerst mehr den Griechischen Worlformen zugewandt,
L. L. X, 70. M: Accius haec in tragoediis largius a
prisca consuetudine movere coepit et ad forma s
Graecas verborum magis revocare. Das wird bestätigt
durch die Formen H e c t o r a ( Farro, a. 0.), dracontis, 0 r e s t e u,
Cithaeron, Laomedon, Triton, L a e r t i a d e , Pari, D y s -
pari {Trag. Ribb. ind.), die er braucht; dass er jedoch nicht unbe-
dingt die Griechischen Flexionsformen vorzog, zeigten schon mehrere
- 232 —
der oben auch aus Attius angeführten Formen. Seit Attius Zeit
also beginnt im Gebrauch der Griechischen Wörter das Schwanken
zwischen Griechischer und Lateinischer Gestaltung der Flexions-
formen. Die Neigung die Griechischen Formen so auszusprechen,
wie sie in ihrer Muttersprache gesprochen wurden, zeigt sich ent-
schieden darin, dass seit dem Zeilalter der Bürgerkriege sowohl der
Griechische Vokal v geschrieben, als auch die Griechischen
Aspiraten durch ph, ch,.th in Lateinischer Schrift ausgedrückt
wurden, ein Schreibgebrauch, der, wie die Inschriften lehren, in
der Zeit von Cäsars Gallischen Kriegen bereits allgemein durch-
gedrungen war (Ritschl, mon. epigr. tr. p. 26. 27). Es ist nicht
bloss ein wohlberechtigter Römerstolz den Griechischen Schul-
meistern gegenüber, es ist auch ein richtiges Sprachgefühl, wenn
Gicero die Weise der Vorfahren, die Muten nicht zu aspirieren in
Wörtern wie pulcr os, Getegos, triumpos beobachten wollte,
bis er nicht mehr gegen den Strom schwimmen konnte, und wenn
erden Lateinischen Flexionsformen wie Gelo, lliero, Plato,
Agamemnonem, Iiieronem, poesim, Zeuxim, Piraeum,
0 r p h e u m , e in b 1 e m a t i s , s c h e m a t i s , t oreuma ti s u. a. ent-
schieden den Vorzug gab {vgl Ep. AK. VII, 3, 7. Prise, VII, 8. H).
Auf der entgegengesetzten Seite stand Värro, der schon ent-
schieden den Griechischen Formen wie ornithona (//. //. III, 2),
Hclicona, lampada, Olympon R. R. III, 16), ja sogar
Schemas in vor schematibus den Vorzug giebt. Ptinius sagte
von ihm : Qu a m m a x im e v i c i n a G r a e c o G r ae ce d ixi t , u t
nee 'sehe matis' quid am dicat sed 'Schema sin' {Charts.
p. 38); somit ist es glaublieh, dass er durch seine Autorität nicht
wenig zur Förderung des Gebrauches Griechischer Wortformen
beigetragen haben mag.
Die vierte Epoche der Geschichte Griechischer Wörter
in der Lateinischen Sprache ist dann durch die Hiebt er der
Augusteischen Zeit herbeigeführt, denn sie sind es. dir
in dem Gebrauch der Genetive -r\g, -os, -tog, -ecog, -vog,
-ovg, des Dativs -ßt, der Aceusative -«, -««, -uv, -tjr, - o r .
-iv, -vv, des Vokativ auf-/, des Nominativ 1*1 maus auf-.s
ihren Griechischen Mustern oder dem metrischen Bedürfniss folgten.
Ihrem Einlluss ist es zuzuschreiben, wenn schon in der gleichzeitigen
Prosa, und noch mein- in der spateren, namentlich bei Plinius,
die Griechischen Formen der Genetive -tog, -sag, der Aceusative
-qv, -cc, -ig, des Genetiv Plur. -cor sich eingebürgert haben.
— 233 -
Wenn also die alte volksthiimliche Sprache der beiden
ersten Epochen sich Fremdwörter nach einheimischen Lautgewohn-
heiten und Eigentümlichkeiten der Wortbildung und Wortbie-
gung mundgerecht gestaltet,, hingegen die ausgebildete
Schriftsprache gegen diese Fremdlinge eine aus gelehrter Re-
flexion stammende zarte Schonung beweist, so lässt das einen
sicheren Schluss machen auf die Be tonung der Griechischen Wör-
ter in der Lateinischen Sprache.
Diomedes, p. 428, sagt kurz und klar von der Betonung Grie-
chischer Wörter seiner Zeit: Sane verba Graeca Graecis
accentibus efferimus, si iisdem litteris pronuntia-
veris. Servius hat denselben Satz wahrscheinlich aus Varros Ac-
centlehre geschöpft, Acc. §5: Graeca nomina, si iisdem
litteris proferuntur, Graecos accentus habebunt.
Daraus folgt, dass Griechische Wörter, sobald ihnen durch
irgend eine Lautveränderung an ihrem Wortkörper der Stem-
pel ihrer neuen Lateinischen Sprachheimath aufgedrückt ist,
auch nach Lateinischer Weise betont werden.
So musste also der Hochton von der Endsilbe des Wortes
zurücktreten in den vor Alters latinisierten Formen wie:
Pöllux, für IJo Ivdevxri s,
nachdem diese Form sich aus der volleren Lateinischen Polluces
abgestumpft hatte; ferner in:
Graeci, für rgatuoi,
m i n a , ft v a ,
machin a, ^ir]%avYi,
Hercules, HQccxArjg,
H e r c 1 c ,
A c h i v i ,
A %aioi.
A c h ä e i ,
A e t ö 1 i ,
Aitcjlot,
Boeöti,
BOLCÖXOl,
ebenso wie in den Punischen
Namen
H ä n n i b a 1 ,
H a s d r u b a 1
)
-
Mahärbal,
A d h e r b a 1 ,
Carthägo,
— 234 —
die nach dem Betonimgsgesetz der Semitischen Sprachen den Hoeh-
ton auf der letzten Silbe hatten.
Der Hochton musste von der vorletzten kurzen Silbe zu-
rückweichen auf die drittletzte in den früh im Lateinischen
eingebürgerten Wörtern:
Hecoba, Hecuba, 'Exdßrj,
purp ura , itoQcpvQa,
cämera, xcc[iccqcc,
bücina, ßvxdvrj,
Cätana, Catina, Kardvrj,
p ä t i n a , jiaxavrf)
r ü n c i n a , Qvxdvr] ,
trütina, tqvtccv r],
pälma, 7iaAcc[ir].
Der Ilochton musste auf die vorletzte lange Silbe vor-
rücken in den schon im Altlateinischen Sprachgebrauch eingebür-
gerter Formen :
Alexänter, 'Ale^uv d Qog,
llectorem, Extoqcc,
Nestor ein, Nsgtoqoc,
Castörem, KdöroQa,
cupressus, xvTtaQiOGog,
Tecumessa, Tex[ii]GO cc,
T a r e n t u in , Td Qccg,
Agrigenti, 'AxQdyuvxog.
Solange die Lateinische Flexion der Griechischen Wör-
ter vorherrschend blieb, beherrschte auch das Lateinische
Betonungsgesetz die Griechischen Wortformen, die in die La-
teinische Sprache aufgenommen wurden, das heisst bis zur Augu-
steischen Zeit. Aber schon in Quin tili an s späteren Jahren, wo
die Griechischen Flexionsformen auch in der prosaischen Schrift-
sprache um sich gegriffen hatten, war eine Aenderung eingetreten.
Wenn er sagt , I, 5, 24: 'Atreus', quem uobis iuvrnibus
d o c t i s s i m i senos acuta prima di c e r e s o 1 ehant , u I
necessario secunda gravis esset, item kTer<'i* lNe-
reiquc', so folgt daraus, dass die jüngeren Gelehrten zu der Zeit,
wo er schreibt, schon die letzte Silbe von Atreus, Nerefts, Te-
— 235 —
reüs nach Griechischer Weise hochtonig sprachen, und so natür-
lich auch die Griechischen Dative N er ei, Ter ei. Daraus lässt sich
schliessen, dass schon dieselben Gelehrten im schärfsten Gegensatz
gegen das Betonungsgesetz ihrer Muttersprache Flexionsformen
Griechischer Wörter so betonten wie Servius (ßcc. § 11) es an-
giebt:
Däreta, Pallas,
lebetas, ' Acarnän,
C i s s e a , M a n t u s ,
aera, Orphei,
Epytiden, Allecto u. a.
Wenn die Grammatiker die letzte dieser Formen mit dem ge-
brochenen Hochton sprachen, so machten sie damit, wie WTei|
und Benloew richtig bemerken {Acc. Lai. p. 65), dem Lateinischen
Beton ungsgesetz , nach welchem ein Wort tieftonig ausklingen
mussle, ein letztes Zugeständniss. Es war übrigens ganz folge-
richtig, dass man Lateinische Wörter, an die Griechische Suffixe
geflickt waren, wie Lucidiädes, Memmiädes, Scipiädes
auch nach Griechischem Betonungsgesetz betonte. Aber Formen
Griechischer Wörter mit Lateinischer Flexion wie aeris, aethe-
ris nach Griechischer Weise zu betonen verwirft Servius (Acc. §14)
mit Becht.
Ueberhaupt aber ist festzuhalten, dass die Lateinische Volks-
sprache mit diesen Theorien der Gelehrten nichts ge-
mein hat; sie ist von ihrem Betonungsgesetz nie abgewichen, sie
hat im Laufe der Jahrhunderte das Bewusstsein von der Tondauer
ihrer Laute verloren, aber ihr Bei onung sgesetz nicht nur ge-
wahrt, sondern es auch zum unumschränkten Gebieter der
Wortformen erhoben und so unverkiimmert ihren Romanischen
Tochtersprachen vermacht.
In der Behandlung von Fremdwörtern geht die Deutsche
Sprache ähnliche Wege wie die Lateinische, natürlich ihrer Be-
tonungsweise gemäss. Die alten Römerstädte Augusta Vindeli-
corum, Augusta Rauracorum, Augusta Trevirorum,
Maguntiacum,#Borbetomagus, Colonia Agrippina lauten
jetzt Augs-(burg), Äugst, Trier, Mainz, Worms, Cöln.
Nachweislich sind diese Wörter seit mindestens achtzehn Jahr-
hunderten in der Sprache heimisch gewesen; nach deutscher Be-
tonungsweise rückte der Hochton des Lateinischen Namens auf die
— 236 —
Stammsilbe oder anlautende Silbe zurück, nach deutschem Laut-
gesetz wurden die Vokale der tieftonigen Silben infolge dessen stumm
und fielen aus, und so schrumpften vier- und fiinfsilbige Namen zu
einsilbigen Wörtern ein gerade so wie der Griechische Name TL o Iv-
dsvxrjg im Lateinischen zu Pol verstümmelt wurde. Auch solche
Appellative wie probst, vögt, spittel, die seit den ältesten Zei-
ten des Mittelalters im Volksmunde zu Hause sind, verhalten sich zu
den Lateinischen Grundwörtern propösitus, vocätus, hospi-
tälis, wie Lateinisch palma, cupressus zu Griechisch %a-
lä^Y]^ xvTCccQLOöog. Die Dichter des Mittelalters nahmen
mit Altfranzosischen Sagenstoffen auch französische Wörter in ihre
Dichtungen auf wie amis,' amiral, a ven t iure, bläncheflur
u. <i.; aber sie gestalteten dieselben um nach deutscher Lautweise
und Betonung, ebenso wie die Römischen Dichter zur Zeit des
zweiten Punischen Krieges mit Griechischen DichtungsstofTen Grie-
chische Wörter aufnahmen, aber sie nach Lateinischem Laut- und
Betonungsgesetz umgestalteten wie Cassantra, Hectörem,
dracönem, Patricoles. Alle Fremdwörter im Deutschen, die
nicht die Stammsilbe oder anlautende Silbe des Wortes hoch-
betont haben, gclicn sich dadurch zu erkennen als spätere Ein-
wanderer. So ist der Monatsname August jünger auf deut-
schem Sprachboden, als der Personenname August und der
Stadtname Äugst, ebenso advoc;it jünger als vögt Im Munde
der Gebildeten und Gelehrten ward die Lateinische Betonung nach-
geahmt Seit Ludwigs des Vierzehnten Zeiten ist dann die deut-
sche Sprache überfluthet mit jenen Fremdwörtern wie svsicm.
id£e, Industrie, politik, musik, Constitution, Jurist,
generäl, offici'er, armee, regimenl u. a. Die französi-
sche Belonungswcise dieser Wörter in deutscher Sprache gleicht
der Griechischen Betonung jener in die Lateinische Sprache auf-
genommenen Wörter wie A c .1 r n ;\ Q, AI e c t6, \ t r e i'is. N e r e u s ,
Dareta, lebetas, Cissäa, aera im Munde Römischer Ge-
lehrten. Alter ein grosser Unterschied tritt liier hervor. Diese
Griechische Betonung der Griechischen >\örler ist nie in die La-
teinische Volkssprache übergegangen; im Deutschen aber sind jene
Fremdwörter mit französischer Betonung zum grossen Theil aus
den Kreisen der Gebildeten auch in die Volkssprache übergegangen
und haben sich so fest eingenistet, d;iss in ihnen ooeb lange das
Andenken an eine Zeil der Erniedrigung deutscher Silir und deut-
— 237 —
scher Sprache nachklingen wird. Im Deutschen haben die Wörter wie
'arzenei, reiterei, Schlägerei', marschieren, schat-
tieren eine undeutsche Ableitungssilbe, und diese hat gegen das
Deutsche Betonungsgesetz den Hochton auf sich gezogen wie in den
besprochenen Formen Lucidiädes, Scipiädes, Mein mi ad es
das Griechische Suffix, das an den Lateinischen Worl stamm trat,
die Griechische Betonungsweise veranlasst hat.
3) Der Tiefton.
Die Natur des Tieftones ergiebt sich im Gegensatz vom Iloch-
ton von selbst. Glaucus von Samos und andere Grammatiker
nannten ihn av sl^lsvtj (Serv. § 22) von der schlaff gespannten
tieflonigen Saite der Kithara. Die gewöhnliche Benennung ßa-
Qsla setzt die Vorstellung voraus, dass, was in die Tiefe sinkt,
auch schwer ist; ovlXaßixog (Choerobosc. Bekk. Anekd.
p. 1109. 688 u. ct.) heisst der Tiefton, der nur für die Silbe Be-
deutung hat im Gegensatz zum xvQtog rovog, der das Wort be-
herrscht, indem er seine Einheit bedingt. Die Römischen Gram-
matiker gebrauchen durchgehend s den Ausdruck gravis für den
Tiefion, quod deprimat aut deponat, wie Priscian sagt
(p. 1286. i>.), wie Servius nach älteren Gewährsmännern lehrte
§ 24: quod deorsum est in sede ponderum gravio-
r um.
Welche Silben tieftonig gesprochen sind, las st sich noch mit
Sicherheit erkennen:
Tieftonig sind alle ursprünglichen Endsilben; die
einstimmige Aussage dej* Grammatiker, die arge Verstümmelung,
welche im Lateinischen die Endsilhen durch Kürzung, Erleichte-
rung und Abfall der Vokale wie durch Abfall der Consonanten er-
leiden, legen so laut Zeugniss davon ab, dass niemand je daran
zweifeln konnte. Von hochtonigen Silben am Worlschluss, die
ursprünglich nicht Endsilben waren sondern nach Abfall eines Vo-
kales in jene Stelle rückten, ist die Rede gewesen.
- Tieftonig war die Silbe, welche der hochbetonte n S il be
vorhergeht; das beweisen ausdrückliche Zeugnisse der Gram-
matiker und zahlreiche Wortformen. Priscian, Donat und
Serviu s berichten übereinstimmend, dass die drittletzte Silbe
des Wortes vor der ho ebbe ton teil vorletzten tiefto-
n i g war, Prise. 1 289. P: N am s i pe n u 1 1 im a p o s i ti o n e
— 238 —
longa fuerit, acuetur, antepenullima vero gravabi-
tur. Wenn hier nur von einer positionslangen Silbe die Rede ist,
wie es gerade der Zusammenhang mit sich brachte, so kann man
doch nicht zweifeln, dass auch vor einer hochtonigen Silbe mit lan-
gem Vokal, die durch ihren langen Vokal noch mehr geeignet war
die vorhergehende zu übertönen, die drittletzte Silbe tieftonig war.
Donat sagt, indem er vom Zeichen des Tieftones spricht, p. 1835. P:
Gravis vero accentus cum acuto et circumflexo ac-
c e n t u p o n i p o t e r i t ; possumus e n i m in e o q u o d est
4 Cätüllus' gravem ponere cum acuto in an tepen ultima.
Item cum circumflexo ita ponitur ut 4Cethegus\ Auch
Donat erklärt also die drittletzte Silbe vor der hochtonigen vorletz-
ten für tieftonig, hält es aber nicht für nothvvendig den Tiefton in
der Schrift zu bezeichnen (a. (). vgl. Serv. § 4). >lan ist hiernach
berechtigt zu schliessen, dass auch die viert letzte Silbe vor ei-
ner hoch beton fen drittletzten Silbe tieftonig gewesen
sein muss.
Dieser Schluss erhall unbedingte Sicherheit durch die schon
oben ausführlich dargelegte Thatsache, dass die Vokale a, o, u,
e, i der tiefto nigen Silbe, die der hochbetonten vorher-
geht, ausfallen, während die Vokale von Silben, die dem Hoch-
ton ferner stehen, unversehrt bleiben. Man vergleiche folgende
Auswahl aus der oben gegebenen Sammlung solcher Wortformen;
a fällt aus in: u in : e in :
dar us, maniplärio, patronus,
clämor, coplala, alrare,
La tri na, e in: saciare,
o in : li brare, a e grö Ins,
textrina, Kubrenus, Cerrönes,
tonstrina, fabrica, Cerrfti,
pistrina, Fabricius, i in:
u in: Capriolus, cal cl re,
Vesclarius, Caprcola, narr Are.
Marclei us, Asprenas, pur g Are,
Aclenius. Rufrena, caldiriam,
Aeclanius, Kufranius. frigdäria,
Sa er. Iuris, altrius, leg inen tu in.
poplaris, altrinsecus, impomenia,
diseiplina, patricius. doinnorum.
— 239 —
Wenn in diesen und zahlreichen anderen Wertformen der Vo-
kal der Silbe vor dem Hoch ton sich zum stummen Vokal kür-
zen und ausfallen konnte, so kann dieser Vokal nicht durch ei-
nen höheren Ton über die Tonhöhe der tieftonigen Worlsilben em-
porgehoben gewesen sein, ermuss vielmehr tiefto nig gewesen sein.
Das starke Vor tönen der hoch betonten Silbe bewirkte, dass die
derselben vorhergehende Silbe nur dumpf und tiefto nig klang.
Tiefto nig war auch die vorletzte Silbe des Wortes, die
der hochbetonten drittletzten folgte und nur einen kur-
zen oder stum in e n Vokal haben konnte. So lehrt Q u i n t il i a n ,
XII, 10, 33: Ultima syllaba nee acuta unquam exci-
l a I u r , nee f 1 e x a circumducitur, s e d in gravem v e 1 in
duas graves cadit; die beiden 1 etzten Silben Lateinischer
Proparoxytona waren also nach Quin tili an tieftonig. Jeden
Zweifel an dieser Erklärung beseitigt folgender Ausspruch von ihm,
1, 5, 30: Tri um porro, de quibus loquor, media, aut
acuta, aut flexa erit: eodem loco brevis iitique gra-
vem habebit sonum, ideoque positam ante se, id est
ab ultima tertiam acuet. Also die vorletzte Silbe der
Proparoxytona war immer tieftonig. Das bestätigen denn
auch überaus zahlreiche Wortformen, in denen der Vokal dieser
Silbe nach dem Hochton a u s g e f a 1 1 e n ist . Auch von diesen
möge hier eine Auswahl zur Veranschaulichung Platz finden ;
a ist ausgefallen in: u in: u in:
palma, aedicla, Catullus,
cupressus, cubicla, pistrilla,
fäcla, Maxim illa,
Pröclus, asellus,
Osclus, gemellus,
ino-lus ferne IIa,
cömix, iu0ius,
a n g 1 u s , Stella,
11 in: templum, opella,
vinclum, pöplicus, e in:
periqlum, fibla, cribrum,
Pöclum, stäblum, libri,
sacclum, vetlus, rubrum,
gube r n a c 1 u m , v i 1 1 u s , a p r i ,
spectäclum, homüllus, öprae,
o in:
v i c t r i x ,
t e x t r i x ,
— 240 —
e in : e in : i in :
stipra, gerre, v6ltis,
intra, nöram, fertis,
extra, decreras, cante,
equeslris, consuerat, senatorbus,
pedestris, quieris, bübus,
vitrum, cognöro, Decmus,
rastrum, adiürit, vicesma,
pätris, succrerunt, tegmen,
v e n t r i s , eonsuerunt, L i c n i a ,
dedrot, i in : bälneum,
d e d r o , s t ü lt u s , I a in n a ,
vendrit, ärdus, dömnae,
sä er um, merto, alumnus,
s i m u I ä c r u in , p ö s t u m , auct u m aus,
aegri, impöstor, Sestlia,
nigri, quaestor, Nümsius.
f e r r e ,
Wenn in allen diesen Wortformen der Vokal der Silbe dach
dem Hoch ton seh wand, während der Vokal der lieftönigen End-
silbe sieb hielt, so kann er nichl höher getönt haben als die Schluss-
silbe, war also auch tiefton ig.
Die Ansicht von Weil und Benloew (Theorie <jt:)«;r. del'ac-
cenl. Lal. p. 16), dass in einem mehrsilbigen Worte die dem Hoch-
ton benachbarten Silben, wenn sie im Inlaut des Wortes stan-
den, mittel tonig seien, dass also in Wörtern wie püdicitiä eine
vom Tiefton zum Mittelion aufsteigende und durch den Mittelton
wieder zum Tiefton absteigende Tonleiter gehört worden sei,
steht also gleich sehr in Widerspruch mit den ausdrück-
lichen An g a b e n d e r (ü r a m m at i k er , w i e m i t s c h 1 a g e n -
den Thatsachen der Sprache selbst. Auch in der Natur
der Sache findet diese Ansieht keine Stütze. Wie im Farben-
bilde neben dem hellsten Lichtton der tiefste Schlagschatten er-
scheint, wie kalte und warme Luftströmungen sieb begegnend
hart an einander vorüber fahren, wie im musikalischen Satz der
hohe Ton unvermittelt neben dem liefen erklingt, so scheut auch
die Sprache Hochklang und Tiefklang nebeneinander ebenso we-
nig, und dieser unmittelbare Uebergang vom Tiefton zum
— - 241 —
Hochton und umgekehrt giebt der Betonung Stärke und Le
b e n d i g k e i t , M a n n i g t'a 1 ti g k e i t und Abwechselung *).
*) Es heissi bei Benloew und Weil p. 16: La voix montait du
comraenceraent du mot jusqu' ä la syllabe aigue; de cette
syllabe ä ia fin du mot eile r e d escendait. Die Quelle dieses
Irrtimms ist in zwei falsch verstandenen Stellen zu suchen. Es heisst
bei Servius ohne Zweifel nach Varro , § 21: Omnem igitur vocem
medium habere; quod enim fluit (leg : f uit) deorsum, prius in
medium succendere, quam evolet sursum, et quod sursum
est, ante eo devenire, quam deorsum, quare utriusque
compitum medium esse. Varro erweist hier die Existenz eines
Mitteltones nicht daraus, dass er sich auf die t ha t säe h liehe
Aussprache beruft, wie man aus dem ganzen vorhergehenden Ab-
schnitt bei Servius ersieht, sondern a priori aus dem philosophi-
schen Princip, dass zwischen allen Gegensätzen wie warm und
kalt, bitter und süss, lang und kurz u.a. sich eine M i tt e finde,
wo sie sich berührten. So gebe es auch zwischen Hochton und Tief ton
eine Mitte, wo sie sich berührten (compitum medium esse. §24:
lim es). So wenig Varro behauptet, in der Welt der augenfälligen
Dinge könne warm und k a 1 1 , b i 1 1 e r und süss, nie in als ohneVer-
mittelung schroff n eb e neinander vorkommen, so w enig konnte
es ihm einfallen zu behaupten, dass niemals im Worte ein Hochton
und ein Tief ton sich unmittelbar berührten, dass also zum Bei-
spiel in Wörtern wie quippe, pätre, nocte u. a. zwischen Hochton
und Tiefton noch ein Mittelton gehört sei. Die andere Stelle, die Weil
und Benloew unrichtig erklären, ist Prise. 1289 P: Nam in unaquaque
parte oratio nis arsis et thesis sunt, non in ordine sylla-
barum, sed in pronuntiatione, velut in hac parte f na-
tura', ut quando dico fnatu', elevatur vox et est arsis in
ftu', quando vero 'ra', deprimitur vox et est arsis in ftu'.
Et 'tu' quantum suspenditur per arsim, tan tum deprimi-
tur per thesim. Sed ipsa vox, quae per dictiones forma-
tur, donec accentus perficitur, in arsim deputatur, quae
autem post accentum in thesim. Der Sinn dieser Stelle ist offen-
bar folgender. In der Aussprache jedes Wortes ist arsis und thesis,
Tonhebung und Tonsenkung sichtbar. In natura ist eigentlich
der Hochton auf der Silbe tu, der Tiefton auf der Silbe ra; da im
ers-ten Theile des Wortes die Betonung vom Tief ton zum Hoch-
ton aufsteigt, so versteht man unter Arsis des Wortes diesen gan-
zen Worttheil bis zur hochtonigen Silbe; den zweiten Worttheil, avo
der Ton bis zum Tief ton abfällt, nennt man Thesis. Arsis be-
deutet hier einmal Hochton, dann Tonerhebung; aber dass diese
Erhebung nicht auf einmal geschehen könne, dass sie Mittelstufen
haben müsse, liegt doch sicher nicht in dem Worte ctQOig. Wie
CORSSEN II. 16
— 242 —
4) Der Mittelton.
In Servius Auszügen aus Varros Accentlehre heisst es § 20:
Tyrannio vero Amisenus — quattuor s cribit esse pro-
sodias: ßaQ slav , (isGrjV, 6%8iav et, tc s o L67t(D^i8vrjv^
eine Lehre, die Varro auch schon in den Schriften des Glaucus
von Samos, des Hermokrates von Iasos und der Peripateti-
ker Theophrastus und Athenodorus* vorfand. Serv. §21:
Scire enim oportet rationis huius recens non esse
c o m m e n t u m , s e d omnium, q u i ante V a r r o n e m et T y -
rannionem de prosodia aliquid reliquerunt; pluri-
mos et clarissimos quosque mediae huius fecisse
mentionem, quos omnes sibi fuisse auctores Varro
commemorat. Varro seihst ging nach Tyrannio ausfahrlieh
wenig Priscian einen Mittelton im Sinne hatte, das zeigt auch klar die
Wahl des Beispieles natura und die Bemerkung dazu: tu quantum
suspcnditur per arsim, tantum deprimitur per t lies im.
Wenn der Tonabstand der Silbe ra, die durch das Verbum depri-
mitur als tief tonig bezeichnet wird, von der hochtonigen Silbe
tu ebenso gross ist als der Tonabstand zwischen den Silben na und
tu, dann ist die Anfangssilbe na von Priscian so gut als tieftonig
erklärt wie die Endsilbe ra. Es ist ihm also nicht in den Sinn ge-
kommen in natura fünf verschiedene Tonstufen anzunehmen,
oder die Endsilbe von natura wie die Anfangssilbe für mitteltonig
auszugeben. Es liegt in der ganzen Stelle nicht die leiseste Andeu-
tung von einem Mittel ton oder gar von jener tonleiterartigen
Betonung, auf die Weil und Benloew verfallen sind. Die Ausdrücke
prob ablerne nt und semble indiquer an der angeführten Stelle zei-
gen übrigens, dass die beiden Gelehrten an ihre eigene Behauptung nicht
recht glaubten.
Noch ist hier eine Stelle aus Nigidius Figulus commentarii gram-
matici, Gell. XIII, 20, zu besprechen. Nachdem er für Väleri im Vo-
cativ den Hochton auf der drittletzten gefordert hat, sagt er: at in
casu vocandi s u m m o tonost prima, d e i n d e g r a d a t i m de -
scendunt. Es ist schon gesagt, dass die Betonung Väleri eine Theo-
rie des gelehrten aber etwas querköpfigen Grammatikers war, dass man
in der Sprache stets Väleri, Vergi li. M er cur i betont hat. In dem
Ausdruck gradatim liegt allerdings, dass Nigidius der Silbe le in
Väleri einen Mittelton beilegt, er wollte damit die Silbe abfin-
den, der er ihren rechtmässigen Hochton nehmen wollte. Aue li
aus dieser Stelle findet sieh kein Halt für die irrige Ansieht der i'v.
sischen Gelehrten.
— 243 —
auf die Begründung dieser Ansicht ein (Serv. § 21 multn prae-
terea latius in cam rem disputata profert) und lehrte,
wie es ein Mittleres gäbe zwischen warm und kalt, bitter und
süss, lang und k u r z , zwischen dem hohe n und tiefen Ton
der Saiten, der Trompete und des Sängers , so läge in der
Wortbetonung zwischen dem H o c h t o n und T i e f t o n ein Mittel-
t o n auf der Grenze ( 1 i ra es, compitum, §21. 23) von bei-
den. • Ueber das Wesen des Mitteltones berichtet Scrvius aus Varro
und Tyrannio: Media au t ein, quae int er duas quasi
limes est, quod gravioris quam acutioris similior
est, in inferioris potius quam superioris numerum
relegatur. Der Mittelton steht nicht in der Tonhöhe dem
Tiefton näher als dem Ilochton, sondern darin, dass auch er für
die Einheit des Wortes ebenso wenig bedeutend ist wie
der Tiefton , dass der Hochton allein der herrschende Ton im
Worte ist.
Wie im Griechischen und Lateinischen, so wurde auch im
Sa-nskrit ein Mittelton gehört, mit dem diejenige Silbe ge-
sprochenwurde, welche unmittelbar auf die hochbetonte Silbe folgte
(ßopp, Vgl. Acccnll. S. 16. 235. Änm. 3. Benfey, Sanskr. Gr.
S. 10). Es fragt sich nun, wo im Lateinischen die Stelle dieses
Mitteltones war. Längst hat Boeckh (de metris Pindari, I c. 9.
p. 54 — 56) erkannt, dass im Lateinischen wie im Griechi-
schen in Wort formen; die durch Zusammensetzung oder durch
schwere Ableitungssilben angeschwellt sind, zwei einander
nicht berührende Silben mit einem höheren Ton als mit dem
Tiefton gesprochen wurden. G. Curtius (N. Jahrb. LXXI, 6
p. 342 f.) weist daraufhin, dass im Griechischen , wenn durch
Herantreten eines Compositionsgliedes oder eines Suffixes der Iloch-
ton auf eine der letzten drei Silben vorrücken musste, die Silbe, auf
der er früher stand, einen Mittelton behalten konnte. So ge
schab es zum Beispiel mit der Silbe des Augments in:
Gr. 'e-tpsQoiie&cC) S&nskr. ä-liarämahi,
während die activen Formen Gr. s-epegov, Sanskr. ä-naram, in
der Betonung übereinstimmen (Bopp, Vgl. Accentl. p. 73), so in den
Homerischen Formen mit schweren Ablcitungsenduiigen wie:
AaeQTLadsa , vgl. ^/aeor^g,
odvQ o[ievoL6 1 , odvQoyiccL ,
16*
— 241 —
7tELQYlXLL,G)V, 7t £ L Q 1] ,
( ad qiocüvto , edgcc;
und in den Compositen wie :
£v-q)Q06vv}]Gi, vgl. s v ,
(CC[lCC-tQO%6cOVTCCi cc[ia,
Tcav-da^idrcjQ, 7t äv ,
'aXXo-ftQoovg , aAXog,
QQÖo-dccxtvAog , podov,
'«At-Ttoogp^pa, «Ag.
Das deutsche Betonungsgesetz, in dessen Wesen es liegt,
den Hochton möglichst weit in den Leib des Wortes zurück -
zuziehen, legt in Zusammensetzungen auf die Stammsilbe oder
Präfixsilbe des ersten Compositionsgliedcs den Hochton, und die-
jenige Silbe des zweiten Gliedes, die im einfachen Wort den Hoch-
ton hatte, wird mit einem Mittelton gesprochen; so in:
'U ebergang s-b c s 1 1 m m ungen,
Wech sel-bezieh ungen ,
M 1 s c h u n g s - v e r h a e 1 1 n i s s e ,
K 1 e i n i g k e i t s - k r a e m e r ,
Hand w e r k e r - v e r e i n.
So müssen auch Gothische Composita gesprochen worden
sein, wie:
1 i ü g n a - p r a u f e t u s ,
eisarna - bandi ,
lükarna-statha,
faihu -gavaurks.
(Vgl. Ulphilas, Gabi. u. Loeb. Wörterb.)
ebenso wie die mit den alten Formen des Verbum thun (Skr. Wz.
dhA-, Gr. d"rj-) zusammengesetzten Praeterita wie:
säti-dedeima,
b i r ä u b o - d e d j a u ,
libai - dedei na.
Im zu finden, wo in La te inisehen Compositep oder
einfachen mehrsilbigen Wörtern, in denen ein schweres,
mehrsilbiges Suffix den Hochton auf sieh gezogen hat, der
— 245 —
Mittelton gehört wurde, wird man sich zu vergegenwärtigen haben,
dass die Silbe vor dem Hoch ton und nach dem Hoch ton im-
mer tief tonig war, wie oben aus den bestimmten Zeugnissen der
Grammatiker wie aus sprachlichen Gründen erwiesen ist. Betrach-
tet man demnach zuerst die Lateinischen Composita, so wird
man nicht zweifeln können, dass auch in ihnen der Mittelton
eine ähnliche Stelle fand wie im Griechischen, nämlich jedenfalls
auf dem ersten Gliede des Compositum, das die Bedeutung
des zweiten schärfer und enger ausprägte, und zu
dem Zweck deutlich gehört und gesprochen wurde,
und zwar auf der Silbe des ersten Compositionsgliedes, die in dem
einfachen Worteden Hoch ton gehabt hatte. So müssen also
folgende Composita gesprochen worden sein:
crispi-sülcus, vgl.
c r i s p u s ,
falsi-iürus,
f ä 1 s u s ,
stricti -v£llac ,
s t r i c t u s ,
versi-pellis,
versus,
1 e g i - r u p i o ,
lex ,
noctu-vigila,
nöctu ,
p 1 a g i - g e r u 1 u s ,
pläga,
v l r g i n - d e" m i a ,
v i r g o ,
u n o - m a m m i a ,
ü n u s ,
cruri-crepida,
c r ü s ,
d o m u - i t i o ,
itio ,
miseri-cördia,
m i s e r ,
geruli- figulus ,
g e r u 1 u s ,
probri- pelle cebrae ,
p r 6 b r u m ,
b 1 a n d i - 1 o q u e n t u 1 u s ,
b 1 a n d u s ,
denti - frangibu lum ,
d e n s ,
superbi -loquentia,
supärbus,
un-de-viginti.
ünus,
septin - genti,
Septem,
duo-decimus,
d ü o ,
octo-gesimus,
öcto,
sex-cent£simus,
sex.
— 246 —
Die Bedeutsamkeit des ersten Bestandtheiles Hess nicht
zu, dass derselbe ganz zur tieftonigen Aussprache herabsank; den
Hochton konnte nur eine Silbe in diesen Compositen haben und
zwar im zweiten Compositionsgliede, daher Hess man die Silbe des
ersten Gliedes, die man in dem einfachen Wort mit dem Hochton
zu sprechen gewohnt war, in der Zusammensetzung nur so weit
sinken, als unumgänglich not h wendig war, und wahrte ihr
den Mlttelton. Ist das richtig, so fand dieselbe Betonung auch
in Compositen mit Präpositionen statt, die ja auch den Sinn
des einfachen Wortes, mit dem sie zusammengesetzt werden.
schärfer ausprägen und wegen dieser ihrer hervorspringenden
Bedeutung für die tieftonige Aussprache nicht geeignet waren, falls
sie nicht unmittelbar vor der hochbetonten Silbe standen. Man
sprach also:
con-duplieäre, vg
1. duplicare,
con-'sangufneus,
s a n g u i n e u s ,
ef - fre na ttus,
freu at us,
e x - a n c 1 ä r e ,
a n c 1 ä r c ,
m-putäre,
p ii 1 ;i r e ,
i n d - a u d i v i ,
au (1 i vi ,
re-pueräscö,
p ii er äs c o.
prae-ea verc,
C a v e r e ,
pro -g über nätor,
gU berna t or,
sub-levätus,
1 e v a t u s ,
s u b - i n t e 1 1 e g e r c,
int e 1 1 e g er e ,
T
c i r c u m - s i s t o ,
s i s to ,
T
lütcr- cessio,
cessio.
i n t e r - p e 1 1 e r e ,
p eil ere,
intro-dueere,
d U c e r e ,
praeter- i r e ,
i r e ,
super- se dere.
seil ere.
Dieselbe Betonung verlangten gebieterisch die Verneinungspar-
tikel in- und die Verstärkungspartikel per- in Zusammensetzungen
wie folgende :
in - mi sc ri cördes ,
in - gratific us,
— 247 —
i n - v e r e c u n d u s ,
p c r - f a c e" 1 ii s ,
per-t a miliaris,
per-grandescere.
Nur unmittelbar vor dem Hochton in Wörtern wie incöndi-
tu s , permägnus u. a. mussten auch diese Partikeln wie die ein-
silbigen Präpositionen und jede andere Silbe eines Compositionsglie-
des tieftonig gesprochen werden.
Anders gestaltete sich wahrscheinlich die Betonung , wenn ein
Compositum, dessen erster Bestandtheil eine einsilbige
tieftonig gesprochene Präposition war, von neuem mit ei-
nem zweiten Wort zusammengesetzt wurde. In diesem Falle er-
hielt wohl diejenige Silbe jenes Compositum den Mittelton, die
den Hoch ton gehabt hatte, so lange dasselbe für sich allein be-
stand ; man sprach also :
in cur vi - cervi cum , vgl. ineurvus,
r c p a n d i - r 6 s t r u m , r e p an du s,
T .
p e r e n n i - s e r v u s , . p e r e n n 1 s ,
c o n t o r t i - p 1 i c ä t u s , contörtus,
T
reciproci-cörnis, reciprocus.
Ebenso wie in Compositen sank in abgeleiteten Wortern der
Hochton des Stammwortes zum Mittel ton , wenn ein schweres
Suffix den Hochton auf sich zog. Natürlich konnte auch
hier die Silbe unmittelbar vor dem Hochton auch den Mittelton nicht
wahren. Man sprach also:
1 o n g i t ü d o ,
vgl.
1 6 n g u s ,
geminilüdo,
g e m i n u s ,
1 u d i b ü n d u s ,
1 ü d e r c ,
l r a c ü n d u s ,
i r a ,
servitütem,
servus,
T .
v e r i t a t e ,
v e r u s.
Wo der Mittelton in vielsilbigen Wortern mit mehreren anein-
andergehängten Suffixen , wie s o m n i c u 1 ö s u s , m a n ti c u 1 ä t o r ,
peniculam en tum , locutuleius, luculentitätem, parti-
culönes u. a. gesprochen worden sei, ob auf der Stammsilbe
— 248 —
der einfachsten Grundformen, oder auf der Silbe, die in
den schon abgeleitet en Formen wie somniculus, man-
ticula, penicula, lociitus, luculentus, particula den
Hochton hatte, dürfte schwer zu entscheiden sein.
Wurde aber ein Wort, das einen Mittelton und einen Hochton
hatte, mit einem anderen zusammengesetzt, so konnte das Com-
positum zwei Mitteltöne neben dem Hochton erhalten unter der
Bedingung, dass nicht Mittelton und Hochton in benachbarten Silben
zusammentrafen ; so in:
verbi -velitätio , vgl. velitätio,
TT. T
quina-vicenaria, vicenaria,
c o n f i d e n t i - 1 6 q u i u s , c o n f i d e n ti.
Freilich konnte aber auch der zweite Mittelton dieser Com-
posita leicht zum Tiefton sinken, indem nur der erste wegen der
Bedeutsamkeil des ersten Compositionsgliedes hervorgehoben wurde.
Dass bei diesen feineren Nüancierungen derBetonung auf die augen-
blickliche Willensregung des Sprechenden etwas ankam,
wird sich in dem Abschnitt über den Tonanschluss ergeben.
Auch im Deutschen bleibt es dieser Willensregung bei der Aus-
sprache überlassen, oh manche Silben mit dem Mittelton oder mit
dem Tiefton gesprochen werden; wir betonen zum Beispiel ünzu-
laenglicher, uebermuel h ige, nieder traecht ige s , aber
auch unzulaenglicher, uebermuet Inge , nied ert ra ec li -
tig es.
5) Tonhöhe und Tondauer.
Der Hochton ist der Weiser des selbständigen einigen
Wortes, der Pulsschlag, der das Leiten des Wortes durchdringt,
aber er herrseht so wenig unumschränkt über den Wort Körper, wie
das Herz über den menschlichen Leib eine solche Herrschaft übt.
Fr ist vielmehr von einer anderen lautlichen Macht an strenge
Schranken gebunden. Was das tue eine Macht sei, tritt recht
augenfällig hervor, wenn man sich das Anwachsen von WoFtformen
an folgenden Beispielen vergegenwärtigt:
lex, fer,
lege, cö n fer,
exlex, sfgnifer,
legi, fera\.
— 249 —
legibus, feräcem,
legärc, feräci,
d e 1 e g ä v i t , f e r ä c i o r ,
legävi, feraciörem,
delegärunt, feraciöres,
legitimus, feracissimus ,
legaturum, f e r a c is s im 6r um.
ablega vere,
legi slatör i ,
relegavßrunt,
legislatöribus,
Diese Beispiele zeigen wie fein fühlend der Hoch ton für
jeden Zuwachs in der Tondauer des Wortes ist; Zuwachs im
Anlaut des Wortes zieht ihn rückwärts, Zuwachs im Aus-
laut bricht ihn, oder zieht ihn vorwärts, oder bewirkt beides
zugleich nach bestimmtem Gesetz.
Der Hocbton hat die Neigung, sich möglichst weit in den
Wortkörper zurückzuziehen.
Der Hochton kann aber nicht über die vi er te Ton weile
oder More vom Schlüsse des Wortes zurücktreten:
Die T o n 1 ä n g e der v o r 1 e t z t e n Silbe übt eine bindende
Kraft auf den Hochton, indem sie ihn nicht über die dritte Ton-
weile vom Schlüsse des Wortes zurücktreten oder vorschrei-
ten lässt:
Der Hochton wird gebrochen in der z w e i t e n Z e i t w e i 1 e
vom Schluss des Wortes durch die Tonlänge des Vokales
derselben, er bleibt ungebrochen in der dritten Zeitweile, wo
er durch eine folgende lange Silbe Halt erhält:
— ~ j im Gegensatz zu: -' - |
Der Hochton wird gebrochen in der letzten Ton weile
durch die Tonlänge des Vokales der Schlusssilbe:
- I
Der Hochton wird also gebunden durch die S u m m e der Ton-
dauer der drei letzten Silben, gebunden durch die Tondauer der
vorletzten Silbe, er wird immer gebrochen durch die Ton-
länge des Vokales der Schlusssilbe, er wird unter einer
— 250 —
Bedingung gebrochen durch die Ton länge des Voka-
les der vorletzten Silbe» Der Hochton wird demnach ge-
bunden und gebrochen durch die Tonlänge, das heisst
der Accent ist im Lateinischen abhängig von der
Quantität, wie dies schon Dietrich {Zeiischr. für vergl. Sprach f.
I, p. 534) klar erkannt hat.
Im Griechischen zeigt der Aeolische Dialekt eine
ähnliche Neigung wie das Lateinische den Hochton in den
Wortkörper zurückzuziehen (Boeckh, Metr. Pind. I, c. 8. p. 55.
Ahrens, Dial. Aeol. p. 10 — 19.); sonst ist diese Neigung im Grie-
chischen n ur in der B i 1 d u n g d e r Verbal f o r m e n sichtbar. Der
Griechische Hochton kann wie der Lateinische in der Re-
gel nicht über die vierte Zeit weile vom Ende des Wor-
tes zurücktreten; aber er bewegt sich in diesem Ton-
bereich ungebunden durch die Ton länge der vorletzten
Silbe. Die Sprache zeigt zum Theil sogar eine Abneigung
den Hoch ton zu der Tonlänge der vorletzten Silbe zu
gesellen, und bethätigt diese dadurch sehr entschieden, dass
sie gewohnlich den Ilochton von der vorletzten langen Silbe
Lateinischer Wörter, die sie aufnimmt oder nachspricht, auf die
drittletzte zurückzieht, oder auf die letzte vorschiebt. Man
vergleiche folgende Zusammenstellung :
<d ivtatog , AavQevrov ,
KXrjiisvTcc, IlokXevTog,
IlLK£vt8g , Ovrjievtavog ,
Ilovdevxoq, NayLEVtov ,
Ovälsvrog , 2Jv qqevtov,
K8VXOVQlCdV£g, <2> SQccvrccvog,
TCalovdccaEvrov , KoQvr]XLavög,
ni'yyLEvrov, KoQVLxovXavdg,
0riyiLevxov, Koqv icpixiav 6g,
x6[iߣVT og , Aoyyuvog,
Ha Ieqvov , Aovtt EQXtavij ,
OaXegvog, Ne Qßtavog,
'A n i re q v o v , 77 o u n o v o* i a v o g ,
"Ateqvov, Eegyiavos,
Aiteqvov , TsqtvX li «vog,
— 251 —
ÜQLßeQVov, Ov sQßavog ,
Ma [isQtog, Ov eöTtccö iav\6g,
Mod £ tf t o g , 'Aov e QvCg ,
IleQcp £xtog, Aov7t£Qxog,
TgiKOCtog, Ma[i£Qx6g.
ߣQvaxXog,
ß r\ £ 1 X X o v ,
[l8[lßQCCV0V.
Die Voka Hänge der letzten Silbe bindet den Griechi-
schen Hochton insofern, als sie ihn nicht über die dritte
Zeitweile vom Ende des Wortes zurücktreten lässt , aber
innerhalb dieser Grenzen kann er sich frei bewegen und auf
der vorletzten oder letzten Silbe stehen. Im Griechischen
wird der Hochton gebrochen in der zweiten Zeitweile
vor dem Wortschluss durch die Länge des Vokales
in der vorletzten Silbe, dem eine kurze Silbe folgt, wie
im Lateinischen; er kann gebrochen werden durch die Ton-
lä'ngc des Vokales der letzten Silbe wie im Lateinischen,
aber er kann auch seine Hohe und Schärfe bis in die letzte
Tonweile vor dem Wortschluss hinausschieben.
Also eine bindend e und b r e c h e n d e Kraft auf den Hoc hton
übt die Tondauer auch im Griechischen , aber mit einem sehr
wesentlichen Unterschiede vom Lateinischen. Die gesammle Ton-
il a u c r der drei letzten Silben und die T o n 1 ä n g e de r
letzten Silbe setzt dem Hochton im Griechischen nur eine
Schranke, in der er sich' bewegen soll, aber sie bindet ihn nicht
fest an den Ort, wo er haften soll; sie bestimmt ihm, wo er
nicht stehen soll, aber nicht, wo er stehen soll. {Dietrich,
Zeitschr. für vergl. Sprach f. I, 534.)
Wenn der Hochton im Lateinischen durch die Ton d a u e r an
seinen Ort gebunden ist, so wird er doch nicht absolut be-
herrscht von derselben; er bindet und beschränkt auch sei-
nerseits die gesamm te Tondauer des Wortes. Er Unit dies,
indem er einmal tiefto nigerlange Silben so übertönt, dass sie
sich kürzen und zwar sowohl Endsilben als inlautende Silben in
seiner unmittelbaren Nähe. So entstanden die oben besprochenen
Vokalkürzungen in:
— 252 —
püto,
111 lnlo,
H
änni
bäl,
in ö 1 e s t u s ,
ci tö,
deder t] nt,
H
ä s d l
■ u b ä 1 ,
f ä r i n a ,
manu,
ä g n 1 1 u s ,
öfella.
väle,
hominis,
d ö m i ,
fidei,
i 1 1 i u s ,
Der Hoch ton beschränkt ferner die Tondauer des Wortes,
indem er benachbarte tieftonige Silben im Inlaut desselben
oder Endsilben mit kurzem Vokal so übertönt, dass die kurzen
tieft onigen Vokale jener Silben stumm werden oder ganz
verklingen. So erklären sich die zahlreichen gekürzten Wort-
formen, die in dem Abschnitt von der Vokalkürzung zusammen-
gestellt sind, und von denen hier folgende Uebersicht Platz fin-
den möge:
L a - 1 r i n a ,
va
p a 1 - m a ,
a
vir-
us ,
äger-
US,
p i s t - r i n a ,
0
vict-rix,
0
vel-
J is,
liber-
saec-läri s,
u
V 1 11 C - 1 11 111 ,
u
ÖS -
se.
famel-
us ,
p o p - 1 a r i s ,
u
fab-rica,
e
a n g - 1 u s ,
u
t emp-lum,
u
1 a c -
te,
Pöl-
lu*,
m a sc e 1 -
US ,
nihil-
um,
Cap-rfolus,
e
stäb -1 um,
u
fac-
ti (t ii e c -
um,
a 1 1 - r i u s ,
e
v i t - 1 u s ,
u
(1 1 c -
a c e r -
c a 1 - c ä r e ,
i
h o m ü 1 - 1 u s ,
onu
h i c -
fa cul-
n a v - a r e ,
o p e 1 - 1 a ,
r u
vi'n-
e,
prae coc-s,
i
frig-daria ,
i
lnt-ra,
t 11 11 -
c o ii cor-s .
dorn -no r um,
equest-ris ,
e
p a t - r i s ,
n 6 n-
um,
scob-s ,
ämen-s,
p r a c cep-s ,
e
d <; d - r o t ,
e
grü-s.
Ph a rna c - s.
e
sac-ruin,
e
m 6 n - s ,
• ii
Ig-ri,
e
r ep e n - s ,
ti
fcr-re ,
u!->.
ti
n ('» - r a in ,
fer-t,
— 253 —
val-de, fec-t,
i i
p 6 s-tum, A r p i n ä - s ,
i tl
fer-tis, nosträ - s.
i ti
D e c - um s ,
i
t e g - m e n ,
bäl-neum,
i
1 ä m -na,
i.
N ü m - s i u s ,
i
S e s t - 1 i ;i ,
i
Also die To n 1 ä in g ; e bindet und b r i c h t den H o c b t o n , der
Hochton beschränkt und kürzt die Ton lange , es ist ein
Widerstreit constitutioueller Gewalten im Worte. Aber die
Toni äuge übt ihre Macht über den Hochton nach festen Gese-
tzen immer und ohne Ausnahme, derllochton übt sie nicht
durchgreifend nur in der Minderzahl der Wortformen, nicht
einmal consequent in bestimmten Arten von Wortformen. So
herrscht in dem Belonungsgesetz der Lateinischen Sprache zur
Blüthezeit der Litteratur die Tonlänge über die Tonhöhe, nicht
unbedingt aber mit überlegener Macht. Aber in der Spätlateini-
schen Volkssprache hat der Hoch ton, obwohl er festgebannt
blieb auf der Stätte, die ihm durch die Tondauer der vorletzten
Silbe angewiesen war, mit immer härterem Druck auf den tief-
ton igen Silben gelastet, bis er sie alle gekürzt und sich zum
unumschränkten Herrscher des Wortes u nd des Verses
emporgeschwungen hat, wie er jetzt in den Romanischen Sprachen
waltet.
Die Neigung der Lateinischen Sprache den Hoch ton von
der Endsilbe hinweg in den Inlaut des Wortes zu ziehen, die
starre Consequenz, mit der sie den Hoch ton an die Ton -
länge d er vorletztenSil befesselt, verleiht den Lateinischen
Wortausgängen die Aehnlichkeit mit dem Trochäischen
Rhythmus, auf die noch späterhineingegangen werden wird,
sie giebt der Lateinischen Wortbetonung etwas Starres,
A b gemessenes und Eintöniges im Vergleich mit der Grie-
chischen Betonungsweise, die in anmuthiger lebendiger Ab-
— 254 —
wechselung dem Hochton freien Spielraum la'sst innerhalb der vier
letzten Tonweilen, so dass bald die Endsilbe hell aufklingt nach
lieftonigen inlautenden Silben, bald die drittletzte Silbe mit schar-
fem Hochion hervorspringt unmittelbar vor einem tieftonigen langen
Vokal der vorletzten Silbe. Gewiss wird man daher Quintilians
Urtheil beipflichten, XII, 10, 23: Sed Accentus quoque cum
r i g o r e q u od a m tum similitudine i p s a minus s u a v e s
habemus quam Graeci. Griechen fanden eine Aehnlichkeit
zwischen der Lateinischen Betonung und dem starren, gravitätischen
Auftreten des ernsten tugendstolzen Altrömers, das besagt Olym-
piodors Bemerkung Arist. Meteor, p. 27: Ka& olov da ol
'Pco^ialo i 7t äv ovo^ia TtaQo^vvovö i ölcc zov x6[i-
7i ov, o&sv VTCSQrjvoQeovreg £zÄ.rj&i]6av vno rcov
TCOLTjTCJV.
6) Tonanschluss.
Wortzusamme nsctz ung ist das Zusammenwachsen zweier
Wörter Äi einem neuen viel gegliederten Wortleib, bei dem der Leib
oder die Seele jedes der beiden Wörter soviel von seiner selbstän-
digen Gestaltung einbüsst, dass er dem neuen Leih als Glied dienen
kann. Das erste Glied verliert also jene selbständige Lebenskraft
und Triebkraft, indem es die Beugungsfähigkeit einbüssl
und nur den nackten Stamm ohne Casusendung behalt, oft in ab-
geschwächter Gestalt, häufig auch seinen selbständigen Hochton
verlor; so:
säero-, in sacri-fi'ciu rn,
sa er r -dos,
stilla-, still i- cid i um,
mä im-, manu-mi ssio,
mani-pr et iu m,
man-e ipium.
Das zweite Glied der Compositum nimmt an seinem Leibe
S ehade n, indem sein S la mmvo k al, oll auch der V uslaul des
Stammes sich abschwächt, verfärbt oder gani schwindet ;
CS nimmt an seiner Seele Schaden, indem es oft «las Kleinod .sei-
nes selbständigen Lebens, seinen Hochton einbüssl; so iura
Beispiel :
2;
>.)
c ü p i o ,
c o n c i p i o ,
b ä r b a - ,
i m b e r bis,
pars,
e x p e r s ,
b e 1 1 o - ,
i in b 6 1 1 i s ,
e m o ,
redimo,
c ä put-,
ä n e e p s ,
h ä 1 o ,
a n h e 1 o ,
s u e t o - ,
man su es.
c a e d o ,
c o n c i d o ,
rcgo,
pergo,
h ä 1) e o ,
praebeo,
Die so geschwächten Glieder des zusammengesetzten Leibes
sind so u n f ä h i g geworden zu selbständigem Dasei n und
unauflöslich vom Sprachgeiste aneinander gebunden.
Die V o r s t u f e zu solcher einheitlichen u n lösbare n W o r t -
Vereinigung ist die Verbindung zweier Wörter unter
einem II och ton. Von zwei Wörtern, die im Volksmunde als
häufige Gefährten und Nachbarn auftreten wie res publica,
acalceis, quando quidem, qua ntum vis ordnet sich das
für das Bewusstsein des Sprechenden bedeutungslosere dem
bedeutungsvolleren unter, in so weit, dass es vor dem Hoch-
ton des kräftigeren vorlauten Nachbars seinen II och ton sinken
lässt, wie im geselligen Verkehr der unbedeutende Mensch neben
dem bedeutenden kleinlaut wird. Aber deshalb ist das beeinträch-
tigte Wort nicht unauflöslich gebunden an den stärkeren Ton-
gesellen, nicht leblos geworden, sondern jede leise Willens -
regung des Sprechenden genügt, seine Bedeutung in soweit
hervorzuheben, dass es seinen Hochton und mit ihm die
Würde des freien Wortes wiedererhält.
Dass der Tonanschluss wirklich die Vorstufe zur Wort-
zusammensetzung gewesen ist, dafür legen alle Sprachen Zeugniss
ab, die Lateinische insbesondere dadurch, dass viele Wortverbindun-
gen, die in der älteren Sprache noch nicht unauflöslich an-
einander gebunden sind, im Sprachbewusstsein der späteren Zeit
als wirkliche Composita erscheinen, so dass ein Glied der Ver-
bindung für sich allein in der Sprache nicht mehr vorkommt. Es
findet ein allmähliger Uebergang von der Tonverbindung zur
unauflöslichen Wortverkittung statt, und es lässt sich keine haar-
scharfe Grenzlinie ziehen, wo die eine aufhört und die andere anfängt.
Es sind zwei Hauptquellen, aus denen wir den Umfang und
die Bedeutung des Tonanschlusses in der Lateinischen Sprache
erkennen können: die Angaben der Grammatiker und die
Schrift. *
- 256 —
Die Griechischen Grammatiker nannten in ihrer Lehre
von dem Tonanschluss jene kleinlaut gewordenen Worter, die
sich an das vorhergehende Wort anlehnten , iyy.Xixi'aa ,
solche, die sich an den Hochton des folgenden schlössen, axova.
Varros Lehren über diesen Gegenstand lassen sich nicht mehr
auffinden; Quin tili an, der für die Unterschiede der Laute und der
Betonung seiner Muttersprache von der Griechischen ein feines Ohr
hatte, lehrte schon den Tonanschluss der Lateinischen Präpo-
sitionen und Adverbien an das folgende Wort. Von Werth sind
dann unter den späteren Grammatikern die Angaben des Diome-
des und Do natu s über den Gegenstand , vor allem aber ist Pris-
cians grosses Werk eine reiche Fundgrube von Bemerkungen und
Aufschlüssen für die vorliegende Frage, die er aus den Schriften äl-
terer Grammatiker, ohne Zweifel auch des Varro schöpfte.
Eine noch ältere Quelle für die Erkennlniss des vorliegenden
Gegenstandes ist die Schrift, insofern schon auf älteren In-
schriften, namentlich den Gesetzurkunden seitdem Senatuscon-
sult über die Bacchanalien, Wort er, die unter einem 11 och ton
verbunden gesprochen winden, auch häufig zusammen ge-
schrieben sind, was dann natürlich auch durch alle folgenden
Zeiten bis in die späteste Kaiserzeil Sitte bleibt. Die Handschrif-
ten zeigen auch in dieser Beziehung nur den Schreihgebrauch seil
dem vierten und fünften Jahr hundert nach Christus, der aber
in allen wesentlichen Punkten mit der Schreibart der Augusteischen
Zeit übereinstimmt.
a) Tonanschluss an das vorhergehende Wort.
Tonanschluss an das vorhergehende Wort nennt Pris-
cian inclinatio nach dem Muster der Griechischen Bennennung
eyxliOLg oder auch additio (p. 975. P.). Von der Betonung
solcher Wortverbindungen sagt Servius, Verg» Aetu 1, 116:
Pronuntiationis causa contra usum Latinum syllabis
ultimi s, quibys particulae adiu nguntur, accentus
tribuitur ul 'musäque, illene, huiüsce'. Sic ergo
etcibidem'. Ausdrücklich wird dies von anderen Grammatikern
mehrfach bestätigt für die enklitischen Partikeln -<|iie, -VC, -ne.
-«•e (Prise, p. 1253. 1288. 1238. 1224.975. Dkm, jr. 12s. Mttrt.
Cap. p. 286. K. Pomp. Comm. Art. Don. p. 77. /.). Dass derTou
auf der Silbe vor dem enklitisch angefügten Wort der scharfe
— 257 —
Hoch ton war, erglebt sich aus Servius Worten und wird bestä-
tigt von Diomedes , p. 428: Complexiva coniunctio sive
copulativa eque' et disiunctiva fve' et dubitativa
ene' adiunctae verbis et ipsae amittunt fastigium
et v e r 1) i antecedentis 1 o n g i u s p o s i ( u m c a c u m e n ' a d -
ducunt et iuxta se pro xi nie collocant. Diese Betonung
hat also nach der Aussage jener Grammatiker, die auch hier aus
alleren Quellen schöpften, nur in dem Fall stattgefunden, wo eine
Wortverbindung eine blosse inclinatio, ein Tonanschluss
eines Wortes an das vorbeigehende war, und blieb im Gegensatz
zur Betonung wirkliche]', untrennbar verwachsener Com-
posita *).
Da die schwache Bedeutung eines Wortes im Satze
der Grund ist, weshalb es im Zusammenhang der Rede den Hoch-
ton einbüsst und sich an den Tlocliton des vorhergehenden Wortes
anschliesst, so ist es für die folgende Untersuchung angemessen,
die Arten der Wörter, welche diese Tonschwächung erlitten,
nach ihrer Bedeutung im Zusammenhang des Satzes zu
sondern und nach einander die Pronomina und Pronominal-
adjeetiva, -Adverbia und -Partikeln, die Conjunctio-
nen, Verba und Nomina zu erörtern, bei denen Tonanschluss
an das vorhergehende Wort stattfand, lim aber Umfang und Be-
deutung desselben in der Sprache zu ermessen , ist es not-
wendig, auch solche Wortverbindungen in Betracht zu ziehen,
die ursprünglich blosse Tonverbindungen waren, im
Laufe derZeit aber zu wirklichen, untrennbaren C om p o s i -
ten verwuchsen.
*) Dieses von den alten Grammatikern so bestimmt ausgesprochene
und deshalb von neueren Gelehrten wie Bopp, Vergl. Acccntl. p 100,
Weil und Benloew, Acc. Lat. p. 51, und anderen mit Recht aner-
kannte Betonungsgesetz enklitischer Wortverbindungen will Langen,
Acc. p. 23 f., wenigstens für die ältere Lateinische Sprache nicht gelten
lassen, weil bei PI au tu s und Terenz Wortformen wie eaque,
egone u. a. die Vershebung oft auf der drittletzten Silbe haben.
Diese Aufstellung geht von der Ansicht aus, dass jene Dichter das Zu-
sammenfallen von Hoch ton und Vershebung in ihren Versen
absichtlich gesucht hätten, eine Annahme, deren Unhaltb ark ei t
weiter unten dargethan werden wird.
Corssen IL 17
— 258 —
Es wird also zuerst von den enklitischen Pronomen die
Rede sein.
Wie das Griechische rt'g, rt, so zeigt, das Lateinische unbe-
stimmte Relativpronomen:
quis, qua(quae), quid
sich von so schwacher Bedeutung im Satz, dass es sich mil
Verlust des Hochtones an das vorhergehende Wort anschliesst.
Prise, p. 669. P.
Priscian vergleicht zunächst das Lateinische siquis mit
dem Griechischen st xig. In der Schreibweise der alteren In-
schriften bis Cäsars Zeit und auch später werden die beiden Be-
sfandtheile dieser Tonverbindung bald getrennt bald verbun-
den geschrieben ; so:
sei q u e s , Sc. d. Bacc. s e i q uis, /. rep.
s e i q u a , a. 0. s e i q n i s . /. rep. (Serv.)
sei quid , a. O. seiqua , ä. 0.
sei q u i , <ir<l. >•/'<-. Für/'. se i qu a e , a. 0.
sei qua, Sc. d. Ascl. s i (| u a e , ( X. Sing.) L agr. ( Thor. )
sc i(| n is , /. Inj.
s e i q u i d , /. Ruhr.
sjqua , Prise, a. 0.
si quis, Or. 2417. 3115. 3665. siquis, Or. Benz. 6086. 7382.
4432. 45491 4610. Or. ffenz. siqui, Or. 3787. 1431.
6086. 7226. Sfqua, Or. 4428.
si quil, a. Ö. 6086. siquit, Or. ffenz.GO&l.
s I qui , a. 0. 6857. s [quid , a. 0. 6457.
Casusformen des indefiniten Pronomen (jnis erschei-
nen in alleren Inschriften häufig, viel seltener in späteren,
mit der vorhergehenden Partikel n e verbunden geschrieben :
so in :
neiqnis. Sc. </. BaCC. neiqnis, l. Iui.MUn.
neq n is , a. 0. niq uis, <t. 0.
nefquis, /. repet. (Serv.) "nequis. a. 0.
neq nein , a. 0. neq nein, <i. (f.
neiq'ui d, <i. o. neq uis, /. Iluln-.
ue i quid, /. agr.JThgr.) niquei, /. V. 5468.
nequis, Or. Um:. 6302
__ 259 —
Zu Priscians Zeiten waren in der 'Aussprache die Verbindun-
gen siquis, numquis, nequis, siqua, nequa u. a. schon
so eng verwachsen, dass er sie für Composita erklär! wie aliqua
(p. 069.).
Ebenso sind die Formen von quis enklitisch angefügt in:
ecquis, quisquis,
n ü m q u i s , aliquis.
Da der erste Bestandtheil von aliquis, ali-, als selbständi-
ges Wort nicht mehr in Gebrauch erscheint, überdies durch Vokal-
verschleifung und Kürzung verkümmert ist, so muss man schliessen,
dass aliquis zum Compositum verwachsen ist, wie dies auch Pris-
cian ausdrücklich angiebt, und dass es demgemäss betont wurde. Pas
alt- ist aber verschmolzen aus ali I-, einer Locativform vom Stamme
alio- wie hl-, illi-, ist!- in hie, illi c, istic von den Stämmen
ho-, illo-, isto-; das ursprünglich lange i von ali- kürzte sich,
nachdem die angefügte Enklitika mit dem ersten Wortbestandtheil
zum Compositum verwachsen war, wie in utlquo, u ti riam, ubi-
n a m neben u t i , u b I. Aliquis bedeutet also anderswo j e -
mand, aliquot: anderswo irgend wie viele, aliquan-
t u m : a n d e r s w o irgend wie viel, a 1 i q u a n d o : anderswo
irgend einmal.
Auch andere unbestimmte Pronominaladjectiva, -Adverbia und
-Partikeln lehnen sich in Folge ihrer schwachen Bedeutung tieftonig
an den Hochton des vorhergehenden Wortes.
So ist quot enklitisch angefügt in:
aliquot,
quötquot,
aliquot aber ward als Compositum betont aus demselben Grunde
wie aliquis.
Quando fügt sich tieftonig an die Conjunctionen si und
n e in :
s i q u a n d o ;
ne quando,
die nach Priscians wiederholter Angabe mit enklitischer Betonung,
das heisst mit dem Hochton auf der drittletzten Silbe gesprochen
wurden (Prise, p. 1011. 1018. />.).
Anders verhält es sich mit der Betonung von :
a 1 i q u ä n d o ,
e cqiiändo,
17*
— 260 —
daaliquändo so gut wie äliquis, aliquot, aliquäntum zu
einem untrennbaren Compositum verwachsen war, und das ec- in
ecquändo, ecquis, das, wieenunquam zeigt, aus en durch
Assimilation entstellt ist, als seihständiges Wort in dieser Gestalt
nicht mehr auftreten kann. Si quando, ne quando können
hingegen auch getrennt geschrieben werden, weil beide Bestandteile
selbständige unversehrte Wörter geblieben sind; deshalb haben sie
die enklitische Betonung behalten.
Wie quando ist ein indefinites q u a m tieftonig an das vorher-
gehende Wort gefügt in:
quis quam, üsquam, per quam.
quam quam, n üsquam,
ünq uam,
nun quam ,
neütiquam ,
Das -quam ist in allen diesen Tonverbindungen Accu sa t iv
Fem. des unbestimmten Pronomen quis und bedeutet irgend wie,
in irgend einer Weise.
Es isl schon nachgewiesen, dass die Conjunclion -que aus
dem Ablativ qued, queid, quid von dem Relativstamme qui-
eutstanden ist wie mare aus marid (vgl. !, 336).
Das Bindewort -que isl bestimmtes Belativum und be-
deutet eigentlich wie, daher und (vgl. I, 336/*.)« ^<m diesem
-que isl nur der Bedeutung, nicht <I<t Form und Abstammung nach
verschieden ein anderes -q u e , das i u d e fi nites Relativum isl, also
irgend wie bedeutet und der Ablativ /u dem i u tl e fi in t en q u i s,
irgend wer, ist, das in ec- quis, n u m-q uis, all -quis, q uis -
quis enklitisch an das vorhergehende Worl gehängt isl. Daher
bedeutet:
quis q u e
also wer irgend wie, daher j eder. In seinem enklitischen Weilli
wie in der Bedeutung entspricht dieses -que dem Griechischen -te
in olos-te. Dasselbe i^ilt von:
usque.
Vvr erste Bcstandtheil dieser Tonverbindung us- ist entstanden
aus uli-s lur ubi-s; das s isl die Endung des Ortsadverbium wie
in ul-s für ullis, ei-s, tran-s und us-, >us- für obs-,
sulis-, us<|ue bedeutet also wo irgend wie, daher Überall
— 261 —
und auf die Zeit übertragen immer, usque ad: immer bis.
Dieselbe Bedeutung bat das angefügte que in:
uterque, plerique.
Uter für cu-ter, vom Relativstamme quo-, cu- mit dem
Comparativsuffix -tero abgeleitet, wie Griech. %6-teQog, %6-
t£Qog, Osk. po-toros, bedeutet welcher von zweien,
uterque also welcher von beiden irgend wie, oder ir-
gend welcher von beiden, das heisst jeder von bei-
den. In plerique ist der Wortstamm ple-ro von der Wur-
zel ple-, von dem ple-o, ple-ores {Carm. Arv.) 7tlrj-
grjg stammen.
Daher bedeutet plerus bei Cato noch voll (ager — ple-
rus Aboriginum), bei Pacuvius plera pars: der volle
Theil, das heisst der grösste Theil, und pleros: die
meisten; bei Asellio ist p ler um ein zum Adverbium ver-
wandter Accnsativ wie primum, postremum, adversum
u. a. und bedeutet in Fülle, daher: meistens, und somit
plerumque: in Fülle irgend wie, das heisst vielfach
wohl, meistens wohl. (Vgl. Prise, p. 667. P. V, 64.
65. ff.)
Priscian sagt ausdrücklich, dass :
uträque, pleraque
zu betonen sei (667. 1252. P.), weil die Enklitika den Hochton in
nächster JNähe verlangen, ähnlich wie im Griechischen. Dieselbe
Bedeutung irgendwie hat que in folgenden Verbindungen:
quandoque, ütique,
ubique, neütique,
utrobfque, ündique.
Es ist klar, dass sich diese zusammengesetzten Formen zu den
einfachen qu audio, ubi, utrobi, uti, unde verhalten, wie
quisque, uterque zu quis, uter, dass ihr angefügtes -que
die indefinite Bedeutung irgendwie halte. Dass sie völlig zu
Compositen verwuchsen wie nicht wenige der aus Tonanschluss ent-
standenen Wortformen , die hier behandelt werden, ergiebt sich
daraus, weil nach Priscians Angabe (p. 667. 1252) ündique,
ütique den Hochton auf die drittletzte Silbe zurückgezogen
hatten nach dem gewöhnlichen Betonungsgesetz, während derselbe
in quandoque, ubique, ut r ob iq u e wegen der Länge der vor-
letzten Silbe auf derselben haften blieb.
— 262 —
Enklitisch angefügt ist ferner das Orlsadverbium ubi in:
alicubi*), ali ubi,
n e c u b i , u b 1 u b i ,
nunc ubi, utrubi,
sicubi, neütrubi.
Da ubi entstanden ist aus cubi, wie es noch in si-cubi,
nun-cubi und ali -cubi erhalten ist, vom Relativstamme cu-,
quo- wie -u-ter aus cu-ter, un-de aus cun -de (vgl. ali-
cun-de), so bedeutet es in allen jenen Wortformen irgend wo,
ist also indefinites Pronominaladverbium.
Von derselben Art ist das zweite ut, das sich an ein vorherge-
hendes tieftonig angelehnt hat in :
ö t - u t .
Die Conjunction ut für u-ti ist entstanden aus cu-tivom
Relativstamme cu-, quo-, wie u-bi aus cu-bi. Das -ti ist ein
Adverbium vom demonstrativen Pronominalstamm to-, der sich in
tum, tarn, -te von is-te noch erhallen hal und in derselben Form
auch in is-ti-c erscheint, also eigentlich eine Locativform isl ;
uli heisst also wie da oder wie so und ist das Correlaliv zum De-
monstrativ i-la, in dieser Weise da. Als relatives Pronominal-
adverbium kann es mit folgendem Conjunctiv die Folge und Absicht
bezeichnen, und kommt so zu dem Sinne so dass, damit;
auf die Zeit angewandt erhält es die Dedeutung als. Il-ul
bedeutet also wie — irgend wie. daher wie auch immer.
Eine Locativform des unbestimmten lMonoininalst.innnes qui,
quin erscheint enklitisch angefügt in:
ceteröquin , cel eröqui ,
a 1 i ö q u i n , a liöqui , Or. ffen :. 5593.
(Zeitsc/tr. /'. vergi. Sfrrachf. V, 122);
sie bedeuten also i m Uebrigen irgend wo, andern Orts ir-
gend wo.
Das relativiscbe uter isi zu Ciceros Zeit enklitisch ange-
fügt in :
altem ha, alterutro, allerutrum;
*) C a ss iodor, ;;. 231 I. will aliq n oh i und aliq u an d e schreibt n,
weil er aliquo-für <len ersten Bestandtheil dieser Zusammensetzungen
hält, gesteht aber, dass alicubi, alieunde gesprochen sei.
— 263 -
in älterer Zeit sprach man getrennt altera utera, alter um
u t r u m , a 1 1 e r i li s u t r i u s ; die letzte Form bra ucht Cato und noch
Cicero {Prise. V, 63—64. H.) ; alt e r u t e r bedeutet also d e r e i n e
von zweien, — ir gend'welcher. Auch in der Kaiserzeit schrieb
man :
a 1 1 e r u t e r , t. Salp. Or. Henz. 7421.
a lterutr um, a. 0.
Die vorstehenden Casusformen , Pronominaladjectiva und
Pronominaladverbia vom relativen Pronominalstamme cu-, quo-
oderqui-, die sich enklitisch an das vorhergehende Wort fügen,
haben alle die unbestimmte, verallgemeinernde und
darum seh vv a c h e ß e d e u t u n g des Pronomen indefinitmn ; we-
gen dieser Schwäche der Bedeutung aber sind sie auch schwach
betont und haben sich an den Hochion des vorbeigehenden Wor-
tes angelehnt wie die Griechischen unbestimmten Adverbien tzov ,
tto&i, TCoi.Ttcjg, 7t co, 7i o x £ , xofrsv, die vom Griechischen
relativen Pronominalstamm tco-, Ionisch xo-, gebildet sind, der
dem Lateinischen quo-, cu-, dem Oskischen und Umbrischen po-
entspricht.
Aber auch die Formen des best i m m I e n ß e I a t i v p r o n o -
mens qui, quae, quod können sich an den Hochton des vorher-
gehenden Wortes anschlirssen*).
So s< bliesst sich die Conjunction quam, der feminine Accusa-
tiv des Relativstammes quo-, an vorhergehende Zeitpartikeln
an in :
ante quam, /. Iul. mim. I. rep. vgl. ante quam, /. rep. (Serv.)
(Serv.) t. Salpens. Malac. Or.
Henzen. 7421.
p r a e q u a m ,
p r ö q u a m ,
pöstquam, p o s l q u a m , /. agr. ( Thor.)
posteaqua m, p o s l e a qua m , a. 0.
p ö s q u a m, Mar. Viel. p. 2467.
P. Rhein. Mus. VII, 571.
praeter quam, Or. 806.
*) Die Schreibweisen isquem, l. Iul. man. und an tequa in diera,
a. 0. gestatten keinen sicheren Schluss auf die enklitische Natur des Re-
lativum.
— 264 —
p r i 11 s q u a m, /. Medac Or. Henz. vgl. p r i u s quam, /. N. 6482.
7421.
p r ö q u a m , Lucr. VI, 11. B.
t ä m q u a m ,
quam quam.
In allen diesen Anfügungen hat quam eine eigentlich re-
lative Bedeutung, in quisquam, nusquam, unquam u. a.
war es indefinit um. Die getrennte Schreibweise ante quam,
post quam zeigt, dass im Zeitalter des Marius beide Wörter noch
als getrennt gefühlt wurden , wenn auch quam schon den Hochton
eingebüsst hatte; später verwuchsen sie enger mit einander, wie
namentlich die Form posquam zeigt.
Quo ist enklitisch angefügt in:
ad quo, Afran. Ribb. Com. p. 166. 170.
dem Sinne nach für ad eo quo.
Dass das -q u e , welches u n d bedeutet, etymologisch dem eben-
falls enklitischen que in quisque, uterque u. a. gleich ist, ver-
steht sich von selbst; beide enklitische que unterscheiden sich nur
dadurch, dass jenes eigentliches bestimmtes Relativadverbium war
und wie bedeutete, dieses hingegen unbestimmtes verallgemeinern-
des Relativadverbium mit der Bedeutung irgend wie ist.
Das bestimmte Relativadverbium -que, welches wie. und be-
deutet, erscheint schon auf den ältesten Inschriften auch in der
Schrift mit dem vorhergehenden Wort verbunden; so in:
s a p i e n s q u e , t. Scip. Barb. is q u e, Sc. ch Bacc.
o p s i d e s q u e , a. 0. n 6 q u e , a. 0.
ätque, a. 0.
uteique, a. n.
Vereinzelt findet sich auch in späterer Zeit -que npch getrennt
geschrieben in :
courato que, /. Ivl. mun.
ein Zeichen, dass das -que immer noch als ein besonderes Wort im
Bewusslsein der Sprache war.
NachPriscian (p. 1252. 1288. P.) winde:
itäque
auf der vorletzten Silbe betont, wenn es und so bedeutele, also
wenn die Bedeutung des enklitischen -que noch deutlich aus-
geprägt war, hingegen :
i I a q u e ,
— 265 —
wenn es daher bedeutete, also wenn die gesonderte Bedeutung
von que nicht mehr im Bcwusstsein war und somit die Besland-
theile zum Compositum fest verwachsen waren.
Der Ablativ qui- des Pronomen Relativum ist an die Conjunc-
tion a t getreten in :
ä t q u i ,
die eigentlich aber wie bedeutet, dann aber, indem das Relativum
wie häufig im Satzanfang demonstrativen Sinn erhielt, aber
so. Indem durch ätqui die folgende Behauptung der vorher-
gehenden entgegengesetzt wird, erhält es den Sinn aber doch,
aber ja.
Aus dem Ablativ qui ist durch die angefügte Silbe -dem, von
der weiter unten die Rede sein wird, qui -dem gebildet, das
eigentlich wie grade, wie eben, dann so grade, so eben be-
deutet und, indem es durch diesen hinweisenden Sinn ein einzelnes
unmittelbar vorhergehendes Wort scharf hervorhebt, sich tieftonig
an dessen Hochton anschliesst. Daher konnte sich auch das lange i
von qui in der tieftonigen ersten Silbe von qiudem kürzen. So
erscheint dieses enklitisch angehängt in :
e" q u i d e m ;
s i q u i d e m ,
q uandöquidem , Or. 4040. Henz. 1168.
Auch die vom Relativstamm cu-; quo- hergeleitete Con-
juncliqn u ti schliesst sich enklitisch an das vorhergehende Wort
an in:
v e 1 u t i ,
v 6 1 u t ,
sicuti, Or. Henz. 6415. 5580.
sicut, Or. 2417. 4036. Henz. 6955.
pröut, prout, Or. Henz. 7168.
Auch die Formen der demonstrativen Pronominalstämme i-,
illo-, können im Zusammenhange der Rede ihren Hochton verlie-
ren und sich an das vorhergehende Wort anschliessen.
Wie in quisquis, quam quam, utut Formen des Relativ-
stammes quo-, eu-, qui- sich enklitisch anschlössen an die
gleichlautenden Formen, so ist in der reduplicierten Accusativform
vom demonstrativen Stamme i - :
e m - e m , Fest. p. 76. 77 : eundem
— 266 —
die zweite an die erste enklitisch angeschlossen und verstärkt den
Begriff derselben. Dieselbe Accusativform -im findet sich so an-
gefügt in :
Interim (unterdessen).
Eine locative Form desselben Pronominalstammes i erscheint
an tarn und cum angefügt in:
tarne (pro tarn), Fest. p. 360.
cume, Carm. Saliar. Terent. Scaitr. p. 2261. P.
tarne bedeutet also so da, cume: wenn da, wie im Griechi-
schen ovtoöC: der da, rovrovi: den da.
Die Form -ea von demselben Demonstrativstamm i- erscheint
an den Hochton der Präpositionen angelehnt in :
i n t e r e ä ,
p r o p t e r e ä ,
p r a e t e" r e ä.
Die Länge des ä in diesen Formen zeigt, dass -eä hier Abla-
tiv war, und die Verbindung jener Präpositionen mit dem Ablativ,
während sie sonst den Accusativ regieren, erhall eine Stütze in:
ad vors um ead (Sc. de Bacc.). Dasselbe gilt von:
ä n t e ä , /. Com. de XX q.
postea, /. agr. Thor.
postfdeä, Plaut Stich. 758. Aul. I, 2, 40. Truc. II, 4, 67.
Auch die Locativform i-bi vom Demonstrativstamm i- erscheint
enklitisch so an Ortsadverbien angefügt:
f nibi ,
inleribi, Plaut. Pers. 165. Afran. Com. R. v. 138.
pöstibi,
desgleichen der Ablativ -eo in:
a d e o.
Wenn aus Festus (/>. 19. M.) berichtet wird, es sei zum Un-
terschied vom Verbum ädeo jenes Ortsadverbium einst adeo be-
tont worden, so kann zwar auch hier die Absicht <I<T Unterschei-
dung nicht zugegeben werden, dass man aber in aller Zeit einmal
ad eo gesprochen haben kann, wie usque eo und im Deutschen
bis da, isl einleuchtend. Als aber beide Bestandteile zu einem
Compositum verwuchsen, trat auch hier der Hochton nach dem ge-
wöhnlichen Betonungsgesetz auf die drittletzte Silin« zurück,
Der Ablativ eo ist ferner enklitisch angefügt in:
ideo,
— 267 —
Formen des demonstrativen Pronominalstammes i- sind ferner
enklitisch angefügt an das Pronominaladverbium ecce in:
ecca, für ecce ea,
e c c u m , e" c c e eum,
eccam, ecce eam,
eccos, ecce eos,
eccas, ecce eas. Vgl. Prise, p. 949.
Dass hier die Casusformen des Pronomen sich tieftonig an
das hinweisende ecce anschlössen, beweist der Ausfall ihres
stammhaften e bei der Verbindung mit ecce, der nicht erklärlich
ist, wenn dasselbe hochtonig war. Aehnliches findet statt mit Ca-
susformen von ille in den Zusammensetzungen:
ellum, für en illum,
6llam, en illam.
Auch hier zeigt der Ausfall des stammhaften i, dass illum, il-
lam sich tieftonig an das vorhergehende Wort anschlössen. Pris-
cian (a. 0.) nimmt an, dass jene Formen aus ecce illum, ecce
illam zusammengewachsen seien. Dagegen spricht aber, dass die
Verbindung dieser beiden Bestandtheile sonst eccillum, eccil-
lam lautet. Wäre aus dieser das i ausgefallen, so würde nach Latei-
nischem Lautgesetz eclum, eclam entstanden sein; eine Assimi-
lation des c zu 1 würde aber nicht eingetreten sein, da die Lautver-
bindung cl in Wortformen, deren Stamm auf -clo, -cla ausgeht,
im Altlateinischen ja so häufig ist und sieh ein sicheres Beispiel
von Assimilation eines c vor l nicht findet. Man muss daher an-
nehmen, dass aus en illum, en illam nach Ausfall des tieftoni-
gen i und der gewöhnlichen Assimilation des n zu 1 ellum, eil am
geword en ist. Weshalb in eccillum, e c c i 1 1 a m , e c c i 1 1 u d ,
ec eis tarn u. a. das ecce enklitisch zu fassen sei, wird weiter un-
ten erwähnt werden.
Nach Priscia ns ausdrücklicher Versicherung wurden mit
dem Hochton auf der drittletzten Silbe betont,
d e i n d e , vgl. dein,
exinde, exin,
perinde,
pröinde, proin,
sübinde, Prise, p. 1008. 1018. 984. 1300. Serv. Verg. Aen.
VI, 743.
— 268 —
Um dies begreiflich zu finden, ist folgendes zu erwägen. In de
ist keine einfache Casusform wie das -im von interim, das -ea
von antea, das -eo von adeo, an die sich die Präposition ur-
sprünglich tieftonig anschliessen musste, sondern ein zusammen-
gesetztes Ortsadverbium, von dessen Bildung weiterhin die
Rede sein wird; die erste Silbe dieses inde halte thatsächlich
beiden Scenischen Dichtern nur die Geltung einer mittelzeiti-
gen Silbe (vgl. oben II, 86 /".), sie konnte lang und kurz gemessen
werden. Die Betonung exinde, per in de widerspricht also
ebensowenig dem gewöhnlichen Lateinischen Betonungsgesetz wie
die von tßnebrae, lüdicrus u. a. Was nun die Bedeutung der
vorstehenden Tonverbindungen anbetrifft, so waren de-, ex-,
per-, pro-, sub- in ihnen, da sie keine folgende Casusformen
regierten, nicht Präpositionen, sondern die ursprünglichen
Orts- und Zeitadverbien, somit bedeutete deinde eigentlich
abwärts vonda, exinde: heraus vo n d a , p e rinde: d u r c h
(und durch) von da, pröinde: vorwärts von da, süb-
inde: dicht dran von da. Grade so bedeutet bei Ennius post-
inde: hernach von da (Ann. v. 11. J\). Somit ist es begreif-
lich, dass diese die Richtung der Bewegung schärfer ausprägenden
Ortsadverbien in jenen Zusammensetzungen als bedeutsam auch
durch den Hoch ton hervorgehoben wurden. Priscians Angabe
erscheint also durchaus begründet. Hingegen wurde ut rinde
betont, weil diese Zusammensetzung ans utröinde verschmol-
zen ist.
Enklitische Pronominalformen sind auch die schon zum Theil
besprochenen Anfügungen -ce, -ci, -te, -li, -tem, -ta, -met.
Diese Anfügungen treten im Zusammenhange dov Rede nicht mehr
mit einer so ausgeprägten Bedeutung hervor, wie -vo, oder, -ne,
ob, -que, und, sondern sie stärken nur die in dein Worte, an das
sie treten, schon an sieh liegende Bedeutung, oder prägen sie
schärfer aus; deshalb nennen sie die allen Grammatiker zum Theil
nicht mehr Enclitica, sondern halten die so entstandenen Zusam-
mensetzungen für eigentliche Composita. Dagegen sprich! indessen
der Umstand, dass der erste Theil derartiger Wortverbindungen viel-
fach beugungsfähig bleibt.
So ist der aus -to abgeschwächte Relativstamm -te enklitisch
angefügt in :
iste.
— 269 —
Diese Nominativform iste ist durch Abfall des auslautenden s
und Schwächung des o zu e entstanden aus istus wie ipse aus
ipsus, ille aus illus, ollus, necesse aus necessus und der
zusammengesetzte Stamm isto- wird flectirt wie ipso-. Der erste
Bestandteil i s- aber ist ein erstarrter Nominativ, der die Beu-
gungsfähigkeit verloren hat wie alter in alter utr um, alt er -
utrain u. a. Dasselbe -te wie in iste hat sich enklitisch ange-
hängt an:
tüte,
das so die Bedeutung du da erhalten hat. Derselbe demonstrative
Pronominalstamin ist auch enthalten in:
i t e m ,
dessen Accusativform -tem sich zum Stamme to- verhält wie der
Accusativ quem zum Stamme quo-. Das so zusammengesetzte
accusativische Adverbium bedeutet eigentlich grade so wie i-ta
das in d er Weise, daher e b e n s o. in etwas anderer Form findet
sich derselbe Pronominalstamm in:
itidem.
Die Form i-ti in dieser Verbindung verhält sich zum Demon-
strativstamm i- wie u-ti zum Relativstamm cu-, quo-, das heisst
nach dem oben gesagten, das -ti derselben ist eine Lora ti vform
des demonstrativen Pronominalstammes t o -. Das i derselben
kürzte sich in der zusammengesetzlen Wortbildung i-ti-dem
grade so wie in u-ti-que, alT-quis, ali-quando, wo es eben-
falls Locativzeichen war. Jenes i-ti- bedeutel also eigentlich das
da, das dort, und daher so, wie im Sanskrit das genau ent-
sprechende i-ti (Bopp, Ter gl. Gr. £.546); i-ti-dem, über des-
sen letzten enklitischen Bestandteil -dem weiter unten gehandelt
werden wird, erhält somit den Sinn das da eben, das heisst
ebenso. Auch an idcm ist das locale Demonstrativsuffix -ti ge-
treten in:
iden tidem,
und die so entstandene Wortform i-dem-ti- noch durch Hinzu-
treten eines zweiten enklitischen -dem erweitert , so dass sich hier
drei enklitische Wortformen hintereinander an den Hochton
des einfachen Pronominalstammes lehnten, der auf die drittletzte
Silbe vorrückte, als alle vier Bestandteile zu einem Compositum
verwuchsen.
— 270 —
Priscians Ableitung des Adverbium identidem von idem et
idem (p. 945. P.) ist, niebt baltbar. Bei dem schwachen Ton des
auslautenden m im Altlateinischen würde aus idem et idem,
wenn es zusammengesprocben wäre, id -et -idem geworden sein,
wie aus animum adverto, venum eo: an im - ad verto,
ven-eo. \
Wie in den bisher angeführten Bildungen finden sieb die Pro-
nominalformen -tem, -ti, -te, -t- an Pronominalstämme ange-
fügt in :
Lal. ütl, vgl. oben, II, 262.
a ü t e m ,
aüt,
Osk. a u t i ,
Umbr. ote,
Vgl. Bopp, Vergl. Gr. S. 6 IG. 545; die feminine Form -ta
zeigen :
ita,
aliüta, a. 0. GIG. Fest. p. 6.
Schon oben ist nachgewiesen worden, dass die Anfügung
-cei, -ec, -ci, -c- an Pronominalformen Locativ eines Prono-
minalstammes co- ist, der im Sanskrit ka- lautete {vgl. I, 271).
Durch den Tonanscbluss dieser Locativform an das vorhergehende
Wort sind so gebildet:
hei cei, a. 0. hice, hie ine, hlc,
baeee, baechie. b ;i e e ,
hö ee, vgl. II, G4. hocine, höc u. <i..
illice, il Heine, illtc,
illiüsce, ill.iee,
i II ii ee, illoe u. a.,
istiüsce, istiefne, ist!c,
istüce, istanefne, ist ;i ftc .
6cce (en-ce), vgl. II, 106. istöcu. a.,
Btc, vgl. II.
64.
t ü n C .
DU lir. Vgl, I.
136.
Dass das angefügte -cenoch im Sprach bewusstsein als Enkli-
tikon galt, zeigl sowohl die gewahrte Flexionsßihigkejl A^v Pro-
— 271 —
nomina, an die es herantrat, als auch die besprochene Betonung
der Formen wieillic, illaec, istäc, istuc. Dieses ce-, ci-
wahrte aber auch seinen Hochton in einigen Lateinischen Wortfor-
men, nämlich in cc-u für ce-ve. Das enklitische -ve hat hier die
gewöhnliche Bedeutung oder, ceu bedeutet demnach oder so
und daher als Vergleichungspartikel gleich wie. Die Form ci-
ist erhalten in ci-s und ci-tra (Bopp, Vergl. Gr. S. 572), die
also beide mehr hier bedeuten.
Hiernach erklärt sich die Tonverbindung der Formen liac und
huc vom Pronominalstamm ho- mit Präpositionen in folgenden
Adverbien :
p ö s t h a c , /. agr. ( Thor.) Or. Henz. 6429.
ä n t e h a c ,
antidhac, Plaut. Aul. II, 8, 26. Casin. Prot. 88. Cist. I, 1, 1.
Or. Henz. 5593.
Bei der enklitischen Natur der Präpositionen vor folgenden Ca-
susformen kann nicht zweifelhaft sein, dass einmal betont worden
ist p o s t h a c c , a n I e ! i ä c e , a n t i d h a c e , a d h u c e , grad e so
wie dies bei p o s t e a , ante c a , pö stiel ea, a d e o der Fall war.
Dass indessen diese Wortverbindungen frühzeitig zu (Komposi-
ten verwachsen sind, lässt sich aus zwei Gründen schliessen. Da
sich in antidhac die alte volle Form antid hielt, während sie für
sich gesondert zu ante abgeschwächt wurde, so muss sie seit
lange mit dem folgenden hac fest verwachsen gewesen sein und
demgemäss wie postidea als Compositum betont worden sein.
Vergleicht man ferner die Bedeutung von antehac, posthac
mit antca, postea und mit den einfachen Zeitadverbien ante,
p o s t , so sieht man , dass antehac, a n t e a , ante und post-
hac, postea, posl im Gebrauche fast ganz gleichbedeutend
geworden sind; die angefügten Pronominalformen -ea, -hac sind
so bedeulungslos geworden, dass sie ohne Schaden für den Sinn
einer Stelle weggelassen werden können. Daraus lässt sich
schliessen , dass von diesen bedeutungslos gewordenen Wort-
bestandtheilen der Hochton auf die bedeutungsvollen Adverbien
ante, post zurückwich und beide Beslandtheile zu Compositen
verwuchsen, nachdem das auslautende e von antehäce, post-
hac e abgefallen war, dass also antehac, posthac betont
wurde, wie im Deutschen vorher, nachher. Im scharfen
Gegensatz zu diesen ist in abhinc, d eh ine, exhinc die Prä-
— 272 —
Position von so geringer Bedeutung, dass sie nur eine kaum merk-
liche Verstärkung des einfachen hinc andeutet; es war also natür-
lich, dass hier auch nach Abfall des auslautenden e von abhince,
dehince, exhince die enklitische Betonung hielt, dass abhinc,
d e h ine, ex h i n c betont wurde wie im Deutschen von hier, v o n
da, von dort. Da ebenso in adhuc der ganze Nachdruck des
Sinnes auf dem huc liegt, so folgt, dass sich auch hiervon der
volleren Forin adhüce die enklitische Betonung in so weit hielt,
dass adhuc betont wurde wie im Deutschen bis hier.
Seit sehr alter Zeit trat an Pronominalstämme enklitisch die
Pronominalsilbe -met in Formen wie:
egömet, internet, ipsemet.
mihi met, tibi met,
meinet, t e m e t ,
n 6 s m e t ,
n o b i s in e t ,
Nach Bopp (Vergl. Gr. S. 478) ist -met für -smet ent-
standen aus Sanskr. -smat vom pronominalen Stamm sma-,
von dem sich im Umbrischeu eine Dativform -sme, -smei
erhalten hat in e-sme, e-smei [La/, ei) und pu-sme
( l.<ti. cui; AK. Umbr. Sprachd. I, 134. 137). Im Lateinischen
isl dieses »met immer enklitischer Natur geblieben, wie dar-
aus erhellt, dass die Pronomina, an die es sieh anlehnte, ihre
Flexionsfähigkeit bewahrt haben.
Enklitisch ist im Lateinischen die Silhe -pe, -ppe angefügt in:
quippe,
ip sippe, ipsineque alii, Fest.p. 105.
nempe,
q u i s p i a m für q ui s - p e-i a m ,
üspiam, us-pe-iam,
nüspiam, ne-us-pe-ia m.
Die enklitische Natur dieser Partikel ergiebl sich daraus, dass
sie an verschiedene Casusformen angefügt isl. Es traut sich,
welchen Ursprunges und von welcher Bedeutunu sie ist. Dass
-ppe in ipsi-ppo und qui-ppe aus -pte entstanden wäre
(Po//, Elym. Forsch. II, 41), ist nicht zweifellos, weil Assimilation
eines t zu vorhergebendem p sich im Lateinischen sonst nicht
findet. Dass quippe nicht aus quidpe assimiliert ist [Bopp,
Vergl, Gr. S. 572), ergiebl sich aus dem -ppe von ipsippe-
— 273 —
Man könnte daher das doppelte p als eine Schärfung des Conso-
nanten durch den Hochton der Silbe ansehen, wie in Iuppiter,
quattuor, ecce, nummus, quere Ha, classis u. a. Dem-
nach wäre -pe die Form der Partikel, von der man auszugehen
hätte, und diese konnte man geneigt sein in der Umhrischen
Enklitika -pe {AK. Umbr. Sprachd. I, 30) und der Oskischen
-pid (Mo?nms. Uni. Dial. S. 290) wieder zu linden, die der
Lateinischen -que entsprechen. Aber einerseits findet sich sonst
im Lateinischen der anlautende Guttural des Pronomen relativum
und indefinitum nicht zum Labialen p umgelautet, wenn auch
nach der Analogie von Epona neben equus, lupus neben
IvKog dieser Lautwechsel möglich wäre, andrerseits hat das
Umbrische -pe, und das Oskische -pid wie das Lateinische -que
die verallgemeinernde Bedeutung irgend wie, die in Umbr.
putrespe, Osk. potorospid, Lat. utrique vorliegt; hin-
gegen beweist die Erklärung von ipsi-ppe: ipsi neque alii,
dass dieses Lateinische -ppe die beschränkende verschärfende Be-
deutung grade, eben hat, dass ipsi-ppe grade sie seil» st
bedeutet. Ebenso geht aus der wesentlichen Uebereinstimmung des
Sinnes von ul-potc qui mit qui-ppe qui hervor, dass qui-
ppe wie eben, wie grade bedeutet und qui- als Ablativ
zu fassen ist, und auch in uem-pe liegt keine Verallgemeinerung,
sondern eine Verstärkung und Verschärfung des Begriffes von nam.
Der Sinn des enklitischen -pe in quippe, ipsi ppe, nempe,
eben, grade, spricht also für die Ableitung des -pe von -pote,
während das -pe in quispiam u. a. verallgemeinernde Bedeutung
hat wie Umbr. -pe, Lat. -que. Die etymologische Erklärung des
-pe in beiden Fällen bleibt wegen der angeführten lautlichen Be-
denken hier dahingestellt {vgl. Zeitschr. f. vergl. Spr. VI, 208).
Im Altlateinischen hat sich der demonstrative Prononalstamm
so-, sa- erhalten in den von Ennius gebrauchten Accusativformen
sum, sam, sos, sas mit der Bedeutung eum, eam, eos, eas
{Enn. Fahl. ind. p. 229). Casusformen dieses Pronominalstammes
treten enklitisch an Stämme oder Casusformen mehrerer Pronomen
und Nomen, die schon durch die angefügte enklitische Partikel -pe
erweitert sind ; so in:
i p s o s (Nom. Sing.), leg. Num. Pomp, für i - p e - s o s ,
Fest. v. aliuta, p. (>.
i p s u s , i - p e - s u s ,
CORSSEN II. 18
— 274 —
ipse, für i-pc-se,
e a p s e , Scip. Afric. Fest. v. reqae p. ä86. e a - p e - s e ,
eämpse, Plaut. Aul. V, 7. Cisi. I, 3, 22. eam-pe-se,
eopse, PtaA Cwärc. 538. eo-pe-se,
sepse, Cic.d.rep. 111,8. se-pe-se,
s ä p s a , Enn. Pacuv. Fest. v. sas. p. 325. sa-pe-sa,
r e ä p s e , r e - e a - p e - s e,
sirempse, vgl. oben, II, 65. Ritschi, si-r em-pe- so ,
Rhein. Mus.Wll, 298/.
s i r e m p s ,
s i r e p s.
Dass die Anfügung -pse in den vorstehenden Formen Dicht
aus -pte für -pote entstanden ist (Pott, Elijm. Forsch. II, 41),
zeigen die alten Formen ipsos, ipsus, sapsa. Da nämlich
pote aus potis für potius geschwächt ist wie mage ausmagis
für magius, so wäre das Herantreten eines wortbildenden -o und
-a an die comparalivische Form pote abgestumpft zu -pse, wo-
durch die beugungsfähigen Stämme pso-, psa- entständen, im
Lateinischen durchaus ohne Beispiel. I>ass aber -pse aus Skr. sve
entstanden sein sollte {Popp, Vcrgl. Gr. S. 489), ist mit Lateini-
schen und [talischen Lautgesetzen schlechthin unvereinbar , zu-
mal da sich der Sanskritische Pronorainalslamm sva- im Alllateini-
schen suad (sie, vgl. II, 51) vollständig erhallen, in se, si-hi
nur durch Ausfall des v und Vokalschwächung geändert hat. Das
p in den obigen Zusammensetzungen isl also die enklitische Partikel
-pe, die oben in nempe nachgewiesen isl und eben grade bedeu-
tet, und derlelzle Bestandteil derselben, die Silben -sos, -su s. -sa,
-se, -s- sind Casusformen des demonstrativen Pronominalstarames
so-, sa-, dcrmil i- gleichbedeutend isl. Demnach bedeutel der sehr
alte Nominativ i-p-sos genau d er-ehe n -d i ese r, daher der
seiher. Schon im Alt lateinischen fiel aber das auslautende s
der Nominativform -sos ah, und das o (in schwächte sich
zu e ebenso, wie dies in i sie. ne cesse für islus, neressus
der Fall war; der Pronominalstamm i wahrte aber seine Beu-
gungsfähigkeit, wie die Formen eapse, eampse, eopse /eigen,
ein Zeichen, dass die enklitische Bedeutung dw Anfügung noch
im Sprachhewusstsein lag. In der späteren Sprache verlor iWv
Stamm i- die Beugungsfähigkeil , indem jene Formen fesler in-
einander verwuchsen, aber der Pronominalstamm -so-, -sa hlieh
— 275 —
beugungsfähig. In sa-p-sa ist dieser zweimal enthalten, das
Wort bedeutet also di eser-eben-d ieser und re-a-p-se hat
genau den Sinn in der- Sache-eben- so, das heisst in der
Sache selber. In s i-rem-p-se ist si eine Locativform vom
Stamme so- wie das si in si-c (vgl. II, 54), diese merk-
würdige Altlateinische Wortform bedeutet also so-der-Sache
nach-eb en-so, daher ebenso. Der Accusativ rem in die-
ser Wortverbindung ist so verwandt wie der Accusativ in pro-
pediem, das nicht nahe an dem Tage bedeutet, sondern
nahe dem Tage nach und wie in pridem für pridiem,
vorher dem Tag nach, oder wie die Accusativform -tem
in autem, item, die sich zum demonstrativen Pronominal-
stamm to- verhall wie quem zu quo. Der Ausfall des m und der
Abfall des auslautenden e in den Formen sireinps, sireps ist den
besprochenen Lateinischen Lautgesetzen angemessen. Die so auf
etymologischem Wege sich für sirempsc ergebende Bedeutung
ebenso stimmt sowohl zu Festus Erklärung eadem, perinde
(p. 344) als zu dem Zusammenhang i\er von Ritschi (a. 0.) zu-
sammengestellten (iesetzesstellen. Aber sireps (Cfiaris. p. 73)
als Grundform anzunehmen ist nicht zulässig, da das Einschieben
eines m in die Fuge einer Zusammensetzung im Lateinischen sonst
keine Analogie hat.
Ausser diesen enklitischen Formen von Pronomen und Pro-
nominaladjectiven, von Pronominaladverbien und Pronominalparti-
keln, sind, wie auch die Schrift erweist, eine Anzahl von Con-
junetionen, die zum grossten Theil ebenfalls von Pronomin.il-
wurzeln herstammen, ihres Hochtones verlustig gegangen und ha-
ben sich an den Hoch ton des vorhergehenden Wortes an-
gelehnt.
So ist die Conjunction sei, si der Griechischen et in Be-
deutung und Betonung völlig gleich und findet sich schon auf Vor-
auousteischen Inschriften durch die Schrift mit einem vorhergehen-
den Worte verbunden; so in:
n i s e i , Sc. d. Bacc. n i s i , lab. Gen. n e s e i , /. rep.
nisei sei, l.Bubr. Vgl. nisisi, Mar. Viel. p. 283. L.
qua sei sei, lab. Baut. I. rep. I. Com. d. XX q.
q ii an sei, /. agr. (Thor.)
Doch findet sich zu Sullas Zeit auch noch getrennt geschrieben :
tarn qua sei sei, l.pag. Herr. /. N. 3559.
18*
— 276 —
Ebenso ist si enklitisch in:
etsi, Or. 4859.
etiämsi, Or. 3761.
f [ u ö cl s i ,
acsi, vgl. ac si, t. Salp. Or. Henz. 7421.
Or. 4047.
In den vorstehenden Schreibweisen zeigt sich , dass die Kraft
der Bedingungspartikel si hinter die Bedeutung des vorhergehenden
Wortes zurückgetreten ist. Jn Schreibweisen wie nisei sei,
quasei sei frischte die Sprache der Geselze die Bezeichnung der
Bedingung durch ein zweites sei wieder auf; aber auch dieses
zweite sei konnte, wie die Schreibart nisisi zeigt, wieder enkli-
tisch werden.
Wie si in nisi ist die Conjunclion cum in -nie um enklitisch
angefugt; dieses -nicum ist aber wiederum an eine alte Nominal-
form tieftonig angefügt in :
d o n i c u in ,
eine Zusammensetzung, die noch weiter unten besprochen weiden
wird.
Das Verneinungsworl ne hängl sich tieftonig an Conj und ionen,
Pronomen, Nominal- und Verbalformen in:
necne, s in',
nönne, quin',
änne, audio',
d ü m ne, vgl. d u m nr, I an tön',
Sc.d. Barr. Or. er ed ön\
Henz. 6428. cens£n',
modöne, certÄn',
etiamne, bonän',
hie ine, illän',
i s t i c i n e ,
illicine u. a.
Da Pri scian ausdrücklich sagt, 1252: Ne vero sohl
i'iiam abiecia e encliticam vi in possiderc ui cPyr-
rhin, I antun', so würden diese Wort formen streng genommen
mit dem scharfen Hochton auf der vor ne oder n' vorhergehenden
Silbe gesprochen worden sein. AberServius sagt eben so aus-
drücklich, Verg. Aen. XII, 503: Sane tan ton', ton* circ um-
s a 1
in ,
po 1
in',
vid
en\
bat
II' II '
bo nä n
,11;
n\
■- 277 —
flcctitur. Nani cum per apostropham apocopen verba
patiuntur, is qui in integra parte fuerat perseverat
accentus, ut Hau tone', in de fit Hau ton'. Man muss da-
her annehmen, dass sich die enklitische Betonung dieser Wortformen
in so weit hielt, als der Hochton auch nach Abfall des auslauten-
den e unverrückt blich, aber darin sich der gewöhnlichen Beto-
nung zuneigte, dass er auf langer Silbe gebrochen wurde. Aus
der ursprünglichen enklitischen Betonung tantöne entstand also
nach Kürzung des auslautenden e tan tone und nach dessen Ab-
fall tantön. Trat das ne hingegen an Wörter mit kurzer End-
silbe wie sätis, potTs, bona u. a., so blieb der scharfe Hoch-
Ion dem enklitischen Betonungsgesetz gemäss auf dieser Silbe,
und man betonte satin', pol in', bonan'. Dasselbe gilt von den
Pyrrhichisch gemessenen Formen viden', haben' u. a., welche
schon Pyrrhichisch gemessene Formen wie vides, häbes u. a.
voraussetzen.
Der enklitischen Anfügung von ne verdankt auch die Prä-
position :
sine
ihren Ursprung, deren si- so bedeutet, wie das si-in sie. Aus
dem ursprünglichen Sinn von sine, so nicht, entstand die Be-
deutung der Präposition gesondert von, ohne; nachdem es diese
aber erhalten, ward es natürlich wie andere Präpositionen vor fol-
gendem Casus tieftonig gesprochen. Beide Bcstandtheile desselben
enthält in umgekehrter Folge die alte Form nesi (Fest p. 165) für
sine.
Die Partikel num lehnt sich tieftonig an das vorhergehende
Wort in:
e t i ä m n u m ,
wo sie in der Bedeutung der Griechischen vvv entspricht in Ver-
bindungen wie toi vvv, ö 7] vvv u. a.
Die Partikel an ist enklitisch an das vorhergehende Wort ge-
fügt in:
försan,
försitan.
In der Bedeutung entspricht sie hier genau dem Griechischen av.
Dass dieselbe auch in fortasse einfach und in fortassean dop-
pelt enthalten ist, wird sich weiter unten ergeben.
— 278 —
Die Conjunction iam ist durch Enklise mit dein vorhergehen-»
den Worte vereint in:
e t i a m , für e t - i a in ,
<l u i s p ia m u.a., q u i s -p e - i a m ,
iispiam, us-pe-iam,
n u s p i a in , n e - u s - p e - i a m ,
n ü n c i a m , n u n c - i a m ,
(juoniam, quom-iam,
quia, qui-ia, qui-iam.
Das <i u i in quia ist Ablativ und bedeutet wodurch; wie,
daher quia eigentlich: wodurch schon, wie schon; vor fol-
gendem Vokal kürzte sich wie gewöhnlich das lange i. Das iam
hat in allen vorstehenden Wortverbindungen die Bedeutung der
Griechischen enklitischen Partikel vvv, der Deutschen nun.
Na m schliesst sich tieftonig an vorhergehende Pronomen und
Conjuncfcionen in:
q u i s n a in ,
n ii m n a m ,
<l uiana m,
ab in am,
ü tin am, Or. 4859.
u Irü inn am,
tan tu m na in, Or. 4S58.
Die abgeschwächte Bedeutung des nam in diesen Zusammen-
setzungen im Vergleich mit dem starken voranstehenden nun und
die Kürzung des i in iibinam, utinam lassen scbliessen, dass
dieselben in der Sprache als wirkliehe Composita gefühlt und dem-
gemäß bclont wurden.
Ebenso tritt auch enim enklitisch an das vorhergehende
Wort in:
ei enim, Or. 4S17.
s cd enim, Mar. Victor, p. 283. Lind. Prise. p. 1025.
Desgleichen (amen in :
ät tarnen ,
verünil amen, verü n I a ine n.
Aus enklitischer Anfügung scheinl auch die alle Conjunction:
as i
erwachsen , und /war aus ä I - s e l oder ;i I - S e d , so dass der Begriff
des Gegensatzes doppell ausgedruckt isl wie in den Verbindungen
a I ta me n, ver u ml amen, a I \ ein.
— 279 —
An die PrMposkion in erscheint sinuil und s'emel lieftonig
angefügt in:
£ 11 s i m u 1 ,
insemel (spät), vgl. Hand, Tursell. III, 383.
Präpositionen, die ihren Hochlon einbüssen und sich an
das vorhergehende hochbetonte Wort schliessen, sind cum, ad,
per, lentis, propter, sub, super. So cum in:
nie cum, /. R.N. 5530. Or. 4402. nobiscum, Or. Henz.
4635. 2602. Henz. 7382. 5593.
m e c u , /. N. 6448. v o b i s c u m.
I e c u m ,
s e c u m , Or. Henz. 5520. 4746.
{Prise, p. 998) und in Verbindung mit Relativen in:
q u ö c u in ,
q u ä c u m ,
quicum,
quibüscüm;
PrisCian sagt zwar, in diesen letzteren Verbindungen habe cum den
Hochton behalten ; alter dass Priscian die Griechische Betonung
der Präpositionen in der Anastrophe auf die Lateinische Sprache
übertragen wollte, ist schon oben bemerkt. Weiler unten wird da-
von noch die Rede sein.
Die Präposition ad ist enklitisch angefügt in:
quo ad, Or. 3665.
Ebenso per in:
na per für novum-per,
wie nunc für no vum-ce. Da der zusammengezogene erste Be-
standteil n u- für sich allein in der Sprache in dieser verstümmel-
ten C«est;ill kein Bestehen mehr hat, so folgt daraus, dass nuper
wie ein unauflöslich zusammengewachsenes Compositum mit dem
gebrochenen Hochlon auf der vorletzten Silbe gesprochen wurde,
s e m p e r.
Das Lateinische sem-, ist Sanskr. sam-, g es am int; semper
heisst also durch das Gesammte (Pott, Eitjm. Forsch. I, 1 29).
p a r ü m p e r, q u a,t i s p e r ,
t a n t i s p e r ,
a 1 i q u a n t i s p e r ,
p a u 1 1 1 s p e r ,
pauxillisper.
— 280 —
Es ist schon oben besprochen, <Jass das -is dieser Bildungen
comparativiseber Natur ist, wie in magis, salis, potis, nimis
u.a. {VglA, 288.)
Die Präposition lenus ist enklitisch an das vorhergehende
Wort angefügt in :
q u ateno s, Fest. p. 258. eatenus,
quätenus, a. O, islatenus,
q u ä t i n u s , a. 0. h acte n u s.
a 1 i q u ä t e n u s , Or. Henz. 5593.
Sul) und super sind in der Bedeutung von Ortsadverbien an
ein vorhergehendes Ortsadverbium tieflonig angeschlossen in :
i n s u per , Or. Henz. 7 168.
d e s u p e r ,
desub, vgl. Hemd, Turs. 11,283.
Im Griechischen verlieren Formen des Indicativ Präseniis der
Verba eiybi, cpruii im Zusammenhang der Hede ihren selbständi-
gen 1 lochton; im Lateinischen ist die Anzahl der Verba
grösser, die sich enklitisch an d;is vorhergellende Worl an-
schliessen.
In dem Abschnitt über die irrationalen Vokale vor Consonanlen
mussle, um die Pyrrhichischc Messung von esse bei Plautus und
das Auftreten des est als einsilbige Kürze zu rechtfertigen, der Be-
weis geführt werden, dass das Verbtim esse enklitisch sei {vgl.
II, 98 /.), und zwar ganz durchgehend« in allen Formen, welche
die Sprache von demselben gebildet bat mit Ausnahme des Imperativs,
esto, eslote, wo der Nachdruck des Befehls den Bochton hielt.
Der Bequemlichkeit halber mögen hier einige Formen Plati linden,
aus denen das erhellt:
s i t u s t , p ö t i s s u m ,
v o c i t a t u s t , p 6 s s u m ,
r el a t a s t , p ö s s i ■ ,
dedieä last , pol eia in ,
pösitast, possem,
quälest, pötero,
neecssest,
försit, für forte-sit, (»der fors-sii. /y//. Prise» p, 1015.
försitan, forte-sit-an, fors-sit-an.
Da das angefügte e si dieser Verbalformen durch Schwinden
des e die Geltung einer Silbe verlor, so behielt es auch nicht
. — 281 —
die Kraft den Hochton auf die Silbe vorsieh zu ziehn. Nur das an-
gehängte fragende ne behielt diese Kraft, auch wenn es zu n' alt-
gestumpft ward, wahrend Pronominalformen wie hie, häc, illüe
u. a. nach Abfall des auslautenden e vom angefügten -ce ihren
scharfen Hochton zum gebrochenen werden Hessen.
In mannigfachen Formen zeigt sieh das Vcrbum volo enklitisch;
so in:
n 6 n v i s , n ö n v u 1 1 ,
wahrend es in den anderen Formen wie n o 1 o , n o 1 u n t , n ol im ,
nollern, nolui u. a. sehon vollständig mit dem non verwachsen
ist. Ebenso war es enklitisch in der Verbindung:
m a g e volo,
ehe es zu ma volo, mavis u. a. verwuchs, ein recht schlagendes
Heispiel, wie Worter durch Tonanschluss erst lose aneinander ver-
knüpft mit der Zeit eng in einander verwachsen konnten.
Die zweite Person Singularis Ind. vis ist vielfach tieftonig und
schliesst sich an das vorhergehende Wort an; so in:
quämvis, Or. 4040. 750. neben quam vis, Or. Henz. 7168.
qni vis u. a.,
q uantüm vis,
q u i c u m vis, Plaid. S/ich. 627.
üb (vis,
sis, für si-vis,
f o r I a s s i s , f o r t e - a n - s i - v i s.
Auf dieses merkwürdige Heispiel eines ganzen Bedingungs-
satzes, der unter einem Hochton zusammengebunden ist, wird
nuten noch einmal die Rede zurückkommen.
Durch Abfall des s und Sinken des i zu e entstand regelrecht
aus -vis -ve, und nun verblasst die Bedeutung der Verbalfonn zu
einer schwachen Conjunetion, die schon in alten Zeiten mit dem
vorhergehenden Wort zusammengeschrieben erscheint; so in:
neve, Sc. ä. Bacc.
nive, lab. Gen.
seive, l. Baut. sive,
Senator ve, a. 0.
plebei ve, a. 0.
c o n c i 1 i u m v e , a. 0.
fortasse, für for te-an- si-ve,
fortassean, All. trag. R. p. 127. f o r t e - a n - s i - v e - a n.
— 282 —
Ja, wie schon in dem Abschnitt über Vokalabtall gezeigt ist,
das -ve stumpfte sich zu einem blossen -ü ab in:
seu, für se-ve,
ceu, ce-ve.
Ebenso ist das Verbuni übet enklitisch in:
quilibet, quaelibet, quödlibet u. a.,
n bf übet,
u n d e 1 i b e t ,
utrölil et.
Ebenso lehnt sich licet tieftonig an den Hoch ton eines scharf
hervorgehobenen Imperativs in:
ilicet,
scilicet, Or. 5580, Benz. 7168.
videlicet.
Durch Tonanschluss des Verbnm s cio an die scharfbetonte Ne-
gation entstanden:
bans cio, Plaut.
n 6 s cio.
Enklitisch ist der imperativ puta in:
üt p uta.
Es bleiben nun noch einige Substantivformen übrig, die
ihren Hochton eingebiisst und sieb an das vorhergehende Wort an-
geschlossen haben, dann aber zum Theil mit demselben antrennbar
verwachsen sind, Dies ist der Fall mit verschiedenen Casusforme n
von dies. So erscheint der Accusativ in:
p r o p e d i c m ,
der Ablativ in:
hödie, per en die, (Poti, F.hjm. Forsch. 1, '.t'i.)
der Locativ mit abgeworfenem i des Auslautes in:
pridic, quotidie,
hödie, postridie,
wie in d i e q uar te, d i e se p t i m e i , die q u i n t i , die n o n i . die
crastini (vgl. oben I, 226).
Das enklitisch angefügte -diem ward nun aber durch Ausfall
des tieftonig gewordenen i zu -dem wie es-siem /u cs-sciu.
So erscheint es angefügt an das Zeitadverbium pri für prae,
prai in:
pr i - d e m ,
das eigentlich heissl vorher dem Tag nach; ebenso isl es an
— 283 —
Pronomen, Pronominaladverbien, die eigentlich Casusformen von
Pronominalstämmen sind, und an Pronominaladjeetive getreten in:
idem, quidem, tan dem,
itidem, tantidem, tantündem,
identidem, tot idem,
ibidem, utrobidem.
i n d i - d e m , Vgl. Pott. Etym. Forsch. 1 , 95 — 98.
Die Bedeutung von -dem: den Tag, ist in diesen Zusammen-
setzungen zu der allgemeineren der Zeit, damals geworden, wie
dies in allgemeinerer Bedeutung aueb die Zeit überhaupt bedeutet,
und der Accusativ -dem drückt somit den Zeitpunkt aus, wie
die Accusative tum und cum von den Pronominalstammen to-
und quo- (cu). Also bedeutet i-dem eigentlich der an dem
Tage, der damals, tan -dem, da an dem Tage. Durch die
Hinweisung auf den Zeitpunkt mittelst des angefügten -dem wird
in jenen Wortverbindungen die hinweisende Kraft der Pronomi-
nalformen verstärkt und verschärft, und so verblasst jenes enkli-
tisch angefügte -dem zu der Bedeutung, die wir im Deutschen
durch eben, grade, just, selber ausdrücken. {Vgl.oben\\\täf.)
Wie das -die in von propediem zu dem -dem von pri-
dem, so verhält sich das -die von pridie zu dem de von:
i n d e
und allen Zusammensetzungen mit in de {vgl. oben II, 267/.).
Wie schon erwähnt, ist in- hier eine Locativform vom Pro-
nominalstamm i- und bedeutet von da, also inde eigentlich
von da a n d e m T a g e , dann v on da d a m als u nd v o n
da eben. Hierbei ist Wohl zu beachten, dass wo inde oder
eines seiner Composita in örtlichem Sinne gebraucht ist , nicht
etwa das -de von der Zeit auf den Ort übertragen ist, was aller-
dings ohne Analogie wäre, sondern der ursprüngliche ortliche
Sinn der Locativform -in geblieben ist und die Bedeutung von -de
sich zu einem bloss verstärkenden eben verflüchtigt hat {Zeitschr.
f. vergl. Spr.Y, 123.).
Ebenso ist das angefügte de zu fassen in:
quämde, Enn. Fest. p. 26 1. Lvcr. I, 640.
somit entspricht die Conjunctiou in der Bedeutung genau der Grie-
chischen r\ % £0.
Zu -di gestaltete sich das enklitische -die in:
i n d i d e m ,
— ■ 284 —
u n d i q u e ,
wie auslautende Vokale des ersten Wortbestandtheiles in der Wort-
fuge der Composita sich häufig zu i verdünnen. Auch diese Wort-
vorbindungen wurden demnach wie Composita betont.
Auch die Nebenform von dies: dius ist enklitisch an das vor-
hergehende Wort gefügt in:
nudius,
p e r d i u s ,
. interdius, inier diu*).
Von dieser Nominativform di n s ist der Accusativ die enklitische
Conjunction dum für dinm. Wie diu eigentlich den Tag lang,
dann die Zeit lang bezeichnet, so dum ursprünglich den Tag,
dann der Weile, indessen. Mit dieser Bedeutung ist die Accusa-
tivform -dum lieftonig an das vorhergehende Wort getreten in:
quid um, ad es dum,
d ü dum, a g e d u m ,
vi x dum, manedum,
nedum, iubedum,
necdum, respicedum,
nönd um , Or. 613. 4847. eircumspieed um.
haüddum, vgl. Hand, Turs. II, 3"2'>. fäcdum u. a.
n ih i 1 d u m ,
etiämdum,
int lr dum,
primümdum, vgl. Volt* a. 0.
Wortverbindungen, in denen die Bedeutung von dum. der Weile,
meist noch hervortretend geblieben ist.
Die Conjunction dum, indessen, bezeichnet erst eine Zeit-
dauer, dann wird sie auch auf den K nd pu nk t dieser Ze itdaue r
übertragen und erhall den Sinn bis.
Eine enklitische Ablativform von dius isl -du für -diu in den
Zusammensetzungen :
q uando,
aliq uando,
deren Bedeutung wann eines Tags und anders wann eines
Tages ungeschwächt kenntlich geblieben ist.
*) Dass tarn diu, quam diu, aliquam diu verbunden gespro-
chen wären, so dass diu den Hochton verloren, kann man aus der ver-
bundenen Schreibweise mancher Handschriften nicht mit Sichei heil folgern.
— 285 —
Dasselbe -do ist auch enthalten in:
d ö n i c 11 m ,
döne c.
Hier bedeutet n i c n in : wann n i ch t, wie n i s i : wenn
nicht, also donicum: an dem Tage nicht wann; es be-
zeichnet eigentlich den Zeitpunkt, wo das Nichtsein eines
Zustandes eintritt, daher auch die Dauer desselben, solange,
solange bis. {Vgl. Pott, ct. 0.)
Von demselben Ursprünge wie -dem und -dum ist auch das
ursprünglich enklitische Suffix -dam in:
q u i (1 am , c u i ü s d a m , c u i d a in u. a .
q ii ön da m.
Dieses -dam ist aus diam entstanden, wie -dem aus
diem, dum aus dium; diam aber steht neben diem wie
matcriam neben materiem; es ist Accusativ eines Nojninal-
stammes dia-, der mit Ausfall des v aus Sanskr. divä entstand
{Vgl. Bopp, Sanskr. Gr. § 616. Pott, a. 0.)*). Quidam
bedeutet also irgend welcher eines Tages oder irgend
w e 1 c h e r ein m a l , quo n d a m : irgend w an n eines Tags
oder irgend wann einmal. Von der Accusativform diam
fiel aber auch das anlautende d ab und so entstand die accusalivi-
sche Zeitpartikei tarn aus diam wie Iovis aus Djovis, deren ur-
sprünglicher Sinn den Tag sich zu der allgemeineren nun ab-
schwächte. Enklitisch ist dieses iam dann an eine vorhergehende
Wortform gefügt in den schon aufgeführten Verbindungen et iam,
quon iam, quispiam, uspiain, nuspiam.
Auch andere Substantiva erscheinen enklitisch an das vorher-
gehende Wort angefügt. So eine Vocativform von deus in:
e- de -pol.
Ueber die Kürzung von Polluces zu Pol lux und pol ist ge-
sprochen, de ist Vocativ für dee, entstanden aus deo wie bone
aus bono; e ist Anruf wie in Ecceres, Eiuno, Equirine,
Ecastor. Seit uralten Zeiten ist aber dieses edepol zu einer
festen Einheit verwachsen, von pol in der Bedeutung höchstens als
eine etwas stärkere Bekräftigung noch zu unterscheiden.
*) Aus divä erklärt sich mit Ausfall des v Sanskr. a-dja, diesen
Tag, heute und mit Ausfall des j ka-dä, welchen Tag1, wann,
Griecli. tfjj, 7J-&rj, dtj-v u. a., Pott, a. 0. 97 /.
— 286 —
Das Nomen vir schliesst sich enklitisch an an ein vorhergehen-
des Zahlwort ; so in :
d u ö v i r , /. N. 4621. vgl. d n u m vir, /. N. 25 14.
quattuorvir, Or,Henz.f$4h\. quattuor vir, Or.Henz. G450.
/. N. 5244.
t r e s v i r ,
sevir, /. N. 6825.
q u i n q u e v i r,
(1 c c e m vir, d e c e m v i r, Or. Ifcnz. a. 0.
centiimviros, Or. 4046. vgl. L N. 6825.
Unter diesen ist sevir zum untrennbaren Compositum verwachsen.
Pater verliert seinen Hochion und lehnt sich an den vorher-
gegangenen Nominativ eines Namens in :
Ianüspater,
Märspater,
Saturn ü s p a t e r ,
diese Verbindungen sind also wohl zu unterscheiden von den eigent-
lichen Compositen lupil er, Marspiter, Opiter, Diespiter.
Ebenso ist modus in verschiedenen Casus tieftonig au das
vorhergehende bechtonige Worl gebunden; so in:
hui ü sin od i , pö st modo,
e i ü s Bfl o d i , q u o in o d o ,
illiüsmodi, dum modo. Or. .5115.
istiusmodi, t an tu mm od o, Or. 4039.
c u ins m odi, omni modo,
euieufmod i, om ofmod is,
m ii 1 1 im od is.
Von adinodum (Or. ffenz. 6131), pöstmodum [Or. Henz.
6086), praemodum (Gell. VI, 7, 12. //.), propemoduni wird
weiter unten die Rede sein.
Der Genetiv von locus erschein I tieftonig mit einem vorher-
gehenden Ortsadverbium verbunden in :
i ntereäloei, Diom. />. 128.
Ebenso linden sieb E.isii.-lnrinen von liiluni tieftonig an die
negative Partikel ne gefugt in:
n i b il iiin.
n ili 1 1 1 .
II i Inl o,
nihil.
— 287 —
Das Parlicipium vorsiis, versus ist in alter Zeit enklitisch
an Ortsadverbien wie an Casus von Pronomen und Adjectiven ge-
treten, welche die Richtung nach einem Ort hin bezeichnete«. Dann
schwand der tieftonig gewordene Stammvokal o und nun verwuchs
das verstümmelte vorsus mit dem hochtonigen Wort zu einem un-
trennbaren Compositum; so in:
rürsus, rüssus, Plaut. rüsum,
sürsum, süsum,
prörsus, prössum, Plaut, prösa.
horsu m,
quorsum, quössum, Plaut.
illorsuin,
i s 1 6 r s u m ,
e x t r 0 r s u m ,
i n t r ö r s u m ,
r e t r 6 r s u m ,
d e x I r 6 r s u m ,
si ni strors u in.
Der lautliche Hergang dieser Wortverschmelzung ist oben (II,
42. 43) erklärt; das für die Hede bedeutsame Wort, das die Rich-
lung speciell angab, wurde in diesen Zusammensetzungen mit dem
Hochion gesprochen wie im Deutschen hier-her, dört-hin, aus-
wärts, rüeck-wärts, vör-wärts, aüf-wärts, äb-wärts u.a.
Auch comparativische Wortformen treten enklitisch an ein vor-
hergehendes Wort; so minus in:
q u 6 m i n u s , Or. 775. Or. vgl. quove m i n u s, /. Mälac. Or. Hen z.
Henz. 7321. 6428. 7428.
nihilöminus, Or. 4032. 3115.
Ebenso erscheint auch magis in:
d emag is, Lucil. Non. p. 68. G. (valde magis) ;
doch bleibt die Erklärung des de- hier dahingestellt, weil sich zwei
verschiedene Wege dazu. bieten ohne sichere Entscheidung.
Hierher gehört auch secus in Wortverbindungen wie:
extrinsecus,
i n t r 1 n s e cus,
a 1 1 r i n s e c u s ,
extrinsecus,
forinsecus.
(Zeilschr. f. vergl. Sprach/. Hl, 266 f. V, 120.)
— 288 —
Ein aus p o t i s für p o t i u s abgeschwächtes p o t e ist enklil isch
angefügt in:
u t p o t e ,
und durch Ausfall des tieftonigen o zu -pte verstümmelt in:
m e p t . e , tu 6 pte,
mihi pte, suöpte,
eöpte, vöpte.
ineöpte.
{Vgl. oben II, 44.)
Um nun schliesslich die Ergehnisse der vorstehenden Unter-
suchung üher den Tonanschluss an das vorhergehende Wort zu-
sammenzufassen, so sind unter den behandelten Wortformen zwei
Gruppen zu unterscheiden, einmal enklitische Wortver-
bindungen, die im Sprachhewusstsein immer nur diese Gel-
tung gehabt haben und trotzdem, dass sie unter einem Hoeh-
ton gesprochen wurden , doch niemals untrennbar mit einander
verwuchsen. Diese sind daran kenntlich, dass ihre beiden Be-
stand thcile in unveränderter Lautgestalt auch ge-
sondert von einander noch in der Sprache vorkommen, da-
her gelegentlich auch noch getrennt nebeneinander stehend ge-
schlichen werden, dass die erste Wort form, an welche sich
die zweite tieftonig anschlicsst, gewöhnlich nicht ein kahler
Wortstamm ist, sondern die Beugungsform eines Nomen,
Pronomen oder Verhum, die entweder noch in der Sprache le-
bendig war, oder schon in aller Zeit zum Adverbium , zur Parti-
kel, oder zur Conjunction verwand! worden ist, dass vielfach auch
die Beugungsfähigkeil des eisten Bestandteiles der Wort-
verbindung durch verschied (Mie Casus formen sich er-
halten hat. Von dieser ersten Gruppe von Wortfermen schei-
det sich ('ine zweite von solchen, die zwar auch ursprünglich
blosse Tonverbindungen unter einem Hochton waren, aber all -
m ah 1 i g zu untrennbaren Gompositen v erwachsen sind,
so dass das Bewüsstsein von der selbständigen Lebensfähig-
keit der getrennten Laulbestandlheile sich in der Sprache
verdunkelt hat. Diese sind daran kenntlich, dass gewöhnlich
einer der beiden Bestandtheile der Tonverbindung oder
auch beide durch Kürzung, Erleichterung oder Tilgung
von Vokalen, durch Ausfall, Abfall oder Assimilation
von Gon so na nten verkümmert und entstellt sind, so dass sie
— 289 —
gesondert in dieser verstümmelten Gestalt in der Sprache nicht
v o r k o m in e n und bestehen können.
Nur der ersten Gruppe von diesen Wortverbindungen
kommt die eigenth um liehe enklitische Betonung zu.
Diese bethätigt sich darin, dass die vorletzte lange oder kurze
Silbe unmittelbar vor der Enklitika mit dem scharfen Hochton
gesprochen wurde. Das war der Fall in utique (und wo),
plerique, uhique, utrobique, itaque (und so), postea-
quam, hice, illice, istice, cgömet, mihi in et, tutemet,
t i b i m e t, i p s i m e t , h i c i n c , i s t i c i n e , i 1 li c in e , s a t i n , t a n -
tön, viden, duövir, quinquevir u. a.
Die eigenthiimlich enklitische Betonung zeigt sich zweitens auch
darin, dass der eiste Bestandtheil der Wortverbindung den schar-
fen Hochton unmittelbar vor der Enklitika auch dann
wahrt, wenn von den zwei Silben derselben die erste lang
ist, also gegen das gewöhnliche Lateinische Betonungsgesetz die
drittletzte Silbe hoch ton ig gesprochen wird trotz der Länge
der vorletzten, um den bedeutsameren Theil der Wortverbindung
auch durch die Betonung vor dem unbedeutenderen hervorzuheben.
Ausdrücklich wird diese Betonung den Wortformen siquando, ne-
q u a n (1 o , d e in d e , e x i n d e , p e r i n d e , p r ö i n d e z ugesprochen .
Werden aber solche Tonverbindungen allmählich in der an-
gegebenen Weise zu Compositen, so tritt die gewöhnliche
Beton ungs weise Lateinischer Wörter in Kraft. Das heisst
also: von der vor letz ten kurzen Silbe weicht der Hoch-
ton, wenn das anders die Silbenzahl der Worlform erlaubt,
auf die drittletzte Silbe zurück; so zum Beispiel in neü-
tiquam, uti-que (jedenfalls), undique, itaque (da-
her), itidein, identidem, ütinam, übinain u. a. , ebenso
weicht er zurück von der ehemaligen vorletzten in Ver-
balformen wie situst, vocitätust, pösitast u.a. Bei die-
sem Verwachsen von Tonverbindungen zu Compositen ereignet
es sich auch, dass der Hoch ton von dem ursprünglich
hochtonigen zweiten Bestandtheil auf den ersten
zurücktritt und nun das zweite Wort als Enklitika erscheint,
während eigentlich das erste tieftonig an das zweite getreten
ist; so in ädeo, ädhuc, pösthac, äntehac und anderen
Wortbildungen, von denen noch im folgenden Abschnitt die Bede
sein wird.
CORSSEN II. 19
— 290 —
Das Umschlagen der enklitischen Betonung in die gewöhnliche
bethätigt sich ferner darin, dass nach Abfall eines auslautenden
Vokales die auf diese Weise aus der vorletzten in die letzte
Stelle gerückte lange Silbe den Hochton 'bricht, wie dies
oben von h i c , h u c , i 1 1 ä c , i s t ä c , q u i n , s i n u. a . nachgewiesen
ist. Endlich rückt auch der Hoch ton von der drittletzten
Silbe, dein ursprünglich hochbetonten ersten Wort-
bestandtheil, auf die vorletzte lange Silbe vor, die der Enkli-
tika angehört, sodass diese nun ho eh tonig wird, indem die bei-
den Wortbestandtheile zu einer unauflöslichen Worteinheit verwuch-
sen , wie dies in u t r i n d e, a 1 i q u a n d o , a 1 i q u ä n t u m u . a. ge-
schah.
Da der U ebergang von solchen Tonverbindungen in Compo-
sita ein a 1 1 mäh 1 ich er war, so liegt es in der Natur der Sache, dass
die Grenze zwischen enklitischer und gewöhnlicher Betonung sieh
nichtinjedem e i n z el n e n F a 1 1 e baarschar f z i ehe n liess,
dass selbst unter gleichzeitig lebenden Hörnern ein Se h wanken und
eine V eise h iedenheit der Betonung in dieser Beziehung statt
fand, ein Punkt, der auch im folgenden Abschnitt wieder zur Sprache
kommen wird.
b) Tonanselil u ss an das folgen de Wort.
Die Griechische Sprache zeigt nur wenige Wörter, die ihren
Hochton verlieren und sich an das folgende Wort ansehliessen ; die
Lateinische geht auch in dieser Beziehung weiter, indem sie Prä-
positionen, Conjunctionen, Pronomina, Adverbien und Nomina im
Zusammenhang i\w Rede tieftonig hören lassl und an den Hochion
des folgenden Wortes bindet.
Die Untersuchung mag beginnen mit derjenigen Wortart, hei
der dieser Tonanschluss am häufigsten eintritt, mit den Präpositio-
nen. Dass Verrius Harens die tieftonige Aussprache von Prä-
positionen lehrte, ergiebt sich aus Festus, i>. 248.: Pone grari
sonn antiqui ulebanlur pro loci sig n i fiea I ione. Do-
li at, Diomedes und Priscia n gehen uns darüber bestimmte
Auskunft. So zuerst Dona 1, p. 1765: Separafae praeposi-
tiones aeuunlur, coniunetae |veroj casihus aut lo-
quelis vim suam saepe coramutanl ei egrai es fiuni* :
und Priscian, p. * > 7 r> /'.■ Omnia adverbia, qua« solenl
casihus adiungi, Borna ni artium Script orea int er
— 291 —
praepositiones p o s n e r u n t , q uia sunt praeppsitiva
c a s u a I i u m , et egravanturin o m n i b u s syl la bis'; a. 0.
p. 12(36: Praepositiva omnis coniunctio et pra epositio
cgra vatur'; {vgl. a. 0. p. 977. 991. 1228. P.). Den Grund die-
ses Tonanschlusses bat schon Quintilian erkannt, I, 5, 27:
Quum d.i c.o c c i r e um I i 1 o r a ' f a in q u a m u u u m e n u n t i o
d i s s i m u I'a t a d i s t i n c t i o n e ; i t a q u e 1 a m q u a m i n n n a
voce, una est acuta; quod idem accidit in illo:
Troiae qui primus eab oris'; ebenso Priscian, p. 977:
cum annitatur saepe pra epositio sequenti dictioni
et quasi una pars cum e a e f f e r a t u r. Vgl. Pomp. A.
Don. p. 409. L. Tieftonig war die gewöhnliche Betonung der Prä-
positionen, allein sie konnten auch den Hochton bebalten oder wie-
der erhalten , sobald es dem Sprechenden beliebte einen Nachdruck
auf dieselbe)] zu legen. {Vgl. Pönal, a. 0. Diom. p. 428. Prise.
p. 667.)
Diomedes räumt diese enklitische Betonung nur den einsilbi-
gen Präpositionen ein (p. 428 P.). Ks ist daher rathsam, die ein-
silbigen Präpositionen gesondert zu betrachten. Zahlreiche In-
schriften zeigen uns, dass die einsilbigen Präpositionen mit dem
folgenden Nomen zusammengeschrieben werden, was auch hand-
schriftlich bestätigt wird.
So ab:
a b e o , /. Iul. mun. a s e c r e t i s , Prise, p. 668 .
a b i e i s , a. 0. a c a I c u 1 i s , a. 0.
aquib(us), Or. 3787. arespönsis, a. 0.
apopulo, /. N. 2192. abäctis, a. 0.
a f u n d amen to , /. N. 2243. a s e , Marin Iscr. Alb. p. 39.
a p r i v a t i s , /. N. 23 14. a m ä n e , Diom. p. 401.
asölo, I. N. 2553. 6760. ab h ine, vgl. II, 271 f.
a m a i ö r i b u s , /. N. 4620. a b u s q u e , Hand, Turs. I, 72 A
a d e c i m o , /. N. 6482. a b a n t e (spät.), a. 0. I, 63.
ad:
a d e a m , ded. vic. Für f. T. N. a d 1 a v a c r u m , /. N. 2575.
6011. /. Iul. mun. a d d e f e n s i ö n ( e m ). I.N. 6270.
a d e a s , aa. 00. (p. Ch. 20 1 .)
a dun um, Marin, her. Alb. p. adinvicem, Hand, Turs. I
109. 106.
19*
ad:
adprime, Gell. XVII, 2, 14.
adaeque, /. N. 2517.
a d ü s q'u e ,
adhüc, vgl. U, 271 /.
cum :
c u m a 1 1 . e r (für c u m a 1 te r o ) , antiqu. Fest. p. 50.
cumprimis, Cic. Verr. II, 2, 28. F6j;v/. £. I, 17S.
cumprime, Claud. Quadr. Gell. XVII, 2, 14.
c o n q u e , /. N. 1 064 {spät).
co o qua, /. N. 1655 (spül).
cumque, I. N. 5175 (spät).
cumquä, /. N. 5452 (spät).
de:
depecünia, /. lul.mun.
dcasse, /. N. 2671.
desüo, I. N. 6652.
(1 e r e p e n t e , Diom. p. 401. i?o;/ . p. 1761.
de subito, Z>6W. a. 0.
deimproviso, Diom. a. 0.
desürsuiu, Don. a. 0.
d eh ine, vgl. 11, 271 f.
de contra (spät), Hund, Turs. II, 125.
dein super, Sa//, hist. Non. p. 363. G.
ex:
elege, /. In/, mun.
e x (j u 6 , a. 0.
elege, /. N. 2225.
ex elasse, /. N. 2657. 2669. 2688.
exvoto,/. N. 5238. 6771 (/>. CA. I II).
e xaerae, /• N. 6825.
exaere, Mm in. her. AJban. p. 175.
ex I eiuplo,
exadvers um, GW/. VI, 7, 1.
examüssim,
exhi dc, Vffl. II, 271 /'.
e contra (spät), Hund, Turs, II, 125,
— 293
in:
i n e a , /. Iul. mun.
inieis, a. 0.
i neis , a. 0.
ineo, a. 0.
i n qua, a. 0.
i n q u i b u s , a. 0.
i n i ü r e , a. 0.
i n t a b u l a , a. 0.
i n t a b u 1 a s , a. 0.
indiebus, a. 0.
inpartei, a. 0.
inforo, a. 0.
inlongitüdine, a. 0.
i nlatitud ine, a. 0.
inlöco, a. 0.
ine astreis
a. 0.
inmunieipeis, a. 0.
inmunieipio, a. 0.
i n I e g i 6 n e , ct. 0. Marin, her
Alban. p. 92.
insenätum, /. Iul. mun.
insinätum, ct. 0.
i n in. t e g r n m , ct. 0.
i n 1 1 ä 1 i a m , ct. 0.
i n q u o , Or. Henz. 5380.
inquibüsdani, Or. 4859.
inägro, /. N. 2148 {spät).
in fronte, /. TV. 2343.
i n 6 r d i n e m , /. N. 2474.
inquä, /. N. 2800.
i np ace ,/. N. 3945 (p.Ch. 545? 560?). 6700 {spat).%l 1 6. 6732.6733
{spät). 7153 (p. Ch. 386). 7159 (spät). 7171. 7181 [spät), inpa-
cae, 7191 (späfyii. oft auf Christi. Grabscbr. häufig auch: in pace).
ob:
oblibertätem, 7. N. 2243,
(quam) obrem,
p ost:
postemplum, Marin. AU. Fr, Arv. p. 182. 258.
inlllyrio, I. N. 4234.
inSyria, a. O.
inCapitolio, Or. Henz. 5088.
inbasilica, I. N. 4496.
inprovincia, 1. N. 4759 ne-
ben in provincia.
indie, I.N. 6686.
i n d i e s , Marin, her. Alb. p. 1 22.
i nvico, I. N. 6747.
int er am, a. 0.
incontubern(io), I. N. 6904
(spät).
in nomine, /. N. 6909.
inconventu, I. N. 6914 (p.
Ch. 5).
i n e x i g u o, Marin, her. Alb.p.9 1 .
i npraetöria, a. 0. p. 92.
iinprimis,
i n p r i m o , Diom. I, p. 401 .
i n c i r c u m , Varr. L. L. V, 25. M,
i n c ö r a m (spät), Hand, Turs. 1 II,
358.
in ante (spät), ct. 0.
i n p r a e s e n t i a r u m , Cat. R. R.
1 44. Fann. Ann. Prise. 960.
i nü sque (spät), Hand, Turs. III,
358.
cnecclesia, för inecclesia
(spät), Roiss. I.Lyon. XVII, 1 1 .
— 294 —
p o s i :
poscolümnam, a. 0.
po stem pus, Or. 2485.
p o s t i 1 1 a , Plaut. Cure. 529.
po stil Lac, Plaut. Men. 685.
pro:
proportiöni, /. Iul. mun.
p r o p r a e t o r e , Consent, p. 203 1 .
procönsule, a. 0. Vgl. proeönsuli, Or. Henz. 6481; pro
co ns u 1, Or. Henz. 6450.
pr oquaestore, Consent, a. 0.
propörro.
So sind durch den enklitischen Anschluss von Pronomen an
das folgende Wort gewisse Städtenamen entstanden wie:
A dnö vula s, A d cälem,
Admörum, Adsoläria,
A d p a 1 e m, A d p ä 1 e n, A d p i I e, A 1 1 ü r r e s ,
A (1 ä ras, A d ra a r t i s ,
Adfines, Ad vieesumo,
A d p 6 rt um, S ii ]) 8 ;i 1 1 u m , Subsätt u,
Adln cos, Inpyrenaäo, Inpyreneum,
die auf den drei von llenzen zusammengestellten llinerarien (Or.
Inscr. Rom. 5210. p. 25) immer verbunden geschrieben wurden.
Nach dem ausdrücklichen Zeugnisse des Verrius Flaccus,
Quintilian, Priscian und anderer Grammatiker verloren nun
aber auch zweisilbige und mehrsilbige Ortsadrerbien, die zu Prä-
positionen verwandt wurden, vor folgendem Casus eines Nomen ih-
ren Hochton. Als solche werden bestimmt bezeichnet:
pöne,
ä n t c ,
sine,
ä l>s<| u e,
circa m,
secu n d u in,
ad vor su in,
cor am ,
pal am,
I e uns,
Vgl Fes/. p. 2|s. r. pone. Quint. I, 5, "27. Prise. 975. 976. 977
penes,
in 1 er,
I» r 6 |»i e r
e i 1 ra.
ron 1 ra,
e \ t r a ,
i n t ra,
infra,
süpra,
ultra.
— 295 —
979. 380. 991. 992 f. 998. 999. 1019. 1228. Charts, p. 207.
209. Max. Victor, p. 1953. Prob. Anal Gramm. Eich. Endl.
p. 374.
Vereinzelt findet sich:
superlimen, Or.Henz. 5129.
Es kann hiernach nicht zweifelhaft sein, dass alle Präpositio-
nen vor der zugehörigen Casusform des Nomen lieftonig gesprochen
wurden. Dass dies schon zu Cäsar s Zeiten auch für zweisilbige
Präpositionen galt, zeigen die Schreibweisen:
intcrse", /. Iul. mun.
interdiu, a. 0. nehen inte r d i u ,
und für Plautus und Ca tos Zeit:
interdiüs, Plaid. Most. 444. Aulul. !, 1, 33. Cato R. B. 83.
wie in den Wortverbindungen ad aequo, ahüsque, desübito,
pro ]) alam, e x a m ü s s i m , ex a d v 6 r s u in *) , i in p r a e s e n t i ä -
runi, von denen noch weiter unten die Rede sein wird, sich schon
bei Plautus und Calo auch die enklitische Natur der einsilbigen
Pronomina bewährt. Die alte Form interdiüs ist sprachlich
merkwürdig. Aus dem Sanskritstamm divas- entstanden im La-
teinischen die beiden Stämme d i es-, noch erhalten in Dies-piter
und mit Sinken des s zu r in ho-dier-nns und diüs-, noch
seihständig erhalten hei Plautus, Merc. 862: neque-noctu
nequc dius, wo diu s ein alter neutraler Accusativ ist, der zum
Zeitadverbium mit der Bedeutung bei Tage verwandt wurde, und
mit Alischwächung des s zu r in diur-nus. Wie das stamm-
hafte s von d i e s- schwand in d i e i, die {vgl. sp es, sp er es, spei)
sich aber als Nominativzeichen in dies hielt, so fiel von dius in
diu das s ab, hielt sich aber als Norninativzeichen in nu-dius
(tertius). Hiernach ist in interdiüs das dius für eben jenen
alten neutralen Accusativ zu halten, und durch Abfall des s
von demselben entstand interdiu. Wenn nun neben interdiüs
bei Plautus noch die Form dius gesondert vorkommt, wenn zu
Cäsars Zeiten interdiu und inter diu geschrieben worden ist,
so ist klar, dass in der älteren Sprache beide Bestandteile noch
nicht verwachsen waren und enklitisch betont wurden interdiüs,
interdiu, grade so wie die oben angeführte Form in die. Dass
*) Ueber die Nichtigkeit der angeblichen Betonung exädversum
Gell. VI, 7, 4 f., vgl. Hand, Turs. II, 662.
— 296 —
aber im Verlauf der Zeit die beiden Wortbestandtheile zu Compo-
sitcn verwuchsen, dafür spricht die Analogie von hödie, pridie,
propediem und mancher ähnlicher weiter unten zu besprechender
Wortverbindungen, so dass in späterer Zeit interdiu betont ward.
Im Griechischen waren es nicht bloss iv, stg und ix,
die vor folgendem Nomen tiefton ig gesprochen wurden, sondern
auch zweisilbige Präpositionen, wie die Bezeichnung ihrer
Endsilbe durch den Gravis vor der folgenden Casusform und der
Abfall ihres auslautenden Vokals vor vokalischem Anlaut des fol-
gendes Wortes zeigt, also in Fällen wie an avrov, 6V o, ustf
dguoviag , in ovgavov, nag' v^icov. Dieser Abfall zeigt
sich im Dorischen und A eolischen Dialekt auch vor consonan-
t'ischem Anlaut des folgenden Wortes in Verbindungen wie dv' tuv,
dv tov, avtcog, nag' rdv^nag'rd, nag' xov (Ahrens,
Dial. Dor. p. 354 f. ) , 6v x 6 ( d v d ro) x a % xecpdlag , xay
yovav, an narigeov, neg 6 a, nsg xscpdAag (A.D. Aeol.
p. 149 f.) — Mit folgendem Artikel und Pemonstrativum finden sich
dann so verstümmelte Präpositionen zusammengeschrieben in Pori-
sehen Formen wie xa rrd , xazxdv, xarrdg, xaxtov, x ax-
xeov, n'O ttk, noxx a, noxxdv, n oxxdg , noxxo, not top.
noxxcp und im Aeolischen wie xaxxav, xaxxdg, xaxxd, xax-
rot'g, xaxxco [aa. 00.), Sehreibweisen, die also den Lateinischen
a b e o , a b i e i s . a d e a m , a d e a s , i n 6a, i n i e i s, p o s t i 1 1 a u. a. ge-
nau entsprechen.
Auch im Deutschen werden die Präpositionen, falls sie nicht
durch einen besonderen Nachdruck des Sinnes gehoben weiden. tief-
Ionig gesprochen in Verbindungen wie a uf eh re, aus I iebe, d ure h
gute, für geld, mit fr enden, na eh hause, vor wülh,
unter (hränen, über Und u. a. Die Natur der Sache hat
diese Belonungsweise veranlasst. Die Casus drücken ursprüng-
lich vorwiegend die anschaulieh ort liehen Beziehungen der
Dinge zu dem Sprechenden und unter einander aus, das Wo,
Wolter, Wohin; ebenso die Präpositionen. Wie die Casus,
so werden die Präpositionen alier auch frühzeitig auf zeit liehe
und * auf wesenhafte Beziehungen der Dinge und Ereignisse
übertragen. Die Präposition veranlasste also nicht die Bedeu-
tung der Casus, sie prägt e dieselbe nur noch entschiedener aus,
sie war n ich! die Haupt sa ch e, sondern ein Ford ein Dg sin it -
tel der Hauptsache. Sie ordnete sich daher auch dem Haupt-
— 297 —
wortc als Nebenwort unter und neigte sich tieftonig dem
Hoch ton desselben zu.
Priscian lehrt, die Präpositionen hätten ihren ei genen Hoch-
I o n behalten, wenn sie nach de r zu ihnen gehörenden Casus-
form standen, so zum Beispiel propter und penes in Verbin-
dungen wie te pröpter, eündem pröpter, te penes (/?. 977.
982. 1228. 1266. Serv. Verg. Jen. II, 681. IV, 416). Dass in
der That quapröpter, ea pröpter betont sei, ist eben so wenig
zu bezweifeln, wie die Betonung quacünque, quousque, quo-
circa, id Circo, indem Formen der Pronomen is und qui infolge
ihrer schwachen Bedeutung sich auch sonst tieftonig an den Hoch-
ton des folgenden Wortes lehnen ; demgemäss ist es nicht unglaub-
lich, dass auch te pröpter, eündem pröpter gesprochen wer-
den konnte und pröpter den Hochton behielt wie in dem Fall, wo es
eigentliches Ortsadverbium ist und in der Nähe bedeutet. Aber
für tieftonig nach der zugehörigen Casusform hält Priscian propter
in dem Falle, wenn ihm noch ein Genetiv folgt, der von jener Ca-
susform abhängt, wie in der Verbindung virtutem propter
imperatoris (p. 982). Auch für penes lässt. sich Priscians
Aussage nicht schlechthin abweisen. Wie aus penu, penus,
penitus erhellt, bedeutet penes eigentlich in der Vorrats-
kammer, und da diese im Innern des Hauses lag, inwen-
dig, daher gelangt denn auch penes aliquem sehr natür-
lich zu der Bedeutung in jemandes Besitz oder Gewalt.
Wenn nun in der alten Sprache dieses penes von der Casusform,
zu der es gehört, auch durch dazwischen gestellte Wörter getrennt
erscheint wie Plaut. Aul. IV, 4, 27: . . Neque tui me qufcquani
invenisti penes, so war es natürlich, dass es in dieser gesonder-
ten Stellung seinen Hochion behielt. Demnach erscheint Priscians
Lehre, dass te penes betont worden sei, bei der scharf aus-
geprägten Bedeutung von penes wohl glaublich. Dass auch
causa und gratia, wo ihnen ein Genetiv vorherging, den Hoch-
ton behielten, versteht sich von selbst, da diese Wortformen nicht
aufgehört haben eigentliche Ablative von Nomen zu sein. Pris-
cian irrte nun aber darin, dass er seinen obigen Satz wahr-
scheinlich nach dem Vorbild der Griechischen Anastrophe
zu allgemein aussprach; denn die Schreibweisen hactenus,
i 1 1 a c l e n u s , ist a ctenus, e a t e n u s , q u a t e n u s , m e c u m ,
t e c u m , s e c u m , n o b i s c u m , v o b i s c u m , q u a c u m , q u ö -
— 298 —
cum, q u f c u m , q u i h ü s c u m , q u ö a d , n ü p e r , p a r ü m p e r ,
paullisper, tantisper u. a. lassen keinen Zweifel, dass die
Präpositionen tenus, cum, ad, per, auch wenn sie nach
ihrer Casusform standen, tieftonig gesprochen wurden*).
Aus der Betonung der Griechischen Präpositionen stammte ja auch
die irrige Theorie Römischer Grammatiker, dass auch Lateinische
Präpositionen den Hochton auf der letzten Silbe haben konnten,
um sie von gleichlautenden Wortformen zu unterscheiden wie pone,
sine, ergo u. a., von denen oben gehandelt ist.
Unter den oben verzeichneten Tonverbindungen, deren erster
Theil ein zur Präposition verwandtes Ortsadverbium ist, findet sich
eine ganze Anzahl solcher, in denen dieselbe sich nicht an eine
Casusform anschloss, sondern an ein Adverbium, meist des Ortes
oder der Zeit, das ursprünglich freilich auch aus einer Casusform
entstanden war. Solche Bildungen linden sieh schon in Plaut us
Sprache, treten aber häutiger auf in der Spätlateinischen Volks-
sprache. Hierher gehören:
de contra, spät, de subito,
e e 6 n t r a , des ff l. p r o p 6 rr o,
a in a n e , desgl. i n c ö r a m , spät,
cumprime, d es u es um, Spät,
a da£que, exa d ver s u m ,
a b;i nte, spät, ex a in i'i ssi in,
inänte, desgl. adinvicem, spät,
abüsqu e , im pr.a esent i ar um,
adüsque, abhinc,
inüsque, spät, exbfnc,
deb ine.
Im Deutschen entsprechen diesen Bildungen Verbindungen
wie: von gegenüber, von früh, zuerst, zugleich, zu-
vor, bis wo, voraus u. a.. im Griechischen: TtccQtx* nagst,-,
V7t£X, V7tE%, £7C8X£LVCC, 7t£QL7lQO U. a. DaSS aiicll MI l'\-
*) Wenn Priscian, p. 998, daa cum in iure um, te'cum, s^enn,
nobiscum, vobfscum für tieftonig und enklitisch erklärt, hin-
gegen in quo cum, q u ;i c n m , quieum, quibüscum für bochtonig,
so bewo^ ihn zu dieser Unterscheidung vielleicht die Bemerkung, dass
für jene Verbindungen nie cum me, cum nöbia u. a. gesagt wurde,
während cum quo, cum qua, cum quibus u. a. ganz gewöhnlich
sind. Natürlich musste ernach jener nsicht quo edm, qua" cum u.a.
schreiben.
— 299 —
amussim der Accusativ amussim zum Adverbium geworden
war, beweist die Erklärung, Fest. p. 6: Amussim, regulari-
t e r. Was die absonderliche Wortverbindung i m p r a e s e n t i a r u m
anbetrifft, so ist weder ein Genetiv Pluralis von praesentia
denkbar, noch hat ein angebliches Adjectivum pra esentiarus,
das heisst eine Adjectivbildung mit dem Suffix -ro von einem
abstracten Substantivum auf -ia {Boederl. Etymol. I, p. 140.
Hand, Turs. III, p. 237), im Lateinischen irgend eine Analogie.
lmpraesentariuin ist jedenfalls eine dreifache Wortverbin-
dung, deren zweiter Bestandteil praesenti oder praesentia,
der dritte entweder carum oder haruin is(, Möglichkeiten, die
lautlich alle erklärlich sind. Da nun aber in praesentia so über-
aus häufig gesagt wird, in pra esenti kaum an einer oder der an-
deren Stelle, und da praesentia mit einem folgenden Genetiv
verbunden wird, praesenti aber nicht, so muss man schliessen,
dass praesentia der zweite Theil jener Zusammensetzung war.
Dass ferner haruin, nicht earum der Genetiv war, der sich an
in praesentia anschloss, ergiebt sich daraus, weil das Pronomen
hie, wie es überhaupt dazu dient, den örtlichen Standpunkt oder
die Zeit des Redenden scharf zu bezeichnen, feststehend auftritt,
um die Gegenwart zu bezeichnen; so erscheint es stets in Verbin-
dungen wie hoc tempore, hoc anno, horno für ho-iorno
(heuer), hodic, hoc die, im bestimmten Gegensatz zu eo
tempore, eo anno, eo die, und daher auch in Verbindun-
gen wie haec in praesentia, Cic. fön. V, 8, hoc — in prae-
sentia, Cic. Alt. XV, 20.
Daher ist der Schluss gerechtfertigt, dass impraesent ia-
rum aus in praesentia harum zusammengezogen ist, wie ala
aus ahala; zu dem Genetiv harum ist aber rem in zu ergänzen
wie zu r epetundarum. Also heisst impraesentiar um : in
Gegenwart dieser Verhältnisse oder bei der gegen-
wärtigen Sachlage, unter den gegenwärtigen Ver-
hältnissen.
Im vorigen Abschnitt ist dargethan worden, wie Wortverbin-
dungen, die aus Ton an schluss an das vorhergehende Wort ent-
stände, zu festen Compositen verwuchsen und dann die e n -
klitischc Betonung in die gewöhnliche überging. Ebenso
verwachsen nun auch Präpositionen, die sich tief tonig an
eine folgende Casusform lehnten, mit diesen zu Compositen,
— 300 —
und dann rück t der H o c h t o n , dem gewöhnliche n Beto-
nungsgesetz folgend, auf die Präposition zurück. So geschah
es in :
amodo {spät), Band, Tvrs. 1, 287. für a modo,
denuo, de novo,
Illico, inloco,
i n t e r d i u , i n t e r d i u , inier dius,
a d m o d u m, Or. Ben z. 7 1 68. a d m 6 d u m ,
]> ö s t m o d u in , Or. Benz. (>429. p o s t m ö d um,
praemodum, Gell. VI, 7, 12. H. praemöduin,
propemodum, prope mödum,
6 bit er (bei Wege, d. h. im Vor- oh iter,
beige hu ) , Prise. 1014.
Charts, p. 187.
öbviam, ob vi am,
p e r v i a m , Charts, p. 187. p e r v i a m ,
p r ö p a 1 a m , p r o p ä 1 a m ,
affatim, Gell. VI, 7. ad fatim.
Am entschiedensten tritt dies Verwachsen zum Compositum
hervor in denuo, wo im zweiten Worttheil Vokalausstossung ein-
tritt, und in illico, wo der eiste Bestandteil durch Assimilation
eines Consonanten, der zweite durch Vokalerlcichternng entstellt
ist. Vollkommen richtig ist es demnach, wenn Ann ianus (Gell.
a. 0.) sagt, dass schon die Alten affatim gesprochen wie ädmo-
d u m : q u o d c a f f a I i in ' n o n e s s e n I d u ;i e p a r t e s o r a t i o n i s
sed utraque pars in unam vocem coaluisset. Pass da-
neben auch noch ad fatim oder affatim mit enklitischer Ilelo-,
nung gesprochen werden konnte, wird dadurch bestätigt, diissdas ac
cusalivischc Adverbium fatim noch gesondert vorkam, Serv. Verg.h
123: Fa tira enim ab und anter dieimus u nde e t c ;i IIa lim \
Von den Fürwörtern schliesst sich insbesondere das rela-
tive und das unbestimmte Pronomen tieft onig an das folgende
hochbetonte Wort an. So lehrt schon Quintilian I, .'>, 26, Ins-
besondere aber Priscian p. 580: Infinit um est interroga
tivorum conlrarinm ut -quis, qualis. quantus, quot,
quotus', cum in leclione gravi accentu pronuntian-
lur. Pri&c. p. 1019. P: Interrogativum acutum penulti-
mam habet, relativum gravatur (vgl, Prise, p. 1226. 1267.
961. 1018. 1051. 1060. Gell. VI. 2, 9. //.).
30
In der Schrift ist dieser Tonanschluss des Relativum an ein fol-
gendes Wort nicht seilen durch verbundene Schreihart dargestellt.
So finden sich zu Cäsars Zeit geschrieben :
quaequihüsque, /. Iul. mun.
quodie, a. 0.
quoqirca, a. 0. neben quo circa,
q u e i v 6 1 e t , a. 0.
(juacstipCndia, a. 0.
Das einfache Pronomen relativum, relative Pro-
nomina 1 a d j e c t i v a und Pro n o mi n a 1 a d v erb i a schliessen sich
tieftonig an folgendes eunque, cumque, alt quomque.
In der älteren Zeit ist diese Tonverbindung nicht fest; daher
finden sich auf den älteren Inschriften nebeneinander verbunden
und getrennt geschrieben:
queiquömque, tob. Bantin. quei quomque, /. rep. (Serv.)
(qu)iquömque, /. repel. quae quomque, a. 0.
( [ u e i <| u ö m q u e , /. ctgr. ( Thor.) q u ib u s quomque, a . 0.
q u c i q u 6 mque, /. Com. de
XX q.
queiquömque, Sc. d. Ascl.
Claz.
q u e i q u ö m q u e , /. Iul. mun.
quemquömque, a. 0.
quiquo mque, a. 0.
queiquömque, /. Ruhr.
q u o q u 6 m q u e , a. 0.
q u i c ü m q u c , Ceti . P/s. Or
7428.
q u <' l q u o m (| u c , /. üfjr. ( Thor.)
quos quomque, /. Com. de
XX q.
quosque quomque, a. 0.
quei <j uo mque, a. 0.
q u e m <[ u o m q u e, ded. vic. Für f.
I. N. 6011.
quo quomque, /.////. mun.
quei <| uomque, a. 0.
quodque quisque quom-
que, /. Ruhr.
quisque quomq., /. Ruhr.
q u o iq u e q u o m q u e , a. 0.
643. Vgl. L Malac. Or. Henz.
Auch bei Dichtern findet sich die getrennte Schreibung ; so
quae cumque, Afran. Com. Rib. p. 179.
quem cumque, Syr. Senl. Com. Rib. p. 298.
qui cumque, a. 0. 299.
qua c u m q u e , a. 0. 276.
quod cumque, a. 0. 273.
— 302 —
Bei Lucrez ist cumque vom Relativum häufig durch dazwi-
schen gestellte Worter getrennt, wie:
cuiusvis cumque, HI, 388.
quae loca cumque, IV, 867.
qua de causa cumque, VI, 85.
qui cuiquest cumque, VI, 867.
qui lapidem ferrumque est. cumque, VI, 1002.
Quomque, cumque war also ein selbständiges Wort; wenn
quom, cum Accusativ des Pronominalslammes cu-, quo- ist und
wann bedeutet, so bedeutet quomque, cumque irgend -
w a n n , i r g e n d w i e und das verbünd ene quei-quomque: w e r
irgend wann irgend wie. Die stark hervorgehobene Be-
zeichnung der verschiedenen Möglichkeiten von Zeit und Weise in
quomque machte, dass die vorhergehende relative Pronominal-
bildung den Hochton verlor. So ist es auch in:
q uotcü mque , üb icümque,
quäl is cumque, ut c ü mque,
q uantus cumque, und ecü mq u e.
(f uan I uluscümq ue,
So waren nun ferner die relalivischen Partikeln tieftonig in
Verbindungen wie:
c ii in in,i \ im e, i| im nid i u ,
quam maxi nie, al iq u a md i u .
<| uam primum, queäd in o du in. Or. /Av/:.7osl.
quam c e 1 e r r i m e u. a., q u o ü squ e,
quamobrem, Charts p. 190. quoefrea,
M(lw Viel. i>. 1952. quapröpter,
qui nel i a in , Charts, />. L99.
Ebenso schloss sich quol tieftonig an das folgende Woii in:
quotännis, Or. 2489. vgl.quot annis, l.repet. {Serv.)
quodannis, Or. 3772. quod annis. Cen.Pis. Or. 642.
Or, llcnz. 7346. 4115.
quotkalendis, Plaut. Stich. 60.
Dass auch Formen demonstrativer Pronomina, wo sie
in unbetonter Stelle im Satz stehen, tieftonig gesprochen werden
konnten, ist schon oben aus der Messung von ille. igte, ipse,
inde, eeee geschlossen. An ein vorhergehendes Wort schlössen
sie sich an m Verbindungen wie äntea, pöstea, antfdea,
ellum , eccam u. a. Seilen isi Anlehnung eines Demonstrativs an
— 303 —
ein folgendes Wort durch die Schrift ausgedrückt. Doch finden
sich die Schreibweise«:
eamrim, /. Iul. mun.
eaires, a. 0.
eare, a. 0.
id Circo, Or, 3678. 4039. 4040.
h u n c i nerem, /. N. 5299.
So wurde auch im Griechischen ein demonstratives Prono-
men, der Artikel 6, rj , oi, au li< flonig mit dem folgenden
Woiic ziisammengesprochen. Indessen zur allgemeinen Geltung
scheint der Tonanschluss von hie, is und ihrer Formen an ein
vorhergeliendes Wort nicht gekommen zu sein.
Das hinweisende ecce trat enklitisch an Casusformen von ille
und is le in:
ec eil In in, ec eist am, Plaut Cure. 615.
e c eilt a m ,
eeeil Ind.
Aneh-die einfachen C onj unetionen sind im Zusammen-
hang der Lateinischen Hede vielfach tieftonig gesprochen worden,
Prise, p. 1266: Praepositiva omnis coniunetio et prae-
positio gravatur, postpositiva vero gen er a lern ac-
c e n t u m s e r v a t d i c t i o n u m ; vgl. p . 975 , 1 240, 1 24 1 , 1 258.
Ausdrücklich werden unter den Conjunctionen als tieftonig genannt
i a m , Prise, p. 1 24 1 , bestätigt durch i a m diu,
i a m d \\ d u m ,
i a m p r i d e in , Or. Henz. 25S0.
wie sich das Wort in quispiam, quoniam, quia tieflonig an
das vorige angeschlossen hat. Tritt ein Enklitikon an iam heran
wie in iamqu'e, so erhielt es den Hochton wieder (Prise. 1245. /'.).
, Tieftonig ward auch gesprochen die Conjunction:
ne, Charts, p. 202. Prise, p. 1242, vgl. nequidquam,
nequaquam u. a.,
n e q i d e m, Or. Henz. 6138.
n i m i r u m, Or. Henz. 5580.
Hingegen ward das bloss verneinende ne heim I in p e r a -
tiv mit dem scharfen Hoch ton gesprochen {Charts, p. 202.
Prob. Eichen/'. Enal. p. 368. Diom. p. 388.), da es durch den Ton
des Befehles scharf hervorgehoben ward, wahrend das bekräfti-
— 304 —
gen de ne, Griech. vcci, nacli Priscians ausdrücklicher Angabe
{a. 0.) mit dem gebrochenen Hochton betont wurde.
Für non und neve bezeugen enklitische Betonung die Schreib-
weisen :
nonpösse, /. Iul. mun. n e i v e q u 1 s q u e , /. Iul. mun.
nonlicebit , a. 0. neivedicere, a. 0.
nondebuer unt, Or.Henz.11bh.
Wie andere relativische Conj unctionen verloren den Hochton im
Zusammenhang der Rede auch:
uti, vgl. u t c ü m q u e , v el u t i ,
ut, Prise, p. 1281. ut primum, velut*);
hingegen behielten uti und ut im fragenden Sinne den scharfen
Ilochton wie quis, quantus und andere Frageworter (Charts.
p. 202).
Tieftonig gesprochen ward auch :
q u a n d o ,
wenn es zur relativen Conjunction mit der Bedeutung wann,
da abgeschwächt war, schon zu Verrius Flaccus Zeit, Fest,
p. 259. Prise, p. 1018. Charts, p. 199. Diotn.p. 410. T&ax. Vict.
l>. 1952, während das Fragewort quando natürlich ho eh ton ig
blieb, Pris. c. u. 0. Chär. p. 86. Dass (li± Adverbium quando mit
*) lieber Cledonius nichtige Angabe, dass das fragende ut cir-
cumfleetiert worden sei, p. L026, vgl. Langen, a. Ü. p. 13. Mit Recht
nimmt L. auch Anstoss an Priscians Behauptung) p. 1020. 1242.
1247, dass sie zu Anfang von S C b w n r f o rmeln tieft o □ ig gesprochen
sei, da es ja in diesem Zusammenhange die demonstrative Kraft
seiner Bedeutung entschieden wahrt. Priscian scheint hier der bespro-
chenen Unterscheidungstheorie gleichlautender Wörter von verschiedener
Bedeutung durch den Accent gefolgt zu sein. Ebenso befremdlich ist für
utinam die von Priscian angegebene tieftonige Aussprache aller
»Silben, p. 1281, wegen der starken Bedeutung dieser Wunsch-
partikel. Als sicli zuerst na in an das vorhergehende uti anschlols,
muss natürlich utinam betont worden sein; dass daraus das Composi-
tum utinam wurde, ist schon oben aus der Kürzung des i geschlossen.
Glaublicher erscheint die Angabe, /;, 12 17, dass auch das sie in sie uti
tieftonig gesprochen sei, da die Bedeutung von sie in dieser Verbindung
so schwach geworden ist,, dass sicuti sieh von dem blossen uti in der
Bedeutung kaum merklich unterscheidet. Klar ist. aber, dass man ein-
mal sicuti gesprochen bat wieveluti, und jedenfalls erst in späterer
Zeit sicuti ganz tieftonig gesprochen werden konnte, wie postquam
und atque im Zusammenhang der Bede.
- 3()5 —
der ursprünglichen Bedeutung eine s Tages ho cli tonig gespro-
chen wurde, lehrte Verri us Flaccus, Fest. a. 0. {Vgl. Max.
VicL p. 1952); dass es indessen auch in die: er Bedeutung nach
vorhergehendem si und ne den Hochton verlor und siquando,
nequando gesprochen wurde, ist ohen nachgewiesen. Daher
schloss es sich denn auch tieftonig an folgendes cumque an in:
q u andocümqne.
Dieselhe Betonung fand natürlich auch statt hei den relaliven
Conjunctionen:
quo, quin, vgl. quin etiam,
quod, uhi, ubicümque, Or. 4035.
q u i a ,
Ausdrücklich werden ferner als lieflonig im Zusammenhang
der Rede bezeichne! :
atque, Prise, p. 1240.
postquam, a.O.p. 1236;
doch müssen sie ursprünglich atque, postquam betont worden
sein, als die enklitischen Anfügungen -que und -quam an at und
post herantraten.
Die tieftonige Aussprache anderer Conjunctionen und Parli-
fceln wird ausser durch Priscians Aussage bestätigt durch die
Schreibvveise, indem sie vielfach mit dem vorhergehenden oder dem
folgenden Wort verbunden geschrieben werden. Dies gilt von fol-
genden :
haud, vgl.
haudquäquam,
si,
sültis, für si vultis,
sis, si vis,
d u m ,
dumtaxat, Or. 2417.
3678.OrJSGau.5428.
5430. 5433. 5520.
5534. 6857. 6858.
6859.
n ö n d u m ,
vi x dum u. a.,
etiam,
etiamnünc,
e t i a m t ünc,
usque,
u s q u e q u ä q u e ,
s i m u 1 ,
s i m u l atque,
t a m ,
tametsi,
CORSSEN IL
*
älter : dum t ä x a t ,
/. repel. I. repet.
Sero, LRuhr. I.N.
4601. Or. Henz.
5418.
20
— 306 —
tarn on, vgl. tarnen et si,
attamcn,
n a m , q u i s n a m ,
q u i a n a m ,
t a n t ü in n a m , Or. 4858.
enini; enimvero,
e t e n i m ,
n u in , e t i a m n u m ,
an, försan,
f o r s i t a n ,
fortäs scan,
on, enünquam.
Dass aber nicht alle Conjunctionen den Hoch ton verlo-
ren haben, sagt Priscian mit dem Ausdruck: omnia fere mono-
syllaha (p. 1242) negativ; er bestätig! das positiv, wenn er lehrt,
dass itaque, ergo zu betonen sei, wenn diese Wörter daher
bedeuten. Wenn also auch zu Prisciaiis Zeit atque, poslquam
tieftonig gesprochen sein mögen, so müssen doch beide einmal den
Hochton auf äf und pöst gehabt haben, da sonst que und quam
sich nicht hätten enklitisch an dieselben anschliessen können.
Lehrt doch Priscian selbst (p. 1245), dass iamin iamque seinen
Hochton behielt, da ein enklitisches Wort an dasselbe getreten war.
Man muss demnach annehmen, dass die im Wege i\vs Toirinschlus-
scs entstandenen zusammengesetzten Conjunctionen wie quäre,
qu 6ni am, ütinam, priusquam, antequam, tarn quam,
atqui, acsi, quödsi, quasi, nedum, n 6 n il n in , vixdum,
donec, du m modo, dümne, simulätque, eienini, sede-
nim u. a. den Hoch Ion auf dem ersten Ye rbind im gsgl iede
gewahrt haben, so lange das Geg entheil nicht ausdrücklich
versichert wird.
Wenn aber Priscian behauptet, alle jene Conjunctionen, die
er als tieftonig zu Anfang des Satzgliedes anführt, seien.
wenn sie nach Anfang desselben gesetzt wurden, wieder hoch-
tonig gesprochen worden, so hat das keine Glaubwürdigkeit Man
vergleiche die Salze:
pn st quam hune vicit. hunc poslquam Ticit.
ul vidil ad versa ri um. advers arium ul vidit.
n e hoc facial. hoc ne faeia t.
ut pa l riam I i bera ret. pa i ria m ut li beraret,
— 307 —
so wird durch die Verschiedenheit der Stellung die Bedeutung
der Conjunction doch nicht im mindesten geändert. Da nun
der Grund alles Tonanschlusses in der schwachen Bedeutung ge-
wisser Worter liegt, so begreift man nicht, wie, ohne dass die-
selbe im mindesten verstärkt wird , plötzlich wieder der Hochton
auf jenen Enklitiken erschienen sein soll. Ebenso unhaltbar er-
scheint die Ansicht Priscians, p. 1258, quoque wie fast alle nach-
gesetzten Conjunctionen hätten den Hoch ton behalten. Wenn
man die schwache Bedeutung von quoque in den gewöhnli-
chen Vorbindungen wie tu quoque, i's quoque, sunt quo-
que u. a. erwägt, so muss man gerade glauben, dass quoque
tieftonig gesprochen wurde. Dies wird dadurch bestätigt, dass
sich das ursprünglich lange o in quoque verkürzte, was unter
dem Hochton nicht stattgefunden haben würde. Dass enim an der
zweiten Stelle des Satzes nicht hochbetont blieb, zeigen die zu-
sammengesetzten Conjunctionen etenim, sedenim, die ja durch
Tonanschluss eines tieftonigen enim an die vorhergehende Con-
junction entstanden sind.
Ja jede der angeführten zusammengesetzten Conjunctionen,
die durch Tonanschluss der zweiten, tieftonigen Con-
junction an die erste hochtonige entstanden sind, spricht
laut gegen die Annahme, dass eine Conjunction, wenn sie nicht
zu Anfang eines Satzes stand, hochtonig gesprochen wurde. Ver-
gleicht man zuwiesen Gründen, was oben gegen die Orthotonie-
rung der Präpositionen, wenn sie nach der Casusform, zu der sie
geboren, nach Art der Griechischen Anaslrophe stehen, mit Hin-
weis auf die Tonverbindungen quäpropter, quatenus, me-
cum, quo cum, quibüscum gesagt ist, so kommt man zu dem
Schluss, dass jene Begel des Priscian über die Betonung der
Conjunctionen, die Weil und Benloew ohne weitere Prüfung hin-
nehmen (Theor. g. deVAcc. Lat.p. 56) nach dem Vorbild der Grie-
chisch e n A n a s t r o p h e der Lateinischen Sprache von denselben Bö-
mischen Grammatikern oktroyiert worden ist, die nach der Analogie
Griechischer Präpositionen auch Lateinische zu Oxy-
lona stempeln und nach den Griechischen Vocativen wie "AitoX-
kov, üoöeidov, Ttaxeg auch Vergili, Valeri, Mercuri
betonen wollten.
Zahlreich sind in der Lateinischen Sprache die Ton Verbin-
dungen, in denen zwei häufig nebeneinander gesprochene Casus-
20*
— 308 —
formen von Nomen in der Weise mit einander verknüpft sind,
dass das erste derselben in der gewöhnlichen Aussprache na-
mentlich der späteren Zeit den Hochton ei n hü s st. So ist ein
Nominativ mit folgendem Genetiv, Dativ und Ablativ ver-
bunden, durch welchen der in ihm liegende Begriff genauer ausge-
prägt und enger bestimmt wird , in folgenden Verbindungen :
Nom. Gen. Nom. Dat.
o r b i s t e r r a e , p r a e f e c t u s ü r b i ,
o r b i s t e r r ä r u m , praefectus f ü n d i s ,
p a t e r f a m i 1 i a s , p r a e f e c t u s v i g i 1 i b u s ,
t r i b u n u s p 1 e b i s , Nom. Abi.
I r i 1) u n u s p l e b i , m a i o r n ä I u.
magistermilitum,
m a g i s t e r e q u i t u m ,
praefectusürbis,
praefectusfäbr um ,
p r a e f c c t u s a n n ö n a e ,
Prise. 668/". 664—666. 834. 1091. Dornt p. 1749. August.
p. 1993. Consent, p. 2031.
In ähnlicher Weise erscheint der Casus ohliquus eines .\<»-
mens mit einem folgenden Nominativ verbunden, von dem er
abhängt, in:
Gen. Nom. Bat. Nom.
senatus consül tum, fideicomm i ssum.
s c n a t u s d e c r e t u in ,
p l«ß 1 > i s c i t u in , Abi. Nom .
legi slätor, iurec onsül las.
iur isper i tu s,
aquaediictüs, Or. ffenz. 6428.
terrae motus, I.A. 5331.
Vgl. an. (Kl. Prise, u. ct.
Ein Substanl i vu in schliessl sich an den Hochton eines
folgenden A dj e c I i vuin , durch welches sein Begriff enger be-
stimmt und ausgeprägt wird, in den Ton Verbindungen :
r e s p ü b 1 i c a ,
iusiuränd u m,
viril lustris, Prise. Sl\ !.
Equesromänus, Donat. p; 1749. Cons. p, 2031.
Prae torurbanus. Vgl. aa. 00. Prise, u. a.
— 309 —
Priscian urlheill richtig über alle diese Tonverbindungen
p. 666: Divers or um quid cm utimur declina tione, ac-
centu tarn en compositorum. in omni enim casu sub
udo accentu ea proferentes composila esse osten-
d i m u s , et possumus d i c e r e , per s i n g u 1 o s casus e a
componi. p. 668: Possunt tarnen baec eadem etiam
separata esse, si diversos accentus bis dcderis vel
interponas coniunctiones ut 'resque publica, po-
pulusque Roman us, tribunus plcbis'. Da es lediglich
auf die Willensregung des Sprechenden ankam, ob er dem er-
sten der beiden nebeneinanderstehenden Wörter den Hochton
lassen wollle oder nicht, so finden sich dieselben denn auch
bald getrennt, bald verbunden geschrieben; so zum Bei-
spiel :
res publica, Or. 3696.
r e i p u b I i c a e, Or. 775. 2584. r e i p u b 1 i c a e , Or. 3034 . Or.
3701.3882. Or.Henz. 1008. Henz. 5593.
r e m p übli c a m , Or. 4430. r e m publica m, Or.Hcnz. 7 1 68.
Or. Henz. 6473. r e m q u e public a m , Or. 4036.
re publica, Or. 4041.
Wurden dergleichen WTörter aber unter einem Hochton zusam-
mengesprochen, so sank die sonst hochbetonte Silbe des ersten
Wortes jedenfalls nur zum Mittel Ion herab, von dein oben die
Rede gewesen ist. Auf diese Weise verwuchsen durch Ton-
anschluss des allgemeineren eine Ocrtlichkeit bezeichnenden Wor-
tes an das zweite diese genauer bezeichnende Wort Ortsnamen,
die sich auf Itinerarien und sonstigen Inschriften der Kaiserzeit fin-
den. {Vgl. Or. Henz. 5210.)
Forumsempröni, Aquisvocönis,
Forosempröni, A q u i s vo c ö n i ,
Forumdomiti, Aquifla vienses, Or. 163.
F o r o d o m i t i , F a n u m f o r t u n a c ,
F o r o c o r n e 1 i , F a n o f o r t u n a e ,
Forumlivi, Regiolepidi,
Forolivi, Lucoferonensis, Or. 4099.
U r b i s ä 1 v ( i a e ), Or. Henz. 7053.
Aelmlich schliessen sich Adjectiva enklitisch an folgende
Substantiva in :
magno pere,
— 310 —
quantöpere, neben q uan to opere u. a.
summöpere,
m a x i m 6 p e r e ,
tantöpere,
t r i n ü m cl i n n in , tri n um n 6 n d i n u m , tob. Banl.
trin ii in nündinum,
und in den Ortsnamen:
Aptaiulia, vgl. Sacravia, Chans, p. 6.
A p t a m i ii 1 i a m ,
Summasälpes,
T r i a c ä p i t a ,
Lepido regio, Or. Henz. a. 0.
Das possessive Pronominaladjectivum nieus verband sich en-
klitisch mit folgendem Substantivum in:
m e h e r c 1 e ,
m e c ä s t o r ,
m e d i u s ;
denn me ist ein alter Vokativ, verschmolzen aus niee, nie das d e
von e-de-pol für d ee.
Zahlwörter werden mittelst der zwischengestellten Präposi-
tion de und der Conjunction el verbunden, so dass das erste der-
selben den Hoch ton verlor, in Formen wie :
undeviginti, undevicesim u s, undeviceni,
undetriginta, und e I rices im us, n nd elrice ni,
uiule qua dragin - undequad rages i- undequadrägi es.
ta, u. a. ums, u. a. u. a.
d u o d e v i g i n t i , d u o d e v i c e si m u s, d u ode v i c e ni,
d u o d et r i g i n t a , d u o d e I r i c e sim u s, d u o «1 etr i cies,
d u o d equadr a g i n- d u o d e q u a d r a g e - d u o d eq u a d r ;i g i e s ,
ta, u. a. sim us, u. a. u. a.
unae l vir rsi um s,
u naetvicesi in an us,
d uoetvir rsimus,
d uoetvi ce s i manus.
Ein merkwürdiges Beispiel von Verkupplung der Zahlwörter
mittelst Tonanscldusses ist aus der Spätlateinischen Volkssprache:
decedocto, Marin. Tnscr. Alban. p. 175, für decem et oeto.
Die erste Zahl behielt in diesen Bildungen auf der sonst hoeh-
betonten Silbe einen M i I I e 1 1 o n.
— 311 -
Ein tieftoniges Adverbium verbindet sich mit dein folgenden
P a r t i c i p i n m oder A d j e c t i v u m :
benemerenti, 7. N. 1251* neben bene merenti, /. N. 2762.
Or. Henz. 6367. 6876. 3372. Or. 4734.
6349. 6879. 7361. 7219.
7355.
benemerentib(us), Or.
4409.
benefacta, (pro bene- b6ne facta, Enn. p. 147. V.
fäctis, Plaut. Capt. 940).
m a 1 e f a c t a , mal e facta, a. 0.
in a I e d i c e n s , Prise. 843.
mal es an us, Diom. p. 428.
m a 1 e s ä n a , Prise, p. 1 039.
b e nes a n u s , Pönal, p. 1 711.
inalefida, Prise, p. 1039.
Auch an folgendes Verb um sehliessen sich Adverbien
und Nominal formen an; so in:
valedicere,
bene die er c ,
ma 1 c d i c c r e , m ;i 1 e <l i c i t , Plaut. Men. 309.
b e n e f a c i e n d o , Or. Henz. 7 1 68 .
benefacite, IN. 1564.
Die beiden letzteren Formen zeigen sich als blosse Tonverbin-
dungen darin, dass sie das a vom Stämme fa c- nicht zu i schwächen.
Priscian sagt. p. 803, dass in den (lomposilcn, deren zwei-
ter Theil das ungeschwächte Verbuni facere, und deren erster
Theil ein intransitiver Verbalstamm ist, welcher den degen-
stand oder das Object der in facere ausgedrückten Handlung be-
zeichnet, die Formen von facere mit dem Hochton gesprochen
wurden, dass man also betonte:
calefacio, tepefäcio,
calefacis, tepefäcis,
calefäcit, tepefäcit.
So betonte Wortverbindungen dieser Art sind :
cale facere, ex cande facere,
tepe facere, . perterrefäcere,
a r ef a c e r e , c o n d o c e f a c e r e ,
lique facere, commonefacere,
— 312 —
fervefäcere,
madefäcere,
r u b e f ä c e r e , treme f ä c e r e,
patefäcere, expergefäcere,
p utrefäcere,
turne fäc er e,
bis auf die letzten beiden alle von intransitiven Verben der E-Con-
jugalion gebildet. Wenn nun diese Wortverbindungen sich auch
getrennt geschrieben finden, wie :
fäcit äre, Lncr. VI, 962.
ferve benc fäcito, Ceti. R. R. 47,
so ist L ac h m a n n s Ansicht die richtige, dass u r s p r ü n g 1 i c h beide
Theile jener Tonverbindungen getrennt gesprochen und betont
worden sind (Ltwr. p. 192 /*.), also:
cäle fäcis,
cäle fäcit,
t e p e fäcis,
tepc facit,
u. a.
dass dann im Verlauf der Zeit der erste Bestandteil den Hoch-
ton einbüsste; da hingegen die Participialformeo solcher
Verba nie getrennt geschrieben werden, ist Lachnanns Schluss
ebenso richtig, dass diese auch unter einem Ilochton zusammen-
gesprochen seien, also:
pa lief actus,
patefäct u s ,
expergefäctus,
u. a.
und dasselbe gilt demnach für die von solchen Partie ipien abgelei-
teten Verba der A-Conjugalion wie:
labefaetäre,
frigefaetäre,
calefa et äre.
Dass indessen die Sprache schon in alter Zeil bei der Betonung
dieser Wortformen ins Schwanken gekommen war, zeigen die Bil-
dungen:
arfäcito, CaU //. Ä.69. för arefäcito, are fäcito,
C a 1 f ä c e r e , c a 1 e fä C e r e , e ,i I e f ä C e i e ,
die, wie der Ausfall des e vom ersten Wortbestandtheil zeigt, tu
— . 313 —
untrennbaren Compositen verwachsen sind. Cato sprach
also nebeneinander ferve facito und ai facito.
Dieselbe Betonung wie für diese Composita von facere lehrt
Priscian auch für die Composita von fieri, welche dem Sinne
nach die Passiva oder Intransitiva zu jenen Bildungen sind {Prise.
a. 0.). Man sprach also zu Priscians Zeiten:
tepefio, calefio,
tepefis, calefis,
tepefit, cale fit,
u. a.;
die ursprüngliche Betonung war auch hier:
tepe fio, cäle fio,
tepe fis, cale fis,
tepe fit, cale fit (Lachm. a. 0.).
Denselben Verlauf nahm die Betonung von satis facere,
satis fieri. In Voraugust eis eher Zeit wurden diese Wort-
verbindungen, getrennt geschrieben, also auch so betont; so
findet sich geschrieben:
satis fecerit, /. rep. (Serv.)
satis factum, a. 0.
satisve faciet, /. Ruhr. ed. Ritschi.
satisve fierei, a. 0.
Hingegen fasst Priscian die Formen:
satisfäcio,
satisfäciens, p. 834.
als Composita. Man muss also annehmen, dass in späterer Zeit
nach der Analogie von t e p e f a c i s , t e p e f a c i t , tepefio, tepe-
fis, tepefit betont wurde:
satis fä eis, satis fio,
satisfäcit, satis fit.
Dass satis därc in älterer Zeit als zwei Wörter gesprochen
wurden , zeigen die Schreibweisen :
s ä t i s d ä r e i , /. Ruhr. satis d e t , Cic. Quini. 1 3.
satis dederit, a. 0. satis non dßdit, Cic. Rose. Com. 12.
-satis dedisset, a. 0.
sa tisve dätio, a. 0;
später erscheint auch hier ein Schwanke n zwischen getrenn-
ter und verbundener Schreibweise, aus dem man doch sehlies-
sen muss, dass das satis in satisdäre wie in satisfieri, sa-
— 314 —
tisläcere in der Aussprache auch den Hochton verlieren
konnte. Ist das richtig, dann sprachen Ulpian und die anderen
Römischen Juristen:
satisdät (im Gegensatz zu satis accipit), vgl. s atisfit,
s a t i s d ä t o ,
satisdätu m ,
satisdätor,
wie sich diese verbundene Schreibvveise in den Texten ihrer Gesetze
findet.
Hingegen ist:
pessu in dät,
pessum (1 a r e
nicht bloss zu PI au tu s und Terenz Zeilen nach Ausweis der
Handschriften getrennt gesprochen worden, ebenso wie pessum
ire, pessumabire, pessum acefpere, pessum premere.
sondern auch in späterer Zeit ist es so geblieben, Luean. V,616:
pessum Tellus vicla dedit, während die Spuren verbundener
Schreibweise nicht recht zuverlässig sind. Die alte Aussprache:
von um däre , /. N. 601 I.
veuuin dät um, a. 0.
hat sieh noch bis Claudians Zeil erhalten, in Rufin. I, 178: Ve-
ii ii in ( imc la (1,'ni. Allein wie zu Catos Zeil nebeneinander a r fa-
ch o und ferve fäcito bestand, so muss man doch aus überliefer-
ten Schreibweisen wie venu nd ed it, vc nu ndarel ur , viiinii-
dante, venundatus, venundatio [Forc. IV, 115) schliessen,
dass diese Worter auch verbunden gesprochen wurden, ja im
Volksmunde zu Compositen verwachsen konnten wie: venire für
venum ire. So ist auch mandäre für mäuu dar« zum Com-
positum geworden und in die A-Conjugation übergegangen.
Mit Verlust seines Hochtones schloss ßich animus an d.is fol-
gende Verb um an in:
animadvertere neben Minimum advertere,
so dass die ehemals hochtonige Silbe nun mittelton ig klang.
Dass auch der Ablativ manu ursprünglich getrennt von folgen-
dem miiio gesprochen wurde, zeigen die Schreibweisen:
iii.i im nie m i I I ;i I , Plaut. Aul. V, 9.
m;inu vero CUT miseril, C/r. Mit. 22.
iiiiinu miseril. /. Safp. Or. Ihn:. 7I'JS.
- 815 -
dass aber dann auch:
m a n n m i 1 1 o ,
manumissus,
m a n n m i s s o r ,
m a n u in i s s i o
gesprochen winde, ist durch die verbundene Schreibweise ver-
bürg!.
Aus der bald getrennten bald verbundenen Schreibweise der
hier besprochenen Wörter, mögen sie sich nun an den Hoch ton
des vorhergehenden oder des folgenden Wortes ange-
schlossen haben, wie aus den vielfach unsicheren und sich wider-
sprechenden Angaben der Grammatiker erhellt zur Geniige, dass in
der La leinische n Sprache mannigfache Schwankun-
gen in der Betonung derselben stattgefunden haben. Diese
Erscheinung ist vom sprachgeschichtlichen Standpunkte aus keines-
wegs befremdlich, da sie auch in den verwandten Sprachen
deutlich hervortritt.
in der Deutschen Sprache isl ein ganz ähnliches
Schwanken im Betreff der enklitischen Worter sichtbar. In
der Sprache des Reformationszeitalters isl der tieftonige
Artikel durch Tonanschluss an das folgende Haupt-
wort gebunden. So finden sich in Gedichten dieser Zeit die
Schreibweisen dban (der bann), dbepst (der pabst),
d schul, dbank, dwelt, d wunden, dsünd, dheiden,
d s c häflin (Schade, Satiren u. Pasquille d. Iieform.zeit, II, p. 160
/*.), die den Griechischen ovxog {o-avrog), xovtov (ro-av-
tov), x ccvtov, rrjtiog (ro-rj^iog statt xo^fiag), rrj^isQa,
xruiEQOv, Grui£Qov, avrjp entsprechen und den Lateini-
schen e a m r im, e a i r e s , h u n eine r e m. D a neb e n und s p ;i t e r
erscheinen getrennt gesprochen und geschrieben im Deutschen
der bann, der pal) st, die schule u. a. , im Griechi-
schen i) TjiieQa, ro avxo, ou avÖQeg, im Lateinischen
cam rem, hunc ein er cm. Im fünfzehnten und sechzehnten
Jahrhundert sprach und schrieb man noch zu rück, hin ein,
hin weg, dar bei, dar umb, dar aüz, dar ob, da hin,
do durch, dar züo (und darzu), her nach, hin für,
hin züo (Kober stein, Sprache des P. Suchenwirt. Betonung
mehrsilb. Wörter p. 3. Progr. 1852. Schade a. 0.), in unserer
— 316 —
Zeil, ist die Tonverbindung zurück, zuletzt, dabei, darum,
dahin entschiedener zur Geltung gelangt. So sprachen und
schrieben die allen Römer ab eo, ad 6am, ex eis in ieis,
in qua, in quibus; daneben wurde verbunden geschrieben
a b e o , a b i e i s , a q u i b u s , adeam, a d e a s , a d h ü c , cum-
quä, dehinc, inea, ineo, inieis, ineis, inquä, inqui-
b u s , i n q u 6 u.a. Wie im Deutschen neben allzeit, jeder-
mann, die weil mit einer Modifikation der Bedeutung allezeit,
jeder mann, die weile gesprochen wird, so im Lateinischen
neben al t 6r u ter, t a n 1 6 per e, benemerenti auch a 1 1 e r ü t e r,
tanto opere, bene inerenti. Die deutsche Sprache
seit der Reformationszeit zeigt grosse Achnlichkeit mit
der Lateinischen in dem Ton an schlus s kurzer für den
Sinn unbedeutender Wörter an den Hochton des folgenden
Wortes.
Trotz der besprochenen Schwankungen in der Betonung der
Lateinischen Sprache lasst sich nun aber nicht verkennen, dass die
Neigung unbedeutende Winter im Satz mit vorher-
gehenden oder folgenden bedeutungsvolleren i m W e g e
des Ton an Schlusses unter einem Hoch ton zu spre-
chen allmählich immer entschiedener hervortritt und
immer weiter um sich greift, wie schon oben nachgewiesen ist, d;iss
blosse Tonverbindungen mit der Zeit vielfach zu untrenn-
baren Gompositen verwuchsen. Folgendes sind die Anhalte-
punkle, aus denen diese allmählich weite] -greifende Neigung zum
Tonanschluss* erkennbar wird.
Schon die Altlateinische Sprache hat enklitische Wort-
verbindungen wie seiquis, neiqnis, adarque, abusque.
de subito, exannissini. propörro, cumprimis, imprae-
sentiarum, arfäcito u. a.; aber in der alleren Zeil noch bis
Gäsars /eilaller erscheinen gelrennt Wortfolgen wie quei quam«
que, l'acit äre, satis fierei, salis farere. s;itis därci,
dum täxat, al le ra lilra, äl I er um n t in in, nller in s u tri US,
welche die s p a t e r e Sprache zu e n k 1 i t i s c h e n T onv er bi n d u n-
gen zusammenzog. Dass Bcbon in Cäsar s Zeit die enklitische
Betonung der Präpositionen vollständig im Zuge war, lehren
die Tafeln von II erak lea ; in Kürzeren Inschriften der K ü i sei/ eil
findel sich diese aber sonsl viel häufiger durch die verbundene
- 317 —
Schreibweise ausgedrückt wie in Voraugusteischen Schriftdenk-
mälern. Betonungen wie a s e c r e t i s , a c ä 1 c u 1 i s , arespönsis,
abäctis wurden mit diesen Titeln selbst erst in der Kais er zeit im
Volksmunde geläufig, ebendaher schreiben sich viele der angeführ-
ten Ortsnamen, die aus T o»n ansehluss entstanden sind , wie
A p t a m i ü 1 i a m , Summasälpes, LepiclorSgio, T r i a c ä p i t a
ii. a. Inschriften der späteren Kais er zeit gehören an die
Schreibweisen cum qua, cum quo, conquä, conque, ex-
v ö t o , addefensiönem, i n ä g r o , inpäce, inpäcae, i n b a s i -
lica in contubernio, der spätesten Lateinischen Volks-
sprache Bildungen wie decöntra, ecöntra, amane, ab ä nt e ,
in ante, in cor am, de suis um, abinvicem, decedöclo.
Dass in der spätesten Lateinischen Volkssprache die
Tieft onigkeit unbedeutender Wörter und ihr Tonan-
s c h 1 u s s an bedeutende immer mehr ii b er h and nahm , das
lehren die Bo manischen Sprachen, wie hier an einigen Beispie-
len aus der Fülle derartiger sprachlicher Thalsachen, die in Dietz
grossem Werke aufgezeichnet sind (Gramm, d. Rom. Spr. II, 379/*.),
dargethan werden soll.
Tonanschluss an ein vorhergehendes Wort zeigt das Ita-
lienische in den Formen :
a 1 1 o , für ad i 1 1 u m ,
colla,
con illa,
d e 1 1 a ,
de illa,
s u 1 1 a ,
s u b illa,
pel,
per illum,
sul,
sub illum,
dirli,
(1 i c e r e i 1 1 i ,
farlo,
facere illum.
Durch enklitische Anfügung p r o n o m inaler Casusformen
und Partikeln entstehen im Italienischen die aus drei, vier und
f n n f Lateinischen Wörtern zusammengeknüpften W ort ve r b in -
düngen wie:
ItaL rendo-mi-yi, aus Lat. red do-me-ibi ,
portando-mi-ve-lo, portando-mihi-ibi-illud,
m a n d a -m i - vi - s e -n e, ma n d a t- m i h i - i b i - s e - i n d e.
Tonanschluss pronominaler Formen an das folgende
Wort ist in den Romanischen Sprachen ebenfalls häufig; so:
— 318 —
Ilal. a 1 c - u n o , Franz. a u c - u n , Lal. a 1 i q u e m - u n u m ,
al-cant-uno , ali-quantum-unum,
com-bien, quomodo-bene,
qu-ello, eccum-illum,
qu-esto, eccum-istum,
med-esimo, Provenz. smetessme, semet-ipsissimum.
Partikeln und Conjunctionen erscheinen in den Romani-
schen Sprachen vielfach enklitisch an das folgende Wort geschlos-
sen; so in:
Franz. tan-dis, Lal. tam-diu,
ja-dis, iam-diu,
Prov. q u a n d i u s, qua m diu,
Span, tam-bien, tambene,
tam-poco, tarn paueum.
Wie der Anschluss der tieftonigen Präpositionen an das
folgende Nomen weiter griff, zeigen die Beispiele:
Ttal. a p -p i e , tat. a d -ped e m ,
ap-presso, ad-pressum,
i n - s i n o , in- si n u,
in-contro,
in-conl ra , in -contra,
in-fuori, in-foris,
s o 1 1 - e s s o , s u b t u s - i p s u m ,
av-anti, ab- ante,
(1-ondc, de- und c.
So häufen sich durch Tonverbindung aneinander:
Franz. d e - v - a n t, Lal. d c - a b - a n t c ,
Wallach, cl e- i n - a - p o i , d e-in d e - ad-pos t.
So verschmelzen im Französischen ganze Bündel Latei-
nischer Wörter unter einem Ilochton in einander wie:
d e - s - o r - in a i s , Lal. d e - i p s a - h o r a - m a g i s ,
d - o r - c n-av-anl, de-ho r a - i n d e s - a 1 1 - a n I e ,
a - u -j o u r - d - li ii - i , a d - i 1 1 u m -diu r n u m -de- h o - d i e.
Durch den bisherigen Gang der Untersuchung ist eine Hand-
habe gewonnen, um die Frage zu beantworten, wie die Lateinische
Sprache betonte, wenn mehrere enklitische Wörter auf-
einander folgten. Es fragt sieh, ob die Lateinische Sprache
einem tieftonigen Wort vor einem anderen dersel-
ben BetonUng den Hoehlon zurückgab wie nach der
— 319 —
Lehre der Grammatiker die Griechische in Verbindungen wie:
d-sog ya [is itov, sl Zivis etötv und ähnlichen*). Da die
Römischen Grammatiker, die doch sonst so sein* dahin
neigen Eigentümlichkeiten der Griechischen Betonung in ihrer
Muttersprache wieder zu suchen, n i.c h t s v o n solcher Behand-
lung in der Betonung der Enklitika wissen, so muss
man annehmen, dass sie auch nicht vorhanden gewesen ist.
Diese Annahme wird bestätigt durch die ausdrücklich angege-
bene tieftonige Betonung von quändö, pöstquäm, ütinam,
ätque, Wortverbindungen, die doch durch Anfügung enklitischer
Wortformen entstanden sind. Dafür spricht klar auch folgende Er-
wägung.
Die Lateinische Sprache kann durch den Tonanschluss an
ein einziges hochbetontes Wort schon solche Wortbündel
zusammenbinden, wie dies eben von Romanischen Sprachen
nachgewiesen ist, Wortbündel, die in sich einen vollständigen Salz
bilden; so in:
e d e p o I , für e-dee-Poludcuces,
impraesentiärum, in-praesentia- h a r u m ,
illi einest, illi -ci-ne-es t ,
försitan, fors-sit-an,
f ortässis, forte-an-si-vis ,
fortässean , forte-an-si-ve-an.
Die Neuhochdeutsche Sprache thut dasselbe in den Ver-
bindungen spring-in-s-feld, kiek -in-die-wclt, thu-nich.
gut, tauge-nichts, v er giss-mein -nicht, j e-Iä n g er- j e -
lieber. Wie in diesen deutschen Tonverbindungen das geistig
bedeutendste Glied derselben den Hoch ton trägt, so in dem
Lateinischen försitan; aber als im -Lateinischen solche Verbin-
dungen zu untrennbaren Compositen verschmolzen, gerieth
der Hochton auch in die Bande der Ton länge der vor-
letzten Silbe, wie dies in jedem einfachen Worte der Fall war,
und nun wurde f ortässis, u. a. betont. Die Griechische
*) Dass auch in der Griechischen Aussprache diese Betonungsweise
nur in sclir beschränktem Masse zur Anwendung' gekommen ist,
hat Göttling sehr richtig hervorgehoben, Accent. d. Griech. Spr.
p. 404 f.
— 320 —
Sprache kennt solche Wort b und el von mehr als zwei Wor-
ten, die einen Satz bilden, nicht; will sie einen Salz wie ein
einziges Nomen behandeln, so hat sie ein anderes Mittel dazu;
sie fasst in genialer Weise durch einen vorgesetzten Artikel
den ganzen Satz zu einer Einheit zusammen und kann nun
den ganzen Satz wie ein Substanti vuni sogar deklinieren,
indem sie den Artikel dekliniert. Bei diesem geistvollen Ver-
fahren schont sie zugleich die Klangfülle ihres Vokal ismus
und die Lebendigkeit ihrer Betonung, die durch jenes Zusam-
menbündeln der Wörter unter einem Hochton nur allzusehr Scha-
den nehmen, wie die Lateinischen Formen e de pol, fortassis,
forsitan, die Französischen aujourdhui, dorenavant u.a.
nur zu deutlich zeigen. Die Griechische Sprache mied solche Wort-
kuppelei, die den einzelnen Wörtern an Leib und Seele schadete,
darum gab sie dem Wort, dein ein tieftoniges folgte, bisweilen den
Hochton wieder; die Lateinische Sprache zeigt in Bildungen wie
edepol, fortassis, dass sie sich schon auf dies Kupplergeschäft
eingelassen hat, dass ihr die Aufeinanderfolge tieftoniger
W ort er nicht z u w i d e r ist, und ihre T ö c h t e r folgten dem bösen
Beispiel der Mutter. Es ist also nicht zu bezweifeln, dass es im La-
teinischen ein Betonungsgesetz, wodurch tieftoniges
Wort vor tieftonigem wieder hochtonig ward, nicht
gab, dass die Lateinische Sprache unbekümmert tieflonige Wörter
aufeinanderfolgen Hess, wenn nielit der Nachdruck des Sinnes eines
derselben wieder zum Hochton emporhob.
In nachstehenden Stellen aus dem Gesetz von Salpensa würden
also diellochtönc etwa folgendennassen fallen:
isque, apul quem ea nominätio facta er it.
isque, qui tum ab is noininäti erunt.
aput cum, qui ea comitia Dabitür us er iL
(Or. Um:. 7421.) Eis kam jedoch bloss auf den Willen des Reden-
den aü> auch noch eins oder das andere der hier im Zusammenhange
als tieftonig gefassten enklitischen Wörter zum Mochten empor-
zuheben. Dieses aufgehäufte Proletariat von tieftoniges Wörtern
war nun haltlos gegen jede CorruptioD des Yokalisinus, und dar, ms
entstanden denn jene Wortkrüppel mi1 schwindsüchtigen, halb-
Indien Vokalen, jene llle, islc. Sine, quidem, weh he PlautUS
mit verdienter Nichtachtung behandelte.
— 321 —
Je eintöniger die B e t o n u n g, j e geschwächter der V o -
kalism us der hier in Betracht gezogenen Sprachen ist, desto wei-
ter hat auch der Tonanschlnss um sich gegriffen; daher ist er
seltener im Griechischen mit seiner lebendigen schnell-
kräftigen Reto nungs weise und seinein klangvollen, man-
nig f a c h e n V o k a 1 i s m u s ; h ä u f i g e r erscheint er im L a t e i n i -
sehen neben einem s t a r r e n eintönigen B e t o n u n g s g e s e t z
und vielfach verbildeten und geschwächten V o k a I i s m u s ; am
weitesten hat er um sich gegriffen in den neueren Sprachen
mit ihrem g ä n z 1 i c h erstarrten Beton ungsgesetz und viel-
fach zerstört e n V o k a 1 i s m u s. Als die Jugendfrische der Völker
verschwand , durch welche jeder sinnliche Eindruck auf das
Empfindungsvermögen durch einen lebendigen Ton der Sprache
'stark und unmittelbar wiedergegeben wurde, und das geistig
Bedeutende aus der Mannigfaltigkeit der sinnlichen Erscheinun-
gen vom denkenden Geist h e r a u s g e s o n d e r t wurde , s c h w a n d
die klangvolle und lebendige Betonung jedes Wortes, das
geistig bedeutende Wort im Satze erhielt den Vorzug, die
unbedeutend en Wörter wurden vernachlässigt, jenes
durch den Hoch ton gehoben, diese mit Nebentönen abge-
funden.
B. Das ältere Betonungsgesetz.
Dass die Lateinische Sprache nicht immer von dem im vorigen
Abschnitte dargelegten Betonungsgesetz beherrscht worden ist,
dass es vielmehr eine ältere Beton ungs weise gab; nach der
der Hochton noch nicht durch die Tondauer der drei letzten
Silben und durch die Ton länge der vorletzten gebunden
war, ist eine Ansicht, die schon älteren Gelehrten nicht fremd ge-
blieben ist. Bentley stellte zuerst den Satz auf, dass im Alt-
lateinischen viersilbige Wörter, deren drei erste Silben kurz sind,
gewöhnlich mit dem Hochton auf der viertletzten Silbe gesprochen
worden seien (zu Terenz , Heaut. II, 3, 30) ; seiner Ansicht pflich-
tete G. Hermann bei {Eiern, doctr. metr. p. 63 f.) und nach des-
sen Vorgänge F. Lindemaun (De Laünae linguae accentibus,
p. 33 — 36), indem er zugleich die Behauptung hinzufügte, dass
in dreisilbigen Compositen mit Präpositionen die drittletzte Silbe,
die der Präposition angehört, im Altlateinischen hochlonig gespro-
Corssen II. 21
— 322 —
chen worden sei, auch wenn die vorletzte Silbe lang ist (a. 0.
p. 34). Aber diese Ansichten von einer alteren Lateinischen Delo-
nnngsweise waren gestützt auf die Voraussetzung, deren Unhalt-
barkeit weiter unten nachgewiesen werden wird, dass die alteren
Scenischen Dichter der Römer absichtlich Uebereinstimmung zwi-
schen Hochton und Vershebung in ihren Versen gesucht hüllen.
Den Beweis dafür, dass in der älteren Lateinischen Sprache der
II o e h t o n nicht durch die T o n d a u e r der drei letzten Silben
und durch die Tonlange der vorletzten Silbe gebunden war
hat zuerst Dietrich (Zur Lateinischen Acceiillelire , Zeitschr. f.
vergl. Sprachf. I, 554 /.) gelahrt in der Weise, wie er allein ge
führt werden kann, wo nicht bestimmte Aussagen der Grammatiker
vorliegen, durch sprachliche Gründe, die sich aus der Be-
trachtung Lateinischer YVortforinen ergeben, und zwar mit so siche-
rem Sprachsinne, dass an der Thatsache im Grossen und Ganzen
schwerlich jemand zweifeln kann, der einen nothwendigen Zusam-
menhang, eine lebendige Wechselwirkung zwischen Betonung und
Vokalismus im Worte sich klar gemacht bal und den Hochton nicht
für einen zufalligen oder gleichgültigen Zierrath des Wortes, oder
gar für eine müssige Erfindung der Grammatiker ansieht) die zu-
erst das Zeichen für denselben schrieben. Dann haben auch Weil
und Benloew {Theorie ße'ne'r. de f Accent Latin, p. I 1!) /'.) die-
selbe Ansicht ausgesprochen, ohne Kennt niss zu halten oder zu neh-
men von der Dietricbschen Abhandlung, die den Gegenstand schon
in gründlicherer Weise behandelt hatte.
Aus der physischen Beschaffenheil des Tones folgt,
dass ein hochbetonter Vokal vermöge seiner Klang hohe
und Klangstärke am wenigsten geeignet ist zu verklingen
und ganz zu schwinden, wählend lief und schwach betonte Vokale
derselben Wortform unversehrt bleiben. So sicher wie die Rippe
des Mattes der Fäulniss langer widersteht als das feine Zell-
gewebe, wie der Kiel des Schiffes den Wogen länger Stand ball als
die Planken, wie der Theil des Arrhilravs, der auf dem Säulen-
kapital aufliegt, gegen den Einsturz am sichersten gewahrt ist, wie
der helle Ton der Trompete das dumpfe Tosen der Schlacht, die
Pfeife des Bootsmannes das Brausen des Sturmes und der Wellen
übertönt, so sicher ist auch die Silbe des Wortes, welche durch
den Hochton gehoben und gestärkt i>l . der Klanglheil des
Lautkörpers, der durch die schnellste und kralligste Bewegung der
— 323 —
Schallwellen entsteht und getragen wird, gegen Verstümme-
lung und Vernichtung am meisten geschützt und am mei-
sten geeignet sich volltönend und unversehrt zu erhalten,
während tieftonigc Silben verkümmern und verklingen. Der hoch-
ton ige Vokal ist seiner Klangnatur nach am wenigsten befä-
higt nicht bloss zum Ausfall sondern auch zur Erleichterung,
V e r k ü r z u n g un d Verse h ieif u n g.
Thatsache ist nun alter, wie die vorhergehende Untersuchung
gezeigt hat , dass grosse Masse n von Vokalen, die nach dem
späteren, ge wohn liehen Betonungsgesetz der Lateini-
schen Sprache hochbetont gesprochen sein würden, in ganzen
Klassen von Worlformen an bestimmten Stellen des Wortes sich
kürzen, stumm werden und gänzlich schwinden, während
winzige tieftonigc und schwachlautende Vokale daneben in den-
selben Wortformen unversehrt erhallen bleiben. Wer nun an-
nimmt, dass jene Vokale und ihre Silben wirklich von j e her hoch-
tonig waren, dem liegt es ob für diese mit den physischen
Klanggesetzen in grellstem Widerspruch stehende Thal-
sache eine sichere oder doch wenigstens akustisch und sprach-
lich mögliche und denkbare Erklärung zu finden. Aber so weit
bis jetzt die Forschung vorgedrungen ist, nirgends ist im weilen
Bereich der sprachlichen Möglichkeiten auch nur der schwächste
Anhaltspunkt für eine solche Erklärung zu entdecken; der Wider-
spruch erscheint nach den bisherigen Mitteln unserer Erkenntniss
unlösbar. Man wird also zu dem Schluss gedrängt, dass jene
z a h 1 r ei c h e n G r u p p e n v e r k 1 u n g e n e r n n d a US g e f all e n e r
Vokale einmal nicht hochbetont, sondern tieftonig ge-
sprochen wurden, dass mithin in älteren Zeiten ein anderes Be-
tonungsgesetz in der Sprache herrschte als das gewöhnliche von
den G rammatikern überlieferte. In der ü b c r s I r o in ende n M enge
der angegebenen sprachlichen Tb a t sa eben , die nicht an-
ders erklärt werden können, liegt das Zwingende dieses
Schlusses, der Angelpunkt der folgenden Beweisfüh-
rung. Wer diese angreifen will, nmss gegen diesen Stützpunkt den
schärfen Stoss führen wohlgerüstet mit stichhaltigen Gründen, aber
nicht mit allgemeinen Bedcwendimgen einen Stein für Brot bieten.
Wenn in den früheren Abschnitten auf den hier angetretenen Be-
weis für das ältere Betonungsgesetz der Lateinischen Sprache zur
Erklärung mannigfacher Erscheinungen des Lateinischen Vokalismus
21*
— 324 —
verwiesen worden ist, so liegt also hier keinesweges ein Kreis-
schluss zu Grunde, sondern die Eintheilung des ganzen zu bear-
beitenden Stoffes erforderte diese vorläufigen Hinweise, und diese
sind mit dem bestimmten Bewusstsein gegeben, dass sie gar keine
Geltung mehr haben würden, sobald es gelänge den Grundsatz von
dem aus die hier folgende Beweisführung anhebt zu erschüttern und
zu widerlegen. Dieser Beweis für das ältere Lateinische
Beton ungsgesetz zerfällt in zwei Theile, erstens den Nach-
weis, dass in der älteren Sprache die drittletzte Silbe hoch -
betont gesprochen werden konnte auch wenn die vorletzte
lang war, zweitens den Beweis, dass im Altlateinischen auch die
viertletzte Silbe den Hoch ton haben konnte.
Es soll also zuerst nachgewiesen werden, dass die vorletzte
lange Silbe nicht immer hochbe tont gesprochen worden ist,
sondern dass auch die drittletzte Silbe durch den Hochton
gehoben sein konnte, während die vorletzte lange tief ton ig
klang. Dies geschieht , indem eine Anzahl von Wortformen, die
in den vorbeigehenden Abschnitten schon besprochen worden sind,
hier übersichtlich zusammengestellt werden, woraus sich der Schluss
ergeben wird.
Der Hochton stand auf der drittletzten Silbe in zahlreichen
Wortformen, deren vorletzte Silbe ursprünglich lang war, die
aber durch Ausfall eines ä, ö, e, T geschwunden ist.
So in den oben angeführten Perfektformen der A-Conjugation,
deren ä, nachdem es sich zuvor gekürzt, vor der Endung vi des
Perfects ausfiel :
c r e p - u i , v e t - u i ,
cub-ui , sc- r - 11 i,
dom-ui , fric-ui,
plic-ui, im <-ui, vgl. oben , II, 2.
Ebenso in den von männlichen Substantiven auf -tör gebilde-
ten Femininen, welche seil sehr aller Zeit wie die verwandten Bil-
dungen im Griechischen und Sanskrit (Bopp, Vergl.Gr.S. 1132/.)
den Vokal des männlichen Suffixes ausstiessen wie:
vi et -rix, ,ie c usat -rix,
a et- rix, ält-ri\,
t r \ t - r i x , n i'i t - r i \ .
venat-rix, vgl, oben, II. 1. ,~>.
■ — ozo —
Es ist unerklärlich, wie die langen und gewichtigen Vokale ä
und ö, wenn sie auch noch durch den Hochton gestärkt und geho-
ben worden wären, verklungen und geschwunden sein sollten, wäh-
rend daneben tief und schwach betonte leichtere oder kürzere Vo-
kale unversehrt erhalten wären.
Ebenso war die drittletzte Silbe ursprünglich hochbetont in den
Compositen :
ru-r sum, illö-rsum,
s 11 - r s u m , i s 1 6 - r s u m ,
quo-rsum, hö-rsum,
pro-rsum, dextrö-rsum,
pro-sa, siniströ-rsum, vgl. oben, II, 43.
In gleicher Weise hat es eine Zeit der Sprache gegeben, wo
vor langem e der vorletzten Silbe der Hochton auf der drittletzten
Silbe stand, bis dies e sich kürzte und ausfiel. So in den Verbal-
formen wie:
d ed-rot, deb-u i ,
ded-ro, häb-ui,
d e 1 e - r u n t , 1 i c - u i ,
ama-runt u. a., pläc-ui, vgl. oben, II, 18 — 21.
Ebenso betont waren die Composita , deren Stammsilbe ge-
schwunden ist wie:
prae-da, sur-pta,
pör-cet, vgl. oben, II, 47.
Das lange J der vorletzten Silbe ist durch den Druck des Iloch-
lones auf der drittletzten Silbe ausgeworfen in den oben zusammen-
gestellten synkopierten Formen vom Perfekt (II, 26 — 40).
2. Pers. Sing. Ind. Per f.
dix-ti, für dixlsti, u. a. intellex-ti, exclus-ti,
dux-ti, prosp£x-ti, evas-ti,
direx-ti, lüx-ti, disces-ti,
avex-ti, instrux-ti, ainä-sti,
extinx-ti, mers-ti, dele-sti,
devinx-ti, mäns-ti, nö-sti*).
-depinx-ti, mis-ti,
emünx-ti, percus-ti,
*) Langen, Jahns Jahrb. 79, 60. glaubt diese schon von Dietrich
Weil und Benloew klar dargelegte Ansicht von der alten Betonung
dieser und ähnlicher Perfektformen zu widerlegen , indem er behauptet,
— 326 —
2. Pers. Plur. Ind. Per f.
proträx-tis, für protraxlstis, amä-stis,
acces-tis, u.a. dele-stis.
scrips-tis, nö-stis.
die Formen wie acce'sti, evästi seien nicht aus acce'ssisti, eva-
sisti zu erklären, vielmehr habe man immer accessisti, evasisti
gesprochen. Da es L. einzuleuchten scheint, das dass i derselben nicht
vernichtet sein kann , so lange es vom Hochton emporgetragen und
gestärkt war, so stellt er, um das Zurücktreten des Hochtones von
dem i auf die vorhergehende Silbe zu erklären, folgende Behauptung auf,
a. 0: f der Accent wollte auf seinen Platz zurück, den er bei
der ersten Person inne hatte (acce'ssi, eväsi), und deswegen v er hin -
derte er den Ausfall der Penultima nicht.' Man vergegenwärtige
sich, was in diesem Satze ausgesagt ist. Der Ausdruck: er wollte
auf seinen Platz zurück — deshalb verhinderte er den Ausfall der
Penultima nicht, setzt dem Wortsinne nach die Vorstellung voraus,
dass der Hoch ton noch an der Silbe haftete, als sie, oder vielmehr
ihr Vokal ausfiel. Der negative Ausdruck: er verhinderte den
Ausfall nicht kann nach dem Wortlaut nicht bedeuten: er be-
wirkte ihn, sonst käme ja auch die Avidersinnige Behauptung heraus:
der Hochton unterdrückt und vernichtet denVokal, den er selbst
hoch und stark hervorhebt. Dann miisste also, da doch niemand
des Glaubens sein kann, Vokale fielen in den Sprachen rein willkühr-
lich und zufällig aus und ab, irgend eine andere lautliche
Kraft im Worte wirksam gewesen sein, die dem Hochton seine we-
sentliche Macht raubte, den hochbetonten Vokal zu stärken und
zu erhalten, die den Hochton ausser Stande setzte den Ausfall
desselben zu verhindern. Was wäre das denn nun aber für eine
lautliche Kraft ? Unter allen lautlichen Mächten, die im Worte wirk-
sam erscheinen, findet sich von solcher keine Spur. Oder soll die
obige Behauptung L. 's nur soviel sagen, was freilich nachdem Wortlaut
unmöglich angeht: der Hochton hatte denTriebauf die S ta m ms üb e
zurückzugehen, er that das auch, und dann fiel das nun tioftonig ge-
wordene i jener Perfektformen aus. Aber auch diese Auflassung geräth
auf einen unlösbaren Widerspruch. Die lange vorlei
Silbe hat nach dem gewöhnlichen Betonungsgesetz die Maeht gehabt
iu accessisti, evasisti den Hochton von der Stammsilbe fort und
auf sich zu ziehen; die Stammsilbe zeigt sieh machtlos dage-
gen; dann soll sieh das Yerhaltniss wieder umkehren, die
Stammsilbe soll die Maeht bekommen den HoChton von der bevorzug-
ten langen Penultima wieder zurückzuziehen, und diese soll
dagegen machtlos werden. Der vorletzten langen Silbe wird die Kra t't
zugesprochen den Hochton auf sieh su ziehen, die Fähigkeil
— 327 —
1. Pers. Sing. Conj. Perf.
fax im, für facslsim, condüxim, lusiin,
äxim, u.a. obiexim, iussim,
inspexim, ausim, empsim.
1 . Pers. Sing. Ind. Fut. II.
f a x o , für f ä c s I %$>* u. a. c a p s o , i ü s s o.
a c c e p s o ,
2. Pers. Sing. Conj. Perf.
faxis, für facsisis, u. a. indüxis, amissis,
rcspexis, ausis, parsis.
dixis, excessis,
obicxis, spönsis,
3. Pers. Sing. Conj. Perf. Ind. Fut. II.
fäxit, für facsisit, u. a. serpsit, iüssit,
noxit, capsit, ad^mpsit,
inir'xit, subrepsil, incensit,
cxtinxit, clepsit, occisit.
cxciissit ,
3. Pers. Plur. Conj. Perf Ind. Fut. \\.
f ä x i n t , für f a c sl s i n t , ad ä x i n I , a ü s i n 1 .
u. a.
1 . Pers. Sing. Conj. Phtsq.
f a x e m , für f a c s I s c m , e xt i n x o m , a I» s c ö s s e 1 1 1
amässem, u.a. nüssem, delessem.
2. Pers. Sing. Conj. Plusq.
inl ollrxcs, für i n teil 6c-
amasses, sises, nösses, delesses.
3. Pers. Sing. Conj. Plusq.
faxet, für fäcsiset, afflixet, amässct,
träxet, u.a. conflüxet, nösset,
vixet, rec esset, delessel.
abgesprochen den Hochton auf sich zu behalten. Dass nun
aber überhaupt die Stammsilbe nirgends in der Lateinischen
Betonungsweise irgend einen Einfluss auf den II och ton geübt
hat , ergiebt sich aus der ganzen im vorigen Abschnitt geführten
Untersuchung. Weiter unten wird noch einmal die Rede darauf
kommen.
— 328 —
Inf. Per f.
advexe, für adv^csise, misse, elisse,
perspöxe, u.a. com esse, invässe,
p r o d ü x e , d i s c e s s e , i u s s e ,
dixe, divisse,
amässe, nösse, delesse.
Der Nachweis für die Entstehung dieser Formen ist oben ge-
geben.
Dieselbe Betonung hatten die auf -s so, -ss im, -ssis, -ssit
ausgehenden alten Formen des Fut. II und Perf. Conj., von denen
oben ausführlich die Rede war und hier eine Auswahl zusammen-
gestellt wird.
1 . Pers. Sing. Ind. Fut. II.
servässo, fürservävl- amässo, levässo.
über äs so, so, u. a.
1 . Pers. Sing. Conj. Perf.
lo Cassini, für locävi- negässim.
sim,
2. Pers. Sing. Conj. Perf. Ind. Fut. II.
celässis, für celävlsis, turpässis, optassis,
peccässis, u. a. limässis, acclarässis.
o r a s s i s , c u r a s s i s ,
3. Pers. Sing. Conj. Perf. Ind. Fut. II.
cenässit, für cenavlsit, imperässit, plorassil,
incantässit, u.a. crcässit, propri&ssit,
iudicässil, migrassit, dicässit.
3. Pers. PI. Conj. Perf Ind. Fut. II.
servässint, fürserva- rogassint, Iocassint,
mactässint, vT sin t, averruncäs- occentässint.
s i n t ,
Die Erklärung dieser und ähnlicher Formen ist in dem Ab-
schnitt über Vokalausstossung gegeben.
Aehnlich entstand durch Ausfall eines i
iuxta, füriugista u.a.. vgl. oben, 11,26.
In allen diesen und ähnlichen Formen stand also der Hoch-
ton auf der drittletzten Silbe vor T o n 1 ä n g e der vorletzten.
Als nun die Lateinische Sprache dahin neigte das Widerspiel
zwischen Hochton der drittletzten und Tonlänge der vorletzten Silbe
aufzuheben, wurde entweder der Hochton von seiner Stelle
— 329 —
vorgezogen und gab sich der Tonlänge gefangen, oder er be-
hauptete seinen Platz und überwältigte die folgende Ton länge,
indem er sie auswarf oder kürz t e. In den vorstehenden Wort-
formen ist der Hochton der drittletzten Silbe nach Vernichtung der
vorletzten Silbe dem Wortende um einen Schritt näher getreten.
In den gewöhnlichen vom Perfekt abgeleiteten Formen kürzte er
den Vokal der vorletzten Silbe wie in dixerim, dixeris u. a. oder
er rückte auf die vorletzte vor wie in dixisti, dixistis, dixis-
sem.
Um den Sieg des Hochtones der drittletzten Silbe über
die T o n 1 ä n g e der vorletzte n herbeizuführen, war es ja nicht
nothig ihn zu vernichten, es galt nur ihn zu kürzen.
So entstanden, wie oben nachgewiesen ist, die Genetivformen
auf - ae und - as neben denen auf - ai :
terrai , aus terräis ,
vidi, u.a.
vitai,
aquäi,
m a g n a i ,
auräi ,
pietai*), vgl. oben, II, 135—139.
*) Langen glaubt diese Erklärung zu widerlegen, indem er, Jahns
Jahrb. 79, 60, behauptet, vom Nominativ rosa hätte die ursprüngli-
che Genetivform r osäi gelautet, dann aber habe der Hochton mit-
gewirkt zur Contraction in rosae, um wieder auf seinen
alten Platz zu gelangen. Das heisst also der hohe starke Ton
eines Vokales, hier des schwersten und vollsten a, befördert seine
Verschmelzung mit einem folgenden, das ist seine Verstümme-
lung. Dass dies akustisch nicht möglich ist, dass der Hoch-
ton wegen seiner Höhe und Lautstärke eine schützende, erhal-
tende Macht war für den Vokal, die wie jeder anderen Verstümme-
lung so auch der Verschmelzung desselben entgegentrat, ist
oben nachgewiesen. Wenn aber L. behauptet der Hochton habe nur
mitgewirkt zur Verschleifung des hochtonigen Vokales, so müsste
nach diesem Ausdruck noch ein zweiter Factor, noch eine an-
dere lautliche Macht eben dahin gewirkt haben. Was war das
nun für eine Macht? L. sagt der Hochton sei zu jener Mitwirkung be-
stimmt, weil er wieder auf seinen Platz zurückwollte, also
auf die Stammsilbe. Dann müsste also diese Stammsilbe eine
Anziehungskraft auf ihn geübt haben. Dieselbe Stammsilbe,
terrae,
t e r r a s
v i a e ,
vias ,
vitae,
vitas,
äquae,
m a g n a e ,
a ü r a e ,
p i c t a e ,
— 330 —
Ebenso entstanden die auf -s, -e oder -i auslautenden Genetive
der E-Deklination neben denen auf -ei:
fide, fidei, fidel, aus fideis,
fame, fämel,
plebi, plebei,
dies, diei,
die, vgloben,\\, 140—143.
Also in diesen Genetivformen schlug die Sprache den doppel-
ten Weg ein, Tonhöhe der drittletzten vor Tonlänge der vorletzten
zu beseitigen. Entweder sie schob den Hochton auf die vor-
letzte Silbe und fesselte ihn da, oder sie opferte die Ton länge
der vorletzten dem Hochton der drittletzten, indem sie jene kürz le.
die keine Macht hatte den Hochton festzuhalten gegen die Ein-
wirkung der langen vorletzten Silbe, die ihn in rosai auf sich
zog, dieselbe Stammsilbe miisste, nachdem sie ihn verloren, plötzlich
die Macht gewonnen haben ihn wieder auf sich zurückzuzie-
hen von der langen Penultima, die ihn an sich gefesselt hatte; diese
Stammsilbe hätte keine festhaltende Kraft gehabt, aber eine zu-
rückziehende, was wohl schwerlich jemand begreift. Aber abgese-
hen hiervon, erhebt sich die Frage: wo zeigt sich denn eigentlich
sonst im Lateinischen eine Anhänglichkeit des Hoch ton es an
die Stammsilbe, oder anders ausgedrückt: wo übt denn sonst die
Stammsilbe eine anziehende Kraft auf den Hochton des Wor-
tes? Nirgends ist davon eine Spur zu entdecken. Sofort verlässt
der Hochton die Stammsilbe des einsilbigen und die kurze Stamm-
silbe des zweisilbigen Wortes , auf der sein ursprünglicher Platz war,
so wie ein Präfix vor dieselbe tritt, vgl. pars, expers, potens,
impotens. Ebenso unbedenklich rückt er von der Stammsilbe vor,
Avenn er durch irgend ein herantretendes Suffix in Gefahr kommt über
die dritte oder vierte Zeitweise vom Wortende zurück zu stehen,
vgl. le'go, legi mini, legebämus: ebenso treulos verlässt er die
Stammsilbe, so wie nach derselben eine lange vorletzte Silbe auf
tritt, vgl. le'go, leg ob am. Darin zeigt sieh doch wahrlich keine
Anhänglichkeit des Hoch tones an die Stammsilbe des Wortes.
Nirgends tritt irgend ein Trieb oder Hang desselben zur Stammsilbe
hervor. Er verhält sieh völlig gleichgültig zu ihr; seine Stellung im
Wort ist lediglieh durch die Silbenzahl und dureh die Zeitdauer
der vorletzten Silbe bestimmt und gebunden, wie dies oben nach
gewiesen ist. Die Voraussetzung, auf der die obige Behauptung L.' s
beruht, ist also eine unbedingt unrichtige; auf ihr fusst auch seine
Aufstellung über Wortformen wie extinxem, extinxet u.a., von der
bereits die Kedo gewesen ist.
— 331 —
Beide Wege schlug die Sprache auch ein in den Genetiven auf -Tu s
neben lus in:
illius, neben illius, aus illius,
ipsTus, ipslus, ipsius,
istius, istius, istlus,
ünius, unius, ünius,
ütrius, utrlus, ütrius.
Vgl. oben, II, 155.
Die Tonlange der vorletzten erlag der Tonhöhe der dritllclz-
ten in:
A p 6 1 1 i n i s , für A p 6 11 öni s ,
hominis, neben hemönis, fürhomönis,
ordinis, u. a.
v i r g i n i s ,
marginis, vgl. oben, I, 343,/. 371 f.
In der Wortbildung schlug die Sprache dieselben zwei Wege
der Betonung ein, wie in den vorstehenden Genetiven auf -ins, -ins;
so in den Familiennamen auf -lus neben -Ins, die oben nachgewie-
sen sind, wie:
A n 1 6 n T a, neben A n t o n T a , von A n 1 6 n T a,
Claudius, Claudius, Claudius,
L u c i 1 i a e , L u c i 1 1 a , L u c i 1 T a ,
Poetelius, Poetelius, Po et 61 lus, u. a.
Vgl. oben, II, 150.
Die Tonlange der vorletzten Silbe wich dein Hochlon der dritt-
letzten in:
plätea, für plätea, gynaeceum, 'Epiuni,
chorea, Philippeos, Seleücia,
b ä 1 n e u m , A 1 e i s , P o l e m o c r ä-
tTa.
Vgl, oben, 11, 157.
Zahlreiche Verbalformen hatten im Altlateinischen den Hochton
auf der drittletzten Silbe vor der langen vorletzten, wahrend die Vo-
kale e und i der vorletzten spater kurz erscheinen. Dies ist nach-
gewiesen von Verbalformen wie :
— 332 —
döcßo, für döceo, vgl. docere,
d ö c e a t ,
a ü d \ o , a ii d i o , a u d i r e ,
a u d i a t ,
aüdTe s ,
aüdiunt, vgl. oben, II, 155.
d ed im us, für dedlmus, vgl. dedi, u.a.
möri in u r, m o r I m u r, für muri m u r,
dixerimus, dixerlmus, dixerimus,
dixerltis, dixerltis, dixeritis,
dederitis, dederitis, dederitis, vgl. oben, 1, 371,
372.
Bei den vier letzten Formen siegt auch die Tonlänge der vorletzten
Silbe, indem sie den Hochton der drittletzten auf sich zieht.
In Compositen kürzt sich der ursprünglich lange Vokal der vor-
letzten Silbe zu Gunsten des Hochtones der drittletzten, wie nach-
gewiesen ist, in:
nihilo, peiero, cognitus,
coxendlcis, deiero. agnitus*), vgl. oben , ct. 0. I,
318.
In den durch enklitische Anfügung von inde entstandenen
Formen :
de inde, per in de, proin de,
e x i n d e , sübin d e, vgl. oben , II , 86 f.
ist das i zu einem stummen Vokal eingeschrumpft durch die .Macht
des Hochtoncs der vorletzten Silbe.
Wie schon oben gezeigt worden ist {vgl. I, 323), kann der Grund
der Vokalabschwächung im zweiten Theile der Composita nur darin
*) Gegen Langen s Einwarf, <i. 0., eine ursprüngliche Form deifim
des Compositum.-; habe es nicht gegeben; die Sprache habe sofort entweder
deiüro behalten oder den Hochton zurückgezogen und damit sofort ii
EU e geschwächt, genügt es auf «las Ergebnis* der oben geführten Unter-
suchungen hinzuweisen, dass Vokalkürzungen und -Erleichterun-
gen in der Lateinischen Sprache nicht plötzlich über Nacht mit
einem Schlage eingetreten sind, sondern sehr all müh lieh oft unter
Jahrhunderte langem S ch w a n k e n. So hat auch in doiero erst
allmählich der Hochton der drittletzten Silbe den langen Vokal u der
vorletzten Silbe zu e zu kürzen und zu erleichtern vermocht.
— 333 —
liegen, dass der Hochton auf das erste Glied der Compositum
zurücktrat, durch das die Bedeutung des ganzen Wortes spe-
cialisiert wurde, mochte die Stammsilbe des zweiten Wortes nun
kurz oder lang sein. Ursprünglich hatten also den Hochton auf
der drittletzten Silbe neben Tonlänge der vorletzten die zusammen-
gesetzten Wörter, in deren zweitem Gliede a zu u, e, i erleichtert
wurde, wie.
cöndumno, eonspergo, cönfectus,
insullo, discerpo, detrecto,
eönculco, imherbes, abreptus,
insulsus, inermis, ineptus,
arcendo, indemnis, dispesco,
c 6 m m e n d o , 'Antemnae, i n c e s t u s ,
refertus, dispenno, quinquessis,
Lüpercus, äbiectus, perpessus, u. a.
Diese dem Lateinischen so eigentümliche und so weitgreifende
Vokalschwächung bleibt ganz unerklärlich , wenn man annimmt,
dass der Hochton von vorn herein in diesen Compositen auf der vor-
letzten Silbe stand. Stand er aber in illlus, hemönis, plätea,
döceo, nihllo u. a. auf der drittletzten Silbe, so ist der Schluss
auf die gleiche Betonung der vorstehenden Composita gerechtfertigt.
Auch wo im zweiten Theil des Compositum ä zu e , a e zu I ,
a u zu ü sich trübte , fand ursprünglich dieselbe Betonung statt ;
so in:
änhelo, inqufro, accus o,
i n I q u u s , i n c 1 ü d o ,
h o m i c I d a , de fr ü d o.
c 6 n c I d i ,
p e r 1 1 s u m , vgl. oben, II, 318/.
Die Tonlänge der vorletzten Silbe aber hat dann später über
die Tonhöhe der drittletzten den Sieg davon getragen und den Hoch-
ton an sich gezogen, wo er für immer gefesselt blieb.
Es ist somit bewiesen, dass nach älterer Lateinischer Beto-
nung der II o c h t o n nicht gebunden war durch die Tondauer
der vorletzten Silbe.
Er war aber zweitens nicht gebunden an die drei letzten
Silben.
In dem Abschnitt über Vokalausfall sind eine ganze Anzahl von
Wortformen angeführt worden, in denen der Vokal der drittletz-
Ofin-cius,
Pat
ü I - c i u s ,
i ü r
-ginm ,
'0 C
- ti i ns,
'Ob
- (1 i u s ,
au ■
- d e o ,
— 334 —
ten Silbe, die also nach späterem Betonungsgesetz hochbetont ge-
wesen wäre, weggefallen ist, der Hoch ton aber auf derjenigen
Silbe steht, die ursprünglich die viertletzte des Wortes war
und erst durch den Vokalausfall in die d ritt letz te Stelle ge-
rückt ist. Solche Wortformen sind :
g a ii - d e o , T ä g - n i u s ,
ä r - d e o , S e s t - 1 i a ,
puer-tia, Nium-sius.
Sam- nium,
bäl -neum ,
a e s c ü 1 - n e u s , vgl. oben, II, 2 1 /'.
Bildungen, die das i der drittletzten Silbe eingebüsst haben.
Ebenso hatten ursprünglich den Hochton auf der vierlletzlen
Silbe die alten synkopierten Formen des Perf. Conj. Ind. Fut. II.
Plusq. Conj. Plur. wie:
exocula-ssitis, für exoculä visil is,
i n v i t ä - s s i t i s ,
mulcä- ssitis, vgl. oben, II, 26 — 40.
fäximus, für fäcsi-simus,
cäpsiin us ,
fax itis , fac-si-sitis,
a ii x i t i s ,
erepsem u 8, cre p-si-semus.
Dieselbe Betonung ballen ursprünglich:
j) öp -Heus, nüc - 1 e u s , vgl. oben, 1 1, (i f.
Ebenso ist der Hochton aus der viertletzten in die drittletzte
Silbe gerückt durch Ausfall eines o in der vorletzten Silbe in:
genit-rix, monit - rix , <| uä-rtus, für quä-
vgl. oben, II, 44. tuorl us.
In Compositen stand ^v Hochton ursprünglich auch auf der
viertletzten Silbe, rückte aber durch Ausfall des Stammvokales vom
/weilen Gompositionsgliede in die drittletzte Silbe des Wortes vor.
So geschah es in :
sur-puit, sln-ciput, expör-gere,
n MB i ri
naü-fragus, prin-eeps, sür-gere,
vi in i ri
prü-gnus, se-libra. iiir-uiuin,
i i c im > i
ii ii -deeim , pö r-fee re, sür-pui i ,
335 —
co-gito,
prae-beo,
hi
m anu-bri um,
p rae- m i u m ,
p r ö - b e o ,
hi
ind ü - tiac ,
i ii - 1) o o ,
(1 e - b e o ,
in
m a n ü - b i a e , vgl.
oben, II, 48 f.
prae -d inm ,
heu
v i c - i e s ,
ent
vi c e n - s u in u s ,
ti
n oi'i - nd in n in ,
v fi m
t r i e - i e s ,
ent
tricen - sinn tis ,
ti
n ü - ii eil po ,
»1 ua'drä'g - ies ,
ent
quadragßn - su-
ti
III IIS,
(| u i ii - (1 ceiin ,
quo
(j,n i n (| u a g - ies,
ent
quinquagän - su -
ti
111 II s.
Dasselbe gilt von den reduplicierten Verbatformen:
ret-tuli,*) rep-peri, r6c-eidi.
e e >■
rep- puli ,
Vgl. oben, II, 46 f.
Wer annehmen wollte, dass in allen diesen Wortfbrmen der
Hochton auf der ursprünglichen drittletzten Silbe gestanden habe,
würde also nachweisen müssen , durch welche lautliche Ein-
flüsse grade diese hochbetonte Silbe vernichtet worden ist, hin-
gigen tieftonige Silben mit leichten und kurzen Vokalen in den-
selben Wortformen unversehrt erhallen blieben. Aber zu solchem
Nachweis ist, keim; lautliche Möglichkeil ersichtlich.
Ursprünglich auf der viertletzten Silbe stand der llochlon auch
in einer Anzahl von Wortformen, die durch Abfall eines auslauten-
den Vokales i, e dreisilbig geworden sind, wie:
;'i n i in a 1 , calcar ,
Fägutal, tor cular,
B ä c c anal, A p ö 1 1 i n a r, vgl. oben, 1 1, 60 f.
ebenso in den Composilen, die durch Vokalabfall dreisilbig geworden
sind, wie:
fn'igi-fer- armi-gcr- mänsue-s,
US , US, tu
signi -fe 1 - 16 cu ple - s ,
US , tu
öpi-fex, vgl. magni-ficus, exti-spex,
ärli-fex, miri-ficus, parti-eeps,
Vgl. oben, II, 53 f. 65 f, 1 i b r i - p e n s.
*) Ueber d;is Verhältniss von tüli u. a. zu teluli, vgl. I, 3?6
— 336 —
Als die Lateinische Sprache anfing den Hochton in die Grenzen der
drei letzten Silhen zu bannen da schaffte sie ihn in doppelter Weise
von der viertletzten Silbe weg. Sie warf einen der Vokale der
folgenden tieftonigen Silben aus, so dass der Hoch ton den Sieg
errang, indem er die Summe der Tondauer der folgenden Sil-
ben minderte, oder sie nickte den Hochton auf die drittletzte
Silbe vor und Hess die gesammte Tondauer des Wortes unangetastet,
so dass die Tondauer über die Tonhöhe überwog.
Beide Wege hat die Sprache eingeschlagen bei der Gestaltung
der Genetive der A- und E-Declination, nur dass sie wegen der Ton-
länge der vorletzten Silbe den Hochton in einigen dieser Formen um
zwei Stellen vorschieben musste , gemäss dem späteren Beton ungs-
gesetz der Sprache. So entstand : '
änima~e, neben animai, aus änimäis,
materiae, materiai, u.a.
familiae, familias, familiäi, vgl. oben II, 135 — 139.
Ebenso entstanden die Genetivformen der E-Deklination:
fäcies, neben fäcii, faciei, aus fäcieis,
fäcie, u.a.
rabies, rabiei,
p e r n i c i e s, p e r n i c i i , p er ni c i e i ,
luxüries, luxürii, luxuriei,
ä c i e , ä c i i , a c i 6 i ,
specii, speciei, vgl. oben, II, 140 — 143.
wie diese Formen schon oben erklärt sind.
Ebenso ist im Abschnitte von den irrationalen Vokalen nach-
gewiesen, dass im Volksmunde:
t e n in o r , t e n ul u s , ä b fe t e , vgl. oben, II, 1 67 /'.
gesprochen worden ist, indem das u und i dieser Formen vor fol-
gendem Vokal einen irrationalen dem v und j ähnlichen Laut
hatten. Auf der vieriletzten Silbe waren auch diese Wortformen
einmal betont.
Schon oben isl gezeigt, dass in Compositen der Efocbton auf
den ersten, die Bedeutung des Wortes schärfer ausprägenden be-
deutungsvollen Bestandteil desselben zurücktrat und dass in Folge
dessen der Wurzelvokal des zweiten Compositionsgliedes Ton-
schwächung erlitt; somit stand also in viersilbigen Compositen der
Art, in denen der Vokal der zweiten Worlwui zcl erleichtert
— 337 —
und geschwächt erscheint, der Hochton einst auf der viertletzten Silbe ;
so in:
occupio, refercio, äccipio, existumo.
a u c u p i u m , exerceo, e r i p i o ,
i 1 1 u v i e s , r e d e r g u o , i n s i p i d u s ,
mälluvium, biennium, cönfiteor,
d i s s u 1 i o , r e p e r i o , c 6 n s t i t u o ,
conditio, perpetior, displiceo.
r e t i c e o,
difficilis,
i m mi n e o ,
üpilio,
c 6 n t i n e o .
i n d i g e o ,
a s s i d e o ,
Demnach ergiebt sich also, dass nach dem älteren Lateini-
schen Betonungsgesetz der Hochton nicht durch die Zahl der
drei letzten Silben des Wortes gebunden war, sondern auch
auf der viertletzten stehen konnte. Als das spätere dem Grie-
chischen verwandte Betonungsgesetz in der Sprache zum Durch-
bruch kam, beseitigte die Sprache auf doppelle Weise den Hochton
von der viertletzten Silbe; sie schob ihn vor und bannte ihn in die
Tongrenzen der drei letzten Silben, das heisst sie rückte ihn auf die
drittletzte, wenn die vorletzte kurz war, auf die vorletzte,
wenn diese lang war ; oder die Sprache w a h r t c d e n H o c h 1 o n
auf seiner Silbe, liess aber den Vokal einer der drei letzten
Silben schwinden, wodurch die viertletzte Silbe in die Stelle
der drittletzten einnickte. Somit bewegte sich der Hochton
in der Altlateinischen Sprache freier als in der späteren Sprache,
in der er durch die Tondauer der vorletzten Silbe, wie durch die
drei letzten Silben zusammen gebunden war.
Zu der Annahme aber, dass im Lateinischen etwa in der Weise
wi» im Deutschen der Hochton ursprünglich immer auf der
Stammsilbe gelegen habe, berechtigt nichts von Allem, was
von. der älteren Lateinischen Betonungsweise noch erkennbar ist.
Wann das neue Betonungsgesetz der Lateinischen Sprache
anfing zur Geltung zu gelangen, wird sich nicht mehr erforschen
lassen. Die grosse Mehrheit der synkopierten Wortformen,
aus denen ein älteres Betonungsgesetz geschlossen ist, gehören
CORSSEN II. 22
— 338 —
schon der Sprache. zur Zeit der Puni sehen Kriege an, ein siche-
res Zeichen, dass schon damals die jüngere Betonungsweise
vorherrschend war. Solche u r a 1 1 e s y n k o p i e r I e Formen wie :
nanesitor, für na nesisitur,
renanesitur, renanesisitur,
faxitur, faesisitur,
I u r ba s si tur , t urb a vi si t u r ,
die in den Gesetzen der zwölf Tafeln und in ähnlichen alten
Gesetzurkunden vorkamen, lassen indessen den Schluss zu,
dass die Sprache schon Jahrhunderte lang vor den Puni-
schen Kriegen dahin neigte die ältere Betonungsweise
durch Ausstossung von Vokalen und Vorschiebung
des Hochtones zu beseitigen. Ein so wichtiger Prozess im
Organismus und Lehen der Sprache vollzieht sieb nicht über Nachl;
von dem langen Kampfe zwischen llochton und Tondauer
in dem Leib des Lateinischen Wortes legen Doppelformen Zeug-
niss ab wie d e d e r u n t und d e d e r u n t , in a n s t i und m a n s i s t i ,
auxilis und auxeritis, animac und animai; sie zeigen wie
in dem Kampfe zwischen Hochton und Tondauer im Wolle bald der
llochton die Tondauer bezwang und den Leih des Wortes in engere
Tongrenzen zusammenschnürte , bald dem Gewicht der Tondauer
weichend auf die Grenzen der drei letzten Silben beschrÄnkt und
an die Tonlänge der vorletzten Silbe gebunden wurde. Aber der
Friede zwischen den beiden kämpfenden Elementen war schon
hergestellt in der Zeil wo eine Römische Litt erat ur sich
zu entwickeln anlangt, das neuere Beton ungsgeselz
war schon zum völligen Durchbruch gekommen, und was von
dem llochton auf der vicrtleizlen Silbe Plautinischer Wörter gesagt
ist, verliert jeden Halt, wenn die Ansicht als unhaltbar nachgewie-
sen wird, dass Plaulus absichtlich Uehereinstimniung zwischen
llochton und Vershebung gesucht habe*).
C. Betonung der Italischen Dialekte.
a) l) e r II o c h Ion i in Wo r I e.
Mit Absicht ist von der Betonungsweise der dem Lateinischen
verwandten Italischen Dialekte bis jetzt noch nicht die Keile gewe-
*) Aus dem (Jmstande, dass viersilbige Wörter von der Tonlage
±r bei den Komikern die Ve r s h o b u n £ häufiger auf der viert-
— 339 —
sen , weil erst an der Lateinischen Sprache die Methode der For-
schung erprobt werden sollte, durch welche man zu einer Erkennt-
niss derselhen gelangen kann. Es ist nämlich die Betrachtung des
Vokalausfalles und Voka labfalle s , Lautwandelungen, die
letzten als auf der drittletzten Silbe tragen, folgert Bentley (zu
Ter. Hemd. II , 3 , 30), dass zu Plautus Zeit die Römer in diesen Wor-
ten den Hoch ton auf der viertletzten Silbe gesprochen hätten, in-
dem er von der Voraussetzung ausgeht, dass Plautus und Terenz ab-
sichtlich Uebereinstimmung zwischen Hochton und Vershebung in ihren
Versen gesucht hätten. Langen sucht diese Ansicht zu stützen durch
eine fleissige Zählung von Dichterstellen (Ace. p. 187). Er findet, dass
der Fall der Vershebung auf die viertletzte Silbe ~ ~ « ¥. bei Plautus
im Ganzen 800 mal vorkommt, und zwar 410 mal am Ende des Verses,
390 mal an anderen Versstellen, bei Terenz im Ganzen 264 mal, und
zwar 178 mal am Ende des Verses, %86 mal an anderen Versstellen, bei
Phaedrus im Ganzen 95 mal , und zwar 85 mal am Ende des Verses,
10 mal an anderen Versstellen , dass hingegen der Fall der Vershebung
auf die drittletzte Silbe ^ -J w ;-/ bei Plautus nur 80 mal , bei Terenz 37
mal, bei Phaedrus 21 mal vorkomme. Diese Zählung ist sehr dankens-
werth, führt aber zu anderen Schlüssen und Ergebnissen, als
L. daraus gezogen. Wer mit der auf sicherem Grunde beruhenden Vor-
aussetzung, dass für Plautus Zeit schon dasselbe Betonungsgesetz galt
als zu Ciceros und Cäsars Zeit, an die Betrachtung jener Stellen und
Thatsachen geht, kann nur folgendermassen schliessen: Da bei Plautus
die Vershebung in Wortformen von der Tonlage ~ ~ ~ ±i gewöhnlich
auf die viertletzte Silbe fällt, der Hochton aber doch auf der
drittletzten Silbe steht, so fand in diesen zahlreichen Fällen der
Widerstreit zwischen Vershebung und Hochton des Wortes statt,
der ja auch sonst in Lateinischen Versen so gewöhnlich ist. Bentley
und seine Nachfolger aber , die erweisen wollen , dass Plautus Ueberein-
stimmung zwischen Hochton und Vershebung suche, folgern: nein, es
findet an jenen Stellen kein Widerstreit statt zwischen beiden
Factoren, denn damals waren jene Wortformen auf der viertletzten
Silbe hochbetont. Und fragt man: woher weiss man denn diese Beto-
nung? so lautet die Antwort: weil Plautus die Vers liebung auf die
viertletzte Silbe fallen lässt , der doch U ebere ins ti mmu ng zwi-
schen Hochton und Vershebung sucht. Dieser Kreis schluss ist be-
wusst oder unbewusst gemacht worden, wenn auch nicht in dieser Form
ausgesprochen. Von den beiden zu erweisenden Sätzen : 1) dass im
Lateinischen der Hoch ton einmal auf die vf*ertletzte Silbe fallen
konnte, 2) dass Plautus Hochton und Vershebung in Einklang
zu bringen suchte, ward abwechselnd erst der eine, dann der andere
vorläufig als erwiesen angesehen und damit je nach dem vorliegenden
Bedürfniss ein Beweis für den ersten oder für den zweiten angetreten.
22*
— 340 —
in den Italischen Dialekten , namentlich' dem Umbrischen
und Oski sehe n, im Ganzen an denselben Stellen der Wort-
formen und unter denselben lautlichen Bedingungen
stattfinden wie im Lateinischen, aus denen sich ein Schluss
auf die Betonung dieser Sprachen ziehen lä'sst.
Ein stichhaltiger Beweis für jene angeblich gesuchte Uebereinstimmnng
zwischen Hochton und Vershebung kann aber nur gegeben werden, wenn
man das gewöhnliche Betonungsgesetz der Lateinischen Sprache
zu Grunde legt; ein wissenschaftlicher Beweis für die hochtonige Aus-
sprache der viertletzten Silbe kann nur geführt werden, wenn man keine
noch zu erweisende Annahmen über Plautinische Metrik hineinmengt, son-
dern ihn aus sprachlichen Gründen führt.
Indessen angenommen, Plautus suche unter gewissen Bedin-
gungen eine Ueber ein stimm ung zwischen Hochton und Vershebung,
so kann diese aus L. 's obiger Berechnung jedenfalls nicht gefolgert und
darauf die Betonung der viertletzten Silbe begründet werden. Um dies
nachzuweisen werden hier geschieden: 1) die Fälle, wo die metrische
Tonlage ^«ü am Versende erscheint, 2) die Fälle, wo sie nicht
am Versende vorkommt. Es braucht wohl kaum bemerkt zu werden,
dass man bei den von L. gefundenen Zahlen natürlich immer in An-
schlag bringen muss, dass von Plautus die bei weitem grösste Anzahl
von Versen vorhanden ist, eine viel geringere bei Terenz und eine ver-
hältuissmässig sehr gelinge bei Phaedrus.
1) Da in der Mehrzahl der Fälle die Lage der Vershebung J ~ ^ ^
am Ende des Verses erscheint, und zwar bei Plautus in mehr als
der Hälfte der Falle, wo sie überhaupt stattfindet, bei Terenz
anderthalb mal so oft, bei Phaedrus achtmal so oft am Ende
als an anderen Versstellen, so erhellt so viel, dass in der Mehrzahl der
Fälle die Dichter die Vershebüng gar nicht anders fallen hissen
konnten im Limbischen Senar und Trochäischen Septenar, dass also
aus diesen an sich überhaupt kein Schluss gemacht werden kann
auf die Stelle des Hochtoncs in Wörtern von der metrischen Tonlage
Jw^v^ weder dass er auf der vorletzten, noch dass er auf der dritt-
letzten lag, weder dass der Dichter jenen Fall der Vershebung suchte,
noch dass er ihn mied. Wäre dieser Schluss aus der metrischen Ton-
lage J^^^ in der Endung jener Verse überhaupt möglich, so könnte
er nach B.'s und L.'s Ansicht von Altlateinischer Betonung nur dahin
ausfallen, dass im Versschluss Plautus weniger, Teientins bedeutend
mehr, am allermeisten aber Phaedrus Uebereinstimmnng zwischen Hoch-
ton und Vershebung strebten. Aber die späteren Dichter sollen ja jene
früher gesuchte Uebereinstimmnng aus den Augen gesetzt haben.
2) Es bleiben also diejenigen Stellen zu erwägen, WO die Lage der
Vershebung <i-^ S± nicht im Verschluss, sondern an anderen
Versstellen vorkommt. Unter diesen sind folgende hervortretend, an
341 —
Wenn alle Mundarten der Deutschen Sprache eine und dieselbe
Betonungsweise zeigen, wenn auch in allen Griechischen Dia-
lekten, von einer Neigung des Aeolischen Dialekts die Endsilben
tieftonig zu sprechen abgesehen, doch im Ganzen dasselbe Be-
denen gar keine andere Lage der Vershebung stattfinden kann als <-' <> *• -
vor zweisilbigem Schlusswort des Iambischen Senar und Trochäischen
Septenar ^-»w.^-j ^vS, in jedem Falle, wenn das viersilbige Wort die
dritte und vierte Vershebung trägt, J~~^ | v^_l^ J.? insbesondere also
nach der Penthemimeres des Iambischen Senars und nach dem Einschnitt
des Trochäischen Septenars, ferner im Anfang aller Trochäischen Verse,
nach Trochäischem oder Spondeischem Wortfusse zu Anfang derselben
-^ | wl'w. ww'y und wenn das viersilbige Wort die dritte und vierte Vers-
hebung derselben trägt, — ^-^|^^^^|. Vergleicht man nun diese
Fälle mit der oben angegebenen Mehrzahl von Fällen, wo die Lage der
Vershebung Jww.^ am Versende statt fand und eine andere gar nicht
stattfinden konnte, so ergiebt sich also eine grosse Mehr z ahl von Fäl-
len, in denen keine andere Lage der Vershebung stattfinden konnte,
von denen an und für sich gar nicht geschlossen werden kann, ob bei
der Lage der Vershebung ^ ~ « ^ der Hochton des Wortes auf der viert-
letzten Silbe lag oder nicht, ob der Dichter diesen Fall der Vershebung
suchte oder nicht, ob er Uebereinstimmung des Hochtons und der
Vershehung bezweckte oder nicht. Umgekehrt giebt es natürlich be-
stimmte andere Stellen im Iambischen Senar und Trochäischen Septe-
nar, wo keine andere Lage der Vershebung wie - J ^ ^ stattfinden
konnte. So vor einsilbigem Schlusswort jener Verse, ^Jw^jO.
Da aber der Gebrauch einsilbiger Schlusswörter in diesen über-
haupt selten ist im Vergleich zu mehrsilbigen, namentlich zwei- und
dreisilbigen Schlusswörtern , so ist klar , dass auch die metrische Ton-
lage <-* 4 w — vor einsilbigem Schlusswort sehr selten sein musste,
dass der Dichter , falls er für den Satzbau ein so gemessenes Wort im
letzten Theile des Verses brauchte, dasselbe leichter und bequemer mit
dem Fall der Arsis «^ ** +* ^L an den Schluss setzte oder vor ein
z w eisilb ige s Schlusswort. Die metrische Tonlage ^^^^musste
ferner eintreten vor dreisilbigem Schlusswort des Iambischen Senars und
Trochäischen Septenars, dessen drittletzte Silbe lang, die vorletzte kurz
ist, ^ J ^ ü | -^ ^, in jedem Falle, wo die letzte Silbe solcher viersilbi-
gen Wörter unmittelbar vor der Cäsur oder dem Verseinschnitt stand,
^ vi ^ v-j. |J J. t ebenso im Anfang lambischer Verse und nach der ersten
Hebung Trochäischer Verse, * | - ~ ^ i^. In allen diesen Fällen konnte
gar kein anderer Fall der Vershebung stattfinden als ~ ^ ^ ^ ; aus
ihnen lässt sich an sich gar kein Schluss machen, weder dass die
drittletzte, noch dass die viertletzte Silbe hochtonig war, weder dass
der Dichter diesen Fall der Vershebung mied, noch dass er ihn suchte,
— 342 —
tonungsge sei z herrscht, so würde der Schluss gerechtfertigt
sein, dass auch in denjenigen Italischen Sprachen, die einander
eben so nahe verwandt sind wie die Griechischen und Deutschen
Mundarten untereinander, auch im Ganzen dasselbe Beto-
nungsgesetz gewaltet habe wie im Lateinischen.
weder dass er den Widerstreit zwischen Hochton und Vershebimg scheute,
noch dass er ihn nicht scheute.
Es ergiebt sich also: Ob die Dichter der Vershebung die Lage w->^^
oder die Lage ^ J -> ^ gaben, hängt ab von der Stellung der so ge-
messenen Wörter, zum Anfang des Verses, zum Ende des Verses, zu
den Cäsuren und Einschnitten des Verses, zur metrischen
Tonlage vorhergehender oder folgender Wörter. Der Fall der
Vershebung in jenen Wörtern hängt also ab von metrischen Bedin -
gungen; irgend welche Abhängigkeit desselben vom Hochton des
Wortes ist aus derselben allein nicht nachweisbar, für die Frage nach
der Beschaffenheit des Altrömischen Betonungsgesetzes ist derselbe von
keiner Beweiskraft.
Mau könnte nun aber einwenden: dafür, dass eben Blautus jene
viersilbigen Wörter so viel öfter in die Versstellen brachte, wo sie die
metrische Tonlage J^^^ nothwendig haben mussten, liegt der Grund
grade darin, weil er Ueb e re in s t i m in u n g zwischen Hochton und Vers-
hebung bezweckte. Dass auch diese Aufstellung unhaltbar ist,
vielmehr auch hier metrische Gründe jene Erscheinung veranlasst
haben, soll nun nachgewiesen werden. Viersilbige Wörter, deren drei
erste Silben kurz sind, sind der ungeheuren Mehrzahl nach Nominal-
oder Verbalformen und haben die letzte Silbe in der grossen Mehr-
zahl lang, weil die Flexionse nd u ngen besonders im Altlateinischcu
in überwiegender Menge lang waren. Die Belege für diese Thatsache
in der Declination wie in der Conjugation sind in dem Abschnitt über
Vokalkürzung in auslautenden Silben zusammengestellt. Wenn also
schon in der Sprache die Wortformen ^^^_ viel häufiger sind als die
Wortformen ^ * ~ « , so erscheint jene Messung im Verse deshalb bei
weitem öfter, weil die eigentlich kurze Schlusseilbe der letzteren viel-
fach durch Position lang wird. Daher erklärt sieh die Thatsache,
dass im Verse die Wortgestalt - ~ - - in überaus grosser Mehrzahl
überwiegt über die Form ~ - ~ ~ . Dass nun für jene so weit über-
wiegende Form der Fall der Vershebung - - - — viel häutiger eintreten
musstc , als die Lage « ~ ~ -, ergiebt sieh aus folgender Erwägung.
1) Die Form «- ~ ~ — war ausschliesslich möglieh zu Anfang des Tro-
chäisc he n Sep tena rs und zu En de des 1 am b is ch e n Se nars wie
des Trochäischen Septenars. An diesen Stellen im Veraanfang
oder Versende fand sie am leichtesten und bequemsten statt, weil
jene. Stellung nicht die Rücksicht auf die Messung eines vorhergehenden
Wortes, diese nicht die Kücksicht auf ein fönendes Wort verlangte
— 343 —
Diese Uehörzeugung muss sich jedem aufdrängen, wenn man
die übereinstimmenden Wortformen der Italischen
Sprachen betrachtet. Man überblicke folgende Zusammenstellung
übereinstimmender zweisilbiger Wortformen aus denselben :
und beide von der Cäsur des Verses fern standen. Da es nun sehr viel
mehr Ausgänge Trochäischer und Iambischer Verse giebt als Anfänge
Trochäischer Verse , so mussten j ene Versausgänge die vorzugli-
che Stelle für die metrische Tonlage ~ ^ -< — werden, wie die obigen
Zahlenangaben zeigen. 2) Da nach dem regelrechten Schema das Iam-
bischen und Trochäischen Verses auf drei Moren oder Zeitweilen
eine Vershebung kommt, so war es wahrscheinlicher, dass bei der
Vertheilung der Vershebungen auf die zum Verse nöthigen Wörter ein
Wort von fünf Tonweilen wie <-* v.«— zwei Vershebungen zuertheilt er-
hielt als eine. 3) Da die Vershebung nach dem regelmässigen Schema
jener Versarten sich der Tonlänge im Worte zugesellt, so lag es nahe,
dass bei einem viersilbigen Worte von drei kurzen und einer langen
Silbe auf diese eine Vershebung fiel. 4) Durch den Fall der Vers-
hebung ~ ^ ^— wird das regelmässige Schema des Trochäischen und Iam-
bischen Verses rein erhalten, durch den Fall der Vershebung ~ J^_
wird es getrübt, indem neben der aufgelösten Arsis eine Länge
stellvertretend für die Kürze in die Thesig trat, insbesondere an
solchen Stellen des Verses, wo nach Griechischer Metrik eine solche
stellvertretende Länge nicht gestattet oder ungewöhnlich war wie in den
graden Stellen des Iambischen Senars und in den ungraden des Trochäi-
schen Septenars. Das sind die metrischen Gründe, weshalb im
Iambischen Senar und im Trochäischen Septenar im Allgemeinen der
Fall der Vershebung J ~ - — vor dem anderen ~ J ^ - entschieden den
Vorzug erhielt.
Es fragt sich nun, wie es kommt, dass Plautus jene Form ver-
hältnissmässig seltener im Versschluss hat als die späteren Dich-
ter, dass er hingegen an and ereu Versstellen die metrische Tonlage
J^^vi fast fünfmal so oft braucht wie die andere - ~ - ^, Terenz
nur dop p el t bis dreifach so oft, Phaedrus nur halb so oft. Ein
met. ris eher Grund dafür liegt auf der Hand. Die metrische Form - ^^^
konnte im Versanfang nur bei Trochäischen Versen stehen.
Da nun Terenz nur etwa halb bis ein drittel soviel Trochäische
Septenare in seinen Komödien hat als Plautus, so müssen sich bei ihm
die Wortformen J ^ -> ^ im Versanfange auch verhältnissmässig selte-
ner-finden. Und sie kommt auch in der That noch seltener vor, als
man nach Verhältniss der Anzahl der Verse annehmen möchte. Während
zum Beispiel in sechs Plautin ischen Stücken sich die Tonlage -^^^•A
im Anfange Trochäischer Septenare mindestens zweiundzwanzig
mal findet: Philocrates, Capt. 294. 385. 045. 932. 977. Videlicet,
Capt. 286. Müliere' m, Merc, 487. 'Adicitö, Merc. 491. Pröpemo-
— öw -
Umbr.
Osk.
Lat.
asa,
aasai,
asa, a r a ,
vea ,
veia,
vio,
via ,
dum, Amph. 823. 'Obicere, Mil. 619. Säcruficänt, Mil. 711.
Metuerem, Mil. 722. Me mineris , Mil. 807. 809. Sequimini,
Mil. 1137. Mülieres, Mil. 1155. 'Abierim, Mil. 1165. Mü-
liebres, Mil. 1359. Pröpemodüm, Trin. 615. Benevolens,
2>m. 1148. 1177. Redierit, Äsin. 897, findet sich dieselbe metri-
sche Tonlage im Anfange dieser Verse in allen 6 Stücken des Te-
renz wohl nur ein einziges mal, Miseritümst, Phorm. Ilf, 2 , 16,
ein Verhältniss was im Wesentlichen nicht geändert wird , wenn auch
eine oder die andere Stelle hier übersehen sein sollte. Eine Rücksicht
auf den Hochton solcher Wörter kann den Terenz zu diesem seltenen
Gebrauch nicht bewogen haben, da er diese ja mit demselben Fall der
Vershebung verhältnissmässig häufiger im Versschluss gebraucht als Plau-
tus. Aus der seltener gebotenen Möglichkeit solche Wortformen
im Ver s anf ang zu verwenden in Folge des selteneren Gebrauchs des
Trochäischen Scptenars entstand bei ihm die metrische Gewöhnung,
sie dahin zu bringen, wo sie am leichtesten Platz fanden, und wo auch
bei Plautus ihre bevorzugte Stelle war, an das Vers ende. Da sich fer-
ner bei Ph a e dru s gar k eine Trochäischen Verse finden, so kann auch
der Versanfang J ~ w. vi bei ihm gar nicht vorkommen; demgemäss er-
scheinen bei diesem Dichter so gemessene Wörter in ganz überwiegender
Mehrzahl am Ver sschluss, wo sie am leichtesten Platz fanden. Hier-
aus folgt mit Notwendigkeit, dass bei Terenz undPhaedrus die An-
zahl der Fälle, wo die metrische Tonlage ^ ~ ~ )k nicht in dem Vers-
schluss sondern an anderen Stellen vorkam, im Verhältniss zur Ge-
sammtzahl der Verse viel geringer werden musste als bei PI au tu«.
Dem angemessen muss auch die G es am m t z a hl der Stellen, wo jene
metrische Tonlage überhaupt vorkommt, bei Terenz und Phaedrus
im Vergleich zur Anzahl der Verse entschieden sich niedriger b teilen
als bei Plautus. Dazu stimmen 'denn auch die Ergebnisse der obigen
Zählung, dass bei PI an tu s die metrische Tonlage *Z — i5 zehn mal so
oft, bei Terenz nur siebenmal so oft. bei Phaedrus nur vier bis
fünf mal so oft vorkommt als die Tonlage - J-^. Wenn nun aber je-
der Dichter in seiner Sprache und in seinem Versbau gewisse indivi-
duelle Eigentümlichkeiten hat, so kann das auch bei Plautus nicht
ganz in Abrede gestellt werden, und es war natürlich, dass die metri-
schen Gründe, die ihn zur Bevorzugung der Form — ~*#si bewo
gen, auch eine Gewöh nung an dieselbe zur Folge hatten auch über den
nothdürftigen Gebrauch hinaus.
AVenn endlich viersilbige Wortformen, welche die Messung eines
Choriambus oder Paeon primus haben, häufiger die metrische
345
Umbr.
Osk.
Lai.
purka ,
p o r c a ,
p o r c a ,
tua,
lua,
rufra ,
rubra,
sakra,
sakra,
sa cra ,
sacra,
s a k a r a -,
s a k o r o - ,
alfu ,
a 1 b u m ,
p u p 1 u ,
p o p l u m
p o p 1 o ,
d o n o m,
d o n u in ,
Tonlage — ^ - ^ haben als die Tonlage -- - ~ ^ , so lässt sich auch
daraus n;cht der Schluss ziehen, dass diese Wortformen den Hochton auf
der drittletzten, nicht auf der viertletzten Silbe hatten, vorausgesetzt,
dass wir dies nicht aus den Angaben der Grammatiker wüssten. Die
metrische Tonlage — ~ ^ ^ musste im Iambischen Senar und Trochäi-
schen Septenar seltener vorkommen 1) weil der Dactylus statt des
Trochäus und der Anapäst statt des Iambus eine doch immer nur
seltene Stellvertretung ist, welche die Reinheit und Regelmässigkeit
des Metrums trübt, 2) weil die Form — ^ ~ C an der Stelle des Ver-
ses gar nicht statt finden kann, wo die metrische Tonlage ^^^^ in
überwiegender Mehrheit vorkommt, am Schluss des Iambischen
Senar und des Trochäischen Septenar, 3) weil die Form— ^ ^ ±±
auch am Anfang des am häufigsten von den Seenischen Dichtern an-
gewandten Verses des Iambischen Senares und auch aller anderen
Iambischen Verse nicht Platz finden konnte, so wenig wie die Form
^«v, Aus diesen metrischen Gründen erhielt die Tonlage -««ü
den Vorzug.
Demnach ist die Aufstellung unhaltbar, dass Wörter von der
Tonlage ^^^^noch zu Plautus Zeiten mit dem Hoch ton auf
der viertletzten Silbe gesprochen worden seien, während
doch Wortformen von der Tonlage - ~ ^ ^ den Hochton auf der dritt-
letzten trugen. Dass sich eine alte Betonung in Wörtern Avie fä-
milia, mülierem, re'diero u. a. mit kurzer anlautender Silbe noch
im Zeitalter des Plautus oder gar des Terenz gehalten haben sollte,
während er sich in Wortformen wie principium, inge'nio, adfi-
cere, eve'niunt bei anlautender langer Silbe bereits auf die dritt-
letzte Silbe vorgeschoben hatte, ist sprachlich durchaus un-
erklärlich, da doch sonst die lange Silbe mehr Kraft hat den Hoch-
ton an sich zu fesseln als die kurze, wie dies im Lateinischen die vor-
letzte lange Silbe beweist.
— 346
Umbr. Osk. Lat.
t u r u f ,
t a u r u in ,
t a ii r n m ,
T u s c o m ,
T u s c u in ,
v i im ,
vi d u m ,
ager.
ager,
nu mer ,
n u in i s ,
p 1 e n e r ;
p I e n i s ,
frater,
frater,
k v e s tu r ,
k vaisstur,
quaestor
n o m e ,
n o in e n ,
n ii nie n ,
1 u v e ,
I o v e i s ,
lo vis ,
D i o v c i ,
l o v i ,
Diovis ,
Marie,
M a r t i ,
ligudi
lege,
est u, est inl, eslo.
Man vergleiche hierzu folgende dreisilbige Wortformen:
Umbr. Osk. Lat.
i v e k a , i n v e n c a ,
1 o v i a , 1 o v i i a , 1 o v i a ,
Genetai, Genetae,
inenzaru , inensa in in ,
paterei, patri,
lupater, Iupiter,
faqia, fa c ial ,
emantur, emantur,
habe tu , Ii a l»e I o ,
pihatu , piato ,
portatu, portato.
(Umbr, Sprachd. AK, Wortverzeichnisse Momms. im. Dial. Osk.
GIoss.)
Bei solcher Uebere inst im m u Dg sprac hl ich er rönnen
imiss man auf die seilte Betonung derselben Wörter
schliesscn, so lange nicht entschiedene Gründe dagegen spre-
chen.
Weitere Aufschlüsse bietel nun die Betrachtung des Vokal -
ausfalle* und Vokalabfaljes im Umbrischen und Oski-
sclien. Schon oben isl hingewiesen auf das häufige Schwinden des
— 347 —
Vokales der Endsilben in diesen Sprachen. Man überblicke
folgende Beispielsammlung dafür:
Auslautendes o fallt ab:
Umbr.
(Jsk.
Lai.
ager,
ager,
catel ,
famel ,
A u k i 1 ,
Miifil,
Paakul,
f a m u 1 ,
figel,
mascel.
Auslautendes i fällt
ab: •
Umbr.
Osk.
Lal.
pake 1 ,
für
pakri,
a e e r ,
p a c e r,
a 1 a c e r,
u k a r,
u k r i ,
p u s ,
p u s t i ,
pos,
pos, po
posl, posti, post-, post-
Auslautendes e fällt ab :
Umbr. Osk. Lal.
Sansi, für San sie ,
(irabovi, Grabovie, fili,
neip, neip, nee7 neque
n e p , n e p ,
i o k , hoc,
i o n c, h u n c.
0 vor auslautendem s fällt weg in:
Umbr. Osk. Lal.
Perkens, Camp ans,
A a d i r a n s ,
Bantin s ,
V o in p a i i a n s ,
Heirennis,
Stents,
0 h t a v i s ,
piliaz (piatus), sanas,
ta9ez(tacitus), liorz (liortus), mansues,
termnas(terminatus), locuples,
tovtiks (tuti- iudex ,
cus), vindex.
— 348 —
Ein i oder e vor t fiel aus in:
Umbr.
Osk.
vgl. Lat.
fust,
fust,
fueri t ,
fakust,
f e fakust,
f e c e r i t ,
inst,
i e r i t ,
b e n u s t ,
v e n e r i t ,
covortusl,
convorterit,
h i n u s l ,
h a b u e r i t ,
d i c u s t ,
d i x e r i t ,
1 peremust,
p e r e m c r i t.
Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass die anderen Ita-
lischen Dialekte wie das Lateinische das reflexive Pronomen se,
das zur Bildung des Passivs verwandt wird, nach Abfall des aus-
lautenden e zu r abstumpften (Zeiltchr. f. vergl. Sprachf.U,24.. 30).
Ebenso haben die Italischen Dialekte von den Personalendungen
-mi, -si, -ti durchweg das i, häufig auch die so in den Auslaut
getretenen Consonanten m, s, t eingebüsst.
Wenn nun in den Italischen Dialekten die Endsilbe
mit ebensolcher Nichtachtung behandelt wurde wie im Lateinischen,
wenn sie dieselben Verstümmelungen und Abstumpfun-
gen erlitt wie im Lateinischen, ja wenn jene Sprachen in die-
ser Beziehung noch weiter gingen als die Lateinische, so nm>s
dies auch aus demselben Grunde geschehen sein wie im Latei-
nischen.
Die letzte Silbe des Wortes muss also in den Italischen
Dialekten wie im Lateinischen tieftonig gesprochen sein;
Daher erlitt sie in allen diesen Schwestersprachen dieselben Ver-
stümmelungen.
Wie im Lateinischen , so fallt im Umbrischen und Oski-
s eben kurzes u, i, e der vorletzten Wo its übe häufig aus.
So fällt ü in der vorletzten Silbe aus in:
Umbr. Osk. vgl. Lat.
naraklu m ,
munekl um ,
pihaclo, piaclum,
anglo, anglo,
vitlu, vitlum,
Fi st I us.
— 349 —
Urribr. Lat.
soples, simpulis,
s k a p 1 a , s c a p u 1 a ,
t u p 1 e r , (1 u p 1 i s ,
cl ii p I a , d u p 1 a ,
tripler, triplis.
Der Vokal i der vorletzten Silbe ist geschwunden in
Umbr. Osk. vgl. Lat.
t o t c o r ,
t u t i c u s ,
u s t e n t u ,
o s 1 e n d i t o ,
s u b a h t u ,
s u b i g i t o ,
suratu,
s u m i t o ,
fertu ,
f e r t o ,
t e r m n o ,
teremniss,
t e r m i n o ,
terminis.
Der Vokal e
in der vorletzten
Silbe fallt weg in:
Umbr.
Osk,
vgl. Lat,
sa cra,
sakra ,
Sacra,
;i o" r p
•
agri,
a t r u ,
atro-,
a d r o ,
d e s t r o ,
d e x t r o ,
e t r u ,
i teruin ,
altrei 7
a 1 1 e r i ,
p u s t r u ,
p03t.ro ,
postero-,
nVe s t r u ,
minstreis .
m a g i s t r o - ,
m i s t r e i s ,
m i n i s t r i ,
m a a t r e i s ;
m a t r i s , '
a b r u m ,
aprura,
kapruin ,
c a p r u in ,
s u p r a ,
s u p r a ,
s u b r a ,
r u fr a ;
rubra,
loufreis,
1 i b e r i ,
o p s e d ,
o p e r a v i t y
opsannam,
o per an dam.
— 350 —
Es ergiebt sich, dass in diesen und ähnlichen Umbris eben
und Oski sehen Formen der ausgefallene kurze Vokal der
vorletzten Silbe wie in den entsprechenden Lateinischen
tieftonig war. Daraus muss man schliessen, dass in den
Italischen Dialekten wie im Lateinischen die vorletzte Silbe,
wenn sie kurz war, auch tieftonig gesprochen war,
und da nun die letzte Silbe des Wortes immer tieftonig war,
so muss in dreisilbigen Wort formen mit vorletzter kur-
zer Silbe der Hoch ton auf der drittletzten Silbe gestan-
den haben.
Dass auch im Volskischen Dialekt diese Betonungsgesetze gal-
ten, ist erkennbar aus den Formen:
Volsc. Umbr. vgl. La/..
vesklis, veskles, vasculis,
V e 1 e s t r o m , V e 1 i t r a e ,
atahus, vgl. covortus, con vor teri f.
Vgl. Verf. De Volscorum lingtut, p. 46 — 48.
Der kurze Vokal der drittletzten Silbe fällt aus vor lan-
ger vorletzter Silbe im Oskischen und Umbrischen wie
im Latei nischen.
So fällt ii aus in :
Umbr.
Osk. Lal.
stepla tu ,
sliplatu ,
si ipulato,
a n stipl a tu .
prinva tu, neben pri
i- Novlanus, Nolanus, fÖrNovu
n uva 1 u,
lar, i<;
e füllt aus in :
V
Umbr.
Osk. hat.
ka pri u er,
ca pri n is.
C€ rrinius, (! e rritUS (Ceres).
Wenn man auch
hier für denselben Vokalausfall i
den drei Dialekten denselben Grund annehmen darf, st»
muss man schliessen. dass Im b lisch sliplatu, p r i n v a I u .
Oskisch Novlanus, ein brat ur ebenso betont wurde wie La-
teinisch st ip uläto, pri va I US , Nolanu s. i in pe r ;i tor, diiss
in den vorstehenden Osk i s e he n und Umbrischen Wortfo r-
men und in vielen ähnlichen, von denen keine Kunde auf uns ge-
kommen ist, d ie vo riet zte lange Silbe den Ho cht on hatte,
— 351 -
dass auch in den. Italischen Dialekten wie im Lateinischen sich der
Ilochton gern zu der Tonlänge der vorletzten Silbe
gesellte.
Alle diese Eigentümlichkeiten hat also die Betonung der
Italischen Dialekte mit der j ü ngeren Lateinischen Be -
t o n u n g s w e i s e gemei n .
Aber es finden sich auch noch Spuren, dass die Italischen
Dialekte die F r e i h e i t e n der älteren Lateinischen B e -
I on un gs weise getheilt hahen.
Es sollen also zunächst die Spuren aufgesucht werden, aus de-
nen erhellt, dass im Umbris che n und Oskischen die vor-
letzte lange Silbe auch tiefton ig sein konnte. Im Umbri sehen
erscheinen nebeneinander :
p r n s e k a t u, (Impe- p r o s o c e t o, ( Pari, p r u s e k t u , ( Part.
rat.) Per f. Pass.) Perf. Pass.)
Lal. prosecato, pr o s ec tu m.
Vgl. AK. Umbr.Sprachä. I, 142. 147.
Das Verbalthema im Umbrischen ist pruseka- wie im Lateini-
schen proseca-; das a schwächte sich also in proseceto «u e
und fiel in prusektu aus wie im Lateinischen prosectum. Das
ist im Umbrischen wie im Lateinischen nur möglich, wenn das a ur-
sprünglich tief tonig war, wenn man einmal Umbrisch prusekäl u
wie Lat. prosecato sprach.
Das Umbrische:
m estrn
entspricht der Form nach dem Lateinischen magistro- {AK.
Umbr. Sprachd. II, 333), indem der Guttural ausfiel und i mit vor-
hergehendem a zu e verschmolz. Auch das gänzliche Schwinden
der Ursprung li eben vorletzten langen Sil he in mestru
scheint nicht erklärlich ohne die Annahme, dass der Ilochton auf
der drittletzten Silbe stand, und die vorletzte Silbe tieftonig war.
Im Umbrischen ist die Erleichterung des Stamm-
vokal es im zweiten Gliede eines Compositum nicht durchgedrun-
gen; doch finden sich Beispiele dafür. So:
prehubia, für prehabia,
k u m u 1 1 vi , neben c o m a 1 1 u ,
comolto ,
I1 r e s t o t e , Prostate,
Presto tar. Vgl. AK. Umbr. Spracht!. Wortverz.
— 352 —
Daraus darf man schliessen, dass im Umbrischen wie im Latei-
nischen der Hochton in der Zusammensetzung auf den ersten
den Begriff des zweiten Compositionsglicdes genauer ausprägen-
den Bestan dt heil zurücktrat, dass also in cömölto, cümültu,
Prestöte, Prestota die drittletzte Silbe einmal hochtonig, die
vorletzte lange einmal tieftonig war.
Im Oskischen entspricht :
Kupelternum, Lat. Co mpulterinüm.
Das i der vorletzten Silbe, dessen Länge man nach der
Analogie des Lateinischen annehmen muss, ist ausgefallen, also
war diese tieftonig und der Hoch ton stand auf der drittletzten
Silbe.
Darausfolgt, dass im Umbrischen und Oskischen die
vorletzte lange Silbe drei- und mehrsilbiger Worter auch tief-
tonig sein konnte, während die drittletzte ho ebbe tont war.
Auf dieselbe Weise lässt sich darthun, dass im Umbrischen
und Oski sehen der II och ton ebenso wie im Alllateinischcn auf
der vi e r t1 e t z t c n Silbe st eben ko n n t e.
Im Umbrischen entspricht dir Umbrische Ablativform
n atine der Lateinischen nat i on e
(Umhr. Sprachd. AK. II, 351). Das ausgefallene o der vorletzten
Silbe kann nicht hochtonig gewesen sein , also muss der Hochton
auf einer der beiden vorhergehenden Silben gestanden haben ; und
zwar muss man aus der Lateinischen Form nätio, der die linbri-
sclie Nominativform na tiu entsprechen winde, schliessen, dass auch
im Umbrischen die Stammsilbe hochbetont war. Dies war
aber in dem ursprünglichen Umbrischen Ablativ naliune oder nä -
I io n e die viertletzte.
Wenn der Schluss richtig war, dass im Umbrischen die Präpo
sition in Compositen den Hochton auf sich zog, so i.st auch einmal :
p r ü s e k a tu, p r ü s e c e I o , p r iis e ktu
betont worden , später kann der Hochton eine Silbe vorgerückt sein
wie im Lateinischen.
Das Umbrische :
nies I ru
ist, eine Zusammenziehung aus der Lateinischen vollsten Stamm-
form magistero- und ursprünglich viersilbig gewesen; auf
der Endsilbe konnte der Hocbton nicht sieben, auf der vorletzten
und drittletzten Silbe i\cs Wortes Kann er nicht gestanden haben.
- 353 —
da die Vokale derselben ausgefallen sind, folglich stand er in der ur-
sprünglichen viersilbigen Form des Umbrisehen Wortes auf
der viertletzten Silbe.
Die schon besprochene Umbrische Forin :
courtust, AK. Umbr. Sprachd. I, 145.
ist zunächst aus der gewöhnlichen covortust geworden,
wie Lat. prorsus, sursum, rursus aus provorsus,
subvorsus, revorsus, indem der Wurzelvokal o des zweiten
Compositionsgliedes ausfiel. Diese Form courtust ist für die Er-
kenntniss des Umbrischen Betonungsgesetzes wichtig; sie beweist
einmal unwiderleglich, dass in Zusammensetzungen der Hoch-
ton auf die Präposition zurücktrat, sie beweist zweitens,
dass die drittletz te Silbe hochbetont, die vorletzte lang
war in der volleren Form covortust, sie beweist drittens, dass
in der ursprünglichen vollsten Form cövortusit der Ilochton auf
der viertletzten Silbe stand.
Ebenso muss:
p r e h u b i a für p r e h a b i a
einmal den Ilochton auf der Präposition gehabt haben, wie die La-
teinischen Composita occupio , insulio, sürrupui. Sonst ist
die Vokalerleichtcrung des a zu u nicht erklärlich.
Im Oskischen sind die beiden Namensformen:
N i u m s i e i s und N i u in e r i i s
von einem ursprünglichen Oskischen Stamm Numisio- abgeleitet,
welchen die Lateinische Form Numisius vollständig gewahrt hat.
Da das i der drittletzten Silbe ausfiel in der Form Niumsieis, so
hat die viertletzte Silbe in der volleren alten Form Niumisieis
den Ilochton gehabt.
Ebenso hatte der Oskische Name:
Popidiis,
P u p i d i i s,
verglichen mit der synkopierten Form Pupdiis, die den Ausfall
des tieftonigen i in der drittletzten Silbe zeigt, den Hochton auf der
viert letzten Silbe. Dass das Oskische Suffix -iio, -io ur-
sprünglich nicht hochbetont gewesen, ergiebt sich daraus, dass das-
selbe aus einem ursprünglichen -aiio zusammengeschmolzen ist
(Zeitschr. für vergl. Sprach/. V. 88 f.).
CORSSEN II. 23
— 354 —
Ebenso ist in der Oskischen Namensform :
M a a k d i i s ,
Makdiis
zwischen k und d ein i oder e aus der drittletzten Silbe heraus-
gefallen und der Hochton stand auf der viert letzten.
Die Oskische Form:
prae-fucus, neben facus, T.Bani. 23. 30.
{vgl. Lachm. Lucr. p. 139. Schweizer, Zeit sehr. f. vergl. Sprach f.
III, 210. Ebel, <*• 0. IV, 135) hat die Verdunkelung des a zu u er-
litten , weil der H o c h t o n auf die Pr ä p o s i t i o n zurückgetre-
ten war, so sicher wie in Lat. praefica neben facere Vokal-
schwächung aus gleichem Grunde statt fand. Auch die Oskischen
Composita :
pruhipust, Lat. prohibuerit,
p e r t e m u s t ,
p e r e m u s t , p e r e m e r i t
hatten den Hochton auf der Präposition; da nun ihre Endung
-st aus der Conjunctivform -sit entstanden ist, so waren die allen
vollen Formen pruhipusit, pertemusit, peremusit hoch-
betont in der viertletzten Silbe wie die Umbriscben Formen
prupehast, Lat. ( p r o -) p i a v e r i t ,
c o v o r t u s t , convorterit,
ehe ihre Endsilbe -sit sich zu -st abstumpfte.
Im Umbriscben und Oskischen konnte also wie im Alt-
lateinischcn einst der Hochton auf der viertletzten Silbe
stehen. Somit war in diesen Dialekten wie im Altlateinischen der
Ilochton ursprünglich nicht gebunden durch die gesammlc Ton-
dauer der drei letzten Silben, nicht gebunden durch die Ton-
länge dervorletzten Silbe.
Wenn aber jene Umbrischen und Oskischen Wort formen, deren
Hochton ursprünglich auf der viertletzten Silbe oder auf der dritt-
letzten bei Tonlänge der vorletzten stand, so häufig Ausfall des
Vokales in einer der tieftonigen Silben zeigen, durch den vier-
silbige Wortformen dreisilbig, dreisilbige zweisilbig
werden, so erhellt daraus doch eine Abneigung gegen jene La-
gen des Hochtones wie im Lateinischen und die Neigung den
Hochton in die Frenzen der drei let zt en Silben zu bannen und
an die Tonlänge der vorletzten Silbe zu binden. Es war die
Macht des Hoch tone s, die in den angeführten Umbrischen und
- 355 -
Oskischen Formen wie in den Lateinischen auf die tiefton igen
Silben drückte und durch Vok a laus s tos sun gen aus den-
selben die gesammte Tondauer des Wortes beschränkte.
b) T.onanschluss in den Italischen Dialekten.
Aus der Schrift erkennen wir, dass im Umbris chen, Os-
kischen, Sa belli sehen und Volski sehen Dialekt Formen
von demonstrativen und relativen Pronomen, Präposi-
tionen, Con j unet ionen , Adverbien und Verba grade so
wie im Lateinischen im Zusammenhang der Rede ihren Hochton ver-
lieren und sich an den Hoch ton des vorhergehenden Wortes
so nahe ans chlies sen, dass sie mit diesem zusammengesprochen
werden.
Dem Lateinischen angefügten -ce entspricht Oskisch - k.
Dieses aus einem demonstrativen Pronominalstamme -ko, -co ent-
standene k tritt an den Pronominalformen vom Stamm eko- in:
e k a s k , /. Agnon. b, \.
ekik, Momms. U. D.\.
ekak, a. 0. XX. XXIV. Cipp. Pompei. 2, Minerv. Inierpr. dt
un. epigr. Ose. Napoii, 1851.
an Casusformen des Stammes -i in:
izic, T. B. 1. 7. 14. 30. iok, C. Ab. 37. 42.
i'dik, C. Ab. 17. 18.
idic, t.B.h. 9.30.
Dasselbe -k, -c tritt an Casusformen des zusammengesetzten
Pronominalstammes esko-, exo- in:
exae, T. B. 8. 23. eksu-k, U. D. XXIX a. b.
exeic, T. B. 11. 17. 26;
an Casusformen des zusammengesetzten Pronominalstammes ei so-,
eizo- in:
eizask, T. B. 9. eizuk, T. B. 29. 31.
eizazunk, T. B. 24. eisak, U. D. XXIV.
eizeic, T. B. 21. 7. eizac, T. B. 10.
Eine dem Lateinischen -in von inde, dein, pro in nach
Form und Bedeutung gleiche Lokativform -en vom Pronominal-
stamme i- tritt in:
i m a d - e n , Cipp. Pompei. 1 0.
enklitisch an den Ablativ ima d, Lat. imä, so dass diese Tonver-
23*
- 356 -
bindung nun den Sinn inde ab ima erhält, und dasselbe locative
en erscheint in:
eisuc-en, T. B. 16.
an die schon mit einem enklitischen c verbundene Ablativform ei-
suc vom Pronominalstamme ei so- getreten, und verleiht dem Gan-
zen die Bedeutung inde ab illo (Zeiischr. f. vergl. Sprachf. V,
126/.).
Die Formen des unbestimmten Pronomens pis, pid, die den
Lateinischen quis, quid entsprechen, fügen sich wie diese enkli-
tisch an das vorhergehende Wort; so in:
suaepis, T.BAI. 12.17.20.26. Lat. siquis,
28. 29.
s ua e p i s , T. B. 13. 17. s i q u i s ,
pitpit, Fest, p. 212. quid quid.
Das dem Lateinischen -que für qued entsprechende Oski-
sche pid, pid, von dem oben die Rede gewesen, ist enklitisch an-
gefügt in :
potorospid, C. Ab. 9. Lat. u tri que.
potereipid, i. Agn. a, 18. b, 21.
pokkapid, C. Ab. 52.
pocapit, T. B. 8. 30.
Dieses Oskische pid stumpfte sich nach Abfall des ablativischen
d zu p ab wie Lat. qued zu c in:
neip, T. B. 15.
nep, CAb.A6.4tl. T.B. 10.28. Lat. nee.
Wie im Lateinischen so sind im Oskischen die Präsensformen
des Indicativ und Conjuneliv von esse enklitisch und werden daher
mit dem vorhergehenden Worte zusammengeschrieben; so in:
t e r e m n at u s t , Cipp: Pomp. 4. Lat. t er mina tus est,
p o s s ( i s t , C. Ab. 33.
proftuset, C. Ab. 16. probata sunt.
Dem Lateinischen -dem in idem, pridein u. a. entsprich! das
enklitische Oskische -dum, -du in:
isidu, U.D. XXI. Lat. idem,
isidu, U.D.W.
i u s s u, C. Pomp. 5. I 0. für i u s d u , i i d e in .
Bei dem grösseren Umfange der Umbrischen Sprachdenk-
mäler sind auch die Beispiele des Tonansehlusses von Wintern der
genannten Arl an das vorhergehende Wort häufiger als im Oskischen.
— 357 —
Sie ergeben sich aus der verbundenen Schreibweise der
Iguvinischen Tafeln verglichen mit den entsprechenden Lateini-
schen Tonverbindungen.
Von demonstrativen Pronominalformen enklitischer Natur bietet
das Umbrische zunächst das dem Oskischen -k, Lat. -ce entspre-
chende -k oder -c. Dieses erscheint enklitisch angefügt an Formen
des Pronominalstammes ero- in:
erek, V a, 11. erec, VII b, 1. vgl. Lat. isce,
ererek, III, 32.
eruk, III, 14. illuc,
erak, III, 12. illac;
(Umbr. Sprächet. AK. I, 136.)
an Formen vom Pronominalstamme eso- in:
esuk, V a, 1. vgl. Lat.hu c,
esok, \lb, 25. hoc.
(Umbr. Sprachd. AK. I, 135.)
Das Umbrische fügt an den Stamm des Pronomen Relativum
po- den Locativ des Demonstrativstammes i-: ei, e, i, der die Be-
deutung des Pronomens verallgemeinert in dem Sinne von -eun-
(j u e ; so in :
poei, VI«, 1. poe, VI£, 50. poi, VI «, 5. VI b, 24. 53.
(Umbr. Sprachd. I, 137.)
Dasselbe demonstrative -i fügt sich enklitisch an den Nomina-
tiv pis in:
pisi, V «, 3. 10. Zat. quisquis.
Das Umbrische hat eine enklitische Partikel -hont vom de-
monstrativen Pronominalstamme ho- mit der Bedeutung des Latei-
nischen enklitischen -dem. Diese fügt sich an Casusformen der
Pronominalstämme i- und ero- in den Formen:
e u r o n t , VI b , 63. vgl. Lat. i i d e m ,
ifont. VI&, 55. ibidem,
erafont, VI b, 65. VII«, 1. easdem,
erarunt, VI, 1. Gen. Sing. Fem.
{vgl. Umbr. Sprachd. I, 136. 150. II, 498).
Wie im Lateinischen und Oskischen sind auch die Formen des
relativen Pronominalstammes enklitisch sowohl wenn sie die in-
definite, als wenn sie die eigentlich relative Bedeutung
haben.
— 358 —
Die Formen des unbestimmten Pronomen p i s, p i r, Lat. q u is ,
pu, po, Lat. qua finden sich enklitisch mit der vorhergehenden
Conjunction zusammengeschrieben in:
svepis, VI, 26. Osk. suaepis, Lat. siquis,
suepu, I b, 8. siqua.
suepo, VI &, 47.
Dem Lateinischen -que für -qued und Oskischem pid, pid
entspricht Umbrisch -pei, -pe enklitisch angefügt in:
p a n u p e i , VII #, 1 . Lat. q u a n d o q u e ,
p u t r e s p e, IV, 1 4. Osk. p o t o r o s p i d , Lat. u t r i q u e.
Das Umbrische -pei, -pc stumpfte sich zu -p ab wie Osk.
-pid , -pid zu p, Lat. -que zu c in :
neip, II«, 4 u. a. Osk. neip, Lat. nee.
n ep, VI a , 6. nep.
{AK. Umbr. Sprachd. I, 152. 139. II, 411.)
Der Lateinischen Conjunction quam enlspricht Umbrisch pa
enklitisch angefügt in:
p r e p a , VI b, 52. Lat. prae-quam.
Die Uinbrischen Präpositionen ar, Lat. ad, ku, co, Lat.
cum, 'per, Lat. per schliessen sich an das vorhergehende Wort
enklitisch an und werden mit demselben zusammen geschrieben ; so
k u , co in :
asaku, II a, 39. 43. destrueo, VI/,, 24. 38.
lestruku, I fl, 29. termnueo, VI b, 53. 55. 57.
wie in den Lateinischen Verbindungen mecum, tecum, vobis-
cum, quocuin, quibus cum (Umbr. Spracbd. 1, 151). Ebenso
per in:
fratrusper, 11^,2. nomneper, VI«, 23?/.«.
III, 23. tutaper, a. 0.
p oplup er , I b , 2. o c r i p c r , a. 0.
5 u. a. {AK. Umbr. Sprachd. I. 157.)
per hat in diesen Verbindungen die Bedeutung pro; der Form
nach sind ähnliche Tonverbindungen die Lateinischen purum per.
semper, nuper, tantisperu. a. In gleicherweise erscheint
ar angefügt in:
asamar, IV, G. Lat. ad a nun.
spantimar, IM, 33.
p eis kl umar, III, 21.
ereejamar, IV, G. I, 153.
— 359 —
Die Conjunclion sve schliefst sich enklitisch an die vorher-
gehende Negation in :
no-sve, VI b, 54. vgl. Osk. neisuae, Lat. nisi.
{AK. Urnbr. Sprd. U,4\2.)
Das enklitische -de der Lateinischen Formen wie quam de,
in de u. a. findet sich auch im Umbrischen wieder; aber das d des-
selben hat sich vorhergehendem n assimiliert, und eins der beiden n
ist dann zum Theil ausgefallen; so in:
pane, I Z>, 40. Lat. quandc,
p o n n e, VI b, 4 3. VII b, 2. u n d e , für eunde,
pune, puni, pone.
{AK. Urnbr. Sprd. 1, p. 160. 161. II, 415.)
Auch das enklitische -do der Lateinischen Formen quando,
aliquando ist im Umbrischen vorhanden; doch ist auch hier das
anlautende d vorhergehendem n assimiliert und dann nur ein n ge-
schrieben ; so in :
pamupei, VII b, 1. Lat.. quando que.
{Urnbr. Sprachd.i, 138. 152.)
Von Verben sind enklitisch zuerst die Präsensform von der Wur-
zel -es wie im Lateinischen und Oskischen. Das zeigen die Schreib-
weisen :
pesetomest, frosetomest,
peretomes t, d aetomest, VI «, 27. 28. 37.
Doch findet sich auf derselben Iguvinischen Tafel, VI a, 47,
auch das est von denselben Participien getrennt geschrieben.
Ebenso ist est enklitisch angefügt in:
vasest, VI a, 48. neben vas est, VI rt, 28. 37.
In gleicherweise erscheint die 2. Pers. Sing. Conj. Präs. sir,
Lat. sis, enklitisch angehängt in:
fonsir, VI Z>, 26.
[AK. Urnbr . Sprd. I, 143. II, 407.)
Enklitisch ist ferner eine Form des Verbalstammes her- mit
der Bedeutung velle an das vorhergehende Pronomen gefügt in:
pisher, VI#, 41. vgl. Lat. quilibet, quivis u. a.
[a. 0. I, 138.)
Noch erscheinen auf den Iguvinischen Tafeln die Imperative
fitu, fetu, fertu, s um t u, u Stent u gelegentlich mit dem vor-
hergehenden Worte zusammengeschrieben.
— 360 —
Aber da auch die getrennte Schreibung vorkommt , die Wort-
abtheilung überhaupt in jenen Inschriften vernachlässigt ist, sich
auch keine Analogien weiter aus verwandten Sprachen finden, so ist
es bedenklich, aus jener Schreibweise Schlüsse auf eine enklitische
Betonung der genannten Verbalformen zu machen.
Auch die spärlichen Reste des Volskischen und Sa bei ti-
schen Dialektes zeigen noch Spuren von der enklitischen Betonung
derselben Pronomina und Verba, welche in den verwandten Dialek-
ten enklitisch sind.
So erscheint im Volskischen und Sa beilischen pis wie
im Oskischen und Umbrischen und wie quisim Lateinischen an die
vorhergehende Conjunction gelehnt in:
Volsk. sepis (t. Velüern. U. D. T. XIV), Umbr. suepis,
Osk. s u a e p i s , Lat. s i q u i s ,
(vgl. Verf. d. Volscor. ling. p. 15.)
Sab, nipis (/. Rapin. U. D. T. XIX). Lat. nequis,
Dass im Sa belli sehen die Prasensformen des Verbum esse
enklitisch waren, davon hat sich eine Spur erhalten in:
p a c r s i , für pacer-si, T. Antin. U. D. T. XI V.
das pacr ist Nominativ von dem auch im Umbrischen vorkommen-
den pakri-, pacri- mit der Bedeutung paeifica, das angefügte
si ist entweder Lat. sis oder sit (Zeitschr. /'. vergl. Sprach f.
VI, 72).
Seltener scheint in den Italischen Dialekten der Ton-
anschluss an das folgende Wort gewesen zn sein.
Im Umbrischen verlieren den Hocbton und sehliessen sich
an das folgende Wort an die Präpositionen pre. Lat. prae,
post, pus, pos, Lat. poste, post, pos, ehe, Lat. ex, wie
dies so häutig bei den Lateinischen Präpositionen hervortrat. Das
zeigen die Schreibweisen:
preveres, \a, 2. 11. 20. pusveres, \ a. 7. 11. 21.
preverir, VI^,20. pustertiu, 1 £, 40.
postertio, VII a, 46.
Doch finden sich daneben pre verir, VI b. 1. 19. pre ve-
reir, VI a, 22. post verir, Wh. 3. 23. Xla, 58.
Ueber den Anscbluss der Liiteiniscben Bei a t i v for nie n an
quomque, cumque, eunque und die Bedeutung dieser Bildung
irgend wann, irgend wie ist gehandeil worden und daraufhin-
— 361 —
gewiesen, wie in älteren Inschriften die Schreibweisen queiquom-
que und quei quomque neben einander gehen. Im Umbrischen
entspricht dem Lateinischen quomque genau pumpe in der Ver-
bindung:
pisi pumpe, V «, 3. 10. Lat. quicumque,
AK. Umbr. SprachdAl, 414;
es ist also anzunehmen, dass sich das Umbrische Relativum tief-
tonig an das bedeutungsvollere pumpe lehnte wie das Lateinische
Relativum an quomque, cumque, dass aber beide Wortformen
wie auf Altlateinischen Inschriften noch getrennt geschrieben
wurden.
Wenn nun in den Schreibweisen:
poeperca , VI #,.50.
pir semers est, VI &, 55.
sichRelativa mit dem folgenden Worte zusammengeschrieben linden
(Umbr. Sprd. I, 137), so darf man annehmen, dass im Umbrischen
wie im Lateinischen sich Relativa tieftonig an den Hochton des fol-
genden Wortes anschliessen konnten.
Für das Lateinische wurde aus den Schreibweisen eanirim,
e a i r e s , h u n c i n er e m dieselbe Betonung auch für Demonstra-
tiva geschlossen. Im Umbrischen finden sich ebenso Demonstra-
tiva mit dem folgenden Worte zusammengeschrieben neben der ge-
wöhnlichen getrennten Schreibweise ; so :
eafiveka, I b, 43. Lai.eas iuvencas,
erernomn eper, VI b, 15. pro eius nomine.
Daraus scheint hervorzugehen, dass auch im Umbrischen de-
monstrative Pronomina wie an das vorhergehende, so auch an das
folgende Wort sich enklitisch anschliessen konnten.
Dasselbe gilt von den Umbrischen Coniunctionen ape, der
Bedeutung nach Lat. ubi, pune, Lat. unde, wie hervorgeht aus
den Schreibweisen :
apea peius, II b, 27. p u n e h e r i e s , II #, 2 1 .
apepesondro, VI &, 37.
ape est e; VI b, 63.
apepurtuvies, II b, 28. p unepurtiius, II öf, 7.
Auch die Lateinischen Gonjunctionen hatten ja, wie oben ge-
zeigt ist, dieselbe Betonung.
Noch seltener sind die Spuren des Tonanschlusses an das fol-
gende Wort im 0 s k i s c h e n.
— 3G2 —
Dass Präpositionen wie ini Umbrischen und Lateinischen,
so auch im Oski sehen tieftonig gesprochen wurden, indem sie
sich an den Hochton des folgenden Wortes lehnten, zeigen die
Schreibweisen :
ehtradfeihoss , C. Ab. 31. Lat. extra-,
prumedikatud, T. B. 24. vgl. Lat. promagistratu.
Relativa hat die Oskische Schrift an das folgende Wort ge-
fügt in:
paeieizeis, t. B. Tl. Lat. quaeeis,
p a e a n c e n s t o , /. B. 22. quae i n c e n s a ,
also wird man auch für das Oskische die enklitische Betonung der
Relativa wie für das Lateinische und Umbrische begreiflich finden.
Wie die Lateinischen Conj unetionen und Partikeln und
die Umbrischen ape, pune schlössen sich auch die Oskischen
Bindewörter pan, Lat. quam, pon, Lat. quo in, ni, Lat. ne,
in dem Sinne nach Lat. et an den Hochton des folgenden Wortes
an; das bezeugen die Schreibweisen:
pa n p i ei s , t. B. 6, n i hi pid, T. B. 1 7.
ponposmum, t. B. IG. insuaepis, T. B. 28.
Es finden sich noch andere Beispiele von Wortern auf Umbri-
schen und Oskischen Sprachdenkmälern, die mit dem folgenden
Worte zusammengeschrieben sind ; doch lassen sich aus diesen
Schreibweisen, da sie der Analogie des Lateinischen entbehren,
keine sicheren Schlüsse ziehen.
S > viel erhellt aus dieser Untersuchung, dass im Ganzen in
jenen Dialekten Tonanschluss kurzer Wörter von ich wa-
cher Bedeut ung an den Hoch ton des vorherg e h enden wie
des folgenden Wortes ganz in derselben Weise and bei densel-
ben Wortklassen statt fand wie im Lateinischen, wie ein und
dasselbe Be ton ungsge setz die verwandten Sprachen
des alten Italiens überhaupt beherrschte.
D. Spur en Alt griechischer Betonung.
Der vorstehende Beweis für ein triteres Lateinisches Betonungs-
geseta und für die Betonung der Italischen Dialekte ist, u * * s 1 1 i i z t auf
(\vw Salz, dass der hoch und stark betonte Vokal durch diesen sei-
nen Ton auch erhalten und vor Vernichtung sreschützl wird, bis
— 363 —
hierher absichtlich bloss auf Grund von lautlichen Thatsachen der
Lateinischen Sprache geführt worden und könnte hiermit ab-
schliessen. Er gewinnt aber eine neue Stütze und eine brei-
tere Grundlage, wenn man den Spuren nachgeht, die darauf
hinweisen, dass auch in der Griechischen Sprache nicht von
jeher das Betonungsgesetz geherrscht hat, das die Grammatiker
seit Aristophanes und A r i s t a r ch lehrten und durch Tonzeichen
in der Schrift veranschaulichten. Dieser Nachweis soll in der Art
hier angetreten werden, dass zuerst Wortformen in Betracht gezo-
gen werden, aus denen hervorgeht, dass der Hochton im Griechi-
schen nicht von je her durch die T o n 1 a n g e der letzten Silbe
unbedingt an die vorletzte o d e r 1 e t z t e gebunden war.
Die Griechischen Grammatiker lehrten, Choerobosc. Anecdol.
Graec. p. 1211: OvdsTtoxe 7t q 6 xsööczqcdv %Qovav
xovog TtiTtxei, und a. 0: Qvüzi uccxQag ovörjg xrjg
t sÄsvraiccg övXXdßrjg ovdeTtoxs xqlxtj ctTto xiXovg
TtiTtxei rj 6t>Eia. Als Ausnahme von dieser Regel sehen sie
es an, wenn der Vokal a der Schlusssilbe von mehrsilbigen Wort-
formen, die sie entweder für alle oder nur für einzelne Casus der
sogenannten Attischen Declination zuweisen, und die aus-
lautenden Diphthongen cet und o i mehrsilbiger V e r b a 1- und
Nominalformen nicht die Kraft haben, welche sonst der lange
Vokal der auslautenden Silbe übt, den Hochton des Wortes von der
drittletzten auf die vorletzte vorzuziehen. Diese Wortformen sind
nun ins Auge zu fassen, und zwar zuerst jene Formen der Attischen
Deklination.
Nach der Aussage der Grammatiker und der Schreibweise von
Handschriften sind folgende Wortformen mit dem llochton auf der
drittletzten Silbe betont worden :
vfixeQcJv, ffom. Od. X, 158. Bekk.
%qvöÖx£QG)v, Pind. OL 3, 51.
IQvOoKsgcog, Choerob. Anecd. Gr. Bekk. p. 1212.
svKSQcöv, Soph. Ai. 64.
Xpiloyslog, Choerob. a. 0. p. \ 2 1 2.
dvö£Qco, Anecd. Gr. Bekk. p. J197.
k a X 6 y y\ o ca g , Etym. Magn. p. 209. Sylb.
ßccxrvyrjocog, a. 0.
VTtsQyrjQcog , a. 0.
— 364 —
( Vgl. G. Hermann, de emend. rat. Graec. gramm. p. 24 f. Gattung,
Accenl d. Griech. Spr. p. 287 /.) Dass in diesen Wortformen
das -co wirklich lang war, nicht halblang oder mittelzeitig, geht
daraus hervor, weil es von den Dichtern immer lang gemessen
und in der Schrift immer als langer Vokal bezeichnet ist; dass
das s kein stummer Laut war, ergiebt sich daraus, weil es immer als
volle Kürze gemessen und in der Schrift stets geschrie-
ben, niemals ausgelassen ist {Herrn. Göttl. aa. 00.). Der Ein-
wand, dass %aloyr]Qcog u. a. nicht aussprechbar oder für das Ohr
erträglich sei, kann gegen die übereinstimmende Ueberlieferung der
Handschriften nicht ins Gewicht fallen (Herrn, a. 0. p. 30). Ver-
schiedene Völker zeigen in ihren Sprachen vielfach grundverschie-
dene Ansichten über das was sprechbar ist und wohlklingt und was
nicht. Durch das Lautgefühl eines deutschen Ohres, wenn es auch
noch so fein ist, können Angaben von Griechen über ihre Betonung
so wenig widerlegt werden wie das Missbehagen, das etwa ein Italie-
nisches Ohr beim Klang Polnischer Wörter empfinden könnte, irgend
die Angaben von Polen über ihre Betonung in Frage stellen könnte.
Eben so wie die vorstehenden Wortformen sind folgende betont:
'jxQÖvefcög, Od. VIII, 1 11. B. vgl. vrjvg, vavg,
'JvaßrjOivsFüg, Od. VIII, 113.
Ü^VfiAcFräv, //. XIII, 92. B. Aefcog, Xafog,
nrjvneFcö, iL XIV, 487. vgl.a.O. MeveXs- MsveXa-
^489. Fwi, Fos,
ävtFä, Od. XXIII, 93. ctvco,
fjiiiötFcov, Od. XXlV, 464. )}uiovg,
äOteFng, Kur. Phoen. 842. aötv,
yälöFäg, Schal. IL III, 122 (Tileovaöaa tov o xcd clvccÖo-
öei tov tovov).
'^#öFc5, //. MV, 229. Eustath. III, i>. 218: "Atom ttqo-
7tccQo£,vvov6LV ov nalaiol tov cpvöixov tovov (pvkccö-
aovteg.
"AftoFag. vgl SoFcoöa, '<Z qsl- frv in,
iv-ftov-öi-dta, öt'/r,'.
ftva.
(Ueber das F dieser Wortformen vgl. l-'.lx'L Zeüschr* /*. vergl
Sprachf. IV, 152. Benfey, a. 0, VII, 123. G. Curtius, Grund:, d.
Griech. Etym. Na. 124. 430. 535. "AifoFcjg: der sein- slür-
— 365 -
mische, &6F co6a: Stiirmerin, &vidg: desgl., 'SIqsl&vicc'.
Bergdürchstti r m ende ). Andere Beispiele derselben Betonung
sind :
dvcoy£cov , Suid.p.l, 456. B. dvcoyaiov ,
xarc6y£cov,a.O. naxcoyaiov ,
xarcoysLOV ,
'AvÖQoysco, Choerob. Bekk. Anecd. p. 1 223.
ct%i>6%QSG)v, Choerob. Eiym. M. p. \ 05. %Q£Ca ,
Sylb.
avaitlscov, a. 0. TtXsiog.
An den angeführten Dichterstellen, namentlich der Homerischen
Gedichte sind die betreffenden Worter, die mit dem Hochton auf
der drittletzten Silbe gesprochen wurden, so gemessen, dass das co
die Geltung einer langen und das s die Geltung einer kurzen
Silbe hat; das war also auch in der Sprache einmal der Fall bei
jener Stellung des Hochtones. Wenn schon bei Homer £ vor co
durch Vokalverschmelzung zum Werth eines stummen Vokales
herabsank in Formen wie %Q£c6[i£v o g , %Q£c6, £co{i£v,
T£&v£cötl, so beweist das natürlich nicht, dass £ das immer
gewesen ist, am allerwenigsten in Wortformen, wo es durch ein Di-
gamma von dem folgenden co getrennt war.
Zweitens kommen nun in Betracht die Wortformen mit auslau-
tendem Diphthongen au und ot, die den Hochton auf der drittletz-
ten Silbe haben, wie folgende:
dyxvQcu, vgl. ayavqai^ Bor. Ahrens , Bial. Bor.
xQrjvat, xQccvai, B. a. 0. p. 28.
ayyeAoi, dyyiXoi^B.a.O.
aV&QQ07tOl, CiV&Q COTtOL, B. Cl. 0.
kV7tOVll£VOL, XVTCOVILEVOL, B. Ct. 0.
£<?Ö£Zai, ff. £66 £lXCtl, B. Cl. 0.
CpOQ£lTUL, (pOQ £ITCU, B. Cl. 0.
£sp&OQ& ai, icp&dgd'aL) B. a. 0.
Aeol. Her od. Lehrs
J9.256/". Ahr.Bial.
Aeol. p. 16.
yL£yLOQ&ai, A. a. 0. £L{id()&aL , B. a. 0.
T£toQ&a,L , a. 0. T£Td()&ca^ B. a. 0.
— 366 —
Da die Endungen -cu und -ot in diesen und ähnlichen Wert-
formen bei den Dichtern vor consonantischcm Anlaut des folgen-
den Wortes stets lang gemessen erscheinen, so sind sie sicher
in der Sprache zur Blüthezeit der Griechischen Litteratur noch
lang gewesen wie andere Diphthonge. Dass es keinen Sinn
habe zu erklären, diese Diphthonge seien für die Messung zwar
lang, aber für den Accent kurz gewesen, hat schon G. Curtius
hervorgehoben (Jahrb. f. wiss. Krü. 1846. S. 507. Jahns Jahrb.
71, S. 351). Unmöglich kann derselbe Laut lang sein verglichen
mit der Tondauer anderer Laute und zugleich kurz im Verhält niss
zum Hochton eines Worttheiles. Bei den Dorern hat denn auch
diese unzweifelhafte L an ge der auslautenden Diphthonge ai und
o i die Vor Schiebung des H o c h t o n e s auf die vorletzte Silbe
veranlasst, bei den Attikern wenigstens in den Infinitivformen des
zweiten medialen Aorist und des passiven Perfecta, während die
Aeoler auch hier den Hochton möglichst in den Wörtleib zunick-
zogen. Dass in späterer Zeit allmählich eine Kürzung des
Diphthongen ai eingetreten ist, dafür sprich! die Thatsaehe, dass
er im Neugriechischen zu einem kurzen e eingeschrumpft ist , wie
schon die angeführten Formen x£, xixe für xai, xeitai auf
christlichen Grabschriften zeigten. Ebenso ist ja auch das aus-
lautende oi im Neugriechischen zu X verkürzt. In der Blüthe-
zeit der Sprache alter sind die auslautenden Diphthongen ai und
oi, wie die Messung der Dichter zeigt, lang gesprochen, auch
wenn der Hochton auf der drittletzten Silbe stand, und Cboerobos-
kos Erklärung, Bekk. Anecd. p. 1212: 'Avxi xoLvrjg TrccoccAcc^ßcc-
vovtcu xal TtQog eva r\yaow %qovov e%ov(3ir. gilt für diese
Zeit nicht, da sie vor consonantischem Anlaut des folgenden Wor
tes nie kurz gemessen vorkommen, also nicht mittelzeitig
waren.
Es folgt also aus der Betonung von Wortformen wie vil'txe-
qmv,"A&ocö , dass in der älteren Griechischen Sprache der
Hochton des Wortes nicht unbedingt durch die Länge der letz-
ten Silbe an die vorletzte oder letzte gebunden war, und es
ergiebl sich aus der Betonung von a/uajjat, Xdjtcu, av-
&QC07tOL, dass der Hochton gelegentlich Ins auf die fünfte
Tonweile oder Rfore vom Scbluss (U^ Wortes zurücktreten
konnte.
— 367 —
Zu diesem Ergebniss sind Wortformen zu vergleichen, in denen
der Vokal der vorletz ten Silbe vor langer Schlu sss übe ge-
schw unde n ist wie:
xccxx?], Bor. Ähr. p. 356. vgl, xura-,
£7tT7]V, 71 £TO[lCCl ,
aveitrav,
TtQOÖ 8 7ttCC,
7iecpv7ig, cpsv-,
xaTccTtscpvcjv, cpovog,
ytyvj], yevog,
71L71XCÖ, % £T-,
Xa o oi v Öa g , Boeot. Ähr. /j. 214. Aeavidag,
'A£a%QG)vdccg, a. 0. u. a.
'ETtaiisLvavdag, a. 0.
Ilccyüjvdag, a. 0.
u. a.
Wer die Thatsache anerkennt, dass der II och ton ein stär-
kerer und höherer Ton war, wie dies aus der obigen Unter-
suchung erhellt und für das Griechische von Anderen längst erkannt
worden ist, muss es für sprachlich undenkbar hallen, dass der
durch diesen Hocbton getragene Vokal schwinden konnte, während
die tief und schwach tönenden in den benachbarten Silben erhalten
blieben *). Die angeführten Wortformen hatten also d e u II o c h t o n
*) Auch im Griechischen ist der Ausfall eines hoch beton-
ten Vokales so gut unerhört wie im Lateinischen und Deut-
schen, und was für denselben geltend gemacht werden könnte, beruht
auf Schein. Man vergleiche die Wortformen yaGZQog, yaczyL, yccGzQccGL
mit yaGzBQay y<xoz8Q8g , yccGTSQCcg; [irjZQog, {itjzql, [irjZQCtGL mit [irjzSQOg,
[ir)Z£Qi, {irjzSQCC, [LTjzeQcav, [i7]Z8Qag; zJrj[ir]ZQog, dijurjzQi, Jri^irjzQK mit
drj[ir}Z8Qog , zJa^idzsQOg ; frvycczQÖg , d'vyuzQt, ftvyazqci, ftvyczzQsg, Q"6-
yazQag, &vyoczQ(ov, &vyuz(jccGL mit ftvycczsQOg, ftvycczeQi, ftvyazSQCC, ftvyatE-
Qsg, &vyccz£QCig, &vyocz£Q(ov, &vyoiz8Q8GGiv; ncczQug , nazQt , nctzgcov, na-
zqccglv mit 7i<xz8Q0g , nazSQL, 7Zcczeq(üv , TtazSQoe, nocz^Qsg , nazsQag. In
diesen Wortformen hielt sich das £ der vorletzten Silbe niemals un-
versehrt, wenn es tieftonig war; daraus folgt der Schluss , dass es
ausfiel, weil es tieftonig war, und dass es sich hielt, wenn und
weil es hoch tonig war, weil es vom Hochton gestärkt und gehoben
wurde. Also ist auch [irjZQog, d'vyoczQt, nazQtov u. a. aus firjZ8Qog , &v-
yccztQL, 7iccT8Qcov unmöglich entstanden, weil das 8 seinem Hochton gleich-
— 368 —
auf der Silbe, wo sie ihn nach dem Vokalausfall hatten,
auch vorher, das heisst auf der drittletzten Silbe, wahrend
die letzte lang war wie avxeQag, ayyehoL, eöOstat u. a.
sam unter den Füssen wegfiel, und dieser nun auf die Wanderschaft ge-
hen musste , um anderwärts eine passende Stellung zu suchen; sondern
umgekehrt weil in der Declination jener Wörter der Hoch ton auf die
Flexionssilbe vorrückte oder auf die Stammsilbe zurückwich, fiel
das tieftonig gewordene s aus. Auch %vctxog neben ivvscc kann
nicht als Beispiel für den Ausfall eines hochtonigen Vokales angeführt
werden. Die Ordnungszahlwörter oydoog, tßdo^iog neben oxtw,
intet zeigen, dass der Hochton auf die Stammsilbe zurückwich, als
das Suffix an die Hauptzahl herantrat, das die Ordnung oder Reihen-
folge bezeichnete. Dasselbe geschah , als an tvvta das Suffix xo- heran-
trat: der Hochton wich auf die Stammsilbe zurück und in Folge
dessen fiel das £ vor a aus, so dass k'vaxog entstand.
Man hat das Fehlen des Augments in Verbalformen als Beweis
für den Abfall eines hochbetonten Vokals im Griechischen angeführt
(G. Curtius, Zeilschr. f. vergl. Spruchf. Yl, 84.) Es soll also hochbetontes s ge-
schwunden sein in der Homerischen Formen wie ßfjv , yva, öv , <&•?'-
gccv, döoav, Gxüv, öl'öov u. a. neben den alimentierten tßrjv, l'yvco, t-'dv,
t&zaccv, hdoaciv, taxav, edidov. Angenommen das wäre so, wie hat man
sich dann den Abfall eines anlautenden hoch und stark betonten Vo-
kales im Altgriechischen der Homerischen Dichtungen bei seinem
volleren und reicheren Vokalismus zu erklären, während die spätere
Sprache trotz ihres schwächeren und ärmeren Vokalismus von jenem Ab-
fall keine Spur zeigt, sondern stets die augmentierten Formen jener
Präterita braucht? Man vergleiche aber nun die verwandten Spra-
chen. Den Germanischen, Italischen und Lett o - sl av isch en
Sprachen fehlt das Augment ganz, und sogar das Zend, dieser näch-
ste Nachbar und Blutsverwandte des Sanskrit, hat kaum eine verein-
zelte Spur desselben (Bopp , Vergl. Gramm, p. 755. 751 — 703). Im
Griechischen unterscheidet sich die Anwendung des Augments dadurch
vom Sanskrit, dass jene Sprache dasselbe nur im Indicativ seiner Aoriste,
Imperfecte und Plusquamperfecte zeigt, nicht in den abhängigen Modus-
formen, diese hingegen auch in einem abhängigen Modus, dem Conditio-
nalis. Aber auch im Sanskrit fehlt das Augment bisweilen in For-
men, die es gewöhnlich haben. Der dafür angegebene (»rund, es fehle
des Metrums halber, erscheint /V/, Elgm. Forsch. II, 77. 173 mit Hecht
als unzuverlässig, eben so wie ein solcher Grund für die Erklärung der
Homerischen augmentlosen Verbalformen nicht stichhaltig ist. Wie soll-
ten sich wohl Dichter solche Formen erlaubt haben, wenn sie sonst
der Sprache ihres Volkes ganz fremd gewesen wären? Wenn aber schon im
ältesten Sanskrit sich augmentlose Aoristformen wie dam.i, data
linden nebenden augmentierten ädäma, ädäta, grade so wie im äl-
— 369 —
Der Hochton der drittletzten Silbe bewirkte den Vokalausfall in der
vorletzten, als die letzte Silbe in der Griechischen Betonung allmäh-
lich denEinfluss gewann denselben auf die Silbe unmittelbar vor sich
oder auf sich selber zu ziehen.
testen Griechisch, das wir kennen, do^sv, dozs neben e'do^isv,
eSots (Bopp, Vergl. Acc. p. 116), darf man da annehmen, dass jene
Sprache, die ihren Hauptton udätta, den gehobenen, nannte, die
den volltönigsten Vokalismus und die kräftigste Betonung
zeigt, ihren vollsten Vokal a, wenn derselbe durch den Hochton
emporgehoben und gestärkt wurde, spurlos habe verklingen
lassen neben tief und schwach betonten Silben derselben Wortformen?
Wer nicht in Abrede stellt, dass Höhe und Stärke des Tones demselben
Dauerhaftigkeit verleihen, wird doch nothwendig zu der Alternative ge-
führt, dass entweder jenes a nicht immer hochtonig war oder nicht
immer der einfachen Aoristform vorgesetzt wurde. Thatsache ist
also, dass die hier angeführten Sprachen das Augment entweder
gar nicht haben , oder nicht consequent immer in denselben
Verbalformen. Was zwingt also zu der Annahme, dass es in allen
diesen Sprachen immer und nothwendig vorhanden gewe-
sen sein muss in den Verbalformen, wo es sich gewöhnlich im Sans-
krit oder im Attischen Dialekt der Griechischen Sprache zeigt? Die
Bedeutung gewisser Präteriten auszudrücken , dazu hatten sie auch an-
dere Mittel genug. Die Augmentierung ist als Zusammensetzung
von Verbalformen mit der Partikel Sanskr. a-, Griech. s- erkannt
worden, mag dieselbe nun negativer oder, was ansprechender er-
scheint, demonstrativer Natur sein; Bopp, Vergl. Acc. p. 73 f.
Schweizer, Zeitschr. f. vergl. Sprach/'. IV, 306. Ist das a- des Augments
ein demonstratives Pronomen, dann verhält es sich ähnlich zu der Verbal-
form , der es vorgesetzt ist , wie der demonstrative Artikel zu dem Nomen,
vor dem er steht. Aber die Vorsetzung derAugmentpartikel unter-
scheidet sich doch wesentlich von der regelmässigen Zusam-
mensetzung von Wörtern mit anderen Präfixen. Während diese durch
alle Abwandelungen der Endungen des Wortstammes an demselben haf-
ten bleiben, erscheint das Augment nur in gewissenAbwandelungs-
formen des Verbalstammes , nicht einmal durchgehends in allen Flexions-
formen desselben Tempusstammes vom Verbum. Der Act des Componie-
rens oder Präfigierens wird für jede Abwandelungsform immer wieder von
Neuem vorgenommen. Man wird also zu dem Schluss geführt, dass
auch im Griechischen diese Art der Zusammensetzung keine über-
all durchgehende und nothwendige war, dass die ältere Sprache
die Freiheit hatte dieselbe in Formen ihrer Präteriten zu bilden
oder nicht, neben einander die einfachen Verbalformen ßrjv, ftsaciv
u. a. und die zusammengesetzten sßrjv , t&eoav zu brauchen, wie die
einfachen Nominalformen ötsqotc)], &sXco , dvQO[icu u. a. neben den
Corssen IL 24
— 370 —
Aehnlich verhält es sich mit den Comparativ formen, in
denen aus den Lautverbindungen jc&, yt, %t, öl, xi durch Assi-
bilation 6 6 oder £ geworden ist, wie:
gleichbedeutenden uGT8Q07irj , ioH Aw , odv^ofiat vorkommen. Sowenig
also in jenen einfachen Nominalformen Abfall des anlautenden
Präfixes a-, s- , o- der zusammengesetzten statt fand, so wenig ist
man in den einfachen Verbalformen ßfjv , fteGuv berechtigt einen auf
dem Boden des Griechischen erfolgten Abfall des Augmentprä-
fixes e- anzunehmen. Das temporale Augment fehlt gewöhnlich bei
den Attikern in den auf ev- und st- anlautenden Verbalformen wie
slnov, EVQrjKcc, s v^äfirjv, es unterbleibt auch in Präteriten , die auf
ccv-, ov-, OL- anlauten. Sollen auch hier durch Hinzutreten des
Augments erst die anlautenden Diphthonge 77-, a>-, tjv-, cov- entstanden
sein und sich dann das r\ und eo wieder gekürzt haben? Wer für diesen
lautlichen Hergang keine genügende Erklärung weiss, sieht sich zu der
Ueberzeugung gedrängt, dass auch hier die Sprache die Anwendung des
Augments unterlassen konnte. Wer nun aber ungeachtet der vor-
liegenden Thatsachen den theoretischen Satz aufstellt, dass die Indo-
germanische Ursprache d ur ch gehen ds und unwandelbar das
Augment zur Bildung wenigstens eines Präteritum verwandt habe , dem
darf man doch wohl nach dem jetzigen Standpunkt der Forschung noch
den Beweis für diese Behauptung zuschieben. Und selbst wenn dieser ge-
lingen sollte, so würde sich doch immer ergeben, dass dieses durch-
gehende Auftreten des Augments lange vorher ausblieb, ehe die
Griechische Sprache sich gesondert ausbildete, dass das Vorkom-
me n u n a u g m e n t i e r t c r neben augmentierten Präteriten ein Erb-
stück aus sehr alter Zeit ist. Also müsste immer noch der Beweis
geführt werden, dass in jenem uralten Sprachidiom der H och ton ent-
weder in allen oder doch in zweisilbigen augmentierten Verbalformen
und in dreisilbigen mit kurzer Endsilbe stets die Augmentsilbe her-
vorgehoben habe; erst dann könnte der Abfall eines hochbetonten £ in
Homerischen Formen wie ßrjv, fteoav dargethan scheinen. Nach den
sprachlichen Thatsachen aber, die bis jetzt vorliegen, ist diese Annahme
nicht begründet. Es sind ferner verstümmelte Formen der Präposi-
tionen wie UM* für y.ard angeführt zum Beweise des Schwindens eines
hochtonigen Vokales im Griechischen (6. Citri, a. (J.). Dass der Abfall
des auslautenden Vokales einer Wort form im Satze nicht als
Beleg dafür angeführt werden kann, ergiebt sich einfach daraus, dass
ja der Hochton der letzten Silbe eines Wortes vor folgendem
Wort im Zusammenhang der Rede seine Höhe und Stärke nicht
bewahrte, wie seine Bezeichnung durch das Zeichen des (.'ravis zeigt.
Also ist auch in v.kt.' und ähnlichen Formen der Präpositionen sicher-
lich nicht ein hoch toniger Vokal geschwunden. Alle contrahier-
ten Wortformen ferner müssen bei der vorliegenden Frage gänzlich aus
— 371 —
ftccöGa v, vgl. ta%ia v, ßgccööcov,
u. a.
iXa<5 Oav, xQsiööcjv,
[idoöav, iiei^av,
TtuGöav, oli^cov,
ykvööav, u. a.
7J66 G)V,
Wie konnte das i seine selbstlautende Kraft verlieren, so lange
es vom Hochton getragen wurde? Auch hier war die ursprüngliche
Betonung xa^iav wie in dem Neutrum %a%iov, also auf der
drittletzten Silbe bei Länge der letzten. Wenn sich der Haupt-
ton vorschob auf das i durch den Einfluss der letzten Silbe, so hielt
sich das hochtonig gewordene i als Vokal, blieb er auf seiner Stelle,
so verlor das tieftonige i diese BedeuUini;, erstarrte zum j und ward
assibiliert. Dass dem so ist, beweist auch die entsprechende Be-
tonung der ebenso gebildelen Comparativformen im Sanskrit, wo der
flochton auf der anlautenden Silbe steht. Dem Griechischen
7]diov entspricht im Sanskrit auch in Bezug auf die Betonung
der Vokativ svädljän. Ebenso verhält sich zu der Altgriechischen
Form yd mdv, aus der erst durch Vorschiebung des Hochtones
7] di G3V wurde, im Sanskrit der Nominativ svad ij an (Bopp, Vergl.
Gramm, p. 411. Vergl. Accent. d. Sanskr. u. Griech. p. 40.).
Man vergleiche hiermit die zahlreichen Feminina, die, wie die
neuere Sprachforschung unwiderleglich clargethan hat, mit dem
dem Spiele bleiben. In der Griechischen Contraction, die dringend
einer eingehenderen Behandlung bedarf, als ihr bisher zu Theil gewor-
den ist, ging der Verschmelzung der Vokale eine theilweise oder gänz-
liche Assimilation derselben voraus. An einen Ausfall des einen der
sich begegnenden Laute und an eine sogenannte Ersatzdehnung des
übriggebliebenen ist dabei nirgends zu denken, noch viel weniger der
Ausfall eines hochbetonten Vokales nachweisbar.
Wenn aber im Litauischen hochbetonte Endsilben abgefallen zu
sein scheinen (a. 0.), so wird man nach dem, was Bopp (Vergl. Acc.
p. 85 f.) über den wandernden Accent und über die fast will-
kührlich erscheinende Verschiebung des Hochtones dieser Sprache
namentlich in der Declination sagt, bei jeder Casusform, die durch
Abfall der hochbetonten Endsilbe entstanden zu sein scheinen könnte,
doch immer die Frage erheben müssen, ob der Hochton ursprünglich
auf dieser Stelle stand, oder ob er sich nicht von derselben zurück-
schob, ehe der Abfall erfolgte.
24*
— 372 —
Suffix -ja gebildet sind, das im Griechischen sich zu -lä gestaltet
wie Sanskr. -ja zu -10 und dann weiter unter mannigfachen Ver-
bildungen und Verkleidungen erscheint, namentlich aber eine Kür-
zung seines a erlitten hat. Aus der grossen Anzahl dieser Wort-
formen mag hier eine kleine Auswahl Platz finden.
EvßoLa, iuvEvßoFLa,
£V7tVO La , £V7lV0FiCC,
L£Q £ La, L£Q £ F tß,
ßaöCl£La, ßaö lXeF La,
{Vgl. Ebel, Zeiischr. f. vergl. Sprach f. IV, 152. Benfey, a. 0. VII,
123. Meyer, a. 0. VII, 205 /. Pott, a. 0. V, 275.)
a X rj & £ i a , für akr\& £6 La ,
£V6£ß£lU, £VO £ß£6CCC,
riQiyiv £iu, ^q ty £V £jS La ,
"Aqtcv ua , Aqtivö La,
7SIq£lü'v La , ,£Iq£l&v(5 La.
{Vgl. Bopp, Vergl. Gramm, p. 1383. 1097. G. Citrtius, Zeiischr.
f. vergl. Sprach/. IV, 213. Polt, a. 0. V, 275 /. Meyer, a. 0. VII,
205 f.)
doreLQa, für dot£QLa,
0(6t£LQ a, 0 CJZ£QLa ,
XVÖLCCV£lQa, XV ÖLav £QLa,
[laxaiQa, {laxaQLa,
[i£ XaLva, yL£kavLa,
T£Q£LVa, X£Q£VLa,
avaööa , avazLa,
TtQocpgaGOa, itQocpQad La,
^£vli(7(7a, 11 £l LT La,
ötovoF £6<3a, Or ovoF £vr La,
Xiyovöa, Xsyovrta:
{Vgl. Bopp, Vergl Gramm, p. 139 /*. I 132 /. G. Cur/. Notn. Graec.
form. p. 15. 49. Temp. a. Mod. p. 97. Zeiischr. für vergl. Sprach/'.
IV, 213. Ebel, a. Ü. 1, 298/'. 11. so. VI, 212 /'.).
In allen diesen Formen, deren auslautendes a doeli
zweifellos einst lang war. ist es weder begreiflich, wie der
Hochton über die vorletzte Silbe zurücktreten konnte, wenn
die Länge der letzten von je her die Kraft balle ihn auf die vor-
letzte zurückzuziehen, noch begreift man eine Kürzung des
auslautenden a purum, wenn der II och ton auf die vorletzte
-- 373 —
Silbe, auf das i vorgeschoben ward, wie in der Attischen Form
L8Q8iä (Herod. Lehrs p. 357: 'AxxikoX [levxoi eTcxsxa^i^vcog
iSQtiäv u%otpaivov%ai) , und in den Abstracten wie dvoia,
ayv o Ca {Altall.), dovlstä , ßccö lXsiü, tsQsCä, svitoiCä,
dcpvtä, ccTtoQiä u. a. Auch daran ist nicht zu denken, dass
sich in allen jenen Femininformen der Hochton auf das aus-
lautende a vorschob und später zurücktrat. Wenigstens findet
sich ein solches Vorschieben fast nur in solchen mehrsilbigen Wör-
tern unter denen auf -la gebildeten, welche anschauliche Dinge
bezeichnen, die aus einer Menge gleichartiger Einzelheilen be-
stehen, oder Oerter wo eine Masse von solchen gleichartigen Din-
gen zu finden sind, wie ccv&qccxlcc, aQiiaXtä, p,VQ[ir]Xi,d,
0Q{iia, tcovid, alp,a6ia, aXiä, vs oxxid, daher denn auch
in Attischen Bezirksnamen wie Xsludov cd, KqcpLöid und in
pluralischen Ortsnamen wie (TöiaC, TLoxviaC, ©söTtcaC u. a.
[Vgl Göltt. Acc. ä. Griech. Spr. p. 135 f.); und in diesen Wörtern
b leibt der Hochton auf der letzte n Silbe und das a bleibt lang *).
In allen jenen Femininen also ist nicht ersichtlich, wie der Hochton
weiter vorgerückt gewesen sein kann, als auf die Silbe vor dem
Suffix-ta. Die Betonung dlit]&£<siä, tßQsFtä, doxegiä ist
nicht anders ihrem Wesen nach als die von dvcjyeäv, 'Akqo-
v^cög und jedenfalls weniger auffallend verglichen mit dem ge-
wöhnlichen Belonungsgesetz wie xaXoyrjQäg, av&gäTtöi,
Xiyövxäi u. a. Als aber die Griechische Sprache nun Tonhöhe
der drittletzten Silbe vor Tonlänge der letzten allmählich nicht
mehr vertrug, kürzte sich das auslautende a jener Feminina.
*) Erst in späteren Zeiten ward in OQyvia, ayvia, wie im Alt-
attischen betont wurde, der Hochton auch auf die letzte Silbe vorge-
schoben, Eustath. Od. IX, 325. Nach Choeroboskos , Bekk , Anecd.
p. 1217, war das der Fall bei den Ioniern in Casusformen mit langer
Endsilbe. Schol. II. VI, 422 wird nur der Accus. Plur. äyviäg mit
dieser Betonung angeführt nach Aristarch {Vgl. Herod. Lehrs, p. 240).
Da der Plural ayviat auch die Bedeutung Gegend, Stadt erhält,
so ist" es erklärlich, wenn er sich der Analogie Pluralischer Städtenamen
wie THazaia i, Avysicci , Gsotckxl u. a. anschloss {vgl. Lehrs, Arist.
p. 268); OQyvici. konnte wegen seines Begriffs eines Masses den Wör-
tern auf -iß, die eine Menge ausdrücken, in der Betonung leicht ähn-
lich gebildet werden; (irjxQVidc ist Femininum von (.irjTQViog und be-
hält somit den Accent seines Masculinum.
— 374 —
Das i verschmolz dann nach Ausfall des F oder 6 mit dem vorher-
gehenden Vokal zu einem Diphthongen, oder es lautete, wenn q
oder v vorherging, in die vorhergehende Silbe zurück oder es ward
nach einer Muta und mit derselben assibiliert. In allen drei Fällen
stand dann der Hochion auf der vorletzten Silbe nach Kürzung
der letzten und konnte nun noch eine Stelle weiter zurück-
weichen, wie in ßaaCleua, äl^d-etcc ,r'AQ7tvLa, doteiQcc,
{idxccLQci, avaööcc geschehen ist, oder er blieb auf der vorletzten
durch Vokalverschmelzung lang gewordenen Silbe , ward dann
aber wegen der Kürze der letzten gebrochen, wie dies in ra%8ia,
ylvnela, slu%£ia für ra%sFccc, ylvxeF lcc, ihcc%£-
Ficc. {Vgl. Ebel, Zeitschr. f. vergl. Sprach f. IV, 152. Benfey,
a. 0. VII, 123. Meyer, a. 0. VII, 205.) in {istiavlcc, inye-
yavla u. a. für [i£[iav6 ta, ixyeyavOia der Fall war.
Etwas anders verhält es sich mit der Verschiebung des Hoch-
tones in den Bildungen der Feminina auf-r(na, die von Maschi-
nen auf -rrjQ gebildet sind wie:
ictTQLtt, eVVYlTQLCC,
TtXvVXQia, (pCCQUCCXSVTQLCC,
KQaxtQ lcc, ßaXavLör qlu u. a.
Im Sanskrit werden von Masculinen auf -tär, denen die Grie-
chischen auf -rr]Q, -rag, die Lateinischen auf -to r entsprechen,
Feminina gebildet durch Anfügung eines I, das den Hochton auf
sich zog und den Ausfall des Vokales der vorhergehenden Silbe be-
wirkte wie in da tri von da tär (Bopp, Vergl. Are. p. I 27). Im
Lateinischen zeigt sich an dieses i ein c herangetreten, im Griechi-
schen ein d, so dass auch in diesen beiden Sprachen zugleich der
Ausfall des Vokales der männlichen Suffixe -ttjq, -tcoq statt fand.
So entstand also Lat. victr-l-c- aus victor, (i riech, ztlvv-
tQi-d- aus TikvvzriQ. [Vgl.EbeU Zeitschr. f. vergl. Sprachf. I,
291). Im Griechischen erscheinen aber solche auf -tql gebildeten
Femininstämme ausser durch d auch noch weiter gebildet durch an-
gefügtes -vr\ wie in latQ/Dj nach der Analogie von Alr\xtvr^,
'Slxeavi'vT], fjQcoi'vy] (Herodian. Lehrt, p. 359), und endlich
auch durch Anfügung eines a in ic'ctqicc, tydXTQia u. a.
In diesen Bildungen trat nun der Hochton zurück, ehe die
letzte Silbe die Kraft hatte durch ihre Länge den Hochton auf der
vorletzten festzuhalten und dadurch wurde in der angegebe-
— 375 —
nen Weise das auslautende a gekürzt. Auch in den femininen Bil-
dungen auf -triQ, die durch kein Suffix weiter gebildet sind, tritt
der Hochton von der Suffixsilbe zurück in ft^'r^o, &vydxr]Q,
aivarrjQy Atj^itjxtjq (Herodian. L. p. 50.) und noch weiter in
den Casusformen ftvyccxeQ, ftvyar qcc, ftvyaxQ sg, ZtruLiq-
T£0, zJrj [irjtQog, ZlriyLr}tQi, /l i\\iiqx q a.
Ist die Auffassung von der Betonung der hier besprochenen
Feminina richtig, dann gilt dasselbe auch von zahlreichen anderen
weiblichen Stämmen der A-Declination, die den Hochion auf der
drittletzten Silbe tragen und auf a purum auslauten«wie noxvia,
IIoÄv{ivLa, 'idiivia, Ad^iia (Herod. L. p. 354), aQOVQa,
"AgyovQu, KoXovqa, Kvvoöovqcc (a. 0. p. 39), ölö-
xovgcc, XJ,7tovQa (a. 0. p. 328), aynvQa, oXvQa, yoQ-
yvqa, Ksqkvqcc, neben xoXXvqcc, TtoQcpv qcc, EcpvQa,
ZsyvQcc (a. 0. p. 54. 351) u. a. (VergL Göttl. Acc. p. 137 /'.)
Der Hoch ton konnte in diesen Wörtern eben so füglich trotz der
Länge der letzten Silbe auf die drittletzte zurückweichen,
wie in aöxeag, AxQoveag, övö SQcog, xaXoyrjQcog ,
dv&Qwiioi, Xdyovxac, geschah das, so ward durch diese
Stellung desselben das auslautende a der Feminina gekürzt,
als das gewöhnliche Griechische Betonungsgesetz sich Bahn brach.
Wenn also so viel fest steht, dass der Hochton in Griechischen
Wortformen auch bei Ton länge der letzten Silbe auf der
drittletzten Silbe stehen konnte, und dass er sogar bis auf
die fünfte Tonweile vom Wortende zurücktreten konnte, so
fragt sich nun, ob sich auch Spuren finden, dass er in alten Zeiten
nicht unbedingtan eine der drei letzten S i 1 b e n g e b u n -
den war.
Zu.dieser Uebcrzeugung führt die Betrachtung einer Anzahl von
Verbal formen, welche zum grossen Theil schon der Homeri-
schen Sprache angehören, in denen durch Ausfall eines Voka-
les die drittletzte Silbe geschwunden ist. So schwanden
einmal S t a m m v o k a 1 e in folgenden Wortformen :
a
ßeßliqxui, II. Vgl. e ß cc X o v ,
eßXiqxo, H.
6v{iß Xtjxo , H.
G v [ißXrjvxo , IL
ßeßXrjxcc,
7(5
7]{ißQ0T£g, ff. Vgl. rjiiccQtsg,
£{ißQttTai, Bor. Ahr. slyLUQtai
D. Dial. p. 349. 285.
ded{ir)TO, ff. idd^i^v,
d£Ö[ir]xa,
xsxhrjVTcu, ff. xalsa,
%SK{ir]xcc, £%a\iov ,
tsxva&i, ff. e&avov,
a%£X£&v%<5 av } ff.
T6&V7J7CCC,
0
SÖTQCJÖCC,
£(5t Q COXCU,
liefißAaze, ff.
v
7Jkd-0[l£V, ff.
8Ä&0 l[ll, ff.
£
{i£{ivr]ncci,, ff.
[letivrjOaL, ff.
fiifivrjaL, ff.
tl£{lV7]TCCl, ff.
{1£{IV7]X0, ff.
(i£[iva6o , J)or.
p. 349.
H£{lßA£TCCt ', //.
ll£LlßÄ£TO,
£tll[lV£V, ff.
£}>Q £0, ff.
£yQ£XO, ff.
£}>Q0 1T0, II.
£yQ £0d-ttl, ff.
Mr.
£0toq oxai
£4aoAoi',
rj kv&ov y
[isvog,
Aeol. Ahr. A. Dial.
p. 148.
yL£k£Li
[l£VCO ,
iyeQtsog.
— 377 —
KBXQCipCU , Vgl. XSQaVVV[ll,
xCyxQa^ii^ Dor. Ahr.
p. 346.
£X£xIexo , ff. xelerui,
xaxÄsto, ff.
STtAeo, ff. tisAsl,
s 7t lato, ff.
£7tXfjVX0 , ff. TCSlcC^Ci),
TiETtlruicu, ff.
7ie7tka{iai, Dor. Ahr.
p. 351.
yiyv£xaiy y£V£Xo,
yiyvovxai,
iyCyvaxo,
£7tecpv€, ff. cpovog ,
£X£X^l£V, ff. X£\lVGi,
X£X\IY\XU, TOfAOg,
X£ X\L7]\iai,
£7tL7lXOV, £7t£Ö0V,
TtETtXaVXCCL, ff. 7l£ XaVVV [It,
TtEitxaxo, ff. TtsxaOog,
£07t£X£, ff. £V£7l£, W. ÖE7t-, Vgl. Lüt. i 11
sece,
£V£Ö7tOV, ff.
EVlÖTtB, ff.
£viö7t£Q, ff er od. Lehrs,
p. 335.
EÖTtTjXCU, £%o\iaiy W. Ö£7t
£ö7toLXO, L. sequor,
£G%£XO, £%G), W- <>£%-,
£<3%QVXO,
L(5%£0, ff. 6l6£%-,
V7lC(J%EXUL, ff.
V7t£6%£0 , //.
V7t£6%£X0, ff.*)
*) Dass die Ausstossung des Wurzelvokales in diesen Griechischen
Verbalformen nicht etwa schon in den Zeiten vor der Sprach-
trennung entstanden ist, lehrt die Vergleichung des Sanskrit und
— 378 —
Dass in den vorstehenden Verbalformen , in denen die
stammhaften Vokale der weiland drittletzten Silbe «,
o, u, £ ausgefallen sind, der Hochton auf der vorletzten
Silbe stand, während die letzte kurz war, kann man nicht an-
nehmen, weil derselbe im Verbum stets so weit als möglich in
den Wortleib zurückgezogen wird. Dass die Vokale a , o , v , £
in den ursprünglichen Formen wie ßeßahrjtcu, [i£{ioAox£1
ylvfroiiev , £7t£l£to den Hochton hatten, das heissthoch
und stark tönten und trotzdem gänzlich schwach wurden
und verstummten, während alle schwach und tieftönenden Vo-
kale jener Wortformen unversehrt blieben, begreift niemand, der
sich mit eigenen Ohren überzeugen kann und will, dass hoher und
starker Ton vernehmbar bleibt, während tiefer und schwacher ver-
klingt. So wird man zu dem Schluss genöthigt, dass ßißaXr\xai
[i£ (io Xox £, rjAvd-oti£v, £7t£l£to u. a. die ursprüngliehen
Formen waren, dass der Horb ton auf der viert letzten Silbe
stand, dass diese Stellung des Hoehtones es gerade war, die
den Ausfall des Stammvokales veranlasste, als allmählich die
Griechische Sprache dem Iktonungsgcsctz sich zuneigte den Hoch-
ton nicht über die drittletzte Silbe rückwärts vom Wortende zu
dulden.
Dass in den augmenticrtcn oder reduplicierten wie in den
augmentierten und reduplicierten Verbalformen unter den oben zu-
sammengestellten der Hoch ton einst auch im (\ riechiseti e n
auf der Silbe der Rcduplication oder des Augments stand,
tritt durch Vergleichung des Sanskrit in ein noch helleres Lieht.
Lateinischen. Unter den wenigen Verbalwurzeln, die im &anskrit,
indem sie redupliciert wurden, den Wurzelvokal vor schweren Endungen
ausstiessen, stimmen nur g'an-, zeugen und han-, tödten [Bopp,
Gramm, Satiskr. § 412) hnRichtlich dieser Ausstosaung des Wursel-
vokales in gewissen Flexionsformen zu den Griechischen yzv- umlcpsv-
unter den oben angeführten, im Lateinischen nur die Wurzel gen-. So
stossen also zwar alle drei Sprachen den Wurzelvokal aus in Formen
der Wurzel gan- wie Sanskr. g'a g'n us, Griech. y£y 90Vt Lat. gigno;
aber die überwiegende Mehrzahl der obigen Griechischen Verbalformen
findet in den beiden verwandten Sprachen in den entsprechenden Yerbal-
wurzeln keine Analogie. Diese Yokalausstossung hat sich also erst auf
dem Boden der besonderen Griechischen Sprache entwickelt,
wenn sie auch schon im Zeitalter der Homerischen Sänger eine vollendete
Thatsache war.
— 379 —
Unter anderen schlagenden Ähnlichkeiten der Betonung des Sans-
krit und des Griechischen zeigt Bopp, wie heide Sprachen der
Neigung folgen, die Reduplicationssilbe der Verba hoch zu
betonen falls nicht besondere lautliche Einwirkungen den Hochton
von dieser Silbe fortziehen. So entsprechen sich genau :
dadämi, did&nt,
dadati, didovöt,
tistämi, Zötr^u,
t i s t'a t'a , Lötars ( Vergl. AccenL p. 62 — 64. 1 07.).
Im Sanskrit war die A ugnggn tsilbe im Imperfect und Aorist
bei allen Verbalklassen hochtonig {a. 0. p. 73), im Griechi-
schen nur in soweit es der Tonraum der drei letzten Silben
vor dein Wortton und die Tondauer der letzten gestatteten. Da-
her stimmen in Bildung und Betonung genau überein Formen wie:
a 1* u s , £(pv$,
ä d a m a , sdo^isv,
äst'äma, £<5xy\\jlev,
änaram, ecp£Qov,
ä lab* am, eXaßov,
ätarpam, stsqtcov,
ädiksam, edei^av (a. 0. p. 114 — 116. 5.73. Vergl.
Gramm, p. 631 .)
Wenn nun ein redupliciertes Augmentpräteritum im Sanskrit
abioaram betont wurde, so wird es um so einleuchtender, dass
es auch im Griechischen ursprünglich ebenso betonte Augment-
präterita gab, wie s^il^isvov, £7i£cp£vov , et £T£[iov, aus
denen durch Ausfall des Stammvokals die Formen e'[il{ivov,
E7t£(pvov, eT£T[iov entstanden, und dass auch in den andern
oben angeführten Wort formen der Hoch ton ursprünglich auf der
viertletzten Silbe stehen konnte.
Sogenannte synkopierte Verbalformen, in denen der Vokal der
drittletzten Silbe ausgefallen ist, haben keine beweisende Kraft
für die ursprüngliche Stelle des Hochtones. In den derartigen
Participialformen wie xataX£/y{i£vog, oQ^isvog, ak^Evog,
diyiisvog könnte der Hochton auf der vorletzten Silbe gestan-
den haben wie im Suffix -uevo vom Participium der passiven Per-
fecte und so der tieftonige Vokal der vorhergehenden Silbe aus-
gefallen sein; ebenso könnte der Bindevokal aus der vorletzten Silbe
weggefallen sein in Formen wie £ 1X^1 ov&uev, avaytisv,
— 380 —
eoLypsv, dsdoiypsv [Her od. Lehr s. p. 80), s'Xsxto, edexto,
während der Hochton auf der drittletzten Silbe stand. Aber man
vergleiche folgende zusammengesetzte Verbalformen , in denen der
auslautende Vokal der Präposition bei Homer oder im
Aeolischen oder Dorischen Dialekt ausgefallen ist.
a^ßare, Dor. Ahr. p. 355 /. für ävccßccre,
ccpötcc&l, D. a. 0. avaörrj&L,
ccttccöi,, D. a. 0.
avxeivov, D. a. 0. avatEivov,
xut&uv £ , D. a. 0. Aeol. Ahr. Ttatafrava,
p. 150. Hom.
xcct&£To, H. xccTa&st o ,
XCCXTCiV£, H. XCiTCCXTaV £,
xaßßaAs, H. Aeol. a. 0. naraßaks,
xußccöi, D. a. 0. p. 69. 356. xaraßrjd-i,
XU7l7t£6 £V, IL X<XtCC7t£6£Vy
xccTterov, D. a. 0. xaxan £0 ov,
XuXXl71£, H. XCCTUkL7t£,
7iaQ(paiv£, D. a. 0. 7taQcccpaiV£,
Hält man auch hier fest, dass nach der allgemeinen Betonungs-
weise der Verba der Hochton nicht auf der vorletzten Silbe
stand, und dass der Vokal der drittletzten Silin1, wenn er ho r h-
tonig gewesen wäre, nicht halte schwinden Können, so nuiss
man auch hierzu dem Schluss gelangen, dass ävccßart, xäxa-
d,av£, xccxuIlti £, 7tccQa(pcuv£ die ursprüngliche Detonungs-
weise dieser Wörter war, dass der 11 och ton einmal auf der viert -
letzten Silbe stand und dass diese Stellung den Ausfall de*
auslautenden Vokals der Präposition veranlasste, als das gewöhnliche
Griechische Betonungsgesetz zum Durchbruch kam.
Wer die Thatsache anerkennt, dass Sanskrit, Deutseh, Latei-
nisch und Griechisch einmal einem gemeinsamen Sprachboden ent-
sprossen sind, der kann nicht in Abrede stellen, dass die eigen-
thiim liehe Beschränkung des Hochtones durch die Ton-
dauer einer Silbe wie durch die Zahl der drei letzten Sil-
ben im Griechischen und Lateinischen sieb eist mit der
Zeit entwickelt haben kann, da dieselbe dem Sanskrit und
Deutschen fremd ist. Wenn sich nun in Lautlehre, Wort-
biegungs- und Wortbildungslehre jeder einzelner dieser Sprachen
grade in den sogenannten Unregelmässigkeiten vielfach
— 381 —
die Reste des von der Aeltermu tterspr ache seit unvordenk-
licher Zeit überkommenen sprachlichen Erbt heiles zeigen,
so kann es nicht befremdlich erscheinen, wenn auch in der Form
Lateinischer und Griechischer Wörter noch S p u r e n e i -
nes solchen Erbstücks einer älteren Betonungsweise
hervortreten , die dem H o c h t o n noch f r e i e r e n S p i e 1 r a u m
Hess als die gew oh n liehe allmählich zur Geltung ge-
langte Betonungsregel. Wer das Vorhandensein solcher
Spuren und Reste bloss aus dein Grunde in Abrede stellt, weil
Alexandrinische und Römische Grammatiker sie nicht aufgefunden
haben, der kann aus demselben Grunde alle Bestrebungen und Er-
gebnisse der neueren Sprachforschung als Hirngespinnste über Seile
werfen. Das Zeitalter bestimmen zu wollen, in welchem das
gewöhnliche Griechische und das gewöhnliche Lateini-
sche Betonungsgesetz zum Durchbruch und zur allgemeinen
Geltung gelangt sei, dazu bieten diese Untersuchungen kaum einen
Anhalt. Die oben angeführten Homerischen Verbalformen, in
(1 enen der S l a m m vokal oder der auslautende Vokal der
Präposition geschwunden ist, sprechen dafür, dass schon in
dem Zeitalter, aus dein die grossen Heldenlieder der Grie-
chen stammen, das von den Grammatikern überlieferte Be-
ton ungsgesetz sich Bahn gebrochen hatte. Aus synko-
pierten Wortformen der zwölf Tafeln und ähnlicher alter
Urkunden ist oben geschlossen worden, dass längst vor Pia Utas
das gewöhnliche Lateinische Betonungsgesetz allmählich zur
Geltung gekommen war.
E. Verhältniss der Lateinis chen Beto-
nungsweise zur Betonung verwandter
Sprachen.
Die Bedeutung und Eigenthümlichkeit des Lateinischen Be-
tonungsgesetzes tritt klarer und einleuchtender hervor, wenn man
dasselbe vergleicht mit der Betonungsweise anderer Indo-
germanischer Sprachen, namentlich des Sanskrit, Griechi-
schen und Deutschen; deshalb scheint es zweckmässig, dies
hier in aller Kürze zu thun.
— 382 —
Im Sanskrit schwebt der Hochton frei von den Fesseln der
Tondauer über dem Wortkörper; er kann jede Silbe desselben
hervorheben; selbst wenn er auf der sechsten oder siebenten
Silbe vom Wort ende steht klingt er noch hoch und stark genug,
um das WTort zu einer Einheit zu binden und zu beherrschen, unter-
stützt von gewissen Mitteltönen, welche einzelne Silben vor den
tieftonigen hervorheben. {Bopp , Vergl. Acceni. p. 12 f. Yergl.
Gramm. 2. Ausg. p. 183 /*.)
Im Griechischen ist der Hochton beschränkt durch die
Zahl und Tondauer der drei letzten Silben, indem er in der
Regel nicht über die vierte Zeitweile vom Schlüsse des Wortes
zurückstehen kann, beschränkt durch die Ton länge der letzten
Silbe, deren Wucht ihn an sich zieht und an die vorletzte Silbe
oder an sich selber fesselt. Aber in der Betonung der End-
silben, welche der Wortbildung und Wortbiegung dienen, steht
die Griechische Sprache dem Sanskrit sehr nahe, wie dies von
Mopp schlagend nachgewiesen ist. I>ass auch die Griechische Be-
tonung einstmals freierund der Ilochton nicht von je her
durch die Grenze der d r e i 1 e Lzten Silben und durch die Q u a n -
tilät der letzten Silbe beschränk! war, davon ist im vorigen Ab-
schnitt die Hede gewesen.
In der Deutschen Sprache mit ihrer ganzen Sprachsippe
tritt der Hochton unberührt von irgend einem Einfluss der Ton-
dauer des ganzen Wortes oder einer Silbe mit wenigen Ausnahmen
auf den Wortanfang zurück, das heisst auf die Stammsilbe,
welche den Hauptbegriff des Wortes enthält, oder auf das Präfix,
das jenen Hauptbegriff enger bestimm I uml schärfer ausprägt. In
vielsilbigcn Wörtern, namentlich in Zusammensetzungen weiden
dann einzelne der auf die hochbetonte folgenden Silben durch den
Mittelton vor (Wn tieftonigen hervorgehoben; die Mas.se der Ab-
leitungs- und Be ug u n gssilben aber sind tie Honig.
Die Lateinische Sprache und die verwandten Itali-
schen Sprachen zeigen die Neigung, den Hochton vom Ende
des Wortes zurückzuziehen, darin, dass sie die Endsilbe
desselben tieftonig sprechen und ebenso die vorletzte, wenn
sie kurz ist, ausser bei Anfügung enklitischer Wörter. Darin zeigt
sich also eine Ach nl ich keil mit der deutschen Betonung, und
eine wesentliche Versch i e d e nfa ei i von der Griechisc hen Spra-
che, die wie das Sanskrit auch Endsilben bochbetonl vorklingen Hess.
— 383 —
Die Lateinische Sprache und ihre Italischen Schwestern bannten
aber ursprünglich den Hochton nicht innerhalb der Gren-
zen der drei letzten Silben des Wortes, noch fesselten sie ihn
durch die Tondauer der vorletzten Silbe, sie bewahrten
darin noch eine Aehnlichkeit mit der Betonung des Alt griechi-
schen und des Sanskrit. Erst im Laufe der Zeit beschränk-
ten sie den Hochton auf die drei letzten Silben wie die Grie-
chische Sprache*); aber eine durchaus eigen th um liehe Ent-
wickclung der Betonungsweise war es, dass sie der Tondauer der
vorletzten Silbe die gebietende Macht über die Stellung
des Hochtones einräumten.
Diese Betonungsweise wie die Tieftonigkeit der End-
silben kann sich erst a u s gebild e t haben , nach de m die Strö-
mung der Indogermanischen Völkerwanderung Griechen und
Italikcr getrennt hatte, als auf der Halbinsel des Apennin sich
eine besondere Italische Sprachfamilie eigentümlich entwickelt und
von der Sprache der Stammgenossen auf der Balkanhalbinsel ge-
schieden hatte.
Mit der Griechischen Sprache hat die Lateinische das
Gesetz der drei letzten Silben, mit der Deutschen die
Tieftonigkeit der Endsilben in der Betonung gemein; die
entscheidende Wichtigkeit der vorletzten Silbe für dieselbe
trennt sie von beiden. Hinsichtlich der Betonung nimmt also
die Laleinische Sprache mit ihren Italischen Schwestersprachen den
mittleren Platz im Familienkreise der Indogermanischen Spra-
chen ein zwischen dem Griechischen und Deutschen.
Die vergleichende Sprachforschung hat neuerdings die Frage
erörtert, welche Beton ungsweise unter den hier vorliegenden
die ursprüngliche gewesen sei. Fr. Bopp stellt in seinem ver-
gleichenden Accentsystem des Sanskrit und Griechischen die Lehre
auf, dass die Betonung der anfangenden Wortt heile die
würdigste und kraftvollste A ccen tu ation sei {a. 0. p. 16 /*.)
und findet in der Betonung der Endsilbe ein Sinken und
eine Entartung jener ursprünglichen und lebens-
vollsten Betonung. Dieser Ansicht steht eine andere schroff
*) G. Curtius Vermuthung, dass dieses Betonungsgesetz sich bil-
dete in der Zeit , als Griechen und Italiker zwar schon von den öst-
licheren Stammesgenossen, aber noch nicht von einander geschieden wa-
ren, (N. Jahrb. 71, 349) ist sehr ansprechend.
— 384 —
entgegen, die von Benfey und Ewald {ßenf. Sanskritgr. p. 10.
Ew. Gott. Gel. Änz. 1855. St. 19 /.) aufgestellt ist, dass nicht die
Stammsilben, sondern die Silben der Präfixe und Suffixe,
welche den allgemeinen Begriff der Wortwurzel enger bestimm-
ten und genauer ausprägten, auch durch den Hochton her-
vorgehoben seien, dass also in den Indogermanischen Sprachen
wie in den Semitischen die Betonung d e r E n d s i 1 b e n , welche
in der Regel und viel häufiger der Wortbildung dienen als Präfixe,
die ursprüngliche war. In neuester Zeit haben G. Curtius
(N. Jahrb. LXXI, 6, p. 337 /'.) und nach ihm Weil und B enloew
in 'einer eingehenden Abhandlung (The'or. gener. de l'Accent.
Lat. Append. p. 349) gegen die B o p p sehe A n s i c h t von der
Ursprünglichkeit und Energie der Betonung des Wortanfangs so
triftige Gründe und so gewichtige sprachliche Thatsachen beigebracht,
dass man sich der Ueberzeugung von der Unnahbarkeit jener
geistvollen Leine nicht erwehren kann. Aber diese Sprachforseher
verwerfen durch dieselben Gründe und mit demselben Erfolge
auch die der Boppschen entgegengesetzte Ansicht von der Ur-
sprünglichkeit der einförmigen Betonung der End-
silben {Gurt. a. 0. p. 34(>.).
Das Ergebnis« dieser neuesten Forschungen über die ur-
sprüngliche Betonung, in dem die genannten Gelehrten der Haupt-
sache nach übereinstimmen, isl im Wesentlichen folgendes.
Die Schwankungen des Hochtones im Sanskrit, die sich
keiner allgemeinen festen Regel fügen wollen, zeigen einen
alten Kampf zwischen den beiden Hauptbestandteilen des Wor-
tes, der Stammsilbe, welche den Hauptbegriff desselben
ausdrückt, und den angefügten Silben, welche den Begriff
verengen und scharfer ausprägen, ein Kampf um die vor-
wiegende Bedeutsa mkeit im Worte, durch welche die Ste 11 e
des Hoch Ion es bestimmt winl. Die Stammsilbe und das
bestimmende Präfix ziehen den Hochton rückwärts, die be-
stimmenden Suffixe vorwärts; je nachdem diese oder jene
dem Bewusstsein des Hedenden als bedeutsamer erschienen, fiel
der Hochton auf den Anfang oder d;is Ende des Wortes*).
*) Weit u. Benloeto a. 0. p. 364: Lea Sucttuitions de l'ftccent sanserit
trahissent la lutte anciennc eogag^e entre les torininaisons et
le eorps des raots, «. 0. p- 302: C1 est surtout la föne de l'ide'e
qui place et deplacc Taccent. Curtius, a. 0, p. ',\\1 : Das wortbildende
— 385 —
Je frischer und jugendlich regsamer das Empfmdungs- und An-
schauungsvermogen eines Volkes ist, desto befähigter ist es, die
sinnlichen E i n d r ü ck e auf dasselhe , welche die wahrgenom-
menen Dinge und ihre Eigenschaften hervorrufen, im Worte sinn-
lich genau zu gestalten und scharf auszuprägen durch An-
fügung von Lauthestand theilen an die Wortwurzel,
desto geneigter ist es auch durch den Hoch ton diejenigen Sil-
hen lebendig hervorzuhehen, welche die her vortreten dste ,
das Emplindungsvermögen am entschiedensten anregende Sc i te
der Sinn es Wahrnehmung bezeichnen; die durch das ganze
Wort dargestellt ist. Es ist das Zeichen einer ursprünglichen
Betonung, wenn eine Sprache angebunden durch irgend eine
Rücksicht auf Zahl und Tondauer der Silben, die für den
Sinn des Sprechenden bedeutsamste Silhe des Wortes durch
den Hochton hervorhebt, linier den Indogermanischen Sprachen
hesitzt diese Jugendfrische, Schnellkraft und Lebendigkeit der Be-
tonung im höchsten Grade die Sanskritsprache, indem sie ohne
Schrnnke den Hochton sowohl beliebig weit in den Wortleib zu-
rückziehen kann selbst bis auf die siebente Silbe vom Wollende,
als auch am häufigsten die den Wortsinn schärfer bestimmenden
und ausprägenden Endsilben durch den Hochton als die bedeut-
samste n h e r v o r hebt (vgl. Weil u. Beul. a. 0. p. 350. 354 /.)*)!
Diese letztere Fähigkeit hat auch die Griechische Sprache ge-
wahrt; auch in ihr zeigt sich noch der lebendige Kampf jener
beiden Tendenzen, die den Hochton wie zwei entgegengesetzte
Pole in mannigfachem Wechsel bald auf Präfix oder S ta m msilbe
zurückziehen, bald auf Suffix oder Endsilbe vorschieben. Aber
dieses Wriderspiel der Betonung ist schon eingeschränkt und
gebunden durch ein drittes Princip, durch feste rhythmische
Gesetze (Curt. a. 0. p. 347); der Hdchton erscheint schon durch
die Grenzen der drei letzten Wortsilben und durch die
Suffix konnte bei diesem Princip nicht minder als der Stamm
des Wortes vom Ton getroffen werden, sobald die Sprache dies mit be-
sonderer Entschiedenheit hervorzuheben beabsichtigte. Vgl.
a. 0. p. 345 f.
*) Vgl. a. 0. p. 359: II est donc certain, que le sanscrit est en-
core plus porte' que le grec ä relever par Faccent les Suffixes en
ge'ne'ral et la d eruiere syllabe en particulier. Der Beweis für die-
sen Satz ist von W. und B. schlagend geführt.
CORSSEN Tl. 25
— 386 —
Ton länge der letzten Silbe beschränkt, ein Zeichen min-
der lebendiger Betonung. Im Lateinischen und den
fialischen Sprachen, die ihr am nächsten stehen, beweist die
Tieft onigkeit der Endsilben neben der Abhängigkeit des
Hochtones von der Grenze der drei letzten Silben und der
Tondauer der vorletzten ein entschiedenes Erst a r r e n u nd
E r m a 1 1 e n jener Schnellkraft und Lebendigkeit der B e t o n u n g.
Die Deutsche Sprache, die den Hochton fast immer auf den
Wortanfang zurückzieht, die fast nur Präfixe ausser der
Stammsilbe als bedeutsam durch den Hochton hervorhebt, «nd
die Suffixe vernachlässigt, zeigt die einförmigste und u n -
belebteste Betonung unter den Indogermanischen Sprachen.
Die hier kurz zilsammengefasste Ansicht steht im vollsten Ein-
klang zur Geschichte des Vokalismus in den angeführten
Sprachen.
In demselben Verhältniss wie die Klang höhe des Iloch-
tones sinkt und die freie Bewegung desselben gehe mini ist,
siecht und verklingt auch der Vokal ismus der Sprachen.
Das Sanskrit zeigt neben der lebendigsten Betonung auch
den vollsten und gewichtigsten Vokalismus. Wenn die Grie-
chische Sprache den vollsten und schwersten Vokal cc in
hochbetonter Silbe vielfach zu o und t sinken Hess, so wird das er-
klärlich, weil der Ilochlo n im Griechischen schon nicht mehr
die Klang höhe und Schnellkraft wie im Sanskrit hatte, daher
auch nicht mehr im Stande war von jeder Silbe des Wortes aus
das Wort zu beherrschen, sondern durch die Ausdehnung des Wort-
leibes, durch die Tondauer bis zu einem gewissen Grade überwäl-
tigt winde. Im Lateinischen isl das Verschmelzen der
Diphthonge, die Kü rzung, E rle i cht er ung und Tilgung der
Vokale, die Folge seiner einförmigen und klangloseren Be-
tonung, welche die Endsilben nicht mehr emporhält,
welche den Hochton nicht mehr in der ursprünglichen Klanghöhe
und Stärke hervorhebt , sondern ihm nur noch eine durch die
Ton d a uer sehr eng be schrä n kt e M ona rr hie im Wolle übrig
lässi. Die Zerstörung des Vokalismus in den Beugungs-
u n d A b I e i t u ng s sil b e n der n e u h o c h d eu t s c h e n Sprache isl
die Frucht jener erstarrten und matten Betonungsweise ,
die sich begnüg! die Stammsilbe des Wortes oder eill beschranken-
des Präfix noch durch eine Hebung der Stimme anzudeuten , aber
— 387 --
die Silben des Wartende* als gleichgültige Nebendinge ver
nachlässig! und in die Tiefe sinken Jässt.
F. Betonung
der Spätlateinischen Volksspr a e h e.
Dem kritischen Grundsätze folgend, dass man vom Bekannte-
ren oder leichler Erkennbaren ausgehend das Unbekanntere oder
schwieriger Erkennbare suchen muss, hat diese Untersuchung von
dem gewöhnlichen Lateinischen Betonungsgesetz ausgehend
die ältere Betonungsweise der Lateinischen Sprache und dann ihr
Verhältniss zu der Betonung verwandter Sprachen verfolgt.
Von der Mitte ausgehend ist der Anfang gefunden, nun soll
auch noch das Ende der sprachgesehichllichen Entwickelung ge-
sucht werden, die Betonung der Spätlateinischen Volks-
sprache.
Die Grammatiker des vierten und fünften Jahrhunderts*
waren nicht mehr im Stande die Länge oder Kürze einer Silbe
anders zu erkennen als aus dem Gebrauche der Dich I er oder
aus dem Hoch ton des Wortes. So sagt Serviirs, 1802, P: Nam
quod pertinet ad na tu r am primae syllabae longane
sit an brevis, solis confirmamus exemplis. Media s
vero in Latino sermone accentu dinoseimus. Aus die-
sen Worten folgt, dass Servius und seine Zeitgenossen in ihrer
Sprache einen Unterschied zwischen langen tieftonigen und kurzen
tieftonigen Silben nicht mehr deutlich hurten und hören liessen,
sondern nur aus dem Hochton noch zum Theil die lange Silbe er-
kannten.
Aus den wunderlich gekünsteilen Lehren* über den Ton-
fall der Wörter am Schlüsse des Satzes, welche Dio -
med es, Claudius Sacerdos und mit diesem fast wörtlich
übereinstimmend Valerius Probus*) überliefern, geht hervor,
*) Der sehr im Argen liegende Text des Valerius Probus bei
Putsch ist in den folgenden Anführungen durchweg verbessert nach
dem handschriftlieh sicher gestellten Text des Claudius Sacerdos
bei Eichen fehl und Endlicher, Analecta Grammatiea p. 71 — 74.
25*
— 388 —
dass diesen Grammatikern und ihren Zeitgenossen die sogenannte
Positionslange der Silben, die sie aus den Versen der älteren
Dichter kannten , in der p r o s ais c h e n R ed e nicht m e h r h ö r -
bar hervortrat. Dies gilt sowohl von der durch zwei auf-
einanderfolgende Wörter gebildeten Positionslänge auslauten-
der Silben als von derselben Silbenlänge innerhalb eines
Wortes.
So werden auf m und s auslautende Schlusssilben von
Worlformen von den genannten Grammatikern auch vor konsonanti-
schem Anlaut des folgenden Wortes als kurz bezeichnet. Dies ge-
schieht in den Verbindungen:
i u s t ä m q u e r e 1 1 a m , Diom. p. 470. Keil.
c ii r i a m renovare, Claud. Sac. Ana!. Gram. Fielt. Krall, p. 72.
Val.Prob.p. 1491. P.
a c t o r e m p ut a b i t , liiom . a. 0.
cohaeredem detraxit, Claud. S. a.O. Val. Pr. a <>.
(lererem decanamus, Claial. & p. 73. Vnl.Pr. a.O.
1 i c i I ii m c o n s e r v a r e , ( laud. S. p. 71.
Judicium sustinebit, a. 0. p. 71. Val. Cr. />. 1 192.
iudiciorüm requirunt, Diom. p. 470. K.
bell um vid ebam , a. 0.
t empor is devitare, Claial. S. p. 7:!. Val. Pr. p. 1493.
c r i in i n ls'causa, Diom. p. 465. K.
ci vi ta tibüs copu 1 a t a , ( laud. Sac. //. 7 1 .
hospitibüs temperare, a 0. p. 72. Val. Vr. p. I 191.
Oben isi gezeigt worden, dass auslautendes in und s in der Rö-
mischen Volkssprache zu Plan ins Zeitalter so schwach lauteten,
dass sie in Verbindung mit consonantischem Anlaut des folgenden
Wortes nichl Positionslänge zu bilden vermochten, dass auch vor
solchem An'aui mal «'in, merum, er um, man um, senem,
ranemu.a. (Vfi. 11,105. 11,5;'). 1,109—113) bonus, domus,
fons u. a. (Vgl. II, 107 -109) bei den See ni sc hen D ich I e r n
gemessen wurden.
Mit ähnlicher Positionsvernachlässigung messen jene späteren
Grammatiker:
volueril vindicare, Claud. s. p. 73. Val. Pr.p. 1491.
Ebenso winden vor consonantischem Anlaul des folgenden Wor-
tes die auf i auslautenden Silben von Verbalformen als Kürzen ge-
389
messen , wie d e dtt , a g 1 1 , i a c 1 1 , e r 1 1 , <l a b 1 1 , f n 1 1 , v e n 1 1 ,
dedit bei Platt tus wie bei Terentius {Vgl. II, 102—104.).
Als Kürzen gelten bei den späteren Grammatikern für die Prosa
die auf -nt auslautenden Verbalformen:
c o n t c n d c b a n t , Claud. S. p. 73. Val. Pr. p. 1 492.
r e q ui r u n t , Diom. p. 470. K.
voluerünt , a. 0.
maluerünt , a. 0.
detulerünt, a.O.
compararünt, a. 0.
pertulertint , a. 0;
doch messen sie solche Verbalformen gelegentlich auch als Lungen
{Claud. S. p. 72. 73. Val. Pr. />. 1 191 f.). Jeijen Messungen ent-
V V
sprechen die oben behandelten Messungen haben t, sol ent, Stu-
dent ( Vgl. II, 1 04) bei T e r e n t i u s.
Ebenso werden von den genannten Grammatikern kurz ge-
' messen die enklitischen Formen esse und est in Verbindun-
gen wie :
esse di ci t u r , Diom. p. 469. K.
esse pro n o b i s , a. 0.
acta res est, a. 0;
doch wird daneben gelegentlich auch esse gemessen [Claud. S.
p.12. Val.Pr. p. 1491). Heber die Messung esse, est und an-
derer Formen desselben Verbum hei den allen Scenischen
Dichtern ist oben gehandelt worden {Vgl. II, 98/'.).
Ohne Berücksichtigung der Position messen die oben erwähn-
ten Grammatiker die Wortformen:
iniuria, Claud. S. p. 73. Val. Pr. p. 1492.
i m p e t u s , Diom. p. 469. K.
c o m p a r a r u n t , s. oben.
denen bei T e r e n t i u s die Messungen i n p i n g a m , i n c o in mo d i -
tates, ingenium {Vgl. II, p. 91.) entsprechen.
Zu der Messung:
d i g n i t a s , Diom. p. 470 . K.
ist ein Seitenstück die Ter en zische Messung ignaye {Vgl.
II, 91.).
— 390 —
Ebenso misst Diomedes und Claudius mit Vernachlässigung
der Position :
a r c b i p ir a t a , Diöm. p. 469. K.
pärrici darum, a. 0.
ärmatus, a. 0. p. 470.
barbarorum, a. 0.
pörrigi, a. 0. p. 469.
per tut er unt, a. 0. 470.
perditorum, a. 0.
conservare, Claud. S. p. 71.
Nach der handschriftlichen lleberlieferung finden sich in ähn-
licher Weise bei Plautus tabernacuio, gubernator, ärgen-
tuni gemessen {Vgl. II, 118. 119. Anm.).
Diese Uc berein Stimmungen in der Silbenmessung der
vorstehenden Wortformen zwischen den späteren Grammati-
kern und den alten Sceni sehen Dichtern ist sehr bemerkens-
werte Wie Plautus und seine Zeitgenosssen mit Vernach-
lässigung der Position jene Silben vielfach kurz niassen, weil sie
die Geltung voller Längen in der Volkssprache ihrer'
Zeit nicht hatten, so' haben jene Grammatiker der späteren
Kaiserzeit dieselbe Messung für die prosaische Rede ihrer Zeit ge-
lehrt, weil in der späteren Römischen Volkssprache jene
Silben ebenfalls nicht als volle Längen geholt und gesprochen
wurden. Hier ist also ein neuer Releg für die Thatsache , auf die
im Verlauf dieser Untersuchungen schon wiederholt hingewiesen ist.
dass die spätere Römische Volkssprache auf dem Wege
der Verderbniss des Vokalismus, den die alte Sprache
angetreten hatte, weiterging, bis ihre Wortformen die Gestaltung
erhielten, welche sie in den Romanischen Sprachen zeigen. Die
vorstehenden Messungen der Grammatiker geben zugleich einen Re-
leg für die Richtigkeit der oben gegebenen Erklärung der Positions
Vernachlässigung bei den Scenischen Dichtern.
Aber auch Über die Quantität der Vokale, denen nur ein
Gonsonant oder gar keiner folgt sind die Grammatiker der späteren
Kaiseizeil im Unklaren, da sie den Unterschied zwischen langen
und kurzen Vokalen nicht mehr deutlich Innen. Das /eigen Mes-
sungen wie:
con li I ert , Diotn. />. 170.
recedentis, Claud. S. p. 7*2.
— . 39t —
a (1 d a t ür , Claud. S. p. 73; Val. Pr. p. 1 492. neben v i d e a t ü r,
devinxlt, Claud. S. p. 72. Val. Pr. p. 1491. a. 0.
co g novit, Claud. S. p. 73. Val. Pr. a. 0.
d e 1 e g 1 1 , Clauä. S. a. 0.
d e t r a x 1 1 , Claud. S. p. 72.
s u s ti n e bi t , Claud. S. p. 73 *).
In liei'tonigen Silben hatte sieh also der Unterschied
zwischen k urze n und langen Vokalen v e r d u n k e 1 t. Dass die-
selben Grammatiker die ho ebbe tonte kurze Silbe gelegentlich
als lang auffassten zeigen Messungen wie:
hospltibus temperare, Claud. S. p. 72. Val. Pr. p. 1491.
p e r s p I c e r e p o s s i t , Claud. S. p. 71.
Dieselbe Verdunkelung und Abstumpfung des sprachlichen
ßewusstseins vom Unterschiede hinger und kurzer Vokale zeigt sich
auch in den Schreibweisen von Inschriften der späteren
Kaiserz eit.
So findet sich kurzes e durch \K ausgedrückt in folgenden
Schreibweisen :
aego, I.N. 680.
praetio, a. 0. 2091.
Aep ictclus, a. 0. 2763.
Aepigonus, a. 0. 2966.
aeorum , a. 0.
macae, a. 0. 3056.
Saevero, a. 0. 4878.
Traeboniano, a. 0. 5772.
b a e a ( i s si m o r u m , Or. Heuz. 5581.
pi aeta tis, a.O. 5593.
Aetruriae, a. 0. 6183.
paeraegrinus, a. 0. 7419.
praeeibus, a. 0. 6921.
s a e p u 1 e h r i s , Boiss. I. Lyon. \ Vll, 4 3 .
braevis, a.O. XVII, 66.
*) Wenn auch das i vor t in diesen Verbaiformen ursprünglich
lang war, so galt es doch schon in der Augusteischen Zeit für gewöhn-
lich als kurz; man darf also nicht annehmen, dass Grammatiker des
vierten und fünften Jahrhunderts noch eine Kunde von der ursprüngli-
chen Läriffe desselben hatten.
— 392 —
iniquitatae, Or. Henz. 6086.
exaerae, L N. 6825.
in pacae, a. 0. 7156. 7191.
h c n a e merenti, a. 0. 3372.
quoqiiae, a. 0. 6826.
posterisquae, a. 0. 2966. 7140.
lihertabusq uae, a. 0. 2966.
popuhisquae, a. 0. 109.
sinae, Bois. I. lyon.XV, 107.
v e n i t a e , /. Constant Weil u. Benl. Acc. Lal. p. 271.
aet, Roma, subterran. Aringhi, 1, p. 339.
praesb(yteri), a. 0. p. 75.
Oben ist nachgewiesen worden , dass seit dem dritten Jahr
hundert nach Christus sicher die Schreibweise A E nur noch ein
langes e bezeichnete, in diesen spateren Inschriften sieht es
an der Stelle eines kurzen E - L a u t e s , weil der lange E - L a u 1
in t i e f to n i g e n Silben nicht mehr von dem kurzen ve r s ch i e -
d e n klang.
Hätlen die langen Vokale im Lateinischen ihre besonderen
Schriftzeichen, so wurden wir, wie AE an der Stelle eines kur-
zen e, auch noch andere Schriftzeichen langer Vokale auf In-
schriften der späteren Kaiser/eil zum Ausdruck kurzer Vokale ver-
wandt sehen. Dafür findet sieb denn auch der Apex, das Zei-
chen der Länge auf Inschriften der Kaiserzeil, je später,
desto öfter irrthümlich über kurzen Vokalen geschrieben.
So steht er auf kurzem a in:
Välerius, Marin. ML fr. .irr.p.lW. Or. 2213. L N. 7119.
Väleria, a. 0. p. 711. /. N. 7119.
pärentes, Marin, (f. 0. p. 711. /. N. a. 0.
Säbina, Marin, a. 0. p. 712. Fabreit 235. (519.
äd, Or. 2533.
adle et 6, a. 0.
ad min i stravi t , a. 0.
Caesar, Or. 1494. [p. Ch. 85.) vgl Marin, a. 0. />. 710.
Vi I iünib(us), Or. a. 0.
Sabinä, Fahrrll. />. 235, (i!9.
Valeri ä, s. oben.
passä, Marin, fnscr. Alban. />. 136.
— 393 —
Märrä, Marin. Alt. Arv. p. 711. 1. N. 7119.
Cyrillä, a. 0. p. 712.
Secundillä, Or. 2213.
Auf kurzem e in :
et, Or. 2213.
Secundillä, s. oben.
Panerotis, Marin. Alt. p. 631.
Speculäris, Fabreit. p. 171 , 33.
sacerdotibus, a. 0.
dedit, a. 0.
Terentia, Fabreit. p. 235, 619.
iuventütis, Or. 2213.
libertis, /. N. 2756.
faber, Marin. Alt. Arv. p. 712.
p o s t e r i s q u e , Marin. Inscr. Alb. p. 2()8 .
Auf kurzem i in:
dies, Marin. AU. Arv. p. 713.
fläminis, Or. 2213.
i n v i c ( t o ) , Jahn, specim. Epigraph, p. 1 05.
i ncolu(mitate), a. 0.
imp(eratore), Or. 1494.
Auf k urzem o in:
ob, Grut. 99 , 1.
völ(untate), Marin. All. Arv. p. 710.
mödestia, Or. 2533.
Dömitiano, Or. 1494.
söcer, a. 0. 2213.
l'uteölis, I.N. 2532.
Pömpönio, a. 0. 6779.
quöque, Or. 2533.
Auf kurzem u in:
tüa, Marin. Inscr. Alb. p. 139.
tuos, a. 0. p. 138.
cÖntübernälis, Fabrell. p. 171, 33.
i ü v e n i s , Jahn. Specim. Epigr. p. 131.
fi litis, Marin. Alt. Arv. p. 712.
Telephus, Marin. All. Arv. p. 713.
Venerius, /. N. 2335.
— 394 —
m e n s i b 11 s , Fäbreil. p. 235, 6 1 9.
pu blicjim, a. 0.
a n n u in , Gort. Inscr. Etr. I, 438, 51.
Das Zeichen des langen Vokals steht also hier über den
kurzen Vokalen a, e, i, o, u, auf Stammsilben, Ableitungssilben
und Beugungssilben, in hochbetonter wie in tiefbetonter Silbe.
Auch in der ersten Zeit der Kaiser ist gelegentlich einmal der
Apex unrichtig gesetzt durch Irrthum der Steinmetzen, aber dieser
Fehler kommt auf späteren Inschriften so überaus häutig vor,
dass es so wenig Zufall sein kann, wie die erst auf den spätesten
Inschriften erscheinende S ehr eibweise AE zur Bezeichnung eines
kurzen E-Lautes.
Es beweist vielmehr, dass die Unterscheidung zwischen
langen und kurzen tieft onigen Silben sieh in der Sprache
immermehr verdunkelte und endlich ganz geschwunden ist,
sodass man lange und kurze Silben, wie es Servius sagt im vierten
und fünften Jahrhundert nur mittelst des Hochtones wenigstens in
der Aussprache drei- und mehrsilbiger Wörter noch heraus kennen
konnte, dass man nicht mehr lange und kurze, sondern nur
noch ho ebbe tonte und tiefton ige Silben unterschied.
Daher ist es denn erklärlich, wenn in volk s I hünil ic h e n
Dichtungen der Kaiserzeit oder in solchen, die wenigstens ihrem
Inhalt und Zweck nach dem Volksleben nahe stehen, tieftonige
Silben, die noch nach dem Kanon der Augusteischen Zeit als lang
gelten als Kürzen, hingegen hochbetonte knrze Silbendie
Geltung von Längen erhallen. Spuren davon finden sieb nament-
lich in volksthü lnlichen Spottversen schon seil dem ei-
sten Jahrhundert nach Christus, und werden dann immer häufiger,
bis in den Grabversen der spätesten Kaiserzeil die Quantität
der Silben in gänzlicher Verwirrung und Zerrüttung er-
scheint.
In dem Hexameter einer Pompeianischen Inschrift, also späte-
stens aus der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts nach Christus
bildet sich die Messung :
potest, Or. ffenz. 1'2\)1:
Si polest illa mihi leneruin (p)ertundere pectus
grade so wie dieselbe oben bei Plautus nachgewiesen ist (Vgl.
II, 100.).
— 395 —
Bei Dichtern aus dem <1 ritten Jahrhundert der Kaiserzeit er-
scheinen wie bei den alten S c e ni s eben Dichtern i a m h i s c h e
Verbalformen p y r r h i c h i s c h gemessen ; so :
vi des, Lamprid. Alex. Sev. 38.
p u t ä s , a. 0.
in den Ilendekasyllahen auf Alexander Sevcrus :
Pulchrum quod vides esse nostrum regem.
Pulchrum quod put äs esse vestrum regem,
Si verum putäs esse, non irascor.
Spartianus misst in der Ucbertraguiig eines Griechischen
Epigramms aus dem Ende des dritte n oder A n f a n g des vierten
Jahrhunderts:
g e n t e s , Pesccnn. Nig. 1 2 :
Hunc reges, hunc gentes amant, hunc aurea Roma.
In einer christlichen Crabschrifl aus der letzten Zeit des
Römischen Reiches erscheint das a des Ablativs gekürzt in:
forma, Roma subierran. Aringhi, [, p. 250 {p. Ch. 472.):
Levitae coniunx Pelronia forma pudoris.
Andererseits finden sich seitdem dritten Jahrhundert nach
Christus hochtonige kurze Silben als Längen gemessen. So
in den Soldatenversen des Aurelia im s aus dem Ende des dritten
Jahrhunderts :
habet, Vojiisc. Aurel. 6.
hörno, a. 0.
Tantum vini nemo habet, quäntum fudit sanguinis.
'Unus homo mille, mille, mille decollävimus ,
Verse, von denen weiter unten noch die Hede sein wird.
Auf einer christlichen Grabschrift aus den letzten Jahren des
Römischen Reiches erscheint die Messung :
ädeo , Rom. subt. Aring. 1, /;. 250 (p. Ch. 474.):
Ad eo sie datus altaris fuit ille minister.
In Lyoner Inschriften des sechsten Jahrhunderts finden
sich ähnliche Messungen ; so :
vid es , Boiss. I. Lyon. XVII, 44, v. 14 (p. Ch. 551):
Quos vides meritis astra subisse poli.
pretio, a. 0. XVII, 4 (p. Ch. 553):
Officio, eultu, pretio cordc gradu.
— 396 —
Ebenso in einer späten Grabschrift:
rögant, a. 0. I, p. 92:
Quod ömnes rogant sed felices impetrant,
und in den Grabversen des Römischen Bischofs Bonifacius V aus
dem siebenten Jahrhundert :
Bonifäcii, Fleelwood, Syll. Tnscr. Mon. Christ, p. 371, 1 :
In commune bonus, Bonifa cius inde vocatus.
So erklärt es sich, wie christliche Dichter dazu kommen konn-
ten, daktylische Grabverse abzufassen, in denen das Bewusst-
sein von der Quantität der Silben arg getrübt erscheint. Als
Beispiele mögen folgende hier Platz finden, die dem Anfang des
fünften Jahrhunderts angehörten:
Quod dulcis nati, quod cara pignora praestant,
Continet hie tumulus, membra qui parva retentat.
Dolorem sine fine dedit F e 1 i c i t a s isto ,
Clauditur infelix falso cognomine dieta.
Nam cui prirna dies in lucem protulit annus,
Quattuor et male, cum quintum surneret ortum,
Abstulit atra dies et funere mersit acervo,
Haec mater et genitor conscribunt carmina buslo,
Quo legen ti simul redeat sub corde figura
Et sieato saepe madescant lumina Qetu.
Sic meditatur*) amor, nee curant carmina manes.
Flechvooä, Syttog. Inscr. Mo/n////. Chris/, p. 398, 1 (p. Ch. 103.)
Die Eltern, die ihrem Töchtercbeii diese Grabverse dichtete/),
drückten wohl ihren Schmerz um das verlorene Kind in denselben
warm und innig aus, aber die Länge und Kürze der Silben unter
schieden sie nicht mehr deutlich.
Aehnlich sind folgende Verse aus einer Grabschrift der Vigna
Arnendola {Jahn, speeim. epigraph. p. 134.):
Quam pie\ quam crebre venit sacra via Iota,
Flevit et immensa turba funusque secuta
Dixerunt ferale diem stationibus atris**).
*) Fleetw. : m edicatar.
**) Aehnliche Grabschriften finden sich bei Fleetwood, Syll. Tnscr.
Mon. Christ. />. 424,2. 425, J. 2. 117, 2. 166, I. 467, I. 169, 1. Vgl.
Kam. subierr. dring. II, /;. 54. -170, l. IST, 1. IS«), 1. 190, :<. 101, 2.
501, 2. 521, 2. 532,4.
— 397 —
Wenn in diesen Grabschriften sieh auch noch richtig gemes-
sene Verse finden, so geht die Entartung derselben noch weiter, so
dass die Tondauer der Silben gar nicht mehr beobachtet erscheint
und der so entartete Vers fast nur noch indem Tonfall des Ausgan-
ges, wo in den beiden letzten Füssen der Hochion mit der Vers-
hebung zusammenfällt, seine Herkunft vom Hexameter verräth. Diese
Afterbildung des Hexameters erscheint schon in einer Umbrischen
Grabschrift des vierten Jahrhunderts.
Cara pia coniux Yguia deditaque marito,
Funeris tu? causa tota nosmente dolcmus,
Aeternamque domum Comienus Amantfus parävi,
Nobisque . . .
Sanctique tili manes nobis petentibus ad sin t
Ut semper libenterque (p)salmos tibique dicämus
Fleetw. Sylt, inscr. Man. Christ, p. 506, 3 (/>. Ch. 373).
Von dieser Alt sind auch die Verse einer Trierer Grabschrift
der Abtei St. Maximin aus dem fünften oder sechsten Jahr-
hundert :
Hie requies data Hloderici m e m b r a s e p ü 1 c r u m ,
Qui capus in numero vicarii nomine sümsit.
Fuit in pupulo gratus et. in suo genere primus,
Cui uxor nobelis proamore tetolum fieri iüssit).
Steiner, Samml. u. Erkl. allchrisll. Inschr. im Rheingeb. 4, p. 3 *).
Gezahlt, nicht mehr gemessen sind die Silben des Verses, wäh-
rend jede hochtonige Silbe auch als lange gelten kann in folgender
christlichen Grabschrift :
Ouis mihi tribuat, ut fletus cessent immens i
Et luctus animae det locum vera dicenti;
Licet in lacriinis singultus verba erumpant,
De te certissime tuus d i s c i p u I u s 1 ö q u a r
Te generositas, minister Christi, p a r e n t u m ,
Te munda actio, Thomas , m o n s t r a b a t h o n e s t u m ,
Tecum virginitas ab in c u na b u 1 i s v i x i l
Tecumquc veritas ad vitae metam permänsit.
Roma Subterran. Aring. I, p. J 64. Mumtori, Antiq. Ital. medii aevi,
t. III, p. 681. Flettw. Sylt, inser. p. 498, 1. Vgl. Weil y. Beul.
Acc. Lal. p. 264 /*. 271 /.
*) Grabschriften solclier Art sind Fleetw. a. 0. p. 366, 5. 390, 1.
459, 1. v. 12 f. 476, 1. 510, 2. 515, 3. 527,2.
— 398 —
Dieselbe Entartung des trochäischen Tetrameters wei-
sen Weil und ßenloew nach (a. 0. p. 262) schon in einem Psalm
dos Augustinus aus dem Ende des vierten Jahrhunderts, wie
folgende Anfangsverse desselben zeigen:
'Abundantia peccatorum sölet fratris cönturbare,
Pröpter hoc dominus noster völuit nos präemonere
Cömparans regnüm caelorum reticulo misso in mare,
Cöngreganti multos pisces ömne genug hinc et inde,
Quos cum traxissent ad littus, tünc coeperunt separare,
Bonos in vasä miserunt, reliquos malos in mare.
Augustin. Oper. t.\\,p. 1—8. (p. Ch. 393.)
Im nächsten Abschnitte werden Nachbildungen des Tro c h ;'i i-
schen Septenars einer christlichen Grabschrii't mitgetheilt wer-
den, in denen Hoch ton und Vershebung immer z usa m men-
lallen, alle hoch ton igen Silben auch als lang gellen und somii
d;is accentuirend e Princip im Versbau rein zur Geltung gekom-
men ist, was in den Versen des Augustinus nicht unbedingt der Fall ist.
In ähnlicher Weise erscheint auch der lambi sehe Trime-
ter im Mittelalter durch das accentuirende Princip umgestaltet und
entstellt und ist so in die Französische und Italienische Dicktung über-
gegangen, wie Weil und Benloew nachweisen (a. 0. p. 267 — 271).
Aus der Verwischimg des Unterschiedes zwischen langen und
kurzen Silben in der Spailateinisclien Volkssprache und der so ent-
standenen Herrschaft des Hochtones im Versbau der volkstümlichen
Dichtung, die der Geist des Cluistenthunis zu neuem, Irischem Le-
ben erweckte, wird es nun auch erklärlich, dass auch gelehrte
K u nsl d i chter der spätesten Kaiser/eil, die doch sonst in ihren
Versen noch die Muster der Augusteischen Zeit nachbildeten wie
Ausonius, Sidonius A pol lina ris, Prudentiiis und andere
sich dem Einllnss der volkstümlichen Aussprache und Dichtung
nicht ganz entziehen konnten. Daher messen sie nicht blos die
lange und tieft onige vorletzte Silbe Griechischer Proparoxy
tona gelegentlich als Kurze, also zum Beispiel i d öl a , eremus,
malhösisu. a. sondern auch die vorletzte kurze und hoch-
tonige Silbe Griechischer Paroxvlona als Läng« in .Namen wie
Andreas, Sophia, E u rip i'd es u. a. und schon Priscian erklär!
das I loci il onige i in Urajila, S t e j»b a nl a, philo Sophia für lang
(Prise, p. L289. 1290. W4H u. BenL p. 258). Ein ähnliches /u-
geständniss an das accentuirende Prineip ist es, wenn jene Dich-
ter auch in den auf -i für-ii und -ie auslautenden Genetiven
— 399 —
und V o c a t i v e n von Eigennamen der vorletzten hoch beton-
ten Silbe die Geltung einer Länge gaben, also in Formen wie
Tiberi, Ililäri, Vcneri, Seduli, Anthemi, Dynämi u. a.
( Vgl. Langen, Acc. Lal. p. 22.).
Aus den vorliegenden Thatsachen ergiebt sich, dass in der La-
teinischen Volkssprache der beiden letzten Jahrhunderte Roms
das Bewusstsein von der Tondauer der Laute, insbesondere von
der Quantität der Vokale geschwunden war. Es ist dar-
gelban wie der Hochton im Worte in der Kürzung Erleichterung und
Zerstörung tieftoniger Vokale seine Macht über das Wort bethätigte,
wie aber die Einführung der Griechischen Verskunst in die Lateini-
sche Sprache die Tondauer der Vokale verdeutlichte und fixierte
und ihnen in der Sprache der Gebildeten und Gelebrteu Halt gab
gegen den zerstörenden Druck des Hochtones. Als aber die Römi-
sche gelehrte Dichtung sich dem Volksleben ganz abwandte und
das Ilorazischc: Odi profanum vulgus et arceo unter den Ge-
bildeten und Gelebrteu immer mehr zur Tbat wurde, ging die
Volkssprache unaufhaltsam auf ihrer früher betretenen Bahn
weiter, da trat auch die zerstörende Wirkung des Hochto-
nes auf benachbarte Silben unwiderstehlich in der Sprache des
Volkes wieder hervor, lieb ertönt von der hoch ton igen Silbe
fingen die tieftonigen Silben unter dem Druck des Hochtones an
im Munde des Redenden undeutlich und unklar zu klingen,
so dass die Grenzen ihrer Tondauer sich verwischten und
das Ohr des Hörenden zu unterscheiden verlernte, ob die lieftonige
Silbe von langer oder kurzer Tondauer sei. Der Hochton hat seine
Fesselung durch dieTo n da u er der vorletzten Silbe vergolten
durch die Vernichtung der Tonlänge aller anderen Silben
des Wortes ausser der einen, die ihn gebunden hielt, dieser seiner
Tonstätte und Basis aber überall die Geltung einer langen
Silbe verliehen, wo sie dieselbe noch nicht hatte. Nachdem er so
nach langem Kampfe über die Tondauer der Wortglieder gesiegt
und sich zum Alleinherrscher des Wortes emporgeschwungen
hatte, folgte auch die Vershebung in der Lateinischen Volks-
dichtung dem Gebieter des Wortes, dem Hochton, und so hat sich
in der volksthümlich-ch ristlichen Dichtung der letzten
Zeiten des Römischen Kaiserreiches das accen tu i rend e Princtp
der Verskunst ausgebildet, das von hier auf die Romanischen
S p r a c h e n übergegangen ist.
IV. Wortbetoiiuug und Versbau,
Durch die Untersuchung über die Lateinische Betonung ist die
Grundlage gewonnen, von der aus die letzte Frage Zti erörtern
ist, um die es sich in der vorliegenden Aufgabe handelt, das Verhäll-
niss der Lateinischen Betonung zum Lateinischen Versbau. Es
kann nicht in den gesteckten Grenzen derselben liegen hier ein
System der Lateinischen Metrik aufzustellen, es handelt
sich lediglich um die Beantwortung der Frage, in welchem Ver-
bal tniss die Wort bet onung zu dem Versbau oder, was der
Kernpunkt, der Sache ist, in welchem Verhältniss der Hochton
der Lateinische n W ö r t e r z u r V er sheb Uta g d e r Lateini-
schen Verse stand.
In der Griechisch cd Veffskunsl herrscht aussen Hess! ich
das Princip der Tondauer der Silben, in der Deutschen das
Prineip des Hoch ton es, es würde also zu untersuchen sein, ob die
Lateinische Verskunsl diesem oder jenem folgt, oder ob sie eine
vermittelnde Stellung zwischen beiden einnimmt.
Aber da es unmöglich jemanden einfallen kann zu behaup-
ten, dass in der Lateinischen Verskunsl der Hochton aus-
schliesslich herrschend gewesen, die Tondauer gar nie lil in
Betracht gekommen sei, so bleibt lediglich die Frage zu entscheiden
übrig, ob in derselben die Ton «lauer allein bestimmend gewesen
sei wie im Griechischen, oder ob neben der Tondaucr auch
der Hoch Ion der Winter von Bedeutung gewesen ist für die
Gestaltung des Altlatei ei sehen Ver ses.
Die Untersuchung über die Versmasse des Terentius fühlte
II. Bentley auf die Lehre, dass die Lateinischen Komiker es ver-
mieden bullen, so weil es ihnen möglich war, die Vershebung
auf die letzte tief tonige Silbe zu legen, das heisst sie in Wi-
derstreit zu bringen mit dem Hochton des Wortes (Schediasma de
Metris Tereniianis />. \\).). Inder drillen Dipodie i\i^ lambi-
schen Senars dürfe, so meint er, die Vershebung, abgesehen um
von einzelnen durch besondere Gründe gerecht fertigten Ausnahmen,
— 401 —
nicht auf die letzte tieftonige Wortsilbe fallen, sondern sie müsse
mit dem Hochton des Wortes zusammenfallen; in der ersten und
letzten Dipodie hingegen mussten sich die Dichter wohl oder übel
gegen ihren Willen dazu bequemen die Vershebung auch auf die
tieftonige Endsilbe des Wortes zu legen, weil sie ohne diese Frei-
heit die Verse Griechischer Komiker und Tragiker gar nicht hätten
nachahmen können (a. 0. p. 20. 21.). Der ßentleyschen Ansicht
folgt G. Hermann, wenn er sagt, die Scenischen Dichter der
Romer hätten es gemieden die Vershebung auf die letzte Wortsilbe
fallen zu lassen ausser in den ersten und letzten Versfüssen des Iam-
bischen Senars, obwohl sie sich hierin nicht überall conse-
q uen t geblieben seien. Insbesondere aber seien sie darauf bedacht
gewesen, dass in spondeischen Wortformen an den graden Vers-
stellen der Hochton des Wortes nicht mit der Vershebung in Wider-
streit geriethe (Eiern, doctrin. metric.p. 141.).
Gegen diese Ansichten so bedeutender Renner Lateinischer
Metrik trat zuerst Fr. Ritter mit einer Widerlegung hervor {Ele-
meniorum Grammaiicae Laiinae libri duo, Cap. VII, p. 63 — 77),
indem er darauf hinwies, dass der Hoch ton des WTortes etwas
wesentlich verschiedenes sei von der V e r s h e b u n g (a. 0.
p. 67 /*.), dass in Iambischen und Troch äischen Versen der
älteren Lateinischen Dichter der scharfe oder gebrochene Hoch ton
milder Vershebung deshalb bedeutend öfter zusammen-
stimme wie im Griechischen, weil derselbe in der Lateinischen
Sprache mehr wie in der Griechischen sich der langen Silbe des
Wortes zugeselle, und weil er sehr häufig auf die vorletzte
Silbe desselben falle (a. 0. p. 63 /*.), dass endlich das Zusammen-
fallen der Vershebung und des Hochtones im dritten und vier-
ten Versfuss des Iambischen Senars durch die gewöhnlichste
Cäsur desselben nach der Verssenkung des dritten Versfusses,
die Penthemimeres, noth wendig herbeigeführt, kei-
neswegs von den Dichtern absichtlich gesucht sei. Diese
Gegengründe Ritters gegen die Bentleysehe Ansicht, die jedenfalls
sehr gewichtig sind, haben von den Anhängern derselben keine
eingehende Widerlegung erfahren, was doch unumgänglich
nothwendig war, wenn jene Lehre als richtig und gesichert gel-
ten und Folgerungen für die Gestaltung des Textes der Sceni-
schen Dichter Roms zur Grundlage dienen sollte.
CORSSEN II. 26
— 402 —
In neuerer Zeit ist Bentleys Ansicht bestimmter gestaltet und
durchdachter gefasst worden von dem Forscher, der durch seine
kritische Wiederherstellung des Plautinischen Textes erst eine
sichere Grundlage für die Beurtheilung der älteren Lateinischen
Verskunst gelegt hat, durch F. Ritschi. Seine Lehre über das
Verhältniss der Lateinischen Wortbetonung zur Verskunst ist im
Wesentlichen folgende:
Der Lateinische Versbau beruht auf dem Princip der
Quantität; doch verbinden die älteren Scenischen Dichter
mit strenger Beobachtung desselben die Rücksicht auf den Wort-
accent, das heisst auf Uebereinstimmung der Vershebung mit
dem Hochton des Wortes (Proleg. Trin. Cap. XVII, p. 207) so weit
dies die Quantität des Wortes und die Eigenheit des Metrums ge-
statten. Es war die Tief tonig ;k eit der Lateinischen E ndsilben,
welche durch ihr ZusammentretTen mit dem Fall der Vershebung
in den Versmassen der dramatischen Dichtung den Dichter zwang,
an gewissen Stellen des Verses den Widerstreit zwischen Hoch-
Ion und Vershcbnng zuzulassen. Das Lateinische Wort hütete
auf eine tieftonige Silbe aus, die gewöhnlichsten Versmasse des See-
nischen Dialoges, der Trochäische Septenar and derlambische Senar,
schlössen beide mit einer Vershehung; sollte nun Vershebung und
Hochton immer Zusammenfallen, so hallen am Schlüsse jener Verse
nur einsilbige Wörter oder drei- und mehrsilbige mit vorletzter kur-
zer Silhe Platz linden können, die mehr als eine Vershebung trauen
konnten, wodurch eine unerträgliche Eintönigkeit der Verse ent-
standen wäre (a. O. p. 207. 2(IS).
Die Scenischen Dichter durchbrachen daher diese
Seh r a ii k e und gestatteten sich zunächst am Schlüsse d e s
Verses im letzten Versfusse den Widerstreit zwischen Hoch-
Ion und Vrrshebung, indem sie auch zweisilbige Wörter an
dieser Stelle brauchten, also die Vershebung auf die lieflonige
Silbe derselben legten. Diese Freiheit ward dann auch auf
den vorletzten, seil euer auf den drill letzten Versfuss
ausgedehnt und grill" unter gewissen Bedingungen auch im An-
fange des Verses vor der Cäsur Platz {<(. Ö. p. 2<>7. 2<lS. 2X2.).
Dieser Widerslreit zwischen llochton und Vershcbuiig, den
die älteren Dichter gegen ihren Willen zubissen muss-
len, erhielt durch den Gebrauch seine Berechtigung, so d;is>
spätere Dichier ihn sogar als eine Peinheil des Versbaues
— 403 —
mit Vor liehe suchten (a. 0. p. 238.). Daher heherrschte in der
Augusteischen Zeit ausschliesslich die Quantität den
Lateinischen Versbau ? und der Hochton hat seinen Einfluss
auf denselben völlig verloren (a. 0. p. 239. Rhein. Mvs. VII,
588.).
Es konnte nicht fehlen, dass die Ansicht des Mannes, der
durch seine kritischen Forschungen vorzüglich dazu befähigt war,
über die vorliegende Frage ein competentes Urtheil zu fällen, in
weiten Kreisen als maassgebend angeschen wurde ; ihr ist ins-
besondere auch Fleck eisen in der Behandlung des Plautinischen
Textes gefolgt (vgl. N. Jahrb. LH, 53.).
In neuester Zeit ist nun gegen diese durch Ritschi vollständi-
ger entwickelte und mit der Metrik der Augusteischen Zeit in Zu-
sammenhang gebrachte Ansicht Bentleys von Neuem ein entschie-
dener und gewichtiger Einspruch erhoben von dem Forscher, an
dessen Namen sich eine neue Epoche in der Auffassung der anti-
ken Metrik knüpft, von A. Böckh, indem derselbe unter Hervor-
hebung der nicht beachteten Gegengründe Bitters gegen jene
Annahme sich dahin aussprach, dass Hoch ton und Vers-
hebung in der Altrömischen Poesie wie im Griechischen Versbau
unabhängig neben e i n a n d e r hergehen, und wo eine Heber-
einstimmung dieser beiden Elemente statt finde, diese ein
Ergebniss des bary tonen I roch a i sieren den Sprach -
rhythmus in Verbindung mit den metrischen For-
m e n und Gesetzen sei ( Monatsber. d. Äkadem. d. Wis-
sensch. z.' Berlin. 1854. Mai, p. 270 /*.). Seitdem haben Weil
und Benloew in ihrer Theorie der Lateinischen Betonung die
Bentleysche Lehre einer eingehenden Prüfung unterworfen und sind
zu dem Ergebniss gelangt, dass die Rittersche Ansicht unbedingt
die richtige sei , dass in der älteren Scenischen Dichtung
wie in der späteren Kunst d ich tung der R ö m er a l le i n die
Tondauer den Lateinischen Versbau beherrschte und der Hoch-
ton niemals von Einfluss auf die Gestaltung desselben gewesen ist
( Theorie gener. de V Aceent. Lal. Chap. IV p. 66 — 1 04. p. 242—249.
p. 249 — 267), dass vielmehr erst, als sich das Bewusstsein von
der Tondauer der Silben aus der Sprache verlor, der II och -
ton allmählich Einfluss gewann auf den Versbau, und
nach dem II n t e r g a n g e der Lateinischen Q u a,n t i t ä t in der späte-
ren v o 1 k s m ä s s i g e n Dichtung die A 1 1 e i n h e r r s c h a f t errang.
26*
— 404 —
Eine wirklich eingehende Widerlegung der Gründe, auf welche
diese Auffassung sich stützt, ist hisher von den Gegnern derselben
nicht gegeben*).
*) Als eine solche können die Bemerkungen und Aufstellungen
Langens über den betreffenden Abschnitt des Werkes von Weil und
Benloew (N. Jahrb. 7Q, 51 f.) nicht gelten. Die Einwirkung der Cä-
sur nach der Vershebung in der Mitte von Iambischen und Trochäi-
schen Versen auf das Zusammenfallen von Hochton und Vershe-
bung giebt L. z u ; meint aber, sie sei von W. B. zu hoch angeschla-
gen, a. 0. p. 54, ein Zusatz von jedenfalls sehr relativer Bedeutung.
Wenn aber L. aus der Thatsache , dass bei den Lateinischen Dichtem
sich weniger Iambische Verse finden als bei den Griechischen, welche
weder nach der dritten noch nach der vierten Verssenkung eine
Cäsur haben, den Schluss ziehen will, es käme dies daher, weil jene
eben die Uebereinstimmung zwischen Hochton und Vershebung suchten,
so muss gleich hier von vorn herein darauf hingewiesen werden , dass
dieser Schluss mindestens unbrauchbar ist zur Entscheidung der
Hauptfrage, um die es sich hier handelt. Es liegt in der Natur der
Sache, dass jeder Nachahmer der Regel folgt, die er bei seinem
Vorbilde findet, die Ausnahme aber als etwas minder gutes zu meiden
geneigt ist. Regel war bei den Griechischen Dichtern die Cäsur
nach der dritten oder vierten Verssenkung des Iambischen
Trimeters, der Einschnitt nach der Verssenkung des vierten
Passes im Trochäischen Tetrameter, Ausnahme war das
Fehlen dieser Cäsuren. Daher folgten die betreffenden Römischen
Dichter unwillkührlieh jener Regel ihrer Vorbilder und mieden auch
unabsichtlich die Ausnahme. In demselben Sinne folgen die Dakty-
lischen Dichter der Augusteischen Zeit der Regel ihrer Griechischen
Muster im fünften Versfusse des Hexameters den Daktylus rein zu
erhalten, und die Pen themime res oder Heph themimer es eintreten
zu lassen, sie meiden die Ausnahme, den Spo'ndeus im fünften
Versfusse und die schwache Cäsur itoczcc tgitov tqoxoclov ohne Unter-
stützung einer männlichen Cäsur; aus demselben Grunde erlaubt sich
Horaz Abweichungen von der metrischen Regel nicht, welche
Griechische Lyriker, die er nachbildete, sich unbedenklich gestatteten.
Die Römischen Dichter folgen der strengen Regel, wo nicht die Na-
tur ihrer Sprache, namentlich der TeberHuss an langen und der
Mangel an kurzen Silben im Vergleich zur Griechischen sie besonders
im Trochäischen und Iambischen Vers zu Abweichungen zwingt.
Ebenso ahmten die Nachbildner des Ciceronischen Stvls dein
nach, was bei Cicero die Regel, der gewöhnliche Sprachgebrauch ist.
die Abweichung im einzelnen Fall, eine .*iussergowöhnliehe Freiheit. . die
er sich gelegentlich einmal nimmt, Hessen sie auf sich beruhen, wo sie
nicht mit .•insgesuehtcr Gelehrsamkeit prunken wollten. So ist es auf
— 405 —
Mit Benutzung dieser Forschungen ist also zu untersuchen,
welche von den beiden entgegengesetzten Ansichten die richtige ist.
Nach Ritschis Ansicht sind drei Perioden der Verskunst zu
unterscheiden. Ursprünglich beherrschte T o n d a u e r und Hoch-
ton im engsten Verein den Versbau, dann geriethen Accent
und Quantität in Widerstreit um die Herrschaft über den-
selben, endlich siegte das quantitative Princip. Ritschis
Ansicht geht von der Thatsache aus, dass im Versmasse des Plau-
tus und der Scenischen Dichter überhaupt in gewissen Fällen
Hochton und Vershebung zusammenfallen, und zwar ent-
schieden häufiger als in Griechischen Versen , und schliessf daraus,
dass dies die Regel und der Widerstreit zwischen Hochton
und Vershebung die durch Versnoth erzwungene Ausnahme sei;
Sind jene drei Entwickelungsstuf en des Lateinischen
Versbaues wirklich vorhanden gewesen , hat jene Regel wirklich
einmal bestanden, so muss dies daran erkennbar sein, dass die
Regel das Zusammenfallen des Hochtones mit der Vershebung,
in der älteren Scenischen Dichtung häufiger beobachtet ist,
dass hingegen die Ausnahme, der Widerstreit zwischen Vers-
allen geistigen Gebieten, dass das Originalgenie durch seine freie
Schöpf ungs kraft bestimmt wird, die Nachahmer der abstra-
hierten Regel nachgehen und dieselbe gelegentlich so eng zusammen-
schnüren, bis der Geist darin erstickt. Man denke nur an die Lehren
Griechischer und Römischer Rhetoren oder an das Skelett der Griechi-
schen Tragödie eines Seneca oder Corneille.
L's Gegenbemerkungen gegen W. B. , in denen sich im einzelnen
manche richtige Wahrnehmung metrischer Eigenheiten Römischer Dich-
ter finden, fallen nun aber für die Hauptfrage, um die es sich hier
handelt, auch deshalb nicht ins Gewicht, weil er den wichtig-
sten Punkt derselben, ob und in wiefern das eigen thümlic he
Beton ungsgesetz der Lateinischen Sprache in Verbindung mit den
metrischen Formen des Griechischen Schema das Zusammenfallen zwi-
schen Hochton und Vershebung von Einfluss gewesen sei, ein Punkt, der
doch von Ritter, Boeckh, Weil und B e n 1 o e w so entschieden her-
vorgehoben worden ist, ganz unbeachtet lässt. Somit hat Bentleys
Ansicht durch L' trotz des in der Zusammenzählung von Dichterstellen
bewiesenen Fleisses (a. 0. p. 54 f.) , doch keine neue Stütze ge-
wonnen. Das beste, was für dieselbe gesagt werden konnte, hat
Ritschi klar hervorgehoben, seiner Fassung jener Lehre muss sich
daher die nachfolgende Untersuchung vornehmlich und gewissenhaft zu-
wenden.
— 406 —
hebung und Hochton nach und nach um sich grill' und in den
Versen der spateren Kunstdichtung häufiger erscheint.
Es wird demnach zuerst zu untersuchen sein, ob dies in
der That der Fall ist. Ist das Ergebniss der Untersuchung
ein bejahendes, so liegt darin ein Beweis für jene drei Ent-
wickelungsstufen, fällt es verneinend aus, so folgt daraus, dass
auch die Annahme dieser Entwicklungsstufen nicht begründet
ist. Dann aber bleibt zweitens zu erörtern, ob die That-
sache, dass Hochton und Vershebung in den Versen
der Sceniscben Dichtung nicht selten zusammenfallen, wirk-
lich eine Regel, ein Gesetz für den Dichter bekundet, nach dem
sie eigentlich immer zusammenfallen mussten, das heisst, ob in
dem dichtenden Geiste ein bewusstes Streben vorhanden
war, den Hochton und die Vershebung möglichst in Einklang zu
bringen, oder ob ein anderer Grund vorhanden war, wes-
halb dieser Einklang beim besten Willen gar nie hl
vermieden werden konnte.
A. Zwiespalt zwischen Hochton und Vers-
lieb u n g.
Um die er sie Frage zu beantworten, ob wirklich der
Widerstreit zwischen Hochton und Vershebung bei
den Dichtern der Augusteischen Zeil häufiger ge-
wesen sei als bei den älteren Seen i sehen Dichtern,
wird hier nach einander untersucht werden, ob dies für den Jam-
bischen Senar, für den Trochäische n Sepien ar und für den
Hexameter Gültigkeit habe.
Um das Verhällniss derjenigen Stellen des Verses, in denen
Hochton und Vershebung im Einklang sind, zu denjenigen, wo
sie im Widerstreit zu einander stehen, herauszufinden, isl hier
eine statistische Methode angewandt, indem für jede der ge-
nannten Versarien aus den verschiedenen Dichtern je dreissig Verse
an mehreren Stellen herausgehoben sind. In diesen isl jedesmal
die Zahl der Versslellen, wo Vershebung und Hochton in Wider-
spruch zu einander sieben, abgezählt und zu der Zahl aller Vers-
stellen in Verhällniss gesetzt , indem jene durch einen Bruch, diese
— 407 —
durch Eins ausgedrückt wird. Zwischen den Bruchzahlen, welche
diese Berechnung an verschiedenen Stellen desselben Dichters er-
geben, ist dann die mittlere Pro portio na Izahl genommen,
und so annäherungsweise das gesuchte Verhältniss im All-
gemeinen für den Dichter bestimmt.
Im Iam bischen Senar, der hier zunächst zur Erörterung
kommt, ist der Einklang von Hochton und Vershebung an
allen Versstellen nichts seltenes. Man braucht nicht lange zu
suchen, um Verse zu finden wie die folgenden:
Amph. ProL 50 :
Nunc quam rem oratam huc veni, primum pröloquar,
Post argumentum huius eloquar tragoediae.
Quid cöntraxistis fröntem? quia tragoediam.
' a. 0. 54:
Eandem hänc si vollis faciam ego ex tragoedia
Comoedia ut sit Omnibus isdem versibus,
CapL 94:
Nam Aelölia haec est, illest captus in'Alide.
Mtl. 482:
Philopölemus huius Hegionis filius
Plus curat, quasi non servilutem serviat,
Certo illa quidem hie nunc intus est in aedibus.
Rud. 94:
Nunc huc ad Veneris tan um veniu viserei,
Ubi rem divinam se facturum dixerat
Pers. 110:
Memini , üt muraena et conger ne calefierent.
Nam nimio melius öppeclunlur frigida.
Sed quid cessamus proelium commiltere.
Wie wenig man indessen aus diesen und ahnlichen Versen
scbliessen kann, dass dieser Einklang von Vershebnng und llochlon
mit Absicht gesucht sei, zeigen Trimeter des Arisl ophanes,
wo ganz dasselbe stattfindet, wie folgende:
Av. 1 :
'OQ&rjv xslevscg fj to devÖQov cpatvexai.
Av. 17:
k ccnedoxo xov {uv SaQQalddov xovxovi,
Av. 21 :
rjliäg er cc£,£ig; ov yaQ £gV svxccv&k xig.
— 408 -
Lysistr. 408:
00 %QVÖO%6e XOV OQjlOV OV £7t86X£VCC6ag.
«.0.417:
xb dccxTvMdiov itii%u xb %vyov.
Ran. 2 :
icp' olg aal ysXcoGtv oC ^soo^lbvol.
a. 0. 30 :
OVK 0lö\ 6 d' (D[lOg OVXOtil 7lLB%£XCCL.
Dass auch Aristophanes seine Verse mit möglichster Berück-
sichtigung des Hochtones gehaut habe, ist von Niemand behauptet
worden.
Man vergleiche nun im Gegensatz zu diesen Versen Plauti-
nische wie folgende:
Amph. 33 :
Iustam rem et facilem esse öralam a vobis volo
Asin. 1 6 :
Sicül tu um vis unicum gnatüm tuae ,
Bacch. 240:
Salve! set ubinamst Muesilochus? vivit, valel.
Pseud. 790 :
Forum coquinum qui vocant stillte vocant.
Jn jedem dieser Verse erscheint viermal unter den sechs
Versstellender Widerstreit zwischen Hoch ton und Vershebung;
Verse, wo dies dreimal stattlindet, kann man auf jeder Seile des
Plaut us finden. Daraus ergiebt sich die Noth wendigkeit, eine mitt-
lere Verhältnisszahl zu linden, wie oft Vershebung und Hochton im
IMautinischen Senar in Widerstreit sind.
Im Trimeter des Arist ophancs findet dies durchschnitt-
lich im dritten Tb eile aller Vershebungen statt {vgl. Av. Lysistr.
399 — 428. Ran. 1 — 36 u. a.). Viel geringere Bruchzahlen ergiebt
die Zählung an folgenden Stellen des Plautus :
Amph. Prot. 3 1 —60 : J . Jhicch. 235 — 2(11 : £.
Capl. 69 — 98 :
Mit. 481-510:
Rad. 83 — 112:
Asin. 16 — 48:
1
1
h
Cure. 371 — 400: '
Pseud. 767 — 796: J.
Stich. 155 — 185: {!
W
Trin. 102 — 131 : J'
— 409
Daraus ergiebt sieh, tlass im Durchschniti im Senar des
Flau tu s nur an einem Fünftel der Versstellen die Vershebung
mit dem Hochton des Wortes in Widerstreit steht, so dass die
hochbetonte Silbe in der Verssenkung, eine tieftonige Silbe dessel-
ben Wortes in der Vershebung steht.
FiirTerenz ergiebt die Zählung der Versstellen, wo Vershebung
und Hochton nicht in Uebereinstimmung stehen an einer Anzahl von
Stellen folgende Bruchzahlen :
Ter. Andr. I, 1—30: ^ Adelph. III, 4, 1—30: $, -
3 3
Eun. Prol. 1 — 30: £L Hecyr. I, 2, 1 — 30: f,
Eun. I, 2, 1 — 30: £ Phorm. II, 3, 1 — 30: j
Eun. III, 1, 1—30: \ Heaut III, 1, 1—30:
Heaut. 1,1 — 30: \x Adelph. IV, 7, 1 —30 : \
Es ergiebt sich also, dass im Durchschnitt der lam bische
Senar des Terenzfast nur im sechsten Theile aller Stellen
des Verses den Widerspruch zwischen Hochtonung und Vers-
hebung zeigt, also eine grössere Uebereinstimmung zwischen beiden
statt findet als bei Plautus.
Dieselbe Zählung auf eine gleiche Anzahl von Iambischen Se-
naren des Phaedrus angewandt (I, 1, 1 — 15, 10. IV, 1, 1 — 4, 2.
V, 1, 1—2, 12. III, Prol. 1—60) ergiebt, dass bei diesem Dich-
ter durchschnittlich ein Fünftel bis ein Sechstel der Vers-
hebungen mit dem Hochton in Widerstreit stehen, also mehr
Uebereinstimmung beider Elemente als bei Plautus, weniger als bei
Terentius stattfindet.
Man vergleiche hiermit die beiden volkstümlichen Epi-
gramme auf den Ventidius Bassus und den Augustus:
Gell. XV, 4 :
Concürrite omnes aügures arüspices,
Portentum inusitätum conflatum est recens:
Nam mülos qui fricäbat consul fäctus est.
SueL Ort. 70 :
Postquäm bis classe victus naves perdidit,
Aliquändo ut vincat, lüdit assidue äleam.
In diesen Senaren findet sichiunter dreissig Versstellen
nur an vieren der Widerstreit zwischen Vershebnng und Hoch-
ton, das ist wenig mehr als der achte Theil der Vershebungen.
— 410 —
In einer Christlichen Grabschrift aus dem Ende des
fünften Jahrhunderts linden sich folgende lainbische Senare:
Laus ista, Felix, respicitte, presbyter,
Nee te Levita, 'Adeodate*), praeterit,
Quorum , fidelis atque pervigil labor
Decus ömne tectis [his] ut redderet, institit
Fleetwood, Syll. inscr. Monum. Christ, p. 400 (p. Ch. 474.)
In diesen Iamben ist unter v i e r u n d z w a n z i g V e r s h e b u n -
gen nur an zwei Stellen Widerspruch zwischen Hochton und
Vershebung, also nur im zwölften Theil aller Stellen.
Ist die vorstehende Berechnung richtig, dann "ergiebt sich,
dass der Einklang zwischen Hochton und Vershebung des lam-
bischen Senars nicht nur nicht abgenommen hat, sondern auch ganz
entschieden häutiger und grösser geworden ist.
Nicht im Einklang mit dieser Beobachtung steht der I am-
bische Senar der Tragödien, deren Verfasser Seneca genannt
wird.
Eine in derselben Weise wie die obigen angestellte Berechnung
führt nämlich zu dem Ergebniss, dass durchgehends in den Tri-
metern dieses Dichters im dritten Theil aller Versstellen die
Vershebung mit dem Ilochton im Widerstreit steht (vgl. Herc.
für. 1—30. Thyesl. 1—30. Phocn. 1—30. Oed. 1—30. Hipp. 80
—109. Tröad. 1—30. Agam. 1—30. Med. 1—30. Herr. (te/.
1—30. Öctav.35 — 04): also dasselbe Verhältniss, das sich für
Aristophartes [ambische Trimeter ergeben hat. Dies winde für
Bitschis Ansicht sprechen, wenn man die E ige nl hiiinl i ch ke il
des Versbaues bei Seneca aus den Augen lassen dürfte. Wäh-
lend nämlich hei IMautns etwas über ein Drittel der lambischen
Senare auf eine zweisilbige Wortform ausgeht, die also die
Vershebung auf der liel'lonigen Silbe trägt, [vgl. Amph. 1 — 150.
Capt. 1—150. Mit. 1 — 150. Irin. 1 IM». Ihieeh. 109—258) sind
es bei Seneca sechs Siebentel (vgl. Ilcre. für. 1—21. 2l)5 —
230. Tilgest. MW 22."). Pfioem. I- 150) ja ein Viertel bis ein
Drittel der Trimeter dieses Dichters gehen auf zwei zweisil-
bige Wörter mit der Vershebung auf der liellonigen Silbe aus.
Der Grund dieser Erscheinung ist darin zu linden, dass der gelehrte
*) Eine Lateinische lTebei\set/,nn<,'' des Griechischen Nunien^ I
dnrog.
— 411 —
Purist Seneca die Griechischen Tragiker nachahmte, bei
denen der zweisilbige Ausgang häufiger war als bei PI au-
tus und diese Eigenthümlichkeit übertrieb (Weil. B. Acc. L.
246). Um das Metrum im Versausgange möglichst rein und be-
stimmt hervorzuheben, vermied er die letzten Versfüsse durch ein
Wortende zu unterbrechen und brachte Wortfüsse und Vers-
füsse möglichst in Ueberein Stimmung. Das trug denn
nicht wenig dazu bei, den Trimetern jenes Rhetorikers im Vergleich
mit dem harmonischen Fall des Sophokleischen Trimeters oder der
mannigfachen schnell kräftigen Bewegung des Plautinischen Senars
jene einförmige und stocksteife Haltung zu geben, als wären sie
alle nach der Schablone verfertigt.
Abgesehen also von den Trimetern des Seneca, ist der Wider-
streit zwischen Vershebung und Hochton im Iambi-
schenSenar i m L a u f e d e r Z e i t nicht h ä u f i g er s o n d e r n
seltener geworden.
Ebenso soll nun die Entwickelung des Trochäischen Sep -
tenars verfolgt werden.
Bei Plautus sind Trochäische Septenare, in denen an allen
Stellen H o c h t o n und V e r s h e b u n g zusammenfällt, häur
tig, so :
Amph. 279 :
Neque ego hac nocte löngiorem nie vidisse censeo,
Nisi itidem linam, verberatus quam pependi perpetem.
'Eam quoque edepol etiam multo haec vicit longiludine.
Mtl. 163:
Dicat: disperistis ni usque ad mortem male mulcässitis.
Cure. 679 :
'Argentariis male credi qüi aiunt nugas praedicant:
Necbene nee male credi dico : id adeo ego hodie expertus sum.
Auch diese sind für die vorliegende Frage von keiner bewei-
senden Kraft. Finden sich doch auch bei Aristophanes Trochä-
ische Tetrameter derselben Art wie:
Acharn. 324 :
'E^Xoi\hy\v , r{v o,kov(5o . Mrjda^icjg %3%aQVLKoi.
a. 0. 330 :
twv TittQovtcyv evdov 6iQ%ag; iq 'nl ra &Qaövvstca\
Vesp. 455 :
0%v&v{iG)V Kai dixccLOV Kai ßktTCovrav KccQda[ia<
— 412 —
Av. 288 :
TCg ovo^iä^exaC 7to$ ovrog ; ovxoGi xaToacpayag.
Hingegen finden sich auch genug Trochäische Septenare bei
Plautus, in denen an vier Stellen Hochton und Vershebung in
Widerstreit mit einander stehen. Solche sind:
CapL 255 :
Qui cavet, ne decipiatur, vix cavet quom etiäm cavet.
Rud. 588:
Quasi vinis Graecis Neptunus nobis suffudit mare.
Trin. 322:
Qui ipsus sibi satis placet, nee pröbus est nee frugi bonae.
Asin. 168:
Modo quom aeeepisti, haec mullo post aliquid quod poseäs
paras.
Bacch. 380 :
Quibus tuum patrem neque una amicos adfinis tnos.
Hier sind es besonders vor der Caesur die zweite und drille,
nach der Caesur die siebente und ach le Vershebung, die auf
die tieftonige Silbe des Wortes fallen.
Bei A r i s t o p h a n e s ist es durchschnittlich ungefähr e i n
Viertel aller Versslellen des Trochäischen Tetrameters, wo Vers-
hebung und Hochton im Widerstreit stehen {vgl. Acharn. 305 —
334. Vesp. 430—459. Av. 268 297 u. a.). Bei Plautus gestaltet
sich dieses Uruchtheil an verschiedenen Stellen folgettdermassen :
Amph. 271 — 300: £. Bacch. 368—399: £
CapL 251—280:$, Cure. 158-187: f,
MiLGlor. 156—185: £ Cure. 679—709: £,
Rud. 559 — 588: j, Pseud. 691-723: J
Trin. 301 - 330: { Stick. 58 — 87: \
Asin. 153 — 182: \
Nach dieser Berechnung ergiebt sich, dass im Trochä isc he n
Tetrameter des Phwutus nur der. sechste bis siebente
Theil aller Vershebungen nicht mit dem Hochton zusammen-
traf. Her Grand für diese auffallende Verschiedenheit des Plauti-
nischen und des Aristophanischen Septenars wird sich weiterhin er-
geben. Ebenso wie bei Plautus fehlt die Vershebung in den Trochä-
— 413 —
ischen Septenaren der Römischen Tragödie, wie die Bruch-
Iheile in folgender Rechnung zeigen:
Zw. Andron. Ribb. trag. v. 1 f: £
doch sind nur vier vollständige Tetrameter dieses Dichters auf uns
gekommen :
Naev. a. 0. v. 1 f: ^5.
auch von Naevius sind nur elf vollständige Tetrameter erhalten.
Für jeden folgenden Tragiker gestattet sich das Verhältnis^, immer
je 30 Verse zusammengenommen, folgendermassen :
Enn. a. 0. v. 1 — 99:
i.nu. u. l/. u. i — w •
Vi 100 f:
v. 195 f:
n
i
6
Pacuv. a. 0. v. 1 3 f:
i
v. 131 f:
v. 308 f:
1
T
l
51
•2
AU. lt. 0. v. 1 f:
v. 130 f:
v. 316 f:
*
i
i
Also fiel im Durchschnitt der sechste bis sieben te Th eil
der Vershebungen mit dem Hochton des Wortes nicht zusam-
men bei den Römischen Tragikern wie bei Plautus.
In den Tetrametern des Terenz gestaltet sich das Verhält-
niss genau ebenso:
Andr. H, 2, 1—30: £f Heaui. IV, 1 , 10—54: i,
V,4, 1-25: \% V, 1, 1-35: f*
Eun. II, 2, 1—23: |, Adelph. IV, 2, 1—52: f
7,18-46: £*
Demnach stand bei Terenz der siebente Theil der Vershe-
bungen des Trochäischen Telrameters mit dem Hochton des Wor-
tes in Widerstreit, also etwas seltener als bei Plautus und bei
den Tragikern.
Mit diesem Ergebniss ist nun der Tetrameter späterer
Zeit in der Kunstdichtung und in der volksmässigen Dichtung zu
vergleichen.
Im Trochäischen Septenar des P ervig ilium Veneris ist das
Verhältniss der Vershebungen, die mit dem Hochton des Wortes in
— 414 —
Widerstreit stehen, zu allen Vershebungen aus folgenden Bruchzah-
len zu erkennen:
v. 1—30: }
31—60: £
61—90: i
Also fast nur in einem Achtel aller Vershebungen, das
heisst in jedem Verse durchschnittlich nur an einer Stelle findet
jener Widerstreit statt in einem Gedichte, das nach aller
Wahrscheinlichkeit dem dritten Jahrhundert nach Chrisfus an-
gehört.
Ein weiterer Fortschritt zeigt sich in den volksth iimlichen
Soldatenliedern und Spott versen, die Sueton und der Scho-
liast des Juvenal aufbewahrt haben:
Suet. Caes. 5 1 :
'Urbani servate uxores, möechum calvum addücimus
Aürum in Gallia eflutuisti, hie sumpsistü mutuum.
Cal. 6:
Sälva Roma, salva palria, salvus est (iermänicus.
Galb. 6 :
Disce militäre miles, Gälba est non Gaetülicus.
Schot. Juv. V, 3:
'Aliud scriptum habet Sarmentus, aliud populus völuerat,
Digna dignis: sie Sarmentus bäbeat crassas cömpedes,
Rüstici ne nil agatis, aliquis Sarmenlum all iget.
In diesen sieben trochäischen Septenaren, welche der Zeit von
Cäsar bis Domitian angeboren, sind unter 56 Varshebungen nur
vier, die auf eine tieftonige Silbe fallen, während die bochbetonte
Silbe des Wortes in der Verssenkung steht. Fasl überall fallen
also Hochton und Vershebung zusammen, in vierzehn Fällen
stehen sie durchschnittlich nur einmal in Widerstreit. Noch ent-
schiedener tritt dies in den Soldalengcsängen aus dem Fmle des
dritten Jahrhunderts hervor:
Vopisc. Aur. 6:
1. Mille, mille, mille, mille , mille decollävimus.
2. 'Unus homo mille, mille, mille decollävimus.
3. Mille, mille, mille, mille. vivat, <|in mille öeeidil
4. Tantum vini nemo habet, «piäntum fudit sanguinis.
— 415 —
Vop. Aur. 7:
5. Mille Sarmatas, mille Francos semel et semel occidimus.
6. Mille, mille, mille, mille, mille Persas quäerimus *).
In diesen Versen fallen mit einer Ausnahme Vershebimg
und Hochton überall zusammen. Dass in h o m o und h a b e s
die Vershebung auf den kurzen hochbetonten Stammvokal gelegt ist,
zeigt, dass das Bewusstsein von der Quantität der Silben in die-
ser Zeit schon im Verlöschen ist , und das accentuirende Princip
in der Volksdichtung sich gellend zu machen anfängt. Nach diesem
erscheint dann der Trochäische Septenar gebaut in der volks-
I hü ml ich -christlichen Dichtung der Uebergangszeit zum
Mittelalter, wie dies folgende Verse eines Gedichtes auf christliche
Märtyrer zeigen {Fleetwood, Sylt. Inscr.Monvm. Christum, p. 449):
Püae quaedam referuntur Römae natae feminae,
'Una dicta est Lucilla Firmininaque altera,
Veram puris r6tinentes Christi ödem cördibus,
Quae propinqui ter beati Marlyris Tiburtii
'Ad illius assidentes säcrosanctum tumulum
Peo gratas vigilando dücebant excübias.
Quibus ipse cum beatis semet comitantibus
Marcellino atque Petro manifeste retulit
Per soporem , tibi sacra iacuissent cörpora
'Eorundem electorum, ätque simul admonet,
Ut eunt.es äbsque mora illa statim auferant.
Et in crypta süum prope cürent corpus p6nere.
*) Nach den gefälligen Mittheilungen von C. Peter hat der Codex
Bambergensis (saec. 9) der Scriptores histor. August.: mille mille
mille decollavimus unus liomo mille decollavimus mille
[annos. man. recenlior.] vivat qui mille occidit tantum vini
nemo habet qua n tum fudit sanguinis. Palat.: habet nemo,
v. I. so die Edilio prinreps , der Bernhardy, de scriptor. histor. Aug. p. 15,
den Werth einer guten Handschrift beilegt, v. 2. ed. princ. dreimal
mille, Palat. viermal, v. 5. so Cod. Bamb. Das auslautende s von
Sarmatas macht mit folgendem Consouanten keine Position der Spät-
lateinischen Aussprache gemäss, vgl. oben, II, 388. grade so wie in der
alten Dichtung bis Cicero und Catull. v. 6. Cod. Bamb: mille per-
sas qu . . rimus. Die handschriftlich vollständig erhaltenen Tetra-
meter rechtfertigen die Ergänzungen von mille zur Herstellung des
Metrums.
— 416 —
Quäe praeceptis öbsequentes Nigram silvam ädeunt,
Sublatosque beatorum inde portant cineres,
'Et in specu disponentes iüsso loco tümulant.
Da die Märtyrer Marcellinus und Petrus unter Diocletian litten,
so ist dies Gedicht frühsten s aus dem vierten Jahrhundert, wahr-
scheinlich aber bedeutend später, nachdem sich die Legende gebil-
det hatte. In diesen nach dem Rhythmus der Trochäischen
Septenare gemessenen Versen fällt der Hochton immer mit der
Vershebung zusammen, mit Ausnahme von dücebant, wo die
Arsis auf die Stammsilbe trifft ; der Hochton ist zur unumschränk-
ten Herrschaft gelangt, der Unterschied der langen und kur-
zen Silben völlig verwischt.
Es ergiebt sich also, dass von vorn herein im Lateinischen
die Uebereinstimmung des Hochtons mit der Vershebung im
Trochäischen Tetrameter gross war, wie sich weiter unten
herausstellen wird, in Folge des Trochäischen Rythmus der
Lateinischen Sprache, dass aber diese Uebereinstimmung immer
zunimmt im Laufe der Zeiten, bis die Vershebung ganz und
unbedingt an den Hoch ton gebunden ist und die Tondauer
der Silben dem Ilochton erlegen ist.
Es scheint zweckmässig auch noch im Hexameter zu unter-
suchen, ob der Widerstreit zwischen Hochton und Vershebung in
späterer Zeit häufiger wird als früher. In welchem Verhällniss zu
allen Versstellen dies geschieht, zeigen die Bruchzahlen folgender
Berechnung :
Enn.v. 1—41. Fahl: £* OvUL Metam. X, 40— 69: J ,
a. 0. 42—87: j.. a. 0. XIII, 399—428: ]\
a. 0. 88—130: l, a. 0. I, 324—353: J.
Lucrez. V, 765—794 : -J- Glaud. Cl. L Stil. 1 —30 : J
a. 0. VT, 781—810: \ a.O.bc/l. Gel I, 1—30: J
a. O. II, 1067—1096: \3 a. (). I. Seren. I, 1—30: « ,
Hor.Sal. I, 3, 1—30: i,
i
Aus diesen Zahlen ergiebt sich, dass es durchschnittlich der
vierte bis dritte Theil aller Versstellen war, in denen Hochton
und Vershebung im Widerspruch stand, und dass dieses Ver-
hältniss von Ennius bis Claudia uns im Ganzen dasselbe
geblieben ist. Im Griechischen Hexameter hingegen finde!
— 417 —
durchschnittlich in zwei Fünfteln aller Versstellen keine Ueber-
einstimnmng zwischen Hochton und Vershebung statt {vgl. IL V,
1 — 30. X; 1^ — 30. Odyss. XV, 1—30. 1, 1—30 u. ct.).
Demnach stellt sich als Ergebniss dieser ganzen statistischen
Untersuchung heraus, dass ein allmähliches Weitergreifen
des Zwiespaltes zwischen H o c h t o n und Vershebung in den
besprochenen Versarten, wie Ritschi annimmt, nicht stattge-
funden hat; dass vielmehr im Geg entheil der lambische
Senar im Verlauf der Zeit das Zusammenfallen der beiden Vers-
factoren immer häufiger zeigt, bis es in der Volksdichtung
der späteren Zeit zur Regel wird, dass ebenso im Trochäi-
schen Septenar dieser Einklang immer weiter greift, bis
endlich der H o c h t o n in der s p ä t e n Volksdichtung die Vers-
hebung unbedingt an sich bindet in dein Zeitalter, wo das
Bewusstsein von der Tondauer der Silben in der Sprache
erlosch.
Somit erweisen sich auch die drei E nt wie kelungss tufen
der Lateinischen Verskunsl , die Ritschi für dies Verhältniss des
Hochtones zur Vershebung annimmt, als unbegründet, und die
Frage stellt sich nun so, dass entweder die späteren Dichter
mehr den Einklang zwischen Hochton und Vershebung gesucht
haben, als die früheren, oder dass beide das überhaupt nie-
mals beabsichtigt haben.
B. Hochton und Vershebung
durch
Ton länge
gebunden.
Es ist nun die zweite von den oben gestellten Fragen zu
erörtern, ob bei den älteren Lateinischen Dichtern wirklich
ein bewusstes Streben wahrnehmbar ist, Hochton und
Vershebung in Einklang zu bringen, oder ob ein anderer
Grund vorhanden war, weshalb sie selbst gegen ihren Willen
d i e s e n E i n k 1 a n g nicht vermeiden konnten. Dazu. werden
insbesondere der volksthiimliche Saturnische Vers, der lam-
bische Senar, der Trochäische Septenar und Qctonar
und der Hexameter einer Prüfung unterzogen werden.
CORSSEN II. 97
— 418 —
Hier ist zunächst der Saturnische Vers für die vorliegende
Frage ins Auge zu fassen.
Es ist bekannt, dass zu dem überlieferten Schema des Satur-
nischen Verses:
Dabunt malum Metelli — Naevio poetae —
cDabuntmalumMetelli' — clauda pars dimetri
Post cNaevio Poetae' — ■ tres vides trochaeos
(Tereni. Maur. p. 2439) nach dem Zeugniss der Grammatiker viele
Saturnischen Verse der älteren Dichter nicht stimmen wollten.
Die neuere Forschung ist bemüht gewesen, die kürzeren Saturnier,
die auf uns gekommen sind, dem Schema anzupassen. 0. Müller
stellte zuerst die Ansicht auf, dass in diesem Altromischen Verse
wie in der Nibel ungenstrophe Versseri kungen unter-
drückt werden könnten, und zwar alle mit Ausnahme der
letzten, besonders häufig aber die vorletzte (Suppl. annot.
Fest. p. 396). Die Hauptsache dieser Ansicht, dass gewisse Vers-
senkungen ausfallen konnten, hat allgemeine Anerkennung gefun-
den, nur darüber war man zweifelhaft, welche Verssenkungen das
waren. Einerseits wurde die Ansieht aufgestellt [Verf. Origg.
poes. Born. p. 195/'.), dass im Saturnier die erste, mittlere und
1 etzte Verssenkung wegfallen konnte, wie im Pentameter die
mit leiste und die letzte Thesis ausgefallen ist. Mit sc hl hingegen
(Tit. Mummian. p. 1 f. Rh. Mus. IX, 3 f. Inscr. col. Bostr. J hielt.
/>. 20 f. Poests Sctturniae spicüegium . j>. 1 f.) ist der Ansicht, dass
die erste, mittlere und letzte Vershebung gerade immer er-
halten bleiben mussten, hingegen von den übrigen Vershebun-
gen in jedem Halbverse eine wegfallen konnte. In neuster
Zeit haben sich Weil und Benloew gegen die Ritschfsche Ansicht
erklärt, und insofern der entgegengesetzten beigepflichtet, als sie
den Ausfall der ersten und mittleren Verssenkung zugehen
(Acc. Laf. />. 95); aber diesen Gelehrten erschein! es glaublieh, dass
es auch Saturnische Verse mit nur fünf Vershebungen gege-
ben habe. Ein sicherer, strenger, wissenschaftlicher Beweis ist in
der That für keine dieser Ansieht en geführt wurden, er wird sieh
auch schwer führen lassen, solange nicht ein glücklicher Fund uns
in Besitz eines längeren Stückes aus einer Dichtung in Saturni-
schem Versmaasse setzt*). Aus diesem Grunde wird dabei1 diese
*) Kür seine Ansicht sagt «lies Ritschi selbst, Poes. Saturn, spicileg.
- 419 —
Frage nach dem Ausfall der Thesen im Saturnier als eine offene
aus dein Spiele gelassen. Um zur Entscheidung dariiher zu gelan-
gen , oh im S a t u rn i s c h e n Verse der Einklang zwischen H o c h -
ton und Vershebung mit Bevvusstsein gesucht sei oder nicht,
genügt die Betrachtung derjenigen Saturnier, die mit dem von den
alten Grammatikern überlieferten Schema üherein-
s t i mm en. Es folgt also hier zunächst eine Anzahl derartiger Verse :
1, L Scip. B:
Gnaivöd palre prognätus fortis vir sapiensque
/. Scip. B. f:
Hone oinom ploirume consentiunt K(omai)
Consöl, censör, aidilis hie fuet a (päd vos)
/. Scip. Cn. f. Cn. n :
Quoiei vita defecit , nön hon6s, honöre
Is hie situs, qui nünquam victus est virlute
p. 1: breviter quae leges essent versus Saturnii, sign if i c a -
bamus potius quam d e mons trabamus, wie auch 0. Ribbeck, der
jener Ansicht folgt (N. Jahrb. 77, 119 f.). So wohlgelungen auch die
Wiederherstellungen von Sarurniern nach R's Schema zum Theil er-
scheinen (vgl. Rilschl , aa. (). Ribb. a. 0. Valtlen, Cn. Naevi de hello Pu-
nico reliq. p. 8 /*.), so kann dieses Gelingen an sich doch nicht als Be-
weis gelten, einmal weil dieselben alten Sprach reste sich auch
in die anderen drei oben angeführten Schemen des Saturnier nicht
schwer einfügen lassen, zweitens, weil sich auch prosaische Stücke
Lateinischer Schriftsteller, wie sich jeder durch Versuche überzeugen
kann, leicht R's Schema anpassen lassen, drittens weil bei Livius
und anderen Römischen Schriftstellern der Text älterer
sprachlicher Urkunden, für die man Saturnisches Versmass an-
genommen hat, zu ungenau wiedergegeben ist, als dass die metri-
schen Wiederherstellungen derselben mehr als höchstens eine Wahr-
scheinlichkeit für sich gewinnen könnten {Rilschl. Col. rosiv. p. 19: sat
pro b abiliter , nisi fallor animi, concinnari possint.). Es
wäre sehr wünschenswerth, wenn diese Bedenken, die hier nur aus-
gesprochen sind, um darzulegen, weshalb die vorliegende Frage in die-
ser Untersuchung als eine offene behandelt ist, durch einen strengen und
vollständigen Beweis beseitigt wurden. Die brennende Frage nach der
Bedeutung des Wortes carmen, (Rilschl. Poes. Saturn, rel. p. 4 /'.
//. Dünlzer, Zeitschr. f. d. Gymnas. W. Mülzell. 1857. S. 1 f. 0. Ribbech
N. Jahrb. 77, 201 f.), die für die Begründung der Ritschisehen Ansicht
vom Saturnier von Wichtigkeit ist, kann ebenfalls für die hier zu füh-
rende Untersuchung füglich aus dem Spiele bleiben, indem ein Eingehen
auf dieselbe für eine andere Gelegenheit vorbehalten bleibt.
27*
__ 420 —
i. Scip. P. f:
Quei äpicem iiisigne Diälis llaminis gessistei
Mors perfecit tua , ut essent ömnia brevia :
Honös Lama virlüsque glöria atque Ingenium
Quibüs sei in longa Iicuisset tibe ütier vila
Facile faeteis superases glöriam maiörum
Epigr. Sor. Ritsch!, Mon. epigr. tr. p. 14:
Quod rc suä d(if)feidens ;isper(e) afleicta
Parens timens heie vövit, voto hoc solüt(o).
(De)cumä facta poloricta leibereis lube(ntcs)
t. vi. App. Rh. Mus. VIII, 288:
Hospcs gratum est, quom apnd meas restitislei seedes.
Bene rem geras et Valens, dörmiäs sine quüra
Liv. Andrem. Gell. XVIII, 9:
Virum mihi Cameiia insece versuhim.
Prise. VI, 42. II:
Sancta pner Satürni filia regina.
Gell. VI, 7, 11:
Ibi'demque vir sümmus ädprimüs Patricoles
Prisc.Vl, 17. H:
Carnis vinumque, quod libäbat anclabatur
Naev. bell. Pun. Vahl:
v. 1 : Novem Iovis concordes filiae sorörcs.
8: Noctü Troiäd exibanl cäpitibtis opertis.
14: Scncx frelüs pietätei deum ädlocütus snmini.
15: Deüm regis f nitre m Neptanum regnatoiem.
18: Ferünt pulcräs cretmas aüreäs lepfsUs.
19: Blande 61 docte* perennial Aeneäs quo päcto.
20: lamque eins meutern Fortuna icceral quittem.
27: Manüsque siisum ad caelum süstulit suas rex.
32. Simul atroefa porricerent 6xta ministrat6res.
36^: Sescque <i perire inävolünl ibidem.
37 : Quam cum stuprti redfre ad suös populäris.
38: Sin illos deseranl l'orlissimios \ iroriim.
40: Transit Melitäm Roman us Insulam integram ömnem.
49: Superbiter contemplhn cönterit legiones.
()(>: Per liquidum märe sudanles ätque eünt sed6ntes.
63: Sinnil aliüs aliünde rumitänt inier se.
64: Plerique minirs subigüntur sub suüm iudicium.
— 421 —
Gell. 1 , 24, 2. II:
Immörtales mortäles si foret fas llere,
Flerent divae Cam6nae Na6vium poetam,
Itaque pöstquam est örchi träditüs thesauro
Obliti sunt Romae loquier Latina lingua.
Vgl. Bitschi, Rhein. Mus. IX, 1, 10, II f.*).
Durch Nachzählen kann man sich überzeugen, dass in diesen
Versen der vierte bis dritte Theil aller Vershebungen mit dem
Hochton nicht zusammenfällt, während bei Plautus indem
lam bis eben Senar, der eine gleiche Anzahl von Vershebungen
hat, wie der Salurnische Vers, dieser Widerspruch nur in einem
Fünftel aller Versstellen stattfand. Dieses Zahlenverhältniss
spricht entschieden gegen die Ritschl'sche Ansicht, wenn man be-
denkt, dass die ganze zweite Hälfte des Saturniers aus Tro-
chäen bestand, dass bei der grossen Anzahl von Trochäischen
oder Trochäisch auslautenden Wortern im Lateinischen Verse, von
der weiter unten noch die Rede sein wird, offenbar die lange hoch-
tonige Silbe Trochäischer oder Trochäisch auslautender Wortformen
mit der langen in der Vershebung stehenden Silbe des Trochäischen
Maasses, hingegen die letzte lieftonige Silbe jener Wortformen viel-
fach von selbst mit der kurzen Silbe der Verssenkung des Trochäi-
schen Maasses zusammenfallen musste. Daher steht denn in den
vorstehenden Saturnischen Versen Hochton und Vershebung in der
ersten I ambischen Vershälfte vier bis fünfmal so oft
im Widerspruch als in der zweiten Trochäischen Vers-
hälfte. Da im Jambischen Senar auch die zweite Vershälfle Iam-
bisch ist, da gerade in dieser der m< iste Widerstreit zwischen
Vershebung und Hochtton stattfindet und stattfinden musste, so
musste offenbar im Safurnier dieser Zwiespalt viel seltener vor-
kommen als im Jambischen Senar, wenn er in der ersten Hälfte
des Saturniers nicht viel öfter vorkäme als in der ersten Hälfte des
Jambischen Trimeters. In zwei Fünfteln von allen Stellen der
ersten Vershälfte trifft Hochton und Vershebung der oben ange-
führten Saturnier n i ch t z u s a m m e n. Wenn jene volkstümlichen
Dichter wirklich nach dem Einklang beider Elemente strebten, so
konnten sie den vollständig erreichen, wenn sie den Vers mit einem
*) Ueber die Messungen vitä, tuä, famä, Sanctä, itäque,
quo, insece ist im Anschnitt über die Vokalkürzung die Rede ge-
wesen.
— 422 —
einsilbigen oder dreisilbigen Wort anfingen oder mit einem voka-
lisch auslautenden zweisilbigen vor vokaliscbem Anlaut des folgen-
den Wortes. Warum thaten sie das nicht? Warum fingen sie so
viele Verse mit zwei zweisilbigen Iambischen oder Spon-
d eischen Wortformen an? Man könnte sagen, um mehr Mannig-
faltigkeit in den Vers zu bringen. Aber warum hielten sie sich nicht
wenigstens in den Grenzen des Plautus, dessen erste Vershälften
doch wahrlich genug Mannigfaltigkeit und Abwechselung bringen?
Man beachte folgende Versanfänge von Saturniern:
Consöl, censör, aidilis . .
Quoiei vita defecit . .
Hoc est, factum monumentum . .
Immortales mortales . .
Flerent divae Camenae . .
Mit einer leichten Umstellung konnten sie ja den Widerspruch
zwischen Vershebung und Hochton beseitigen, wenn sie sehrieben:
Aidilis censor, cönsol . . Mortales immortales . .
Defecit quoiei vita . . Camenae divae flerent . .
Hoc est monumentum factum . .
Es ist doch unglaublich, dass Dichter, die nach dem Einklang
zwischen Hochton und Vershebung bewusst gestrebt haben sollen,
das nicht gesehen hätten; es ist ebenso unglaublich, dass sie so
gänzlich ohne Noth, man möchte sagen muthwülig von einem
Princip abfielen, das sie angeblich erstrebten. .Nein, sie
haben jenes Pr in cip gar nicbl gekannt, die Dichter der Sa-
lumischen Verse haben gar nicht danach getrachtet Vershebung
und Hochton des Wortes in Einklang zu bringen.
Wenn nun in dem ältesten volkstümlichen Versmaaase ein
solches der deutschen Verskunst ähnliches Princip nicht herrschte,
so ist die Annahme, dass PlautUS und die anderen alteren Sce-
nischen Dichter, soviel es die Quantität und das Versmaass er-
laubte, namentlich im Iambischen Senar und im Tinchäisclieii Sep-
lenar, diesem Principe gehuldigt hätten, in der Thal der Boden
unler den Füssen weggezogen. In der volkstümlichen
vaterländischen Yerskunsl fanden sie es nicht, im Vers-
bau ihrer G f iechi s c h e n Afuste r a u c b n ichl ; w ob e r sollten
jene Dichter plötzlich darauf kommen, einem neuen Princip
nachzustreben^ das ihnen zu den vielen Schwierigkeiten, die sie bei
Nachahmung ihrer Griechischen Vorbilder zu überwinden ballen.
— 423 —
noch neue bereitete, dessen Durchführung also von vornher-
ein eine Unmöglichkeit war. Um ein so unerklärliches Beginnen
hei ihnen voraussetzen zu dürfen, dazu gehörte der Nachweis des
Zusammenfalls von Hochion und Vershebung an solchen Stel-
len des Verses, wo kein zwingender Grund dazu vorhanden
war, wo man wirklich eine Absicht, eine freie Selbstbestimmung
des Dichters dazu wahrnehmen könnte. Nun aber tritt ein re-
gelmässiges oder häufig wiederkehrendes Zusammenfallen jener bei-
den Elemente bei den älteren Dichtern nur hervor in der Mitte
Jambischer und Trochäischer Verse unmittelbar vor und
nach der gewöhnlichen C a es u r derselben , wie schon B e n 1 1 e y
im Wesentlichen zugestanden hat, und grade hier lässt sich der
augenfällige Beweis führen, wie dies weiter unten geschehen wird,
dass jenes Zusammenstimmen wegen des Beton ungsge-
setzes der Lateinischen Sprache ganz unvermeidlich erfolgen
musste. Hingegen tritt der Widerstreit zwischen Hochton und
Vershebimg in [ambischen und Trochäischen Versen vielfach grell
und schneidend hervor, auch wo ein zwingender Grund dazu
gar nicht ersichtlich ist. Man überblicke einmal folgende Aus-
gänge Iambischer Senare bei Plautus:
Amph. 33: öratam ä vobis volö.
46: fuit patri meö.
47: bonis faceret boni.
CapL 99: älienum lngeniö suö.
MM. 491: habet rectäin viäm.
492 : malö magno fuät.
Asin. 3 t : lapis lapidem terit.
Rud. 884: agö: semel bibo.
Pseud. 784: malüm metuö miser.
785 : manüs gravior siet.
Stich. 156: satür nunquäm fui.
163: utero gestö famem.
Men. 19: uti mater suä.
104: dies multos fuit.
Mosl. 50 : tuüm maneät malüm.
529 : senex inagnüni malüm.
Pers. 344: pater verum tarnen.
361 : malüm servö suö.
385: hominüm mores vides.
— 424 —
Merc. 7:. meüs misit Rhodum.
780: pcdes illi seni.
Man vergleiche hierzu die Ausgänge folgender Trochäischer
Septenare :
Amph. 277: patre morem meö.
278: datäm pulehre locäs.
CapL 254 : circum moeniti sumus.
255: cavet quom etiam cavet.
269 : admutilabit probe.
Rud. 720: digitulö minumö modo.
745: eränt domino dedi.
Men. 1094: idem sperö fore.
1138: surrupui dudüin domo.
Most. 1051 : forö quantüm polest.
Pers. 578: volö quantüm potest.
579: vendiderö pretiö suö.
601 : velis: etsi mihi.
Merc. 428: illast cmcrein sibi.
414: maläm form;! mala.
420: müliebre inferri domo.
437 : minäs soptom mihi.
Es ist nachgewiesen, dass im lambischen Senar des Plautus
durchschnittlich der fünfte, im Trochäischen Tetrameier der sechste
bis siebente Theil aller Vershebungen mit dem Hochton des Wortes
nicht zusammenfiel. Der letzte Versfuss ist nach Bentley's An-
sicht Schuld, dass nicht Überall der Einklang beider statt-
fand. Aber das erklärt doch niehl genügend, wie Plautus, wenn
wirklich das Streben nach demselben der Dichtung seiner Zeil ('igen
war. es wagen konnte, in den drei letzten Verstössen des lambi-
schen Senars und des Trochäischen Sepienars dreimal hinter-
einander, wie die obigen Beispiele Beigen. Hocbton und Vers-
hebung in den schneidendsten Gegensatz zu bringen, Jambi-
sche Seiiare und Troehäisebe Septenare wie die schon oben an-
geführten zu bilden, in denen je viermal Hochton und Vershebung
im Widerstreit stand. Der Umstand, dass jene beiden Versarten
mit einer Vershebung schliessen, kann wohl den Widerstreit zwi-
schen beiden Elementen im letzten Verstösse nach Bentley's
Lehre rechtferl igen, allenfalls im vorletzten ausnahmsweise ent-
schuldigen, aber nimmermehr einen Dichter, dem man doch Le-
— 425 —
bendigkeit und Gewandtheit des Geistes nicht absprechen kann, wenn
er wirklich Uebereinstimmung zwischen Hochton und Vershebung
so viel als möglich beabsichtigte, dazu zwingen im Versschluss
durch drei zweisilbige Wort formen hintereinander, in
denen die Vershebung auf die tieftonige Endsilbe fiel, eben dem
Princip, dem er nachstrebte, geradezu ins Gesicht zu
schlagen. Darf man behaupten, Plautus habe das aus Vers-
noth gethan, das heisst ihm eine solche Unbehölfenheit und Be-
schränktheit unterstellen, dass er die leichten und einfachen Mittel
nicht sah, durch welche er solche Versausgänge, wenn er es irgend
wollte, vermeiden konnte? Oder will man den Dichter der Fahr-
lässigkeit und Leichtfertigkeit zeihen? Schwerlich wird sich
irgend ein Kenner des Plautus zu solchen Beschuldigungen ent-
schliessen können, zumal nach den Ritsch 1 'sehen Forschungen
über die Metrik des Dichters. Wie man aber einem Dichter, der
ohne zwingende Noth im vorletzten und drittletzten
Versfuss sein angebliches Princip der Uebereinstimmung zwischen
Hochton und Vershebung so arg durchlöchert und g e h r o c h e n hat,
strenges Festhalten an demselben an anderen Vers stell en
zutrauen soll, ist nicht abzusehen.
Die Nachbildung Griechischer Versmaasse bat auch im Deut-
schen zu Missgriffen und Verstössen gegen das Betonungsgesetz un-
serer Muttersprache geführt, aber auch in der schlechtesten deut-
schen Nachbildung oder Lebersetzung Griechischer Jamben und
und Trochäen sind doch solche Versausgänge, wo dreimal hinter-
einander Hochton und Vershebung im Kampf mit einander läge, in
der That unerhört. Wahrlich auch Plautus würde dergleichen ha-
ben meiden können, wenn ihm ein Stieben nach Finklang zwischen
jenen beiden Elementen im Bewusslsein gewesen wäre.
Das lehrt auch die Betrachtung des Trochäischen Octo-
nar s bei Plautus. In diesem Verse kommen durchschnittlich auf
acht Verse nur sieben Hebungen, die nicht mit dem Hoch-
ton der Wörter zusammenfallen {vgl. Capl. 208. 209. 240.
241. 928. 929. Rud. 185—189. 220 — 228. 920 — 937.
956 — 962. Trin. 252. 264. 265. 287. 820 — 841. Bacch.
979 — 985. 989 — 996. Psmd, 133 — 137.). Es ist schon darauf
hingewiesen, wird aber noch genauer in Betracht gezogen werden,
dass eine grosse Anzahl Lateinischer Wörter Trochäi-
sche Wortfüsse bildeten oder auf solche ausgingen, mit dem
— 426 —
Hochton auf der vorletzten Silbe. Wurden diese Wortformen in
das Trochäische Versmaass gestellt, so fiel von selbst die
lange Silbe des Wortes und die Länge des Trochäus, die
kurze Endsilbe des Wortes und die Kürze des Trochäus
zusammen, also auch Vershebung und Hochton der Längen
wie Verssenkung und Tieftonigkeit der Kürzen. Da der
Octonar auf eine Vers senk ung ausgeht, so liegt in dem letz-
ten Versfusse kein Grund der Versnoth, wie ihn Bentley fin-
den Iambischen Senar und den Trochäischen Septenar aufstellt,
weshalb Plautus von seinem angeblichen Prineip des mögliebsten
Einklanges zwischen Hochton und Vershebung abweichen
sollte, und es war somit für diesen Vers überhaupt kein
derartiger Grund vorhanden. Und doch finden sich Trochäi-
sche Octonare , in denen dreimal, ja viermal der Hochton
des Wortes und die Vershebimg in Zwiespalt mit einander
sind; so:
Bud. 187:
Hoc deo compläciluinst , med hoc örnalu ornatam in re-
giones.
a. 0. 932:
Post animi causa mihi navem fäciam atque imilabör Strato-
nicani.
a. 0. 934:
Oppidum magmim commoenibo : ei ego urbi Gripo Indam
Domen.
a. 0. 959:
'Indicium dominö non faeiam , is mihi nihil etiäm le-
spondet.
7/7//. 821 :
Lantus, lubens Iaudes ago gratas grätisque haben ei lücli
bttf salsis.
Es linden sich Ausgänge des Trochäischen Octonara wie :
Rud. 924 : ut si velim sim.
Bacch. 984: hos dedit mi.
Pseud. 145: varia uti eint.
Pseud. l()(i: in aqua iaceänl satin atides.
Wenn Henilevs Ansicht richtig wäre, so wurde Planius in
diesen Versen trotz eines Yersniaasse> , das /u dem Tonfall der La-
teinischen Worte aufs beste passle. SO dass un-esuehl lloeliloii
_ 427 —
und Vershebung auf der vorletzten langen Silbe zusammenfielen,
ohne allen er sieb t liehen Grund von seinem Princip
abgewichen sein. Will man aber hier den Satz zur Geltung
bringen, dass die Scenischen Dichter in den Versmaassen der
Cantica sich grössere Freiheiten erlaubt haben als in den
Versen des Dialogs, so müsste man erwarten, dass Plautus im
Trochäischen Octonar, der Fessel ledig, die ihm die schliessende
Vershebung des Septenars anlegte, nun seiner freien Selbst-
bestimmung hätte den Zügel schiessen lassen und, wie er es
angeblich liebte und erstrebte, und wie es sich in diesem Vers-
mass von selbst darbot, immer den Hochton mit der Vers-
hebung in lieb er ein Stimmung gesetzt hätte. Man sollte mei-
nen, dass Plautus, wenn er das beabsichtigte, diesen Vers,
der ihm zur Durchführung seiner Absiebt ganz freien Spielraum
bot, vor allen anderen bevorzugt und in seinen Comödien an-
gewandt haben würde. Der Dichter hat aber nichts von alle dem
gethan.
Die Betrachtung des lambischen Senars, des Trochäi-
schen Septenars und Octonar s führt also zu dem Schluss,
dass bei Plautus und den übrigen Scenischen Dichtern älterer Zeit
ein bewusstes Streben nach Einklang zwischen Vershebung
und Hochton nirgends erkennbar oder nachweislich ist, so
wenig wie in den volksthümlichen S a t u r n i s c h e n Versen.
Noch bleibt übrig, einen Blick zu werfen auf den Bau des La-
teinischen Hexameters, weil die Thatsache, dass Hochton und
Vershebung in den beiden letzten Versfüssen desselben ge-
wöhnlich zusammenfallen, so erklärt worden ist, als sei die-
ser Einklang bei Böinischen Dichtern im Gegensatz zu den Griechi-
schen bewusst erstrebt worden.
Um sich zu überzeugen, wie wenig der Schöpfer des Latei-
nischen Hexameters Ennius den Widerspruch von Hochton
und Vershebung auch in den beiden letzten Versfüssen scheute,
vergleiche man folgende Versschlüsse aus den Bruchstücken der
Annalei) :
Vahl. p. 23 : mortales perhibe- 181: contra carinantes.
bant. 152: gentes opulentae.
44 : pedem stabilibat. 200 : pretiüm dederitis.
56 : aerumnas tetuli- 223 : quisquäm supera-
sti. rat.
- 128
Vahi.p. 259: filo gracilento.
486 : togä supereseit.
414: partim requies-
cunt.
v. 29: manüs vi.
63: Venus Mars.
93 : foräs lux.
97: locis dant.
102: decet rem.
103: haböt sas.
109: soliti sunt.
160: equös vi.
168: opüm vi.
171 : iuvät res.
179: hominum rex.
183: homö rex.
203: feratFors.
207: magnis dis.
211 : refert rem.
221 : alii rem.
261 : ibei sos.
378 : confertä rate pul
sum.
519: simül cata dicta.
v. 280: virüm vis.
313: restituit rem.
358: solent sos.
361 : uti des.
374: meüm cor.
404: opüm vi.
406: hiemps fit.
410: potis sunt.
417: intereä fax.
451: laetificüm gau.
495 : loqui nie.
541 : sublatae sunt.
546: aqua6 vis.
561 : altisonum cael.
563 : siuim do.
566. pater rex.
586: comminuil brum.
-*V
272: geritür res.
Wenn in den etwa sechshundert Versen oder Bruchstücken
von Versen der Annalen, die auf uns gekommen sind, der Wider-
streit zwischen Hochton und Vershebung so häufig erscheint in
den beiden letzten Versfiissen des Hexameters, so kann man ermes-
sen, wie gross die Ansah] s<» gebildeter Verse in den vollständi-
gen Annalen des Ennius überhaupt gewesen sein muss, und
nmss darin einen Beweis linden, dass Ennius nicht mit Be-
wusstsein nach dein Einklang zwischen Hochton und Vershebung
in den beiden letzten Versfiissen des Hexameters gestrebt habe.
BeiLucrez zeigt sich jener Widerspruch seltener, aber
doch noch immer sehr häufig; so in folgenden Versen des zweiten
Ruches :
11, 77: aliae* minuuntur,
453: facilis quasi aquarum,
480: figurarum ratione,
592: ardent sola terrae,
und da die enklitische Conjnnetion -que, wie oben L:</eiul i>t , den
— 420 -
Hochton des Wortes immer auf die Silbe unmittelbar vor sich zieht,
auch in folgenden Versausgängen:
II, 325: tötaque circum.
500: Meliboeaque fulgens.
594 : arbüstaque laeta.
68 J : pleraqne dona.
714: mültaque caecis.
770: demptaque quaedam.
983: ridereque dictis.
994: arbüstaque laeta.
1 078 : sölaque crescat.
J079: permultaque eodem.
1 1 10*: ältaque tecta.
1150: etretaque tellus.
Lucr. II, 57: magis quam.
95 : ames est.
123: potest res.
185: suä vi.
242 : gerät res.
303 : potest vis.
326 : virüm vir.
378 : manu sunt.
412: organici quae.
416: recens est.
437: Veneris res.
526: similes sint.
565 : docet. res.
615: inventi sint.
720; dissimiles sunt.
757 : principiis est.
791: variis ex.
799: proptereä quod.
820 : pariter sunt.
835 : proptereä fit.
892: creänt res.
900 : novä re.
1044: loci sit.
1069 : confieri res.
Eben so häufig kommt der Widerstreit des Hochtones und
der Vershebung in den beiden letzten Verstössen und namentlich
in dem letzten auch in den anderen Büchern des Lucrez voi\
Auch dieser Dichter hat den Einklang zwischen beiden Elemen-
ten nicht mit Bewusstsein erstrebt.
Selten findet sich jener Widerstreit in den Versschlüssen
des Vergib So im zweiten Buche der Aeneis nur:
Verg.Aen. {1,231 : orändaque di- 170: dea6 mens,
vae. 250: Oceanö nox.
316: iraque mentem. 355 : lupi ceu.
608 : avölsaque saxis. 648 : hominüm rex.
721 : subiectaque colla.
— 430 —
Die Seltenheit dieser und ähnlicher Verschlusse hei Vergil und
seinen Zeitgenossen und Nachahmern konnte als ein Beweis dafür
angesehen werden, dass bei den Dichtern der Augusteischen Zeit
ein Streben Hochton und Vershebung in den beiden letzten Vers-
stellen zusammenfallen zu lassen , wirklich hervorgetreten sei.
Das könnte nur der Einwirkung eines volksth um liehen Ele-
mentes auf den Versbau der Kunstdichter zugeschrieben werden,
das allerdings schon zur Augusteischen Zeit in den Trochäischen
Versen der Soldatenliedchen, von denen die Rede gewesen ist Hoch-
ton und Vershebung viel häufiger vereint, als dies in den Trochäi-
schen Septenaren des Plautus der Fall ist. Aber ein solcher Ein-
fluss muss gänzlich in Abrede gestellt werden, wenn man die
Versschlüsse in Horaz's Satiren berücksichtigt, tm ersten Buche
derselben kommen folgende Versausgänge vor:
Hör. Seil. I, 1, 89: serväreque amicos.
2, 73: pugnantiaque istis.
1, 39: ignis inare fretum.
3, 48: fultüm male tales.
4, 15: nobis locus hora.
5, 83: somnüs tarnen aufert.
6, 45: libertiitö patre Datum.
46: libertinö patre Datum.
84: opprobriö quoque turpi.
10, 58: faetös et euntes.
70: versü faciendo.
1, 48:
aeeipias <|iiam.
3, 9:
velüt qui.
56 :
eo fit.
L3:
ii'i|M's et.
62:
habeas sis.
30:
eö quod.
81:
habes qui.
32:
meliör vir.
92:
habeas plus.
56:
probüs quis.
94:
facias quod.
81:
Iigurrierit ins.
2, 77:
paeniteäl te.
121 :
pares res.
97:
ol'licient res.
124:
s;i|iirns est.
100:
tibi rem.
128:
sapiens (pii.
107:
similis: Dam.
4, 29:
eüm (pio.
III:
modüm quem.
11 :
Uli DOS.
12(1:
exieril vir.
57:
eripiäs si.
UM:
egomel Dil.
64:
tibi sil.
3, 5:
siii'im , nun.
70:
meluäs nie.
— 431 —
74: mediö qiii. 7, 13: divideret mors.
103: liberiüs si. 19: uti nos.
110: pa tri am rem. 33: deös te.
112: dissimilis sis. 9, 19: sequär te.
122: faciäs hoc. 38: mtereäm si.
125: malö cum. 47: dispereäm ,. ni.
141 : auxiliö qüae. 57: hodie si.
5, 56: equi te. 02: venis? et.
59: faceres, cum. 67: loqui te.
102: deus id. 10, 15: secät res.
6, 66: velut si. 72: legi sin t.
98: tuö, quod. 78: cruciet quod.
100: feiet, res. 89: plaeeänt spe.
114: domüm nie.
Diese Beispiele zeigen zur Geniige, dass ein Bestreben,
Widerstreit zwischen Hochion und Vershebung zu vermeiden,
für die S a I i r e n bei H o r a z sicher nicht vorhanden war.
Nun stand aber doch gerade die Sprache in seinen Satiren der Um-
gangs- und Volkssprache nahe; wäre daher von Seiten jener
volkstümlichen Dichtung, wie sie in den Soldatenversen und ähn-
lichen Spottliedern sich zeigte ein Einfluss auf die Gestaltung des
kunstmassigen Hexameters fühlbar gewesen, so hätte sich dieser
gerade in der Satire des Horaz durch häufigeres Zusammen-
fallen von Vershebung und Hochton bethätigen müssen als bei
Vergil, dessen Sprache doch der Umgangs- und Volkssprache fern
stand.
Auch für die Thatsache, dass in den beiden letzten Vers-
füssen des Hexameters Hochton und Vershebung gewöhnlich zu-
sammenfallen, kann also einbewusstes Streben nach die-
sem Ziel bei irgend einem Dichter als bestimmender Grund nicht
angegeben werden, so wenig dieses Streben bei irgend einem älteren
oder späteren Romischen Dichter in irgend einem Versmaass nach-
weisbar ist.
Somit muss die Untersuchung von der negativen Seite zur
positiven übergehen und nachweisen , w o r i n de n n der G r u n d
lag, dass im Lateinischen Versbau übe r h a u p t H o c li t on
u n (I V e r s li e b u n g v i e l f a c h i n E i n k I a n g s t e h e n u n d z w a r
viel häufiger als i m G r i e c h i s c h e n.
— 432 —
Um diesen Grund zu finden sind zwei Punkte scharf ius Auge
zu fassen:
erstens, ob und in wie fern die eigentümliche Lateini-
sche Worthetonung in ihrer Begegnung mit den metri-
schen und rhythmischen Tonlagen der lambi sehen, Tro-
c h ä i s c h e n und Daktylischen Versmasse das häufigere
Zusammenfallen des Hochtones mit der Vershebung im
Lateinischen Verse als im Griechischen nothwendig und
u n v e r m e i d 1 i c h be wirken musste ;
zweitens, ob und in wie fern die Cäsuren nach der Vers-
senkung bei der eigen th um liehen Lateinischen
Wortbetonung jene Uebcreinstim mung in der Mitte
gewisser Versarten nothwendig zur Folge haben muss-
ten,
wie dies von Ritter, Boeckb, Weil und Benloew hervorgehoben wor-
den ist.
Eine statistische Untersuchung hat oben ergeben, dass im
lambi sehen Tr im et. er des Aristophanes dorebschnittlich
der dritte Theil, im lambi sehen Senar der alteren Rö-
mischen Komödie nur der fünfte bis sechste Theil dvv Vers-
hebungen nicht mit dem Hochton zusammenfällt, im Troch ari-
schen Tetram et er des Aristophanes der vierte Theil, im
Trochäischen Sepienar der Romischen Sceni sehen
Dichter nur der sechste Ins siebente Theil, im Homeri-
schen Hexameter zwei Fünftel, im Lateinischen Hexa-
meter der vierte bis drille Theil. Daraus gehl hervor, dass
der Grund zu dieser grösseren Uebereinstimmung zwischen
Hochton und Vershehung nicht in der besonderen Eigentümlich-
keit eines dieser Versmaasse Hegt, sondern ein allen dreien
gemeinsamer sein iniiss. In dem Griechischen Vorbilde,
dem die Römischen Dichter nachbildeten, lag der Grund nicht.
also nuiss er in der Betonung des Lateinischen Wortes ge-
legen haben.
Oben ist nachgewiesen, dass die Tieftonigkeil der Endsilben
und die Bindung des Hochtones an die Tonlänge der vorletzten
Silbe das Unterscheidende der Lateinischen Beton ungs weise von der
Griechischen ist, dass in jener der Hochton viel unbedingter von
der Tondauer beherrscht wird als In dieser.
— 433 —
Man vergleiche nun die aus dcrjVerschiedenheit der Be-
tonung entstandenen Formen der Tonlage zweisilbiger
und dreisilbiger Worter in b e i d e n Sprachen.
Zweisilbige Wortformen konnten folgende Formen der Ton-
lage haben :
Im Griechischen : Im Lateinischen :
Dreisilbige Wortformen konnten folgende Formen der Ton-
lage haben:
Im Griechischen : Im Lateinischen
( « j. -
( -, - - -
Die Griechische Sprache hatte also 10 verschiedene
Formen der Tonlage zweisilbiger Wörter, die Lateinische
CORSSEN II. 28
— 434 —
nur 4, die Griechische besass 24 verschiedene Formen der Ton-
lage dreisilbiger Wörter, die Lateinische nur 8, die Grie-
chische Sprache ist also der Lateinischen fast dreifach
überlegen an Mannigfaltigkeit der Tongestaltungen des Wortes.
In neun von den Griechischen Worlformen steht Hoch-
ton und Tonlänge in Widerspruch zu einander, so dass die
lange Silbe tieftonig die kurze hochtonig ist, nämlich in fol-
genden :
Im Lateinischen findet dasselbe Wider spiel zwischen Hoch-
ton und Tonlänge nur in zwei Wortformen statt, nämlich iu:
^ , ^ ^ — .
Von den Wortformen, deren vorletzte Silbe lang ist, zei-
gen im Griechischen vier das Widerspiel zwischen Hochton und
Tonlänge, nämlich folgende:
im Lateinischen keine. Es erhellt schon hieraus. <iass die An-
zahl von Wörtern, in denen Hochton und Tonlänge zusammenfallt,
sowohl im Allgemeinen im Lateinischen grösser sein muss,
als im Griechischen, als auch insbesondere die Zahl der zwei-
ii n (1 mehrsilbigen Wort er mit vorletzter langer und
ho ebbe tont er Silbe.
Das lässt sich denn auch auf sprachlich - statistischem Wege
nachweisen; und das soll hier nur für die letzte Klasse von Wörtern
mit langer Pen ultima geschehen, auf die für die vorliegende
Frage das meiste ankommt. Aus einer solchen Berechnung von
Weil und Benloew {Ave. Lot. />. 159) ergiebl sieb, dass die Latei-
nische Sprache über noch einmal soviel zwei- und dreisilbige Bei-
wörter mit vorletzter langer als mit vorletzter kurzer Silbe hat.
Hier ist ein anderer Weg der statistischen Ermittelung einge-
schlagen.
— 435 —
Wenn man an folgenden zehn Stellen des Aristophanes :
Nub. v.l. f. Vesp. 345. f. Fax. 149/". Acharn. 1 /. Equit
240 f. Av. 1691 /. Lt/sist. 1 f. Thesm. 130 f. Ran. 340/.
Eccles. 1 /. zählt, wie viel zwei- und mehrsilbige Wörter mit vor-
letzter hochbetonter Silbe unter 300 auf einanderfolgenden Wor-
tern sich finden, so ergiebt sich, dass bei Aristophanes auf
30 0 Wörter durchschnittlich 5 1 mit langer, hoch betonter
Pen ultima kommen, und zwar 30 zweisilbige und 21 mehr-
silbige. Wenn man an folgenden zehn Stellen des Plautus:
Amph.Prol. 1 /. Capt. 69 f. Mit 156/. Rud. 83 /. Trin. 402 /.
Asm. 249/. Bacch. 235 /. Cure. \ f. Pscud. 415 /. Stich. bS f.
abzählt, wie viel zwei- und «mehrsilbige Worter mit vorletzter lan-
ger hochbetonter Silbe unter 300 auf einander folgenden Wortern
sich finden, so ergiebt sich, dass im Durchschnitt bei Plautus auf
300 Wörter 98 mit langer hoeh})ctonter Pen ultima kom-
men und zwar 5 6 zweisilbige und 42 mehrsilbige. Wenn
Aristophanes und Plautus uns die Umgangs- und Volkssprache ihres
Volkes und ihrer Zeit in dichterischer Form wiedergeben, so ist
man nach dieser Berechnung zu dem Schlüsse befugt, dass in der
Griechischen Volkssprache zu Aristophanes Zeit nur
etwa ein Sechstel aller Wörter zweisilbige oder mehr-
silbige Wertformen mit hoch betonier la nger Pen ultima
waren , in der \\ ö m i s c h e n V ö 1 k s s p r a c h e z u P 1 a u t u s Zeit
beinahe ein Drittel. Von diesen waren im Griechischen etwa
ein Zehntel zweisilbig, ein Vicrzehnlel mehrsilbig, im
Lateinischen über ein F ü n f l e 1 zweisilbig, beinahe ein Sie-
bentel dreisilbig.
Hoch ton und Ton länge fielen hiernach im La-
teinischen auf der vorletzten Silbe fast noch ein-
mal so oft zusammen, als im Griechischen. Dieses
Ergebniss stimmt ganz vollkommen zu der schon angeführten That-
sache, dass die Griechische Sprache vier zwei- und drei-
silbige Wortformen hatte, in denen sich dies Wider spiel zwi-
schen Tonhöhe und Tondauer fand, dass die vorletzte lange Silbe
tieftonig, eine vorhergehende oder folgende kurze. Silbe hochtonig
gesprochen wurde , die Lateinische Sprache keine einzige.
Als die ältesten Lateinischen Dichter die Versmaasse der Grie-
chischen Dichtung nachzuahmen anfingen, da war der Hochton be-
reits gebunden durch die Tondauer der vorletzten Silbe
28*
— 436 .—
Da nun die Ton länge der vorletzten Silbe des Lateinischen
Wortes in zahlreichen Fällen den Hoch ton an sich gefesselt
hatte, da die Tonlänge des Iambischen, Trochäischen und Dak-
tylischen Versfusses der Griechen in der Regel die Vershebung
trug, so mussten sich noth wendig Hoch ton und Vershebung
auf der Tonlänge um so viel öfter begegnen im Latei-
nischen als im Griechischen, wie im Lateinischen Worte der Zu-
sammenfall von Ho chton und Tonlänge häufiger ist als
im Griechischen. Hochton und Vershebung hatten im Wesen gar
nichts gemein, jenes war ein höherer Ton der Tonleiter,
wie die unzweifelhaften Zeugnisse der Grammatiker und die Natur
der Sache gezeigt haben, dieser ein Nachdruck der Stimme;
jener der Sprache angeboren erklang im Munde jedes Römers,
dieser ein Erzeugnis^ der Dichtung war der Rede des Volkes
fremd; sie suchten sich weder, noch mieden sie sich, die Ton-
länge war der Magnet, der beide anzog; sie mussten
sich also begegnen und konnten sich nicht aus-
weichen.
Inder deutschen Sprache herrscht der 11 och ton Über das
W o r t unbedingt und unbehindert durch irgend eine Schlanke der Tou-
dauer und Silbenzahl ; es war also natürlich, dass der unumschränkte
Herrscher des Wortes auch im Verse als Gebieter auftrat und
die Vershebung an sich band. Im L a t e i n i s c h o n war der II o c h -
ton der T o n d a u e r hörig geworden , er konnte n i c h t. d e r II e r r
der Vershebung im Lateinischen Verse sein; durch die Ton-
dauer ward er vielmehr gebunden der Vershebung zu-
geführt; beide zerfielen sofort, wenn die Herrscherin des
antiken Verses, die Tondauer, sie nicht zusammenkuppelte.
Erst als der 11 och ton in der späteren Lateinischen Volks-
sprache das Bewusstsein von dw Länge und Kürze der Vokale
tiefloniger Silben ausgelöscht und den Werth der Tondauer
vernichtet hatte, erst da band er auch in der späteren Volks-
dichtung die Vershebung an sich und gebot nun auch im Verse.
Wie die Hochtonigkeit der lang e n v o rle tzl e n Sillie neben
der Tieft onigkeit der vorletzten kurzen und der End-
silben das Zusammenrallen der Vershebung mit dem Hoch-
tone herbeiführte, lässt sich am Hau des [ambischen Senars.
des Trochäischen Septen ars und des Hexa nie lers im Vers"
anfang und Versschluss nachweisen.
— 437 —
Der Widerstreit zwischen Hochton und Vershebung tritt im
[ambischen Senar jedesmal ein, wenn einer oder mehrere
Versfüsse desselben durch Iambische, Spondeische, Pyrrhichi-
schc7 Anapästische oder Daktylische Wortformen gebildet wur-
den, weil dann die Vershebung auf die tieft onige Silbe fal-
len muss. Tn diese Stellung gerathen jene Wortformen vornehm-
lich, wenn der Vers auf eine Iambische Wortform schliessl,
wodurch auch im vorletzten Versfüsse leicht die Vershebung
auf die tieftonige Silbe fiel {Rilschl , Proll. p. 209), seltener, wenn
der erste Versfuss durch ein Jambisches, Spondeisches, Anapä-
st is< l:es oder Daktylisches Wort gebildet wird. So in folgenden
Versen :
Plant. Asm. 16:
Sicüt tuum vis unicum gnatüm tuäe
Pseud. 790:
Forum cuquinum qui vocant stulte voeänt.
Trin. 75:
Omnibus amicis mörbum tu ineuties gravem
Trin. 186:
Hascin mi propter res m a I a s f a m ä s f e r ü n t
Bacch. 254:
Quid ita, opsecro hercle? Quia edepöl certö sei 6.
Die völlige Uebe reinst im mung zwischen Hochton und
Vershel ung findet hingegen statt, wenn am Versschluss ein ein-
silbiges Wort steht oder ein mehrsilbiges, das mehr als eine Vers-
hebung trägt, und wenn der Vers anfängt mit einem von Natur
einsilbigen oder durch Elision des auslautenden Vokales vor voka-
lischem Anlaut des folgenden Wortes einsilbig gewordenen Worte,
mit einer Pyrrhichischen Wortform, mit einem dreisilbigen Worte,
dessen vorletzte Silbe lang ist, oder mit einem mehrsilbigen, auf
dessen drittletzte kurze oder. vorletzte lange Silbe eine Vershebung
fällt; so:
Plaut. Ampli. 50:
Nunc quam rem oratum huc veni primum pröloquar.
Capl. 166:
Hie quälis imperätor nunc privätus est.
Amph. 51 :
Post argumentum huius eloquar tragoediae.
— 438 —
A?nph. 54:
E andern hänc, si voltis, fäciam ego ex tragoedia.
Mil. 483 :
Certo illa quidein hie nunc intus est in aedibus.
Bud. 95:
Ubi rem divinam se faeturum dixerat.
Capt. 155:
Remissum quem dixti imperare exercitum.
Capt. 95:
Philopölemus huius tlegionis filius.
Capt. 64:
Valentiorem nänetus advorsärium.
Diese Beispiele zeigen, wie durch solche Versaufänge und
Versschlüsse diejenige Wortstellung im Verse vermieden wurde,
dass Jambische, Spondeische, Anapästische oder Daktylische Wort-
formen einen Versfuss bilden, und wie dadurch die drittletzte
kurze oder die vorletzte lange hochbetonte Silbe der Worter
an die Stelle der Länge des Jambischen Versfusses gerückt
wird, so dass Hochlon und Vershebung zusammenfallen mussten.
Und zwar zeigt sich der Einlluss dieser Versanfänge und Vers-
schlüsse Jambischer und Trochäischer Verse bei den Seenischen
Dichtern besonders wirksam in den beiden ersten und in den
beiden letzten Versfüssen, da ja im dritten und vierten über-
haupt Vershebung und Hochton am leichtesten zusammenfallen, wie
unten gezeigt werden wird, in Folge der Cäsurcn.
Cicero sagt, Orat. 55: * Comic or um senarii propter
similit ii d in cm sermonis sie saepe sunt abieeli, ut
nonnunquam vix in bis numerus et versus inlelligi
possit' und, Orat. 56: Versus saepe in oratione per
hup rudent iam dicinius, quod vehementer est vitio-
s iiin , sed no n attendimus neque exaudimns nosmel
ipsos. Szenarios vero et Uipponacteos effugere vi\
pos sinn us. Den schlagendsten Beweis \on der Richtigkeil dieser
Beobachtungen, kann man aus Stellen von Cicero* Reden selbst
entnehmen, da er dem Schicksal Jambische Senare zu bilden,
ohne es zu wollen, in der Thal niehl entgangen ist. So spricht er:
Rose. 46: Alter tibi descendit de Palätio, und es hält nichl
schwer aus Cicero und aus anderen Römischen Schriftstellern Jam-
bische und Trochäische Verse, Versanfänge oder Vers-
— 439 —
ausgängc herauszufinden. Der Grund, weshalb der Iarabi sehe
Senar der Romischen Comödie der Rede des gemeinen Man-
nes so ähnlich klang, der Grund, weshalb der grösste Redner
gegen seinen Willen Verse machen musste, lag besonders darin,
dass die Ton länge der vorletzten Silbe den Hochton auf
sich zog, die Länge des Iambusim Verse die Vershebung
trug, und da sich nun Länge der Worts übe und Länge des
Versfusses suchten und fanden, auch ihre stätigen
Trabanten Hoch ton und Vershebung sich einigen
mufcsten.
Auch im Bau des Trochäisfchen Scptenars liegt dasselbe
Ergebniss zu Tage. Dass ein zweisilbiges La leinisches Wort mit
seiner tieftonigen Endsilbe für den aul eine Vershebung ausgehen-
den Septenar ebenso wie für den Jambischen Senar den Wider-
streit zwischen Ilochton und Vershebung in den letzten Vers-
fuss und in Folge dessen nicht selten auch in den vorletzten
brachte, liegt in der Natur der Sache und erhellt aus den zahlreichen
Versausgängen wie:
Capi. 255 : e ti ä m c a v e t.
. Rud. 588: süffudit mar 6.
Trin. 322: frugi bonae.
Asin. 168: poscas, paräs.
Bacch. 380 : a d f i n i s t u 6 s.
Im ersten Theilc des Trochäischen Septenars entsteht der
W i d e r s p r u c h zwischen Hochton und Vershebung besonders, wenn
die V e r s f ii s s e nicht durch d i e Wo r t f fi s s e gebildet wer-
den; das zeigen Versanfänge wie:
Rud. 588: Quasi vinis Graeeis Neptunus . .
Trin. 322: Qui fpsus sibi satis placet . .
Bacch. 380: Quibus tu um patrem neque una . .
In diesen und ähnliehen Versanfängen werden lambische und
Spondeische Wortformen in die Stellung genickt, dass die Vers-
hebungen auf die tieftonigen Endsilben fielen, während
hochbetonte Stammsilben in die Verssenkung traten. Die Ueber-
e instimm ung zwischen Hochton und Vershebung entsteht hin-
gegen im Trochäischen Septenar, wenn die Versfiisse durch
Wort formen oder Wortausgänge gebildet werden. Die
Lateinische Sprache besass, wie gezeigt ist, im Vergleich
zur Griechischen eine Ueberfiille von Wortern und Wort-
— 440 —
von der Tonlage - v. Traten diese in einen
Vers, dessen Grund typ us die Tonlage -- bildet, so war das
Zusammenfallen von Länge und Länge an vielen Stel-
len unvermeidlich und so begegneten sich Hochton
und Vershebung. Aber auch für alle anderen Gestaltungen,
welche der Versfuss statt des reinen Trochäus im Trochäischen
Septenar annehmen kann, also : - -, ~ ~ ~s 4WW) J — , passten La-
teinische Wortformen und Wortausgänge so genau, dass, sobald
Quantität des Wortes oder Wortausganges und Quanti-
tät des Vers fusses sich in allen Bestandteilen deckten, der
Einklang zwischen Hoch ton und Vershebung völlig
unvermeidlich war. Im Griechische n hatte die Uebe r-
einstimmung des Wortes oder Wortausganges und des Verstosses
im Trochäischen Septenar diese Folge in der grossen Mehrzahl der
Fälle nicht; der Hochton gerieth vielmehr in Widerstreit mit
der Vershebung, sobald die Wortform oder der Wortausgang eine
der acht Tonlagen hatte : - J, — 1, ~ J ~, v ~ J, -~ ~, - ~ w, «' J _,
~~-l, wenn sich auch alle Bestandteile der Quantität von Wort-
form und Versfuss völlig deckten. So war es die Eintönigkeit
der Lateinischen B e t o n u n g, d i e d e n E i n k 1 a n g z w i s c h e n
HochtonundVershebung veranlasste.
Ebenso soll nun auch am Lateinischen Hexameter dar-
gethan werden, dass der Grund, weshalb in den beiden
letzten Versfüssen gewöhnlich Hoch ton und Vers-
hebung zusammenfiel, in der Lateinischen Betonung
lag. Wie bei Homer, so sind es auch bei Ennius ober zwei
Drittel der Verstösse, die auf zweisilbige oder dreisilbige
Wortformen ausgehen (vgl. Enn. Vahi. 36 -52. 82—98. 239—296.
131 — 437 u. a.). Also Versschlüsse wie folgende sind die ge-
wöhnlichsten:
Enn. 437: präepete ferro.
431 : tela tribüto.
Der Augenschein lehrt, wie in diesen Verschlussen Hochton
und Vershebung zusammenfallen mussten , weil die letzte
Silbe des Lateinischen Wortes immer lieft onig war, und die
vorletzte des dreisilbigen Wortes, wenn sie lang war, immer,
wenn sie kurz war, fast nie den Hoch ton hatte. Da im Grie-
__ 441 —
chi sehen die letzte Silbe des Wortes hochbetont sein
konnte und ebenso die vorletzte kurze Silbe dreisilbiger Wör-
ter, hingegen die vorletzte lange Silbe derselben, wie obener-
wähnt ist, gerade sehr häufig tiefton ig war, so mussten in
zwei- und dreisilbigen Versausgängen, wie die angeführten Enni-
anischen, im Griechischen Hexameter überaus häufig Hochton und
Vershebung in Widerspruch gerathen. Keine Aenderung im
Verhältniss des Hochtones zur Vershebung tritt ein, wenn der
fünfte Versfuss ein Spondeus ist. Das zeigen nun Vers-
schlüsse wie folgende:
//. XIII, 663 : [idvtLog viog. XIII, 676: xvdog 'Ajclusv.
XIV, 102: oQxa^ie laäv. XIV, 50: coötisq 'Aiilkavg.
XIII, 664 : oixla vaCov. XIII, 665 : vr\og eßaivev.
821 : ds&og OQVig. 647: %ccIkov ilaööai.
211: o%h %uXx(p. 649: %cclyt(p iTtavQtj.
XIV, \\1 \ lititoxa Oivevg. 822: kaog 'Ayai&v.
MV, 136: (pari iotxeog.
Am nächsten an solche Wortschlüsse mit zweisilbigen und drei-
silbigen Wortformen schliessen sich solche, deren vorletztes Wort
eine einsilbige Kürze bildet wie:
Enn. v. 371 : contendit in älto.
v. 156: lävit et ünxit.
v. 83 : püleher in älto.
v. 498: sequüntur in älto.
Während nach Lateinischem Betonungsgesetz hier Hoch-
ton und Vershebung immer zusammenfallen mussten wegen der
Tieftonigkeit der Endsilben, brachten im Griechischen hoch-
betonte Endsilben auch in diese Versausgänge den Widerspruch
zwischen beide ; so :
J7. XV, 564: ovrs xig aÄxrj.
608: ä[i(pl de Ttijlfj^.
Aus dem oben zusammengestellten Verzeichniss Ennianischer
Verschlusse, in denen Hochton und Vershebung in Zwiespalt mit-
einander sind, ergiebt sich, dass dieselben folgende Formen haben
können :
- 442
1) Enn. v. 519: shnul cata dicta.
2) v. 23 : mortäles perhibebant.
3) v. 29: mänus vi.
4) v. 109: söliti sunt,
5) v. 95: exöritdr sol.
Die erste dieser Formen kann auch vorkommen, ohne dass
Hochton und Vershebung in Widerstreit gerathen, wenn unter
der vorletzten Vershebung ein einsilbiges Wort steht; so:
Enn. v.
245:
et
bona
dicta.
V.
43:
te
neque
pösse.
V.
91:
sit
data
regni.
V.
245:
et
bona
die in.
V.
277:
sed
magis
ferro.
Im Griechischen trat für diese Form des Versschlusses der
/wies palt zwischen Hochion und Vershebung durch eine hoeh-
tonige Endsilbe des letzten Wortes ein:
//. XV, 579: of5% iitl veßQor
561: &eW ivl dviiri-
XVI, 227: [ii] zjil TtaxQi.
In der zweiten jener Schlussformen wird dieser /wiespalt
vermieden durch ein einsilbiges Wort unter der vorletzten Vers-
hebung, oder durch eine Verschleil'ung der Schlusssilbe des mehrsil-
bigen Wortes, auf das dieselbe fallt.
Bei Fnnius ist dieser Verschluss gar nicht seilen:
v. 393: quae perhibetur.
57: quös peperisti.
27 1 : sed maledictis.
80: tum cnpientes.
116: dl genuernnt.
117: dls oririndum.
137: bis loleiaiet.
443
Enn. v.
139:
ac
populäris.
175:
üt
misereret.
591:
tetrösque
elephäntos.
308:
a£vum
agitäbant.
254:
divi'imque
hominumque.
Wenn die Dichter der Augusteischen Zeit diese Form des Vers-
ausganges selten anwandten, so ist das ein Beweis dafür, dass sie
auch Versschlüsse wie mortales perhibebant nicht vermieden,
weil sie die Uebereinstimmung von Hochton und Vershebung such-
ten, sondern beide scheuten, weil die Cäsur nach der Hebung
des fünften Versfusses den rollenden Fall des Vers-
schlusses unterbrach. Vergleicht man mit diesen die ent-
sprechenden Griechischen Versausgänge wie:
//. XVI, 294 : roid' itpoßrj&lv.
322: ovd acpd^iaQtsv.
524: oqpp' etccqoiölv.
221: TTöfi' äveayev.
und andere, so zeigt sich wieder recht schlagend, dass die lange
P e n u 1 ti m a im L a t e i n i s c h e n Wo r t e es war, welche den Hoch-
ton der Vershebung zuführte. Dasselbe springt in die Augen, wenn
man folgende Ennianische nud Homerische Versausgange
nebeneinanderstellt:
Enn. ^.10: condecorätum
79: increpuisti.
81 : augurioque.
84: altivolantum.
86: induperätor.
107: commiseräntes.
131 : aequiperäre.
187: Aeacidärum.
322 : perpetuässint.
304 : suaviloqiumtes.
201 : belligeräntes.
438 : sollicitäbant.
446: omnipotentes.
ffom.I/.XW, 15: Mv^idovsö-
ÖLV.
28 : a^cpiitivovxai.
77: avÖQocpovoLO.
96: diqQiuaO&cu.
126: L7i7toxeA.evd'8.
134: Aiamdaa.
135: ccQyvQorjlov.
154: a&avcctoiöLV.
193: rjye[i6vsvev.
214: 6^i(paX6sö6a.
222: ccQyvQonela.
236: £v%cc[ievoLO.
444
Enn. v. 479: frugiferai.
526
53]
dimidiätum.
altitonantis.
//. XVI, 287. iTtitoxoQvOtccg.
358: %alxoxoQvatrj.
414: %-v^ioQa'CCtriq.
591 : &v{ioqccI'()Tsg)v.
II, 604: ay%i{LU%ritai.
III, 39: rj7t£Q07tsvrd.
Enn. v. 197: frondosäi.
219: indalbäbat.
603 : Minturnenses.
Enn. v. 188: sapientipotöntes.
248
Karthaginienses.
77. XVI ,111: iörriQLKto.
187: EUetövicc.
279: [iccQ{iccLQovTeg.
06?. II, 266: V7C£QYjVOQEOVt€g.
IL XVI, 723: «Trspca^tfaas.
Auch ein einsilbiges Wort im Verschlusse bedingte
nicht Zwiespalt zwischen Hoch ton und Vershebung, wenn dem-
selben ein von Natur einsilbiges oder durch Verschleifung des aus-
lautenden Vokales vor vokalischem Anlaut des letzten Wortes ein-
silbig gewordenes Wort vorhergeht. So bei Ennius:
v. 412: data
167: öbstitit
263 : Iüppiter
264 : sententia
494 : cöndita
470: redditus
sit
et
häc
flexa
Roma
termo
frux.
nox.
stat.
est.
est.
est.
Im Grie chi sehen bringt auch hier Hoch ton igkeit ei n er
vorletzten kurzen Silbe den Widerstreit zwischen Hochton
und Vershebung in den Versscbluss .
11. XVIII, 115: onnore xev drj.
Ein Beispiel für drei einsilbig gesprochene Worter im Ver-
schluss ist bei Ennius:
V. 31 : Isque pium ex se.
bei Homer :
//. XVI,. 721: ovde xi 6b xq)].
— 445 —
Die Oxytonierung der Griechisehen Sprache hat hier
wieder Hoch ton und Vershebung entzweit. Da nun aber
die Romischen Dichter die einsilbigen Vers schlösse sich ver-
hall nissmässig selten erlaubten, auch wenn Hoch ton und
Vershebung im Einklang blieben, so kann das Streben
nach diesem Einklang nicht der Grund jener seltenen An-
wendung gewesen sein. Ein Einschnitt des Verses, der ent-
steht, wenn die letzte Vershebung mit dem Wortende zusammen-
trifft, unterbricht den Tonfall, den rollenden Fluss des Vers-
schlusses, deshalb wurden die einsilbigen Wörter am Ende
des Hexameters selten gebraucht, und nicht allein von Römi-
schen Dichtern, sondern auch von Griechischen, denen doch
noch Niemand Rücksicht auf den Hochton des Wortes bei ihrem
Versbau nachgesagt hat.
Ausser den beiden letzlen Verstössen des Hexameters tritt in
den beiden ersten am häufigsten Ueb er ein Stimmung des
Hochtones mit der Vershebung hervor. Wenn im Hexameter die
Versfüsse immer durch VVortfüsse gebildet würden, so würde
wegen der T i e f t o n i g k e i t d c r E n d s i 1 b e n und der Ti e f to n ig-
le ei t der vorletzten kurzen Silbe dreisilbiger Wortformen im
Lateinischen Hochton und Vershebung immer zusammenfallen,
während lambische Wortfüsse im lainbischen Senar immer den Zwie-
spalt zwischen beiden bedingen. Im Hexameter tritt der Wider-
streit zwischen Hochton und Vershebung zunächst ein im drit-
ten Versfüsse durch die Penthemimeres, dann im vierten durch
die Hephthemimeres, durch welche die Vershebu ng auf die tief-
ton i g e Endsilbe eines Wortes fällt. Aber der Hexameter würde
matt und haltlos auseinander fallen, wenn ausser der Cäsur Wort-
form und Versfuss sich immer deckten. Deshalb greifen beide
ineinander ü b e r und verschränken sich in einander , wod urch
Festigkeit, Leben und Mannigfaltigkeit in den Vers kommt. Durch
diese Verschränkung entsteht im Lateinischen Hexameter auch
ausserhalb der Silbe der männlichen Censur der Widerstreit
zwischen Hochton und Vershebung.
Aber trotzdem bleiben zahlreiche Formen der beiden
ersten Versfüsse übrig, in denen Hochton und Vershebung zu-
sammenfallen. Es genügt, solche Formen, wie sie bei Ennius
vorkommen, hier zusammenzustellen:
— 446 —
y. 195: Fräxinus fungitur ätque . .
1 50 : Pöstquam Jiimina sis . .
213: Völnera belli despernunt . .
131: 'Ingens cürast mis. .
240: Mensa m sermonesque . .
188: Bellipotentes sunt . .
125: Völlurnälem Pälatuälem
— bü^ — ' ^ ^ —
98: Cönspicit inde sibi . .
119: Rönuilus in caelo . .
202 : Ferro nön auro . .
103: Virginis nam sibi quique . .
44 : Corde cap£ssere scmita . .
1 83 : Nävus repertus hc-mo . .
239 : Haece locütus vocat . .
9: Quäe cava corpore caeruleo . .
158: 'Et qui sextus erat . .
— iy — ^ ^ —
117: '0 paler ö genitor . .
128: Sed quid nie fuerit . .
54 : 'Ut nie de caelo . .
177: Qudd peiamoenam urbem . .
210: Sed quid ego bic animo . .
Füllt die Vershebung vor der Gäsur auf ein einsilbiges Wort,
so konnte im ganzen Ve rsc Udbereinsl immu g /wischen Yers-
bebung und Hocblon einhelelen ; so<i
Enn. v. iss: Bellipotentes sunt magis quam sapientipotentes.
Fin Rückblick auf die hier zusammenges teilten Formen von
Versanfängen lehrt, wir die Griechische Sprache durch ihre
>\ Ort formen mit boebbetonter Endsilbe und durch die
hochbetonte kurze Penultima drei- mal mehrsilbiger Wort-
- 447 —
formen mein* Widerstreit zwischen Hochton und Vershebung
auch in die beiden ersten Füsse des Hexameters bringen
musste, gerade so wie dies für die beiden letzten Versfüsse
nachgewiesen ist.
Es ergiebt sich also, dass diejenigen E igenlh ümlichke i-
ten der Lateinischen Betonung, die sie von der Griechi-
schen unterscheiden, die unwandelbare Hochtonigk eit
der vorletzten langen Silbe, die stätige Tieftonigkeit
der vorletzten kurzen Silbe drei und mehrsilbiger
Wörter und die Tieftonigkeit der Endsilben der Grund
s i o d , weshalb in Lateinischen , Iambischen, Trochäischen
und Daktylischen Versen die Üebereinstimmung zwi-
schen Hoch ton und Vershebung so viel öfter statt fand,
wie in den entsprechenden Griechischen, denen sie nachgebildet
waren.
Es bleibt nun noch zu untersuchen ; in wiefern die Cäsuren
nach der Vers Senkung bei jener eigenthümliehen Lateini-
schen Wortbetonung in der Mitte gewisser Versarten, nament-
lich des Iambischen Senars und des Trochäischen Septe-
nars diese Üebereinstimmung not h wendig zur Folge ha-
ben mussten.
Wenn sich dies für die Hauptcäsur des Iambischen Se-
nars, die Penthe mimer es, nachweisen lässt, so ist damit der
Beweis auch für alle anderen Cäsuren nach Verssenkungen
geführt.
Da die Lateinischen Wörter tief ton ig auslauteten, der
Penthe m i m c r e s und II e p h t h e m i m er e s des Iambischen Senars
wie dem Verseinschnitt in der Mitte des Trochäischen Septenars
aber eine ..Senkung vorhergeht, so fiel hier tief ton ige
Silbe und Vers Senkung zusammen. In der grossen Mehr-
zahl Lateinischer Wortformen von verschiedener Messung, die vor
diesen Cäsuren Platz finden konnten, fiel in Folge dessen auch
hochbetonte Silbe und Vershebung noth wendig zusammen.
Dies fand überall statt , wenn das Wort vor derCäsur eine der nach-
stehenden Tonlagen hat oder auf dieselbe ausgeht:
--i J — i
— 44$ —
ferner, wenn die Tonlagen - - oder - - durch zwei ein-
silbige Wörter gebildet werden, und wenn die Tonlagen ~ « «
und o ~ - durch ein Pyrrhichsiehes mit folgendem einsilbigen
Wort gebildet werden. Im Griechischen können Wörter vor der
Penthemimeres und Hephthemimeres dieselben Tonlagen ha-
ben, und dann fällt auch im Griechischen Trimeter Hochton und
Vershebung zusammen; aber Wörter derselben Quantität kön-
nen ausser diesen auch folgende Tonlagen haben:
und dann traten jene beiden Versfactoren in Widerstreit zu ein-
ander. Angenommen also, Wörter von jeder der vorstehenden Ton-
lagen kämen vor der Penthemimeres und Hephthemimeres durch-
schnittlich gleich oft vor, so würde, die Möglichkeil des Wider-
streits im Griechischen mindestens doppelt so gross sein wie im
Lateinischen.
Nach diesen Cäsuren Irin im Lateinischen Vers Einklang
zwischen Hochton und Vershebung ein jedesmal, wenn ihnen un-
mittelbar einsilbige und zweisilbige Wortformen folgen, oder
dreisilbige Wörter mit vorletzter kurz er Silbe, oder vier-
silbige, deren erste und vorletzte Silbe lang ist, also Wert-
formen von folgenden Tonlagen:
| J | J. - | - . - ,___'_
I- lJ - I- - - I- - " "
I- - I- - - I- " - -
|- ~ ~ I- - - -
Dieselben Griechischen Tonlagen haben an den entsprechen-
den Versstellen auch denselben rhythmischen Tonfall wie
im Lateinischen. Aber Wörter derselben Messung wie die vor-
stehenden Lateinischen können ausserdem auch folgende Ton-
lagen haben :
,_ j |„ J . - J - ~
|„ J |~ - J | J
l(- -) I- ~ - I- ~ - -
I- - - I- - - -
I- J - l(- ~ " ~)
I- -■ J l( -)
i- ~ - k- - - -)
I- - - |(- - -)
449
Rechnet man auch von diesen diejenigen Formen ab, die,
weil sie Spondeen bilden oder mit solchen anfangen, in den vier-
ten Versfuss des Iambischen Trimeter unmittelbar nach der Penthe-
mimeres nach Griechischer Regel nicht passen, so bleiben doch
14 Tonlagen von zweisilbigen, dreisilbigen und viersilbigen Wör-
tern, die nach jener Cäsur das Auseinan der fallen von Hoch-
ton und Vershebung mit sich bringen, neben 1 3, wo das Geg en-
theil stattfindet. Nimmt man auch hier an, dass jede von diesen
Tonlagen nach den in Rede stehenden Cäsuren gleich oft vorkommt,
so zeigt sich im Griechischen die Möglichkeit des Widerstreites
zwischen Hoch ton und Vershebimg an diesen Stellen mindestens
doppelt so gross als im Lateinischen.
Das hier Gesagte möge folgende Zusammenstellung von Bei-
spielen veranschaulichen :
Plaut. Mit. 25
Amph. 7
Capl. 1 5
Arist. Plui. 65
Plaut. Capl. 26 :
Arist. Plut. 7
Plaut. Capt. 34
Arist. Plut. 188:
Plaut. Capt. 25
Arist. Plut. 1 3
Ran. 74 :
Plaut. Capl. 39
Arist. Ran. 101 :
a, 0. 173
Plaut. Amph. 55
Arist. Plut. 887 :
a.O. 892:
CORSSEN IL
Ubi tüs? Eccum edepol | vel elephanto . .
Quusque ineepistis
res
Vos qui potestis | öpe . .
Hv {17] (pQccörjg yccQ \ äitb . .
Medicus Menarchus | emit . .
Kqcctslv 6 öccl[ig)v \ cclla . .
Emit de p'raeda hosce | ambos . .
Kai val [icc Zlla rov- \ itolla . . (Hephth.)
rov ye
Ut fit in hello | capitur . .
'Ootcg uxoXov&sl | xcctotuv . .
"Ev* iöxl X o LTtov \ äyad'ov. .
Huius ille hie illius |hödie..
H cpQeva [isv ovx i&s- \ 6 [i 6 6 ai. . (Hephth.)
Xovöav
To d' 8V KoQLV&G) \%£VLXOV..
Comoedia üt sit | Omnibus . .
Ort de Tioislxov \ ivxrad' ( s) . .
zJLCcQQccyeir]g \{ir]ösvog..
29
— 450 —
Plaut. Capt. 7: Seni huic fuerunt J Filii. .
Arist. Plut. 32 : E7t6Q7]o6^i£vog ovv \ <p%6{i7]v . .
Plaut. Amph. 13: Haec Vit me völtis | äd pro bare . .
Arist. Phil. 332 : Kai [irjv 6 qco nal \ BÄsxp idqiiov . .
Plaut. Amph. 35: Nam iniüsta ab iüstis | impeträvi . .
Arist. Plut. 803: Kai ravta inqdsv \ e$£V syxovt' . .
Plaut. Capt. 41 : IJt siiura herum fäciet [libertatis..
Diese Zusammenstellung bestätigt das obige Ergebniss, dass
die B e t o n u n g der L a t e i n i s c h e n Sprache sowohl vor als na c h
der Penlhe mimer es und Heph tbemimeres des lambiscben
Trimeler also auch vor und nach dem Haupteinschnitt des Trochäi-
schen Telrameter Z u s a m m e n f a 1 1 zwischen II o c h t o n und V e r s -
hebung bei weitem öfter ganz unvermeidlich bewirken musste,
als dies im Griechischen Verse der Fall sein konnte. Will man
nun sagen auch neben dieser unvermeidlichen No t bvW endigk ei t
hatten die Römischen Komiker und Tragiker auch noch absicht-
lich jene Ucbereinstimmg gesucht? Will man ihnen das absicht-
liche Suchen nach diesem Prineip zumuthen an Versstellen, wo es
sich von selber einfand und sie an anderen Versstellen, wo sie es
gradezu mit Füssen traten, mit der Versnoth entschuldigen, die
sie verhindert habe ihrer Neigung zu folgen? Nirgends ist ein
Kriterium, an dem man neben jenem notwendigen Finklang
zwischen Ilochton und Vershebung vor und nach den angegebenen
Cäsurcn auch noch ein absichtliches Suchen danach irgend erken-
nen oder nachweisen könnte. Es liesse sich dieses Kriterium noch
möglicher Weise finden, wenn man nachweisen könnte, dass bei
Plautus und den älteren Seenischen Dichtern Hochton und Vers-
hebung häufiger zusammenfielen vor und nach den weiblichen Zäsu-
ren als bei späteren Dichtern. Wie aber, wenn das nicht nach-
weislich ist, wenn sich im Gegentheil zeigt, dass wie überhaupt in
lambiscben und Trochäischen Versen so auch an dieser Versstelle
insbesondere sich dieser Einklang bei den späteren Dichtern
häufiger findet als hei den älteren? Dass dem st» ist, ergiehl fol-
gende Berechnung. Bei Plautus linden sich unter hundert limbi-
schen Senarcn durchschnittlich etwa V). in denen Ilochton des
Wortes und Hebung des Verses sowohl vor als nach der Pen t he-
— 451 —
m i m e r e s oder H e p h t li e m i m eres zusammenfalle n (vgl.
TWw.l— -100. Capi. 1 — 100. Mil. 1 — 100. Awph. 1 — 100. Pud.
1 — 100. Pseuä. 1—100); bei Terenz findet dasselbe statt durch-
schnittlich in etwa 8 7 unter hundert (vgl. Andr. 1 — 100. Eun.
1—100. Seoul. 1—100. Phorm. 1—100. Hecyr. 1—100. Adelph.
1 — 100), bei Seneca in etwa 9 6 unter hundert (vgl. Phoen.
1 — 100. Herc. für. 1 - 1 00. Ocdip. 1—100. Agam. 1—50.
108—152. Herc. Oet. 1 — 100), bei Phaedrus in etwa 97 unter
hundert^/. I, 1—7. J, 8, 1—15, 6. I, 15, 7—26, 6. I, 26, 7 —
11, 2, 10. II, 3, 1—8, 11. II, 9, \\~End.). Es liegt hiernach
zu Tage, dass bei Seneca und Phädrus vor und nach den ge-
nannten Cäsuren fast noch um den neunten Theil öfter Hoch-
ton und Vershebung z u s a m m e n f a 1 1 c n als bei P 1 a u t u s und
Terenz. Dass jene spalen Dichter nicht daran dachten beide
Faktoren absichtlich in Einklang zu bringen, ist von allen Seiten an-
erkannt; also kann man auch nicht jenen älteren Dichtern,
wo derselbe seltener statt findet, diese Absicht zuschieben, son-
dern man muss auch bei ihnen die aus der Lateinischen Worl-
betonung nachgewiesene Notwendigkeit für denselben als den
alleinigen und au s seh lies suchen Grund dafür anerkennen.
Man kann sich dieser Auffassung nicht entziehen, wenn man nun
vollends noch die Thalsache in Anschlag bringt, dass in den Tri-
metern des Ar i stop hau es unter hundert Versen sich durch-
schnittlich nur 31 finden, wo Hochton und Vershebung vor und
nach der Pen th e miniere s und Hephlhc minieres zusam-
menfallen (vgl.Piut. 1 — 100. 101—200. 201—251. 322—370.
Nub. 1—101. Ran. 1—100. 101—200), dass diese Uebereinstim-
mung also bei den Römischen Dich tern dreimal so oft statt
fand als bei A ristophanes. Im Lateinischen sind es die
tiefton igen Endsilben, die Tieften igk ei t der vorletzten
kurzen und die Hoch ton igk ei t der vorletz ten langen Silbe,
die hier den Einklang so oft bedingen, im Griechischen
sind es die Oxytona und die Paroxytona mit vorletzter
kurzer Silbe, die ihn so oft stören. Die Verschiedenheit
der Wortbe ton ung beider Sprachen bedingt auch hier die Ver-
schiedenheit des rhythmischen Tonfalles im Verse.
Da die Mitte d e s T r o c h a i s c h e n T e t r a m e t e r s mit dem
Einschnitt nach der vierten Senkung in ihrer Tonlage so genau
mit der Tonlage vor und nach der Penlhemimeres des lambi-
29*
— 452 —
sehen Senars übereinstimmt, dass man es einem solchen Drittel-
st (ick an siel) gar nicht ansehen kann, zu welchen von beiden Versen
es gehört, wie zum Beispiel:
Plaut. Capt. 1 : . . videtis | cäptivös . .
a. 0. 247: . . honestes, | quam quom servibas . .
da auch im Troehäischen Septenar die Lateinischen Wort for-
men mit ihrer Betonung dieselben bleiben wie im Limbischen
Senar, so gilt der für diesen Vers geführte Beweis vollständig auch
für jenen.
Jeder kann sich durch beliebige Proben leicht überzeugen,
dass bei Aristophanes höchstens ein Drittel der Trochäischen
Tetrameter, welche den Einschnitt nach der Verssenkung des vier-
ten Fusses haben, den Zusammen fall zwischen Hochlon und
Vershebung unmittelbar vor und nach jenem Einschnitt zeigen,
dass in den Septenaren des Plaut us und Terentius diese Ucber-
einstimmung regelmässig, das Gegentheil eine seltene Aus-
nahme ist, dass im Pervigilium Vene riß und in den volks-
t hü ullichen Versen der Kaiserzeit dieselbe ohne A u s n a li m e im-
mer stattfindet. Also war es in der ältesten wie in der späte-
s ten Zeit die eigentümlich Lateinische Beton u n g der Wert-
formen vor und nach dem Verseinschnitt des Trocliäischen Tetra-
meters, die allein und ausschliesslich den Einklang des
Ilochtones und der Vershebung an diesen Versstellen notbwendig
bedingte, und Plaut us hat ihn so wenig beabsichtigt wie die
Soldaten des Aurelian.
Die Antwort auf die beiden im Eingang dieses Abschnittes Ober
das Vcrhältniss der Vershebung zum Hochtone des 'Wortes gestell-
ten Fragen, das Endergebnis^ dieser ganzen Untersuchung , lautet
also kurz zusammengefasst folgendermaassen :
Hoch ton und Vershebung fallen bei den Dichtern
der Augusteischen Zeit nicht seltener zusammen als
in den ältesten Römischen Dichtungen, also kann man auch
n i c h t einen E n (wie k e 1 u n g s ga n g des Versbaues annehmen,
nach welchem ursprünglich der Hochton im Einklang
mit der Tondauer den Vers beherrschte, dann die Tondauer
herrschte, aber den II och ton noch möglichst berück-
sichtigte, endlich der Hoch Ion allen Ein flu SS auf den
Versbau verlor. Gerade im Gegentheil: der Wider-
— 453 —
streit zwischen Hochton und Vershebung war in dem
Versbau der ältesten volkstümlichen Dichtung, im Saturni-
schen Mass, ganz entschieden ausgeprägt vorhanden. Der-
selbe blieb unverändert bestehen im Versbau der Sceni-
schen Dichter, insbesondere in den Iambischen und Tro-
chäischen Versmassen dos Dialogs, ebenso in der Dakty-
lisch c n Poesie des E n n i u s und seiner Nachfolger wie in
allen anderen V e r s m a a s s e n , welche Römische Dichter den
Griechischen nachgebildet haben. Er fängt allmählich an
seltener zu werden in dem volksthümlich gewordene n
Iambischen Senar und Trochäischen Septenar, er
erscheint schon völlig beseitigt in den Soldatcnversen
des dritten Jahrhunderts, wo die Vershebung dem
Hochton sogar schon auf kurze Silben zu folgen anfängt,
bis endlich in der spätesten Volksdichtung, als das ße-
wusstsein von der Tondauer der Silben in der Volkssprache
erloschen war, der Hochton die Alleinherrschaft über
den Vers errang wie er der Gebieter des Wortes war, und die
V e r s h eb u n g unbedingt an sich kettete.
Wenn Hochton und Vershebung im Lateinischen
viel öfter z u s a m m e n t r a f e n als im Griechischen, so hat
das nicht seinen Grund in einem b ewussten Streben
der Dichter nach jenem Einklang, da in allen Lateinischen
Versarten die Dichter der älteren wie der Augusteischen und
der späteren Zeit vielfach ohne alle zwingende Ver-
anlassung Hoc h t o n und V e r s h e b u n g in Z w i e s p a 1 1 brin-
gen , sondern in der Gebundenheit des Lateinischen
II o c h t o n e s d u r c h die T o n d a uer, das heisst erstens in der
Herrschaft der vorletzten langen Silbe, die einerseits
den Hochton des Wortes auf sich zog, andrerseits im
Vers die Vershebung auf sich nahm, und so den Hochton
der V e r s h e b u n g z u führte ; zweitens in der Tieftonigkeit
der vorletzten kurzen Silbe dreisilbiger und mehr-
silbiger Wortformen und aller Endsilben. Durch diese
E i g e n t h ü m 1 i c h k e i t der Lateinischen Betonung ward
das im Griechischen in Folge der Oxytona und Paroxytona mit
vorletzter kurzer Silbe so häufig erscheinende Widerspiel zwi-
schen T o n 1 ä n g e und Tonhöhe i m W o r t vermieden, und
dadurch auch im Vers, wo die Vershebung in der Regel die
— 454 —
Tonlänge aufsuchte, der Zwiespalt zwischen Hoch ton und
Vershebung in engeren Grenzen gehalten als im Griechi-
schen. Infolge dieses eigenthümlichen Lateinischen Betonungs-
gesetzes trat im Ganzen und Allgemeinen Einklang zwischen
Hochton und Vershebung hervor im Iambischen V er s m a a s s ,
wenn Wortfuss und Versfuss sich nicht deckten, in
Trochäischen Maassen, wenn der Wortfuss zugleich
Versfuss war, nur dass natürlich der katalektische Ausgang des
Trochäischen Septenars die zweite Vershälfte in dieser Beziehung
dem Iambischen Versmaass gleich stellte, endlich in Dakty-
lischen Ver sma assen ,. ebenfalls wenn Wortfuss und
Versfuss sich deckten, und zwar im Hexameter sowohl
in den beiden ersten als in den beiden letzten Vers-
fiissen.
Durch dieses ei gen I hü in liehe Lateinische Beto-
nungsgesetz führten Cäsuren nach der Vers Senkung
E i n k 1 a n g zwischen II o c h t o n u n d V e r s h e b u n g herbei,
Cäsuren nach der Vershebung Zwiespalt zwischen
beiden, wie jenes besonders im Bau des Iambischen Se-
il a r s und den T r o c h ä i s c h e n T etra meter s, dies e s im Bau
des Hexameters hervortrat.
C. F o 1 g e r u lt g e n
für die
Philologisch-kritische Behandlung
der
A Itrömischen Poesie.
Die Aussprache, der Vokalismus, die Betonung der Lateinischen
Sprache, das Verballniss der Betonung zur AIli omisrhen Verskunst,
das sind die Gebiete, durch welche die vorsiehende Untersuchung
auf dornenvollen Bahnen gewandert ist; es sollen der Aufgabe ge-
mäss noch die aus derselben sich ergebenden Forderungen für
die philologisch kritische Behandlung der Alt römi-
schen Poesie dargelegt werden. Es fragt sieh also, welche, von
den bisher gewonnenen Ergebnissen der Art sind, dass sie einen
Einfluss üben müssen auf die Gestaltung des Textes Altrömischer
Dichtungen.
— 455 —
Aus der Untersuchung über den Vokalismus treten folgende
Hauptergebnisse hervor, die für die Beurtheilung Altrömischer
Verskunst von Bedeutung sind.
Die Altrömische Dichtung hat in den Endsilben
viele lange Vokale gewahrt, die sich spater gekürzt
haben. Die in der Seen i sehen Dichtung hervortre-
tende Positions Vernachlässigung beruht a u f i r r a l i o -
na ler Aussprache gewisser tieftoniger Vokale und
s c h vv ach auslautender (Konsonanten im V o I k s m u n d e.
Die einsilbige Geltung zweisilbiger Wort formen
in der Versm essung beruht auf derselben Aussprache.
Die Vokalverschleifung sowohl innerhalb eines
Wortes als i m A u s laut u n d I n 1 a u t zweier a nf ein a n d e r -
folgender Wörter in der Altrömischen Dichtung er-
klärt sich ebenfalls aus irrationaler Aussprache sich
begegne n der Vokale in der V o 1 k s s p r a c h e.
Für die Gestaltung des Textes AI trömischer Dichtun-
gen folgt aus diesen Ergebnissen nichts als die Mahnung strenge
festzuhalten an den Grundsätzen der Kritik, die von Ritschi für
Plautus, von Lach mann für Lucrez mit glänzendem Erfolge ge-
handhabt worden sind, namentlich also Vokallän gen ungehin-
dert zu lassen, wo sie sich aus der in Handschriften überlieferten
Gestalt des Verses ergeben, so lange nicht die Unmöglichkeit der-
selben sich auf streng sprachlichem Wege erweisen lässt, ebenso
n u r a u f G r u n d s i c li e r e r h a n d sc h r i f tl i c h e r Z e u g n i s s e ,
die für die Positionsvernachlässigung, die S^nizese
und Sy n aloephe , die ein silbige Gelt Ung zweisilbiger
\V ortcr inder Versmcssung von dengen a n n l e n Gel e h r -
ten gezogenen Grenzen zu überschreiten.
Aus den Untersuchungen Über die Lateinische B e to n u n g
und ihr Verhä ltniss zur Verskunst hat sich ergeben, dass
in der Altrömischen Verskunst kein Streben nach Einklang
zwischen Hoch ton und Vers heb ung stattgefunden hat, weder
in den volkstümlichen Saturnischen Versen noch in der älteren
Scenischen Poesie, noch in irgend einer anderen Dichtungsart, deren
Versmaass die Römer von den Griechen entlehnten.
Daraus folgt für die philologisch -kritische Behandlung der
Altrömischen Poesie mit Notwendigkeit der Satz, dass bei Her-
stellung d e s T e x t e s A 1 1 r ö m i s c h e r D i c h t u n g e n niemals
— 456 —
von der Ueberlieferung zuverlässiger Handschriften
abgewichen werden darf, lediglich aus dem Grunde,
um d e n Z w i e s p a 1 1 zwischen Hochton u n d V e r s h e b u n g
zu beseitigen.
Für die daktylische Poesie, also für die Fragmente des
E n n i u s und L u c r e z ist dies auch nicht geschehen. An dem
durch Inschriften oder Handschriften sicher verbürgten Texte Sa-
turnisch er Verse, die dem von den alten Grammatikern über-
lieferten Schema entsprechen, ist auch neuerdings zu Gunsten der
Uebereinstimmung zwischen Hochton und Vershebung nichts We-
sentliches geändert worden. Für die Behandlung der Satur-
nischen Verse gestaltet sich nach den obigen Untersuchungen der
vorstehende Satz so: sie ohne Aenderungen des Textes,
ohne Rüc.ksichtaufden Wo r 1 1 o p , nachder aus P 1 a u t u s
erschlossenen A lt 1 a t e i n i s c h c n Quantität, namentlich
d e r E n d s i 1 b e n , und nach de m von den.Altenangegebe-
neu Sehe m a des V ersmaasses so w e i t als m ö glich zu
messen, diejenigen aber, welche sich diesem Maasse nicht
fügen wollen, für jetzt unverändert so zu lassen, wie sie
handschriftlich überliefert sind, bis ein glücklicher Fund
für die Beurtheilung derselben eine breitere Basis bietet , oder ein
sicherer Beweis für die Messung der vom gewöhnlichen Schema
aliweichenden Saturnier. geführt worden ist.
Einen en t schiede neu Ei nfluss auf Umgestaltung des
Textes der allen Scenischen Dichter hat neuerdings Ritschis
Ansiclft von der möglichsten Berücksichtigung des
Worttones beim AI t lateinische n Versbau ausgeübt.
Ist die Widerlegung dieser Ansicht im vorigen Abschnitt gelungen,
so müssen ohne Weiteres alle ihr zu Gunsten frorgenommenen
Textändcrungen von selbst wegfallen. Aber die Sache ist zu
wichtig und mit grossem Aufwand von Gelehrsamkeil und Scharf-
sinn verfochten, als dass man es unterlassen dürfte dieser Kritik
Ritschis Schritt vor Schritt zu folgen.
Im fünfzehnten Capitel der Prolegomena zum Tri-
nummus erörtert Bit seh 1, an welchen Stellen des Verses und
in weichen Wertformen der Widerspruch zwischen Hoch-
ton und Vershebuni; ihm unstatthaft und Abweichung von der
handschriftlichen Ueberlieferung gerechtfertigt erscheint l>ie Me-
thode ist meist so, dass Bitschi von einer für die Mehriah] der Fälle
— 457 —
gültigen Beobachtung ausgeht, die Minderzahl von Beispielen aber,
die eigentlich verbieten sollte, jene Beobachtung als allgemeine
Regel hinzustellen, theils durch Anführung besonderer Nebenum-
stände metrischer oder sprachlicher Art als motivierte Ausnahmen
hinstellt, theils, wo dies nicht möglich ist, durch leichte Umstel-
lungen und Abänderungen aus dem Texte hinwegschafft.
Der Gefahr, die in solchen Umstellungen zu Gunsten der Ue-
bereinstimmung zwischen Hochton und Vershebung liegt, ist sich
Ritschi wohl bewusst gewesen ; denn es heisst Proll. p. 239 : Tali-
bus igitur cavendum est, ne ad severiorem accentus Obser-
vation e m , quam quae i p s i s p o e t i s p 1 a c u i t , unquam exactis
de transpositione calidius quam perilius cogitcs. Und in der
That finden sich auch auf Schritt und Tritt bei Plaulus und Terenz
Verse, in denen durch eine ganz leichte Umstellung der Widerstreit
zwischen Hochton und Vershebung in einer oder mehreren Vers-
steilen beseitigt werden kann.
Ritschl's Kritik geht nun insbesondere darauf aus, die Fälle zu
beschränken, in denen die Vershebung auf die Endsilbe
des Wortes fällt und gerade diese Kritik muss hier in Frage ge-
stellt werden.
Es scheint am geeignetsten mit den zweisilbigen Wort-
formen anzufangen. Aus dem oben Gesagten erhellte, dass in
der zweiten Dispodie des Iambischen Senars die Vershebung seilen
auf die Schlusssilbe des Wortes fällt, wegen der Caesur, ebenso dass
drei zweisilbige Wortformen am Schlüsse des Senars mit der Vers-
hobung auf der Schlusssilbe selten sind, und noch seltener drei Iam-
bische Wortfüsse hintereinander, nicht weil der Zwiespalt zwischen
Hochton und Vershebung vermieden wurde, sondern weil der
Vers dadurch unerträglich eintönig schloss und die Vers-
füsse ohne Verbindung und Verschränkung neben einander
standen. Ritschi behauptet (p. 218. 222) eine spondeische
Wort form im drit ten Versfusse könne nur nach einer star-
ken Interpunction stattfinden, nicht vor einer solchen, weil vor
derselben der Widerspruch zwischen Hochton und Vershebung zu
hart sei. Aus diesem Grunde ändert Ritschi den Vers:
Bacch. 1065:
Vel da äliquem qui servet nie. Ohe odiose facis,
indem er ohe weglässt und umstellt me servet, und so ist der
Vers auch in den Fleckeisen'schen Text aufgenommen. Wenn, wie
— 458 --
oben gezeigt ist, der Widerspruch zwischen Vershebung und Hoch-
ton den Römischen Dichtern gleichgültig war, so ist diese Aende-
rung ungerechtfertigt. Als Grund der Thatsache, dass im
drittletzten Versfuss des lamhi sehen Senares ein S p o n d e i -
seh es Wort gemieden wurde, gibt Ritschi an (p. 211), dass die
Vershebung auf der Endsilbe der Spondeischen Wortform in härte-
rem Widerspruch zu der "Wortbetouung stehe als auf der Endsilbe
Jambischer Wortformen. Indessen da der Hochton ebenso scharf
und hoch bleibt auf der kurzen Silbe der Jambischen wie auf der
ersten Lange der Spondeischen Wortform, da auch das Wesen der
Vershebung auf der Endsilbe in beiden Fällen dasselbe bleibt, so
ist auch der Zwiespalt zwischen Hochton und Vershebung in beiden
Fällen derselbe , das heisst gleich wenig gesucht und gleich wenig
gemieden.
Ein S p o n d c i s c h c r oder Anapaestische r W o r tf u s s im
zweiten Versfusse des Iambischen Senars ist selten; doch duldet.
ihn Ritschi in den Versanfängen (Proll. p. 221 /'.).
Bacch. 518: Tum quöm nihilo plus . .
Bacch. 853 : Scies hau multö post . .
An diesen Stellen sollen nihilo und multo deshalb gerechtfer-
tigt erseheinen, weil plus, post sich enklitisch an das vorhergehende
Wort anschlössen. Auch die Personalpronomen sollen sich au die
vorhergehende Präposition enklitisch anlehnen in Verbindungen wie
propter nie, praeter nie, praeter te, inier sc, int er
n us, erga ine, erga te, ja sogar res soll enklitisch sieb an das
vorhergehende Wort lehnen, selbst wenn dies eine Präposition isl
in solchen Verbindungen wie propter res, laut am rein [Proll. />.
222. 227. 237). Diese Aufstellungen sind ein Beleg dafür, dass aus
dem Fall der Vershebung niemals auf die Betonung des Weites ge-
schlossen werden darf. Es isl in dem Abschnitt Ober den Tonan-
schluss dargethan, dass die Präposition sich enklitisch an
das folgende Wort anschloss, dass also betont wurde propter
res (nicht propter res), praeter me, praeter te", inier sc,
int er liös, erga me, erga te wie Griechisch sig m/;'. iv
r){itv, cog cc vxov, ecp' ecrrö r . u. a. Deutsch c^eu en in ich,
unter uns, durch dich, in ihm, für euch u.a.' Dass das
persönliche Pronomen im Lateinischen sich tieftonig an das vor-
hergehende Wort angeschlossen halte, dafür hat rieh (dien
keine Spur gefunden. .Noch viel weniger kann nach der obigen
— 459 -
Untersuchung über die Enklisis angenommen werden, dass plu s,
post, res sich an das vorhergehende Wort in der Betonung
anlehnten, da weder irgend ein Grammatiker davon etwas weiss,
noch jene Wörter jemals in Handschriften oder Inschriften mit
dem vorhergehenden Wort zusammengeschrieben worden sind.
Es muss demnach in den obigen Versen, da Tonanschluss an
ein vorhergehendes Wort dort nicht stattfindet, einfach bei der
Thatsache sein Bewenden haben, dass auch im zweiten Vers-
tösse bisweilen ein A n a p ä s t i s c h e r oder S p o n d e i s c h e r
Wortfuss stehen kann und auch die Entschuldigung durch eine fol-
gende Interpunction (p. 223) bedarf es nicht.
Hitschl weist nach, dass besonders in dem zweiten und dritten
Euss des Trochäischen Septenars eine auslautende kurze Silbe als
erste Kurze der aufgelösten Arsis stehe (p. 225) und dass dann in
der Verssenkung, die auf die aufgelöste Vershebung folgt, in der
Begel eine kurze Silbe steht, also Vershebung und Verssenkimg zu-
sammen einen Tribrachys bilden wie:
Trin. 714: Sine dote neque tu hinc abituru's . .
715: Sin a 1 i t e r ani m ä t u s es . .
Auf diese Beobachtung gestützt ändert Bit seid (p. 226) den Vers :
Trin, 329: De meo: nam quöd tuumst, meümst, omne meum
äul ein tuumst,
indem er umstellt: meumst, omne autem meum tuumst, weil
auf jene aufgelöste Vershebung eine lange Silbe folge:
-ne meum äu- und weil sie im sech st en Versfuss e stehe.
Ebenso ist im Bitschrschen Text ein Vers umgestellt, der nach
den Handschriften lautet:
PscucJ. 1 79 : Natalem scitis mi esse die m h ü n c.
indem Bitschi und Fleckeisen schreiben: Natalem mi esse nunc
diem scitis.
Man vergleiche aber folgende Verse :
Trin. 623: Nescio quid non satis inter eös cönvenit . .
Pscud. 648: Nam istie sumbolümst inter er um meum et tuum
de mülierc.
Trin. 827: Nam pol placidum te et clementein eo usque modo
üt volui, usus sum in alto.
Bacch. 1146: 'Et praeter eös ägnos meus est . .
Most. 235: Iam ista quulem äbsumpta res erit . .
Psend. 206: . . serviant, suils ämör cogit.
— 460 —
In diesen Versen zeigt sich derselbe Fall der aufgelösten Vers-
hebung auf die Endsilbe eines Trochäischen oder Pyrrhichischen
Wortes im vierten, fünften und siebenten, wie im zweiten Versfusse
und in allen Fällen folgt in der Verssenkung eine lange Silbe aufdie
aufgelöste Arsis. Dass in der Verbindung inter eos, inter er um,
praeter eos, das zweite Wort nicht enklitisch war, ist schon gesagt.
Wenn also Plautus im zweiten, vierten, fünften und sie-
benten Versfusse die Vershebung aufdie kurze Endsilbe des Tro-
chäischen Wortes legte, ohne sich um den Hochfon zu kümmern,
so ist kein Grund ersichtlich, weshalb er im sechsten und vier-
ten Versfusse der obigen Verse nicht ebenso verfahren sein sollte,
und die in denselben vorgenommenen Umstellungen sind nicht ge-
rechtfertigt. Dies ist um so einleuchtender, da Ritschi auch im Jam-
bischen Senar denselben Fall der Vershebung für zulässig erachtet:
Pseud. 838: Cumque tüls ist is Omnibus . .
wo der aufgelösten Vcrshebung eine lange Silbe in der Verssenkung
folgt.
Nach Ritschi darf die Vershebung nicht auf die zweite
Silbe einer Tribra chyschen Wortform lallen ~J~ {Prall, p.
225) während er an der Hebung der vorletzten Silbe eines dakty-
lischen Wortes - -- nicht zweifelt {p. 221), ebenso wenig wie an
der Arsis der kurzen Endsilbe eines Trochäus - J- Da doch sicher-
lich der Widerstreit zwischen Hoch ton und Vershebung nicht grel-
ler ist , wenn eine tieftonige kurze Silbe neben einer hochlonigen
kurzen Silbe, als wenn eine tieftonige kurze Silbe neben einer hoch-
tonigen langen Silbe die Vershebung erhält, so ist kein Grund ab-
zusehen, weshalb der eiste erlaubt, der zueile verpönt sein sollte.
Diese Betonung einer Tribrachyschen Wort form findet sich denn
auch :
bei Plaut us Men. 876:
Oui vi nie cogunt, i'il välldÜS insäniam,
wo Ritschi die Umstellung von Bothe 'validus ul insani.un ver-
wirft und beider handschriftlichen IVberliel'erung bleibt, also sein»1
frühere Ansicht geändert zu haben scheint. Ebenso findet sich in
einem bereits erwähnten Vers der einen Scipionengrabscbrifl ge-
messen :
Facile facteis superäses glöriam maiorum
Ritschi stellt den Salz auf, Daktylische \Y <> r I l'or m e n und
solche, die auf einen Daktylus au suchen, halten die Vers he-
— 461 —
1) n n g auf der 1 et ztcn Silbe nicht ertragen (Prall, p. 229) und
beseitigt Falle, wo dies vorkommt, zum Theil durch Umstellungen.
So Mil. 226:
Reperi comminiscere cedo cälidum consiliüm cito.
Ritschi schiebt gegen die Handschriften dum hinler cedo ein, und
auch Fleckeisen hat diese Abänderung in den Text aufgenommen.
Durch Umstellung oder Einsehiebung von Wortern werden aus
gleichem Grunde folgende Verse gegen Handschriften verändert:
Pers. 186:
Nön edepol scis. Da hercle pignus ni ömniä memini et scio.
Hier stellt Ritschi mit Reiz um: ni memini omnia.
Men. 887 :
Utrum mc dicam diicere medieum an fabrum.
Ritschi nimmt hier Bothe's Umstellung med i cum ducere in den
Text.
Pseud. 59 :
Haec prae;stiluta pröxima Dionysia.
Fleckeisen und Ritschi schieben hier ein ad nach proxima
ein, ohne dass der Sinn es forderte, also weil nach der Lesart der
besten Handschriften die Vershebung auf die letzte Silbe des Dakty-
lischen Wortes fällt.
Mil. 27 :
Quid? bracchium? Mut dlcere volui femur.
So haben die Handschriften und so steht der Vers auch im
Ritschi'schen Text. Indessen auch hier will Ritschi ändern
(Rhein. Mas. VII. 312), indem er eine sonst nicht vorkom-
mende Wortform feminin* vermuthet , die neben femur
stände, wie itiner neben iteru. a. und min schreiben will fe-
min ur volui dicere, was denn auch Fleckeisen in den Text ge-
setzt hat. Dass die Form femin ur einmal in der Sprache vorhan-
den gewesen, ist sehr wahrscheinlich; aber der Kritiker ist schwer-
lich berechtigt eine sprachliche Form in den Text eines Schrift-
stellers zu setzen, deren einstmaliges Vorhandensein der Sprachfor-
scher nach richtiger Analogie wahrscheinlich gemacht hat; erbat
nur zu untersuchen, welche wirklich in der Sprache vorkommenden
Wortformen an jeder Stelle standen oder stehen müssen. Die be-
sagte Aenderung darf um so weniger in einer Plautusausgabe Platz
finden, als in dem Fall der Vershebung dlcere dazu kein Grund
liegt. Es scheint auch als ob Ritschi seine Ansicht, dass die letzte
— 462 —
Silbe eines Daktylischen Wortes nicht die Vershebung tragen dürfte,
geändert hätte ; denn an einzelnen Stellen in den neuerdings heraus-
gegebenen Stücken bleibt dieser Fall der Vershebung unangefoch-
ten. So:
Pseud. 359 :
"Ingere mala multa . . .
Merc. 1008:
Erit eamus. Hie est intro filiiis apud nös tuos
Einige ähnliche Stellen des Plautus (wie Pseud. 379. 616.
Trin. 289) müssen wegen anderer obwaltender Zweifel hier aus
dem Spiele bleiben.
Fussend auf der Ritschl'schcn Ansicht über den Einfluss des
Ilochtones auf den Lateinischen Versbau hat es A. Koeh, Exerci-
laliones crilicae, p. 20/'., unternommen, durch Aenderungen
diejenigen Stellen aus dem Text des Terenz zu beseitigen,
in denen der besagte Fall der Vershebung vorkomm I. Es sind
folgende:
HeauU V, 1, 69, Fl:
Me mea dmniä bona doli dixisse illi. Quam rem agis?
ü. 0. V, 5, 1 1:
Ouodego nunc aequom censeo. Pater, dmniä faciam: inpera.
(/. 0. III, 3, 11:
Apüt quem expromere omniu mea occulta Glitipho aüdeam.
Em. II, 2, 33:
Vocäbul.i: parasili ila lll (inalhöniei vueriilur.
Ihr. IV, 1, 16:
Partum, pracserlim cum el rede el I ein p <> re sno pepererit.
Adetph. III, 2, 4&:
Perift: pro virgine dari nuptum nön potest: hoc reli-
cuom esl.
ffeaut.ll, 1,1:
E\ su;i lubidine moderantur, nunc quae est, mm quae
olim fuil.
Phorm. V, 9, 7:
Auscülta. Pergin ered r» r « * ? Quid pgo öbsecro.
Andr. Prol. 23:
Male dicere*, maJefäcia ne noecänl sua.
a. 0. lll, 5, 7:
(jui smn pollieiius dücere? qua audäcia id facere aüdeam.
— 463 —
Heant. 11 , 1 , 5 :
Mihi si ümquam fllnis erit, nc illc fäcili me utelür patre.
Adelph. IV, 3, 7:
Scd quaeso ut una mecum ad matrem virgini s cas Micio.
Eun. V, 8, 52:
"Accipit homo nemo melius prörsus nequc prolixius.
Es ist schon von Krain darauf hingewiesen {Phüolog. IX, p.
668 — 674), dass alle diese Aenderungen durch keine anderen
Gründe gestützt sind, als durch das Bestrehen, die Vershebung
von der letzten Silbe der Daktylischen Wortform wegzu-
schaffen, das heisst also ungerechtfertigt sind. Aber der
genannte Gelehrte geht auf eben dasselbe Bestreben ein, indem er
gegen B i t s c h 1 (Proll. p. 1 S5 f.) und Lac h m a n n {Lucrez p. 75)
einen Beweis zu fuhren versucht, dass durch die Kraft der Vers-
hebung bei den Scenischen Dichtern eine kurze Silbe gelängt
weiden könne, dass also an den hier in Bede stehenden Stellen
durch die Vershebung aus Daktylischen Wortfüssen Crctische ge-
worden seien. Man verfolge diese Abhandlung Schritt vor Schritt,
und man wird finden, dass in allen Fällen, um Längung der End-
silben durch die .Vershebung zu beweisen, entweder Synizese oder
die ausnahmsweise einsilbige Messung eines zweisilbigen Wortes
angenommen ist. Wäre die Vokalverschleifung und die einsilbige
oder vielmehr irrationale Messung eines zweisilbigen Wortes bei
Plautus und Terenz Begel, so Hesse sich ein Beweis für die verlän-
gernde Kraft der Arsis darauf stützen. Nun muss man es aber
doch seit Bilscbls Forschungen als erwiesen ansehen, dass beide
Messungen nur eine auf enge Grenzen beschränkte Ausnahme sind.
Durch eine ausnahmsweise angenommene Vokalverschleifung oder
einsilbige Geltung zweisilbiger Wertformen kann man aber nicht
eine ausnahmsweise verlängernde Kraft der Vershebung erweisen.
Es mussten bessere Gründe geltend gemacht werden, um die Leine
Lachmann's und Bitschl's, dass bei den älteren Römischen Dichtern
die Vershebung keinen Einfluss auf die Tondauer der Wortsilben
übt, zu erschüttern. Fl eck eisen hat von allen jenen Umstellun-
gen Koch's keine einzige aufgenommen, theilt also die Meinung,
dass dieselben nicht Verbesserungen, sondern Verderbnisse des
Textes sind ; er lässt die grosse Mehrzahl der obigen Verse unan-
getastet, wie sie handschriftlich überliefert sind, nimmt hingegen
in zweien derselben {Her. IV, 1 , 16. Heaut. II, 1,4) sehr leichte,
— 464 —
in einem (Adelph. III, 2,48) eine bedeutendere Aenderung in den
Text auf, und verbessert eine ähnliche, oben absichtlich nicht an-
geführte Stelle {Adelph. II, 3, 9) durch eine treffliche Emendation.
Wenn nun aber der Versuch gewagt worden ist, die Vershe-
bung von der letzten Silbe des Daktylischen Wortes in so zahlrei-
chen Fällen, wo sie handschriftlich verbürgt ist, durch Aenderun-
gen und Vermuthungen zu beseitigen , so erwartet man wenigstens
einen Grund zu hören, weshalb denn eigentlich den Scenischen
Dichtern dieser Fall der Vershebung so in der Seele zuwider gewe-
sen sei. Aber ein solcher wird nirgends angegeben und ist auch
in der That nicht vorhanden. Angenommen, jene Dichter hät-
ten, was oben widerlegt ist, den Zwiespalt zwischen Hochton
und Vershebung gemieden, so fand ja dieser Widerspruch in dein
vorliegenden Falle gar nicht statt. In den Daktylischen Wortern
und Wortausgängen wie :
omniä, virgine, male df'cere, äccipft u. a.
fiel an den betreffenden Stellen die erste Vershebung, die das
Wort zu tragen hatte, mit dem II och ton des Wortes zusammen
auf der langen Silbe, und dieser Einklang blieb völlig unberührt
und ungestört dadurch, ob das Wort noch eine Versbebung
trug oder nicht. Es ist nun aber vollends nicht erklärlich, was
einem Dich! er, der sich gar nicht scheute, in Trochäischen und
Daktylischen Wortformen die Vershebung auf die tieftonige kurze
Silbe hart neben die bochtonige lange Silbe zu legen (Proli. p.
224) in Daktylischen und Trochäischen Wortformen --'-,- -', dem
der Widerstreit zwischen Hochton bis zu dem Grade gleichgültig
war, dass er Verse bilden konnte, wie den anapaestischen Septenar:
Bacch. 1008:
Stulti, spondi, fatui, fungi, bardi, blenni, buccones,
was einen solchen Dichter bewegen sollte, neben dem Einklang
/wischen Hochion und Vershebung auf der langen ersten Silbe der
Daktylischen Wortform, eine zweite Vershetiung auf der Schluss-
silbe des Wortes hart zu linden und zu meiden.
Ritsch! hal dabei- wohlgelhan, in neuester Zeil von dieser An-
sicht abzugehen , wie seine Lesarten ingere* {/'seit'/. 359), l'lllus
(Merc. 1008) zeigen. Demnach ist auch lüppiter (Amph. 94)
und r n s ü p e*r (Merc. 693) tu messen, da schon oben gezeigt ist,
dass die auslautende Silbe dieser Wörter nicht lang gewesen sein
— 465 —
kann; und aedlbus {Most. 402) beweist nichts für eine ursprüng-
liche Länge des Suffixes -bus*).
Es ist ferner von Ritschi (Prot, p. 229) aufgestellt worden,
dreisilbige und mehrsilbige Wörter, deren vorletzte Silbe
lang ist, dürften nicht die Vershebung auf der letzten
Silbe tragen. Daher wird denn folgender Vers geändert:
Mit. 699:
Me uxöre prohibent quae mi huius similis sermones serat
indem umgestellt wird : m e prohibent uxore.
Hingegen bleibt ungeändert :
Stich. 696:
Set amlcä mea et tüa dum comit se ätque exornat, nös
volo ,
weil die beiden Wortformen set ä ml ca einem Päeon primus oder
Proceleusmaticus ähnlich klängen und dem gemäss die Vershebun-
gen fallen konnten wie in den Verbindungen propitla fon s,
obicere neque. Das ist ein Scheingrund, denn abgesehen da-
von, dass set amica zwei Worter sind und nicht eins, ist es ja
für die Lateinische Betonung von ganz durchschlagender Bedeu-
tung, ob die vorletzte Silbe einer Wortform lang und kurz ist, folg-
lich klang auch set amica hinsichtlich seines Tonfalles sehr auf-
fallend verschieden von obicere und propitia. Ungeändert bleibt
ferner :
Trin. 320:
Benefacta benefäctis aliis pertegilo ne perpluat,
weil man sich hier bene facta getrennt denken könne. Indessen
wenn auch benefacta, maledicta nicht untrennbare Composita
geworden sind, so beweist doch ihre verbundene Schreibweise, die
ja auch Ritschi im Texte beibehalten hat, dass die Adverbien bene,
male sich enklitisch an das folgende Wort anschlössen und tieftonig
gesprochen wurden. Es ist also für die Betonung gleichgültig, ob
man bene facta, male dicta schreiben will oder benefacta ,
maledicta, es bleibt also auch das Verhältniss zum Hochton im
angeführten Verse bei beiden Schreibweisen genau dasselbe.
*) Daher hat auch 0. Ribbeck die Porsonsche Herstellung eines En-
nianischen Verses, Trag. fr. 238: Quique lürnine tuo maria te'rram
caelum contines, ganz mit Recht gebilligt und in den Text aufgenommen
Die Handschriften haben: tuo lumin e. Bei Vahlen , Enn. trag. 322,
erscheint derselbe Vers übel zugerichtet.
Corssen II. 30
— 406 —
Es ist auch hier wieder nicht genügend gerechtfertigt, warum
üxöre aus dem Text verwiesen benefäcta, ämleä beibehalten
werden, warum der Fall der Vershebung öre nicht anstössig,
ilxöre aber unerträglich gewesen sein soll, denn der Zwiespalt
zwischen Hochton und Vershebung ist in beiden Fällen vollkommen
derselbe. Also auch hier ist von den Handschriften ohne zureichen-
den Grund abgewichen.
Für Molossische Wortformen verwirft zwar Ritschi den Fall der
Vershebung auf die letzte Silbe im Allgemeinen nicht (Proll. p. 213),
will indess doch im vierten Fusse des Trochäischen Septenars eine
solche Härte darin finden (p. 214), dass er ändert, wo sich Aende-
rungcn leicht darbieten ; so :
Trin. 648: •
Praeöptavisti, ainörem tuum tibi virtiili praeponeres,
Ritschi ändert: tuum tu virtuti ut praeponeres,
und Trin. 410 :
Quam si tu obicias fdrmicls papäverem,
wo Ritschi ändert: formicis tu obicias. Gegen die Leichtigkeit
dieser Aenderungen lässt sich gar nichts sagen. Man sieht nur
wieder keinen Grund, warum im vierten Fusse jener Widerstreit
zwischen Hochton und Vershebung in den Molossischen Wortformen
dem Dichter unerträglich gewesen sein soll, an anderen Versstellen
nicht. Aber auf Grund des Ergebnisses, dass jener Widerstreit
überhaupt weder gesucht noch gemieden wurde, sondern gleich-
gültig war, kann man doch die vorstehenden Abweichungen von
der Handschriftlichen Ueberlieferung vollends nur als ungerechtfer-
tigt ansehen.
Ritschi stellt das Vorkommen Choriambischer Wortfor-
men in der Mitte des Verses, im dritten und vierten Versfusse
mit der Versheb ung auf der ersl e n und letzt en Silbe im All-
gemeinen nicht in Frage, findet es aber unglaublich, dass die-
selben auch vor ein er starken Int erpunc lien vom Dichter zu-
gelassen seien (Proll. p. 212) und ändert daher die handschriftliche
Lesart des folgenden Verses :
Trin. 582:
Die Gällicli, me ut cdnvänlät. Quin tu i modo,
indem er con vena I schreibt.
— 467 —
Angenommen, es wäre die Vershebung auf der letzten Silbe
der Choriambischen Wortform vor starker Interpunction Plaulus
und seiner Zuhörer Ohren so unerträglich gewesen, wie Ritschi
annimmt, dann ist nicht abzusehen, weshalb folgender Vers unange-
tastet bleibt:
Bacch. 246:
Salve, set ubinamst Mnesilöchus? Vivit, valet.
Das Fragezeichen ist doch eine ebenso starke Interpunction als
das Punctum; die Frage vor Personenwechsel bedingt ja eine ent-
schiedene Pause in der Rede. In Mnesilöchus hätte also der
Widerstreit zwischen Vershebung und Hochton eben so hart
klingen müssen wie in cönvenTat. Aber da jener Einklang
nicht erstrebt ward, so wird auch cdnveniät ungeändert bleiben
müssen.
Obwohl Ritschi Wortformen, die einen Paeon quartus
bilden, mit der Vershebung auf der ersten und letzten Silbe für
erlaubt hält, ändert er doch eine fünfsilbige Wortform, die auf
einen solchen Paeon ausgeht, und stellt sie zugleich um, nämlich
statt:
Trin. 1023:
Quorum unus sürripüerit currenti cursori solum,
schreibt er: quorura hercle unus surpuerit. Hermann hat
die verderbte handschriftliche Ueberlieferung s u r r u p u i t , s u r r i -
p u i t , s u b r i p u i t leicht verbessert in surripueri t. Weshalb der
Widerspruch zwischen Ilochton und Vershebung in sürripüerit
stärker und anstossiger sein sollte als der von Mnesilöchus ist
nicht ersichtlich, also auch die Einschiebung des hercle nicht be-
gründet. Ganz dasselbe gilt von dem Vers :
Bacch. 426 :
Ante solein exöri entern nisi in palaestra veneras,
wo Ritschi ändert: Ante solem nisi tu exori entern.
Rei der Gleichgültigkeit der Plautinischen Verskunst gegen den
Hochton des Wortes muss auch hier die Lesart der Handschriften
unangetastet bleiben.
Auch die Vershebung auf der viertletzten und letzten Silbe
eines auf einen lonicus a minori ausgehenden fünfsilbigen Wortes
erscheint Ritschi an einer Stelle als eine unerträgliche Härte für
Plautus:
30*
— 468 —
Trin. 1138:
Modo mi ädvenYentl nugator quidam occessit öbviam,
er setzt daher hie hinter advenienti ein.
Eine gleiche Wortform mit demselben Fall der Vershebung bleibt
hingegen unangefochten stehen an derselben Versstelle in folgendem
Verse :
Stich. 740:
Peregre ädvenientes te expetimus, Stephaniscidium mel
raeuni.
Weder Ritschi noch Fleckeisen weichen im Text hier von der
handschriftlichen Ueberlieferung ab. Hingegen den Vers:
4mph. 296:
Corte advenientem nie hie hospitiö, pugni aeeeptürus
est,
ändert Fleckeisen wieder durch Umstellung in: (leite advenientem
hie nie hospitiö pugneo aeeepturus est.
In diesem Verfahren ist so wenig (Konsequenz, dass man zu
dem Glauben veranlasst wird, dass der erste und dritte dieser Verse
geändert ist, weil die Abänderung leichl war. hingegen der zweite
unangetastet geblieben isi , weil eine Aenderung schwer oder gar
nicht thunlich schien, her lall der Vershebung in ädvcnTenti.
ädvenientes, advenientem siehl in keinem schärferen (iegen-
satze zum Hochton des Wortes, als dies in folgenden Wortformen
der Fall ist, die einen lonicus a minori bilden:
Stich. 165: mi ii n I ur, c.
a. O. (Kit : IM on ys um. e.
Capl. 85: päräsiti,
a. 0. 86: re*dierunt,
Rud. 1246: säp lentis,
Pseud. I lö() : ine in tili st i .
Entweder man nuiss nachweisen, dass der Text an allen diesen
Stellen verdorben ist , oder man muss ihn an allen unangetasel las-
sen, ha nun dieser Nachweis nicht geführl werden kann, so muss
man annehmen, d;iss Plautus der Fall (\vv Vershebung von adve-
nienti ebenso gleichgültig war, wie auch sonst der Zwiespalt zwi-
schen llochton und Vershebung.
hie hier besprochenen Stellen gelingen zum .Nachweise, wie
die neuere Textkritik des Plautus und Terentius das
Zeugniss unter Handschriften verworfen und Aen-
— 469 —
derungen im Texte der Scenischen Dichter vorgenommen hat,
lediglich fassend auf der Bentleyschen Annahme, dass die-
selben nach dem Einklang zwischen Hochton und Vershebung
gestrebt haben sollen, ohne dass irgend andere bestimmende Gründe
hinzutraten. Alle Stellen, bei denen ein Bedenken anderer Art ob-
waltet oder auch nur nebenbei geltend gemacht werden konnte zu
Gunsten einer derartigen Aenderung, sind absichtlich übergangen.
Wenn der Beweis stichhaltig gewesen ist, dass die Alt-
römisch e V e r s k u n s t sich gegen den W o r 1 1 o n völlig g 1 e i c h -
gültig verhielt, dass sie gar nicht danach trachtete, ihn mit
der Vershebung in Einklang zu bringen, dann sind alle bespro-
chenen Abänderungen der handschriftlichen Lesarten unbedingt
zu verwerfen.
Es ist sonst gerade das Werthvolle an Ritschis Forschungen,
dass er festgestämmt auf dem Boden der sprachlichen und metri-
schen Thatsachen, die er gründlich durchforscht hat, fern von
hohlen Theorien graden Weges auf das Ziel seiner Beweisführung
losgeht und mit sicherer Hand die Grenzlinien des Erkennbaren zieht.
Aber das fünfzehnte Capitel seiner l'rolegomena, so reich es auch
an feinen metrischen Beobachtungen ist, steht in dieser Beziehung
den übrigen Abschnitten des trefflichen Werkes nicht gleich. Die
handschriftlich beglaubigten Thatsachen wollen sich einer in sich
nicht haltbaren Lehre nun einmal nicht fügen; daher entsteht in je-
nem Capitel der Prolegomena Schwanken und Ungleichheit der kriti-
schen Behandlung, und Ritschis sonst so glücklicher Scharfsinn
müht sich vergebens ab, mitwirkende Nebengründe, mildernde Um-
stände, besonders begünstigende Verhältnisse ausfindig zu machen,
die erklären sollen , weshalb ein und dieselbe Form der Vers-
betonung an der einen Stelle gestattet sein soll, an der anderen
nicht, und die doch schliesslich die Lücke oder den Widerspruch
in der Beweisführung nicht zudecken können. Schon Bentley
hat seine Lehre so fassen müssen, dass die Römischen Dichter nur
so viel als möglich, quoadlicuit (Sched. d. metr. Ter.
p. 19) Hochton und Vershebung in Einklang zu bringen gesucht
hätten. Grade diese Möglichkeit ist nun aber eine so dehnbare
Bestimmung, ein so schwankender Boden, dass sich auf
demselben kein fester Beweis führen lässt. G. Hermann gesteht,
dass sich jene Dichter nicht überall consequ entgeblieben
seien (Eiern, doctr. metr. p. 1). Wie soll man nun bestimmen,
— 470 —
wie weit diese Consequenz ging, und wo sie aufhört? Ritschi sagt,
Proll. p. 211 : Sed praeter haec quae ipsa ars concessit fatendum
est quaedam quamquam numero pauca vel excidisse poetis vel
indulsisse sibi poetas, quae sint extra rationem posita. Dieses
extra rationem posita neben der ratio, die überall gesucht
wird, ist wie das Homerische vtcbqiioqov, neben der [iolqcc, es
ist nichts anderes, als die Menge der Thatsachen, die sich gegen
eine unhaltbare, ihnen aufgezwungene Theorie sträuben und auf-
lehnen.
Die Beobachtung des kritischen Verfahrens an allen besproche-
nen Stellen aus älteren Scenischen Dichtern der Römer hat also
dazu geführt , die Richtigkeit des schon oben ausgesprochenen
Satzes zu erproben und zu bestärken: Da der Wortton auf
den Bau des Alf römischen Verses gar keinen Ein fluss
gehabt hat, so ist man nicht berechtig!, zu Gunsten
eines solchen Einflusses bei der philologisch-kriti-
sche n R e h a n d 1 u n g \ Itr öm is che, r Dichtungen geg e n das
Zeugniss bewährter Handschriften irgend Acnderun-
g c n de s T exte s vorzunehmen.
Ist aber der Beweis für die ausschliessliche Geltung
der Quantität im Altrömischen Versbau, der hier geführt ist,
stichhaltig, dann erwächst daraus für die Lehre von der Vers-
kunst der älteren Scenischen Dichter der Vorlheil,
da ss sie auf einem einfachen und klaren Princip be-
gründet werden kann, dass die Forschung auf diesem Gebiet
des erfolglosen Abmühens und Abqualens auf einem dornenvollen
und unfruchtbaren Felde überhoben wird, der fein gesponnenen Ver-
mittelungen und an Ausnahmen erstickenden Regeln , die aus dein
Beginnen erwachsen müssen, in der All lateinischen Verskunst neben
der Herrscherin des Verses, der Tondauer, noch einer Macht
zweiten Ranges ein Gebiet abstecken und sichern zu wollen,
jener angeblichen bewussten Vorliebe der Dichter für
den Einklang zwischen llocliton des Wortes und He-
bung des Versfu sses, die sich nach Abstreifung eines tauschen-
den Scheines als ein wesenlos es Gebilde ergeben hat.
Das hier ausgesprochene mühselig errungene Urtheil ist
sicherlich nicht geeignet, einen Schatten zu werfen auf den Glanz
solcher Namen wie R, lientley und G. Hermann; eben sowenig
kann es das Verdienst desjenigen Forschers schmälern, der in un-
— 471 —
seren Tagen mit unermüdlichem Fleijss, mit klarem und durch-
dringendem Scharfsinn, mit umsichtiger und strenger Methode
eine neue Bahn gehrochen hat für die Erforschung der Geschichte
der Lateinischen Sprache, indem er die allen ächten Urkunden
derselhen von Fälschung und Verderhniss gereinigt und an den
Platz gestellt hat, der ihnen zukommt, das Verdienst Fr.
Ritschis,
Die Acten dieser ganzen Untersuchung sind hiermit geschlossen
und dem Urlheil der Sachkundigen anheim gegehen.
Berichtigungen und Nachträge.
I, S. 21, Z. 13. Vgl. auf christlichen Grabschriften 77f qv.ztito g,
Rom. subterr. Aring. II, p. 121. tccikz, a. 0.
I, S. 27, Z. 4. Vgl. Costanzii, Rom. subterr. I, p. 342.
I, S. 30 c, z. End. Dieses Endergebniss stimmt im Wesentlichen mit R.
v. Raumers Auffassung-, die Aspiration und die Laut-
verschiebung p. 02 : Man sprach zur Römischen Kai-
serzeit weder -ikius noch -itius, man brachte
vielmehr einen Laut hervor, der zwischen k und t
in der Mitte lag-. Andere Aufstellungen R's modi-
fizieren sich nach den oben zusammengestellten
handschriftlichen und inschriftlichen Thatsachen.
vgl. a.ö. p. 04. Bei Schleicher , Zur vergleichenden
Sprachgeschichte, ist die Assibilation im Lateini-
schen und in den Italischen Dialekten nickt be-
handelt, für die Romanischen Sprac4ien eine Zu.
sammenstellung gegeben . p. 71 f. nach Diez. •
I, S. 31 , Z. 33. für pim zu lesen kirn.
I, S. 48, Z. 4. Ob fostis die ältere Wortform ist oder hostis
und dieses dem Goth. gasts entspricht bleibt für
jetzt dahingestellt.
I, S. 48, Z. 20. zu streichen Sanskr. prija (lieb). Vgl. Ehel. Zcitschr.
f. vergl. Sprachf. IV, 447.
I, S. 64, Z. 2. Etymologisch entspricht Lat, f anch Griech. & , so
in ruf us, iqv&QOg , G. Curt, Qriech. Etyn. No. 306,
fendo, ftsivco. a. 0. 311, ferus, &r>Q. Aeol.
cprjg, a. 0. 310, fumus, &vua, ftvuög, a. Ü. 320,
formoi, &*Q{i6g, Schweizer, Z. f. vergl. Sprachf. III.
347 u. a. Verl. Curt. a.O. 307. 300. 312b. 315. 316.
325. 1 15. Noch seltener entspricht Lat. f Griech. % ">•
in fei, %6Xog, a. 0. 200, frio , XQl'(0i a- °- -0L
I, S. 60, Z. 0. Statt Blütheeeit der Römischen Litterat nr
zu lesen älteren Kaiser sei t.
I, S. 86, Z. 6. Ebenso ist B zu r gesunken in norei neben AUS,
Ahd. m u s , Skr. in il s - . vi r Q I . Skr. v i s ;i . n u -
ms, Skr. snus'ä. Vgl. Kuhn. Zcitschr. f. vergl.
Sprachf. II, 136.
I,
s.
136,
Z.
31.
I,
s.
HO,
z.
4.
1 ,
s.
155,
z.
— .
- 473 -
I, S. 109, Z. 17. auch in inquam, vgl. Schweizer, a. 0. VIII, 308.
1, S. 125, Z. 32. Dass x Spätlat. wie s klang, zeigen auch Schreib-
weisen der lex Salica wie senextra, extriam,
exspacium, exstrinxerit, exspolia für s i -
nistra, striam, spatium, strinxerit, spo-
lia, Pott, Zeilschr. f. vergl. Sprach f. I, 333 f. und
iusta für iuxta, a. 0. 338. wie Cappados für
Cappadox auf einer christl. Grabschr. Rom. sub-
terr. II, 57.
I, S. 134, Z. 10. Vgl. Kuhn, Zeitschr. f. vergl. Sprachf. II, 131 f.
I, S. 136, Z. 4. Ebenso fiel v nach anlautendem s aus in sudor, Skr.
Wz. svid-, Ags. svät-, sopor, somnus, Skr.
svapna, soror, Skr. svasr, socer, Skr. cva-
cura, und nach c in canis, Skr. c van, Vergl.
Kuhn, Zeitschr. f. vergl. Sprachf. II, 134. 135.
Weher, a. 0. 310. G. Curt. Griech. Elym. No. 84.
31. Vgl. Ebel, Zeitschr. f. vergl. Sprachf. VI, 207.
für shall zu lesen small.
Vokalsteigerung eines u zu au, av zeigen im Lat.
lavare neben luere, aurora neben urere,
us tum, Skr. Wz. us-, augeo von Wz. ug-,
G. Curt. Griech. Et. No. 583. caulae, caulus,
cavus neben cumulus, y.v£co, a. 0.19.
I, S. 192, Z. 39. Die Gegenbemerkungen Ebels gegen die vorstehende
Erklärung von priraus, prius u. a. Zeilschr. f.
vergl. Sprachf. VI, 203 f. , werden anderen Ortes zur
Sprache kommen.
I, S. 197, Z. 43. Die Ableitung des Nomen cura, coira, durch das
Mittelglied covira von einer Wz. cov-, cav-,
skav-, Ebel , Zeitschr. f. vergl. Sprach?. IV, 448,
ist nicht glaublich, da vor dem Suffix -ro, -ra
im Lat. sich i als Rindevokal nicht findet.
I, S. 204, Z. 31. Ueber die Etymologie von Osk. 01'tiu f , Lat. usus,
vgl. G. Curt. Zeitschr. f. vergl. Sprachf. IV, 237.
I, S. 232, Z. 23. Vgl. s LQ-rj vi, Rom. sublerr. II, p. 59. Evzv%siov ,
a. O. II, p. 121. (XvccnuvGcc ico g , II, p. 121.
1 , S. 240, Z. 10. Statt o aus u zu lesen u aus o.
I, S. 242, Z. 6. Statt -ior zu lesen -cov.
I, S. 251, Z. 30. Auch Altlat. ist ursprüngliches u zu o geworden in
fore, forem, für füre, furem, vgl. fuam,
Gr. cpvco, Skr. Wz. b'u-. Dazu wirkte wohl das r
mit, das zu o in näherer Lautverwandtschaft steht
wie zu u. Man sieht dies daraus , dass altes o
sich vor r hielt , während es vor s zu u wurde in
Formen wie melior neben melius, tempore
neben tempus u. a. So entstand durch Einwir-
- 474 —
kung des r auch Marcipor durch die Mittelstufe
Mar ci pur aus Marcipuer; denn die Annahme,
dass por aus einer älteren Form puor entstanden
sei, ist durch keine sprachliche Thatsache gestützt.
I, 8. 266, Z. 38. Vgl. die Zusammenstellung von Adverbien auf
-tim, -sim von Meyer, Zeilsehr. f. vergl. Sprachf.
VI, 301 f.
I, S. 270, Z. 13. So ist in der lex Salica qui, sui, nicht selten
für quae, suae, vgl. geniceum, pristus,
c i m e n t u s für gynaeceum, praesto, cae-
mentum, Pott, Z. f. vergl. Sprachf. I, 338 f.
I, S. 272, Anm. Z. 2. desgl. der unhaltbare Erklärungsversuch Ehels,
Z. f. vergl. Spracht». V. 189.
I, S. 289, Z. 21. Vgl. in der lex Salica: istrudem und strudem,
iscogillo statt scogillo, und expacium. ex-
strinxerit, expolia für spatium, strinxe-
rit, spolia, Pott, Z. f. vergl. Sprachf. I, 333 f.
Z. 31. Eine Sammlung von Adjectiven auf -ido, s. Meyer,
Z. f. vergl. Sprach f. VI. 371.
Z. 16. 25. Vgl. die Sammlung von Adjectiven auf -c und o,
-undo, a. 0. 380. 377.
Z. 19. vgl. inv eh o u. a.
Z. 27. Vgl. i nenn us, semianimus, sublimus, Enn.
Vahl. ind.
Z. 31. und von disco, vgl. Schweizer , Z. f. vergl. Sprachf.
VIII, 313.
Z. 13. Statt Vokal zu lesen Stammvokal. I > ie gegen
vorstehende Erklärung von G. Carlius , Htttrar.
Ceniralhl. 1859 und Meyer, (iditing. fiel. Am. St. 40.
S. 399 erhobenen Einwendungen werden anderen
Orts einer Prüfung unterzogen werden.
I, S. 359, Z. 5. Aus der Schreibweise suaveis und den Messun-
gen hostls, quisquis in Hexametern, llitscltl,
tit. Mumm. p. XVI, auf ursprünglich« Länge des i
in diesen Eormcn zu schlicssen , nimmt Schweizer,
Z. f. vergl. Spracht'-. 359 mit Recht Anstand.
I. S. 371, Z. 38. statt ein langes i ist verkürzt zu lesen ein
lau g e r V o k a 1 ist zu i v e r k ü r z t .
II > s- 1 , Z. 27. In der Untersuchung über den Vokalausfall ist
die Frage, in wiefern zwischen zwei Consonanten
mit denen eine Wortwurzel anlautet, namentlich
■wischen Muta und Liquida ein Wurzelvokal aus-
feilen i^r. aus dem Spiele gelassen, theila weil
dieser Ausfall ineist auf Voritalisches Sprachseit-
alter Eurückgeht und nur mit Zuziehung aller ver-
wandten Sprachen gründlich behandelt werden kann.
I,
s.
292 ,
1,
s.
29 1,
I,
s.
32 1 ,
I,
s.
324,
I,
s.
326,
I,
s.
353,
- 475 —
theils weil vielfach schwer zu bestimmen ist,
ob in derartigen Wortformen ein Wurzelvokal
ausgefallen oder die Liquida vor den Wurzelvokal
getreten ist. Indessen mögen hier einige Beispiele
dieses Vokalausfalles Platz finden. So fiel a aus
inclamor, clamare neben calare, Calendae,
in g los neben yälocog. Wahrscheinlich ist auch
g rat us von der Wurzel des Griech. %clqis, %<xqu
nicht durch Umstellung des r abgeleitet, Curt.
Griech. Et. N. 185 , da das Lateinische die Stel-
lung des r nach dem Wurzelvokal entschieden be-
vorzugt, vgl. 1, 92, sondern durch Ausfall des
Wurzelvokales, so dass also gratus Particip von
einem Verbum garare (c arare) ist wie flatus
von tulare (tolare), gnatus von genare.
Ein o oder u zwischen Muta und Liquida fiel aus
in flatus neben tollo, tolero, tulo, in plous
(für ploios), plousima neben po-pul-us,
(vgl. po-pl-icus) noXvg, vgl. Curt. a.D. N. 375.
366, in plumbum neben (lolvßog; ein aus a ent-
standenes e ist ausgefallen in gnatus, gnavus,
Gnaivod, die von einem Verbalstamm gena- ge-
bildet sind, verglichen mit genui, gens, genus,
Skr. Wz. g'an-, in cresco neben cerus, Skr. Wz.
kar, a. 0. N. 72.
II, S. 13, Z. 13. In allen diesen Wörtern war der Laut vor n jener
Mittellaut zwischen e und i, der Altlateinisch dem e
näher lag und deshalb in der Schrift durch E aus-
gedrückt wurde.
II, S. 43, Z. 22. Der Ableitung mox von movox steht eine andere
gegenüber von Skr. maksu, schnell, bald.
Fgl. Schweizer, Zeilschr. f. vergl. Sprach f. III, 389.
II, S. 44, Z. 35 — 38 nicht sicher, weil die Assimilation von pt zu pp
im Lateinischen sonst nicht vorkommt.
II, S. 47, Z. 16. Die alte Ableitung träho von träveho ist von
Meyer, Z. f. vergl. Sprachf. VI, 223 durch eine bes-
sere von Goth. dragan, Skr. Wz. drägh-, aus-
strecken, widerlegt.
II, S. 49, Z. 15. Ebenso p erger e für perrigere.
II, S: 50, Z. 32. Auch in bi-mus, tri-mus, quadri-mus. u. a.
ist der zu i geschwächte Bestandteil des zweiten
Compositionsgliedes ausgefallen. Dieser war ent-
weder Skr. samä, Jahr, so dass aus bisimus
bismus, dann bimus wurde, Pott, Etym. Forsch.
II, 297, oder Lat. hiems, so dass bihiemus
II, s.
190,
Z. 4.
II, s.
279,
z. 35.
II, s.
295,
Z. 31.
- 476 —
durch die Mittelstufe biemus zu bimus ver-
schmolz, Aufrecht, Z. f. vergl. Sprachf. IV, 414.
Auch in biduum, triduum u. a. Altlat. bi-
duom, triduom ist der Stammvokal i des zwei-
ten Compositionsgliedes diu-, Tag geschwunden;
entweder aus bidiuom, tridiuom fiel zuerst
das i weg wie in du dum für diu dum, dann ver-
dunkelte sich das o des Suffixes zu u ; oder das
Suffix war nicht bloss -o sondern -vo und bi-
diuvom, tridiuvom die ursprünglichen Formen,
in denen -diu vom durch die Mittelstufen -du-
vom, -duom zu duum verschmolz.
Nach ea einzuschieben eum.
Fürquatisper zu lesen quantisper.
Dass dies und dius im Lateinischen wirklich
auf s auslautende Wortstämme waren, ergiebt sich
einmal aus Diespitor, da in einem wirklichen
Lateinischen Compositum , das den Stammvokal
des zweiten Gliedes zu i geschwächt hat, der erste
Bestandteil niemals eine Genetivform oder eine
andere Casusform , sondern immer der "Wortstamm
ohne Casusendnng ist, also auch dies in Dies-
piter nicht Genetiv oder Nominativ, sondern Stamm
ist. Dasselbe beweisen h odiernus und diurnus
mit ihrem regelrecht aus s geschwächten r ; h o d i e r-
nus kann nicht aus h od ietern us, diurnus
nicht aus diu ter n u B oder dilti u r n u s entstanden
sein, wie Schweizer, X. f. vergl. Sprachf. III, 38") an-
nimmt, da die Verstümmelung des Comparativ-
suffixes -tero zu einem blossen r im Lateinischen
ohne Beispiel ist. In per dius und in ter dius
kann also auch das s nicht Genetiv/eichen sein, a.O.
VIII, 224, so wenig wie dies eine aus dievs ent-
standene Nominativform a. 0. 308, sondern das dius
ist der von der Präposition abhängige Accusativ wie
ein solcher in int er dum , perv iam u. a. erscheint.
"Wenn aber das Sanskritsutfix -ai, ä s , Hopp, Vergl.
(ir. p. 1377/' im Lateinischen folgende Gestaltungen
annimmt: - U s . -fir, - i s , -1s, -er, -ÖS, -ör,
0 r , zum Beispiel in sceliis, r ob ü r , Ceres, e i -
nis, yeter, labös, honorem, pud5r, m. 0.
1373. 1375. 13.V2, bald mit langem bald mit kurzem
Vokal im Lateinischen wie im Sanskrit und Griechi-
schen (-r)$, -cgi), so stehen einer Sanskritform d i -
vas (diväs) die beiden Lateinischen Formen dies,
d i ü s lautlich regelrecht zur Seite. Diese aber gin-
— 477 —
gen nach Schwinden des s wie in Cerealia neben
Ceresin die vokalische Conjugation über und wur-
den Masculina , dies auch Femininum. Einen ähn-
lichen Uebergang nimmt Bopp für Lateinische No-
mina wie sedes, nubes neben Skr. sadas, na-
b'as an, a. 0. 1352.
II, S. 299, Z. 9. für i mpr a es ent arium zu lesen impraesen-
tiarum.
II, S. 300, Z 18. Ebenso invicem.
II, S. 315, Z. 23. 31. statt der bann, der pabst zu lesen die
ban, die p äbste.
II , S. 318, Z. 16. Vgl. aus der lingua Romana der lex Salica und ähn-
licher Sprachstücke afforis (a foris) , deforis,
denocte, devespere, desero, abinde, ab-
intus, deintus, inantea u. a. Pott, Z. f. vergl.
Sprach f. I, 311.
II, S. 467, Z. 12. Mnesilochus könnte als Ausnahme angesehen
werden, weil es ein Griechischer Name ist.
Die von der Kritik bisher gegen den ersten Band erhobenen Aus-
stellungen und abweichenden Ansichten bedürfen zum Theil einer aus-
führlicheren Erörterung, als dass schon hier darauf eingegangen werden
könnte. Daher bleibt dieselbe aufgespart für spätere Zeiten, wenn sich
das Urtheil der Sachkundigen auch über diesen zweiten Band aus-
gesprochen haben wird.
Register
a immer reiner A-Laut I, 140.
erhalten im zweiten Theile von
Compositen I, 319. Oskisch und
Umbriscli I, 322. im Auslaut ge-
kürzt I, 330. desgl. im Nom.
Sing, von A- Stämmen I, 330.
lang im Altlat. I, 330. gekürzt
im Auslaut von ablativischen Ad-
verbien und von Zahlwörtern I,
332. von Iambischen Verbalfor-
men I, 332. desgl. vor auslauten-
dem t von Verbal formen I, 348.
Altlat. lang; gekürzt vor ausl. r in
Verbal- und Nominal formen 1 ,300.
361. vor auslaut. 1 gekürzt [,366.
desgl. vor angehängtem ne I,
307. vor auslaut. m von Verbal-
formen I, 30S. in inlautenden
Wortsilben I, 371. tieftonigefi a
gekürzt vor folgendem Vokal II,
155. hochbetontes a durch fol-
genden Vokal gekürzt II, 158.
a fällt aus in Perfektformen 11.
2. in Nominalformen II, 3. ge-
schwunden vor hochbetontem Vo-
kal II, 131. nach Bolchem II. 135.
vor tieftonigem Vokal II, 151.
mit folgendem hochbetonten Vo-
kal desselben Wortes verschliffen
II, 17(5. auslautend mit dem an-
lautenden Vokal des folgenden
Wortes verschliffen II, 188. 189.
Dativendung von A- Stämmen,
Altlat. II, 131).
aa zu a verschmolzen II, 160.
ab, irrationale Aussprache in Com-
positen II, 01.
Ablativbildung I, 333.
Acutus s. Hochton.
ad, irrationale Aussprache II , 91.
ad est, desgl. II , 100.
ae, s. ai. erhalten im zweiten
Gliede von Compositen I, 322.
vor folgendem Vokal gekürzt II,
157. mit folgendem, e verschmol-
zen II, 1GG. nach Ausfall eines h
II, IOC.
ae Spätlat. für kurzes e geschrie-
ben II, 391.
-aeio Suflix II, 150.
-aeo Suffix I. 129. II , 150.
-a-es Genetivendung I, 183.
a f für ab I , 57.
ai aus a i verschmolzen I, 101.
ai in Stammsilben I, 178. im
Genetiv, Locativ, Dativ von A-
Stämmen I, 179. im Nom. I'lur.
I, 181. II, 146. Schwanken zwi-
schen ai und ae I, 182. ai, ae
zu e getrübt im Altlat. I. 185.
zur Kaiserzeil I, 1 86 391. Schwan-
ken zwischen ae und e I, 189. ai,
ae « tekisch I, 191. Umbrisch zu
e getrübt I. 191. Volsklich desgl.
I, 192. ai zu i getrübt in Casus-
formen I, 192. in Compositen und
Ableitungssilben 1, 193, ra e i in
Ca8usformen 1 , 225.
479 —
-ai Genetivendung im Altlat. I,
18-1. II, 135.
-aio Suffix I, 129. II, 150.
- a m stumme Endsilbe II , 105.
-am, - e m , -im, - o m , -um
als Endsilben vor vokalischem
Anlaut des folgenden Wortes
Altlat. noch als vollgültige Kür-
zen gemessen II, 197.
anni, annis, anno, annus
Spätlat. Accus. Plural. I, 280.
ante, Abstumpfung der Endsilbe
I, 337.
Antisigma von Claudius ein-
geführt I, 13.
ape, Etymologie II, 50.
Apex zur Bezeichnung langer Vo-
kale 1, 10. Spätlat. auch auf kur-
zen Vokalen II, 392.
apud, Etymologie 1,335. irratio-
nale Aussprache II, 90.
-ali Suffix gleich -ari I, 80.
aliquando, Etymologie I, 313.
II , 284.
Alphabete, Griechische und Ita-
lische 1, 1. Ursprung des Altlatei-
nischen I, 3. 21 Buchstaben I, 7.
a o, s. au.
-ari Suffix s. - ali.
-a-s Genetivendung von A-Stäm-
men I, 184. II, 138. Umbrisch,
Oskisch II, 139. -as Accusativ-
endung in der Aussprache gekürzt
II, 108.
Assibilation im Lateinischen I,
27. 45. Umbrisch I, 18. 29.
Oskisch I, 29. Griechisch I, 30 a.
Assimilation der Vokale : i durch
unmittelbar folgendes a, o, u zu
e umgelautet I, 300. Spätlat. io
und eo vermengt I, 301. Spät-
lat. ea in Verbalformen zu ia
I, 302. i assimiliert folgendes a
zu e I, 303. o, u vorConsonanten
zu i assimiliert durch folgendes i
I, 305. desgl. e I, 306. seltenere
Vokalassimilationen I, 306.
a s t , Etymologie II, 278.
atque, irrationale Aussprache II,
97.
au entstanden aus av I, 136. 162.
zu o getrübt I, 163. ao Ueber-
gangslaut I, 168. zu u getrübt
I, 170. Umbr. zu o und u getrübt
I, 170.
a v o n c ul u s, irrationale Aussprache
II, 183.
b im Anlaut aus v verhärtet I, 58.
als eigentliche Media gesprochen
I , 59. mit p wechselnd 1 , 59.
Spätlat. dem v ähnlich gespro-
chen 1 , 61.
-bäm Suffix des Imperf. I, 06. 349.
beneficus, irrationale Aussprache
II, HO.
Betonung. Quellen II, 201. mu-
sikalische Betonung II, 204. Un-
terschied Griechischer und La-
teinischer Betonung II, 250. Be-
tonung der Italischen Dialekte :
letzte Silbe tieftonig im Umbr.
Osk. II, 348. kurze vorletzte
Silbe tieftonig II, 348. 350.
Volsk. desgl. II, 350. drittletzte
tieftonig vor hochbetonter langer
Penultima Umbr. Osk. II, 351.
lange Penultima auch tieftonig
II, 351. 352. Hochton auf der
viertletzten Silbe Umbr. II, 352.
Osk. II, 353. im Altgriechischen
s. Hochton. ursprüngliche Beto-
nung in den Indogermanischen
Sprachen 11,383. Spätlateinische
II, 387.
-bi Pronominalsuffix I, 65.
b ib i s t i , irrationale Aussprache II,
100.
-bis Pronominalsuffix I , 288.
-bo, Futurbildung I, 356.
-b o s s. -bus.
480 —
b o v e s , irrationale Aussprache II,
183.
brevi, irrationale Aussprache II,
183.
-bus Suffix des Dat. Abi. Plur. I,
359. Altlat. -bos I, 241.
c aus g und h entstanden vor fol-
gender tenuis I, 17. ausgefallen
vor n. zwischen n und t I, 17.
nach r und 1 vor t und s I, 17.
Aussprache als K-Laut vor e
und i I, 18. im JJmbrischen zum
Zischlaut geschwächt I, 18.
c vor i mit folgendem Vokal
assibiliert seit der Kaiserzeit I,
22. im Umbrischen I, 29.
carcere Spätlat. Nom. Sing. I,
270.
Cäsuren, Einwirkung derselben
auf Einklang oder Widerstreit
von Vershebung und Hochton II,
447.
ca v eto, irrationale Aussprache II,
183.
ce wechselnd mit - c II , 64 ge-
kürzt aus der Locativform - c e i
I, 219. 338.
ceu, Etymologie II, 282.
cli Schriftzeichen für % I, 7.
Circumflexim Lateinischen wie
im Griechischen II, 209.
c o - für con- in Compositen vor h,
j , v, s I, 95. vor Vokalen I,
107.
con mit langem o vor s und f I,
101.
Consonantenverdoppelung
durch die Schrift bezeichnet I,
7. durch den Hochton hervorge-
rufen I, 84.
cuius, quoius, irrationale Aus
spräche II, 182.
cume, Etymologie II. 2(H'>.
-cum quo, -quomque II, 302.
d. Schwanken zwischen d und t in der
Schreibweise I, 72. d Ablativzei-
chen im Altlat., später abgefallen
I, 73. im Oskischen erhalten I,
73. d abgefallen von Imperativ-
formen I. 74. erhalten im Osk.
I, 74. schwacher Ton des aus-
lautenden d I, 75. d aus t er-
weicht vor r und nach n I, 76.
zu vorhergehendem n assimiliert
Lat. Osk. Umbr. I, 76. vor v
im Anlaut geschwunden I, 77.
di vor folgendem Vokal Spätlat.
zu z und zz assibiliert I, 77.
-d Ablativendung I, 72. 33.
-dam, Etymologie II, 285.
-de, Etymologie II, 283.
dedisse, dedisti, irrationale
Aussprache II, 100.
dedit, dederunt desgl. II, 101.
-dem, Etymologie II, 148. 283.
Digamma von Claudius einge-
führt I, 13.
Dissimilation der Vokale, uu,
vn vermieden, uo, vo durch
Dissimilationstrieb erhalten I,
308. uv selten I, 309. ii ge-
mieden I, 309. zu ie dissimiliert
I, 310. zu ei I, 311. zu i ver-
schmolzen I, 312. c e gemieden,
zu ie dissimiliert, zu e ver-
schmolzen I, 312. Dissimilation
der Con.sonanten 1, r I, 80.
diurnus, Etymologie I, 264. II,
295.
dius, Etymologie II . 284. 295.
-do, Etymologie II, I 19. 284.
domiciliam, Etymologie I. 305.
donec, donicam, Etymologie II,
55. II, 285.
dum, -dum, Etymologie II, 149.
284.
c verschieden gesprochen l. III.
aus ai getrübt I, 185. aus oi I.
203. mit ei und i wechselnd,
— 481 —
s. ei. e. in Endsilben aus a ab-
geschwächt vor auslaut. m I,
265. aus i vor auslaut. m I,
260. vor ausl. n I, 267. im
Auslaut selbst aus o abge-
schwächt im Nora, und Voc.
Sing, von O- Stämmen I, 207.
im Ablat. Sing*, que für quo
Spätlat. I, 268. aus i abge-
schwächt in Casusformen der 1-
Stämme I, 268. im Auslaut von
Adverbien, Pronominal- und Ver-
balformen I, 271. e im Inlaut
vor r durch Umlautung entstan-
den aus Griech. a , Lat. a,
Sanskr. a in den Suffixen -be-
i'o, -cero, -tero. aus u abge-
schwächt vor einem aus s ent-
standenen r in Nominalformen
I, 273. in Verbalformen I, 276.
e aus i umgelautet im Auslaut
des ersten Gliedes von Composi-
ten 1 , 276. e in geschlossener
Silbe vor x, (t)s, st, sc, s.s 1,
278. aus u abgeschwächt vor
- n t des Participialsuffixes I,
279. vor - n d in Gerundien I,
280. e vor 11 der Deminutiv-
endung -ello I, 281. e spätlat.
für i der Blüthezeit I, 278. 285.
214. e Altlat. vor t von Suf-
fixen 1 , 290, desgl. vor d I, 293.
desgl. vor dem Suffix -bus l,
295. e aus a abgelautet 1, 233.
als Ablaut neben o I, 234. 235.
aus a abgeschwächt im zweiten
Theile von Compositen I, 316.
317. erhalten daselbst I, 321.
in der Keduplicationssilbe statt
des Wurzelvokales I, 325. 327.
aus a geschwächt in der Wur-
zelsilbe reduplicierter Formen I,
325. 327. aus a, o, i durch As-
similation entstanden I, 303, 300.
aus i durch Dissimilation I, 310.
Corssen II.
e gekürzt im Ablat. Sing, von
consonantischen und I-Stämmen
I, 333. Altlat. lang I, 332. ge-
kürzt in sed,red I, 334. desgl.
im Auslaut von Adverbien I,
335. im angefügten -ce I, 338.
im Auslaut des Imperativs I,
338. vor auslaut. t von Verbal-
formen, Altlat. lang. I, 350. ge-
kürzt vor auslaut. s Iambischer
Verbalformen I, 358. im Auslaut
Iambischer Wortformen II, 110.
vor auslaut. r in Verbalformen
1 , 360. vor angehängtem - n e
I, 367. vor auslaut. m von Ver-
balformen I, 368. in inlauten-
den Wortsilben I, 371. tieftoni-
ges e gekürzt vor folgendem Vo-
kal II, 155. in Zusammensetzun-
gen II, 157. desgl. für Griech. st
II, 157. hochtoniges e gekürzt
durch folgenden Vokal I, 158.
e ausgefallen im Suffix -bro,
-bra, -bri II, 15. sonst zwi-
schen br, pr, fr. im Compara-
tivsuffix -tero II, 16. in den Suf-
fixen -tri, -tro und sonst zwi-
schen tr II, 17. zwischen dr II,
18. im Suffix -er o, - cri und sonst
zwischen er II, 18. zwischen gr
II, 19. E-ähnlicher Beiklang des
r II, 19. stummes e II, 19. e
ausgefallen zwischen rr und mr
II, 19. nach Ausfall eines v II,
19. zwischen et II, 21. in Com-
positenll, 45. geschwunden nach
hochbetontem Vokal II, 132. vor
hochbetontem Vokal II, 133. 134.
tieftoniges e mit folgendem tief-
tonigen Vokal verschliffen II,
170. 173. desgl. mit folgendem
hochbetonten II, 175. hochtoni-
ges e mit folgendem Vokal ver-
schliffen II. 178. e nach Ausfall
eines h oder j mit folgendem Vo-
31
482 —
kal verschilften II, 181. auslaut.
e mit anlaut. Vokal des folgen-
den Wortes verschliffen II, 188.
-e Genetivendung der E -Deklina-
tion II, 141. Dativendung der-
selben II, 1-13.
ea, eam, eo, eum zu einem
stummen e verschliffen II, 190.
e c c e , eccura u. a. irrationale
Aussprache II, 87. Etymologie
II, 88.
-ed, -id Altlat. Ablativendung von
consonautischen und I-Stämmen
I, 217.
edepol, Etymologie II, 285.
ee zu e verschmolzen II, 1G5. nach
Ausfall eines h II, 10G.
ei aus e-i verschmolzen I, 101.
entstanden aus oi I, 203. Alt-
lat. Mittelton zwischen i und e
I, 207. 230. in Wortstämmen I,
208. dafür Altlat. auch i 1,210.
und e I, 211. ei in Ableitungs-
silben neben i I, 212. in Yerbal-
formenl, 212. neben i, c 1.213.
im Dativ von consonautischen
und I-Stämmen neben Altlat. i
und e I, 215. 210. im Ablativ
neben i, e I, 217. im Nom. Ac-
cus. Plur. neben i und e 1, 218.
in den Locativen heicei, sua-
vei, im Dat. Plur. vobeis I,
210. aus oi entstanden im Nom.
Plur. von O- Stämmen I, 221,
daselbst wechselnd mit i und e
1, 222. im Gen. Sing, neben i I,
222. im Dat. Abi. Plur. neben
i und e 1,223. 225. aus ai ent-
standen im Dat. Abi. Plur. von A-
Stämmen neben cl, 225. Schwan-
ken zwischen e, ei, i I, 220. ei
in Inschriften der Kaiserzeit [,
220. im rn.br. und Osk. I, 229.
Einsilbige Wörter, auslauten-
der Vokal derselben nicht mit
anlautendem des folgenden Wor-
tes verschliffen II, 191.
-eio Suffix I, 129. II, 150.
-eis Endung des Nom. Plur. von
O- Stämmen I, 220. II, 147.
-eius, irrationale Aussprache II,
182.
-em stumme Endsilbe II, 105 s.
-am.
enim, irrationale Aussprache II,
92.
Enklitika s. Tonanselduss.
■ensnmo Suffix 1 , 98.
eo s. ea.
-eo Suftix I, 150.
-er Endung, irrationale Ausspra-
che II, 100.
ergo, Etymologie I, 342. irratio-
nale Aussprache II, 0-1.
-es Genetivendung von A-Stämmen
I, 188. von consonautischen und
I-Stämmen I, 217. von O-Stäm-
meii I, 221. von E-Stämmen II,
110. Endung des Nora. Plur. von
O -Stämmen II, 117. Endung -es
in der Aussprache gekürzt II,
108.
-esi für -ensi Suftix mit langem
e I, OS. 102.
esse, est, irrationale Aussprache
II, 07. enklitisch II , 00.
e u durch Vokalsteigerung aus u
entstanden I, 155. aus e-u ver-
schmolzen l, ICSI, aus ev er-
w eicht I , 162. zu u getrübt I.
170.
e u m s. ed.
SZta Superlativform 11. 26.
expapillato, irrationale Aus-
sprache 11,1 18.
f Schriftzeichen I, 1. von Grie
cbisch <j verschieden gesprochen
1,01 mit stärkerem Hauchlaut
I, os. im Lat, Umbr. Osk. meist
dem Sanskr. bh, seltener dh
— 483 —
und gh entsprechend I, 64. 67.
Lat. inlautend zu b I, 65. zu
li I , 48. 66. ganz geschwunden
I , 67. spät für Griech. cp ge-
schrieben 1 , 68.
facere, Betonung- desselben in
Compositen II, 311.
fenestra, irrationale Aussprache
II, 114. Etymologie II, 115.
ferentarium , irrationale Aus-
sprache II , 116.
fieri, Betonung desselben in Com-
positen II , 311.
forsan, forsitan, Etymologie
11, 277. 280.
fortasse, fortassean desgl.
II, 319. fortassis II, 281.
Fremdwörter, vier Epochen der
Aufnahme derselben II, 225. In
den beiden ersten Umbildung der
Wortstämme II , 226. und der
Flexion II, 227. Plautus Frei-
heit in der Umbildung Griechi-
scher Wortformen II, 231. Be-
handlung derselben bei Attius,
Cicero , Varro und spateren II,
232. Lateinische Betonung der
aus dem Griechischen umgebil-
dete« Wortformen II , 233. Grie-
chische Wortformen mit Griechi-
scher Betonung II , 234.
fureepem Nomin. Sing. Spätlat.
I, 270.
g Altlat. durch C bezeichnet I, 6.
dann durch G I, 7. g aus c er-
weicht 1 , 39. im Anlaut vor 1
und n abgefallen I, 42. aus-
gefallen vor s nach r und 1 I,
43, vor t, m I, 43. vor v, vor i
mit folgendem Vokal I, 44. assi-
biliert im Spätlat. I, 55.
gnitus, Etymologie I, 42.
g nixus, desgl. 1 , 42.
gubernabunt, gu bernator,
irrationale Aussprache II, 118.
h , etymologische Entstehung I, 46.
im Umbrischen I, 46. im Lat.
gutturale Aspirata oder blosser
Hauchlaut I, 47. 66. aus f ent-
standen 1,47. aus j I, 48. schwa-
cher Ton und Schwinden im An-
laut und Inlaut I, 48.
heicei, Locativform I, 219. 271.
338.
Hiatus eng begrenzt bei den Sce-
nischen Dichtern II, 193. häu-
figer bei Dichtern der Augustei-
schen Zeit I, 193. im Auslaut
Iambischer Wortformen II, 193.
vielfach zugelassen bei auslau-
tendem langen Vokal II, 195.
hie u. a. irrationale Aussprache.
Ifochton hoch und stark gespro-
chen II, 206. Hauptton II, 207.
gebrochen II, 208. zusammen-
gesetzte Hochtöne bei Vokal-
verschleifung II, 212. regel-
mässige Stelle des Hochtones
II, 214. Hochton in Fremd-
wörtern s. Freinäw. Verschie-
bung des Hochtones durch Suf-
fixe und Präfixe II, 249. Bin-
dung und Brechung desselben
durch Tondauer und Silbenzahl
II, 251. der Hochton kürzt Vo-
kale tieftoniger Silben II, 251.
unterdrückt dieselben II, 252.
Spätlat. kürzt Positionslänge II,
388. desgl. Naturlänge der tief-
tonigen Silbe II, 390. giebt der
hochtonigen kurzen Silbe die
Geltung einer Länge II, 391. 395.
beherrscht Spätlat. Wort und
Vers IL 399. 403. fällt Lat. mit
der Vokallänge der Penultima
öfter zusammen wie Griech. II,
435.
horno, Etymologie II, 299
huisfür huius II, 182,
huius, irrationale Aussprache I,
182.
31*
- 484
i verschieden gesprochen I, 142.
Mittelvokal zwischen i und u I,
43. besonderes Zeichen für den-
selben durch Claudius eingeführt
L, 13. aus ai getrübt I, 192.
aus oi I, 202. neben ei, s. ei.
i vor n in Suffixen I, 283. aus
o abgeschwächt I, 284. aus e in
Wortstämmen I, 285. stummes i
zwischen Consonanten Griechi-
scher Wörter eingeschoben I,
285. II, 72. i vor s in Casus-
endungen aus ai, oi, ei ge-
trübt I, 286. aus o, u ge-
schwächt 1 , 286. Spätlat. für o
und e vor auslautendem s I,
287. aus iu verschmolzen vor s
I, 288. für Griech. a vor st und
ss I, 288. stummes i von st,
sp, sc vorgeschlagen Spätlat.
I, 289. II, 73. I-ähnlicher vo-
kalischer Beiklang des s I, 289.
i vor anlautendem t von Suf-
fixen I, 289. 290. 292. für Alt-
lat. e 1 , 290. vor dem d des
Suffixes -do aus a, u, e ab-
geschwächt I, 292. vor den Suf-
fixen -co, -cundo, -bundo,
-bulo, -bro I, 294. vor -bus,
-mento 1 , 295. für a , o . u im
Auslaut des ersten Gliedes von
Compositen I, 295. für Griech.
o daselbst I, 296. i im l'mbri-
schen I, 297. in Süditalischem
Provincialismus I, 297. 302.
Spätlat I, 297. zu ie gebro-
chen Spätlat. 1 , "298. aus o ge-
schwächt in ille I, 236. durch
Assimilation aus o , u umgelau-
tet I, 305. aus ii ji entstanden
I, 312. 127. 131. II, 162. aus e
durch Dissimilation umgelautet I,
312. i aus a abgeschwächt in der
Wurzelsilbe des zweiten Gliedes
von Compositen I, 315. aus e
I, 318. aus o I, 318. aus ae
I, 318. aus o I, 322. desgl. aus
dem auslautenden Stammvokal
des Compositum a, o, u I, 324.
aus a in reduplicierten Wort-
stämmen I, 325. 327. aus ae
desgl. I, 325. in der Reduplica-
tionssilbe statt des Wurzelvoka-
les 1 , 326. gekürzt in cui I,
339. mittelzeitig im Suffix -bi
I, 340. gekürzt im Auslaut iam-
bischer Wortformen I, 340. 341.
in siquidem I, 341. vor aus-
lautendem t von Verbalformen,
Altlat. lang I, 351. lang vor
der- Verbalendung -tis I, 357.
gekürzt vor auslaut. s von Ver-
balformen I, 358. vor angehäng-
tem ne I, 367. vor auslauten-
dem m von Verbalformen I, 368.
in inlautenden Wortsilben I, 372.
tieftoniges i gekürzt vor folgen-
dem Vokal II, 155. 156. desgl.
hochtoniges i II , 158. ursprüng-
lich kurzes i in Griechischen
Wörtern II , 152. 153. i fällt
aus vor c, g II, 21. vor d, t
II, 22. vor dem t der Personal-
endung II, 23. vor m, n II, 24.
vor 1, r II, 25. vor s II, 25.
vor s des Perfects und vom Per-
fect abgeleiteter Tempora II. 26.
im ersten Theil von Compositen
II, 48. im zweiten Theil der-
selben II, 49. fällt ab vor dem s
des Nominativs II, 57. im Aus-
laut II , 60. im Umbr. und Osk.
II, 69. stummes i I , 285. 289.
II, 72. 73. 122. i sehwindet nach
hoohbetontem Vokal II, 132 vor
solchem II, 133. nach tieftoni-
gern Vokal II. 138. L39. 142.
Ml i lö. 1 16. vor tieftonigera
11. 147 151, Spätlat. 11, I l'.l.
tieftoniges i verschliffen mit fol-
gendem tieftoniges Vokal II. 168.
173. vor folgendem Vokal wie i
485
gesprochen II, 169. mit folgen-
dem hochbetonten Vokal ver-
schliffen II, 174. hochtoniges i
mit folgendem Vokal verschlif-
fen II, 178. auslautendes i mit
anlautendem Vokal des folgen-
den Wortes verschliffen II, 188.
- i Genetivendung von E-Stämmen
II, 141. von U-Stämmen II, 144.
i- für in vor sc, st in Composi-
tenl, 97. vor fl, 100.
j verschieden gesprochen 1 , 126.
consonantisch im Anlaut I, 126.
im Inlaut zu Anfang des zwei-
ten Gliedes von Compositen zwi-
schen Vokalen I, 127. breiter
und weicher sonst zwischen Vo-
kalen I, 128. durch II in der
Schrift ausgedrückt I, 128. stös.st
vor sich aus g, v, s, x, n I, 130.
ausgefallen in plous I, 131.
durch Griech. i ausgedrückt I,
13J. Spätlat. assibiliert I, 131.
id s. is.
identidem, Etymologie II, 269.
i e geschwunden vor dem s des Nom.
Spätlat. II, 62.
-iens, -ies Suffixe mit langem e
I, 98. 102.
ii zu i verschmolzen im Gen. Sing.
II, 162. Nom. Plur. II, 163.
Dat.Abl.Plur.il, 163. in Verbal-
formen II, 164. in Nominalformen
II, 165.
i 1 1 e , irrationale Aussprache II, 76.
- i m s. am.
-im locatives Suftix I, 67.
immo, irrationale Aussprache II,
120.
Imperativ 2te und 3tePers. Sing.
auf o- auslautend nach Abfall des
schliessenden d I, 74.
i m p r a e s e n t i a r u m , Etymologie
II, 299.
in, irrationale Aussprache II, 89.
desgl. in Compositen II, 91.
in- mit langem i vor f und s I,
101.
-in*, -im, loc.
inde, irrationale Aussprache II,
86. Etymologie II, 87. 268.
indutiae, Etymologie I, 23.
inest, irrationale Aussprache II,
100.
inter desgl. II, 88. interest.
inte r im, inte rpellatio, desgl.
II, 88.
interdius, interdiu, Etymolo
gie II , 295.
intus, irrationale Aussprache II,
89.
-io, Suffix II, 150.
-ior, -ins Comparativsuffix II,
25. zu -is und -s verstümmelt
I , 288. II , 26. 279.
Iovem, irrationale Aussprache II,
183.
ipse, desgl. II, 83.
Irrationale Silben II, 123.
124. in enklitischen Wörtern II,
124.
is, id, irrationale Aussprache II,
84.
-is Endung des Nora. Plur. von
O-Stämmen I, 222. II, 147. En-
dung in der Aussprache gekürzt
II, 108. fällt ab II, 58. von
Compositen II, 65. 67. Com-
parativsuffix für -ins I, 288.
II, 26. 279.
iste, irrationale Aussprache II,
80.
-istimo Superlativsuffix II, 25.
-isto Superlativsuffix II, 26.
item, Etymologie II, 269.
itidem, Etymologie II, 269.
iu geschwunden vor s des Nom. II,
68.
iubeo, Etymologie II, 50.
iuventutem, irrationale Aus-
sprache II, 183.
juxta Superlativform II, 26.
486
k Altlateinisch I , G.
1 volltönend gesprochen im Aus-
laut, im Inlaut nach anlauten-
ter Muta I, 79. stösst vorher-
gehendes c, t, st im Anlaut ab
I, 79. durch einen Vokal von
vorhergehender Muta getrennt
abweichend vom Griech. I, 79.
volltönend am Ende der Silben
vor folgenden Consonanten I, 79.
U-ähnlicher Beiklang dieses 1 I,
79. leichterer Ton des 1 im An-
laut und Inlaut zwischen Voka-
len 1 , 80. Wechsel dieses 1 mit
r durch Dissimilation I, 80. 1
und d wechselnd I, 81. 1 und 11
schwankend I, 81.
Lambdacismus I, 84.
m im Auslaut durch ein besonderes
Schriftzeichen ausgedruckt!, 13.
108. stark lautend im Anlaut
und Inlaut ausser vor Labialen
1 , 107. zu n geschwächt vor c,
q, g, d, t, s, f, j, vi, 107. ge-
schwunden inCompositenmit ci r-
cum und con I, 107. schwach
lautend im Auslaut 1 , 108. assi-
miliert dem Anlaut des folgenden
Wortes 1 , 108. geschwunden im
Auslaut von Verbalformen 1,109.
von Nominalformen Altlat. I, HO.
in der späteren Volkssprache I,
IM. im Auslaut indeclinabler
Wortformen I, 112. falsch an
Ablativformen gehängt in späten
Inschriften 1 , 113.
magis, irrationale Aussprache II,
112.
magistr a tu s, desgl. II , III.
maleficus, desgl. II, 110.
mare Gen. Sing. Spätlat. I, 269.
mea, meo zu einer stummen Silbe
verschliffen II, 190.
mecastor,medius, mehercle,
Etymologie II, 310.
Mercuri Vocativ , Betonung II,
223.
-met, Etymologie II, 272.
minister i um, ministrare, ir-
rationale Aussprache II , 110.
Mittelton im Griechischen II,
243. im Deutschen II, 244. in
lateinischen Compositen II, 24-1.
in einfachen Wörtern mit schwe-
ren Suffixen II, 247.
mortem Dat. Sing. Spätlateinisch
I, 269.
-mus Suffix der lsten Pers. Plur.
Altlat. lang 1 , 360.
n scharf gesprochen im Anlaut und
Inlaut, schwach im Auslat. 1,91.
95. 106. n und nn wechselnd I,
95. n abgefallen I, 94. schwach
lautend im Inlaut vor h 1 , 95.
vor j I, 96. vor v, häufig vor s
I, 97. unrichtig geschrieben
vor s 1 , 100. geschwunden vor
f, t, I, 100. vor d I, 101.
ns, nf bewirkt Vokallänge vor
sich I, 101. n schwach tönend
nach m I, 103. gutturales n
I, 104. ausgefallen I, 105. gg,
gc für ng, nc geschrieben I,
KU. nc für gutturales n I, 105.
n im Auslaut zu schwach am Po-
sition zu bilden II, 105.
narro, Etymologie II, 49.
N a s a 1 i e r u n g , s. I rokahtrigerung.
natus Dat. Abi. Plur. Spatl.it. [,
287.
navem, irrationale Aussprache II,
183.
neinpe, desgl. II , 93.
nihil, Etymologie 1 , B6Ö.
nimis, irrationale Aussprache II,
113.
nisi, Etymologie 1 . 3 10.
noenum, desgl. 1, 197. II. 55.
487
non, desgl. II, 55.
novo, irrationale Aussprache II,
183.
-nt Endung- der 3ten Person Plur.
zu schwach lautend um immer
Positionslänge zu bewirken II,
104. vgl. -onti.
o verschieden gesprochen 1 , 149.
o aus au getrübt I, 1G3. vollerer
und dunklerer Ton desselben I,
169. in Compositen I, 319. o aus
ou getrübt I, 174. abgelautet
aus a I, 233. 235. Ablaut ne-
ben e I, 234. 235. o vor und
nach v I, 238. Altlat. vor aus-
laut. s I, 239. vor auslaut. m I,
241. bis Augustus erhalten nach
u, v 1, 243. vor auslaut. s und m
in der Spätlat. Volkssprache I,
246. im Oskischen 1 , 246. Um-
brischen I, 249. Volskischen I,
250. o älterer Laut auf Itali-
schem Sprachboden als u I, 251.
o Altlat. vor 1 I, 254. nach i
und e vor 1 gewahrt I, 256. Spät-
lat. vor 1 I, 257. o vor 1 mit fol-
genden Consonanten I, 259. nach
v erhalten 1 , 260. vor 1 , m , f,
c Spätlat. I, 260. vor nt Altlat.
I, 261. nach v, u vor nt I,
261. vor nt Spätlat. I, 262. vor
gehäufter Consonanz Spätlat. I,
263. 264. vor nd im Gerundium
I, 280. vor 1 durch vorhergehen-
des e, i erhalten I, 303. durch
Assimilation entstanden 1 , 306.
auslautendes o gekürzt in abla-
tivischen Adverbien I, 342. im
Ablativ Gerund. I, 342. in duo,
ambo, octo I, 343. im Aus-
laut des Nominat. I, 343. in
ego I, 344. in der lsten Pers.
Sing. 1 , 345. im Imperativ-
suffix -to I, 347. im Auslaut
lambischer Wortformen II, 110.
vor auslaut. r gekürzt in Verbal-
und Nominalformen I, 362. Alt-
lat. lang in Nominativen auf -t or
und-orl, 364. im Comparativ-
suffix -ior I, 365. in der lsten
Pers. Sing. Passiv. I, 366. in in-
lautenden Wortsilben I , 367.
o fällt aus in Nominalformen
II, 4. in Compositen II, 42.
fällt ab im Auslaut II , 56. Um-
brisch und Oskisch II , 68. irra-
tional gesprochen II, 122. ge-
schwunden nach hochtonigem Vo-
kal II, 133. vor demselben II,
134. nach tieftonigem Vokal II,
147. vor demselben II, 150. ver-
schliffen mit folgendem hochbe-
tonten Vokal II, 176. hochbe-
tontes o mit folgendem Vokal
verschliffen II, 180. auslauten-
des o mit anlautendem Vokal des
folgenden Wortes verschliffen II,
188. 189.
ob, irrationale Aussprache in Com-
positen II , 91.
oboedire, Etymologie I, 197.
oblivisci, irrationale Aussprache
II, 183.
oe s. oi.
-o-es Altlat. Endung des Dat. Abi.
Plural I, 161.
oi, oe durch Vokalsteigerung aus i
entstanden I, 156. oi, oe aus o-i
verschmolzen I, 161. 162. oi,
oe Altlat. in Stammsilben I, 194.
in Casusendungen I, 197. zu u
getrübt I, 199. zu i, ei, e I,
202. 220. oi Oskisch I, 204.
Osk. zu ei geschwächt I, 205.
oi Sabellisch erhalten und zu e
getrübt 1 , 205. Umbrisch selten
erhalten, meist zu u, e, i ge-
trübt I, 205. Volskisch zu i und e
getrübt I, 206.
-om s. -am.
- o n s o Suffix neben - o s o 1 , 98.
— 488 —
- o n t i , - o n t Altlat. 3te Pers. Plur.
I, 260. zu -ot, -o abgestumpft
I, 260. 276. 70. zu -i und e
I, 272. 70. gewöhnlich zu -unt,
Spätlat. zu -u n 1 , 70.
-oo zu o verschmolzen II, 165.
- o r , -us Comparativendung für
-ior , -ius II, 149.
-or Endung, irrationale Aussprache
II, 109.
-os Endung in der Aussprache ge-
kürzt II, 109.
-osso Suffix S. -OtlSO.
ou entstanden durch Vokalsteige-
rung aus u I, 155. aus o-u ver-
schmolzen I, 161. enstanden aus
ov I, 136. 162. ou, ov auf äl-
teren Inschriften I , 172. schon
AHlat. zu u verschmolzen I, 173.
zu o I, 174. zu uu, uv getrübt I,
175.
ovis, irrationale Aassprache II,
183.
Oxytona fälschlich angenommen
zur Unterscheidung gleichlauten-
der Wörter II, 219. mehrsilbige
Präpositionen nicht Oxytona oder
Perispomona II, 220.
p aus k entsanden I, 54. auslau-
tend zu b erweicht 1, 54. aus b
verhärtet vor s und t I, 55. 61.
zu f aspiriert in af I, 57. Ver-
mittelungslaut zwischen m und
Lingualen I , 57.
Paroxytona durch Vokalver-
schmelzung in der letzten Silbe
entstanden II, 223.
Partie ipiuin Praes. act. mit aus-
gefallenem n vor s und t I , 97.
100. mit langem Vokal vor aus
lautendem ns 1 , 102.
Pass iv bildu ng Lat. 1, 87. Osk,
Umbr. I, 88. Altlat. der Formen
des Conj, Perf. Pass. und des
Fut. II faxitur, nanesitor , re
nanesitur, turbassitur II, 38.
pauper, Etymologie II, 49.
-pe, -ppe, Etymologie II, 272.
Perispomena durch Schwinden
von Endsilben entstanden II,
216. nicht zur Unterscheidung
von gleichlautenden Wörtern II,
219.
per istr o mata, irrationale Aus-
sprache II, 114.
Personalendungen im Lat. II,
62.
-piam, Etymologie II, 278.
ph für Griech. cp geschrieben I, 7.
Philipp um, irrationale Ausspra-
che II, 121.
pietatem Genetiv Spätlat. I, 260.
plerique, plerus, Etymologie
II, 261.
p 1 o u s , plus, plouruma, p 1 u -
riraa, ploirume, plisima,
Etymologie I. 202.
pone, Etymologie I, 336.
p o s aus postid, poste, post
abgestumpft I, 337. II, 62.
potest, irrationale Aussprache II,
100.
Präpositionen, Betonung II,
220.
praes, Etymologie II, 50.
praesto, praestus Superlativ-
formen II, 26.
prod-, Etymologie I, 334.
-pse, Etymologie II, 273.
q SchriftzeicheD für dasselbe 1, IL
31. etymologische Entstehung L
31. geschrieben QV und <t> 1,
33. 34. Schreibweise QVV ge-
mieden I , :>.">. Bezeichnung in
Griechischer Sehritt I. 36. Aus-
sprache und lautliche Bedeutung
1, 37,
489 —
quando, Etymologie I, 343. II,
284.
Quantität in der Spätlateini-
schen Volkssprache zerrüttet, a.
Hochton. Tiefion. daher Entstel-
lung der alten Versmasse II,
395. Quantität das alleinige
Princip des Lateinischen Verses
II, 400.
-que, Etymologie I, 336. 11,200.
que, quem, quen Spätlat. Ablat.
Sing. I, 268.
qui Spätlat. für quis I, 270.
quia, Etymologie II, 278.
quidem, irrationale Aussprache
II, 93.
quin, Etymologie II , 262.
quis que Spätlat. für quisquis I,
270.
quoniam, Etymologie I, 245. II,
278.
r aus* s geschwächt im Inlaut zwi-
schen Vokalen I, 85. im Auslaut
I, 87. r aus s Umbr. Osk. I, 88.
r Zungenlaut I, 89. aus d ent-
standen I, 89. desgl. Umbrisch
I, 90. Umstellung des r I, 92.
E-ähnlicher vokalischer Beiklang
des r 1 , 93.
s scharf lautend im Anlaut I, 114.
im Inlaut vor oder nach Con-
sonanten 1 , 1 1-4. geschwunden
vor m I, 115. zu r geschwächt
vor m, n, v. I, 115. abgefallen
im Anlaut vor f I, 115. weich
gesprochen im Inlaut zwischen
Vokalen I, 115. zu r geschwächt
zwischen Vokalen I, 85. im Aus-
laute, 87. ausgefallen zwischen
Vokalen I, 116. s und ss
schwankend I, 116. ss für rs I,
117. s weich gesprochen nach n
I, 118. schwach gesprochen im
Auslaut I, 118. abgefallen von
Casusformen der Nomina 1 , 118.
Altlat. I, 119. Spätlat. I, 120.
in Verbalformen I, 119. in Ad-
verbien 1, 119. im Auslaut zu
schwach um Positionslänge zu
bewirken II , 107.
-s Rest des Comparativsuffixes s.
-tot', -is , -or.
sapsa, Etymologie II, 274.
sate'llites, irrationale Ausspra-
che II, 120.
satis, desgl. II, 113.
Saturnischer Vers, verschie-
dene Ansichten über denselben
II, 418. Einklang zwischen Hoch-
ton und Vershebung in demsel-
ben nicht gesucht II, 419.
sed, Etymologie I, 334.
sedentarii, irrationale Ausspra-
che II, 110.
semper, Etymologie II, 279.
sen ectutem, irrationale Ausspra-
che II, 117.
senex, desgl. II, 116.
s eu, Etymologie II, 282.
Sicilicus Zeichen der Consonan-
tenverdoppelung I, 8.
sie, Etymologie II, 64.
simillumae, irrationale Ausspra-
che II, 120.
simul, desgl. II, 96.
sinciniam, Etymologie II, 48.
sine, irrationale Aussprache II,
92.
s ir e m p s , Etymologie II , 65.
274.
ste für iste II, 82.
su ad, Etymologie II, 64.
suavei Locativform I, 219. 271.
338.
suis Accus. Plur. Spätlat. I, 287.
supellectile, irrationale Aus-
sprache II, 118.
sup er eil iura, Etymologie I, 305.
Synkopierte Formen des Perf.
— 490 —
Plusquamperf. Fut. II. II, 26.
Osk. ümbr. Volks. II, 41.
t vor i mit folgendem Vokal as-
sibiliert in der Kaiserzeit I, 22.
69. im Oskischen I, 29. t und
tt schwankend 1 , 69. vor s as-
similiert 1 , 69. abgefallen im
Auslaut von Verba^formen I, 70.
von hau I, 71. matter Ton im
Auslant I, 71. im Auslaut von
Verbalformen zur Bewirkung von
Positionslänge oft nicht ausrei-
chend II, 102.
tabernaculo, irrationale Aus-
sprache II, 118.
talentum, irrationale Ausspra-
che II, 116.
tarne, Etymologie II, 266.
tarnen, irrationale Aussprache II,
95.
tarne tsi II, 95.
Tebere Accus. Sing. Spätlat. I,
269.
th für Griech. & geschrieben I, 7.
Tiefton der Endsilben II, 237.
der Silbe vor der hochbetonten
II, 238. der Silbe nach dersel-
ben II, 239. desgl. in Itali-
schen Dialekten s. Betonung.
Spätlat. die tioftonigen Silben
kurz gesprochen II, 388. 391l
so gemessen in volksthiimliehen
Dichtungen II, 395.
T onanschl u s s Vorstufe zur Com-
positionll, 25-1. Enklitika durch
Tonanschluss an das vorherge-
hende Wort IT, 256. Pronominal
formen : relative II , 258. de-
monstrative II, 265. angefügte
Pronominalsilben II, '272 Con-
junctionen und Partikeln II, 27.").
Präpositionen II, 279. Verbal-
formen II, 280. Nominalformen
II, 283. lose enklitische Wort-
verbindungen und zu untrenn-
baren Compoaiten verwachsene
&
II, 288. Enklitika durch Ton-
anschluss an das folgende Wort
II, 290. Präpositionen II, 29] .
im Griechischen und Deutschen
II, 296. Spätlat. II, 298. Ver-
wachsen derselben zu Composi-
ten II, 299. relative Pronominal-
formen II, 301. demonstrative
II, 302. Conjunctionen II, 303.
Nominalformen II, 308. Adver-
bien II, 311. Tonanschlus an das
folgende Wort im Deutschen und
Griechischen II, 315 in den
Romanischen Sprachen II, 317.
in den Italischen Dialekten: En-
klitika durch Tonanschlus an
das folgende Wort, Oskische
Pronominalformen 11,355. Ver-
balformen, Nominalformen II,
356. Umbrische Pronominalfor-
men II, 357. Präpositionen II,
358. Nominalformen II, 359.
Verbal formen II, 359. Volski-
sche und Sabellische Pronominal-
formen. Verbalformen II, 360.
Enklitika durch Tonanschluss an
das folgende Wort, im Umbri-
schcn: Präpositionen II, 360.
Pronominalformen II, 361. Con-
junctionen II, 361. im Oski-
schen: Präpositionen II, 362.
Pronominalformen. Conjunctio-
nen II. 862.
Tonlagen Lateinischer Worter
im Vergleich zu den Griechischen
II, 133.
u ans a u getrübt I. ITC in Com
positen I , 319. aus ou I, 174.
aus en I. 176. aus oi, oe I, 199.
Griechische Beeeichntmg des u
durch o«, o, v 1 , 150. eigen t
lieber l' Lanl 1. L52. Mittelton
zwischen U und i f. f. u aus o
verdunkelt vor ausbaut, s I, 23".
vor ausbaut m I , 241. Oskisch
491 —
U äits o I, 247. Umbrisch u I,
249. Volskisch I, 250. u vor
Labialen: m I, 252. vor f I,
253. vor und nach b I, 254. aus
o vor 1 I, 255. vor 1 aus Griech.
cc , s 1 , 258. u für o vor 1 mit
folgendem Consonanten I, 259.
für e und a 1 , 259. für o vor
nt I, 260. vor nd I, 262. 280.
vor ns, uc I, 262. vor ng,
nch, 11 I, 263. vor mb, mn,
ml, 264. vor rc,rt, rv, rm,
st, sei, 265. u durch Assimi-
lation entstanden 1 , 306. aus a
abgeschwächt im zweiten Theile
von Compositen I, 314. gekürzt
im Suff, -bus, Altlat. lang I,
359. gekürzt in polypus I,
359. in pa Lii-8 I, 360. im Ver-
balsuffix -in us, Altlat. lang I,
360. gekürzt vor auslaut. m im
Gen. Plur. vor consonantischen
und I-Stämmen I, 367. in inlau-
tenden Wortsilben I, 373. tief
toniges u gekürzt vor folgendem
Vokal II, 157. desgl. hochbeton-
tes u II , 159. u gekürzt im Aus-
laut Iauibiscber Wortfornieu iL,
110. stummes u eingetreten zwi-
schen c und m I, 253. zwischen
c und 1 I, 258. II, 72. stummes u
in anderen Wortformen II, 122.
u fällt aus zwischen cl II, 6.
gl, pl II, 7. bl, tl II, 8. Um-
brisch II, 9. Oskisch II, 10. in
Deminutiven auf -ullo, -ollo,
-illo, -ello, -all© II, 10.
u vor r ausgefallen II, 15. im
ersten Gliede von Compositen II,
45. u fällt ab mit dem s des
Nominativs II, 53. vor demsel-
ben II, 55. mit auslaut. m II,
55. fällt ab im Umbr. und Osk.
II , 68. u nach hochtonigem Vo-
kal fällt aus II, 133. desgl. vor
demselben II, li33» 134. desgl.
vor tieftonigem II, 151. tieftoni-
ges u mit folgendem tieftonigen
Vokal verschliffen II, 167. zu v
verhärtet vor folgendem Vokal II,
167. u mit iolgendem hochbeton-
ten Vokal verschliffen II, 173.
. hochtoniges u mit folgendem Vo-
kal verschliffen II, 176. 178.
auslautendes u mit anlautendem
Vokal des folgenden Wrortes ver-
schliffen II , 189.
-u Dativendung von U- Stämmen
II, 145.
-u-i Endung des Dat. Sing, von
O-Stämmen I, 201.
-u-is Genetivendung von U-Stäm-
men II, 144.
-um Endung s. -um. stumme End-
silbe II, 105. fällt ab II, 55.
- u m Infinitivendung im Osk. Umbr.
Lat. -om Umbr. Volsk. I, 247.
Umstellung von Consonanten I,
79. 92.
u u d e, irrationale Aussprache II, 86.
Etymologie II, 87.
-u-os Endung des Gen. Sing, von
U-Stämmenl, 240. II, 143.
-us Nominative ndung fällt ab II,
53. von Compositen II , 65. 66.
67.
-us stumme Endsilbe II, 107.
-us Endung des Gen. Sing, von
consonantischen und I-Stämmen
I, 240.
usque, Etymologie II, 260.
ut, irrationale Aussprache II, 96.
Etymologie II, 262.
u ter que , Etymologie II, 261.
uti s. ut.
uu zu u verschmolzen II, 165.
-u-us Genetivendung von U-Stäin-
men II, 143.
v, Schriftzeichen desselben I, 132.
Griechische Bezeichnungen 1, 133.
im Anlaut fest I, 134. stösst vor-
- 492 —
hergehendes d , g, f ab I, 134.
zu u erweicht I, 134. 136. fällt
aus nach d, t, s I, 135. wie
Deutsch w gesprochen im Anlaut
und Inlaut neben Consonanten
I, 137. geschwunden im Inlaut
zwischen Vokalen 1 , 137. wei-
cher, dem Englischen w ähn-
licher lautend zwischen Vokalen
I, 139.
•ve, Etymologie II, 63.
-v el , a. 0.
venustates, venustatis, ir-
rationale Aussprache II, 115.
Verg'ili Vocativ , Betonung II,
223.
Vershebung im Widerstreit mit
dem Hochton im lamb. Trimeter
des Aristophanes, des Plautus II,
408. des Terenz II , 409. weni-
ger in späteren Dichtungen II,
409. mehr bei Seneca II, 410.
im Trochäischen Septenar des
Aristophanes, des Plautus II,
412. der Tragiker, des Terenz
II, 413. weniger im Pervigi-
lium Veneris II , 414. ver-
schwindend in spateren Dich-
tungen II , 111. im Hexameter
II , 410. Einklang zwischen
Hochton und Vershebung im
lamb. Senar und Troch. .Septe
nar immer mehr hervoi tredeiul
zuletzt unbedingt II , 417. Ein-
klang nicht absichtlich gesucht
im .Satumier LI, 11'.». nieht im
Ausgang des lamb. Öeuars II,
423. nicht im Ausgang des
Troch. Septenar 8 II. 12 1. uichl
im Troch. Octonar II , 125. nicht
im Ausgang des Hexameters H
127. Cirund des Einklang!
lamb. Senat II, 437. Troch.
Septenar II, 410. Hexameter II.
I lo. allgemein in allen fers
arten II , 1 17. durch Cäsaren
herbeigeführt II, 447. Vershe-
bung und Hochton durch Ton-
länge gebunden II, 436. 451.
Fall der Vershebung auf die
Schlusssilbe zweisilbiger Wort-
formen II, 457. anapästischer
II, 458. auf die vorletzte *Silbe
tribrachvseher II, 460. auf die
letzte -Silbe daktylischer Wort-
formen und Wortausgänge II,
461. auf die letzte Silbe mehr-
silbiger Wörter mit langer Pe-
nultima II , 465. choriambischer
Wortformen II, 466. fünfsilbiger,
die auf einen Ionicus a minori
ausgehen II , 467.
vetu State, irrationale Ausspra-
che II, 115.
vibi, vivi, vibos Spätlat. Ab-
lat. I'lur. 1, 287.
Vokallänge durch doppelte
Schreibung der Vokale ausge-
drüekt I 9, durch hohes I,
I, Ü. durch den Apex I, 10.
langer Vokal vor Vokal gewahrt
durch Vorschieben des Hochto-
nes II , 153. gewahrt in Grie-
chischen Wintern II, 153. durch
Vokalsteigerung entstanden s. d
folg.
Vokalsteig er ung u zu ou, eu,
ö , ü I, 155. i zu oi , oe, ei,
i . e 1 , 156. a /.n i , e zu e, T,
o zu o 1, 157. Vokalst.
rung durch Längung des Stamm-
vokals in Participialformen I,
158. in Perfeotformen I, 159.
Vokalsteigerung durch Nasalie-
rung I, 160.
v ol un tat e. irrational* Aussprache
II, 118.
volu p t al e m . desgL 11, 117.
\ uichl ursprünglich im Lateini-
schen Alphabet 1 . 4. durch z -
ausgedrückt 1. \'2 I. i d
493
I, 125. Spätlat. wie s oder ss ge-
sprochen I, 125.
y seit Ciceros Zeit gesehrieben I,
15.
z hn Altlateinischen Alphabet I,
4. 122. seit Ciceros Zeit wie-
der gebrauchlich I, 15. Oskisch
und Umbriach I, 122. Lat.
durch s und ss ausgedrückt I,
122. z Spätlat. für di I, 77.
123. für j I, 123. Mittellaut
zwischen D-Laut und Zischlaut
I, 123.
Zahlwörter, Etymologie II, 47.
In halt.
D. Tilgung- der Vokale g j
1) Ausfall der Vokale
b) Vokalausfall in der Compositiän . . 42
2) Abfall der Vokale '.'.'.'. 53
E. Irrationale Vokale \ 79
1) Irrationale Vokale vor Consonanten 71
2) Irrationale Vokale vor Vokalen 127
a) Vokalverschmelzung im Inlaut 131
(ZvvaiQEOis, 2vvi"£r]6ig.)
b) Vokal verschleifung im Auslaut 185
(UvvccloLcpij.)
III. Betonung 201
A. Das jüngere Betonungsgesetz 201
1) Tonstufen 203
2) Der Hochton 206
a) Der scharfe Hochton 200
b) Der gebrochene Hochtou 208
c) Zusammengesetzte Hochtöne 210
d) Stelle des Hochtones 214
<x) Regelmässige Stellung des Hochtons 214
ß) Der Hochton auf der Endsilbe.
(Perispomena) 210
y) Der Hochton auf der vorletzten kurzen Silbe.
(Paroxytona) ; 22;{
ö) Stelle des Hochtones in Fremdwörtern .... 225
3) Der Tiefton 237
4) Der Mittelton 242
5) Tonhöhe und Tondauer 248
6) Tonanschluss 254
a) Tonanschluss an das \ 01 hergehende Wort 256
b) Tonanschluss an das folgende Wort 290
B. Das ältere Betonungsgesetz 321
C. Betonung der -Italischen Dialekte , 338
a) der Iloehton im Worte 338,
b) Tonanschluss in den Italischen Dialekten 355
D. Spuren Altgriechischer Betonung 302
E. Verhältniss der Lateinischen Betonungsweise zur Betonung
verwandter Sprachen 381
F. Betonung der Spätlateinischen Volkssprache 387
IV. Wortbetonung und Versbau 1011
A. Zwiespalt zwischen Hoohton und Vershebung 106
B. Hochton und Vershebung durch Tonlänge gebunden . . . 117
C. Folgerungen für die Philologisch - kritische Behandlung der
Altröinischen Poesie 154
".
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